Das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Computerspielen im Spiegel des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB und des Jugendmedienschutzes [1 ed.] 9783428588343, 9783428188345

Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen finden vielfach Eingang in moderne Computerspiele. Die mannigfaltige Impl

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German Pages 2 [412] Year 2023

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Das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Computerspielen im Spiegel des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB und des Jugendmedienschutzes [1 ed.]
 9783428588343, 9783428188345

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Schriften zum Strafrecht Band 414

Das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Computerspielen im Spiegel des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB und des Jugendmedienschutzes Von

Sebastian Berndt

Duncker & Humblot · Berlin

SEBASTIAN BERNDT

Das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Computerspielen im Spiegel des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB und des Jugendmedienschutzes

Schriften zum Strafrecht Band 414

Das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Computerspielen im Spiegel des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB und des Jugendmedienschutzes

Von

Sebastian Berndt

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Potsdam hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2023 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: L101 Mediengestaltung, Fürstenwalde Druck: CPI books GmbH, Leck Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-18834-5 (Print) ISBN 978-3-428-58834-3 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Wintersemester 2022/2023 von der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam als Dissertation angenommen. Rechtsprechung und Literatur wurden bis einschließlich Oktober 2021 berücksichtigt. Als ich mich im Januar 2019 dem Thema zuwandte, stellte sich mir die Materie als eine nahezu eingefrorene juristische Diskussion dar, die bereits in ihren Grundzügen von der einzigen strafgerichtlichen Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt a. M. aus dem Jahre 1998 geprägt war. Erst die neueren Entwicklungen im Bereich der Computerspiele fachten auch den fachlichen Austausch um § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB mit Bezug zum Medium des Computerspiels neu an. Während der Zeit meiner Forschung offenbarten sich die vielfältigen Verflechtungen des strafrechtlichen Kennzeichenverbots mit grundrechtlichen, jugendschutzrechtlichen und medienrechtlichen Bezügen, die im Rahmen einer umfassenden Beleuchtung des Themas nicht unberücksichtigt bleiben durften. Fortwährende Gesetzesänderungen im Bereich des Jugendmedienschutzes, des Strafanwendungsrechts und des strafrechtlichen Kennzeichenverbots selbst ließen die Thematik vermehrt in einem aktuellen Gewand erscheinen, wobei der Gesetzgeber teilweise offensichtlich die hiesigen Problemschwerpunkte nicht vor Augen hatte. Daher verschoben sich die juristischen Schwerpunkte lediglich, gelöst wurden sie nicht. Hinzu kam insbesondere die Herausforderung des internetspezifischen Gepräges des Untersuchungsgegenstandes. Die gesetzgeberischen Tätigkeiten und die neu aufkommende Aktualität der Kennzeichenverwendung in Computerspielen führten letztlich zu einer nicht nur von stetigem Fortschritt geprägten Zeit, sondern auch zu erheblichen Kraftanstrengungen und mentalen Hürden in der Bearbeitung. Zugleich vermochte aber die mir von vielen Seiten in fachlicher und persönlicher Hinsicht zu Teil gewordene Unterstützung ein belastbares Fundament zu gießen, auf dessen Festigkeit die Arbeit im Ergebnis ihren erfolgreichen Abschluss fand. Daher gilt besonderer Dank meinem Doktorvater, Herrn Professor Dr. Wolfgang Mitsch, der sich nicht nur die umfassende Betreuung meines Themas zur Aufgabe nahm, sondern auch im Zuge fortwährender Gesprächsund Diskussionsbereitschaft eine wesentliche Grundlage zum fachlichen Fortschritt der Arbeit lieferte. Letztlich inspirierte mich die jahrelange ver-

8 Vorwort

trauensvolle Zusammenarbeit an seinem Lehrstuhl zu der Arbeit. Denn erst die Vielzahl juristischer Besprechungen aus dem Themengebiet des Medienstrafrechts ließen mein vertieftes Interesse an der strafrechtlichen Beurteilung bestimmter Medienarten vor dem Hintergrund eines abstrakten Gefährdungsdelikts entstehen. Weiterer Dank gilt meiner Zweitkorrektorin, Frau Professorin Dr. Anna Albrecht, die einerseits ein schnelles und umfassendes Gutachten erstellte, andererseits auch mit juristischem Rat den Fortschritt der Arbeit förderte. Insbesondere stand sie für den kurzfristigen Austausch im Zuge sich anbahnender Gesetzesänderungen zur Verfügung und unterstützte mich wesentlich bei der Umsetzung der neuen Gesetzeslage. Ferner möchte ich meiner Familie an dieser Stelle meinen persönlichen Dank aussprechen. Für die dauerhafte Bereitschaft zur fachlichen Diskussion danke ich meiner Partnerin, Frau Lara Behrens, LL.M. Zu jeder Tages- und teilweise auch Nachtzeit leistete sie als meine erste Anlaufstelle für juristische Probleme aller Art unermüdlich wertvolle Beiträge. Erst die täglichen Gespräche vermochte einige Sackgassen in der Bearbeitung aufzudecken und den richtigen Pfad offenzulegen. Nicht zuletzt hielt sie mir über die gesamte Zeit auch privat den Rücken frei. Meinem Bruder, Herrn Dr. Stephan Berndt, danke ich für umfangreiche Hinweise zur effizienten Arbeitsweise, die intensive fachliche Bereicherung und Anregungen im Bereich des strafanwendungsrechtlichen Erfolgs­ ortes und der Sozialadäquanz. Darüber hinaus danke ich meinen Eltern, die mich nicht nur mit stetigem Interesse am Fortgang der Arbeit begleiteten, sondern mir ununterbrochen Mut zur Vollendung des Themas zusprachen. Schlussendlich ermöglichten sie auch durch ihren finanziellen Rückhalt die mehrjährige Bearbeitung des Themas und trugen damit mehr als unerheblich zum Erfolg der Arbeit bei. Sie alle übernahmen die unerlässliche und gleichermaßen anstrengende Aufgabe des Korrekturlesens und halfen zudem dabei, die eine oder andere komplizierte Satzkonstruktion in ein sprachlich tragfähiges Gerüst umzusetzen. Auch sei allen Freunden und Kollegen, die meine Freizeit bereicherten – sei es durch das Interesse an der Arbeit oder die gezielte Ablenkung von derselben – an dieser Stelle mein Dank ausgesprochen. Potsdam, im Dezember 2022

Sebastian Berndt

Inhaltsverzeichnis

Einleitung 

23



Gang der Untersuchung 

26

Kapitel 1

Das Computerspiel als Untersuchungsgegenstand 

28

A. Begriffsverständnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 B. Historischer Abriss des Computerspiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 29 C. Aktuelle Entwicklungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 D. Veröffentlichung von Computerspielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vertrieb des Datenträgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Online-Vertrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vertrieb des Computerspiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Modifikationseditor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

33 33 33 33 34

E. Die beteiligten Akteure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Entwickler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Verkäufer und Betreiber von Spieleplattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rezipienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35 35 35 36

F. Medienspezifische Merkmale des Computerspiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Elemente des Einzelspielermodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Elemente des Mehrspielermodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kompetitiver und kooperativer Mehrspielermodus . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Technische Struktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Client-Server-Architektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Peer-to-peer-Architektur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37 37 38 39 40 40 41

G. Ausgewählte Vertreter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. „Call of Duty – World at War“ (2008) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Der Einzelspielermodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Der Mehrspielermodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Historische Bezüge und Kennzeichenimplementierung . . . . . . . . . . . . II. „Attentat 1942“ (2017) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Hintergrund des Spiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das Spielsystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

41 42 42 43 44 45 45 46

10 Inhaltsverzeichnis 3. Historische Bezüge und Kennzeichenimplementierung . . . . . . . . . . . . 48 H. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 Kapitel 2

Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB im Spiegel der Kennzeichenimplementierung im Computerspiel 

50

A. Die „Wolfenstein-Entscheidung“ des OLG Frankfurt a. M. . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Entscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Dogmatik des sektoralen Totalverbots  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutzzweckspezifische Bedenken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Jugendschutz als Grundlage des Verbotsdogmas . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konsequenzen eines sektoralen Totalverbots . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

50 50 52 53 54 56

B. Der Schutzzweck des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Gesetzgeberische Intentionen zum Kennzeichenverbot . . . . . . . . . . . . . . . 1. Gesetzeshistorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gesetzeshistorische Zielrichtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Schutzzweckdebatte in Spruchpraxis und Literatur . . . . . . . . . . . . . . 1. Schutz des politischen Friedens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Die freiheitlich demokratische Grundordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Weitere Schutzzweckerwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Systematische Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsgutsverletzung durch Kennzeichen in Unterhaltungsmedien? . . 3. Das Doppelrechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Völkerverständigung und andere Schutzzweckerwägungen . . . . . . . . . 5. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58 58 58 59 61 61 62 63 64 64 67 68 75 76

C. Tatobjekte und Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGBim Lichte der Kennzeichenimplementierung in Computerspielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 I. Tatobjekt: NS-Kennzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 1. Originale NS-Kennzeichen in Computerspielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 a) Historischer Organisationsbezug . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 b) Kennzeichenqualität unbekannter Symbole in Computerspielen  . 80 2. Modifizierte Symbole in Computerspielen, § 86a Abs. 2 S. 2 StGB . . 83 3. Reaktionen in der Computerspielindustrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 II. Die Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 1. Rechtslage vor Inkrafttreten des 60. StrRÄndG . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Die Novellierung des 60. StrRÄndG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 a) Folgen der telelogischen Umstrukturierung der Tathandlungen . . . 93 b) Der Vertrieb von Computerspielen als Tathandlung . . . . . . . . . . . . 94 aa) Das internetbasierte Anbieten des Spielinhalts . . . . . . . . . . . . . 94 bb) Das Auslegen und Verkaufen der Datenträger . . . . . . . . . . . . . 95

Inhaltsverzeichnis11 3. Straflose Akte des Verwendens der Kennzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Limitierungsvorschläge der Spruchpraxis und Literatur . . . . . . . . . b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Sektorale Zulässigkeit für „neutrale Computerspiele“? . . . . . . bb) Teleologisches Restriktionserfordernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Teleologische Tatbestandsreduktion für die Vermarktung von Computerspielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Systematische Neuordnung der Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Massenhafte Kommerzialisierung von Computerspielen . . . . . cc) Computerspielinhalte in Bezug auf § 86 StGB . . . . . . . . . . . . dd) Maßstab der wahrnehmbaren kommunikativen Gesamtstruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

96 96 99 99 101 102 102 103 104 106

D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 Kapitel 3

Strafanwendungsrechtliche Herausforderungen im Rahmen downloadbasierter Vertriebswege des Computerspiels  113

A. Internationale Vermarktung des Computerspiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 I. Geoblocking im europäischen Binnenmarkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 II. Nationale Kompetenzregelungen des Strafanwendungsrechts . . . . . . . . . . 116 1. Der Vertrieb von Computerspielen aus dem Ausland im Lichte des § 5 Nr. 3 lit. b) StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 a) Dogmatische Reichweite des § 5 Nr. 3 lit. b) StGB . . . . . . . . . . . . 117 b) Wahrnehmbarkeit im Inland als völkerrechtlich legitimierender Anknüpfungspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 c) Systematische Kollision mit dem tatbestandsimmanenten Inlandsbezug des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 aa) Der Inlandsbezug als räumliche Limitierung der Handlungsvornahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 bb) Der Inlandsbezug als Verweis auf die Kennzeichenwirkung  . 123 cc) Der Inlandsbezug als Verweis auf den räumlichen Geltungsbereich des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 d) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 2. Inlandsbezug nach dem Territorialitätsprinzip  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 a) Der Handlungsort, § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 aa) Keine internetspezifische Korrektur des Handlungsortes . . . . 128 bb) Der Upload von Computerspielen aus dem Ausland als Exklave deutscher Strafgewalt? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 b) Der Erfolgsort, § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 aa) Das klassische Verständnis des Erfolgsortes . . . . . . . . . . . . . . 132 bb) Höchstrichterliche und obergerichtliche Spruchpraxis zu § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134

12 Inhaltsverzeichnis cc) Moderne Interpretationsansätze internetbasierter abstrakter Gefährdungsdelikte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (1) Die Wahrnehmbarkeit des Spielinhalts als strafanwendungsrechtlicher Erfolgsort des § 86a StGB . . . . . . . . . . . (a) Ansätze der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . (2) Eintritt der konkreten Gefährdung als Erfolg . . . . . . . . . . (3) Der Erfolgsbegriff der Unterlassungsdogmatik . . . . . . . . . (4) Tathandlungserfolg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Konsequenzen für Computerspiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Veröffentlichungspraxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Modifikationen und Let’s Play-Videos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

135 136 136 140 146 148 150 151 153 153 154

B. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 Kapitel 4

Die Kennzeichenverwendung im Computerspiel vor dem Hintergrund der Sozialadäquanzklausel  157

A. Aktuelle Entwicklungen zur Anwendung der Sozialadäquanzklauselbei Computerspielinhalten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 I. „Bundesfighter II – Turbo“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 II. „Wolfenstein – Youngblood“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 III. Stand der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 1. Ablehnung der Sozialadäquanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 2. Computerspiele im Rahmen der Kunst oder der ähnlichen Zwecke  . 159 a) Arg. e künstlerischer Schaffensprozess . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 b) Arg. e intermediale Vergleichbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 c) Arg. e gegnerschaftliche Ausrichtung des Spielersubstituts . . . . . . 161 d) Arg. e Massenhaftigkeit oder dramaturgisches Beiwerk . . . . . . . . . 162 e) Arg. e soziale Unauffälligkeit und gesellschaftliche Akzeptanz . . . 163 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 IV. Zweckidentifizierung von NS-Symbolen in Computerspielen  . . . . . . . . . 164 1. Typisierte Zwecksetzungen innerhalb des linearen Einzelspielermodus und des kooperativen Mehrspielermodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 a) Legitimation des Spielauftrags im Zuge der linearen Gegnerschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 b) Dämonisierungszwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 c) Authentizitätssteigerung des historischen Gesamtsettings . . . . . . . . 167 d) Propagandistische Beeinflussung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 e) Wissensvermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 2. Typisierte Zwecksetzungen innerhalb des kompetitiven Mehrspielermodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

Inhaltsverzeichnis13 a) Gewinnmaximierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169 b) Entertainment . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 V. Konsequenzen für die Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 I. Legislatorische Überlegungen zur Sozialadäquanzklausel . . . . . . . . . . . . . 171 II. Die Lehre der Sozialadäquanz als terminologische Grundlage des § 86 Abs. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 III. Die dogmatische Verortung des § 86 Abs. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 IV. Regelbeispiele des § 86 Abs. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 1. Staatsbürgerliche Aufklärung und Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 2. Wissenschaft, Forschung und Lehre . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 3. Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 a) Der verfassungsrechtliche Kunstbegriff . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 b) Bedeutung des § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB für Computerspielinhalte . 181 4. Berichterstatterprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 5. Ähnliche Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 6. Dienen  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 V. Teleologische Ausrichtung des § 86 Abs. 3 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 190 1. Mangelnde abstrakte Gefährdung als Abgrenzungsmerkmal . . . . . . . . 190 2. Lehre Welzels als Auslegungsmaxime? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 a) Kritik an der Rechtsfigur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 b) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3. Ausschluss massenhafter Kennzeichenimplementierung? . . . . . . . . . . . 197 4. Erkennbare Distanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 VI. Die Frage nach der Unzulässigkeit des kompetitiven Mehrspielermodus . 204 1. Die gezielte Spielbarkeit auf Seiten der Kennzeichenvertreter . . . . . . 204 2. NS-Symbole als dramaturgische Begleiterscheinung der virtuellen Spielwelt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 a) Der zusätzliche kompetitive Mehrspielermodus . . . . . . . . . . . . . . . 206 b) Verzicht auf den Einzelspielermodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 3. Kommunikationslimitierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 C. Die Anwendung der Regelbeispiele des § 86 Abs. 3 StGB auf die computerspielinterne Verwendung von NS-Symbolik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Staatsbürgerliche Aufklärung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Kunst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Künstlerische Aspekte des Computerspiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Künstlerisches Gestaltungselement oder Entertainment . . . . . . . . . . . . a) Realitätsnahes Gesamtsetting . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Fiktionales Alternativweltszenario . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Spielinterne Neuinterpretation des Kennzeichens . . . . . . . . . . . . . .

213 213 215 216 219 221 222 223

14 Inhaltsverzeichnis 3. Kommunikatives Übergewicht des Mehrspielermodus . . . . . . . . . . . . . 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Ähnliche Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Kasuistik der ähnlichen Zwecke . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Entertainment als ähnlicher Zweck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Wortlaut „Entertainment“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Medienkonvergenz als Grundlage der Unterhaltungszwecke . . . . . aa) Entertainment durch Kennzeichen in Spielfilmen . . . . . . . . . . bb) Intermediale Vergleichbarkeit im Hinblick auf die gesamtmediale Kennzeichenverwendung in linearen und kompetitiven Spielmodi . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Reduziertes Missbrauchsrisiko . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Werbung durch Covergestaltungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

224 228 228 229 232 232 233 235 236 239 240

D. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 242 Kapitel 5

Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen an die Kennzeichenverwendung in Computerspielen 

244

A. Die Reichweite des Jugendschutzes in Bezug auf Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 I. Praktische Dimensionen des Jugendmedienschutzes für Anbieter von Computerspielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 II. Rechtliche Dimensionen des Jugendmedienschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 1. Verfassungsrechtliche Dimension . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246 2. Einfachgesetzliche Binnensystematik des Jugendmedienschutzes . . . . 247 3. § 86a StGB im systematischen Gefüge des Jugendmedienschutzes . . . 249 a) Computerspiele mit NS-Kennzeichen als Trägermedium . . . . . . . . 250 aa) Die Vertriebsvoraussetzung des Alterskennzeichnungsverfahrens  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 250 bb) „Wolfenstein II – The New Colossus“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 b) Kennzeichenbeinhaltende Computerspiele als Telemedien . . . . . . . 253 aa) Vertriebs- und Vermarktungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . 253 bb) Die Indizierungsbefugnis der Bundeszentrale für Kinderund Jugendmedienschutz für Telemedien . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 4. Jugendmedienschutzrechtliches Konvergenzgefüge . . . . . . . . . . . . . . . 256 5. Maßstäbe der Jugendgefährdungseignung an mediale Inhalte . . . . . . . 258 a) Jugendgefährdung und Entwicklungsbeeinträchtigung . . . . . . . . . . 258 b) Der gefährdungsgeneigte Jugendliche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 c) Rudimentärdaten der Medienwirkungsforschung als Grundlage der Jugendgefährdungseignung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264

Inhaltsverzeichnis15 aa) Modelle und Wirkungsfaktoren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Wirkungsspezifischer Sonderstatus des Computerspiels . . . . . cc) Die jugendschutzrechtliche Bewertung der USK . . . . . . . . . . . III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

265 270 271 272

B. Die jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen in Computerspielen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 I. Jugendgefährdungseignung durch Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 1. § 86a StGB als absolute Unzulässigkeitsgrenze . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 2. Kontrollüberlegung: Unbekannte modifizierte Kennzeichen i. S. d. § 86a Abs. 2 S. 2 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 3. Tatbestandliche Ausprägungsmerkmale der Jugendgefährdung . . . . . . 279 4. Das Eignungserfordernis zur Jugendgefährdung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 5. Verharmlosung und Verherrlichung der NS-Ideologie durch NSKennzeichen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 285 6. Mediale Wirkungsmacht der NS-Kennzeichen im Computerspiel . . . . 287 a) Dynamische Einbettung von NS-Symbolen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 287 b) Realitätsnähe und historisch-kontextuelle Einbettung . . . . . . . . . . . 288 aa) Realitätsnähe als Indizierungsfaktor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 288 bb) Übertragbarkeit auf die Kennzeichenverwendung? . . . . . . . . . 290 c) Lineare Gut-Böse-Zeichnung unter Beibehalt des verbrecherischen Bedeutungsgehalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 292 d) Macht und Kontrolle  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 293 e) Gezielte Spielbarkeit der Kennzeichenvertreter . . . . . . . . . . . . . . . . 294 f) Kennzeichen als dramaturgische Begleiterscheinung des kompetitiven Mehrspielermodus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296 g) Abweichende Lösungsmodelle für kompetitive Computerspiele  . 297 h) Jugendaffinität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 299 i) Intermediale Vergleichbarkeit zu Filmwerken . . . . . . . . . . . . . . . . . 300 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 II. Tendenzschutzklausel, § 18 Abs. 3 JuSchG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 1. Verfassungsrechtliche Kollisionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 304 2. Kunstdienlichkeit im Zuge des § 18 Abs. 3 Nr. 2 Var. 1 JuSchG  . . . . 306 3. Strafrechtliche Sozialadäquanz als Gradmesser des Tendenzschutzes?  308 4. Grundsätze der Abwägung zwischen Jugendschutz und Kunstfreiheit hinsichtlich der Kennzeichenverwendung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 310 III. Konsequenzen der Eigenständigkeit des Jugendmedienschutzes und des Strafrechts in Bezug auf NS-Symbole in Computerspielen . . . . . . . . . . . 311 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 312

16 Inhaltsverzeichnis Kapitel 6

Übertragung der Ergebnisse auf die gewählten Vertreter 

A. „Call of Duty – World at War“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Die Strafbarkeit der Kennzeichenverwendung nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Keine teleologische Tatbestandsreduktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Tatbestandsausschluss im Wege der Sozialadäquanzklausel . . . . . . . . . II. Exemplarische Gefährdungsprognose gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG  .

313 313 314 314 315 318

B. „Attentat 1942“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 I. Die Strafbarkeit der Kennzeichenverwendung nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 321 II. Gefährdungsprognose  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 C. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 324 Kapitel 7

Strafrechtliche Haftungsrisiken 

A. Die strafrechtliche Haftung der Entwickler . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Objektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Herstellen, § 86a Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sozialadäquanzklausel und teleologische Tatbestandsreduktion . . . . . . II. Subjektiver Tatbestand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Modifikationseditor . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

325 325 325 325 327 327 328 329

B. Strafrechtliche Haftung des Verkäufers durch den Vertrieb inkriminierter Datenträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 329 I. Verbreiten durch den Verkauf des inkriminierten Inhalts . . . . . . . . . . . . . 329 II. Vorsatz und die strafrechtliche Wirkung der Altersfreigabekennzeichnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 330 C. Strafrechtliche Haftung des Betreibers von Spieleplattformen . . . . . . . . . . . . I. Aufnahme inkriminierter Inhalte in das Angebot  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Täterschaft oder Teilnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Das TMG als Vorfilter? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Strafrechtliche Haftungsprivilegierung des TMG . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Spruchpraxis und Literatur zum Merkmal des Zu-eigen-Machens fremder Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Wertungen des Jugendmedienschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Stellungnahme für Spieleplattformbetreiber . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Spieleplattformen als Host-Provider . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Neubewertung durch § 14a JuSchG? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

333 333 333 335 336 336 339 339 339 344

Inhaltsverzeichnis17 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit natürlicher Personen im Unternehmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 5. Keine positive Kenntnis durch das Anbieten inkriminierter Inhalte  . 347 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348 II. Beihilfestrafbarkeit nach positiver Kenntnisnahme des Inhalts . . . . . . . . . 349 1. Reichweite der positiven Kenntnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 350 a) Positive Kenntnis hinsichtlich der rechtswidrigen Information . . . 350 b) Vertriebsfähigkeit kennzeichenbeinhaltender Computerspiele  . . . . 352 2. Akzessorietät der Beihilfehandlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 353 3. Garantenstellung des Plattformbetreibers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 a) Überwachergarantenstellung ab positiver Kenntnis . . . . . . . . . . . . . 359 b) Ingerenzhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 362 III. Täterschaft bei positiver Kenntnis? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 IV. Kontrollüberlegung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 V. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 366 D. Strafrechtliche Haftung des Spielers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Modifikationen des Computerspiels . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Nutzung eines inkriminierten Spielinhalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Upload eines Let’s Play-Videos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Nicht inkriminierte Computerspiele als Grundlage strafbarer Let’s Play-Videos  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Restriktive Erwägungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Let’s Play-Videos als eigenständiger medialer Inhalt . . . . . . . . . . . 2. Irrtumskonstellationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Betreiber von Videostreamingplattformen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

367 367 369 371 371 371 372 376 376

E. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 376 F. Exkurs: NetzDG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 377

Fazit 

379



Anhang 

384

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 387 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 405

Abkürzungsverzeichnis a. A. andere Auffassung Abb. Abbildung ABL. Amtsblatt Abs. Absatz a. F. alte Fassung AG Amtsgericht ähnl. ähnlich a. M. am Main Anm. Anmerkung AnwK AnwaltKommentar AöR Archiv des öffentlichen Rechts A-R/C Auer-Reinsdorff/Conrad Arg. e argumentum e Art. Artikel AT Allgemeiner Teil Az. Aktenzeichen BayObLG Bayerisches Oberstes Landesgericht BayObLGSt Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen Bd. Band BeckOGK beck-online.Grosskommentar BeckOK Beck’scher Online-Kommentar BeckRS beck-online.de-Rechtsprechung Beil. Beilage Beschl. Beschluss BGBl. Bundesgesetzblatt BGH Bundesgerichtshof BGHSt Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Strafsachen BGHZ Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen BPjM Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien BRD Bundesrepublik Deutschland BR-Drs. Drucksachen des Deutschen Bundesrats BT Besonderer Teil

Abkürzungsverzeichnis19 BT-Drs.

Drucksachen des Deutschen Bundestages

BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerfGK

Kammerentscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

B/W/M/E Baumann/Weber/Mitsch/Eisele bzw. beziehungsweise ca. circa CR

Computer und Recht

ders. derselbe dies. dieselbe diff. differenzierend DRiZ

Deutsche Richterzeitung

ECRL E-Commerce-Richtlinie EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

Einl. Einleitung Entsch. Entscheidung EU

Europäische Union

EuGH

Europäischer Gerichtshof

e. V.

eingetragener Verein

f. folgende FDJ

Freie Deutsche Jugend

ff.

fortlaufend folgende

FS Festschrift FSK

Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft

GA

Goltdammer’s Archiv für Strafrecht

GB Gigabyte GG Grundgesetz GjS

Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften

GRUR

Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht

GS Gedächtnisschrift HB Handbuch HRRS

Onlinezeitschrift für Höchstrichterliche Rechtsprechung zum Strafrecht

Hrsg. Herausgeber HS Halbsatz H/S/H Hoeren/Sieber/Holznagel

20 Abkürzungsverzeichnis Inc. incorporated i. S. d.

im Sinne der (des)

IuKDG

Informations- und Kommunikationsdienstegesetz

i. V. m.

in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter

JMS-Report

Jugend Medien Schutz-Report

JMStV Jugendmedienstaatsvertrag JÖSchG

Gesetz zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit

JR

Juristische Rundschau

JURA

Juristische Ausbildung

jurisPK

juris PraxisKommentar

JuS

Juristische Schulung

JuSchG Jugendschutzgesetz JZ Juristenzeitung Kap. Kapitel KG Kammergericht KJM

Kommission für Jugendmedienschutz

KK

Karlsruher Kommentar

K&R

Kommunikation und Recht

KRiPoZ

Kriminalpolitische Zeitschrift

krit. kritisch KZ Konzentrationslager LG Landgericht lit. littera LK

Leipziger Kommentar

MAH

Münchener Anwaltshandbuch

MMR

Multimedia und Recht

MMR-Beil.

Multimedia und Recht-Beilage

M/R Matt/Renzikowski MüKo

Münchener Kommentar

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

NetzDG Netzwerkdurchsuchungsgesetz n. F.

neue Fassung

NJ

Neue Justiz

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

NK

Nomos Kommentar

Nr. Nummer NS Nationalsozialismus

Abkürzungsverzeichnis21 NSDAP

Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei

NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

NStZ-RR

Rechtsprechungs-Report Strafrecht

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NVwZ-RR

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Rechtssprechungs-Report

OLG Oberlandesgericht OLJB

Oberste Landesjugendbehörden

OVG Oberverwaltungsgericht P&K

Politik und Kultur

PraxisHB Praxishandbuch R/B/D Ridder/Breitbach/Deiseroth RGSt

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen

Rn. Randnummer RStGB Reichsstrafgesetzbuch S. Seite Sch/Sch Schönke/Schröder SGB Sozialgesetzbuch SK

Systematischer Kommentar

sog. sogenannt SS Schutzstaffel S/S/W Satzger/Schluckebier/Widmaier StA Staatsanwaltschaft StGB Strafgesetzbuch StGB-E

Entwurf zum Strafgesetzbuch

StIGH

Ständiger Internationaler Gerichtshof

StPO

Strafprozessordnung

StrRÄndG Strafrechtsänderungsgesetz StV Strafverteidiger TDG Teledienstegesetz TMG Telemediengesetz UdSSR

Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken

UrhG Urheberrechtsgesetz UrhR Urheberrecht Urt. Urteil USK

Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle

USK-Grds.

Grundsätze der USK

v. vom/von Var. Variante

22 Abkürzungsverzeichnis VerbVerbG Verbringungsverbotsgesetz VersG Versammlungsgesetz VersR Versammlungsrecht VG Verwaltungsgericht vgl. vergleiche Vorb. Vorbemerkungen W/B/S Wessels/Beulke/Satzger W/J/S Wabnitz/Janovsky/Schmitt ZIS Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik ZJS Zeitschrift für das Juristische Studium ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZStW Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft ZUM Zeitschrift für Urheber- und Medienrecht zust. zustimmend

Einleitung Produktionen der Computerspieleindustrie erzielen als fest etablierter Bestandteil der medialen Unterhaltungswelt höhere Umsatzzahlen als die Filmund Kinoindustrie.1 Wurde zu Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Filmwerken bisweilen kaum eine strafrechtliche Diskussion angestrengt, zeichnet sich für die Implementierung der identischen Kennzeichen in das Medium der Computerspiele ein anderes Bild ab. Längst bilden moderne Computerspielinhalte realistisch anmutende Szenen und Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs ab.2 Exemplarisch genannt seien: „Eastern Front 1941“ (1981), „Company of Heroes“ (2006), „Call of Duty – World at War“ (2008), „Company of Heroes 2“ (2013), „Call of Duty – World War 2“ (2018) und „Battlefield V“ (2018), aber auch propagandistische Amateurproduktionen wie „KZ-Manager Millennium“. So verwundert es wenig, dass auch Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen – vorwiegend solche aus der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft – Eingang in die virtuellen Darstellungen digitaler Spiele gefunden haben. Spiele wie „Call of Duty – World at War“ werden international gewinnorientiert vertrieben.3 In der 2008 vom Entwicklerstudio Treyarch4 erschienenen und international vertriebenen Originalfassung fehlten die zur Zeit des Nationalsozialismus verwendeten Zeichen – allem voran das Hakenkreuz – nicht. 1  Baumann/Hofmann, ZUM 2010, 863; Brüggemann, CR 2015, 697; Hilpert, BPjM-Aktuell 4/2006, 4; Kaczmarek, Gegnerschaft im Computerspiel, S. 11; Katko/ Maier, MMR 2009, 306; im Jahr 2020 ließ sich der in Deutschland erzielte Gesamtumsatz mit Videospielen auf 5,276 Milliarden Euro beziffern. Die Umsatzzahlen zeigen einen kontinuierlichen Anstieg: vgl. https://de.statista.com/statistik/daten/ studie/317808/umfrage/umsatz-im-markt-fuer-computer-und-videospiele-in-deutsch land/ (Stand: 16.07.2021); teilweise wurde bereits für das Jahr 2019 von einem Gesamtumsatz von mehr als 6,2 Milliarden Euro berichtet, siehe Jahresreport der deutschen Games-Branche, S. 14  f., abrufbar unter: https://www.game.de/wp-content/ uploads/2020/08/game-Jahresreport-2020.pdf (Stand: 16.07.2021). 2  Gieselmann, Der virtuelle Krieg, S. 69 f.; Koopmann, in: Baeck/Speit, Rechte Ego Shooter, S. 153, 170; Pfister, in: Krieg und Spiele, S. 9; Standke, in: Weltkriegsshooter, S. 46, 49. 3  Bereits 2009 verkaufte sich das Spiel weltweit über 11 Millionen Mal und erzielte somit Umsätze in dreistelliger Millionenhöhe, vgl. Wilke, PC Games, abrufbar unter: http://www.pcgames.de/Call-of-Duty-World-at-War-Spiel-19665/News/Call-ofDuty-World-at-War-dt-Verkaufszahlen-687359/ (Stand: 16.07.2021). 4  Als Tochterfirma der Activision Inc. war das Unternehmen federführend für die Programmierung verantwortlich.

24 Einleitung

Die Facetten der Kennzeichenverwendung in Computerspielen zeigen sich zudem in modernen Spieleentwicklungen, die inhaltlich keinen Bezug zur historischen Realität aufbauen, den Inhalt dennoch mit der Symbolik aufladen. So flankieren Hakenkreuze und doppelte Sigrunen auch Spielinhalte mit dystopischem Alternativweltszenario, wie beispielweise „Wolfen­stein“ (2009), oder „Wolfenstein II – The New Colossus“ (2017). Spätestens im Jahre 1998 erlangte die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Computerspielen auch Bedeutung für die strafgerichtliche Praxis. Das von historischen Zusammenhängen fern bleibende Computerspiel „Wolfenstein 3D“ stellte die Schnittstelle zwischen dem Unterhaltungsmedium des Computerspiels und dem Staatsschutzdelikt5 des § 86a StGB dar.6 Als bisher einziger strafrechtlicher Beschluss zu der Thematik wurde die Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. zum Ausgangspunkt für die Entfernung von NS-Kennzeichen aus Computerspielen durch die Hersteller, welche die Entscheidung als medienspezifisches Totalverbot wahrnahmen.7 Seither sind auf dem deutschen Computerspielmarkt kaum Spiele mit nationalsozialistischer Symbolik zu finden.8 Indes ließen sich keine Auswirkungen auf die Unterhaltungsfilmindustrie erkennen. So finden sich Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Filmwerken, wie „Inglourious Basterds“ (2009) oder „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ (1989), die zur besten Sendezeit in Deutschland regelmäßig ausgestrahlt werden, ohne bisher eine strafgerichtliche Entscheidung zu provozieren.9 Eine konsequente sowie dogmatisch überzeugende Lösung für einen rechtssicheren Umgang mit Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ist bisher nicht gefunden. Dass es sich dabei nicht um ein rein rechtstheoretisches Problem handelt, beweisen die wiederkehrenden Computerspielproduktionen international agierender Softwarehersteller und das kaum ab­ ebbende Interesse an der Implementierung verfassungswidriger Symbolik.10 Auch strafrechtswissenschaftliche Betrachtungen des Online- und OfflineGaming unter Berücksichtigung der §§ 86, 86a StGB sind eher eine Ausnah-

5  Statt

vieler Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86a Rn. 1. Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356. 7  Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 416; „Call of Duty – World at War“, „Wolfenstein“ und „Wolfenstein II: The New Colossus“ sind nur einige Vertreter zahlreicher Computerspiele, in denen Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen aus dem medialen Inhalt entfernt wurden. 8  Ausnahmeerscheinungen sind insoweit „Bundesfighter II – Turbo“ und „Attentat 1942“. 9  Keller, in: Hamburger Kommentar, Gesamtes Medienrecht, 86. Abschnitt Rn. 13; Liesching, MMR 2010, 309 f. 10  Als jüngstes Beispiel sei „Wolfenstein – Youngblood“ (2019) genannt. 6  OLG

Einleitung25

meerscheinung.11 Nunmehr sind mehr als 20 Jahre seit dem Beschluss des OLG Frankfurt a. M. vergangen und der mediale Fortschritt erstreckt sich auch auf Schnittstellen zwischen dem Internet und Computerspielen. Die Kreuzwirkungen zwischen dem Internet und dem Medium Computerspiel verhalfen zu internationalen Erfolgen der Computerspieleindustrie und stellen die Strafrechtswissenschaft vor neue Herausforderungen. So ist die (Un-) Zulässigkeit der Implementierung von Symboliken verfassungswidriger Organisationen in Computerspiele nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB weitgehend unbeleuchtet. Die vorliegende Arbeit soll eine erste umfassende Untersuchung des Problems aus straf- und jugendmedienschutzrechtlicher Perspektive liefern.

11  Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 8 ff.; Köhne, DRiZ 2003, 210; Liesching, MMR 2010, 309; Schwiddessen, CR 2015, 92; Wager, MMR 2019, 80; ders., K&R 2019, 380.

Gang der Untersuchung Ziel der Arbeit ist die strafrechtsdogmatische Untersuchung des Phänomens der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Medium des Computerspiels unter Berücksichtigung jugendmedienschutzrechtlicher Verflechtungen. Aufgrund der herausragenden Bedeutung der wiederkehrenden Implementierung von NS-Kennzeichen in Computerspielen soll sich die Darstellung zuvörderst auf NS-Symbole beziehen. Kapitel 1 behandelt umfassend den Untersuchungsgegenstand des Com­ puterspiels, allgemeine Spielsysteme, die Grundlagen der heterogenen Erscheinungsformen der Spiele, Distributionsmechanismen sowie die konkrete audiovisuelle Ausgestaltung in Bezug auf die Implementierung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Anhand zweier ausgewählter Computerspiele wird die Spielweise erläutert. Reine Online-Spiele in Form sog. „Massive Multiplayer Online Role-Playing Games“ (MMORPG) werden nicht Gegenstand der Betrachtung.1 In Kapitel 2 folgen Überlegungen zum Schutzzweck des § 86a StGB. Diese erlauben die Identifizierung der Schnittstellen zwischen dem Medium des Computerspiels und der Strafnorm in Bezug auf die Tatobjekte und Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Dem Phänomen des internetbasierten und grenzüberschreitenden Vertriebs von Computerspielen tragen straf­ anwendungsrechtliche Erwägungen zu § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB in Kapitel 3 Rechnung. Insofern soll festgestellt werden, inwieweit das strafrechtliche Kennzeichenverbot überhaupt internationale Vertriebsstrukturen zu erfassen vermag. Unabhängig von der räumlichen Reichweite der Strafnorm bedarf es einer Untersuchung des Anwendungsbereichs der Sozialadäquanzklausel nach § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB in Kapitel 4. Die Vertriebsfähigkeit von Computerspielinhalten wird zudem durch den Jugendmedienschutz reguliert, weshalb in Kapitel 5 die Verwendung von NS-Symbolen vor dem Hintergrund des JuSchG und des JMStV beurteilt wird. Anschließend erfolgt die Subsumtion der zwei ausgewählten Vertreter des Mediums unter die normativen Erkenntnisse. Ihren Abschluss findet die

1  Dabei handelt es sich um Spiele, die lediglich online spielbar sind. Nur ein Teil des Spiels, die sog. Client Software, wird auf dem Trägermedium erworben, vgl. Baumann/Hofmann, ZUM 2010, 863, 864.



Gang der Untersuchung27

Untersuchung unter Berücksichtigung der in Wissenschaft und Spruchpraxis unbeantworteten Frage nach der strafrechtlichen Verantwortlichkeit der beteiligten Akteure mit Kapitel 7.

Kapitel 1

Das Computerspiel als Untersuchungsgegenstand A. Begriffsverständnis Eine eindeutige und allgemeingültige Umgrenzung des Untersuchungsgegenstandes „Computerspiel“ erscheint wegen der vielfältigen – interdisziplinär divergierenden – Definitionen problematisch.1 Computerspiele bedürfen zu ihrer Nutzbarmachung stets eines Computers als Hardwarekomponente und einer Softwarekomponente. Unter einem Computer ist eine elektrisch betriebene Maschine zu verstehen, die digitale Codes durch Rechenoperationen verarbeitet.2 Ein maschinell lesbarer, verschlüsselter Code wird von dem entsprechenden Endgerät gelesen, interpretiert und über die audiovisuellen Kontaktpunkte an das Ausgabemedium übertragen.3 Die Abgrenzung zum analogen Spiel vollzieht sich anhand der Nutzung eines Rechenleistung erbringenden Geräts – dem Computer – und der darauf basierenden Darstellung auf dem Bildschirm des Nutzers als Hauptkriterien.4 Insofern erfordert die hohe Reichweite des sehr offenen Computerspielbegriffs konkrete Begrenzungen. Im hiesigen Kontext stehen moderne, visuelle Unterhaltungsspiele im Fokus, bei denen durch die Verwendung eines Computers der primäre Spielinhalt auf den Monitor projiziert wird und dem Nutzer die Möglichkeit eröffnet wird, durch Aktionen in das Eingabegerät des Computers eine Spielfigur durch eine virtuelle Welt zu steuern oder in anderer Weise auf die Abbildung der virtuellen Welt Einfluss zu nehmen. Als wichtigstes Wesensmerkmal des Computerspiels gilt die Interaktivität.5 Anders als im Film 1  Jöckel, Computerspiele, S. 21  f.; vgl. Klimmt, Computerspielen als Handlung, S. 17; Lischka in: Spielplatz Computer, S. 69 ff.; Strank, in: Game Studies, S. 173 f. 2  Nagenborg, in: Computerspiele – Neue Herausforderungen, S. 13, 14. 3  Hans-Bredow-Institut (Hrsg.), Spielen im Netz, S. 26, abrufbar unter: https:// www.hans-bredow-institut.de/uploads/media/Publikationen/cms/media/ad9293711df7 ed3b6f4c4088d9e45dacc5559969.pdf (Stand: 02.06.2021); Jöckel, Computerspiele, S. 21. 4  Zu den Charakteristika des Computerspiels im Einzelnen: Venus, in: Game Studies, S. 331, 335 f. 5  Bosch, S. 35; vgl. Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 243; Ladas, S. 61; Lober, CR 2002, 397, 405; Reinecke/Klein, in: Game Studies – Computerspielforschung, S. 210, 225.



B. Historischer Abriss des Computerspiels29

ist der Rezipient nicht bloß passiver Konsument des Inhalts, sondern steuert aktiv und bestimmend das Spielgeschehen. Er wird oftmals mittels eines Spielersubstituts die Zentralgestalt des virtuellen Geschehens.6 Durch die algorithmische Verbindung zwischen der Plattform des Computers und dem Monitor wird das dynamische Spielgeschehen auf unterschiedlichen sensorischen Übermittlungskanälen für den Nutzer wahrnehmbar.7

B. Historischer Abriss des Computerspiels Kaum ein anderer technologischer Bereich durchläuft eine derart exponentielle Entwicklung wie der Computer und das Medium des Computerspiels.8 Die geschichtlichen Ursprünge des modernen Computerspiels gehen bis in die 1950er-Jahre zurück.9 „Tennis for Two“ von William Higinbothams (1958) und „Spacewar“ von Steve Russel (1962) gelten als die Geburtsstunde des elektronischen Spiels mit grafischer Bildschirmdarstellung.10 Waren die ersten Computerspiele noch öffentlich als Spielautomaten in Kneipen und Restaurants zu finden,11 fanden die Spiele spätestens in den 1980er-Jahren mit der dazugehörigen Hardware auch ihren Weg in die heimischen Wohnzimmer.12 Anfang der 1980er-Jahre wurden die ersten kompakteren Computer eher als Werkzeug, weniger als Spiele- und Unterhaltungsplattform verstanden. Dieses Verständnis änderte sich mit den wachsenden wirtschaftlichen Möglichkeiten, die der Spielemarkt eröffnete. Somit erhielt der Computer eine doppelte Zielausrichtung als Werkzeug und Unterhaltungsmedium.13

6  Hans-Bredow-Institut (Hrsg.), Zur Kennzeichnung von Video- und Computerspielen, S.  6, abrufbar unter: https://www.hans-bredow-institut.de/uploads/media/ Publikationen/cms/media/775b97dcf6fb8fa241ff4208afcfff7977cd7b0b.pdf (Stand: 21.07.2021); Hilgert, Jugendschutz bei Let’s Play Videos, abrufbar unter: https:// www.cr-online.de/blog/2016/01/11/jugendschutz-bei-lets-play-videos/ (Stand: 16.07. 2021); freilich existieren auch Spiele, in denen kein Spielersubstitut gesteuert wird, sondern der Rezipient etwa aus der Vogelperspektive das Geschehen zentral steuert. Die Interaktivität ist aber gemeinsames Merkmal aller Computerspiele; so auch Ladas, S. 61. 7  Klimmt, Computerspielen als Handlung, S. 17 f. 8  Vgl. Lischka, in: Spielplatz Computer, S. 69 f. 9  Zur Geschichte des Spiels siehe: Jöckel, Computerspiele, S. 23; Kent, The Ultimate History of Video Games, S. 16 ff.; Lischka, in: Spielplatz Computer, S. 17. 10  Jöckel, Computerspiele, S. 23; Kent, The Ultimate History of Video Games, S.  20 f.; Venus, in: Game Studies, S. 331, 335. 11  Aufgrund der strengen gesetzlichen Regelungen für Spielautomaten in Deutschland gilt dies insbesondere für die USA und Japan: Jöckel, Computerspiele, S. 24 f. 12  Lischka, in: Spielplatz Computer, S. 69. 13  Nagenborg, in: Computerspiele – Neue Herausforderungen, S. 13, 15.

30

Kap. 1: Das Computerspiel als Untersuchungsgegenstand

Heutige Großkonzerne, wie „Nintendo Co. Ltd.“, drängten auf den Markt und erweiterten das Verständnis vom Computerspiel maßgeblich mit neuartigen Konsolen und Spielen. Vor allem Kinder eigneten sich für gewaltfreie Spiele in fantasievoller Darstellung als neue Zielgruppe der Software-Entertainment Branche.14 Die neue Freizeitbeschäftigung eröffnete in den Folgejahren Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen gleichermaßen altersgruppenspezifische Spielinhalte innerhalb aller denkbaren virtuellen Realitäten. Um den steigenden Ansprüchen der Nutzer an Grafik, Größe der virtuellen Spielwelt und virtuellen Handlungsmöglichkeiten gerecht zu werden, wurden die Spiele seit den 1990er-Jahren immer realitätsnäher, datenintensiver15 und eindringlicher in der Öffentlichkeit beworben.16 So verwundert wenig, dass im Jahre 1992 mit „Wolfenstein 3D“ des Herstellers „id Software“ – als Meilenstein der Computerspiel-Geschichte – ein First-Person-Shooter17 erschien, der nicht nur ein hohes Maß an Gewalt zum Gegenstand hatte, sondern letztlich auch den 1. Strafsenat des OLG Frankfurt a. M. zu Fragen der Strafbarkeit nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB beschäftigte.18 Anfang des 21. Jahrhunderts erweiterte sich die internationale Reichweite moderner Computerspiele erheblich durch die Möglichkeit, unter Nutzung einer aktiven Internetverbindung und einem im Spiel eingefügten kompetitiven Mehrspielermodus gegen Spieler aus der ganzen Welt anzutreten.19 Die mediale Entwicklung beförderte das virtuelle Spiel von einer für den Nutzer lokalen und räumlich begrenzten Unterhaltungssoftware zu einer internationalen Kommunikationsplattform.20 Die Nutzer können auf Basis des OnlineSpiels nun nicht am virtuellen Spielinhalt partizipieren, sondern auch gezielt in Kontakt mit fremden Spielern treten, wodurch eine Schnittstelle zwischen Virtualität und Realität generiert wird, in der die Verbreitung jeglicher vir­ tueller Inhalte denkbar erscheint.21 Anders als noch vor einigen Jahrzehnten unterliegen nunmehr bereits veröffentlichte Computerspiele einer stetigen Computerspiele, S. 28 f. 2018 erschienene PC-Spiel „Battlefield V“ benötigt 50 GB freien Systemspeicher, wohingegen das 2008 erschienene „Call of Duty – World at War“ mit ähnlichem thematischem Hintergrund lediglich acht GB freien Speichers bedarf; vgl. Gieselmann, Der virtuelle Krieg, S. 64 f. 16  Jöckel, Computerspiele, S. 33. 17  Im First-Person-Shooter, auch Ego-Shooter genannt, eröffnet sich die dreidimen­ sionale Spielwelt aus der „Ich-Perspektive“ und der Spieler feuert mit der virtuellen Waffe, die sich im Sichtfeld befindet auf den Feind; siehe Gieselmann, Der virtuelle Krieg, S. 63; vgl. ferner Abb. 1. 18  OLG Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356. 19  Zum Mehrspielermodus vgl. Kap. 1 F. II. 2. 20  Vgl. Wager, K&R 2019, 380, 383. 21  Lober, Virtuelle Welten werden real, S. 55. 14  Jöckel, 15  Das



C. Aktuelle Entwicklungen31

Aktualisierung durch Updates. Neben der spielinternen Kommunikation zwischen den einzelnen Nutzern werden in spielinternen „Shops“ teilweise vir­ tuelle Erweiterungen des Spielinhalts in Form virtueller Gegenstände wie Lackierungen für Waffen, Kleidungserweiterungen oder komplette und umfassende Spielwelten zum Kauf angeboten.22 Aus der dynamischen Fortentwicklung in der Computerspielindustrie folgen neben neuartigen Spielmodi auch digitale Veröffentlichungs- und Vermarktungskanäle.

C. Aktuelle Entwicklungen Die juristische Diskussion um die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Computerspielen findet ihren Ausgangspunkt wohl in der Veröffentlichung des Spiels „Wolfenstein 3D“ im Jahre 1992. Die visuelle Ausgestaltung des Spiels zeigt eine klassische Möglichkeit zur Implementierung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Hakenkreuze wurden an den Raumwänden des zu bekämpfenden Feindes wahrnehmbar.23 Das Werk verbreitete sich – obwohl kein offizieller Vertrieb in Deutschland existierte – auch im Inland, indem die Möglichkeit der Direktbestellung beim Hersteller bestand.24 Andere Spiele wie die Originalfassung des Computerspiels „Call of Duty – World at War“ aus dem Jahre 2008 gelangten im Inland nicht zur Veröffentlichung. Die Originalfassung enthielt eine Vielzahl von Hakenkreuzen unter anderem in filmischen Zwischen­ sequenzen und gezielt als Banner an Gebäuden innerhalb des interaktiven Spielgeschehens.25 Die Kennzeichen wurden zeit- und kostenintensiv aus dem gesamten Spielinhalt gekürzt, bevor die Veröffentlichung in Deutschland erfolgte.26 Auch das Spiel „Wolfenstein“ aus dem Jahre 2009 gelangte nicht zur freien Veröffentlichung, da es seit der Indizierungsentscheidung der BPjM auf der Liste jugendgefährdender Medien zu finden ist. Die Indizierungsentscheidung wurde im Ergebnis nicht durch die Kennzeichenverwendung als solche, sondern durch den Verstoß gegen § 131 StGB legitimiert.27 Die Maßnahme 22  Zur Möglichkeit der Umsatzerzielung in virtuellen Spielen: Lober, Virtuelle Welten werden real, S. 129. 23  OLG Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356. 24  Dittler, S. 101. 25  Vgl. Abb. 1. 26  Schwiddessen, CR 2015, 92, 93; ders., CR 2017, 681, 689; die nachfolgende Betrachtung bezieht sich auf die Verwirklichung des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB durch die Implementierung und Vermarktung der kennzeichenbeinhaltenden Originalversion des Werks. In Ermangelung nationalsozialistischer Kennzeichen in der gekürzten Fassung scheitert die Strafbarkeit bereits am Vorliegen eines Tatobjekts. 27  Kreißig, BPjM-Aktuell 2/2018, 10, 13.

32

Kap. 1: Das Computerspiel als Untersuchungsgegenstand

der BPjM bestätigt nicht unmittelbar ein sektorales Totalverbot hinsichtlich der Kennzeichenverwendung in Computerspielen. Das seitens der Spielehersteller gelebte sektorale Totalverbot mag sich zwar im Zustand der Indizierung spiegeln, nicht aber im konkreten Indizierungsgrund. Freilich ist kaum festzustellen, ob sich die BPjM hilfsweise der Kennzeichenimplementierung als Indizierungsgrundlage bedient hätte. Jedenfalls kann nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden, inwieweit die strafrechtliche Einschätzung des OLG Frankfurt a. M. aus dem Jahre 1998 fortgetragen wurde. Wiederholt entflammen auch neuere Spielentwicklungen die Diskussion um die Verwendung nationalsozialistischer Kennzeichen in Computerspielen. Der Nationalsozialismus dient häufig als thematischer Bezugspunkt der Spielgeschichte des Computerspielinhalts.28 In diesem Zusammenhang wurden auch – verbotene – propagandistische Amateurproduktionen mit hetzerischen und antisemitischen Inhalten bekannt. Die Vielzahl dieser Entwicklungen aus dem rechten Spektrum umfasst Titel, wie „KZ-Manager Millennium“, „KZ-Ratten­ jagd“, „Nazi-Doom“, „Mein Kampf“, „Arier-Test“, „Die Hitler Show“, oder „Zog’s Nightmare“.29 Zudem seien an dieser Stelle mit „Through the Darkest of Times“, „Attentat 1942“ und „Bundesfighter II – Turbo“ exemplarisch Computerspiele genannt, die in Deutschland vermarktet werden bzw. erhältlich sind, obwohl sie nationalsozialistische Symboliken beinhalten.30 Die beiden erstgenannten Titel erhielten von den Institutionen des Jugendmedienschutzes eine Altersfreigabekennzeichnung und Strafverfahren zu den Inhalten sind nicht ersichtlich. Innerhalb der letzten Jahre erfuhr die Schnittmenge zwischen dem strafrechtlichen Kennzeichenverbot nach § 86a StGB und der audiovisuellen Gestaltung von Computerspielen einen erheblichen Bedeutungszuwachs. Die Vielzahl der entwickelten Computerspiele ist Zeugnis einer erforderlichen materiell-strafrechtlichen Betrachtung des Mediums in Bezug auf das Kennzeichenverbot des § 86a StGB.

in: Baeck/Speit, Rechte Ego Shooter, S. 170. steht in „KZ-Manager Millennium“ die „Leitung“ eines Vernichtungslagers im Mittelpunkt, vgl. Koopmann, in: Baeck/Speit, Rechte Ego Shooter, S. 158; in „Zog’s Nightmare“ ist es Aufgabe des Rezipienten die Zentrale einer nationalsozialistischen Vereinigung von dunkelhäutigen Menschen und Juden zu befreien, vgl. Kreißig, BPJM-Aktuell 2/2018, 10, 13. 30  Ausführlich zu „Attentat 1942“ siehe Kap. 1 G. II.; zu „Bundesfighter II – Turbo“ siehe Kap. 4 A. I. 28  Koopmann,

29  Exemplarisch



D. Veröffentlichung von Computerspielen33

D. Veröffentlichung von Computerspielen Moderne Computerspiele sind für den Massentrieb produziert.31 Die kommerzielle Vermarktung erfolgt grundsätzlich auf zwei Wegen,32 dem downloadbasierten Onlinehandel und dem datenträgerbasierten Einzelhandel.

I. Vertrieb des Datenträgers Die Vermarktung des Spielinhalts über einen Datenträger generiert in Deutschland ca. 60 % des Gesamtumsatzes, der mit dem Verkauf von Computer- und Videospielen erzielt wird.33 Als Datenträger im Einzelhandel befindet sich der Quellcode der audiovisuellen Darstellungen regelmäßig auf einer DVD-Rom oder Blu-ray. Zum eigentlichen Spielinhalt selbst erhält der Erwerber zusätzlich typischerweise eine Schutzhülle, die der Lagerung und Aufbewahrung des Datenträgers dient und mit dem Spiel zuzuordnenden Grafiken (Covergestaltungen) bedruckt bzw. versehen ist.

II. Online-Vertrieb 1. Vertrieb des Computerspiels Teilweise bezieht der Nutzer das Computerspiel von einer frei zugänglichen Internetplattform34 spielfertig nach Zahlung des vereinbarten Kaufpreises als Download. Die reine Online-Vermarktung der Spiele auf umfassenden internetbasierten Spielebibliotheken als eine Art digitaler Marktplatz ist im Vordringen.35 Plattformen, wie „Steam“, „Origin“ oder „Epic Games“ bieten die Spielesoftware an und organisieren die Verteilung von Aktualisierungsmaterial der Hersteller für die Software an den Verbraucher. Eines gesonderten physischen Datenträgers bedarf es nicht. Nach der Einrichtung eines persönlichen Nutzerkontos bei der internetbasierten Vertriebsplattform hat Der virtuelle Krieg, S. 22. ZUM 2010, 863. 33  Der Jahresreport der deutschen Games Branche, S. 23, abrufbar unter: https:// www.game.de/wp-content/uploads/2020/08/game-Jahresreport-2020.pdf (Stand: 16.07.2021) weist dem Online-Vertrieb der Spielinhalte über Downloads einen Anteil von ca. 40 % des erzielten Gesamtvolumens für das Jahr 2020 aus; Schwiering/Zurel, MMR 2016, 440, 441; Baumann/Hofmann, ZUM 2010, 863. 34  Die bekanntesten frei verfügbaren Bezugsplattformen zum Erwerb und Download von Computerspielen sind: „Origin“, „Uplay“, „Steam“, „PlayStation Store“, „Google Play Games“ und „playnite“. 35  Baumann/Hofmann, ZUM 2010, 863; Weigand, in: Computerspiele – Neue Herausforderungen, S. 41, 43. 31  Gieselmann,

32  Baumann/Hofmann,

34

Kap. 1: Das Computerspiel als Untersuchungsgegenstand

der Nutzer die Gelegenheit, Computerspiele zu erwerben und diese ohne Verzögerungen auf seine Festplatte herunterzuladen. Körperliche Gegenstände werden nicht erworben. Die Spielesoftware wird auf den physischen Speicher des Erwerbers kopiert und kann von diesem abgespielt bzw. gelesen werden. In diesem Zusammenhang ist für die hiesige Betrachtung ohne Bedeutung, ob die Spielanwendung auf einem Computer in Form eines PC oder auf einer Spielekonsole wiedergegeben wird.36 Software-Entwicklerstudios verzichten lediglich zur Vermarktung auf dem deutschen Markt auf die Implementierung nationalsozialistischer Symbolik und entfernen diese aufwendig aus der ursprünglichen – im Ausland bereits veröffentlichten – Version.37 Im Internet finden sich teilweise Anleitungen, wie auf den legalen OnlinePlattformen der sog. „Original Content“ heruntergeladen werden kann, der dem Spieler unter anderem den Kontakt mit Hakenkreuzen und anderen NSSymbolen ermöglicht sowie gewaltintensiveren Inhalt zur Verfügung stellt. Teilweise ist lediglich eine geringfügige Änderung in den Einstellungen des verwendeten Accounts erforderlich, um Spiele in der ungekürzten, ansonsten im Inland nicht erhältlichen Fassung zu erhalten. Auf diese Weise gelangen auch die durch die Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz38 in Deutschland indizierten Spielversionen auf den deutschen Markt. 2. Modifikationseditor Grundsätzlich stellt der Hersteller eines Computerspiels mit dem Datensatz die virtuelle Welt als Spielgrundlage im Einzel- und/oder Mehrspielerspiel zur Verfügung. Dazu gehören oft eigens gehostete Spielserver. Darüber hinaus ist es nicht unüblich, dass einige Spielehersteller Editorprogramme anbieten, die eine Modifizierung eines Computerspiels durch die Nutzer ermöglichen.39 Auch externe Webseitenbetreiber stellen spezielle ModdingSoftware zur Verfügung, die Änderungen am Spiel zulassen.40 Der Editor ermöglicht die Änderung der visuellen Gesamtdarstellung, der Spielphysik oder des Spielsystems. Die sog. Mods werden vom Anwender des Spiels selbst vorgenommen.41 So kann das vom Hersteller entwickelte Originalspiel 36  Vgl.

Hans-Bredow-Institut (Hrsg.), Spielen im Netz, S. 26. CR 2017, 681, 689; so geschehen bei der Veröffentlichung von „Call of Duty – World at War“: https://www.schnittberichte.com/schnittbericht. php?ID=5975593#ld (Stand: 16.07.2021). 38  Vormals Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM). 39  Schwiering/Zurel, MMR 2016, 440, 443. 40  Gieselmann, Der virtuelle Krieg, S. 64; Schwiering/Zurel, MMR 2016, 440, 442 f. 41  Brüggemann, CR 2015, 697 f.; zur Strafbarkeit durch die Vornahme von Modifizierungen Kap. 7 D. I. 37  Schwiddessen,



E. Die beteiligten Akteure 35

einer inhaltlichen Veränderung von außen unterzogen werden. Dadurch können Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zum Inhalt eines modifizierten Computerspiels werden, das bereits seit einiger Zeit auf dem Markt zur Verfügung steht.42

E. Die beteiligten Akteure I. Entwickler Umfangreiche Spielekompositionen bedürfen einer Vielzahl beteiligter Personen. An der Entwicklung des audiovisuellen Mediums sind Grafikde­ signer, Spielplot-Autoren, Regisseure, Komponisten, Musiker, Designer und viele mehr beteiligt.43 Weltweit vermarktete Spiele werden von großen Entwicklerstudios mit mehreren tausend Mitarbeitern hergestellt.44 Freilich sind auf dem umfangreichen Markt auch Amateurproduktionen zu finden, die von einzelnen Programmierern angefertigt wurden und daher hinsichtlich der audiovisuellen Ausgestaltung weit hinter den Entwicklungen großer Konzerne zurückbleiben.45

II. Verkäufer und Betreiber von Spieleplattformen Der Verkäufer eines Datenträgers tritt als Intermediär zwischen die Entwickler des Spiels und den Rezipienten. Erst im Zuge der Vermarktung des Datenträgers erhält der Interessent Zugang zum Inhalt. Neben dem Vertrieb des Datenträgers wird zumeist eine unverkörperte Vermarktung auf internetbasierten Spieleplattformen eingerichtet. Spieleplattformen ermöglichen Anbietern – oftmals nach einem kurzen formellen Antrag unter Einräumung umfassender Nutzungsrechte – das Hochladen von Computerspielen, um diese anderen Nutzern zur Verfügung zu stellen. Sie bilden eine Vertriebs42  So

ausdrücklich Gieselmann, Der virtuelle Krieg, S. 86. MMR 2009, 306; Kauert, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. II, Kap. 6 Rn. 20; Köhne, DRiZ 2003, 210, 211; Liesching, MMR 2010, 309, 310; ders., BPJM-Aktuell 3/2010, 11, 12; Schwiddessen, CR 2015, 92, 96; Schwingeler, BPjM-Aktuell 2/2018, 15; Zimmermann, P&K 5/2017, S. 17. 44  Der Unternehmen „Treyarch“ entwickelte mit ca. 250 Mitarbeitern mehrere Vertreter der weltweit erfolgreichen „Call of Duty“-Spielreihe. Immer komplexere Spiele und kürzere Veröffentlichungszyklen führten zur Bildung größerer ComputerspielEntwicklungskonzerne, wie „Activision Blizzard“ mit tausenden Mitarbeitern. Es sind auch Zweigniederlassungen in Deutschland zu finden. 45  Mit Bezug auf in Amateurproduktionen verarbeitete NS-Symbole sind erneut „KZ-Manager Millennium“, „KZ-Rattenjagd“, „Nazi-Doom“, „Mein Kampf“, „ArierTest“, „Die Hitler Show“ oder „Zog’s Nightmare“ zu nennen. 43  Katko/Maier,

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Kap. 1: Das Computerspiel als Untersuchungsgegenstand

und Kommunikationsplattform und halten Inhalte Dritter zum Abruf bereit. So nehmen auch Spieleplattformbetreiber mit der Schaffung internetbasierter Marktplätze für Computerspiele eine intermediäre Rolle zwischen dem Spielehersteller und dem Nutzer ein46 und partizipieren am wirtschaftlichen Erfolg der Spiele. Das Geschäftsmodell basiert auf dem Anbieten einer Vielzahl von Computerspielen verschiedener – international tätiger und kleinerer – Entwicklerstudios. Digitale Benutzeroberflächen und internetbasierte Bearbeitungstools ermöglichen den Upload des Herstellers oder Publishers und bieten dem Interessenten ein Angebot zum Erwerb des Inhalts.

III. Rezipienten Hinsichtlich der Stellung des Rezipienten ist zu differenzieren. Grundsätzlich ist der Rezipient Adressat der Spieleentwicklungen und nimmt mit der bloßen Nutzung selbst – insbesondere im Rahmen des privaten Spielens – keinen Einfluss auf den Inhalt des Computerspiels oder präsentiert diesen unbeteiligten Dritten. Die Spielenutzung erfolgt in den meisten Fällen im straflosen, privaten Rahmen.47 Mit der Möglichkeit zur Erstellung eigener Spielserver für den Mehrspielermodus und die Modifikation des Spielinhalts über Modifikationseditoren kann der Rezipient selbst den Inhalt des Computerspiels beeinflussen. Nachträglich eingefügte Modifikationen nehmen vielfältige Formen an. Die durch den Programmcode vorgenommenen physikalischen Berechnungen können mittels Physics-Mods verändert werden. Grafische Anpassungen sind mit Graphic-Mods möglich und erweitern etwa den Skalierungsrahmen für die Bildschirmauflösung, ohne das Spiel in seiner ursprünglichen genrespezifischen Ausrichtung zu verändern. Hoher Beliebtheit erfreuen sich sog. SkinMods. Mit diesen Modifikationen können beliebige grafische Veränderungen an verschiedenen Bezugsobjekten vorgenommen werden. Hierdurch kann etwa das Spielersubstitut eine individuelle Erscheinung erhalten. Virtuelle Gegenstände wie spielinterne Waffen oder die Kleidung können mittels eines Skin-Mods individualisiert werden.48 Die Reichweite der Modifikationen ist schier unerschöpflich. Neben einer grafischen Verbesserung kann auch das gesamte virtuelle Spielverhalten stark angepasst werden oder die virtuelle Welt vollkommen neugestaltet werden.49 Abseits urheberrechtlicher Pro­ bleme, die mit der Veränderung des Originalwerks einhergehen, stellt sich die Frage nach der strafrechtlichen Haftung für den modifizierten Inhalt. GRUR 2020, 329 f. DRiZ 2003, 210 f. 48  Reinecke/Klein, Game Studies – Computerspielforschung, S. 210, 226. 49  Schwiering/Zurel, MMR 2016, 440, 443. 46  Wagner, 47  Köhne,



F. Medienspezifische Merkmale des Computerspiels37

Ferner zeigt das Phänomen sog. Let’s Play-Videos auf beliebten Video­ streamingplattformen, dass die Inhalte des Computerspiels durch das Handeln des Rezipienten selbst online zur Verfügung gestellt werden können. Dazu spielt der Rezipient das Computerspiel, kommentiert es und zeichnet dies mittels einer Screencast-Software50 auf.51 Der Spielinhalt verliert für den betrachtenden Dritten seine Interaktivität und wird als unveränderliches ­Video/Filmwerk wahrgenommen.52 Neben dem Spielinhalt stehen die Fähigkeiten des Spielers sowie dessen Kommentierung im Vordergrund.53 In den vergangenen Jahren haben viele Diensteanbieter Streamingplattformen für dieses Phänomen eingerichtet. „Twitch“, „YouTube Gaming“ und „Steam Broadcast“ sind die bekanntesten und erfolgreichsten Plattformen in Bezug auf die Veröffentlichung von Let’s Play-Videos.54 Die von einem Spieler veröffentlichten Let’s Play-Videos sollen den Account des Spielers in dessen Bekanntheits- und Beliebtheitsgrad steigern sowie die Zuschauer unterhalten. Im Ergebnis verlässt der Rezipient seine bloße Stellung als Adressat des Spiels mittels Modifikationen im Mehrspielermodus und durch Let’s PlayVideos. Hierdurch erhält der Spieler selbst die Möglichkeit zur Änderung des medialen Spielinhalts.

F. Medienspezifische Merkmale des Computerspiels I. Elemente des Einzelspielermodus Mit dem Einzelspielermodus wird meist der lineare Handlungsverlauf einer erzählten Spielgeschichte thematisiert.55 Dem Rezipienten werden bestimmte Handlungsstränge vermittelt, die er mit seinem Spielersubstitut durchlaufen muss, um vorgegebene Missionsziele zu erreichen. Im Rahmen 50  Eine Screencast-Software ist ein Programm, das die Aufnahme der Bildschirmdarstellungen ermöglicht. Alle spielspezifischen Darstellungen können so als Videodatei gespeichert werden und Dritten auf Videostreamingplattformen zur Verfügung gestellt werden. 51  Beyvers/Beyvers, MMR 2015, 794; Erdemir, in: NK-JMStV, §  4 Rn. 242; Schwiering/Zurel, MMR 2016, 440, 443 f. 52  Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 243 qualifiziert Let’s Play-Videos als Hybride; Schwiering/Zurel, MMR 2016, 440, 445. 53  Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 242 f.; Hilgert, Jugendschutz bei Let’s Play Videos, abrufbar unter: https://www.cr-online.de/blog/2016/01/11/jugendschutz-beilets-play-videos/ (Stand: 16.07.2021); zur praktischen Reichweite des Phänomens siehe Schwiddessen, CR 2017, 681, 683. 54  Schwiddessen, CR 2017, 681, 683. 55  So enthalten bisher alle Erscheinungen der erfolgreichen First-Person-ShooterReihen „Call of Duty“ und „Battlefield“ einen linearen Einzelspielermodus.

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Kap. 1: Das Computerspiel als Untersuchungsgegenstand

eines sog. First-Person-Shooters steuert der Nutzer sein Spielersubstitut durch eine virtuelle Umgebung und lässt es mittels spezifischer Eingabe­ geräte Handlungen vollziehen.56 Die programmierte Spielwelt besteht (meist) aus verschiedenen dreidimensionalen Objekten, mit denen der Spieler teilweise interagieren kann. Sie umrahmen das Aktionsumfeld des Rezipienten. Exemplarisch können sie an andere Orte verschafft, beschädigt, zerstört oder anders virtuell verwendet werden. Kontakt zu anderen Nutzern des Spiels besteht nicht.57 Typischerweise verläuft der Einzelspielermodus linear und verfolgt filmähnliche Erzählstrukturen. Der Einzelspielermodus existiert unabhängig vom Mehrspielermodus und ist regelmäßig auch ohne dauerhafte Internetverbindung spielbar. Die virtuellen Spielorte des Einzelspielermodus werden in einigen Spielen auch für den Online- bzw. Mehrspielermodus fruchtbar gemacht, sodass regelmäßig in beiden Spielmodi auch die identische virtuelle Spielwelt und deren virtuelle Objekte anzutreffen sind. Teilweise werden Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in die virtuelle Welt eingearbeitet und erscheinen etwa auf großflächigen Bannern oder an Räumlichkeiten, die dem nationalsozialistischen Feind zugeordnet werden können.58 Ferner liefern Filmsequenzen eine Vorstellung der verfolgten Ziele des spielinternen Gesamtzusammenhangs und stellen dem Rezipienten Eckpunkte des Handlungsauftrags vor. Sie werden auch dazu genutzt, gezielt nationalsozialistische Zeichen zur dramaturgischen Untermalung, Authentizitätssteigerung oder zur Erörterung des Handlungsauftrags des Rezipienten einzubeziehen.

II. Elemente des Mehrspielermodus Im Mehrspielermodus nutzt der Spieler neben der erforderlichen Spiele­ software ein dauerhaft aktives Datenübertragungssystem via Internet, um gegen andere Spieler im virtuellen Raum nach einem vorgegebenen Spielprinzip anzutreten.59

Gegnerschaft im Computerspiel, S. 12. Strategiespiele, in denen der Rezipient das Geschehen einer virtuellen Armee steuert, ergeben sich hinsichtlich des agonalen Spielprinzips und Handlungsauftrags keine Unterschiede zum First-Person-Shooter. Lediglich ein perspektivischer Wechsel wird vorgenommen und das konkrete Spielersubstitut wird durch eine zu steuernde Gesamtfraktion ersetzt. Die konkrete Zuordnung zu einer Konfliktpartei wird nicht aufgelöst. 58  So in „Wolfenstein 3D“; vgl. OLG Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356, 357; vgl. ferner Abb. 1. 59  Hans-Bredow-Institut (Hrsg.), Spielen im Netz, S. 24; Wager, MMR 2019, 380, 383. 56  Kaczmarek, 57  Für



F. Medienspezifische Merkmale des Computerspiels39

1. Kompetitiver und kooperativer Mehrspielermodus Nahezu jedes Computerspiel namhafter Softwarehersteller60 enthält für den Nutzer die Möglichkeit, nach einer Anmeldung bzw. dem Erstellen eines Online-Accounts im onlinebasierten Modus mit und gegen andere Spieler aus aller Welt zu spielen. Der kompetitive Mehrspielermodus ähnelt unabhängig von der genrespezifischen Einordnung des Werks einem Wettkampf.61 In sog. First-Person-Shootern resultiert das Bleiberecht im Wettkampfgeschehen aus der Dominanz gegenüber dem Gegner. Mit dem Anwählen eines Spielservers kann einem beliebigen Spiel gegen menschliche Gegner beigetreten werden, ohne dass in jedem Fall eine Zuordnungsmöglichkeit hinsichtlich der vertretenen Konfliktpartei besteht.62 Grundsätzlich tritt der Nutzer nun einer der beiden beteiligten Konfliktparteien bei und versucht durch das „Töten“ oder Ausschalten der gegnerischen Spielersubstitute Punkte zu erlangen.63 Der kompetitive Mehrspielermodus ist durch Macht und Kontrolle gegenüber dem Gegner gekennzeichnet.64 Wird die eigene virtuelle Spiel­ figur eliminiert, kann diese an einigen festgelegten Punkten wieder in das Spielgeschehen eingesetzt werden. Die übergeordnete Spielaufgabe des kompetitiven Mehrspielermodus kann etwa in der Verhinderung der Einnahme eines bestimmten Bereichs der virtuellen Welt durch den Feind bestehen. Es ist ein hohes Maß an Geschicklichkeit, Aufmerksamkeit, Schnelligkeit und Hand-Augen-Koordination erforderlich, um das gewünschte Ergebnis am Bildschirm zu erreichen. Das Töten ist meist nur mittelbares Ziel zur Erlangung von Punktewertungen, die für eine spielinterne Statistik des jeweiligen Rezipienten von Bedeutung sind. Das Generieren von Punkten wird oftmals mit dem Freischalten neuer virtueller Gegenstände, wie Waffen, Kleidung oder Lackierungen belohnt. Somit erhält jeder Rezipient – je nach Spielzeit, Fortschritt und persönlichen Fähigkeiten – Individualisierungs- und Verbesserungsoptionen. Optional können teilweise Gegenstände im Spiel erworben werden, die dem Spielersubstitut eine individualisierte Optik verleihen. Spielspezifische Vorteile sind damit nicht notwendigerweise verbunden. 60  Ubisoft Entertainment, Electronic Arts (EA), Activision-Blizzard, Nintendo, Microsoft oder Sony Computer Entertainment beeinflussen mit deren Entwicklungen den Computerspielesektor. 61  Gieselmann, Der virtuelle Krieg, S. 90. 62  Vgl. Gieselmann, Der virtuelle Krieg, S. 82. 63  Freilich ergeben sich computerspielspezifische Unterschiede in den Spielvarianten. Diese sind aber für die hiesige Betrachtung nicht von Bedeutung. 64  Fehr, in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 82; Fritz, in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 27, 183; Hilpert, BPjM-Aktuell 4/2006, 4, 10; Ladas, S.  98 ff.

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Kap. 1: Das Computerspiel als Untersuchungsgegenstand

Neben dem kompetitiven existieren auch kooperative Mehrspielermodi. Die Spielaufgaben werden nicht allein, sondern in Zusammenarbeit mehrerer Rezipienten bewältigt, ohne dass die virtuellen Feinde von anderen Nutzern des Spiels gesteuert werden. Beide Mehrspielermodi bedienen sich oftmals der virtuellen Spielwelten, die bereits im Rahmen des Einzelspielermodus verwendet wurden. Auch die virtuellen Gegenstände, wie Waffen und Kleidung sind identisch. Der kooperative Mehrspielermodus verläuft aufgrund des gemeinsamen Kampfes gegen Feinde, die nicht von anderen Nutzern gesteuert werden, ebenso linear wie der Einzelspielermodus. Dadurch sind beide Modi in ihrem Aufbau und dem kommunikativen Wahrnehmungsgehalt meist identisch. Etwas anderes gilt für den kompetitiven Mehrspielermodus, der sich als Wettkampfplattform eines ausgeglichenen Spiels zwischen mehreren Rezipienten darstellt und die Spielbarkeit aller im Einzelspielermodus vorgestellten Konfliktparteien ermöglicht. 2. Technische Struktur a) Client-Server-Architektur Für die Kommunikation der in einem virtuellen Raum miteinander agierenden Personen sind Server erforderlich. Dabei handelt es sich um ein System aus Computern, das alle spielrelevanten Daten und Informationen bereitstellt und den Datenaustausch mit dem Nutzer ermöglicht.65 Unter einem Client ist die spielspezifische Software zu verstehen, durch die sich die Kommunikation mit dem Server vollzieht. Ein zentraler Server empfängt Informationen vom Client, verarbeitet diese intern und sendet das Ergebnis an alle verbundenen Clients.66 Die Aktionen und Handlungen des Nutzers werden an den zentralen Server übermittelt und auf Basis der Berechnungen an alle anderen Spieler im Netzwerk entsprechend gesendet.67 Auf diese Weise nehmen die Nutzer die gegenseitigen Interaktionen wahr und können aufeinander reagieren. Der Server ist für die Verwaltung der Spielwelt zuständig und ermöglicht die Weiterleitung der gegenseitigen Interaktionen der Spieler.

65  Ausführlich

Bosch, S. 33; Hans-Bredow-Institut (Hrsg.), Spielen im Netz, S. 7. Computer- und Medienstrafrecht, § 50 Rn. 14; Hans-Bredow-Institut (Hrsg.), Spielen im Netz, S. 27. 67  Ebenda. 66  Eisele,



G. Ausgewählte Vertreter41

b) Peer-to-peer-Architektur Anders als bei einer Client-Server-Struktur erfolgen die maßgeblichen Berechnungen der beteiligten Endgeräte nicht zentral über einen gemeinsamen Server. Die peer-to-peer-Architektur zeichnet sich durch die direkte Kommunikation der Geräte miteinander aus.68 So kann in dem gemeinsamen Netzwerk zwischen den einzelnen peers eine Aufgabenverteilung ablaufen. Die einzelnen peers senden ihre Daten unmittelbar an die anderen beteiligten Geräte. Für die Darstellung und Aufrechterhaltung der dem Spiel zu Grunde liegenden Spielwelt wird die Rechenleistung eines jeden beteiligten Geräts verwendet.

G. Ausgewählte Vertreter Das Computerspiel unterliegt einer stetigen Entwicklung und ist Anfang des 21. Jahrhunderts zu einem global vernetzten Medium mit Millionen Nutzern geworden, die das virtuelle Spiel im Wettkampf mit anderen Spielern suchen. Im Zentrum dieser Arbeit sollen zwei Computerspiele stehen, die den Rezipienten mit Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Kontakt bringen und dabei möglicherweise mit dem strafrechtlichen Kennzeichenverbot des § 86a StGB kollidieren. Zum einen dient der First-Person-Shooter: „Call of Duty – World at War“ aus dem Jahre 2008 als Vertreter für eine Vielzahl ähnlich verlaufender FirstPerson-Shooter, die sich eines historischen Gesamtsettings bedienen und versuchen, eine realitätsnahe, authentische Abbildung von Kampfhandlungen im Zweiten Weltkrieg zu vermitteln. Zum anderen sollen die Untersuchungsergebnisse der Arbeit auf das 2017 erschienene Computerspiel „Attentat 1942“ übertragen werden. Dabei handelt es sich um ein sog. Serious Game,69 das eine inhaltliche Auseinandersetzung mit tatsächlichen Ereignissen der Zeit des Zweiten Weltkriegs aus Sicht der Zivilbevölkerung fokussiert. Das Spiel wird auf der Plattform „Steam“ trotz der Verarbeitung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zum Download angeboten.

68  Eisele, Computer- und Medienstrafrecht, § 50 Rn. 15; Hans-Bredow-Institut (Hrsg.), Spielen im Netz, S. 7, 29. 69  Als Serious Game bezeichnet man im allgemeinen Sprachgebrauch Computerspiele, die neben dem Unterhaltungseffekt primär das Spiel als Trägermedium zur Vermittlung von Wissen, Lernvorgängen, Informationen und Bildung nutzen, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Serious_Game (Stand: 02.06.2021); Wager, MMR 2019, 80, 81.

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Kap. 1: Das Computerspiel als Untersuchungsgegenstand

I. „Call of Duty – World at War“ (2008) „Call of Duty – World at War“ ist ein First-Person-Shooter, in welchem der Rezipient einen virtuellen Soldaten im Zweiten Weltkrieg steuert. Die Programmierung ist von dem US-amerikanischen Unternehmen Treyarch – einer Tochterfirma der Activision Publishing Inc. – übernommen worden. Letztere veröffentlichte und vertrieb das Computerspiel ab 2008. Aus der „First-Person-Perspektive“ bewegt der Nutzer ein Spielersubstitut über die Schlachtfelder des Zweiten Weltkriegs.70 Diese Kameraperspektive simuliert die Wahrnehmung des virtuellen Geschehens aus Sicht des steuerbaren Spielersubstituts. Die eigene Spielfigur ist für den Spieler nicht sichtbar. Lediglich Teile der Arme und die getragene Waffe sind im Spielbildschirm dauerhaft eingeblendet.71 Neben dem „Kampagnen-Modus“,72 in welchem der Spieler in 15 Einzelmissionen verschiedene Aufträge erhält, ist auch ein kompetitiver Mehrspielermodus in das Spiel implementiert. Ziel des Spiels ist das eigene Überleben des Charakters und die Erfüllung der einzelnen Missionen, die grundsätzlich an die tatsächlichen historischen Gegebenheiten zwischen 1941 und 1945 angelehnt sind. 1. Der Einzelspielermodus Im Einzelspielermodus agiert der Nutzer auf den historischen Kriegsschauplätzen des Zweiten Weltkriegs in Deutschland, Russland und im pazifischen Raum. Die Ziele der einzelnen Missionen sind ebenfalls historisch unterlegt und sind Militäroperationen der beteiligten Konfliktparteien nachempfunden.73 Exemplarisch muss der Spieler als US-Marine Infanterist die historische amphibische Landungsmission „Operation Stalemate II“ vom 15. September 1944 bis zum 25. November 1944 der US-Streitkräfte auf der Insel Peleliu unterstützen und maßgeblich zur Zerstörung eines japanischen Flugfeldes beitragen. Eine Besonderheit des Spielablaufs besteht darin, dass der Nutzer lediglich als Soldat der USA oder der UdSSR das virtuelle Schlachtfeld betritt. Zu keinem Zeitpunkt kämpft der Nutzer für oder im Zeichen der Wehrmacht. Im Einzelspielermodus gilt es, die antagonistischen Ziele der gegnerischen Partei stets mit Tötungsbereitschaft zu unterbinden und damit die eigenen 70  Vgl.

Abb. 1. in: Shooter, S. 21, 24 f. 72  Dieser entspricht dem linearen Einzelspielermodus; siehe Thon, in: Shooter, S. 21, 28. 73  Vgl. Tesch, in: Weltkriegsshooter, S. 95, 98 f. 71  Thon,



G. Ausgewählte Vertreter43

Ziele zu erreichen.74 Der dem Spiel zu Grunde liegende Programmcode gibt dem Spieler das tragende Feindbild vor. Es ergeben sich lediglich zwei Handlungsoptionen für den Spieler: Die erfolgreiche Bekämpfung des angetragenen Feindbildes ermöglicht den Fortgang des Spiels. Ein Unterlassen des Einsatzes der virtuellen Waffe lässt den Spieler in der Regel scheitern.75 Erst nach dem „Töten“ der feindlichen Einheiten kann der Spieler weiter im Spielverlauf voranschreiten. Beendet der Spieler innerhalb einer Mission das Spiel, so kann ein Speicherpunkt gesetzt werden, an welchem bei der nächsten Spieleinheit wieder angesetzt werden kann. Das Vorankommen in der künstlichen Welt ist an die Eliminierung virtueller Feinde gekoppelt, die je nach Mission als japanische oder als deutsche Soldaten dargestellt sind. Der Spieler ist also zu virtuellen Gewalttaten gegen den virtuellen Feind gezwungen. Eine spielinterne Kommunikation ist im Einzelspielermodus ausgeschlossen. Teilweise werden die Spielmissionen durch das Einbinden kurzer Filmsequenzen unterbrochen. In diesen – vom Spieler nicht beeinflussbaren – Sequenzen des Spiels werden Zeichen verfassungswidriger Organisationen verarbeitet und für den Spieler wahrnehmbar.76 Insbesondere zwischen den einzelnen Missionen verdeutlichen filmische Elemente – bestehend aus Animationen von Schlachtfeldverlaufskarten und realistisch anmutenden Bildaufnahmen von Soldaten und der Zivilbevölkerung – dem Nutzer den Verlauf und den grundsätzlichen historischen Zusammenhang des Geschehens. 2. Der Mehrspielermodus Neben dem Einzelspielermodus kann der Rezipient auch im internetbasierten Mehrspielermodus gegen andere Spieler antreten. Die dem Nutzer zur Verfügung gestellte Mehrspielerkomponente verfolgt ein anderes Spielprinzip als der Einzelspielermodus. Die Spieler wählen einen Server mit einem bestimmten Spielziel aus. Je nach Server besteht das Spielsystem darin, Punkte durch das virtuelle Erschießen der feindlichen Soldaten – die von anderen Spielern gesteuert werden – zu generieren und eine zu Beginn festgelegte Siegpunktezahl vor dem gegnerischen Team zu erreichen. Auf anderen Servern erzielt das Team Punkte durch das Erobern und Einnehmen be74  Kaczmarek, Gegnerschaft im Computerspiel, S. 10, 12; Standke, in: Weltkriegsshooter, S. 46, 50. 75  Kaczmarek, Gegnerschaft im Computerspiel, S. 31. 76  In der englischen Originalfassung von „Call of Duty – World at War“ waren Hakenkreuze auf militärischen Karten zur Veranschaulichung der Schlachtverläufe implementiert, vgl. Abb. 3. Unter anderem wurden auch realistisch wirkende, kurzzeitige Sequenzen Adolf Hitlers als Feindbild eingepflegt.

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Kap. 1: Das Computerspiel als Untersuchungsgegenstand

stimmter, auf der Karte verteilter Zonen (Flaggeneroberung).77 Weitere Punkte werden durch das Töten des Feindes erlangt. Freilich siegt das dominierende Team mit Erreichen der vorgegebenen Siegespunktzahl. Evident ist, dass stets die an der simulierten Auseinandersetzung tatsächlich beteiligten Konfliktparteien miteinander konfrontiert werden und dass das virtuelle Töten eines Gegners Punkte generiert. Somit werden – anders als im Einzelspielermodus – auch virtuelle deutsche Soldaten durch einen Rezipienten gesteuert. Der inhaltlich lineare Handlungsstrang des Einzelspielermodus wird im kompetitiven Mehrspielermodus durch einen Wettkampfcharakter abgelöst. Aufgrund der Abhängigkeit des Spielgeschehens von der Wechselwirkung der einzelnen Rezipienten untereinander fehlt es an einem linearen Spielgeschehen. Die erzählte Geschichte ist im Rahmen des Einzelspielermodus beendet und wird nicht fortgesetzt.78 Im Mehrspielermodus wird ein Sieg der Wehrmacht mit den Schlussworten einer originalen Rede Adolf Hitlers an die Deutsche Jugend79 vom Reichsparteitag zwischen dem 05. und 10. September 1934 begleitet: „Vor uns liegt Deutschland, in uns marschiert Deutschland und hinter uns kommt Deutschland!“80

3. Historische Bezüge und Kennzeichenimplementierung Der offenkundige Bezug zu historischen Kampfhandlungen, konkreten Daten und die Einflechtung historisch hinterlegter Kampfverläufe dokumentiert den Anspruch der Entwickler einer präzisen geschichtlichen Darstellung im Gewand eines unterhaltenden Computerspiels. Nicht nur in den interaktiv erlebbaren primären Inhalten des zentralen Spielgeschehens, sondern auch in begleitenden filmischen Sequenzen manifestieren sich Abbildungen, die nationalsozialistische Taten zum Gegenstand haben. Aktiv wird auf den Umstand hingewiesen, dass Berlin 1945 von Kindern, Frauen und Senioren verteidigt wurde, da ihnen andernfalls die Exekution drohte. Auch wurden Bildaufnahmen einer nicht näher identifizierbaren Rede Adolf Hitlers und einer Exekution verarbeitet. Unter Verweis auf die Dauer und Stoßrichtung verschiedener Militäroffensiven und realistisch wirkender Filmaufnahmen von Kriegsfotografen trägt das Spiel die Geschichte des Zweiten Weltkriegs an den Nutzer heran. Die filmischen Zwischensequenzen werden mit einer Vielzahl histoGegnerschaft im Computerspiel, S. 33; Thon, in: Shooter, S. 21, 27. S. 58 erkennt hierin zutreffend einen allgemeinen, wesentlichen Unterschied zum Einzelspielermodus. 79  Zur historischen Rede Adolf Hitlers: https://archive.org/stream/RedeHitlerAnDi eDeutscheJugend08091934/RedeHitlerAnDieDeutscheJugendRede08091934_djvu.txt (Stand: 16.07.2021). 80  Vgl. Pfister, in: Krieg und Spiele, S. 9, 11. 77  Kaczmarek, 78  Ladas,



G. Ausgewählte Vertreter45

risch präziser Daten, militärischen Operationsnamen und Zahlen zu den eingesetzten, verwundeten und gefallenen Soldaten eindrucksvoll ergänzt. Dem Rezipienten wird das Gefühl vermittelt, die Erlebnisse aus den bedeutendsten und blutigsten Schlachten des Zweiten Weltkriegs am heimischen Bildschirm virtuell nachzuerleben und nachzuvollziehen.81 Eine aktive Auseinandersetzung mit dem Holocaust findet nicht statt. Weder Deportationen, noch die systematische Ermordung von mehr als sechs Millionen Juden und der osteuropäischen Zivilbevölkerung finden im Spiel Reflexion. Lediglich die filmische Begleitung zu Beginn einer Einzelspieler-Mission weist durch Bilder erhängter Zivilisten und eine kurze Äußerung auf die Ermordung der russischen Zivilbevölkerung durch die Wehrmacht hin. Neben der Wahl der Kriegsschauplätze wurden auch andere historische Elemente nicht vernachlässigt: So gehört auch die simulierte Eroberung des deutschen Reichstags als sowjetischer Infanterist zum Teil des Spielablaufs. Im Zentrum Berlins findet sich der erfolgreiche Abschluss des Einzelspielermodus im Hissen der sowjetischen Flagge auf dem Dach des Reichstagsgebäudes.82 In der originalen Version des Spiels waren an den Wänden des teilweise zerstörten Reichstagsgebäudes und schließlich auf dessen Dach die repräsentativen Symbole der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verarbeitet. Während der Mission trifft der Spieler unweigerlich auf eine Vielzahl großflächiger Banner und Fahnen mit schwarzen Hakenkreuzen in einem weißen Kreis auf roten Grund. Die in Deutschland erhältliche – angepasste – Version wurde von diesen Zeichen und gleichartiger Symbolik gänzlich freigehalten.83

II. „Attentat 1942“ (2017) 1. Hintergrund des Spiels Das 2017 erschienene Computerspiel „Attentat 1942“ der Karls-Universität Prag84 hat historische Ereignisse zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs – insbesondere ab 1942 – abseits militärischer Auseinandersetzungen zum Gegen81  Vgl.

Lachmund, in: Weltkriegsshooter, S. 35, 38. den tatsächlichen historischen Gegebenheiten siehe Conrad, Der Tagesspiegel v. 30.04.2015, abrufbar unter: https://www.tagesspiegel.de/berlin/eroberung-desreichstags-durch-die-sowjets-die-geschichte-eines-ikonischen-bildes/11709730.html (Stand: 16.07.2021). 83  Teilweise werden NS-Symbole entfernt und durch neutrale Zeichen ersetzt, die nicht vom Anwendungsbereich des § 86a StGB erfasst sind; siehe auch Abb. 2. 84  Maßgeblich beteiligt waren die philosophische, mathematische und physikalische Fakultät der Karls-Universität sowie das Institut für Zeitgeschichte der Tschechischen Akademie der Wissenschaften; vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/Attentat_ 1942#Entwicklungs-_und_Ver %C3 %B6ffentlichungsgeschichte (Stand: 16.07.2021). 82  Zu

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Kap. 1: Das Computerspiel als Untersuchungsgegenstand

stand. Als Serious Game thematisiert „Attentat 1942“ Folgeereignisse der sog. „Operation Anthropoid“. Dabei handelt es sich um das am 27. Mai 1942 auf den damaligen stellvertretenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich verübte Attentat. Reinhard Heydrich galt als Repräsentant der deutschen Besatzungsmacht in der damals besetzten Tschechoslowakei, war Befehlshaber der Geheimen Staatspolizei und wurde mit der Verfolgung von Juden im Gebiet der Tschechoslowakei beauftragt. Im Wesentlichen setzt sich das Spiel im Rahmen des installierten Einzelspielermodus mit den Ereignissen rund um den erfolgreichen Anschlag auf Reinhard Heydrich auseinander. Unter maßgeblicher Beteiligung von Historikern der Prager Karls-Universität und Förderung durch das Ministerium für Kultur der Tschechischen Republik wurde der Versuch unternommen, die Geschehnisse und Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung in der besetzten Tschechoslowakei historisch präzise aufzuarbeiten.85 Die in kurzen Filmsequenzen vorgenommene Verbildlichung von Hakenkreuzen wie SS-Runen ist mit Darstellungen in historischen Dokumentationen zu vergleichen.86 Im Rahmen des erzählenden Gesamtcharakters des Spiels wird über den Genozid und andere Kriegsverbrechen unter den Zeichen des Nationalsozialismus informiert. 2. Das Spielsystem „Attentat 1942“ liegt ein von klassischen und reinen Unterhaltungsfaktor geprägten Computerspielen divergierendes Spielsystem zu Grunde. Die Zusammensetzung stellt sich als Vermengung von historischen Filmsequenzen, interaktiven Dialogen mit Zeitzeugen, Minispielen aus Sicht der verfolgten Personen und Comiczeichnungen dar. Ähnlich einer dokumentarischen Aufarbeitung werden für den Rezipienten zunächst mittels kommentierter filmischer Einleitungssequenzen unter anderem Hakenkreuzfahnen sichtbar. Dabei greift das Medium auf originale Filmaufnahmen aus der Zeit der nationalsozialistischen Diktatur zurück und illustriert den deutschen Einmarsch in die damalige Tschechoslowakei durch Hakenkreuze auf topografischen Darstellungen.87 Die filmische Einleitung des Spiels informiert über den historischen Rahmen des Spiels. Bereits zu Beginn wird darauf hingewiesen, dass die Einzelcharaktere im Spiel und deren Geschichten fiktiv sind. Die Gesamterscheinung des Spiels aber basiert auf Forschungen und Erfahrungsberichten von Augenzeugen. Das Medium klärt über das Attentat auf den stellvertre85  Vgl. Heinemann, Attentat 1942, Datenbank Games in der Erinnerungskultur, abrufbar unter: https://www.stiftung-digitale-spielekultur.de/spiele-erinnerungskultur/ attentat-1942/ (Stand: 10.09.2021). 86  Ferner sind NS-Kennzeichen auf fiktiven Ausweisdokumenten zu finden. 87  Vgl. Abb. 4.



G. Ausgewählte Vertreter47

tenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich am 27. Mai 1942 auf. Der Spieler wird in die Lage eines Angehörigen versetzt, der Jahrzehnte nach dem Attentat durch Interviews mit Zeitzeugen die Familiengeschichte aufzuarbeiten versucht. In den Dialogen mit Zeitzeugen vermittelt das Spiel vertieftes Wissen über damalige Vorgänge und die Dynamik zwischen der deutschen Besatzungsmacht und der Zivilbevölkerung.88 Nicht das Attentat selbst, sondern die Folgen für die Zivilbevölkerung unter Einbindung eines exemplarischen Familienschicksals werden in den Vordergrund des Spiels gerückt, ohne ein auf die bloße Belustigung des Rezipienten abzielenden Spielinhalt aufzubauen. Neben Interviews mit Zeitzeugen eröffnet das Spiel dem Rezipienten im Stil der Comiczeichnung Handlungen aus der Perspektive der unter der Besatzung leidenden Zivilbevölkerung. Es wird über gesellschaftliche und strukturelle Veränderungen innerhalb des annektierten Gebiets informiert. Gerade mit Blick auf die Kennzeichenimplementierungen auf Briefen oder Flugblättern erhält der Rezipient stets den inhaltlichen Bezugspunkt zu den Informationen und vermag sich ein Bild von der damaligen gesellschaftlichen Situation der Zivilbevölkerung nach dem erfolgreichen Attentat auf Reinhard Heydrich zu erstellen. Auf Grundlage der vermittelten Informationen muss der Rezipient Aufgaben lösen, die den Schutz seines Spielersubstituts vor der Inhaftierung bewirken. So kann der Spieler in der Rolle des Zivilisten mit verschiedenen virtuellen Personen in Kontakt treten, um mehr über die Besatzungsmacht in Erfahrung zu bringen, oder sich der Situation entziehen, um nicht zu viel Aufmerksamkeit zu erregen. Zu jedem Zeitpunkt ist erkennbar, welche Informationen sich auf die realhistorischen Hintergründe beziehen und welche Aufgaben lediglich der Ausfüllung der fiktionalen Spielgeschichte dienlich sind. Insbesondere erstellt das Spiel mit dem Spielfortschritt eine Art Enzyklopädie, in welcher sich der Spieler über verschiedene Begriffe informieren kann. Der Spieler erhält im Spielverlauf nicht die Möglichkeit, eine aktiv kämpferische Haltung gegen die Identifizierungszeichen des Nationalsozialismus einzunehmen. In der Rolle eines Zivilisten zur Zeit der Besatzung versucht der Rezipient vielmehr, sein Leben vor den Vertretern der Geheimen Staatspolizei zu schützen, indem er etwa verbotene virtuelle Gegenstände wie einen privaten Revolver vernichtet. „Attentat 1942“ verfolgt maßgeblich die historische Aufarbeitung nationalsozialistischer Verbrechen im Gewand eines bedrückenden interaktiven Mediums. In technischer Hinsicht wurde das Spiel auf einen Einzelspielermodus beschränkt und wird im Online-Vertrieb unter anderem über die Plattform „Steam“ kostenpflichtig vertrieben. 88  Vgl. Heinemann, Attentat 1942, Datenbank Games in der Erinnerungskultur, abrufbar unter: https://www.stiftung-digitale-spielekultur.de/spiele-erinnerungskultur/ attentat-1942/ (Stand: 10.09.2021).

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Kap. 1: Das Computerspiel als Untersuchungsgegenstand

3. Historische Bezüge und Kennzeichenimplementierung Die Entwickler des Spiels setzen sich intensiv mit historischen Begebenheiten auseinander. Das Anliegen, dem Spieler ein historisch korrektes Abbild der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft in dem thematisierten Kontext zu vermitteln, trägt das mediale Gewand eines Computerspiels. Das Ergebnis des Spiels sind evidente Schnittstellen zwischen einem der Unterhaltungsindustrie entstammenden, dem Freizeitvergnügen der Menschen verpflichteten Medium und der Geschichte der osteuropäischen Zivilbevölkerung unter der Gewaltherrschaft des Nationalsozialismus. Die Gesamtschau des Spiels lässt Einflechtungen von fiktiven Dokumenten, Tagebüchern und Zeitzeugenberichten erkennen, die in keinem Fall eine glorifizierende, bagatellisierende oder verklärende Wirkung entfalten. Es zeigt sich ein verantwortungsvoller Umgang mit der Geschichte der Zivilbevölkerung im besetzten Gebiet. Der Spieler erhält einen vielschichtigen Einblick in das Leben der Menschen und die Gefahren für den Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Trotz Einbindungen von Zeichen verfassungswidriger Organisationen – insbesondere Hakenkreuzen – erhielt das Spiel von den Institutionen des Jugendmedienschutzes eine Altersfreigabekennzeichnung für den deutschen Markt und wurde nicht in die Liste jugendgefährdender Medien aufgenommen.

H. Fazit Die exponentielle Weiterentwicklung digitaler Spiele seit den 1950er-Jahren zur Unterhaltung und Freizeitgestaltung attestiert modernen Computerspielen vielschichtige Charakterzüge. Computerspiele sind in ihrer Darstellungsreichweite nicht an die Realität gebunden. Das hybride Medium des Computerspiels erhält aufgrund des Mehrspielermodus und der downloadbasierten Vermarktung zudem ein grenzüberschreitendes Gepräge in Form der unverkörperten Datenübermittlung. Als gesellschaftliches Phänomen finden Computerspiele Eingang in alle Alters- und Gesellschaftsschichten. Exemplarische Untersuchungen erlauben die Identifikation des Mediums als eine hybride Darstellungsform zwischen filmischen und interaktiven Spielelementen.89 Mit der Entwicklung von Spielen, welche die nationalsozialistische Gewaltherrschaft und den Zweiten Weltkrieg thematisieren, wird eine ethisch verantwortungsvolle Aufgabe übernommen.90 Die Praxis zeigt, dass Spielehersteller, deren Spiele spielinin: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 2 UrhG Rn. 129. Pfister, in: Krieg und Spiele, S. 9, 12; vgl. Falk/Hentsch, BPjM-Aktuell 2/2018, 14. 89  Bullinger, 90  Vgl.



H. Fazit49

tern den Nationalsozialismus bzw. dessen Organisationen zum Gegenstand haben, für den deutschen Markt gekürzte Fassungen anbieten. Inwieweit die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen mit dem strafrechtlichen Kennzeichenverbot des § 86a StGB kollidiert und aus materiell-strafrechtlicher Perspektive die Entfernung der Kennzeichen indiziert ist, bedarf der näheren Untersuchung. Mit Blick auf die vielfältigen Umsetzungen von NS-Symbolen in Spielen ergeben sich offenkundig innermediale Unterschiede. Insofern ist fraglich, inwieweit ein strafrechtliches Verbot von NS-Symbolen in Computerspielen tragfähig ist. Jedenfalls muss die Auslegung des § 86a StGB den nahezu unerschöpflichen Implementierungsformen der Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Medium des Computerspiels Rechnung tragen.

Kapitel 2

Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB im Spiegel der Kennzeichenimplementierung im Computerspiel A. Die „Wolfenstein-Entscheidung“ des OLG Frankfurt a. M.1 Die Ausführungen des OLG Frankfurt a. M. sind Ausgangspunkt eines seitens der Spielehersteller gelebten sektoralen Totalverbots von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Computerspielen. Sie führten zur Streichung der Symbole durch die Entwickler. Die Entscheidung stellt eine der wichtigsten Leitsäulen zum Umgang des Computerspiels in Korrelation mit § 86a StGB dar. Aufgrund der herausragenden Bedeutung des strafgerichtlichen Urteils als einzige Entscheidung der obergerichtlichen Spruchpraxis zum Kollisionsfeld zwischen NS-Symbolen und Computerspielen soll eine exponierte Untersuchung der Entscheidung erfolgen. Trotz Kritik der Wissenschaft am Verbotsdogma2 ist die Spruchpraxis aufgrund fehlenden Anlasses einer erneuten Entscheidung hinsichtlich des Phänomens zum Stillstand gekommen.3

I. Die Entscheidung Der Angeklagte betrieb in seiner Wohnung eine Mailbox, die mehr als 100 Nutzern zugänglich war und keine besondere Zugangssicherung aufwies. Inhaltlich wurde in der Mailbox unter anderem das Computerspiel „Wolfen­ stein 3D“ zur freien Verfügung angeboten, konnte von den Zugangsberechtigen gespielt und auf ein eigenes Speichermedium übertragen werden. Bei dem Spiel handelt es sich um einen First-Person-Shooter, in welchem der Spieler in Kampfsituationen mit virtuellen Feinden gerät, die als Vertreter 1  OLG

Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356. DRiZ 2003, 210, 213; Liesching, MMR 2010, 309, 312; Rauda, Recht der Computerspiele, Rn. 526; Schwiddessen, CR 2017, 681, 688. 3  Dankert/Sümmermann, BPJM-Aktuell 2/2018, 4, 7; aus der aktuellen Spruchpraxis wohl nur AG Detmold, Beschl. v. 19.01.2010 – 3 Gs 99/10 (juris). 2  Köhne,



A. Die „Wolfenstein-Entscheidung“ des OLG Frankfurt a. M.

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des Nationalsozialismus in Erscheinung treten. In den vom Spieler zu durchlaufenden Räumlichkeiten – die in ihrer Gesamtheit den zu bekämpfenden Feindkräften zuzuordnen sind – finden sich verschiedentlich eingearbeitete Hakenkreuze. Darüber hinaus sind Bildnisse Adolf Hitlers an den Wänden der zu erobernden Räumlichkeiten implementiert.4 Nach Auffassung des OLG Frankfurt a. M. dient § 86a StGB bereits der Abwehr jeglichen Anscheins der Wiederbelebung verbotener Organisationen und der Wahrung des politischen Friedens durch eine Verhinderung eines Eingewöhnungseffekts der Zeichen bei der Bevölkerung. Die Norm versuche gerade zu verhindern, dass die tatbestandsmäßigen Kennzeichen durch Anhänger des Nationalsozialismus wieder ohne die Gefahr staatlicher Sanktionen gebraucht werden könnten.5 Die Erwägungen des Gerichts zur Schutzzweckverletzung durch die Verwendung des § 86a StGB sind an formelhaft wirkende Ausführungen des BGH angelehnt und tragen kaum zur Entscheidungsbegründung bei. Vielmehr stellen sie eine lose Sammlung schwer definierbarer und konturenlos anmutender Zweckdienlichkeiten dar.6 Auch soll die Digitalität und Unkörperlichkeit der zugänglich gemachten Zeichen keinen strafbarkeitsausschließenden Einfluss auf die Kollision mit dem Schutzzweck der Strafnorm begründen.7 Ferner stellt die Strafkammer auf jugendschutzrechtliche Aspekte ab, indem das Computerspiel als attraktives Medium für Kinder und Jugendliche identifiziert wird. Nach den Ausführungen des Oberlandesgerichtes sollen Kinder und Jugendliche nicht mit den Kennzeichen aufwachsen und sich an diese gewöhnen.8 Die Berücksichtigung jugendschutzrechtlicher Aspekte ist kein Novum des OLG Frankfurt, sondern basiert auf Schutzzweckerwägungen des BGH, der sich im Jahre 1979 mit der Abbildung von Kennzeichen auf Modellflugzeugen beschäftigte und ebenfalls die Gefahr der drohenden Gewöhnung und ideologischen Beeinflussung von Kindern und Jugendlichen in den Schutzzweck der Norm einfließen ließ.9 Das audiovisuelle Gesamtsetting, sowie der konkrete Handlungsauftrag des Spielersubstituts im Spiel „Wolfenstein 3D“ blieben bei der Betrachtung der Schutzzweckverletzung der Vorschrift gänzlich unbeachtet. Gleiches gilt für die Sozialadäquanzklausel des § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3

4  Ausführlich

Dittler, S. 102 f.; siehe auch Abb. 5. Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356, 357. 6  Einer solch formelhaften Eingliederung der Schutzzwecke bei Tathandlungen nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB bedienen sich auch BGHSt 25, 30, 33; 25, 128, 130. 7  Vgl. bereits BT-Drs. III/1746, S. 2. 8  OLG Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356, 357. 9  BGHSt 28, 394, 397. 5  OLG

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

StGB.10 Die Tathandlung des öffentlichen Verwendens bereitete im Rahmen der „Wolfenstein-Entscheidung“ kaum Schwierigkeiten. Eine teleologische Tatbestandsreduktion, wenn die Tathandlung dem Schutzzweck offensichtlich nicht zuwider läuft, wurde abgelehnt.11

II. Die Dogmatik des sektoralen Totalverbots Kein anderes Medium sieht sich i. V. m. § 86a StGB einem gelebten sektoralen Totalverbot ausgesetzt. So wird im Kontext rein filmischer Verarbeitungen auf die Gesamterscheinung des Werks abgestellt, sodass ein antisemitischer Hetzstreifen, wie „Jud Süß“ von Veit Harlan12 eine andere Beurteilung erfordert, als eine historische Dokumentation über Geschehnisse zu Zeiten des Dritten Reichs.13 Auch in vielen Unterhaltungsfilmen wird die Darstellung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nicht problematisiert.14 In der Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. wird weder der formelhaft angeführte Schutzzweck des § 86a StGB, noch der Anwendungsbereich der Sozialadäquanzklausel in ein spezifisches Verhältnis mit der Wahrnehmbarkeit von Hakenkreuzen im Computerspiel gesetzt. Stattdessen betont das Gericht: „Wäre eine derartige Verwendung von verbotenen Kennzeichen in Computerspielen erlaubt, dann wäre es kaum noch möglich, einer Entwicklung zu ihrer zunehmenden Verwendung in der Öffentlichkeit entgegenzuwirken, was der Zielrichtung des § 86a StGB zuwiderlaufen würde. Vor allem für Kinder und Jugendliche stellen Computerspiele attraktive und zunehmend genutzte Spielformen dar. Wären [Kinder und Jugendliche] in solchen Computerspielen erlaubterweise mit Kennzeichen nationalsozialistischer Organisationen konfrontiert, könnte dies dazu führen, daß sie in nennenswerter Zahl mit diesen Symbolen und Kennzeichen gewissermaßen aufwachsen und sich an sie gewöhnen, was sie wiederum anfälliger für eine ideologische Beeinflussung im Sinne des Nationalsozialismus machen könnte“.15 10  Siehe

OLG Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356 ff. Anwendbarkeit der teleologischen Tatbestandsreduktion im Computerspiel sogleich Kap. 2 C. II. 3. 12  Dieser antisemitische Spielfilm aus dem Jahre 1940 spielt Anfang des 18. Jahrhunderts und handelt von dem Juden Joseph Süß Oppenheimer, der öffentliche Gelder veruntreut, aus Eigennutz Festnahmen anordnet und die Gefangenen foltert. Oppenheimer – der um sein Leben bettelt – wird wegen Hochverrats, Wuchers, Erpressung und Geschlechtsverkehrs mit einer Christin hingerichtet. 13  Vgl. Köhne, DRiZ 2003, 210, 212; Rauda, Recht der Computerspiele, Rn. 525. 14  Dankert/Sümmermann, BPJM-Aktuell 2/2018, 4, 5; Schwiddessen, CR 2017, 681, 688; allen voran das Hakenkreuz findet sich genreübergreifend in Filmproduk­ tionen unterschiedlichster Qualität, wie „Sky Sharks“ oder „Dead Snow“, „Schindlers Liste“, „Hitler – Der Aufstieg des Bösen“ oder „Die Macht des Bösen“. 15  OLG Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356, 357; zust. Cole, in: HB Medienrecht, S. 243. 11  Zur



A. Die „Wolfenstein-Entscheidung“ des OLG Frankfurt a. M.

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So resultiere das sektorale Totalverbot einerseits aus der Unmöglichkeit, der Verwendung in der Öffentlichkeit entgegen zu wirken. Mit anderen Worten: Der Schutzzweck der Norm liefe im Zuge einer Zulässigkeit der Kennzeichen im Spiel leer. Eine unbedenkliche Implementierung der Kennzeichen würde einer Rückkehr der NS-Symbolik als gesellschaftstaugliches Massenphänomen Tür und Tor öffnen. Systematisch vermag dies mit Blick auf die bereits zum damaligen Zeitpunkt existierenden und für unbedenklich erachteten Spiel- und Unterhaltungsfilme16 nur dann überzeugen, wenn der Mediengattung der Computerspiele durch die Kennzeichenimplementierung eine abstrakte Gefährdung beigemessen wird, die bei Unterhaltungsfilmen wohl nur in propagandistischen und hetzerischen Filmstreifen zu finden ist, nicht aber in unverdächtigen Werken, die sich der NS-Symbolik aus nichtpropagandistischen Gründen bedienen. Andererseits wird die Jugend als schützenswerte Gruppe des § 86a StGB identifiziert. Hakenkreuze und andere verfassungswidrige Symbole sollen keinen Eingang in Computerspiele finden. Die generalisierende Betrachtung des OLG Frankfurt a. M. schlägt auf die zulässige Vermarktungspraxis von Computerspielen durch. 1. Schutzzweckspezifische Bedenken Das Postulat der Unmöglichkeit des Entgegenwirkens einer Verwendung in der Öffentlichkeit kann als Ausfluss einer extensiven Auslegung des Schutzzwecks zur Verhinderung eines späteren gefahrlosen Gebrauchs der Kennzeichen interpretiert werden. In Beurteilung des objektiven Tatbestands bzw. der Schutzzweckverletzung des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB betont die Spruchpraxis wiederholt das Erfordernis der Würdigung der Gesamtumstände der Tat.17 Diese sind wohl kaum mit der allgemeinen Besorgnis zur Verwendung in der Öffentlichkeit zu überlagern, ergeben sich etwaige Bedenken doch erst aus der konkreten Erscheinung der Kennzeichen.18 Andernfalls wäre nicht erklärbar, warum abseits digitaler Erscheinungsformen das einmalige und protestartige öffentliche Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen den Schutzzweck nicht verletzen soll.19 Auch bliebe unklar, warum die Kennzeichen in anderen öffentlichkeitswirksamen Mas16  Etwa

„Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“ (1989). NJW 2009, 2805, 2806; BVerwGE 160, 370, 386; BGHSt 25, 30, 34; 52, 364, 375 f.; Illustrativ KG, Urt. v. 07.09.2010 – (4) 1 Ss 301/10 (166/10), Rn. 10 (juris); BGH, Urt. v. 22.06.1983 – 3 StR 56/83 (S), Rn. 11 (juris); vgl. auch BVerfGK 7, 452, 457. 18  BGHSt 54, 61, 63. 19  BGHSt 25, 30, 34 f.; OLG Oldenburg, NJW 1986, 1275. 17  BVerfG,

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

senmedien wie Spielfilmen oder Dokumentationen unproblematisch erschienen.20 § 86a StGB statuiert gerade kein Totalverbot der öffentlichen Kennzeichenverwendung. Dies manifestiert sich bereits legislatorisch in der Existenz der Sozialadäquanzklausel, § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB. Diese normspezifische Strafbarkeitslimitierung ist Ausdruck einer differenzierten Beurteilung der Tat und steht einem medienspezifischen Totalverbot entgegen. Insofern überzeugen die Ausführungen des OLG Frankfurt a. M. hinsichtlich der Besorgnis einer zunehmenden Verwendung der Kennzeichen in der Öffentlichkeit nicht und weisen zudem keinerlei Bezug zur Mediengattung des Computerspiels auf. 2. Jugendschutz als Grundlage des Verbotsdogmas Schon der BGH führte aus, es bestehe die Gefahr, dass Kinder und Jugendliche durch freundliche Vorstellungen mit den Kennzeichen ideologisch beeinflusst würden. So soll auch das Anbieten mehrerer mit NS-Symbolik versehener Modellflugzeuge schutzzweckwidrig sein.21 Dies gelte insbesondere aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit der Kinder und Jugend­ lichen, die als Zielgruppe des Spielzeugs mit den Zeichen konfrontiert und keine sympathischen Intentionen mit diesen verbinden sollen. Teilweise wird auch in der Literatur angemerkt, die in geltende Gesellschaftswerte hineinwachsenden Jugendlichen sollen nicht in einem etwaig bestehenden Glauben bestärkt werden, fremdenfeindliche Handlungen und die offene Anerkennung nationalsozialistischer Zielvorstellungen würden geduldet.22 Mit Blick auf die Jugend als schützenswerte Gruppierung des § 86a StGB erhebt das Gericht systematisch wie teleologisch zweifelhafte Erwägungen. § 86a StGB befindet sich im ersten Abschnitt des Besonderen Teils unter dem Titel Gefährdung des demokratischen Rechtsstaats. Der systematische Standort lässt kaum auf einen exponierten Schutz der Jugend schließen. Dienen Strafnormen zumindest auch dem Jugendschutz, so ist dies regelmäßig den Gesetzesmaterialien oder einer Auslegung des Wortlauts der Norm zu entnehmen.23 Richtig ist zwar, dass Computerspiele auf Kinder und Jugendliche einen gewissen Reiz ausüben und sogar zielgruppenorientiert für sie

BPjM-Aktuell 2/2018, 14; Schwiddessen, CR 2017, 681, 688. 28, 394, 397; ähnl. OLG München, NStZ-RR 2005, 371; LG München I, NStZ 1985, 311, 312; zust. Bonefeld, DRiZ 1993, 430, 434. 22  Reuter, S. 83 f.; a. A. Köhne, DRiZ 2003, 210, 213. 23  So etwa in Bezug auf § 184 StGB: BT-Drs. VI/1552, 33; BT-Drs. VI/3521, S. 59; Greco, in: HB Strafrecht BT I, § 10 Rn. 39; vgl. Hörnle, in: MüKo-StGB, § 184 StGB Rn. 2 ff. 20  Falk/Hentsch, 21  BGHSt



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hergestellt werden.24 Dass sich § 86a StGB spezifisch am Kinder- und Jugendschutz ausrichten soll, ist dem Wortlaut aber nicht zu entnehmen. Insbesondere existiert mit § 18 Abs. 1 JuSchG ein rechtliches Instrument zum Schutze der Jugend in Bezug auf Massenmedien, sofern die Kennzeichenverwendung geeignet ist, „die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden“.25

Jedenfalls darf strafgerichtlichen Entscheidungen zu jugendaffinen Medien kein generell strengerer Maßstab auferlegt werden als Kennzeichenverwendungen in anderen Zusammenhängen. Einen medienorientierten Maßstab legt der Gesetzgeber nicht an. Für Computerspiele oder Spielzeuge gilt kein verschärftes Sonderrecht.26 Es besteht kein Bedürfnis, der Norm mit Bezug auf digitale Unterhaltungsmedien ein jugendschützendes Gepräge zu verleihen. Richtigerweise hat der BGH auch bei bemalten Plastiksparschweinen, mit denen Kinder und Jugendliche im Alltag wohl typischerweise interagieren, die Bestimmung der Schutzzweckverletzung nicht aus der Sicht eines Jugendlichen vorgenommen.27 § 86a StGB differenziert nicht zwischen bestimmten Übertragungsmedien und ist zum Schutze jugendschutzrechtlicher Interessen ungeeignet.28 Die Erwägungen des OLG Frankfurt a. M. zu Computerspielen und des BGH zu Modellflugzeugen stehen insofern im Widerspruch zur gefestigten Rechtsprechung und zur Literatur, die auf die kommunikative Wirkung des Kennzeichens auf den unbefangenen Beobachter abstellen.29 Im Rahmen des Rechtsgüterschutzes des § 86a StGB kann es nicht darauf ankommen, wie ein Jugendlicher – unabhängig von dessen Alter oder Bildungsgrad – die Kennzeichen im Spiel wahrnimmt. Es kommt auf den objektiven Durchschnittsbürger an. Es leuchtet nicht ein, warum für Unterhaltungsmedien § 86a StGB einerseits aus Sicht eines objektiven Beobachters der Verhinderung des Anscheins der Wiederbelebung verfassungswidriger Organisationen 24  Vgl. Hans-Bredow-Institut (Hrsg.), Das deutsche Jugendschutzsystem, S. 17 f., abrufbar unter: https://www.hans-bredow-institut.de/uploads/media/Publikationen/ cms/media/b28a902bdb97d14f33417cbfb7459919ea205e6d.pdf (Stand: 08.10.2020). 25  § 18 Abs. 1 HS. 1 JuSchG. Zur Reichweite des Jugendmedienschutzes siehe Kap. 5. 26  Keller, in: Hamburger Kommentar, Gesamtes Medienrecht, 86. Abschnitt Rn. 13; Wager, MMR 2019, 80, 82. 27  BGHSt 23, 267. 28  Vgl. Dreyer, S. 289; Handke, S. 93; Wager, K&R 2019, 380, 385. 29  BGHSt 25, 30, 34; 25, 133, 136 f.; 47, 354, 360; OLG Hamm, NStZ-RR 2004, 12, 13; KG, Urt. v. 07.09.2010 – (4) 1 Ss 301/10 (166/10) Rn. 4, 13 (juris); KG, ­Beschl. v. 18.05.2016 – (4) 161 SS 54/16, Rn. 8 (juris); Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 14; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86a Rn. 2a; Wager, MMR 2019, 80, 82.

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verpflichtet sein soll, wenngleich auf zweiter Ebene die Schutzzweckverletzung aus der Perspektive des beeinflussbaren Jugendlichen begründet wird. Demnach ist auch ein strafbarkeitslegitimierendes Postulat einer Jugendaffinität aus materiell-strafrechtlicher Sicht schlicht unzutreffend und steht auch nicht im Einklang mit dem Alter der Spielerschaft30 moderner Computerspiele.

III. Konsequenzen eines sektoralen Totalverbots Das gelebte sektorale Totalverbot auf Basis der „Wolfenstein-Entscheidung“ ist bereits aufgrund der dogmatisch und praktisch unzutreffenden Erwägungen des OLG Frankfurt a. M. mit dem strafrechtlichen Kennzeichenverbot unvereinbar und trifft weitgehend auf Ablehnung in der Literatur.31 Die Entwicklungen in der Computerspielindustrie sind Ausdruck stark divergierender inhaltlicher und audiovisueller Ausgestaltungen moderner Spiele bei Thematisierung eines an den Nationalsozialismus angelehnten Kontextes. So kann die Kennzeichenverwendung in Computerspielen nicht auf einzelne Verwendungsformen heruntergebrochen werden. Propagandistische Spiele nutzen Hakenkreuze zur Manifestation der befürworteten Zielsetzung. Serious Games können das gleiche Zeichen zur Aufklärung über die inneren Organisationsstrukturen nutzen und historisch gelagerte First-Person-Shooter implementieren das Hakenkreuz entweder als bloß dramaturgisches Beiwerk oder zum Zwecke der Stigmatisierung des zu bekämpfenden Feindes. Mit der Rechtsprechung des OLG Frankfurt a. M. wird die kommunikative Einbindung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen auf die übergeordnete mediale Erscheinung innerhalb eines interaktiven Spiels heruntergebrochen, ohne der inhaltlich kommunizierten Botschaft des Spielinhalts Rechnung zu tragen. Anders als in Filmwerken schließt das Gericht eine tatbestandslose Implementierung von NS-Kennzeichen von vornherein aus. Die Fortdauer eines sektoralen Totalverbots würde Computerspielehersteller nicht nur vor ein umfassendes Gebrauchsverbot für die NS-Symbole stellen. Vielmehr zeigt sich bereits an dieser Stelle, dass mit Blick auf vergleichsweise untypische – sehr informationshaltige und wenig hektische – Serious Games, wie „Attentat 1942“, eine historische und zulässige Aufarbeitung der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wesentlich erschwert würde und 30  Teilweise wird dieses im Schnitt auf über 36 Jahre geschätzt: https://www. game.de/wp-content/uploads/2018/08/180905_game_Plakat_Infografik_DeutscherMarkt_A1-hoch_Web.pdf (Stand: 16.07.2021); so auch Wager, K&R 2019, 380, 382. 31  Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 12  ff.; Falk/Hentsch, BPjM-Aktuell 2/2018, 14; Köhne, DRiZ 2003, 210, 213; Liesching, MMR 2010, 309, 312; Schwiddessen, CR 2015, 92, 99; ders., CR 2017, 681, 688; a. A. wohl Reuter, S. 258; vgl. auch Schumann, MMR 2011, 440, 442 f.



A. Die „Wolfenstein-Entscheidung“ des OLG Frankfurt a. M.

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Spielehersteller zu einer Verzerrung der audiovisuellen Ausgestaltung gezwungen werden. Die sich mit historischer Präzision rühmenden Computerspiele desavouieren die Verbindung zwischen den Geschehnissen zu Zeiten des Nationalsozialismus und der symbolischen Verbindung zu dessen Organisationen nicht notwendigerweise. Die Entfernung oder Änderung der Zeichen in offensichtliche Surrogate distanzieren den Gesamtkontext kaum vom Nationalsozialismus, der weiterhin unweigerlich mit der Spielgeschichte verbunden ist. Je nach gesamtinhaltlicher Ausgestaltung des Werks darf das Geschehen keine „weiße Weste“32 erhalten. So wäre im Fall von „Attentat 1942“ eine Auseinandersetzung mit dem Umgang nationalsozialistischer Organisationen, wie der Geheimen Staatspolizei und der SS mit der Zivilbevölkerung der besetzten Tschechoslowakei nicht möglich, weil die symbolische Verankerung zum aufgearbeiteten Kontext gelöst würde. Es verwundert daher wenig, dass das gelebte, sektorale Totalverbot aufgrund tiefgreifender Widersprüche zum Medium des Films in der juristischen Literatur weitgehend auf Ablehnung trifft.33 Die inländische Verfügbarkeit des Spiels „Attentat 1942“ ist nicht notwendigerweise als Abkehr der obergerichtlichen Spruchpraxis zu werten. Zwar ist kein Strafverfahren aufgrund des Vertriebs des medialen Inhalts erkennbar. Gleichwohl sind jugendmedienschutzrechtlich freigegebene Computerspiele nicht vor einem Zugriff durch die Strafverfolgungsbehörden geschützt, weil die Altersfreigabekennzeichnung durch die USK nicht in die Befugnisse der Staatsanwaltschaften einzugreifen vermag.34 Insbesondere weist „Attentat 1942“ als Werk des Entwicklerstudios Charles Games in Zusammenarbeit mit der Karls-Universität Prag und der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik offensichtliche internationale Bezüge auf, die der Anwendbarkeit des § 86a StGB entgegen stehen könnten.35 Auch zu dem Phänomen der Internationalisierung – insbesondere des internetbasierten – Computerspielevertriebs sind keine strafgerichtlichen Entscheidungen erkennbar. Im Ergebnis resultiert aus der Ablehnung der Rechtsprechung des OLG Frankfurt a. M. das Erfordernis einer umfassenden Untersuchung des Schutzzwecks und der Verwirklichung des objektiven Tatbestands der Implementie32  Pfister, in: Krieg und Spiele, S. 9, 11 erkennt in der Entfernung der Kennzeichen eine Entpolitisierung der Darstellung, die unangenehme historische Inhalte nur zu Teilen auszublenden vermag. 33  Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 12 ff.; Köhne, DRiZ 2003, 210, 213; Liesching, MMR 2010, 309, 313; Rauda, Recht der Computerspiele, Rn. 528; Schwiddessen, CR 2015, 92, 99; Wager, MMR 2019, 80, 83 f. 34  Zu den Wirkungen der jugendmedienschutzrechtlichen Altersfreigabekennzeichnung auf die materielle Strafbarkeit siehe Kap. 7 B. II. 35  Ausführlich Kap. 3.

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

rung von NS-Kennzeichen in Computerspielen, um für das Medium differenzierte Lösungen zu entwickeln, die vom Strafzweck und der systematischen Struktur des § 86a StGB getragen werden.

B. Der Schutzzweck des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB Der aus einer Norm extrahierte Schutzzweck ist das Spiegelbild des Verständnisses ihrer einzelnen Tatbestandsmerkmale. Insbesondere Universalrechtsgütern sind oft unscharfe Umrisse und Konkretisierungsschwächen immanent.36 Die Zeichnung eines klaren Bildes überindividueller Rechts­ güter im Bereich des Staatsschutzstrafrechts fällt aufgrund der großflächigen Formulierungen schwer.37 Zudem lässt die medienspezifische Nähe des Computerspiels zum Unterhaltungsfilm zweifeln, ob der Schutzzweck des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB mit der Einbindung verfassungswidriger Symbolik stets verletzt ist oder ob es sich bei der reflexhaften Streichung der Kennzeichen aus den Computerspielen um eine risikominierende Präventionsmaßnahme der Entwickler handelt, die vom Unrechtstatbestand des strafrecht­ lichen Kennzeichenverbots letztlich nicht angezeigt ist.

I. Gesetzgeberische Intentionen zum Kennzeichenverbot 1. Gesetzeshistorie Die Entscheidung des Strafgesetzgebers zur Pönalisierung des öffentlichen Verwendens nationalsozialistischer Zeichen und Symbole geht auf das Versammlungsgesetz, § 4 VersG i. V. m. § 28 VersG a. F., aus dem Jahre 1953 zurück.38 Im Rahmen des 6. StrRÄndG vom 04. Juli 1960 erfuhr das bisher im Versammlungsgesetz verortete Kennzeichenverbot eine systematische Aufwertung und fand Eingang in das deutsche Kernstrafrecht unter § 96a StGB a. F.39 Das Kennzeichenverbot beschränkte sich nunmehr nicht ledig36  Hassemer, NStZ 1989, 553, 556; Reuter, S. 73; ähnl. Paeffgen, in: FS-Wolter, S. 125, 133. 37  Hassemer, NStZ 1989, 553, 557. 38  Gesetz über Versammlungen und Aufzüge vom 24.07.1953, BGBl. I S. 684 (§ 4 VersG): „Es ist verboten, öffentlich oder in einer Versammlung Kennzeichen ehemaliger nationalsozialistischer Organisationen zu verwenden“. 39  6. StrRÄndG vom 04.07.1960, BGBl. Teil I, S. 478 (§ 96a StGB): „(I) Wer öffentlich in einer Versammlung oder in von ihm verbreiteten Schriften, Schallaufnahmen, Abbildungen oder Darstellungen Kennzeichen 1. einer Partei, die gemäß Artikel 21 Abs. 2 des Grundgesetzes für verfassungswidrig erklärt ist,



B. Der Schutzzweck des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB59

lich auf Originalkennzeichen nationalsozialistischer Organisationen, sondern erfasste sämtliche verbotenen Vereinigungen. Seinen heutigen Standort und einige inhaltliche Modifikationen verdankt das Kennzeichenverbot dem 8. StrRÄndG aus dem Jahre 1968.40 Während sich die Spruchpraxis hinsichtlich § 86a StGB a. F.41 noch um die Feststellung der Identität verwendeter Zeichen mit den originalen Symbolen bemühte, reagierte der Gesetzgeber im Jahre 1994 auf die durch rechtsextreme Gruppierungen zunehmende Verwendung geringfügig abgewandelter Symbole.42 Seit 1994 erfasst § 86a StGB auch Kennzeichen, die Originalen zum Verwechseln ähnlich sind.43 Begründungsschwierigkeiten um die Originalität der verwendeten Zeichen wurden damit beseitigt. Die heute gültige Fassung inkriminiert auch Vorbereitungshandlungen, wie das Herstellen, Vorrätighalten, Ein- und Ausführen der Zeichen.44 Jüngst ersetzte der Gesetzgeber im Rahmen des 60. StrRÄndG mit Wirkung zum 01. Januar 2021 den Schriftenbegriff des § 11 Abs. 3 StGB a. F. durch den Inhaltsbegriff. Dies schlägt sich unmittelbar im Wortlaut des § 86a Abs. 1 StGB nieder, soll aber nach Ansicht des Gesetzgebers keine Erweiterung des Anwendungsbereichs der Strafnorm, sondern lediglich eine Vereinheitlichung beider Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB bewirken.45 2. Gesetzeshistorische Zielrichtung Die gesetzgeberischen Bestrebungen zum strafrechtlichen Kennzeichenverbot wandelten sich seit den 1950er-Jahren immer weiter, was unter anderem mit aktuellen innen- und außenpolitischen Ereignissen, gesellschaftlichen 2.  einer

Vereinigung, die gemäß Artikel 9 Abs. 2 des Grundgesetzes unanfechtbar verboten ist, oder 3. einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation verwendet, wird mit Gefängnis bis zu drei Jahren bestraft. Ausgenommen ist eine Verwendung von Kennzeichen im Rahmen der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen und ähnlicher Zwecke. (II) Kennzeichen i. S. d. Absatzes 1 sind insbesondere Fahnen, Abzeichen, Uniformstücke, Parolen und Grußformen. (III) § 96 Abs. 3 gilt entsprechend.“ 40  8. StrRÄndG vom 25.06.1968, BGBl. Teil I, S. 743. 41  BVerfG, Beschl. v. 19.07.1995 – 2 BvR 674/95 (juris) beschäftigte sich mit der Verwendung eines nationalsozialistischen Zeichens durch Heben des linken Arms zum „Deutschen Gruß“. 42  BT-Drs. 12/6853 S. 23. 43  Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28.10.1994, BGBl. Teil I, S. 3186 f.; v. Dewitz, S.  108 f. 44  Vgl. 21. StrRÄndG vom 13.06.1985, BGBl. Teil I, S. 965; vgl. auch v. Dewitz, S. 108; einen Überblick über die Entstehungsgeschichte der Norm findet sich in Reuter, S.  273 ff.; Steinmetz, NStZ 2002, 118, 119. 45  60. StrRÄndG v. 30.11.2020, BGBl. I. S. 2600; BT-Drs. 19/19859, S. 55 f.

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

Entwicklungen sowie der zeitlich voranschreitenden Distanz zu den Geschehnissen des Nationalsozialismus und dem daraus resultierenden geänderten Diskurs zu begründen ist.46 So wurde eine originäre Einfügung des Kennzeichenverbots in das Strafgesetzbuch zunächst abgelehnt, da eine ­solche Vorschrift nicht als dauerhaft erforderlich erachtet wurde.47 Aus § 4 VersG a. F. i. V. m. § 28 VersG a. F. erwuchs die Erwägung, dass eine öffentliche Kennzeichenverwendung und die damit verkörperte Unterdrückung demokratischer Werte und Ordnungen vor dem Hintergrund der zeitlich noch sehr präsenten NS-Herrschaft berechtigte Entrüstung im In- und Ausland auszulösen im Stande sei.48 Demnach greife die Wiederverwendung der Kennzeichen die freiheitlich demokratische Grundordnung an und allegorisiere die Unterdrückung derselben.49 Dies erfordere auch keine bekenntnishafte Verwendung, sodass die freiheitlich demokratische Grundordnung auch bei neutralen Handlungsweisen hinreichend betroffen ist.50 In den Ursprüngen des strafrechtlichen Kennzeichenverbots fokussierte der historische Gesetzgeber unter Beachtung der rechtspolitischen Bedeutung der Norm und der zeitlichen Nähe zu der NS-Herrschaft nationalsozialistische Bezüge stärker als linksextreme Phänomene oder andere Organisationen. Ein Verbot zur Verwendung von Kennzeichen der NSDAP diene auch der Beruhigung des politischen Lebens.51 Der Schutz des politischen Friedens rückte später zum zentralen Rechtsgut des § 86a StGB auf.52 Ferner sei das Ansehen der noch jungen BRD im In- und Ausland als strafnormlegitimierendes Interesse zu berücksichtigen.53 Die Erweiterung des Straftatbestands im Zuge der Inkriminierung abgewandelter Symbole im Jahre 1994 sollte eine Lähmung der Rechtsprechung bei minimalen Veränderungen und gleichbleibender Gefährdung des politischen Friedens verhindern.54

46  Vgl.

BT-Drs. 10/1286, S. 7; BT-Drs. 12/6853, S. 23. I/1307, S. 50. 48  BT-Drs. I/1307, S. 50; Reuter, S. 65. 49  BT-Drs. I/1307, S. 50. 50  BT-Drs. I/1307, S. 50; ebenso BGHSt 23, 267, 268; 25, 30 f.; 28, 394, 396; LG Berlin, Beschl. v. 04.10.2006 – 571 – 141/06, Rn. 9 (juris); OLG Oldenburg, NJW 1986, 1275; abweichend fordert OLG Koblenz, NStZ-RR 2009, 105 tatbestandseinschränkend, dass bei dem objektiven Beobachter der Eindruck der Identifikation mit den Zeichen erweckt werden könne. 51  Siehe dazu Lüttger, GA 1960, 129, 136. 52  BT-Drs. 12/6853, S. 23; BT-Drs. 12/8411, S. 4. 53  BT-Drs. 12/4825, S. 4. 54  BT-Drs. 12/4825, S. 4; BT-Drs. 12/6853, S. 23; BGHSt 47, 354, 361  f. und Dahm, DRiZ 2001, 404, 415 merken an, dass hinsichtlich der Ähnlichkeitsklausel keine Begrenzung auf bekannte Kennzeichen angestrebt war. 47  BT-Drs.



B. Der Schutzzweck des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB61

II. Die Schutzzweckdebatte in Spruchpraxis und Literatur Rechtsprechung und Literatur haben zum Schutzzweck des § 86a StGB vielschichtig Stellung bezogen und den Versuch unternommen, der Strafnorm eine rechtsgutsspezifische Auslegung beizumessen. 1. Schutz des politischen Friedens Die Spruchpraxis und ein erheblicher Teil der Literatur erkennen den Schutzzweck des § 86a StGB im Schutze des politischen Friedens.55 Synonym werden auch Begriffe, wie öffentlicher Friede oder die Ungestörtheit des politischen demokratischen Lebens verwendet.56 Kennzeichen von Organisationen, die der verfassungsrechtlichen Grundausrichtung widersprechen, können diese leicht stören.57 Hinsichtlich der Ausgestaltung des Rechts­guts gehen die Meinungen auseinander. Vorwiegend erkennt die Spruchpraxis den Schutzzweck des § 86a StGB in der Verhinderung des Anscheins der Wiederbelebung verfassungswidriger Organisationen.58 Zudem soll mit dem Verbot der Verhinderung eines Gewöhnungseffekts an die Kennzeichen und der Gefahr des späteren gefahrlosen Gebrauchs vorgebeugt werden. Die Zeichen sollen nicht derart in den Fokus des gesellschaftlichen Diskurses gelangen, dass in politisch lebhaften Zeiten eine gefahrlose Verwendung durch die Verfechter der Zeichen ermöglicht werde.59 Ferner dürfe dem in- und ausländi55  BGHSt 23, 267, 268 f.; 25, 30, 33; 25, 128, 130 f.; 47, 354, 358; OLG Frankfurt, NStZ 1982, 333; OLG Oldenburg, NJW 1986, 1275; BayObLG, NJW 1988, 2901, 2902; OLG Frankfurt, NStZ 1999, 356, 357; Bartels/Kollorz, NStZ 2000, 648; Fischer, StGB, § 86a Rn. 2; Köhne, DRiZ 2003, 210; Rautenberg, GA 2003, 623; § 86a Rn. 1; Renzikowski, in: R/B/D, VersR, § 86a StGB Rn. 1; Rudolphi, in: SKStGB, § 86a Rn. 1; Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 1; a. A. Frank, S. 49 f.; krit. zum öffentlichen Frieden Roxin/Greco, AT I, § 2 Rn. 47; krit. auch Hörnle, NStZ 2007, 698, 699; dies., in: Die Rechtsgutstheorie, S. 268, 280 plädiert für die Abschaffung der Norm aufgrund mangelnden Rechtsgüterschutzes. 56  Ahmed, in: Rechtsextremismus, S. 81, 86; siehe Reuter, S. 72; Ricker/Weberling, HB Presserecht, Kap. 50 Rn. 27. 57  BGHSt 23, 267, 268. 58  BVerfGK 7, 452, 456; BGHSt 25, 30, 33; 47, 354, 358; 52, 364, 373; BGH, NStZ 1983, 261, 262; OLG Hamburg, JR 1982, 76, 77; OLG Hamm, NStZ-RR 2004, 12; OLG München, NStZ-RR 2005, 371; KG, Urt. v. 07.09.2010 – (4) 1 Ss 301/10 (166/10), Rn. 8 (juris); in der Literatur zust. Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 1; Hamdan, JURA 2008, 169, 170; Köhne, DRiZ 2003, 210 (212); Reuter, S. 84; Rudolphi, in: SK-StGB, § 86a Rn. 1; Schumann, MMR 2011, 440, 441. 59  BGHSt 25, 30, 32; 25, 128, 130 f.; 28, 394, 397; 31 383, 387 f.; 51, 244, 246; OLG Oldenburg, NJW 1986, 1275; BayObLG, NStZ 2003, 89, 90; OLG Oldenburg, NStZ-RR 2010, 368; KG, Urt. v. 07.09.2010 – (4) 1 Ss 301/10 (166/10), Rn. 8 (juris); LG Frankfurt, NStZ 1986, 167; zust. Hamdan, JURA 2008, 169, 170; Heinrich, ZJS

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

schen Beobachter nicht das Bild der Duldung einer innerpolitisch rechtsstaatswidrigen Entwicklung vermittelt werden.60 Teilweise rückt das Ansehen der BRD im In- und Ausland zum Kernstück des politischen Friedens auf.61 Die mehrspurige Ausprägung des Schutzes des politischen Friedens prägt seither die Leitlinie des BGH.62 So erhält § 86a StGB eine relative Tabuisierungsfunktion, damit die Kennzeichen keinen Zugang in das politische Meinungsbild erhalten.63 2. Die freiheitlich demokratische Grundordnung Den Zusammenhang zwischen dem strafrechtlichen Kennzeichenverbot und dem Schutze der freiheitlich demokratischen Grundordnung stellte der BGH bereits in den 1960er-Jahren her und verwies auf verfassungsgerichtliche Ausführungen, die das Kriterium einer Verletzung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung präzisieren.64 Als konkretisierende Ausflüsse haben sich unter anderem die Achtung der Menschenrechte, die Freiheit von Gewalt- und Willkürherrschaft, Gewaltenteilung und die Unabhängigkeit der Justiz herausgebildet.65 Im grundgesetzlichen Kontext um die Verfassungswidrigkeit der Organisation bzw. Partei – die als Grundlage der Sanktionierung der Kennzeichen nach § 86a StGB dient – ist eine aktiv kämpferische und aggressive Positionierung erforderlich.66 Der strafgesetzlich gespannte Bogen der freiheitlich demokratischen Grundordnung erfasse die gleichlautenden Terminologien der Art. 18, 21 Abs. 2, 91 GG, obwohl eine zwingende Identität des verfassungsrechtlichen Begriffs mit dem einfachen Recht nicht 2017, 301, 305; Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 1; a. A. Ilgner/Wargalla, NJW 2014, 803. 60  BGHSt 25, 30, 33; 25, 133, 136 f.; 51, 244, 246; 52, 364, 373; BGH, NStZ 1983, 261, 262; OLG Oldenburg, NJW 1986, 1275; BayObLG, NJW 1988, 2901, 2902; OLG Hamm, NStZ-RR 2004, 12; OLG Koblenz, NStZ-RR 2009, 105; KG, Urt. v. 07.09.2010 – (4) 1 Ss 301/10 (166/10), Rn. 8 (juris); Hamdan, JURA 2008, 169, 170; Paeffgen, in: NK-StGB § 86a Rn. 2; Weimann, NJ 1998, 522. 61  BGH, NStZ 1983, 261, 262; OLG Hamm, NJW 1982, 1656, 1657; OLG Oldenburg, NJW 1988, 351; OLG Düsseldorf, NJW 1988, 2906; Fischer, StGB, § 86a Rn. 2; Köhne, DRiZ 2003, 210; Rudolphi, in: SK-StGB, § 86a Rn. 1; a. A. KettStraub, NStZ 2011, 601, 604; Paeffgen, in: HB des Strafrechts Bd. IV, § 16 Rn. 30; Reuter, S. 70; Stegbauer, S. 88. 62  BGHSt 25, 30, 33; 25, 128, 130 f.; 25, 133, 136; 28, 394, 397; 51, 244, 246; BGH, NStZ 1983, 261, 262. 63  BVerfGK 8, 159, 163; BVerfG, NJW 2009, 2805, 2806; BGHSt 25, 30, 33. 64  BGHSt 23, 64, 72; BVerfGE 5, 85, 138 f. 65  BVerfGE 2, 1, 12 f.; 144, 20, 202 ff.; BGHSt 23, 64, 72. 66  BVerfGE 5, 141; Hartstein/Ring, in: Heidelberger Kommentar, JMStV, § 4 Rn. 16.



B. Der Schutzzweck des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB63

gegeben sein müsse.67 Teilweise wird angemerkt, dass der Schutzzweck nicht in der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu finden sei, weil die strafbaren Kennzeichen nicht stärker als straflose Fantasieparolen geeignet seien, den demokratischen Rechtsstaat zu gefährden.68 Mit dem Verbot des § 86a StGB ließe sich ein Wiederaufleben der Organisationen nicht verhindern.69 Vereinzelt wird angenommen, die Norm diene nicht dem Rechtsgüterschutz sondern einem das Strafrecht nicht legitimierenden Gefühlsschutz.70 Indes hat die Spruchpraxis die Zusammensetzung des Rechtsgüterschutzes aus der freiheitlich demokratischen Grundordnung und dem politischen Frieden bis heute nicht verlassen und erhält die Zustimmung eines erheblichen Teils der Literatur.71 3. Weitere Schutzzweckerwägungen Die verfassungsrechtlichen Verflechtungen des § 86a Abs. 1 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 StGB legen den Schutz der Völkerverständigung nahe.72 § 86 Abs. 2 StGB nimmt sowohl die demokratische Grundordnung als auch die Völkerverständigung ausdrücklich in ihren Wortlaut auf. Der Gedanke der Völkerverständigung – also die Einhaltung essenzieller und für das friedliche Zusammenleben der Nationen unverzichtbarer Regeln des Völkerrechts – sei Kern dieses Rechtsguts.73 Mit den Strafnormen §§ 86, 86a StGB gehe die strafrechtliche Absicherung eines verwaltungsrechtlichen Organisationsverbots einher, erschöpfe sich indes nicht in diesem.74 Ebenso, wie zum politischen Frieden und zum Schutz der freiheitlich demokratischen Rechtsordnung existieren Bedenken hinsichtlich der Legitimität und Präzision des Rechtsguts.75 67  Vgl.

Dürig/Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 18. Rn. 55. Kett-Straub, NStZ 2011, 601, 602 ff.; vgl. dies., DRiZ 2011, 325,

68  Umfassend

326.

NStZ 2011, 601, 605. in: Die Rechtsgutstheorie, S. 268, 274 ff. 71  BGHSt 28, 394, 396; 47, 354, 358; OLG Jena, NJW 2002, 310, 312; Bartels/ Kollorz, NStZ 2002, 297, 298; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86a Rn. 1; Rautenberg, GA 2003, 623; Reuter, S. 68; v. Dewitz, S. 247; Weimann, NJ 1998, 522; den Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung verwendet Paeffgen, in: NK-StGB, § 86a Rn. 2; so auch Schumann, MMR 2011, 440, 441; Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 1. 72  Rudolphi, in: SK-StGB, § 86a StGB Rn. 1; v. Dewitz, S. 231. 73  Paeffgen, in: NK-StGB, § 86 Rn. 2 m. w. N.; Stegbauer, S. 40; v. Dewitz, S. 231. 74  Ilgner/Wargalla, NJW 2014, 803; Stegbauer, S. 40; auch Reuter, S. 77 f. betont, dass sich das Unrecht nicht allein in einem Verstoß gegen ein Organisationsverbot erschöpft. 75  Stegbauer, S. 40 erachtet das Rechtsgut der Völkerverständigung durch die verwaltungsrechtlichen Verbotsgründe als hinreichend präzisiert, während Reuter, 69  Kett-Straub, 70  Hörnle,

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

Teilweise wird angemerkt, dass Zeichen und Symbole als Kenntlichmachung eigener Ideologien und Überzeugungen dienen. Sie ermöglichen das Erkennen Gleichgesinnter. Unabhängig vom Bekanntheitsgrad eines Zeichens stärken sie Zusammengehörigkeitsgefühle.76 Diese gruppeninterne Identifizierungswirkung zu erschweren, sei Anliegen des Kennzeichenverbots nach § 86a StGB.77 Sofern in der Strafnorm der sog. Gründungsmythos der BRD erkannt wird,78 ist dem nicht zu folgen. Diese irreführende Terminologie mit dem objektiven Rechtsgüterschutz des Strafrechts zu vereinbaren, scheitert nicht etwa daran, dass aus den Grundwerten der Verfassung der BRD Rechtsgüter entwickelt werden. Vielmehr entspräche der Gründungsmythos – als Abkehr von misanthropischen Werten und Zielen des Nationalsozialismus unter Begründung eines Gegenentwurfes durch das Grundgesetz selbst – der Legitimation einer Strafnorm aufgrund der Kernausrichtung des Grundgesetzes. Diesen vagen und unpräzisierbaren Gedanken pathetisch in Form des Selbstverständnisses der Nation in die Stellung eines objektiven Grundrechts zu erheben, findet im Wortlaut des § 86a StGB keine Stütze.79

III. Stellungnahme 1. Systematische Erwägungen § 86a StGB pönalisiert als abstraktes Gefährdungsdelikt80 das öffentliche Verwenden und Verbreiten der Kennzeichen. Die neun enumerativen Alternativen der Sozialadäquanzklausel § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB limitieren den Anwendungsbereich der Strafnorm. In systematischer Hinsicht S. 71 auf die gesetzgeberische Entscheidung zur Fokussierung anderer Rechtsgüter verweist und einwendet, dass ein Kennzeichenverbot kein Organisationsverbot absichere, sondern den Schutz lediglich erweitere; vgl. auch v. Dewitz, S. 249. 76  Vgl. Geis, in: Symbole, S. 439, 440. 77  BGHSt 47, 354, 359; 52, 364, 374; KG, Urt. v. 07.09.2010 – (4) 1 Ss 301/10 (166/10), Rn. 8 (juris); vgl. Ellbogen, in: BeckOK-StGB, § 86a Rn. 2; Heinrich, ZJS 2017, 301, 305 f.; Renzikowski, in: R/B/D, VersR, § 86a StGB Rn. 2; Schroeder, JA 2010, 1, 3; a.  A. Hörnle, in: Die Rechtsgutstheorie, S. 268, 274; Kett-Straub, DRiZ 2011, 325, 328; Weimann, NJ 1998, 522, 523. 78  Kett-Straub, NStZ 2011, 601, 605 identifiziert diesen als das kollektive Selbstverständnis des Staates in bewusster Distanzierung zum Nationalsozialismus. 79  Zurecht ablehnend Paeffgen, in: NK-StGB, § 86a Rn. 2; ders., in: HB des Strafrechts Bd. IV, § 16 Rn. 30. 80  BVerfGK 8, 159, 163; BVerwGE 160, 370, 386; BGHSt 23, 267, 268; 25, 30, 31 f.; BGH, NStZ 2015, 81, 82; Anstötz, in: MüKo-StGB § 86a Rn. 2; Bartels/Kollorz, NStZ 2000, 648; Frank, S. 24; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86a Rn. 1; Rahe, S. 23; diff. Reuter, S. 229 ff. und Zimmermann, HRRS 2015, 441, 447.



B. Der Schutzzweck des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB65

würde ein sehr enges Schutzzweckverständnis die Sozialadäquanzklausel ­ihres Anwendungsbereichs berauben.81 Grundsätzlich ist aufgrund des zusätzlichen Limitierungserfordernisses, das der Gesetzgeber hinsichtlich § 86a StGB in der Sozialadäquanzklausel manifestiert, von einem weiten Schutzbereich der Norm auszugehen.82 Weitere Begrenzungen auf Ebene des objektiven oder subjektiven Tatbestands sind im Normtext nicht angelegt. Indes erweiterte der Gesetzgeber den Anwendungsbereich der Norm durch die Vorbereitungshandlungen nach § 86a Abs. 1 Nr. 2 StGB und die Ähnlichkeitsklausel des § 86a Abs. 2 S. 2 StGB immer weiter und legt auch hierdurch ein weites Schutzzweckverständnis nahe.83 Die gesetzeshistorische Entwicklung, die Deliktsnatur und die Sozialadäquanzklausel des § 86a StGB manifestieren die Ansicht des Gesetzgebers, dass die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen mit dem gesellschaftlichen Leben nur im Einzelfall vereinbar ist. Aus dieser gesetzessystematischen Konzeption des § 86a StGB als relatives kommunikatives Tabu können Rückschlüsse für die Verwendung von Kennzeichen in Computerspielen gezogen werden. Der Gesetzgeber stellt Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen als Tatobjekte in das ­Zentrum der Strafbarkeit des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB, ohne besondere Anforderungen an das Übertragungsmedium zu stellen. Die Tathandlungen des ­öffentlichen Verwendens oder Verbreitens weisen keine hohen Strafbarkeitshürden auf.84 § 86a StGB dient der Abwehr von Gefahren, die aus der sinnlichen Wahrnehmbarkeit von Kennzeichen verfassungswidriger Organisatio­ nen entstehen.85 „Symbole sind Kenn- und Erkennungszeichen, die Gemeinsamkeit vermitteln und damit eine Ordnungsfunktion erfüllen. Sie ermöglichen die Sichtbarmachung geistig-sittlicher Phänomene.“86

Das Kennzeichen erfüllt eine Vermittlungsfunktion für eine abstrakte inhaltliche Botschaft. Insofern kann sich der Unrechtscharakter nicht selbstzweckhaft und zirkelschlüssig aus der Existenz des NS-Kennzeichens selbst ergeben. Andernfalls müsste die Strafnorm des § 86a StGB entgegen ihrer systematischen Konzeption als absolutes und kontextunabhängiges Kennzeichenverbot zu verstehen sein. Wenn sich der Rechtsgüterschutz des § 86a 81  BGHSt

23, 267, 268. BGHSt 25, 30, 32. 83  So auch OLG Oldenburg, NStZ-RR 2010, 369. 84  Ausführlich Kap. 2 C. II. 2. b). 85  BVerfGK 7, 452, 456; 8, 159, 163; Renzikowski, in: R/B/D, VersR, § 86a StGB Rn. 5. 86  Geis, in: Symbole, S. 439, 440 unter Bezug auf Krüger, Allgemeine Staatslehre, 1966, S. 226. 82  Vgl.

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

StGB nicht aus der Selbstzweckhaftigkeit der Kennzeichenwahrnehmbarkeit ergeben kann, ist auch ein sektorales Totalverbot in Abkehr von der abstrakt vermittelten kommunikativen Botschaft unzulässig. Mit der Konstruktion der Strafbarkeitsausnahme bei Vorliegen der Sozialadäquanzklausel zeigt der Gesetzgeber an, dass das Verbreiten oder öffentliche Verwenden der Kennzeichen von äußeren, kontextuellen Umständen abhängen muss. Ein Hakenkreuz isoliert betrachtet dient wohl kaum der staatsbürgerlichen Aufklärung oder einem anderen privilegierten Zweck i. S. d. § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB. Die Straflosigkeit kann sich daher nur aus den Umständen des konkreten Tathandlung ergeben. Insofern ist dem Rechtsgüterschutz des § 86a StGB nicht hinreichend Rechnung getragen, wenn etwa das Verbot in formalistischer Betrachtung auf die Verhinderung der Wiedereingliederung der Symbole selbst heruntergebrochen wird. Ist die mit dem Kennzeichen übermittelte Botschaft maßgeblich vom Kontext des Verwendens abhängig, so kann sich folgerichtig der Schutzzweck nur auf die Verhinderung der Wiedereingliederung der Kennzeichen in einem näher zu identifizierenden Zusammenhang bzw. einer bestimmten Inhaltsvermittlung richten.87 In Betrachtung des in § 86a StGB vertypten Unrechts manifestiert der Gesetzgeber die Intention, dass Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eine Gefahr für den Rechtsgüterschutz immanent ist, sich diese aber einzelfallspezifisch an der kommunikativen Bedeutung des konkreten Verhaltens entfaltet und zumindest im Falle des Vorliegens der Sozialadäquanzklausel kein Pönalisierungsbedürfnis entstehen lässt. Aufgrund dessen sei der Untersuchung vorangestellt, dass die konkret kommunizierte Botschaft im Zuge der Kennzeichenvermittlung einen zentralen Aspekt des Unrechtsgehalts der Kennzeichenverwendung im Computerspiel ausmachen muss. Der Identifizierung der geschützten Rechtsgüter ist daher eine Untersuchung der konkreten kommunikativen Kennzeichenwirkung im computerspielbasierten Kontext anzuschließen. Die Ableitung eines aus der historischen Verantwortung entstehenden Rechtsguts kann lediglich als gesetzgeberisches Motiv, nicht aber als eigenständige, rechtsgutsspezifische Legitimation der Strafnorm betrachtet werden.88 Zwar mag die historische Verantwortung Deutschlands gerade in Bezug auf NS-Kennzeichen Bestand haben und größer sein als in anderen Staaten. Indes unterscheidet § 86a StGB systematisch nicht zwischen Kennzeichen von NS-Organisationen und Nicht-NS-Organisationen.89 Insofern ist 87  BGHSt 25, 128, 131; 25, 133, 137; Hefendehl, in: FS-Schroeder, S. 453, 474 fordert als Mindestbedingung einen erkennbaren funktionalen Bezug zwischen der Tathandlung und der staatlichen Funktion. 88  Valerius, in: HB Strafrecht AT I, § 31 Rn. 74 m. w. N. 89  BVerfGE 124, 300, 323 verweist auf diesen Umstand und identifiziert § 86a StGB als allgemeines Gesetz i. S. d. Art. 5 Abs. 2 GG.



B. Der Schutzzweck des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB67

der Hinweis auf die unmittelbare Entnahme eines Rechtsguts aus der allgemeinen teleologischen Natur und historischen Entwicklung des Grundgesetzes als Gegenentwurf zum Nationalsozialismus mit der Reichweite des § 86a StGB nicht umfassend tragfähig. Lediglich die Verfassungswidrigkeit der symbolisierten Organisation ist erforderlich, die ihrerseits nicht notwendigerweise auf einem nationalsozialistischen Bezug beruhen muss. Verfassungswidrigen Kennzeichen ohne nationalsozialistischen Zusammenhang ist aufgrund der systematischen Einheitlichkeit der Norm kein divergierendes Rechtsgutsverständnis beizumessen. Allein aus der verfassungsrechtlichen Grundausrichtung gegen den Nationalsozialismus90 lässt sich – auch in Betrachtung der besonderen Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes – keine Legitimation strafrechtlicher Normen entnehmen.91 2. Rechtsgutsverletzung durch Kennzeichen in Unterhaltungsmedien? Anders als bei Computerspielen fand die strafgerichtliche Spruchpraxis noch keinen Anlass, sich trotz der Vielzahl an verfügbaren unterhaltenden Spielfilmen, mit den materiell-strafrechtlichen Anforderungen an die Kennzeichenverwendung in Filmwerken näher zu beschäftigen.92 Dies verwundert nicht nur vor dem Hintergrund der restriktiven Haltung des OLG Frankfurt a. M. zur Kennzeichenverwendung zum Computerspiel „Wolfenstein 3D“. Schließlich orientierte das Gericht die Entscheidung nicht maßgeblich an einer Abgrenzung beider Mediensparten. Vielmehr muss aufgrund der offensichtlich großzügigen Duldung von NS-Symbolen in Filmwerken die Frage gestellt werden, inwieweit hinsichtlich digitaler Unterhaltungsmedien – mithin auch Computerspiele, die massenhaft vertrieben werden – überhaupt eine Schutzzweckverletzung in Betracht kommt. Zwar wird richtigerweise angemerkt, es wirke auf den ersten Blick konstruiert, dass der Bestand der BRD durch Symbole in unterhaltenden Computerspielen gefährdet sei.93 Allerdings hat die exponentielle Entwicklung von Computerspielen in den vergangenen Jahren gezeigt, dass immer höhere Umsatzzahlen erzielt werden und auch gesellschaftlich bedeutsame Themen, wie der Nationalsozialismus verarbeitet werden. Computerspiele erreichen 90  BVerfGE 5, 85, 139; 124, 300 328; Kett-Straub, NStZ 2011, 601, 605; Schroe­ der, JA 2010, 1; Stegbauer, S. 40. 91  Bartels/Kollorz, NStZ 2002, 297, 300; vgl. Hassemer/Neumann, in: NK-StGB, Vorb. § 1 Rn. 112; Stegbauer, JR 2002, 182, 183. 92  Genannt seien exemplarisch „Schindlers Liste“, „Indiana Jones“, „Inglourious Basterds“, „Sky Sharks“, „Dead Snow“ oder „Zombie Massacre – Reich of the Dead“. 93  Wager, K&R 2019, 380, 383.

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

eine wachsende Spielerschaft und haben sich gerade in Bezug auf den internetbasierten Mehrspielermodus zu einer Kommunikationsplattform gewandelt. Zudem zeigen Spiele, wie „KZ-Manager Millennium“, dass Computerspiele enorme Divergenzen zu den vom Grundgesetz vermittelten Gesellschafts- und Wertestrukturen abbilden können. Somit ist nicht ausgeschlossen, dass sie als Medium zur politischen Agitation missbraucht werden. Insofern ist es keinesfalls abwegig, dass Computerspiele im Widerspruch zur freiheitlich demokratischen Grundordnung oder zum politischen Frieden stehen. Ist bereits das Verbreiten oder Verwenden einzelner im öffentlichen Raum wahrnehmbarer Kennzeichen nicht ipso iure aus dem Schutzbereich der Norm zu entnehmen, so kann für ein alle Gesellschaftsschichten durchdringendes Massenmedium nichts anderes gelten, insbesondere wenn es die Kommunikation der Rezipienten untereinander aktiv herstellt. Zutreffend geht das BVerfG davon aus, dass auch der im öffentlichen Raum ausgeführte „Hitler-Gruß“ eines erkennbar angetrunkenen Täters gegenüber zwei Polizeibeamten, die ihn des Platzes verweisen, nicht die Anwendbarkeit des § 86a StGB per se ausschließt.94 Aus einem solchen Geschehen ist trotz der Strafdrohung wohl kaum der Bestand der BRD ernsthaft gefährdet. Indes ist dies kein taugliches Abgrenzungskriterium zwischen Strafbarkeit und Straflosigkeit, sodass im Computerspiel medial vermittelte Kennzeichen keinesfalls dem Anwendungsbereich entzogen sind, auch wenn es an einer ernstzunehmenden Auflehnung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung fehlt. 3. Das Doppelrechtsgut Der Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung95 geht bereits aus den Gesetzgebungsmaterialien des 1. StrRÄndG96 hervor und hat nicht an Aktualität verloren.97 Das Bedürfnis nach strafrechtlichem Schutz war vor allem durch die Begründung des Selbstverständnisses einer freiheitlichen demokratischen Grundordnung auf Seiten deutscher Staatsbürger geweckt.

94  BVerfGK

7, 452, 457 f. werden auch die verfassungsmäßige Ordnung oder der demokratische Rechtsstaat genannt: Gercke/Brunst, PraxisHB Internetstrafrecht, Rn. 371; Reuter, S. 77; Scholz, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 9 Rn. 127 m. w. N. 96  BT-Drs. I/1307, S. 28. 97  So findet sich der Schutz der freiheitlich demokratischen Rechtsordnung auch im Gesetzesentwurf zum Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 18.02.1994, BT-Drs. 12/6853, S. 18. 95  Synonym



B. Der Schutzzweck des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB69

Die strafnormlegitimierende Funktion des Rechtsgutes kann nicht ohne Rückgriff auf die verfassungsrechtliche Stellung dieses Ordnungsprinzips festgestellt werden, in dessen Reichweite es zu schützen ist. Die Termino­ logie der freiheitlich demokratischen Grundordnung ist innerhalb des ver­ fassungsrechtlichen Kontextes unter anderem in Art. 10 Abs. 2 S. 2, 18, 21 Abs. 2 und Abs. 3 GG zu finden und wurde bereits im Jahre 1952 vom BVerfG definiert als eine Ordnung, „die unter Ausschluß jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt“.98

Indes ist der früheren Spruchpraxis kein einheitlicher Maßstab zur Präzisierung des Rechtsguts zu entnehmen. So legte Wagner die Interferenzen in der Rechtsprechung im Umgang mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung und der verfassungsmäßigen Ordnung offen.99 Teilweise soll erstere vom Begriff der verfassungsmäßigen Ordnung i. S. d. § 90a StGB a. F. umfasst sein.100 Teilweise soll die verfassungsmäßige Ordnung des Grundgesetzes nicht dem gleichlautenden strafrechtlich geschützten Begriff identisch sein.101 Gleichwohl wird auch eine wesentliche Inhaltsgleichheit in Bezug auf die Begriffsbestimmungen des § 92 StGB angenommen.102 Die aus der Spruchpraxis herrührende terminologische Verwirrung um eine einheitliche Begriffsfindung setzt sich insoweit fort, als dass eine rechtsgutsspezifische Konkretisierung oder Materialisierung zu der ungelenken Terminologie schwer auszumachen ist. Der unbestimmte Rechtsbegriff kann in einer Negativabgrenzung als Abkehr von totalitären Staatsmechanismen verstanden werden.103 So vermag auch der viel diskutierte Gedanke der Abkehr des Grundgesetzes von der Diktatur des Nationalsozialismus mittelbar Eingang in die Ausfüllung des Rechtsguts der freiheitlich demokratischen Grundordnung zu finden, ohne gleichwohl eine eigenständige Rechtsguts­ position zu begründen. Die geltende Verfassung soll ihren Feinden nicht sehenden Auges wehrlos ausgesetzt sein, wie es das Schicksal der Weimarer Verfassung im Jahre 1933 war.104 Um dem Missbrauchspotenzial der unbestimmten Formel entgegen 98  BVerfGE

2, 1, 12; BGHSt 23, 64, 72; zust. Heinrich, ZJS 2017, 301, 303. GA 1960, 193 195 f. 100  BGH, Urt. v. 04.12.1953 – 2 StR 306/53 Rn. 11 (Wolters Kluwer); BGHSt 9, 285, 286. 101  Vgl. Übersicht in Wagner, GA 1960, 193, 197. 102  BGHSt 23, 64, 72. 103  Dürig/Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 18 Rn. 58; Gusy, AöR 105 (1980), 279, 282 f. 104  Gusy, AöR 105 (1980), 279, 280. 99  Wagner,

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

zu wirken, sind Konkretisierungsbemühungen unausweichlich. Ein Angriff auf die freiheitlich demokratische Grundordnung wird angenommen, wenn oberste Grundwerte der Verfassung bekämpft werden.105 Mit Blick auf Art. 21 GG soll eine aktiv kämpferische Haltung gegen die oberste Ordnung erkennbar sein.106 Eine solche findet auch in § 86 StGB im Begriff der Propaganda Niederschlag.107 Hinsichtlich § 86a StGB ist die Verfassungswidrigkeit der symbolisierten Organisation bereits mit dem Organisationsbezug des Tatobjekts des Kennzeichens angezeigt.108 Eine notwendige tathandlungsspezifische kämpferische Agitation ist systematisch nicht abzuleiten. Jedenfalls steht die Kommunikationswirkung der verwendeten Symbolik in Abhängigkeit von äußeren Faktoren durch die Handlung selbst und die kontextuelle Einbettung des Symbols gibt den Interpretationsrahmen vor.109 Damit steht die Symbolwirkung im Zentrum des Schutzzwecks der Norm. Feinden der freiheitlich demokratischen Grundordnung sollen keine historisch stark belasteten und stigmatisierten Zeichen zur Verfügung stehen.110 Der verfassungsrechtlich verbürgte Auftrag zum Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung endet nicht in Organisationsverboten, sondern findet im Kennzeichenverbot Niederschlag.111 Die inkriminierten Kennzeichen transportieren stellvertretend die verfassungsfeindlichen Ziele der mit ihnen verbundenen, verfassungswidrigen Organisation. So besteht die Gefahr vor allem in einer Wiederbelebung nationalsozialistischer Organisationen und der späteren Beseitigung der Demokratie, deren Grundlage die Kennzeichenverwendung bilden kann.112 Richtigerweise ist festzustellen, dass die öffentliche Verwendung der Kennzeichen das Potenzial trägt, dass Verfechter der rechtsextremen Szene diese wieder gefahrlos zur Verfolgung der vermittelten politischen Ziele verwenden können.113 Ist ein Symbol oder Kennzeichen als Abstraktionsmedium kommunikativer Inhalte zu verstehen, die sich erst aus dem kontextuellen Zusammenhang AöR 105 (1980), 279, 284; Hamdan, JURA 2008, 169, 171. 5, 85, 141; statt vieler Streinz, in: v. Mangoldt/Klein/Stark, GG, Art.  21 Rn.  232 m. w. N. 107  BGHSt 23, 64; Gusy, AöR 105 (1980), 279, 286; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86 Rn. 4; Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86 Rn. 5. 108  BT-Drs. I/1307, S. 50 verweist hinsichtlich der freiheitlich demokratischen Grundordnung ausdrücklich auf Art. 18 GG. 109  Vgl. BGHSt 25, 30, 34  f.; BGHSt 52, 364, 375 f.; illustrativ KG, Urt. v. 07.09.2010 – (4) 1 Ss 301/10 (166/10), Rn. 10 (juris). 110  Ähnl. Reuter, S. 77. 111  Lüttger, GA 1960, 129, 136; Reuter, S. 78. 112  Reuter, S. 78. 113  BGHSt 25, 30, 33; OLG Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356, 357; Schumann, MMR 2011, 440, 441; Stegbauer, S.  86 f. 105  Gusy,

106  BVerfGE



B. Der Schutzzweck des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB71

der Tathandlung ergeben, so kann sich die Schutzzweckverletzung auch nicht unmittelbar an der Anzahl der verwendeten Kennzeichen ausrichten, sondern nur an der von außen zu ermittelnden Botschaft. Die Gefahr der Wiedereingliederung der Kennzeichen steht nur im Widerspruch zur freiheitlich demokratischen Grundordnung und zum politischen Frieden, wenn die Kennzeichen innerhalb des wahrnehmbaren Gesamtzusammenhangs nicht als Mittel zur Distanzierung von den nationalsozialistischen Wertvorstellungen gebraucht werden.114 Der von einer freiheitlich demokratischen Grundordnung getragene Rechtsstaat, der denselben mit der Strafnorm des § 86a StGB zu schützen versucht, kann kein Interesse haben, die Distanzierung von absoluten und totalitären Staatsmechanismen zu unterbinden, wenn das verwendete Symbol eindeutig als ein Symbolbild der abzulehnenden Maximen verwendet wird.115 Insofern bedarf die Kennzeichenverwendung eines konkreten Zulässigkeitsrahmens, um in der freiheitlich demokratischen Grundordnung und dem politischen Frieden legitimierende Rechtsgüter zu finden. Um den Zeichen die Wiederkehr in den politischen Kontext116 und damit auch ein Aufleben der vermittelten Werte zu verhindern, ist der Gesetzgeber gerade im Kontext staats- und friedensschützender Strafnormen gehalten, den Schutzbereich durch abstrakte Gefährdungsdelikte vorzuverlagern.117 Mit der relativen Tabuisierung der Kennzeichen im öffentlichen Kontext behalten Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ihren symbolischen Bedeutungswert. Die zeitliche Distanz zur NS-Herrschaft ändert hieran nichts. § 86a StGB sichert den Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung ab, jeden Anschein einer Wiederbelebung der Organisationen durch ein Kennzeichenverbot zu erschweren. Der politische oder auch öffentliche Friede ist eng mit der freiheitlich demokratischen Grundordnung verbunden. Der Gesetzgeber misst den Symbolen eine historische Bedeutung bei, die im Widerspruch zu den gesellschaftlichen und verfassungsrechtlichen Grundwerten steht.118 Darin bestätigt sich die grundsätzliche Gefährlichkeit der kommunikativen Wirkung des Kennzeichens selbst, die nur in Ausnahmefällen ausgeschlossen sein soll. Würden Zeichen nationalsozialistischer Organisationen wieder Eingang in das öffent-

JURA 2008, 169, 172; vgl. v. Dewitz, S. 257. Tatbestandsausschluss im Falle des Verwendens von NS-Kennzeichen zum Zwecke der Distanzierung vom Nationalsozialismus sogleich Kap. 2 C. II. 3. c). 116  BGHSt 25, 128, 131; 25, 133, 137; 28, 394, 397; BayObLG, NStZ 2003, 89. 117  v. Dewitz, S. 230; Paeffgen, in: FS-Schroeder, S. 453, 457. 118  So geht auch BVerwGE 160, 370, 377, 392 davon aus, dass Tätowierungen von nationalsozialistischen Symbolen nicht mit der Anerkennung der verfassungsmäßigen Ordnung durch einen Beamten in Einklang zu bringen sind. 114  Hamdan, 115  Zum

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

liche Leben finden, so ergäbe sich hieraus die Gefahr der Gewöhnung119 und des späteren massenhaften Gebrauchs.120 Der politische Frieden ist als überindividuelles Rechtsgut nicht gänzlich unbestimmt. Zwar sind insbesondere abstrakte Gefährdungstatbestände des Staatsschutzstrafrechts unter Rückgriff auf schwermütige Universalrechtsgüter kaum greifbaren Abgrenzungskriterien zugänglich.121 Auch besteht für abstrakte Gefährdungsdelikte des Staatsschutzstrafrechts aufgrund der schwer vorzunehmenden Materialisierung der geschützten Rechtsgüter die Gefahr einer den Rechtsgüterschutz überdehnenden Vorverlagerung.122 Eine Strafnorm findet ihre Grenzen dort, wo der Rechtsgüterschutz mit dem strafrechtlichen Verbot nicht zu erreichen ist.123 Eine zu besorgende Destabilisierung des politischen Friedens kann aus den mittelbaren Individualrechtsgütern des § 86a StGB konstruiert werden, die eine Materialisierung des Schutzes des politischen Friedens ermöglichen. Zutreffend bedarf die Legitimation eines vorgelagerten strafrechtlichen Universalrechtsgüterschutzes stets eines mittelbaren Schutzes individueller Rechtsgüter.124 Zunächst ist festzustellen, dass das vorgeschlagene Rechtsgut des politischen Friedens dem Schutz des öffentlichen Friedens im Zuge des § 130 StGB wohl nicht gänzlich unähnlich sein kann. Der öffentlichen Frieden kann als Grundlage des Wohls der Gesamtbevölkerung verstanden werden.125 Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gelten – wie bereits festgestellt – als symbolische Abstraktion einer der pluralistischen und multikulturellen Gesellschaft entgegenstehenden, zudem aggressiven und gewalttätigen Doktrin und sind als Übertragungsmedium dieser Tendenzen zu verstehen. Als Symbole sind sie nicht nur zur bloßen Kommunikation einer Abneigung gegenüber bestimmten gesellschaftlichen Gruppen geeignet, sondern vermögen die in ihrem historischen Organisationsbezug angelegte gewaltbefürwortende Ausrichtung zu verbreiten. Aufgrund der ihnen innewohnenden Bedeutung ist die Vornahme von Gewalttaten gegen jüdische Mitbürger, Ausländer oder andere Minderheiten zu befürchten.126 Demnach kann § 86a StGB der mittelbare Normzweck zugeordnet werden, dass ein poten­ 119  LG Frankfurt, NStZ 1986, 167; Fischer, StGB, § 86a Rn. 18a; v. Dewitz, S. 247 subsumiert den Gewöhnungseffekt an Symbole nationalsozialistischer Organisationen unter das Rechtsgut der demokratischen Grundordnung. 120  Güntge, in: S/S/W, StGB, § 86a Rn. 10. 121  Vgl. Hefendehl, in: FS-Schroeder, S. 453, 472 f. 122  Hefendehl, in: FS-Schroeder, S. 453, 457 f.; Reuter, S. 31. 123  Bochmann, S.  41 f.; Hefendehl, in: FS-Schroeder, S. 453, 475. 124  Mitsch, KriPoZ 2019, 29, 32. 125  Mitsch, KriPoZ 2018, 198, 201. 126  v. Dewitz, S. 221, 248; nach Reuter, S. 73 f. genügen das subjektive Sicherheitsempfinden des Einzelnen und das Vertrauen in den Bestand der Rechtsordnung



B. Der Schutzzweck des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB73

ziell mit dem Kennzeichen kommunizierter Hass in physische Gewalt umzuschlagen droht. Gerade die – nicht vollkommen unbegründete – Freiheit des Einzelnen, aus Angst vor körperlichen Angriffen bestimmte Orte nicht mehr aufzusuchen, beschneidet ihn in seiner Bewegungsfreiheit und betrifft den öffentlichen Frieden.127 Diese Schutzwirkung wird zutreffend auch zu § 130 StGB erwogen.128 Insofern stehen der Verhinderung der Wiedereingliederung der Kennzeichen in das öffentliche Meinungsbild keine rechtsgutsspezifischen Bedenken entgegen. Auch die Erscheinung von Computerspielen als ein alle Alters- und Gesellschaftsstrukturen erreichendes vielschichtiges Massenmedium ist wohl nicht von vornherein gänzlich ungeeignet, den politischen Frieden zu gefährden, sodass ein Gefährdungspotenzial nicht mit dem Blick auf das durch § 86a StGB geschützte Rechtsgut auszuschließen ist. Der Ansehensschutz der BRD hingegen ist als Ausgestaltung des Rechtsgüterschutzes durchgreifenden Bedenken ausgesetzt. Schutzrichtungen, die das Ansehen und den Bestand der BRD in seiner verfassungsmäßigen Ordnung aufgreifen, finden sich allenfalls in §§ 90a, 90b StGB.129 Die rechtshistorische Situation des Kennzeichenverbots offenbart die – heute mangels Aktualität – nicht mehr durchgreifenden Gründe für die einstige Erwägung dieses Rechtsschutzgedankens.130 Die Einführung des § 96a StGB a. F. als kernstrafrechtliches Kennzeichenverbot war zwar von dem Gedanken der Verhinderung der öffentlicher Beunruhigung im In- und Ausland getragen.131 Dass sich die Bedeutung, die der Gesetzgeber einer Norm beilegte, ändern kann, beweist das Gesetzgebungsverfahren zu § 4 VersG a. F. Von einer Aufnahme in das Strafgesetzbuch wurde zunächst abgesehen, weil keine dauerhafte Notwendigkeit für die Norm erforderlich schien. Gleichwohl befindet sich das Kennzeichenverbot mehrere Jahrzehnte nach diesen Überlegungen im Kernstrafrecht. nicht den Anforderungen des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes; siehe ferner Ahmed, in: Rechtsextremismus, S. 81, 88. 127  Mitsch, KriPoZ 2018, 198, 203. 128  Mitsch, KriPoZ 2018, 198, 203. 129  Anstötz, in: MüKo-StGB, § 90b Rn. 1; Paeffgen, in: NK-StGB, § 90b Rn. 2; a. A. wohl Kett-Straub, DRiZ 2011, 325, 327, die zweifelt, ob der Ansehensschutz überhaupt mit den Mitteln des Strafrechts bezweckt sein darf. 130  BT-Drs. 1/1307, S. 50 nimmt vor allem die außenpolitische Situation der BRD in den ersten Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg und die Skepsis, die der jungen in den 1950er-Jahren in außen- und innenpolitischer Hinsicht von der westlichen Wertegemeinschaft entgegen gebracht wurde, zum Anlass für eine (neben)strafrechtliche Reaktion des Gesetzgebers gegen die Verwendung nationalsozialistischer Kennzeichen; vgl. auch Reuter, S. 65. 131  Vgl. Stegbauer, S. 88; auch beeinflussten antisemitische Vorfälle in der Zeit des Jahreswechsels zwischen 1959 und 1960 die gesetzgeberische Entscheidung, Reuter, S. 66.

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

Mehr als 60 Jahre nach der Aufnahme des Kennzeichenverbots in §§ 4, 28 VersG a. F. mag die Verwendung nationalsozialistischer Symboliken zwar noch immer „Anlass zu berechtigter Empörung“132 im In- und Ausland geben. Indes hat sich die außen- und innenpolitische Ausgangssituation der BRD und anderer Staaten verändert. Das strafrechtliche Kennzeichenverbot ist eng mit den Grundwerten der Verfassung verzahnt und weist einen mittelbaren Organisationsbezug auf.133 Wäre der Ansehensschutz der BRD mit § 86a StGB bezweckt, so müsste mit jeder Einstufung einer Organisation als verfassungsgemäß oder verfassungswidrig auch danach gefragt werden, wie dies vom fiktiven ausländischen Beobachter aufgefasst würde, weil die Kennzeichen dieser Organisation auf Grundlage dieser Einstufung dem Anwendungsbereich des § 86a StGB zugeordnet werden oder nicht. Der ausländische Ansehensschutz kann lediglich als Reflexwirkung betrachtet werden.134 Allgemein ist der strafrechtliche Rechtsgüterschutz nicht statischer Natur, sondern ist im Wandel geschichtlicher und gesellschaftlicher Wertvorstellungen, sowie sozialwissenschaftlicher, empirischer Erkenntnisse getragen, um das Strafrecht nicht zur Reaktion auf bloße Moralwidrigkeiten zu verkürzen.135 Auch § 86a StGB muss im Rahmen dieser gesellschaftlichen Entwicklung betrachtet werden. Nunmehr ist die BRD fest in der internationalen Staatengemeinschaft etabliert und unterliegt keiner strengen ausländischen Beobachtung mehr. Das Ansehen Deutschlands als strafnormlegitimierender Schutzzweck überzeugt zudem aufgrund der kaum tragbaren Ergebnisse im medialen Bereich nicht. Es wirkt konstruiert, anzunehmen, die Erteilung einer Vermarktungszulassung eines Computerspiels in Deutschland würde das Ansehen der BRD gefährden oder gar schädigen, obwohl das identische Werk international vertrieben und trotz implementierter Kennzeichen als unproblematisch erachtet wird. Neben der Konturenlosigkeit136 des Ansehensschutzes bleibt ferner unklar, welches Ausland gemeint ist. Unterschiedliche Jurisdiktionen stellen unterschiedliches Verhalten unter Strafe. Wie aber die Straflosigkeit eines Verhaltens, das im Ausland ohnehin nicht als unrechtstypisch qualifiziert wird, dem internationalen Ansehen der BRD schaden solle, bleibt zweifelhaft.137 Darüber hinaus ist die Duldung von Friedensverstößen in der Gesellschaft wohl stets geeignet, das Ansehen eines Landes zu beschädigen, sodass dieser Aspekt zu einer allumfassenden Gene-

132  BT-Drs.

1/1307, S. 50. 54, 61, 66; umfassend Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 9. 134  Schumann, MMR 2011, 440, 441. 135  Roxin/Greco, AT I, § 2 Rn. 63. 136  So auch Reuter, S. 70. 137  So zutreffend Keller, in: Hamburger Kommentar, Gesamtes Medienrecht, 86. Abschnitt Rn. 14. 133  BGHSt



B. Der Schutzzweck des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB75

ralbegründung des strafrechtlichen Normenkatalogs hervorgehoben werden könnte.138 Der Schutz des Ansehens der BRD im Ausland ist nicht durch § 86a StGB bezweckt und bleibt im Rahmen der materiell-strafrechtlichen Beurteilung der Kennzeichenverwendung in Computerspielen nicht zu berücksichtigen.139 Vielmehr besteht das Anliegen des § 86a StGB in der Verhinderung der Wiedereingliederung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in das gesellschaftliche und politische Leben. Die Verhinderung des Anscheins der Wiederbelebung verfassungswidriger Organisationen und des späteren gefahrlosen Gebrauchs der Kennzeichen stehen damit in engem Zusammenhang und sind kaum voneinander trennbar. Die Kennzeichen sollen im Zuge ihrer kommunikativen Ausrichtung durch bestimmte Verhaltensweisen keinen Eingang in das öffentliche Meinungsspektrum finden und aufgrund ihrer verfassungswidrigen Ausrichtung den Gegnern der freiheitlich demokratischen Grundordnung kein legitimes Mittel zur Abschaffung derselben bieten. Mit der gesetzessystematischen Nähe und der Bezugnahme auf § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 StGB soll auch der Anschein der Duldung einer Wiederbelebung dieser Organisationen nicht aufkommen und ein zukünftiger strafloser und unverdächtiger Gebrauch wird mit der Norm unterbunden. 4. Völkerverständigung und andere Schutzzweckerwägungen § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB nimmt Bezug auf § 86 Abs. 1 Nr. 2 StGB und stellt einen indirekten Zusammenhang zur Völkerverständigung her. Die in Art. 9 GG verbürgte Vereinigungsfreiheit nimmt in der verfassungsimmanenten Begrenzung des Art. 9 Abs. 2 GG solche Organisationen aus, die sich gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten und knüpft am Regelungsgehalt des Art. 26 GG an.140 Teilweise wird im Gedanken der Völkerverständigung kein eigenständiges Rechtsgut, sondern ein integraler Bestandteil der freiheitlich demokratischen Grundordnung verstanden.141 Gleichwohl verwendet § 86 Abs. 2 StGB beide Begriffe nebeneinander, sodass eine eigenständige Rechtsgutsqualität nach der Wertung des Strafgesetzgebers wohl nicht ausscheidet. 138  Ähnl. Frank, S. 50 in Bezug auf den öffentlichen Frieden als Rechtsgut; nach Paeffgen, in: HB des Strafrechts Bd. IV, § 16 Rn. 30 ist der Ansehensschutz ein mehr als dubioses Rechtsgut. 139  Ahmed, in: Rechtsextremismus, S. 81, 87; Kett-Straub, NStZ 2011, 601, 604; dies., DRiZ 2011, 320, 327; im Ergebnis auch Reuter, S. 71; diff. Schumann, MMR 2011, 440 (442); a. A. OLG Oldenburg, NJW 1986, 1275. 140  Scholz, in: Maunz/Düring, GG, Art. 9 Rn. 131; Steinsiek, in: LK-StGB, § 86 Rn. 5; Wagner, S.  465 f. 141  Siehe dazu Wagner, S. 464.

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

Im systematischen Einklang mit § 86 Abs. 1 Nr. 2 StGB bezweckt das Kennzeichenverbot den Schutz der unverzichtbaren Regeln des Völkerrechts, die für ein friedliches Zusammenleben unabdingbar sind.142 Zwar vermag ein loses Bekenntnis durch das Verwenden nationalsozialistischer Symbole die freiheitlichen Werte des Grundgesetzes nicht in dem Maße zu untergraben, wie dies bei der aktiven Mitgliedschaft in verbotenen Vereinigungen und Organisationen der Fall ist.143 Dennoch ist die menschenverachtende Wirkung der Symbole geeignet, die Missachtung völkerrechtlicher Regelungen auszudrücken.144 Für die Entwicklung weiterer Schutzzweckerwägungen besteht kein Bedürfnis. Jedenfalls kranken weiterführende Erwägungen meist an der fehlenden Tauglichkeit des § 86a StGB. Zwar stärken insbesondere originale NSSymbole die Wiedererkennung zwischen Gleichgesinnten und vermitteln ein gruppeninternes Zugehörigkeitsgefühl,145 wodurch das Eskalationspotenzial für Gewalttaten erhöht werden kann. Gleichwohl ist ein Kennzeichenverbot nicht geeignet, eine gruppeninterne Wirkung wirksam zu unterbinden, da schon die Vielfalt der straflosen Erkennungszeichen ein nicht zu überblickendes Ausmaß annimmt. So werden in rechtsextremen Kreisen Buchstaben in Zahlenwerte transferiert oder Akronyme gebildet, um der Strafbarkeit zu entgehen.146 Die fehlende Verhinderungseignung versagt der Norm diesen Schutzzweck.147 Ein überragendes Maß der Wiedererkennung und Zusammengehörigkeit bei Originalkennzeichen gegenüber Fantasieparolen und einfach verschlüsselten Botschaften ist nicht einzusehen. 5. Ergebnis Das strafrechtliche Kennzeichenverbot schützt die freiheitlich demokratische Grundordnung,148 den politischen Frieden und den Gedanken der Völin: SK-StGB, § 86a StGB Rn. 1; v. Dewitz, S. 231; a.A Reuter, S.  71 f. S. 71. 144  Im Ergebnis zust. Paeffgen, in: NK-StGB, § 86a Rn. 2; Stegbauer, S. 40; v. Dewitz, S. 233. 145  BGHSt 47, 354, 359; Schroeder, JA 2010, 1, 3. 146  Die interne Erkennung von Anhängern rechtsextremer Gruppierungen bedarf keiner originalen oder leicht modifizierten Zeichen. Ebenso ostentativ, wie eine unter § 86a StGB zu fassende SS-Rune in Frakturschrift ist eine Verschlüsselung der des Ausrufes: „Heil Hitler“ in „88“ für den Buchstaben „H“ als 8. Buchstaben des Alphabets. Derlei Akronyme sind nicht unter § 86a StGB subsumierbar, Bartels/Kollorz, NStZ 2002, 297, 300; Hörnle, NStZ 2002, 113, 115; Kett-Straub, NStZ 2011, 601, 603; siehe Westerhoff, BPjM-Aktuell 3/2006, 3, 9. 147  Vgl. Hörnle, NStZ 2002, 113, 114 f.; Kett-Straub, NStZ 2011, 601, 603; Weimann, NJ 1998, 522, 523; a. A. BGHSt, 47, 358; Schroeder, JA 2010, 1, 4. 148  Schroeder, S. 314; Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86a Rn. 1. 142  Rudolphi, 143  Reuter,



C. Tatobjekte und Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB 77

kerverständigung.149 Bereits der Anschein der Wiederbelebung nationalsozialistischer Organisationen, die Gefahr des späteren gefahrlosen Gebrauchs der Kennzeichen und die allgemeine Wiedereingliederung der Symbole in die Gesellschaft sollen unterbunden werden. Für die Implementierung von NSSymbolen in Computerspielen müssen vor dem Hintergrund des § 86a StGB insbesondere das Ansehen Deutschlands im Ausland und jugendschutzrechtliche Erwägungen außer Betracht bleiben.

C. Tatobjekte und Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGBim Lichte der Kennzeichenimplementierung in Computerspielen Die Strafbarkeit nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB durch Implementieren von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen kommt nur in Betracht, wenn originale Kennzeichen und solche, die gemäß § 86a Abs. 2 S. 2 StGB zum Verwechseln ähnlich sind, mit dem Medium Computerspiel verbreitet oder darin öffentlich verwendet werden.

I. Tatobjekt: NS-Kennzeichen 1. Originale NS-Kennzeichen in Computerspielen Im Zentrum der bisherigen Diskussion um die Kennzeichenverwendung in Computerspielen steht vor allem die Implementierung des Hakenkreuzes. Dass dieses zentrale Symbol des Nationalsozialismus als Tatobjekt von der Regelungswirkung des § 86a StGB erfasst ist, bedarf kaum einer näheren Erörterung.150 Mit Blick auf die Entwicklung neuer Spiele muss der Problematik der ­Einbindung unbekannter Kennzeichen Rechnung getragen werden. „Attentat 1942“ ist ein Musterexemplar für die Bestrebung, die Zeit des Nationalsozialismus in engen Facetten mittels des Mediums des Computerspiels ­aufzuarbeiten. Denkbar sind Spielproduktionen zur Beleuchtung einzelner Organisationen, die sich nicht des Hakenkreuzes bedienen, sondern organisationsspezifisch durch andere unbekanntere Kennzeichen aufgeladen werden.

149  Ahmed, in: Rechtsextremismus, S. 81, 85 f.; so grundsätzlich auch Rahe, S. 24; Rautenberg, GA 2003, 623. 150  Bonefeld, DRiZ 1993, 430, 434.

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

a) Historischer Organisationsbezug In singulärer Betrachtung sind Symbole grundsätzlich als audiovisuelle Erscheinungen ohne kontextuelle Einbettung inhaltsleer und erhalten erst durch den historischen Organisationsbezug eine inhaltliche Ausfüllung.151 Mit dem Erfordernis des Organisationsbezugs umrahmt der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des § 86a StGB für Kennzeichen, denen eine offizielle Verwendung oder tatsächliche Übung durch verfassungswidrige Organisationen anhaftet.152 Das in § 86a StGB vertypte Unrecht der Tat ist durch den Wortlaut des § 86a Abs. 2 StGB i. V. m. § 86a Abs. 1 StGB auf Kennzeichen einer Partei oder Vereinigung i. S. d. § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 StGB begrenzt. Mit anderen Worten: Das Kennzeichen bedarf eines spezifischen Organisationsbezuges zu einer verbotenen oder für verfassungswidrig erklärten Organisation.153 Die Übermittlungsfähigkeit von Symbolen hinsichtlich der historisch beiliegenden – nicht unmittelbar wahrnehmbaren – abstrakten Werte, Gedanken, Ideen, Sinnzusammenhänge und Sachverhalte154 vermag das Kennzeichenverbot nach § 86a StGB auszufüllen.155 Aufgrund dessen können als Akronyme transferierte Buchstabenkombinationen, Zahlenwerte oder sonst kommunizierte rechtsextreme Gesinnungen allein nicht von § 86a StGB erfasst werden.156 Mögen sie zwar kommunikativ dem nationalsozialistischen Gedankengut zuzuordnen sein, fehlt es ihnen gleichwohl an der tatsächlichen Verwendung durch eine verfassungswidrige Organisation. Eine schutzzwecküberdehnende Auslegung ist zu erkennen, wenn unabhängig von einer audiovisuellen Ähnlichkeit eines Fantasiesymbols zu einem Kennzeichen i. S. d. § 86a Abs. 2 StGB die bloße Erinnerung an den Nationalsozialismus unter den Tatbestand gefasst wird.157 151  Dahm, DRiZ 2001, 404, 413; Geis, in: Symbole, S. 439, 444; exemplarisch sei diesbezüglich darauf hingewiesen, dass das Hakenkreuz als wohl symbolträchtigstes Kennzeichen des Nationalsozialismus sich in ähnlicher Proportion und abgewandelter Farbgebung noch immer auf der Flagge des Staatspräsidenten Finnlands findet; siehe dazu Weber, ZRP 2008, 21. 152  BGHSt 52, 364, 371 f.; 64, 61, 66; Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 8; Becker, in: M/R, StGB, § 86a Rn. 6; Güntge, in: S/S/W, StGB, § 86a Rn. 2; Kett-Straub, DRiZ 2011, 325, 326; v. Dewitz, S. 277. 153  Zum Organisationsbezug sogleich Kap. 2 C. I. 1. a). 154  Vgl. Classen, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, Art. 22 Rn. 21; vgl. Geis, in: Symbole, S. 439, 440 f.; Huber, in: Sachs, GG, Art. 22 Rn. 6a. 155  Stegbauer, S. 94. 156  BGHSt 54, 61, 64 f.; Bartels/Kollorz, NStZ 2002, 297, 300; Fischer, StGB, § 86a Rn. 12a; Güntge, in: S/S/W, StGB, § 86a Rn. 4; Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 7; v. Dewitz, S. 252. 157  BGHSt 25, 128, 132; 25, 133, 135; 54, 61, 64 f.; Güntge, in: S/S/W, StGB, § 86a Rn. 6; Steinmetz, NStZ 2002, 118, 120; vgl. Träger/Mayer/Krauth, in: 25 Jahre BGH, S. 227, 241; den Anwendungsbereich des § 86a Abs. 2 S. 2 StGB überdehnt



C. Tatobjekte und Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB 79

Als Staatsschutzdelikt schützt § 86a StGB insofern nicht vor der Wahrnehmbarkeit nationalsozialistisch motivierter Kennzeichen selbst, sondern vor den damit kommunizierten Inhalten, dessen abstrakt vermittelten Werten und der ideologischen Bedeutung,158 unter Berücksichtigung tatsächlicher Bezüge zu einer verfassungswidrigen Organisation. Die Aufzählung des § 86a Abs. 2 S. 1 StGB ist nicht abschließender Natur.159 Eine Grenzziehung zwischen strafbarem und straflosem Symbol vollzieht sich anhand des Organisationsbezugs des Kennzeichens,160 nicht an der außerpolitischen Verwendung. Gemäß der gesetzgeberischen Wertung stehen geringfügige Veränderungen, die keine wesentliche audiovisuell wahrnehmbare Änderung des Erscheinungsbildes bewirken, den originalen Kennzeichen materiell-strafrechtlich gleich, § 86a Abs. 2 S. 2 StGB. Für das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Computerspielen bedeutet dies, dass es hinsichtlich der Kennzeichenqualität als Tatobjekt nicht auf die konkrete Einbettung ankommt. Obgleich der Spielinhalt ein NS-Symbol in einem dystopischen Alternativweltszenario oder in einem historischen Gesamtsetting präsentiert, so liegt in jedem Falle ein taugliches Tatobjekt i. S. d. § 86a Abs. 2 StGB vor. Das Gleiche gilt auch, wenn dem Symbol im Rahmen der innermedialen Spielgeschichte ein gänzlich neuer Bedeutungswert beizumessen werden soll. Die Beeinflussung oder Neuausrichtung des verfassungswidrigen Inhalts des Kennzeichens selbst ist durch die konkrete Art der Präsentation nicht möglich. Die Qualität des Tatobjekts richtet sich nach dem historischen Organisationsbezug, nicht nach einer spielinternen Neuinterpretation. Umgekehrt erlaubt das Tatbestandsmerkmal des Kennzeichens den Herstellern von Computerspielen das Ersetzen der originalen Hakenkreuze im Spielinhalt durch offensichtliche Surrogate, ohne die Bezüge des Gesamtinhalts zum Nationalsozialismus zu modifizieren.

das LG Dresden, Beschl. v. 27.05.2008 – 3 Qs 17/08, Rn. 52 f. (juris) deutlich, wenn die textliche Umschreibung als Aufruf zum „Hitler Gruß“ seinerseits als Kennzeichen nach § 86a StGB qualifiziert wird; daher zurecht ablehnend Stegbauer, NStZ 2010, 129, 131. 158  Vgl. Geis, in: Symbole, S. 439, 441. 159  BT-Drs. III/1746, S. 2; BT-Drs. III/2150, S. 528; BGHSt 64, 61, 66  f.; zu § 375a StGB-E 1962 siehe BT-Drs. IV/650, S. 567. 160  Vgl. BT-Drs. III/1746, S. 2; vgl. BT-Drs. IV/650, S. 566; OLG Bamberg, Urt. v. 18.09.2007- 2 Ss 43/2007, Rn. 6 (juris); Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 9; Stegbauer, JR 2002, 182, 186; v. Dewitz, S. 250.

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

b) Kennzeichenqualität unbekannter Symbole in Computerspielen Stellenweise weisen Literatur und Spruchpraxis darauf hin, dass § 86a StGB danach differenziere, ob dem objektiven Beobachter der Kennzeichengehalt als Symbol einer verbotenen Vereinigung vermittelt werde.161 Es käme darauf an, ob der objektive Beobachter als idealtypische Fiktion des Rezi­ pienten das verwendete Kennzeichen auch als ein solches des Nationalsozialismus identifizieren könne.162 Dies hätte zur Folge, dass gänzlich unbekannte Kennzeichen ungeachtet ihrer historischen Verbindung zu einer NS-Organisation dem Anwendungsbereich entzogen wären. Die moderne Computerspielindustrie lädt ihre Werke zuvörderst mit dem Hakenkreuz auf. Denkbar ist etwa auch die Thematisierung der „Hitlerjugend“ in Computerspielen unter Eingliederung der sog. Odalrune. Zudem berichtet die Fachpresse teilweise umfassend über Computerspielinhalte.163 Aufgrund der medialen Berichterstattung über weltweite Kanäle, wie das Internet, können unbekannte Zeichen innerhalb kürzester Zeit als Abstraktion nationalsozialistischen Gedankenguts und Symbolisierung einer verfassungswidrigen Organisation identifiziert werden.164 Zwar mag der Beobachter im Zeitpunkt der Veröffentlichung eines international vermarkteten Computerspiels, das sich der Odalrune als Kennzeichen bedient, keinen Anstoß finden. Ferner ist richtig, dass das wahrnehmbare Kennzeichen vom Betrachter in seinen historischen Bezügen eingeordnet werden muss, um den spezifischen Assoziationshorizont erfolgreich zu übermitteln und die kommunikative Botschaft entfalten zu können.165 Gleichwohl ist der mutmaßliche Kenntnisstand eines objektiven Beobachters von äußeren Einflüssen abhängig und kaum präzise bestimmbar. Jedenfalls würde die anhaltende fachunspezifische gesellschaftliche Diskussion um die Verwendung von Hakenkreuzen in Computerspielen in eine solche um die Implementierung unbekannter Kennzeichen umschlagen. Eine in die Öffentlichkeit gedrängte Diskussion könnte in der strafrechtlichen Beurteilung der Fiktion um den mutmaßlichen Wissensstand des Beobachters kaum unbe161  BVerfGK 8, 159, 164 f.; BGH, NJW 1999, 435; Becker, in: M/R, StGB, § 86a Rn. 7; Stegbauer, JR 2002, 182, 185. 162  v. Dewitz, S. 252. 163  In verschiedenen Zeitschriften – etwa „PC Games“, „Game Pro“, „Game Star“ oder „Computer Bild“ wird periodisch über neueste Entwicklungen in Soft- und Hardware sowie zu den aktuellen Neuerscheinungen berichtet. 164  BGHSt 47, 354, 360; ähnl. OLG Hamm, NStZ 1999, 190, 191; Kett-Straub, DRiZ 2011, 325, 328; Reuter, S. 131; a. A. wohl Hörnle, NStZ 2002, 113, 114, die annimmt an, dass unbekannte Kennzeichen keine negative Berichterstattung provozieren würden. 165  Geis, in: Symbole, S. 439, 442.



C. Tatobjekte und Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB 81

rücksichtigt bleiben. Die mediale Reichweite und Aufmerksamkeit interna­ tional vertriebener Computerspiele sind geeignet, unbekannte Kennzeichen in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Gerade deshalb ist trotz der Tatsache, dass mehr als 75 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus kaum noch jemand die „Odalrune“166 oder das „Obergau-Armdreieck“167 als Kennzeichen einer NS-Organisation identifizieren würde,168 nicht auf die Bekanntheit abzustellen. Insbesondere ist der Bekanntheitsgrad im Zeitalter der internetbasierten Informationsbeschaffung ein stark wandlungsfähiges Merkmal.169 Zwei identische Sachverhalte wären unterschiedlich zu beurteilen, wenn das betreffende Kennzeichen in der medialen Aufmerksamkeit zwischenzeitlich einen hohen Stellenwert erhielte, etwa aufgrund rechtsextremistischer Ausschreitungen oder Anschläge unter Verwendung der bis dahin unbekannten Symbolik oder durch eine extensive Einbettung in Computerspiele. Ob der „Mann auf der Straße“ das konkrete Zeichen erkennt oder nicht, kann nicht von Bedeutung sein,170 weil dem Delikt kein Erfordernis der Eignung zur Friedensstörung innewohnt. Inwieweit das verwendete Kennzeichen beim „Mann auf der Straße“ Anstoß findet, kann nur mit Hilfe einer Verschiebung des Beurteilungshorizonts auf den Rezipienten des Symbols geklärt werden. Der Gesetzgeber aber stellt lediglich auf die Verbindung zwischen einer Vereinigung oder Organisation und dem verwendeten Kennzeichen ab, nicht auf die Fähigkeit des Einzelnen, das Kennzeichen einer NS-Organisation zuzuordnen. Diese ist für die Beurteilung der Kennzeichenqualität nicht bedeutsam171 und stellt ohnehin eine kaum messbare Größe 166  Dabei handelt es sich um die letzte Rune im altnordischen Runenalphabet und wurde von der 7. SS-Freiwilligen-Gebirgsdivision „Prinz Eugen“ und der „Hitlerjugend“ verwendet. Ursprünglich entstammt sie dem germanischen Runenalphabet; BVerwGE 160, 370, 385; BGH, NJW 1999, 435; vgl. KG, Beschl. v. 18.05.2016 – Az. 161 Ss 54/16, Rn. 3 f. (juris); Stegbauer, JR 2002, 182, 184. 167  Katalog nationalsozialistischer Kennzeichen mit Erläuterung: Westerhoff, BPjM-Aktuell 3/2006, 3, 7 ff.; Hörnle, NStZ 2002, 113. 168  Kett-Straub, NStZ 2011, 601 602; Stegbauer, JR 2002, 182, 185. 169  So auch BGHSt 47, 354, 360; OLG Rostock, NStZ 2012, 572, 573; vgl. KettStraub, DRiZ 2011, 325, 328. 170  BGHSt 47, 354, 357  ff.; Bartels/Kollorz, NStZ 2000, 648; Ellbogen, in: BeckOK-StGB, § 86a Rn. 4; Güntge, in: S/S/W, StGB, § 86a; Hamdan, JURA 2008, 169, 170; Heinrich, ZJS 2017, 301, 307; Renzikowski, in: R/B/D, VersR, § 86a StGB Rn. 14; Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 10; a. A. wohl BGH, NStZ 1996, 81; BayObLG, NStZ 1999, 190; OLG Dresden, Urt. v. 19.06.2000 – 2 Ss 177/00 Rn. 16 (juris); OLG Jena, NJW 2002, 310 ff.; OLG Hamm, NStZ-RR 2004, 12, 13; Dahm, DRiZ 2001, 404, 414; Hörnle, NStZ 2002, 113, 114; Kett-Straub, DRiZ 2011, 325, 328; Weimann, NJ 1998, 522 f. 171  BGHSt 47, 354, 357 ff.; 52, 364, 373 f.; 54, 61, 66; OLG Dresden, Urt. v. 12.02.2008 – 3 Ss 375/06, Rn. 11 (juris); OLG Rostock, NStZ 2012, 572; Dahm, DRiZ 2001, 404, 413 f.; Fischer, StGB, § 86a Rn. 5a; Hamdan, JURA 2008, Schroe­

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

dar, die wenig zur Präzision beizutragen geeignet ist. Aufgrund des Organisationsbezuges sind auch unbekannte Kennzeichen geeignet, den Eindruck der Duldung rechtsstaatswidriger Entwicklungen entstehen zu lassen.172 Der Gesetzgeber richtet die Rechtsgutsverletzung am Kennzeichen selbst, nicht an Assoziationen des Betrachters aus. Ferner kann das schwindende Wissen um die Symbole verfassungswidriger Organisationen aus der weitreichenden präventiven Tabuwirkung des § 86a StGB abgeleitet werden.173 Diesen Verdienst der Norm in eine Straf­ losigkeit unbekannter Kennzeichen zu reflektieren, führt nicht nur zu der kriminalpolitischen Rechtsunsicherheit, sondern zur systematischen Zirkelschlüssigkeit der Norm selbst. Die generalpräventive Ausrichtung der Strafnorm führt denklogisch zu einer signifikant reduzierten Erscheinung von NS-Symbolen im öffentlichen Leben, die sich in der Reduzierung des spezifischen Wiedererkennungswerts der Kennzeichen aus Sicht des durchschnittlichen Beobachters niederschlägt. Das geringere Wissen des durchschnittlichen Beobachters um die Bedeutung des Kennzeichens kann auf die Wirkungen des § 86a StGB zurückgeführt werden. Es wäre geradezu paradox, die Bemühungen des Staats zur weitreichenden Limitierung der Verwendung von NS-Symbolen im öffentlichen Wahrnehmungsfeld durch § 86a StGB dahingehend umzudeuten, dass die erreichte geringere Bekanntheit aufgrund der Strafdrohung des § 86a StGB nunmehr von derselben ausgeschlossen sein sollte. Die Abgrenzung der Strafbarkeit anhand der Bekanntheit der verwendeten Symbolik liefe auf eine Zufallshaftung hinaus. Die Frage der Bekanntheit eines Symbols ist kaum mit hinreichender Sicherheit zu bestimmen. So würde einerseits der objektive Tatbestand des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB um ein weiteres normatives Merkmal ergänzt. Für die Verwendung in Computerspielen macht es hinsichtlich der Kennzeichenqualität im Rahmen des objektiven Tatbestands keinen Unterschied, um welches Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation es sich handelt. Der Organisationsbezug eröffnet – unabhängig von der Bedeutung der zugehörigen Organisation im NS-Staat – den Anwendungsbereich des § 86a StGB.174 Auch auf die Dauer des Einsatzes des Kennzeichens kommt der, JA 2010, 1, 3; 169, 170; Stegbauer, NStZ 2010, 129, 130; a. A. wohl BGH, NStZ 1996, 81; Hörnle, NStZ 2002, 113, 115. 172  BGHSt 47, 354, 359. 173  Bartels/Kollorz, NStZ 2000, 648, 649; Stegbauer, JR 2002, 182, 186; dagegen geht Fischer, StGB, § 86a Rn. 2 zumindest hinsichtlich des Hakenkreuzes davon aus, dass sich dieses aufgrund der Tabuisierung kommunikativ nicht abnutze. 174  BGHSt 52, 364 371 f.; anders noch OLG Bamberg, Urt. v. 18.09.2007 – 2 Ss 43/2007, Rn. 8 (juris); vgl. auch OLG Dresden, Urt. v. 12.02.2008 – 3 Ss 375/06, Rn.  11 ff. (juris); Dahm, DRiZ 2001, 404, 413 f.



C. Tatobjekte und Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB 83

es dann nicht an.175 Zutreffend ist der Kennzeichenbegriff selbst keiner teleologischen Reduzierung zugänglich und nimmt den durch Widmung oder sonstigen Aneignungsakt vorgenommenen Organisationsbezug zu einer verfassungswidrigen Organisation zum Anlass der Strafbarkeit.176 Insofern kommt es nicht darauf an, ob die politische Relevanz des Kennzeichens einer bestimmten Organisation – etwa der FDJ – nunmehr obsolet wurde.177 § 86a StGB unterscheidet auch nicht zwischen NS-Symbolen und Nicht-NS-Symbolen. Auch die politische Bedeutung der „Hitlerjugend“ ist wohl obsolet, woraus aber keine Rückschlüsse auf den Kennzeichenbegriff zugelassen sind. Eine tatbestandliche Verengung auf der Ebene des Kennzeichenbegriffs hinsichtlich eines unverwechselbaren NS-Bezuges oder der bleibenden politischen Relevanz ist nicht im Gesetzeswortlaut angelegt und liefe auf die Fiktion der Zuordnungsfähigkeit des objektiven Betrachters hinaus. Insbesondere droht § 86a StGB unter Rückgriff auf die Fiktion der Bekanntheit in eine praktische Obsoleszenz gedrängt zu werden, die mit zunehmender zeitlicher Distanz zur Epoche des Nationalsozialismus auch etwa das Hakenkreuz straffrei stellen würde.178 Eine solche Wertung bleibt dem Gesetzgeber vorbehalten. Spielehersteller, die in zukünftigen Kompositionen dem Vorbild von „Attentat 1942“ folgen und das inhaltliche Konzept der Aufarbeitung heutzutage weitgehend unbekannter Vorgänge im Nationalsozialismus medial verarbeiten wollen, können sich nicht auf die mangende Bekanntheit der verwendeten Kennzeichen berufen. 2. Modifizierte Symbole in Computerspielen, § 86a Abs. 2 S. 2 StGB Kennzeichen sind zum Verwechseln ähnlich, wenn sie audiovisuell nur geringfügig vom Original abweichen und ihnen aufgrund eines gesteigerten Grades sinnlicher Wahrnehmbarkeit ein identisches Gefährdungspotenzial beiliegt.179 Sie stehen in ihrer sinnlichen Wahrnehmung aufgrund objektiver Kriterien nach der von außen erkennbaren Erscheinungsform dem Original gleich.180 Systematisch differenziert der Strafgesetzgeber hinsichtlich des 175  A. A.

wohl BGH, NStZ 1996, 81. 52, 364, 371 f.; 54, 61, 66; Bartels/Kollorz, NStZ 2002, 297, 300; Ellbogen, in: BeckOK-StGB, § 86a Rn. 4; Fischer, StGB, § 86a Rn. 5a; Kett-Straub, DRiZ 2011, 325, 326; Stegbauer, S.  94 ff. 177  A. A. Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 7. 178  Dahm, DRiZ 2001, 404, 415. 179  BT-Drs. 12/4825, S. 4; BVerfGK 8, 159, 164; BGHSt 47, 354, 360; 52, 364, 373; 54, 61, 63 f.; vgl. Bartels/Kollorz, NStZ 2000, 648, 649; Reuter, S. 147; vgl. Stegbauer, JR 2002, 182, 186 f.; Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 10. 180  BGHSt 54, 61, 63; BGH, NJW 2005, 3223; vgl. OLG Köln, NStZ 1984, 508; Reuter, S. 147; Steinmetz, NStZ 2002, 118, 119. 176  BGHSt

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

Kennzeichens weder nach dem Bekanntheitsgrad noch aufgrund des § 86a Abs. 2 S. 2 StGB zwischen originalen und zum Verwechseln ähnlichen Kennzeichen. Der BGH zeigt einige Rechtsunsicherheiten im Umgang mit § 86a StGB, indem zur Verwendung eines Zeichens zwei divergierende Entscheidungen ergingen, ohne dass eine grundsätzliche Entwicklung erkennbar ist. Ein stilisiertes Keltenkreuz sei als Zeichen nationalsozialistischer Organisationen vom Straftatbestand erfasst, während die Verarbeitung des Symbols in Verbindung mit einem Grabstein auf einem T-Shirt einem objektiven Dritten nicht den Eindruck eines Symbols einer verbotenen Vereinigung vermitteln solle.181 In diesem Zusammenhang abzulehnen ist die Rechtsprechung, dernach zum Verwechseln ähnliche Zeichen nur dann dem Schutzzweck des § 86a StGB zuwider laufen würden, wenn sich dem objektiven und nicht besonders sachkundigen Beobachter der Eindruck der Verbindung zum Nationalsozialismus aufdrängt. Die Ähnlichkeitsklausel des § 86a Abs. 2 S. 2 StGB stellt lediglich auf die Vermittlung der audiovisuellen Nähe des Kennzeichens zu einem Originalkennzeichen ab, nicht auf ein fiktives Identifikationspotenzial des Rezipienten.182 § 86a Abs. 2 S. 2 StGB normiert mit dem Merkmal der Verwechslungsgefahr die unrechtsspezifische Identität zum originalen Kennzeichen und schafft einen einheitlichen Schutzbereich.183 In Ansehung des systematischen Gleichnisses ist es nicht haltbar, jedes unbekannte Kennzeichen von § 86a Abs. 2 S. 1 StGB zu erfassen, bei geringfügigen Modifizierungen aber eine Straflosigkeit zu postulieren.184 Ein systematisches Stufenverhältnis zwischen den vier in Betracht kommenden Untergruppierungen von Zeichen nationalsozialistischer Organisationen ist gerade nicht vorgesehen.185 § 86a Abs. 2 S. 2 StGB erstreckt sich auf die Modifikation bekannter und unbekannter Kennzeichen. Aus teleologischen Gesichtspunkten ist auch die Erfassung unbekannter, abgewandelter Zeichen erforderlich, um einen einheitlichen Beurteilungsmaßstab zu gewährleisten und der Schutzrichtung der Strafnorm Rechnung zu tragen. Weder Wortlaut, Gesetzeshistorie noch eine teleologische Betrachtung rechtfertigen eine Einschränkung der Strafbarkeit ähnlicher 181  BGHSt

81.

52, 364, 372; andererseits insofern widersprüchlich BGH, NStZ 1996,

182  Bartels/Kollorz, NStZ 2000, 648; Steinmetz, NStZ 2002, 118, 119; a. A. wohl BGH, NStZ 1996, 81; Ellbogen, in: BeckOK-StGB, § 86a Rn. 16. 183  Vgl. BT-Drs. 12/4825, S. 4; Dahm, DRiZ 2001, 404, 415. 184  Fischer, StGB, § 86a Rn. 8a; Stegbauer, JR 2002, 182, 186. 185  BGHSt 47, 354, 360; OLG Rostock, NStZ 2012, 572 f.; Anstötz, in: MüKoStGB, § 86a Rn. 12, 14; Bartels/Kollorz, NStZ 2000, 648, 649; so im Ergebnis auch Zöller, in: SK-StGB, § 86a Rn. 6; diff. stellt Renzikowski, in: R/B/D, VersR, § 86a StGB Rn. 21 unterschiedliche Anforderungen an § 86a Abs. 2 S. 2 StGB aufgrund der Bekanntheit des Kennzeichens.



C. Tatobjekte und Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB 85

Zeichen auf bekannte Symbole.186 Würde nun ein geringfügig modifiziertes, unbekanntes Kennzeichen Eingang in massenhaft vertriebene Computerspiele finden, so besteht zudem die Gefahr, dass durch die weltweiten Informa­ tionsmedien der Zusammenhang zur NS-Organisation hergestellt und beleuchtet wird. Ein unbekanntes, modifiziertes Zeichen weist den gleichen strafrechtlich relevanten Kommunikationsbezug auf wie ein originales Hakenkreuz. Auch ein nur Experten bekanntes Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation bleibt ein ebensolches Kennzeichen i.  S. d. § 86a Abs. 2 S. 1 StGB.187 Naturgemäß kommt Symbolen keine lineare Bedeutung zu.188 Entspringt dem modifizierten Symbol über die natürliche Unschärfe hinaus eine kommunikative Mehrdeutigkeit – etwa, weil die Darstellung als modifizierte Odalrune oder als modifizierter Kopfwinkel in Betracht kommt189 – so ergibt sich eine fehlende Schutzzweckverletzung nicht aus der audiovisuellen Erscheinung des Kennzeichens selbst. Besteht eine audiovisuelle Ähnlichkeit zu einem originalen Kennzeichen i. S. d. § 86a Abs. 2 S. 1 StGB, so liegt unabhängig von der Ähnlichkeit zu einem anderen unverfänglichen Symbol das Tatobjekt des § 86a Abs. 2 StGB vor. Zwar beurteilt sich die Unrechtsqualität des Verhaltens unter Berücksichtigung der konkreten Ausgestaltung im Umgang mit dem Symbol.190 So ergibt sich das sanktionswürdige Unrecht nicht aus der isolierten Betrachtung des Symbols.191 Kontextuelle Deutungsspielräume192 sind dogmatisch nicht auf Ebene des Tatobjekts, sondern in 186  BGHSt 47, 354, 360 f.; BGH, NJW 2005, 3223 f. stellt zutreffend auf die objektiv vorhandene Übereinstimmung ab. 187  So im Ergebnis auch Dahm, DRiZ 2001, 404, 414 f. 188  Vgl. OLG Bamberg, Urt. v. 18.09.2007 – 2 Ss 43/2007, Rn. 10 f. (juris); in systematischer Betrachtung ist den meisten Kennzeichen – auch dem Hakenkreuz als wohl ausdrucksstärkstes Symbol des Nationalsozialismus – ein mehrdeutiger Bedeutungsgehalt beizulegen, handelt es sich doch nicht um ein zu Zeiten des Nationalsozialismus neu entworfenes Symbol. Vielmehr geht es bereits auf die Frühgeschichte der Menschheit zurück; siehe dazu OLG Hamburg, JR 1982, 76, 77; ausführlich OLG Celle, JR 1981, 381, 382; Dahm, DRiZ 2001, 404, 413; Stisser, in: Rechtsextremismus, S. 106 ff. Die unbestrittene Erfassung dieses Symbols durch § 86a StGB resultiert nicht etwa aus der kognitiven und subjektiven Verbindungslegung der Gesellschaft mit dem Nationalsozialismus, sondern konsequent aus dem Organisationsbezug. Der Organisationsbezug ist von subjektiven Kriterien unabhängig und schafft einen weiten aber eindeutig abgrenzbaren Anwendungsbereich des § 86a StGB hinsichtlich der Tatobjekte. 189  Siehe Schroeder, JA 2010, 1, 4. 190  BVerfG, NJW 2009, 2805, 2806; BVerwGE 160, 370, 386; KG, Beschl. v. 18.05.2016 – (4) 161 SS 54/16, Rn. 8 (juris); Paeffgen, in: NK-StGB, § 86a Rn. 21. 191  BGHSt 52, 364, 375. 192  Geis, in: Symbole, S. 439, 446 weist auf Deutungsspielräume hin, die erst durch eine kontextuelle Einbettung zu schließen sind.

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

Beurteilung der Tathandlung zu ermitteln, sodass es mit Blick auf den Symbolcharakter lediglich auf die akustisch-visuelle Ähnlichkeit ankommt. Systematisch einheitlich kann es auch hier nicht auf die Identifikation durch den neutralen Beobachter ankommen, sondern lediglich auf die objektive Ähnlichkeit anhand konkreter, audiovisueller Vergleichsmerkmale mit dem Original.193 Vielfach werden NS-Kennzeichen in Computerspielen wahrnehmbar, die den Nationalsozialismus als thematische Grundlage verarbeiten. Die Anpassungen, um bereits die Tatbestandsmäßigkeit der implementierten Symbole auszuschließen, erfordern eine audiovisuelle Überarbeitung des Werks, sodass die Kennzeichen weder akustisch noch optisch so nah am Original sind, dass sie den Eindruck der Originale vermitteln. Dass es sich um offensicht­ liche Surrogate handelt und dem neutralen Beobachter der Eindruck aufgedrängt wird, diese ersetzten das Hakenkreuz, genügt den Anforderungen des § 86a Abs. 2 S. 2 StGB nicht. Die eigentümliche Signalwirkung tritt mangels Wahrnehmbarkeit eines optisch gleichwertigen Erscheinungsbildes in der Außenwelt nicht in Erscheinung.194 § 86a StGB pönalisiert die kommunikative Wirkung eines verfassungswidrigen Kennzeichens, nicht die Thematisierung des Nationalsozialismus selbst. 3. Reaktionen in der Computerspielindustrie Das weitreichende Kennzeichenverbot des § 86a StGB führte bei Herstellern von Computerspielen nicht nur zu einer Streichung der Symbole aus dem Spiel. Vielmehr zeigt sich die Wirkung des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB im Aufkommen vielfältiger Surrogatsymbole in den Spielen.195 Beispielhaft wird das schwarze Hakenkreuz auf einer roten Fahne mit weißem Grund durch ein schwarzes Balkenkreuz auf roter Fahne mit weißem Grund ersetzt. Das Surrogat besteht aus einem vertikalen und einem horizontalen Balken, die ein symmetrisches Kreuz bilden.196 Die Ausweichstrategien der Hersteller sind simpel und doch verschleiert sich der Bezug auf den nationalsozialistischen Gesamtkontext nicht.197 Die offenkundige Ersetzung der ursprünglichen Kennzeichen durch Fantasiesurrogate, die strafrechtlich nicht als VariStGB, § 86a Rn. 8a. OLG Hamburg, JR 1982, 76, 77. 195  Dankert/Sümmermann, BPjM-Aktuell 2/2018, 4, 5. 196  So geschehen in „Call of Duty – World at War“; https://www.schnittberichte. com/schnittbericht.php?ID=5975593#ld (Stand: 30.05.2021); siehe Abb. 2. 197  Ferner sei der Austausch einer Armbinde mit Hakenkreuz zu einer Balkenkonstruktion genannt, die an den Buchstaben „W“ in Frakturschrift erinnert unter Beibehalt der originalen Farbgebung in „Wolfenstein – The New Order“. 193  Fischer, 194  Vgl.



C. Tatobjekte und Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB 87

ante des § 86a Abs. 2 S. 2 StGB zu qualifizieren sind, eignen sich kaum, um den Gesamteindruck eines nationalsozialistischen Kontextes zu erschüttern. In der Alternativweltgeschichte von „Wolfenstein II – The New Colossus“ wurden die USA vom NS-Regime im Zweiten Weltkrieg besiegt und der heldenhafte Protagonist der Geschichte kämpft für die Befreiung der USA. Eingebunden sind auch animierte Filmszenen, die unter anderem Adolf Hitler abbilden. In der unveränderten schwedischen Originalversion wird Adolf Hitler mit der charakteristischen Barttracht dargestellt. Mehrfach ertönt innerhalb der Filmsequenz die Anrede: „Heil Hitler“ und Banner mit dem originalen Hakenkreuz werden abgebildet. In der gekürzten Version ersetzt ein schwarzes Dreieck das Hakenkreuz, die charakteristische Barttracht Adolf Hitlers wurde gänzlich entfernt und die Anrede wird zu „Mein Kanzler“ modifiziert.198 Die Entfernung des Bartes aus der visuellen Erscheinung der Figur Adolf Hitlers schafft jedenfalls eine optische Distanz zwischen dem Kennzeichen des Kopfbildes Adolf Hitlers199 und dem Surrogat. Eine ältere Person mit Seitenscheitel mag an Adolf Hitler erinnern, ist ihm aber nicht nach § 86a Abs. 2 S. 2 StGB zum Verwechseln ähnlich. Sofern Steinsiek darauf hinweist, dass fotorealistische Abbildungen im Unterschied zu originalen Kopfbildern Adolf Hitlers keine Kennzeichenqualität aufweisen,200 so ist dem nicht zu folgen, resultiert doch die Qualifikation zum Tatobjekt aus der visuellen Erscheinung des Kopfbildes selbst. Um einem einheitlichen Schutzbereich des § 86a StGB Rechnung zu tragen, der sich aus der visuellen oder akustischen Wahrnehmbarkeit von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ableitet, kann es keinen Unterschied machen, ob ein originales Kopfbild Adolf Hitlers – etwa in seinem Buch „Mein Kampf“ – gezeigt wird oder ein identisches Abbild im Computerspiel in fotorealistischen Film- und Spielszenen wahrnehmbar wird. Auch hinsichtlich anderer Symbole wird nicht darauf abgestellt, ob diese in fotorealistischer Grafik erscheinen oder ein originales Abbild liefern. Richtigerweise kein Kennzeichen i. S. d. § 86a StGB entsteht aus der bloßen Darstellung der Person Adolf Hitlers durch Schauspieler oder animierte Filmsequenzen.201 Insofern stellt sich die Entfernung des charakteristischen Barts der Darstellung Adolf Hitlers in „Wolfen­ stein II – The New Colossus“ als Maßnahme dar, die materiell-strafrechtlich durch § 86a StGB nicht angezeigt war. Die im Spiel konkret vorgenommenen Anpassungen der Grußformel zu „Mein Kanzler“ schließen aufgrund der 198  Vgl. Dankert/Sümmermann, BPJM-Aktuell 2/2018, 4, 5; vgl. Schwiddessen, CR 2017, 681, 689. 199  Das Kopfbild unterfällt dem Anwendungsbereich des § 86a StGB: BGHSt 28, 394, 396; 29, 73, 82 f.; LG Frankfurt, NStZ 1986, 167 f.; Bartels/Kollorz, NStZ 2002, 297, 298; Güntge, in: S/S/W, StGB, § 86a Rn. 3; v. Dewitz, S.  251 f. 200  Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 6; zust. Fischer, StGB, § 86a Rn. 5. 201  Ebenda.

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

akustischen Divergenz zum Original die Ähnlichkeit aus.202 Der objektive Beobachter vermag sofort die Ersatzfunktion des zweifelsfrei zulässigen Surrogats erkennen. Die Person des in „Herrn Heiler“ umbenannten Adolf Hitlers ist eindeutig identifizierbar. Das strafrechtliche Kennzeichenverbot dient unter anderem dazu, die Gefahr zu minimieren, dass verfassungswidrige Kennzeichen selbst wieder salonfähig werden und sich wieder in die Gesellschaft eingliedern.203 Wird kein entsprechendes Symbol verwendet, so kann dieser Schutzzweck nicht verletzt werden. Eine gegenteilige Auffassung würde den Wortlaut der Norm überdehnen und gegen das Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG, § 1 StGB verstoßen.204 Trotz des offensichtlichen Surrogats, das nicht geeignet ist, die Identifikation der Person Adolf Hitlers zu verschleiern und den nationalsozialistischen Gesamtzusammenhang auszublenden, bleibt lediglich die Ähnlichkeitsklausel des § 86a Abs. 2 S. 2 StGB als Anknüpfungspunkt für die Strafbarkeit, die auf das visuell-akustische Erscheinungsbild des Surrogats abstellt, nicht auf die bloß lebhafte Verbindung zum Symbol.205 Daher liegt im Surrogat eines originalen Hakenkreuzes auf weißem Grund und roter Fahne durch ein einfaches Balkenkreuz oder Dreieck mit insgesamt gleicher Farbprägung eine straflose Kennzeichensurrogation. Ebenso verhält es sich mit der akustischen Modifikation der Anrede zu „Mein Kanzler“. Wenngleich die gedankliche Assoziation zum Originalsymbol bestehen bleibt, so bewegen sich die Abweichungen außerhalb der Grenzen des § 86a Abs. 2 S. 2 StGB.

II. Die Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB pönalisiert das Verbreiten und das öffentliche Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Dabei stehen die Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB in keinem Exklusivitätsverhältnis zueinander.206 202  BGHSt 54, 61, 63 stellt aufgrund der fehlenden sinnlichen Übereinstimmung zwischen der Parole „Blut und Ehre“ und dem vom Angeklagten verwendeten Leitspruch „Blood & Honor“ keine tatbestandliche Erscheinungsform fest; ähnl. BGH, NJW 2005, 3223, 3224; zust. Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86a Rn. 4. 203  Bonefeld, DRiZ 1993, 430, 438; Renzikowski, in: R/B/D, VersR, § 86a StGB Rn. 3; Stegbauer, S. 87. 204  Bartels/Kollorz, NStZ 2002, 297, 300; vgl. Steinmetz, NStZ 2002, 118, 120; deutlich zu weit LG Dresden, Beschl. v. 27.05.2008 – 3 Qs 17/08, Rn. 52 f. (juris). 205  BVerfG, NJW 2009, 2805, 2806; BGHSt 25, 128, 132; 54, 61, 63 f.; BGH, NJW 2005, 3223, 3224; OLG Rostock, NStZ 2012, 572; a. A. wohl Hamdan, JURA 2008, 169, 170. 206  Gercke, MMR 2001, 678, 679 f.; Reuter, S.  192 f.



C. Tatobjekte und Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB 89

1. Rechtslage vor Inkrafttreten des 60. StrRÄndG Bis zur Novellierung des 60. StrRÄndG207 verstand die wohl herrschende Auffassung unter dem Verbreiten zutreffend die körperliche Weitergabe eines Kennzeichens in seiner Substanz.208 Demnach haftete dem Verbreiten das Erfordernis der körperlichen Gewahrsamsübertragung untrennbar an.209 Während der Verkauf körperlicher Gegenstände als Verbreiten zu qualifizieren war,210 entstanden mit Blick auf internetbasierte und unverkörperte Übertragungsakte Auslegungsschwierigkeiten. Zwar kann das downloadbasierte Verbreiten medialer Inhalte als Variante des der Öffentlichkeit Zugänglichmachens verstanden werden. Denn das der Öffentlichkeit Zugänglichmachen erfordert lediglich die Verschaffung der Möglichkeit zur Kenntnisnahme durch Dritte.211 Allerdings findet diese Tathandlung keinen Niederschlag im Wortlaut des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Vielmehr bedient sich der Gesetzgeber in der artverwandten Strafnorm des § 86 Abs. 1 StGB beider Tathandlungen nebeneinander, weshalb die Identität des Verbreitens und der Öffentlichkeit zugänglich machen nicht angezeigt ist. Für den downloadbasierten Vertrieb kam insoweit nur die Tathandlung des öffentlichen Verwendens in Betracht. Dieses meint jeden Gebrauch, der eine

207  60. StrRÄndG

v. 07.12.2020, BGBl. Teil I, S. 2760. 12/4825, S. 6; OLG Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356, 358; Boese, S. 113; Eisele, Computer- und Medienstrafrecht, § 28 Rn. 101; Greco, in: HB Strafrecht BT I, § 10 Rn. 105; Heinrich, NStZ 2000, 533, 534; Namavičius, S.  144 f.; Paeff­gen, in: NK-StGB, § 86 Rn. 25; § 86a Rn. 12; Reuter, S. 212; v. Dewitz, S. 255; a. A. BGHSt 47, 55, 57; BayObLG, NStZ 1983, 120, 121; Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 25; Gercke/Brunst, PraxisHB Internetstrafrecht, Rn. 374; Hörnle, NJW 2002, 1008, 1009 weist auf ein weites Verständnis im allgemeinen Sprachgebrauch hin; Lamshöft, in: Rechtsextremismus, S. 131, 145; vgl. Reuter, S.  189 f. 209  OLG Bremen, NJW 1987, 1427, 1428; Becker, in: M/R, StGB, § 86 Rn. 14; Cornils, JZ 1999, 394, 397; Paeffgen, in: NK-StGB, § 86 Rn. 25, § 86a Rn. 12; a. A. Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 25; Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 12; diff. Germann, S. 191. 210  OLG Bremen, NJW 1987, 1427, 1428; Ellbogen, in: BeckOK-StGB, § 86a Rn. 22. 211  BT-Drs. 18/2601, S. 24, 34; BT-Drs. 19/19859, S. 27; BGHSt 47, 55, 60; BGH, NStZ-RR 2014, 47; Eisele, in: Sch/Sch, StGB, § 184 Rn. 16; Gercke, in: Recht der elektronischen Medien, § 9 StGB Rn. 4; Germann, S. 193; Hassemer, in: A-R/C, HB IT- und Datenschutzrecht, § 43 Rn. 63; Heinrich, ZJS 2016, 132, 144; ders., in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 6 Rn. 172 ff.; Hörnle, NJW 2002, 1008, 1009; Kaufmann/Köcher, MMR 2005, 335; Kessler, S. 33; Mitsch, in: NKJMStV, § 23 Rn. 34; Paeffgen, in: NK-StGB, § 86 Rn. 36; Walther, NStZ 1990, 523; Wiacek, S. 60; Wolters/Greco, in: SK-StGB, § 184, Rn. 21. 208  BT-Drs.

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

akustische oder optische Wahrnehmung des Kennzeichens ermöglicht.212 Das Merkmal der Öffentlichkeit zielt nicht auf den Ort des Verwendens des Zeichens ab, sondern ist erfüllt, wenn das Kennzeichen einem größeren Personenkreis wahrnehmbar gemacht wird, der nicht durch persönliche Beziehungen miteinander verbunden ist.213 Eine Differenzierung zwischen verkörperten und unverkörperten Symbolen ist hinsichtlich der Tathandlung des öffentlichen Verwendens nicht erforderlich, sodass auch der internetbasierte Gebrauch grundsätzlich erfasst werden kann.214 Kritische Stimmen in der Literatur setzten hinsichtlich des öffentlichen Verwendens die Schaffung der unmittelbaren Wahrnehmungsmöglichkeit und Außenwirkung des Kennzeichens voraus.215 Dies erschien insoweit konsequent, als dass eine trennscharfe Abgrenzung zum Tatbestandsmerkmal des Zugänglichmachens möglich blieb und die gesetzgeberische Differenzierung zwischen den Tathandlungen nicht obsolet wird. Die Übermittlung von Bildnissen via E-Mail oder der Upload von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen jeglicher Art auf eigene, frei zugängliche Internetseiten, in soziale Netzwerke oder öffentlich zugängliche Videostreamingplattformen entzog sich nicht dem Zugriff der Strafnorm und bereitete regelmäßig keine Probleme.216 Unter Geltung eines Unmittelbarkeitserfordernisses wäre die Tathandlung bis zum Inkrafttreten des 60. StrRÄndG für den Computerspielevertrieb gleichwohl nicht unproblematisch gewesen. Inwieweit – und insofern auch in Abgrenzung zur Reichweite des öffentlichen Zugänglichmachens – die unmittelbare Wahrnehmungsmöglichkeit im Rahmen des öffentlichen Verwendens geschaffen wird, wenn der Erwerber eines Spieles die Dateisammlung erst herunterladen, installieren und aktiv bis zu einem be212  Vgl. BGHSt 23, 267, 268 f.; BayObLG, NJW 1962, 1878; OLG Hamm, NJW 1982, 1656, 1657; OLG Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356, 357; BayObLG, NStZ-RR 2003, 233; OLG Oldenburg, NStZ-RR 2010, 368; Bonefeld, DRiZ 1993, 430, 433; Greiser, NJW 1969, 1155; Güntge, in: S/S/W, StGB, § 86a Rn. 7; Handke, S. 95; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 413; Köhne, DRiZ 2003, 210; Reuter, S. 194; Stegbauer, S.  109 f.; v. Dewitz, S. 256; restriktiver Bottke, JR 1982, 77, 78. 213  Vgl. BGHSt 10, 194, 196; OLG Celle, NStZ 1994, 440; KG, NStZ 1985, 220; Handke, S.  62 f.; Heinrich, ZJS 2016, 698, 708; Lüttger, GA 1960, 129, 136; Reuter, S. 206; Römer, S. 95; Stegbauer, S. 110; Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86a Rn. 7; Walther, NStZ 1990, 523, 524. 214  So bereits BT-Drs. III/1746, S. 2; OLG Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356, 357; Heinrich, ZJS 2016, 698, 705; Reuter, S. 194; v. Dewitz, S. 256. 215  Heinrich, ZJS 2017, 301, 309; zust. wohl Gercke, S. 14 f.; vgl. auch Stegbauer, S. 110 f.; ähnl. zur aktuellen Rechtslage Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 19; a. A. Kochheim, Cybercrime, Kap. 2 Rn. 184; vgl. auch Wiacek, S. 136, 141. 216  BGH, NStZ 2015, 81; LG Koblenz, NStZ-RR 2009, 105; Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, S.  476 f.; Wiacek, S. 60, 141.



C. Tatobjekte und Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB 91

stimmten Punkt im Spielverlauf voranschreiten muss, durfte bezweifelt werden. Anders als in Filmwerken kann die Abbildung der verarbeiteten Inhalte vom Rezipienten selbst abhängen, der gegebenenfalls einen bestimmten Ort der virtuellen Spielwelt erst aufsuchen muss, um das digital verarbeitete Kennzeichen wahrnehmen zu können. In Filmwerken besteht ein solches Abhängigkeitsverhältnis nicht, weil sich die unmittelbare Möglichkeit der Wahrnehmbarkeit jedenfalls mit dem Abspielen des Werkes ergibt. Zwar ließe sich dieser Argumentation entgegenhalten, das öffentlichen Verwenden bedürfte keines Unmittelbarkeitszusammenhangs.217 In systematischer Hinsicht wenig befriedigend hätte der Gesetzgeber in den zwei eng miteinander verzahnten Vorschriften – § 86 StGB und § 86a StGB – divergierende Tathandlungen normiert, die inhaltlich identisch sind. Auch der BGH betonte ausdrücklich, dass die Tathandlung des öffentlichen Verwendens nicht mit dem öffentlichen Zugänglichmachen gleichzusetzen sei.218 Der Gesetzgeber sah im Jahre 1997 keine Notwendigkeit, den Handlungsdualismus des Verbreitens und öffentlichen Verwendens um die Handlung des Zugänglichmachens zu erweitern, während dieselbe Tathandlung in § 86 StGB aufgenommen wurde.219 Aus Sicht des Gesetzgebers war eine Klarstellung für die strafrechtliche Behandlung der Nutzung moderner Übertragungskanäle als Verbreitungs- und Kommunikationswege wohl nicht erforderlich, da eine unkörperliche Übertragung via Internet durch die Tathandlung des Verwendens erfasst werden könne.220 Auch im Rahmen des 49. StrRÄndG vom 21. Januar 2015 verließ der Gesetzgeber diese Linie nicht.221 Mit der Novellierung insbesondere des 13. Abschnitts des Strafgesetzbuches fand die Tathandlung des Zugänglichmachens mit verschiedenen Bezugspunkten Eingang in mehrere Strafnormen.222 Die per definitionem vorgenommene Ähnlichkeit zwischen dem öffentlichen Zugänglichmachen und öffentlichen Verwenden untermauerte der Gesetzgeber in gesetzesbegründenden Ausführungen zu § 130 Abs. 2 Nr. 1 StGB. Schriften sind öffentlich zugänglich ge217  Kochheim, Cybercrime, Kap. 2 Rn. 184; auch Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, § 86a Rn. 6 versteht das öffentliche Verwenden im weitesten Sinne und differenziert hinsichtlich Tathandlungen mit Internetbezug nicht zwischen verschiedenen Erscheinungsformen des Uploads. 218  BGHSt 29, 73, 83; zust. Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 19. 219  Vgl. BT-Drs. 13/7385, S. 36. 220  BT-Drs. III/1746, S. 2; BT-Drs. IV/650, S. 567; vgl. auch BT-Drs. 18/2601, S. 24, 34; so auch Walther, NStZ 1990, 523, 525. 221  49. StrRÄndG vom 21.01.2015 = BGBl. I, S. 10 ff.; BT-Drs. 18/2601, S. 2, 16. 222  49. StrRÄndG vom 21.01.2015 = BGBl. I, S. 10 ff.; genannt seien vor allem § 184a Nr. 1 StGB, § 184b Abs. 1 Nr. 1 StGB, § 184c Abs. 1 Nr. 1 StGB, § 184d Abs. 1 StGB, aber auch § 130 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 StGB oder § 130a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 StGB aus dem 7. Abschnitt des Strafgesetzbuches.

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macht, wenn für eine unbestimmte Anzahl an Personen die Möglichkeit der Wahrnehmung erzeugt wird.223 Mit Blick auf ein etwaiges Unmittelbarkeitserfordernis der Wahrnehmbarkeitsschaffung des öffentlichen Verwendens und den Anmerkungen des Strafgesetzgebers im Zuge des 60. StrRÄndG, keine Erweiterung der Tathandlungen vorzunehmen,224 ist eine Untersuchung der Tathandlung unausweichlich. 2. Die Novellierung des 60. StrRÄndG Bis zur Novellierung des 60. StrRÄndG manifestierte sich die Differenzierung des Verbreitens zum öffentlichen Zugänglichmachen im Merkmal der Körperlichkeit, sodass die bloße Weitergabe des Inhalts einer Schrift nicht genügte.225 Der Schriftenbegriff des § 11 Abs. 3 StGB a. F. wurde nunmehr durch den Inhaltsbegriff ersetzt. Der Gesetzgeber löste mit dem Bezug zum Inhalt das Körperlichkeitserfordernis vom Verbreiten, ohne die Tathandlung selbst terminologisch anzupassen.226 Durch die Erstreckung des Verbreitens auf unkörperliche Übermittlungsakte wurden vereinzelte Versuche der Spruchpraxis, die Tathandlung des Verbreitens vom Körperlichkeitserfordernis zu lösen,227 in unmittelbar geltendes Recht umgesetzt. Ferner ging der Gesetzgeber von keiner wesentlichen Erweiterung des Anwendungsbereichs des Kennzeichenverbots aus.228 Der strafwürdige Charakter der Tathandlung bleibt in der Unkontrollierbarkeit der Wahrnehmungswirkung bestehen.229 Indes ist das Verbreiten nunmehr systematisch mit dem Begriff des öffent­ lichen Zugänglichmachens gleichbedeutend.230 Der Upload eines Computerspiels ist demnach ein Verbreiten, wenn eine Kopie der Datei durch Dritte heruntergeladen werden kann und somit ein sinnlich wahrnehmbarer Inhalt 223  BT-Drs.

18/2601, S. 24; Boese, S. 116. 19/19859, S. 55. 225  BGH, NJW 2005, 689, 690; BGH, NStZ 2012, 564; nicht eindeutig BGH, NJW 1959, 2125; in Bezug auf den presserechtlichen Verbreitensbegriff BGH, NJW 1963, 60; BayObLGSt 1996, 22, 24; BayObLG, NStZ 2002, 258, 259; OLG Thüringen, NStZ 2004, 628, 629; Derksen, NJW 1997, 1878, 1881; Gercke, MMR 2001, 678, 679 f.; Paeffgen, in: NK-StGB, § 86a Rn. 12; Römer, S. 90; Walther, NStZ 1990, 523, 524 f.; Wolter, in: SK-StGB, § 74d Rn. 5; § 86a Rn. 11; a. A. Anstötz, in: MüKoStGB, § 86a Rn. 25; sodann erneut Gercke, in: Recht der elektronischen Medien, § 86a StGB Rn. 6. 226  BT-Drs. 19/19859, S. 55. 227  BGHSt 47, 55, 57. 228  BT-Drs. 19/19859, S. 55. 229  So bereits BayObLGSt 1996, 22, 24; ferner OLG Thüringen, NStZ 2004, 628, 629; Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 25; Boese, S. 111; vgl. Heinrich, NStZ 2000, 533, 534; vgl. ferner BVerfG, NJW 2012, 1498, 1500. 230  BT-Drs. 19/19859, S. 27, 53. 224  BT-Drs.



C. Tatobjekte und Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB 93

nutzbar wird.231 Das Bereithalten in einem freigegebenen Ordner für Dritte genügt.232 a) Folgen der telelogischen Umstrukturierung der Tathandlungen Für den Vertrieb von Computerspielen hat sich mit der Gesetzesänderung die Frage erübrigt, ob das öffentliche Verwenden mit dem Zugänglichmachen gleichzusetzen ist.233 Zuvor war nicht abschließend geklärt, ob das öffentliche Verwenden durch Kennzeichen in Computerspielen auch Fälle erfasst, in denen der Täter keine unmittelbare Wahrnehmbarkeit herstellt, sondern den Interessenten lediglich die Möglichkeit eröffnet, das Kennzeichen selbst zu einem späteren Zeitpunkt wahrnehmbar zu machen. Grundsätzlich konfrontiert der Handelnde mit dem Upload des Spiels auf eine frei zugängliche Seite den Interessenten nicht direkt mit den erwerbbaren Inhalten.234 Der Interessent kennt zwar den Ort der Daten, hat aber noch keinen Zugriff. Es liegt in seiner Hand, sich den Zugang zu verschaffen. Dies genügt für die Tathandlung des Zugänglichmachen.235 Das Zugänglichmachen in Form des Inverkehrbringens236 des kennzeichenbehafteten Inhalts ist nunmehr nach dem gesetzgeberischen Willen unter die Tathandlung des Verbreitens zu subsumieren. Eine trennscharfe Abgrenzung zwischen dem öffentlichen Zugänglichmachen und dem öffentlichen Verwenden vor dem Merkmal der Unmittelbarkeit der Wahrnehmungswirkung liefe dogmatisch leer, wenn Letzteres ohnehin mit dem Verbreiten gleichzusetzen ist. Der Anwendungsbereich des Verbreitens ist unabhängig davon eröffnet, ob das Spiel gekauft, heruntergeladen oder bis zu einem bestimmten Punkt gespielt – mithin final freigelegt – werden muss.237 Strafrechtsdogmatisch geht 231  Vgl.

Bode, ZStW 127 (2015), 937, 939. Recht der Computerspiele, Rn. 177. 233  Die systematische Identität ablehnend: BGHSt 29, 73, 83; Heinrich, ZJS 2017, 301, 309; Reuter, S. 194; Stegbauer, S.  110 f.; Kochheim, Cybercrime, Kap. 2 Rn. 184; a. A. Wiacek, S. 141. 234  So auch Germann, S. 196 zu § 184 StGB. 235  Walther, NStZ 1990, 523, 524; a. A. noch OLG Karlsruhe, NJW 1984, 1975, 1976. 236  Vgl. BT-Drs. 19/19859, S. 25; Ellbogen, in: BeckOK-StGB, § 86a Rn. 22. 237  Gegen ein divergierendes Verständnis zwischen dem öffentlichen Verwenden und dem öffentlichen Zugänglichmachen war bereits zu alter Rechtslage einzuwenden, dass beide Tathandlungen in keinem systematischen Plus-Minus-Gefälle zueinander standen. Im Rahmen des Art. 4 Nr. 3 IuKDG wurde die Tathandlung des öffentlichen Zugänglichmachens in Datenspeichern eingefügt, während § 86a StGB trotz systematischer Nähe zu § 86 StGB unverändert blieb; siehe dazu IuKDG v. 22.07.1997, BGBl. I, 1997, S. 1876. 232  Rauda,

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

das öffentliche Verwenden eines erheblichen, gegebenenfalls sogar seines gesamten eigenständigen Anwendungsbereichs verlustig. Damit verliert § 86a StGB sein dogmatisches Gepräge. Strafrechtssystematische Fragen, warum zwei eng korrelierende Normen, wie § 86 StGB und § 86a StGB, zum einen das Verbreiten und andererseits das Zugänglichmachen in der Öffentlichkeit nach § 86 Abs. 1 StGB aufführen, wenn inhaltliche Identität zwischen beiden Tathandlungen anzunehmen ist, bleiben offen. Hier wäre eine Assimilation im Dienste der systematischen Einheitlichkeit angebracht. b) Der Vertrieb von Computerspielen als Tathandlung aa) Das internetbasierte Anbieten des Spielinhalts Das zur Verfügung Stellen eines Computerspiels in Online-Shops oder Online-Spielebibliotheken eröffnet dem Interessenten die Möglichkeit, den Datensatz auf sein privates System zu kopieren. Der zeitliche Versatz zwischen dem Upload und der Möglichkeit der Wahrnehmbarkeit nach der In­ stallation des Inhalts ist unbeachtlich.238 Der Spieler macht die Kennzeichen durch den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Computerspiels final sichtbar. Mit dem Upload gibt der Täter die kennzeichenbehaftete Software aus der Hand und ermöglicht den unkontrollierten Zugriff und die unkontrollierbare Wahrnehmung des Kennzeichens. Auf das tatsächliche Abrufen des Inhalts kommt es nicht an.239 Auch kann die Erforderlichkeit eines Kaufs des Datensatzes nicht als ein öffentlichkeitsausschließender Sicherungsmechanismus betrachtet werden. Der Vorgang schließt lediglich nicht zahlungsfähige oder -bereite Kunden und Kinder von der Wahrnehmbarkeit aus. Internetbasierte Transaktionen zeichnen sich durch die sofortige und automatisierte Downloadmöglichkeit aus. Ein menschliches Dazwischentreten findet in der Regel nicht statt. Schließlich dient dies den kommerziellen Interessen und hat nicht den Zweck, einen größeren Personenkreis von der bestimmungsgemäßen Nutzung auszunehmen.240 Der Datensatz und damit auch die kodiert-verarbeiteten Kennzeichen sind mit dem Upload in den Verkehr entäußert, mithin verbreitet.241

238  Anders wohl KG, NJW 1999, 3500, 3502 mit Blick auf einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang in Bezug auf Live-Übertragungen. 239  BGHSt 47, 55, 60; OLG Stuttgart, MMR 2006, 387, 388; Römer, S. 93 f.; zum Zugänglichmachen: Eisele, Computer- und Medienstrafrecht, § 28 Rn. 101; Heinrich, ZJS 2016, 698, 700. 240  Boese, S. 116 f.; vgl. Walther, NStZ 1990, 523, 524. 241  Ellbogen, in: BeckOK-StGB, § 86a Rn. 22; vgl. Heinrich, ZJS 2016, 132, 145 zum Zugänglichmachen.



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bb) Das Auslegen und Verkaufen der Datenträger Im Falle des Vertriebs von Datenträgern werden Computerspiele als Datensatz auf einem Datenträger feilgeboten. Die im digitalen Spielinhalt verarbeiteten Kennzeichen sind für den Interessenten nicht sichtbar und treten mit dem Auslegen der Ware nicht nach außen in Erscheinung. Anders als im internetbasierten Vertrieb ist zwischen dem bloßen Auslegen des Datenträgers und der Veräußerung an den Interessenten noch der steuerbare Zwischenakt des Verkaufs erforderlich. Erst mit dem Verkauf des Computerspiels verlässt das Spiel die Sphäre des Verkaufsraumes und kann sodann vom Erwerber auf dem heimischen System installiert und eingesehen werden. Die Öffentlichkeit ist von der Signalwirkung geschützt, auch wenn der Verkaufsraum öffentlich zugänglich ist.242 Trotz des systematischen Gleichnisses des Zugänglichmachens mit dem Verbreiten kann in dem Auslegen keine Verbreitungshandlung gesehen werden, besteht doch ohne den notwendigen Zwischenakt des Erwerbs und des Auslesens des Datenträgers außerhalb der Verkaufsräume nicht einmal die abstrakte Möglichkeit der Wahrnehmbarkeit des ­Inhalts für Dritte. Diese eröffnet sich erst mit dem Verkauf des Datenträgers. Auch eine etwaige jugendschutzrechtliche Altersprüfung durch den Verkäufer findet erst an der Kasse statt. Richtigerweise ist die nach außen akustisch oder visuell wahrnehmbare kommunikative Kennzeichenwirkung straf­ begründendes Wesensmerkmal der Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB.243 Sofern die Signalwirkung eines Kennzeichens nicht nach außen in Erscheinung tritt, weil es verdeckt ist, fehlt es am Merkmal der Öffentlichkeit des Verwendens.244 Lediglich die Vorbereitungshandlung des Vorrätighaltens kommt in Betracht.245 Erst mit dem Verkauf ist ein Verbreiten der auf dem Datenträger kodierten Kennzeichen gegeben.246 Ein anderes Ergebnis ist lediglich bei der Kennzeichendarstellung auf Covergestaltungen des Datenträgers oder der Schutzhülle festzustellen. Abgedruckte Darstellungen treten – ohne, dass es eines Betätigungsakts durch den Betrachter bedarf – unmittelbar in das potenzielle Wahrnehmungsfeld der Öffentlichkeit.247

242  BGHSt 29, 73, 83; ähnl. OLG Köln, Urt. v. 27.11.1979, 3 Ss 897/79 (juris); vgl. Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 19. 243  BGH, StV 2018, 80; BayObLGSt 1996, 22, 24; so auch OLG Thüringen, NStZ 2004, 628, 629; Boese, S. 111; v. Dewitz, S. 250. 244  BGHSt 29, 73, 83. 245  Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86a Rn. 9b. 246  Vgl. OLG Bremen, NJW 1987, 1427 f.; Reuter, S. 220, 224. 247  Vgl. AG Detmold, Beschl. v. 19.01.2010 – 3 Gs 99/10, Rn. 2 (juris).

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3. Straflose Akte des Verwendens der Kennzeichen Mit den weiten Definitionen der Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist in Auslegung des Wortlauts jedes öffentliche Inverkehrbringen von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vom Anwendungsbereich der Norm erfasst.248 Ob und inwieweit der Wortlaut des Tatbestands des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB über den Rechtsgüterschutz hinaus geht, ist umstritten. Das Spiel „Wolfenstein 3D“ ist nur ein Vertreter von Computerspielen, die NS-Symbole gezielt als Identifikationsmerkmal des zu bekämpfenden Feindes nutzen.249 Die Erfüllung der Spielaufgabe besteht im Kampf gegen virtuelle Feinde, die als Verteidiger des Nationalsozialismus in Erscheinung treten. Jedenfalls ist mit der Einbindung der Kennzeichen mit Zuordnung zum virtuellen Feind eine politische Zielrichtung zur Förderung nationalsozialistischer Bestrebungen nicht erkennbar. Das OLG Frankfurt a. M. lehnte indes eine schutzzweckorientierte Reduktion des öffentlichen Verwendens unter Verweis auf die Anfälligkeit von Kindern und Jugendlichen für die ideologische Beeinflussung durch die Kennzeichen und zu besorgende Sympathien mit dem bekämpften Feind ab.250 a) Limitierungsvorschläge der Spruchpraxis und Literatur Die Spruchpraxis versuchte im Zuge einer teleologischen Tatbestands­ reduktion – systematisch der Untersuchung der Sozialadäquanzklausel vorgelagert – den Anwendungsbereich der Tathandlung des öffentlichen Verwendens um solche Fälle zu reduzieren, in denen das Verhalten dem Schutzzweck „ersichtlich nicht zuwider laufe“.251 Diesbezüglich müsse der kommunikative Aussagehehalt des Verhaltens im Rahmen des Verwendens ermittelt werden.252 Sofern die Kennzeichenverwendung offensichtlich eine eindeutig gegnerschaftliche Position zum Nationalsozialismus bekundet, ist nach An248  Zutreffend verweist Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 19 darauf, dass das bloße Zugänglichmachen den Anforderungen des öffentlichen Verwendens nicht zu genügen vermag, gleichwohl aber die Tathandlung des Verbreitens in Betracht kommt. 249  Auch „Wolfenstein – The New Order“, „Wolfenstein II – The New Colossus“ und „Wolfenstein – Youngblood“ setzen dieses Charakteristikum in der Spielreihe weiter um. 250  OLG Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356, 357. 251  BGHSt 25, 30, 32 ff.; 25, 128, 131; 25, 133, 136; 28, 394, 397; 47, 244, 248; OLG Köln, NStZ 1984, 508; BayObLG, NStZ 2003, 89, 90; OLG Oldenburg, ­NStZ-RR 2010, 368; die teleologische Tatbestandsreduktion bei Abbildungen zerstörter und durchgestrichener Hakenkreuze ablehnend: Pressemitteilung OLG Stuttgart v. 22.05.2006 – 1 Ws 120/06 (juris). 252  Vgl. BGHSt 25, 30, 34 f.; BGHSt 25, 133 136; 52, 364, 376; KG, Urt. v. 07.09.2010 – (4) 1 Ss 301/10 (166/10) Rn. 10 (juris).



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sicht der Spruchpraxis die Tathandlung teleologisch zu reduzieren.253 Dieser Leitlinie entsprechend urteilte der BGH auch im Falle eines Angeklagten, der durch sein Unternehmen CDs, Kleidungsstücke oder Aufkleber zum Verkauf anbot.254 Die besonderen Darstellungsformen auf den Artikeln bildeten NSSymbole – insbesondere das Hakenkreuz in erkennbarer Form – ab. Jedoch waren sie oftmals durchgestrichen oder in einer sonstigen, deutlich erkennbaren ablehnenden Darstellung aufgedruckt. Für den objektiven Beobachter wiesen die Abbildungen die eindeutige Gegnerschaft zu den Symbolen aus. Das Gericht argumentierte, dass sich der Gesetzgeber bei der Schaffung des Tatbestands dessen Weite bewusst war und Restriktionen der Rechtsprechung und Literatur überlassen habe.255 Aufgrund der eindeutig ablehnenden Erklärung sei eine Schutzzweckverletzung offensichtlich ausgeschlossen, weil nicht zu befürchten sei, dass die Zeichen aufgrund der ablehnenden Haltung ihrem ursprünglichen Aussagegehalt entsprechend Eingang in den politischen Meinungsaustausch finden würden.256 Insofern steht die Spruchpraxis des BGH – unabhängig vom Ergebnis der Strafbarkeit oder Straflosigkeit – im Widerspruch zu den teleologischen Erwägungen des OLG Frankfurt a. M. bezüglich der „Wolfenstein-Entscheidung“. Das OLG hatte die Tathandlung ohne Ermittlung des sich aus dem Inhalt ergebenden kommunikativen Aussagegehalts der Kennzeichenverwendung vorgenommen und insoweit lediglich auf die Visualisierung der Kennzeichen selbst abgestellt.257 Nach Auffassung des BGH aber wird der evidenten Kollision des § 86a StGB mit der verfassungsrechtlich zugesicherten Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG durch strafrechtlich nicht kodifizierte Schutzzweckeinschränkungen Rechnung getragen, die sich unabhängig vom Anwendungsbereich der Sozialadäquanzklausel vollziehen.258 Zweifel an der Schutzzweckbetroffenheit gehen zu Lasten des Täters,259 sodass es auf die Offensichtlichkeit der fehlenden 253  BGHSt 25, 30, 34; 51, 244, 248; OLG Köln, NStZ 1984, 508; BayObLG NStZ 2003, 89, 90; vgl. auch OLG München, Urt. v. 07.05.2015 – Az.: 5 OLG 13 Ss 137/15 Rn. 21 (juris); zust. auch EGMR, Entsch. v. 13.03.2018 – 35285/16, Rn. 48 (juris). 254  BGHSt 51, 244, 252. 255  BGHSt 51, 244, 247; so auch Wagner, S.  475 f. 256  BGHSt 51, 244, 250. 257  OLG Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356, 357. 258  BGHSt 52, 364, 373; BVerfGK 7, 452, 457 deutet an, dass Auslegungs- und Anwendungsmöglichkeiten verbleiben, um Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG zu gewährleisten; KG, Urt. v. 07.09.2010 – (4) 1 Ss 301/10 (166/10) Rn. 9 (juris). 259  BGHSt 52, 364, 376; LG München, NStZ 1985, 311 f.; vgl. auch OLG Köln, NStZ 1984, 508; im Ergebnis auch Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 22; Ellbogen, in: BeckOK-StGB, § 86a Rn. 6; Stegbauer, NStZ 2010, 129, 131; v. Dewitz, S. 257, stellt fest, dass die Erkennbarkeit der Zielrichtung der Handlung nie zweifelsfrei festgestellt werden könne.

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Schutzzweckverletzung ankommt. Sofern demnach keine Sonderstellung medial visualisierter Kennzeichen begründet wird, hätte sich auch das OLG Frankfurt a. M. mit dem konkreten Aussagegehalt des Verwendens der Kennzeichen im Spiel auseinandersetzen müssen. Zwar konnte nach älterer Ansicht des BGH hinsichtlich der massenhaften Verbreitung von NS-Kennzeichen keine teleologische Tatbestandsreduktion eingreifen, trage doch das umfassende Verbot der kommerziellen und massenhaften Verbreitung dem weiten Schutzzweck der Strafnorm Rechnung.260 Gleichwohl betonte das OLG Frankfurt a. M., dass kein Verbreiten, sondern ein Verwenden vorliegt,261 sodass die tathandlungsspezifische Begrenzung des BGH zur teleologischen Tatbestandsreduktion kein abweichendes Ergebnis liefert. Teilweise folgte die Literatur der Lösung des BGH.262 Vor dem Hintergrund der gesetzgeberischen Intentionen, Gewöhnungen der Öffentlichkeit an die verfassungswidrige Symbolik zu vermeiden, lehnen einige Autoren eine teleologische Tatbestandsreduktion gänzlich ab.263 Hörnle weist zwar darauf hin, dass mit der offenkundigen Gegnerschaft zu den Zeichen bei der Verwendung der Eindruck entstehen könne, es gebe eine gefährliche rechtsextremistische Szene in der BRD, sodass sich Bürger dazu aufgerufen fühlten, gegen diese in Aktion zu treten.264 Allerdings erweist sich die strafrechtliche Sanktionierung des Bürgers, der sich zum Schutze der durch § 86a StGB geschützten Rechtsgüter aufgerufen fühlt, als vollkommen ungeeignet, dem angesprochenen Eindruck entgegen zu wirken. Eine entgegengesetzte Auffassung in der Literatur vertritt einen restriktiveren Ansatz als der BGH und möchte die Verwirklichung der Tathandlung auf eine bekenntnishafte Verwendung reduzieren.265 Dies sei nicht im Sinne einer überschießenden Innentendenz zu verstehen, sondern bemesse sich nach den 260  Mit Blick auf Kinderspielzeug BGHSt 28, 394, 397; zust. wohl Keltsch, NStZ 1983, 121; a. A. nunmehr BGHSt 51, 244, 249 ff. 261  OLG Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356, 358. 262  Bottke, JR 1982, 77, 78; Ellbogen, in: BeckOK-StGB, § 86a Rn. 6; Heinrich, ZJS 2017, 301, 306; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 412; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86a Rn. 4; Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 15; krit. Otto, in: FS-Amelung, S. 225, 244 f. 263  Frank, S.  82 ff.; Güntge, in: S/S/W, StGB, § 86a Rn. 10. 264  Hörnle, NStZ 2007, 698 freilich ohne sich dieser Überlegung in strafbegründender Weise anzuschließen. 265  Becker, in: M/R, StGB, § 86a Rn. 12 f.; Eisele, Computer- und Medienstrafrecht, § 29 Rn. 110; Heckmann, in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 8 Rn. 465; Hörnle, NStZ 2007, 698, 699; Keltsch, NStZ 1985, 312, 314; Paeffgen, in: NK-StGB, § 86a Rn. 14; Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86a Rn. 6; Wiacek, S. 143; Zöller, in: SK-StGB, § 86a Rn. 9; a. A. BGHSt 25, 30, 31; OLG Hamburg, JR 1982, 76, 77; vgl. auch OLG Oldenburg, NStZ-RR 2010, 368; Hamdan, JURA 208, 169, 170; Rahe, S. 131.



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äußeren Umständen mit Blick auf die Eignung, eine Identifikation oder Förderung einer verfassungswidrigen Organisation oder dessen Ziele abzubilden.266 Das Erfordernis der bekenntnishaften Verwendung schließe neutrale Verhaltensakte aus dem Anwendungsbereich der Verwendensstrafbarkeit aus und erreiche eine systematische Einheitlichkeit mit dem Zweifelssatz und der Rechtsprechung zur Mehrdeutigkeit von Äußerungen nach § 185 StGB.267 Nur die Eignung der Kennzeichenverwendung zur Gefährdung des politischen Friedens könne eine abstrakt gefährliche Handlung darstellen.268 Warnungen vor den Methoden und Bestrebungen des Nationalsozialismus erfüllen demnach nicht die Tathandlung des öffentlichen Verwendens. Hiergegen wendet insbesondere die Spruchpraxis ein, die teleologische Tatbestandsreduktion soll einige Fälle der scherzhaften und kurzzeitigen Verwendung erfassen, die nicht als sozialadäquat angesehen werden, dennoch den Schutzzweck nicht verletzen.269 Ferner sei eine Reduktion der Tathandlung auf die bekenntnishafte Verwendung vor dem Hintergrund von Beweisschwierigkeiten und der Unterbindung des geschäftsmäßigen Vertriebs nicht angezeigt.270 b) Stellungnahme aa) Sektorale Zulässigkeit für „neutrale Computerspiele“? Die Frage nach der Limitierung der tatbestandlichen Reichweite des öffentlichen Verwendens ist für die Vermarktung von Computerspielen von durchgreifender Bedeutung. Vielfach werden NS-Symbole unter Wahrung ihrer historischen Bedeutung in Computerspiele implementiert. Die letztgenannte Auffassung reduziert das öffentliche Verwenden auf bekenntnishafte Verhaltensweisen, die durch eine unpolitische und neutrale Einbettung von NS-Symbolen in unterhaltenden Computerspielen als dramaturgisches Begleitelement der virtuellen Spielwelt wohl nicht erreicht wäre. Eine normative Betrachtung der Kennzeichenverwendung als Identifikationssymbol des Feindes in einem auf Schnelligkeit und Strategie ausgelegten Computerspiel ist wohl kaum als eine bekenntnishafte Verwendung der Kennzeichen zur Verfolgung oder Bestärkung der symbolisierten nationalsozialistischen Orga266  LG Koblenz, NStZ-RR 2009, 105, 106; Becker, in: M/R, StGB, § 86a Rn. 13; Zöller, in: SK-StGB, § 86a Rn. 9. 267  Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86a Rn. 6 lehnt die Rechtsprechung des OLG München, NStZ-RR 2005, 371 hinsichtlich der Strafbarkeit zur öffentlichen Verwendung mit dem Zweck der Authentizitätssteigerung eines Modellflugzeugs ab. 268  Zöller, in: SK-StGB, § 86a Rn. 9. 269  BGHSt 25, 30, 34. 270  BGHSt 25, 30, 31; OLG Hamburg, JR 1982, 76, 77; vgl. auch OLG Oldenburg, NStZ-RR 2010, 368.

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nisation zu verstehen. Demnach würden nur offensichtlich hetzerische und propagandistische Einzelprogramme überhaupt vom Anwendungsbereich des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB erfasst, ohne dass es auf die Anwendung der Sozialadäquanzklausel ankäme. Im Ergebnis postuliert eine teleologische Tatbestandsreduktion auf bekenntnishafte Handlungen einen sektoralen Zulässigkeitsrahmen für Computerspiele, welche die Kennzeichen erkennbar als ­dramaturgisches Beiwerk oder zu Zwecken der Authentizitätssteigerung einbinden. Etwas anderes würde nur gelten, wenn die Spielhandlung vom Rezipienten die Verteidigung der durch das Symbol angezeigten nationalsozialistischen Bestrebungen erfordert. Mit einer Verkürzung des Anwendungsbereichs des § 86a StGB auf bekenntnishafte Tathandlungen wären lediglich propagandistische Hetzspiele vom Verbot betroffen. Selbst Spiele, die im Zuge eines kompetitiven Mehrspielermodus die Spielbarkeit auf Seiten der Kennzeichenträger ermöglichen, wären nur dann von der Tathandlung erfasst, wenn dem Inhalt ein Bekenntnis zum vermittelten Symbolwert beizumessen wäre. Dies überzeugt nicht. Einer teleologischen Tatbestandsreduktion auf bekenntnishafte Verwendungsakte stehen durchgreifende Bedenken entgegen, die nicht lediglich durch drohende Strafbarkeitslücken motiviert sind. Würde die Tathandlung nur bekenntnishafte Verhaltensweisen – vorwiegend solche der politischen Agitation – erfassen, bliebe kaum Raum für das gesetzgeberische Limitierungselement der Sozialadäquanzklausel.271 Ferner gelingt die systematische Herleitung der bekenntnishaften Verwendung wohl nur mit dem Merkmal der Eignung des öffentlichen Verwendens zur Friedensstörung.272 Mit der Deliktsnatur des § 86a StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt ist dies kaum vereinbar.273 Inwieweit die Tathandlung geeignet ist, den politischen Frieden zu stören, ist unerheblich.274 Mit der Gewöhnung an die Verwendung von NS-Kennzeichen im neutralen Kontext und einem Gebrauch in der Öffentlichkeit würden freiheitlich demokratische Grundwerte dem Verfall preisgegeben und der durch die Verfassung geschützte politische Frieden erheblich destabilisiert.275 Früh wies der Gesetzgeber darauf hin, dass verfassungswidrige Bestrebungen Dritter auch unwissentlich unterstützt werden können.276 271  So

schon BGHSt 23, 267, 268; Greiser, NJW 1969, 1155. LG Koblenz, NStZ-RR 2009, 105, 106; Becker, in: M/R, StGB, § 86a

272  Siehe

Rn.  12 f. 273  BGHSt 23, 267, 268 f.; 25, 30, 32; Heinrich, ZJS 2017, 301, 306; Stegbauer, S. 109. 274  So bereits Lüttger, GA 1960, 129, 141. 275  Fischer, StGB, § 86a Rn. 2 merkt insofern an, dass das Tabuisierungskonzept des § 86a StGB zu einer Dämonisierung des Kennzeichens selbst führe, das keine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Kennzeichen zulasse. 276  BT-Drs. IV/650, S. 27.



C. Tatobjekte und Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB 101

Bestehende Abgrenzungsschwierigkeiten innerhalb des Anwendungsbereichs des Kennzeichenverbots blieben bestehen.277 Darüber hinaus werden Beweisschwierigkeiten geschaffen.278 Ein sektoraler Rahmen der Straflosigkeit für die neutrale und unpolitische Implementierung der Kennzeichen in Computerspiele bereits auf Ebene der Tathandlung ist nicht anzunehmen. bb) Teleologisches Restriktionserfordernis Das Erfordernis der teleologischen Begrenzung resultiert vor allem daraus, dass der Wortlaut des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht nach der Zwecksetzung des Verhaltens differenziert und die Sozialadäquanzklausel nicht geeignet ist, sämtliche Fälle, denen kein Unrechtswert beiliegt, zu erfassen.279 Richtigerweise steht das Kennzeichenverbot nur im Einklang mit Art. 21 Abs. 2 GG und Art. 9 Abs. 2 GG, wenn ein Verstoß gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung durch das Kennzeichen festgestellt werden kann.280 Ist eine Schutzzweckverletzung bereits von vornherein ausgeschlossen, so bedarf es keiner positivrechtlichen Subsumtion unter geschriebene und umgrenzbare Tatbestandsmerkmale der Sozialadäquanzklausel. Der Gesetzgeber stellt die Wahrnehmbarkeit verfassungswidriger Kennzeichen in ihrem kommunika­ tiven Bedeutungsgehalt in das Zentrum der Strafnorm.281 Die Schutzzweckverletzung des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB resultiert vornehmlich aus der kommunikativen Wirkung der inkriminierten Zeichen, denn diese muss nach außen in Erscheinung treten.282 Symbolen ist ein uneindeutiger kommunikativer Bedeutungsgehalt immanent. Jedes Kennzeichen ist interpretationsbedürftig und interpretationsfähig. Entstehende Deutungsspielräume sind erst durch kontextuelle Einbettungen zu füllen.283 Um die Strafbarkeit von der Straf­ losigkeit abzugrenzen, muss ein kommunikativer Zulässigkeitsrahmen ermöglicht werden. Andernfalls müsste § 86a StGB unzutreffend als kommunikatives Totalverbot verstanden werden. Inwieweit Symbole in ihrem historisch vermittelten, einem entgegengesetzten oder auf Grundlage eines gänzlich neuen Aussagegehaltes verwendet werden, beurteilt sich nach den Gesamtumständen der Tat.284 Die Tathandlung ist nur dann geeignet, den Anschein der Duldung verfassungswidriger Bestrebungen zu erwecken, wenn 277  So

auch Becker, in: M/R, StGB, § 86a Rn. 13. Hamburg, JR 1982, 76, 77; Bottke, JR 1982, 77, 78; Stegbauer, S. 109. 279  BGHSt 25, 30, 33 f.; Reuter, S. 199; v. Dewitz, S. 257. 280  v. Dewitz, S. 257. 281  BVerfG, NJW 2009, 2805, 2806; Fischer, StGB, § 86a Rn. 15; v. Dewitz, S. 250. 282  BGH, StV 2018, 80; Reuter, S. 194. 283  Geis, in: Symbole, S. 439, 446. 284  KG, Beschl. v. 18.05.2016 – (4) 161 SS 54/16, Rn. 8 (juris). 278  OLG

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zumindest denkbar erscheint, dass die Symbole im Sinne einer solchen Bestrebung verwendet werden. Positioniert sich der Täter in eindeutiger Gegnerschaft zu den gebrauchten Kennzeichen, so stellt er sich auf die Seite der verfassungsrechtlich verbürgten Rechtsgüter der Strafnorm, indem er die Negation der freiheitlich demokratischen Grundordnung durch die Kennzeichen linear ablehnend präsentiert. Eine gesellschaftliche Gewöhnung an die Kennzeichen und ein salonfähiger Gebrauch sind nicht zu besorgen, wenn sich die Verhaltensweise offenkundig vom Symbol distanziert. Eine Verwendung in offenkundiger Ablehnung kann nicht strafbar sein.285 Nur wenn die Ablehnungshaltung eindeutig hervortritt und sich bei normativer Betrachtung aus Sicht eines objektiven Dritten keine Möglichkeit ergibt, den Gebrauch als neutral oder befürwortend zu werten, kann es auf die Eingrenzungen der Sozialadäquanzklausel nicht ankommen. Im Ergebnis ist der Rechtsprechungslinie des BGH zur teleologischen Tatbestandsreduktion bei eindeutig ablehnender Haltung zuzustimmen.286 c) Teleologische Tatbestandsreduktion für die Vermarktung von Computerspielen Die offensichtliche Nichtverletzung des Schutzzwecks mit der Implementierung von Kennzeichen in Computerspielen richtet sich nach der offensichtlichen Ablehnungshaltung des Inhalts gegen die Kennzeichen und die symbolisierten Organisationen. Ferner bezog der BGH die teleologische Tatbestandsreduktion auf die Tathandlung des öffentlichen Verwendens, nicht aber auf kommerzielle Vermarktungsmodelle.287 aa) Systematische Neuordnung der Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB Zutreffend stellte das OLG Frankfurt a. M. in der „Wolfenstein-Entscheidung“ mangels körperlichen Übertragungsakts auf die Tathandlung des Verwendens ab.288 Im Zuge der Einführung des Inhaltsbegriffs und der ErstreS. 257. 25, 133, 136 f.; 51, 244, 248 ff.; 52, 364, 375; LG Berlin, Beschl. v. 04.10.2006, 571 – 141/06, Rn. 8 (juris); Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86a Rn. 4; Schwiddessen, CR 2015, 92, 96; im Ergebnis zust., aber an der dogmatischen Begründung zweifelnd: Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 22; Hörnle, NStZ 2007, 698, 699 stellt richtigerweise fest, dass die Sozialadäquanzklausel des § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB lückenhaft ist. 287  BGHSt 25, 30, 32; 28, 394, 397; siehe Träger/Mayer/Krauth, in: 25 Jahre BGH, S. 227, 240 f.; zust. Reuter, S. 205; a. A. nunmehr BGHSt 51, 244, 249 ff. 288  OLG Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356, 358. 285  v. Dewitz, 286  BGHSt



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ckung der Tathandlung des Verbreitens auf unkörperliche, digitale Weitergabeakte ist das Anbieten in einer Mailbox oder in einer internetbasierten Spielebibliothek nunmehr als Verbreiten zu klassifizieren.289 An der Subsumtion des Verhaltens unter die Tathandlung des öffentlichen Verwendens ändert sich gleichwohl nichts, da beide Tathandlungsalternativen in keinem Exklusivitäts- oder Subordinationsverhältnis zueinander stehen.290 Der gesetzgeberischen Anpassung lag der Gedanke der Vereinheitlichung der Tathandlungen zu Grunde, wobei Raum für die teleologische Tatbestandsreduktion bleiben sollte.291 Mit Blick auf den gesetzgeberischen Willen, § 86a StGB in seiner bisherigen Reichweite bestehen zu lassen, muss die teleologische Tatbestandsreduktion systematisch zumindest für unverkörperte Verbreitungsakte von Computerspielen bestehen bleiben. Die Reduktion im Rahmen des öffentlichen Verwendens liefe leer, wenn eben diese Tathandlung als Verbreiten sodann ausschließlich an der Sozialadäquanzklausel zu messen wäre. Der Vereinheitlichung körperlicher und unkörperlicher Verbreitungsakte ist im Zuge der Identität des übermittelten Inhalts mit einer einheitlichen materiell-strafrechtlichen Beurteilung Rechnung zu tragen. Andernfalls würden die strafrechtlichen Voraussetzungen nicht nach der kommunikativen Wirkung des Inhalts, sondern nach dem konkreten Übermittlungsakt divergieren und die Verbindung zum Inhalt lösen. In Betrachtung der offenkundig ablehnenden Haltung gegenüber den Kennzeichen in Form der teleologischen Tatbestandsreduktion kann es lediglich auf den Inhalt des Computerspiels ankommen, nicht auf die verwirklichte Tathandlungsalternative im Rahmen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Dies gilt umso mehr, als dass der Gesetzgeber mit dem Inhaltsbegriff die Vereinheitlichung der sanktionswürdigen Tathandlungen anstrebt. Inwieweit die Kennzeichenimplementierung in Computerspielen als öffentliches Verwenden oder Verbreiten zu qualifizieren ist, macht vor dem Hintergrund eines einheitlichen Schutzbereichs, der sich an der unkontrollierbaren kommunikativen Signalwirkung der Kennzeichen orientiert, keinen Unterschied. bb) Massenhafte Kommerzialisierung von Computerspielen Computerspiele sind auf eine massenhafte Vermarktung ausgelegt. Hielt der BGH die teleologische Tatbestandsreduktion zeitweilig aufgrund der kommerziellen Mengenverbreitung kennzeichentragender Gegenstände für unanwendbar, rückte das Gericht nunmehr richtigerweise von dieser Linie ab 289  Vgl. BT-Drs. 19/19859, S. 55; so wohl auch Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 25. 290  BT-Drs. 19/19859, S. 55; Reuter, S. 190. 291  BT-Drs. 19/19859, S. 55.

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und stellte fest, dass der kommunikative Eindruck der Ablehnungshaltung durch die massenhafte Erscheinung in eindeutig gegnerschaftlicher Positionierung noch verstärkt werden könne.292 Mangels Sonderrechtsstellung digitaler Unterhaltungsmedien ist der teleologischen Begrenzung des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB nur Rechnung getragen, wenn ein einheitlicher Anwendungsbereich geschaffen wird.293 Moderne Computerspiele bedienen sich immer häufiger des Internets als Vermarktungsplattform und können jederzeit von jedermann heruntergeladen werden. Der Downloadoption ist eine internetspezifisch unbegrenzte Reichweite immanent. Innerhalb kürzester Zeit kann ein internetspezifisches Angebot alle Menschen mit stabilem Internetzugang erreichen. Die Auflagenstärke ist unbestimmbar weit und hätte faktisch ein Veräußerungsverbot für den internetbasierten Markt zur Folge, welches die konkrete kommunikative Wirkung der Kennzeichen im Spiel außer Betracht ließe und deshalb abzulehnen ist.294 Ferner erschiene es fraglich, ob ein weltweit erfolgreiches Spiel mit wenigen Kennzeichen in millionenfacher Auflage ein geringeres Gefährdungspotenzial entfaltet als eine niedrige Auflage mit höherer Kennzeichendichte im Spiel selbst.295 Die Verbreitung des Spiels an einen unüberblickbaren Personenkreis bedeutet nicht notwendigerweise eine Abkehr von der offensichtlich erkennbaren Ablehnungshaltung. Die Frage nach der Ausnahme vom Tatbestand ist anhand der übermittelten Botschaft und nicht durch den Verbreitungsgrad zu ermitteln.296 Ein Gewöhnungseffekt an die Zeichen bei massenhafter Verwendung in gegnerischer Konnotation schlägt nicht in Form eines schutzzweckverletzenden Gewöhnungseffekts auf den Rechtsgüterschutz durch.297 cc) Computerspielinhalte in Bezug auf § 86 StGB Mit Blick auf den Jugendmedienschutz wurde angemerkt, dass es ambivalent erschiene, den Nationalsozialismus und dessen Organisationen offenkundig zum Thema unterhaltender Computerspiele zu machen und sogar den Einsatz von V-Waffen in Strategiespielen als unbedenklich zu qualifizieren, 292  BGHSt 293  Keller,

51, 244, 252; a. A. Güntge, in: S/S/W, StGB, § 86a Rn. 10. in: Hamburger Kommentar, Gesamtes Medienrecht, 86.  Abschnitt

Rn. 13. 294  Vgl. Rahe, S. 229; wohl zustimmend Fischer, StGB, § 86a Rn. 18a. 295  Vgl. Liesching, MMR 2010, 309, 310 f. 296  BGHSt 51, 244, 252; grundsätzlich zust. Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn.  21 f. 297  So auch Hamdan, JURA 2008, 169, 171; Fischer, StGB, § 86a Rn. 18a bezweifelt, dass dem Verbreiten von NS-Symbolen in Computerspielen stets ein schutzzweckverletzender Gewöhnungseffekt immanent ist; a.  A. Güntge, S/S/W, StGB, § 86a Rn. 10.



C. Tatobjekte und Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB 105

zugleich aber die Kennzeichendarstellung zu verbieten.298 Ähnliche – wohl rechtspolitisch motivierte – Überlegungen können auch im Bereich des materiellen Strafrechts angestellt werden. Der fortwährende Bezug vieler Spielinhalte zum Nationalsozialismus und dessen Organisationen ist zumeist auch nach Entfernung der NS-Kennzeichen erkennbar. Aus Sicht des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB besteht keine Pflicht zur Änderung der verwendeten Organisa­ tionsnamen oder des allgemeinen inhaltlichen Gepräges. Sind Filmwerke oder Computerspiele durch die Präsentation des Nationalsozialismus als linear zu bekämpfenden Feind nicht als Propagandamittel i. S. d. § 86 Abs. 2 StGB zu qualifizieren, weil sie sich nicht gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völkerverständigung richten, so ist zweifelhaft, ob sich an der Betroffenheit der Rechtsgüter etwas ändert, wenn der identische Inhalt mit eindeutig und durchgängig dem Feind zuzuordnenden NS-Kennzeichen aufgeladen wird. Kommerziell vertriebene Computerspiele, die keinen offenkundig hetzerischen Inhalt zum Gegenstand haben, werden nicht als Propagandamittel verstanden.299 § 86a StGB ergänzt den durch § 86 StGB gewährleisteten Rechtsgüterschutz, der sich gegen inhaltliche Werbung für Ziele verfassungsfeindlicher Organisationen durch Propagandamittel i. S. d. § 86 Abs. 2 StGB richtet.300 Beide Normen weisen nicht nur aufgrund ihres Standortes im Gesetzestext und des gesetzgeberischen Verweises in § 86a Abs. 3 StGB auf die Geltung der Sozialadäquanzklausel einen teilweise überschneidenden Regelungsrahmen auf. Auch handelt es sich bei beiden Straftatbeständen um abstrakte Gefährdungsdelikte zum Schutze der freiheitlich demokratischen Grundordnung und der Völkerverständigung mit identischem Strafrahmen.301 Zudem werden Handlungen zur körperlichen und unverkörperten Verbreitung, sowie Vorbereitungshandlungen pönalisiert. Vor dem Hintergrund der systematischen Nähe zwischen § 86 StGB und § 86a StGB erschiene es auf den ersten Blick widersinnig, die Präsentation des Nationalsozialismus als solchen in medialen Inhalten für strafrechtlich unbedenklich zu halten, gleichwohl jedwede mediale Aufladung mit Kennzeichen der dargestellten Organisation zu pönalisieren. Der Spielinhalt der „Wolfenstein“-Spielreihe ist trotz des offensichtlichen Bezuges zur Bekämpfung eines nationalsozialistischen Regimes nicht gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung oder den Gedanken der Völker298  Mit Bezug auf das Strategiespiel „Company of Heroes“ siehe Wager, K&R 2019, 380, 385. 299  Auch das OLG Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356 qualifizierte das Spiel „Wolfenstein 3D“ nicht als Propagandamittel. 300  Gercke, in: Recht der elektronischen Medien, § 86 StGB Rn. 1. 301  Vgl. zu § 86 StGB Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86 Rn. 2 f.

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

verständigung gerichtet. Die Darstellung menschenverachtender Doktrinen des Nationalsozialismus im Computerspiel schlägt wohl erst durch die Verbindung mit einem Kennzeichen i. S. d. § 86a Abs. 2 StGB zu einer Gefährdung für die freiheitlich demokratische Grundordnung um. § 86a StGB weist einen eigenständigen Anwendungsbereich auf und Kenneichen verfassungswidriger Organisationen vermögen als Abstraktion totalitärer Wertvorstellungen der freiheitlich demokratischen Grundordnung zuwider laufen. Wenn § 86a StGB den Rechtsgüterschutzgedanken des § 86 StGB erweitert, so kann ein medialer Inhalt allein durch die Kennzeichenverwendung das strafrechtliche Rechtsschutzbedürfnis auslösen. Dass es sich ohne die Kennzeichen nicht um ein Propagandamittel handelt, steht dem nicht entgegen. Indes deutet der Wortlaut des § 86 Abs. 2 StGB darauf hin, dass das Erfordernis des strafrechtlichen Rechtsgüterschutzes in Abhängigkeit zum Inhalt steht. Auch Symbole und Kennzeichen erhalten ihren vollständigen kommunikativen Bedeutungsgehalt erst im Zuge der Vermittlung eines wahrnehmbaren Gesamtzusammenhangs, der sich aus der Interpretation des Kennzeichens selbst und den konkreten Umständen der Tathandlung ergibt.302 Insofern ist der rechtspolitische Einwand, dass es widersinnig erscheine, die Bekämpfung eines NS-Regimes zu erlauben, die Kennzeichenverwendung im identischen Inhalt aber unter Strafe zu stellen wohl nicht mehr als ein Indiz dafür, dass eine Einschränkung des Verwendens nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB möglich sein sollte. dd) Maßstab der wahrnehmbaren kommunikativen Gesamtstruktur Grundsätzlich kann der Gebrauch von NS-Symbolik in befürwortender, neutraler oder ablehnender Weise erfolgen. Wenn aus Sicht eines objektiven Beobachters in der Kennzeichenverwendung ein Angriff oder eine Beeinträchtigung der Rechtsgüter überhaupt nicht möglich erscheint, so kann auch kein Rechtsgüterschutz betrieben werden, indem das Verhalten unter Strafe gestellt wird.303 Bei der Abgrenzung zwischen der offenkundigen Gegnerschaft zum Kennzeichen und dessen neutralem Gebrauch können bei Computerspielinhalten Schwierigkeiten auftreten. Insbesondere First-Person-Shooter haben oftmals die Geschichte eines heldenhaften, vom Rezipienten gesteuerten Protagonisten zum Gegenstand. Schwiddessen weist zutreffend darauf hin, dass auch eine linear erzählte Spielgeschichte zumindest zum Schein oder zu Spionagezwecken eine kurzzeitige Identifikation des Spielersubstituts mit NS-Kennzeichen erfordern kann. So ist denkbar, dass der Rezipient in Einzelszenen 302  Kap. 2 303  Vgl.

C. II. 3. b) bb). Hefendehl, in: FS-Schroeder, S. 453, 475.



C. Tatobjekte und Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB 107

zum Zwecke der Tarnung virtuelle Uniformen des Feindes anlegt, um das unveränderte Spielziel zur linearen Bekämpfung eines NS-Regimes zu fördern. Etwaige Handlungsverläufe ergeben sich, wenn der Rezipient ein feindliches Hauptquartier infiltrieren soll. Das heldenhafte Spielersubstitut kann selbst zum Kennzeichenverwender werden, etwa indem ein Wachposten mit ausgetrecktem Arm und „Heil Hitler“ begrüßt wird.304 Die Grußformel unterfällt unstreitig dem Anwendungsbereich des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB.305 Inwieweit der Weg über eine teleologische Reduktion versperrt ist und die Frage der Straflosigkeit lediglich im Rahmen der Sozialadäquanzklausel zu lösen ist, ist weitgehend unbeleuchtet. Aufgrund der Strafbarkeitslimitierung im Wege der Sozialadäquanzklausel besteht das Bedürfnis einer teleologischen Tatbestandsreduktion lediglich für Fälle der von außen erkennbaren offensichtlichen Ablehnungshaltung gegenüber den Kennzeichen.306 Teilweise wird angemerkt, dass Einzelszenen in jedem Fall geeignet sein können, die Gesamterscheinung des Computerspiels umzukehren.307 Im restriktiven Umgang mit der ungeschriebenen teleologischen Reduktion sollte vor allem im Hinblick auf die gesetzliche Sozialadäquanzklausel die Rechtssicherheit gewahrt bleiben. Ähnlich der wertenden Betrachtung analoger Medien ist das Computerspiel nicht inhaltlich aufzuspalten, um Szenen nicht künstlich aus dem Gesamtzusammenhang zu reißen. Eine Gesamtbeurteilung der Gesamtszenerie vor dem Hintergrund der Umstände des Einzelfalls ist unerlässlich.308 Filmen und Computerspielen ist die Schaffung eines kommunikativen Gesamtzusammenhangs unter Nutzung unzähliger Szenen immanent. Anders als die Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen auf einem Bucheinband tritt die Kennzeichenwirkung in einem Spiel nicht isoliert vom Inhalt desselben in Erscheinung. Andernfalls wären Computerspiele in keiner Weise durch die teleologische Tatbestandsreduktion erfasst, weil durch die Summe aller Einzelszenen abseits eines Gesamtzusammenhangs keine lineare und offensichtliche Ablehnungshaltung kommuniziert werden könnte. Es wirkt konstruiert, die teleologische Tatbestandsreduktion für die Kennzeichenimplementierung in einem Computerspiel, welches eine mehrstündige lineare gegnerschaftliche Spielgeschichte aufweist, für unanwendbar zu er304  Illustrativ

die Beispiele bei Schwiddessen, CR 2015, 92, 97. NStZ-RR 2003, 233; Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 7; Keller, in: Hamburger Kommentar, Gesamtes Medienrecht, 86. Abschnitt Rn. 8; Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 6. 306  An der Offensichtlichkeit der Gegnerschaft zum Zeichen in den illustrativen Beispielen zweifelt Schwiddessen, CR 2015, 92, 97. 307  Schwiddessen, CR 2015, 92, 97. 308  BGHSt 52, 364, 375 f.; BayObLG, NJW 1988, 2901, 2902; Anstötz, in: MüKoStGB, § 86a Rn. 28 in Bezug auf die Sozialadäquanzklausel; Erdemir, in: Recht der elektronischen Medien, § 4 JMStV Rn. 6; vgl. Fischer, StGB, § 86a Rn. 18. 305  BayObLG,

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Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

klären, wenn das Spielersubstitut in einer absoluten Einzelszene offensichtlich zum Schein oder zu Spionagezwecken und ohne erkennbar das Spielziel zu modifizieren selbst kurzzeitig als Kennzeichenverwender in Erscheinung tritt. Kämpft das Spielersubstitut durchgehend gegen einen mit NS-Symbolik identifizierbaren Feind an, so lässt sich kaum begründen, dass eine vereinzelte, offensichtliche Spionageszene des Spielersubstituts die Offensichtlichkeit der Gegnerschaft i. S. d. Gesamtkontextes des Spiels vereitelt. Inwieweit die Szene den Gesamteindruck des Werks im Umgang mit den verfassungswidrigen Kennzeichen zu beeinflussen geeignet ist, bemisst sich etwa nach der Dauer, Anzahl und konkreten inhaltlichen Ausgestaltung der Szenen in Relation zur Gesamtheit des Werks. Von erheblicher Bedeutung für die offensichtliche Ablehnungshaltung ist der vorgegebene Spielverlauf im Falle des Fehlschlages der Tarnung des Spielersubstituts. Das Aufrechterhalten der linearen Gegnerschaft zum Natio­ nalsozialismus und dessen Organisationen kann durch eine unmittelbar anknüpfende fortgesetzte Bekämpfung erreicht werden. Ist eine Förderung von Sympathien mit dem grundsätzlich zu bekämpfenden Feind durch diese Szenen nicht auszuschließen oder sogar mit einem spielinternen Belohnungsund Punktesystem verbunden, so verbleibt lediglich eine Lösung auf Ebene der Sozialadäquanzklausel. Der Spielehersteller soll sich seiner Verantwortung nicht entziehen, indem er zwar in den meisten Szenen eine Bekämpfung der virtuellen Kennzeichenverwender im Programmcode anlegt, sich gleichwohl teilweise einer relativierenden szenischen Betrachtung hingibt,309 etwa um die Diskussionen um den Inhalt und einen damit verbundenen Werbe­ effekt für das Spiel zu fördern. In jedem Fall muss die Kennzeichenverwendung durch das Spielersubstitut selbst in Relation zur gesamtmedial vermittelten linearen Gegnerschaft zum Kennzeichen unbedeutend, kurzweilig und eine absolute Ausnahmeerscheinung bleiben. Sie darf in gesamtmedialer Betrachtung nicht ins Gewicht fallen. Das Spielersubstitut als heldenhafter Protagonist der Spielgeschichte ist regelmäßig zentraler Anknüpfungspunkt der Ablehnungshaltung, weil der Rezipient aus dessen Perspektive den Spiel­ inhalt erlebt und vermittelt bekommt. Wird eine Spielgeschichte linear aus der Perspektive eines Protagonisten dargestellt, der gegen ein verbrecherisches Regime kämpft, so muss sich die offenkundige Ablehnungshaltung auch aus dessen Perspektive ableiten und auf die Wahrnehmung des Rezi­ pienten übertragen lassen. In diesem Fall erfährt der Rezipient, der den Protagonisten durch die virtuelle Welt selbst steuert, die Kennzeichenverwendung nur in absoluter Ablehnungshaltung. In anderen Fällen nahm auch die Spruchpraxis eine teleologische Tatbestandsreduktion an, wenn sich in Interpretation des dargestellten Verhaltens dasselbe ausschließlich als Gegner309  Ähnl.

Schwiddessen, CR 2015, 92, 96.



C. Tatobjekte und Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB 109

schaft zum Kennzeichen verstehen ließ.310 Mit der Bekämpfung eines verbrecherischen NS-Regimes, ohne selbst mit dem Feind zu sympathisieren oder die Kennzeichen zu verwenden, ist der mediale Inhalt teleologisch genau so zu bewerten wie eine erkennbare ablehnende Handlung unter Nutzung von NS-Symbolen in der analogen Welt. Sowohl das Bedrucken von T-Shirts und anderen Artikeln mit durchgestrichenen Hakenkreuzen als auch die stringente Bekämpfung der Kennzeichenträger in einem Computerspiel durch den heldenhaften Protagonisten erfüllen nicht die Tathandlung des öffentlichen Verwendens oder Verbreitens. Jedenfalls können Computerspiele, die lediglich einen linearen Einzelspielermodus aufweisen und aus Perspektive eines heldenhaften Protagonisten ein nationalsozialistisches Regime bekämpfen, bereits auf Grundlage der teleologischen Tatbestandsreduktion straflos gestellt werden.311 Mit Blick auf immer komplexere und interpretationsfähige Werke sowie den vielfach implementierten kompetitiven Mehrspielermodus bleibt indes wenig Raum für die teleologische Tatbestandsreduktion. Erhält der Nutzer des Spiels die Möglichkeit, im kompetitiven Mehrspielermodus auf Seiten der im Einzelspielermodus stigmatisierten Fraktion zu wechseln, ist eine teleologische Tatbestandsreduktion jedenfalls ausgeschlossen. Eine eindeutige Gegnerschaft zum Kennzeichen ist nicht offensichtlich erkennbar. Ferner wird den Anforderungen einer teleologischen Tatbestandsreduktion nicht mehr entsprochen, wenn ein nicht unwesentlicher Teil des Spielverlaufs in Form mehrerer oder länger gestreckter Szenen eine – auch nur scheinbare – Identifizierung oder ein Sympathisieren mit den verwendeten NSSymbolen vom Rezipienten erfordert. § 86a StGB ist schließlich nicht auf Fälle der politischen Agitation beschränkt, sondern findet als abstraktes Gefährdungsdelikt unabhängig von einer aggressiven Zielsetzung der Tathandlung Anwendung. Die teleologische Tatbestandsreduktion darf weder zum Instrument der inhaltlichen Entwertung der Sozialadäquanzklausel führen, die gerade dazu dient, die Reichweite des § 86a StGB zu begrenzen.312 Noch soll die Deliktsstruktur des § 86a StGB aufgeweicht und die Schutzbehauptung zugelassen werden, bei den vermeintlichen sympathisierenden Einzelszenen würde es sich nicht um wesentliche Verwerfungen mit einer insgesamt gegnerischen Grundausrichtung zu den Kennzeichen und der damit übermittelten Ideologie handeln. Die teleologische Tatbestandsreduktion muss ihren Ausnahmecharakter behalten, soll dem weiten Schutzbereich des § 86a StGB 310  BGHSt

25, 30; 34; 51, 244, 248. in: Recht der elektronischen Medien, § 4 JMStV Rn. 6; so auch Heinrich, ZJS 2017, 301, 307; Liesching, MMR 2010, 309, 312; Schwiddessen, CR 2015, 92, 96; krit. Fischer, StGB, § 86a Rn. 18a. 312  Zum Anwendungsbereich der Sozialadäquanzklausel ausführlich Kap. 4 B. 311  Erdemir,

110

Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

Rechnung getragen werden. Sie greift daher nicht ein, wenn sich der Rezi­ pient mit seinem Substitut nicht nur mit einem Gruß durch eine absolute Einzelszene des Spiels bewegt, sondern gezwungen ist, virtuelle Feinde des Nationalsozialismus anzugreifen oder gar zu töten. Gleiches gilt, wenn dem Rezipienten ein Überlaufen zum Feind ermöglicht wird. Die Offenkundigkeit der Zeichenablehnung ist sodann nicht mehr gewährleistet. Fehlt eine lineare gegnerschaftliche Handlungsstruktur im medialen Inhalt gänzlich, so erhält die Komplexität des Computerspiels anhand verschiedener Szenen Zugang zu mehrdeutigen und divergierenden Interpretations­ möglichkeiten,313 denen nur auf Ebene der Sozialadäquanzklausel zu begegnen ist. Ein offenes Spielkonzept ohne Handlungsauftrag, das dem Rezipienten kein Ziel hinsichtlich der Kennzeichenvertreter vorgibt, kann nicht den Anforderungen einer offenkundigen Gegnerschaft entsprechen. Bislang sind keine Computerspielinhalte bekannt geworden, die Hakenkreuzen und anderen Symbolen des Nationalsozialismus spielintern eine neuartige Ausrichtung auferlegen und sie vom historischen Bezugsmoment nationalsozialistischer Wertvorstellungen lösen. Insbesondere bleibt auch in der „Wolfenstein“-Spielreihe, die thematisch an einem Sieg Deutschlands im Zweiten Weltkrieg und der Ausbreitung des Nationalsozialismus anknüpft, der symbolische Bezug des Hakenkreuzes zum Nationalsozialismus bestehen. Gleichwohl sind Entwicklungen denkbar, die das Kennzeichen spielintern gänzlich neu konnotieren. Die Bedeutung der Symbolik selbst resultiert weiterhin aus dem Organisationsbezug zu einer für verfassungswidrig erklärten Vereinigung i. S. d. § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2, 4 StGB. So steht die Gegnerschaft zum Kennzeichenträger im Computerspiel als Tatbestandsausschluss unter dem Vorbehalt, dass keine spielinterne, positiv abweichende Neuinterpretation des verwendeten Kennzeichens präsentiert wird. Sollen eine Wiedereingliederung und ein späterer gefahrloser öffentlicher Gebrauch der Kennzeichen aufgrund ihres historischen Bedeutungsgehalts zu verfassungswidrigen Organisationen verhindert werden, so könnte dieser Schutzzweck nicht erfüllt werden, wenn der Kennzeichenträger im Spiel zwar als Feind oder Gegner zu identifizieren ist, er aber keine verwerflichen Ziele verfolgt. Exemplarisch wäre ein auf den ausgeglichenen Wettkampf zweier Fraktionen beschränktes Strategiespiel nicht der teleologischen Tatbestandsreduktion zugänglich, wenn spielintern das Kennzeichen als neutrales und unverfäng­ liches Identifikationssymbol des Feindes abgebildet wird, dieser aber zugleich nicht als Vertreter verfassungswidriger Positionen erscheint. Andernfalls wäre dem Normadressaten des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB trotz des Organisationsbezuges stets möglich, die Straflosigkeit trotz einer Herabsetzung des Bedeutungsgehalts des Kennzeichens selbst zu bewirken. Er würde damit 313  Schwiddessen,

CR 2015, 92, 97.



D. Ergebnis111

auf die kommunikative Bedeutung des Symbols selbst zugreifen können, die der Gesetzgeber allerdings eigenhändig mit dem Organisationsbezug festgelegt hat. Der Organisationsbezug ist Ausdruck eines kommunikativen Werts, das dem Kennzeichen beigelegt wird. Der Handelnde erhält lediglich im Wege der Tathandlung die Möglichkeit, sich von diesem zu distanzieren. Es ist aber nicht einzusehen, warum derjenige, der das Kennzeichen in seinem kommunikativen Bedeutungsgehalt spielintern herabzusetzen versucht, letztlich aufgrund der Gegnerschaft zum Selben straflos zu stellen sein sollte. Insofern bildet neben der offensichtlichen Gegnerschaft des Inhalts durch die unauflösliche Verbindung zum bekämpften Feind die Feststellung einer fehlenden Verharmlosung oder Herabsetzung des Kennzeichens in seinem organisationsspezifischen Gebrauch einen kumulativ hinzutretenden Aspekt der Straflosigkeit im Wege der teleologischen Tatbestandsreduktion. Andernfalls könnte ein Rennspiel, dessen Ziel stets das Erreichen der ersten Position ist, der teleologischen Tatbestandsreduktion zugeordnet werden, wenn ein Gegner für einen mit einer Odalrune symbolisierten Rennstall antritt.

D. Ergebnis Die Untersuchung zeigt, dass die Kennzeichenverwendung im Rahmen eines Computerspiels einer generalisierenden Betrachtung nicht zugänglich ist und dass sich lediglich anhand der Gesamtbetrachtung aller Umstände und der konkreten Art der inhaltlichen Implementierung verfassungswidriger Kennzeichen ermitteln lässt, ob sie dem Schutzzweck des § 86a StGB offensichtlich nicht zuwider läuft. Regelmäßig verletzen Computerspiele offensichtlich nicht den Schutzzweck des § 86a StGB, die –– allein über einen linearen Einzelspielermodus verfügen, –– dem Rezipienten aus der Perspektive eines heldenhaften Protagonisten stets die Rolle der linearen Bekämpfung virtueller Feinde zuweisen, die als Vertreter nationalsozialistischer Ziele und Symbole auftreten,314 –– das Spielersubstitut selbst keine Kennzeichen verwenden lassen und –– keine vom Organisationsbezug positiv abweichende Neuinterpretation des Kennzeichens selbst vornehmen. In Betrachtung des Spiels „Wolfenstein 3D“ zeigt sich, dass die implementierten NS-Symbole stets dem Feind zugeordnet sind. Das Spiel zeichnet sich durch eine lineare Bekämpfung der Vertreter eines NS-Regimes aus, ohne dass die Möglichkeit besteht, mit dem Feind zu sympathisieren oder positiv zu interagieren. Nimmt der Rezipient keine Bekämpfungshandlung vor, ver314  Krit.

Fischer, StGB, § 86a Rn. 18a.

112

Kap. 2: Die Tatbestandsmerkmale des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB

mag er das Spielziel nicht zu erreichen. Der mediale Inhalt ist bereits auf Ebene der teleologischen Tatbestandsreduktion dem Anwendungsbereich des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu entziehen. Die Notwendigkeit des Rückgriffs auf die Sozialadäquanzklausel ergibt sich nicht. Auch ist eine Schutzzweckbeeinträchtigung nicht deshalb anzunehmen, weil Kennzeichen in erheblicher Anzahl verwendet werden.315 Es erscheint nicht plausibel, die massenhafte Verwendung von Zeichen nationalsozialistischer Organisationen aufgrund der Anzahl der Kennzeichen oder des zu besorgenden Verbreitungsgrades des Spiels von einer teleologischen Tatbestandsreduktion auszunehmen. So kann die massenhafte Verwendung von Zeichen die kommunizierte Gegnerschaft zu den Zeichen weiter verstärken, da sich auch die vom Rezipienten einzunehmende Rolle im Spiel nicht durch die Anzahl der Zeichen verändert.316 Einer Gefahr der Wiedereingliederung der Zeichen in die Gesellschaft wird insbesondere dadurch Rechnung getragen, dass der verbrecherische Symbolgehalt in seinem Wesen nicht reduziert wird und der Anspruch an den Rezipienten an eine wirksame Bekämpfung nicht angetastet wird. Eine sektorale Zulässigkeit bei neutraler Einbettung der Kennzeichen in den Gesamtinhalt des Spiels hingegen ist dogmatisch und praktisch nicht tragfähig. Anders als die in der Rechtsprechung entschiedenen Fälle zur Verwendung durchgestrichener Hakenkreuze oder der Illustration desselben i. V. m. der Entsorgung in einem Mülleimer,317 erscheint ein Computerspiel oft weniger ostentativ. Bereits wenige Szenen können den Gesamteindruck eines Spiels, in welchem der Rezipient wiederkehrend mit Zeichen in unterschiedlichem Kontext konfrontiert wird, erheblich verändern, sodass es an der offenkundigen Gegnerschaft fehlt.318 Im Ergebnis ist jedes Computerspiel im Wege einer konkreten Einzelfallbetrachtung zu untersuchen, wobei allein das Genre des Spiels keinen Aufschluss über Schutzzweckkollisionen vermittelt.

315  Liesching, MMR 2010, 309, 311 und Schwiddessen, CR 2015, 92, 97 bemühen sich um das Merkmal der massenhaften Kennzeicheneinbindung. 316  Ähnl. BGHSt 51, 244, 252. 317  BGHSt 51, 244 ff. 318  Vgl. Schwiddessen, CR 2015, 92, 97.

Kapitel 3

Strafanwendungsrechtliche Herausforderungen im Rahmen downloadbasierter Vertriebswege des Computerspiels Der Verkauf von Datenträgern stellt lediglich einen Teil der Vermarktung dar und begegnet in der Regel keinen strafanwendungsrechtlichen Schwierigkeiten.1 Als modernes Unterhaltungsmedium hat das Medium des Computerspiels mit der Möglichkeit des internetbasierten Vertriebs in Form eines zum Download bereitstehenden Datensatzes und mit der Schaffung eines internetbasierten Mehrspielermodus längst den nationalen Kontext verlassen. Im Rahmen des weltweiten Wirkungsradius des Internets wird die jederzeitige Verfügbarkeit der Spiele als Datensatz ermöglicht. Dieses Phänomen stellt das nationale Strafrecht vor die Herausforderung des anwendbaren Rechts im grenzüberschreitenden Datenraum. Allgemeine Zuständigkeitsund Kompetenzfragen im Rahmen internetbasierter Straftaten mit internationalem Bezug beschäftigen die Strafrechtswissenschaft seit mehreren Jahrzehnten.2 Im folgenden Kapitel wird untersucht, inwieweit durch die internationale Online-Vermarktung von Computerspielen überhaupt Strafbarkeitsrisiken hinsichtlich § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB bestehen. Um präventiv etwaigen Strafbarkeitsrisiken entgegenzuwirken, investieren Computerspiele­hersteller erhebliche Summen in die großflächige Entfernung von Zeichen verfassungswidriger Organisationen.3

1  Mit Blick auf den Handel mit Datenträgern internationaler Versionen von Computerspielen, die Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen beinhalten und in dieser Ausführung im Inland keine Altersfreigabekennzeichnung erhalten haben, bestehen teilweise Verbindungen zum Online-Handel. So müssen einige Spiele – um sie nutzen zu können – online über internationale Spielervertriebsplattformen aktiviert werden. Die Aktivierung kann von vom Standort des Nutzers abhängen; vgl. Kaiser, MMR-Aktuell 2021, 435934. 2  Bochmann, S.  46 ff.; Cornils, JZ 1999, 394; Hilgendorf, NJW 1997, 1873 ff.; Kudlich/Berberich, NStZ 2019, 633; Kuner, CR 1996, 453; Römer, S.  97 ff.; Sieber, NJW 1999, 2065. 3  Schwiddessen, CR 2015, 92, 93.

114

Kap. 3: Strafanwendungsrecht und downloadbasierter Vertrieb

A. Internationale Vermarktung des Computerspiels Exemplarisch ist „Call of Duty – World at War“ unter anderem über internetbasierte Bezugsplattformen, wie „Steam“, sowie über den eigenen OnlineHandel des zuständigen Vertriebsunternehmens verfügbar und wird zum Kauf auch für deutsche Kunden angeboten.4 Die Software wird vom Entwicklungsstudio Treyarch als Tochtergesellschaft des Vertriebsunternehmens Activision Publishing Inc. mit Sitz in den USA produziert. Activision Publish­ing Inc. selbst hat ihren Hauptsitz in Kalifornien. Eine Zweigniederlassung existiert in Deutschland, nahe München, die für den Vertrieb und die Vermarktung der Spiele in Deutschland verantwortlich ist.5 Ein Upload des Datensatzes zur internetbasierten Vermarktung eines Spiels für den deutschen Markt erfolgt in diesem Fall wohl aus dem Inland.6 Gleichwohl wäre eine Umstellung auf die Aufgabenwahrnehmung durch den ausländischen Hauptsitz aber ohne Weiteres möglich. Andere Spielevermarktungs- und Softwareunternehmen sind ausschließlich im Ausland vertreten.7 Das Spiel „­Attentat 1942“ entspringt dem kleineren tschechischen Entwicklerstudio Charles Games und ist lediglich über die Spieleplattform „Steam“ für deutsche Interessenten verfügbar.8 Somit ist der Vertrieb von Computerspielen ohne Handlungsbezugspunkt in Deutschland möglich und erscheint nicht als ein ausschließlich rechtstheoretisches Problem. Erfolgt ein Upload der Daten aus dem Ausland, können Computerspiele und die darin enthaltenen Kennzeichen ihre kommunikative Wirkung im Inland entfalten, ohne dass mit der Tathandlung – dem Upload – die physische Anwesenheit der handelnden Personen oder des übertragenen Datensatzes im Inland erforderlich ist. Mit stetig zunehmender Anzahl an Spielen, Veröffentlichungsdatenbanken und Spieleplattformen wird der kommerzielle Vertrieb via Internet weiter zunehmen.9 Der nationale Gesetzgeber könnte hier ­hinsichtlich § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB seines Gesetzeszweckes konterkariert werden, sofern sich eine unkontrollierbare Menge an Computerspielen mit 4  https://store.steampowered.com/app/10090/Call_of_Duty_World_at_War/ (Stand: 27.01.2020). 5  https://www.activision.com/de/company/locations/munich (Stand: 27.02.2020). 6  Deutsches Strafrecht ist anwendbar, Fischer, StGB § 9 Rn. 5b. 7  Genannt sei hier etwa Bethesda Softworks, die als Publisher für die „Wolfen­ stein“-, „Doom“- und „Fallout“-Spielereihen verantwortlich sind. 8  https://charlesgames.net/ (Stand: 08.06.2020). 9  Elektronik & Medien – weltweit abrufbar unter: https://de.statista.com/ outlook/245/100/elektronik-medien/weltweit (Stand: 16.07.2021); Jahresreport der deutschen Games Branche 2020, S. 30, abrufbar unter: https://www.game.de/wpcontent/uploads/2020/08/game-Jahresreport-2020.pdf (Stand: 16.07.2021); Schwiddessen, CR 2017, 443.



A. Internationale Vermarktung des Computerspiels115

NS-Symbolen dem Zugriff des Strafgesetzes und einer Strafverfolgung entzögen. Gerade kompetitive Computerspiele gingen im Falle der Nicht­ anwendbarkeit deutschen Strafrechts einer tatbestandlichen, insbesondere einer differenzierten Betrachtung im Lichte der Sozialadäquanzklausel nach § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB verlustig. Fehlen die Strafanwendungsvoraussetzungen, so liegt ein Prozesshindernis vor, das zur Einstellung des Verfahrens führt.10 Diese unerkannten Strafbarkeitslücken gingen weit über einen seitens des Gesetzgebers befürchteten Propagandatourismus11 hinaus.

I. Geoblocking im europäischen Binnenmarkt Der digital gelagerte Handel mit Computerspielen ist in erheblichem Maße durch Geoblocking betroffen.12 Geoblocking meint Geschäftspraktiken, bei denen – insbesondere im elektronischen Geschäftsverkehr – das Unternehmen die Kunden auf Angebote in deren Wohnsitzland verweist.13 Die internationalen ungekürzten Versionen vieler Spiele werden vom Publisher oder der Vertriebsplattform für eine Vermarktung in Deutschland gesperrt.14 Das gilt insoweit auch für strafrechtlich relevante Titel.15 Geoblocking reguliert auch den Versandhandel physischer Datenträger, indem die Aktivierung der Spielinhalte internetbasiert erfolgt und bei einer deutschen IP-Adresse technisch ausgeschlossen wird.16 Es stellt ein sehr wirksames regulatorisches Präventivinstrument zur Durchsetzung des nationalen Strafrechts und Jugendmedienschutzes dar. Diese Geschäftspraktik dokumentiert einerseits die internationale Reichweite des Computerspielhandels und wirkt andererseits mit der Sperrung vermeintlich strafrechtlich relevanter Titel einer tatsäch­ lichen Strafdrohung durch § 86a StGB voraus. Ist zwar der Versand des Computerspiels nach Deutschland möglich, so hindert das Geoblocking mit der Sperrung der Spielaktivierung bei deutschen IP-Adressen wirksam die Wahrnehm10  Conradi/Schlömer, NStZ 1996, 366, 368; B/W/M/Eisele, AT, § 5 Rn. 25; ders., Computer- und Medienstrafrecht, § 3 Rn. 3; Satzger, in: S/S/W, StGB, § 3 Rn. 8; Zöller, in: AnwK-StGB, Vorb. § 3 Rn. 2. 11  Die Bedenken um einen Propagandatourismus motivierten mehrere Bundesländer bereits 2016 zu einem Gesetzesantrag zur Aufnahme des § 86a StGB in § 5 StGB: BR-Drs. 27/16, S. 1, 7; nunmehr auch BT-Drs. 18/8089, S. 6; BT-Drs. 19/19859, S. 23; Bosch, S. 99; vgl. auch Valerius, HRRS 2016, 186, 188; Wiacek, S. 103. 12  Schwiddessen, CR 2017, 681. 13  Hakenberg, in: Creifelds Rechtswörterbuch, Geoblocking. 14  Schwiddessen, CR 2017, 681, 682. 15  Schwiddessen, CR 2017, 681, 685. 16  Umfassend Schwiddessen, CR 2017, 681, 685, 689; so geschehen bei „Wolfenstein – The New Order“.

116

Kap. 3: Strafanwendungsrecht und downloadbasierter Vertrieb

barkeit der Inhalte im Inland. Gleichwohl ist der materiell-strafrechtlichen und jugendmedienschutzrechtlichen Untersuchung von Computerspielen mit Blick auf Kennzeichenimplementierungen i. S. d. § 86a StGB nicht die Relevanz entzogen. Das Geoblocking entfaltet einen präventiven Wirkungsmechanismus, indem bestimmte Inhalte überhaupt nicht zur Verfügung gestellt werden. Allerdings richtet sich die – den wirtschaftlichen Erfolg des Computerspielevertriebs stark beeinträchtigende – Praxis vermeintlich an den nationalen straf- und jugendmedienschutzrechtlichen Anforderungen aus. Im binneneuropäischen Raum ist Geoblocking allein aus Gründen der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes des Kunden durch Art. 3 Abs. 1 RL (EU) 2018/302 untersagt.17 Die Richtlinie vermag das über den binneneuropäischen Raum hinausgehende Phänomen des internationalen Computerspielehandels nicht vollumfassend zu regulieren, verstärkt jedoch die Ausrichtung des Geoblockings an der Übereinstimmung des Inhalts mit nationalen Normenkatalogen. Sofern ein Publisher, Hersteller oder Spieleplattformbetreiber keine strafoder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Konsequenzen zu besorgen hat, besteht kein Grund für die Aufrechterhaltung eines Geoblocks. Fände das deutsche Strafrecht auf den Upload des Spiels aus dem Ausland bei Verfügbarkeit desselben in Deutschland keine Anwendung, so vermag die Maßnahme des Geoblockings keine präventive Schutzwirkung zu vermitteln. Geoblocking ist insoweit zwar der Grund für die geringe Anzahl kennzeichenbeinhaltender Computerspiele in Deutschland, nicht aber die Lösung der strafanwendungsrechtlichen Fragestellung. Denn der Präventionsmechanismus des Geoblockings richtet sich an dem nationalen Gesetzeskatalog aus, nicht umgekehrt.

II. Nationale Kompetenzregelungen des Strafanwendungsrechts Als Fundament des deutschen Strafanwendungsrechts dient das Territorialitätsprinzip aus § 3 StGB, das die deutsche Strafgewalt auf Inlandstaten beschränkt.18 Der stetig wiederkehrende dogmatische Konflikt zwischen digitaler Globalwirkung des Internets und nationaler Sanktionierungskompetenz schlägt sich vor allem in der Frage nach dem Handlungs- und Erfolgsort nieder.19 Erfolgs- und Tätigkeitstheorie verbindet § 9 StGB zu der sog. Ubiquitätstheorie und bestimmt den Ort der Tat.20 So können der Handlungsort als auch der Ort, an dem der zum Tatbestand gehörende Erfolg eingetreten ist 17  ABL.

EU L 60 I/20 v. 23.03.2018. AT, § 5 Rn. 27. 19  Bochmann, S.  29 ff.; Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650, 651; Gercke, S.  18 ff. 20  Eisele, Computer- und Medienstrafrecht, § 3 Rn. 5; Heinrich, AT, Rn. 64; Satzger, NStZ 1998, 112, 113; ders., Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 12; Valerius, in: HB Strafrecht AT I, § 31 Rn. 42; Wolter, in: SK-StGB, § 3 Rn. 6. 18  B/W/M/Eisele,



A. Internationale Vermarktung des Computerspiels117

oder nach der Vorstellung des Täters hätte eintreten sollen,21 die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts auslösen. Zweck der Vorschrift ist es, auch bei Tathandlungen im Ausland deutsches Strafrecht anwenden zu können, wenn im Inland ein Erfolgsort festzustellen ist.22 Unter Berücksichtigung bestimmter Anknüpfungspunkte kann sich die deutsche Strafgewalt auch auf Sachverhalte mit ausländischem Bezug erstrecken, §§ 4–7 StGB.23 Die strafanwendungsrechtliche Reichweite abstrakter Gefährdungsdelikte, deren Handlungsort im Ausland liegt, beschäftigen Gesetzgeber, Literatur und Spruchpraxis seit Längerem. Für eine Lösung wird teilweise auf das Erfordernis gesetzgeberischer Bemühungen hingewiesen.24 Einem entsprechenden Gesetzesantrag der Länder Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zur Aufnahme des § 86a StGB in den Katalog des § 5 Nr. 3 lit. a) StGB-E blieb zwar im Jahre 2016 zunächst der Weg zum formellen Gesetz verwehrt.25 Jüngst aber änderte der Gesetzgeber seine Auffassung und führte im Zuge des 60. StrRÄndG § 86a StGB in den strafanwendungserweiternden Katalog des Schutzprinzips unter § 5 Nr. 3 lit. b) StGB ein.26 § 5 Nr. 3 lit. b) StGB erstreckt die deutsche Strafgewalt auf Fälle des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB, wenn ein Kennzeichen im Inland wahrnehmbar verbreitet oder in einer der inländischen Öffentlichkeit zugänglichen Weise oder in einem im Inland wahrnehmbar verbreiteten Inhalt (§ 11 Abs. 3 StGB) verwendet wird und der Täter Deutscher ist oder seine Lebensgrundlage im Inland hat. 1. Der Vertrieb von Computerspielen aus dem Ausland im Lichte des § 5 Nr. 3 lit. b) StGB a) Dogmatische Reichweite des § 5 Nr. 3 lit. b) StGB Das Schutzprinzip nach § 5 StGB dient als Erweiterung des Territorialitätsprinzips und erstreckt die deutsche Strafgewalt auf Straftaten mit ausländischem Tatort.27 Mit der Einbettung des § 86a StGB in § 5 Nr. 3 lit. b) StGB 21  § 9

Abs. 1 Var. 3, 4 StGB. NJW 2006, 3016; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 9 Rn. 1. 23  Zusammenfassend Conradi/Schlömer, NStZ 1996, 366, 368; Satzger, Internatio­ nales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 4 f. 24  Bremer, S. 116; Kudlich, StV 2001, 397, 399; Kühne, NJW 1999, 188, 190; krit. Kuner, CR 1996, 453, 457; Vec, NJW 2002, 1535, 1539. 25  BR-Drs. 27/16; zu diesem krit. Valerius, HRRS 2016, 186, 189. 26  60. StrRÄndG v. 07.12.2020, BGBl. I, S. 2760; BT-Drs. 19/19859. 27  BT-Drs. 19/19859, S. 33; Kudlich/Hoven, in: Zehn Jahre ZIS, S. 165, 166; Schiemann, JR 2017, 339, 344; vgl. Wimmers/Heymann, AfP 2017, 93, 94; Hoyer, in: SK-StGB, § 5 Rn. 4; Zöller, in: AnwK-StGB, § 5 Rn. 1. 22  KG,

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Kap. 3: Strafanwendungsrecht und downloadbasierter Vertrieb

allegorisiert sich der gesetzgeberische Wille, dass der strafanwendungsrechtliche Begehungsort des § 86a StGB im Rahmen des Territorialitätsprinzips nach §§ 3, 9 StGB lediglich durch den physischen Aufenthaltsort des Täters begründet werden kann.28 Würde im Inland ein Erfolgsort i. S. d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB begründet werden können, so gingen schon die Einbringung des vorangegangenen und gescheiterten Gesetzesvorhabens aus dem Jahre 2016 sowie die neue Fassung im Zuge des 60. StrRÄndG jeder Existenzberechtigung verlustig.29 Bereits seit Längerem sind abstrakte Gefährdungsdelikte wie §§ 153, 154 StGB30 in § 5 Nr. 10 StGB zu finden. Zutreffend verweist die Literatur darauf, dass eine Aufnahme der §§ 153 ff. StGB in den Katalog des § 5 StGB nur systematisch schlüssig erscheint, wenn abstrakten Gefährdungsdelikten kein Erfolgsort i. S. d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB zugeordnet werden kann. Andernfalls wäre die Norm niemals anwendbar.31 Mit dem 60. StrRÄndG wird diese Auffassung bestärkt. So liefe auch die Aufnahme des § 86a StGB in § 5 Nr. 3 lit. b) StGB systematisch und teleologisch leer, wenn ein Handlungs- oder Erfolgsort für den Upload aus dem Ausland unter Nutzung des Internets bereits durch §§ 3, 9 StGB erfasst wäre. Es ließe sich argumentieren, dass der physische Aufenthaltsort des Täters im Ausland nunmehr lediglich mit der Ausnahmeregelung des § 5 Nr. 3 lit. b) StGB erfasst werden könne. Die systematische Struktur des Schutzprinzips zur Ergänzung und Erweiterung der deutschen Strafgewalt über den Territorialitätsgrundsatz hinaus ist nur aufrecht zu erhalten,32 wenn die Regelung als Erweiterungskompetenz verstanden wird. Entscheidet sich der Gesetzgeber für ausgewählte Delikte zu einer Erweiterung des Anwendungsbereichs durch § 5 StGB, droht die gesetzgeberische Intention in die Bedeutungslosigkeit verdrängt zu werden und würde letztlich konterkariert, wenn für § 86a StGB durch die internetspezifische Verwendung bereits nach §§ 3, 9 StGB stets die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts begründet würde.33 Die Gesetzesanpassung, der gerade die Fernwirkung von Handlungen aus dem Ausland zugrunde liegt, hätte keine Erweiterung des anwendungsrechtlichen Schutzbereichs des § 86a StGB bewirkt, sondern eine Reduzierung. 28  So

bereits BT-Drs. 18/8089, S. 7; ausdrücklich BT-Drs. 19/19859, S. 43. BT-Drs. 18/8089, S. 7. 30  Nur Bosch/Schittenhelm, in: Sch/Sch, StGB, Vorb. §§ 153 ff. Rn. 2a. 31  Böse, in: NK-StGB, § 9 Rn. 12; Kienle, S. 50; Satzger, NStZ 1998, 112, 116; ders., Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 29; ders., in: S/S/W, StGB, § 9 Rn. 7; a. A. Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 34, die § 5 Nr. 10 StGB lediglich eine deklaratorische Funktion beimessen. 32  Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 3 Rn. 21. 33  Derksen, NJW 1997, 1878, 1880 weist zutreffend darauf hin, dass das strafanwendungsrechtliche Regel-Ausnahme Verhältnis umgekehrt würde; Kienle, S. 50. 29  Vgl.



A. Internationale Vermarktung des Computerspiels119

Zudem wurden bereits teilweise völkerrechtliche Bedenken gegen die Erweiterung des § 5 StGB um § 86a StGB angemeldet, weil Strafbarkeitslücken auf Kosten des Nichteinmischungsgrundsatzes geschlossen werden sollen.34 Insofern vermag die Novellierung des § 5 Nr. 3 lit. b) StGB die dogmatischen Hürden des Strafanwendungsrechts hinsichtlich des Uploads von NSKennzechen beinhaltenden Computerspielen aus dem Ausland nur unter drei Voraussetzungen zu überwinden. Erstens bedarf es sinnvoller Anknüpfungspunkte, um die räumliche Ausdehnung der deutschen Strafgewalt völkerrechtlich zu legitimieren. Zweitens resultiert die Existenzberechtigung die Novellierung des § 5 Nr. 3 lit. b) StGB aus einer Erweiterung des Anwendungsbereichs des allgemeinen Territorialitätsprinzips nach §§ 3, 9 StGB, die sich systematisch schlüssig nicht aus einer Reduktion des bisherigen Anwendungsbereichs deutschen Strafrechts ergeben kann. Drittens muss der Gesetzgeber eine widerspruchsfreie Gesetzesanwendung des § 5 Nr. 3 lit. b) StGB und § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB ermöglichen, da das Kennzeichenverbot seinem Wortlaut nach lediglich im Inland strafbar ist. b) Wahrnehmbarkeit im Inland als völkerrechtlich legitimierender Anknüpfungspunkt § 5 StGB ist im Einklang mit völkerrechtlichen Grundsätzen zu halten, um einer uferlosen Expansion des deutschen Strafrechts entgegen zu wirken.35 Zunächst sind legitimierende Anknüpfungspunkte erforderlich, um einem Verstoß gegen den Nichteinmischungsgrundsatz zu verhindern.36 Neben der Wahrnehmbarkeit der Inhalte im Inland bzw. der Zugänglichkeit für die Öffentlichkeit als sachlichen Anknüpfungspunkt ist § 5 Nr. 3 lit. b) StGB durch das aktive Personalitätsprinzip limitiert.37 Im Zuge der internationalen Vermarktung von Computerspielen werden mit dem aktiven Personalitätsprinzip faktisch unüberwindbare Hürden aufgebaut. So wird der Täter des Uploads aus dem Ausland – zumindest hinsichtlich kommerziell vermarkteter Computerspiele – in den wenigsten Fällen Deutscher sein oder seine Lebensgrundlage im Inland haben. Auch der Gesetzgeber erkennt den Fall, dass im Bereich der Propagandadelikte mit Verbreitungen über das Internet durch ausländische Täter zu rechnen sei, die

JR 2017, 339, 345. Ambos, Internationales Strafrecht, § 3 Rn. 24; Breuer, MMR 1998, 141,

34  Schiemann, 35  Vgl.

143.

36  BGHSt 45, 64, 66; vgl. Ambos, Internationales Strafrecht, § 3 Rn. 78; B/W/M/ Eisele, AT, § 5 Rn. 43; diff. Eser, in: 50 Jahre BGH, S. 3, 27. 37  BT-Drs. 19/19859, S. 32.

120

Kap. 3: Strafanwendungsrecht und downloadbasierter Vertrieb

keine Lebensgrundlage im Inland haben.38 Eine Lösung wird gleichwohl nicht geliefert. Ein zweites Problem der Aufnahme des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB in § 5 StGB besteht im Anknüpfungspunkt der Wahrnehmbarkeit des Inhalts. Im Rahmen dieses Kapitels wird – insoweit soll vorgegriffen werden – die Untauglichkeit der Wahrnehmbarkeit digitaler Inhalte im Internet als strafanwendungsrechtlicher Anknüpfungspunkt vor dem Hintergrund des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB herausgearbeitet.39 Zwar steht die Untauglichkeit eines Merkmals zur Begründung eines strafanwendungsrechtlichen Erfolgsorts nicht notwendigerweise im Widerspruch zur Annahme eines sinnvollen völkerrechtlichen Anknüpfungspunkts nach § 5 StGB. Etwas anderes gilt aber, wenn der Wahrnehmbarkeit überhaupt keine Eignung innewohnt, den Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts in irgendeiner Weise zu begrenzen. Ein im Internet hochgeladenes und verfügbares Spiel ist – abseits der Maßnahme des Geoblockings – aufgrund des grenzüberschreitenden Charakteristikums des Internets regelmäßig in nahezu allen Jurisdiktionen weltweit abrufbar.40 In konsequenter Anwendung des Anknüpfungspunktes käme es zu einer weltweiten Allzuständigkeit deutscher Strafverfolgungsbehörden.41 Die öffentliche Zugänglichkeit oder die Wahrnehmbarkeit im Inland kann aufgrund der abstrakten Möglichkeit des Abrufs der Daten im Inland keinen sinnvollen Anknüpfungspunkt für die Ausübung staatlicher Hoheitsgewalt bilden. Insofern unterliegt der Gesetzgeber einem systematischen Fehlschluss. Seit Längerem besteht die zutreffende Auffassung, dass die Zugänglichkeit von Informationen im Inland nicht die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts begründen kann.42 Der Gesetzgeber führt aus, dass im Rahmen des § 5 Nr. 3 lit. a) StGB hinsichtlich des Zugänglichmachens der inländischen Öffentlichkeit bereits die Eröffnung des Lesezugriffs im Internet genügen soll.43 Die 38  BT-Drs.

19/19859, S. 34 f. zum Problem der Allgegenwärtigkeit internetbasierter Inhalte im deterritorialisierten Raum des Internets sogleich Kap. 3 A. II. 2. a) aa). und Kap. 3 A. II. 2. b) cc) (1). 40  Ricker/Weberling, HB Presserecht, Kap. 49 Rn. 1a; Valerius, in: HB Strafrecht AT I, § 31 Rn. 88. 41  Siehe zum Anknüpfungspunkt der Wahrnehmbarkeit Valerius, in: HB Strafrecht AT I, § 31 Rn. 88. 42  Fischer, StGB, § 9 Rn. 8a; Lenz, in: FS-Nishihara, S. 467, 473; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 49; mit Blick auf eine weltweite Allzuständigkeit deutscher Strafverfolgungsbehörden Bremer, S. 110; Valerius, in: HB Strafrecht AT I, § 31 Rn. 88; diff. Reuter, S. 245 f. der zumindest zusätzlich auf die Sprache oder auf die zielgerichtete Übertragung ins Inland abstellt. 43  BT-Drs. 19/19859, S. 44. 39  Vertieft



A. Internationale Vermarktung des Computerspiels121

Ausführungen sollen auch für § 5 Nr. 3 lit. b) StGB entsprechend gelten.44 Wie aus einem allgegenwärtigen Lesezugriff im dezentralisierten Datenraum des Internets ein völkerrechtlich legitimierender Anknüpfungspunkt konstruiert werden soll, beantwortet der Gesetzgeber nicht. Auch der Verweis auf ein mögliches Vorsatzerfordernis zum Merkmal inländischer Wahrnehmbarkeit45 schafft keine Legitimationsgrundlage. Vielmehr schließt sich der Gesetzgeber in Abkehr der dogmatischen Konstruktion der völkerrechtlich legitimierenden Anknüpfungspunkte als objektive Bedingung der Strafbarkeit der Ansicht an, dass ein gezieltes Übersenden der Daten in das Inland deutsches Strafanwendungsrecht begründen solle.46 Könnte der Wahrnehmbarkeit im Inland bereits eine Umgrenzungsfunktion entnommen werden, käme eine Bestimmung des Strafanwendungsrechts bereits über §§ 3, 9 StGB in Betracht und § 5 Nr. 3 lit. b) StGB wäre überflüssig. Darüber hinaus bestehen systematische Verwerfungen. Kann der Wahrnehmbarkeit im Inland aufgrund der weltweiten Reichweite des Internets keine Umgrenzungsfunktion entnommen werden, so erweitert sich die Anwendbarkeit des § 5 Nr. 3 lit. b) StGB auf sämtliche Auslandssachverhalte unter alleiniger Beachtung des aktiven Personalitätsprinzips. Dies wiederum steht im Missverhältnis zu § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB, der die Strafbarkeit nur dann vorsieht, wenn der Tatort entweder keiner Strafgewalt unterliegt oder die Tat auch am Tatort mit Strafe bedroht ist. Zudem leidet die Geltungskraft einer Strafnorm, die zwar strafanwendungsrechtlich alle wahrnehmbaren Internetaktivitäten eines Deutschen in Bezug auf § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB erfasst, wohl aber zu einer massiven Überlastung der Strafverfolgungsbehörden führt und den staatlichen Strafanspruch damit teilweise dem Verfall preisgibt. Im Ergebnis greift die Aufnahme des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB in § 5 Nr. 3 lit. b) StGB die strafanwendungsrechtlichen Probleme für den praktisch bedeutsamen Fall des Uploads eines kennzeichenbehafteten Computerspiels aus dem Ausland nicht auf. Neben diesen praxisorientierten Erwägungen stellen sich außerdem gesetzessystematische Problemfelder mit der Neufassung ein. § 5 StGB hat einen eigenständigen Anwendungsbereich und soll nicht mit § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB kollidieren oder dessen Reichweite limitieren. Den Gesetzgebungsmaterialien zu § 5 Nr. 3 lit. b) StGB ist zwar vielfach das Klar­stellungsbedürfnis für Einzelfallkonstellationen zu entnehmen,47 eine ge­ 44  BT-Drs.

19/19859, S. 44. 19/19859, S. 33 f.; zutreffend lehnen auch Anstötz/Schäfer, in: MüKoStGB, § 130 Rn. 122 das Vorsatzerfordernis als Limitierungsmerkmal des Strafanwendungsrechts ab; anders wohl Zöller, in: SK-StGB, § 86a Rn. 12. 46  Zu dieser Auffassung sogleich ausführlich Kap. 3 II. 2. b) cc) (1) (b). 47  BT-Drs. 19/19859, S. 23, 44 mit Bezug auf KG, NJW 1999, 3500; krit. dazu Schiemann, JR 2017, 339, 345. 45  BT-Drs.

122

Kap. 3: Strafanwendungsrecht und downloadbasierter Vertrieb

zielte dogmatische Stellungnahme anhand der systematischen Deliktsgruppeneinteilung fehlt aber. Andernfalls hätte sie sich bereits aufgrund der Einbettung der §§ 153, 154 StGB frühzeitig für alle abstrakten Gefährdungsdelikte erledigt. Daher hat sich auch die Frage der Vornahme eines Uploads aus dem Ausland in Bezug auf § 86a StGB nicht aufgrund gesetzgeberischen Handelns erledigt.48 c) Systematische Kollision mit dem tatbestandsimmanenten Inlandsbezug des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB Inwieweit ein Upload eines Computerspiels aus dem Ausland strafanwendungsrechtlich überhaupt erfasst ist, richtet sich überdies nach dem tatbestandsimmanenten Inlandsbegriff des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Das Merkmal „im Inland“ des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB blieb trotz der Änderungen durch das 60. StrRÄndG bestehen und lässt in Kollision mit § 5 StGB systematische Divergenzen besorgen. Dies gilt unabhängig von der Streitfrage, ob das Merkmal als unrechtskonstituierendes Tatbestandsmerkmal mit Vorsatzerfordernis oder als bloße Geltungsbereichsnorm zu verstehen ist.49 § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB erfordert das Verbreiten oder öffentliche Verwenden im Inland. Grundsätzlich sind mit dem Merkmal „im Inland“ mehrere Auslegungsvarianten denkbar. aa) Der Inlandsbezug als räumliche Limitierung der Handlungsvornahme Zunächst könnte der normspezifische Inlandsbezug des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB als räumliche Limitierung der Handlungsvornahme verstanden werden. Das Merkmal wäre damit an die Vornahme der Tathandlung des abstrakten Gefährdungsdelikts im Inland gebunden.50 Das Gebrauchen der Kennzeichen müsste im Inland erfolgen. Für den Einzelfall des Uploads eines Computerspiels durch einen Täter aus dem Ausland mit Lebensgrundlage in Deutschland schlösse bereits die konkrete tatbestandliche Fassung des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB eine Strafbarkeit aus, sodass § 5 Nr. 3 lit. b) StGB inhaltlich leer liefe. Der Täter handelt bei einem Upload aus dem Ausland gerade nicht im Inland, lediglich die Wirkungen der Tathandlung entfalten sich im Inland. Es entstehen evidente Inkonsistenzen mit der Erweiterung des § 5 Nr. 3 lit. b) 48  A. A.

wohl Heckmann, in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 8 Rn. 463. erstere Lösung: Reuter, S. 231, 234; Stegbauer, S. 93, 47 f.; für eine Geltungsbereichsnorm Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 7; Zimmermann, HRRS 2015, 441, 445. 50  So bereits BT-Drs. V/2860, S. 9; Ringel, CR 1997, 302, 304; Steinsiek, in: LKStGB, § 86a Rn. 24; Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86a Rn. 9; Wagner, S. 490 bezüglich § 86 a. F.; insoweit zust. Zöller, in: SK-StGB, § 86a Rn. 12. 49  Für



A. Internationale Vermarktung des Computerspiels123

StGB, die als Regelung des Strafanwendungsrechts auch die Tatbegehung mit physischem Aufenthaltsort im Ausland räumlich erfassen möchte. Einen anderen Weg beschreitet Zöller. Zwar sieht auch er im tatbestands­ immanenten Inlandsverweis eine örtliche Begrenzung der Handlungsvornahme. Gleichwohl befürwortet er eine extensive Auslegung des Erfolgsorts nach § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB und versucht hierüber Auslandssachverhalte zu erfassen.51 Im Ergebnis stellt Zöller konkludent – ähnlich wie der Gesetzgeber – hinsichtlich der räumlichen Reichweite des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB auf die von der Handlungsvornahme trennbare Außenwirkung ab. Mit Blick auf § 5 Nr. 3 lit. b) StGB überzeugt dies nicht. Insbesondere bleibt unklar, warum der Gesetzgeber die Tathandlungsvornahme auf das Inland zu beschränken versucht, wenngleich im Zuge eines extensiv auszulegenden Erfolgsorts nach § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB eine wie auch immer geartete abstrakte Gefahr die Anwendung deutschen Strafrechts begründen könnte. Der tatbestandsimmanente Inlandsbezug liefe insoweit leer und der Gesetzgeber hätte mit der Novellierung des § 5 Nr. 3 lit. b) StGB kaum etwas gewonnen. bb) Der Inlandsbezug als Verweis auf die Kennzeichenwirkung Im Rahmen einer zweiten Interpretationsmöglichkeit ließe sich der tatbestandsimmanente Inlandsbezug des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB als Hinweis auf die wahrnehmbare Kennzeichenwirkung verstehen. Schließlich ist die unkontrollierte neutrale oder positiv konnotierte Wahrnehmbarkeit der Kennzeichen aufgrund der Breitenwirkung des Verwendens- oder Verbreitungsakts als wesentlicher Strafgrund zu identifizieren.52 Auch zu dieser Interpretation bestehen Bedenken. Die Wahrnehmbarkeit als spezifisches Merkmal wurde im Gesetzesentwurf des Bundesrats zwar vorgeschlagen, aber nicht in die unrechtstypisierende Tatbestandsumschreibung des § 86a StGB aufgenommen.53 Vielmehr soll es sich um einen tauglichen strafanwendungsrechtlichen Anknüpfungspunkt handeln, der lediglich unter der zusätzlichen Voraussetzung des aktiven Personalitätsprinzips Geltung beansprucht. Indes wurde bereits vor Inkrafttreten des 60. StrRÄndG zutreffend angemerkt, die Formulierung „im Inland“ sperre eine Ausweitung des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB für Handlungen aus dem Ausland, unabhängig von der Breitenwirkung im Inland.54 Auch eine Anwendung des § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB sollte nicht in Bein: SK-StGB, § 86a Rn. 12. StV 2018, 80; Hecker, ZIS 2011, 398, 400; wohl Zöller, in: SK-StGB, § 86a Rn. 12. 53  BT-Drs. 19/1595, S. 5. 54  Reuter, S. 231; Ringel, CR 1997, 302, 304; ähnl. Zimmermann, HRRS 2015, 441, 445; Stegbauer, S. 93, 47 f. stellt einerseits auf die Ausführung der Handlung im 51  Zöller, 52  BGH,

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Kap. 3: Strafanwendungsrecht und downloadbasierter Vertrieb

tracht kommen,55 dessen aktiven Personalitätsprinzips sich der Gesetzgeber nunmehr im Zuge des § 5 Nr. 3 lit. b) StGB bedient. Dass der Gesetzgeber die spezifische Reichweite des Inlandsbegriffs des § 86a StGB ändern wollte, ist nicht ersichtlich. Insbesondere steht der tatbestandsimmanente Inlandsbezug im direkten Verhältnis zur Tathandlungsvornahme. Der Unrechtstatbestand des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB beschränkt sich auf die Vornahme des Verbreitens oder öffentlichen Verwendens. Um das Merkmal „im Inland“ als Verweis auf die Wahrnehmbarkeit als erfolgsortbegründende Komponente zu verstehen, müsste letztere der tatbestandlichen Unrechtskonstruktion unmittelbar anhaften. Der Upload eines Computerspiels aus dem Ausland könnte sodann mit Blick auf die Tathandlung aufgrund der Abrufbarkeit des Angebots im Inland stets einen inländischen Erfolgsort nach § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB begründen. § 5 Nr. 3 lit. b) StGB würde sich lediglich als strafanwendungsrechtliche Reduzierung auf das aktive Personalitätsprinzip darstellen. Diese Überlegung stellte der Gesetzgeber nicht an. Sofern man die Tathandlungen des Verbreitens bzw. öffentlichen Zugänglichmachens in eine Handlungs- und Erfolgskomponente untergliedert,56 so besteht grundsätzlich die Möglichkeit, das Merkmal „im Inland“ dahingehend zu verstehen, dass eine Wahrnehmbarkeit im Inland geschaffen werden muss. In diesem Falle hätte das Merkmal „im Inland“ keine strafanwendungsrechtliche Umgrenzungsfunktion für den bedeutsamen Fall der Internetkriminalität. Eine Erweiterung des § 5 StGB wäre jedenfalls nicht erforderlich gewesen und käme über eine deklaratorische Funktion nicht hinaus. cc) Der Inlandsbezug als Verweis auf den räumlichen Geltungsbereich des Gesetzes Im Zuge einer dritten Variante könnte „im Inland“ als bloßer Hinweis auf die Regeln des Strafanwendungsrechts zu verstehen sein. Nach der Wiedervereinigung ersetzte das Merkmal die Formulierung „im räumlichen Geltungsbereich des Gesetzes“.57 Die Änderung der ursprünglichen Fassung fand innerhalb der Gesetzgebungsmaterialien kaum Diskussionsbedarf.58 InInland ab, betont aber in JR 2002, 182, 188 unter Bezug auf KG, NJW 1999, dass die Wahrnehmbarkeit Teil der Tathandlung selbst anzusehen sei und den standsimmanenten Inlandsbezug begründen könne, ohne dass nachrangig auf meine strafanwendungsrechtliche Regeln zurückzugreifen sei. 55  Reuter, S. 233. 56  Vgl. etwa Hörnle, in: MüKo-StGB, § 184 Rn. 91. 57  Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 3 Rn. 22; vgl. Wolter, in: SK-StGB, §§ 1–7 Rn. 25 ff. 58  Siehe die nur knappen Ausführungen von BT-Drs. 12/8411, S. 5.

3500, tatbeallge-

Vorb.



A. Internationale Vermarktung des Computerspiels125

sofern könnte unter Beibehalt der ursprünglichen Regelungsreichweite der tatbestandsimmanente Inlandsbezug als Verweis auf die in §§ 3–7, 9 StGB vorgenommenen Geltungsbereichsgrenzen interpretiert werden. Ein syste­ matischer Widerspruch zu § 5 Nr. 3 lit. b) StGB bestünde insoweit nicht. Gleichwohl bestehen vor dem Hintergrund der strengen Wortlautgrenze des Strafrechts Bedenken. Die Ausgestaltung einer Strafnorm durch die bloße Begrenzung auf die Handlungsvornahme und den Zusatz „im Inland“ lässt insofern Zweifel an der Bestimmtheit aufkommen, wenn auch Handlungen im Ausland erfasst sein sollen. Zudem bliebe offen, warum das Merkmal überhaupt im Tatbestand des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu finden ist. d) Zwischenergebnis Mit der Einbettung des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB in den Katalog des § 5 Nr. 3 lit. b) StGB hätte die Streichung der Worte „im Inland“ einher gehen müssen. Systematische Interferenzen lassen sich auch nicht auflösen, soweit man in dem tatbestandsimmanenten Inlandsbezug lediglich eine Geltungsbereichsnorm erkennt, die auf § 9 StGB verweist.59 Ein anderes Ergebnis resultiert auch nicht aus einem Rückschluss aus § 91a StGB. Nach dieser Norm beschränkt sich der Anwendungsbereich für §§ 84, 85 und 87 StGB auf den Ort der ausgeübten Tätigkeit und schränkt § 3 StGB als Geltungsbereichsnorm ein.60 Die Norm verweist für § 86a StGB nicht etwa auf einen weiteren Anwendungsbereich, sondern manifestiert den gesetzgeberischen Willen, das Kennzeichenverbot nach dem tatbestands­ immanenten Inlandsbezug räumlich zu erfassen. §§ 84, 85, 87 StGB weisen keinen tatbestandsimmanenten Inlandsbezug, wie § 86 Abs. 1 StGB und § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB auf. Jedenfalls ist § 91a StGB nicht dahingehend zu verstehen, dass im Rückschluss aus der Nichtaufnahme der Norm der räumliche Geltungsbereich auf den physischen Aufenthaltsort des Täters im Ausland erstreckt werden sollte. Dass der tatbestandsimmanente Inlandsverweis auch die bloße Wahrnehmbarkeit inkriminierter Inhalte im Inland erfasst, ist nicht gänzlich ausgeschlossen. Insofern ließe sich einwenden, dass der Gesetzgeber mit der Einführung des § 5 Nr. 3 lit. b) StGB die Absicht zur Erweiterung der Strafbarkeit auf die Handlungsvornahme im Ausland manifestierte. Eine solche wäre ausgeschlossen, wenn die Wahrnehmbarkeit der Kennzeichen im Inland für die Anwendung des deutschen Strafrechts bereits auf Grundlage der §§ 3, 9 StGB ausin: NK-StGB, § 86a Rn. 22. Computer- und Medienstrafrecht, § 3 Rn. 5; Gazeas, in: AnwK-StGB, § 91a Rn. 1; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 91a Rn. 1; Steinsiek, in: LK-StGB, § 91a Rn. 2. 59  Paeffgen, 60  Eisele,

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Kap. 3: Strafanwendungsrecht und downloadbasierter Vertrieb

reichen würde. So ist die Auffassung, dass § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB auf inländische Handlungsorte zu beschränken ist,61 kaum zu ignorieren. Insofern bleibt festzustellen, dass der unveränderte tatbestandsimmanente Inlandsbezug die Strafnorm auf die Handlungsvornahme im Inland limitieren könnte.62 § 5 Nr. 3 lit. b) StGB hätte damit keinen eigenständigen Anwendungsbereich. Haftet die Wahrnehmbarkeit als solche bereits dem Tatbestand des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB an, so wäre auf Grundlage des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB danach zu fragen, ob ein Erfolgsort vorliegt. Auch in diesem Fall hätte es § 5 Nr. 3 lit. b) StGB nicht bedurft. Verweist der Inlandsbezug als Geltungsbereichsnorm nur auf das allgemeine Strafanwendungsrecht, so wäre auch hier zu fragen, inwieweit ein Handlungs- oder Erfolgsort tatortbegründend wirkt. Insofern vermochte der Gesetzgeber in systematisch unbefriedigender Weise den tatbestandsimmanenten Inlandsbezug des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht zu modifizieren. Nach keiner Auslegungsvariante weist § 5 Nr. 3 lit. b StGB einen eigenen Anwendungsbereich auf, ohne mit dem Wortlaut des in Bezug genommenen § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB selbst in Konflikt zu geraten. Es besteht Anlass, sich ausführlich mit den strafanwendungsrechtlichen Begriffen des Handlungsorts und des Erfolgsorts aus­einanderzusetzen, um die strafanwendungsrechtliche Reichweite des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB in Bezug auf Uploads von Computerspielen aus dem Ausland zu bestimmen. Dies gilt insbesondere, weil der internationale Vertrieb von Computerspielen aufgrund des aktiven Personalitätsprinzips kaum durch § 5 Nr. 3 lit. b) StGB erfasst wird. Mit Blick auf internetspezifische Sachverhalte hat der Gesetzgeber mit der Aufnahme des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB in der bestehenden Fassung mehr Probleme geschaffen als gelöst. Erstaunlicherweise wurde die Gesetzesänderung in der Literatur bislang nicht beanstandet.63 2. Inlandsbezug nach dem Territorialitätsprinzip Mit Blick auf die systematischen Schwachstellen des § 5 Nr. 3 lit. b) StGB und der offensichtlichen Nichterfassung des Uploads kennzeichentragender Computerspiele aus dem Ausland hat die Diskussion um die Auslegung des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB nicht an Aktualität verloren. Von einer entsprechenS. 48; Wagner, S. 490 bezüglich § 86 a. F. in: NK-StGB, § 86 Rn. 23a; Stegbauer, S.  47 f.; Steinsiek, in: LKStGB, § 86a Rn. 24; a. A. noch Laufhütte/Kuschel, in: LK-StGB, 12. Auflage 2007, § 86a Rn. 24. 63  Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 4; Fischer, StGB, § 5 Rn. 3; HeintschelHeinegg, in: BeckOK-StGB, § 5 Rn. 3. 61  Stegbauer, 62  Paeffgen,



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den – für abstrakte Gefährdungsdelikte im Allgemeinen geltende – Lösung wäre sodann auch § 86a StGB erfasst, weil andernfalls eine deliktsspezifische Sonderdogmatik geschaffen würde, die auch in den Gesetzgebungsmaterialen nicht erwähnt wird. Eine systematisch und teleologisch überzeugende Antwort für abstrakte Gefährdungsdelikte schlüge auf § 86a StGB durch, sodass die Einzelentscheidung des Gesetzgebers keine zwingende Lösung präsentiert. Mit anderen Worten: Genau wie die Einbettung der §§ 153, 154 StGB hindert die gesetzliche Neukonstruktion nicht die Legitimität der Frage, inwieweit § 86a StGB einen inländischen strafanwendungsrechtlichen Handlungs- oder Erfolgsort i. S. d. § 9 Abs. 1 Var. 1, 3 StGB aufweist. a) Der Handlungsort, § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB Handeln im juristischen Sprachgebrauch meint die Vornahme einer willensgesteuerten menschlichen Körperbewegung.64 Nach einem traditionellen Verständnis beschreibt der Handlungsort den Ort, an dem eine auf die Verwirklichung eines Tatbestands gerichtete Handlung tatsächlich vorgenommen wird.65 Sie begrenzt sich demnach auf den Ort der physischen Anwesenheit des Täters.66 Befindet sich der Täter eines abstrakten Gefährdungsdelikts im Inland, so ist deutsches Strafrecht anwendbar, §§ 3, 9 Abs. 1 Var. 1 StGB.67 Gleiches gilt für das Einspeisen von Datensätzen in das Internet, die nach dem Download Kennzeichen i. S. d. § 86a StGB beinhalten. Auch unter Nutzung technischer Hilfsmittel verschiebt sich der Handlungsort nicht, sondern dieser verbleibt dort, wo die Datensätze hochgeladen werden.68 In strenger Auslegung des Handlungsbegriffs nach einem traditionellen Verständnis lässt sich ein inländischer Handlungsort bei einem aus dem Ausland handelnden 64  Ambos, Internationales Strafrecht, § 1 Rn. 18; Dombrowski, S. 26; Duesberg, S. 116; Heinrich, in: FS-Weber, S. 91, 108; Valerius, NZWiSt 2012, 189, 190. 65  BGH, NJW 1975, 1610, 1611; BGH, NStZ 2007, 287; Ambos, Internationales Strafrecht, § 1 Rn. 18; Basak, in: M/R, StGB, § 9 Rn. 3; B/W/M/Eisele, AT, § 5 Rn. 32; Satzger, NStZ 1998, 112, 113; ders., Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 14. 66  Busching, MMR 2015, 295, 296; Cornils, JZ 1999, 394, 396; Dombrowski, S. 26, 100; Eisele, Computer- und Medienstrafrecht, 2013, Kap. 2 Rn. 10; Heinrich, FS-Weber S. 91, 108; Klengel/Heckler, CR 2001, 243, 244; Rath, JA 2007, 26, 28; Schwiddessen, CR 2017, 443, 445; Sieber, NJW 1999, 2065, 2070; Valerius, NZWiSt 2012, 189, 191; Valerius, in: HB Strafrecht AT I, § 31 Rn. 86; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 79; Wiacek, S. 100. 67  Ambos, in: MüKo-StGB, § 9 Rn. 8; Boese, S. 102; Fischer, StGB, § 9 Rn. 3; etwa zu § 325 Abs. 3 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt statt vieler: Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 325 Rn. 1. 68  Bochmann, S. 50; vgl. Busching, MMR 2015, 295, 296; Heinrich, FS-Weber, S.  91, 103 f.; Sieber, NJW 1999, 2065, 2067; a. A. wohl KG, NJW 1999, 3500.

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Täter, der den Datensatz des Spiels aus dem Ausland in das Internet einspeist, nicht begründen.69 aa) Keine internetspezifische Korrektur des Handlungsortes Mit der Entwicklung eines weltweiten Datennetzes, das eine allgegenwärtige Wirkung von Handlungen im virtuellen Raum ermöglichte, rückten einige Autoren vom klassischen Verständnis des Handlungsortes ab.70 Das Phänomen der internetbasierten Übertragung von Inhalten ließ mehrere medienspezifische Anpassungen des Handlungsortes gemäß § 9 Abs. 1 Var. 1 StGB aufkommen. In moderner Interpretation und Wiederbelebung der noch vom Reichsgericht geprägten „Theorie der langen Hand“71 könnte ein erweiterter Handlungsort des faktisch als Fernbedienung in Funktion tretenden Internets angenommen werden. Der Handlungsort ließe sich vom Ort der physischen Anwesenheit aufgrund der dezentralisierten Ausrichtung des Internets auf eine virtuelle Präsenz erweitern.72 Dem ist entschieden entgegen zu treten. Zunächst sind bereits ältere Gesetzgebungsmaterialien73 zum Tatortverständnis eng an § 3 Abs. 3 StGB a. F. angelehnt74 und sollen die alte Vorschrift ersetzen und eine nähere Ausgestaltung vornehmen. Auch aktuelle Entwicklungen verweisen – in Kenntnis der Reichweite des Internets – darauf, dass der Handlungsort auf den physischen Aufenthaltsort des Täters begrenzt ist.75 Heinrich bringt überzeugend an, dass die Wirkungsweise der Handlung selbst nicht zur selben gehören könne.76 Rech69  BGH, NStZ 2015, 81, 82; Boese, S. 103; Eisele, Computer- und Medienstrafrecht, 2013, Kap. 2 Rn. 13; Heinrich, NStZ 2000, 533, 534; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 414; Kudlich/Hoven, in: Zehn Jahre ZIS, S. 165, 168; a. A. KG, NJW 1999, 3500, das nicht nur den Ort der physischen Anwesenheit des Täters, sondern auch den Radius der Wahrnehmbarkeit als Handlungsort qualifiziert. 70  Basak, in: M/R, StGB, § 9 Rn. 13; grundsätzlich auch Cornils, JZ 1999, 394, 397; Werle/Jeßberger, JuS 2001, 35, 39. 71  Vgl. RGSt 1, 274, 276; ausführlich Heinrich, FS-Weber, S. 91, 101 ff. 72  Collardin, CR 1995, 618; Kuner, CR 1996, 453, 454; ähnl. Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 82 f.; a. A. Bochmann, S. 49; Kudlich/Hoven, in: Zehn Jahre ZIS, S. 165, 168; Wiacek, S. 103. 73  BT-Drs. IV/650, S. 113; BT-Drs. V/4095, S. 7. 74  In der Fassung vom 01.10.1953 bis zum 01.01.1975 lautete der Wortlaut des § 3 Abs. 3 StGB a. F.: „Eine Tat ist an jedem Ort begangen, an dem der Täter gehandelt hat oder im Falle des Unterlassens hätte handeln sollen oder an dem der Erfolg eingetreten ist oder eintreten sollte.“ Die Norm verläuft nahezu identisch zu § 9 Abs. 1 StGB. 75  BT-Drs. 19/19859, S. 43. 76  Heinrich, FS-Weber, S. 91, 103  f.; Bochmann, S. 50; Eisele, Computer- und Medienstrafrecht, § 29 Rn. 109; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 150; a. A. noch BayObLG, NJW 1957, 1327, 1328.



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nete man die Wirkung der Handlung – wie das Reichsgericht77 – derselben zu, so käme man im Falle des plötzlichen Todes des Handelnden, während die körperlich vorgenommene Tätigkeit fortwirkt, zu unvertretbaren Ergebnissen, da Tote offenkundig nicht zur Handlungsvornahme fähig sind.78 Zu beachten ist, dass der Täter im Internet faktisch überall handeln würde. Konsequenterweise wären unabhängig vom physischen Aufenthaltsort des Täters die Anwendungsbereiche sämtlicher Jurisdiktionen eröffnet, sodass im Rahmen internetspezifischer Handlungsweisen unzählige Kollisionen zu befürchten wären.79 Mit gesetzlicher Trennung von Handlung und Erfolg wurde eine extensive Auslegung des Handlungsortes auf die Wirkung der Handlung obsolet.80 Auf dieser Grundlage versperrt sich auch ein ungefilterter Rekurs auf die reichsgerichtlichen Erwägungen. Insofern beschreiben auch Datenverarbeitungsvorgänge nur die Folgen und Wirkungen des Verhaltens, die der Gesetzgeber mit der Terminologie des Erfolgs zu erfassen versucht.81 Der Gesetzgeber hat der Internationalisierung nationalen Strafrechts hinsichtlich des Handlungsorts klar definierte Grenzen gesetzt, die in systematischer Perspektive nicht mit einer virtuellen Präsenz oder der Wirkreichweite der Handlung unterlaufen werden dürfen.82 Andere Autoren entwickelten für das Internet als Medium spezialisierte Ansätze, die den Handlungsort auf den Standort des Zielservers übertragen. Neben dem Ort der physischen Anwesenheit solle der physische Standort des angesteuerten Zielservers entscheidend sein.83 Richtigerweise ist die Speicherung und somit die Einwirkung auf den Zielserver ebenfalls als bloße 77  RGSt

23, 155, 156. in: FS-Weber, S. 91, 105. 79  Bochmann, S. 54; Kudlich, StV 2001, 397, 398; Werle/Jeßberger, JuS 2001, 35, 39. 80  Dombrowski, S.  28 f.; Heinrich, NStZ 2000, 533, 534; für die eindeutige Trennung von Handlung und Erfolg sprechen sich auch Hilgendorf/Valerius, Computerund Internetstrafrecht, Rn. 414 aus; Hörnle, NStZ 2001, 309, 310. 81  Eisele, Computer- und Medienstrafrecht, 2013, §  3 Rn. 11; ähnl. Gercke/ Brunst, PraxisHB Internetstrafrecht, Rn. 80; Römer, S. 126 f.; a. A. KG, NJW 1999, 3500, 3502. 82  Cornils, JZ 1999, 394, 396; Heinrich, in: FS-Weber, S. 91, 104; Schiemann, JR 2017, 339, 345; im Ergebnis auch Duesberg, S. 126. 83  Den Handlungsort auf den Serverstandort erweiternd: Basak, in: M/R, StGB, § 9 Rn. 13; Cornils, JZ 1999, 394, 396; Eser, in: Sch/Sch, StGB, 28. Auflage 2010, § 9 Rn. 6; nunmehr weitaus relativierender und mit ablehnender Tendenz ders., in: Sch/Sch, StGB, 30. Auflage 2019, § 9 Rn. 7, 7b StGB; Werle/Jeßberger, JuS 2001, 35, 39; ähnliche Tendenzen zeigt KG, NJW 1999, 3500, 3502; a. A. BGH, NStZ 2015, 81, 82; OLG Hamm, NStZ-RR 2018, 292, 293; Bochmann, S. 49, 52; Busching, MMR 2015, 295, 298; vgl. Dombrowski, S. 25, 37; Duesberg, S.  124 f.; Heinrich, in: FS-Weber, S. 91, 99; Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650, 666; Kudlich/Berberich, NStZ 2019, 633, 635. 78  Heinrich,

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Fortwirkung der körpermechanischen Handlung am physischen Anwesenheitsort des Täters zu verstehen. Die folgerichtige Umsetzung dieser Theorie würde – ungehindert einer systematischen Einschränkung, die lediglich den Zielserver erfassen möchte – zu einer zufälligen Begründung des Handlungsortes führen.84 In vielen Fällen ist ein gezieltes Ansteuern des Servers vom Täter nicht möglich.85 Die strafanwendungsrechtliche Dichotomie von Handlung und Erfolg darf nicht dem Verfall preisgegeben werden. Die Handlung als Vornahme menschlichen Verhaltens besteht gerade nicht in der Außenwirkung des Verhaltens.86 Technisch ausgerichteten Ansätzen wohnt der aus dogmatischer Sicht allein nicht legitimierungsfähige Gedanke einer effektiven Kontrolle des dezentralisierten Internets inne.87 Der Handelnde hat in der Regel keine Kenntnis vom physischen Speicherort der Daten.88 Ferner durchlaufen die Daten durchaus mehrere Server mit Standorten auf der ganzen Welt. Der Handelnde müsste – sofern der gesamte Speichervorgang überhaupt nachvollziehbar ist – mehrere unbekannte Handlungsorte hinnehmen, ohne die Möglichkeit zu haben, die geltende nationale Jurisdiktion zu erkennen.89 Abseits der Internetdelinquenz wird die Limitierung des Handlungs­ ortes auf den Ort der physischen Anwesenheit des Täters, ohne Rückgriff auf den Ort der Wahrnehmbarkeit seiner Handlung oder des Verletzungserfolgs, kaum in Zweifel gezogen.90 Eine für das Internet entwickelte Sonderdogmatik des strafanwendungsrechtlichen Handlungsbegriffs ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen. Dies gilt auch insoweit fort, als dass sich der Gesetzgeber bei Schaffung der Gesamtsystematik des Strafgesetzbuches sicherlich nicht die Reichweite weltweiter Kommunikationsmedien des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts 84  Ambos, in: MüKo-StGB, § 9 Rn. 29 m. w. N.; Heinrich, in: FS-Weber, S. 91, 99; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 150. 85  Ambos, in: MüKo-StGB, § 9 Rn. 29; Busching, MMR 2015, 295, 298; Heinrich, in: FS-Weber, S. 91, 99; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 80; Wimmers/ Heymann, AfP 2017, 93, 94; Zöller, in: AnwK-StGB, § 9 Rn. 18. 86  Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 9 Rn. 5; Valerius, HRRS 2016, 186, 187; Zimmermann, HRRS 2014, 441, 444. 87  Auf den Aspekt der effektiven Kontrolle weist Sieber, NJW 2065, 2072 hin. 88  Busching, MMR 2015, 295, 298; Heinrich, FS-Weber, S. 91, 99. 89  Eser/Weißer, in: Sch/Sch, StGB, § 9 Rn. 7d; vgl. Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650, 666; Koch, GA 2002, 703, 711; Römer, S. 109; vgl. auch Sieber, NJW 1999, 2065. 90  Der Schuss mit einer weitreichenden Schusswaffe vom polnischen Staatsgebiet östlich der Oder auf einen anderen Menschen, der sich am Uferweg der Oder auf deutschem Staatsgebiet aufhält, wird keinen Handlungsort des Täters in Deutschland begründen können, nur weil das Projektil seine Wirkungen im Inland entfaltet; vgl. auch Dombrowski, S.  26 f.; Heinrich, in: FS-Weber, S. 91, 103 f.; ähnl. Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650, 666; Werle/Jeßberger, JuS 2001, 35, 39.



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vor Augen führte.91 Die Rückverfolgung eines bestimmten Speicherortes ex-post erfordert einen hohen technischen Aufwand.92 Diese praktische Erwägung wäre allein ohnehin nicht geeignet, eine strafanwendungsrechtliche Sonderdogmatik auszufüllen. Gesetzestechnisch orientieren sich die Regeln des Strafanwendungsrechts nicht an den technischen Möglichkeiten der tatsächlichen Verfolgung und so löst die Tatbegehung im Internet die Dicho­ tomie aus Handlung und Erfolg nicht auf. Der Täter handelt nur am Ort der physischen Anwesenheit. bb) Der Upload von Computerspielen aus dem Ausland als Exklave deutscher Strafgewalt? § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist als abstraktes Gefährdungsdelikt ausgestaltet, das keines Erfolgsmoments bedarf. Liegt der Handlungsort des Uploads des Computerspiels im Ausland, resultiert aus einer virtuellen Präsenz des Täters oder der Daten im Netz jedenfalls kein allgegenwärtiger Handlungsort.93 Hieraus könnte man erwägen, dass der Upload aus dem Ausland die Patentlösung zur Umgehung der deutschen Strafgewalt bietet. Die in der Literatur vereinzelt anzutreffende Auffassung, dass die sich aus der gesetzlichen Unrechtsbeschreibung des Verbreitens ergebenden Wirkungen einen Handlungsort begründen könnten,94 ist abzulehnen. Richtig ist zwar, dass im Zuge der downloadbasierten Vermarktung die Inhalte erst abrufbar sind, wenn der Datensatz auf dem Speichermedium des Erwerbers angekommen ist. Indes ist ein Verbreiten seit dem 60. StrRÄndG mit dem Zugänglichmachen gleichgestellt, sodass bereits das downloadbasierte Anbieten genügt, um ein Verbreiten anzunehmen, sofern es keines menschlichen Zwischenakts des An­ bieters mehr bedarf. Eine Differenzierung zwischen dem Zugänglichmachen und dem Verbreiten geht auch auf strafanwendungsrechtlicher Ebene ihrer Bedeutung verlustig. b) Der Erfolgsort, § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB Gleichwohl ist die strafanwendungsrechtliche Erfassung abstrakter Gefährdungsdelikte durch den Erfolgsort nach § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB umstritten.95 Sollte sich herausstellen, dass sich die Online-Vermarktung von Computer91  Vgl.

Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 414. auch Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650, 666. 93  OLG Hamm, NStZ-RR 2018, 292; Bochmann, S. 49; Cornils, JZ 1999, 394, 396; a. A. Kuner, CR 1996, 453, 454. 94  Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 82 f. 95  B/W/M/Eisele, AT, § 5 Rn. 33. 92  Vgl.

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spielen in Bezug auf die Kennzeichenverwendung außerhalb des Zugriffs der deutschen Strafgewalt bewegt, muss gefragt werden, inwieweit der Schutz vor der massenhaften Wiedereingliederung der Kennzeichen de lege lata überhaupt gewährleistet ist. Die herrschende Meinung identifiziert den Erfolg als eine wahrnehmbare Veränderung der Außenwelt.96 § 86a StGB sanktioniert das öffentliche Verwenden und Verbreiten von Zeichen verfassungswidriger Organisationen, ohne in der tatbestandlichen Umschreibung einen Verletzungs- oder konkreten Gefährdungserfolg für die Rechtsgüter des politischen Friedens, der demokratischen Grundordnung oder der Völkerverständigung zu fordern. Jedenfalls lässt der Wortlaut eines „zum Tatbestand gehörenden Erfolges“ auch ein weiterführendes – formales – Verständnis vom Erfolg i. S. d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB denkbar erscheinen und ist verschiedenen Interpretationen zugänglich.97 Sorgen vor erheblichen Strafbarkeitslücken reichern die bis heute andauernde Diskussion um den Geltungsrahmen nationaler Kompetenzen im Zusammenhang mit abstrakten Gefährdungsdelikten weiter an.98 aa) Das klassische Verständnis des Erfolgsortes Angelehnt an neurologische Kognitionsprozesse, die mit der willensgetragenen Entscheidung zur Vornahme oder zum Unterlassen einer bestimmten Handlung unerlässlich sind, kann die Tathandlung weitgehender verstanden werden, als ein bloßer zum Rechtsgutsverletzungs- oder Rechtsgutsgefährdungserfolg führender menschlicher Steuerungsprozess. Die bewussten und unbewussten Informationsflüsse bilden das Fundament für eine vom Individuum vorgenommene und von außen wahrnehmbare Handlung. Jede Handlung ist an sich bereits das Ergebnis – oder auch Erfolg – eines vorgeschalteten kognitiven Prozesses.99 Dass der Gesetzgeber eine solche Interpretation nicht verfolgt, liegt auf der Hand. Die gesetzesspezifische Verwendung des 96  BGH, NStZ 2015, 81, 82; Eser/Weißer, Sch/Sch, StGB, § 9 Rn. 6; Gercke, in: Recht der elektronischen Medien, § 9 StGB Rn. 4; Hilgendorf, NJW 1997, 1873, 1876; Kudlich/Berberich, NStZ 2019, 633, 636; Kudlich/Hoven, in: Zehn Jahre ZIS, S. 165, 170; Römer, S. 126; Heinrich, GA 1999, 72, 78 stimmt einer dogmatischen Trennung von Handlung und Erfolg zu, betrachtet aber den Erfolg nicht zwingend als wahrnehmbare Veränderung der Außenwelt. 97  Duesberg, S. 142; Hecker, ZIS 2011, 398, 400; Hilgendorf, NJW 1997, 1873, 1876; Tenckhoff, in: FS-Spendel, S. 347, 357; Valerius, in: HB Strafrecht AT I, § 31 Rn. 75. 98  Richtigerweise vermögen rein kriminalpolitische Bedenken nicht über die dogmatische Reichweite des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB hinwegzutäuschen; so auch B/W/M/ Eisele, AT, § 5 Rn. 34; Mitsch, Medienstrafrecht, § 1 Rn. 10. 99  Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650, 666; Namavičius, S. 51.



A. Internationale Vermarktung des Computerspiels133

Erfolgsbegriffs, der einen vom Ort der Tathandlung unabhängigen Tatort zu bestimmen sucht, verleiht dem Erfolg ein von der Handlung abtrennbares Momentum. Handlung und Erfolg werden in ein Exklusivitätsverhältnis zueinander versetzt. In einem gesetzesspezifischen Zusammenhang meint der Erfolg lediglich eine formal von der Handlung abtrennbare Außenwirkung.100 Im Zuge eines klassischen Verständnisses wird davon ausgegangen, abstrakte Gefährdungsdelikte – so auch § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB – würden keinen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ i. S. d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB umschließen.101 Der Gesetzgeber entschied sich mit Blick auf die geschützten Rechtsgüter zu einer Sanktionierung des Verhaltens, ohne dass ein Umschwenken in eine tatsächliche Verletzung oder Gefahrenlage erforderlich ist. Die gesetzliche Formulierung des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB umschließe lediglich das Bewirken einer Rechtsgutsverletzung oder konkreten Rechtsguts­ gefährdung.102 Im Ergebnis liegt dem klassischen Verständnis ein Gleichlauf zwischen der allgemeinen Tatbestandslehre und der strafanwendungsrecht­ lichen Reichweite des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB zu Grunde.103 Dieser Ansicht ist jedenfalls insoweit zuzustimmen, als dass eine Tatortbegründung für eine vollendete Tat nicht mit einem Erfolgseintritt hergestellt werden kann, der auf die Tatbestandsverwirklichung keine Auswirkungen mehr hat.104

100  BGH,

NStZ 2015, 81, 82; Rönnau, JuS 2010, 961. NStZ-RR 2013, 253; BGH, NStZ 2015, 81, 82; Boese, S. 105; Dom­ browski, S. 100; vgl. Duesberg, S. 127; Fischer, StGB, § 9 Rn. 4; Gercke, in: Recht der elektronischen Medien, § 9 StGB Rn. 5; Handel, MMR 2017, 227, 228; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 9 Rn. 2; Hilgendorf, NJW 1997, 1873, 1876; zusammenfassend Kienle, S. 42; Klengel/Heckler, CR 2001, 243, 244, 248; Kochheim, Cybercrime, Kap. 17 Rn. 1736; Kudlich/Berberich, NStZ 2019, 633, 638; Ringel, CR 1997, 302, 303; Satzger, NStZ 1998, 112, 114; ders., in: S/S/W, StGB, § 9 Rn. 7; Sieber, NJW 1999, 2065, 2068; Valerius, HRRS 2016, 186, 188; Zimmermann, HRRS 2015, 441, 447; diff. Namavičius, S. 133. 102  Dombrowski, S. 22; Heinrich, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 6 Rn. 42; Kudlich/Berberich, NStZ 2019, 633, 634; Römer, S. 111; Wiacek, S. 101. 103  Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 9 Rn. 2, Vorb. § 13 Rn. 32; a.  A. Hecker, ZStW 115 (2003) 880, 885. 104  BT-Drs. IV/650, S. 113; BT-Drs. V/4095, S. 7; BGHSt 20, 45, 51; vgl. OLG Koblenz, NStZ 2011, 95; vgl. LG Köln, NZWiSt 2012, 189; Cornils, JZ 1999, 394, 395; Derksen, NJW 1997, 1878, 1880; Fischer, StGB, § 9 Rn. 4a; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 9 Rn. 2; Heintschel-Heinegg, in: BeckOK-StGB, § 9 Rn. 10; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 139; Namavičius, S. 132; Römer, S. 126; Tenckhoff, in: FS-Spendel, S. 347, 358; Valerius, in: HB Strafrecht AT I, § 31 Rn. 72. 101  BGH,

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bb) Höchstrichterliche und obergerichtliche Spruchpraxis zu § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB 1996 legte der BGH das Merkmal des Erfolgs i. S. d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB noch schutzzweck- und deliktsspezifisch aus.105 Auch in der aufsehenerregenden „Toeben-Entscheidung“106 fand die fehlende Konvergenz zwischen Strafanwendungsrecht und allgemeiner Tatbestandslehre Niederschlag. Ein australischer Staatsbürger publizierte verschiedene Inhalte online auf einer Webseite, die auch im deutschen Inland abrufbar war. Darin bestritt er unter ­anderem nationalsozialistische Verbrechen und leugnete den Holocaust. Tatortbegründende Bezüge der Volksverhetzung nach §§ 130 Abs. 1 Nr. 1, 2, Abs. 3 StGB als abstrakt-konkretes Gefährdungsdelikt stellte der BGH ausführlich über die enge Verbindung mit der historischen Vergangenheit Deutschlands und dem Schutz vor der Verletzung der Menschenwürde der inländischen Bevölkerung her.107 Die viel beachtete Entscheidung entzieht sich einer Stellungnahme für rein abstrakte Gefährdungsdelikte,108 konstatiert aber, dass ein Gleichlauf zwischen dem Strafanwendungsrecht und der allgemeinen Tatbestandslehre nicht zwingend sei.109 Gleichwohl bedient sich das Gericht eines breiten Auslegungskanons in historischer, systematischer und teleologischer Auslegung, um den Erfolg i. S. d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB näher zu qualifizieren. Im Anschluss an Sieber erkennt der BGH den Zweck in der Neufassung des § 9 StGB durch das 2. StrRÄndG vom 04. Juli 1969 nicht in einer Begrenzung des Erfolgsortes auf Erfolgsdelikte, sondern in einer Klarstellung, dass zwischen dem Erfolg und der Tatbegehung ein enger Zusammenhang bestehen müsse.110 Die Literatur nahm diese Entscheidung für erhebliche Kritik zum Anlass.111 Jüngere Entscheidungen des BGH orientierten sich fortan näher an einem Gleichlauf zwischen der allgemeinen Tatbestandslehre und 105  BGHSt 42, 235, 242 f. führt aus: „Was i. S. des § 9 StGB unter dem Merkmal ‚zum Tatbestand gehörender Erfolg‘ zu verstehen ist, kann aber nicht ausgehend von der Begriffsbildung der allgemeinen Tatbestandslehre ermittelt werden. […]. Nach ihrem Grundgedanken soll deutsches Strafrecht – auch bei Vornahme der Tathandlung im Ausland – Anwendung finden, sofern es im Inland zu der Schädigung von Rechtsgütern oder zu Gefährdungen kommt, deren Vermeidung Zweck der jeweiligen Strafvorschrift ist.“; grundsätzlich zust. Kudlich, StV 2001, 397, 399. 106  BGHSt 46, 212; ausführlich zum Hintergrund der Entscheidung Bremer, S.  125 f. 107  BGHSt 46, 212, 224; a. A. Cornlis, JZ 1999, 94, 395; Werle/Jeßberger, JuS 2001, 35, 39. 108  BGHSt 46, 212, 221; Hörnle, NStZ 2001, 309, 310. 109  BGHSt 46, 212, 222; Heckmann, in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 8 Rn. 16; Rönnau, JuS 2010, 961, 963. 110  BGHSt 46, 212, 223. 111  Koch, GA 2002, 703, 707 m. w. N.; Kudlich/Berberich, NStZ 2019, 633, 636 ff.



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dem Strafanwendungsrecht.112 Der 3. Strafsenat entschied, dass es bei § 86a StGB an einem inländischen Erfolgsort fehlt, wenn der Täter digitale Zeichen aus dem Ausland hochlädt und so die Abrufbarkeit im Inland bewirkt.113 Für eine internetspezifische Sonderdogmatik sieht der BGH keinen Anlass.114 Gleichwohl bleibt er hier eine dogmatische Begründung für die Identität der allgemeinen Tatbestandslehre mit dem Strafanwendungsrecht schuldig. Eine restriktive Spruchpraxis findet sich auch auf oberlandesgerichtlicher Ebene. Das OLG Hamm115 erteilte in Übereinstimmung mit der aktuelleren Rechtsprechung des BGH der erweiterten Auffassung des Erfolgsortes eine Absage. Abstrakt-konkrete und auch bloß abstrakte Gefährdungsdelikte entfalten keinen Erfolgsort, unabhängig von der medialen Reichweite.116 Lediglich ältere Entscheidungen sind an § 3 Abs. 3 StGB a. F. mit Rekurs auf die reichsgerichtliche Rechtsprechung angelehnt.117 Aktuelle Entscheidungen dieser Art existieren nicht mehr, sodass diese Auffassung in der Rechtsprechung wohl als überholt angesehen werden kann.118 cc) Moderne Interpretationsansätze internetbasierter abstrakter Gefährdungsdelikte Teilweise wird angeregt, die These der erfolglosen Gefährdungsdelikte stehe „dogmatisch auf unsicherem Grund“.119 Mit unterschiedlichen Ansätzen gelangt die Literatur hinsichtlich abstrakter Gefährdungsdelikte zu einer extensiven Interpretation des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB. Die fehlende ausdrückliche Begrenzung auf Verletzungs- oder konkrete Gefährdungserfolge im Wortlaut des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB liefere für § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB lediglich das Ergebnis, dass terminologisch eine tatbestandliche Wirkung als Erfolg betrachtet werden könne.120 Der Verzicht auf einen Verletzungs- und 112  Vgl.

BGH, NStZ-RR 2013, 253; im Ergebnis auch BGH, NStZ 2017, 146, 147. NStZ 2015, 81, 82; so auch Steinsiek, in: LK-StGB, § 86 Rn. 29; zust. Valerius, HRRS 2016, 186, 188; Zimmermann, HRRS 2015, 441, 447. 114  Anders noch BGH, NJW 2001, 3558, 3559 f. zum internetspezifischen Verbreitensbegriff. 115  OLG Hamm, NStZ-RR 2018, 292. 116  BGH, NStZ 2015, 81, 82; OLG Hamm, NStZ-RR 2015, 292, 293; zust. Schwiddessen, CR 2017, 443, 447. 117  Vgl. ältere oberlandesgerichtliche Entscheidungen: BayObLG, NJW 1957, 1327, 1328; OLG Köln, NJW 1968, 954; OLG Saarbrücken, NJW 1975, 506, 507. 118  Dombrowski, S. 28; so auch Heinrich, FS-Weber, S. 91, 103. 119  Hecker, ZStW (115) 2003, 880, 888; Namavičius, S. 133; vgl. auch Rönnau, JuS 2010, 961, 962. 120  Hecker, ZStW 115 (2003), 880, 886; Hörnle, NStZ 2001, 309, 310; vgl. Namavičius, S. 53; a. A. wohl Römer, S.  126 f.; Zieschang, S. 185. 113  BGH,

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konkreten Gefährdungserfolg soll nicht unweigerlich auch den Verzicht auf einen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ im strafanwendungsrechtlichen Sinne bedeuten.121 (1) D  ie Wahrnehmbarkeit des Spielinhalts als strafanwendungsrechtlicher Erfolgsort des § 86a StGB (a) Ansätze der Literatur Der nicht-öffentliche Gebrauch von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen unterfällt nicht dem objektiven Tatbestand. Als zentraler Strafgrund des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB kann die unkontrollierbare kommunikative Wirkung des Kennzeichens identifiziert werden.122 Beide Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB finden ihre Gemeinsamkeit in der Perzeptibilität für Dritte in unüberschaubarem Radius. Trotz deliktsspezifischer Ausgestaltung der Norm als abstraktes Gefährdungsdelikt knüpft sie an die Außenweltwirkung an. Da sich die Wirkung des Kennzeichens von der Handlung trennen lasse, könne sich das Fehlen eines strafanwendungsrechtlichen Erfolgs nicht anhand der Definition des Erfolgsbegriffs des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB manifestieren. Der Gesetzgeber reduziere den Normanwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB zwar eindeutig auf einen „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“. Dies bedeute aber nicht, dass lediglich der im Tatbestand ausdrücklich genannte Verletzungs- oder konkrete Gefährdungserfolg erfasst sei. So könne auch eine objektive Strafbarkeitsbedingung erfolgsortbestimmend wirken.123 Im Rahmen des ohnehin weitreichenden abstrakten Gefährdungsdelikts wird die Strafbarkeitsschwelle durch Vorbereitungshandlungen noch weiter vorverlagert. Mit Blick auf die Binnensystematik des § 86a Abs. 1 StGB verstärkt sich der Eindruck, dass die Wahrnehmungswirkung des Kennzeichens als Erfolg qualifiziert werden könnte. Mit der Ein- und Ausfuhr nach § 86a Abs. 1 Nr. 2 StGB von Gegenständen, die Kennzeichen darstellen oder enthalten, fokussiert der Gesetzgeber die Wirkung des Kennzeichens auf das deutsche Staatsgebiet.124 Gesetzessystematisch erfasst § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB Tathandlungen mit einem öffentlichen Wahrnehmbarkeitsbezug, wäh121  Hecker, ZStW (115) 2003, 880, 887; Hörnle, in: MüKo-StGB, § 184 Rn. 88; Kudlich, StV 2001, 397, 398. 122  BGH, StV 2018, 80; Hecker, ZIS 2011, 398, 400. 123  Ambos, in: MüKo-StGB, § 9 Rn. 21; Hecker, ZIS 2011, 398, 399; Tenckhoff, in: FS-Spendel, S. 347, 358; a. A. Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 33. 124  Germann, S. 233.



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rend die Vorbereitungshandlungen in § 86a Abs. 1 Nr. 2 StGB „zur Verbreitung oder Verwendung im Inland oder Ausland“ dienen.125 Eine solche subjektive zweckgerichtete Limitierung wäre überflüssig, wenn der Strafgrund lediglich in der Handlung zu finden wäre. Erst in direkter, unkontrollierbarer Wirkung auf Dritte (Nr. 1) oder entsprechender Zweckrichtung (Nr. 2) überschreitet das Verhalten die Grenze zur Tatbestandsmäßigkeit. Für den Upload eines Spieledatensatzes besteht die wahrnehmbare Außenwirkung in einer Eröffnung des Angebots für den Verbraucher. Die Abrufbarkeit und Wahrnehmbarkeit als abstrakte Gefährdung der Rechtsgüter aufgrund des nunmehr öffentlich und frei zugänglichen Datensatzes ließe sich grundsätzlich als Erfolg der Tathandlung qualifizieren.126 Teilweise wird daher vertreten, ein Erfolg könne einem strafrechtlich relevanten Verhalten auch anhaften, wenn dieser nicht ausdrücklich in der Norm genannt ist.127 Im Rahmen des strafanwendungsrechtlichen Erfolgs sei danach zu fragen, ob die Strafbarkeit des Täters in Abhängigkeit zur Veränderung der Außenwelt steht. Wird dies verneint, so könne es sich auch nicht um einen zum Tatbestand gehörenden Erfolg handeln, weil der Gesetzestext die Tatortbegründung auf unrechtskonstituierende Merkmale reduziert.128 Insbesondere mit Bezug auf die internetbasierte Begehungsweise wurde abweichend von einem klassischen Verständnis des strafanwendungsrechtlichen Erfolgsorts vermehrt der Rekurs auf die Ermöglichung des Abrufs der hochgeladenen Datensätze im Inland vorgeschlagen.129 Seit Längerem findet sich vor allem unter Betrachtung des Umweltstrafrechts der Einwand, dass auch die abstrakte Gefährdung als Erfolg verstanden werden könne.130 Aus der Möglichkeit der teleologischen Reduktion S. 72; Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86a Rn. 9c. 36, 255, 257; Heinrich, GA 1999, 72, 79; ders., NStZ 2000, 533, 534; Hörnle, NStZ 2001, 309, 311; vgl. Wolter, in: SK-StGB, § 9 Rn. 7; a. A. Kienle, S. 47; Römer, S. 125 f.; wohl Zieschang, S. 185. 127  Dem kann durchaus zugestimmt werden, resultiert etwa der tatbestandliche Erfolg des § 212 Abs. 1 StGB auch lediglich aus der Umschreibung der Tathandlung des Tötens. 128  Duesberg, S. 140 hält auch tatbestandliche Wirkungen in Form einer abstrakten Rechtsgutsgefährdung für subsumtionsfähig; Römer, S. 126 stellt maßgeblich darauf ab, ob in der Tatbestandsumschreibung ein von der Tathandlung trennbarer Effekt festzustellen ist. 129  Conradi/Schlömer, NStZ 1996, 366, 368; Kuner, CR 1996, 453, 456; a.  A. Duesberg. S. 117; vgl. Heinrich, NStZ 2000, 533, 534; Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650, 660; Kudlich/Berberich, NStZ 2019, 633; krit. Hilgendorf/Valerius, Computerund Internetstrafrecht, Rn. 414; ebenfalls krit. Kudlich/Hoven, in: Zehn Jahre ZIS, S. 165, 180. 130  BGHSt 36, 255, 257; zust. Bochmann, S. 42; Hecker, ZStW 115 (2003), 880, 887; ders., ZIS 2011, 398, 400; Martin, ZRP 1992, 19; Zöller, in: AnwK-StGB, § 9 Rn. 22. 125  Stegbauer, 126  BGHSt

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verschiedener abstrakter Gefährdungsdelikte resultiert die Überlegung, dass die Gefährlichkeit von der pönalisierten Handlung abtrennbar sein müsse. Eine deliktskategorische Zuordnung sei nicht geeignet, den strafanwendungsrechtlichen Erfolgsort bei abstrakten Gefährdungsdelikten für unanwendbar zu erklären.131 Zweck eines abstrakten Gefährdungsdelikts ist die Vorverlagerung des Rechtsgüterschutzes auf die Handlung, unabhängig vom Eintritt einer zumindest konkreten Gefährdung. So erhält die Tathandlung das Attribut der Gefährlichkeit.132 Es sei widersinnig, den umfassenden Rechtsgüterschutz abstrakter Gefährdungsdelikte strafanwendungsrechtlich stärker zu begrenzen als den durch Verletzungs- oder konkrete Gefährdungsdelikte.133 Valerius stellt anwendungsbegrenzend auf eine Verdichtung der realisierten Gefahr für inländisch geschützte Rechtsgüter ab, die aus völkerrechtlichen Aspekten eine Anwendung deutschen Strafrechts rechtfertigen könne.134 Für die Vertreter dieser Ansicht zeichnet sich die Gefährlichkeit nicht lediglich als Attribut der Handlung aus. Zumindest in der Rechtsprechung ist weitgehend anerkannt, dass das sanktionserhebliche, strafwürdige Unrecht einer schweren Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht erfüllt ist, wenn eine Gefährdung mit absoluter Sicherheit nicht eintreten kann, weil sich kein Mensch in einer kleinen Hütte befindet und der Täter dies eingehend und durch zuverlässige, lückenlose Maßnahmen geprüft hat.135 Ebenso müsse es sich bei der offensichtlichen Ungefährlichkeit der Kennzeichenverwendung verfassungswidriger Organisationen verhalten. Demnach sei die Gefährlichkeit nicht untrennbar mit der Tathandlung verbunden, sondern bilde ein ei131  Nach Namavičius, S. 130 f. sind abstrakte Gefährdungsdelikte als Tätigkeitsoder Verletzungsdelikte ausgestaltet. 132  Basak, in: M/R, StGB, § 9 Rn. 9; Hilgendorf, NJW 1997, 1873, 1876; Klengel/ Heckler, CR 2001, 243, 248; Mitsch, in: HB Strafrecht AT II, § 70 Rn. 33; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 29; Wiacek, S. 102; Zieschang, S.  24 ff. 133  Hecker, ZStW 115 (2003) 880, 888; Heinrich, GA 1999, 72, 81; ders., NStZ 2000, 533, 534; Valerius, NZWiSt 2012, 189, 191; Zöller, in: AnwK-StGB, § 9 Rn. 22; a. A. BGH, NStZ 2015, 81, 82; Böse, in: NK-StGB, § 9 Rn. 12; Handel, MMR 2017, 227, 228. 134  Valerius, NZWiSt 2012, 189, 191; auch Zöller, in: SK-StGB, § 86a Rn. 12 befürwortet eine erweiterte Auslegung des Erfolgsorts des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB auf den Ort, an welchem sich die abstrakte Gefahr realisieren kann. 135  BT-Drs. 13/8587, S. 47; BGHSt 10, 208, 215; 34, 115, 119; offen gelassen in BGHSt 26, 121, 124 f.; Bochmann, S. 42 qualifiziert die konkrete Ungefährlichkeit des Verhaltens als Ausschlussgrund der Strafbarkeit aus einem abstraktem Gefährdungsdelikt; a.A Radtke, in: MüKo-StGB, § 306a Rn. 46; Roxin/Greco, AT I, § 11 Rn. 154 merken an, dass bei unsicherer Beweissituation ein Verstoß gegen den indubio-pro-reo-Grundsatz zu besorgen sei.



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genständiges, messbares und unrechtsbegründendes Momentum.136 Nicht ausschließlich das Verhalten, sondern auch die Wirkung auf die Außenwelt werde pönalisiert. Von einem Erfolg müsse bereits dann ausgegangen werden, wenn etwas bestraft wird, das über den Vollzug der tatsächlichen Handlung hinaus gehe.137 Mit der teleologischen Reduktion manifestiere sich das strafbare Unrecht in der Schaffung einer über die Handlung hinaus gehenden rechtlich missbilligten Gefahr. Diese könne nicht als gesetzgeberisches Motiv verstanden werden,138 sondern zeichne sich als Rechtsgutsrisiko in Folge der Handlung aus. Im Zuge der Dichotomie von Handlung und Erfolg bedeute das im Zuge der teleologischen Reduktion fehlende Risiko die fehlende Wirkung der Handlung. Mit anderen Worten: Es fehlt ein Erfolg. Nach dieser Auffassung ist die abstrakte Gefahr im Rückschluss nicht bloßes Attribut der Handlung, sondern lässt sich in Form einer Veränderung der Außenwelt ­widerspruchsfrei als Erfolg i. S. d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB klassifizieren.139 Auch weise der Gesetzestext selbst auf die Trennbarkeit von Handlung und abstrakter Gefahr hin. Mit der Minima-Klausel des § 326 Abs. 6 StGB werde die Wirkung vom Verhalten getrennt, obwohl es sich hierbei auch um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt.140 Würde die Gefährlichkeit der Handlung stets dem Delikt anhaften, so könne eine solche Trennung nicht vorgenommen werden. Die Einordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt sei für die Spezifizierung eines Erfolgs i. S. d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB von nachrangiger Bedeutung.141 Als komplementäre Deliktsklassifizierung zum Erfolgsdelikt ließe sich das schlichte Tätigkeitsdelikt identifizieren.142 Gefährdungsdelikte hingegen bilden die Abgrenzung zu den Verletzungsdelikten.143 Verfolgte man weiter eine Unzugänglichkeit abstrakter Gefährdungsdelikte zum Erfolg i. S. d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB, so würde jedes abstrakte Gefährdungsdelikt im strafanwendungsrechtlichen Zusammenhang zum schlichten Tätigkeitsdelikt umgeformt.144 ZStW (115) 2003, 880, 887; vgl. Heinrich, GA 1999, 72, 80. in: NK-StGB, § 9 Rn. 10; Satzger, NStZ 1998, 112, 115. 138  Satzger, NStZ 1998, 112, 115; a. A. wohl Bochmann, S. 42; Fischer, StGB, Vor § 13 Rn. 19; Kienle, S. 41; Klengel/Heckler, CR 2001, 243, 244 f.; Lüttger, GA 1960, 129, 140 zu § 4 VersG a. F.; B/W/Mitsch/E, AT, § 6 Rn. 50; Namavičius, S. 132; Satzger, in: S/S/W, StGB, § 9 Rn. 7; Stegbauer, JR 2002, 182, 184; W/B/S, AT, Rn. 42. 139  Hecker, ZStW (115) 2003, 880, 887; a. A. Basak, in: M/R, StGB, § 9 Rn. 9; Klengel/Heckler, CR 2001, 243, 248. 140  Heinrich, GA 1999, 72, 79; anders Zieschang, S.  230 f. 141  Kudlich, StV 2001, 397, 398. 142  Kargl, in: NK-StGB, Vorb. §§ 306 Rn. 13; Ringel, CR 1997, 302, 303; vgl. Rönnau, JuS 2010, 961, 962; W/B/S, AT, Rn. 36. 143  Kudlich, StV 2001, 397, 398; dem zugeneigt Bochmann, S. 42, 52; Römer, S. 110; Rönnau, JuS 2010, 961, 962. 144  Krit. dazu auch Ambos, in: MüKo-StGB, § 9 Rn. 35. 136  Hecker, 137  Böse,

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(b) Stellungnahme Richtigerweise bedeutet eine teleologische Reduzierung tatbestandlich, dass Handlung und Gefährlichkeit in Ausnahmesituationen nicht miteinander korrelieren und der Wortlaut über den Strafzweck hinaus reicht.145 Einen Automatismus, die Gefährlichkeit als Erfolg i. S. d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB zu verstehen, löst dies nicht aus.146 Die tatbestandliche Limitierungsoption ist nicht dazu gedacht, auf strafanwendungsrechtlicher Ebene einen Erfolg zu konstruieren, weil in Ausnahmesituationen eine den Strafzweck überschreitende wortlautgetreue Auslegung abzulehnen ist. So geht der Gesetzgeber dennoch von der Gefährlichkeit der Handlung aus und lediglich in absoluten Ausnahmesituationen wird auf eine Pönalisierung verzichtet. Eine dogmatische Neuausrichtung der Norm resultiert daraus nicht. Die gesetzgeberischen Intentionen zur Schaffung der §§ 3 ff. StGB erstrecken sich vorrangig auch auf die Achtung der völkerrechtlichen Souveränität von Drittstaaten.147 Mit der Anerkennung teleologischer Reduktionen soll eine verfassungsrechtlich konforme Auslegung der Strafnorm in ihrer tatbestandlichen Reichweite geschaffen werden.148 Dieser Zweck würde ins Gegenteil verkehren, wenn aus ihr eine erhebliche und mit dem Ultima-ratio-Gedanken des Strafrechts149 nicht zu vereinbarende anwendungsrechtliche Erweiterung des Straftatbestands geschlossen würde. Die Möglichkeit teleologischer Reduktionen erhielte einen ausnahmebedingten Restriktionszweck und zugleich die Grundlage der allgemeinen anwendungsrechtlichen Erweiterung, mithin eine nicht intendierte dogmatische Doppelnatur. In Bezug auf § 86a StGB steht sie in keinem unmittelbaren Zusammenhang mit der Wahrnehmbarkeit des Symbols als solches, sondern ist eine auslegungsspezifische Reaktion auf die präsentierte offenkundige Gegnerschaft zum missbilligten historischen Bezug des Symbols im Zuge der Tathandlung. Der Unrechtstatbestand steht in Abhängigkeit der objektiv vermittelten Botschaft unter Nutzung des Symbols. An der Wahrnehmbarkeit der Daten im Internet orientiert sich die teleologische Tatbestandsreduktion gerade nicht. Soll die Reduktionsmöglichkeit die abstrakte Gefahr für die geschützten Rechtsgüter ausschließen und als Ausgangspunkt für die Begründung eines von der Tathandlung abtrennbaren Erfolgs dienen, so kann eine unmittelbare Verbindung mit der Wahrnehmbarkeit der Kennzeichen nicht festgestellt werden. Der Zugriff auf einen Erfolgsort NJW 1997, 1873, 1874; Kienle, S. 161. S. 127; Satzger, NStZ 1998, 112, 115. 147  Zweck der §§ 3 ff StGB liegt in der Achtung der Souveränität der Drittstaaten: Duesberg, S. 134; Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650, 661. 148  Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 29; vgl. Radtke, in: MüKo-StGB, § 306a Rn. 43. 149  Ähnl. Zimmermann, HRRS 2015, 441, 443. 145  Hilgendorf, 146  Römer,



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über die Herleitung der Existenz einer teleologischen Reduktion gelingt nicht. Im Ergebnis ebenso wenig überzeugend ist die Annahme eines Erfolgs­ ortes aufgrund der Wahrnehmbarkeit des Kennzeichens in Form der Abrufbarkeit der Daten im Inland.150 Die charakteristische Allgegenwärtigkeit von Daten im Internet begründet in der Regel eine Abrufbarkeit in einer Vielzahl von – teilweise sehr unterschiedlich ausgestalteten – Jurisdiktionen.151 Deutsches Strafrecht erhielte auf diesem Wege einen weltumspannenden räum­ lichen Regelungsbereich und würde global exportiert.152 Das in §§ 152 Abs. 2, 170 Abs. 1 StPO verankerte Legalitätsprinzip würde deutsche Strafverfolgungsbehörden abseits der streng limitierten Durchbrechungen nach § 153c Abs. 3 StPO zum Einschreiten in globale Sachverhalte zwingen, ohne dass ein sachlicher Bezug zum Inland existiert.153 Ferner haben deutsche Strafverfolgungsorgane außerhalb Deutschlands grundsätzlich keine Vollzugs­ gewalt.154 Völkerrechtliche Kollisionen wären unausweichlich,155 die Ubiquitätsklausel ginge jeglicher Begrenzungsfunktion verlustig und das Weltrechtsprinzip des § 6 Nr. 1–8 StGB wäre für einen breiten Anwendungskorridor unanwendbar.156 Dies würde zwar eine materielle Prüfung des Tatbestands des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB für alle in Deutschland verfügbaren Computerspiele bedeuten. Gleichwohl ließe die Unmöglichkeit, weltweite Aktivitäten im Internet zu überwachen, die Geltungskraft der Strafnormen erheblich leiden.157 Auch könne kaum vom Täter verlangt werden, vor dem Einspeisen von Daten in das Internet eingehend zu prüfen, ob deutsche oder konsequenterweise auch Strafgesetze anderer Drittstaaten berührt werden.158 Das Inter150  Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 151; Lenz, in: FSNishihara, S. 467, 473. 151  Vgl. Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650, 659; Ricker/Weberling, HB Presserecht, Kap. 49 Rn. 1a. 152  Cornils, JZ 1999, 394, 395; Eser, in: 50 Jahre BGH, S. 3, 23 f.; Germann, S. 234; Vec, NJW 2002, 1535, 1536; Werle/Jeßberger, JuS 2001, 35, 37. 153  Bosch, S. 100; Böse, in: NK-StGB, § 9 Rn. 14; Eser, in: 50 Jahre BGH, S. 3, 23; Lenz, in: FS-Nishihara, S. 467, 476; Rath, JA 2007, 26, 29; Römer, S. 107; Vec, NJW 2002, 1535, 1536; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 92. 154  Duesberg, S.  279 f.; Eser/Weißer, in: Sch/Sch, StGB, § 9 Rn. 7d; vgl. auch Kudlich, StV 2001, 397, 398. 155  Bremer, S. 114; Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650, 660; vgl. Kudlich, StV 2001, 397, 398; Schiemann, JR 2017, 339; vgl. Valerius, HRRS 2016, 186, 189. 156  Vgl. Bremer, S. 115; Derksen, NJW 1997, 1878, 1880; Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650, 660; Römer, S. 109. 157  Bremer, S. 116; Duesberg, S. 280; Koch, GA 2002, 703, 707; Schäfer, in: MüKo-StGB, 3. Auflage 2017, § 130 Rn. 122 m. w. N. 158  Bremer, S. 114 erkennt darin sogar einen Verstoß gegen das Analogieverbot aus Art. 103 Abs. 2 GG; Derksen, NJW 1997, 1878, 1880; Duesberg, S. 117 f.; vgl.

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net verkäme zu einem Raum mit Monopolstellung materiellen deutschen Strafrechts. Andere Staaten könnten diesem Beispiel folgen.159 Einer systematischen und völkerrechtlich tragbaren Lösung wäre jeglicher Boden entzogen. So führt die Anwendung nationaler Strafgesetze mit alleiniger Legitimation aufgrund der Abrufbarkeit der Daten wohl kaum zu überzeugenden Ergebnissen.160 Das Extrem, dass abstrakte Gefährdungsdelikte bei fehlendem Handlungsort im Inland nicht der nationalen Strafgewalt unterfallen, würde dogmatisch wenig überzeugend ins Gegenteil verkehrt, wenn die bloße Möglichkeit der Wahrnehmung von Inhalten bei Verbreitungsdelikten im Inland einen strafanwendungsrechtlichen Erfolg begründen könnten. Ferner ist zweifelhaft, ob die anwendungsrechtliche Erweiterung in ein Erfolgsdelikt der Bestimmtheit und dem Analogieverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG eines zum Tatbestand gehörenden Erfolgs, wie von § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB vorausgesetzt, Stand zu halten vermag.161 Auch Versuche, die medienspezifischen Problemfelder des Internets auf einer europäischen Ebene zu lösen, greifen zu kurz. Gemäß Art. 9 Abs. 2b i. V. m. Art. 1 Abs. 1b des EU-Rahmenbeschlusses 2008/913/JI des Rates vom 28. November 2008 kann Deutschland tätig werden, bei rassistischen und fremdenfeindlichen Straftaten durch die Verbreitung oder Verteilung von Schrift-, Bild- oder sonstigem Material.162 Den EU-Mitgliedstaaten wird die gerichtliche Zuständigkeit für Sachverhalte zugestanden, in denen der Täter nicht im Inland physisch anwesend ist und die Tat über Informationssysteme begangen wird. Es darf nicht übersehen werden, dass diese innereuropäische Regelung keine Außenwirkung zu Drittstaaten außerhalb der EU entfaltet. Die strafanwendungsrechtlichen Probleme sind damit nicht gelöst. Im Ergebnis kann die Abrufbarkeit der Daten keinen strafanwendungsrechtlichen Anknüpfungspunkt bieten. Kienle, S. 136; vgl. auch Kudlich/Berberich, NStZ 2019, 633; Römer, S. 108; vgl. Vec, NJW 2002, 1535, 1536. 159  Sieber NJW 1999, 2065, 2066 weist auf strafrechtliche Erheblichkeit einer Alkoholwerbung hin, die online in arabischen Staaten eingesehen werden könnte; ähnl. Kudlich, StV 2001, 397, 398; Lenz, in: FS-Nishihara, S. 467, 474; nach Becker, NStZ 2015, 83, 84 sei eine Verantwortlichkeit für in arabischen Staaten verbotene Erotik­ inhalte hinzunehmen. 160  Sieber, NJW 1999, 2065, 2067; Hilgendorf, NJW 1997, 1873, 1876; ders., ZStW 113 (2001), 650, 663 verweist zutreffend darauf hin, dass bei konsequenter Umsetzung des Gedankens eine Beleidigung unter Nutzung des Internets zwischen zwei US-Bürgern die Anwendung deutschen Strafrechts begründen würde, sofern der beleidigende Inhalt im Inland eingesehen werden kann; ähnl. Hörnle, NStZ 2001, 309, 310. 161  Bremer, S. 114; vgl. Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650, 661. 162  Abrufbar unter: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=C ELEX:32008F0913&from=de (Stand: 30.05.2021).



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Einige Autoren identifizieren den gezielt angesteuerten inländischen Server als Erfolgsort. Die Absicht, Daten an einen bestimmten Ort zu übersenden, begründe am Serverstandort die Verfügbarkeit der Inhalte und damit einen Erfolgsort.163 Subjektive Anknüpfungspunkte – wie auch von Sieber i. V. m. Push-Technologien vorgeschlagen – fokussieren ein finales Interesse des Täters.164 Das Erzielen differenzierter und kriminalpolitisch wünschenswerter Ergebnisse ist grundsätzlich kaum abzusprechen. In Bezug auf die weltweite Vermarktung von Computerspielesoftware liefe eine subjektive Limitierung für die Hersteller von Computerspielesoftware leer, weil die Verfügbarkeit der Software in einer Vielzahl von Ländern gewährleistet werden soll. Schlösse man aus dem gezielten Wirken des Täters auf einen Erfolgsort, so käme die Schaffung einer auf das Verbreitungsmedium Internet limitierten Sonderdogmatik zum Vorschein, die dem Regelungssystem strafrechtlicher Kernvorschriften fremd ist.165 Soll dies vermieden werden, so müsste ein Erfolgsort aufgrund des zielgerichteten finalen Interesses des Täters im strafanwendungsrechtlichen Sinne allgemein als subjektives Merkmal klassifiziert werden. Eine subjektiv-teleologische Reduktion des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB bietet eine lediglich unscharfe Grenzziehung, die auch mit dem Gesetzeswortlaut nicht zu begründen ist.166 Subjektiv ausgestaltete Restrik­ tionsversuche sind dem Strafanwendungsrecht systematisch fremd.167 Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts ist als Vorbedingung des gesetzlichen Tatbestands zu verstehen und muss damit nicht vom Vorsatz umfasst sein.168 Das finale Interesse, inländische Serverstrukturen anzusteuern, generiert keinen tatortbegründenden Erfolgsort.169

163  Collardin, CR 1995, 618, 620 f.; Conradi/Schlömer, NStZ 1996, 336, 369; Kuner, CR 1996, 453, 455 f.; a. A. Bremer, S. 111; Hörnle, NStZ 2001, 309, 310; wohl jüngst BT-Drs. 19/19859, S. 44. 164  Collardin, CR 1995, 618, 620; Sieber, NJW 1999, 2065, 2071 f. 165  Hilgendorf, NJW 1997, 1873, 1875. 166  Ambos, in: MüKo-StGB, § 9 Rn. 30; Kudlich, HRRS 2004, 278, 280; Rath, JA 2007, 26, 29 merkt eine im Zuge der Subjektivierung des Taterfolgs drohende Annäherung an ein unzulässiges Gesinnungsstrafrecht an; zutreffend merken Hilgendorf/ Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 160 an, dass die Tatortbegründung nicht in subjektiver Disposition des Täters zu finden ist. 167  Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 64; Hilgendorf, NJW 1997, 1873, 1876; für § 86 Abs. 1 StGB aufgrund des tatbestandsimmanenten Inlandsbezugs relativierend: Germann, S. 235; Zöller, in: AnwK-StGB, § 9 Rn. 20. 168  Ambos, Internationales Strafrecht, § 1 Rn. 9; Breuer, MMR 1998, 141, 143; Eisele, Computer- und Medienstrafrecht, 2013, Kap. 2 Rn. 3; Gercke, S. 26; Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 7. 169  Bochmann, S. 56; Hilgendorf, NJW 1997, 1873, 1874 f.; a. A. Böse, in: NKStGB, Vor §§ 3 ff. Rn. 51.

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Im Ergebnis ist § 86a StGB mit dem Abschluss der Tathandlung vollendet, ohne dass es darauf ankommt, welche erkennbare Außenwirkung erzeugt wurde.170 Der Einzelnachweis der Gefahr ist nur hinsichtlich konkreter Gefährdungsdelikte erforderlich.171 Zwar ließe sich die abstrakte Gefahr als Wirkung des Verhaltens beschreiben, sie bleibt aber als generelles gesetz­ geberisches Motiv172 ein Attribut der pönalisierten Tathandlung. Der Unrechtstatbestand des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB pönalisiert die Vornahme der Tathandlung des öffentlichen Verwendens oder Verbreitens selbst und beinhaltet keinen davon abtrennbaren Außenweltzustand. Zwar wird teilweise eingewendet, dass insbesondere bei internetspezifischen Distanzdelikten die von der Tathandlung des Verbreitens bzw. öffentlichen Zugänglichmachens abtrennbare Außenwelterfolg in der Wahrnehmbarkeit der Inhalte auf dem Bildschirm eines Dritten zu finden sei.173 Richtigerweise weist das Verbreiten keine Erfolgskomponente auf.174 Insbesondere der Umstand, dass das Verbreiten den Eingang der Dateien auf dem Zielrechner erfordert, während das Zugänglichmachen im Vorfeld nur die Möglichkeit der Wahrnehmbarkeit beinhalten soll,175 lässt die Wahrnehmbarkeit nicht zum Erfolg aufsteigen, sind doch beide Tathandlungen gleichbedeutend. Auch bedarf § 86a StGB lediglich der Möglichkeit der Wahrnehmung, die kaum als von der Handlung abtrennbare Außenweltveränderung qualifiziert werden kann. Nunmehr sah der Gesetzgeber ein zweites Mal im Zuge des 60. StrRÄndG von der Aufnahme der Wahrnehmbarkeit im Inland als tatbestandliches Kriterium ab.176 Vielmehr erhielt das Merkmal einen Anknüpfungspunkt innerhalb des Schutzprinzips nach § 5 Nr. 3 lit. b) StGB selbst. Die Wahrnehmbarkeit im Inland qualifiziert insofern gerade nicht das allgemeine tatbestandliche Unrecht des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB, sondern soll i. V. m. dem aktiven Personalitätsprinzip als ausnahmsweise tauglicher Anknüpfungspunkt dienen, sollte eine Inlandstat in Anwendung des §§ 3, 9 StGB gerade nicht festgestellt werden können. Die Auffassung, dass die Wahrnehmbarkeit im Inland stets einen von der Tathandlung abtrennbaren, nach § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB zu qualifizierenden Erfolgsort begründet, ist mit den gesetzgeberischen Überlegungen unvereinbar. Mit der Anerkennung der Möglichkeit der WahrS. 105; Kienle, S. 50. AT, 3. Kap. Rn. 25; Schwiddessen, CR 2017, 443, 445. 172  Böse, in: NK-StGB, § 9 Rn. 11; Frister, AT, 3. Kap. Rn. 26; Heinrich, AT, Rn. 164; Lüttger, GA 1960, 129, 140; B/W/Mitsch/E, AT, § 6 Rn. 50; Satzger, in: S/S/W, StGB, § 9 Rn. 7; W/B/S, AT, Rn. 44; Schroeder, S. 310. 173  Hörnle, in: MüKo-StGB, § 184 Rn. 91. 174  Altenhain, in: H/S/H, Multimedia-Recht, Teil 20 Rn. 19; Mitsch, in: NKJMStV, § 23 Rn. 31. 175  Kessler, S. 33; Lamshöft, in: Rechtsextremismus, S. 131, 147. 176  Siehe bereits BT-Drs. 27/16, S. 6; BT-Drs. 18/8089, S 7. 170  Boese,

171  Frister,



A. Internationale Vermarktung des Computerspiels145

nehmbarkeit inkriminierter Inhalte im Internet würde auch das Weltrechts­ prinzip nach § 6 Nr. 6 StGB in Bezug auf die Verbreitungsdelikte der §§ 184a, 184b Abs. 1, 2 und § 184c Abs. 1, 2 StGB zu einer rein deklaratorischen Norm ohne eigenständigen Anwendungsbereich reduziert.177 Es wirkt konstruiert, die bloße Möglichkeit der Wahrnehmbarkeit auf dem Bildschirm eines Dritten als eine von der Tathandlung abtrennbare Außenweltveränderung zu umschreiben. Zutreffend sprach sich bereits vor Inkrafttreten des 60. StrRÄndG Valerius in Übereinstimmung mit dem BGH bezüglich Verbreitungsdelikte unter Nutzung des Internets für eine zurückhaltende Anwendung nationalen Strafrechts bei physischem Aufenthaltsort des Täters im Ausland aus.178 Im Ergebnis darf der Normzweck nicht mit einem zum Tatbestand gehörenden Erfolg verwechselt werden.179 Ein Erfolg tritt nicht ein, weil er sich nicht im Tatbestand niederschlägt.180 Für die hiesige Problematik verhilft auch die deliktskategorische Gegenüberstellung von Gefährdungs- und Verletzungsdelikten bzw. von Tätigkeitsund Erfolgsdelikten nicht zu einem anderslautenden Ergebnis. Abstrakte Gefährdungsdelikte sind regelmäßig schlichte Tätigkeitsdelikte.181 Das gilt auch für § 86a StGB.182 Die Tathandlung des Verbreitens selbst beinhaltet kein Erfolgselement.183 Die Tathandlung selbst wird als rechtsgutsbeeinträchtigend betrachtet.184 Damit kann für die hiesige Problematik der Einwand unberücksichtigt bleiben, dass abstrakte Gefährdungsdelikte nicht stets schlichte Tätigkeitsdelikte sind.

177  Siehe

Lenz, in: FS-Nishihara, S. 467, 475. 2015, 81; Valerius, HRRS 2016, 186, 188. 179  So bereits Namavičius, S. 132. 180  Namavičius, S. 132. 181  Heinrich, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 6 Rn. 42; Rengier, AT, § 10 Rn. 7, 11; Rönnau, JuS 2010, 961, 962; a. A. Wolter, in: SK-StGB, § 9 Rn. 7. 182  Wohl Fischer, StGB, Vorb. § 13 Rn. 18 f.; Lüttger, GA 1960, 129, 141 hinsichtlich § 4 VersG a. F.; zutreffend versteht B/W/Mitsch/E, AT, § 6 Rn. 48 etwa § 184a StGB, der die bloße Tathandlung des Verbreitens pönalisiert, als schlichtes Tätigkeitsdelikt. § 86a StGB ist hinsichtlich der Deliktsstruktur des Verbreitens eines Inhalts identisch ausgestaltet. Aufgrund des normübergreifend identischen Verständnisses des Verbreitensbegriffs kann auch dem Verbreiten nach § 86a StGB keine Erfolgskomponente beigemessen werden; a. A. Reuter, S. 240. 183  Vgl. Mitsch, in: NK-JMStV, § 23 Rn. 31. 184  B/W/Mitsch/E, AT, § 6 Rn. 48. 178  NStZ

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Kap. 3: Strafanwendungsrecht und downloadbasierter Vertrieb

(2) Eintritt der konkreten Gefährdung als Erfolg Verhältnismäßig breite Zustimmung findet der Vorschlag, einen Erfolgsort jedenfalls dann anzunehmen, wenn die abstrakte Gefahr in eine konkrete umschlägt.185 Mit dem Eintritt eines konkreten Gefährdungserfolgs realisiere sich das in der abstrakten Gefahr angelegte Risiko. Der vorgelagerte strafrechtliche Rechtsgüterschutz erschöpfe sich nicht in der bloßen Schaffung einer abstrakten Gefahr, sondern wirke auch fort, sofern sich die Gefahrenlage zu einer konkreten Gefährdung oder gar zu einem Verletzungserfolg durch die sanktionsbedürftige Handlung verdichte.186 Verzichtet der Gesetzgeber auf ein Verletzungs- oder konkretes Gefährdungserfolgsmoment, so schaffe er einen breiten Schutzkorridor, der nicht durch strafanwendungsrechtliche Regelungen des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB konterkariert werden solle.187 Es sei widersinnig, den Rechtsgüterschutz enden zu lassen, wenn das geschützte Rechtsgut konkret gefährdet oder gar verletzt würde.188 Der Schutzbereich würde ausgehöhlt und auf strafanwendungsrechtlicher Ebene bereits auf null reduziert. Somit verbliebe für Verletzungsdelikte ein stärkerer strafanwendungsrechtlicher Schutz als für abstrakte Gefährdungsdelikte. Der teleologische Hintergrund des erweiterten Rechtsgüterschutzes sei der umfassende Schutz vor gefährlichen Handlungen, der nicht mit einer strengen Limitierung des Anwendungsbereichs begegnet werden dürfe. Der intendierte Schutzkorridor verdeutliche sich erst recht, wenn eine abstrakte Gefahr sich tatsächlich in Deutschland niederschlägt.189 Während § 3 RStGB in der Fassung vom 15. Mai 1871 lediglich die Begehung der Tat manifestierte, entwickelte sich in der reichsgerichtlichen Rechtsprechung der Gedanke, dass neben der Tätigkeit auch die Wirkung derselben tatortbegründende Funktion einnehme. Diese Auslegung fand sodann Niederschlag in der Verordnung über den Geltungsbereich des Strafrechts vom 06. Mai 1940 zu § 3 Abs. 3 185  Hecker, ZStW 115 (2003) 880, 885 ff.; ders., ZIS 2011, 398, 400 f.; Heinrich, GA 1999, 72, 81; Martin, ZRP 1992, 19, 20; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 33; Zöller, in: SK-StGB, § 86a Rn. 12; ders., in: AnwK-StGB, § 9 Rn. 10 stellt auf die Möglichkeit der Realisierung der abstrakten Gefahr ab; a. A. BGH, NStZ 2015, 81, 82; BGH, NStZ 2017, 146, 147; Basak, in: M/R, StGB, § 9 Rn. 9; Handel, MMR 2017, 227, 228. 186  Ähnl. wohl BGHSt 42, 235, 242 f.; vgl. Heinrich, GA 1999, 72, 81; Marin, ZRP 1992, 19, 20; a. A. Satzger, NStZ 1998, 112, 115. 187  Heinrich, GA 1999, 72, 78, 81; Martin ZRP 1992, 19, 20; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 33; a. A. Kienle, S. 52. 188  Vgl. BGHSt 42, 235, 242 f.; Hecker, ZStW 115 (2003), 880, 888; Heinrich, GA 1999, 72, 81; ders., NStZ 2000, 533, 534; a. A. BGH, NStZ 2017, 146, 147; Basak, in: M/R, StGB, § 9 Rn. 9; Satzger, NStZ 1998, 112, 115. 189  BGHSt 42, 235, 242 f.; Werle/Jeßberger, in: LK-StGB, § 9 Rn. 33 f.; Zöller, in: AnwK-StGB, § 9 Rn. 22.



A. Internationale Vermarktung des Computerspiels147

StGB a. F.190 Es herrschte die Auffassung, auch der Ort, in dem eine abstrakt gefährliche Handlung in eine konkrete Gefahr umschlägt, sei tatbestandlicher Erfolg.191 Dem Rückgriff auf eine vom Tatbestand nicht geforderte, gleichwohl aber eingetretene konkrete Gefährdung, stehen durchgreifende Bedenken gegenüber. Zunächst trägt der Ansatz für § 86a Abs. 1 StGB in Bezug auf Computerspielvermarktung keinen praktischen Mehrwert. Es wird sich wohl kaum ein Bezug zwischen einer konkreten Gefährdung überindividueller Rechts­ güter und der Kennzeichenverwendung in einem Computerspiel feststellen lassen. Insbesondere aber ist § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt kein konkretes Gefährdungsdelikt minderer Intensität.192 Es stellt das Schaffen einer Wahrnehmbarkeit der Kennzeichen als Gefahrenquelle unter Strafe.193 Wer an einem öffentlichen Ort Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen wahrnehmbar macht, obwohl mangels Anwesenheit niemand in der Lage ist, das Symbol wahrzunehmen, ist nicht straffrei. Ein einfaches Plus-Minus-Gefälle lässt sich aus den Deliktsarten nicht bilden. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB stellt auf einen zum Tatbestand gehörenden Erfolg ab, nicht aber auf Erfolge, die dem Schutzzweck der Norm innewohnen, mate­ riell aber keine Bedeutung entfalten. Die konkrete Gefährdung gehört nicht zum Tatbestand des § 86a StGB.194 Keinesfalls bedeutet die tatbestandliche Vorverlagerung des Rechtsgüterschutzes auch, dass diese Intention auf strafanwendungsrechtlicher Ebene fortzuführen ist.195 Vielmehr bedarf gerade ein abstrakter Gefährdungsstraftatbestand dogmatischer Begrenzungen und verlangt nicht nach einer uferlosen Erweiterung.196 Andernfalls würde die ­dogmatische Differenzierung zwischen dem Schutzbereich einer Strafnorm und dem nationalen Strafanwendungsrecht in ein einspuriges Verfahren umgewandelt,197 das eine Orientierung an völkerrechtlichen Bezugspunkten des Strafanwendungsrechts vermissen ließe. Den Erfolg abseits materieller Strafbarkeitserfordernisse heranzuziehen, ließe jeden Bezug zwischen dem

190  Ausführlich

zur Historie: Kienle, S.  86 ff. Heinrich, GA 1999, 72, 77. 192  Hilgendorf, NJW 1997, 1873, 1876; Roxin/Greco, AT I, § 11 Rn. 154.; vgl. auch Zieschang, S.  24 ff. 193  Schwiddessen, CR 2017, 443, 446. 194  BGHSt 25, 30, 31; 47, 354, 359; 52, 364, 374; BayObLG, NStZ 2003, 89, 90; OLG München, NStZ 2007, 97; Hamdan, JURA 2009, 169, 170; Lüttger, GA 1960, 129, 140 zu § 4 VersG a. F. 195  So aber Martin, ZRP 1992, 19, 20; ähnl. in Bezug auf § 261 Abs. 2 StGB Valerius, NZWiSt 2012, 189, 191. 196  BGH, NStZ 2015, 81, 82; Kienle, S. 51; Zimmermann, HRRS 2015, 441, 443. 197  Handel, MMR 2017 227, 228. 191  Vgl.

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Kap. 3: Strafanwendungsrecht und downloadbasierter Vertrieb

Strafanwendungsrecht und der Tatbestandszugehörigkeit des Erfolgs entfallen. Jedes tatbestandliche Merkmal fügt der Strafnorm ein zwingendes Erfordernis der Sanktionierung hinzu. Naturgemäß liegt die Strafbarkeitsschwelle bei abstrakten Gefährdungsdelikten niedriger als bei Verletzungs- oder konkreten Gefährdungsdelikten. Die bloß strafanwendungsrechtliche Berücksichtigung eines konkret eingetretenen Erfolgs würde dem Erfolg keine strafbarkeitslimitierende Funktion vermitteln, sondern anwendungserweiternd wirken. Dogmatisch würde es sich um eine strafanwendungsrechtliche Umgestaltung eines abstrakten Gefährdungsdelikts in ein konkretes Gefährdungsdelikt handeln. So ist nicht nachvollziehbar, auf strafanwendungsrechtlicher Ebene ein konkretes Gefährdungsdelikt zu schaffen, obwohl ein solcher Erfolg tatbestandlich nicht vorgesehen ist. Abstrakte Gefährdungsdelikte stünden dann Verletzungsdelikten in strafanwendungsrechtlicher Hinsicht gleich.198 Der Erfolg wäre dann als reines Strafanwendungsmerkmal vom Erfordernis eines Vorsatzes befreit.199 So ist dem BGH im Ergebnis beizupflichten, dass dem abstrakten Gefährdungsdelikt des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB unter Würdigung des § 9 Abs. 1 StGB in einer rechtsgutsspezifischen Auslegung nur der Handlungsort als tauglicher Anknüpfungspunkt verbleibt, da es an einem Erfolg fehlt.200 Erneut sei bei gegenteiliger Ansicht auf die völkerrechtlichen Kollisionen hingewiesen.201 (3) Der Erfolgsbegriff der Unterlassungsdogmatik Nach einer weit verbreiteten Ansicht können abstrakte Gefährdungsdelikte durch Unterlassen begangen werden und weisen einen Erfolg i. S. d. § 13 StGB auf.202 Es ließe sich vertreten, dass dies demnach auch für § 9 Abs. 1 StGB gelten müsse. Die gleichlautenden gesetzgeberischen Terminologien aus § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB und § 13 Abs. 1 StGB normieren seit 1975,203 198  Basak, in: M/R, StGB, § 9 Rn. 10; Cornils, JZ 1999, 394, 395; Hilgendorf, NJW 1997, 1873, 1875; Kudlich/Berberich, NStZ 2019, 633, 637; Satzger, NStZ 1998, 112, 114 f.; vgl. Tenckhoff, in: FS-Spendel, S. 347, 357. 199  Vgl. Heinrich, FS-Weber, S. 91, 92 f. 200  BGH, NStZ 2015, 81, 82 m. w. N.; vgl. Dombrowski, S. 100; a. A. Heinrich, GA 1999, 72, 81. 201  Bosch, S. 100; vgl. Böse, in: NK-StGB, § 9 Rn. 12; Wiacek, S. 104. 202  BGHSt, 46, 212, 222; BGHSt 38, 325, 328 = NJW 1992, 3247, 3251; BGH, NStZ 1997, 545; Bosch, in: Sch/Sch, StGB, § 13 Rn. 3; vgl. Haas, in: M/R, StGB, § 13 Rn. 25; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 13 Rn. 6; Heinrich, GA 1999, 72, 77; B/W/Mitsch/E, AT, § 21 Rn. 47 f.; offen gelassen in BGH, NStZ 2015, 81, 82 f. 203  Bekanntmachung der Neufassung des StGB v. 02.01.1975, BGBl. I 1975, S. 10, 11.



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abgesehen von der syntaktischen Verarbeitung in der jeweiligen Strafnorm, eine Identität strafanwendungsrechtlicher Erwägungen in Bezug auf den „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“. Jedenfalls scheint es wenig tragfähig, dass der Gesetzgeber im Rahmen der Konturierung des § 9 Abs. 1 StGB den Gleichlauf zum Wortlaut des § 13 Abs. 1 StGB schlicht übersehen hat. In konsequenter Ablehnung eines tatbestandlichen Erfolgs abstrakter Gefährdungsdelikte wäre eine Begehung durch Unterlassen nicht möglich.204 Die Konstruktion des erfolglosen Gefährdungsdelikts schlüge auf die Unterlassensstrafbarkeit durch und umgekehrt. Richterweise überlagert der identische Wortlaut nicht die divergierende teleologische Wirkungsrichtung beider Normen. Insgesamt ist kaum zu bestreiten, dass strafwürdiges Unrecht sowohl durch positives Tun als auch durch ein Unterlassen verwirklicht werden kann.205 In § 13 StGB dient die Erfolgsabwendungspflicht als Anknüpfungspunkt der Garantenstellung eines zur Handlung Verpflichteten.206 In Betrachtung des Strafanwendungsrechts als objektive Vorbedingung der materiellen Strafbarkeitsfeststellung ist der Erfolgsbegriff als sinnvoller Anknüpfungspunkt zur Limitierung des räumlichen Anwendungsbereichs deutschen Strafrechts zu verstehen. Ohne legitimierenden Anknüpfungspunkt kommt deutsches Strafrecht unabhängig von der begangenen Tat nicht zur Anwendung. Richtigerweise ist im Rahmen des Strafanwendungsrechts die Trennung zwischen Tathandlung und Taterfolg erforderlich, um den räumlichen Anwendungsbereich unter Berücksichtigung fremder Jurisdiktionen und der Souveränität von Drittstaaten abzugrenzen. Eine solche Abgrenzung und Gegenüberstellung von Handlung und Erfolg findet sich in § 13 Abs. 1 StGB nicht. Unterlassen und Erfolg stehen hinsichtlich des Unterlassens nicht in abgrenzender Funktion einander gegenüber.207 Es fehlt an einer systematischen Vergleichbarkeit des § 9 Abs. 1 StGB mit § 13 Abs. 1 StGB. Ein am Wortlaut orientierter Gleichlauf greift zu kurz.208 Insbesondere liefe sie der Dichotomie des Strafanwendungsrechts in Bezug auf die Abgrenzung zwischen Tathandlung und Taterfolg zuwider und würde sie letztlich auflösen.209 Der Erfolgsbegriff des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB muss anders als in § 13 Abs. 1 StGB als klares Abtrennungskriterium zur Handlung ausgelegt werden.210

GA 1999, 72, 78. AT § 18 Rn. 2 f. 206  Kühl, AT § 18 Rn. 41. 207  Duesberg, S. 134. 208  Tenckhoff, in: FS-Spendel, S. 347, 358; vgl. Vec, NJW 2002, 1535, 1538. 209  Böse, in: NK-StGB, § 9 Rn. 11. 210  Duesberg, S. 134. 204  Henrich, 205  Kühl,

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Kap. 3: Strafanwendungsrecht und downloadbasierter Vertrieb

(4) Tathandlungserfolg Ein dogmatischer Mittelweg geht auf Sieber zurück.211 Mit seiner Kon­ struktion des sog. „Tathandlungserfolgs“ lassen sich Straftatbestände erfassen, die eine Tathandlung beschreiben, deren Wirkung sich sodann im Inland niederschlägt. Für die Handlungsalternativen des § 86a Abs. 1 Abs. 1 Nr. 1 StGB bedeutet dies, dass der Tathandlungserfolg auch dann im Inland eintritt, wenn sich die Tatwirkung des Verbreitens oder Verwendens in Deutschland entfaltet: Jede „vom Täter verursachte, ihm zurechenbare und im einschlägigen Tatbestand genannte Folge seiner Handlung“212 könne als Erfolgsort dienen. Entscheidend sei die Fassung des jeweiligen Tatbestands und die Realisierung der Gefahr im Inland.213 Die dogmatische Deliktseinordnung als abstraktes Gefährdungsdelikt oder Verletzungsdelikt sei dabei nicht von Bedeutung. Siebers Ansatz versteht sich als eine teleologische und völkerrechtskonforme Reduktion des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB214 und soll zu den wünschenswerten kriminalpolitischen Ergebnissen führen. Im Zentrum stehen zwei Unterscheidungen. Einerseits könne auf rechtsdogmatischer Ebene zwischen dem „zum Tatbestand gehörenden Erfolg“ i. S. d. allgemeinen Tatbestandslehre und dem Erfolg in einem strafanwendungsrechtlichen Kontext differenziert werden, da die deliktische Struktur des abstrakten Gefährdungsdelikts kein Ausschlussgrund für § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB sei. Auf Grundlage dieser Betrachtungsweise ergibt sich für § 9 StGB ein von der Verbrechenslehre losgelöster Tathandlungserfolg. In einem zweiten Schritt gelänge mit der Limitierung auf die Push-Technologie – also der gezielten Übermittlung von Daten und Informationen an inländische Empfänger und Server215 – der systematische Ausgleich zwischen nationalen Strafbarkeitsinteressen und völkerrechtlicher Souveränität anderer Staaten. Erfordert die Verbreitung zunächst den Zugriff des Empfängers auf den ausländischen Server, auf dem die Speicherung zunächst erfolgte, so liegt eine Pull-Technologie der Tatbegehung zu Grunde, die keinen Raum für § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB ließe.216 Der Vorschlag ist berechtigter Kritik ausgesetzt, da sich die territoriale Reichweite nationaler Strafgewalt an Einzeltatbeständen des Besonderen Teils orientieren würde, die in ihrer Konzeption aber auf die tatbestandliche 211  Nur

Sieber, NJW 1999, 2065. NJW 1999, 2065, 2070; zust. Hörnle, NStZ 2001, 309, 310. 213  Sieber, NJW 1999, 2065, 2068. 214  Duesberg, S. 141. 215  Becker, NStZ 2015, 83, 84; Eser, in: 50 Jahre BGH, S. 3, 24 befürwortet durchaus eine Orientierung an Push-Technologien, macht eine Tatortbegründung aber vom spezifischen Deliktscharakter abhängig; ablehnend Bochmann, S. 57. 216  Sieber, NJW 1999, 2065, 2071. 212  Sieber,



A. Internationale Vermarktung des Computerspiels151

Erfassung des Unrechts ausgelegt sind.217 Mit der eindeutigen Klassifizierung von Tathandlung und Taterfolg des § 9 Abs. 1 StGB lässt sich ein Tathandlungserfolg nur schwerlich vereinbaren.218 Die Strafbarkeit aufgrund gezielter Übermittlung auf inländische Serverstrukturen stößt zudem auf ihre Grenzen, wenn Computerspiele auf Server in nahezu allen Jurisdiktionen geladen werden. Eine Zufallshaftung wäre das Resultat der technischen Umstände, wenn nicht alle Dateien auf dem gleichen Server vorhanden sind.219 Vor allem stellt sich die Frage nach dem strafanwendungsrechtlichen Plus der Handlung bei Nutzung einer Push-Technologie. Besteht für den Rezi­ pienten die Möglichkeit, das Computerspiel von einer Online-Plattform he­ runterzuladen, so wird es kaum einen Unterschied machen, ob er die Daten von einem inländischen oder einem ausländischen Server bezieht. Das tatbestandliche Unrecht mit dem Upload besteht vielmehr in einer Verwendung oder Verbreitung der Zeichen in Deutschland. Probleme zeigen moderne Entwicklungen dahingehend, dass in der Praxis der Interessent eines Computerspiels teilweise selbst in der Lage ist, zwischen verschiedenen auch außerhalb Deutschlands stehenden Servern zu wählen und diese anzusteuern. Eine über den internationalen Raum verteilte Serverstruktur vereitelt somit eine sinnvolle Anknüpfung am Push-Server. So bietet sich auch für den Hersteller des Spiels die Möglichkeit, die Dateien auf im Inland ebenso verfügbare Server zu laden, die sich physisch im Ausland befinden. Die Abhängigkeit von technischen Strukturen überzeugt nicht.220 Sie würde in einer Zufallshaftung münden.221 3. Zwischenergebnis Mit der Sanktionierung der Kennzeichenverwendung, während sich der Täter im Ausland – also grundsätzlich außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des deutschen Strafrechts – befindet, korreliert ein evidenter Eingriff in die Souveränität des Staats, in dem sich der Betroffene aufhält.222 Ins­ besondere, wenn der strafrechtliche Rechtsgüterschutz beider Staaten so sehr divergiert, dass das Verhalten am physischen Aufenthaltsort des Täters schlicht nicht als strafwürdig beurteilt wird, gewinnt das Völkerrecht als S.  140 m. w. N. JZ 1999, 394, 396; Handel, MMR 2017, 227, 228; Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650, 667 f.; a. A. Ambos, in: MüKo-StGB, § 9 Rn. 34. 219  Eisele, Computer- und Medienstrafrecht, 2013, § 3 Rn. 11; Koch, GA 2002, 703, 711. 220  Heinrich, in: FS-Weber, S. 91, 100; Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650, 653. 221  Bosch, S. 101; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 153; Namavičius, S. 142; Wiacek, S. 105; Zöller, in: AnwK-StGB, § 9 Rn. 21. 222  Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650, 660. 217  Duesberg, 218  Cornils,

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Kap. 3: Strafanwendungsrecht und downloadbasierter Vertrieb

Gradmesser einer räumlichen Strafrechtsexpansion an Bedeutung.223 Gerade bei abstrakten Gefährdungsdelikten und physischem Aufenthaltsort des Täters im Ausland legen sowohl der Ort der Handlung als auch die Staatsangehörigkeit des Handelnden eine enge Beziehung zum ausländischen Recht nahe.224 Das Völkerrecht hat für nationale Strafverfolgungsinteressen wegweisende Funktion.225 Seit der „Lotus-Entscheidung“ des StIGH aus dem Jahre 1927 ist zwar anerkannt, dass ein Staat Sachverhalte regeln darf, die sich im Ausland auswirken.226 Dies überlagert jedoch nicht die systematischen Bedenken, die niedrigen Anforderungen an eine abstrakte Gefahr tatortbegründend wirken zu lassen.227 In strafanwendungsrechtlicher Betrachtung weist der Upload eines Computerspiels, das Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen enthält, keinen vom physischen Handlungsort des Täters losgelösten Erfolgsort im Sinne des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB auf. Diese Feststellung steht im Einklang mit den grundsätzlichen Bestrebungen des Gesetzgebers, § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB einen über den – auf den physischen Aufenthaltsort des Täters begrenzten – Handlungsort hinausgehenden sinnvollen Anknüpfungspunkt durch die Implementierung in das Schutzprinzip, § 5 Nr. 3 lit. b) StGB zu verleihen. Neben dem Handlungsort sollen die Wahrnehmbarkeit im Inland i. V. m. dem aktiven Personalitätsprinzip völkerrechtlich sinnvolle Anknüpfungspunkte für ein Tätigwerden deutscher Strafverfolgungsbehörden begründen. Der Gesetzgeber bringt jedenfalls zum Ausdruck, dass das Selbstverständnis des Grundgesetzes als Gegenentwurf zum Nationalsozialismus allein nicht als völkerrechtlich legitimierender Anknüpfungspunkt genügt.228 Denn diese Erwägung findet keinen Niederschlag im Gesetzestext. Die Konstruktion eines vom Tatbestand losgelösten Erfolgsortes i. S. d. § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB entzöge der gesetzlichen Neufassung die systematische Grundlage und würde sie entgegen gesetzgeberischer Zielsetzung auf eine strafanwendungsrechtliche Begrenzung herunterbrechen. Dass der Gesetzge223  Ambos, in: MüKo-StGB, § 9 Rn. 34; Heinrich, GA 1999, 72, 82; Hilgendorf, ZStW 113 (2001), 650, 660, 674; Kienle, S. 134, 146; Kudlich, StV 2001, 397, 398; Martin, ZRP 1992, 19, 23; Dombrowski, S. 23 und Paramonova, S. 45 weisen zutreffend darauf hin, dass in den USA auch die Leugnung von NS-Gewalttaten von der Meinungsfreiheit umfasst ist. 224  Kienle, S. 158. 225  Derksen, NJW 1997, 1878, 1880; Dombrowski, S. 47; Hilgendorf, ZStW 113 (2001) 650, 669 f.; Kienle, S. 134; Paramonova, S. 52. 226  StIGH, Urt. v. 07.09.1927 = PCIJ Series A No 10 (juris); Schiemann, JR 2017, 339. 227  So auch Bremer, S. 114; dieses Problem erkennt auch Heinrich, GA 1999, 72, 82, 84; Römer, S. 127. 228  A. A. Becker, NStZ 2015, 83, 84; ähnl. Hörnle, NStZ 2001, 309, 310 f.; krit. Hilgendorf, ZStW 113 (2001) 650, 672 ff.



A. Internationale Vermarktung des Computerspiels153

ber mit § 5 Nr. 3 lit. b) StGB von einer sauberen und systematisch schlüssigen Gesetzestechnik weit entfernt ist, ändert nichts an der Beurteilung des § 9 Abs. 1 Var. 3 StGB. Insofern zeigte die Untersuchung einerseits, dass die Wahrnehmbarkeit des Inhalts im Inland einerseits keinen Handlungs- oder Erfolgsort zu begründen vermag und andererseits als völkerrechtlicher Anknüpfungspunkt vollkommen ungeeignet ist.229 Dem Merkmal wohnt weder eine Begrenzungsfunktion inne, noch kann man es als tauglichen Anknüpfungspunkt i. S. d. § 5 Nr. 3 lit. b) StGB bezeichnen. Versuchte der Gesetzgeber der internetbasierten Übertragung von Inhalten mit Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen Herr zu werden, so muss zudem festgestellt werden, dass dieser Versuch einerseits aufgrund des aktiven Personalitätsprinzips vollkommen ungeeignet ist, die Vermarktung von Computerspielen zu erfassen. Zwar standen solche Erwägungen nicht im Vordergrund der Novellierung. Gleichwohl bleibt die Missachtung der Wertungen des § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB bestehen, weil kein weiterer tauglicher Anknüpfungspunkt formuliert wurde. Nebulös bleibt zudem der Zusammenhang zwischen dem tatbestandsimmanenten Inlandsbezug und der Reichweite des § 5 Nr. 3 lit. b) StGB. Die gegen § 5 Nr. 3 lit. b) StGB erhobenen Einwände verweisen den Rechtsanwender auf eine Feststellung des Tatortes nach den Regeln der §§ 3, 9 StGB, ist doch die Erweiterung des Schutzprinzips lediglich von rechtspolitischen Motiven, keinesfalls aber von systematischer Klarheit getragen. Eine rechtssichere Beurteilung der strafanwendungsrechtlichen Reichweite hinsichtlich des Uploads eines kennzeichenbeinhaltenden Computerspiels wird daher nur mit Rückgriff auf die allgemeinen Regeln des Strafanwendungsrechts nach §§ 3, 9 StGB erreicht. Das gilt insbesondere, weil § 5 Nr. 3 lit. b) StGB eine Untersuchung in Bezug auf §§ 3, 9 StGB nicht sperrt und für die hiesige Problematik kaum brauchbare Ergebnisse erzielt.230 Das Propagandadelikt des § 86a StGB ist bei Begehung unter Nutzung des Internets kaum sinnvoll erfassbar.231

III. Konsequenzen für Computerspiele 1. Veröffentlichungspraxis Mit der Veröffentlichung eines Computerspiels auf einem eigenen internetbasierten Marktplatz im Ausland entziehen sich die Publisher bereits auf 229  So

bereits Lenz, in: FS-Nishihara, S. 467, 473. StGB erweitert den Anwendungsbereich des deutschen Strafrechts; vgl. Böse, in: NK-StGB, § 5 Rn. 1; vgl. Satzger, Internationales und Europäisches Strafrecht, § 5 Rn. 68. 231  So bereits Lenz, in: FS-Nishihara, S. 467, 480. 230  § 5

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Kap. 3: Strafanwendungsrecht und downloadbasierter Vertrieb

strafanwendungsrechtlicher Ebene dem Zugriff deutscher Strafverfolgungs­ organe.232 Der mediale Wirkungsbereich des internetbasierten Vertriebs vermag keinen strafanwendungsrechtlichen Anknüpfungspunkt zu begründen. Mit Blick auf die Implementierung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, die insbesondere in Deutschland strafrechtlich verfolgt wird,233 ist die Veröffentlichungspraxis von Publishern, die ausschließlich aus dem Ausland agieren, kaum strafrechtlichen Risiken ausgesetzt. Für „Call of Duty – World at War“ als Produkt eines Unternehmens, das eine Zweigstelle in Deutschland zum Zwecke des hiesigen Vertriebs betreibt, bleiben auch die materiell-strafrechtlichen Risiken bestehen und werden nicht durch die ­Unzulänglichkeiten im Bereich des Strafanwendungsrechts beseitigt. Der Upload des Spiels „Attentat 1942“ aus der Tschechischen Republik würde grundsätzlich keine strafrechtlichen Risiken für die Entwickler generieren. Ungeachtet dessen zeigt die Praxis des Geoblockings, dass kennzeichentragende Spiele in vielen Fällen für deutsche Interessenten kaum zu erlangen sind. „Attentat 1942“ ist nicht aufgrund strafanwendungsrechtlicher Limitierungen auch in Deutschland verfügbar. Vielmehr erhielt das Spiel von der USK eine Altersfreigabekennzeichnung und ist damit vor einer Aufnahme in die Liste jugendgefährdender Medien geschützt, § 18 Abs. 8 S. 1 JuSchG i. V. m. § 15 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 JuSchG. Damit darf das Medium in Deutschland – unter Berücksichtigung der Alterskennzeichnung – vertrieben werden.234 Zwar rückt die strafanwendungsrechtliche Komponente für den international betriebenen Spielevertrieb in den Hintergrund, gleichwohl schwebt die Strafnorm des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB als Damoklesschwert nur über solchen Spieleproduktionen, die aus dem Inland heraus verbreitet werden. Eine umfassende und eindringliche Notwendigkeit des Geoblockings ist für den Hersteller aus der Perspektive des § 86a StGB nicht gegeben. Ein anderes Ergebnis ist festzustellen, wenn die spezifische Vertriebsstruktur des Computerspiels einen inländischen Handlungsort erkennen lässt.235 2. Modifikationen und Let’s Play-Videos Auch die eigenständige Überarbeitung der Spielinhalte durch die Rezipienten selbst unter Nutzung eines Modifikationseditors ist strafrechtlich nur dann bedroht, wenn sich der Täter im Inland aufhält oder – sofern § 5 Nr. 3 lit. b) StGB trotz Kollision mit dem Inlandserfordernis des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB CR 2002, 397, 402. AfP 2017, 93, 94 f.; siehe auch Weber, ZRP 2008, 21. 234  Zum Jugendmedienschutz siehe Kap. 5 A. I. 235  Zu den Strafbarkeitsrisiken für inländische Spieleplattformbetreiber siehe Kap. 7 C. 232  Lober,

233  Wimmers/Heymann,



B. Ergebnis155

ein Anwendungsbereich zugesprochen wird – zumindest seine Lebensgrundlage in Deutschland hat. Die Ausstrahlungswirkung modifizierter Mehrspielerserver und damit auch die Wahrnehmbarkeit von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen begründen nicht die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts. Lädt ein Nutzer unter Verwendung eines Modifika­ tionseditors das Computerspiel mit Kennzeichen verfassungswidriger Symbole auf, so richtet sich das materielle Strafbarkeitsrisiko nach dem physischen Aufenthaltsort des Täters. Bislang ist kein Fall bekannt, in dem Strafverfolgungsbehörden einen modifizierenden Nutzer zum Subjekt eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens aufgrund der nachträglichen Implementierung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen machten. Stärkere praktische Relevanz dürfte die Reichweite des Strafanwendungsrechts für das Phänomen des Let’s Play-Videos auf Videostreamingplattformen haben. Aufgrund der strafanwendungsrechtlichen Limitierung auf den inländischen Handlungsort und den Bezug des § 5 Nr. 3 lit. b) StGB auf das aktive Personalitätsprinzip bestehen für aus dem Ausland hochgeladene und im Inland wahrnehmbare Inhalte in den meisten Fällen keine Strafbarkeitsrisiken. Insofern trägt der ausländische Hochladende auch mit einem Upload der ungekürzten Originalfassung aus dem Ausland kein Risiko der Strafverfolgung. So kann bereits an dieser Stelle festgehalten werden, dass § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB als nationale Strafnorm kein geeignetes Mittel darstellt, um kennzeichenbehafteten Inhalten auf Videostreamingplattformen oder in Computerspielen umfassend entgegen zu treten.

B. Ergebnis Ein Gleichlauf zwischen dem Vertrieb von Computerspielen auf Datenträgern im Staatsgebiet der BRD und dem digitalen Vertrieb mit identischen Inhalten in grenzüberschreitenden Konstellationen via Internet, ist nicht zu erreichen. Der Wunsch der Lokalisierung eines Erfolgsortes darf nicht über eine unverhältnismäßige Ausdehnung des abstrakten Gefährdungsdelikts auf Internetsachverhalte hinwegtäuschen. Der aus dem Ausland erfolgende Upload eines Computerspiels entzieht sich der nationalen Strafgewalt, da es an einem Erfolgsort fehlt.236 In diesem Zusammenhang erfüllt die Maßnahme des Geoblocks keine präventive Wirkung hinsichtlich § 86a StGB. Dieses Ergebnis 236  Basak, in: M/R, StGB, § 9 Rn. 9; Bochmann, S. 58; Bosch, S. 101; Bremer, S.  115 f.; Busching, MMR 2015, 195, 198; Dombrowski, S. 48, 100; Eser/Weißer, in: Sch/Sch, StGB, § 9 Rn. 7a; Hilgendorf, NJW 1997, 1873, 1876; ders., ZStW 113 (2001) 650, 663; Kienle, S. 68; Klengel/Heckler, CR 2001, 243, 248; Römer, S. 129; Satzger, NStZ 1998, 112, 115; Werle/Jeßberger, JuS 2001, 35, 39; Wiacek, S. 109; Zimmermann, HRRS 2015, 441, 443.

156

Kap. 3: Strafanwendungsrecht und downloadbasierter Vertrieb

vermag zwar vor dem Hintergrund enormer Strafbarkeitslücken keine kriminalpolitische Zufriedenheit zu erzielen. Kriminalpolitische Erwägungen sind aber grundsätzlich ungeeignet, einen Erfolgsort zu ersetzen.237 Gerade in Bezug auf Computerspiele als digitale Unterhaltungsmedien sei auf andere Kontrollmechanismen hingewiesen. So bindet der Jugendmedienschutz etwa in § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 JMStV das strafrechtliche Kennzeichenverbot unabhängig der strafrechtlichen Verantwortlichkeit in seinen Wirkungsmechanismus mit ein. Ferner bereitet Deutschland aufgrund der Größe des Gamingmarktes einen attraktiven Absatzmarkt für Computerspiele, der sich in jedem Fall einfacher und wirtschaftlicher aus dem Inland steuern und realisieren lässt. Das Interesse an einer Präsenz auf dem inländischen Computerspielemarkt begründet auch ein Interesse, die materiell-strafrechtlichen Strafvorschriften nicht zu verletzen, unabhängig von der anwendungsrechtlichen Reichweite. Vielfach besteht ein Interesse an einer Vermarktung des Mediums als Datenträger, sodass der Spielinhalt ohnehin im Einklang mit dem Kennzeichenverbot gehalten wird.

237  B/W/M/Eisele,

AT, § 5 Rn. 34.

Kapitel 4

Die Kennzeichenverwendung im Computerspiel vor dem Hintergrund der Sozialadäquanzklausel § 86a Abs. 3 StGB verweist auf die seit dem 14. StrRÄndG unveränderte Sozialadäquanzklausel des § 86 Abs. 3 StGB.1 Tathandlungen, die der staatsbürgerlichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder ähnlichen Zwecken dienen, sind nicht strafbar. Die strafrechtliche Spruchpraxis hatte seit der „Wolfenstein-Entscheidung“ des OLG Frankfurt a. M., in welchem die Sozialadäquanzklausel des § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB keine Beachtung fand,2 kaum Anlass, sich erneut näher oder entgegen der antiquierten Rechtsprechung aus dem Jahre 1998 zu positio­nieren.3 In der Literatur fand die Thematik zum Umgang mit der Sozialadäquanzklausel hinsichtlich des Verwendens von NS-Symbolik in Computerspielen bereits verhältnismäßig hohe Aufmerksamkeit.4 Im Folgenden sollen die Merkmale des § 86 Abs. 3 StGB untersucht werden, um die Zulässigkeitskriterien für die Implementierung von NS-Symbolen in Computerspielen zu liefern.

A. Aktuelle Entwicklungen zur Anwendung der Sozialadäquanzklauselbei Computerspielinhalten I. „Bundesfighter II – Turbo“ Vereinzelt angestrengte Strafverfahren gelangten nicht bis zur gericht­ lichen Entscheidung. Die Staatsanwaltschaft Stuttgart sah hinsichtlich des Spiels „Bundesfighter II – Turbo“, in welchem kurzzeitig rotierende, spiegel1  14.

StrRÄndG v. 22.04.1976, BGBl. I, S. 1056; Rahe, S. 61. Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356 ff. 3  Nur AG Detmold, Beschl. v. 19.01.2010 – 3 Gs 99/10 (juris). 4  So etwa Ellbogen, in: BeckOK-StGB, § 86 Rn. 29; Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 18 ff.; Hopf, ZUM 2019, 8, 13; Köhne, DRiZ 2003, 210, 211 ff.; Liesching, MMR 2010, 309, 310 ff.; Schwiddessen, CR 2015, 92, 95 f.; Wager, MMR 2019, 80, 81 ff. 2  OLG

158

Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

verkehrte Hakenkreuze zu sehen sind, nach § 152 Abs. 2 StPO von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ab.5 In diesem kompetitiven „Beat ’em up“6 kann der Spieler verschiedene Spitzenpolitiker der im Bundestag aus dem Jahre 2017 vertretenen Fraktionen gegeneinander antreten lassen. Auch der damalige Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland wird als Vertreter der AfD abgebildet. Bei dessen Angriff verwandelt er sich kurzzeitig in ein spiegelverkehrtes, rotierendes Hakenkreuz.7 Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft diene das Spiel der Kunst und der staatsbürgerlichen Aufklärung. Es komme nicht darauf an, ob Computerspiele generell als Kunst einzuordnen seien. Es handle sich um kein „übliches Spiel“. Die Zuordnung zur Kunst ergäbe sich nicht aus der medialen Stellung, sondern vielmehr aus dem satirischen Charakter. Darüber hinaus leiste das Spiel einen Beitrag zur politischen Meinungsbildung, weil es im Vorfeld der Bundestagswahl 2017 veröffentlicht wurde und einen Wahlaufruf am Ende des Spiels beinhalte.8 Die Auffassung der Staatsanwaltschaft Stuttgart nimmt Abstand von der Ansicht des OLG Frankfurt a. M. und eröffnet Computerspielen mit Blick auf eine inhaltliche Gesamtbetrachtung des Spiels grundsätzlich den Zugang zur Sozialadäquanzklausel. Auch die Tatsache, dass bereits nach § 152 Abs. 2 StPO von einem Ermittlungsverfahren abgesehen wurde, offenbart die restriktive Gesamtbetrachtung der Strafbarkeit nach § 86a StGB im Zusammenhang mit dem Computerspiel.

II. „Wolfenstein – Youngblood“ Ein weiteres Beispiel der aktuellen Entwicklung bietet der First-PersonShooter „Wolfenstein – Youngblood“. Als zentrales Spielziel kann die Bekämpfung eines nationalsozialistischen Regimes identifiziert werden, das in der fiktionalen Alternativweltgeschichte den Zweiten Weltkrieg gewonnen hat. Der Rezipient hat keine Möglichkeit, auf die Seite des NS-Regimes zu wechseln, sondern wird dauerhaft mit dem Feindbild unter der NS-Symbolik konfrontiert. Das Spiel erhielt eine jugendschutzrechtliche Altersfreigabekennzeichnung. Eine solche vermag die objektive Tatbestandsmäßigkeit des Inhalts zwar nicht auszuschließen. Der Erteilung einer Altersfreigabekennzeichnung kann aber eine indizielle Bedeutung für die Abkehr eines sektoralen Totalverbots der jugendschutzrechtlichen Praxis entnommen werden, die sogar auf unterhaltende First-Person-Shooter durchschlägt. 5  Zum Ganzen: StA Stuttgart v. 20.12.2017, Az.: 9UJs 11892/17 abrufbar unter: https://vdvc.de/blog/wp-content/uploads/2018/05/Verfahren.pdf (Stand: 16.07.2021). 6  Durch den direkten Einsatz körperlicher Gewalt kämpft das Spielersubstitut im Prügelspiel gegen einen Kontrahenten. 7  Siehe Abb. 6. 8  Zum Ganzen: StA Stuttgart v. 20.12.2017, Az.: 9UJs 11892/17.



A. Aktuelle Entwicklungen zur Anwendung der Sozialadäquanzklausel 159

Gleichwohl ist seit Veröffentlichung des Werks Mitte 2019 kein strafrecht­ liches Ermittlungsverfahren bekannt geworden. Mangels eines Ermittlungsverfahrens bleibt die Stellungnahme des OLG Frankfurt a. M. aus dem Jahre 1998 die einzige Stimme der gerichtlichen Praxis, sodass aus dem nicht angestrengten Strafverfahren keine positive Abkehr der Spruchpraxis von der Unzulässigkeit der Kennzeichenverwendung in Computerspielen konstruiert werden kann.

III. Stand der Literatur Teile der Literatur haben die nahezu flächendeckende Selbstzensur der Hersteller von Computerspielen zum Anlass genommen, sich näher mit dem Problem der sozialadäquaten Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Computerspielen zu befassen. 1. Ablehnung der Sozialadäquanz Rahe schließt eine sozialadäquate Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen in Computerspielen i. S. d. § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB gänzlich aus, weil Computerspiele lediglich Simulationen sind, welche nicht in der Lage seien, die Strafbarkeit auszuschließen.9 Computerspiele würden nur deshalb mit NS-Symbolik aufgeladen, um die Attraktivität beim Rezipienten zu erhöhen. Auch eine erzieherische Wirkung vermögen sie nicht zu erzielen, sondern bergen die Gefahr eines fatalen Gewöhnungseffektes Jugendlicher an die Kennzeichen. Dies gelte auch, wenn das Spiel auf die Bekämpfung der virtuellen Kennzeichenträger ausgerichtet ist, weil das Spiel in keiner Weise geeignet sei, eine ernsthafte Auseinandersetzung mit nationalsozialistischem Gedankengut zu ermöglichen. Es bestehe ein qualitativer Unterschied zwischen der spielerischen Vernichtung der Symbolträger und der realen Bekämpfung nationalsozialistischen Gedankenguts, den das Computerspiel nicht überwindet.10 2. Computerspiele im Rahmen der Kunst oder der ähnlichen Zwecke Vielfach wird die Auffassung vertreten, dass Computerspiele den Merkmalen der Kunst oder den ähnlichen Zwecken zugeordnet werden können.11 Im S. 249. S. 249. 11  Köhne, DRiZ 2003, 210, 211; Liesching, MMR 2010, 309, 310; Schwiddessen, CR 2015, 92, 95; Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 27; Wager, MMR 2019, 80, 82. 9  Rahe,

10  Rahe,

160

Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

Rahmen einer Einzelfallbeurteilung sei festzustellen, ob das Computerspiel der Kunst oder ähnlichen Zwecken dient.12 Der erkennbare und zentrale Unterhaltungscharakter des Mediums schließe die Subsumtion diese Merkmale nicht notwendigerweise aus.13 Die Zuordnung des Computerspiels zur Kunst oder den ähnlichen Zwecken stützt sich vorwiegend auf die Vergleichbarkeit des Spiels mit fiktionalen Filmen, die lineare Gegnerschaft des Spielersubstituts zum Kennzeichen, die dramaturgisch-authentische Einbettung und Überlegungen zur allgemeinen sozialen Adäquanz.14 a) Arg. e künstlerischer Schaffensprozess Die Entstehung eines modernen Computerspiels bedarf einer Vielzahl ­ reativer Schaffensprozesse. Grafikdesigner, Spielplot-Autoren, Regisseure, k Drehbuchautoren, Komponisten, Musiker und viele weitere Beteiligte leisten Beiträge zum Erschaffen einer aufwendigen digitalen Komposition.15 Köhne erkennt Computerspiele als eigenen Werktyp an, weshalb sie systematisch sogar dem formalen Kunstbegriff unterfallen und es nicht des offenen Kunstbegriffs bedürfe.16 Auch wird angemerkt, dass mit Blick auf die Zwecke der Aufmerksamkeitsgewinnung und der Absatzförderung in Übereinstimmung mit dem BVerfG kein Exklusivitätsverhältnis zur Kunst bestehe.17 Zudem werden Computerspiele als Kulturgut angesehen.18 Auch die USK, als eine zentrale Jugendmedienschutzinstitution, erkennt in ihrer Präambel Computerspielen die Qualifikation als Kunstwerk nicht zwangsläufig ab.19

MMR 2010, 309, 310. MMR 2010, 309, 310; Wager, MMR 2019, 80, 82. 14  Ellbogen, in: BeckOK-StGB, § 86 Rn. 29; vgl. Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 16. 15  Brüggemann, CR 2015, 697; Köhne, DRiZ 2003, 210, 211; Liesching, MMR 2010, 309, 310; Schwiddessen, CR 2015, 92, 96. 16  Köhne, DRiZ 2003, 210, 211; zust. Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 19. 17  Vgl. BVerfGE 82, 1, 6; Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 29; so auch Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 30. 18  Deutscher Kulturrat, Pressemitteilung v. 04.09.2017, abrufbar: https://www. kulturrat.de/presse/pressemitteilung/kulturgut-computerspiele-2/?print=pdf (Stand: 13.06.2021); Schwiddessen, CR 2015, 92, 95; Weigand, in: Computerspiele – Neue Herausforderungen, S. 41, 42; Zimmermann, P&K, 5/2017, S. 17. 19  Leitkriterien der USK für die Prüfung von Computer- und Videospielen, S. 4 (im Folgenden: Leitkriterien USK), abrufbar unter: https://usk.de/?smd_process_ download=1&download_id=1018522 (Stand: 07.07.2020); vgl. auch Hopf, ZUM 2019, 8, 13. 12  Liesching, 13  Liesching,



A. Aktuelle Entwicklungen zur Anwendung der Sozialadäquanzklausel 161

b) Arg. e intermediale Vergleichbarkeit Eine streng nach Medienarten differenzierte Betrachtung sei nicht ziel­ führend, weil zwischen Filmen und Computerspielen ein medial fließender Übergang bestehe.20 In Unterhaltungsfilmen werde die Implementierung von NS-Symbolen als unproblematisch qualifiziert.21 Die werktypspezifische Abgrenzung von Filmen und Computerspielen sei kaum möglich, weil Computerspiele oft erläuternde Filmelemente beinhalten.22 Grundsätzlich tragen Filme und Computerspiele einen linearen Handlungsverlauf.23 So leuchte es nicht ein, Spiele grundsätzlich von NS-Symbolik freizuhalten, Filme aber nicht. Dies gelte insbesondere dann, wenn die fiktionale Geschichte sowohl als Filmwerk, als auch identisch in Form des Computerspiels vorliegt.24 Zudem merkt Köhne die nahezu identische Machart von Trickfilmen und Computerspielen an.25 Das dem Computerspiel wesensimmanente Merkmal der Interaktivität und die Abhängigkeit des Handlungsfortgangs vom Rezipienten schade der intermedialen Vergleichbarkeit nicht und biete kein trennscharfes Unzulässigkeitsmerkmal.26 In Anlehnung an die Gemeinsamkeiten beider Werktypen sei eine medientypologische Abgrenzungsdogmatik nicht nachvollziehbar und die einheitliche Beurteilung angezeigt.27 c) Arg. e gegnerschaftliche Ausrichtung des Spielersubstituts Die Sozialadäquanzklausel soll gerade dann zur Anwendung gelangen, wenn die lineare, konsequente Gegnerschaft gegen die Kennzeichenträger in 20  Ellbogen, in: BeckOK-StGB, § 86 Rn. 29; Liesching, MMR 2010, 309, 311; Schwiddessen, CR 2015, 92, 95. 21  Dankert/Sümmermann, BPjM-Aktuell 2/2018, 4, 5; Falk/Hentsch, BPjM-Ak­ tuell 2/2018, 14; Schwiddessen, CR 2017, 681, 688. 22  Heckmann, in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 8 Rn. 486; Köhne, DRiZ 2003, 210, 211. 23  Schwiddessen, CR 2015, 92, 95 weist darauf hin, dass Computerspiele niemals exakt identisch ablaufen, weil sie vom wesensimmanenten Merkmal der Interaktivität getragen sind. Jedoch existieren auch interaktive Filme, in welchen der Rezipient verschiedene Handlungsausgänge wählen kann. 24  Nach Gieselmann, Der virtuelle Krieg, S. 71 f. sind Entwicklung und thematische Bezüge von Computerspielen häufig durch Filmwerke inspiriert; Köhne, DRiZ 2003, 210, 211 verweist auf „Indiana Jones und der letzte Kreuzzug“, welches als Unterhaltungsfilm und gleichnamiges Computerspiel erhältlich ist. 25  Köhne, DRiZ 2003, 210, 211. 26  Brüggemann, CR 2015, 697, 698; Schwiddessen, CR 2015, 92, 95. 27  Ellbogen, in: BeckOK-StGB, § 86 Rn. 29; Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 16; ders., in: Recht der elektronischen Medien, § 4 JMStV Rn. 6; Heckmann, in: jurisPKInternetrecht, Kap. 8 Rn. 486; Rauda, Recht der Computerspiele, Rn. 528.

162

Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

Gesamtschau des medialen Inhalts hervortritt und zudem eine Negativakzentuierung der Symbole vorgenommen wird.28 Viele Computerspiele nutzen NS-Kennzeichen in einem fantastischen oder einem historisch-realitätsnahen Gesamtsetting zur Stigmatisierung des Feindes im Rahmen eines narrativen Handlungsstrangs. Spielehersteller bedienen sich gezielt der wesensimmanenten Signalwirkung von NS-Symbolik, um der vermittelten Spielgeschichte eine – meist eindeutig – unrechtsbekämpfende Wirkung zu verleihen. Schwiddessen weist zutreffend darauf hin, dass auch im Rahmen der linearen Gut-Böse-Zeichnung verzerrende Umstände hinzutreten können. Insbesondere wird das Wechseln auf die Seite der Kennzeichenträger zum Schein in spielinternen Sabotage- oder Spionageaufträgen angesprochen.29 d) Arg. e Massenhaftigkeit oder dramaturgisches Beiwerk Der formale Kunstgehalt eines Computerspiels soll an Bedeutung gewinnen, wenn die NS-Symbolik nicht vordergründig in Erscheinung tritt, sondern in einem historischen Gesamtgepräge als dramaturgisches Beiwerk in die Spielwelt eingebettet ist.30 Eine inflationäre und exponierte Verwendung der NS-Symbolik im Spiel hingegen ließe keinen Raum für die Anwendung der Sozialadäquanzklausel.31 Nach Schwiddessen kann auch eine in Einzelszenen gehäufte Kennzeichenwahrnehmbarkeit der dramaturgischen Aus­ gestaltung des Mediums dienen.32 Somit bedarf auch dieses Merkmal der normativen Ausgestaltung. Zwar diskutiert Schwiddessen diese Problematik bereits im Bereich der ungeschriebenen teleologischen Tatbestandsreduk­ tion.33 Die Problematik verlagert sich aber bei Fehlen der Offenkundigkeit der fehlenden Schutzzweckverletzung wohl in die Beurteilung der Sozial­ adäquanzklausel. Die Legitimation als Kunst bedürfe einer deutlichen künstlerischen Akzentuierung der Gesamtkomposition34 und stehe ganz im Zeichen der kumulativen Negativakzentuierung, der Gegnerschaft zum Symbol 28  Liesching, MMR 2010, 309, 312; Rauda, Recht der Computerspiele, Rn. 528; Schwiddessen, CR 2015, 92, 96. 29  Schwiddessen, CR 2015, 92, 97. 30  Keller, in: Hamburger Kommentar, Gesamtes Medienrecht, 86.  Abschnitt Rn. 13; Liesching, MMR 2010, 309, 310  f.; Rauda, Recht der Computerspiele, Rn. 527; Köhne, DRiZ 2003, 210, 211 f. setzt sich zwar mit der Kunsteigenschaft des Werks auseinander, ohne aber dem Merkmal des Dienens einen besonderen Stellenwert einzuräumen. 31  Liesching, MMR 2010, 309, 310. 32  Schwiddessen, CR 2015, 92, 97. 33  So auch Keller, in: Hamburger Kommentar, Gesamtes Medienrecht, 86. Abschnitt Rn. 13. 34  Liesching, MMR 2010, 309, 310.



A. Aktuelle Entwicklungen zur Anwendung der Sozialadäquanzklausel 163

und der hintergründigen Implementierung.35 So könne mit der Kennzeichenverwendung im Spiel einzelfallbedingt eine Steigerung des authentischen Spielerlebens vor dem Hintergrund des thematisierten historischen Kontextes geliefert werden. Gerade der Zweck zur dramaturgischen Einbettung oder originaltreuen Nachzeichnung ist für die ähnlichen Zwecke umstritten. In seiner „Modellflugzeug-Entscheidung“ ließ der BGH die gesteigerte Originaltreue an Spielzeugen den Anforderungen einer sozialadäquaten Verwendung nicht genügen.36 Die Entscheidung fand Zustimmung in der Literatur37 und auch das OLG München positionierte sich gegen eine Anerkennung der Schaffung originalgetreuer Werke oder Modelle.38 Bereits im Jahre 1960 stellte Lüttger vor dem Hintergrund der Sozialadäquanz fest, dass es für den objektiven Tatbestand des § 4 VersG a. F. belanglos sei, ob die wahrnehmbaren Kennzeichen lediglich als Beiwerk zu qualifizieren sind.39 Insofern ist die Authentizitätssteigerung durch das dramaturgische Begleitelement der NS-Symbole nicht unproblematisch und wird seitens der Literatur teilweise aufgrund der „Modellflugzeug-Entscheidung“ auf Computerspiele – ungesehen der inhalt­ lichen Ausrichtung des Werkes – übertragen.40 e) Arg. e soziale Unauffälligkeit und gesellschaftliche Akzeptanz Liesching stellt fest, dass Computerspielen eine ähnliche gesellschaftliche Akzeptanz entgegen gebracht würde wie US-amerikanischen Spielfilmproduktionen.41 Dagegen wird eingewandt, dass die gesellschaftliche Akzeptanz von NS-Symbolik durch die zwar veraltete, aber fortwährend diskutierte, Rechtsprechung des OLG Frankfurt a. M. getrübt wird. Auch Vielspieler wären von einer Implementierung von NS-Kennzeichen in actionbasierten Unterhaltungsspielen überrascht. Aufgrund dessen könne eine Subsumtion unter die ähnlichen Zwecke nicht erfolgen.42 Die soziale Unauffälligkeit medialer Verwendungsformen orientiert sich nach einem Teil der Literatur stark an der intermedialen Vergleichbarkeit und soll den Zweck des Entertainments beMMR 2010, 309, 312. 28, 397, 398; zust. Eisele, Computer- und Medienstrafrecht, § 28

35  Liesching, 36  BGHSt

Rn. 102. 37  Bonefeld, DRiZ 1993, 430, 435; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86a Rn. 7; Reuter, S. 258; a. A. Paeffgen, in: NK-StGB, § 86a Rn. 21. 38  OLG München, NStZ-RR 2005, 371. 39  Lüttger, GA 1960, 129, 138. 40  Cole, in: HB Medienrecht, S. 243. 41  Liesching, MMR 2010, 309, 311. 42  Schwiddessen, CR 2015, 92, 96.

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

gründen.43 Jedenfalls kann Unterhaltungsfilmen ein hoher Unterhaltungswert beigemessen werden, der zugleich auch der zentralen Zielsetzung des Gesamtwerks entspricht. Hieraus resultiere, dass Entertainment als Zwecksetzung moderner Unterhaltungsfilme, die keinen historischen Bezug aufweisen, sozialadäquat und sozial unauffällig i. S. d. § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB seien. Dies könne auf Computerspiele übertragen werden.44 f) Zwischenergebnis Im Ergebnis diskutiert die Literatur die Kennzeichenverwendung in Computerspielen umfassend unter Bezugnahme auf die medialen Merkmale des Computerspiels, die gesellschaftliche Wahrnehmung der Werke und die kommunikative Stellungnahme des Spielinhalts zu den implementierten NSSymbolen. Anders als noch das OLG Frankfurt a. M. suchen viele Autoren nach differenzierten Lösungen, wie sie auch für andere mediale Darstellungsformen etabliert sind. Ein Großteil der gezielten wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit der Sozialadäquanzklausel des § 86 Abs. 3 StGB erteilt einem sektoralen Verwendungstotalverbot im Unterhaltungsmedium des Computerspiels eine Absage.45 Die Begründungen weichen erheblich voneinander ab. Wesentlicher Verdienst der Literatur ist jedenfalls die Abkehr von der antiquierten Entscheidung des OLG Frankfurt a. M. aus dem Jahre 1998. Ein differenzierter Lösungsansatz erfordert insofern die Identifizierung der vermittelten Inhalte unter Nutzung der Kennzeichen im Computerspiel selbst, um strafbare und straflose Tathandlungen voneinander abzugrenzen.

IV. Zweckidentifizierung von NS-Symbolen in Computerspielen Die unbegrenzten Darstellungs- und Implementierungsformen von NSSymbolik in spielinterne Gesamtzusammenhänge sind nur durch die Fantasie der Entwickler selbst begrenzt. Eine abschließende Aufzählung aller Verwendungsmöglichkeiten und die aus der Gesamtbetrachtung der Verwendungsumstände hervorgehende kommunikative Wirkungsrichtung der Kennzeichen ist kaum zu leisten. Mit Blick auf mittlerweile typisierte Spielformen und aufgetretene Einzelfälle zur Kennzeichenverwendung im Spiel können einige objektiv erkennbare Zwecksetzungen in Bezug auf die Kennzeichen ermittelt werden. 43  Liesching, MMR 2010, 309, 311; Rauda, Recht der Computerspiele, Rn. 528; Wager, MMR 2019, 80, 82. 44  Liesching, MMR 2010, 309, 311. 45  A. A. Cole, in: HB Medienrecht, S. 243; Rahe, S. 249.



A. Aktuelle Entwicklungen zur Anwendung der Sozialadäquanzklausel 165

1. Typisierte Zwecksetzungen innerhalb des linearen Einzelspielermodus und des kooperativen Mehrspielermodus Die typischerweise gleichartige Beurteilung von Einzel- und kooperativen Mehrspielermodi resultiert aus der Identität der Gesamtumstände. Innerhalb des kooperativen Mehrspielermodus ändert sich am häufig verarbeiteten Spielziel zur Bekämpfung des stigmatisierten Feindes in der Regel nichts. Linearer Handlungsverlauf und audiovisuelles Gesamtsetting verlaufen gleich. Die spezifische Abweichung zum Einzelspieler beschränkt sich regelmäßig auf die Umsetzung der Spielaufgabe durch mehrere zusammenwirkende Rezipienten. a) Legitimation des Spielauftrags im Zuge der linearen Gegnerschaft Verschiedene Computerspiele haben in ihren ungekürzten Originalfassungen gezeigt, dass die Kennzeichenverwendung zumeist die hauptsächlichen Handlungsstränge begleiten. First-Person-Shooter, wie „Call of Duty – World at War“ oder die nicht an historischen Tatsachen ausgerichteten Werke der „Wolfenstein“-Spielreihe, sind von Hakenkreuzen durchzogen und illustrieren durchgehend den Bekämpfungsauftrag des Spielersubstituts. Die implementierten Kennzeichen treten bei einer Einbettung in die Spielwelt in Wechselwirkung mit dem Spielauftrag und weisen dem Rezipienten als Identifika­ tionsmerkmal des Feindes einen Bekämpfungsauftrag zu. Sie beziehen sich sowohl durch die filmischen Erläuterungen und Begleitszenen als auch durch die gezielte Verwendung in Gebieten des Feindes oder an diesem selbst direkt auf den Handlungsauftrag des Spielersubstituts. Sie erscheinen nicht als losgelöstes Element der virtuellen Spielwelt, wie etwa einige detaillierte Ausgestaltungen von unbedeutsamen Räumen oder Nebengebieten, die für den zentralen Handlungsauftrag von geringerer Relevanz sind. Durch die fortwährende Verbindung mit dem Feind und die untrennbare Kopplung an den Handlungsauftrag erhält das Kennzeichen eine starke Legitimationswirkung. So kann anhand des Spielauftrags zur Bekämpfung der Kennzeichenträger für das Computerspiel das Merkmal der linearen und handlungsbestimmenden Gegnerschaft zum Kennzeichen verdeutlicht werden. Die lineare Grundausrichtung des Spiels bleibt durchaus erhalten, wenn der Spieler zu Zwecken der Tarnung SS-Uniformen anlegen muss und in Quartiere des Feindes eindringt. Muss der Rezipient in einem Computerspiel lediglich aus Spionagezwecken kurzzeitig als Kennzeichenträger bzw. Kennzeichenvertreter in Erscheinung treten, so läuft der Rezipient typischerweise stets Gefahr, im Falle einer Enttarnung wieder aktiv eine gegnerschaftliche Position einnehmen zu müssen, um das vorgegebene Spielziel zu erreichen. Trotz der Einbettung besonderer Spionagemissionen, in welchen der Spieler näher an

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

das Kennzeichen heranrückt als in den meisten anderen Momenten, wird die Gesamterscheinung des Mediums nicht notwendigerweise erschüttert, wenn das gegnerschaftliche Spielziel erkennbar weiter verfolgt wird. Mit der Zweckbindung der Sozialadäquanzklausel gehen geringere Anforderungen an die Gegnerschaft einher, als bei der Beurteilung der teleologischen Tatbestandsreduktion.46 Szenen, die eine kommunikative Gegnerschaft aufzulösen scheinen, sind mit Blick auf die Gesamtwürdigung der Kennzeichenverwendung zu beurteilen.47 b) Dämonisierungszwecke Der lineare narrative Handlungsverlauf eines Einzelspielermodus verfolgt in actionbasierten Computerspielen zumeist den Zweck, gegen eine – in welcher Form auch immer geartete – verwerfliche oder gar böse Macht vorzugehen. Diese kann als terroristische Bedrohung, feindliche Kriegsmacht, widerrechtliche Besatzung oder bösartige Monster in Erscheinung treten.48 Oftmals agiert der Spieler als Protagonist zur Verteidigung des Guten und Richtigen. Auf Basis dieser erzählerischen Grundstruktur wurde die NS-Symbolik wiederholt als Stigmatisierungsmerkmal des zu bekämpfenden Feindes – etwa in von diesem beherrschten Räumen – verwendet.49 Spiele mit historischem Gesamtsetting betten das Kennzeichen nicht nur zur Legitimation des Handlungsauftrags ein, sondern bewahren den unrechtsspezifischen originalen Charakter des Symbols. Dies gilt vor allem für das Hakenkreuz. Mit der Möglichkeit zur Konzeption realitätsferner Szenarien, um originale Kennzeichen in neue spielspezifische Gesamtzusammenhänge zu versetzen, entfernen sich Computerspiele von der historischen Wirklichkeit. Zwar entfernt sich in der „Wolfenstein“-Reihe die Spielgeschichte von der historischen Wahrheit. Der spielintern vermittelte Organisationsbezug des Hakenkreuzes zum NS-Regime greift aber weiterhin das historische Abbild auf. Damit treffen die lineare Gegnerschaft und der Erhalt des spezifischen Unrechtsgehalts in beiden Spielsettings zusammen und ein Dämonisierungseffekt ist wahrnehmbar. Zwar merkt das OLG Frankfurt a. M. an, dass je nach Spielkonzeption Sympathien mit dem bekämpften Feind geweckt werden könnten.50 Eine S. 251. Umständen, die eine gegnerschaftliche Position des Spiels relativieren können, sogleich Kap. 4 B. VI. 48  Die Aufzählung ist nicht abschließender Natur. 49  So auch in „Wolfenstein 3D“, das OLG Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356 zugrunde lag. 50  So OLG Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356, 357; a. A. Bopp, in: Shooter, S. 183, 185; Heuser, S. 53. 46  Reuter, 47  Zu



A. Aktuelle Entwicklungen zur Anwendung der Sozialadäquanzklausel 167

Dämonisierungswirkung steht dem wohl entgegen. Der stigmatisierte Feind erscheint geradezu als Verfechter des Bösen und der menschenverachtenden Doktrin des Nationalsozialismus. Ist gesamtmedial ein Dämonisierungseffekt auszumachen, so kann dem Werk keine Schutzzweckverletzung entnommen werden, wenn bereits die einfach gelagerte lineare Gegnerschaft zum Tatbestandsausschluss geeignet ist. c) Authentizitätssteigerung des historischen Gesamtsettings Ein historisches Setting richtet sich vor allem an der grafischen Gestaltung der virtuellen Welt und der visuellen Erscheinung der steuerbaren Einheiten aus. Der Spielinhalt orientiert sich sodann nah an der historischen Realität und versucht durch historisch akkurat erscheinende Uniformen, eine historische Waffenauswahl und ein entsprechendes Abbild der Umwelterscheinung der Kriegsjahre in den urbanen Räumen ein stimmiges Gesamtkonzept der anvisierten Zeitepoche zu vermitteln. Insgesamt soll ein authentisches Gesamtbild geschaffen werden. Die Einbettungsmöglichkeiten für NS-Kenn­ zeichen zur Steigerung des authentischen Spielerlebnisses reichen von vermeintlich originalen Filmaufnahmen bis zur Stilisierung der virtuellen ­ Spielwelt selbst. Etwa die Zuordnung der als Wehrmacht identifizierbaren Fraktion unter die originale Flagge des Deutschen Reiches kann eine Authentizitäts- und Realitätssteigerung des Werks bewirken.51 Die Abbildung real wirkender Banner in Räumlichkeiten und Gebieten des Feindes oder bei dargestellten Paradezügen verhilft dem Spieler zu einer geschichtlichen und politisch-soziologischen Einordnung des Spielinhalts. Der kompetitive Mehrspielermodus bedient sich häufig der aus dem Einzelspieler bekannten Spielwelten. Die stilistische Einbettung in die Spielwelt wird auch in diesen Modus übertragen. Die Förderung der Authentizität wird nicht notwendigerweise durch den Perspektivwechsel im kompetitiven Mehrspielermodus verdrängt und ist insofern unabhängig vom Blickwinkel des Betrachters. Sie bleibt auch erhalten, wenn der Spieler als Vertreter des Kennzeichens selbst in die Schlacht zieht und sich das audiovisuelle Gesamtsetting nicht ändert. Lediglich die spielgeschichtliche Legitimationswirkung und Dämonisierung führen sich gerade im kompetitiven Wettkampf aufgrund der Spielbarkeit auf Seiten der Kennzeichenvertreter nicht fort. 51  So sind etwa die Strategiespiele „Company of Heroes“ und „Company of ­Heroes  2“ auf eine möglichst authentische Abbildung von Kampfhandlungen, Waffen und Streitkräften des Zweiten Weltkriegs ausgerichtet. In dieses audiovisuelle Gesamtsetting könnten nationalsozialistische Kennzeichen authentizitätssteigernd eingefasst werden.

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

d) Propagandistische Beeinflussung Insbesondere Amateurprogrammierungen aus rechtsextremen Kreisen bringen immer wieder Spiele hervor, die offensichtlich faschistisches, rassistisches und menschenverachtendes Gedankengut transportieren. Exemplarisch sei erneut „KZ-Manager Millennium“ genannt, in welchem der Spielauftrag in der effektiven Leitung eines Konzentrationslagers besteht. Die den Nationalsozialismus verherrlichende und huldigende kommunikative Wirkung des Spiels steht außer Frage.52 e) Wissensvermittlung Der verhältnismäßig neue Bereich des Serious Game löst sich von der klassischen Wahrnehmung von Computerspielen und bildet ein Gegengewicht zu actionbasierten Spielen, die vorwiegend durch schnelllebige strategische Elemente und durch ein Erfordernis hoher Geschicklichkeit gekennzeichnet sind. Das Serious Game erhält einen edukativen Einschlag und Informationen zur Zeit des Nationalsozialismus werden in einem jugendaffinen Medium verarbeitet. Dass Spiele auch zur Wissenserweiterung dienen können, ist auch in der Medienwirkungsforschung anerkannt.53 Ferner sind keine Anhaltspunkte zu erkennen, warum die Informationsvermittlung zu tatsächlichen Vorgängen der Vergangenheit und Gegenwart durch Computerspiele nicht möglich sein sollte. Der gezielte Einsatz der Kennzeichen, um über die zugehörigen Organisationen und deren Strukturen aufzuklären, kann zur Wissensvermittlung beisteuern. Hinsichtlich filmischer Dokumentationen ist diese Zwecksetzung anerkannt, wenn NS-Symbole zur Erläuterung des historischen Gesamtzusammenhangs beitragen.54 Insbesondere Serious Games, in denen bei objektiver Betrachtung die Wissensvermittlung und die Förderung der staatsbürgerlichen Verantwortungsbereitschaft nicht hinter effektgeladene, schnelllebige Inhalte zurücktritt, können der Wissensvermittlung zugeordnet werden.55 Diese Zwecksetzung schlägt auf die konkrete Kennzeichenverwendung etwa dann durch, wenn Informationen in ein direktes Verhältnis zu den Symbolen gesetzt werden, sie also zu Visualisierungszwecken eingesetzt werden. 52  Andere propagandistische Spiele sind „KZ-Rattenjagd“, „Nazi-Doom“ oder „Zog’s Nightmare“. 53  Klimmt, S. 30; Reinecke/Klein, in: Game Studies – Computerspielforschung, S. 210, 234; Schweiger, in: Schweiger/Fahr, HB Medienwirkungsforschung, S. 15, 21; vgl. Schwiddessen, CR 2015, 92, 97. 54  Liesching, MMR 2010, 309. 55  Reinecke/Klein, in: Game Studies – Computerspielforschung, S. 210, 234 f.



A. Aktuelle Entwicklungen zur Anwendung der Sozialadäquanzklausel 169

2. Typisierte Zwecksetzungen innerhalb des kompetitiven Mehrspielermodus a) Gewinnmaximierung Gewinnorientierte Unternehmen handeln vorwiegend aus wirtschaftlichen Interessen. Der wirtschaftliche Erfolg eines Spiels resultiert aus einer Vielzahl an Faktoren, unter anderem aus der grafisch-visuellen Ausgestaltung, der Realitätsnähe, den Spielmodi und der unterhaltenden, vielseitig programmierten Spielwelt. Insbesondere für Spiele, die den Zweiten Weltkrieg thematisieren, nimmt die Authentizität der Darstellungen einen hohen Stellenwert ein. Je authentischer sich das Spiel präsentiert, umso höher ist dessen Potenzial, einen hohen Beliebtheitsgrad zu erlangen. Der erste First-PersonShooter, der legal und spielmodiübergreifend Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen enthält, würde viel Aufmerksamkeit in der Fachpresse erhalten.56 Die Verwendung von NS-Symbolik würde sodann nicht nur die Authentizität der Darstellungen, sondern auch wirtschaftliche Zwecke erheblich fördern. Ferner entfiele für den Hersteller die Notwendigkeit der zeitund kostenintensiven Überarbeitung für eine Vertriebsfreigabe in Deutschland. Um den wirtschaftlichen Erfolg der für den internationalen Markt entwickelten Spiele sicher zu stellen, bedarf es einer möglichst schnellen Vertriebsfreigabe, die durch die jugendschutzrechtliche Prüfung des Mediums durch die USK bzw. die OLJB vorgenommen wird. Das Interesse des Anbieters ist auf eine zügige Abwicklung des Verfahrens gerichtet, um keine Verzögerung des geplanten Veröffentlichungsstarts zu riskieren. In diesem Zusammenhang sind etwa an die Versagung einer Altersfreigabekennzeichnung und ein zeitaufwendiges verwaltungsrechtliches Verfahren oder die Überarbeitung des gesamten Titels zu denken. Computerspiele verlieren rasch an Wert.57 Den Attraktivitäts- und Gewinnsteigerungsabsichten des Spiels durch NS-Symbolik stehen erhebliche wirtschaftliche Risiken aufgrund der Gefahr der Beschlagnahme im Rahmen eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens nach § 94 Abs. 1 StPO gegenüber.58 Gewinnerzielungsabsichten sind für die 56  Bereits „Wolfenstein – Youngblood“ als First-Person-Shooter mit durchgehend linearer Spielgeschichte erhielt in der Fachpresse hohe Aufmerksamkeit; vgl. Spiegel Netzwelt v. 26.06.2019 abrufbar unter: https://www.spiegel.de/netzwelt/games/wolfensteinyoungblood-erscheint-auch-mit-hakenkreuzen-a-1274471.html (Stand: 22.09.2021). 57  Kauert, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. II, 6 Rn. 180; Schade/ Ott, MMR 2010, 578, 580; Schwiddessen, CR 2015, 92, 99. 58  Vgl. Eisele, Computer- und Medienstrafrecht, § 52 Rn. 3; Gerhold, in: BeckOKStPO, § 94 Rn. 3; Greven, in: KK-StPO, § 94 Rn. 3 f.; Liesching, MMR 2010, 309, 310.

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

Herstellung des Spiels selbst ein Leitmotiv, nicht aber für die Kennzeichenverwendung in diesem. b) Entertainment Computerspiele sind Unterhaltungsmedien und dienen der Freizeitgestaltung der Rezipienten. Die Erhöhung der Attraktivität des Spiels und des Unterhaltungswerts kann als Entertainment bezeichnet werden.59 Das regelmäßig angeführte Argument, die Straflosigkeit der Kennzeichenverwendung würde in Filmwerken durch die Bekämpfung der Kennzeichenträger erreicht,60 würde mit dem Verlust der Linearität innerhalb des kompetitiven Mehrspielermodus ins Gegenteil verkehren, wenn die stigmatisierte Fraktion selbst vom Rezipienten gesteuert werden kann. Gerade der kompetitive Mehrspielermodus ist in den meisten Fällen höher frequentiert und wird über Jahre hinweg von vielen Spielern zu Unterhaltungszwecken genutzt. Die Möglichkeit, nicht nur linear gegen den Vertreter der Kennzeichen vorzugehen, sondern auch auf Seiten des Kennzeichens zu agieren, wird in vielen First-Person-Shootern durch die Streichung der Symbole unterbunden. Die Nichtlöschung der Kennzeichen würde dem entsprechenden Spiel ein spezifisches Alleinstellungsmerkmal verleihen. Die Attraktivität und der Unterhaltungswert des Spiels würden gerade in Bezug auf den kompetitiven Mehrspielermodus stark zunehmen. Gerade vor dem Hintergrund des gelebten sektoralen Totalverbots durch die „Wolfenstein-Entscheidung“ ist einer zulässigen Implementierung von NS-Kennzeichen ein gesteigerter Attraktivitätsgrad des Spiels sicher. Der Kennzeichenverwendung im Einzel- und Mehrspielermodus ist eine Förderung von Unterhaltungszwecken immanent.

V. Konsequenzen für die Untersuchung Im Zuge einer Zweckidentifizierung der Verwendung von NS-Symbolen in Computerspielen kann oftmals ein Legitimationszweck des Spielauftrags, ein Dämonisierungseffekt oder eine Realitäts- und Authentizitätssteigerung entnommen werden. Ferner ist bei Spielen mit edukativem Anspruch eine gewisse Informationsvermittlung zu identifizieren. In jedem Fall wohl steigert NS-Symbolik die Attraktivität und den Unterhaltungswert. Mit Blick auf den kompetitiven Mehrspielermodus kann eine lineare Dämonisierung durch die Einbettung der Kennzeichen wohl nicht aufrecht erhalten bleiben, wenn das Spielersubstitut der stigmatisierten Fraktion zuzuordnen ist. Sind ein Einzelund ein kompetitiver Mehrspielermodus vorhanden, ergibt sich die ZweckMMR 2010, 309, 311. Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 12 f.

59  Liesching, 60  Vgl.



B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel171

dienlichkeit aus der Betrachtung beider Modi Operandi in einer Gesamtschau.61

B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel Um die Subsumtion unter die einzelnen Ausschlussvarianten des § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB zu ermöglichen62 und strafbare von straflosen Verwendungen abzugrenzen, ist ein normatives Verständnis der Sozialadäquanzklausel und ihrer einzelnen Ausschlussvarianten erforderlich.

I. Legislatorische Überlegungen zur Sozialadäquanzklausel Ursprünglich wies das im Zuge des 1. StrRÄndG vom 30.08.1951 normierte Einfuhrverbot für verfassungsfeindliche Schriften keine Sozialadäquanzklausel auf.63 Erst in § 96a Abs. 1 S. 2 StGB a. F., der durch das 6. StrRÄndG vom 30.06.1960 eingeführt wurde, fand die Sozialadäquanzklausel eine legislatorische Entsprechung im Rahmen des Kennzeichenverbots.64 Die Bezeichnung als Sozialadäquanzklausel führt terminologisch auf die Lehre der Sozialadäquanz zurück65 und reagiert auf die Entwicklungen der Rechtsprechung und Literatur.66 Normative oder dogmatische Umgrenzungsversuche unternimmt der Gesetzgeber nicht.67 Der Verfolgung sozialadäquater Zwecke soll nicht mit strafrechtlichen Konsequenzen begegnet werden.68 Eine Modifikation der Sozialadäquanzlehre durch den Gesetzgeber ist den Gesetzgebungsmaterialien nicht zu entnehmen. Es handelt sich lediglich um eine Normierung der Sozialadäquanz, ohne diese in ein hierarchisches Gefälle mit der ungeschriebenen Ursprungsform der Rechtsfigur zu versetzen.69 Auch der Entwurf eines Strafgesetzbuches vom 04. Oktober 1962 enthält in § 375a Abs. 1 S. 2 StGB-E 1962 eine Sozialadäquanzklausel.

61  Vgl. BGH, Urt. v. 22.06.1983 – 3 StR 56/83 (S) Rn. 11 (juris); Liesching, MMR 2010, 309, 310; Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 28. 62  Undifferenziert hingegen OLG Frankfurt, NStZ 1982, 333; OLG Oldenburg, NJW 1988, 351; AG Weinheim, NJW 1994, 1543, 1545. 63  1. StrRÄndG v. 30.08.1951, BGBl. I, S. 739, 741. 64  6. StrRÄndG v. 30.06.1960, BGBl. I, S. 478. 65  BT-Drs. III/1746, S. 2; BT-Drs. III/2150, S. 528; BT-Drs. IV/650, S. 567; BTDrs. V/2860, S. 9; BT-Drs. 7/4549, S. 6; BT-Drs. 12/6853, S. 24. 66  BT-Drs. III/1746, S. 2. 67  BT-Drs. III/1746, S. 2; Knauer, ZStW 126 (2014), 844, 852. 68  BT-Drs. III/1746, S. 2; BT-Drs. III/2150, S. 528; BT-Drs. V/2860, S. 9. 69  BT-Drs. III/1746, S. 2.

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

„Damit wird klargestellt, dass die Vorschrift auf eine sozialadäquate Verwendung jener Kennzeichen nicht anwendbar ist.“.

Eine strafbare Handlungsweise sei nur dann vorlägig, wenn der Täter sich außerhalb der Grenzen der Sozialadäquanz bewegt.70 Zwar beinhaltete die Sozialadäquanzklausel nicht die Kunst als ausdrückliche Variante. Indes nennt der Gesetzgeber diese in der Begründung wiederholt als Ausformung sozialadäquater Verwendung.71 Später verweist der Regierungsentwurf eines 8. StrRÄndG auf die Begründung zu § 375a StGB-E 1962.72 Der gesetzgeberische Wille konkretisiert sich zunehmend, wenn unter dem Aspekt der Sozialadäquanz Handlungen verstanden werden, „die an sich tatbestandsmäßig sind, jedoch wegen ihrer sozialen Üblichkeit und Nützlichkeit toleriert werden und deshalb auch nicht zu strafrechtlichen Sanktionen führen.“73

Die ausdrückliche Aufnahme der Kunst und Wissenschaft in die Sozialadäquanzklausel wurde für überflüssig befunden.74 Erst 1976 erhielt § 86 Abs. 3 StGB seine heutige Fassung unter Hinzufügung der Kunst, Wissenschaft, Forschung, Lehre und Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte.75 Gleichwohl blieb die dogmatische Konturierung innerhalb des Deliktsaufbaus der Rechtsprechung und Literatur überlassen.76 Der wiederholte Bezug zur Lehre der Sozialadäquanz lässt die inhaltliche Auslegung erkennen, sozialadäquate Verhaltensweisen nach der Lehre Welzels von der Strafdrohung zu befreien.77 Lediglich Handlungen mit sozialethischem Unwert, etwa Werbung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung, sollen durch § 86a StGB erfasst werden.78 Die Lehre der Sozialadäquanz bildet das terminologische und teleologische Fundament der gesetzlichen Umsetzung in § 86 Abs. 3 StGB.79

70  BT-Drs.

IV/650, S. 567 zu § 375a StGB-E 1962. III/1746, S. 2; BT-Drs. IV/650, S. 567 zu § 375a StGB-E 1962. 72  BT-Drs. V/898, S. 26. 73  BT-Drs. V/2860, S. 3. 74  Vgl. 6. StrRÄndG v. 30.06.1960, BGBl. I S. 478; so auch BT-Drs. 10/2546, S. 23 in Bezug auf das Berichterstatterprivileg des § 131 StGB; ausführlich Rahe, S.  64 ff. 75  14. StrRÄndG v. 22.04.1976, BGBl. I, S. 1056. 76  BT-Drs. III/1746, S. 2; BT-Drs. V/2860, S. 9. 77  Welzel, ZStW 58 (1939), 491 ff. 78  BT-Drs. 7/4808, S. 1; BT-Drs. 12/4825, S. 6. 79  BGHSt 29, 73, 84; Altermann, in: FS-Eisenberg, S. 233, 237; Dölling, in: FSOtto, S. 219, 221; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86 Rn. 8; vgl. Lüttger, GA 1960, 129, 142; Paeffgen, in: NK-StGB, § 86 Rn. 38; Zöller, in: SK-StGB, § 86 Rn. 15. 71  BT-Drs.



B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel173

II. Die Lehre der Sozialadäquanz als terminologische Grundlage des § 86 Abs. 3 StGB Der seitens des Gesetzgebers vorgenommene Rückgriff auf die Sozial­ adäquanz als Basis des § 86 Abs. 3 StGB macht eine Untersuchung der Lehre Welzels erforderlich. Sie erfasst „alle Betätigungen, in denen sich das Gemeinschaftsleben nach seiner geschichtlich bedingten Ordnung jeweilig vollzieht.“80

Die Entwicklung der Lehre basiert auf dem Gedanken, dass sozial übliche oder nützliche Verhaltensweisen, die eine „historisch überlieferte und sozialethisch allseits gebilligte Volksgepflogenheit“

darstellen, nicht vom Straftatbestand erfasst werden sollen.81 Grundsätzlich zeichnen Strafgesetze ein sozialerhebliches Verhalten nach, das mit dem geordneten Sozialleben nicht vereinbar ist.82 Das strafwürdige Unrecht einer Tat liegt nur vor, wenn sich der Täter in nicht hinnehmbarer Weise sozialschädlich verhält.83 Strafnormen sind relativ unflexibel und nur bedingt an die fortschreitende gesellschaftliche Entwicklung anpassungsfähig.84 Ferner sind sie aufgrund der abstrakten Formulierung Fehlern zugänglich, sodass vom Wortlaut auch Verhaltensweisen erfasst werden können, die keine ­unrechtstypisierende Sozialschädlichkeit aufweisen.85 Allein die Subsumtion eines Verhaltens unter die normspezifischen Tatbestandsmerkmale soll nicht stets die Unrechtsindizierung herbeiführen.86 Grundsätzlich herrscht Einigkeit darüber, dass Strafnormen keine sozialadäquaten Handlungen erfassen sollen.87 Es entstehen Spannungen zwischen der abstrakten Unrechtsformulierung im Tatbestand und der konkreten Strafwürdigkeit des Verhaltens, die durch die Sozialadäquanz aufgefangen werden und die Strafnorm im Einklang

ZStW 58 (1939), 491, 516 f. in: MüKo-StGB, § 86 Rn. 40; vgl. Dölling, in: FS-Otto, S. 219; Greiser, NJW 1969, 1155, 1156; Lüttger, GA 1960, 129, 141 f.; Paeffgen, in: NK-StGB, § 86a Rn. 18; Rönnau, JuS 2011, 311; Roxin/Greco, AT I, § 10 Rn. 33. 82  Welzel, Das Deutsche Strafrecht, 11. Auflage 1969, S. 55; Roxin/Greco, AT, § 10 Rn. 37 qualifizieren die soziale Inadäquanz trefflich als Charakteristikum des Tatbestands als solchen. 83  Otto, Grundkurs AT, § 6 Rn. 71; Roxin/Greco, AT I, § 7 Rn. 66; vgl. Zipf, ZStW 82 (1970), 633. 84  Vgl. Eser, in: FS-Roxin, S. 199, 205; Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 648. 85  Dölling, ZStW 96 (1984) 36, 56; B/W/Mitsch/E, AT, § 6 Rn. 34; Schaffstein, ZStW 72 (1960), 369, 377; Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 648. 86  Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 649. 87  Dölling, in: FS-Otto, S. 219; B/W/Mitsch/E, AT, § 6 Rn. 35; Roxin/Greco, AT I, § 10 Rn. 36. 80  Welzel,

81  Anstötz,

174

Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

mit der sozialen Wirklichkeit halten.88 Dies wird etwa für die Beleidigung nach § 185 StGB innerhalb des engsten Familienkreises, für Fallgestaltungen rund um Sportverletzungen erwogen oder auch für die Problematik um den ungeschützten Geschlechtsverkehr trotz einer AIDS-Erkrankung diskutiert.89 Als außerrechtliche Ordnungsvorstellung ergänzt die Sozialadäquanz die positive Rechtsordnung.90 Im Rahmen des Kennzeichenverbots nach § 86a StGB soll die Figur der Sozialadäquanz insbesondere vor dem Hintergrund der ähnlichen Zwecke i. S. d. § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB einen hohen Stellenwert behalten.91 Die Überschneidungen mit der Implementierung von NS-Symbolen in Computerspielen manifestieren sich vor allem in den Unterhaltungszwecken und in Zwecken der Authentizitätssteigerung des Spielinhalts, die unter § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB gefasst werden sollen. Notwendige Feststellungen zur Sozialadäquanz sollen daher im Zuge der Beurteilung der ähnlichen Zwecke vertieft werden.92 Jedenfalls ist §§ 86 Abs. 3 StGB nicht der bloße Versuch des Gesetzgebers zu verstehen, die Lehre der Sozialadäquanz niederzuschreiben.93 Andernfalls wären die ausdrücklichen Privilegierungsvarianten bedeutungslos.

III. Die dogmatische Verortung des § 86 Abs. 3 StGB Divergierende Modelle der Sozialadäquanz führen zu unterschiedlichen dogmatischen Verortungen des § 86 Abs. 3 StGB innerhalb des dreigliedrigen Deliktsaufbaus.94 In den 1960er-Jahren wurde die Sozialadäquanzklausel etwa als Teil der Schuld diskutiert.95 Weil die Schuld die individuelle Vor88  Vgl. Dölling, ZStW 96 (1984) 36, 56; Eser, in: FS-Roxin, S. 199, 205; Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 648. 89  BGHSt 36, 1, 16 ff.; Dölling, in: FS-Otto, S. 219, 222 f.; Rönnau, JuS 2011, 311; vgl. Roxin/Greco, AT, § 10 Rn. 40. 90  BGH, NJW 1970, 818 f.; Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 636 f., 649; Rönnau, JuS 2011, 311 weist darauf hin, dass die Sozialadäquanz vielfach als Sammelbecken für spezifische Einzelfälle verstanden wurde; vgl. auch Altermann, in: FS-Eisenberg, S.  233, 240 f. 91  Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86 Rn. 40; Heinrich, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 6 Rn. 239; Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 36. 92  Kap. 4 B. IV. 5. und Kap. 4 B. V. 2. 93  Steinsiek, in: LK-StGB, § 86 Rn. 36. 94  Offen gelassen von OLG Hamburg, JR 1982, 76, 77 und OLG Hamm, NJW 1982, 1656, 1657; Altermann, in: FS-Eisenberg, S. 233, 234; Peters, in: FS-Welzel, S.  415, 421 m. w. N.; Rahe, S. 287; ausführlich Schaffstein, ZStW 72 (1960), 369, 378 ff.; Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 638. 95  Vgl. Peters, in: FS-Welzel, S. 415, 421; ausführlich Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 639 ff.



B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel175

werfbarkeit fokussiert, mit der Sozialadäquanz aber die generelle Strafunwürdigkeit des Verhaltens zum Ausdruck kommt, wurde dieser Ansatz in der jüngeren Vergangenheit nicht weiter verfolgt.96 Andere erkennen in der Sozialadäquanzklausel einen Rechtfertigungsgrund.97 Welzel selbst verleiht der sozialen Adäquanz einen wechselvollen dogmatischen Standort in Tatbestand oder Rechtswidrigkeit.98 Das wohl überwiegende Schrifttum ordnet die Sozialadäquanz und auch die Sozialadäquanzklausel auf Ebene des objektiven Tatbestands ein.99 Dem ist zuzustimmen.100 Straftatbestände sind Typisierungen strafwürdigen Unrechts.101 Hinsichtlich sozialadäquatem Verhalten kann keine Unrechtsindizierung angenommen werden. Es bedarf keiner positiven Entkräftung des Unrechts auf Ebene der Rechtswidrigkeit.102 Damit bedarf es auch keines Erlaubnissatzes.103 Die Gegenauffassung kollidiert mit dem Umstand, dass dem Tatbestand eine strafrechtliche Wertungsstufe innewohnt, die mit der Einordnung der Sozialadäquanz als Rechtfertigungsgrund in eine neutrale – nicht unrechtsindizierende – Funktion gedrängt würde.104 Durch § 86 Abs. 3 StGB soll das Zusammenspiel sozialer und rechtlicher Normen ermöglicht werden, indem das sozialethische Wertgefüge systematisch und teleologisch in die Auslegung der Verrechtlichung der Sozialadäquanzklausel einfließt.105 Nur als Tatbestandsausschluss ist § 86 Abs. 3 StGB ein wirksames Instrument zur Verhinderung strafprozessualer Zwangsmaßnahmen und Ermittlungsverfahren.106 JA 2014, 561; krit. auch Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 640 f. BGHSt 19, 221, 225; LG München I, NStZ 1985, 311, 312; Greiser, NJW 1969, 1155, 1156; Wagner, S. 476. 98  Zusammenfassend Welzel, Das Deutsche Strafrecht, 11. Auflage 1969, S. 57. 99  Becker, in: M/R, StGB, § 86 Rn. 17; Bonefeld, DRiZ 1993, 430, 431; Dölling, in: FS-Otto, S. 219, 221; ders., ZStW 96 (1984) 36, 57; Frank, S. 103; Güntge, in: S/S/W, StGB, § 86 Rn. 17; Hirsch, ZStW 74 (1962), 78, 87; Kubiciel, NStZ 2003, 57; B/W/ Mitsch/E, AT, § 6 Rn. 36; Rautenberg, GA 2003, 623, 624; Reuter, S. 249; Rönnau, JuS 2011, 311, 312; Stegbauer, S. 74; v. Dewitz, S. 260; Wilhelm, DRiZ 1994, 339, 340; Valerius, JA 2014, 561 f.; Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 650; Zöller, in: SK-StGB, § 86 Rn. 15. 100  So auch aus der Rechtsprechung BGHSt 46, 36, 43; 46, 212, 217 f.; OLG München, NStZ 1985, 549, 550; OLG Stuttgart, MMR 2006, 387, 388; LG Stuttgart, MMR 2005, 715, 716; a. A. wohl BGHSt 23, 64, 78 f.; LG München I, NStZ 1985, 311, 312; offen gelassen in BGHSt 23, 226, 228. 101  Dölling, ZStW 96 (1984) 36, 56. 102  Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 649; Rahe, S. 237 merkt an, dass bereits der Wortlaut des § 86 Abs. 3 StGB gegen einen Rechtfertigungsgrund spricht. 103  B/W/Mitsch/E, AT, § 6 Rn. 35; Otto, Grundkurs AT, § 6 Rn. 68, 71; Roxin/ Greco, AT, § 10 Rn. 36. 104  Siehe dazu Schaffstein, ZStW 72 (1960), 369, 384. 105  Zum Zusammenspiel sozialer und rechtlicher Normen Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 649; Peters, FS-Welzel, S. 415, 429. 106  Rahe, S. 240. 96  Valerius, 97  Vgl.

176

Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

IV. Regelbeispiele des § 86 Abs. 3 StGB Neben der staatsbürgerlichen Aufklärung und der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen implementiert § 86 Abs. 3 StGB ausdrücklich den Grundrechtekatalog des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG107 sowie ein Berichterstattungsprivileg und ähnliche Zwecke. 1. Staatsbürgerliche Aufklärung und Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen Die staatsbürgerliche Aufklärung qualifiziert Verhaltensweisen als straflos, die der Vermittlung von Wissen und Informationen zur Förderung der politischen Meinungsbildung und staatsbürgerlichen Verantwortung dienen.108 Sie kann als Wissensvermittlung verstanden werden, die das Verhältnis zwischen dem Staat und dem Einzelnen betrifft.109 Dem Merkmal ist ein pädagogischer Charakter immanent110 und es bedarf einer wahrheitsgemäßen Darstellung, auf deren Basis sich ein Dritter ein eigenes Bild machen kann. Das Erfordernis der wahrheitsgemäßen Informationsgabe folgt aus dem Zweck zur Förderung der politischen Mündigkeit. Teilweise wird angenommen, es bestehe keine Möglichkeit, dass die Verwendung von Kennzeichen in einem Computerspiel die Voraussetzungen des § 86a StGB erfüllt, zugleich aber der staatsbürgerlichen Aufklärung diene.111 Mangels Sonderrechtsstellung des Computerspiels als Medium kann jedenfalls die mediale Trägerschaft kein trennscharfes Abgrenzungsmerkmal zu anerkannten Aufklärungsmedien bilden. Die Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen bedarf einer erkennbaren Distanz zur verfassungswidrigen Handlung.112 Die Variante erfasst Abwehrhandlungen gegen Tätigkeiten, die den Staat in seinem Kernbestand i. S. d. § 92 StGB bedrohen.113 Zwar besteht kein einheitliches Meinungsbild, ob in: S/S/W, StGB, § 86 Rn. 17; Reuter, S. 252. 23, 226, 227; OLG Hamm, NJW 1982, 1656, 1658; OLG Stuttgart, MMR 2006, 387, 389; Becker, in: M/R, StGB, § 86 Rn. 16; Frank, S. 105; Güntge, in: S/S/W, StGB, § 86 Rn. 18; Heinrich, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 6 Rn. 236; Keller, in: Hamburger Kommentar, Gesamtes Medienrecht, 86. Abschnitt Rn. 6; Rahe, S. 161, 176; Reuter, S. 252. 109  Rahe, S. 159. 110  Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86 Rn. 39. 111  Liesching, MMR 2010, 309, 310; Rahe, S.  176  f.; a.  A. StA Stuttgart v. 20.12.2017, Az.: 9UJs 11892/17; Wager, K&R 2019, 380, 381. 112  Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86 Rn. 17; zum Begriff der verfassungswidrigen Bestrebungen Greiser, NJW 1969, 1155, 1156. 113  Willems, ZRP 2005, 79, 80. 107  Güntge, 108  BGHSt



B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel177

auch tatbestandliches Handeln von Privatpersonen erfasst ist.114 Insofern wird § 86 Abs. 3 Var. 2 StGB teilweise ein eigenständiger Anwendungsbereich abgesprochen.115 Dass ein Computerspiel der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen dienen soll, ist wohl nicht zu erwarten, sodass sich mit dieser Alternative keine Schnittmengen ergeben. Die staatsbürgerliche Aufklärung und die Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen bilden systematisch eine Stärkung der freiheitlich demokratischen Grundordnung ab.116 Eine Stärkung der strafgesetzlich geschützten Rechtsgüter vermag nicht deren Gefährdung zu bezwecken und ist straflos zu stellen.117 Es wäre fatal, denjenigen strafrechtlich zu verfolgen, der sich – genau wie § 86a StGB selbst – für den Rechtsgüterschutz einsetzt.118 2. Wissenschaft, Forschung und Lehre Die Gruppe ist durch das Element der Wissenschaftlichkeit miteinander verbunden und einheitlich zu betrachten.119 Mit dem BVerfG ist Wissenschaft „alles, was nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch zur Ermittlung der Wahrheit anzusehen ist.“120

Zwar mag diese vage Definition Zweifelsfälle kaum lösen.121 Doch selbst wenn moderne Computerspiele teilweise reale Ereignisse als thematische Grundstruktur wählen, so ist die erzählte Geschichte von fiktiven Handlungssträngen durchzogen. Sie können wohl kaum als „geistige Tätigkeit mit dem Ziele, in methodischer, systematischer und nachprüfbarer Weise neue Erkenntnisse zu gewinnen“,122

mithin als Forschung verstanden werden. Auch die Subsumtion unter den Begriff der wissenschaftlichen Lehre123 ist fernliegend.

114  Dafür Rautenberg, GA 2003, 623, 627; dagegen Becker, in: M/R, StGB, § 86 Rn. 17; Wagner, S. 483; Zöller, in: SK-StGB, § 86 Rn. 16. 115  Frank, S. 107; Rahe, S. 175. 116  BGHSt 29, 73, 84; Reuter, S. 252. 117  BGH, NJW 1970, 818, 819; Rahe, S. 304; Reuter, S. 252. 118  BGHSt 19, 221, 225; Rahe, S. 73. 119  Rahe, S.  165 f. 120  BVerfGE 35, 79, 113; 47, 327, 367; 90, 1, 12; vgl. Stegbauer, S. 35. 121  Rahe, S. 167. 122  BT-Drs. V/4335, S. 4; BVerfGE 35, 79, 113. 123  Dazu Antoni, in: Hömig/Wolff, GG, Art. 5 Rn. 32; Britz, in: Dreier GG, Art. 5 Abs. 3 Rn. 29.

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

3. Kunst Die Kunstfreiheit gilt als Eckpfeiler der Kommunikationsgrundrechte,124 da jedes künstlerische Wirken auf Kommunikation ausgelegt ist.125 Naturgemäß bereitet die Umgrenzung des Kunstbegriffs erhebliche Schwierigkeiten.126 Nur ein umgrenzbarer Schutzgegenstand ist der rechtlichen Prüfung zugänglich, um freiheitsschützende Funktionen zu aktivieren.127 Ein strafrechtlicher Kunstbegriff dürfte keinen engeren Rahmen setzen als der verfassungsrechtliche, weil Erster an Zweitem zu messen ist.128 Der Kunstbegriff des § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB ist mit Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG identisch.129 Hinsichtlich der Kennzeichenverwendung in Computerspielen wird eine Subsumtion unter das Merkmal der Kunst vielfach bejaht.130 a) Der verfassungsrechtliche Kunstbegriff Exemplarisch führte das BVerwG im „Sünderin-Urteil“ aus dem Jahre 1954 aus, dass etwa Filme als Kunstwerke gelten, wenn sie fiktive Handlungen zum Gegenstand haben und zum dargestellten medialen Inhalt keine Stellung beziehen.131 In der „Mephisto-Entscheidung“ aus dem Jahre 1971 wagte das BVerfG einen engen Definitionsversuch und fokussierte die schöpferische Gestaltung, in der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers 124  BT-Drs.

7/4549, S. 3; Rahe, S. 145. NJW 1990, 1937, 1943; vgl. Rahe, S. 156. 126  Arndt, NJW 1966, 25, 26; Becker, in: M/R, StGB, § 86 Rn. 15; Güntge, in: S/S/W, StGB, § 86a Rn. 12; Henschel, in: FS-Wassermann, S. 351; Kaufmann/Köcher, MMR 2005, 335, 336; Paeffgen, in: NK-StGB, § 86a Rn. 19; Rahe, S. 103; Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86a Rn. 10; v. Dewitz, S. 260; Würtenberger, in: FS-Dreher, S. 79. 127  Arndt, NJW 1966, 25, 28; Henschel, in: FS-Wassermann, S. 351; ders., NJW 1990, 1937; Rahe, S.  207 f. 128  Rahe, S. 211. 129  Dölling, in: FS-Otto, S. 219, 225; Frank, S. 111; Hensel, in: Game Studies, S. 379; Kubiciel, NStZ 2003, 57, 58 f.; Rahe, S. 207; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86a Rn. 7 m. w. N. hingegen merkt an, dass eine Rechtfertigung über Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG auch dann in Betracht kommt, wenn die Sozialadäquanzklausel nicht anwendbar ist; ähnl. Reuter, S. 254; überzeugender argumentiert v. Dewitz, S. 260, dass die Voraussetzungen der Kunst aufgrund der Rechtsnatur des § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB als Tatbestandsausschluss bereits auf tatbestandlicher Ebene zu prüfen sind; Henschel, in: FS-Wassermann, S. 351, 355 weist darauf hin, dass der verfassungsrechtliche Kunstbegriff gegenüber der einfachgesetzlichen Implementierung autonom ist. 130  Köhne, DRiZ 2003, 210, 211; Liesching, MMR 2010, 309, 310; Schwiddessen, CR 2015, 92, 95 f.; Wager, MMR 2019, 80, 82. 131  BVerwGE 1, 303, 305; krit. Arndt, NJW 1966, 25, 27. 125  Henschel,



B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel179

durch das Medium der Formensprache zur unmittelbaren Anschauung gebracht werden.132 „Beim künstlerischen Schaffen wirken Intuition, Phantasie und Kunstverstand zusammen; es ist primär nicht Mitteilung, sondern Ausdruck und zwar unmittelbarster Ausdruck der individuellen Persönlichkeit des Künstlers.“133

Mit der Entscheidung zum „Anachronistischen Zug“ im Jahre 1984 distanzierte sich das BVerfG angesichts der vielschichtigen Kritik134 von einem allgemeingültigen Definitionsversuch. Es sei unmöglich, Kunst zu definieren.135 Insbesondere könne Kunst nicht anhand starrer Formen festgemacht werden. Nur ein weiter und liberaler Schutzbereich vermag den Lebensbereich der Kunst sinnvoll zu umreißen.136 Richtigerweise erfasst Kunst die schöpferische Gestaltung in neuartiger oder bekannter Formgebung.137 Sie ist als formungebundene schöpferische Gestaltung eines Themas zu verstehen, die auf ein Publikum wirken soll.138 Aus dem offenen Kunstbegriff folgt, dass Kunst nicht objektivierbar ist.139 Schöpferische Tätigkeiten lassen interpretationsbedürftige und interpretationsfähige Darstellungen entstehen.140 Eine inhaltliche Niveaukontrolle ist untersagt.141 Neben dem kreativen Werkbereich ist auch der kommunikative Wirkbereich einem weiten Kunstverständnis zuzuordnen.142 Ein Stufenverhältnis besteht aufgrund der fließenden Grenzen zwischen beiden Ebenen nicht.143 Kunst entfaltet ihre Wirkung insbesondere im Zuge der

132  BVerfGE

30, 173, 188 f.; BVerwG, NJW 2020, 785, 789. 30, 173, 189; so auch BVerfGE 67, 213, 226. 134  Zusammenfassend Henschel, NJW 1990, 1937, 1938; Rahe, S. 213 bezeichnet den Definitionsversuch zutreffend als wenig griffig. 135  So bereits Arndt, NJW 1966, 25, 27; Henschel, in: FS-Wassermann, S. 351, 357. 136  BVerfGE 67, 213, 225; AG Kassel, NJW 2014, 801, 802; Henschel, NJW 1990, 1937; Köhne, DRiZ 2003, 210, 211. 137  BGHSt 37, 55, 59; vgl. Frank, S. 120; Rahe, S. 216. 138  Güntge, in: S/S/W, StGB, § 86 Rn. 20 unter Bezug auf BVerfGE 30, 173. 139  BVerfGE 67, 213, 225; Henschel, in: FS-Wassermann, S. 351, 353; Rahe, S. 207. 140  BVerfGE 67, 213, 228; 81, 278, 291; AG Kassel, NJW 2014, 801, 802; Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 31. 141  BVerfG, NJW 2019, 1277, 1278; BVerfGE 75, 369, 377; 81, 278, 291; BVerfG, NJW 2001, 596, 597; BVerwG, NJW 1997, 602, 603; Antoni, in: Hömig/Wolff, GG, Art. 5 Rn. 30; Rahe, S. 117; Würtenberger, in: FS-Dreher, S. 79, 89, 91. 142  BVerfGE 30, 173, 189; BVerfGE 67, 213, 224; BVerfGE 77, 240, 254; BVerfG, NJW 2001, 596, 597; BVerwGE 84, 71, 74; BVerwG, NJW 2020, 785, 789; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 196; Henschel, NJW 1990, 1937, 1939; Rahe, S. 114; Reuter, S. 254. 143  BVerfGE 77, 240, 251, 254; Rahe, S.  143 f. 133  BVerfGE

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

öffentlichen Wahrnehmbarkeit.144 Damit unterfällt auch die Vermarktung von Kunstwerken dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG.145 Die Weite des Kunstbegriffs erfordert Begrenzungen auf Ebene der Schranken.146 Ein gesellschaftliches Zusammenleben, in welchem die Kunstfreiheit durch nichts begrenzt wird, ist undenkbar.147 Trotz der schrankenlos gewährleisteten Kunstfreiheit entsteht kein rechtsfreier Raum.148 Kunst findet dort ihre Grenzen, wo sie den Schutzzweck einschlägiger Vorschriften vereitelt und die Straflosigkeit den Verzicht auf das verfassungsrechtliche Schutzgut bedeuten würde.149 Teilweise wird vertreten, dass die Unfriedlichkeit einer schöpferischen Gestaltung nicht dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG unterfiele.150 Insbesondere Strafgesetze sind einfachgesetzlicher Ausdruck unfriedlicher Verhaltensweisen, die gesellschaftlich nicht toleriert wer­ den.151 § 86a StGB schützt als abstraktes Gefährdungsdelikt unter anderem die freiheitlich demokratische Grundordnung als verfassungsrechtliches Schutzgut. Andererseits vermag allein die Tatsache, dass ein Verhalten unter § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB subsumiert werden kann, nicht die Unfriedlichkeit der Kunst auszulösen. Andernfalls hätte § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB keinen Anwendungsbereich, weil der objektive Tatbestand des § 86a StGB hinsichtlich Tathandlung und Tatobjekt erfüllt sein muss, damit die Sozialadäquanzklausel überhaupt zur Prüfung gelangt. Die Kunstfreiheit ist nicht im Lichte begrenzender Strafgesetze auszulegen, vielmehr sind die Strafgesetze ihrerseits vor dem Hintergrund der Grundrechte zu interpretieren.152 Propagandistische Inhalte, die in einer künstlerischen Darbietung transportiert werden, sind über die praktische Konkordanz, nicht bereits über den Schutzbereich als solchen zu lösen.153 Die gegenteilige Auffassung verkürzt die Prüfung auf ein einstufiges Verfahren.154 144  BVerfGE 77, 240, 251; BGHZ 143, 214, 229 f.; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 188. 145  Vgl. BVerfGE 77, 240, 251; BVerwGE 84, 71, 74; OLG Hamburg, MMR 2004, 413, 414; Fischer, Werke der Kunst, S. 132; Henschel, NJW 1990, 1937, 1939. 146  BVerfGE 77, 240, 253. 147  BVerfGE 77, 240, 253; Henschel, NJW 1990, 1937, 1940. 148  Würtenberger, in: FS-Dreher, S. 79. 149  Vgl. BVerfGE 77, 240, 244; Gottberg, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht Praxis­HB Bd. IV, Kap. 5 Rn. 3. 150  Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 178, 198c; Würtenberger, in: FS-Dreher, S. 79, 91 f.; a. A. BVerfGE 81, 278, 291; BVerwGE 1, 303, 307; wohl BVerwG, NJW 2020, 785, 790; Rahe, S. 119, 210 m. w. N. 151  Vgl. Rahe, S. 119. 152  Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 18; Rahe, S. 119; Renzikowski, in: R/B/D, VersR, § 86a StGB Rn. 32. 153  So auch Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 18. 154  Ausführlich Rahe, S.  119 ff.



B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel181

b) Bedeutung des § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB für Computerspielinhalte Der weite Schutzbereich der Kunst erlaubt kaum materielle Umgrenzungen, die in allgemeingültiger Form zu keiner inhaltlichen Einengung des verfassungsrechtlichen Kunstbegriffs führen. Richtigerweise resultiert aus der Unmöglichkeit, Kunst zu definieren, auch die Unmöglichkeit, einzelne Genres oder mediale Erscheinungsformen vom Merkmal der Kunst auszunehmen.155 Kunst kennt keine medialen Gattungsgrenzen.156 Unter Betrachtung der schöpferischen Gestaltung können Computerspiele wohl kaum vom Schutzbereich der Kunst ausgeschlossen werden. Moderne Computerspiele stellen sich als aufwendige digitale Ausarbeitungen dar, die in ihrer Interpretation unterschiedlich auszulegen sind. Es handelt sich um aufwendige digitale Kompositionen, die viele anerkannte künstlerische Gestaltungsformen wie Musik, Film und Bildsprache in sich vereinen. Gerade das Zusammenspiel vieler künstlerischer Elemente im Medium des Computerspiels ist Zeugnis einer künstlerischen Schöpfung. Das künstlerische Gewicht kann mit Blick auf künstlerisch relevante Strukturmerkmale bestimmt werden.157 Die inhaltliche Überprüfung ist bei der Bestimmung der Kunsteigenschaft nicht von Bedeutung. So ist etwa die Einordnung eines Werks in die Trivialoder Unterhaltungsliteratur für die Zuordnung zur Kunst unerheblich.158 Insbesondere erkennen der Deutsche Kulturrat e. V. und die USK Computerspiele als Kunst an.159 Auch die Tatsache, dass wirtschaftliche Interessen mit dem Computerspiel verfolgt werden, schließt die Qualifikation moderner Computerspiele nicht vom Kunstbegriff aus. Zusätzliche Hinweise auf die Kunsteigenschaft von Computerspielen sind den Wertungen des Urheberrechts zu entnehmen. § 1 UrhG begrenzt den urheberrechtlichen Schutz auf Werke der Literatur, der Wissenschaft und der Kunst. Im Rahmen des weiten – urheberrechtlich geschützten – Kunstbegriffs muss es sich um schöpferische Gestaltungen handeln, die Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers im Medium der Formensprache präsentieren.160 Damit bewegt sich der urheberrechtliche Kunstbegriff auf der Linie in: NK-JMStV, § 4 Rn. 21. Henschel, in: FS-Wassermann, S. 351, 354; Schwingeler, BPJM-Aktuell 2/2018, 15, 16. 157  BVerfGE 30, 173, 188 f.; BVerfGE 83, 130, 138; vgl. OVG Münster, Urt. v. 15.02.2001 – 20 A 3635/98 = BeckRS 2001, 160481 Rn. 14; Henschel, NJW 1990, 1937, 1938; Otto, NStZ 1985, 211, 213. 158  LG München I, NStZ 1985, 311, 312; Henschel, in: FS-Wassermann, S. 351, 355. 159  Zimmermann, in: P&K 5/2017, S. 17; Leitkriterien USK, S. 4. 160  OLG Brandenburg, ZUM-RD 2013, 376, 380; Schulze, in: Dreier/Schulze, UrhG, § 1 Rn. 4. 155  Erdemir, 156  Vgl.

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

der „Mephisto-Entscheidung“ des BVerfG aus dem Jahre 1971.161 Gleichwohl vermag der verfassungsrechtliche über den konkreten urheberrecht­ lichen Schutzbereich hinauszugehen, sodass keine zwangsläufige Identität besteht.162 Unabhängig des konkreten urheberrechtlichen Schutzrahmens und von zivilrechtlichen Ansprüchen, die aus den Inhalten oder einzelnen Elementen des Computerspiels entstehen, wird die Stellung des Computerspiels bzw. dessen Elemente als Gegenstand des Urheberrechts i. S. d. § 1 UrhG kaum bestritten.163 Inwieweit Computerspiele gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 Var. 3 UrhG als Computerprogramme oder gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG als Filmwerke zu schützen sind,164 ist im hiesigen Zusammenhang nicht von Bedeutung. Jedenfalls würden urheberrechtliche Rechtspositionen wohl kaum aus Computerspielen abgeleitet werden können, wenn diese nicht i. S. d. § 1 UrhG als Werke der Kunst anzuerkennen seien. Der Blick auf das Urheberrecht verdichtet den Befund, dass Computerspiele als Kunstwerke zu qualifizieren sind und eine Untersuchung des § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB erforderlich ist. Computerspiele sind regelmäßig Kunstwerke.165 Zutreffend sprach auch das VG Köln dem First-Person-Shooter „Medal of Honor – Limited Edition“ nicht die Eigenschaft als Kunstwerk ab.166 Aufgrund des weiten Kunstverständnisses schließen sich Kunst und die Strafbarkeit nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht aus.167 Zwar hatte der Gesetzgeber bei der Einführung der Kunst in die Sozialadäquanzklausel im Jahre 1976168 wohl nicht den offenen Kunstbegriff des BVerfG vor Au161  BVerfGE 30, 173, 188 f.; Schulze, in: Loewenheim HB UrhR, § 9 Rn. 160 stellt auf ein Mindestmaß an Individualität und eine sich daraus ergebende künstlerische Gestaltungshöhe ab. 162  Schulze, in: Loewenheim, HB UrhR, § 9 Rn. 159. 163  Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 2 UrhG Rn. 129 m. w. N.; Hoeren, in: Loewenheim, HB UrhR, § 9 UrhG Rn. 343. 164  Siehe Hoeren, in: Loewenheim, HB UrhR, § 9 UrhG Rn. 343; Ricker/Weberling, HB Presserecht, Kap. 62 Rn. 12. 165  OLG Hamburg, MMR 2004, 413, 414; LG Frankfurt, Urt. v. 12.12.2008 – 2-06 O 249/06, Rn. 93 (juris); Brüggemann, CR 2015, 697, 698; Ellbogen, in: BeckOKStGB, § 86 Rn. 29; vgl. Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 19; Falk/Hentsch, BPjMAktuell 2/2018, 14; Heuser, S. 304; Köhne, DRiZ 2003, 210, 211; Kreißig, BPJMAktuell 2/2018, 10, 12; Lober, CR 2002, 397, 405; Reuter, S. 255; Schwiddessen, CR 2015, 92, 95 f.; Schwingeler, BPjM-Aktuell 2/2018, 15; Ziemann, in: AnwK-StGB, § 86 Rn. 26; restriktiver Zimmermann, P&K 5/2017, S. 17. 166  VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11 Rn. 74 (juris). 167  Becker, in: M/R, StGB, § 86 Rn. 15; Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86 Rn. 17. 168  14. StrRÄndG v. 22.04.1976, BGBl. I, 1976, 1056; vgl. BT-Drs. V/898, S. 25; BT-Drs. V/2860, S. 9.



B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel183

gen.169 Allerdings sei nach dem BVerfG bereits der Schutzbereich der Kunst nicht eröffnet, wenn die Darbietung zwar äußerlich als Kunst zu identifizieren sei, mit ihr aber für verfassungswidrige Organisationen geworben werden soll und kein Hinweis auf das Kunstwerk selbst beabsichtigt ist.170 Demnach könnten propagandistische Spiele aus dem rechtsextremen Spek­ trum schon aufgrund der fehlenden Kunsteigenschaft des Spiels nicht sozialadäquat sein. Richtigerweise soll § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB keiner missbräuchlichen Anwendung Vorschub leisten. Von einem Grundrechtsmissbrauch ist bei einem Gebrauch „zum Kampfe gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung“ auszugehen.171 Handlungen unter dem Deckmantel der Kunst bleiben strafwürdig.172 Mit Blick auf das Merkmal des Dienens bedarf es indes keiner Verengung des implementierten Kunstbegriffs. Die Kollision der verfassungsrechtlichen Positionen kann im Wege der praktischen Konkordanz gelöst werden. Zutreffend formuliert das BVerfG, dass hierbei ein bloßer Verweis auf die verfassungsmäßige Ordnung nicht den Anforderungen der Einschränkung vorbehaltlos gewährleisteter Grundrechte genügt.173 Auch die Straffreiheit ist nicht allein darauf zu stützen, dass es sich bei der Darstellungsform um Kunst handelt.174 Dass ein Inhalt, der unter dem Deckmantel der Kunst für verfassungswidrige Organisationen zu werben versucht, nicht der Kunst zu dienen vermag, bedarf keinen ausgedehnten Ausführungen. Künstlerische Einbindungen des Kennzeichens sind im Lichte der demokratischen Grundordnung auszulegen.175 Ein genereller Vorrang der Kunst ergibt sich nicht.176 Die durch §§ 86, 86a StGB geschützte freiheitlich demokratische Grundordnung kann die Kunstfreiheit begrenzen.177 Propagandistische Spiele können trotz etwaiger Kunsteigenschaft die Werke der Kunst, S. 130; insoweit zust. Reuter, S. 253. 77, 240, 257. 171  Antoni, in: Hömig/Wolff, GG, Art. 18 Rn. 3; Wittreck, in: Dreier GG, Art. 18 Rn. 47. 172  Vgl. BVerfGE 119, 1, 47; so im Ergebnis auch OLG Stuttgart, MMR 2006, 387, 389; Antoni, in: Hömig/Wolff, GG, Art. 5 Rn. 31; Ellbogen, in: BeckOK-StGB, § 86a Rn. 37; Kubiciel, NStZ 2003, 57, 59; vgl. Rahe, S. 67; Renzikowski, in: R/B/D, VersR, § 86a StGB Rn. 32. 173  BVerfGE 77, 240, 255. 174  Rahe, S. 131; Reuter, S.  253 f.; Zöller, in: SK-StGB, § 86 Rn. 16. 175  BVerfGE 33, 52, 71. 176  Vgl. BVerfGE 77, 240, 255; BGHSt 37, 55, 64. 177  BT-Drs. VI/3521, S. 9; BVerfGE 77, 240, 256; 81, 278, 292; BVerfG, NJW 2001, 596, 597; BVerfG, NJW 2019, 1277, 1278; Antoni, in: Hömig/Wolff, GG, Art. 5 Rn. 35; vgl. Fischer, StGB, § 86a Rn. 21; Frank, S.  114 f.; Hufen, JuS 2014, 855; Kubiciel, NStZ 2003, 57, 59; Paeffgen, in: NK-StGB, § 86 Rn. 38; auch die Si169  Fischer,

170  BVerfGE

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

Strafbarkeit zur Folge haben. Die Frage nach dem Tatbestandsausschluss nach § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB ist in Bezug auf Computerspiele mit Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in den meisten Fällen nicht auf der Schutzbereichsebene, sondern auf der Schranken­ ebene zu beantworten und verlagert sich auf das Merkmal des Dienens.178 4. Berichterstatterprivileg Das Berichterstatterprivileg des § 86 Abs. 3 Var. 7 und Var. 8 StGB ist als Tatbestandsausschluss in identischer Ausgestaltung in § 131 Abs. 2 StGB zu finden und liefert übertragbare Anhaltspunkte.179 Der Straftatbestand schützt als abstraktes Gefährdungsdelikt den öffentlichen Frieden180 und ermöglicht aufgrund der gleichlautenden Deliktsnatur, der ähnlichen geschützten Rechtsgüter und des Tatbestandsausschlusses systematische Rückgriffe auf die Reichweite des Berichterstatterprivilegs. Unter der Berichterstattung werden nur Nachrichteninhalte und Dokumentationen verstanden, die Informationszwecken dienen und wahre Begebenheiten abbilden.181 Insbesondere die neutrale Informationsvermittlung, die nicht als Vorwand für propagandistische Ziele genutzt wird, ist tatbestandslos.182 Eine grundsätzliche Ablehnungshaltung ist aufgrund des informativen und wertneutralen Charakters der Berichterstattung nicht erforderlich.183 Als maßgebliche Ausfüllungsmerkmale der Berichterstattung sind die Informationsvermittlung und der Wahrheitsgehalt zu identifizieren. Anders als die staatsbürgerliche Aufklärung bedarf die Berichterstattung keiner pädagogischen Zweckrichtung.184 Um den Anforderungen des Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG zu entsprechen, dürfen die Inhalte nach den Regeln der Geschichtswissenschaft nicht als zweifelsfrei unrichtig qualifiziert sein.185 So schließt das Wahrheitserfordernis unwahre, übertriecherung des öffentlichen Friedens vermag die Kunstfreiheit zu begrenzen: v. Ar­nauld, in: HB Staatsrecht Bd. VII, § 167 Rn. 72. 178  Rahe, S. 216. 179  BT-Drs. 10/2546, S. 23; Altermann, in: FS-Eisenberg, S. 233, 238; vgl. Feilcke, in: MüKo-StGB, § 131 Rn. 50. 180  Altenhain, in: M/R, StGB, § 131 Rn. 2 m. w. N. 181  BT-Drs. VI/3521, S. 9; OLG München, NStZ-RR 2005, 371; Altenhain, in: M/R, StGB, § 131 Rn. 27; Altermann, in: FS-Eisenberg, S. 233, 238; Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86 Rn. 39; Becker, in: M/R, StGB, § 86 Rn. 19; Güntge, in: S/S/W, StGB, § 86 Rn. 22; Rahe, S. 163. 182  Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86 Rn. 17; Zöller, in: SK-StGB, § 86 Rn. 16. 183  Rahe, S. 274. 184  Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86 Rn. 39; Renzikowski, in: R/B/D, VersR, § 86a StGB Rn. 34. 185  Stein, in: SK-StGB, § 131 Rn. 26.



B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel185

bene oder verzerrte Darstellungen aus, nicht aber fiktive und gestellte Inhalte zur Vermittlung wahrer Begebenheiten.186 Die Wahl des übermittelnden Mediums ist aufgrund der inhaltlich-materiellen Bestimmung der Berichterstattung unerheblich. Begrenzt sich etwa die Verwendung auf die Vermittlung des tatsächlichen historischen Kontextes, so wird die Verwendung originaler Filmaufnahmen nicht dadurch sozialinadäquat, dass die Verwendung formal innerhalb eines Computerspiels erfolgt. Internet, Fernsehen und Presse sind klassische Organe der Informationsvermittlung.187 Auch Computerspiele haben keine mediale Sonderstellung und können sich unter Umständen einreihen, zumal sie teilweise als Ausprägungsform des Internets betrachtet werden können. Über die sachliche Limitierung durch Vorgänge des Zeitgeschehens und der Geschichte sollen fiktionale und selbstzweckhafte Inhalte ausgenommen werden.188 Dient das Tatmittel dazu, eine unbeeinflusste argumentative Auseinandersetzung mit einem bestimmten Thema zu ermöglichen, so kann von einer Berichterstattung ausgegangen werden.189 An der Dokumentation tatsächlicher Geschehnisse muss mit Blick auf die gesellschaftlichen Gesamtumstände ein irgendwie identifizierbares öffentliches Interesse bestehen.190 Dieses dürfte im Falle der wahrheitsgemäßen Informationslegung über Organisationen oder politisch und gesellschaftliche Strukturen zu Zeiten des Nationalsozialismus zu bejahen sein, versteht sich doch das Grundgesetz als Gegenentwurf zum Nationalsozialismus. Teilweise wird eingewandt, die Verwendung von NS-Symbolik sei nur insoweit zulässig, als dass dies zum Verständnis des Inhalts unbedingt erforderlich sei.191 Dieser normativen Begrenzung ist nicht zu folgen, da ansonsten jede Verwendung der Kennzeichen dem Gegenbeweis der fehlenden absoluten Notwendigkeit ausgesetzt wäre. Die meisten Informationen über Geschehnisse zur Zeit des Nationalsozialismus könnten ohne die Kennzeichenverwendung dargestellt werden. In jedem Fall ist eine seriöse Berichterstattung von einer inflationären Kennzeichenimplementierung frei zu halten.

186  Altenhain, in: M/R, StGB, § 131 Rn. 27; Feilcke, in: MüKo-StGB, § 131 Rn.  52 f.; Sternberg-Lieben/Schittenhelm, in: Sch/Sch StGB, § 131 Rn. 15/16 weisen darauf hin, dass die Berichterstattung auch in Theaterstücken oder Spielfilmen möglich ist. 187  Heinrich, ZJS 2017, 301, 305; siehe auch LG Stuttgart, MMR 2005, 715, 717; vgl. Steinsiek, in: LK-StGB, § 86 Rn. 37 mit Blick auf die staatsbürgerliche Aufklärung. 188  Rahe, S. 276; Stein, in: SK-StGB, § 131 Rn. 26. 189  LG Stuttgart, MMR 2005, 715, 718; vgl. OLG Stuttgart, MMR 2006, 387, 389 f. 190  Rahe, S. 277. 191  Vgl. dazu BGH, Urt. v. 22.06.1983 – 3 StR 56/83 (S) Rn. 11 (juris).

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

Gerade aufgrund der Einbettung der Kennzeichen in originale Filmaufnahmen, die der historischen Konturierung dienen, ist der Zweck der Bericht­ erstattung nicht ausgeschlossen, sondern vermag auf einen tatsächlichen Tatsachenkern hinzuweisen.192 Eine überwiegende Förderung der Berichterstattung kann nur vorliegen, wenn dem Computerspiel selbst der Zweck der Berichterstattung zu entnehmen ist. Dieser Zweck ist objektiv erkennbar, wenn der neutrale, informative Charakter ein normatives Übergewicht im Verhältnis zur fiktionalen Geschichte und den fiktionalen Aufgaben des Spielers erhält. Die Kennzeichen dürfen nicht bloß der Ausfüllung der fiktionalen Geschichte dienen, weil die durch den Spieler selbst vorzunehmenden fiktionalen Ereignisse des Spiels keine wahrheitsgemäßen Darstellungen abbilden können. Ist das Spiel eher darauf ausgerichtet, dass der Rezipient Macht und Kontrolle über virtuelle Gegner ausüben muss und durch Fehler das Spiel verliert sowie wiederholte Versuche vornehmen muss, so überwiegt ein unterhaltender und kompetitiver Wesenszug. In der Regel dienen Kennzeichen in Computerspielen ohne edukativen Einschlag eher der illustrativ-dramaturgischen Aufladung des virtuellen Geschehens oder erfüllen Unterhaltungs­interessen. Der Informationsgehalt, der dem Rezipienten i. V. m. dem Kennzeichen vermittelt wird, liefert die Grundlage der Betrachtung aus Sicht eines objektiven Beobachters. Trifft der Rezipient im Spiel selbst eine Handlungsentscheidung und wird mit einem Kennzeichen konfrontiert, so kann festgestellt werden, welche Informationen der Darstellung anhaften. Diese können von der dokumentarischen Einbindung von Paraden zur Vermittlung des historischen Gesamtzusammenhangs bis zu Einzeldetails zur internen Organisa­ tionsstruktur und deren Vorgehensweise reichen. Verschwimmen fiktionale und reale Darstellungen des Spiels miteinander, so ist der Informationscharakter nicht mehr eindeutig objektiv erkennbar. Der Spielinhalt rückt vom Element der Wahrheit ab, wenn die Kennzeichen lediglich über eine fiktionale Geschichte aufklären, nicht aber über ein wahres Geschehen. Serious Games ist ein edukativer Charakter oft immanent. Mit NS-Kennzeichen wird zwar die Informationsvermittlung bezweckt, sie erschöpft sich aber nicht in dieser. Vielmehr nimmt der Rezipient im Rahmen seiner Interaktionsmöglichkeiten nicht bloß Informationen auf, sondern bindet diese – auch in Bezug auf die Informationen zum Kennzeichen und der dazugehörigen Organisation – in den fiktiven Spielverlauf konkret ein. Es wird nicht nur über die Vorgänge neutral informiert. Vielmehr nimmt der Spieler eine aktive Rolle innerhalb des realhistorischen Kontextes ein. Die Kennzeichenverwendung geht damit über eine neutrale Berichterstattung hinaus. Auch Serious Games lassen sich daher eher der staatsbürgerlichen Aufklärung als der Berichterstattung zuordnen. 192  Stein,

in: SK-StGB, § 131 Rn. 26.



B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel187

5. Ähnliche Zwecke Unter den ähnlichen Zwecken versteht die wohl überwiegende Auffassung einen Auffangtatbestand,193 der „übliche, von der Allgemeinheit gebilligte und daher in strafrechtlicher Hinsicht im sozialen Leben gänzlich unverdächtige, weil im Rahmen der sozialen Handlungsfreiheit liegende Handlungen“194

straflos stellt. Damit werden die ähnlichen Zwecke systematisch und teleologisch an der Lehre Welzels ausgerichtet. Die Generalklausel195 verleiht der Sozialadäquanzklausel jedenfalls ein flexibles Gepräge und ist auf mögliche Zwecksetzungen, die auch mit der Implementierung in Computerspielen in Betracht kommen, zu spezifizieren. Bereits aus dem Wortlaut ist zu entnehmen, dass nicht lediglich „sonstige Zwecke“ ohne systematischen Bezug zu den anderen acht Varianten des § 86 Abs. 3 StGB straffrei gestellt werden.196 Vielmehr müssen die ähnlichen Zwecke den ausdrücklichen Privilegierungen gleichwertig sein.197 In Bezug auf kennzeichenbeinhaltende Computerspiele kommen vor allem die Authentizitätssteigerung und das Entertainment als ähn­ liche Zwecke i. S. d. § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB in Betracht.198 6. Dienen Die Tatbestandsausschlussvarianten des § 86 Abs. 3 StGB werden durch das Merkmal des Dienens miteinander verbunden.199 Dienen meint zumindest das Fördern des privilegierten Zweckes.200 Es ist nach objektiven Kriterien zu bestimmen. Als subjektives Element würde es den Tatbestandsaus193  Becker, in: M/R, StGB, § 86 Rn. 20; Rahe, S. 5; Schwiddessen, CR 2015, 92, 96; Wagner, S. 371. 194  BGHSt 23, 226, 228; 29, 73, 84; OLG Koblenz, NStZ-RR 2009, 105, 106; LG Karlsruhe, Beschl. v. 07.04.2008 – 4 Qs 66/07 = BeckRS 2008, 9843 Rn. 2; Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86 Rn. 40; Güntge, in: S/S/W, StGB, § 86a Rn. 13; Reuter, S. 255; Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 36; Wagner, S. 371; Wolter, in: SK-StGB, § 86a Rn. 14. 195  Greiser, NJW 1969, 1155, 1156; Rahe, S. 5. 196  Rahe, S. 285. 197  BGHSt 46, 36, 45; Ellbogen, in: BeckOK-StGB, § 86 Rn. 28; Rahe, S.  296 f.; Reuter, S. 255; Zöller, in: SK-StGB, § 86 Rn. 17. 198  Rauda, Recht der Computerspiele, Rn. 528; Wager, MMR 2019, 80, 82. 199  Rahe, S. 88 bezeichnet das Merkmal trefflich als Schlüssel zum Verständnis des § 86 Abs. 3 StGB. 200  Vgl. Rahe, S.  74 ff.; Reuter, S. 250.

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

schluss beliebig verschieben und brächte wohl kaum messbare Ergebnisse.201 Die subjektive Zielrichtung des Handelnden ist irrelevant.202 In welchem Maße das Dienen eine Förderung der angeführten Zwecke erfordert, bleibt terminologisch offen und ist umstritten. Nach Auffassung Fischers ist dem Merkmal des Dienens keine Begrenzungsfunktion beizumessen.203 Demnach ginge der Gesetzgeber grundsätzlich von der Straflosigkeit aus, wenn ein künstlerischer Verwendungszusammenhang zu Grunde liegt. Gerade mit Blick auf den geschützten kommunikativen Wirkbereich der Kunst könne nicht maßgeblich sein, ob die Kenn­ zeichenverwendung der künstlerischen Gestaltung oder dem Interesse am anschließenden Verkauf diene.204 Die Abwägung zwischen den kollidierenden Positionen sei verwehrt, weil trotz Eröffnung des Schutzbereichs der Kunstfreiheit im Zuge der Abwägung die Strafbarkeit nach § 86a StGB angenommen werden könnte. Somit würde die Strafnorm des § 86a StGB über den durch § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB limitierten Wortlaut ausgelegt und verstieße gegen das Analogieverbot.205 Dem ist nicht zu folgen. Würde ein bloß irgendwie geartetes Fördern privilegierter Zwecke tatbestandsausschließend wirken, so resultierte hieraus zwar ein hoher verfassungsrechtlicher Schutzbereich.206 Jedenfalls würde ein faktisches Gefälle zum verfassungsrechtlichen Gut der freiheitlich demokratischen Grundordnung geschaffen. Die durch § 86a StGB geschützten – verfassungsrechtlich ableitbaren – Rechtsgüter207 würden stets hinter Art. 5 Abs. 3 GG zurücktreten. Der künstlerische Charakter wäre sodann als Alibifunktion einer missbräuchlichen Verwendung zugänglich.208 Richtigerweise soll ein Werk nicht privilegiert werden, wenn der Täter das Ziel verfolgt, Gewalttaten zu propagieren. In ihrer teleologischen Ausrichtung umfasst die Sozialadäquanzklausel gerade nicht die missbräuchliche Verwendung,209 etwa die Vermittlung unterschwelliger Propaganda.

201  OLG Stuttgart, MMR 2006, 387, 389; Bottke, JR 1982, 77, 78; Kubiciel, NStZ 2003, 57, 58; Rahe, S. 89; Reuter, S. 250. 202  Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86 Rn. 8; Rautenberg, GA 2003, 623, 626; teilweise anders OLG Stuttgart, MMR 2006, 387, 388. 203  Fischer, Werke der Kunst, S. 130; a.  A. Rahe, S. 131; Zöller, in: SK-StGB, § 86 Rn. 16. 204  Fischer, Werke der Kunst, S. 132. 205  Fischer, Werke der Kunst, S. 130. 206  Rahe, S.  102 f. 207  Rahe, S. 77. 208  Rahe, S. 216 mit Hinweis auf hetzerische Inhalte in lyrischer Form. 209  OLG Stuttgart, MMR 2006, 387, 389; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86 Rn. 8; Rahe, S. 67.



B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel189

Zutreffend wird hinsichtlich des Dienens vorherrschend von einem überwiegenden Fördern unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen ausgegangen.210 Somit wird eine einzelfallbasierte Entscheidung ermöglicht, die auf der erkennbaren Zielsetzung des Handelnden beruht. Ein irgendwie geartetes nebensächliches Fördern vermag eine objektiv erkennbare, öffent­ liche Befürwortung der Ziele nationalsozialistischer Organisationen kaum zu beseitigen. Spruchpraxis und Schrifttum betonten mehrfach, dass Kollisionen zwischen der Kunstfreiheit und den Rechtsgütern des § 86a StGB im Zuge einer Einzelfallabwägung in Gesamtschau der Umstände zu einem schonenden Ausgleich zu bringen sind.211 Richtigerweise resultiert das Unrechtsurteil aus einer Abwägung kollidierender geschützter Interessen bei konkreter Sozialschädlichkeit des Verhaltens.212 Hinsichtlich des Erfordernisses einer Abwägungsentscheidung wird auf den fließenden Übergang zwischen strafbarem und straflosem Verhalten hingewiesen.213 Allerdings ermöglicht nur eine konkrete Zweckermittlung die Abgrenzung zwischen strafbarem und straflosem Verhalten unter Berücksichtigung der medialen Gesamtumstände der Kennzeicheneinbettung. In binnensystematischer Einheitlichkeit der Tatbestandsausschlussvarianten des § 86 Abs. 3 StGB kann das Verbindungsmerkmal des Dienens etwa für die ähnlichen Zwecke keine geringere Reichweite entfalten als für die Kunstfreiheit. Ist im Rahmen des § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB von einer Einzelfallabwägung zwischen den kollidierenden Belangen der Kunstfreiheit und den verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern des § 86a StGB auszugehen, so muss dies auch für die ähnlichen Zwecke des § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB gelten. Auch kommt der Sozialadäquanzklausel keine bloß strafprozessuale Bedeutung zu, jegliche nach § 170 Abs. 2 StPO einzustellenden Ermittlungsverfahren bereits im Anfangsverdacht zu verhindern. Zwar besteht die Gefahr, dass ein Anfangsverdacht begründet ist und ein Ermittlungsverfahren einge-

210  OLG Stuttgart, MMR 2006, 387, 389; Hopf, ZUM 2019, 8, 14; Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86 Rn. 36; Kubiciel, NStZ 2003, 57, 589; Lamshöft, in: Rechtsextremismus, S. 131, 149; Reuter, S. 250; Stegbauer, S. 74; ähnl. bereits Wagner, S. 475. 211  BVerfGE 67, 213; 228 f.; 77, 240, 253; vgl. BGHSt 37, 55, 57; Becker, in: M/R, StGB, § 86 Rn. 15; Fischer, StGB, § 86 Rn. 17; Frank, S.  118 f.; Hamdan, JURA 2008, 169, 170; Hopf, ZUM 2019, 8, 14; Güntge, in: S/S/W, StGB, § 86 Rn. 20; Keltsch, NStZ 1985, 312, 313; Paeffgen, in: NK-StGB, § 86a Rn. 19; Renzikowski, in: R/B/D, VersR, § 86a StGB Rn. 32; Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 31; Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86a Rn. 10; Willems, ZRP 2005, 79, 82; Zöller, in: SK-StGB, § 86 Rn. 16; a. A. Fischer, Werke der Kunst, S. 132 f. 212  Roxin/Greco, AT I, § 10 Rn. 21 mit Blick auf Rechtfertigungsgründe; Zöller, in: SK-StGB, § 86 Rn. 16. 213  Vgl. BT-Drs. 7/4549, S. 3 f.; Rahe, S.  133 f.

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

leitet wird, obwohl die Voraussetzungen des § 86 Abs. 3 StGB vorliegen.214 Die Gefahr, dass Ermittlungsverfahren gegen letztlich Unschuldige eingeleitet werden, ist kein originäres Problem der Sozialadäquanz.215

V. Teleologische Ausrichtung des § 86 Abs. 3 StGB Der Gesetzgeber bediente sich schwer umgrenzbarer Terminologien, die dem Verfassungstext – insbesondere Art. 5 GG – entstammen. Trotz der neun Varianten des § 86 Abs. 3 StGB wird eingewandt, dass die Typisierung des Rechts von derselben mangelnden Präzision getragen ist wie die Unrechtsumschreibung des § 86a StGB selbst.216 Die wissenschaftliche Untersuchung des Phänomens bemühte sich um Abgrenzungskriterien, die eine sozialadäquate Verwendung i. S. d. § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB ausschließen sollen.217 In welchem Verhältnis § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB zur massenhaften Verwendung der Kennzeichen im Computerspiel steht und ob eine Strafbarkeit stets anzunehmen ist, wenn die lineare Gegnerschaft zum Kennzeichen in einem kompetitiven Mehrspielermodus aufgelöst wird oder eine Neuinterpretation der Kennzeichen durch den virtuellen Inhalt vorgenommen wird, orientiert sich auch an der teleologischen Ausrichtung der strafbarkeitsbegrenzenden Sozialadäquanzklausel. 1. Mangelnde abstrakte Gefährdung als Abgrenzungsmerkmal Als binnensystematisches Auslegungsmerkmal des § 86 Abs. 3 StGB bietet sich das Fehlen einer abstrakten Gefährdung an. Ähnliche Zwecke würden all solche Fälle erfassen, die Ausdruck einer abstrakten Ungefährlichkeit sind. Dem ist auch die Rechtsprechung zugeneigt.218 Ungesehen der Auslegungsschwierigkeiten, die eine Negation der abstrakten Gefährdung bei öffentlichem Verwenden oder Verbreiten von NS-Sym­ bolik mit sich bringt, bestehen durchgreifende systematische Bedenken. Der Gesetzgeber geht mit dem weiten Wortlaut des § 86a StGB grundsätzlich davon aus, dass Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen aufgrund S. 101. S. 103 räumt diesem Umstand einen hohen Stellenwert ein. 216  Becker, in: M/R, StGB, § 86 Rn. 16 mahnt die Problematik der Einzelfallsubsumtion an. 217  Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 30; Liesching, MMR 2010, 309, 312; Schwiddessen, CR 2015, 92, 96. 218  BGHSt 28, 394, 398; OLG Hamm, NJW 1982, 1656, 1658 sprechen von der Anwendbarkeit der Sozialadäquanzklausel, wenn das geschützte Rechtsgut durch das Verhalten nicht gefährdet werden kann; ähnl. Kubiciel, NStZ 2003, 57, 58. 214  Rahe, 215  Rahe,



B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel191

ihrer kommunikativen Wirkung und Bedeutung eine abstrakte Gefährdung für die freiheitlich demokratische Grundordnung, den politischen Frieden oder den Gedanken der Völkerverständigung begründen. Im Rahmen der Sozialadäquanzklausel vermag die abstrakte Gefährdung der geschützten Rechtsgüter zwar in den Hintergrund treten, in jedem Fall auszuschließen ist sie gleichwohl nicht. Fehlt eine abstrakte Gefährdung für die geschützten Rechtsgüter, so kann es innerhalb des Tatbestands wohl nicht darauf ankommen, welchem positiven Zweck die Kennzeichenverwendung dient. Andernfalls würde die materiellrechtliche Wirkung der konkreten Privilegierungstatbestände auf null reduziert. Hinzu kommt, dass abstrakte Gefährdungen überindividueller Rechtsgüter des § 86a StGB ohnehin kaum messbar sind.219 Der Tatbestandsausschluss der Sozialadäquanzklausel ist nicht als deklara­torischer Verweis auf die Straflosigkeit bei fehlender abstrakter Gefahr zu verstehen.220 So vertritt auch das BVerfG die abweichende Auffassung, § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB sei als Auffangtatbestand erfüllt, wenn die Strafverfolgungsinteressen des Staats hinter den mit der Tathandlung verfolgten Zwecken aus normativen Gründen zurücktreten müssen. Im Zuge einer Betrachtung der Gesamtumstände sind kollidierende Interessen gegeneinander abzuwägen.221 Eine Abwägung ist nur erforderlich, wenn eine Kollision zwischen dem strafrechtlichen Rechtsgüterschutz und schützenswerten Interessen des Handelnden bestehen. Blickt man auf die Interpretationsbedürftigkeit und vielfach auch weitläufigen Interpretationsspielraum künstlerischer Darstellungen, so lässt sich die Straflosigkeit einer Werbung für ein Theaterstück in einem blauen Hemd der FDJ kaum anhand der fehlenden abstrakten Gefährdung manifestieren.222 Insbesondere die Gefahr, dass das öffentlich verwendete Kennzeichen bereits aus der Distanz wahrnehmbar ist, der Betrachter die konkreten Verwendungsumstände aufgrund dessen aber nicht ermitteln kann, würde bereits reichen, um die abstrakte Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung oder den politischen Frieden zu begründen.223 Es wird vertreten, dass § 86 Abs. 3 StGB gezielt Verhaltensweisen trotz ihrer abstrakten Gefährlichkeit für die Rechtsgüter gestattet.224 Dafür spricht die systematische Konstruktion des Gesetzgebers aus neun Varianten, die eine inhaltliche Limitierung bilden. Die implementierten Grundrechte und anderen schützenswerten Interessen sind nur sinnvoll innerhalb des Tatbestands zu berücksichtigen, wenn eine echte Kollisionslage besteht, für die es 219  So

auch Rahe, S. 180. auch Rahe, S.  184 ff. 221  BVerfGE 77, 240, 255 f. 222  Vgl. BVerfGE 77, 240, 253. 223  Ähnl. LG Berlin, Beschl. v. 04.10.2006, 571 – 141/06, Rn. 13 (juris). 224  Rahe, S. 188 unter Verweis auf EGMR, NStZ 1995, 237. 220  So

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

zumindest einer abstrakten Gefährdung der geschützten Rechtsgüter bedarf. Auf das Dienen zur Kunst und zu anderen Zwecken kann es nur ankommen, wenn eine tatsächliche Betroffenheit der sich gegenüberstehenden Rechtspositionen besteht. Andernfalls besteht bereits zweckungebunden kein Sanktionsbedürfnis. Soll § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB mit dem verfassungsrechtlichen Kunstbegriff deckungsgleich sein, so erscheint die Berücksichtigung auf Tatbestandsebene nur sinnvoll, wenn die Kollisionslage berechtigter Interessen bereits auf Tatbestandsebene umfassend zu lösen ist. Im Rahmen der tatbestandlichen Unrechtstypisierung des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB kann es kaum auf eine gesonderte Zweckdienlichkeit ankommen, wenn die betroffenen Rechtsgüter ohnehin nicht tangiert werden. Die abschließend genannten Zwecke deuten darauf hin, dass das Verhalten aufgrund einer echten Kollisionslage mit rechtlich geschützten Interessen nicht den Tatbestand erfüllt. Dies trägt dem Erfordernis der Würdigung der Gesamtumstände der Kennzeichenverwendung nach objektiven Maßstäben225 Rechnung. 2. Lehre Welzels als Auslegungsmaxime? Aktuelle Entwicklungen messen der Figur der Sozialadäquanz einen abnehmenden Stellenwert in der Strafrechtsdogmatik bei, sodass sie oftmals im Rahmen der Erläuterungen um das erlaubte Risiko erscheint.226 Gleichwohl ist das Forschungsfeld zur Sozialadäquanz als Rechtsfigur nicht beendet und auch der Gesetzgeber bedient sich weiter der Terminologie.227 Die Lehre Welzels hat zahlreiche Anhänger gefunden.228 Teilweise wird § 86 Abs. 3 StGB als positivrechtliche Umsetzung der Lehre der Sozialadäquanz verstanden.229 Vor dem Hintergrund der ähnlichen Zwecke i. S. d. § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB kann der Lehre Welzels nicht ohne Weiteres jede Bedeutung abgesprochen werden, wird doch verstärkt in Ausfüllung der ähnlichen Zwecke auf die Formel der Sozialadäquanz zurückgegriffen.230 225  BGHSt 25, 30, 34; OLG Jena, Urt. v. 06.06.2019 – 1 OLG 191 Ss 39/19 Rn. 28 (juris); OLG Stuttgart, MMR 2006, 387, 389; vgl. Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86 Rn. 39, § 86a Rn. 28; Reuter, S. 250, 258; Zöller, in: SK-StGB, § 86 Rn. 16. 226  Rengier, AT, § 13 Rn. 51; Knauer, ZStW 126 (2014), 844, 856 f. m. w. N. und Valerius, JA 2014, 561, 562 weisen darauf hin, dass das Verhältnis beider Kategorien zueinander nicht abschließend geklärt ist. 227  BT-Drs. 16/575, 1, 7 f.; vgl. Knauer, ZStW 126 (2014) 844; krit. Hirsch, ZStW 74 (1962), 78, 134 f. 228  BGHSt 23, 226, 228; 29, 73, 84; BGH, NJW 1970, 818; OLG München, NStZ 1985, 549, 550; Köhne, DRiZ 2003, 210, 212; Liesching, MMR 2010, 309, 311; Schwiddessen, CR 2015, 92, 95. 229  Altermann, in: FS-Eisenberg, S. 233, 237; vgl. Dölling, in: FS-Otto, S. 219, 220 f.; Reuter, S. 248 f.; vgl. Rönnau, JuS 2011, 311, 312. 230  Kap. 4 B. IV. 5.



B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel193

a) Kritik an der Rechtsfigur Oft wird die Sozialadäquanz durch die allgemeine Üblichkeit des Verhaltens, die soziale Unauffälligkeit, gesellschaftliche Toleranz oder normative Billigung ausgefüllt.231 Diese Merkmale verleihen der Rechtsfigur eine von den geschichtlichen und gesellschaftlichen Umständen abhängige, wandelbare Auslegungsdynamik.232 Gleichwohl steht die Lehre aufgrund der Un­ bestimmtheit ihrer Reichweite und der Untauglichkeit zur trennscharfen ­Abgrenzung zwischen strafbarem und straflosem Verhalten in der Kritik.233 Insgesamt sei das mit der Sozialadäquanz Gemeinte zu vage.234 Die soziale Üblichkeit oder die Billigung der Allgemeinheit vermögen lediglich die Übereinstimmung mit sozial anerkannten Verhaltensnormen zu begründen, nicht aber zwangsläufig die Übereinstimmung mit der Rechtsordnung.235 Auch Unsitten können sich einbürgern und würden damit rechtliche Wertungen des Gesetzgebers unterlaufen, denn auch der Verweis auf normale und alltägliche Verhaltensweisen sei gefährlich und führe zu Fehlschlüssen.236 b) Stellungnahme Trotz aller Kritik bedarf der abstrakte Wortlaut von Strafnormen begrenzenden Regularien und die Lehre der Sozialadäquanz ist präziser als die Deutung der sozialen Üblichkeit durch die Person des Richters.237 Zutreffend wird angemerkt, dass die Sozialadäquanz lediglich zur Begrenzung des Tatbestands, nicht aber zu dessen Ausdehnung dient. Sie gerät nicht in Konflikt mit der Tatbestandsbestimmtheit.238 Richtigerweise kann die Analyse des Unrechtsgehalts in den Subsumtionsvorgang einfließen.239 Telos und Rechts231  BT-Drs. V/2860, S. 3; LG München I, NStZ 1985, 311, 312; vgl. Dölling, in: FS-Otto, S. 219, 220; Zöller, in: SK-StGB, § 86 Rn. 15. 232  Peters, in: FS-Welzel, S. 415, 426. 233  Hirsch, ZStW 74 (1962), 78, 93; Valerius, JA 2014, 561, 562. 234  Beckemper, JURA 2001, 163, 166; vgl. Hirsch, ZStW 74 (1962), 78, 97; Otto, in: FS-Amelung, S. 225, 227; Valerius, JA 2014, 561, 562; v. Hirsch/Wohlers, in: Die Rechtsgutstheorie, S. 196, 202; krit. Schaffstein, ZStW 72 (1960) 369, 377 f. 235  Vgl. Knauer, ZStW 126 (2014) 844, 856; Peters, in: FS-Welzel, S. 415, 427; Valerius, JA 2014, 561, 564; Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 639. 236  Otto, in: FS-Amelung, S. 225, 227 f.; Roxin/Greco, AT, § 10 Rn. 41; Valerius, JA 2014, 561, 566; nach Dölling, in: FS-Otto, S. 219, 225 vermag auch ein häufiges Praktizieren die Sozialadäquanz der Handlung nicht zu begründen. 237  Schaffstein, ZStW 72 (1960), 369, 377 f.; Eser, in: FS-Roxin, S. 199, 209; Rahe, S.  58 f. 238  B/W/Mitsch/E, AT, § 6 Rn. 34; Dölling, ZStW 96 (1984) 36, 58 f. 239  Ähnl. Eser, in: FS-Roxin, S. 199, 202; B/W/Mitsch/E, AT, § 6 Rn. 36; so auch Roxin/Greco, AT I, § 10 Rn. 37.

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

gut der Norm sind wegweisend für die Auslegung der spezifischen Tatbestandsmerkmale.240 Erst wenn eine restriktive Auslegung scheitert, kann von der Indizierung der Rechtswidrigkeit ausgegangen werden.241 Die allgemeine Sozialadäquanz dient lediglich als teleologische Auslegungshilfe und bezeichnet solche Verhaltensweisen als sozialadäquat, die das geschützte ­ Rechtsgut nicht verletzen.242 Jedenfalls handelt es sich nicht um ein den Tatbestand ausschließendes besonderes Merkmal.243 Dient die ­Sozialadäquanz typischerweise als Dogma zur restriktiven Auslegung unrechtsbegründender Tatbestandsmerkmale und damit der Limitierung des Tatbestands selbst, so könnte sie den Merkmalen des § 86 Abs. 3 StGB lediglich einen – den Wortlaut freilich nicht überschießenden – teleologisch extensiven Anwendungs­ bereich verleihen. Gerade aufgrund der mehrfachen Nennung der Lehre der Sozialadäquanz in den Gesetzgebungsmaterialien244 ist die Ausrichtung der ähnlichen Zwecke an der Lehre Welzels auf den ersten Blick nachvollziehbar. Auch die Spruchpraxis neigt dazu, im Zuge einer schutzzweckspezifischen Auslegung sozialadäquate Verhaltensweisen durch § 86 Abs. 3 StGB der Strafdrohung zu entnehmen.245 Gleichwohl kann einer Identität der ähnlichen Zwecke mit der Sozial­ adäquanz nicht zugestimmt werden. Die allgemeine und tatbestandsübergreifend Geltung beanspruchende Lehre der Sozialadäquanz mag den teleologischen Ausgangspunkt des § 86 Abs. 3 StGB bilden, bewirkt mit einer Ausgestaltung von Sozialfaktoren aber keine Überlagerung oder Verdrängung einer rechtsguts- und schutzzweckorientierten Auslegung. Zwar sind filmische Dokumentationen über verfassungswidrige Organisationen oder den Nationalsozialismus typischerweise mit Kennzeichen i. S. d. § 86a StGB ausgekleidet. Die Strafbarkeit entfällt aber nicht aufgrund einer allgemeinen Billigung und sozialen Üblichkeit. Die enge Anlehnung strafrechtlicher Sozialadäquanz an die mangelnde Verletzung des Schutzzwecks einer Strafnorm bedeutet, dass der bloße Verweis auf sozial übliche und alltägliche Verhaltensweisen zu unpräzise ist, um eine strafrechtsbegrenzende AT I, § 10 Rn. 41. AT, § 6 Rn. 36. 242  B/W/Mitsch/E, AT, § 6 Rn. 36; Eser, in: FS-Roxin, S. 199, 208; vgl. Hirsch, ZStW 74 (1962), 78, 132; Kubiciel, NStZ 2003, 57, 58; Otto, in: FS-Amelung, S. 225, 230; Rönnau, JuS 2011, 311, 312; Rönnau, JuS 2011, 311, 312; W/B/S, AT, Rn. 87. 243  Eisele, in: Sch/Sch, StGB, Vorb. §§ 13 ff. Rn. 70; Eser, in: FS-Roxin, S. 199, 203; Roxin/Greco, AT, § 10 Rn. 42; Valerius, JA 2014, 561, 566. 244  Siehe bereits Kap. 4 B. I. 245  BGHSt 23, 226, 228; 28, 394, 398; OLG Hamburg, JR 1982, 76, 77; OLG Hamm, NJW 1982, 1656, 1658; OLG Stuttgart, MMR 2006, 387, 389. 240  Roxin/Greco,

241  B/W/Mitsch/E,



B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel195

Funktion einzunehmen.246 So ist etwa die Beleidigung im engsten Familienkreis wohl nicht deshalb von § 185 StGB auszunehmen, weil eine familiäre Konversation üblicherweise mit ehrverletzenden Beschimpfungen einher geht.247 Soziologischen Erkenntnissen ist keine unbedingte strafrechtsbestimmende Wirkung beizumessen. Es ist nicht einzusehen, dass die Sanktionierungsbefugnis des Gesetzgebers endet, weil gesellschaftliche Umtriebe eine Billigung bestimmter Verwendungsformen erkennen lassen. Soziale Faktoren können die Reichweite materiellen Strafrechts nur teilweise begrenzen, weil dem Gesetzgeber andernfalls die Pönalisierungsbefugnis für sozialschädliche Verhaltensweisen, die allgemein geduldet werden, abgesprochen würde. Zudem bestünde die Gefahr, dass Staatsanwaltschaften mit dem Verweis auf eine weite und kaum greifbare Sozialadäquanz Strafverfahren einstellen, obwohl die Legislative mit einer etwaigen Gesetzesänderung genau dieses Verhalten zu sanktionieren versucht.248 Zudem kann die soziale Üblichkeit und Unverdächtigkeit der Tathandlung lediglich aus bereits bestehenden gesellschaftlichen Phänomenen abgeleitet werden. Somit würde das Merkmal der gesellschaftlichen Übung faktisch alle im gesellschaftlichen Wandel aufkommenden, neuartigen Verhaltensund Begehungsweisen von der Sozialadäquanz ausschließen, weil sich denklogisch bei neuartigen Handlungen noch keine Übung eingestellt haben kann.249 Für die Implementierung von NS-Symbolik in Computerspielen würde die Sozialadäquanzklausel aufgrund fehlender gesellschaftlicher Üblichkeit kaum anwendbar sein. Die über den Auffangtatbestand der ähnlichen Zwecke gewonnene Dynamik und Abbildung der gesellschaftlichen Wirklichkeit in den Tatbestand des § 86a StGB ginge verloren. Wie neue Erscheinungsformen zu berücksichtigen sind, könnte allenfalls im Zuge eines systematischen Vergleichsmaßstabs ermittelt werden. Darüber hinaus bedarf die Sozialadäquanz als strafnormübergreifendes telelogisches Prinzip keiner gesetzlichen Ausformulierung. Sie würde konsequenterweise auch ohne einfachgesetzliche Normierung für § 86a StGB gelten. Richtigerweise müssen strafgesetzliche Regelungen und strafbewehrte Pflichten dem Adressaten die Möglichkeit geben, sein Verhalten nach ihnen auszurichten.250 Die Fruchtbarmachung der außerrechtlichen Ordnungsfigur der Sozialadäquanz erfordert für die gezielte Anwendung im Gesetzestext in: FS-Amelung, S. 225, 227. Dölling, ZStW 96 (1984) 36, 58 f. 248  Rönnau, JuS 2011, 311, 312; Valerius, JA 2014, 561, 562 sieht die Gefahr der Untätigkeit der Strafverfolgungsbehörden, wenn die Sozialadäquanz zur Ausformung eines bloßen Rechtsgefühls verkomme. 249  Vgl. Wagner, S. 370. 250  BVerfGE 83, 130, 145; Rahe, S. 103. 246  Otto, 247  Vgl.

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

des § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB tatbestandsspezifische Auslegungskriterien.251 Es wäre im höchsten Maße bedenklich, wenn die täterfreundlich auszulegende Sozialadäquanzklausel die in der Literatur häufig angemahnte Rechtsunsicherheit und Unbestimmtheit sehenden Auges übernehmen würde.252 Überträgt man die Umgrenzungsversuche der ungeschriebenen Lehre auf § 86 Abs. 3 StGB, so könnte man mit Paeffgen trefflich von einer „schillernden Bedeutungs-Vielfalt“ der Sozialadäquanz sprechen.253 Es kann nicht das Ziel des Gesetzgebers gewesen sein, die gesteigerte Flexibilität der Strafnorm mit der Klausel zum Preis weichender Rechts­ ­ sicherheit und Konturen zu erreichen. Andernfalls hätte es auch keiner Konkretisierungs­varianten bedurft. Mit einer Übertragung der Unsicherheiten aus der Lehre der Sozialadäquanz auf § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB gingen auch die anderen acht ausdrücklichen Privilegierungen ihrer Umgrenzungsfunktion verlustig. Zwar basiert die Einführung des § 86 Abs. 3 StGB auf dem Gedanken der Sozialadäquanz.254 Die Identifikation der einzelnen Tatbestandsausschlussvarianten zeigt indes, dass sich die strafgesetzliche Normierung vom sozialen Fokus der ungeschriebenen Lehre der Sozialadäquanz entfernt und eine schutzzweckspezifische Richtung einschlägt. Vielfach findet sich der Verweis, dass § 86 Abs. 3 StGB nur anwendbar sei, wenn eine Schutzzweckverletzung ausgeschlossen ist.255 Eine klarstellende gesetzgeberische Wirkungsrichtung zur Lehre der Sozialadäquanz ist nicht festzustellen. § 86 Abs. 3 StGB lautet nicht: Absatz 1 gilt nicht, wenn die Handlung der staatsbürger­ lichen Aufklärung, der Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen, der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre, der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte oder anderen sozialadäquaten Zwecken dient.256 Hätte der Gesetzgeber lediglich auf den Umstand der Sozialadäquanz aufmerksam machen wollen, so hätte die Einbettung der in den Gesetzgebungsmaterialien genannten Sozialadäquanz expressis verbis Niederschlag im Gesetzestext finden müssen. Vielmehr sollte mit der Generalklausel des § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB ein Auffangtatbestand für Fälle konstruiert werden, in denen die Verwendung des Propagandamittels JuS 2011, 311, 312. JuS 2011, 311, 312; vgl. Valerius, JA 2014, 561, 562; schon Hirsch, ZStW 74 (1962), 78, 93 deutet die Gefahr an, die Prüfung der Strafbarkeit auf konturenlos auf den Begriff der Sozialadäquanz zu verflachen. 253  Paeffgen, in: NK-StGB, § 86 Rn. 19; zust. Becker, in: M/R, StGB, § 86 Rn. 15. 254  Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86 Rn. 8. 255  BGHSt 28, 394, 398; 31, 383, 384; OLG Stuttgart, MMR 2006, 387, 389; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86a Rn. 7; Paeffgen, in: NK-StGB, § 86a Rn. 18; OLG Stuttgart, MMR 2006, 387, 389; Wilhelm, DRiZ 1994, 339, 340. 256  Vgl. Rahe, S. 285. 251  Rönnau, 252  Rönnau,



B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel197

oder des Kennzeichens einem unbenannten anerkannten Zweck dient.257 Bereits im Wortlaut ist auf die Ähnlichkeit mit den ausdrücklichen acht Privilegierungen abgestellt. Im Ergebnis vermag die Lehre der Sozialadäquanz aufgrund ihrer regelungsspezifischen Unschärfe keine Auslegungsmaxime für § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB zu liefern. 3. Ausschluss massenhafter Kennzeichenimplementierung? Teilweise wird eingewandt, die Sozialadäquanzklausel sei im Falle der massenhaften Einbettung von NS-Symbolik gesperrt.258 Erwägt ein Teil des Schrifttums eine grundsätzliche Abgrenzung zwischen der dramaturgisch hintergründigen Einbettung der Kennzeichen und der massenhaften Implementierung in Computerspielen, so ist dem als grundsätzliches Abgrenzungsmerkmal nicht zu folgen. Rechtsdogmatisch ist nicht zu begründen, warum die kontextuelle Einbettung weniger Kennzeichen im Spiel zur Stigmatisierung eines zu bekämpfenden Feindes kein strafbares Maß erreicht, dieses aber ab einer nicht näher bestimmten Anzahl überschritten sein soll. Eine solche Differenzierung findet im Gesetzestext keinen Niederschlag. Computerspiele ermöglichen die kontextuelle Einbettung der Kennzeichen in ein kommunikatives Gesamtgefüge. Ein Ausschlussgrund der Massenhaftigkeit würde die Sozialadäquanzklausel zu einer mengenspezifischen Bagatellgrenze umdeuten. Eine solche ist § 86 Abs. 3 StGB nicht immanent.259 Mit § 86a StGB hat sich der Gesetzgeber zur Pönalisierung des Verwendens eines einzelnen Kennzeichens ausgesprochen. Ein höherer Handlungsunwert ist Mehrfachimplementierungen nicht notwendigerweise immanent. Qualifizierende Tatbestände, die an die Quantität der Verwendung anknüpfen oder die Anwendung der Regelbeispielstechnik, existieren in der Strafnorm nicht. GA 2003, 623, 626. in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 30; Liesching, MMR 2010, 309, 311 f. 259  Andernfalls wäre die einmalige und kurzzeitige Verwendung eines Kennzeichens generell nicht strafwürdig i. S. d. § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Das ist BGHSt 25, 30, 31; 51, 244, 251 nicht zu entnehmen; vgl. ferner LG Berlin, Beschl. v. 04.10.2006, 571 – 141/06, Rn. 12 f. (juris); auch wenn § 86 Abs. 3 StGB als einfachgesetzliche Ausformulierung der Lehre der Sozialadäquanz verstanden würde, so ist die Sozialadäquanz richtigerweise nach Eser, in: FS-Roxin, S. 199, 208 keine Geringfügigkeitsgrenze; a. A. wohl Schaffstein, ZStW 72 (1960), 369, 374; ferner weist Rahe, S.  296 f. darauf hin, dass das Geringfügigkeitsprinzip bereits strafprozessual die erforderliche Berücksichtigung erfährt und nicht materiell in § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB hineingelesen werden muss, weil hierzu kein Bedürfnis besteht. Zudem ist eine Bagatellgrenze hinsichtlich der eines abstrakten Gefährdungsdelikts zum Schutze überindividueller Rechtsgüter des Staatsschutzstrafrechts ohnehin kaum bestimmbar. 257  Rautenberg, 258  Anstötz,

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

Auch in Spielfilmen richtet sich die Erfüllung des objektiven Tatbestands nicht an der zahlenmäßigen Menge aus.260 Soll die exponierte Verwendung von Symbolen in Computerspielen weiterhin unter Strafe stehen, wird aber zugleich auf die Zulässigkeit von Filmwerken verwiesen, in denen eine inflationäre Verwendung festzustellen ist, so liegt hierin ein innersystematischer Widerspruch.261 Die Zulässigkeit der Kennzeichenverwendung kann mit Blick auf die Sozialadäquanzklausel nicht monokausal auf die Anzahl der Kennzeichen bzw. die Häufigkeit der Wahrnehmbarkeit heruntergebrochen werden. Gerade ein Abstellen auf die Anzahl der Kennzeichen ließe die mediale Gesamtbetrachtung außer Betracht. Es bliebe fraglich, ob eine sehr ausgedehnte Spielgeschichte eine größere Anzahl an Kennzeichen zuließe als kompaktere Spielinhalte. Es wäre keine Konkretisierung gewonnen, wann die Kennzeichenverwendung ein strafwürdiges Maß erreicht. Außerdem sind je nach szenischer Verarbeitung die Kennzeichen im Zweifelsfalle kaum konkret zählbar. Schwiddessen weist darauf hin, dass auch die Darstellung eines Paradezugs denkbar erscheint.262 Sind in einer kurzen filmischen Szene ­unzählige Fahnen, Banner oder Armbinden gleichzeitig zu erkennen, so ist hieraus nicht auf die Tatbestandsmäßigkeit zu schließen. Niemand wird ernsthaft vertreten, dass temporäre Abbildungen mehrerer Kennzeichen innerhalb einer Szene vor dem Hintergrund eines mehrstündigen Spielerlebnisses die Sozialadäquanzklausel aufgrund der massenhaften Verwendung ausschließen. Die Massenhaftigkeit könnte aber gerade in der dauerhaften, szenisch verdichteten und im Spielinhalt allgegenwärtigen Konfrontation des Rezipienten zu finden sein. Gleichwohl sind auch hierin keine trennscharfen Abgrenzungsmerkmale gefunden. Die konkrete Wahrnehmbarkeitsdauer bei Verwendungen in der Spielwelt ist kaum zu bestimmen. Das Spiel eröffnet – anders als ein Gegenstand in der realen Welt – die jederzeitige und zeitlich unbegrenzte Wahrnehmungsmöglichkeit. Ein im linearen Spielverlauf wahrnehmbares Symbol könnte durch ein Verweilen des Spielers oder mehrfache Spielaktivität dauerhaft wahrgenommen werden. Jedes implementierte Kennzeichen innerhalb des interaktiven Geschehens ist potenziell dauerhaft wahrnehmbar. Die unterschiedlichen Schwierigkeitsgrade, in denen der lineare CR 2015, 92, 97. BPjM-Aktuell 2/2018, 14; Liesching, MMR 2010, 309, 311; Schwiddessen, CR 2017, 681, 688 weisen ohne Blick auf die Anzahl der implementierten Kennzeichen auf die Anwendung der Sozialadäquanzklausel bei Spielfilmen hin. Inwieweit das Merkmal der Massenhaftigkeit in Abgrenzung von einem dramaturgisch motivierten Beiwerk tragfähig ist, erscheint zweifelhaft; siehe ferner zur Massenhaftigkeit Erdemir, in: Recht der elektronischen Medien, § 4 JMStV Rn. 6; Liesching, MMR 2010, 309, 312. 262  Schwiddessen CR 2015, 92, 97. 260  Schwiddessen, 261  Falk/Hentsch,



B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel199

Einzelspielermodus zumeist absolviert werden kann, sind darauf ausgerichtet, dem Rezipienten trotz des spielgeschichtlich linearen Geschehens ein wiederholtes und anspruchsvolles Spielvergnügen zu liefern.263 Anders als im Film erhält der Rezipient einen Anreiz, das Spiel mehrfach vollständig zu durchlaufen. Jedes implementierte Kennzeichen erhält das reale Potenzial der wiederholten und dauerhaften Wahrnehmbarkeit. Stellte man auf das Mindestmaß der Wahrnehmbarkeit ab – mithin darauf, inwieweit sich der Rezipient dem Kennzeichen entziehen kann, bestehen auch hier systematische Bedenken. Schließlich fand die Möglichkeit, sich der Wahrnehmung eines Kennzeichens zu entziehen, noch nie Niederschlag in der Auslegung der Strafnorm. Zwar erachtet der BGH eine einmalige Verwendung, die nur kurz in Erscheinung tritt und eine Nachwirkung ausgeschlossen ist, nicht als strafwürdig, sofern keine besonderen Umstände festgestellt werden.264 Ein Rückschluss auf die Möglichkeit, sich der Kennzeichen zu entziehen, resultiert daraus aber nicht, weil es auf die abstrakte Möglichkeit der Wahrnehmung als solche ankommt. Wird der Rezipient im Spielverlauf dauerhaft mit den Kennzeichen konfrontiert, so ist vor dem Hintergrund des audiovisuellen Gesamtsettings und der präsentierten Spielgeschichte die kommunikative Akzentuierung des Kennzeichens zu beurteilen. Richtig ist sicherlich, dass mit steigender Anzahl der Kennzeichen und entsprechenden Szenen auch das Risiko einer kommunikativen Verzerrung einhergeht, wenn der Umgang mit den Kennzeichen nicht sensibel erfolgt.265 Als generelles Unzulässigkeitsmerkmal ist die Massenhaftigkeit der Verwendung der Kennzeichen innerhalb des Computerspiels hinsichtlich Dauer der Wahrnehmbarkeit, szenischer Verarbeitung und Quantität der Kennzeichen ungeeignet, die Sozialadäquanzklausel auszuschließen. Die teleologische Ausrichtung des Kennzeichenverbots weist auf die Unzulässigkeit einer neutralen, unverwerflich erscheinenden, propagandistischen, verzerrenden oder befürwortenden Verhaltensweise mit den Kennzeichen hin, nicht auf die Anzahl. Ein Abstellen auf die Massenhaftigkeit verschärft lediglich die Auslegungsproblematik zur Sozialadäquanz und trägt zur Verschleierung zwischen Straflosigkeit und Strafbarkeit bei. So kann in Anlehnung an den Gedanken Lüttgers, dass es nicht allein auf die Qualität des Kennzeichens als Beiwerk ankommt,266 festgestellt werden, dass es auch nicht auf die Anzahl der implementierten Kennzeichen ankommen kann. 263  Vgl.

OLG Köln, NVwZ 1994, 410, 413. 25, 30, 34. 265  So mahnt auch das ArbG Berlin, Urt. v. 17.05.2017, 21 Ca 12018/16, Rn. 23, 28 (juris) an, dass eine gedankenlose Verwendung nationalsozialistischer Symbole eine Verharmlosung bedeuten kann und diese nicht wie Alltagsgegenstände behandelt werden sollten. Die Zeichen erfordern einen sensiblen Umgang. 266  Lüttger, GA 1960, 129, 138. 264  BGHSt

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

4. Erkennbare Distanz Einige Autoren erkennen den binnensystematischen Zusammenhang der Tatbestandsausschlussvarianten des § 86 Abs. 3 StGB in einer erkennbaren Distanz.267 Mit Blick auf die implementierten Kommunikationsgrundrechte des Art. 5 GG soll der Gebrauch der Kennzeichen auf einen ernsthaften, kritischen, berichtenden und edukativen Gebrauch kanalisiert bzw. begrenzt werden. Erfolgt die Kennzeichenverwendung äußerlich neutral, so komme eine Privilegierung nicht in Betracht.268 Zwar erfordert das Merkmal der Berichterstattung eine neutrale, wahrheitsgemäße Informationsvermittlung, die unter Umständen nicht erkennen lässt, ob mit dem dokumentierten Verhalten sympathisiert oder ob dieses lediglich ausgeleuchtet werden soll.269 Allerdings kann diesem Umstand mit dem Merkmal der kritischen Distanz unter Berücksichtigung etwa aufklärender Kommentierungen Rechnung getragen werden.270 Zudem steht die Kasuistik der Spruchpraxis zu den ähnlichen Zwecken durchaus im Einklang mit dem Merkmal der erkennbaren Distanz, auch wenn diese eine generelle Unzulässigkeit der Authentizitätssteigerung zu verfolgen vermag. Bereits im Jahre 1979 positionierte sich der BGH gegen die Anerkennung der Steigerung der Originalität durch Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen als Ausformung der Sozialadäquanzklausel.271 Später teilte das OLG München diese Auffassung und lehnte die Eröffnung der Sozialadäquanzklausel im Zuge des Zur-Schau-Stellens möglichst detailund originalgetreu nachgebauter Modellflugzeuge gänzlich ab.272 Von einer systematischen Begründung sieht das OLG München ab und stützt seine Erwägungen auf die Wahrung des politischen Friedens. Der Anschein, dass rechtsstaatwidrige innenpolitische Bestrebungen geduldet würden, müsse unterbunden werden. Computerspiele bemühen sich in Hinsicht auf virtuelle Gegenstände und die visuelle Gesamterscheinung der Spielwelt um ein hohes Maß an historischer Präzision und Authentizität. In singulärer Betrachtung der Authenti­ zitätssteigerung wären Computerspiele, die den historischen Kontext des 267  Rahe, S.  191 ff.; Hassemer, in: A-R/C, HB IT- und Datenschutzrecht, § 43 Rn. 27; zust. Kaufmann//Köcher, MMR 2005, 335, 336; a. A. Willems, ZRP 2005, 79, 80. 268  Rahe, S. 198. 269  Rahe, S.  192 f. 270  BGH, NJW 1996, 2585; Rahe, S. 193. 271  BGHSt 28, 394, 398. 272  OLG München, NStZ-RR 2005, 371; zust. Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86a Rn. 7; Reuter, S. 258.



B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel201

Zweiten Weltkriegs oder Aspekte der NS-Diktatur allgemein abzubilden versuchen und sich diesbezüglich NS-Kennzeichen bedienen, unzulässig. Ob mit der Authentizitätssteigerung eo ipso eine Schutzzweckverletzung einher geht, darf mit Blick auf die komplexe Struktur und die mannigfaltige kommunikative Wirkung des Computerspiels bezweifelt werden. Der zentrale Unterschied zwischen der Authentizitätssteigerung in komplexen Computerspielen und der Verwendung auf Modellspielzeugen besteht in der Ermittlung des Gesamtkontextes. Beim Feilbieten oder Zur-Schau-Stellen von Modellen nach den Fallgestaltungen des BGH und des OLG München fehlte es an einem wegweisenden, kommunikativen Korrektiv zur Einordnung der Verwendung für den objektiven Betrachter. Das bloße Fliegen zum Leistungsvergleich und zu Präsentationszwecken im Rahmen einer öffentlichen Flugschau erhielt nach den Feststellungen des Gerichts keinen distanzierenden Einschlag. Vielmehr präsentierte sich das Modell des kennzeichentragenden Jagdfliegers ME 262 als normales, übliches Abbild eines Flugzeuges. Jedwede Distanzierung blieb aus und so stellte sich der Modellflug in seiner kommunikativen Ausrichtung als Nutzung eines unverdächtigen Modells dar. Der schutzzweckverletzende Charakter der Tathandlung ist in der neutralen, undistanzierten Verwendung zu erkennen. Der Anschein, dass in dem Gebrauchmachen etwas Unverdächtiges liege, ist der sozialinadäquate Anknüpfungspunkt des Unrechts. Ebenso verhält es sich mit der neutralen Verwendung in einem Spielzeugladen, ohne dass hier systematisch fehlerhaft auf die Wirkung auf Kinder und Jugendliche hätte abgestellt werden müssen.273 Das lose Präsentieren von NS-Symbole führenden Modellflugzeugen im Rahmen einer ansonsten unverdächtigen Warenauslage in einem Spielzeuggeschäft entnimmt dem Kennzeichen eine kommunikative Bedeutungskraft und reduziert es auf ein gewöhnliches Symbol der Verkaufspräsentation, an dem es keinen Anstoß zu finden gäbe. Eine kritisch distanzierte kommunikative Begleitung des Ausstellens fehlt. Die kommunikative Wirkung unterscheidet sich maßgeblich von einer Verwendung in Computerspielen, die sich der Kennzeichen zur Vermittlung des historischen Kontextes bedienen und sogleich durch den Spielauftrag eine gegnerschaftliche Position zu beziehen in der Lage sind. Der Rückgriff auf die Spruchpraxis von BGH und OLG München greift mit Blick auf den Zweck der Authentizitätssteigerung zu kurz. Jedenfalls eine neutrale Verwendung ist durch die erkennbare Zwecksetzung zur Förderung der Originaltreue und Authentizitätssteigerung richtigerweise nicht den ähnlichen Zwecken zugänglich.274

273  BGHSt 274  BGHSt

28, 394, 397. 28, 394, 398; vgl. Bonefeld, DRiZ 1993, 430, 435.

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

Gleichwohl bleibt umstritten, ob NS-Symbolik in Computerspielen den Anschein der Unterstützung weckt.275 Computerspiele erschaffen einen eigenen kontextuellen und konzeptuellen Gesamtzusammenhang. Inwieweit im Kennzeichengebrauch trotz der Authentizitätssteigerung ein neutraler, undistanzierter Gebrauch der Kennzeichen zu erkennen ist, resultiert nicht notwendigerweise isoliert aus der visuellen Erscheinung der Spielwelt. Exem­ plarisch können NS-Symbole hintergründig in der visuellen Gesamterscheinung vorkommen und dem Rezipienten die Zuordnung dieser erleichtern. Das identische Setting kann aber auch mit dem Auftrag des Spielers verbunden sein, unter dem Kennzeichen als Verteidiger der Ideologie zu handeln.276 Besteht etwa die zentrale Spielaufgabe in genozid-ähnlichen Aufgaben oder wird der Rezipient in einer verharmlosenden oder verherrlichenden Weise mit dem Kennzeichen konfrontiert, so ist ein Tatbestandsausschluss über die Sozialadäquanzklausel nicht denkbar. Nimmt sich ein Hersteller das realitätsnahe Abbild des 1945 zerstörten Berlins zum dramaturgischen Vorbild, so haben die Kennzeichen oftmals einen authentizitätssteigernden Charakter, wenn sich die visuelle Gesamterscheinung des Spiels ebenfalls daran ausrichtet. Die konkrete Wirkungsrichtung und der spezifische Umgang des Spielinhalts mit dem Kennzeichen sind hierdurch noch nicht vorbestimmt. Je nach Handlungsauftrag, Spielgeschichte und akustischer Atmosphäre ist eine Verherrlichung und Glorifizierung nationalsozialistischer Organisationen ebenso möglich, wie die kritische Auseinandersetzung mit diesen. Das Symbol darf durch die kommunikativen Begleitumstände keine Verbindung mit rechtmäßig erscheinenden Bestrebungen erhalten. Die ausschließliche Kopplung des NS-Kennzeichens an ein zu verteidigendes, virtuelles Organisations-, Herrschafts- oder Unternehmenskonstrukt ist mit der teleologischen Ausrichtung der Sozialadäquanzklausel nicht zu vereinbaren. Würden auch neutrale, undistanzierte Verwendungs- und Verbreitungsakte unter das Merkmal der Sozialadäquanzklausel fallen, so würde sich der Anwendungsbereich des § 86a StGB faktisch auf eine bekenntnishafte Verwendung verkürzen. Es bestünde insoweit keine Notwendigkeit, zwischen den einzelnen Merkmalen des § 86 Abs. 3 StGB zu differenzieren. Die Authentizitätssteigerung durch die Kennzeichenverwendung allein vermag keine Unanwendbarkeit der Sozialadäquanzklausel zu bewirken. Sie 275  OLG Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356, 357; Reuter, S. 258; a. A. Liesching, MMR 2010, 309, 312 f.; Rauda, Recht der Computerspiele, Rn. 528; Wager, MMR 2019, 80, 83. 276  Beispielhaft muss der Spieler in „Zog’s Nightmare“ die Zentrale einer nationalsozialistischen Vereinigung von dunkelhäutigen Menschen und Juden befreien. Besonders grausam erscheint die Möglichkeit einen Hebel, der als „Juden Showers“ betitelt ist, zu betätigen. Das Betätigen wird mit Geräuschen erstickender Menschen begleitet.



B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel203

vermag lediglich den akustisch visuellen Ausgangspunkt der strafrechtlichen Beurteilung zu liefern. Sofern der Zweck der Authentizitätssteigerung identifiziert ist, klärt die Untersuchung der Begleitumstände, ob ein propagandistischer, neutraler oder distanzierter Gebrauch vorliegt. Den Ergebnissen der Entscheidungen des BGH und des OLG München ist zuzustimmen. Die erkennbare Distanz war in beiden Fällen nicht gegeben.277 Das bloße zur Schau Stellen von originalen oder nachgemachten Gegenständen lässt die kommunikative Wirkung des Kennzeichens ungefiltert entweichen und kann den politischen Frieden dahingehend stören, dass der objektive Beobachter den Eindruck erhält, die Kennzeichenverwendung würde einen Platz in der üblichen Angebotskultur einnehmen und als Werbemittel – sogar zweckungebunden – straflos erscheinen. Neutrale Begehungsweisen und unterschwellige Propaganda sind nicht von der Sozialadäquanzklausel erfasst. Davon zu unterscheiden sind Kennzeichenverwendungen, die etwa der Warnung vor der symbolisierten Organisation dienen.278 Ein warnender Charakter kann beiden Fallkonstellationen nicht entnommen werden. Die Entscheidungen der Gerichte können widerspruchsfrei mit der fehlenden erkennbaren Distanz zum Kennzeichen begründet werden, ohne auf die Strafbarkeit der Authentizitätssteigerung als eigenständigen Zweck abzustellen. Als teleologische Auslegungsmaxime kann in Anlehnung an Rahe die erkennbare Distanz identifiziert werden.279 § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB ist dahingehend auszulegen, dass die Kennzeichenverwendung eine erkennbare Distanz zum symbolisierten Gedankengut aufbaut. In Computerspielen vermag die kritische Distanz zum Kennzeichen und dessen Vertretern unter Aufrechterhaltung der verfassungswidrigen und verbrecherischen Zielvorstellungen des symbolisierten NS-Regimes auch eine Identifikation des Rezipienten mit dem Nationalsozialismus und dessen Organisationen zu verhindern.280 In Einzelfällen – insbesondere bei Serious Games – ist ein Dienen zu Zwecken der staatsbürgerlichen Aufklärung oder der Berichterstattung denkbar. Mit Blick auf First-Person-Shooter ist eine überwiegende Förderung der Kunst oder der ähnlichen Zwecke möglich. Die Verwirklichung von Dämoni277  Vgl.

BGHSt 28, 394; vgl. OLG München NStZ-RR 2005, 371. Stuttgart, MDR 1982, 246; Heinrich, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 6 Rn. 239; ders., ZJS 2017, 301, 305; Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 34; Werner, in: Creifelds, Rechtswörterbuch, Kennzeichen verbotener Vereinigungen. 279  Rahe, S. 203. 280  Rauda, Recht der Computerspiele, Rn. 528 umgrenzt die Sozialadäquanzklausel in Bezug auf die Kennzeichenverwendung in Computerspielen auf die Unmöglichkeit der Identifizierung mit dem Symbol; ähnl. Muckel, JA 2014, 479, 480. 278  OLG

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

sierungszwecken und Legitimationszwecken des Handlungsauftrages in Verbindung mit einer Authentizitätssteigerung des Spielinhalts schließen die erkennbare Distanz zum Kennzeichen nicht aus. Besteht lediglich ein linearer Einzelspielermodus als Manifestation einer gegnerschaftlichen Positionierung gegen das verbrecherische nationalsozialistische Regime, kommt die Straflosigkeit aufgrund der Sozialadäquanzklausel in Betracht.281 Eine direkte Stigmatisierung des Spielersubstituts mit der NS-Symbolik hingegen eignet sich zur ideologischen Aufladung eines neutralen und ausbalancierten kompetitiven Wettkampfes und ist geeignet, die kritische Distanz des Einzelspielermodus zu konterkarieren.

VI. Die Frage nach der Unzulässigkeit des kompetitiven Mehrspielermodus Im Zuge des spielinternen perspektivischen Wechsels zieht das Spielersubstitut im Mehrspielermodus nicht linear gegen die virtuellen Kennzeichenträger in die Schlacht. Ein linear bekämpfender Handlungsstrang wird ebenso aufgelöst wie die erzählte Spielgeschichte282 und der damit begründete Dämonisierungseffekt, der nunmehr in Gänze durch den Wettkampfcharakter des Spielmodus überlagert wird. Damit ist fraglich, ob der kompetitive Mehrspielermodus die erforderliche Distanz zum Kennzeichen reduziert und mit der Aufweichung der Ablehnungshaltung letztlich das Kennzeichen mit einer neutralisierenden und relativierenden kommunikativen Wirkung überzieht.283 Jedenfalls weisen die Wertungen der StA Stuttgart zum Spiel „Bundesfighter II – Turbo“ darauf hin, dass allein die Perspektive des Spielersubstituts nicht geeignet ist, um bei Computerspielen die Sozialadäquanzklausel zu verneinen. Inwieweit die kritische Distanz bei Computerspielinhalten simplifiziert mit der Perspektive des Rezipienten gleichgesetzt werden kann, ist im Folgenden zu untersuchen. 1. Die gezielte Spielbarkeit auf Seiten der Kennzeichenvertreter Als eines von wenigen Spielen, welches die kompetitive Teilnahme auf Seiten des verfassungswidrigen Kennzeichens eröffnet, darf „Bundesfighter II – Turbo“ genannt werden. Die Spielbarkeit des AfD-Politikers Alexander Gauland, der sich kurzzeitig in ein Hakenkreuz verwandeln kann, veranlasste die Staatsanwaltschaft Stuttgart nicht zur Annahme eines hinreichenden Tatverdachts. Der perspektivische Wechsel des Rezipienten, auf Seiten des 281  Ähnl.

Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 22. in: Shooter, S. 21, 31. 283  Vgl. Heckmann, in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 8 Rn. 487. 282  Thon,



B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel205

nationalsozialistischen Kennzeichens selbst zu interagieren und dieses gezielt einzusetzen, ließ eine Zuordnung zur staatsbürgerlichen Aufklärung durch den Aufruf zur Wahlbeteiligung und ein Dienen der Kunst aufgrund der satirischen Verwendungsform weiterhin zu.284 Das Kennzeichen wurde gezielt zur Überdehnung einer parteilichen Ausrichtung implementiert. Dass aus dem Spiel eine Gefährdung der demokratischen Grundordnung erwachsen soll, wirkt konstruiert. Mit dem Aufruf zur Beteiligung an der Bundestagswahl 2017 verdeutlicht sich die Zwecksetzung, vor allem jüngere Menschen zur Wahrnehmung ihres Wahlrechts aufzurufen. Der satirisch-politische Gesamtkontext des Spiels wird durch den gezielten Einsatz des Hakenkreuzes sogar noch verstärkt. Eine eigene politische Stellungnahme durch den Inhalt ist nicht zu erkennen, weil die überspitzte Darstellungsform als gemeinsames Merkmal alle abgebildeten Politiker erfasst. Die Distanz zum Kennzeichen wahrt das Spiel durch eine am Parteiprogramm ausgerichtete Überspitzung jeder Fraktion. Das Hakenkreuz rückt weder in den Fokus, noch nimmt es einen übergeordneten kommunikativen Stellenwert ein. Vielmehr wird es als geeignetes Mittel der Kritik am Parteiprogramm eingesetzt, um eine kritische Auseinandersetzung mit den zur Wahl antretenden Parteien zu gewährleisten. Angela Merkel als Vertreterin der CDU erhält als spezifischen Angriff eine illustrierte „Flüchtlingswelle“, die durch eine Wasserwelle mit in Rettungswesten schwimmenden Menschen symbolisiert wird. Sarah Wagenknecht als Vertreterin der Partei Die LINKE bedient sich spielintern bei ihren Angriffen mit Hammer und Sichel bekannten Symboln des Marxismus-Leninismus. In diesem Zusammenhang stellt sich die konkrete Einbettung des Kennzeichens als Angriff des AfD-Fraktionsvorsitzenden Alexander Gauland als dramaturgisch-satirisches Mittel dar. Der satirische Charakter des Kennzeichens verstärkt sich durch das Zusammentreffen mit ähnlich gelagerten Elementen. Das als Alexander Gauland zu identifizierende Spielersubstitut verfügt etwa über einen Angriff mit einer länger werdenden Nase – ähnlich der fiktiven Figur Pinocchio und kann auch durch einen strammen Tritt mit militärischem Marschcharakter agieren. Die spezifischen Angriffsmechanismen können in Gesamtbetrachtung des Spiels stets als Kritik verstanden werden, ohne dass eine politische Stellungnahme durch den Spielinhalt vorgenommen wird. Das gewählte Spielersubstitut ist untauglich, als potenziell heldenhafte Identifikationsfigur für den Rezipienten zu dienen. Auch mit der Spielbarkeit auf Seiten des Vertreters des NS-Kennzeichens ist keine Vorbildfunktion gewährleistet.285 Gleichwohl handelt es sich bei dem Computerspiel des öffentlichrechtlichen Medienangebots wohl nicht um ein übliches Spiel, bleibt es doch in grafisch visueller Ausgestaltung und Komplexität der Spielaufgaben weit 284  StA

285  Vgl.

Stuttgart v. 20.12.2017, Az.: 9UJs 11892/17. auch Frenzel, AfP 2002, 191, 194.

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

hinter den Spielen international agierender Softwareunternehmen zurück.286 Insbesondere bedienen sich die meisten Spiele keiner satirischen Einbettung der Kennzeichen, sondern nutzen es als Identifikationsmerkmal. Die Subsumtion des Spiels „Bundesfighter II – Turbo“ unter die Kunst und die staatsbürgerliche Aufklärung wird zutreffend nicht durch die Spielbarkeit als Vertreter des Hakenkreuzes gesperrt. Damit bietet auch die Spielbarkeit als Vertreter der Kennzeichen kein trennscharfes Abgrenzungskriterium, um die Implementierung von NS-Symbolen in Computerspielen mit dem strafbegründenden Unrechtsgehalt zu versehen. 2. NS-Symbole als dramaturgische Begleiterscheinung der virtuellen Spielwelt a) Der zusätzliche kompetitive Mehrspielermodus Regelmäßig verleiht der Einzelspielermodus im First-Person-Shooter der Symbolik einen gezielten Bedeutungsgehalt, der sich – zumindest im historisch authentischen Gesamtsetting – am Unrecht der tatsächlichen Organisation orientiert.287 Das Kennzeichen legitimiert den Spielauftrag und nimmt für das Spielziel eine dominierende Position ein. Dies gilt insbesondere, wenn es um die Zerschlagung aller unter dem Kennzeichen agierenden vir­ tuellen Feinde geht. Innerhalb des kompetitiven Mehrspielermodus limitiert sich die spielspezifische Bedeutung des Kennzeichens erheblich. Es ist lediglich eine Randerscheinung des spielerischen Geschehens, das sich auf Schnelligkeit, Präzision und taktische Erwägungen konzentriert. Gewichtige Argumente sprechen für die Möglichkeit, dass auch bei klassischen First-Person-Shootern oder Strategiespielen die Dienlichkeit zu privilegierenden Zwecken durch die Spielbarkeit auf Seiten des Kennzeichens nicht ausgeschlossen ist. Typischerweise ist NS-Symbolik im Mehrspielermodus als visuelle Begleiterscheinung in einer als Wettkampfarena288 zu verstehenden virtuellen Welt wahrnehmbar. Spielrunden verlaufen nicht linear, sondern sind in der Regel relativ kurzweilig und im Spielverlauf abhängig von der Gesamtdynamik zwischen den einzelnen Teilnehmern und deren Spielstärke. Oftmals wechselt rundenbasiert die Fraktionszugehörigkeit, sodass dem Rezipienten eine dauerhafte Vertretung der im Einzelspieler stig286  Siehe

Abb. 6. Alternativweltszenario der „Wolfenstein“-Spielreihe löst sich zwar das audiovisuelle Gesamtsetting von realhistorischen Begebenheiten, gleichwohl bleibt die verbrecherische Unrechtsverbindung zwischen den implementierten Symbolen und dem Nationalsozialismus bestehen. 288  Gieselmann, Der virtuelle Krieg, S. 90. 287  Im



B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel207

matisierten Fraktion kaum ermöglicht wird. Weder kann der Rezipient gezielt mit dem Kennzeichen interagieren, noch beeinflusst es positiv oder negativ den Verlauf des Spiels. Eine abweichende Beurteilung kann sich ergeben, sofern das verfassungswidrige Kennzeichen als solches modusspezifisch in den Vordergrund rückt und zum zentralen, spielentscheidenden Element des Wettkampfes erhoben wird. Besteht die Spielaufgabe im Hissen einer kennzeichentragenden Flagge in bestimmten Bereichen der Spielwelt, die durch eine gegnerische Fraktion verteidigt wird, so liegt es fern, das Symbol als dramaturgische Begleiterscheinung zu verstehen, die lediglich der Vereinheitlichung des historischen Gesamtsettings dienen soll. Insbesondere die unmittelbare Verbindung eines NS-Symbols mit einem kämpferischen Handlungsauftrag des Rezipienten, der den Anschein der Verteidigung der mit dem Kennzeichen abstrahierten Wertvorstellungen vermittelt, eröffnet keinen Raum für die Sozialadäquanzklausel. Vielmehr ist hierin die Gefahr der unterschwelligen propagandistischen Beeinflussung zu erkennen die § 86a StGB zu verhindern sucht. In Ansehung seriöser Spielentwicklungen nehmen aber gerade solche Darstellungen in Computerspielinhalten einen hohen praktischen Anteil ein, die keine unmittelbare Verbindung zwischen dem Spielersubstitut, dessen Handlungsziel und dem NS-Symbol aufbauen. Ferner beruht der kompetitive Modus grundsätzlich auf einer spielinternen Balance, sodass dem Rezipienten keine Vorteile für die Auswahl einer bestimmten Fraktion entstehen. Jede Seite erhält ähnlich effektive, virtuelle Waffen und Ausrüstungsgegenstände, sodass die durch das Spiel vorgegebene Stärke der Teams ausgeglichen ist. Eine durch die Kennzeichenimplementierung bewirkte Schutzzweckverletzung kommt nur in Betracht, wenn durch sie der Gesamteindruck des Spiels in irgendeiner Weise zu Gunsten der NSOrganisation neutralisiert oder kommunikativ verzerrt wird. Ist eine erzählte Spielgeschichte im Einzelspielermodus vorhanden, so fließt eine etwaige Dämonisierung und lineare Gegnerschaft in die Gesamtbeurteilung des Spiels ein.289 Innerhalb des kompetitiven Mehrspielermodus wird die NS-Symbolik für den Spielverlauf und für den teilnehmenden Rezipienten oftmals in die Bedeutungslosigkeit verdrängt. Es wird keine Interaktion mit dem Symbol ermöglicht, sondern lediglich erkennbar die Spielwelt des Einzelspielermodus auf den kompetitiven Modus übertragen. Die audiovisuelle Ausgestaltung des Computerspiels erhält ein einheitliches Erscheinungsbild und verleiht dem Spiel ein konsistentes Gesamtsetting. Daher bleiben die Spielgeschichte und der Handlungsstrang des Einzelspielermodus die einzige ausdrückliche kommunikative Stellungnahme zum Kennzeichen. Der Handlungsauftrag des Spielersubstituts richtet sich in keiner Weise an einer ideologischen Aufladung des Werks aus. Vielmehr ist zu beobachten, 289  Wager,

K&R 2019, 380, 382.

208

Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

dass der kompetitive Mehrspielermodus in vielen Computerspielen des Genres First-Person-Shooter identisch aufgebaut ist und sich lediglich in der visuellen Erscheinung des historisch gewählten Kontextes unterscheidet. Dass der Schutzzweck des § 86a StGB durch die Implementierung der Kennzeichen trotz eindeutiger Negativakzentuierung und gegnerschaftlicher Ausrichtung des Einzelspielermodus verletzt sein soll, wirkt konstruiert. In werkgerechter Interpretation ist der kompetitive Mehrspielermodus als Wettkampf zu verstehen, der keine inhaltliche Positionierung zum dramaturgisch eingebundenen Kennzeichen vornimmt. Die Implementierung als randseitige visuelle Begleiterscheinung einer virtuellen Wettkampfarena entfaltet kaum eine spielspezifische Bedeutung. Die strategischen Elemente des gezielten Vorgehens gegen den Gegner treten in den Vordergrund. Das eigene Spielersubstitut wird im chaotischen Spielverlauf typischerweise häufiger eliminiert und der Rezipient steigt nach wenigen Sekunden wieder in das Spiel ein, sodass sich der kurzzeitige Misserfolg nicht notwendigerweise auf den Gesamtausgang des Spiels auswirkt. Ein Identifikationspotenzial mit dem Spielersubstitut wird aufgrund der beliebigen Austauschbarkeit des Spielersubstituts nicht geschaffen.290 Die hintergründige Einbettung wird nicht bereits deshalb in die Strafbarkeit gedrängt, weil es sich um eine kommunikativ unbegleitete – neutrale – Präsentation des Kennzeichens handelt. Es widerspräche der systematischen und teleologischen Ausrichtung des § 86a StGB, wenn einerseits ein Computerspiel mit alleinigem – offensichtlich – linear bekämpfendem Einzelspielermodus bereits der teleologischen Tatbestandsreduktion unterfiele,291 das identische Spiel allein aufgrund eines zusätzlichen Spielmodus, der die bestehende Negativakzentuierung nicht konterkariert, nicht einmal unter die Sozialadäquanzklausel zu fassen sei. Die Sozialadäquanzklausel stellt an die Distanzierung durch den Gebrauch der Kennzeichen geringere Anforderungen an den Handelnden als die teleologische Tatbestandsreduktion.292 Dies gilt freilich nur dann, wenn der kompetitive Mehrspielermodus keine kommunikative Neuausrichtung zum Kennzeichen selbst vornimmt, sondern erkennbar als Wettkampfplattform für alle Rezipienten dient und sich dazu der virtuellen Gesamterscheinung des Einzelspielermodus bedient. Einzel- und kompetitiver Mehrspielermodus stehen innerhalb eines Computerspiels nicht in Konkurrenz zueinander. Die gegenteilige Auffassung würde zwangsläufig zu dem Ergebnis gelangen, dass Kennzeichen im kompetitiven Mehrspielermodus generell unzulässig wären. Im Zuge einer gesamtmedialen Betrachtung kann der Mehrspielermodus nicht isoliert beurteilt werden, handelt es Der virtuelle Krieg, S. 90. C. II. 3. c) dd). 292  Reuter, S. 251. 290  Gieselmann, 291  Kap. 2



B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel209

sich doch um ein einheitliches Werk.293 Insofern bedarf die Ermittlung des Tatbestandsausschlusses der Feststellung, inwieweit sich eine lineare Gegnerschaft und Ablehnungshaltung durch den kompetitiven Mehrspielermodus reduziert. Jedenfalls darf nicht in singulärer Betrachtung des kompetitiven Modus die Anwendbarkeit der Sozialadäquanzklausel ipso iure gesperrt werden. Auch andere komplexe mediale Inhalte, wie Filmwerke, sind in mate­ riell-strafrechtlicher Hinsicht nicht auf die Untersuchung weniger Einzel­ szenen zu begrenzen. b) Verzicht auf den Einzelspielermodus Einige Computerspiele verzichten aufgrund der dominierenden Beliebtheit des kompetitiven Spielmodus gänzlich auf eine lineare Einzelspielerkampagne. Exemplarisch bietet „Counter-Strike: Global Offensive“ ein rein kompetitives Spielprinzip, in welchem Spezialeinheiten mit Waffengewalt gegen Terroristen kämpfen, die versuchen, einen Sprengsatz zu platzieren. Beide Faktionen sind gleichermaßen spielbar. Eine dramaturgisch-hintergründige Einbindung der Kennzeichen in die Spielwelt wäre in diesem Fall wohl mit dem Erfordernis der erkennbaren Distanz unvereinbar. Mangels eines narrativen Handlungsstrangs erscheinen die implementierten Elemente gesamtmedial kommunikativ unbegleitet als übliche und unverfängliche virtuelle Objekte. Dieser Eindruck verstärkt sich, wenn die NS-Kennzeichen sogar als konkrete fraktionsspezifische Identifikationsmerkmale zu verstehe wären. Richtigerweise erhielten auch nach der Änderung der Spruchpraxis der USK rein kompetitive Computerspiele keine jugendschutzrechtliche Freigabe.294 Diese hat zwar aufgrund der unterschiedlichen Schutzrichtungen des § 86a StGB und des § 18 Abs. 1 JuSchG keine Ausschlussfunktion, weist aber indiziell auf ein höheres Gefährdungspotenzial hin. Typische auf Unterhaltungszwecke ausgerichtete Mehrspielermodi bieten regelmäßig lediglich eine virtuelle Spieleplattform zu Wettkampfzwecken und fördern mit der Kennzeichenverwendung stärker die Unterhaltung der Rezipienten. In Ermangelung einer ausgefeilten Rahmenhandlung, fehlender konkret zeitlich-örtlicher Einordnung und fehlender kommunikativer Botschaft des Spielinhalts, vermag in der Regel keine hinreichende kommunikative Distanz zum Kennzeichen aufgebaut werden. Mit Blick auf das kommunikative Gewicht der unkommentierten neutralen Einbettung in das Spielgeschehen vermögen auch Hinweise in den Wartezeiten während des spielinternen Ladevorgangs kein entsprechendes Gegengewicht zu bilden. Dies ergibt 293  Vgl.

Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 31. bisher zugelassenen Spielen ist ein implementierter Einzelspielermodus gemein; so auch Wager, K&R 2019, 380. 294  Allen

210

Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

sich bereits daraus, dass auch ein im Vergleich zum kompetitiven Mehrspielermodus kaum ins Gewicht fallender, sehr kurzweiliger, linearer Einzel­ spielermodus die fehlende kritische Distanz nicht aufzulösen im Stande ist. Die Verwendung in NS-Symbolen findet ihre Grenzen in der freiheitlich demokratischen Grundordnung und ist regelmäßig überschritten, wenn sie kontextuell kaum begleitet wird. Ausnahmeerscheinungen wie „Bundesfighter II – Turbo“ legen aber auch hinsichtlich dieses Befundes eine differenzierte Betrachtung nahe, sodass in besonderen Fällen auch bei bloßem kompetitiven Modus eine kontextuelle Einbettung in das künstlerische – hier satirische – Gesamtkonzept straflos zu stellen ist. Im Ergebnis wird eine kritische Distanz zum Kennzeichen nicht notwendigerweise durch ein bloß kompetitives Gesamtgeschehen konter­ kariert. Grundsätzlich ist ein linearer Einzelspielermodus typischerweise als Indiz für die Annahme einer kritischen Distanz geeignet. Das Fehlen eines linearen Handlungsauftrags in Gegnerschaft zum Symbol schließt gleichwohl die Anwendbarkeit der Sozialadäquanzklausel bei Computerspielinhalten nicht notwendigerweise aus. 3. Kommunikationslimitierung Innerhalb des Spiels ist eine limitierte Kommunikation zwischen den Spielern möglich.295 Grundsätzlich dient eine akustische oder textbasierte team­ interne Kommunikation zur Absprache taktischer Erwägungen. Moderne Computerspiele bedienen sich einer algorithmusbasierten Kontrollsoftware. Beleidigende, hetzerische oder propagandistische Inhalte können durch eine automatische Erkennung agitatorischer Kommunikation teilweise gefiltert werden. Exemplarisch werden teilweise Begriffe wie: „Hitler“ verschlüsselt. Selbstverständlich erkennt die Software nicht jeden Inhalt. So können sorgfältig verschlüsselte Begriffe etwa durch Akronyme, geschickte Silbentrennung oder das Ersetzen einiger Buchstaben durch optisch ähnliche Zahlen verschleiert werden. Insbesondere verfügen viele Spiele über interne Meldesysteme, in welchen unerwünschte Inhalte durch Spieler selbst gemeldet werden können.296 Wiederholte Verstöße können dem Spielerpseudonym zugeordnet werden und ermöglichen den Ausschluss des Rezipienten vom Spiel. In einigen Spielen schaltet der Rezipient mit zunehmender Spielzeit stetig neue Gegenstände frei. Kleidung für die Spielfigur, Lackierungen für Fahrzeuge oder Upgrades zur Steigerung der Effizienz von Waffen oder an295  Ladas, S. 58; Kauert, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. II, Kap. 6 Rn. 107; Reinecke/Klein, in: Game Studies – Computerspielforschung, S. 210, 235; Thon, in: Shooter, S. 21, 31; Wager, K&R 2019, 380, 382. 296  Vgl. Wager, K&R 2019, 380, 383.



B. Die Reichweite der Sozialadäquanzklausel211

dere Spielmittel ermöglichen eine Individualisierung des Spielersubstituts und dessen Ausrüstung. Diese ist an den individuellen Spielaccount geknüpft. Ein Ausschluss vom Spiel aufgrund propagandistischer Kommentare, die auch durch andere Spieler gemeldet werden können, verhindert die weitere Nutzung errungener Spezifikationen. Der Account kann gesperrt werden und der Spieler muss zur Teilnahme einen neuen Account erstellen, ohne Zugriff auf die bisherigen Errungenschaften zu haben.297 Mit der spielinternen Kommunikationsbegrenzung verdeutlicht sich die erkennbare Zweckrichtung des Computerspiels, einen fairen und ausgeglichenen kompetitiven Wettkampf zu ermöglichen. Dieser Umstand untermauert den Gesamteindruck, dass die Kennzeichen lediglich als dramaturgisches Beiwerk, nicht aber zur Relativierung einer gegnerschaftlichen Haltung eingesetzt werden sollen, weil verfassungsfeindliche Kommunikation im Spiel nicht geduldet wird. Insbesondere besteht für Spielehersteller grundsätzlich keine strafgesetzliche Pflicht, hetzerische Kommunikation zwischen den teilnehmenden Rezipienten eigenständig mit präventiven Wirkungsmechanismen zu unterbinden.298 Der eigenständigen Kommunikationslimitierung kann eine starke indizielle Bedeutung hinsichtlich der ideologisch losgelösten Wettkampfteilnahme der Rezipienten beigemessen werden. Der Publisher nimmt interne Sicherungsmaßnahmen vor. In Bezug auf die Versteigerung von NS-Militaria betonte der BGH, dass Bieter und Interessenten versichern mussten, dass der Erwerb der NS-Militaria ausschließlich zu privilegierten Zwecken des § 86 Abs. 3 StGB erfolgen werde. Ferner wurde durch die Ausrichtung der Versteigerung an Sammler und die verhältnismäßig hohen Preise die Gefahr einer allgemeinen Publikumsbeteiligung reduziert.299 Die Straflosigkeit wurde unter Berücksichtigung getroffener Vorsichtsmaßnahmen angenommen.300 Zwar richtet sich der kompetitive Mehrspielermodus an alle Interessenten, dieser kommuniziert aber erkennbar eine Zwecksetzung der Kennzeichen im Mehrspielermodus zur Authentizitätssteigerung der Spielwelt und damit zur Erhöhung des Unterhaltungswerts des Spiels als Ganzes. Eine kommunikative Neuinterpretation, die vom Einzelspielermodus abweicht, wird oftmals nicht vorgenommen und soll durch die Verhaltensregeln an jeden einzelnen Rezipienten auch durchgesetzt werden. Ähnlich der vom BGH entschiedenen Konstellation zeigt der Mehrspielermodus umfangreiche Schutzmechanismen, um einen schutzzweckverletzenden Umgang mit den Kennzeichen zu 297  Vgl. AG Karlsruhe, MMR 2015, 514; Gieselmann, Der virtuelle Krieg, S. 86; vgl. auch Weber/Morich, in: MAH IT-Recht, Teil 5.2 Rn. 46 f. 298  Zu den Pflichten des NetzDG siehe Kap. 7 F. 299  BGHSt 31, 383, 387. 300  BGHSt 31, 383 387 f.

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

verhindern. Durch die Eingrenzung der Kommunikation entsteht auch nicht der Eindruck, die Wiedereingliederung der Kennzeichen und jeglicher damit zusammenhängender verfassungswidriger Bestrebungen solle mit der Verwendung im Spiel vorangetrieben werden. Das Missbrauchsrisiko wird durch spielinterne Vorsichtsmaßnahmen erheblich reduziert. 4. Ergebnis Die Spielbarkeit auf Seiten der im Einzelspielermodus stigmatisierten Fraktion im kompetitiven Mehrspielermodus schließt die Anwendung der Sozialadäquanzklausel nicht aus. Der Strafgrund des § 86a StGB ist in der Unterbindung unterschwelliger Propaganda und der neutralen Präsentation der Kennzeichen als übliche und unverfängliche Symbole zu erkennen. Dies manifestiert sich darin, dass eine bekenntnishafte Verwendung nicht erforderlich ist, um das Handlungsunrecht des § 86a StGB zu verwirklichen und die Sozialadäquanzklausel zutreffend nicht die unterschwellige propagandistische Beeinflussung straflos stellt. Typische First-Person-Shooter vermögen implementierte Kennzeichen differenziert zu begleiten, sodass unabhängig von den Zwecken des § 86 Abs. 3 StGB folgende Ergebnisse festzustellen sind: Die Anwendbarkeit der Sozialadäquanzklausel ist nicht grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die Kennzeichen innerhalb des kompetitiven Mehrspielermodus als dramaturgisches Beiwerk die virtuelle Spielwelt des linear gegnerschaftlichen und negativakzentuierenden Einzelspielermodus wiedergeben und keine ideologische Verbindung zwischen dem Wettkampfgeschehen und dem NS-Symbol hergestellt wird. Eine unzulässige ideologische Aufladung des Wettkampfgeschehens und unterschwellige Propaganda kann insbesondere aus der unmittelbaren Verbindung des Spielersubstituts mit dem NS-Kennzeichen aufgebaut werden, weil das Symbol unmittelbar mit dem kämpferischen Geschehen verbunden wird. Ist lediglich ein Mehrspielermodus vorhanden oder erscheint ein Einzelspielermodus in gesamtmedialer Betrachtung lediglich als randseitige Annex­ erscheinung des kompetitiven Wettkampfes, so ist die Kennzeichenimplementierung in Computerspielen regelmäßig unzulässig.301

301  Eine

Ausnahmeerscheinung besteht insofern mit „Bundesfighter II – Turbo“.



C. Die Anwendung der Regelbeispiele des § 86 Abs. 3 StGB213

C. Die Anwendung der Regelbeispiele des § 86 Abs. 3 StGB auf die computerspielinterne Verwendung von NS-Symbolik I. Staatsbürgerliche Aufklärung Wesentliches Merkmal des Tatbestandsausschlusses nach § 86 Abs. 3 Var. 1 StGB ist die Wissens- und Informationsvermittlung, auf deren wahrheitsgemäßer Grundlage der Rezipient ein eigenes Bild über die Kenn­ zeichenbedeutung erhält.302 Insbesondere, wenn sich die Verwendung der ­NS-Symbolik durch originale filmische, kritisch kommentierte Einbettungen zeigt, kann die staatsbürgerliche Aufklärung zum Tragen kommen. Spiele dienen der staatsbürgerlichen Aufklärung, wenn die spezifische Spielaufgabe eine kritische Auseinandersetzung mit dem Kennzeichen, seiner Bedeutung und der Identifizierung des konkreten Unrechtscharakters zulässt. Eine simplifizierte Gut-Böse-Zeichnung durch das NS-Symbol genügt nicht. So darf das Kennzeichen nicht zu einer bloßen Feindidentifikation oder zu Legitimationszwecken hinsichtlich des Spielauftrags verkommen. Der Rezipient muss das Kennzeichen aufgrund der gebotenen Informationslage zutreffend einordnen können, ohne einem überwältigenden Handlungsdruck ausgesetzt zu sein. Insgesamt darf der reine Unterhaltungswert des Spiels normativ nicht die Informationsvermittlung überlagern oder die Erfassung der Informationen durch den Rezipienten aufgrund eines dominierenden Handlungsdrucks erheblich erschweren. Es bedarf einer von außen erkennbaren Nähe zwischen der konkret vermittelten Information und dem Kennzeichen. Computerspiele sind meist mit Belohnungssystemen ausgestattet.303 Spielintern können etwa Punkte gesammelt werden, indem ein Zusatzziel erreicht wird oder – nach den Maßstäben des Spiels selbst – lobenswert gehandelt wird. Ein entsprechendes Belohnungssystem kann der pädagogischen Ausrichtung der staatsbürgerlichen Aufklärung etwa dadurch Rechnung tragen, dass die vermittelten Informationen zu den Kennzeichen in spielinterne Entscheidungen und die Punkteerzielung zutreffend einfließen. Serious Games haben selten einen kompetitiven Charakter und verarbeiten Kennzeichen vorwiegend gezielt, um den Rezipienten über Gefahren für die Zivilbevölkerung zu Zeiten der nationalsozialistischen Diktatur zu informieren. Diese Spiele identifizieren sich selbst als Medium zur Aufarbeitung historischer Geschehnisse. Eine Unzugänglichkeit des § 86 Abs. 3 Var. 1 StGB für Kennzeichenverwendungen in Computerspielen ließe sich nur begründen, 302  Siehe 303  Vgl.

bereits Kap. 4 B. IV. 1. OLG Köln, NVwZ 1994, 410, 413.

214

Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

wenn ihnen Wesenselemente gänzlich fehlen, die unproblematisch im Bereich dokumentarischer Berichte oder Ausstellungen zu finden sind. Als wesent­ liches normatives Abgrenzungsmerkmal zwischen filmischen Darstellungen und Computerspielen kann die Interaktivität ausgemacht werden. Gleichwohl ist dem Einwand, dass die freie Erfindung eines Spielplots die Dienlichkeit zur staatsbürgerlichen Aufklärung sperrt,304 nicht zu folgen. Ist zwischen beiden medialen Erscheinungsformen ein fließender Übergang festzustellen, etwa weil sich Computerspiele eines filmähnlichen linearen Handlungsverlaufs sowie einer fotorealistischen Grafik bedienen, realhistorische Begebenheiten und originale Filmaufnahmen zur kontextuellen Ausfüllung der interaktiven Spielgeschichte nutzen, so ist ein am Phänotyp der Mediengattung Computerspiel orientierter Anwendbarkeitsausschluss nicht tragfähig. Insbesondere bedeutet die Verwendung von Kennzeichen in Computerspielen nicht notwendigerweise die Einbettung derselben in das fiktionale Geschehen. Computerspiele sind Teil der Medienlandschaft geworden. Massenmedien erfüllen auch den Auftrag der Mitwirkung und Vermittlung von Informationen zu verfassungsrechtlichen Grundwerten. Der Zugang zur staatsbürger­ lichen Aufklärung kann nicht von vornherein gesperrt sein.305 Inwieweit der Rechtsgüterschutz des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB durch die Einbettung originaler Filmaufnahmen in ein Computerspiel stärker betroffen sein soll als durch die identische Visualisierung als alleinstehende filmische Dokumentation, ist kaum anhand der Mediengattung zu beantworten. Fiktionale spielgeschicht­ liche Inhalte können tatsächliche Begebenheiten abbilden und sperren nicht notwendigerweise die kritische Auseinandersetzung zur Förderung der politischen Mündigkeit. Voraussetzung für die staatsbürgerliche Aufklärung ist, dass sich die fiktionale Spielgeschichte in die realhistorischen Begebenheiten einbettet und kein kommunikatives Gegengewicht zum Vermittlungszweck gesetzt wird. Insbesondere kann die Interaktivität von Computerspielen in Serious Games eine Verstärkung aufklärender Informationen bewirken und so der Förderung der durch § 86a StGB geschützten Zwecke intensiver Rechnung tragen als in filmischen Darbietungen. Anders als filmische Dokumentationen oder schriftliche Berichte ist das Zustandekommen eines Computerspiels stets auf die hohe Aufmerksamkeit des Rezipienten ausgerichtet. Während der Zweck einer filmischen Dokumentation in der einfachen Ermittlung des präsentierten Inhalts festgestellt werden kann, ist ein ähnlich gelagerter Inhalt im Rahmen eines Computerspiels auf die stetige aktive Einbindung des Rezipienten angewiesen. Filmische Zwischensequenzen erklären oftmals den Handlungsverlauf und spiegeln sich in den fortwährenden interaktiven Elementen. Im Rahmen eines Computerspiels kann das spiel­ MMR 2010, 309, 310. in: GS-Burmeister, S. 101, 102.

304  Liesching, 305  Dörr,



C. Die Anwendung der Regelbeispiele des § 86 Abs. 3 StGB215

interne Vorankommen oder Scheitern des Rezipienten an die korrekte Einbindung der ihm überlieferten Informationen gekoppelt werden, sodass derjenige nicht in den Genuss des Spielfortschrittes kommt, der sich der übermittelten Information verschließt und diese folglich nicht in das interaktive Spielgeschehen einzubauen vermag. Exemplarisch kann in einer Filmsequenz die Gefährlichkeit einer NS-Organisation unter Wahrnehmbarkeit des Kennzeichens erläutert werden. In der sich anschließenden interaktiven Spielsequenz ist es denkbar, dass der Rezipient aus der Perspektive einer Zivilperson agieren und etwa gefährliche Gegenstände aus der virtuellen eigenen Wohnung vernichten muss, um nicht festgenommen zu werden.306 Gelingt es dem Rezipienten nicht, die präsentierten Informationen interaktiv einzubinden, so kann das Spielziel nicht erreicht werden. Freilich darf die Kennzeichenverwendung im Spiel nicht selbstzweckhaft nur der Fortsetzung der internen Spielgeschichte dienen und sich nicht von realhistorischen Begebenheiten entfernen. Nur wenn zu jeder Zeit für den objektiven Beobachter erkennbar ist, welche Darstellungen der fiktionalen Geschichte des Spiels entspringen und welche Darstellungen den realhistorischen Begebenheiten entsprechen, kann auch ein Wissenstransfer stattfinden. Insofern muss sich die Spielgeschichte lückenlos in die geschichtlichen Ereignisse einfassen lassen. Die staatsbürgerliche Aufklärung durch ein Computerspiel ist in Einzelfällen möglich und bedarf insbesondere bei Serious Games der näheren Betrachtung.307 Im Ergebnis dienen sowohl „Attentat 1942“ als auch „Bundesfighter II – Turbo“ der staatsbürgerlichen Aufklärung. Zwar kann Strategiespielen und First-Person-Shootern ein gewisser wahrheitsgemäßer Informa­ tionswert zu den implementierten Kennzeichen durchaus entnommen werden. Dieser beschränkt sich gleichwohl auf die Fraktionszuordnung und unter Umständen auf den verbrecherischen Gesamtcharakter der nationalsozialistischen Diktatur zwischen 1939 und 1945. Dass die Kennzeichen im Spiel dazu dienen, über die symbolisierte Organisation selbst, deren Ziele oder Umsetzungsmethodik zu informieren, um den Rezipienten zur politischen Meinungsbildung zu verhelfen, wird wohl niemand ernstlich vertreten.

II. Kunst Ein Dienen zu künstlerischen Zwecken ist weder durch die kommerzielle Vermarktung des Werks noch durch den Unterhaltungszweck des Mediums ausgeschlossen.308 Kunstwerke sind interpretationsbedürftig, wonach sich 306  So

etwa in „Attentat 1942“, vgl. Kap. 1 G. II. 2. Stuttgart v. 20.12.2017, Az.: 9UJs 11892/17; Wager, K&R 2019, 380, 381. 308  Kap. 4 B. IV. 3. a); Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 19; Liesching, MMR 2010, 309, 310. 307  StA

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

auch die Zweckdienlichkeit der im Kunstwerk enthaltenen Kennzeichen je nach Deutung verlagern kann. Im Zuge der oftmals vielschichtigen Interpretationsbedürftigkeit des Spielinhalts – insbesondere mit Blick auf einen linearen Handlungsverlauf – ist es unzulässig, diesen allein auf eine strafrechtlich relevante Variante herunterzubrechen und zur Strafbegründung heranzuziehen.309 Würde nun der Unterhaltungszweck die Kunstdienlichkeit ausschließen, so würde kaum ein Computerspiel der vorzunehmenden Gesamtbetrachtung Stand halten, da der einfache Verweis auf den Unterhaltungszweck des Mediums und der darin enthaltenen grafischen und akustischen Elemente kaum zu entkräften ist. Künstlerische Betätigung und Unterhaltungszwecke liegen oft nah beieinander. 1. Künstlerische Aspekte des Computerspiels Computerspiele unterfallen als Kunstwerke dem Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG.310 Das BVerfG bezeichnete das umfassende Verbot, ein Kunstwerk öffentlich zu machen oder zu verbreiten, als besonders starke Beeinträchtigung der Kunstfreiheit.311 Die konkrete Bestimmung des künstlerischen Gewichts des Computerspiels ist Ausgangspunkt des Tatbestandsausschlusses gemäß § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB. Um festzustellen inwieweit die Kennzeichenimplementierung der Kunst dient, bedarf es der konkreten Gewichtung des Interesses, die auch die Einbettung des Kennzeichens in das künstlerische Gesamtkonzept berücksichtigt.312 Insofern ist die Ermittlung aller tatsächlichen Umstände erforderlich, die den künstlerischen Gehalt des Werks ausfüllen.313 Eine Bestimmung nach reinen Geschmacksurteilen verbietet sich.314 Je enger sich das Kennzeichen in das künstlerische Konzept einbindet, umso eher dient die Verwendung der Kunst.315 Eine selbstzweckhafte und vom künstlerischen Spielinhalt losgelöste Kennzeichenverwendung bleibt zwar Teil des Kunstwerks. Gleichwohl ist in diesem Fall die überwiegende Förderung der Kunst ausgeschlossen.

309  BVerfGE

67, 213, 230; 82, 1, 5. B. IV. 3. b). 311  BVerfG, NJW 2019, 1277, 1278. 312  BVerfGE 83, 130, 147 f.; BVerwG 1997, 602, 603; Heuser, S. 298; Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 31. 313  BVerfGE 67, 213, 228 f.; BVerwG, NJW 2020, 785, 790; Otto, NStZ 1985, 211, 213; Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 31. 314  BVerwG, NJW 1997, 602, 603. 315  BVerfGE 83, 130, 147 f.; so auch VG Köln, MMR 2010, 578, 579; VG Köln, ZUM 2006, 501, 506; Liesching in: Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht, § 18 ­JuSchG Rn. 87 mit Blick auf den Jugendmedienschutz. 310  Kap. 4



C. Die Anwendung der Regelbeispiele des § 86 Abs. 3 StGB217

Es wird vertreten, dass insbesondere die dramaturgisch hintergründige Einbindung von NS-Symbolen in die Spielwelt authentizitätsfördernd wirkt und der Kunst dienen kann. Das künstlerische Gewicht eines Computerspiels ergibt sich aus den tatsächlichen, werkgerecht interpretierten Ausdrucks- und Gestaltungformen.316 Die normative Einschätzung des VG Köln weist dem Spiel „Medal of Honor – Limited Edition“ einen geringen Kunstwert zu. Dabei berücksichtigte es zutreffend neben der inhaltlichen Botschaft des Werks auch die Rahmenhandlung, die filmischen Elemente und die Resonanz der Fachpresse.317 Zwar sind Reaktionen von Publikum und Fachpresse keinesfalls geeignet, strafrechtliche Wertungsmaßstäbe zu definieren, da die Tatbestandsausschlussvarianten des § 86 Abs. 3 StGB andernfalls zur Disposition der medialen Diskussion um die Inhalte der Computerspiele umgedeutet würden. Auch eine durchweg positive Beurteilung des Inhalts im Hinblick auf die Kennzeichenverwendung bewirkt keine Straflosigkeit. Gleichwohl liefert die berichtende Fachpresse einen wichtigen Beitrag für die konkrete Identifizierung des künstlerischen Gesamtgewichts. Denn dieses orientiert sich auch aus der interpretationsbedürftigen Wahrnehmung des Spielinhalts innerhalb seines Wirkbereichs. Insofern eröffnet die Resonanz des Publikums und der Fachpresse Deutungstendenzen hinsichtlich des Inhalts, die mit Blick auf die Interpretationsbedürftigkeit des Werkes nicht vollkommen irrelevant erscheinen. Jedenfalls kommt ihnen eine Indizfunktion zu. Als digitale Medien greifen Computerspiele auf audiovisuell gestaltete virtuelle Welten zurück. Wesentlicher Teil des künstlerischen Schaffensprozesses ist die Entwicklung einer Spielgeschichte und eines thematischen Zusammenhangs. Durch sie werden Handlungsabläufe, dramaturgische Spannungsspitzen und die Wahrnehmung des vorgegebenen Spielziels unter Begrenzung der spielinternen Interaktivität ermöglicht. Ein spielinternes Punktesystem kann mit einem schnelleren Voranschreiten, höherer Punktzahl oder der Freischaltung von virtuellen Gegenständen das Verhalten des Rezipienten honorieren. Filmische Elemente erleichtern die Ermittlung des kontextuellen Gesamtzusammenhangs, in welchem das Spiel abläuft. Die jahrelange und kostenintensive Entwicklung der Spiele, sowie die zunehmende Detailschärfe durch immer fortschrittlichere – teils fotorealistische – grafische Darstellungsoptionen können den Eindruck eines hohen künstlerischen Gewichts verstärken.318 Fortschrittliche Programmierungen ermöglichen nicht nur die 316  BVerwG, NJW 2020, 785, 790; Henschel, NJW 1990, 1937, 1942; Würtenberger, in: FS-Dreher, S. 79, 89; BVerwG, NJW 1997, 602, 603 weist auch darauf hin, dass eine Bemessung mit Punktwerten kaum möglich ist; so auch Stumpf, S. 216. 317  VG Köln, ZUM 2006, 501, 506; VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11 Rn.  74 ff. (juris). 318  Nach BGHSt 37, 55, 58 kann auch die Abbildung realistischer Geschehnisse Teil der künstlerischen Betätigung sein.

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

Einbettung vielfältiger künstlerischer Strukturmerkmale, sondern begünstigen auch die innere Verflechtung zwischen dramaturgischen Pausen, einer ausgefeilten Spielgeschichte und einer akzentuierten akustischen Gesamt­ atmosphäre in einer realistisch wirkenden medialen Gesamterscheinung. Dies schlägt sich auch in der Spielgröße nieder. Benötigte die PC-Version des Spiels „Battlefield 1942“ aus dem Jahre 2002 noch lediglich ein Gigabyte freie Speicherkapazität, waren es Ende 2018 bei „Battlefield V“ bereits 50 Gigabyte. Computerspiele sind in zeitlicher, finanzieller und personeller Hinsicht aufwendige Kompositionen. Mit zunehmender Komplexität steigt auch das Potenzial, ein höheres Maß an Kunst zu erreichen. Damit kann das künstlerische Gewicht eines Computerspiels in einer Gesamtschau aus dem grafisch-akustischen Gesamtsetting, der geschaffenen atmosphärischen Stimmung, der durch die erzählte Spielgeschichte vermittelten Botschaft, den Handlungsoptionen des Spielers, dem generellen Spielziel, den filmischen Einschüben und der Resonanz der Fachpresse bestimmt werden.319 Auch kann das künstlerische Gesamtgewicht nicht geringer sein als die Summe seiner Einzelteile.320 Ferner sei darauf hingewiesen, dass die Förderung zum Zwecke der Kunst teilweise im Zuge eines satirischen Gebrauchs und einer damit bezweckten gezielten Enttabuisierung anerkannt wird, wenn der Künstler mit dem Kunstwerk zur inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Kennzeichen anzuregen versucht.321 Richtigerweise vermag die satirische Zwecksetzung nicht jegliche Veralberung von Strafe zu befreien.322 Zutreffend entschied das BVerfG, dass eine verspottende Hitler-Darstellung nicht aufgrund einer auf den ersten Blick anzunehmenden reißerischen oder schockierenden Darstellung die Strafbarkeit bewirkt. Erforderlich ist eine werkgerechte Interpretation.323 In Bezug auf Computerspiele erscheint es konstruiert anzunehmen, die Kennzeichenverwendung als Mittel der Verspottung und Verhöhnung nationalsozialistischer Zielsetzungen bewirke den Anschein der Duldung zur Wiederbelebung nationalsozialistischer Organisationen.324 Das Spiel „Bundesfighter II – Turbo“ ist Zeugnis einer satirischen Einbettung, die nicht auf das bloße Merkmal der Verhöhnung oder Verspottung zu verkürzen ist. Oftmals behalten Computerspiele den nationalsozialistischen Bedeutungsgehalt der verwendeten Kennzeichen aufrecht, sodass eine etwaige Verhöhnung der natio319  Vgl.

BVerfGE 83, 130, 148; BVerwG, NJW 1999, 75, 79; Heuser, S: 298 ff. S. 303. 321  AG Kassel, NJW 2014, 801, 803; Hufen, JuS 2014, 855, 856 f.; Muckel, JA 2014, 479, 480; a. A. wohl LG Frankfurt, NStZ 1986, 167. 322  Vgl. LG Frankfurt, NStZ 1986, 167 f.; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86a Rn. 7. 323  BVerfGE 82, 1, 6; BVerwG, NJW 1997, 602, 603. 324  A. A. wohl LG Frankfurt, NStZ 1986, 167. 320  Heuser,



C. Die Anwendung der Regelbeispiele des § 86 Abs. 3 StGB219

nalsozialistischen Zielsetzung mit dem Symbol nicht mit einer Relativierung der symbolisierten Doktrin selbst gleichgesetzt werden kann. Vielmehr werden NS-Organisationen durch das Stilmittel der Satire lächerlich gemacht. Der Gesetzgeber versucht auch mit der Straflosigkeit zum Zwecke der Kunst eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den verfassungswidrigen Organisa­ tionen und deren Kennzeichen zu ermöglichen. Es handelt sich gerade nicht um ein kommunikatives Totalverbot.325 Die spielspezifisch satirische Einbindung von NS-Symbolen legt NS-Ideale in einer kreativen und anerkannten Darstellungsform offen und regt zur inhaltlichen Auseinandersetzung an, ohne ein neutrales oder positiv verzerrtes Bild zu vermitteln. „Bundesfighter II – Turbo“ ist eine gesamtsatirische Aufarbeitung verschiedener politischer Ausrichtungen der Fraktionen des Bundestages und derer Vertreter zu entnehmen.326 Sie alle regen durch die politische Überspitzung zur Auseinandersetzung mit den jeweiligen Parteiprogrammen und politischen Überzeugungen an. Ein sanktionsbedürftiger Unrechtsgehalt i. S. d. § 86a StGB ist nicht zu erkennen. Satirische Verwendungen sind auch innerhalb von Computerspielen straffrei. 2. Künstlerisches Gestaltungselement oder Entertainment Innerhalb moderner Unterhaltungsmedien kann der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen eine duale Ausrichtung immanent sein. Einerseits können sie als Mittel zur Förderung von Unterhaltungszwecken verstanden werden, andererseits als dramaturgisches Element im Zuge künstlerischer Entfaltung. Mit Blick auf das Merkmal der Authentizitätssteigerung kann eine Zuordnung zur Kunst oder zu den ähnlichen Zwecken anzunehmen sein. Die schwierige Umgrenzung der Kunst erschwert die Zuordnung der Abbildung von NS-Symbolen in Computerspielen. Gerade die Kennzeichenverwendung innerhalb eines umfangreichen und mit mehreren Spielmodi versehenen Computerspiels wirft die Frage nach Abgrenzungskriterien auf. Aufgrund der gesamtmedialen Betrachtung verbietet sich ein generalisierender Ausschluss der Einbindung in einen wettkampforientierten, kompetitiven Mehrspielermodus, der verschiedene künstlerischer Elemente nicht aufgreift. Spiegelbildlich führt die Implementierung in die Spielgeschichte des linearen Einzelspielermodus nicht zur Kunstdienlichkeit. Nicht jedes Element innerhalb eines Kunstwerks dient der Kunst selbst, andernfalls ginge das Merkmal des Dienens jeglicher Limitierungsfunktion verlustig. Als Kommunikationsgrundrecht ist die Kunstfreiheit stets auf eine akustische und/oder visuelle Wahrnehmung durch Dritte angewiesen und 325  Hufen, 326  Kap. 4

JuS 2014, 855, 856 f. B. VI. 1.

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

damit öffentlichkeitsbezogen.327 Kunst ist eine Sonderform der Kommunikation.328 Mit der Präsentation eines schöpferisch gestalteten Inhalts wird eine interpretationsfähige und -bedürftige Botschaft übermittelt. Teilweise sind Computerspiele als Kunstwerke mit Fokus auf die gezielte Abbildung eines realhistorischen Kontextes unter Einbindung einer fiktionalen Geschichte zu verstehen. Die überwiegende Förderung künstlerischer Interessen i. S. d. § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB kann in Betrachtung der konkreten künstlerischen Elemente des Gesamtmediums festgestellt werden. So stellte das AG Kassel hinsichtlich der Einbettung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in eine Kunstperformance unter anderem auf den direkten Zusammenhang zwischen der Satire als Mittel der Kunst und dem Verwendungsakt ab.329 In Bezug auf die Abwägung mit Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG erwog auch das BVerfG in seinen Ausführungen zum „Herrnburger Bericht“ die konkreten gestalterischen Mittel in Beurteilung des schützenswerten Wirkbereichs der Kunst als ausschlaggebend. Die Werbung für die Theateraufführung des „Herrnburger Berichts“ durch blaue Hemden mit originalem FDJ-Emblem weisen auf den Inhalt und die inhaltliche Tendenz des beworbenen Werks hin. Das Bewerben eines zulässigen Kunstwerks – als Annexfunktion der Kunst – durch gestalterische Mittel ist nicht von vornherein durch § 86a StGB gesperrt.330 Im Ergebnis positioniert sich das BVerfG nicht nur zum verfassungsrechtlichen Schutz des Wirkbereichs durch Werbung, sondern stellt hinsichtlich der Abwägungsentscheidung in Bezug auf die verfassungsrechtlichen Güter des § 86a StGB auf die gestalterischen Mittel ab. Die Schaffung eines unmittelbaren Wirkungszusammenhangs zwischen der Spielgeschichte, dem linearen Handlungsstrang des heldenhaften Spieler­ substituts, der dramaturgischen Spielwelt und filmischen Einschüben mit den implementierten Kennzeichen deutet auf die überwiegende Förderung zu künstlerischen Zwecken hin. So können NS-Kennzeichen als illustratives Mittel in filmischen Erläuterungen zum Handlungsauftrag des Spielersubstituts und entsprechender Spiegelung in der virtuellen Welt als gestalterisches Mittel der audiovisuellen Gesamterscheinung dienen.331 Insofern ist auch die Stigmatisierung des zu bekämpfenden Feindes durch das Kennzeichen als künstlerisches Mittel zulässig, sofern die künstlerische Konzeption des Com327  BVerfGE 77, 240, 251; BGHZ 143, 214, 229 f.; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 188. 328  Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 188; Starck/Paulus, in: v. Mangoldt/Klein/ Starck, GG, Art. 5 Rn. 426; vgl. Würtenberger, in: FS-Dreher, S. 79, 85; Arndt, NJW 1966, 25, 26 bezeichnet Kunst als „gesellschaftsprägendes Ereignis mit unmittelbarer politischer Ausstrahlung“. 329  AG Kassel, NJW 2014, 801, 802; zust. Hufen, JuS 2014, 855, 856 f. 330  BVerfGE 77, 240, 256 f. 331  Siehe etwa Abb. 1 und Abb. 3.



C. Die Anwendung der Regelbeispiele des § 86 Abs. 3 StGB221

puterspiels in Wechselwirkung mit der medialen Ausgestaltung des Werks den Bekämpfungsauftrag zum kommunikativen Inhalt des Kunstwerks erhebt. Konstruiert das Kunstwerk unter Anwendung nur weniger künstlerischer Mittel eine virtuelle Wettkampfarena für die Rezipienten, so mag die Einbindung eines dramaturgisch hintergründigen NS-Symbols zwar authentizitätssteigernd wirken. Eine überwiegende Förderung der Kunst durch das Kennzeichen bleibt aber aus, wenn es bei objektiver Betrachtung vollständig in die Bedeutungslosigkeit verdrängt wird und keinen Bezug zu den künstlerischen Bezugspunkten des Werks aufweist. Je enger sich die Kennzeichen­ implementierung an den künstlerischen Elementen des Werks orientiert, umso stärker fördern sie das künstlerische Gesamtgewicht des Werks selbst. a) Realitätsnahes Gesamtsetting Eine realitätsnahe Nachzeichnung historischer Ereignisse und die fotorealistische Darstellung der virtuellen Spielfiguren ist wesentlicher künstlerischer Bestandteil von Computerspielen. Eine isolierte Betrachtung einer von der Spielgeschichte losgelösten grafischen Ausgestaltung bietet sich aufgrund der Verquickung verschiedener künstlerischer Elemente zu einer Einheit kaum an. „Battlefield V“, „Call of Duty – World at War“ und „Medal of Honor – Above and Beyond“ sind nur einige Vertreter, die das audiovisuelle Gesamtsetting in ihrer Designsprache am Zweiten Weltkrieg orientieren. Die Verarbeitung von NS-Symbolen als visuelles und akustisches Element des Spielinhalts kann kaum von der audiovisuellen Gesamtkonzeption getrennt betrachtet werden. Auf die Legitimationswirkung des Handlungsauftrags und die im Einzelspielermodus erzielte Dämonisierungswirkung bei gleichzeitiger Zurückdrängung der Kennzeichenbedeutung innerhalb des kompetitiven Mehrspielermodus wurde bereits hingewiesen. Als zentrales Ausgangselement der schöpferischen Gestaltung des Einzelspielermodus hinsichtlich Handlungsauftrag des Spielersubstituts, narrativer Spielgeschichte und Wahl der Kriegsschauplätze fügt sich die Implementierung von NS-Symbolen in realitätsnaher Weise und in filmischen Erläuterungen konzepitionell in die künstlerische Gesamtgestaltung ein. NS-Kennzeichen fördern damit die Kunst. Im Ergebnis nimmt eine gezielte Einbettung von NS-Kennzeichen als zentrales Element des Spielauftrags und kommunikativer Ausgangspunkt der Spielgeschichte des linear bekämpfenden Einzelspielermodus häufig eine dominierende Rolle ein, die sich in der dramaturgischen und meist hintergründigeren Einbettung in filmischen Elementen und der Spielwelt fortsetzt. Bei Spielen mit alleinigem linearen Handlungsverlauf dienen NS-Kennzeichen oft der Kunst, insbesondere wenn sie sich als Leitmotiv der Handlung manifestieren und dramaturgischen Widerhall im audiovisuellen Gesamtsetting erfahren.

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

Im kompetitiven Mehrspielermodus dienen Kennzeichen als stilistisches Mittel der Spielwelt oft der Ermittlung des virtuellen Handlungsortes. Die NS-Symbolik fügt sich in die gewählte künstlerische Gesamtkonzeption besonders gut ein, wenn die Wahrnehmbarkeit nicht willkürlich und ostentativ, sondern historisch vertretbar erscheint. Sie müssen als dramaturgisches Element das historische Gesamtsetting verstärken. Die vermittelte Botschaft kennzeichenbeinhaltender First-Person-Shooter reicht selten über eine Dämonisierung und plakative Ablehnungshaltung aufgrund rudimentärer Informa­ tionsstellung hinaus. Insofern bestehen kaum Unterschiede zu modernen Filmwerken aus dem Genre des Unterhaltungsfilms, die ein NS-Regime pointiert zum Feindbild erheben. Spiele, die auf Schnelligkeit, Geschicklichkeit und Taktik ausgerichtet sind und ein historisches Abbild damaliger Schlachten abbilden, bemühen sich um ein realitätsnahes Gesamtbild. Eine exponierte und zentrale Rolle des Kennzeichens im Spiel selbst in die visuelle Gesamterscheinung der Spielwelt würde das künstlerische Gesamtkonzept verschieben. Die historische Realität ordnet den Kennzeichen hinsichtlich der Hektik auf den Kriegsschauplätzen wohl eine untergeordnete Bedeutung zu. Sie waren allenfalls ein Begleitelement. Je nach Spielaufgabe kann die exponierte Verwendung der Kennzeichen etwa bei der Infiltration von Paraden oder dem gegnerischen Hauptquartier einzelfallspezifisch zulässig sein.332 Bei einem solchen Handlungsverlauf bliebe die exponierte Stellung des NS-Symbols gleichwohl auf Einzelszenen begrenzt. Die Implementierung an jedem einzelnen als Wehrmachtssoldat erkennbaren Feind hingegen würde sich von einem historischen Gesamtsetting entfernen. b) Fiktionales Alternativweltszenario Ist von außen nicht erkennbar, warum lediglich die Kennzeichenverwendung verzerrend von einem ansonsten akkurat gezeichneten realhistorischen Abbild abweicht, so dient die Implementierung nicht der Kunst. Ein fantastisches Setting kann eine andere Beurteilung begründen. Jedenfalls darf die Verwendung nicht so weit reichen, dass das Kunstwerk selbst seinen verfassungsgemäßen Charakter verliert.333 Im Werk von Bethesda Softworks LLC „Wolfenstein II – The New Colossus“ basiert die Handlung um das Spielersubstitut auf einem fiktiven Sieg des nationalsozialistischen Deutschlands im Zweiten Weltkrieg. Die zu bekämpfenden Feinde sind teilweise direkt mit einer Hakenkreuzarmbinde versehen oder zeigen SS-Runen auf den Helmen. Diese Einbettung würde in historisch gelagerten Darstellungen die Verbindung zwischen dem künstlerisch erkennbaren Realitätsabbild und dem Kenn332  Illustrativ

Schwiddessen, CR 2015, 92, 97. CR 2015, 92, 96; Wager, K&R 2019, 380, 381.

333  Schwiddessen,



C. Die Anwendung der Regelbeispiele des § 86 Abs. 3 StGB223

zeichen entfernen. Im genannten Beispiel besteht die Rahmenhandlung aus der Zerstörung einer nationalsozialistischen Macht. Die exponierte Verwendung des Hakenkreuzes begründet sich auch hier in der spielgeschichtlichen Legitimation des Handlungsauftrags des Spielersubstituts und vermag aufgrund der fehlenden historischen Aufmachung auch eine dominantere Position zu rechtfertigen. Ob die kommunikative Verbindung mit dem linear zu bekämpfenden Feind nur in Filmelementen und der Zuordnung von Räumen zum Feind erfolgt oder diese deutlicher durch die Kennzeichensetzung am Feind selbst in Erscheinung tritt, bietet im Rahmen fiktionaler Alternativweltszenarien kein Abgrenzungsmerkmal. Die künstlerische Gesamtkonzeption fokussiert – wie oft in Computerspielen – den heldenhaften Kampf gegen ein übermächtiges und bösartiges Regime. Die unmittelbare Verbindung zwischen dem Feind und dem Hakenkreuz verstärkt in normativer Betrachtung diesen Eindruck erheblich und setzt sich in der Gesamtatmosphäre und filmischen Unterbrechungen fort. Die Darstellungen grundloser Folterung und Tötungen von Gefangenen sowie teilweise verstörende Verstümmelungen konfrontieren den Rezipienten mit der bösartigen Gesinnung des stigmatisierten Feindes. Hinzu tritt eine gesamtheitlich bedrückende Atmosphäre im Gebiet des nationalsozialistischen Feindes. Die erkennbare künstlerische Gesamtkonzeption richtet ihre audiovisuelle Gesamtgestaltung durch die bedrückend wirkende Spielwelt, den linearen Handlungsauftrag und filmische Durchbrechungen dauerhaft an der perfiden Gesamtstruktur der durch das Hakenkreuz gekennzeichneten Mächte aus. Das Kennzeichen ist im Falle des Spiels „Wolfenstein II – The New Colossus“ eine hervorgehobene visuelle Komponente, die in vielen künstlerischen Elementen wiederzufinden ist. Es ist nicht nur lose in das künstlerische Gesamtkonzept eingebunden.334 Die erkennbare Distanz zum Kennzeichen wird insbesondere durch die dauerhafte Negativakzentuierung der Kennzeichen unter Präsentation eines NSRegimes als Feindbild erreicht. Ein Sympathisieren oder gezieltes Inter­ agieren zu Gunsten der feindlichen NS-Organisation ist nicht möglich. Ein kompetitiver Mehrspielermodus ist nicht vorhanden. Die Kennzeicheneinbettung dient der Kunst i. S. d. § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB. c) Spielinterne Neuinterpretation des Kennzeichens Aufgrund der Virtualität der dargestellten Inhalte können Symbole im Spiel einen spielspezifischen kommunikativen Bedeutungswert erhalten, der sich von der realen Wirklichkeit abhebt. So ist es für Computerspiele denk334  Dies berücksichtigen auch Laufhütte/Roggenbuck, in: LK-StGB, 12. Auflage 2010, § 184 Rn. 9 im Rahmen der Pornografiedelikte.

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bar, dass eine virtuelle Verbindung des Kennzeichens mit einer zu bekämpfenden Fantasieorganisation aufgebaut wird. Das Kennzeichen könnte durch die enge Verknüpfung mit dem Spielauftrag eine Negativakzentuierung beibehalten. Weist der spielinterne, neue Organisationsbezug des Kennzeichens einen weitaus geringeren Unrechtsgehalt auf, so bleibt die kommunikative Wirkung der Darstellung hinter dem unrechtsbegründenden Organisationsbezug zurück. Mit Blick auf den Strafgrund der kommunikativen Bedeutung vieler Kennzeichen als Symbol von NS-Organisationen, des Genozids und der Unterdrückung muss dieser Unrechtsgehalt dem Kennzeichen auch im Spiel anhaften. Dies gilt insbesondere, wenn im Rahmen eines kompetitiven Mehrspielermodus die Spielbarkeit auf Seiten der stigmatisierten Fraktion gewährleistet wird. Eine relativierende Neuinterpretation böte einer Wiedereingliederung des Kennzeichens im öffentlichen Meinungsaustausch Vorschub, da das Kennzeichen in der Darstellung seines spezifischen Organisationsbezugs beraubt würde. Mit einer Neueinbettung der Kennzeichen zu beliebigen Organisationen ginge das Kennzeichen in der spielinternen Neuinterpretation seines historischen Organisationsbezugs verlustig. Es würde inhaltlich entwertet und kommunikativ auf eine Ebene mit nicht strafwürdigen Kennzeichen absinken. Eine medieninterne Auflösung der verfassungswidrigen Bestrebungen der dazugehörigen Organisation verletzt den Schutzzweck des § 86a StGB, weil das originale Symbol zwar ablehnungsbedürftig, aber nicht mehr mit den Wertungen des Grundgesetzes unvereinbar präsentiert werden könnte. Der objektive Beobachter erhielte den Eindruck, dass die Verbindung nationalsozialistischer Symbolik mit einer wesentlich harmloseren Organisation zulässig erscheint. Ist bereits der neutrale Umgang mit dem Kennzeichen nicht privilegierungsbedürftig, so muss mit Blick auf die drohende Umdeutung des Kennzeichens auch ein Verhalten strafbar bleiben, das den inhaltlichen Gedankeninhalt des Kennzeichens reduziert und den Unrechtsgehalt herabsetzt. Fiktive, virtuelle Surrogatorganisationen dürfen nicht hinter der verbrecherischen Bedeutung der tatsächlichen Organisation zurückbleiben. 3. Kommunikatives Übergewicht des Mehrspielermodus335 Ist ein kompetitiver Mehrspielermodus vorhanden, so bildet dieser einen erheblichen Teil des Gesamtinhalts des Computerspiels und ist zusammen 335  Von der Feststellung des kommunikativen Übergewichts des kompetitiven Mehrspielermodus in Bezug auf die Förderung künstlerischer Interessen durch die Kennzeichenimplementierung im Computerspiel ist die Frage zu differenzieren, inwieweit dem Kennzeichen selbst durch die Implementierung in beide Spielmodi eine neutrale Kommunikation verliehen wird. Bei der ersten Problemstellung handelt es sich um die konkrete Ermittlung des künstlerischen Gewichts zur systematischen und



C. Die Anwendung der Regelbeispiele des § 86 Abs. 3 StGB225

mit dem Einzelspielermodus als Gesamtwerk zu betrachten.336 Ein erheblicher Teil der Spielerschaft begrenzt die Nutzung von Computerspielen vorwiegend auf den Mehrspielermodus.337 Ob sich hieraus Kriterien für die objektiv erkennbare, vorwiegende Förderung der Kunst ableiten lassen, ist zweifelhaft. § 86a StGB stellt auf einen objektiven Beobachter und nicht auf einen typisierten Rezipienten ab. In der Fachpresse wird vielfach von „­Patches“ und Erweiterungen berichtet, die zumeist den Mehrspielermodus betreffen, während der Einzelspielermodus unverändert bleibt. Hersteller und Anbieter sind in Bezug auf den Mehrspielermodus an einem reibungslosen Ablauf eines ausgeglichenen kompetitiven Wettkampfes zwischen den Rezipienten interessiert. Aufgrund des offensichtlichen Fokus der Spielerschaft auf den kompetitiven Spielmodus resultieren aus dessen Eindrücken auch gewichtige Aspekte der Spielerbewertung und allgemeinen Resonanz. Gerade in Beurteilung des künstlerischen Gewichts entfaltet die Resonanz von Publikum und Fachpresse eine indizielle Wirkung.338 Die Aufgabe von Strafgesetzen besteht auch darin, eine Relation zur sozialen Wirklichkeit mit der Ausgestaltung von Straftatbeständen zu erreichen.339 Es wäre wohl verfehlt, der Spielgeschichte einen hohen Stellenwert einzuräumen, wenn diese in der sozialen Wirklichkeit kaum Beachtung findet und im Mehrspielermodus überhaupt nicht aufgegriffen wird. Gleichwohl resultiert die Dominanz des Mehrspielermodus in Gesamtbetrachtung des Mediums nicht aus der höheren Beliebtheit bei der Spielerschaft, weil ansonsten ein aufwendig produzierter Einzelspielermodus in seiner objektiven Bedeutung für das Gesamtkunstwerk reduziert würde. Das Übergewicht entstammt vielmehr der fortwährenden Aktualisierung und Verbesserung des Mehrspielermodus durch den Anbieter selbst und der stetig währenden Resonanz, während der Einzelspielermodus unverändert bleibt. Dominiert der Mehrspielermodus die Erscheinung des Computerspiels in der sozialen Wirklichkeit, so muss ihm im Abwägungsprozess auch ein höherer Stellenwert beigemessen werden als dem Einzelspielermodus. teleologischen Umgrenzung des § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB. Die Beurteilung einer kritischen Distanz betrifft systematisch die Verbindung zwischen allen Tatbestandsausschlussvarianten der Sozialadäquanzklausel. Fehlt diese, bleibt das Handlungsunrecht des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB bestehen. 336  Wager, K&R 2019, 380, 382. 337  https://arstechnica.com/gaming/2018/05/analysis-player-interest-in-call-ofdutys-campaigns-is-cratering/ (Stand: 16.07.2021). 338  BVerfGE 83, 130, 148; BVerwG, NJW 1999, 75, 79; OVG Münster, Urt. v. 15.02.2001 – 20 A 3635/98 = BeckRS 2001, 160841 Rn. 17; VG Köln, ZUM 2006, 501, 506; VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11 Rn. 74 ff. (juris). 339  Kühl, in: FS-Roxin, S. 665 merkt an, dass mit dem Schuldspruch das Verhalten des Täters „im Namen des Volkes“ missbilligt wird; Weimann, NJ 1998, 522, 523; Zipf, ZStW 82 (1970), 633, 648.

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Die meist einfach gelagerten Spielmodi, wie die Flaggeneroberung,340 sind lediglich Ausdruck der kompetitiven Ausgestaltung und weisen keinen erheblichen Mehrwert des künstlerischen Gewichts des Computerspiels auf. Künstlerische Elemente der akustischen und visuellen Spielweltausgestaltung sowie die spielspezifische Spielmechanik bleiben innerhalb des Mehrspielermodus erhalten.341 Der spielgeschichtliche Fokus verliert sich und das Geschehen verlagert sich auf einen kompetitiven Wettkampfcharakter. Ohne die Bekämpfung des Nationalsozialismus zu fixieren, verbleibt die NS-Symbolik oftmals hintergründig in der identischen virtuellen Spielwelt. Typischerweise stellt der kompetitive Mehrspielermodus keine neuen künstlerischen Elemente zur Verfügung, sondern verkürzt das künstlerische Gesamtsetting um dramaturgische, filmische Durchbrechungen, die Rahmenhandlung und modifiziert den linearen Handlungsauftrag des Spielersubstituts. Als eines von wenigen künstlerischen Elementen bleibt insbesondere den historisch gelagerten Spielen in Anlehnung an den Zweiten Weltkrieg die Authentizitäts­ steigerung der abgebildeten Spielwelt.342 Ohne spielgeschichtliche Einbettung ist der Handlungsauftrag des Rezipienten oftmals als gewalthaltige Dominanzausübung gegenüber den anderen Rezipienten – unabhängig von der Bedeutung der NS-Symbolik – zu verstehen. Schnelligkeit, Hand-AugenKoordination, taktisches Geschick und Teamfähigkeit dominieren den Mehrspielermodus.343 Aufgrund der nahezu durchgehenden Hektik des Geschehens verbleibt dem Rezipienten innerhalb des Wettkampfes kaum die Zeit, sich gezielt mit der ausgefeilten grafisch-akustischen Designsprache auseinanderzusetzen. Damit rückt der kommunikative Bedeutungsgehalt der Spielgeschichte und des Kennzeichens für das künstlerische Gesamtgewicht weiter in den Hintergrund. Im Rahmen des linearen Einzelspielermodus dienen filmische Sequenzen oft als Ruhephasen und entbinden den Rezipienten vom spielspezifischen Handlungsdruck.344 Spielunterbrechungen beschränken sich im Mehrspielermodus auf die kurzen Momente bis zum Wiedereinstieg des Spielersubstituts, nachdem dieses von einem anderen Spielersubstitut eliminiert wurde. In einer objektiven Gesamtschau überlagert der schnelllebige Wettkampfcharakter den künstlerischen Eindruck deutlich. Für den objek­ tiven Beobachter ist erkennbar, dass eine Plattform für die kompetitive He­ rausforderung geschaffen werden soll.

340  Ausführlich mit Bezug auf Counter-Strike Gieselmann, Der virtuelle Krieg, S.  75 ff. 341  Vgl. Heuser, S.  298 ff. 342  So zutreffend Wager, K&R 2019, 380, 383. 343  Kap. 1 F. II. 1. 344  Nach BGHSt 8, 82 bieten Ruhephasen dem Rezipienten die Möglichkeit, den präsentierten Inhalt ablehnend zu werten.



C. Die Anwendung der Regelbeispiele des § 86 Abs. 3 StGB227

Es ließe sich zwar einwenden, dass der kompetitive Mehrspielermodus auf eine geringere Anzahl künstlerischer Elemente zurückgreift, zugleich aber das Kennzeichen aus dem künstlerischen Gesamtkonzept nicht löst. Gleichwohl tragen die implementierten Kennzeichen in den kompetitiven Spielmodi kaum zum künstlerischen Gesamtkonzept bei, sondern erscheinen als hintergründiges Begleitelement der bekannten Spielwelt eines vorwiegend auf den unterhaltenden Wettkampf ausgerichteten Modus. Zwar mag das Kenn­zeichen den Status als künstlerisches Element im Spiel nicht verlieren. Eine überwiegende Förderung künstlerischer Interessen durch die hintergründige Einbettung in einen auf Unterhaltung, Spannung, Hektik, Schnelligkeit und Geschick ausgerichteten kompetitiven Mehrspielermodus, der zudem oftmals ein kommunikatives Übergewicht im Vergleich zum linearen Einzelspielermodus einnimmt, überzeugt wenig. Dieser Befund verstärkt sich weiter, wenn zusätzliche Kennzeichenverwendungen wahrzunehmen sind, die vom präsentierten künstlerischen Gesamtkonzept abrücken.345 Der abgeschlossenen Spielrunde folgt typischerweise eine tabellarische Auswertung, die für jeden Rezipienten eine indivi­ duelle Zusammenfassung des Spielergebnisses liefert. Erschiene hier das Kennzeichen wiederholt in der Mitteilung des Ergebnisses, so erhielte es zentral eine Zuordnungsfunktion. Spielinternen tabellarischen Auswertungen kommt mit Blick auf die aufwendig programmierten Spielwelten wohl kaum ein ins Gewicht fallender künstlerischer Wert für das Gesamtmedium zu. Ein vorwiegendes Fördern des künstlerischen Settings durch die hintergründige Einbettung der Kennzeichen als dramaturgisch-illustratives Element ist sodann nicht mehr festzustellen. Vielmehr ist ein von künstlerischen Elementen losgelöstes Identifikationssymbol geschaffen. In Bezug auf das konkrete künstlerische Gewicht des Gesamtwerks resultiert aus dem kompetitiven Mehrspielermodus, der Kennzeichen als hintergründige Elemente führt, Folgendes: Die ablehnende Positionierung des Spielinhalts aus dem Einzelspieler­ modus wirkt weiter fort, da der Mehrspielermodus keine kommunikative Neuausrichtung oder sonstige Beeinflussung der erzählten Handlung anstrebt. Gleichwohl kann ein Dämonisierungs- und Legitimationseffekt des Handlungsauftrages nicht aufrecht erhalten bleiben. Ein vorwiegendes Fördern der Kunst scheitert daran, dass das Kennzeichen im erheblichen Bereich des Mehrspielermodus nicht geeignet ist, die künstlerische Konzeption zu fördern. Es verbleibt lediglich als künstlerisch unbedeutendes Begleitelement während der spielgeschichtliche Handlungsauftrag und dramaturgische Unterbrechungen nicht fortwirken. Wesentliche künstlerische Elemente des Ge345  Vgl. BVerwG, NJW 1997, 602, 603; vgl. ferner Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 31.

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samtwerks entfalten sich damit abseits des Mehrspielermodus und das Kennzeichen erhält innerhalb dieser Gesamtkonzeption eine zweigleisige Berücksichtigung, die interessengerecht am Merkmal der ähnlichen Zwecke zu beurteilen ist. Es erschiene konstruiert, eine Kunstdienlichkeit anzunehmen, wenn der überaus wichtige und stets aktualisierte Mehrspielermodus keine weiteren künstlerischen Elemente beizusteuern vermag, die NS-Symbolik aber lediglich aus Gründen der Übernahme der identischen Welten aus dem Einzelspielermodus den kompetitiven Wettkampf stets begleiten. Überzeugender erscheint es, dass sie als Unterhaltungselement in der virtuellen Welt beider Modi verbleiben. Modusübergreifend kann der Kennzeichenimplementierung damit stets eine Förderung des Unterhaltungscharakters beigemessen werden, nicht aber die Förderung der Kunst. Gleichwohl besteht zwischen § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB und § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB kein Exklusivitätsverhältnis.346 Ob die Kennzeichenverwendung bei einem Computerspiel mit mehrfacher kommunikativer Ausrichtung überwiegend künstlerische Interessen fördert, bleibt stets eine Einzelfallentscheidung. 4. Ergebnis Die typisierte Ausrichtung rein unterhaltender Computerspiele sperrt nicht die Subsumtion der Kennzeichenverwendung unter die Kunstdienlichkeit i. S. d. § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB. Gerade mit der ablehnenden, distanzierenden Negativgestaltung zum Kennzeichen innerhalb der narrativen Spielgeschichte kann im Spiel ein Dienen zur Kunst objektiv erkennbar sein. Die Zweckverlagerung hin zu reinen Unterhaltungszwecken durch den jahrelang hochfrequentierten, häufig aktualisierten und auch erweiterten Mehrspielermodus lässt die künstlerische Nähe des Kennzeichens zu den künstlerischen Elementen des ausgefeilten Einzelspielermodus in den Hintergrund rücken. Mit der Implementierung in den weit bedeutsameren Mehrspielermodus ist die vorwiegende Förderung der Kunst durch die Kennzeichenverwendung meist nicht erkennbar. Das Kennzeichen dient als dramaturgisches und spielspezifisch nebensächliches Element nicht der Steigerung des künstlerischen Gewichts des Werks, sondern Unterhaltungsinteressen.

III. Ähnliche Zwecke Für international vertriebene und aufwendig programmierte Produktionen sind regelmäßig vordergründige Unterhaltungsinteressen objektiv erkennbar. In der Literatur ist eine Auffassung im Vordringen, dass auch rein der Unter346  So

auch Hamdan, JURA 2008, 169, 170.



C. Die Anwendung der Regelbeispiele des § 86 Abs. 3 StGB229

haltung dienende Computerspiele mit Blick auf die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen nach § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB straffrei sein können.347 Inwieweit auch unter Berücksichtigung der Judikatur Unterhaltungszwecke als ähnliche Zwecke subsumtionsfähig sind, soll im Zuge einer kurzen Betrachtung der Kasuistik erarbeitet werden. 1. Kasuistik der ähnlichen Zwecke Der Rechtsanwender ist in Bestimmung der ähnlichen Zwecke mit vielschichtiger Kasuistik konfrontiert. So versuchte der BGH hinsichtlich der Strafverteidigung eine den ausdrücklich legitimierten Tatbestandsausschlussvarianten gleichwertige Zweckrichtung zu begründen. Demnach ist das Verteidigerhandeln als ähnlicher Zweck nach § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB zu qualifizieren, wenn es der Verfolgung anerkannter Verteidigungszwecke dient und im Zuge der Gewährleistung einer effektiven Strafverteidigung erfolgt.348 Andere Fallkonstellationen in Bezug auf die ähnlichen Zwecke werfen eine einzelfallspezifische Perspektive auf die konkreten Umstände der Tathandlung, ohne notwendigerweise eine an verfassungsrechtlichen Grundlagen orientierte Herleitung anzustrengen. In Bezug auf Auktionen mit Militaria soll es auf die Sicherungs- und Schutzmaßnahmen zur Limitierung des Publikumsverkehrs, den anvisierten Interessentenkreis und den Hinweis auf die Sozialadäquanzklausel selbst ankommen,349 während der Handel mit Spielzeug aufgrund grundsätzlicher Schutzzweckbedenken strafbar bleiben soll.350 Etwas anderes wiederum soll für das Auslegen eines einzelnen Schmuckstückes unter vielen unverdächtigen Gegenständen gelten.351 Die Zweckrichtung des Handels mit Sammlergegenständen und die Sammlertätigkeiten selbst werden teilweise als Ausformung der ähnlichen Zwecke angenommen,352 347  Ellbogen, in: BeckOK-StGB, § 86 Rn. 29; Rauda, Recht der Computerspiele, Rn. 528; Steinmetz, in: MüKo-StGB, 3. Auflage 2017, § 86a Rn. 29; restriktiver nunmehr Anstötz, in: MüKo-StGB, 4. Auflage 2021, § 86a Rn. 29. 348  BGHSt 46, 36, 43 ff. 349  BGHSt 31, 383, 388; vgl. auch OLG Bremen, StV 1988, 21, 22; krit. Keltsch, NStZ 1983, 121, 122; anders LG Koblenz, NStZ-RR 2009, 105, 106. 350  BGHSt 28, 394, 396 f. 351  OLG Celle, NStZ 1981, 221; anders entschied OLG Hamm, Urt. v. 19.06.1979 – 5 Ss 273/79 Rn. 12 (juris) hinsichtlich des massenhaften Versendens eines kennzeichenbeinhaltenden Verkaufskataloges für NS-Devotionalien. 352  Nach BT-Drs. 10/891, S. 6; identisch in BT-Drs. 10/1286, S. 7 sollte die Sammlertätigkeit regelmäßig nicht von § 86a Abs. 1 Nr. 2 StGB erfasst sein; BGHSt 31, 383, 385 ff.; ferner BayObLG, NJW 1962, 1878; OLG Bremen, StV 1988, 21; AG Bretten, Beschl. v. 02.07.2007 – 2 Ds 570 Js 12812/06 = BeckRS 2008, 8431, Rn. 8;

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

teilweise auf originale Gegenstände353 oder das Bestehen einer historisch-­ wissenschaftlichen Grundlage354 reduziert. Auch Erwägungen zum Missbrauchspotenzial der gehandelten Gegenstände sollen die Abgrenzung zwischen strafbarem und straflosem Verhalten ausloten.355 Es wird angemerkt, dass das Sammeln von Briefmarken oder anderen originalen Gegenständen in der Regel mit geschichtlichem Interesse und der Zuordnung der Gegenstände zur entsprechenden Organisation einher geht.356 Die Verfolgung von Werbezwecken soll den Anforderungen des § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB nicht genügen.357 Die Kasuistik lässt kaum eine einheitliche Meinungsbildung erkennen und krankt mitunter an teleologischen Schwächen. Der Schutzzweck würde überdehnt, wenn die bloße Erinnerung an die Machtausübung durch den Nationalsozialismus geschützt würde.358 Andernfalls ginge die Ähnlichkeitsklausel des § 86a Abs. 2 S. 2 StGB ihrer Existenzberechtigung verlustig.359 Aus diesem Grund steht es Spieleherstellern frei, den medialen Inhalt mit Surrogatsymbolen aufzuladen, die keine hinreichende akustisch-visuelle Nähe zu einem NS-Kennzeichen aufweisen. Die Verletzung des Schutzzwecks ergibt sich aus der kontextuellen Einbettung des Kennzeichens, nicht aus einer irgendwie gearteten Verbindung des Gegenstandes zum Nationalsozialismus selbst. In schutzzweckorientierter Auslegung der ähnlichen Zwecke nach § 86a Abs. 3 i. V. m. § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB kann es insoweit nicht darauf ankommen, ob ein Gegenstand Ellbogen, in: BeckOK-StGB, § 86a Rn. 35; Frank, S. 125; Lüttger, GA 1960, 129, 144. 353  Reuter, S. 256; in diese Richtung weist auch Keltsch, NStZ 1983, 121. 354  Gercke/Brunst, PraxisHB Internetstrafrecht, Rn. 375; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86a Rn. 7. 355  BGHSt 29, 73, 84 f.; vgl. BGHSt 31, 383, 385. 356  BayObLG, NJW 1962 1878; LG Koblenz, NStZ-RR 2009, 105, 106 stellt auf die Sozialadäquanz des bloßen Sammelns ab; AG Bretten, Beschl. v. 02.07.2007 – 2 Ds 570 Js 12812/06 = BeckRS 2008, 8431, Rn. 10 erkennt im Anbieten historischer Zahlungsmittel einen der Wissenschaft ähnlichen Zweck; Gercke, in: Recht der elektronischen Medien, § 86a StGB Rn. 8; vgl. auch Wilhelm, DRiZ 1994, 439, 440. 357  Reuter, S.  256 f.; Zöller, in: SK-StGB, § 86a Rn. 4. 358  BGHSt 25, 128, 132; 25, 133, 135; 29, 73, 85; 54, 61, 64 f.; stellen auch hinsichtlich eines nicht von § 86a StGB erfassten Kennzeichens fest, dass trotz einer Missbrauchsgefahr durch rechtsextreme Kreise aufgrund der lebhaften Verbindung eines Symbols mit dem Nationalsozialismus keine Strafbarkeit resultieren kann; vgl. ferner Träger/Mayer/Krauth, in: 25 Jahre BGH, S. 227, 241; vgl. Steinsiek, in: LKStGB, § 86a Rn. 9. 359  BT-Drs. 12/6853, S. 23; BT-Drs. 12/8411, S. 5; nahmen gerade die Tatsache, dass eine bloß gedankliche Verbindung zum Nationalsozialismus für eine Strafbarkeit nach § 86a StGB nicht ausreiche, zum Anlass der Gesetzesänderung.



C. Die Anwendung der Regelbeispiele des § 86 Abs. 3 StGB231 „in besonders unmittelbarer und nachdrücklicher Weise die Erinnerung an die konkrete Machtausübung durch den Nationalsozialismus [weckt]“.360

Jedenfalls vermag die kommerzielle Vermarktung des Inhalts an einen ungefilterten Interessentenkreis die ähnlichen Zwecke nicht auszuschließen.361 Dies folgt einerseits aus der Überlegung, dass die massenmediale Verbreitung bereits auf Grundlage der teleologischen Tatbestandsreduktion der Tathandlung ausgeschlossen werden kann, sodass unklar wäre, warum allein aufgrund des Merkmals der Offensichtlichkeit der fehlenden Schutzzweckverletzung eine Straflosigkeit anzunehmen sein sollte. Ferner bliebe unklar, warum ein an der kommunikativen Wirkung des medialen Inhalts orientierter Straftatbestand ab einem bestimmten Verbreitungsgrad im Zuge der ähnlichen Zwecke eine andere Auslegung erfordere, wenngleich sich die Schutzzweckverletzung bereits aus dem Verbreiten weniger Einzelexemplare ergeben kann. Es wurde bereits festgestellt, dass Computerspiele innermedial in der Lage sind, einen eigenständigen kommunikativen Kontext zu den implementierten Kennzeichen auszubilden. Anders als die Beurteilung der bloßen Verkaufsund Angebotskultur im Umgang mit NS-Militaria und anderen Gegenständen vermag sich die Abgrenzung zwischen der Strafbarkeit und Straflosigkeit in Bezug auf Computerspiele nicht aus der konkreten Ausgestaltung des Präsentationsrahmens zu ergeben. Vielmehr resultiert die Ausfüllung des Unrechts­ tatbestands aus dem medialen Inhalt selbst. Die Tatsache, dass Computerspiele als Datenträger in Elektronikfachmärkten dem öffentlichen Publikumsverkehr zugänglich sind, nimmt keinen Einfluss auf die kommunikative Akzentuierung der Kennzeichen im auslesbaren Datenträger. Insofern bieten die Fallkonstellationen um die Vermarktung von kennzeichentragenden Gegenständen keine teleologischen oder systematischen Anhaltspunkte für den Vertrieb von Computerspielen. Als systematischer Ausgangspunkt bleibt die in der Literatur erwogene Straflosigkeit der Kennzeichenverwendung in Unterhaltungsfilmen,362 die insofern ebenfalls nicht im Zuge der neutralen Verkaufshandlung auf die Seite der Strafbarkeit wechseln. Ferner bleibt die erkennbare Distanz als binnensystematisches Auslegungsmerkmal des § 86 Abs. 3 StGB als Leitlinie der Straflosigkeit bestehen. Resultiert die Distanz nicht offensichtlich aus dem medialen Inhalt, sondern bedarf der differenzierten Beurteilung der Gesamtumstände der Tat, so können mit den ähnlichen Zwecken Fallgestaltungen aufgefangen werden, in denen die teleologische

360  So aber BGHSt 29, 73, 85; AG Bretten, Beschl. v. 02.07.2007 – 2 Ds 570 Js 12812/06 = BeckRS 2008, 8431, Rn. 8. 361  A. A. wohl noch Wagner S.  483 f. 362  Liesching, MMR 2010, 309, 311 f.

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

Tatbestandsreduktion lediglich aufgrund fehlender Offenkundigkeit keine Anwendung findet.363 2. Entertainment als ähnlicher Zweck Die Befürwortung des Entertainments als ähnlicher Zweck i. S. d. § 86a Abs. 3 i. V. m. § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB basiert auf einigen systematischen Erwägungen zum einheitlichen Schriftenbegriff des § 11 Abs. 3 StGB a. F.,364 dem Argument der intermedialen Vergleichbarkeit mit dem Medium des Unterhaltungsfilms und der gesellschaftlich anerkannten Unverdächtigkeit der Kennzeichenimplementierung im Medium des Spielfilms. a) Wortlaut „Entertainment“ Nicht ersichtlich ist, warum in der Literatur vorwiegend auf den Begriff des Entertainments zurückgegriffen wird,365 obwohl die inhaltliche Reichweite des deutschen Äquivalents – der Unterhaltung – identisch ist.366 Liegt hierin der Versuch, die Unterhaltung durch Spielfilme und Computerspiele zu umreißen, so verschiebt sich trotz der medialen Begrenzung nicht die terminologische Bedeutung des Begriffs.367 Unterhaltung meint Zeitvertreib und Belustigung und ist insofern ein nicht unproblematisches Merkmal. So positionierte sich das BayObLG bereits im Jahre 1962, dass eine scherzhafte Verwendung der Kennzeichen nicht den ähnlichen Zwecken unterfallen könne. Maßgeblich sei mit Blick auf die materielle Ausgestaltung des § 86a StGB als abstraktes Gefährdungsdelikt nicht, ob die Verwendung ernst genommen würde. Das Vortragen zum Spaße jedenfalls solle nicht von den ähnlichen Zwecken erfasst werden.368 Zutreffend verbietet bereits die teleologische Ausrichtung der Sozialadäquanzklausel eine rein dem Spaße und der Belustigung dienende Verwendung.369 Mit Blick auf die Strafbarkeit der Kennzeichenverwendung zur Förderung undistanzierter Unterhaltungs- und Belustigungszwecke ist der Wortlaut des Entertainments wohl deutlich miss363  Vgl.

BGHSt 25, 30, 33 f.; OLG Hamm, NJW 1982, 1656, 1658. Ausführungen können auf den aktuellen Inhaltsbegriff des § 11 Abs. 3 StGB n. F. übertragen werden. 365  Liesching, MMR 2010, 309, 310; Wager, MMR 2019, 80, 81. 366  Siehe dazu Dornseiff, Der deutsche Wortschatz, S. 382. 367  Im Folgenden wird daher der Begriff der Unterhaltungszwecke verwendet. 368  BayObLG, NJW 1962, 1878; siehe auch Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 36; Wagner, S.  483 f. 369  Vgl. BayObLG, NJW 1962, 1878; Frank, S. 126; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 86a Rn. 7; Reuter, S. 257. 364  Die



C. Die Anwendung der Regelbeispiele des § 86 Abs. 3 StGB233

glückt, sieht sich doch die Sozialadäquanzklausel selbst nicht unerheblicher Kritik hinsichtlich der fehlenden Umgrenzbarkeit der Tatbestandsmerkmale ausgesetzt.370 Aufgrund der teleologischen Ausrichtung der ähnlichen Zwecke sind neutrale Verwendungsformen, die das Kennzeichen als übliches und unverdächtiges Symbol kommunizieren, von den ähnlichen Zwecken nicht erfasst. Gleiches gilt für unterschwellige propagandistische oder werbende Zwecksetzungen.371 Die terminologische Unschärfe des Entertainments bzw. der Unterhaltungszwecke muss durch ergänzende Erwägungen aufgefangen werden. b) Medienkonvergenz als Grundlage der Unterhaltungszwecke Wird vielfach auch aufgrund der intermedialen Vergleichbarkeit von Computerspielen und Spielfilmen auf die Üblichkeit, Unverdächtigkeit und allgemeine Billigung der Kennzeicheneinbettung abgestellt,372 so trägt diese Auslegungsrichtlinie richtigerweise nicht, um die Straflosigkeit der Kennzeichenverwendung zu legitimieren. § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB ist nicht auf die Unschärfe der Sozialadäquanzlehre zu reduzieren. Zwar ließe sich das Merkmal der allgemeinen Unverdächtigkeit der Kennzeichenimplementierung in Spielfilmen auf die Duldung durch die Strafverfolgungsorgane stützen. § 86a StGB ist ein Offizialdelikt und das Nichteinschreiten der Strafverfolgungsbehörden gegen Kennzeichendarstellungen in Spielfilmen hätte einen Verstoß gegen das Legalitätsprinzip nach § 152 Abs. 2 StPO bedeutet. Insofern könnte man die Unverdächtigkeit der Kennzeichenverwendung auf das erstmalige Nichteinschreiten der Strafverfolgungsbehörden zurückzuführen. Dies vermag aber kein Auslegungsmerkmal für die Unverdächtigkeit des erstmaligen Aufkommens selbst zu begründen, sondern stellt sich lediglich als Ergebnis des Nichteinschreitens auf Grundlage der materiellrechtlichen Erwägungen zum Rechtsgüterschutz dar. Die Unverdächtigkeit und allgemeine Billigung der Tathandlung sind damit zirkelschlüssig, weil beide Kriterien ihre dogmatische Herleitung auf den praktischen Umstand des Nichteinschreitens der Strafverfolgungsbehörden stützen. Sie liefern aber keinen Begründungsansatz für das erstmalige Nichteinschreiten selbst, fehlte es in diesem Zeitpunkt doch an einer allgemeinen Billigung oder Üblichkeit. Bei den ähnlichen Zwecken handelt es sich um einen Auffangtatbestand, der dem Straftatbestand des § 86a Abs. 1 StGB ein 370  So spricht Paeffgen, in: NK-StGB, § 86a Rn. 38 von einer „schillernden Bedeutungs-Vielfalt“. 371  Vgl. Kap. 4 B. V. 4. 372  Liesching, MMR 2010, 309, 311; Wager, MMR 2019, 80, 82; a. A. Schwiddessen, CR 2015, 92, 96.

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

dynamisches Gepräge verleiht. Zentrales Merkmal der pönalisierungsbedürftigen Schutzzweckverletzung bleibt die kritische Distanz hinsichtlich der öffentlichen Wahrnehm­barkeitsschaffung der Kennzeichen. Die Vergleichbarkeit von Filmen und Computerspielen kann im Zuge rechtsgebietsübergreifender Überlegungen dem Urheberrecht entnommen wer­ den. Die Zusammensetzung moderner Computerspiele aus filmischen audiovisuellen Darstellungen, Filmmusik, Soundeffekten und der Spielhandlung sowie den Figuren und Charakteren wird nach wohl überwiegender Auffassung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG als Filmwerk – oder in Ermangelung einer persönlichen geistigen Schöpfung – als Laufbild nach § 95 UrhG geschützt.373 Der Rezipient ist sowohl bei Filmwerken als auch bei Computerspielen trotz der Interaktivität nicht im Stande, eigene Bildsequenzen zu erschaffen. Vielmehr bewegt er sich in den vom Spiel vorgegebenen Möglichkeiten,374 wodurch die Interaktivität hinter der linearen, im Grundsatz unveränderlichen Geschichte zurücktritt. Das Computerprogramm i. S. d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG trete für den Rezipienten als Transportmedium der audiovisuellen Gesamterscheinung regelmäßig in den Hintergrund, wodurch Computerspiele einem Filmwerk zumindest ähnlich seien, § 2 Abs. 1 Nr. 6 UrhG.375 Diese Einordnung verschließt sich, je stärker der tatsächliche Einfluss des Rezipienten auf den Spielverlauf und die Darstellungen ausfällt.376 Gerade im Rahmen des kompetitiven Mehrspielermodus verlagert sich der Schwerpunkt auf die Interaktion zwischen den teilnehmenden Spielern und verlässt einen spielgeschichtlichen Rahmen. Das Spiel distanziert sich von den Charakteristika eines Films.377 Eine bloß auf mediale Spezifika ausgerichtete Vergleichbarkeit mit Blick auf Unterhaltungsfilme und Computerspiele griffe zu kurz.

373  OLG Köln, NJW-RR 1993, 111 f.; Brüggemann, CR 2015, 697, 698; Hoeren, in: Loewenheim, HB UrhR, § 9 Rn. 343 m. w. N.; Kauert, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. II, Kap. 6 Rn. 40; Nordemann, GRUR 1981, 891, 893; Picot, in: A-R/C, HB IT- und Datenschutzrecht, § 29 Rn. 4; Schwiering/Zurel, MMR 2016, 440, 441. 374  OLG Hamm, NJW 1991, 2161, 2162; Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 2 UrhG Rn. 129; Brüggemann, CR 2015, 697, 698 m. w. N.; Hoeren, in: Loewenheim, HB UrhR, § 9 UrhG Rn. 343; Katko/Maier, MMR 2009, 306, 307; Nordemann, GRUR 1981, 891, 893. 375  Brüggemann, CR 2015, 697, 700; a. A. Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, Urheberrecht, § 2 UrhG Rn. 129, der Computerspiele direkt als Filmwerke qualifiziert. 376  Beyvers/Beyvers, MMR 2015, 794, 795; Schwiering/Zurel, MMR 2016, 440, 441; a. A. Katko/Maier, MMR 2009, 306, 307. 377  Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 2 UrhG Rn. 129 stellt aber fest, dass der Schutz als Filmwerk keine fixierten Darstellungen voraussetzt.



C. Die Anwendung der Regelbeispiele des § 86 Abs. 3 StGB235

aa) Entertainment durch Kennzeichen in Spielfilmen Vielfach wurde darauf hingewiesen, dass die medialen Grenzen zwischen Filmwerken und Computerspielen eine zunehmende Annäherung erfahren.378 Richtigerweise sind Computerspiele als Mediengattung keinem Sonderrecht unterworfen. Vielmehr stellt der Strafgesetzgeber selbst im Zuge des einheitlichen und typenoffenen Inhaltsbegriffs des § 11 Abs. 3 StGB auf einen ­systematischen Gleichlauf von Unterhaltungsmedien ab.379 Filmwerke und Computerspiele sind einer identischen Subsumtionsgrundlage unterworfen. Eine trennscharfe Abgrenzung zwischen beiden Mediensparten ist damit nicht zielführend.380 Richtigerweise muss eine i. S. d. § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB straflose Kennzeichenverwendung in Spielfilmen auch Niederschlag in der normativen Beurteilung von Computerspielen finden, sofern eine systematische Einheitlichkeit beider Mediensparten festzustellen ist. Es finden sich viele US-Produktionen, die weder im Rahmen der jugendmedienschutzrechtlichen Überprüfung durch die FSK, noch durch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren Aufsehen erregt haben.381 Filmwerke sind als Kunstwerke anerkannt.382 Es erscheint zwar denkbar, die Kennzeichenverwendung in Filmen stets unter die Kunstdienlichkeit zu subsumieren. Gerade die teilweise szenefüllende Implementierung großflächiger Banner in simplen Filmgeschichten zur plakativen Manifestation des leviathanisch Bösen vermag auf die bloße Förderung der Unterhaltungszwecke hinzudeuten. Auch bleibt zweifelhaft, inwieweit die Implementierung des Hakenkreuzes in vollkommen irrationalen und auf die bloße Bösartigkeit einer nationalsozialistischen Macht ausgerichteten Filmwerken künstlerische Interessen in dem Maße zu fördern vermag, dass die staatlichen Strafverfolgungsinteressen dahinter zurücktreten.383 Richtigerweise ist die Kunstdienlichkeit nicht nach der inhaltlichen Wertigkeit des Werks zu bestimmen, da auch trivialen schöpferischen Gestaltungen der Schutz des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zugestanden werden muss.384 Gerade in Betrachtung des Aufkommens von Hakenkreuzen in Spielfilmen jeglichen Genres und mit jedem nur denkbaren Zusammenhang verdichtet sich die Vermutung, dass diese dem alleinigen Zweck der Aufmerksamkeitssteigerung dienen, ohne das künstlerische Gewicht des Werks maßgeblich zu erhöhen. Der Zweck der Aufmerksam378  Statt

vieler Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 16. MMR 2010, 309, 311; Wager, MMR 2019, 80, 82. 380  Erstmalig Köhne, DRiZ 2003, 210, 211. 381  Schwiddessen, CR 2015, 92, 96. 382  Bullinger, in: Wandtke/Bullinger, UrhR, § 2 UrhG Rn. 122; Schwiddessen, CR 2015, 92, 95. 383  Genannt seien etwa Produktionen wie „Sky Sharks“ oder „Dead Snow“. 384  Vgl. BGHSt 37, 55, 59; Liesching, MMR 2010, 309, 310. 379  Liesching,

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

keitssteigerung und der Kunstdienlichkeit stehen, ebenso wie § 86 Abs. 3 Var. 3 und Var. 9 StGB in keinem Exklusivitätsverhältnis zueinander, sodass die systematische Zuordnung einer Einzelfallentscheidung vorbehalten bleibt. In jedem Fall aber sind Filmwerke, wie „Indiana Jones“, „Inglourious ­Basterds“, „Sky Sharks“, „Dead Snow“ oder „Zombie Massacre – Reich of the Dead“ Zeugnis der unterhaltungsfördernden Zwecksetzung von nationalsozialistischen Kennzeichen in Spielfilmen. Da sich Spielfilme ähnlicher Auslegungsrichtlinien bedienen wie Computerspiele, scheint es fernliegend, dass jedes strafrechtlich nicht verfolgte fiktive Filmwerk aufgrund der Kunstdienlichkeit nach § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB unterfallen solle.385 Bereits im Jahre 1971 wurde die Anwendung der ähnlichen Zwecke auf Filmwerke, die den objektiven Tatbestand des § 86 Abs. 1 StGB erfüllen, erwogen.386 Dem kann nicht entgegen gehalten werden, dass dies allein auf dem Umstand basiere, dass die Kunst zu diesem Zeitpunkt kein Bestandteil der Sozialadäquanzklausel war. Die Aufnahme der Kunst war deklaratorischer Natur und sollte nicht in den Anwendungsbereich der ähn­ lichen Zwecke eingreifen. Zudem hat auch die Untersuchung zu Computerspielen gezeigt, dass trotz der Qualifizierung von Computerspielen als Kunstwerke die Zwecksetzung divergieren kann. Die Einbettung von Kennzeichen steigert den Attraktivitätsgrad eines Spielfilmes, indem das fiktionale Geschehen mit kommunikativ überaus bedeutungsstarken Symbolen aufgeladen wird, die über eine schlichte Gut-Böse-Zeichnung weit hinaus gehen. Auch in Spielfilmen bietet die Unterscheidung zwischen Kunst und ähnlichen Zwecken eine differenzierte Betrachtung der Binnensystematik des § 86 Abs. 3 StGB. Die schwer zu umgrenzende Kunstdienlichkeit greift nur bei objektiv erkennbarer Förderung künstlerischer Zwecke ein, während die ähnlichen Zwecke ihre Funktion als Auffangtatbestand für reine Unterhaltungszwecke einnehmen können. Zutreffend kann der Zweck der Unterhaltungsförderung als privilegierter Zweck i. S. d. § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB in Spielfilmen qualifiziert werden. bb) Intermediale Vergleichbarkeit im Hinblick auf die gesamtmediale Kennzeichenverwendung in linearen und kompetitiven Spielmodi Spielfilme verfolgen – mit Ausnahme einiger weniger interaktiver Filme, in denen der Rezipient die szenische Abfolge oder den Schluss des Films 385  Nach Graßhof, in: Nachschlagewerk der Rechtsprechung des BVerfG, § 5 VerbVerbG Rn. 742 ist das Charakteristikum als Kunstwerk eine Einzelfallentscheidung. 386  Wagner, S. 483.



C. Die Anwendung der Regelbeispiele des § 86 Abs. 3 StGB237

beeinflussen kann – regelmäßig einen linearen Handlungsstrang und sind durch eine narrative Handlung ausgefüllt. Die als strafrechtlich unbedenklich qualifizierten Werke weisen in ihrem filmisch linearen Handlungsverlauf stets die Gegnerschaft zu einer nationalsozialistischen, bösartigen Macht auf. Ähnlich wie in Computerspielen nimmt der Kampf gegen den National­ sozialismus auch in Filmen eine zentrale Rolle ein. Eine Vielzahl sog. Vorbehaltsfilme mit rassistischen oder volksverhetzenden Inhalten – vorwiegend aus der Zeit des Nationalsozialismus – sind dem frei verfügbaren Filmbestand entzogen.387 Aufgrund dessen ist die Untätigkeit der Strafverfolgungsbehörden wohl an das Vorhandensein einer Negativakzentuierung der Kennzeichen und des Nationalsozialismus gebunden. Ein Teil der Literatur folgert aus der intermedialen Vergleichbarkeit die identische Behandlung von Filmen und Computerspielen im Falle der linearen Bekämpfung der Kennzeichenträger.388 Die hintergründige Einbettung der Kennzeichen in die audiovisuelle Gestaltung der medialen Darstellung zum Zwecke der Authentizitätssteigerung müsste auf Computerspiele übertragen werden. Insbesondere mit Blick auf den Dualismus aus Einzel- und kompetitiven Mehrspielermodus vieler moderner Computerspiele wurde bereits festgestellt, dass die lineare Ablehnungshaltung zum implementierten Kennzeichen zwar den Einzelspielermodus oftmals beherrscht. Im Zentrum des kompetitiven Modus steht aber ein nicht gradliniger Wettkampf. Aufgrund des immer stärker in den Vordergrund rückenden kompetitiven Mehrspielermodus erhalten Computerspiele eine mehrdimensionale Ausrichtung. Inwieweit die systematische Vergleichbarkeit zu Filmwerken aufrecht erhalten bleibt, ist fraglich. Zumindest der Einzelspielermodus kann aufgrund des oftmals linear narrativen Handlungsstrangs mit Unterhaltungsfilmen verglichen werden. Die lineare und inhaltsfüllende Negativzeichnung mittels der Kennzeichen und die Bekämpfung als zentrales Spielziel sind – mit alleinigem Unterschied der Interaktivität – identisch zu verschiedenen Spielfilmen.389 Auch die Interaktivität weist eine limitierte Reichweite auf, weil das Spielziel nur erreicht werden kann, indem sich der Rezipient aktiv gegen die nationalsozialistische Macht einsetzt. Der Spieler ist zum Kampf gegen die stigmatisierten Feinde aufgerufen und kann von diesem Ziel nicht erfolgreich abweichen. Auch hinsichtlich der filmischen Zwischensequenzen zur Präsentation des histori387  Genannt seien etwa der aus dem Jahre 1940 von Veit Harlan stammende Film „Jud Süß“ oder Wolfgang Liebeneiners „Ich klage an“ aus dem Jahre 1941; vgl. Rauda, Recht der Computerspiele, Rn. 525. 388  So etwa Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 16, 22; ders., in: Recht der elektronischen Medien, § 4 JMStV Rn. 6; wohl auch Heuser, S. 54; Wager, K&R 2019, 380, 382. 389  Fritz, in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 27; vgl. Köhne, DRiZ 2003, 210, 211.

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Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

schen Rahmens und des spielspezifischen Handlungsauftrags ist kein mate­ rieller Unterschied zur Verwendung in einem Spielfilm vorhanden. Sie sind Zeugnis des fließenden Übergangs zwischen beiden Mediensparten.390 Die strafrechtliche Unbedenklichkeit von Kennzeichenimplementierungen in unterhaltenden Spielfilmen, die eine lineare Gegnerschaft zum Kennzeichen und dessen Organisation kommunizieren, verweist darauf, dass die Einbettung in Computerspielen, die eine identische lineare Position beziehen, zulässig sein muss. Mit der Aufladung von Computerspielen, die lediglich einen bekämpfenden Einzelspielermodus aufweisen und sich unter Negativakzentuierung des verbrecherischen symbolischen Gehalts verfassungswidriger Symbolik bedienen, kann eine unterhaltungssteigernde Wirkung identifiziert werden, die über das Maß in Filmen weit hinaus geht. Der besondere Reiz für den Rezipienten besteht in der heldenhaften Bekämpfung einer verbrecherischen Ideologie. Mit dem Kennzeichen wird ihr jede Existenzberechtigung und jedes Sympathiepotenzial entzogen.391 Der Rezipient tritt durch die Interaktivität näher an die thematisierte Bekämpfung des NS-Regimes heran, als in Filmwerken, bei denen er lediglich Konsument, nicht aber die Zentralgestalt des Geschehens bildet.392 Innerhalb der spielspezifischen Interaktivitätsgrenzen hält der Rezipient das Geschehen selbst in der Hand. Der Unterhaltungswert durch die Kennzeichen wächst mit den Möglichkeiten zur eigenen (limitierten) Einflussnahme auf die Darstellung. Erst in den vergangenen Jahren hat sich das Computerspiel zunehmend zu einem kompetitiven Medium entwickelt. Stellt sich das Computerspiel als bloße Plattform des kompetitiven Wettkampfes dar, mangelt es hinsichtlich der intermedialen Vergleichbarkeit an einer gemeinsamen Schnittmenge. Lineare Spielfilmproduktionen sind mit einem kompetitiven Mehrspielermodus inhaltlich und systematisch nicht vergleichbar. Im Rahmen eines zusätzlichen kompetitiven Mehrspielermodus rückt die spielgeschichtliche Ausgestaltung des Einzelspielermodus zwar in den Hintergrund und die Kennzeichen bleiben oftmals lediglich als dramaturgisches Beiwerk der virtuellen Welt erhalten. Die modusspezifisch durch die fortwährende Kennzeichenimplementierung in den Vordergrund rückenden Unterhaltungszwecke vermögen jedoch nicht notwendigerweise die kritische Distanz zum Kennzeichen aufzulösen. Die Beurteilung der objektiv erkennbaren Zwecksetzung darf sich nicht auf isolierte Betrachtung der Einzelelemente begrenzen, sodass gesamtmedial neben dem Mehrspielermodus auch eine etwaige Spielgeschichte zu beachten ist. Andernfalls würde die kommunikative Gesamtwürdigung des Werks hinter einzelszenischen Betrachtungen 390  Vgl.

Ladas, S. 40; vgl. Liesching, MMR 2010, 309, 311. noch OLG Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356, 357. 392  Vgl. Höynck, ZIS 2008, 206. 391  Anders



C. Die Anwendung der Regelbeispiele des § 86 Abs. 3 StGB239

zurückbleiben.393 Das Verbot der einzelszenischen Beurteilung von Spielfilmen spiegelt sich bei Computerspielen im Verbot der singulären Betrachtung eines Modus in losgelöster Form. Je deutlicher die Distanz zum Kennzeichen im Einzelspielermodus ausfällt und je aufwendiger der Einzelspielermodus hinsichtlich seiner Spielgeschichte, filmischen Erläuterungen und Animationen erscheint, umso eher schlägt die Negativakzentuierung auf den Mehrspielermodus durch, wenn dieser keine Neuinterpretation des Kennzeichens erkennen lässt. Somit sind viele Produktionen und erfolgreiche Spielreihen, wie „Battlefield“ und „Call of Duty“ aufgrund des ausgeprägten Einzelspielermodus mit Filmwerken vergleichbar, obwohl die lineare Spielgeschichte im kompetitiven Spielmodus nicht fortgesetzt wird. Die zum Zwecke der Authentizitätssteigerung auch im zusätzlichen kompetitiven Mehrspielermodus eingefügten NS-Symbole sind als Steigerung von Unterhaltungszwecken in Gesamtbetrachtung des Mediums den ähnlichen Zwecken zugänglich. c) Reduziertes Missbrauchsrisiko Auf die Missbrauchsprävention durch die Möglichkeiten der Kommunikationsverschlüsselung, des Ausschlusses von Spielern bei wiederholten Verstößen gegen die spielinternen Kommunikationsregeln, das interne Balancing und die Sperrung des Spieleraccounts wurde bereits hingewiesen.394 Insbesondere trägt auch die Einbettung in den kompetitiven Mehrspielermodus des Computerspiels nicht die potenzielle Eignung der politischen Agitation in sich. Das spielinterne Balancing limitiert die Eigensteuerung des Spielers zur kennzeichentragenden Fraktion und verleiht dem Medium durch die ähnliche Wirksamkeit der Spielmittel ein ausgeglichenes Gepräge. Durch die Zuordnung zu einer bestimmten Fraktion erhält der Rezipient keine Vorteile. Das reduziert die Gefahr einer positiven Identifikation mit den Kennzeichen. Ferner statten die Hersteller Computerspiele mit einer umfangreichen Missbrauchspräventionssoftware aus, um es von propagandistischen, hetzerischen Inhalten frei zu halten. Die spielmodusbedingte neutrale Einbettung als hintergründige Elemente der Spielwelt manifestiert erkennbar den Willen, die Kennzeichen nicht in den kommunikativen Mittelpunkt zu heben. Mit der Unterbindung der propagandistischen Kommunikation im Spiel durch die Nutzer, Meldesysteme für jeden Nutzer und die Möglichkeit des Spielausschlusses wird die Ablehnungshaltung und die Missbrauchsgefahr durch eine Nutzung des Spiels erheblich reduziert. Zwar ließe sich anführen, dass gerade mit der Implementierung der Kennzeichen in den Mehrspielermodus die Möglichkeit geschaffen werde, die in: LK-StGB, § 86a Rn. 31. B. VI. 3.

393  Steinsiek, 394  Kap. 4

240

Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

Kennzeichen als neutrales Element in Let’s Play-Videos zu verarbeiten. Der Hersteller würde dem kompetitiven Mehrspielermodus – als Grundlage der filmischen Abbildung des Computerspiels – einer Wiedereingliederung der Kennzeichen in die Gesellschaft Vorschub leisten. Dem ist entgegen zu halten, dass die sich außerhalb der bestimmungsgemäßen Nutzung des interaktiven Spiels vollziehenden potenziellen Verwendungsakte, nicht dem Hersteller selbst zuzurechnen sind. Faktisch jede Kennzeichenverwendung bietet die Möglichkeit des Missbrauchs durch Dritte. Auch Dokumentationen und Filmwerke könnten mit einer Screencast-Software aufgezeichnet, verarbeitet und in einem neuen kommunikativen Gesamtzusammenhang zum Mittel politischer Agitation verwertet werden. Auch sind keine Fälle bekannt, in denen rechtsextremistische Gruppierungen gezielt die internationalen Versionen entsprechender Spiele für propagandistische Zwecke nutzbar gemacht hätten. Ein effektiver Rechtsgüterschutz ließe sich durch die Streichung der Kennzeichen im Mehrspielermodus nicht erreichen. Dem Kennzeichengebrauch innerhalb des kompetitiven Mehrspielermodus haftet kein höheres Missbrauchsrisiko an als jeder anderen medialen Verwendung. Vielmehr wird das Missbrauchsrisiko durch eine Kommunikationsbeschränkung und umfassende Meldesysteme gegen Verstöße deutlich reduziert. 3. Werbung durch Covergestaltungen Eine werbende Wirkung kommt vor allem bei Covergestaltungen auf dem Verpackungsmaterial des Spiels in Betracht.395 Die Wirkung des Covers entfaltet sich unabhängig vom Spielinhalt und erreicht bereits im öffentlichen Verkaufsraum – anders als der digitale Inhalt des Spiels selbst – eine eigenständige Wirkung.396 Selbst eine gänzlich ablehnende Haltung des Spielinhalts gegenüber der gewählten Symbolik vermag kein anderes Ergebnis zu begründen.397 Die anpreisende Wirkung von Covergestaltungen dient dem Blickfang und verleiht dem digitalen Inhalt eine erste inhaltliche Umgrenzung. Als Covergestaltung vermag es nur lückenhaft auf den Inhalt des Spiels hinzuweisen, der vom Interessenten in keiner Form unmittelbar einsehbar ist. Dies gelingt anders als bei literarischen Werken nur unter Zuhilfenahme entsprechender technischer Geräte, während bei Printwerken zumindest durch 395  LG München I, NStZ 1985, 311, 312; Keltsch, NStZ 1985, 312, 314 verzichtet auf das Merkmal: „reißerisch“. 396  Freilich kann auch durch die Veröffentlichung von Let’s Play-Videos auf einschlägigen Videostreaming-Plattformen ein werbender Effekt angenommen werden. Die Tathandlung des Videouploads der Inhalte ist dem Hersteller oder Anbieter aber nicht mehr zuzurechnen, sodass dem Hersteller die werbende Wirkung zwar willkommen sein mag, ihm aber keine Strafverfolgung droht. 397  A. A. BayObLG, NJW 1962, 1878; wohl Wilhelm, DRiZ 1994, 339, 340.



C. Die Anwendung der Regelbeispiele des § 86 Abs. 3 StGB241

Aufklappen vor Ort eine teilweise Wahrnehmbarkeit des Inhalts geschaffen werden kann. Insbesondere, weil sich das auf dem Cover befindliche Kennzeichen nicht der Wirkung des Inhalts bedienen kann, kommt ihm regelmäßig ein unzulässiger werbender Charakter zu.398 Vielfach wird die reißerische Werbung als nicht sozialadäquat und unzulässig erachtet.399 Wann die Schwelle der zulässigen Werbung zur reißerischen Werbung überschritten sein soll, bleibt nebulös und trägt nicht zur Rechtssicherheit bei.400 Zwar ließe sich einwenden, dass auch eine Covergestaltung als Kunstwerk zu qualifizieren sei und eine den Wirkbereich betreffende kommunikative Außenwirkung durch die NS-Symbolik betroffen sei.401 Das Kennzeichen würde als illustratives Werbemittel für Freizeitmedien wahrnehmbar. Covergestaltungen gelangen über eine plakative und simple Anpreisungsfunktion meist nicht hinaus.402 Aus undistanzierten Darstellungen resultiert regelmäßig ein erhebliches Potenzial zur Fehlinterpretation und würde dem beiläufigen Beobachter die Zugänglichkeit des Kennzeichens für den öffentlichen Raum und zur Anpreisung bestimmter Waren vermitteln. Es ließe sich kaum begründen, warum das Kennzeichen auf dem Cover eines Computerspiels zulässig sein sollte, auf anderen analogen Spielzeugen aber keine Verwendung finden darf. Einer ideologischen Aufweichung und Negativbeeinflussung der potenziellen Betrachter wären Tür und Tor geöffnet. Die Grenzen des § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB sind regelmäßig überschritten, wenn Werbeeffekte für die symbolisierte Organisation objektiv erkennbar sind.403 Es muss eine nach den gestalterischen Umständen und der konkreten Präsentation der Abbildung erkennbare kritische Distanz fehlen. Gleichwohl unterliegen Covergestaltungen keiner Sonderdogmatik, sodass etwa eine bildhafte Zerstörung des Kennzeichens auf dem Cover zulässig sein muss. So sind auch Covergestaltungen als Werbemittel einer Einzelfallentscheidung zugänglich.404 Abseits 398  Vgl. LG München I, NStZ 1985, 311, 312; Keltsch, NStZ 1985, 312, 313; Zöller, in: SK-StGB, § 86 Rn. 16. 399  BGHSt 23, 64, 78 f.; AG Weinheim, NJW 1994, 1543, 1545; Heinrich, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 6 Rn. 239; Liesching, MMR 2010, 309, 310; Reuter, S. 256; zutreffend auf Werbung als solche abstellend LG München I, NStZ 1985, 311, 312; ferner Renzikowski, in: R/B/D, VersR, § 86a StGB Rn. 32; Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 35; Wilhelm, DRiZ 1994, 339, 340; anders wohl Bay­ ObLG, NJW 1962, 1878, das auch die Reklamewirkung für zulässig erachtet. 400  Keltsch, NStZ 1985, 312, 314; Reuter, S. 205. 401  Zutreffend führt BVerfGE 77, 240, 255 aus, dass im Rahmen des Wirkbereichs der Kunst durch Werbung dem Schutzzweck des § 86a StGB kein genereller Vorrang einzuräumen ist. 402  Vgl. LG München I, NStZ 1985, 311, 312. 403  BGH, NJW 1970, 818, 819; Güntge, in: S/S/W, StGB, § 86 Rn. 20; diff. LG Koblenz, NStZ-RR 2009, 105, 106. 404  Träger/Mayer/Krauth, in: 25 Jahre BGH, S. 227, 241 f.

242

Kap. 4: Die Sozialadäquanzklausel

distanzierender Fallkonstellationen sind Kennzeichen als reines, nicht § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB unterfallendes Werbemittel auf dem Cover von Computerspielen tatbestandsmäßig. Der hier befürwortete differenzierte Umgang zu Covergestaltungen spiegelt sich in der gängigen Praxis mit Plakaten und dem medialen Inhalt. Der Spielfilm „Inglourious Basterds“, der trotz der innermedialen Verarbeitung von Kennzeichen verfassungswidriger Symbole strafund jugendschutzrechtlich kaum Aufsehen erregte, visualisierte auch auf dem dazugehörigen Filmplakat – als Werbemittel des Films – Hakenkreuze. Richtigerweise blieb auf den Filmplakaten lediglich ein mit einem Dolch durchstoßenes Kennzeichen erkennbar. Das inszenierte Hakenkreuz im ersten Buchstaben „O“ des Filmtitels wurde entfernt.405 Zwar ließe sich einwenden, das mit dem Dolch durchstoßene Hakenkreuz erfüllte mangels Wahrnehmbarkeit des Gesamtsymbols bereits nicht das Merkmal des Kennzeichens. Jedenfalls aber ist der Darstellung eine Distanzierung zu entnehmen, die zumindest im Rahmen des § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB zum Tatbestandsausschluss führt.

D. Ergebnis Propagandistische und hetzerische Spiele sind nicht sozialadäquat. Serious Games können einen wertvollen Beitrag zur staatsbürgerlichen Aufklärung leisten und machen sich der pädagogisch angereicherten Wissensvermittlung um realhistorische Ereignisse und NS-Organisationen verdient. Mit der Einbindung von NS-Symbolen in das Medium des Computerspiels können auch jüngere Menschen für den Bedeutungsgehalt der Symbole sensibilisiert werden. In primär auf Unterhaltung ausgerichteten Computerspielen kann NSSymbolik der Kunst oder den ähnlichen Zwecken nach § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB dienen, wobei kein Exklusivitätsverhältnis besteht. Ein Dienen zur Kunst kommt insbesondere dann in Betracht, wenn das Kennzeichen gezielt in den Inhalt eingebettet wird, einen engen Bezug zu den künstlerischen Elementen aufweist und etwa die Spielgeschichte fördert, sowie die filmischen Elemente zum Handlungsauftrag des Spielersubstituts begleitet. Gerade innerhalb des kompetitiven Mehrspielermodus werden viele künstlerische Elemente nicht fortgesetzt. Vielmehr spiegelt der kompetitive Mehrspielermodus die audiovisuelle Erscheinung der Spielwelt zum Zwecke der Aufrechterhaltung der Authentizität und zur Erhöhung des Unterhaltungswerts des Mediums. Der konkrete Bezug zu den künstlerischen Elementen des Werks weicht damit einer Förderung der Unterhaltungszwecke. Das gilt insbesondere, wenn die Kennzeichen für den Rezipienten ihre spielinterne Bedeutung verlieren. Die Förderung von Unterhaltungszwecken 405  https://www.filmposter-archiv.de/filmplakat.php?id=11992

(Stand: 03.10.2021).



D. Ergebnis243

ist dann von den ähnlichen Zwecken umfasst, wenn in einer Gesamtbetrachtung des Mediums eine erkennbare Distanz durch eine Negativkennzeichnung vorgenommen wurde. Ist ein Einzelspielermodus vorhanden, der eine lineare Gegnerschaft des Spielersubstituts zum Nationalsozialismus als Ausgangspunkt der Spielgeschichte zu Grunde legt, so relativiert eine dramaturgische hintergründige Einbettung der Kennzeichen in die Spielwelt des Mehrspielermodus die negative Ablehnungshaltung nicht. Das gilt insbesondere, wenn keine konterkarierenden Handlungsstränge etabliert werden, sondern der Mehrspielermodus erkennbar als kompetitive und ausgeglichene Wettkampfplattform im Rahmen des spielintern audiovisuell einheitlichen, Gesamtsettings präsentiert wird. Die Strafbarkeit aufgrund der neutralen Spielbarkeit auf Seiten der Kennzeichen ist anzunehmen, wenn kein eindeutig negativakzentuierender Einzelspielermodus vorhanden ist oder ein vorhandener Einzelspielermodus gegenüber dem kompetitiven Modus keine hinreichende kommunikative Gewichtung gewährleistet. Verkommt der Einzelspielermodus zu einem unbedeutenden Annex eines grundlegend auf den kompetitiven Mehrspielerwettkampf ausgelegten Computerspiels, so ist eine erkennbare Distanz zum Kennzeichen nicht mehr gewahrt. Eine ausgefeilte Spielgeschichte, die Vielzahl dramaturgischer filmischer Unterbrechungen und Handlungsoptionen und hohe Spieldauer des Einzelspielermodus sind Indizien gegen eine bloße Annexfunktion des Einzelspielermodus. In rein kompetitiven Computerspielen ist die Kennzeichenverwendung mangels hinreichender Distanzierung vom wahrnehmbaren Inhalt und aufgrund der fehlenden intermedialen Vergleichbarkeit zum linearen Spielfilm in der Regel nicht straffrei zu stellen. Der Rechtsgüterschutz würde mit einem generalisierten Verbot der Kennzeichen im kompetitiven Mehrspielermodus überdehnt. Die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Computerspielen bedarf einer gesamtmedialen Beurteilung unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls. Eine singuläre modusspezifische Betrachtung genügt diesen Anforderungen nicht. Vielmehr kann darauf abzustellen sein, inwieweit insbesondere ein erheblicher linearer Einzelspielermodus eine Negativabgrenzung zum verwendeten Kennzeichen vermittelt, die auch in Ansehung eines kompetitiven Mehrspielermodus und des gesamtmedialen Inhalts nicht vollständig aufgelöst oder konterkariert wird. Es bleibt zu hoffen, dass das Dogma des sektoralen Totalverbots nicht erneut in die Spruchpraxis der Strafgerichte zurückkehrt oder auf die Zulässigkeit der Kennzeichen im linearen Einzelspielermodus reduziert wird.

Kapitel 5

Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen an die Kennzeichenverwendung in Computerspielen Das Unterhaltungsmedium des Computerspiels unterliegt als Spielprogramm jugendschutzrechtlichen Regulierungen.1 JuSchG und JMStV verfolgen die Gewährleistung einer altersgerechten und ungestörten Entwicklung zu eigenverantwortlichen Persönlichkeiten.2 Im Rahmen der Sozialisation Jugendlicher durch Massenmedien sieht der Gesetzgeber Minderjährige mit allen Formen digitaler Inhalte konfrontiert. Die Virtualität von Computerspielen lässt nahezu jede denkbare Darstellung und entwicklungsstörende Wirkung auf Minderjährige möglich erscheinen. Pornografische, kriegs- und NS-verherrlichende Inhalte sind Teile der Computerspiellandschaft geworden.3 Vor dem Hintergrund der Indizierungsbefugnis für sog. jugendgefährdende Medien gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG, den weitreichenden Werbeund Vertriebsbeschränkungen nach § 15 JuSchG sowie der Aufnahme des § 86a StGB in den Unzulässigkeitskatalog des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 JMStV bleiben abseits materiell-strafrechtlicher Erwägungen auch Fragen zur jugendmedienschutzrechtlichen (Un-)Zulässigkeit von Computerspielen, die Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen führen. Zwar verweist auch der Jugendmedienschutz auf Wertungen des Strafgesetzgebers.4 Diese bilden allerdings nicht die gesamten Schutzziele des Jugendmedienschutzes ab, die in § 10a JuSchG insofern nicht auf dem materiellen Strafrecht aufbauen. Auch ist der Strafnorm des § 86a StGB kein Schutz der Jugend immanent. Damit erwächst dem Jugendmedienschutz ein grundsätzlich eigenständiger Anwendungsbereich, der im Vergleich zum Strafrecht abweichende Ergebnisse erzielen kann.5 Die Altersfreigabekennzeichnungen der frei erRecht der Computerspiele, Rn. 491, 501. 159, 49, 58; Birkholz, S. 25; allgemein zum Jugendschutz Dörr, in: GS-Burmeister, S. 101, 110; Erdemir, CR 2005, 275; Holtmann, S.  126 f.; Liesching, in: NK-JuSchG, Einl. Rn. 2; ders., in: BeckOK-JMStV, § 1 Rn. 22. 3  Exemplarisch genannt seien: das Erotikspiel „Negligee: Love Stories“ oder das zurecht indizierte Spiel „KZ-Manager“; vgl. auch AG Stuttgart, MMR 2005, 334; vgl. Koopmann, in: Baeck/Speit, Rechte Ego Shooter, S. 158. 4  §§ 18 Abs. 5, 15 Abs. 2 Nr. 1 JuSchG, § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2, 6, 10 JMStV. 5  Liesching, Schutzgrade, S. 71; vgl. Stumpf, S. 289; Wager, MMR 2019, 80, 82. 1  Rauda,

2  BVerwGE



A. Die Reichweite des Jugendschutzes245

hältlichen Spiele „Through the Darkest of Times“ und „Attentat 1942“ zeigen jedenfalls, dass die zuständigen Jugendschutzinstanzen an einem sektoralen Totalverbot der Kennzeichenverwendung auf jugendschutzrechtlicher Ebene in Computerspielen nicht festhalten.6

A. Die Reichweite des Jugendschutzes in Bezug auf Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen I. Praktische Dimensionen des Jugendmedienschutzes für Anbieter von Computerspielen Die hohe praktische Relevanz der jugendmedienschutzrechtlichen Zulässigkeit von Computerspielen resultiert unter anderem aus der wirtschaftlichen Bedeutung Deutschlands als weltweit fünftgrößter Gamingmarkt.7 Im Vorfeld ihrer Vermarktung durchlaufen Computerspiele typischerweise eine jugendschutzrechtliche Prüfung gemäß §§ 14 Abs. 2, Abs. 6 JuSchG, um eine Vertriebsfreigabe ab einem bestimmten Alter zu erhalten. §§ 12 Abs. 1, 2 JuSchG i. V. m. §§ 14 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 6 JuSchG normieren als Verbot mit Erlaubnisvorbehalt eine Kennzeichnungspflicht für Trägermedien, mithin für Computerspiele.8 Ohne Erfüllung jugendmedienschutzrechtlicher Standards sind Computerspiele in Deutschland kaum vertriebsfähig und erreichen die Zielgruppe nicht, §§ 15, 18 Abs. 1 JuSchG.9 Sog. jugendgefährdende Medien laufen den Entwicklungszielen zuwider und sollen nicht von Minderjährigen wahrgenommen werden.10 § 18 Abs. 1 JuSchG ist eine zentrale Norm des Jugendmedienschutzes und verweist auf die Indizierungsbefugnis der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz. Indizierte Medien werden nicht nur unzugänglich, sondern für den Jugendlichen nahezu unauffindbar.11 Ferner ist eine Altersfreigabekennzeichnung ausgeschlossen. Auf der Liste der indizierten, jugendgefährdenden Medien finden sich neben Amateurproduktionen auch professionelle Produktionen mit hohem Entwicklungsbudget, sodass der betriebene Produktionsaufwand nicht vor dem Versagen einer 6  Leitkriterien USK, S. 20; Heckmann, in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 8 Rn. 487; Hopf, ZUM 2019, 8, 13. 7  Schwiddessen, CR 2018, 512, 518. 8  BT-Drs. 14/9013, S. 16; Baumann/Hofmann, ZUM 2010, 863, 866; Schwartmann, in: PraxisHB Medien-, IT- und UrhR, Teil 1 Kap. 7 II Rn. 13; Schwiddessen, CR 2015, 92, 97; ders., CR 2015, 515, 517 f.; Wager, K&R 2019, 380. 9  Vgl. Stumpf, S.  46 ff. 10  Eifler, S. 28. 11  Vgl. BVerwGE 25, 318, 323; Dankert/Sümmermann, BPJM-Aktuell 2/2018, 4, 6.

246

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

Vertriebsfreigabe schützt.12 Mit Blick auf Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen versuchen Hersteller und Anbieter von Computerspielen seit Jahren mittels Modifikationen der internationalen Versionen eine Jugend­ gefährdung zu vermeiden. Bestimmte Anpassungen der Versionen für den deutschen Markt ermöglichen die Vergabe einer Alterskennzeichnung nach § 14 Abs. 1, 2 JuSchG und liefern einen Indizierungsschutz.13 Hersteller und Publisher sind an einer umfassenden Vertriebsfreigabe des unveränderten ­ Computerspiels interessiert, auch um eine zeit- und kostenintensive Überarbeitung zu vermeiden.

II. Rechtliche Dimensionen des Jugendmedienschutzes 1. Verfassungsrechtliche Dimension Grundsätzlich obliegt der verfassungsrechtliche Erziehungs- und Pflegeauftrag den Eltern des Kindes und verleiht ihnen die Entscheidungshoheit darüber, was der Pflege und der Erziehung des Kindes dienlich ist und was nicht, Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG.14 Der Vorrang des elterlichen Erziehungsrechts15 wird im Bereich der kommunikativen Wirkung durch Massenmedien vom staatlichen Jugendschutzauftrag flankiert. Die zunehmende mediale Ausstrahlung auf Kinder und Jugendliche kann das elterliche Erziehungsrecht überfordern und eröffnet Überwachungsaufgaben im Bereich des Jugendmedienschutzes. In § 1 Abs. 1 SGB VIII ist der Auftrag des Staats zum Schutz der Jugend auf einfachgesetzlicher Ebene präzisiert,16 der sich in den Regelungen zum Jugendmedienschutz wiederfindet.17 Jeder junge Mensch soll als Mitglied einer demokratischen Gesellschaft in der Lage sein, sein privates und berufliches Leben ohne fremde Hilfe zu führen.18 Er soll verantwortungsbewusst, eigenständig und sozial innerhalb eines demokratischen Grundgefüges agieren.19 Dieses Erziehungsziel für ­ junge Menschen spiegelt sich in der Ermächtigungsgrundlage zur Medien-

CR 2017, 681, 682. § 18 Abs. 8 S. 1 JuSchG; Erdemir, in: Recht der elektronischen Medien, § 12 JMStV Rn. 4; Höynck/Pfeiffer, ZRP 2007, 91, 92; Stumpf, S. 141, 150. 14  BT-Drs. 10/2546, S. 16; Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 6 Rn. 107. 15  Badura, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 6 Rn. 107. 16  BT-Drs. 14/9013, S. 25; VG Osnabrück, Urt. v. 29.01.2010 – 4 A 62/09 Rn. 23 (juris); VG Neustadt, MMR 2007, 678, 679; vgl. Faber, S. 240; vgl. Stumpf, S. 157. 17  Gottberg, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd.  IV, Kap. 5 Rn. 9; Westerhoff, BPjM-Aktuell 3/2006, 3, 4. 18  Lack, in: BeckOGK, § 1 SGB VIII Rn. 6. 19  Lack, in: BeckOGK, § 1 SGB VIII Rn. 6 f.; ähnl. Holtmann, S. 150. 12  Schwiddessen, 13  Vgl.



A. Die Reichweite des Jugendschutzes247

indizierung nach § 18 Abs. 1 JuSchG20 und den Schutzzielen gemäß § 10a JuSchG. Über die verfassungsrechtliche Herleitung des staatlichen Jugendschutzes herrscht Uneinigkeit. Überwiegend wird vertreten, der verfassungsrechtliche Auftrag zum Schutze der Jugend leite sich aus einem Zusammenspiel des Rechts auf die ungestörte Entfaltung der Persönlichkeit nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG ab und spezifiziere sich im elterlichen Erziehungsrecht nach Art. 6 Abs. 2 S. 1 GG.21 Nach anderer Ansicht soll allein die staatliche Wächterfunktion des Art. 6 Abs. 2 S. 2 GG eine verfassungsrechtliche Legitimation liefern.22 Eine dritte Ansicht erkennt in der legislatorischen Entscheidung, dem Jugendschutz in Art. 5 Abs. 2 GG als Schranke des Art. 5 Abs. 1 GG verfassungsrechtliche Geltung zu verleihen, die Manifestation einer sozialkonformen Entwicklung des Minderjährigen.23 Gleichwohl ist der verfassungsrechtliche Rang des Jugendschutzes nicht bestritten.24 2. Einfachgesetzliche Binnensystematik des Jugendmedienschutzes Der Jugendmedienschutz erhält mit dem JuSchG und dem JMStV eine einfachgesetzliche Ausprägung. Beide Gesetze sind aufgrund der angestrebten Medienkonvergenz eng miteinander verzahnt.25 Die Zweckrichtung des JuSchG besteht im präventiven Schutz Jugendlicher vor einer sozialethischen Desorientierung.26 Der JMStV dient der Schaffung eines einheitlichen Rechtsrahmens im Bereich des Jugendmedienschutzes und des Schutzes der Menschenwürde.27 20  BT-Drs. 14/9013, S. 25; so schon BGHSt 8, 80, 83 mit Blick auf das Tatbestandsmerkmal der schweren sittlichen Gefährdung; Faber, S. 240. 21  BVerfGE 83, 130, 139  f.; BVerwGE 91, 223, 224 f.; OVG Münster, NVwZ 1992, 396; VG Köln, MMR 2016, 851, 852; Birkholz, S. 23; Dörr, in: GS-Burmeister, S. 101, 111; Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 190; vgl. Liesching, in: BeckOK-JMStV, § 1 Rn. 24; v. Arnauld, in: HB Staatsrecht Bd. VII, § 167 Rn. 71; ähnl. Erdemir, CR 2005, 275; auch Schulz/Korte, ZUM 2002, 719; Schwartmann, in: PraxisHB Medien-, IT- und UrhR, Teil 1 Kap. 7 A Rn. 1. 22  Zum Ganzen Stumpf, S.  82 f. 23  Rauda, Recht der Computerspiele, Rn. 490. 24  BR-Drs. 618/20, S. 16; BVerwGE 75, 77, 82 f.; BGHSt 37, 55, 62 f.; Cole, in: HB Medienrecht, S. 255; Eifler, S.  10 ff.; Heuser, S.  11 ff.; Holtmann, S. 150; Stettner, ZUM 2003, 425, 427. 25  BR-Drs. 195/21, S. 3 f. 26  BVerfGE 30, 336, 350; vgl. Dörr, in: GS-Burmeister, S. 101, 112 f.; vgl. Frenzel, AfP 2002, 191, 192; Liesching, in: NK-JuSchG, Einl. Rn. 2. 27  Amtliche Begründung zum JMStV, S.  4, abrufbar unter: https://www.kjmonline.de/fileadmin/user_upload/Rechtsgrundlagen/Gesetze_Staatsvertraege/JMStV_

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Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

Grundsätzlich betrifft der JMStV Computerspiele, die im Internet als Telemedien vertrieben werden, § 2 Abs. 1 S. 1 JMStV i. V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 JMStV, während das JuSchG Regelungen für Träger- und Telemedien bereithält. Im Zuge der Novellierung des Jugendschutzrechts wurde der Dualismus aus Träger- und Telemedien grundsätzlich beibehalten. Gleichwohl führt § 1 Abs. 1a JuSchG einen einheitlichen Medienbegriff in das JuSchG ein. Die vormals geltende Differenzierung zwischen Träger- und Telemedien verliert nunmehr aufgrund des einheitlichen Medienbegriffs des § 1 Abs. 1a JuSchG weitgehend an Bedeutung.28 Zuvor fokussierte das JuSchG primär die von Trägermedien ausgehenden Gefahren. Hierunter waren etwa CDs, DVDs, Blu-ray, oder Kassetten zu fassen.29 Der Begriff des Trägermediums ist weiterhin in § 1 Abs. 2 S. 1 JuSchG legaldefiniert und zeichnet sich vor allem durch das Charakteristikum der Körperlichkeit aus.30 Der telemediale Bezug des JMStV bleibt ebenfalls erhalten und soll der Schaffung eines einheitlichen Jugendschutzes mit Blick auf moderne, elektronische Verbreitungskanäle, insbesondere Online-Medien ermöglichen, § 1 JMStV.31 Dem Begriff der Telemedien unterfallen daher typischerweise Inhalte elektronischer Datenbanken, elektronischer Tauschbörsen und der sonstige Warenund Dienstleistungsverkehr mit elektronischem Übermittlungskanal. Auch die zum Download angebotenen Computerspiele sind dem Anwendungs­ bereich des JMStV zuzuordnen.32 Als Telemedium bestimmt sich die Unzulässigkeit der Inhalte nach § 4 JMStV. Zwischen den Begriffen des Trägermediums und des Telemediums besteht ein Exklusivitätsverhältnis. Wird das Spiel als DVD vertrieben, so handelt es sich um ein Trägermedium i. S. d. § 1 Abs. 2 S. 1 JuSchG. Elektronisch versendete körperlose Inhalte sind als Telemedium zu qualifizieren.33 Moderne Computerspiele bedienen sich beider Distributionskanäle und sind sowohl als unverkörperter Download, als auch Genese/Amtliche_Begru__ndung_zum_JMStV.pdf (Stand: 28.06.2020); Erdemir, in: Recht der elektronischen Medien, § 2 JMStV Rn. 9; Schulz/Held, in: Beck-Rundfunkrecht, § 1 JMStV Rn. 1. 28  Vgl. BT-Drs. 19/24909, S. 41 f. 29  Baumann/Hofmann, ZUM 2010, 863, 865; Erdemir, in: Recht der elektronischen Medien, § 1 JMStV Rn. 3; Liesching, NJW 2002, 3281, 3282 f.; ders., in: ­NK-JuSchG, Einl. Rn. 1; ders., in: Hamburger Kommentar, Gesamtes Medienrecht, 79. Abschnitt Rn. 20. 30  Statt vieler Ricker/Weberling, HB Presserecht, Kap. 60 Rn. 5b. 31  Baumann/Hofmann, ZUM 2010, 863, 865; Erdemir, in: Recht der elektronischen Medien, § 1 JMStV Rn. 2; Schwartmann, in: PraxisHB Medien-, IT- und UrhR, Teil 1 Kap. 7 III Rn. 20. 32  Erdemir, in: Recht der elektronischen Medien, § 2 JMStV Rn. 11; ders., CR 2005, 275, 276. 33  Schwartmann, in: PraxisHB Medien-, IT- und UrhR, Teil 1 Kap. 7 C. II Rn. 12; Stumpf, S. 155.



A. Die Reichweite des Jugendschutzes249

in Form eines klassischen Datenträgers erhältlich. Im Zuge des einheitlichen Medienbegriffs des § 1 Abs. 1a JuSchG wurden Werbe- und Vertriebsbeschränkungen jugendgefährdender Medien des § 15 Abs. 1 JuSchG durch § 15 Abs. 1a JuSchG auch für Telemedien anwendbar. Für den hiesigen Themenkomplex ist zunächst von Bedeutung, ob hinsichtlich der Kennzeichenverwendung in Computerspielen eine echte Medienkonvergenz zwischen Träger- und Telemedien erreicht wird, die Herstellern und Anbietern keine Vorteile aus der Wahl des Überragungsmediums bei identischen Inhalten entstehen lässt. Im Anschluss soll die Frage beantwortet werden, ob die Regelungen des Jugendmedienschutzes einen engeren Zulässigkeitsrahmen für die Kennzeichenverwendung in Computerspielen spannen als das materielle Strafrecht. Die strafrechtliche Unbedenklichkeit der Kennzeichenverwendung wäre insofern für Hersteller und Anbieter irrelevant, wenn aus jugendmedienschutzrechtlichen Erwägungen umfassende Werbeund Vertriebsbeschränkungen erwachsen würden. 3. § 86a StGB im systematischen Gefüge des Jugendmedienschutzes Im Wortlaut des § 4 Abs. 1 Nr. 2 JMStV und § 18 Abs. 1 JuSchG i. V. m. § 15 JuSchG ist eine mediale Ungleichbehandlung für die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen deutlich angelegt. § 15 Abs. 2 Nr. 1 JuSchG identifiziert schwer jugendgefährdende Trägermedien unter anderem an Inhalten, die den objektiven Tatbestand des § 86 StGB verwirklichen. Kennzeichen aber können nicht als Propagandamittel des § 86 StGB angesehen werden.34 Auch der Auffangtatbestand für jugendgefährdende Trägermedien nach § 15 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG ist nicht geeignet, die Kennzeichenverwendung allgemein zu erfassen, wenn § 86 StGB in § 15 Abs. 2 Nr. 1 JuSchG eine ausdrückliche Regelung erhält.35 Die Kennzeichenverwendung in Computerspielen im Regelungsrahmen des JuSchG orientiert sich daher lediglich am Begriff der einfachen Jugendgefährdung i. S. d. §  18 Abs.  1 JuSchG. Der JMStV hingegen differenziert zwischen absolut unzulässigen, relativ unzulässigen und entwicklungsbeeinträchtigenden Angeboten, § 4 Abs. 1, Abs. 2 JMStV und § 5 JMStV.36 Die absolute Unzulässigkeit nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 JMStV hinsichtlich der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen orientiert sich am objektiven Tatbestand des CR 2015, 92, 97 f.; Ziemann, in: AnwK-StGB, § 86 Rn. 5. auch Wager, MMR 2019, 80, 83. 36  Schwartmann, in: PraxisHB Medien-, IT- und UrhR, Teil 1 Kap. 7 III Rn. 21. 34  Schwiddessen, 35  So

250

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

§ 86a StGB.37 Von § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 JMStV ist die sozialadäquate Verwendung i. S. d. § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB nicht erfasst. § 4 Abs. 1 S. 2 statuiert die Synchronität zwischen Medienrecht und Straf­ recht,38 ohne dass im Bereich der Telemedien ein erweiterter Schutzbereich für die Kennzeichenverwendung normiert ist. So resultiert aus dem JMStV für Telemedien – insbesondere für Online-Kommunikation und Online-Angebote von Computerspielen zum Download – ein am objektiven Tatbestand des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB orientiertes Verbreitungsverbot. Ferner orientiert sich der JMStV an der Inhaltsgleichheit zu bereits indizierten Medien und der schweren Jugendgefährdung nach §§ 4 Abs. 1 Nr. 11, Abs. 2 Nr. 2, 3 JMStV. Der Begriff einer einfachen Jugendgefährdung ist dem JMStV fremd und begründet für diesen keinen eigenständigen Unzulässigkeitstatbestand. Lediglich über das Merkmal der bereits indizierten, identischen Medien beansprucht die einfache Jugendgefährdung Geltung.39 Nicht die Indizierungsfähigkeit, sondern die tatsächliche Indizierung ist tatbestandlicher Anknüpfungspunkt der Unzulässigkeit. Systematisch vergibt der JMStV für kennzeichenbeinhaltende Medien außerhalb des objektiven Straftatbestands des § 86a StGB die Zuordnung zu § 5 JMStV.40 Trotz angestrebter Medienkonvergenz zwischen JuSchG und JMStV schaffen beide Gesetze unterschiedliche Rechtsrahmen im Umgang mit Kenn­ zeichen verfassungswidriger Organisationen. Erfährt die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in JuSchG und JMStV divergierende Anknüpfungspunkte, so muss geprüft werden, ob für Träger- und Telemedien ein systematisches Konvergenzgefüge besteht. a) Computerspiele mit NS-Kennzeichen als Trägermedium aa) Die Vertriebsvoraussetzung des Alterskennzeichnungsverfahrens § 14 Abs. 2 JuSchG normiert Altersstufen, die als Kennzeichnung auf Trägermedien erkennbar angeführt werden müssen und die Jugendbeeinträchti37  Kaspar, in: Beck-Rundfunkrecht, § 4 JMStV Rn. 19; a. A. wohl Hartstein/Ring, in: Heidelberger Kommentar, JMStV, § 4 Rn. 15; dass § 86a StGB keinen Widerhall in § 15 Abs. 2 Nr. 1 JuSchG findet, überrascht vor dem Hintergrund der absoluten Unzulässigkeit der Kennzeichenverwendung in Telemedien nach § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 JMStV; Handke, S.  146 f. 38  Vgl. Dreyer, S. 289; Kaspar, in: Beck-Rundfunkrecht, § 4 JMStV Rn. 46. 39  Bornemann, ZUM 2010, 407, 408; Erdemir, in: Recht der elektronischen Medien, § 4 JMStV Rn. 144; Handke, S. 197; Liesching, ZUM 2005, 224, 225; Schumann, ZUM 2004, 697, 699. 40  Bornemann, ZUM 2010, 407, 408  f.; Liesching, Schutzgrade, S. 33 f.; ders., ZUM 2005, 224, 225; Schumann, ZUM 2004, 697, 701.



A. Die Reichweite des Jugendschutzes251

gung für einige Altersgruppen festlegen.41 Die USK führt mit den OLJB in der Regel ein gemeinsames Prüfungsverfahren durch, § 14 Abs. 6 JuSchG. Sie gilt als die bedeutendste Einrichtung zur freiwilligen Selbstkontrolle in Bezug auf die jugendschutzrechtliche Prüfung von Computerspielen und dient als Bindeglied zwischen den OLJB und den Anbietern von Computerspielen.42 Als zentrale Institution für die Vergabe von Alterskennzeichnungen von Computerspielen an Trägermedien kommt der USK eine gutachterliche Tätigkeit zu.43 Sog. Sichter erschließen das vom Anbieter eingereichte Spiel vollständig und geben den Gutachtern einen Überblick über die Gesamt­ erscheinung des Spiels und sämtlichen jugendschutzrelevanten Inhalten, § 6 Abs. 1 USK-Grds.44 Im Rahmen des Prüfungsausschusses erfolgt die Kennzeichnungsempfehlung unter Teilnahme von vier Jugendschutzsachverständigen und einem Ständigen Vertreter der OLJB, § 7 Abs. 2 USK-Grds. Nach Vorlage und Diskussion der Ergebnisse erfolgt die Altersverifikation durch einen Vertreter der OLJB. Basis der Beurteilung ist eine Einschätzung, wie ein Minderjähriger den dargestellten Inhalt sozialethisch zuordnet und versteht.45 In jedem Fall erlässt der Vertreter der OLJB einen Verwaltungsakt mit dem Ergebnis der Altersfreigabeprüfung gegenüber dem Anbieter des Computerspiels.46 Empfehlungen der USK werden typischerweise von den OLJB als eigene Entscheidungen übernommen,47 wodurch die Institution eine erhebliche Definitionsmacht erhält. Ist auf Grundlage einer Vielzahl von Faktoren die seelische Hemmung, oder Störung der Entwicklung des Minderjährigen zu besorgen, so wird das Medium nicht für die entsprechende Altersklasse freigegeben.48 Eine abgestufte Altersfreigabe des Mediums erfordert einen Abgleich der geistigen Verarbeitungsreife Jugendlicher mehrerer Altersgruppen mit den Wirkungsfaktoren der medial wahrnehmbaren Inhalte. Aus der Kennzeichnung „keine Jugendfreigabe“ resultiert eine Eignung zur Entwicklungsbeeinträchtigung auch für Minderjährige über 16 Jahren. Qualitativ reicht diese Kennzeichnung aber nicht an eine zu besorgende Jugendgefährdungseignung heran.49 Der qualitative Unterschied zur VerweigeS. 49; Hilgert/Eickhoff, MMR-Beil. 2018, 16, 17. S. 150. 43  Hilgert/Sümmermann, CR 2016, 104; Schwiddessen, CR 2015, 515, 518; Stumpf, S. 152. 44  Hilgert/Sümmermann, CR 2016, 104, 108; Höynck/Pfeiffer, ZRP 2007, 91, 92. 45  Vgl. Dreyer, S. 355. 46  Stumpf, S. 296. 47  Held, in: Beck-Rundfunkrecht, § 19 JMStV Rn. 6; Höynck, ZIS 2008, 206, 213; Stumpf, S. 152; Schwiddessen, MMR 2015, 18, 20. 48  BT-Drs. 14/9013, S. 22; BVerwGE 159, 49, 52  f.; Bornemann, ZUM 2010, 407, 408; Liesching, in: NK-JuSchG, § 14 Rn. 2. 49  Schwiddessen, ZUM 2015, 226; Spürck, in: Medienkontrolle, S. 52; Stumpf, S.  146 f. 41  Eifler,

42  Stumpf,

252

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

rung der Alterskennzeichnung aufgrund einer für alle Altersgruppen jugendgefährdenden Wirkung ist graduell.50 Mit der Orientierung an §§ 14, 18 ­JuSchG manifestiert sich die jugendmedienschutzrechtliche Zulässigkeit an den Merkmalen der Jugendgefährdungseignung und der Jugendbeeinträchtigung. bb) „Wolfenstein II – The New Colossus“ Am 06. Dezember 2018 entschied das 12er-Gremium der BPjM über die Indizierung des Werks „Wolfenstein II – The New Colossus“ für die Plattform Nintendo Switch.51 Zuvor erhielt die um NS-Kennzeichen gekürzte Version des Spiels für andere Spieleplattformen die Altersfreigabekennzeichnung „keine Jugendfreigabe“. Das nunmehr zu untersuchende Medium war in sämtlichen audiovisuellen Darstellungen, der Spielgeschichte und dem Handlungsdruck des Rezipienten mit dem bereits geprüften Werk identisch. Lediglich NS-Symbole wurden für das Prüfverfahren vom 06. Dezember 2018 nicht gekürzt und blieben Teil des Spielinhalts. Hinsichtlich des reduzierten Prüfungsumfangs auf die Wirkung der NS-Symbolik stellte die BPjM fest, dass die eindeutige „Gut-Böse-Zeichnung“, die historische und kontextuelle Einbettung der Kennzeichen zu berücksichtigen seien. Insbesondere der differenziert-kritische Umgang mit historischen Begebenheiten oder die normative Bewertung dystopischer Szenarien sind von Bedeutung. Das Gremium stellt in Übereinstimmung mit lerntheoretischen Ansätzen der Medienwirkungsforschung im Ergebnis auf die fehlende Identifikationsmöglichkeit des Rezipienten mit dem Kennzeichenträger ab.52 Auf einen Gleichlauf mit den Anforderungen des § 86a StGB weist die BPjM nicht hin. Die Aktualisierung der Leitkriterien der USK zur Implementierung von Kennzeichen verfassungswidrigen Organisationen folgte erst später im Jahre 2018 und zeigt, dass diese lediglich deklaratorische Funktion einnehmen. Die Altersfreigabekennzeichnung der ungekürzten Fassung des Spiels „Wolfenstein II – The New Colossus“ ist Zeugnis einer Indizierungspraxis, die sich an der Aufrechterhaltung eines verbrecherischen Bedeutungsgehalts des Kennzeichens orientiert, ohne dass es auf die konkrete realhistorische Richtigkeit ankommt. Bereits zum Spiel „Wolfenstein 3D“ wurde

50  Liesching,

Schutzgrade, S. 22.

51  https://www.bundespruefstelle.de/bpjm/service/alle-meldungen/-wolfenstein-ii-

the-new-colossus-us-version-nicht-indiziert--131234 (Stand: 20.04.2021). 52  So auch Leitkriterien USK, S.  24; krit. wohl OVG Münster, Urt. v. 15.02.2001 – 20 A 3635/98 = BeckRS 2001, 160481 Rn. 17; Kunczik/Zipfel, Gewalt in Medien, S. 251.



A. Die Reichweite des Jugendschutzes253

vorgetragen, dass dieses nicht aufgrund der Kennzeichenimplementierung indiziert wurde.53 cc) Ergebnis Das JuSchG schafft mit dem Merkmal der Jugendgefährdungseignung einen vom objektiven Tatbestand des § 86a StGB losgelösten Zulässigkeitsrahmen.54 Die Institutionen des Jugendmedienschutzes betonen im Zuge des Prüfungsverfahrens insbesondere die vermittelte Minimierung des Identifikationspotenzial mit den Kennzeichenvertretern. b) Kennzeichenbeinhaltende Computerspiele als Telemedien aa) Vertriebs- und Vermarktungsvoraussetzungen Die Pflicht des Anbieters von Telemedien zur Alterskennzeichnung des Mediums beschränkt sich nach § 5 Abs. 1 S. 1 JMStV darauf, dass Kinder und Jugendliche, für die das Medium nicht geeignet ist, dieses üblicherweise nicht wahrnehmen.55 Nur Telemedien, welche mit Trägermedien inhaltsgleich sind, müssen auf die Kennzeichnung nach dem JuSchG deutlich hinweisen, § 12 S. 1 JMStV. Insbesondere vermag auch § 14 Abs. 9 JuSchG mit der Erstreckung des Anwendungsbereichs des § 14 Abs. 1–6, 8 JuSchG keine Pflicht für Telemedien zum Durchlaufen eines geordneten verwaltungsrechtlichen Prüfungsverfahrens zu generieren. Lediglich das in § 14 JuSchG konkret normierte Prüfungsverfahren für Medien findet aufgrund von § 14 Abs. 9 JuSchG auch auf Telemedien Anwendung. Damit wird ein konvergenter Anwendungsbereich zur Regelungsstruktur des § 12 S. 1 JMStV hergestellt,56 ohne eine konkrete Prüfungspflicht durch die OLJB und eine Einrichtung zur freiwilligen Selbstkontrolle zu normieren. Wird ein Computerspiel lediglich als Telemedium vermarktet, ist aus den Regelungen des Jugendmedienschutzes keine Prüfungspflicht abzuleiten. Auch der JMStV kennt keine Verpflichtung des Anbieters, ein Computerspiel vor der Veröffentlichung durch ein behördliches Verfahren jugendmedienschutzrechtlich prüfen zu lassen.57 § 5 JMStV sieht keine zwingende Altersklassifizierung durch eine Einrichtung 53  Falk/Hentsch, BPjM-Aktuell 2/2018, 14, ebenso hinsichtlich „Wolfenstein“ (2009) Kreißig, BPjM-Aktuell 2/2018, 10, 13. 54  So auch Kreißig, BPjM-Aktuell 2/2018, 10, 11 f. 55  Geidner, in: Beck-Rundfunkrecht, § 5 JMStV Rn. 7; auch reine Online-Medien dürfen aber zur Überprüfung gereicht werden: Schwiddessen, CR 2018, 512, 518. 56  BT-Drs. 19/24909, S. 45; BR-Drs. 618/20, S. 50. 57  § 5 Abs. 1 JMStV.

254

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

zur freiwilligen Selbstkontrolle vor.58 Die gesetzlichen Vorgaben des § 5 Abs. 1 S. 1 JMStV legen dem Anbieter lediglich die Pflicht auf, dass Kinder und Jugendliche der betroffenen Altersgruppe die Medieninhalte: „üblicherweise nicht wahrnehmen“.59 Beliebtes Präventionsmittel ist die Vorschaltung einer Kreditkartenabfrage vor dem Erwerb eines Computerspiels.60 Reinen Telemedien bietet § 12 S. 2 JMStV die nicht verpflichtende Möglichkeit der Vorlage des Mediums zur Kontrolle in einem geordneten verwaltungsrechtlichen Verfahren.61 Zwar erlangt ein Medium nur durch eine wirksame Alterskennzeichnung im geordneten Verwaltungsverfahren einen Indizierungsschutz.62 Indes bleibt das behördliche Sichtungsverfahren fakultativ. Auch trägt der Anbieter für eine eigens vorgenommene, fahrlässige Fehleinschätzung der Alterskennzeichnung kein Bußgeldrisiko.63 Eine Kennzeichnungspflicht für Telemedien resultiert nur aus der Inhaltsgleichheit mit einem bereits als Trägermedium existenten Inhalt, § 12 Abs. 1 JMStV. Zudem können auch Telemedien unabhängig vom Regelungsbereich des JMStV gemäß § 18 Abs. 1 JuSchG in die Liste jugendgefährdender Medien aufgenommen werden. Mit der Aufnahme werden sie relativ unzulässig nach § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JMStV. So hat auch der Anbieter eines rein als Telemedium vertriebenen Computerspiels ein vitales Interesse an einem wirksamen Indizierungsschutz. Diesen verleiht gemäß § 18 Abs. 8 S. 1 JuSchG nur die Durchführung eines Verfahrens i. S. d. §§ 14 Abs. 2 Nr. 1–5, Abs. 9 JuSchG. Hinsichtlich der Vermarktung von Computerspielen auf Spieleplattformen statuiert § 14a Abs. 1 S. 2 JuSchG eine Alterskennzeichnungspflicht für angebotene Inhalte, die über die Pflicht des § 5 JMStV hinausgeht.64 Ein auf Spieleplattformen, die mehr als eine Millionen Nutzer aufweist, angebotener Inhalt muss mit einer Kennzeichnung im Rahmen des § 14 Abs. 6 JuSchG, einer i. S. d. JMStV anerkannten Einrichtung der freiwilligen Selbstkontrolle oder eines Jugendschutzbeauftragten nach § 7 JMStV versehen werden. Zulässig sind ferner automatisierte Bewertungssysteme, die von den obersten 58  Liesching, in: BeckOK-JMStV, § 5 Rn. 7; Rauda, Recht der Computerspiele, Rn. 500; Weigand, in: Computerspiele – Neue Herausforderungen, S. 41, 49. 59  § 5 Abs. 1 S. 1 JMStV; Liesching, in: BeckOK-JMStV, § 5 Rn. 5. 60  Liesching, in: BeckOK-JMStV, § 5 Rn. 11; nach VG Berlin, MMR 2011, 851 genügt die ungeprüfte Selbstauskunft des Nutzers den Anforderungen nicht; zust. Faber, S.  59 f. 61  Erdemir, in: Recht der elektronischen Medien, § 5 JMStV Rn. 63, § 12 Rn. 6; Kaspar, in: Beck-Rundfunkrecht, § 12 JMStV Rn. 5; Liesching, in: BeckOK-JMStV, § 12 Rn. 6. 62  § 18 Abs. 8 S. 1 JuSchG; Höynck/Pfeiffer, ZRP 2007, 91, 92; Schwiddessen, CR 2018, 512, 517 f.; ders., MMR 2015, 18; Spürck, in: Medienkontrolle, S. 43. 63  § 24 Abs. 1 Nr. 4 JMStV; Erdemir, in: Recht der elektronischen Medien, § 5 JMStV Rn. 64. 64  BR-Drs. 618/20, S. 53.



A. Die Reichweite des Jugendschutzes255

Landesbehörden anerkannt sind.65 Das vitale Interesse des Anbieters eines Telemediums an der Erlangung des Indizierungsschutzes durch ein ordentliches Verwaltungsverfahren wird hinsichtlich des Vertriebs auf großen Spieleplattformen durch ein gesetzliches Erfordernis der Kennzeichnung ergänzt. bb) Die Indizierungsbefugnis der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz für Telemedien Die übergreifende Indizierungsbefugnis zur Aufnahme von Träger- und Telemedien gleichermaßen in die Liste jugendgefährdender Medien nach § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG ist Zeugnis der inneren Verflechtung von JMStV und JuSchG.66 Es soll keinen Unterschied machen, auf welchem Übertragungsweg das Medium vertrieben wird, wenn es sich um denselben medialen Inhalt handelt.67 Bereits mit der Novellierung des JuSchG im Jahre 2002 erhielt § 14 Abs. 1 JuSchG einen von §§ 6 Abs. 2, 7 Abs. 2 JÖSchG a. F. abweichenden Wortlaut. Eine Verschiebung der Beurteilungspraxis war damit aber nicht verbunden,68 sodass auf die ältere Spruchpraxis Bezug genommen werden kann. Das Gleiche gilt für § 18 JuSchG.69 Medien, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden, unterliegen der Indizierung.70 Der Begriff der jugendschutzrechtlichen Indizierung findet im JuSchG zwar keine Entsprechung, umschreibt aber die Aufnahme eines Träger- oder Telemediums in die Liste jugendgefährdender Medien nach § 18 Abs. 1 JuSchG.71 Im weiteren Sinne dient der Begriff der Erfassung des gesamten jugendschutzrechtlichen Prüfungsverfahrens, der Entscheidung und der Rechtsfolgen der Aufnahme, wie Werbe- und Vertriebsverbote aus § 15 JuSchG.72

65  BT-Drs. 66  Schulz,

19/24909, S. 48. in: Beck-Rundfunkrecht, § 2 JMStV Rn. 2, 3; Stettner, ZUM 2003,

425, 428. 67  Baumann/Hofmann, ZUM 2010, 863, 866; Erdemir, in: Recht der elektronischen Medien, § 2 JMStV Rn. 1 bezeichnet dies als Leitprinzip der Gleichbehandlung vergleichbarer Inhalte. 68  BT-Drs. 14/9013, S. 15, 22, 25; Liesching, Schutzgrade, S. 23. 69  Vgl. BT-Drs. 14/9013, S.  25; Handke, S. 136; Liesching, BPjM-Aktuell 4/2018, 4, 5. 70  § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG; VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11 Rn. 35 (juris); Liesching, NJW 2002, 3281, 3285. 71  Vgl. § 24 Abs. 1 JuSchG; Schwartmann, in: PraxisHB Medien-, IT- und UrhR, Teil 1 Kap. 7 II Rn. 16; Stumpf, S. 31. 72  Dreyer, S.  252 f.; Eifler, S. 18; Stumpf, S.  31 f.

256

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

Freilich offeriert die Komplexität eines Computerspiels mehrere Interpretationsmöglichkeiten. In Wahrnehmung ihrer Indizierungshoheit darf sich die Bundeszentrale einer möglichen (werkgerechten) Interpretationslinie bedienen, die sich an mehreren inhaltlichen Stellen in Gesamtschau des Mediums manifestiert.73 Das ist interessengerecht, weil ein effektiver Jugendmedienschutz vertretbare Interpretationslinien berücksichtigen muss. Gleichwohl ist eine Jugendgefährdung nicht bereits deshalb ausgeschlossen, weil die Deutung der Darstellungen durch einen Jugendlichen von der Interpretation der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz abweichen kann.74 Es besteht die Gefahr, dass die Interpretation eines Minderjährigen aufgrund des noch nicht abgeschlossenen psychologischen Entwicklungsprozesses von einer vorgesehenen Deutung abweicht. Entscheidend für die Annahme einer Jugendgefährdungseignung ist allein, dass hinreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Inhalt von einer nicht unerheblichen Anzahl Jugendlicher in einer das Gefährdungspotential begründenden Weise gedeutet werden kann.75 Insofern gilt es, das intellek­tuelle Differenzierungsvermögen eines Jugendlichen zu berücksichtigen.76 Es muss nicht von der für den Medienanbieter günstigsten Auslegung ausgegangen werden. 4. Jugendmedienschutzrechtliches Konvergenzgefüge In systematischer Hinsicht ist zu beachten, dass mit den Werbe- und Vertriebsbeschränkungen, die gezielt an die Indizierung des Werks anknüpfen, für Publisher und Händler die massenhafte Distribution des Computerspiels unterbunden wird. Nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG ist ein Verstoß gegen die Werbe- und Vertriebsverbote nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 JuSchG mit bis zu einem Jahr Freiheitsstrafe oder Geldstrafe bedroht. Somit ist dem Computerspiel die Partizipation am breiten Markt ähnlich entzogen, wie im Falle eines Verstoßes gegen § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Herstellern oder Publishern des Computerspiels ist als Adressat des Verwaltungsakts der Indizierungsentscheidung der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz zwar die gerichtliche Überprüfung in Form der Anfechtungsklage eröffnet. Diese entfaltet jedoch keine aufschiebende Wirkung, sodass das veröffentlichungsbereite Medium über die lange Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auf der Liste der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz ver-

73  BVerfGK 12, 119, 124 f.; OVG Münster, Beschl. v. 08.11.2006 – 20 A 3060/05 Rn. 4 (juris); VG Köln, ZUM-RD 2008, 385, 391; VG Köln, MMR 2010, 578, 579. 74  BVerfGK 12, 119, 124. 75  BVerfGK 12, 119, 124. 76  Hans-Bredow-Institut (Hrsg.), Das deutsche Jugendschutzsystem, S. 60.



A. Die Reichweite des Jugendschutzes257

bleibt und fortschreitend an Aktualität verliert.77 Auch eine Verpflichtungsklage gegen das Land Nordrhein-Westfalen auf Erteilung einer Altersfrei­ gabekennzeichnung stellt für den Spielehersteller keinen praktisch gangbaren Weg dar, verlieren Computerspiele innerhalb weniger Monate erheblich an Wert und sind bereits nach kurzer Zeit nur noch zum Bruchteil des Preises vermarktungsfähig.78 Selbst im Falle des Obsiegens des Herstellers oder Publishers und späterer Erteilung der Altersfreigabekennzeichnung ist der entstandene wirtschaftliche Schaden immens. Insofern macht es für den Hersteller und den Publisher eines Computerspiels – abseits persönlicher Strafhaftung – kaum einen Unterschied, ob die Unzulässigkeit des Vertriebs systematisch auf dem strafrechtlichen Kennzeichenverbot nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB aufbaut oder ob diese durch die Indizierungsentscheidung herbeigeführt wird. Die Indizierungsbefugnis für träger- und telemedial vertriebene Computerspiele aufgrund der Implementierung von NS-Symbolen wirkt massiv auf die Vermarktung von Computerspielen ein und erreicht einen systematischen Gleichlauf von Träger- und Telemedien in Bezug auf die einfache Jugendgefährdungseignung.79 Dass dieser Begriff dem JMStV fremd ist, der insoweit nicht auf die Indizierungsfähigkeit des Mediums abstellt, ist unschädlich. Auch für einfach jugendgefährdende Telemedien besteht aufgrund der Anwendungsreichweite des § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG die Gefahr der Aufnahme in die Liste der jugendgefährdenden Medien, ohne dass es auf die Inhaltsgleichheit mit einem identischen Trägermedium ankommt. Im Ergebnis ist die jugendmedienschutzrechtliche Zulässigkeit von Computerspielen mit Kennzeichen verfassungswidrigen Organisationen an der Eignung des Werks zur einfachen Jugendgefährdung gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG zu messen. So ist der jugendschutzrechtliche Zulässigkeitsrahmen eigenen Tatbestandsmerkmalen unterworfen und grundsätzlich von der strafrechtlichen Reichweite des § 86a StGB unabhängig. Hieraus resultiert, dass die materiellstrafrechtliche Bedeutung der Computerspiele mit NS-Symbolik, die seit der „Wolfenstein-Entscheidung“ des OLG Frankfurt a. M.80 im Fokus der juristischen Diskussion steht, keine zwingende jugendschutzrechtliche Durchwirkung erzielt. Systematisch kann einer nach § 86a StGB tatbestandslosen Verwendung im Spiel durchaus eine Jugendgefährdungseignung innewohnen und daher im Zuge der Indizierung von der freien Vermarktung ausgeschlosin: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. II, Kap. 6 Rn. 180. in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. II, Kap. 6 Rn. 180; Schade/Ott, MMR 2010, 578, 580; Schwiddessen, CR 2015, 92, 99. 79  Liesching, in: NK-JuSchG, Einl. Rn. 6. 80  OLG Frankfurt a. M., NStZ 1999, 356. 77  Kauert, 78  Kauert,

258

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

sen werden. In Abkehr eines sektoralen Totalverbots für unterhaltende FirstPerson-Shooter ist die Entscheidung zur Zulässigkeit von NS-Kennzeichen in „Wolfenstein II – The New Colossus“ höchst begrüßenswert. Aufgrund dessen muss nicht danach gefragt werden, ob das jahrelang gelebte sektorale Totalverbotsdogma des OLG Frankfurt a. M. aus dem Jahre 1998 nunmehr lediglich seine systematische Regelungsgrundlage auf § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG verlagert. 5. Maßstäbe der Jugendgefährdungseignung an mediale Inhalte a) Jugendgefährdung und Entwicklungsbeeinträchtigung Im Zuge der Zulässigkeit von Medien unterscheiden §§ 10a, b JuSchG zwischen entwicklungsbeeinträchtigenden und jugendgefährdenden Inhalten.81 Ferner werden schwer jugendgefährdende Trägermedien den Vertriebsbeschränkungen des § 15 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG unterworfen. Die gleichlautende Regelung für Telemedien statuiert in § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 JMStV die relative Unzulässigkeit. Eine präzise und anerkannte Definition der Jugendgefährdung hat sich bislang weder aus der wissenschaftlichen Untersuchung des Jugendschutzes noch aus der ständigen Spruchpraxis herausgebildet.82 Der unbestimmte Rechtsbegriff mit Blankettcharakter wird zumeist mit der wenig zur Präzisierung beitragenden Gefahr einer sozialethischen Desorientierung ausgefüllt.83 Diese Begriffsausfüllung verhilft nur zu einer Umschichtung der fehlenden Definition auf neue deutungsoffene Terminologien. Merkmale einer Jugendgefährdung leiten sich aus dem verfassungsrechtlichen Wertekonsens und den Erziehungs- und Entwicklungszielen ab.84 Darstellungen, die mit zentralen Verfassungswerten im Widerspruch stehen und eine Negativverschiebung der Wertvorstellungen von Kindern und Jugendlichen mit Blick auf Entwicklungs- und Erziehungsziele besorgen lassen, sind ju81  BT-Drs. 14/9013, S.  14; Bornemann, ZUM 2010, 407; Handke, S. 133; Liesching, Schutzgrade, S. 22. 82  Dreyer, S. 352; Hajok/Selg/Hackenberg, JMS-Report 2/2010, 2, 5; Liesching, Schutzgrade, S. 99; vgl. auch BVerfGE 90, 1, 16. 83  BVerwGE 25, 318, 320; BVerwG, NJW 2020, 785, 789; BVerwGE 159, 49, 62 f.; OLG Köln, NVwZ 1994, 410, 413; Liesching, BPjM-Aktuell 4/2018, 4, 6; ders., Schutzgrade, S. 100; ders., in: Hamburger Kommentar, Gesamtes Medienrecht, 83. Abschnitt Rn.  9 f.; Lober, CR 2002, 397; Stumpf, S. 157, 179; synonym dazu ­finden sich auch Umschreibungen, wie die sozialethische Verwirrung oder Fehlentwicklung: BVerfGK 12, 119, 124; BVerwGE 23, 112, 114 f.; Dörr, in: GS-Burmeister, S. 101, 110; Heuser, S. 21; Hajok/Selg/Hackenberg, JMS-Report 2/2010, 2, 3; Liesching, BPjM-Aktuell 4/2018, 4, 8; Schulz/Korte, ZUM 2002, 719, 720. 84  Liesching, in: NK-JuSchG, § 18 Rn. 2.



A. Die Reichweite des Jugendschutzes259

gendgefährdend.85 § 10a Nr. 2 JuSchG definiert jugendgefährdende Medien unscharf als: „Medien, die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern oder Jugendlichen oder ihre Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu gefährden.“

Eine teleologische Verschiebung des Jugendmedienschutzes unter Rückgriff auf die klassischen, sich in § 1 Abs. 1 SGB VIII spiegelnden Entwicklungsziele, ist mit dem deklaratorischen Verweis des Gesetzgebers nicht verbunden. Die Vorschrift trägt weder zur Präzisierung der Ausrichtung des Jugendmedienschutzes noch zur näheren Umgrenzung des Begriffs der Jugendgefährdungseignung bei. Umso erstaunlicher ist, dass auch im Zuge des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzes weiterhin entgegen des terminologischen Verständnisses86 auf die Zulässigkeit entwicklungsbeeinträchtigender Medien abgestellt wird, während eine Gefährdungseignung zur Indizierung des Werks befähigt. Die Vorgaben aus JuSchG und JMStV versetzen mittels eines ab­ gestuften Alterssystems die Jugendgefährdung und Jugendbeeinträchtigung in ein graduelles Plus-Minus-Verhältnis zueinander.87 Entwicklungsbeeinträchtigende Angebote bleiben hinter der gefährdenden Wirkung einer Jugendgefährdung zurück und sind lediglich für einige Altersgruppen ungeeignet. Durch eine inhaltliche Prüfung eines Films oder Spielprogramms kann nach § 14 Abs. 2 JuSchG die (fehlende) Gefährdungseignung für bestimmte Altersgruppen festgestellt werden.88 Die normative Differenzierung im Grenzbereich zwischen einer Altersfreigabe „ab 18 Jahren“ und einer einfachen Jugendgefährdungseignung ist gradueller Natur und manifestiert sich insbesondere an einer Negativabgrenzung zu den Regelbeispielen des § 18 Abs. 1 S. 2 JuSchG und den Unzulässigkeitstatbeständen des § 4 Abs. 1 S. 1 JMStV.89 Internetangebote, die unterhalb der Unzulässigkeitsschwelle des § 4 Abs. 1 JMStV zu verorten sind, werden teilweise als entwicklungsbeeinträchtigend „ab 18 Jahren“ eingestuft.90 In den meisten Fällen kommt für 85  BVerwGE 39, 197, 208; BVerwGE 77, 75, 82; BVerwG, NJW 2020, 785, 789; VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11 Rn. 35 (juris); Dreyer, S. 227; Eifler, S. 28; Faber, S. 83, 168; Heuser, S. 22; Liesching, BPJM-Aktuell 4/2018, 4, 7; ders., Schutzgrade, S. 24. 86  Liesching, Schutzgrade, S. 22. 87  Bornemann, ZUM 2010, 407; ähnl. Dreyer, S.  251 f.; Eifler, S. 45; Schumann, ZUM 2004, 697, 701; Schwiddessen, ZUM 2005, 224, 225; ders., CR 2018, 512, 517. 88  Dreyer, S. 251. 89  Liesching, Schutzgrade, S. 131. 90  Liesching, Schutzgrade, S. 141; vgl. dazu FSM-Beschwerde Nr. 02202, abrufbar unter https://www.fsm.de/sites/default/files/Entscheidung_rechtsradikales%20Com munity-Portal.pdf (Stand: 16.07.2021).

260

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

gewalthaltige Unterhaltungsspiele unter Nutzung von NS-Kennzeichen wohl nur eine Abgrenzung zwischen der einfachen Jugendgefährdung und der Altersfreigabekennzeichnung „ab 18 Jahren“ in Betracht. § 15 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG erstreckt die Werbe- und Verbreitungsverbote des § 15 Abs. 1 JuSchG auf Medien, die offensichtlich geeignet sind, die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen schwer zu gefährden. Dabei ist die abstrakte Möglichkeit einer besonders gravierenden sozialethischen Desorientierung zu besorgen.91 Die dargestellten Inhalte stellen eine: „totale Negation der verfassungsmäßigen Ordnung“ dar.92 Dem Jugendschutz sind Präventionselemente immanent.93 Minderjährige können vor den Inhalten nur effektiv und umfassend geschützt werden, wenn bereits vor einem Gefährdungseintritt geschützt wird und nicht lediglich eingetretene Schäden beseitigt werden.94 Ein Nachweis der schädigenden Wirkung ist nicht erforderlich.95 Insofern darf zumindest nicht auszuschließen sein, dass das Computerspiel zu einer sozialethischen Desorientierung oder sozialethischen Verwirrung führt.96 Mit dem unbestimmten Begriff der Jugendgefährdung konstatiert der Gesetzgeber in § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG einen breiten Schutzkorridor, der im Ergebnis auf eine Gefährdungsprognose gestützt werden muss.97 Die Gefährdungsprognose hat die Gesamtwirkung des Medieninhalts zum Gegenstand.98 Unzählige Faktoren und Medieninhalte sind geeignet, Kinder und Jugendliche in ihrer sozialen Wahrnehmung zu 91  KG, Urt. v. 08.02.2008 – (4) 1 Ss 312/07 Rn. 19 (juris); VG München, ZUM 2005, 252 ff.; Birkholz, S. 64; Liesching, in: NK-JuSchG, § 15 Rn. 22; ders., Schutzgrade, S. 70. 92  Liesching, in: NK-JuSchG, § 15 Rn. 22; nach BGH, NJW 1955, 1603, 1604 bewegen sich schwer jugendgefährdende Medien im intermediären Raum zwischen einer zu besorgenden Schädigungsmöglichkeit und der sicheren Schädigung. 93  BVerfGE 30, 336, 350; 159, 49, 53 f.; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 161a; Dörr, in: GS-Burmeister, S. 101, 112; Grabenwarter, in: Manz/Dürig, GG, Art. 5 Rn. 193; Liesching, in: NK-JuSchG, Einl. Rn. 2. 94  BVerfGE 30, 336, 350; Dörr, in: GS-Burmeister, S. 101, 112; Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 193. 95  BVerwG, NJW 2020, 785, 790; VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11 Rn. 36 (juris); VG Köln, Urt. v. 01.03.2013 – 19 K 5979/11 Rn. 28 (juris); VG Köln, Beschl. v. 02.10.2015 – 19 L 1437/15 Rn. 13 (juris); Gottberg, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 5 Rn. 14; Handke, S.  34 f. 96  BVerfGE 83, 130, 142; Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 191; Lober, CR 2002, 397. 97  BVerwGE 39, 197, 205; 159, 49, 63; vgl. Faber, S. 109; Hopf/Braml, ZUM 2010, 211; vgl. Stumpf, S.  161 f. 98  BVerfGK 12, 119, 125; BVerfG, NJW 2019, 3567, 3569; BVerwGE 159, 49, 63; BGHSt 12, 360, 364; VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11 Rn. 81 (juris); Birkholz, S. 64; Hopf/Braml, ZUM 2010, 211, 214; Kunczik, S. 25; Liesching, Schutzgrade, S. 54; Stumpf, S. 172.



A. Die Reichweite des Jugendschutzes261

desorientieren.99 Um in die demokratische Gesellschaft eingegliedert zu ­werden, müssen Kritikfähigkeit und Meinungsbildungsprozesse ausgebildet werden. Jugendlichen darf nicht gänzlich die Kenntnisnahme und der Austausch mit Extremmeinungen vorenthalten werden. Daher darf nicht jeder Negativeinfluss von Minderjährigen durch Präventivmaßnahmen absorbiert werden.100 b) Der gefährdungsgeneigte Jugendliche Während der Rechtsgüterschutz i. S. d. § 86a StGB unter Bezug auf einen durchschnittlichen, objektiven Beobachter zu gewährleisten ist, stellt der Jugendmedienschutz mit der Ausformung des Rechts auf die ungestörte geistigsittliche Entwicklung101 auf den Jugendlichen ab. Ältere verwaltungsgerichtliche Entscheidungen weisen durchaus den normal sozialisierten Jugendlichen als Bezugssubjekt des staatlich regulierten Jugendschutzes aus, um einer uferlosen Ausweitung des Indizierungsrechts entgegen zu wirken.102 Das unzureichende erzieherische Handeln und die Elternverantwortung dürfe: „nicht gänzlich durch die staatliche Eingriffsverwaltung abgelöst werden.“103 Bereits kompetenztechnisch seien die Indizierungsbehörden besser dazu befähigt, den durchschnittlichen Medienkonsumenten als Maßstab zu identifizieren, als einen gefährdungsgeneigten. Die Fiktion eines idealtypischen, durchschnittlichen Jugendlichen sei einer Beurteilung zugänglicher, als die des gefährdungsgeneigten Jugendlichen. Zudem dürfe der Jugendmedienschutz nicht zu einem Schutz im Zweifelsfall führen.104 Das verbotsgleiche Indizierungsrecht105 beschränkt auch Informationsrechte von Erwachsenen und könne aufgrund einer Prognose nicht mit Blick auf besonders anfällige Jugendliche ermittelt werden. Insofern müsse das Gefährdungspotenzial anhand der idealtypischen Fiktion eines durchschnittlichen Jugendlichen vorgenommen werden.106 99  Vgl.

Leitkriterien USK, S. 9 ff. 90, 1, 20  f.; Ricker/Weberling, HB Presserecht, Kap. 60 Rn. 6a; Schulz/Korte, ZUM 2002, 719, 720; Stumpf, S. 163. 101  Ricker/Weberling, HB Presserecht, Kap. 60 Rn. 6; Wager, MMR 2019, 80, 82 spricht insofern vom Recht auf Personwerden. 102  BVerwGE 25, 318, 321 f.; BVerwGE 28, 223, 228. 103  VG München, ZUM 2005, 252, 254. 104  Stumpf, S. 162 kritisiert den fehlenden medizinischen und psychologischen Sachverstand der Besetzung der BPjM, woraus die Gefahr einer „in dubio pro protectio“ resultiere. 105  So BVerwGE 23, 104, 109; vgl. BVerwGE 25, 318, 323. 106  Erdemir, in: NK-JMStV, § 5 Rn. 18; Stumpf, S.  163 f.; Wager, K&R 2019, 380, 384. 100  BVerfGE

262

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

Dem ist nicht zu folgen. Obwohl der Wortlaut der Verfassung, JuSchG und JMStV keine begrifflichen Hinweise auf die besondere Schutzbedürftigkeit des gefährdungsgeneigten Jugendlichen liefern, resultiert das intensivere Schutzniveau aus teleologischen Gründen. In ihrer individuellen Entwicklung weisen Jugendliche unterschiedliche Veranlagungen zur Verarbeitung, sozialen Zuordnung, Ernstnahme und Rechtfertigung der präsentierten medialen Inhalte auf.107 Nach zutreffender Auffassung sind gerade die „nicht durchschnittlich sozialisierten Jugendlichen“ auf die staatliche Kontrolle potenziell gefährdender Medien angewiesen, wobei Extremfälle auszunehmen sind. Daher ist auf den gefährdungsgeneigten Jugendlichen abzustellen.108 Gefährdungsgeneigte Jugendliche verfügen über keine gefestigten Moral- und Ethikvorstellungen und stehen auch nationalsozialistischen Inhalten wertungsoffen gegenüber.109 Sie bedienen sich zur Entwicklung eines moralischen und gesellschaftlichen Vorstellungsbilds äußerer Orientierungspunkte.110 Ein im Widerspruch zum Wertkonsens des Grundgesetzes stehender medialer Inhalt könnte einen solchen äußeren Orientierungspunkt bilden und sich negativ in einer ethischen Entwicklung des Jugendlichen niederschlagen.111 Hieraus ergibt sich die gesteigerte Gefahr einer Akzeptanz oder moralischen Rechtfertigung hinsichtlich medial vermittelter Ideologien und Wertevorstellungen.112 Im Einzelnen ergibt sich der Schutzmaßstab anhand eines formal niedriger gebildeten Jugendlichen aus schwach sozialisiertem Milieu.113 107  BVerwG,

NJW 2020, 785, 789; Schulz/Korte, ZUM 2002, 719, 721. 8, 80, 83; BVerwGE 39, 197, 205; 159, 49, 63; BVerwG, NJW 2020, 785, 789; VG Köln, ZUM 2006, 501, 506; VG Köln, MMR 2008, 358, 359; VG Köln, Urt. v. 01.03.2013 – 19 K 5979/11 Rn. 30 (juris); VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11 Rn. 38 (juris); VG Köln, MMR 2016, 851; VG Würzburg, Urt. v. 14.04.2016 – W 3 K 14.438 Rn. 28 (juris); Birkholz, S. 26; Dreyer, S. 356; Gottberg, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 5 Rn. 17; Grabenwarter, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 5 Abs. 1, Abs. 2 Rn. 191; Handke, S. 166; Hopf/Braml, ZUM 2010, 211, 214; Höynck/Pfeiffer, ZRP 2007, 91; Kunczik, S. 39; Ricker/Weberling, HB Presserecht, Kap. 60 Rn. 6a; Schulz/Korte, ZUM 2002, 719, 721; Schulze-Fielitz, in: Dreier GG, Art. 5 Rn. 148; a. A. noch BVerwGE 25, 318 321 f.; Stumpf, S.  163 f. sieht den Zweck des Jugendmedienschutzes vorwiegend in der „Sozialisation der ganz überwiegenden Mehrheit der Minderjährigen“ und schlussfolgert daraus, dass nur der durchschnittliche Jugendliche Bezugssubjekt des Indizierungsrechts sein kann. 109  Handke, S. 30. 110  OVG Münster, Urt. v. 05.12.2003 – 20 A 5599/98 Rn. 9 (juris); VG Köln, MMR 2008, 358, 359; Handke, S. 30; vgl. auch Dörr, in: GS-Burmeister, S. 101, 110. 111  OVG Münster, Urt. v. 05.12.2003 – 20 A 5599/98 Rn. 9 (juris); VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11 Rn. 35 (juris); vgl. Dörr, in: GS-Burmeister, S. 101, 110. 112  Liesching, in: NK-JuSchG, § 18 Rn. 2. 108  BGHSt



A. Die Reichweite des Jugendschutzes263

Einzelfälle in der Judikatur erklären im Rahmen eines Indizierungsverfahrens nach § 18 Abs. 1 JuSchG eine bestimmte Gruppe innerhalb der gefährdungsgeneigten Jugendlichen als Maßstab für die Jugendgefährdung. Das VG Köln betonte besonders das Gefährdungspotenzial für jugendliche Mädchen, weil das der Entscheidung zu Grunde liegende Medium teilweise Fotos von gewaltsam – stark verstümmelten – abgetriebenen Föten abbildete.114 Rückte man aber eine bestimmte Gruppe innerhalb der gefährdungsgeneigten Jugendlichen in den Fokus, so verschöbe sich in der Bewertungspraxis der Maßstab des § 18 Abs. 1 JuSchG. Auch für die zulässige Entwicklungsbeeinträchtigung als Minus der Jugendgefährdung müsste sich aus systematischen Gründen der Beurteilungshorizont medien- und adressatenindividualisiert verschieben.115 Hieraus würde eine erhebliche Rechtsunsicherheit im Umgang mit dem – ohnehin unbestimmten – Rechtsbegriff der Jugendgefährdungseignung resultieren. Die vorhandenen Unsicherheitskoeffizienten einer Gefährdungsprognose würden von einer kaum bestimmbaren, medienspezifisch divergierenden Wertungsvariabilität begleitet. Der Anbieter eines Mediums erhielte niemals Sicherheit, welche Merkmale schwächerer Sozialisation oder gar geschlechterspezifische Aspekte zu Grunde gelegt werden.116 Auch bliebe offen, wie spezifisch eine ausgewählte Gruppe sein darf, um als Maßstab der Jugendgefährdung zu dienen. Schließlich bestünde die Gefahr einer inhaltlichen Aushöhlung des Jugendgefährdungsbegriffs, wenn stets auf eine bestimmte Jugendgruppe innerhalb der gefährdungsgeneigten Jugendlichen als Beurteilungsmaßstab abgestellt werden müsste. Bei der Beurteilung eines verrohenden Rap-Textes ist nicht der Rap-affine Jugendliche zum Maßstab zu nehmen.117 Ebenso verhält es sich zum computerspielaffinen Jugendlichen im Umgang mit Computerspielen. So kann sich der Anbieter eines Computerspiels nicht darauf berufen, dass spielerfahrene Fans bereits mit dem Spielkonzept einer beliebten Spielereihe vertraut sind, internationale Versionen kennen und daher die Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen in Computerspielen nur ein geringes Jugendbeeinträchtigungspotenzial ausstrahle. Letztlich basiert diese Annahme auch auf der grundlegend realitätsfernen Überlegung, dass es sich bei den Interessenten und Spielern von Computerspielen um eine in sich geschlossene und nicht erweiterungsfähige Spielerschaft handelt. Jedes neue Spiel verfolgt den Zweck, neue Spieler zu gewinnen und die Fangemeinde auszubau-

113  BGHSt 8, 80, 83; VG Berlin, MMR 2009, 496, 500; VG München, ZUM 2010, 615, 626. 114  VG Köln, MMR 2008, 358. 115  Vgl. Liesching, MMR 2008, 361. 116  So auch Liesching, Schutzgrade, S. 44. 117  VG Köln, MMR 2016, 851 f.

264

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

en.118 Am medienübergreifenden Begriff des gefährdungsgeneigten Jugendlichen ist festzuhalten.119 c) Rudimentärdaten der Medienwirkungsforschung als Grundlage der Jugendgefährdungseignung Die Begriffe der Jugendgefährdung und Entwicklungsbeeinträchtigung präsentieren sich als stark auslegungsbedürftig und orientieren sich an der Medienwirkung, die auch sozialwissenschaftliche Fachkunde erforderlich macht.120 So bildet die Medienwirkungsforschung das Fundament des modernen Jugendmedienschutzes.121 Sie umfasst die Untersuchung der postkommunikativen Phase in Bezug auf direkte und indirekte Folgen des Me­ dienkonsums auf Wissen, Denkweise, Einstellungen, Gefühle und Verhalten des Rezipienten.122 Sofern es nach dem sozialwissenschaftlichen Forschungsstand ausgeschlossen erscheint, dass bestimmte Darstellungen Minderjährige in ihrer seelischen und geistigen Entwicklung beeinträchtigen können, darf das Werk nicht unter dem Deckmantel einer vermeintlichen Jugendgefährdungseignung indiziert werden.123 Über die Auswirkungen medialer Einflüsse auf das Verhalten oder die innere Einstellung von Jugendlichen herrscht seit Jahrzehnten in der sozialwissenschaftlichen Medienwirkungsforschung Uneinigkeit. Konkret messbare Entwicklungen von Medien auf die psychische, moralische und sozialethische Entwicklung von Jugendlichen liegen nicht vor.124 Insbesondere die kurzfristige Beeinflussung von Verhalten und Einstellungen durch eine persuasive Medienbotschaft stehen im Vordergrund der ZIS 2008, 206, 211. VG München, ZUM 2005, 252, 254; Stumpf, S.  161 ff.; Wager, K&R 2019, 380, 384. 120  Vgl. BVerwGE 159, 49, 63; VG Berlin, MMR 2009, 496, 498; Dreyer, S. 349. 121  Bereits BGHSt 8, 80, 83 betonte die Bestimmung der „schweren sittlichen Gefährdung“ aus einer jugendpsychologischen Perspektive; VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11 Rn. 61 (juris); Faber, S.  35 f.; Gottberg, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 5 Rn. 31; Hentsch, in: H/S/H, Multimedia-Recht, Teil 22 Rn. 42; Hopf/Braml, ZUM 2010, 211 f.; Radoslavov/Thomaß, in: Jugendmedienschutz in der digitalen Generation, S. 16; Schiwy/Schütz/Dörr, Medienrecht Lexikon, S. 283; ähnl. Wolf, in: Hausmanninger, Handeln im Netz, S. 193, 195. 122  BVerwG, NJW 2020, 785, 788; OLG Köln, NJW 1971, 255, 256; Dittler, S. 106; Faber, S. 168; Kunczik, S. 8; Wehsack, S. 5. 123  BVerfGE 83, 130, 142; Birkholz, S. 25; Ricker/Weberling, HB Presserecht, Kap. 60 Rn. 6. 124  BVerfGE 83, 130, 141; Dreyer, S. 352; Faber, S. 84; Frenzel, AfP 2002, 191, 195; Kunczik, S. 8, ff, 39; ausführlich Kunczik/Zipfel, Gewalt in Medien, S. 322 ff.; Schweiger, in: Schweiger/Fahr, HB Medienwirkungsforschung, S.  31; Stumpf, S.  168 f. 118  Höynck, 119  A. A.



A. Die Reichweite des Jugendschutzes265

Medienwirkungsforschung.125 Die folgende Darstellung soll einen Überblick über einige bedeutsame Ergebnisse der Medienwirkungsforschung liefern126 und Umstände identifizieren, aus denen im Zuge der Verwendung von NSSymbolen in Computerspielen eine Jugendgefährdungseignung erwachsen kann. aa) Modelle und Wirkungsfaktoren Einige Wirkungsmodelle suchen die Wirkung von Medien auf den Rezipienten in monokausalen Zusammenhängen. Nach der nicht mehr vertretenen Katharsistheorie können gewalthaltige Medien positive Wirkungen auf den Rezipienten ausstrahlen, weil die individuelle Gewaltbereitschaft durch den Medienkonsum abnimmt.127 Teilweise wird vertreten, das Computerspiel absorbiere negative Gefühle und verlagere sie in die virtuelle Welt ohne sie auf die Realität zu übertragen.128 Monokausale Zusammenhänge basieren auf dem Abgleich der Konstante des Rezipienten mit der Konstante des Spiel­ inhalts.129 Ein monokausaler Zusammenhang zwischen Medienkonsum und Verhalten des Rezipienten simplifiziert die psychologischen Auswirkungen von Medien enorm und wird nur noch vereinzelt verfolgt.130 Für den Rechtsanwender tragen diese Theorien insbesondere mit Blick auf den gefährdungsgeneigten Jugendlichen als Bezugssubjekt kaum zur Identifizierung der Jugendgefährdungseignung bei. Nach dem sog. Uses-and-Gratifications-Approach131 wählen Rezipienten ihre Medien aktiv der inneren Haltung entsprechend aus, um psychisches und physisches Wohlbefinden zu erreichen. In dieser Betrachtung rückt der Rezipient aufgrund seiner Medienwahl stärker in den Vordergrund als die 125  Ladas,

S. 18.

S.  62 f.; Schweiger, in: Schweiger/Fahr, HB Medienwirkungsforschung,

126  Zum Ganzen: Bopp, in: Shooter, S. 183, 185 ff.; Baacke/Ferchhoff/Vollbrecht, in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 31 ff.; Kunczik, S.  21 ff.; Kunczik/Zipfel, Gewalt in Medien, S. 85 ff.; Vogelsang, in: Mediensoziologie, S. 294 ff.; Wehsack, S.  10 ff. 127  Die Kartharsis soll sogar als widerlegt gelten: Handke, S. 34; Heuser, S.  11 ff.; Hilpert, BPjM-Aktuell 4/2006, 4, 11; Jöckel, Computerspiele, S. 97; Kunczik, S. 21; Ladas, S. 126. 128  Vogelsang, in: Hausmanninger, Handeln im Netz, S. 151, 162 f. 129  Kunczik, S. 41; Schweiger, in: Schweiger/Fahr, HB Medienwirkungsforschung, S. 32; Handke, S. 13, 32. 130  Dreyer, S. 351 f.; vgl. Ladas, S. 63; Lober, CR 2002, 397; vgl. Stumpf, S. 170. 131  Ladas, S. 65; Lober, CR 2002, 397 m. w. N.; vgl. zur Übereinstimmung mit sozialethischen Vorstellungen des Rezipienten mit dem Spielinhalt auch Gieselmann, Der virtuelle Krieg, S. 149 f.

266

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

bloße Rezeptionswirkung.132 Demnach wenden sich gewaltgeneigte Jugendliche auch gewalthaltigen Medien zu, wodurch eine Aggressionsverstärkung möglich erscheint.133 Kritik findet sich vor allem aufgrund der Einordnung des Rezipienten als rational wählendes Subjekt ohne Berücksichtigung emotionaler oder sozialer Faktoren.134 Die Hypothese der jugendgefährdenden Eignung von Computerspielen durch die Wahrnehmung von Kennzeichen verfassungswidriger Symbole kann auch auf andere Erklärungsansätze aufgebaut werden. Die Erlangung von Wissen gilt als wesentliches Motiv für die Nutzung von Medien.135 Nach der sozial-kognitiven Theorie lernen Kinder durch die Beobachtung fremden Verhaltens. Der Lernprozess wird insbesondere durch Begleitumstände, wie eine Übertragbarkeit bzw. Parallelität der dargestellten Situation auf das reale Umfeld des Rezipienten gefördert oder gehemmt.136 Das Lernmodell der Habitualisierungstheorie sieht im gehäuften Medienkonsum die Gefahr von emotionaler Abstumpfung und Empathieverlust.137 Insgesamt basieren multikausal orientierte Lerntheorien auf der Annahme, dass Kinder und Jugend­ liche durch medial vermittelte Darstellungen einen Lernprozess vollziehen.138 Das Beobachtungslernen bedarf der Informationsverarbeitung und erfolgt nicht rein instinktiv durch den Beobachtenden. Eine emotionale Verbindung zwischen dem Modell und dem Beobachtenden kann – ebenso wie der hohe Status und der Erfolg des Modells – eine Nachahmung des beobachteten Verhaltens bewirken. Auch anhand von Medien können Lern- und Nachah132  Ausführlich Baacke/Ferchhoff/Vollbrecht, in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 41; Kunczik/Zipfel, Gewalt in Medien, S. 81. 133  Kunczik, S. 40; vgl. Schweiger, in: Schweiger/Fahr, HB Medienwirkungsforschung, S. 18, 26 f.; Steckel/Trudewind, in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 223; Stumpf, S. 169. 134  Baacke/Ferchhoff/Vollbrecht, in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 41. 135  Schweiger, in: Schweiger/Fahr, HB Medienwirkungsforschung, S. 121. 136  Hipeli/Süss, in: Schweiger/Fahr, HB Medienwirkungsforschung, S. 192; Stumpf, S. 170. 137  Gottberg, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 5 Rn. 24; Handke, S. 33; Heuser, S. 31; Kunczik/Zipfel, Gewalt in Medien, S. 113 f., 305; Stumpf, S. 170; Fehr, in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 82 f. geht von einer dimensionalen Verkürzung von Emotion und Empathie in Computerspielen aus; Vogelsang, in: Mediensoziologie, S. 296 kritisiert die fehlende Trennung von Desensibilisierung in der realen Welt und dem Verlust der Empathie; vgl. ferner Reinecke/ Klein, in: Game Studies – Computerspielforschung, S. 210, 230. 138  Gottberg, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 5 Rn. 24; Hilpert, BPjM-Aktuell 4/2006, 4, 13 f.; Kunczik, S. 40 f. geht davon aus, dass moderne und vertretene Medienwirkungstheorien auf der Basis von Lerntheorien gebildet werden und diese am besten geeignet sind, um Medienwirkungen zu erfassen; umfassend Kunczik/Zipfel, Gewalt in Medien, S. 149 ff., vgl. auch Reinecke/Klein, in: Game Studies – Computerspielforschung, S. 210, 230.



A. Die Reichweite des Jugendschutzes267

mungsprozesse beobachtet werden.139 Aktuelle Befunde bestärken die Plausibilität multikausaler, lernpsychologischer Ansätze.140 Neben der Gesamtwirkung des Werks soll die Übertragbarkeit der wahrgenommenen Inhalte auf die soziale und psychische Situation des Rezipienten von erheblicher Bedeutung sein.141 Ferner sollen sogar positive Effekte auf das kognitive Einstellungsbild des Betrachters verzeichnet werden können.142 Das konkrete Maß der Wahrnehmung, des Übernehmens und Erlernens virtuell vermittelter Inhalte hängt stark von der individuellen Disposition des einzelnen Jugend­ lichen ab. Identische Inhalte werden unterschiedlich wahrgenommen.143 Einige Studien verweisen hinsichtlich gewalthaltiger Inhalte auf eine zumindest kurzzeitige negative Beeinflussung des Bewusstseins für Gewalt, Reaktionen auf Mitmenschen und Emotionen.144 Teilweise wird diesbezüglich auf neurowissenschaftliche Untersuchungen verwiesen, die den Befund bestätigen sollen.145 Nach dem Excitation-Transfer-Ansatz von Zillmann verspürt der Rezipient zunächst einen gesteigerten Erregungszustand über mehrere Minuten im unmittelbaren Anschluss an die Rezeption146 und später eine starke Erleichterung nach der Spannungslösung.147 Kurzzeitige, medizinisch belegbare Zusammenhänge entziehen sich aber meist aufgrund der Künstlichkeit der isolierten Forschungsumgebung allen weiteren äußeren Korrelationskoeffizienten und sind nur bedingt aussagefähig.148 Gleichwohl soll die Gefahr einer sozialethischen Desorientierung durch die Irritation, Verunsicherung und die fehlende Zuordnungsfähigkeit der Inhalte durch den Minderjährigen verstärkt werden. Je weniger der Rezipient den wahrgenommenen Inhalt mit den bereits bekannten gesellschaftlichen Werten abgleichen 139  Vgl.

Kunczik, S.  24 ff. S. 171. 141  Nach Hipeli/Süss, in: Schweiger/Fahr, HB Medienwirkungsforschung, S. 192 ist das soziale Umfeld für die Lesart der medialen Darstellung verantwortlich; ähnl. Liesching, NJW 2020, 735, 736. 142  Schulz/Korte, ZUM 2002, 719, 720; Stumpf, S. 171. 143  Vogelsang, in: Mediensoziologie, S. 298 f. 144  Schweiger, in: Schweiger/Fahr, HB Medienwirkungsforschung, S. 26 f.; zum Ganzen Friedrich, in: Schweiger/Fahr, HB Medienwirkungsforschung, S. 401 ff.; vgl. auch Steckel/Trudewind, in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 221 f. 145  Hilpert, BPjM-Aktuell 4/2006, 4, 12. 146  Kunczik, S. 22; Schweiger, in: Schweiger/Fahr, HB Medienwirkungsforschung, S. 21; vgl. Vogelsang, in: Mediensoziologie, S. 296 f. 147  Kunczik/Zipfel, Gewalt in Medien, S. 64 f. 148  Hipeli/Süss, in: Schweiger/Fahr, HB Medienwirkungsforschung, S.  193  f.; Kunczik, S.  27 ff.; Kunczik/Zipfel, Gewalt in Medien, S. 322; Reinecke/Klein, in: Game Studies – Computerspielforschung, S. 210, 233; Schweiger, in: Schweiger/ Fahr, HB Medienwirkungsforschung, S. 18. 140  Stumpf,

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Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

und reflektieren kann, umso höher sei die Gefahr einer Fehlinterpretation.149 Eine fehlende Vermittlung von Ursachen und Folgen, insbesondere umfangreicher Zusammenhänge, können dann nicht erkannt werden. Ein Minderjähriger, nimmt gewalttätige Inhalte wahr, scheitere aber an der Qualifikation von Ursachen und Folgen der Gewalt. Ohne Kenntnis der Gesamtzusammenhänge sei der Jugendliche gezwungen, eine eigene – auf Unsicherheitskoeffizienten beruhende – normative Zuordnung vorzunehmen.150 Als Ergebnis könne eine fehlerhafte sozialethische Zuordnung erfolgen. Kumulativ tritt die Annahme hinzu, dass mit den abgebildeten Inhalten aufgrund der grafisch und akustisch realitätsnahen Darstellung die Grenzziehung zwischen Fiktion und Realität zur Unkenntlichkeit verwischt werden kann.151 Weichen die virtuellen Regeln und der Kontext des Spiels zu sehr von der Realität ab, so wird ein Transfer der Verhaltensweisen in die reale Welt blockiert.152 Je weiter sich ein Spiel von der realen Welt entfernt, umso eher erlangt das Bewusstsein die Erkenntnis, dass eine Übertragung von der virtuellen auf die reale Welt nicht wünschenswert oder gar unmöglich ist.153 Die Gefahr einer Sozialisation154 realitätsnaher Darstellungen hingegen liegt besonders nahe.155 Wirkungen medialer Einflüsse sind stets im Spiegel einer alters- und entwicklungsbedingten Rahmungsfähigkeit heranwachsender Menschen zu beurteilen. Das zunehmende Erfahrungswissen ermöglicht eine Zuordnung bestimmter Inhalte in virtuelle Schemata oder reale Strukturen.156 Aufgrund der Rahmungskompetenz kann der Rezipient Inhalte ordnen.157 Reale Ereignisse finden sich virtuell aufgearbeitet in Computerspielen wieder und bilden gemeinsame Bezüge mit der Realität.158 Innere Verwebungen zwischen Realität und Virtualität entstehen auch durch die mediale Übermitt149  Hans-Bredow-Institut (Hrsg.), Das deutsche Jugendschutzsystem, S.  59  ff.; Höynck/Pfeiffer, ZRP 2007, 91, 93 f. fordern eine engere Orientierung der Altersfreigabekennzeichnung an ethischen Grundregeln. 150  Ebenda. 151  BVerwGE 159, 49, 63; Fromm/Kernbach, S. 274; ausführlich Schulz/Korte, ZUM 2002, 719, 727; Schwiddessen, MMR 2016, 161, 163; Tesch, in: Weltkriegsshooter, S. 95, 100. 152  Ausführlich zu mehreren Studienergebnissen Ladas, S.  102 ff.; Lober, CR 2002, 397, 398. 153  Lober, CR 2002, 397, 398 f. 154  Diese meint die Aneignung von Normen, Werten und Wissensbeständen durch den Rezipienten: Baacke/Ferchhoff/Vollbrecht, in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 42. 155  Vgl. OLG Köln, NVwZ 1994, 410, 413 f.; Gieselmann, Der virtuelle Krieg, S.  147 f.; Kunczik, S. 9; vgl. ferner Kunczik/Zipfel, Gewalt in Medien, S. 259 f. 156  Fritz, in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 28 f.; Ladas, S. 90. 157  Ladas, S. 107; vgl. Lober, CR 2002, 397, 398. 158  Fritz, in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 29.



A. Die Reichweite des Jugendschutzes269

lung realer Kriegshandlungen, die dem Rezipienten – wie im Computerspiel auch – auf dem Fernseher oder Monitor präsentiert werden und sich grafisch kaum voneinander abheben. Die tatsächlichen Folgen kriegerischer Handlungen erreichen lediglich den örtlich betroffenen Personenkreis und werden nur audiovisuell zum Rezipienten getragen.159 Auch die real-militärische Praxis spielt sich zunehmend auf Monitoren ab, sodass die Rahmungskompetenz des Rezipienten aufgrund der Annäherung von Realität und Virtualität stark ausgeprägt sein muss, um eine Grenzziehung zwischen beiden Erscheinungsformen zu gewährleisten.160 Im Ergebnis stehen eine Vielzahl rezipientenspezifischer und allgemeiner Faktoren im Verdacht einer Negativwirkung auf Jugendliche.161 Unmittelbare Wirkungszusammenhänge lassen sich trotz intensiver und lang andauernder Forschungsanstrengungen nicht nachweisen.162 Die absolute Wirkungslosigkeit von Medien auf den Rezipienten wird heute nicht mehr vertreten und ein Großteil der sozialwissenschaftlichen Studien legen eine negative Auswirkung auf das Verhalten und die innere Einstellung von Minderjährigen nahe, wenn den sozialen Wertvorstellungen widersprechende Inhalte wahrgenommen werden.163 So kann keinesfalls ausgeschlossen werden, dass Minderjährige durch die mediale Wahrnehmung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Computerspielen ein Weltbild übernehmen, welches im eklatanten Widerspruch zu den Grundwerten der gesellschaftlichen und verfassungsrechtlich verankerten Werteordnung steht.164 In der Realität sollen die Angst vor Strafe, Ausgrenzung oder Schuldgefühlen einer Imitation gesellschaftlich verachteter Verhaltensweisen zwar entgegen wirken.165 Jugendmedienschutzrechtliche Zwecksetzungen zielen aber auch auf die Verhinderung einer verfassungsfeindlichen inneren Einstellung ab.166 Insofern darf bezweifelt werden, inwieweit die Imitation einer befürwortenden oder bloß neutralen Einstellung gegenüber den Kennzeichen und Wertvorstellungen verfassungswidriger Organisationen Hürden entgegen gestellt in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 29 f. in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 30. 161  Statt vieler Vogelsang, in: Mediensoziologie, S. 298. 162  Faber, S. 84; Handke, S.  31 f.; Heuser, S. 50; Hopf/Braml, ZUM 2010, 211, 212; Kunczik, S. 8, ff, 39; Radoslavov/Thomaß, in: Jugendmedienschutz in der digitalen Generation, S. 16; Schweiger, in: Schweiger/Fahr, HB Medienwirkungsforschung, S. 31; Stumpf, S. 172. 163  Dittler, S. 106; Hilpert, BPjM-Aktuell 4/2006, 4, 11; Hopf/Braml, ZUM 2010, 211 f.; Kunczik, S. 22; Kunczik/Zipfel, Gewalt in Medien, S. 85; Lober, CR 2002, 397. 164  Vgl. Hilpert, BPjM-Aktuell 4/2006, 4; Liesching, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 18 JuSchG Rn. 24. 165  Kunczik, S.  24 f. 166  Vgl. Ricker/Weberling, HB Presserecht, Kap. 60 Rn. 6. 159  Fritz, 160  Fritz,

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Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

werden, da lediglich das offene Ausleben der Zustimmung mit der sozialen Ächtung verbunden ist, nicht aber die kaum zu erkennende innere Ein­stellung ohne Außenbezug.167 Mit der Übernahme der Einstellung sind wohl kaum negative Konsequenzen in der Außenwelt zu erwarten. Wenngleich sich ein innerer Lernprozess bestimmter Verhaltensweisen und die innere Einstellung des Rezipienten nicht zweifelsfrei auf entsprechende Medien zurückführen lässt, so bleibt doch die Gefahr einer Kultivierung einiger Inhalte normativ nachvollziehbar.168 Auf Grundlage der sozialwissenschaft­lichen Befundlage erscheint durch Medieninhalte sowohl die negative als auch eine positive Beeinflussung von Jugendlichen durchaus möglich.169 bb) Wirkungsspezifischer Sonderstatus des Computerspiels Die moderne Medienwirkungsforschung geht davon aus, dass die rezep­ tiven Beeinflussungen durch Computerspiele intensiv sein können.170 Es werden mehrere wirkungsspezifische Faktoren für die Einzigartigkeit des Computerspiels als Medium aufgezeigt.171 Ursachen hierzu finden sich unter anderem in der hohen Eigenaktivität des Rezipienten, der nicht lediglich passiver Konsument ist, sondern eigenständig handeln muss.172 Dies erfordert ein höheres Maß an Aufmerksamkeit und setzt den Rezipienten – anders als bei Filmwerken – einem erheblichen Handlungsdruck aus, indem er entweder das Spielziel erreicht oder scheitert.173 Eine spannende dramaturgische Ausgestaltung des Spiels erhöht das Aufmerksamkeitslevel des Rezipienten, wodurch eine Grundvoraussetzung des Lernprozesses gesichert ist.174 Darüber hinaus 167  Vgl.

Hilpert, BPjM-Aktuell 4/2006, 4, 13. in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 5 Rn. 24; Kunczik, S.  22 f.; Vogelsang, in: Mediensoziologie, S. 295. 169  Hilpert, BPjM-Aktuell 4/2006, 4, 13; Schulz/Korte, ZUM 2002, 719, 720; Schweiger, in: Schweiger/Fahr, HB Medienwirkungsforschung, S. 21; einen Umkehreffekt durch die Wahrnehmung medial unsozialen Verhaltens in ein pro-soziales tatsächliches Verhalten des Rezipienten konnte vorwiegend beobachtet werden, wenn die wahrgenommenen Inhalte stark abgelehnt wurden, Kunczik, S. 23. 170  Gottberg, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 5 Rn. 34 f.; Hans-Bredow-Institut (Hrsg.), Zur Kennzeichnung von Video- und Computerspielen, S. 6; Hilpert, BPjM-Aktuell 4/2006, 4, 13; Höynck, ZIS 2008, 206; Kunczik/Zipfel, Gewalt in Medien, S. 295 f.; Reinecke/Klein, in: Game Studies – Computerspielforschung, S. 210, 234; siehe auch Hilgert/Sümmermann, CR 2016, 104, 107. 171  Hilpert, BPjM-Aktuell 4/2006, 4, 13; vgl. auch USK-Grds. Nr. 1 S. 6. 172  OLG Köln, NVwZ 1994, 410, 413 f.; Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 243; Hans-Bredow-Institut (Hrsg.), Das deutsche Jugendschutzsystem, S. 24; Ladas, S. 61; Schwiddessen, CR 2015, 92, 95; krit. Heuser, S. 51, 53. 173  Heuser, S. 52; Hilpert, BPjM-Aktuell 4/2006, 4, 13; Stumpf, S. 221. 174  Kunczik, S. 25. 168  Gottberg,



A. Die Reichweite des Jugendschutzes271

bieten moderne Computerspiele dem Rezipienten ohne Wiederholungen einen längeren Spielgenuss. Die einen längeren Zeitraum beanspruchende, wiederholte Befassung mit dem Spiel führt zu einer intensiveren Wahrnehmung der Inhalte. So kann hinsichtlich des Computerspiels ein stärkerer Lerneffekt zu beobachten sein als bei Filmen.175 Eine sozialethisch bedenkliche Gesamt­ erscheinung des Spiels wird durch den Jugendlichen intensiv wahrgenommen.176 Auch positive edukative Effekte können durch eine kritische Auseinandersetzung mit den Inhalten freigesetzt werden.177 Inwieweit die Spielgeschichte, die grafische Ausgestaltung oder die allgemeine Thematik die maßgebliche Rezeptionswirkung beanspruchen, wird unterschiedlich beurteilt.178 cc) Die jugendschutzrechtliche Bewertung der USK Konkrete Vorgaben zur Umsetzung der jugendschutzrechtlichen Bestimmungen liefern vor allem die internen Prüfungsordnungen und Leitlinien zur Prüfung und Bewertung der USK. Diese werden durch den Beirat in fortlaufenden Aktualisierungsprozessen den gesellschaftlichen Anforderungen angepasst.179 Gemäß § 2 Abs. 2 USK-Grds. liegen der Altersverifikation vor allem entwicklungspsychologische Erkenntnisse und solche der Medienwirkungsforschung zu Grunde. Die Altersgruppenverteilung trägt der Abstrak­ tionsfähigkeit der Jugendlichen Rechnung.180 Mit zunehmendem Alter steigt auch die Fähigkeit, zwischen virtuellem Erleben und Realität zu abstrahieren.181 Je eher riskante Transferprozesse möglich erscheinen, umso näher liegt die Vermutung, dass sich diese als Störfaktor für die Entwicklung der Eigenverantwortung und Gesellschaftsfähigkeit auswirken.182 In den vergangenen Jahrzehnten wird Jugendlichen auch aufgrund des zunehmenden Medienkonsums eine gefestigtere Rahmungskompetenz zugestanden.183 Das BPjM-Aktuell 4/2006, 4, 14. Köln, NVwZ 1994, 410, 413 f. 177  Hilpert, BPjM-Aktuell 4/2006, 4, 13; Klimmt, S. 30; Schulz/Korte, ZUM 2002, 719, 720; Schweiger, in: Schweiger/Fahr, HB Medienwirkungsforschung, S. 21; Schwiddessen, CR 2015, 92, 97; Wolf, in: Hausmanninger, Handeln im Netz, S. 193, 203 f. 178  Bopp, in: Shooter, S. 183, 186 f.; Dittler, S. 105 f.; schon die Vielzahl der Wirkungsstudien und Wirkungsmodelle zeichnen kein einheitliches Bild vom Gefährdungspotenzial moderner Massenmedien. 179  §§ 2 Abs. 4, Abs. 5 USK-Grds. 180  Leitkriterien USK Nr. 3, S. 10 ff. 181  Leitkriterien USK, S. 9; so auch Wager, K&R 2019, 380, 385. 182  Leitkriterien USK Nr. 3, S. 9 f.; ausführlich Ladas, S. 81 ff.; vgl. auch Fromm/ Kernbach, S. 275. 183  Gottberg, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 5 Rn. 10 f.; Weigand, in: Computerspiele – Neue Herausforderungen, S. 41. 175  Hilpert, 176  OLG

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Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

zeigt sich im Besonderen im Umgang mit Pornografie. Nicht jedes Aktfoto oder Inhalt, bei denen Geschlechtsorgane gezielt medial vermittelt werden, zieht eine Jugendgefährdung mit sich.184 Auch die liberale Spruchpraxis zu gewalthaltigen Spielen reflektiert eine zunehmende Medienkompetenz.185 Der interne Katalog um die Wirkungsmacht eines Prüffalls greift neben der visuellen und akustischen Umsetzung der Spielidee, Realismus, Identifika­ tionspotenzial und dem Handlungsdruck auf sechs weitere ausschlaggebende Wirkungskriterien zurück.186 Das Risiko einer Fehlinterpretation bei der Einbettung von NS-Symbolen steigt bei inkonsequenter Gut-Böse-Zeichnung.187 Grundsätzlich geht die USK davon aus, dass ein steigender Realitätsgrad des Gesamtgefüges jugendschutzrelevanter Faktoren den Grad der Beeinträchtigung auf den Minderjährigen erhöht, ohne dass hierfür für die Kennzeichenverwendung eine Ausnahme besteht.188 Systematisch handelt es sich um interne Richtlinien, welche die gesetzlichen Anforderungen des Jugendmedienschutzes ohnehin nicht erweitern oder limitieren können.189 Sie schlagen daher nicht zwingend auf die verwaltungsgerichtliche Spruchpraxis durch.

III. Ergebnis Die Ergebnisse der Medienwirkungsforschung fließen maßgeblich in die Beurteilung der Jugendgefährdungseignung ein und werden zutreffend von der USK als zentrale Kontrollinstanz für Computerspielinhalte übernommen. Vor diesem Hintergrund ist die Medienwirkung auf den gefährdungsgeneigten Jugendlichen durch konkrete Implementierungsformen von NS-Symbolen in das Computerspiel zu beurteilen.190 Maßnahmen des Gesetzgebers zum Schutze der Jugend erfordern keine wissenschaftlich eindeutigen Forschungsergebnisse im Sinne lückenloser Kausalitätsfeststellungen.191 Dem Gesetzgeber kommt eine Einschätzungsprärogative zur jugendgefährdenden Wirkung eines Mediums in wissenschaftlich ungesicherter Erkenntnislage 184  So bereits BVerfGE 30, 336, 352 f.; Gottberg, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 5 Rn. 12; Würtenberger, in: FS-Dreher, S. 79, 85. 185  VG Köln, ZUM-RD 2008, 395, 392; siehe auch Lober/Jäkel-Gottmann, MMR-Beil. 2020, 8, 11. 186  Vgl. Leitkriterien USK, S.  13  ff.; Hentsch, in: H/S/H, Multimedia-Recht, Teil 22 Rn. 42. 187  Leitkriterien USK, S. 24. 188  Leitkriterien USK, S. 19. 189  Eifler, S. 57; Schwiddessen, CR 2015, 92, 98. 190  Vgl. Kunczik, S. 25; Liesching, Schutzgrade, S. 54. 191  BVerfGE 83, 130, 140 f.; 90, 1, 16 f.



B. Jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen273

zu.192 Dem Umstand des fehlenden Gefährdungsnachweises im Bereich der Medienwirkungsforschung wird dadurch Rechnung getragen, dass eine Eignung zur Jugendgefährdung genügt.

B. Die jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen in Computerspielen I. Jugendgefährdungseignung durch Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen Die Vorverlagerung auf eine normative Gefährdungsprognose zur Steigerung der Effektivität des Jugendmedienschutzes entbindet die Praxis nicht von der Pflicht zu willkürfreien und transparenten Entscheidungen.193 Die Ausgestaltung des § 18 Abs. 1 S. 2 JuSchG schafft mit der Regelbeispieltechnik einen rechtlichen Rahmen für die Jugendgefährdung.194 Die Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen in Computerspielen muss eine mit den Regelbeispielen vergleichbare kommunikative Wirkung auf den Rezipienten erzielen, um die Gefahr der sozialethischen Desorientierung transparent begründen zu können. 1. § 86a StGB als absolute Unzulässigkeitsgrenze Eine wichtige Frage lautet, ob inkriminierte Inhalte i. S. d. § 86a StGB nicht jugendgefährdend sein können. Der Begriff der Jugendgefährdungseignung orientiert sich nicht ausdrücklich am Anwendungsbereich des § 86a StGB, sondern an den Auswirkungen des Gesamtinhalts am Jugendlichen. In diesem Zusammenhang seien einige Erwägungen zu einem – zwar derzeit nicht bekannten, indes denkbaren Computerspielinhalt – vorangestellt. Die Möglichkeit der negativen Beeinflussung von Jugendlichen durch Computerspielinhalte hängt von der konkreten Rezeptionswirkung des Werkes auf einen Jugendlichen ab. Die meisten Erwachsenen könnten in einem Simula­ tionsspiel, das die Errichtung und Verwaltung einer Stadt zum Ziel setzt, deren repräsentatives Wappenzeichen eine geringfügig modifizierte Odalrune ziert, das NS-Symbolen nicht zutreffend identifizieren. Ein gefährdungsgeneigter Jugendlicher wäre hierzu erst recht nicht in der Lage, sodass die Re192  BVerfGE 83, 130, 140 ff.; BVerfG, MMR 2010, 48, 49; BVerwGE 39, 197, 200; Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 161; Döring/Günter, MMR 2004, 231, 234; Handke, S. 34; Hopf/Braml, ZUM 2010, 211, 213; Ricker/Weberling, HB Presserecht, Kap. 60 Rn. 6; Schulze-Fielitz, in: Dreier GG, Art. 5 Rn. 149. 193  Ule, in: GS-Jellinek, S. 309, 311. 194  BVerfGE 90, 1, 17.

274

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

zeptionswirkung des Kennzeichens, die sich aus einem friedlichen Spielprinzip nicht offenbaren muss, den Jugendlichen nicht erreicht. Demnach ist fraglich, inwieweit ein effektiver und systematisch überzeugender Jugendmedienschutz unter isolierter Betrachtung der Jugendgefährdungseignung gewährleistet werden kann, wenn ein Kennzeichen abgebildet wird, das der Jugendliche typischerweise nicht kennt. Überlegungen, § 86a StGB zur absoluten Unzulässigkeitsgrenze im Sinne jugendmedienschutzrechtlicher Indizierungsentscheidungen zu erheben, sind vor allem aufgrund systematischer Divergenzen innerhalb des Jugendmedienschutzes erforderlich. § 18 Abs. 5 JuSchG statuiert die Aufnahme in die Liste jugendgefährdender Medien, wenn ein Gericht rechtskräftig die Unzulässigkeit nach § 86 StGB feststellt. Insofern kann der Systematik entnommen werden, dass ein nach § 86 StGB inkriminierter Inhalt erst recht jugendschutzrechtlich unzulässig ist. Vor dem Hintergrund der systematischen und teleologischen Nähe zwischen § 86 StGB und § 86a StGB hinsichtlich der geschützten Rechtsgüter, des Strafrahmens und der systematischen Verflechtung des Organisationsbezugs des Kennzeichens nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 StGB verwundert die fehlende Erwähnung des § 86a StGB innerhalb des § 18 Abs. 5 JuSchG.195 Aus praktischer Perspektive ist ein Ausschluss objektiver tatbestandsmäßiger Inhalte i. S. d. § 86a StGB bereits deshalb erforderlich, weil im Falle der auf den Jugendmedienschutz ausgerichteten Alterskennzeichnung des Werkes trotz konkreten strafrechtlichen Verdachts ein positiver Verwaltungsakt für das Computerspiel ergehen müsste.196 Es sind Ausführungen erforderlich, inwieweit die Wertungen des Strafgesetzgebers zu § 86a StGB in das Indizierungsrecht ausstrahlen. Die Indizierung aufgrund einer einfachen Jugendgefährdung ist in Bezug auf die Einbettung von NS-Symbolen nicht mit § 86a StGB gleich zu setzen. Dies resultiert bereits aus der divergierenden Schutzrichtung des objektiven Rechtsgüterschutzes und des Jugendmedienschutzes. § 86a StGB ist ungeeignet, gezielt jugendschutzrechtlichen Anforderungen Rechnung zu tragen. Ferner stellt § 86a StGB auf den objektiven Beobachter ab, während der Jugend­medienschutz die mediale Wirkung auf einen ideologisch sehr beeinflussbaren gefährdungsgeneigten Jugendlichen feststellt. Freilich stehen beide Zielwirkungen nicht im diametralen Gegensätzlichkeitsverhältnis zu­ einander. Vielmehr bildet ein Widerspruch zu den Wertvorstellungen des 195  Zwar merkt Schwiddessen, MMR 2012, 515, 516 an, dass § 18 Abs. 5 JuSchG lediglich deklaratorische Bedeutung hat und sich die konstitutive Wirkung aus § 15 JuSchG vollzieht. § 15 Abs. 2 Nr. 1 JuSchG weist indes den identischen Katalog auf. 196  Liesching, in: Hamburger Kommentar, Gesamtes Medienrecht, 83. Abschnitt Rn. 4.



B. Jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen275

Grundgesetzes das Fundament der Indizierungsentscheidung nach § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG.197 Die durch § 86a StGB geschützte freiheitlich demokratische Grundordnung kann als ein oberster Grundwert der freiheitlichen Demokratie identifiziert werden,198 sodass mit Blick auf das weniger anfällige Bezugssubjekt des objektiven Beobachters hinsichtlich § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB zum Schutze verfassungsrechtlich legitimierter Rechtsgüter die Wertungen des materiellen Strafrechts für eine auf den gefährdungsgeneigten Jugendlichen ausgerichtete Indizierungsentscheidung nach § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG nicht unberücksichtigt bleiben können. Bewirkt die Darstellung von NS-Symbolen im Computerspiel in kommunikativer Gesamtbetrachtung eine tatbestandsmäßige Gefährdung des politischen Friedens, der demokratischen Grundordnung oder der Völkerverständigung aus Sicht eines objektiven Beobachters, so kann nicht von einer Wirkungslosigkeit auf ideologisch weitaus stärker beeinflussbare Jugendliche ausgegangen werden. Im Falle der Erfüllung des objektiven Tatbestands des § 86a StGB bei gleichzeitiger jugendmedienschutzrechtlicher Zulässigkeit des identischen Mediums würde die Durchsetzungswirkung des § 86a StGB andernfalls erheblich unterminiert und ein unerträglicher Zustand der Rechtsunsicherheit geschaffen. Die Verwirklichung des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist nicht verwaltungsrechtlich genehmigungsfähig.199 Ist der objektive Tatbestand nach § 86a StGB erfüllt, so darf keine Altersfreigabekennzeichnung zu erteilen sein.200 Der Gleichlauf zwischen dem Rezipientenschutz und dem materiellen Strafrecht nach § 86a StGB ist in § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 JMStV bereits erreicht.201 Ein nach § 86a StGB strafbarer Inhalt ist als Telemedium stets absolut unzulässig. Im Zuge angestrebter Medienkonvergenz zwischen Träger- und Telemedien muss sich das Ergebnis in Bezug auf Trägermedien spiegeln. 2. Kontrollüberlegung: Unbekannte modifizierte Kennzeichen i. S. d. § 86a Abs. 2 S. 2  StGB Negative Wirkungen von Symbolen bedürfen stets der Einordnung durch den Rezipienten, um ihren Assoziationshorizont zu entfalten.202 Es darf bezweifelt werden, ob eine geringfügig veränderte Odalrune oder andere modi197  Kap. 5

A. II. 5. a). 2, 1, 12; Gusy, AöR 105 (1980), 279, 289; Hamdan, JURA 2008,

198  BVerfGE

169, 171. 199  Höynck, ZIS 2008, 206, 214. 200  Vgl. BT-Drs. 14/9013, S. 23; so auch Liesching, in: NK-JuSchG, § 14 Rn. 9. 201  Kaspar, in: Beck-Rundfunkrecht, § 4 JMStV Rn. 46. 202  Geis, in: Symbole, S. 439, 442.

276

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

fizierte unbekannte Kennzeichen i. S. d. § 86a Abs. 2 S. 2 StGB auf den gefährdungsgeneigten Jugendlichen die identischen wahrnehmungsspezifischen Auswirkungen eröffnen wie ein originales Hakenkreuz. Das systematische Gleichnis zwischen originalen bekannten Symbolen mit modifizierten unbekannten Kennzeichen ist im Begriff der Jugendgefährdungseignung nicht notwendigerweise angelegt, weil die spezifische Wirkung auf den gefährdungsgeneigten Jugendlichen untersucht wird, während der Strafgesetzgeber die objektiv vermittelte kommunikative Wirkung als Strafgrund identifiziert. Erkennt der Jugendliche das modifizierte unbekannte Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation nicht als solches, so liegt es nahe, dass die demokratiefeindliche Wirkung nicht auf den Jugendlichen durchschlagen kann. Vor allem der schwächer sozialisierte und weniger gebildete Jugendliche könnte eine modifizierte Odalrune oder eine modifizierte Wolfsangel kaum als NS-Kennzeichen identifizieren und würde im Falle der spielspezifischen Einbettung des Kennzeichens in einen neuinterpretierten Gesamtzusammenhang – außerhalb des Nationalsozialismus – kaum eine Möglichkeit haben, das Symbol zutreffend zu identifizieren.203 So könnten aus singulärer Perspektive der Jugendgefährdungseignung Begründungsschwierigkeiten entstehen, warum Anbieter originale Hakenkreuzbanner in Spielen mit einem großen schwarzen Balkenkreuz in weißem Kreis auf rotem Grund als offenkundiges Surrogatkennzeichen implementieren dürfen, während eine unwesentlich veränderte Odalrune in ihrer Wirkung Entwicklungsstörungen hervorrufen soll. Aufgrund des fehlenden Wissens verliert das Kennzeichen – insbesondere im Falle der leichten Modifizierung – weitgehend seine Rezeptionswirkung.204 Dies gilt insbesondere, weil Symbole stets durch den kontextuellen Zusammenhang eine transportable Botschaft erhalten.205 Richtigerweise sah sich die BPjM an einer Indizierung auch bei schwer verständlichen – jugendgefährdenden – Musiktexten nicht gehindert, da deren Inhalt vom Jugendlichen eigenhändig recherchiert werden kann. In Spruchpraxis und Literatur wird die Einschätzung bestätigt.206 Zwar könnten eigenhändige Rechercheversuche den Jugendlichen, der mit einer modifizierten Odalrune konfrontiert ist, auch zum Kopfwinkel als unbedenkliches 203  In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, dass eine Odalrune oder eine Wolfsangel bereits in originaler Erscheinung wohl nur von den wenigsten erwachsenen Beobachtern ohne historisches Fachwissen identifiziert werden würde. Mit Blick auf den gefährdungsgeneigten Jugendlichen und eine geringfügige Modifikation verschärft sich dieses Ergebnis in doppelter Hinsicht. 204  Geis, in: Symbole, S. 439, 442; so auch Kett-Straub, DRiZ 2011, 325, 328 zu Reichweite des § 86a StGB. 205  Paeffgen, in: NK-StGB, § 86a Rn. 21. 206  Vgl. VG Mainz, Urt. v. 29.09.2016 – 1 K 710/15.MZ Rn. 65 (juris); Schwiddessen, CR 2017, 681, 682 f.



B. Jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen277

Kennzeichen führen. Mit Blick auf die Berichterstattung der Fachpresse über Spielneuerscheinungen würde wohl keine lange Zeitdauer vergehen, bis ein Bezug des modifizierten Kennzeichens zum verfassungswidrigen Symbol öffentlichkeitswirksam aufgedeckt würde.207 Ferner vermag die Abhängigkeit von den Recherchefähigkeiten des Jugendlichen nicht über das objektive Gefährdungspotenzial des modifizierten verfassungswidrigen Kennzeichens hinwegzutäuschen. Der Strafgesetzgeber stellt im Rahmen des § 86a Abs. 2 S. 2 StGB leicht modifizierte unbekannte Symbole mit Originalkennzeichen gleich. Undistanzierte Handlungen i. S. d. § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB bewirken eine strafwürdige Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung, den politischen Frieden und den Gedanken der Völkerverständigung. § 86a StGB manifestiert hinsichtlich aller strafwürdigen Kennzeichen einen Widerspruch zu zentralen verfassungsrechtlichen Positionen aus Art. 18, 21 Abs. 2, 25, 26 GG. Auch Kennzeichen i. S. d. § 86a Abs. 2 S. 2 StGB stehen im Widerspruch zum Rechtsgüterschutz. Das Ziel des Jugendmedienschutzes manifestiert sich innerhalb des Blankettbegriffs der Jugendgefährdungseignung ebenfalls an zentralen Verfassungswerten.208 Soll der beeinflussbare, schützenswerte Jugendliche vor gewissen staatsfeindlichen Gesinnungen geschützt werden,209 um einer Negativverschiebung des Wertebildes im Widerspruch zu bedeutsamen Verfassungswerten entgegenzuwirken, so müssen auch modifizierte unbekannte Kennzeichen den identischen jugendmedienschutzrechtlichen Regelungen unterworfen werden, wie das originale Hakenkreuz. Ebenso können auch Akronyme, die nicht notwendigerweise vom Kennzeichenbegriff des § 86a Abs. 2 StGB erfasst sind, einer sozialethischen Desorientierung Vorschub leisten.210 Insofern muss im Rahmen der Jugendgefährdungsprognose eine Fiktion vorgenommen werden. Es muss davon ausgegangen werden, dass der gefährdungsgeneigte Jugendliche das wahrnehmbare Kennzeichen in seiner Ausrichtung als Symbol einer verfassungswidrigen Organisation identifiziert. Ein sich an gewichtigen Verfassungswerten ausrichtender Jugendschutz kann nicht gewährleistet werden, würde eine Jugendgefährdungseignung des Inhalts abgelehnt, dem bereits aus objektiver Betrachtung ein Angriff auf die freiheitlich demokratische Grundordnung i. S. d. § 86a Abs. 1 StGB innewohnt. Ein systematisches Ungleichgewicht zwischen dem materiellen Strafrecht und dem Jugendmedienschutz ist nicht hinnehmbar und 207  Auch über den Rückruf der deutschen Version des Spiels „Wolfenstein“ – wohl aufgrund eines einzelnen, versehentlich nicht entfernten, Hakenkreuzes – wurde ausführlich berichtet; Dankert/Sümmermann, BPjM-Aktuell 2/2018, 4, 6. 208  Liesching, in: Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht, § 18 Rn. 7. 209  Stumpf, S. 179. 210  Liesching, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 18 JuSchG Rn. 24.

278

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

erfordert eine Anpassung des § 18 Abs. 5 JuSchG, auch wenn dieser lediglich deklaratorische Bedeutung hat.211 Insofern bleibt unverständlich, warum auch im Zuge des Zweiten Gesetzes zur Änderung des Jugendschutzgesetzes kein Gleichlauf der Unzulässigkeitskataloge des § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–11 JMStV und § 18 Abs. 5 hinsichtlich der implementierten Strafnormen angestrengt wurde. Gerade vor dem Hintergrund der Rechtssicherheit in Bezug auf das virulente und wiederkehrende Thema der Kennzeichenverwendung in Computerspielen und der angestrebten Medienkonvergenz durch die zunehmende Verflechtung beider Gesetze ist ein Gleichlauf in Bezug auf § 86a StGB angezeigt.212 So wäre der Gesetzgeber gut beraten, zumindest im Wege eines deklaratorischen Verweises im Rahmen der ohnehin existenten Unzulässigkeitskataloge für das Problemfeld der medialen Verwendung von Kennzeichen verfassungsrechtlichen Organisationen in Träger- und Telemedien eine einheitliche Leitlinie direkt im Gesetzestext zu verankern. Stattdessen bemühte er sich in § 10a JuSchG um die Einbettung der Erziehungsziele, ohne einer näheren Identifizierung der Ausfüllungsmerkmale Vorschub zu leisten. Betrachtet man die Verwirklichung des objektiven Tatbestands des § 86a StGB als absolute Unzulässigkeitsgrenze, so wird zwar im JuSchG eine binnensystematische Uneinheitlichkeit zu § 15 Abs. 2 Nr. 1 JuSchG geschaffen, der in seiner Aufzählung abschließend ist.213 Gleichwohl muss der aus § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 JMStV folgende Rechtsgedanke medienrechtlicher Unzulässigkeit tatbestandlicher Kennzeichenverwendungen in Telemedien zwingend auf Grundlage der angestrebten Medienkonvergenz auf die Unzulässigkeit in Trägermedien übertragen werden, obwohl das JuSchG bereits abschließende Regelungen beinhaltet. Systematisch überzeugende Ergebnisse sind nur zu erreichen, wenn die Wertung des objektiven Tatbestands des § 86a StGB als äußerste Zulässigkeitsgrenze in den offenen Rechtsbegriff der Jugendgefährdungseignung hineingelesen wird. Eine Überdehnung des Begriffs ist damit gleichwohl nicht notwendigerweise erreicht. Zwar mag das gewählte Beispiel um die modifizierte Odalrune wenig praxisorientiert wirken, ist doch kein Fall bekannt, in welchem ein Spieleanbieter sich einer solch ausgefeilten Symbolik bedient und auch Literatur und Spruchpraxis schweigen zu dieser Problematik. Die fehlende Praxisnähe vermag aber nicht über die gewonnene systematische Ausfüllung des § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG und die erneut versäumte gesetzgeberische Möglichkeit zur Schaffung eines medienkonvergenten Wortlauts hinwegzutäuschen. Im in: NK-JuSchG, § 18 Rn. 23. Liesching, in: BeckOK-JMStV, § 4 Rn. 1. 213  Liesching, in: NK-JuSchG, § 15 Rn. 10. 211  Liesching, 212  Vgl.



B. Jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen279

Ergebnis sind auch unbekannte modifizierte Kennzeichen, die wohl vom gefährdungsgeneigten Jugendlichen nicht als Symbol einer NS-Organisation identifiziert werden als jugendgefährdend zu qualifizieren. Andernfalls würde sich die Jugendgefährdungseignung unter Nichtbeachtung der Medienkonvergenz zu § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 JMStV als Limitierung auf bestimmte Kennzeichen, wie das Hakenkreuz und SS-Runen verstehen. Aus dem Befund, dass § 86a StGB wohl keine Inhalte pönalisiert, die mit Blick auf die Jugendgefährdungseignung i. S. d. § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG unproblematisch erscheinen, ist freilich kein Rückschluss für Inhalte unterhalb der Strafbarkeitsschwelle des § 86a StGB zugelassen. Grundsätzlich können auch Inhalte, die § 86a StGB nicht erfüllen, aufgrund der Kennzeichenverwendung im Computerspiel nach § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG unzulässig sein.214 Es wäre ein krasser systematischer Widerspruch, wenn einem Inhalt zwar ein strafrechtlich relevanter und nicht zu tolerierender Unrechtswert zu entnehmen ist, gleichwohl aber eine Altersfreigabekennzeichnung für Jugendliche eines bestimmten Alters erfolgen müsste, weil das unbekannte Kennzeichen seine Abstraktionswirkung auf den wenig sozialisierten, mithin gefährdungsgeneigten, Jugendlichen nicht zu entfalten vermag. Auch im Zuge der Jugendgefährdungseignung muss dem objektiven Kennzeichenbegriff des § 86a Abs. 2 StGB ohne Rücksicht auf die Bekanntheit des Symbols Rechnung getragen werden. 3. Tatbestandliche Ausprägungsmerkmale der Jugendgefährdung Das Merkmal der Jugendgefährdungseignung orientiert sich an den Grundwerten der Verfassung.215 Sittliche Bezüge verleihen dem Tatbestandsmerkmal der Jugendgefährdungseignung eine erhebliche Unschärfe, die auf die Indizierungsentscheidung durchschlägt.216 Unsicherheiten der Medienwirkungsforschung sind seitens des Gesetzgebers hinsichtlich der Gefährdungsprognose hingenommen worden.217 Die Verwaltungsgerichte beziehen sich ausdrücklich auf Elemente der Medienwirkungsforschung zur Ermittlung der Jugendgefährdungseignung. Trefflich formuliert das BVerwG:

214  Liesching, Schutzgrade, S. 148; ders., in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 18 JuSchG Rn. 24. 215  BVerfGE 83, 130, 140 ff.; BVerwGE 77, 75, 82; Eifler, S. 28; Liesching, in: Hamburger Kommentar, Gesamtes Medienrecht, 83. Abschnitt Rn. 9. 216  BVerfGE 90, 1, 16; vgl. bereits BGHSt 8, 80, 82; Frenzel, AfP 2002, 191, 195; Liesching, Schutzgrade, S. 99. 217  BVerwG, NJW 2020, 785, 788 f.; Westerhoff, BPjM-Aktuell 3/2006, 3, 4.

280

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

„Es muss gute Gründe für die Einschätzung geben, dass diese Minderjährigen Einstellungen und Verhaltensweisen entwickeln, die auch auf den sozial-ethisch desorientierenden Inhalt des Mediums zurückzuführen sind.“218

Die Förderung des verfassungsrechtlichen Erziehungsziels zum Schutz Jugendlicher vor ideologischer Beeinflussung durch NS-Kennzeichen ist nur zu erreichen, wenn aufgrund des medialen Inhalts eine solche nicht ausgeschlossen ist. Die Ermittlung konkreter Ausfüllungsmerkmale der Jugendgefährdungseignung kann unter anderem mit Blick auf gewalthaltige Medien vorgenommen werden. Exemplarisch hatte eine Entscheidung des VG Köln aus dem Jahre 2013 einen Ego-Shooter zum Gegenstand, in welchem der Spieler als Soldat gegen virtuelle Feinde kämpft.219 Die Indizierung des Mediums stützte sich auf die den gesamten Spielverlauf prägenden, intensiven Gewalt- und Tötungsdarstellungen. Diese seien geeignet, Jugendliche für tatsächliche Gewalt und das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zu desensibilisieren. Genretypische Gewaltszenen wurden realitätsnah verarbeitet, um ein tatsächliches Kriegs­ geschehen zu simulieren. Die Gewalteinwirkung als alternativloses Vorgehen mit der Möglichkeit, diese auch gegen bereits getötete Gegner zu richten, kommuniziere eine verrohende Wirkung. Die Häufigkeit, Intensität, Alternativlosigkeit und der fehlende Bezug der überzogenen Gewaltdarstellungen lasse die verrohende Wirkung zu einem eigenen Spielelement aufsteigen.220 Ist die Gewaltdarstellung vom Spielinhalt losgelöst, so verfolge sie einen Selbstzweck, der den gefährdungsgeneigten Jugendlichen für Gewalt desensibilisieren kann. So wird dem Jugendlichen die Gewalt bezugslos als gangbarer Weg aufgezeigt. Eine kontextvermittelnde Rahmenhandlung könnte aber die jugendgefährdenden Eindrücke durch die Gewaltdarstellungen relativieren.221 Das VG Köln übernimmt eine Vielzahl prägender Elemente des Computerspiels als Grundlage der Jugendgefährdungseignung und stattet das gesetzliche Merkmal mit prüfbaren Elementen aus, ohne eine unspezifische Draufsicht auf die Gesamtwirkung vorzunehmen. Andere Entscheidungen der Spruchpraxis beziehen auch das spielinterne Belohnungs- und Punktesystem des Spiels in die Gefährdungsprognose mit ein. Die Kopplung von Gewalt und virtuellen Tötungsakten an ein Punktsystem ist nicht unproblematisch.222 Daneben berücksichtigt das VG Köln in Beurteilung der medialen Gesamtumstände die akustisch visuelle Ausgestal218  Vgl.

BVerfGE 30, 336, 347 f.; BVerwG, NJW 2020, 785, 788 f. Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11 (juris). 220  So auch BVerwG, NJW 2020, 785, 789. 221  VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11 Rn. 49 f. (juris). 222  OLG Köln, NVwZ 1994, 410, 413 f.; vgl. VG Köln, Urt. v. 28.11.2014 – 19 K 5130/13 Rn. 72 (juris). 219  VG



B. Jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen281

tung, die Rahmenhandlung, die Handlungsmöglichkeiten des Rezipienten und die Gewichtung von Einzelszenen für den Gesamtinhalt.223 Merkmale der Jugendaffinität des Mediums und die Besorgung von Nachahmungseffekten und Identifikationsmustern sind mit einzubeziehen.224 Weitere Faktoren, wie die drohende Reizüberflutung, die Verwischung von Realität und Fiktion mit Blick auf den Gesamtcharakter des Werks, sowie die prognostische Feststellung, inwieweit der gefährdungsgeneigte Jugendliche die kommunikative Wirkung des Mediums ernst nimmt und sich davon innerlich wie äußerlich beeinflussen lässt, sind Zeugnis einer ausdifferenzierten normativen Betrachtung des Werks.225 Hinzu tritt die atmosphärische Ausgestaltung als normative Bemessungsgrundlage.226 Insgesamt bedarf die Gefährdungsprognose einer Berücksichtigung der Lebenswirklichkeit des Rezipienten.227 Auch die juristische Literatur übernimmt in der Gefährdungsprognose inhaltsspezifische Faktoren, wie Realitäts- und Alltagsnähe, Orientierungskraft des Inhalts oder den Identifikationsgrad mit der Spielfigur.228 Die individuelle Einordnung von Medieninhalten ist stark abhängig von individuellen, sozialen Dispositionen des Rezipienten.229 Nach der Gesetzessystematik eines altersspezifischen Kennzeichnungsverfahrens wird für jede Altersgruppe eine bestimmte Medienwahrnehmungsfähigkeit fingiert. Je nach Alter variiert die Fähigkeit der sozialen Einordnung und der kritischen Reflexion sowie das abrufbare Hintergrundwissen. Vorwiegend werden Medien als Sozialisationsinstanz Verstärkungstendenzen für reale Handlungen zugeschrieben.230 Computerspielinhalte, die kaum Schnittmengen mit der tatsächlichen Welt des Rezi223  VG

Köln, Urt. v. 28.11.2014 – 19 K 5130/13 Rn. 72 f. (juris). Köln, ZUM 2006, 501, 505; VG Köln, ZUM-RD 2008, 385, 392; vgl. Liesching, in: Hamburger Kommentar, Gesamtes Medienrecht, 83. Abschnitt Rn. 21; Schiwy/Schütz/Dörr, Medienrecht Lexikon, S. 284. 225  BVerwGE 159, 49, 62 f.; BVerwG, NJW 2020, 785, 789; so auch Kunczik/ Zipfel, Gewalt in Medien, S. 284 mit Blick auf Ergebnisse der Medienwirkungsforschung; Liesching, NJW 2020, 735, 736; siehe zur schweren Jugendgefährdung ausführlich, Liesching, ZUM 2005, 224, 225 f. 226  OLG Köln, NVwZ 1994, 410, 414. 227  VG Köln, ZUM-RD 2008, 385, 392; Kunczik/Zipfel, Gewalt in Medien, S. 315 ff. unter Verweis auf Teile der Medienwirkungsforschung; Liesching, NJW 2020, 735, 736; so auch Reinecke/Klein, in: Game Studies – Computerspielforschung, S. 210, 233 f. mit Blick auf die Rezeptionswirkung von Computerspielinhalten. 228  Dreyer, S. 355; Hentsch, in: H/S/H, Multimedia-Recht, Teil 22 Rn. 42; Lober, CR 2002, 397, 398 ff.; Schiwy/Schütz/Dörr, Medienrecht Lexikon, S. 284; Schulz/ Korte, ZUM 2002, 719, 727; vgl. auch Schwiddessen, CR 2015, 92, 97. 229  Dreyer, S. 356; Handke, S. 32; Kunczik, S. 10. 230  Vgl. Dreyer, S. 352; Hilpert, BPjM-Aktuell 4/2006, 4, 13; Schiwy/Schütz/ Dörr, Medienrecht Lexikon, S. 284; Weigand, in: Computerspiele – Neue Herausforderungen, S. 41, 43. 224  VG

282

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

pienten bilden, sollen ein geringeres Nachahmungs- und Beeinflussungsrisiko für den Jugendlichen aufweisen.231 Die von der Realität in Handlungsmöglichkeiten und kontextueller Aufmachung weit entfernten, gewalthaltigen Spiele beeinflussen den Jugendlichen nach dieser Auffassung nur wenig.232 NS-Kennzeichen finden sich vor allem in Spielen mit historischem ­ esamtsetting und in offenkundig fiktionalen Alternativwelten. Sie sind oft G eng mit einer erzählten Spielgeschichte und dem Handlungsauftrag des Rezipienten verbunden und werden im Rahmen kompetitiver Spielmodi als visuelle Begleiterscheinung implementiert. Vor dem Hintergrund dieser Erscheinungsformen lassen sich im Wesentlichen die Wirkungsfaktoren der Realitätsnähe des Mediums, eines internen Belohnungssystems, der spielgeschichtlichen Einbettung, der Jugendaffinität des Mediums, der Linearität des Spielsystems, des Identifikationspotenzials mit dem Inhalt und die Wirkung der dramaturgisch-hintergründigen Einbettung als integrale Bestandteile identifizieren und sind im Rahmen einer Gefährdungsprognose normativ zu bewerten.233 Den Reaktionen von Wissenschaft und Publikum kann ein indizielles Gewicht beigemessen werden.234 Vor allem die allgemeine Zweckbestimmung des Jugendmedienschutzes zur Schaffung einer äußeren Umgebung, in der eine ungestörte Sozialentwicklung von Kindern und Jugend­ lichen entsprechend den Wertvorstellungen des Grundgesetzes ermöglicht wird, kann zur Auslegung herangezogen werden.235 Bergen problematische Inhalte – so auch NS-Symbole – im Zuge ihrer kontextuellen Einbettung i. V. m. positiven Belohnungseffekten ein hohes Identifizierungspotenzial mit Parallelen zur sozialen Wirklichkeit des Jugendlichen, so ist eine Jugendgefährdung nicht auszuschließen.236 4. Das Eignungserfordernis zur Jugendgefährdung § 18 Abs. 1 S. 2 JuSchG umschreibt am Beispiel gewalthaltiger Medien die Gefährdungswirkung, wodurch das erforderliche Maß an Intensität der 231  Fritz, in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 242 f.; Lober, CR 2002, 397, 398; vgl. auch Schwiddessen, MMR 2016, 161, 163. 232  Lober, CR 2002, 397, 399. 233  Zum Belohnungssystem und der Realitätsnähe OLG Köln, NVwZ 1994, 410, 414; zur Rahmenhandlung und Zwischensequenzen VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11, Rn. 50 (juris); Hopf/Braml, ZUM 2010, 211, 214 f. 234  BVerfGE 83, 130, 148; BVerwG, NJW 1999, 75, 79; vgl. OVG Münster, Urt. v. 15.02.2001 – 20 A 3635/98 = BeckRS 2001, 160481, Rn. 17; VG Köln, ZUM 2006, 501, 506; Wager, MMR 2019, 80, 83. 235  Vgl. BVerwGE 159, 49, 62; BVerwG, NJW 2020, 785, 788; Faber, S. 241; Liesching, BPjM-Aktuell 4/2018, 4, 7. 236  Hilpert, BPjM-Aktuell 4/2006, 4, 11 f.; Kunczik, S.  24 f.



B. Jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen283

Jugendgefährdung im Vergleich zur Entwicklungsbeeinträchtigung für bestimmte Altersgruppen präzisiert wird. Verwaltungsgerichte sind gleichermaßen befugt und verpflichtet, den Begriff der Jugendgefährdung auszulegen.237 Das BVerwG verlangte die nahe liegende Gefahr eines ernsthaften Entwicklungsschadens.238 Eine Indizierung erfordere die Eignung zur sozialethischen Fehlentwicklung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit.239 Dies bedeutet nicht, dass das Medium den jugendgefährdenden Charakter offenkundig kommuniziert. Von dieser Leitlinie rückte das Gericht im Jahre 1971 unter Berücksichtigung des Forschungsstandes zur Medienwirkungsforschung ab. Zutreffend stellt das Gericht fest, dass die einfache Wahrscheinlichkeit einer schädlichen Auswirkung durch den Medienkonsum genügt.240 Eine konkrete Gefährdung verlangt auch der Wortlaut des § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG nicht. Vereinzelt wurde vorgebracht, die Herabsenkung der Gefährdungseignungsvoraussetzungen würde einen prophylaktischen Schutzbereich weit unterhalb der polizeirechtlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts schaffen. Somit sei ein Schadenseintritt mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erforderlich.241 Dem ist zu entgegnen, dass eine Überdehnung der Wahrscheinlichkeitsanforderungen dem Zweck der Jugendgefährdung zuwider liefe und den Anwendungsbereich empfindlich verkürzen würde. Dogmatisch ist die Jugendgefährdungseignung als abstrakter Gefährdungstatbestand zu verstehen,242 der gleichwohl nicht zu einem konturenlosen Auffangtatbestand für jegliche irgendwie geartete Gefährdungen verkommen darf.243 Das BVerfG betonte, dass eine pauschale und grobe Einschätzung eines Medieninhalts als jugendgefährdend dem verfassungsrechtlichen Abwägungsprozess nicht standhält. Vielmehr ist eine nachvollziehbare Subsumtion 237  BVerwG,

NJW 2020, 785, 787; Stumpf, S. 157. 25, 318, 320 f. 239  BVerwGE 25, 318, 321; 28, 223, 228. 240  Nunmehr gefestigte Rechtsprechung: BVerwGE 39, 197, 205; vgl. BVerfGK 12, 119, 124; BVerwGE 159, 49, 63; BGHSt 8, 80, 83; VG Köln, MMR 2016, 851; VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11 Rn. 36 (juris); VG Köln, Urt. v. 30.11.2007 – 27 K 4437/06 Rn. 21 (juris); zust. Faber, S. 243; Handke, S. 137; Liesching, Schutzgrade, S. 24; ders., in: NK-JuSchG, § 14 Rn. 3; Schwiddessen, CR 2018, 512, 518; Stumpf, S. 165 m. w. N.; BVerfGE 90, 1, 17 stellt auf einen deutlichen Gefährdungsgrad ab, ohne eine konkrete oder mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit zu fordern. 241  Vgl. OLG Köln, NVwZ 1994, 410, 413; a.  A. Faber, S. 243; Liesching, Schutzgrade, S. 22 stellt fest, dass eine Begrenzung auf den polizeirechtlichen Wahrscheinlichkeitsstandard mit Blick auf § 14 Abs. 1 JuSchG nicht überzeugt. 242  VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11 Rn. 64 (juris). 243  Bethge, in: Sachs, GG, Art. 5 Rn. 161a; Hajok/Selg/Hackenberg, JMS-Report 02/2010, 2, 5. 238  BVerwGE

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Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

im Zuge der Tatbestandsmerkmale erforderlich.244 Der jugendgefährdende Charakter kann sich daher nicht aus einer bloß überblicksartigen Draufsicht auf das Medium, sondern nur aus dem konkreten kommunikativen Aussagegehalt des Mediums ergeben. Die internen Spielmodi eines Computerspiels können nicht isoliert voneinander betrachtet werden. Das Medium stellt sich nicht als Sammlung mehrerer voneinander unabhängiger und einzeln in sich geschlossener Werke dar.245 Anders als eine Musik-CD, deren Einzeltitel lediglich durch musikgenrespezifische Gemeinsamkeiten geprägt ist, greift der Mehrspielermodus eines Computerspiels regelmäßig das audiovisuelle Gesamtsetting, die Handlungsmöglichkeiten und das generelle Spielkonzept des Einzelspielermodus auf. Beide Spielmodi können nicht losgelöst voneinander betrachtet werden, nur weil der Mehrspielermodus die lineare Spielgeschichte nicht weiter verfolgt. Richtigerweise können verarbeitete Einzelelemente an einigen Stellen des Gesamtwerks eine Jugendgefährdungseignung begründen, auch wenn sie nicht durchgängig wahrnehmbar sind.246 Im Unterschied zu Fernsehsendungen und Filmwerken versperrt sich auch die Auslegung, Jugendliche würden unter Umständen den gesamtmedial vermittelten Inhalt nicht wahrnehmen. Aufgrund der Interaktivität des Rezipienten, die dauerhaft eine hohe Aufmerksamkeit voraussetzt, besteht – anders als bei Filmwerken im Fernsehen – nicht die Gefahr, dass Rezipienten lediglich wenige Szenen wahrnehmen und dadurch eine sozialethische Desorientierung resultieren kann.247 Bei verringerter Aufmerksamkeit und Wegfall der Interaktivität ist ein Spiel nicht möglich, wodurch die Gefahr der bloßen Wahrnehmung einiger szenischer Inhalte stark minimiert wird. Richtigerweise kann nur auf das Gesamtwerk abgestellt werden.248 Kennzeichen bedürfen aber stets einer kontextuellen Einfassung, um einen kommunikativen Wert zu erhalten. Auch bekannte Symbole bedürfen eines sinngebenden Kontextes und lassen stets Deutungsräume bestehen. Aufgrund dessen kann es nicht auf die Symbolverwendung als solche, sondern nur auf den prägenden und interpretationsbedürftigen Gesamtzusammenhang der

244  BVerfG, NJW 2019, 3567, 3569; BVerwG, NJW 2020, 785, 786; Hamdan, JURA 2008, 169, 171; vgl. auch Hajok/Selg/Hackenberg, JMS-Report 2/2010, 2, 5. 245  OVG Münster, Beschl. v. 08.11.2006 – 20 A 3060/05 Rn. 8 (juris) mit Blick auf eine Musik-CD; VG Köln, ZUM 2006, 501, 506 weist hinsichtlich der Jugendgefährdung einer Musik-CD darauf hin, dass jeder Titel einzeln zu beurteilen ist. Dies unterscheidet die Musik-CD von einem Roman. 246  Zu Passagen eines Romans insoweit OVG Münster, Urt. v. 15.02.2001 – 20 A 3635/98 = BeckRS 2001, 160481, Rn. 17. 247  Siehe dazu VG Frankfurt a. M., NJW 1996, 275; Kunczik/Zipfel, Gewalt in Medien, S. 295. 248  Liesching, Schutzgrade, S. 54.



B. Jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen285

medialen Darstellung ankommen.249 Die kommunikative Gesamtwürdigung des Mediums steht damit im Fokus der Beurteilung,250 wobei einzelne szenische Elemente aufgrund ihrer durchschlagenden kommunikativen Qualität wegweisend für die Gesamtdarstellung wirken können.251 5. Verharmlosung und Verherrlichung der NS-Ideologie durch NS-Kennzeichen Staat und Gesellschaft haben ein natürliches Interesse, dass nationalsozialistische Inhalte keine positive Wirkung auf Kindern und Jugendlichen entfalten.252 Bloße Vermutungen, bestimmte Kategorien als jugendgefährdend zu qualifizieren sind unzulässig.253 Als konkretes Ausfüllungsmerkmal der Jugendgefährdung entwickelte die Spruchpraxis die ungeschriebene Fallgruppe der Verharmlosung und Verherrlichung der nationalsozialistischen Ideologie.254 Inhalte, die sich unter dieses Merkmal subsumieren lassen, kommunizieren eine Ablehnung multikultureller Gesellschaften und stehen im Widerspruch zur freiheitlich demokratischen Grundordnung.255 Die nationalsozialistische Ideologie ist verharmlost, wenn sie nicht als verwerflich dargestellt, sondern beschönigt, heruntergespielt und als akzeptable Gegenwartsalternative präsentiert wird.256 Durch die Rehabilitierung der NS-Kennzeichen kann – je nach genrespezifischer Einbettung und den Begleitumständen – eine Gewaltförderung in Verbindung mit der Symbolik zu besorgen sein.257 Das alleinige Fehlen eines mahnenden Charakters für sich genommen genügt diesen Anforderungen nicht.258 Auch das Bagatellisieren oder Relati-

in: Symbole, S. 439, 444 ff. 12, 119, 125; BVerfG, NJW 2019, 3567, 3569; VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11 Rn. 81 (juris). 251  OVG Münster, Beschl. v. 08.11.2006 – 20 A 3060/05 Rn. 8 (juris). 252  Stumpf, S. 191. 253  BVerfGE 30, 336, 354. 254  BVerfGE 90, 1, 19; BVerfGK 12, 119 123  f.; BVerwG, NJW 1987, 1431, 1432; OVG Münster, Beschl. v. 08.11.2006 – 20 A 3060/05 (juris); vgl. VG Köln, MMR 2008, 358, 359; Liesching, NJW 2020, 735, 736 m. w. N. 255  OVG Münster, Beschl. v. 08.11.2006 – 20 A 3060/05 Rn. 2 (juris). 256  BGHSt 46, 36, 40; BGH, NJW 2005, 689, 691; OLG Celle, Urt. v. 16.08.2019 – 2 Ss 55/19 Rn. 26 (juris); VG Köln, Urt. v. 11.05.2012 – 19 K 140/10 Rn. 31 (juris); VG Köln, Urt. v. 28.11.2014 – 19 K 5130/13 Rn. 54 (juris); vgl. Handke, S. 81, Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 130 Rn. 8; Schäfer/Anstötz, in: MüKo-StGB, § 130 Rn. 82. 257  BVerfGK 12, 119, 125. 258  VG Köln, Urt. v. 28.11.2014 – 19 K 5130/13 Rn. 56 (juris). 249  Geis,

250  BVerfGK

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Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

vieren sind Formen des Verharmlosens.259 Werden historische Tatsachen idealisiert oder ausgeblendet, sodass der fiktive kommunikative Gehalt signifikant von der tatsächlichen Bedeutung abweicht, ist darin eine Verharm­ losung zu erkennen.260 Ergibt die Gesamtdarstellung des Mediums, dass nationalsozialistische Wertvorstellungen als insgesamt erstrebenswert und in positiver Konnotation vermittelt werden, wobei der verbrecherische Gesamtcharakter unterminiert wird, so resultiert daraus eine sozialethisch desorientierende Gesamterscheinung.261 Die demokratische Grundordnung verlangt ein freiheitliches und tolerantes Zusammenleben verschiedener Volksgruppen. Aus der Darstellung eines stark simplifizierten Weltbildes, das zur Ablehnung ethnischer, und religiöser Gruppen beiträgt, resultiert die Gefahr, dass Jugendliche Gedankengänge und Inhalte unreflektiert übernehmen.262 Ferner stellte die Spruchpraxis in Beurteilung der Jugendgefährdung durch einen inhaltlichen nationalsozialistischen Kontext auf die Vermittlung eines verzerrenden und irreführenden Geschichtsbildes ab. Die signifikante Reduzierung von Opferzahlen des Nationalsozialismus,263 Glorifizierungen bedeutender NS-Persönlichkeiten oder Indoktrinierungsversuche mit Leitbildern des NS-Staates können im Zuge der Gruppe der Verharmlosung und Verherrlichung der NS-Ideologie als jugendgefährdend zu identifizieren sein.264 Eine Jugendgefährdung ist anzunehmen, wenn zu besorgen ist, dass das Computerspiel Sympathien für den NS-Staat wecken kann. Auf die vom Hersteller beabsichtigte Wirkung des Spiels kann es nicht ankommen, weil sich die Jugendgefährdung nicht an der individuellen Schuld des Herstellers ausrichtet.265 Zutreffend weist das VG Köln auf die Gefahr hin, der gefährdungsgeneigte Jugendliche mit unausgereiftem Geschichtsbild würde eine pseudowissenschaftliche Abhandlung zur Befürwortung des Nationalsozialismus aufgreifen, um den schulischen Lehrstoff und Erkenntnisse zu den Verbrechen 259  OLG Celle, Urt. v. 16.08.2019 – 2 Ss 55/19 Rn. 26 (juris); VG Köln, Urt. v. 11.05.2012 – 19 K 140/10, Rn. 31 (juris). 260  OVG Münster, Urt. v. 04.09.2001 – 20 A 1161/99 = BeckRS 2001, 160430, Rn. 14; Stumpf, S. 256. 261  BT-Drs. 15/5051, S. 5; OVG Münster, Beschl. v. 08.11.2006 – 20 A 3060/05 Rn. 2 (juris); vgl. Gercke, in: Recht der elektronischen Medien, § 130 StGB Rn. 12; Stumpf, S. 192. 262  OVG Münster, Beschl. v. 08.11.2006 – 20 A 3060/05 Rn. 14 (juris); VG Köln, Urt. v. 01.03.2013 – 19 K 5979/11 Rn. 44 (juris). 263  VG Köln, Urt. v. 11.05.2012 – 19 K 140/10, Rn. 32 (juris); Schäfer/Anstötz, in: MüKo-StGB, § 130 Rn. 82. 264  VG Köln, Urt. v. 01.03.2013 – 19 K 5979/11 Rn. 39 (juris); Liesching, Schutzgrade, S. 130; ders., in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 18 ­JuSchG Rn. 24; Kreißig, BPjM-Aktuell 2/2018, 10, 12; Stumpf, S. 192. 265  Kaspar, in: Beck-Rundfunkrecht, § 4 JMStV Rn. 20.



B. Jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen287

in Frage zu stellen.266 Eine Verharmlosung oder Verherrlichung der NS-Ideologie ist auch durch die bloße Kennzeichenimplementierung, sogar durch nicht vom Regelungsbereich des § 86a StGB erfasste Akronyme möglich.267 Das Grundgesetz selbst identifiziert sich in historischer Abkehr vom Nationalsozialismus als Gegenentwurf zu diesem. NS-Kennzeichen vermitteln einen durchweg menschenverachtenden und demokratiefeindlichen ideologischen Hintergrund. Sie verweisen auf die durch Rassenhass, Kriegslüsternheit und Demokratiefeindlichkeit geprägte NS-Ideologie. All diese Elemente stehen dem verfassungsrechtlichen Interesse an der ungestörten Entwicklung der Jugend grundsätzlich entgegen.268 Die kommunikative mediale Ausgestaltung eines Computerspiels muss die Einbettung von NS-Symbolen von Relativierungen des abstrahiert kommunizierten Bedeutungsgehalts freihalten. Insofern ergeben sich keine teleologischen Unterschiede zum strafrechtlichen Kennzeichenverbot des § 86a StGB, das bereits die kommunikativ neutrale Einfassung der Kennzeichen in mediale Inhalte unter Strafe stellt und im Anwendungsbereich der Sozialadäquanzklausel auf die kritische Distanz abstellt.269 6. Mediale Wirkungsmacht der NS-Kennzeichen im Computerspiel a) Dynamische Einbettung von NS-Symbolen Während sich die Gewaltanwendung oftmals als zentrales und interaktives Schlüsselelement actoinbasierter Computerspiele darstellt, nehmen NSKennzeichen oftmals eine dynamische binnenmediale Funktion ein. Sie ­dienen im Rahmen des linearen Einzelspielermodus als Legitimationsgrundlage des spielinternen Handlungsauftrags und innerhalb eines kompetitiven ­Mehrspielermodus als dramaturgisches Begleitelement der virtuellen Spielwelt. Im Rahmen einer normativen Untersuchung des Inhalts ist den spielspezifisch bedeutsamen und interaktiven Elementen des Spiels eine größere Bedeutung beizumessen, als den unbedeutenden Begleiterscheinungen der virtuellen Außenweltabbildung. In der spezifischen Rezeptionswirkung der NS-Symbolik ist einer deutlich erkennbaren und linearen Ablehnungshaltung bei Verschiebung des Kennzeichens in den kommunikativen Mittelpunkt der Spielgeschichte ein hohes normatives Gewicht für die Gefährdungseignung 266  VG

Köln, Urt. v. 01.03.2013 – 19 K 5979/11 Rn. 50 (juris). in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 18 JuSchG

267  Liesching,

Rn. 24. 268  BVerfGK 12, 119, 123 f.; VG Köln, Urt. v. 27.11.2015 – 19 K 3652/14 Rn. 23 (juris); vgl. Liesching, in: Hamburger Kommentar, Gesamtes Medienrecht, 83. Abschnitt Rn. 12. 269  Dazu bereits Kap. 4 B. V. 4.

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Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

beizumessen.270 Insbesondere im kompetitiven Mehrspielermodus ist eine spezifische Wechselwirkung des Rezipienten oder des konkreten Spielverlaufs mit dem Kennzeichen oftmals nicht feststellbar. Im Vergleich zu Gewalthandlungen, die typischerweise den gesamten medialen Inhalt dominieren, kommt der Gefährdungseignung eines hintergründigen Elements des Mehrspielermodus geringeres Gewicht zu. Dies gilt insbesondere, wenn das Kennzeichen im kompetitiven Modus in die Bedeutungslosigkeit verdrängt wird und dem eigenen Spielersubstitut nicht unmittelbar anhaftet. Mit Blick auf die unzulässige Verharmlosung der NS-Ideologie sind NSKennzeichen stets in Wechselwirkung mit dem Gesamtinhalt und der Lebenswirklichkeit des Rezipienten zu beurteilen. Zutreffend argumentiert das VG Köln, dass eine Gewaltverharmlosung abzulehnen ist, wenn das Spiel im Mafia-Milieu spielt und die Gewalthandlungen zwischen verfeindeten Gruppen stattfinden. Ein normales, nicht-verwerfliches Verhalten wird bei normativer Betrachtung nicht aus der Gewaltdarstellung kommuniziert.271 Eine andere Entscheidung des VG Köln verweist bei gewalthaltigen Inhalten auf etwaige Rahmenhandlungen und filmische Sequenzen als Anlass zur kritischen Reflexion des dargestellten Geschehens.272 Wird Gewaltdarstellungen eine differenzierte Betrachtung mit Blick auf die soziale Lebenswirklichkeit des Jugendlichen und etwaige sinngebende Rahmenbedingungen durch filmische Einblendungen und die Spielgeschichte zuteilen, kann für implementierte NS-Symbolik nichts anderes gelten. b) Realitätsnähe und historisch-kontextuelle Einbettung aa) Realitätsnähe als Indizierungsfaktor Aus dem abgestuften Alterssystem des Jugendmedienschutzes folgt, dass mit steigendem Alter auch von einem steigenden Abstrahierungsvermögen Jugendlicher zwischen virtueller und realer Welt ausgegangen werden darf.273 Teilweise wird angenommen, dass die Grenze zwischen realer und virtueller Welt mit zunehmend realitätsnaher grafischer Ausgestaltung stärker verwischt, als bei schwächerer grafischer Grundstruktur des Spiels.274 Die 270  Vgl. Gottberg, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd.  IV, Kap. 5 Rn. 40; Lober, CR 2002, 397, 401 mit Blick auf Rassenhass anreizende Inhalte; zu Gewalt in Medien vgl. Kunczik, S. 26. 271  VG Köln, Urt. v. 28.11.2014 – 19 K 5130/13 Rn. 74 (juris). 272  VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11, Rn. 50 (juris). 273  Lober, CR 2002, 397, 398 m. w. N. 274  Vgl. BVerwGE 159, 49, 62 f.; vgl. OLG Köln, NVwZ 1994, 410, 414; vgl. Fromm/Kernbach, S.  274 f.; Kunczik, S. 25; Liesching, Schutzgrade, S. 57; diff. Hilgert/Sümmermann, CR 2016, 104, 108.



B. Jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen289

Adäquanzkontrolle des Bewusstseins könne hier leichter eingreifen und die virtuelle Welt von der realen Welt trennen.275 Realitätsnahen grafischen Settings wird eine jugendaffine Wirkungsmacht beigemessen, die insbesondere im Rahmen gewalthaltiger Angebote kritisch betrachtet wird.276 Fiktionale Angebote, welche die Realität abbilden sollen, stellen an den jugendlichen Betrachter besondere Einordnungs- und Differenzierungsanforderungen.277 Sie geben eine spielbare Realität vor.278 Gleichwohl vermittelt wohl kaum ein gewalthaltiges Spiel – trotz der grafischen Realitätsnähe – das Gefühl, mit spielinternen Handlungen tatsächlich ein fremdes Leben auszulöschen. Eine gewisse Distanz zwischen Spiel und Realität kann deshalb oft nicht überwunden werden, weshalb die zentrale Tathandlung des Tötens nicht mit der realen Tötungshandlung gleichzusetzen ist.279 Der mediale Inhalt assimiliert nicht mit der Lebenswirklichkeit des Rezipienten, wenn in einem historischen oder dystopischen Gesamtsetting virtuelle Tötungshandlungen in den Vordergrund treten. Distanziert er sich von den Regeln der realen Welt,280 kann die Realitätsnähe nicht allein auf die grafische Abbildungsschärfe heruntergebrochen werden. Gleichwohl erfordert die Trennung von Realität und Virtualität, sowie die gesellschaftliche Einordnung der Inhalte das Erreichen eines fortgeschrittenen jugendpsychologischen Entwicklungsstadiums und eine erhöhte Abstraktionsfähigkeit des Rezipienten. Die Spruchpraxis geht davon aus, dass die Realitätsnähe grausamer Darstellungen aus einer berichtenden und nüchternen Perspektive für den Rezipienten die Jugendgefährdung befördern würde.281 Für die Realitätsnähe als Gefährdungsfaktor ist die Übertragbarkeit auf die Lebenswirklichkeit des Rezipienten bedeutsam.282

275  Vgl. Heuser, S. 55; vgl. Kunczik/Zipfel, Gewalt in Medien, S. 310; Lober, CR 2002, 397, 400. 276  VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11, Rn. 57 (juris); Bopp, in: Shooter, S. 183, 186 f.; Hopf/Braml, ZUM 2010, 211, 212; Kunczik, S. 9. 277  KJM-Kriterien für die Aufsicht im Rundfunk und in den Telemedien, S. 9; Liesching, Schutzgrade, S. 57. 278  Fritz, in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 27. 279  Fehr, in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 83; nach Höynck/Pfeiffer, ZRP 2007, 91, 92 erscheint eine Operationalisierung der durch das Spiel transportierten Werte schwierig. 280  Lober, CR 2002, 397, 399. 281  OVG Münster, Urt. v. 15.02.2001 – 20 A 3635/98 = BeckRS 2001, 160481, Rn. 17; vgl. VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11, Rn. 57 (juris); vgl. OLG Köln, NVwZ 1994, 410, 414. 282  Kunczik, S. 10; vgl. Wager, MMR 2019, 80, 84; vgl. Liesching, Schutzgrade, S. 141; ähnl. Schulz/Korte, ZUM 2002, 719, 726 f.

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Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

bb) Übertragbarkeit auf die Kennzeichenverwendung? Unter dem Merkmal der Realitätsnähe ist nicht nur eine präzise grafische Ausgestaltung, sondern vielmehr auch die Anlehnung des spielerischen Gesamtkonzepts an der historischen Wirklichkeit zu verstehen. Zutreffend stellt Köhne fest, dass der Rezipient eines Computerspiels hinsichtlich des Kennzeichens Fiktion und Realität auseinanderhalten kann und wohl nicht von der bloßen Wahrnehmbarkeit auf die Unverfänglichkeit der Verwendung in der realen Welt zu schließen vermag.283 Eine Einbettung zur Realitätssteigerung sei akzeptiert.284 Die Kennzeichen selbst sind – anders als Gewaltelemente – meist nicht von der spielspezifischen Interaktivität betroffen.285 Ein kognitiver Rückschluss von der Wahrnehmbarkeit der Kennzeichen in einem historischen Gesamtsetting oder einer erkennbar dystopischen Alternativwelt lässt kaum Verbindungen zur Lebenswirklichkeit des Rezipienten zu.286 Stetig wiederkehrend finden sich NS-Kennzeichen in Computerspielen, die einen zeitlichen Kontext zwischen 1933 und 1945 thematisieren. In diesen Fällen zielt die kontextuelle Grundstruktur des Spielinhalts meist auf eine möglichst realitätsnahe Abbildung damaliger Ereignisse ab, ohne dabei zwingend im Detail reale Figuren oder Geschehnisse zu verarbeiten. Es soll stets ein realistischer Eindruck zu den Kampfhandlungen oder zum Leben der Zivil­ bevölkerung unter der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft vermittelt werden. Konzeptuell verleiht die gesteigerte Authentizität des Werks den Kennzeichen nationalsozialistischer Organisationen einen den tatsächlichen damaligen Gegebenheiten entsprechenden kommunikativen Charakter. Die Symbole können vom Rezipienten unmittelbar mit dem Wissensstand zu historischen Begebenheiten normativ abgeglichen werden. Trotz der Tatsache, dass Computerspielinhalte grundsätzlich nicht den Anforderungen wissenschaftlicher Auseinandersetzungen genügen, ferner nicht mit Fachliteratur oder Originalaufnahmen aus der Zeit des Nationalsozialismus vergleichbar sind, kann der Rezipient mit zunehmender Realitätsnähe ein zutreffendes historisches Gesamtgefüge präsentiert bekommen. Moderne Computerspiele, die ein sehr realitätsnahes Gesamtsetting aufweisen und das Kennzeichen mitunter gezielt als Element der Spielgeschichte verwenden, schaffen eine Verbindung zum Kennzeichen als Abstraktion der kriegsauslösenden Ideologie.

DRiZ 2003, 210, 213. DRiZ 2003, 210, 212. 285  Insbesondere OVG Münster, Urt. v. 05.12.2003 – 20 A 5599/98 Rn. 9 (juris) berücksichtigt diesen Umstand in der Beurteilung eines bildlichen medialen Inhalts, der keine Interaktion oder Spielmöglichkeiten für den Rezipienten eröffnet. 286  Hilgert/Sümmermann, CR 2016, 104, 108; vgl. Lober, CR 2002, 397, 399. 283  Köhne, 284  Köhne,



B. Jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen291

Im Verhältnis zur authentizitätssteigernden Wirkung eines historischen Gesamtsettings besteht in realitätsfernen Alternativweltszenarien grundsätzlich die Gefahr, dass die Kennzeichenbedeutung nicht aufrecht erhalten werden kann. Die Kennzeichen mögen gegebenenfalls als Stigmatisierungsmerkmal des Feindes erscheinen, wobei ihre stark historisch geprägte kommunikative Wirkung nicht zwingend erhalten bleibt. So kann die historische Zuordnung für den Rezipienten erschwert werden und bedarf eines gesteigerten Wissens über die Bedeutung der Kennzeichen, um die Wirkung und Bedeutung vollständig zu erfassen. Es könnte der Eindruck entstehen, dass die Kennzeichen nur ein spannendes Spiel seien und nicht ernst genommen werden müssen. Mangelndes historisches Hintergrundwissen und das Fehlen gefestigter Wertvorvorstellungen tragen zum Potenzial einer Fehlinterpretation der Kennzeichen bei.287 Hieraus ergibt sich das Potenzial, dass in Folge eines Lernprozesses der Minderjährige das Kennzeichen einer verfassungswidrigen Organisation mit einem weniger dramatischen Bedeutungsinhalt verbindet. Eine Entkopplung der Symbole von deren ursprünglichen Bedeutungsgehalt schwächt deren Integrationskraft.288 Dies gilt insbesondere, wenn Kindern und Jugendlichen der korrekte historische Bezug noch nicht vollständig bekannt und auch nicht medial vermittelt wird. Je weiter sich das spielinterne Gesamtkonzept vom realitätsnahen historischen Bedeutungsgehalt der Kennzeichen entfernt, umso eher kann sich das Kennzeichen von seinem ursprünglichen Aussagewert entfernen. Gleichwohl zeigt die zutreffende Vertriebsfreigabe für das Spiel „Wolfenstein II – The New Colossus“, dass auch Alternativweltszenarien unabhängig von der vermittelten historischen Realitätsnähe geeignet sind, den spezifischen Organisationsbezug der verwendeten NS-Kennzeichen aufrecht zu erhalten. Die gesteigerte Realitätsnähe in Bezug auf die Aufrechterhaltung eines nationalsozialistischen Bezugsrahmens unter Wahrung der Gut-Böse-Zeichnung des Spiels wirkt einer Gefährdungseignung entgegen.289 Mit Blick auf die grafische Realitätsnähe oder eine offenkundige Verlagerung der Darstellung in die Realitätsferne ist kaum eine Steigerung der Gefährdungseignung durch die implementierten Kennzeichen zu erkennen. Eine erhöhte grafische Dichte und Detailreichtum der Kennzeichen erreichen in Computerspielen nicht den gewünschten Differenzierungseffekt. Insbesondere das Hakenkreuz als das zentrale, in internationalen Versionen verschiedener Computerspiele, verwendete Kennzeichen bedarf keiner Detailschärfe, um es sichtbar zu machen. Es wirkt konstruiert, anzunehmen, der Jugendliche 287  VG Köln, Urt. v. 01.03.2013 – 19 K 5979/11 Rn. 44, 50 (juris); Hipeli/Süss, in: Schweiger/Fahr, HB Medienwirkungsforschung, S. 195. 288  Geis, in: Symbole, S. 439, 460. 289  So auch Wager, MMR 2019, 80, 84.

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Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

würde aufgrund der Realitätsnähe der Darstellungen einer ideologischen Beeinflussung anheim fallen. Die invasive Medienwirkung einer gesteigert realen Gewaltdarstellung in Computerspielen ist mit der typischen Implementierung in nicht propagandistische Computerspiele im Gewand des Zweiten Weltkriegs nicht zu vergleichen. Ein realitätsnahes Setting liefert keine Anhaltspunkte für eine Jugendgefährdungseignung. Vielmehr wirkt eine Einbettung in ein authentisches Gesamtgefüge unter Beibehalt einer gegnerschaft­ lichen Position gegenüber dem verfassungswidrigen Charakter der symbolisierten Organisation einer Jugendgefährdungseignung entgegen. c) Lineare Gut-Böse-Zeichnung unter Beibehalt des verbrecherischen Bedeutungsgehalts Aus jugendmedienschutzrechtlicher Sicht ist die lineare Gut-Böse-Zeichnung normativ geeignet, die Beeinträchtigungswirkung signifikant zu reduzieren.290 Ein bloßes „Bekämpfen der Kennzeichen“ im spielspezifischen, virtuellen Kontext kann facettenreiche Formen annehmen. Bereitet der Einzelspielermodus ausschließlich die Möglichkeit, gegen die Kennzeichenträger zu agieren, ergibt sich hieraus ein starkes Indiz für die fehlende Jugendgefährdungseignung durch die Symbole. Erforderlich ist, dass ein verbrecherischer und keinesfalls zu rechtfertigender Bedeutungsgehalt mit dem ­Kennzeichen vermittelt wird.291 Nur wenn das Identifikationspotenzial des Rezipienten mit den Kennzeichenträgern durch die Bekämpfung einer verbrecherischen Organisation reduziert wird, können auch Sympathien mit dem Nationalsozialismus unterbunden werden. Untersuchungen der Medienpsychologie legen im Falle von First-Person-Shootern aufgrund der Interaktivität des Geschehens ein bestehendes Identifikationspotenzial der eigenen gesteuerten virtuellen Figur nahe.292 Das Spielersubstitut ist zumeist als Protagonist – ähnlich linearen Filmwerken – im heldenhaften Einsatz gegen den verbrecherischen, nationalsozialistischen Feind. Das Potenzial zur Identifikation mit dem Feind oder Sympathieerregungen für diesen sind nicht erkennbar.293 Grundsätzlich kann der linearen Gegnerschaft zum Kennzeichenträger im Falle der Identifikation des 290  Die BPjM hat hinsichtlich „Wolfenstein 3D“ die Listenstreichung vorgenommen: BPjM, Entscheidungen Nr. A 148/19 und Nr. A 149/19; vgl. auch Lober/JäkelGottmann, MMR-Beil. 2020, 8, 10. 291  Zur Unzulässigkeit der Verharmlosung und Verherrlichung der NS-Ideologie siehe bereits Kap. 5 B. I. 5. 292  Reinecke/Klein, in: Game Studies – Computerspielforschung, S. 210, 225 f. 293  Fehr, in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 82 bezweifelt die Förderung der emotionalen Intelligenz durch Computerspiele; Heuser, S. 53 sieht kein Identifikationspotenzial in den Opferrollen innerhalb des Computerspiels; Kunczik/



B. Jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen293

Rezipienten mit seinem heldenhaften Spielersubstitut eine aktive Ablehnungs­ haltung entnommen werden. Die Vermittlung des Kennzeichens in Form der linearen Gegnerschaft als etwas genuin Negatives sind jugendmedienschutzrechtlich keine Bedenken entgegen zu stellen. Jedenfalls erreicht eine im Zuge der Kennzeichenverwendung transportierte eindeutige Ablehnung des Nationalsozialismus nicht die Unzulässigkeit des Inhalts.294 Andernfalls würde die Kennzeichenverwendung in Computerspielen auch im Falle der gegnerschaftlichen Einbettung unzulässig und ließe insofern kaum Raum für einen zulässigen Anwendungsbereich. d) Macht und Kontrolle Als wichtiges Motiv für die Nutzung von Computerspielen werden häufig die Attribute Macht und Kontrolle genannt.295 Beide Attribute stehen in engem Zusammenhang mit der Gut-Böse-Zeichnung des Mediums. Insbesondere gewalthaltige Computerspiele manifestieren im Spielverlauf ein duales Spielsystem, das auf Macht und Kontrolle ausgelegt ist, um das virtuelle Bleiberecht im Spiel zu sichern.296 So besteht die Spielaufgabe des Rezi­ pienten eines First-Person-Shooters oft im Töten virtueller Feinde. Komplexe Strukturen werden durch den Gewaltakt ersetzt und so bleibt dem Rezipienten nur die Möglichkeit, durch das Abfeuern der virtuellen Waffe Gewalt und gleichzeitig Macht über den anderen Rezipienten auszuüben oder selbst fremder Macht unterworfen zu werden. Das gesellschaftliche Konstrukt der Macht wird virtuell auf einfachste Weise auf ein Minimum heruntergebrochen und als spielbeherrschendes Motiv implementiert.297 Dies bietet dem Anbieter des Computerspiels die Möglichkeit, den kommunikativen Bedeutungswert der verwendeten NS-Kennzeichen auszurichten. Teilweise dienen Kennzeichen der Identifizierung der beteiligten virtuellen Parteien und werden somit zum Symbol des Spielers oder des Feindes, über den es Macht auszuüben gilt. Insbesondere im Einzelspielermodus kann das Kennzeichen linear auf den zu unterdrückenden Feind angewendet werden. So zeichnet sich die implementierte Gewalt- oder Widerstandsanwendung im Spiel als Zipfel, Gewalt in Medien, S. 253 differenziert in Bezug auf das Mitgefühl mit den Opfern von medialer Gewalt anhand der vermittelten Legitimität des Gewaltakts. 294  Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 22. 295  Fehr, in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 82; Fritz, in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 27; Gieselmann, Der virtuelle Krieg, S. 151; Hilpert, BPjM-Aktuell 4/2006, 4, 10; Kunczik/Zipfel, Gewalt in Medien, S. 290; Ladas, S.  98 ff. 296  Fritz, in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 183. 297  Gieselmann, Der virtuelle Krieg, S. 152; Hilpert, BPjM-Aktuell 4/2006, 4, 10 f.

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Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

maßgeblicher Faktor der Ermittlung der kommunikativen Gesamterscheinung des Spiels aus.298 Eine Kennzeichnung an der Spielfigur des Rezipienten oder dessen Begleitern bereitet Interpretationsprobleme. Es besteht die Gefahr, dass das Kennzeichen inhaltlich mit der Machtausübung durch den Spieler und dessen Fraktion verbunden wird. Eine ungefilterte Konnexität zwischen national­ sozialistischen Kennzeichen und der Unterwerfung des virtuellen Feindes ist grundsätzlich geeignet, die Einstellung zu vermitteln, dass die symbolisierten Werte verteidigt und mittels Gewalt durchgesetzt werden müssen. e) Gezielte Spielbarkeit der Kennzeichenvertreter Die Spielbarkeit der deutlich als „böse“ gekennzeichneten Fraktion hat nicht die Unzulässigkeit des Spiels zur Folge.299 Spielreihen wie „CounterStrike“ ermöglichen dem Rezipienten die Zuweisung zur Fraktion der Terroristen innerhalb eines sehr einfach gehaltenen kompetitiven First-PersonShooters. Ebenso verhält es sich in der Spielreihe „Der Pate“. Die Spiele sind zurecht nicht indiziert.300 Die Tötung eines sog. „Counter-Terroristen“, der einen Bombenanschlag zu verhindern versucht, wird als positiv dargestellt und mit einem spielinternen Belohnungssystem verbunden.301 Vor allem spielstrategische Komponenten stehen im Vordergrund der Inhalte. Die fehlende Jugendgefährdungseignung für Spiele, in denen die eindeutig böse Fraktion gespielt werden kann, ist Ausdruck einer Spruchpraxis, die nicht davon ausgeht, dass allein aufgrund der spielinternen Perspektive negative Auswirkungen auf alle Altersgruppen zu besorgen sind. Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen erlangen im Rahmen des § 18 Abs. 1 JuSchG keinen Sonderstatus. Systematisch ist dem perspektivischen Wechsel nicht notwendigerweise eine Befürwortung der übergeordneten Rolle des Spielersubstituts zu entnehmen. Andernfalls wäre die jugendmedienschutzrechtliche Alterskennzeichnung des Spiels „Counter-Strike“ erfolgt, obwohl aufgrund der Spielbarkeit der Terroristen eine Identifikation des Rezipienten mit dem Spielersubstitut zu befürchten sei.

S. 39. Köln, MMR 2010, 578, 579; andernfalls hätten die mit einer Alterskennzeichnung ausgestatteten Spiele der „Counter-Strike“-Spielreihe oder „Company of Heroes 1 und 2“ nicht freigegeben werden dürfen. 300  BPjM-Entscheidung Nr. 5116 v. 16.05.2002 (Counter Strike); Spürck, in: Medienkontrolle, S. 46. 301  Nach OLG Köln, NVwZ 1994, 410, 413 kann auch ein Belohnungssystem entscheidend sein. 298  Ladas, 299  VG



B. Jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen295

Ein Medium, welches einer allgemeinen Gefährdungsprognose unterworfen ist, darf nicht auf das Einzelmerkmal der Spielbarkeit heruntergebrochen werden. Es ist zwischen dem bloßen perspektivischen Wechsel und einer neutralen oder befürwortenden Konnotation der Handlung im Rahmen der stigmatisierten Fraktion zu unterscheiden. Unter Berücksichtigung der Handlungs- und Zuordnungsoptionen des Rezipienten sind Spiele wie „CounterStrike“ Zeugnis der Tatsache, dass die Fraktionszuweisung innerhalb des kompetitiven Mehrspielermodus in den Hintergrund tritt. Im Rahmen der Gesamtbeurteilung ergibt sich, ob das Teilnehmen am Spiel auf Seiten der NS-Symboliken eine vordergründige Position einnimmt, ob es eine positive Konnotation erhält und inwieweit eine im Wesentlichen vorherrschende Ablehnungshaltung des Computerspiels erschüttert wird. Als konkretes Identifikationsmerkmal der eigenen Spielfraktion kann den Kennzeichen eine für den Spielverlauf bedeutsame Funktion entnommen werden. Es kann zum Identifikationssymbol der Fraktion des Spielersubstituts aufrücken. Zugleich kommuniziert der kompetitive Mehrspielermodus regelmäßig keine Spielgeschichte mehr, sondern einen Wettkampf zwischen den Teilnehmern. Eine ideologische Beeinflussung ist trotz einer eindeutigen Positionierung des linearen Einzelspielermodus zu erwarten, wenn etwa hetzerische Ansprachen hinzutreten oder in irgendeiner Form aktiv darauf hingewirkt wird, dass eine Fraktion als heroische Verteidiger der nationalsozialistischen Werteordnung auftritt. Eine Fehlinterpretation der Ablehnungshaltung ist ferner anzunehmen, wenn die Spielbarkeit auf Seiten des Kennzeichenträgers mit ideologisch-hetzerischen Aufforderungen verbunden ist oder etwa der Mehrspielermodus mit filmischen Elementen zum Aufruf der Verteidigung einer nationalsozialistischen Werteordnung einhergeht. Die unmittelbare Verbindung des Spielersubstituts mit dem Kennzeichen als Identifikationssymbol ist oftmals geeignet, eine Ablehnungshaltung aufzulösen. Durch das Kennzeichen als konkretes teamspezifisches Identifikationssymbol erhält der kompetitive Mehrspielermodus eine ideologische Aufladung, die der Jugendmedienschutz zu verhindern versucht. Richtigerweise orientiert sich die Eignung zur Jugendgefährdung daran, ob die vertretenen Ideale der erkennbar bösen Fraktion als erstrebenswert präsentiert werden.302 Von der gezielten Verbindung des Spielersubstituts mi dem NS-Symbol ist die Frage zu differenzieren, ob lediglich ein kompetitiver Wettkampf zwischen zwei Faktionen unter Ausblendung ideologischer Wertungen präsentiert werden soll. Insbesondere, wenn der Inhalt eine eindeutige Positionierung innerhalb des Einzelspielermodus vornimmt, kann der Spielbarkeit in einem von der Spielgeschichte losgelösten Mehrspielermodus nicht eo ipso 302  Siehe BVerwGE 23, 112, 115 zur positiven Bewertung des Kriegs; OLG Köln, NVwZ 1994, 410, 413; VG Köln, MMR 2010, 578, 579 zu Musiktiteln einer CD.

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Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

eine Jugendgefährdungseignung angehaftet werden. „Der Pate“ oder „Counter-Strike“ zeigen, dass die formale Zuordnung des Spielersubstituts nicht notwendigerweise geeignet ist, eine Jugendgefährdung zu begründen. Dies gilt vor allem, wenn die formale Zuordnung hinter einem kompetitiven, ausgeglichenen und taktischen Wettkampf zurücktritt. Die Alterskennzeichnung beider Spiele kann dahingehend verstanden werden, dass die formale Zuordnung zu mafiösen oder terroristischen Strukturen nicht notwendigerweise auf den Spielinhalt als jugendgefährdend durchschlägt. Etwas anderes kann trotz des strengen Maßstabs, der an die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen zu stellen ist, für NS-Symbole nicht gelten. Aus normativer Perspektive wäre kaum zu erklären, warum die formale Zuordnung zu Terroristen lediglich entwicklungsbeeinträchtigend wirken soll, während im Falle der Zuordnung zur Wehrmacht oder der bloßen Erkennbarkeit des Spielersubstituts als deutschen Soldaten eine Jugendgefährdung vorliegen soll. Freilich ist zu differenzieren, ob das Spielersubstitut als bloßer Soldat in einem kompetitiven Wettkampf auftritt oder als deutlicher und gezielt stigmatisierter Vertreter nationalsozialistischer Ideale präsentiert wird. Auch auf Ebene des Jugendmedienschutzes macht es einen Unterschied, ob der Rezipient im kompetitiven Mehrspielermodus nur formal aus der Per­ spektive einer im Einzelspielermodus stigmatisierten Fraktion steht oder ob etwa tatsächlich eine Verteidigung von nationalsozialistischen Wertvorstellungen unter Nutzung des Kennzeichens vermittelt wird. Die Begründung verläuft insofern parallel zur Beurteilung des Unrechtsgehalts des Inhalts nach § 86a StGB.303 f) Kennzeichen als dramaturgische Begleiterscheinung des kompetitiven Mehrspielermodus Die unmittelbare Verbindung des eigenen Spielersubstituts mit der NSSymbolik ist von der Frage zu differenzieren, ob die hintergründige Einbettung der Kennzeichen in den kompetitiven Mehrspielermodus zur Jugendgefährdungseignung beiträgt. Insbesondere bei Spielen mit einem historischen Gesamtsetting wird innerhalb des ausgeglichenen Wettkampfs oftmals nicht das einzelne Spielersubstitut mit NS-Symbolik stigmatisiert. Vielmehr verbleibt die NS-Symbolik als dramaturgisches und für den Wettkampf unbedeutendes Symbol im Hintergrund der Spielwelt. Auch in vielen internationalen Versionen sahen die Hersteller von einer unmittelbaren Verbindung des Spielersubstituts mit dem Kennzeichen ab.

303  Kap. 4

B. VI. 2. a).



B. Jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen297

In normativer Betrachtung ist hintergründigen visuellen und spielspezifisch unbedeutenden Elementen nicht die identische Gefährdungseignung beizumessen, wie allgegenwärtigen Erscheinungen. Die Indizierungsentscheidung als belastender Verwaltungsakt muss eine werkgerechte Interpretation des Kunstwerks erkennen lassen.304 Der Fokus des Rezipienten liegt aufgrund der hohen kognitiven Anforderungen des Spiels auf der Erreichung eines vorgegebenen Spielziels.305 Im Zuge der rein optischen Aufwertung der Spielwelt wird einerseits das historische Gesamtsetting des Spiels modusübergreifend komplettiert und das Kennzeichen wird regelmäßig vom Spielziel entkoppelt. Das Spielergebnis ist von den individuellen Fähigkeiten der Rezipienten abhängig. Reaktionsschnelligkeit, Präzision an den Bedienelementen und taktisches Geschick bestimmen das Spiel in hohem Maße.306 Das konkrete Spielziel orientiert sich zumeist an der Dominanz über die anderen Spieler, ohne dass die Zuordnung zu einem bestimmten Team entscheidende Vor- oder Nachteile bedeutet.307 Schließlich soll – zumindest im kompetitiven Mehrspielermodus – ein ausgeglichener kompetitiver Wettkampf ermöglicht werden. Die bloße Aufrechterhaltung des visuellen Gesamtsettings der aus dem Einzelspielermodus bekannten Spielwelt unter Entkoppelung der NS-Symbolik vom kompetitiven Spielziel lässt nicht besorgen, dass sozial­ ethisch desorientierende Botschaften vermittelt werden. Ist lediglich ein neutraler kompetitiver Mehrspielermodus vorhanden, der keine gegnerschaftliche Position zum Kennzeichen einnimmt, so wird der Jugendliche in der Einordnung der Symbolik nicht geleitet und vermag jugendgefährdenden Fehlinterpretationen zu unterliegen.308 Gleichwohl würde eine Unmöglichkeit der Kennzeichenimplementierung in den kompetitiven Mehrspielermodus ein sektorales Totalverbot in jugendschutzrechtlicher Sicht auf den kompetitiven Mehrspielermodus erstrecken, ohne dem Merkmal der sozialethischen Desorientierung hinreichend Rechnung zu tragen. g) Abweichende Lösungsmodelle für kompetitive Computerspiele In vielen Fällen sind abweichende Lösungsmodelle überflüssig, da eine sozialethische Desorientierung aufgrund der Kennzeichen im zusätzlichen Mehrspielermodus nicht zu besorgen ist. Wie aufgezeigt wurde, ist eine Im304  BVerfGE

75, 369, 376. CR 2002, 397, 400. 306  Fehr, in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 83; Hans-Bredow-Institut (Hrsg.), Kennzeichnung von Video- und Computerspielen, S. 5 f.; Ladas, S. 39; Rauscher, in: Game Studies, S. 343, 348. 307  Hilpert, BPjM-Aktuell 4/2006, 4, 10. 308  Lober/Jäkel-Gottmann, MMR-Beil. 2020, 8, 11. 305  Lober,

298

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

plementierung der Kennzeichen im Mehrspielermodus als dramaturgisches Beiwerk nicht geeignet, eine Jugendgefährdungseignung zu verursachen, wenn im Einzelspielermodus die eindeutige Ablehnungshaltung gegen die Kennzeichen aufgezeigt wird. Eine Entfernung der Kennzeichen aus dem Mehrspielermodus würde trotz der Möglichkeit, diese im Einzelspielermodus beizubehalten einen erheblichen technischen, finanziellen und zeitlichen Aufwand des Herstellers erfordern und entspricht der bis heute gängigen Praxis. Der zweite Lösungsansatz besteht darin, auch im kompetitiven Mehrspielermodus die Kennzeichen stets an den zu bekämpfenden Feind zu binden. So würde für jeden Rezipienten stets der Feind als Repräsentant des Kennzeichens auftreten.309 Die lineare und allgegenwärtige Gegnerschaft wäre damit gewahrt. Unabhängig von der Wahl der Kriegspartei würde stets der Feind eine Verbindung mit dem Kennzeichen eingehen und entsprechend auf dem Monitor eines jeden Spielers unterschiedlich erscheinen. Zwar mag die Lösung technisch gut umsetzbar sein. Indes ist sie aufgrund zweier erheb­ licher Schwächen untauglich. Wenn der Rezipient als deutscher Soldat am Spiel teilnimmt und das Kennzeichen mit dem Feind in Verbindung steht, verliert das Kennzeichen seinen kommunikativen Zuordnungswert. Eine eindeutige Zuordnung des Kennzeichens wird dem – in seinem nicht vollständig ausgeprägten Wertekanon rezipierenden – Jugendlichen nicht präsentiert. Er selbst läuft Gefahr, das Kennzeichen in seiner Bedeutung nicht sicher zuzuordnen. Selbst wenn man die gegeneinander antretenden Fraktionen neutral ausgestalten würde, bestehen gegen die Lösung Bedenken. Die audiovisuelle Gesamtkonzeption würde erheblich an Authentizität verlieren. Die Lösung basiert auf dem – fehlerhaften – Ansatz, dass die Spielbarkeit auf Seiten der im Einzelspieler bekämpften Fraktion stets die Verteidigung des Nationalsozialismus bedeutet. Verfolgte man diese Interpretation weiter, so würde auf dem eigenen Bildschirm das eigene Spielersubstitut als Gegner des Nationalsozialismus auftreten. Auf dem Bildschirm des Gegners ist es aber umgekehrt. Für jeden Spieler erscheint der jeweilige Feind als Verfechter des Nationalsozialismus. So könnte der Gesamteindruck geweckt werden, dass jeder Spieler unabhängig von der Fraktionszuteilung gleichzeitig Gegner und Befürworter der Kennzeichen ist, je nachdem welcher Monitor betrachtet wird. Um Jugendlichen einen eindeutigen Bedeutungsgehalt des Kennzeichens zu vermitteln und die Werte des Nationalsozialismus hervorzuheben, ist das technische Lösungsmodell der gegensätzlichen Frak­tionszuweisung ungeeignet. Im Ergebnis bedarf es keines technischen Lösungsmodells und so identifiziert sich das Fehlen einer überzeugenden Ausweichlösung als Scheinpro309  Ähnliche Tendenzen ließ das Spiel „America’s Army“ aus dem Jahre 2002 erkennen, in welchem stets der zu bekämpfende Feind als Terrorist stigmatisiert wird; siehe Pfister, in: Krieg und Spiele, S. 9, 10 f.



B. Jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen299

blem, lässt doch die inhaltliche Ausgestaltung des Werks eine differenzierte Betrachtung zu. h) Jugendaffinität Die gesteigerte Jugendaffinität ist ein entscheidendes Merkmal der Indizierungspraxis der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz und schlägt sich auch in der gesetzgeberischen Entscheidung zum Zeitablauf der Indizierung nach 25 Jahren gemäß § 18 Abs. 7 JuSchG nieder.310 Der Jugendmedienschutz ist den gesellschaftlich wandelbaren Entwicklungen unterworfen.311 Mit dem Zeitablauf und sinkender Jugendaffinität sollen Identi­ fikationseffekte und das Nachahmungspotenzial deutlich reduziert sein.312 Kann bei Filmen auf eine nach mehreren Jahren altmodische Dramaturgie und den Reizverlust auf Jugendliche abgestellt werden,313 so ist dies auf Computerspiele kaum übertragbar. Gerade ältere Computerspiele haben eine große Fangemeinde und werden auch noch mehrere Jahre, wenn nicht Jahrzehnte nach der Veröffentlichung gespielt. „Call of Duty – World at War“ aus dem Jahre 2008 genießt weiterhin eine breite Anhänger- und Spielerschaft, sodass von einem zeitlichen Ablauf der Jugendaffinität nicht ausgegangen werden kann. Spiele haben eine weitaus längere Halbwertszeit als Filme. Für die Gefahr einer Identifikation des Rezipienten mit der symbolisierten Ideologie oder dem Kennzeichen selbst ist nichts gewonnen. Insbesondere entbindet eine geringere Jugendaffinität nicht von der Ermittlung der konkreten kommunikativen Bedeutung des eingebetteten Kennzeichens.

Schutzgrade, S. 49 ff. 14/9013, S. 26; BVerfGE 90, 1, 16; BVerwGE 39, 197, 206; VG Köln, ZUM-RD 2008, 385, 391; Dreyer, S. 394; Frenzel, AfP 2002, 191, 195; Gottberg, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 5 Rn. 10; Hajok/Selg/Hackenberg, JMS-Report 02/2010, 2; Liesching, in: NK-JuSchG, § 18 Rn. 1; ders., in: Hamburger Kommentar, Gesamtes Medienrecht, 83. Abschnitt Rn. 10; Schulze-Fielitz, in: Dreier GG, Art. 5 Rn. 148; Schwiddessen, MMR 2012, 515, 516; Stumpf, S. 167; Ule, in: GS-Jellinek, S. 309, 322 f.; v. Arnauld, in: HB Staatsrecht Bd. VII, § 167 Rn. 71; exemplarisch stellte OLG Köln, NVwZ 1994, 410, 413 f. hinsichtlich der Jugendgefährdungseignung auf die Realitätsnähe eines Computerspiels ab, das die Versenkung von feindlichen Kriegsschiffen aus der Perspektive eines U-Boot Kommandanten thematisierte. In aktuellen, jugendmedienschutzrechtlich zulässigen Spielinhalten („Company of Heroes 1 und 2“, „Battlefield 1“, „Call of Duty – World War II“), die den Zweiten Weltkrieg und andere realhistorische Konflikte abbilden, manifestiert sich eine Liberalisierung der Indizierungspraxis. 312  VG Köln, ZUM-RD 2008, 385, 391 f.; Hopf/Braml, ZUM 2010, 211, 215 f. 313  Vgl. VG Köln, ZUM-RD 2008, 385, 391 f. 310  Liesching, 311  BT-Drs.

300

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

i) Intermediale Vergleichbarkeit zu Filmwerken Lineare Computerspiele werden auch aus sozialwissenschaftlicher Per­ spektive häufig als interaktive Filme qualifiziert.314 Teilweise deutet die Medienwirkungsforschung darauf hin, dass Computerspiele in ihrer konkreten Rezeptionswirkung spezifische Gefährdungsfaktoren aufweisen, die für das Medium Film weniger relevant sind.315 Jedenfalls generiert der Blick auf die Medienlandschaft in einem singulären Vergleichsprozess die Gefahr, medienspezifische kommunikative Wirkungen zu vernachlässigen.316 Richtigerweise kann die Beurteilung einer Gefährdungsprognose nicht auf die Existenz anderweitiger medialer Einflussfaktoren verkürzt werden.317 Der systematische Vorstoß, dass auch Filmwerke, in denen NS-Symbole normativ eher Unterhaltungsinteressen in Form von ähnlichen Zwecken i. S. d. § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB strafrechtlich nicht verfolgt werden, kann auf das Jugendschutzrecht übertragen werden, wenn eine Altersfrei­ gabekennzeichnung vorliegt. Denn die freie Verfügbarkeit der Filme ist nicht nur Zeugnis des Nichteinschreitens der Staatsanwaltschaften, sondern verweist mit der Altersfreigabekennzeichnung auf die Akzeptanz im jugend­ medienschutzrechtlichen Sinne.318 Resultiert aus Computerspielen eine teilweise stärkere Rezeptionswirkung – auch hinsichtlich der NS-Kennzeichen – so muss die Unzulässigkeit im Computerspiel durch spezifische Wirkungsmechanismen begründet werden, die in Filmen keinen Niederschlag finden. Insbesondere die dauerhafte Abrufbarkeit der Inhalte und die Ausrichtung des Werks, dieses wiederholt und in unterschiedlichen Schwierigkeitsgraden zu spielen, beeinflusst die Rezeptionswirkung des Inhalts.319 Der interaktive Charakter kann die Negativauswirkungen auf den Rezipienten verstärken.320 Einen insofern medialen Sonderstatus legt einerseits die institutionelle Aufteilung zwischen der USK und der FSK nahe. Auch das BVerwG verdeutlichte, dass ein Buch eine andere normative Beurteilung er314  Fritz, in: Fritz/Fehr, HB Medien: Computerspiele, S. 27; vgl. Köhne, DRiZ 2003, 210, 211. 315  So auch Kunczik, S. 11; Ladas, S. 61, 107 weist darauf hin, dass insbesondere der hohe interaktive Eigenanteil und eine ausgeprägte Rahmungskompetenz des Rezipienten einen ungefilterten Transfer von virtuellen Computerspielen in die reale Welt verhindern; krit. Heuser, S. 51. 316  Vgl. OVG Münster, Urt. v. 05.12.2003 – 20 A 5599/98 Rn. 9 (juris). 317  BGHSt 8, 80, 85. 318  So erhielt „Inglouriuous Basterds“ trotz der implementierten NS-Symbolik eine Altersfreigabekennzeichnung „ab 16 Jahren“. 319  BGHSt 8, 80, 85. 320  KJM-Kriterien für die Aufsicht im Rundfunk und in den Telemedien, S. 11; Heuser, S. 54 merkt gegenläufig an, dass Computerspiele aufgrund der offensicht­ lichen Künstlichkeit wirkungsspezifisch hinter filmischen Werken zurückbleiben.



B. Jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen301

fordere als eine periodisch erscheinende Zeitschrift, die aus mehreren Einzelartikeln besteht, weil in gesamtmedialer Betrachtung eines Buches isolierte und punktuell gefährdende Stellen nicht notwendigerweise eine Jugendgefährdungseignung des Gesamtwerkes zur Folge haben.321 Im Computerspiel ist der Rezipient interaktiver Bestandteil, gerät unter Handlungsdruck und muss Entscheidungen treffen. Damit verändert sich auch die kommunikative Wirkung des Spiels.322 Die Rezeptionswirkung der NS-Symbolik ist davon nur insoweit betroffen, als dass sie nicht als dramaturgisches Element der Spielwelt in die absolute spielspezifische Bedeutungslosigkeit verdrängt wird. NS-Symbole ihrerseits treten in Wechselwirkung mit der atmosphärischen Stimmung des Werks, die auch durch zynische Äußerungen der Spielersubstitute, musikalische Elemente sowie dramaturgische Spannungsspitzen geprägt ist.323 Die spielinterne Atmosphäre ist geeignet, einen bloß jugendbeeinträchtigenden Inhalt erheblich zu verschieben.324 So tragen die Kennzeichen zur atmosphärischen Verdichtung der medialen Gesamtwirkung bei.325 Als zentrales Element der gegnerschaftlichen linearen Handlung des Einzelspielermodus profitiert eine Negativakzentuierung möglicherweise von einer gesteigerten Rezeptionswirkung. Damit begründet die Interaktivität nicht notwendigerweise ein höheres Gefährdungspotenzial der Kennzeichen in Com­puterspielen. 7. Zwischenergebnis Soweit ersichtlich, hat sich die Medienwirkungsforschung mit der Rezeptionswirkung von NS-Symbolen noch nicht befasst, sodass vor dem Hintergrund der Indizierungs- und verwaltungsgerichtlichen Spruchpraxis normativ nachvollziehbare Anhaltspunkte zu ermitteln sind. Erschwerend kommt hinzu, dass – ähnlich zu § 86a StGB – kaum ein Hersteller die massiven Vertriebsbeschränkungen mit der Gefahr der Indizierung des Werks nach § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG auf sich nimmt. Es fehlt schlicht an einer gesicherten Forschungsgrundlage.326 Gleichwohl können die sozialwissenschaft­lichen Erkenntnisse, die der Gesetzgeber zur Grundlage der Indizierungsentscheidung vorsieht, nicht ignoriert werden. 321  BVerwGE

39, 197, 209; zust. Schulz/Korte, ZUM 2002, 719, 730. MMR-Beil. 2018, 16, 18; Hopf/Braml, ZUM 2010, 211, 215;

322  Hilgert/Eickhoff,

Ladas, S.  59 ff. 323  VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11, Rn. 59 f. (juris); Gottberg, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 5 Rn. 42. 324  VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11, Rn. 50 (juris); vgl. Ladas, S. 40. 325  Wager, MMR 2019, 80, 83; vgl. auch Kreißig, BPjM-Aktuell 2/2018, 10, 13. 326  Schulz/Korte, ZUM 2002, 719, 726.

302

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

Die normative Beurteilung der Medienwirkungsfaktoren lässt erkennen, dass kein Merkmal mit wirkungsspezifischer Monopolstellung ausgestattet ist.327 Die mediale Gesamtbetrachtung resultiert hinsichtlich NS-Symbolen aus einer Wechselwirkung der einzelnen Faktoren, die ihrerseits wiederum in Wechselwirkung mit der Lebenswirklichkeit des Rezipienten stehen.328 Der kommunikativen Einbettung der Symbole in eine lineare Spielgeschichte ist für die Rezeptionswirkung weitaus bedeutsamer, als die dramaturgische Einbindung in den kompetitiven Mehrspielermodus. Die Stellung des Spielersubstituts zum Kennzeichen wird in hohem Maße durch den Handlungsauftrag und den vermittelten verbrecherischen Charakter der symbolisierten Organisation beeinflusst. Insbesondere die Vermittlung einer Legitimationswirkung des spielgeschichtlichen Handlungsauftrags in Gegnerschaft zum Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ist für den Rezipienten relevant.329 Je spannender und tiefgreifender die Spielgeschichte ist, umso höher ist das Identifikationspotenzial mit der eigenen Spielfigur. Die ausgedrückte und nonverbal vermittelte Stimmung hat Einfluss auf die Gefährdungsprognose.330 Ein spezifisches Belohnungssystem, das mit den NSSymbolen oder Ideologie in Wechselwirkung tritt, wird wohl lediglich in propagandistischen Amateurerscheinungen eine Rolle spielen. Hinsichtlich der Einbettung der Symbole in den kompetitiven Mehrspielermodus ist darauf abzustellen, ob sich das mediale Gesamtgeschehen auf einen ausgeglichenen Schnelligkeits- und Geschicklichkeitswettkampf zwischen den einzelnen Rezipienten reduziert, oder ob ein ideologischer Einschlag erkennbar ist. In normativer Gesamtbetrachtung begründen Computerspiele durch die Implementierung von NS-Kennzeichen regelmäßig keine Jugendgefährdungseignung, wenn sie –– mittels linearer Gegnerschaft zur NS-Diktatur und deren Bekämpfung eine eindeutige Ablehnungshaltung in einem nicht unbedeutenden Einzelspielermodus/kooperativen Mehrspielermodus kommunizieren, –– eine, aus den Spielwelten des linearen Handlungsverlaufs identische, hintergründig-dramaturgische Einfassung der Kennzeichen zur bloßen Aufrechterhaltung eines authentischen Gesamtkonzepts innerhalb des kompetitiven Mehrspielermodus vornehmen,

S. 355. Reinecke/Klein, in: Game Studies – Computerspielforschung, S. 210, 233 f. 329  Gottberg, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 5 Rn. 40; Lober, CR 2002, 397, 401 mit Blick auf Rassenhass anreizende Inhalte; zu Gewalt in Medien vgl. Kunczik, S. 26. 330  OVG Münster, Urt. v. 04.09.2001 – 20A 1161/99 = BeckRS 2001, 160430, Rn. 14. 327  Dreyer, 328  Vgl.



B. Jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen303

–– die Ausübung von Macht und Kontrolle innerhalb des zusätzlichen kompetitiven Mehrspielermodus vollständig von der ideologisch vermittelten Bedeutung des Kennzeichens entkoppeln und das Spielziel nicht positiv mit dem NS-Symbol in Verbindung setzen, –– im zusätzlichen kompetitiven Mehrspielermodus unter Beibehalt der ablehnenden Haltung keine sonstige Verbindung zwischen dem Kennzeichen und einem Belohnungssystem oder spielinternen Vorteilen herstellen, –– den Rezipienten nicht durch reißerische oder hetzerische Elemente im Spielverlauf für die Verteidigung der Wertvorstellung des Nationalsozialismus aufrufen oder für solche rühmen. Eine sozialethische Desorientierung eines Jugendlichen ist zu besorgen, wenn –– Kennzeichen abseits einer historischen Einbettung einen wertungsfreien Bedeutungsgehalt erhalten, –– der Rezipient mit dem Kennzeichen an der eigenen Spielfigur stigmatisiert wird und zugleich aufgefordert ist, die mit dem Symbol abstrahierten Wertvorstellungen zu verteidigen, –– eine negative Konnotation ausbleibt und die Gut-Böse-Zeichnung nicht gewährleistet wird, –– eine Verzerrung des Bedeutungsgehalts der Kennzeichen hin zu einem rein fiktiven Sinngehalt unterhalb des originalen Bedeutungsgehalts präsentiert wird und das Kennzeichen in seinem historischen verfassungswidrigen Bedeutungsgehalt unterminiert wird, –– ein alleiniger kompetitiver Mehrspielermodus vorhanden ist, der das Kennzeichen ohne distanzierende inhaltliche Auseinandersetzung als neutrales Symbol in den Spielverlauf implementiert oder –– der kompetitive Mehrspielermodus konkret zur NS-Symbolik Stellung bezieht und dadurch eine Ablehnungshaltung relativiert. Die geschaffenen Merkmale bieten gleichwohl keinen absoluten Abgrenzungshorizont zwischen der Entwicklungsbeeinträchtigung und der Jugendgefährdung, sodass jeder Indizierungsmaßnahme eine Einzelfallentscheidung zugrunde liegen muss.331

331  So

im Ergebnis auch Liesching, MMR 2008, 361, 362.

304

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

II. Tendenzschutzklausel, § 18 Abs. 3 JuSchG Die Indizierung jugendgefährdender Medien steht unter dem Vorbehalt der Tendenzschutzklausel des §§ 18 Abs. 3 JuSchG. Sie ist Ausdruck des verfassungsrechtlichen Zensurverbots nach Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG und soll eine Abwägung verfassungsrechtlicher Interessen des Jugendschutzes mit kollidierenden Verfassungsgütern gewährleisten.332 Der im JuSchG inkorporierte Kunstbegriff gleicht dem verfassungsrechtlichen Verständnis des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG.333 Aufgrund eines allgemeinen Zensurverbots ist der kommunikative Gehalt der Inhalte an § 18 Abs. 3 JuSchG zu messen.334 Die größte Bedeutung für die hiesige Betrachtung erlangt – erneut – die Kunstfreiheit nach § 18 Abs. 3 Nr. 2 Var. 1 JuSchG. 1. Verfassungsrechtliche Kollisionen Es wurde bereits festgestellt, dass Computerspiele den Schutzbereich der Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG betreffen, der sich auch auf den Vertrieb der Computerspiele erstreckt.335 Das Verhältnis zwischen Kunstfreiheit und Jugendschutz blickt auf eine dynamische Vergangenheit zurück.336 Noch in den 1950er-Jahren stand der Jugendschutz im Verhältnis zu anderen Verfassungsgütern in einem hierarchischen Gefälle. Zielsetzungen: „welche die staatliche Grundordnung gefährden, können allein nach Maßgabe des Artikels 18 GG bekämpft werden“.337

Ihnen sei nicht über den Jugendschutz zu begegnen. So blieb der Schutz der Jugend nach den Gesetzgebungsmaterialien auch hinter dem Schutz der Kunstfreiheit zurück.338 Die legislatorische Wertung zum Vorrang der Kunst gegenüber dem Jugendschutz wurde § 1 Nr. 2 GjS entnommen.339 So war nach damaliger Auffassung eine Interessenabwägung in diesen Fällen geS. 35. 77, 75, 82; 91, 223, 224 ff.; BVerwG, NJW 2020, 785, 789; VG Köln, MMR 2016, 851, 852; Liesching in: Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht, § 18 JuSchG Rn. 82; ders., in: NK-JuSchG, § 18 Rn. 18; Stumpf, S. 205 m. w. N.; vgl. Kaspar, in: Beck-Rundfunkrecht, § 4 JMStV Rn. 80. 334  Vgl. Stumpf, S. 54. 335  So bereits Kap. 4 B. IV. 3. b); Schwiddessen, MMR 2015, 18, 21; auch die Berufsfreiheit aus Art. 12 GG kommt in Betracht: Hans-Bredow-Institut (Hrsg.), Das deutsche Jugendschutzsystem, S. 80. 336  Siehe auch Ricker/Weberling, HB Presserecht, Kap. 60 Rn. 12. 337  BT-Drs. I/1101, S. 11. 338  BT-Drs. I/1101, S. 11. 339  § 1 GjS: Schriften, die geeignet sind Jugendliche sittlich zu gefährden, sind in eine Liste aufzunehmen. Eine Schrift darf nicht auf die Liste gesetzt werden 332  Handke,

333  BVerwGE



B. Jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen305

sperrt. Später strengte das BVerwG praktische Überlegungen an und erkannte in § 1 GjS keine Erweiterung des verfassungsrechtlichen Kunstbegriffs des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG. Die Tendenzklausel des § 1 GjS beziehe sich aber nicht auf alle Schriften, sondern lediglich auf ein: „ernst zu nehmendes Kunstwerk“.340 Richtigerweise wird heute der dem § 1 GjS im Wortlaut ähnelnde § 18 Abs. 3 JuSchG341 nicht mehr als einfachgesetzliche Ausgestaltung eines absoluten Vorrangs der Kunst gegenüber dem Jugendschutz gelesen.342 Trotz einer lediglich für moderne Medien aktualisierten Fassung des § 18 Abs. 3 JuSchG hat sich im verfassungsrechtlichen Gefüge der „offene Kunstbegriff“ etabliert. Entscheidungserheblich ist, ob ein künstlerisches Streben im Medieninhalt zu erkennen ist.343 Aus dem verfassungsrechtlichen Gefüge lässt sich kein Vorrangverhältnis zwischen dem Jugendschutz und der Kunst entnehmen.344 Insbesondere ergibt sich dies nicht aus einem Rückschluss aus Art. 5 Abs. 2 GG.345 Ein Abstufungssystem, nach welchem der Jugendschutz nur bei schwer gefährdenden Medien Vorrang vor der Kunstfreiheit genieße,346 basiert letztlich auf einem im Grundgesetz nicht vorgesehenen hierarchischem System zwischen dem Jugendschutz und der Kunstfreiheit und konterkariert einen umfassenden und einzelfallbezogenen Ausgleich beider grundrechtlicher Positionen.347 Im Falle einer Einzelabwägung nur bei einer einfachen Jugendgefährdung entstünde eine Abhängigkeit von dem einfachgesetzlichen Ver1. Allein

wegen ihrer politischen, sozialen, religiösen oder weltanschaulichen Zielsetzung; 2. Wenn sie der Kunst oder Wissenschaft, Forschung oder Lehre dient; 3. Wenn sie im öffentlichen Interesse liegt, es sei denn, daß die Art der Darstellung zu beanstanden ist. 340  BVerwGE 23, 104, 106. 341  Ein Medium darf nicht in die Liste aufgenommen werden 1.  Allein wegen seines politischen, sozialen, religiösen oder weltanschaulichen Inhalts, 2. Wenn es der Kunst oder der Wissenschaft, der Forschung oder der Lehre dient, 3. Wenn es im öffentlichen Interesse liegt, es sei denn, dass die Art der Darstellung zu beanstanden ist. 342  BVerwGE 91, 223, 224 ff.; BGHSt 37, 55, 64; Stumpf, S. 206. 343  Liesching in: Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht, § 18 JuSchG Rn. 83. 344  Anders noch BVerwGE 23, 104, 110. 345  BVerwGE 91, 223, 225; vgl. v. Arnauld, in: HB Staatsrecht Bd. VII, § 167 Rn. 71. 346  So aber BVerwGE 77, 75, 83. 347  BVerfGE 83, 130, 144 ff.; BVerwGE 91, 223, 224 so auch im Ergebnis VG Köln, ZUM-RD 2008, 385, 391; VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11 Rn. 66 (juris).

306

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

hältnis zwischen einfacher und schwerer Jugendgefährdung. Ein Staat, der sich auf verfassungsrechtlicher Ebene zum Schutze der Jugend verpflichtet, würde nicht in der einfachgesetzlichen Ausgestaltung zwischen einer Jugendgefährdung und der schweren Jugendgefährdung unterscheiden, wenn nur ersteres mit kollidierenden Verfassungsgütern zum schonenden Ausgleich gebracht werden könnte. Der Verfassungsgeber verleiht dem Bundesgesetzund Staatsvertragsgeber nicht die Definitionsmacht über die Dimensionen des verfassungsrechtlichen Schutzbereichs des Jugendschutzes im Wege eines Abstufungsverhältnisses, welches die Grenzen eines kollidierenden verfassungsrechtlichen Gutes determiniert. Seit der Etablierung des offenen Kunstbegriffs hätte andernfalls dringender Handlungsbedarf bestanden, das Verhältnis von Kunst und Jugendschutz neu zu ordnen. Den grundrechtsinvasiven Wirkungen durch Indizierungen sind nur mit einer gerichtlich überprüfbaren Einzelfallabwägung Rechnung zu tragen.348 Die graduelle Unterscheidung des Maßes der Jugendgefährdung349 sichert eine rechtssichere Abwägungspraxis. Auch schwer jugendgefährdende Inhalte sind der Verhältnismäßigkeitsprüfung nicht entzogen.350 Wird ein Medium in die Liste jugendgefährdender Medien aufgenommen, so müssen die Interessen des Jugendschutzes solchen der Kunstfreiheit überwiegen.351 § 18 Abs. 3 Nr. 2 Var. 1 JuSchG ist eine das Indizierungsverfahren beherrschende Vorschrift.352 2. Kunstdienlichkeit im Zuge des § 18 Abs. 3 Nr. 2 Var. 1 JuSchG Die Tendenzschutzklausel schließt die Indizierung eines Mediums bei dessen Dienlichkeit zur Kunst aus. Ist bereits keine Jugendgefährdungseignung durch das Medium festzustellen, erübrigt sich der Tendenzschutz, weil mit dem Mittel der Indizierung der effektive Jugendmedienschutz ohnehin nicht zu erreichen ist. Die Ausgestaltung des Tendenzschutzes nach § 18 Abs. 3 348  BVerfGE 83, 130, 143 ff.; 91, 223, 224 f.; BVerfGK 12, 119, 125 f.; BVerwG, NJW 1999, 75, 76; OVG Münster, Beschl. v. 08.11.2006 – 20 A 3060/05 Rn. 2 (­juris); VG Köln, Beschl. v. 02.10.2015 – 19L 1437/15 Rn. 26 (juris); VG Köln, ZUM-RD 2008, 385, 391; Gottberg, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 5 Rn. 3; v. Arnauld, in: HB Staatsrecht Bd. VII, § 167 Rn. 71; Westerhoff, BPjM-Aktuell 3/2006, 3, 5. 349  BVerfGE 7, 320, 325; Schulz/Korte, ZUM 2002, 719, 728. 350  BVerwG, NJW 1997, 602; VG Köln, Urt. v. 13.09.2013 – 19 K 3559/11 Rn. 66 (juris); Erdemir, in: § 4 JMStV Rn. 19; zum Ganzen: Stumpf, S. 201 ff.; a. A. noch BVerwGE 77, 75, 83. 351  BVerfGE 83, 130, 146, 148; BVerwGE 91, 223, 224 f.; BVerwG, NJW 1999, 75, 76; OVG Münster, Urt. v. 15.02.2001 – 20 A 3635/98 = BeckRS 2001, 160481, Rn. 14; VG Köln, MMR 2016, 851; Birkholz, S.  26 f.; Dreyer, S. 75; Handke, S. 35; ders., in: NK-JuSchG, § 18 Rn. 16 ff.; vgl. BVerwG, NJW 1999, 75, 76. 352  Liesching in: Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht, § 18 JuSchG Rn. 85.



B. Jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen307

Nr. 2 Var. 1 JuSchG ist insofern identisch mit § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB, als dass auf das Merkmal der Kunstdienlichkeit abzustellen ist. Beide Normen implementieren die verfassungsrechtliche Garantie des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG und sind Ausdruck des Erfordernisses der praktischen Konkordanz kolli­ dierender verfassungsrechtlich geschützter Positionen. § 18 Abs. 3 Nr. 2 Var. 1 JuSchG ist lediglich als deklaratorischer Hinweis auf die Beachtung der Kunstfreiheit zu verstehen. Mit dem Merkmal des Dienens ist die Wahrung vorrangiger Interessen gewährleistet.353 Der Wortlaut des Tatbestandsausschlusses des § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB stellt auf die Dienlichkeit der Kennzeichenverwendung zur Kunst ab. Der Tendenzschutz des § 18 Abs. 3 Nr. 2 Var. 1 JuSchG hingegen macht die Indizierung des Gesamtmediums von der Kunstdienlichkeit des gesamten Werks abhängig. Im Rahmen einer jugendschutzrechtlichen Betrachtung bildet die Implementierung von NS-Kennzeichen lediglich ein potenzielles Element des insgesamt jugendgefährdenden Mediums. Die terminologische Divergenz zwischen § 18 Abs. 3 Nr. 2 Var. 1 JuSchG und § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass beide einfachgesetzliche Normen die Abwägung kollidierender verfassungsrechtlicher Güter regeln. Ein über Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG hinausreichender Anwendungsbereich wird in beiden Normen nicht geschaffen. Richtigerweise berücksichtigt die Spruchpraxis im Zuge der Abwägung zwischen dem Jugendschutz und der Kunstfreiheit die konkrete Einbettung der jugendgefährdenden Elemente in die künstlerische Gesamtkonzeption des Werks.354 Das künstlerische Gewicht des Mediums orientiert sich somit an der Wechselwirkung zwischen jugendgefährdenden medialen Inhalten und deren Bezug auf den künstlerischen Wesensgehalt des Werks. NS-Kennzeichen sind in vielen Computerspielen nicht losgelöst von den künstlerischen Elementen implementiert, sondern fungieren als integrativer Bestandteil gerade in Spielen mit historischem Gesamtsetting als Identifikationssymbol des zu bekämpfenden Nationalsozialismus. Hinsichtlich des Kunstgewichts des Computerspiels und der NS-Symbolik als wesentliches Element innerhalb der künstlerischen Gesamtkonzeption wird auf die Ausführungen in Kap. 4 C. II. verwiesen. Insofern wird ein einheitlicher Wertungsrahmen für die Bestimmung des

353  BVerwGE

91, 223, 225 f.; Eifler, S. 37. 83, 130, 147 f.; BVerwG, NJW 1997, 602, 603; BVerwG, NJW 2020, 785, 790; OVG Münster, Urt. v. 15.02.2001 – 20 A 3635/98 = BeckRS 2001, 160481, Rn. 17; VG Köln, MMR 2010, 578, 579; Liesching in: Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht, § 18 JuSchG Rn. 87; siehe auch Schade/Ott, MMR 2010, 580; der subjektiven Zielrichtung des Künstlers kann nur Rechnung getragen werden, wenn sie sich erkennbar im medialen Inhalt niederschlägt; so auch VG Köln, ZUM 2006, 501, 505. 354  BVerfGE

308

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

künstlerischen Gewichts des Mediums und der Förderung desselben durch die implementierten Kennzeichen gewährleistet. 3. Strafrechtliche Sozialadäquanz als Gradmesser des Tendenzschutzes? Die negativ akzentuierte und kritisch distanzierte Einbettung der NSKennzeichen in das künstlerische Gesamtkonzept des Spiels hat eine hohe indizielle Bedeutung für das Indizierungsverfahren. Der JMStV stellt zwar in §§ 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 11, Abs. 2 S. 1 Nr. 2 JMStV auf die Indizierung des Werks oder inhaltsgleichen Werks ab. Ferner weist aber der Staatsvertragsgeber ausdrücklich auf die Berücksichtigung der Sozialadäquanzklausel in § 4 Abs. 1 S. 2 JMStV hin und verstärkt das indizielle Gewicht der objektiven Tatbestandslosigkeit des Computerspiels für die jugendmedienschutzrecht­ liche Betrachtung, auch wenn die Indizierung als solche auf das Merkmal der Jugendgefährdungseignung zurückgreift. Der verfassungsrechtliche Abwägungsprozess der Kunst mit dem Jugendschutz kann zwar mit Blick auf den strafrechtsunabhängigen Bewertungsrahmen des Jugendschutzes andere Abwägungsergebnisse erzielen, als die Abwägung im Rahmen des § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB. Gleichwohl dürfen die teleologischen Erwägungen des § 86 Abs. 3 Var. 3 StGB nicht gänzlich unterlaufen werden. Eine sich im Umschwung befind­ liche Indizierungsspruchpraxis manifestiert sich nicht nur in der Abkehr vom sektoralen Totalverbot, sondern ist auch in den internen Leitkriterien der USK für die jugendschutzrechtliche Bewertung von Computer- und Videospielen gespiegelt.355 Der interne Kriterienkatalog der USK vermag zwar keine materielle Auswirkung auf das JuSchG oder den JMStV zu entfalten, er strahlt aber auf die jugendmedienschutzrechtliche Zulässigkeitspraxis aus, indem die OLJB das Votum der USK regelmäßig als eigene Entscheidung übernehmen. Die USK misst richtigerweise der strafrechtlichen Sozialadäquanzklausel nach § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB indizielle Bedeutung zu.356 Die Entscheidung zur Berücksichtigung der Sozialadäquanzklausel der OLJB und der USK trägt dem Umstand Rechnung, dass auch Computerspiele der Kunst unterliegen können und eine sozialadäquate Verwendung nicht auszuschließen ist.357 Aufgrund ihrer personell-fachlichen Ausrichtung ist die USK zwar nicht in der Lage, die materiell-strafrechtlich ausgerichtete Sozialadäquanzklausel zu 355  Leitkriterien 356  Ebenda.

357  Heckmann,

USK, S. 23.

in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 8 Rn. 486.



B. Jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen309

beurteilen. Das pädagogische und jugendpsychologische Fachwissen der Prüfer geriete bei der Beurteilung der materiell-strafrechtlichen Sozialadäquanzklausel an ihre Grenzen. Insbesondere obliegt die Feststellung eines Ver­ stoßes gegen § 86a StGB und der einzelnen Tatbestandsmerkmale der Norm allein den Strafverfolgungsbehörden. Eine Kompetenz zur Ermittlung des künstlerischen Gesamtkonzepts und der Einbettung der NS-Kennzeichen in dieses vermag das Prüforgan aber zu leisten. Die Feststellung, dass die künstlerischen Interessen Vorrang vor den Strafverfolgungsinteressen des Staats genießen, bedeutet keine grundsätzliche Durchwirkung für das im Jugendmedienschutz geschützte Recht auf Personwerden und die Gefahr der ideologischen Beeinflussung eines gefährdungsgeneigten Jugendlichen. Andernfalls würde der Bezug des Jugendmedienschutzes auf den gefährdungsgeneigten Jugendlichen aufgelöst und auf den objektiven Tatbestand des § 86a StGB verkürzt. Indes ist der strafrechtlichen Tatbestandslosigkeit eine erhebliche indizielle Bedeutung für die Indizierungsentscheidung nicht abzusprechen. Aus systematischer und teleologischer Sicht muss eine Indizierungsmaßnahme zum präventiven Schutz der Jugend vor schädigenden und entwicklungsbeeinträchtigenden Gefahren in Medien und Öffentlichkeit358 im Einzelfall auch unterhalb der strafrechtlichen Grenze des § 86a Abs. 1 StGB zulässig bleiben.359 Trefflich formulierte Walter, dass die Abgrenzung zwischen Jugendschutz und Kunstfreiheit: „zu einer intellektuellen Gratwanderung geworden ist“.360 Daran hat sich bis heute – insbesondere mit Blick auf die Implementierung von Kennzeichen verfassungswidrigen Organisationen in Unterhaltungsmedien – nichts geändert. So ist im Ergebnis die verwaltungsrechtliche Indizierungsentscheidung nach § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG unter Berücksichtigung der Tendenzschutzklausel des § 18 Abs. 3 Nr. 2 Var. 1 JuSchG nicht auf das Abwägungsergebnis zwischen der Kunst und den Interessen der Strafverfolgung zu verkürzen.

358  BVerfGE 30, 336, 350; vgl. Dörr, in: GS-Burmeister, S. 101, 112; Dreyer, S. 288; Faber, S. 79; Kaspar, in: Beck-Rundfunkrecht, § 4 JMStV Rn. 20; Kunczik, S. 40; Liesching, in: NK-JuSchG, Einl. Rn. 2; ders., in: BeckOK-JMStV, § 1 Rn. 22; Stumpf, S. 92; Wager, MMR 2019, 80, 82. 359  Vgl. Liesching, in: Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze, § 18 JuSchG Rn. 24. 360  Walter, tv-diskurs 3/1997, 102, 107; zust. Liesching, in: Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht, § 18 Rn. 90.

310

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

4. Grundsätze der Abwägung zwischen Jugendschutz und Kunstfreiheit hinsichtlich der Kennzeichenverwendung Verfassungsfeindliche Inhalte treten regelmäßig innerhalb der Abwägung hinter den Interessen des Jugendschutzes zurück.361 Wurde im Zuge eines Strafverfahrens bereits festgestellt, dass die künstlerischen Interessen hinter dem objektiven Rechtsgüterschutz zurücktreten, wodurch ein Vertriebs- und öffentliches Verwendungsverbot statuiert wird, so kann für eine jugendmedienschutzrechtliche Untersuchung kein anderes Ergebnis erzielt werden. Die absolute Zulässigkeitsgrenze der objektiven Tatbestandsmäßigkeit des § 86a StGB wirkt insofern auch auf der Ebene des Tendenzschutzes. Werden NSKennzeichen als mediale Elemente nicht mit einer kritisch-distanzierten Negativakzentuierung kommuniziert, lässt der Inhalt des Computerspiels ­ überhaupt keine kommunikative Leitlinie zum Kennzeichen erkennen oder ist eine propagandistische Wirkungsmacht zu entnehmen, die das Spielersubstitut als Verteidiger der nationalsozialistischen Werteordnung präsentiert, so kann nicht im Wege des § 18 Abs. 3 Nr. 2 Var. 1 JuSchG von einer Indizierung abgesehen werden. All diese Fälle unterfallen bereits dem Rechtsgüterschutz des § 86a StGB, sodass auf jugendschutzrechtlicher Ebene kein divergierendes Ergebnis erzielt werden kann. Mit Blick auf implementierte NS-Kennzeichen werden auf der Ebene des Jugendmedienschutzes regelmäßig identische Ergebnisse mit der objektiven Tatbestandsmäßigkeit des strafrechtlichen Kennzeichenverbots erzielt. Aufgrund der unerschöpflichen Möglichkeiten der Einbettung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in mediale Inhalte kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass ein Verhalten unterhalb der Strafbarkeitsgrenze des § 86a StGB auch als jugendgefährdend zu qualifizieren ist. Gerade aufgrund des bereits streng limitierten Zulässigkeitsrahmens des § 86a StGB auf eine Gegnerschaft zum Kennzeichen und die kritisch distanzierte Negativakzentuierung verbleibt für einen eigenständigen Tendenzschutz im Rahmen des § 18 Abs. 3 Nr. 2 Var. 1 JuSchG wohl kaum ein eigenständiger Anwendungsbereich, auch wenn eine systematische Durchwirkung des § 86a StGB nicht in §§ 15 Abs. 2 Nr. 1, 18 Abs. 5 JuSchG angelegt ist.

361  Liesching

in: Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht, § 18 JuSchG Rn. 79.



B. Jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit von NS-Symbolen311

III. Konsequenzen der Eigenständigkeit des Jugendmedienschutzes und des Strafrechts in Bezug auf NS-Symbole in Computerspielen Eine wesentliche Schlussfolgerung offenbart sich erst in Gesamtschau der straf- und jugendmedienschutzrechtlichen Ergebnisse zur Qualität inkriminierter Computerspielinhalte i. S. d. § 86a StGB. Die Frage der Vertriebsfähigkeit von Computerspielen, die NS-Kennzeichen beinhalten, kann nicht auf die Frage des objektiven Tatbestands des § 86a StGB reduziert werden. Insofern sei darauf hingewiesen, dass auch ein Wandel der strafgerichtlichen Spruchpraxis zur Verkürzung des objektiven Tatbestands des § 86a StGB auf bekenntnishafte oder propagandistische Spielinhalte systematisch nicht eo ipso die Vertriebsfähigkeit des Computerspiels als solches zu begründen vermag. Die Jugendgefährdungseignung nach § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG bestimmt sich unabhängig vom objektiven Tatbestand des § 86a StGB, der insoweit vollkommen ungeeignet ist, jugendschutzrechtliche Zielbestimmungen zu verwirklichen. Auch im Falle der strafgerichtlich attestierten Straflosigkeit eines Computerspielinhalts könnte das entsprechende Trägermedium als einfach jugendgefährdend der Indizierung nach § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG unterworfen werden und bliebe gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 – 7 JuSchG kaum vertriebsfähig. Verstöße sind gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1, 2 JuSchG strafbar. Aufgrund der Indizierungsbefugnis der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz auf Telemedien und dem vitalen Interesse des Anbieters, das telemedial vertriebene Computerspiel mit einem wirksamen Indizierungsschutz durch eine Alterskennzeichnung in einem staatlich geordneten Verwaltungsverfahren nach § 14 JuSchG zu versehen, lässt sich dieses Ergebnis trotz einer fehlenden Verpflichtung zur Vornahme einer Alterskennzeichnung nach dem Verfahren i. S. d. § 14 JuSchG übertragen. Insbesondere entfaltet § 27 Abs. 1 Nr. 1 JuSchG i. V. m. § 15 Abs. 1a JuSchG auch Wirkung auf Telemedien. In der geführten Diskussion um die Kennzeichenverwendung in Computerspielen nimmt die jugendmedienschutzrechtliche Perspektive einen höheren systematischen Stellenwert ein als der isolierte materiell-strafrechtliche Blickwinkel auf das Phänomen. Etwas anderes wäre nur festzustellen, wenn sich die jugendmedienschutzrechtlichen Vorgaben für die Vermarktung von Computerspielen expressis verbis am strafrechtlichen Anwendungsbereich des § 86a StGB ausrichten würden. Selbst wenn ein Teil des strafrechtlichen Schrifttums die Verkürzung des Anwendungsbereichs des § 86a StGB auf bekenntnishafte Tathandlungen vertreten mag,362 bedeutet dies nicht, dass die jugendmedienschutzrechtliche Beurteilung zum selben Medium diesem Ergebnis Folge leisten würde. 362  Vgl.

dazu Kap. 2 C. II. 3. a).

312

Kap. 5: Jugendmedienschutzrechtliche Anforderungen

Schließlich ist im Regelungsgefüge des Jugendmedienschutzes die Möglichkeit angelegt, auch Computerspielinhalte unterhalb der Strafbarkeitsschwelle des § 86a StGB der Liste jugendgefährdender Medien zuzuführen.

C. Ergebnis Aufgrund der fehlenden jugendschutzrechtlichen Eignung des § 86a StGB ist dem Anwender eine Beurteilung des Einzelfalls anhand des Merkmals der Jugendgefährdungseignung nicht erlassen. Ein durchgreifender systematischer Rückschluss von der strafrechtlichen Zulässigkeit auf die jugendschutzrechtliche Zulässigkeit gelingt nicht. Jedenfalls kann eine Erfüllung des objektiven Tatbestands des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht zugleich die jugendschutzrechtliche Altersfreigabekennzeichnung zur Folge haben. Aufgrund der fehlenden strafrechtlichen Expertise der beteiligten Institutionen des Jugendmedienschutzes ist eine fehlerhafte Kennzeichnung eines inkriminierten Computerspiels aber nicht ausgeschlossen. Die Nichterfüllung des objektiven Tatbestands des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB stellt ein starkes Indiz für die fehlende Jugendgefährdungseignung des Inhalts dar. Die Gefährdungsprognose zur Kennzeichenverwendung in Computerspielen gewinnt durch eine Vielzahl normativer Bezugselemente an Konturen. Dennoch ist sie durch Unsicherheitskoeffizienten geprägt und ermöglicht keine eindeutige Trennung zwischen der Jugendbeeinträchtigung und der Eignung zur Jugendgefährdung. Zutreffend bezeichnet das BVerwG die Vorstellung, dass die Auslegung der Eignung zur Jugendgefährdung ausschließlich eine Lösung eröffnet, als Fiktion.363 So bleibt die Indizierung eines Mediums aufgrund darin enthaltener NS-Kennzeichen eine Einzelfallentscheidung. Grundsätzliche Bedenken gegen die bloße hintergründige, dramaturgische Einbettung von NS-Symbolen in die virtuelle Spielwelt des kom­ petitiven Mehrspielermodus bei linearer Negativakzentuierung und Ablehnungshaltung des Einzelspielermodus sind jugendmedienschutzrechtlich nicht angezeigt.

363  BVerwGE

39, 197, 203.

Kapitel 6

Übertragung der Ergebnisse auf die gewählten Vertreter Die Computerspiele „Call of Duty – World at War“ als Vertreter primär unterhaltender First-Person-Shooter und „Attentat 1942“ als exemplarischer Vertreter aus dem Genre des Serious Game bieten Einblicke in die straf- und jugendmedienschutzrechtlichen Kollisionen durch ihre spezifischen Inhalte. Auch wenn eine exemplarische Betrachtung die konkrete Einzelfallbetrachtung eines jeden Werks erfordert, beinhalten beide Vertreter eine Vielzahl wiederkehrender genrespezifischer Elemente und ermöglichen die Entwicklung eines Leitfadens bezüglich § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB und § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG.

A. „Call of Duty – World at War“ Die spielintern erzählte Geschichte eines vom Rezipienten gesteuerten sowjetischen Soldaten, der sich heldenhaft aus den Trümmern Stalingrads bis zum Reichstagsgebäude in Berlin kämpft, ist typisch für Spiele, die den Zweiten Weltkrieg thematisieren.1 Das Hakenkreuz im weißen Kreis auf rotem Grund wird dem bekämpften nationalsozialistischen Regime zugeordnet, das in verschiedenen Schlachten des Einzelspielermodus mehrfach besiegt und zurückgedrängt wird.2 Einzelne Banner, wie etwa in den virtuellen Räumen des Reichstagsgebäudes, den es zu erobern gilt, lassen bei normativer Betrachtung keine Zuordnung zur Fraktion des eigenen Spieler­ substituts zu. In erläuternden Filmsequenzen wird für Rezipienten das Hakenkreuz abseits des interaktiven Spielgeschehens wahrnehmbar und vermittelt den Handlungsauftrag zur Zurückdrängung deutscher Truppen, deren topografische Truppenbewegungen durch das Hakenkreuz symbolisiert werden.3 Damit fokussieren die filmischen Elemente die Befreiung Europas vom Nationalsozialismus durch den erfolgreichen „Kampf gegen das Hakenkreuz“. Mit der fortwährenden Nutzung des stigmatisierenden Hakenkreuzes gelingt 1  Pfister,

in: Krieg und Spiele, S. 9.

2  https://www.schnittberichte.com/schnittbericht.php?ID=5975593#ld

2021). 3  Siehe Abb. 3.

(Stand: 01.06.

314

Kap. 6: Übertragung der Ergebnisse auf die gewählten Vertreter

es, den akzentuierten kriegsverbrecherischen Charakter des Nationalsozialismus aufrecht zu erhalten und dem Rezipienten als Feindbild zu vermitteln.

I. Die Strafbarkeit der Kennzeichenverwendung nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB 1. Keine teleologische Tatbestandsreduktion Zutreffend ist die Kennzeichenverwendung in Übereinstimmung mit den Erwägungen des BGH nur anzunehmen, wenn sie dem Schutzzweck ersichtlich nicht zuwider läuft. Eine offenkundige und lineare Gegnerschaft der inner­medialen Kennzeichendarstellung ist geeignet, eine teleologische Tat­ bestandsreduktion zu bewirken.4 Wird bereits für Filmwerke eine solche erwogen,5 so kann dies aufgrund der innermedialen Vergleichbarkeit auch für Computerspiele, die einen erheblichen, linearen Einzelspielermodus aufweisen, fruchtbar gemacht werden. Die Tatsache, dass die Ermittlung der offensichtlichen Schutzzweckverletzung einer Rezeption des Medieninhalts bedarf, steht der teleologischen Tatbestandsreduktion indes nicht entgegen, ist doch die Schutzzweckverletzung selbst durch die Tathandlung des öffentlichen Verwendens oder Verbreitens erst im Zuge der konkreten medialen Wahrnehmung festzustellen.6 Die Komplexität des medialen Inhalts ist kein Ausschlussgrund für die offensichtlich fehlende Schutzzweckverletzung. Der Einzelspielermodus trägt durchgängig das Gewand der absoluten Gegnerschaft zu den Identifizierungszeichen des Nationalsozialismus. In simplifizierter Darstellung der Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs wird der Spieler stets in feindlicher Willensrichtung mit dem NS-Symbol konfrontiert. Neutralisierende oder verharmlosende Elemente sind nicht ersichtlich. Mangels einer Dynamik und aufgrund der Einseitigkeit der begleitenden Geschichte aus sowjetischer Sicht steht die Bekämpfung des Nationalsozialismus im Zentrum der Spielgeschichte des Einzelspielermodus und bildet das Leitmotiv der Spielaufgaben. Hinzu kommt, dass der Spieler bei Nichtvornahme gezielter virtueller Kampfhandlungen gegen den Feind in den gekennzeichneten Räumen keinen Spielfortschritt zu verzeichnen vermag. Richtigerweise konterkarieren Inhalte, die etwa in Spionagemissionen oder durch ähnliche Inhalte nicht vollkommen unerhebliche – wenn auch nur zum Schein unter Beibehalt des gegnerschaftlichen Handlungsauftrags – Billigungshandlungen durch das Spielersubstitut erfordern, die Offensichtlichkeit 4  Kap. 2

C. II. 3. c) dd). MMR 2010, 309, 312. 6  Insoweit restriktiver Wager, MMR 2019, 80, 81. 5  Liesching,



A. „Call of Duty – World at War“315

der fehlenden Schutzzweckverletzung.7 Zwar sind entsprechende Inhalte bei „Call of Duty – World at War“ nicht erkennbar. Ein kompetitiver Mehrspielermodus, in welchem sich die NS-Kennzeichen vom Handlungsauftrag losgelöst als dramaturgische Begleitelemente der virtuellen Spielwelt präsentieren, entfaltet hinsichtlich der mangelnden Schutzzweckverletzung eine Sperrwirkung gegenüber der teleologischen Tatbestandsreduktion. Sie bleibt Werken vorbehalten, die einen linearen Einzelspielermodus aufweisen, in dessen interaktiven und filmischen Inhalten die Gegnerschaft zum NS-Kennzeichen und deren Vertreter dauerhaft zum Vorschein kommt. Die Offensichtlichkeit der gegnerschaftlichen Positionierung gegen das mit dem Hakenkreuz symbolisierte Unrechtsregime geht im kompetitiven Mehrspielermodus des gewählten Vertreters verloren und verwehrt dem Inhalt die Möglichkeit zur teleologischen Reduktion,8 die sich bei separater Betrachtung des Einzelspielermodus aufbauen würde. 2. Tatbestandsausschluss im Wege der Sozialadäquanzklausel Die Abbildung historischer Ereignisse beschränkt sich in „Call of Duty – World at War“ auf das virtuelle Kampfgeschehen und militärische Ereignisse des Zweiten Weltkriegs. Zwischen den einzelnen Missionen des Spielers erläutern Filmsequenzen, die teilweise den Eindruck von Originalaufnahmen erwecken, den geschichtlichen Kontext des sich anschließenden Handlungsziels. Über allgemeine Informationen zum Überfall Deutschlands auf die Sowjetunion und die Einordnung in das Geschehen im Zweiten Weltkrieg reicht die Wissensvermittlung im Spiel nicht hinaus. Vielmehr tritt im Einzelspielermodus die fiktive Geschichte des Spielersubstituts durch kämpferische Handlungen auf verschiedenen Schlachtfeldern in den Vordergrund. Innerhalb des Mehrspielermodus ist überhaupt keine Informationsvermittlung erkennbar. Mit Blick auf das Merkmal der Kunstdienlichkeit sind typische schöpferisch gestaltende Elemente identifizierbar. Im Rahmen des Einzelspielermodus erhält die NS-Symbolik als Ausgangspunkt des spielgeschichtlichen Kampfauftrags eine Legitimationswirkung. Im interaktiven Spiel­geschehen selbst erhält die NS-Symbolik eine Identifikationsfunktion und markiert gezielt Orte, die dem Feind zugeordnet sind. Sie treten meist als Banner in Erscheinung und wirken als gezielt gesetztes Gestaltungsmittel. Die audiovisuelle Designsprache des Werks schafft realistisch wirkende Spielwelten. Waffen, Uniformen und die zerstörten Innenstädte vermitteln ein realitätsna7  Zutreffend 8  Wager,

Schwiddessen, CR 2015, 92, 97. K&R 2019, 380, 383.

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Kap. 6: Übertragung der Ergebnisse auf die gewählten Vertreter

hes Gesamtgefüge. NS-Symbole als Banner an einem Hauptquartier feindlicher Deutscher Einheiten oder am zerstörten Reichstags­gebäude steigern die Authentizität der audiovisuellen Gesamterscheinung erheblich. Ein hohes Gewicht ist auch den vielen Spannungsspitzen und Kampfszenen beizumessen, die teilweise von dramaturgischen filmischen Elementen unterbrochen werden. Neben der künstlerischen Einfassung des Spielgeschehens in das Gewand des Zweiten Weltkriegs rücken auch Ruhephasen in den Einzelspielermodus ein und ermöglichen dem Rezipienten die Auseinandersetzung mit dem audiovisuellen Gesamtsetting des Inhalts. Mit dem kompetitiven Mehrspielermodus wird das Spielersubstitut in der Regel durch die automatische Zuweisung des Spielservers einer virtuellen Konfliktpartei zugewiesen. Die automatische Zuweisung kann durch den Spieler nicht beeinflusst werden und relativiert die Definitionsmacht des Rezipienten über die Zugehörigkeit. Teilweise ist auch – in Abhängigkeit des gewählten Spielservers – die eigenständige Auswahl möglich. Eine spielgeschichtliche Auseinandersetzung mit der NS-Symbolik findet im kompetitiven Mehrspielermodus keinen Niederschlag. Das dauerhaft hektische Gepräge eines auf Schnelligkeit und Taktik ausgerichteten kompetitiven Spielgeschehens ist vorwiegend auf die Unterhaltung des Rezipienten ausgerichtet, der in bekannten virtuellen Welten aufgrund der Asymmetrie des Geschehens wiederkehrend ein abweichendes Spielerlebnis erhält. Eine wertende Stellungnahme zu den Kennzeichen innerhalb des kompetitiven Mehrspielermodus nimmt der Inhalt nicht vor und räumt dem Spieler keine Möglichkeit ein, mit dem Symbol zu interagieren. Insoweit rückt der Unterhaltungswert des Spielmodus deutlich in den Vordergrund. Ein künstlerisches Gewicht kann lediglich in Form der Beibehaltung einiger künstlerischer Elemente des Einzelspielermodus identifiziert werden, während die Spielgeschichte, filmische Zwischensequenzen oder dramaturgische Ruhephasen nicht fortgesetzt werden. Aufgrund der Asymmetrie des chaotischen Geschehens des ausgeglichenen Wettkampfs zwischen zwei Teams ist die Kennzeichenverwendung nicht als überwiegende Förderung des Kommunikationsgrundrechts aus Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zu betrachten. Der Wiedereinstieg der getöteten Spielersubstitute erfolgt teilweise an zufälligen Standorten der virtuellen Welt. Für das Spielgeschehen selbst, dessen Ausgang und den Rezipienten hat die Einbettung der Kennzeichen keine Bedeutung und nimmt keinen Einfluss auf das virtuelle Wettkampfgeschehen. Das Kennzeichen wird für das Geschehen in die Bedeutungslosigkeit gedrängt. In einer Gesamtbetrachtung beider Spielmodi ist festzustellen, dass die Kennzeichenverwendung das künstlerische Gepräge des Spiels nur teilweise zu fördern vermag. Der ausgedehnte Einzelspielermodus ist aufwendig audiovisuell ausgestaltet und weist eine umfangreiche Spielgeschichte auf. Er



A. „Call of Duty – World at War“317

ist nicht bloßer Annex eines ansonsten rein kompetitiven Computerspiels. Die Negativakzentuierung und lineare Gegnerschaft setzen sich aufgrund der Spielbarkeit beider beteiligten Fraktionen im kompetitiven Mehrspielermodus nicht unmittelbar fort. Gleichwohl reicht die Einbindung in das kommunikative Gesamtgeschehen des kompetitiven Mehrspielermodus nicht über eine hintergründige und für das Spielgeschehen bedeutungslose Darstellung hinaus. Eine kommunikative Verherrlichung oder Herabsetzung der Kennzeichenbedeutung findet nicht statt. Aufgrund der Tatsache, dass die Symbole selbst nur hintergründig in den Mehrspielermodus einfließen und ihr kommunikativer Schwerpunkt im Einzelspielermodus deutlich ablehnend zum Tragen kommt, wird auch grundsätzlich eine erkennbare Distanz zum Kennzeichen durch die erforderliche Negativakzentuierung gewahrt, weil der kompetitive Mehrspielermodus durch die Kennzeichen selbst keine ideologische Einbettung erfährt. Ferner sind moderne Spielserver mit einer Zeichenerkennungssoftware ausgestattet, die unter anderem Beleidigungen und andere unerwünschte Begriffe verschlüsselt und nicht zur Wahrnehmung Dritter frei­ gibt. Zuwiderhandlungen können zu einem Ausschluss des Rezipienten vom Spiel führen.9 Als wahrnehmbares Symbol der audiovisuellen Gesamtgestaltung tritt das NS-Symbol in Wechselwirkung mit den kommunikativen Elementen des medialen Inhalts. Im Falle des Sieges der Wehrmacht innerhalb des kompetitiven Mehrspielermodus ertönt ein Ausschnitt einer historischen Rede Adolf Hitlers mit den Worten: „Vor uns liegt Deutschland, in uns marschiert Deutschland und hinter uns kommt Deutschland“.10

Die originalen Zeilen einer reißerischen Rede, die Adolf Hitler auf dem Reichsparteitag 1934 an die Deutsche Jugend richtete,11 geben dem kompetitiven Spiel einen ideologischen Einschlag. Richtigerweise ist hinsichtlich der Straflosigkeit im Zuge der Sozialadäquanzklausel auf die Unzulässigkeit unterschwelliger ideologischer Verwebungen abzustellen.12 Mit dem deutlich 9  Kap. 4

B. VI. 3.; Wager, K&R 2019, 380, 383. Pfister, in: Krieg und Spiele, S. 9, 11; Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 6 nimmt an, dass auch die Wiedergabe von Reden Adolf Hitlers dem Kennzeichenbegriff unterfallen können. Vorliegend wurde die Rede einerseits lediglich stark fragmentarisch wiedergegeben, ferner handelt es sich nicht um eine originale Stimmaufnahme Adolf Hitlers, sodass eine eigenständige Kennzeichenqualität abzulehnen ist. Insofern stellt auch Steinsiek, in: LK-StGB, § 86a Rn. 7 bei der Wiedergabe von Liedern darauf ab, dass die bloße Übereinstimmung mit einzelnen Takten originaler Liedtexte nicht genügt. 11  Kap. 1 G. I. 2. 12  Tatbestandsmäßig ist § 86a StGB nicht auf Werbeeffekte und Sympathiebekundungen zu verkürzen: OLG München, NStZ 2007, 97; OLG Oldenburg, NStZ-RR 10  Siehe

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Kap. 6: Übertragung der Ergebnisse auf die gewählten Vertreter

zu vernehmenden ideologischen Aufruf erscheint der kompetitive Mehrspielermodus nicht mehr als bloß neutraler Wettkampf im historischen Gewand des Zweiten Weltkriegs. Vielmehr entsteht ein direkter Zusammenhang zur Ideologie des Nationalsozialismus, wenn die reißerische Textzeile in propagandistisch anmutender Betonung und Lautstärke auf den Rezipienten einwirken. Der Sieg durch die Spieler der Wehrmacht erscheint als ruhmreiche Verteidigung des Nationalsozialismus. Die neutrale Position der Symbolik im Mehrspielermodus verschiebt sich kurzzeitig zu einer Positivierung zum Nationalsozialismus. Neben der Negativakzentuierung des Einzelspielermodus erhält das Werk einen unterschwelligen ideologischen Einschlag, den § 86a StGB zu verhindern versucht. Zwar mag die Kennzeichenverwendung innerhalb des kompetitiven Mehrspielermodus Unterhaltungszwecken dienlich sein. Die erforderliche erkennbare Distanz wird jedoch stark reduziert und kommuniziert dem Rezipienten die ruhmreiche Verteidigung des Nationalsozialismus am Ende einer schnelllebigen Spielrunde. Die Kennzeichenimplementierung innerhalb des Computerspiels „Call of Duty – World at War“ ist richtigerweise um die Kennzeichen verfassungswidriger Symbole gekürzt, auch wenn das Spiel im spielspezifischen Umgang keineswegs mit offenkundig hetzerischen und propagandistischen Amateurprogrammierungen zu vergleichen ist.

II. Exemplarische Gefährdungsprognose gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG Mit Blick auf die objektive Tatbestandsmäßigkeit der Kennzeichenverwendung kann aus einer jugendmedienschutzrechtlichen Perspektive kein anderslautendes Ergebnis erzielt werden. Die Verwirklichung der Verbreitung eines Inhalts i. S. d. § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist mit Blick auf eine Altersfreigabekennzeichnung nicht verwaltungsrechtsakzessorisch. Gleichwohl soll eine Gefährdungsprognose gemäß § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG ausgeführt werden, um ein exemplarisches Beispiel für die jugendmedienschutzrechtliche Unzulässigkeit der Verwendung von NS-Kennzeichen in Computerspielen zu gewährleisten. In die anzustellende Gefährdungsprognose sind alle wahrnehmbaren Elemente des Werks einzubeziehen.13 Als gewalthaltiges Computerspiel, in 2010, 368; vgl. Ellbogen, in: BeckOK-StGB, § 86a Rn. 26a; vgl. Wager, MMR 2019, 80, 83; daher kann die ideologische Aufladung als ruhmreicher Sieg zur Verteidigung der Ideale des Nationalsozialismus unter Verwendung von NS-Kennzeichen nicht dem Tatbestandsausschluss des § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB unterfallen. 13  BVerwGE 39, 197, 209; Liesching, Schutzgrade, S. 55.



A. „Call of Duty – World at War“319

welchem der Spieler aus der Ich-Perspektive Gewalt ausübt, gilt „Call of Duty – World at War“ als besonders problematisch.14 Die Kennzeichenverwendung als Banner an bestimmten Gebäuden und ausgewählten Orten trägt zur Realitätsnähe bei und komplettiert das visuelle Setting des Einzelspielermodus. Der Anbieter hat die konsequente Gut-Böse-Zeichnung mit einer realitätsnahen atmosphärischen Gesamterscheinung in Verbindung gesetzt. Die realitätsnahe Darstellung versperrt dem Rezipienten eine Zuordnung zu rein fiktionalen Ereignissen. Eine Spiegelung an der sozialen Lebenswirklichkeit dürfte den Jugendlichen schwer fallen. Aus einer kommunikativen Gesamtbetrachtung ergibt sich die Singularität des Bekämpfungsauftrags und eine relative historische Präzision des Mediums, die keinerlei Verharmlosung, Billigung oder Glorifizierung des Nationalsozialismus vermittelt. Der Einzelspielermodus bietet keinen Anlass für die Annahme einer Eignung zur Jugendgefährdung aufgrund der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Aus dem kompetitiven Mehrspielermodus ergeben sich besondere Anforderungen an die Gefährdungsprognose des § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG. Eine auf das Element der Spielbarkeit des im Einzelspielermodus stigmatisierten Feindes fokussierte und simplifizierte Betrachtung greift nicht durch. Richtig ist lediglich, dass die Ausübung von Macht und Kontrolle unter dem Kennzeichen selbst ein nicht zu vernachlässigender Wirkungsfaktor ist. Das Merkmal nimmt aber keine Monopolstellung ein. Die USK als zentrale Prüfeinrichtung hat im Rahmen der Konkretisierung ihrer Leit- und Prüfungskriterien davon abgesehen, einem Einzelaspekt eine durchgreifende Wirkung zu verleihen. Wenn die Spielbarkeit einer Fraktion, die mit dem Kennzeichen behaftet ist, einen Ausschlussgrund hätte darstellen sollen, so wäre dies in den kürzlich aktualisierten Leitkriterien berücksichtigt worden und müsste sodann – aufgrund der mangelnder Gesetzesqualität der internen Richtlinien – an den Wertungen des § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG gemessen werden. Insbesondere ist festzustellen, dass die in objektiver und spielinterner Hinsicht stigmatisierende Wirkung der Symbolik nicht dem Spielersubstitut direkt anhaftet. Vielmehr verbleibt das Symbol lediglich ein dramaturgisches Element und für den kompetitiven Spielauftrag des Rezipienten gänzlich unbedeutend. Auch hinsichtlich der konkreten Symbolisierung der teilnehmenden Fraktionen wird nicht auf das Symbol zurückgegriffen. Beide rivalisierenden Fraktionen sind zwar an die historische Wirklichkeit angelehnt, bedienen sich aber nicht gezielt der Symbolik. So treten vereinzelt russische Begriffe auf, wenn der Rezipient auf Seiten der Sowjetunion beitritt. Deutsche Begriffe hingegen werden bei einem Beitritt auf Seiten der Wehrmacht eingebettet. Für den Jugendlichen steht der kompetitive Wettkampf deutlich 14  Handke,

S. 29.

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Kap. 6: Übertragung der Ergebnisse auf die gewählten Vertreter

im Vordergrund. Über Sieg oder Niederlage entscheiden die taktischen Vorgehensweisen der beteiligten Rezipienten, sowie Reaktionsschnelligkeit und Geschicklichkeit. Ein hohes Maß an Konzentration, sowie die Fähigkeit, wichtige Elemente von unwichtigen zu unterscheiden, sind essenziell für eine präzise Hand-Augen Koordination.15 Es erschiene konstruiert, der NSSymbolik einen hohen Stellenwert für den kompetitiven Wettkampf zu verleihen. Schließlich ist es kein Spielziel, eine Hakenkreuzfahne an einen bestimmten Ort zu verbringen oder mit dieser in irgendeiner Form zu interagieren.16 Das hohe Konzentrationslevel beschränkt sich dabei auf die für den Spielverlauf wesentlichen Umstände. Das sind insbesondere die strategischen Bewegungen des Gegners, die eigene Ausrüstung mit Waffen oder der Spielstand. Allenfalls können die großflächigen Banner als Orientierungspunkte für alle Beteiligten verstanden werden, unabhängig von der Fraktionszugehörigkeit. Gleichwohl ändert dies nichts daran, dass ihnen eine Verknüpfung zum Handlungsauftrag der Rezipienten fehlt, keine Interaktion mit den Kennzeichen ermöglicht wird und sie als dramaturgisches Begleitelement keinen Einfluss auf das Spielgeschehen nehmen. Die Verlagerung der Kennzeichen in den dramaturgischen Hintergrund des Mehrspielermodus, ohne die Kennzeichen in ihrer Bedeutung neu zu definieren, weist eher in Richtung Jugendbeeinträchtigung, als in Richtung Jugendgefährdung. Andernfalls würde das Wirkungsgefälle zwischen dem Hauptgeschehen und dramaturgischen Nebenelementen aufgelöst. Ein spielinternes Belohnungssystem, das mit der nationalsozialistischen Ideologie oder den Kennzeichen in Verbindung steht, existiert im Mehrspielermodus nicht. Ein qualitatives entwicklungsbeeinträchtigendes Plus durch die Verwendung der Kennzeichen im Mehrspielermodus im Vergleich zu deren Entfernung ist vorerst nicht zu erkennen. Der Jugendmedienschutz sollte insgesamt nicht zu einem gefahrunabhängigen Schutzinstrument fehlinterpretiert werden. Die Wechselwirkung zwischen einzelnen medialen Elementen erfasst auch NS-Symbole im Mehrspielermodus. In gleichlaufender Argumentation zur Sozialadäquanzklausel ist festzustellen, dass mit dem Zitat zum Spielsieg der Wehrmacht: „Vor uns liegt Deutschland, in uns marschiert Deutschland, und hinter uns kommt Deutschland“ ein ideologischer Einschlag anzunehmen ist. Richtigerweise sind auch unterschwellige Beeinflussungen durch die medial uneindeutige Präsentation des Hakenkreuzes zu verhindern,17 um dem verfassungsrechtlichen Erziehungsziel und dem Schutz vor einer ideologischen Beeinflussung Rechnung zu tragen. Eine Eignung zur Jugendgefährdung resul15  Hans-Bredow-Institut (Hrsg.), Zur Kennzeichnung von Video- und Computerspielen, S. 5. 16  Dazu Kap. 1 G. I. 2. 17  BVerfGK 12, 119, 125; Liesching, in: NK-JuSchG, § 18 Rn. 14.



B. „Attentat 1942“321

tiert damit nicht unmittelbar aus der Kennzeichenverwendung als solche oder dem kompetitiven Spielsystem. Im Zuge der Streichung des hetzerischen Zitats erscheint es in normativer Betrachtung unwahrscheinlich, dass negative Lerneffekte aus der bloßen Implementierung der Kennzeichen resultieren. In einer medialen Gesamtbetrachtung der Originalfassung des Werks führt der ideologische Einschlag aus der Wechselwirkung des ideologischen Zitats und der Kennzeichenverwendung innerhalb des kompetitiven Mehrspielermodus zur Eignung des Werks, Jugendliche sozialethisch zu desorientieren. Aus jugendmedienschutzrechtlicher Perspektive ist aber nicht notwendigerweise die Streichung der Symbole als solche angezeigt. Vielmehr würde ein Entfernen des reißerischen Zitats genügen, ohne die NS-Symbole selbst zu bearbeiten.

B. „Attentat 1942“ „Attentat 1942“ basiert auf ausgiebigen Interviews mit fiktionalen Zeitzeugen und begibt sich vorwiegend durch partielle Minispiele auf die Ebene eines Unterhaltungsmediums, indem der Rezipient mittels einfacher Zuordnungsaufgaben oder Ähnlichem interaktiv eingebunden wird. Die Rolle des Spielersubstituts orientiert sich an einer erzählenden Aufarbeitung der Geschehnisse aus Sicht der Zivilbevölkerung annektierter tschechoslowakischer Gebiete, die mit nationalsozialistischen Organisationen, wie der „Geheimen Staatspolizei“ oder der „SS“ in Kontakt tritt. Im Rahmen des erzählenden Gesamtcharakters des Spiels wird über den Genozid und andere Kriegsverbrechen unter den Zeichen des Nationalsozialismus informiert.

I. Die Strafbarkeit der Kennzeichenverwendung nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB Eine aktiv gegen die Organisationen agierende Position nimmt der Rezipient in seiner Funktion, die Familiengeschichte in Erfahrung zu bringen, nicht ein. Die in kurzen Filmsequenzen vorgenommene Verbildlichung von Hakenkreuzen und SS-Runen ist mit Darstellungen in historischen Dokumentationen zu vergleichen. Eine Auseinandersetzung mit den Zeichen aus der Per­ spektive der Zivilbevölkerung bewirkt zwar einen kritischen Umgang mit den Kennzeichen. Ein solch kritischer Umgang soll in bestimmten gesetzlich normierten Fällen durch die Sozialadäquanzklausel gemäß § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86a Abs. 3 StGB vom Tatbestand ausgenommen werden.18 Die Ver18  Vgl. OLG München, NStZ-RR 2005, 371; Köhne, DRiZ 2003, 210, 213 sieht den Schutzzweck bei einer neutralen, authentischen Erzählung als nicht verletzt an und bejaht die teleologische Reduktion.

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Kap. 6: Übertragung der Ergebnisse auf die gewählten Vertreter

wendung von Kennzeichen in offenkundig ablehnender Haltung erfordert indes, dass eine Wirkung der Symbole in einer dem nationalsozialistischen Inhalt des Zeichen entsprechenden Tendenz nicht eintreten kann.19 Anders als bei einem Spiel mit kämpferischen Handlungen, wird vom Spieler keinesfalls die Vernichtung und damit die Umsetzung der bereits im Programmcode des Spiels niedergelegten, ablehnende Grundausrichtung gefordert. Aus der Sicht eines Zivilisten versucht der Rezipient vielmehr, sein Leben vor den Vertretern der „Geheimen Staatspolizei“ zu schützen, indem etwa verbotene virtuelle Gegenstände, wie ein privater Revolver, vernichtet werden. Im Zuge dieses in der Gesamterscheinung sehr verantwortungsbewussten Umgangs mit den Zeichen, die sehr platziert in originalen Filmszenen oder auf fiktionalen Ausweisdokumenten eingesetzt wurden, lässt sich grundsätzlich aufgrund der Kommentierung der Szenen durch virtuelle Zeitzeugen eine durchaus negative Haltung gegenüber den Symbolen erkennen. Den Anforderungen einer teleologischen Schutzzweckreduktion genügen die Verarbeitungen aber nicht. Indes ist der Umgang mit den Zeichen nationalsozialistischer Organisa­ tionen einer dokumentarischen, pädagogisch wertvollen Aufarbeitung gleichzusetzen. Der aufklärende Charakter zu den Geschehnissen in der ehemaligen Tschechoslowakei lässt den spielerischen Unterhaltungsaspekt in den Hintergrund rücken und leistet die Aufarbeitung aus der Perspektive der Zivilbevölkerung. Dokumentationen und Abbildungen in einem bildungsspezifischen und aufklärerischen Kontext werden angemessen über die Sozialadäquanzklausel nach § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB erfasst. Das Bedürfnis einer ungeschriebenen Tatbestandsreduktion ergibt sich nicht.20 Die Kennzeichen erscheinen nie losgelöst von der Geschichte und vom historischen Kontext. Ferner steigern sie aufgrund vieler – auch originaler – Filmaufnahmen und der zahlreichen Gegenstände, die zur Informationsgewinnung genutzt werden, die Authentizität der Geschichte. Der Rezipient wird aktiv auf die realhistorischen Hintergründe unter Einbettung fiktiver Einzelschicksale hingewiesen. Dem Rezipienten ist es nicht möglich, in irgendeiner Form mit dem Kennzeichen zu interagieren. Aus Sicht eines objektiven Beobachters liegt der Fokus des Spiels auf Erläuterungen zu den NS-Organisationen, deren Aufgaben innerhalb des nationalsozialistischen Machtapparats und der Rolle der Zivilbevölkerung. Eine stets zugängliche umfangreiche spielinterne Enzyklopädie erweitert sich mit voranschreiten19  OLG Köln, NStZ 1984, 508; BayObLG, NStZ 2003, 89, 90; Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 20, 22. 20  Reuter, S. 203.

B. „Attentat 1942“

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dem Spielfortschritt und liefert dem Rezipienten in den Gesprächen mit fiktiven Zeitzeugen vertiefte realhistorische Informationen zu den NS-Organisationen und historischen Ereignissen. Das Spiel bildet einen wertvollen Beitrag zur Aufklärung über die Verhältnisse der Zivilbevölkerung nach der Annexion der Tschechoslowakei. Die implementierte Symbolik liefert dem Rezipienten ein historisches Abbild der damaligen Zeit. Ein Handlungsdruck des Spiels tritt kaum in den Vordergrund, insbesondere, weil der Spieler Interviews führt und nur zwischenzeitlich virtuell in die Zeit der Annexion versetzt wird. Dramaturgische Spannungsspitzen im Zeichnungsstil oder durch die akustische Begleitung wirken gezielt und zugleich bedrohlich. Insgesamt treten die Unterhaltungszwecke durch die fehlende Hektik des Spiels und die dauerhaften textlichen Informationsmitteilungen in den Hintergrund. In der künstlerischen Ausgestaltung des Werks werden gezielt Comiczeichnungen mit Filmaufnahmen kombiniert. NS-Symbolik ist oft randseitig auf den virtuellen Gegenständen zu sehen und bettet sich in das authentische Gesamtgefüge des Spiels ein. Sie dienen als Mittel der historischen Zuordnung, etwa wenn ein Kopfbild Adolf Hitlers auf einer Briefmarke einer Postkarte abgebildet wird. Die NS-Symbolik dient der staatsbürgerlichen Aufklärung und der Kunst. Der objektive Tatbestand des § 86a StGB wird durch die Kennzeichenverwendung im Computerspiel nicht erfüllt.

II. Gefährdungsprognose Jugendliche werden gezielt mit den Kennzeichen und der ideologischen Bedeutung konfrontiert. Eine Rechtfertigung der Geschehnisse, die erkennbar i. V. m. dem Kennzeichen stehen, wird dem Rezipienten stets als verbrecherisches und missbilligtes Vorgehen präsentiert. Eine neutrale oder verzerrende Verwendung der Kennzeichen liegt deshalb nicht vor, weil der Spieler durch die Interviews der fiktiven Zeitzeugen und aufklärenden Informationen zu keiner Zeit den Eindruck eines neutralen oder akzeptablen Alternativentwurfs des Nationalsozialismus gewinnt. Das spielerische Gesamtsetting als Comiczeichnung beeinflusst die Authentizität der grundlegenden Informationen kaum. Aufgrund der aufklärenden und wissenschaftlich basierten Gesamterscheinung ist eine sozialethische Desorientierung nicht zu erwarten. Vielmehr sind edukative Effekte auf den Rezipienten wahrscheinlich. Dem schlossen sich zutreffend auch die OLJB an, indem sie das Spiel mit einer Altersfreigabekennzeichnung ab zwölf Jahren ausstatteten. Im Ergebnis kann eine kritisch geleitete Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte in der NS-Zeit wirksamer vor einer ideologischen Anfällig-

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Kap. 6: Übertragung der Ergebnisse auf die gewählten Vertreter

keit für verzerrende Medieninhalte schützen als eine Indizierung.21 Damit kann dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Massenmedien auch die Aufgabe zur Informationsgewinnung verantwortungsvoll umsetzen, die für einen freiheitlich demokratischen Staat unverzichtbar ist.22

C. Ergebnis Trotz der Rufe nach der Zulässigkeit von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Computerspielen ist „Call of Duty – World at War“ ein Beispiel für einen nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB strafwürdigen und nach § 18 Abs. 1 S. 1 StGB indizierungsfähigen Inhalt, obwohl keine offenkundige und gezielte politische Agitation erkennbar ist. Der Inhalt des Werks „Attentat 1942“ hingegen zeigt deutlich, dass Computerspiele als Medium ebenso facettenreiche Darstellungen annehmen können wie Filmwerke. Lediglich eine am medialen Gesamtinhalt orientierte Auslegungspraxis mit Blick auf den Schutzzweck des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB und des § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG vermag den konkret inhaltlich vermittelten Botschaften in Bezug auf Kennzeichen verfassungswidriger Symbole Rechnung zu tragen.

21

202. 22

BVerfGE 90, 1, 21; ähnl. Wolf, in: Hausmanninger, Handeln im Netz, S 193, Vgl. Dörr, in: GS-Burmeister, S. 101, 102.

Kapitel 7

Strafrechtliche Haftungsrisiken1 Mit dem alleinigen Befund zur Verwendens- und Verbreitungsstrafbarkeit durch die Implementierung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in den medialen Inhalt nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB ist noch keine Feststellung zur individuellen Schuld getroffen. An den Herstellungs-, Modifikations- und Distributionsprozessen eines Computerspiels sind mehrere Akteure beteiligt. Neben den Herstellern bzw. Entwicklern sind auch Händler, Spieleplattformbetreiber und nicht zuletzt der Rezipient eingebunden.

A. Die strafrechtliche Haftung der Entwickler I. Objektiver Tatbestand 1. Herstellen, § 86a Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 StGB § 86a Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 StGB normiert ein Herstellungsverbot für Inhalte, die im In- oder Ausland verbreitet oder verwendet werden sollen.2 Die Tatvariante des Herstellens erfüllt jeder, der bewusst an der Anfertigung des Computerspiels mitwirkt.3 Bei aufwendigen Spieleproduktionen sind alle Beteiligten, die am Herstellungsprozess partizipieren, Adressaten der strafbaren Vorbereitungshandlung.4 Die Vollendung des § 86a Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 StGB a. F. unter Geltung des Schriftenbegriffs des § 11 Abs. 3 StGB a. F. erforderte nach zutreffender Ansicht die Fertigstellung des Endproduktes. Das Herstellen bezog sich nicht auf die bloße Tätigkeit, sondern auf dessen Ergebnis.5 Lediglich, wenn das Projekt in der Produktionsphase stecken blieb 1 Die nachfolgenden Ausführungen beziehen sich lediglich auf den Umgang des Spieleplattformbetreibers mit Computerspielen, die einen tatbestandsmäßigen Inhalt i. S. d. § 86a StGB aufweisen. 2 Anders noch BT-Drs. IV/650, S. 567 zu § 375a StGB-E 1962. 3 Stegbauer, S. 71 f. 4 Stegbauer, S. 72, 114; Wagner, S. 333. 5 AG Weinheim, NJW 1994, 1543, 1545; Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86 Rn. 31; Frank, S. 96; Reuter, S. 227; Stegbauer, S. 72; Steinsiek, in: LK-StGB, § 86 Rn. 30; Wagner, S. 333 f.

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Kapitel 7: Strafrechtliche Haftungsrisiken

und noch vor Fertigstellung von einer späteren Veröffentlichung abgesehen wurde, handelte es sich um eine straflose Versuchskonstellation.6 So fügte sich das Herstellen in das systematische Gefüge der Tatvarianten des § 86a Abs. 1 Nr. 2 StGB ein, die allesamt der physischen Existenz des Tatobjektes bedurften. Mit der Auflösung des Körperlichkeitserfordernisses durch den Inhaltsbegriff verlieren die Vorbereitungshandlungen die Kopplung an die Existenz physischer Datenträger. Gleichwohl lässt der Gesetzgeber keine Bestrebungen erkennen, die Tathandlungen in ihrer Bedeutung zu erweitern. Vielmehr stand die Strafbarkeitsvereinheitlichung im Vordergrund.7 Die Tathandlung des Herstellens ist trotz der Erweiterung der Tatobjekte auf Telemedien auf die Fertigstellung des Gesamtinhalts zu beschränken, um die äußerste Grenze der Vorfeldstrafbarkeit8 nicht weiter vorzuverlagern. Begrenzt sich das Handeln der Entwickler auf die bloße Programmierung und damit die Herstellung des Computerspiels, so ist die Tathandlung mit Fertigstellung des medialen Spielinhalts bereits durch die Mitarbeit erfüllt. Unerheblich ist, welche Programmierer oder sonstigen Beteiligten gezielt die Kennzeichen in das Gesamtwerk eingearbeitet haben, weil es auf die Herstellung des strafrechtlich inkriminierten Inhalts ankommt, nicht auf die Programmierung der Kennzeichen selbst. Die Strafnorm richtet sich somit gegen alle Personen, die aktiv und nicht vollkommen unwesentlich an der inhaltlichen Ausgestaltung des Werks beteiligt sind. Die anderen Tatvarianten sind in ihrer praktischen Reichweite für das hiesige Problem kaum von Bedeutung.9 Insbesondere die Einfuhr gemäß § 86a Abs. 1 Nr. 2 Var. 3 StGB wird in vielen Fällen durch die Methode des Geoblockings vereitelt. Nimmt der Entwickler des Spiels im Anschluss an die Herstellung auch die Veröffentlichung vor, so verliert § 86a Abs. 1 Nr. 2 StGB seinen eigenständigen Bedeutungsgehalt und geht als mitbestrafte Vortat in der Verwendungs- oder Verbreitungsstrafbarkeit nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB auf.10 Regelmäßig dient die Übermittlung des Inhalts an den Publisher der massenhaften Verbreitung des Inhalts durch diesen. Die Tathandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 2 StGB bedürfen einer Verbreitungsabsicht.11 Aufwendig programmierte Computerspiele werden zum späteren Zwecke der massenhaften Vermarktung hergestellt. Ob sich die Verbreitungsabsicht auf eine Eigenver6 Lamshöft, in: Rechtsextremismus, S. 131, 146; Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 27, § 86 Rn. 31. 7 BT-Drs. 19/19859, S. 55 f. 8 Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86 Rn. 31, § 86a Rn. 27; Becker, in: M/R, StGB, § 86a Rn. 2; Paeffgen, in: NK-StGB, § 86a Rn. 4. 9 Zum Ausführen von Computerspielen Schumann, MMR 2011, 440 ff. 10 Frank, S. 95; Reuter, S. 225. 11 Gercke/Brunst, PraxisHB Internetstrafrecht, Rn. 376; Sternberg-Lieben, in: Sch/ Sch, § 86a Rn. 9c.

A. Die strafrechtliche Haftung der Entwickler

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breitung oder die Fremdverbreitung bezieht, ist irrelevant.12 Das Herstellen und die Weitergabe an einen – oftmals in sehr enger Verbindung stehenden – Publisher ist mangels Öffentlichkeitsbezugs nicht als Tathandlung des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu verstehen. Auch eine zusätzliche Teilnahmestrafbarkeit an der geplanten und zeitlich nachgelagerten Veröffentlichung durch Dritte nach §§ 86a Abs. 1 Nr. 1, 27 Abs. 1 StGB liegt nicht vor. Die Vorbereitungshandlungen des § 86a Abs. 1 Nr. 2 StGB ersetzen seit dem 21. StrRÄndG vom 13. Juni 1985 gerade solche Tathandlungen, die zuvor als bloße Teilnahme gewertet wurden.13 Sie werden nunmehr als täterschaftliches Begehen angesehen und zusammen mit § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB einem einheitlichen Strafrahmen unterworfen. 2. Sozialadäquanzklausel und teleologische Tatbestandsreduktion Die Sozialadäquanzklausel erstreckt sich gemäß § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB auf Absatz 1 des Delikts. Stellt sich die Verwendung oder Verbreitung des Inhalts als tatbestandslos heraus, so greift dies auf die strafbaren Vorbereitungshandlungen nach § 86a Abs. 1 Nr. 2 StGB durch. Nichts Anderes kann für die teleologische Tatbestandsreduktion gelten, da § 86a Abs. 1 Nr. 2 StGB die Strafbarkeit der Vorbereitungshandlungen auf den verfolgten Zweck der Verbreitung oder Verwendung begrenzt. Seriöse Hersteller lassen das Medium das verwaltungsrechtlich geregelte Alterskennzeichnungsverfahren nach jugendmedienschutzrechtlichen Maßstäben durchlaufen und reichen ihre Werke direkt bei der USK zur Prüfung ein. Darin ist kein Akt des öffentlichen Verwendens oder Verbreitens zu erkennen. Andernfalls begäbe sich der Hersteller gerade mit der begehrten Freigabeprüfung bereits in die Gefahr der Strafbarkeit und strafprozessualer Maßnahmen – etwa der Beschlagnahme des Werks nach § 94 StPO – obwohl die Vertriebsfähigkeit des Spiels in eben diesem Verfahren erst festzustellen ist.

II. Subjektiver Tatbestand Die praktische Dimension der objektiven Tatbestandsmäßigkeit für die an der Spielprogrammierung und sonstigen inhaltlichen Ausgestaltung beteiligten Personen ist stark begrenzt. Selbst unter der Annahme, es bedürfe keiner zielgerichteten Absicht zur späteren Verwendung oder Verbreitung des 12

Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86a Rn. 9c. 21. StrRÄndG vom 13.06.1985, BGBl. Teil I, S. 965; siehe auch BT-Drs. IV/ 650, S. 567. 13

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Kapitel 7: Strafrechtliche Haftungsrisiken

Inhalts,14 wird in den meisten Fällen der Herstellung kennzeichenbeinhaltender Computerspiele ein Vorsatzausschluss anzunehmen sein. Denkbar ist zunächst, dass etwa beteiligte Komponisten und Musiker überhaupt keine Kenntnis der Kennzeichenverwendung haben. Insbesondere werden die Mitarbeiter eines Unternehmens davon ausgehen, dass das Computerspiel den straf- und jugendmedienschutzrechtlichen Anforderungen entspricht. Werden Computerspiele in kommerzieller Vermarktungsabsicht hergestellt, so sollen diese dauerhaft in Form von Träger- und Telemedien vermarktungsfähig sein. Wohl kaum ein Mitarbeiter eines Entwicklungsstudios, das eine kommerzielle Vermarktung des Computerspiels anstrebt, wird die Vermarktungsunfähigkeit des Computerspiels aufgrund eines Verstoßes gegen § 86a StGB auch nur billigend in Kauf nehmen. Die Beteiligten werden jedenfalls hinsichtlich der Tatsachen irren, bei deren Vorliegen der Tatbestandsausschluss der Sozialadäquanzklausel zur Straflosigkeit verhelfen würde. Es handelt sich dabei um einen vorsatzausschließenden Tatumstandsirrtum, § 16 Abs. 1 S. 1 StGB.15 Zudem würden die wirtschaftlichen Interessen im Falle der vorsätzlichen Herstellung eines inkriminierten Inhalts aufgrund der drohenden Einziehung der verkörperten Inhalte nach § 74d Abs. 1 StGB nicht erreicht werden können. Ferner sei auf die Möglichkeit der Einziehung des Entgelts nach § 73 Abs. 1 StGB und die Einziehung von Beziehungsgegenständen gemäß § 92b Nr. 2 StGB hingewiesen.16

III. Modifikationseditor Werden etwa Hakenkreuze nachträglich durch die Nutzer implementiert, so wird das Anbieten der Bearbeitungssoftware zwar kausal für die Änderung durch Dritte und ermöglicht diese. Die Tathandlung ist aber systematisch mit dem arglosen Verkauf eines handelsüblichen Messers zu vergleichen, wenn der Haupttäter eine Gewalttat verübt.17 Das bloße Anbieten eines weitreichenden gestaltungsoffenen Modifikationseditors lässt keine deliktsspezifischen Strafbarkeitsrisiken entstehen. Es handelt sich um eine – straflose – berufstypisch-neutrale Handlung, sofern der Editor nicht auf die gezielte Einbettung von NS-Symbolen ausgerichtet ist.

14 So Ellbogen, in: BeckOK-StGB, § 86a Rn. 42; a. A. Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 32; Reuter, S. 225; vgl. auch BT-Drs. 10/1286, S. 7. 15 Becker, in: M/R, StGB, § 86 Rn. 23; zu weiteren Irrtumskonstellationen sogleich Kap. 7 B. II. 16 Umfassend Reuter, S. 264. 17 Ähnl. Bosch, S. 223; Sieber, in: H/S/H, Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 38.

B. Strafrechtliche Haftung des Verkäufers

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IV. Ergebnis Die an der Herstellung eines Computerspiels beteiligten Personen machen sich regelmäßig nicht nach § 86a Abs. 1 StGB strafbar. Gerade die international tätigen Entwicklungsstudios sind in der Vergangenheit durch einen sehr vorsichtigen Umgang mit den Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Erscheinung getreten, um die Vermarktungsfähigkeit der Computerspiele in Deutschland zu gewährleisten.18 Bei dem Großteil der auffälligen Spiele handelt es sich um Amateurproduktionen, die durch Einzeltäter entwickelt und im Internet vertrieben werden. Eine solche Tätigkeit ist von vornherein nicht auf eine Vermarktung unter Beachtung der Altersfreigabekennzeichnung und der Konformität mit strafrechtlichen Regeln gerichtet. Eine auf wirtschaftliche Zwecke ausgerichtete Produktion ist mit der billigenden Inkaufnahme der Verbreitung inkriminierter Inhalte nicht zu vereinbaren.

B. Strafrechtliche Haftung des Verkäufers durch den Vertrieb inkriminierter Datenträger I. Verbreiten durch den Verkauf des inkriminierten Inhalts Mit dem Verkauf – nicht bereits mit dem bloßen Auslegen eines Spiels – erfolgt die eigentliche Verbreitungshandlung.19 Ist die inhaltliche Ausgestaltung des Computerspiels vom objektiven Tatbestand des § 86a StGB erfasst, so kommt eine täterschaftliche Begehung des Händlers in Betracht. Die regelmäßig lose Verbindung zwischen dem Hersteller und dem Verkäufer genügt wohl nicht den Anforderungen einer mittäterschaftlichen Begehung nach § 86a Abs. 1 i. V. m. § 25 Abs. 2 StGB.20 Etwas anderes ist anzunehmen, wenn inkriminierte Inhalte vom Entwickler unter umfassender vorheriger Beschreibung und Visualisierung des Spielinhalts an den Händler herangetragen werden und letzterer in Kenntnis des Inhalts die Verbreitung vornimmt. Denkbar wäre ein solches Vorgehen etwa innerhalb rechtsextremistischer Kreise. Die Praxisrelevanz dürfte aber weit hinter der strafrechtsdogmatischen Einordnung des Problems zurückbleiben und kaum einen spezifischen Anknüpfungspunkt zu Computerspielen aufweisen.

18

Schwiddessen, CR 2015, 92, 93; ders., CR 2017, 681, 689. So auch zur Tathandlung des Zugänglichmachens Liesching, in: Hamburger Kommentar, Gesamtes Medienrecht, 79. Abschnitt Rn. 3; beim Verkaufen handelt es sich um ein Verbreiten, BGHSt 19, 63, 71; OLG Bremen, StV 1988, 21; Reuter, S. 220, 224. 20 Reuter, S. 222. 19

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Kapitel 7: Strafrechtliche Haftungsrisiken

II. Vorsatz und die strafrechtliche Wirkung der Altersfreigabekennzeichnung Setzt sich der Verkäufer nicht mit dem Inhalt eines Werks auseinander und existiert eine Altersfreigabekennzeichnung nach dem JuSchG, so liegt mangels inhaltlicher Tatsachenkenntnis des Werks kein Vorsatz zum Kennzeichen oder zur Tathandlung vor. Dieser Eindruck verstärkt sich bei einem umfangreichen und strafrechtlich irrelevanten Sortiment.21 Der seriöse Datenträgerhandel umfasst nur Trägermedien, die eine von außen erkennbare Kennzeichnung nach § 12 Abs. 2 JuSchG führen.22 Unter Berücksichtigung dieser Altersfreigabekennzeichnung für Computerspielinhalte durch die Institutionen des Jugendmedienschutzes sind für die beteiligten Akteure umfangreiche Konstellationen zu Fehlvorstellungen denkbar. Jedenfalls bedeutet die Altersfreigabekennzeichnung durch die USK keine Ermittlungssperre für die Strafverfolgungsorgane und greift insofern nicht in die Strafverfolgung ein.23 Teilweise wird bereits in der Literatur darauf hingewiesen, dass im Zuge des Vertriebs von Computerspielen mit inkriminierten Inhalten, die gleichwohl eine Altersfreigabekennzeichnung erhalten haben, vorsatz- und schuldausschließende Irrtümer in Betracht kommen.24 Die Altersfreigabekennzeichnung offenbart dem Händler die vorangegangene Jugendmedienschutzprüfung. Schwiddessen spricht hinsichtlich des Verwaltungsakts von einer staatlichen Legitimationswirkung.25 Zutreffend ist ein inkriminierter Inhalt, der die Strafbarkeitsgrenze zu § 86a StGB überschreitet, jugendmedienschutzrechtlich nicht kennzeichnungsfähig. Mit dem Vorliegen einer Altersfreigabekennzeichnung des Trägermediums nach §§ 12, 14 JuSchG darf der Händler davon ausgehen, dass die Grenzen des objektiven Tatbestands des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht überschritten sind. Andernfalls wäre der Händler stets zur umfassenden inhaltlichen Prüfung des Werks aufgerufen. Eine solche Prüfungspflicht besteht nicht. Auch wäre sie mit Blick auf hunderte angebotene Titel kaum durchführbar und würde die Rechtssicherheit, die mit einer Altersfreigabekennzeichnung erreicht werden 21

Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86a Rn. 31 m. w. N. Höynck, ZIS 2008, 206, 214. 23 Liesching, in: Liesching/Schuster, Jugendschutzrecht, § 27 JuSchG Rn. 11; vgl. Schwiddessen, ZUM 2015, 226, 230 f. 24 Schwiddessen, MMR 2015, 18 f.; ders., MMR 2016, 161, 164 f.; Höynck, ZIS 2008, 206, 214 spricht sich für eine Berücksichtigung der Altersfreigabekennzeichnung auf Ebene der Schuld aus; BGH, NJW 2006, 522, 531 weist hinsichtlich der Beurteilung der rechtlichen Natur der vorherrschenden Fehlvorstellung auf das Erfordernis des Rückgriffs auf wertende Kriterien hin; zust. Liesching, in: Liesching/ Schuster, Jugendschutzrecht, § 27 JuSchG Rn. 12. 25 Schwiddessen, CR 2015, 515, 518. 22

B. Strafrechtliche Haftung des Verkäufers

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soll, letztlich auf null reduzieren. Insbesondere ist dem Händler auch bei einer Covergestaltung, die auf ein Weltkriegsthema hinweist, kein billigendes Inkaufnehmen des Verbreitens eines inkriminierten Inhalts anzulasten, weil eine inhaltliche Prüfung unterlassen wurde. Weiß der Händler um die Kennzeichenimplementierung, so darf er im Zuge der als Verwaltungsakt erteilten Altersfreigabekennzeichnung davon ausgehen, dass das Werk im Hinblick auf § 86a StGB vertriebsfähig ist.26 Er hat keinen Anlass an der jugendmedienschutzrechtlichen Altersfreigabekennzeichnung zu zweifeln.27 Gleichwohl ist rechtsdogmatisch festzustellen, inwieweit sich die Fehlvorstellung des Händlers oder Publishers über die Vertriebsfähigkeit des Werkes dessen Strafbarkeit auswirkt. In Betracht kommt ein Irrtum hinsichtlich der Sozialadäquanzklausel aufgrund der fehlerhaften Altersfreigabekennzeichnung. Insoweit ist einerseits ein Irrtum über die Reichweite der Sozialadäquanzklausel, andererseits ein Irrtum über die Voraussetzungen derselben denkbar.28 Eine als Verbotsirrtum zu behandelnde Fehlvorstellung über die Reichweite der Sozialadäquanzklausel29 setzt die Fehlvorstellung voraus, dass die konkrete Kennzeichenimplementierung innerhalb des Computerspiels nicht durch die Merkmale der Sozialadäquanzklausel erfasst werden. Insofern müsste der Händler nicht nur um die Einbettung der NS-Symbole als solche wissen, sondern sich aller konkreten Umstände der akustisch-visuellen Wahrnehmbarkeit derselben bewusst sein und der Fehlvorstellung unterliegen, dass gerade diese innermediale Verwendung von der Sozialadäquanzklausel erfasst sei. Selbst wenn der Händler positive Kenntnis – etwa aufgrund eigener Affinität zum Computerspiel, der allgemeinen Berichterstattung oder Hinweisen auf der Covergestaltung des Werks – hinsichtlich der Implementierung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen hat, wird er mit der Vermarktung davon ausgehen, dass zumindest die Grenzen der Sozialadäquanzklausel nicht überschritten sind. Ein Verbotsirrtum mit dem Verkauf des Datenträgers ist wohl oft unvermeidbar, § 17 S. 1 StGB. Die Institutionen des Jugendmedienschutzes gehen nach vollständiger inhaltlicher Prüfung davon aus, dass das Werk nicht einmal jugendgefährdend ist. Die materiellen Strafbarkeitsvoraussetzungen können nicht geringer sein als solche des § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG. Zwar erstreckt sich der Unzulässigkeitskatalog des § 15 Abs. 2 Nr. 1 JuSchG nicht auf § 86a StGB. Auch vermag die USK nicht die 26

Schwiddessen MMR 2016, 161, 165. Zutreffend Höynck, ZIS 2008, 206, 214. 28 Reuter, S. 261. 29 Anstötz, in: MüKo-StGB, § 86 Rn. 45; Bonefeld, DRiZ 1993, 430, 437; Peters, in: FS-Welzel, S. 415, 429; Reuter, S. 261; Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86 Rn. 16; Ziemann, in: AnwK-StGB, § 86 Rn. 25. 27

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Kapitel 7: Strafrechtliche Haftungsrisiken

materiell-strafrechtliche Reichweite des medialen Inhalts zu überprüfen. Gleichwohl betonte die USK als zentrale Schnittstelle zwischen dem Computerspielehersteller und dem Händler jüngst in ihren Leitkriterien, dass die Berücksichtigung der Sozialadäquanzklausel nach § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB auch jugendmedienschutzrechtliche Relevanz entfalten kann und verweist ausdrücklich auf eine entsprechende Abwägung des Inhalts mit der Kunstfreiheit.30 Es wäre unbillig, einen Händler nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu bestrafen, weil er wissentlich Spiele vermarktet, die NS-Symbole enthalten, obwohl im Rahmen eines inhaltlichen Prüfungsverfahrens die Unbedenklichkeit des Inhalts für Jugendliche ab einem bestimmten Alter festgestellt wurde und dahingehend ein bestandskräftiger Verwaltungsakt erlassen wurde. Andernfalls wären das Prüfungsverfahren der USK und insbesondere der Verwaltungsakt der OLJB für den Händler faktisch wertlos, wäre er doch weiterhin der Gefahr der Strafverfolgung ausgesetzt. Mit Blick auf die komplexe kommunikative Struktur der Kennzeicheneinbettung in teilweise mehreren Spielmodi vermögen wohl nur die wenigsten Händler eine über das bloße Vorhandensein der Kennzeichen im Spiel hinausgehende Kenntnis zu besitzen. In diesem Falle irrt der Händler nicht über die Reichweite der Sozialadäquanzklausel, sondern über die inhaltlichen Elemente, die den Tatbestandsausschluss nach seiner Vorstellung bewirken. Es handelt sich in diesem Fall wohl regelmäßig um einen vorsatzausschließenden Tatumstandsirrtum nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB.31 Ein identisches Bild zeigt sich für den internetbasierten Vertrieb des Werks durch die Betreiber von Spieleplattformen, die zwar Kenntnis von der Implementierung der Kennzeichen selbst haben, aber aufgrund der Altersfreigabekennzeichnung einer Fehlvorstellung hinsichtlich der inhaltlichen Ausgestaltung des Werks unterliegen. In vielen Fällen wird es auf einen Irrtum mit Blick auf die Sozialadäquanzklausel nicht ankommen. Kaum ein Computerspiel weist bereits im Zuge der Covergestaltung deutlich auf das Vorhandensein von NS-Kennzeichen hin. Lebensnah ist davon auszugehen, dass ein Großteil der Händler überhaupt keine Kenntnis von den implementierten Kennzeichen haben, ihnen insoweit also bereits der erforderliche Vorsatz hinsichtlich des Kennzeichens32 selbst fehlt. Die aus § 86a StGB erwachsenden materiell-strafrechtlichen Risiken sind für Händler trägermedialer Computerspiele überaus gering.

30

Leitkriterien USK, S. 23. Vgl. Fischer, StGB, § 86a Rn. 23; Reuter, S. 261; Sternberg-Lieben, in: Sch/ Sch, StGB, § 86 Rn. 16. 32 Reuter, S. 260. 31

C. Strafrechtliche Haftung des Betreibers von Spieleplattformen

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C. Strafrechtliche Haftung des Betreibers von Spieleplattformen Kommunikationsvorgänge im Internet sind durch ein kumulatives Zusammenwirken mehrerer Personen gekennzeichnet. An der Schaffung der Wahrnehmbarkeit von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Computerspielinhalten unter Nutzung des Internets sind neben dem Begehungstäter, der die Daten hochlädt, auch Network-Provider beteiligt, um die Informationen auf den entsprechenden Server zu übertragen. Ferner bedarf es freier Speicherkapazitäten, die durch einen Host-Server zur Verfügung gestellt werden.33 Dem Phänomen zunehmender Kriminalität unter Nutzung des Internets kann mit dem rechtsgebietsübergreifenden Haftungsregularium34 des TMG begegnet werden. Mit der Vermarktung von Computerspielen auf internetbasierten Spieleplattformen treten auch deren Betreiber innerhalb des Kommunikationsvorgangs auf und ermöglichen funktionell die Nutzung fremder und eigener Telemedien.

I. Aufnahme inkriminierter Inhalte in das Angebot 1. Täterschaft oder Teilnahme Inwieweit internetspezifische Handlungen im Umgang mit inkriminierten Inhalten von den einzelnen Beteiligten als täterschaftlicher oder als Teilnahmebeitrag anzusehen sind, wird durchaus unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird bereits die Tathandlung des gezielten Setzens eines Hyperlinks für bereits im Internet verfügbare inkriminierte Inhalte als täterschaftliches Zugänglichmachen qualifiziert.35 Zwar eröffnet das Setzen eines Hyperlinks eine neue Möglichkeit der konkreten Wahrnehmbarkeit des Inhalts auf einem neuen digitalen Weg und könnte als Zugänglichmachen zu verstehen sein. Gleichwohl ist der Inhalt bereits im Internet verfügbar und das Setzen des Hyperlinks erzeugt keine Möglichkeit der Einflussnahme auf den Inhalt selbst, sondern ist als digitaler Wegweiser zu verstehen. Wird der Inhalt vom Urheber entfernt, so läuft auch der Hyperlink ins Leere. Aufgrund mangelnder Einflussnahme auf den Inhalt wird auch eine Beihilfestrafbarkeit in Be33

Ausführlich Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 176. BT-Drs. 14/6098, S. 23; BT-Drs. 16/3078, S. 15; KG, NJW 2014, 3798, 3799; Heinrich, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 6 Rn. 73; Mitsch, Medienstrafrecht, § 6 Rn. 26 ff. 35 In diese Richtung weisend OLG Stuttgart, MMR 2006, 387, 388; krit. Heinrich, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 6 Rn. 81; a. A. Eisele, in: Sch/Sch, StGB, § 184 Rn. 80. 34

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Kapitel 7: Strafrechtliche Haftungsrisiken

tracht gezogen.36 Die Auslegungsdivergenzen, die bereits hinsichtlich des Setzens einfacher Hyperlinks bestehen, bieten Anlass, den konkreten Ablauf der Veröffentlichung von Computerspielen genauer zu betrachten. In der Regel nimmt der Entwickler eines Mediums mit dem Betreiber einer Spieleplattform37 Kontakt auf und bekundet sein Interesse an der Veröffentlichung eines Werks. Hierzu werden eine kurze Beschreibung und sehr knappe, gar rudimentäre visuelle Eindrücke des Spiels dem Antrag beigefügt, um einen Eindruck zum Genre zu vermitteln und das Spiel kurz zu beschreiben.38 Es erfolgt eine Art Freigabe durch den Diensteanbieter, weil auch eine wirtschaftliche Beteiligung des Betreibers der Spieleplattform am Vermarktungsumsatz des Herstellers vereinbart wird. Eine inhaltliche Prüfung des Werks aber unterbleibt und kann auch vom Betreiber der Spieleplattform, der tausende Titel anbietet, nicht geleistet werden. Allein die Nutzer sollen über den Unterhaltungswert und den Erfolg eines Mediums entscheiden, weshalb der Diensteanbieter selbst keine zu hohen Anforderungen an die Antragsbewilligung stellt, sondern lediglich die ungehinderte Kommunikation zum Entwickler und die Zuordnungsfähigkeit des Werks durch die Erforderlichkeit der Kontaktdaten sicherstellt. Der Spieleplattformbetreiber stellt einen Speicherort sowie eine Software zur Präsentation und Implementierung des Inhalts in das Plattformdesign zur Verfügung.39 Die Preisgestaltung, visuelle Konfiguration des Angebots und den Gesamtinhalt bestimmt der Entwickler, wobei der Plattformbetreiber regelmäßig die digitalen Gestaltungswerkzeuge zur Veröffentlichung bereitstellt. Die Einflussnahme des Plattformbetreibers beschränkt sich auf das Bereitstellen des Speicherplatzes, erstreckt sich damit nicht auf eine inhaltliche Konfiguration des Werks. Der Interessent wird auf unzulässige Inhalte hingewiesen.40 Ein gemeinsamer Tatplan, oder ein sonstiges kollusives Zusammenwirken ist nicht erkennbar, weil über die Inhalte keine Absprachen getroffen werden.41 Vielmehr fördert das Betreiben der Plattform die effektive kommunikative Reichweite des Spielinhalts, indem potenzielle Kaufinteressenten durch die Aufnahme des Mediums in die Spieleplattform Zugang zum Inhalt erhalten. Vergleicht man den konkreten Tatbeitrag des Plattformbetreibers mit Vorgängen der analogen Welt, könnte 36

LG Karlsruhe, MMR 2009, 418, 419. Genannt seien in diesem Zusammenhang etwa die Plattform „Steam“ oder „Epic Games“. 38 https://partner.steamgames.com/steamdirect (Stand: 22.02.2021); https://www. epicgames.com/store/de/about (Stand: 30.06.2021). 39 Bode, ZStW 127 (2015), 937, 942. 40 So etwa bei „Steam“: https://partner.steamgames.com/steamdirect (Stand: 18.02.2021); ähnl. bei „Epic Games“: https://www.epicgames.com/site/de/tos (Stand: 01.06.2021). 41 So auch Handel, MMR 2017, 227 zu sozialen Netzwerken. 37

C. Strafrechtliche Haftung des Betreibers von Spieleplattformen

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der Diensteanbieter als eine Art Lagerhausverwalter betrachtet werden.42 Das Betreiben des Dienstes und die Ermöglichung des Uploads durch Dritte kann lediglich als Beihilfehandlung i. S. d. § 27 Abs. 1 StGB qualifiziert werden.43 2. Das TMG als Vorfilter? Spieleplattformbetreiber sind als Diensteanbieter i. S. d. § 2 S. 1 Nr. 1 TMG zu qualifizieren.44 Für Diensteanbieter gelten die rechtsgebietsübergreifenden Regeln zur Providerhaftung, §§ 7 ff. TMG. Die Vorschriften zur Providerhaftung werden teilweise unter Verweis auf die Gesetzgebungsmaterialien als Vorfilter verstanden.45 Der EuGH interpretierte die dem TMG zugrundeliegenden Tatbestände nach Art. 12–15 ECRL wohl als Nachfilter, die zur Anwendung gelangen, wenn der Betroffen überhaupt nach nationalem Recht haften kann.46 Zwar kann dem Wortlaut der Gesetzgebungsmaterialien die Konzeption eines vorstrafrechtlichen Filters entnommen werden.47 Eine neue – sich vom materiellen Strafrecht ablösende – Sonderdogmatik wollte der Gesetzgeber aber wohl kaum schaffen.48 Vielmehr enthält er sich einer dogmatischen Einordnung, weshalb der Rechtsanwender auf die Implementierung in die bestehende Systematik zu verweisen ist.49 §§ 7 Abs. 2–10 TMG normieren je nach konkreter Tätigkeit des Dienstanbieters Haftungsprivilegierungen, welche die allgemeinen strafrechtlichen Grundsätze modifizieren50 und in die 42

Bode, ZStW 127 (2015), 937, 946. OLG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2014, 87, 88; Hassemer, NJW 2014, 3801; Kovacs, S. 137 f.; Bode, ZStW 127 (2015), 937, 942, 983 merkt an, dass bei einer kommerziellen Beteiligung des angeworbenen Nutzers am Geschäftsmodell auch eine mittäterschaftliche Begehung in Betracht kommt. 44 Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 177; Mitsch, Medienstrafrecht, § 6 Rn. 21; Müller-Broich, in: NK-TMG, § 2 Rn. 1; Ricke, in: Recht der elektronischen Medien, § 2 TMG Rn. 2. 45 BT-Drs. 13/7385, S. 51; BT-Drs. 14/6098, S. 23; BGH, NJW 2003, 3764 f.; OLG Düsseldorf, MMR 2004, 315, 316; Altenhain, in: MüKo-StGB, Vorb. § 7 TMG Rn. 5 ff.; Bär, in: W/J/S, HB Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 15. Kap. Rn. 192; Hoeren, Internet- und Kommunikationsrecht, S. 415. 46 EuGH, MMR 2011, 596, 602. 47 BT-Drs. 14/6098, S. 23. 48 Bode, ZStW 127 (2015), 937, 945; Mitsch, Medienstrafrecht, § 6 Rn. 24 merkt zutreffend an, dass für Irrtümer im Falle einer Vorfilterlösung keine Regelungen bestehen. 49 Bode, ZStW 127 (2015), 937, 945. 50 Müller-Broich, in: NK-TMG, Vor §§7 – 10 Rn. 1; Sobola, in: A-R/C, HB ITund Datenschutzrecht, § 42 Rn. 48; wohl die Vorfilterlösung bevorzugend Sieber, in: H/S/H, Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 14. 43

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Kapitel 7: Strafrechtliche Haftungsrisiken

bestehende Dogmatik eingebunden werden können.51 Die Privilegierung erfasst nicht allein Täter, sondern auch Teilnehmer der Tat.52 3. Strafrechtliche Haftungsprivilegierung des TMG Gesetzessystematisch unterscheidet das TMG zwischen eigenen und fremden Informationen. Für eigene Informationen richtet sich die strafrechtliche Haftung gemäß § 7 Abs. 1 TMG nach den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen. Gleiches gilt für Informationen fremder Urheberschaft, die sich der Diensteanbieter zu eigen macht.53 Die Norm erfasst damit sog. ContentProvider. Dieser ist vom Host-Provider abzugrenzen, der einen dauerhaften Zugang zu fremden Inhalten vermittelt und Speicherkapazitäten für Dritte zur Verfügung stellt.54 Letzterer haftet gemäß § 10 S. 1 Nr. 1 TMG nur bei positiver Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung des Dritten. Spieleplattformen sind auf Dauer angelegte Sammelbecken für Informationen Dritter. Die von diesen zur Verfügung gestellten Inhalte stammen meist nicht vom Diensteanbieter selbst,55 werden aber für andere Nutzer dauerhaft angeboten und präsentiert. Inwieweit es sich bei Inhaltsanbietern um privilegierte HostProvider handelt, wird unterschiedlich beurteilt.56 a) Spruchpraxis und Literatur zum Merkmal des Zu-eigen-Machens fremder Informationen Grundsätzlich macht sich Informationen und Inhalte Dritter zu eigen, wer in Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls von außen erkennbar die Verantwortung für diese übernehmen möchte. Der objektive Empfängerhori-

51 Haft/Eisele, JuS 2001, 112, 117; Hassemer, NJW 2014, 3801; ausführlich Mitsch, Medienstrafrecht, § 6 Rn. 24 ff. 52 Wolters/Greco, in: SK-StGB, § 184, Rn. 26. 53 Eisele, Computer- und Medienstrafrecht, § 4 Rn. 10; Fischer, StGB, § 184 Rn. 28b; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 199; Mitsch, Medienstrafrecht, § 6 Rn. 27; a. A. Paal/Hennemann, in: BeckOK-Informations- und Medienrecht, § 7 TMG Rn. 32 ff. 54 BT-Drs. 14/6098, S. 25; Eisele, Computer- und Medienstrafrecht, § 4 Rn. 10; Mitsch, Medienstrafrecht, § 6 Rn. 29. 55 Vgl. dazu Hoffmann/Volkmann, in: Recht der elektronischen Medien, § 7 TMG Rn. 14. 56 Die begriffliche Abgrenzung zwischen den Providern ist nicht unmittelbar dem TMG zu entnehmen, sondern resultiert aus Art. 12–15 ECRL, aus der die nationalen Haftungsprivilegierungen des TMG erwuchsen; siehe Paal/Hennemann, in: BeckOKInformations- und Medienrecht, § 7 TMG Rn. 4.

C. Strafrechtliche Haftung des Betreibers von Spieleplattformen

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zont des durchschnittlichen Nutzers ist entscheidend.57 Spruchpraxis und Literatur haben unterschiedliche Kriterien entwickelt, um eine Abgrenzung zwischen fremden und zu eigen gemachten Informationen zu ermöglichen. Teilweise wird angemerkt, die Haftungsprivilegierungen nach Art. 12–15 ECRL würden die Figur des zu eigen Machens nicht kennen und lediglich auf den Nutzer abstellen, der die Informationen eingegeben hat.58 Mit Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht im Zuge der Vollharmonisierung59 könne für §§ 7 ff. TMG nichts anderes gelten.60 Nach dieser Auffassung würde es sich bei Spielinhalten auf Spieleplattformen, die nicht vom Betreiber derselben herrühren, stets um fremde Informationen handeln. Gesetzgeberische Überlegungen legen hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Haftungsprivilegierung des § 10 TMG die Beschränkung auf automatisierte Vorgänge des Host-Providers nahe.61 Unweit dieser Erwägungen ist auch der EuGH der Auffassung, der Betreiber mache sich fremde Informationen zu eigen, wenn er aus einer rein technisch orientierten, automatisierten und passiven Funktion in eine aktive Rolle eintritt, die keine neutrale Vermittlung erkennen lässt und die Kenntnis der Daten ermöglicht.62 Ein neutrales Verhalten scheide aus, wenn eine optimierende Präsentation und Werbung für die Produkte vorgenommen werden.63 Ähnlich stellen Teile der Literatur auf den Anschein ab, der Anbieter billige und dulde die Infor57 BGH, NJW-RR 2010, 1276, 1278; BGH, MMR 2015, 726, 728; BGH, GRUR 2016, 855, 856; OLG Köln, NJW-RR 2002, 1700, 1701; OLG Brandenburg, MMR 2004, 330, 331; OLG Düsseldorf, MMR 2004, 315, 317; OLG Hamburg, MMR 2011, 49, 50; LG Hamburg, MMR 2010, 833; Eisele, in: Sch/Sch, StGB, § 184 Rn. 80; Hilgendorf, in: S/S/W, StGB, § 184 Rn. 25; Helmschrot, in: MAH IT-Recht, Teil 5.3 Rn. 27; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 200; Hoffmann/ Volkmann, in: Recht der elektronischen Medien, § 7 TMG Rn. 18; Kartal-Aydemir/ Krieg, MMR 2012, 647, 648; Kovacs, S. 150 f.; Müller-Broich, in: NK-TMG, § 7 Rn. 2; Nieland, NJW 2010, 1494, 1496; Spindler, NJW 1997, 3193, 3196; krit. Paal/ Hennemann, in: BeckOK-Informations- und Medienrecht, § 7 TMG Rn. 31a ff. 58 Paal/Hennemann, in: BeckOK-Informations- und Medienrecht, § 7 TMG Rn. 32; Sieber/Höfinger, in: H/S/H, Multimedia-Recht, Teil 18.1 Rn. 39. 59 Fischer, StGB, § 184 Rn. 26. 60 Hoffmann/Volkmann, in: Vorb. § 7 TMG Rn. 21; Paal/Hennemann, in: BeckOKInformations- und Medienrecht, § 7 TMG Rn. 34; Sieber/Höfinger, in: H/S/H, Multimedia-Recht, Teil 18.1 Rn. 39. 61 BT-Drs. 14/6098, S. 25. 62 EuGH, NJW 2010, 2029, 2035 Rn. 114; EuGH, MMR 2011, 596, 602 f. Rn. 113, 116; OLG Hamburg, MMR 2016, 269, 271 Rn. 131; vgl. Paal/Hennemann, in: BeckOK-Informations- und Medienrecht, § 7 TMG Rn. 34a; a. A. Eisele, in: Sch/ Sch, StGB, § 184 Rn. 80. 63 EuGH, MMR 2011, 596, 602 f. Rn. 113 ff.; ähnl. Sobola, in: A–R/C, HB IT- und Datenschutzrecht, § 42 Rn. 13.

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Kapitel 7: Strafrechtliche Haftungsrisiken

mationen.64 Der BGH hingegen differenziert danach, ob ein konkreter Identifikationsakt mit dem Inhalt erkennbar ist. Mit einer redaktionellen Überprüfung von Informationen Dritter nehme der Betreiber inhaltlich Einfluss und mache sie sich zu eigen.65 In der Grundsatzentscheidung des BGH – marionskochbuch.de – stellte das Gericht zudem auf die deutliche Einbettung eines Inhalts unter einem eigenen Logo ab.66 Auch der typische Gebrauch des durchschnittlichen Nutzers sei einzubeziehen.67 Für den Diensteanbieter der Verkaufsplattform eBay handle es sich bei den auf der Plattform angebotenen Inhalten um fremde Informationen Dritter.68 So führt das Gericht aus, dass der Betreiber der Vertriebsplattform weder Vertragspartner wird, noch sämtliche Inhalte zur Kenntnis nimmt. Die Verfügbarkeit der gehandelten Gegenstände resultiert aus der Handlungsvornahme durch den Vertriebsinteressenten selbst.69 Insgesamt tendiert der BGH auch bei der Moderation der Inhalte und der Lieferung eines Zahlungs- und Abwicklungssystems zu einer restriktiven Auslegung des Zu-eigen-Machens. Die Attraktivitätssteigerung und Präsentation des Angebots stehen demnach einer Zuordnung als Host-Provider nicht entgegen.70 Die obergerichtliche Spruchpraxis orientierte das Zueigen-Machen fremder Informationen an einer von außen erkennbaren Distanzierung zum Inhalt und der Einräumung umfassender Nutzungsrechte, sowie der präventiven Prüfung des Inhalts.71 Zutreffend fragt das OLG Hamburg danach, ob jedem Nutzer der einschlägigen Plattform klar sei, dass es sich um fremde Inhalte handle.72 Wird der Inhalt in das eigene Angebot des Diensteanbieters implementiert, sodass dieser als dessen Teil erscheint, 64 Hilgendorf, in: S/S/W, StGB, § 184 Rn. 25; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 200. 65 BGH, GRUR 2016, 855, 857; BGH, GRUR 2017, 844; so auch Kovacs, S. 141. 66 BGH, NJW-RR 2010, 1276, 1278; Hoeren/Plattner, CR 2010, 417, 472 raten aufgrund der Entscheidung zum vorsichtigen Umgang mit Logos. 67 BGH, NJW-RR 2010, 1276, 1278 merkt an, dass Rezepte oftmals ausgedruckt verwendet werden und eine Abbildung des Rezeptes unter ein großflächiges Emblem bei nur unscheinbarem Verweis auf den tatsächlichen Autor den Anschein erweckt, dass der Betreiber der Plattform für den Inhalt die Verantwortung übernehmen wolle. 68 Auch das Computerspiel „Wolfenstein 3D“ war Bestandteil der angebotenen Gegenstände; siehe BGH, GRUR 2007, 890, 891 f. 69 BGH, GRUR 2007, 890, 894; ähnl. BGH, MMR 2011, 172, 173. 70 BGH, GRUR 2015, 485, 492 f. 71 OLG Köln, MMR 2002, 548; OLG Hamburg, ZUM 2009, 642, 644 f.; LG Düsseldorf, Urt. v. 14.08.2002 – 2a O 312/01 Rn. 38 (juris) stellt darauf ab, ob der Eindruck entsteht, der Anbieter sei mit dem Inhalt einverstanden; zur inhaltlichen Prüfung siehe auch Müller-Broich, in: NK-TMG, § 7 Rn. 2. 72 OLG Hamburg, ZUM 2009, 642, 645; OLG Hamburg, MMR 2016, 269, 270; Kartal-Aydemir/Krieg, MMR 2012, 647, 648; Valerius, in: BeckOK-StGB, Providerhaftung, Rn. 18.

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verstärke sich der Eindruck der Verantwortungsübernahme des Diensteanbieters.73 Somit vollziehe sich die Abgrenzung anhand der Art, dem Zweck und der Präsentation der Inhalte. Allgemeine Disclaimer genügen nicht.74 Zusammenfassend sollen neben einem positiven Identifikations- oder Aneignungsakt, die erkennbare Distanz zum Inhalt, der Anschein der Billigung und Duldung, die Kenntnisnahme der Inhalte, die Einräumung umfassender Vertriebs-, Nutzungs-, und Urheberrechte und die Vornahme einer präventiven inhaltlichen Prüfung entscheidend sein. b) Wertungen des Jugendmedienschutzes Für Spieleplattformen fand jüngst § 14a Abs. 1 JuSchG Eingang in das medienschutzrechtliche Konvergenzgefüge und definiert diese als: „Diensteanbieter, die […] Spielprogramme in einem Gesamtangebot zusammenfassen und mit Gewinnerzielungsabsicht als eigene Inhalte zu einem von den Nutzerinnen und Nutzern gewählten Zeitpunkt bereithalten.“

Nach den Ausführungen des Gesetzgebers soll eine Zusammenfassung i. S. d. § 14a Abs. 1 JuSchG auch dann anzunehmen sein, wenn lediglich eine geringfügige inhaltliche Kontrolle vorgenommen und der Inhalt in einem automatisierten Verfahren vermarktet wird.75 Dies könnte dafür sprechen, dass sich Spieleplattformbetreiber die veröffentlichten Computerspielinhalte zu eigen machen und somit nicht in den Genuss einer Haftungsprivilegierung des § 10 TMG gelangen. Würde der Spieleplattformbetreiber die Computerspielinhalte als eigene Inhalte vermarkten, so wäre der Anwendungsbereich des § 7 Abs. 1 TMG eröffnet und die Strafhaftung würde sich nach den allgemeinen Grundsätzen richten, sodass es auf §§ 7 Abs. 2 ff TMG nicht ankäme. c) Stellungnahme für Spieleplattformbetreiber aa) Spieleplattformen als Host-Provider Teleologisch sind die Verantwortlichkeitsregeln nach §§ 7–10 TMG auf eine rechtsgebietsübergreifende Limitierung der Providerhaftung ausgerich73

OLG Hamburg, ZUM 2009, 642, 644. OLG Köln, MMR 2002, 548; OLG Hamburg, ZUM 2009, 642, 644; ausführlich Hoffmann/Volkmann, in: Recht der elektronischen Medien, § 7 TMG Rn. 29 ff.; Kochheim, Cybercrime, Kap. 2 Rn. 183; Kovacs, S. 142; Stadler/Roggenkamp, in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 1.4 Rn. 477. 75 BT-Drs. 19/24909, S. 47. 74

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Kapitel 7: Strafrechtliche Haftungsrisiken

tet. Sie gilt im Rahmen des materiellen Strafrechts auch für Teilnahmehandlungen.76 Es liefe dem Privilegierungsgedanken zuwider, würde dieser gerade im Bereich des materiellen Strafrechts als schärfstes Schwert des Staats zur Ordnung des gesellschaftlichen Zusammenlebens durch eine extensive Auslegung des sich Zu-eigen-Machens unterlaufen.77 Zutreffend bedarf es eines positiven Aneignungsakts, weil die strafrechtliche Haftungsprivilegierung andernfalls auf die ausdrückliche Ablehnung der Inhalte durch den Diensteanbieter verkürzt würde und sozialadäquates Verhalten, das im Bereitstellen einer Handelsplattform zu erkennen ist, nach den allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen wäre. Ein neutrales Verhalten bedeutet nicht, dass die Verantwortung für den Inhalt übernommen werden soll. Grundsätzlich verliert auch nach allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen eine neutrale Handlung erst dann ihren Alltagscharakter, wenn der Handelnde um die strafbare Zielrichtung des Haupttäters weiß und sich mit diesem solidarisiert.78 In vollkommener Unkenntnis eines deliktischen Sinnbezugs des Uploads eines inkriminierten Inhalts kann sich eine Beihilfestrafbarkeit nicht aus der Tathandlung des neutralen Betreibens der Plattform ergeben.79 Zwar wird darauf hingewiesen, dass die Neutralität des Betreibens der Plattform bei struktureller inhaltlicher Ausrichtung – etwa gezielt auf rechtswidrige Inhalte – entfällt.80 Ein solcher Fall ist mit Blick auf die seriösen Spieleplattformen aber nicht gegeben. Grundsätzlich sind Spieleplattformen wie „Epic Games“ oder „Steam“ als internetbasierter Marktplatz für eigene und fremde Computerspiele zu verstehen. Allein die wirtschaftliche Partizipation an der Vermarktung bestimmter Inhalte und die Einräumung von Nutzungs- und Vertriebsrechten vermag keine positive Aneignung zu begründen.81 Vertriebsrechte sind der zivilrechtliche Ausgangpunkt, um den kommerziellen Betrieb einer Plattform überhaupt zu gewährleisten. Die Privilegierung soll unabhängig von einer wirt76

KG, NJW 2014, 3798, 3800. Mitsch, Medienstrafrecht, § 6 Rn. 27; so auch im Ergebnis Hoffmann/Volkmann, in: Recht der elektronischen Medien, § 7 TMG Rn. 16. 78 BGH, NJW 2001, 2409, 2410; OLG München, GRUR 2016, 612, 616; B/W/M/ Eisele, § 26 Rn. 116 ff.; Roxin, AT II, § 26 Rn. 221; a. A. Beckemper, JURA 2001, 163, 166. 79 Siehe Roxin, AT II § 26 Rn. 221. 80 Bode, ZStW 127 (2015) 937, 970; Ceffinato, JuS 2017, 403, 407; Helmschrot, in: MAH IT-Recht, Teil 5.3 Rn. 31; Wolters/Greco, in: SK-StGB, § 184, Rn. 25. 81 OLG Zweibrücken, MMR 2009, 541; OLG Hamburg, MMR 2016, 269, 271 f.; Müller-Broich, in: NK-TMG, § 7 Rn. 2; auch bei Auktionen werden Gegenstände präsentiert, ohne dass sich der Betreiber der Auktion die Inhalte zu eigen macht. Ausführlich dazu OLG Brandenburg, MMR 2004, 330 ff.; KG, NJW 2014, 3798, 3799 stellt fest, dass sich die Haftungsprivilegierungen des Providers unabhängig von einer wirtschaftlichen Betätigung vollziehen; Eisele, in: Sch/Sch, StGB, § 184 Rn. 80. 77

C. Strafrechtliche Haftung des Betreibers von Spieleplattformen

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schaftlichen Einbringung des Diensteanbieters erfolgen.82 Ließe bereits die formelle Präsentation der Inhalte zu wirtschaftlichen Zwecken die Privilegierung entfallen, so wäre eine kommerzielle Partizipation an fremden Inhalten kaum möglich und würde die Wirkungen des § 10 TMG faktisch auf unentgeltliches Handeln verkürzen.83 Eine restriktivere Beurteilung mag sich ergeben, sofern der Entwickler des Spiels kaum am Verkaufserlös beteiligt wird.84 Viele Plattformen reichen aber – soweit ersichtlich – zwischen 65 % und 88 % des Verkaufserlöses direkt an den Entwickler weiter, um die Plattform auch für die Computerspielehersteller attraktiv zu halten.85 Vermag das kommerzielle Interesse des Anbieters an den Inhalten der Plattform keinen Aneignungsakt zu begründen, so kann für die Einräumung von Nutzungs- und Vertriebsrechten nichts anderes gelten.86 Die Privilegierungswirkung ist in keiner Weise an wirtschaftliche Betätigungen angelehnt. Exemplarisch stellt „Epic Games“ verschiedenste Inhalte zur Verfügung, deren einziger Zusammenhang in der medialen Erscheinungsform der Computerspiele zu erkennen ist. Eine Ausrichtung auf rechtswidrige oder strafbare Inhalte liegt nicht vor.87 Vielmehr weisen die umfangreichen Meldesysteme für den Nutzer zur Mitteilung anstößiger oder rechtswidriger Inhalte auf Gegenteiliges hin.88 Bereits vor Veröffentlichung wird der Interessent in den Bestimmungen darauf hingewiesen, dass rechtswidrige Inhalte nicht vertrieben werden dürfen. Die Spielinhalte werden mittels Verlinkungen des Publishers als „user-generated content“ identifiziert.89 Die Möglichkeit der inhaltlichen Einflussnahme auf das Computerspiel besteht nicht.90 Auch die Plattform „Steam“ distanziert sich in Punkt 5 der Abonnementvereinbarung ausdrücklich von Inhalten Dritter. Ferner wird auf die Erstel82 Nach BT-Drs. 13/7385, S. 19 ist für den Begriff des Diensteanbieters, der insoweit den Ausgangspunkt der Privilegierung bildet, nicht von Bedeutung, ob eine wirtschaftliche Tätigkeit verfolgt wird; Kauert, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. II, Kap. 6 Rn. 119. 83 Eisele, in: Sch/Sch, StGB, § 184 Rn. 80. 84 OLG Hamburg, ZUM 2009, 642, 645. 85 https://www.epicgames.com/store/de/about (Stand: 23.02.2021). 86 Vgl. Spindler, NJW 1997, 3193, 3196; a. A. Hoeren/Plattner, CR 2010, 471, 472. 87 Illustrativ Hoffmann/Volkmann, in: Recht der elektronischen Medien, § 7 TMG Rn. 18 f. 88 Ebenso mit Blick auf die Plattform „YouTube“: Wagner, GRUR 2020, 329, 333. 89 Hoeren/Plattner, CR 2010, 471, 472; Hoffmann/Volkmann, in: Recht der elektronischen Medien, § 7 TMG Rn. 19; Paal/Hennemann, in: BeckOK-Informationsund Medienrecht, § 7 TMG Rn. 36. 90 Valerius, in: BeckOK-StGB, Providerhaftung, Rn. 18.

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Kapitel 7: Strafrechtliche Haftungsrisiken

lung von Inhalten nach alleinigem Ermessen des Herstellers hingewiesen,91 ohne dass eine inhaltliche Gesamtprüfung des Werks vorgenommen wird. Die Kenntnis und Kontrolle des Diensteanbieters begrenzt sich auf einen sehr schmalen Bereich des vom Entwickler übersandten Inhalts und genügt nicht, um eine inhaltliche Prüfung zu bejahen. Die fehlende inhaltliche Prüfung und die fehlende Änderung des Inhalts des Computerspieleherstellers weisen auf die Tätigkeit als Host-Provider hin.92 Auch die Moderation der Inhalte Dritter durch eine genrespezifische Zuordnung und ein gezieltes Bewerben ist ein wichtiger Teilaspekt der wirtschaftlichen Vermarktung. Eine aktive Sortierung steht einer Distanzierung von den Inhalten nicht entgegen,93 weil ansonsten die Möglichkeit der Haftungsprivilegierung bei kommerzieller Tätigkeit des Diensteanbieters faktisch auf null reduziert würde. Teleologisch sollen Foren- und Plattformbetreiber in der zivil- und strafrechtlichen Haftung limitiert werden, wenn sie eine grundsätzlich nicht sozialschädliche Plattform zur Verfügung stellen und aufgrund der Datenmenge und des automatisierten Vorgangs keine Möglichkeit zur Überprüfung jeden Inhalts haben, ohne die Geschäftspraktik grundsätzlich zu ändern.94 Der Betrieb einer Spieleplattform zur Veröffentlichung von Drittinhalten ohne vorherige Inhaltsprüfung ist sozialadäquat.95 Dies gilt auch für den Betreiber einer Spieleplattform, der tausende Titel aus unterschiedlichen Genres zur Verfügung stellt. Eine bewusste Einzelauswahl der Inhalte und ein Zu-eigenMachen96 ist der Geschäftspraktik fernliegend. Hinzu kommt, dass lediglich eine ganzheitliche Prüfung der Spielinhalte durch den Plattformbetreiber die einzige Ausschlussmöglichkeit böte, dass Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in keiner strafrechtlich relevanten Form implementiert sind. Aufgrund immer größerer Spielwelten und teilweise hunderter Stunden in der Storyline einzelner Spiele ist dies personell und wirtschaftlich kaum zu leisten. Ein umfassendes Prüfungserfordernis würde den Anbieter überfordern. Mit der formellen Prüfung des Antrags des Entwicklers zur Veröffentlichung eines Werks macht sich der Betreiber dessen Inhalte nicht zu eigen, sondern ermöglicht eine jederzeitige Zuordnung eines jeden Computerspiels 91 „Steam“-Abonnementvereinbarung Punkt 6. A., abrufbar unter: https://store. steampowered.com/subscriber_agreement/?snr=1_44_44_#6 (Stand: 16.07.2021); eine ernsthafte Distanzierung forderte bereits Spindler, NJW 1997, 3193, 3196. 92 Müller-Broich, in: NK-TMG, § 10 Rn. 2 m. w. N. 93 Vgl. Bär, in: W/J/S, HB Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 15. Kap. Rn. 192. 94 LG Berlin, StV 2015, 222, 223; Eisele, in: Sch/Sch, StGB, § 184 Rn. 84; ders., Computer- und Medienstrafrecht, Rn. 16; Sieber, Verantwortlichkeit im Internet, Rn. 281. 95 OLG Hamburg, ZUM 2009, 642, 646; Kartal-Aydemir/Krieg, MMR 2012, 647, 650; ähnl. Sobola, in: A-R/C, HB IT- und Datenschutzrecht, § 42 Rn. 37. 96 Haft/Eisele, JuS 2001, 112, 116.

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zum entsprechenden Urheber als auch die Kontaktaufnahme. Daher weisen Inhalts- und Nutzungsrichtlinien der Plattform „Epic Games“ darauf hin, dass etwa gewaltverherrlichende oder rassistische Inhalte nicht hochgeladen werden dürfen.97 Auch enthalten die Nutzungsbedingungen ein Verbot zur Nutzung der Plattform für illegale Zwecke.98 Zwar vermögen Disclaimer keine Freizeichnung von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit zu bewirken.99 Aus einer objektiven Betrachtung ergibt sich gleichwohl lediglich ein allgemeines Vermarktungsinteresse an Inhalten, die in Einklang mit der Rechtsordnung stehen. Im Zuge einer Beurteilung der Gesamtumstände, die vor allem durch die Kennzeichnung fremder Inhalte als solche, umfassende Beschwerde- und Meldefunktionen für die Nutzer und eine qualifizierte Distanzierung von strafbaren Inhalten in den Nutzungsbedingungen, aufzeigt, handelt es sich bei den angebotenen Computerspielen für den Spieleplattformbetreiber um fremde Informationen.100 Eine restriktive Auslegungspraxis berücksichtigt zudem Art. 14 ECRL, der als europarechtliche Grundlage des § 10 TMG diente und ein Zu-eigen-Machen als eigenständige Konstellation nicht vorsah.101 Vollzieht sich die Umsetzung im Wege einer Vollharmonisierung, so kann der restriktive Wortlaut der ECRL insbesondere mit Blick auf strafrechtliche Haftungsmaßstäbe nicht vollkommen unbeachtet bleiben. An das Zu-eigen-Machen sind hohe Anforderungen zu stellen, denen mit der bloßen Aufnahme des Inhalts in das Angebot und die wirtschaftliche Partizipation am Vertrieb nicht ausreichend Rechnung getragen wird. Im Ergebnis schaffen die Betreiber von Spieleplattformen die Infrastruktur zur Online-Vermarktung, distanzieren sich in den Inhalts- und Nutzungsbeschränkungen vom Inhalt und ermöglichen mit Meldesystemen die effektive Beobachtung der fremden Inhalte durch die Nutzer selbst. Mit Blick auf tausende von Spielen ist eine präventive inhaltliche Prüfung nicht zu leisten und kann vom Diensteanbieter nicht verlangt werden. Damit entzieht sich die konkrete Speichernutzung der Kenntnis des Betreibers. Als Host-Provider ist die strafrechtliche Haftung typischer Spieleplattformen mit Drittinhalten 97 Inhaltsrichtlinien „Epic Games“ abrufbar unter: https://www.epicgames.com/ site/de/content-guidelines (Stand: 16.07.2021). 98 Nutzungsbedingungen „Epic Games“, Unterpunkt Unzulässige Nutzung und Nutzerbeiträge abrufbar unter: https://www.epicgames.com/site/de/tos (Stand: 16.07.2021). 99 OLG Köln, MMR 2002, 548; OLG Hamburg, ZUM 2009, 642, 644; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 202; Müller-Broich, in: NKTMG, § 7 Rn. 3; Stadler/Roggenkamp, in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 1.4 Rn. 477; Valerius, in: BeckOK-StGB, Providerhaftung, Rn. 18. 100 Siehe Hoffmann/Volkmann, in: Recht der elektronischen Medien, § 7 TMG Rn. 19; Müller-Broich, in: NK-TMG, § 7 Rn. 2. 101 Gercke/Brunst, PraxisHB Internetstrafrecht, Rn. 592.

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Kapitel 7: Strafrechtliche Haftungsrisiken

nach § 10 S. 1 TMG limitiert. Gemäß § 7 Abs. 2 TMG treffen den Diensteanbieter keine generellen Überwachungspflichten. Erst im Zeitpunkt positiver Kenntniserlangung vom Inhalt geht der Host-Provider seiner Haftungsprivilegierung verlustig und haftet nach den allgemeinen strafrechtlichen Regeln. bb) Neubewertung durch § 14a JuSchG? Teleologisch deutet § 14a JuSchG darauf hin, dass Spieleplattformen, die in Gewinnerzielungsabsicht Computerspielinhalte vermarkten, diese als eigene Inhalte veröffentlichen. Mit der jugendmedienschutzrechtlichen Sonderregelung für Film- und Spieleplattformen könnten die Betreiber als ContentProvider i. S. d. § 7 Abs. 1 TMG zu beurteilen sein. Die Gesetzgebungsmaterialien und die systematische Neuordnung des JuSchG sind insofern uneindeutig. Zwar stellt der Gesetzgeber fest, dass eine Zusammenfassung der Inhalte i. S. d. § 14a Abs. 1 JuSchG auch im Falle einer geringfügigen inhaltlichen Einflussnahme anzunehmen sei.102 Im Verlaufe des Gesetzgebungsverfahrens nimmt der Gesetzgeber Bezug auf § 24a JuSchG, der den Jugendschutz für Inhalte auf Plattformen ergänzen soll.103 § 24a JuSchG regelt Vorsorgemaßnahmen für Diensteanbieter und trägt dem Umstand Rechnung, dass: „Spieleanbieter regelmäßig als Diensteanbieter im Sinne des § 24a Absatz 1 zu qualifizieren sind.“104 Die Vorsorgemaßnahmen des § 24a JuSchG treffen Diensteanbieter, die fremde Informationen für Nutzerinnen und Nutzer bereitstellen. In systematischer Hinsicht hätte es dieser Regelung nicht bedurft, wenn Spieleplattformbetreiber die auf ihren Plattformen verfügbaren Inhalte stets als eigene Inhalte vermarkten. Ferner verdeutlicht § 1 Abs. 6 JuSchG, dass sich der Begriff des Diensteanbieters nach dem TMG vollzieht und für Film- und Spieleplattformbetreiber keine Sonderdogmatik geschaffen werden soll. Auch § 24a Abs. 1 JuSchG greift ausdrücklich nicht in den Regelungsbereich der §§ 7 Abs. 2, 10 TMG ein. Insofern ändert die Novellierung des JuSchG nicht den Differenzierungsmaßstab des TMG zwischen Content- und Host-Providern für Spieleplattformbetreiber. Vielmehr ist § 14a JuSchG als Erweiterung der Kennzeichnungspflicht zu verstehen,105 dass auch der telemediale Vertrieb von Computerspielen einer Altersfreigabekennzeichnung bedarf, die nicht durch eine eigenhändige Maßnahme des Anbieters i. S. d. § 5 JMStV erfüllt werden kann.106 Die vorangestellten Grundsätze, die seriöse Vertriebsplattformen als Host-Provider i. S. d. 102 103 104 105 106

BT-Drs. 19/24909, S. 47. BT-Drs. 19/27289, S. 13 f. BT-Drs. 19/27289, S. 13. BR-Drs. 618/20, S. 51; BT-Drs. 19/24909, S. 47. BR-Drs. 618/20, S. 53.

C. Strafrechtliche Haftung des Betreibers von Spieleplattformen

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§ 10 TMG qualifizieren, werden durch § 14a JuSchG nicht erschüttert und die Zusammenfassung der Inhalte als eigene Inhalte ist nicht mit der Reichweite der eigenen Informationen i. S. d. § 7 Abs. 1 TMG identisch. 4. Strafrechtliche Verantwortlichkeit natürlicher Personen im Unternehmen Diensteanbieter können nach § 2 S. 1 Nr. 1 TMG natürliche oder juristische Personen sein. Eine Strafhaftung kommt für Angestellte des als juristische Person des Privatrechts organisierten Plattformbetreibers in Betracht.107 Schon aufgrund des hohen Verwaltungsaufwands sind Betreiber großer Spieleplattformen als juristische Personen des Privatrechts organisiert. Die Beurteilung der Strafbarkeit bedarf des schuldhaften Verhaltens einer natürlichen Person und kann nicht an die Existenz oder die positive Kenntnis des Unternehmens angeknüpft werden.108 Im Falle einer erfolgreichen Flucht in zivilrechtliche Unternehmensstrukturen würde die strafrechtliche Diskussion um die Providerhaftung für fremde Inhalte erheblich an Relevanz einbüßen. Die Erbringung der Dienste erfolgt durch das Unternehmen, nicht durch die tatsächlich agierenden natürlichen Personen. So würde die Haftungsprivilegierung leer laufen, wenn sich zwar das Unternehmen im Zivilverfahren als Diensteanbieter auf die Privilegierung berufen könnte, nicht aber im Strafverfahren die Mitarbeiter selbst.109 Sie wären gegenüber Privatpersonen, welche die identische Handlung vornehmen, benachteiligt. Die Privilegierung des § 10 TMG ist auch bei den Mitarbeitern in Ausübung ihrer unternehmensinternen Funktion zu beachten.110 Selbstverständlich wird mit der Erstreckung der Diensteanbietereigenschaft auf den handelnden Mitarbeiter nicht gegen das Analogieverbot nach Art. 103 Abs. 2 GG verstoßen, weil es sich um eine Haftungsprivilegierung handelt, welche die materielle Strafbarkeit nicht erweitert. In diesem Zusammenhang sei auf die Notwendigkeit des Kenntnisnachweises des verantwortlichen Mitarbeiters hingewiesen. Eine Kenntniszurech107 Galetzka/Krätschmer, MMR 2016, 518; Heckmann, in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 8 Rn. 451. 108 B/W/M/Eisele, AT, § 16 Rn. 18; Hoffmann/Volkmann, in: Recht der elektronischen Medien, § 10 TMG Rn. 29; Sieber, Verantwortlichkeit im Internet, Rn. 346. 109 Freytag, CR 2000, 600, 601; Galetzka/Krätschmer, MMR 2016, 518, 523. 110 OLG Frankfurt a. M., ZUM-RD 2014, 87; Altenhain, in: MüKo-StGB, Vorb. § 7 TMG Rn. 13, § 10 TMG Rn. 19; Freytag, CR 2000, 600, 601 führt dies auf den effet-utile-Grundsatz der zugrundeliegenden Richtlinie zurück; Paal/Hennemann, in: BeckOK-Informations- und Medienrecht, § 7 Rn. 22; Sieber/Höfinger, in: H/S/H, Multimedia-Recht, Teil 18.1 Rn. 35; Sieber, Verantwortlichkeit im Internet, Rn. 258; a. A. wohl Ricke, in: Recht der elektronischen Medien, § 2 TMG Rn. 4.

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Kapitel 7: Strafrechtliche Haftungsrisiken

nung vom Unternehmen auf die strafrechtlich verantwortliche natürliche Person ist im Strafrecht schon aufgrund der Feststellung der persönlichen Schuld versperrt.111 Gerade in arbeitsteiligen unternehmensinternen Prozessen ist es nicht unüblich, dass etwa eine Person für die Aufnahme und Weiterleitung von Informationen, eine zweite Person für die Prüfung der Sachverhalte und eine dritte Person für die nach außen gerichtete Handlungsvornahme verantwortlich ist. Zwar vermag eine Delegation der Aufgaben im Rahmen des unternehmensinternen Organisationsverschuldens aufgefangen werden.112 Gleichwohl ist der Rechtsanwender nicht von der Feststellung der persönlichen Schuld des Täters befreit. Mit Blick auf Unternehmensstrukturen offenbaren sich Schwächen des TMG. Der Verlust der Haftungsprivilegierung für die strafrechtlich in Anspruch genommene Person setzt positive Kenntnis i. S. d. § 10 S. 1 Nr. 1 TMG voraus. Unternehmensstrukturen können gezielt auf die Vermeidung positiver Kenntnis der inkriminierten Inhalte auf Seiten des Spieleplattformbetreibers ausgerichtet sein. Normativ drängt sich der Gedanke des Rechtsmissbrauchs auf113 und es scheint nicht i. S. d. Gesetzgebers, das Pönalisierungsbedürfnis des Staats hinter einer unlauteren Unternehmenspraxis zurücktreten zu lassen.114 Zwar ließe sich einwenden, § 10 TMG stelle nicht auf das Kennenmüssen ab, sodass auch ein Spieleplattformbetreiber, der ein plattforminternes Melde- und Beschwerdesystem nur zum Schein einrichtet, in strafrechtlicher Hinsicht aufgrund der Wortlautbindung nicht seiner Privilegierung verlustig ginge.115 Insofern ließe sich vertreten, dass auch die vorsätzliche Unkenntnis des Providers unschädlich sein müsste, weil die positive Kenntnis aufgrund des Analogieverbots des Art. 103 Abs. 2 GG nicht durch die Verhinderung der Kenntnisnahme substituiert werden kann.116 Dem ist nicht zu folgen. Jedenfalls würde der Zweck des § 24a JuSchG, der Vorsorgemaßnahmen an Diensteanbieter richtet, die fremde Informatio111 Altenhain, in: MüKo-StGB, § 10 TMG Rn. 19; Eisele, in: Sch/Sch, StGB, § 184 Rn. 85; Hoffmann/Volkmann, in: Recht der elektronischen Medien, § 10 TMG Rn. 29; Kühne, NJW 1999, 188, 189; Sieber, Verantwortlichkeit im Internet, Rn. 258, 346. 112 Ausführlich Bode, ZStW 127 (2015), 937, 988. 113 So Bode, ZStW 127 (2015), 937, 988; Spindler, NJW 1997, 3193, 3197. 114 Galetzka/Krätschmer, MMR 2016, 518, 523; Hörnle, NJW 2002, 1008, 1012. 115 Altenhain, in: MüKo-StGB, § 10 TMG Rn. 14, 16; Sieber, Verantwortlichkeit im Internet, Rn. 346, 353; a. A. Bode, ZStW 127 (2015), 937, 988; Hörnle, NJW 2002, 1008, 1012. 116 Paal/Hennemann, in: BeckOK-Informations- und Medienrecht, § 10 TMG Rn. 24; Sieber, Verantwortlichkeit im Internet, Rn. 353; a. A. Hörnle, NJW 2002, 1008, 1012.

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nen bereitstellen, wohl unterlaufen, wenn ein Verstoß gegen die Einrichtung von Melde- und Beschwerdesysteme strafrechtlich stets an den Grenzen der positiven Kenntnis des § 10 TMG scheitern würde. Schließlich versuchte der Gesetzgeber mit § 24a JuSchG ein wirksames Mittel zur Bekämpfung rechtswidriger Inhalte zu schaffen, das in Einklang mit den Haftungsprivilegierungen des TMG stehen sollte und nicht durch dieselben unterminiert wird. Insbesondere haben seriöse Spieleplattformen umfassende funktionierende Melde- und Beschwerdesysteme bereits integriert, sodass ein Rechtsmissbrauch kaum in Betracht kommt. 5. Keine positive Kenntnis durch das Anbieten inkriminierter Inhalte Der Anbieter erhält vom medialen Gesamtinhalt frühestens mit Veröffentlichung des Computerspiels die Möglichkeit der umfassenden Kenntnisnahme.117 Im Zuge der vorangegangenen Kommunikation erschöpft sich die Informationslage des Spieleplattformbetreibers in der vom Entwickler zur Verfügung gestellten rudimentären Inhaltsauswahl. Weisen Bilderstrecke und Produktinformationen nicht auf eine Implementierung von NS-Symbolen hin, so kann der Anbieter nicht einmal positive Kenntnis von implementierten Kennzeichen erlangen. Die teilnahmefähige Haupttat des Uploads vollzieht sich ohne Kenntnis des Spieleplattformbetreibers und auch grobe Fahrlässigkeit oder ein Kennenmüssen des Inhalts zum Zeitpunkt der Veröffentlichung führen zu keinem anderslautenden Ergebnis. Der Wortlaut des § 10 S. 1 Nr. 1 TMG stellt auf die positive Kenntnis ab und wäre – jedenfalls abseits rechtsmissbräuchlicher Strukturen – mit einer Gleichstellung des Kennenmüssens oder unter Einbeziehung einer billigenden Inkaufnahme inkriminierter Inhalte überdehnt.118 Dogmatisch würde die Identität des Kennenmüssens mit der positiven Kenntnis einen Fahrlässigkeitsvorwurf im Rahmen einer Haftungsprivilegierung bedeuten.119 Nicht nur die Privilegierung wäre in ihrer teleologischen Wir117

Vgl. Bode, ZStW 127 (2015) 937, 968. BT-Drs. 14/1191, S. 10; OLG Düsseldorf, MMR 2004, 315, 316; LG Berlin, StV 15, 222, 223; Altenhain, in: MüKo-StGB, § 10 TMG Rn. 23; Bär, in: W/J/S, HB Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 15. Kap. Rn. 194; Eisele, in: Sch/Sch, StGB, § 184 Rn. 84; ders., Computer- und Medienstrafrecht, § 4 Rn. 17; Fischer, StGB, § 184 Rn. 31; Heger, in: Lackner/Kühl, StGB, § 184 Rn. 7a; Hassemer, NJW 2014, 3801; Hoffmann/Volkmann, in: Recht der elektronischen Medien, § 10 TMG Rn. 18; Kovacs, S. 145; Sieber, Verantwortlichkeit im Internet, Rn. 336; Spindler, NJW 1997, 3193, 3196; Valerius, in: BeckOK-StGB, § 10 TMG Rn. 23; enger noch BT-Drs. 13/7385, S. 51 zu § 5 TDG a. F.; diff. Bode, ZStW 127 (2015) 937, 967; a. A. Heinrich, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 6 Rn. 78. 119 Mitsch, Medienstrafrecht, § 6 Rn. 29. 118

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kung umgekehrt. Insbesondere kennt § 86a StGB keine Fahrlässigkeitsalternative. Mit der Eröffnung des Anwendungsbereichs der Haftungsprivilegierung des § 10 S. 1 TMG ist auch die Reichweite des § 7 Abs. 2 TMG zu beachten. Die Unterlassung inhaltlicher Prüfungen trotz der Zugangsvermittlung des Inhalts zur Plattform können keine strafrechtliche Verantwortlichkeit begründen. Die gegenteilige Auffassung widerspräche § 7 Abs. 2 TMG und würde ebenfalls einen Fahrlässigkeitsvorwurf beinhalten.120 Mangels positiver Kenntnis vom Inhalt im Zeitpunkt des zur Verfügung Stellens seitens des Plattformbetreibers ist die Strafbarkeit nach §§ 86a Abs. 1 Nr. 1, 27 Abs. 1 StGB ausgeschlossen. Ein anderes Ergebnis wird aufgrund der geltenden Gesetzeslage erzielt, wenn ein besonders gewissenhafter Plattformbetreiber, der die Nutzerinhalte umfassend präventiv überprüft, positive Kenntnis erlangt und nicht unverzüglich tätig wird.121 Der Privilegierungsrahmen des § 10 TMG stellt insofern nicht auf die Art der Kenntniserlangung ab.122 6. Zwischenergebnis Die Aufnahme von Computerspielen, die NS-Kennzeichen unter Verwirklichung des objektiven Tatbestands des § 86a StGB beinhalten, begründet für die Betreiber großer Spieleplattformen typischerweise keine Beihilfestrafbarkeit. Aufgrund der Distanzierung von der inhaltlichen Reichweite angebotener Werke und mangels inhaltlicher Überprüfung macht sich der Betreiber die Inhalte nicht zu eigen. Auch ist eine inhaltliche Prüfung physisch kaum zu leisten. Spieleplattformbetreiber sind als Host-Provider zu betrachten, die bis zur Erlangung positiver Kenntnis nach § 10 S. 1 TMG in der strafrechtlichen Haftung limitiert sind. Die Qualifizierung von Spieleplattformbetreibern als privilegierte Host-Provider wird durch die jugendmedienschutzrechtlichen Differenzierungen zwischen Anbietern, die fremde Informationen nach § 24a Abs. 1 JuSchG bereitstellen und Anbietern, die eigene Inhalte bereithalten nach § 14a JuSchG nicht konterkariert und wird sogar in den Gesetzgebungsmaterialien hervorgehoben.123 Im bloßen Betreiben der Plattform, die gemäß § 13 Abs. 6 S. 1 TMG die anonyme Nutzung von Telemedien ermöglicht, liegt keine strafbare Beihilfe. Mit der Einstellung des Inhalts ist keine positive Kenntnis anzunehmen. Al120

Ebenda. Vgl. KG, NJW 2014, 3798, 3800 mit zust. Anmerkung Hassemer, NJW 2014, 3801; Roggenkamp/Stadler, in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 1.4 Rn. 308. 122 Kovacs, S. 145 f.; Paal/Hennemann, in: BeckOK Informations- und Medienrecht, § 10 TMG Rn. 23. 123 BT-Drs. 19/27289, S. 13. 121

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lein die Vermarktung des Inhalts durch den Spieleplattformbetreiber erfüllt in der Regel nicht die Anforderungen für den Verlust der Haftungsprivilegierung, sodass die strafrechtliche Verantwortlichkeit nach §§ 86a Abs. 1 Nr. 1, 27 Abs. 1 StGB nicht eintritt.

II. Beihilfestrafbarkeit nach positiver Kenntnisnahme des Inhalts Die Haftungsprivilegierung des § 10 S. 1 TMG findet in der positiven Kenntnis ihre Grenzen, wodurch die Strafbarkeit nach §§ 86a Abs. 1 Nr. 1, 27 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB sich nunmehr nach den allgemeinen Grundsätzen richtet.124 § 10 S. 1 Nr. 2 TMG stellt die Untätigkeit in den Mittelpunkt125 und statuiert mit der positiven Kenntnis von der rechtswidrigen Handlung oder der Information eine zeitliche Dimension der Haftungsprivilegierung. Strukturell kommt durch das zur Verfügung Stellen und die weitestgehend automatisierte Moderation fremder Inhalte ein Unterlassen in Betracht.126 So stellt das Bereitstellen des Speicherplatzes für Inhalte Dritter regelmäßig kein aktives Tun, sondern ein Unterlassen dar.127 Da der Anbieter nach Veröffentlichung des Inhalts die Untätigkeit schlicht fortsetzt, kein erneuter Verwendungsakt vorgenommen wird und auch kein erweitertes Interesse an der Tat erkennbar ist, bleibt es bei der Beurteilung einer Beihilfestrafbarkeit durch Unterlassen. Im Zuge der Veröffentlichung von Computerspielen mit strafbaren Inhalten i. S. d. § 86a StGB kann an die Untätigkeit nach Kenntniserlangung des Inhalts angeknüpft werden. Der Diensteanbieter wird in § 10 S. 1 Nr. 2 TMG zur Handlungsvornahme verpflichtet, um die Information zu entfernen oder den Zugang zu sperren, ein Erfolg ist nicht geschuldet.128 Die positive Kenntnis der strafrechtlich zur Verantwortung gezogenen

124

Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 234. Mit Blick auf die strukturelle Ausprägung des § 10 S. 1 Nr. 2 TMG, der auf die Untätigkeit des Diensteanbieters abstellt, liegt der Schwerpunkt des Wegfalls der Haftungsprivilegierung auf einem Unterlassen; Ceffinato, JuS 2017, 403, 404; Eisele, in: Sch/Sch, StGB, § 184 Rn. 85. 126 Bode, ZStW 127 (2015), 937, 942; Eisele, Computer- und Medienstrafrecht, § 4 Rn. 17; ders., in: Sch/Sch, StGB, § 184 Rn. 85; Heckmann, in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 8 Rn. 451; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 239; Hörnle, NJW 2002, 1008, 1011. 127 Handel, MMR 2017, 227. 128 Eisele, in: Sch/Sch, StGB, § 184 Rn. 85; ders., Computer- und Medienstrafrecht, § 4 Rn. 17; Hoffmann/Volkmann, in: Recht der elektronischen Medien, § 10 TMG Rn. 44; Kartal-Aydemir/Krieg, MMR 2012, 647, 648; Mitsch, Medienstrafrecht, § 6 Rn. 29; Müller-Broich, in: NK-TMG, § 10 Rn. 6. 125

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Person ist nicht nur ein subjektives Merkmal, sondern markiert auch den zeitlichen Anknüpfungspunkt der strafrechtlichen Unterlassungshaftung. 1. Reichweite der positiven Kenntnis a) Positive Kenntnis hinsichtlich der rechtswidrigen Information Es ist bereits umstritten, ob die bloße Kenntnis einer Information genügt oder ob sie sich auch auf die Rechtswidrigkeit der Information erstrecken muss.129 Teilweise wird vertreten, der Anbieter müsse lediglich Kenntnis der Information haben. Er beschränkt in diesem Fall seine Tätigkeit nicht mehr auf bloß technische und automatisierte Vorgänge.130 Ferner sei systematisch nicht zu erklären, warum Caching-Anbieter nicht die Hürde der Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Information überwinden müssten, um der Haftungsprivilegierung verlustig zu gehen.131 Teilweise wird angemerkt, dass auch die Kenntnis hinsichtlich der Umstände, die eine Rechtswidrigkeit hätten erkennen lassen müssen, nicht genügen würden.132 Unter Berücksichtigung der teleologischen Begrenzung des § 7 Abs. 2 TMG darf der Bezugspunkt der Kenntnis nicht zu geringen Anforderungen unterliegen und so in faktische, proaktive Überwachungspflichten umschlagen.133 Jedenfalls überzeugt es wenig, dem Diensteanbieter bereits aufgrund der Kenntnis über die Implementierung der NS-Symbole in das Spiel seine Haftungsprivilegierung zu entziehen. Andernfalls würde aus dem engen Anwendungsbereich des § 10 S. 1 TMG für den Provider faktisch ein Vermarktungsverbot für kennzeichentragende Spiele statuiert. Dies würde selbst dann gelten, wenn die Inhalte eine jugendschutzrechtliche Altersfreigabekennzeichnung erhielten, weil diese die objektive Tatbestandsmäßigkeit des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht beseitigen. Zwar wird vielfach präzisierend eingewandt, dass sich die Kenntnis auf die konkrete Information und die genaue Fundstelle beziehen muss.134 Diese Auffassung generiert für Computerspiele das absurde Ergebnis, dass das gelebte sektorale Totalverbot der Kennzei129 Altenhain, in: MüKo-StGB, § 10 TMG Rn. 9; Kartal-Aydemir/Krieg, MMR 2012, 647, 648. 130 BT-Drs. 14/6098, S. 25; Altenhain, in: MüKo-StGB, § 10 TMG Rn. 10; im Ergebnis auch Kartal-Aydemir/Krieg, MMR 2012, 647, 648; a. A. Hoffmann/Volkmann, in: Recht der elektronischen Medien, § 10 TMG Rn. 23. 131 Altenhain, in: MüKo-StGB, § 10 TMG Rn. 10. 132 Eisele, in: Sch/Sch, StGB, § 184 Rn. 85. 133 Bode, ZStW 127 (2015) 937, 968; Hoffmann/Volkmann, in: Recht der elektronischen Medien, § 10 TMG Rn. 19. 134 Altenhain, in: MüKo-StGB, § 10 TMG Rn. 14; Eisele, Computer- und Medienstrafrecht, § 4 Rn. 17; Hilgendorf, in: S/S/W, StGB, § 184 Rn. 28; Hilgendorf/

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chenverwendung in Computerspielen in ein gelebtes sektorales Totalverbot der downloadbasierten Vermarktung der Spiele umschlagen würde, weil sich wohl kaum ein Spieleplattformbetreiber sehenden Auges seiner Privilegierung für die Vermarktung eines einzelnen Computerspiels entledigen würde, indem die Fundstelle des Kennzeichens identifiziert wird. Gerade die Verwendung von verfassungswidrigen Kennzeichen im vielseitigen Medium des Computerspiels bedarf einer inhaltlichen Gesamtprüfung und tieferer materiellrechtlicher Fachkenntnis. Aus der Information der Verwendung selbst ergibt sich – das erkennen auch weite Teile der Literatur und der Spruchpraxis mit der Wirkung der Sozialadäquanzklausel als Tatbestandsausschluss an – noch kein Rechtswidrigkeitsvorwurf.135 Vom Diensteanbieter kann keine materiell-strafrechtliche Untersuchung des Spiels geleistet werden. Diese würde – spielspezifisch – eine Auswertung hunderter Stunden Spielmaterial bedürfen und die grundsätzlich unverdächtige Vertriebsstruktur in Bezug auf fremde Inhalte enorm verkürzen. Aufgrund der kaum zu leistenden Überprüfung wird wohl kein privilegierter Spieleplattformbetreiber jemals positive Kenntnis von den rechtswidrigen Inhalten durch Eigenbemühungen erlangen. Altenhain weist zutreffend darauf hin, dass die positive Kenntnis von der Rechtswidrigkeit der Information oder Handlung auch durch Juristen nur in eindeutigen Konstellationen erkennbar sein wird.136 Dies vorangestellt, bedeutet die Untätigkeit des Diensteanbieters – selbst bei positiver Kenntnis um die Kennzeichenverwendung im Spiel als solche – keinen Verlust der Haftungsprivilegierung. Sofern hierin ein unbefriedigender Gesetzeszustand erkannt wird, ist es Aufgabe des Gesetzgebers, eindeutige Formulierungen zu wählen und Überlegungen zur Providerhaftung in den Kernbereich des materiellen Strafrechts aufzunehmen. Die bisherige Untersuchung hat gezeigt, dass gerade in Bezug auf die Sozialadäquanzklausel als Tatbestandsausschluss des § 86a StGB die Abgrenzung zwischen strafbarem und straflosem Verhalten einer präzisen Analyse der Gesamtumstände der Kennzeichenimplementierung bedarf. Vermag nur Kenntnis i. S. d. sicheren Wissens hinsichtlich der Erfüllung des objektiven Tatbestands des § 86a StGB durch die Veröffentlichung des Spiels die Haftungsprivilegierung zu überschreiten, so resultiert hieraus ein hoher Privilegierungsgrad der Norm. Solange der Provider die konkreten strafbaren Inhalte nicht kennt, ist die Aufrechterhaltung des Dienstes nicht rechtswidrig.137 Andernfalls hätte das Merkmal der Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 208; Valerius, in: BeckOK-StGB, Providerhaftung, Rn. 23. 135 Umfassend Kap. 4 B. III. 136 Altenhain, in: MüKo-StGB, § 10 TMG Rn. 11. 137 Eisele, in: Sch/Sch, StGB, § 184 Rn. 85; vgl. Wolters/Greco, in: SK-StGB, § 184, Rn. 26; a. A. Bär, in: W/J/S, HB Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 15. Kap. Rn. 194.

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Kapitel 7: Strafrechtliche Haftungsrisiken

Rechtswidrigkeit im Rahmen des § 10 S. 1 Nr. 1 TMG keine Umgrenzungsfunktion. Ginge der Diensteanbieter bereits mit positiver Kenntnis der beinhalteten Kennzeichen seiner Haftungsprivilegierung verlustig, so vollzöge sich die Reichweite der Haftungsprivilegierung unabhängig von der Rechtswidrigkeit der Information selbst. Mit bloßer Kenntnis der Information, nicht aber der Rechtswidrigkeit, geht der Diensteanbieter nicht der Haftungsprivilegierung verlustig.138 b) Vertriebsfähigkeit kennzeichenbeinhaltender Computerspiele Bei Computerspielinhalten, die innermedial NS-Symbole aufweisen, resultiert die Rechtswidrigkeit der Information nicht allein aus der Wahrnehmbarkeit der Symbole selbst.139 Andernfalls müsste der Spieleplattformbetreiber vor dem Hintergrund drohender strafrechtlicher Inanspruchnahme durch den Verlust der Haftungsprivilegierung gemäß § 10 S. 1 Nr. 2 TMG unverzüglich tätig werden, den Inhalt zu entfernen.140 Im Ergebnis wären kennzeichenbeinhaltende Computerspiele ungeachtet ihrer straf- und jugendmedienschutzrechtlichen Zulässigkeit im Rahmen des downloadbasierten Handels kaum vertriebsfähig. Zwar bedeutet der Verlust der Haftungsprivilegierung des Providers lediglich die Geltung allgemeiner strafrechtlicher Grundsätze und damit nicht eo ipso die Strafbarkeit des Anbieters. Gleichwohl würde die Handlungspflicht des TMG wohl dazu führen, dass Spieleplattformbetreiber die entsprechenden Werke gänzlich ihrem Angebot entnehmen. Möchte der Spieleplattformbetreiber den Inhalt dennoch im Angebot behalten, so wäre er aufgrund der Kenntnis der Wahrnehmbarkeit von NSKennzeichen inzident zur inhaltlichen Prüfung aufgerufen, von der ein privilegierter Diensteanbieter freigestellt ist. Trotz seiner Stellung als Host-Provider könnte der Spieleplattformbetreiber nur mit einer präventiven Inhaltskontrolle einen Zustand der Rechtssicherheit hinsichtlich des vertriebenen Inhalts herstellen. Dies steht im systematischen Widerspruch zu § 7 Abs. 2 TMG und würde den Anbieter personell und wirtschaftlich gänzlich überfordern. Der Spieleplattformbetreiber als Host-Provider darf darauf vertrauen, mit Handlungen, die im Einklang mit dem Telemediengesetz stehen, vor einer Inanspruchnahme aufgrund einer Beihilfestrafbarkeit geschützt zu sein.141 138 Müller-Broich, in: NK-TMG, § 10 Rn. 4; Valerius, in: BeckOK-StGB, § 10 TMG Rn. 23; Wolters/Greco, in: SK-StGB, § 184, Rn. 26. 139 Vgl. Stadler/Roggenkamp, in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 1.4 Rn. 312. 140 Unverzüglich ist als Tätigwerden ohne schuldhaftes Zögern zu verstehen; so bereits Freytag, CR 2000, 600, 609; Mitsch, Medienstrafrecht, § 6 Rn. 29; Nieland, NJW 2010, 1494. 141 Vgl. Hassemer, NJW 2014, 3801.

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Die positive Kenntnis muss sich insofern auf die Rechtswidrigkeit im Zuge der Kennzeichenverwendung beziehen und vermag insbesondere durch konkrete Hinweise der Plattformnutzer oder der Staatsanwaltschaft ausgelöst werden.142 Die bloße Kenntnis der Kennzeichenverwendung als solche genügt nicht. Zusätzlich resultiert aus den Grenzen der Haftungsprivilegierung hinsichtlich der downloadbasierten Vermarktung von Computerspielen ein Schmelztiegel strafrechtsdogmatischer Problemstellungen zur Beihilfestrafbarkeit des Diensteanbieters. Die weitreichenden dogmatischen Probleme um die Straftatbegehung des abstrakten Gefährdungsdelikts des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB durch Unterlassen143 und die Begründung einer Garantenstellung nach Wegfall der Haftungsprivilegierung des § 10 S. 1 TMG bei unverändertem Unterlassen durch das Betreiben der Spieleplattform als Vermarktungsplattform fremder Inhalte reichen weit über deliktsspezifische Anknüpfungspunkte des § 86a StGB hinaus. Aufgrund ihrer grundsätzlichen Bedeutung für eine Beihilfestrafbarkeit nach §§ 86a Abs. 1 Nr. 1, 27 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB sollen sie der Bearbeitung nicht gänzlich fern bleiben. 2. Akzessorietät der Beihilfehandlung Das Problemfeld der Akzessorietät der Beihilfehandlung hinsichtlich der Verfügbarkeit von Computerspielen, die in tatbestandsmäßiger Weise Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen beinhalten, soll an einem Beispiel illustriert werden. Der Spielehersteller bietet auf einer internetbasierten Spielebibliothek ein Computerspiel – mit verwaltungsrechtlich erteilter Altersfreigabekennzeichnung – für die Nutzer der Plattform zum Download an. Mehrere Monate nach der Veröffentlichung des Inhalts erhält der Spieleplattformbetreiber von der Staatsanwaltschaft ein Schreiben, in dem trotz der Alterskennzeichnung des Werks auf die Erfüllung des objektiven Tatbestands durch den Upload des Inhalts nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB hingewiesen wird und der Betreiber zur Entfernung des Inhalts aus seinem Angebot aufgefordert wird. Der Spieleplattformbetreiber reagiert trotz nunmehr erlangter positiver Kenntnis i. S. d. § 10 Nr. 1 TMG von der Rechtswidrigkeit des Inhalts nicht.

142

1012.

Altenhain, in: MüKo-StGB, § 10 TMG Rn. 12; Hörnle, NJW 2002, 1008,

143 Die Anwendbarkeit des § 13 StGB befürworten BGHSt 38, 325; 46, 212, 222; AG München, NStZ 1998, 518, 519; Rengier, § 49 Rn. 7; offen gelassen in BGH, NStZ 2015, 81, 82 f.

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Kapitel 7: Strafrechtliche Haftungsrisiken

Die Ermöglichung des Uploads des Spiels ist kausal für die innermedial wahrnehmbaren NS-Symbole, indem die Haupttat in ihrer spezifischen Erscheinungsform ermöglicht wird. Hinsichtlich des Unterlassens der Löschung oder Sperrung des Inhalts bestehen Akzessorietätsbedenken. Auf die Ermöglichung des Uploads kann jedenfalls in Ermangelung des doppelten Gehilfenvorsatzes nicht abgestellt werden.144 Für das Aufrechterhalten der Downloadmöglichkeit nach positiver Kenntniserlangung des inkriminierten Inhalts durch den Spieleplattformbetreiber muss danach gefragt werden, ob eine sukzessive Beihilfe möglich ist. § 86a StGB ist ein als Tätigkeitsdelikt ausgestaltetes abstraktes Gefährdungsdelikt, das bereits mit der Verfügbarkeit des Inhalts für Dritte auf der Spieleplattform vollendet und beendet ist. Es kommt lediglich eine Förderung der Haupttat im Zeitpunkt der positiven Kenntnis des rechtswidrigen Inhalts in Betracht. Unter dem Begriff der sukzessiven Beihilfe werden Konstellationen diskutiert, in denen ein Hilfeleisten im Zeitraum zwischen der Vollendung und materiellen Beendigung der Tat erfolgt. Das Hilfeleisten soll eine Intensivierung des begangenen Unrechts bewirken.145 Indes bietet eine von der Tatbestandsverwirklichung gänzlich losgelöste Intensivierung der Rechtsgutsverletzung keinen tauglichen Anknüpfungspunkt der Strafbarkeit, weil die Beihilfe zur Tatbestandsverwirklichung erfolgen muss.146 Jedenfalls limitiert die Beendigung der Haupttat die zeitliche Teilnahmefähigkeit.147 Für § 86a StGB als Zustandsdelikt bedeutet dies, dass die Akzessorietät der Beihilfehandlung auf den Zeitpunkt der Tatvollendung begrenzt ist.148 Die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands hingegen findet als tatbestandsexterner Umstand keine materiell-strafrechtliche Berücksichtigung. Das Tatunrecht des Haupttäters findet im Upload der Daten seinen Abschluss.149 In einer rechtsgutsorientierten Betrachtung des § 86a StGB ist wohl kaum von der Hand zu weisen, dass einer Wiedereingliederung der Kennzeichen in rechtsgutsverletzender Weise stärker Vorschub geleistet werden kann, je länger der Inhalt frei verfügbar ist und je mehr Interessenten die 144 BGH, MMR 2007, 507, 509; Ceffinato, JuS 2017, 403, 404; Eckel/Rottmeier, NStZ 2021, 1, 5. 145 Eckel/Rottmeier, NStZ 2021, 1, 3; Heine/Weißer, in: Sch/Sch, StGB, § 27 Rn. 20; Krischker, JA 2013, 488, 491. 146 Kühl, AT, § 20 Rn. 236. 147 Ceffinato, JuS 2017, 403, 407; Fischer, StGB, § 27 Rn. 6a; Kudlich, in: HB Strafrecht AT II, § 54 Rn. 16; Mitsch, JURA 2009, 534; Murmann, in: S/S/W, StGB, § 27 Rn. 8; Otto, Grundkurs Strafrecht, § 22 Rn. 66. 148 Roxin, AT II, § 26 Rn. 265; Roxin/Greco, AT I, § 10 Rn. 107. 149 Vgl. Ceffinato, JuS 2017, 403, 407.

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Möglichkeit zum Download des Inhalts erhalten. Insofern könnte davon ausgegangen werden, dass mit fortlaufender Wahrnehmbarkeit des Inhalts für Dritte durch den Spieleplattformbetreiber in deliktischer Absicht die Gefährdung der freiheitlich demokratischen Grundordnung oder des politischen Friedens intensiviert wird. So wird in der Literatur teilweise angenommen, dass hinsichtlich der Internetkriminalität auch bei Zustandsdelikten ein mit dem Unrechtsgehalt von Dauerdelikten vergleichbarer Sachverhalt geschaffen werde.150 Dauerdelikte ermöglichen bis zur Beendigung des geschaffenen rechtswidrigen Zustands die Beihilfe.151 Der Vorwurf der Strafbarkeit eines Dauerdelikts endet nicht in der Ausführungshandlung, sondern besteht in der Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands.152 Mit Blick auf die möglicherweise erst mehrere Monate nach der Haupttat liegende positive Kenntniserlangung durch den Spieleplattformbetreiber sind zwei Ergebnisse denkbar. Einerseits könnte die bloße Aufrechterhaltung des durch das Zustandsdelikt des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB geschaffenen rechtswidrigen Zustands als nicht mehr teilnahmefähig qualifiziert werden. Die teleologische Wertung des § 10 TMG ginge für den hiesigen Problemkreis eines breiten Anwendungsbereichs verlustig, wenn bei zeitlich nachgelagerter positiver Kenntnis vom Inhalt eine strafrechtliche Pönalisierung jedenfalls an Akzessorietätsbedenken scheitern würde. Trotz der rechtsgebietsübergreifenden Reichweite des § 10 TMG liefe die Pflicht zum unverzüglichen Tätigwerden in strafrechtlicher Hinsicht leer. Folglich würde die Begrenzung der Haftungslimitierung des § 10 S. 1 Nr. 1 TMG hinsichtlich der hiesigen Konstellation erheblich an Geltungskraft verlieren. Eine zweite Lösung könnte darin gesehen werden, die internetspezifische Verwirklichung des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB durch den Upload eines inkriminierten Computerspiels auf einer Spieleplattform dogmatisch mit einem Dauerdelikt gleichzusetzen. Mit der zeitlich nachgelagerten positiven Kenntnisnahme des Spieleplattformbetreibers wäre eine strafbare Beihilfehandlung weiterhin möglich. Gleichwohl erhielte § 86a StGB in diesem Zusammenhang in der digitalen Welt eine von der analogen Welt abweichende Delikts150 Galetzka/Krätschmer, MMR 2016, 518, 522 f.; Krischker, JA 2013, 488, 492 mit Blick auf dauerhaft einsehbare Ehrverletzungen im Internet; ähnl. Heckmann, in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 8 Rn. 448. 151 BGH, NStZ 2004, 44, 45; vgl. BGHSt 36, 255, 257; Fischer, StGB, § 27 Rn. 8; Galetzka/Krätschmer, MMR 2016, 518, 522; Haas, in: M/R, StGB, § 27 Rn. 34. 152 BGHSt 36, 255, 257; Heinrich, AT, Rn. 167; Kühl, in: FS-Roxin, S. 665, 676; Murmann, in: LK-StGB, Vor §§ 22 ff. Rn. 28; Rönnau, JuS 2010, 961, 962; Roxin/ Greco, AT I, § 10 Rn. 105.

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natur und würde somit einer internetspezifischen Sonderdogmatik zugänglich. Zudem drängt sich der Gedanke einer täterbelastenden Analogie auf. Zutreffend vermag die Kongruenz zwischen der Haupttat und dem Hilfeleisten über die Vollendung grundsätzlich nicht herauszureichen.153 Selbst wenn es dem Plattformbetreiber subjektiv gerade darauf ankommt, durch das Aufrechterhalten der Verfügbarkeit des inkriminierten Inhalts den rechtswidrigen Zustand aufrecht zu erhalten, ist kein anders lautendes Ergebnis zu konstruieren. Der Wille des Plattformbetreibers hinsichtlich der Verfügbarkeit der Inhalte disponiert nicht über die rechtsdogmatische Abgrenzung zwischen strafbarer Beihilfe und einem straflosen Nachtatverhalten.154 Zunächst ist festzustellen, dass der Spieleplattformbetreiber regelmäßig erst nach der Veröffentlichung des Inhalts positive Kenntnis von der rechtswidrigen Information erlangt und bis zu diesem Zeitpunkt der Inhalt verfügbar war. Inwieweit eine Unrechtsintensivierung überhaupt in Betracht kommt, wenn zwar weiterhin die Möglichkeit zum Download besteht, ein wesentlicher Teil der Interessenten aber bereits einen tatsächlichen Zugriff auf das Werk erhalten haben, ist zweifelhaft. Zwar könnte dem entgegen gehalten werden, dass sich der Unrechtsgehalt des § 86a StGB bereits in einer abstrakten Gefahr realisiert, es insofern also nicht auf die tatsächlichen Zugriffszahlen ankommt. Allein die internetbasierte Aufrechterhaltung der Verfügbarkeit des Inhalts selbst nimmt allerdings keinen Einfluss auf die Verwirklichung des Unrechts des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB. § 86a StGB ist gerade kein Dauerdelikt. Im Tatbestand ist trotz des Strafgrunds der unkontrollierten Wahrnehmbarkeit der Kennzeichen keine Unrechtsintensivierung durch das Aufrechterhalten der Wahrnehmbarkeit nach Abschluss der Ausführungshandlung des öffentlichen Verwendens oder Verbreitens angelegt. Vergleichbar mit einer Körperverletzungshandlung nach § 223 StGB, nach welcher das Opfer tagelang Schmerzen hat, vermag dieser tatbestandsexterne Zustand keine Änderung der Deliktsnatur herbeizuführen.155 Insofern stößt eine Beihilfestrafbarkeit nach der Vollendung der Tathandlung des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB auf verfassungsrechtliche Bedenken, weil eine Strafbarkeit des Gehilfen entgegen dem Wortlaut auf ungeschriebene Tatbestandsmerkmale gestützt würde.156 Die strafbegründende Funktion des Beendigungsbegriffs muss sich im Rahmen eindeutiger Konturen vollziehen, 153 So Mitsch, JA 2017, 407, 412 hinsichtlich §§ 242, 249 StGB; Roxin, AT II, § 26 Rn. 262. 154 So trefflich Roxin, AT II, § 26 Rn. 261. 155 Rönnau, JuS 2010, 961, 962; a. A. wohl Krischker, JA 2013, 488, 492. 156 Zutreffend Mitsch, JA 2017, 407, 411 f.; a. A. wohl Krischker, JA 2013, 488, 492.

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um nicht mit dem Bestimmtheitsgrundsatz in Konflikt zu geraten.157 Der Akzessorietätsgedanke der Teilnahme ist eine „rechtsstaatliche Schranke des Garantietatbestandes“.158 Art. 103 Abs. 2 GG steht einer insofern zeitlich unbegrenzten Beihilfe nach §§ 86a Abs. 1 Nr. 1, 27 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB entgegen, weil sich an die Vollendung der Tat keine tatbestandsmäßigen Elemente mehr anschließen.159 Für diese Fälle können Anschlussdelikte eingreifen,160 die der Gesetzgeber in Bezug auf die Wahrnehmbarkeit von Kennzeichen verfassungswidriger Kennzeichen allerdings nicht normiert hat. Die gegenteilige Auffassung161 gründet fehlerhaft auf einer internetspezifischen Sonderdogmatik, für die es keinen Anlass gibt. Auch bleibt im Falle des Uploads und der Verfügbarkeit der Inhalte auf der Spieleplattform unklar, welche zeitliche Dimension eine irgendwie geartete Beendigungsphase annehmen sollte. Gründet die sukzessive Beihilfe zu § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB auf dem Gedanken zunehmender Unrechtsintensivierung aufgrund der dauerhaften Abrufbarkeit des Computerspielinhalts, so wäre eine zeitliche Begrenzung der Strafhaftung des Spieleplattformbetreibers ausgeschlossen. Dass dieses Ergebnis keinen Beifall verlangt, liegt auf der Hand. Darüber hinaus kommt eine Strafhaftung des Spieleplattformbetreibers nur in Betracht, wenn positive Kenntnis von der rechtswidrigen Information eintritt. Dabei handelt es sich um einen subjektiven, nicht notwendigerweise nach außen in Erscheinung tretenden Umstand, der von außen keine Unrechtsintensivierung erkennen lässt. Ungeachtet dessen entstünden mit einer Strafbarkeit aufgrund der unterlassenen Löschung der Inhalte durch den Spieleplattformbetreiber zahlreiche strafrechtliche Verwerfungen. Eine Beihilfestrafbarkeit durch das zeitlich nachgelagerte Unterlassen des Entfernens der Inhalte ist nicht mit den Regelungen zur Verjährung und den Pflichten des Betreibers durch das TMG vereinbar. Eine Förderung der Haupttat kommt nur in Betracht, wenn das Handlungsoder Erfolgsunrecht in irgendeiner Weise gefördert wird.162 Wäre in der Aufrechterhaltung der Wahrnehmbarkeit der Kennzeichen im angebotenen Computerspiel ein eigenständiger Unrechtswert zu erkennen, so würde die 157

Vgl. Kühl, in: FS-Roxin, S. 665, 673 f. Kühl AT, § 20 Rn. 134; Küper, ZStW 104 (1992), 559, 585. 159 Kühl, in: FS-Roxin, S. 665, 675; ders., AT, § 20 Rn. 236; Mitsch, JURA 2009, 534, 536; ders., JA 2017, 407, 411; Murmann, in: S/S/W, StGB, § 27 Rn. 8; ähnl. Schünemann/Greco, in: LK-StGB, § 27 Rn. 43. 160 Kühl, AT, § 20 Rn. 237 f. 161 Krischker, JA 2013, 488, 492. 162 Beihilfe ist unrechtsakzessorisch; so auch Kühl, AT, § 20 Rn. 136; vgl. ferner Rengier, AT, § 45 Rn. 82; Schünemann/Greco, in: LK-StGB, § 27 Rn. 43 stellen trefflich auf den Eintritt der gesamten Rechtsgüterverletzung als spätestmöglichen Zeitpunkt ab. 158

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Verjährungsfrist gemäß § 78a StGB erst mit der Entfernung der Inhalte zu laufen beginnen,163 weil diese an der Beendigung anknüpfen.164 In diesem Zusammenhang wäre § 86a StGB deliktsspezifisch in ein Dauerdelikt umgewandelt. Richtigerweise kommt es auf den Eintritt eines durch die abstrakt gefährliche Handlung verursachten Erfolgs im Falle des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht an, sondern auf den Abschluss der tatbestandlichen Ausführungshandlung.165 Bei abstrakten Gefährdungsdelikten und Tätigkeitsdelikten bildet diese den Anknüpfungspunkt der Verjährung.166 In jedem Fall ist § 86a StGB in Abgrenzung zu Dauerdelikten als Zustandsdelikt zu qualifizieren, die ab der Herbeiführung oder Vertiefung des rechtswidrigen Zustands verjähren. Auf die Aufrechterhaltung des rechtswidrigen Zustands kommt es nicht an.167 Ein Upload und die Beihilfe zu diesem hinsichtlich eines vor mehreren Jahren hochgeladenen Werks wäre bei fortwährender Verfügbarkeit des Inhalts nicht verjährt. In konsequenter Übertragung dieses Befundes auf nicht-digitale Sachverhalte sind systematische Unstimmigkeiten nicht zu vermeiden. Die Wahl des Internets als Tatmittel ist insofern keiner Sonderdogmatik zugänglich.168 Die Verjährung des § 86a StGB orientiert sich an dem Abschluss der Ausführungshandlung.169 In Ablehnung des Dauerdeliktscharakters des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB kann die Nichtentfernung der Inhalte, die der tatbestandlichen Ausführungshandlung des Haupttäters nachgelagert ist, keine Hilfeleistung zu derselben darstellen. Das Aufrechterhalten der Wahrnehmbarkeit ist ein tatbestandsexterner Zustand, der die Beendigung der Haupttat und damit auch die Teilnahmefähigkeit nicht erweitert.170 Erneut sei darauf hingewiesen, dass der Zustand der dauerhaften Wahrnehmbarkeit freilich nicht als Teil der Handlung selbst zu verstehen ist.171 Die Beihilfestrafbarkeit des Spieleplattform163

S. 91. 164

BGHSt 36, 255, 257 hinsichtlich § 326 Abs. 1 StGB; Heinrich, in: FS-Weber,

BGHSt 36, 255, 256 f.; Wolter, in: SK-StGB, § 78a Rn. 3. BGHSt 36, 255, 257; OLG München, NStZ 2006, 630; Mitsch, JURA 2009, 534; Wolter, in: SK-StGB, § 78a Rn. 13. 166 OLG Köln, NJW 2000, 598, 600; OLG München, NStZ 2006, 630, 631; Kühl, in: Lackner/Kühl, StGB, § 78a Rn. 3; Mitsch, in: HB Strafrecht AT II, § 70 Rn. 33; Wolter, in: SK-StGB, § 78a Rn. 13. 167 Greger/Weingarten, in: LK-StGB, § 78a Rn. 10. 168 A. A. Krischker, JA 2013, 488, 491. 169 Heinrich, in: Wandtke/Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 6 Rn. 96; Ziemann, in: AnwK-StGB, § 86a Rn. 23, § 86 Rn. 38; a. A. wohl Krischker, JA 2013, 488, 492, der den Verjährungsbeginn anhand der Sichtbarkeit der Inhalte bestimmen möchte. 170 Illustrativ Mitsch, JURA 2009, 534, 536. 171 BGH, NStZ 2015, 81, 82; Heinrich, in: FS-Weber, S. 91, 103 in Bezug auf Internetdelinquenz; a. A. KG, NJW 1999, 3500, 3502. 165

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betreibers für Inhalte, die gegen § 86a StGB verstoßen, begrenzt sich daher auf einen sehr schmalen zeitlichen Korridor.172 Ein Fördern der Haupttat ist mit dem Unterlassen einer Löschung oder Sperrung nicht mehr möglich, weil sich die Beihilfehandlung auf einen Zeitraum nach der Beendigung erstreckt. Zur tatbestandlichen Ausführungshandlung des Täters leistet das spätere Unterlassen des Spieleplattformbetreibers keinen Förderungsbeitrag mehr. Strafbarkeitslücken sind hinzunehmen.173 3. Garantenstellung des Plattformbetreibers Die Gleichstellung des Unterlassens mit einem aktiven Tun erfordert eine Erfolgsabwendungspflicht des Täters, § 13 StGB. a) Überwachergarantenstellung ab positiver Kenntnis Für den Spieleplattformbetreiber kommt eine Überwachergarantenstellung in Betracht. Teilweise wird diese ab positiver Kenntnisnahme aus der Verantwortungsübernahme für eine Gefahrenquelle angenommen.174 Zudem soll sie sich aus der gesteigerten Verantwortung für das Verhalten der Nutzer aufgrund der besonderen Beschaffenheit des Bereitstellens des Speicherplatzes ergeben.175 Grundsätzlich leitet sich eine Überwachergarantenstellung aus der besonderen rechtlichen oder sozialen Einflussnahme auf geschützte Rechtsgüter und Gefahrenquellen ab und resultiert nicht aus dem vorsätzlichen Verhalten Dritter.176 Auch ergibt sie sich nicht aus der bloßen Löschungsmöglichkeit,177 die dem Diensteanbieter regemäßig physisch möglich und zumutbar sein wird.178 Der Gesetzgeber erkennt in der Kriminalität unter Nutzung des In172 Ceffinato, JuS 2017, 403, 404; a. A. Galetzka/Krätschmer, MMR 2016, 518, 522 f., die die Akzessorietätsanforderungen überdehnen; ein anderes Ergebnis kann bei Straftaten nach § 106 UrhG angenommen werden. Der Download der Inhalte kann als Vervielfältigung angesehen werden und würde durch das weitere Bereithalten der Inhalte für die Nutzer der Plattform keinen Akzessorietätsbedenken ausgesetzt, wenn weitere Downloads zu besorgen sind. 173 Mitsch, JA 2017, 407, 411. 174 Galetzka/Krätschmer, MMR 2016, 518, 522; Handel, MMR 2017, 227; Hörnle, NJW 2002, 1008, 1011. 175 Bosch, in: Sch/Sch, StGB, § 13 Rn. 44. 176 Ceffinato, JuS 2017, 403, 405; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 242; Sieber, in: H/S/H, Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 58. 177 Bode, ZStW 127 (2015) 937, 972; Ceffinato, JuS 2017, 403, 405. 178 Bär, in: W/J/S, HB Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 15. Kap. Rn. 195; Bosch, in: Sch/Sch, StGB, § 13 Rn. 44; Nieland, NJW 2010, 1494; anders Sieber, in: H/S/H, Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 44, 50.

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ternets ein hohes Gefahrenpotenzial, weist dem Host-Provider dieses aber nicht zu, sondern nimmt es zum Anlass der Privilegierung.179 Die Gefährlichkeit resultiert nicht aus dem sozialadäquaten Betreiben der Plattform und der Aufnahme der Inhalte Dritter, sondern vielmehr aus dem vorsätzlichen Verhalten des Hochladenden. Das deliktische Handeln Dritter ist nicht als Betriebsgefahr der Plattform zu qualifizieren.180 Gründet die Gefahr allein auf dem vorsätzlichen Verhalten Dritter unter Nutzung der sozialadäquaten Plattform des Betreibers, so resultiert sie nicht aus dem Betrieb der Plattform selbst. Hinsichtlich des sozialadäquaten Betreibens einer Spieleplattform bietet sich ein Vergleich zur analogen Welt an. Ein Hauseigentümer ist im Sinne einer Garantenstellung nicht zur Entfernung beleidigender Parolen, die ein Dritter an dessen Hauswand angebracht hat, verpflichtet. Die deliktische Nutzung eines Grundstücks stellt keine Sachgefahr des Grundstücks selbst dar.181 Der Gesetzgeber entschied sich im Zuge des § 7 Abs. 2 TMG expressis verbis zur Negierung allgemeiner Überwachungspflichten. Es erschiene widersprüchlich, das bloße zur Verfügung Stellen des Speicherplatzes und die Verwaltung der Inhalte Dritter einerseits zum Gegenstand einer rechtsgebietsübergreifenden Haftungsprivilegierung zu nehmen, sogleich aber eine Garantenstellung aus der Verantwortung über eine Gefahrenquelle anzunehmen und die Verantwortlichkeit für das Verhalten von Millionen Nutzern zu entwickeln.182 Zudem lässt auch die Erlangung der positiven Kenntnis vom rechtswidrigen Inhalt keine Garantenstellung aufgrund der Gefahrenquelle entstehen. Eine Garantenstellung ist in Abgrenzung von § 10 TMG festzustellen und ergibt sich nicht bereits aus dem Verlassen des haftungsprivilegierenden Verhaltens selbst.183 Würde aus der Überschreitung des haftungsprivilegierenden Rahmens des § 10 S. 1 TMG eine Garantenstellung gelesen, so würde die 179

Bode, ZStW 127 (2015) 937, 979; Ceffinato, JuS 2017, 403, 406. Eckel/Rottmeier, NStZ 2021, 1, 6; Fischer, StGB, § 13 Rn. 65. 181 Bosch, in: Sch/Sch, StGB, § 13 Rn. 44; Gercke/Hembach, in: AnwK-StGB, § 13 Rn. 16; Sieber, in: H/S/H, Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 58; vgl. Stein, in: SK-StGB, § 13 Rn. 38; ausdrücklich hinsichtlich § 86a StGB Sternberg-Lieben, in: Sch/Sch, StGB, § 86a Rn. 6; W/B/S, AT, Rn. 1187; krit. Hörnle, NJW 2002, 1008, 1011. 182 Vgl. Ceffinato, JuS 2017, 403, 405 f.; a. A. Bosch, in: Sch/Sch, StGB, § 13 Rn. 44. 183 Vgl. BT-Drs. 14/1191, S. 10; vgl. Bär, in: W/J/S, HB Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 15. Kap. Rn. 192; Ceffinato, JuS 2017, 403, 406; Eckel/Rottmeier, NStZ 2021, 1, 5 f.; Heckmann, in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 8 Rn. 541; Hilgendorf, in: S/S/W, StGB, § 184 Rn. 21; Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 240; Hoffmann/Volkmann, in: Recht der elektronischen Medien, Vorb. § 7 TMG Rn. 15, § 10 TMG Rn. 32; a. A. wohl Haas, in: M/R, StGB, § 13 Rn. 69; W/B/S, AT, Rn. 1188. 180

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Norm nicht nur ihren Privilegierungscharakter einbüßen, sondern die strafrechtliche Grundlage der Unterlassungshaftung des untätig gebliebenen Mitarbeiters begründen. Die Grundsätze der strafrechtlichen Unterlassungshaftung bleiben vom Eingreifen und Übertreten des haftungsprivilegierten Rahmens des § 10 TMG unberührt.184 Mit positiver Inhaltskenntnis tritt der Host-Provider nicht systematisch auf Grundlage der Überschreitung des § 10 TMG in eine Garantenstellung ein. Andernfalls könnten sich in normativer Hinsicht Host-Provider dazu aufgerufen fühlen, den unternehmensinternen Betrieb strukturell auf die Unmöglichkeit der Kenntniserlangung auszurichten. Zwar ließe sich einwenden, dass § 10 TMG Ausdruck einer positiven Verantwortlichkeit des Host-Providers bei Überschreitung des haftungsprivilegierenden Rahmens darstellt.185 Insofern würde es mit Blick auf die rechtsgebietsübergreifende Natur der Haftungsprivilegierungen nicht ausgeschlossen erscheinen, dass neben der zivilrechtlichen Löschungspflicht auch strafrechtliche Löschungspflichten statuiert würden. Gleichwohl handelt es sich bei §§ 7 Abs. 2 ff. TMG um Privilegierungen, nicht um Erweiterungen. Nur aufgrund dessen kommt eine Strafbarkeit der Mitarbeiter eines Diensteanbieters überhaupt in Betracht. Die Regelungen sind deshalb allein als Privilegierung zu verstehen, weil andernfalls wohl eine unzulässige, strafbarkeitsbegründende Analogie des Diensteanbieterbegriffs auf die Mitarbeiter des Host-Providers im Zuge der Garantenstellung aufgrund des § 10 TMG vorliegen würde. In Anerkennung des § 10 TMG als Haftungsprivilegierung ist eine Garantenstellung aus § 10 TMG abzulehnen. Ein den haftungsprivilegierenden Rahmen des § 10 TMG verlassenden Host-Provider, der nach den allgemeinen Gesetzen haftet, ist keine Garantenstellung aufgrund der positiven Kenntnis des rechtswidrigen Inhalts aufzuerlegen. Auch die gesetzgeberischen Erwägungen zur Begründung der ursprünglichen Haftungsregelung des § 5 Abs. 2 TDG a. F.186 verhelfen zu keinem anderen Ergebnis. §§ 7 ff. TMG nehmen keine sachliche Modifikation der Regelungen des früheren TDG vor.187 Spricht der Gesetzgeber einerseits von einer Garantenstellung für die Verhinderung der Übermittlung an Dritte,188 limitiert er die teleologische Reichweite

184 Bode, ZStW 127 (2015), 937, 975 f.; Valerius, in: BeckOK-StGB, Providerhaftung, Rn. 7. 185 Siehe dazu Bode, ZStW 127 (2015), 937, 974. 186 § 5 Abs. 2 TDG: „Diensteanbieter sind für fremde Inhalte, die sie zur Nutzung bereithalten, nur dann verantwortlich, wenn sie von diesen Inhalten Kenntnis haben und es ihnen technisch möglich und zumutbar ist, deren Nutzung zu verhindern.“ 187 Eisele, Computer- und Medienstrafrecht, § 4 Rn. 1; Heinrich, in: Wandtke/ Ohst, Medienrecht PraxisHB Bd. IV, Kap. 6 Rn. 70. 188 BT-Drs. 13/7385, S. 20.

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der §§ 9 – 11 TMG auf eine Haftungsbegrenzung. Die Normen sollen die strafrechtliche Verantwortlichkeit weder begründen noch erweitern.189 Ferner statuiert § 13 Abs. 6 S. 1 TMG die Pflicht zur Ermöglichung der anonymen Nutzung von Telemedien. Ist darin ein sozialadäquates Geschäftsmodell zu erkennen, so ergibt sich aus dem bloßen Unterhalten der Plattform keine Garantenstellung aufgrund einer Gefahrenquelle.190 Erhöhte Prüfungspflichten existieren nicht.191 Eine Überwachergarantenstellung des Spieleplattformbetreibers zur Verhinderung von Rechtsgutsverletzungen i. S. d. § 86a StGB auf Grundlage des § 10 TMG ist abzulehnen.192 b) Ingerenzhaftung Die Garantenstellung des strafrechtlich zur Verantwortung gezogenen Mitarbeiters könnte aus Ingerenz resultieren. Eine Ingerenzhaftung kommt nach herrschender Meinung nur dann in Betracht, wenn ein zumindest pflichtwidriges Vorverhalten identifiziert werden kann.193 Regelmäßig hat der Spieleplattformbetreiber bis zum Zeitpunkt der positiven Kenntnisnahme i. S. d. § 10 S. 1 Nr. 1 TMG keine Pflicht verletzt.194 Anders könnte die aktive Werbung für ein zielgerichtetes Betreiben für illegale Inhalte zu beurteilen sein.195 Ein pflichtwidriges Vorverhalten kann angenommen werden, wenn zielgerichtet rechtswidrige Inhalte die Plattform prägen.196 Grundsätzlich ist der Betrieb eines offenen Online-Marktplatzes sozialadäquat und die Kontrollpflichten dürfen nicht das Geschäftsmodell einer solchen Plattform ver-

189 BT-Drs. 14/1191, S. 10; BT-Drs. 14/6098, S. 23; Bode, ZStW 127 (2015), 937, 975 f.; Eckel/Rottmeier, NStZ 2021, 1, 6; auf diesen Umstand weist auch Sieber, in: H/S/H, Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 34 hin; ders., Verantwortlichkeit im Internet, Rn. 230. 190 Eckel/Rottmeier, NStZ 2021, 1, 6; Eisele, Computer- und Medienstrafrecht, § 4 Rn. 17. 191 Helmschrot, in: MAH IT-Recht, Teil 5.3 Rn. 49. 192 Bode, ZStW 127 (2015), 937, 976 f.; Eckel/Rottmeier, NStZ 2021, 1, 6; Sieber, in: H/S/H, Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 36 weist darauf hin, dass eine generelle Garantenpflicht des Host-Providers nicht vorliegt; Valerius, in: BeckOK-StGB, Providerhaftung Rn. 7; a. A. Galetzka/Krätschmer, MMR 2016, 518, 522. 193 Ausführlich Heinrich, AT, Rn. 959 ff.; Kühl, AT, § 18 Rn. 91 ff.; W/B/S, AT, Rn. 1196. 194 Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 241; Nieland, NJW 2010, 1494, 1495. 195 OLG Hamburg, MMR 2009, 631, 636; Gercke, GA 2012, 474, 479; Sieber, in: H/S/H, Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 39; vgl. auch v. Hirsch/Wohlers, in: Die Rechtsgutstheorie, S. 196, 204. 196 So auch Sieber, in: H/S/H, Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 39.

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eiteln.197 Allgemeine Überwachungspflichten bestehen nicht und können nicht als Anknüpfungspunkt eines strafrechtlichen Vorwurfs dienen.198 Die Schaffung einer internetbasierten Infrastruktur im Rahmen eines sozialadäquaten wirtschaftlichen Verhaltens ist jedenfalls nicht pflichtwidrig.199 Trotz der fehlenden Prüfungspflichten des Diensteanbieters aufgrund von § 7 Abs. 2 TMG wird teilweise die Vorsorgepflicht zur Einrichtung automatisierter Filtersysteme diskutiert. In Bezug auf Prüfungs- und Vorsorgepflichten von Betreibern eines Meinungsforums stellen automatisierte Filtersysteme aufgrund der Variationsbreite von Äußerungen eine nur untaugliche Schutzmaßnahme dar.200 Ebenso wie einzelne Begriffe einer Meinungsäußerung können auch Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen hinsichtlich ihrer Unzulässigkeit lediglich in Berücksichtigung des konkreten kontextuellen Zusammenhangs beurteilt werden. Unabhängig von einer etwaigen Pflicht zur Einrichtung von Filtersystemen kann mangels Eignung automatisierter Systeme zur Erfassung rechtswidriger Informationen keine Garantenstellung aus Ingerenz aus ihnen konstruiert werden. Letztlich sind Filtersysteme nur in der Lage, einige Informationen zur Kennzeichenverwendung zu liefern.201 Eine Identifizierung der Rechtswidrigkeit könnte der Diensteanbieter nur im Zuge einer vollumfänglichen Inhaltsprüfung vornehmen, die gemäß § 7 Abs. 2 TMG gerade nicht zu dessen Pflichtenkreis zu zählen ist. Eine gänzliche Inhaltsprüfung kann vom Diensteanbieter nicht verlangt werden, würde dies doch bedeuten, dass jeder wahrnehmbare Winkel der Spielwelt nach verfassungswidrigen Kennzeichen erforscht werden müsste. Die strafrechtlich relevanten Daten werden erst durch die Handlung eines Dritten auf Basis des rechtmäßigen Vorverhaltens des Plattformbetriebes verbreitet. Das pflichtwidrige Vorverhalten kann nicht aus dem unverdächtigen Betrieb der Spieleplattform abgeleitet werden, selbst wenn eine Missbrauchsgefahr besteht.202 Die Möglichkeit eines Missbrauchs ist wohl nie auszuschließen und wäre als Grundlage der Strafhaftung das Sinnbild einer

197 OLG Hamburg, ZUM 2009, 642, 646; Kartal-Aydemir/Krieg, MMR 2012, 647, 650; Nieland, NJW 2010, 1494, 1498; ähnl. Sobola, in: A-R/C, HB IT- und Datenschutzrecht, § 42 Rn. 37. 198 Bode, ZStW 127 (2015), 937, 942 f.; Gercke, GA 2012, 474, 476 f. 199 Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 241; Kessler, S. 93; Sieber, in: H/S/H, Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 24. 200 OLG Düsseldorf, MMR 2006, 618, 621; Nieland, NJW 2010, 1494, 1497. 201 So auch Bär, in: W/J/S, HB Wirtschafts- und Steuerstrafrecht, 15. Kap. Rn. 195. 202 KG, NJW 2014, 3798, 3800; Sieber, in: H/S/H, Multimedia-Recht, Teil 19.1 Rn. 39; a. A. wohl LG Hamburg, MMR 2006, 491, 492.

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Misstrauensgesellschaft.203 Auch wenn der Plattformbetreiber umfassende Kenntnis von den strafbaren Inhalten erhält, handelt es sich weiterhin um fremde Inhalte.204 Jedenfalls vermag die positive Kenntnis vom Inhalt nicht ipso iure eine Strafhaftung des Host-Providers auszulösen, da ein pflichtwidriges Vorverhalten fehlt. Vielmehr ist die positive Kenntnis das Abgrenzungsmerkmal zwischen privilegiertem und nicht privilegiertem Verhalten. § 10 TMG kann als Ausdruck des Rechtsgedankens verstanden werden, dass derjenige, der in Kenntnis der deliktischen Absichten eines Dritten dessen Tat unterstützt, sich keiner Privilegierung berufen soll.205 Erst nach positiver Kenntnis des Spieleplattformbetreibers vom deliktischen Spielinhalt i. S. d. § 86a StGB – die hohen Anforderungen wurden bereits dargelegt – werden Handlungspflichten statuiert, die nicht mehr Teil des Privilegierungstatbestandes selbst sind, sondern die Rechtsfolgen des Überschreitens der Haftungsprivilegierung normieren. Eine Garantenstellung in Ingerenz wird mit der Untätigkeit nach positiver Kenntnis begründet, weil erst dieses pflichtwidrig ist. Diese Lösung bedeutet keine dogmatische Verkürzung der Ingerenzhaftung auf das Merkmal der positiven Kenntnis. Im Wege der hier befürworteten Lösung resultiert die Pflichtwidrigkeit erst mit schuldhaftem Zögern des Spieleplattformbetreibers hinsichtlich der Sperrung der Inhalte. Sodann bliebe gleichwohl nur die Möglichkeit das strafbare Unterlassen der Löschung auf ein fortgesetztes Unterlassen zu stützen, welches dogmatisch vom pflichtwidrigen Vorverhalten zu trennen ist. Für Spieleplattformbetreiber kommen indes weitere Handlungspflichten in Betracht, die eine Garantenstellung aus Ingerenz unabhängig von § 10 TMG zu begründen vermögen. Mit der Pflicht zur Einrichtung von Melde- und Beschwerdesystemen als Vorsorgemaßnahmen für die Nutzer der Plattform nach § 24a Abs. 2 JuSchG wird dem Spieleplattformbetreiber eine absichtliche Unkenntnis der inkriminierten Inhalte verwehrt. Eine strukturelle Ausrichtung des internen Spieleplattformbetriebs auf die gezielte Unkenntnis der Inhalte ist nicht möglich. Ein pflichtwidriger Verstoß gegen die Einrichtung eines funktionierenden Meldesystems nach § 24a Abs. 2 Nr. 1 lit. a), lit. b) JuSchG verhindert zwar die positive Kenntnisnahme des inkriminierten Inhalts, stellt aber zugleich den Anknüpfungspunkt für ein pflichtwidriges Vorverhalten des Plattformbetreibers dar. 203 v. Hirsch/Wohlers, in: Die Rechtsgutstheorie, S. 196, 203 f.; abweichend qualifiziert Kessler, S. 97 f. das hohe Missbrauchsrisiko als gesteigerte Gefahrenquelle als Anhaltspunkt für die Annahme einer Überwachergarantenstellung. 204 Hilgendorf/Valerius, Computer- und Internetstrafrecht, Rn. 203; Mitsch, Fallsammlung zum Medienstrafrecht, S. 112. 205 Kudlich, in: HB Strafrecht AT II, § 54 Rn. 61.

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Im Falle des Überschreitens des haftungsprivilegierenden Rahmens des § 10 TMG kann eine Garantenstellung aus der Nichteinrichtung der gesetzlichen Vorsorgemaßnahmen gemäß §§ 24a Abs. 1, Abs. 2 JuSchG konstruiert werden. Vorsorgemaßnahmen stehen hierbei nicht im Widerspruch zu § 7 Abs. 2 TMG.206 Bereits vor der Novellierung des JuSchG wiesen viele Spieleplattformen Melde- und Beschwerdesysteme zur Identifizierung inkriminierter oder sonst unzulässiger Inhalte auf.207 Eine Haftungsverschärfung durch die gesetzliche Neuregelung ist in strafrechtlicher Sicht für seriöse Spieleplattformbetreiber wohl nicht vorgenommen. Indes löst die Novellierung der Vorsorgemaßnahmen nicht die grundsätzliche Frage, inwieweit trotz Vorliegens einer Garantenstellung aus Ingerenz eine positive Kenntnis vom Inhalt tatsächlich vorliegt, wenn sich der Diensteanbieter bewusst der Kenntnisnahme versperrt. Eine umfassende Bearbeitung dieser Problematik kann an dieser Stelle nicht geleistet werden.

III. Täterschaft bei positiver Kenntnis? Das TMG modifiziert die strafrechtsdogmatische Differenzierung zwischen Täterschaft und Teilnahme nicht.208 Mit positiver Kenntnisnahme vom strafrechtswidrigen Computerspielinhalt kommt auch eine Täterschaft des Spieleplattformbetreibers in Betracht, weil er mit den Löschungs- und Sperrmöglichkeiten in der Lage ist, auf die Wahrnehmbarkeit des Inhalts umfassend Einfluss zu nehmen.209 Ferner besteht – anders als bei bloßen Meinungsforenbetreibern – aufgrund der Umsatzbeteiligung auch ein wirtschaftliches Interesse an der Vermarktung des Inhalts. Zwar vermag die Annahme einer Täterschaft des Spieleplattformbetreibers Akzessorietätsbedenken im Hinblick auf die Teilnahmefähigkeit des Uploads überwinden. Die in Rede stehende Tathandlung des Betreibens bleibt gleichwohl aufgrund des automatisierten Fortgangs der Aufrechterhaltung des Betriebs ein Unterlassen.210 Insbesondere ist das einheitliche Tatgeschehen, das sich aus dem Upload des Computerspielinhalts und dem Betreiben der Plattform präsentiert, allein anhand der positiven Kenntniserlangung nicht künstlich auseinanderzureißen, ohne dass der Tatbeitrag oder das wirtschaftliche Interesse des Plattformbetreibers modifiziert wird. Im Ergebnis überzeugt die Annahme einer täterschaftlichen Strafhaftung nach den Grundsätzen des § 25 Abs. 2 StGB nach positiver 206

Krit. Nieland, NJW 2014, 1494, 1497. BR-Drs. 618/20, S. 73. 208 Hilgendorf, in: S/S/W, StGB, § 184 Rn. 21; Valerius, in: BeckOK-StGB, Providerhaftung, Rn. 7. 209 Heckmann, in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 8 Rn. 452. 210 A. A. wohl Galetzka/Krätschmer, MMR 2016, 518, 522. 207

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Kapitel 7: Strafrechtliche Haftungsrisiken

Kenntnisnahme des Inhalts nicht. Ferner würde sich aus dem Umstand, dass aus § 10 TMG oder dem bloßen Betreiben einer sozialadäquaten Spieleplattform keine Überwachergarantenstellung resultiert, nichts ändern. Auch eine Garantenstellung aus Ingerenz vermag sich lediglich aus der Untätigkeit trotz Kenntnisnahme ergeben und kann nicht zugleich als Anknüpfungspunkt der Tathandlung des Unterlassens dienen.

IV. Kontrollüberlegung Ist eine Spieleplattform grundsätzlich auf die Vermarktung inkriminierter Inhalte ausgerichtet und nimmt Spielinhalte aktiv nach einer inhaltlichen Prüfung in die öffentlich zugängliche Sammlung auf, so ist der Betreiber nach den allgemeinen strafrechtlichen Grundsätzen zu behandeln, § 7 Abs. 1 TMG.211 Die gezielte Aufnahme ist als aktives Tun zu qualifizieren und auch der doppelte Gehilfenvorsatz entfiele nicht.212 Mit dem gezielten Freischalten des Speicherplatzes und der Bearbeitungswerkzeuge für die Veröffentlichung treten aufgrund des Wissens hinsichtlich des Inhalts weder Vorsatzprobleme noch Kollisionen mit den Akzessorietätsgrundsätzen auf. Nach der hier vertretenen Auffassung ist das Betreiben einer internetbasierten Vermarktungsplattform nicht in allen Fällen des § 86a StGB straflos und lässt differenzierte Ergebnisse zu.

V. Ergebnis Seriöse Spieleplattformen stellen trotz eigener Moderation der Inhalte und weitreichender Vertriebsrechte zumeist fremde Inhalte zur Verfügung. Eine präventive Inhaltsprüfung ist in den meisten Fällen aufgrund der enormen Anzahl bereitgestellter Titel und der Spielumfänge personell und wirtschaftlich nicht zu bewältigen und mit Blick auf § 7 Abs. 2 TMG nicht erforderlich. Eine Beihilfestrafbarkeit durch die nachträgliche Kenntniserlangung scheitert oftmals aufgrund der hohen Anforderungen der positiven Kenntnis nach § 10 TMG, einer fehlenden Garantenstellung, sowie grundsätzlichen Bedenken hinsichtlich der Teilnahmefähigkeit der Haupttat nach Veröffentlichung des Inhalts durch den Entwickler. Zwar liegt der Schluss nahe, dass der nationale Gesetzgeber in Umwandlung der ECRL den Fokus nicht auf

211 Eckel/Rottmeier, NStZ 2021, 1, 6 weisen darauf hin, dass es auch im Falle des Unterlassens in diesem Fall nicht an einer Garantenstellung fehlt. 212 Ceffinato, JuS 2017, 403, 407 f. nimmt vorbehaltlich der konkreten Umstände des Einzelfalls eine Täterschaft an.

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materiell-strafrechtliche Erwägungen legte.213 Sofern Handlungsbedarf aufgrund der hohen Hürden zur Begründung der strafrechtlichen Verantwortlichkeit gesehen wird, so ist dies Aufgabe des Gesetzgebers und nicht die des Rechtsanwenders. Die Tatsache, dass die Richtlinienumsetzung in Bezug auf das materielle Strafrecht ohne die erforderliche Berücksichtigung strafrechtsdogmatischer Grundsätze oftmals ins Leere führt und nicht die vom Gesetzgeber gewünschte Zwecksetzung verwirklicht, ist dem Diensteanbieter nicht zur Last zu legen. Die Fallgruppe der rechtsmissbräuchlichen, vorsätzlichen Unkenntnis des Spieleplattformbetreibers wird zwar durch § 24a JuSchG flankiert und vermag so ein rechtwidriges Vorverhalten des Anbieters als Grundlage einer Ingerenzhaftung zu begründen. Gleichwohl handelt es sich bei den Spielinhalten weiterhin um fremde Inhalte und der Privilegierungsrahmen des § 10 TMG ist erst mit positiver Kenntnis überschritten. Inwieweit die strukturelle Verhinderung der positiven Kenntnis der positiven Kenntnis gleichzusetzen ist,214 ist vor dem Hintergrund der bereits durch seriöse Spieleplattformbetreiber implementierten Beschwerde- und Meldesysteme von geringer Bedeutung.

D. Strafrechtliche Haftung des Spielers Eine Änderung des Spielinhalts kann durch Hinzufügen oder Änderung wahrnehmbarer Inhalte die öffentliche Wahrnehmbarkeit begründen. Ferner besteht mit Let’s Play-Videos die Möglichkeit für den Rezipienten, den medialen Inhalt in einem neuen Kontext aus eigener Perspektive für Dritte zu präsentieren.

I. Modifikationen des Computerspiels Modifikationen vermögen das gesamte Spielerlebnis zu verändern und lassen den Rezipienten vom bloßen Nutzer zum Produzenten aufsteigen.215 Wagen sich Computerspielehersteller selbst vermehrt an die Implementierung von Symbolen verfassungswidriger Organisationen im Einzelspielermodus, so verbleibt oftmals eine Grenze hinsichtlich des kompetitiven Mehrspieler-

213 Siehe BT-Drs 14/6098, S. 24; Bode, ZStW 127 (2015), 937, 947; Freytag, CR 2000, 600, 604; Hoffmann/Volkmann, in: Recht der elektronischen Medien, Vorb. § 7 TMG Rn. 15. 214 Siehe dazu Spindler, NJW 1997, 3193, 3197; Stadler/Roggenkamp, in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 1.4 Rn. 317; vgl. Kovacs, S. 145. 215 Gieselmann, Der virtuelle Krieg, S. 64.

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Kapitel 7: Strafrechtliche Haftungsrisiken

modus, die bisher selten überschritten wurde.216 Mit dieser Maxime kann im Zuge extern modifizierter Server gebrochen werden. Insbesondere SkinMods ermöglichen eine Veränderung der visuellen Gestaltung des Spielinhalts und die Implementierung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Die Spielfigur kann eine individuelle Erscheinung erhalten. Virtuelle Gegenstände, wie Waffen oder die Kleidung können mittels eines Skin-Mod angepasst und beliebig im Erscheinungsbild verändert werden. Ein öffentliches Verwenden der Kennzeichen kommt lediglich bei einer Modifizierung des Inhalts in einem onlinebasierten Kontext in Betracht. Die Herstellungstat nach § 86a Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 StGB würde – im Falle der Überschreitung der Sozialadäquanzklausel – als mitbestrafte Vortat im öffentlichen Verwenden aufgehen. Die bloße Veränderung eines Einzelspielermodus ist mit Blick auf § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB nur in Einzelfällen von Bedeutung. Exemplarisch ist der Fall denkbar, dass der Rezipient den Inhalt des Einzelspielermodus durch NS-Symbole eigenhändig auflädt und sein neu geschaffenes Werk als Let’s Play-Video auf einer öffentlich zugänglichen Videostreamingplattform zur Verfügung stellt. Weitreichendere Kollisionsfelder mit § 86a StGB dürften sich aber insbesondere mit Blick auf den kompetitiven Mehrspielermodus ergeben. Das zur Verfügung Stellen eines modifizierten Spielservers für die Öffentlichkeit ist ein öffentliches Verwenden der implementierten NS-Symbolik. Der zeitliche Versatz bis zur tatsächlichen Sichtbarkeit der Kennzeichen durch Dritte, sowie die Ansteuerung des Spielservers durch Dritte entlastet den Täter nicht. Die virtuelle Wahrnehmbarkeit der Kennzeichen ist im Programmcode des entsprechenden Spielservers bereits vorgesehen, die Möglichkeit der Wahrnehmbarkeit ist geschaffen. Die Implementierung der Kennzeichen in einen kompetitiven Mehrspielermodus lässt eine lineare Gegnerschaft zu Kennzeichen regelmäßig vermissen. Entweder sind sie Teil der visuellen Gesamterscheinung oder sie dienen der Identifizierung und Zuordnung der Konfliktpartei. Inwieweit die Modifizierung auf einen Tatbestandsausschluss aufgrund der Sozialadäquanzklausel zurückgreifen kann, richtet sich nicht allein nach der konkreten Implementierungsform innerhalb des modifizierten Spielservers. Vom Standpunkt der Beurteilung des inkriminierten Inhalts macht es keinen Unterschied, ob die im Spiel auftretenden Kennzeichen bereits im Originalspiel oder erst in der Modifizierung vorhanden sind. Eine bloße Beurteilung des Einzelservers liefe auf eine unzulässige strafrechtliche Beurteilung von Einzelelementen des Spiels hinaus. Aus dem Umstand des Absehens der Implementierung in den Mehrspielermodus durch den Herstel216 In der Originalfassung von „Call of Duty – World at War“ ist NS-Symbolik innerhalb des kompetitiven Mehrspielermodus als dramaturgisches Begleitelement eingefügt.

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ler selbst ist der Rückschluss auf die Strafbarkeit der Änderung dieses Zustands durch Dritte unzulässig. Schließlich ist auch eine Verwendung im kompetitiven Mehrspielermodus nicht ipso iure strafbar. Gleichwohl überschreitet die singuläre Kennzeichenverwendung innerhalb des kompetitiven Mehrspielermodus oft die Grenze zur Strafbarkeit. Liegt dem modifizierten Spielserver ein originaler Spielinhalt zu Grunde, der jegliche Implementierung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen vermissen lässt, so ist eine kritische Distanzierung zum Kennzeichen regelmäßig nicht gewährleistet. Dies gilt auch, wenn NS-Symbole lediglich als dramaturgisches Element der Spielwelt verwendet werden.217 Die neutrale Verwendung in der Spielwelt ohne kommunikatives Korrektiv des Originalspiels erfüllt den objektiven Tatbestand des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Positioniert sich der Inhalt bereits im Einzelspielermodus linear gegnerschaftlich zum verwendeten Kennzeichen, so richtet sich die materiell-strafrechtliche Zulässigkeit der Modifizierung eines Online-Spielservers nach den dargelegten Grundsätzen der medialen Gesamtbetrachtung. Die Tatsache der nachträglichen Implementierung durch Dritte verschiebt lediglich den Adressaten eines etwaigen Ermittlungsverfahrens, nicht aber den materiellrechtlichen Beurteilungshorizont.

II. Die Nutzung eines inkriminierten Spielinhalts Grundsätzlich veranlassen der Erwerb und die private Nutzung des Computerspiels aufgrund des fehlenden Öffentlichkeitsbezugs nicht zu einer Untersuchung des Käufers oder Spielers.218 Etwas anderes gilt indes für den Gebrauch eines inkriminierten Inhalts innerhalb des kompetitiven Mehrspielermodus. Ist die Spielfigur untrennbar mit dem implementierten Kennzeichen verbunden,219 so wird der Rezipient für die Teilnehmer des Computerspiels auf dem Server zum erforderlichen Bindeglied zwischen dem Ersteller des (modifizierten) Servers und der Visualisierung des Kennzeichens. Das Kennzeichen wird erst durch das individuelle Spielersubstitut öffentlich sichtbar und durch das spielspezifische Pseudonym auch zuordnungsfähig. In technischer Hinsicht kann jedem Pseudonym über die individuelle IP-Adresse eine real existierende Person zugeordnet werden. So besteht hinsichtlich dieser Zeichen keine Wahrnehmungsmöglichkeit, wenn der entsprechende Spieler – als Träger des Kennzeichens – nicht auf dem Server aktiv ist. Nicht in jedem Fall wird vorab auf eine Modifikation hingewiesen, insbesondere nicht 217

Kap. 4 B. VI. 2. b). Köhne, DRiZ 2003, 210. 219 Denkbar sind Hakenkreuze auf Armbinden oder modifizierte Helme des Spielersubstituts mit stilisierten Kennzeichen der SS. 218

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auf konkrete Änderungen. Der den virtuellen Raum betretende Spieler hat zumeist keine Kenntnis von der konkreten Ausgestaltung der Modifikation des Spielservers. Diese eröffnet sich ihm erst mit dem Beginn des Spiels. Ist etwa die eigene Spielfigur mit NS-Symbolen behaftet, so ergibt sich dies erst mit Blick auf die Figuren anderer Mitspieler.220 Obgleich man nun den Akt des Beitritts zum Spiel als tatbestandlichen Unterfall des Verwendens klassifizieren möchte, die vorsätzliche Begehungsweise ist jedenfalls bis zum konkreten Erkennen der Kennzeichen an anderen Mitspielern ausgeschlossen. Mit Erkennen des Zeichens auf der eigenen Spielfigur würde dem Spieler durch § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB die Pflicht auferlegt, den Spielserver umgehend zu verlassen. Dem Spieler verbleibt meist keine Option, sich aktiv einer Fraktion zuzuordnen und somit keine Einflussmöglichkeit auf die Verbindung der eigenen Spielfigur mit dem Kennzeichen. Die einzelnen Rezipienten werden den Programmvorgaben des Spielservers unterworfen, wodurch die eigene Fähigkeit, das Kennzeichen öffentlich sichtbar zu machen, minimiert wird. Die Ausgestaltung des Servers generiert die Unmöglichkeit, den virtuellen Raum zu betreten, ohne potenziell als Kennzeichenträger daran teilzunehmen. Als Träger des virtuellen Kennzeichens werden die einzelnen Spielersubstitute zum Mittel der Wahrnehmung von NS-Kennzeichen instrumentalisiert. Es liefe dem Schutzzweck des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB zuwider, die strafrechtliche Haftung bei zuvor geprüften und freigegebenen Spielen auf den Spieler zu übertragen, wenn durch Modifikationen eines Dritten die Spielserver des kompetitiven Mehrspielermodus verändert wurden. Der Rezipient soll als Adressat des Spiels vor der kommunikativen Kennzeichenwirkung geschützt werden. Der Strafgrund der unkontrollierbaren kommunikativen Wirkung der NS-Kennzeichen wird bereits durch die freie Zugänglichkeit des Multiplayer-Servers realisiert. Ein schutzzweckverletzendes Verhalten des Spielers ist nicht erkennbar. Lediglich der letzte Akt der Wahrnehmung für Dritte wird durch die Spieler vorgenommen. Die Wahrnehmbarkeit der Kennzeichen ist als abstraktes Gefährdungsmoment bereits mit der Freischaltung des Servers verwirklicht, nicht erst mit dem Beitritt von Spielern. Alles andere liefe auf eine reine Zufallshaftung hinaus. Ferner verleihen einige Computerspiele dem Rezipienten die Möglichkeit, ein individuelles Spielersubstitut zu entwerfen. Versieht der Rezipient seine Spielfigur mittels eines Modding-Tools eigenhändig mit NS-Symbolen, so schafft er mit dem Spielbeitritt innerhalb des kompetitiven Mehrspielermodus eine Wahrnehmungsmöglichkeit, die nicht von einem Dritten herrührt. Eine solche gezielte Individualisierung ist eine Veränderung des Spielinhalts, die einer bloßen Nutzung eines modifizierten Servers nicht gleich steht. Der 220 Dies gilt insbesondere für First-Person-Shooter, in denen innerhalb des Spielgeschehens das eigene Spielersubstitut nicht bzw. nur rudimentär sichtbar ist.

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Rezipient steigt in diesem Fall selbst zum Modifizierenden auf und ist nach den vorgestellten Grundsätzen zu beurteilen.

III. Upload eines Let’s Play-Videos Das Hochladen von Let’s Play-Videos221 ist in der Gamingkultur fest etabliert und wird von den Herstellern der abgebildeten Spiele – trotz etwaiger urheberrechtlicher Kollisionsfelder – nicht nur toleriert, sondern ist als kostenfreie Werbung für das Werk durchaus erwünscht.222 Die Abbildung des durch den Zuschauer unveränderbaren Spielinhalts manifestiert die Nähe zu Filmwerken und verkürzt das Computerspiel um das Wesenselement der Interaktivität. Das Computerspiel wird zum Film.223 Die höchste praktische Relevanz im Zusammenhang des § 86a StGB mit Let’s Play-Videos kommt solchen Fallgestaltungen zu, in denen der Rezipient ein straf- und jugendmedienschutzrechtlich unbedenkliches Werk zur Grundlage der Videodatei macht. Die Untersuchung hat gezeigt, dass auch die Implementierung von NS-Symbolen in den zusätzlichen kompetitiven Mehrspielermodus nicht notwendigerweise eine Jugendgefährdungseignung oder die Strafbarkeit i. S. d. § 86a StGB zur Folge hat. Insbesondere diese Werke bergen erhebliche materiell-strafrechtliche Risiken für das Hochladen eines Let’s Play-Videos. 1. Nicht inkriminierte Computerspiele als Grundlage strafbarer Let’s Play-Videos a) Restriktive Erwägungen Trotz unzähliger Let’s Play-Videos mit entsprechenden Inhalten sind Strafverfahren oder Entscheidungen der Spruchpraxis gegen den Spieler aufgrund des Hochladens eines Let’s Play-Videos nicht bekannt geworden.224 Es ließe sich argumentieren, es erschiene unbillig, denjenigen, der das unbedenkliche Werk erwirbt und seine eigene Perspektive auf den Inhalt – ohne diesen zu verklären oder zu ändern – präsentiert, zum Ziel eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens werden zu lassen. So liegt der Schluss nahe, dass die Unbedenklichkeit der Wahrnehmbarkeit von NS-Symbolen im Computerspiel auf Let’s Play-Videos durchschlagen müsse, weil der mediale Inhalt des Werks nicht ideologisch verzerrt werde. Es ließe sich argumentieren, dass 221 222 223 224

Siehe bereits Kap. 1 E. III. Beyvers/Beyvers, MMR 2015, 794. Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 243 spricht von einem hybriden Medium. So auch Schwiddessen, CR 2017, 681, 690.

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eine divergierende Perspektive auch im Rahmen des Let’s Play-Videos nicht präsentiert werde. Auch eine anderslautende Kommunikation hinsichtlich dieses Inhalts nehme derjenige nicht vor, der ein entsprechendes Let’s PlayVideo des unveränderten Inhalts zur Verfügung stellt und sich mit der Kommentierung auf die Steigerung des kompetitiven Unterhaltungswerts begrenzt. Ein von dem strafrechtlich unbedenklichen Computerspiel selbst losgelöster Bedeutungsgehalt der Kennzeichen würde nicht vermittelt. Ferner könnte angemerkt werden, der Schutzzweck würde überdehnt, wenn der Vertrieb eines Computerspiels für strafrechtlich unbedenklich erklärt würde, sodann aber aus der filmischen Darbietung des üblichen Inhalts des Spiels eine Gefährdung der demokratischen Grundordnung oder des politischen Friedens abgeleitet würde. Ein anderes Ergebnis resultiere lediglich bei ideologischer Aufladung des Videobeitrags durch die Kommentierung des Rezipienten selbst. Zudem wird teilweise erwogen, Let’s Play-Videos seien mit den zugrundeliegenden Computerspielinhalten zumindest wesentlich inhaltsgleich.225 Nach den systematischen Erwägungen des jugendmedienschutzrechtlichen Regelungsgefüges sollen Altersfreigabekennzeichnungen des Originalwerks auf inhaltsgleiche Medien übertragbar sein, § 12 S. 1 JMStV. In systematischer Konsequenz müssten die strafrechtsflankierenden Wirkungen der Altersfreigabekennzeichnung des originalen Computerspiels auch auf filmische Abbildungen desselben durchwirken. b) Let’s Play-Videos als eigenständiger medialer Inhalt Let’s Play-Videos finden im Rahmen der jugendmedienschutzrechtlichen Diskussion besondere Beachtung. Nach zutreffender Ansicht ist die Aufnahme im Vergleich zum Computerspiel ein gänzlich neues Werk.226 Mit dem Verlust der Interaktivität für den Konsumenten des Let’s Play-Videos ist die Aufnahme aus objektiver Sicht als Filmwerk, nicht als Computerspiel zu qualifizieren. Dennoch gehen Teile der Literatur davon aus, die Problematik um die Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen in Computerspielen könne ohne Weiteres auch auf Let’s Play-Videos übertragen werden.227

225

Beyvers/Beyvers, MMR 2015, 794, 798 f. Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 243; Hilgert, Jugendschutz bei Let’s Play Videos, abrufbar unter: https://www.cr-online.de/blog/2016/01/11/jugendschutz-beilets-play-videos/ (Stand: 16.07.2021); Hilgert/Eickhoff, MMR-Beil. 2018, 16, 17; Schwiddessen, CR 2017, 681, 683 f.; Schwiering/Zurel, MMR 2016, 440, 445; diff. Liesching, in: BeckOK-JMStV, § 4 Rn. 13. 227 Hilgert, Jugendschutz bei Let’s Play Videos, abrufbar unter: https://www.cronline.de/blog/2016/01/11/jugendschutz-bei-lets-play-videos/ (Stand: 16.07.2021). 226

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Die restriktiven Erwägungen überzeugen nicht. Aufgrund der Tatsache, dass jeder Spieler der Aufnahme durch die eigenhändige Kommentierung einen individuellen kommunikativen Charakter verleihen kann, der von einer hetzerischen Kommentierung bis hin zu einer kritischen inhaltlichen Untersuchung des Spiels zur Information der Zuschauer über die Spielinhalte reichen kann, verbietet sich eine generalisierte Beurteilung auf Grundlage einer vermeintlichen Inhaltsidentität. Der inhaltliche Wesensgehalt jedes Videos löst sich von der isolierten Betrachtung des Computerspiels und versetzt das Kennzeichen in einen neuen kommunikativen Rahmen. Auch eine systematische Durchwirkung der Altersfreigabekennzeichnung auf Let’s Play-Videos vermag vor dem Hintergrund der Kommentierung durch den Rezipienten nicht zu überzeugen. Insbesondere aber hat die jugendmedienschutzrechtliche Prüfung des Werks den gesamtmedialen Inhalt zum Gegenstand, während Let’s Play-Videos regelmäßig nur fragmentarisch den Inhalt des Computerspiels wiederzugeben geeignet sind.228 Die Beurteilung der Strafbarkeit nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB durch das Hochladen eines Let’s Play-Videos bedarf unter Bezugnahme auf ein – i. S. d. § 86a StGB nicht inkriminiertes – Computerspiel der inhaltlichen Analyse des gesamtmedial präsentierten Inhalts. Ein Let’s Play-Video stellt ein in sich inhaltlich abgeschlossenes eigenständiges Telemedium dar. Häufig ist der nicht lineare kompetitive Mehrspielermodus Gegenstand des Let’s Play-Videos. Innerhalb des Computerspiels kann die dramaturgische Einbettung von NS-Symbolik in die visuelle Gesamterscheinung dieses Spielmodus zulässig sein. Unzulässig bleibt regelmäßig die kontextlose und unbegleitete dramaturgische Einbettung ohne Wahrung einer kritischen Distanz zum Kennzeichen in einem alleinigen kompetitiven Mehrspielermodus.229 In einem auf den kompetitiven Modus begrenzten Let’s Play-Videos tritt der kommunikative Gesamtcharakter des Computerspiels nicht zum Vorschein. Die ablehnende Negativzeichnung der NS-Symbole, die sich maßgeblich aus den Elementen des linearen Einzelspielermodus ergibt, fehlt sodann und ist für den objektiven Beobachter nicht erkennbar. Vielmehr erscheint das Let’s Play-Video als ein kompetitiver Wettkampf, in welchem teilweise NS-Symbole zur hintergründig-dramaturgischen Aufladung der virtuellen Spielwelt wahrnehmbar sind. Die kommunikative Verarbeitung und Wirkung der Kennzeichen sind ausschlaggebend für die materiell-strafrechtliche Beurteilung des Gesamtwerks. Dies gilt unabhängig von der medialen Erscheinungsform. Oftmals wird sich die kommunikative Begleitung des Videos auf taktische Erwägungen oder Handlungsbeschreibungen beziehen, ohne auf die eingebetteten NS-Symbole konkret Be228 Beyvers/Beyvers, MMR 2015, 794, 799 verkennen diesen Umstand, wenn lediglich auf das Hinzufügen von Kommentaren oder anderen Elementen abgestellt wird. 229 Dazu bereits Kap. 4 B. VI. 2. b).

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Kapitel 7: Strafrechtliche Haftungsrisiken

zug zu nehmen, da diese hintergründig und für das präsentierte Spielgeschehen meist bedeutungslos sind. Verkommt die NS-Symbolik innerhalb des kompetitiven Mehrspielermodus zu einer dramaturgischen Randerscheinung, die keinen Einfluss auf den Spielverlauf entfaltet, so besteht in der Regel seitens des Erstellers des Videos kein Anlass, sich gezielt mit den implementierten Kennzeichen auseinander zu setzen. Mit dem Upload des Videos auf eine öffentlich zugängliche Videostreamingplattform werden Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen öffentlich verwendet und verbreitet. Mangels offensichtlicher Gegnerschaft zum Kennzeichen – insbesondere, wenn der Spieler selbst auf Seiten des Kennzeichens antritt – ist eine teleologische Tatbestandsreduktion ausgeschlossen. Aufgrund der Fokussierung des Wettkampfgeschehens fehlt es auch an einer erkennbaren kritischen Distanz zum Kennzeichen. Zwar rücken die Kennzeichen deutlich in den Hintergrund des Let’s Play-Videos. Die bereits entwickelten Limitierungselemente zur Reichweite des §§ 86a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB vermögen eine Erfüllung des objektiven Tatbestands nicht zu verhindern. In den meisten Fällen wird keine Dienlichkeit zur Kunst festgestellt werden können. Zwar könnte auch der Hochladende selbst als Kunstvermittler durch die Veröffentlichung fremder Kunstwerke grundsätzlich auf den Schutzbereich des Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG zurückgreifen.230 Zutreffend dient die schlichte Übernahme der Spielwelt zur Präsentation des vom Kennzeichen losgelösten Gameplays wohl ausschließlich Unterhaltungszwecken und nicht der Vermittlung des ursprünglichen Kunstwerks. Insbesondere bedarf auch die straflose Förderung der Unterhaltungszwecke einer erkennbaren kritischen Distanz zum implementierten Symbol, die innerhalb des Let’s Play-Videos nicht zum Vorschein tritt, wenn die NS-Symbole visuell wahrnehmbar sind und keine kontextuelle Begleitung erhalten. Auch Filmwerke sind bezüglich der Zulässigkeit der Kennzeichenimplementierung auf eine Distanzierung vom Kennzeichengehalt angewiesen. Kann in medienkonvergenter Betrachtung ein Spielfilm hinsichtlich der implementierten NS-Symbolik systematisch mit einem Computerspiel gleichgesetzt werden, das einen linearen Einzelspieler- und einen kompetitiven Mehrspielermodus enthält, so gelingt dies regelmäßig nicht bei singulärer Existenz eines kompetitiven, dislinearen Mehrspielermodus. Es wurde festgestellt, dass die alleinige Existenz eines kompetitiven Mehrspielermodus nur im absoluten Ausnahmefall die kritische Distanz zum Kennzeichen gewährleistet. Ist überhaupt keine lineare Spielgeschichte vorhanden, stellt sich das Spiel lediglich als Plattform für einen kompetitiven Wettkampf dar, welche NSSymbolik in die virtuelle Welt implementiert. Let’s Play-Videos bilden ein 230 BVerfGE 30, 173, 191; 36, 321, 331; BVerwG, NJW 2020, 785, 789; vgl. Hamdan, JURA 2008, 169, 171.

D. Strafrechtliche Haftung des Spielers

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filmisches Gegenstück zum kompetitiven Mehrspielermodus ohne lineare Spielgeschichte. Mit Videoaufnahmen – insbesondere solchen des Mehrspielermodus – wird die inhaltliche Auseinandersetzung des Spielinhalts mit dem abgebildeten Kennzeichen regelmäßig nicht vollumfänglich gewährleistet. An ein Let’s Play-Video sind teleologisch die gleichen Anforderungen zu stellen, wie an einen unterhaltenden Spielfilm. Die Straflosigkeit des Hochladens eines Let’s Play-Videos ist nicht aufgrund der Unverdächtigkeit der Handlung festzustellen. Hinsichtlich der viel zitierten Kennzeichenverwendung in Unterhaltungsfilmen sei angemerkt, dass die Duldung der Strafverfolgungsbehörden ausschließlich solche Unterhaltungsfilme umfasst, in denen der heldenhafte Protagonist linear als in aktiver Gegnerschaft zum Kennzeichenträger handelt. Auf dieses Merkmal kann die Darstellung einer Mehrspielerschlacht mit dem Spieler als Protagonist der Aufnahme, der auf Seiten der Kennzeichen kämpft, nicht zurückgreifen. Die scheinbare Duldung der Strafverfolgungsbehörden und die vermeintliche soziale Unauffälligkeit der Verwendung von Kennzeichen in Let’s Play-Videos sind argumentativ nicht tragfähig. Viele der auf Videostreamingplattformen wie „YouTube“ verfügbaren Videoinhalte stammen von Spielern aus dem Ausland und sind mit den Instrumenten des nationalen Strafrechts in Bezug auf § 86a StGB kaum zu erfassen. In Ermangelung der Übertragbarkeit der kritischen innermedialen Distanzierung des Gesamtwerks des Computerspiels sind Let’s Play-Videos von straf- und jugendmedienschutzrechtlich zulässigen Inhalten einer differenzierten Betrachtung zugänglich. Lädt der Spieler ein Let’s Play-Video eines freigegebenen und strafrechtlich zulässigen Mediums hoch, ohne den Inhalt des Werks zu ändern, schafft er dennoch ein neues Werk, das aufgrund der fragmentarischen Abbildung nicht den gesamtmedialen Inhalt des zugrundeliegenden Computerspiels zu erfassen vermag. Daraus ergeht das Ergebnis, dass zwar der Verkauf, der Erwerb und die Nutzung eines Computerspiels, welches hinsichtlich der Implementierung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen straf- und jugendschutzrechtlich unauffällig sein kann, straflos ist. Auf die Veröffentlichung eines Let’s Play-Videos ist dies nicht systematisch zu übertragen. Richtigerweise erzielen die Ergebnisse zur Verwirklichung des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB hinsichtlich eines Computerspiels keine systematische Durchwirkung auf Let’s Play-Video.231

231

So auch Schwiddessen, CR 2017, 681, 687.

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Kapitel 7: Strafrechtliche Haftungsrisiken

2. Irrtumskonstellationen Hinsichtlich des Spielers, der ein Let’s Play-Video oder ähnliche filmische Fragmente des Computerspiels hochlädt, kommt lediglich ein Verbotsirrtum nach § 17 StGB in Betracht. Der Rezipient wird davon ausgehen, die Altersfreigabekennzeichnung wirke auch auf das Hochladen eines fragmentarisch spielabbildenden Videos durch, insbesondere, wenn es an einer propagandistischen Aufladung durch die Kommentierung des Videos fehlt. Der Spieler irrt damit über die Reichweite der Vertriebslegitimation durch die Altersfreigabekennzeichnung, ist sich aber der konkreten inhaltlichen Ausgestaltung des von ihm geschaffenen neuen Inhalts umfassend bewusst. In diesem Zusammenhang kennt er alle Umstände, die zum gesetzlichen Tatbestand gehören. Inwieweit der Verbotsirrtum i. S. d. § 17 StGB über die Straflosigkeit des Hochladens eines medialen Inhalts ohne eigene kritische Distanzierung zum wahrnehmbaren NS-Kennzeichen unvermeidbar ist, bleibt Tatfrage. 3. Betreiber von Videostreamingplattformen Die Betreiber von Videostreamingplattformen machen sich die Inhalte der Nutzer in der Regel nicht zu eigen.232 Als privilegiere Host-Provider233 kommen die strafrechtlichen allgemeinen Grundsätze erst ab Überschreitung des § 10 TMG mit positiver Kenntnis zur Anwendung. Die in Kap. 7 C. II. dargestellten Grundsätze können auf Betreiber von Videostreamingplattformen übertragen werden.

E. Ergebnis Eine strafrechtliche Inanspruchnahme wird sich wohl auch in Zukunft zutreffend gegen Amateurprogrammierungen richten, die keinen seriösen Hintergrund aufweisen und deren Interessen gerade nicht auf die Vermarktung des Computerspiels in jugendmedienschutzrechtlich und materiell-strafrechtlich konformer Weise ausgerichtet sind. Für Mitarbeiter großer Softwareunternehmen existiert leidglich ein geringfügiges strafrechtliches Risiko in der Herstellung und Vermarktung von Computerspielen, die Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen beinhalten.

232 OLG Hamburg, MMR 2016, 269, 272; Stadler/Roggenkamp, in: jurisPK-Internetrecht, Kap. 1.4 Rn. 494. 233 OLG Hamburg, MMR 2016, 269, 270; Sobola, in: A-R/C, IT- und Datenschutzrecht, § 42 Rn. 36.

F. Exkurs: NetzDG

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Spieleplattformbetreiber machen sich mit der Vermarktung fremder Spiele, deren Inhalte regelmäßig nicht zu eigen. Als Host-Provider treffen sie keine präventiven Kontrollpflichten nach § 7 Abs. 2 TMG. Auch die Überschreitung der Haftungsprivilegierung des § 10 S. 1 TMG vermag nicht über die erforderliche Feststellung des allgemeinen Unrechtstatbestands hinwegzutäuschen. Im Falle der positiven Kenntnis hinsichtlich eines inkriminierten Inhalts scheitert die materielle Strafbarkeit des Spieleplattformbetreibers oftmals an den Akzessorietätsbedingungen der Teilnahmehandlung und der fehlenden Garantenstellung für fremde Inhalte. Die bestimmungsgemäße Nutzung des Spielinhalts ist regelmäßig straffrei. Der Spieler selbst vermag mit selbst eingebrachten Modifikationen am Originalspiel insbesondere durch Skin-Mods die Grenze zur Strafbarkeit nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu überschreiten. Das zur Verfügung Stellen des Modifizierungseditors ist in Bezug hierauf keine strafbare Beihilfe. In Let’s Play-Videos wird das Spiel fragmentarisch als Videoaufnahme präsentiert. Inwieweit eine strafrechtliche Inanspruchnahme des Spielers durch das Hochladen eines Videos unter Verwendung des Inhalts eines kennzeichentragenden Computerspiels in Betracht kommt, richtet sich nach der kommunikativen Einbettung der Kennzeichen, die inhaltsspezifisch abweichen kann und von der Präsentation durch den Spieler selbst abhängt. Gerade die isolierte Abbildung von Mehrspielerschlachten, in welchen der Spieler selbst auf Seiten des Kennzeichens kämpft, bereitet systematische und teleologische Probleme. Innermedial könnte nicht erklärt werden, warum die kritische Distanz als Merkmal des Unterhaltungsfilms erkennbar sein muss, diese aber dem Let’s Play-Video fern bleiben dürfte. Insofern verhilft die differenzierte Betrachtung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Computerspielen für das Phänomen des Let’s Play-Videos kaum weiter. Die Videosequenzen erfordern als eigenständige Telemedien insofern eine eigenständige strafrechtliche Beurteilung unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls.

F. Exkurs: NetzDG In Bezug auf die Betreiber von Spieleplattformen vermögen Erwägungen zur Strafbarkeit nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB oftmals keine kriminalpolitisch wünschenswerten Ergebnisse zu erzielen. Sonderregelungen für soziale Netzwerke, deren Nutzer rechtswidrige Inhalte i. S. d. § 86a StGB der Öffentlichkeit zugänglichmachen, finden sich im NetzDG. Diensteanbieter, die als Betreiber sozialer Netzwerke gemäß § 1 Abs. 1 NetzDG zu qualifizieren sind, werden unter anderem zur Einrichtung effektiver Melde- und Beschwerdesysteme zur Identifikation rechtswidriger Inhalte verpflichtet, § 3 NetzDG.

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Kapitel 7: Strafrechtliche Haftungsrisiken

Verstöße gegen die Einrichtung von Meldesystemen und die Berichtspflicht nach § 2 NetzDG sind bußgeldbewährt, § 4 Abs. 1 NetzDG. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass Verkaufsplattformen nicht dem Anwendungsbereich des NetzDG unterfallen.234 Aktuelle Gesetzgebungsverfahren erkennen im Besonderen für Spieleplattformen Handlungsbedarf. Spieleplattformen sollen mit Blick auf die identische Eignung zur Verbreitung von Hasskriminalität und der Gefährdung des öffentlichen Friedens sozialen Netzwerken gleichgestellt werden.235 Spieleplattformbetreiber sind nach aktuellem Gesetzesstand nicht vom Anwendungsbereich des NetzDG erfasst und können nicht Adressat der Bußgeldvorschriften des § 4 Abs. 1 NetzDG sein. Eine abweichende Lösung ergibt sich für Videostreaminganbieter wie „YouTube“.236 Der umfangreiche Pflichtenkatalog nach §§ 2, 3 NetzDG begründet für den Anbieter von „YouTube“ und andere gleichartige Anbieter eine stärkere Pflichtenstellung als für Computerspielvermarktungsplattformen. Für den internetbasierten Vertrieb von Computerspielen erlangt das NetzDG keine eigenständige Bedeutung und flankiert lediglich die mediale Verbreitung von Videos, die Computerspielinhalte abbilden.

234 BT-Drs. 18/13013, S. 18; Kalbhenn/Hemmert-Halswick, in: H/S/H, Multimedia-Recht, Teil 21.3 Rn. 26; Liesching, in: NK-NetzDG, § 1 Rn. 6; Sobola, in: A-R/C, HB IT- und Datenschutzrecht, § 42 Rn. 94. 235 BR-Drs. 70/20, S. 6. 236 Liesching, in: NK-NetzDG, § 1 Rn. 2; Wimmers/Heymann, AfP 2017, 93, 94.

Fazit Das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Computerspielinhalten präsentiert sich als Schmelztiegel vielfältiger materiell-strafrechtlicher und jugendmedienschutzrechtlicher Problemfelder. Grundsätzlich ist jedes Computerspiel, das Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen beinhaltet, am Maßstab des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu messen. Eine Differenzierung am Verbreitungsgrad des Spiels oder dem Bekanntheitsgrad der implementierten ermöglicht die Strafnorm nicht. Mit Blick auf die in der Spruchpraxis zutreffend angenommene teleologische Tatbestandsreduktion hinsichtlich der Tathandlung und aufgrund der Sozialadäquanzklausel verdeutlicht sich, dass § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB kein kommunikatives Totalverbot errichtet. Die Straflosigkeit der Kennzeichenimplementierung bestimmt sich maßgeblich aus der kommunikativen Begleitung des Kennzeichens durch den Gesamtinhalt des Werks. Dies ermöglicht eine Segmentierung von Computerspielen, die sich nicht an einer genrespezifischen Einordnung, sondern an der gesamtmedialen kommunikativen Ausrichtung wesentlicher Spielelemente zum implementierten Kennzeichen orientiert. Computerspiele, die lediglich einen linearen Einzelspielermodus implementiert haben, vermögen bereits im Zuge der teleologischen Tatbestandsreduktion aufgrund einer linearen gegnerschaftlichen Bekämpfung der Kennzeichenträger durch das heldenhafte Spielersubstitut die Tathandlung des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht zu erfüllen. Mit der Einbettung der Kennzeichen in einen zusätzlichen kompetitiven Mehrspielermodus, der eine gesamtmedial erkennbare kritische Distanz zum Kennzeichen nicht konterkariert und das NS-Symbol als ein dramaturgisches – für den chaotischen Spielverlauf des kompetitiven Mehrspielermodus gänzlich unbedeutendes – Element aufnimmt, somit letztlich die bekannte Spielwelt des Einzelspielermodus übernimmt, ist der Anwendungsbereich des § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB nicht überdehnt. Vielmehr ist festzustellen, inwieweit der lineare Einzelspielermodus geeignet ist, eine gegnerschaftliche Position zum Kennzeichen aufzubauen. Zudem darf der kompetitive Mehrspielermodus die durch das Kennzeichen verkörperte Ideologie oder das Symbol selbst nicht positiv an ein Spielziel koppeln. In Bewahrung einer kritischen Distanz können auch Computerspiele mit linearem Einzelspielermodus und kompetitiven Mehrspielermodus der Kunst oder den ähnlichen Zwecken nach § 86a Abs. 3 StGB i. V. m. § 86 Abs. 3 StGB dienen.

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Die singuläre Eröffnung eines kompetitiven Mehrspielermodus lässt zumeist keinen Raum für etwaige Strafbarkeitsbegrenzungen im Rahmen des objektiven Tatbestands. Insbesondere verhilft die bloße Implementierung der Kennzeichen als vereinzelt erscheinende dramaturgische Elemente beim Fehlen einer Negativakzentuierung nicht zur Straflosigkeit. Die bloße Berücksichtigung von Einzelelementen oder einer irgendwie gearteten allgemeinen, gesellschaftlichen Billigung und die daraus resultierende Unverdächtigkeit der Kennzeichenverwendung bieten keine sichere Beurteilungsgrundlage für die Auslegung der Sozialadäquanzklausel. Auch wenn damit der Versuch unternommen wird, den ähnlichen Zwecken des § 86 Abs. 3 Var. 9 StGB Konturen zu verleihen, trägt eine derartige Umgrenzung eher zur Verschleierung des Tatbestandsausschlusses bei. Mit Blick auf den internationalen, verkörperten und unverkörperten Vertrieb von kennzeichenbeinhaltenden Computerspielen gerät das strafrechtliche Kennzeichenverbot an strafanwendungsrechtliche Grenzen. Die sehr unbefriedigende und hinsichtlich des tatbestandsimmanenten Inlandsbezugs des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB systematisch diffuse Aufnahme der Strafnorm in das Schutzprinzip nach § 5 Nr. 3 lit. b) StGB vermag hinsichtlich der internationalen Bezüge der Kennzeichenverwendung im deterritorialisierten Kontext des Internets keine Klarheit zu verleihen. In jedem Fall bleiben Strafbarkeitslücken bestehen, die im Zuge der direkten Vermarktung von Computerspielinhalten aus dem Ausland auf nationaler Ebene kaum zu lösen sind. Die gängige Praxis des Geoblockings ist zwar Ausfluss eines sehr sensiblen Umgangs der Computerspielindustrie mit kennzeichenbeinhaltenden Inhalten. Dies täuscht aber nicht über die Unzulänglichkeiten der nationalen Strafgesetzgebung hinweg, besteht doch bei Aufhebung des Geoblocks kein erhöhtes Strafbarkeitsrisiko der Beteiligten, solange lediglich aus dem Ausland gehandelt wird und eine Abrufbarkeit des Inhalts auch für deutsche Kunden ermöglicht wird. Der Arm des nationalen Strafrechts erreicht keine Uploads von Computerspielen, die aus dem Ausland zur Verfügung gestellt werden. Mit der Vertriebsvornahme aus dem Inland – an der für viele Hersteller ein vitales Interesse besteht – werden zumindest strafanwendungsrechtliche Hürden aus praktischer Sicht der Strafverfolgungsbehörden beseitigt. Betreiber einer nicht auf rechtsextremistische Inhalte ausgerichteten Spieleplattform erfahren durch die rechtsgebietsübergreifenden Haftungsprivilegien des TMG einen weitgehenden Schutz. Selbst im Falle der positiven Kenntnis von einem angebotenen inkriminierten Inhalt i. S. d. § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB, gelangen lediglich die allgemeinen strafrechtlichen Regeln abseits der Haftungsprivilegierung zur Anwendung, ohne dass unmittelbar aus dem Verlassen des haftungsprivilegierten Rahmens ipso iure auf die Strafbar-

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keit des Diensteanbieters geschlossen werden kann. Vielmehr bauen die strafrechtsdogmatischen Anforderungen an die Akzessorietät der Beihilfehandlung und die Garantenstellung in Bezug auf den internetbasierten Vertrieb auf umfassenden Spieleplattformen für den Diensteanbieter hohe materiellrechtliche Hürden auf. Eine Strafhaftung gemäß §§ 86a Abs. 1 Nr. 1, 27 Abs. 1, 13 Abs. 1 StGB kommt für den Spieleplattformbetreiber wohl nur in Einzelfällen in Betracht. Der Rezipient des medialen Inhalts befindet sich insoweit auf Seiten der Straflosigkeit, solange er dem medialen Spielinhalt weder eigenhändig Modifikationen hinzufügt, noch Let’s Play-Videos oder andere fragmentarische filmische Aufnahmen des Werks auf Videostreamingplattformen der breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stellt. Insbesondere die Strafbarkeit des Hochladens von Let’s Play-Videos auf öffentlich zugänglichen Videostreamingplattformen vermag nicht an die Beurteilung des medialen Inhalts des Computerspiels anzuknüpfen. Mit der Schaffung eines neuen Werks unter Nutzung einer Screencast-Software und der Kommentierung des individuellen Spielerlebens bedürfen Let’s Play-Videos und andere filmische Darstellungen einer eigenständigen medialen Gesamtbetrachtung. Grundsätzlich aber korreliert die geringe Strafbarkeitsschwelle des § 86a StGB mit Blick auf die inhaltliche Ausgestaltung des medialen Inhalts mit einem geringen strafrechtlichen Haftungsrisiko der Beteiligten. Ein Versagen der Strafnorm ist darin indes nicht zu erkennen, liegt doch der Fokus der hiesigen Betrachtung auf solchen Computerspielinhalten, denen nicht offenkundig ein hetzerischer oder propagandistischer Bedeutungsgehalt anhaftet. Insbesondere besteht mit dem Instrumentarium des Jugendmedienschutzes auf Basis der Jugendgefährdungseignung i. S. d. § 18 Abs. 1 S. 1 JuSchG i. V. m. § 15 Abs. 1 JuSchG, in welches das strafrechtliche Kennzeichenverbot des § 86a StGB als äußerste Zulässigkeitsgrenze ausstrahlt, eine wirksame Vertriebs- und Vermarktungsbeschränkung. Diese vollzieht sich unabhängig von der persönlichen Schuld der Beteiligten und fasst die inhaltliche Ausgestaltung des Werks ins Auge. Aus praktischer Sicht büßt die materiell-strafrechtliche Differenzierung zwischen einer neutralen Kennzeichenimplementierung und der bekenntnishaften Einbettung de lege lata insbesondere hinsichtlich des Untersuchungsgegenstands der Computerspiele an Bedeutung ein. Inwieweit es gerade mit Blick auf die Kennzeichenverwendung in Computerspielen auf eine bekenntnishafte Implementierung ankommt, ist zwingend unter Berücksichtigung einiger Erwägungen aus einer jugendmedienschutzrechtlichen Perspektive zu betrachten. Insbesondere würde aus einer Verkürzung des objektiven Tatbestands des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB auf bekenntnishafte Verwendungen aufgrund der Untauglichkeit des § 86a StGB, jugendschutzrechtliche Zielset-

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zungen zu verwirklichen, keine zwingende Neubewertung einer Prognoseentscheidung zur Beurteilung einer etwaigen Jugendgefährdungseignung resultieren. Das Problem des Verwendens von NS-Kennzeichen in Computerspielen verlangt aufgrund der Vertriebsbeschränkungen gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1–7 JuSchG eine jugendmedienschutzrechtliche Beurteilung, die nicht mit isoliertem Blick auf den strafrechtlichen Anwendungsbereich des § 86a StGB zu leisten ist. Inwieweit in der Praxis ein teleologischer Gleichlauf zwischen dem Strafrecht und Jugendmedienschutz Einzug halten wird, bleibt abzuwarten, besteht doch keine notwendige tatbestandliche Identität zwischen der Jugendgefährdungseignung und dem objektiven Tatbestand des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Somit hätte selbst die teilweise geforderte Aufweichung des strafrechtlichen Kennzeichenverbots keine zwingenden und unmittelbaren Auswirkungen auf die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen in Computerspielen. Der Verstoß gegen § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB würde zwar beseitigt, gleichwohl blieben im Zuge der eigenständigen jugendmedienschutzrechtlichen Beurteilung des Titels strafbewehrte Vertriebsbeschränkungen bestehen. Ob insofern die Institutionen des Jugendmedienschutzes bei Beurteilung eines Computerspiels im Hinblick auf implementierte Kennzeichen verfassungswidrige Organisationen eine Jugendgefährdungseignung bei gleichzeitiger Tatbestandslosigkeit hinsichtlich § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB zu begründen vermögen, ist kaum abzusehen. Trotz der geringen Durchwirkungskraft des § 86a StGB in Bezug auf die Strafbarkeit der einzelnen Beteiligten ist mit einer Flut kennzeichentragender, hetzerischer und propagandistischer Spielinhalte nicht zu rechnen. Entscheidungen der Spruchpraxis – so wünschenswert sie auch zur Konsolidierung der Rechtssicherheit wären – dürften wohl auch in Zukunft Einzelfallerscheinungen bleiben. Schließlich hat die Untersuchung gezeigt, dass im Zuge der Veröffentlichung eines Computerspiels – im Interesse der Beteiligten – zunächst die jugendmedienschutzrechtlichen Hürden zu überwinden sind, die einer ungefilterten Veröffentlichungspraxis entgegen stehen dürften. Perspektivisch werden insbesondere in der Literatur die Forderungen nach der Straflosigkeit nicht propagandistischer Computerspiele hinsichtlich § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB zunehmend lauter.1 Es bleibt abzuwarten, welche Werke die großen Softwarehersteller unter Implementierung von NS-Symbolen noch entwickeln werden. Ein abebbendes Interesse an der Aufladung unterhaltender Computerspiele durch NS-Symbole ist nicht zu erwarten. Jedenfalls bleibt zu hoffen, dass Computerspiele als Medieninhalte aus dem Schatten des gelebten sektoralen Totalverbots heraustreten und eine gesamtmediale 1 Erdemir, in: NK-JMStV, § 4 Rn. 22; Köhne, DRiZ 2003, 210, 213; Liesching, MMR 2010, 309, 313; Schwiddessen, CR 2015, 92, 99; Wager, MMR 2019, 80, 83 f.

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Beurteilung unter Berücksichtigung der konkreten kommunikativen Einbindung der Kennzeichen erhalten. Auf diesem Wege erlangt auch § 86a StGB mit Blick auf die mediale Erscheinungsform des Computerspiels Konturen, die eine Abgrenzung zwischen strafloser und strafbarer Kennzeichenverwendung ermöglichen.

Anhang

Abbildung 1: Bildschirmaufnahme „Call of Duty – World at War“ (ungekürzte Fassung) aus der Perspektive des Spielers. Der Rezipient nimmt nahezu ununterbrochen die abgebildete Perspektive des virtuellen Spielersubstituts ein. Lediglich Teile der getragenen Gegenstände (in der Regel Schusswaffen) sowie Handlungsaufträge in der oberen linken Bildschirmecke und eine rudimentäre Spielkarte in der unteren linken Bildschirmecke sind sichtbar. Je nach Spielmodus können auch Informationen zum Munitionsstand abgebildet werden. Insbesondere das Hakenkreuz ist an Häuserfassaden als Banner mehrfach im Spielinhalt abgebildet.

Abbildung 2: Bildschirmaufnahme der Abbildung 3: Bildschirmaufnahme der filmischen Einleitung der folgenden filmischen Einleitung der folgenden Spielhandlung innerhalb des Einzelspie- Spielhandlung innerhalb des Einzelspielermodus „Call of Duty – World at War“ lermodus „Call of Duty – World at War“ (gekürzte Fassung) (ungekürzte Fassung)

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Die filmischen Elemente visualisieren den Handlungsauftrag des Spielersubstituts und symbolisieren die zu bekämpfende feindliche Streitmacht auf der dargestellten Karte mit dem Hakenkreuz in weißem Kreis auf rotem Grund. In den interaktiven Spielszenen und filmischen Zwischensequenzen der in Deutschland frei erhältlichen – gekürzten – Fassung bleibt die Farbgebung der ungekürzten Version erhalten. Lediglich das Hakenkreuz wurde durch das Balkenkreuzes als offensichtliches Surrogat ersetzt.

Abbildung 4: Bildschirmaufnahme einer filmischen Einleitungssequenz zum Spiel „Attentat 1942“.

Abbildung 5: Bildschirmaufnahme des Spiels „Wolfenstein 3D“. In den Räumlichkeiten des Feindes, die das Spielersubstitut durchläuft, sind Kopfbilder Adolf Hitlers und Hakenkreuze abgebildet.

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Abbildung 6: Bildschirmaufnahme „Bundesfighter II – Turbo“. Der Rezipient kann Alexander Gauland als Spielersubstitut anwählen und einen Angriff ausführen, in welchem sich dieser in ein rotierendes Hakenkreuz verwandelt.

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Stichwortverzeichnis 60. Strafrechtsänderungsgesetz 59, 89 ff., 117 ff., 144 f. Abrufbarkeit der Daten 124, 135, 137, 141 f., 300, 357 Abstraktes Gefährdungsdelikte 64, 71 f., 100, 105, 109, 117 f., 131 ff., 180, 232, 353, 354, 358 Abstraktion 70, 72, 80, 106, 271, 279, 289 f. Abstraktionsfähigkeit 271, 289 Abwehr verfassungswidriger Bestrebungen 157, 176 f. Activision Inc. 23, 35, 42, 114 Ähnliche Zwecke 176, 187 ff., 228 ff. Ähnlichkeitsklausel 65, 84, 88, 230 Akronym 76, 78, 210, 277, 287 Aktualisierung der USK-Leitkriterien 252, 271 Aktualisierung des Computerspiels 31, 33, 225 Akzessorietät 353 ff. Altersfreigabekennzeichnung 32, 48, 57, 154, 158, 169, 244 f., 252, 257, 260, 275, 279, 300, 318, 323, 329 ff., 350, 353, 372 Amateurprogramm 23, 32, 35, 168, 245, 302, 318, 329, 376 Anachronistischer Zug 179 Analogieverbot 88, 142, 188, 345 f., 356, 361 Anfechtungsklage 256 Annex – Bewerben des Kunstwerks 220 – Einzelspielermodus als ~ 212, 243, 317 Ansehensschutz 60 ff., 73 ff. – Reflexwirkung des ~ 74

Attentat 1942 32, 41, 54 ff., 57, 77, 83, 114, 154, 215, 245, 321 ff. Auffangtatbestand 187, 191, 195 f., 233, 236, 249, 283 Ausland – ausländischer Beobachter 74 – ausländischer Server 150 f. – Upload aus dem ~ 34, 114, 116, 117 ff., 153 ff. – Verbreiten im ~ 325, 375, 380 Außenweltveränderung 132, 136 ff., 144 f., 270 Authentizität 169, 316, 322 f. Authentizitätssteigerung 38, 99, 100, 163, 167, 170, 174, 200 ff., 211, 217, 219, 221, 237, 239, 242, 290 f., 298 Bagatellgrenze 48, 197, 285 Beendigung 354 ff. Bekanntheit des Kennzeichens 64, 81 ff., 279, 379 Bekenntnishaftes Verwenden 60, 98 ff., 202, 212, 311, 381 Beleidigung 142, 174, 195, 317 Belustigung 47, 232 Berichterstattung – als Tatbestandsausschluss 157, 172, 176, 184 ff., 200, 203 – mediale ~ 80, 277, 331 Beschwerdesystem 346 f., 364 f., 377 BPJM 31 f., 252, 276 Bundesfighter II – Turbo 32, 157 f., 204 ff., 215, 218 f. Call of Duty 23, 31, 41 f., 114, 154, 165, 221, 239, 299, 313 ff. Client-Server 40 Computer 28

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Stichwortverzeichnis

Content-Provider 336, 344 Counter-Strike 209, 226, 294 ff. Covergestaltung 33, 95, 240 ff., 331 f. Dämonisierung 167, 170, 207, 222 Datenträger 33, 35, 95, 113, 155, 156, 231, 326, 329 ff. Der Pate 294, 296 Dienen – als Tatbestandsmerkmal 183 ff, 203 ff., 215 ff., 242, 287 – zur Verbreitung ~ 137 Diensteanbieter 37, 334 ff., 359 ff. Disclaimer 339, 343 Distanzdelikt 144 Dokumentation 46, 52, 54, 168, 184 f., 194, 214, 240, 321 f. Dramaturgie 299 Dramaturgisches Beiwerk 38, 56, 100, 160, 162 f., 186, 197, 202, 206 ff., 238, 243, 270, 282, 287, 296 ff., 315 ff., 373 f. Duldung 62, 67, 74 f., 82, 101, 218, 233, 339, 375 Effet utile 345 Einfuhr 171, 326 – Schutzbereich – Einheitlicher ~ 84, 87, 103 – Weiter ~ 65, 109, 179 – ~ der Kunst 181 ff., 216, 304, 374 – ~ des Jugendmedienschutzes 250, 283, 306 Einrichtung zur freiwilligen Selbstkontrolle 251 ff. Einzelszene 106 ff., 162, 209, 222, 281 Einziehung 328 Entertainment 163 f., 170, 187, 232 ff. Entwicklungsbeeinträchtigung 251, 258, 263 f., 283, 303 Erfolgsort 116 ff., 131 ff. Ermittlungssperre 330 Ersatzfunktion/Surrogat 57, 79, 86 ff., 224, 230, 276

Erziehung 55, 246 f., 258 f., 278, 280, 320 Europarecht 343 Excitation-Transfer-Ansatz 267 Exklave deutscher Strafgewalt 131 Exklusivitätsverhältnis – ~ Handlung und Erfolg 133 – ~ Kunst und ähnliche Zwecke 228, 236, 242 – ~ Telemedium und Trägermedium 248 – ~ Verwenden und Verbreiten 88, 103 Fachpresse 80, 169, 217 f., 225, 277 Fahrlässigkeit 254, 347 f. Fantasiesymbol 63, 76, 86 FDJ 83, 191, 220 Feindsymbol 99, 110, 293, 307 Filmwerk 56, 67, 91, 105, 161, 170, 182, 198, 209, 222, 234 ff., 270, 284, 292, 300, 314 – Let’s Play-Videos als ~ 371 ff. Filterlösung 335 Finales Interesse 143 First-Person-Shooter 30, 38 f., 41 f., 50, 56, 106, 158, 165, 169 f., 182, 203, 206 ff., 215, 222, 258, 292 ff., 313 Forschung 177 Fraktionszuweisung 295, 298 Freiheitlich demokratische Grundordnung 60, 62 f., 68 ff., 100 ff., 172, 177, 180, 186, 188, 191, 210, 275, 277, 285, 324, 355 Garantenstellung 149, 353, 359 ff., 377, 381 Gefährdungsgeneigter Jugendlicher 261 ff., 273 ff., 309 Gefährdungsprognose 260, 263, 273, 277 ff., 295, 300, 302, 312, 318 f., 323 Gefühlsschutz 63 Gegenentwurf zum Nationalsozialismus 64, 67, 152, 185, 287 Gegnerschaft

Stichwortverzeichnis – offenkundige ~ 98, 102 f., 106, 108, 110, 112, 140, 162, 232, 314, 322, 324, 374 – lineare ~ 107, 110, 160, 166, 167, 190, 207, 209, 238, 246, 314, 317, 368 Generalprävention 82 Genozid 46, 202, 224, 321 Geoblocking 115 f., 120, 154 f., 326, 380 Gesamtumstände 53, 101, 165, 185, 189, 191 f., 231, 280, 343, 351 Gesellschaftliche Toleranz 172, 180, 193 Gesetzgeberisches Motiv 66, 139, 144, 153 Gewöhnungseffekt 51, 61, 72, 98 ff., 159 Grundrechte 176 ff., 191, 200, 219, 205 f., 316 Gründungsmythos 64 Gruppeninterne Wirkung 64, 76 Habitualisierungstheorie 266 Haftungsprivilegierung 335 ff., 360 f., 364 f., 377, 380 Handlungsort 116 f., 126 ff., 148, 152, 154, 155, 222 Handlungsunwert 197 Herrnburger Bericht 220 Herstellen 59, 325 ff., 352 Host-Provider 336 ff., 352, 360 f., 364, 376 f. Host-Server 333 Hyperlink 333 f. Identifikation 86, 88 Identifikationsakt 338 f. Identifikationspotenzial 84, 208, 252, 253, 275, 281, 282, 292, 299, 302, 307 Identifikationssymbol 96, 99, 106, 110, 165, 205, 206, 213, 227, 295 Indizierung 31 f., 247, 250, 252, 255 ff., 274 ff., 297, 299, 301, 304 ff., 324

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Indizierungsbefugnis 244, 245, 255, 257 Indizierungsschutz 246, 254 f. Informationsvermittlung 168, 170, 184 f., 200, 213, 266, 315 Inglourious Basterds 24, 236, 242 Inhaltsgleichheit 69, 250, 253 f., 257, 308, 372 f. Inlandstat 116, 144 Interaktivität 28, 31, 37, 44, 46 ff., 56, 161, 198, 214 ff., 234, 237 f., 240, 284, 287, 290, 292, 300 f., 313, 315, 321, 371 f. Intermediale Vergleichbarkeit 161, 163, 232 f., 236 ff., 243, 300 Interpretationsbedürftigkeit 101, 179, 191, 215 ff., 284, 297 Interpretationsfähigkeit 101, 109, 179, 220 Interpretationsspielraum 70, 110, 191, 256 Inverkehrbringen 93, 96 Irrtum 330 f. – Tatumstandsirrtum 328, 331 f. – Verbotsirrtum 331, 376 Jugendaffinität 55 f., 168, 281 f., 289, 299 Jugendgefährdungseignung 251 ff., 257 ff., 263 ff., 273 ff., 292 ff., 371, 381 f. Jurisdiktionskonflikte 129, 141, 149 Katharsistheorie 265 Kausalität 272, 328, 354 Keltenkreuz-Entscheidung 84 Kommunikation – Limitierung der ~ 210 ff., 239 f. – spielinterne ~ 30 f., 43, 68 – Wirkung des Kennzeichens 70, 72, 85 Kommunikationsgrundrecht 178, 200, 219 f., 316 Kopfbild 87, 323 Kopfwinkel 85, 277

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Stichwortverzeichnis

Kulturgut 160 Kunst – als Tatbestandsausschluss 159 ff., 178 ff., 215 ff. – offener Begriff 160, 179, 182, 305 f. – Schaffensprozess 160, 217 – strafrechtlicher Begriff 178 – verfassungsrechtlicher Begriff 178, 181, 192, 305 – Werkbereich 179 – werkgerechte Interpretation 208, 217 f., 256, 297 – Wirkbereich 179, 188, 217, 220, 241 Lebensgrundlage 117, 119 f., 122, 155 Lebenswirklichkeit des Rezipienten 281, 288 ff., 302, 319 Legalitätsprinzip 141, 233 Legitimationswirkung 165, 167, 221, 302, 315, 330 Lehre 177 Lerntheorie 266 Let’s Play-Video 37, 154 f., 240, 367, 371 ff. Lineare Handlung 37, 44, 165 Liste jugendgefährdender Medien 31, 48, 154, 254 f., 274, 306, 312 Löschung des Inhalts 354, 357, 359, 361 ff. Lotus-Entscheidung 152 Mann auf der Straße 81 Massenhaftes Verbreiten des Inhalts 67, 85, 98, 103 f., 256, 326 Massenhaftes Verwenden der Kennzeichen 104, 112, 162, 192, 197 ff. Massenmedien 55, 68, 73, 214, 231, 244, 246 Medal of Honor 182, 217, 221 Mediale Gattungsgrenzen 181, 214, 235 Medienkonvergenz 233, 247, 249 f., 256, 275, 278, f., 339 Medienwirkungsforschung 168, 252, 264 ff., 279, 283, 300, 301

Mehrdeutigkeit 85, 99, 110 Mein Kampf 32, 87 Meldesystem 210, 239 f., 341, 343, 364, 367, 378 Menschenwürde 134, 247 Mephisto-Entscheidung 178, 182 Missbrauch 69, 183, 188, 212, 230, 239 f., 346 f., 363, 367 Missbrauchsprävention 239 Modellflugzeug-Entscheidung 51, 54 f., 163, 200 f. Modifikation 36 f., 59, 84, 154 f., 246, 367, 369 f., 377 Modifikationseditor 34, 36, 154 f., 328 Moral 74, 262, 264 Nachahmungspotenzial 266, 281 f., 299 Negativakzentuierung 162, 208, 212, 223 f., 237 ff., 243, 301, 310, 312, 317 f., 380 Network-Provider 333 NetzDG 377 f. Neutrale Handlung 60, 99 ff., 101, 106, 201 ff., 224, 231, 233, 239, 240, 243, 269, 287, 295, 303, 318, 323, 328, 337, 340, 369, 381 Nichteinmischungsgrundsatz 119 Niveaukontrolle 179 Nutzungs- und Vertriebsrecht 35, 338 ff. Obergau-Armdreieck 81 Objektiver Beobachter 55, 80, 82, 84, 86, 88, 97, 186, 203, 215, 224 ff., 241, 261, 274 f., 322, 373 Odalrune 80 f., 85, 111, 273, 275 ff. Offenkundige Ablehnung 98, 102 f., 106, 108, 110, 112, 140, 162, 232, 314, 322, 324, 374 Organisationsbezug 70, 72, 74, 78 ff., 110 f., 166, 224, 274, 291 Organisationsverschulden 346 Original Content 34 Originaltreue 163, 201

Stichwortverzeichnis Pädagogischer Inhalt 176, 184, 213, 242, 322 Peer-to-peer 41 Personalitätsprinzip 119 ff., 144, 152 f., 155 Personwerden 261, 309 Politische Agitation 68, 70, 100, 109, 239 f., 324 Pornografie 223, 244, 272 Positive Kenntnis 331, 336, 339, 344 ff., 376 f., 379 f. Präventionsmaßnahme 58, 113, 115 f., 155, 211, 239, 247, 254, 260 f., 309, 338, 339, 343, 348, 352, 366, 377 Privilegierter Zweck 66, 174, 187 ff., 196 f., 200, 206, 211, 224, 236 Propaganda 70 – Propagandadelikt 119, 153 – Propagandamittel 105, 106, 196, 249 – unterschwellige ~ 188, 203, 212 Protagonist 87, 106, 108 f., 111, 166, 292, 375 Providerhaftung 335, 339, 345, 351, Prüfungsverfahren 251, 253, 255, 332 Pull-Technologie 150 Push-Technologie 143, 150 f. Realitätsnähe 30, 41, 162, 169, 202, 221 f., 268, 280, 282, 288 ff., 316, 319 Rechtsextremismus 81, 98, 240, 329, 380 Rechtsgüterschutz 63 ff., 82, 96, 104 f., 132 ff., 146 ff., 177, 191 ff., 214, 233, 240, 243, 261, 274, 274 ff., 310, 354 Rechtssicherheit 24, 107, 153, 196, 241, 278, 306, 330, 352, 382 Rechtsunsicherheit 82, 84, 196, 263, 275 Rechtswidrigkeit der Information 350 ff. Regelbeispiel 176, 197, 213, 259, 273 Reichsgericht 128 f., 135, 146 Rezeptionswirkung 266, 271, 273, 276, 287, 300 ff.

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Richtlinie – USK ~ 272, 319 – E-Commerce-Richtlinie 337, 367 – Nutzungsrichtlinie 343 Sachkundiger Beobachter 84 Sammlertätigkeit 211, 229 f. Satire 158, 205 f., 210, 218 ff. Schnelligkeit 39, 99, 206, 222, 226 f., 297, 302, 316, 320 Schuld 174, 286, 325, 345 f., 381 Schuldausschluss 330 schuldhaftes Zögern 364 Schutzprinzip 117 f., 144, 152 f., 380 Schutzzweck 51 ff., 84 f., 96 ff., 110 ff., 134, 147, 162, 167, 180, 194, 196, 201, 207 f., 211, 224, 229 ff., 241, 314 f., 321 f., 324, 370, 372 Screencast-Software 37, 240, 381 Serious Game 41, 46, 56, 168, 186, 203, 213, ff., 242, 313 Serverstandort 129, 143 Signalwirkung 86, 95, 103, 162 Sonderdogmatik 127, 130 f., 135, 143, 335, 344, 356 ff. Souveränität 140, 149 ff. Sozialadäquanz 159, 163, 171 ff., 192 ff. Sozialadäquanzklausel 51 f., 54, 64 ff., 96 f., 100 ff., 157 ff., 171 ff., 190 ff., 229 ff., 287, 308 f., 315, 320 ff., 327, 331 f., 351, 368, 379 f. Soziale Unauffälligkeit 163 f., 193, 375 Sozialethische Desorientierung 247, 258, 260, 267, 273, 277, 283 f., 286, 297, 303, 321, 323 Sozialfaktoren 194 Sozialisierter Jugendlicher 262, 276, 279 Sozial-kognitive Theorie 266 Sozialschädlichkeit 173, 189, 195, 342 Speicherkapazität 30, 34, 218, 333, 336, 349, 366 Speicherort 130 f., 334 Sperrung 115, 239, 354, 359, 361 ff.

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Stichwortverzeichnis

Spielauftrag 165, 168, 170, 201, 206, 213, 221, 224, 319 Spielekonsole 30, 34 Spieleplattformbetreiber 35 f., 114, 116, 154, 209, 252, 254 f., 325, 333 ff., 377 ff. Spielersubstitut 29, 36 ff., 47, 51, 106 ff., 158, 160 f., 165, 170, 204 f., 207 f., 211 f., 220 ff., 242 f., 288, 292 ff., 310, 313 ff., 369 f., 379 Spielinterne Neuinterpretation 79, 110 f., 190, 223 f. Spielmodus 204, 208 f., 225, 239, 316, 373 – Einzelspielermodus 37 f., 42 f., 46 f., 109, 165 ff., 199, 204, 206 ff., 219, 221, 224 ff., 237, 242 f., 284, 292 f., 295 ff., 302 f., 314 ff., 367 f., 379 – kompetitiver Mehrspielermodus 30, 36, 38 ff., 43 f., 109, 113, 169 f., 190, 204, 206 ff., 219, 224 ff., 237 ff., 284, 287 f., 295 ff., 302 f., 314 ff., 320 f., 367 ff. – kooperativer Mehrspielermodus 39 f., 165 ff. Staatsbürgerliche Aufklärung 66, 157 f., 168, 176 f., 184, 186, 203, 205 f., 213 ff., 242, 323 Steam 33, 37, 41, 47, 114, 334, 340 f. Stigmatisierung durch das Kennzeichen 56, 109, 162, 165, 166 f., 170, 197, 204, 212, 220, 223 f., 237, 291, 295 ff., 303, 313, 319 Strafbarkeitslücken 100, 119, 132, 156, 359, 380 Strafverfolgungsbehörden 57, 120 f., 141, 152, 155, 233, 237, 309, 375, 380 Strafverfolgungsinteressen 152, 191, 235, 309 Strategie 99, 110, 206, 215 Streamingplattform 37, 90, 155, 368, 374 ff. Sünderin-Entscheidung 178 Surrogat 57, 79, 86 ff., 224, 230, 276

Sympathiepotenzial 96, 108, 166, 238, 286, 292 Tabuisierung 62, 71, 218 Tarnung 107 f., 165 Tatbestandsausschluss 110, 167, 175, 184, 187 ff., 196, 200, 202, 209, 213, 216 f., 229, 242, 307315, 328, 332, 351, 368 Tatbestandslehre 133 ff., 150 Täterschaft 327, 329, 333, 365 Tathandlungserfolg 150 f. Tätigkeitsdelikt 139, 145, 354, 358 Telemedium 248 ff., 275, 278, 311, 326, 328, 333, 344, 348, 352, 362, 373, 377 Teleologische Tatbestandsreduktion 52, 83 f., 96 ff., 137, 139 ff., 150, 162, 166, 208, 231 f., 314 f., 322, 327, 374, 379 Tendenzschutzklausel 304 ff. Territorialitätsprinzip 116 ff., 126 Theorie der langen Hand 128 Through the Darkest of Times 32, 245 Toeben-Entscheidung 134 Totalverbot 24, 32, 50, 52 ff., 66, 101, 158, 164, 170, 219, 243, 245, 258, 297, 308, 350 f., 379 Trägermedium 245, 248 ff., 275, 278, 311, 330, 332 Überwachungspflichten 344, 350, 360, 363 Ubiquitätstheorie 116, 141, Üblichkeit 172, 193 f., 195, 233 Ultima ratio 140 Umgrenzungsfunktion 121, 124, 196, 356 Unbestimmtheit 69, 72, 92, 193, 196, 258, 260, 263 Unfriedlichkeit 180 Ungefährlichkeit 138, 190 Unkontrollierbarkeit 92, 94, 103, 114, 123, 136 f., 356, 370 Unmittelbarkeitserfordernis 90, 92 Unpolitisches Verwenden 99, 101

Stichwortverzeichnis Unrechtsgehalt 66, 166, 193, 206, 219, 224, 296, 355 f. Unrechtsindizierung 173, 175, 194 Unterhaltungsfilm 24, 52 f., 58, 161, 164, 222, 231 f., 234, 237, 375, 377 Unterhaltungszweck 170, 174, 209, 215 f., 219, 228 f., 233 ff., 318, 323, 374 Unverkörperte Übertragung 35, 48, 89, 103, 105, 248, 380 Upload 36, 90 ff., 114 ff., 131, 137, 151 ff., 335, 340, 347, 353 ff., 365, 371, 374, 380 Urheberrecht 181 f., 234, 339, 371 User-generated content 341 Uses-and-Gratifications-Approach 265 USK 57, 154, 160, 169, 181, 209, 251 f., 271 f., 300, 308, 319, 327, 330 ff. Verbreiten 64 ff., 88 ff., 109, 122, 124, 131 f., 135, 144 f., 150, 190, 216, 231, 314, 327, 329, 331, 356 Verbreitungsabsicht 326 Vereinigungsfreiheit 75 Verfassungsmäßige Ordnung 63, 69, 73, 183, 260 Verharmlosen 111, 202, 285 ff., 314, 319 Veröffentlichung 30 f., 33 ff., 42, 80, 114, 153 f., 158 f., 169, 253, 256, 299, 326 f., 334, 339, 341 ff., 347, 349, 351, 353, 356, 366, 374 f., 382 Versammlungsgesetz 58 Verwaltungsverfahren 254 f., 311 Verwechseln 59, 77, 83 f., 87 Verwechslungsgefahr 84 Verwenden 52 f., 58, 64 ff., 88 ff., 106, 109, 111, 122 ff., 132, 144, 150, 157, 190, 197, 314, 325, 356, 368, 370, 379, 382 Völkerrecht 63, 76, 119 ff., 138 ff., 147 ff. Völkerverständigung 63, 75, 105, 132, 191, 275, 277

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Vollendung 325, 354, 356 f. Vollharmonisierung 337, 343 Vorbehaltsfilm 237 Vorbereitungshandlung 59, 65, 95, 105, 136 f., 325 ff. Vorsatzausschluss 328, 332 Vorverlagerung 72, 136, 138, 147, 273 Wahrheitserfordernis 176, 184 ff., 200, 213, 215 Wahrnehmbarkeit – ~ der Kennzeichen im Spiel 52, 65 f., 79, 83, 86 f., 91 ff., 101, 162, 180, 198 f., 215, 222, 233, 241 f., 290, 331, 333 352, 355 ff., 365 ff. – ~ im Strafanwendungsrecht 119 ff., 136 f., 140 f., 144 ff., 155 Weltrechtsprinzip 141, 145 Werbezwecke 230 Werbung 108, 183, 203, 220, 230, 233, 240 ff., 249, 255 f., 260, 342 Wettkampfarena 206, 208, 221 Widmung 83 Wiederbelebung verfassungswidriger Organisationen 70, 75, 218 – Anschein der ~ 51, 55, 61, 71, 75, 77 Wiedereingliederung der Kennzeichen 66, 71, 73, 75, 77, 110, 112, 132, 212, 224, 240, 354 Wissenschaft 177 f. Wolfenstein 24, 30, 31, 87, 96, 105, 110f., 158, 165, 166, 222 f., 252 f., 258, 291 Wolfenstein-Entscheidung 50 ff., 67, 97, 102, 157, 170, 257 YouTube 37, 375, 378 Zensur 159, 304 Zu-eigen-Machen 336 ff. Zufallshaftung 82, 151, 370 Zugänglichmachen 89 ff., 120, 124, 131, 144, 333, 377 Zurechnung 240