Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant: Die Einbeziehung Dritter in den Schutz von §§ 53, 97, 160a StPO? [1 ed.] 9783428543465, 9783428143467

Gegenstand der Untersuchung ist das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwälten und ihren Mandanten im Allgemeinen, nic

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German Pages 301 Year 2014

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Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant: Die Einbeziehung Dritter in den Schutz von §§ 53, 97, 160a StPO? [1 ed.]
 9783428543465, 9783428143467

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Schriften zum Strafrecht Band 262

Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant Die Einbeziehung Dritter in den Schutz von §§ 53, 97, 160a StPO?

Von

Christian Winkler

Duncker & Humblot · Berlin

CHRISTIAN WINKLER

Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

Schriften zum Strafrecht Band 262

Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant Die Einbeziehung Dritter in den Schutz von §§ 53, 97, 160a StPO?

Von

Christian Winkler

Duncker & Humblot · Berlin

Die Rechts- und Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Jahre 2013 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2014 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0558-9126 ISBN 978-3-428-14346-7 (Print) ISBN 978-3-428-54346-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-84346-6 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde an der Rechts- und Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Bayreuth im November 2013 als Dissertation angenommen. Das Kolloquium fand am 18.12.2013 statt. Rechtsprechung und Literatur konnten über den Abschluss des Manuskripts hinaus noch bis Ende 2013 berücksichtigt werden. Mein besonderer Dank gilt meinem Doktorvater und Erstgutachter Herrn Professor Dr. Brian Valerius. Er hat schon während des Studiums mein Interesse für das Strafrecht geweckt und gefördert. Während dieser ganzen Zeit, vor allem der Promotionszeit, stand er mir uneingeschränkt zur Seite. Ihm danke ich ganz herzlich für die hervorragende Betreuung, auf die ich mich stets verlassen konnte. Herrn Professor Dr. Nikolaus Bosch danke ich für die zügige Erstellung des Zweigutachtens. Danken möchte ich weiterhin Herrn Rechtsanwalt Michael Neises für die wertvollen Anstöße bei der Themensuche. Von Herzen danke ich meiner Familie, die mich stets bei allem unterstützt hat und immer für mich da ist. Würzburg, im Februar 2014

Christian Winkler

Inhaltsverzeichnis 1. Kapitel Einleitung 17 2. Kapitel

Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant 19

A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Verfassungsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 1. Grundrechte der Beteiligten  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 aa) Die Anfänge in der Rechtsprechung des BVerfG . . . . . . . . . . 23 bb) Privatsphärenschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 cc) Recht am eigenen Wort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 dd) Recht auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . . . . . . . . . 29 (1) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung . . . . . 29 (2) Die Selbstbelastungsfreiheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 ee) Kernbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 ff) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 b) Recht auf freie Meinungsäußerung, Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 1 GG  38 c) Recht auf freie Berufsausübung, Art. 12 Abs. 1 GG . . . . . . . . . . 40 aa) Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 40 bb) Eingriffe in den Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 cc) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 2. Das Rechtsstaatsprinzip . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 II. Europäische Menschenrechtskonvention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 1. Recht auf ein faires Verfahren, Art. 6 EMRK . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 2. Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, Art. 8 EMRK  . . 54 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 III. Strafprozessordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 1. Zeugnisverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen, § 53 StPO . . . 58 a) Sinn und Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 aa) Der Schutz des Vertrauensverhältnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . 58 bb) Der Schutz von Allgemeininteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (1) Der Schutz der Wahrheitsfindung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 (2) Die Sicherung einer geordneten Rechtspflege . . . . . . . . 61

6 Inhaltsverzeichnis cc) Der Schutz von Individualinteressen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 (1) Schutz der Interessen des Rechtsanwalts . . . . . . . . . . . . 62 (a) Der (innere). Pflichtenwiderstreit des Rechtsanwalts  63 (b) Die Berufsfreiheit des Rechtsanwalts . . . . . . . . . . . . 63 (2) Schutz der Interessen des Informations- bzw. Geheimnis­betroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 (3) Schutz des Nemo-tenetur-Grundsatzes . . . . . . . . . . . . . . 66 (a) Schutz des Nemo-tenetur-Grundsatzes im Allgemeinen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 (b) Ausnahmsweiser Schutz des Nemo-teneturGrundsatzes im Dreipersonenverhältnis? . . . . . . . . . 67 (4) Schutz des Rechtsratsuchenden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 (a) Das Kommunikationsverhältnis zwischen Anwalt und Mandant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 (b) Das individuelle Vertrauen in die Verschwiegenheit des Anwalts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70 dd) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 ee) Rangverhältnis der geschützten Interessen? . . . . . . . . . . . . . . 72 (1) Vorrangiger Schutz der Allgemeininteressen? . . . . . . . . . 72 (2) Vorrangiger Schutz der Interessen des Anwalts? . . . . . . 74 (3) Vorrangiger Schutz des Informationsbetroffenen bzw. des Rechtsratsuchenden? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 ff) Stellungnahme zum Sinn und Zweck der Vorschrift . . . . . . . 75 (1) Hinführung auf das Problem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 (2) Berücksichtigung des persönlichen Schutzbereiches von § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 (3) Hintergründe des Meinungsstreites . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 (4) Streitentscheidung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Umfang des Zeugnisverweigerungsrechtes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 85 c) Entbindung von der Schweigepflicht  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 aa) Alleinige Entbindungsberechtigung des Informationsbetroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 bb) Beteiligung am Vertrauensverhältnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 cc) Beteiligung am Kommunikationsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . 89 dd) Differenzierung nach Verfahrensstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 ee) Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter / Vertrag zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 2. Beschlagnahmeverbot, § 97 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 a) Sinn und Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 b) Umfang des Beschlagnahmeverbotes  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 c) Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und nicht­ beschuldigtem Mandant? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101

Inhaltsverzeichnis7 3. Verkehr mit dem Beschuldigten, § 148 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 a) Sinn und Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 b) Inhalt der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 4. Ermittlungsverbote, § 160a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Sinn und Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 b) Inhalt der Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 c) Verhältnis von § 160a StPO zu § 97 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 aa) Hinführung auf das Problem und Ausgangspunkt des Streites . 106 bb) Streitstand in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 cc) Stellungnahme: Argumente für die Anwendung des § 160a StPO auf Beschlagnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 dd) Stellungnahme: Argumente gegen die Anwendung des § 160a StPO auf Beschlagnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 d) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 IV. Strafgesetzbuch: § 203 StGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 1. Das geschützte Rechtsgut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 2. Umfang der Schweigepflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 3. Einverständnis bzw. Einwilligung in die Offenbarung  . . . . . . . . . . . 121 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122 V. Anwaltliches Berufsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 1. Der Sinn und Zweck der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 2. Umfang der Schweigepflicht und Entbindungsbefugnis . . . . . . . . . . 124 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 1. Schutz der Kommunikationsbeziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Verfügungsbefugnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127 a) Der Einfluss von § 203 StGB und § 43a Abs. 2 BRAO . . . . . . . 128 b) Verfügungsbefugnis für das Strafverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 3. Entstehungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 B. Eigener Entwurf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 I. Begriffliche Grundlagen: Ableitungen aus dem natürlichen Sprach­ verständnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 II. Der Sinn des Schutzes des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses: Das „Ob“ und „Wie“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 1. Das „Ob“ des Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2. Das „Wie“ des Schutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 III. Das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis: Entstehungsvoraussetzungen  143 1. Ansätze in Rechtsprechung und Literatur  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Eigener Entwurf: Entstehungsvoraussetzungen  . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 a) Begriffsbestimmungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 b) Natürliche Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 c) Juristische Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 IV. Persönlicher Schutzbereich: Beteiligung am Vertrauensverhältnis . . . . . 157

8 Inhaltsverzeichnis 1. Verfügungsbefugnis im Vertrauensverhältnis und Beteiligung . . . . . . 157 a) Ansätze in Rechtsprechung und Literatur: Kritik . . . . . . . . . . . . . 161 aa) Alleinige Entbindungsberechtigung des Informationsbetroffenen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 bb) Beteiligung am Vertrauensverhältnis  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 cc) Beteiligung am Kommunikationsverhältnis . . . . . . . . . . . . . . 165 dd) Differenzierung nach Verfahrensstatus . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 ee) Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter / Vertrag zugunsten Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 b) Eigener Entwurf: Beteiligung am Vertrauensverhältnis . . . . . . . . 169 2. Beteiligungsfragen im Zweipersonenverhältnis . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3. Beteiligungsfragen im Dreipersonenverhältnis: Die Einbeziehung Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 a) Voraussetzungen der Einbeziehung Dritter . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 aa) Eine natürliche Person ist Hauptträger des Vertrauensverhält­ nisses zum Anwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 (1) Einbeziehung eines Nebenträgers aufgrund gewillkürter Entscheidung des Hauptträgers? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 (2) Einbeziehung eines Nebenträgers aufgrund des Bestehens eines vertrauensverhältnisähnlichen ­Verhältnisses? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 (3) Kritik: Vertrauensverhältnisähnliches Verhältnis keine tragfähige Kategorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177 (4) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 bb) Eine juristische Person ist Hauptträger des Vertrauens­ verhältnisses zum Anwalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 (1) Einbeziehung der Organmitglieder aufgrund enger faktischer Verbindung zur juristischen Person? . . . . . . . 181 (2) Einbeziehung der Organmitglieder aufgrund eines ­vertrauensverhältnisähnlichen Verhältnisses? . . . . . . . . . . 183 (3) Einbeziehung der Organmitglieder aufgrund eines sonstigen Überwiegens ihrer Interessen gegenüber denen der juristischen Person? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 4. Rechtsfolge: Entbindungsberechtigung im Mehrpersonenverhältnis  . 187 a) Natürliche Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187 b) Juristische Personen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 5. Beteiligungsfragen aufseiten des Anwalts  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 V. Zeitliche Dauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 VI. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 1. Teleologische Basis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 2. Entstehungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 3. Sachlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 193 4. Persönlicher Schutzbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 5. Rechtsmethodische Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195

Inhaltsverzeichnis9 3. Kapitel

Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen 196

A. „Blütenfall“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 I. Der Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 II. Lösungen der vertretenen Ansätze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 III. Lösung nach dem eigenen Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 197 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 B. Whistleblowing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 I. Was ist Whistleblowing?  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 199 II. Welche Rechtsfragen stellen sich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 C. Juristische Personen und ihre Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 I. Insolvenz der juristischen Person . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 1. Das Insolvenzverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 2. Welche Rechtsfragen stellen sich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207 a) Entbindungsberechtigung, § 53 Abs. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 aa) Exkurs: Das Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6 ZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 bb) Alleinige Entbindungsberechtigung der Vertretungsorgane bzw. der Organmitglieder . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (1) Insolvenzspezifische Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (2) Allgemeine Argumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 cc) Gemeinsame Entbindungsberechtigung von bisherigem Organ und Insolvenzverwalter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 dd) Alleinige Entbindungsberechtigung des Insolvenzverwalters . 214 ee) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 214 b) Beschlagnahmeverbot, § 97 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 c) Ermittlungsverbote, § 160a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 219 aa) Ermittlungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt . . . . . . . . . 220 bb) Ermittlungsmaßnahmen gegen die juristische Person . . . . . . 222 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 II. Wechsel in der Geschäftsleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 1. Welche Rechtsfragen stellen sich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 a) Entbindungsberechtigung, § 53 Abs. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . 226 b) Beschlagnahmeverbot, § 97 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 c) Ermittlungsverbote, § 160a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 227 2. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 III. Mehrköpfige Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 1. Welche Rechtsfragen stellen sich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 a) Entbindungsberechtigung, § 53 Abs. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 aa) Die Entscheidung des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230

10 Inhaltsverzeichnis bb) Reaktionen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 cc) Eigener Ansatz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 b) Beschlagnahmeverbot, § 97 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 c) Ermittlungsverbote, § 160a StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 2. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 IV. Großunternehmen: Einbeziehung von Nichtorganmitgliedern? . . . . . . . . 234 V. Faktische Organstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 1. Welche Rechtsfragen stellen sich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 2. Entbindungsberechtigung und Beschlagnahmeverbot, §§ 53 Abs. 2, 97 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 D. Internal Investigations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 I. Was sind Internal Investigations? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 II. Welche Rechtsfragen stellen sich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 1. LG Hamburg, Beschluss vom 15.10.2010 – 608 Qs 18 / 10 . . . . . . . 240 a) Der Sachverhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240 b) Die Entscheidung des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 c) Reaktionen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 d) Beschlagnahme- und Ermittlungsverbote, §§ 97, 160a StPO . . . . 244 e) Entbindungsberechtigung, § 53 Abs. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . 247 2. LG Mannheim, Beschluss vom 03.07.2012 – 24 Qs 1 / 12 . . . . . . . . 250 a) Der Sachverhalt  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 b) Ausführungen der Beschwerdeführer  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 c) Die Entscheidung des Gerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 aa) Beschlagnahmeanordnung betreffend die Rechtsanwalts­kanzlei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 252 bb) Beschlagnahmeanordnung betreffend die AG  . . . . . . . . . . . . 254 d) Reaktionen in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 e) Beschlagnahme- und Ermittlungsverbote, §§ 97, 160a StPO . . . . 256 aa) Verbot der Beschlagnahme der Unterlagen im Gewahrsam der Rechtsanwaltskanzlei . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 bb) Verbot der Beschlagnahme der Unterlagen im Gewahrsam der AG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 f) Entbindungsberechtigung, § 53 Abs. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . 258 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 E. Mediation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 I. Was ist Mediation? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 II. Welche Rechtsfragen stellen sich? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 261 1. Entbindungsberechtigung, § 53 Abs. 2 StPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 262 2. Beschlagnahme- und Ermittlungsverbote, §§ 97, 160a StPO . . . . . . 264 III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 F. Zusammenfassung der Ergebnisse  . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265

Inhaltsverzeichnis11 4. Kapitel

Konsequenzen und Schlussbetrachtung 267

A. Praktische Konsequenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 I. Whistleblowing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 II. Juristische Personen und ihre Organe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 III. Internal Investigations . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 B. Schlussbetrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 274 5. Kapitel

Zusammenfassung in Kernthesen 279

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 282 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 294

Abkürzungsverzeichnis a. A.

andere(r) Ansicht

a. a. O.

am angegebenen Ort

abl. ablehnend Abs. Absatz a. F.

alte Fassung

AG

Aktiengesellschaft, Zeitschrift Die Aktiengesellschaft

Allg. M.

Allgemeine Meinung

Alt. Alternative AnwBl Anwaltsblatt AO Abgabenordnung Art. Artikel BA

Zeitschrift Blutalkohol

BAK Blutalkoholkonzentration BayObLG

Bayerisches Oberstes Landgericht

BB Betriebs-Berater Bd. Band BDSG Bundesdatenschutzgesetz BGH Bundesgerichtshof BGHSt

Entscheidungen des Bundesgerichtshof in Strafsachen

BGHZ

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen

BORA

Berufsordnung der Rechtsanwälte

BRAO Bundesrechtsanwaltsordnung Bsp. Beispiel bspw. beispielsweise BT

Besonderer Teil

BVerfG Bundesverfassungsgericht BVerfGE

Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

BVerwG Bundesverwaltungsgericht BVerwGE

Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

bzgl. bezüglich bzw. beziehungsweise CCZ

Corporate Compliance Zeitschrift

Abkürzungsverzeichnis13 DAR

Deutsches Autorecht

DB

Der Betrieb

ders. derselbe d. h.

das heißt

dies. dieselben diff. differenzierend Diss. Dissertation DNotZ

Deutsche Notar-Zeitschrift

DÖV

Die Öffentliche Verwaltung

DRiZ

Deutsche Richterzeitung

DStR

Deutsches Steuerrecht

EGMR

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte

Einl. Einleitung EMRK

Europäische Menschenrechtskonvention

f. folgende(r) ff. fortfolgende(r) Fn. Fußnote FS Festschrift GA

Goltdammer’s Archiv für Strafrecht

gem. gemäß GG

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland

grds. grundsätzlich GrS

Großer Senat für Strafsachen

GS Gedächtnisschrift GWR

Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht

h. A.

herrschende Ansicht

h. L.

herrschende Lehre

h. M.

herrschende Meinung

HRRS

Höchstrichterliche Rechtsprechung im Strafrecht

hrsg. von

herausgegeben von

i. d. R.

in der Regel

i. E.

im Ergebnis

i. e. S.

im engeren Sinn

i. F. v.

in Form von

InsO Insolvenzordnung i. S. v.

im Sinne von

i. V. m.

in Verbindung mit

JA

Juristische Arbeitsblätter

14 Abkürzungsverzeichnis JR

Juristische Rundschau

Jura

Juristische Ausbildung

JuS

Juristische Schulung

JW

Juristische Wochenschrift

JZ Juristenzeitung KG Kammergericht KTS

Zeitschrift für Insolvenzrecht

LG Landgericht lit. litera MDR

Monatsschrift für Deutsches Recht

m. w. N.

mit weiteren Nachweisen

n. F.

neue Fassung

NJ

Neue Justiz

NJW

Neue Juristische Wochenschrift

Nr. Nummer Nrn. Nummern NStZ

Neue Zeitschrift für Strafrecht

NVwZ

Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht

NZA

Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht

NZWiSt

Neue Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht

OLG Oberlandesgericht OWiG Ordnungswidrigkeitengesetz PStR

Praxis Steuerstrafrecht

RGSt

Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen

Rn. Randnummer Rspr. Rechtsprechung S.

Satz, Seite

s. o.

siehe oben

sog.

so genannte(r)

StGB Strafgesetzbuch StPO Strafprozessordnung str. strittig StraFo

Strafverteidiger Forum

StV Strafverteidiger u. a.

unter anderem

usw.

und so weiter

v. a.

vor allem

Var. Variante

Abkürzungsverzeichnis15 vgl. vergleiche VwGO Verwaltungsgerichtsordnung VwVfG Verwaltungsverfahrensgesetz wistra Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht WM Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht z. B. zum Beispiel ZIS Zeitschrift für Internationale Strafrechtsdogmatik zit. zitiert ZPO Zivilprozessordnung ZRP Zeitschrift für Rechtspolitik ZStW Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft z. T. zum Teil zust. zustimmend zutr. zutreffend ZWH Zeitschrift für Wirtschaftsstrafrecht und Haftung im Unternehmen

1. Kapitel

Einleitung Rechtsanwälte sind berufene, unabhängige Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten, führt die Bundesrechtsanwaltsordnung in § 3 Abs. 1 aus. Jedermann hat im Rahmen der gesetzlichen Vorschriften das Recht, sich in Rechtsangelegenheiten aller Art durch einen Rechtsanwalt seiner Wahl beraten und vor Gerichten vertreten zu lassen. Im Strafverfahren obliegt dem Rechtsanwalt vor allem die Verteidigung des Beschuldigten vor den Strafgerichten. Im Hinblick auf die Wahrung der Rechte des Beschuldigten ist seine Tätigkeit von allergrößter Wichtigkeit. In einer stetig an Veränderungsdynamik und Regulierungstiefe zunehmenden modernen Industriegesellschaft ist es für den Einzelnen wichtiger denn je, in rechtlichen Fragen einen Rechtsanwalt konsultieren zu können. Der Anwalt wird aber nur dann imstande sein, dem Ratsuchenden wirksame Hilfe anzubieten, wenn dieser ihm die nötigen Einblicke in seine Privatsphäre gewährt. So muss sich der in Steuerfragen hinzugezogene Fachanwalt im Steuerrecht eine umfassende Vorstellung von den finanziellen und persönlichen Verhältnissen seines Mandanten machen, bevor er einen Rat geben kann. Auch der Strafverteidiger wird die seinen Mandanten entlastenden Umstände erst dann vortragen können, wenn sein Mandant ihm detailliert über den Tathergang berichtet hat. Der Mandant muss seinem Anwalt als Vorbedingung für dessen Arbeit daher in der Regel Informa­ tionen preisgeben, die er Dritten gegenüber verschweigen würde. Darauf wird sich derjenige, der Rechtsrat sucht, aber nur einlassen, wenn er nicht befürchten muss, dass der Anwalt die offenbarten Informationen verrät. Für den Angeklagten wäre es katastrophal, würde der Verteidiger die Inhalte der Gespräche an die Staatsanwaltschaft weitergeben: Er hätte einen Hauptbelastungszeugen gegen sich selbst geschaffen. Auch der Mandant des Steueranwalts wird es in der Regel nicht wollen, dass seine Nachbarn und Kollegen über die Höhe seines Gehalts Bescheid wissen. Ohne das Vertrauen der Mandantschaft in die Verschwiegenheit des Anwaltes ist Rechtsberatung darum nicht denkbar. Wichtig ist deshalb, für eine effektive Verteidigung sogar unabdingbar, dass sich der Rat- und Hilfesuchende seinem Rechtsanwalt möglichst rückhaltlos anzuvertrauen weiß. Aus diesem Grund benötigt das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis staatlichen Schutz.

18

1. Kap.: Einleitung

Im Strafverfahren ist es vor allem die StPO, die Elemente dieses Schutzes verwirklicht, wenn Rechtsanwälten und ihren Gehilfen Zeugnisverweigerungsrechte zugestanden, korrespondierend Beschlagnahmeprivilegien geschaffen und Ermittlungsverbote geregelt werden: Anwälte müssen als Zeugen nicht darüber aussagen, welche Angaben ihnen ihre Mandanten gemacht haben, und die Beschlagnahme ihrer Unterlagen oder das Abhören von Telefongesprächen zwischen Anwälten und Mandanten ist der Staatsanwaltschaft versagt. Dem Staat ist daher selbst im Strafverfahren der Zugriff auf die dem Anwalt anvertrauten Informationen – zumindest im Grundsatz – verwehrt. Die erwähnten Regelungen haben es zum Ziel, das „Vertrauensverhältnis“ zwischen Anwalt und Mandant zu schützen, und konstituieren in der Gesamtschau eine Plattform vertraulicher Kommunikation zwischen dem Rechtsberater und seinem Klienten. Gegenstand dieser Arbeit ist das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwälten und ihren Mandanten im Allgemeinen, nicht das besondere Strafverteidiger-Beschuldigten-Verhältnis, das in der StPO eine hervorgehobene Stellung genießt, sowie dessen Schutz durch die §§ 53, 97, 160a StPO. Im Zentrum der Betrachtungen steht dabei der sachliche und personale Umfang des Schutzes in Mehrpersonenverhältnissen, wenn aufseiten des Mandanten weitere Personen hinzukommen, etwa der Büroleiter eines Einzelkaufmanns oder der Geschäftsführer der das Mandat vergebenden GmbH. In solchen Konstellationen stellt sich die Frage, ob und inwieweit auch diese Dritten am Schutz der auf das Vertrauensverhältnis bezugnehmenden Vorschriften der StPO teilhaben. Vorab ist jedoch als Fundament zu legen, was überhaupt mit dem „Vertrauensverhältnis“ zwischen Anwalt und Mandant im Hinblick auf die §§ 53, 97, 160a StPO bezeichnet sein soll. Hierfür wird zuerst untersucht, ob und inwieweit sich für den Begriff „Vertrauensverhältnis“ gesetzliche Grundlagen oder Anknüpfungspunkte finden lassen und wie der Begriff im jeweiligen Kontext verstanden wird (2. Kapitel Abschnitt A). In einem weiteren Schritt wird der Versuch unternommen, das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis als solches in einem eigenen Entwurf mit Inhalt zu füllen, um es als konkretes Rechtsinstitut sichtbar zu machen (2. Kapitel Abschnitt B). Auf Grundlage der gewonnenen Ergebnisse werden dann Fragen der Beteiligung an Vertrauensverhältnissen in Dreipersonenkonstellationen (3. Kapitel) erörtert und, letztlich, die Arbeit mit Überlegungen zu praktischen Konsequenzen und einer Schlussbetrachtung (4. Kapitel) abgeschlossen.

2. Kapitel

Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant In jedem Diskurs über Zeugnisverweigerungsrechte, Beschlagnahmeverbote, Entbindungsberechtigung und Ermittlungsverbote kommt früher oder später das „Vertrauensverhältnis“ zwischen Berufsgeheimnisträger und Anvertrauendem zur Sprache.1 Bisweilen ist auch die Rede von „Vertrauensbezie­ hung“2, „Vertrauenssphäre“3 oder „Geheimsphäre“4. In der StPO findet der Begriff „Vertrauensverhältnis“ nur an einer Stelle, in § 100c Abs. 6 StPO, Erwähnung, eine Definition sucht man allerdings vergeblich. Als gesichert darf gleichwohl gelten, dass der Begriff seinen strafverfahrensrechtlichen Ausgangspunkt in § 53 StPO hat.5 Zwar finden sich in den einschlägigen Kommentierungen zu § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO Begriffserläuterungen zu „anvertrauen“ und „bekannt geworden“.6 Eine allgemeine Bestimmung, was mit „Vertrauensverhältnis“ im strafverfahrensrechtlichen Sinne gemeint sein soll und zwischen welchen Personen ein solches besteht, fehlt dagegen. Dies überrascht, sieht doch die überwiegende Zahl der Stimmen den Schutzzweck von § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO gerade darin, jenes „Vertrauensverhältnis“ zu schützen.7 In Zweipersonenverhältnissen, d. h. wenn nur der Anwalt und sein Mandant beteiligt sind, mag die Frage, ob und zwischen wem ein Vertrauensverhältnis besteht, trivial erscheinen. Anders verhält es sich aber in Mehrpersonenverhältnissen. Wenn etwa der GmbH-Geschäftsführer für die juristische Person 1  Siehe etwa KK / StPO / Griesbaum, §  160a Rn.  1; LR  /  Schäfer, § 97 Rn. 2; SK / StPO / Rogall, § 53  Rn. 5; Dahs, FS-Kleinknecht, S. 63 (73). 2  BGHSt 33, 347 (349); Welp, ZStW 90 (1978), 804 (809). 3  Rudolphi, FS-Schaffstein, S. 433 (443). 4  Rieß, FS-Schäfer, S. 155 (202); Rudolphi, FS-Schaffstein, S. 433 (434 ff.); Welp, FS-Gallas, S. 391 (391 f.); Rieß, JR 1987, 75 (77); Welp, ZStW 90 (1978), 804 (809). 5  So auch Mörlein, Schutz des Vertrauensverhältnisses, S. 7. 6  Siehe etwa LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 14 f. 7  So BVerfGE 33, 367 (374); 38, 312 (323); 109, 279 (322); BGHSt 9, 59 (60); OLG Koblenz NStZ 1985, 426 (427); OLG Oldenburg NJW 2004, 2176 (2176); KK / StPO / Senge, § 53 Rn. 1; LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 1; Meyer-Goßner, § 53 Rn. 1.

20

2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

nach § 35 Abs. 1 GmbHG gegenüber dem Anwalt auftritt, ein oder mehrere Vorstandsmitglieder einen Anwalt für die AG nach § 78 Abs. 1 AktG mandatieren oder der von den Organen einer juristischen Person beauftragte ChefSyndikus der Rechtsabteilung den Geschäftsverkehr mit dem Anwalt allein abwickelt, verkompliziert sich die Angelegenheit erheblich. In diesen Fällen ist es nicht (mehr) so einfach zu beantworten, wer wem etwas anvertraut bzw. wer die Beteiligten, die „Träger des Vertrauensverhältnisses“,8 sind. Praktische Relevanz entfaltet der Gesichtspunkt der Beteiligung an einem Vertrauensverhältnis etwa in § 53 Abs. 1 StPO. Nach streitiger Auffassung soll das in § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO geregelte Zeugnisverweigerungsrecht des Rechtsanwalts nur jene Erkenntnisse erfassen, die der Berufsträger innerhalb einer Vertrauensbeziehung erfährt.9 Ähnliche Probleme tauchen bei der Frage nach der Entbindungsbefugnis gemäß § 53 Abs. 2 StPO auf. Wenn § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO das Vertrauensverhältnis zwischen Berufsgeheimnisträger und Mandant schützen soll, fragt sich, wie dieser Schutzzweck für die Entbindungsbefugnis nach Abs. 2 berücksichtigt werden kann. Zum Teil wird vorgeschlagen, zu prüfen, zwischen welchen Personen ein solches schützenswertes Vertrauen besteht.10 Das gleiche Problem stellt sich in § 97 StPO. Nach einer stark vertretenen Auffassung erfasst das in Abs. 1 statuierte Beschlagnahmeverbot allein solche Gegenstände, die „innerhalb“ des Vertrauensverhältnisses zum Beschuldigten entstanden sind bzw. einen Bezug zu diesem haben.11 Auch dies wirft die Frage auf, welches die Beteiligten ebendieses Vertrauensverhältnisses sind. Aus diesem Grund soll zunächst der Begriff „Vertrauensverhältnis“ im Abstrakten näher betrachtet werden.

A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“ Im Folgenden soll dargestellt werden, in welchen normativen Zusammenhängen der Begriff „Vertrauensverhältnis“ auftaucht. Ziel der Untersuchung ist es, Anhaltspunkte dafür zu finden, was im Kontext von §§ 53, 97, 160a StPO mit „Vertrauensverhältnis“ gemeint sein könnte, um eine Basis für einen eigenen Entwurf zu gewinnen.12 Begriff prägte Dahs, FS-Kleinknecht, S. 63 (74). BGH NStZ 1985, 372 (372); OLG Köln NStZ 1983, 413 (413). 10  Siehe LR25 / Dahs, § 53 Rn. 71 f.; Krause, FS-Dahs, S. 349 (367  f.); Krauß, ZStW 97 (1985), 81 (113 f.); Huber-Lotterschmid, Verschwiegenheitspflichten, S. 52. 11  LG Hamburg NJW 2011, 942 (943); KK / StPO / Greven, § 97 Rn. 1; LR / Schäfer, § 97 Rn. 21; Meyer-Goßner, § 97 Rn. 10. 12  Soweit die besprochenen Vorschriften Differenzierungen nach den verschiedenen Arten von Vertrauensverhältnissen enthalten, wird der Schwerpunkt auf das im 8  Diesen 9  Vgl.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“21

Erwähnung findet der Begriff „Vertrauensverhältnis“ vor allem in der Auseinandersetzung mit strafprozessualen Zeugnisverweigerungsrechten nach § 53 StPO sowie dem Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO. Aber auch im Zusammenhang mit dem Recht des Beschuldigten auf Kontakt mit seinem Verteidiger, § 148 StPO, sowie dem Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“ ist von Vertrauensverhältnissen die Rede. Schließlich spielt der Begriff in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1  GG, Art. 12 Abs. 1 GG sowie Art. 20 Abs. 3 GG eine Rolle und taucht in straf- und berufsrechtlichen Bezügen auf.

I. Verfassungsrecht Die Suche nach verfassungsrechtlichen Anhaltspunkten für das Vertrauensverhältnis im Sinne der StPO beginnt mit den Grundrechten der Beteiligten. Ihnen folgt eine Betrachtung des Rechtsstaatsprinzips. 1. Grundrechte der Beteiligten Zunächst geraten die beteiligten Personen ins Blickfeld: Der Berufsangehörige in seiner Rolle als derjenige, dem vertraut wird, und der Hilfe- bzw. Ratsuchende als der Vertrauende. Beide können sich auf Grundrechte berufen. a) Allgemeines Persönlichkeitsrecht, Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art.  1 Abs.  1 GG Der Inhalt von Art. 2 Abs. 1 GG lässt sich nur schwer fassen. Nach Art. 2 Abs. 1 GG hat jeder das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. Trotz der scheinbar nur auf den Persönlichkeitsschutz weisenden Formulierung enthält Art. 2 Abs. 1 GG zwei sehr unterschiedliche Grundrechte: Die allgemeine Handlungsfreiheit und das allgemeine Persönlichkeitsrecht.13 Die allgemeine Handlungsfreiheit wird als das Recht verstanden, in den Grenzen der genannten Grundrechtsschranken zu tun und zu lassen, was man will.14 Von Blickpunkt dieser Arbeit stehende Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant gelegt. Die Bezeichnungen „Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis“ und „Anwalt-Mandant-Beziehung“ werden in dieser Arbeit als Synonyme für das „Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant“ verwendet. 13  Beck / OK / GG / Epping / Hillgruber, Art.  2 Rn.  1; Maunz / Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 11. 14  BVerfGE 6, 32 (36) in st. Rspr.; aus jüngerer Zeit etwa BVerfG NJW 2008, 3698 (3698); Beck / OK / GG / Epping / Hillgruber, Art. 2 Rn. 1.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

dieser eher „aktiven“ Dimension verschieden ist das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, das ein Element der freien Entfaltung der Persönlichkeit im Sinne eines Rechts auf Respektierung des geschützten Bereichs, die Integrität der Persönlichkeit, enthält.15 Anliegen des vom Allgemeinen Persönlichkeitsrecht bezweckten Schutzes ist es, „die engere persönliche Lebenssphäre und die Erhaltung ihrer Grundbedingungen zu gewährleisten, die sich durch die traditionellen konkreten Freiheitsgarantien nicht abschließend erfassen lassen“.16 Die Herleitung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG geht auf die Rechtsprechung des BGH zurück,17 die der Anerkennung dieses Rechts in der verfassungsgerichtlichen Judikatur den Weg bereitet hatte.18 Das BVerfG hat sich diesem dogmatischen Ausgangspunkt angeschlossen, zieht die Menschenwürde allerdings eher als Verstärkung des Schutzbereiches, resultierend in höheren Anforderungen an die Rechtfertigung eines Eingriffs, sowie als Interpretationshilfe für die Bestimmung des Inhalts und des Gewährleistungsumfangs des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts heran.19 Das BVerfG hat im Laufe seiner Rechtsprechung eine Reihe von besonderen Rechten als Ausprägungen des „allgemeinen“ Allgemeinen Persönlichkeitsrechts anerkannt: Hierzu zählen unter anderem der Schutz der Privatsphäre,20 die Selbstdarstellung der eigenen Person in der Öffentlichkeit,21 das Recht auf informationelle Selbstbestimmung22 sowie das Recht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme.23 Die Gewährleistungsbereiche dieser Dimensionen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts stehen nicht beziehungslos nebeneinander, sondern überlappen, sodass ein und derselbe Lebenssachverhalt oftmals mehr als nur einer Dimension zugeordnet werden kann. Zum Beispiel berührt die Erhebung und Verwertung von Informationen aus dem privaten Bereich neben dem Privatsphärenschutz auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und situationsabhängig ebenso das Recht am eigenen Wort und Bild.24 15  Sachs / Murswiek,

Art. 2 Rn. 59. 27, 1 (6); 34, 269 (282). 17  Grundlegend die „Leserbrief-Entscheidung“ BGHZ 13, 334 (334 ff). 18  So Maunz / Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 127; Sachs / Murswiek, Art. 2 Rn. 60. 19  Vgl. BVerfGE 27, 344 (351); Beck / OK / GG / Epping / Hillgruber, Art. 2 Rn. 33; Sachs / Murswiek, Art. 2 Rn. 62. 20  BVerfGE 54, 148 (153); Maunz / Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 149 ff.; Sachs / Murswiek, Art. 2  Rn. 69. 21  BVerfGE 27, 344 (350 f.); 32, 373 (374 f.); Sachs / Murswiek, Art. 2 Rn. 71. 22  BVerfGE 65, 1 (41  ff.); 100, 313 (358 f.); Beck / OK / GG / Epping / Hillgruber, Art. 2 Rn. 45. 23  BVerfGE 120, 274 (302, 314 ff.); Sachs / Murswiek, Art. 2 Rn. 73b. 24  Dieses Beispiel nennt Maunz / Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 151. 16  BVerfGE



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“23

aa) Die Anfänge in der Rechtsprechung des BVerfG Der Begriff „Vertrauensverhältnis“ tauchte in der Rechtsprechung des BVerfG erstmals 1972 auf.25 In einem Beschluss vom 19.07.1972 stellte der Zweite Senat die Eröffnung des Schutzbereiches des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG für die Vertrauensbeziehung zwischen Bürger und den Angehörigen der in § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO a. F. genannten Berufsgruppen heraus. Anlass der Ausführungen war eine konkrete Normenkontrolle nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG: In einem Strafverfahren vor dem AG Lüneburg kam die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO a. F. auf, nachdem eine Sozialarbeiterin und Eheberaterin, die als Zeugin über die ihr vom minderjährigen Opfer anvertrauten Umstände vernommen werden sollte, das Zeugnis verweigerte. Die Zeugin führte aus, sie sei zwar keine Psychiaterin, jedoch arbeite sie im psychiatrischen Bereich und es bestehe zwischen ihr und ihrem Klienten das gleiche Vertrauensverhältnis wie bei den genannten Berufsgruppen. Da ihre Klienten ihr ganz persön­ liche Dinge anvertrauen müssten, damit sie die Grundlage für ihre Arbeit habe, müsse auch sie nicht aussagen. Das Gericht neigte dazu, der Zeugin ein Zeugnisverweigerungsrecht zu gewähren, sah sich jedoch durch die abschließende Regelung in § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO a. F. gehindert. Daraufhin legte das AG Lüneburg dem BVerfG § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO a. F. mit der Frage vor, ob die Norm insoweit verfassungswidrig sei, als darin Sozialarbeitern und Eheberatern kein Zeugnisverweigerungsrecht eingeräumt wird. In seinem Beschluss wies das BVerfG darauf hin, dass das Recht des Bürgers auf Achtung seiner Privatsphäre aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG auch die Kommunikation mit bestimmten Vertrauenspersonen umfasse.26 Es sei vielfach Teil der unabweisbaren Lebensbedürfnisse des Bürgers, Vertreter bestimmter Heil- und Beratungsberufe in Anspruch zu nehmen. Wirksame Hilfe sei aber nur bei rückhaltloser Offenbarung von Angelegenheiten des privaten Lebensbereiches zu erlangen.27 Die zur Begründung solcher höchstpersönlicher Vertrauensverhältnisse erforderliche freie, offene und rückhaltlose Offenbarung sei indessen nur möglich, wenn der Anvertrauende nicht befürchten müsse, dass Tatsachen, die der andere kraft seines Berufes erfährt, an Dritte gelangen könnten.28 Der Gesetzgeber habe diese Interessen gegeneinander abgewogen und den Angehörigen bestimmter Heil- und Beratungsberufe, deren Berufsbild durch die Begründung 25  BVerfGE

33, 33, 27  BVerfGE 33, 28  BVerfGE 33, 26  BVerfGE

367 367 367 367

(368 ff.). (377). (377). (378).

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

solcher Vertrauensverhältnisse gekennzeichnet werde, nicht nur eine Schweigepflicht auferlegt (§ 203 Abs. 1 StGB), sondern darüber hinaus ein strafprozessuales Zeugnisverweigerungsrecht eingeräumt (§ 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO a. F.), das eine Ausnahme vom Grundsatz der uneingeschränkten Zeugnispflicht jedes Staatsbürgers darstelle.29 Der Gesetzgeber habe damit in Gestalt des § 53 Abs. 1 StPO eine generalisierte Abwägung zwischen dem Schutz der Privatsphäre des Einzelnen und dem Interesse der Allgemeinheit an der Aufklärung von Straftaten im Strafverfahren geschaffen und seiner Schutzpflicht genügt.30 Einen Verstoß von § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO a. F. gegen Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG verneinte das BVerfG in der genannten Entscheidung allerdings. Zwar sah das Gericht gleichfalls für die Klienten von Sozialarbeitern den Schutzbereich als eröffnet an, jedoch übe der Sozialarbeiter keinen Beruf aus, für dessen Gesamtbild die Begründung höchstpersönlicher, grundsätzlich keine Offenbarung duldender Vertrauensverhältnisse so wie bei den in § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO a. F. normierten Berufsgruppen kennzeichnend wäre.31 Die Vertrauensbeziehung der Sozialarbeitern zu ihren Klienten sei nicht typischerweise auf die Erwartung des Klienten gegründet, der Sozialarbeiter werde Tatsachen aus der Privatsphäre des Betreuten gegenüber jedermann in der Regel verschweigen. Weder gebe es für Sozialarbeiter ein einheitliches Berufsbild noch ein solches, das stets Vertraulichkeit verlange.32 So trete der in der Jugendgerichtshilfe oder der Familienfürsorge beschäftigte Sozialarbeiter seinem Klienten als Helfer des Gerichts bzw. der Behörde auf, der sein Wissen an den Richter bzw. seinen Dienstherrn weiterzugeben habe.33 Zudem sei der Sozialarbeiter für gewöhnlich im öffentlichen Dienst oder für private Verbände der Wohlfahrtspflege tätig, sodass es ihm an der für die freien Berufe des Arztes oder des Rechtsanwalts charakteristischen unabhängigen und eigenverantwortlichen Stellung fehle. Daher gelte das Vertrauen des Hilfsbedürftigen weniger dem Sozialarbeiter als vielmehr der Institution, die hinter ihm stehe. Eine Einbeziehung des Sozialarbeiters in den Kreis der nach § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO a.  F. Weigerungsberechtigten sei daher nicht verfassungsrechtlich geboten.34 29  BVerfGE

33, 367 (378). 33, 367 (374 / 375); zu dieser Schutzpflicht im Allgemeinen v. Mangoldt / Klein / Starck / Starck, Art.  2 Abs.  1 Rn.  163 f.; Maunz / Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 135. 31  BVerfGE 33, 367 (378). 32  BVerfGE 33, 367 (379). 33  BVerfGE 33, 367 (381). 34  BVerfGE 33, 367 (382). 30  BVerfGE



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“25

bb) Privatsphärenschutz Wie bereits ausgeführt hat die verfassungsgerichtliche Judikatur im Laufe der Zeit den Persönlichkeitsschutz in einer Reihe besonderer Ausprägungen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, gleichsam spezielle unbenannte Freiheitsrechte als Ausflüsse eines allgemeinen unbenannten Freiheitsrechts,35 aufgefächert. Eine derartig ausdifferenzierte Zuordnung konnte das BVerfG in seiner zitierten Entscheidung 1972 noch nicht vornehmen. Eine dieser Ausprägungen – die auch schon in der genannten Entscheidung anklingt – ist der Schutz der Privat- und Intimsphäre im Sinn eines Schutzes der „engeren persönlichen Lebenssphäre“.36 Dieses Recht auf Achtung der Privatsphäre umfasst Informationen, die der Einzelne herkömmlicherweise nicht nach außen trägt, etwa, weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst.37 Dem Individuum soll ein abgeschirmter Bereich persönlicher Entfaltung zustehen, der gegen staatliche Ausforschungen und die unerwünschten Einblicke Dritter geschützt ist.38 Dieser Kategorie des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist der Inhalt von Gesprächen mit den in § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO aufgeführten professionellen Vertrauenspersonen daher zuzuordnen, wenn sie Angaben aus der Persönlichkeitssphäre des Hilfesuchenden mit sich bringen.39 Für den im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen dem Rechtssuchenden und seinem Anwalt stattfindenden Austausch ist diese Voraussetzung in der Regel erfüllt.40 Zweifellos bringt es der Kontakt beider mit sich, dass „Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als privat eingestuft werden“41 zu besprechen sind. Der Rechtsratsuchende muss für gewöhnlich tiefgreifende Einblicke in seine Privatsphäre gewähren, um die effektive Hilfe des Anwalts zu erhalten. Gleichgültig, ob es sich um seine persönlichen, Bezeichnungen von Sachs / Murswiek, Art. 2 Rn. 65. BVerfGE 27, 344 (351); 32, 373 (378 f.); 34, 205 (208 f.); 44, 353 (372 ff.); 54, 148 (153); v. Mangoldt / Klein / Starck / Starck, Art. 2 Abs. 1 Rn. 173; Maunz /  Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 151. 37  BVerfGE 101, 361 (382). 38  Vgl. Jarass / Pieroth / Jarass, Art. 2 Rn. 47; Sachs / Murswiek, Art. 2 Rn. 69. 39  OVG Lüneburg NJW 1975, 2263 (2263); v. Mangoldt  /  Klein  /  Starck  /  Starck, Art.  2 Abs.  1 Rn.  104; Maunz / Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 153. 40  Vgl. Maunz / Dürig / Di Fabio, Art.  2 Rn.  153; SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 10; Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 36; Rengier, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 15. 41  So BVerfGE 101, 361 (382 f.). 35  Dieses 36  Vgl.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

rechtlichen oder finanziellen Verhältnisse handelt, der Mandant würde sie üblicherweise nicht coram publico erörtert wissen wollen.42 Gleichwohl ist für die tatsächliche Eröffnung des Schutzbereiches des Rechts auf Achtung der Privatsphäre im Einzelfall allein die konkrete Information maßgeblich; pauschalierende Bewertungen genügen nach der genannten Formel nicht.43 Sucht der Mandant den Anwalt etwa wegen eines Verkehrsunfalls auf, in den er verwickelt war, macht die anwaltliche Beratung umfangreiche Beschreibungen nicht nur des Verhaltens des Mandanten, sondern ebenso des Verhaltens des Unfallgegners erforderlich. Während das Verhalten des Mandanten, zum Beispiel, weil er zu schnell fuhr und so den Unfall verursachte, von diesem in der Regel als peinlich und deshalb als privat eingestuft wird, gilt das für das Verhalten des Unfallgegners aus der Perspektive des Mandanten nicht: Hat der Unfallgegner einen Fahrfehler begangen oder auf andere Weise den Unfall begünstigt, sind dies keine Informationen, die für den Mandaten als privat zu bewerten sind. In der Folge wären für erstgenannte Informationen der Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Mandanten eröffnet, nicht aber für die Umstände, die er über seinen Unfallgegner vorträgt. In leichter Modifizierung der erläuterten Grundsätze hat das BVerfG demgegenüber in einer Reihe von Entscheidungen zu erkennen gegeben, dass es die Informationen, die Ärzte, Tierärzte und Suchtberater im Rahmen ihrer Berufsausübung verbunden mit einer Verschwiegenheitserwartung über den Hilfesuchenden erfahren, generell dem Schutz dieses Gewährleistungsgehalts des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts unterstellen will.44 Es komme im Einzelfall gar nicht darauf an, ob der Berufsträger Sachverhalte erfahre, deren Offenbarung dem Ratsuchenden peinlich oder seiner sozialen Geltung abträglich sei. Vielmehr verdiene bereits der Wille des Einzelnen Achtung, die Einblicke, die er dem Berufsangehörigen im Vertrauen auf dessen Verschwiegenheit gewährt hat, der Kenntnisnahme Dritter vorzuenthalten.45 Diese Grundsätze sind auf das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant zu übertragen. Die Interessenlage des Klienten eines rechtsberatenden Berufs ist der eines Patienten vergleichbar. Ebenso wie der Patient ist der Mandant zu einer rückhaltlosen Offenbarung – im Vertrauen auf den Geheimnisschutz – gezwungen.46 Mit den Worten des BVerfG muss und 42  Rengier,

Zeugnisverweigerungsrechte, S. 14; Nassall, KTS 1988, 633 (641). 33, 367 (374); 109, 279 (313); vgl. BGHSt 19, 325 (331); 34, 397 (400); Maunz / Dürig / Di Fabio, Art.  2 Rn.  153; SK / StPO / Wolter, § 100a Rn. 55. 44  BVerfGE 32, 373 (379 f.); 38, 312 (314 f.) 44, 353 (372); Rengier, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 15. 45  BVerfGE 32, 373 (380). 46  So OLG Koblenz NStZ 1985, 426 (427); Rengier, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 15. 43  BVerfGE



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“27

darf auch er erwarten, dass alles, was der Anwalt im Rahmen seiner Berufsausübung über die Rechtsangelegenheit des Mandanten erfährt, geheim bleibt und nicht zur Kenntnis Unberufener gelangt.47 Indem das BVerfG so den typischen Geheimhaltungswillen des Hilfesuchenden als Anknüpfungspunkt wählt, gewährleistet das Recht auf Privatsphäre den vertraulichen Informationsaustausch zwischen Anwalt und Mandant über die Rechtsangelegenheit des Mandanten im Ganzen. Für die Beurteilung, ob der Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Recht auf Privatsphäre eröffnet ist oder nicht, muss nicht jede einzelne Information auf ihre Sensibilität für den Betroffenen hin untersucht werden, vielmehr ist anhand der typischen Verschwiegenheitserwartung des Mandanten zu entscheiden. Dieses Verständnis erleichtert die Rechtsanwendung, verhindert eine Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorganges, nämlich eines Gespräches in die Vielzahl der in seinem Laufe ausgetauschten Informationen, und wird dem praktischen Vertraulichkeitsbedürfnis des Mandanten gerecht. Im Beispiel des Verkehrsunfalls führt der Mandant das Beratungsgespräch im Ganzen in der Regel im Vertrauen auf die anwaltliche Verschwiegenheit. Deshalb ist das Gespräch an sich, das heißt alle Informationen, die in seinem Verlauf ausgetauscht werden, der persönliche Umstand, für den der Schutzbereich eröffnet ist. Soweit nicht speziellere Grundrechte eingreifen, besteht der Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Mandanten in sachlich-gegenständ­ licher Hinsicht unabhängig davon, in welcher Weise sich der Informationsaustausch zwischen Anwalt und Mandant vollzieht: Geschützt ist das persönliche Gespräch, der fernmündliche Austausch48 und ebenfalls die vom Anwalt angefertigte Notiz über das Mitgeteilte. Die körperliche Form der kommunizierten Informationen, ob unverkörpert oder gegenständlich fixiert, spielt keine Rolle.49 Im Ergebnis folgt hieraus für den Mandanten als einem der am Vertrauensverhältnis Beteiligten eine umfassende inhaltlich begründete Absicherung seiner Kommunikation mit dem konsultierten Rechtsanwalt. cc) Recht am eigenen Wort Ein weiteres vom BVerfG aus dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht abgeleitetes Innominatfreiheitsrecht ist das Recht am nichtöffentlich gesprochenen Wort.50 Dieses wird gemeinsam mit dem Recht am eigenen Bild 47  So

zum Arzt-Patient-Verhältnis BVerfGE 32, 373 (380). hierzu jedoch Art. 10 GG. 49  BVerfGE 32, 373 (385); Maunz / Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 153. 50  BVerfGE 34, 238 (246 ff.); 54, 208 (217); 82, 236 (269). 48  Beachte

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

sowie dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Teil des Selbstdarstellungsschutzes des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts kategorisiert.51 Das Recht am gesprochenen Wort schützt „die Befugnis des Menschen, selbst zu bestimmen, ob seine Worte einzig dem Gesprächspartner, einem bestimmten Kreis oder der Öffentlichkeit zugänglich sein sollen“.52 Geschützt ist also das Bestimmungsrecht des Einzelnen über das weitere Schicksal seiner Äußerung,53 gleichgültig, ob es sich bei den ausgetauschten Informationen um personale Kommunikationsinhalte, um besonders persönlichkeitssensible Daten handelt oder die Gesprächspartner eine besondere Vertraulichkeit vereinbart hatten.54 Dieses Recht wird nicht nur berührt, wenn ein Vier-Augen-Gespräch von einem Dritten belauscht oder von einem der Gesprächspartner ohne oder gegen den Willen des anderen aufgezeichnet wird. Auch Aufnahmen, die mit Einverständnis des Sprechenden angefertigt wurden, aber (nunmehr) gegen dessen Willen einem anderen zugänglich gemacht werden, stellen einen Eingriff dar.55 Nicht den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts genießt demgegenüber ein Sprecher, der sich so verhält, dass seine Worte von unbestimmt vielen Menschen ohne besondere Bemühungen gehört werden können.56 Für die Gespräche im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant bedeutet dies eine „akustische“ Absicherung ihrer Kommunikation. Für beide Beteiligte ist der Schutzbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts in seiner Dimension als das Recht am eigenen Wort eröffnet, in den eingegriffen wird, wenn staatliche Akteure lauschen oder Aufzeichnungen anfertigen. Auch gegen eine anschließende behördliche oder gerichtliche Verwertung ihrer Äußerungen sind die Gesprächspartner grundsätzlich geschützt.57 Allerdings weist das Recht am eigenen Wort keinen derart engen Sachbezug zum Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant auf wie das Recht auf Achtung der Privatsphäre: Das Recht am eigenen Wort besteht für jedermann, der sich nicht-öffentlich mit einem anderen bespricht. Ein darüber hinausgehender Zusammenhang zum Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant ist nicht erkennbar. Für die Untersuchung des Anwalt51  So Dreier / Dreier, Art.  2 Abs.  1 Rn.  71; Maunz / Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 166; Sachs / Murswiek, Art. 2 Rn. 71. 52  BVerfGE 54, 148 (155). 53  BK / D. Lorenz, Art. 2 Abs. 1 Rn. 299. 54  BVerfGE 106, 28 (41). 55  BVerfGE 106, 28 (40); Maunz  /  Dürig  /  Di Fabio, Art. 2 Rn. 196; v. Mangoldt / Klein / Starck / Starck, Art. 2 Abs. 1 Rn. 92. 56  BVerfGE 106, 28 (40). 57  BVerfGE 34, 238 (247); 106, 28 (39 f.); BGH NJW 2003, 1727 (1727); Dreier / Dreier, Art.  2 Abs.  1 Rn.  73; Jarass / Pieroth / Jarass, Art. 2 Rn. 45b.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“29

Mandant-Vertrauensverhältnisses ist das Recht am eigenen Wort deshalb nur von nachrangiger Bedeutung. dd) Recht auf informationelle Selbstbestimmung Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung stellt eine weitere Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts dar. Dieser Dimension zuzuordnen ist die nach dem strafprozessualen Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“ anerkannte Selbstbelastungsfreiheit.58 (1) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung Seit dem Volkszählungsurteil des BVerfG vom 15.12.198359 ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung als konkretisierende Ausprägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts weithin anerkannt.60 Seine Entwicklung knüpft an die Entscheidungen zum Schutz der Privatsphäre an und entwickelt diese fort.61 Dementsprechend wurde der Schutz persönlicher Daten ursprünglich nur bei deren thematischen Bezug zur privaten Lebenssphäre des Informationsbetroffenen gewährt.62 Im Volkszählungsurteil betonte das BVerfG stärker die Komponenten des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die den Schutz der Selbstdarstellung des Einzelnen in der Öffentlichkeit gewährleisten, wie das Recht am eigenen Wort und Bild. In Verallgemeinerung des in diesen Entscheidungen zum Ausdruck kommenden Gedankens der Selbstbestimmung des Individuums folgert das Verfassungsgericht, das Allgemeine Persönlichkeitsrecht gewährleiste generell die Befugnis des Einzelnen, grundsätzlich selbst zu entscheiden, wann und innerhalb welcher Grenzen persönliche Lebenssachverhalte offenbart werden.63 In Loslösung von den Entscheidungen zum Recht auf Achtung der Privatsphäre kommt es aber nun nicht mehr auf die qualitative Aussagekraft der betroffenen persönlichen Daten an: Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung beschränkt sich nicht auf 58  BVerfGE 56, 37 (42 ff.); 65, 1 (46); 96, 171 (181); v. Mangoldt / Klein / Starck /  Starck, Art.  2 Abs.  1 Rn.  104 f.; Maunz / Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 187. 59  BVerfGE 65, 1 (43). 60  BVerfGE 115, 166 (187); 118, 168 (183); BK / D. Lorenz, Art. 2 Abs. 1 Rn. 328; Dreier / Dreier, Art.  2 Abs.  1 Rn.  79; Jarass / Pieroth / Jarass, Art. 2 Rn. 44; Sachs / Murswiek, Art. 2 Rn. 121. 61  BVerfGE 65, 1 (42) verweist auf BVerfGE 27, 344 (352); 32, 373 (379); 44, 353 (372). BK  /  D. Lorenz, Art.  2 Abs.  1 Rn.  331; Maunz / Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn.  173; Sachs / Murswiek, Art. 2 Rn. 73. 62  Siehe etwa BVerfGE 27, 1 (7); 32, 373 (378 f.); 33, 367 (375); 44, 353 (372 f.). 63  BVerfGE 65, 1 (42).

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

Daten, die der Privatsphäre zuzuordnen sind.64 Mithilfe moderner Informationstechnologie kann in der Synthese aller verfügbarer Daten über eine Person ein umfassendes Persönlichkeitsprofil erschlossen werden;65 „insoweit gibt es unter den Bedingungen der automatischen Datenverarbeitung kein ‚belangloses‘ Datum mehr.“66 Obgleich aus Anlass deren Gefahren entwickelt, ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung nicht auf den Bereich der maschinellen bzw. elektronischen Datenverarbeitung beschränkt, wie das BVerfG ausdrücklich klargestellt hat.67 Daher handelt es sich bei dieser Ausprägung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts um ein Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen über seine persönlichen Informationen. Vereinfacht ausgedrückt soll der Grundrechtsträger darüber bestimmen können, „wer was wann […] über ihn weiß“.68 Daten – oder Informationen – in diesem Sinne sind alle Einzelangaben über persönliche oder sachliche Verhältnisse einer bestimmten oder bestimmbaren Person.69 Konkret schützt das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vor jeder Form der Erhebung, schlichter Kenntnisnahme, Speicherung, Verwendung, Weitergabe oder Veröffentlichung von persönlichen – d. h. individualisierten oder individualisierbaren – Informationen. Eingriffe in den Schutzbereich liegen demnach vor bei Identitätsfeststellungen bei Polizeikontrollen, Zeugenbefragungen, Ausforschungen beschlagnahmter Unterlagen, Observationen sowie Videoüberwachungen.70 Hier liegt die Schnittstelle zum Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis im Sinne der StPO: Der Mandant des Anwalts wird diesem eine ganze Reihe personenbezogener Informationen mitteilen müssen, bevor der Rechtsberater seine Aufgabe erfüllen kann. Daher ist für die im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant dem Berufsgeheimnisträger mitgeteilten Informationen der Schutzbereich des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung eröffnet. Will nun etwa die Staatsanwaltschaft Zugriff auf diese Informationen nehmen, sei es durch Vernehmung des Rechtsanwalts, durch Abhören der Gespräche zwischen Mandant und Anwalt oder durch Beschlagnahme dessen Handakte, so greift sie in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Mandanten ein.71 64  Ausdrücklich BVerfG NJW 2008, 822 (826). Siehe ferner BVerfGE 65, 1 (45); BVerwGE 121, 115 (124); Jarass / Pieroth / Jarass, Art. 2 Rn. 44. 65  BVerfGE 65, 1 (42); Maunz / Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 174. 66  BVerfGE 65, 1 (45). 67  BVerfGE 78, 77 (84). Ferner Jarass  /  Pieroth  /  Jarass, Art. 2 Rn. 44; Maunz /  Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 176. 68  BVerfGE 65, 1 (43). 69  Dreier / Dreier, Art.  2 Abs.  1 Rn.  80; Maunz / Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 175. 70  Diese und weitere Beispiele nennt Maunz / Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 176. 71  Ausdrücklich BVerfGE 113, 29 (47); BVerfG NJW 2009, 2518 (2519). Siehe ferner BVerfG NJW-RR 2005, 1289 (1290); NJW 2006, 3411 (3411); NJW 2008, 1937



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“31

Für den Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant bedeutet dies einen wichtigen Unterschied zu den zuvor dargestellten Dimensionen des Schutzes des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts: Das Recht auf Achtung der Privatsphäre gewährleistet den vertraulichen Austausch mit besonderen Vertrauenspersonen. Alles, was diese kraft ihrer Berufsausübung über den Hilfesuchenden erfahren, unterliegt dem Schutz des Rechts auf Privatsphäre. Damit knüpft der so bewirkte Schutz situativ an die Kenntniserlangung des Berufsgeheimnisträgers im Rahmen seiner Berufstätigkeit für den Ratsuchenden an. Demgegenüber bezieht sich das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sachlich-gegenständlich auf das einzelne personenbezogene Datum und benötigt keinerlei Bezug zur Kommunikationsbeziehung zwischen Anwalt und Mandant. Der Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung kommt nur demjenigen zu, auf den sich das Datum bezieht. Kommuniziert daher etwa der Mandant seinem Rechtsanwalt Informationen, die nicht ihn selbst, sondern Dritte betreffen, wie im Beispiel des Verkehrsunfalls,72 ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Dritten, nicht aber das des Mandanten berührt.73 Dagegen müsste das Recht auf Achtung der Privatsphäre zumindest aufgrund der typischen Verschwiegenheitserwartung des Mandanten Schutz für diesen auch dann gewähren, wenn er Drittinformationen mitteilt. Daher weist auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, zu dessen Schutz vor allem das Datenschutzrecht bestimmt ist,74 keinen derart engen Sachbezug zum Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant auf, wie er für das Recht auf Achtung der Privatsphäre gefunden wurde. Für das Anwalt-Mandant-Verhältnis ist das Recht auf informationelle Selbstbestimmung deshalb nur von nachrangiger Bedeutung. (2) Die Selbstbelastungsfreiheit Das BVerfG schreibt die Selbstbelastungsfreiheit, im Strafprozess als Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“ anerkannt,75 ausdrücklich dem Recht des Einzelnen auf informationelle Selbstbestimmung zu.76 Ein Ein(1937); NJW 2009, 281 (282), die allerdings nur pauschal auf Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG der Mandanten verweisen. Deutlich dagegen Maunz / Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 173 Fn. 1; Jahn, ZIS 2011, 453 (459); Rüpke, NJW 2002, 2385 (2385, 2386); ders., NJW 2008, 1121 (1121); Würtenberger / Schenke, JZ 1999, 548 (552). 72  Siehe unter 2. Kapitel A. I. 1. a) bb). 73  So Rüpke, NJW 2002, 2385 (2386). 74  Gola / Schumerus / Gola / Schumerus, § 1 Rn. 6. 75  Siehe etwa BGHSt 14, 358 (363). 76  BVerfGE 56, 37 (42 ff.); 65, 1 (46); 96, 171 (181); v. Mangoldt / Klein / Starck /  Starck, Art.  2 Abs.  1 Rn.  104 f.; Maunz / Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 187.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

griff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht liegt danach vor, wenn ein Individuum vom Staat dazu gezwungen wird, sich selbst zu bezichtigen oder Informationen zu offenbaren, die ihn selbst belasten.77 Dieses Recht findet eine Wurzel auch im Rechtsstaatsprinzip.78 Ein weitgehend absoluter Schutz vor Selbstbezichtigung besteht für Zeugen oder Beschuldigte in Strafverfahren. In anderen Verfahren – etwa in Insolvenzverfahren – können schutzwürdige Belange Dritter oder das öffentliche Aufklärungsinteresse nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit Ausnahmen vom Nemo-tenetur-Grundsatz rechtfertigen.79 Inhaltlich umfasst das Nemo-tenetur-Prinzip für den Beschuldigten im Wesentlichen das Recht, im Strafverfahren jede aktive Mitwirkung an seiner eigenen Überführung zu verweigern;80 insbesondere darf er nicht zu einer Aussage gezwungen werden.81 Manche Autoren stellen einen Zusammenhang des Vertrauensverhältnisses zwischen Verteidiger und Mandant und der Selbstbelastungsfreiheit her.82 Dem Beschuldigten stehe es frei, sich gegenüber den Strafverfolgungsbehörden zur Sache einzulassen. Wolle der beschuldigte Mandant aber seinen Verteidiger in die Lage versetzen, ihn sinnvoll zu verteidigen, so bestehe für ihn die Notwendigkeit, sich diesem gegenüber auch zu äußern. Dieser durch eine geordnete Verteidigung bedingte indirekte Zwang zur Aussage müsse durch den Schutz der dem Verteidiger übermittelten Informationen ausgeglichen werden. Werde das Vertrauensverhältnis nicht geschützt und dem Zugriff des Staates geöffnet, drohe eine Umgehung des Nemo-tenetur-Grundsatzes.83 Immerhin dürfe der Beschuldigte nicht schlechter dastehen als wenn er keinen Verteidiger gewählt hätte, wenn dieses Wahlrecht einen Sinn haben soll.84 Vereinzelt findet dies Zustimmung in der Rechtsprechung.85 Die Gegenauffassung wendet ein, zumindest die Beschlagnahme von Verteidigungsunterlagen beim Beschuldigten berühre den Nemo-tenetur-Grundsatz nicht, da es an staatlichem Zwang gerade feh77  BVerfGE

56, 37 (42 ff.); 95, 220 (241); 96, 171 (181). 38, 105 ff. (113); 56, 37 ff. (41 ff.); 80, 109 ff. (121 f.). 79  BVerfGE 38, 105 (114 ff.); 56, 37 (49); v. Mangoldt / Klein / Starck / Starck, Art. 2 Abs.  1 Rn.  105; Maunz / Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 188; Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 124 ff. 80  Vgl. BGHSt 8, 144 (144); 14, 21 (23); Meyer-Goßner, Einl Rn. 29a. 81  BGH NStZ 2009, 705 (705); HK  / StPO / Gercke / Temming, Einleitung Rn. 29; Bosch, Aspekte des nemo-tenetur-Prinzips, S. 277; Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel, S. 158. 82  So etwa Rudolphi, FS-Schaffstein, S. 433; Welp, GA 1977, 129 (133). 83  HK / StPO / Gercke, § 97 Rn. 1; Rudolphi, FS-Schaffstein, S. 433 (440); deutlich Welp, GA 1977, 129 (133). 84  LR / Lüderssen / Jahn, § 148 Rn. 4. 85  BGHSt 44, 46 (46 f.). 78  BVerfGE



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“33

le.86 Die Anfertigung von Verteidigungsmaterial möge auf dem Druck einer (bevorstehenden) Strafverfolgung beruhen, sei aber fern jeglichen strafprozessualen Zwanges. Letztlich setze sich der Beschuldigte, der Verteidigungsunterlagen herstelle und bei sich belasse, keinem anderen Ent­ deckungsrisiko aus als derjenige, der sonstiges belastendes Material (zum Beispiel Falschgeld oder Tatwerkzeuge) aufbewahre. Von diesem allgemeinen Lebensrisiko, als Normverletzer ertappt zu werden, wolle und könne auch das Nemo-tenetur-Prinzip niemanden befreien.87 Im Übrigen ist zwischen dem Recht des Beschuldigten auf eine effektive und geordnete Verteidigung aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG und der Selbstbelastungsfreiheit zu unterscheiden.88 Es ist unrichtig, wenn beide Rechte gleichgesetzt werden. Die Beschlagnahme von Verteidigungsunterlagen berührt nicht den Nemo-tenetur-Grundsatz, das Recht auf eine geordnete Verteidigung demgegenüber schon.89 Diese Argumente der Gegenauffassung sprechen auch im Allgemeinen gegen eine Herleitung verfassungsrechtlichen Schutzes des Anwalt-MandantVertrauensverhältnisses aus der Selbstbelastungsfreiheit. Sicherlich unterliegt der Rechtsratsuchende dem kaum überwindbaren Zwang, sich einem Anwalt zu offenbaren, wenn er Hilfe in seinen Rechtsangelegenheiten benötigt. Jedoch handelt es sich dabei um einen mittelbaren, einen faktischen Zwang, der aber – jedenfalls außerhalb eines Strafverfahrens – nicht dem Staat unmittelbar zurechenbar, sondern der Komplexität des Rechts in einer modernen Industriegesellschaft und der mangelnden Fachkunde des Laien geschuldet ist. In solchen Fällen liegt „Zwang“ in der Natur der Sache. Zudem stellt der staatliche Zugriff auf Informationen aus der Anwalt-Mandanten-Kommunikation typischerweise die Anordnung eines Duldens dar, nicht aber eines Tuns, im Sinne einer Verpflichtung zur aktiven Selbstbelastung. Für die Anwendung des Nemo-tenetur-Grundsatzes besteht daher kein Grund.90 Eine ganz andere Frage ist es, ob nicht der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant aus dem Rechtsstaatsprinzip hergeleitet werden kann. Aufgrund der Eigenständigkeit dieses Aspekt wird ihm ein eigener Abschnitt gewidmet.91

86  Verrel,

NStZ 1997, 415 (417). BA 1992, 289 (295); Verrel, NStZ 1997, 415 (417). 88  Hierzu näher unter 2. Kapitel A. I. 2. 89  Für eine Verletzung auch der Selbstbelastungsfreiheit aber BGHSt 44, (46). 90  Ebenso LR / Schäfer, §  97 Rn.  16; SK / StPO / Wohlers, § 97 Rn. 2; Geppert, BA 1992, 289 (295 f.); Rengier, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 23; Schmitt, Die Berücksichtigung der Zeugnisverweigerungsrechte, S. 122. 91  Siehe unter 2. Kapitel A. I. 2. 87  Geppert,

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

ee) Kernbereich Für alle Dimensionen des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gilt, dass Eingriffe den Schranken-Schranken des Art. 2 Abs. 1 GG unterliegen, auch wenn an eine Rechtfertigung in der Regel höhere Anforderungen zu stellen sind als bei der schlichten allgemeinen Handlungsfreiheit.92 Hingegen sind Eingriffe in den Kernbereich der Gewährleistungen in jedem Fall unzulässig;93 aufgrund der Nähe des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts zur Menschenwürde stellt sich ein Eingriff in den „Kernbereich privater Lebensgestaltung“ als ein nie zu rechtfertigender in Art. 1 Abs. 1 GG dar.94 Wann eine Verhaltensweise dem unantastbaren Kernbereich gegenüber der weiteren Privatsphäre zuzuordnen ist, die dem staatlichen Zugriff prinzipiell offensteht, harrt weiter einer präzisen Abgrenzung.95 Das BVerfG hat herausgestellt, dass hierfür die Intensität des „Sozialbezugs“ einer Handlung maßgeblich ist: Ob ein Sachverhalt dem unantastbaren Kernbereich zuzuordnen sei, hänge davon ab, ob er nach seinem Inhalt höchstpersönlichen Charakters sei; ebenso komme es darauf an, in welcher Art und Intensität ein Verhalten aus sich heraus die Sphäre anderer oder die Belange der Gemeinschaft berühre.96 Zu diesem Kernbereich der privaten Lebensgestaltung zählt das Verfassungsgericht die Möglichkeit, innere Vorgänge wie Empfindungen und Gefühle sowie Überlegungen, Ansichten und Erlebnisse höchstpersönlicher Art zum Ausdruck zu bringen, und zwar ohne Angst, dass staatliche Stellen dies überwachen. Vom Schutz umfasst seien ferner Gefühlsäußerungen, Äußerungen des unbewussten Erlebens sowie Ausdrucksformen der Sexualität.97 Darüber hinaus sei die Kommunikation mit Personen des besonderen Vertrauens erfasst, denn der Einzelne konstituiere seine Persönlichkeit in erster Linie im Wechselspiel mit anderen.98 Hierzu zählen nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung Familienangehörige, Geistliche, Telefonseelsorger und Strafverteidiger. Das Beichtgespräch gehöre zugleich dem Kernbereich der Religi92  BVerfGE 65, 1 (44); 89, 69 (84); 92, 191 (197); BVerwG NJW 1991, 1246 (1247); Dreier / Dreier, Art.  2 Abs.  1 Rn.  86; Jarass / Pieroth / Jarass, Art. 2 Rn. 58; Maunz / Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 133. 93  BVerfGE 6, 32 (41); 27, 1 (6); 27, 344 (350); 32, 373 (378); 89, 69 (82 f.); 109, 279 (313). 94  Bisweilen stellt das BVerfG ergänzend auf Art. 19 Abs. 2 GG ab, sodass auch vom „Wesensgehalt“ des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gesprochen werden könnte. Siehe etwa BVerfGE 80, 367 (373). 95  Dreier / Dreier, Art.  2 Abs.  1 Rn.  60; v. Mangoldt / Klein / Starck / Starck, Art. 2 Abs. 1 Rn. 16. 96  BVerfGE 109, 279 (314 f.). 97  BVerfGE 109, 279 (313). 98  BVerfGE 109, 279 (321) nimmt ausdrücklichen Bezug auf BVerfGE 90, 255 (259 f.); so auch Stern, Staatsrecht, Band IV / 1, § 99 III 1.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“35

onsausübung gemäß Art. 4 Abs. 1 und 2 GG an. Der Strafverteidiger habe die für die Menschenwürde relevante Aufgabe, dafür zu sorgen, dass der Beschuldigte nicht zum bloßen Objekt des Strafverfahrens werde.99 Für Arztgespräche komme es hingegen auf die Inhalte im Einzelfall an.100 Zu Anwälten hat sich das BVerfG zunächst nicht explizit geäußert, später jedoch zumindest die typische Kernbereichsrelevanz des Anwaltsgesprächs verneint: Die bloße Stellung der Rechtsanwälte als Organe der Rechtspflege und ihre Teilnahme an der Verwirklichung des Rechtsstaats könnten keinen hinreichenden Menschenwürdebezug begründen.101 Bereits hierin zeigt sich eine Unterscheidung, die sich wie ein roter Faden durch die StPO zieht: Der Schutz des Vertrauensverhältnisses bzw. des Zeugnisverweigerungsrechtes der Berufsträger ist nicht zu verwechseln mit dem Kernbereichsschutz.102 Beide Schutzbahnen können sich decken, wie dies im Gespräch mit Geistlichen oder Verteidigern der Fall ist, sie können aber ebenso wie im Falle des einfachen Anwaltsmandats inkongruent sein. Diese Überlegung wird für die Auslegung von § 160a StPO von einiger Bedeutung sein.103 Es bleibt zu folgern, dass das Allgemeine Persönlichkeitsrecht dem Mandanten innerhalb des Vertrauensverhältnisses zu seinem Anwalt mangels Kernbereichsrelevanz keine absolut geschützte Kommunikation mit dem Rechtsberater gewährt. ff) Ergebnis Aussagen zu Vertrauensverhältnissen im strafprozessualen Kontext lassen sich den Ausführungen insoweit entnehmen, als es bei deren verfassungsrechtlichem Schutz offenbar darum geht, den Inhalt bestimmter Gespräche und auch dessen gegenständliche Fixierung im grundrechtlich fundierten Interesse des Mandanten dem Zugriff des Staates zu entziehen. Es soll eine Plattform des Informationsaustauschs geschaffen werden, ein „Refugium“ für Informationen, das frei von staatlichem Einfluss bleibt.104 „Vertrauen“ in diesem Sinne bezieht sich auf die Verschwiegenheit des Anwalts über das Erfahrene. Wie das BVerfG ausführt, ist der Rechtsratsuchende dem fakti99  BVerfGE

109, 279 (322). 109, 279 (323). So bereits schon BVerfGE 32, 373 (379), wonach Angaben über Anamnese, Diagnose und therapeutische Maßnahmen nicht die unantastbare Intimsphäre betreffen. 101  BVerfGE 129, 208 (264). 102  Hierzu SK / StPO / Wolter, § 160a Rn. 8. 103  Siehe unter 2. Kapitel A. III. 4. c); 2. Kapitel A. III. 4. c) dd). 104  Diesen Schluss zieht auch Schmitt-Glaeser, in: Isensee  / Kirchhoff, HStR VI, § 129  Rn. 4. 100  BVerfGE

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

schen Zwang zur Offenlegung privater Informationen ausgesetzt, will er effektive Hilfe von seinem Rechtsberater erhalten. Er muss diesen zum Mitwisser seiner persönlichen Angelegenheiten machen und schafft damit im Strafverfahren unweigerlich einen „Hauptbelastungszeugen“ gegen sich selbst. Diese offene Flanke deckt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mandanten ab, indem es situativ als Recht auf Achtung der Privatsphäre die Kommunikation mit dem Anwalt absichert, inhaltlich als Recht auf informationelle Selbstbestimmung die Informationen des Mandanten schützt und akustisch als Recht am eigenen Wort Dritten den Zugriff auf die gesprochene Kommunikation verwehrt. Auf diese Weise konstituiert das Allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Summe der Schutzbereiche seiner Ausprägungen im Interesse des Rechtssuchenden eine Geheimsphäre zwischen Anwalt und Mandant. Mag auch das Vertrauensverhältnis an sich nicht final vom Allgemeinen Persönlichkeitsrecht geschützt sein, kann jedoch insoweit Vertrauensschutz als mittelbar gewährleistet angesehen werden, als das Recht auf Achtung der Privatsphäre an die Verschwiegenheitserwartung des Ratsuchenden anknüpft. Informationen, die der Einzelne typischerweise für sich behalten würde, unterliegen auch nach Mitteilung an einen Dritten, eine Vertrauensperson, dem Schutz der Grundrechte des Individuums. Der Anwalt ist Teil einer „erweiterten Privatsphäre“ des Mandanten, deren Grenzen durch die Kommunikationsbeziehung mit diesem markiert werden.105 Für diesen Schutz spielt der Modus der Kommuni­ kation der Informationen keine Rolle. So sind es deshalb nicht lediglich mündliche Gespräche unter Anwesenden im Sinne des Rechts am eigenen Wort, die dem Schutz des Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG unterfallen. Dem Schutzzweck entsprechend erfasst das Recht auf Achtung der Privatsphäre auch distanzüberbrückende Kommunikationsformen wie Telefon und E-Mail.106 Nicht entgegen steht einer solchen Ansicht jene Rechtsprechung des BVerfG, wonach der Briefverkehr im Anwalt-Mandanten-Verhältnis lediglich keine beleidigungsfreie Sphäre konstituiert.107 Die Funktion von Vertrauensverhältnissen liegt in erster Linie im Schutz bestimmter Informationen des Rechtsanwalts vor den Strafverfolgungsbehörden, womit zugleich eine Priorisierung gegenüber dem Aufklärungsinteresse vorgenommen wird. Nicht zu verwechseln ist dies daher mit der Frage, ob für die Beteiligten eines Vertrauensverhältnisses innerhalb desselben strafrechtliche Freibriefe bestehen, was für Vertrauensverhältnisse im Allgemeinen dezidiert zu verneinen ist. Formulierung von SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 10. Allgemeine Persönlichkeitsrecht tritt in diesen Fällen flankierend neben speziellere Freiheitsgarantien wie etwa die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 1 GG oder das Briefgeheimnis aus Art. 10 Abs. 1 GG. 107  BVerfG NJW 2010, 2937 (2938). 105  Diese 106  Das



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“37

Auch Hinweise zum Entstehen von Vertrauensverhältnissen lassen sich aus den Ausführungen zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht ableiten. Bislang gefundene Elemente, die im Kontext von Vertrauensverhältnissen offenbar eine Rolle spielen, sind sensible Informationen, deren Mitteilung an den Anwalt und die Erwartung deren Nichtoffenbarung. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht beantwortet den Offenbarungszwang des Mandanten mit der Gewährleistung von Schutz. Folglich könnte ein strafprozessual geschütztes Vertrauensverhältnis entstehen, wenn der Rechtssuchende dem Anwalt Informationen offenbart, um von diesem rechtliche Hilfe zu erhalten. Als Folgerung aus den Befunden zum Recht auf Achtung der Privatsphäre spielt es keine Rolle, ob es sich um personenbezogene oder Informationen jedweder Art handelt, für die typischerweise ein Geheimhaltungsinteresse des Mandanten besteht. Denn für die Eröffnung des Schutzbereiches ist das nicht maßgeblich.108 Damit ergeben sich zugleich Ansätze für die Beleuchtung der Beteiligungsfrage. Zwingend erfordert ein Vertrauensverhältnis zumindest zwei Beteiligte: Derjenige, der vertraut und Informationen mitteilt, und derjenige, der dieses Wissen benötigt, um seine Hilfe anbieten zu können. Bislang war in diesem Zusammenhang stets vom „Mandanten“ und vom „Rechtsanwalt“ die Rede. Wird der Begriff „Mandant“ so verstanden, dass er an das Bestehen eines zivilrechtlichen Anwaltsvertrages nach §§ 675, 611 BGB anknüpft und den Dienstberechtigten bezeichnet, findet dies keine Stütze im Allgemeinen Persönlichkeitsrecht: Dieses will denjenigen absichern, der dem Anwalt Informationen anvertrauen muss, damit ihm geholfen wird. Eine Aussage, ob dies zwingend die andere Partei des Anwaltsvertrages sein muss, kann dem nicht entnommen werden, auch wenn es typischerweise der Fall sein wird. Vielmehr rückt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht andere materielle Gesichtspunkte für die Bestimmung der Beteiligung am Vertrauensverhältnis in den Fokus. Grundrechtsbetroffener bzw. Träger des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist derjenige, der mit dem Anwalt kommuniziert und Informationen preisgibt, weil er dies des Rechtsrats wegen tun muss.109 Diese Verknüpfung von Rechtsrat und Offenbarungsnotwendigkeit, sind keine Kategorien, die für das Zustandekommen eines zivilrechtlichen Anwaltsvertrages maßgeblich sind. Im Zivilrecht spielt die Privatautonomie, der Wille der Beteiligten, die entscheidende eine Rolle. Deshalb erscheint zweifelhaft, ob eine zivilrechtsakzessorische Bestimmung die Wertungen hinreichend abzubilden in der Lage ist, die bislang herausgearbeitet wurden.

108  Siehe 109  So

unter 2. Kapitel A. I. 1. a) bb) und 2. Kapitel A. I. 1. a) dd) (1). bereits BVerfGE 33, 367 (377).

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

b) Recht auf freie Meinungsäußerung, Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 1 GG Auch für die negative Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 1 GG lassen sich Bezüge zum Vertrauensverhältnis zwischen Anwälten und ihren Mandanten finden. Das Recht auf freie Meinungsäußerung gewährt es dem Einzelnen, seine Meinung in Wort und Schrift frei zu bilden und zu verbreiten. Meinung bedeutet Ansicht, Auffassung, Überzeugung, Wertung, Einschätzung, Stellungnahme.110 Dem Begriff wohnt die Subjektivität der Wertung inne;111 er ist „grundsätzlich weit zu verstehen“.112 Nach dem BVerfG unterliegen auch Tatsachenbehauptungen dem Schutz der Meinungsfreiheit, soweit sie Voraussetzung für die Bildung von Meinungen oder meinungsbezogen sind.113 Hieran knüpft die herrschende Lehre an: Jede Meinungsäußerung setze sich zusammen aus empirisch-deskriptiven Tatsachen und deren wertender Verarbeitung durch den Erklärenden; demgegenüber stehe nahezu jede Mitteilung einer Tatsache schon allein wegen ihrer Auswahl oder der Art und Weise ihrer Präsentation in einem wertenden Kontext.114 Mit Ausnahme von bewusst unwahren Tatsachenbehauptungen115 und Angaben rein statistischer Art116 seien daher generell Tatsachenmitteilungen und Berichte dem Schutz der Meinungsfreiheit zu unterstellen.117 In einem freiheitlichen Rechtsstaat müssen Freiheitsgewährleistungen auch die Möglichkeit beinhalten, von ihnen keinen Gebrauch zu machen. Auf die Meinungsfreiheit gewendet gibt diese negative Dimension dem Einzelnen spiegelbildlich zur positiven das Recht, keine bestimmte Meinung zu haben oder äußern zu müssen.118 Hieraus leiten einige Literaturstimmen ab, die negative Meinungsfreiheit sichere es dem Individuum zu, bestimmte Inhalte für sich zu behalten (Inhaltswahl) sowie sich bestimmten Zuhörern 110  BVerfGE 7, 198 (210); 61, 1 (8); 90, 241 (247); 93, 266 (289); vgl. v. Mangoldt / Klein / Starck / Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 22. 111  Allg. M., siehe BK / Degenhart, Art. 5 Abs. 1 und 2, Rn. 93 f.; Dreier / SchulzeFielitz, Art.  5 Abs.  1, 2 Rn.  44; Jarass / Pieroth / Jarass, Art. 5  Rn. 3. 112  BVerfGE 61, 1 (9). 113  BVerfGE 54, 208 (219); 61, 1 (8); 65, 1 (41); 85, 1 (15); 90, 1 (15); BK / Degenhart, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 138; Dreier / Schulze-Fielitz, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 45. 114  So Dreier / Schulze-Fielitz, Art.  5 Abs.  1, 2 Rn.  45; v.  Mangoldt / Klein / Starck /  Starck, Art.  5 Abs.  1, 2 Rn.  26; Maunz / Dürig / Herzog, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 55. 115  BVerfGE 65, 1 (40 f.). 116  BVerfGE 54, 208 (219 f.); 61, 1 (8); 85, 1 (15); 90, 241 (247 f.). 117  BK / Degenhart, Art. 5 Abs. 1 und 2 Rn. 103 f.; Dreier  / Schulze-Fielitz, Art. 5 Abs.  1, 2 Rn.  63; v.  Mangoldt / Klein / Starck / Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 26; Maunz / Dürig / Herzog, Art. 5 Abs. 1,  2  Rn. 51 f. 118  BVerfGE 57, 170 (192); 65, 1 (41); Dreier  / Schulze-Fielitz, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn.  54; Maunz / Dürig / Herzog, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 40; Sachs / Bethge, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 38a.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“39

zu verschließen (Adressatenwahl). Die Inhaltswahl sei daher berührt bei staatlichen Informationssammlungen, die auf die Erzwingung von Äußerungen abzielen, etwa gesetzliche Auskunftspflichten für Zeugen sowie die korrespondierenden Zwangsmaßnahmen zu ihrer Durchsetzung, siehe §§ 48 Abs. 1 S. 2, 70 StPO.119 In die freie Wahl des Adressaten in diesem Sinne werde eingegriffen, wenn der Staat ohne Erlaubnis des sich Äußernden Gespräche abhört oder Tagebücher und ähnliche private Aufzeichnungen, in denen der Einzelne seine Meinung festhält, zur Kenntnis nimmt.120 In der Folge läge bei staatlichen Zugriffen auf die Kommunikation innerhalb des Anwalt-Mandant-Verhältnisses, soweit Meinungen im Sinne der Meinungsfreiheit ausgetauscht werden oder wurden, ein Eingriff in den Schutzbereich der negativen Meinungsfreiheit der Beteiligten vor, der sich an den Schranken des Art. 5 Abs. 2 GG messen lassen müsste. Weiterhin geht die negative Meinungsfreiheit als lex specialis dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht insoweit vor, als der Schutzbereich von Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 1 GG eröffnet ist.121 Auch nach diesen Literaturstimmen bleibt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht daher jedenfalls bei staatlichen Datenerhebungen bei Dritten oder heimlichen Beobachtungen relevant.122 Das BVerfG selbst dürfte diesem weiten Verständnis des Schutzbereichs von Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 1 GG aber ablehnend gegenüberstehen. Im Volkszählungs-Urteil hat es klargestellt, dass Angaben zum Zwecke rein statistischer Erhebungen nicht in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit und damit auch nicht in deren negativer Dimension fallen.123 Insofern wäre es zumindest erörternswert, ob die Zeugenvernehmung durch staatliche Akteure einer rein statistischen Erhebung nicht näher steht als einem Beitrag zur intellektuellen Auseinandersetzung, der die Meinungsfreiheit im Geiste eines demokratischen Pluralismus dienen soll.124 Immerhin soll der Zeuge im Strafprozess nur „zur Kundgabe seine(r) Wahrnehmungen über Tatsachen“125, nicht aber zu deren Wertung angehalten werden. Auch ist zu bedenken, dass die positive Meinungsäußerungsfreiheit kein Recht auf Zu119  v.  Mangoldt / Klein / Starck / Starck, Art.  5 Abs.  1,  2 Rn.  18; Maunz / Dürig /  Herzog, Art. 5 Abs. 1,  2 Rn. 43; Eberle, DÖV 1977, 306 (308); vgl. auch Merten, DÖV 1990, 761 (763). 120  Angedeutet bei Maunz / Dürig / Herzog, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 43. Deutlich v.  Mangoldt / Klein / Starck / Starck, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 18 sowie Eberle, DÖV 1977, 306 (309) und Merten, DÖV 1990, 761 (765). 121  So v.  Mangoldt / Klein / Starck / Starck, Art. 5 Abs. 1,  2 Rn. 26; Merten, DÖV 1990, 761 (765). 122  BVerfGE 65, 1 (41). 123  BVerfGE 65, 1 (41). 124  So auch Merten, DÖV 1990, 761 (763). 125  RGSt 52, 289 (289).

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

hörerschaft oder gar Zeugenaussage gewährt:126 Ein Schweigerecht kann daher auch aus der spiegelbildlichen negativen Dimension nicht hergeleitet werden.127 Deshalb misst das BVerfG Zeugniszwang128 und Auskunftspflichten129 nicht an Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 1 GG. Auch die Auffassung, Abhörmaßnahmen stellten einen Eingriff in den Schutzbereich der negativen Meinungsäußerungsfreiheit dar, findet keine Unterstützung in der Rechtsprechung des BVerfG. So hat es etwa in der Tagebuch-Entscheidung die Ausforschung der privaten Aufzeichnungen des Beschwerdeführers allein am Allgemeinen Persönlichkeitsrecht gemessen und die negative Meinungsfreiheit noch nicht einmal erwähnt.130 Dies ist zu begrüßen, haben es diese Zwangsmaßnahmen doch nicht zum Ziel, zu ermitteln, was der Bürger „denkt“ – seine Meinung –, sondern vielmehr, was er „weiß“ bzw. was er getan hat.131 Insofern besteht auch hier eine Nähe zur rein statistischen Angabe, zumal die Vorbereitung einer Strafanklage nicht einen Prozess der Meinungsbildung im Sinne des Grundrechts bedeutet.132 Darüber hinaus soll die Meinungsfreiheit die Teilhabe des Einzelnen am öffentlichen Diskurs sichern.133 Von diesem Schutzzweck her betrachtet erscheint es aber fernliegend, gegen Abhörmaßnahmen gerade die Meinungsäußerungsfreiheit ins Feld zu führen. Im Ergebnis sind aus der Meinungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 S. 1 HS. 1 GG daher keine Folgerungen gerade für das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant zu ziehen. c) Recht auf freie Berufsausübung, Art. 12 Abs. 1 GG aa) Schutzbereich Bezüge zum Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant finden sich ferner bei der Berufsfreiheit des Anwalts, Art. 12 Abs. 1 GG. Obgleich Art. 12 Abs. 1 S. 1 und 2 GG dem Wortlaut nach zwischen der Berufswahl126  Abw. Meinung Haas, BVerfGE 104, 92 (117); v. Mangoldt / Klein / Starck / Starck, Art.  5 Abs.  1,  2 Rn.  34; Maunz / Dürig / Herzog, Art. 5 Abs. 1, 2 Rn. 60. 127  Diesen Schluss zieht auch Merten, DÖV 1990, 761 (763). 128  BVerfGE 38, 312 (319 ff.). 129  BVerfGE 56, 37 (41 ff.). 130  BVerfGE 80, 367 (373  ff.). Siehe auch BVerfGE 27, 284 (286); 34, 238 (246 f.); 54, 148 (155). 131  Dieser Gedanke von Merten, DÖV 1990, 761 (761), der allerdings der Gegenauffassung folgt. 132  Staatliche Akteure sind grundsätzlich Adressaten der Grundrechte, nicht deren Berechtigte, siehe BVerfGE 21, 362 (369); BVerfG NJW 2011, 1201 (1202); BeckOK / GG / Enders, Art. 19  Rn. 40. 133  BVerfGE 62, 230 (247); 76, 196 (208 f.); 82, 272 (281).



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“41

und der Berufsausübungsfreiheit unterscheidet, sind beide nach dem BVerfG Elemente eines einheitlichen Grundrechts der Berufsfreiheit, da dessen einzelne Garantien nicht immer klar abgrenzbar seien.134 Die primäre Funktion der Berufsfreiheit liegt in der Abwehr sämtlicher gegen die freie privatwirtschaftliche Betätigung des Individuums gerichteter Akte staatlicher Gewalt.135 Gegenstand des Schutzes ist der „Beruf“. Beruf im Sinne des Art. 12 Abs. 1 GG ist jede auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage.136 Dies erfasst auch die „freien Berufe“ wie Ärzte, Zahnärzte und Rechtsanwälte.137 Die Berufsfreiheit schützt zum einen das „Ob“ einer beruflichen Tätigkeit, d. h. die Wahl eines Berufs, die Entscheidung, überhaupt einen Beruf auszuüben oder aber darauf zu verzichten.138 Zum anderen wird die Ausübung eines Berufs und somit das „Wie“ der beruflichen Tätigkeit geschützt. Hierzu zählen insbesondere die Form, die Mittel, der Umfang sowie die gegenständliche Ausgestaltung der Betätigung.139 Aussicht auf vertrauliche Behandlung sensibler Informationen ist die der Institution Anwaltschaft von Alters her zugrundeliegende Bedingung. Der Mandant muss seinem Anwalt als Vorbedingung für dessen Arbeit in der Regel Informationen preisgeben, die er Dritten gegenüber verschweigen würde. Darauf wird sich derjenige, der Rechtsrat sucht, aber nur einlassen, wenn er nicht befürchten muss, dass der Anwalt die offenbarten Informa­ tionen verrät. Ohne vertraulichen Austausch zwischen Anwalt und Mandant würden sich weder Rechtssuchende Rechtsberatern zur Hilfe in ihren Angelegenheiten anvertrauen noch gäbe es, in der Folge, Anwälte, die gerade hierfür ihre Dienste anbieten könnten. Das Vertrauensverhältnis zum Mandanten ist daher essentieller Bestandteil der Berufsausübung der Anwälte und folglich vom Schutzbereich der Berufsfreiheit erfasst.140 Außerdem sind die spezifischen Vertrauensverhältnisse zwischen den Angehörigen der 134  BVerfGE

7, 377 (401 f.); 33, 303 (329 f.); 92, 140 (151); 95, 193 (214). Sachs / Mann, Art. 12 Rn. 16. 136  BVerfGE 7, 377 (397); 50, 290 (362); 54, 301 (313); 105, 252 (265); 110, 304 (321). 137  BVerfGE 15, 226 (234); BGHZ 38, 13 (16). 138  BVerfGE 58, 358 (364); 68, 256 (267). 139  Jarass / Pieroth / Jarass, Art.  12 Rn.  8; v.  Mangoldt / Klein / Starck / Manssen, Art. 12 Abs. 1 Rn. 67. 140  OLG Koblenz NStZ 1985, 426 (427); Maunz / Dürig / Scholz, Art. 12 Rn. 269; Krauß, FS-Gallas, S. 365 (386); Henssler, NJW 1994, 1817 (1818); Herrmann, NStZ 1985, 565 (566); Ignor, NJW 2007, 3403 (3403); Jahn, ZIS 2011, 453 (458); Krämer, BB 1975, 1225 (1227); Krekeler, NJW 1977, 1417 (1418, 1421); Kretschmer, HRRS 2010, 551 (555); Kühne, JuS 1973, 685 (689); Kutzner, NJW 2005, 2652 (2652 f.); Huber-Lotterschmid, Verschwiegenheitspflichten, S.  26 f.; Rengier, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 14. 135  Vgl.

42

2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

„­freien Berufe“ und deren Mandanten, Patienten, Klienten, etc. in historischer Sicht für das Berufsbild der „freien Berufe“ prägend.141 Dieser soziologische Befund entfaltet normative Wirkung: Soweit ein überkommenes Berufsbild besteht, soll sich der Gesetzgeber hieran orientieren. Beschränkungen oder Veränderungen tradierter Berufseigenschaften stellen grundsätzlich Eingriffe in die Berufsfreiheit dar, die sich an Art. 12 Abs. 1 S. 2 GG messen lassen müssen.142 Dies gilt auch für gesetzliche Novellen, welche die Vertrauensstellung des Anwalts berühren. Das BVerfG stellte erst im Jahr 2004 ausdrücklich die Eröffnung des Schutzbereichs von Art. 12 Abs. 1 GG für das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis heraus und thematisierte es damit erstmalig im Kontext der Rechte des Anwalts.143 In der dem BVerfG zur Entscheidung gestellten Verfassungsbeschwerde ging es um die strafgerichtliche Verurteilung mehrerer Strafverteidiger unter anderem wegen Geldwäsche nach § 261 StGB. Die Beschwerdeführer wandten sich gegen ihre Verurteilung unter Berufung auf ihre Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, die einer Einbeziehung von Verteidigerhonoraren in den Straftatbestand entgegenstehe. Das BVerfG hielt die Verfassungsbeschwerden für unbegründet, denn bereits das Tatgericht hatte nach Ansicht des BVerfG – anders als der BGH – den Einfluss der Berufsfreiheit ausreichend gewürdigt,144 führte jedoch zur Berufsfreiheit der Rechtsanwälte aus, dass Voraussetzung für die Erfüllung der Aufgabe der Rechtsberatung ein Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant sei.145 Das Recht und die Pflicht des einzelnen Berufsangehörigen zur Verschwiegenheit seien die Grundbedingungen dafür, dass dieses Vertrauen entstehen könne. Die Verschwiegenheitspflicht rechne daher von jeher zu den anwaltlichen Grundpflichten, die als unverzichtbare Bedingung der anwaltlichen Berufsausübung am Schutz des Art. 12 GG teilhabe. Das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis sei sonach zugunsten des Anwalts vom Schutzbereich der Berufsfreiheit erfasst. Hierfür bestünden auf einfachgesetzlicher Ebene eine Reihe von Vorschriften (§ 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB, §§ 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 97 StPO), deren Ziel es sei, dieses Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant gegen Störungen abzusichern.146 Zu den Mandanten eines Strafverteidigers gehörten typischerweise Personen, die in den Verdacht einer Katalogtat der Geldwäsche geraten sind. Da der Strafverteidiger im Zuge seiner Tätigkeit Informationen sowohl über den Tatvorwurf 141  BVerfGE

33, 367 (378). Art. 12 Rn. 270, 285. 143  BVerfGE 110, 226 (246  ff.). Im Folgenden BVerfGE 113, 29 (49) sowie BVerfG NJW 2007, 2752 (2753); NJW 2010, 2937 (2937). 144  BVerfGE 110, 226 (272). 145  BVerfGE 110, 226 (252). 146  BVerfGE 110, 226 (252 f.). 142  Maunz / Dürig / Scholz,



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“43

als auch über die finanziellen Verhältnisse seines Mandanten erlangt, sei er einem erhöhten Risiko ausgesetzt, Beschuldigter eines Strafverfahrens wegen Geldwäsche zu werden.147 Drohe damit aber jederzeit ein Ermittlungsverfahren gegen den Verteidiger, sei das Vertrauen des Mandanten in die anwaltliche Verschwiegenheit ernstlich in Gefahr, da dieser im Falle staatsanwaltlicher Untersuchungen mit einer Niederlegung des Mandates oder mit der Preisgabe vertraulicher Informationen durch den Anwalt – um seiner eigenen Verteidigung willen – rechnen müsse. Ferner drohten Ermittlungsmaßnahmen gegen den Anwalt, etwa Beschlagnahmen von Akten, die Einblicke in die geplante Verteidigungsstrategie eröffnen würden. Ein besonnener Beschuldigter könnte unter dem Eindruck eines solchen Szenarios schon aus Selbstschutzgründen dazu neigen, von einer offenen und rückhaltlosen Kommunikation mit seinem Verteidiger abzusehen.148 Daher sei die Wirkung der Strafdrohung geeignet, das Entstehen eines Vertrauensverhältnisses zwischen Strafverteidiger und Mandant zu stören oder gar auszuschließen.149 In nachfolgenden Entscheidungen heißt es dazu weiter, das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant werde jedenfalls dann berührt, wenn wegen der Gefahr von Abhörmaßnahmen oder Datenzugriffen ein Mandatsverhältnis am Entstehen gehindert oder von Anfang an mit Unsicherheiten hinsichtlich seiner Vertraulichkeit belastet wird. Denn mit dem Ausmaß potenzieller Kenntnis staatlicher Organe von vertraulichen Äußerungen wachse die Gefahr, dass sich auch Unverdächtige nicht mehr den Berufsgeheimnisträgern zur Durchsetzung ihrer Interessen anvertrauen.150 In weiteren Entscheidungen, denen Verfassungsbeschwerden gegen Durchsuchungen und Beschlagnahmen,151 das Abhören von Gesprächen mit Mandaten152 sowie gegen Bußgeldbescheide153 zugrunde lagen, verfestigte das BVerfG diese Rechtsprechung zum Schutzbereich der Berufsfreiheit für Anwälte. bb) Eingriffe in den Schutzbereich Ist damit für das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant der Schutzbereich von Art. 12 Abs. 1 GG eröffnet, liegt nach ständiger Rechtsprechung des BVerfG ein Eingriff in diesen allerdings nur vor, wenn sich die staatliche Regelung oder Maßnahme unmittelbar auf die Berufstätigkeit 147  BVerfGE

110, 226 (254 f.). 110, 226 (259 f.). 149  BVerfGE 110, 226 (254). 150  BVerfGE 113, 29 (49); BVerfG NJW 2006, 2974 (2974); NJW 2007, 2749 (2751). 151  BVerfG NJW 2007, 2749 (2750 f.); NJW 2010, 2937 (2937). 152  BVerfG NJW 2006, 2974 (2975). 153  BVerfG NJW 2010, 1740 (1740). 148  BVerfGE

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

bezieht oder zumindest objektiv berufsregelnde Tendenz hat.154 Dies setzt voraus, dass die Regelung nach Entstehungsgeschichte und Inhalt im Schwerpunkt Tätigkeiten betrifft, die typischerweise beruflich ausgeübt werden155 oder deren tatsächliche Auswirkungen zumindest zu einer Beeinträchtigung der freien Berufsausübung führen.156 Die Frage nach einem Eingriff ist nicht erst bei der Rechtsanwendung im Einzelfall relevant, sondern auch für grundlegende Überlegungen zum Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant bedeutsam: Fehlt es an einem Eingriff in die Berufsfreiheit des Anwalts, soweit sie das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis gewährleistet, kann dieser einer staatlichen Maßnahme sein Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht entgegenhalten. Damit hängt die Reichweite des Schutzes des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses nach Art. 12 Abs. 1 GG unmittelbar davon ab, wie weit oder wie eng die Eingriffsvoraussetzungen für dieses Grundrecht gezogen werden. Läge bei keiner strafprozessrechtlichen Ermittlungsmaßnahme ein Eingriff vor, wäre die verfassungsrechtliche Dimension des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses aufgrund der Berufsfreiheit des Anwalts für die StPO weitgehend irrelevant. In der zitierten Geldwäsche-Entscheidung157 hielt der Zweite Senat des BVerfG in Bezug auf § 261 StGB einen Eingriff in die Berufsfreiheit der Strafverteidiger für gegeben. Demgegenüber verneinte der Spruchkörper die Berufsbezogenheit des Eingriffs in einer Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde von Anwälten und Steuerberatern gegen die Beschlagnahme des elektronischen Datenbestands ihrer Kanzlei:158 Die Ermittlungsmaßnahmen der §§ 94–111p StPO träfen alle Beschuldigten gleichermaßen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Zusammenschau der §§ 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3, 97 Abs. 1, 148 StPO, die das Vertrauensverhältnis zu bestimmten Berufsträgern aufgreifen. Diese begrenzten lediglich die Eingriffsbefugnisse der Ermittlungsbehörden, begründeten aber keinen spezifischen Zusammenhang der Eingriffsbefugnisse zur Berufsfreiheit der Anwälte.159 Dieser Linie blieb das BVerfG auch in nachfolgenden Kammerentscheidungen treu, welche die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Durchsuchungen und Beschlagnahmen in Anwaltskanzleien behandelten.160 Abweichend urteilte allerdings die Zweite Kammer des Zweiten Senats in 154  BVerfGE

13, 181 (186); 97, 228 (254); 98, 218 (258); 111, 191 (213). 97, 228 (254). 156  Vgl. BVerfGE 13, 181 (185 f.); 36, 47 (58); 61, 291 (308 f.). 157  BVerfGE 110, 226 (254). 158  BVerfGE 113, 29 (44 ff.). 159  BVerfGE 113, 29 (48). 160  BVerfG NJW 2006, 3411 (3411); NJW 2008, 1937 (1937); NJW 2008, 2422 (2422); NJW 2009, 281 (282); NJW 2009, 2518 (2519); BayVBl 2011, 315 (316). 155  BVerfGE



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“45

einer jüngeren Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde eines Strafverteidigers gegen die Beschlagnahme von Briefen bei seinem in Haft befindlichen Mandanten: „Soweit die Vorschriften der StPO – insbesondere § 94 StPO i. V. m. § 97 Abs. 1 Nr. 1 und § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO sowie § 148 StPO – den Schutz der Vertraulichkeit des Verteidigungsverhältnisses regeln und Aussagen über die Beschlagnahme und spätere Verwertung von Verteidigerpost treffen, beziehen sie sich auf die Berufsausübung des als Strafverteidiger tätigen Rechtsanwalts und greifen in den Schutzbereich des Art. 12 GG ein, soweit sie die Beschlagnahme und Verwertung zulassen.“161 Diese Differenzierung des BVerfG zwischen Rechtsanwälten und Strafverteidigern am Kriterium der Berufsbezogenheit des Eingriffs überzeugt nicht. Es ist nicht plausibel, weshalb nur bei der Strafverteidigung ein hinreichender Bezug zur Berufstätigkeit gegeben ist, wenn Vorschriften der StPO einen Zugriff auf Informationen aus der Anwalt-Mandant-Beziehung zulassen. Denn ihrem Schutzbereich nach will die Berufsfreiheit allen Anwälten gleichermaßen den vertraulichen Austausch mit ihren Mandanten gewährleisten, weil dies zentral für die Ausübung ihres Berufes ist. Eine Differenzierung zwischen Strafverteidigern und Rechtsanwälten auf Ebene des Schutzbereiches findet nicht statt. Denn um des rückhaltlosen Anvertrauens des Mandanten willen müssen alle Mandatsverhältnisse frei von der Sorge bleiben, bestimmte Informationen könnten an Dritte, etwa die Strafverfolgungsbehörden, gelangen. Die Beschlagnahme von Unterlagen, die im Rahmen des Mandatsverhältnisses ausgetauscht wurden, stellt einen Einbruch in die Kommunikationsbeziehung zwischen Anwalt und Mandant dar, gelangen so doch gerade jene Informationen zur Kenntnis des Staates, die diesem entzogen bleiben sollten. Eine stärkere tatsächliche Betroffenheit der Strafverteidiger gegenüber den übrigen Rechtsanwälten im Allgemeinen ist nicht erkennbar, vielmehr wirken strafprozessrechtliche Verkürzungen des Vertraulichkeitsschutzes für beide Berufsgruppen gleich. Zwar mag ein Beschuldigter größere Nachteile aus einem Zugriff erleiden als ein nichtverdächtiger Mandant. Für die Beurteilung eines Eingriffs in die Berufsfreiheit des Anwalts spielt das unmittelbar jedoch keine Rolle. Wenn das BVerfG dennoch differenziert, ist dies umso unverständlicher, als der Übergang von einem „einfachen“ Anwaltsmandat zu einem Verteidigungsmandat mitunter fließend sein kann, wie es selbst einräumt,162 folglich Informationseingriffe in das „einfache“ Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis Erkenntnisse erbringen können, die geschützt wären, handelte es sich bereits um ein Strafverteidiger-Beschuldigten-Verhältnis. Deshalb greifen Beschlagnahmen von Mandatsunterlagen in die Berufsfreiheit des Anwalts ein. Davon unabhängig 161  BVerfG 162  So

NJW 2010, 2937 (2937). argumentiert das BVerfG in BVerfGE 109, 279 (323).

46

2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

ist dem BVerfG recht zu geben, dass zwischen der Strafverteidigungstätigkeit und der übrigen Anwaltstätigkeit zu differenzieren ist. Dogmatisch stimmig ist es, solche Unterschiede auf Ebene der Rechtfertigung eines Eingriffs zu berücksichtigen, nicht aber, sie anhand des – bereits grundsätzlich umstrittenen163 – Kriteriums der Berufsbezogenheit eines Eingriffs in das Vertrauensverhältnis darzustellen. Die Ablehnung eines Eingriffs in Art. 12 Abs. 1 GG bei Beschlagnahme von Gegenständen aus der Anwalt-Mandant-Beziehung vermag außerdem nicht zu überzeugen, weil das BVerfG in einer Reihe von Verfassungsbeschwerden gegen das Abhören von Gesprächen von Rechtsanwälten mit ihren Mandanten in und außerhalb ihrer Kanzleiräume stets einen Eingriff in die Berufsfreiheit sah und sogar eine besonders strenge Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes verlangte.164 Ein in dieser Hinsicht wesentlicher Unterschied zwischen dem Zugriff auf die fixierte Kommunikation in Gestalt von Akten oder auf die noch andauernde verbale Kommunikation am Telefon besteht aber nicht. Im Übrigen hat das Verfassungsgericht einen Verstoß gegen Art. 12 GG schon mehrfach in Fällen bejaht, in denen die anwaltliche Berufstätigkeit eher weniger betroffen war als bei Eingriffen in das Vertrauensverhältnis.165 So wurde die Erteilung einer in der BRAO nicht vorgesehenen missbilligenden Belehrung166 ebenso als Eingriff bewertet wie die Untersagung, im Ausland erworbene juristische Grade zu führen.167 Gleichwohl könnte die Frage, ob Durchsuchungen und Beschlagnahmen Eingriffe in die Berufsfreiheit der Anwälte darstellen, sogar als nicht entscheidungserheblich dahinstehen: Das BVerfG zieht unter Zuhilfenahme einer dogmatisch etwas unklaren Konstruktion die Berufsfreiheit sowie das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant als abwägungsrelevante Gesichtspunkte in Fällen heran, in denen es einen Eingriff in Art. 12 Abs. 1 GG verneint hatte. Nach dem Verfassungsgericht müssen die Strafverfolgungsbehörden und Fachgerichte „die Besonderheiten der beruflichen Tätigkeit der Beschwerdeführer als Rechtsanwälte […] bei der verfassungsrechtlichen Prüfung der angegriffenen Maßnahmen“ berücksichtigen.168 Das bedeutet, dass auch im Rahmen der Anwendung dieser strafprozessualen 163  Beck / OK / GG / Ruffert, Art.  12 Rn.  57; v.  Mangoldt / Klein / Starck / Manssen, Art. 12 Rn. 75. 164  BVerfG NJW 2006, 2974 (2975); NJW 2007, 2749 (2750 f.); NJW 2007, 2752 (2753). 165  OLG Koblenz NStZ 1985, 2038 (2039); Henssler, NJW 1994, 1817 (1819). 166  BVerfGE 16, 6 (16). 167  BVerfGE 36, 212 (213). 168  BVerfGE 113, 26 (49).



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“47

Eingriffsermächtigungen das Ausmaß der – wenn auch nach dem BVerfG nur mittelbaren – Beeinträchtigung der beruflichen Tätigkeit der Rechtsanwälte zu würdigen ist. cc) Ergebnis Aussagen zu Vertrauensverhältnissen im strafprozessualen Kontext lässt sich dem Gesagten insoweit entnehmen, als es auch bei deren Schutz durch Art. 12 Abs. 1 GG offenbar darum geht, die Kommunikation, die im Rahmen der Anwalt-Mandant-Beziehung stattfindet, dem Zugriff des Staates zu entziehen. Insofern bestätigt sich der Befund der Auswertung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, es solle eine Plattform des Informationsaustauschs geschaffen werden, ein „Refugium“ für Informationen, das frei von staat­ lichem Einfluss bleibt. In sachlich-gegenständlicher Hinsicht gewährleistet die Berufsfreiheit des Rechtsanwaltes nicht nur die vertrauliche, also nicht überwachte, Kommunikation mit seinem Mandanten, sondern entzieht auch die im Gedächtnis des Anwalts befindliche Information über Mandantengespräche sowie deren gegenständliche Fixierung dem Zugriff des Staates. Hieraus folgt ein umfassender Schutz der Informationen, die im Rahmen des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses ausgetauscht werden. Es lässt sich der Berufsfreiheit, im Gegensatz zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung, aber kein Hinweis entnehmen, dass die geschützten Informa­ tionen einen Bezug zur Person des Rechtssuchenden haben müssen. Vielmehr besteht die nach Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Vertraulichkeit unabhängig von den kommunizierten Inhalten, sofern nur ein Zusammenhang mit der Berufstätigkeit des Rechtsanwalts besteht. Hierin zeigt sich die Nähe zu dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht als Recht auf Privatsphäre, das die auf einer Verschwiegenheitserwartung basierende Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant unter Schutz stellt, der von einer Zuordnung der einzelnen kommunizierten Informationen zu Persönlichkeits- oder Personensphäre indes nicht abhängt. Im Unterschied zum Recht auf Achtung der Privatsphäre schützt die Berufsfreiheit das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant aber final. Dennoch sind anwaltliche Berufsfreiheit und Allgemeines Persönlichkeitsrecht des Mandanten in ihrer Bedeutung für das strafprozessrechtliche Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis nicht gleich zu gewichten. Denn anders als die Ausführungen zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht lassen die Überlegungen zur Berufsfreiheit des Anwalts so etwas wie die „Fremdnützigkeit“ dieses verfassungsrechtlichen Schutzes erkennen: Zwar hat das Vertrauensverhältnis zum Mandanten für den Anwalt selbst insoweit Bedeutung, als es grundlegende Voraussetzung für seine Tätigkeit als Rechtsberater ist. Zweifellos begründet die Berufsfreiheit eine echte Berechtigung des

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

Anwalts im Sinne eines subjektiven Rechts. Allerdings liegt der verfassungsrechtlichen Gewährung dieses Rechts nicht die Idee zugrunde, (allein) den Berufsstand der Anwälte zu privilegieren, sondern (zumindest auch) den Interessen der Mandanten zu dienen, denn diese sollen in ihrem Vertrauen auf die Verschwiegenheit des Anwalts geschützt werden, um sie in den Genuss bestmöglichen Rechtsrats zu bringen.169 In diesem Sinne ist der durch die Berufsfreiheit gewährleistete Schutz des Vertrauensverhältnisses für den Anwalt zugleich ein unselbstständiger, ein fremdnütziger, geht es doch auch um eine Absicherung der ausgetauschten Informationen und damit um das dahinterstehende Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Mandantschaft.170 Dieser Gedanke findet einen Ausdruck darin, dass stets nur von dem Recht und der Pflicht des Anwalts zur Verschwiegenheit, nicht aber von einer Pflicht des Mandanten die Rede ist. Der Anwalt kann sich nicht darauf verlassen, dass der Mandant die Vertraulichkeit wahrt. Denn dieser hat es in Ausübung seiner grundrechtlich verbürgten Freiheit selbst in der Hand, ob er vom Schutz seiner Privatsphäre durch das Allgemeine Persönlichkeitsrecht Gebrauch machen oder auf sie verzichten möchte.171 Insofern kommt dem Schutz des Vertrauensverhältnisses durch die Berufsfreiheit des Anwalts aufgrund ihrer Bezogenheit auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mandanten lediglich dienende Funktion zu. Weiterhin gibt die Berufsfreiheit Hinweise zu den Entstehungsvoraussetzungen von Vertrauensverhältnissen. Wenn das Entstehen von Vertrauensverhältnissen nicht an der Sorge vor staatlicher Überwachung scheitern soll, ergeben sich hieraus Aussagen über den Beginn des strafprozessualen Schutzes. Ein Schutzbedürfnis besteht bereits in der Phase der Anbahnung eines Mandatsverhältnisses, sofern Mandanten nicht davon abgehalten werden sollen, sich einem Anwalt anzuvertrauen. Da die Bedenken der Rechtsratsuchenden aber darin bestehen, sensible Informationen könnten an Dritte gelangen, muss auch die Weitergabe von Informationen für das Entstehen eines strafprozessual schutzwürdigen Vertrauensverhältnisses maßgeblich sein. Eine Qualifizierung der kommunizierten Informationen lässt sich aus Art. 12 Abs. 1 GG nicht ableiten. Hinweise ergeben sich ferner für die Entstehungsvoraussetzungen von Vertrauensverhältnissen. Mit Blick auf die Berufsfreiheit des Rechtsanwalts entsteht ein solches unzweifelhaft nur, wenn ein Bezug zur Berufstätigkeit 169  Ebenso BGH NJW 1990, 510 (511  f.); LG Karlsruhe NJW-RR 2002, 706 (706 f.); Kramer, Grundbegriffe, Rn. 137; Nassall, NJW 1990, 496 (496). 170  In diesem Sinne BVerfG NJW 2003, 2520 (2520); Henssler / Prütting / Henssler, § 43a Rn. 42; Nassall, KTS 1988, 633 (642); Huber-Lotterschmid, Verschwiegenheitspflichten, S. 26. 171  Zum Grundrechtsverzicht siehe Epping / Hillgruber / Hillgruber, Art. 1 Rn. 73.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“49

des Rechtsberaters gegeben ist. Andernfalls fehlte es für diesen bereits an einer Eröffnung des Schutzbereiches. Aufbauend auf den Ergebnissen zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht könnte ein Vertrauensverhältnis folglich dann entstehen, wenn der Rechtsberater in seiner Funktion als solcher von einem Rechtssuchenden in Anspruch genommen oder sonst kontaktiert wird. Offen bleibt dagegen die Beteiligungsfrage. In den Entscheidungen des BVerfG ist stets von „Mandant“ die Rede, ohne dass eine nähere Einordnung erfolgte. Denkbar erscheint wiederum eine zivilrechtsakzessorische oder eine autonome an der Verfassung ausgerichtete Interpretation. Letztere müsste der Bezogenheit der in Art. 12 GG grundrechtlich abgesicherten Verschwiegenheitspflicht des Anwalts auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht Rechnung tragen. Dies legt eine Ausrichtung an den zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht entwickelten Kriterien nahe. Danach ist derjenige der Vertrauenspartner des Anwalts, der ihn um dessen Rechtsrats wegen konsultiert und der ihm deshalb vertrauliche Informationen mitteilen muss. 2. Das Rechtsstaatsprinzip Anwaltliche Tätigkeit hat unter der Geltung des Grundgesetzes ebenfalls eine Verankerung im Rechtsstaatsprinzip. Das Rechtsstaatsprinzip findet seine normative Grundlage teilweise in Art. 20 Abs. 3 GG, im Übrigen in der Gesamtschau der Vorschriften des Grundgesetzes mit rechtsstaatlichem Gehalt.172 In der Verfassung findet sich zwar keine explizite Regelung der Stellung und der Funktion des Rechtsanwalts. In der Rechtsprechung des BVerfG kommen diese Aspekte aber immer wieder zur Sprache. Zum einen nennt das BVerfG den Rechtsanwalt „Organ der Rechtspflege“ (siehe auch § 1 BRAO).173 Die Bedeutung dieses Begriffs und seine Relevanz für die Rechtsstellung der Anwaltschaft ist umstritten.174 Manche sprechen ihm jeglichen rechtlichen Inhalt ab, andere entnehmen ihm konkrete Aussagen. Nach dem Verständnis des BVerfG ist der Anwalt in die staatliche Rechtspflege eingebunden und ihm obliegt eine Mitverantwortung für deren Funktionsfähigkeit,175 er übt im freiheitlichen Rechtsstaat neben Richtern und Staatsanwälten eine eigenständige, wichtige Funktion 172  BVerfGE 2, 380 (403); 25, 269 (290); 45, 187 (246); vgl. Maunz / Dürig / Grzeszick, Art. 20 VII Rn. 32. 173  So etwa in BVerfGE 63, 266 (266). 174  Einen Überblick über den Diskussionsstand bei Henssler  / Prütting / Koch, Vor § 1 Rn. 6 ff. 175  BVerfGE 10, 185 (198); 15, 226 (234); 34, 293 (302); 37, 67 (77 ff.); 72, 51 (63 ff.); 110, 226 (252).

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

im „Kampf um das Recht“ aus.176 Er hat dabei zwar kein öffentliches Amt inne,177 nimmt jedoch Aufgaben wahr, die seine Tätigkeit als auch im Interesse des Gemeinwohls liegend charakterisiert.178 Insbesondere obliegt es ihm, zum Finden einer sachgerechten Entscheidung beizutragen, das Gericht vor Fehlentscheidungen zu Lasten seines Mandanten zu bewahren und die rechtsunkundige Partei vor der Gefahr des Rechtsverlustes zu schützen.179 Der Anwalt ist daher Garant zur Gewährung rechtlichen Gehörs für den Bürger, resümieren Literaturstimmen.180 Zum anderen betont das BVerfG „die Freiheit der Advokatur“.181, 182 Sie steht in der Rechtsprechung des BVerfG dafür, dass nach dem Grundgesetz die anwaltliche Berufsausübung nach Art. 12 Abs. 1 GG der freien und unreglementierten Selbstbestimmung des einzelnen Rechtsanwalts unterliegt und deshalb im Grundsatz staatlicher Kontrolle und Bevormundung entzogen ist.183 Zur Herleitung aus dem Rechtsstaatsprinzip führt das Gericht aus, dass die Herauslösung des Anwaltsberufs aus beamtenähnlichen Bindungen und seine Anerkennung als ein vom Staat unabhängiger freier Beruf ein wesentliches Element rechtsstaatlicher Begrenzung der staatlichen Macht sei.184 Deshalb folge aus dem Rechtsstaatsprinzip, dass dem Bürger Rechtskundige zur Verfügung stehen müssen, zu denen er Vertrauen haben kann und die seine Interessen möglichst frei und unabhängig von staatlicher Einflussnahme wahrnehmen können.185 Aus diesen beiden Strängen leitet das BVerfG her, dass der Anwalt zur Erfüllung seiner Aufgabe als Teil der Rechtspflege ein Vertrauensverhältnis zu seinem Mandanten benötige, um effektiv arbeiten zu können. Grundbedingungen für die Entstehung dieses Vertrauens seien das Recht und die Pflicht des Anwalts zur Verschwiegenheit.186 Damit hat das BVerfG dem Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant als Grundlage anwaltlicher Tätigkeit eine institutionelle Verankerung im objektiven Verfassungsrecht gegeben. Neben den Interessen des Mandanten und des Rechtsanwalts liegt die vertrauliche Kommunikation 176  BVerfGE

63, 266 (284). 63, 266 (285). 178  Jaeger, NJW 2004, 1 (3); siehe auch Krämer, NJW 1995, 2313 (2314). 179  BVerfGE 76, 171 (171). 180  Henssler / Prütting / Koch, § 1 Rn. 79. 181  Zum Inhalt des Begriffs Müller, Die Freiheit der Advokatur, S. 117 ff., 164 ff. 182  Zur „freien Advokatur“ BVerfGE 15, 226 (234); 22, 114 (122); 34, 292 (302); 37, 67 (78); 50, 16 (29); 113, 29 (49) sowie BVerfG NJW 2009, 281 (282). 183  So BVerfGE 110, 226 (252). 184  BVerfGE 63, 266 (283). 185  BVerfGE 63, 266 (284); BVerfGE 110, 226 (252). 186  BVerfGE 110, 226 (252). 177  BVerfGE



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“51

zwischen Anwalt und Mandant daher ebenso im Interesse der Allgemeinheit an einer effektiven Rechtspflege.187 Dies findet die Zustimmung von Wissenschaft und Rechtsprechung.188 Hinsichtlich der Begründung der dogmatischen Verortung äußern sich Literaturstimmen präziser: Die Freiheit der Advokatur und die Stellung als Organ der Rechtspflege werden im Rechtsstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 3 GG loziert, was aus dessen Konkretisierungen Art. 19 Abs. 4 GG und Art. 103 Abs. 1 GG folge.189 Korrespondierend zu dieser Verbürgung des Rechtsstaatsprinzips besteht für den Beschuldigten ein Recht auf ein rechtsstaatlich faires Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip.190 Nach dem BVerfG gewährleistet dieses Recht die vertrauliche Kommunikation zwischen dem Strafverteidiger und seinem Mandanten. Nur wenn der Beschuldigte auf die Verschwiegenheit seines Verteidigers zählen könne, sei die Vorbedingung für das Entstehen eines Vertrauensverhältnisses geschaffen, ohne dass eine Strafverteidigung nicht wirkungsvoll sein könne.191 Eine ausdrückliche Anerkennung eines solchen Rechts durch das BVerfG für Mandanten in anderen als Strafsachen steht bislang noch aus. Zu Eingriffen in den Gewährleistungsgehalt dieser Rechtsposition äußert sich der Zweite Senat in einer Entscheidung über eine Verfassungsbeschwerde gegen die Beschlagnahme des elektronischen Datenbestands einer Rechtsanwalts- und Steuerberatungsgesellschaft, durch welche auch die Daten ­unverdächtiger Drittmandanten betroffen waren:192 Die objektiv-rechtliche Bedeutung der anwaltlichen Tätigkeit und das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis seien jedenfalls dann berührt, wenn wegen der Gefahr eines unbeschränkten Datenzugriffs ein Mandatsverhältnis von Anfang an mit Unsicherheiten hinsichtlich seiner Vertraulichkeit belastet werde.193 Mit dem Ausmaß potenzieller Kenntnis staatlicher Organe von vertraulichen Äußerungen wachse die Gefahr, dass sich Rechtssuchende nicht mehr den Berufsgeheimnisträgern zur Durchsetzung seiner Interessen anvertrauen und Mandanten, denen der Zugriff der Strafverfolgungsbehörden bekannt wird, das Mandats187  BVerfGE

113, 29 (55). Bedeutung des Vertrauens in die Verschwiegenheit der Rechtsanwälte für eine rechtsstaatliche Rechtspflege auch BGHZ 109, 261 (268 f.). Zustimmend Henss­ ler / Prütting / Henssler, §  43 Rn.  41; LR  /  Lüderssen / Jahn, § 148 Rn. 4; Ignor, NJW 2007, 3403 (3403); Jahn, ZIS 2011, 453 (458); Kutzner, NJW 2005, 2652 (2653). So auch schon Krämer, BB 1975, 1225 (1227). 189  So etwa Krämer, NJW 1995, 2313 (2317); Müller, Die Freiheit der Advokatur, S. 169. 190  BVerfGE 110, 226 (253 f.); 113, 29 (47). 191  BVerfGE 110, 226 (254). 192  BVerfGE 113, 29 (47). Aus jüngerer Zeit BVerfG NJW 2010, 2937 (2937). 193  BVerfGE 113, 29, (49). 188  Zur

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

verhältnis zu ihrem Rechtsanwalt kündigen.194 Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant an sich verlöre so an Wert, schließen Literaturstimmen; dies aber widerspreche seiner institutionellen Garantie.195 Für das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant folgt hieraus eine Verstärkung des bereits durch die Grundrechte der Beteiligten gewährleisteten Schutzes. Dies hat zur Konsequenz, dass bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall den Interessen des Rechtsanwalts und seinem Mandanten ein objektiv-rechtlich untermauertes, höheres Gewicht zukommt, sodass eine besonders strenge Beachtung der Verhältnismäßigkeit erforderlich ist.196, 197 Von Bedeutung für die Zulässigkeit strafprozessualer Zwangsnahmen ist dabei insbesondere ein angemessenes Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts.198 Dieser zusätzliche Schutz ist nötig, denn allein die Grundrechte der Beteiligten aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sowie Art. 12 Abs. 1 GG genügten kaum, um den gebotenen Schutz für den vertraulichen Austausch zwischen Anwalt und Mandant zu gewährleisten. Mangels Kernbereichsrelevanz der Mandatskommunikation sind das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Berufsfreiheit im Rahmen der Verhältnismäßigkeit aufgrund eines einfachen sachlichen Grundes bzw. eines vernünftigen Gemeinwohlinteresses Einschränkungen zugänglich. Unklar – und vom BVerfG unerwähnt – bleibt freilich, welche Auswirkungen dies auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit im Einzelfall genau haben soll. Hinsichtlich des strafprozessualen Verständnisses von Vertrauensverhältnissen festigt das Ausgeführte die Erkenntnis, dass es um eine Abschirmung vertraulicher Informationen vor dem Zugriff des Staates geht. Wurde die Absicherung des Vertrauensverhältnisses durch die Berufsfreiheit primär zum Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Mandanten interpretiert, bringt das Rechtsstaatsprinzip eine stärker objektiv-rechtliche Wendung ins Spiel: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant erscheint in seiner Bedeutung für die Rechtspflege, die im Interesse der Allgemeinheit liegt. Eingriffe sind so nochmals schwerer zu rechtfertigen. Auch könnte dem Rechtsstaatsprinzip ein Hinweis auf eine strafprozessrechtsautonome Bestimmung der Beteiligung am Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis ent194  BVerfG

113, 29 (49); BVerfG NJW 2006, 3411 (3411); NJW 2007, 2749 (2751). Folgerung zieht Ignor, NJW 2007, 3404 (3405). 196  Generell zur Verstärkung der Geltungskraft der Grundrechte durch deren institutionelle Seite BVerfGE 50, 290 (337); v. Mangoldt / Klein / Starck / Starck, Art. 1 Abs. 3 Rn. 181. Zum Einfluss institutioneller Garantien auf die Verhältnismäßigkeitsprüfung Schwerdtfeger, Öffentliches Recht, Rn. 484 f. 197  BVerfGE 113, 29 (54); BVerfG NJW-RR 2005, 1289 (1290); NJW 2006, 3411 (3411); NJW 2008, 1937 (1937); NJW 2009, 281 (282). 198  BVerfG NJW-RR 2005, 1289 (1290). 195  Diese



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“53

nommen werden. Handelt es sich bei der Absicherung der Anwalt-MandantBeziehung um die Vorbedingung einer effektiven Rechtspflege, spricht ihre objektiv-rechtliche Relevanz dafür, sie der Disposition der Parteien zu entziehen und nicht den Regeln des Zivilrechts zu unterstellen.

II. Europäische Menschenrechtskonvention Auch in der Rechtsprechung des EGMR zur Auslegung der EMRK wird das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Mandant angesprochen. Die EMRK ist ein multilateraler völkerrechtlicher Vertrag, der zwischen den Mitgliedern des Europarates geschlossen und in der Bundesrepublik als einfaches Bundesgesetz umgesetzt wurde.199 Die EMRK findet sowohl bei der Auslegung des Grundgesetzes200 als auch bei der des übrigen einfachen Rechts, insbesondere der StPO, Beachtung.201 Die Rechte aus der EMRK stehen allen Personen zu, die der Hoheitsgewalt eines Staates unterworfen sind. Der Schutz gilt unabhängig davon, ob der Betroffene Staatsangehöriger des jeweiligen Staates ist oder nicht, soweit Vorschriften in der EMRK eine Differenzierung nicht ausdrücklich vorsehen.202 1. Recht auf ein faires Verfahren, Art. 6 EMRK Art. 6 EMRK enthält wichtige Grundsätze sowohl für zivilrechtliche Streitigkeiten als auch für strafrechtliche Anklagen, um ein faires Verfahren zu garantieren. In Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK wird dem Einzelnen im Strafverfahren unter anderem das Recht eingeräumt, sich durch einen Verteidiger seiner Wahl verteidigen zu lassen. Diese Vorschrift gewährleistet nach Auffassung des EGMR ebenso den ungestörten und unüberwachten Verkehr des Beschuldigten mit dem Strafverteidiger, insbesondere das Recht auf ein vertrauliches Gespräch und vertraulichen Informationsaustausch. Dies erkannte das Gericht in Verfahren gegen die Überwachung der mündlichen und schriftlichen Kommunikation zwischen Beschuldigtem und Verteidiger. Wenn ein Anwalt sich mit seinem Mandanten nicht ohne Überwachung besprechen und von diesem vertrauliche Anweisungen erhalten könne, würde sein Beistand viel von seinem Nutzen verlieren.203 Der Gerichtshof führt Grabenwarter / Pabel, § 2 Rn. 1 sowie § 3 Rn. 6. 74, 358 (370); 82, 106 (120). 201  Im „Rahmen methodisch vertretbarer Gesetzesauslegung“, BVerfGE 111, 307 (323). 202  Meyer-Ladewig, Art. 1 Rn. 16. 203  Vgl. EGMR EuGRZ 1980, 662 (664) – Artico / Italien; EGMR NJW 1987, 563 (564) – Can / Österreich; ausdrücklich EGMR NJW 1992, 3090 (3090) – S. / Schweiz; 199  Hierzu

200  BVerfGE

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

weiter aus: „Der Grundsatz, dass die Vertraulichkeit der zwischen Rechtsanwalt und Mandant ausgetauschten Informationen geschützt werden muss, ist eines der Kernstücke wirksamer Vertretung von Mandanteninteressen durch einen Anwalt. Dieses Vorrecht ermutigt das offene und ehrliche Gespräch zwischen Mandant und Anwalt.“204 Der vertrauliche Austausch mit dem Anwalt werde daher von der Konvention als wesentliche Garantie des Rechts auf Verteidigung geschützt. Dieses Recht sei unter Umständen bereits dann verletzt, wenn der Betroffene gute Gründe hatte, anzunehmen, das Gespräch werde überwacht.205 Hieraus ergibt sich ein generelles Verbot für den Staat, auf die Kommunikation zwischen Verteidiger und Mandant zuzugreifen.206 Obwohl Art. 6 Abs. 3 EMRK seinem Wortlaut nach keine Beschränkungen vorsieht, werden die in Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK statuierten Rechte gleichwohl nicht unbegrenzt gewährleistet. Beschränkungen sind allerdings nur unter besonderen Umständen gerechtfertigt.207 Die Gefahr der Kollusion zwischen Anwalt und Mandant etwa genügt im Allgemeinen noch nicht.208 Im Übrigen hängt in dieser Frage vieles von den Umständen des Einzelfalls ab.209 Schlussfolgern lässt sich jedenfalls, dass Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK zumindest keinen absoluten Schutz der Vertrauenssphäre zwischen Strafverteidiger und Mandant bietet. Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant kann keinerlei Schutz aus der Norm beanspruchen, anderes lässt der Wortlaut nicht zu. 2. Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, Art. 8 EMRK Art. 8 Abs. 1 EMRK schützt die Korrespondenz des Einzelnen. Dies umfasst nicht nur die Gewährleistung eines unüberwachten Schriftverkehrs, sondern auch die telefonische sowie elektronisch gespeicherte Kommunikation.210 Ferner gewährleistet Art. 8 Abs. 1 EMRK den Schutz der Privatsphäre. Gemeint ist eine geschützte Sphäre, in der eine Person nach ihrer Beck / OK / StPO / Valerius, Art. 6 Rn. 43; Meyer-Ladewig, Art. 6 Rn. 238. 204  EGMR NJW 2007, 3409 (3411) – Oferta Plus SRL / Moldau. 205  EGMR NJW 2007, 3409 (3411) – Oferta Plus SRL / Moldau. 206  Konrad, Die Beschlagnahme von Verteidigungsunterlagen, S. 65. 207  EGMR NJW 1992, 3090 (3090) – S. / Schweiz; SK / StPO / Paeffgen, Art. 6 Rn. 146; Grabenwarter / Pabel, § 24 Rn. 108. 208  EGMR NJW 1992, 3090 (3090) – S. / Schweiz. 209  EGMR NJW 1987, 563 (564) – Can / Österreich; vgl. auch Grabenwarter / Pabel, § 24 Rn. 108. 210  EGMR NJW 2007, 1433 (1433) – Weber u. Saravia / Deutschland; EGMR NJW 2008, 3409 (3411) – Wieser u. Bicos Beteiligungs-GmbH / Österreich.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“55

Wahl leben und sich entwickeln sowie Beziehungen zu anderen Menschen aufnehmen kann. Hierzu gehören ebenfalls berufliche und geschäftliche Aktivitäten211 sowie die in diesem Zusammenhang geführte Kommunika­ tion.212 Der Schutz der vertraulichen Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant hat am Schutz sowohl des Rechts auf Achtung des Privatlebens als auch des Rechts auf Achtung der Korrespondenz teil.213 Ebenso unterfallen Aufzeichnungen des Anwalts über vom Mandanten Anvertrautes oder Erkenntnisse über diesen dem Schutz dieser Vorschriften, jedenfalls aber dem Schutz der Privatsphäre, soweit sie nicht einem Kommunika­ tionsvorgang entstammen.214 Im Gegensatz zu Art. 6 Abs. 3 EMRK, der allein dem beschuldigten Mandanten Rechte garantiert, können sich sowohl Anwalt und Mandant auf die Gewährleistungen aus Art. 8 Abs. 1 EMRK berufen. Der EGMR verweist in diesem Zusammenhang auf seine Rechtsprechung zu Art. 6 Abs. 3 lit. c EMRK und betont auch für das Verhältnis zwischen Mandant und einem Anwalt, der nicht als Strafverteidiger tätig ist, die Bedeutung des unüberwachten Austauschs und der anwaltlichen Pflicht zur Verschwiegenheit. Die Anwalt-Mandant-Beziehung liege im öffentlichen Interesse einer ordnungsgemäßen Rechtspflege und genieße daher Vorrechte.215 Beeinträchtigungen könnten ihrerseits Auswirkungen auf die nach Art. 6 EMRK geschützten Rechte haben.216 Hieraus folgt für Eingriffe in die Anwalt-Mandant-Beziehung eine besonders strenge Prüfung der Rechtfertigung im Einzelfall.217 Aus dem Grundgesetz ergibt sich nichts anderes, wie die Ausführungen zur Berufsfreiheit und zum Rechtsstaatsprinzip zeigten.218 Im Grundsatz sind nach Art. 8 Abs. 2 EMRK Beschränkungen dieser Rechte zulässig. Der Gerichtshof verwendet in ständiger Rechtsprechung die Formel: Der Eingriff in das Recht verstößt gegen die EMRK, es sei denn, er ist „gesetzlich vorgesehen“, verfolgt eines oder mehrere der in Abs. 2 genannten berechtigten Ziele und ist „in einer demokratischen Ge211  EGMR NJW 2003, 2145 (2146) – Odièvre / Frankreich; EGMR ÖJZ 2002, 911 (912 f.) – P.G. und J.H. / Vereinigtes Königreich; vgl. Meyer-Ladewig, Art. 8 Rn. 7; SK / StPO / Paeffgen, Art. 8 Rn. 17. 212  EGMR NJW 1979, 1755 (1756) – Klass u. a. / Deutschland. 213  EGMR NJW 2008, 3409 (3410) – Wieser u. Bicos Beteiligungs-GmbH / Österreich; EGMR, Urt. v. 13.01.2009, 19348 / 04, Rz. 104 ff. – Sorvisto / Finnland. 214  EGMR NJW 1993, 718 (719); SK  / StPO / Paeffgen, Art. 8 Rn. 94; Kreuzer, StV 1983, 144 (144). 215  EGMR NJW 1993, 718 (719) – Wieser u. Bicos Beteiligungs-GmbH  / Österreich; EGMR NJW 2003, 1439 (1441) – Erdem / Deutschland. 216  EGMR NJW 1993, 718 (719) – Wieser u. Bicos Beteiligungs-GmbH  / Österreich. 217  EGMR NJW 2010, 2109 (2010) – Kolesnichenko / Russland. 218  Siehe unter 2. Kapitel A. I. c) bb) und 2. Kapitel A. I. 2.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

sellschaft notwendig“, um diese Ziele zu erreichen.219 Zu den in Abs. 2 genannten Zielen gehören unter anderem die nationale oder öffentliche Sicherheit, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Aufrechterhaltung der Ordnung und die Verhütung von Straftaten. Notwendig in diesem Sinne sind Eingriffe nicht, wenn die angewandten Mittel unverhältnismäßig sind.220 Bei Eingriffen in die Anwalt-Mandant-Beziehung prüft der EGMR deshalb, ob wirksame Garantien gegen Missbrauch vorhanden sind, und berücksichtigt die Schwere der Straftat, deretwegen ermittelt wird, ob ein Richter die Maßnahme angeordnet hat und ob sie danach richterlicher Überprüfung unterlag, ob ein hinreichender Tatverdacht bestand und die Anordnung angemessen begrenzt worden ist, ob ein Zeuge anwesend war und welche Auswirkungen die Maßnahme auf die Arbeit und den Ruf des Anwalts hat.221 Einschränkungen sind auch in den Beziehungen zu einem Mandanten nicht grundsätzlich ausgeschlossen, besonders dann, wenn Indizien vorliegen, die auf die Teilnahme des Anwalts an einer Straftat hinweisen, etwa der Geldwäsche.222 Folglich genießt das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant auch nach Art. 8 Abs. 1 EMRK keinen absoluten Schutz. Jedoch entspricht, positiv gewendet, der relative Schutz durch Art. 8 Abs. 1 EMRK dem Schutzniveau, das sich aus den bislang diskutierten Grundrechten des Grundgesetzes ergibt. 3. Ergebnis In der Rechtsprechung des EGMR bestätigen sich die bisherigen Befunde: Im Kern geht es bei dem Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant im Kontext von Abhörmaßnahmen und Beschlagnahmen um den Austausch sowie die Aufbewahrung von Informationen ohne die Möglichkeit der Kenntnisnahme des Staates oder Dritter. Auch der EGMR hebt die dienende Funktion der Schweigepflicht des Anwalts hervor: Der Schutz vertraulicher Kommunikation diene nicht nur der Rechtspflege, sondern ebenfalls den Mandanten des Anwalts.223 In diesen Ausführungen deuten sich sowohl das zum Rechtsstaatsprinzip nach Art. 20 Abs. 3 GG Dargestellte als auch die Befunde zu den Grundrechten von Anwalt und Mandant an. Deutlicher als die Rechtsprechung des BVerfG stellt der EGMR den finalen Schutz der vertraulichen Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant etwa EGMR NJW 2000, 1015 (1015) – Bladet Tromsö / Norwegen. Art. 8 Rn. 109. 221  EGMR NJW 2010, 2109 (2010) – Kolesnichenko / Russland. 222  Meyer-Ladewig, Art. 8 Rn. 111. 223  EGMR NJW 2008, 3409 (3411) – Wieser u. Bicos Beteiligungs-GmbH / Österreich. 219  Vgl.

220  Meyer-Ladewig,



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“57

durch Art. 8 Abs. 1 EMRK heraus. Im Hinblick auf die rechtliche Konstruktion schützt das Allgemeine Persönlichkeitsrecht als Recht auf Achtung der Privatsphäre die aufgrund einer typisierten Verschwiegenheitserwartung dem Rechtsanwalt kommunizierten Informationen. Final geschützt sind Informationen über persönliche Umstände. Bezogen auf das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis sind das alle Informationen, die dem Anwalt vom Mandanten im Hinblick auf die Rechtsberatung kommuniziert werden. Der Schutz des Akts des Kommunizierens ist beim Allgemeinen Persönlichkeitsrecht strenggenommen eine Folge. Denn wenn eine Information vertraulich bleiben soll, selbst nach ihrer Kenntnisnahme durch den Anwalt, dann muss sie es auch auf ihrem Weg zur Kenntnisnahme durch den Rechtsanwalt bleiben.224 In dieser Hinsicht ist Art. 8 Abs. 1 EMRK leichter zu handhaben, da die Vorschrift sowohl die Information an sich als auch deren Kommunikation, d. h. deren Austausch, final schützt. Große Bedeutung hat diese Unterscheidung aber nicht, denn im Ergebnis ist auch nach dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Informationsaustausch an sich, die Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant, etwa ein Gespräch, geschützt. Ebenso wie beim BVerfG zeigen sich in der Judikatur des EGMR Differenzierungen zwischen Rechtsanwälten und Strafverteidigern. Vorgezeichnet ist dies durch Art. 6 Abs. 3 EMRK, der nur in Strafverfahren Anwendung findet. Der Umstand, dass der Gerichtshof Auswirkungen auf die Rechte des Mandanten nach Art. 6 Abs. 3 EMRK bei Eingriffen in die Rechtssphäre des Anwalts berücksichtigt, ändert hieran ebenfalls nichts. Dies parallelisiert zwar die verschiedenen Schutzniveaus, kann aber nur Geltung beanspruchen, wenn gegen den Mandanten ein Strafverfahren im Gang ist, sodass dieser überhaupt in den Genuss der Rechte aus Art. 6 Abs. 3 EMRK kommen kann. Übrig bleibt die besondere Bedeutung der Anwalt-Mandant-Beziehung für eine geordnete Rechtspflege im Allgemeinen bei Eingriffen in Art. 8 Abs. 1 EMRK, dessen Schutzbereich nicht zwischen Strafverteidigern und Rechtsanwälten differenziert. Diese objektiv-rechtliche Dimension verlangt Eingriffen höhere Rechtfertigungsanforderungen ab, indem den durch die Beeinträchtigung berührten Rechtspositionen von Anwalt und Mandant bei der Verhältnismäßigkeitsprüfung ein höheres Gewicht zukommt und eine Prüfung an den vom EGMR entwickelten Kriterien erfolgt. Insofern besteht ein vergleichbarer Schutz wie nach der Rechtsprechung des BVerfG zu Eingriffen in das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis. Schlussfolgern lässt sich daher, dass sich auch aus der EMRK ein geringerer Schutz der „einfachen“ Anwalt-Mandant-Beziehung im Vergleich zu dem Verhältnis von Strafverteidiger zu Mandant ergibt.

224  Hierzu

siehe bereits unter 2. Kapitel A. I. 1. a) bb).

58

2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

III. Strafprozessordnung In der StPO sind es die Vorschriften über das Zeugnisverweigerungsrecht aus § 53 StPO, das Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO und die Ermittlungsverbote nach § 160a StPO, die Aussagen über Vertrauensverhältnisse im hier interessierenden Kontext versprechen. Ebenfalls zu betrachten ist das Verkehrsrecht nach § 148 StPO, das eine privilegierende Sonderregelung für Strafverteidiger und deren beschuldigte Mandanten darstellt. 1. Zeugnisverweigerungsrecht aus beruflichen Gründen, § 53 StPO Seinen strafverfahrensrechtlichen Ausgangspunkt findet der Begriff „Vertrauensverhältnis“ in § 53 StPO. Inhalt der Regelung ist ein Zeugnisverweigerungsrecht bestimmter Berufsgruppen über das, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut oder bekannt geworden ist. Ursprünglich kamen nur Geistliche, Verteidiger, Rechtsanwälte und Ärzte in den Genuss eines solchen Rechts.225 Im Laufe der Zeit wurde die Vorschrift auf immer weitere Berufsgruppen ausgedehnt, sodass heute etwa auch Hebammen, Apotheker und Suchtberater zum privilegierten Kreis gehören. Entsprechend dem Gegenstand dieser Arbeit konzentrieren sich die folgenden Betrachtungen auf das Zeugnisverweigerungsrecht der Rechtsanwälte nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO. a) Sinn und Zweck der Vorschrift Der Sinn und Zweck des § 53 StPO ist umstritten, von einigen wird der Vorschrift sogar mehr als nur ein Schutzzweck zugeschrieben.226 Im Wesentlichen lassen sich zwei Strömungen unterscheiden: der Schutz von Kollektivund der von Individualinteressen. Eine Stellung des Sowohl-als-auch nimmt der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen den Berufsangehörigen und ihren Klienten ein, das Elemente beider Strömungen in sich vereint.227 aa) Der Schutz des Vertrauensverhältnisses Die große Mehrzahl der Stimmen – jedenfalls für § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 ­StPO – sieht den Telos der Vorschrift primär im Schutz des Vertrauensverhält225  Einen kurzen Abriss der historischen Genese bei Huber-Lotterschmid, Verschwiegenheitspflichten, S. 22. 226  KK / StPO / Senge, § 53 Rn. 1; LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 1. 227  Städler, Entbindungsberechtigung, S. 94.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“59

nisses zwischen bestimmten Berufsangehörigen und denjenigen, die ihre Hilfe und Sachkunde in Anspruch nehmen.228 Diese Auffassung findet eine Stütze bereits in den Beratungen zum „Entwurf einer Deutschen Strafprozessordnung“ im Jahre 1874, welcher in § 43 erstmals ein Zeugnisverweigerungsrecht für „Verteidiger des Beschuldigten“ und „öffentliche Anwälte“ vorsah,229 sowie in den Materialien der nachfolgenden Novellierungen der StPO:230 Stets ist davon die Rede, es gehe darum, das „Vertrauensverhältnis“ zwischen Anwalt und Mandant zu schützen. Allerdings bleibt zumeist unklar, was genau mit „Vertrauensverhältnis“ gemeint ist. Stimmen, die eine genauere Einordnung des Vertrauensschutzgedankens vornehmen, äußern sich regelmäßig zu § 203 StGB, wobei viele von einer Übertragbarkeit auf § 53 StPO ausgehen. Dass eine Übertragung der Grundsätze des materiellen Rechts auf das Prozessrecht weder nötig noch richtig ist, wird an späterer Stelle behandelt,231 zunächst soll es bei einer bloßen Darstellung der vertretenen Ansichten bleiben. Meinungen, die den Gedanken des Schutzes von Vertrauensverhältnissen weiter auffächern, finden sich in drei Variationen: konkreter, abstrakt-konkreter und abstrakter Schutz von Vertrauen.232 Manche sehen die jeweils einzelne Vertrauensbeziehung zwischen einem Berufsangehörigen und einem Ratsuchenden als geschützt an.233 Andere stellen nicht auf das konkrete Vertrauensverhältnis ab, sondern betrachten die „typischerweise auf Vertrauen beruhende Sonderbeziehungen“ als geschützt.234 Wieder andere halten das allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit der Angehörigen bestimmter Berufe für geschützt aufgrund seiner Bedeutung für die Funktionstüchtigkeit dieser Berufsbilder.235 Letzteren Aspekt bezeichnen Vertreter im jüngeren Schrifttum als den Schutz eines „institutionellen Vertrauens“.236 In diesem Streit scheint das Sowohl-als-auch auf, von dem zuvor gesprochen wurde.237 Sofern der Schutz in der konkreten Vertrauensbeziehung 228  BVerfGE 33, 367 (374); 38, 312 (323); 109, 279 (322); BGHSt 9, 59 (60); OLG Koblenz NStZ 1985, 426 (427); OLG Nürnberg NJW 2011, 690 (690); OLG Oldenburg NJW 2004, 2176 (2176); LG Hamburg StV 1989, 385 (385); HK / StPO / Gercke, § 53 Rn. 1; Meyer-Goßner, § 53 Rn. 1; LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn.  1; KK / StPO / Senge, § 53 Rn. 1; Krause, FS-Dahs, S. 349 (353). 229  Hahn / Stegemann, Materialien, S. 9, 106 f. 230  Siehe etwa BT-Drs. I / 3713, S. 47. 231  Siehe unter 2. Kapitel VI. 2. a). 232  SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 5. 233  RGSt 13, 60 (62); Hippe, GA 46 (1898  / 1899), 283 (284), jeweils zu § 300 a. F. StGB, nunmehr § 203 StGB; Ackermann, FS-DJT, S. 479 (487, 498). 234  Stucke, Berufliche Schweigepflicht, S.  79 ff. 235  S / S26 / Lenckner, § 203 Rn. 3. 236  Städler, Entbindungsberechtigung, S. 95. 237  Hierzu siehe Städler, Entbindungsberechtigung, S.  94 f.

60

2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

oder in der typischerweise auf Vertrauen basierenden Beziehung zwischen Rechtsanwalt und Mandant gesehen wird, liegt hierin der Schutz von Individualinteressen, nämlich den Interessen des Ratsuchenden und des Anwalts, die ebenso grundrechtlich geschützt sind. Wird dagegen das allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit der Anwaltschaft fokussiert, rücken kollektive Interessen an der Existenz einer funktionierenden Anwaltschaft ins Zentrum, wie sie verfassungsrechtlich im Rechtsstaatsprinzip zum Ausdruck kommen. Dies zeigt erneut die Unschärfe des Begriffes „Vertrauensverhältnis“ auf, verdeutlicht aber, dass die im Verfassungsrecht ausgemachten Linien für die einfachgesetzliche Interpretation im Wege einer verfassungs­ orientierten Auslegung238 herangezogen werden können. bb) Der Schutz von Allgemeininteressen Vertreter, nach deren Ansicht § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO (auch) dem Schutz von Allgemeininteressen dient, verweisen für Rechtsanwälte auf den Schutz der Wahrheitsfindung und die Sicherung einer ordnungsgemäßen Rechtspflege. (1) Der Schutz der Wahrheitsfindung Die Zuverlässigkeit der Wahrheitsfindung werde gefördert, weil die Berufsangehörigen als Zeugen vor Gericht unter dem Druck der Vernehmung die Unwahrheit sagen könnten, um ihre Klienten nicht zu belasten.239 Ein Zeugnisverweigerungsrecht biete daher die größtmögliche Gewähr, den Richter davor zu bewahren, dem Urteil Zeugenaussagen von zweifelhaftem Wahrheitsgehalt zugrunde zu legen.240 Gegen die Annahme eines solchen Schutzzwecks werden gewichtige Argumente vorgebracht. Zum einen ist fraglich, ob nach einer solchen Lesart nicht die Normierung eines Zeugnisverbots näher gelegen hätte.241 Zum anderen erzeugt ein solcher Ansatz Friktionen mit dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO.242 Danach ist es auch Aufgabe des Richters, unzulängliche oder bedenkliche Beweismittel – allerdings mit besonderer Vorsicht243 – zu würdigen. Eine solche kritische Beweiswürdigung durch den Richter dient der Kuhlen, Die verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen, S. 2 f. Beweisrecht der StPO, Rn. 329; Niese, JZ 1953, 219 (223); Eb. Schmidt, JZ 1958, 596 (599). 240  Eb. Schmidt, JZ 1958, 596 (599). 241  Tsambikakis, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 41. 242  Tsambikakis, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 41. 243  Vgl. BGHSt 49, 112 (112); Beck / OK / StPO / Eschelbach, § 261 Rn. 47. 238  Hierzu

239  Eisenberg,



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“61

Wahrheitsfindung aber jedenfalls mehr als das Schweigen des Berufsangehö­ rigen,244 zumal im Strafprozess eine möglichst umfassende Wahrheitsermittlung erreicht werden soll.245 Der Schutz der Wahrheitsfindung gehört daher nicht zu den Zwecken des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO. (2) Die Sicherung einer geordneten Rechtspflege Als Motivation des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO wird ferner gesehen, die Angehörigen der rechtsberatenden Berufe in die Lage zu versetzen, durch ihr Zeugnisverweigerungsrecht ihren Aufgaben im Interesse einer geordneten Rechtspflege nachzukommen.246 Wie das BVerfG betont, müssen dem Rechtssuchenden im Interesse der Allgemeinheit Berater zur Verfügung stehen, in deren Verschwiegenheit er Vertrauen haben kann.247 Zur Erfüllung seiner Aufgabe als Teil der Rechtspflege benötigt der Rechtsanwalt ein Vertrauensverhältnis zu seinem Mandanten. Grundbedingungen für die Entstehung dieses Vertrauens sind das Recht und die Pflicht des Anwalts zur Verschwiegenheit.248 Denn das Vertrauen in die Anwaltschaft und damit die Rechtspflege als Ganzes wäre gefährdet, wenn der Anwalt staatlicherseits gezwungen werden könnte, das Anvertraute zu offenbaren:249 Kein Anwalt könnte noch damit rechnen, von seinem Mandanten wahrheitsgemäß informiert zu werden.250 Dieses allgemeine Vertrauen in die Anwaltschaft bildet die Basis für die vertrauliche Beziehung zwischen Anwalt und Mandant im Einzelfall.251 An dieser Stelle zeigt sich die inhaltliche Kongruenz dieses Aspekts mit der Auffassung, der zufolge § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO dem Schutz eines allgemeinen Vertrauens in die Anwaltschaft zur Sicherung deren Funktionsfähigkeit im Interesse der Allgemeinheit dient.252 Manche Autoren vertreten gleichwohl, dass der Schutz eines allgemeinen, eines „institutionellen Vertrauens“ in die Anwaltschaft nicht unter die Sicherung einer geordneten Rechtspflege zu rubrizieren sei.253 Vielmehr verdiene dieser Gesichtspunkt aufgrund seiner Bedeutung, die ihm insbesondere das 244  Städler,

Entbindungsberechtigung, S. 101. 32, 373 (381); 33, 367 (378). 246  Baier, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 75; Huber-Lotterschmid, Verschwiegenheitspflichten, S. 40; Rengier, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 22 f. 247  BVerfGE 63, 266 (284); 110, 226 (252); 113, 29 (55). 248  BVerfGE 110, 226 (252). 249  Städler, Entbindungsberechtigung, S. 102. 250  So bereits das Preußische Obertribunal in GA 1 (1853), 231 (231). 251  In diesem Sinne LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 1; S / S27 / Lenckner, § 203 Rn. 3; Ignor, NJW 2007, 3403 (3403); Städler, Entbindungsberechtigung, S. 95. 252  Siehe unter 2. Kapitel A. III. 1. 253  Städler, Entbindungsberechtigung, S. 99. 245  BVerfGE

62

2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

BVerfG zumesse, eine eigenständige Stellung.254 Verfassungsrechtlich betrachtet findet dieser Zweck des § 53 StPO seine Wurzel jedenfalls im Rechtsstaatsprinzip.255 Diese Einschätzung ist inhaltlich ohne weiteres anschlussfähig, wenngleich es allein symbolische Bedeutung haben dürfte, ob man nun das allgemeine Vertrauen in die Anwaltschaft als Grundlage einer funktionierenden Rechtspflege als eigenständige Kategorie betrachtet oder als Teil des Schutzes der Rechtspflege begreift. Terminologisch ist anzumerken, dass dieser Schutzaspekt besser als „allgemeines“ oder „abstraktes“, denn als „institutionelles“ Vertrauen in die Anwaltschaft bezeichnet bleibt. Die Form einer Institution nimmt nicht das Vertrauen an, sondern das verkörperte Berufsbild der Anwälte als rechtskundige Beraterschaft des Bürgers, dessen Sicherung im Interesse der Allgemeinheit bezweckt wird: Es geht nicht um Vertrauen als Institution, sondern um Vertrauen in die Institution Anwaltschaft. Zum Teil wird ein Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant gänzlich abgelehnt. Gestützt wird dies auf den Wortlaut, der mit „bekannt geworden“ über „anvertrauen“ gerade hinausgehe, und der diffusen Bedeutung von „Vertrauen“. Da sich die Kritik, mitunter ohne Differenzierung, sowohl gegen den Schutz der Vertrauensbeziehung im Allgemeininteresse als auch der konkreten Vertrauensbeziehung im Individualinteresse richtet, wird diese, zwecks einheitlicher Darstellung, erst im Abschnitt über den individuellen Vertrauensschutz vorgestellt.256 cc) Der Schutz von Individualinteressen Nach einer anderen Meinungsströmung dient § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO (auch) dem Schutz von Individualinteressen. Als solche kommen die Interessen des Rechtsanwalts, der Informations- bzw. Geheimnisbetroffenen, des Rechtsratsuchenden und ferner die Selbstbezichtigungsfreiheit des Beschuldigten in Betracht. (1) Schutz der Interessen des Rechtsanwalts Als geschützte Interessen des Rechtsanwalts werden diskutiert das Interesse, einem (inneren) Pflichtenwiderstreit zu entgehen, und dessen Berufsfreiheit gemäß Art. 12 Abs. 1 GG.

254  Städler,

Entbindungsberechtigung, S. 99. unter 2. Kapitel A. I. 2. 256  Siehe unter 2. Kapitel A. III. 1. a) cc) (4) (b). 255  Siehe



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“63

(a) Der (innere) Pflichtenwiderstreit des Rechtsanwalts Ähnlich den Überlegungen zum Schutz der Wahrheitsfindung bringen einige Stimmen in Rechtsprechung und Lehre – nunmehr allerdings subjektiv- statt objektiv-rechtlich gewendet – die Zwangslage des Rechtsanwalts in der Zeugenvernehmung vor: Einerseits sei er seinem Mandanten zur Verschwiegenheit verpflichtet, andererseits unterliege er der allgemeinen Zeugnispflicht. Hieraus resultiere ein innerer257 Pflichtenwiderstreit in der Person des Rechtsanwalts.258 Dieser werde von § 53 StPO zugunsten des Rechtsanwalts und zulasten einer möglichst umfassenden Wahrheitsermittlung im Strafverfahren aufgelöst.259 Diesen Konflikt des Zeugen erkennt auch der (historische) Gesetzgeber.260 (b) Die Berufsfreiheit des Rechtsanwalts Ebenso wird vertreten, das Zeugnisverweigerungsrecht sichere die ungestörte Berufsausübung des Berufsgeheimnisträgers, der auf die vertrauensvolle Information durch den Ratsuchenden angewiesen ist, um seine Dienste anbieten zu können.261 Denn der Mandant muss seinem Anwalt als Vorbedingung für dessen Arbeit in der Regel Informationen preisgeben, die er Dritten gegenüber verschweigen würde. Darauf wird sich derjenige, der Rechtsrat sucht, aber nur einlassen, wenn er nicht befürchten muss, dass der Anwalt die offenbarten Informationen verrät. Ohne vertraulichen Austausch zwischen Anwalt und Mandant würden sich weder Rechtssuchende Rechtsberatern zur Hilfe in ihren Angelegenheiten anvertrauen noch gäbe es, in der Folge, Anwälte, die gerade hierfür ihre Dienste anbieten könnten. Die Gewähr von Vertraulichkeit ist daher Grundvoraussetzung für die Berufsausübung der Anwälte.262 257  Schmitt, Die Berücksichtigung der Zeugnisverweigerungsrechte, S. 118 weist darauf hin, dass es allein um einen inneren Pflichtenwiderstreit, einen „Gewissenskonflikt“, gehen könne, da im Grundsatz die allgemeine strafprozessuale Zeugnispflicht eine Strafbarkeit nach § 203 StGB ausschließt. Hierzu siehe Fischer, § 203 Rn.  39; KK / StPO / Senge, § 53 Rn. 4; LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 10; S / S27 / Lenckner / Eisele, § 203 Rn. 29. 258  BGHSt 9, 59 (61); 17, 337 (348); BGH StV 1990, 435 (436); KK / StPO / Senge, § 53 Rn. 1; LR24 / Dahs, § 53 Rn. 1; Baier, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 55; Rengier, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 13. 259  BVerfG NVwZ 1994, 54 (56). 260  Hahn / Stegemann, Materialien, S. 99; BT-Drs. 12 / 870, S. 5. 261  Vgl. LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 1; Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 36; Baier, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 56; Rengier, Zeugnisverweigerungsrechte, S.  13 f. 262  OLG Koblenz NStZ 1985, 426 (427); Maunz / Dürig / Scholz, Art. 12 Rn. 269; Krauß, FS-Gallas, S. 365 (386); Henssler, NJW 1994, 1817 (1818); Herrmann,

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

Dieser Teilzweck spiegelt die verfassungsrechtliche Basis des § 53 StPO in der Berufsfreiheit des Rechtsanwalts wider. Darum kann nicht der Ansicht gefolgt werden, die Berufsfreiheit des Anwalts werde nicht von § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO geschützt, da es nicht darum gehen könne, „berufsständische Interessen“ zu privilegieren.263 Denn so bliebe das vom BVerfG anerkannte grundrechtlich fundierte Interesse des Anwalts an der Abwehr von Störungen des Anwalt-Mandant-Verhältnisses völlig unberücksichtigt.264 Ebenso kann nicht vorgebracht werden, der Schutz der Rechtsanwälte sei deshalb nicht bezweckt, da es andere in der Hand hätten, das Zeugnisverweigerungsrecht zu beseitigen, wie § 53 Abs. 2 S. 1 StPO zeige.265 Hierin drückt sich lediglich die dienende Funktion der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht aus,266 denn das Vertrauen des Mandanten in die anwaltliche Verschwiegenheit wird nicht beeinträchtigt, wenn der Mandant darüber entscheiden darf, ob der Anwalt als Zeuge aussagen muss oder nicht, also das Anvertraute mitgeteilt werden darf. Eine Störung der anwaltlichen Berufsausübung ist in diesem Fall nicht zu befürchten. Vielmehr ist § 53 Abs. 2 StPO zu entnehmen, dass es nicht allein um den Schutz der Rechte und Interessen des Anwaltes gehen kann.267 (2) Schutz der Interessen des Informations- bzw. Geheimnisbetroffenen Sowohl in der Rechtsprechung als auch in der Lehre finden sich zahlreiche Vertreter, die den Schutz der Privat- und Geheimsphäre des Individuums als eines der von § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO geschützten Güter identifizieren.268 Typisch für die in § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO genannten Berufsgruppen ist, dass sie häufiger und stärker als andere Berufstätigkeiten Bereiche berühren, in denen sensible Informationen und, damit korrespondierend, NStZ 1985, 565 (566); Ignor, NJW 2007, 3403 (3403); Jahn, ZIS 2011, 453 (458); Krämer, BB 1975, 1225 (1227); Krekeler, NJW 1977, 1417 (1418, 1421); Kretschmer, HRRS 2010, 551 (555); Kühne, JuS 1973, 685 (689); Kutzner, NJW 2005, 2652 (2652 f.); Huber-Lotterschmid, Verschwiegenheitspflichten, S.  26 f.; Rengier, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 14. 263  Diese Argumentation von Welp, FS-Gallas, S. 391 (399); Huber-Lotterschmidt, Verschwiegenheitspflichten, S. 27, 38. 264  Hierzu siehe BVerfGE 110, 226 (252 f.); 113, 29 (49). 265  Siehe SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 3. 266  Hierzu siehe unter 2. Kapitel A. I. 1. c) cc). 267  Städler, Entbindungsberechtigung, S. 114. 268  Dies klingt an bei BVerfGE 33, 367 (377 f.); 38, 312 (323); deutlich hingegen BGHSt 38, 7 (10  f.); 38, 369 (370); BGHZ 109, 260 (268); OLG Nürnberg NJW 2010, 690 (690); OLG Schleswig NJW 1981, 294 (294); LG Bochum, Beschl. v. 15.03.2005 – 12 Qs 4 / 05, Rz. 10, zitiert nach juris; LG Hamburg wistra 2005, 394 (395); LR / Ignor / Bertheau, §  53 Rn.  1; SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 10; Rengier, Zeugnisverweigerungsrechte, S.  14 f.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“65

Geheimhaltungsinteressen des Ratsuchenden Beachtung finden.269 Um effektive Hilfe erhalten zu können, muss sich der Einzelne dem Berufsgeheimnisträger – in den Worten des Bundesverfassungsgerichts – frei, offen und rückhaltlos offenbaren.270 Dies wird er in der Regel aber nur tun, wenn er nicht damit rechnen muss, dass die offenbarten Informationen an Dritte, insbesondere die Strafverfolgungsbehörden, gelangen könnten und er einen „Hauptbelastungszeugen“ gegen sich selbst schüfe. Das Motiv des Gesetzgebers, Anwälten und Verteidigern ein Zeugnisverweigerungsrecht einzuräumen, liegt nach dieser Auffassung daher darin, die Informationsschutzinteressen des Mandanten abzusichern. Zum Teil wird dies ohne weitere Differenzierungen auf das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mandanten nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG oder auf dessen Ausprägungen als Recht auf Achtung der Privatsphäre sowie als Recht auf informationelle Selbstbestimmung gemeinsam gestützt.271 Andere unterscheiden zwischen den einzelnen Dimensionen und sehen die Grundlage des bezweckten Informationsschutzes entweder in dem Recht auf Achtung der Privat- und Intimsphäre272 oder in dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Individuums.273 Soweit es um den Schutz wirtschaftlicher Informationen, wie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geht, tritt Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 14 Abs. 1 GG hinzu.274 Auf den ersten Blick unterscheidet sich diese Auffassung nur in Nuancen vom Schutz des Rechtsratsuchenden, denn der Informationsbetroffene ist in der Regel derjenige, der den Rechtsrat des Anwalts benötigt. Deutlich Divergenzen zeigen sich erst in Dreipersonenverhältnissen, in denen der Anwalt neben dem Mandanten vertrauliche Informationen auch über einen Dritten erlangt. Würde allein auf die Informationsbetroffenheit abgestellt, wie einige Vertreter dieser Auffassung es sehen, könnte ebenso der Dritte Schutz aus § 53 StPO für sich beanspruchen. Wird der persönliche Schutzbereich enger gefasst, durch Bindung an den Wunsch nach Rechtsberatung, 269  Vgl.

BVerfGE 32, 373 (380). 33, 367 (377). 271  OLG Koblenz NStZ 1985, 426 (427); SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 10; HuberLotterschmidt, Verschwiegenheitspflichten, S. 26; Schmitt, Die Berücksichtigung der Zeugnisverweigerungsrechte, S. 122. 272  BVerfGE 32, 373 (379 f.); 33, 367 (376 f.); BGHSt 38, 369 (370); BGHZ 40, 288 (293); OLG Celle JR 1965, 107 (109); Ignor, NJW 2007, 3403 (3403); Michalowski, ZStW 109 (1997), 519 (523); Nassall, KTS 1988, 633 (641); Amelung, Informationsbeherrschungsrechte, S. 36; Rengier, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 15. 273  BVerfGE 113, 29 (47); BVerfG NJW 2009, 2518 (2519); Jahn, ZIS 2011, 453 (459); Lichtenberg / Schücking, ZRP 1989, 243 (244); Böing, Das Beschlagnahmeprivileg, S. 17. 274  Vgl. ErfK / Schmidt, Art.  14 Rn.  6; SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 10. 270  BVerfGE

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

kommt kein Schutz des Dritten in Betracht. Darüber hinaus liegen Unterschiede im sachlich-gegenständlichen Anknüpfungspunkt des Schutzes: Auffassungen, die den Rechtsratsuchenden schützen wollen, knüpfen an das Kommunikationsverhältnis zwischen Anwalt und Mandant im Ganzen an oder an das Vertrauen des Rechtssuchenden in die Verschwiegenheit des Rechtsberaters. (3) Schutz des Nemo-tenetur-Grundsatzes (a) Schutz des Nemo-tenetur-Grundsatzes im Allgemeinen Einige Stimmen sehen zumindest eine Teilmotivation des § 53 StPO darin, die Selbstbelastungsfreiheit des Beschuldigten zu schützen.275 Danach darf er vom Staat nicht dazu gezwungen werden, sich selbst zu bezichtigen oder Informationen zu offenbaren, die ihn selbst belasten.276 Inhaltlich umfasst das Nemo-tenetur-Prinzip für den Beschuldigten im Wesentlichen das Recht, im Strafverfahren jede aktive Mitwirkung an seiner eigenen Überführung zu verweigern;277 insbesondere darf er nicht zu einer Aussage gezwungen werden.278 Da sich der Einzelne dem Rechtsanwalt aber öffnen muss, will er Hilfe in seinen Rechtsangelegenheiten erhalten, umgehe ein zwangsweiser Zugriff des Staates auf die anvertrauten Informationen die Aussagefreiheit des Beschuldigten.279 Im Wesentlichen spricht gegen einen Schutz (auch) des Nemo-teneturGrundsatzes durch § 53 StPO dasselbe, das gegen eine Relevanz des nemotenetur-Grundsatzes für Vertrauensverhältnisse angeführt wurde.280 Die Selbstbelastungsfreiheit ist bei einem Informationszugriff auf den Berufsgeheimnisträger nur mittelbar betroffen:281 Zwar mag der Rechtsratsuchende dem kaum überwindbaren Zwang unterliegen, sich einem Anwalt zu offenbaren, wenn er Hilfe in seinen Rechtsangelegenheiten benötigt. Dieser Zwang ist aber nicht dem Staat unmittelbar zurechenbar, sondern ist der Komplexität des Rechts und der mangelnden Fachkunde des Laien geschul275  Welp, FS-Gallas, S. 391 (405); Schünemann, ZStW 90 (1978), 11 (62); Baier, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 72; Städler, Entbindungsberechtigung, S. 140. 276  BVerfGE 56, 37 (42 ff.); 95, 220 (241); 96, 171 (181). 277  Vgl. BGHSt 8, 144 (144); 14, 21 (23). 278  Rogall, Der Beschuldigte als Beweismittel gegen sich selbst, S. 158. 279  Welp, FS-Gallas, S. 391 (405); Schünemann, ZStW 90 (1978), 11 (62); Baier, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 72; Städler, Entbindungsberechtigung, S. 140. 280  Siehe unter 2. Kapitel A. I. 1. a) dd) (2). 281  LR / Schäfer, §  97 Rn.  16; SK / StPO / Wohlers, § 97 Rn. 2; Huber-Lotterschmidt, Verschwiegenheitspflichten, S. 37; Rengier, Zeugnisverweigerungsrechte, S.  75; Schmitt, Die Berücksichtigung der Zeugnisverweigerungsrechte, S. 122.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“67

det. In solchen Fällen liegt „Zwang“ in der Natur der Sache. Zudem stellt der staatliche Zugriff auf Informationen aus der Anwalt-Mandanten-Kommunikation typischerweise die Anordnung eines Duldens dar, nicht aber eines Tuns, im Sinne einer Verpflichtung zur aktiven Selbstbelastung. Für die Anwendung des Nemo-tenetur-Grundsatzes besteht daher kein Grund.282 Möglicherweise kann der Schutz der Selbstbelastungsfreiheit die Normierung eines Zeugnisverweigerungsrechts für Verteidiger gemäß § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO und für die Verteidiger-Beschuldigten-Beziehung erklären,283 für die unter § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO genannten Berufe erscheint er eher fernliegend. (b) A  usnahmsweiser Schutz des Nemo-tenetur-Grundsatzes im Dreipersonenverhältnis? Mitunter wird vorgebracht, dies sei im Dreipersonenverhältnis anders zu beurteilen. Handele es sich um Mitglieder der Organe einer juristischen Person, seien diese gezwungen, einem Berater wahrheitsgemäß über die Interna der juristischen Person zu berichten, wenn sie – etwa zur Vermeidung einer Insolvenz – ihren Pflichten gegenüber der juristischen Person nachkommen wollten, ohne in die Gefahr zu geraten, sich schadensersatzpflichtig zu machen.284 Zu einem wahrheitsgemäßen Bericht gehörten indes auch Umstände, die eine Strafbarkeit der Organmitglieder nahe legen. Die Organmitglieder befänden sich daher in dem Dilemma, sich entweder gegenüber der juristischen Person schadensersatzpflichtig zu machen oder dem Berater eigenes strafbares Verhalten anzuvertrauen, das dieser in einem späteren Strafverfahren als Zeuge offenlegen muss. Daher schütze § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO in diesem Dreipersonenverhältnis unter Beteiligung einer juristischen Person (auch) den Nemo-tenetur-Grundsatz.285 Zunächst ist nicht ersichtlich, warum dies lediglich unter Beteiligung einer juristischen Person gelten soll, nicht aber, wenn eine Personengesellschaft unter Einschaltung ihrer vertretungsberechtigten Gesellschafter den Rat des Anwalts benötigt. Oder eine natürliche Person eine andere natürliche Person beauftragt, den Rat eines Anwalts einzuholen. Zur Illustration denke man an einen Einzelkaufmann, der seinem Prokuristen aufträgt, zur Abwehr einer dro282  LR / Schäfer, §  97 Rn.  16; SK / StPO / Wohlers, § 97 Rn. 2; Rengier, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 23; Schmitt, Die Berücksichtigung der Zeugnisverweigerungsrechte, S. 122. 283  Diesen Gedanken legt Schmitt, Die Berücksichtigung der Zeugnisverweigerungsrechte, S. 122 nahe. 284  Vgl. § 43 Abs. 1, 2 GmbHG und § 93 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 AktG. 285  Beulke / Lüdke / Swoboda, Unternehmen im Fadenkreuz, S. 58; Städler, Entbindungsberechtigung, S. 143.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

henden Insolvenz einen Anwalt zu mandatieren und diesen um die Abwicklung der Korrespondenz mit dem Rechtsberater bittet. Überdies sind viele Situationen denkbar, in denen Individuen aufgrund zivilrechtlicher Pflichten eigenes, möglicherweise strafbares Verhalten – zumeist gegenüber Personen ohne Zeugnisverweigerungsrecht – offenlegen müssen. In allen diesen Fällen Nemo-tenetur berührt zu sehen, bedeutete jedoch eine Überdehnung der Selbstbezichtigungsfreiheit.286 Überdies wird nicht immer ein strafbares Verhalten der Organmitglieder im Raum stehen, wenn die juristische Person anwaltlichen Rat benötigt. Zudem ist dieser „Zwang“ der Organmitglieder zur Selbstbelastung zumindest nicht größer, als wenn sie selbst die Hilfe des Rechtsanwalts in einer eigenen Rechtsangelegenheit in Anspruch nähmen. Besteht aber im Zweipersonenverhältnis schon kein Grund, die Selbstbelastungsfreiheit heranzuziehen, ist dies im Dreipersonenverhältnis nicht anders. Im Übrigen ist dem Informationsschutzbedürfnis der Beteiligten ausreichend Rechnung getragen, wenn § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO die Funktion zugeschrieben wird, die Privat- und Geheimsphäre des Individuums zu schützen.287 (4) Schutz des Rechtsratsuchenden Als geschützte Interessen des Rechtsratsuchenden werden diskutiert der Schutz eines Kommunikationsverhältnisses zum Anwalt und der Schutz des individuellen Vertrauens in die Verschwiegenheit des Rechtsanwaltes. (a) Das Kommunikationsverhältnis zwischen Anwalt und Mandant Vereinzelte Stimmen in der Rechtsprechung288 und einige Vertreter in der Lehre sehen den primären Zweck des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO darin, die vertrauliche Kommunikation zwischen dem Ratsuchenden und dem Rechtsanwalt zu gewährleisten.289 Allein um die Geheimhaltung persönlicher Informationen könne es bei § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO nicht gehen, denn die Tatsachen aus dem Privatbereich der Hilfesuchenden gehören typischerweise nicht zum unantastbaren Kernbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG.290 Vielmehr dürfen diese 286  LG Hamburg NJW 2011, 942 (944) für die arbeitsvertragliche Auskunftspflicht gemäß §§ 611, 241 Abs. 2 BGB. 287  So auch Städler, Entbindungsberechtigung, S. 144. 288  LG Hamburg wistra 2005, 394 (395). 289  Schmitt, wistra 1993, 9 (10); Huber-Lotterschmidt, Verschwiegenheitspflichten, S. 41; Schmitt, Die Berücksichtigung der Zeugnisverweigerungsrechte, S. 125. 290  So BVerfGE 129, 208 (264) für die Rechtsanwaltstätigkeit, die nicht Strafverteidigung ist.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“69

Informationen im Rahmen der Verhältnismäßigkeit und in den Grenzen des einfachen Rechts etwa nach §§ 81 f., 94 StPO beim Beschuldigten, im Übrigen aber auch durch Vernehmung von Zeugen erhoben werden.291 Ist der Informationsbetroffene nicht selbst Beschuldigter, müsste er als Zeuge, vorbehaltlich des Auskunftsverweigerungsrechts nach § 55 Abs. 1 StPO, wahrheitsgemäß all jenes preisgeben, worüber der Anwalt als Zeuge schweigen dürfte.292 Weshalb die prinzipiell zulässige Ermittlung von Informationen gerade durch eine Aussage der in § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO genannten Personen nicht möglich ist, könne mit Geheimhaltungsinteressen des Informa­ tionsbetroffenen an den fraglichen Tatsachen daher nicht erklärt werden.293 Sinn und Zweck des Zeugnisverweigerungsrechts nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO sei es daher, dass Hilfsbedürftige sich den Berufsträgern unbefangen anvertrauen könnten. Um den Berufsangehörigen in die Lage zu versetzen, den Ratsuchenden bestmögliche Hilfe anzubieten, müssten sie diesen zum Mitwisser ihrer Angelegenheiten und damit zu einem potentiellen Belastungszeugen im Strafverfahren machen. Unbefangen und umfassend anvertrauen könne sich der Hilfesuchende aber nur, wenn er sich sicher sein könne, dass er vor diesem Nachteil bewahrt werde. Die Gewährung optimaler Hilfe setze daher die Geheimhaltung der Kommunikation zwischen dem ­Klienten und dem Rechtsanwalt voraus.294 Indem § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO und die korrespondierenden Schweigepflichten gewährleisteten, dass sich die Ratsuchenden auf die Vertraulichkeit der Kommunikation mit den Berufsangehörigen verlassen könnten, werde die Unbefangenheit des Verhältnisses zwischen Helfern und Hilfesuchenden ermöglicht. Die Vorschrift schütze daher nicht das sachliche Geheimnis an sich, sondern das gegenüber dem Berufsträger Geäußerte295 und bewirke so den Schutz eines außerprozessualen Kommunikationsverhältnisses, das Bestandteil des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG sei.296 Hiergegen wird eingewendet, der Wortlaut von § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO lasse ein derartiges Verständnis nicht zu. Denn ein Zeugnisverweigerungsrecht bestehe nicht nur für Tatsachen, die dem Rechtsanwalt „anvertraut“ wurden, sondern ebenso für solche, die ihm sonst „bekanntgeworden“ sind. Damit seien Umstände erfasst, die der Zeugnisverweigerungsberechtigte außerhalb der Kommunikation mit dem Klienten wahrgenommen habe.297 Hätte 291  Schmitt,

Die Berücksichtigung der Zeugnisverweigerungsrechte, S. 123. wistra 1993, 9 (10). 293  Schmitt, wistra 1993, 9 (10). 294  Schmitt, Die Berücksichtigung der Zeugnisverweigerungsrechte, S. 124. 295  Schmitt, Die Berücksichtigung der Zeugnisverweigerungsrechte, S. 125. 296  Schmitt, wistra 1993, 9 (10). 297  Städler, Entbindungsberechtigung, S. 127. 292  Schmitt,

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

der Gesetzgeber anderes gewollt, hätte er die ursprüngliche Formulierung der Norm, die nur „anvertrauen“ umfasste,298 beibehalten. Daher bedürfe es keines vertraulichen Kommunikationsaktes zur Auslösung des Schutzes der Norm.299 Dem Verständnis des Schutzzwecks wird ferner entgegengehalten, dies laufe auf den Schutz eines „small talk“ hinaus. Die Norm schütze aber handfeste Geheimhaltungsinteressen.300 (b) Das individuelle Vertrauen in die Verschwiegenheit des Anwalts Als weitere Differenzierung und individuelle Ausprägung des Vertrauensverhältnisses301 findet sich zum Teil die Ansicht, § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO solle (auch) das personalisierte Vertrauen in die Verschwiegenheit des Rechtsanwalts schützen, das in der konkreten Beratungssituation entstehe.302 Neben Vertretern in der Lehre303 lassen einige Rechtsprechungsentscheidungen304 eine Nähe zu diesem Ansatz erkennen. Das personalisierte Vertrauen fuße auf dem allgemeinen Vertrauen in die Verschwiegenheit der Anwaltschaft. Dieses bilde die Basis dafür, dass sich überhaupt Klienten im Einzelfall an die Berufsgeheimnisträger wendeten, um fachkundige Hilfe zu erhalten.305 Ein solches personalisiertes Vertrauen entstehe, wenn sich der Ratsuchende wegen der Beratung dem Rechtsanwalt offenbart. Im Interesse des Hilfesuchenden seien daher all jene Informationen von § 53 StPO geschützt, die er dem Anwalt in vertraulicher Atmosphäre weitergibt. Maßgeblich sei die tatsächliche Vermittlung von Informationen, sei es aktiv durch Entäußerung gegenüber dem Berufsträger oder passiv durch sonstiges Bekanntwerden der Informationen.306 Auch diesem Schutzzweckverständnis wird entgegen gehalten, es könne § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO nicht in Gänze erklären. Da der Rechtsanwalt 298  Geändert durch Art. 4 Nr. 9 des 3. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 4. August 1953, BGBl. I S. 735. 299  Städler, Entbindungsberechtigung, S. 127. 300  SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 10, 198. 301  In Abgrenzung zum allgemeinen Vertrauen in die Anwaltschaft; siehe unter 2. Kapitel A. III. 1. a) aa). 302  Städler, Entbindungsberechtigung, S. 129. 303  Dahs, FS-Kleinknecht, S. 63 (74); Dierlamm, FS-DAV, S. 428 (436); Krause, FS-Dahs, S. 349 (368); Münchhalffen, StV 1993, 346 (348); Peemöller / Weller, BB 2001, 2415 (2415); Stegemann / Martens, StV 1989, 325 (326); Wagner, PStR 2004, 50 (51). 304  OLG Düsseldorf, wistra 1993, 120 (120); LG Berlin wistra 1993, 278 (279); AG Bonn NJW 2010, 1390 (1390). 305  Städler, Entbindungsberechtigung, S. 129. 306  Städler, Entbindungsberechtigung, S. 130.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“71

ein Zeugnisverweigerungsrecht für Informationen habe, die ihm sonst bekannt wurden, mithin nicht auf einem konkreten Vertrauensakt beruhen, sei der Gedanke individuellen Vertrauensschutzes defizitär.307 Zum Teil wird der Vertrauensschutzgedanke im Ganzen als Fiktion verworfen. Im Einzelfall sei nicht immer ein Vertrauensverhältnis gegeben, da es oftmals an der Auswahlmöglichkeit fehle, etwa beim Pflichtverteidiger. Auch auf ein typischerweise gegebenes Vertrauen könne nicht abgestellt werden, da es sich dabei um ein imaginäres Rechtsgut handele.308 Andere bringen vor, für den Schutz von Vertrauen sei kein Raum, weil § 53 StPO die Erwartung des Ratsuchenden, der Anwalt werde über das Erfahrene schweigen, selbst nicht rechtfertigen könne. Diese gründe sich vielmehr auf die Normen, die dem Anwalt – gegebenenfalls unter einer Strafandrohung – eine Schweigepflicht auferlegen. Dagegen biete § 53 StPO dem Klienten von vornherein keine Handhabe, diese Pflicht zu erzwingen. Die Vorschrift rechtfertige noch nicht einmal ein Vertrauen auf Diskretion, denn es stehe anerkanntermaßen allein in der Entscheidung des als Zeugen zu vernehmenden Berufsgeheimnisträgers – vorbehaltlich der Entbindung von der Schweigepflicht nach § 53 Abs. 2 StPO –, ob er aussagen will oder nicht. Optiere er gegen eine Aussage, so beruhe dies auf der Respektierung rollengemäßer Anforderungen, die jedenfalls zum Teil (§ 203 StGB) strafgesetzlich abgesichert seien.309 Darüber hinaus versperre die Vertrauensschutzlehre den Blick auf die Interessen, aus denen sich die Schutzwürdigkeit des Vertrauens überhaupt erst ergebe. Der Schutz von Vertrauensverhältnissen werde nie um ihrer selbst willen gewährleistet, sondern kann stets nur mit Rücksicht auf bestimmte schutzwürdige Interessen gerechtfertigt werden. Der Schutz von Vertrauensverhältnissen sei der Weg, nicht aber das Ziel selbst.310 Durch § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO geschützt sei daher primär das private Informationsschutzbedürfnis des Klienten.311 dd) Zwischenergebnis Als Zwischenergebnis lässt sich formulieren, dass die Norm verschiedenen Schutzgütern und Interessen dient. Zum einen schützt sie im Allgemein­ interesse die Rechtspflege, die zu ihrem ordnungsgemäßen Funktionieren eine Anwaltschaft benötigt, die als Institution allgemeines Vertrauen genießt. 307  So Ostendorf, JR 1981, 444 (446) für § 203 StGB sowie Städler, Entbindungsberechtigung, S. 132 für § 53 StPO. 308  So Ostendorf, JR 1981, 444 (446) zum Schutz von Vertrauensverhältnissen durch § 203 StGB. 309  SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 5. 310  SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 6. 311  SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 10.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

Zum anderen dient § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO Individualinteressen. Dies sind zunächst die Interessen des Rechtsanwalts, der aus einer Konfliktsitua­ tion befreit wird und der, um seiner Berufsfreiheit willen, Verschwiegenheit auch noch im Strafverfahren garantieren können muss. Umstritten ist dagegen, in welchem Umfang die Interessen derjenigen geschützt sind, mit denen der Anwalt in Kontakt gerät. Zum einen findet sich die Ansicht, die Norm schütze das Geheimhaltungsbedürfnis der Individuen, über die der Anwalt Informationen erlangt. Andere sehen das individuelle Vertrauen der Rechtsratsuchenden in die Verschwiegenheit des Anwalts als geschützt an, während wieder andere das Kommunikationsverhältnis zwischen Anwalt und Mandant als maßgebliches Schutzgut betrachten. Zu klären verbleibt, ob die ausgemachten Schutzgüter gleichberechtigt nebeneinander oder in einem Rangverhältnis stehen. Dem folgt eine abschließende Stellungnahme zum Schutzzweck. ee) Rangverhältnis der geschützten Interessen? Für § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO konnten mehrere Schutzzwecke festgestellt werden.312 Hierdurch wird eine teleologische Auslegung der Vorschrift schwierig, denn bereits auf den ersten Blick lässt sich ein Spannungsverhältnis zwischen den einzelnen Schutzzwecken ausmachen. Insbesondere das Problem, wer in Dreipersonenverhältnissen zur Entbindung des Rechtsanwalts von der Schweigepflicht berechtigt ist, lässt sich ohne klare Antwort auf die Frage, wessen Interessen im Konfliktfall vorgehen, nicht beantworten.313 Soll eine Auslegung der Vorschrift nicht völlig ins Beliebige geraten, erscheint es deshalb überlegenswert, ein Rangverhältnis der verschiedenen Schutzzwecke zu erörtern. (1) Vorrangiger Schutz der Allgemeininteressen? Zunächst ist zu überlegen, ob § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO vorrangig Allgemeininteressen schützt. Als solches wurde das allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit der Rechtsanwälte im Interesse einer geordneten Rechtspflege identifiziert. Gegen einen Vorrang von Allgemeininteressen gegenüber Individualinteressen lässt sich nicht anführen, der Gesetzgeber hätte in diesem Fall wohl eher ein prozessuales Vernehmungsverbot statuiert. Richtig ist zwar, dass ein Zeugnisverweigerungsrecht insoweit nur lückenhaften Schutz bietet, als der Rechtsanwalt zu seiner Inanspruchnahme nicht ge312  Ebenso

313  Ebenso

KK / StPO / Senge, § 53 Rn. 1; LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 1. Städler, Entbindungsberechtigung, S. 150.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“73

zwungen werden kann, ein Vernehmungsverbot daher eine effektivere Gestaltungsvariante gewesen wäre. Daraus ist aber kein Vorrang von Individual­ interessen abzuleiten, denn auch diese wären – unter diesem Gesichtspunkt – durch ein Vernehmungsverbot besser abgesichert. Gegen einen vorrangigen Schutz von Kollektivinteressen spricht aber § 53 Abs. 2 S. 1 StPO. Wäre primär der Schutz allgemeiner Belange das Anliegen des Gesetzgebers gewesen, erscheint fraglich, weshalb es im Belieben des Einzelnen stehen soll, über das Zeugnisverweigerungsrecht des Anwalts zu verfügen. Zwar mag man dagegen einwenden, dass das allgemeine Vertrauen in die Verschwiegenheit der Anwaltschaft eben nicht tangiert sei, wenn der Berechtige den Rechtsberater von der Schweigepflicht entbunden habe.314 Allerdings schreibt eine solche Lösung dem Einzelnen eine Stellung als bloßer „Sachwalter“ des allgemeinen Vertrauens in die Anwaltschaft zu, dessen persönliche Interessen – wenn überhaupt – nur nachrangig zu berücksichtigen sind.315 Ein solches Verständnis „zäumte das Pferd von hinten auf“316 und kann nur schwerlich begründen, weshalb gerade der Angeklagte – jedenfalls wenn er in einer Beziehung zu dem Rechtsanwalt stand – mit der Revision etwa den fehlerhaften Hinweis des Gerichts rügen kann, der Anwalt sei von der Schweigepflicht entbunden.317 Außerdem wäre dies wenig stimmig im Vergleich zu den §§ 55, 57, 68a, 68b StPO, bei denen allesamt die Interessen des Zeugen, also Individualinteressen, im Fokus stehen.318 Ferner kann ein individualistischer Ansatz besser erklären, weshalb der Zeuge etwa gegen gemäß § 68a StPO unzulässige Fragen zunächst einen Gerichtsbeschluss nach § 238 Abs. 2 StPO bzw. § 242 StPO herbeiführen kann und ihm gegen die im Folgenden ergangene Entscheidung, wie auch gegen aus seiner Sicht unzulässige Entscheidungen nach § 70 Abs. 1 StPO, die Beschwerde nach § 305 S. 2 StPO zusteht.319 Zudem lieferte ein solcher Ansatz wenig Ergiebiges für die Bestimmung der Entbindungsberechtigung. Denn die Allgemeinheit als solche kann schlechthin keine Entbindungsberechtigung aussprechen. Es verblieben die bereits genannten Personen, die gewissermaßen als „Vertreter“ für die Allgemeinheit handelten.320 Dies mutet zum einen etwas konstruiert an und hilft zum anderen bei einer Bestimmung der oder des Dispositionsbefugten nicht weiter. 314  Lenckner,

NJW 1965, 321 (323). SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 10. 316  Jung, FS-Constantinesco, S. 355 (360). 317  BGH NStZ 1985, 372 (374); NStZ 1996, 348 (349). 318  KK / StPO / Senge, § 55 Rn. 1; Meyer-Goßner, § 68a Rn. 1. 319  Meyer-Goßner, § 241 Rn. 22; LR / Ignor / Bertheau, § 68a Rn. 11. 320  Städler, Entbindungsberechtigung, S. 152. 315  Vgl.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

(2) Vorrangiger Schutz der Interessen des Anwalts? Einwänden begegnet ebenfalls die Auffassung, die Interessen des Zeugen, des Rechtsanwalts, seien vorrangig geschützt. Wie im Abschnitt über die Grundrechte der Beteiligten gezeigt wurde, kommt der Berufsausübungsfreiheit des Rechtsanwalts gegenüber den Rechten des Rechtsratsuchenden nur dienende Funktion zu.321 Derselbe Gedanke kann auch für § 53 StPO aufgegriffen werden: Die Vorschrift räumt dem Rechtsanwalt ein Zeugnisverweigerungsrecht (auch) deshalb ein, um die dem Mandanten zugesicherte Vertraulichkeit im Strafverfahren zu wahren. Dabei kann es aber nicht vorrangig darum gehen, den Berufsstand der Anwälte zu privilegieren, sondern den Interessen der Mandanten zu dienen, denn sie müssen dem Anwalt Informationen geben, um in den Genuss bestmöglichen Rechtsrats zu gelangen.322 Freilich ermöglicht die Gewähr von Vertraulichkeit dem Rechtsanwalt überhaupt erst die Ausübung seines Berufes, dennoch zeigt sich hierin eine funktionale Verknüpfung zwischen der anwaltlichen Rechtsberatungstätigkeit und dem Zwang zur Informationspreisgabe aufseiten des Ratsuchenden. Dieser Gedanke wird entscheidend für die Stellungnahme und den eigenen Entwurf sein. Dass nicht der vorrangige Schutz der Anwaltsinteressen bezweckt ist, ergibt sich ferner aus § 53 Abs. 2 S. 1 StPO. Die passivische Wendung, „entbunden ist“, zwingt zu der Annahme, dass sich der Zeugnisverweigerungsberechtigte nicht selbst von der Schweigepflicht befreien kann. Denn dann wäre dieser Satz überflüssig, da der Rechtsanwalt, wollte er aussagen, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht schlicht keinen Gebrauch zu machen bräuchte und einfach aussagen könnte. Auch kann eine Pflicht denknotwendig nur gegenüber einem anderen bestehen, in dessen Recht sie ihr Korrelat findet. Die Entbindung muss vielmehr eine andere Person erklären. Da dieser andere es aber in der Hand hat, das Zeugnisverweigerungsrecht entfallen zu lassen, es dem Anwalt zu entziehen, und ihn auf diese Weise mittelbar zur Aussage zu zwingen, erscheint es unstimmig, gleichwohl die Interessen des Rechtsanwalts als vorrangig geschützt zu sehen. Ferner spricht dieser Gedanke dagegen, von einem – logisch denkbaren – gleichrangigen Schutz der Interessen des Anwalts und der des Informationsbetroffenen bzw. des Rechtsratsuchenden auszugehen, denn das letzte Wort hinsichtlich des Bestehens oder Entfallens des Zeugnisverweigerungsrechts des Anwalts hat nicht dieser selbst, sondern ein anderer.

321  Siehe

unter 2. Kapitel A. I. 1. c) cc). auch Kramer, Grundbegriffe, Rn. 137; Welp, FS-Gallas, S. 391 (399); Städler, Entbindungsberechtigung, S. 112. 322  So



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“75

(3) V  orrangiger Schutz des Informationsbetroffenen bzw. des Rechtsratsuchenden? Nachdem ein vorrangiger Schutz von Allgemein- und Anwaltsinteressen auszuschließen ist, verbleibt allein der primäre Schutz der Individualinteressen derjenigen, über die der Anwalt Informationen erlangt hat oder die den Rat des Anwalts benötigen. Zur Frage, welcher dieser Meinungen der Vorzug zu geben ist, soll im Folgenden Position bezogen werden. ff) Stellungnahme zum Sinn und Zweck der Vorschrift Die Entscheidung des Streites um den Schutzzweck ist schwierig, weil alle Ansichten, die für den vorrangigen Schutz der Individualinteressen streiten, wichtige Gedanken in die Diskussion einbringen. (1) Hinführung auf das Problem Mit Recht betonen Vertreter, die ein Kommunikationsverhältnis zwischen Anwalt und Mandant für geschützt halten, dass es um den Schutz sensibler Informationen allein nicht gehen könne. Denn den Ermittlungsbehörden ist es keineswegs verwehrt, an die Informationen, die der Mandant dem Anwalt mitgeteilt hat, auf andere Weise zu gelangen, etwa durch Zwangsmaßnahmen nach §§ 81 f., 94 StPO beim Beschuldigten, solange diese nicht in den Kernbereich dessen Allgemeinen Persönlichkeitsrechts eingreifen. Nicht anders ist es, wenn sich der Mandant eines Dritten, zum Beispiel eines Angestellten, bedient, um dem Anwalt bestimmte Informationen zukommen zu lassen. Auch auf ihn dürfen die Strafverfolgungsbehörden zur Informationsgewinnung zugreifen. Dies legt in der Tat den Schluss nahe, dass es bei § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO im Ergebnis nicht darum geht, dem Staat bestimmte Informationen generell zu entziehen, sondern ihn diese nicht aus dem Mund des Rechtsanwalts bzw. – mit Blick auf § 97 StPO – aus dessen Akten erfahren zu lassen. Informationsschutz wird vielmehr allein im Zusammenhang mit der und im Hinblick auf die Kommunikationsbeziehung zum Anwalt gewährt. Richtig ist aber auch, dass der heutige Wortlaut des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO die Frage nach einem darüber hinausgehenden Schutzverständnis aufwirft. Denn tatbestandlich erfasst sind nicht nur Informationen, die der Anwalt durch die Kommunikation mit dem Ratsuchenden erlangt hat, sondern auch solche, die auf beliebigem Wege im Zusammenhang mit seiner Berufsausübung zu seiner Kenntnis gelangt sind, etwa durch kommunikativen Verkehr mit Dritten. Auf dieses Problem müsste ebenfalls die Ansicht eine Antwort geben, die § 53 StPO mit dem Schutz eines individuellen Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Ratsuchenden erklären möchte.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

Zuvor ist zu betonen, dass dieser Streit nicht rein theoretischer Natur ist, sondern praktische Konsequenzen hat. Wie im folgenden Abschnitt gezeigt wird, ist für § 53 Abs. 2 StPO umstritten, wer die Berechtigung besitzt, den Rechtsanwalt von der Schweigepflicht zu entbinden.323 Zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen die im Zusammenhang mit § 53 Abs. 2 StPO vertretenen Meinungen in Dreipersonenverhältnissen, wenn etwa der Rechtsratsuchende dem Rechtsanwalt Informationen über seine Ehefrau mitteilt. Da der Wortlaut der Vorschrift und der systematische Zusammenhang wenig Ergiebiges liefern, wird es vor allem auf eine teleologische Auslegung ankommen. Abgeleitet aus den bislang zum Sinn und Zweck diskutierten Ansätzen, kommen als Entbindungsberechtigte der Rechtsratsuchende als Anvertrauender, der Rechtsratsuchende als Kommunikationspartner des Anwalts und die Ehefrau als Informationsbetroffene in Betracht. Eine Klärung des Normzwecks der Vorschrift ist daher wesentlich. Hält man wegen des sachlichen Umfangs des § 53 StPO („bekanntgeworden“) das Deutungsmuster des Informationsschutzes für vorzugswürdig, kann dem hinsichtlich des Schutzgegenstandes nicht widersprochen werden: Schließlich liegt der Gedanke, den Strafverfolgungsbehörden den Zugriff auf Informationen zu verwehren, auch den Ansätzen des Vertrauensschutzes und des Schutzes des Kommunikationsverhältnisses zugrunde. Wesentlich ist ein anderer Gesichtspunkt. Denn Vertreter, die den Telos des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO im Informationsschutz sehen, leiten daraus Aussagen über den persönlichen Schutzbereich der Norm ab. Wie im folgenden Abschnitt über die Entbindungsberechtigung gezeigt wird, stehen sie der Lösung nahe, den Anwalt von der Schweigepflicht zu entbinden habe derjenige, den die fraglichen Informationen betreffen, über die der Rechtsanwalt aussagen soll, genauer gesagt derjenige, dessen Privat- bzw. Geheimsphäre betroffen ist.324 Das können – wie im Falle der Ehefrau – im Einzelfall Personen sein, mit denen der Anwalt in keinerlei Beziehung steht. Die Diskussion um den Sinn und Zweck von § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO muss daher gleichfalls mit Blick auf den persönlichen Schutzbereich der Norm geführt werden. (2) B  erücksichtigung des persönlichen Schutzbereiches von § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO Über den persönlichen Schutzbereich treffen die vertretenen Meinungen im Ausgangspunkt gleichlautende Aussagen: Die einen sehen sachlich das Kommunikationsverhältnis als geschützt an, weil sie die unbefangene Inan323  Siehe 324  Siehe

unter 2. Kapitel A. III. 1. c). unter 2. Kapitel A. III. 1. c) aa).



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“77

spruchnahme des Rechtsanwalts durch den Klienten erreichen wollen.325 Andere wollen das personalisierte Vertrauen zwischen dem Rechtsberater und dem Ratsuchenden schützen.326 Ebenfalls die Ansicht, die im Informationsschutz das primäre Anliegen des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO erkennt, spricht davon, die Vorschrift diene dem Informationsschutzinteresse des Klienten.327 Denn diesem seien in der Regel die zu schützenden Informa­ tionen zuzuordnen.328 Es zeigt sich, dass alle Ansichten eine Verknüpfung zwischen der anwaltlichen Berufstätigkeit und dem faktischen Zwang zur Informationspreisgabe herstellen: Um den Anwalt in die Lage zu versetzen, dem Rechtsratsuchenden zu helfen, müsse sich dieser dem Rechtsberater bedingungslos offenbaren.329 Zum Teil wird darin, wie auch für § 203 StGB, ein „viktimodogmatisches Prinzip“ im Sinne einer Einschränkung eines zumutbaren Selbstschutzes erkannt, der das Individuum ausgesetzt ist, wenn es in persönlichen Angelegenheiten Rat und Hilfe sucht.330 Dies legt den Schluss nahe, dass kein universaler, zweckungebundener, sondern ein funktionaler Informa­tionsschutz gewollt ist. Als gesichert kann demnach gelten, dass alle genannten Auffassungen zunächst die Individualinteressen desjenigen für geschützt halten, der den Rechtsrat des Anwalts benötigt und deshalb diesem gegenüber zu einer Öffnung seines Geheimbereiches veranlasst ist. Weshalb die Meinung des Informationsschutzes bzw. des Schutzes materieller Geheimhaltungsinteressen dann ebenso jeden beliebigen Dritten schützen will, über den der Anwalt Informationen erlangt hat, die dessen Geheimsphäre berühren, lässt sich mit einem irgendwie gearteten Zwang dagegen nicht erklären: Wenn der Dritte mit dem Anwalt noch nicht einmal in Kontakt getreten sein muss, kann von einer Offenbarung um der Rechtsberatung willen nicht die Rede sein. Dass § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO Schutz für jedweden Dritten bezweckt, lässt sich auch im Wege einer historischen Rückschau nicht begründen. So findet bereits in den Entwürfen zur Strafprozessordnung vom 01.02.1877 für die Vorgängervorschrift von § 53 StPO die Motivation Ausdruck, „den 325  Krause, FS-Dahs, S. 349 (353); Schmitt, wistra 1993, 9 (10); Huber-Lotterschmidt, Verschwiegenheitspflichten, S. 41; Schmitt, Die Berücksichtigung der Zeugnisverweigerungsrechte, S. 125. 326  Dahs, FS-Kleinknecht, S. 63 (74); Dierlamm, FS-DAV, S. 428 (436); Krause, FS-Dahs, S. 349 (368). 327  OLG Nürnberg NJW 2010, 690 (690); OLG Schleswig NJW 1981, 294 (294); LG Bochum, Beschl. v. 15.03.2005 – 12 Qs 4 / 05, Rz. 11, zitiert nach juris; LR /  Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 1. 328  So SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 10. 329  SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 10; Schmitt, Die Berücksichtigung der Zeugnisverweigerungsrechte, S. 124; Städler, Entbindungsberechtigung, S.  129 f. 330  SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 10.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

Klienten nicht [zu] nöthigen, dem Anwalt gewisse Thatsachen wegen der Besorgnis zu verschweigen, daß deren Bekanntwerden eine Strafverfolgung veranlassen könnte.“331 In den Materialien zu den nachfolgenden Novellierungen des § 53 StPO bestätigt sich diese Hervorhebung der Beziehung zwischen dem Ratsuchenden und dem Berufsangehörigen.332 Etwas anderes folgt auch nicht aus der Ausdehnung der Reichweite des Zeugnisverweigerungsrechts auf Informationen, die dem Anwalt „bekanntgeworden“ sind, durch das 3. Strafrechtsänderungsgesetz 1953.333 Zuvor stand dem Rechtsanwalt ein Zeugnisverweigerungsrecht nur über Tatsachen zu, die ihm „anvertraut“ worden waren. Mit dieser Änderung sollte allein die Frage geklärt werden, ob das, was eine Person nach § 53 StPO bei der Berufsausübung von selbst wahrgenommen hat, von dem Zeugnisverweigerungsrecht umfasst war. Dies war bis dahin umstritten.334 Die Novellierung der Vorschrift war sinnvoll, denn die Kommunikation zwischen dem Ratsuchenden und dem Anwalt verläuft nicht allein auf der Ebene des konkret Übermittelten, sei es mit oder ohne Auflage der Verschwiegenheit. Diesem Gedanken hatte die Rechtsprechung durch eine weite Auslegung von „anvertrauen“ Rechnung getragen, die der Gesetzgeber durch die Erweiterung nachvollziehen wollte.335 Von einer Loslösung des Schutzes von der AnwaltMandant-Beziehung ist dagegen keine Rede. Zwar wurde schon vor 1953 kontrovers diskutiert, ob nicht der Geheimnisbetroffene zur Verfügung über das Zeugnisverweigerungsrecht des Anwalts befugt sei.336 Jedoch wurde dies mit Erwägungen zum Gleichlauf mit § 203 StGB begründet und nicht mit dem Sinn und Zweck, der bereits zu jener Zeit im Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Rechtsanwalt und demjenigen gesehen wurde, der dessen Hilfe in Anspruch nimmt.337 Auf das Verhältnis von § 203 StGB zu § 53 StPO und darauf, dass es keinen Grund für eine deckungsgleiche Interpretation dieser Normen gibt, soll allerdings erst in einem folgenden Abschnitt eingegangen werden.338 Belege dafür, dass § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO beliebige Dritte schützen soll, die die Rechtsberatung des Anwalts gar nicht in Anspruch nehmen wollen, kann eine historische Betrachtung der Vorschrift daher nicht liefern. 331  Hahn / Stegemann,

Materialien, S. 107. I / 3713, S.  47; 7 / 1981, S.  20; 12 / 870, S.  5; 16 / 11170, S.  4. 333  Siehe Art. 4 Nr. 9 des 3. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 4. August 1953, BGBl. I S. 735. 334  BT-Drs. I / 3713, S.  47; Müller-Dietz, Beschlagnahme, S. 13. 335  Ausdrücklich BT-Drs. I / 3713, S.  47. Ebenso SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 62. 336  Eine Übersicht zum damaligen Streitstand bei Eb. Schmidt, Lehrkommentar StPO, § 53 Rn. 31. 337  So etwa Eb. Schmidt, Lehrkommentar StPO, § 53 Rn. 3. 338  Siehe unter 2. Kapitel A. VI. 2. a). 332  BT-Drs.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“79

Nichts anderes folgt aus der Rechtsprechung des BVerfG. Äußerte sich das Gericht zu § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO, führte es aus, der Berufsträger könne dem Ratsuchenden nur dann wirksam helfen, wenn dieser sich frei, offen und rückhaltlos offenbare.339 Dies sei indessen nur möglich, wenn der Anvertrauende nicht befürchten müsse, dass Tatsachen, die der andere kraft seines Berufes erfährt, an Dritte gelangen könnten.340 In jenen Ausführungen zeigt sich erneut die Situation jenes faktischen Zwanges, in der sich derjenige befindet, der den Rat des Anwalts benötigt. Das Ergebnis dieser Überlegungen ist, dass § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO in persönlicher Hinsicht den Rechtsratsuchenden schützen will. Das muss auch bei der Bestimmung des Sinn und Zwecks des Schutzes berücksichtigt werden. Dieser Befund bestätigt sich bei einer Heranziehung der Normalfall-Methode:341 Der typische Fall der Informationserlangung durch den Anwalt ist der des Mandantengesprächs. Wird der Anwalt durch jemanden konsultiert, der Hilfe in einer Rechtsangelegenheit benötigt, muss dieser im Gespräch mit dem Anwalt die maßgeblichen Tat­ sachen vortragen. Dies sind die tatsächlichen Gegebenheiten, die der Gesetzgeber seiner rechtspolitischen Entscheidung zur Gewährung eines Zeugnisverweigerungsrechts im Ursprung 1877 zugrunde gelegt hat.342 Nach alledem kann ein umfassender, zweckungebundener Schutz für jeden, dessen Informationen zum Anwalt gelangen, nicht der Sinn der Norm sein. Zwar mag man den Wortlaut so deuten, als weise er darauf hin. Allerdings ist es nicht ungewöhnlich, dass eine Vorschrift dem Wortlaut nach extensiver verstanden werden könnte, als es durch den Sinn und Zweck gerechtfertigt ist. (3) Hintergründe des Meinungsstreites Dass der Gedanke eines umfassenden Informations- oder auch Geheimnisschutzes in der Diskussion trotzdem immer wieder auftaucht, ist möglicherweise auf zwei Gründe zurückzuführen: Zum einen gibt es in der strafprozessualen Literatur eine Neigung, § 53 StPO analog zu § 203 StGB zu interpretieren. Neben einer leicht nachvollziehbaren Affinität der meisten Autoren des Strafprozessrechts zum materiellen Strafrecht mag das an der (vermeintlichen) Sachnähe beider Rechtsmaterien zueinander oder daran 339  BVerfGE

33, 367 (378). 38, 312 (323) über die verfassungsrechtliche Unbedenklichkeit der Versagung eines Zeugnisverweigerungsrechts für Tierärzte. 341  Zu dieser Figur der Rechtsmethodenlehre Haft, Einführung in das juristische Lernen, S.  113 ff. 342  Hahn / Stegemann, Materialien, S. 107. 340  BVerfGE

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

liegen, dass die beiden Normen sich in der Vergangenheit noch in ihrem persönlichen Geltungsbereich entsprachen. Zum anderen hat das BVerfG durch seine grundlegenden Entscheidungen zum Recht auf informationelle Selbstbestimmung das Fundament für einen umfassenden Informationsschutz gelegt. Dies gab Anstöße, das vorhandene Recht in Richtung eines umfassenden individualbezogenen Informationsschutzes neu zu betrachten. Dieser Tendenz ist für § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO entgegenzutreten. Weder lässt sich dies in Übereinstimmung mit den bisherigen Befunden bringen noch wäre es sinnvoll. Es stellte eine Los­ lösung von dem ursprünglich vom Gesetzgeber Beabsichtigten dar, wollte man mittels § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO in der StPO ein „allgemeines Daten- oder Informationsschutzrecht“ zu jedermanns Schutze im Gewand des anwaltlichen Zeugnisverweigerungsrechts installieren. Der Schutz der Anwalt-Mandant-Beziehung wäre dann nichts weiter als ein bloßer Anwendungsfall eines solchen umfassenden Informationsschutzes unter vielen. Dies entfernte sich so weit von der originären Intention der Privilegierung eines Ratsuchenden, dass ein Überwiegen des Informationsschutzbedürfnisses des Individuums gegenüber dem Strafverfolgungs- und Aufklärungsinteresse für diese Fälle beliebiger Dritter nicht mehr angenommen werden könnte. Dieser Gedanke ist grundlegend, seine Auswirkungen auf den weiteren Verlauf der Arbeit können nicht stark genug betont werden. Praktische Konsequenzen ergeben sich insbesondere für die Bestimmung der Entstehungsvoraussetzungen des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses und für die Entbindungsberechtigung.343 (4) Streitentscheidung Muss man daher alle der genannten Auffassungen so verstehen, dass richtigerweise die Interessen des Rechtsratsuchenden geschützt werden sollen,344 verliert der Meinungsstreit an Signifikanz. Zu entscheiden ist daher, ob man das Informationsschutzbedürfnis des Rechtsratsuchenden, dessen Vertrauen in die Verschwiegenheit des Anwalts oder das Kommunika­ tionsverhältnis zwischen diesen beiden als geschützt ansieht. Nicht zu folgen ist einem Ansatz, nach dem der Schutz der Informationen des Rechtsratsuchenden an sich primär von § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO bezweckt wird. Zu unterscheiden ist zwischen dem Sinn und Zweck einer Vorschrift und dem sachlichen Gegenstand des Schutzes, dem Schutzbereich 343  Siehe unter 2. Kapitel A. VI. 2. b); 2. Kapitel A. VI. 3.; 2. Kapitel B. II. 2. und 2. Kapitel B. IV. 1. b). 344  So für das Verteidiger-Beschuldigten-Verhältnis BGH StV 2011, 287 (288).



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“81

der Vorschrift. Das eine meint das „Ob“, den Grund, des Schutzes und definiert damit zugleich einen zu erreichenden Soll-Zustand. Das andere bezeichnet das „Wie“ des Schutzes, also die Art und Weise, wie er verwirklicht werden kann. Gegenständlich verwehrt § 53 StPO dem Staat den Zugriff auf Informationen, indem er dem Anwalt das Recht zur Zeugnisverweigerung gewährt. Daher ist Informationsschutz allein noch nicht Sinn und Zweck, sondern bezeichnet zunächst nur den gegenständlichen Schutzbereich der Norm. Gleiches gilt für den Schutz eines Kommunikationsverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant. Die Gewährung geschützter Kommunika­ tion allein beantwortet noch nicht, warum es ihrer bedarf. Auch sie ist bloßes Mittel zur Erreichung eines dahinter liegenden Zieles. In die richtige Richtung führt es, wenn man das Informationsschutzbedürfnis des Rechtsratsuchenden näher betrachtet und im Zusammenhang mit dem nachrangigen Schutzzweck der Funktionstüchtigkeit der Rechtspflege, dem allgemeinen Vertrauen in die Anwaltschaft, liest. Dies führt auf den Gedanken eines funktionalen Informationsschutzes zurück. Benötigt das Individuum Hilfe in seinen Rechtsangelegenheiten, muss es oft Informationen preisgeben, die es lieber im Geheimen hielte. Der Anwalt ist seinerseits auf die rückhaltlose Information durch den Rechtsratsuchenden angewiesen. Dieser wird sich aber nur äußern, wenn er sich sicher sein kann, dass die Informationen, die der Anwalt erfahren hat, nicht weitergegeben werden. Sinn des Zeugnisverweigerungsrechts wäre es danach, dass der Einzelne die Hilfe des Rechtsanwalts unbefangen in Anspruch nehmen kann, ohne Nachteile in Gestalt der Informationsweitergabe an die Strafverfolgungsbehörden befürchten zu müssen. Aus einem anderen Blickwinkel greift der Ansatz eines individuellen Vertrauensschutzes auf dieselbe Überlegung zur unbefangenen Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts zurück. Der Rechtsratsuchende soll darauf vertrauen können, dass der Rechtsanwalt dasjenige nicht weitergibt, das ihm der Rechtsratsuchende um der Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe willen offenbaren oder der Anwalt aufgrund der Konsultation sonst erfahren musste. Sonst würde der Rechtsratsuchende sich nicht für die anwaltliche Beratung entscheiden. Damit bildet der Schutz eines individuellen Vertrauens auf Verschwiegenheit das Korrelat zum allgemeinen Vertrauen in die Anwaltschaft. Deshalb geht die Kritik, die gegen den Gedanken eines individuellen Vertrauensschutzes vorgebracht wird, zum Teil an der Sache vorbei. Zuerst schon deshalb, weil es verkürzt wäre, „Vertrauen“ nur auf Tatbestandsebene im Zusammenhang mit dem konkreten vertraulichen Kommunikationsakt zu sehen. Die Fassung des § 53 Abs. 1 StPO vor 1953 mag ein solches Verständnis nahe gelegt haben, allerdings handelte es sich dabei lediglich um

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

eine Beschreibung des sachlichen Schutzbereichs und nicht um eine Bestimmung des Telos der Vorschrift. Ebenso ins Leere läuft die Kritik, wenn auf ein „typisches Vertrauen“ abgestellt werde, stelle das ein fiktives Schutzgut dar. Auch dies bleibt zu sehr am sachlichen Schutzbereich haften. Es geht nicht darum, konkretes oder typisches Vertrauen zu schützen, sondern darum, in Verbindung mit der Berufsfreiheit des Anwalts und dem Kollektivinteresse des allgemeinen Vertrauens in die Verschwiegenheit der Anwaltschaft betrachtet, dass der Einzelne in der konkreten Beratungssituation auf die Verschwiegenheit des Rechtsberaters vertrauen können soll. Ob er dies im Einzelfall tatsächlich tut, etwa wenn ihm ein Pflichtverteidiger zur Seite gestellt wird, dem angeblich weniger oder gar kein Vertrauen entgegengebracht wird, ist dagegen nicht maßgeblich. Dass der Einzelne die Hilfe des Anwalts unbefangen in Anspruch nehmen kann ohne die Sorge, Informationen könnten an den Staat gelangen, und dass er in die Verschwiegenheit des Anwalts vertrauen können soll, sind allerdings sehr verwandte Gesichtspunkte. Denn beide adressieren den natürlichen Wunsch des Rechtsratsuchenden nach Diskretion, soll er sich dem Rechtsberater öffnen, um wirksame Hilfe zu erhalten. Das Begehren des Ratsuchenden, die Informationen, die dem Anwalt zur Kenntnis gelangt sind, mögen auch bei diesem bleiben und die Erwartung, der Anwalt werde über das Erfahrene schweigen, sind kaum voneinander zu trennen. Der eine Ansatz nimmt stärker die Information in den Blick und deren Nichtgelangen an Dritte. Der andere fokussiert die Erwartung des Rechtsratsuchenden, wie der Anwalt mit dem Erfahrenen umgehen werde. Man könnte daher von einem eher informationsbezogenen und einem eher verhaltensbezogenen Ansatz sprechen. Im Kontext des § 53 StPO hängt beides jedoch untrennbar zusammen: Sollen die Informationen nicht an die Ermittlungsbehörden gelangen, muss der Anwalt schweigen (dürfen). Soll der Anwalt der Verhaltenserwartung des Ratsuchenden entsprechen, muss er den Strafverfolgungsbehörden das Erfahrene vorenthalten (dürfen). In der Situation der Vernehmung des Rechtsanwalts als Zeuge bedingen die Verhaltenserwartung der Nichtweitergabe von Informationen und die Vermeidung der Informationserlangung durch die Ermittlungsbehörden einander. Ein Grund, dennoch ein verhaltensbezogenes Verständnis vorzuziehen, folgt aus dem Charakter des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO: Weil die Vorschrift ein Recht des Anwalts begründet, liegt es näher, einen Ansatz vorzuziehen, der stärker an die Person des Rechtsanwalts anknüpft als an einen Zustand. Im Zusammenhang des § 53 StPO ist dies die Erwartung, der Anwalt werde Verschwiegenheit wahren, von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen und nicht aussagen. Zudem spricht ein normsystematischer Vergleich von §§ 52, 53 StPO mit § 55 StPO für den Schutz eines Vertrauensverhältnisses in diesem Sinne zwischen Anwalt und Ratsuchendem: Allein



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“83

§ 55 StPO orientiert sich am Inhalt der Frage, auf die der Zeuge die Auskunft verweigern kann. Für die Zeugnisverweigerungsrechte ist der Vernehmungsgegenstand hingegen irrelevant.345 Auch andere Vorschriften (§§ 97 Abs. 1, 100c Abs. 6 S. 1 HS. 1 StPO) zum Schutz der Anwalt-MandantBeziehung knüpfen nicht an die Inhalte, sondern lediglich an die Eigenschaft des Zeugnisverweigerungsberechtigten an.346 Hieraus ist zu schließen, dass nicht der Gedanke des Informationsschutzes, sondern der Schutz des Verhältnisses zwischen Anwalt und Mandant im Zentrum steht. Ferner fügt sich dies mit der weiten Auslegung des Begriffs „bekanntgeworden“ zusammen, wonach auch eigene Äußerungen des Rechtsanwalts vom Zeugnisverweigerungsrecht erfasst sind.347 Der BGH begründet diese Interpretation in seinem Urteil wie folgt: Nur so werde das durch § 53 StPO geschützte Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem in seinem Wesensgehalt erfasst; denn der Schutz wäre unvollkommen, wenn die vertrauliche Aussprache zwischen Verteidiger und Mandant zerlegt werden könnte in die Äußerungen des einen und des anderen Teils, weil aus den Äußerungen der Vertrauensperson auf den Inhalt des ihr Bekanntgewordenen oder Anvertrauten geschlossen werden könnte.348 Dies verdeutlich erneut, dass der Informationsschutzgedanke zum einen zu weit und zum anderen zu kurz greift: Er greift zu weit, weil er personal über die Beziehung zwischen Anwalt und Rechtsratsuchendem hinausreicht. Zu kurz greift er, da er sachlich die Information an sich fokussiert, nicht aber das Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant erklären kann. In dieser Hinsicht ist das Erklärungsmodell eines individuellen Vertrauensverhältnisses überlegen. Bestätigung findet dies ferner in verfassungsrechtlicher Hinsicht: Es zeigt sich in der Unterscheidung zwischen einem informations- und einem verhaltensbezogenen Ansatz die Unterscheidung, die bereits zwischen (absolutem) Kernbereichsschutz und (relativem) Schutz des Vertrauensverhältnisses innerhalb des Rechts auf Privatsphäre ausgemacht wurde. Letzteres stellt nicht allein die Information, sondern die an eine Verschwiegenheitserwartung gekoppelte Kommunikation von Informationen zwischen Anwalt und Mandant in den Vordergrund.349 Informationsschutz erscheint nach letzterer Auffassung der Sache nach als der Schutz von Kommunikation, welche die 345  Beulke,

FS-Achenbach, S. 39 (53). anderes gilt für § 160a Abs. 1 StPO, der an „Erkenntnisse“ und damit an Informationen anknüpft. 347  BGH, Urt. v. 20.12.1977 – 1 StR 287 / 77, Rz. 17, zitiert nach juris. Siehe auch bei Holtz, MDR 1978, 279 (281). 348  BGH, Urt. v. 20.12.1977 – 1 StR 287 / 77, Rz. 17, zitiert nach juris. Siehe auch bei Holtz, MDR 1978, 279 (281). 349  Siehe unter 2. Kapitel A. I. 1. a) dd) (1). 346  Etwas

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

Übermittlung von Informationen ist. Diese Ausrichtung zum Schutze des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses wurde ebenso für Art. 8 Abs. 1 EMRK erkannt.350 Dem lässt sich nicht entgegenhalten, eine solche Verschwiegenheitserwartung des Ratsuchenden könne § 53 StPO selbst nicht rechtfertigen, denn der Rechtsratsuchende könne den Anwalt nicht dazu zwingen, sein Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch zu nehmen. Dieses Argument läuft auf die Aussage hinaus, § 53 StPO sei nicht in der Lage, eine Erwartungshaltung des Mandanten zu rechtfertigen, weil die Vorschrift als Recht ausgestaltet ist und sich in der StPO keine entsprechende Schweigepflicht des Anwalts findet. Zutreffend wird damit implizit eingeräumt, dass derjenige, der sich an einen Anwalt wendet, aufgrund des Standesethos der Anwaltschaft der Verschwiegenheit des Rechtsberaters a priori Vertrauen entgegenbringt. Richtig ist hingegen auch, dass ein allein auf das Selbstverständnis einer Berufsgruppe gründendes Vertrauen rechtlich noch nicht schützenswert ist. Allerdings ist der Regelungszusammenhang zu beachten, in dem § 53 StPO steht: Eine Schweigepflicht findet sich in § 203 StGB, § 43a Abs. 2 BRAO, § 2 BORA und ergibt sich ferner aus dem zivilrechtlichen Anwaltsvertrag nach § 241 Abs. 2 BGB.351 Auf das rechtmäßige Verhalten des Berufsgeheimnisträgers darf der Rechtsratsuchende aber ohne weiteres vertrauen.352 Als Ergebnis ist daher festzuhalten, dass § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO dem Einzelnen die unbefangene Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe ermöglichen will, indem er gewährleistet, dass der Rechtsratsuchende darauf vertrauen können soll, dass der Rechtsanwalt (auch) bei einer Vernehmung im Strafverfahren über die erlangten Informationen schweigen darf. Fraglich bleibt aber, ob es sich dabei nicht strenggenommen um zwei verschiedene Schutzzwecke im Sinne zweier Gestaltungsziele handelt. Allerdings hängt die unbefangene Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts mit dem Vertrauen in dessen Verschwiegenheit untrennbar zusammen. Denn Vertrauen in die Verschwiegenheit des Anwalts liegt der unbefangenen Inanspruchnahme, d. h. der rückhaltlosen Informationsweitergabe, logisch voraus.353 Deshalb liegt es näher, von einem gestuften Zweckverhältnis auszugehen. Um das Ziel der unbefangenen Informationsweitergabe an den Rechtsanwalt zu erreichen, soll der Rechtsratsuchende in die Verschwiegenheit des Rechtsberaters vertrauen können. Die unbefangene Inanspruchnahme anwaltlicher 350  Siehe

unter 2. Kapitel A. II. 3. 109, 260 (268 ff.); zum zivilrechtlichen Anwaltsvertrag: MüKo / BGB /  Heermann, § 675  Rn. 30. 352  So auch Städler, Entbindungsberechtigung, S. 97. 353  Ebenso Krause, FS-Dahs, S. 349 (368). 351  BGHZ



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“85

Hilfe ist darum das Fernziel, die Absicherung von Vertrauen in die Verschwiegenheit des Anwalts das Nahziel der Norm. Dies fügt sich mit den weiteren Schutzzwecken zusammen, die für § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO festgestellt wurden. Soweit die Vorschrift die unbefangene Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe und das Vertrauen in die Verschwiegenheit im Interesse des Rechtsratsuchenden gewährleisten soll, fördert dies zugleich die Berufsausübungsfreiheit des Anwalts und das allgemeine Vertrauen in eine verschwiegene Anwaltschaft. Deshalb kann mit der überwiegenden Meinung am Schutz eines individuellen Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Rechtsratsuchendem festgehalten werden. Zu ergänzen ist lediglich, dass die Gewährleistung individuellen Vertrauens im Zusammenhang mit der unbefangenen Inanspruchnahme anwalt­ licher Hilfe gedacht werden muss. Soweit die im Rangverhältnis stehenden Zwecke des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO im Übrigen nicht im Widerspruch zueinander stehen, soll im Abschnitt über den eigenen Entwurf versucht werden,354 unter dem Konzept „Vertrauensverhältnis“ die im Verfassungsrecht ausgemachten Wurzeln der Anwalt-Mandant-Beziehung mit den Zwecken des Zeugnisverweigerungsrechts für Anwälte zusammenzuführen.355 b) Umfang des Zeugnisverweigerungsrechtes § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO räumt dem Rechtsanwalt ein Zeugnisverweigerungsrecht über Informationen aller Art ein („über das, was“); Beschränkungen, wie in § 203 StGB, sind dem Wortlaut nicht zu entnehmen.356 Modal vollzieht sich die Informationserlangung durch den Berufsangehörigen entweder als Anvertrauen oder als Bekanntwerden. Anvertrauen verlangt eine Informationsübermittlung samt zumindest konkludent geäußerter Verschwiegenheitserwartung,357 stellt sich folglich als ein zweiseitiger Kom­ munikationsvorgang zwischen Anvertrauendem (= Sender) und Berufsträger (= Empfänger) dar. Anvertrauender in diesem Sinne muss nicht der Mandant bzw. Klient des Berufsangehörigen und auch nicht derjenige sein, den die 354  Siehe

unter 2. Kapitel B. Gedanke deutet sich bei LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 1 an, die im Schutz des Vertrauensverhältnisses bereits begrifflich den Schutz des Geheimnisträgers eingeschlossen sehen. Vgl. Rengier, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 10 zu § 52 StPO. 356  So LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 17; Welp, FS-Gallas, S. 391 (399); a.  A. LK / StGB / Schünemann, § 203 Rn. 9: § 53 StPO erfasse nur Geheimnisse im Sinne von § 203 StGB. 357  RGSt 66, 273 (274); OLG Köln NStZ 1983, 412 (412); Meyer-Goßner, § 53 Rn. 8. 355  Dieser

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

anvertraute Information betrifft.358 Denkbar sind daher Konstellationen, in denen Mandant, Anvertrauender und Informationsbetroffener nicht personenidentisch sind. Demgegenüber meint Bekanntwerden jede sonstige Kenntnisnahme von der Information, etwa durch eigene Ermittlungstätigkeit,359 bezeichnet somit eine einseitige Informationserlangung ohne Zutun eines anderen (im Sinne eines Anvertrauens). Um den Anwendungsbereich des § 53 StPO in Mehrpersonenverhältnissen nicht ausufern zu lassen, finden sich im Schrifttum vereinzelt Ansichten, die nur solche Kenntnisse von § 53 StPO erfasst sehen, die dem Berufsangehörigen im Rahmen einer typischerweise auf Vertrauen beruhenden Sonderbeziehung zu dem Informationsbetroffenen360 oder zu dem Informanten bekanntgeworden sind;361 dem steht nach überwiegender Auffassung allerdings der Auffangcharakter des Tatbestandsmerkmals entgegen.362 Nach der Situation der Informationserlangung („in Eigenschaft“) erstreckt sich § 53 StPO lediglich auf solche Tatsachen, die dem Berufsträger bei der Berufsausübung anvertraut oder bekanntgeworden sind. Dies schließt eine Erlangung nur gelegentlich der Berufsausübung, also mit dieser nur im mittelbaren Zusammenhang stehend, aus.363 Nicht ausreichend ist daher, wenn der Berufsgeheimnisträger die Kenntnis in einer anderen Funktion erlangt. Beispielhaft ist an einen Rechtsanwalt als Aufsichtsratsmitglied einer AG364 oder als Insolvenzverwalter365 zu denken. In zeitlicher Hinsicht erfasst § 53 StPO auch Kenntnis über solche Tatsachen, die aus der Anbahnungsphase des Beratungsverhältnisses stammen. Schweigen darf ein Anwalt daher bereits über den bloßen Antrag eines Mandats und über die Person des Antragenden selbst dann, wenn kein Mandatsverhältnis zustande kommt.366 c) Entbindung von der Schweigepflicht Wird der Rechtsanwalt dagegen von seiner Verschwiegenheitspflicht entbunden, muss er nach § 53 Abs. 2 S. 1 StPO aussagen, ohne hierdurch das SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 62. Köln NJW 2000, 3656 (3657); LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 17. 360  Stucke, Berufliche Schweigepflicht, S.  45 ff. 361  Goll, Offenbarungsbefugnisse, S. 167 f. 362  Offengelassen von BGHSt 33, 148 (151). Ausführlich zum Meinungsstreit SK / StPO / Rogall,  § 53 Rn. 63; Schreiner, Drittgeheimnisse, S. 47 ff. 363  So BGHSt 33, 148 (150); Meyer-Goßner, §  53 Rn.  7; SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 60. 364  OLG Celle NJW 1983, 1573 (1573). 365  LG Ulm NJW 2007, 2056 (2056). 366  BGH NStZ 1985, 372 (372); Meyer-Goßner, § 53 Rn. 7. 358  So

359  OLG



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“87

Vertrauensverhältnis mit dem Anvertrauenden zu verletzen.367 Umstritten ist, wer zur Abgabe der Entbindungserklärung berechtigt ist. Hierauf geben Rechtsprechung und Literaturstimmen unterschiedliche Antworten. Im Wesentlichen stehen sich die Vertreter zweier Strömungen gegenüber: Die einen fokussieren die Frage, wen die dem Berufsträger zur Kenntnis gelangten Informationen betreffen,368 mithin wessen „Geheimnissphäre“ ein dem Berufsträger anvertrauter oder bekanntgewordener Umstand entstammt. Die Gegenauffassung hält die Beteiligung am Vertrauensverhältnis369 oder, va­ riierend, die Beteiligung am Kommunikationsverhältnis370 für wesentlich. Nur wenige Stimmen vertreten alternative Konzepte. aa) Alleinige Entbindungsberechtigung des Informationsbetroffenen Einige Vertreter im Schrifttum und in der Rechtsprechung findet die Ansicht, der „Träger des Geheimhaltungsinteresses“, der Informationsbetroffene, sei zur Abgabe der Entbindungserklärung berechtigt.371 Dies ist derjenige, der durch eine Weiterverbreitung der dem Rechtsanwalt anvertrauten oder bekannt gewordenen Informationen in seinen Persönlichkeits- oder Vermögensinteressen beeinträchtigt werden könnte.372 Sind dies mehrere Personen, so muss die wirksame Entbindungserklärung von jeder abgegeben werden.373 Vertraut etwa die Ehefrau des Mandanten dem Rechtsanwalt Informationen über ihren Ehemann an, die sie für die Rechtsberatung als wichtig erachtet, könnte nicht die Frau, sondern nur der von der Informa­tion betroffene Mann die Entbindung wirksam erklären.374 Die Person des Anvertrauenden ist dagegen ohne Belang. Wenn sie eine Begründung für diese Lösung angeben, verweisen ihre Vertreter zumeist auf den Sinn und Zweck von § 53 StPO, den sie primär im Informationsschutzinteresse des Klienten 367  OLG

Oldenburg NJW 2004, 2176 (2176). Hamburg NJW 1962, 689 (691); LG Bonn NStZ 2012, 712 (713); KK / StPO / Senge, §  53 Rn.  46; SK / StPO / Rogall, § 53  Rn. 196. 369  In diese Richtung weisen die Entscheidungen OLG Celle wistra 1986, 83 (83); OLG Düsseldorf wistra 1993, 120 (120); OLG Koblenz AG 1988, 342 (348); OLG Schleswig NJW 1981, 294 (294); LG Saarbrücken wistra 1995, 239 (239); AG Berlin-Tiergarten wistra 2004, 319 (319); deutlich hingegen Dahs, FS-Kleinknecht, S. 63 (73 f.); Dierlamm, FS-DAV, S. 428 (436 f.); Krause, FS-Dahs, S. 349 (367); Grünwald, Beweisrecht, S. 29. 370  Schmitt, wistra 1993, 9 (10); Huber-Lotterschmid, Verschwiegenheitspflichten, 88 f. 371  OLG Hamburg NJW 1962, 689 (691); KK  /  StPO  /  Senge, § 53 Rn. 46; SK / StPO / Rogall, § 53  Rn. 196. 372  Rogall, NStZ 1983, 1 (4 ff.). 373  KK / StPO / Senge, §  53 Rn.  47; SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 196. 374  Siehe KK / StPO / Senge, § 53 Rn. 46. 368  OLG

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

sehen.375 Infolge dieses Verständnisses entscheidet die Zuordnung einer Information zur Sphäre eines Individuums über die Entbindungsberechtigung. bb) Beteiligung am Vertrauensverhältnis Manche Vertreter in der Lehre halten die Beteiligung am Vertrauensverhältnis zur Bestimmung des Entbindungsberechtigten für maßgeblich.376 In diese Richtung weist auch eine Reihe von Entscheidungen der Rechtsprechung, in der die befindenden Gerichte, wenn auch in unterschiedlich starkem Maße, ihre Präferenz dieses Ansatzes erkennen lassen.377 Anwendungsfall dieser Meinung ist die Bestimmung der Entbindungsberechtigung in Fällen, in denen das zivilrechtliche Mandatsverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und einer juristischen Person besteht, für die die Mitglieder ihrer Organe gegenüber dem Anwalt auftreten. Auf Grundlage ihres Verständnisses von Vertrauensverhältnissen, in welchem dem personalen Element entscheidende Bedeutung zukommt,378 sehen die Vertreter dieser Strömung stets auch die handelnden natürlichen Personen als Träger des Vertrauensverhältnisses und daher als zur Entbindung des Anwalts von seiner Schweigepflicht neben der juristischen Person als berechtigt an.379 Als Begründung hierfür verweisen ihre Vertreter auf den Normzweck von § 53 StPO, den sie im Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant als den Schutz eines Vertrauens- und Kommunikationsverhältnisses sehen. Dieser sei nur gewährleistet, wenn der Anvertrauende, und dies seien faktisch bedingt nur natürliche Personen, darauf vertrauen könne, dass die mitgeteilten Sachverhalte diskret und vertraulich behandelt und nicht ohne seine Zustimmung an andere weitergegeben werden dürften.380

375  So SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 10; Städler, Entbindungsberechtigung, S. 155, 187. Anders aber KK / StPO / Senge, § 53 Rn. 1. 376  Dahs, FS-Kleinknecht, S.  63 (73  f.); Dierlamm, FS-DAV, S. 428 (436  f.); Krause, FS-Dahs, S. 349 (367); Grünwald, Beweisrecht, S. 29. 377  Siehe OLG Celle wistra 1986, 83 (83); OLG Düsseldorf wistra 1993, 120 (120); OLG Koblenz AG 1988, 342 (348); OLG Schleswig NJW 1981, 294 (294); LG Saarbrücken wistra 1995, 239 (239); AG Berlin-Tiergarten wistra 2004, 319 (319). 378  Deutlich OLG Celle wistra 1986, 83 (83); OLG Düsseldorf wistra 1993, 120 (120); OLG Koblenz AG 1988, 342 (344); AG Bonn NJW 2010, 1390 (1390); Dahs, FS-Kleinknecht, S. 63 (74); Dierlamm, FS-DAV, S. 428 (436 f.); Krause, FS-Dahs; S.  349 (367 f.). 379  Dahs, FS-Kleinknecht, S. 63 (74); Dierlamm, FS-DAV, S. 428 (444); Krause, FS-Dahs, S. 349 (377). 380  Dierlamm, FS-DAV, S. 428 (440).



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“89

cc) Beteiligung am Kommunikationsverhältnis Andere Autoren sehen die Beteiligung am Kommunikationsverhältnis als maßgeblich an.381 Nach dieser Auffassung ist es unwesentlich, aus wessen Sphäre eine Information stammt, d. h. wer von dieser betroffen ist. Der Mandant verfügt über die alleinige Entbindungsbefugnis über alle Tatsachen, die der Rechtsanwalt durch die Beziehung zu ihm erfahren hat. Hieraus folgt auch die Verfügungsbefugnis des Klienten über sensible Informationen Dritter, die er dem Rechtsanwalt anvertraut hat.382 Umgekehrt ist der Anvertrauende nicht entbindungsbefugt, wenn der, der von den preisgegeben Infor­ mationen betroffen ist, selbst Klient des Rechtsanwalts ist und die diesen betreffenden Umstände im Hinblick auf dessen Klientenstellung anvertraut wurden.383 Hinsichtlich der Entbindungsbefugnis juristischer Personen differenzieren die Stimmen dieser Strömung: Zum Teil werden ausschließlich die für die juristische Person handelnden Organmitglieder für verfügungsbefugt gehalten,384 andere differenzieren nach dem Verfahrensstatus der Organmitglieder und billigen diesen die Entbindungsberechtigung nur zu, wenn sie selbst Beschuldigte eines Strafverfahrens sind.385 Zu dieser Auffassung gelangen ihre Vertreter mit der Begründung, dass § 53 StPO nicht dem Interesse des Individuums am Schutz seiner Informationen dient, sondern die unbefangene Kommunikation zwischen Rechtsberater und Klient gewährleisten soll: Der Rechtssuchende soll durch die Inanspruchnahme professioneller Hilfe keinen Nachteil erleiden. Einen solchen Nachteil gerade durch die Inanspruchnahme der anwaltlichen Hilfe erleidet aber nur derjenige, der in seiner Person die Rechtsberatung des Anwalts o. ä. erhält.386 Hieraus folgt für Organmitglieder, dass gerade sie vor Nachteilen durch die Inanspruchnahme des Rechtsberaters geschützt werden müssen, wenn den juristischen Personen optimale Hilfe zukommen soll. Denn die maßgeblichen Tatsachen wird der für die juristische Person Handelnde nur offenlegen, wenn er selbst nicht befürchten muss, dass der Anwalt verpflichtet wäre, in einem gegen ihn gerichteten Strafverfahren über seine Auskünfte zu berichten.387 Andere rücken den am Schutzzweck des § 53 StPO orientierten Normalfall in den Fokus, indem sie auf die spezifische Schutzbedürftigkeit des Rechtsratsuchenden abstellen, 381  Schmitt, wistra 1993, 9 (10); Huber-Lotterschmid, Verschwiegenheitspflichten, 88 f.; Schmitt, Die Berücksichtigung der Zeugnisverweigerungsrechte, S. 144. 382  Schmitt, Die Berücksichtigung der Zeugnisverweigerungsrechte, S. 144. 383  Schmitt, Die Berücksichtigung der Zeugnisverweigerungsrechte, S. 144. 384  Schmitt, wistra 1993, 9 (11). 385  Huber-Lotterschmid, Verschwiegenheitspflichten, S.  98 f. 386  Schmitt, wistra 1993, 9 (10). 387  Schmitt, wistra 1993, 9 (10); Huber-Lotterschmid, Verschwiegenheitspflichten, S. 98.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

dem die bedenkenlose Inanspruchnahme sachlicher Hilfe ermöglicht werden soll. Daher müsse auch ihm die Entbindungsbefugnis zugesprochen werden, denn nur um seine Sicherung gehe es.388 dd) Differenzierung nach Verfahrensstatus Andere Autoren differenzieren nach dem Verfahrensstatus des Anvertrauenden: Hat ein Nichtbeschuldigter dem Rechtsanwalt Informationen über Dritte anvertraut, steht allein demjenigen die Entbindungsberechtigung zu, den die fraglichen Informationen betreffen.389 In dieser Konstellation besteht daher Kongruenz mit der unter aa) vorgestellten Meinung. Hat hingegen der Beschuldigte dem Rechtsanwalt Informationen über Dritte anvertraut, so können sowohl der Beschuldigte als auch der Dritte den Zeugnisverweigerungsberechtigten wirksam von der Schweigepflicht entbinden.390 Sofern ihre Vertreter überhaupt Argumente angeben, führen sie für ihre Auffassung an, dass der Beschuldigte die vertraulichen Tatsachen jederzeit selbst offenbaren könnte. Die Forderung nach einer Entbindungserklärung des Geheimnisgeschützten wäre daher sinnlos.391 ee) Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter /  Vertrag zugunsten Dritter In jüngster Zeit finden sich Auffassungen, die zur Bestimmung der Entbindungsberechtigung die Grundsätze des zivilrechtlichen Vertrages zugunsten Dritter sowie des Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter heranziehen.392 Den Anwendungsfall ihrer Lösung sehen die Vertreter dieser Meinungsströmung in der Situation der Beauftragung eines Anwalts durch eine juristische Person, in der streitig ist, ob (auch) die Mitglieder der Organe als natürliche Personen verfügungsbefugt sind. Eine eigenständige Entbindungsberechtigung steht den Mitgliedern der Organe juristischer Personen danach zu, wenn sie Begünstigte eines (echten) Vertrages zugunsten Dritter sind, d. h. der zwischen Anwalt und juristischer Person geschlossene Anwaltsvertrag ihnen eigene Erfüllungsansprüche einräumt.393 Eine 388  So

formuliert Grünwald, Beweisrecht, S. 29. § 53 Rn. 37; LR24 / Dahs, § 53 Rn. 62; Meyer-Goßner, § 53

389  KMR / Neubeck,

Rn. 46. 390  KMR / Neubeck, § 53 Rn. 37; LR24 / Dahs, § 53 Rn. 62; Meyer-Goßner, § 53 Rn. 46. 391  LR24 / Dahs, § 53 Rn. 62. 392  So Bittmann, wistra 2012, 173 (175). 393  Bittmann, wistra 2012, 173 (175). Allgemein zu den Rechtswirkungen des Vertrags zugunsten Dritter siehe Jauernig / Stadler, § 328 Rn. 2.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“91

andere Auffassung erwägt eine Verfügungsbefugnis der Organmitglieder, wenn der Anwaltsvertrag zwischen Rechtsanwalt und juristischer Person Schutzwirkung zu ihren Gunsten entfaltet.394 Angelehnt an die unter bb) vorgestellte Auffassung gehen Autoren, die eine Parallele zum Vertrag zugunsten Dritter ziehen, von einem eigenständigen Vertrauensverhältnis zwischen Organmitglied und Anwalt nur aus, wenn das Organmitglied eigenes personales Vertrauen investiert. Dies sei aber nur der Fall, wenn das Organmitglied nicht lediglich die Ansprüche der juristischen Person in deren Namen geltend mache, sondern allein dann, wenn der Rechtsberater auch die eigenen Interessen des Organmitglieds wahrzunehmen habe und dieses von dem Rechtsanwalt mehr fordern könne als der Rechtsberater im Verhältnis zur juristischen Person schulde. Letzteres sei aber nur gegeben, wenn dem Organmitglied eigene Erfüllungsansprüche gegen den Rechtsanwalt zustünden, mithin zivilrechtlich ein (echter) Vertrag zugunsten Dritter vorliege. In der Folge sei für eine wirksame Entbindung des Anwalts von der Schweigepflicht eine Erklärung sowohl der juristischen Person als auch der Organmitglieder nötig.395 Ob ein solcher (echter) Vertrag zugunsten Dritter vorliegt, als dessen Rechtsfolge der Dritte ein eigenes Forderungsrecht gegen den Versprechenden, den Schuldner der Leistung, erwirbt, ist eine Frage der Auslegung nach § 328 Abs. 2 BGB. Maßgeblich hierfür sind insbesondere der Zweck der Vereinbarung, ihr typischer Inhalt sowie alle sonstigen Umstände des Einzelfalls.396 Nach anderer Auffassung kommt eine Entbindungsberechtigung (auch) der Organmitglieder in Betracht, wenn diese in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages einbezogen sind. Ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter kommt zustande, wenn der Dritte bestimmungsgemäß mit der Hauptleistung des Schuldners in Berührung kommt (Leistungsnähe) und der Gläubiger ein schutzwürdiges Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Vertrages hat (Gläubigernähe). Zudem muss dem Schuldner als dem Schutzpflichtigen die Einbeziehung des Dritten in sein vertragliches Haftungsrisiko erkennbar (Erkennbarkeit) sowie der Dritte für diese Haftungserstreckung selbst schutzwürdig sein (Schutzbedürftigkeit).397 Diese Voraussetzungen seien beispielsweise erfüllt, wenn eine juristische Person einen Rechtsanwalt beauftrage, dazu Stellung zu nehmen, ob in der konkreten wirtschaftlichen Lage ein Insolvenzantrag zu stellen sei, auch um 394  Diesen Gedanken legen nahe Krause, FS-Dahs, S. 349 (374); Bittmann, wistra 2012, 173 (174); Wacker, DStR 2013, 64 (64). Aus der zivilrechtlichen Literatur Nassall, KTS 1988, 633 (647, 649). Allgemein zu den Rechtswirkungen des Vertrags mit Schutzwirkung zugunsten Dritter siehe Jauernig / Stadler, § 328 Rn. 19. 395  Bittmann, wistra 2012, 173 (174 f.). 396  Hierzu Beck / OK / BGB / Janoschek, § 328 Rn. 23. 397  Zu den Voraussetzungen siehe BGHZ 133, 168 (173); 181, 12 (12).

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

eine zivil- wie strafrechtliche Haftung der Organmitglieder zu vermeiden.398 Als Rechtsfolge der Einbeziehung in die Schutzwirkung des Anwaltsvertrages können die Organmitgliedern von dem Anwalt im Falle einer fehlerhaften Auskunft und dadurch bedingter verspäteter Antragsstellung die Freistellung von ihrer persönlichen Haftung nach § 64 S. 1 GmbHG verlangen.399 Folglich sei in diesem Fall ein Interesse der juristischen Person, der Vertragspartnerin des Rechtsanwalts, am persönlichen Schutz der Organmitglieder gegeben, das ebenso für die strafprozessuale Entbindungsberechtigung Berücksichtigung finden müsse.400 d) Ergebnis § 53 StPO schützt das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant zur Gewährleistung von Vertrauen zum Zwecke der unbefangenen Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe. Die Ausführungen zeigten, dass § 53 StPO ebenso auf einen Zusammenhang strafprozessualer Vertrauensverhältnisse mit Informationsaustausch und einer Sphäre geschützter Kommunikation zumindest zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten hinweist. Insofern schließt sich der Kreis, denn in den Überlegungen zum Schutzzweck der Vorschrift finden sich die im Verfassungsrecht ausgemachten Linien wieder: Das Zeugnisverweigerungsrecht gewährleistet auf einfachgesetzlicher Ebene, dass sich der Mandant dem Anwalt öffnet, ohne die Sorge vor zwangsweiser Offenbarung der Informationen, die dem Anwalt bekannt geworden sind (1.), ermöglicht diesem damit zugleich die Ausübung seines Berufes (2.) und trägt dem Allgemeininteresse an einer verschwiegenen Anwaltschaft Rechnung (3.). § 53 StPO gibt ebenfalls Aufschlüsse über den sachlichen Schutzbereich des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses. Sachlich verhindert das Zeugnisverweigerungsrecht des Anwalts den staatlichen Zugriff auf Informationen. Wie sich zeigte, ist es dem Staat allerdings keineswegs verwehrt, an die Informationen, die der Mandant dem Anwalt mitgeteilt hat, auf andere Weise zu gelangen, etwa durch Zwangsmaßnahmen nach §§ 81 f., 94 StPO beim Beschuldigten, solange diese nicht dem Kernbereich des Allgemeinen 398  Bittmann, wistra 2012, 173 (175). Die Maßgeblichkeit des Inhalts des Mandatsverhältnisses betonen auch Peters / Klingenberg, ZWH 2012, 11 (15), wenngleich sie eine Anlehnung der Entbindungsberechtigung an die Grundsätze des zivilrecht­ lichen Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte ablehnen. 399  Krause, FS-Dahs, S. 349 (374). 400  In diese Richtung gehen die Überlegungen von Bittmann, wistra 2012, 173 (175), der sich auf die zivilrechtliche Rechtsprechung stützt. Im Ausgangspunkt ebenfalls Nassall, KTS 1988, 633 (650).



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“93

Persönlichkeitsrechts zuzuordnen sind.401 Deshalb geht es bei § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO und dem Schutz von Vertrauensverhältnissen im Ergebnis nicht darum, dem Staat bestimmte Informationen generell zu entziehen, sondern ihn diese nicht aus dem Mund des Rechtsanwalts bzw. – mit Blick auf § 97 StPO – aus dessen Akten erfahren zu lassen. Informationsschutz wird vielmehr allein im Zusammenhang mit der und im Hinblick auf die Kommunikationsbeziehung gewährt. Verwehrt bleiben soll dem Staat nur der Zugriff auf die Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant sowie die (einzelnen Informationen als) Kommunikationsinhalte.402 Bildlich gesprochen geht es auch hier um die Herstellung einer Sphäre geschützter Kommunikation zwischen dem Anwalt und seinem Mandanten und es sind die im Rahmen derer ausgetauschten Informationen, die abgeschirmt werden sollen, um der Förderung des Informationsaustausches zwischen Anwalt und Mandant willen. Ein bloßes Abstellen auf Gesichtspunkte wie Informationsschutz oder Geheimhaltungsinteressen greift daher für sich genommen zu kurz und lässt überdies die Belange des Anwalts und der Allgemeinheit unberücksichtigt. Dies verändert den Blick auf das Vertrauensverhältnis, so wie es durch die StPO insgesamt geschützt werden soll. Wurde bei der Erörterung des Telos der Vorschrift der bloße Schutz eines Kommunikationsverhältnisses verworfen, kann er für die Beschreibung des sachlichen Schutzbereiches des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses herangezogen werden: Danach liegt es nahe, den Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant dem sachlichen Schutzbereich nach als den Schutz von Informationen innerhalb eines Kommunikationsverhältnisses zwischen den Beteiligten zu denken.403 Dahinter steht der Gedanke, dass der Hilfsbedürftige Vertrauen in die Verschwiegenheit des Berufsträgers über die Informationen haben soll, die diesem mitgeteilt oder bekannt wurden. Im Kontext des § 53 StPO ist dies die Erwartung, dass sich der Berufsträger auf sein Zeugnisverweigerungsrecht beruft und nicht aussagt; denn zur Aussage gezwungen werden (vgl. § 70 StPO) kann er nicht. Dies fügt sich zusammen mit den Ausführungen des BVerfG zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht als Recht auf Achtung der Privatsphäre des Hilfesuchenden:404 Diesem darf aus der die Informationspreisgabe er401  Schmitt,

Die Berücksichtigung der Zeugnisverweigerungsrechte, S. 123. verwehrt § 53 StPO nicht den Zugriff auf den laufenden, sondern nur auf den abgeschlossenen Kommunikationsvorgang, so wie er im Kopf des Rechtsanwalts „gespeichert“ ist. Den gegenwärtigen Informationsaustausch als Gespräch schützen etwa § 100c Abs. 6 StPO und § 148 Abs. 1 StPO. 403  Dieser Begriff von Schmitt, wistra 1993, 9 (10); dies., Berücksichtigung der Zeugnisverweigerungsrechte, S. 123. 404  BVerfGE 32, 373 (379 f.); 38, 312 (314 f.) 44, 353 (372); Rengier, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 15. 402  Gleichwohl

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

zwingende Inanspruchnahme von professionellen Beratern kein Nachteil entstehen. Begreift man den Schutz des Vertrauensverhältnisses als den Schutz (von Informationen innerhalb) einer Kommunikationsbeziehung, ist gerade jenes aber gewährleistet: Durch die Konsultation des Anwalts selbst entsteht dem Klienten kein Nachteil, denn auf die Kommunikation an sich darf der Staat nicht zugreifen. Dass die Strafverfolgungsbehörden sehr wohl in der Lage sind, auf andere Weise an die Informationen zu gelangen, und daher kein absoluter Schutz der Information gewollt ist, geht mit dieser Lösung problemlos zusammen. Zugleich bietet dies einen genügenden Schutz der Berufsausübungsfreiheit des Rechtsanwalts und erfüllt die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden Anforderungen. Dem Sinn und Zweck des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO steht es nicht entgegen, dass der Umfang des Schutzes, der Kreis der innerhalb des Kommunikationsverhältnisses ausgetauschten Informationen, sachlich nicht strikt auf den Informationsaustausch in der „Sonderbeziehung“ zwischen Rechtsanwalt und Ratsuchendem beschränkt ist, wie es die im 2. Kapitel unter Fn. 360 und 361 angeführten Autoren vertreten: Auch die durch Dritte oder durch Eigentätigkeit vermittelten bzw. erlangten Kenntnisse sind erfasst, sofern ein Bezug zur Berufstätigkeit des Berufsträgers besteht. Denn zum einen kann sich der Rechtsratsuchende Dritter zur Übermittlung von Informationen an den Anwalt bedienen und zum anderen fußt die Eigenrecherche des Rechtsanwalts in der Regel auf den Angaben, die ihm der Hilfesuchende gemacht hat. Zudem liegt der Schutz dieser Informationen, die dem Anwalt zur Kenntnis gelangt sind, jedenfalls dann im Interesse des Rechtsratsuchenden, wenn die Kenntniserlangung der Beziehung zu einem bestimmten Ratsuchenden zugeordnet werden kann. Überdies kann der Anwalt in ein Vertrauensverhältnis ebenso zu einem Dritten getreten sein, sodass dessen schutzwürdige Interessen Beachtung finden müssen. § 53 StPO lässt darüber hinaus Rückschlüsse auf den Beginn eines strafprozessrechtlich zu schützenden Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses zu: Wenn bereits die Anbahnungsphase des Kontaktes zwischen Hilfesuchenden und Berufsträger den Schutz des § 53 StPO genießt, kann es nicht auf das Zustandekommen einer zivilrechtlichen Vertragsbeziehung ankommen. Dies weist darauf hin, dass möglicherweise der im Vorfeld einer vertraglichen Beziehung liegende, rein tatsächliche, kommunikative Kontakt ein Vertrauensverhältnis zur Entstehung bringt. Hinweise finden sich weiter zur Erstreckung des Vertrauensverhältnisses in persönlicher Hinsicht. Klar ist, dass jedenfalls der Berufsangehörige „Träger“ des Vertrauensverhältnisses ist. Da § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO den Schutz des Rechtsratsuchenden bezweckt, dürfte er ein weiterer „Hauptträger“ des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses sein. Zweifel bestehen dagegen, inwieweit Dritte auf die Verschwiegenheit des Berufsträgers zählen dürfen und, selbst bejahen-



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“95

denfalls, inwieweit damit Rückschlüsse auf ihre Beteiligung am Vertrauensverhältnis möglich sind. Einen anderen Aspekt als die Kreierung einer abgeschirmten Kommunikationsbeziehung bringt die Frage ins Spiel, wem nach § 53 Abs. 2 StPO die Berechtigung zu Entbindung des Rechtsanwalts von der Schweigepflicht zusteht. In diesem Zusammenhang geht es nicht mehr darum, den staatlichen Strafverfolgungsbehörden Informationen vorzuenthalten, sondern auf wessen Zustimmung es ankommt, wenn die allgemeine Zeugnispflicht des Anwalts wiederaufleben und er die in Rede stehenden Informationen preisgeben soll. Im Kontext des Strafprozessrechts streitet man sich daher über die Frage, wer die abgeschirmte Kommunikationsbeziehung zum Anwalt dem Zugriff des Staates öffnen und auf den gesetzlich vorgesehenen Schutz verzichten darf. Dieser Aspekt könnte als die Informationsherrschaft im Vertrauensverhältnis im Sinne einer Informationsfreigabebefugnis bezeichnet werden. 2. Beschlagnahmeverbot, § 97 StPO Ein weiterer prozessualer Anknüpfungspunkt für Vertrauensverhältnisse findet sich in § 97 StPO. Die Vorschrift steht im Zusammenhang mit den Regelungen über Zwangsmaßnahmen zur Gewinnung von Beweismitteln und regelt ein Verbot der Beschlagnahme bestimmter Gegenstände aus der Vertrauensbeziehung zwischen Anwalt und Mandant. a) Sinn und Zweck der Vorschrift Das Beschlagnahmeverbot aus § 97 StPO ist akzessorisch zu § 53 StPO ausgestaltet. Sein Zweck ist es, eine Umgehung der in § 53 StPO normierten Zeugnisverweigerungsrechte zu verhindern.405 Bildlich ausgedrückt soll das, „was der Mund nicht zu offenbaren braucht, […] der Hand nicht entrissen werden“.406 b) Umfang des Beschlagnahmeverbotes Bei gegenständlicher Betrachtung schützt § 53 StPO die im Gedächtnis des Zeugnisverweigerungsberechtigten vorhandene Information, während § 97 StPO deren Verkörperung in Gestalt von Mitteilungen, Aufzeichnungen und sonstigen Gegenständen im Gewahrsam des Rechtsanwalts dem staat­ 405  BVerfGE 20, 162 (188); 32, 373 (385); 38, 144 (146); BGHSt 38, 144 (146); 43, 300 (302 f.); 53, 257 (260); LR / Schäfer, § 97 Rn. 2; Meyer-Goßner, § 97 Rn. 1. 406  Dünnebier, in: v. Caemmerer, Das Problem einer Sonderstellung der Presse im Strafverfahren, S. 39 (44).

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

lichen Zugriff entzieht.407 Zwar erweitert § 97 StPO damit den Schutz des strafprozessualen Vertrauensverhältnisses auf gegenständliche Fixierungen, findet aber lediglich auf das Vertrauensverhältnis zwischen Beschuldigtem und Zeugnisverweigerungsberechtigtem Anwendung408, 409 und gilt auch nur für solche Mitteilungen, Aufzeichnungen oder sonstige Gegenstände, die einen Bezug zu diesem Vertrauensverhältnis haben.410 Gerade diese Beschränkung des Beschlagnahmeverbots nach § 97 Abs. 1 StPO auf das Verhältnis Beschuldigter-Zeugnisverweigerungsberechtigter ist aber nicht unumstritten. So gibt es Stimmen, nach denen das Beschlagnahmeverbot aus § 97 Abs. 1 StPO hinsichtlich seiner Reichweite parallel zu dem Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 StPO läuft.411 In der Folge wäre in einem Strafverfahren gegen A die Beschlagnahme der Handakte bei dessen Rechtsanwalt bezüglich B ausgeschlossen. Argumentativ lassen sich hierfür anführen der Wortlaut von § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO, in dem anders als in den Nummern 1 und 2 nicht mehr vom Beschuldigten die Rede ist, und der Sinn und Zweck von § 97 StPO, nach welchem eine Umgehung des Zeugnisverweigerungsrechts gerade verhindert werden soll.412 Die herrschende Gegenauffassung in Rechtsprechung413, 414 und Lehre415 hat demgegenüber das sys407  Beachte aber die übrigen Ausnahmen in § 53 Abs. 2 S. 2, 3 StPO. Ausgenommen ist ferner Verteidigerpost, Meyer-Goßner, § 97 Rn. 11, 37, aufgrund von § 148 StPO. 408  Offengelassen von BGHSt 43, 300 (304) und BGH NStZ 1997, 562 (562). Dieser Auffassung aber OLG Celle NJW 1963, 406 (407); NJW 1965, 362 (363); KK / StPO / Greven, § 97 Rn. 1; LR / Schäfer, § 97 Rn. 21; Meyer-Goßner, § 53 Rn. 10. 409  Etwas anderes gilt für die Beschlagnahmeverbote nach § 97 Abs. 4 und 5 StPO. Wie der Gesetzgeber mit der Wendung „soweit das Zeugnisverweigerungsrecht reicht“ ausdrücklich klargestellt hat, ist für sie volle Kongruenz des Schutzumfanges von § 53 StPO und § 97 StPO gewollt. Der Beschlagnahme entzogen sind daher auch Gegenstände, die dem Abgeordneten oder Presseangehörigen von nichtbeschuldigten Dritten zugespielt werden. Hierzu LR / Schäfer, § 97 Rn. 125, 130. 410  Hierzu LR / Schäfer, § 53 Rn. 69, 73, 76; Amelung, DNotZ 1984, 195 (200). 411  So etwa AK / StPO / Amelung, § 97 Rn. 15; Eisenberg, Beweisrecht der StPO, Rn. 2359; Jahn / Kirsch, StV 2011, 148 (153); Krekeler, NStZ 1987, 199 (201); ­Böing, Das Beschlagnahmeprivileg, S. 43 f. 412  Hierzu und mit weiteren Argumenten aus der Gesetzgebungsgeschichte Jahn, ZIS 2011, 453 (455). 413  Offengelassen von BGHSt 43, 300 (304) und BGH NStZ 1997, 562 (562). Dieser Ansicht aber OLG Celle NJW 1965, 362 (363); LG Bielefeld StV 2000, 12 (13); LG Hamburg NJW 1990, 780 (780); NJW 2011, 942 (942); LG Hildesheim NStZ 1982, 394 (395). 414  Diese Auslegung hat das BVerfG zumindest für verfassungsrechtlich unbedenklich gehalten, BVerfG NStZ-RR 2004, 83 (84); NJW 2007, 1117 (1119). 415  LR / Schäfer, § 97 Rn. 21; Meyer-Goßner, § 97 Rn. 10; Goeckenjan, FS-Samson, S. 641 (654); Taschke, FS-Hamm, S. 751 (760 f.); Bauer, StV 2012, 277 (278); ders., StraFo 2012, 488 (488).



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“97

tematische Argument auf ihrer Seite, wonach es sich aus dem Regelungszusammenhang ergebe, dass auch in Nr. 3 nur das Verhältnis zum Beschuldigten geschützt werden soll.416 Ferner sei zu bedenken, dass „andere Gegenstände“ als Auffangmerkmal konstruiert und daher denkbar weit sei, sodass bei einer derartigen Auslegung zumindest für die nach § 53 StPO Zeugnisverweigerungsberechtigten die Nummern 1 und 2 überflüssig würden. Eine weitere Darstellung dieses Streits sowie der Ergebnisse der vertretenen Meinungen folgt im nächsten Abschnitt.417 Folgt man der herrschenden Meinung, dann erzwingt eine korrekte Rechtsanwendung, zur Frage Stellung zu nehmen, welche Personen in einem Vertrauensverhältnis zu dem Zeugnisverweigerungsberechtigten stehen. Nach der Gegenauffassung wäre diese Frage dagegen nicht entscheidungserheblich, könnte aber jedenfalls als hinreichende Bedingung für die Erfüllung des Tatbestandes von § 97 Abs. 1 StPO begriffen werden. c) Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und nichtbeschuldigtem Mandant? Es ist eine wesentliche Frage für den Schutz des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses, ob § 97 StPO ebenso das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und nichtbeschuldigtem Mandant schützt. Mandatiert etwa eine GmbH, vertreten durch ihren Geschäftsführer, einen Rechtsanwalt und ist der Geschäftsführer nunmehr Beschuldigter eines Strafverfahrens, ist entscheidend, ob lediglich das Verhältnis zwischen beschuldigtem Geschäftsführer und Anwalt oder ebenfalls das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und juristischer Person geschützt ist. Sollen Unterlagen beschlagnahmt werden, die allein dem Vertrauensverhältnis zur juristischen Person zuzuordnen sind, hängt alles von der Auslegung des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO ab. Die überwiegende Ansicht lehnt eine extensive, das Vertrauensverhältnis zu einem nichtbeschuldigten Mandanten einbeziehende, Interpretation der Vorschrift ab.418 Allerdings werden in jüngerer Zeit vermehrt Argumente dafür angeführt, § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO so zu lesen, dass auch das Vertrauensverhältnis zwischen einem Nichtbeschuldigten und seinem Rechtsanwalt in den Genuss des Beschlagnahmeschutzes kommt. Nach einer solchen Auslegung wäre ebenfalls das Verhältnis zwischen juristischer Person und Rechts­ anwalt vor Beschlagnahmen geschützt. Neben den bereits genannten ArguLR / Schäfer, § 97 Rn. 21; Goeckenjan, FS-Samson, S. 641 (654). unter 2. Kapitel III. 2. c). 418  OLG Celle NJW 1963, 406 (407); NJW 1965, 362 (363); KK / StPO / Greven, § 97  Rn. 1; LR / Schäfer, § 97 Rn. 21; Meyer-Goßner, § 53 Rn. 10. 416  Vgl.

417  Siehe

98

2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

menten419 verweisen manche Autoren auf die historische Entwicklung der Norm. In den Materialien zu dem 3. Strafrechtsänderungsgesetz 1953,420 das erstmals „sonstige Gegenstände“ in den sachlichen Schutzbereich aufnimmt, findet sich in der Begründung zu § 97 StPO unter anderem: „Der Entwurf dehnt in Absatz 1 Nr. 2 die Vorschriften des geltenden Rechts über das Verbot der Beschlagnahme schriftlicher Mitteilungen zwischen dem Beschuldigten und den Personen, die nach § 53 Abs. 1 Nr. 1–3 StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt sind, auf die Aufzeichnungen aus, die der Geheimnisträger über die ihm vom Beschuldigten anvertrauten Mitteilungen oder über andere Umstände gemacht hat, auf die sich sein Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt. Der Begriff ‚Aufzeichnungen‘ soll hier in weitem Sinne verstanden werden und umfaßt z. B. auch Tonbandaufnahmen. Der Vorschlag beruht auf der Überlegung, daß das Recht eines Geheimnisträgers, über sein Wissen das Zeugnis zu verweigern, nicht dadurch umgangen werden darf, daß sein schriftlich niedergelegtes Wissen beschlagnahmt werden darf. Die umstrittene Frage, ob die Handakten des Verteidigers oder Anwalts und die Krankenblätter des Arztes beschlagnahmt werden können, ist damit den praktischen Bedürfnissen entsprechend geregelt. Darüber hinaus besteht jedoch aus den gleichen Gründen das Bedürfnis, auch sonstige Gegenstände (z. B. den vom Arzt aus dem Körper des Beschuldigten entfernten Fremdkörper, dem Anwalt übergebene Dokumente) einschließlich der ärztlichen Untersuchungsbefunde (z. B. Röntgenaufnahmen, Kardiogramme, Blutbilder) zu schützen, soweit sich das Zeugnisverweigerungsrecht auf diese Gegenstände erstreckt (Abs. 1 Nr. 3).“421

Hieraus lesen Stimmen in der Literatur, dass eine Erstreckung des Schutzbereiches der Norm auf das Vertrauensverhältnis zwischen dem Nichtbeschuldigten und einem Rechtsanwalt gewollt sei.422 Denn bei der exemplarischen Aufführung sonstiger Gegenstände habe der Gesetzgeber nur im ersten Beispiel auf das Verhältnis zwischen Arzt und Beschuldigtem abgestellt, bei den „dem Anwalt übergebene[n] Dokumente[n]“ jedoch nicht. Darüber hinaus habe der Gesetzgeber durch den Verweis auf den erweiterten § 53 Abs. 1 Nr. 3 StPO a. F. – nunmehr sollten auch Patent­ anwälte, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater zum privilegierten Kreis gehören – erkennen lassen, dass zugleich eine Erweiterung des personalen Schutzbereiches des § 97 Abs. 1 StPO gewollt sei. Andernfalls hätte es in dem Beispiel nur der Verwendung des Begriffes „Verteidiger“ bedurft.423 Schließlich sei es ohnehin widersprüchlich, das Verhältnis zwischen Nichtbeschuldigtem und Rechtsanwalt nicht dem Schutz zu unterstellen, sei es 419  Siehe

hierzu unter 2. Kapitel A. III. 2. b). Art. 4 Nr. 12 des 3. Strafrechtsänderungsgesetzes vom 4. August 1953, BGBl. I S. 735. 421  BT-Drs. I / 3713, S.  49. 422  Jahn, ZIS 2011, 453 (456). 423  Jahn, ZIS 2011, 453 (456). 420  Siehe



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“99

das Ziel der Reform doch gewesen, das Recht „eines Geheimnisträgers, über sein Wissen das Zeugnis zu verweigern“, nicht länger durch die Beschlagnahmevorschriften hintergehbar machen zu wollen.424 Ferner streite eine verfassungskonforme Auslegung für eine Einbeziehung des Vertrauensverhältnisses zwischen Rechtsanwalt und Nichtbeschuldigtem in den Schutz des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO. Es stelle einen unverhältnismäßigen Eingriff in die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Anwalt-MandantVertrauensverhältnisses dar, wenn der Mandant ein völlig Unbeteiligter oder gar der Verletzte der zu untersuchenden Tat sei. Darüber hinaus sei ein Eingriff unverhältnismäßig, wenn er darauf hinauslaufe, dass die aktenkundigen Informationen der Strafverfolgungsbehörden dem „präsumtiven Prozessgegner zivilrechtlicher Auseinandersetzungen zur Verfügung gestellt werden“.425 Gegen diese Argumentation bestehen Bedenken. Zum einen wollte sich der Gesetzgeber des 3. Strafrechtsänderungsgesetzes 1953 ausweislich der amtlichen Begründung auf dem Gebiet des Strafverfahrensrechts große Zurückhaltung auferlegen und daher auf „eigentliche“ Reformen verzichten.426 Wäre eine Ausweitung des Schutzbereiches auf alle Vertrauensverhältnisse intendiert gewesen, wäre dies deshalb überraschend. Zum anderen verrät die zitierte Passage nicht, wer dem Rechtsanwalt die Dokumente übergeben hat. Die passivische Wendung lässt dies offen, ist aber dem Kontext nach – der erste Halbsatz erwähnt wie die vorhergehenden Ausführungen den Beschuldigten – ebenso als auf den Beschuldigten abstellend zu verstehen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Entwurf von „Rechtsanwalt“ spricht, folglich ein Mandatsverhältnis zugrunde legt, das nicht ein Verteidigungsverhältnis ist. Denn der Beschuldigte kann unproblematisch im laufenden Strafverfahren neben einem eventuellen Verteidigungsverhältnis weitere Vertrauensverhältnisse zu anderen Rechtsanwälten unterhalten aufgrund von Mandatsverhältnissen in anderen Rechtssachen. Eine personale Erweiterung auf Vertrauensverhältnisse zu nichtbeschuldigten Mandanten lässt sich daraus nicht ableiten. Zu der verfassungsrechtlichen Argumentation ist zunächst anzumerken, dass es sich dabei nicht um eine verfassungskonforme Auslegung handelt. Davon kann nur die Rede sein, wenn eines der in Betracht kommenden Auslegungsergebnisse einer unklaren Norm verfassungswidrig ist. Das Gebot verfassungskonformer Auslegung besagt für diesen Fall, dass keine der verfassungswidrigen, sondern eine der verfassungsgemäßen Auslegungsvari424  Jahn, 425  Jahn,

(427).

ZIS 2011, 453 (456). ZIS 2011, 453 (458) unter Berufung auf OLG Koblenz NStZ 1985, 426

426  BT-Drs.

I / 3713, S. 19. Dies räumt auch Jahn, ZIS 2011, 453 (455) ein.

100

2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

anten zu wählen ist.427 § 97 StPO regelt Ausnahmen von der Beschlagnahmefähigkeit bestimmter Gegenstände zum Schutz der Vertrauensverhältnisse, denen sie zuzuordnen sind. Zunächst ist es schwer zu begründen, warum eine Ausnahmevorschrift, die möglicherweise nicht umfassend genug ist, gerade deshalb verfassungswidrig ist. Ferner fällt das Anwalt-MandantVertrauensverhältnis, wie im Abschnitt über die verfassungsrechtlichen Grundlagen des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses gezeigt wurde, im Regelfall nicht in den Kernbereich der einschlägigen Grundrechte. Eine Abwägung gegen das Strafverfolgungs- und -aufklärungsinteresse ist damit möglich. Es kann allerdings schwerlich als generell unverhältnismäßig bezeichnet werden, wenn die Strafverfolgungsbehörden Unterlagen aus der Beziehung zwischen einem Rechtsanwalt und seinem nichtbeschuldigten, an der zu untersuchenden Straftat unbeteiligten Mandanten beschlagnahmen. Abhängig zu machen wäre dies jedenfalls von der Art des Verdachts und von der Schwere des begangenen Delikts. Weiter führt es hingegen, wenn vorgebracht wird, die Strafverfolgungsbehörden sollten sich zuvor an den Mandanten halten und diesen als Zeugen vernehmen, bevor sie einen Eingriff in die Vertraulichkeitsbeziehung zum Anwalt vornehmen. Dies könnte unter der Erforderlichkeit eines Eingriffs rubriziert werden. Freilich ist es überlegenswert, § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO dahingehend verfassungsorientiert auszulegen,428 dass es der Respekt vor den Grundrechten von Anwalt und Mandant gebietet, die Norm zugunsten eines umfassenden Beschlagnahmeverbotes zu interpretieren. Allerdings hat der Gesetzgeber mit der Normierung bereits eine allgemeine Abwägung dieser Rechtsposi­ tionen mit dem Strafverfolgungsinteresse vorgenommen. Insofern setzte sich der Rechtsanwender an die Stelle des Gesetzgebers, nähme er sie erneut vor. Unbenommen bleibt eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Beschlagnahmeanordnung im Einzelfall, die die Rechtsprechung in etlichen Fällen zur Feststellung der Unzulässigkeit der Beschlagnahmeanordnung führte.429 Zwar wäre es in der Tat widersprüchlich zu nennen, wenn der Gesetzgeber auf der einen Seite durch § 100c Abs. 6 S. 1 StPO und § 160a Abs. 1 S. 5 StPO den Zugriff auf Unterhaltungen zwischen Anwalt und Mandant in einer Wohnung sowie auf deren Telefongespräche untersagt, aber auf der anderen Seite die Notizen oder den Mitschnitt, den sich der Rechtsanwalt angefertigt hat, keinem Beschlagnahmeverbot nach § 97 Abs. 1 StPO unter427  Kuhlen, Die verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen, S. 1; Rüthers /  Fischer / Birk, Rechtstheorie, S. 480. 428  Kuhlen, Die verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen, S. 2. 429  Etwa BVerfGE 33, 367 (374); 38, 103 (105); 64, 108 (116). Eine Übersicht bei LR / Schäfer,  § 97 Rn. 12.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“101

stellt. Jedoch kann dies nicht mittels einer Auslegung des § 97 Abs. 1 StPO gelöst werden. Für § 97 Abs. 1 StPO ist es vor allem der systematische Abgleich der Nrn. 1–3 untereinander, der gegen eine personale Erstreckung auf das Vertrauensverhältnis des Nichtbeschuldigten zu einem Rechtsanwalt spricht, mag der Wortlaut auch anderes nahelegen. Ob sich dies möglicherweise mithilfe des § 160a StPO beheben lässt, soll in einem folgenden Abschnitt erörtert werden.430 d) Ergebnis Das Beschlagnahmeverbot in § 97 StPO dient dazu, eine Umgehung des Zeugnisverweigerungsrechts des Rechtsanwalts aus § 53 StPO zu verhindern. Damit schützt § 97 StPO ebenso das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant. Auch § 97 StPO entzieht bestimmte Informationen dem Zugriff des Staates mit Rücksicht auf die vertrauliche Kommunikation zwischen dem Rechtsberater und seinem Klienten. Die Vorschrift erstreckt den Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant in den gegenständlichen Bereich. Dies fügt sich zusammen mit der im Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Mandanten ausgemachten Wurzel des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses, die einen Schutz der Kommunika­ tionsbeziehung bewirkt. Es bestätigen sich daher die bisherigen Überlegungen zum Inhalt des Begriffs Vertrauensverhältnis. Nicht aber gilt das für die Beschränkung des Beschlagnahmeverbotes auf die Beziehung zwischen Anwalt und beschuldigtem Mandant. Insoweit konnte ein verfassungsrechtlich weitergehender Schutz ausgemacht werden, der auch die Beziehung zum nichtbeschuldigten Mandant einbezieht. Allerdings muss die gesetzgeberische Abwägung zugunsten des Strafverfolgungsinteresses hingenommen werden. 3. Verkehr mit dem Beschuldigten, § 148 StPO Im Zusammenhang mit dem Verkehrsrecht des Beschuldigten aus § 148 StPO kommt die Rede auf das besondere zwischen Verteidiger und Beschuldigtem bestehende Vertrauensverhältnis. a) Sinn und Zweck der Vorschrift § 148 StPO statuiert das Prinzip des unbeschränkten Verkehrs des Beschuldigten mit seinem Verteidiger und dient damit dem Vertrauensverhält430  Zu

§ 160a StPO siehe unter 2. Kapitel A. III. 4. c).

102

2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

nis zwischen den Beteiligten, um eine wirksame Strafverteidigung zu ermöglichen.431 b) Inhalt der Regelung Die Vorschrift stellt den Grundsatz auf, dass dem Beschuldigten völlig freier Verkehr mit seinem ihm nach § 137 StPO zustehenden Verteidiger gestattet ist – Einschränkungen finden sich in Abs. 2 für die Untersuchung von Straftaten nach §§ 129a, 129b StGB. „Freier Verkehr“ in diesem Sinne meint den mündlichen, schriftlichen, aber auch fernmündlichen Verkehr mit dem Verteidiger432 und steht als Recht sowohl dem Beschuldigten als auch dem Verteidiger zu.433 Der Schutz des § 148 StPO setzt grundsätzlich erst mit Annahme eines Verteidigungsauftrags ein.434 Umstritten ist, ob auch Anbahnungsverhältnisse bereits freien Verkehr genießen, wenn der Anwalt mit dem Beschuldigten verkehrt, um die formelle Übernahme des Mandats zu besprechen. Manche bejahen dies, da der Beschuldigte schon zu diesem Zeitpunkt sensible Informationen preisgeben müsse, um Hilfe zu erhalten und daher ein Schutzbedürfnis bestehe.435 Andere lehnen dies ab unter Verweis auf den Wortlaut und warnen vor Missbrauchsgefahren.436 Zuzustimmen ist der ersten Auffassung, denn um einen Wertungswiderspruch zu § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StPO zu vermeiden, für den die Einbeziehung der Anbahnungsphase anerkannt ist,437 muss dasselbe für § 148 StPO gelten.438 Regelungsziel ist es, die Kommunikation zwischen Verteidiger und Beschuldigtem von jedweder Behinderung oder sonstiger Erschwerung sowie Überwachung freizustellen. Auch der Verteidiger kann optimale Hilfe in Gestalt einer realistischen Verteidigungsstrategie nur gewähren, wenn er über den wirklichen Tathergang und die Persönlichkeit des Beschuldigten 431  Siehe BT-Drs. 7  / 5401, S. 8; BVerfGE 113, 29 (48); BGHSt 33, 349 (349); LR / Lüderssen / Jahn, § 148 Rn. 4; Meyer-Goßner, § 148 Rn. 1; Pfeiffer, § 148 Rn. 1; Welp, GA 1977, 129 (132 f.); ders., NStZ 1986, 294 (295); Mörlein, Schutz des Vertrauensverhältnisses, S. 8. 432  Vgl. BGHSt 33, 347 (349); SK / StPO / Wohlers, § 148 Rn. 32. 433  BGHSt 33, 347 (349); BGH NJW 1973, 1656 (1657); OLG Frankfurt NStZ  1982, 134 (134); KK / StPO / Laufhütte, § 148 Rn. 2; Meyer-Goßner, § 148 Rn. 2. 434  Vgl. LR / Lüderssen / Jahn, § 148 Rn. 7; Meyer-Goßner, § 148 Rn. 8. 435  So OLG Düsseldorf StV 1984, 106 (106); AK  /  StPO  /  Stern, § 148 Rn. 7; KK / StPO / Laufhütte, § 148 Rn. 5; LR / Lüderssen / Jahn, §  148 Rn.  7; SK / StPO / Woh­ lers, § 148 Rn. 7. 436  So KMR / Müller, § 148 Rn. 2; Meyer-Goßner, § 148 Rn. 4. 437  Siehe BGHSt 33, 148 (151); 45, 363 (366 f.) für die Arzt-Patient-Beziehung; explizit zum Verteidiger-Beschuldigten-Verhältnis LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 26; SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 60. 438  So auch Hanack, JR 1986, 33 (3).



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“103

möglichst umfassend informiert ist.439 Der Beschuldigte aber muss sich darauf verlassen können, dass die dem Verteidiger offenbarten Informationen vertraulich bleiben. Daher konstituiert § 148 StPO gemeinsam mit §§ 53, 97, 160a StPO eine umfassende Geheimsphäre der Verteidigung. Das Gefüge dieser Schutznormen kann gleichsam als Musterbeispiel für den Schutz eines besonderen Vertrauensverhältnisses nach der StPO bezeichnet werden. Ein umfassenderer Schutz der Kommunikation als im Rahmen des Verteidigungsverhältnisses ist nicht denkbar. Zugleich zeigt dies das Gefälle des Schutzumfanges zwischen dem Verteidigungsverhältnis und dem sonstigen „einfachen“ Mandatsverhältnis. Dieses rechtfertigt sich freilich aus dem Grundrecht des Beschuldigten auf eine geordnete Verteidigung sowie die aus dem Rechtsstaatsprinzip folgenden strengeren Voraussetzungen an das Strafverfahren.440 c) Ergebnis Für eine Begriffsbestimmung von „Vertrauensverhältnis“ kann daher gefolgert werden, dass es auch im Zusammenhang mit § 148 StPO um den Schutz der Kommunikation sensibler Informationen und um die Gewährleistung ihrer sicheren Verwahrung geht. Abgesehen von den verschiedenen Mandatsinhalten (Verteidigungsauftrag im Gegensatz zu „sonstigem“ Anwaltsmandat) bestehen Unterschiede zwischen dem Anwalt-Mandant- und dem Verteidiger-Beschuldigten-Vertrauensverhältnis im hier interessierenden Kontext des Informationsschutzes daher nur in Bezug auf den Umfang des Schutzes, den ihnen das Gesetz gewährt. 4. Ermittlungsverbote, § 160a StPO Zentral für den Schutz des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses nach der StPO ist § 160a StPO, der eine Regelung für alle Ermittlungsmaßnahmen außerhalb von Vernehmungssituationen enthält. a) Sinn und Zweck der Vorschrift § 160a StPO untersagt Ermittlungsmaßnahmen, die zu Erkenntnissen führen, die in einer Vernehmungssituation dem Zeugnisverweigerungsrecht eines Berufsgeheimnisträgers nach § 53 StPO unterfallen würden. Damit ist § 160a StPO akzessorisch zu § 53 StPO ausgestaltet und schützt im Hinblick auf die Zeugnisverweigerungsberechtigten nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO 439  Rudolpi, 440  Vgl.

FS-Schaffstein, S. 433 (440); ebenso Welp, GA 1977, 126 (133). SK / StPO / Wolter, § 160a Rn. 5.

104

2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

ebenfalls das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwälten und ihren Mandanten.441 Unklar ist jedoch, ob in § 160a Abs. 1 StPO nicht der Kernbereichsschutz vorrangiger Schutzzweck ist.442 Richtigerweise ist das der Fall, da die Tätigkeit aller in Abs. 1 genannten Berufsgruppen einen Bezug zum Kernbereich des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts bzw. zur Menschenwürde aufweist.443 Im Hinblick auf das „einfache“ Anwaltsmandat sieht der Gesetzgeber diesen Bezug aufgrund des potentiell fließenden Übergangs in ein Verteidigungsmandat als gegeben.444 Das ist problematisch, denn für die „einfache“ Anwaltstätigkeit ist der Kernbereichsbezug typischerweise nicht vorhanden.445 Näher erörtert wird dies im Abschnitt über das Verhältnis von § 160a StPO zu § 97 StPO, da es in jener Frage entscheidend auf den Schutzzweck von § 160a StPO ankommt.446 b) Inhalt der Regelung § 160a StPO enthält in Abs. 1 Einschränkungen für alle offenen und verdeckten Ermittlungsmaßnahmen,447 die zu Erkenntnissen über Umstände führen würden, bezüglich welcher bestimmten zeugnisverweigerungsberechtigten Personen448 in einer Vernehmungssituation ein Schweigerecht zustünde. Dies setzt eine Prognose der Strafverfolgungsbehörden vor Durchführung der Ermittlungsmaßnahme voraus.449 Für Ermittlungsmaßnahmen gegen den Zeugnisverweigerungsberechtigten sieht die Vorschrift ein absolutes Beweiserhebungs- und Verwertungsverbot (S. 1) sowie ein nachträgliches absolutes Beweisverwertungsverbot (S. 2) vor, falls das Erhebungsverbot aus S. 1 zunächst nicht eingehalten wurde oder werden konnte. Dieses 441  Vgl. das Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht vom 22.12.2010, BGBl I S. 2261. 442  SK / StPO / Wolter, § 160a Rn. 4 f., 7 ff.; Reiß, StV 2008, 539 (542 ff.); Siegrist, wistra 2010, 427 (431). 443  BVerfGE 109, 279 (322); BVerfG NJW 2012, 833 (841 f.); HK / StPO / Zöller, §  160a Rn.  3; KK / StPO / Griesbaum, §  160a Rn.  3; SK / StPO / Wolter, § 160a Rn. 5. 444  BT-Drs. 17 / 2637, S. 6; BR-Drs. 229 / 10, S. 2. 445  Siehe unter 2. Kapitel A. I. 1. a) ee). 446  Siehe unter 2. Kapitel A. III. 4. c). 447  Zu den verdeckten Ermittlungsmaßnahmen gehören nach BT-Drs. 16  / 5846, S. 2: Rasterfahndung, Postbeschlagnahme, Telekommunikationsüberwachung, akustische Überwachung innerhalb und außerhalb von Wohnungen, Verkehrsdatenerhebung, technische und langfristige Observation, Einsatz verdeckter Ermittler, Schleppnetzfahndung, Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung. 448  Hierzu zählen die nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2, 4 StPO Zeugnisverweigerungsberechtigten sowie Rechtsanwälten und ihnen gleich gestellte Personen, § 160a Abs. 1 S. 1 StPO. 449  Hierzu siehe Meyer-Goßner, § 160a Rn. 3a.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“105

schließt ebenso die Verwertung der Erkenntnisse als Ermittlungs- oder Spurenansatz aus („nicht verwendet werden“, S. 2).450 Für Ermittlungsmaßnahmen, die sich nicht zielgerichtet gegen den Zeugnisverweigerungsberechtigten richten, aber von diesem Erkenntnisse bringen, über die dieser das Zeugnis verweigern dürfte (S. 5), gilt das Verwertungsverbot aus S. 2 entsprechend. Beispielhaft denke man an einen Anruf des Rechtsanwaltes auf einem überwachten Anschluss des Beschuldigten.451 Zu dem nach Abs. 1 absolut geschützten Kreis gehören die gemäß § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2, 4 StPO zeugnisverweigerungsberechtigten Personen und – nach jüngster Novelle452 – auch Rechtsanwälte. Anwendbar ist die Vorschrift auf alle offenen und verdeckten Ermittlungsmaßnahmen, allerdings gehen §§ 97, 100c Abs. 6 StPO aufgrund ausdrücklicher Normierung in § 160a Abs. 5 StPO als Spezialvorschriften vor; soweit diese jedoch keine Bestimmung treffen, bleibt § 160a StPO anwendbar.453 Ungeklärt ist insbesondere, was dies genau für das Verhältnis von § 160a StPO zu § 97 StPO bedeutet. Nach der nach wie vor herrschenden und richtigen Auffassung besteht für die Beziehung des Rechtsanwalts zu einem Mandanten ohne Beschuldigtenstatus qua restriktiver Auslegung des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO kein Beschlagnahmeverbot.454 § 97 StPO treffe daher keine Regelung für das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant, eine Sperrwirkung gegenüber § 160a StPO bestehe folglich nicht.455 Dem wird entgegen gehalten, dass eine solche Auslegung dem Willen des Gesetzgebers widerspreche, § 97 StPO unangetastet zu lassen, so wie er in § 160a Abs. 5 StPO seinen Ausdruck gefunden habe.456 Eine ausführliche Darstellung des Streites folgt im nächsten Abschnitt.457 Der absolute Schutz nach § 160a Abs. 1 StPO entfällt, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass der Rechtsanwalt an der Tat oder an einer Begünstigung, Strafvereitelung oder Hehlerei beteiligt ist, § 160a Abs. 4 S. 1 StPO, also in die Tat, deretwegen ermittelt wird, „verstrickt“ ist. Dies meint Fälle, in denen der Mandant des Anwalts Beschuldigter des konkreten Verfahrens und der Rechtsanwalt an der Tat seines Mandanten 450  KK / StPO / Griesbaum, § 160a Rn. 7 f. Zum Teil ist diesbezüglich von einem „Beweisverwendungsverbot“ die Rede, so etwa bei Meyer-Goßner, § 160a Rn. 4. 451  Siegrist, wistra 2010, 427 (429). 452  Siehe das Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht vom 22.12.2010, BGBl I S. 2261. 453  Meyer-Goßner, § 160a Rn. 17. 454  Siehe unter 2. Kapitel A. III. 2. b) und 2. Kapitel A. III. 2. c). 455  v. Galen, NJW 2011, 945 (945); Winterhoff, AnwBl 2011, 789 (792). 456  Jahn, ZIS 2011, 453 (460); Jahn / Kirsch, StV 2011, 151 (154). 457  Siehe unter 2. Kapitel A. III. 4. b).

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

beteiligt ist oder eine darauf bezogene Straftat nach §§ 257–259 StGB begangen hat.458 Dagegen sieht § 160a Abs. 2 StPO für die übrigen nach § 53 Abs. 1 StPO zeugnisverweigerungsberechtigten Personen ein nur relatives Beweiserhebungs- und Verwertungsverbot vor, das unter den Vorbehalt einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall gestellt ist. Im Verbund mit Abs. 2 führt § 160a StPO ein gestuftes System von Beweiserhebungs- und Beweisverwertungsverboten ein. c) Verhältnis von § 160a StPO zu § 97 StPO aa) Hinführung auf das Problem und Ausgangspunkt des Streites Nach § 160a Abs. 1 S. 1 StPO besteht für die Strafverfolgungsbehörden ein durchgehendes Überwachungsverbot für Maßnahmen, die sich gegen den Rechtsanwalt richten. Ermittlungsmaßnahmen gegen den Beschuldigten oder Dritte bleiben zulässig, jedoch gilt nach § 160a Abs. 1 S. 5 StPO das Verwendungsverbot sowie das Löschungs- und Dokumentationsgebot aus § 160a Abs. 1 S. 2–4 StPO entsprechend. Für das Verhältnis zwischen Anwalt und Mandant folgt hieraus eine umfassende Absicherung gegen offene und verdeckte Ermittlungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt, insbesondere nach §§ 161, 163, 100g, 100h StPO. Der Gedanke des Schutzes des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses als des Schutzes von Informationen innerhalb der Grenzen des Kommunikationsverhältnisses bestätigt sich: Auf den Rechtsanwalt ist kein Zugriff möglich. Darüber hinausgehend dürfen sogar durch Zugriff auf den Mandanten gewonnene Erkenntnisse weder verwendet noch verwertet werden, soweit nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO schutzrelevante Informationen erlangt wurden. Mandatiert eine GmbH, vertreten durch ihren Geschäftsführer, einen Rechtsanwalt für die juristische Person und ist der Geschäftsführer nunmehr Beschuldigter eines Strafverfahrens, wären Ermittlungsmaßnahmen in dieser Sache gegen den Anwalt unzulässig. Da der Schutz von § 160a Abs. 1 StPO akzessorisch zu § 53 StPO ausgestaltet ist, entfällt der Schutz aber, wenn eine Entbindungserklärung des Dispositionsbefugten vorliegt. Ohne eine entsprechende Erklärung dürfte auch eine Durchsuchung der Kanzleiräume zum Zwecke der Auffindung beweiserheblicher Gegenstände gemäß § 103 StPO – etwa Beratungsunterlagen – nach § 160a Abs. 1 S. 1 StPO nicht angeordnet werden.459 Denn dass die Durchsuchung von Kanzleiräumen Winterhoff, AnwBl 2011, 789 (791). StV 2012, 303 (306); Siegrist, wistra 2010, 427 (430); Winterhoff, AnwBl 2011, 789 (792). 458  Vgl.

459  Beartheau,



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“107

Erkenntnisse aus dem nach § 53 StPO geschützten Bereich erbringen wird, darf als absoluter Regelfall betrachtet werden.460 Damit werden aber faktisch die Fragen präjudiziert, ob § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO so auszulegen ist, dass ebenfalls das Verhältnis zwischen Rechtsanwälten und Nichtbeschuldigten gegen Beschlagnahmen geschützt ist und / oder ob § 160a StPO (ergänzenden) Beschlagnahmeschutz gewährt: Dürfte keine der Beschlagnahme vorangehende Durchsuchung der Kanzleiräume angeordnet werden, verliert der Streit um die Reichweite der Beschlagnahmefreiheit nach § 97 StPO und das Verhältnis der beiden Vorschriften zueinander stark an Bedeutung.461 Der Streit drohte in der Praxis unentschieden zu bleiben. Deshalb soll nichtsdestotrotz zum umstrittenen Verhältnis von § 160a StPO zu § 97 StPO Stellung genommen werden. Seinen Ausgangspunkt findet das Problem in § 160a Abs. 5 StPO. Darin heißt es, dass §§ 100c Abs. 6 und 97 StPO unberührt bleiben. Denn seinem Anwendungsbereich nach träfe § 160a StPO ebenfalls eine Regelung für die Beschlagnahme von Beweisgegenständen nach §§ 94 ff. StPO und hätte in den Grenzen des § 160a Abs. 4 StPO das Verbot von Beschlagnahmen beim Rechtsanwalt zur Konsequenz. § 97 StPO dagegen trifft keine informationsbezogene („Erkenntnisse“), sondern eine gegenstandsbezogene Regelung, die teilweise hinter § 160a StPO zurückbleibt, teilweise aber auch weiterreichenden Schutz gewährt.462 Da der Gesetzgeber an sich den Anspruch stellte, eine einheitliche Regelung für alle offenen und verdeckten Ermittlungsmaßnahmen zu entwerfen, sah er den Klarstellungsbedarf, das der für die offenen Ermittlungsmaßnahmen bereits vorhandene Schutz nicht eingeschränkt, vielmehr in vollem Umfang beibehalten werden solle.463 auch Siegrist, wistra 2010, 427 (430). auch Winterhoff, AnwBl 2011, 789 (792). 462  Weiterreichenden Schutz gewährt § 97 StPO etwa für die in § 160a Abs. 2 StPO nur relativ geschützten Vertrauensverhältnisse, die nach § 97 Abs. 1, 2 StPO ohne Abwägungserfordernis gesichert werden. Anders als von § 97 Abs. 1 Nr. 2 StPO werden nach § 52 StPO Zeugnisverweigerungsberechtigte von § 160a StPO gar nicht geschützt. 463  So der RegE 2007 BT-Drs. 16 / 5846, S. 25 f.: „Die Neuregelung […] ist […] nicht auf den Bereich der verdeckten Ermittlungsmaßnahmen beschränkt, sondern gilt grundsätzlich bei allen Ermittlungsmaßnahmen. […] Eine Ausnahme hiervon ergibt sich lediglich aus § 53b Abs. 5 StPO-E, der klarstellt, dass die im geltenden Recht speziell normierten besonderen Erhebungsverbote im Bereich der Beschlagnahme und der akustischen Wohnraumüberwachung (§§ 97, 100c Abs. 6 StPO) unberührt bleiben, § 53b StPO-E also zugunsten dieser spezielleren Regelungen insoweit keine Anwendung findet. Auch bleibt das von der Neuregelung in § 53b StPO-E vorausgesetzte Recht zur Zeugnisverweigerung nach den §§ 53, 53a StPO – selbstverständlich – unberührt; insbesondere werden die Zeugnisverweigerungsrechte der in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 3b und Nr. 5 StPO genannten Berufsgeheimnisträger nicht durch die Regelung in § 53b Abs. 2 StPO-E relativiert, sondern bleiben im vollen Umfang er460  So 461  So

108

2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

bb) Streitstand in der Literatur Mit dem Gesetzgeber ist die Literatur daher der Ansicht, § 160a Abs. 5 StPO stelle klar, dass § 97 StPO die speziellere Regelung ist.464 Fraglich und streitig ist aber, inwieweit § 97 StPO eine dem § 160 StPO vorgehende Spezialregelung darstellt. Denn weithin anerkannt ist, dass, wiewohl § 97 StPO vorrangig anzuwendende lex specialis ist, auf § 160a StPO insoweit ergänzend zurückgegriffen werden kann, als § 97 StPO keine Regelung trifft. Das gilt beispielsweise für die Verwertbarkeit von beschlagnahmefreien Gegenständen, die in § 97 StPO nicht geregelt ist.465 Hieraus folgern manche Stimmen in der Literatur, aufgrund der restriktiven Auslegung des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO durch die herrschende Meinung treffe die Vorschrift gerade keine Regelung für das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und nichtbeschuldigtem Mandant, eine Sperrwirkung gegenüber § 160a StPO bestehe daher nicht.466 In der Konsequenz bestünde Beschlagnahmefreiheit für die Unterlagen des Rechtsanwalts zwar nicht nach § 97 StPO, aber unter den Voraussetzungen des § 160a Abs. 1 S. 1 StPO. Weiterhin spreche hierfür eine nähere Betrachtung des § 160a Abs. 5 StPO. Dieser bestimme nicht, dass alle Normen über die Beschlagnahme, die §§ 94 ff. StPO, unberührt bleiben sollen. Geregelt werde lediglich, dass § 97 StPO als Spezialnorm dem § 160a StPO vorgehe. § 97 StPO sei selbst aber nicht die Rechtsgrundlage für eine Beschlagnahme, sondern bestimme nur ein Beschlagnahmeverbot (und Ausnahmen von diesem Verbot). Die Beschlagnahme müsse grundsätzlich zulässig sein, worüber § 97 StPO aber keine Regelung treffe, sondern voraussetze. Deshalb sei es systematisch verfehlt, aus § 160a Abs. 5 StPO zu folgern, wenn § 97 StPO eine Beschlagnahme nicht verbiete, sei sie zulässig. § 160a Abs. 5 StPO lasse nicht die Zulässigkeit der Beschlagnahme unberührt, sondern nur deren Verbot nach § 97 StPO. Ein Beschlagnahmeverbot könne sich aus sonstigen Vorschriften, wie etwa § 160a Abs. 1 StPO, deshalb auch dann ergeben, wenn es über das Verbot aus § 97 StPO halten. Entsprechendes gilt, soweit das Gesetz den zur Zeugnisverweigerung Berechtigten die Möglichkeit einräumt, die Maßnahmen aufgrund des Zeugnisverweigerungsrechts zu verweigern, wie dies in § 81c Abs. 3 Satz 1 StPO der Fall ist.“ Zwar wurde die beabsichtigte Regelung im Ergebnis als § 160a StPO in die StPO eingefügt, siehe BT-Drs. 16 / 6979, S. 45, § 160a Abs. 5 StPO und § 53b Abs. 5 StPO-E sind jedoch wortgleich, sodass die zitierten Erwägungen ihre Gültigkeit behalten. 464  BT-Drs. 16 / 5846, S.  38; Beck / OK / StPO / Patzak, §  160a Rn.  17; KK / StPO /  Griesbaum, § 160a  Rn. 21; Meyer-Goßner, § 160a Rn. 17. 465  BT-Drs. 16 / 5846, S.  38; Beck / OK / StPO / Patzak, §  160a Rn.  17; KK / StPO /  Griesbaum, § 160a Rn. 21; KMR / Plöd, § 160a Rn. 15; Meyer-Goßner, § 160a Rn. 17. 466  Ballo, NZWiSt 2013, 46 (50); de Lind van Wijngaarden  / Egler, NJW 2013, 3549 (3552); v. Galen, NJW 2011, 945 (945); Szesny, GWR 2011, 169 (169); Winterhoff, AnwBl 2011, 789 (792).



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“109

hinausgehe.467 Der Gesetzesbegründung zufolge solle § 160a Abs. 5 StPO klarstellen, dass die andernorts „speziell normierten besonderen Erhebungsverbote unberührt bleiben“, § 160a StPO „also zugunsten dieser spezielleren Regelungen insoweit keine Anwendung findet.“468 Der Gesetzgeber habe daher nur klargestellt, dass § 160a StPO die Erhebungsverbote nicht abschließend regele, sodass § 97 StPO andernfalls gegenstandslos würde.469 Deshalb trete § 160a StPO selbstständig neben § 97 StPO, denn „§ 97 StPO solle den umfassenden Schutz des § 160a StPO ergänzen und nicht einschränken.“470 Dem wird entgegen gehalten, dass eine solche Auslegung dem Willen des Gesetzgebers widerspreche, § 97 StPO unangetastet zu lassen, so wie er in § 160a Abs. 5 StPO seinen Ausdruck gefunden habe.471 cc) Stellungnahme: Argumente für die Anwendung des § 160a StPO auf Beschlagnahmen Dieses Problem zu lösen ist nicht einfach. Richtig ist zunächst, dass § 160a Abs. 5 StPO in der Tat seinem Wortlaut nach nur ein Zurücktreten gegenüber § 97 StPO nahe legt. Hätte der Gesetzgeber die Anwendbarkeit des § 160a StPO auf Beschlagnahmen im Ganzen ausschließen wollen, hätte die Regelung „Die §§ 94 ff. bleiben unberührt“ oder „Diese Vorschrift findet keine Anwendung auf die Beschlagnahme“ lauten müssen. Das war nicht gewollt. Eher schien den Gesetzentwurf die Sorge umzutreiben, die beabsichtigte Regelung könnte zu einer Schwächung des bereits vorhandenen Schutzes gegen die offenen Ermittlungsmaßnahmen Vernehmung, Beschlagnahme, körperliche Untersuchung sowie gegen die (verdeckte) akustische Wohnraumüberwachung führen. So heißt es: „Auch bleibt das von der Neuregelung […] vorausgesetzte Recht zur Zeugnisverweigerung nach den §§ 53, 53a StPO – selbstverständlich – unberührt; insbesondere werden die Zeugnisverweigerungsrechte der in § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3–3b und Nr. 5 StPO genannten Berufsgeheimnisträger nicht durch die Regelung in [§ 160a Abs. 2 – Anm. des Verf.] relativiert, sondern bleiben im vollen Umfang erhalten.“472 Denn § 160a Abs. 2 StPO schützt einige der in § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO genannten Berufsangehörigen nur relativ, von einer Abwägung 467  Bertheau,

StV 2012, 303 (306). 16 / 5846, S.  26. 469  Bertheau, StV 2012, 303 (306). 470  Bertheau, StV 2012, 303 (306); v. Galen, NJW 2011, 945 (945). 471  Bauer, StV 2012, 277 (278); Jahn, ZIS 2011, 453 (460); Jahn / Kirsch, StV 2011, 151 (154); dies., NStZ 2012, 718 (719). 472  BT-Drs. 16 / 5846, S. 26; siehe schon 2. Kapitel Fn. 463. 468  BT-Drs.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

ist das Bestehen eines Zeugnisverweigerungsrechts nach § 53 StPO, eines Beschlagnahmeverbotes nach § 97 StPO, eines Untersuchungsverweigerungsrechts nach § 81c Abs. 3 S. 1 StPO und eines Überwachungsverbotes nach § 100c Abs. 6 S. 1 StPO aber gerade nicht abhängig. Offenbar bestand die Befürchtung, § 160a Abs. 2 StPO könnte so verstanden werden, der bereits vorhandene Schutz für Ärzte, Steuerberater, usw. nach §§ 53, 97, 81c Abs. 3 S. 1, 100c Abs. 6 StPO würde nunmehr nur unter der Voraussetzung einer Verhältnismäßigkeitsprüfung im Einzelfall gewährt, so wie § 160a Abs. 2 StPO sie vorsieht. Hieraus ist zu folgern, dass der Gesetzgeber mit § 160a Abs. 5 StPO in erster Linie ein Absinken des existierenden Schutzniveaus vermeiden wollte. Opak bleibt freilich, weshalb der Gesetzgeber in § 160a Abs. 5 StPO dann nicht ebenfalls die §§ 53, 53a, 81c Abs. 3 S. 1 aufnahm, nahm er doch ausdrücklich auf sie Bezug und wollte ihre Relativierung ausschließen. Wollte der Gesetzgeber ein Absinken des Schutzniveaus verhindern, kann daraus umgekehrt aber nicht abgeleitet werden, dass eine Ausdehnung des existenten Schutzniveaus für die genannten offenen Ermittlungsmaßnahmen beabsichtigt war. Denkbar wäre auch, dass überhaupt keine Regelung für die Beschlagnahme, usw. getroffen werden sollte. Indes spricht hiergegen, dass diese Absicht weder in § 160a Abs. 5 StPO noch im Gesetzentwurf zur Einführung des § 160a StPO expliziten Niederschlag fand. Es wäre ein Leichtes gewesen, eine Bereichsausnahme für die Beschlagnahme zu gestalten. Aber im Gegenteil: Der Gesetzentwurf betont ausdrücklich, dass eine Geltung für alle offenen und verdeckten Ermittlungsmaßnahmen beabsichtigt sei, da keine tragfähigen Gründe für eine Differenzierung sprächen. Ausnahmen sollten lediglich hinsichtlich der Erhebungsverbote in §§ 97, 100c Abs. 6 StPO gelten, die unberührt fortgelten sollen.473 Ferner soll auf § 160a StPO insoweit zurückgegriffen werden, als §§ 97, 100c Abs. 6 StPO insoweit keine Regelung träfen.474 Hieraus folgt nicht nur, dass die „Sperrwirkung“ punktuell auf abweichende Regelungen des § 97 StPO beschränkt sein soll, sondern auch, dass im Übrigen § 160a StPO auf die Beschlagnahme vollständig Anwendung findet.475 Dem kann man nicht entgegenhalten, indem § 97 StPO keinen Schutz für das Verhältnis nichtbeschuldigter Mandanten zu ihren Anwälten gewährt, regele die Norm negativ, dass ein Beschlagnahmeverbot auch nicht aufgrund anderer Vorschriften bestehen könne. Denn dies überstiege erstens den Regelungsbereich von § 97 StPO und wäre zweitens, da nunmehr ein Verstoß gegen Grundrechte ebenfalls kein Beschlagnahmeverbot mehr nach sich 473  BT-Drs.

16 / 5846, S.  26. 16 / 5846, S.  38. 475  So auch Schuster, NZWiSt 2012, 28 (30); Winterhoff, AnwBl 2011, 789 (792). 474  BT-Drs.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“111

ziehen dürfte, verfassungswidrig. Letztere Überlegung erzwänge deshalb eine verfassungskonforme Auslegung zugunsten eines engen Verständnisses des Regelungsbereichs des § 97 StPO. Bereits aufgrund dieser Überlegungen kann und soll jedenfalls § 97 StPO einer ergänzenden Anwendung des § 160a StPO nicht entgegenstehen. Dass ferner für § 97 StPO hinsichtlich der Verwertbarkeit rechtswidrig beschlagnahmter Gegenstände auf § 160a StPO zurückgegriffen werden muss, unterstreicht den engen Anwendungsbereich der Regelung in § 160a Abs. 5 StPO. Weiterhin spricht schon deshalb mehr für ein gleichrangiges Nebeneinander von § 160a StPO und § 97 StPO, da beide Normen völlig unterschiedlich ausgestaltet sind: Während § 160a StPO auf einem informationsbezogenen Ansatz in Verbindung mit einer Prognose über die Zuordnung von Informationen zum Schutzbereich von § 53 StPO basiert, stellt § 97 StPO dem Tatbestand nach auf unterschiedliche Arten von Gegenständen ab, schützt nach herrschender Auslegung allein das Verhältnis zwischen Beschuldigtem und Zeugnisverweigerungsberechtigtem und integriert zudem ein Gewahrsamserfordernis. Darum merken einige Stimmen in der Literatur an, dass ohnehin besser von einem Subsidiaritätsverhältnis, anstatt von einem Spe­ zia­litätsverhältnis die Rede wäre.476 Spezialität kann in mehreren Formen vorliegen. „Formaler Spezialität“477 liegt das Prinzip der Inklusion zugrunde. Alle Sachverhalte, die den speziellen (untergeordneten) Tatbestand erfüllen, lassen sich auch unter den (übergeordneten) Grundtatbestand subsumieren, ohne dass auch das Umgekehrte der Fall ist.478 Das ist gegeben, wenn die untergeordnete Norm alle Merkmale der übergeordneten und darüber hinaus noch mindestens ein zusätzliches Merkmal aufweist.479 § 97 StPO und § 160a StPO weisen völlig unterschiedliche Merkmale auf. Zudem sind nicht alle Beschlagnahmen, die nach § 160a StPO unzulässig sind, es auch nach § 97 StPO. Man denke etwa an die Beschlagnahme der Handakte eines Rechtsanwalts über die Beratung seines nichtbeschuldigten Mandanten. Und umgekehrt sind nicht alle der von § 97 StPO verbotenen Beschlagnahmen ebenfalls nach § 160a StPO unrechtmäßig. Beispielhaft sei die Beschlagnahme eines Briefes des Beschuldigten an seinen Bruder oder an seinen Arzt oder Steuerberater genannt, da diese Zeugnisverweigerungsberechtigten gar nicht oder nur unter den relativen Schutz des § 160a Abs. 2 StPO fallen. Von einem formalen Spezialitätsverhältnis kann keine Rede sein. Decken sich Normen, wie hier, nur teilweise, kommt „inhaltliche Spezialität“ oder „Subsidiarität“ 476  Glaser / Gedeon,

GA 2007, 415 (428). Die Auslegung von Gesetzen, S. 100. 478  Beck / OK / StGB / v. Heintschel-Heinegg, § 52 Rn. 9. 479  Larenz, Methodenlehre, S. 267. 477  Wank,

112

2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

in Betracht. Diese liegt vor, wenn zwar die Tatbestände an unterschiedliche Merkmale anknüpfen, sich aus dem Zweck der Regelung indes ergibt, dass die eine die andere verdrängt.480 So etwa, wenn der Zweck der einen Regelung vereitelt würde, wollte man ebenso die andere anwenden, weil der Gesetzgeber bestimmte Vorgänge einer einheitlichen, abschließenden Regelung zu unterwerfen beabsichtigte.481 § 160a und § 97 StPO beschränken die Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden durch Regelung von Verboten. Jedoch kann weder der einen noch der anderen Norm entnommen werden, dass jenseits der von ihr normierten Verbote die fragliche Ermittlungsmaßnahme zulässig, d. h. nicht verboten, sein soll.482 Dieser Schluss ginge über den beabsichtigten Regelungsbereich weit hinaus und wäre weiterhin verfassungsrechtlich problematisch. Die rechtsmethodischen Überlegungen legen nahe, dass § 160a StPO und § 97 StPO selbstständig nebeneinander tretende Schutzsysteme etablieren. Miteinander zu tun hätten sie nur insoweit, als bei der Anwendung des § 97 StPO hinsichtlich der Rechtsfolgen der erfolgten Beschlagnahme beschlagnahmefreier Gegenstände auf § 160a StPO zurückgegriffen werden muss. § 160a Abs. 5 StPO erschöpfte sich danach in der Aussage, die bestehende Regelung des § 97 StPO solle nicht modifiziert, i. e. eingeschränkt, werden. Von den Klassifizierungen „Spezialität“ oder „Subsidiarität“ sollte dann besser abgesehen werden. Für ein Nebeneinander der Schutzsysteme spricht ferner der Gedanke einer widerspruchsfreien Rechtsordnung. Es ergäben sich Brüche sowohl bei der Anwendung des § 160a StPO als auch in seinem Zusammenspiel mit anderen Normen. Zunächst wäre es sinnwidrig, wenn man annähme, dass eine Durchsuchung in der Anwaltskanzlei nach § 160a Abs. 1 S. 1 StPO rechtswidrig, die daraus resultierende Beschlagnahme aber zulässig sein soll.483 Widersprüchlich wäre es indes auch, wenn auf der einen Seite durch § 100c Abs. 6 S. 1 StPO und § 160a Abs. 1 S. 5 StPO der Zugriff auf Unterhaltungen zwischen Anwalt und Mandant in einer Wohnung sowie auf deren Telefongespräche untersagt würde, die Beschlagnahme der Notizen oder des Mitschnittes, den sich der Rechtsanwalt darüber angefertigt hat, aber auf der anderen Seite keinem Ermittlungsverbot nach § 160a Abs. 1 S. 1 StPO unterstellt würde. Dies führte zu einer Diskrepanz, die zu der Intention des Gesetzgebers, ein harmonisches Gesamtkonzept, auch zwischen offenen und verdeckten Ermittlungsmaßnahmen, zu gestalten, in Widerspruch stünde.484 480  Wank,

Die Auslegung von Gesetzen, S. 100. Methodenlehre, S. 268. 482  So auch Bertheau, StV 2012, 303 (306). 483  Ebenso Bertheau, StV 2012, 303 (306); Siegrist, wistra 2010, 427 (430). 484  Siehe BT-Drs. 16 / 5846, S. 1. 481  Larenz,



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“113

dd) Stellungnahme: Argumente gegen die Anwendung des § 160a StPO auf Beschlagnahmen Jedoch sprechen gewichtige Argumente dafür, dass mit § 160a StPO keine Anhebung des Schutzniveaus gegen Beschlagnahmen beabsichtigt war. Indizien dafür finden sich in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Novelle des § 160a StPO vom 22.07.2010.485 Auf diesem beruht das Gesetz zur Stärkung des Schutzes von Vertrauensverhältnissen zu Rechtsanwälten im Strafprozessrecht vom 22.12.2010,486 das am 01.02.2011 in Kraft trat. Der Gesetzentwurf sah die Einbeziehung von Rechtsanwälten in den absoluten Schutzbereich von § 160a Abs. 1 StPO vor, nachdem von Berufsverbänden und zahlreichen Stimmen in der Literatur die mangelnde Praktikabilität der alten Regelung gerügt worden war, insbesondere aufgrund der fließenden Übergänge zwischen einem „einfachen“ Anwalts- und einem Verteidigungsmandat.487 In dem Gesetzentwurf488 heißt es unter anderem, mit § 160a StPO habe der Gesetzgeber „unter uneingeschränkter Beibehaltung sowohl der Zeugnisverweigerungsrechte als auch dem mittelbaren Schutz des Berufsgeheimnisses dienenden [sic] Sonderregelungen in § 97 StPO (Beschlagnahmeverbot) und § 100c Absatz 6 StPO (Verbot der akustischen Wohnraumüberwachung) erstmals eine Regelung geschaffen, wonach auch alle anderen Ermittlungsmaßnahmen Einschränkungen unterworfen wurden“. Zunächst bestätigt diese Passage die oben entwickelte Lesart, es sei dem Gesetzgeber mit § 160a Abs. 5 StPO darum gegangen, eine Einschränkung der §§ 97, 100c Abs. 6 StPO zu vermeiden. Die Wendung „auch 485  BT-Drs.

17 / 2637. S. 2261. 487  BT-Drs. 17 / 2637, S. 1, 6; vgl. Hassemer, AnwBl 2008, 413 (419). 488  RegE 2010 BT-Drs. 17 / 2637, S. 6: „§ 53 StPO gewährleistet den dort genannten Berufsgeheimnisträgern ein Zeugnisverweigerungsrecht über ihnen im Rahmen ihrer Berufsausübung anvertraute oder bekanntgewordene Informationen. Dieses Recht, das Zeugnis im Rahmen einer Vernehmung verweigern zu dürfen, ist durch das am 1. Januar 2008 in Kraft getretene Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006 / 24 / EG vom 21. Dezember 2007 (BGBl. I S. 3198) als solches unangetastet geblieben und sogar gestärkt worden: Mit dem neu in die Strafprozessordnung eingefügten § 160a StPO hat der Gesetzgeber unter uneingeschränkter Beibehaltung sowohl der Zeugnisverweigerungsrechte als auch dem mittelbaren Schutz des Berufsgeheimnisses dienenden [sic] Sonderregelungen in § 97 StPO (Beschlagnahmeverbot) und § 100c Absatz 6 StPO (Verbot der akustischen Wohnraumüberwachung) erstmals eine Regelung geschaffen, wonach auch alle anderen Ermittlungsmaßnahmen Einschränkungen unterworfen wurden, wenn sie zu Erkenntnissen führen, die in einer Vernehmungssituation dem Zeugnisverweigerungsrecht eines Berufsgeheimnisträgers unterfallen würden.“ 486  BGBl. I

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

alle anderen Ermittlungsmaßnahmen“ könnte aber so verstanden werden, dass durch § 160a StPO nunmehr alle anderen Ermittlungsmaßnahmen Einschränkungen in einer Regelung unterworfen werden, nachdem die StPO zuvor nur für die Zeugenvernehmung, die Beschlagnahme, die körperliche Untersuchung und die akustische Wohnraumüberwachung Schutzvorschriften für Berufsgeheimnisträger vorsah. Anders ausgedrückt: Dass § 160a StPO die genannten Ermittlungsmaßnahmen in Gänze unberührt lassen und gegen sie keinen (weiteren) Schutz gewähren soll. Diese Deutung findet eine Stütze in einer Rede der Bundesministerin der Justiz in einer Bundestagsdebatte vom 11.11.2010 zur Novellierung des § 160a StPO.489 Zum einen stellt die Ministerin den Fokus der Reform heraus, die „künstliche Aufspaltung“ zwischen Strafverteidigern und sonstigen Rechtsanwälten zu beenden. Zum anderen sagt sie, es müsse sichergestellt werden, dass Telefone und die E-Mail-Kommunikation nicht überwacht würden, denn „Schutz vor Durchsuchungen und Beschlagnahmen in Kanzleien“ gebe es bereits. Auch dies ist ein Indiz, dass die an der Gesetzgebung Beteiligten wie selbstverständlich davon ausgingen, § 160a StPO gewähre keinen erweiterten Schutz gegen Beschlagnahmen. Weitere Aufschlüsse über die gesetzgeberische Motivation geben die Materialien zur Einführung des § 160a StPO. Mehrfach wird unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des BVerfG zum Schutz des Kernbereiches des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts betont,490 ein absolutes Beweiserhebungsund Beweisverwendungsverbot sei nur gerechtfertigt, wenn ein absolut geschützter Belang dies erfordere: Mit dem Urteil des BVerfG zur akustischen Wohnraumüberwachung sei das aber mit Blick auf die Menschenwürde nur für das seelsorgerische Gespräch mit einem Geistlichen und das Gespräch 489  „Wichtig ist, dass wir mit diesem Schritt die bisherige künstliche Aufspaltung zwischen Strafverteidigern und anderen Anwälten beenden. Diese Abgrenzung lässt sich in der Realität sowieso nicht punktgenau treffen. Gerade bei komplexen Beratungsmandaten bestehen häufig enge Verflechtungen zu strafrechtlichen Fragen. Der Übergang von beratender zu verteidigender Tätigkeit ist oft fließend. Künftig gilt daher, bezogen auf alle Anwälte, ein absolutes Verbot der Erhebung und Verwertung von Informationen. Gegen Anwälte dürfen sich deshalb keine strafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen mehr richten, wenn damit Informationen erfasst würden, die vom Zeugnisverweigerungsrecht des Anwalts umfasst wären. Schutz vor Durchsuchungen oder Beschlagnahmen in Kanzleien gibt es bereits. Aber wir müssen sicherstellen, dass Telefone oder die E-Mail-Kommunikation nicht überwacht werden. Wir tragen damit natürlich auch dem Wandel Rechnung, der das anwaltliche Berufsbild betrifft; denn zum einen wird elektronische Kommunikation immer wichtiger, zum anderen gibt es immer mehr Sozietäten, in denen Strafverteidiger mit Anwälten anderer Fachrichtungen zusammenarbeiten.“ Protokoll Dt. Bundestag – 17. Wahlpe­ riode – 71. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. November 2010, S. 7706, 7707. 490  Etwa RegE 2007 BT-Drs. 16 / 5846, S. 1, 22 f., 25.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“115

mit einem Verteidiger anzunehmen.491 Das zeigt, dass sich der Gesetzgeber mit der Gestaltung eines absoluten Schutzes in § 160a Abs. 1 StPO von den Ausführungen des BVerfG zur typischen Kernbereichsrelevanz der Tätigkeit von Strafverteidigern und Geistlichen leiten ließ.492 Ob dies konsequent und in sich widerspruchsfrei geschehen ist, stellt eine andere Frage dar.493 Jedenfalls drückten sich die an der Gesetzgebung Beteiligten höchst missverständlich aus, denn die Konfusion von Kernbereichsschutz und Zeugnisverweigerungsrechtsschutz, d. h. Schutz der Vertrauensverhältnisse zu Berufsträgern im hiesigen Sinne, zieht sich durch alle Gesetzesentwürfe zu § 160a StPO sowie dessen Novellierungen.494 Dass Kernbereichsschutz und Schutz des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses aber zu unterscheiden sind, wurde im verfassungsrechtlichen Abschnitt gezeigt.495 Dass der Schutz des Kernbereichs des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts der maßgebliche hinter § 160a Abs. 1 StPO stehende Gedanke ist, hat jüngst das BVerfG bestätigt.496 Ferner sei im Hinblick auf die Effektivität der Strafverfolgung und den Grundsatz einer möglichst umfassenden Wahrheitsermittlung im Strafverfahren das absolute Beweiserhebungs- und -verwendungsverbot auf wenige Ausnahmefälle zu begrenzen. Allein vor dem Hintergrund des Kernbereichsschutzes sei der absolute Schutz des § 160a Abs. 1 StPO verfassungsrechtlich zulässig. Für Rechtsanwälte bestehe keine derartige typische Kernbereichsrelevanz, aufgrund der fließenden Übergänge zur Strafverteidigung sei die Einbeziehung in § 160a Abs. 1 StPO aber „noch zu rechtfertigen“.497 Aus letzterer Wendung folgern manche Literaturstimmen, dass der Senat eine Beibehaltung der alten Regelung wohl kaum beanstandet hätte.498 Ohne diesen Bezug ausdrücklich herzustellen, geht das BVerfG – insoweit folgerichtig – davon aus, dass § 160a StPO keine weiteren Beschränkungen für Beschlagnahmen regelt, denn § 160a StPO solle „mit Ausnahme der Maßnahmen nach § 97 und § 100c StPO […] für sämtliche offenen und verdeckten Ermittlungsmaßnahmen [gelten].“499 In der Tat lässt sich dies ebenso aus dem bereits zitierten Regierungsentwurf zum späteren § 160a StPO herauslesen: Dort heißt es die Neuregelung 491  RegE

2007 BT-Drs. 16 / 5846, S. 25 mit Bezug auf BVerfGE 109, 279 (323). Erwägungen gelten für den Schutz der Abgeordneten nach § 160a Abs.  1 StPO, hierzu SK / StPO / Wolter, § 160a Rn. 5. 493  Sehr kritisch hierzu SK / StPO / Wolter, § 160a Rn. 4 ff.; Reiß, StV 2008, 539 (542 ff.). 494  Ebenso SK / StPO / Wolter, § 160a Rn. 7 ff. 495  2. Kapitel A. I. 1. a) dd). 496  BVerfG NJW 2012, 833 (841). 497  BVerfG NJW 2012, 833 (842). 498  Rütters, jurisPR-StrafR 4 / 2012 Anm.  2. 499  BVerfG NJW 2012, 833 (840). 492  Andere

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

„gilt grundsätzlich“ bei allen Ermittlungsmaßnahmen. „Eine Ausnahme hiervon“, mithin eine Ausnahme vom Grundsatz der Geltung für alle Ermittlungsmaßnahmen, ergebe sich lediglich aus [§ 160a Abs. 5 StPO], der klarstelle, dass [§ 160a StPO] „im Bereich der Beschlagnahme und der akustischen Wohnraumüberwachung“ zugunsten der spezielleren Beweiserhebungsverbote in §§ 97, 100c Abs. 6 StPO keine Anwendung finde.500 Zwingend ist das nicht, im Hinblick auf das Spannungsverhältnis zum Wahrheitsermittlungsgrundsatz bzw. zum Strafverfolgungsinteresse jedoch die plausiblere Auslegung. Denn eine Anwendung des § 160a Abs. 1 StPO auf gegen den Rechtsanwalt oder den Mandanten gerichtete Beschlagnahmen gewährte dem Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis einen annähernden Schutzumfang, wie er für das Verhältnis Verteidiger-Beschuldigter nach § 148 StPO besteht. Dass fortan Beschlagnahmen in Kanzleiräumen fast völlig ausgeschlossen sein sollen, dass eine derartige massive Ausweitung des Schutzes gewollt war, findet keinerlei Ausdruck in den Gesetzgebungsmaterialien.501 Hätte der Gesetzgeber eine neue Tarierung zwischen Aufklärungsgrundsatz und Schutz des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses im Bereich der Beschlagnahme vornehmen wollen, hätte er diese Abwägung explizieren müssen.502 Dieses Abwägungsergebnis hätte ihm einigen Begründungsaufwand abverlangt, denn dass für das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis verfassungsrechtlich kein absoluter, sondern nur relativer Schutz geboten ist, hat sich in den Ausführungen zum Kernbereich gezeigt. Trotz der missverständlichen Formulierung in § 160a Abs. 5 StPO und trotz der mehrdeutigen Gesetzgebungsmaterialien ist demnach festzuhalten, dass § 160a StPO keinen weiteren Schutz gegen Beschlagnahmen im Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis gewährt. § 160a Abs. 5 StPO ist demnach so zu lesen, dass § 160a StPO für die Frage der Beschlagnahmefreiheit, die Zulässigkeit der Beschlagnahme, keine Regelung treffen möchte. Aus § 160a StPO folgt deshalb kein Beweiserhebungsverbot für Beschlagnahmen, nach dem ausdrücklichen gesetzgeberischen Willen aber ein Beweisverwertungsverbot, falls entgegen § 97 StPO beschlagnahmt wurde.503 Es muss bezweifelt werden, ob das sinnvoll ist, denn insoweit hatte die Recht500  RegE 2010 BT-Drs. 17 / 2637, S. 6; siehe bereits unter 2. Kapitel Fn. 488. Dieses Ergebnis ebenso Meyer-Goßner, § 97 Rn. 10; Jahn / Kirsch, NStZ 2012, 718 (719). 501  Für eine im Zweifelsfall enge Auslegung der Vorschriften, die Berufsgeheimnisträger privilegieren, angesichts der Bedeutung des Grundsatzes der Wahrheitsermittlung im Strafverfahren BVerfGE 33, 367 (383); BVerfG NJW 2012, 833 (841). 502  In RegE 2010 BT-Drs. 17 / 2637, S. 7 wird diese Abwägung nur für die Telefonüberwachung, eine verdeckte Ermittlungsmaßnahme, ausdrücklich vorgenommen. Dies verdeutlich erneut, dass der Gesetzgeber eine Ausweitung des Schutzes gegen Beschlagnahmen nicht beabsichtigte. 503  BT-Drs. 16 / 5846, S.  38.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“117

sprechung bei Verstößen gegen § 97 StPO bereits funktionierende Lösungen entwickelt.504 Rechtsmethodisch lässt sich dieses Ergebnis als teleologische Auslegung des § 160a Abs. 5 StPO oder aufgrund der diffusen Bedeutung des Wortes „unberührt“ sogar als teleologische Reduktion des zu weit geratenen Wortlautes im Hinblick auf den vorrangigen Telos des § 160a Abs. 1 StPO, den Kernbereichsschutz, begreifen. Das Verhältnis von § 97 StPO und § 160a StPO zueinander ist deshalb am besten mit Exklusivität hinsichtlich des Anwendungsbereiches und einseitiger Übernahme der Rechtsfolge beschrieben. In diesem Sinne wird man von der Subsidiarität des § 160a StPO gegenüber § 97 StPO sprechen können. Offen kann deshalb bleiben, ob § 97 StPO eine negative Regelung gegen die Beschlagnahmefreiheit im Verhältnis zwischen dem nichtbeschuldigten Mandanten zu dem Rechtsanwalt trifft. Wurden zuvor verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine abschließende Regelung der Beschlagnahmefreiheit in § 97 StPO geäußert, wären diese mit dem Argument widerlegt, dass die Vorschrift, wenn überhaupt, allein die Beschlagnahmeverbote nach der StPO – mit Ausnahme von § 148 StPO – abschließend regeln solle.505 Wollte die Staatsanwaltschaft im Beispielfall daher eine Durchsuchung der Kanzleiräume des Rechtsanwalts sowie eine Beschlagnahme der Beratungsunterlagen anordnen lassen, stünde jedenfalls der Beschlagnahme § 160a Abs. 1 S. 1 StPO nicht entgegen. Eine Durchsuchung wäre aber unzulässig. d) Ergebnis Auch für § 160a StPO ist festzuhalten, dass der Schutz der Vertrauensverhältnisse der zeugnisverweigerungsberechtigten Personen mit ihren Mandanten, Patienten, Klienten, etc. durch die Verwehrung des Zugriffs auf Informationen bewirkt wird. Folglich besteht ebenso für Rechtsanwälte im Anwendungsbereich des § 160a Abs. 1 StPO ein Rundumschutz gegen Informationszugriffe der Strafverfolgungsbehörden. Dieser Schutz ist akzessorisch zu § 53 StPO ausgestaltet und besteht daher nicht, wenn der Schutzbereich des § 53 Abs. 1 StPO nicht eröffnet ist, der Zeugnisverweigerungsberechtigte nach § 53 Abs. 2 StPO von seiner Schweigepflicht entbunden wurde oder dieser selbst Beschuldigter des Strafverfahrens ist.506 § 160a StPO „überspielt“ daher nicht die Überlegungen zum Anwalt-Mandant504  Siehe RGSt 20, 91 (92); 47, 195 (196); BGHSt 18, 227 (228); 25, 168 (168); BGH NJW 2001, 3793 (3793). 505  LR / Schäfer, § 97 Rn. 11 ff. 506  KK / StPO / Griesbaum, § 160a StPO Rn. 4.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

Vertrauensverhältnis aus § 53 StPO, sondern ergänzt lediglich die Reichweite des Schutzes, den das Gesetz dem Vertrauensverhältnis zuschreibt. Keinen Schutz bietet die Norm aber gegen Beschlagnahmen. Insoweit konnte ein verfassungsrechtlich weitergehender Schutz ausgemacht werden, allerdings muss der in den Materialien zum Ausdruck kommende Wille des Gesetzgebers ernst genommen werden.

IV. Strafgesetzbuch: § 203 StGB Auch in strafrechtlichen Bezügen wird das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant gestreift: Nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB macht sich ein Rechtsanwalt strafbar, der unbefugt ein fremdes Geheimnis offenbart, das ihm als solchem anvertraut oder bekanntgeworden ist. § 203 StGB bildet gemeinsam mit § 43a Abs. 2 BRAO die materielle Basis für die Verweigerung des Zeugnisses durch den Anwalt im Strafverfahren. Denn § 53 StPO räumt diesem lediglich ein Recht ein, schweigt aber, wann es in Anspruch zu nehmen ist. Dies muss der Rechtsanwalt selbst entscheiden, was er bei drohender Strafbarkeit nach § 203 StGB in der Regel tun wird. Hierdurch gewinnt § 203 StGB möglicherweise Relevanz für das Anwalt-MandantVertrauensverhältnis nach § 53 StPO. 1. Das geschützte Rechtsgut Das Schutzgut des Geheimnisschutzes in § 203 StGB ist umstritten. Einige Stimmen verweisen auf das Allgemeininteresse an der Verschwiegenheit bestimmter Berufs- und Funktionsträger, denen der Patient, Klient, etc. die zur Berufsausübung erforderlichen Angaben nur mache, wenn deren Vertraulichkeit gesichert ist.507 Andere sehen den Lebens- und Geheimbereich als geschützt an, der im Individualinteresse der Betroffenen nicht von Trägern solcher Berufe verletzt werden soll, denen der Einzelne Geheimnisse in der Regel anvertrauen muss.508 2. Umfang der Schweigepflicht Konstituiert durch die Elemente (1) Geheimsein, (2) Geheimhaltungs­wille und (3) objektives Geheimhaltungsinteresse handelt es sich bei einem Ge507  OLG Celle MDR 1952, 376 (376); OLG Karlsruhe NJW 1984, 676 (676); OLG Köln NStZ 1983, 412 (412); S / S27 / Lenckner, § 203 Rn. 3; Henssler, NJW  1994, 1817 (1820). 508  BGHZ 109, 260 (268); BayObLGZ 1986, 332 (336); OLG Hamburg NJW 1962, 689 (691); Fischer, § 203 Rn. 2; LK / Schünemann, § 203 Rn. 14.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“119

heimnis um eine Tatsache, die (1) nur einem begrenzten Personenkreis bekannt oder zugänglich ist, die (2) derjenige, dessen Sphäre sie entstammt, nicht aus diesem Kreis hinausgelangen lassen will oder, würde er sie kennen, nicht aus diesem Kreis hinausgelangen lassen wollte und (3) an deren Geheimhaltung er ein von seinem Standpunkt aus verständliches Interesse hat.509 Tatbestandlich erfasst sind nur die Geheimnisse, die dem Schweigepflichtigen in seiner beruflichen Eigenschaft anvertraut oder sonst bekanntgeworden sind. Anvertrauen meint Mitteilen als Geheimnis,510 wobei gleichgültig ist, wer dies tut, d. h. es muss sich dabei nicht um den Mandanten handeln, zu dem der Anwalt in einem Vertrauensverhältnis steht. So kann ebenso ein Anwalt einem Kollegen geheimzuhaltende Tatsachen über einen Mandanten mitteilen. In sonstiger Weise bekanntgeworden ist ein Geheimnis, wenn es den Berufsträger, in welcher Weise auch immer, erreicht.511 Denkbar ist insbesondere die Kenntniserlangung durch eigene Ermittlungstätigkeit des Schweigepflichtigen, aber ebenfalls durch jedes sonstige Verhalten des Betroffenen oder Dritter. Weitere Voraussetzung der Kenntniserlangung ist ein Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Schweigepflichtigen („als Rechtsanwalt anvertraut […] oder sonst bekanntgeworden“). Dieser liegt vor, wenn der Berufsträger bei der Erlangung des Geheimnisses seine berufsspezifische Funktion ausgeübt hat – z. B. eine Handlung vorgenommen hat, die typisch für das spezifische Berufsbild ist oder für die berufsmäßiges Entgelt nach einer Gebühren- oder Honorarordnung abgerechnet werden kann –, das Geheimnis also in einem inneren Zusammenhang mit seiner Berufstätigkeit steht, er es erlangt hat, weil er Rechtsanwalt 509  LK / Schünemann,

§ 203 Rn. 19. ist, ob „Anvertrauen“ einen Vertrauensakt, d. h. eine Mitteilung unter der Auflage oder der stillschweigenden Forderung der Geheimhaltung erfordert, vgl. RGSt 13, 60 (62); 66, 273 (274); OLG Köln NStZ 1983, 412 (412). Zum Teil wird dies abgelehnt unter Verweis darauf, dass nach der heutigen Fassung des § 203 StGB Geheimnisse dem Berufsträger auch „sonst bekanntgeworden“ sein können. Der in einem ausdrücklichen oder konkludenten Vertrauensakt manifestierte Geheimhaltungswille kennzeichne daher nicht mehr den Übermittlungsvorgang, sondern sei Teil des Geheimnisbegriffs, so etwa Lackner  /  Kühl  /  Kühl, § 203 Rn. 16; LK / Schünemann, § 203 Rn. 24; NK / Kargl, § 203 Rn. 12; im Ergebnis ebenso BGH NJW 1993, 803 (804). Die Gegenmeinung hält am Erfordernis eines Vertrauensakts fest, so u.  a. Fischer, §  203 Rn.  8; MüKo / StGB / Ciernak / Pohlit, § 203 Rn. 45; S / S / Lenckner / Eisele, § 203 Rn. 13. Die divergierenden Auffassungen führen allerdings nicht zu unterschiedlichen Ergebnissen, da die Variante des Bekanntwerdens auf sonstige Weise als Auffangmerkmal konstruiert ist, das alle sonstigen Fälle der Kenntniserlangung außerhalb der Anvertrauens-Variante erfasst. Eine exakte Abgrenzung zwischen den Varianten kann daher bei der praktischen Rechtsanwendung dahinstehen; zu diesem Ergebnis kommt auch BGHZ 40, 288 (293 f.) unter Verweis auf § 53 Abs. 2 StPO. 511  Hierzu MüKo / StGB / Ciernak / Pohlit, § 203 Rn. 46. 510  Streitig

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

ist.512 Im Ergebnis geht es um die Abgrenzung zur bloßen Kenntniserlangung als Privatperson. Für den Anwalt wäre daher ein Zusammenhang mit einer typischen Aufgabe als Rechtsberater maßgebend (vgl. § 3 Abs. 1 BRAO).513 Umstritten ist, ob § 203 StGB sachlich auf das Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Mandant beschränkt ist. In diesem Zusammenhang wird diskutiert, ob die Geheimnisse Dritter tatbestandlich erfasst sind.514 Das sind Geheimnisse, die nicht oder nicht nur der Sphäre des Mandanten entstammen, somit zumindest auch einen Dritten betreffen.515 Weil auch lediglich bekanntgewordene Geheimnisse tatbestandlich erfasst sind – vorausgesetzt, der Rechtsanwalt erlangt sie „als“ solcher –, unterlägen sogar zufällige Beobachtungen dem Schutz des § 203 StGB. Zu denken wäre etwa an einen Anwalt, der seine Mandantin in deren Wohnung besucht, um ihr seine Honorarabrechnung zu übergeben und dabei von ihrem Ehemann gefertigte „Blüten“ auf dem Tisch entdeckt.516 Im Hintergrund dieses Streites steht die Frage, ob § 203 StGB auf die Partner einer Vertrauensbeziehung beschränkt bleiben, mithin durch Strafbewehrung eine sichere Informationssphäre exklusiv zwischen Mandant und Rechtsanwalt schaffen soll, oder ob der Geheimnisverrat durch Berufsträger schlechthin, nach Art eines „allgemeinen Indiskretionsdelikts“517, unter Strafandrohung gestellt wird. In der Literatur werden unterschiedliche Ansätze vertreten, um im Hinblick auf Drittgeheimnisse eine Beschränkung der Reichweite des § 203 StGB zu erreichen.518 So finden sich unter anderem die Vorschläge, der Schweigepflichtige müsse zum betroffenen Geheimnisträger oder zum Informanten519 in einer typischerweise auf Vertrauen beruhenden Sonderbeziehung stehen520 bzw. das Geheimnis müsse innerhalb eines ausdrücklich oder konkludent Fischer, § 203 Rn. 7 f.; LK / Schünemann, § 203 Rn. 35, 38. MüKo / StGB / Ciernak / Pohlit, § 203 Rn. 40. 514  Eine Übersicht über die vertretenen Vorschläge zur Einschränkung gibt MüKo / StGB / Ciernak / Pohlit, § 203 Rn. 78 ff. 515  Je nachdem, ob der Mandant nicht oder zumindest auch neben einem Dritten von der geheimen Information betroffen ist, sind dies „isolierte“ oder „verknüpfte“ Drittgeheimnisse, siehe LK / Schünemann, § 203 Rn. 39. 516  Abgewandeltes Beispiel bei LK  /  Schünemann, § 203 Rn. 40 Fn. 83; ders., ZStW 90 (1978), 11 (57). 517  LK / Schünemann, § 203 Rn. 39. 518  Siehe LK / Schünemann, § 203 Rn. 39. Bei „verknüpften“ Drittgeheimnissen handelt es sich allerdings teilweise zugleich um Eigengeheimnisse des Mandanten, der Streit dreht sich daher im Wesentlichen um die Erfassung der „isolierten“ Drittgeheimnisse. 519  Zu beachten ist, dass Geheimnisträger, Informant und Mandant nicht personenidentisch sein müssen. 520  So S / S27 / Lenckner, § 203 Rn. 15. 512  Hierzu 513  So



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“121

bestimmten Verschwiegenheitsrahmens vom Patienten oder von einem anderen Anvertrauenden mitgeteilt oder in einem inneren Zusammenhang damit erfahren worden sein521 oder auch zwischen dem Patienten und dem Dritten müsse eine Vertrauensbeziehung bestehen.522 Die Gegenansicht verweist auf den Wortlaut der Vorschrift, der keine Einschränkung bezüglich Drittgeheimnisse zulasse.523 3. Einverständnis bzw. Einwilligung in die Offenbarung Entscheidend für die Herrschaft über das dem Rechtsanwalt zur Kenntnis gelangte Geheimnis ist, wem die Berechtigung zukommt, den Anwalt von der Schweigepflicht zu entbinden. In der Terminologie des § 203 StGB ist also zu fragen, auf wessen Einverständnis524 zur bzw. Einwilligung525 in die Offenbarung des Geheimnisses es ankommt. Im Grundsatz ist das derjenige, auf den sich die geheimzuhaltenden Tatsachen unmittelbar beziehen. In der Regel ist das der Mandant des Rechtsanwalts, nicht hingegen ein sonstiger, nur mittelbar betroffener Dritter.526 Im Einzelnen sehr streitig ist die Behandlung von Drittgeheimnissen. Teilweise wird vertreten, die Entbindungsbefugnis stehe allein demjenigen zu, dessen Lebensbereich das Geheimnis betrifft.527 Im Falle isolierter Drittgeheimnisse wäre dies daher nur der Dritte. Andere sehen entweder ausschließlich den Anvertrauenden,528 variierend, den Beteiligten der Vertrauensbeziehung529 oder den Anvertrauenden neben dem Geheimnisbetroffenen530 als verfügungsbefugt an.

LK / Schünemann, § 203 Rn. 39. Schreiner, Drittgeheimnisse und Schweigepflicht, S. 28, 99. 523  So OLG Hamburg NJW 1962, 689 (691); OLG Köln NJW 2000, 3656 (3657); vgl.  MüKo / StGB / Ciernak / Pohlit, § 203 Rn. 77; ferner Rogall, NStZ 1983, 413 (414). 524  OLG Bremen MedR 1984, 112 (112); OLG Schleswig NJW 1985, 1090 (1092); Fischer, §  203  Rn.  31; Lackner / Kühl / Kühl, § 203 Rn. 18; LK / Schünemann, § 203 Rn. 92 f.; NK / Kargl, § 203 Rn. 50. 525  BGHSt 4, 355 (356); OLG Köln NJW 1962, 686 (687); MüKo  / StGB / Ciernak / Pohlit, § 203 Rn. 54; LK10 / Jähnke, § 203 Rn. 56; S / S27 / Lenckner, § 203 Rn. 22. 526  Fischer, § 203 Rn. 34; LK / Schünemann, § 203 Rn. 97. 527  OLG Hamburg NJW 1962, 689 (691); OLG Stuttgart DJZ 1898, 391 (391); Lackner / Kühl / Kühl, §  203 Rn.  18; MüKo / StGB / Ciernak / Pohlit, § 203 Rn. 80; NK / Kargl, § 203 Rn. 55. 528  Schmitz, JA 1996, 949 (952). 529  So noch Roxin / Schroth2 / Niedermair, S. 382 (414). 530  OLG Köln NStZ 1983, 412 (412); LK  / Schünemann, §  203 Rn.  99 f.; S / S /  Lenckner / Eisele, § 203 Rn. 23. 521  So 522  So

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

4. Ergebnis Zwar hat § 203 StGB keine unmittelbare Relevanz für die Auslegung der StPO. Allerdings liefert die Strafnorm Anhaltspunkte für materielle Bezugspunkte des Vertrauens, das § 53 StPO in der Beziehung zwischen Anwalt und Mandant ersichtlich voraussetzt, selbst aber nicht begründen kann. Stellt man nun Überlegungen an, inwieweit § 203 StGB damit das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandat schützt, ist zu konstatieren, dass nur geheime Informationen der Verschwiegenheitspflicht unterworfen sind.531 Weiter müssen diese Geheimnisse nicht durch Kommunikation mit dem Mandanten, im Sinne einer intendierten Übermittlung von Informationen, erlangt sein (= Art der Informationserlangung), sie können auch von Dritten stammen. Ferner müssen die geschützten Informationen (weder ausdrücklich noch konkludent) als „vertraulich“ etikettiert an den Anwalt übermittelt worden sein. Der Schutz des Vertrauensverhältnisses als geschützte Informationssphäre zwischen Berufsgeheimnisträger und Mandant steht nach bisher Dargestelltem anscheinend insoweit im Fokus von § 203 StGB, als Gegenstand der Informationserlangung ein den Mandanten betreffendes Geheimnis (= Gegenstand der Informationserlangung) ist. Der Mandant darf sonach Vertrauen darauf haben, dass der Anwalt über jedwede geheime Information, die der Anwalt über ihn erlangt, Stillschweigen bewahren wird, denn der Vertrauensmissbrauch ist strafrechtlich bewehrt. Diese Schweigepflicht legt das Fundament des Vertrauens, auf das § 53 StPO aufbaut und das durch ein Zeugnisverweigerungsrecht des Anwalts im Strafverfahren abgesichert werden soll. Allerdings geht § 203 StGB in seiner weiten Auslegung, wonach ebenfalls die Geheimnisse außerhalb konkreter Vertrauensverhältnisse stehender Dritter erfasst sind, in seinem Schutz über die Anwalt-Mandant-Beziehung hinaus. Erfährt der Anwalt geheime Informationen über einen Dritten, von denen sein Mandant nichts weiß, kann er dem Mandanten diese nicht offenbaren, ohne zuvor, wiederum nach einer weiten Auslegung, das Einverständnis bzw. die Einwilligung des Dritten eingeholt zu haben. Teilt der Mandant dem Rechtsanwalt geheime Informationen über Dritte mit, etwa über den Prozessgegner, so dürfte der Anwalt selbst diese ohne Erlaubnis des Dritten nicht durch sein Reden in das Verfahren einführen. Dass dies im Strafverfahren nicht gelten kann, soll in einem späteren Abschnitt beantwortet werden.532 An dieser Stelle ist bedeutsam, dass der Anwalt als Konsequenz eines solchen Verständnisses von § 203 StGB auch gegenüber seinem eigenen Man531  Streitig ist, ob dies eine Abweichung zum sachlichen Umfang von § 53 StPO darstellt. Eine Übersicht zum Streitstand findet sich bei LK  /  StGB  /  Schünemann, § 203 Rn. 9. 532  Siehe unter 2. Kapitel A. VI. 2. a).



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“123

danten zum Schweigen verpflichtet ist. Auf der einen Seite bestätigt sich hierin der zu § 53 StPO entwickelte Gedanke, dass es bei Vertrauensverhältnissen um den Schutz der Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant geht. Denn aufgrund der strafrechtlichen Schweigepflicht wird der Anwalt Dritte nicht in Kenntnis von der erlangten Information setzen, was eine Abschirmung der Kommunikationsergebnisse bewirkt. Auf der anderen Seite darf der Anwalt erlangtes Wissen unter Umständen weder seinem eigenen Mandanten noch dem Gericht ohne das Zutun eines Dritten mitteilen. Dies legt nahe, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant nicht unbedingt das Element einer Verfügungsbefugnis über Informationen in sich trägt. Zwar sind die Informationen, die der Mandant in das Vertrauensverhältnis zum Anwalt einbringt, durch § 203 StGB gegen Offenbarung an Dritte umfassend geschützt. Allerdings hat es der Mandant nicht ebenso umfassend in der Hand, den Anwalt „zum Reden zu bringen“, wenn er es wünscht. Für Geheiminformationen, die allein der Geheimsphäre des Mandanten zuzuordnen sind, kann er es, nicht aber für solche Informationen, die Dritte betreffen. Diese Überlegungen rücken das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant in den Kontext zweier Fragekreise: Zum einen ist dies die Abschirmung der Kommunikationsbeziehung, so wie es bereits zu §§ 53, 97, 148, 160a StPO herausgearbeitet wurde. Zum anderen ist dies die Frage nach der Verfügungsbefugnis über die Informationen, die als Teil der Kommunika­ tionsbeziehung dem Zugriff des Staates entzogen sind. Letzterer Aspekt gewinnt ebenso bei § 53 Abs. 2 StPO Relevanz. Die Befunde zu § 203 StGB legen nahe, dass im Interesse des Mandanten zwar die Kommunikation zum Rechtsanwalt dem Zugriff des Staates entzogen ist, die Dispositionsbefugnis diesem aber möglicherweise zumindest nicht ungeteilt zusteht. Ob und welche Folgerungen sich hieraus für das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis im Sinne der StPO ergeben, wird in den folgenden Abschnitten dargestellt.

V. Anwaltliches Berufsrecht Wie § 203 StGB statuiert § 43a Abs. 2 BRAO eine Schweigeplicht für Rechtsanwälte. 1. Der Sinn und Zweck der Vorschrift Die Verschwiegenheitspflicht aus § 43a Abs. 2 BRAO533 bildet „die Grund­ lage für das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Man­ 533  Eine inhaltsgleiche Regelung findet sich in § 2 der Berufsordnung der Rechtsanwälte, einer Satzung der Bundesrechtsanwaltskammer, in der Fassung vom

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

dant“,534 denn das Vertrauen seines Mandanten kann der Anwalt nur erwarten, wenn er über das Anvertraute schweigt.535 Dieses Vertrauen würde erschüttert bzw. könnte von vornherein nicht entstehen, wenn der Mandant fürchten müsste, dass seine dem Anwalt gegebenen Informationen ohne seinen Willen von diesem offenbart werden müssten.536 2. Umfang der Schweigepflicht und Entbindungsbefugnis § 43a Abs. 2 BRAO normiert demgemäß, dass der Rechtsanwalt über „alles, was ihm in Ausübung seines Berufes bekanntgeworden ist“, Verschwiegenheit zu wahren hat. Die Vorschrift differenziert nicht nach der Art der Informationserlangung. Der Vertraulichkeit unterliegen die Informationen, die der Mandant selbst dem Rechtsanwalt anvertraut hat, aber auch jene Erkenntnisse, die der Anwalt durch den Kontakt mit Dritten oder durch eigene Recherche gewonnen hat.537 Voraussetzung ist allerdings ein Zusammenhang („in Ausübung“) zwischen der Informationserlangung und der beruflichen Tätigkeit des Rechtsanwalts.538, 539 Sonach scheiden Kenntnisse aus, die der Anwalt nur anlässlich seiner Tätigkeit gewonnen hat, wenn ein innerer Zusammenhang zu seinem Mandant indes fehlt.540 Zur Berufsausübung zählt dagegen bereits die Mandatsanbahnung.541 Auch nach Ablehnung eines angetragenen Mandats ist die bloße Tatsache der Konsultation vom Anwalt vertraulich zu behandeln. Hingegen umstritten ist der Umfang der Verschwiegenheitspflicht hinsichtlich des Gegenstandes der durch den Anwalt erlangten Informationen: Während eine starke Meinung im strafrechtlichen Schrifttum zu dem vom Regelungsziel, nämlich Verschwiegenheit, ähnlich gelagerten § 203 StGB 22.03.1999, zuletzt geändert durch BRAK-Beschl. vom 01.04.2011 (BRAK-Mitt. Nr. 4 S. 194). 534  BT-Drs. 12 / 4993, S.  27. 535  BGHZ 109, 260 (268); Feuerich / Weyland / Böhnlein, § 43a Rn. 12. 536  Henssler / Prütting / Henssler, § 43a Rn. 38. 537  Vgl. Henssler / Prütting / Henssler, § 43a Rn. 45. 538  Neben den „klassischen“ Beratungs- und Vertretungsaufgaben des Anwalts (vgl. § 3 Abs. 1 BRAO) zählt hierzu auch die Tätigkeit als Vermittler, Schlichter und Mediator, wie § 18 BORA hervorhebt. 539  Hierzu Feuerich / Weyland / Böhnlein, § 43a Rn. 16. 540  Zu denken ist etwa an einen Rechtsanwalt, der als Zuhörer in einem Gerichtssaal Kenntnisse erlangt, die sich nicht auf seine Mandate beziehen, so Henssler / Prütting / Henssler, § 43a Rn. 50. 541  Feuerich / Weyland / Böhnlein, § 43a Rn. 16.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“125

auch die Geheimnisse Dritter542 tatbestandlich erfasst sieht,543 lehnt dies ein Teil des berufsrechtlichen Schrifttums ganz ab,544 da der Anwalt dem Dritten keine Vertraulichkeit schulde, und gesteht dem Dritten zum Schutz seiner Geheimnisse nur einen Unterlassungs- bzw. Schadensersatzanspruch nach den allgemeinen Vorschriften545 zu. Die übrigen Stimmen zum anwaltlichen Berufsrecht unterwerfen zwar – zumeist546 – die Geheimnisse Dritter der Verschwiegenheitspflicht aus § 43a Abs. 2 BRAO, sehen jedoch jedenfalls den Mandanten als „Herr des Geheimnisses“ an, ordnen daher allein ihm die Befugnis zur Entbindung des Rechtsanwalts von seiner Pflicht zum Stillschweigen zu.547 Andernfalls drohe ein „Heer von Geheimnisträgern“, die es dem Anwalt unmöglich machten, seine vertraglichen Pflichten aus dem Mandatsverhältnis zu erfüllen: Drittgeheimnisse dürfte er weder im Prozess vortragen noch dem Mandanten aufgrund der Auskunftspflicht nach § 666 BGB mitteilen.548 Die besondere Bedeutung des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant stellt auch Nr. 2.3. der Berufsregeln der Rechtsanwälte in der Europäischen Union (französisch: Commission de Conseil des Barreaux européens, abgekürzt CCBE) heraus. Hierin ist geregelt: „2.3. Berufsgeheimnis 2.3.1. Es gehört zum Wesen der Berufstätigkeit des Rechtsanwalts, dass sein Mandant ihm Geheimnisse anvertraut und er sonstige vertrauliche Mitteilungen erhält. Ist die Vertraulichkeit nicht gewährleistet, kann kein Vertrauen entstehen. Aus diesem Grund ist das Berufsgeheimnis gleichzeitig ein Grundrecht und eine Grundpflicht des Rechtsanwalts von besonderer Bedeutung. Die Pflicht des Rechtsanwalts zur Wahrung des Berufsgeheimnisses dient dem Interesse der Rechtspflege ebenso wie dem Interesse des Mandanten. Daher verdient sie besonderen Schutz durch den Staat. 2.3.2.  Der Rechtsanwalt hat die Vertraulichkeit aller Informationen zu wahren, die ihm im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit bekannt werden. 542  Im Sinne „isolierter“ Drittgeheimnisse, d. h. Informationen, die nicht zumindest auch den Mandanten betreffen. 543  Hierzu siehe 2. Kapitel IV. 2. 544  So AnwG Rostock BRAK-Mitt. 2007, 227 (227); Henssler / Prütting / Henssler, § 43a Rn. 49; Kleine-Cosack, § 43a Rn. 14 f.; Rüpke, NJW 2002, 2385 (2386). 545  Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewähren §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB analog i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG; strafrechtlicher bzw. zivilrechtlicher Ehrschutz ergibt sich aus: §§ 185 ff. StGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§  185 ff. StGB. 546  So etwa Feuerich / Weyland / Böhnlein, § 43a Rn. 16; differenzierend KleineCosack, § 43a Rn. 14, 15. 547  Zu § 43a BRAO entspricht dies der h. M.; so etwa Feuerich / Weyland / Böhnlein, § 43a Rn. 24; Kleine-Cosack, § 43a Rn. 30 m. w. N. 548  So Nassall, KTS 1988, 633 (647).

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

2.3.3.  Die Pflicht zur Wahrung des Berufsgeheimnisses ist zeitlich unbegrenzt. 2.3.4. Der Rechtsanwalt achtet auf die Wahrung der Vertraulichkeit durch seine Mitarbeiter und alle Personen, die bei seiner beruflichen Tätigkeit mitwirken.“

3. Ergebnis Zwar hat weder die Regelung des § 43a Abs. 2 BRAO noch der Nr. 2.3. CBBE unmittelbare Relevanz für die Auslegung der Vorschriften der StPO. Ungeachtet dessen verdeutlichen diese Berufsregeln aber, wie wichtig das Vertrauensverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Klient für die Mandatstätigkeit ist. Die Berufsregeln bestätigen die wertsetzende Bedeutung dieses Vertrauensverhältnisses für das Interesse des Mandanten an einer diskreten Kommunikation mit dem Berufsträger, das Interesse des Anwalts an einer sachgerechten Berufsausübung sowie das Interesse der Rechtspflege an einer freien Advokatur. Diese Grundwerte sind bei der Auslegung der StPO zu beachten.549

VI. Ergebnis Die Analyse der Vorschriften, in denen das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis im Kontext von Informationsschutz eine Rolle spielt, ergibt im Hinblick auf die §§ 53, 97, 160a StPO im Wesentlichen drei Aussagen. 1. Schutz der Kommunikationsbeziehung Der erste Aspekt betrifft die Frage, wie das Gesetz den bezweckten Schutz des Vertrauensverhältnisses verwirklicht. Es geht um den „sachlichen Schutzbereich“ des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses. Für die Schutzvorschriften §§ 53, 97, 160a StPO ist festzustellen, dass sie in der Gesamtheit ihrer sachlichen Schutzbereiche sowohl den Kommunikationsvorgang zwischen Anwalt und Mandant als auch die kommunizierten Informationen als Kommunikationsinhalte beim Anwalt vor staatlichem Zugriff schützen. Tragende Erwägung ist, dass es nicht darum geht, den Ermittlungsbehörden bestimmte Informationen an sich zu entziehen, qua ihrer Lozierung in der Persönlichkeitssphäre des Individuums, sondern dasjenige freizustellen, was im Rahmen der Anwalt-Mandant-Beziehung kommuniziert wird oder kommuniziert wurde. Verfassungsrechtlich findet dies seine Grundlage vor allem im Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Mandanten, Art. 2 Abs. 1 549  Dierlamm,

FS-DAV, S. 428 (444).



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“127

GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, in seiner Ausprägung als Recht auf Achtung der Privatsphäre sowie nachrangig als Recht auf selbstbestimmte Darstellung nach außen, d. h. als Recht am eigenen Wort und auf informationelle Selbstbestimmung. Der Grund für die Gewährung verfassungsrechtlichen Schutzes kommt prototypisch in der Forderung zum Ausdruck, dass dem Rechtsratsuchenden aus der die Informationspreisgabe erzwingenden Inanspruchnahme von professionellen Beratern kein Nachteil entstehen darf.550 Dieses Anliegen verfolgt ebenfalls die Berufsfreiheit des Rechtsanwalts, Art. 12 Abs. 1 GG. Sie sichert den vertraulichen Austausch des Rechtsanwalts mit seinem Mandanten zum Zwecke der freien Berufsausübung des Anwalts, vorrangig jedoch und daher insofern mit dienender Funktion, um den Geheimhaltungsinteressen der Mandantschaft Rechnung zu tragen. Die Verankerung im Rechtsstaatsprinzip untermauert diese Befunde und verleiht der Beziehung zwischen Rechtsanwalt und Mandant ein objektiv-rechtlich fundiertes, höheres Gewicht. Die Differenzierungen, die das BVerfG zwischen dem „einfachen“ Anwaltsmandat und dem Verteidigungsmandant vornimmt, finden sich auch in der Rechtsprechung des EGMR zur EMRK wieder. Relevanz entfalten sie aber nur insoweit, als dem Beschuldigten aus Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. dem Rechtsstaatsprinzip als Ausfluss des Rechts auf eine geordnete Verteidigung der vertrauliche Austausch mit dem Verteidiger gewährleistet wird und ihm die Rechte aus Art. 6 Abs. 3 EMRK zustehen. Auf diese Rechte kann sich der nicht beschuldigte Mandant nicht berufen. Im Übrigen ergeben sich auf verfassungsrechtlicher Ebene Unterschiede nur bei der Gewichtung der etwa durch eine strafprozessuale Maßnahme tangierten Belange: Der mit Strafe bedrohte Beschuldigte eines Strafverfahrens wird in der Regel mehr Rücksichtname für seine Rechtspositionen beanspruchen dürfen. § 203 StGB sowie § 43a Abs. 2 BRAO bilden die materielle Grundlage für das Vertrauensverhältnis. Sie stellen sicher, dass der Rechtsanwalt das vom Mandanten Erfahrene nicht an Dritte verrät und im Strafprozess von seinem Zeugnisverweigerungsrecht aus § 53 StPO Gebrauch macht. Dadurch entstehen eine Plattform vertraulicher Kommunikation sowie, innerhalb derer, eine geschützte Informationssphäre mit bzw. bei dem Rechtsberater. 2. Verfügungsbefugnis Der zweite Aspekt dreht sich um die Frage, wem die Berechtigung zusteht, auf den Schutz zu verzichten, den das Gesetz dem Anwalt-MandantVertrauensverhältnis gewährt. Dieser Problemkreis unterscheidet sich von 550  Vgl. BVerfGE 32, 373 (379 f.); 38, 312 (314 f.); 44, 353 (372); Rengier, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 15.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

der bereits vorgestellten Schutzdimension einer abgeschirmten Kommunikationsbeziehung. Es geht nicht mehr darum, dass Kommunikation vertraulich bleibt, sondern um die Erlaubnis, dass die Ermittlungsbehörden auf kommunizierte Informationen zugreifen dürfen. Im Vordergrund steht nicht ein Unterlassen des Staates, nämlich der Kenntnisverschaffung von Informationen, sondern eine Aktivität des Individuums und die Frage, wer mit Wirkung für das Strafverfahren in den Informationszugriff einwilligen darf. Zum Teil wird dieser Gesichtspunkt mit den Stichwörtern „Informationsherrschaft“ oder „Informationsfreigabebefugnis“ diskutiert. Allerdings sind diese Formulierungen zu unpräzise, denn sie führen weg vom Sinn und Zweck des Zeugnisverweigerungsrechts für Rechtsanwälte. Dieser liegt darin, zu gewährleisten, dass Rechtsratsuchende in die Verschwiegenheit des Anwalts auch im Strafverfahren vertrauen können. Eine Entbindung von der Schweigepflicht nach § 53 Abs. 2 StPO bewirkt, dass dem Rechtsanwalt kein Zeugnisverweigerungsrecht (mehr) zusteht, er folglich wie jeder andere Zeuge der strafprozessualen Zeugnispflicht unterliegt. Weiter dürfen die Ermittlungsbehörden per Beschlagnahme, Telefonüberwachung oder anderen Ermittlungsmaßnahmen auf Informationen aus dem Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis zugreifen. Es geht bei der Entbindungsberechtigung daher nicht um Informationsherrschaft und auch nicht um die Befugnis, bestimmte Informationen dem staatlichen Zugriff anheimzustellen. Vielmehr geht es allein darum, wem die Berechtigung zusteht, auf die gesetzliche Absicherung der Verschwiegenheitserwartung zu verzichten. Mit anderen Worten betrifft dieser Aspekt die Frage der Befugnis, die abgeschirmte Kommunikationsbeziehung für Informationszugriffe im Strafverfahren zu öffnen. a) Der Einfluss von § 203 StGB und § 43a Abs. 2 BRAO Der erste Gedanke ist, ob für diese Rechtsfrage nicht auf die Lösungen zu § 203 StGB und § 43a Abs. 2 BRAO zurückgegriffen werden kann. Denn die Schweige-„Pflicht“ des Anwalts als Grundlage des Vertrauensverhältnisses findet in diesen Normen ihr Fundament. Allerdings wird für die materiellrechtlichen Grundlagen der anwaltlichen Schweigepflicht, § 203 StGB und § 43a Abs. 2 BRAO, ebenso diskutiert, wer zur Entbindung des Anwalts von der Schweigepflicht berufen ist. Während die zu § 43a Abs. 2 BRAO vertretenen Meinungen auf ein vollständiges Verfügungsrecht des Mandanten über die Kenntnisse des Anwalts hinweisen, stellen viele Stimmen zu § 203 StGB den Informationsbetroffenen ins Zentrum: Nur dieser dürfe darüber bestimmen, ob und an wen der Rechtsanwalt Informationen weitergeben soll. Sowohl dem Berufsrecht als auch dem Strafrecht handelt der Rechtsanwalt zuwider, wenn er Geheimnisse seines Mandanten ohne dessen Erlaub-



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“129

nis vor Gericht vorträgt oder den Ermittlungsbehörden den Zugriff ermöglicht. Nach heutiger Auffassung ist eine gegen materielles Recht verstoßende Aussage nicht deshalb rechtmäßig, weil sie vor Gericht erfolgt.551 Sagt der Anwalt mit Billigung seines Mandanten im Strafverfahren dagegen über Geheimnisse Dritter aus oder gestattet deren Kenntnisnahme durch den Staat, handelt er zwar nicht berufsrechtswidrig, eine Strafbarkeit nach § 203 StGB käme indes in Betracht.552 Überlegenswert ist, ob sich hieraus Antworten für das Strafprozessrecht ableiten lassen oder sogar abgeleitet werden müssen.553 Wie die Bestandsaufnahme ergeben hat, wird das Problem der Entbindungsberechtigung für § 43a Abs. 2 BRAO und § 203 StGB unterschiedlich gelöst. Divergenzen ergeben sich für die Situation, dass Geheimnisse Dritter betroffen sind. Dies könnte erzwingen, dass für das Strafprozessrecht in Fällen von Drittgeheimnissen eine Entbindung von der Schweigepflicht sowohl des Informationsbetroffenen als auch des Mandanten zu fordern wäre. Denn ordnete man nur dem Mandanten die Entbindungsberechtigung nach § 53 Abs. 2 StPO zu, müsste der Anwalt als Zeuge nach § 53 Abs. 2 S. 1 StPO aussagen, obwohl er sich nach § 203 StGB strafbar machte. Wiese man umgekehrt allein dem Informationsbetroffenen die Informationsherrschaft zu, zwänge man den Anwalt zur Verletzung von § 43a Abs. 2 BRAO. Allerdings fragt sich, ob diese rechtliche Bewertung zutreffend ist. Denn es ist anerkannt, dass eine Strafbarkeit nach § 203 StGB ausscheidet, wenn der Geheimnisverpflichtete als Zeuge in einem Strafverfahren aussagt, ihm aber kein Zeugnisverweigerungsrecht aus § 53 StPO zusteht.554 Der Gesetzgeber hat hier der Zeugnispflicht den Vorrang vor der Schweigepflicht gegeben.555 Dagegen bleibt eine Offenbarung nach § 203 StGB strafbar, wenn der Zeuge nach § 53 StPO über ein Zeugnisverweigerungsrecht verfügt, es sei denn allgemeine Rechtfertigungsgründe greifen ausnahmsweise zu seinen Gunsten ein.556 Hieraus ergibt sich: Fehlt es an einer Möglichkeit zur 551  Heute allg. M., BGHSt 1, 366 (366); 9, 59 (61); 18, 146 (147); KK / StPO / Senge, § 53 Rn. 4; LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 11; Meyer-Goßner, § 53 Rn. 5. 552  Siehe hierzu unter 2. Kapitel A. IV. 3. und 2. Kapitel A. V. 2. 553  Nicht zu verwechseln ist die hier interessierende Frage der Relevanz von § 203 StGB und § 43a Abs. 2 BRAO für die Bestimmung der Entbindungsberechtigung in § 53 Abs. 2 StPO mit dem in der Literatur sehr streitig diskutierten Problem, ob Zeugenaussagen, die unter Verstoß gegen § 203 StGB gewonnen wurden, im Strafprozess verwertet werden dürfen. Hierzu siehe etwa LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn.  12 f. 554  Fischer, §  203 Rn.  39; KK / StPO / Senge, § 53 Rn. 4; LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn.  10; S / S27 / Lenckner / Eisele, § 203 Rn. 29. 555  LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 10; Grünwald, Beweisrecht, S. 30. 556  Allg. M., BGHSt 1, 366 (368); 9, 59 (61); 18, 146 (147); KK  / StPO / Senge, § 53 Rn. 4; LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 11; Meyer-Goßner, § 53 Rn. 5.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

Zeugnisverweigerung, „bricht“ die strafprozessuale Zeugnispflicht die materiell-rechtliche Verschwiegenheitspflicht. Entsteht daher die Situation, dass der Rechtsanwalt strafprozessual von seiner Schweigepflicht wirksam entbunden wurde und er folglich wegen § 53 Abs. 2 S. 1 StPO aussagen muss,557 es aber materiell-rechtlich an einem Einverständnis bzw. einer Einwilligung nach § 203 StGB fehlt, weil es beweisthematisch um ein Geheimnis eines Dritten geht, für das die überwiegende Auffassung zu § 203 StGB eine Erlaubnis auch dieses Dritten fordert, dann kann diese Situation nicht anders beurteilt werden, als wenn dem Rechtsanwalt von vornherein kein Zeugnisverweigerungsrecht zustünde. Denn in dieser Konstellation besteht eine prozessuale Zeugnispflicht und widersetzt sich der Zeuge, können gegen ihn Zwangsmaßnahmen nach § 70 StPO verhängt werden. Im Falle perplexer Normanforderungen muss daher das strafrechtliche Verbot gegenüber dem Strafprozessrecht zurücktreten. Darüber hinaus stimmen § 53 StPO und § 203 StGB weder in ihrem sachlichen Umfang noch in ihrem persönlichen Anwendungsbereich überein. Nach § 203 StGB strafbar ist nur der Geheimnisbruch, während § 53 StPO Tatsachen ohne Rücksicht auf ihren „Geheimnischarakter“ erfasst.558 Zum Teil wird dies mit der praktischen Schwierigkeit erklärt, andernfalls in einer Art Zwischenverfahren Feststellungen über die Geheimnisqualität treffen zu müssen.559 Dabei wäre es sogar im Verfahren vor Gericht schwer, einen Rest an Diskretion zu wahren. Fragwürdig erscheint, wie dies in polizeilichen oder staatsanwaltlichen Vernehmungen umgesetzt werden könnte. In Anbetracht, dass § 53 StPO dem Berufsträger gerade das Schweigen gestatten will, wäre ein tatbestandlicher Gleichlauf von § 203 StGB und § 53 StPO für das Strafverfahren unbrauchbar. Zudem besteht in der Praxis das Bedürfnis, ad hoc feststellen zu können, ob ein Zeugnisverweigerungsrecht besteht oder nicht. Ferner dienen § 53 StPO und § 203 StGB unterschiedlichen Wertaspekten. § 203 StGB pönalisiert den Geheimnisbruch bestimmter Berufsangehöriger aus kriminalpolitischen Erwägungen. Situativ betrifft dies die Informationsweitergabe an unbefugte Dritte. § 53 StPO dagegen hat den spezielleren Fall der Informationsübermittlung an staatliche Vernehmungspersonen im Blick. In dieser Situation fußt die Gewährung eines Zeugnisverweigerungsrechts auf einer Abwägung der durch dieses Recht zu schützenden Güter mit dem Strafverfolgungsinteresse.560 Für eine 557  Vgl. OLG Köln NStZ 1983, 412 (413); KMR  /  Neubeck, § 53 Rn. 37; LR25 / Dahs, § 53 Rn. 72; Meyer-Goßner, § 53 Rn. 46. 558  LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 8; Meyer-Goßner, §  53 Rn.  4; SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 12 ff. 559  SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 15. 560  SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 16.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“131

Koppelung des Prozess- an das materielle Recht gibt es daher keine überzeugenden Gründe.561 In Konsequenz folgert die herrschende Meinung, es stehe einer Verwertung im Strafverfahren nicht entgegen, wenn der Berufsangehörige trotz seines Zeugnisverweigerungsrechts aussagt und sich nach § 203 StGB strafbar macht.562 Entsprechend gelten die gleichen Argumente für einen ebenso denkbaren Widerspruch zwischen § 43a Abs. 2 BRAO und § 53 Abs. 2 S. 1 StPO. Auch in dieser Konstellation kann die berufsrechtliche Verhaltenspflicht nicht aufrecht erhalten werden. Für die Belange dieser Arbeit genügen diese Überlegungen, um die Entbindungsberechtigung in § 53 Abs. 2 StPO autonom von straf- und berufsrechtlichen Regeln zu bestimmen. Dennoch ist der Konflikt der Normaussagen von § 203 StGB und § 43a Abs. 2 BRAO ertragreich für die Überlegungen im folgenden Kapitel. Denn er rückt ein Spannungsverhältnis in den Fokus, wie es auch zwischen Berufsrecht und Datenschutzrecht besteht. Umstritten ist die Auslegungsfrage, ob das BDSG auf Daten, die der Schweigepflicht des Rechtsanwalts nach § 43a Abs. 2 BRAO unterfallen, ergänzend oder gar nicht anwendbar ist (siehe § 1 Abs. 3 S. 2  BDSG).563 Eine Anwendbarkeit des BDSG hätte weitreichende Folgen (§§ 28 ff. BDSG) und schränkte die informationelle Bewegungsfreiheit des Anwalts stark ein. Auch in jenem Streit stehen sich zwei Regelungskomplexe mit einer unterschiedlichen Teleologie gegenüber: Das BDSG dient dem Schutz des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung des Einzelnen, vgl. § 1 Abs. 1 BDSG, das Berufsgeheimnis in § 43a Abs. 2 BRAO dagegen schützt das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant, das eine verfassungsrechtliche Wurzel im Allgemeinen Persönlichkeitsrecht als Recht auf Achtung der Privatsphäre des Mandanten findet. Ähnlich verhält es sich beim Konflikt der Normaussagen von § 203 StGB und § 43a Abs. 2 BRAO. Die Stimmen, die im Fall von Drittgeheimnissen eine Entbindungsberechtigung (zumindest auch) des Dritten anerkennen, sehen das von § 203 StGB geschützte Rechtsgut meist generell im Schutz des Geheimbereichs des Einzelnen und nehmen Anleihen beim grundrechtlichen Selbstdarstellungsschutz der Betroffenen, unter anderem deren Recht auf informationelle Selbstbestimmung.564 Demgegenüber wird der Sinn und Zweck von § 43a Abs. 2 BRAO ausschließlich im Schutz der Anwalt-Mandant-Beziehung sowie der ihr zu561  So

(62).

auch Amelung, DNotZ 1984, 195 (203); Schünemann, ZStW 90 (1978), 11

562  BGHSt 9, 59 (62); 15, 200 (202); 50, 64 (79); Meyer-Goßner, § 53 Rn. 6; KK / StPO / Senge, § 53 Rn. 9; KMR / Neubeck, § 53 Rn. 5; LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 12; Baier, Zeugnisverweigerungsrechte, S. 116. 563  Zum Streitstand siehe Härting, NJW 2005, 1248 (1250). 564  Siehe Fischer, § 203 Rn. 2, 9a.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

grundeliegenden verfassungsrechtlichen Positionen erkannt. Die Problematik ist vergleichbar: Der Anwalt erfährt im Zuge seiner Tätigkeit eine Reihe sensibler Informationen über Dritte, die er nach § 43a Abs. 2 BRAO mit Erlaubnis seines Mandanten weitergeben dürfte, nach § 203 StGB aber auf die Billigung des Dritten angewiesen ist. Auch in diesem Kontext stellt sich die Frage, ob eine vorrangig am Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Informationsbetroffenen orientierte Dispositionsbefugnis über Informationen für die Anwaltstätigkeit ein sachgerechtes Ergebnis ist. Dieser Widerstreit zwischen den Rechten des Informationsbetroffenen und den Rechten des Beteiligten am Vertrauensverhältnis muss auch bei einer Bestimmung der strafprozessualen Entbindungsberechtigung berücksichtigt werden, wiewohl nach der hier vertretenen Auffassung § 53 StPO nicht den Schutz von Informationen oder Geheimhaltungsinteressen, sondern den der Beziehung zwischen Anwalt und Mandant bezweckt. Methodisch ließe sich dieses Spannungsverhältnis als verfassungsorientierte Auslegung des § 53 Abs. 2 StPO begreifen. b) Verfügungsbefugnis für das Strafverfahren Wird die Verfügungsbefugnis im Sinne von § 53 Abs. 2 StPO, daher autonom strafprozessual bestimmt, fragt sich dennoch, welche Schlüsse aus den bisherigen Darstellungen gezogen werden können. Ubiquitärer Ausgangspunkt zur Frage, wem die Entbindungsberechtigung zusteht, ist die Formel, dies sei derjenige, „zu dessen Gunsten die Schweigepflicht gesetzlich begründet ist“.565 Soweit hierin ein Verweis auf § 43a Abs. 2 BRAO oder § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB erkannt wird, so ist dem nicht zu folgen. Denn zum einen ist nicht klar, welche der beiden Normen in Bezug genommen wird, zumal der Anwalt dem Mandanten auch nach §§ 675, 611 bzw. 631 BGB zivilvertraglich zur Verschwiegenheit verpflichtet ist, wodurch der Verweis nochmals problematischer wird.566 Zum anderen bestimmen diese Vorschriften die Verfügungsbefugnis nach ihrer jeweiligen Auslegung in Rechtsprechung und Lehre unterschiedlich, sodass auch diesbezüglich Unsicherheit verbleibt. Daher ersetzte ein solcher Rechtssatz lediglich eine Unbekannte durch eine andere.567 Im Übrigen wurde bereits gezeigt, dass die Entbindungsberechtigung autonom nach der StPO festzulegen ist. 565  OLG Hamburg NJW 1962, 689 (691); Beck  /  OK  /  StPO  /  Graf, § 53 Rn. 40; HK / StPO / Gercke, §  53 Rn.  38; KK / StPO / Senge, § 53 Rn. 46; LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 78; Meyer-Goßner, § 53  Rn. 45. 566  Im Zivilrecht ist der Mandant, d. h. der vertragliche Auftraggeber des Anwalts, zur Entbindung berechtigt: BGHZ 109, 260 (268 ff.); MüKo / BGB / Heermann, § 675 Rn. 30; Hartstang, Anwaltsrecht, S. 509. 567  So SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 196.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“133

Im Wesentlichen stehen sich für § 53 Abs. 2 StPO zwei Auffassungen gegenüber.568 Vertreter der Meinung, allein dem Informationsbetroffenen stehe die Entbindungsbefugnis zu,569 orientieren sich am Allgemeinen Persönlichkeitsrecht, insbesondere dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen. Die Gegenauffassung rückt entweder den am Schutzzweck des § 53 StPO orientierten Normalfall in den Fokus, indem sie auf die spezifische Schutzbedürftigkeit des Rechtsratsuchenden abstellt, dem die bedenkenlose Inanspruchnahme sachlicher Hilfe ermöglicht werden soll. Oder ihre Vertreter halten die Beteiligung am Vertrauensverhältnis570 bzw., variierend, die Beteiligung am Kommunikationsverhältnis571 für maßgeblich. Fraglich ist, ob die erste Auffassung, den Kern des Problems trifft. § 53 StPO soll das Vertrauensverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und demjenigen schützen, der seine Privatsphäre öffnen muss, um Rechtsrat zu erhalten. Der Begriff Vertrauensverhältnis gewinnt weitere Kontur durch die zugrundeliegenden verfassungsrechtlichen (und menschenrechtlichen) Positionen. Dagegen geht es nicht darum, generell das Allgemeine Persönlichkeitsrecht derjenigen abzusichern, die durch eine Aussage des Rechtsanwalts im Strafverfahren bzw. durch Ermittlungsmaßnahmen berührt würden, weil dem Anwalt zuvor sensible Informationen über sie zur Kenntnis gelangt sind. Schutz gewährt das Gesetz im Ausgangspunkt nur für die spezifische Gefährdungslage, in der sich der um Rechtsrat Nachsuchende befindet. Ein rein am Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts Informationsbetroffener ausgerichteter Lösungsansatz verfehlt daher das Richtige. Anders ist es zu beurteilen, wenn von Vertretern der ersten Auffassung zum Teil formuliert wird, es gehe um den Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Klienten.572 Daran ist zu begrüßen, dass die spezifische Gefährdungslage benannt wird, in der sich gerade der Rechtsratsuchende befindet. Problematisch ist allerdings, dass mit „Klient“ oder „Mandant“, der Auftraggeber des Anwalts, eine primär zivilrechtliche Kategorie ins 568  Hierzu

siehe 2. Kapitel A. III. 1. c). Hamburg NJW 1962, 689 (691); KK / StPO / Senge, § 53 Rn. 46; SK /  StPO / Rogall, § 53  Rn. 196. 570  Dahs, FS-Kleinknecht, S.  63 (73  f.); Dierlamm, FS-DAV, S. 428 (436  f.); Krause, FS-Dahs, S. 349 (367). 571  Schmitt, wistra 1993, 9 (10); Huber-Lotterschmid, Verschwiegenheitspflichten, 88 f.; Schmitt, Die Berücksichtigung der Zeugnisverweigerungsrechte, S. 144. 572  So etwa OLG Nürnberg NJW 2010, 690 (690); OLG Schleswig NJW 1981, 294 (294); LG Bochum, Beschl. v. 15.03.2005 – 12 Qs 4 / 05, Rz. 11, zitiert nach juris; LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 1, die dieser Auffassung wenn auch nicht explizit, so doch zumindest inhaltlich nahestehen. Ausdrücklich hingegen SK  /  StPO  /  Rogall, § 53 Rn. 10. 569  OLG

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

Spiel kommt. Es ist zumindest zweifelhaft, ob die Informationsherrschaft im Vertrauensverhältnis ausschließlich von zivilrechtlichen Beziehungen abhängen kann. Dies findet keine Stütze im Allgemeinen Persönlichkeitsrecht, das immerhin eine wesentliche Wurzel des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant ausmacht: Es will denjenigen absichern, der dem Anwalt Informationen anvertrauen muss, damit ihm geholfen wird. Eine Aussage, ob dies zwingend die andere Partei des Anwaltsvertrages sein muss, kann dem nicht entnommen werden, auch wenn es typischerweise der Fall sein wird. Auch aus der Berufsfreiheit des Rechtsanwalts ergibt sich nichts anderes. Diese stellt die berufliche Leistung des Anwalts in den Vordergrund, womit aber noch keine Aussage über zivilrechtliche Vertragsverhältnisse getroffen ist. Diese Überlegungen sollen im Abschnitt über den eigenen Entwurf aufgegriffen werden.573 Vielversprechend erscheint der Ansatz, mit der Beteiligung am Vertrauensverhältnis, Kommunikationsverhältnis oder mit den vom Gesetzgeber als schutzwürdig eingestuften tatsächlichen Umständen zu arbeiten. Diese Kategorien weisen insofern in die richtige Richtung, als sie den persönlichen bzw. den situativen Schutzbereich von § 53 StPO für die Berechtigung zur Entbindung ins Zentrum stellen. Die Entbindungsberechtigung wird verknüpft mit der Frage, wer am Vertrauensverhältnis, Kommunikationsverhältnis beteiligt ist oder wer in dem vom Gesetzgeber bedachten Normalfall als schutzbedürftig erscheint. Die Verfügungsbefugnis, gewissermaßen eine Kommunikationsfreigabebefugnis, wird so an das Vertrauensverhältnis und damit an die Grundlagen von § 53 StPO gekoppelt. Diese Personen, für die der Schutzbereich von § 53 StPO eröffnet ist, müssen auch darüber bestimmen dürfen, ob und inwieweit die geschützte Sphäre, die das Gesetz in ihrem Interesse kreiert, dem Staat geöffnet werden soll. Alle anderen Personen sind im Ausgangspunkt lediglich sonstige Dritte, mögen auch ihre Rechte durch eine auf eine Entbindung folgende Aussage oder Beschlagnahme tangiert sein. Auf der anderen Seite darf auch eine konsequent am Schutzzweck des § 53 StPO orientierte Bestimmung der Entbindungsberechtigung die Rechte dieser nicht am Vertrauensverhältnis beteiligten Dritten nicht schlechthin ignorieren. Fraglich ist nur, auf welche Weise dies erreicht werden kann. Sicher muss vorrangig das Interesse des Rechtsratsuchenden berücksichtigt werden, der im Gegensatz zu sonstigen Dritten den Schutz von § 53 StPO persönlich für sich reklamieren darf. Ein denkbarer Lösungsansatz folgt aus der Qualität der staatlichen Maßnahmen als Eingriffsakte, deren Rechtmäßigkeit von einer Entbindung des Anwalts von der Schweigepflicht abhängt. Sei es die prozessuale Aussagepflicht, der der Rechtsanwalt aufgrund der 573  Siehe

unter 2. Kapitel B. IV.



A. Inhalt des Begriffs „Vertrauensverhältnis“135

Entbindung nach § 53 Abs. 2 S. 1 StPO unterliegt, die Beschlagnahme von Gegenständen oder der Zugriff auf Telefongespräche: Ist neben den Rechten des Mandanten auch ein Dritter in seinen Geheimnisinteressen tangiert, liegt ein Eingriff etwa in dessen Allgemeines Persönlichkeitsrecht vor. Dies spricht dafür, zusätzlich eine Abwägung zwischen den involvierten grundrechtlichen Positionen des Mandanten und seines Anwalts auf der einen und den Interessen des Geheimnisbetroffenen auf der anderen Seite jeweils mit dem staatlichen Aufklärungsinteresse vorzunehmen. Doch es wäre ein quasi-datenschutzrechtliches Missverständnis,574 für diese Abwägung stets im Grundsatz ein Gleichgewicht der betroffenen Grundrechtspositionen anzunehmen: Der Gesetzgeber hat mit § 53 StPO eine Privilegierung der Interessen von Rechtssuchenden in bestimmten institutionell geprägten Beziehungen geschaffen, um des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts derjenigen willen, die sich einer professionellen Geheimnisperson öffnen müssen, um effektive Hilfe zu erhalten. Diese Interessen stehen im Zentrum der Abwägung, um sie geht es im Kern. Verfehlt wäre es, vermittels der Frage der Entbindungsberechtigung, in der Strafprozessordnung ein allgemeines Datenschutz- oder Informationsrecht zu installieren. Den Interessen des Mandanten des Rechtsanwalts muss zudem ein umso höheres Gewicht zukommen, wenn er als Beschuldigter eines Strafverfahrens mit Strafe bedroht ist. Wie diese Abwägung genau aussehen und zu welchem Ergebnis sie führen könnte, folgt im nächsten Abschnitt über die Entwicklung des eigenen Entwurfs.575 3. Entstehungsvoraussetzungen Die zentrale Frage ist, unter welchen Voraussetzungen ein Vertrauensverhältnis zwischen einem Rechtsanwalt und einem anderen entsteht. Es geht um die tatsächlichen Umstände, die einen Zugang zum gesetzlichen Schutzsystem rechtfertigen, das zum einen aus einer abgeschirmten Kommunikation mit dem Rechtsanwalt besteht und zum anderen dem an der Vertrauensbeziehung mit dem Rechtsanwalt Beteiligten die Verfügungsbefugnis über den gesetzlich eingeräumten Schutz zuweist. Hinweise auf die Entstehungsvoraussetzungen lassen sich den Vorschriften entnehmen, die einen Bezug zum Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis haben. Die Ausführungen zum Allgemeinen Persönlichkeitsrecht lenken den Blick auf Elemente, die im Kontext von Vertrauensverhältnissen offenbar eine Rolle spielen. Dies sind sensible Informationen, deren Mitteilung an den Anwalt und die Erwartung deren Nichtoffenbarung. Situativ kommt Begriff von Rüpke, NJW 2002, 2835 (2835). unter 2. Kapitel B. IV. 3. a) aa).

574  Dieser 575  Siehe

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

hinzu, dass der Rechtssuchende dem Anwalt Informationen gerade deshalb offenbart, um von diesem rechtliche Hilfe zu erhalten. Es könnte von einer „do ut des“-Situation gesprochen werden. Dahinter steckt der Gedanke eines funktionalen Informationsschutzes innerhalb der Kommunikationsbeziehung im Hinblick auf die Beratungstätigkeit des Rechtsanwalts. Als Folgerung aus den Befunden zum Recht auf Achtung der Privatsphäre, an dem das BVerfG den Schutz von Vertrauensverhältnissen durch das Allgemeine Persönlichkeitsrechts entwickelt hatte, dürfte es keine Rolle spielen, ob es sich um personenbezogene oder Informationen jedweder Art handelt, für die ein Vertraulichkeitsinteresse des Mandanten besteht. Bestätigung findet dies in den Ergebnissen zur Berufsfreiheit des Anwalts. Art. 12 Abs. 1 GG schützt die vertrauliche Beziehung zwischen Anwalt und Mandant, um dem Rechtsberater dessen Berufsausübung zu ermöglichen. Dies rückt erneut den Zusammenhang zwischen Informationspreisgabe und beruflicher Rechtsberatungsleistung in den Fokus. Zudem finden sich Argumente für die Verfügungsbefugnis des Rechtssuchenden als Beteiligten des Vertrauensverhältnisses über die Informationen, über die der Anwalt zu schweigen hat: Der durch die Berufsfreiheit gewährleistete Schutz des Vertrauensverhältnisses für den Anwalt ist ein unselbstständiger, ein fremdnütziger. Primär geht es um eine Absicherung desjenigen, der den Rechtsanwalt um Rat ersucht. Erst sekundär hilft es dem Anwalt bei der Berufsausübung. Dieses Schutzbedürfnis des Ratsuchenden besteht bereits in der Phase der Anbahnung eines Mandatsverhältnisses, sofern Mandanten nicht davon abgehalten werden sollen, sich einem Anwalt anzuvertrauen. Da die Bedenken der Rechtsratsuchenden darin bestehen, sensible Informationen könnten an Dritte gelangen, muss die Weitergabe von Informationen, mithin Kommunikation, als Voraussetzung für das Entstehen eines strafprozessual schutzwürdigen Vertrauensverhältnisses erörtert werden. Hieraus muss ebenfalls eine Absage an eine rein zivilrechtsakzessorische Bestimmung der Entstehungsvoraussetzungen gefolgert werden. Gleiches ergibt sich aus dem Rechtsstaatsprinzip und dem Schutz durch die EMRK, die das Allgemeininteresse am Schutz der Anwalt-Mandant-Beziehung besonders herausstellen. Die Auswertung der §§ 53, 97, 160a StPO konkretisiert die Absicherung der „do ut des“-Situation dem sachlichen Schutzbereich nach als den Schutz einer Kommunikationsbeziehung zwischen Anwalt und Mandant. Denn um einen absoluten Informationsschutz geht es diesen Vorschriften nicht, sie beschränken lediglich die Informationszugriffsmöglichkeiten des Staates. Eine gesicherte Informationssphäre besteht nur beim Anwalt, und zwar in Gestalt einer Abschirmung sowohl der gegenwärtigen als auch der abgeschlossenen Kommunikation (= der Kommunikationsinhalte) zwischen Mandant und Anwalt. Diese Überlegung in Verbindung mit der Feststellung, dass bereits die Anbahnungsphase des Kontaktes zwischen



B. Eigener Entwurf137

Hilfesuchenden und Berufsträger den Schutz des § 53 StPO genießt, legt nahe, dass bereits der im Vorfeld einer vertraglichen Beziehung liegende, rein tatsächliche, kommunikative Kontakt mit Bezug auf den Rechtsrat des Anwalts ein Vertrauensverhältnis zur Entstehung bringt. Dieser Gedanke wird im folgenden Abschnitt weiter ausgeführt und präzisiert.

B. Eigener Entwurf Auf Grundlage der im vorigen Abschnitt gefundenen Ergebnisse soll nun im Folgenden ein eigenes Konzept von Vertrauensverhältnissen zwischen Anwälten und Mandanten für das Strafverfahren im Hinblick auf die §§ 53, 97, 160a StPO entwickelt werden. Im Ausgangspunkt ist festzustellen, dass die bisherige Darstellung zwar keine Definition für das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant liefern konnte, jedoch konnten der Sinn und Zweck sowie die Funktionsweise des Schutzes, Kommunikationsschutz und Verfügungsbefugnis, und Elemente für das Entstehen von Vertrauensverhältnissen herausgearbeitet werden. Im Folgenden soll ein am natürlichen Wortsinn orientiertes Begriffsverständnis von „Vertrauen“ und „Verhältnis“ entwickelt werden, als Ausgangspunkt für die nachfolgenden Überlegungen. Im Anschluss wird das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis im Sinne der StPO von seinen Entstehungsvoraussetzungen über seinen sachlichen Umfang bis hin zur Beteiligungsfrage vorgestellt.

I. Begriffliche Grundlagen: Ableitungen aus dem natürlichen Sprachverständnis „Vertrauen“ meint nach seinem allgemeinen Wortsinn Zuversicht bzw. fester Glaube daran, dass sich ein anderer in einer bestimmten Weise verhalten werde.576 Bisher konnte erarbeitet werden, dass es in den behandelten Vorschriften stets um die Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant und um die vertrauliche Aufbewahrung von kommunizierten Informationen beim Anwalt ging. Im Kontext der Anwalt-Mandanten-Beziehung besteht die Erwartungshaltung des Mandanten daher darin, der Anwalt werde Stillschweigen über die ihm im Rahmen der Mandatsbeziehung bekanntgewordenen Informationen wahren sowie alle Handlungen unterlassen, durch welche die Informationen einem unbefugten Dritten zugänglich würden.577 Ihre einfachgesetzliche Berechtigung findet diese Erwartung unter anderem 576  Köbler,

Juristisches Wörterbuch, Stichwort: Vertrauen. diesem Sinne auch Welp, FS-Gallas, S. 391 (393); Böing, Das Beschlagnahmeprivileg, S. 14; Mörlein, Schutz des Vertrauensverhältnisses, S. 10. 577  In

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

in der strafrechtlichen Verpflichtung aus § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB, berufsrechtlichen gemäß § 43a Abs. 2 BRAO sowie der zivilrechtlichen aus §§ 675, 611 bzw. 631 BGB. Vertrauen in diesem Kontext meint also nicht den Glauben des Mandanten an die persönliche Integrität des Anwalts,578 die fachliche Güte der Rechtsberatung579 oder eine ausschließlich am Interesse des Mandanten ausgerichtete Prozesstaktik.580 Dieses Vertrauen in die Verschwiegenheit der Rechtsanwälte und dessen Schutz durch die Verfassung sowie die EMRK sind der StPO vorgegeben. Sie setzt den verfassungsrechtlich und menschenrechtlich gebotenen Schutz um, indem sie die Kommunikation mit dem Anwalt sowie die übermittelten Informationen, über die dieser verfügt, dem Zugriff des Staates entzieht. „Verhältnis“ beschreibt eine Beziehung zweier Personen oder Sachen zueinander. Dies verdeutlicht zum einen, dass die Existenz eines „Vertrauensverhältnisses“ zumindest zwei Personen erfordert. Dies ist ohne weiteres einsichtig, kann die Erwartung eines Verhaltens sinnvollerweise doch nur gegenüber einem anderen bestehen. Damit ist zugleich die Kategorie der Beteiligung am Verhältnis ins Spiel gebracht. Die Beteiligungsfrage ist entscheidend dafür, wer wem vertraut, mit anderen Worten, zwischen welchen Personen die geschützte Kommunikationsbeziehung besteht. Zum anderen drückt Verhältnis in Verbindung mit Vertrauen aus, dass die Erwartungshaltung des Mandanten insoweit auf Gegenseitigkeit beruht, als der Anwalt sich schon aufgrund seiner gesetzlichen Verpflichtung bewusst ist, dass sowohl die Rechtsordnung als auch der Mandant ein entsprechendes Verhalten von ihm einfordert. Dagegen lässt sich allein aus dem natürlichen Sprachverständnis keine Verengung auf die zivilrechtliche Beziehung zwischen Anwalt und Mandant folgern. Zwar meint „Mandat“ „Auftrag“ oder „Vollmacht“, jedoch ist damit noch nichts über die Natur der Beauftragung gesagt. Ist im Folgenden, wie bislang, von Anwalt-„Mandant“-Verhältnis die Rede, liegt hierin deshalb keine Vorfestlegung auf eine zivilrechtsakzessorische Ausgestaltung. Für eine Bestimmung des Anwalts-Mandant-Vertrauensverhältnisses im Sinne der StPO können die Folgerungen aus dem natürlichen Sprachverständnis daher nur der Beginn sein. Im Übrigen müssen die im Hinblick auf die behandelten Vorschriften relevanten Wertungsgesichtspunkte herangezogen werden, um den Begriff mit Inhalt zu füllen. 578  So

etwa BVerfG NJW 1996, 709 (710). etwa BGHSt 39, 310 (310 ff.) zu der Frage, ob ein „gestörtes Vertrauensverhältnis“ zwischen Beschuldigtem und Pflichtverteidiger vorliege, sodass die Bestellung eines anderen Pflichtverteidigers geboten sei. 580  Vertrauen auf sachliche Beratung, die nicht auf honorarsteigernde Prozess­ treiberei abzielt, so BVerfG NJW 1988, 194 (195). 579  So



B. Eigener Entwurf139

II. Der Sinn des Schutzes des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses: Das „Ob“ und „Wie“ Um eine teleologische Basis für einen Konzeptvorschlag vom AnwaltMandant-Vertrauensverhältnis im Sinne der §§ 53, 97, 160a StPO zu bereiten, sollen im Folgenden die Fragen behandelt werden, warum es überhaupt des strafprozessualen Schutzes der Beziehung zwischen Anwalt und Mandant bedarf und wie – anknüpfend an die im Abschnitt A. behandelten Vorschriften – der Schutz auszugestalten wäre. 1. Das „Ob“ des Schutzes Die Pflicht zur Verschwiegenheit über das im Rahmen der Mandatsbeziehung erlangte Wissen gehört seit eh und je zur Tätigkeit des Anwalts. Schon nach der Reichskammergerichtsordnung von 1495 und 1555 mussten die beim Reichskammergericht zugelassenen Advokaten schwören, „Heimlichkeit und Behelf, so sie von den Parteien empfangen, oder Unterrichtung der Sachen, die sie von ihnen selbst merken werden, ihren Parteien zum Schaden niemandem zu offenbaren“.581 Die Erwartungshaltung des Mandanten, der Anwalt werde Stillschweigen über die preisgegebenen Informationen wahren, ist wesentlich für das Mandatsvertrauensverhältnis. Nur wenn der Mandant sich voll und ganz auf die Verschwiegenheit des Rechtsanwalts verlassen kann, wird er sich diesem – in den Worten des Bundesverfassungsgerichts582 – in dem Maße frei, offen und rückhaltlos offenbaren, wie es für die effektive Betreuung des Mandates notwendig ist. Hierfür muss er dem Rechtsanwalt sensible Informationen mitteilen, die er Dritten gegenüber in der Regel verschweigen würde. Vertrauen bzw. ein Vertrauensvorschuss583 ist damit eine Vorbedingung für die Arbeit des Anwaltes, die der Mandant in seinem eigenen Interesse aufbringen muss, will er Hilfe erhalten. Dies wird durch Erkenntnisse in der Soziologie zur Bedeutung von Vertrauen im gesellschaftlichen Zusammenleben untermauert:584 Danach ist Vertrauen konstitutive Voraussetzung für die Entscheidungsfähigkeit des 581  Im Original lautet die zitierte Passage: „heymlichkeit und behelf, so sie von den partheien empfahen, oder underrichtung der sachen, die sie von inen selbst mercken werden, iren partheien zu schaden niemandts offenbaren“. Zitiert nach Friedlaender / Friedlaender, § 28 Exkurs I Rn. 9. 582  BVerfGE 33, 367 (377). 583  So Huber-Lotterschmid, Verschwiegenheitspflichten, S. 41. 584  Auf diesen Zusammenhang weist Krause, FS-Dahs, S. 349 (368) hin.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

Menschen in der konkreten Situation, indem bestimmte Entwicklungsmöglichkeiten, die sich aus dem Verhalten anderer Menschen ergeben können, von der Berücksichtigung bei der eigenen Entscheidung ausgeschlossen werden. Der Vertrauende verlässt sich darauf, dass sich andere Menschen nicht in einer bestimmten, ihm unerwünschten Weise verhalten werden, und neutralisiert damit Gefahren, die er nicht ausräumen kann, die aber seine Entscheidung nicht beeinflussen sollen. Die Komplexität der Realität verengt sich so auf eine überschaubare, für den Menschen handhabbare Anzahl von Faktoren, die er in seine Entscheidungsfindung einfließen lassen kann.585 Für den Mandanten bedeutet dies, dass er sich überhaupt erst durch das Vertrauen auf die Verschwiegenheit über sensible Informationen dafür entscheiden kann, die Beratung des Anwalts in Anspruch zu nehmen.586 Diese Möglichkeit des Mandanten, sich ohne Furcht vor Nachteilen für einen Rechtsanwalt zur Beratung in seinen Rechtsangelegenheiten zu entscheiden, ist in einer stetig an Veränderungsgeschwindigkeit und Regulierungstiefe zunehmenden modernen Industriegesellschaft sowohl in seinem individuellen und grundrechtlich fundierten Interesse587 an Rechtsberatung als auch im kollektiven Interesse an einer rechtsstaatlich geordneten Rechtspflege, deren Teil eine funktionierende Anwaltschaft ist. Aufseiten des Rechtsanwalts streiten hierfür dessen Grundrechte auf ungestörte Berufsausübung sowie dessen Interesse, einem Pflichtenwiderstreit, der aus staatlichen Eingriffen in das Vertrauensverhältnis resultierte,588 zu entgehen. Aus diesen Strängen ergibt sich die Notwendigkeit staatlicher Absicherung der Vertrauensbeziehung zwischen Rechtsanwalt und Mandant. Diesem objektiv- und subjektiv-rechtlich sowohl durch das Grundgesetz als auch durch die EMRK untermauerten Schutzgut steht das ebenfalls im Rechtsstaatsprinzip verortete Interesse an einer möglichst umfassenden Wahrheitsermittlung im Strafverfahren als Ausfluss einer effektiven Strafrechtspflege gegenüber. Während das Interesse des Bürgers am Schutz seiner vertraulichen Informationen einem Eingriff in das Vertrauensverhältnis mit dem Anwalt entgegensteht, mag im Interesse der Aufklärung von Straftaten ein solcher staatlicher Zugriff auf Informationen gerade geboten sein. Die Reichweite des Schutzes des Mandatsvertrauensverhältnisses muss daher im Einzelfall im Rahmen einer Abwägung dieser einander zuwiderlaufenden Schutzgüter bestimmt Ganzen vgl. Luhmann, Vertrauen, S.  23 ff. diesem Sinne Krause, FS-Dahs, S. 349 (368), der hierin zugleich den Telos von § 53 Abs. 1 StPO sieht. 587  Dieses Interesse erfährt Verstärkung durch die Schutzpflichtdimension der Grundrechte, hierzu BVerfGE 115, 118 (159 f.). 588  Hierzu BGHSt 9, 59 (59), wonach die Verpflichtung des Rechtsanwalts zur Zeugenaussage diesen in eine Zwangslage brächte, da der Anwalt das ihm vom Mandant entgegengebrachte Vertrauen nicht enttäuschen wolle. 585  Zum 586  In



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werden. Soweit §§ 53, 97, 160a StPO reichen, hat der Gesetzgeber den Interessen des Einzelnen den Vorrang zuerkannt.589 2. Das „Wie“ des Schutzes Der Gegenstand des Schutzes sind Informationen. Gerade in einer von der Sorge vor dem „gläsernen Menschen“ geprägten Moderne, in der leistungsfähige Datenverarbeitungsanlagen das im Internet verstreute Mosaikwissen über Personen in Windeseile zu einem einheitlichen Bild zusammenpuzzeln können, gewinnt dieses Anliegen zusätzliche Brisanz. Es handelt sich dabei um Informationen über persönliche, rechtliche und finanzielle Angelegenheiten des Mandanten, die der Anwalt in und bei Ausübung seiner Berufstätigkeit erfahren hat und von denen er annehmen muss, dass deren Geheimhaltung im Interesse des Auftraggebers geboten ist. Diese Informationen können verschiedene Formen annehmen. Sie mögen unverkörpert nur im Gedächtnis des Anwalts gespeichert oder in gegenständlichen Fixierungen wie Aktenordnern, Festplatten eines Einzel-PCs oder von Serverfarmen gebunden sein. Der Mandant muss dem Anwalt bestimmte sensible Informationen offenbaren, sie herausgeben, um effektive Hilfe zu erhalten. Für den Mandanten wird der Anwalt damit als Mitwisser zum Risiko. Ein Risiko, das der Mandant kaum vermeiden kann. In einer immer komplexer werdenden Rechtsordnung gibt es für den Einzelnen in vielen rechtlichen Fragen gar keine andere Wahl, als einen Rechtsanwalt zu konsultieren. Dies resultiert in einer Einschränkung eines zumutbaren Selbstschutzes: Der faktische Zwang zur Preisgabe von Informationen nimmt dem Individuum die Möglichkeit, seine Informationen für sich zu behalten und so selbst für seinen Schutz zu sorgen, wenn es in persönlichen Angelegenheiten Rat und Hilfe sucht. Die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe muss für den Mandanten deshalb „informationsneutral“ sein; er darf hinsichtlich eines Informationsverlustes an die Strafverfolgungsbehörden oder andere Dritte nicht schlechter stehen, als wenn er keinen Anwalt eingeschaltet hätte. Verschwiegenheit ist daher die dem Vertrauensverhältnis zugrundeliegende „Kardinalpflicht“ des Anwalts. Allein diese abzusichern genügt dem Anliegen des Schutzes aber nicht; lediglich mit dem „Schweigen“ des Anwalts, wie durch das Zeugnisverweigerungsrecht aus § 53 StPO gewährleistet, ist es nicht getan. So wie die Erwartungshaltung des Mandanten darin besteht, der Anwalt werde alles unterlassen, was zur Offenbarung der ihm bekanntgewordenen Informationen über den Mandanten führt, muss der 589  So

BVerfGE 33, 367 (378) zu § 53 StPO.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

notwendige Schutz auch die gegenständlichen Informationsträger sowie den gegenwärtigen Informationsaustausch – gleich mithilfe welchen Mediums – einbeziehen. Aufseiten des „Wie“ des Schutzes von Vertrauensverhältnissen geht es also darum, eine abgeschirmte Kommunikations- und Informationssphäre zu kreieren und zu verhindern, dass der Rechtsratsuchende durch Einschaltung eines Anwalts einen Nachteil erleidet. Kommunikation in diesem Sinne meint den Austausch von Informationen. Informationsaustausch innerhalb der Anwalt-Mandant-Beziehung findet nicht nur durch einen intendierten Akt der interpersonalen Informationsübermittlung statt, sondern ist, in einem weiten Sinn, jede, auch unbeabsichtigte, Kenntnisnahme von Informationen durch den Rechtsanwalt, wenn und soweit ein Bezug zu der spezifischen Anwalt-Mandant-Beziehung vorhanden ist. Allerdings geht es bei der Umsetzung des Schutzes des Vertrauensverhältnisses nicht darum, generell Informationen den Strafverfolgungsbehörden und den Strafgerichten zu entziehen. Die Inanspruchnahme eines Anwalts soll keinen Nachteil nach sich ziehen; einer darüber hinausgehenden Privilegierung bedarf es nicht. Deshalb nimmt etwa die dem Anwalt von seinem Mandanten kommunizierte Information, wo sich die Beute aus seinem Bankraub befindet, am Schutz des Vertrauensverhältnisses teil, nicht aber die entsprechende Karte, die sich der Bankräuber hierüber angefertigt und in seinem Schuhschrank versteckt hat, auch wenn die fragliche Information dieselbe ist. Geschützt sind der Vorgang des Mitteilens, die im Kopf des Anwalts befindliche Information sowie die Aktennotiz, die dieser hierüber angelegt hat. Prägnant ließe sich formulieren: Das Schutzbedürfnis umfasst die Informationen innerhalb der Kommunikationsbeziehung zum Anwalt, ist auf ihre Wahrung allerdings beschränkt. Damit ist das „Wie“ des Schutzes, der sachliche Schutzbereich des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses konkret benannt. Diese Kommunikationsbeziehung wird im Interesse des Anwalts und desjenigen geschützt, der um des Rechtsrats willen zur Informationspreisgabe gezwungen ist. Dabei ist das Interesse des Anwalts nur untergeordneter, dienender Natur, im Vordergrund steht der Schutz des Mandanten. Dieser Schutz zugunsten des Rechtsratsuchenden verkehrte sich allerdings in einen Schutz zu seinen Lasten, wenn er nicht auf ihn verzichten, d. h. die abgeschirmte Kommunikationsbeziehung öffnen könnte. Denn im Einzelfall mag es durchaus im Interesse des Mandanten sein, wenn die Strafverfolgungsbehörden auf an den Anwalt übermittelte Informationen zugreifen können. Dieser Verzicht auf Schutz wäre ihm nur dann nicht zuzubilligen, wenn dem Interesse der Allgemeinheit an einer verschwiegenen Anwaltschaft überwiegendes Gewicht zukäme und dieses einem Zugriff des Staates auf in das Vertrauensverhältnis eingebrachte Informationen entgegenstünde. Indes kann davon keine Rede sein, denn auch das allgemeine Interesse an einer zur



B. Eigener Entwurf143

Verschwiegenheit berechtigten und verpflichteten Anwaltschaft identifiziert den Grund für die Verschwiegenheit im Schutz des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts, mithin in den Interessen des Rechtssuchenden.590 In der Konsequenz muss daher derjenige auf den Schutz verzichten können, der zum Anwalt in jenem um Rechtsrat nachsuchenden Verhältnis steht.

III. Das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis: Entstehungsvoraussetzungen Die Stimmen im Schrifttum, die sich mit den im Abschnitt A. vorgestellten Vorschriften befassen, rekurrieren in unterschiedlich starkem Maße auf das Vertrauensverhältnis zwischen dem Ratsuchenden und dem Berufsangehörigen. Vor allem in der Rechtsprechung aber scheint der Begriff nur in Ansätzen als konzeptionelle und wesentlich stärker als rein tatsächliche Größe auf. Zunächst sollen in diesem Abschnitt Äußerungen in der Lehre und Rechtsprechungsentscheidungen dargestellt werden, die sich konzeptionell mit Vertrauensverhältnissen im Sinne der StPO auseinandersetzen oder Beiträge zu einer theoretischen Entwicklung der Entstehungsvoraussetzungen liefern. Im Anschluss folgt die Vorstellung des eigenen Entwurfs. 1. Ansätze in Rechtsprechung und Literatur Bislang gibt es nur wenige Stimmen, die sich grundsätzlich dazu äußern, unter welchen Voraussetzungen ein Vertrauensverhältnis im Sinne der StPO zwischen Anwalt und Mandant im Hinblick auf die §§ 53, 97, 160a StPO entsteht. Zumeist finden sich solche abstrakt-konzeptionellen Ausführungen im Kontext der Problematik der Beteiligung juristischer Personen bzw. der Frage nach der Entbindung des Berufsangehörigen von seiner Schweigepflicht. Im Folgenden werden jene verallgemeinerungsfähigen Aussagen zu Vertrauensverhältnissen dargestellt, die auf das zugrundeliegende Konzept schließen lassen. Eine Reihe Vertreter des strafprozessrechtlichen Schrifttums sowie in Ansätzen einige Entscheidungen der Strafgerichte591 versuchen das Anwalt590  Siehe

unter 2. Kapitel A. I. 2. deutlich für eine autonome Bestimmung, insbesondere unter Einbeziehung eines „personalen“ Elements OLG Celle wistra 1986, 83 (83), OLG Koblenz AG 1988, 342 (343 f.) und AG Bonn NJW 2010, 1390 (1390). OLG Schleswig NJW 1981, 294 (294) und LG Saarbrücken wistra 1995, 239 (239) lassen ähnliche Tendenzen erkennen, wobei auch zivilrechtsakzessorische Einordnungen vorgenommen werden. Im Ausgangspunkt auch OLG Nürnberg NJW 2010, 690 (690) und LG Berlin, wistra 1993, 278 (279). 591  Sehr

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

Mandant-Vertrauensverhältnis im Sinne der StPO autonom von zivilrecht­ lichen Vorgaben zu bestimmen. Ausgangspunkt der Überlegungen ist in der Regel die Unterscheidung zwischen dem zivilrechtlichen Mandatsverhältnis, das mit dem Zustandekommen eines Anwaltsvertrages, typischerweise nach §§ 675, 611 BGB,592 beginnt, und dem davon abzugrenzenden Vertrauensverhältnis, das strafprozessualen Schutz genießt. Als deren Beteiligte sei korrespondierend zu unterscheiden zwischen dem zivilrechtlichen Mandanten und dem strafprozessualen Vertrauensträger.593 Das Mandatsverhältnis entstehe zwischen dem Rechtsanwalt und dem Mandanten nach den Vorschriften des Zivilrechts. Demgegenüber beinhalte das „Anvertrauen“ aus § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO ein tatsächliches, personal geprägtes Verhältnis zwischen zwei Personen, das von juristischen und insbesondere zivilrecht­ lichen Kategorien unabhängig sei.594 Anvertrauen in diesem Sinne sei ein tatsächlicher, personaler Vorgang und juristisch neutral. Dies ergebe sich aus dem Begriff „Vertrauen“. Vertrauen bilden, Vertrauen schaffen und Vertrauen entgegenbringen können nur natürliche Personen. Auch seien allein diese in der Lage, durch Wort und Schrift Geheimnisse intersubjektiv zu vermitteln. Darum habe Vertrauen notwendig eine personale Bindung, weise höchstpersönlichen Charakter auf und könne nicht auf juristische Personen übertragen werden.595 Dies ergebe sich ebenso aus den Motiven zu § 53 StPO. Dort heißt es:596 „Der Entwurf hat aber ferner geglaubt, das Recht zur Verweigerung des Zeugnisses auch allen öffentlichen Anwälten hinsichtlich dessen, was ihnen in dieser Eigenschaft anvertraut worden ist, gewähren zu sollen, ohne Unterschied, ob es sich bei der fraglichen Mittheilung um eine Strafsache oder um eine andere Rechtssache handelt. Denn zu dem Anwalt steht der Klient stets in einem Vertrauensverhältniß, welches auf den Schutz des Gesetzes Anspruch hat, und das Gesetz darf den Klienten nicht nöthigen, dem Anwalt gewisse Thatsachen wegen der Besorgniß zu verschweigen, daß deren Bekanntwerden eine Strafverfolgung veranlassen könnte.“

Hierin komme erneut die Abgrenzung zum Zivilrecht zum Ausdruck, denn der Gesetzgeber habe bewusst nicht auf das Vertrags-, sondern auf das „Vertrauensverhältniß“ zwischen Anwalt und Mandant abgestellt.597 vgl. Jauernig / Mansel, § 675 Rn. 12. Begriff stammt von Dahs, FS-Kleinknecht, S. 63 (74), der von den Beteiligten des Vertrauensverhältnisses als „Träger des Vertrauensverhältnisses“ spricht. 594  So Dierlamm, FS-DAV, S. 428 (436). 595  So bereits Dahs, FS-Kleinknecht, S. 63 (74). Zustimmend Krause, FS-Dahs, S. 349 (368); Dierlamm, FS-DAV, S. 428 (436). 596  Hahn / Stegemann, Materialien, S. 106 f. 597  Dahs, FS-Kleinknecht, S. 63 (73); Dierlamm, FS-DAV, S. 428 (437). 592  Hierzu 593  Dieser



B. Eigener Entwurf145

In konsequenter Folgerung sind es bei juristischen Personen in der Regel der Geschäftsführer der GmbH und bei der AG der Vorstandsvorsitzende oder auch mehrere Mitglieder des Vorstandes, die Träger des Vertrauensverhältnisses werden. Es schade nicht, dass bei juristischen Personen das zivilrechtliche Beratungsverhältnis typischerweise nur zwischen dem Rechtsanwalt und der juristischen Person besteht, ein eigenes Beratungsverhältnis bezogen auf die dem Organ angehörenden natürlichen Personen hingegen fehlt: Der von einer juristischen Person beauftragte Rechtsanwalt übe seine Beratungstätigkeit unmittelbar nur gegenüber ihren Vertretern aus. Diese Beratung geschehe aber immer auch im Interesse der Organmitglieder. Etwa müsse eine umfassende Rechtsberatung über eine zweckmäßige Vertragsgestaltung bei einem „Risikogeschäft“ sowohl darauf abzielen, die juristische Person vor Schaden zu bewahren als auch die Organmitglieder – zur Absicherung gegen einen vermeidbaren Verbotsirrtum598 – nicht einer Strafbarkeit wegen Betruges oder Untreue auszusetzen.599 Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant erscheint nach diesen Ausführungen als ein faktisch-personal geprägtes Kommunikationsverhältnis zwischen einer natürlichen Person und dem Rechtsanwalt, das mit der Inanspruchnahme des Rechtsanwalts entsteht.600 Auf der anderen Seite stehen Stimmen, die Vertrauensverhältnisse im Sinne der StPO stärker zivilrechtsakzessorisch bestimmen. Diese Ansicht findet sich vor allem in der zivilrechtlichen Literatur sowie in der strafrechtlichen Rechtsprechung. Zwar erkennen auch jene Vertreter an, dass weder sachliche Identität noch notwendige Kongruenz zwischen dem zivilrecht­ lichen Mandatsverhältnis und dem strafprozessualen Vertrauensverhältnis besteht.601 Desgleichen sehen sie den persönlichen Kontakt zwischen den Beteiligten als eine wesentliche Entstehungsvoraussetzung für Vertrauensverhältnisse.602 Allerdings geben sie der Beteiligung an Vertrauensverhältnissen eine zivilrechtliche Wendung, indem sie als Träger des Vertrauensverhältnisses im Ausgangspunkt stets die Vertragsparteien des Anwaltsver598  Krause,

FS-Dahs, S. 349 (370). FS-Kleinknecht, S. 63 (76). Einen ähnlichen Bezug der Tätigkeit des Wirtschaftsprüfers zu den Organmitgliedern einer juristischen Person stellt Krause, FS-Dahs, S. 349 (369) her. 600  Diesen Schluss legen OLG Koblenz AG 1988, 342 (344), Krause, FS-Dahs, S. 349 (367) und Huber-Lotterschmid, Verschwiegenheitspflichten, S. 93 nahe. 601  Anders allerdings wohl LG Lübeck NJW 1978, 1014 (1015); deutlich in diesem Sinne aber Schäfer, wistra 1985, 209 (211). 602  Siehe BGHZ 109, 260 (272) in einem zivilrechtlichen Rechtsstreit über die Ansprüche des Konkursverwalters gegen den Rechtsanwalt des Gemeinschuldners auf Herausgabe von Handakten und Einsichtnahme in Handakten; vgl. Nassall, KTS 1988, 633 (645) Fn. 64. So bereits Kohlhaas, NJW 1964, 1162 (1165). 599  Dahs,

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

trages ansehen.603 Für Vertreter im zivilrechtlichen Schrifttum folgt dies daraus, dass sie den Geltungsgrund des Vertrauensverhältnisses in erster Linie in der zivilrechtlichen Treuepflicht des Anwalts begreifen. Differenzen ergeben sich innerhalb dieser Strömung aber hinsichtlich der Trägerschaft des Vertrauensverhältnisses: Während die einen auch juristische Personen als Träger eines Vertrauensverhältnisses anerkennen,604 lehnen andere dies ab. Zum Teil wird jedoch vertreten, dass juristischen Personen das Vertrauen ihrer Organe als „Willens- und Vertrauensorgan“ zuzurechnen sei, diese daher über ihre Organe Träger eines Vertrauensverhältnisses sein könnten.605 Abweichend komme aber dann ein eigenständiges Vertrauensverhältnis zu Mitgliedern der Organe der juristischen Person zustande, wenn sich diese mit der ausdrücklichen Bitte um persönliche Beratung an den Rechtsanwalt gewandt haben606 oder ein sonstiges eigenständiges, schutzwürdiges Interesse der Organmitglieder besteht.607 Diese Ausführungen deuten auf ein Verständnis von strafprozessualen Vertrauensverhältnissen hin, nach dem diese im Ausgangspunkt zwischen den Partnern des Anwaltsvertrages bestehen. Erweiterungen in personaler Hinsicht erforderten ein eigenständiges, schutzwürdiges Interesse der betreffenden Personen. 2. Eigener Entwurf: Entstehungsvoraussetzungen Im Anschluss an eine Bestimmung der verwendeten Begrifflichkeiten sollen die Entstehungsvoraussetzungen des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses dargestellt werden, wenn es sich bei dem Rechtsratsuchenden um eine natürliche Person handelt. Es folgt eine Darstellung der Situation, wenn juristische Personen anwaltlichen Rat benötigen. 603  Deutlich LG Bonn NStZ 2012, 712 (713); ebenso LG Hamburg NStZ-RR 2002, 12 (12), das zudem ausdrücklich die „Einheit der Rechtsordnung“ heranzieht; so auch LG Lübeck NJW 1978, 1014 (1015) mit Rekurs auf die zivilrechtliche Judikatur. In diesem Sinne wohl auch OLG Oldenburg NJW 2004, 2176 (2176), das von „Auftraggeber“ spricht; in diese Richtung neigt auch LG Hamburg NJW 2011, 942 (943), wobei die Frage offen bleiben könnte; OLG Schleswig NJW 1981, 294 (294) und LG Saarbrücken wistra 1995, 239 (239) stellen auf die „Vertragspartner“ ab. Sehr deutlich in diesem Sinne dagegen Schäfer, wistra 1985, 209 (211); Theile, StV 2011, 381 (384); Tully / Kirch-Heim, NStZ 2012, 657 (660). 604  So etwa LG Lübeck NJW 1978, 1014 (1015). 605  So Nassall, KTS 1988, 633 (647). 606  So Nassall, KTS 1988, 633 (650). Auch OLG Oldenburg NJW 2004, 2176 (2176), wobei der bloße Abschluss des zivilrechtlichen Anwaltsvertrages im Namen der juristischen Person hierfür nicht genüge. Ähnlich OLG Frankfurt AG 1988, 342 (347). 607  So LG Lübeck NJW 1978, 1014 (1015) im Kontext der Entbindung des Berufsgeheimnisträgers von der Schweigepflicht nach § 53 Abs. 2 StPO, wobei offen bleibt, wann ein solches Interesse konkret gegeben wäre. Auch die vom LG Lübeck in Bezug genommene Entscheidung OLGZ 1977, 370 (373) beantwortet dies nicht.



B. Eigener Entwurf147

a) Begriffsbestimmungen Begrifflich soll an der Bezeichnung Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis festgehalten werden. Soweit in der bisherigen Darstellung die Schaffung einer abgeschirmten Kommunikationsbeziehung auftauchte, handelt es sich nach dem hier vertretenen Verständnis um eine Beschreibung des sachlichgegenständlichen Schutzes des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses im Hinblick auf die §§ 53, 97, 160a StPO, gleichsam eine Umschreibung dessen sachlichen Schutzbereiches. Denn der Begriff „Kommunikationsverhältnis“ ist nicht in der Lage, die zugrundeliegenden materiellen Wertungen hinreichend auszuschöpfen. Er legt eine Verengung auf die Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant nahe und lenkt so den Blick von der Bedeutung des Schutzes der kommunizierten Informationen ab. „Vertrauen“ erscheint besser geeignet, den Bezugspunkt des Schutzes, die fortdauernde Vertraulichkeit von Informationen innerhalb der Kommunikationsbeziehung, aufzunehmen. Dagegen soll keiner unnatürlichen Aufspaltung von Informationsschutz und Kommunikationsschutz das Wort geredet werden: Kommunikation ist die Übermittlung von Information. Beides hängt daher miteinander zusammen. Im Ergebnis sollte die Bedeutung von Begriffen aber nicht überbewertet werden. Entscheidend ist, wie diese Kategorien mit Inhalt gefüllt werden. Wenn in dieser Arbeit von „juristischen Personen“ die Rede ist, soll der Begriffsinhalt des Art. 19 Abs. 3 GG zugrunde gelegt werden. Juristische Personen in diesem Sinne sind „vollrechtsfähige“ Gebilde, wie GmbH und AG, sowie „teilrechtsfähige“ Personenmehrheiten oder Organisationen, etwa OHG und GbR.608 Soweit aus Sicht des Strafprozessrechts keine Differenzierungen notwendig sind, wird keine Unterscheidung zwischen den verschiedenen Typen juristischer Personen in diesem Sinne vorgenommen. b) Natürliche Personen Zunächst ist zu überlegen, ob sich das Entstehen eines Anwalt-MandantVertrauensverhältnisses akzessorisch zum Zivilrecht an das Zustandekommen eines Anwaltsvertrages binden ließe. Korrespondierend wären die Vertragsparteien auch Träger des Vertrauensverhältnisses. Dafür könnte sprechen, dass sich mit dem Vertragsschluss zugleich das zumindest im Allgemeinen vorhandene Vertrauen des Mandanten in den von ihm gewählten Rechtsanwalt manifestiert. Von diesem Zeitpunkt an ist mit der Kom608  BVerfGE 4, 7 (12); 22, 380 (383); 23, 208 (223); 50, 290 (319); 100, 313 (356); 106, 28 (42 f.); 111, 366 (372); BVerfG NJW 2002, 3533 (3533); Dreier /  Dreier, Art.  19 Rn.  44 ff.; Maunz / Dürig / Remmert, Art. 19 Rn. 37 ff.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

munikation jener sensibler Informationen zu rechnen, deren Schutz die Vorschriften der StPO gewährleisten sollen und dessen der Mandant bedarf. Hiergegen spricht allerdings, dass es bereits im Vorfeld des Vertragsschlusses zum Austausch schutzwürdiger Informationen kommt. Dem Anwalt müssen bereits vor der Annahme des Mandatsauftrages bestimmte Informationen gegeben werden, welche der das Mandat Antragende andernfalls Dritten gegenüber für gewöhnlich verschweigen würde. Denn der Anwalt wird sich kaum auf die Übernahme des Mandates einlassen, bevor der Antragende ihn nicht grundlegend unterrichtet hat. Daher muss etwa der in Untersuchungshaft befindliche Beschuldigte, der sich um einen Verteidiger bemüht, diesem sowohl diesen Umstand als auch den Grund seiner Beschuldigung offen legen, bevor der Anwalt sich zur Annahme des Mandats entschließt. Dabei wird er eventuell auch Informationen mitteilen müssen, von denen der Staat noch nichts weiß. Ebenso muss jemand, der demnächst mit einer Strafverfolgung rechnet, dem Anwalt Informationen über seine mög­ licherweise strafrechtlich relevanten Handlungen geben, von denen die Staatsanwaltschaft unter Umständen noch gar keine Kenntnis hat. Somit erfordert bereits die Anbahnung eines Mandatsverhältnisses die Preisgabe gerade jener sensibler Informationen, mithin einen Vertrauensvorschuss, für die ein Diskretionsbedürfnis gegeben ist. Dieses Vertraulichkeitsbedürfnis ist zudem verfassungsrechtlich untermauert, denn auch die Kontaktaufnahme mit dem Anwalt muss aufgrund der im Abschnitt über das „Ob“ des Schutzes angestellten Erwägungen dem Schutzbereich der genannten Grundrechte sowie dem Gewährleistungsbereich der freien Advokatur zugeordnet werden: Die Grundrechte dienen auch dem Schutz vor Einschüchterungseffekten, durch die der Bürger veranlasst sein könnte, von Freiheitsgewährleistungen keinen Gebrauch zu machen.609 In die gleiche Richtung weisen Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts zur freien Advokatur, wonach die objektivrechtliche Bedeutung der Anwaltschaft ebenfalls berührt würde, wenn durch die Gefahr potenzieller Zugriffe der Ermittlungsbehörden die Inanspruchnahme von Rechtsanwälten schwindet.610 Dieser Zweck erfordert Schutz schon im Vorfeld des Entstehens eines zivilrechtlichen Anwaltsvertrages. Die Schutzwürdigkeit der Anbahnungsphase hat auch der BGH gesehen, wie sich aus der Rechtsprechung des Zweiten Strafsenates zu § 53 Abs. 1 StPO ergibt:611 Ein Recht zur Verweigerung des Zeugnisses besteht ebenfalls für Kenntnisse über Umstände, die in der Anbahnungsphase, also vor 609  Siehe

unter 2. Kapitel B. II. 1. unter 2. Kapitel A. I. 2. 611  BGH NStZ 1985, 372 (372), sofern ein unmittelbarer und innerer Zusammenhang mit der Erfüllung der beruflichen Aufgabe besteht. Wohl noch extensiver BGHSt 36, 298 (301). 610  Siehe



B. Eigener Entwurf149

Zustandekommen des Anwaltsvertrages, liegen. Da § 53 Abs. 1 StPO aber das „Vertrauensverhältnis“ zwischen Berufsträger und Ratsuchendem schützen soll, muss damit auch der Zeitpunkt des Entstehens eines zu schützenden Vertrauensverhältnisses nach vorne verlagert werden. Dies steht in Wertungskonkordanz zu § 148 StPO, der das Vertrauensverhältnis zwischen Verteidiger und Beschuldigtem bereits in der Phase der Anbahnung des Verteidigungsmandates schützt.612 Weil daher nicht das Zustandekommen eines Anwaltsvertrages entscheidend sein kann, stellt sich die Frage, welche Kriterien stattdessen heranzuziehen sind. Typischerweise wird der um Rechtsrat Nachsuchende den Rechtsanwalt telefonisch kontaktieren oder diesen sogleich in seiner Kanzlei aufsuchen. In diesen Fällen ist bereits aufgrund der äußeren Umstände der Kontaktaufnahme ersichtlich, dass es dem Anrufer bzw. Besucher um die berufliche Dienstleistung des Anwalts geht und es zum Austausch schützenswerter Informationen kommen wird. Für diesen „Normalfall“ erscheint es unbedenklich, ein Vertrauensverhältnis bereits in dieser Anbahnungsphase entstehen zu lassen. Im induktiven Schluss wird ein Vertrauensverhältnis in diesem „Normalfall“ begründet, wenn ein kommunikativer Kontakt zwischen Anwalt und einem Ratsuchenden wegen einer (eventuellen) Mandatierung des Berufsträgers und damit mit Blick auf die berufstypischen Leistungen (i. e. Rechtsrat)613 des Anwalts hergestellt wird. Dieser kommunikative Kontakt muss nicht notwendig von solcher Art sein, dass wenigstens nach den Umständen ersichtlich ist, dass die Informationen, die im Zuge dessen zur Kenntnisnahme des Anwalts gelangen, nach dem erkennbaren Willen des Rechtsrat Suchenden keine Weitergabe an (unbefugte) Dritte zulassen. Da es gerade das Regelungsziel von § 53 StPO ist, zu gewährleisten, dass der Hilfesuchende auf die Diskretion des Anwalts vertrauen darf, wäre es eine Konfusion von Telos und Tatbestandsmerkmalen, eine Manifestation schutzwürdigen Vertrauens bereits auf Tatbestands­ ebene zur notwendigen Voraussetzung zu erklären. Tritt der Ratsuchende an den Anwalt mit Bezug auf dessen berufstypische Leistungen heran, befindet er sich in der Situation gerade jenes faktischen Zwanges zur Informationspreisgabe an den Rechtsanwalt, deretwegen das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis aufgrund der Einschränkung der Selbstschutzmöglichkeiten des sich Offenbarenden gesetzlichen Schutzes bedarf. Er muss Informationen (über sich) preisgeben, um die Hilfe des Anwalts in seiner Rechtsangelegenheit zu erhalten. Hieraus erklärt sich weiterhin das Erfordernis eines Bezugs der Kommunikation zur BerufstätigSK / StPO / Wohlers, § 148 Rn. 7; Hanack, JR 1986, 33 (37). hierzu die Ausführungen zur Informationserlangung als Anwalt zu § 53 Abs. 1 StPO unter 2. Kapitel A. III. 1. b). 612  So

613  Siehe

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

keit des Anwalts: Ein Vertrauensverhältnis kommt nicht zustande, wenn dieser fehlt, denn handelt der Anwalt nicht als solcher bzw. wird er nicht als solcher kontaktiert, geht es nicht um seine Rechtsberatung und die genannte Gefährdungslage für den Ratsuchenden besteht nicht. Dies ist etwa der Fall, wenn der Anwalt in seiner Eigenschaft als Aufsichtsratsmitglied einer AG, als Insolvenzverwalter oder als Privatmann auf dem Golfplatz kontaktiert würde. In diesen Fällen liegt keine Kommunikation in Bezug auf berufstypische Leistungen des Rechtsanwalts vor und es besteht kein Zwang zum Austausch schutzbedürftiger Informationen. Fraglich ist, welche Bedeutung dem Informationsaustausch weiter zukommt. Es ist bedenkenswert, inwieweit es für die Entstehung eines Vertrauensverhältnisses der Mitteilung von Informationen gerade über den Ratsuchenden bedarf oder ob auch die Kenntnisverschaffung über Informationen, die Dritte betreffen, genügt. Immerhin ließe sich argumentieren, der Schutzbereich des Rechts auf Achtung der Privatsphäre als Ausfluss des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Hilfesuchenden – eine wesentliche verfassungsrechtliche Wurzel des Schutzes des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses – sei nur eröffnet, wenn ein Bezug zu seiner Persönlichkeitssphäre besteht. Daran ist richtig, dass für den Rechtsratsuchenden stets der Zwang besteht, die eigene Geheimsphäre zu öffnen. Gegen ein solches Kriterium spricht aber zum einen, dass das Allgemeine Persönlichkeitsrecht generellen Schutz für die vertrauliche Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant bieten soll.614 Zum anderen steht sachlichgegenständlich der Schutz der Kommunikation im Vordergrund: Auf deren inhaltliche Ausdifferenzierung nach Informationen, die den Ratsuchenden in seiner Persönlichkeitssphäre tangieren oder eben nicht, kommt es nicht an. Hierfür sprechen auch praktische Erwägungen: Bereits die simple Anwaltskonsultation wegen eines Verkehrsunfalls verlangt detaillierte Beschreibungen auch des Verhaltens anderer, etwa des Unfallgegners. Zu folgern, dass ein zu schützendes Verhältnis erst entsteht, sobald Informationen über den Ratsuchenden selbst kommuniziert werden, erscheint kaum praktikabel, da es vom Zufall abhängen wird, worüber der Hilfesuchende zuerst Mitteilung macht. Überdies bedeutete es eine Relativierung des Schutzes des AnwaltMandant-Vertrauensverhältnisses, wenn der Austausch zwischen Anwalt und Mandant zerlegt werden könnte in die Äußerungen, die den Mandanten betreffen und alle übrigen, weil sonst aus den nicht geschützten Informa­ tionen auf die geschützten geschlossen werden könnte.615 614  So zum Arzt-Patient-Verhältnis BVerfGE 32, 373 (380). Siehe unter 2. Kapitel A. I. 1. a) bb). 615  In diesem Sinne argumentiert BGH, Urt. v. 20.12.1977 – 1 StR 287  /  77, Rz. 17, zitiert nach juris. Siehe auch bei Holtz, MDR 1978, 279 (281).



B. Eigener Entwurf151

Es wäre auch ein zu enges Verständnis, das Entstehen von Vertrauensverhältnissen an den konkreten Akt des Anvertrauens oder an die Fähigkeit zu knüpfen, Vertrauen zu bilden, zu schaffen oder entgegenzubringen. Denn weder findet der Austausch schützenswerter Informationen allein durch ein konkret-intendiertes Anvertrauen statt noch gründen Vertrauensverhältnisse in hiesigem Sinne maßgeblich auf der Fähigkeit zu vertrauen, sondern vielmehr auf dem faktischen Zwang des Rechtsratsuchenden zur Öffnung seiner Privat- bzw. Geheimsphäre durch Kommunikation mit dem Rechtsanwalt. Im typischen Fall nimmt der Rechtsratsuchende Kontakt mit dem Anwalt auf, weil er Beratung in eigenen Rechtsangelegenheiten im eigenen Interesse erhofft. Es erscheint daher überlegenswert, als zusätzliches Kriterium einen Bezug zur persönlichen Interessensphäre des Ratsuchenden aufzunehmen: Es muss sich im Grundsatz um seine eigene Rechtsangelegenheit handeln, d. h. um ein tatsächliches Geschehen, das seinem materiellen Rechtsgehalt nach einen Bezug zur Rechtssphäre des Ratsuchenden aufweist. Ferner muss dieser selbst – bei materieller Betrachtungsweise – Adressat der Rechtsberatungsleistung sein. Durch Aufnahme solcher Kriterien lassen sich Fälle ausschließen, in denen ein Dritter dem Rechtsanwalt Informationen über einen Mandanten zukommen lässt, aber selbst gar keine Beratung des Rechtsanwalts wünscht. Denn in solchen Situationen besteht nicht die Gefährdungslage für das Individuum, auf die das strafprozessuale System der Schutzvorschriften reagieren soll: Will der Betreffende keine Rechtsberatung des Anwalts erhalten, befindet er sich gerade nicht in der Zwangslage, um des Rechtsrats willen zur Informationspreisgabe veranlasst zu sein. Eine Beschränkung der Selbstschutzmöglichkeiten besteht in diesem Fall nicht, der Anwalt wird nicht zum „unvermeid­ lichen“ Risiko. Dies fügt sich mit den Ausführungen zum Rechtsstaatsprinzip zusammen: Im Dienste der Rechtspflege muss dem Ratsuchenden vertrauliche Hilfe ermöglicht werden. Auch hierin kommt eine Verknüpfung zwischen dem Bedarf an Rechtsrat und der Schutzgewährung zum Ausdruck. Vereinbar ist diese Lösung ebenso mit dem Eid der Advokaten beim Reichskammergericht: Sie mussten schwören, „ihren Parteien zum Schaden“ Heimliches nicht zu offenbaren.616 Dies knüpft die Verschwiegenheitspflicht – in hiesiger Terminologie – an den Status des Rechtsratsuchenden im obigen Sinne an. Auch eine stärkere Einbeziehung der Berufsfreiheit des Anwalts oder des Rechts auf vertrauliche Korrespondenz aus Art. 8 Abs. 1 EMRK legt keine Lockerung der Bindung der Entstehungsvoraussetzungen des AnwaltMandant-Vertrauensverhältnisses vorrangig an diese spezifische Gefähr616  Friedlaender / Friedlaender,

§ 28 Exkurs I Rn. 9.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

dungslage nahe, in der sich der Rechtsratsuchende befindet. Richtig ist zwar, dass die Berufsfreiheit die verschwiegene Anwaltstätigkeit absichert, ohne Bezug auf eine Einschränkung eines zumutbaren Selbstschutzes, eines faktischen Zwangs zur Informationspreisgabe des Ratsuchenden, zu nehmen, wie das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Mandanten. Gleichwohl sichert die Berufsfreiheit der Anwaltstätigkeit eine Vertraulichkeitssphäre ebenfalls nur deshalb zu, weil dahinter schutzbedürftige Geheimhaltungsinteressen und ein Bedürfnis nach Diskretion des Hilfesuchenden stehen. Die Berufsfreiheit sichert das Vertrauensverhältnis des Anwalts zum Mandanten in dienender Funktion ab. Das kann für das Recht auf vertrauliche Korrespondenz gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK zwar nicht konstatiert werden. Allerdings weist dieses Recht keinen derart spezifischen Bezug zum AnwaltMandant-Vertrauensverhältnis auf wie das Allgemeine Persönlichkeitsrecht und die Berufsfreiheit, denen insoweit für die Entstehungsvoraussetzungen primär Rechnung zu tragen ist. Nicht zu fordern ist ferner, dass es dem Nachsuchenden subjektiv bereits zum Zeitpunkt des Erstkontakts um den Abschluss eines zivilrechtlichen Anwaltsvertrages geht. Auch derjenige, der sich lediglich informieren möchte, ob für seine Situation die Hilfe eines Rechtskundigen erforderlich ist oder sich über die von einer Kanzlei angebotenen Leistungen Kenntnis verschaffen will, muss schon sensible Informationen preisgeben und bedarf deshalb des Schutzes. Überdies ist es für das Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 StPO anerkannt, dass dessen Entstehen nicht vom Zustandekommen eines zivilrechtlichen Vertrages abhängt. Vielmehr besteht dieses auch dann, wenn sich die Parteien nicht einig werden. Wenn aber ein zivilrechtlicher Anwaltsvertrag zwischen den Beteiligten zustande kommt, besteht jedenfalls ein strafprozessual zu schützendes Vertrauensverhältnis, da ab diesem Zeitpunkt in der Regel ein verstetigter Kontakt zwischen Anwalt und Mandant besteht, der den Austausch schützenswerter Informationen mit sich bringt. Eine solche Bestimmung des Begriffs „Vertrauensverhältnis“ nimmt die im Verfassungsrecht ausgemachten Wurzeln auf und vereint sie in einem Konzept. c) Juristische Personen Ist es eine juristische Person, die den Rechtsrat des Anwalts nachsucht, stellen sich grundsätzliche Fragen. Problematisch ist bereits, ob juristische Personen überhaupt in ein Vertrauensverhältnis zu einem Anwalt im Sinne der StPO treten können. Einige Stimmen in der Literatur bestreiten dies, weil sie die Fähigkeit zu vertrauen, allein bei natürlichen Personen sehen. Zudem könnten nur diese Informationen intersubjektiv vermitteln, woraus ein höchstpersönliches Element zu folgern sei, das juristische Personen



B. Eigener Entwurf153

nicht erfüllen könnten.617 Diese Argumente finden sich ebenfalls in der Rechtsprechung.618 Nach der Gegenauffassung können juristische Personen ebenso Beteiligte eines Vertrauensverhältnisses sein.619 In der Ansicht, juristische Personen verfügten nicht über die Fähigkeit zu vertrauen, sehen die Vertreter der Gegenauffassung ein „naturalistisches Missverständnis“.620 Überdies verkenne diese Auffassung die rechtliche Eigenständigkeit der juristischen Person, die auch in diesem Zusammenhang nicht außer Acht gelassen werden dürfe.621 Die Interessen der juristischen Person seien daher nicht mit denen der Organmitglieder gleichzusetzen.622 Dem ist beizutreten. Das erstgenannte Verständnis verfehlt jedenfalls den Schutzzweck, den die StPO mit der Kreierung abgeschirmter Informationsund Kommunikationssphären verfolgt. Es geht um den Schutz desjenigen, der sich in einer „do ut des“-Situation befindet und daher dem Rechtsanwalt Informationen geben muss, um dessen Hilfe zu erhalten. In einer derartigen Gefährdungslage können sich allerdings auch juristische Personen ohne weiteres befinden. Benötigen sie den Rat eines Rechtsanwalts, müssen sie ebenso Interna preisgeben, um eine Beratung zu ermöglichen. Damit unterliegen sie dem gleichen Zwang, wie ihm ein Einzelner ausgesetzt ist. Zwar kann für juristische Personen keine generelle Gefährdung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts wie bei Individuen konstatiert werden, das, im Hinblick auf die Rechtssphäre des Mandanten, einen wesentlichen verfassungsrechtlichen Pfeiler des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses darstellt. Denn es ist streitig, ob das Allgemeine Persönlichkeitsrecht auf juristische Personen Anwendung findet. Das BVerfG hat dies für einige Gewährleistungsgehalte verneint,623 für andere hingegen, wie auch die Instanzgerichte, bejaht.624 Daher kann diese Frage nur differenziert, je nach 617  Dahs, FS-Kleinknecht, S. 63 (74); Dierlamm, FS-DAV, S. 428 (436); Krause, FS-Dahs, S. 349 (368). 618  OLG Düsseldorf StV 1993, 346 (346); AG Bonn NJW 2010, 1390 (1390). 619  BVerfG NStZ-RR 2004, 83 (83); OLG Oldenburg NJW 2004, 2176 (2176); wohl auch OLG Nürnberg NJW 2010, 690 (690); ausdrücklich LG Hamburg NStZRR 2002, 12 (12); KK / StPO / Greven, § 97 Rn. 6; LR / Schäfer, § 97 Rn. 52; implizit Theile, StV 2011, 381 (384). 620  SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 199. 621  BVerfG NVwZ 1994, 54 (56). 622  BVerfG NStZ-RR 2004, 83 (83); LG Hamburg NStZ-RR 2002, 12 (12); LR / Schäfer, § 97  Rn. 52. 623  BVerfGE 95, 220 (242). 624  BVerfGE 106, 28 (43); für das zivilrechtliche Allgemeine Persönlichkeitsrecht BGHZ 78, 24 (25); 81, 75 (78) sowie BVerwGE 82, 76 (78) und OVG Lüneburg NJW 1992, 192 (193) zu Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

betroffenem Gewährleistungsgehalt, beantwortet werden. Anerkannt ist, das unter der Geltung des Art. 19 Abs. 3 GG inländischen juristischen Personen ein „Recht am eigenen Wort“625 oder, zumindest über Art. 12 GG, ein Recht auf Schutz ihrer Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse626 zusteht. Ferner können juristische Personen für sich das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis gemäß Art. 10 GG in Anspruch nehmen.627 Soweit ein wichtiges Fundament des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses für natürliche Personen im Recht auf Achtung der Privatsphäre im Sinne eines Rechts auf vertraulichen Austausch mit besonderen Vertrauenspersonen628 erkannt wurde, ist dies ebenso auf juristische Personen anwendbar. Juristische Personen mögen keine „Privatsphäre“ haben, da sie als rechtliche Zweckgebilde keine Persönlichkeit besitzen.629 Jedoch liegt der Kern des erarbeiteten Schutzmodells nicht im Schutz einer der Privatsphäre zuzuordnenden Information, sondern primär in der Gewährleistung vertraulicher Kommunikation zwecks Inanspruchnahme professioneller Hilfe. Eine solche Schutzrichtung ähnelt der von Art. 10 GG, der die Vertraulichkeit der individuellen Kommunikation schützt, sofern die Beteiligten nicht am selben Ort sind und deshalb wegen der räumlichen Distanz auf eine Übermittlung durch andere angewiesen sind.630 Art. 10 GG bildet einen wesentlichen Bestandteil des Schutzes der Privatsphäre des Menschen,631 stellt in den Fällen der distanzüberbrückenden Kommunikation die lex specialis zum Recht auf Achtung der Privatsphäre in diesem Sinne dar.632 Ist Art. 10 GG vom BVerfG auf juristische Personen angewendet worden, muss das im Sinne eines argumentum a minori ad maius ebenso für das Allgemeine Persönlichkeitsrecht in dieser Schutzausprägung gelten. Soweit der Informationsschutz eine Rolle spielt, ist die Anwendbarkeit des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts als Recht auf Achtung der Privatsphäre oder auf informationelle Selbstbestimmung auf juristische Personen ebenfalls sehr fraglich.633 Allerdings können sich juristische Personen hinsichtlich ihrer Interna, etwa Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, an denen sie ein wirtschaftliches Interesse haben, auf Art. 12 Abs. 1 GG bzw. Art. 14 Abs. 1 GG berufen, die auf juristische Personen unstreitig anwendbar sind.634 625  BVerfGE

106, 28, (42 f.). 115, 209 (229). 627  BVerfGE 100, 313 (356). 628  Zu dieser Ausprägung Maunz / Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 151 ff., 156. 629  Beck / OK / GG / Enders, Art.  19 Rn.  40; Maunz / Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 224. 630  Beck / OK / GG / Baldus, Art. 10 Rn. 1. 631  BVerfGE 115, 166 (182). 632  Maunz / Dürig / Durner, Art. 10 Rn. 209. 633  Eine Übersicht gibt Maunz / Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 224 f. 626  BVerfGE



B. Eigener Entwurf155

Soweit der Aspekt des Informationsschutzes in dieser Arbeit relevant ist, kann daher für juristische Personen auf diese Grundrechte zurückgegriffen werden. Dieses Interesse juristischer Personen an der Geheimhaltung ihrer Belange ist nicht geringer zu gewichten, als wenn natürliche Personen Privates weitergeben müssen. Die grundrechtlichen Überlegungen zum AnwaltMandant-Vertrauensverhältnis für natürliche Personen können folglich auf juristische Personen übertragen werden. Demgegenüber bestehen keine Bedenken, den aus dem Rechtsstaatsprinzip entwickelten Schutz auf juristische Personen zu erstrecken, da dieser keine personalen Voraussetzungen aufstellt. 634

Richtig ist, dass juristische Personen als rechtliche Zweckgebilde faktisch nicht selbst in der Lage sind, Informationen zu kommunizieren. Hierfür bedienen sie sich ihrer Organe. Das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis entsteht aber zunächst nur zwischen der juristischen Person und dem Rechtsanwalt. Denn bei natürlichen Personen führt die bloße Anwaltskonsultation in der Rechtsangelegenheit eines anderen, verbunden mit der Gewährung von Einblicken in die Geheimsphäre des Dritten, auch nicht zur Entstehung eines Vertrauensverhältnisses zwischen dem Anwalt und dem Konsultierenden. Gleiches gilt, wenn der Rechtsratsuchende Dritte als Boten zur Übermittlung seiner Nachrichten an den Anwalt einsetzt. Inwieweit die Organmitglieder ebenfalls in einem Vertrauensverhältnis zu dem Anwalt stehen oder in ein solches zwischen Rechtsanwalt und juristischer Person als Dritte einbezogen sind, stellt sich daher erst im Abschnitt über die Beteiligung am Vertrauensverhältnis.635 Juristische Personen können keine Straftaten im engeren Sinne begehen. Strafbar machen können sich lediglich die natürlichen Personen, die als Mitglieder der Organe für die juristische Person handeln. Das Risiko einer Strafverfolgung als Folge des Einbruchs der Strafverfolgungsbehörden in die Kommunikation mit dem Rechtsanwalt besteht für die juristische Person selbst daher nicht. Allerdings ist es nicht allein die Sorge vor der Kenntniserlangung der kommunizierten Informationen durch die Strafverfolgungsbehörden, der die StPO durch Gewährung einer geschützten Kommunika­ tionssphäre vorbeugen will. Es sollen allgemein „Nachteile“ verhindert werden, die der Einzelne durch Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts und der dadurch bedingten Öffnung seines Geheimbereichs zu fürchten hat. Denn auch in einem Strafverfahren gegen natürliche Personen bedeutet es für die juristische Person einen Nachteil, wenn ihre Interna, etwa Betriebsgeheimnisse, in der öffentlichen Verhandlung eines Strafprozesses einem 634  Für Art. 12 GG: BVerfGE 50, 290 (363); 97, 228 (253); 102, 197 (213); 105, 252 (265); Maunz / Dürig / Scholz, Art.  12 Rn.  106. Für Art.  14 GG: Beck / OK / GG / Axer, Art.  14 Rn.  37; Maunz / Dürig / Papier, Art. 14 Rn. 206. 635  Siehe unter 2. Kapitel B. IV. 2. und 2. Kapitel B. IV. 3.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

breiten Publikum bekannt werden. Müssten juristische Personen erwarten, im Falle eines Verfahrens gegen ihre Angestellten schutzlos gestellt zu sein, begründete das einen ernsthaften Anlass, von anwaltlicher Hilfe ganz abzusehen. Gerade dies soll aber verhindert werden. Zudem können juristische Personen nach §§ 9, 30, 130 OWiG haftbar gemacht werden, wenn ihre Organmitglieder selbst eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begehen oder wenn diese die nötige Aufsicht unterlassen und Angestellte im Betrieb Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begehen. Die §§ 53, 97, 160a StPO sind auf das Bußgeldverfahren nach § 46 Abs. 1 OWiG anwendbar. Die Geldbuße wird gemäß § 17 OWiG nicht allein nach dem wirtschaftlichen Vorteil bemessen, stellt sich folglich für die juristische Person nicht lediglich als Abschöpfung des unrechtmäßig Erlangten dar, sondern soll diesen übersteigen, § 17 Abs. 4 S. 1 OWiG. Brechen die Strafverfolgungsbehörden in das Vertrauensverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Anwalt ein und erlangen auf diese Weise Kenntnisse über Straftaten der Organmitglieder, besteht für die juristische Person die Gefahr, dass ein Bußgeldverfahren gegen sie eröffnet wird, das ernste Konsequenzen für ihre Finanzen und ihre Reputation haben kann.636 Ferner können juristische Personen aufgrund der Regelungen zu Verfall und Einziehung, §§ 73 ff. StGB und § 29a Abs. 2 OWiG, empfindlich von dem Ausgang eines Straf- oder Bußgeldverfahrens betroffen sein. Durch Verfall und Einziehung besteht die Möglichkeit, unmittelbaren Zugriff auf das Vermögen einer juristischen Person zu nehmen, etwa durch Abschöpfung von rechtswidrig erlangten Vermögensvorteilen.637 Aufgrund dieser Rechtsfolge sieht die StPO vor, die betroffene natürliche oder juristische Person nach § 431 Abs. 1, 3, 442 StPO bzw. i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG am Verfahren zu beteiligen. Eine Beschädigung ihres Rufes sowie die Offenlegung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen droht ebenso durch die Beweiserhebungen eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses nach dem PUAG, der ähnlich den Strafverfolgungsbehörden Zeugen laden und bei unberechtigter Zeugnisverweigerung ein Ordnungsgeld verhängen kann, § 27 PUAG. Nach §§ 22 Abs. 1, 29 Abs. 3 S. 1 HS. 2 PUAG finden die §§ 53, 53a, 97 StPO entsprechende Anwendung. Aufgrund dieser Risiken wäre es unrichtig, der juristischen Person selbst ein eigenes schutzwürdiges Interesse daran abzusprechen, dass die Strafverfolgungsbehörden nicht in die Kommunikationsbeziehung zum Rechtsanwalt eindringen. Letztlich geht auch die StPO davon aus, dass juristische Personen Beteiligte eines Vertrauensverhältnisses sein können. Denn aus § 434 Abs. 1 StPO Samson / Langrock, DB 2007, 1684 (1685). BGHSt 47, 369 (373); Lackner / Kühl / Kühl, § 73 Rn. 1.

636  Ebenso 637  Vgl.



B. Eigener Entwurf157

wird deutlich, der unter anderem auf § 148 StPO verweist, dass die StPO insoweit nicht zwischen juristischen Personen und natürlichen Personen unterscheidet, als sie auch juristische Personen nach § 434 StPO als Beteiligte eines Strafverfahrens zur Bestellung eines Verteidigers berechtigt. Zu diesem steht ebenso der Einziehungs- oder Verfallsbeteiligte in einem Verhältnis des vertraulichen Austausches und es muss konsequenterweise er sein, der auf diesen Schutz verzichten kann. Ferner ist die juristische Person als Nebenbeteiligte nach § 97 StPO i. V. m. §§ 434 Abs. 1 S. 2, 444 Abs. 2 S. 2 StPO gegen Beschlagnahmen geschützt.638 Da § 97 StPO das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant schützt, geht offenbar der Gesetzgeber davon aus, die juristische Person könne in ein Vertrauensverhältnis zu einem Rechtsanwalt treten. Aus diesen Gründen kann daher ebenso zwischen einer juristischen Person und einem Anwalt ein Vertrauensverhältnis im Sinne der StPO entstehen.

IV. Persönlicher Schutzbereich: Beteiligung am Vertrauensverhältnis Im folgenden Abschnitt soll der Zusammenhang zwischen der Beteiligung am Vertrauensverhältnis und der Verfügungsbefugnis über den Schutz des Vertrauensverhältnisses dargestellt werden. Dem schließt sich eine Darstellung der Beteiligungsfrage im Zwei- und Dreipersonenverhältnis an. 1. Verfügungsbefugnis im Vertrauensverhältnis und Beteiligung Die Auswertung der auf das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis bezugnehmenden Vorschriften hat ergeben, dass zunächst eine vertrauliche Kommunikationsbeziehung zwischen Anwalt und Mandant in der Weise geschaffen wird, dass Informationen, die – in welcher Form auch immer – beim Anwalt vorhanden sind, dem Zugriff des Staates entzogen sind. Dem schließt sich notwendig die Frage an, wem die Befugnis zusteht, auf den gesetzlich gewährten Schutz zu verzichten. Hierzu gehört ebenfalls die Diskussion, ob ein solcher Verzicht auf Schutz überhaupt möglich ist oder ob nicht vorrangige Belange der Allgemeinheit einer Disponibilität des Schutzes entgegenstehen. Verfügungsbefugnis oder Dispositionsbefugnis meint die Berechtigung, die abgeschirmte Kommunikationsbeziehung zum Anwalt ganz oder teilweise den Strafverfolgungsbehörden zu öffnen. Der normative Anknüpfungspunkt hierfür ist § 53 Abs. 2 StPO. Wurde der Zeugnisverweigerungsberech638  Taschke,

FS-Hamm, S. 751 (753 f.).

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

tigte von seiner Schweigepflicht entbunden, lebt die allgemeine Zeugnispflicht wieder auf. Zugleich hat eine Entbindung Auswirkungen auf die Zulässigkeit anderer Informationsbeschaffungsmaßnahmen der Strafverfolgungsbehörden: Für Beschlagnahmen entfällt das Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO, Abhörmaßnahmen nach § 100c StPO steht nicht mehr § 100c Abs. 6 StPO entgegen und sonstige Ermittlungsmaßnahmen sind trotz § 160a Abs. 1 StPO zulässig. Diese Entbindungsberechtigung, die Berechtigung zur Entbindung von der Schweigepflicht, kann als „Recht“ bezeichnet werden. Es konnte herausgearbeitet werden, dass die Normen, die das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis schützen, im Sinne der sog. Schutznormtheorie639 – zumindest auch – Individualinteressen zu dienen bestimmt sind. In diesem Sinne ist die Entbindungsberechtigung ein subjektiv-öffentliches Recht, das dem Berechtigten die Möglichkeit verleiht, – ähnlich zivilrechtlicher Gestaltungsrechte – das Zeugnisverweigerungsrecht des Anwalts durch einseitiges Handeln zum Erlöschen zu bringen. Zugleich beseitigt sie Verbote, die das Gesetz den Strafverfolgungsbehörden auferlegt hat. Denn die Schweigepflichtentbindung bewirkt, dass der Anwalt umfassend zur Aussage verpflichtet ist und auch sonst Zugriffe auf die Anwalt-Mandant-Beziehung zulässig sind. Dass derjenige, dem eine Rechtsvorschrift Schutz gewährt, dem sie ein subjektiv-öffentliches Recht zuschreibt, zumindest im Einzelfall auf dieses verzichten kann, ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz. Denn ein subjektives Recht, auf dessen Ausübung nicht verzichtet werden kann, wäre kein subjektives Recht mehr.640 Dies findet zudem eine Basis in dem römisch-rechtlichen Prinzip „volenti non fit iniuria“ sowie im Verfassungsstaat des Grundgesetzes in der negativen Dimension der Grundrechte.641 Die Disponibilität von Rechten gilt allerdings nicht schrankenlos und scheidet insbesondere dann aus, wenn die Menschenwürde, Art. 1 Abs. 1 GG, tangiert ist, zum Beispiel im Fall von § 136a StPO.642 Aber auch wenn überwiegende Interessen der Öffentlichkeit entgegen stehen, wäre ein Versagen der Verfügungsberechtigung denkbar. Dass beides zumindest im Grundsatz für das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis nicht der Fall ist, wurde bereits gezeigt. Umstritten ist, ob der Berechtigte sich bei der Ausübung dieses Rechts durch einen anderen vertreten lassen kann.643 Zumeist wird die Zulässigkeit 639  Röhl / Röhl,

§ 45 III. § 46 V. 641  Dazu Beck / OK / GG / Epping / Hillgruber, Art.  1 Rn.  73 f.; v.  Mangoldt / Klein /  Starck / Starck, Art. 1 Rn. 135 f. 642  Siehe §  136a Abs.  3 S.  2 StPO; hierzu Beck / OK / StPO / Monka, § 136a Rn. 28; Pfeiffer, § 136a  Rn. 13. 643  Siehe KK / StPO / Senge, § 53 Rn. 48; LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 81. 640  Röhl / Röhl,



B. Eigener Entwurf159

der Vertretung bei der Ausübung der Verfügungsbefugnis mit dem Hinweis abgelehnt, dass es sich um ein „höchstpersönliches“ Recht handele. Unklar ist jedoch, was überhaupt mit „Vertretung“ gemeint ist, ob eine Anlehnung an zivilrechtliche Kategorien gewollt oder jede Art von Handeln durch einen anderen für den Entbindungsberechtigten bezeichnet ist. Soweit ­ „Höchstpersönlichkeit“ auf eine Wurzel des § 53 StPO im Allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Mandanten weist, ist dem zuzustimmen. Undeutlich bleibt aber weiterhin, inwieweit daraus weitergehende Aussagen abzuleiten sind.644 Jedenfalls wenn juristische Personen zur Entbindung berechtigt sind, kann der Versagung jeglicher Vertretungsmöglichkeit nicht gefolgt werden. Ließe man keine Vertretung in der Erklärung zu, wäre juristischen Personen eine Entbindung ihres Rechtsanwalts wesensnotwendig unmöglich. Dass der Gesetzgeber eine Unmöglichkeit des Rechtsverzichts nicht beabsichtigte, kann für die Situation des §§ 444 Abs. 2 S. 2, 434 Abs. 1 StPO unterstellt und für den Fall eines Erklärungsunfähigen aus § 52 Abs. 2, 3 StPO deutlich herausgelesen werden. Mit diesen Argumenten lässt sich nicht die generelle Zulässigkeit der Vertretung natürlicher Personen begründen. Denn bei § 52 Abs. 2, 3 StPO geht es wie im Falle des Handelns der Organe juristischer Personen um eine gesetzliche Vertretung eines anderen. Die Zulässigkeit einer rechtsgeschäftlichen Vertretung ist damit nicht nachgewiesen. Problematisch ist ferner, ob das Entbindungsrecht auf andere übertragen werden kann. Jedenfalls kann aus der Rechtsnatur eines subjektiv-öffent­ lichen Rechts noch nicht dessen Übertragbarkeit gefolgert werden. Die Übertragbarkeit ist kritisch zu sehen: Denn die Entbindungsberechtigung als subjektiv-öffentliches Recht entsteht mit dem Entstehen eines Vertrauensverhältnisses in der Person des Rechtsratsuchenden. Zwar könnte dieses Recht losgelöst von den Verbotsnormen, auf denen es fußt und deren Schutz es dispensiert, gedacht werden. Gleichwohl stellt es sich lediglich als negative Kehrseite des Schutzes dar, den der Rechtsratsuchende als Beteiligter eines Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses (positiv) genießt. Diese negative Seite besteht darin, auf den gewährten Schutz zu verzichten. Bildlich gesprochen sind positive und negative Dimension des Schutzes des AnwaltMandant-Vertrauensverhältnisses zwei Seiten derselben Medaille. Doch genau so wenig, wie ein anderer anstelle des Rechtsratsuchenden in die positive Dimension des Schutzes einrücken kann, kann er es hinsichtlich der negativen. Denn geschützt ist nur derjenige, der die unter III. 2. entwickelten Entstehungsvoraussetzungen645 in seiner Person erfüllt. Sein bloßer Wille, den gesetzlichen Schutz zu erlangen, ist kein alleiniges konstitutives 644  So

auch Solbach, DRiZ 1978, 204 (205). unter 2. Kapitel B. III. 2. b).

645  Siehe

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

Merkmal. Gleichfalls unerheblich ist der Wille des Rechtsratsuchenden, ein anderer möge an seiner statt geschützt sein. Eine gewillkürte Übertragbarkeit der Verfügungsbefugnis ist daher ausgeschlossen.646 Dieser Gedanke wird im Folgenden nochmals für die Frage der Erweiterung der Beteiligung an einem Vertrauensverhältnis in Dreipersonenkonstellationen aufgegriffen.647 Aus den eben genannten Gründen wird eine Erweiterung des personalen Schutzes nicht allein auf den Willen des Rechtsratsuchenden, den primär geschützten Vertrauenspartner, gestützt werden können. Aus den vorangehenden Überlegungen ergibt sich zugleich der Umfang der Berechtigung, über den Schutz der Anwalt-Mandant-Beziehung zu disponieren: Die Reichweite der Verfügungsbefugnis über Informationen wird durch die Grenzen der Kommunikationsbeziehung bestimmt.648 Denn der (negative) Verzicht auf den gesetzlichen Schutz kann nicht weiter reichen, als dieser (positiv) gewährt wird. Der Rechtsratsuchende kann den Anwalt deshalb nur hinsichtlich der Informationen zur Aussage veranlassen, die dieser durch oder aufgrund der Kommunikation mit dem Rechtsratsuchenden erlangt hat. Mit anderen Worten: Sie müssen dem sachlichen Schutzbereich des konkreten Vertrauensverhältnisses zugeordnet werden können. Dies ist der Fall zum einen für Informationen, die der Rechtsratsuchende dem Rechtsanwalt selbst anvertraut hat, zum anderen für solche, die dem Anwalt aufgrund seiner beruflichen Beziehung zum Rechtsratsuchenden, d. h. typischerweise aufgrund seines Tätigwerdens zur Erfüllung eines bestimmten Mandatsauftrages, bekannt geworden, also sonst zur Wahrnehmung gelangt sind. Allgemeiner gefasst hängt die Zuordnung eines Kommunikationsvorgangs zu einem Vertrauensverhältnis deshalb von dessen inneren und äußeren Zusammenhang ab: Entweder es kann dem vertraulichen Übermittlungsakt und dessen Zielsetzung bereits entnommen werden, innerhalb welches Vertrauensverhältnisses kommuniziert wird. Oder ein Kommunikationssachverhalt kann aufgrund seines sachlichen Bezugs zu einem bestimmten Mandatsauftrag oder der nach außen erkennbaren Zielsetzung in Richtung eines bestimmten Mandatsauftrages einem Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis zugeordnet werden. Es ist zuzugeben, dass das eine Wertungsfrage ist, die im Grenzbereich nicht eindeutig beantwortbar ist. Eine verfassungsrecht­ liche Stütze finden diese Überlegungen aber sowohl in der Berufsfreiheit 646  Eine andere Frage ist es, ob im Falle des Todes des Rechtsratsuchenden die zivilrechtlichen Erben in dessen Stellung einrücken. Hierzu siehe LR / Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 81. 647  Siehe unter 2. Kapitel B. IV. 3. a) aa) (1). 648  Dieser Gedanke von SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 10. Siehe bereits unter 2. Kapitel B. II. 2.



B. Eigener Entwurf161

des Rechtsanwalts als auch im Grundsatz der Freiheit der Advokatur, die beide Vertraulichkeit im Umfang der mandatsbezogenen Kommunikation nahelegen. Nachdem dieses Fundament gelegt ist, geht es im Folgenden allein um den persönlichen Schutzbereich des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses, d. h. die Frage, wem die Befugnis zustehen soll, den gesetzlichen Schutz der Anwalt-Mandant-Beziehung aufzuheben. a) Ansätze in Rechtsprechung und Literatur: Kritik Wem die Entbindungsberechtigung zusteht, wird von Rechtsprechung und Literaturstimmen unterschiedlich beantwortet. Vor der Vorstellung eines eigenen Entwurfes soll zunächst dargestellt werden, ob und inwieweit den in Rechtsprechung und Literatur zu dieser Frage vertretenen Ansätzen gefolgt werden kann. aa) Alleinige Entbindungsberechtigung des Informationsbetroffenen Nicht überzeugen können die Ansätze, die die Verfügungsberechtigung allein demjenigen zusprechen, der von der in Rede stehenden Information betroffen ist, über die der Anwalt Auskunft geben soll. Primär liegt das daran, dass ein isolierter Informationsschutz nicht von § 53 StPO bezweckt wird. Vielmehr geht es um einen funktionalen Informationsschutz innerhalb einer Kommunikationsbeziehung, um des Vertrauens des Ratsuchenden in die Verschwiegenheit des Anwalts willen. Der Schutz jedweden Informa­ tionsbetroffenen geht an diesem Zweck vorbei. Neben diesem Grund sprechen ebenso spezifisch in der Beziehung zwischen Anwalt und Mandant liegende Gesichtspunkte gegen einen solchen Ansatz. Der Rechtsanwalt soll vorrangig die Interessen seines Mandanten, des Ratsuchenden, wahrnehmen, seine Privilegien dienen dessen Schutz; deshalb muss auch der Ratsuchende auf diesen Schutz verzichten können.649 Zwar ist der Anwalt als Organ der Rechtspflege auch Gemeinwohlbelangen verpflichtet, indes führte eine Vielzahl von entbindungsberechtigten Informationsbetroffenen, ein „Heer von entbindungsberechtigten Ge­ heim­nis­trä­gern“,650 dazu, dass vor einer Zeugenaussage des Anwalts eine Vielzahl, möglicherweise auch ihm, unbekannter Dritter kontaktiert werden müssen. Eine solche Lösung ist kaum praxistauglich. Richtig ist deshalb eine Koppelung der Entbindungsberechtigung an den Ratsuchenden. Denn 649  Nassall,

(592).

650  Dieser

KTS 1988, 633 (645). In diesem Sinne auch Passarge, BB 2010, 591

Ausdruck von Nassall, KTS 1988, 633 (645).

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

löste oder relativierte man die Bindung zwischen Anwalt und Ratsuchenden, drängte man den Anwalt in eine neutrale Richterstellung zwischen seinem Mandanten und dem Informationsbetroffenen, die seiner vorrangigen Aufgabe als einseitiger Parteivertreter nicht gerecht würde.651 Diese Fragen mögen für die Arzt-Patient-Beziehung, anhand derer viele Literaturstimmen ihre Konzepte entwickeln, ganz anders beurteilt werden: Oft steht der Arzt bei Betreuung des Patienten auch in engem Kontakt zu Dritten, etwa den Familienangehörigen. Entdeckt er nun bei seinem Patien­ ten eine Erbkrankheit, die gleichfalls bei Vater oder Mutter vorliegt, so fällt es ihm leicht, im Hinblick auf eine Offenbarung dieses Umstands an Dritte, zuvor die Erlaubnis der Familienangehörigen des Patienten einzuholen. Überdies geht dem Arztberuf das Element des Streites zweier Parteien ab, das für die Anwaltstätigkeit typisch ist, in dem der Nachteil der einen Seite häufig der Vorteil der anderen ist. Die Rolle des Arztes ist nicht dadurch geprägt, dass er die Interessen seines Patienten nach außen zu vertreten hätte.652 Auf der anderen Seite sind Rechtsanwälte, gerade wenn sie als Verteidiger tätig sind, oft auf die Informationen Dritter angewiesen. Deshalb weisen praktizierende Strafverteidiger darauf hin, dass die Bereitschaft Dritter, sich dem Anwalt (zugunsten dessen Mandanten) zu offenbaren, weitaus geringer wäre, wenn diese Dritten im Strafverfahren nicht mit der Verschwiegenheit des Anwalts über ihre Identität rechnen könnten.653 Ginge es dabei um einen Umstand, der nur der Entbindung des Mandanten bedürfte, um preisgegeben zu werden, werde dem Schutzbedürfnis des Dritten nicht ausreichend Rechnung getragen und er werde schweigen. Dieses Problem spielt ebenso im Problemkreis „Whistleblowing“ eine Rolle.654 Nach hiesiger Auffassung ist die Differenzierung zwischen dem Rechtsratsuchenden und einem sonstigen Dritten, mag er auch nützliche Informationen liefern, offensichtlich: Immerhin hat es der Dritte in der Hand, ob er sich dem Anwalt mitteilen möchte oder nicht. Diese Wahl hat der Rechtsratsuchende nicht, der sich offenbaren muss, um Hilfe zu erhalten. Aus diesen Gründen kann die Entbindungsberechtigung zumindest für das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis nicht allein demjenigen zugewiesen werden, den die fragliche Information betrifft.

651  Kleine-Cosack,

§ 43a Rn. 15, 30; Passarge, BB 2010, 591 (593). NJW 2002, 2835 (2838). 653  So Mörlein, Schutz des Vertrauensverhältnisses, S. 51, 190. 654  Siehe unter 3. Kapitel B. 652  Rüpke,



B. Eigener Entwurf163

bb) Beteiligung am Vertrauensverhältnis Einige Vertreter in der Lehre halten die Beteiligung am Vertrauensverhältnis zur Bestimmung des Entbindungsberechtigten für maßgeblich.655 In diese Richtung weist auch eine Reihe von Entscheidungen der Rechtsprechung, in der die befindenden Gerichte, wenn auch in unterschiedlich starkem Maße, ihre Präferenz dieses Ansatzes erkennen lassen.656 Ihre Vertreter sehen den Anwendungsfall dieser Meinung in der Bestimmung der Entbindungsberechtigung in Fällen, in denen das zivilrechtliche Mandatsverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und einer juristischen Person besteht, für welche die Mitglieder ihrer Organe gegenüber dem Anwalt auftreten. Dieser Anwendungsbereich ist zu eng gewählt. Zwar bildet das Dreipersonenverhältnis unter Beteiligung einer juristischen Person den wichtigsten Problemfall bei der Bestimmung der Entbindungsberechtigung. Allerdings sind noch weitere Dreipersonenkonstellationen denkbar, die ebenfalls einer Lösung bedürfen. Der Entwurf dieser Arbeit soll daher über die Fälle mit Teilnahme juristischer Personen hinausreichen. Weiterhin ist diese Ansicht für ihre starke Betonung eines „personalen Elements“ zu kritisieren. Ausgehend von der Überlegung, dass nur natür­ liche Personen Vertrauen zu bilden, Vertrauen zu schaffen und entgegenzubringen vermögen und sich die Übermittlung von Informationen im Vertrauensverhältnis, das Anvertrauen, stets durch natürliche Personen vollzieht, folgern die Vertreter dieses Ansatzes die Beteiligung jedenfalls der Organmitglieder am Vertrauensverhältnis. Dies wird der Gefährdungslage nicht gerecht, die für die Eröffnung des persönlichen Schutzbereiches des AnwaltMandant-Vertrauensverhältnisses entscheidend ist. Der persönlich Geschützte, der Rechtsratsuchende, muss seine eigene Geheimsphäre öffnen, um Hilfe zu erhalten. Dies kann derart pauschal für die Organmitglieder nicht festgestellt werden. Denn sie öffnen nicht ihre eigene Geheimsphäre und geben dem Anwalt Informationen über sich, sondern geben zunächst und in erster Linie Informationen der juristischen Person preis. Dass Vertrauensverhältnisse auch auf einem Vertrauensgedanken beruhen, soll nicht bestritten werden. Diesen jedoch losgelöst vom konkreten Bedürfnis auf funktionalen Informationsschutz innerhalb der Kommunikationsbeziehung zu betrachten, ist für die Bestimmung des persönlichen Schutzbereiches zu kurz gedacht. 655  Dahs, FS-Kleinknecht, S.  63 (73  f.); Dierlamm, FS-DAV, S. 428 (436  f.); Krause, FS-Dahs, S. 349 (367); Grünwald, Beweisrecht, S. 29. 656  Siehe OLG Celle wistra 1986, 83 (83); OLG Düsseldorf wistra 1993, 120 (120); OLG Koblenz AG 1988, 342 (348); OLG Schleswig NJW 1981, 294 (294); LG Saarbrücken wistra 1995, 239 (239); AG Berlin-Tiergarten wistra 2004, 319 (319).

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

Konsequent fortentwickelt schützte die StPO nach einem solchen Verständnis jedweden Dritten, der aufseiten der juristischen Person, der Mandantin, auftritt und dem Anwalt Vertrauen entgegenbringt. Das schöpft aber die verfassungsrechtliche Basis des Schutzes nicht in ihrer Gänze aus, es wurden weitere wichtige Wertungsgesichtspunkte entwickelt, die berücksichtigt werden müssen. Denn das vertrauliche Gespräch soll geschützt werden, weil im Hinblick auf die Hilfe des Anwalts eine Öffnung der eigenen Geheim- bzw. Privatsphäre des Kommunizierenden nötig ist. Wurde im vorigen Abschnitt ein isolierter Informationsschutz als neben der Sache liegend qualifiziert, gilt das Gleiche für einen zweckungebundenen Kommunikationsschutz für jedermann. Auch in dieser Hinsicht ist eine Bindung an das Ziel der Kommunikation, die Rechtsberatung des Anwalts, erforderlich. Nichts anderes ergibt die Betrachtung zum Rechtsstaatsprinzip. Deshalb wird in dieser Arbeit der Begriff „Vertrauensverhältnis“ gewählt, um diesem Schutzgedanken begrifflich Rechnung zu tragen. Zugleich liegt in dieser Auffassung eine Überbetonung des Kommunikationsaktes. Richtig ist, dass nur natürliche Personen vertrauliche Informa­ tionen intersubjektiv vermitteln können. Juristische Personen können nicht reden. Indes geht es nicht darum, den Boten zu schützen, sondern denjenigen, der sich in einer „do ut des“-Situation in der Weise befindet, dass er sich um des Rechtsrats willen offenbaren muss. Ist dies eine natürliche Person, so muss diese geschützt werden, handelt es sich um eine juristische Person, so diese. Sofern dagegen angeführt wird, das Entstehen von Vertrauensverhältnissen dürfe nicht von inhaltlichen Anforderungen, die an die kommunizierten Informationen gestellt werden, abhängig gemacht werden,657 ist dem zuzustimmen. In der Tat ist es nach den Ausführungen zu den Grundrechten der Beteiligten unerheblich, ob die kommunizierten Informationen strafrechtliche Relevanz besitzen oder aus wessen Rechtssphäre sie stammen. Gleichwohl darf dies nicht so verstanden werden, als ob keine weiteren Anforderungen an den Kontakt von Anwalt und Mandant zu stellen sind. Denn dass aus Grundrechten des Ratsuchenden bestimmte situative Voraussetzungen sowie eine Gefährdungslage abzuleiten sind, wurde bereits gezeigt. Wenigstens erklärungsbedürftig ist diese Auffassung, wenn sie gleichwohl ebenfalls der juristischen Person das Recht zubilligt, gemeinsam mit dem in das Vertrauensverhältnis einbezogenen Organmitglied über die Entbindung des Rechtsanwalts zu bestimmen. Ihre Vertreter stützten dies auf die Vermögensinteressen der juristischen Person, die zumindest „mitberührt“ seien, und darauf, dass es sich immerhin nach wie vor um Geschäftsgeheimnisse 657  Siehe

Dierlamm, FS-DAV, S. 428 (439, 444); Krause, FS-Dahs, S. 349 (369).



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der juristischen Person handele, die mitgeteilt worden seien.658 Dies erscheint inkonsequent, da zuvor betont wurde, inhaltliche Vorgaben seien für die Begründung des Schutzes fehl am Platze. Dann verwundert es aber, dass eben aufgrund solcher inhaltlicher Qualifizierungen der mitgeteilten Sachverhalte für die Schutzwürdigkeit und damit für die Mit-Entbindungsberechtigung der juristischen Person argumentiert wird. Auf der anderen Seite stellt diese Ansicht im Grunde zu Recht die Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant heraus. Dies fügt sich mit den Ergebnissen in Abschnitt A. zusammen, wonach ein Aspekt des sachlichen Schutzbereiches des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses der einer abgeschirmten Kommunikationsbeziehung ist. Denn die Informationen des Rechtsratsuchenden sollen nicht um ihrer selbst willen geschützt werden, sondern im Zusammenhang mit dem kommunikativen Kontakt zum Anwalt, sodass dieser seiner Arbeit nachgehen kann. Daher muss beides zusammenkommen: Kommunikation und der faktische Zwang zur Öffnung der Privat- bzw. Geheimsphäre. cc) Beteiligung am Kommunikationsverhältnis Andere Autoren sehen die Beteiligung am Kommunikationsverhältnis als maßgeblich an. Nach dieser Auffassung ist es unwesentlich, aus wessen Sphäre eine Information stammt, d. h. wer von dieser betroffen ist. Der Mandant verfügt über die alleinige Entbindungsbefugnis über alle Tatsachen, die der Rechtsanwalt durch die Beziehung zu ihm erfahren hat. Hieraus folgt auch die Verfügungsbefugnis des Klienten über sensible Informationen Dritter, die er dem Rechtsanwalt anvertraut hat.659 Umgekehrt ist der Anvertrauende nicht entbindungsbefugt, wenn derjenige, der von den preisgegebenen Informationen betroffen ist, selbst Klient des Rechtsanwalts ist und die diesen betreffenden Umstände im Hinblick auf dessen Klientenstellung anvertraut wurden.660 Diese Auffassung fußt auf der Überlegung, dass § 53 StPO nicht den Interessen des Individuums am Schutz seiner Informationen dient, sondern die unbefangene Kommunikation zwischen Rechtsberater und Klient gewährleisten soll: Der Rechtssuchende soll durch die Inanspruchnahme professioneller Hilfe keinen Nachteil erleiden. Einen solchen Nachteil gerade durch die Inanspruchnahme der anwaltlichen Hilfe erleidet aber nur derjenige, der in seiner Person die Rechtsberatung des Anwalts erhält.661 Dahs, FS-Kleinknecht, S. 63 (75); Krause, FS-Dahs, S. 349 (375). Die Berücksichtigung der Zeugnisverweigerungsrechte, S. 144. 660  Schmitt, Die Berücksichtigung der Zeugnisverweigerungsrechte, S. 144. 661  Schmitt, wistra 1993, 9 (10). 658  Siehe

659  Schmitt,

166

2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

Auch dieser Ansatz überdehnt die Bedeutung des Kommunikationsvorgangs. Das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis erscheint danach als ausschließlich auf den Schutz desjenigen abzielend, der vertrauliche Kommunikation mit dem Anwalt unterhält. Dass dies den verfassungsrechtlichen Ausgangspunkt des Schutzes verfehlt, wurde bereits gezeigt. Denn geschützte Kommunikation soll nicht um ihrer selbst willen und für jedermann, sondern wegen der spezifischen Gefährdungslage gewährleistet werden, in der sich der Rechtsratsuchende befindet. Richtig ist dagegen, dass Kommunikation für die Entstehung eines Vertrauensverhältnisses eine Rolle spielt. Allein der Fokussierung dieses Aspekts kann nicht beigetreten werden. Unterstützung verdient dagegen die Überlegung, dass derjenige, der die Hilfe des Anwalts in Anspruch nimmt, gerade durch die Inanspruchnahme keinen Nachteil erleiden soll. Dieser Gedanke weist auf den Adressaten der Rechtsberatungsleistung des Anwalts und beschreibt zugleich den Umfang des sachlichen Schutzes: So lässt sich sowohl erklären, wer geschützt sein soll, als auch, weshalb ein Zugriff auf den Ratsuchenden nach einigen Vorschriften weiterhin möglich ist. dd) Differenzierung nach Verfahrensstatus Andere Autoren differenzieren nach dem Verfahrensstatus des Anvertrauenden: Hat ein Nichtbeschuldigter dem Rechtsanwalt Informationen über Dritte anvertraut, steht allein demjenigen die Entbindungsberechtigung zu, den die fraglichen Informationen betreffen.662 In dieser Konstellation besteht daher Kongruenz mit der unter aa) vorgestellten Meinung. Hat hingegen der Beschuldigte dem Rechtsanwalt Informationen über Dritte anvertraut, so können sowohl der Beschuldigte als auch der Dritte den Zeugnisverweigerungsberechtigten wirksam von der Schweigepflicht entbinden.663 Begründungen, weshalb ihre Vertreter diese Lösung favorisieren, fehlen fast völlig. Wird darauf verwiesen, dass der Beschuldigte die fraglichen Tatsachen im Strafverfahren auch selbst einführen könnte, eine Entbindung durch den Informationsbetroffenen daher entbehrlich sei, kann dem nicht gefolgt werden. Ein solches Argument gründet auf rein praktischen Erwägungen, entbehrt aber der Anknüpfung an die verfassungsrechtlichen Grundlagen und verfehlt den Sinn und Zweck der das Vertrauensverhältnis schützenden Vorschriften. Gleichwohl hat eine Differenzierung der Entbindungsberechtigung nach dem Verfahrensstatus des Anvertrauenden zumindest so viel für sich, dass hierin 662  KMR / Neubeck, § 53 Rn. 37; LR24 / Dahs, § 53 Rn. 62; Meyer-Goßner, § 53 Rn. 46. 663  KMR / Neubeck, § 53 Rn. 37; LR24 / Dahs, § 53 Rn. 62; Meyer-Goßner, § 53 Rn. 46.



B. Eigener Entwurf167

eine Gewichtung der Interessen zum Ausdruck kommt. Steht eine Verurteilung im Strafverfahren im Raum, steht für den Beschuldigten in der Regel mehr auf dem Spiel als für den Informationsbetroffenen, dessen Sachverhalte im Strafverfahren nach einer Entbindung des Rechtsanwalts bekannt würden. Auf der anderen Seite ist eine solche Abwägung noch zu pauschal, um im Einzelfall gerechte Lösungen zu bringen. Denn auch der Informationsbetroffene kann durch die Offenbarung, etwa seiner Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, Nachteile erleiden, die denen des Beschuldigten in nichts nachstehen. Hierauf wird im eigenen Ansatz zurückzukommen sein. ee) Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter /  Vertrag zugunsten Dritter Liegt ein (echter) Vertrag zugunsten der Organmitglieder vor oder sind diese in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages zwischen der juristischen Person und dem Rechtsanwalt einbezogen, billigen einige Literaturstimmen den Organmitgliedern die Befugnis zu, zumindest gemeinsam mit der juristischen Person über die Freigabe der kommunizierten Informationen zu verfügen.664 Zu kritisieren ist, dass bei den Literaturstimmen, die einen solchen zivilrechtsakzessorischen Ansatz zur Einbeziehung der Organmitglieder befürworten, völlig offen bleibt, weshalb das Zivilrecht überhaupt für die Lösung dieses strafprozessualen Problems herangezogen werden soll. Zwar mag der Problemkreis „Einbeziehung Dritter in das Vertrauensverhältnis“ eine gewisse terminologische Nähe zur zivilrechtlichen Fragestellung der „Einbeziehung Dritter in das Schuldverhältnis“ aufweisen, indes rechtfertigt dies noch keine unbesehene Übernahme zivilrechtlicher Kategorien in das Strafprozessrecht. Eine solche käme nur in Betracht, wenn sich diese zivilrechtlichen Institute hinsichtlich ihrer Teleologie in das System des Strafprozessrechts und insbesondere in die Grundstrukturen des AnwaltMandant-Vertrauensverhältnisses einfügen ließen. Das ist allerdings nicht möglich. Sowohl der (echte) Vertrag zugunsten Dritter als auch der Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter sind Teil der zivilrechtlichen Vertragslehre, der als prägender Faktor die Privatautonomie, der Wille der Beteiligten, zugrunde liegt.665 Anders als im Vertrags664  Bittmann,

wistra 2012, 173 (175). Maßgeblichkeit des privatautonomen Willens ergibt sich für den (echten) Vertrag zugunsten Dritter aus der Auslegungsregel in § 328 Abs. 2 BGB. Für den Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter ist dies streitig. Der Geltungsgrund wird teilweise in einer ergänzenden Vertragsauslegung nach §§ 133, 157 BGB, in richterlicher Rechtsfortbildung aus § 242 BGB oder in Gewohnheitsrecht erkannt. Eine nähere zivilrechtliche Einordnung ist für den Zweck dieser Arbeit nicht erforderlich, als insoweit auf die Privatautonomie als zumindest eine in der zivilrecht­ 665  Die

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

recht ist die Privatautonomie bzw. die Handlungsfreiheit666 keine das Strafprozessrecht dominierende Kategorie. Die StPO löst das Spannungsverhältnis zwischen der Pflicht des Staates zur Gewährleistung einer funktions­ fähigen Strafrechtspflege und dem Interesse des Beschuldigten an der Wahrung seiner verfassungsmäßig verbürgten Rechte nach den Vorstellungen des einfachen Gesetzgebers.667 Sie ist angewandtes Verfassungsrecht668 und begründet wie begrenzt Eingriffsermächtigungen für den Staat. Solche verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich fundierten Eingriffsbegrenzungen bestehen für das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant. Im Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant spielt der Wille des Rechtsratsuchenden aber nur insoweit eine Rolle, als es seine Entscheidung ist, ob und welchen Rechtsanwalt er um Rat in seiner Rechtsangelegenheit fragen will. Weiterhin muss er bestimmen, wie viele Informationen er dem Rechtsberater preisgibt. Dass er sich dem Anwalt überhaupt öffnet, liegt daran, weil er nur so dessen Hilfe erhält. Schutz erhält der Rechtsratsuchende daher, weil er sich für einen Anwalt entscheidet und seine Geheimsphäre öffnen muss. Für die Entstehung einer geschützten Kommunikationsbeziehung zwischen den Beteiligten ist der Wille des Rechtsratsuchenden deshalb nur eine Voraussetzung unter mehreren, aber nicht alleine konstitutiv. Daran ändert es auch nichts, dass der Rechtsratsuchende nachträglich auf den Schutz verzichten kann, indem er durch seine Verfügung die Vertrauensbeziehung zum Rechtsanwalt dem staatlichen Zugriff öffnet. Im Ergebnis lässt sich auf dem Willen des Rechtsratsuchenden kein Konzept zur Erweiterung des personalen Schutzbereiches des Anwalt-MandantVertrauensverhältnisses auf Dritte aufbauen. Darüber hinaus ist in der zivilrechtlichen Literatur nicht unstreitig, ob für die genannten Fälle überhaupt ein Vertrag mit Schutzwirkung oder ein Vertrag zugunsten Dritter in Betracht kommt. Da diese Institute zumindest in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Grundsatz der Relativität der Schuldverhältnisse stehen, sind sie restriktiv zu handhaben.669 Daher ist nur in Ausnahmefällen überhaupt ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten der Organmitglieder anzunehmen. Zudem werden die Gesellschafter der juristischen Person sehr oft erst durch die Tätigkeit des Rechtsanwalts auf ein Fehlverhalten der Organmitglieder aufmerksam.670 Hätten die Organmitglielichen Vertragslehre bestimmende Kategorie verwiesen werden kann. Zum Ganzen vgl. MüKo / Gottwald, § 328 Rn. 4, 165 ff. 666  Zur Terminologie siehe Maunz / Dürig / Di Fabio, Art. 2 Rn. 101. 667  Vgl. KK / StPO / Pfeiffer / Hannich, Einleitung Rn. 23. 668  Vgl. BVerfGE 32, 373 (383). 669  So OLG Schleswig NZG 2012, 307 (308). 670  Passarge, BB 2011, 591 (593).



B. Eigener Entwurf169

der eine Mitsprache bei der Entbindung des Rechtsanwalts von der Schweigepflicht, schlüge man der juristischen Person einen möglichen Entlastungszeugen im Bußgeldverfahren aus der Hand. b) Eigener Entwurf: Beteiligung am Vertrauensverhältnis Die Beteiligung am Vertrauensverhältnis ist maßgeblich für die Entbindungsberechtigung. Damit ist allerdings nur die Kategorie vorgegeben, anhand derer eine Lösung entwickelt werden soll. Entscheidend ist, wie sie mit Inhalt gefüllt wird. Deshalb liegt in dieser Weichenstellung keine Parteinahme für die unter a) bb) als „Beteiligung am Vertrauensverhältnis“ vorgestellte Meinung. Vielmehr soll eine eigenständige Entwicklung erfolgen. Beteiligte des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses sind diejenigen, die in den persönlichen Schutzbereich der Normen einbezogen sind, die das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis schützen. Zum einen ist das der Anwalt. Zum anderen ist das der Mandant, welcher der „Rechtsratsuchende“ genannt wurde, um begrifflich den Anschein einer zivilrechtsakzessorischen Ausrichtung zu vermeiden. Als Kürzel steht der Begriff „Rechtsratsuchender“ für die Voraussetzungen und Eigenschaften, die derjenige aufweisen muss, der in den persönlichen Schutzbereich einbezogen ist. An dem Begriff soll festgehalten, aber die Voraussetzungen der Einbeziehung, der Gewährung persönlichen Schutzes, sollen im Folgenden für Dreipersonenverhältnisse näher untersucht werden. Terminologisch soll dies anhand der Kategorien Hauptträger und Nebenträger des Vertrauensverhältnisses entwickelt werden. Diese Untersuchung muss dem Schutzzweck der das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant schützenden Normen Rechnung tragen. Der Sinn und Zweck des Schutzes liegt darin, demjenigen, der den Rechtsrat des Anwalts benötigt und deshalb zur Öffnung des eigenen Privatbzw. Geheimbereichs im Wege der Kommunikation mit dem Anwalt gezwungen ist, sich daher in einer Art „do ut des“-Situation befindet, zu gewährleisten, dass er (auch noch) im Strafverfahren auf die Verschwiegenheit des Anwalts vertrauen kann. Sachlich-gegenständlich erreichen dies die auf das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis bezugnehmenden Normen durch Schaffung einer abgeschirmten Kommunikationsbeziehung zwischen Rechtsanwalt und Rechtsratsuchendem. Auf den gesetzlichen Schutz verzichten können nur diejenigen, die in den persönlichen Schutzbereich der das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis schützenden Normen einbezogen sind. Ein Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis muss definitionsgemäß mindestens zwei Beteiligte haben. Im Ausgangspunkt sind das der Anwalt und der Rechtsratsuchende. Sie sind die Hauptträger des Vertrauensverhältnisses. Entsprechend der Entstehungsvoraussetzungen des Anwalt-Mandant-Ver-

170

2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

hältnisses unter III. 2. ist Rechtsratsuchender in diesem Sinne derjenige, der die Rechtsberatungsleistung des Anwalts in einer eigenen Rechtsangelegenheit im eigenen Interesse in Anspruch nimmt.671 Ihm steht das Recht zu, die abgeschirmte Kommunikationsbeziehung zum Anwalt für staatliche Zugriffe zu öffnen, indem er diesen von der Schweigepflicht entbindet. Mehrpersonenkonstellationen sind beim Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis unter zwei Gesichtspunkten denkbar. Zum einen kann der Rechtsanwalt zu einem Dritten in ein eigenständiges, vom Mandanten als Hauptträger unabhängiges, Vertrauensverhältnis eintreten. Hinsichtlich der Informationen, die im Rahmen dieses weiteren Vertrauensverhältnisses ausgetauscht werden, bedarf es dann der Entbindung des Anwalts durch den Dritten. Dieser Aspekt soll unter 2. vertieft werden. Zum anderen könnten Dritte in ein bestehendes Vertrauensverhältnis einbezogen sein. Unter welchen Voraussetzungen eine Einbeziehung Dritter in das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis in Betracht kommt, soll im Folgenden unter 3. dargestellt werden. 2. Beteiligungsfragen im Zweipersonenverhältnis Im Zweipersonenverhältnis ist die Frage, zwischen welchen Beteiligten ein Vertrauensverhältnis entsteht, in der Regel leicht zu beantworten. Wenn nur der Rechtsanwalt und der ihn kontaktierende potentielle Mandant kommunizieren, ist es eher der Zeitpunkt der Entstehung, der Schwierigkeiten bereitet.672 Träger des Vertrauensverhältnisses sind daher in diesem „Normalfall“ der Anwalt und derjenige, der dessen Rechtsrat in einer eigenen Rechtssache im eigenen Interesse nachsucht. Daran ändert sich im Grundsatz auch nichts, wenn Dritte ins Spiel kommen. Denn ein Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Drittem entsteht nur, wenn in dessen Person die entwickelten Voraussetzungen erfüllt sind. Ruft etwa der Klägeranwalt den Beklagten an, um Sondierungen für einen Vergleich vorzunehmen, entsteht allein durch diesen kommunikativen Kontakt noch kein Vertrauensverhältnis zwischen den Gesprächspartnern. Dem steht die spezifische Teleologie des Schutzsystems entgegen: Der Ratsuchende muss und darf sich deshalb voll auf die Verschwiegenheit des Rechtsanwalts verlassen, weil er diesem Vertrauliches offenlegen muss, will er Hilfe in seinen Rechtsangelegenheiten erhalten. Diesem „Zwang“ zur Eröffnung vertraulicher Informationen zur Erlangung von Rechtsrat unterliegt der Beklagte im Beispiel gegenüber dem „gegnerischen“ Anwalt nicht. Anders liegt die Sache dann, wenn der Dritte den Anwalt in einer anderen, eigenen Rechtsangelegenheit kontaktiert und er ein eigenes Interesse an der Rechtsberatung 671  Siehe 672  Siehe

unter 2. Kapitel B. III. 2. b). unter 2. Kapitel B. III. 2. b).



B. Eigener Entwurf171

des Anwalts hat. In diesem Fall entsteht ein eigenständiges Vertrauensverhältnis zwischen diesen Beteiligten, das von dem anderen zwischen Anwalt und Mandant unabhängig ist. Inwieweit dies zum Beispiel wegen § 43a Abs. 4 BRAO oder § 356 StGB berufs- oder strafrechtlich bedenklich ist, spielt für die strafprozessrechtliche Ebene keine Rolle. In allen diesen Konstellationen handelt es sich strenggenommen weder um eine Einbeziehung in ein noch um eine Beteiligung Dritter an einem Vertrauensverhältnis, denn es wird ein weiteres Vertrauensverhältnis begründet, welches das zuvor entstandene völlig unberührt lässt. Gleichfalls denkbar ist die Situation, dass ein Dritter gemeinsam mit dem Rechtsratsuchenden die Hilfe des Anwalts in einer gemeinsamen Rechtsangelegenheit in Anspruch nimmt. Im Unterschied zu der Situation, dass ein Rechtsanwalt Vertrauensverhältnisse zu zwei Personen aufbaut, denen (teilweise) unterschiedliche Rechtsangelegenheiten zugrunde liegen und die verschiedene Rechtsberatungsleistungen erfordern, nehmen hier zwei Personen eine Rechtsberatung des Anwalts gemeinsam in Anspruch. Sie sind nicht einzeln, sondern gemeinsam in der Rolle des Rechtsratsuchenden, die sie sich teilen. Deshalb entstehen zwischen dem Rechtsanwalt und seinen beiden Mandanten nicht zwei verschiedene Vertrauensverhältnisse, es ist nur ein Vertrauensverhältnis, in welchem beide Mandanten gemeinsam Hauptträger sind. Diese und weitere Beispiele werden im 3. Kapitel ausführlich behandelt. 3. Beteiligungsfragen im Dreipersonenverhältnis: Die Einbeziehung Dritter Wie im vorigen Abschnitt gezeigt ist es kein Aspekt der Beteiligung Dritter am Vertrauensverhältnis, wenn ein selbstständiges Vertrauensverhältnis zwischen einem Dritten und dem Rechtsanwalt entsteht, wenn dieser den Anwalt in einer anderen, eigenen Rechtsangelegenheit um Rat fragt. Beispielhaft zu denken ist an den Geschäftsführer einer GmbH, der den Rechtsanwalt der GmbH im Anschluss an einen Beratungstermin fragt, ob dieser ihn bei der Scheidung von seiner Frau rechtlich beraten könne. Zentrales Thema dieser Arbeit ist die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Dritte am Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant beteiligt sein können. Sind es im Ausgangspunkt die Hauptträger des Vertrauensverhältnisses, die in den personalen Schutzbereich einbezogen sind, so könnten Dritte, denen ebenfalls eine Verfügungsbefugnis – allein oder zusammen mit dem Mandanten als Hauptträger – zustehen soll, in Weiterentwicklung der Terminologie als Nebenträger des Vertrauensverhältnisses bezeichnet werden. Kern dieses Abschnitts ist daher die Frage, ob und – wenn ja – unter welchen Voraussetzungen der personale Schutzbereich des Anwalt-

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

Mandant-Vertrauensverhältnisses um einen Nebenträger aufseiten des Mandanten, des Rechtsratsuchenden, zu erweitern ist. Da es sich dabei um einen an ein bestehendes Vertrauensverhältnis anknüpfenden Schutz handelt, könnte von einer derivativen Schutzwirkung die Rede sein. Zwischen Rechtsratsuchendem und Anwalt entsteht ein schutzwürdiges Vertrauensverhältnis, weil der Rechtsratsuchende seine Geheim- bzw. Privatsphäre im Wege der Kommunikation mit dem Rechtsanwalt öffnen muss, um effektive professionelle Hilfe zu erhalten. Der Ratsuchende unterliegt dem faktischen Zwang, dem Rechtsanwalt Privates oder Vertrauliches preiszugeben. In dieser Gefährdungslage befindet sich nur er. Andere, die der Mandant einschaltet, um dem Anwalt Informationen zu übermitteln, die dieser zur Mandatsbearbeitung benötigt, müssen weder ihre eigene Geheimsphäre öffnen noch unterliegen sie dem gleichen Zwang wie der Mandant. Zudem haben sie oft kein eigenes Interesse an der Beratungsleistung des Anwalts, benötigen nicht in einer eigenen Rechtsangelegenheit dessen Hilfe. Allein die Übermittlung von Informationen kann nicht zur Begründung eines Vertrauensverhältnisses ausreichen, wie oben gezeigt wurde. Folglich genügt auch nicht die bloße Kommunikation von Informationen aus der Sphäre eines anderen zur Einbeziehung Dritter in den persönlichen Schutzbereich des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses. Vielmehr muss eine Situation gegeben sein, in der sich der Dritte in einer ähnlichen Gefährdungslage befindet wie der Hilfesuchende. Auch er muss sich in einer Si­ tuation befinden, in der er gezwungen ist, im Wege der Kommunikation mit dem Anwalt eigene sensible Informationen offenzulegen. Zusätzlich darf er nicht Hauptträger eines eigenständigen Vertrauensverhältnisses zu dem Anwalt in dieser Rechtsangelegenheit sein, denn dann stellte sich die Einbeziehungsfrage gar nicht. Er muss in einer Weise in der Interessensphäre des Rechtsratsuchenden aktiv sein, d. h. die Interessen des Mandanten wahrnehmen, dass es gerechtfertigt erscheint, ihm allein oder gemeinsam mit dem Mandanten das Recht zuzubilligen, die geschützte Kommunikationsbeziehung zum Rechtsanwalt dem staatlichen Zugriff zu öffnen. Denn der Mandant wird in der Regel kein Interesse daran haben, dass neben ihm (auch) ein anderer über das Zugänglichmachen der im Rahmen der Anwalt-Mandant-Beziehung ausgetauschten Informationen bestimmen kann. Deshalb ist bereits am Ausgangspunkt der Überlegungen ein Spannungsverhältnis mit dem Schutzzweck der auf das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis bezugnehmenden Normen auszumachen: Einerseits ist es das Ziel, zu verhindern, dass dem Mandanten durch die Inanspruchnahme professioneller Hilfe ein Nachteil entsteht. Ein solcher Nachteil kann darin bestehen, dass der Anwalt ohne oder gegen den Willen des Mandanten über das Mitgeteilte aussagen muss. Ein Nachteil wäre es aber ebenso, wenn der Mandant nicht (allein) in der Lage wäre, den Anwalt im Strafverfahren als



B. Eigener Entwurf173

Zeuge zur Aussage zu veranlassen, wenn er dies wünscht. Eine Einbeziehung Dritter darf deshalb im Grundsatz nur mit Zurückhaltung angenommen werden. Auf der anderen Seite darf eine konsequent am Schutzzweck der §§ 53, 97, 160a StPO orientierte Bestimmung der Entbindungsberechtigung die Rechte nicht am Vertrauensverhältnis beteiligter Dritter nicht schlechthin ignorieren, wie bereits in Abschnitt A. VI. 2. ausgeführt wurde.673 Fraglich ist deshalb zweierlei. Zum einen, auf welchem methodischem Weg und unter welchen Voraussetzungen eine Einbeziehung Dritter anzunehmen ist. Zum anderen, welche Rechtsfolgen sich daraus ergeben: Sollen Haupt- und Nebenträger des Vertrauensverhältnisses gemeinsam zur Disposition über den Schutz der Kommunikationsbeziehung befugt sein oder ist jeder einzeln, unabhängig von dem anderen, zur Verfügung befugt? a) Voraussetzungen der Einbeziehung Dritter Bei der Einbeziehung Dritter soll zwischen dem Fall differenziert werden, dass Hauptträger des Vertrauensverhältnisses eine natürliche Person ist und der Konstellation, dass die Einbeziehung der Organe einer juristischen Person in Frage steht. Da juristische Personen nicht selbst handlungsfähig sind, sondern ausschließlich durch natürliche Personen handeln können, ist auf die Schutzbedürftigkeit dieser natürlichen Personen möglicherweise stärker Rücksicht zu nehmen als auf Dritte im Allgemeinen. aa) Eine natürliche Person ist Hauptträger des Vertrauensverhältnisses zum Anwalt Zunächst soll die Einbeziehungsfrage erörtert werden, wenn natürliche Personen Hauptträger des Vertrauensverhältnisses zum Anwalt sind. Sicher müssen vorrangig die Interessen des Rechtsratsuchenden berücksichtigt werden, der im Gegensatz zu sonstigen Dritten den Schutz des AnwaltMandant-Vertrauensverhältnisses persönlich für sich reklamieren darf. (1) E  inbeziehung eines Nebenträgers aufgrund gewillkürter Entscheidung des Hauptträgers? Aus dem Willen des Ratsuchenden folgt ein erster denkbarer methodischer Lösungsweg: Der Mandant des Anwalts ist als Hauptträger des Vertrauensverhältnisses zu dem Rechtsberater allein dazu befugt, die Vertrauensbeziehung zum Anwalt dem staatlichen Zugriff zu öffnen und so die 673  Siehe

unter 2. Kapitel A. VI. 2. a) und 2. Kapitel A. VI. 2. b).

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

ausgetauschten Informationen freizugeben. Der Schutz hängt allein von seinem Willen ab. Ist der Hauptträger des Vertrauensverhältnisses aber in der Lage, das Vertrauensverhältnis nach seinem Willen zu öffnen, ist zu überlegen, ob er die Entbindungsberechtigung nicht teilweise auf einen anderen übertragen darf. Allerdings wurde bereits gezeigt, dass eine vollständige Übertragung des Entbindungsrechts auf einen anderen nicht in Betracht kommt.674 Denn genauso wenig, wie jemand in die positive Seite des Schutzes des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses einrücken kann, wenn er nicht alle Voraussetzungen in seiner Person erfüllt, kann er es hinsichtlich der negativen. Nichts anderes gilt dann für eine teilweise Übertragung des Entbindungsrechts, die, anders als eine vollständige Übertragung, nicht auf einen Personenwechsel im personalen Schutzbereich, sondern auf eine Erweiterung des personalen Schutzbereiches des Anwalt-MandantVertrauensverhältnisses hinausliefe. Ferner können die Beteiligten, anders als im zivilrechtlichen Vertragsrecht, ganz grundsätzlich nicht privatautonom über das Entstehen oder die Übertragung gesetzlichen Schutzes nach der StPO entscheiden.675 Darüber hinaus wurde gezeigt, dass ein Vertrauensverhältnis nicht allein aufgrund des Willens einer Person, in ein Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis zu treten, entsteht, sondern weitere Voraussetzungen hinzukommen müssen.676 Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Rechtsratsuchende nachträglich auf den Schutz verzichten kann, indem er durch seine Verfügung die Vertrauensbeziehung zum Rechtsanwalt dem staatlichen Zugriff öffnet. Er verwirklicht lediglich seine gesetzlich vorgesehene Rechtsstellung in Gestalt eines Verzichts, woraus nichts über eine Zulässigkeit einer Übertragung dieses Rechts abgeleitet werden kann. Im Ergebnis lässt sich auf dem Willen des Rechtsratsuchenden kein Konzept zur Erweiterung des personalen Schutzbereiches des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses auf Dritte aufbauen. (2) E  inbeziehung eines Nebenträgers aufgrund des Bestehens eines vertrauensverhältnisähnlichen Verhältnisses? Ein weiterer methodischer Lösungsweg folgt möglicherweise aus der Qualität des staatlichen Handelns als Eingriffsakt, dessen Rechtmäßigkeit von einer Entbindung des Anwalts von der Schweigepflicht abhängt. Sei es die prozessuale Aussagepflicht, der der Rechtsanwalt aufgrund der Entbindung nach § 53 Abs. 2 S. 1 StPO unterliegt, die Beschlagnahme von Gegen674  Siehe

unter 2. Kapitel B. IV. 1. unter 2. Kapitel B. IV. 1. a) ee). 676  Siehe unter 2. Kapitel B. III. 2. b). 675  Siehe



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ständen oder der Zugriff auf Telefongespräche: Ist neben den Rechten des Mandanten auch ein Dritter durch den staatlichen Informationszugriff in seinen Geheimnisinteressen tangiert, liegt ein Eingriff etwa in dessen Allgemeines Persönlichkeitsrecht vor. Dies spricht dafür, über eine verfassungsorientierte Auslegung der auf das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis bezugnehmenden Vorschriften, §§ 53, 97, 160a StPO, präziser, deren personalen Schutzbereiche, nachzudenken.677 Denn der staatliche Zugriff auf die Informationen des Dritten stellt sich grundrechtsdogmatisch als ein rechtfertigungsbedürftiger Eingriff in die Grundrechte des Informationsbetroffenen dar. Grundrechtsübergreifende Schranken-Schranke ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, sodass eine Abwägung zwischen den involvierten grundrechtlichen Positionen des Geheimnisbetroffenen auf der einen und dem Strafverfolgungsinteresse, das Interesse an einer möglichst umfassenden Wahrheitsermittlung im Strafverfahren, auf der anderen Seite vorzunehmen ist. Aufseiten des Informationsbetroffenen könnte berücksichtigt werden, inwieweit er selbst in eine vertrauensverhältnisähnliche Beziehung zum Anwalt getreten ist, sodass auch er Anspruch auf Schutz hat. Einer solchen verfassungsrechtlich veranlassten Schutzwürdigkeit könnte dadurch Rechnung getragen werden, dass der Dritte nun ebenfalls in den personalen Schutzbereich einbezogen ist, obwohl er nicht in ein eigenständiges Vertrauensverhältnis zum Anwalt getreten ist. Soll die Einbeziehung eines Dritten in das Vertrauensverhältnis von dessen Eintritt in ein schutzbedürftiges, vertrauensverhältnisähnliches Verhältnis zum Anwalt abhängig gemacht werden, stellt sich die Frage, an welchen Kriterien das gemessen werden könnte. Der Dritte ist umso schutzwürdiger, je mehr seine Situation der des Rechtsratsuchenden gleicht. Der Rechtsratsuchende hat einen Anspruch auf Schutz, denn die Inanspruchnahme professioneller Hilfe zwingt ihn dazu, seine Geheim- bzw. Privatsphäre im Wege der Kommunikation dem Rechtsanwalt zu öffnen, weil er dessen Rechtsrat in einer eigenen Rechtsangelegenheit im eigenen Interesse benötigt. Das bedeutet, je mehr der Dritte ein ähnlich starkes eigenes Interesse am Erhalt der Rechtsberatungsleistung des Anwalts hat, je stärker bzw. enger seine Verbindung zur Rechtsangelegenheit des Rechtsratsuchenden ist, für die dieser Hilfe braucht, und je mehr auch er seinen Geheimbereich dem Anwalt öffnen muss, desto schwerer wiegt das Gewicht seiner Interessen. Dagegen kann die bloße „Betroffenheit“ vom Vertrauensverhältnis, wie zum Teil formuliert wird, nicht genügen, um eine Beteiligung zu begründen. Denn es geht nicht allein darum, die Informationen zu schützen, die der Dritte kommuniziert oder die der Rechtsratsuchende über den Dritten an den Anwalt weitergibt. Es kann daher nicht ausreichen, dass der Dritte 677  Hierzu

Kuhlen, Die verfassungskonforme Auslegung von Strafgesetzen, S. 2 f.

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

e­ inen Nachteil daraus erlitte, wenn seine eigenen Informationen weitergegeben würden. Konkret wäre eine solche dem Rechtsratsuchenden vergleichbare Stellung möglicherweise anzunehmen, wenn der Rechtsratsuchende um eine persönliche Beratung auch des Dritten bittet. Hierdurch würde klar, dass nunmehr der Dritte ebenfalls den Rechtsrat des Anwalts erhalten, mithin seine Rechtsangelegenheiten Beachtung finden sollen. Der Dritte geriete dann ebenfalls in die Lage jenes faktischen Zwanges, um des Rechtsrats des Anwalts willen persönliche Informationen geben zu müssen. Allerdings ist zu überlegen, ob in dieser Situation nicht von vornherein ein eigenständiges Vertrauensverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Dritten entstünde, in dem der Dritte Haupt- und nicht bloßer Nebenträger des Vertrauensverhältnisses wäre. Immerhin besteht prima facie eine gewisse Vergleichbarkeit zu der Konstellation, dass der Dritte mit einem eigenen Anliegen an den Rechtsberater herantritt. Zudem stellt sich die Frage, ob allein der Wunsch des Rechtsratsuchenden nach Beratung des Dritten eine Einbeziehung begründen kann. Denn dass der Wille des Rechtsratsuchenden in dieser Hinsicht keine dogmatisch entwicklungsfähige Kategorie darstellt, wurde bereits gezeigt. Ein näherer Blick auf die Entstehungsvoraussetzungen bestätigt das Vorliegen eines eigenständigen Vertrauensverhältnisses: Unter III. 2. b) wurde gezeigt, dass ein Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses entsteht, wenn ein Rechtsratsuchender einen kommunikativen Kontakt zu einem Rechtsanwalt mit Bezug auf dessen berufstypische Leistungen aufnimmt, um im eigenen Interesse in einer eigenen Rechtsangelegenheit die Hilfe des Anwalts zu erhalten.678 Sind diese Voraussetzungen erfüllt, befindet sich der Hilfesuchende in der Situation jenes faktischen Zwanges, seine eigene Geheimsphäre öffnen zu müssen, um den Anwalt in die Lage zu versetzen, ihm zu helfen. Der Rechtsratsuchende befindet sich in einer „do ut des“-Beziehung zum Anwalt. Soll sich der Anwalt nun ebenfalls um die Rechtsangelegenheiten des Dritten kümmern, muss er dem Rechtsberater vertrauliche Informationen kommunizieren, um dessen Rat zu erhalten. Er ist nicht mehr lediglich faktisch Betroffener eines Dritt-Vertrauensverhältnisses, sondern als materieller Adressat der Beratungstätigkeit des Anwalts selbst in der spezifischen Gefährdungslage eines Hilfesuchenden, die die StPO mit Schutz beantwortet. In dieser Konstellation kann daher von einer Einbeziehung in ein bestehendes Vertrauensverhältnis im Sinne eines derivativen Schutzes keine Rede sein, vielmehr befindet sich der Dritte selbst im originären Anwendungsbereich der §§ 53, 97, 160a StPO.679 Dagegen kann nicht vorge678  Siehe

679  Diese

unter 2. Kapitel B. III. 2. b). Schlussfolgerung zieht auch Priebe, ZIP 2011, 312 (316).



B. Eigener Entwurf177

bracht werden, dass der Anwalt durch Begründung eines Doppelmandates gegebenenfalls gegen seine vertraglichen Pflichten verstößt, nach § 43a Abs. 4 BRAO standeswidrig handelt oder sich nach § 356 StGB strafbar macht. Die StPO soll allein auf die Schutzbedürftigkeit des Rechtsratsuchenden reagieren, die im genannten Beispiel gegeben ist. Eine weitergehende Berücksichtigung zivil-, straf- oder berufsrechtlicher Regelungen machten umfangreiche zusätzliche Beweiserhebungen erforderlich und würden ein strafprozessuales Konzept überfordern. (3) K  ritik: Vertrauensverhältnisähnliches Verhältnis keine tragfähige Kategorie Von der Suche nach Beispielen, in denen ein solches vertrauensverhältnis­ ähnliches Verhältnis gegeben ist, einmal abgesehen spricht jedoch bereits Grundsätzliches gegen die Vornahme einer solchen verfassungsorientierten Auslegung sowie gegen die zu deren Kanalisierung der Abwägung vorgestellten Kriterien. Denn selbst wenn dies vor dem Hintergrund der Verfassung, insbesondere Art. 2 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG, methodisch möglich ist, widerspricht es dem Gedanken dogmatischer Klarheit, jede strafprozessuale Frage mittels einer Abwägung der widerstreitenden Posi­ tionen zu lösen bzw. als eine solche darzustellen. Es kommen bei der Bewertung des Gewichtes der gegenüberstehenden Interessen eine Vielzahl wertungsabhängiger Kriterien ins Spiel, die nicht notwendig sachgemäß und einer vorhersehbaren Rechtsanwendung eher abträglich sind. Denn es mangelt den zur Bestimmung der „Schutzbedürftigkeit“ des Dritten eingeführten Kriterien an Kontur: Wann der Dritte ein ähnlich starkes, eigenes Interesse am Erhalt der Rechtsberatungsleistung des Anwalts hat, wann eine hinreichend starke bzw. enge Verbindung zur Rechtsangelegenheit des Hauptträgers des Vertrauensverhältnisses gegeben ist, weist auf Wertungsfragen hin, die zu einer rein rhetorischen Bearbeitung verführen. Wurde das Entstehen eines vertrauensverhältnisähnlichen Verhältnisses ferner davon abhängig gemacht, je mehr auch der Dritte seinen Geheimbereich dem Anwalt öffnen muss, handelt es sich an sich gar nicht um ein graduell erfüllbares, sondern um ein „binäres“ Kriterium: Entweder der Dritte muss seine Privat- bzw. Geheimsphäre öffnen, d. h. dem Anwalt Persönliches mitteilen oder er muss es nicht. Entweder er gibt Einblicke in einen vertraulichen Bereich oder er gibt sie nicht. Ein mehr oder weniger ist hinsichtlich des Öffnens, des Kommunizierens von Informationen, nicht denkbar. Anders verhält es sich hinsichtlich der durch das Öffnen offenbarten Informationen: Diese können sensiblerer oder weniger sensibler Natur sein, näher oder weiter entfernt vom Kernbereich etwa des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts liegen. Da aber bereits das Entstehen eines Vertrauens-

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

verhältnisses nicht vom Maß der Sensibilität der kommunizierten Informationen abhängt, erscheint es unstimmig, dies nunmehr für ein vertrauensverhältnisähnliches Verhältnis zu verlangen. Überdies dürfen auch bei einer verfassungsorientierten Auslegung der §§ 53, 97, 160a StPO die Rechte des Rechtsratsuchenden, des Hauptträgers des Vertrauensverhältnisses, nicht unberücksichtigt bleiben. Denn stellte man den Grundrechten des Dritten das Strafverfolgungsinteresse gegenüber, um zu ermitteln, ob eine hinreichende Schutzbedürftigkeit des Dritten eine Einbeziehung in das Vertrauensverhältnis eines anderen mit einem Rechtsanwalt rechtfertigt, nähme dies keine Rücksicht auf die Position des Rechtsratsuchenden. Unabhängig davon, wie sich die Einbeziehung des Dritten in der Rechtsfolge auswirkte, müsste ihm zumindest ein Teil der Verfügungsbefugnis über die im Rahmen der Vertrauensbeziehung kommunizierten Informa­ tionen zustehen, wenn die Einbeziehung einen Sinn haben soll. Dies bedeutete aber zwangsläufig eine Abwertung der Rechtsposition des Hauptträgers des Vertrauensverhältnisses, allein über die Informationsfreigabe entscheiden zu können. Noch drastischer stellte sich dies dar, wenn man dem Hauptträger des Vertrauensverhältnisses und dem als Nebenträger einbezogenen Dritten jeweils eine Einzelverfügungsbefugnis zuwiese, sodass jeder vom anderen unabhängig über die im Rahmen des Vertrauensverhältnisses kommunizierten Informationen bestimmen könnte. Dies hätte zur Konsequenz, dass dem Hauptträger des Vertrauensverhältnisses noch nicht einmal ein Veto gegen die Entscheidung des Dritten zustünde, als der Dritte nur gemeinsam mit ihm verfügen dürfte. In letzterem Fall wäre der Schutz der Anwalt-Mandant-Vertrauensbeziehung weitgehend aufgehoben, da nun Informationen gegen den Willen des Hauptträgers dem staatlichen Zugriff unterlägen. Deshalb kann eine Beschneidung seiner Rechte nur gerechtfertigt sein, wenn zuvor seine Interessen denen des Dritten gegenübergestellt werden. Allerdings ist nicht ersichtlich, weshalb den Interessen des Dritten im Vergleich zu denen des Hauptträgers des Vertrauensverhältnisses der Vorzug gegeben werden sollte. Denn hinsichtlich der Öffnung seiner Geheim- bzw. Privatsphäre ist der Dritte typischerweise nie so gefährdet wie der Rechtsratsuchende selbst. Für seine Beratung benötigt der Anwalt im Normalfall lediglich Informationen über den Rechtsratsuchenden, der seine Hilfe in Anspruch nimmt, nicht aber über den Dritten. Es mag Ausnahmesituationen geben, in denen der Dritte einem ebenso starken oder ähnlich intensiven Zwang unterliegt, Informationen über sich preiszugeben wie der Rechtsratsuchende selbst, etwa weil die Rechtsangelegenheiten des Rechtsratsuchenden und des Dritten untrennbar verwoben sind und der Dritte ebenfalls ein eigenes Interesse am Rechtsrat des Anwalts hat. Das kann der Fall sein, wenn sich der Rechtsratsuchende Dritter bedient, um die Hilfe des Anwalts in Anspruch zu nehmen und den Rechtsberater bittet, auch die Belange des



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Dritten zu beachten.680 Je nachdem, um welche Rechtsangelegenheit es sich handelt, mag der Rechtsanwalt dann ebenso – von dem Dritten beabsichtigt oder unbeabsichtigt – Einblicke in dessen Geheimsphäre erhalten, die diesem im Falle eines gegen ihn gerichteten Strafverfahrens Nachteile einbrächten, wenn sie zur Kenntnis der Strafverfolgungsbehörden gelangen. Doch resultiert dieser Zwang zur Offenbarung seitens des Dritten nicht daraus, dass der Dritte den Rechtsrat selbst benötigt, sondern, aus zivilrechtlichen Bindungen gegenüber dem Rechtratsuchenden, in die sich der Dritte begeben hat. Zu denken ist an Angestellte, die im Auftrag ihres Arbeitgebers, des Rechtratsuchenden, die Korrespondenz mit dem Anwalt führen. Im Übrigen bleibt fraglich, ob dem Rechtsanwalt die Informationen über den Dritten nicht auch bekannt geworden wären, wenn der Rechtratsuchende keine Beachtung dessen Angelegenheiten gefordert hätte. Doch selbst in diesem Beispielsfall ist nicht ersichtlich, warum der Rechtsratsuchende hinsichtlich des Schutzes der – sei es durch ihn selbst oder durch einen mit seinem Willen handelnden Dritten – in das Vertrauensverhältnis eingebrachten Informationen schlechter gestellt werden soll, nur weil er sich eines Dritten zur Inanspruchnahme des Anwalts bedient hat. Zwar mag man in Ausnahmefällen über die Schutzbedürftigkeit des Dritten streiten, doch wäre es ein Missverständnis, für die Abwägung zwischen den Interessen des Hauptträgers des Vertrauensverhältnisses und des Dritten im Grundsatz stets ein Gleichgewicht anzunehmen oder die Interessen des Dritten sonst zu privilegieren: Der Gesetzgeber hat mit § 53 StPO eine Privilegierung der Interessen von Rechtsratsuchenden in bestimmten institutionell geprägten Beziehungen geschaffen, um des Allgemeinen Persönlichkeitsrechts derjenigen willen, die sich einer professionellen Geheimnisperson öffnen müssen, um effektive Hilfe zu erhalten. Diese Interessen stehen im Zentrum der Abwägung, um sie geht es im Kern. Verfehlt wäre es, vermittels der Frage der Entbindungsberechtigung, in der Strafprozessordnung ein „allgemeines Informations- und Datenschutzrecht“ zu jedermanns Schutze zu installieren.681 Durch eine solche Abwägung geriete der dem gesetzgeberischen Willen entsprechende Normalfall nur allzu leicht aus dem Blick und die Ausnahme drohte zur Regel zu werden. Ferner kann die Einbeziehung eines Dritten aufgrund seiner „Schutzbedürftigkeit“ auch nicht angenommen werden, wenn der Dritte selbst unmittelbar von einem Strafverfahren bedroht oder Beschuldigter eines solchen ist. Zwar handelt es sich dabei anders als bei den zuvor diskutierten Begrif680  Ohne jedoch eine persönliche Beratung auch des Dritten zu vereinbaren, wie dies im zuvor genannten Beispiel der Fall war. 681  Dieser Gedanke von Rüpke, NJW 2002, 2835 (2835 f.). Hierzu bereits unter 2. Kapitel A. III. 1. a) ff) (3).

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

fen um hinreichend bestimmte Merkmale. Nichtsdestotrotz bleibt unklar, weshalb als Kehrseite die Rechtsposition des Hauptträgers des Vertrauensverhältnisses geschwächt werden soll, nur weil einem Dritten Nachteile für dessen Strafverfahren drohen, ohne dass dessen Beziehung zum Anwalt näher eingeordnet würde. (4) Ergebnis Diese Überlegungen sprechen dafür, von einer Einbeziehung Dritter als Form des derivativen Schutzes Dritter durch das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant bzw. der auf das Vertrauensverhältnis bezugnehmenden Vorschriften ganz abzusehen. Eine Lösung muss auf anderem methodischen Wege als mittels einer Abwägung, nämlich unter Heranziehung der unter III. 2. b) gefundenen Merkmale gesucht werden.682 Dies kann ein Mehr an dogmatischer Stringenz für sich beanspruchen als die Arbeit mit dem schwer zu konkretisierenden „vertrauensverhältnisähnlichen Verhältnis“. Ist der Dritte deshalb selbst in ein Vertrauensverhältnis zu dem Anwalt getreten, so hat auch er einen Anspruch auf Schutz. Nur in diesem Fall muss die Frage nach einem Ausgleich seiner Interessen und denen des Rechtsratsuchenden hinsichtlich der Abgrenzung der ihnen aufgrund ihrer jeweiligen eigenständigen Vertrauensverhältnisse zustehenden Entbindungsrechte gestellt werden.683 bb) Eine juristische Person ist Hauptträger des Vertrauensverhältnisses zum Anwalt Gleichwohl ist damit noch nicht gesagt, ob nicht die faktischen und rechtlichen Besonderheiten zwischen juristischen Personen und ihren Organmitgliedern eine andere Beurteilung der Rechtslage und gegebenenfalls eine Einbeziehung der Organmitglieder als Dritte rechtfertigen. Wie unter III. 2. c) gezeigt wurde, entsteht das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Rechtsanwalt, dessen Hilfe sie in Anspruch nimmt.684 Dies gründet sich zum einen darauf, dass die Informationsfreigabe auch für juristische Personen, die nicht selbst Beschuldigte eines Strafverfahrens sein können, einen Nachteil zu bedeuten vermag. Denn juristischen Personen drohen Konsequenzen nach §§ 73 ff. StGB sowie §§ 9, 29a, 30, 130 OWiG, wenn ein strafbares oder ordnungswidriges Verhalten ihrer Organe oder Angestellten festgestellt wird. Zum anderen können sich auch juristische 682  Siehe

unter 2. Kapitel B. III. 2. b). hierzu unter 2. Kapitel B. IV. 4. 684  Siehe unter 2. Kapitel B. III. 2. c). 683  Siehe



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Personen als Rechtratsuchende in einer „do ut des“-Situation zum Anwalt und damit in der Lage jenes faktischen Zwanges zur Offenlegung von Interna befinden, wie dies für natürliche Personen der Fall ist. (1) E  inbeziehung der Organmitglieder aufgrund enger faktischer Verbindung zur juristischen Person? Im Unterschied zu natürlichen Personen können juristische Personen nur durch die natürlichen Personen handeln, die ihre Organe bilden. Es ließe sich argumentiere, dies bedinge bereits im Regelfall eine engere Verbindung zwischen juristischen Personen und ihren Organen als dies zwischen natürlichen Personen und Dritten der Fall ist. Gleichwohl folgt hieraus noch keine pauschale Einbeziehung der Organmitglieder in das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Rechtsratsuchendem. Im Grundsatz differenziert auch die StPO zwischen natürlichen und juristischen Personen, da nur erstere Beschuldigte eines Strafverfahrens sein können. Keinen Unterschied macht sie aber insoweit, als sie auch juristische Personen nach § 434 StPO als Einziehungs- oder Verfallsbeteiligte eines Strafverfahrens zur Vertretung durch einen eigenen „Verteidiger“ berechtigt. Zu diesem tritt die juristische Person in ein eigenständiges Vertrauensverhältnis, wie bereits gezeigt wurde. Allerdings folgt aus dem Verweis des § 434 Abs. 1 S. 2 StPO auf § 146 StPO, dass dieser Rechtsanwalt nicht zugleich den Angeklagten verteidigen darf.685 Das Verbot der Mehrfachverteidigung soll Interessenkonflikten vorbeugen.686 Dies erzwingt getrennte Verteidigungsverhältnisse und zieht ebenso eine Trennung der bestehenden Vertrauensverhältnisse zwischen den Verteidigern und ihren Mandanten nach sich. Diese Wertung muss im Grundsatz auch für das aufgrund eines einfachen Anwaltsmandats bestehende Vertrauensverhältnis berücksichtigt werden. Daher ist bei Vertrauensverhältnissen zwischen einer juristischen Person und einem Anwalt zumindest nicht von vornherein stets eine Beteiligung ihrer Organmitglieder am Vertrauensverhältnis anzunehmen. Zu diesem Argument ist anzumerken, dass die herrschende Meinung die gemeinschaftliche Verteidigung eines persönlich Betroffenen und einer dazugehörigen nebenbetroffenen juristischen Person im ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfahren für zulässig hält.687 Dabei reichen die AusführunDüsseldorf NStZ 1988, 289 (290); KK / StPO / Schmidt, § 434 Rn. 3. § 146 Rn. 1. 687  BVerfGE 45, 272 (288); Beck / OK / StPO / Inhofer, §  444 Rn.  3; HK / StPO / Kurth /  Pollähne, §  444  Rn.  10; KK / StPO / Schmidt, § 444 Rn. 8; LR / Gössel, § 444 Rn. 32; Meyer-Goßner, § 444 Rn. 12. Dieser Auffassung neigt BGH NJW 1977, 156 (156) ausdrücklich zu. 685  OLG

686  KK / StPO / Laufhütte,

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

gen der Literaturstimmen über den bloßen Verweis auf die Begründung des BVerfG allerdings nicht hinaus. Das Verfassungsgericht argumentiert, diese Auslegung entspreche dem Willen des Gesetzgebers, der in § 46 Abs. 1 OWiG die StPO für „sinngemäß“ anwendbar erklärt. Da vom Ausnahmefall des § 30 Abs. 4 OWiG abgesehen die Verurteilung einer juristischen Person von der Verurteilung eines persönlich Betroffenen abhänge, werde allein diese Auslegung der Besonderheit des Bußgeldverfahrens gerecht.688 Dem ist zu widersprechen. Zum einen müsste Entsprechendes im Strafverfahren für eine gemeinschaftliche Verteidigung des Beschuldigten und des Einziehungs- oder Verfallsbeteiligten gelten. Hierfür ist jedoch anerkannt, dass ein Verteidiger nicht zugleich den Beschuldigten und den Nebenbeteiligten vertreten kann.689 Eine Unterscheidung zwischen verschiedenen Nebenbeteiligten ist aber nicht gerechtfertigt.690 Zum anderen hat das BVerfG zu der Frage, ob es von Verfassungs wegen zu beanstanden sei, dass § 97 Abs. 1 StPO nicht die Beziehung zwischen einem Anwalt und einem Nichtbeschuldigten schütze, die Nichteinbeziehung der Organe in das geschützte Vertrauensverhältnis zwischen dem Anwalt und der juristischen Person ausdrücklich damit begründet, dass die rechtliche Eigenständigkeit der juristischen Person nicht außer Acht gelassen werden dürfe.691 Denn das Interesse der Vertreter von juristischen Personen und das Interesse der vertretenen juristischen Person könnten sich einerseits entsprechen, andererseits aber auch diametral entgegenstehen, insbesondere bei Straftaten zu Lasten der Gesellschaft. Daraus folgt für das Strafverfahren, dass die Interessen der juristischen Person gegenüber denen ihrer Organmitglieder eigenständige Bedeutung zukommt und sie gegenüber diesen abgesichert werden müssen. Nichts anderes gilt im Bußgeldverfahren. Ist ein – zumindest abstrakter –692 Interessengegensatz denkbar, muss § 146 StPO zum Schutz der Interessen der juristischen Person zur Anwendung kommen. Dagegen kann nicht angeführt werden, dass etwa § 14 StGB und § 9 OWiG die zivilrechtliche Trennung zwischen juristischer Person und deren Organen für das materielle Strafrecht sowie für das Ordnungswidrigkeitsrecht nicht nachvollziehen.693 Denn zum einen bleibt damit offen, weshalb dies für das Strafprozessrecht relevant sein soll. Zum anderen wurde bereits 688  BVerfGE

45, 272 (288). Düsseldorf NStZ 1988, 289 (290); KK / StPO / Schmidt, § 434 Rn. 3. 690  Göhler / Gürtler, § 88 Rn. 14. 691  BVerfG NStZ-RR 2004, 83 (83). 692  Beck / OK / StPO / Wessing, § 146 Rn. 1. 693  In diese Richtung argumentiert Dahs, FS-Kleinknecht, S. 63 (74). 689  OLG



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gezeigt, dass juristischen Personen aufgrund der Sanktionen, die ihnen durch Strafverfahren gegen ihre Organe oder Angestellten drohen, des eigenen, nicht von einer natürlichen Person abhängigen Schutzes der §§ 53, 97, 160a StPO bedürfen. Besonders deutlich ist dies, falls die Organmitglieder Straftaten zum Nachteil der juristischen Person begangen haben.694 Jedoch nicht nur in diesem Fall, sondern im Allgemeinen wäre es unrichtig, stets eine Kongruenz der Interessen der juristischen Person und ihren Organen anzunehmen, sodass eine pauschale Einbeziehung der Organmitglieder zumindest ein interessengerechtes Ergebnis wäre. Zwar kann dies der Fall sein, jedoch zeigen die in den Wirtschaftswissenschaften entwickelte Prinzipal-Agent-Theorie und Vorschriften wie § 112 AktG und § 181 BGB, dass eine differenzierte Betrachtung angezeigt ist.695 (2) E  inbeziehung der Organmitglieder aufgrund eines vertrauensverhältnisähnlichen Verhältnisses? Wurde als maßgeblicher Grund für die Entstehung von Vertrauensverhältnissen die Situation faktischen Zwanges gesehen, in der sich der Rechtsratsuchende gegenüber dem Anwalt befindet, so könnte dieser zu einem gewissen Grade stets auch für die Mitglieder der Organe bestehen, wenn die juristische Person die Hilfe des Anwalts in Anspruch nimmt. Anders als in dem Fall, dass ein Einzelkaufmann als natürliche Person Mandant ist und er beispielsweise seinen Sekretär oder seinen Büroleiter um die Abwicklung der Geschäfte mit dem Rechtsanwalt bittet, besteht für juristische Personen noch nicht einmal die theoretische Chance, selbst in kommunikativen Kontakt zu dem Anwalt zu treten. Die gesamte Kommunikation muss über ihre Organe abgewickelt werden. Greift man erneut auf die zuvor angedachten, aber verworfenen Kriterien für das Entstehen eines vertrauensverhältnisähnlichen Verhältnisses zurück, wonach unter anderem maßgeblich wäre, inwieweit auch der Dritte seine eigene Privat- bzw. Geheimsphäre öffnen muss, stellt sich dies für Mitglieder juristischer Personen deshalb vielleicht anders als für sonstige Dritte dar. Weil sie den kommunikativen Verkehr mit dem Anwalt abwickeln, geraten sie möglicherweise öfter und leichter selbst in den Zwang, dem Anwalt Informationen preiszugeben, die sie potentiell selbst belasten, als dies bei einem beliebigen Dritten der Fall ist, der in einer Beziehung zum Rechtsratsuchenden steht. Zu betonen ist allerdings, dass es auch für das Entstehen eines angedachten vertrauensverhältnisähnlichen Verhältnisses zwischen den Organmitglie694  In

diesem Sinne BVerfG NStZ-RR 2004, 83 (83); Stypmann, wistra 1982, 11

695  Zu

Interessengegensätzen im Strafverfahren Taschke, FS-Volk, S. 801 (807).

(14).

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

dern und dem Anwalt nicht genügt, dass die Organmitglieder – gewollt oder ungewollt – vertrauliche Informationen über sich selbst kommunizieren. Hinzukommen muss eine faktische Zwangslage, dies um des Rechtsrats willen tun zu müssen. Gegen die Annahme einer solchen spricht allerdings, dass es nicht vorrangig die Organmitglieder sind, die ihre Privat- bzw. Geheimsphäre dem Anwalt öffnen müssen, da es nicht ihre Rechtsangelegenheiten sind, die der Anwalt zu bearbeiten hat. Adressat der Rechtsberatung ist die juristische Person. Dass es in tatsächlicher Hinsicht die Organmitglieder sind, die den Rechtsrat des Anwalts benötigen und umsetzen müssen, weil sie in der Pflicht stehen, die Geschicke der juristischen Person zu lenken, kann daran nichts ändern. Sie treten lediglich als Mittler, als Boten der juristischen Person auf, wenn sie dem Rechtsanwalt zur Bearbeitung des Mandates deren Interna übermitteln. Etwas anderes ergibt sich im Grundsatz auch nicht daraus, dass der Anwalt zur ordentlichen zivilrechtlichen Erfüllung seines Mandatsauftrages möglicherweise ebenfalls eine persönliche Haftung der Organmitglieder im Blick haben und diesen Hinweise geben muss. Zur Illustration kann an eine steuerrechtliche Beratung einer juristischen Person gedacht werden. Hier müsste der Anwalt die Organmitglieder gegebenenfalls darauf hinweisen, dass sie einer potentiellen Haftung nach §§ 34 Abs. 1, 69 AO für die Steuerschulden der juristischen Person unterliegen. Sicher kommen damit nun Rechtsangelegenheiten der Organmitglieder selbst zur Sprache, aber Adressatin der Rechtsberatung ist nach wie vor die juristische Person. Die Inanspruchnahme des Anwalts geschieht in deren Interesse, die persönlichen Belange der Organmitglieder sollen allenfalls mittelbar berücksichtigt werden, um Nachteile für die juristische Person – zum Beispiel ein Bußgeld nach §§ 9, 30, 130 OWiG – zu vermeiden. Es ist daher bedeutsam, wer den Anwalt in Anspruch nimmt, wer Adressat der Anwaltsberatung ist. Denn sieht man den Schutz der Anwalt-Mandant-Beziehung als Reaktion auf eine „do ut des“-Situation, in der sich der Rechtsratsuchende befindet, ist entscheidend, wer es ist, der gibt, damit ihm gegeben wird. Die Beantwortung dieser Frage ist allerdings ohne eine Betrachtung der Vereinbarung zwischen Anwalt und Rechtsratsuchendem nicht möglich. Soll der Rechtsanwalt die Organmitglieder auch persönlich beraten, muss geprüft werden, ob ein eigenständiges Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Drittem entsteht. Überlegenswert ist jedoch, ob bestimmte gesellschaftsrechtliche Konstellationen nicht eine andere Beurteilung erzwingen. Immerhin wäre der Geschäftsführergesellschafter einer GmbH, der alleiniger Gesellschafter der juristischen Person ist, selbst Hauptträger eines Vertrauensverhältnisses zu dem Anwalt, wenn er als Einzelkaufmann den Rechtsberater mandatiert hätte. Hat er nun sein Handelsgeschäft auf eine juristische Person übertra-



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gen und benötigt diese anwaltlichen Rat, kommt das Vertrauensverhältnis mit der juristischen Person, nicht aber mit dem Geschäftsführer zustande. In dieser Situation ist fraglich, weshalb die zivilrechtliche Trennung zwischen den Rechtssubjekten einen Unterschied für das Entstehen eines strafprozessrechtlichen Vertrauensverhältnisses bedeuten soll. Gleichwohl wäre es auch in dieser Konstellation unrichtig, von den erarbeiteten Grundsätzen abzuweichen. Maßgeblich für die Beteiligung an einem Vertrauensverhältnis im Sinne der StPO ist nicht die zivilrechtliche Haftungsstruktur, sondern das Vorliegen eines Rechtssubjektes, das aufgrund seiner Grundrechte ein rechtlich beachtliches Interesse am Schutz seiner Informationen hat, insbesondere im Straf- und Bußgeldverfahren aufgrund der vielfältigen Sanktionsmöglichkeiten nach StGB und OWiG. Dies ist bei juristischen Personen gleich welchen Typs der Fall. (3) E  inbeziehung der Organmitglieder aufgrund eines sonstigen Überwiegens ihrer Interessen gegenüber denen der juristischen Person? Darüber hinaus wäre es für juristische Personen, die Hauptträger eines Vertrauensverhältnisses sind, in gleicher Weise wie für natürliche Personen, eine Abwertung ihrer Rechtsposition, wenn sie nicht mehr allein über die in das Vertrauensverhältnis eingebrachten Informationen verfügen dürften. Diese Abwertung wäre nur gerechtfertigt, wenn überwiegende Interessen der Organmitglieder eine Einbeziehung erforderten. Dass hiervon nicht auszugehen ist, wurde bereits für natürliche Personen als Hauptträger eines Vertrauensverhältnisses gezeigt. Für juristische Personen ergibt sich allerdings nichts anderes. Zwar mag zwischen juristischen Personen und ihren Organen eine rechtlich wie tatsächlich andere Beziehung bestehen als dies zwischen natürlichen Personen und etwa ihren Angestellten gegeben ist. Von Relevanz für das Strafprozessrecht ist das aber nicht. Zum einen ist schon fraglich, ob die tatsächliche Beziehung zwischen juristischen Personen und ihren Organen stets enger sein muss als bei natürlichen Personen. Denn auch im genannten Beispiel des Einzelkaufmannes, der seinen Büroleiter den Geschäftsverkehr mit dem Anwalt vornehmen lässt, ist es denkbar, dass der Einzelkaufmann als der eigentliche Rechtsratsuchende und Hauptträger des Vertrauensverhältnisses gar nicht in Kontakt mit dem Rechtsanwalt kommt. Er kann ebenfalls die gesamte Kommunikation durch seinen Angestellten abwickeln lassen, sodass insofern kein Unterschied zu einer juristischen Personen besteht, die aufgrund ihrer Natur nicht tatsächlich kommunizieren kann. Zum anderen besteht zwischen juristischen Personen und ihren Organen kein anderer und kein geringerer Interessenkonflikt als zwischen natürlichen Personen, sodass

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eine Einbeziehung der Organmitglieder immer zu Lasten der Interessen der juristischen Person ginge. Ist das aber der Fall, kann auch hinsichtlich einer Einbeziehung der Organmitglieder einer juristischen Person nicht anders geurteilt werden, als wenn eine natürliche Person Hauptträger des Vertrauensverhältnisses wäre. Aus diesen Gründen ist ebenso der Gedanke zu verwerfen, die Organmitglieder als Klienten des Anwalts696 und damit als Beteiligte des Vertrauensverhältnisses zu fingieren. Es wird argumentiert, dies sei im Interesse der juristischen Person geboten, denn die Organmitglieder würden den Anwalt nur dann vollumfänglich informieren, wenn sie selbst keine Nachteile in einem gegen sie gerichteten Strafverfahren zu befürchten haben. Um der effektiven Beratung der juristischen Person willen sei deshalb eine Privilegierung der Organmitglieder erforderlich. Entschiede man hinsichtlich einer Einbeziehung der Organmitglieder anders, ergäben sich darüber hinaus Abgrenzungsschwierigkeiten in anderer Hinsicht. Zu denken ist an Großunternehmen mit zumindest einer weiteren Führungsebene. Werden nun ebenfalls die Mitglieder der zweiten Führungsebene oder der Leiter der Rechtsabteilung zur Zusammenarbeit mit dem Anwalt abgestellt, stellte sich die Frage, ob diese gleichfalls in das Vertrauensverhältnis mit dem Rechtsanwalt einbezogen wären.697 Je nachdem, wie intensiv diese Angestellten der juristischen Person in Kontakt mit dem Anwalt kämen, wird man in tatsächlicher Hinsicht keine Unterschiede zu den Mitgliedern des Organs feststellen können. Durch eine Einbeziehung auch dieser rangniedrigeren Angestellten würde die Rechtsposition der juristischen Person allerdings noch weiter abgewertet. Hieraus ergibt sich zumindest ein praktisches Argument dafür, von der Kategorie eines vertrauensverhältnisähnlichen Verhältnisses ebenso abzusehen, wenn eine juristische Person Hauptträger eines Vertrauensverhältnisses ist, und eine Einbeziehung bereits im Grundsatz abzulehnen. b) Ergebnis Eine personale Erstreckung des Schutzbereiches der §§ 53, 97, 160a StPO im Sinne einer derivativen Schutzwirkung ist im Ganzen abzulehnen. Geschützt sind allein diejenigen, die sich im originären Anwendungsbereich der Norm befinden.

696  Schmitt, 697  Ebenso

Fn. 57.

wistra 1993, 9 (11). kritisch hierzu äußern sich Tully / Kirch-Heim, NStZ 2012, 657 (661)



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4. Rechtsfolge: Entbindungsberechtigung im Mehrpersonenverhältnis Differenziert nach natürlichen und juristischen Personen ergeben sich für die Beteiligung an Vertrauensverhältnissen die folgenden Antworten. a) Natürliche Personen Sind am Vertrauensverhältnis der Rechtsanwalt und der Rechtsratsuchende als der Hauptträger des Vertrauensverhältnisses beteiligt, liegt die Dispositionsbefugnis, die Entbindungsberechtigung, allein beim Rechtsratsuchenden. Die Einbeziehung Dritter als Nebenträger in ein zwischen dem Rechtratsuchendem und dem Anwalt bestehendes Vertrauensverhältnis ist ausgeschlossen. Hingegen ist denkbar, dass der Dritte als Hauptträger in ein eigenständiges Vertrauensverhältnis zu dem Rechtsanwalt getreten ist. In diesem Fall steht dem Dritten ein eigenständiges Recht auf Schweigepflichtentbindung zu. Fraglich ist, was zu gelten hat, wenn durch eine Schweigepflichtentbindung beide Vertrauensverhältnisse „betroffen“ sind, das heißt, die Strafverfolgungsbehörden – sei es durch Aussage des Anwalts oder durch Beschlagnahme, etc. – auf Informationen zugreifen würden, die sowohl den Rechtsratsuchenden als auch den Dritten betreffen.698 Zu denken ist an den Fall, dass der Anwalt sowohl den Einzelkaufmann als auch dessen Büroleiter in der Weise berät, dass zu beiden ein Vertrauensverhältnis im hiesigen Sinne entsteht. Will nun der Einzelkaufmann den Anwalt von der Schweigepflicht über Umstände entbinden, die er diesem mitgeteilt hat, die in einem laufenden Strafverfahren aber zu Lasten des Büroleiters gingen, stellt sich die Frage, ob dessen Entbindungserklärung genügt oder ob nicht auch eine Erklärung des Büroleiters erforderlich ist. Denkbar sind zwei Folgen: Entweder es bleibt beim Grundsatz, dass beiden, unabhängig vom anderen, in ihrem Vertrauensverhältnis zum Anwalt die alleinige Verfügungsbefugnis zusteht. Oder beide sind hinsichtlich der Gesichtspunkte, die beide Vertrauensverhältnisse berühren, nur gemeinsam mit dem anderen zur Entbindung des Rechtsanwalts von der Schweigepflicht berechtigt. Nach dieser Lösung teilten sich der Rechtsratsuchende und der Dritte in diesem Fall die Entbindungsbefugnis. Jedem stünde ein Veto zu, keiner könnte ohne oder gegen den Willen des anderen den Anwalt wirksam von der Schweigepflicht entbinden. 698  Dieses Kriterium verwenden OLG Nürnberg NJW 2010, 690 (690); OLG Schleswig NJW 1981, 294 (294); LG Saarbrücken wistra 1995, 239 (239); ­Peters / Klingenberg, ZWH 2012, 11 (13).

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

Eine Einzelberechtigung sowohl des Mandanten als auch des Dritten hätte zur Folge, dass jeder ohne Zutun des anderen in der Lage wäre, die im Rahmen des Vertrauensverhältnisses ausgetauschten Informationen dem Zugriff des Staates anheim zu stellen. Eine solche Lösung ließe im Konfliktfall die Interessen eines der beiden Beteiligten völlig unberücksichtigt. Bedenkt man die gravierenden Folgen, die eine Offenlegung sensibler Informationen durch den Anwalt für beide Beteiligten haben kann, könnte vertreten werden, dass ein solcher Ansatz keinen gerechten Ausgleich bietet. Denn der Sinn und Zweck der Schaffung geschützter Vertrauensbeziehungen sowie deren Privilegierung im Strafverfahren liegt gerade darin, zu vermeiden, dass die Offenbarung der dem Berufsträger kommunizierten Informationen demjenigen zum Nachteil gereicht, der in einem Vertrauensverhältnis zum Anwalt steht. Nimmt nun der Dritte die gleiche Stellung wie der Rechtsratsuchende ein, sodass auch er zu schützen ist, käme es einer Umkehrung des Gewollten gleich, könnten die Beteiligten einander wechselseitig jene Nachteile zufügen, vor denen sie das Gesetz bewahren will. Nach dieser Argumentation wäre eine Balance zwischen den Interessen der Beteiligten der Vertrauensverhältnisse, zwischen Mandant und Drittem, nur gegeben, wenn sie gemeinsam über die Offenlegung der Informationen verfügen dürfen, die beide Vertrauensverhältnisse betreffen. Eine solche Argumentation mit dem Sinn und Zweck des Schutzes des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses ist allerdings zu ungenau. Denn strenggenommen ist es nicht die Kommunikation des Rechtsratsuchenden mit dem Rechtsanwalt im Rahmen ihres Vertrauensverhältnisses, die ihm einen Nachteil bringt, wenn ein Dritter, der in einem eigenständigen Vertrauensverhältnis zu einem Rechtsanwalt steht, diesen hinsichtlich Informationen von der Schweigepflicht entbindet, die er seinerseits dem Anwalt kommuniziert hat. Für den Rechtsratsuchenden stellt sich dies vielmehr als das Öffnen eines Drittvertrauensverhältnisses dar, mit dem er – abgesehen vom Informationsgegenstand – nichts zu tun hat. So gesehen ist der Schutzzweck der das Vertrauensverhältnis schützenden Normen in diesem Fall gar nicht tangiert. Dann aber muss es beim Grundsatz bleiben, dass über die Informationen, die der Rechtsratsuchende in sein Vertrauensverhältnis eingebracht hat, er allein verfügen darf.699 Denn hierbei handelt es sich nicht um eine Frage der Bestimmung der Entbindungsberechtigung im Mehrpersonenverhältnis, sondern um ein Problem des Umfangs der Dispositionsbefugnis an sich. Wie bereits argumentiert wurde, kann die Verfügungsbefugnis des Rechtsratsuchenden über Informationen nicht weiter reichen als die Kommunika699  Einen ähnlichen Gedanken getrennter Vertrauensverhältnisse bei Schäfer, wistra 1985, 210 (212).



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tionsbeziehung zum Anwalt. Negative und positive Seite des Schutzes stehen in einem Verhältnis der Interdependenz. Der Rechtsratsuchende kann den Anwalt nur hinsichtlich der Informationen zur Aussage veranlassen, die dieser durch oder aufgrund der Kommunikation mit dem Rechtsratsuchenden erlangt hat. Mit anderen Worten: Sie müssen dem sachlichen Schutzbereich des konkreten Vertrauensverhältnisses, mithin der positiven Seite des Schutzes, zugeordnet werden können. Das ist zum einen der Fall für Informationen, die der Rechtsratsuchende dem Rechtsanwalt selbst anvertraut hat. Zum anderen gilt das für solche Informationen, die dem Anwalt aufgrund seiner beruflichen Beziehung zum Rechtsratsuchenden, d. h. in der Regel aufgrund seines Tätigwerdens zur Erfüllung des Mandatsauftrages, bekannt geworden, also sonst zur Wahrnehmung gelangt sind.700 Deshalb muss es bei der Alleinentbindungsberechtigung desjenigen bleiben, dessen Vertrauensverhältnis ein bestimmter Umstand zuzuordnen ist. Darüber hinaus ist dieser Lösung auch aus anderen Gesichtspunkten der Vorzug zu geben. Denn die Alternativansätze sind dogmatisch nicht anschlussfähig. Unklar ist zunächst, wann eine „Betroffenheit“ eines anderen Vertrauensverhältnisses überhaupt gegeben wäre. Diffus und ausufernd wäre die Interpretation, „betroffen“ sei jeder, auf den sich die Informationserlangung durch die Strafverfolgungsbehörden „positiv“ oder „negativ“ auswirken könne.701 Stellt man dagegen darauf ab, ob die Information der Privatbzw. Geheimsphäre eines anderen zugeordnet werden kann, wäre zwar ein präzises Modell benannt. Allerdings läge hierin eine Überbetonung der Rechte des Informationsbetroffenen, die an den Grundlagen des AnwaltMandant-Vertrauensverhältnisses vorbeigeht, denn um isolierten Informa­ tionsschutz im Sinne eines „allgemeinen Informationsschutzrechts“ geht es nicht.702 Wäre dagegen maßgeblich, ob eine Information auch im Rahmen eines anderen Vertrauensverhältnisses ausgetauscht worden ist, ist zwar ein hinreichend genaues Kriterium vorgegeben, aber es fehlt dafür ein einleuchtender Grund. Denn es ist nicht ersichtlich, weshalb die Verfügungsbefugnis des Trägers eines Vertrauensverhältnisses eingeschränkt werden sollte, nur weil ein Dritter einen bestimmten Informationsgegenstand ebenfalls mit dem Rechtsanwalt thematisiert hat. Freilich könnte man mit der Berufsfreiheit des Rechtsanwalts argumentieren und der Teilmotivation des § 53 StPO, ihn aus dem Konflikt zwischen der Verschwiegenheitspflicht gegenüber seinem Mandanten und der Pflicht zur Aussage im Strafverfahren zu befreien. Allerdings kommt der Berufsfreiheit gegenüber den Rechten des Mandanten nur dienende Funktion zu, sodass er sich insoweit den Interessen der 700  Siehe

unter 2. Kapitel B. IV. 1. Schäfer, wistra 1985, 209 (210). 702  Hierzu siehe unter 2. Kapitel A. III. 1. a) ff) (3). 701  Ebenso

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2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

Rechtsratsuchenden unterzuordnen hat. Ferner hätte eine solche Lösung eine Inkongruenz von positiver und negativer Dimension des Schutzes zur Folge, deren Deckungsgleichheit grundlegend ist. Unerheblich und weder ein Argument für eine strikte Trennung der Verfügungsbefugnis nach Vertrauensverhältnissen noch dagegen ist indes, dass der Anwalt sich möglicherweise strafbar macht, zivilrechtswidrig handelt oder gegen Berufsrecht verstößt, wenn er ein Vertrauensverhältnis zu einem anderen Rechtsratsuchenden begründet. Solchen Rechtsverstößen lassen sich für die Entbindungsberechtigung im Vertrauensverhältnis keine Aussagen entnehmen und müssen überdies für das Strafprozessrecht außer Betracht bleiben, wie bereits gezeigt wurde. Erst recht muss eine Teilung der Verfügungsbefugnis außer Betracht bleiben, wenn es nicht ein Rechtsanwalt ist, der in Vertrauensverhältnissen zu mehreren Rechtsratsuchenden steht, sondern zwei Rechtsanwälte unabhängig voneinander in Vertrauensverhältnisse zu unterschiedlichen Rechtsratsuchenden getreten sind. In dieser Konstellation ist es offensichtlich, dass die Betroffenheit eines Dritten bzw. eines Drittvertrauensverhältnisses eine Beschränkung der Entbindungsbefugnis des Rechtsratsuchenden nicht rechtfertigt. Darüber hinaus würde eine Teilung der Verfügungsbefugnis, falls die Informationsbetroffenen Dritte sind, praktischen Bedürfnissen nicht gerecht. Denn es wird vielfach für den Rechtsratsuchenden und seinen Anwalt nicht ersichtlich sein, ob überhaupt Dritte oder Drittvertrauensverhältnisse von ihrem Informationsaustausch betroffen sind. Dann aber drohte ein „Heer von Entbindungsberechtigten“,703 das Auffinden jedes Entbindungsberechtigten würde zu einer nur schwer lösbaren Aufgabe. Auch stünde jedem Einzelnen ein Vetorecht hinsichtlich einer Aussage des Anwalts zu, sodass der Anwalt als Beweismittel jede Bedeutung verlöre. Anders liegt der Fall, wenn ein Dritter gemeinsam mit dem Rechtsratsuchenden die Hilfe des Anwalts in einer gemeinsamen Rechtsangelegenheit in Anspruch nimmt. Nehmen zwei Personen eine Rechtsberatung des Anwalts gemeinsam in Anspruch, sind sie nicht einzeln, sondern gemeinsam in der Rolle des Rechtsratsuchenden, die sie sich teilen. Insofern ist es unrichtig, in dieser Konstellation überhaupt von einem „Dritten“ zu reden. Es entsteht nur ein Vertrauensverhältnis im hiesigen Sinne zwischen dem Rechtsanwalt und seinen beiden Mandanten, nicht zwei verschiedene Vertrauensverhältnisse. In diesem einen Vertrauensverhältnis sind beide Mandanten gemeinsam dessen Hauptträger. Ist es aber ein- und dasselbe Vertrauensverhältnis und allein die Rolle des Rechtsratsuchenden ist geteilt, erscheint es folgerichtig, die Dispositionsbefugnis ebenfalls unter den Hilfesuchenden aufzuteilen. In dieser Konstellation sind deshalb die Rechtsrat703  Nassall,

KTS 1988, 633 (645); siehe bereits unter 2. Kapitel B. IV. 1. a) aa).



B. Eigener Entwurf191

suchenden nur gemeinsam zur Entbindung des Anwalts von der Schweigepflicht berechtigt. b) Juristische Personen Diese Grundsätze sind auf juristische Personen zu übertragen. Ein strafprozessual schützenswertes Vertrauensverhältnis entsteht allein zwischen der juristischen Person und dem Rechtsanwalt. Die Organmitglieder als natürliche Personen sind außerhalb dieses Vertrauensverhältnisses stehende Dritte. Zu klären verbleibt aber, wer die Entbindungserklärung für die juristische Person abzugeben hat. Das wirft die Frage nach der Vertretung der juristischen Person nach außen auf. Schwierigkeiten ergeben sich dann, wenn eine juristische Person – wie die AG stets – mehr als nur ein Organ besitzt. Allerdings bestehen keine Bedenken, diesen Gesichtspunkt zivilrechtsakzessorisch zu bestimmen. Denn wenn es die Interessen der juristischen Person sind, denen der strafprozessrechtliche Schutz gilt, spricht nichts dagegen, diese durch die Personen wahrnehmen zu lassen, in deren Verantwortung das Zivilrecht die Interessenvertretung der juristischen Person gestellt hat. Das bedeutet, dass das jeweils amtierende Vertretungsorgan zur Erklärung berufen ist,704 und zwar entsprechend der für die Vertretung der juristischen Person geltenden Bestimmungen: Hat eine GmbH mehrere Geschäftsführer, sind diese im Grundsatz nur zur Gesamtvertretung berechtigt, § 35 Abs. 2 S. 1 GmbHG. Gleiches gilt für die AG nach § 78 Abs. 2 S. 1 AktG. Für OHG und KG haben die vertretungsberechtigten Gesellschafter die Erklärung abzugeben, §§ 125 Abs. 1, 161 Abs. 2 HGB. Eventuell in der Person der Organmitglieder auftretende Interessenkonflikte sind ebenso nach den Regeln des Zivilrechts zu lösen. 5. Beteiligungsfragen aufseiten des Anwalts Genauso wie aufseiten des Mandanten mehrere Personen als Beteiligte eines oder mehrerer Vertrauensverhältnisse in Betracht kommen, kann aufseiten des Rechtsanwaltes mehr als nur ein Rechtsberater auftreten. Solche Situationen entstehen etwa, wenn ein Rechtsratsuchender eine ganze Sozietät oder mehrere Anwälte mit seiner Rechtsangelegenheit beauftragt. Entsprechend eines funktional, am Rechtsrat, ausgerichteten Konzeptes sind alle die Anwälte in das Vertrauensverhältnis mit dem Rechtsratsuchenden einbezogen, die sich um seine Rechtsangelegenheit kümmern. Dies kann sich auf die verfassungsrechtlichen Grundlagen zur Berufsfreiheit und zum Rechtsstaatsprinzip stützen, aus denen sich die Verknüpfung des Vertrauens704  Häcker,

in: Müller-Gugenberger / Bieneck, Wirtschaftsstrafrecht, § 93 Rn. 8.

192

2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

schutzes mit der Berufs- bzw. Rechtsberatungsleistung des Anwaltes ergibt. Das wurde ebenso für § 53 StPO herausgearbeitet. Mandatiert der Rechtsratsuchende also mehrere Anwälte oder eine ganze Sozietät, sind die Rechtsanwälte Beteiligte des Vertrauensverhältnisses, die in dieser Mandatssache tätig werden.

V. Zeitliche Dauer Korrespondierend zu dem Aspekt, wann ein strafprozessual schutzwürdiges Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant entsteht, stellt sich ebenso die Frage, wann dieses endet. Es ist davon auszugehen, dass ein strafprozessual zu schützendes Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant zumindest solange besteht, wie das Mandatsverhältnis andauert bzw. bis eine sich anbahnende Mandatsbeziehung scheitert. Für § 53 StPO ist anerkannt, dass ein Zeugnisverweigerungsrecht auch nach Ende des zugrundeliegenden zivilrechtlichen Verhältnisses fortdauert.705 Denn genauso wenig erlischt es, wenn der Rechtsanwalt seinen Beruf aufgegeben hat; der Grundsatz des § 54 Abs. 4 StPO gelte entsprechend.706 Hieraus ist aber kein Fortbestehen des Anwalt-Mandanten-Vertrauensverhältnisses abzuleiten. Es besteht hierfür schon kein Bedürfnis, weil es nach Abschluss des Mandatsverhältnisses in der Regel nicht mehr zum Austausch (weiterer) schützenswerter Informationen kommt. Denn eine Zwangslage im Sinne einer „do ut des“-Situation besteht nicht mehr, wenn der Ratsuchende die Hilfe bekommen hat, die er brauchte. Für ein weiteres Anvertrauen vertraulicher Umstände besteht keine Notwendigkeit, der final auf die Berufstätigkeit gerichtete Kommunikationszweck ist entfallen. Vielmehr geht es nur noch um den fortdauernden Schutz aufgrund vergangener Kommunikation vorhandener Informationen. Dieser wird gewährleistet, indem die Normen, die das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis schützen, weiterhin Schutz im Hinblick auf das einst bestehende Vertrauensverhältnis gewähren. Denn bereits die gegenwärtigen Vertrauensverhältnisse wären mit einem unvermeidlichen Makel belastet, stünde bereits zur Zeit ihres Bestehens fest, dass nach ihrem Ende kommunizierte Informationen dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden unterlägen. Daher muss auch nach Beendigung von Vertrauensverhältnissen, mit Blick auf die vorhandenen Informationen, ein fortbestehender Schutz durch §§ 53, 97, 160a StPO gewährt werden.

705  LG Düsseldorf NJW 1958, 1152 (1152); LR  / Ignor / Bertheau, § 53 Rn. 18; SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 64. 706  Meyer-Goßner, §  53 Rn. 10; LR  /  Ignor / Bertheau, §  53 Rn.  18; SK / StPO /  Rogall, § 53 Rn. 64.



B. Eigener Entwurf193

VI. Ergebnis Zusammenfassen lässt sich der eigene Entwurf über die Entstehung und die Informationsfreigabebefugnis im Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis wie folgt: 1. Teleologische Basis Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und dem Rechtsratsuchenden ist zu schützen, weil der Rechtsratsuchende seine Geheim- bzw. Privatsphäre im Wege der Kommunikation mit dem Rechtsanwalt öffnen muss, um effektive professionelle Hilfe zu erhalten. Er unterliegt dem faktischen Zwang, dem Rechtsanwalt Privates oder Vertrauliches preiszugeben. In dieser Gefährdungslage, einer „do ut des“-Beziehung zum Anwalt, befindet sich nur er. Sie wirkt sich als Einschränkung eines zumutbaren Selbstschutzes aus, der sich der Hilfesuchende nicht entziehen kann, wenn er in persönlichen Angelegenheiten Rat und Hilfe sucht. Um der unbefangenen Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe durch den Einzelnen willen muss gewährleistet werden, dass der Ratsuchende darauf vertrauen kann, dass ihm die anwaltliche Hilfe im Strafverfahren oder Ordnungswidrigkeitenverfahren nicht zum Nachteil gereicht, mithin, dass die Kommunikation vertraulich bleibt. 2. Entstehungsvoraussetzungen Ein Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis entsteht, wenn eine natürliche oder juristische Person einen kommunikativen Kontakt – im Falle der juristischen Person durch einen ihrer Vertreter – zu einem Rechtsanwalt mit Bezug auf dessen berufstypische Leistungen aufnimmt, um im eigenen Interesse in einer eigenen Rechtsangelegenheit die Hilfe des Anwalts zu erhalten. Diese Entstehungsvoraussetzungen sind im Hinblick auf die teleologische Basis mit Rücksicht auf die typische Gefährdungslage eines Rechtsratsuchenden auszulegen. 3. Sachlicher Schutzbereich Die Vorschriften, die auf das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis Bezug nehmen, schützen in ihrer Gesamtheit das Kommunikationsverhältnis zwischen Anwalt und Mandant sowie, innerhalb dessen, die kommunizierten Informationen als Kommunikationsinhalte. Insofern kann von einem funk­ tionalen Informationsschutz innerhalb einer Kommunikationsbeziehung gesprochen werden. Da Ermittlungsmaßnahmen beim bzw. gegen den Be-

194

2. Kap.: Das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant

schuldigten zulässig sind, wird die Kommunikationsbeziehung einfachgesetzlich nur einseitig geschützt. 4. Persönlicher Schutzbereich Nach dem in dieser Arbeit vertretenen Konzept hängen die Beteiligung am Vertrauensverhältnis und die Dispositionsbefugnis, die Entbindung des Schweigepflichtigen, miteinander zusammen. Beteiligte des Vertrauensverhältnisses sind der Anwalt und der Rechtsratsuchende. Sie sind die einzigen Träger des Vertrauensverhältnisses, eine Unterscheidung nach Hauptund Nebenträgern erübrigt sich. Allein dem Rechtsratsuchenden steht das Recht zu, die abgeschirmte Kommunikationsbeziehung zum Anwalt für staatliche Zugriffe zu öffnen, indem er diesen von der Schweigepflicht entbindet. Denn die Einbeziehung Dritter in ein zwischen dem Rechtsratsuchenden und dem Anwalt bestehendes Vertrauensverhältnis ist ausgeschlossen: Eine personale Erstreckung des Schutzbereiches der §§ 53, 97, 160a StPO im Sinne einer derivativen Schutzwirkung gibt es nicht. Geschützt sind allein diejenigen, die sich im originären Anwendungsbereich der Normen befinden. Hingegen ist denkbar, dass der Dritte in ein eigenständiges Vertrauensverhältnis zu dem Rechtsanwalt getreten ist. In diesem Fall steht dem Dritten ein eigenständiges Recht auf Schweigepflichtentbindung zu. Zwischen dem Rechtsratsuchenden und dem Anwalt sowie zwischen dem Dritten und dem Anwalt bestehen in dieser Situation zwei voneinander unabhängige Vertrauensverhältnisse. Sowohl dem Ratsuchenden als auch dem Dritten steht in dem Vertrauensverhältnis, an dem sie beteiligt sind, die vollumfängliche, alleinige Verfügungsbefugnis zu. Eine Teilung der Dispositionsbefugnis, falls die Privat- bzw. Geheimsphäre des anderen oder das Vertrauensverhältnis des anderen mit dem Rechtsanwalt – in welcher Weise auch immer – durch den Gegenstand der fraglichen Information berührt wird, hinsichtlich derer verfügt wird, ist ausgeschlossen. Zwar wäre zu überlegen, ob eine solche Tangierung der Privat- oder Interessensphäre eines anderen nicht ein Verwertungsverbot im Strafverfahren nach sich zieht. Die grundrechtlich geschützten Interessen des Betroffenen wären mit dem Strafverfolgungsinteresse abzuwägen und könnten im Falle des Überwiegens der Individualinteressen ein selbstständiges Beweisverwertungsverbot begründen. Allerdings dürften bei dieser Abwägung die Interessen des Ratsuchenden, der die Informationen aus der Kommunikationsbeziehung zum Anwalt freigeben möchte, nicht ignoriert werden. Diese Gegenüberstellung der Interessen des Betroffenen und des Ratsuchenden führt auf die Überlegungen zum Entstehen eines vertrauensverhältnisähnlichen



B. Eigener Entwurf195

Verhältnisses zurück.707 Doch wird auch in dieser Frage im absoluten Regelfall von einem Überwiegen der Interessen des Ratsuchenden auszugehen sein, wenn dessen gesetzliche Privilegierung aus § 53 StPO einen Sinn haben soll. 5. Rechtsmethodische Einordnung Es handelt sich um ein statusbezogenes Schutzkonzept, das an die Eigenschaft „Rechtsratsuchender“ anknüpft. Dies lässt sich mittels einer systematischen, historischen, teleologischen sowie verfassungsorientierten Auslegung der vorgestellten Schutznormen begründen.

707  Siehe

unter 2. Kapitel B. IV. 3. a) aa) (2); 2. Kapitel B. IV. 3. a) aa) (3).

3. Kapitel

Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen Auf Grundlage der gewonnenen Ergebnisse soll im Folgenden dargestellt werden, ob zwischen Dritten, die aufseiten des Mandanten, d. h. des Rechtsratsuchenden, auftreten, und dem Rechtsanwalt ein eigenständiges Vertrauensverhältnis entsteht. Der Schwerpunkt dieser Arbeit liegt dabei auf der persönlichen Beteiligung am Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis im Problemkreis „Vertrauensverhältnisse und juristische Personen“.

A. „Blütenfall“ Zur Einführung in dieses Kapitel und in die Probleme im Zusammenhang mit Dreipersonenverhältnissen soll mit einer klassischen Fallvariante, zur Vereinfachung noch ohne die Beteiligung juristischer Personen, begonnen werden.

I. Der Sachverhalt Ein Klassiker zur Problematik der Entbindungsberechtigung von der Schweigepflicht ist der „Blütenfall“. Diese Fallkonstellation kann insoweit als klassisch bezeichnet werden, als sich an ihr die unterschiedlichen Ergebnisse der Theorien zur Bestimmung der Entbindungsberechtigung bei Drittbeteiligung seit jeher sehr einfach praktisch veranschaulichen lassen.1 Ein Rechtsanwalt berät einen Geschäftsmann in dessen wirtschaftlichen Angelegenheiten und erfährt – sei es durch eigene Recherche oder seinen Mandanten selbst –, dass die Ehefrau des Geschäftsmanns gewerbsmäßig Falschgeld herstellt.2 Im Ermittlungsverfahren gegen die Ehefrau wegen Geldfälschung möchte die Staatsanwaltschaft den Rechtsanwalt als Zeuge über seine Wahrnehmungen im Zusammenhang mit der Beratung des Geschäftsmannes vernehmen, da sie damit rechnet, dieser könnte etwas bemerkt haben. Streitig ist, wer in dieser Konstellation den Rechtsanwalt nach § 53 Abs. 2 StPO 1  Siehe

unter 2. Kapitel A. III. 1. c). Schünemann, ZStW 90 (1978), 11 (57); Städler, Entbindungsberechtigung, S. 159. 2  Siehe



A. „Blütenfall“197

von der Schweigepflicht zu entbinden hat: Der Geschäftsmann als Mandant, die Ehefrau als Informationsbetroffene oder beide gemeinsam.

II. Lösungen der vertretenen Ansätze Der Ansatz, der die Entbindungsberechtigung nach § 53 Abs. 2 StPO von der Informationsbetroffenheit abhängig macht, würde der Ehefrau die Entbindungsberechtigung zuweisen, denn es ist ihre Privat- bzw. Geheimsphäre, der der Umstand ihres kriminellen Tuns zuzuordnen ist.3 Sieht man ebenfalls den Ehemann der straffälligen Frau als Informationsbetroffenen an, etwa aufgrund des sozialen Makels, der auch ihn beim Bekanntwerden der Delinquenz seiner Partnerin träfe, müssten beide eine Entbindungserklärung abgeben.4 Ansätze, die mit einem Vertrauensverhältnis anderer als hiesiger Prägung arbeiten,5 dürften ein solches schutzwürdiges „personales“ Vertrauen allein zwischen dem Anwalt und dem Geschäftsmann sehen. Die Ehefrau steht weder in einer Vertrauensbeziehung in diesem Sinne zum Anwalt noch hat sie die fraglichen Informationen dem Rechtsberater durch einen konkreten Vertrauensakt übermittelt. Zu demselben Ergebnis dürften Vertreter kommen, nach denen § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO ein Kommunikationsverhältnis schützt: Nach dieser Auffassung ist es unwesentlich, aus wessen Sphäre eine Information stammt, d. h. wer von dieser betroffen ist. Der Mandant verfügt über die alleinige Entbindungsbefugnis über alle Tatsachen, die der Rechtsanwalt durch die Beziehung zu ihm erfahren hat.6 Hieraus folgt auch die Verfügungsbefugnis des Klienten über sensible Informationen Dritter, die er dem Rechtsanwalt anvertraut hat. Entbindungsberechtigt ist somit allein der Geschäftsmann.

III. Lösung nach dem eigenen Ansatz Nach der hier vertretenen Lösung ist die Beteiligung am Anwalt-MandantVertrauensverhältnis für die Bestimmung der Entbindungsberechtigung nach § 53 Abs. 2 StPO maßgebend. Ein Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis im hiesigen Sinne entsteht, wenn eine natürliche oder juristische Person einen 3  OLG Hamburg NJW 1962, 689 (691); KK  /  StPO  /  Senge, § 53 Rn. 46; SK / StPO / Rogall, § 53  Rn. 197. 4  KK / StPO / Senge, § 53 Rn. 47; ähnlich differenzierend auch Städler, Entbindungsberechtigung, S.  190 f. 5  Dahs, FS-Kleinknecht, S.  63 (73  f.); Dierlamm, FS-DAV, S.  428 (436  f.); Krause, FS-Dahs, S. 349 (367). 6  Schmitt, wistra 1993, 9 (10); Schmitt, Die Berücksichtigung der Zeugnisverweigerungsrechte, S. 144.

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

kommunikativen Kontakt – im Falle der juristischen Person durch einen ihrer Vertreter – zu einem Rechtsanwalt mit Bezug auf dessen berufstypische Leistungen aufnimmt, um im eigenen Interesse in einer eigenen Rechtsangelegenheit die Hilfe des Anwalts zu erhalten. Diese Entstehungsvoraussetzungen sind im Hinblick auf die teleologische Basis mit Rücksicht auf die typische Gefährdungslage eines Rechtsratsuchenden auszulegen.7 Der Anwalt berät den Geschäftsmann in dessen Rechtsangelegenheiten, der Geschäftsmann ist Empfänger des Rechtsrats des Anwalts, bei dem es sich um eine typische Berufstätigkeit von Rechtsanwälten handelt. Infolgedessen muss der Geschäftsmann dem Rechtsanwalt die Informationen geben, die dieser benötigt, um seine Rechtsberatung leisten zu können. In der bezeichneten „do ut des“-Situation faktischen Zwanges zur Informationspreisgabe befindet sich nur der Geschäftsmann. Folglich ist der Geschäftsmann in ein Vertrauensverhältnis zu dem Rechtsanwalt getreten und ist danach im Grundsatz entbindungsberechtigt. Dagegen besteht zwischen der Ehefrau und dem Rechtsanwalt kein Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis. Die Ehefrau hat weder einen Kontakt zum Anwalt in dessen beruflicher Eigenschaft aufgebaut noch geht es ihr um dessen Rechtsrat. Maßgeblich ist allerdings weiterhin, dass die Informationserlangung als Kommunikationsvorgang dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Geschäftsmann und dem Rechtsanwalt zuzuordnen ist.8 Nur dann handelt es sich um Kommunikation im Rahmen des konkreten Vertrauensverhältnisses. Für dieses Zuordnungsproblem kommt es auf den inneren und äußeren Zusammenhang eines Kommunikationsaktes an: Entweder es kann dem vertraulichen Übermittlungsakt und dessen Zielsetzung bereits entnommen werden, innerhalb welches Vertrauensverhältnisses kommuniziert wird. Oder ein Kommunikationssachverhalt kann aufgrund seines sachlichen Bezugs zu einem bestimmten Mandatsauftrag oder der nach außen erkennbaren Zielsetzung in Richtung eines bestimmten Mandatsauftrages einem Vertrauensverhältnis zugeordnet werden. Unproblematisch ist diese Zuordnung, wenn der Mandant dem Anwalt in einem Beratungsgespräch über die Straffälligkeit seiner Ehefrau Kenntnis verschafft hatte. Zu bejahen ist die Zuordnung ferner, wenn der Anwalt das strafbare Tun der Frau aufgrund der Durchsicht der vom Geschäftsmann zur Bearbeitung des Mandatsauftrages übermittelten Unterlagen erfährt. Keinen Bezug zum Vertrauensverhältnis zwischen dem Geschäftsmann und dem Rechtsanwalt besteht dagegen, wenn eine Nachbarin dem Rechtsanwalt auf dessen Weg zu seinem Mandanten über die Straffälligkeit der Ehefrau des Geschäftsmanns Mitteilung macht. Aller7  Siehe

unter 2. Kapitel B. III. 2. b) und 2. Kapitel B. VI. 2. dem Problem der Zuordnung eines Kommunikationsvorgangs zu einem Vertrauensverhältnis im Allgemeinen siehe 2. Kapitel B. IV. 1. 8  Zu



B. Whistleblowing199

dings wäre in diesem Fall bereits eine Kenntniserlangung „in Eigenschaft“ als Rechtsanwalt im Sinne des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO sehr zweifelhaft.9 Nicht anders liegt es, wenn der Rechtsanwalt dem Geschäftsmann einen Besuch abstattet, um ihm seine Honorarabrechnung persönlich zu übergeben, und dabei auf dem Wohnzimmertisch die Blüten entdeckt.

IV. Ergebnis Festzuhalten bleibt, dass in allen genannten Varianten des Falles allein der Geschäftsmann als Beteiligter des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses zur Entbindung des Rechtsanwalts von der Schweigepflicht berechtigt ist, sofern ein Bezug zu diesem konkreten Vertrauensverhältnis gegeben ist.

B. Whistleblowing Beteiligte des Vertrauensverhältnisses sind der Rechtsanwalt und der Rechtsratsuchende. Zentrale Frage beim Whistleblowing ist, ob ein eigenständiges Vertrauensverhältnis zwischen dem Whistleblower und dem als Ombudsmann eingesetzten Rechtsanwalt entsteht. Dies hat zur Folge, dass dem Whistleblower ein eigenes Recht zur Entbindung des Anwalts von seiner Schweigepflicht über das im Rahmen des Vertrauensverhältnisses Ausgetauschte zusteht.

I. Was ist Whistleblowing? Der Begriff „Whistleblowing“ besitzt keine allgemein konsentierte Bedeutung. Die wörtliche Übersetzung mit „die (Triller-)Pfeife blasen“, die „Alarmglocke läuten“ oder „jemanden verpfeifen“ erhellt das Konzept nur zum Teil. Ursprünglich bezeichnete Whistleblowing eine Handlung des Schiedsrichters im Sport, der das Spiel wegen eines Fouls abgepfiffen hatte. Mitunter wird auch das Alarmpfeifen eines Polizisten damit in Verbindung gebracht.10 Im juristischen Kontext wird Whistleblowing zumeist verstanden als kritische Äußerungen, Beschwerden und Anzeigen von Beschäftigten über Missstände oder Fehlverhalten in ihrem Betrieb oder Unternehmen gegenüber unternehmensinternen Ansprechpartnern, staatlichen Stellen oder 9  So OLG Bamberg StV 1984, 499 (500) für die Wahrnehmungen eines Rechtsanwalts über das Gespräch zweier Sachverständiger während einer Verhandlungspause. 10  Ausführlich zur Begriffsentwicklung Lutterbach, Strafrechtliche Würdigung des Whistleblowings, S.  9 f.; Pitroff, Whistle-Blowing-Systeme, S.  9 f.

200

3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

sonstigen Dritten.11 Die Unternehmensleitung hat ein starkes Interesse daran, dass Unternehmensangehörige Regelverstöße melden, denn interne Hinweise bilden den wichtigsten Faktor zur Aufdeckung wirtschaftskrimineller Handlungen.12 Daher werden sog. Whistleblowing-Systeme eingerichtet. Dies meint die Schaffung einer Anlaufstelle, der Angestellte tatsächliche oder vermeintliche Regelverstöße berichten können.13 Die Mitarbeiter werden aber nur dann zur Weitergabe von Informationen bereit sein, wenn sichergestellt ist, dass ihnen daraus keine negativen persönlichen Konsequenzen seitens der Unternehmensleitung bzw. ihres Arbeitgebers entstehen. Zusätzlich wünschen sie zumeist Vertraulichkeit und Anonymität. An diesen Bedürfnissen hat sich die Einrichtung eines Whistleblowing-Systems zu orientieren.14 Eine der Gestaltungsmöglichkeiten besteht in der Bestellung eines Ombudsmanns. Der Ombudsmann ist ein externer Rechtsanwalt, der vom Unternehmen beauftragt wird, Mitarbeitern und Dritten als Anlaufstelle im Fall von Hinweisen zur Verfügung zu stehen. Unternehmen und Ombudsmann vereinbaren, dass der Ombudsmann nur diejenigen Informationen dem Unternehmen mitteilt, zu deren Offenlegung er vom Hinweisgeber ermächtigt wurde. Diese Vereinbarung ist notwendig, da das Unternehmen der zivilrechtliche Mandant des Rechtsanwalts ist und er diesem nach §§ 675, 667 2. Alt. BGB zur Offenlegung der erlangten Informationen verpflichtet wäre.15 Stimmen aus der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur erkennen die Vorteile dieser Gestaltungsvariante eines Hinweisgebersystems vor allem darin, dass die Hinweisgeber dem Rechtsanwalt als unternehmensexternen Stelle mehr Vertrauen entgegenbringen, insbesondere aufgrund seiner beruflichen Verschwiegenheitspflicht,16 die überdies im Strafverfahren abgesichert sei.17 Ob und inwieweit der 11  Koch, ZIS 2008, 500 (500); Müller, NZA 2002, 424 (426); Klopp, Der Compliance-Beauftragte, S. 96. 12  Salvenmoser / Kruse, Die Bank 2007, 75 (78). Nach einer von PricewaterhouseCoopers im Oktober 2006 veröffentlichten Studie sind die wichtigsten Entdeckungsfaktoren interne Hinweise (30 %), interne Revision (25 %), externe Hinweise (18 %), Ermittlungen der Polizei / Staatsanwaltschaft (9 %), Zufall (4 %), Risikomanagement (4 %), externe Revision (2 %). 13  Benz / Heißner / John, in: Dölling, Handbuch der Korruptionsprävention, S. 73 Rn. 137; Pauthner-Seidel / Stephan, in: Hauschka, Corporate Compliance, §  27 Rn. 111; zum Ganzen siehe Klopp, Der Compliance-Beauftragte, S. 96. 14  Buchert, CCZ 2008, 148 (151); Koch, ZIS 2008, 500 (501); Klopp, Der Compliance-Beauftragte, S. 97. 15  Zu dieser und zu weiteren Möglichkeiten der Gestaltung eines Hinweisgebersystems siehe Pauthner-Seidel / Stephan, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 27 Rn. 113 sowie Moosmayer, Compliance, S. 57. 16  Pitroff, Whistle-Blowing-Systeme, S. 109. 17  Briegel, Unternehmensinterne Whistleblowing-Systeme, S. 175.



B. Whistleblowing201

Whistleblower Beteiligter eines Vertrauensverhältnisses zum Rechtsanwalt ist und als solcher tatsächlich den Schutz der auf das Anwalt-MandantVertrauensverhältnis bezugnehmenden Vorschriften im Strafverfahren für sich beanspruchen kann, soll im Folgenden dargestellt werden.

II. Welche Rechtsfragen stellen sich? Der Einschaltung eines Rechtsanwalts als Ombudsmann eines Whistleblowing-Systems wird zugutegehalten, diese biete eine bessere Absicherung der Whistleblower. Inwieweit das im Strafverfahren der Fall ist, soll nun im Einzelnen untersucht werden. Zu denken ist an einen in der Buchhaltung eines Unternehmens beschäftigten Buchhalter, der im Zusammenhang mit einigen von ihm zu tätigenden Überweisungen ins Ausland die Einrichtung einer „schwarzen Kasse“ durch seinen Vorgesetzten entdeckt, die zur Leistung von Bestechungszahlungen benutzt werden soll.18 Der Buchhalter weiß nicht, was er tun soll, da sein Vorgesetzter selbst beteiligt ist. Da dieser sowohl mit dem Personalleiter als auch mit Mitgliedern der Geschäftsleitung gut befreundet ist, sieht er auch von einem Hinweis an die übergeordnete Leitungsebene ab, da er personelle Konsequenzen für sich selbst fürchtet. Daraufhin wendet er sich mit der Bitte um Anonymität an einen Rechtsanwalt, der von dem Unternehmen als Ombudsmann zur Entgegennahme von Hinweisen über Fehlverhalten bestellt wurde. Der Buchhalter schildert dem Rechtsanwalt den gesamten Sachverhalt. Der Anwalt prüft das Vorbringen des Buchhalters und berichtet der Geschäftsleitung. Wie vom Buchhalter gewünscht, nennt der Anwalt den Namen des Hinweisgebers dabei nicht. Um Schaden für das Ansehen des Unternehmens abzuwenden, beschließt die Geschäftsleitung, vollumfänglich mit der Staatsanwaltschaft zu kooperieren und leitet den Bericht des Rechtsanwalts an diese weiter. Die Staatsanwaltschaft eröffnet im Folgenden ein Ermittlungsverfahren gegen den Vorgesetzten wegen Untreue nach § 266 StGB. Im weiteren Verlauf der Ermittlungen gerät der Buchhalter in den Verdacht, dem Vorgesetzten Beihilfe geleistet zu haben. In seiner Vernehmung räumt der Buchhalter ein, die fraglichen Überweisungen für den Vorgesetzten getätigt zu haben, bestreitet aber, Kenntnis von deren geplanter Verwendung gehabt zu haben. Die Staatsanwaltschaft will daraufhin den Rechtsanwalt zur Sache vernehmen, da sie damit rechnet, der Buchhalter könnte sich ihm offenbart haben. Einer Vernehmung des Anwalts würde dessen Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO entgegenstehen, auf das er sich berufen 18  Eine

Abwandlung des Beispielsfalls von Moosmayer, Compliance, S. 57.

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

wird, um Verstöße gegen Berufs- wie Strafrecht zu vermeiden. Nun könnte sich das Unternehmen allerdings entschließen, den Anwalt von seiner Schweigepflicht zu entbinden. Im Regelfall wird es das nicht tun, da es mit dem Anwalt vereinbart hat, von einer Entbindung von der Schweigepflicht abzusehen.19 Überdies desavouierte das Unternehmen damit sein eigenes Whistleblowing-System und würde in Zukunft kaum mehr Mitarbeiter als Hinweisgeber gewinnen können. Faktisch ausgeschlossen ist eine Entbindung von der Schweigepflicht damit allerdings nicht, denn das Unternehmen könnte sich von einer Kooperation mit den Strafverfolgungsbehörden die Verhinderung weiteren Reputationsschadens oder die Erleichterung der Durchsetzung eventueller zivilrechtlicher Ansprüche gegen den Buchhalter versprechen und die Beschädigung seines Whistleblowing-Systems daher in Kauf nehmen. Zudem ist die (zivilrechtliche) Zusage des Mandanten, den Anwalt nicht von der Schweigepflicht zu entbinden, strafprozessrechtlich nicht bindend. Kann der Entbindungsberechtigte seine Erklärung jederzeit widerrufen,20 muss er umgekehrt – entgegen seines vorherigen Versprechens – auch jederzeit eine Entbindungserklärung abgegeben können. Jedoch stellt sich in diesem Fall die Frage, wer berechtigt ist, über die dem Anwalt vermittelten Informationen zu verfügen. Ferner könnte die Staatsanwaltschaft auf die Idee kommen, die Aufzeichnungen zu beschlagnahmen, die sich der Rechtsanwalt über die Angaben des Buchhalters gemacht hat. In diesem Fall ist fraglich, ob § 97 StPO einer solchen entgegensteht. § 97 StPO schützt nur das Vertrauensverhältnis zwischen dem Beschuldigten und dem Zeugnisverweigerungsberechtigten. Entscheidend ist daher, ob zwischen dem Beschuldigten Buchhalter und dem Anwalt ein Vertrauensverhältnis entstanden ist. Überdies könnte § 160a StPO eingreifen und eine der Beschlagnahme vorausgehende Durchsuchung der Kanzleiräume untersagen. Auch in dieser Konstellation ist ausschlaggebend, wer zur Freigabe der dem Anwalt zur Verfügung stehenden Informationen berufen ist. Zentraler Gesichtspunkt ist daher, ob und zwischen wem in dem Fallbeispiel ein strafprozessuales Vertrauensverhältnis entsteht. Ein solches Vertrauensverhältnis könnte zwischen dem Rechtsanwalt und dem Unternehmen bestehen, das ihm den Auftrag gibt, als Ombudsmann eines WhistleblowingSystems für es tätig zu sein. Dafür müsste das Unternehmen den Rechtsanwalt mit Bezug auf eine berufstypische Leistung des Anwalts in einer eigenen Rechtsangelegenheit im eigenen Interesse kontaktiert haben. Zwar ist die Tätigkeit als Ombudsmann sicherlich keine gewöhnliche anwaltliche Hild, AnwBl 2010, 641 (641). 18, 146 (147, 149); BGH NStZ 1996, 348 (348); KK / StPO / Senge, § 53 Rn. 54. 19  So

20  BGHSt



B. Whistleblowing203

Tätigkeit. Sie hat allerdings zumindest insoweit rechtsberatenden Charakter, als der Rechtsanwalt die Hinweise des Informanten zunächst prüft und in tatsächlicher wie in rechtlicher Hinsicht bewertet, um bloße Denunziationen und verleumderische Anschuldigungen zu verhindern.21 Gegebenenfalls stellt er eigene Ermittlungen an und übermittelt anschließend der Geschäftsleitung einen aufbereiteten Bericht.22 Dieser zeigt insbesondere die recht­ lichen Risiken für das Unternehmen auf, nennt die Angestellten, denen ein Fehlverhalten angelastet wird und trifft Aussagen über die Glaubhaftigkeit der Angaben des Whistleblowers.23 Mitunter schließt das OmbudsmannMandat ferner ein, das Unternehmen darüber zu beraten, wie es mit den bezichtigten Mitarbeiten umzugehen hat.24 Dem Rechtsanwalt kommt daher eine über eine bloße Botenfunktion hinausgehende rechtsberatende Aufgabe zu, die als anwaltlich zu qualifizieren ist. Um eine eigene Rechtsangelegenheit des Unternehmens handelt es sich jedenfalls deshalb, weil es die Berichte des Rechtsanwalts benötigt, um durch Reorganisation seiner Aufsichtsmechanismen eine Haftung für das Fehlverhalten ihrer Angestellten nach §§ 9, 30, 130 OWiG zu vermeiden und um in der Zukunft seinen Aufsichtspflichten gerecht zu werden. Ferner ist ein eigenes Interesse des Unternehmens an der Rechtsberatung des Anwalts gegeben, denn durch das Haftungsrisiko und der daraus folgenden Pflicht zur Implementierung eines Compliance-Systems25 ist dessen Interessensphäre unmittelbar selbst berührt. Fraglich ist, ob auch die Lage faktischen Zwanges zur Öffnung des eigenen Geheimbereichs gegeben ist, in der sich Rechtsratsuchende typischerweise befinden. Zunächst könnte man annehmen, nicht der Rechtsratsuchende, sondern allein der Whistleblower gibt Informationen aus seinem Geheimbereich preis. Zur Beauftragung des Rechtsanwalts durch das Unternehmen genügt aber nicht der simple Wunsch, der Rechtsanwalt möge als Ombudsmann Hinweise der Angestellten entgegennehmen. Vielmehr muss der Anwalt über einen guten Informationszugang zum Unternehmen verfügen, um die Hinweise des Whistleblowers prüfen zu können.26 Zudem wird die Auftraggeberin den Anwalt im Zusammenhang mit der Mandatserteilung über die Geschäftsabläufe und Spezifika des Unternehmens informieren, um 21  Buchert,

CCZ 2008, 148 (149). Benz / Heißner / John, in: Dölling, Handbuch der Korruptionsprävention, S. 73 Rn. 137; Lampert, in: Hauschka, Corporate Compliance, § 9 Rn. 32; Schimmelpfennig, CCZ 2008, 161 (162). 23  Buchert, CCZ 2008, 148 (149); Hild, AnwBl 2010, 641 (642). 24  Buchert, CCZ 2008, 148 (149); Schimmelpfennig, CCZ 2008, 161 (161). 25  Neben §§ 30, 130 OWiG folgt dies für die Aktiengesellschaft aus § 91 Abs. 2 AktG und § 317 Abs. 4 HGB. Hierzu Hauschka, NJW 2004, 257 (261). 26  Vgl. Pietroff, Whistle-Blowing-Systeme, S. 106. 22  Siehe

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

diesem eine Wissensbasis zu geben, sodass er die Anzeigen der Mitarbeiter verständig bearbeiten kann. Daher kommt ein Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis zwischen dem beauftragenden Unternehmen und dem Ombudsmann zustande. Wesentlich für den Schutz des Informanten ist aber, ob zwischen ihm und dem Rechtsanwalt ebenfalls ein Vertrauensverhältnis entsteht. Das könnte unter dem Gesichtspunkt zu bejahen sein, dass der Whistleblower den Kontakt zu dem Rechtsanwalt in dessen beruflicher Funktion herstellt. Zudem gibt er dem Rechtsanwalt sensible Informationen preis, die er Dritten gegenüber verschweigen würde. Er öffnet damit dem Anwalt seine Privatbzw. Geheimsphäre. Jedoch handelt es sich weder um eine Rechtsangelegenheit des Whistleblowers noch ist er Adressat der Rechtsberatung des Anwalts. Der Whistleblower ist typischerweise von den gemeldeten Missständen rechtlich nicht selbst betroffen, da es zumeist um das Fehlverhalten anderer gehen wird. Zwar mag das im Einzelfall anders sein, wie im genannten Beispielsfall. Ist der Whistleblower selbst von den Rechtsverstößen anderer Mitarbeiter betroffen, weil er veranlasst wurde, sie zu unterstützen oder es ihnen gleichzutun, stellt dies einen potentiellen Grund für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitgeber dar. Damit ist zugleich eine Rechtsangelegenheit gegeben, die den Whistleblower selbst betrifft. Allerdings kontaktiert er den Anwalt nicht, um ihn um Rat zu fragen, wie er sich verhalten soll. Vielmehr wendet sich der Informant an den Anwalt, weil er über diesen seinen Arbeitgeber informieren, selbst aber anonym bleiben will. Damit schafft er die tatsächliche Grundlage für die Rechtsberatung eines Dritten durch den Anwalt. Der Whistleblower tritt gewissermaßen als Bote des Arbeitgebers auf, indem er dem Anwalt Informationen übermittelt, die der Rechtsratsuchende andernfalls selbst liefern oder durch den Anwalt recherchieren lassen müsste. Adressat der Rechtsberatung des Anwalts ist allein das Unternehmen. Daher entsteht kein schutzwürdiges Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis zwischen dem Whistle­ blower und dem Rechtsanwalt. Dies fügt sich mit dessen teleologischen Grundlagen zusammen: Geschützt wird derjenige, der sich dem Anwalt anvertrauen muss, um dessen Hilfe zu erhalten. Er unterliegt dem Zwang zur Preisgabe vertraulicher Informationen, der seine Selbstschutzmöglichkeiten beschränkt. Der Whistleblower begibt sich „freiwillig“ der bezichtigenden Hinweise. Er befindet sich nicht in einer „do ut des“-Situation, da er seine Geheimsphäre nicht im Hinblick auf die Erlangung der Rechtsberatung durch den Anwalt öffnet. Der Whistleblower gibt etwas, ohne selbst etwas zu erhalten. Ein Zwang zur Informationspreisgabe in diesem Sinne ist in seiner Person daher nicht gegeben. Der Whistleblower ist deshalb nicht persönlich von den §§ 53, 97, 160a StPO geschützt. Ein anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Whistleblower dem



B. Whistleblowing205

Rechtsanwalt möglicherweise Umstände schildert, die belegen, dass er sich selbst strafbar gemacht hat. Das erhöht zwar die Schutzwürdigkeit seiner Interessen, jedoch wurde betont, dass es um isolierten Informationsschutz nicht geht. Allein die Sensibilität der kommunizierten Informationen vermag kein Vertrauensverhältnis zu begründen. Gleiches gilt für eine eventuelle Vertraulichkeitsabrede zwischen Rechtsanwalt und Hinweisgeber. Es wurde gezeigt, dass der Wille der Beteiligten lediglich eine der für die Begründung strafprozessualer Vertrauensverhältnisse maßgeblichen Voraussetzungen ist. So verhält es sich ebenfalls mit einer Abrede, die als Willenseinigung mindestens zweier Beteiligter lediglich die Kumulation zweier Willen darstellt. Folglich steht allein das beauftragende Unternehmen in einem Vertrauensverhältnis zu dem Anwalt, den es als Ombudsmann bestellt hat. Allein das Unternehmen ist daher zur Öffnung des Vertrauensverhältnisses durch Entbindung des Rechtsanwalts von der Schweigepflicht berechtigt. Im Ergebnis profitiert der Whistleblower lediglich infolge eines Rechtsreflexes vom Schutz des Anwalt-Mandant-Verhältnisses. Um einen Rechtsreflex handelt es sich deshalb, weil er nicht selbst persönlich von den das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis schützenden Normen geschützt, d. h. begünstigt, wird, aus deren Wirkungen faktisch aber einen Nutzen zieht. Denn die Kommunikation zwischen Whistleblower und Anwalt ist sachlichthematisch dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Anwalt und dem Unternehmen, das ihn als Ombudsmann beschäftigt, zuzuordnen.27 So dürfen die Strafverfolgungsbehörden etwa ein Telefonat zwischen Whistleblower und Anwalt oder deren Gespräch in den Kanzleiräumen nicht abhören, weil § 160a Abs. 1 S. 1 StPO bzw. § 100c Abs. 6 S. 1 StPO dies verbieten. Faktisch profitiert deshalb gleichfalls der Whistleblower, über den Schutz disponieren darf er aber nicht. Anders ist dies zu beurteilen in Fallkonstellationen, in denen ein Unternehmen eine Whistleblower-Hotline einrichtet und diese dem Whistleblower einen eigenen Anwalt vermittelt, der den Whistleblower berät und die Kommunikation mit dem Unternehmen führt.28 In dieser Situation entsteht in der Tat ein eigenständiges Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Whistleblower, der lediglich als Informationszuträger gegenüber dem Unternehmen auftritt, sodass es an einem Vertrauensverhältnis in deren Beziehung fehlt. Allerdings ist eine solche Gestaltung eines Whistleblowing-Systems eher atypisch und dürfte in der Praxis selten anzutreffen sein.

27  Zu

den Voraussetzungen hierfür siehe 2. Kapitel B. IV. 1. Gestaltungsmöglichkeit deutet Bürkle, DB 2004, 2158 (2160) an.

28  Diese

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

III. Ergebnis Ein Vertrauensverhältnis im Sinne der §§ 53, 97, 160a StPO besteht nur zwischen dem Unternehmen und dem als Ombudsmann beauftragten Rechtsanwalt. Der Whistleblower profitiert lediglich infolge eines Rechtsreflexes vom Schutz des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses.

C. Juristische Personen und ihre Organe Tritt eine juristische Person an einen Rechtsanwalt zwecks Rechtsberatung heran, wurde gezeigt, dass ein Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Anwalt zustande kommt. Im folgenden Abschnitt stehen Beispiele aus der Teilnahme juristischer Personen und ihrer Organe am Wirtschaftsverkehr im Zentrum, in denen das Entstehen von und die Beteiligung an Vertrauensverhältnissen insoweit diskussionswürdig ist, als auch die Organmitglieder in ein eigenständiges Vertrauensverhältnis zum Anwalt getreten sein könnten.

I. Insolvenz der juristischen Person Im Falle der Insolvenz der juristischen Personen stellen sich vor allem die Fragen, zu wem der beauftragte Rechtsanwalt in ein Vertrauensverhältnis getreten ist und inwieweit der Insolvenzverwalter berechtigt ist, den Anwalt von der Schweigepflicht zu entbinden. 1. Das Insolvenzverfahren Das Insolvenzverfahren dient dazu, die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger des Schuldners sicherzustellen, § 1 S. 1 InsO. Dieses Ziel kann durch Verwertung des Schuldnervermögens und anschließende Verteilung des Erlöses oder durch eine abweichende, in einem Insolvenzplan enthaltene Regelung der Beteiligten erreicht werden.29 Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, sein zur Insolvenz­ masse gehörendes Vermögen zu verwalten und über es zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über, § 80 Abs. 1 InsO. Im Folgenden wird vor allem problematisch sein, welche Konsequenzen § 80 Abs. 1 InsO für die Beteiligung am Vertrauensverhältnis und das Recht zur Schweigepflichtentbindung hat. 29  Braun / Kießner,

§ 1 Rn. 3 f.



C. Juristische Personen und ihre Organe207

Auch über das Vermögen juristischer Personen kann ein Insolvenzverfahren eröffnet werden, § 11 Abs. 1 S. 1 InsO. Hierfür ist ein schriftlicher Antrag erforderlich, der von jedem Mitglied des Vertretungsorgans gestellt werden kann, § 15 Abs. 1 S. 1 InsO. Dies gilt selbst dann, wenn die Organmitglieder nur zur Gesamtvertretung berechtigt sind.30 Der Grund hierfür liegt darin, dass jedes einzelne Organmitglied die Möglichkeit haben muss, seine Strafbarkeit nach § 15a Abs. 4, 5 InsO abzuwenden.31 Diese droht, falls der Insolvenzantrag bei Eintritt von Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit der juristischen Person nicht oder nicht rechtzeitig gestellt wird. Dabei stellt § 15 Abs. 4 InsO vorsätzliches und § 15 Abs. 5 InsO fahrlässiges Handeln unter Strafe. Für § 15 Abs. 4 InsO muss dem Täter zumindest bedingter Vorsatz nachgewiesen werden können. Konkret bedeutet dies, das Organmitglied muss die Gefahr erkannt haben, dass es seiner Handlungspflicht, dem Stellen eines Insolvenzantrages, nicht nachkommt, aber dennoch untätig geblieben sein.32 Fehlt es dem Täter an der Kenntnis der die Krise begründenden Umstände, befindet er sich in einem Tatumstandsirrtum nach § 16 Abs. 1 S. 1 StGB. Eine Strafbarkeit wegen Fahrlässigkeit ist nach § 16 Abs. 1 S. 2 StGB allerdings möglich. Darüber hinaus können sich Organmitglieder nach §§ 283 ff. StGB strafbar machen, die ebenfalls an Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit anknüpfen. 2. Welche Rechtsfragen stellen sich? In diesen und in anderen Fällen von Wirtschaftskriminalität haben die Strafverfolgungsbehörden mit besonderen Aufklärungsschwierigkeiten zu kämpfen,33 insbesondere hinsichtlich des subjektiven Tatbestands der Delikte. Deshalb kann es für die Ermittler sehr interessant sein, Berater des Unternehmens zu vernehmen, vor allem Rechtsanwälte und Steuerberater, um einen besseren Einblick in die zum Teil komplexen Betriebsabläufe zu erhalten. Zudem stehen diese Berufsgruppen sehr häufig direkt mit der Geschäftsleitung in Kontakt, sodass sie Wahrnehmungen über die individuellen Kenntnisse der Organmitglieder gemacht haben können. Zur Illustration denke man an den Geschäftsführer einer GmbH. Dieser mandatiert einen Rechtsanwalt zur Rechtsberatung der GmbH bei den Verhandlungen und beim Abschluss eines Vertrages über ein kompliziertes Warentermingeschäft der GmbH mit einem Finanzdienstleister. Zugleich 30  Braun / Kießner,

§ 15 Rn. 6. § 15 Rn. 1. 32  MüKo / StGB / Kiethe / Hohmann, § 15a InsO Rn. 65. 33  Hierzu Dannecker, in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschaftsstrafrechts, 1. Kapitel C. IV. 3. Rn. 22 f. 31  Uhlenbruck / Hirte,

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

berät der Anwalt, der Fachanwalt für Steuerrecht ist, den Geschäftsführer schon seit Jahren in dessen persönlichen Steuerangelegenheiten. Der Rechtsanwalt bemerkt bei der Bearbeitung seines Auftrages, dass das Geschäft mit gewaltigen wirtschaftlichen Risiken für die GmbH verbunden ist. Hierauf weist er den Geschäftsführer hin und dass dieser sich möglicherweise wegen Untreue nach § 266 StGB strafbar mache. Der Geschäftsführer antwortet, das Risiko kenne er genau, aber es werde schon alles gut gehen. Deshalb stehe er der Gefahr einer Strafbarkeit nach § 266 StGB gelassen gegenüber, da die Staatsanwaltschaft ohnehin nichts von dem Vorgang erfahren werde. Indes entwickelt sich das Geschäft nicht wie erhofft und beschert der GmbH einen hohen finanziellen Verlust. Weil sich die Absätze der GmbH in einem sich zunehmend eintrübenden weltwirtschaftlichen Klima ebenfalls stark verringern, muss die GmbH ein halbes Jahr später Insolvenz anmelden. Der Insolvenzverwalter übernimmt die Geschäftsführung und wird auf das missglückte Warentermingeschäft aufmerksam. Er informiert die Staatsanwaltschaft, da er von der Begehung einer Straftat ausgeht. Im Zuge ihrer Ermittlungen gegen den Geschäftsführer als Beschuldigten will die Staatsanwaltschaft auch den Anwalt über seine Wahrnehmungen im Zusammenhang mit der Beratung der GmbH hören. Dieser beruft sich auf sein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO, woraufhin der Insolvenzverwalter die Entbindung von der Schweigepflicht ausspricht. Der Geschäftsführer vertritt hingegen die Auffassung, auch seine Entbindungserklärung sei erforderlich. Alternativ überlegt die Staatsanwaltschaft deshalb, ob sie die Akten der GmbH über das Warentermingeschäft in deren Geschäftsräumen und die Handakte des Rechtsanwalts über die Beratung der GmbH in dessen Kanzleiräumen beschlagnahmen kann. Diese Fallkonstellation war bislang Gegenstand etlicher Gerichtsentscheidungen34 und kann als typisch bezeichnet werden, wenn die Staatsanwaltschaft im Zusammenhang mit dem Zusammenbruch eines Unternehmens gegen dessen Geschäftsleitung ermittelt. a) Entbindungsberechtigung, § 53 Abs. 2 StPO Einige Stimmen halten die bisherigen Organe der GmbH für allein entbindungsberechtigt, während andere ausschließlich den Insolvenzverwalter als 34  Siehe etwa OLG Celle wistra 1986, 83 (83 f.); OLG Düsseldorf wistra 1993, 120 (120); OLG Koblenz NStZ 1985, 426 (426 ff.); OLG Nürnberg NJW 2010, 690 (690 ff.); OLG Schleswig NJW 1981, 294 (294); LG Bonn NStZ 2012, 712 (712 f.). Da manche der Entscheidungen das Zeugnisverweigerungsrecht von Steuerberatern und Wirtschaftsprüfern behandeln, werden im Folgenden nur verallgemeinerungsfähige Aussagen dargestellt.



C. Juristische Personen und ihre Organe209

verfügungsbefugt ansehen. Wieder andere Vertreter finden eine differenzierende Linie, wonach der Insolvenzverwalter gemeinsam mit den (bisherigen) Vertretungsorganen den Schutz des Vertrauensverhältnisses aufheben darf. Diese Streitfrage wird ebenfalls im Zivilprozessrecht diskutiert. Da viele der Stimmen zu § 53 StPO sich von dem zivilprozessualen Streitstand inspirieren lassen, soll zuvor ein kurzer Exkurs zu §§ 383 Abs. 1 Nr. 6, 385 Abs. 2 ZPO eingeschoben werden. aa) Exkurs: Das Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 383 Abs. 1 Nr. 6  ZPO Nach § 383 Abs. 1 Nr. 6 StPO steht Rechtsanwälten ein zivilprozessuales Zeugnisverweigerungsrecht in Betreff auf Tatsachen zu, auf welche die Verpflichtung zur Verschwiegenheit sich bezieht. Nach § 385 Abs. 2 ZPO dürfen sie das Zeugnis nicht verweigern, wenn sie von der Verpflichtung zur Verschwiegenheit entbunden sind. Die im Zivilprozessrecht herrschende Meinung unterscheidet für die Entbindungsbefugnis zwischen vermögensrechtlichen und höchstpersönlichen Interessen. Dem Insolvenzverwalter steht die alleinige Verfügungsbefugnis zu, sofern sich die Schweigepflicht auf die vermögensrechtliche Sphäre der Gemeinschuldnerin bezieht, der Zeuge mithin über Tatsachen vernommen werden soll, die für die Insolvenz­ masse von Bedeutung sind und die die Ausübung der Befugnisse des In­ solvenzverwalters nach § 80 Abs. 1 InsO beeinflussen können.35 Liegen dagegen im Falle höchstpersönlicher Angelegenheiten selbstständige schutzwürdige Interessen der Organmitglieder an der Verschwiegenheit des Berufs­geheimnisträgers vor, wird eine zusätzliche Entbindungsbefugnis der Organmitglieder anerkannt.36 Dies ist mit den Worten des BGH ausnahmsweise der Fall, „wenn zwischen dem Anwalt und den Organmitgliedern eine besondere Vertrauensbeziehung bestanden hat, die individuell begründet worden ist, etwa dadurch, dass das betreffende Mitglied den Anwalt ausdrücklich um eine persönliche Beratung gebeten hat“.37 Im Regelfall stellten die Beziehungen der Organmitglieder zu dem Rechtsanwalt hingegen einen bloßen Reflex des Mandatsverhältnisses des Anwalts zur juristischen Person dar38 und die Treuepflicht des Anwalts gegenüber der juristischen Person als seiner Mandantin müsste daher vorgehen.39 35  BGHZ 109, 260 (271); MüKo / ZPO / Damrau, § 385 Rn. 8 f.; Musielak / Huber, § 385 Rn. 7. 36  BGHZ 109, 260 (271). In diesem Sinne auch OLG Nürnberg OLGZ 1977, 370 (374); Nassall, KTS 1988, 633 (649). 37  BGHZ 109, 260 (272). 38  BGHZ 109, 260 (271). 39  BGHZ 109, 260 (271).

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

bb) Alleinige Entbindungsberechtigung der Vertretungsorgane bzw. der Organmitglieder Im Strafprozessrecht dagegen findet sich teilweise die Auffassung, den (bisherigen) Vertretungsorganen der juristischen Person bzw. den Organmitgliedern persönlich müsse die alleinige Entbindungsberechtigung zustehen.40 Unklar bleibt mitunter, ob ihre Vertreter damit die Entbindungsberechtigung den (bisherigen) Organen oder den einzelnen Organmitgliedern als natür­ liche Personen zuordnen. Ihre Ansicht stützen sie zum Teil auf insolvenzspezifische, im Übrigen auf die allgemeinen Argumente. (1) Insolvenzspezifische Argumente Teilweise wird mit der Reichweite der Organnachfolge des Insolvenzverwalters argumentiert. Die Ausübung des Rechts zur Entbindung des Anwalts von der Schweigepflicht nach § 53 Abs. 2 StPO gehöre nicht zu den Befugnissen des Insolvenzverwalters nach § 80 Abs. 1 InsO.41 Für diese Folgerung werden im Wesentlichen zwei Argumente angeführt. Erstens übe der Insolvenzverwalter die Vermögensverwaltung nur über solche Teile des Vermögens aus, die zur Insolvenzmasse gehören. Das sei nur für Vermögensrechte der juristischen Person der Fall, nicht aber für das Recht zur Schweigepflichtentbindung, das kein Vermögensrecht darstelle.42 Zudem diene die Durchführung eines Strafverfahrens gegen die Organmitglieder nicht der Durchsetzung von Ansprüchen und sei damit nicht Teil der Vermögensverwaltung. Daher bleibe es bei der Zuständigkeit des bisherigen Vertretungsorgans.43 Hiergegen wird mit der herrschenden Meinung im Zivilrecht eingewendet, wenn der Insolvenzverwalter die ihm kraft Gesetzes erteilten Aufgaben erfüllen können solle, müssten ihm unter Ausschluss des Gemeinschuldners auch diejenigen Befugnisse beigelegt werden, ohne die diese Aufgaben nicht gelöst werden könnten.44 Der Konflikt zwischen dem Geheimhaltungsinteresse des Gemeinschuldners und dem Interesse des Konkursverwalters, die zur op40  LG Düsseldorf NJW 1958, 1152 (1152); LG Kaiserslautern AnwBl 1979, 119 (119); Herrmann, NStZ 1985, 565 (565); Münchhalffen, StV 1993, 347 (348); Schmitt, wistra 1993, 9 (11); Weihrauch, JZ 1978, 300 (302); differenzierend HuberLotterschmid, Verschwiegenheitspflichten, S.  96 f. 41  LG Düsseldorf NJW 1958, 1152 (1152); LG Kaiserslautern AnwBl 1979, 119 (119). 42  LG Düsseldorf NJW 1958, 1152 (1152). 43  LG Kaiserslautern AnwBl 1979, 119 (119). 44  RGZ 59, 84 (85, 86); BGHZ 109, 260 (270); Nassall, KTS 1988, 633, (642 ff.).



C. Juristische Personen und ihre Organe211

timalen Verwertung der Masse erforderlichen Informationen zu erhalten, ist zu Lasten des Gemeinschuldners zu entscheiden.45 Dies ergibt sich auch aus dem Grundgedanken des § 97 Abs. 1 InsO, wonach der Gemeinschuldner verpflichtet ist, dem Verwalter über alle das Verfahren betreffenden Verhältnisse Auskunft zu geben.46 Die Vermögensrelevanz der Entbindung des Rechtsanwalts von der Schweigepflicht liegt darin, dass sich in Strafverfahren gegen die Organmitglieder oft deren pflichtwidriges oder sogar strafbares Verhalten zeigt. Dies zieht Regress- oder Entschädigungsansprüche der Gesellschaft bzw. Insolvenzmasse nach sich, insbesondere Schadensersatzpflichten des Geschäftsführers bzw. des Vorstands aus §§ 43, 64 GmbHG, §§ 92, 93 AktG, §§ 823 ff. BGB, die über § 92 InsO zu einer Anreicherung der Insolvenzmasse führen. Diese Ansprüche weisen einen unmittelbaren Bezug zur Insolvenzmasse auf und gehören daher zum Aufgabenbereich des Insolvenzverwalters.47 Daraus folgt, dass dem Gemeinschuldner nicht die Befugnis verbleiben kann, Dritte von der Verschwiegenheitspflicht wegen ihnen anvertrauter Geheimnisse zu entbinden.48 Zweitens wird für eine (zumindest teilweise) Entbindungsberechtigung der Organmitglieder vorgebracht, es handele sich bei dem Recht zur Schweigepflichtentbindung um ein höchstpersönliches Recht der Organmitglieder, nicht um ein Recht der insolventen juristischen Person, das deshalb nicht nach § 80 Abs. 1 InsO vom Insolvenzverwalter ausgeübt werden könne.49 Dem liegt die Annahme zugrunde, dass den Organmitgliedern nach den allgemeinen Regeln die Entbindungsberechtigung (zumindest gemeinsam mit der juristischen Person) zusteht. (2) Allgemeine Argumente Zur Begründung dafür, dass es sich bei der Entbindungsberechtigung um ein höchstpersönliches Recht der Mitglieder der Vertretungsorgane handele, wird Rekurs auf die allgemeinen Argumente genommen. So wird angeführt, ein Vertrauensverhältnis bedinge ein personales Element, könne daher nur zwischen natürlichen Personen bestehen.50 Andere stellen auf die Informationsbetroffenheit mit dem Ergebnis ab, dass die Entbindungsbefugnis den Organmitgliedern zusteht, wenn dem Anwalt sie selbst betreffende Informa45  Nassall,

KTS 1988, 633 (642). 109, 260 (270). 47  Kiethe, NZI 2006, 267 (270). 48  In diesem Sinne OLG Oldenburg NJW 2004, 2176 (2176); LG Hamburg NStZ-RR 2002, 12 (12); Weyand, wistra 1995, 240 (241). 49  LG Düsseldorf NJW 1958, 1152 (1152). 50  Münchhalffen, StV 1993, 347 (348). 46  BGHZ

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

tionen – etwa über strafbares Verhalten – übermittelt wurden.51 Wieder andere halten das Kommunikationsverhältnis für entscheidend, das zwischen den Organmitgliedern und dem Anwalt entstanden sei.52 Zum Teil wird den Organmitgliedern die Entbindungsberechtigung mit dem Argument zugesprochen, diese müssten im Strafverfahren die Möglichkeit haben, sich durch eine Aussage des Rechtsanwalts zu entlasten.53 Umgekehrt begründen andere Stimmen im Schrifttum die höchstpersönliche Natur des Entbindungsrechts damit, dass es einen Missbrauch darstelle, wenn der Berufsgeheimnisträger zur Überführung der Organmitglieder benutzt werde.54 cc) Gemeinsame Entbindungsberechtigung von bisherigem Organ und Insolvenzverwalter Diese Gedanken greifen zahlreiche Stimmen in der Rechtsprechung auf, die eine gemeinsame Entbindungsberechtigung von Insolvenzverwalter und Organmitgliedern annehmen. Auch sie argumentieren, dass durch die Beratung der juristischen Person eine höchstpersönliche Beziehung bzw. ein höchstpersönliches Vertrauensverhältnis zwischen den Organmitgliedern und dem Berater entstehe, sodass diese ein eigenes, nicht übergangsfähiges Recht auf Schweigepflichtentbindung erwerben.55 Darum verlören die Organe dieses Recht nicht mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens nach § 80 Abs. 1 InsO, da es nicht im Zusammenhang mit dem Gesellschaftsvermögen stehe und höchstpersönliche Rechte dem Geschäftsführer der Gemeinschuldnerin ungeschmälert verbleiben müssten.56 Die Verfügungsbefugnis darüber, ob ein Geheimnisbereich durchbrochen werden dürfe, verbleibe beim Gemeinschuldner, soweit sie Tatsachen betreffe, aus der sich für ihn eine Strafbarkeit ergeben könnte.57 Darüber hinaus lasse sich das in Ausübung des Mandats erlangte Wissen des Anwalts nicht in Tatsachen aufteilen, die ausschließlich für die Konkursmasse von Bedeutung sind, und solche, die 51  Herrmann,

NStZ 1985, 656 (656). Berlin wistra 1993, 278 (279); Schmitt, wistra 1993, 9 (11). 53  LG Berlin wistra 1993, 278 (279); Huber-Lotterschmid, Verschwiegenheitspflichten, S. 97. 54  Münchhalffen, StV 1993, 346 (348). 55  OLG Celle wistra 1986, 83 (83); OLG Düsseldorf wistra 1993, 120 (120); OLG Frankfurt AG 1988, 342 (347); OLG Koblenz NStZ 1985, 426 (427); AG  1988, 342 (344); OLG Schleswig NJW 1981, 294 (294); LG Hamburg wistra 2005, 394 (395); LG Saarbrücken wistra 1995, 239 (239); AG Berlin-Tiergarten wistra 2004, 319 (319); AG Bonn NJW 2010, 1390 (1390), wenngleich für den Fall des Personenwechsels. 56  LG Saarbrücken wistra 1995, 239 (239). 57  OLG Koblenz NStZ 1985, 426 (428). 52  LG



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der persönlichen Sphäre der natürlichen Personen zuzurechnen wären.58 Offen bleibt allerdings zumeist, weshalb nach dieser Argumentation ebenfalls eine Entbindung des Insolvenzverwalters in Vertretung der juristischen Person erforderlich sein soll. Ferner finden sich Autoren im Schrifttum, die verschiedenen der dargestellten Meinungsströmungen angehören59 und vertreten, dass den Organmitgliedern gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter die Entbindungsberechtigung zusteht.60 Auch sie bejahen eine eigene Verfügungsberechtigung der Organmitglieder, ohne eine kumulative Entbindungsberechtigung überzeugend herleiten zu können. Gerade Literaturstimmen, die dem Ansatz eines Vertrauensverhältnisses mit personalem Element nahe stehen, begründen eine Mit-Entbindungsberechtigung der juristischen Person, vertreten durch den Insolvenzverwalter, mit der Qualität der vertraulichen Informationen der juristischen Person,61 die deren Vermögensinteressen berührten.62 In sich stimmig ist das nicht, denn diese Autoren sehen den Normzweck des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO im Schutz eines Vertrauensverhältnisses, das ausschließlich zwischen natürlichen Personen bestehen könne, während es auf die Art der dem Rechtsanwalt bekannt gewordenen Umstände nicht ankomme. Demgegenüber finden Vertreter im Schrifttum, die die Entbindungsberechtigung entsprechend der Informationsbetroffenheit bestimmen, eine differenzierende Linie: Soweit wirtschaftliche Geheimnisse in Rede stehen, liege die alleinige Entbindungsbefugnis beim Insolvenzverwalter. Soll der Rechtsanwalt dagegen in einem Strafverfahren aussagen, das sich gegen ein aktuelles oder ehemaliges Organmitglied richtet, gehe es um Eigengeheimnisse dieser Personen, sodass der Insolvenzverwalter nur gemeinsam mit diesen verfügen dürfe.63 Dem ist zugute zu halten, dass dies eine konsequente Anwendung dieses Ansatzes darstellt, die grundsätzliche Kritik an dieser Auffassung bleibt aber bestehen.64

58  OLG Koblenz NStZ 1985, 426 (428); LG Saarbrücken wistra 1995, 239 (240). 59  Siehe unter 2. Kapitel A. III. 1. c). 60  Franzen / Gast / Joecks, §  399 AO Rn.  40; KK / StPO / Senge, § 53 Rn. 47; KMR / Neubeck, § 53 Rn. 37; LR24 / Dahs, § 53 Rn. 71; Meyer-Goßner, § 53 Rn. 46; Dahs, FS-Kleinknecht, S. 63 (74); Dierlamm, FS-DAV, S. 428 (444); Krause, FSDahs, S. 349 (377); Littbarski, AG 1988, 348 (348). 61  Dierlamm, FS-DAV, S. 428 (445); Krause, FS-Dahs, S. 349 (375). 62  Dahs, FS-Kleinknecht, S. 63 (75). 63  SK / StPO / Rogall, § 53 Rn. 200. 64  Siehe unter 2. Kapitel B. IV. 1. a) aa).

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

dd) Alleinige Entbindungsberechtigung des Insolvenzverwalters Weiterhin gibt es Stimmen, die dem Insolvenzverwalter die alleinige Verfügungsbefugnis zusprechen.65 Ihre Meinung begründen sie damit, dass das Vertrauensverhältnis allein zwischen der juristischen Person und dem Anwalt entstanden sei. Überwiegend halten sie die zivilrechtliche Vertragsbeziehung für entscheidend für die Entstehung eines strafprozessrechtlich schützenswerten Vertrauensverhältnisses. Mitunter gestehen sie den Organmitgliedern deshalb keine Entbindungsberechtigung zu, weil das Mandatsverhältnis die persönlichen Verhältnisse der Organmitglieder nicht zum Gegenstand gehabt habe und überdies die Begehung von Straftaten kein schützenswertes Geheimhaltungsinteresse begründen könne.66 Der Rechtsanwalt würde in diesem Fall gezwungen, zum Komplizen der unredlichen Geschäftsleitung zu werden.67 Ferner gebiete der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung eine Gleichbehandlung mit dem Zivilprozessrecht, in dem der Insolvenzverwalter allein entbindungsbefugt über Tatsachen ist, die sich auf die Insolvenzmasse auswirken können.68 Manche bringen insolvenzrechtliche Argumente für eine Alleinentbindungsberechtigung des Insolvenz­ verwalters vor: Da es sich gerade nicht um ein höchstpersönliches Recht der Organmitglieder handele, könne dessen Ausübung gemäß § 80 Abs. 1 InsO auch nicht in der Zuständigkeit der Organmitglieder verbleiben.69 ee) Stellungnahme Die Schwierigkeit des Streits über die Entbindungsbefugnis des Insolvenz­ verwalters liegt zunächst darin, präzise zwischen den verschiedenen Rechtsverhältnissen zu unterscheiden. Im Insolvenzverfahren bleibt die Organstruktur der Gesellschaft erhalten, die Gesellschaftsorgane bleiben im Amt. Eine AG zum Beispiel verfügt also nach wie vor über Vorstand, Aufsichts65  OLG Oldenburg NJW 2004, 2176 (2176); LG Bonn NStZ 2012, 712 (713); LG Hamburg NStZ-RR 2002, 12 (12); LG Lübeck NJW 1978, 1014 (1014); KK / StPO / Greven, § 97 Rn. 6; LR  /  Schäfer, §  97 Rn.  52; SK / StPO / Wohlers, § 97 Rn. 30; Gürtler, in: Wabnitz / Janovsky, Handbuch des Wirtschaftsstrafrechts, 23. Kapitel I. 2. b) Rn. 53 f.; Kiethe, NZI 2006, 267 (270); Nassall, KTS 1988, 633 (645); Schäfer, wistra 1985, 209 (211); Tully / Kirch-Heim, NStZ 2012, 657 (659, 660); Wacker, DStR 2013, 64 (64); Weyand, wistra 1995, 240 (240). 66  OLG Nürnberg NJW 2010, 690 (691); LG Lübeck NJW 1978, 1014 (1015); Schäfer, wistra 1985, 210 (211). 67  Passarge, BB 2010, 591 (592). 68  LG Hamburg NStZ-RR 2002, 12 (12); LG Lübeck NJW 1978, 1014 (1015); Kiethe, NZI 2006, 267 (270). Zum Zivilprozessrecht: OLG Nürnberg OLGZ 1977, 370 (370 ff.); MüKo / InsO / Ganter / Hohmann, § 5 Rn. 28. 69  LG Lübeck NJW 1978, 1014 (1014).



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rat und Hauptversammlung.70 Die Fortdauer der Organstruktur ist notwendig, weil die Gesellschaft als Insolvenzschuldnerin sonst weder handlungsfähig noch in der Lage wäre, einen Gesellschaftswillen durch Beschluss­ fassung zu bilden; auch decken die gesetzlichen Befugnisse des Insolvenzverwalters (§§ 80 Abs. 1, 148, 159 InsO) den gesellschaftsrechtlichen Handlungsbedarf nicht vollständig ab.71 Zu differenzieren ist daher zwischen den Organmitgliedern als natürliche Personen und der Ausübung ihrer Organfunktion für die juristische Person. Mit anderen Worten sind die Rechtskreise der natürlichen Personen als solche und die Sphäre der juristischen Person zu unterscheiden. Bezogen auf die Bestimmung der Entbindungsberechtigung bedeutet dies, dass die Verfügungsbefugnis den Organmitgliedern als natürliche Personen oder in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer, Vorstände, usw. zustehen könnte. Im letzteren Fall stellte sich die Anschlussfrage, ob die Entbindungsberechtigung für das Organ als Kollegialgremium oder für jedes einzelne seiner Mitglieder als organschaftliches Recht unabhängig von den anderen besteht. Falls die Entbindungsberechtigung der juristischen Person zuzuordnen wäre, stellte sich zudem die Frage, welches seiner Organe zu deren Ausübung berechtigt wäre, wenn eine juristische Person – wie die AG stets – mehr als nur ein Organ besitzt. In der Insolvenz wird diese Frage nochmals komplizierter. Denn die Kompetenzen des Insolvenzverwalters überlagern die Zuständigkeitsbereiche der Gesellschaftsorgane nur teilweise. Drei Bereiche sind zu unterscheiden: Zunächst gibt es einen Verdrängungsbereich mit Alleinzuständigkeit des Insolvenzverwalters. Daneben existiert ein Insolvenzschuldnerbereich mit Alleinzuständigkeit der Gesellschaftsorgane, im Falle der AG insbesondere des Vorstands. Schließlich gibt es einen Überschneidungsbereich, in dem die Gesellschaftsorgane gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter zuständig sind.72 Nach der hier vertretenen Lösung kommt ein schützenswertes Vertrauensverhältnis allein zwischen der juristischen Person und dem Rechtsanwalt zustande, denn nur sie nimmt die Hilfe des Anwalts in ihren Rechtsangelegenheiten für sich in Anspruch. In einer „do ut des“-Situation im Sinne faktischen Zwanges zur Informationspreisgabe befindet sich allein die juristische Person, in der Person der Organmitglieder fehlt diese funktionale Verknüpfung von Informationsoffenbarung und Rechtsrat. Anders ist es, wenn die Organmitglieder den Rechtsrat des Anwalts zugleich persönlich, 70  KG AG 2005, 736 (736 f.); OLG München AG 1995, 232 (232); LG Dresden ZIP 1995, 1596 (1597); MüKo / AktG / Hüffer, § 264 Rn. 41; Uhlenbruck / Uhlenbruck, § 80 Rn. 184. 71  MüKo / AktG / Hüffer, § 264 Rn. 41. 72  MüKo / AktG / Hüffer, § 264 Rn. 41.

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

d. h. als natürliche Personen, nicht in ihrer Organfunktion, in Anspruch nehmen, doch dürfte das eine seltene Ausnahme sein.73 Ein eigenes Rechtsverhältnis zwischen den Organmitgliedern als natürliche Personen und dem Rechtsanwalt entsteht daher im absoluten Regelfall nicht. Die Entbindungsberechtigung steht deshalb jedenfalls nicht den Organmitgliedern als natürlichen Personen zu. Denkbar ist allerdings, dass die Verfügungsbefugnis als Organrecht den einzelnen Organmitgliedern zusteht. Organrechte sind Rechte, die den Organmitgliedern nicht kraft des schuldrechtlichen Anstellungsvertrages zwischen ihnen und der juristischen Person, sondern kraft der Übernahme der Organstellung zustehen.74 Ein Beispiel hierfür ist das Recht der Aufsichtsratsmitglieder auf Berichterstattung, § 90 Abs. 3 AktG, und deren Recht auf Teilnahme an den Sitzungen des Aufsichtsrates, § 108 Abs. 1, 3 AktG.75 Gegen die Annahme eines solchen Organrechts spricht jedoch, dass das Recht zur Schweigepflichtentbindung nicht im Gesellschaftsrecht, sondern in der StPO wurzelt und daher schwerlich als an die Organstellung anknüpfend bzw. der Organstellung inhärent betrachtet werden kann. Im Ergebnis ist allein die juristische Person zur Entbindung des Anwalts von der Schweigepflicht berechtigt. Folglich ist die wesentliche Frage, wer den Anwalt für die juristische Person von der Schweigepflicht entbinden muss. Entscheidend ist nun, die Organzuständigkeit zu klären und welche Änderungen sich aufgrund der Insolvenz ergeben. Dabei ist voranzustellen, dass vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens die amtierenden Vertretungsorgane zur Abgabe der Entbindungserklärung berufen sind.76 Für die GmbH ist das nach § 35 Abs. 1 GmbHG der Geschäftsführer und für die AG nach § 78 Abs. 1 AktG der Vorstand. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens bleibt die Zuständigkeit der Organe nur im insolvenzfreien Bereich unberührt.77 Hierzu zählen die Verwaltung des insolvenzfreien Vermögens und die Vornahme insolvenzneutraler gesellschaftlicher Maßnahmen.78 Soweit es dagegen um die Verwaltung und Verwertung der Insolvenzmasse geht, ist der Insolvenzverwalter allein zuständig, es existiert in diesem Rahmen keine Zuständigkeit der Gesellschaftsorgane und damit auch keine Zuständigkeit des Geschäftsführers bzw. des Vorstands.79 auch Nassall, NJW 1990, 496 (496). MüKo / AktG / Habersack, Vor § 95 Rn. 4. 75  MüKo / AktG / Habersack, Vor § 95 Rn. 5. 76  Dazu siehe 2. Kapitel B. IV. 4. b). 77  MüKo / AktG / Hüffer, § 264 Rn. 65. 78  MüKo / AktG / Hüffer, § 264 Rn. 68 ff. 79  MüKo / AktG / Hüffer, § 264 Rn. 42, 45; Kiethe, NZI 2006, 267 (271). 73  So

74  Hierzu



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Nach §§ 35, 36 InsO fallen in den Insolvenzbeschlag insbesondere auch Schadensersatzansprüche gegen Geschäftsführer bzw. Vorstände. Betrifft die Verschwiegenheitspflicht des Berufsgeheimnisträgers also Bereiche, in denen Tatsachen eine Rolle spielen, die zu Schadensersatz- bzw. Regressansprüchen der Gesellschaft führen können, ist der insolvenzfreie- bzw. insolvenzneutrale Bereich verlassen und der Verdrängungsbereich mit Alleinzuständigkeit des Insolvenzverwalters betroffen.80 Tangiert eine Angelegenheit hingegen keine insolvenzrechtlichen Interessen und kann sie bei vernünftiger Betrachtung auch keine nachteiligen Auswirkungen auf die Insolvenzmasse haben, ist die fortdauernde Zuständigkeit der Vertretungsorgane der juristischen Person anzunehmen. Sind negative Auswirkungen nicht auszuschließen, fällt die Angelegenheit in den Überschneidungsbereich, sodass ein Zusammenwirken von Organ und Insolvenzverwalter nötig ist.81 Eine detaillierte Darstellung der Haftungsvoraussetzungen für Organmitglieder nach §§ 43, 64 GmbHG, §§ 92, 93 AktG, §§ 823 ff. BGB ginge am Schwerpunkt dieser Arbeit vorbei. Ist der Fall aber wie im genannten Beispiel gelagert und kommt eine Strafbarkeit eines Geschäftsführers oder Vorstandsmitglieds nach § 266 StGB zum Nachteil der juristischen Person in Betracht, liegt ein Regressanspruch der juristischen Person nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 266 StGB gegen das betreffende Organmitglied und damit die Relevanz für die Insolvenzmasse auf der Hand. Allein der Insolvenzverwalter hat daher die Entbindung des Rechtsanwalts von der Schweigepflicht auszusprechen.82 Freilich sind Fälle denkbar, in denen keine insolvenzrechtlichen Interessen berührt und keinerlei negative Auswirkungen auf die Insolvenzmasse zu befürchten sind. Dann bestehen keine Bedenken, den Gesellschaftsorganen die alleinige Ausübung der Entbindungsberechtigung zu überlassen. Anders ist die Rechtslage zu beurteilen, wenn ein „echtes Doppelmandat“ vorliegt, d. h. sowohl eine Beratung der juristischen Person als auch eines oder mehrerer Organmitglieder als natürliche Personen gewollt ist und darum beide in ein Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis zum Rechtsanwalt getreten sind. Aufgrund drohender Verstöße gegen § 356 StGB sowie § 43a Abs. 4 BRAO dürfte das in der Praxis nur sehr selten vorkommen. Maßgeblich für die Dispositionsbefugnis ist in diesem Fall, welchem der Vertrauensverhältnisse die Kommunikation mit dem Anwalt zuzuordnen ist. Kommuniziert das Organmitglied in Wahrnehmung seiner Organverantwortung für die juristische Person oder kommuniziert es als natür­ 80  Kiethe,

NZI 2006, 267 (271). § 264 Rn. 69, 80. 82  So auch MüKo / AktG / Hüffer, §  264 Rn.  71; SK / StPO / Wohlers, § 97 Rn. 30. Im Ergebnis ebenso Gülzow, NJW 1981, 265 (268). 81  MüKo / AktG / Hüffer,

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

liche Person?83 Vertritt ein Rechtsanwalt eine GmbH in deren Rechtsangelegenheiten und zugleich den Geschäftsführer der juristischen Person bei seiner Scheidung von dessen Ehefrau, dürfte es nicht schwer fallen, die Kommunikation je nachdem, um welchen Mandatsauftrag es geht, einem der beiden Vertrauensverhältnisse zuzuordnen. Schwerer ist das, wenn bei drohender Insolvenz der GmbH sowohl diese als auch der Geschäftsführer in ihren jeweils insolvenzbezogenen eigenen Rechtsangelegenheiten beraten werden sollen. Als Beispiel sei die Hilfe der Gesellschaft zur Lösung ihrer Finanzprobleme und eine Beratung des Geschäftsführers über eine Vermeidung einer Strafbarkeit nach § 15a Abs. 4, 5 InsO genannt. Diese praktischen Schwierigkeiten ändern aber nichts am Grundsatz, dass der Rechtsratsuchende als Hauptträger des Vertrauensverhältnisses über die in dessen Rahmen kommunizierten Informationen allein verfügen darf, ganz gleich, ob ein Dritter oder ein Drittvertrauensverhältnis in welcher Weise auch immer „betroffen“ ist. Kann eine Informationsübermittlung deshalb beiden Vertrauensverhältnissen zugeordnet werden, genügt die Entbindungserklärung eines der Beteiligten.84 Im genannten Beispielfall berät der Anwalt sowohl die GmbH als auch deren Geschäftsführer, allerdings in unterschiedlichen Rechtsangelegenheiten. Die GmbH lässt sich über eine Vertragsgestaltung beraten, der Geschäftsführer nimmt den anwaltlichen Rat in privaten Steuerangelegenheiten in Anspruch. Folglich entstehen zwei eigenständige Vertrauensverhältnisse. Sprechen der Anwalt und der Geschäftsführer über wirtschaftliche Risiken, die mit dem Warentermingeschäft einhergehen, ist dieser Kommunikationssachverhalt aufgrund seines Sachbezugs dem Vertrauensverhältnis zu der juristischen Person zuzuordnen. Eine Zuordnung zugleich zum Vertrauensverhältnis zwischen Geschäftsführer und Anwalt scheidet aus, weil kein Zusammenhang mit der Beratung in dessen Steuerangelegenheiten erkennbar ist. Einzig entbindungsberechtigt nach § 53 Abs. 2 StPO ist deshalb die juristische Person, aufgrund möglicher Pflichtverletzungen des Geschäftsführers sowie der Relevanz für die Insolvenzmasse, nunmehr vertreten durch den Insolvenzverwalter. Angemerkt sei, dass jedenfalls die Beratung des Geschäftsführers bei dessen Scheidung nicht gegen § 43a Abs. 4 BRAO oder § 356 StGB verstößt, da eine Vertretung in verschiedenen Sachverhalten inmitten steht.

Gedanke von Weihrauch, JZ 1978, 300 (302). KK / StPO / Greven, § 97 Rn. 6, wonach die Entbindung durch die juristische Person jedenfalls dann stets genüge, wenn es um Straftaten der (früheren) Verantwortlichen zum Nachteil oder im Interesse des Unternehmens (u. a. Steuerdelikte) oder um Insolvenzdelikte geht. Genauso wie hier Schäfer, wistra 1985, 210 (212). Für eine kumulative Entbindungsberechtigung in diesem Fall eines Doppelmandats Tully / Kirch-Heim, NStZ 2012, 657 (663). 83  Dieser

84  Ebenso



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b) Beschlagnahmeverbot, § 97 StPO Sollte die Staatsanwaltschaft im Beispielfall eine Beschlagnahme der Akten der GmbH über das Warentermingeschäft in deren Geschäftsräumen und der Handakte des Rechtsanwalts über die Beratung der GmbH erwägen, hindert § 97 StPO sie nicht. Ein Vertrauensverhältnis entsteht allein zwischen der juristischen Person und dem Rechtsanwalt, Beschuldigter ist aber das Organmitglied. Entsprechend besteht nach der Auslegung des § 97 Abs. 1 Nrn. 1–3 StPO durch die überwiegende, vorzugswürdige Ansicht kein Beschlagnahmeverbot für Gegenstände aus dem Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und juristischer Person.85 Danach dürften beweiserhebliche Gegenstände bei der juristischen Person beschlagnahmt werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht für Unterlagen, die sich immer noch im Gewahrsam des Rechtsanwalts befinden: Soweit die Organmitglieder an den Rechtsanwalt geschrieben haben (Nr. 1) oder sich dieser Aufzeichnungen (Nr. 2) über Gespräche mit den Mitgliedern des Vertretungsorgans gemacht hat, werden diese als Mitteilungen der juristischen Person bzw. als Aufzeichnungen über Umstände der juristischen Person betrachtet.86 Dieses Ergebnis ist auch nach hiesiger Auffassung richtig, weil die Kommunikation der Organmitglieder mit dem Rechtsanwalt dem Vertrauensverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Rechtsberater zuzuordnen ist. Maßgeblich ist ein äußerer oder innerer Zusammenhang des Kommunikationsvorgangs mit dem Vertrauensverhältnis.87 Der ist vorhanden, wenn die Organmitglieder in Ausübung ihrer Funktion für die juristische Person im Hinblick auf die Mandatserfüllung mit dem Anwalt kommunizieren. § 97 Abs. 1, 2 StPO stünde im Beispielsfall daher weder der Beschlagnahme von Dokumenten beim Rechtsanwalt noch bei der juristischen Person (Gewahrsamserfordernis, § 97 Abs. 2 StPO) entgegen. Völlig anders lägen die Dinge, wenn die GmbH den Rechtsanwalt zur Verteidigung als Einziehungs- oder Verfallsbeteiligte mandatiert hätte. Dann käme § 97 StPO über §§ 434 Abs. 1 S. 2, 444 Abs. 2 S. 2 StPO zur Anwendung.88 c) Ermittlungsverbote, § 160a StPO Mag der Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen Rechtsanwalt und juristischer Person nach § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO streitig sein, könnte sich 85  Siehe

hierzu unter 2. Kapitel A. III. 2. c). §  97 Rn.  28; SK / StPO / Wohlers, § 97 Rn. 54. 87  Siehe unter 2. Kapitel B. IV. 1. 88  Taschke, FS-Hamm, S. 751 (762 f.); Jahn / Kirsch, StV 2011, 151 (153); Schuster, NZWiSt 2012, 28 (29). 86  Meyer-Goßner,

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

hingegen aus § 160a Abs. 1 S. 1, 5 StPO ein (weiteres) Beschlagnahmeverbot sowohl für Unterlagen des Rechtsanwalts in dessen Räumen als auch für Unterlagen der juristischen Person in deren Geschäftsräumen ergeben. aa) Ermittlungsmaßnahmen gegen den Rechtsanwalt Nach der hier vertretenen Auffassung ist § 160a Abs. 5 StPO so zu lesen, dass § 160a StPO keine Beschränkungen für die Beschlagnahme, kein weiteres einfachgesetzliches Beschlagnahmeverbot neben § 97 StPO enthält. Folglich hindert § 160a Abs. 1 S. 1 StPO eine Beschlagnahme der Handakte des Rechtsanwalts nicht. Freilich hat dies die unbefriedigende Konsequenz, dass eine Beschlagnahme zulässig, die für die Auffindung der Unterlagen erforderliche Durchsuchung der Kanzleiräume nach § 160a Abs. 1 S. 1 StPO aber unzulässig wäre.89 Denn zu § 103 StPO trifft § 160a Abs. 5 StPO keine Aussage. Zwar mag man unter Berufung auf den Normzweck des § 160a Abs. 1 StPO und die Materialien den Schluss ziehen, dass eine Erstreckung auf die Durchsuchung ebenso nicht gewollt ist. Doch stünde eine solche Auslegung auf wackligen Beinen, denn dass dies der Wille des Gesetzgebers ist, lässt sich in den Materialien aufgrund der Sachnähe zur Beschlagnahme allenfalls erahnen und hat in der gesetzlichen Regelung – anders als die Beschlagnahme – keinerlei Ausdruck gefunden.90 Aus diesem Grund kommt erst recht keine analoge Anwendung des § 160a Abs. 5 StPO auf die Durchsuchung mit der Folge in Betracht, dass Durchsuchungen aus dem Anwendungsbereich ausgeschlossen wären: Abgesehen davon, dass Analogien im Strafverfahrensrecht als klassische Eingriffsverwaltung ohnehin kritisch zu sehen sind,91 kann aufgrund der Mehrdeutigkeit der Materialen schlechthin keine planwidrige Regelungslücke angenommen werden, da es wiederum auf den Willen des Gesetzgebers ankommt.92 Tritt dieser hinsichtlich einer Ausnahme der Durchsuchung vom Anwendungsbereich aber überhaupt nicht bzw. nicht hinreichend klar hervor, muss es bei dem expliziten Grundsatz bleiben, dass § 160a StPO auf alle Ermittlungsmaßnahmen Anwendung findet.93 89  Meyer-Goßner, § 103 Rn. 7; Beartheau, StV 2012, 303 (306); Siegrist, wistra 2010, 427 (430); Winterhoff, AnwBl 2011, 789 (792). 90  Ebenso Schuster, NZWiSt 2012, 431 (433). 91  Kritisch etwa LR / Lüderssen / Jahn, Einl. Abschn. M Rn. 47; Jäger, GA 2006, 615 (615 ff.). 92  Rüthers / Fischer / Birk, Rechtstheorie, S. 514 f., 539 f. 93  Ausdrücklich der RegE 2007 BT-Drs. 16 / 5846, S. 25 und RegE 2010 BT-Drs. 17 / 2637, S.  6.



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Für §§ 103, 108 StPO ist anerkannt, dass eine Durchsuchung nicht angeordnet werden darf, wenn diese auf beschlagnahmefreie Gegenstände gerichtet ist oder von vornherein anzunehmen ist, dass nur beschlagnahmefreie Gegenstände aufgefunden werden.94 Zwar besteht im Beispielsfall kein Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO für die genannten Unterlagen. Jedoch ist weder § 160a Abs. 5 StPO noch den Materialien zu entnehmen, dass § 160a StPO nur insoweit auf andere Zwangsmaßnahmen, hier auf die Durchsuchung, Anwendung finden soll, als die „Fernwirkung“ des § 97 StPO deren Anordnung entgegenstünde. Deshalb lässt sich eine teleologische Reduktion des § 160a StPO für die Beschlagnahme noch vertreten, für die Durchsuchung ginge sie zu weit.95 Zwar ist es die Aufgabe des Rechtsanwenders, das Gesetz nach dem Willen des Gesetzgebers auszulegen, mag dieser auch nur unzureichenden Ausdruck im Wortlaut des Gesetzes gefunden haben. Nicht seine Aufgabe ist es aber, das Gesetz entsprechend eines unterstellten gesetzgeberischen Willens umzuschreiben. Deshalb bleibt es bei dem vom Gesetzgeber aufgestellten Grundsatz: § 160a gilt für alle Ermittlungsmaßnahmen.96 Über die dargestellte Diskrepanz zwischen Durchsuchungs- und Beschlagnahmeschutz hilft § 95 StPO kaum hinweg.97 Zwar unterliegen Zeugnisverweigerungsberechtigte der Herausgabepflicht nach § 95 Abs. 1 StPO, wenn kein Beschlagnahmeverbot besteht, jedoch dürfen ihnen gegenüber weder Ordnungs- noch Zwangsmittel nach § 95 Abs. 2 StPO zur Durchsetzung dieser Pflicht angewendet werden, § 95 Abs. 2 S. 2 StPO. Der Rechtsanwalt hat die Beschlagnahme zu dulden, wenn die herauszugebenden Gegenstände beschlagnahmefrei sind, muss aber selbst in diesem Fall keine aktive Unterstützung zur Beschlagnahme leisten.98 Anders ist das freilich, wenn der Rechtsanwalt wirksam von der Schweigepflicht entbunden wurde: Ordnungs- und Zwangsmittel nach § 95 Abs. 2 S. 1 StPO gegen ihn sind dann zulässig.99 Doch dürfte der Rechtsanwalt im Falle der Entbindung von der Schweigepflicht die Unterlagen ohnehin freiwillig herausgeben, denn seine Pflichten aus dem Mandatsverhältnis verletzt er dann nicht.

94  BGH NJW 1973, 2035 (2035); KG JR 1983, 382 (382); Graf / Hegmann, § 103 Rn.  7; KK / StPO / Bruns, § 103 Rn. 7; Meyer-Goßner, § 103 Rn. 7. 95  So aber Siegrist, wistra 2010, 427 (431). 96  BT-Drs. 16 / 5846, S.  25. 97  Siegrist, wistra 2010, 427 (430). 98  OLG Celle NJW 1963, 407 (407); LR  / Schäfer, §  95 Rn.  15; KK / StPO / Greven, §  95 Rn.  5; SK / StPO / Wohlers, § 95 Rn. 23. 99  Beck / OK / StPO / Ritzert, §  95 Rn.  5; KK / StPO / Senge, § 95 Rn. 5.

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

bb) Ermittlungsmaßnahmen gegen die juristische Person Zu klären verbleibt, ob die Akten der GmbH über das Warentermingeschäft der Beschlagnahme unterliegen. Soweit darin Korrespondenz der GmbH mit dem Rechtsanwalt sowie dessen Ratschläge enthalten sind, könnte § 160a Abs. 1 S. 5 StPO entgegenstehen. Entsprechend der hier vertretenen Auffassung ist § 160a StPO kein weiteres einfachgesetzliches Erhebungsverbot für Beschlagnahmen zu entnehmen. Das Verwendungsverbot in § 160a Abs. 1 S. 5 StPO findet gleichfalls keine Anwendung auf Beschlagnahmen. Auf Durchsuchungen ist § 160a StPO jedoch voll anwendbar.100 Da § 160a Abs. 1 S. 5 StPO nur ein Verwendungsverbot regelt, untersagt die Vorschrift nicht die Anordnung einer Durchsuchung der Geschäftsräume der GmbH. Das gilt selbst dann, wenn die Strafverfolgungsbehörden Erkenntnisse aus dem geschützten Bereich erwarten.101 Manche sehen das anders, da in diesem Fall kaum noch von „Zufallserkentnissen“ gesprochen werden könne und eine Umgehung des Erhebungsverbotes nach Abs. 1 S. 1 drohe.102 Einstimmigkeit herrscht jedoch insoweit, als die Maßnahme aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes – jedenfalls – ausnahmsweise zu unterbrechen ist, wenn erkannt wird, dass Erkenntnisse aus dem geschützten Bereich erlangt werden.103 Im Beispielsfall daher spätestens, wenn den Ermittlern bewusst wird, dass die durch die Durchsuchung gefundenen Unterlagen Anwaltskorrespondenz usf. enthalten, für die der Schutzbereich des § 53 StPO eröffnet ist. Das kann sich schon aus der Beschriftung auf dem Rücken des Aktenordners ergeben, dürfte allerspätestens aber bei der Durchsicht, § 110 StPO, offenbar werden. Unerheblich für dieses Unterbrechungsgebot ist, ob die Durchsicht dogmatisch als eigenständige Ermittlungsmaßnahme im Sinne von § 160a StPO einzuordnen ist oder ob die Durchsicht, als zur Durchsuchung gehörig, ein unselbstständiger Teil dieser Ermittlungsmaßnahme ist: § 160a Abs. 1 S. 5 StPO ist jedenfalls auf sie anzuwenden. In der Folge dürften die durch die Durchsuchung (oder die Durchsicht) erlangten Erkenntnisse gemäß § 160a Abs. 1 S. 2 StPO nicht verwendet und müsste die Tatsache ihrer Erlangung gemäß § 160a Abs. 1 S. 3 StPO gelöscht werden. Der Begriff der „Erkenntnis“ in § 160a Abs. 1 S. 5 StPO ist weit zu verstehen.104 Die durch die Durchsuchung erlangte Erkenntnis ist, dass die 100  Siehe

unter 3. Kapitel C. I. 2. c) aa). 16 / 5846, S.  35; Beck / OK / Patzak, §  160a Rn.  4; KK / StPO / Griesbaum, § 160a Rn. 4; Meyer-Goßner, § 160a Rn. 3. 102  SK / StPO / Wolter, § 160a Rn. 30. 103  BT-Drs. 16 / 5846, S. 35, 45; Meyer-Goßner, § 160a Rn. 7. 104  Meyer-Goßner, § 160a Rn. 7. 101  BT-Drs.



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GmbH mit dem Rechtsanwalt in Kontakt stand und entsprechende Unterlagen dies belegen, denn bereits hierüber dürfte der Anwalt nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO schweigen. Das Zeugnis verweigern könnte der Anwalt ferner über die Tatsache und den Inhalt der wechselseitigen Kommunikation und wiederum über das Vorhandensein entsprechender Dokumente im Gewahrsam der GmbH. Letztere Erkenntnis ist maßgeblich für die Durchführung der Beschlagnahme: Erst die Kenntnis der Behörden von der Existenz und dem präzisen Aufenthaltsort der Unterlagen im Gewahrsam der GmbH ermöglichten die Beschlagnahme. Da all jene Erkenntnisse entweder unmittelbar durch die Durchsuchung oder durch die Durchsicht der Unterlagen erlangt wurden, ist den Strafverfolgungsbehörden weder ihr Gebrauch als Beweismittel noch als „Spurenansatz“105 erlaubt.106 Fraglich ist, was sich daraus für die nachfolgende Beschlagnahme der Unterlagen ergibt. Der Beschlagnahme selbst stehen weder § 97 StPO noch § 160a StPO entgegen. Letztlich geht es um eine Auslegung des § 160a Abs. 1 S. 2 StPO.107 § 160a Abs. 1 S. 2 StPO könnte so zu interpretieren sein, dass das Verwertungsverbot eine „Fernwirkung“ auf aus der Beschlagnahme erlangte Beweise entfaltet. Von Fernwirkung spricht man, wenn ein Beweisverwertungsverbot auch die durch eine andere (an sich rechtmäßige) Ermittlungsmaßnahme erlangten Beweismittel unverwertbar macht.108 Die Rechtsprechung lehnt eine Fernwirkung im Grundsatz ab,109 abhängig von der Sachlage und der Art des Verbots kann eine solche jedoch im Einzelfall angenommen werden.110 In dieser Hinsicht ist der Wortlaut des § 160a Abs. 1 S. 2 StPO ambivalent, aber zumindest würde § 160a Abs. 5 StPO die Annahme einer Fernwirkung des Beweisverwertungsverbotes in § 160a Abs. 1 S. 2 StPO auf die Erkenntnisse aus einer Beschlagnahme nicht hindern: § 160a Abs. 5 StPO ist so zu verstehen, dass § 160a StPO kein weiteres Beweiserhebungsverbot in Gestalt eines Beschlagnahmeverbotes anordnen soll. Werden nach § 97 StPO beschlagnahmefreie Gegenstände beschlagnahmt, ist nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers § 160a Abs. 1 S. 2 StPO für sie ein Beweisverwertungsverbot zu entnehmen. Umgekehrt ist § 160a Abs. 5 StPO aber nicht so zu verstehen, dass Gegenstände, die nicht nach § 97 StPO beschlagnahmefrei sind, stets verwertbar sind. Für § 160a Abs. 1 S. 2 StPO wird zum Teil für den Verteidiger dem Begriff etwa LR / Schäfer, § 100a Rn. 87, 93. § 160a Rn. 4. 107  Allgemein zum Problemkreis „Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten“ SK / StPO / Rogall, § 136a Rn. 109. 108  Meyer-Goßner, Einl. 57. 109  BVerfG NJW 2006, 1787 (1787); StV 2007, 226 (226); BGHSt 51, 1 (7 f.). 110  BGHSt 27, 355 (357); 29, 244 (249); Meyer-Goßner, Einl. Rn. 57. 105  Zu

106  Meyer-Goßner,

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

angenommen, dass ein Ausschluss der Verwendung als Spurenansatz mit Rücksicht auf Art. 1 Abs. 1 GG parallel das Verbot mittelbarer Beweisverwertung zur Folge haben müsse.111 Da es im Beispielfall nicht um einen Eingriff in das Verteidigungsverhältnis geht, helfen diese Erwägungen aber nicht weiter. In der Literatur wird zum ebenso ambivalenten § 136a Abs. 3 S. 2 StPO die Frage der Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten zum Teil von einer Abwägung zwischen dem Strafverfolgungsinteresse und dem zu schützenden Individualinteresse abhängig gemacht.112 Für den hier interessierenden Fall sei nur bemerkt, dass eine Fernwirkung jedenfalls dann Platz greifen muss, wenn sich die Strafverfolgungsbehörden bewusst oder willkürlich über das Durchsuchungsverbot hinwegsetzen, um die Beschlagnahme vornehmen zu können.113 Bei bewussten Abweichungen vom Gesetz, mit anderen Worten: Missbräuchen, kann die Abwägung nicht zugunsten des Strafverfolgungsinteresses ausgehen. Allerdings dürften solche bewussten Verstöße, zumal bei derartiger Rechtsunsicherheit über die Reichweite des § 160a StPO, nur in Ausnahmefällen anzunehmen sein. Im Beispielsfall dürfte die Durchsuchung der Geschäftsräume der GmbH zur Auffindung von Beweismitteln angeordnet werden. Die Maßnahme ist aber zu unterbrechen, soweit Anwaltskorrespondenz gefunden wird. Deren Beschlagnahme ist hingegen zulässig, ebenso wie die Verwertung daraus stammender Erkenntnisse. Das Ergebnis mag zwar unstimmig erscheinen, aber es ist konsequent. Letztlich hat es der Gesetzgeber selbst verursacht, denn es zeigt, dass § 160a StPO im Hinblick auf die offenen Ermittlungsmaßnahmen zu wenig durchdacht ist. Denkbar bleibt allein die Korrektur, ein Erhebungsverbot nach § 160a Abs. 1 S. 1 StPO auch dann anzunehmen, wenn die Behörden davon ausgehen, sie werden aufgrund der gegen einen Dritten gerichteten Maßnahme vom Zeugnisverweigerungsrecht umfasste Inhalte erfahren. Jedenfalls wenn die Strafverfolger sicheres Wissen haben, dass geschützte Informationen betroffen sind, könnte von einer Ermittlungsmaßnahme ebenso „gegen“ den Rechtsanwalt gesprochen werden. Das Gleiche gilt, wenn die Ermittlungsmaßnahme gerade darauf abzielt, schutzrelevante Erkenntnisse zu erlangen. Doch scheitert eine solche Lösung am ausdrücklich geäußerten entgegenstehenden Willen des Gesetzgebers, der in eben jenem Fall von der Zulässigkeit der Maßnahme ausging.114 Außerdem wäre in der Praxis der Nachweis wohl nur schwer zu erbringen, dass die 111  SK / StPO / Wolter,

§ 160a Rn. 26. KK / StPO / Diemer, § 136a Rn. 42; LR / Gleß, §  136a Rn.  78; SK / StPO /  Rogall, § 136a  Rn. 109. 113  Nach BVerfGE 113, 29 (61) rechtfertigt dies ein Beweisverwertungsverbot für die Erkenntnisse einer Durchsuchung. 114  Ausdrücklich BT-Drs. 16 / 5846, S. 35. 112  Etwa



C. Juristische Personen und ihre Organe225

Durchsuchung das Auffinden der Anwaltskorrespondenz bezweckte oder die Behörden sicheres Wissen über deren Auffinden hatten. In einem Beschluss vom 03.07.2012 hatte sich das LG Mannheim mit der Zulässigkeit der Beschlagnahme von Unterlagen bei einer juristischen Person und bei deren Rechtsanwaltssozietät zu befassen.115 Da es sich zum Teil um Dokumentation einer internen Erhebung handelte, soll der Beschluss und der ihm zugrundeliegende Sachverhalt erst im Abschnitt über Internal Investigations behandelt werden.116 3. Ergebnis Besteht das Mandatsverhältnis mit der juristischen Person, ist im Falle deren Insolvenz im absoluten Regelfall der Insolvenzverwalter für die Abgabe der Entbindungserklärung zuständig. Das Vertrauensverhältnis zwischen juristischer Person und Rechtsanwalt ist im Ergebnis nach § 160a StPO insoweit geschützt, als keine Durchsuchung der Anwaltskanzlei angeordnet werden darf. Sind die Ermittler in der Lage, die Anwaltskorrespondenz beim Mandanten aufzufinden, besteht kein Beschlagnahmeverbot nach § 97 StPO. Alternativ können die Strafverfolgungsbehörden den Mandanten nach § 95 Abs. 1 StPO zur Herausgabe der Unterlagen auffordern.

II. Wechsel in der Geschäftsleitung Im Falle eines Personenwechsels in den Organen der juristischen Person ist vor allem fraglich, ob und inwieweit das vormalige Organmitglied in das Vertrauensverhältnis zum Rechtsanwalt einbezogen ist und daher die Befugnis besitzt, den Anwalt von der Schweigepflicht zu entbinden. 1. Welche Rechtsfragen stellen sich? Zur Illustration denke man an den ehemaligen Geschäftsführer einer GmbH, gegen den ein Strafverfahren wegen des Verdachts des Subventionsbetruges eingeleitet wird.117 Die Staatsanwaltschaft ermittelt, ob er in seiner Zeit als Geschäftsführer gegenüber der für die Bewilligung der Subvention zuständigen Behörde unrichtige Angaben gemacht hat, die für die GmbH vorteilhaft waren. In seiner Stellungnahme zu den Tatvorwürfen bezieht sich der ehemalige Geschäftsführer entlastend auf die Kenntnis eines Rechts­ 115  LG

Mannheim NStZ 2012, 713 (713 ff.). unter 3. Kapitel D. II. 2. 117  Angelehnt an LG Berlin wistra 1993, 278 (278). 116  Siehe

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

anwalts, der während der ganzen Zeit, und noch immer, für die GmbH in Steuersachen tätig war, und entbindet ihn von der Schweigepflicht. Daraufhin lädt die Staatsanwaltschaft den Rechtsanwalt zur Vernehmung als Zeuge über seine Wahrnehmungen im Zusammenhang mit der Beantragung der Subvention durch die Gesellschaft. Einige Monate zuvor hatte es jedoch einen Wechsel in der Geschäftsleitung gegeben. Der bisherige Geschäftsführer war aus Altersgründen ausgeschieden und die Gesellschafter der GmbH hatten einen neuen Geschäftsführer bestellt. Dem alten Geschäftsführer verblieb keinerlei Leitungsbefugnis. In seiner Vernehmung beruft sich der Anwalt auf sein Zeugnisverweigerungsrecht, da eine Erklärung der Entbindung von der Schweigepflicht des alten Geschäftsführers, nicht aber des neuen Geschäftsführers vorliegt. Die Staatsanwaltschaft vertritt hingegen die Auffassung, die Entbindungserklärung des alten Geschäftsführers genüge und verhängt ein Ordnungsgeld gegen den Rechtsanwalt. Der Rechtsanwalt beantragt hiergegen gerichtliche Entscheidung nach §§ 161a Abs. 3 S. 1, 162 StPO. Die Staatsanwaltschaft denkt deshalb darüber nach, im Falle einer Aufhebung des Ordnungsgeldes durch das Gericht, die Beschlagnahme von Unterlagen über die Beratung des Anwalts im Zusammenhang mit der Subvention bei dem Rechtsanwalt oder bei der GmbH zu beantragen. a) Entbindungsberechtigung, § 53 Abs. 2 StPO Ähnlich der Übernahme der Geschäfte durch den Insolvenzverwalter stellt sich auch im Falle des Wechsels in der Geschäftsleitung die Frage, wer nun zur Entbindung des Anwalts von der Schweigepflicht berechtigt ist. Für diese Konstellationen werden ebenfalls drei Meinungen vertreten. Einige ordnen allein dem ehemaligen Vertretungsorgan die Verfügungsbefugnis zu.118 Andere sehen nur die juristische Person, vertreten durch ihre Organe, als entbindungsbefugt an.119 Wieder andere differenzieren und halten die juristische Person, das ehemalige Organmitglied oder beide kumulativ für dispositionsbefugt.120 In der Literatur wird diese Konstellation zumeist gar nicht behandelt. Die wenigen Stimmen, die sich äußern, lösen diese Situation entsprechend ihrer 118  LG Berlin wistra 1993, 278 (279); LG Hamburg wistra 2005, 394 (395); Schmitt, wistra 1993, 9 (11). 119  LG Bochum, Beschl. v. 15.03.2005 – 12 Qs 4 / 05, Rz. 10, zitiert nach juris. Ferner KK / StPO / Greven, § 97 Rn. 6; LR / Schäfer, §  97 Rn.  52; SK / StPO / Wohlers, § 97 Rn. 30; Tully / Kirch-Heim, NStZ 2012, 657 (660). 120  AG Bonn NJW 2010, 1390 (1390); KK  /  StPO  /  Senge, § 53 Rn. 47; SK / StPO / Rogall, § 53  Rn. 199. Dahs, FS-Kleinknecht, S. 63 (73 f.); Dierlamm, FSDAV, S. 428 (436 f.); Krause, FS-Dahs, S. 349 (367).



C. Juristische Personen und ihre Organe227

Ansätze zur Entbindungsberechtigung im Falle der Insolvenz der juristischen Person.121 Deshalb werden im Folgenden nur die wenigen Argumente dargestellt, die speziell für den Personenwechsel in den Vertretungsorganen der juristischen Person vorgebracht werden. In der Entscheidung, an die der Beispielsfall angelehnt ist, hielt das Gericht den ehemaligen Geschäftsführer der GmbH für allein entbindungsbefugt.122 § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO solle gewährleisten, dass einer juristische Person optimale Hilfe zuteil wird. Dies erfordere, dass der für die juristische Person Handelnde den Rechtsberater umfassend informieren könne, ohne befürchten zu müssen, dass ihn nach seinem Ausscheiden aus dem Organ Nachteile aufgrund seines Handelns gegenüber dem Anwalt ereilen. Deshalb müsse ihm allein die Befugnis zur Entbindung des Anwalts hinsichtlich aller Tatsachen zustehen, die dem Berater durch ihn als Organ bekanntgeworden sind. Erst recht müsse dies gelten, wenn sich der ehemalige Geschäftsführer entlastend auf das Zeugnis des Beraters bezieht.123 Nach der hier vertretenen Meinung entsteht das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis bei einer Beratung allein der juristischen Person zwischen dieser und dem Rechtsanwalt. Eine Einbeziehung der gegenwärtigen oder früheren Organmitglieder ist ausgeschlossen. Daher ist nur die juristische Person, vertreten durch ihre Organe, zur Disposition befugt. Im Beispielsfall kommt es danach allein auf die Erklärung der GmbH, vertreten durch ihren neuen, den aktuellen, Geschäftsführer, an. Freilich stellt es eine gewisse Härte für den alten Geschäftsführer dar, wenn er die Entbindung des Rechtsanwalts nicht zu seiner Entlastung beeinflussen kann. In Anwendung der dargestellten Grundsätze kann dies jedoch nicht zu einem Überwiegen seiner Interessen gegenüber denen der juristischen Person führen, der die Aussage des Anwalts zum Nachteil gereichen könnte. b) Beschlagnahmeverbot, § 97 StPO § 97 StPO stünde weder einer Beschlagnahme entsprechender Dokumente über die Beratung des Rechtsanwalts bei der GmbH noch bei dem Rechtsanwalt entgegen. c) Ermittlungsverbote, § 160a StPO Das Verbot einer Durchsuchung der Kanzleiräume des Rechtsanwalts folgt indes aus § 160a Abs. 1 S. 1 StPO, die Beschlagnahme wäre hingegen Befund auch Städler, Entbindungsberechtigung, S. 225. Berlin wistra 1993, 278 (279). 123  LG Berlin wistra 1993, 278 (279); Schmitt, wistra 1993, 9 (11). 121  Dieser 122  LG

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

rechtmäßig. Eine Durchsuchung und Beschlagnahme in den Geschäftsräumen der GmbH wäre demgegenüber zulässig. 2. Ergebnis Im Ergebnis ist der Fall des Personenwechsels innerhalb der Vertretungsorgane der juristischen Person, abgesehen von der Vertretungszuständigkeit für die Abgabe der Entbindungserklärung, mit der Konstellation der Insolvenz der juristischen Person gleich zu behandeln.

III. Mehrköpfige Organe Eine besondere Konstellation hatte das AG Bonn im Jahr 2010 zu entscheiden. Diese wirft die Frage auf, wie die Beteiligung am Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis zu beurteilen ist, wenn das Organ der juristischen Person mit mehr als einem Organmitglied besetzt ist. 1. Welche Rechtsfragen stellen sich? Das AG Bonn hatte im Jahr 2010 nach §§ 161a Abs. 3 S. 1, 162 StPO über die Aufrechterhaltung eines Ordnungsgeldes zu entscheiden, das die Staatsanwaltschaft Bonn im Ermittlungsverfahren gegen einen die Aussage verweigernden Zeugen nach §§ 161a Abs. 2 S. 1, 70 Abs. 1 StPO festgesetzt hatte.124 Ein Bonner Telekommunikationsunternehmen in der Rechtsform einer AG hatte seit Jahren mit folgendem Problem zu kämpfen:125 Wiederholt standen vertrauliche Informationen in auffälliger zeitlicher Nähe zu Sitzungen und schriftlichen Informationen des Aufsichtsrates in der Presse. Man rechnete mit einem „Maulwurf“ unter den Mitgliedern des Aufsichtsrates. Da eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts von Verstößen gegen Insidervorschriften des WpHG und gegen § 404 AktG lediglich ein als aussichtlos bewertetes Ermittlungsverfahren gegen unbekannt nach sich gezogen hätte, vereinbarten der Vorstandsvorsitzende und der Aufsichtsratsvorsitzende unter Mitwirkung des Leiters der Rechtsabteilung, eine Recherche nach der „undichten Stelle“ durch die interne Sicherheitsabteilung durchführen zu lassen.126 Nach einem Dreivierteljahr meldete die Sicherheitsabteilung, das „Leck“ im Aufsichtsrat sei gefunden worden und 124  AG

125  Die

Bonn NJW 2010, 1390 (1390). ausführliche Darstellung des Sachverhalts bei Hamm, NJW 2010, 1332

(1332 ff.). 126  Hamm, NJW 2010, 1332 (1333).



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könne namentlich identifiziert werden. Die Investigateure hatten dies – ihrerseits mithilfe eines „Maulwurfs“ – in der Redaktion des Journalisten recherchiert, der die vertraulichen Informationen aus dem Unternehmen veröffentlicht hatte. Die Ermittler konnten sich auf eine eidesstattliche Versicherung des „Maulwurfs“ in der Redaktion des Journalisten stützen. Der Aufsichtsratsvorsitzende ließ sich daraufhin von einem ihm bekannten Anwalt beraten, wie die Unternehmensleitung weiter zu verfahren habe. An diesen Gesprächen nahm auch der Vorstandsvorsitzende teil. Der Anwalt wollte sich selbst ein Bild von den Ermittlungsergebnissen machen und trat direkt mit der hausinternen Sicherheitsabteilung in Kontakt. Anschließend kam es auf Anraten dieses Rechtsanwalts zu einem Gespräch des Aufsichtsratsvorsitzenden und des Vorstandsvorsitzenden mit dem betreffenden Mitglied des Aufsichtsrates. Dieses räumte die Vorwürfe nicht ausdrücklich ein, zu Sanktionen kam es nicht. Jahre später, der Aufsichtsratsvorsitzende und der Vorstandsvorsitzende waren nicht mehr im Amt, berichtete die Presse, bei der damaligen Suche sei auch ein externes Detektivbüro eingeschaltet worden, das die Telefonverbindungsdaten des Journalisten und des plaudernden Aufsichtsratsmitglieds beschafft und ausgewertet habe. Daraufhin leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen § 206 StGB auch gegen Angestellte des Telekommunikationskonzerns ein, die im Verdacht standen, dem Detektivbüro bei der rechtswidrigen Datenverwendung – der Konzern hielt Verbindungsdaten schließlich selbst in großem Umfang vor – Hilfe geleistet zu haben. Ebenfalls in den Beschuldigtenstatus versetzt wurden der damalige Aufsichtsratsvorsitzende und der Vorstandsvorsitzende, da nicht ausgeschlossen werden konnte, dass bereits bei der damaligen Erteilung des Ermittlungsauftrags an die Konzernsicherheit die Anwendung strafbarer Methoden zur Sprache gekommen war. Als Zeuge hierzu vernommen wurde ebenso der Rechtsanwalt, der den Aufsichtsratsvorsitzenden und den Vorstandsvorsitzenden beraten hatte, nachdem er vom Leiter der Rechtsabteilung stellvertretend für den Konzern von der Schweigepflicht entbunden worden war. In der Folge wurden auch die Handakten des Rechtsanwalts beschlagnahmt, obwohl weder der Aufsichtsratsvorsitzende noch der Vorstandsvorsitzende die Entbindung erklärt hatten. Nach langwierigen Ermittlungen gelangte die Staatsanwaltschaft zu der Auffassung, dass der Tatverdacht gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden und den Vorstandsvorsitzenden nicht aufrechtzuerhalten war. Im Zuge eines letzten Aufklärungsversuchs wurde erneut der Rechtsanwalt vernommen.127 Dieser berief sich aber nunmehr auf sein Zeugnisverweigerungsrecht aus 127  Hamm,

NJW 2010, 1332 (1334).

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

§ 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO und warf die Frage auf, ob eine Entbindung von einem dem neuen Vorstand unterstehenden Abteilungsleiter genügen könne oder ob nicht eine Erklärung der damaligen Gesprächspartner und womöglich sogar der damaligen Organe nötig sei. Die Staatsanwaltschaft Bonn sah die Voraussetzungen des § 53 Abs. 2 S. 1 StPO als gegeben an und verhängte ein Ordnungsgeld nach §§ 161a Abs. 2 S. 1, 70 Abs. 1 StPO, gegen das nach §§ 161a Abs. 3 S. 1, 162 StPO das AG angerufen werden konnte. a) Entbindungsberechtigung, § 53 Abs. 2 StPO Da die Rechtmäßigkeit der Verhängung des Ordnungsgeldes von der unberechtigten Weigerung des Zeugen, auszusagen, abhängt, § 161a Abs. 2 S. 1 StPO, hatte sich das AG mit der Frage zu befassen, wem die Entbindungsberechtigung zusteht. aa) Die Entscheidung des Gerichts Das AG Bonn verneinte die Rechtmäßigkeit der Verhängung des Ordnungsgeldes durch die Staatsanwaltschaft.128 Dem Zeugen habe ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO zugestanden, da er nicht wirksam von seiner Schweigepflicht entbunden worden sei. Zwar habe das zivilrechtliche Mandatsverhältnis unstreitig zwischen der AG und dem Rechtsanwalt bestanden. Inhalt dieses Mandatsverhältnisses seien aber zumindest auch Beratungsgespräche mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden gewesen. Erwiesenermaßen sei es zu persönlichen Beratungsgesprächen zwischen dem Rechtsanwalt, dem Aufsichtsratsvorsitzenden und dem Vorstandsvorsitzenden gekommen. Diese persönliche rechtsanwaltliche Beratung habe ein anwaltliches Vertrauensverhältnis zwischen diesen Personen und dem Rechtsanwalt zur Entstehung gebracht. Von der Verschwiegenheit könne nur derjenige entbinden, zu dessen Gunsten diese Pflicht gesetzlich begründet sei. Zwar sei der Beratungsvertrag zwischen der juristischen Person und dem Berufsgeheimnisträger abgeschlossen worden, im Gegensatz dazu beinhalte jedoch die Ausführung des Mandats eine tatsächliche, personal geprägte Verständigung zwischen dem Berater und den zu beratenden Personen, wobei dieses tatsächliche Verhältnis von den juristischen und insbesondere zivilvertraglichen Kategorien zu unterscheiden sei. Das Anvertrauen bestimmter Vorgänge und Meinungen sei dabei ein tatsächlicher und persönlicher Vorgang, der juristisch neutral sei. Der primäre Normzweck der Vorschrift des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO bestehe in dem Schutz des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Berufsgeheimnisträger und dem Ratsu128  AG

Bonn NJW 2010, 1390 (1390).



C. Juristische Personen und ihre Organe231

chenden. Dieses Vertrauensverhältnis wäre gestört, wenn die Entbindungserklärung der AG als ausreichend angesehen werden würde. Deshalb sei neben der Entbindung durch die juristische Person auch eine Entbindung durch die früheren Aufsichtsrats- und Vorstandsvorsitzenden erforderlich gewesen. bb) Reaktionen in der Literatur Obgleich das AG Bonn sehr deutlich auf für strafprozessuale Vertrauensverhältnisse zentrale Aspekte eingeht, hat die Entscheidung bislang in der Literatur nur schwachen Widerhall gefunden.129 Diese Literaturstimmen teilen die Auffassung des AG Bonn, ein Vertrauensverhältnis sei auch zwischen dem Rechtsanwalt auf der einen und dem Aufsichtsrats- und dem Vorstandsvorsitzenden auf der anderen Seite zustande gekommen. Daher habe es ebenso einer Entbindungserklärung des früheren Aufsichtsratsvorsitzenden und des damaligen Vorstandsvorsitzenden bedurft. Konsequent wird ferner der Schluss gezogen, damit habe bereits die Beschlagnahme der Handakten wegen Verstoßes gegen § 97 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 S. 1 StPO unterbleiben müssen.130 Ohne Bezugnahme auf diese jüngere Entscheidung gibt es aber eine ganze Reihe von Autoren, die bei mehrköpfigen Organen denjenigen Organmitgliedern eine Entbindungsberechtigung zusprechen, die mit dem Auftragsverhältnis in Berührung kamen oder in kommunikativen Verkehr zum Anwalt traten.131 cc) Eigener Ansatz Das AG Bonn ging davon aus, ein Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis bestehe sowohl zwischen dem Anwalt und der juristischen Person als auch zwischen diesem und den für die juristische Person auftretenden ehemaligen Organmitgliedern, dem Aufsichtsrats- und der Vorstandsvorsitzenden. Dem ist nicht zuzustimmen. Ausgehend vom hier vertretenen Konzept kommt ein Vertrauensverhältnis allein zwischen der juristischen Person und dem Rechtsanwalt zustande. Zwar mögen ausschließlich der frühere Aufsichtsratsvorsitzende und der Vorstandsvorsitzende für die juristische Person die Beratung des Rechtsanwalts in Anspruch genommen haben. Aber sie nehmen den Rechtsrat des Anwalts für die juristische Person nur in Empfang, hinsichtlich der Informationsübermittlung an den Anwalt kommt ihnen lenur Hamm, NJW 2010, 1332 (1332 ff.). NJW 2010, 1332 (1335). 131  Dahs, FS-Kleinknecht, S. 63 (77); Dierlamm, FS-DAV, S. 428 (445); Krause, FS-Dahs, S. 349 (377); Schmitt, wistra 1993, 9 (11). 129  Bislang 130  Hamm,

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

diglich Botenfunktion zu. Anders ist es bei juristischen Personen ihrer Natur nach nicht möglich, können sie doch nur durch ihre Organe handeln. Maßgeblich ist, dass der Adressat der Rechtsanwaltsleistung in der typischen Gefährdungslage eines Rechtsratsuchenden ist. Denn es geht um den Schutz desjenigen, der sich in einer „do ut des“-Situation befindet und daher dem Rechtsanwalt Informationen geben muss, um dessen Hilfe zu erhalten. In einer derartigen Gefährdungslage befindet sich allein die AG als juristische Person. Sie benötigt den Rat des Rechtsanwalts, das zivilrechtliche Verfahren mit dem illoyalen Aufsichtsratsmitglied ist ihre Rechtsangelegenheit und es sind ihre Interna, die preisgegeben werden müssen, um eine Beratung zu ermöglichen. Damit unterliegt die AG dem gleichen Zwang, wie ihm auch ein Einzelner ausgesetzt wäre. Dieser Zwang trifft die Organmitglieder nicht. Es sind nicht ihre Rechtsangelegenheiten, über die sie dem Anwalt berichten und der Rechtsanwalt soll lediglich Ratschläge geben, welche Schritte die damaligen Organmitglieder für die juristische Person gegenüber dem bezichtigten Aufsichtsratsmitglied ergreifen sollten. Nach Feststellung des AG Bonn wurde das Beratungsmandat von dem Rechtsanwalt unter Hinweis auf die „Beratung in vertraulichen Vorstandsangelegenheiten“ abgerechnet.132 Die Beratung von Rechtsangelegenheiten der Vorstandsmitglieder als natürliche Personen ist nicht erkennbar. Zwar stehen mittelbar ebenfalls persönliche Rechtsangelegenheiten der handelnden Organmitglieder in Rede, denn es trifft sie gegenüber der AG eine zivilrechtliche Pflicht, sich um die Vorgänge um das plaudernde Aufsichtsratsmitglied zu kümmern, um Schaden von der AG abzuwenden.133 Aber es muss sich aus dem Mandatsverhältnis ergeben, dass diese gleichrangig neben den Angelegenheiten der AG adressiert werden sollen. Dafür müssen besondere Indizien gegeben sein, denn diese Pflicht trifft alle Vorstandsmitglieder, so wie für alle Arbeitnehmer nach §§ 611, 241 Abs. 2 BGB die Pflicht besteht, soweit es ihnen möglich und zumutbar ist, drohende Schäden beim Arbeitnehmer zu verhindern.134 Dass die rechtsanwaltliche Beratung des Unternehmens nicht vorrangig den Sinn hat, die Organmitglieder über die Vermeidung von Verstößen gegen ihre persönlichen zivilrechtlichen Pflichten zu beraten, kann deshalb im Regelfall unterstellt werden. Anders liegen die Dinge, wenn das Mandat das Ziel hatte, die ehemaligen Organmitglieder in persönlichen Rechtsangelegenheiten zu beraten. Aus dem Sachverhalt ergibt sich insoweit aber nur, dass der Aufsichtsrats- und 132  AG

Bonn NJW 2010, 1390 (1390). etwa § 93 Abs. 2 S. 1, Abs. 1 S. 1 AktG. 134  BAG NZA 1996, 135 (136); Staudinger / Richardi / Fischinger, § 611 Rn. 688. 133  Siehe



C. Juristische Personen und ihre Organe233

der Vorstandsvorsitzende die Beratung persönlich entgegen nehmen sollten. Von dem betroffenen Rechtsanwalt hieß es unter Bezugnahme auf den Aufsichtsratsvorsitzenden: „Er wünschte meinen Rat, wie mit dem betreffenden Aufsichtsratsmitglied zu verfahren sei […]“.135 Dies betrifft allein die Frage, an wen der Rechtsanwalt die Beratung innerhalb der Organisation der juristischen Person erbringen soll. Um die Beratung in persönlichen Rechtsangelegenheiten der Organmitglieder geht es nicht. Deshalb entsteht ein Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis im Beispielsfall nur zwischen der AG und dem Rechtsanwalt. Die Entbindungserklärung des (aktuellen) Vertretungsorgans der AG genügt für die Entbindung des Anwalts von der Schweigepflicht, sodass die Weigerung des Anwalts auszusagen, unberechtigt war. Anders wäre die Rechtslage zu beurteilen, wenn der damalige Aufsichtsratsvorsitzende dem inkriminierten Aufsichtsratsmitglied die Beratung des Rechtsanwalts vermittelt hätte, um es über seine Rechte zu beraten. Ohne Einfluss wäre es in diesem Fall gewesen, dass wiederum die AG die Honorarabrechnungen des Anwalts beglich. b) Beschlagnahmeverbot, § 97 StPO In hypothetischer Fortführung des Falles hätte die Staatsanwaltschaft den Gedanken fassen können, anstelle der Anordnung des Ordnungsgeldes eine Beschlagnahme der Empfehlungen des Rechtsanwalts anzustrengen. Unterstellt sei, dass der Rechtsanwalt seinen Rat dem Aufsichtsrats- und dem Vorstandsvorsitzenden nochmals schriftlich zukommen ließ. § 97 StPO stünde einer Beschlagnahme weder beim Rechtsanwalt noch bei der AG entgegen. Das Vertrauensverhältnis bestand nur zwischen dem Rechtsanwalt und der AG, während die früheren Aufsichtsrats- und der Vorstandsvorsitzende Beschuldigte des Strafverfahrens sind. c) Ermittlungsverbote, § 160a StPO Ermittlungsverbote bestehen lediglich in dem Umfang wie in den vorgenannten Konstellationen. 2. Ergebnis Im Ergebnis ist es nach dem hier vertretenen Konzept unerheblich, ob die Organe einer juristischen Person mit mehreren Personen besetzt sind und wie viele ihrer Mitglieder die Beratungsleistung des Anwalts in Empfang 135  Siehe

AG Bonn NJW 2010, 1390 (1390).

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

nehmen. Entscheidend ist vielmehr, ob das Mandat ebenfalls persönliche Rechtsangelegenheiten der Organmitglieder zum Gegenstand hat. Ist das nicht der Fall, entsteht ein Vertrauensverhältnis allein zwischen dem Rechtsanwalt und der juristischen Person.

IV. Großunternehmen: Einbeziehung von Nichtorganmitgliedern? In Abwandlung des vom AG Bonn zu entscheidenden Sachverhaltes wäre es denkbar, dass neben den Organmitgliedern ebenso ein Angestellter der zweiten Führungsebene, etwa der Leiter der Personalabteilung oder der Rechtsabteilung, an den Beratungsgesprächen mit dem Rechtsanwalt teilnimmt. Entsprechend einer in der Literatur zum Teil vertretenen Meinung wären neben dem Aufsichtsrats- und dem Vorstandsvorsitzenden auch weitere Angestellte zur Entbindung des Rechtsanwalts berechtigt, wenn die Organe der juristischen Person diesen eine Entbindungsberechtigung gewähren.136 Nach der hier vertretenen Lösung ist nur der Adressat der Rechtsanwaltsleistung, der Rechtsratsuchende, zur Entbindung berechtigt. Abhängig vom Mandatsauftrag ist das im absoluten Regelfall allein die juristische Person, ganz gleich, wer an den Beratungsgesprächen teilnimmt. Dem Vorschlag, die Entbindungsberechtigung abhängig vom Willen der Vertretungsorgane zu multiplizieren, ist entgegenzuhalten, dass dies auf eine Kreierung strafprozessrechtlichen Schutzes nach Maßgabe der Privatautonomie hinausliefe. In dieser Allgemeinheit ist dem entgegenzutreten. Die Entbindungsberechtigung ist ein Ausfluss des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant, das seinerseits eine Reaktion auf die Schutzbedürftigkeit der Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant ist. Schutzbedürftigkeit lässt sich aber nicht unmittelbar durch privatautonome Entscheidungen herstellen oder vervielfältigen. Das Recht auf Schweigepflichtentbindung ist deshalb nicht auf andere übertragbar.137 Diskussionswürdig ist hingegen die Überlegung, ob die Organe einer juristischen Person einen Angestellten ermächtigen können, sie bei der Erklärung der Entbindungserklärung zu vertreten. Denkbar wäre dies etwa für den Prozessvertreter der juristischen Person als Einziehungs- oder Verfallsbeteiligte, §§ 434 Abs. 1 S. 1, 444 Abs. 2 S. 1 StPO, dem die Möglichkeit gegeben werden soll, als Anwesender eines Prozesses gegen frühere Organmitglieder, flexibel auf den Prozessverlauf zu reagieren und gegebenenfalls 136  Schmitt, 137  Siehe

wistra 1993, 9 (11). bereits unter 2. Kapitel B. IV. 1.



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den ebenso präsenten Rechtsanwalt des Unternehmens als „Joker“ in die Beweisaufnahme einzubringen. Nach hiesiger Lösung bestehen dagegen jedenfalls bei juristischen Personen keine Bedenken. Denn juristische Personen können ihrem Wesen nach nur durch andere handeln. Daher bestimmt es sich nach den Regeln des Zivilrechts, wie die einer juristischen Person zuzuordnende Dispositionsbefugnis ausgeübt werden kann.138 Ist eine Vertretung deshalb bei juristischen Personen wesensnotwendig und obliegt deren Ausübung den zivilrechtlichen Vertretern, spricht nichts dagegen, diese Vertretung nach zivilrechtlichen Regeln einem anderen zu überlassen.

V. Faktische Organstellung Im Falle sog. faktischer Organstellung wird diskutiert, inwieweit eine Erklärung des „faktischen Organs“ für die Entbindung des Rechtsanwalts von der Schweigepflicht zu fordern ist. 1. Welche Rechtsfragen stellen sich? Das Problem faktischer Organstellung taucht im materiellen Strafrecht in § 14 StGB auf. Diese Vorschrift des StGB regelt die strafrechtliche Organund Vertreterhaftung. Die zentrale Funktion dieser Organ- und Vertreterhaftung besteht in einer Erstreckung des Regelungsbereichs spezifischer Straftatbestände, die durch einen begrenzten Kreis von Normadressaten charakterisiert sind, auf solche Personen, die – ohne bereits unmittelbar Normadressaten zu sein – Sonderpflichten der unmittelbaren Normadressaten zu erfüllen haben.139 Nach § 14 Abs. 3 StGB haften nicht nur zivilrechtlich wirksam bestellte Personen, sondern auch solche, deren Bestellung als Organ oder Vertreter rechtlich unwirksam ist. Über den Wortlaut hinaus besteht eine Strafbarkeit sogar, wenn ein intentionaler, aber rechtsunwirksamer Bestellungsakt fehlt.140 In diesem Zusammenhang wird von der Haftung „faktischer Organe“ gesprochen.141 Praktisch relevant ist diese Konstellation vor allem, wenn rechtliche Hindernisse, etwa Berufsverbote (§ 76 Abs. 3 S. 3, 4 AktG, § 6 Abs. 2 S. 2–4 GmbHG), der Bestellung für eine bestimmte Position entgegenstehen, die betroffene Person aber faktisch die Funktion des Organwalters ausfüllen soll und auch ausfüllt.142 Wegen des rechtlichen Hindernisses wird von den für die Bestellung zuständigen Personen (etwa 138  Siehe

hierzu unter 2. Kapitel B. IV. 4. b). MüKo / StGB / Radtke, § 14 Rn. 1. 140  BGHSt 46, 62 (64 ff.); 47, 318 (324 f.). 141  Siehe etwa S / S / Perron, § 14 Rn. 42, 43. 142  Beck / OK / StGB / Momsen, § 14 Rn. 58. 139  So

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

dem Aufsichtsrat einer AG oder den Gesellschaftern einer GmbH) ein auf wirksame Bestellung in die Position gerichteter Akt oft gar nicht vorgenommen.143 Um Strafbarkeitslücken zu vermeiden, bezieht der BGH deshalb in ständiger Rechtsprechung in seiner „Lehre vom faktischen Organ“ faktische Vertreter in den Kreis des § 14 Abs. 3 StGB ein.144 Einer Entscheidung des OLG Celle im Jahr 1986145 lag folgender leicht abgewandelter Sachverhalt zugrunde: Die Staatsanwaltschaft hatte gegen einen Elektromechaniker als „faktischen Geschäftsführer“ einer GmbH unter anderem wegen Bankrotts nach § 283 Abs. 1 Nrn. 1, 7 StGB Anklage erhoben. In der Hauptverhandlung wurde der Rechtsanwalt der GmbH, der die Gesellschaft in Steuersachen beraten hatte, als Zeuge vorgeladen. Dieser verweigerte die Aussage, da nur eine Entbindungserklärung des tatsäch­ lichen Geschäftsführers, nicht aber des Elektromechanikers als faktischem Geschäftsführer vorliege. Daraufhin setzte die Strafkammer ein Ordnungsgeld gegen ihn fest. Über das hiergegen eingelegte Rechtsmittel hatte das OLG Celle zu entscheiden. 2. Entbindungsberechtigung und Beschlagnahmeverbot, §§ 53 Abs. 2, 97 StPO Das Gericht half dem Rechtsmittel ab. Sei der Zeugnisverweigerungsberechtigte für die GmbH tätig geworden, dürfe dieser das Zeugnis nur dann nicht verweigern, wenn ihn – jedenfalls auch – der faktische Geschäftsführer von der Verschwiegenheitspflicht entbunden habe.146 Da sich die GmbH bei der Vermittlung der Informationen ihrer Organe bediene, gerieten diese in das Risiko, strafrechtlich verantwortlich gemacht zu werden. Diese Gefahr bestehe ebenso für den faktischen Geschäftsführer. Die materiellrechtliche Gleichstellung von rechtlichem und faktischem Geschäftsführer sei auf prozessualer Ebene nachzuvollziehen. Daher sei ebenfalls eine Entbindungserklärung des faktischen Geschäftsführers notwendig.147 Diesem Ergebnis treten einige Literaturstimmen bei.148 Zur Begründung verweisen sie auf ihre Ansätze zur Bestimmung der Entbindungsberechtigung,149 deren Grundsätze sie für den faktischen Geschäftsführer entsprechend gelten lassen. 143  MüKo / StGB / Radtke,

§ 14 Rn. 118. 46, 62 (64 ff.); 47, 318 (324 f.). 145  OLG Celle wistra 1986, 83 (83). 146  OLG Celle wistra 1986, 83 (83). 147  OLG Celle wistra 1986, 83 (83). 148  Beck / OK / StPO / Graf, § 53 Rn. 40; Meyer-Goßner, § 53 Rn. 46; Krause, FS-Dahs, S. 349 (378); Schmitt, wistra 1993, 9 (11). 149  Siehe unter 2. Kapitel A. III. 1. c). 144  BGHSt



C. Juristische Personen und ihre Organe237

Nach dem hier vertretenen Konzept ist allein die GmbH Beteiligte des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses, denn nur um ihre Rechtsangelegenheiten geht es und nur sie befindet sich als Adressat der Rechtsberatung des Anwalts in der bezeichneten „do ut des“-Beziehung zum Rechtsberater. Der faktische Geschäftsführer kann keine eigenen Rechte aus §§ 53, 97, 160a StPO herleiten, denn weder hatte das Anwaltsmandant seine Rechtsangelegenheiten zum Gegenstand noch unterlag er einer Situa­ tion faktischen Zwanges zur Preisgabe eigener sensibler Informationen. Soweit der faktische Geschäftsführer gegenüber dem Anwalt auftrat, ergeben sich keine Unterschiede zu den vorangehenden Konstellationen der Beteiligung der Organmitglieder juristischer Personen: Ihm kam Botenfunktion zu, um dem Anwalt die nötigen Informationen über die juristische Person und ihren Beratungsbedarf zu vermitteln. Es bedarf deshalb allein der Entbindungserklärung der GmbH. Die Ausübung richtet sich nach den Regeln des Zivilrechts, erforderlich ist deshalb eine Vertretung durch das aktuelle und wirksam bestellte Vertretungsorgan der juristischen Person. Überlegenswert wäre allein, ob die zivilrechtlichen Grundsätze der Rechtsscheinsvollmacht auf die Abgabe der Entbindungserklärung mit der Folge übertragen werden könnten, dass möglicherweise ebenso der faktische Geschäftsführer den Anwalt wirksam von der Schweigepflicht entbinden kann. So wäre es denkbar, dass ein faktischer Geschäftsführer die Entbindungserklärung gegenüber dem Anwalt, der Staatsanwaltschaft oder dem Gericht zu einem Zeitpunkt abgegeben hat, als alle Beteiligten noch von der Wirksamkeit dessen Bestellung als Geschäftsführer ausgingen. Jedoch beruhen die Grundsätze von Anscheins- und Duldungsvollmacht auf dem Gedanken des Schutzes des Rechtsverkehrs: Der gute Glaube des Geschäftsgegners an die Vertretungsmacht verdient Vorzug gegenüber dem Interesse des Vertretenen, nicht an die Vertretergeschäfte gebunden zu sein, da der Vertretene aufgrund eigenen vorwerfbaren Verhaltens nicht schutzwürdig ist.150 Die Heranziehung dieser Grundsätze für die Erklärung der Schweigepflichtentbindung ist abzulehnen, weil es keinen Rechtsverkehr gibt, der Schutz beanspruchen kann. Anders als im Zivilrecht drohen keine potentiell schädigenden Folgedispositionen von Staatsanwaltschaft oder Gericht, vor denen sie bewahrt werden müssen. Es besteht kein schutzwürdiges Vertrauen. Das gilt gleichfalls für den Anwalt, der unter Umständen gegen § 203 StGB verstößt, wenn er aussagt, obwohl eine entsprechende materiell-rechtliche Schweigepflichtentbindung fehlt: Je nachdem, ob man die materiell-rechtliche Entbindung als tatbestandsausschließendes Einver150  BGH NJW 1966, 1915 (1916); OLG Hamm NJW-RR 1995, 418 (418); MüKo / BGB / Schramm, § 167 Rn. 46.

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

ständnis oder als rechtfertigende Einwilligung ansieht,151 wird er sich im Tatbestands- oder im Erlaubnistatbestandsirrtum befinden. Negative Folgen drohen allein dem Träger des Vertrauensverhältnisses, in das als Folge einer scheinbar wirksamen Entbindungserklärung durch die Strafverfolgungsbehörden eingegriffen wird. Der Schutz der Rechte des Trägers des Vertrauensverhältnisses würde empfindlich geschwächt, machte man ihm vom guten Glauben eines Dritten abhängig. Im Übrigen besteht ein Schutz gegen Beschlagnahme aus § 97 StPO oder gegen andere Ermittlungsmaßnahme gemäß § 160a Abs. 1 StPO lediglich im Umfang wie in den vorgenannten Konstellationen. 3. Ergebnis Im Ergebnis werden faktische Organmitglieder nicht besser oder schlechter gestellt als rechtlich wirksam bestellte Organmitglieder: Sind sie nicht in ein eigenständiges Vertrauensverhältnis zum Anwalt getreten, kommt ihnen keinerlei Mitsprache bei der Entbindung des Rechtsanwalts zu.

D. Internal Investigations Ein Phänomen jüngeren Datums stellen sog. Internal Investigations dar. Sie werfen besondere Schwierigkeiten für die Beurteilung der Entbindungsberechtigung und des Bestehens eines Beschlagnahmeverbotes auf.

I. Was sind Internal Investigations? Private Ermittlungen, interne Erhebungen oder Internal Investigations sind eine Dienstleistung von Rechtsanwälten und Wirtschaftsprüfern, für die eine stetig steigende Nachfrage zu verzeichnen ist.152 Gemeint ist die originäre Ermittlungstätigkeit geschädigter Unternehmen, durchgeführt von Externen oder von Mitarbeitern des Unternehmens, typischerweise zur Vorbereitung von Schadensersatzprozessen, arbeitsrechtlichen Maßnahmen oder Strafanzeigen.153 Erlangt die Geschäftsleitung oder das Aufsichtsgremium eines Unternehmens Kenntnis von gesetzeswidrigem Verhalten von Mitarbeiten, das 151  Ausführlich

zum Meinungsstreit MüKo / StGB / Ciernak / Pohlit, § 203 Rn. 55 ff. in: Achenbach / Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstraf-

152  Salvenmoser / Schreier,

recht, S. 1670. 153  Eine Übersicht zu den Definitionsansätzen bei Nestler, in: Knierim / Rübenstahl / Tsambikakis, Internal Investigations, 1. Kapitel III. 1., Rn. 19 ff.; so wie hier Salvenmoser / Schreier, in: Achenbach / Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, S. 1674.



D. Internal Investigations239

eine Haftung des Unternehmens auslösen kann, sind diese verpflichtet, den Sachverhalt aufzuklären und rechtlich zu prüfen. Diese Verpflichtung ergibt sich etwa für den Vorstand einer AG aus § 91 Abs. 2 AktG, deren Verletzung zu Haftungsansprüchen nach § 93 Abs. 2 S. 1 AktG führt und den Anfangsverdacht einer Untreue gemäß § 266 StGB begründen kann.154 In der Praxis ist nicht selten unklar, ob das Unternehmen durch die zu untersuchenden Vorgänge geschädigt wurde und nunmehr Haftungsansprüche gegen Dritte geltend zu machen sind oder Dritte geschädigt wurden, die Ansprüche gegen das Unternehmen richten werden, und möglicherweise sogar ordnungswidrigkeitenrechtliche Folgen wie Verfall (§§ 73 ff. StGB, § 29a OWiG) oder Unternehmensgeldbuße (§ 30 OWiG) drohen, gegen die sich das Unternehmen verteidigen muss.155 Aufgrund dieser Unsicherheit und zur Förderung der Kooperationsbereitschaft der Angestellten wird das Unternehmen in der Regel kein Interesse daran haben, dass die Ergebnisse der Sachverhaltsaufklärung ohne Weiteres in einem straf- oder ordnungswidrigkeitenrechtlichen Verfahren Verwendung finden können. Denn ungeachtet einer etwaigen zivilrechtlichen Aussagepflicht werden die Mitarbeiter eine interne Erhebung nur dann mit vollständigen und zutreffenden Auskünften unterstützen, wenn ihre Angaben vertraulich behandelt werden und sie keine Weitergabe an die Ermittlungsbehörden befürchten müssen.156 Aus diesem Grund werden in praxi sehr oft zeugnisverweigerungsberechtigte Berufsgeheimnisträger eingesetzt, um die erlangten Informationen gegen den Zugriff der staatlichen Behörden zu sichern.157

II. Welche Rechtsfragen stellen sich? Im Zusammenhang mit Internal Investigations werden alle Fragen relevant, die für das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis bislang diskutiert wurden: Problematisch ist, zwischen welchen Personen ein Vertrauensverhältnis entsteht, wer infolgedessen zur Schweigepflichtentbindung berechtigt ist, welchem Vertrauensverhältnis die Kommunikation zwischen dem Anwalt und einem Dritten zugeordnet werden kann, wie § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO auszulegen ist und in welchem Verhältnis § 97 StPO zu § 160a StPO steht. 154  Ausführlich zu den gesellschaftsrechtlichen Rahmenbedingungen Potinecke /  Block, in: Knierim / Rübenstahl / Tsambikakis, Internal Investigations, 2. Kapitel II. 1., Rn.  4 ff. Ferner Jahn / Kirsch, StV 2011, 151 (152). 155  Ballo, NZWiSt 2013, 46 (46, 47); Jahn / Kirsch, StV 2011, 151 (152). 156  Jahn / Kirsch, StV 2011, 151 (152). 157  Salvenmoser / Schreier, in: Achenbach / Ransiek, Handbuch Wirtschaftsstrafrecht, S. 1718.; Wollschläger, in: Knierim / Rübenstahl / Tsambikakis, Internal Investigations, 24. Kapitel IV. 7., Rn. 41.

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

1. LG Hamburg, Beschluss vom 15.10.2010 – 608 Qs 18 / 10 In privaten Ermittlungen spielen Befragungen vermeintlicher Täter oder eventuell beteiligter Dritter eine große Rolle. Genauso wenig wie die privaten Ermittler aber strafprozessuale Zwangsmaßnahmen ergreifen dürfen, um die Befragten zu einer Aussage zu bewegen, handelt es sich bei diesen Befragungen um Vernehmungen im strafprozessualen Sinne gem. §§ 133 ff. StPO. Daher trifft die Ermittler keine Belehrungspflicht nach § 136 StPO, so wie die StPO auf die Tätigkeit der Investigateure insgesamt keine Anwendung findet.158 Eine solche Befragung und die darüber gefertigten Protokolle standen im Zentrum eines Sachverhaltes, den das LG Hamburg im Jahr 2010 zu entscheiden hatte.159 a) Der Sachverhalt160 Mit einer dem LG Hamburg im September 2010 zur Entscheidung gestellten Beschwerde wandte sich die Anwaltssozietät Freshfields Bruckhaus Deringer als Drittbeteiligte gegen die Anordnung der Beschlagnahme von Dateien und Dokumenten durch das AG Hamburg, die im Rahmen anwaltlicher Tätigkeit erstellt worden waren. Die Staatsanwaltschaft Hamburg hatte gegen Vorstandsmitglieder der HSH Nordbank AG ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Untreue nach § 266 StGB eingeleitet. Nach dem Tatvorwurf sollten die Mitglieder des Vorstandes 2007  /  2008 einem Geschäft zugestimmt haben, das für die Bank mit unvertretbaren finanziellen Risiken verbunden war und im Ergebnis zum Verlust eines neunstelligen Eurobetrages führte. Zur näheren Aufklärung der Vorgänge um dieses Geschäft hatte der Aufsichtsrat der Bank die Anwaltssozietät mit einer internen Untersuchung (Internal Investigation) zur Frage möglicher Pflichtverletzungen durch Mitglieder des Vorstands der HSH Nordbank AG nach § 112 S. 1 AktG beauftragt, um gegebenenfalls Schadensersatzansprüche geltend zu machen oder Kündigungen auszusprechen. Im Rahmen dieses Mandats führten Rechtsanwälte der Sozietät – unter Zusage der Vertraulichkeit – Gespräche mit derzeitigen und früheren Mitarbeitern der HSH Nordbank AG, darunter auch den Beschuldigten, oder nahmen von diesen schriftliche Stellungnahmen entgegen. Im Laufe des Ermittlungsverfahrens forderte die Staatsanwaltschaft die Sozietät nunmehr im August 2010 auf, unter anderem die Protokolle der geführten Interviews sowie die in 158  Tsambikakis, in: Knierim / Rübenstahl / Tsambikakis, Internal Investigations, 7. Kapitel II. 3., Rn. 37; Jahn, StV 2009, 41 (45). 159  LG Hamburg NJW 2011, 942 (942 ff.). 160  Siehe LG Hamburg NJW 2011, 942 (942).



D. Internal Investigations241

diesem Zusammenhang entstandenen vorbereitenden Unterlagen herauszugeben. Nachdem die Kanzlei dies abgelehnt hatte, beantragte die Staatsanwaltschaft bei dem AG Hamburg die Durchsuchung der Geschäfts-, Büro- und sonstigen Betriebsräume der Sozietät zu dem Zweck, sämtliche Unterlagen aufzufinden und sicherzustellen, die der Sozietät von Arbeitnehmern und ehemaligen Arbeitnehmern der HSH Nordbank AG für die Erstellung des Rechtsgutachtens zur Verfügung gestellt worden waren, darunter Dateien, Vernehmungsprotokolle und weitere in diesem Zusammenhang erstellte Aufzeichnungen. Ein entsprechender Beschluss erging. Die Kanzlei übergab daraufhin der Staatsanwaltschaft Hamburg die von ihr zusammengestellten Beweismittel in einem versiegelten Behältnis. Nachdem das AG Hamburg der gegen den Beschlagnahmebeschluss eingelegten Beschwerde samt Antrag auf Aussetzung der Vollziehung nach § 307 Abs. 2 StPO nicht stattgegeben hatte, begann die Staatsanwaltschaft Hamburg mit der Auswertung der übergebenen Unterlagen. Gegen den Beschlagnahmebeschluss des AG Hamburg sowie gegen die nachfolgenden versagenden Beschlüsse erhob die Rechtsanwaltskanzlei Beschwerde zum LG Hamburg. Bereits im Vorfeld des Beschwerdeverfahrens hatte der Aufsichtsrat der Bank beschlossen, die Mitarbeiter der Sozietät im Hinblick auf das erteilte Mandat zur Aufklärung etwaiger Pflichtverletzungen von Vorstandsmitgliedern von der „beruflichen und vertraglichen“ Schweigepflicht zu entbinden und dies über den Aufsichtsratsvorsitzenden mit Schreiben vom 08.07.2010 sowohl der Sozietät sowie auch der Staatsanwaltschaft Hamburg mitgeteilt. Mit weiterem an die Kanzlei gerichteten Schreiben vom 26.08.2010 teilte der Aufsichtsratsvorsitzende sodann – nunmehr allerdings ohne Hinweis auf einen Aufsichtsratsbeschluss entsprechenden Inhalts – unter der Betreffzeile „Einschränkung der Entbindung von der Schweigepflicht zur Aussage bei den Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen der Freien und Hansestadt Hamburg sowie des Landes Schleswig-Holstein“ mit: „… schränke ich die Entbindung von der Schweigepflicht wie folgt ein: Sie und die weiteren von der Schweigepflicht befreiten Rechtsanwälte bleiben im Hinblick auf Informationen, die sie im Rahmen der von Ihnen zur Sachverhaltsermittlung geführten Interviews erlangt haben (einschließlich der davor und danach geführten Korrespondenz mit den Interviewten), an Ihre Schweigepflicht gebunden, soweit nicht die jeweilige interviewte Person, von der Sie bestimmte Informationen ­erhalten haben, Ihnen gegenüber ausdrücklich die Einwilligung zu deren Offen­ legung erklärt hat.“

b) Die Entscheidung des Gerichts Die Beschwerde hatte keinen Erfolg. In der schriftlichen Begründung ging die entscheidende Kammer auf eine Reihe von Rechtsfragen ein, die im Folgenden näher beleuchtet werden sollen. Abschlägig beschied die Kammer

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

zunächst die Frage, ob die beschlagnahmten Dateien und Dokumente nach § 97 Abs. 1 StPO von der Beschlagnahme freigestellt sind, wobei sie ausdrücklich nur § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO erwog. Entgegen seinem umfassenden Wortlaut sei § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO dahingehend einschränkend auszulegen, dass allein das Vertrauensverhältnis des Beschuldigten im Strafverfahren zu einem von ihm in Anspruch genommenen Zeugnisverweigerungsberechtigten durch ein Beschlagnahmeverbot geschützt sein solle. Dies folgert die Kammer aus einem systematischen Vergleich mit § 97 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO, die ausdrücklich nur auf den Schutz der Vertrauensbeziehung zwischen Beschuldigtem und Zeugnisverweigerungsberechtigtem ausgerichtet seien. § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO solle nur den Anwendungsbereich des Beschlagnahmeverbots auf „andere Gegenstände“ als die in Abs. 1 Nr. 1 und 2 genannten erstrecken, habe dagegen nicht den Zweck, das Beschlagnahmeverbot nunmehr umfassend und unter Einschluss am Strafverfahren nicht direkt beteiligter Dritter zu erweitern. Andernfalls würden die nur für den Beschuldigten geltenden Ausdifferenzierungen in Abs. 1 Nrn. 1 und 2 teilweise unterlaufen.161 In Übereinstimmung mit der wiewohl nicht unstreitigen, aber herrschen­ den Meinung in Rechtsprechung und Lehre kam es nach der Auffassung des LG  Hamburg daher im Folgenden darauf an, ob ein von § 97 Abs. 1 StPO geschütztes Vertrauensverhältnis zwischen den Beschuldigten und den Anwäl­ ten der Sozietät bestand.162 Hierzu führte das Gericht aus, dass es sich bei den Interviewpartnern, deren Antworten in den Protokollen der Anwälte festgehal­ ten worden waren, zwar um die Beschuldigten eines Strafverfahrens handele. Indes habe zwischen den Beschuldigten und den zeugnisverwei­ ge­ rungs­ berechtigten Anwälten kein Vertrauensverhältnis bestanden. Weder seien die Beschuldigten persönlich Auftraggeber der Sozietät gewesen noch – weshalb es auf die Frage nach der zivilrechtlichen Auftraggeberschaft gar nicht ankomme – sei zwischen ihnen und den Anwälten ein „mandatsähnliches Vertrauensverhältnis“ zustande gekommen. Einem solchen stehe bereits die Zielrichtung des Mandats entgegen. Die Anwälte seien vom Aufsichtsrat eingeschaltet worden, um die Interessen der Bank gegenüber den Vorstandsmitgliedern im Hinblick auf eventuelle Schadensersatz- oder sonstige Ansprüche wahrzunehmen. Nach der „Natur des Mandats“ hätten sich die Beschuldigten gegenüber der Sozietät gerade nicht in einer dem Auftraggeber vergleichbaren, „ratsuchenden“ Stellung befunden. Vielmehr seien sie selbst im Hinblick auf mögliches Fehlverhalten Gegenstand der Untersuchung gewesen. Hierin liege ein grundlegender Unterschied zu jenem Sachverhalt, der vom AG Bonn163 entschieden worden sei. Im vorliegenden Fall sei es gerade nicht 161  LG

Hamburg NJW 2011, 942 (943). Hamburg NJW 2011, 942 (943 f.). 163  AG Bonn NJW 2010, 1390 (1390); hierzu siehe unter 3. Kapitel C. III. 1. 162  LG



D. Internal Investigations243

um die Beratung der Organmitglieder gegangen. Wäre die Sozietät dagegen zugleich für die betreffenden Mitglieder des Vorstandes beratend tätig gewesen, um eine zivilrechtliche Inanspruchnahme durch die Bank zu vermeiden, so läge hierin ein Verhalten, dass nur schwer von den Voraussetzungen des Parteiverrates nach § 356 StGB abzugrenzen sei. Daher hätten sich die Anwälte der Kanzlei des Aufbaus eines „mandatsähnlichen Vertrauensverhältnisses“ zu enthalten gehabt, einer Pflicht, der auch entsprochen worden sei.164 Auch die Zusicherung der Vertraulichkeit der befragenden Anwälte gegenüber den interviewten Beschuldigten reiche nicht für die Begründung eines mandatsähnlichen Verhältnisses aus. Insbesondere kämen privatrechtliche Dispositionen über strafprozessuale Zwangsmaßnahmen im Wege von „Zusagen“ nicht in Frage. Daher konnte aus Sicht des Gerichts dahinstehen, wer zur Entbindung der Anwälte von ihrer Schweigepflicht berechtigt war und ob dies im konkreten Fall durch den Aufsichtsratsvorsitzenden rechtmäßig geschehen war. Ferner sah die Kammer auch keine Notwendigkeit, § 97 Abs. 1 InsO analog anzuwenden.165 Der „Nemo tenetur“-Gedanke greife im vorliegenden Fall schon deshalb nicht, weil sich die Vorstandsmitglieder zivilrechtlich dazu verpflichtet hatten, Auskünfte über möglicherweise auch eigenes strafbares Verhalten zu geben. Letztlich stand nach Auffassung des Gerichts § 160a Abs. 2 StPO a. F. der Beschlagnahme ebenfalls nicht entgegen. Denn der besonderen Verhältnismäßigkeitsprüfung gemäß § 160a Abs. 2 StPO a. F. bedürfe es nicht, da aus § 160a Abs. 5 StPO a. F. folge, dass die Grenzen des Beschlagnahmeverbotes aus § 97 StPO nicht verändert werden sollen, vielmehr der Regelung des § 160a StPO vorgehen. Hilfsweise prüfte die Kammer dennoch die Beschlagnahme auf ihre Verhältnismäßigkeit, welche sie aufgrund des potentiellen Untreueschadens in Millionenhöhe bejahte.166 c) Reaktionen in der Literatur Der Beschwerdebeschluss des LG Hamburg hat ungewöhnlich starken Widerhall in der Literatur gefunden. Die Reaktionen des Schrifttums fielen fast einstimmig gegen eine Zulässigkeit der Beschlagnahme aus.167 Mitunter heißt es, die Vielzahl engagierter anwaltlicher Reaktionen erkläre sich mit 164  LG

Hamburg NJW 2011, 942 (944). Hamburg NJW 2011, 942 (944). 166  LG Hamburg NJW 2011, 942 (945). 167  Gegen die Zulässigkeit: Bock / Gerhold, in: Knierim / Rübenstahl / Tsambikakis, Internal Investigations, 5. Kapitel IV. 2. cc), Rn. 38; Fritz, CCZ 2011, 156 (156 ff.); v. Galen, NJW 2011, 945 (945 ff.); Jahn, ZIS 2011, 453 (453 ff.); Jahn / Kirsch, StV 2011, 151 (151 ff.); Schuster, NZWiSt 2012, 28 (28 ff.); Szesny, GWR 2011, 165  LG

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

der Besorgnis des Wegbrechens eines Geschäftsfeldes.168 Soweit Begründungen angeführt werden, entnehmen einige Autoren ein Beschlagnahmeverbot einer extensiven Auslegung des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO, der das Vertrauensverhältnis zwischen dem Anwalt und einem nichtbeschuldigten Mandant unter Schutz stelle.169 Andere halten die Beschlagnahme von Interviewprotokollen aus internen Ermittlungen jedenfalls aufgrund von § 160a Abs. 1 S. 1 StPO n. F. für unzulässig.170 Insoweit werden jedoch keine Gedanken oder Argumente vorgebracht, die nicht bereits für die Erörterung der Auslegung von § 97 Abs. 1 Nr. 3 ­StPO171 und von § 160a Abs. 5 StPO172 berücksichtigt wurden. Insbesondere machen nur einzelne der genannten Stimmen, die zu der Begründung des LG Hamburg Stellung beziehen, dazu Ausführungen, ob ein geschütztes Vertrauensverhältnis allein zwischen der Bank und den Anwälten der Kanzlei besteht oder ob nicht ebenfalls zwischen den Beschuldigten und den Rechtsanwälten und welche Konsequenzen sich daraus ergeben.173 d) Beschlagnahme- und Ermittlungsverbote, §§ 97, 160a StPO Die erkennende Kammer des LG Hamburg hatte in diesem Fall mehrere Rechtsfragen zu entscheiden. Im Zentrum steht das Problem, ob auch zwischen den befragten Vorstandsmitgliedern als Beschuldigte und den Anwälten ein Vertrauensverhältnis zustande gekommen ist. Davon hängt ab, ob zugunsten der Vorstandsmitglieder ein Beschlagnahmeverbot nach § 97 ­StPO besteht und ob diese Schutz aus § 160a StPO für sich reklamieren dürfen. Die Besonderheit des vorliegenden Falles liegt dabei darin, dass es nicht der Vorstand, sondern der Aufsichtsrat der AG war, der nach § 112 S. 1 AktG die Anwaltssozietät mit der Untersuchung beauftragte. Zudem sicherten die interviewenden Anwälte den Befragten Vertraulichkeit zu, was eventuell eine gegenüber den vorherigen Sachverhalten differenzierte Beurteilung rechtfertigt. Die Beschuldigten traten erstmals durch und in der Interviewsituation in Kontakt mit den Anwälten der Sozietät. Ein kommunikativer Kontakt zu 169 (169); Zimmer, BB 2011, 1075 (1075). Für die Zulässigkeit: Bauer, StV 2012, 277 (277 ff.); ders., StraFo 2012, 488 (488). 168  Schuster, NZWiSt 2012, 28 (28). 169  v. Galen, NJW 2011, 945 (945); Jahn, ZIS 2011, 453 (459); Jahn / Kirsch, StV 2011, 151 (153). 170  Schuster, NZWiSt 2012, 28 (30). 171  Siehe unter 2. Kapitel A. III. 2. c). 172  Siehe unter 2. Kapitel A. III. 4. c). 173  Fritz, CCZ 2011, 156 (157).



D. Internal Investigations245

den Anwälten lag insofern vor. Fraglich ist, ob dieser wie bei einem Rechtsratsuchenden mit Blick auf berufstypische Leistungen des Anwalts, mithin gerade wegen dieser, zustande kam. Zu den berufstypischen Leistungen des Anwalts gehört nicht nur die Vertretung und Beratung in allen Rechtsangelegenheiten, sondern, wie § 18 BORA hervorhebt, ferner die Tätigkeit als Vermittler, Schlichter oder Mediator. Eine Tätigkeit als Verhörperson im Zuge einer internen Ermittlung ist sicherlich keine typische Leistung eines Rechtsanwalts. So könnte man argumentieren, dass die Anwälte im Zuge der Interviews lediglich die Auskunftsansprüche der HSH Nordbank AG gemäß § 666 bzw. §§ 611, 241 Abs. 2 BGB174 gegenüber den Vorstandsmitgliedern geltend machten. Die Situation wäre keine andere gewesen, hätten statt der Anwälte der Kanzlei Angestellte der Hausrevision der Bank oder sonstige Externe, etwa Wirtschaftsprüfer oder Detektive, die Interviews geführt, ein spezifischer Bezug zur Tätigkeit als Rechtsanwalt ist nicht erkennbar. Zu den Aufgaben der Investigateure gehören jedoch ebenso die rechtliche Bewertung der gesammelten Informationen und die Formulierung von Beschlussempfehlungen an die Unternehmensleitung, insbesondere hinsichtlich personeller Maßnahmen, Schadensersatzansprüchen und betrieblicher Reorganisation.175 Daher ist ein Bezug zu einer berufstypischen Leistung des Anwalts gegeben. Allerdings müsste weiterhin eine Rechtsangelegenheit der Vorstandsmitglieder gegeben sein, in der diese den Rat des Rechtsanwalts benötigen. Nur dann läge eine „do ut des“-Situation, eine Lage faktischen Zwanges zur Informationspreisgabe vor, an die die strafprozessuale Schutzwürdigkeit der Anwalt-Mandant-Kommunikation geknüpft ist. An diesen Voraussetzungen fehlt es. Weder erwarteten die Befragten Rechtsrat von den Anwälten noch war eine Rechtsangelegenheit der Vorstandsmitglieder Inhalt des Auftrages der Kanzlei. Materieller Adressat der Rechtsberatungsleistung war die HSH Nordbank AG als juristische Person. Die Befragung durch die Rechtsanwälte wurde den Mitgliedern des Vorstandes durch die Bank als Dienstberechtigte „aufgezwungen“. In der typischen Ausgangslage hingegen, für die die Vorschriften der StPO Schutz gewähren sollen, muss der Mandant dem Anwalt eigene sensible Informa­ tionen übermitteln, um in den Genuss dessen Rechtsrats zu kommen. Der Zwang, dem er unterliegt, besteht in der Öffnung seiner Privat- bzw. Geheimsphäre gegenüber dem Anwalt. Diese Lage faktischen Zwanges wurde 174  BAG NZA 1996, 637 (638); MüKo / BGB / Müller-Glöge, § 611 Rn. 1112; Göpfert / Merten / Siegrist, NJW 2008, 1703 (1705). 175  Ballo, NZWiSt 2013, 46 (47); Wisskirchen / Glaser, DB 2011, 1447 (1451 f.). Ausführlich zum Spektrum der Reaktionsmöglichkeiten Idler / Waeber, in: Knierim /  Rübenstahl / Tsambikakis, Internal Investigations, 20. Kapitel V., Rn. 61 ff.

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

als „do ut des“-Situation bezeichnet. Für die Vorstandsmitglieder resultierte die Zwangslage aber nicht aus ihrem Begehren, Rechtsrat zu erhalten, sondern aus ihrer zivilrechtlichen Auskunftspflicht gegenüber der Dienstberechtigten HSH Nordbank AG. Inhalt des Mandats war es, die Bank über eventuelle Pflichtverletzungen der Vorstandsmitglieder aufzuklären, um gegen diese gegebenenfalls Schadensersatzansprüche geltend zu machen oder Kündigungen auszusprechen. Insofern lag die Sache nicht wesentlich anders, als wenn die Anwälte in einem streitigen Verfahren Vertreter der Gegenseite gewesen wären. Die Annahme, die Vorstandsmitglieder könnten ebenso Adressatin des Rechtsrates gewesen sein, erscheint deshalb fernliegend. Die Zusicherung der Vertraulichkeit durch die Rechtsanwälte rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Privatrechtliche Verabredungen über die Vertraulichkeit von Gesprächen lösen Rechtsfolgen auf dem Gebiet des Privatrechts aus. Der Schutz des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses in der StPO setzt aber nur insoweit den Willen der Beteiligten voraus, als es die Entscheidung des Rechtsratsuchenden ist, sich für einen Anwalt zu entscheiden und diesem sein Anliegen vorzutragen. Die Verfügungsbefugnis über die Schweigepflicht des Rechtsanwalts ist ein Ausfluss des Vertrauensverhältnisses zwischen Anwalt und Mandant, das seinerseits eine Reaktion auf die Schutzbedürftigkeit der Kommunikation zwischen Anwalt und Mandant ist. Schutzbedürftigkeit lässt sich aber nicht unmittelbar durch privatautonome Entscheidungen herstellen oder vervielfältigen. Ein Vertrauensverhältnis entsteht deshalb allein zwischen der Bank und den Rechtsanwälten der Kanzlei. Die HSH Nordbank AG als juristische Person suchte um die Hilfe der Anwälte in ihren Rechtsangelegenheiten nach. Sie war Adressatin der Anwaltsleistung und sie befand sich in der für den Rechtsratsuchenden typischen „do ut des“-Situation. § 97 StPO steht einer Beschlagnahme daher nicht entgegen, da die Vorschrift nur das Vertrauensverhältnis zwischen dem Anwalt und dem beschuldigten Mandanten tatbestandlich erfasst.176 Auch nach neuem Recht ist dem § 160a Abs. 1 S. 1 StPO kein Beschlagnahmeverbot zu entnehmen, da § 160a Abs. 5 StPO so zu verstehen ist, dass kein weiteres Beschlagnahmeverbot normiert werden sollte.177 Hingegen ist die Anordnung der Durchsuchung der Kanzleiräume nach § 160a Abs. 1 S. 1 StPO unzulässig. Deshalb stellt sich die Frage, ob die durch die Beschlagnahme erlangten Erkenntnisse im Verfahren gegen die Beschuldigten und im Falle einer denkbaren Beteiligung der HSH Nordbank AG als Einziehungs-, Verfalls- oder als Beteiligte eines OWiG-Verfahrens 176  Siehe 177  Siehe

unter 2. Kapitel A. I. 2. c). unter 2. Kapitel A. I. 4. c).



D. Internal Investigations247

in diesem Verfahren verwertet werden können. Wird die Durchsuchung entgegen § 160a Abs. 1 S. 1 StPO vorgenommen, folgt aus § 160a Abs. 1 S. 2 StPO ein Verwendungs- bzw. Verwertungsverbot für die so erlangten Erkenntnisse. Eine Fernwirkung auf die aus der nachfolgenden Beschlagnahme folgenden Erkenntnisse ist mit der Rechtsprechung zwar im Grundsatz abzulehnen,178 nach der Sachlage und der Art des Verbots kann im Einzelfall jedoch anderes gelten.179 Setzen sich die Strafverfolgungsbehörden bewusst oder willkürlich über das Durchsuchungsverbot hinweg, um die Beschlagnahme vornehmen zu können,180 muss die Annahme einer Fernwirkung auf die unmittelbar nachfolgende Beschlagnahme ernsthaft erwogen werden. Der BGH hat eine solche Fernwirkung freilich bislang nur für das Beweisverwertungsverbot nach dem G10 angenommen.181 Aufgrund dieser restriktiven Haltung dürfte die Rechtsprechung auch im Fall bewusster Verstöße kaum eine Fernwirkung annehmen. In der Konstellation, die das LG Hamburg zu entscheiden hatte, liegt ein bewusster Verstoß der Ermittlungsbehörden jedoch nicht vor. Deshalb sind die beschlagnahmten Dokumente auch nach dem nun geltenden Recht verwertbar. Diese Fragen stellten sich allerdings überhaupt nicht, wenn der Schutz des § 160a StPO aufgrund einer wirksamen Entbindung der Anwälte von der Schweigepflicht entfallen wäre. e) Entbindungsberechtigung, § 53 Abs. 2 StPO Ein Vertrauensverhältnis bestand allein zwischen der Bank und den Rechtsanwälten. Da keine persönlichen Rechtsangelegenheiten der Aufsichtsratsmitglieder beraten werden sollten, erübrigt sich die Frage nach weiteren Vertrauensverhältnissen. In der Konsequenz stand allein der HSH Nordbank AG die Dispositionsbefugnis über die Schweigepflicht zu.182 Die Vertretungszuständigkeit für die Abgabe der Entbindungserklärung bestimmt sich nach den Regeln des Zivilrechts. Nach § 112 S. 1 AktG ist der Aufsichtsrat „gegenüber Vorstandsmitgliedern“ zur Vertretung der Gesellschaft berechtigt. Danach verfügt der Aufsichtsrat über ausschließliche Vertretungsmacht für Rechtsstreitigkeiten jeder Art, einschließlich der Verfolgung 178  Siehe

unter 3. Kapitel C. I. 2. c) bb). 27, 355 (357); 29, 244 (249); 51, 1 (7). 180  Nach BVerfGE 113, 29 (61) rechtfertigt dies ein Beweisverwertungsverbot für die Erkenntnisse einer Durchsuchung. 181  BGHSt 29, 244 (244 ff.). 182  Ebenso Neuhaus, in: Kempf / Lüderssen / Volk, Unternehmensstrafrecht, S.  358; Pfordte, FS-DAV, S. 740 (752); Wessing, FS-DAV, S. 907 (926); Theile, StV 2011, 381 (384). 179  BGHSt

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

von Ersatzansprüchen gegen Vorstandsmitglieder.183 Die Mandatserteilung an die Kanzlei diente der Prüfung eventueller zivilrechtlicher Ansprüche und ist daher der Anspruchsverfolgung bzw. deren Vorbereitung zuzuordnen. Zuständig für die Vertretung der Gesellschaft war folglich der Aufsichtsrat. Hierüber entscheidet der Aufsichtsrat durch Beschluss, § 108 AktG. Der Vollzug des gebildeten Willens kann einem seiner Mitglieder oder auch einem Dritten als „Erklärungsvertreter“ überlassen werden. In der Regel kann von einer stillschweigen Ermächtigung des Aufsichtsratsvorsitzenden ausgegangen werden.184 Bereits im Vorfeld der Anordnung der Durchsuchung und Beschlagnahme durch das AG Hamburg, im Juli 2010, hatte der Aufsichtsrat der Bank die Entbindung der Anwälte der Sozietät von deren Schweigepflicht beschlossen. Als Erklärungsvertreter hatte der Aufsichtsratsvorsitzende dies der Rechtsanwaltskanzlei und der Staatsanwaltschaft mit Schreiben vom 08.07.2010 mitgeteilt. Der Schutz des § 160a Abs. 1 S. 1 StPO wäre damit entfallen.185 Gleichfalls wären die Anwälte nach § 95 Abs. 1 StPO zur Herausgabe der Dokumente verpflichtet, ohne sich auf den Schutz des § 95 Abs. 2 S. 2 StPO berufen zu können. Möglicherweise liegt in der nachfolgenden Erklärung des Aufsichtsratsvorsitzenden vom 26.08.2010 aber ein Widerruf der Entbindungserklärung. Dieser ist jederzeit möglich.186 Erfolgt er wie hier vor der Durchführung der Ermittlungsmaßnahmen, stellt sich kein Problem hinsichtlich der Verwertbarkeit der Ergebnisse: Die Schutzwirkung des § 160a StPO greift und eventuelle Funde sind unverwertbar.187 Unproblematisch ist ebenso, dass es sich um einen beschränkten Widerruf der Entbindungsberechtigung handelte: Wenn eine Entbindung des Anwalts nur hinsichtlich bestimmter Vorgänge zulässig ist,188 muss umgekehrt ein Teilwiderruf gleichfalls möglich sein. Nach dem gerichtlich festgestellten Sachverhalt bleibt aber offen, ob der Aufsichtsratsvorsitzende aufgrund eines entsprechenden Aufsichtsratsbeschlusses zur Einschränkung der Schweigepflichtentbindung handelte. Er könnte daher ohne die nötige Vertretungsmacht gehandelt haben. Ob und wie sich ein solcher Fehler strafprozessrechtlich auf die Entbindungserklä183  Hüffer,

AktG, § 112 Rn. 3. § 112 Rn. 26. 185  BT-Drs. 16 / 5846, S.  37; Meyer-Goßner, §  160a Rn.  1; SK / StPO / Wolter, § 160a Rn. 12. 186  BGHSt 18, 146 (149); OLG Hamburg NJW 1962, 689 (690); Meyer-Goßner, § 53 Rn. 49. 187  Meyer-Goßner, §  160a Rn.  1; KK / StPO / Senge, § 160a Rn. 24 f.; Bertheau, StV 2012, 303 (303). 188  Allg. M., OLG Hamburg NJW 1962, 689 (690); KK / StPO / Senge, § 53 Rn. 54; Meyer-Goßner, § 53 Rn. 49. 184  MüKo / AktG / Habersack,



D. Internal Investigations249

rung auswirkt, ist noch ungeklärt. Jedenfalls für die Nebenbeteiligung juristischer Personen im Verfahren nach § 444 StPO ist anerkannt, dass die im Zivilverfahren anerkannten Vertretungsgrundsätze zu übernehmen sind.189 Zivilprozessuale Prozesshandlungen sind unwirksam, wenn es an der Vertretungsmacht des organschaftlichen Vertreters fehlt.190 Prozesshandlung im strafprozessualen Sinne ist jede prozessgestaltende Betätigung des Gerichts, der Staatsanwaltschaft, eines anderen Verfahrensbeteiligten oder eines Dritten in Gestalt einer Erklärung, eines Antrags oder eines Realakts, die Rechtswirkungen (Begründung, Änderung oder Aufhebung von Rechten und Pflichten) oder Gestaltungswirkungen (Einwirkung auf den Prozess als Entwicklungsvorgang) hat.191 Die Entbindungserklärung ist eine Prozesshandlung in diesem Sinne, denn sie beseitigt das Zeugnisverweigerungsrecht des Rechtsanwalts und lässt seine Zeugnispflicht wiederaufleben.192 Gleiches gilt für den Widerruf, der als actus contrarius die Rechtsnatur der Entbindungserklärung teilt. Die Vertretungsgrundsätze des Zivilverfahrensrechts sollten deshalb auf die Erklärung der Schweigepflichtentbindung übertragen werden.193 Soweit in der Kommentarliteratur zu § 53 StPO zu lesen ist, die Abgabe der Entbindungserklärung könne nicht auf einen Vertreter übertragen werden,194 meinen die Autoren ersichtlich den Fall der Beteiligung einer natürlichen Person am Vertrauensverhältnis mit dem Zeugnisverweigerungsberechtigten. Für juristische Personen muss bereits aufgrund der Natur der Sache anderes gelten.195 Geht man davon aus, ein Aufsichtsratsbeschluss zur Einschränkung der Schweigepflichtentbindung existiert nicht, so ist unerheblich, ob der Aufsichtsratsvorsitzende als Erklärungsvertreter einen (vermeintlichen) bereits gebildeten Willen des Aufsichtsrats vollziehen wollte oder er als organschaftlicher Vertreter die Willensbildung für die Gesellschaft selbst vorzunehmen und nach außen zu vertreten beabsichtigte – wofür mehr spricht, denn im Schreiben vom 26.08.2010 ist von „ich“ die Rede:196 Jedenfalls ist die Erklärung nach §§ 164 Abs. 1, 180 S. 1 BGB analog unwirk189  Vgl. RGSt 60, 75 (76 f.); KK / OWiG / Rogall, § 30 Rn. 177; Schlüter, Strafbarkeit von Unternehmen, S. 217 ff. 190  Musielak / Musielak, Einl. Rn. 62. 191  Meyer-Goßner, Einl. Rn. 95. 192  Ebenso Meyer-Goßner, § 53 Rn. 45. 193  So auch Schlüter, Strafbarkeit juristischer Personen, S. 259. 194  Etwa KK / StPO / Senge, § 53 Rn. 48; KMR  /  Neubeck, § 53 Rn. 31; MeyerGoßner, § 53 Rn. 48. 195  Hierzu siehe 2. Kapitel B. IV. 1. 196  Zur Unterscheidung zwischen Erklärungsvertretung und organschaftlicher Vertretung sowie zu den Rechtsfolgen bei fehlender Vertretungsmacht siehe OLG Düsseldorf NZI 2004, 141 (142) sowie MüKo / AktG / Habersack, § 112 Rn. 26 f.

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

sam, denn entweder fehlt es an der Befugnis zur Erklärungsvertretung zum Vollzug eines nicht existierenden Beschlusses oder an der organschaftlichen Vertretungsmacht zur Abgabe einer solchen Erklärung für die Gesellschaft. In beiden Fällen handelte der Aufsichtsratsvorsitzende ohne Vertretungsmacht, die Entbindungserklärung wäre nach dem Zivilverfahrensrecht unwirksam und ist es daher ebenso nach dem Strafprozessrecht. Darüber hinaus bezog sich der Teilwiderruf laut Betreffzeile des Schreibens vom 26.08.2010 nur auf das Verfahren vor den in dieser Sache betriebenen Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen. Die Schweigepflichtentbindung entfaltet Wirkungen nur für das Verfahren bzw. den Anlass, für den sie abgegeben wird.197 Im Ergebnis bleibt es bei der wirksamen Entbindungserklärung vom 08.07.2010. § 160a Abs. 1 S. 1 StPO steht dem Durchsuchungsbeschluss deshalb nicht entgegen. Ferner sind die Anwälte der Kanzlei nach § 95 Abs. 1 StPO zur Herausgabe der Unterlagen verpflichtet, wollen sie die Anordnung von Ordnungs- oder Zwangsmittel nach §§ 95 Abs. 2 S. 1, 70 StPO vermeiden. Im Übrigen ist es nicht zu beanstanden, dass die Entbindung von der Zustimmung des jeweils befragten Vorstandsmitglieds abhängig gemacht wurde. Eine Übertragung des Entbindungsrechts ist zwar unzulässig, jedoch dürfen sich juristische Personen ebenfalls durch andere als ihre organschaftlichen Vertreter bei dessen Ausübung vertreten lassen.198 Nichts anderes ergibt sich, wenn das Zustimmungserfordernis als die bedingte Erklärung der Schweigepflichtentbindung verstanden wird, wobei die Zustimmung das zukünftige, ungewisse Ereignis ist. Prozesshandlungen sind nicht bedingungsfeindlich, wenn keine Rechtsunsicherheit eintritt und das mit der Sache befasste Gericht die durch die Bedingung hervorgerufene Ungewissheit selbst beseitigen kann.199 Da die von den Anwälten befragten Personen, zumal es sich teilweise um die Beschuldigten des Verfahrens handelt, unschwer gehört bzw. im Freibeweisverfahren sogar telefonisch kontaktiert werden können, wird nicht von einer Bedingungsfeindlichkeit auszugehen sein. 2. LG Mannheim, Beschluss vom 03.07.2012 – 24 Qs 1 / 12 Ebenfalls um eine Internal Investigation und um die Beschlagnahme von Interviewprotokollen ging es in einem Beschwerdebeschluss des LG Mannheim im Juli 2012.200 197  KK / StPO / Senge,

§ 53 Rn. 53; Meyer-Goßner, § 53 Rn. 47. unter 2. Kapitel B. IV. 4. b); 3. Kapitel C. IV. 199  BGHSt 29, 396 (396); Meyer-Goßner, Einl Rn. 118. 200  LG Mannheim NStZ 2012, 713 (713 ff.). 198  Siehe



D. Internal Investigations251

a) Der Sachverhalt 201 Gegen sieben Angestellte einer AG, von denen einige dem Vorstand angehörten, wurde wegen gewerbsmäßiger Urheberrechtsverletzung in mittelbarer Täterschaft bzw. Beihilfe dazu gemäß §§ 106, 108a UrhG, §§ 25 Abs. 1 Alt. 2 bzw. 27 StGB ermittelt. Auf Veranlassung bzw. Mitwirkung der Beschuldigten sollen Mitarbeiter der AG Produkte einer ausländischen Corporation, ohne deren Genehmigung, zu eigenen geschäftlichen Zwecken der AG genutzt haben. Im Verlauf der Ermittlungen wurde der Staatsanwaltschaft Mannheim im Dezember 2011 von dem Leiter der Rechtsabteilung der AG mitgeteilt, dass ein Sonderausschuss des Aufsichtsrates Untersuchungen zu möglichen Pflichtverletzungen der Vorstandsmitglieder wegen der Vorgänge im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit mit der Corporation eingeleitet habe. Mit den internen Untersuchungen sei eine Anwaltskanzlei betraut worden. Bislang liege lediglich ein Zwischenbericht der Kanzlei vor, die endgültige Fassung des Haftungsgutachtens sei für Februar 2012 zugesagt worden. Die Staatsanwaltschaft stellte daraufhin den Zwischenbericht der Anwälte sicher und verständigte sich mit der AG, dass die entsprechenden Unterlagen nachgereicht würden. Als das nicht geschah, erließ das AG Mannheim auf Antrag der Staatsanwaltschaft am 28.02.2012 einen Beschluss, in dem die Beschlagnahme des „Berichts der Rechtsanwälte für den Aufsichtsrat der AG zu möglichen Pflichtverletzungen der Vorstände der AG nebst der für diesen Bericht erhobenen Unterlagen und gefertigten Aufzeichnungen über durchgeführte Befragungen (Interviews)“ bei der Anwaltskanzlei und der AG angeordnet wurde. Nach Zustellung dieses Beschlusses an die Anwaltskanzlei und die Rechtsabteilung der AG Anfang März 2012, verbunden mit einer Frist zur Herausgabe der Unterlagen, legten die Kanzlei und die AG mit Schriftsatz vom 12.03.2012 jeweils Beschwerde gegen die Beschlagnahmeanordnung vom 28.02.2012 ein. Da das AG Mannheim den beiden Beschwerden nicht abhalf, hatte das LG Mannheim als Beschwerdegericht zu entscheiden. b) Ausführungen der Beschwerdeführer 202 In ihrer Beschwerdebegründung berief sich die Kanzlei auf § 160a Abs. 1 S. 1 StPO. Sie führte aus, die Beschlagnahmeanordnung vom 28.02.2012 201  Siehe LG Mannheim NStZ 2012, 713 (713, 714) sowie LG Mannheim, Beschl. v. 03.07.2012 – 24 Qs 1 / 12, Rz. 1–12, zitiert nach juris. Im Folgenden wird auf die juris-Fundstelle Bezug genommen, da dort die vollständigen Entscheidungsgründe veröffentlicht sind. 202  LG Mannheim, Beschl. v. 03.07.2012 – 24 Qs 1 / 12, Rz. 13–30, zitiert nach juris.

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

ziele sowohl auf den Bericht der Rechtsanwälte als auch auf die für den Bericht erhobenen Unterlagen ab, womit nur die speziell zur Anfertigung dieses Berichts benötigten Unterlagen der AG gemeint sein könnten. Alle diese Unterlagen seien aber Teil der Kommunikation zwischen den Rechtsanwälten und ihrer Mandantin und daher nach § 160a Abs. 1 S. 1 StPO beschlagnahmefrei. Dies gelte auch für die Aufzeichnungen über die im Rahmen der Erstellung des Berichts geführten Mitarbeiter-Befragungen (Interviews). Die AG sieht sich sowohl aufgrund der gegen die Anwaltskanzlei als auch wegen der gegen sie selbst gerichteten Beschlagnahmeanordnung in ihren Rechten verletzt. Denn zum einen verstoße die Beschlagnahme der Unterlagen bei der Rechtsanwaltskanzlei gegen § 160a Abs. 1 S. 1 StPO, zum anderen schütze § 160a Abs. 1 S. 5 StPO gegen Ermittlungsmaßnahmen, die nicht gegen Berufsgeheimnisträger, aber auf Informationen aus einem Vertrauensverhältnis gerichtet seien. Das in § 160a Abs. 1 S. 5 StPO normierte Beweisverwertungsverbot habe zur Folge, dass bereits die Erhebung solcher – von einem Berufsgeheimnisträger stammender Informationen – als Beweismittel unzulässig sei. Dieser Vorauswirkung eines ausdrücklich normierten Beweisverwertungsverbotes lasse sich vorliegend auch nicht entgegen halten, dass im Rahmen der Beschlagnahme nicht vorhersehbar sei, welche Beweismittel erlangt würden. Denn die vorliegend angegriffene Maßnahme ziele auf Unterlagen, die erkennbar in ihrer Gesamtheit einem solchen Beweisverwertungsverbot unterfielen. Übereinstimmend führten die Beschwerdeführer aus, dass § 97 StPO einer Anwendbarkeit des § 160a StPO nicht entgegenstehe. c) Die Entscheidung des Gerichts Das LG Mannheim hielt die Beschwerde der Kanzlei für begründet, den Rechtsbehelf der AG dagegen für unbegründet. aa) Beschlagnahmeanordnung betreffend die Rechtsanwaltskanzlei203 Zunächst stellt die Kammer Überlegungen zur (neuen) Rechtslage aufgrund des zum 01.02.2012 reformierten § 160a StPO an. Ziel des Reformgesetzgebers sei nicht „eine Ausweitung von bestehenden Beschränkungen bei der Beschlagnahme von Gegenständen, sondern lediglich ein verstärkter 203  Siehe LG Mannheim, Beschl. v. 03.07.2012 – 24 Qs 1 / 12, Rz. 35–124, zitiert nach juris.



D. Internal Investigations253

Schutz der Tele- und elektronischen Kommunikation von und mit Rechtsanwälten […]; denn die Regelung des § 160a StPO regelt aus Sicht des Gesetzgebers offensichtlich nur ‚alle anderen Ermittlungsmaßnahmen‘, die nicht schon durch § 97 StPO bzw. § 100c Absatz 6 StPO geregelt waren.“204 Weiter führt das Gericht aus, dass es zentrales Anliegen des Strafprozesses sei, den wahren Sachverhalt zu ermitteln, um zu einem gerechten Urteil zu kommen. Das ergebe sich aus dem Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren und dem Rechtsstaatsprinzip. Wären aber nun Rechtsanwälte im gleichen Umfang wie zuvor Verteidiger gegen Beschlagnahme geschützt, wäre es sehr fraglich, ob die verfassungsrechtlich gebotene Sachverhaltsaufklärung noch geleistet werden könnte. Denn staatliche Ermittlungen könnten auch für den Beschuldigten entlastende Umstände zutage fördern.205 So habe etwa im Verfahren gegen die Vorstandsmitglieder der HSH Nordbank aufgrund der vom LG Hamburg bestätigten Beschlagnahmeanordnung ermittelt werden können, dass einem Mitarbeiter der Bank im Auftrag von Verantwortlichen kinderpornographische Dokumente untergeschoben worden waren, um diesem gegenüber eine Kündigung aussprechen zu können. Als Beschäftigter eines größeren Unternehmens sei ein Beschuldigter regelmäßig der organisatorischen und finanziellen Überlegenheit seines Arbeitgebers ausgeliefert. Könnte der Arbeitgeber unliebsame oder gar brisante Dokumente dadurch dem Zugriff der Strafverfolgungsbehörden entziehen, dass er diese an einen Rechtsanwalt übergibt, wäre eine zuverlässige Sachverhaltsaufklärung weitgehend unmöglich.206 Anders als bei natürlichen Personen sei diese Beweismittelverlagerung nicht hinnehmbar bei juristischen Personen, die niemals selbst Beschuldigte eines Strafverfahrens, sondern allenfalls Betroffene eines Einziehungs-, Verfalls- oder OWiG-Verfahren sein könnten, in dem wegen § 43a Abs. 4 BRAO und § 356 StGB noch nicht einmal der mit der Internal Investigation betraute Rechtsanwalt Verteidiger werden könne.207 Daher öffne § 160a ­StPO den Weg in eine „Zwei-Klassen-Gesellschaft“, in der finanzkräftige Zeugen nahezu unbegrenzt Beweismittel zum eigenen Vorteil und zum Nachteil anderer Verfahrensbeteiligter dem Staat entziehen könnten. Ein uneingeschränkter Schutz der von einem Zeugen an einen Rechtsanwalt übergebenen Dokumente könne deshalb nicht zugelassen werden, wenn grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien des Strafverfahrens gewahrt werden sollen. Sinn und Zweck des § 160a StPO sei der Schutz des potentiellen 204  LG Mannheim, Beschl. v. 03.07.2012 – 24 Qs 1 / 12, Rz. 54, zitiert nach juris, führt eine Passage aus BR-Drs. 229 / 10, S. 2 an, die wortgleich mit BT-Drs. 17 / 2637, S. 6 ist. Hierzu siehe bereits 2. Kapitel Fn. 488. 205  LG Mannheim, Beschl. v. 03.07.2012 – 24 Qs 1 / 12, Rz. 75, zitiert nach juris. 206  LG Mannheim, Beschl. v. 03.07.2012 – 24 Qs 1 / 12, Rz. 77, zitiert nach juris. 207  LG Mannheim, Beschl. v. 03.07.2012 – 24 Qs 1 / 12, Rz. 81, zitiert nach juris.

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

Verteidigungsmandats und nicht der Schutz des Zeugen vor unerwünschten Aufklärungsbemühungen. Daher müsse die Norm in Fällen evidenten Missbrauchs bloßer Beweisverlagerung durch einen Zeugen, der keinerlei strafrechtliche Ermittlungen gegen sich selbst zu befürchten hat, dahingehend verfassungskonform ausgelegt werden, dass der Schutz des § 160a StPO entfallen muss.208 Da die Kammer tatsächliche Anhaltspunkte für einen derartigen Missbrauch nicht erkennen konnte, hielt sie die Beschlagnahmeanordnung für unrechtmäßig. Offen könne bleiben, ob § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO – vorrangig vor § 160a StPO – auch auf das Verhältnis zwischen nichtbeschuldigtem Mandanten und seinem Rechtsanwalt Anwendung findet; denn hinsichtlich der Unterlagen im Gewahrsamsbereich der Rechtsanwälte, auf die die Beschlagnahme gerichtet seien, ergäbe sich aus § 97 StPO und § 160a StPO ein Verbot der Beschlagnahme.209 Beschlagnahmefrei seien deshalb der Bericht der Anwaltskanzlei an die AG, die Unterlagen, die der Kanzlei zur Erstellung des Berichts übergeben wurden, und die Interviewprotokolle, soweit im Gewahrsam der Anwälte. bb) Beschlagnahmeanordnung betreffend die AG210 Dagegen war die Anordnung der Beschlagnahme dieser Unterlagen bei der AG zulässig. Denn § 97 StPO sei im Verhältnis zwischen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger, soweit die Ermittlungsmaßnahme auf die Beschlagnahme von körperlichen Gegenständen abzielt, die speziellere Regelung gegenüber § 160a StPO.211 Von Verteidigungsunterlagen abgesehen verbiete § 97 StPO die Beschlagnahme aber nur hinsichtlich von Gegenständen im Gewahrsam des Zeugnisverweigerungsberechtigten. Hieran habe sich durch die Neuregelung des § 160a StPO nichts geändert. Denn das Verhältnis zu § 97 StPO habe der Gesetzgeber nicht umgestalten wollen. Erst recht könne daher aus § 97 StPO kein weitergehender Schutz für das Verhältnis des potentiell Beschuldigten zu seinem potentiellen Verteidiger folgen, etwa durch eine Anwendung des § 160a StPO auf die Beschlagnahme: Denn wenn schon der Beschuldigte durch die Neuregelung des § 160a 208  LG

Mannheim, Beschl. v. 03.07.2012 – 24 Qs 1 / 12, Rz. 104–107, zitiert nach

209  LG

Mannheim, Beschl. v. 03.07.2012 – 24 Qs 1 / 12, Rz. 112, zitiert nach

juris.

juris.

210  Siehe LG Mannheim, Beschl. v. 03.07.2012 – 24 Qs 1 / 12, Rz. 35–169, zitiert nach juris. 211  LG Mannheim, Beschl. v. 03.07.2012 – 24 Qs 1  / 12, Rz. 147, zitiert nach juris.



D. Internal Investigations255

StPO nicht vor der Beschlagnahme von Gegenständen in seinem Gewahrsam geschützt war und geschützt ist, bestehe schon gar keine Veranlassung einem als Zeugen oder Drittbeteiligten Betroffenen weitergehenden Schutz zuzubilligen.212 Denn § 160a StPO sollte durch die Neugestaltung letztlich nur eine Gleichstellung aller Rechtsanwälte mit den Verteidigern bewirken. Eine Auslegung des § 160a StPO, nach der der gegebene Schutzraum weit über das Bestehen tatsächlicher Verteidigungsmandate hinausgeht, könne daher nicht überzeugen.213 Deshalb ordne § 160a StPO kein zusätzliches Beweiserhebungsverbot in Gestalt eines Beschlagnahmeverbotes an, beschränke sich vielmehr auf die Beurteilung der Verwertbarkeit, wenn ein Verbot nach § 97 StPO gegeben ist. Durch diese Auslegung werde dem Willen des Gesetzgebers Rechnung getragen, durch die Neugestaltung des § 160a StPO eine Gleichstellung aller Rechtsanwälte mit den Verteidigern zu bewirken.214 d) Reaktionen in der Literatur Die Reaktionen in der Literatur auf die Entscheidung fallen gemischt aus. Einige Stimmen in der Wissenschaft sprechen sich gegen die Entscheidung des LG Mannheim aus und halten die gegen das Unternehmen gerichtete Beschlagnahme ebenfalls für rechtswidrig,215 andere kritisieren lediglich die Begründung der Kammer, greifen das Ergebnis aber nicht an.216 In der Diskussion werden jedoch keine Gedanken oder Argumente vorgebracht, die nicht bereits für die Erörterung der Auslegung von § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO217 und von § 160a Abs. 5 StPO218 berücksichtigt wurden. Einhellig ablehnend äußern sich die Verfasser hingegen zu den Erwägungen der Strafkammer, §§ 97, 160a StPO im Falle missbräuchlicher Beweismittelverlagerung einschränken zu wollen. Denn jenseits der Verstrickungsregelungen in §§ 97 Abs. 2 S. 3, 160a Abs. 4 S. 1 StPO findet sich dafür keine gesetzliche Grundlage.219 Weiter stehe es der Staatsanwaltschaft ohnehin frei, 212  LG

Mannheim, Beschl. v. 03.07.2012 – 24 Qs 1 / 12, Rz. 152, 153, zitiert nach

213  LG

Mannheim, Beschl. v. 03.07.2012 – 24 Qs 1 / 12, Rz. 155, zitiert nach

214  LG

Mannheim, Beschl. v. 03.07.2012 – 24 Qs 1 / 12, Rz. 158–160, zitiert nach

juris.

juris. juris.

215  Ballo,

NZWiSt 2013, 46 (46 ff.). NJW-Spezial 2012, 504 (504); Jahn / Kirsch, NStZ 2012, 718 (718 ff.); Milde, CCZ 2013, 78 (78 ff.); Schuster, NZWiSt 2012, 431 (431 ff). 217  Siehe unter 2. Kapitel A. III. 2. c). 218  Siehe unter 2. Kapitel A. III. 4. c). 219  Ballo, NZWiSt 2013, 46 (52); Beukelmann, NJW-Spezial 2012, 504 (504); Milde, CCZ 2013, 78 (80); Schuster, NZWiSt 2012, 431 (433). 216  Beukelmann,

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3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

die Mitarbeiter des Unternehmens als Zeugen bzw. als Beschuldigte zu vernehmen oder die dem Untersuchungsbericht der Anwälte zugrunde liegenden Unterlagen (Geschäftsunterlagen, Schriftverkehr, etc.) zu beschlagnahmen, ein Beweismittelverlust droht deshalb nicht.220 e) Beschlagnahme- und Ermittlungsverbote, §§ 97, 160a StPO Dem LG Mannheim ist nur zum Teil zuzustimmen. Zu widersprechen ist dem Gericht insbesondere hinsichtlich seiner Begründungen. aa) Verbot der Beschlagnahme der Unterlagen im Gewahrsam der Rechtsanwaltskanzlei Nach der hier vertretenen Auffassung steht weder § 97 StPO noch § 160a StPO der Anordnung der Beschlagnahme der Unterlagen in den Räumlichkeiten der Kanzlei entgegen. Denn § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO schützt nicht das Verhältnis zwischen dem nichtbeschuldigten Mandanten und dem Rechtsanwalt. § 160a StPO findet demgegenüber auf die Beschlagnahme keine Anwendung. Zu § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO vertritt das LG Mannheim die Gegenauffassung, die Norm schütze gleichfalls das Vertrauensverhältnis zwischen dem Anwalt und einem nichtbeschuldigten Mandant, formuliert dies aber zunächst etwas undeutlich: „Es kann danach in vorliegender Sache aber auch dahinstehen, ob § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO – vorrangig vor § 160a Abs. 1 StPO n. F. – auch auf das Verhältnis zwischen dem Nichtbeschuldigten und seinem Rechtsanwalt Anwendung findet […]; denn hinsichtlich der Unterlagen, auf welche die vorliegend angegriffene Beschlagnahmeanordnung abzielt, ergeben beide Regelungen, dass eine solche im Gewahrsamsbereich der [Rechtsanwälte der Kanzlei] nicht durchgeführt werden darf.“221 Im Folgenden stellt das LG Mannheim klar, dass es das zweite „auch“ und die Bindestriche sinnbetont besser weggelassen hätte: „Ein solcher Bericht [der von der AG angeforderte Prüfbericht der Kanzlei – Anm. d. Verf.] unterfällt danach, soweit er sich im Gewahrsamsbereich dieser Rechtsanwälte befindet, der – grundsätzlich als spezieller zu wertenden – Regelung des § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO, aber auch – soweit man diese für einschlägig hielte – der Regelung des § 160a Abs. 1 StPO n. F.“222 Das Gericht legt nahe, sowohl aus 220  Ballo, 221  LG

NZWiSt 2013, 46 (51); Schuster, NZWiSt 2012, 431 (433). Mannheim, Beschl. v. 03.07.2012 – 24 Qs 1 / 12, Rz. 112, zitiert nach

222  LG

Mannheim, Beschl. v. 03.07.2012 – 24 Qs 1 / 12, Rz. 114, zitiert nach

juris. juris.



D. Internal Investigations257

§ 97 StPO als auch aus § 160a Abs. 1 StPO folge in der vorliegenden Konstellation ein Beschlagnahmeverbot. Dass § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO so nicht auszulegen ist, wurde bereits gezeigt.223 Gründe, weshalb sie diese Auslegung vorzieht, gibt die Kammer nicht an. Dass das LG hingegen nicht wirklich davon ausgeht, ein Beschlagnahmeverbot ergebe sich aus § 160a Abs. 1 StPO zeigt seine zurückhaltende Formulierung „soweit man [§ 160a StPO] für einschlägig hielte“. Dem ist zuzustimmen.224 Nach der Lösung dieser Arbeit ist die Beschlagnahmeanordnung des AG Mannheim rechtmäßig ergangen. Jedoch fehlt es ihr an praktischer Durchsetzbarkeit: Denn die Dokumente befinden sich in den Kanzleiräumen der Rechtsanwaltskanzlei, einer Beschlagnahme hätte notwendig eine Durchsuchung zu deren Auffindung, § 103 StPO, vorangehen müssen. Diese ist nach § 160a Abs. 1 S. 1 StPO aber unzulässig. Setzten sich die Ermittlungsbehörden bewusst über dieses Durchsuchungsverbot hinweg oder schieben andere Ermittlungszwecke vor, um an die gesuchten Unterlagen zu gelangen, sollte eine Fernwirkung des aus der rechtswidrigen Durchsuchung folgenden Beweisverwertungsverbotes gemäß § 160a Abs. 1 S. 2 StPO für Erkenntnisse aus der nachfolgenden Beschlagnahme erwogen werden. Vereinzelt wird das für Verwendungsverbote stets angenommen,225 was nicht ohne Widerspruch blieb.226 Im Falle eines bewussten Hinweggehens über das Recht dürfte jedoch die Schwere des Verstoßes in die Richtung eines Verwertungsverbotes ebenso für die aus der Beschlagnahme erlangten Erkenntnisse weisen.227 bb) Verbot der Beschlagnahme der Unterlagen im Gewahrsam der AG Nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht steht der Beschlagnahme der Unterlagen im Gewahrsamsbereich der AG weder ein Beschlagnahmeverbot entgegen noch würde den so gewonnenen Erkenntnissen ein (fernwirkendes) Beweisverwertungsverbot entgegenstehen. § 97 StPO schützt nicht das Verhältnis zwischen dem nichtbeschuldigten Mandanten und dem Rechtsanwalt.228 § 160a StPO ist aus den genannten Gründen kein Beschlagnahmeverbot zu entnehmen.229 223  Siehe

unter 2. Kapitel A. IV. 2. c). unter 2. Kapitel A. IV. 4. c). 225  LG Stuttgart, wistra 2000, 439 (439) für § 97 Abs. 1 InsO sowie SK / StPO / Wolter, § 160a Rn. 26 für § 160a Abs. 1 S. 2 StPO. 226  Etwa LR / Gössel, Einl. Abschn. L Rn. 106. 227  Siehe unter 3. Kapitel C. I. 2. c) bb). 228  Siehe unter 2. Kapitel A. III. 2. c). 229  Siehe unter 2. Kapitel A. III. 4. c). 224  Siehe

258

3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

Das folgt aber nicht – wie die Kammer meint – aus dem Wertungsgesichtspunkt, der Gesetzgeber habe eine Gleichstellung aller Rechtsanwälte mit den Strafverteidigern beabsichtigt,230 aber keine Besserstellung.231 Denn zum einen kann das ohnehin nicht derart universal, sondern nur für den Anwendungsbereich des § 160a StPO richtig sein, was das Gericht nicht deutlich herausarbeitet, zum anderen wäre vorrangig eine methodisch belastbare Auslegung des § 160a Abs. 5 StPO angezeigt gewesen. Eine Durchsuchung der Geschäftsräume der AG zur Auffindung von Beweismitteln hindert § 160a Abs. 1 S. 5 StPO nicht. Wie gezeigt wurde, ist die Maßnahme aber zu unterbrechen, soweit Anwaltskorrespondenz gefunden wird.232 Deren Beschlagnahme ist hingegen zulässig, ebenso wie die Verwertung daraus stammender Erkenntnisse. Da im Fall ein bewusster Verstoß gegen das in § 160a Abs. 1 S. 5, 2 StPO normierte Beweisverwendungsverbot nicht erkennbar, ein fernwirkendes Verwertungsverbot deshalb nicht zu erwägen ist, begegnet die Verwertbarkeit der so erlangten Erkenntnisse keinen Bedenken. f) Entbindungsberechtigung, § 53 Abs. 2 StPO Ein Vertrauensverhältnis entsteht allein zwischen der AG und den Rechtsanwälten. Ebenso wie im Fall des LG Hamburg sind es nur die Rechtsangelegenheiten der juristischen Person, mit denen sich die Anwälte beschäftigen sollen, und allein sie ist die Adressatin des Rechtsrates der Rechtsberater. Ausschließlich die juristische Person befindet sich deshalb in der für die Entstehung des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses kennzeichnenden „do ut des“-Beziehung zum Rechtsanwalt. Befanden sich ebenfalls die Angestellten der AG in einer Zwangslage, Informationen an die Anwälte preisgeben zu müssen, von denen sie zur Sache befragt wurden, resultiert dieser Zwang nicht aus dem Begehren, selbst in eigenen Rechtsangelegenheiten Hilfe zu erhalten, sondern aus ihrer Auskunftspflicht gegenüber dem Arbeitgeber bzw. dem Dienstberechtigten.233 Allein entbindungsberechtigt ist deshalb die AG, in diesem Fall ordnungsgemäß vertreten durch ihren Aufsichtsrat, soweit es um die Vorbereitung der Anspruchsverfolgung oder sonstiger Konsequenzen gegenüber den Vorstandsmitgliedern ging, § 112 AktG. Dispositionsbefugt ist die AG sowohl hinsichtlich des Haftungsgutachtens selbst als auch hinsichtlich der Dokumente, die die AG den Rechtsanwälten zusammenstellte und übergab, 230  LG 231  LG

juris.

Mannheim, Beschl. v. 03.07.2012 – 24 Qs 1 / 12, Rz. 54, zitiert nach juris. Mannheim, Beschl. v. 03.07.2012 – 24 Qs 1 / 12, Rz. 152, zitiert nach

232  Siehe

unter 3. Kapitel C. I. 2. c) bb). siehe 3. Kapitel Fn. 174.

233  Hierzu



D. Internal Investigations259

um diesen eine Informationsbasis für das Gutachten zu verschaffen. Ferner ist die AG ebenso zur Entbindung berechtigt über die Aufzeichnungen und Protokolle der Anwälte der Rechtsanwaltskanzlei, die sie über die Befragungen der Mitarbeiter der AG anfertigten. Diese Protokolle dienten der Informationserhebung zur Fertigung des Haftungsgutachtens und sind deshalb mandatsbezogene Kommunikation. Das LG Mannheim differenziert hinsichtlich der Protokolle und sieht an sich lediglich die Fragen der vernehmenden Rechtsanwälte vom Schutzbereich des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses erfasst. Nicht geschützt seien die Antworten der Mitarbeiter, denn sie stünden in keiner Mandatsbeziehung zu den Fragenden. Da die Antworten aber Rückschlüsse auf die Fragen und deren Ermittlungsziele ermöglichten, es daher notwendig zu einer Vermischung im Rahmen des Frage-Antwort-Zusammenhanges komme, müssten gleichfalls die Antworten zu den geschützten Inhalten gezählt werden.234 Zuzustimmen ist der Auffassung des LG Mannheim insoweit, als es nicht die Mitarbeiter der AG, sondern allein die juristische Person als persönlich von § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO geschützt sieht. Im Übrigen ist der Kammer zu widersprechen. Maßgeblich für den Schutzumfang des Anwalt-MandantVertrauensverhältnisses ist § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO. Dem sachlichen Schutzbereich nach handelt es sich zwar um den Schutz einer Kommunikationsbeziehung zwischen Anwalt und Mandant, die Person desjenigen, der dem Anwalt Kenntnisse vermittelt, ist aber nicht entscheidend. Wesentlich ist allein, ob und welchem Vertrauensverhältnis die Kommunikation zwischen dem Anwalt und einem Dritten zugeordnet werden kann.235 Die AG bedient sich ihrer Angestellten, gleichsam als Boten, um den Anwälten die nötigen Kenntnisse zur Mandatsbearbeitung zu vermitteln. Ebenso hätte die AG ihre Angestellten selbst befragen und den Anwälten die gewonnenen Informationen zukommen lassen können. Es handelt sich deshalb um mandatsbezogene Kommunikation, die dem Schutz des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO unterliegt, auf den die AG als Trägerin des Vertrauensverhältnisses zu den Anwälten der Kanzlei verzichten darf.

III. Ergebnis Nach der hier vertretenen Lösung ist bei Internal Investigations nur die das Mandat vergebende juristische Person in den persönlichen Schutzbereich des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses einbezogen. Umfassen234  LG

juris.

Mannheim, Beschl. v. 03.07.2012 – 24 Qs 1 / 12, Rz. 118, 119, zitiert nach

235  Siehe

unter 2. Kapitel B. IV. 1.

260

3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

den Schutz der Unterlagen, die im Zusammenhang mit der internen Ermittlung ausgetauscht werden, gibt es nicht, am besten gesichert sind diese aber im Gewahrsam des Rechtsanwaltes, da sich gegen diesen zumindest keine Durchsuchungsanordnungen richten dürfen.

E. Mediation Beteiligte des Vertrauensverhältnisses sind der Rechtsanwalt und der Rechtsratsuchende. Zentrale Frage bei der Mediation ist, ob jeweils eigenständige Vertrauensverhältnisse zwischen dem als Mediator eingesetzten Rechtsanwalt und den Parteien entstehen. Dies hat zur Folge, dass beiden Parteien ein eigenes Recht zur Entbindung des Anwalts von seiner Schweigepflicht über das im Rahmen des Vertrauensverhältnisses Ausgetauschte zusteht.

I. Was ist Mediation? Mediation ist eine Methode zur Konfliktbehandlung unter Drittbeteiligung, aber ohne Drittentscheidung.236 Ihr liegt die Vorstellung zugrunde, dass eine wirksame Streiterledigung nicht nur durch autoritative Streitentscheidung erfolgen muss, sondern dass eine autonom verhandelte Lösung der Parteien, die mit Unterstützung eines Dritten erzielt wird, ebenso effektiv sein kann.237 Dabei versuchen die Konfliktparteien, unterstützt durch einen besonders geschulten allparteilichen Dritten ohne Entscheidungskompetenz, den Mediator, auf freiwilliger Basis gemeinsam eine Lösung ihres Konflikts zu erarbeiten. Der Mediator führt die Parteien in einem strukturierten Verfahren zu einer interessenorientierten, eigenverantwortlichen Lösungsfindung.238 Unterschieden wird zwischen der außergerichtlichen und der gerichtsbezogenen Mediation.239 Im Folgenden soll lediglich die außergerichtliche Mediation betrachtet werden, deren Wahl den Konfliktparteien jederzeit freisteht, nach § 15a EGZPO jedoch in einigen Bundesländern zur Voraussetzung einer zulässigen Klage im Zivilverfahren gemacht wurde.240 Die 236  Hattemer,

Mediation, S. 7; Schmelz-Buchhold, Mediation, S. 40. in: Henssler / Koch, Mediation, § 1 Rn. 1; Prütting, JZ 2008, 847 (847). 238  v. Schlieffen, in: Haft / v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 1 Rn. 1 ff.; Hattemer, Mediation, S. 8. 239  Prütting, JZ 2008, 847 (848). 240  So etwa in Bayern mit dem „Bayerisches Gesetz zur obligatorischen außergerichtlichen Streitschlichtung in Zivilsachen und zur Änderung gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften“ (BaySchlG) vom 25. April 2000 (GVBl S. 268). Ausge237  Koch,



E. Mediation261

außergerichtliche, vertragsautonome Mediation findet außerhalb eines Gerichtsverfahrens auf Basis einer privatrechtlichen Abrede statt. Zivilrecht­ liche Verträge kommen zustande zwischen den streitenden Parteien über die Durchführung des Mediationsverfahrens – sog. Mediationsvereinbarung – und den Parteien und einem Dritten, dem Mediator – sog. Mediatorvertrag –, auf dessen Grundlage dieser tätig wird.241 Der Mediatorvertrag ist ein dreiseitiger Dienstvertrag, in der Regel mit Geschäftsbesorgungscharakter, §§ 675, 611 BGB.242 Oft nehmen Rechtsanwälte diese Rolle ein.243 Der Erfolg der Mediation hängt entscheidend davon ab, ob die Parteien in der Lage sind, ihre regelungsbedürftigen Interessen und die damit in Verbindung stehenden Informationen offen mitzuteilen.244 Eine umfassende Einbringung aller wesentlichen Informationen setzt in sensiblen Bereichen voraus, dass hinreichende Vertraulichkeit gewahrt ist. Betriebsgeheimnisse oder private Intima sollen nicht nach außen an Dritte gelangen, offenbarte Informationen im Falle eines fruchtlosen Mediationsverfahrens nicht im streitigen Prozess verwendet werden.245 Zu diesem Zweck vereinbaren die Parteien Vertraulichkeit sowohl in der Mediationsvereinbarung als auch im Mediatorvertrag.246 Für diese Arbeit interessant ist die Haltbarkeit dieser zivilrechtlichen Vertraulichkeitsabreden im Strafverfahren.

II. Welche Rechtsfragen stellen sich? Beispielhaft stelle man sich vor, in dem im vorigen Abschnitt behandelten Fall des LG Mannheim247 sieht die Kanzlei in ihrem Haftungsgutachten ihre Mandantin, die AG, gegenüber einem Mitglied des Vorstands, dem Vorstandsvorsitzenden, zum Schadensersatz berechtigt. Der Aufsichtsrat erhebt daraufhin Klage beim Zivilgericht. Noch vor dem schriftlichen Vorverfahren vereinbaren die Beteiligten, eine Mediation unter Beteiligung eines weiteren, unparteiischen Rechtsanwalts durchzuführen, um einen Vergleich zu erzielen. In den gemeinsamen Verhandlungsgesprächen räumt der Vorschlossen von der obligatorischen Schlichtung sind neben den in § 15a Abs. 2 EGZPO genannten Klage- und Verfahrensarten insbesondere alle vermögensrecht­ lichen Streitigkeiten, deren Geldeswert 750 Euro übersteigt, § 15a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EGZPO. 241  Ewert, Mediation in Zivil- und Handelssachen, S. 87, 91. 242  Hartmann, in: Haft / v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 44 Rn. 21. 243  Prütting, JZ 2008, 847 (848); Ewert, Mediation in Zivil- und Handelssachen, S. 87. 244  Hartmann, in: Haft / v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 44 Rn. 2. 245  Hattemer, Mediation, S. 36. 246  Hartmann, in: Haft / v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 44 Rn. 23 f. 247  Siehe unter 3. Kapitel D. II. 2. a).

262

3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

standsvorsitzende die vorgeworfenen Sachverhalte teilweise ein. Jedoch sieht er ein nicht unerhebliches Mitverschulden der übrigen Unternehmensleitung. Die Vertreter der AG sehen das genauso, wollen aber vor allem einen medienwirksamen Prozess vermeiden. Daraufhin kommt es zum Abschluss eines zivilrechtlichen Vergleichs zwischen der AG und dem Vorstandsvorsitzenden, in dem sich der Vorstandsvorsitzende zur Zahlung einer Geldsumme verpflichtet. Die Staatsanwaltschaft hatte während der Mediationsverhandlungen weiter ermittelt und erlangt nun Kenntnis von den Gesprächen der AG mit dem Vorstandsvorsitzenden unter Vermittlung des Rechtsanwalts. Sie würde den Rechtsanwalt eigentlich als Zeugen vernehmen wollen, sieht im Hinblick auf dessen Zeugnisverweigerungsrecht jedoch zunächst davon ab. Die Staatsanwaltschaft konfrontiert die AG mit ihren bisherigen Erkenntnissen, die einen wesentlich höheren Schaden der ausländischen Corporation beweisen, als die Anwälte der Kanzlei in ihrem Haftungsgutachten angenommen hatten. Unter dem Druck eines drohenden Bußgeldes nach §§ 130, 30 OWiG gibt die AG schließlich nach und entbindet den die Mediation leitenden Rechtsanwalt von der Schweigepflicht. Durch ihre Kooperation hofft sie, Vorteile im nachfolgenden Bußgeldverfahren zu erlangen. Der Rechtsanwalt wird daraufhin von der Staatsanwaltschaft vorgeladen. Er fragt sich, ob ihm nun noch ein Zeugnisverweigerungsrecht zusteht. 1. Entbindungsberechtigung, § 53 Abs. 2 StPO Wesentlich für die Bestimmung der Entbindungsberechtigung ist die Beteiligung am Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis. Ein solches Vertrauensverhältnis könnte zwischen dem Rechtsanwalt und der AG bestehen, die ihm den Auftrag gegeben hat, als Mediator zwischen ihr und ihrem Vorstandsvorsitzenden zu vermitteln. Dafür müsste das Unternehmen den Rechtsanwalt mit Bezug auf eine berufstypische Leistung des Anwalts in einer eigenen Rechtsangelegenheit im eigenen Interesse kontaktiert haben. Bei der Mediation handelt es sich sicherlich um keine Anwaltstätigkeit im klassischen Sinne. Der Rechtsanwalt tritt nicht als einseitiger Parteivertreter, sondern vermittelnd auf. Allerdings wird die Tätigkeit als Anwaltsmediator zumeist eine rechtsberatende Komponente enthalten.248 Darum wird die Mediation als Anwaltstätigkeit im Sinne des § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO verstanden.249 Ferner handelt es sich bei den Schadensersatzansprüchen 248  Friedrichsmeier, in: Haft / v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 34 Rn. 33 ff.; Koch, in: Henssler / Koch, Mediation, § 1 Rn. 22. 249  Kleine-Cosack, § 18 BORA Rn. 1; Eisele, in: Haft  / v. Schlieffen, Handbuch Mediation, § 32  Rn. 54 f.; Henssler, in: Henssler / Koch, Mediation, § 3 Rn. 31.



E. Mediation263

zumindest auch um eine Rechtsangelegenheit der AG, in der sie im eigenen Interesse die Hilfe des Anwalts benötigt. Die AG befindet sich weiterhin in der typischen Gefährdungslage eines Rechtssuchenden: Sie muss dem Rechtsanwalt Informationen aus ihrem Rechtsverhältnis zu dem Vorstandsvorsitzenden preisgeben, um diesen in die Lage zu bringen, vermitteln zu können. Ein Vertrauensverhältnis besteht deshalb zunächst zwischen der AG und dem Rechtsanwalt. Jedoch liegen diese Voraussetzungen ebenso für den Vorstandsvorsitzenden vor, der gleichfalls in einem „do ut des“-Verhältnis zum Anwalt steht: Auch er muss dem Anwalt Informationen aus seiner Beziehung zu der AG und über sein eigenes Verhalten offenbaren, sodass dieser einen Interessenausgleich erarbeiten kann. Die Hilfe des Anwalts nimmt nicht allein die AG in ihrer Person in Anspruch, sondern ebenso der Vorstandsvorsitzende. Insofern besteht die Sonderkonstellation, dass die AG und der Vorstandsvorsitzende die Beratungsleistung des Anwalts in derselben Rechtsangelegenheit gleichberechtigt empfangen. Hierin liegt der Unterschied zu der Situation, dass ein Rechtsanwalt Vertrauensverhältnisse zu zwei Personen aufbaut, denen (teilweise) unterschiedliche Rechtsangelegenheiten zugrunde liegen und die verschiedene Rechtsberatungsleistungen erfordern.250 Wurde in jener Anordnung eine Einzelentbindungsberechtigung für die Kommunikation angenommen, die im Rahmen der jeweiligen Vertrauensverhältnisse stattfand, wird dies der veränderten Sachlage nicht gerecht. Bei der Mediation sind beide Parteien, die AG und der Vorstandsvorsitzende, nicht voneinander unabhängige Rechtsratsuchende, die einen jeweils anderen Rat des Anwalts benötigen, sondern nehmen eine Rechtsberatung des Anwalts in derselben Rechtsangelegenheit gemeinsam in Anspruch. Sie sind nicht einzeln, sondern gemeinsam in der Rolle des Rechtsratsuchenden. Deshalb entstehen zwischen dem Rechtsanwalt und seinen beiden Mandanten nicht zwei verschiedene Vertrauensverhältnisse, es ist nur ein Vertrauensverhältnis, in welchem die AG und der Vorstandsvorsitzende gemeinsam dessen Träger sind. Nicht relevant ist, wer für das Honorar des Rechtsanwalts aufkommt. Da es sich bei dem Mediatorvertrag typischerweise um einen dreiseitigen Vertrag handelt,251 hat der Rechtsanwalt zwar Zahlungsansprüche gegen sowohl den Vorstandsvorsitzenden als auch die juristische Person unabhängig davon, ob die beiden Streitparteien im Innenverhältnis Freistellungs- oder Kostenübernahmevereinbarungen getroffen haben. Maßgeblich für das Entstehen eines Vertrauensverhältnisses ist aber allein, wer Adressat der Beratung des Anwaltes ist,252 auch wenn ein solcher 250  Siehe

unter 2. Kapitel B. IV. 4. a). unter 3. Kapitel E. I. 252  Siehe unter 2. Kapitel B. III. 2. b). 251  Siehe

264

3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

Ansatz in den allermeisten Fällen mit der zivilvertraglichen Lage korrespondiert. Folgerichtig teilen sich die AG und der Vorstandsvorsitzende die Entbindungsberechtigung für die im Rahmen dieses Vertrauensverhältnisses ausgetauschten Informationen. Davon unbenommen bleibt das Entstehen eines eigenständigen Vertrauensverhältnisses zwischen dem Rechtsanwalt und nur einem der Beteiligten, wenn der Rechtsanwalt die AG oder den Vorstandsvorsitzenden zugleich in einer anderen Angelegenheit berät. Im Beispielsfall kommt das aber nicht in Betracht und dürfte auch im Allgemeinen die Ausnahme sein, da die Beteiligten auf einen Anwalt bestehen werden, der in keiner Beziehung zu ihnen steht. Liegt nur eine Entbindungserklärung der AG vor, ist das Zeugnisverweigerungsrecht des Rechtsanwalts nicht entfallen. Er dürfte sich nach wie vor auf § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO berufen. Angemerkt sei allerdings, dass den Strafverfolgungsbehörden die Möglichkeit verbleibt, die Vertreter der AG zu vernehmen, die für die AG die Mediationsverhandlungen geführt haben. Diesen steht allerdings – soweit die Beteiligung der juristischen Person als Einziehungs- oder Verfallsbeteiligte oder als Betroffene eines OWiG-Verfahrens in Betracht kommt, §§ 432 Abs. 1, 442 Abs. 1, 444 Abs. 2 S. 2 StPO, bereits im Ermittlungsverfahren ein Schweigerecht zu.253 2. Beschlagnahme- und Ermittlungsverbote, §§ 97, 160a StPO Zu klären verbleibt, ob die Strafverfolgungsbehörden entsprechende Unterlagen und Aufzeichnungen, die der Anwalt über die Mediationsverhandlungen angelegt bzw. sich gemacht hat, beschlagnahmen dürfen. Im Unterschied zu den vorgenannten Konstellationen besteht nun ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem Beschuldigten, dem Vorstandsvorsitzenden. § 97 StPO steht daher der Beschlagnahme dieser Unterlagen in den Kanzleiräumen des Rechtsanwalts entgegen und auch eine Durchsuchung der Kanzleiräume ist nach § 160a Abs. 1 S. 1 StPO unzulässig. Rechtmäßig ist dagegen eine Beschlagnahme der Beratungsunterlagen, soweit sie sich im Gewahrsam der AG oder des Vorstandsvorsitzenden befinden.254 Auch § 160a StPO stünde einer Durchsuchung deren Räumlichkeiten nicht entgegen, wie gezeigt wurde, ist die Maßnahme aber zu unterbrechen, soweit Anwaltskorrespondenz gefunden wird.255

253  KK / OWiG / Rogall, § 130 Rn. 174 f.; LR  / Gössel, §  444 Rn.  25a f.; SK / StPO /  Weßlau, § 444  Rn. 11. 254  Siehe unter 2. Kapitel A. III. 2. c). 255  Siehe unter 3. Kapitel C. I. 2. c) bb).



F. Zusammenfassung der Ergebnisse265

III. Ergebnis Anders als bei der Befragung von Vorstandsmitgliedern im Zuge von internen Ermittlungen entsteht aufgrund der Mediatorvereinbarung ein strafprozessual schutzwürdiges Vertrauensverhältnis (auch) zwischen den natürlichen Personen und dem Rechtsanwalt. In der Folge genießen die Organmitglieder den Schutz der das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis privilegierenden Normen.

F. Zusammenfassung der Ergebnisse Zusammenfassen lassen sich die Ergebnisse der Fallbeispiele wie folgt: – Im „Blütenfall“ ist allein dem Geschäftsmann, dem Rechtsratsuchenden, die Entbindungsberechtigung zuzuordnen, wenn der fragliche Kommunikationssachverhalt einen Bezug zu dem Vertrauensverhältnis zwischen ihm und dem Anwalt aufweist. Denn nur der Geschäftsmann benötigt die Hilfe des Anwalts, allein er steht in jenem schutzwürdigen Verhältnis, um dessen Privilegierung es den §§ 53, 97, 160a StPO geht. – Beim Whistleblowing ist das beauftragende Unternehmen zur Entbindung des Rechtsanwalts von der Schweigepflicht berechtigt; der Whistleblower profitiert nur als Rechtsreflex von den das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis schützenden Normen. Das Unternehmen, nicht aber der Whistleblower, tritt in ein Vertrauensverhältnis zu dem als Ombudsmann tätigen Anwalt, denn allein das Unternehmen sucht beim Anwalt um dessen Rechtsberatungsleistung nach. Der Whistleblower erwartet vom Rechtsanwalt keine Hilfe, er gebraucht ihn lediglich als eine Art Briefkasten, um dem Unternehmen Informationen zukommen zu lassen. Die funktionale Verknüpfung von Informationspreisgabe um des Rechtsrats willen liegt in seiner Person nicht vor. – Wird im Insolvenzfall gegen die Organmitglieder der juristischen Person ermittelt, ist im absoluten Regelfall allein der Insolvenzverwalter zur Disposition über die Schweigepflicht des Rechtsanwalts berechtigt; ein Beschlagnahmeverbot für die Mandatskorrespondenz besteht nicht, die Durchsuchung der Kanzleiräume zu deren Auffindung ist aber unzulässig. Der Insolvenzverwalter übt das Entbindungsrecht aus, das der juristischen Person zusteht, denn nur sie ist Adressatin des Rechtsrats des Anwalts. Die Organmitglieder treten in der Regel in kein eigenständiges Vertrauens­ verhältnis zum Rechtsanwalt, ihre Rechtsangelegenheiten werden, je nach Mandatsauftrag, allenfalls mittelbar berücksichtigt. Gleichwohl profitieren Organmitglieder reflexhaft vom Schutz des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses.

266

3. Kap.: Beteiligungsfragen in Dreipersonenkonstellationen

– Keine Entbindungsberechtigung besteht für ehemalige und faktische Organmitglieder sowie Angestellte der zweiten Führungsebene in Großunternehmen, sie profitieren allenfalls vom Rechtsreflex des Schutzes des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses. Dispositionsbefugt ist allein die juristische Person, vertreten durch ihr amtierendes Vertretungsorgan. – Keinen Einfluss hat es, wenn die Organe der juristischen Person mehrköpfig besetzt sind; persönlich geschützt und daher verfügungsberechtigt ist allein die juristische Person, denn nur sie ist Rechtsratsuchende im hiesigen Sinne. – Wird nach einer Internal Investigation gegen Organe oder Angestellte des die interne Untersuchung durchführenden Unternehmens staatsanwaltlich ermittelt, ist allein das Unternehmen zur Entbindung der Rechtsanwälte von der Schweigepflicht berechtigt; Beschlagnahmeverbote für die Mandatskorrespondenz und für die Interviewprotokolle bestehen nicht, eine Durchsuchung der Kanzlei ist aber unzulässig. Dieses Ergebnis mag paradox erscheinen, ist aber Resultat konsequenter Auslegung der §§ 97, 160a StPO. – Bei Mediationen sind die beteiligten Streitparteien nur gemeinsam zur Entbindung des als Mediator tätigen Anwalts von der Schweigepflicht berechtigt. Das Besondere an dieser Konstellation ist, dass sich die Streitparteien die Rolle des Trägers der Vertrauensverhältnisses teilen, weil sie gemeinsam und gleichberechtigt die Rechtsberatung des Anwalts in Anspruch nehmen. Infolgedessen sind beide Streitparteien persönlich von den §§ 53, 97, 160a StPO geschützt. Das Ergebnis zeigt eine konsequente Bindung der das Anwalt-MandantVertrauensverhältnis schützenden Vorschriften an das Verhältnis zwischen Rechtsanwalt und Ratsuchendem. Damit einher geht eine Stärkung des Schutzes juristischer Personen im Strafverfahren. Aufgrund der Anknüpfung an den Status eines Beschuldigten ist § 97 StPO in den meisten Fällen kein Beschlagnahmeschutz für die Korrespondenz im Rahmen des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses zu entnehmen. Mag man dies auch inkonsequent nennen, mithilfe einer (verfassungsorientierten) Auslegung ist die Lücke schlechthin nicht zu schließen. Vielmehr ist der Gesetzgeber berufen, eine klare Antwort zu geben. Verfassungsrechtlich angezeigt ist ein verstärkter einfachgesetzlicher Schutz aber nicht. Die Ermittlungsverbote in § 160a StPO schaffen insoweit Abhilfe, als eine Durchsuchung der Kanzleiräume unzulässig ist. Immerhin wird damit faktisch ein Beschlagnahmeverbot für Gegenstände in den Kanzleiräumen begründet.

4. Kapitel

Konsequenzen und Schlussbetrachtung Nicht alle Personen, die mit dem Anwalt in Kontakt treten und ihm Informationen übermitteln, begründen ein Vertrauensverhältnis zu ihm. Folglich sind sie nicht persönlich von den Normen geschützt, die dem Schutz des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses dienen, sondern profitieren allenfalls von Rechtsreflexen. Im Folgenden soll erörtert werden, welche praktischen Konsequenzen das für die im 3. Kapitel vorgestellten Praxen hat und, als Schlussbetrachtung im Sinne eines Fazits, wie die Ergebnisse dieser Arbeit zu bewerten sind.

A. Praktische Konsequenzen I. Whistleblowing Der Whistleblower genießt keinen persönlichen Schutz durch die Normen, die dem Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis dienen. Beteiligter des Vertrauensverhältnisses zum Rechtsanwalt ist allein das Unternehmen, das den Rechtsanwalt als Ombudsmann beauftragt hat, dem sich der Informant anvertraut. Jedoch wäre es ein Missverständnis, zu folgern, dass deshalb die Abläufe des Whistleblowings in der StPO völlig schutzlos gestellt würden: Dem Anwalt steht ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 StPO über das zu, das ihm der Whistleblower mitgeteilt hat. Die Strafverfolgungsbehörden dürfen weder den Telefonanschluss des Anwalts, § 160a Abs. 1 StPO, noch dessen Wohnung, § 100c Abs. 6 StPO, überwachen und ebenfalls für den Telefonanschluss und die Wohnung des Whistleblowers sind aus diesen Vorschriften Unterbrechungsgebote zu folgern, wenn er mit dem Anwalt kommuniziert. Ein Beschlagnahmeverbot aus § 97 StPO besteht für den schriftlichen bzw. vergegenständlichten Austausch zwischen Anwalt und Whistleblower dann, wenn das beauftragende Unternehmen den Anwalt zur Verteidigung als Einziehungs- oder Verfallsbeteiligte mandatiert, §§ 434 Abs. 1 S. 2, 444 Abs. 2 S. 2 StPO. Dass die Vorschrift keinen weitergehenden Schutz bietet, liegt allein an deren Anknüpfung an den „Beschuldigten“. Eine Durchsuchung beim Rechtsanwalt zur Auffindung von Unterlagen über die Kommunikation mit dem Whistleblower ist nach § 160a

268

4. Kap.: Konsequenzen und Schlussbetrachtung

Abs. 1 S. 1 StPO unzulässig, für entsprechende Durchsuchungen beim Whistleblower ist ein Unterbrechungsgebot gegeben. Von Schutzlosigkeit kann deshalb keine Rede sein. Jedoch kann nicht der Whistleblower, sondern allein das beauftragende Unternehmen über diesen Schutz disponieren. Das folgt aus der Bestimmung des persönlichen Schutzbereiches dieser Vorschriften und ist die Kernaussage dieser Arbeit. Deshalb dürften diese Befunde nicht zum Ende dieser Art der Umsetzung eines Whistleblowing-Systems führen. Die Unternehmen werden über den Schutz des Vertrauensverhältnisses in der Regel nicht zum Nachteil ihrer Whistleblower verfügen, denn so desavouierten sie ein System, das ihnen zur Aufdeckung von Missständen dienlich ist. Darüber hinaus dürften von der Möglichkeit eines potentiellen Zugriffs der Strafverfolgungsbehörden allenfalls jene Informanten abgeschreckt werden, die selbst in die Vorgänge verstrickt sind, über die sie berichten wollen, und deshalb davon ausgehen, sich strafbar gemacht zu haben. Allerdings sind Wege denkbar, auch jenen Informanten zu helfen, die das Risiko einer Kenntniserlangung durch die Strafverfolgungsbehörden minimieren und deshalb selbst das Recht besitzen wollen, über den Schutz des Vertrauensverhältnisses zu disponieren. So könnte das Unternehmen über eine Whistleblowing-Hotline dafür sorgen, dass dem Whistleblower ein Anwalt zur Verfügung gestellt wird, der ihn rechtlich berät und dem der Informant die Missstände im Unternehmen mitteilen kann, sodass ein Vertrauensverhältnis im hiesigen Sinne entsteht. Unproblematisch ist das, wenn der Rechtsanwalt nicht bereits in einem Vertrauensverhältnis zu dem Unternehmen steht, über das der Whistleblower berichten will. Positiv ist ferner, dass der Anwalt nach dieser Lösung nicht befürchten muss, gegen § 43a Abs. 4 BRAO und § 356 StGB zu verstoßen, da er in keiner rechtsberatenden Verbindung zu dem Unternehmen steht.1 Dagegen scheidet eine solche Lösung bereits aus strafprozessrechtlichen Gründen aus, wenn der Anwalt schon aufgrund seines Auftrages, als Ansprechpartner für Whistleblower zu fungieren, in ein Vertrauensverhältnis zu dem beauftragenden Unternehmen getreten ist. Denn eine Verfügungsberechtigung des beauftragenden Unternehmens über die Informationen, die der Anwalt durch den Kontakt mit dem Whistleblower erlangt hat, besteht, wenn die Kommunikation des Anwalts mit dem Informant zumindest auch dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Anwalt und dem Unternehmen zuzuordnen ist. Besteht kein Vertrauensverhältnis zwischen Whistleblower und Anwalt, wie im behandelten Beispielsfall, ist diese Zurechnungsfrage schnell beant1  Zum Tatbestandsmerkmal des „Anvertrauens“ in § 356 StGB siehe Beck  / OK /  StGB / Heuchemer, § 356 Rn. 5 ff.; LK / Dahs, § 356 Rn. 26 ff.



A. Praktische Konsequenzen269

wortet: Entbindungsbefugt ist allein das Unternehmen als Träger des Vertrauensverhältnisses zum Rechtsanwalt, denn die Informationserlangung steht im inneren und äußeren Zusammenhang mit dem Mandatsauftrag des Anwalts, da dieser zur Erfüllung seines Auftrages das Gespräch mit dem Whistleblower führt und ebenso ein sachlicher Bezug zum Mandatsauftrag besteht.2 Tritt der Whistleblower aber in ein Vertrauensverhältnis zu dem Anwalt und will er allein aufgrund dieses Vertrauensverhältnisses dem Rechtsanwalt die Informationen preisgeben, ist fraglich, ob die Informationserlangung durch den Rechtsanwalt nur diesem Vertrauensverhältnis zuzuordnen ist. Ebenso wie im Beispielsfall ist ein sachlicher Bezug zum Vertrauensverhältnis des Anwalts zu dem beauftragenden Unternehmen gegeben, denn aufgrund seines Auftrages als Empfangsstelle wird der Anwalt tätig. Zugleich führt der Anwalt das Gespräch mit dem Whistleblower, um diesen in seiner Rechtsangelegenheit zu beraten. Dem inneren Zusammenhang seines Tätigwerdens nach arbeitet der Rechtsanwalt in beiden Mandatsangelegenheiten zugleich, die geführte Kommunikation ist deshalb beiden Vertrauensverhältnissen zuzuordnen. Überlegenswert ist aber, inwieweit der mögliche Wille des Anwalts Beachtung finden muss, allein aufgrund des Vertrauensverhältnisses zu dem Whistleblower zu kommunizieren. Mit anderen Worten geht es darum, ob die Kommunikationspartner durch ausdrückliche oder konkludente „Widmung“ ihren Informationsaustausch einem bestimmten Vertrauensverhältnis zuweisen können. Das ist zu verneinen. Denn für den Zugang zu dem strafprozessrechtlichen Schutzsystem des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses ist der Wille der Beteiligten nur eine Voraussetzung unter mehreren.3 Sähe man das anders, könnten die Beteiligten nach ihrem Willen einer an einem Drittvertrauensverhältnis beteiligten Person den gesetzlichen Schutz entziehen. Wird die Kommunikation zwischen Whistleblower und Rechtsanwalt deshalb beiden Vertrauensverhältnissen zugerechnet, steht die Verfügungsbefugnis über die Kommunikation mit dem Whistleblower in jeweils ihrem Vertrauensverhältnis allein dem Whistleblower sowie dem beauftragenden Unternehmen zu. Daraus folgt, dass dem Whistleblower nicht geholfen ist, wenn er ein eigenständiges Vertrauensverhältnis zu dem Rechtsanwalt begründet, da es ihm hinsichtlich der Steuerung der Preisgabe der Informationen, die er dem Anwalt mitgeteilt hat, nichts nützt. Dass eine solche Lösung darüber hinaus für den Anwalt wegen Verstoßes gegen § 43a Abs. 4 BRAO und § 356 StGB Bedenken auslöste, ist deshalb nicht mehr entscheidend. 2  Siehe 3  Siehe

hierzu 3. Kapitel B. II. hierzu unter 2. Kapitel B. IV. 1. a) ee) und 2. Kapitel B. IV. 3. a) aa).

270

4. Kap.: Konsequenzen und Schlussbetrachtung

II. Juristische Personen und ihre Organe Die Mitglieder der Organe juristischer Personen treten nach der in dieser Arbeit vertretenen Ansicht im absoluten Regelfall nicht in ein Vertrauensverhältnis zu dem Rechtsanwalt, der die juristische Person berät. Infolgedessen sind sie nicht in den persönlichen Schutzbereich der Normen einbezogen, die das Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis schützen. Gleichwohl profitieren sie, ebenso wie der Whistleblower, als Rechtsreflex von dem Schutz, den die juristische Person genießt. Eine Verbesserung ihrer Rechtsstellung können die Organmitglieder nicht schlicht dadurch erreichen, dass sie anstelle oder neben der juristischen Person Partei des zivilrechtlichen Anwaltsvertrages werden. Nach hiesigem Ansatz ist die zivilrechtliche Rechtslage nicht maßgeblich: Wer Partei des zivilrechtlichen Anwaltsvertrages wird, ist irrelevant. Entscheidend ist, wer materieller Adressat der Rechtsberatung ist und wessen Rechtsangelegenheiten zu beraten sind.4 Wird durch geschickte Vertragsgestaltung ein anderer vorgeschoben, hier die Organmitglieder, ändert das darum nichts an der Beurteilung der Beteiligung am Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis. Denn die Gefährdungslage, resultierend aus dem Zwang zur Preisgabe sensibler Informationen, trifft in Wirklichkeit allein denjenigen, dessen eigene Rechtsangelegenheiten inmitten stehen, mag er auch einen Boten oder einen Strohmann einsetzen, um den Rat des Anwalts zu empfangen. Sind tatsächlich nur die Rechtsangelegenheiten der juristischen Person Gegenstand des Mandats, können die Organmitglieder folglich nicht in die Stellung des Trägers eines Vertrauensverhältnisses einrücken, indem sie Partei des Anwaltsvertrages werden, um sich als Rechtsratsuchende auszugeben. Manipulationen dürfte durch Abstellen auf den materiellen Adressaten des Rechtsrats deshalb der Boden entzogen sein. Dagegen entsteht ein Vertrauensverhältnis auch zwischen den Organmitgliedern und dem Rechtsanwalt, wenn tatsächlich ihre persönlichen Rechtsangelegenheiten neben den Rechtsangelegenheiten der juristischen Person beraten werden. Unrichtig ist es, wenn hierin ein unzulässiger Vertrag zulasten Dritter gesehen wird.5 Denn die Rechte der juristischen Person aufgrund des Vertrauensverhältnisses, dessen Träger sie ist, werden durch die zusätzliche persönliche Beratung der Organmitglieder nicht berührt. Zwar mögen sich die zu beratenden Rechtsangelegenheiten teilweise überschneiden. Anders als im Fall der Mediation, in dem nur ein Vertrauensverhältnis begründet wird, in welchem sich die juristische Person und die Organmitglieder die Stellung des Rechtsratsuchenden teilen, entstehen aber 4  Siehe

unter 2. Kapitel B. III. 2. b). Entbindungsberechtigung, S. 228.

5  Städler,



A. Praktische Konsequenzen271

zwei voneinander unabhängige Vertrauensverhältnisse, in denen jeweils einer der Beteiligten allein verfügungsberechtigt ist.6 Der Grund hierfür liegt darin, dass der begehrte Rechtsrat nicht derselbe ist, die Organmitglieder und die juristische Person vielmehr unterschiedliche Beratungsleistungen nicht gemeinsam, sondern jeder für sich selbst in Anspruch nehmen. Zur Illustration denke man an einen Rechtsanwalt, der, bei oder vor dem finanziellen Zusammenbruch einer GmbH, die juristische Person über betriebliche Umstrukturierungsmöglichkeiten beraten und die Organmitglieder in den gegen sie wegen Insolvenzverschleppung und wegen Bankrottdelikten laufenden Ermittlungsverfahren verteidigen soll. Ebenso liegt es, wenn anlässlich der drohenden Insolvenz der juristischen Person zugleich die Vermeidung einer zivilrechtlichen Haftung der Organmitglieder oder deren Vertretung in zivilrechtlichen Verfahren Gegenstand des Mandats ist. Der zugrunde liegende Lebenssachverhalt mag sich in Teilen überschneiden, jedoch unterscheiden sich die zu beantwortenden Rechtsfragen und die erbetene Beratungsleistung des Anwalts. Anders als im Fall der Mediation treten die juristische Person und die Organmitglieder nicht gemeinsam als ein Rechtsratsuchender auf, begehren nicht dieselbe Hilfeleistung des Anwalts für beide. Folglich entstehen voneinander unabhängige Vertrauensverhältnisse. Damit wäre für die Organmitglieder immerhin so viel gewonnen, dass sie nun ebenso durch die Normen persönlich geschützt sind, die dem AnwaltMandant-Vertrauensverhältnis dienen. Exklusive Verfügungsbefugnis erlangen sie jedoch nur über die Kommunikationssachverhalte, die allein ihrem Vertrauensverhältnis zu dem Rechtsanwalt zuzuordnen sind. Das wirft schwierige Abgrenzungsfragen auf.7 Werden im selben Beratungsgespräch sowohl die Rechtsangelegenheiten der juristischen Person als auch die der Organmitglieder thematisiert, muss das Besprochene im Zweifel dem sachlichen Schutzbereich beider Vertrauensverhältnisse zugeordnet werden. Das Gleiche gilt für den Schriftverkehr oder die Unterlagen, die einen Bezug zu beiden Mandatsaufträgen aufweisen. Auf der sicheren Seite wären die Organmitglieder nur, wenn die Anwalt-Mandant-Korrespondenz deutlich zwischen den verschiedenen Mandatsverhältnissen unterscheidet und separat geführt wird. Anzumerken ist jedoch, dass ein Anwalt, der zugleich die Organmitglieder berät, gegen § 43a Abs. 4 BRAO und § 356 StGB verstößt, wenn ein Interessengegensatz zwischen der juristischen Person und ihren Organmitgliedern vorliegt.8 Ausschließen ließe sich dies, wenn der Anwalt die Betei6  Siehe

hierzu unter 2. Kapitel B. IV. 4. a). siehe bereits unter 3. Kapitel C. I. 2. a) ee). 8  BGHSt 7, 17 (20); 9, 341 (346); 18, 192 (193); BGH NStZ 1982, 465 (46); LK / Dahs, §  356  Rn.  50; S / S / Heine, § 356 Rn. 17. 7  Hierzu

272

4. Kap.: Konsequenzen und Schlussbetrachtung

ligten über ihre Interessen und mögliche Konflikte aufklärt und sie der Doppelberatung zustimmen.9 Dem Rechtsanwalt ist dieses Vorgehen dringend zu empfehlen, um sich gegen eine Strafbarkeit bzw. den Vorwurf standeswidrigen Verhaltens abzusichern. Letztlich ist der praktische Nutzen, den Organmitglieder durch ihre persönliche Beteiligung an einem Vertrauensverhältnis zu dem Rechtsanwalt erlangen, gering. Auch wenn sie nicht selbst Träger eines Anwalt-MandantVertrauensverhältnisses sind, schlüpfen sie – rechtsreflexhaft profitierend wie der Whistleblower – unter den Schirm der Schutzvorschriften des AnwaltMandant-Vertrauensverhältnisses, wenn und soweit sie für die juristische Person mit dem Anwalt kommunizieren. Außerdem verfügen sie als Mitglieder des Vertretungsorgans ohnehin über die Möglichkeit, nach Maßgabe der zivilrechtlichen Vertretungsregeln über die Ausübung der Dispositionsbefugnis der juristischen Person zu entscheiden. Dass ihnen gleichfalls als natürliche Personen ein Entbindungsrecht zusteht, wirkt sich in dieser Konstellation nicht aus. Eine weniger günstige Lage entsteht nur, wenn das Organmitglied aus dem Vertretungsorgan ausscheidet oder ein Insolvenzverwalter die Geschäftsleitung übernimmt. Doch hülfe den Organmitgliedern die Beteiligung an einem Vertrauensverhältnis auch in dieser Situation nicht, wenn die fraglichen Kommunikationssachverhalte allein oder zumindest auch dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und der juristischen Person zuzuordnen sind. Trotzdem dürften diese Befunde in der Praxis nicht die Konsequenz haben, dass die Organmitglieder den Anwälten, die im Auftrag der juristischen Person tätig werden, nur noch zurückhaltend Informationen geben und sie möglichst über Umstände im Unklaren lassen werden, die den Verdacht einer Straftatbegehung begründen könnten. Solange sie ihre Stellung als Organmitglied behalten, ist ihre Einflussnahmemöglichkeit gegeben. Jedoch muss ihnen bewusst sein, dass sie sich nach dem Ende ihrer Organfunktion nicht nach ihrem Gutdünken und zu ihrem Vorteil hinter dem Schutz des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses verbergen können, wenn sie für die juristische Person mit dem Anwalt kommuniziert haben. Positiv daran ist, dass es die Neigung, die Organstellung zu nutzen, um Straftaten zu begehen, verringern könnte.

III. Internal Investigations Das Phänomen der Internal Investigations stellt einen Ausschnitt aus dem übergeordneten Themenbereich „Juristische Personen und ihre Organe“ dar. 9  BGH NStZ 1982, 465 (466); OLG Zweibrücken NStZ 1995, 35 (36); LK / Dahs, § 356 Rn. 62; Baier, wistra 2001, 401 (406).



A. Praktische Konsequenzen273

Darum ergeben sich in dieser Konstellation für die hier interessierenden Fragen im Grundsatz dieselben Antworten: Die Organmitglieder können keine wesentliche Verbesserung ihrer Rechtsstellung erreichen, indem sie selbst ein Vertrauensverhältnis zu den die Ermittlungen durchführenden Rechtsanwälten begründen oder unterhalten. Die Informationen, die im Zuge von Interviews von den Organmitgliedern an die ermittelnden Anwälte kommuniziert werden, sind jedenfalls dem Vertrauensverhältnis zwischen der juristischen Person und dem Anwalt zuzuordnen, denn zur Erfüllung dieses Mandatsauftrages werden sie schließlich tätig. Denkbar ist aber ein anderer Lösungsweg: Die befragten Organmitglieder oder andere Angestellte würden Träger eines Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses, wenn ihnen das Unternehmen einen eigenen Rechtsanwalt zur Verfügung stellt, der sie rechtlich berät und der ihnen die Fragen stellt, auf die die Ermittler Antworten suchen. Weiterhin sichert das Unternehmen den Organmitgliedern bzw. den Angestellten zu, die Honorarforderungen des Anwalts zu übernehmen.10 Praktisch könnte die Befragung durchgeführt werden, indem dem Anwalt der Befragten von den Anwälten, die die Ermittlung für das Unternehmen führen, ein Katalog der zu beantwortenden Fragen übermittelt wird. Dieser fertigt die Protokolle an und übermittelt den Ermittlern nur die Informationen, mit denen die Befragten einverstanden sind. Die Kommunikation zwischen den Befragten und ihrem Anwalt wäre dann allein dem Vertrauensverhältnis zwischen ihnen und ihrem Berater zuzuordnen, eine Dispositionsbefugnis des Unternehmens, das die ermittelnden übrigen Anwälte mandatiert hat, scheidet aus. Zuzugestehen ist jedoch, dass eine solche Lösung kaum praxistauglich erscheint. Denn zum einen bedürfte es einer noch größeren Anzahl Rechtsberater, um die Befragungen durchzuführen, samt der damit einhergehenden höheren Kosten. Zum anderen entfiele gerade jene konfrontative Befragungssituation, die im Zuge der Internal Investigation gezielt gegen Mitarbeiter genutzt werden kann, um Informationen zu gewinnen. Letztlich stünde eine solche Vorgehensweise auch im Widerspruch zu dem Grund, warum Unternehmen Dritte zur Durchführung einer internen Ermittlung beauftragen: Es soll Transparenz hergestellt werden, um der Öffentlichkeit und der Staatsanwaltschaft zu demonstrieren, dass das Unternehmen die zu untersuchenden Verstöße nicht toleriert. Eine zurückhaltende Informationspolitik und ein „Verschanzen“ hinter dem Schutz des Anwalt-MandantVertrauensverhältnisses wären insoweit kontraproduktiv. Eine weitere Verteidigungsmöglichkeit der juristischen Person gegen die Beschlagnahme von Unterlagen, die die Anwälte im Zusammenhang mit der 10  Fritz,

CCZ 2011, 156 (160); Gerst, CCZ 2012, 1 (4 f.).

274

4. Kap.: Konsequenzen und Schlussbetrachtung

internen Untersuchung angefertigt haben, besteht darin, dass die internen Ermittlungen zur Verteidigung gegen ein laufendes Einziehungs-, Verfallsoder Bußgeldverfahren geführt werden, was durch eine entsprechende Bestimmung des Zwecks und Umfangs des Mandats gesteuert werden kann. In diesem Zusammenhang gefertigte Unterlagen sind als Verteidigungsunterlagen nach § 97 StPO i. V. m. §§ 434 Abs. 1 S. 2, 444 Abs. 2 S. 2 StPO gegen Beschlagnahmen sowohl beim Anwalt als auch beim Unternehmen geschützt.11 Unabhängig davon dürfte nach den Ergebnissen dieser Arbeit die Fortsetzung dieser Praxis interner Ermittlungen nicht gefährdet sein. Sollte das beauftragende Unternehmen größtmögliche Diskretion im Strafverfahren wünschen und eine Kenntniserlangung der Staatsanwaltschaft von den Protokollen über die Befragung der Angestellten sowie von sonstigen Ermittlungsergebnissen der mandatierten Rechtsanwälte vermeiden wollen, muss es lediglich mit den die internen Ermittlungen durchführenden Anwälten vereinbaren, dass sämtliche aus der Mandatsbearbeitung stammende Unterlagen bei den Anwälten verbleiben. Eine Durchsuchung der Kanzleiräume zu deren Auffindung verstieße gegen § 160a Abs. 1 S. 1 StPO und dürfte nicht angeordnet werden. Allein der Untersuchungsbericht wäre an das beauftragende Unternehmen zu übermitteln. Gegen Durchsuchungen in den Geschäftsräumen des Unternehmens bietet § 160a Abs. 1 S. 5 StPO zwar auch einen gewissen Schutz in Gestalt eines Unterbrechungsgebotes, jedoch dürfte für den Untersuchungsbericht ohnehin ein insoweit geringeres Diskretionsbedürfnis bestehen, als das beauftragende Unternehmen mit den Anwälten im Vorfeld vereinbaren kann, welche Informationen mit welchem Detailgrad darin Eingang finden sollen.

B. Schlussbetrachtung Die Strafrechtswissenschaft hat die Aufgabe, für klare Begriffe und ein geschlossenes System zu sorgen. Das Bemühen, für das Strafprozessrecht einen Beitrag in diese Richtung zu leisten, war das Anliegen dieser Arbeit. Auf flammende Plädoyers für oder gegen die Behauptung der Rechte des Einzelnen angesichts ihrer drohenden Beschränkung aufgrund der Erfordernisse einer effektiven Strafrechtspflege wurde deshalb verzichtet. Es ist 11  LG Bonn NZWiSt 2013, 21 (24, 25); Meyer-Goßner, § 434 Rn. 1; Taschke, FS-Hamm, S. 751 (753 f.); de Lind van Wijngaarden / Egler, NJW 2013, 3549 (3553); Jahn / Kirsch, NZWist 2013, 28 (29). Nach LG Gießen wistra 2012, 409 (410) und Mehle / Mehle, NJW 2011, 1639 (1641) soll dieser Schutz aus § 148 StPO sogar schon vor der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gelten. Dagegen aber LG Bonn NZWiSt 2013, 21 (24, 25); Meyer-Goßner, §  148 Rn.  4; HK / StPO / Gehrke, § 97 Rn.  46 ff.; KK / StPO / Laufhütte, § 148 Rn. 5; Thum, HRRS 2012, 535 (538).



B. Schlussbetrachtung275

kritisch zu sehen und dem Ziel der Systematisierung abträglich, wenn jede Frage des Strafprozessrechts vor dem Hintergrund der Verfassung als Abwägung zweier widerstreitender verfassungsrechtlicher Rechtspositionen dargestellt wird. Abwägungen verführen zur rhetorischen Bearbeitung, verdunkeln das Verhältnis von Grundsatz und Ausnahme und bewirken leicht eine Erosion dogmatischer Strukturen. Diesen Gefahren einer ausufernden „Abwägungs-Jurisprudenz“12 sollte mit dem Versuch entgegengetreten werden, den Begriff des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses möglichst präzise mit Inhalt zu füllen, um klare Leitlinien für die Anwendung auf die fokussierten Probleme zu geben. Doch mag das Bemühen, klare Strukturen herauszuarbeiten, zu Ergebnissen geführt haben, die mancher als zu einseitig und als ungerechtfertigte Verkürzung individueller Rechte empfindet. Darum sei gesagt, dass die Härten, die hiesiger Ansatz für die Mitglieder der Organe juristischer Personen oder andere Dritte nach sich zieht, nicht verkannt werden. Dennoch: Es ist nicht einzusehen, weshalb die Vorschriften, die den Strafverfolgungsbehörden den Zugriff auf Informationen in anwaltlicher Sphäre verweigern, extensiv in der Weise zu lesen sind, dass sie dem Schutze jedermanns dienen sollen, über den der Rechtsanwalt auf welchem Weg auch immer Informationen erlangt hat. Es kann nicht richtig sein, im Gewand der Zeugnisverweigerungsrechte ein „allgemeines Informationsschutzrecht“ in die StPO einzufügen. Verfassungsrechtlich ist das nicht angezeigt, im Gegenteil, es stellt sich die Frage, weshalb das Interesse an der Ermittlung des wahren Sachverhalts in einem Bereich, in dem die Grundrechte nur relativen Schutz gewähren, so weit zugunsten von Personen zurückgedrängt werden soll, die mit dem Rechtsanwalt in überhaupt keiner Beziehung stehen. Mit der bloßen Tätigkeit eines Rechtsanwalts kann das nicht begründet werden, denn dieser erfährt bei seiner Berufsausübung so manches von manchem. Dagegen liegt die Situation faktischen Zwanges zur Informationspreisgabe, die eine „do ut des“-Situation genannt wurde, allein in der Person des Ratsuchenden vor. Sie ist ein Alleinstellungsmerkmal und geeignet zur Differenzierung der Beziehung des Anwalts zu seinem Klienten von allen übrigen Personen, mit denen er in Kontakt kommt und über die er Informationen erlangt. Zugleich trägt sie den Grund für die Privilegierung des Rechtsratsuchenden gegenüber allen übrigen Personen in sich: Dieser muss sich offenbaren, um Hilfe zu erhalten. Das wurde die funktionale Verknüpfung von Informationspreisgabe und Rechtsrat genannt und wirkt sich für den Ratsuchenden als die Beschränkung seiner Möglichkeiten aus, seine Informationen selbst zu schützen. Dieser Schutz von Informationen innerhalb einer Kommunikationsbeziehung zu einem Zeugnisverweigerungsbe12  Dieser

Ausdruck und ebenso kritisch LR / Kühne, Einl. Abschn. B Rn. 4.

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4. Kap.: Konsequenzen und Schlussbetrachtung

rechtigten verfolgt ein wichtiges rechtspolitisches Ziel, das schon von Autoren zu Beginn des vorigen Jahrhunderts klar benannt wurde: Jedermann soll den Rat eines Rechtsanwalt erhalten können, ohne befürchten zu müssen, dadurch der Staatsgewalt Hilfe zu seiner eigenen Überführung zu leisten.13 Das verdeutlicht, dass der persönliche Schutz mit dem Begehren nach Rechtsrat zusammenhängt. Zu schützen ist daher der Rechtsratsuchende, eine weitergehende Privilegierung ist rechtspolitisch nicht angezeigt. Geteilter Meinung mag man ferner darüber sein, ob auch juristische Personen diesen Schutz im Straf- bzw. Ordnungswidrigkeitenverfahren verdienen. Erkennt man aber die Zeichen der Zeit, die in Richtung einer Ausweitung der Unternehmenssanktionen nach dem OWiG und des Aufbaus eines Unternehmensstrafrechts weisen,14 dürfte das Schutzbedürfnis juristischer Personen jedenfalls in Zukunft kaum noch geleugnet werden können. Jenseits aller dogmatisch-systematischer Begründungsansätze ist es schlicht so, dass je mehr juristische Personen einem Delikts- und Sanktionsspektrum ausgesetzt sind, das sie in eine vergleichbare Lage wie natürliche Personen bringt, desto unabweisbarer wird das rechtspolitische Anliegen, ihnen einen natürlichen Personen vergleichbaren Schutz zu gewähren. Mag der hiesige Ansatz deshalb in dieser Hinsicht in der Gegenwart noch etwas zu progressiv erscheinen, dürfte er deutlich mehr Zuspruch erfahren, sollte die Zeit eine Fortschreibung der skizzierten Entwicklung bringen. In praktischer Hinsicht spricht vieles für den Entwurf dieser Arbeit: Es erleichtert die Bestimmung der Dispositionsbefugnis, wenn es allein darauf ankommt, wen der Rechtsanwalt beraten hat. Denn wer Rechtsratsuchender im Sinne des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses dieser Arbeit ist, dürfte in praxi wenig Schwierigkeiten bereiten, wurden auch im Verlauf der Arbeit zum Zweck der gedanklichen Durchdringung des entworfenen Konzeptes viele Probleme aufgeworfen und diskutiert. Zusätzlich beschleunigt es die Arbeit von Staatsanwaltschaften und Gerichten, wenn im absoluten Regelfall die Erklärung des Rechtsratsuchenden für die Entbindung des Rechtsanwaltes nach § 53 Abs. 2 StPO bzw. für das Entfallen des Schutzes der §§ 97, 100c Abs. 6, 160a StPO genügt und nicht eine Vielzahl von weiteren Entbindungsberechtigten aufgesucht werden müssen. Überdies ist der Wahrheitsfindung im Strafverfahren am besten gedient, wenn die Verfügungsbefugnis über den Schutz des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses in einer Person gebündelt wird: Der Insolvenzverwalter wird in der Regel die Entbindung des Rechtsanwalts erklären, während betroffene Organmitglieder, deren Strafbarkeit untersucht wird, eher dazu neigen, auf der Schweigepflicht des Anwalts zu beharren. Ist im Falle des Whistleblowing 13  Roth,

14  Siehe

JW 1911, 130 (131). hierzu jüngst Kempf / Lüderssen / Volk, Unternehmensstrafrecht, passim.



B. Schlussbetrachtung277

allein das Unternehmen geschützt, liegt die Dispositionsbefugnis ebenfalls nicht in den Händen desjenigen, der im Zweifel das größte Interesse haben wird, die Strafverfolgungsbehörden im Unklaren zu lassen und eine Aussage des Anwalts bzw. ein Bekanntwerden der Informationen zu verhindern. Dasselbe gilt für Internal Investigations, für die ein persönlicher Schutz der Befragten, insbesondere der Organmitglieder, abgelehnt wurde. Wichtiger als diese praktischen Aspekte ist aber, dass mit dem in dieser Arbeit entwickelten Ansatz eine konsequente Koppelung der Schutzvorschriften des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses an dessen Beteiligte, Anwalt und Rechtsratsuchender, erreicht wurde: Das wird nicht nur der (vorrangigen) Aufgabe des Rechtsanwaltes als Vertreter einseitiger Partei­ interessen am besten gerecht, sondern es ist ein Schritt in Richtung einer Angleichung der Dogmatik des Strafprozessrechts mit der des Allgemeinen Zivilrechts und der des Berufsrechts der Rechtsanwälte, allerdings unter Wahrung der spezifischen Teleologie des Strafverfahrensrechts.15 Um die Unstimmigkeiten aufzulösen, die insbesondere bei der Bearbeitung von §§ 97, 160a StPO entdeckt wurden,16 wären in systematischer Hinsicht einige Änderungen wünschenswert. Zu begrüßen wäre es, wenn in § 97 StPO beschuldigte und nichtbeschuldigte Mandanten gleichgestellt würden. § 97 StPO knüpft an den Status eines Beschuldigten an, setzt aber nicht voraus, dass der Rechtsanwalt, in dessen Gewahrsam sich die zu beschlagnahmenden Gegenstände befinden, dessen Verteidiger ist. Wird durch § 97 StPO sonach die x-beliebige Mandatskorrespondenz zwischen dem Beschuldigten und seinem Anwalt geschützt, wirft das die Frage auf, weshalb gleiches nicht für den nichtbeschuldigten Klienten gelten soll, zumal §§ 53, 100c Abs. 6, 160a StPO keine derartigen Differenzierungen vorsehen. In teleologischer Hinsicht wäre dies ohnehin angezeigt, soll § 97 StPO doch eine Umgehung des Zeugnisverweigerungsrechts nach § 53 StPO verhindern, was seit langem Argument der Forderung einer Novellierung ist.17 Aus Gründen der Kohärenz zu befürworten wäre weiterhin eine Ausdehnung des sachlichen Umfanges des Schutzes des Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses in der Weise, dass eine Beschlagnahme von Gegenständen aus der Anwalt-Mandant-Beziehung auch im Gewahrsam des Mandanten unzulässig ist. Wenn es bei Vertrauensverhältnissen darum geht, dem Ratsuchenden die Möglichkeit unbefangener Inanspruchnahme rechtsberatender Berufe zu gewährleisten, ist es paradox, dem Anwalt das Recht einzuräumen, über das Erfahrene zu schweigen, den Brief bzw. dessen Kopie, in 15  Zur berufs- und zivilrechtlichen Entbindungsberechtigung siehe unter 2. Kapitel A. V. 2. und 2. Kapitel Fn. 566. 16  Siehe unter 2. Kapitel A. III. 2. c); 2. Kapitel A. III. 4. c). 17  Hierzu siehe unter 2. Kapitel A. III. 2. b).

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4. Kap.: Konsequenzen und Schlussbetrachtung

welchem der (beschuldigte) Klient dem Rechtsanwalt gerade diese Umstände geschildert hat, im Gewahrsam des Anwalts, nicht aber im Gewahrsam des Hilfesuchenden, für beschlagnahmefähig zu erklären. Genauso verhält es sich mit einem Antwortschreiben des Anwalts, in dem dieser seinen Rechtsrat abgibt, das nur im Gewahrsam des Mandanten nicht geschützt ist. Die gleiche Diskrepanz zeigt sich darin, dass ein Telefonat zwischen dem Anwalt und dem Klient nach § 160a StPO nicht abgehört werden darf bzw. die Überwachung zu unterbrechen ist, Mitschnitte des Gesprächs hingegen, die sich der Anwalt und der Mandant angefertigt haben, im Gewahrsam des Anwalts, nicht aber im Gewahrsam des (beschuldigten) Mandanten vor Beschlagnahme geschützt sind.18 Dogmatisch lässt sich das zwar als einseitiger Schutz der Kommunikationsbeziehung zwischen Anwalt und Mandant fassen, unbefriedigend ist es im Hinblick auf den Telos nichtsdestotrotz. Um Verwirrung zu verhindern, hätte der Gesetzgeber ferner gut daran getan, die offenen Ermittlungsmaßnahmen vom Anwendungsbereich des § 160a StPO auszunehmen. Etwas Klarheit würde gewonnen, wenn in § 160a Abs. 5 StPO die Anwendung auf die Durchsuchung ausgeschlossen würde. Es ist eine praktisch wie theoretisch unglückliche Situation, wenn eine Durchsuchung von Anwaltskanzleien unzulässig, eine nachfolgende Beschlagnahme aufgefundener Gegenstände indes rechtens ist.19

18  Siehe 19  Siehe

unter 2. Kapitel A. III. 2. c). unter 3. Kapitel C. I. 2. c) aa); 3. Kapitel D. II. 2. d) aa).

5. Kapitel

Zusammenfassung in Kernthesen – §§ 53, 97, 160a StPO schützen das Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant, d. h. dem Rechtsratsuchenden.1 – Der sachliche Schutzbereich dieses Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses kann als funktionaler Informationsschutz innerhalb einer Kommunikationsbeziehung beschrieben werden. Da Ermittlungsmaßnahmen beim bzw. gegen den Mandanten in der Regel zulässig sind,2 wird die Kommunikationsbeziehung einfachgesetzlich nur einseitig geschützt.3 – Beteiligte des Vertrauensverhältnisses sind allein der Anwalt und der Rechtsratsuchende. Eine personale Erstreckung des Schutzbereiches der §§ 53, 97, 160a StPO im Sinne einer derivativen Schutzwirkung gibt es nicht: Eine Einbeziehung Dritter in diesem Sinne findet nicht statt.4 – Ein Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis im hiesigen Sinne entsteht, wenn eine natürliche oder juristische Person einen kommunikativen Kontakt – im Falle der juristischen Person durch einen ihrer Vertreter – zu einem Rechtsanwalt mit Bezug auf dessen berufstypische Leistungen aufnimmt, um im eigenen Interesse in einer eigenen Rechtsangelegenheit die Hilfe des Anwalts zu erhalten. Diese natürliche oder juristische Person ist der Rechtsratsuchende.5 – Juristische Personen können Beteiligte eines Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnisses sein. Die zivilrechtliche Trennung zwischen juristischer Person und natürlicher Person ist für das Strafverfahren beizubehalten. Der Schutz juristischer Personen im Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis ist nicht geringer zu gewichten als der Schutz natürlicher Personen.6 1  Siehe unter 2. Kapitel A. III. 1. a) ff) (4); 2. Kapitel A. III. 2. a); 2. Kapitel A. III. 4. a). 2  Zum Verhältnis von §§ 97, 160a StPO zueinander und dem sich daraus ergebenden Umfang des Schutzes siehe unter 2. Kapitel A. III. 2 c) und 2. Kapitel A. III. 4. c). 3  Siehe unter 2. Kapitel A. III. 1. d); 2. Kapitel A. VI. 1. 4  Siehe unter 2. Kapitel B. IV. 3. a); 2. Kapitel B. IV. 3. b). 5  Siehe unter 2. Kapitel B. III. 2. b); 2. Kapitel B. III. 2. c); 2. Kapitel B. VI. 2. 6  Siehe unter 2. Kapitel B. III. 2. c).

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5. Kap.: Zusammenfassung in Kernthesen

– Zur Disposition über den Schutz des Vertrauensverhältnisses, einschließlich der Entbindung des Rechtsanwalts von der Schweigepflicht, ist allein der am Vertrauensverhältnis Beteiligte, d. h. der Rechtsratsuchende, berechtigt.7 – Eine Teilung dieser Dispositionsbefugnis, falls die Privat- bzw. Geheimsphäre des anderen oder das Vertrauensverhältnis des anderen mit dem Rechtsanwalt – in welcher Weise auch immer – durch den Gegenstand der fraglichen Information berührt wird, hinsichtlich derer verfügt wird, ist ausgeschlossen.8 – Dem Rechtsratsuchenden steht die Entbindungsberechtigung nach § 53 Abs. 2 StPO hinsichtlich aller Informationen zu, die in dem Vertrauensverhältnis zu dem Anwalt kommuniziert wurden. Maßgeblich hierfür ist, ob der Kommunikationsvorgang, auf dem die Kenntnisnahme eines Umstandes durch den Anwalt beruht, diesem Vertrauensverhältnis zuzuordnen ist.9 – Für diese Zuordnung eines Kommunikationsvorgangs zu einem bestimmten Vertrauensverhältnis kommt es auf dessen inneren und äußeren Zusammenhang an: Entweder es kann dem vertraulichen Übermittlungsakt und dessen Zielsetzung bereits entnommen werden, innerhalb welches Vertrauensverhältnisses kommuniziert wird. Oder ein Kommunikationssachverhalt kann aufgrund seines sachlichen Bezugs zu einem bestimmten Mandatsauftrag oder der nach außen erkennbaren Zielsetzung in Richtung eines bestimmten Mandatsauftrages einem Anwalt-Mandant-Vertrauensverhältnis zugeordnet werden.10 – Kommunizieren Organmitglieder oder Angestellte eines Unternehmens mit einem Rechtsanwalt, der in einem Vertrauensverhältnis zu der juristischen Person steht, mit sachlichem Bezug auf den Mandatsauftrag des Rechtsanwalts gegenüber dem Unternehmen, sind diese Kommunika­ tionsvorgänge dem Vertrauensverhältnis zwischen dem Anwalt und der juristischen Person zuzuordnen.11 – Für juristische Personen ist eine Vertretung bei der Erklärung der Schweigepflichtentbindung zulässig. Ließe man keine Vertretung in der Erklärung zu, wäre juristischen Personen eine Entbindung ihres Rechtsanwalts wesensnotwendig unmöglich.12 7  Siehe

unter 2. Kapitel B. IV. 4.; 2. Kapitel B. VI. 4. unter 2. Kapitel B. IV. 4. 9  Siehe unter 2. Kapitel B. IV. 1. 10  Siehe unter 2. Kapitel B. IV. 1. 11  Siehe unter 3. Kapitel D. II. 2. f). Problematisch im Falle eines „Doppelmandats“, bei dem ebenso die Organmitglieder in ein Vertrauensverhältnis zum Anwalt treten, siehe unter 3. Kapitel C. I. 2. a) ee) a. E. 12  Siehe unter 2. Kapitel B. IV. 1. 8  Siehe



5. Kap.: Zusammenfassung in Kernthesen281

– Das Entbindungsrecht kann nicht einem anderen übertragen werden.13 – § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO schützt nicht das Vertrauensverhältnis zwischen dem Rechtsanwalt und dem nichtbeschuldigten Mandant.14 – § 160a StPO findet auf Beschlagnahmen keine Anwendung,15 auf Durchsuchungen aber schon.16

13  Siehe

unter unter 15  Siehe unter 16  Siehe unter 14  Siehe

2. Kapitel 2. Kapitel 2. Kapitel 3. Kapitel

B. A. A. C.

IV. 1. III. 2. c). III. 4. c). I. 2. c) aa); 3. Kapitel D. II. 2. d) aa).

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und

anwaltliche

Kommunikationsfreiheit,

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strafrechtliche

Schutz

von

Privatgeheimnissen,

Schuster, Frank Peter, Anmerkung zu LG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2010 – 608 Qs 18 / 10, NZWiSt 2012, 28 ff.

292 Literaturverzeichnis – Anmerkung zu LG Mannheim, Beschl. v. 03.07.2012 – 24 Qs 1 / 12, 24 Qs 2 / 12, NZWiSt 2012, 431 ff. Schwerdtfeger, Gunther, Öffentliches Recht in der Fallbearbeitung, 14. Auflage 2012 [zit. Schwerdtfeger, Öffentliches Recht] Siegrist, Uwe, Ermittlungen in Steuer- und Wirtschaftsstrafsachen – Quo Vadis?, wistra 2010, 427 ff. Solbach, Günter, Kann der Arzt von seiner Schweigepflicht entbunden werden, wenn sein Patient verstorben oder willensunfähig ist?, DRiZ 1978, 204 ff. Städler, Michael, Die Auswirkungen eines Personenwechsels bei Vertretungsorganen von GmbH und AG auf die Entbindungsberechtigung nach § 53 Abs. 2 S. 1 StPO, 2011 [zit. Städler, Entbindungsberechtigung] Stegemann, Rahel / Martens, Friederike, Zum Zeugnisverweigerungsrecht für Drogenberater, StV 1989, 325 ff. Stern, Klaus, Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Band I 2. Auflage 1984, Band II 1980, Band III / 1 1988, Band III / 2 1994, Band IV / 1 2006, Band V 2000 [zit. Stern, Staatsrecht, Band] Stucke, Ulrich, Berufliche Schweigepflicht bei Drittgeheimnissen als Vertrauensschutz, 1981 [zit. Stucke, Berufliche Schweigepflicht] Stypmann, Rolf, Rechtliche und tatsächliche Probleme bei staatsanwaltlichen Durchsuchungs- und Beschlagnahmehandlungen, wistra 1982, 11 ff. Systematischer Kommentar zur Strafprozessordnung und zum Gerichtsverfassungsgesetz, Jürgen Wolter (Hrsg.), Kommentar, Band I (§§ 1–93 StPO) 4. Auflage 2014, Band II (§§ 94–136a StPO) 4. Auflage 2010, Band III (§§ 137–197 StPO) 4. Auflage 2011, Band IV (EMRK) 4. Auflage 2012 [zit. SK / StPO / Bearbeiter] Szesny, André, Anmerkung zu LG Hamburg, Beschl. v. 15.10.2010 – 608 Qs 18 / 10, GWR 2011, 19 ff. Taschke, Jürgen, Zum Beschlagnahmeschutz der Handakten des Unternehmensanwalts, in: Festschrift für Rainer Hamm zum 65. Geburtstag, 2008, S. 751 ff. [zit. Taschke, FS-Hamm] – Die Verteidigung von Unternehmen – Ein neuer Typus von Strafverteidigung, in: Festschrift für Klaus Volk zum 65. Geburtstag, 2009, S. 801 ff. [zit. Taschke, FS-Volk] Theile, Hans, „Internal Investigations“ und Selbstbelastung, StV 2011, 381 ff. Thum, Kai, Beschlagnahmefreiheit von Verteidigungsunterlagen, HRRS 2012, 535 ff. Tsambikakis, Michael, Strafprozessuale Zeugnisverweigerungsrechte aus beruflichen Gründen, 2010 [zit. Tsambikakis, Zeugnisverweigerungsrechte] Tully, Marc / Kirch-Heim, Claudio, Zur Entbindung von Rechtsbeiständen juristischer Personen von der Verschwiegenheitspflicht gemäß § 53 Abs. 2 S. 1 StPO, NStZ 2012, 657 ff. Uhlenbruck, Wilhelm / Hirte, Heribert / Vallender, Heinz (Hrsg.), Insolvenzordnung, Kommentar, 13. Auflage 2010 [zit. Uhlenbruck / Bearbeiter]

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Sachwortverzeichnis Allgemeines Persönlichkeitsrecht –– Allgemeines Persönlichkeitsrecht  22, 29, 35–37, 39, 48–49, 52, 57, 65, 133, 150, 152–154 –– Recht am eigenen Wort  22, 27–29, 36, 127, 154 –– Recht auf Achtung der Privatsphäre  25, 28–29, 31, 36–37, 47, 57, 65, 93, 127, 131, 136, 154 –– Recht auf informationelle Selbst­ bestimmung  22, 28–31, 36, 47, 65, 80, 131–133 Anbahnung  48, 136, 148–149 Anbahnungsphase  86, 94, 102, 136, 148–149 Berufsfreiheit  40–42, 44–48, 52, 55, 62–64, 72, 82, 127, 134, 136, 151, 160, 189, 191 Beschlagnahmeverbot  20–21, 58, 95–96, 100–101, 105, 108, 110, 113, 158, 219–221, 225, 227, 233, 236, 242, 244, 246, 257, 265–267 Beweisverwertungsverbot  104, 116, 194, 223–224, 247, 252, 257 Blütenfall  196, 265 Entbindungsbefugnis  20, 89, 121, 124, 133, 165, 187, 190, 197, 209, 211, 213–214, 293 Entbindungsberechtigung  19, 58–59, 61–62, 64, 66–74, 76–77, 80, 84, 87–92, 128–129, 131–132, 134–135, 158–159, 161–163, 165–166, 169, 173–174, 179, 187–188, 190, 196–197, 208, 210, 211–218, 226–227, 230–231, 234, 236, 238, 247–248, 258, 262, 264–266, 270, 277, 280, 292

Entbindungserklärung  87, 90, 106, 187, 191, 197, 202, 208, 216, 218, 225–226, 228, 231, 233–234, 236–238, 247–250, 264 Ermittlungsmaßnahmen  43–44, 103–107, 109–110, 112–116, 128, 133, 158, 193, 220–222, 224, 248, 252–253, 278–279, 284, 290 Ermittlungsverbote  18–19, 58, 103, 219, 227, 233, 244, 256, 264, 266 Faktische Organstellung  235 Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten  221, 223–224, 247, 257 Informationsaustausch  27, 53, 57, 92–94, 142, 150, 190, 269 Informationsschutz  75–77, 80–81, 83, 93, 126, 136, 147, 154, 161, 163–164, 189, 193, 205, 279 Insolvenz  67–68, 206, 208, 215–216, 218, 225, 227–228, 271, 286 Internal Investigations  225, 238–240, 243, 245, 259, 272, 277, 282, 284, 287, 292 Juristische Personen  144, 146, 152–156, 159, 173, 180–181, 183, 185, 191, 196, 235, 249, 250, 276, 280, 289 Kernbereich  34, 68, 75, 92, 100, 104, 116, 177 Mediation  260–263, 270–271, 284–285, 290–291 Mehrköpfige Organe  228 Meinungsfreiheit  36, 38–39, 284, 288

Sachwortverzeichnis295 Natürliche Personen  88, 90, 144, 154–155, 163–164, 173, 181, 185, 191, 210, 215–217, 232, 272, 276 Nemo-tenetur-Prinzip  32–33, 66 Organ der Rechtspflege  49, 51, 161, 286 Privatautonomie  37, 167, 234 Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens  54 Recht auf ein faires Verfahren  53 Rechtsstaatsprinzip  32–33, 49–52, 55–56, 60, 62, 94, 103, 127, 136, 140, 151, 155, 164, 192, 253 Schutznormtheorie  158 Schweigepflicht  24, 56, 59, 71–74, 76, 84, 86, 88, 90–91, 95, 117–118, 121–124, 128–129, 131–132, 134, 143, 146, 158, 166, 169, 170, 174, 187–188, 191, 194, 196, 199, 202, 205–206, 208–211, 216–217, 221, 225–226, 229–230, 233, 235, 237, 241, 243, 246–248, 260, 262, 265–266, 276, 280, 283, 285, 287–288, 291–293 Selbstbelastungsfreiheit  29, 31–33, 66, 68 Subjektiv-öffentliches Recht  158–159 Verbot der Mehrfachverteidigung  181 Verkehr mit dem Beschuldigten  101 Verschwiegenheitspflicht  42, 49, 64, 86, 122–124, 130, 151, 189, 200, 211, 217, 236, 282–283, 287, 292–293 Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter  90–91, 167 Vertrag zugunsten Dritter  90–91, 167–168 Vertrauensverhältnis –– Beteiligung  18, 20, 37, 52, 67, 87–89, 95, 133–134, 138, 143, 145, 155, 157, 160, 163, 165, 169, 171,

175, 181, 185, 187, 194, 196–197, 206, 228, 237, 246, 249, 261–262, 264, 270, 272 –– Dispositionsbefugnis  123, 132, 157, 187–188, 190, 194, 217, 235, 247, 272–273, 276–277, 280 –– „do ut des“-Situation  136, 153, 164, 169, 181, 184, 192, 198, 204, 215, 232, 245–246, 275 –– Entstehungsvoraussetzungen  48, 80, 135–137, 143, 146, 151–152, 159, 169, 176, 193, 198 –– Hauptträger des Vertrauensverhält­ nisses  169, 171, 173–174, 178, 180, 185–187, 218 –– Kommunikation  18, 23, 27–28, 33–36, 39, 43, 46–47, 50–51, 53–57, 67–69, 75, 78, 81, 83, 89, 92–94, 101–103, 114, 122–123, 126–128, 135–138, 142, 147–151, 154–155, 160–161, 164–166, 169, 172, 175, 183, 185, 188–189, 192–193, 198, 205, 217, 218–219, 223–234, 239, 245–246, 252–253, 259, 263, 267–269, 273, 290 –– Kommunikationsbeziehung  31, 36, 45, 75, 93–95, 101, 123, 126, 128, 136, 138, 142, 147, 156–157, 160–161, 163, 165, 168–170, 172–173, 189, 193–194, 259, 275, 278–279 –– Kommunikationsverhältnis  66, 68, 72, 75–76, 80, 87, 89, 133–134, 145, 147, 165, 193, 197, 212 –– Nebenträger des Vertrauensverhält­ nisses  169, 171, 173, 176 –– Träger des Vertrauensverhältnisses  20, 88, 144–145, 147, 170, 194, 238, 269 –– Übertragbarkeit der Verfügungs­ befugnis  160 –– Verfügungsbefugnis  89, 91, 123, 127, 132, 134–137, 157, 160, 165, 171, 178, 187–190, 194, 197, 209, 212, 214–216, 226, 246, 269, 271, 276

296 Sachwortverzeichnis –– vertrauensverhältnisähnliches Verhältnis  175, 177, 178 –– Vertretung bei der Ausübung der Verfügungsbefugnis  159 –– Zuordnung eines Kommunikationsvorgangs  160, 198, 280 Verwertungsverbot  104, 106, 194, 223, 247, 258 Wechsel in der Geschäftsleitung  225–226

Whistleblowing  162, 199–202, 205, 265, 267–268, 276, 283, 287, 289, 291 Zeugnisverweigerungsrecht  20, 23–24, 58–61, 63, 65, 68–69, 71–74, 78, 82–85, 92–93, 96, 98, 103, 113–114, 122, 127–130, 141, 152, 158, 192, 201, 208–209, 224, 226, 229–230, 249, 262, 264, 267, 284, 287–288, 290, 292–293 Zivilprozessuales Zeugnisverweigerungsrecht  209