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German Pages 1403 [1424] Year 1963
G r o ß k o m m e n t a r e der P r a x i s
LÖWE-ROSENBERG
Die Strafprozeßordnung und das
Gerichtsverfassungsgesetz mit
Nebengesetzen
GROSSKOMMENTAR Einundzwanzigste, neu bearbeitete A u f l a g e herausgegeben
von
Dr. Hanns Dünnebier
Dr. Friedr. Wilh. Geier
Generalstaatsanwalt in Bremen
Senatsprasident beim Bundesgerichtshof
Dr. Heinrich Jagusch
Dr. Max Kohlhaas
Senatsprasident beim Bundesgerichtshof
Bundesanwalt in Karlsruhe
Professor Werner Sarstedt
Dr. Karl Schäfer
Senatspräsident beim Bundesgerichtshof
Senatsprasident in F r a n k f u r t a. M.
Erster Band Einleitung, §§ 1 bis 373 a StPO
Berlin 1963
WALTER
DE
GRUYTER
& CO.
vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung • J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung . Georg Reimer • Karl J . Trübner • Veit & Comp.
Archiv-Nr. 2212 63/0 Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin 30 Alle Rechte, einschließlich des Rechts der Herstellung von Photokopien und Mikrofilmen, vorbehalten
Vorwort zur 21. Auflage Die 20. Auflage, erschienen von 1953 bis 1958, erst volle 20 Jahre nach der 19. Auflage, entstand unter Widrigkeiten und mag hier und dort, obwohl allseits freundlich aufgenommen, doch Zeichen eines Überganges aufgewiesen haben. Inzwischen ist das Gesetz mehrfach geändert worden; die Rechtsprechung zum Strafverfahren hat sich kräftig weiterentwickelt; das Gerichtsverfahren ist in eine Periode immer stärkerer Konkretisierung des Grundgesetzes getreten; so wichtige und vorbildliche Kommentare wie der Lehrkommentar von Eberhard Schmidt und von Kleinknecht-Müller sind vollständig oder wiederholt erschienen. So war es geboten, auch den „Löwe-Rosenberg" — inzwischen stammt keine Zeile des Werkes mehr von seinen verdienten Gründern — auf den neuesten Stand, besonders der höchstrichterlichen Rechtsprechung, zu bringen. Herr Oberstaatsanwalt Dr. Tillmann hat sich wegen Krankheit leider außerstande gesehen, an dem Werk weiter mitzuwirken. Für ihn hat Generalstaatsanwalt Dr. Dünnebier größere Abschnitte übernommen. In besonderer Weise hat Senatspräsident Dr. Schäfer durch seine umfassende historische und systematische Einleitung zu dem Werk beigetragen. Die Vorschriften der §§ 72 bis 93, 133 bis 136a StPO, diejenigen Teile, die Generalstaatsanwalt Dr. Dünnebier übernommen hat, und diejenigen über die Rechtsmittel (§§ 296 bis 358 StPO) sind vollständig neu bearbeitet, alle anderen Teile überarbeitet und auf den neuesten Stand gebracht worden. Dabei haben sich die Verfasser bemüht, die methodische Erfassung und Entfaltung des Stoffes anhand einheitlicher Systematik weiter zu vertiefen und, soweit irgend tunlich, auch zu entlegenen Fragen noch Auskünfte oder wenigstens Hinweise zu geben. Dies geschieht bewußt nicht in der Form allseits aufeinander abgestimmter Beiträge. Zwar möchte der Kommentar — und dem dient vor allem das Streben nach übersichtlicher Gliederung des ungeheuren Stoffes und der Fundstellen — auch dem eiligen Benutzer raten und helfen, vor allem aber will er zu selbständiger kritischer Erfassung und Beantwortung des jeweiligen Rechtsproblems anregen. Dem hätte eine Koordinierung der einzelnen Beiträge, von den Schwierigkeiten solchen Bestrebens abgesehen, nicht gedient. Die Novelle zum Strafverfahren, mit der sich der Bundestag noch beschäftigt, hat sich verzögert und wird als Nachtrag erläutert werden. Sie abzuwarten, ging bei dem Umfang der schon erschienenen Teile des Kommentars und des Gesamtwerkes nicht an. Die Verfasser hoffen, durch die Neuformung des Werkes Praxis und Lehre nützliche Hilfe zu bieten. Für Anregungen und Hinweise, die dem Verlag mitgeteilt werden mögen, sind sie dankbar. Im Juni 1963. Dünnebier
Geier
Jagusch
Kohlhaas
Sarstedt
Schäfer
Inhaltsverzeichnis Seite
Vorwort Einleitung Kap. 1. Die Quellen des deutschen Strafverfahrensrechts und ihr Verhältnis zueinander 2. Zur Entstehungsgeschichte der StPO. und des GVG 3. Die weitere Entwicklung der StPO. und des GVG 1. Die Entwicklung bis zum Beginn des 1. Weltkrieges (1914) 2. Die Gesetze von 1914 bis 1924 3. Die Gesetze von 1925 bis 1932 4. Die Gesetzgebung von 1933 bis 1945 5. Die Nachkriegsgesetzgebung bis zur Entstehung der Bundesrepublik . 6. Die Rechtsentwicklung in der Bundesrepublik 4. Reformversuche und Reformbestrebungen 5. Das Wesen, der Zweck, die Gliederung und der Verlauf des Strafverfahrens 6. Verhältnis des Strafverfahrens zu anderen Verfahren 1. Strafprozeß und Zivilprozeß 2. Strafprozeß und Verwaltungsstrafverfahren 3. Strafprozeß und Bußgeldverfahren 4. Strafprozeß und Dienststrafverfahren 7. Strafprozeß und Justizverwaltung 8. Die Prozeßbeteiligten 9. Die Prozeßhandlungen 10. Die Verfahrensvoraussetzungen (Verfahrenshindernisse) A. Allgemeines 1. Begriff und Wesen der Prozeßvoraussetzungen 2. Einteilung der Prozeßvoraussetzungen 3. Zeitliche Geltung 4. Prüfung von Amts wegen, Freibeweis 5. Prüfung durch das Rechtsmittelgericht 6. Zusammentreffen von Verfahrenshindernissen 7. Geltung des Grundsatzes „in dubio pro reo" ? 8. Verfahren nach erkanntem Verfahrenshindernis. Folgen der Nichtbeachtung 9. Freispruch trotz fehlender Prozeßvoraussetzung B. Die hauptsächlichen Prozeßvoraussetzungen (Verfahrenshindernisse) 1. Klage und Eröffnungsbeschluß 2. Gerichtsbarkeit und Gerichtsunterworfenheit 3. Unberührtheit der Sache (Rechtshängigkeit und Verbrauch der Strafklage durch die Rechtskraft) 4. Niederschlagung 5. Verjährung 6. Eigenschaften und Beziehungen der Beteiligten a) Lebensalter des Beschuldigten b) Verhandlungsfähigkeit, Anwesenheit c) Zugehörigkeit zu einem Gesetzgebungsorgan d) Klagerecht und Prozeßfähigkeit des Klägers e) im Adhäsionsverfahren f) Zeugen und Untersuchungspersonen
V 1—159 2 3—4 4—24 4 4—6 6—8 8—16 16—18 19—24 24—40 40—48 48—56 48—51 51—54 54—55 55—56 56—61 61—63 63—70
70—72 72—73 73 73 74—75 76 76—78 78 78—79 79—82 82 83—98 98—99 99—102 102 102 103—104 104 104 104—105 VII
Inhaltsverzeichnis 7. Erklärungen Dritter. Vorentscheidungen einer anderen Stelle Seite a) Strafantrag des Verletzten 105 b) Bejahung des besonderen öffentl. Interesses (§ 232 StGB.) . . . . 106—106 c) Strafverlangen, Ermächtigung und ähnliche Erklärungen von Behörden 106 d) Auflösung usw. der Ehe in den Fällen der §§ 170,172, 238 StGB. . 106—108 e) Vorabentscheidungen 106 f) Rücksicht auf das Verhältnis zu einer ausländischen Behörde . . . 108 8. Sachliche und örtliche Zuständigkeit 108—110 9. Sühneversuch 110 f Kap. 11. Die Prozeßmaximen A. Allgemeines B. Die einzelnen Grundsätze 1. Der Anklagegrundsatz (Trennung von ermittelnder und entscheidender Tätigkeit. Durchbrechungen des Grundsatzes und Reformwünsche bzgl. Voruntersuchung, Eröffnungsbeschluß und Kreuzverhör) 2. Das Anklagemonopol des Staatsanwalts 3. Die Verfolgungspflicht 4. Die Pflicht zur Wahrheitserforschung 6. Mündlichkeit und Unmittelbarkeit 6. Das Beweisantragsrecht der Beteiligten 7. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs 8. Öffentlichkeit der Verhandlung 9. Der gesetzliche Richter
110—141
112—117 117—118 118—123 123—129 129—132 132—134 134—138 138—140 140—141
12. Mitwirkung des Volkes bei der Rechtsprechung
141—143
13. Zur Frage des nichtigen Urteils
144—159
Strafproz eßordnung E r s t e s Buch Allgemeine Vorschriften E r s t e r A b s c h n i t t . Sachliche Zuständigkeit der Gerichte Vorbemerkungen §§ 1—6
161—162 162—175
Z w e i t e r A b s c h n i t t . Gerichtsstand Vorbemerkungen §§ 7—21
176—178 178—207
D r i t t e r A b s c h n i t t . Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen Vorbemerkungen §§ 22—32
207—208 209—238
V i e r t e r A b s c h n i t t . Gerichtliche Entscheidungen und ihre Bekanntmachung Vorbemerkungen §§ 33—41
239—240 240—264
F ü n f t e r A b s c h n i t t . Fristen und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Vorbemerkungen §§ 42—47
264—267 267—283
VIII
Inhaltsverzeichnis Seite
S e c h s t e r A b s c h n i t t . Zeugen Vorbemerkungen §§ 48—71
283—287 287—369
S i e b e n t e r A b s c h n i t t . Sachverständige und Augenschein Vorbemerkungen §§ 72—93
359—363 364—432
A c h t e r A b s c h n i t t . Beschlagnahme und Durchsuchung Vorbemerkungen §§94—lila
424—426 426-498
N e u n t e r A b s c h n i t t . Verhaftung und vorläufige Festnahme Vorbemerkungen §§ 112—131
498—506 506—609
Z e h n t e r A b s c h n i t t . Vernehmung des Beschuldigten Vorbemerkungen §§ 133—136 a
609—610 610—637
E l f t e r A b s c h n i t t . Verteidigung Vorbemerkungen §§ 137—160
637—643 643—694
Zweites B u c h Verfahren in erster Instanz E r s t e r A b s c h n i t t . Öffentliche Klage Vorbemerkungen §§ 151—157
696—716 716—749
Z w e i t e r A b s c h n i t t . Vorbereitung der öffentlichen Klage Allgemeine Vorbemerkungen §§ 168—177
749—754 754—799
D r i t t e r A b s c h n i t t . Gerichtliche Voruntersuchung Vorbemerkungen §§ 178—197
800—801 801—831
V i e r t e r A b s c h n i t t . Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens Vorbemerkungen §§198—212 b
832—833 833—879
F ü n f t e r A b s c h n i t t . Vorbereitung der Hauptverhandlung Vorbemerkungen §§ 213—225
879—881 881—906
S e c h s t e r A b s c h n i t t . Hauptverhandlung Vorbemerkungen §§ 226—275
906—910 911—1142
S i e b e n t e r A b s c h n i t t . Verfahren gegen Abwesende Vorbemerkungen §§276—296
1142—1146 1146—1174 IX
Inhaltsverzeichnis Drittes Buch Rechtsmittel
Seite
Vorbemerkungen
1175
H83
E r s t e r A b s c h n i t t . Allgemeine Vorschriften §§296-303
1183-1204
Z w e i t e r A b s c h n i t t . Beschwerde Vorbemerkungen §§304—611
1204—1208 1208—1230
D r i t t e r A b s c h n i t t . Berufung §§312-331
1231-1286
V i e r t e r A b s c h n i t t . Revision §§333-358
1286-1368
Viertes Buch Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens Vorbemerkungen §§ 359—373 a
X
1369—1373 1373-1403
Verzeichnis der wichtigsten Abkürzungen und Zitate (Die besondere Literatur über einzelne Abschnitte u. Paragraphen ist am Anfang der betreffenden Abschnitte und Paragraphen aufgeführt) A.A., a.A. a. a. 0 . AbgO. Abh. ABl. abl. Abs. AcP, ArchZivPr. a. E. a. F. AG. AG., AusfG. AGGewVerbrG., AusfG. z. GewohnhVerbrG. AGGVG. AGStPO. AHK. AktO. Allg. Vfg., AV. Alsb. E. Alsberg Justizirrtum Alsberg-Nüse AM., a. M. Anm. AnwBl. AO. AöR., ArchÖffR. ArchKrim. ArchKrimAnthr. ArchÖffR. ArchZivPr. Art. Aufl. AusfG., AG. AuslPVO. AV. AWG., AußenWiG. BAnz. Baur BayObLG., BayObstLG. BayObLGSt.
anderer Ansicht am angegebenen Ort s. RAbgO. Abhandlung Amtsblatt ablehnend Absatz Archiv für die civilistische Praxis am Ende alte Fassung Amtsgericht Ausführungsgesetz Ausführungsgesetz zum Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung v. 24.11.1933 (RGBl. I S. 1000) Bayern. Gesetz z. Ausführung d. Gerichtsverfassungsgesctzes v. 17.11.1956 (GVB1. S. 249) Bayern. Ausführungsgesetz z. Strafprozeßordnung v. 17.11.1956 (GVB1. S. 254) Alliierte Hohe Kommission Aktenordnung v. 28.11.1934 (Sonderveröff. Dt. Just. Nr. 6) Allgemeine Verfügung Die strafprozessualen Entscheidungen der Oberlandesgerichte, herausgegeben von Alsberg und Friedrich (1927). Drei Bände Alsberg, Justizirrtum und Wiederaufnahne (1913) Alsberg-Nüse, Der Beweisantrag imd Strafprozeß, 2. Aufl. (1956) anderer Meinung Anmerkung Anwaltsblatt s. RAbgO. Archiv des öffentlichen Rechts Archiv für Kriminologie, vorher: Archiv für Kriminalanthropologie und Kriminalistik s. AöR. s. AcP. Artikel Auflage Ausführungsgesetz Ausländerpolizeiverordnung v. 22. 8. 1938 (RGBl. I 1053) Ausführungsverordnung; Allgemeine Verfügung Außenwirtschaftsgesetz v. 28. 4.1961 (BGBl. I S. 481) Bundesanzeiger Baur, Justizaufsicht und richterliche Unabhängigkeit (1954) Bayerisches Oberstes Landesgericht Sammlung von Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts in Strafsachen XI
Verzeichnis der Abkürzungen und Zitate BayVBl. BayVfGH. BayZ. BB. BBG. Bd. BDH. BDO. Begr. Beil. Bek. Beling Beling, BewVerb. Ben-Beling, Bennecke-Beling Beschl. BFH. BGB. BGBl. BGG. BGH. BGHSt. BGHZ. Binding, Binding Grundriß Binding, Lehrb. Birkmeyer BJM. Bockelmann BRAGebO. Brandstetter BRAO. BSG. BT. BT-Drucks. Bumke Burchardi-Klempahn BVerfG., BVerfGE. BVerfGG. BVerwG., BVerwGE. BVerwGG. D., d., Dt., dt. DA. DAG., AuslG. Dalcke Dallinger-Lackner XII
Bayerische Verwaltungsblätter Sammlung von Entscheidungen d. Bayer. Verwaltungsgerichtshofs mit Entscheidungen des Bayer. Verfassungsgerichtshofs Zeitschrift für Rechtspflege in Bayern Der Betriebs-Berater Bundesbeamtengesetz i. d. F. v. 1.10.1961 (BGBl. I S. 1801) Band Bundes disziplinarhof Bundesdisziplinarordnung v. 28.11.1952 (BGBl. I S. 761) Begründung Beilage Bekanntmachung Beling, Deutsches Reichsstrafprozeßrecht (1928) Beling, Die Beweisverbote als Grenzen der Wahrheitserforschung im Strafprozeß (1903) Bennecke-Beling, Lehrbuch des deutschen Strafprozeßrechts (1900) Beschluß Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch v. 18. 8.1896 (RGBl. S. 195) Bundesgesetzblatt, Teil I und II s. GG. Bun desgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Binding, Grundriß des Deutschen Strafrechts, Allg. Teil (1913) Binding, Lehrbuch des gemeinen Deutschen Strafrechts. Besonderer Teil, 2. Aufl. I 1902, II 1904/5 Birkmeyer, Deutsches Strafprozeßrecht (1898) Bundesminister (-erium) der Justiz Bockelmann, Die Unverfolgbarkeit der Abgeordneten nach deutschem Immunitätsrecht (1951) Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte v. 26. 7.1957 (BGBl. I S. 907) Brandstetter, Straffreiheitsgesetz, Kommentar (1956) Bundesrechtsanwaltsordnung v. 1. 8.1959 (BGBl. I S. 565) Bundessozialgericht Bundestag Drucksachen des Deutschen Bundestages Bumke, Gerichtsverfassung und Strafprozeßordnung (1927) Burchardi-Klempahn, Der Staatsanwalt und sein Arbeitsgebiet, 2. Aufl. (1956) Bundesverfassungsgericht, Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Ges. über das Bundesverfassungsgericht v. 12. 3.1951 (BGBl. I S. 243) Bundesverwaltungsgericht, Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Ges. über das Bundesverwaltungsgericht v. 23. 9.1952 (BGBl. I S. 625) deutsch Dienstanweisung Deutsches Auslieferungsgesetz v. 23.12.1929 (RGBl. I S. 239), 12. 9.1933 (RGBl. I S. 618). Dalcke, Strafrecht und Strafverfahren, 37. Aufl., von FuhrmannK. Schäfer (1961) Dallinger-Lackner, Jugendgerichtsgesetz, Kommentar (1955)
Verzeichnis der Abkürzungen und Zitate DAR. DBG. DDevR., DevRdsch. DDR. Diss. Ditzen DJ., Dt Just. DJT. DJZ. DÖV. Graf zu Dohna DR. Dreher-Maaßen DReZ., DRZ. DRiZ., DRZ. DRpfl., DtRpfl. DRsp., DRpr. DRW., DRWiss. DStr., DStrR., DStrafr. DStrZ., DtStRZ. DurchfVO., DVO. DVB1. E., Entsch. E., Entw. EbSchmidt EG., EinfG. EGBGB. EGGVG. EhrenGHE. Einl. EJF. Erbs Erg. EStPÄG. FAG. Feisenberger FGG. Floegel-Hartung Frank Fuhrmann-Dalcke G., Ges. GA„ GoltdA. Gage-Sarstedt GBA. GBl. GebO.
Deutsches Autorecht Deutsches Beamtengesetz v. 26.1.1937 (RGBl. I S. 39) Deutsche Devisen-Rundschau Deutsche Demokratische Republik Dissertation Ditzen, Dreierlei Beweis im Strafverfahren (1926) Deutsche Justiz, Rechtspflege und Rechtspolitik Deutscher Juristentag Deutsche Juristenzeitung Die öffentliche Verwaltung Graf zu Dohna, Das Strafprozeßrecht, 3. Aufl. (1929) Deutsches Recht Dreher-Maaßen, Strafgesetzbuch, Kommentar, 3. Aufl. (1959) Deutsche Rechts-Zeitschrift Deutsche Richterzeitung Deutsche Rechtspflege Deutsche Rechtsprechung, hrsg. v. Feuerhake (LoseblSlg.) Deutsche Rechtswissenschaft Deutsches Strafrecht Deutsche Strafrechts-Zeitung Durchführungsverordnung Deutsches Verwaltungsblatt Entscheidung Entwurf s. Schmidt Einführungsgesetz Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch vom 18.8.1896 (RGBl. S. 604) Einführungsgesetz zum Gerichtsverfassungsgesetz v. 27.1.1877 (RGBl. S. 77) Die Entscheidungen des Ehrengerichtshofs für deutsche Rechtsanwälte Einleitung Entscheidungen aus dem Jugend- und Familienrecht Strafrechtliche Nebengesetze, Kurzkommentar von Erbs, Kohlhaas, Lorz, Mayr, Potrykus, Zipfel. Loseblattslg. Ergänzung Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der StPO. und des GVG., 1960, (BT-Drucks. 3. Wahlp. Nr. 2037, 4. Wahlp. Nr. 63) Gesetz über Fernmeldeanlagen i. d. F. v. 14.1.1928 (RGBl. I S. 8) Feisenberger, Strafprozeßordnung und Gerichtsverfassungsgesetz (1926) Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit v. 20. 5.1898 (RGBl. S. 771) Floegel-Hartung, Straßenverkehrsrecht, Kurzkommentar, 13. Aufl. (1961) Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich, 18. Aufl. (1931) s. Dalcke Gesetz Goltdammers Archiv für Strafrecht Gage-Sarstedt, Die Revision in Strafsachen, 3. Aufl. (1958); Sarstedt, 4. Aufl. (1962) Generalbundesanwalt Gesetzblatt Gebührenordnung XIII
Verzeichnis der Abkürzungen und Zitate GebOZuS.
GebrMG. Gerland GerS. Ges., G. GeschmMG. GewO. GewVerbrG., Gewohnh.VerbrechG. GG. GKG. gl. A. Glaser GnadO., GnO. Goldschmidt, Prozeß GoltdA., GoltdArch. GoltdA., GoltdArch.. GA. Grau-Schäfer GrStS. GruchB., GruchotBeitr., Gruchot GrünhutsZ. GS., GesS. GStA. GVB1. GVG. GWB. HansGZ. HansRZ. Härtung Untersuchungshaft Hellwig Henkel HESt. HGB. v. Hippel v. Hippel Strafrecht HRR., HR. HV. i. d. F. v. Jahrb. ÖR., JbÜffR. JBeitrO., JustBeitreibungsO. JB1. JGG. XIV
Gebührenordnung für Zeugen und Sachverständige v. 21.12.1925 (RGBl. I S. 471), jetzt Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen v. 26. 7.1957 (BGBl. I S. 861) Gebrauchsmustergesetz v. 5. 5.1936 (RGBl. II S. 130) i.d.F. v. 18. 7.1953 (BGBl. I S. 637) Gerland, Der Deutsche Strafprozeß (1927) Der Gerichtssaal Gesetz Gesetz, betr. d. Urheberrecht an Mustern und Modellen (Geschmacksmustergesetz) v. 11.1.1876 (RGBl. S. 11) Gewerbeordnung i. d. F. d. Bek. v. 26. 7.1900 (RGBl. S. 871) Gesetz gegen gefähr. Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln d. Sicherung u. Besserung v. 24.11.1933 (RGBl. I S. 995) Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland v. 23. 5. 1949 (BGBl. S. 1) Gerichtskostengesetz i. d. F. v. 26. 7.1957 (BGBl. I S. 9411 gleicher Ansicht Glaser, Handbuch des Strafprozesses, in Binding, Systematisches Handbuch der deutschen Rechtswissenschaft (I 1883, II 1885) Gnadenordnung v. 6. 2. 1935 (Dt. Just. S. 203) Goldschmidt, Der Prozeß als Rechtslage (1925) Archiv für Strafrecht und Strafprozeß, begr. v. Goltdammer, später Dt. Strafrecht und ab 1954: Goltdammers Archiv für Strafrecht Grau-Schäfer, Strafvollstreckung, 2. Aufl. (1932) Großer Senat in Strafsachen Beiträge zur Erläuterung des (bis 1871: preußischen) deutschen Rechts, begr. v. Gruchot Zeitschrift für das Privat- und öffentliche Recht der Gegenwart, begr. v. Grünhut Gesetzsammlung G eneralstaatsan walt Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz v. 27.1.1877 (RGBl. S. 41) i. d. F. d. Ges. v. 12. 9.1950 (BGBl. S. 455, 513) Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 27. 7.1957 (BGB1.I S. 1081) Hanseatische Gerichtszeitung Hanseatische Rechtszeitschrift Härtung, Das Recht der Untersuchungshaft (1927) Hellwig, Psychologie und Vernehmungstechnik bei Tatbestandermittlung (1951) Henkel, Strafverfahrensrecht, Lehrbuch (1954) Höchstrichterliche Entscheidungen. Sammlung v. Entscheidungen der Oberlandesgerichte u. d. obersten Gerichte in Strafsachen Handelsgesetzbuch v. 10. 5. 1897 (RGBl. S. 219) von Hippel, Strafprozeßrecht (1941) von Hippel, Deutsches Strafrecht, I 1925, II 1930 Höchstrichterliche Rechtsprechung Hauptverhandlung in der Fassung vom Jahrbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart Justizbeitreibungsordnung v. 11. 3.1937 (RGBl. I S. 298) i.d.F. v. 26. 7.1957 (BGBl. I S. 898) Justizblatt Jugendgerichtsgesetz. Reichs— v. 6.11.1943 (RGBl. I S. 637), Bund— v. 4. 8.1953 (BGBl. I S. 751)
Verzeichnis der Abkürzungen und Zitate Justizkassenordnung v. 30.1.1937 (Sonderveröff. DtJust. Nr. 13) Justizministerialblatt JMB1. John, Strafprozeßordnung (I 1884, II 1888, III 1889) John Juristische Rundschau JR., JRdsch., JurRdsch. Justizverwaltungsblatt JVB1. VO. über Kosten im Bereich der Justizverwaltung v. 14. 2.1940 JVKostO., JustVerwKostO. (RGBl. I S. 357) i. d. F. v. 26. 7.1957 (BGBl. I S. 861) Jugendstrafvollzugsordnung. AV. d. RJM. v. 1. 9.1944 JVolIzO. Juristische Wochenschrift JW. Juristen-Zeitung JZ. Kapitel Kap. Kaufmann, Der polizeiliche Eingriff in Freiheiten und Rechte Kaufmann (1951) Keller, Die Strafprozeßordnung für das Deutsche Reich nebst Keller Einführungsgesetz, 2. Aufl (1882) Kern, Strafverfahrensrecht, Kurzlehrbuch, 5. Aufl (1959) Kern, Strafverfahrensrecht Gesetz über den Verkehr mit Kraftfahrzeugen v. 3.5.1909 KFG. (RGBl. S. 437) Kammergericht KG. Jahrbuch der Entscheidungen des Kammergerichts in Sachen KGJ. der freiwilligen Gerichtsbarkeit, in Kosten-, Stempel- und Strafsachen Kleinknecht-Müller, Kommentar z. Strafprozeßordnung und KleinknM, GVG., 4. Aufl. (1958) Konkursordnung v. 10. 2.1877 (RGBl. S. 351), v. 20. 5.1898 KO. (RGBl. S. 369, 612) Kohlrausch, Kohlrausch-Lange Kohlrausch-Lange, Strafgesetzbuch, Kommentar, 43. Aufl. (1961) von Kries, Lehrbuch des deutschen Strafprozeßrechts (1892) von Kries Kriminalistische Monatshefte. Zs. f. d. ges. kriminalist. WissenKrim-MonH., Krim-Monats-H. schaft u Praxis VO über das militärische Strafverfahren im Kriege und bei beKStVO. sonderem Einsatz (Kriegsstrafverfahrensordnung) v. 17. 8.1938 (RGBl. I 1939 S. 1457) Gesetz, betr. das Urheberrecht an Werken d. bildenden Künste KunstUrhG., KunstUG. u d. Photographie (Kunsturhebergesetz) v. 9.1.1907 (RGBl. S. 7) s. LK. Leipz.Komm. Landgericht LG. von Lilienthal, Straßprozeßrecht (1923) von Lilienthal Gesetz, betr. das Urheberrecht an Werken der Literatur und der LitUrhGes., LitUG. Tonkunst v. 19. 6.1901 (RGBL S. 227) Ebermayer, Strafgesetzbuch (Leipziger Kommentar), 8. Aufl., LK., Leipz.Komm. hrsg. v. Jagusch, Mezger, Schaefer, Werner (1957/58) Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs (LoseblSlg.), hrsg. v. LM. Lindenmaier, Möhring u. a. Lobe-Alsberg, Die Untersuchungshaft (1927) Lobe-Alsberg Löffler, Presserecht (1955) Löffler Löwenstein, Die Revision in Strafsachen, 2. Aufl. (1919) Löwenstein Revision Lucas-Dürr, Anleitung zur strafrechtlichen Praxis, 5. Aufl. Lucas-Dürr (1931) Leipziger Zeitschrift für Deutsches Recht LZ. von Mangoldt, von Mangoldt- von Mangoldt-Klein, Das Bonner Grundgesetz, 2. Aufl. Bd. I 1957, Bd. II 1958 Klein Maunz-Dürig, Grundgesetz (1960) Maunz-Dürig Maurach, Deutsches Strafrecht, Allgemeiner Teil, 2. Aufl. (1958); Maurach Besonderer Teil, 3. Aufl. (1959) JKassO., JustizkassenO.
XV
Verzeichnis der Abkürzungen und Zitate Monatsschrift für Deutsches Recht Gesetz über die Konvention zum Schutz der Menschenrechte MenschRKonv. und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) Meves, Das Strafverfahren nach der deutschen StrafprozeßordMeves nung (1882) Mezger, Strafrecht, Kurzlehrbuch, 19. Aufl. 1960, II 6. Aufl. 1958 Mezger Mitteilungen der Internationalen Kriminalistischen Vereinigung MittlKV. Monatsschrift für Kriminologie und Strafrechtsreform MschrKrim. MSchrKrimPsych., MonSchrift Monatsschrift für Kriminalpsychologie und Strafrechtsreform, f. KrimPsych., MonKrim- begr. von Aschaffenburg Psych. Militärstrafgerichtsordnung i. d. F. d. Bek. v. 29. 9.1936 (RGBl. MStGO., MilStGO. I S. 756) Niedersächsische Rechtspflege NdsRpfl., NRpfl., NsRpfl. Entwurf einer Strafprozeßordnung und Novelle zum GerichtsN. E. I verfassungsgesetz nebst Begründung (1908) Entwürfe 1. eines Gesetzes, betreffend Änderungen des GerichtsN. B. II verfassungsgesetzes, 2. der Strafprozeßordnung (ReichstagsVerhandlungen Bd. 270 Nr. 7) Entwürfe 1. eines Gesetzes zur Änderung eines Gerichts VerfasN. E . I I I sungsgesetzes, 2. eines Gesetzes über den Rechtsgang in Strafsachen (1919) Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Strafgerichte (DeutN. E. IV scher Reichsanzeiger Nr. 57 vom 19. Juli 1922) N. E. V Entwurf eines Gesetzes zur Neurodnung der Strafgerichte vom 29. Mai 1923 (Verh. des Reichstags I. Wahlperiode 1920 Anlagen, Drucksache Nr. 5884 S. 6983) n. F. neue Fassung Niese Niese, Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen (1950) Neue Justiz NJ. NJW. Neue Juristische Wochenschrift NRW. Nordrhein-Westfalen ObLG., BayObLG. Bayerisches Oberstes Landesgericht OFH. Oberster Finanzgerichtshof OGHBrZ. Oberster Gerichtshof für die Britische Zone OGHSt. Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes für die Britische Zone in Strafsachen OLG. Oberlandesgericht Sammlung von Entscheidungen des kgl. Oberlandesgerichts OLG. München St. München in Gegenständen des Strafrechts und Strafprozesses von Olshausen, Kommentar zum Strafgesetzbuch, 12. Aufl. Olshausen-Niethammer (1942) Oberverwaltungsgericht OVG. Gesetz über Ordnungswidrigkeiten v. 25.3.1952 (BGBl. I S. 177) OWiG., OWG. Patentgesetz v. 5. 5.1936 (RGBl. II S. 117) i. d. F. v. 18. 7.1953 (BGBl. I S. 623) PatG. Peters, Strafprozeß, Lehrbuch (1952) Peters, Peters Strafpr. Pohlmann-Hasemann, Strafvollstreckungsordnung, Kommentar, Pohlmann 3. Auflage (1959) Ponsold Ponsold, Lehrbuch für gerichtliche Medizin (1957) Potrykus Potrykus, Kommentar zum Jugendgerichtsgesetz, 3. Aufl. (1954) Pr. Preußen, preußisch PrAGGVG. Preußen. Gesetz zur Ausführung des GVG. v. 24. 4.1878 i. d. F. des Ges. v. 5.11.1925 (GS. S. 155) PrForstdG. Preußen. Gesetz betr. d. Forstdiebstahl v. 15. 4.1878 (GS S. 222) Preßges., RPrG. Pressegesetz. Ges. über die Presse v. 7. 6.1874 (RGBl. S. 65) MDR.
XVI
Verzeichnis der Abkürzungen und Zitate PrGS. Prot. PrOVG. Puchelt R. RAbgO., AbgO., AO. RÄO. RAGebO. RAHG., RHG. RAO., RRAO.
RdE., RdErl. RdK. RDStH. Recht RegBl. RevG. RFH. RG. RGBL, RGBl. I, II RG.R., RGRspr. RGSt. RGZ. RiAA. Richtl., RL. RiStV., Richtl., RL., RiStV. 1953 RiVASt. RJGG. RJM. RKG. RKGE. RL. RMB1. RMG., RMilGE Rosenield Rosenield Strafprozeßrecht Rotberg Rpfl., Rpfleger RPreßGes. RRAO. Rspr. RStGB. RT-Drucks. RTK. RV., RVerf. RVO.
Preußische Gesetzsammlung Protokoll Entscheidungen des Preußischen Oberverwaltungsgerichts Puchelt, Die Strafprozeßordnung für das Deutsche Reich (1881) s. RG. R. Reichsabgabenordnung v. 13.12.1919 (RGBl. S. 1993), i. d. F . v. 22. 5.1931 (RGBl. I S. 161) Reichsärzteordnung v. 13.12.1935 (RGBl. I S. 1433) Gebührenordnung für Rechtsanwälte v. 7. 7.1879 i. d. F. v. 6. 7.1927 (RGBl. I S. 162) u. v. 26. 7.1957 — Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte, BRAGebO. — (BGBl. I S. 907) Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe in Strafsachen v. 2. 5.1953 (BGBl. I S. 161) Reichsrechtsanwaltsordnung v. 1. 7.1878 (RGBl. S. 177) u. 13.12.1935 (RGBl. I S. 470), i. d. F. v. 21. 2.1936 (RGBl. I S. 107); Bundesrechtsanwaltsordnung — BRAO — v. 1. 8.1959> (BGBl. I S. 565) Runderlaß Das Recht des Kraftfahrers Entscheidungen des Reichsdienststrafhofs Das Recht, begr. v. Soergel (zuletzt Beil. zu Deutsche Justiz) Regierungsblatt Revisionsgericht Reichsfinanzhof Reichsgericht; s. a. RGSt., RGZ. Reichsgesetzblatt, ab 1922 Reichsgesetzblatt Teil I und II Rechtsprechung des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Richtlinien für die Ausübung des Anwaltsberufs v. 11. 5.1957 Richtlinie; s. a. RiStV. Richtlinien für das Strafverfahren v. 1. 8.1953 (Alte Fassung v. 13. 4.1935, Sonderveröff. DtJust. Nr. 7) Richtlinien für den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten v. 15.1.1959 (BAnz. Nr. 9 v. 15.1.1959) Reichsjugendgerichtsgesetz v. 6.11.1943 (RGBl. I S. 637) Reichsminister(-ium) der Justiz Reichskriegsgericht Entscheidungen des Reichskriegsgerichts und des Wehrmachtdienststrafhofs s. RiStV. Reichsministerialblatt. Zentralblatt f. d. Dt. Reich Entscheidungen des Reichsmilitärgerichts Rosenfeld. Der Reichsstrafprozeß, 4.—5. Aufl. (1912). Rosenfeld, Deutsches Strafprozeßrecht (1926) Rotberg, Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 2. Aufl. (1958) Der deutsche Rechtspfleger s. PreßG s. RAO. Rechtsprechung s. StGB. Drucksachen des Deutschen Reichstages Justizkommission des Reichstags Verfassung des Deutschen Reichs (Weimarer Reichsverfassung) v. 11. 8.1919 (RGBl. S. 1383) Reichsversicherungsordnung v. 19. 7.1911 (RGBl. S. 509), i. d. F. v. 15.12.1924 (RGBl. I S. 779) XVII
Verzeichnis der Abkürzungen und Zitate SächsArch. SächsOLG. Sarstedt Sauer Allg. ProzRL. Sauer Grdl. SBZ. Schäfer-Dalcke SchlHA., Schl.HAnz., Schl.Anz. EbSchmidt, EbSchmidt Lehrk. SchmZ. Schönke, Schönke-Schröder, Schwarz, Schwarz-Kleinknecht, SchwKleinknecht Schwarz-Dreher, SchwDreher Schwinge SeuffBl. SG. SGG. SJZ. Sp. SprengstG. StA. StaatsGH. StenB. Stenglein Stenglein StGB., RStGB. StPO. StRÄndG., StÄG.
Strafr.Abh. StrafvollO. Str.R.Ref. StRegVO. StrFG. 1954 st. Rspr. StrTilgG. StVG. StVO. XVIII
Sächsisches Archiv für Rechtspflege, ab 1924 Archiv für Rechtspflege in Sachsen, Thüringen und Anhalt Annalen des (bis 1918: Kgl.) Sächsischen Oberlandesgericht zu Dresden Sarstedt, Die Revision in Strafsachen, 4. Aufl. (1962); s. auch Gage-Sarstedt Sauer, Allgemeine Prozeßrechtslehre (1951) Sauer, Grundlagen des Prozeßrechts, 2. Aufl. (1929) Sowjetische Besatzungszone; s. auch DDR. s. Dalcke Schleswig-Hosteinische Anzeigen Eberhard Schmidt, Lehrkommentar zur Strafprozeßordnung und zum GVG., Teil 1 1952, Teil 2 1958, Teil 3 1960 Schiedsmannszeitung Schönke-Schröder, Strafgesetzbuch, Kommentar, 10. Aufl. (1961) Schwarz, Strafprozeßordnung, 22. Aufl. (i960); Schwarz-Kleinknecht, 23. Aufl. (1962) Schwarz-Dreher, Strafgesetzbuch, 24. Aufl. (1962) Schwinge, Grundlagen des Revisionsrechts (1935), 2. Aufl. (1960) Seufferts Blätter für Rechtsanwendung Sozialgericht Sozialgerichtsgesetz v. 3. 9.1953 (BGBl. I S. 1239) Süddeutsche Juristenzeitung (jetzt: Juristenzeitung JZ.) Spalte Gesetz gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen v. 9. 6.1884 (RGBl. S. 61) Staatsanwaltschaft Staatsgerichthof Stenographischer Bericht Stenglein, Lehrbuch des Strafprozeßrechts (1878) Stenglein, Kommentar zur Strafprozeßordnung, 3. Aufl. (1898) Strafgesetzbuch für d. Deutsche Reich v. 15. 5.1871 (RGBl. S. 127), neu bekanntgemacht am 25. 8.1953 (BGBl. I S. 1083) Strafprozeßordnung v. 1. 2.1877 i. d. F. d. Ges. v. 12. 9.1950 (BGBl. S. 455, 629) Strafrechtsänderungsgesetz 1. — v. 30. 8.1951 (BGBl. I S. 739) 2. — v. 6. 3.1953 (BGBl. I S. 42) 3. — v. 4. 8.1953 (BGBl. I S. 735) 4. — v. 11. 6.1957 (BGBl. I S. 597) 5. — v. 24. 6.1960 (BGBl. I S. 477) 6. — v. 30. 6.1960 (BGBl. I S. 478) Strafrechtliche Abhandlungen, hrsg. v. Bennecke, dann von Beling, v. Lilienthal und Schoetensack s. StVollstrO. Strafrechtsreform Strafregisterverordnung v. 17. 2.1934 (RGBl. I S. 140) Gesetz über den Erlaß von Strafen u. Geldbußen u. d. Niederschlagung v. Strafverfahren u. Bußgeldverfahren (Straffreiheitsgesetz 1954) v. 17. 7.1954 (BGBl. I S. 203) ständige Rechtsprechung Gesetz über beschränkte Auskunft aus dem Strafregister und die Tilgung von Strafvermerken v. 9. 4.1920 (RGBl. S. 507) Straßenverkehrsgesetz v. 19.12.1952 (BGBl. I S. 837) Straßenverkehrs-Ordnung i. d. F. v. 29. 3.1956 (BGBl. I S. 327)
Verzeichnis der Abkürzungen und Zitate
StVollstr.O., StrafvollO. Thilo ThürBl. UdG. UVollzO. UWG. UZwG.
VDA. VDB. VereinhG. VerkMitt. VG. VGH. VO. VOB1. Voitus VRS. VwGO., VerwGO. VwZG. VZG., VerZollG. Warn Jb. WehrdisziplO., WDO. WeimVerf. Welzel Wieczorek WiStG. 1949, WiStG. 1954
WV. WZG. ZAkDR. ZBIJugR. ZfZ. ZPO. ZStW., ZStRW. ZustErgG. ZVG. ZWehrR.
Strafvollstreckungsordnung v. 7.12.1935 (Dt. Just. S. 1800); jetzt v. 15. 2.1956 Thilo, Die Strafprozeßordnung für das Deutsche Reich (1878) Blätter für Rechtspflege in Thüringen und Anhalt Urkundsbeamter der Geschäftsstelle Untersuchungshaftvollzugsordnung v. 12. 2.1953 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb v. 7. 6.1909 (RGBl. S. 381) Gesetz über den unmittelbaren Zwang bei Ausübung öffentlicher Gewalt durch Vollzugsbeamte des Bundes v. 10. 3.1961 (BGBl. I S. 165) Vergleichende Darstellung des Strafrechts, Allgemeiner Teil, Bd. 1—6. Vergleichende Darstellung des Strafrechts, Besonderer Teil, Bd. 1—9 Gesetz zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiete der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts v. 12. 9.1950 (BGBl. S. 455) Verkehrsrechtliche Mitteilungen Verwaltungsgericht Verwaltungsgerichtshof Verordnung Verordnungsblatt Voitus, Kommentar zur Strafprozeßordnung (1877) Verkehrsrechts-Sammlung Verwaltungsgerichtsordnung v. 21.1.1960 (BGBl. I S. 17) Verwaltungszustellungsgesetz v. 3. 7.1952 (BGB. I S. 379) Vereinszollgesetz v. 1. 7.1869 (BGBl. S. 317) Jahrbuch der Entscheidungen zum bürgerlichen Gesetzbuch und den Nebengesetzen, begr. v. Warneyer Wehrdisziplinarordnung i. d. F. v. 9. 6.1961 (BGBl. S. S. 697) s. RV. Welzel, Das deutsche Strafrecht, 7. Aufl. (1960) Wieczorek, Zivilprozeßordnung und Nebengesetze (1957) Gesetz zur Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz) v. 26. 7.1949 (WiGBl. S. 193); Gesetz zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz 1954) v. 9. 7.1954 (BGBl. I S. 175) s. RV. Warenzeichengesetz v. 5. 5.1936 (RGBl. II S. 134) i. d. F. v. 18. 7.1953 (BGBl. I S. 643) Zeitschrift der Akademie für Deutsches Recht Zentralblatt für Jugendrecht und Jugendwohlfahrt Zeitschrift für Zölle und Verbrauchssteuern Zivilprozeßordnung v. 30.1.1877 (RGBl. S. 83) i. d. F. d. G. v. 12. 9. 1950 (BGBl. S. 455, 533) Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft Zuständigkeitsergänzungsgesetz v. 7. 8.1952 (BGBl. I S. 407) Gesetz über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (Zwangsversteigerungsgesetz) v. 24. 3.1897 (RGBl. S. 97), i.d.F. v. 20. 5.1898 (RGBl. S. 369, 713) Zeitschrift für Wehrrecht
XIX
Einleitung Übersicht: Kap.
Seite
1. Die Quellen des deutschen Strafverfahrensrechts und ihr Verhältnis zueinander 2. Zur Entstehungsgeschichte der StPO. und des GVG. 3. Die weitere Entwicklung der StPO. und des GVG. 1. Die Entwicklung bis zum Beginn des 1. Weltkrieges (1914) 2. Die Gesetze von 1914 bis 1924 3. Die Gesetze von 1925 bis 1932 4. Die Gesetzgebung von 1933 bis 1945 5. Die Nachkriegsgesetzgebung bis zur Entstehung der Bundesrepublik 6. Die Rechtsentwicklung in der Bundesrepublik 4. Reformversuche und Reformbestrebungen 5. Das Wesen, der Zweck, die Gliederung und der Verlauf des Strafverfahrens 6. Verhältnis des Strafverfahrens zu anderen Verfahren 1. Strafprozeß und Zivilprozeß 2. Strafprozeß und Verwaltungsstrafverfahren 3. Strafprozeß und Bußgeldverfahren 4. Strafprozeß und Dienststrafverfahren 7. Strafprozeß und Justizverwaltung 8. Die Prozeßbeteiligten 9. Die Prozeßhandlungen 10. Die Verfahrensvoraussetzungen (Verfahrenshindemisse) A. Allgemeines 1. Begriff und Wesen der Prozeßvoraussetzungen 2. Einteilung der Prozeßvoraussetzungen 3. Zeitliche Geltung 4. Prüfung von Amts wegen, Freibeweis 5. Prüfung durch das Rechtsmittelgericht 6. Zusammentreffen von Verfahrenshindernissen 7. Geltung des Grundsatzes „in dubio pro reo"? 8. Verfahren nach erkanntem Verfahrenshindernis. Folgen der Nichtbeachtung 9. Freispruch trotz fehlender Prozeßvoraussetzung B. Die hauptsächlichen Prozeßvoraussetzungen (Verfahrenshindernisse) 1. Klage und Eröffnungsbeschluß 2. Gerichtsbarkeit und Gerichtsunterworfenheit l
L ä w e - R o s e n b e r g , StPO. 21. Aufl.
2 3 4 4 4 6 8 16 19 24 40
48 51 54 55 66 61 63
70 72 73 73 74 76 76 78 78
79 82
Kap.
Seite
3. Unberührtheit der Sache (Rechtshängigkeit und Verbrauch der Strafklage durch die Rechtskraft) 4. Niederschlagung 5. Verjährung 6. Eigenschaften und Beziehungen der Beteiligten a) Lebensalter des Beschuldigten b) Verhandlungsfähigkeit, Anwesenheit c) Zugehörigkeit zu einem Gesetzgebungsorgan d) Klagerecht und Prozeßfähigkeit des Klägers e) im Adhäsionsverfahren f) Zeugen und Untersuchungspersonen 7. Erklärungen Dritter. Vorentscheidungen einer anderen Stelle a) Strafantrag des Verletzten b) Bejahung des besonderen öffentl. Interesses (§ 232 StGB.) c) Strafverlangen, Ermächtigung und ähnliche Erklärungen von Behörden d) Auflösung usw. der Ehe in den Fällen der §§ 170, 172, 238 StGB. e) Vorabentscheidungen f) Rücksicht auf das Verhältnis zu einer ausländischen Behörde 8. Sachliche und örtliche Zuständigkeit 9. Sühneversuch 11. Die Prozeßmaximen A. Allgemeines B. Die einzelnen Grundsätze 1. Der Anklagegrundsatz (Trennung von ermittelnder und entscheidender Tätigkeit. Durchbrechungen des Grundsatzes und Reformwünsche bzgl. Voruntersuchung,Eröffnungsbeschluß und Kreuzverhör) 2. Das Anklagemonopol des Staatsanwalts 3. Die Verfolgungspflicht 4. Die Pflicht zur Wahrheitserforschung 5. Mündlichkeit und Unmittelbarkeit 6. Das Beweisantragsrecht der Beteiligten 7. Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs 8. Öffentlichkeit der Verhandlung 9. Der gesetzliche Richter 12. Mitwirkung des Volkes bei der Rechtsprechung 13. Zur Frage des nichtigen Urteils 1
83 98 99
102 102 103 104 104 104
105 105 106 106 106 108 108 110 110
112 117 118 123 129 132 134 138 140 141 144
Kap. 1
Einleitung (Schäfer) 1.
Die Quellen des deutschen Straiverfahrensrechts und ihr Verhältnis zueinander. Die Reichsgesetzgebung erfüllte nach der Reichsgründung 1871 die Aufgabe, ein einheitliches Verfahrensrecht für das Reichsgebiet herzustellen, dadurch, daß sie im Januar und Februar 1877 die mit dem Namen der „großen Reichs-Justizgesetze" bezeichneten vier Gesetze, nämlich das Gerichtsverfassungsgesetz, die Strafprozeßordnung, die Zivilprozeßordnung und die Konkursordnung, je mit einem Einführungsgesetz erließ. Jene Gesetze wurden als Teile eines einheitlichen Ganzen geschaffen. Namentlich hängen die drei erstgenannten, wie die Motive zum Gerichtsverfassungsgesetz bemerken, „so eng miteinander zusammen und bedingen sich gegenseitig in so eingreifender Weise, daß keines ohne das andere bestehen kann. Das Gesetz über die Einrichtung der Gerichte ist insbesondere die gemeinsame Grundlage und die wesentliche Voraussetzung der beiden Gesetze über das Verfahren". Aus dem Zusammenhang des Gerichtsverfassungsgesetzes mit den beiden Prozeßordnungen erklärt sich, daß in das erstere neben den Vorschriften über die Ordnung des Gerichtswesens auch solche über Gegenstände rein verfahrensrechtlicher Art, wie die Rechtshilfe, die Öffentlichkeit der Verhandlung, die Sitzungspolizei, die Gerichtssprache, die Beratung und Abstimmung der Gerichte, aufgenommen wurden. Die Aufnahme dieser Gegenstände beruhte im wesentlichen auf äußeren Gründen, nämlich darauf, daß ein großer Teil der Vorschriften gleichermaßen für das bürgerliche Streitverfahren und für das Strafverfahren gelten sollte. Auch mit der Zivilprozeßordnung ist die Strafprozeßordnung insofern innerlich verbunden, als sie mehrfach, so in den §§ 37, 283, 463 und 471 Abs. 5, auf jene verweist. Zu den Quellen des geltenden Strafverfahrensrechts gehören ferner die gemäß § 5 des Einführungsgesetzes zur Strafprozeßordnung aufrechterhaltenen verfahrensrechtlichen Vorschriften der Reichsgesetze, die vor der Strafprozeßordnung ergangen sind, sowie die Gesetze und Verordnungen, die nach dem Inkrafttreten der Strafprozeßordnung ändernd oder ergänzend in sie eingegriffen haben. Neben dem Bundesrecht gelten (in geringem Umfang) landesrechtliche Vorschriften in dem durch die Einführungsgesetze zur StPO. und zum GVG. zugelassenen Rahmen. Eine Besonderheit der neueren Rechtsentwicklung besteht darin, daß neben die die Einzelheiten des Gerichtsverfassungs- und Verfahrensrechts regelnden einfachen Bundesgesetze Vorschriften der Verfassung und des zwischenstaatlichen Rechts getreten sind, die in knapper, verallgemeinernder Form bestimmte Grundsätze aussprechen. Die im IX. Abschnitt („Die Rechtsprechung") zusammengefaßten Vorschriften der Art. 92ff. GG. brachten teils neues Recht, teils erhoben sie bisher schon geltendes Recht zum Rang von Verfassungsrecht, und teils statteten sie hergebrachte Rechtseinrichtungen mit institutioneller Garantie aus. Neben diesen Artikeln enthält das GG. weitere verfahrensrechtlich bedeutsame Vorschriften, wie etwa die Art. 10 (Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis), Art. 13 (Unverletzlichkeit der Wohnung), Art. 16 Abs. 2 (Auslieferungsverbot), Art. 35 (Rechts- und Amtshilfe), Art. 46, 47 (Immunität und Zeugnisverweigerungsrecht der Abgeordneten). Der Grundsatz der Unantastbarkeit der Menschenwürde (Art. 1 GG.) führt zu wichtigen Folgerungen bei der Auslegung und Handhabung der Verfahrensvorschriften1). Zwischenstaatlich vereinbartes Verfahrensrecht in grundsatzartiger Ausprägung enthält die kraft des Gesetzes v. 7. 8.1952 (BGBl. II 685, 953) einen Bestandteil des innerdeutschen Rechts bildende2) Konvention der Mitgliedsstaaten des Europarats zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten v. 4.11.1950 (Menschenrechtskonvention), die gemäß Bekanntmachung v. 15.12.1953 (BGBl. 1954 II 14) in Kraft getreten ist, in Berlin geltend gemäß Ges. v. 20.12.1956 (BGBl. II 1879). Das geltende innerdeutsche Verfahrensrecht entspricht den Anforderungen der Menschenrechtskonvention3), auch wo sie Grundsätze aufstellt, die die StPO. in dieser Form nicht enthält 4 ). 1 Vgl. z.B. BGHSt. 14 358, wo aus der Pflicht der öffentlichen Gewalt zur Achtung der Menschenwürde das Verbot hergeleitet wird, im Strafverfahren ohne Zustimmung des Angeklagten gegen ihn Tonbandaufnahmen als Beweismittel zu verwenden, die außerhalb des Strafverfahrens heimlich über von ihm geführte Privatgesprache von Gesprachsteilnehmern hergestellt wurden. 2 Zur Konstruktion der innerdeutschen Geltung vgl. Münch JZ. 1961 153.
2
Zur Entstehungsgeschichte der StPO. und des GVG.
Kap. 2
2.
Zur Entstehungsgeschichte der Strafprozeßordnung und des Gerichtsveriassungsgesetzes5). Schon Art. 4 Nr. 13 der Verfassung des Norddeutschen Bundes sah eine einheitliche Regelung des Strafverfahrens für das Bundesgebiet vor. Die ersten Schritte zur Schaffung einer einheitlich geltenden StPO. fallen noch in die Zeit vor Gründung des Deutschen Reichs. Im Jahre 1868 beschloß der Reichstag des Norddeutschen Bundes, den Bundeskanzler aufzufordern, Entwürfe eines gemeinsamen Strafrechts und einer gemeinsamen Strafprozeßordnung einschließlich der für die Gerichtsorganisation erforderlichen Vorschriften vorbereiten und dem Reichstag vorlegen zu lassen; der Bundesrat trat diesem Beschluß bei. Im Jahre 1869 ersuchte der Bundeskanzler den Preuß. Justizminister um Aufstellung des Entwurfs einer StPO. Der im November 1870 fertig vorliegende Referentenentwurf wurde im Jahre 1871 im preuß. Justizministerium wiederholt beraten und in der Gestalt, in der er aus diesen Beratungen hervorging, dem Reichskanzler übermittelt, auch Anfang 1873 mit Begründung im Druck der Öffentlichkeit vorgelegt. Der Bundesrat beschloß am 13. 3.1873 die Einsetzung einer beratenden Kommission von elf Mitgliedern, die sich aus Ministerialbeamten, Richtern und Staatsanwälten sowie einem Professor der Rechte und einem Rechtsanwalt zusammensetzte. In der nach heutigen Vorstellungen unwahrscheilich kurzen Zeit vom 17. 4. bis 3. 7.1873 beriet diese Kommission in 39 Sitzungen den Entwurf in drei Lesungen, dessen Grundsätze sie im wesentlichen billigte, darunter auch die Vorschläge, die Schwurgerichte durch große Schöffengerichte zu ersetzen und Schöffen auch zu den erkennenden erstinstanzlichen Gerichten mittlerer und unterster Ordnung zuzuziehen. Der Bundesrat beriet den Entwurf im Jahre 1874; die wesentlichsten Änderungen, die er vornahm, waren die Wiederaufnahme der Schwurgerichte in bisheriger Form und die Zuziehung von Schöffen nur zu den Strafgerichten unterster Ordnung. Im Herbst 1874 wurde der Entwurf der StPO. (zusammen mit den Entwürfen einer ZPO. und eines GVG.) im Reichstag eingebracht, der die drei Entwürfe in erster Lesung vom 24.—26.11.1874 beriet und einer Kommission von 28 Mitgliedern des Reichstags überwies. Diese bestand zur Hälfte aus Richtern (14), im übrigen gehörten ihr ein Generalstaatsanwalt, vier Verwaltungsbeamte, sechs Advokaten, zwei Professoren der Rechte und ein Irrenheilanstaltsdirektor an; Namen wie etwa Miquel, Bähr, Gneist, Lasker, tauchen auf. Die Kommission erledigte ihre Aufgabe, die drei Entwürfe zu beraten, unter Hinzuziehung von Vertretern des Reichsjustizamts und der Landesjustizverwaltungen in der Zeit vom 26. 4.1875 bis zum 3. 7.1876; durch zwei Reichsgesetze vom 23.12.1874 und 1. 2.1876 wurde sie ermächtigt, ihre Beratungen jeweils nach Schluß der laufenden Session des Reichstages bis zum Beginn der folgenden ordentlichen Session fortzusetzen. Zu den schriftlich mitgeteilten Beratungsergebnissen der Reichstagskommission nahm der Bundesrat teils zustimmend, teils ablehnend Stellung; die Reichstagskommission blieb jedoch in der Mehrzahl der strittigen Punkte bei ihren früheren Beschlüssen stehen. Im Reichstag erfolgte die zweite Lesung des GVG. in der Zeit vom 17.—26.11., die der StPO. vom 27.11.—2.12.1876; der Reichstag trat in den meisten Punkten, in denen die Reichstagskommission vom Bundesrat abwich, der Stellungnahme der Reichstagskommission bei. Dies veranlaßte den Reichskanzler, dem Reichstag mit Schreiben vom 12.12.1876 eine Reihe von Punkten mitzuteilen, bei denen die Reichstagsbeschlüsse für den Bundesrat unannehmbar seien. Das führte zu vertraulichen Verhandlungen zwischen einer Reihe von Reichstagsmitgliedern und den Vertretern des Bundesrats. Das Ergebnis der Erörterungen war die Einbringung der sogenannten Kompromißanträge, die bei einem Teil der strittigen Punkte der Ansicht des Bundesrats Rechnung trugen, während bei einem anderen Teil die Landesregierungen ihren Widerspruch gegen die Auffassung des Reichstags aufgaben. In 3 Vgl. den schriftlichen Bericht des Bundestagsausschusses BT.-Drucksache der 1. Wahlperiode 1949 Nr. 3338. Ware es freilich richtig, daß das Verwaltungsstrafverfahren bei Abgabezuwiderhandlungen dem Art. 6 Abs. 1 der Konvention widerspräche (vgl. S. 52), so ginge die Konvention als lex posterior vor. 4 Wie z. B. Art. 6 Abs. 2 der Konvention: „Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist." Unausgesprochen liegt dieser Gedanke auch der StPO. zugrunde (vgl. BGHSt. 14 358). Über die Bedeutung der Menschenrechtkonvention für den Strafprozeß s. noch NJW. 1959 2088 und Woesner NJW 1961 1381. 5 Eine ausführliche Darstellung findet sich in der 19. Aufl. dieses Werkes, auf die hier verwiesen werden muß.
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1,2 der dritten Beratung vom 18.—21.12.1876 nahm der Reichstag die Kompromißanträge mit einzelnen unwesentlichen Änderungen an; der Bundesrat erteilte seine Zustimmung, und das GVG. nebst Einführungsgesetz wurde unter dem 27.1.1877, die StPO. nebst Einführungsgesetz unter dem 1. 2.1877 vom Kaiser vollzogen und im RGBl, verkündet. Sie traten am 1.10. 1879 in Kraft.
3. Die weitere Entwicklung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes. 1. Die Entwicklung bis zum Beginn des ersten Weltkriegs (1914). StPO. und GVG. wahrten von ihrem Inkrafttreten am 1. 10.1879 ab geraume Zeit hindurch einen unveränderten Bestand und wurden bis zum Jahr 1913 nur von wenigen Änderungen betroffen. a) EGGVG. und GVG. — Das Ges. v. 17.3.1886 (RGBl. S.61) änderte den §136 — damals § 137 —, das Ges. v. 5. 4.1888 (RGBl. S. 133) befaßte sich mit den §§ 172 bis 175 — damals §§ 173 bis 176 — sowie mit dem § 193 GVG. Der § 1 des Ges. v. 12. 6.1889 (RGBl. S. 95) hob den § 12 EGGVG. auf. Dann zog die Neugestaltung des bürgerlichen Rechts Änderungen der Gerichtsverfassung nach sich. Das Ges. v. 17. 5.1898 (RGBl. S. 252) gab den §§ 9 und 10 EGGVG. sowie dem § 22 und dem die ausschließliche Zuständigkeit der Strafkammern betreffenden § 74 GVG. eine andere Fassung. Der Reichskanzler veröffentlichte daraufhin auf Grund der Ermächtigung, die ihm das Ges. v. 17. 6.1898 (RGBl. S. 342) erteilt hatte, das GVG. in der geänderten Fassung (RGBl. S. 371). Nachdem das geschehen war, hob der § 29 Abs. 2 des Ges. v. 22. 6.1899 (RGBl. S. 325) den damals gültigen § 74 Nr. 2 GVG. auf. Später wurden die §§ 27, 28, 55, 75, 96 und 153 GVG. durch die Ges. v. 5. 6.1905 (RGBl. S. 533) und v. 29. 7.1913 (RGBl. S. 617) geändert, der § 134 GVG. durch den Art. XII des Ges. v. 22. 5.1910 (RBG1. S. 772) vorübergehend außer Kraft gesetzt und der § 55a GVG., der in der Folgezeit die Stelle des § 56 einnahm, durch das Ges. v. 29. 7.1913 neu geschaffen. b) StPO. — Sie wurde vom Einfluß des neuen bürgerlichen Rechts nur insofern berührt, als der Art. 35 EGBGB. den § 11 Abs. 1 und den § 149 Abs. 2 StPO. änderte, und im übrigen einer Änderung nur dadurch unterzogen, daß das Ges. v. 13. 6.1902 (RGBl. S. 227) dem § 7 den Abs. 2 über den Gerichtsstand der Presse hinzufügte. c) Sonstiges. —• In jener Zeit traten zwei auf das Strafverfahren bezügliche Gesetze in Kraft, nämlich das Ges. betreffend die Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen v. 20. 5.1898 (RGBl* S. 345) und das Ges. betreffend die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft v. 14. 7.1904 (RGBl. S. 321). 2. Die Gesetze von 1914 bis 1924. W ä h r e n d des Krieges von 1914 bis 1918 erfolgten nur geringfügige Änderungen, die dem Personalmangel Rechnung trugen (Verordnungen v. 4. 6. und 7.10.1915, RGBl. S. 325, 562, die das Gebiet des Strafbefehls ausdehnten und die Zuständigkeit des Schöffengerichts erweiterten, später ersetzt durch das Ges. zur Vereinfachung der Strafrechtspflege v. 21.10.1917, das nur bis zum Ablauf eines Jahres nach Beendigung des Kriegszustands Geltung haben sollte). Die wirtschaftliche Not der N a c h k r i e g s z e i t , das Anwachsen der Kriminalität und die politische Neugestaltung in der Zeit der Weimarer Republik führten dann aber zu einer Fülle von mehr oder weniger einschneidenden Änderungen des bisherigen Bestands, und die Unruhe, die damals in der Gesetzgebung über Gerichtsverfassung und Strafverfahren einsetzte, hat sich von da ab nicht mehr gelegt. Aus der Fülle der Vorschriften, die bis zur Währungsreform Ende 1923 ändernd in das GVG. und die StPO. eingriffen, sind etwa hervorzuheben: die VO. über Sondergerichte gegen Schleichhandel und Preistreiberei — Wuchergerichte — v. 27.11.1919 (RGBl. S. 1909), die am 20. 3.1924 (RGBl. I S. 371) wieder aufgehoben wurde; das Ges. zur Verfolgung von Kriegsverbrechen und Kriegsvergehen v. 18.12.1919 (RGBl. S. 2125) mit dem Ergänzungsges. v. 24. 3.1920 (RGBl. S. 341); das Ges. v. 2. 4. 192o (RGBl. S. 431), das die Aburteilung der in das hochverräterische Unternehmen vom März 1920 verwickelten Heeresangehörigen den bürgerlichen Gerichten übertrug; das Ges. über Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit
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Die weitere Entwicklung der StPO. und des GVG.
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v. 17. 8.1920 (RGBl. S. 1579), das den § 34 Nr. 9 GVG. sowie die §§ 50 Abs. 4, 69 Abs. 5 und 77 Abs. 2 StPO. beseitigte; das Ges. zur Entlastung der Gerichte v. 11. 3.1921 (RGBl. S. 229), das die Zuständigkeit des Schöffengerichts abermals erweiterte und hierdurch zugleich die Geschäftslast des RG. erleichterte, das ferner die Zulässigkeit der Privatklage und des Strafbefehls ausdehnte, die Übertragung richterlicher Geschäfte auf andere Beamte teils vorschrieb, teils gestattete, die kürzere Anberaumung der Hauptverhandlung in gewissen Verratssachen ermöglichte, die Stellung der Reichsanwälte verbesserte und den § 180 GVG. a. F., der die Festsetzung einer Ordnungsstrafe wegen Ungebühr gegen einen bei der Verhandlung beteiligten Rechtsanwalt oder Verteidiger vorgesehen hatte, aufhob. Ferner sind als bedeutungsvoll zu nennen: die RAbgO. v. 19.12.1919 (RGBl. S. 1993), später mehrfach geändert, die das Verfahren in Abgabenstrafsachen neu regelte; der § 2 des Ges. zur Erweiterung des Anwendungsgebiets der Geldstrafen und zur Einschränkung der kurzen Freiheitsstrafen v. 21.12.1921 (RGBl. S. 1604); das Gesetz zur Änderung des Ges. über die Ausbildung von Kriegsteilnehmern zum Richteramt v. 12. 4.1922 (RGBl. I S. 439); das Ges. über die Heranziehung der Frauen zum Schöffen- und Geschworenenamt v. 25. 4.1922 (RGBl. I S. 465); der Abschn. III §§ 6,7 der VO. zum Schutz der Republik v. 26. 6.1922 (RGBl. I S. 522); das Ges. zur weiteren Entlastung der Gerichte v. 8. 7.1922 (RGBl. I S. 569); das Ges. über die Zulassung der Frauen zu den Ämtern und Berufen der Rechtspflege v. 11. 7.1922 (RGBl. I S. 573); der Abschn. II §§ 12, 13, des Ges. zum Schutz der Republik v. 21. 7.1922 (RGBl. I S. 688); das JGG. v. 16. 2.1923 (RGBl. I S. 135); der Art. I des zweiten Ges. zur weiteren Entlastung der Gerichte v. 27.3.1923 (RGBl. I S. 217); das Ges. zur Vereinfachung der Urliste v. 11.7.1923 (RGBl. I S. 647); die WuchergerichtsVO. v. 13.7.1923 (RGBl. I S. 724); der Art. I der VO. zur Entlastung der Gerichte v. 23. 7.1923 (RGBl. I S. 742); die 2. und 3. VO. zur Entlastung der Gerichte v. 15. 9.1923 (RGBl. I S. 884) und v. 30.10.1923 (RGBl. I S. 1041); die VO. über die Aburteilung der Landesverrats- und Spionagefälle durch die Oberlandesgerichte v. 12.12.1923 (RGBl. I S. 1197); die weitere VO. zur Entlastung der Gerichte und über die Gerichtskosten v. 12.12.1923 (RGBl. I S. 1186); die VO. über die beschleunigte Aburteilung von Straftaten v. 17.12.1923 (RGBl. I S. 1231). Die rasch aufeinanderfolgenden gesetzgeberischen Maßnahmen, von denen jeweils die spätere eine frühere überbot oder verdrängte, erschwerten den Überblick über den geltenden Rechtszustand ungemein und machten allein schon eine Neuredaktion der Texte des GVG. und der StPO. dringend erforderlich. Diese Aufgabe wurde unabweisbar, als die die Zeit der Inflation beendende Währungsreform Ende 1923 zu durchgreifenden Ersparnismaßnahmen zwang, die sich auf das Gebiet des Strafverfahrens und der Gerichtsverfassung erstreckten. Diese Maßnahmen erfolgten durch die auf das Ermächtigungsgesetz v. 8.12.1923 (RGBl. I S. 1179) gestützte VO. über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege v. 4.1.1924 (RGBl. I S. 11), die nach dem damaligen Reichsjustizminister sog. „Emminger-Verordnung". Die VO. setzte die Zahl der Richter in den Senaten der Oberlandesgerichte und des RG. herab. Sie überwies alle Sachen, für die bisher die Strafkammer im ersten Rechtszug zuständig gewesen war, und einen Teil der Sachen, die zur Zuständigkeit des Schwurgerichts gehört hatten, in die Zuständigkeit des Amtsgerichts (Näheres Anm. 1 zu § 24 GVG.). In weitem Umfang entschied nunmehr der Amtsrichter als Einzelrichter, und zwar auch in Sachen von größerer Bedeutung dann, wenn die Staatsanwaltschaft es beantragte. Soweit nicht der Einzelrichter zuständig war, hatte das aus dem Amtsrichter und zwei Schöffen zusammengesetzte Schöffengericht zu entscheiden. Wenn die Staatsanwaltschaft es beantragte, mußte das Schöffengericht dadurch erweitert werden, daß ein zweiter Amtsrichter zugezogen wurde. Für die neu in die Zuständigkeit des Amtsgerichts überwiesenen Sachen wurde der Umfang der Beweisaufnahme zum Nachteil des Angeklagten gegenüber dem bisherigen Recht eingeschränkt. Die Strafkammer war als erkennendes Gericht nur noch mit Aufgaben des Berufungsgerichts betraut. Sie war als kleine Strafkammer mit dem Vorsitzenden und zwei Schöffen besetzt, wenn sich die Berufung gegen ein Urteil des Amtrichters richtete, dagegen als große Strafkammer mit drei Richtern und zwei Schöffen, wenn ein Urteil des Schöffengerichts angefochten war. Das bisherige Schwurgericht behielt diesen Namen bei, wurde aber dem Wesen nach in ein großes, aus drei Richtern und sechs Geschworenen zusammengesetztes Schöffengericht verwandelt, bei dem Richter und Geschworene über die Schuld- und Straffrage gemeinsam zu entscheiden hatten. Die Zuständigkeit des Schwurgerichts wurde auf bestimmte, besonders schwere Straftaten beschränkt. Für das Verfahren vor dem Schwurgericht waren die Vorschriften maßgebend, die bisher für das Verfahren vor der Strafkammer im ersten
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Kap. 3
Einleitung (Schäfer)
3 Rechtszug gegolten hatten. Für die Entscheidung über die Revision gegen die Urteile der kleinen Strafkammer und gegen diejenigen der großen Strafkammer, wenn im ersten Rechtszug das Schöffengericht in der regelmäßigen Besetzung entschieden hatte, waren die Oberlandesgerichte zuständig, für die Entscheidung über die Revision gegen die Urteile des Schwurgerichts und der großen Strafkammer, wenn im ersten Rechtszug das erweiterte Schöffengericht entschieden hatte, das RG. Im übrigen führte die VO. Ausnahmen vom Verfolgungszwang ein und erweiterte und erleichterte die Voraussetzungen für die öffentliche Zustellung, für die Befreiung des Angeklagten vom Erscheinen in der Hauptverhandlung und für den Erlaß eines Strafbefehls. An diese VO. schlössen sich zwei auf den Art. 48 Abs. 2 RVerf. gegründete VOen. v. 4. und 13.1.1924 (RGBl. I S . 23 u. 29) an. Bedeutung für das Strafverfahren hatten weiter noch die VO. über Vermögensstrafen und Bußen v. 6. 2.1924 (RGBl. I S . 45) und die VO. über das Verfahren in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten v. 13. 2.1924 (RGBl. I S. 135). Der Reichsjustizminister, der durch § 43 der „Emminger-VO." ermächtigt worden war, das GVG. und die StPO. mit den später erlassenen Gesetzen und Verordnungen in Einklang zu bringen und in neuer Fassung zu veröffentlichen, kam diesem Auftrag durch die Bekanntmachung v. 22. 3.1924 (RGBl. I S. 299, 322) nach. Die z. T. tief einschneidenden Neuerungen der Emminger-Reform, die weit über den Rahmen bloßer Not- und Vereinfachungsmaßnahmen hinausgingen, waren in ihrem Wert lebhaft umstritten. Die geschichtliche Entwicklung hat aber gezeigt, daß eine Reihe von Hauptpunkten, insbesondere die Begründung der Zuständigkeit des Amtsrichters als Einzelrichter in gewissem Umfang, die Hinzunahme von Schöffen auch in die Strafkammer, die Ersetzung des alten Schwurgerichts mit seiner Teilung in eine Geschworenenbank und eine Richterbank, die Lockerung des Verfolgungszwangs in Fällen von geringer Bedeutung u. a. m., wertvolle und unverzichtbare Neuerungen darstellten, von denen namentlich die Lockerung des Verfolgungszwanges aus dem System des heutigen Strafverfahrensrechts nicht mehr wegzudenken ist. Als eine verfehlte Maßnahme erwies sich aber die Beseitigung der Strafkammer als Gericht des ersten Rechtszuges für schwerwiegende Straftaten; unter dem Zwang praktischer Notwendigkeiten wurde, wie weiter unten zu schildern, im Lauf der Zeit die erstinstanzliche Zuständigkeit der Strafkammer schrittweise wieder begründet. Auch die allenfalls nur als Notmaßnahme für beschränkte Zeit vertretbare Beschränkung des Umfangs der Beweisaufnahme mußte schon bald nach Besserung der wirtschaftlichen Verhältnisse wieder beseitigt werden. 3. Die Gesetze von 1925 bis 1932. Die durch die Neufassung des GVG. und der StPO. erreichte Klarheit des Textes und Übersichtlichkeit des Rechtszustandes wurde alsbald wieder durch Gesetzesänderungen von mehr oder weniger großem Gewicht zerstört. Das Ges. zur Änderung der StPO. v. 22.12. 1925 (RGBl. I S. 475) gab den §§ 245 Abs. 2 und 313 StPO. eine andere Fassung und stellte den durch die Emminger-VO. geänderten früheren Rechtszustand auf dem Gebiet des Beweisrechts wieder her. Das Ges. v. 13. 2.1926 (RGBl. I S. 99) hob den § 33 Nr. 3 GVG. auf. Durch das Ges. v. 22. 2. 1926 (RGBl. I S. 103) wurde das militärgerichtliche Verfahren, soweit es noch in Geltung war, verschiedenen Vorschriften der StPO. angepaßt. Das Ges. zur Abänderung des Ges. zum Schutz der Republik v. 31. 3.1926 (RGBl. I S. 190) änderte die §§ 134 Abs. 1,139 GVG. und beseitigte den § 137 GVG. Durch den Art. II Nr. 4 des Ges. zur Vereinfachung des Militärstrafrechts v. 30. 4.1926 (RGBl. I S. 197) wurden die §§ 435 und 444 Abs. 2 Satz 3 StPO. gestrichen. In dieser Zeit beginnt auch der Einfluß verfassungsmäßiger „Grundrechte" auf die Gestaltung des Strafverfahrensrechts sich deutlich abzuzeichnen. Das Grundrecht der Unverletzlichkeit der Freiheit der Person (Art. 114 Weim. Verf.) führte zu einer Änderung und Ergänzung des R e c h t s der U n t e r s u c h u n g s h a f t mit dem Ziel, den Beschuldigten vor unbegründeter Untersuchungshaft zu schützen. Das Ges. v. 27.12.1926 (RGBl. I S. 523 — lex Höfle —), das die mündliche Verhandlung über den Haftbefehl und das Haftprüfungsverfahren einführte, betraf die §§ 53 Abs. 1 Nr. 4,114,114a bis 114d, 115,115a bis 115d, 124,126,131 Abs. 4,132,148 Abs. 3, 200 Abs. 2, 201, 218, 245 Abs. 1, 268 Abs. 1 und 3, 340, 445 Abs. 2 StPO. sowie den § 28 JGG. Dem Ziel, der Freiheitsentziehung rechtsstaatliche Grenzen zu ziehen, diente auch das deutsche A u s l i e f e r u n g s g e s . v. 23.12.1929 (RGBl. I S. 239). Es ordnete das Verfahren, das bei der Auslieferung eines von der Behörde eines ausländischen Staats wegen einer strafbaren Handlung verfolgten oder verurteilten Ausländers einzuhalten ist. Es traf insbesondere Vor-
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Schriften über die Auslieferungshaft, über die Vernehmung des Verfolgten und über seine Unterstützung durch einen Rechtsbeistand. Im § 60 änderte es die StPO. durch Aufnahme der §§ 154a und 466a ab, die die Voraussetzungen regelten, unter denen von der Erhebung der öffentlichen Klage oder von der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe im Inland mit Rücksicht auf die Auslieferung abgesehen werden kann. Weitere Änderungen von GVG. und StPO. brachte Art. I des Ges. v. 31. 3.1927 (RGBl. I S. 175) durch Änderung des Titels XI und des § 153 GVG. Entsprechend diesem Gesetz gab die VO. über die Abänderung des Wortlauts verschiedener Gesetze und Verordnungen aus Anlaß des Fortfalls der Bezeichnungen „Gerichtsschreiberei" und „Gerichtsschreiber" v. 3.11.1927 (RGBl. I S . 334) den hier in Betracht kommenden Vorschriften des GVG. und der StPO. eine neue Fassung. Das ReichsministerG. v. 27. 3.1930 (RGBl. I S. 96), das in § 7 Abs. 3 die Berufung der Reichsminister zum Amt der Schöffen und Geschworenen und in § 9 ihre Vernehmung als Zeugen und Sachverständige während der Dauer und nach Beendigung des Amts einer besonderen Regelung unterwarf, brachte unter anderem Änderungen des § 34 GVG. sowie der §§ 50, 54 und 76 StPO. Die in den Jahren 1930 bis 1932 als Folge einer weltweiten Wirtschaftskrise stark und stärker in Erscheinung tretende Finanznot von Reich und Ländern führte dazu, sich auch auf dem Gebiet der Strafgerichtsverfassung und des Strafverfahrensrechts nach weiteren Vereinfachungs- und Ersparnismöglichkeiten umzusehen. Die Änderungen erfolgten, da bei der zunehmenden parteilichen Zerklüftung des Reichstages Maßnahmen im Wege der ordentlichen Gesetzgebung nicht mehr zu erreichen waren, durch Notverordnungen des Reichspräsidenten auf Grund des Art. 48 Weim. Verf. Die VO. zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen v. 1.12.1930 (RGBl. I S. 517) ermöglichte die gleichzeitige Zugehörigkeit eines Amtsrichters zu mehreren Amtsgerichten und die von der Landesjustizverwaltung anzuordnende Zuweisung der Erledigung von Rechtshilfeersuchen an ein Amtsgericht für die Bezirke mehrerer Amtsgerichte. Sie bestimmte ferner, dem § 479 RAbgO. i. d. Fass. v. 22. 5.1931 (RGBl. I S. 161) vorgreifend, inwieweit die §§ 419 bis 429 StPO. für Steuerstrafsachen außer Kraft treten. Die VO. zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen v. 6.10.1931 (RGBl. I S. 537, 563) brachte für sog. Monstreprozesse — Verfahren von ungewöhnlichem Umfang oder ungewöhnlicher Dauer — die W i e d e r e i n f ü h r u n g d e r e r s t i n s t a n z l i c h e n Z u s t ä n d i g k e i t d e r S t r a f k a m m e r , gegen deren Urteile nur die Revision zulässig war, um die kostspielige Wiederholung des Verfahrens in einer zweiten Tatsacheninstanz auf Berufung hin auszuschließen. Die VO. erklärte die Große Strafkammer für zuständig für Verbrechen und Vergehen, die an sich zur Zuständigkeit des Amtsgerichts gehörten, wenn eine Voruntersuchung stattgefunden hatte, mit einer Verhandlungsdauer von mehr als sechs Tagen zu rechnen war und die Staatsanwaltschaft bei Einreichung der Anklageschrift die Hauptverhandlung vor der großen Strafkammer beantragte. Sie machte weiter die Verfolgung der Übertretungen davon abhängig, daß das öffentliche Interesse sie erfordere, erweiterte im übrigen das Recht der Staatsanwaltschaft zur Einstellung des Verfahrens unter bestimmten Voraussetzungen, regelte das beschleunigte Verfahren nach § 212 StPO. neu, gestattete die Befreiung des Angeklagten von der Pflicht zum Erscheinen in der Hauptverhandlung über den im Gesetz gezogenen Rahmen hinaus, führte die Befugnis der Oberlandesgerichte, eine Revision durch Beschluß als offensichtlich unbegründet zu verwerfen, ein, erlaubte dem Gericht die Einstellung des Verfahrens bei den im Weg der Privatklage verfolgten Vergehen wegen geringfügiger Bedeutung und beschränkte die Rechtsmittel in Privatklagesachen. Sie ermächtigte endlich die Reichsregierung, im Bedürfnisfall Sondergerichte einzusetzen. Die VOen zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen v. 28. 3.1931 (RGBl. I S. 79), über beschleunigte Aburteilung von Zuwiderhandlungen gegen die VO. über Devisenbewirtschaftung v. 1. 8. u. 17.11.1931 (RGBl. I S. 421, 679), zur Sicherung von Wirtschaft und Finanzen und zum Schutz des inneren Friedens v. 8.12.1931 (RGBl. I S. 743), über Devisenbewirtschaftung v. 23. 5.1932 (RGBl. I S. 231) und gegen politische Ausschreitungen v. 14. 6.1932 (RGBl. I S. 297) ließen das abgekürzte Verfahren gemäß § 212 StPO. in den von der Staatsanwaltschaft verfolgten Strafsachen wegen gewisser politischer Ausschreitungen und anderer öffentlich begangener Handlungen, wegen Verletzung der Vorschriften über Devisenbewirtschaftung und wegen Beleidigung ohne die Voraussetzung der freiwilligen Gestellung oder der Vorführung
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Kap. 3 4
Einleitung (Schäfer)
infolge vorläufiger Festnahme zu. Die VO. v. 8.12.1931 räumte dem Gericht zugleich für Fälle, in denen eine Beleidigung den Gegenstand der Klage bildete, eine freiere Stellung gegenüber dem Beweisverlangen der am Verfahren Beteiligten ein. Die VO. zum Schutz der Wirtschaft v. 9. 3. 1932 (RGBl. I S. 121) befaßte sich mit den §§ 172 bis 175 GVG. Diese verhältnismäßig kleinen Mittel genügten aber bei der sich verschärfenden Finanznot nicht. Die „Diktatur der Armut" zwang zu radikaleren Eingriffen. Dabei sollten auch neben Maßnahmen von zeitbedingter Dauer Reformgedanken von dauernder Bedeutung durchgeführt werden, wobei z. T. auf Vorschläge zurückgegriffen wurde, die der dem Reichstag am 20. 5.1930 vorgelegte Entwurf eines Einführungsgesetzes zum Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuch und zum Strafvollzugsgesetz (RT.-Drucks. IV. Wahlperiode Nr. 2070) enthielt. Die VO. überMaßnahmen auf dem Gebiet der Rechtspflege und Verwaltung v. 14. 6.1932 (RGBl. I S. 285; Erläuterungen von K o f f k a und K. S c h ä f e r 2. Aufl. 1933) brachte vor allem die allgemeine Wiedereinsetzung der großen Strafkammer als Gericht des ersten Rechtszugs. Sie änderte die Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit unter Aufhebung des erweiterten Schöffengerichts dahin ab, daß die große Strafkammer im ersten Rechtszug für einen Teil der im § 24 Nr. 3 GVG. bezeichneten Verbrechen ohne weiteres zuständig wurde und daß ihre Zuständigkeit für alle in der Zuständigkeit des Schöffengerichts verbleibenden Strafsachen durch einen Antrag der Staatsanwaltschaft begründet werden konnte. Sie ordnete weiter eine Beschränkung der Rechtsmittel gegen die Urteile des Amtsrichters und des Schöffengerichts in dem Sinn an, daß nach Wahl des Anfechtungsberechtigten die Berufung an das Landgericht oder die Revision an das Oberlandesgericht stattfand und daß der Berechtigte, der Berufung eingelegt hatte, nicht mehr Revision einlegen durfte. Sie gewährte ferner dem Gericht für die Verhandlungen vor dem Amtsrichter und vor dem Schöffengericht, ebenso vor dem Landgericht im Berufungsrechtszug das Recht, den Umfang der Beweisaufnahme nach freiem Ermessen zu bestimmen, ohne hierbei durch Anträge, Verzichte oder frühere Beschlüsse gebunden zu sein. Die weiteren Vorschriften der VO. hatten den Verzicht auf das Haftprüfungsverfahren, die Befugnisse des Verteidigers im Schnellverfahren, die Erstreckung der Frist, innerhalb derer eine unterbrochene Hauptverhandlung fortzusetzen ist, die Verwerfung des gegen eine polizeiliche Strafverfügung angebrachten Antrags auf gerichtliche Entscheidung beim unentschuldigten Ausbleiben des Angeklagten in der Hauptverhandlung, die Ausdehnung der Wahlperiode der Schöffen und Geschworenen auf zwei Jahre und die Einführung des Einzelrichters in Jugendsachen zum Gegenstand. 4. Die Gesetzgebung von 1933 bis 1945. Die im Jahre 1933 mit der Ergreifung der Macht durch den Nationalsozialismus einsetzende umfangreiche Gesetzgebungstätigkeit auf dem Gebiet des Gerichtsverfassungs- und Strafverfahrensrecht ist von sehr verschiedenem Gehalt. Eine Reihe von Vorschriften ergab sich aus dem Übergang der Justizhoheit der Länder auf das Reich und aus der Wiedereinführung der Militärgerichtsbarkeit nach Erneuerung der allgemeinen Wehrpflicht. Andere Vorschriften stellen sich als rechtstechnische Neuerungen ohne eine besondere kriminalpolitische Grundtendenz dar. Echte Reformvorschriften griffen z. T. auf Reformvorschläge aus vornationalsozialistischer Zeit zurück, z. T. aber wurden sie durch neue kriminalpolitische Grundvorstellungen aus der Ideenwelt des Nationalsozialismus beeinflußt, unter denen u. a. die Gedanken einer größtmöglichen Beschleunigung der Strafverfahren unter Beschränkung oder Verzicht auf Rechtsmittel und andere Maßnahmen zum Schutz des Beschuldigten (insbes. Bildung von Sondergerichten als Dauereinrichtung), der Einflußnahme der Staatsführung auf das Strafverfahren durch Erweiterung der Befugnisse des weisungsgebundenen Staatsanwalts unter Beschränkung oder Wegfall richterlicher Prüfungsmaßnahmen (Beschränkung der Voruntersuchung, Wegfall des Eröffnungsverfahrens) oder durch Wegfall des Präsidialsystems bei den Kollegialgerichten, und schließlich der „Durchsetzung der materiellen Gerechtigkeit gegenüber der formalen Rechtssicherheit" unter Beschränkung der bisherigen Konsumtionswirkung der Rechtskraft (Erweiterung der Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens zuungunsten des Angeklagten, Nichtigkeitsbeschwerde gegen rechtskräftige Urteile, Beseitigung des Verbots der reformatio in peius), hervortreten. In chronologischer Reihenfolge und unter Verzicht auf Vorschriften von zeitlicher oder nur begrenzt örtlicher Bedeutung — eine vollständige Übersicht findet sich in der Einleitung zur 20. Aufl. S. 6ff. — sind folgende das GVG. und die StPO. berührende Vorschriften zu nennen:
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Die weitere Entwicklung der StPO. und des GVG.
Kap. 3 4
Von 1938 bis 1935. a) S o n d e r g e r i c h t e . — Durch die auf die NotVO. des Reichspräs. v. 6.10.1931 (RGBl. I 537) gestützte VO. über die Bildung von Sondergerichten v. 21. 3.1933 (RGBl. I S. 136) wurden für den Bezirk jedes Oberlandesgerichts Sondergerichte zur beschleunigten Aburteilung gewisser nicht in die Zuständigkeit des RG. — später des Volksgerichtshofs — oder des Oberlandesgerichts fallender politischer Verbrechen und Vergehen geschaffen und die Besetzung der Sondergerichte und ihr Verfahren geregelt. Wesentliche Punkte waren u. a. der Ausschluß der gerichtlichen Voruntersuchung, die Beseitigung des Eröffnungsbeschlusses, die Beschränkung des Umfangs der Beweisaufnahme und der Wegfall von Rechtsmitteln; als Ersatz für den Wegfall von Rechtsmitteln ließ die VO. eine Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Verurteilten auch schon zu, wenn Umstände vorlagen, die die Nachprüfung der Sache im ordentlichen Verfahren notwendig erscheinen ließen. Die Zuständigkeit der Sondergerichte beschränkte sich ursprünglich auf Verbrechen und Vergehen gegen die VO. zum Schutz von Volk und Staat v. 28. 2.1933 (RGBl. I S. 83) und die VO. zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung v. 21. 3.1933 (RGBl. I S. 135, später das Ges. gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen v. 20.12.1934, RGBl. I S. 1269). In der Folgezeit aber wurde die Zuständigkeit der Sondergerichte ständig erweitert, und zwar — in der hier zu betrachtenden Zeit bis 1935 — auf die Verbrechen nach § 1 des Ges. zur Abwehr politischer Gewalttaten v. 4. 4.1933 (RGBl. I S. 162); die Verbrechen und Vergehen gegen § 8 des Ges. gegen Verrat der deutschen Volkswirtschaft v. 12. 6.1933 (RGBl. I S. 360); die Verbrechen nach §§ 1 und 2 des Ges. zur Gewährleistung des Rechtsfriedens v. 13.10.1933 (RGBl. I S. 723); die Vergehen gegen die §§ 134a und 134b StGB, auf Grund der VOen. v. 20.12.1934 (RGBl. 1935 I S. 4) und 24. 9.1935 (RGBl. I S. 1179); die Verbrechen nach § 315 Abs. 1 Satz 2 StGB, gemäß Art. 8 Nr. 4 des Ges. v. 28. 6.1935. b) M i l i t ä r g e r i c h t s b a r k e i t — W e h r m a c h t s s t r a f v e r f a h r e n . — Die Wiedereinführung der Militärgerichtsbarkeit erfolgte durch das Ges. v. 12. 5.1933 (RGBl. I S. 264). Sie trat gemäß § 1 des Einführungsges. zur Militärstrafgerichtsordnung v. 4.11.1933 (RGBl. I S. 921) mit Wirkung vom 1.1.1934 ab wieder allgemein in Kraft. Die gleichfalls am 4.11.1933 bekanntgemachte MStGO. (RGBl. I S. 924) schrieb den Umfang und die Ausübung der Militärgerichtsbarkeit und das Verfahren vor den Militärgerichten vor. Ausführungsbestimmungen hierzu ergingen in der VO. v. 21.11.1933 (RGBl. I S. 989). Die Ges. v. 23.11.1934 (RGBl. I S. 1165) und v. 9.10.1935 (RGBl. I S. 1223) änderten die MStGO. c) A l l g e m e i n e G e r i c h t s v e r f a s s u n g . — Das Ges. zur Änderung der Vorschriften des GVG. über die Präsidien der Gerichte v. 1. 7.1933 (RGBl. I S. 451) verbesserte den Inhalt der §§ 62 bis 64 GVG. und änderte im neuen § 64a die Zusammensetzung und das Verfahren der Präsidien (Schaffung eines verkleinerten Präsidiums bei großen Land- und Oberlandesgerichten). Durch Art. 1 des Ausführungsges. zum Ges. gegen gefährliche Gewohnheitsverbrecher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung v. 24.11.1933 (RGBl. I S. 1000) wurden die §§ 26a und 171 a in das GVG. eingefügt. Die Erledigung von Strafsachen bei Aufhebung von Gerichten der Länder regelte das Ges. über die Zuständigkeit der Gerichte bei Änderung der Gerichtseinteilung v. 6.12.1933 (RGBl. I S. 1037). Das Ges. zur Überleitung der Rechtspflege auf das Reich v. 16. 2.1934 (RGBl. I S. 91) bestimmte unter anderem, daß alle Gerichte im Namen des deutschen Volkes Recht sprechen. Das Ges. v. 24. 4.1934 (RGBl. I S. 341) brachte im Zeichen der beginnenden militärischen Wiederaufrüstung verschärfte Vorschriften gegen Hoch- und Landesverrat, insbesondere Verrat militärischer Geheimnisse; im Zusammenhang damit wurde — aus Mißtrauen, daß bei den ordentlichen Gerichten eine nachhaltige Verfolgung einschlägiger Delikte nicht gewährleistet sei — dem Reichsgericht die erst- und letztinstanzliche Zuständigkeit für Hoch- und Landesverratssachen (§ 134 a. F. GVG.) entzogen und dem neugebildeten, nur zum Teil mit Berufsrichtern besetzten Volksgerichtshof übertragen mit der Möglichkeit, weniger schwerwiegende Sachen an die Oberlandesgerichte abzugeben. Durch Ges. v. 28. 6.1935 (RGBl. I S. 844) wurde die Zuständigkeit des Volksgerichtshofs auf besonders schwere Fälle von Wehrmittelbeschädigung (§ 134a Abs. 3 StGB. a. F.) ausgedehnt. Das Ges. zur Änderung des GVG. v. 13.12.1934 (RGBl. I S. 1233) brachte Vorschriften über die Befreiung von der deutschen Gerichtsbarkeit, über die Berufung der Vertrauenspersonen bei dem Ausschuß zur Wahl der Schöffen und Geschworenen und über die Rechtshilfe bei der Strafvollstreckung. Im dritten Ges. zur Überleitung der Rechtspflege auf das Reich v. 24.1.1935 (RGBl. I S. 68) ordnete die
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Kap. 3 4
Einleitung (Schäfer)
Reichsregierung unter anderem an, daß mit dem 1. 4.1935 die Justizbehörden der Länder Reichsbehörden und die Justizbeamten der Länder unmittelbare Reichsbeamte wurden. Das Ges. über die Beseitigung der Gerichtsferien v. 7. 3.1935 (RGBl. I S. 352) hob den 17. Titel des GVG. auf. Die YO. v. 19. 3.1935 (RGBl. I 383) brachte die Aufhebung des BayObLG. Die VO. zur einstweiligen Regelung der Gerichtsverfassung v. 20. 3.1935 (RGBl. I S. 403), die sich auf den Art. 5 des ersten Ges. zur Überleitung der Rechtspflege auf das Reich stützte, brachte eine reichseinheitliche Ordnung für gewisse bisher landesrechtlich geregelte Materien auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung. Sie regelte u. a. die Errichtung und Aufhebung von Gerichten und die Verlegung des Gerichtssitzes, die Änderung der Abgrenzung der Gerichtsbezirke, bei den Amtsgerichten die Errichtung von Zweigstellen und Abhaltung von Gerichtstagen, die Bestellung der aufsichtsführenden Amtsrichter und die Verteilung der Geschäfte, bei den Land- und Oberlandesgerichten die Zuständigkeit zur Errichtung von Kammern und Senaten, ferner die Erledigung von richterlichen Geschäften durch Hilfsrichter und die Ausübung der Dienstaufsicht. Der Einbruch in das Präsidialsystem der Kollegialgerichte, das das Ges. v. 1. 7.1933 (RGBl. I S. 451) noch unberührt gelassen hatte, zeichnet sich hier bereits durch die Bestimmungen ab, daß der Reichsjustizminister Grundsätze für die Verteilung der Geschäfte bei den Land- und Oberlandesgerichten aufstellen könne (§§ 7, 8). Schließlich eröffnete die Reichsregierung den Übergang zu der von ihr beabsichtigten völligen Umgestaltung des Verfahrensrechts im Ges. zur Änderung von Vorschriften des Strafverfahrens und des GVG. v. 28. 6.1935 (RGBl. I S. 844), das sich an das zugleich erlassene Ges. zur Änderung des StGB. (RGBl. I S. 839) anschloß. Das erstere Ges. griff in das GVG. ein, indem es das RG. ermächtigte, von Urteilen aus der Zeit vor dem 1. 9. 1935 ohne Herbeiführung einer Plenarentscheidung abzuweichen, die Bildung von Großen Senaten beim RG. anordnete und die §§ 136 bis 138 demgemäß durch andere Vorschriften ersetzte. Schließlich machte die Rückgliederung des Saargebietes an das Reich Übergangsvorschriften zur Anpassung der bisher dort geltenden Gerichtsverfassung erforderlich, die durch VO. v. 22. 2.1935 (RGBl. I S. 246) getroffen wurden. d) A l l g e m e i n e s S t r a f v e r f a h r e n . — Die VO. zum Schutze des deutschen Volkes v. 4. 2.1933 (RGBl. I S. 35) dehnte im § 24 die Zulässigkeit des beschleunigten Verfahrens nach § 212 aus. Die VO. gegen Verrat am deutschen Volke und gegen hochverräterische Umtriebe v. 28. 2.1933 (RGBl. I S. 85), deren Inhalt später in das bereits unter c) erwähnte Ges. v. 24. 4. 1934 übernommen wurde, traf insbesondere Vorschriften über den Ermittlungsrichter des RG; sie bestimmte überdies, daß die Voruntersuchung in den zur Zuständigkeit des RG. gehörenden Strafsachen bei einfachem Tatbestand entfalle. In derselben Richtung bewegte sich die VO. zur Beschleunigung des Verfahrens in Hochverrats- und Landesverratssachen v. 13. 3.1933 (RGBl. I S. 131); sie ermöglichte die Überweisung von Hochverratssachen an die Oberlandesgerichte und ordnete die Einschränkung der Voruntersuchung für die zur Zuständigkeit der Oberlandesgerichte gehörenden Strafsachen sowie den Wegfall des Eröffnungsbeschlusses in den vor dem RG. oder vor den Oberlandesgerichten zu verhandelnden Sachen an; auch diese VO. ging hernach in dem Ges. v. 24. 4.1934 auf. Das Ges. gegen Verrat der deutschen Volkswirtschaft v. 12. 6. 1933 (RGBl. I S. 360) ordnete an, daß das Abwesenheitsverfahren nach den §§ 277 ff. gegen Angeklagte stattfinde, denen ein Verbrechen oder Vergehen im Sinn des Ges. zur Last gelegt wird; diese Vorschrift wurde später durch die Umgestaltung des Verfahrens gegen Flüchtige im Ges. v. 28. 6.1935 überholt. Die VO. zur Vereinfachung der Zustellungen v. 17. 6.1933 (RGBl. 5. 394) änderte die §§35, 146, 218 und 378 StPO. sowie den §87 GVG.; sie beeinflußte das Strafverfahren auch im übrigen. Das schon genannte AGGewVerbrG. v. 24.11.1933 fügte die §§ 5 a, 80 a, 81a, 81b, 126 a, 233 a sowie die das Sicherungsverfahren betreffenden §§ 429 a—429 e und die auf die Strafvollstreckung bezüglichen §§ 456 d und 463 a in die StPO. ein und änderte die §§ 81, 113, 127—129, 131, 140, 145, 148, 149, 154, 154a, 160, 207, 260, 263, 265, 267, 270,. 299, 305, 358, 359, 363, 371, 384, 407, 456a, 458, 465, 466 und 467; die im Art. 14 des Ges. enthaltene Übergangsvorschrift, die ein nachträgliches Sicherungsverfahren zum Gegenstand hatte, gewann für die folgenden Jahre eine große Bedeutung. Das Ges. zur Einschränkung der Eide im Strafverfahren v. 24.11.1933 (RGBl. I S. 1008), das ein kriminalpolitisch viel umstrittenes Problem anfaßte, war von dem Bestreben getragen, die Zahl unnötiger Eidesleistungen im Interesse der Heiligkeit des Eides nach Möglichkeit einzuschränken (Änderung der §§ 57—66, Einfügung der §§ 66 a—66 e). Es ersetzte den Voreid durch den Nacheid und erweiterte erheblich die Zahl der Fälle, in denen das Gericht nach seinem Ermessen von einer Beeidigung absehen
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durfte, ohne daß es indessen diesem Gesetz gelungen wäre, dem Streit um die rechtsstaatlich und kriminalpolitisch erwünschte und vertretbare Begrenzung des Eideszwangs ein Ende zu bereiten. Das unter c) erwähnte Ges. v. 24. 4.1934 (RGBl. I S. 341) brachte das Haftprüfungsverfahren für den ganzen Bereich der StPO. in Wegfall. Das Ges. über Devisenbewirtschaftung v. 4. 2.1935 (RGBl. I S. 106) nahm verfahrensrechtliche Vorschriften auf, die sich mit der Aburteilung von Devisenzuwiderhandlungen im beschleunigten Verfahren nach § 212 sowie mit der Unterwerfung des Beschuldigten unter die von der Devisenstelle festgesetzte Strafe befaßte. Von besonderer Bedeutung war das bereits unter c) erwähnte Ges. v. 28. 6.1935 (RGBl. I S. 44). Es beließ es bezgl. des Umfangs der Beweisaufnahme bei dem durch die NotVO. v. 14. 6.1932 geschaffenen Rechtszustand, wonach der „Strengbeweis" des § 245 Abs. 1 StPO. nur für erstinstanzliche Gerichte galt, gegen deren Urteile es keine Berufung, also keine zweite Tatsacheninstanz, gab, während freies Ermessen des Gerichts entschied, wenn zwei Tatsacheninstanzen gegeben waren, führte aber auch, soweit Strengbeweis galt, das freie Ermessen des Gerichts für den Beweis durch Augenschein und durch Sachverständige ein. Ein Schritt von bleibender Bedeutung war, daß der neu eingefügte § 245 Abs. 2 im Anschluß an die in der Rechtsprechung des RG. ausgebildeten Grundsätze die Voraussetzungen genau und abschließend umschrieb, unter denen in den Fällen des Strengbeweises allein ein Beweisantrag abgelehnt werden kann. Einer mißbräuchlichen Handhabung des freien Ermessens sollte der als beherrschender Grundsatz an die Spitze über die Beweisaufnahme gestellte § 244 Abs. 2 entgegenwirken, wonach das Gericht von Amts wegen alles zu tun hat, was zur Erforschung der materiellen Wahrheit notwendig ist. Im übrigen bestimmte die Novelle, wie zu verfahren sei, wenn es sich um Rechtsschöpfung durch entsprechende Anwendung eines Strafgesetzes oder um Wahlfeststellung handelte, hob das in den §§ 331, 358 und 373 enthaltene Verbot der reformatio in peius auf, beseitigte die notwendige Voruntersuchung, führte den Hilfsuntersuchungsrichter ein, schuf als neue Haftgründe, neben Fluchtverdacht und Verdunkelungsgefahr, die Gefahr des Mißbrauchs der Freiheit zu neuen Straftaten und die durch die Schwere der Tat hervorgerufene Erregung der Öffentlichkeit und regelte das Verfahren gegen Flüchtige und bei Verletzung der Wehrpflicht. e) S t r a f v e r f a h r e n s r e c h t l i c h e V e r w a l t u n g s v o r s c h r i f t e n . — Die aus Anlaß des Übergangs der Justizhoheit der Länder auf das Reich auf Vereinheitlichung bisher landesrechtlich geregelter Materien gerichteten gesetzgeberischen Maßnahmen wurden ergänzt durch umfassende Vorschriften der Reichsjustiz Verwaltung für solche Gebiete, die einer Ordnung durch Justizverwaltungsanordnung zugänglich waren. Es sind hier u. a. zu nennen die Gnadenordnung v. 6. 2.1935 (DJ. 1935 203), die Richtlinien für das Strafverfahren v. 13. 4.1935 (Sonderveröffentlichung Nr. 7 der DJ.), die Strafvollstreckungsordnung v. 7.12.1935 (DJ. 1935, 1800), die Allgemeine Verfügung des Reichsministers über die Vereinheitlichung der Staatsanwaltschaft v. 18.12.1934 (DJ. S. 1608), die Aufbau und Gliederung der Staatsanwaltschaft, die Aufsicht und Leitung, Zeichnungsbefugnis, Geschäftsverteilung und die Bestellung der Hilfsbeamten der Staatsanwaltschaft regelte, und die Allg. Verfg. über Mitteilungen in Strafsachen v. 21. 5.1935 (Amtl. Sonderveröffentl. der DJ. Nr. 8). Diese (und andere) in der Folgezeit vielfach geänderten und ergänzten Anordnungen (Zusammenstellung bei K r u g / S c h ä f e r / S t o l z e n b u r g , Strafrechtl. Verwaltungsvorschriften, 3. Aufl. 1943) waren für die praktische Handhabung der Strafrechtspflege von wesentlicher Bedeutung und haben im Wandel der Zeiten auch nach dem Rückfall der Justizhoheit auf die Länder ihre Wirksamkeit zum größten Teil in der Weise behalten, daß sie durch einheitlich geltende, durch Vereinbarungen zwischen den Justizverwaltungen des Bundes und der Länder geschaffene Vorschriften ersetzt wurden (s. unten S. 20). Von 1936 bis zum Ausbruch des Krieges. Die gesetzgeberischen Maßnahmen der Jahre 1933—1935, soweit sie über die Regelung aktueller Bedürfnisse hinaus kriminalpolitische, oben S. 8 gekennzeichnete Grundgedanken erkennen lassen, waren nur Vorläufer eines bald nach der Machtergreifung beschlossenen Planes, neben die bereits in Angriff genommene Reform des materiellen Strafrechts eine umfassende Reform der Gerichtsverfassung und des Strafverfahrens treten zu lassen. Nachdem das Ges. v. 28. 6.1935 die für dringend notwendig erachteten Neuerungen auf diesen Gebieten vorweggenommen hatte, berief der Reichsjustizminister im Jahr 1936 eine Strafprozeßkommission ein, die einen den Anschauungen und Bedürfnissen des neuen Strafrechts entsprechenden Entwurf einer Strafverfahrensordnung und einer Friedensrichterordnung aufstellen sollte (vgl. dazu unten S. 29).
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Kap. 3
Einleitung (Schäfer)
4 Die Hoffnung auf baldigen Abschluß der Reform veranlaßte den Gesetzgeber zur Zurückhaltung, so daß die Zahl der in diesem Zeitraum erlassenen Gesetze gegenüber der vorangegangenen Zeit stark zurücktritt. a) G e r i c h t s v e r f a s s u n g . — Das Gesetz über die Geschäftsverteilung bei den Gerichten v. 24.11.1937 (RGBl. I S. 1286) erklärte die Geschäftsverteilung für eine Angelegenheit der Justizverwaltung, übertrug sie den Präsidenten der Gerichte und hob die Vorschriften des GVG. über das Präsidium auf. Damit war die dem Grundsatz des „gesetzlichen Richters" (§ 16 GVG.) entsprechende justizförmige Regelung der Geschäftsverteilung und Besetzung der Kammern und Senate beseitigt und der Staatsführung auf dem Weg der Weisung an den als Justizverwaltungsorgan weisungsgebundenen Gerichtspräsidenten die politische Einflußnahme auf die Strafrechtspflege im allgemeinen, u. U. auch auf den Einzelfall, eröffnet; zugleich waren dem „Führerprinzip" zuliebe die ohnedies bescheidenen Ansätze einer kollegialen richterlichen Selbstverwaltung zum Schaden der — formell nicht angetasteten — richterlichen Unabhängigkeit vernichtet. Auf den aufrechterhaltenen § 2 GVG. bezogen sich das Ges. über die Befähigung zum Richteramt v. 27. 2.1937 (RGBl. I S. 127), ferner die VOen. über die Befähigung zum Richteramt, zur Staatsanwaltschaft, zum Notariat und zur Rechtsanwaltschaft v. 4.1.1939 (RGBl. I S. 5), über die Vorbildung und die Laufbahnen der deutschen Beamten v. 28. 2.1939 (RGBl. I S. 371) und über die Laufbahn für das Amt des Richters und des Staatsanwalts v. 16. 5.1939 (RGBl. I S. 917) mit den Durchführungsbestimmungen v. 6. 6.1939 (DJ. 1939, 996). b) V o l k s g e r i c h t s h o f . — Das Ges. v. 18. 4.1936 (RGBl. I S. 369) sprach dem Volksgerichtshof die Eigenschaft als ordentliches Gericht im Sinn des GVG. zu — tatsächlich blieb es trotz dieser Etikettierung ein Sondergericht; vgl. BGH. NJW. 1954 1777 und Anm. 6a zu § 13 GVG. — und bestimmte die Besetzung des Volksgerichtshofs sowie die Stellung der Beamten, die dort das Amt der Staatsanwaltschaft ausübten. Mit der Besetzung, der Zuständigkeit und dem Verfahren des Volksgerichtshofs befaßten sich weiter die VOen. v. 18. 4.1936 (RGBl. I S. 398) und v. 4. 5.1936 (RGBl. I S. 341) sowie die Ges. zur Änderung des Strafgesetzbuchs v. 2. 7.1936 (RGBl. I S. 532) und gegen Wirtschaftssabotage v. 1.12.1936 (RGBl. I S. 999). c) S o n d e r g e r i c h t e . — Zunächst dehnte die VO. v. 5.2.1936 (RGBl. I S. 97) die Zuständigkeit dieser Gerichte noch weiter aus ; eine gewisse Einschränkung brachte der durch das Ges. v. 4. 5.1936 in die Sondergerichts VO. v. 21. 3.1933 neu aufgenommene § 3 a, wonach die Anklagebehörde die Untersuchung an die Staatsanwaltschaft zur Behandlung im ordentlichen Verfahren abgeben konnte, wenn die alsbaldige Aburteilung der Tat für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder für die Staatssicherheit von minderer Bedeutung oder wenn der Täter ein Jugendlicher war. War aber bis dahin die Zuständigkeit der Sondergerichte auf Zuwiderhandlungen gegen bestimmte Strafvorschriften beschränkt geblieben, so ermächtigte nunmehr die VO. über die Erweiterung der Zuständigkeit der Sondergerichte v. 20.11.1938 (RGBl. I S. 1632) die Anklagebehörde dazu, bei allen Verbrechen, die zur Zuständigkeit des Schwurgerichts oder eines niedrigeren Gerichts gehören, Anklage vor dem Sondergericht zu erheben, wenn die sofortige Aburteilung durch das Sondergericht nach der Ansicht der Anklagebehörde wegen der Schwere oder der Verwerflichkeit der Tat oder wegen der in der Öffentlichkeit entstandenen Erregung geboten war. Das bedeutete die Preisgabe des die §§ 13 und 16 GVG. tragenden Grundsatzes, der verlangt, daß die Sondergerichtsbarkeit von der ordentlichen Gerichtsbarkeit durch Grenzen getrennt wird, die nach der Eigenart der Täter oder der Taten oder nach Geltungsraum oder Geltungszeit scharf bestimmt sind. Schließlich reihte die VO. über Strafen und Strafverfahren bei Zuwiderhandlungen gegen Preisvorschriften v. 3. 6. 1939 (RGBl. I S. 999) weitere Straftaten in die Zuständigkeit der Sondergerichte ein. d) W e h r m a c h t s s t r a f v e r f a h r e n . — Das Ges. v. 26. 6.1936 (RGBl. I S. 517) ordnete die Wiedereinrichtung eines Obersten Gerichtshofs der Wehrmacht an. Die VO. v. 5. 9.1936 (RGBl. I S. 718) schuf demzufolge das Reichskriegsgericht mit dem Sitz in Berlin. Das RG. gab die Arbeit, die es bisher als Revisionsgericht geleistet hatte, an den neuen Gerichtshof ab. Durch die Bekanntmachung v. 29. 9.1936 (RGBl. I S. 751) erhielten die MStGO. und das EGMStGO. eine neue Fassung. Vom Ausbruch des Krieges bis zum 8. 5. 1945. Die umfangreiche Gesetzgebung während des Krieges auf dem Gebiet des Strafgerichtsverfassungs- und Strafverfahrensrechts hat zwiespältigen Charakter. Sie ist einerseits gekenn-
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zeichnet durch einschneidende Maßnahmen, die, durch die Kriegsverhältnisse, insbesondere den Kräftemangel und das Bedürfnis, die öffentliche Ordnung auch in gefährdeten Zeiten durch nachdrückliche Ahndung von Straftaten aufrechtzuerhalten, veranlaßt, als zeitlich begrenzte Notbehelfe gedacht waren. Zugleich aber zeigte sich, nachdem durch den Kriegsausbruch und die Dauer des Krieges die Hoffnung, die weit gediehenen Pläne nach einer umfassenden Reform des materiellen und des Gerichtsverfassungs- und Verfahrensrechts bald zu verwirklichen, geschwunden war, das Bestreben, wichtige Reformpunkte unter dem Gesichtspunkt (oder dem Vorwand) einer kriegsgebotenen Vereinfachung vorwegzunehmen und damit auf Dauer berechnetes Recht zu schaffen. Das gilt z. B. für die Einführung des außerordentlichen Einspruchs und der Nichtigkeitsbeschwerde, die Neugestaltung der sachlichen Zuständigkeit, die allgemeine Preisgabe des EröffnungsVerfahrens, den Einbau eines Verfahrens zur Entschädigung des Verletzten, die Änderung der Vorschriften über die Wiederaufnahme des Verfahrens sowie die Umwandlung der Jugendgerichtsverfassung und des Jugendstrafverfahrens. Nicht einzugehen ist an dieser Stelle auf gewisse außerhalb des geschriebenen Rechts vollzogene Maßnahmen und Verlautbarungen wie den bekannten, aus Mißtrauen gegen die Justizgerichte geborenen Beschluß des Reichstages v. 26. 4.1942, der den „Führer" zum „obersten Gerichtsherrn" erklärte mit dem Recht, auch den Richter „ohne Einleitung vorgeschriebener Verfahren aus seinem Amte, aus seinem Rang und seiner Stellung zu entfernen". Was hier an faktischen, gegen die richterliche Unabhängigkeit gerichteten politischen Einflußnahmen geleistet wurde, mag man etwa aus der Darstellung bei Schorn „Der Richter im Dritten Reich" (1959) ersehen. a) Gerichtsverfassung. — Die VO. über Maßnahmen auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung und der Rechtspflege v. 1. 9.1939 (RGBl. I S. 1658) ermächtigte den Reichsminister der Justiz, Gerichte zu errichten und aufzuheben, ihren Sitz zu verlegen und ihre Bezirke anders zu begrenzen; sie verpflichtete die Richter zur Wahrnehmung von Dienstgeschäften auch außerhalb des Gerichts, dem sie als ständig angestellt angehörten, und ermöglichte die Verwendung von Hilfsrichtern und ihre Betrauung mit dem Vorsitz bei allen Gerichten. Die Mitwirkung der Laienrichter entfiel; die VO. übertrug die Zuständigkeit des Schöffengerichts auf den Amtsrichter, die des Schwurgerichts auf die Strafkammer. Sie verringerte ferner die Zahl der in der Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges mitwirkenden Richter der Strafsenate der Oberlandesgerichte. Zu dieser ersten VereinfachungsVO. ergingen die DurchführungsVOen. v. 8. 9.1939 (RGBl. I S. 1709) u. v. 4.10.1939 (RGBl. I S. 1994). Das Ges. zur Änderung von Vorschriften des allgemeinen Strafverfahrens, des Wehrmachtsstrafverfahrens und des Strafgesetzbuchs v. 16. 9.1939 (RGBl. I S. 1841) regelte die Überweisung von Strafsachen aus der allgemeinen Gerichtsbarkeit an die Wehrmachtsgerichtsbarkeit und begründete den Besonderen Strafsenat des RG. zur Entscheidung über den außerordentlichen Einspruch (s. unten c) und als Gericht des ersten Rechtszugs in Strafsachen von großer Bedeutung, die nicht zur Zuständigkeit des Volksgerichtshofs gehörten. Dem Ges. folgten die DurchführungsVOen. v. 17. 9.1939 (RGBl. I S. 1847) und v. 11.12.1939 (RGBl. I S. 2402) nach. Die VO. zum Schutz gegen jugendliche Schwerverbrecher ermächtigte den Staatsanwalt, Anklage gegen einen bei Tatbegehung über 16 Jahre alten Jugendlichen vor dem Erwachsenengericht zu erheben. Die VO. v. 17.10.1939 (RGBl. I S. 2107) begründete eine Sondergerichtsbarkeit in Strafsachen für Angehörige der SS und für die Angehörigen der Polizeiverbände bei besonderem Einsatz. Weitere Eingriffe von tiefer und breiter Wirkung vollzog die VO. über die Zuständigkeit der Strafgerichte, die Sondergerichte und sonstige strafverfahrensrechtliche Vorschriften v. 21. 2.1940 (RGBl. I S. 105). Sie bestimmte die sachliche Zuständigkeit der Strafgerichte nach neuen Grundsätzen derart, daß die Strafgewalt („Strafbann") des Amtsrichters bis zu zwei Jahren Zuchthaus reichte und von den Maßregeln der Sicherung und Besserung nur die Sicherungsverwahrung und die Entmannung nicht umfaßte, während die Strafgewalt der Strafkammer keine Grenze hatte, und daß der Staatsanwalt die Anklage vor dem Amtsrichter erhob, wenn er dessen Strafgewalt für ausreichend hielt, im übrigen vor der Strafkammer, daß er aber auch bei ausreichender Strafgewalt des Amtsrichters vor der Strafkammer anklagen konnte, wenn er dies mit Rücksicht auf den Umfang oder die Bedeutung der Sache oder aus einem anderen Grund für angezeigt erachtete. Die Durch!VO. v. 13. 3.1940 (RGBl. I S. 489) setzte in § 21 Nr. 3 unter anderem die §§ 24—26a, 28, 79—92, 134, 139 Satz 2 GVG. sowie den § 9 EGGVG. außer Kraft. Eine weitere Heranziehung von Referendaren zur selbständigen Wahrnehmung von Geschäften des Richters, des Staatsanwalts und des Rechtsanwalts wurde durch die VO. zur Vereinfachung der Gerichtsverfassung,
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Kap. 3 4
Einleitung (Schäfer)
der bürgerlichen Rechtspflege und des Kostenrechts v. 16. 5.1942 (RGBl. I S. 333) ermöglicht; der Reichsjustizminister erließ hierzu die Allg. Verfg. v. 4. 7.1942 (DJ. 454, 455). Die zweite VO. zur Vereinfachung der Strafrechtspflege v. 13. 8.1942 (RGBl. I S. 508) erweiterte die Strafgewalt des Amtsrichters auf fünf Jahre Zuchthaus und schrieb vor, daß der Vorsitzer oder sein regelmäßiger Stellvertreter die Entscheidungen der Strafkammer, des Sondergerichts und des Strafsenats beim Oberlandesgericht allein treffen konnte, wenn er wegen der einfachen Sachund Rechtslage die Mitwirkung der Beisitzer für entbehrlich hielt und der Staatsanwalt zustimmte. Der Art. 1 der VO. zur weiteren Kräfteersparnis in der Strafrechtspflege v. 29. 5.1943 (RGBl. I S. 346) schritt in derselben Richtung fort, indem er den Vorsitzer der zuvor genannten Gerichte unter derselben Voraussetzung ermächtigte, zu bestimmen, daß ein Beisitzer die Entscheidung allein trifft und daß Entscheidungen in der Besetzung von zwei Richtern mit Einschluß des Vorsitzers getroffen werden könnten; er ermöglichte dieselbe Besetzung für die außerhalb der Hauptverhandlung ergehenden Beschlüsse des Strafsenats und des Besonderen Strafsenats beim Reichsgericht. b) J u g e n d g e r i c h t s v e r f a s s u n g u n d J u g e n d s t r a f v e r f a h r e n . — Mit Wirkung vom 1.1.1944 trat das RJGG. vom 6.11.1943 (RGBl. I S. 639) an die Stelle des JGG. vom Febr. 1923. In dem die Jugendgerichtsverfassung betreffenden Teil traf es insbesondere Vorschriften über die Jugendgerichte, die Aufgaben des Jugendrichters und die Bestellung der Jugendstaatsanwälte. c) A l l g e m e i n e s S t r a f v e r f a h r e n . — Die VereinfachungsVO. v. 1. 9.1939 (oben Buchst, a) beschränkte die Rechtsmittel, engte die Voraussetzungen der notwendigen Verteidigung und der Bestellung eines Verteidigers von Amts wegen in anderen Fällen ein, gab dem beschleunigten Verfahren und dem Strafbefehl einen noch weiteren Raum, stellte die Entscheidung über Beweisanträge allgemein in das freie (pflichtmäßige) Ermessen des Gerichts (§ 24) und ermöglichte die Aussetzung der Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens. Das Ges. v. 16. 9.1939 (oben Buchst, a) eröffnete eine bisher nicht gegebene Möglichkeit der Verbindung von Strafsachen der allgemeinen Gerichtsbarkeit und der Wehrmachtsgerichtsbarkeit, führte den „Außerordentlichen Einspruch gegen rechtskräftige Urteile", neu ein, der zur Folge hatte, daß der Besondere Strafsenat des RG. in der Sache von neuem entschied, und verlieh dem Oberreichsanwalt beim RG. das Recht, Anklage vor diesem Senat in Sachen zu erheben, für die nicht der Volksgerichtshof zuständig war. Das Verfahren des Revisionsgerichts war Gegenstand der VO. zur Durchführung und Ergänzung der VO. gegen Gewaltverbrecher v. 28.12.1939 (RGBl. 1940 I S. 17). Die ZuständigkeitsVO. v. 21. 2.1940 (oben Buchst, a) faßte die bisherigen Vorschriften über das beschleunigte Verfahren vor dem Amtsrichter zusammen und ließ dieses Verfahren innerhalb der Strafgewalt des Amtsrichters auch bei Verbrechen zu, beugte aber den großen Gefahren, die aus der Beschleunigung für die Gerechtigkeit des Urteils hervorgehen können, dadurch vor, daß sie den Amtsrichter berechtigte und verpflichtete, die Aburteilung im beschleunigten Verfahren abzulehnen, wenn sich die Sache zur Verhandlung in diesem nicht eigne. Dieselbe VO. änderte die Vorschriften über die Verteidigung abermals und schuf in der „Nichtigkeitsbeschwerde des Oberreichsanwalts" einen weiteren Rechtsbehelf gegen rechtskräftige Entscheidungen des Amtsrichters, der Strafkammer und des Sondergerichts. Die Nichtigkeitsbeschwerde war zeitlich beschränkt und nur zur Abhilfe gegenüber einem Fehler bei Anwendung des Rechts auf die festgestellten Tatsachen zulässig; die Entscheidung über sie wurde den ordentlichen Strafsenaten des RG. übertragen. Die zur ZuständigkeitsVO. erlassene DurchführungsVO. v. 13. 3.1940 (oben Buchst, a) erklärte im § 21 Nr. 1 u. 28 unter anderem die §§ 5 a, 140, 141, 142, 144 Abs. 1, 212, 270 Abs. 1 Satz 2, 281, 407 Abs. 4, 422 Abs. 2 StPO. und die §§ 20—22 der VereinfachungsVO. v. 1. 9.1939 für nicht mehr gültig. Vorschriften über das Strafverfahren waren ferner in der Verbrauchsregelungs-StrafVO. v. 6. 4.1940 (RGBl. I S. 610) enthalten. Die VO. über den Geltungsbereich des Strafsenats v. 6.5.1940 (RGBl. I S. 754) nahm die §§8a und 153 a in die StPO. auf. Die zweite VO. zur Vereinfachung der Strafrechtspflege v. 13. 8.1942 (oben Buchst, a) schrieb die Beseitigung des Eröffnungsbeschlusses vor, ließ den Strafbefehl bis zur Höhe von sechs Monaten Freiheitsstrafe auch bei Verbrechen zu, ermächtigte den Staatsanwalt zum Verzicht auf Teilnahme an der Hauptverhandlung im Verfahren vor dem Amtsrichter, beseitigte den Zwang zur Mitwirkung eines Schriftführers in der Hauptverhandlung allgemein, und schränkte die Rechtsmittel durch das Erfordernis einer besonderen Zulassung der Beschwerde und der Berufung des Angeklagten, des Privatklägers und des Nebenklägers ein. Sie erweiterte die Voraussetzungen der Nichtigkeitsbeschwerde so, daß sie erhoben werden
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konnte, wenn die Entscheidung wegen eines Fehlers bei der Anwendung des Rechts ungerecht erschien oder wenn ein erhebliches Bedenken gegen die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen oder gegen den Strafausspruch bestand, und ermächtigte den Oberreichsanwalt zur Abgabe der mit der Nichtigkeitsbeschwerde angefochtenen Sachen an den Generalstaatsanwalt beim Oberlandesgericht. Das Privatklageverfahren wurde wesentlich beschränkt; Privatklagen wegen Beleidigung konnten grundsätzlich erst nach Ablauf eines Monats seit Erlangung der Kenntnis von Tat und Täter erhoben werden; in anderen Privatklagesachen konnte das Verfahren auf einen Monat ausgesetzt werden, wenn in dieser Zeit mit der Einkehr des Friedens zwischen den Beteiligten zu rechnen war. Als Dauerrecht waren die Vorschriften über die Erledigung des Privatklageverfahrens in Fällen von geringerer Schwere durch F r i e d e n s s p r u c h gedacht (Art. 8 §§ 2—4). Im Friedensspruch konnte das Gericht eine Verwarnung aussprechen, dem Täter eine Friedensbuße in Geld auferlegen oder ihm, wenn zu befürchten war, daß er dem Verletzten gegenüber nicht Frieden halten werde, eine Friedensbürgschaft durch Leistung einer Sicherheit in Geld auferlegen, die verfiel, wenn er innerhalb der im Spruch bestimmten Zeit nicht Frieden hielt. Mit dem Friedensspruch konnten Feststellungen zur Wiederherstellung des guten Rufs des Verletzten verbunden werden. Weiter hob die VO. die §§ 38, 172—177, 220, 386 Abs. 2, 395 Abs. 2, und 472 StPO. auf, so daß die unmittelbare Ladung durch den Angeklagten, den Privatkläger und den Nebenkläger, das Klageerzwingungsverfahren und das Kreuzverhör in Wegfall kamen. Sie ersetzte die §§232, 233 und 233 a StPO., die sich mit der Aburteilung des abwesenden Angeklagten befassen, durch einen neuen § 232 und gab dem § 235 demzufolge eine andere Fassung. Sie änderte überdies die §§ 36 Abs. 2, 116, 152, 153, 195 Abs. 1, 214 Abs. 1, 222, 229, 260, 266, 377 Abs. 1, 382 und 388 StPO.; damit wurden die Befugnisse des Staatsanwalts erweitert, der nunmehr bei Antragsdelikten und geringfügigen Vergehen auch ohne amtsrichterliche Zustimmung von der Anklageerhebung absehen und über Beschränkungen während der Untersuchungshaft im Vorverfahren neben dem Amtsrichter entscheiden konnte. Die VO. zur Beseitigung des Eröffnungsbeschlusses im Strafverfahren v. 13. 8.1942 (RGBl. I S. 512) regelte im einzelnen das nach der Beseitigung des Eröffnungsbeschlusses einzuschlagende Verfahren; an die Stelle der Eröffnung des Hauptverfahrens trat die Anordnung der Hauptverhandlung, die nur unter bestimmten eng begrenzten Voraussetzungen vom Gericht abgelehnt werden konnte. Diese Neuerung hatte so zur Folge, daß die §§ 213, 215, 264 Abs. 2 StPO. gestrichen und die §§ 16, 25, 148, 156, 217 Abs. 2, 243 Abs. 2, 4, 265, 267 Abs. 4, 270 Abs. 2, 3 und 279 Abs. 1 StPO. geändert wurden oder anders als bisher angewandt werden mußten. Mit Rücksicht auf die Neugestaltung der Vorschriften des StGB, über den Meineid und auf die Neuaufnahme einer Vorschrift über die Bestrafung der falschen uneidlichen Aussage änderte der Art. 4 der VO. v. 29. 5.1943 (RGBl. I S. 341) die §§ 57, 59 und 66b Abs. 2 Satz 2 vornehmlich in dem Sinn ab, daß das Gericht nach pflichtmäßigem Ermessen entschied, ob ein Zeuge zu vereidigen war; er strich demzufolge die §§61, 62, 79 Abs. 1 Satz 2, §223 Abs. 3 und §286 Abs. 2. Die dritte VO. zur Vereinfachung der Strafrechtspflege v. 29. 5.1943 (RGBl. I S. 342) vereinfachte das Verfahren bei Ausschließung und Ablehnung von Gerichtspersonen, änderte den § 200 Abs. 2 im Sinn einer Vereinfachung, ermöglichte allgemein die Abkürzung der Ladungsfrist bis auf vierundzwanzig Stunden und erleichterte die Verlesung von Niederschriften in der Hauptverhandlung. Darüber hinaus brachte sie als Dauerrecht gedachte Neuerungen, indem sie das Adhäsionsverfahren einführte (Änderung der bisherigen §§ 403—406) und das Recht der Wiederaufnahme des Verfahrens in dem Sinne umgestaltete, daß sie die Gründe für die Wiederaufnahme des Verfahrens zuungunsten des Angeklagten denjenigen über die Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten anglich; zugleich wurde die Wiederaufnahme gegen einen rechtskräftigen Strafbefehl zugelassen. d) V o l k s g e r i c h t s h o f . — Das Ges. v. 16.9.1939 (oben Buchst, a) ließ den „außerordentlichen Einspruch" auch gegen die Urteile des Volksgerichtshofs zu, über den ein besonders zusammengesetzter Besonderer Senat des Volksgerichtshofs zu entscheiden hatte. DieZuständigkeitsVO. v. 21. 2.1940 (oben Buchst, a) faßte die Vorschriften über die Zuständigkeit des Volksgerichtshofs zusammen und erklärte die Verteidigung vor diesem Gericht für notwendig. Die VO. über die erweiterte Zuständigkeit des Volksgerichtshofs v. 10.12.1941 (RGBl. I S. 776) begründete seine Zuständigkeit für Spionage im Sinn des § 2 der KriegssonderstrafrechtsVO. unter der Voraussetzung, daß das Oberkommando der Wehrmacht oder der Gerichtsherr erklärte, daß die militärischen Belange die Aburteilung durch ein Wehrmachtsgericht nicht erforderten.
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Kap. 3
Einleitung (Schäfer)
5 e) S o n d e r g e r i c h t e . — Die VereinfachungsVO. v. 1.9.1939 (oben Buchst, a) erweiterte den Tätigkeitsbereich der Sondergerichte. Sie ermöglichte die Erhebung der Anklage vor dem Sondergericht bei Verbrechen und Vergehen, die zur Zuständigkeit des Schwurgerichts oder eines niedrigeren Gerichts gehörten, ohne eine Grenze nach dem Gegenstand der Straftat zu ziehen. Dann unterstellten die VOen. über außerordentliche Rundfunkmaßnahmen v. 1. 9.1939 (RGBl. I S. 1683), gegen Volksschädlinge v. 5. 9.1939 (RGBl. I S. 1679) und gegen Gewaltverbrecher v. 5.12.1939 (RGBl. I S. 2378, 1940 I S. 17) bestimmte Verbrechen der ausschließlichen Zuständigkeit der Sondergerichte. Schließlich faßte die ZuständigkeitsVO. v. 21. 2.1940 (öben Buchst, a) die Vorschriften über den Aufbau und die Zuständigkeit der Sondergerichte, über das vor diesen Gerichten einzuhaltende Verfahren und über das Verhältnis zwischen Sondergerichten und ordentlichen Gerichten zusammen. Die bei den Landgerichten gebildeten Sondergerichte waren danach für bestimmte Straftaten ausschließlich und für andere Verbrechen und Vergehen dann zuständig, wenn die Anklagebehörde die Aburteilung durch das Sondergericht mit Rücksicht auf die Schwere oder die Verwerflichkeit der Tat, wegen der in der Öffentlichkeit hervorgerufenen Erregung oder wegen ernster Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit für geboten erachtete. Die Unanfechtbarkeit der Entscheidungen der Sondergerichte wurden aufrechterhalten. f ) W e h r m a c h t s s t r a f v e r f a h r e n . — Am 26. 8.1939 trat die VO. über das militärische Strafverfahren im Krieg und bei besonderen Einsatz — Kriegsstrafverfahrensordnung — v. 17. 8.1938 (RGBl. I S. 1457) gemäß der VO. v. 26. 8.1939 (RGBl. I S. 1482) in Kraft. Das Ges. v. 16. 9.1939 (oben Buchst, a) regelte die Verbindung von Strafsachen der allgemeinen Gerichtsbarkeit und der Wehrmachtsgerichtsbarkeit und änderte mehrere Vorschriften der MStGO; hierbei fanden neue Vorschriften über die „Außerordentliche Wiederaufnahme auf Anordnung des Führers und Obersten Befehlshabers der Wehrmacht", über den für die erneute Verhandlung und Entscheidung zuständigen Sondersenat des Reichskriegsgerichts und über das Verfahren vor diesem Senat Aufnahme in die MStGO. Von den VOen., die dann noch Einfluß auf das Wehrmachtsstrafverfahren ausübten, sind die vierte VO. zur Durchführung und Ergänzung der KStVO. v. 1.11.1939 (RGBl. I S . 2132) sowie die VO. v. 10.12.1941 (oben Buchst, d) hervorzuheben. Das Mißtrauen, das die politische Führung den Justizgerichten entgegenbrachte (oben S. 13), erstreckte sich gegen Ende des Krieges auch auf die Wehrmachtsgerichte. So wurden die an den Ereignissen des 20. 7.1944 beteiligten Offiziere der Aburteilung durch die Wehrmachtsgerichte entzogen und dem Volksgerichtshof überstellt. Auf weitere Einzelheiten ist in diesem summarischen Überblick nicht einzugehen. 5. Die Nachkriegsgesetzgebung bis zur Entstehung der Bundesrepublik. Das Kriegsende im Mai 1945 hinterließ ein Rechtschaos. Schon die seit der letzten umfassenden Neutextierung durch die Bekanntmachung v. 22. 3.1924 bis zum Beginn des Krieges im Sept. 1939 ergangenen, das GVG. und die StPO. ändernden und ergänzenden Vorschriften hatten den Rechtszustand schwer übersehbar gemacht; eine dringend gebotene Neutextierung war aber wegen der im Gang befindlichen Reform unterlassen worden. Erst recht war jede Übersichtlichkeit geschwunden, als die rasch aufeinanderfolgenden und sich übersteigernden und überlagernden Kriegsmaßnahmen nicht mehr erkennen ließen, was als zeitgebundenes Notrecht und was als Dauerrecht gedacht war. Die Gesetzgebung sah sich jetzt vor eine doppelte Aufgabe gestellt: einmal, die Kriegsmaßnahmen abzubauen, soweit nicht die in der Nachkriegszeit weiterbestehenden und neuauftretenden Schwierigkeiten zu ihrer Aufrechterhaltung zwangen, zum anderen, nach dem grundsätzlichen Wandel der politischen Verhältnisse und Anschauungen diejenigen aus der Zeit der Herrschaft des Nationalsozialismus stammenden Änderungen, die als spezifisch nationalsozialistisch empfunden wurden, auszumerzen. Diese Aufgabe aber konnte nicht reichseinheitlich von einer zentralen deutschen Gesetzgebung gelöst werden, da das Reich durch den Fortfall seiner Organe als Folge der bedingungslosen Kapitulation funktionsunfähig geworden war. Die Reichsgesetzgebungsgewalt wurde von den Besatzungsmächten ausgeübt. Als zwangsläufige Folge des Wegfalls der Reichsgewalt ergab sich im übrigen der Rückfall der Justizhoheit auf die — überwiegend neu gebildeten — Länder. Zum Erlaß yon Gesetzen mit Wirkung für das Reichsgebiet errichteten die Oberbefehlshaber der Besatzungstruppen durch Kontrollrat-Proklamation Nr. 1 v. 30. 8.1945 einen Kontrollrat. Die Methoden der gesetzgebenden Gewalt des Kontrollrats wurden durch Kontrollrat-Direktive Nr. 10 v. 22. 9.1945 dahin
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festgelegt, daß der Kontrollrat seine Anordnungen allgemeinen Inhalts durch Proklamationen, Gesetze, Befehle oder Direktiven erlassen konnte. Das Gerichtsverfassungs- und Strafverfahrensrecht betrafen vornehmlich die Kontrollrat-Proklamation Nr. 3 betr. Grundsätze für die Umgestaltung der Rechtspflege v. 2 0 . 1 0 . 1 9 4 5 (ABl. des Kontrollrats 1945 S. 22) und das Kontrollratsgesetz Nr. 4 über Umgestaltung des deutschen Gerichtswesens v. 3 0 . 1 0 . 1 9 4 5 (ABl. S. 26). Die Kontrollrats-Proklamation Nr. 3 stellte lediglich einige Grundsätze auf, denen die Strafrechtspflege genügen müsse; insbesondere betraf sie die Schutzrechte des Angeklagten im Strafverfahren, sprach die Unabhängigkeit der Richter aus und hob den Volksgerichtshof und die Sondergerichte auf. Das Kontrollratsgesetz Nr. 4 regelte in großen Umrissen Aufbau und Zuständigkeit der Strafgerichte, wobei die Umgestaltung der Gerichte grundsätzlich in Übereinstimmung mit dem GVG. in der Fassung der Bekanntmachung v. 22. 3.1924 erfolgen sollte. Als ordentliche Gerichte wurden die Amts-, Land- und Oberlandesgerichte wiederhergestellt; das Reichsgericht war nicht mehr vorgesehen. Die Zuständigkeit der Amts- und Landgerichte sollte sich im allgemeinen nach dem am 3 0 . 1 . 1 9 3 3 geltenden Recht richten. Über Berufungen gegen amtsgerichtliche Entscheidungen sollten die Landgerichte entscheiden; die Oberlandesgerichte waren Revisionsgerichte. Weiterhin grenzte das Gesetz die Zuständigkeit der deutschen Gerichte gegenüber derjenigen der Besatzungsgerichte ab. Die Durchführung dieser Grundsätze oblag den in den einzelnen Besatzungszonen bestehenden Gesetzgebungsgewalten. In der folgenden kurzen Übersicht soll nur die Rechtsentwicklung in den westlichen Besatzungszonen geschildert werden. a ) In der a m e r i k a n i s c h e n Besatzungszone erließen die Länder Bayern, Bremen, Hessen und Württemberg-Baden auf Veranlassung der Militärregierung das Strafgerichtsverfassungsgesetz (StGVG.) 1946 und die StPO. 1946, die zwar in jedem Land als Landesgesetz ergingen, zunächst aber mit geringfügigen Abweichungen wörtlich übereinstimmten (Bayr. GVB1.1946 Nr. 8, Hess. GVB1.1946 Nr. 2—6, Württ.-Baden RegBl. 1946 Nr. 9). In beiden Gesetzen wurde zwar weitgehend auf den Rechtszustand der vornationalsozialistischen Zeit zurückgegriffen, doch blieben auch eine Reihe von Änderungen aus der Zeit von 1933—1945, wie etwa die Beseitigung des Eröffnungsbeschlusses, aufrechterhalten. Wesentlich war die einem Verlangen der Besatzungsmächte entsprechende Beseitigung des polizeilichen Strafverfügungsrechts, die zu einer Überflutung der Gerichte mit Übertretungsfällen führte. Das GVG. wurde in der Folgezeit durch mehrere Länderratsgesetze ergänzt. Die Bildung von Schöffen- und Schwurgerichten und die Abgrenzung ihrer Zuständigkeit sowie die Besetzung der Strafkammern mit Schöffen blieb Anordnungen der obersten Landes Justizverwaltungen überlassen. Sie haben von dieser Ermächtigung erst in der Zeit von 1947 ab Gebrauch gemacht (Bayern: Anordnungen v. 18. 2. und 16. 9 . 1 9 4 7 , 1 4 . 7.1948, 4. 7.1949 — GVB1. S. 177, 203, 243,186 — und Bek. v. 26. 7.1949 — JMB1. S. 127 — ; Bremen: Anordnung v. 7 . 1 0 . 1 9 4 7 — GVB1. S. 237 — ; Hessen: Anordnungen v. 17. 4.1947 i. d. F. v. 7. 7.1949 und v. 1 2 . 1 . u. 18. 6 . 1 9 4 8 u. 27. 9.1949 — GVB1. S. 49, 23, 80, 115,154 — ; Württemberg-Baden: Anordnungen v. 7. 7.1947, 2 1 . 1 0 . 1 9 4 8 , 22. 9.1949 — Reg.Bl. S. 86,199, 219 — und Ges. v. 3. 3 . 1 9 4 9 u. DVO. v. 29. 3.1949 — RegBl. S. 43, 69 —). Diese Anordnungen der Länder waren nicht einheitlich und hatten z. T. weitgehende Verschiedenheiten in der Besetzung und sachlichen Zuständigkeit der Strafgerichte zur Folge. Die durch die Emminger-Verordnung 1924 erfolgte Umwandlung des Schwurgerichts wurde im allgemeinen aufrechterhalten, doch wurde es z. B. in Hessen mit zwei Richtern und sieben Geschworenne besetzt. Aus dem Rahmen der in den übrigen Ländern getroffenen Anordnungen fiel die bayerische Neuordnung der Besetzung des Schwurgerichts heraus (VO. v. 14. 7.1948, GVB1. 234); sie führte, z. T. unter Rückgriff auf den Rechtszustand vor der Emminger-Reform, die Trennung in eine Richterbank (drei Richter) und eine Geschworenenbank (zwölf Geschworene) ein, wobei über die Schuldfrage allein die Geschworenen entschieden, während über die Strafbemessung Richter und Geschworene gemeinsam entschieden. In Bayern wurde durch Gesetz v. 11. 5 . 1 9 4 8 (GVB1. S. 83) das im Jahre 1935 aufgehobene BayObLG. wiedererrichtet. Durch Länderratsgesetz wurde 1948 in das GVG. ein § 13 a eingefügt, der die Landesgesetzgebung ermächtigte, die in die Zuständigkeit der Amtsgerichte fallenden Strafsachen Friedensgerichten oder Friedensrichtern zur Entscheidung zuzuweisen. Von dieser Ermächtigung hat Württemberg-Baden durch Ges. über die Friedensgerichtsbarkeit v. 29. 3 . 1 9 4 9 (RegBl. S. 47), das bei der Wiederherstellung der Rechtseinheit im Bundesgebiet aufrechterhalten wurde, für Übertretungen Gebrauch gemacht. Über das Schicksal dieses Gesetzes vgl. unten S. 155. 2
Löwe-Rosenberg,
S t P O . 21. Aufl.
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Kap. 3
Einleitung (Schäfer)
5 b) In der b r i t i s c h e n Besatzungszone (Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, SchleswigHolstein, Hamburg) galt die von der Militärregierung erlassene Allg. Anweisung für Richter Nr. 2; durch VO. der brit. Militärregierung v. 1.10.1945 (ABl. S. 50) wurde diese Anweisung, die im wesentlichen dem in der amerikanischen Zone geltenden Recht entsprach, mit Gesetzeskraft ausgestattet. In der Folgezeit wurde, zunächst durch übereinstimmende VOen. der OLG.Präsidenten, dann, nach Bildung des Zentral-Justizamts für die britische Zone, durch VOen. dieser Stelle der Text von GVG. und StPO. mehrfach geändert, so daß schließlich erhebliche Unterschiede gegenüber dem Recht der amerikanischen Zone bestanden. Auch in der britischen Zone wurde das polizeiliche Strafverfügungsrecht beseitigt und statt dessen durch VOen. der OLG.-Präsidenten (z. B. für Hamburg VO. v. 10. 8.1946, HansJustVerwBl. S. 43, für Düsseldorf VO. v. 18. 8.1946, JustBl. S. 57) neben dem Strafbefehl als weiteres summarisches Erledigungsmittel die amtsrichterliche Strafverfügung eingeführt. Das Recht der britischen Zone ist gekennzeichnet durch das Bestreben nach einheitlicher Rechtsetzung und Rechtsanwendung. Neben dem Zentraljustizamt, dem die zoneneinheitliche Gesetzgebungsbefugnis übertragen war, wurde als zonenhöchstes Revisionsgericht, dem an Stelle des weggefallenen Reichsgerichts die Wahrung der Rechtseinheit in der Rechtsprechung oblag, durch VO. Nr. 98 der brit. Militärregierung und DurchfVO. des Zentraljustizamts v. 17.11.1947 (VOB1. S. 149) der Oberste Gerichtshof für die britische Zone mit dem Sitz in Köln geschaffen. Nach Bildung des die amerikanische und britische Zone umfassenden vereinigten Wirtschaftsgebiets wurde ferner durch Proklamation Nr. 8 der brit. und amerik. Militärregierung im Jahre 1948 das „Deutsche Obergericht für das Vereinigte Wirtschaftsgebiet" mit dem Sitz in Köln errichtet, das — freilich in engen Grenzen — über die Revision gegen Entscheidungen von Strafgerichten in der Doppelzone entschied, wenn es sich um grundsätzlich bedeutsame Fragen der Auslegung von Gesetzen der Verwaltung des vereinigten Wirtschaftsgebiets handelte. — Die Wiedereinführung deT Schöffenund Schwurgerichte und die Abgrenzung ihrer Zuständigkeit erfolgte in der brit. Zone durch VO. des Zentraljustizamts v. 22. 8.1947 (VOB1. S. 115). c) In der f r a n z ö s i s c h e n Besatzungszone erließen die Länder in den Jahren 1946 und 1947 inhaltlich im wesentlichen übereinstimmende Vorschriften, deren Grundgedanke war, daß sich das Verfahren im allgemeinen nach dem am 8. 5.1945 geltenden Recht, Aufbau, Zuständigkeit und Besetzung der Gerichte dagegen nach dem GVG. i. d. F. der Bekanntm. v. 22. 3.1924 unter Berücksichtigung der bis zum 30.1.1933 erfolgten Änderungen richtete (Rheinland-Pfalz: LandesVO. v. 11. 4.1947 — VOB1. S. 155 — i. d. F. v. 1.12.1949 — GVB1. 599 —; Baden: Rechtsanordnung v. 9. 7.1946 — ABl. S. 44 —; Württemberg-Hohenzollern: Rechtsanordnung v. 30. 6.1947 — ABl. Nr. 50). In Rheinland-Pfalz wurde die StPO. durch Ges. v. 2. 9.1949 — GVB1. S. 373 — in einer Reihe von Punkten geändert, z. T. durch Angleichung an das in der britischen Zone geltende Recht. Auch in der französischen Zone wurden wieder Schöffen und Geschworene tätig, die Zahl der Geschworenen wurde aber von sechs auf neun erhöht (Baden: Ges. v. 30.12.1947 — GVB1. 1948, 39 —; Württemberg-Hohenzollern: Ges. v. 14. 5.1948 — RegBl. S. 85 —; Rheinland-Pfalz: Ges. v.3. 9.1949 — GVB1. S. 374—; Kreis Lindau: Anordnung RegBl. S. 85 —; Rheinland-Pfalz: Ges. v. 3. 9.1949 — GVB1. S. 374 —; bayr. Kreis Lindau: Anordnung v. 26. 4.1949 — ABl. Nr. 18 —). Ein wesentlicher Unterschied gegenüber dem Recht der amerikanischen und der britischen Zone bestand u. a. darin, daß die polizeiliche Strafverfügung beibehalten wurde. Das Ergebnis dieser in kurzen Zügen geschilderten Nachkriegsentwicklung war eine weitgehende Rechtszersplitterung. Nicht nur, daß die in den Ländern und Zonen geltenden Vorschriften im Wortlaut und in der Sache z. T. erheblich voneinander abwichen, es fehlte auch an einer einheitlichen Steuerung der Rechtsanwendung, da nach dem Wegfall des Reichsgerichts das letzte Wort in der Frage der Gesetzesauslegung jeweils dem einzelnen Oberlandesgericht (bzw. dem Obersten Gerichtshof der brit. Zone, dem BayObLG.) für seinen örtlichen Bereich zustand. Auch das hatte freilich wiederum sein Gutes: Die neuen „höchsten" Revisionsgerichte prüften frei und bindungslos, inwieweit die Ergebnisse der reichsgerichtlichen Rechtsprechung mit dem Wandel der Verhältnisse und Anschauungen vereinbar seien, und wenn auch die innere Autorität, die den Erkenntnissen des Reichsgerichts beigemessen wurde, sich weiterhin im großen und ganzen als ein einigendes Band erwies, so hat doch die Nachkriegsrechtsprechung auch in wesentlichen Fragen begonnen, sich von der Rechtsprechung des Reichsgerichts abzulösen; der Hinweis auf die Frage der Bedeutung des Strafrechtsirrtums mag hier genügen.
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Die weitere Entwicklung der StPO. und des GVG.
Kap. 3 6
6. Die Rechtsentwicklung in der Bundesrepublik. a) Die W i e d e r h e r s t e l l u n g der R e c h t s e i n h e i t . — Das Bonner Grundgesetz (GG.) v. 23. 5.1949 enthält eine Reihe von Vorschriften, die unmittelbar das Strafverfahren und die Gerichtsverfassung betreffen. Neben Vorschriften wie etwa Art. 3 (Gleichheit vor dem Gesetz), Art. 10 (Unverletzlichkeit des Brief- und Postgeheimnisses), Art. 13 (Unverletzlichkeit der Wohnung), Art. 16 (Verbot der Auslieferung Deutscher), Art. 35 (Rechts- und Amtshilfe), Art. 46, 47 (Immunität und Zeugnisverweigerungsrecht der Abgeordneten), Art. 60 (Begnadigungsrecht des Bundespräsidenten) kommt hier insbesondere der Abschn. IX („Die Rechtsprechung", Art. 92ff.) in Betracht. Art. 96 schrieb für die ordentliche Gerichtsbarkeit die Errichtung eines oberen Bundesgerichts vor; Art. 74 Nr. 1 legte dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungsbefugnis für die Gebiete des Strafrechts und des Strafvollzuges, der Gerichtsverfassung und des gerichtlichen Verfahrens bei. Auf dieser Grundlage konnte das Werk, die verlorengegangene Rechtseinheit auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung und des Strafverfahrens für das Gebiet der Bundesrepublik wiederherzustellen, in Gang gesetzt werden. Im Jahre 1950 legte der Bundesminister der Justiz dem Bundestag den Entwurf eines Gesetzes zur Wiederherstellung der Rechtseinheit auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung, der bürgerlichen Rechtspflege, des Strafverfahrens und des Kostenrechts mit Begründung vor (BT-Drucks. Nr. 530). Bei der Dringlichkeit des Zieles mußte der Gedanke an eine umfassende Reform oder auch nur an wesentliche Neuerungen in größerer Zahl ausscheiden und ein solches Vorhaben späteren Zeiten vorbehalten bleiben. Um zu einem baldigen Abschluß der Rechtsvereinheitlichung zu gelangen, sollte vielmehr, wie die Begründung ausführt, in jedem Fall auf eine Regelung zurückgegangen werden, die vor dem Jahr 1945 schon einmal in Deutschland als einheitliches Recht bestanden und sich bewährt hatte. Die Vorschriften, die nationalsozialistisches Gedankengut enthielten oder aus dem Zwang der Kriegsverhältnisse erwachsen und mit einer geordneten, zuverlässig arbeitenden Rechtspflege unvereinbar waren, sollten beseitigt werden. Nur ausnahmsweise sollte das nach dem Jahr 1945 geschaffene Recht eines Landes oder eines Besatzungsgebietes in der Bundesrepublik eingeführt werden. Im Kern beabsichtigte also der Entw., das Recht der Gerichtsverfassung, des bürgerlichen Streitverfahrens und des Strafverfahrens wieder so in Kraft zu setzen, wie es vor den Eingriffen der nationalsozialistischen Regierung im Jahr 1933 bestanden hatte. Später eingeführte und im ganzen Reichsgebiet in Kraft gewesene Neuerungen sollten nur insoweit beibehalten werden, als sie Beratungen oder Entwürfen aus der Zeit vor dem Jahr 1933 entstammten und einen Fortschritt darstellten. Die Beratung im Bundestag führte nur zu wenigen Änderungen, die aber mehrere wichtige Vorschriften betrafen und von dem Bestreben getragen waren, die Rechtsstaatlichkeit des Verfahrens stärker zu gewährleisten, die Stellung des Beschuldigten zu verbessern und den Forderungen des GG. zu genügen. So wurden die §§136a, 69 Abs. 3, 161 Abs. 2, 163 Abs. 2 betr. verbotene Vernehmungsmittel neu in die StPO. eingestellt. Von praktisch weittragender Bedeutung war die gegenüber dem Entwurf abweichende Regelung der summarischen Verfahren. Während der Entw. das nach Beseitigung der polizeilichen Strafverfügung in der amerik. und brit. Besatzungszone dort eingeführte vereinfachte Strafbefehlsverfahren in Übertretungssachen (Erlaß eines Strafbefehls oder einer Strafverfügung durch den Richter auf Vorschlag der Polizeibehörde ohne Beteiligung des Staatsanwalts) beibehalten, daneben aber auch die noch in der französischen Besatzungszone gehandhabte polizeiliche Strafverfügung allgemein wieder zulassen wollte (§§412a, 413), lehnte der Bundestag die polizeiliche Strafverfügung ab und ließ nur — unter der Bezeichnung „Strafverfügung" — die summarische Ahndung von Übertretungen durch den Richter ohne Beteiligung des Staatsanwalts zu6. Das vom Bundestag am 12. 9.1950 beschlossene Gesetz wurde am 20. 9.1950 verkündet (BGBl S. 455); es trat am 1.10.1950 in Kraft. Die Verkündung des die Gerichtsverfassung berührenden, zur Ausführung des Art. 96 Abs. 2 GG. ergangenen Richterwahlgesetzes v. 25. 8. 1950 (BGBl. S. 368) war vorausgegangen. Das im Art. 96 vorgesehene obere Bundesgericht erhielt die Bezeichnung „Bundesgerichtshof" und übernahm die Aufgaben, die das Reichsgericht ausgeübt hatte. Seine Stellung als Hüter einer einheitlichen Rechtsanwendung wurde — im Anschluß an Vorschläge des EGStGB.-Entw. 1930—gestärkt durch die Einführung einer Vorlegungspflicht, 6 Der tiefere Grund für diese den Wünschen der Strafrechtspraxis, die in der polizeilichen Strafverfügung ein brauchbares und bewahrtes Mittel sah, den Strafrichter von Bagatellverfahren zu entlasten, zuwiderlaufende Entschließung war wohl ein Ressentiment, geboren aus der Erinnerung an Bestrebungen
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Kap. 3 6
Einleitung (Schäfer)
wenn ein Oberlandesgericht als Revisionsgericht in einer Rechtsfrage von einer Entscheidung des B G H . oder eines anderen OLG. abweichen will (§ 121 Abs. 2 GVG.). Damit war die dringlichste Aufgabe, auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung und des Verfahrensrechts die Einheitlichkeit des Gesetzes sowohl wie die Einheitlichkeit der Rechtsanwendung wiederherzustellen, geleistet. Wie nach der Emminger-Reform i. J . 1 9 2 4 wurde auch diesmal im Interesse der Übersichtlichkeit der gesamte T e x t v o n GVG., StPO. und ZPO. in der nunmehr geltenden Fassung in Anlagen zum Rechtsvereinheitlichungsgesetz bekanntgemacht. Die entsprechende Aufgabe für das Gebiet des materiellen Strafrechts, unter Verzicht auf eine umfassende Reform die in den J a h r e n 1 9 3 3 — 1 9 4 5 erfolgten Änderungen und Ergänzungen des StGB, und die Eingriffe des Besatzungsrechts daraufhin zu überprüfen, was beizubehalten und was auszuscheiden sei, wurde erst durch das 3. Strafrechtsänderungsges. v. 4. 8 . 1 9 5 3 ( B G B l . I 7 3 5 ) und die Bekanntmachung des bereinigten S t G B . - T e x t e s v. 25. 8 . 1 9 5 3 ( B G B l . 1 1 0 8 3 ) gelöst. Aber auch für die Gerichtsverfassung und das Verfahrensrecht war die Überprüfungs- und Rechts • Vereinheitlichungsarbeit noch nicht vollständig durchgeführt. Das R J G G . 1 9 4 3 war nicht in das Rechtsvereinheitlichungsgesetz einbezogen worden, weil hier in absehbarer Zeit mit einerGesamterneuerung gerechnet werden konnte; sie erfolgte durch das J G G . v. 4. 8 . 1 9 5 3 ( B G B l . I 753). Bald nach der Vereinheitlichung der maßgebenden Gesetze wurde auch die Arbeit in Angriff genommen, die für die P r a x i s so bedeutsamen zusammenfassenden J u s t i z v e r w a l t u n g s a n o r d n u n g e n auf dem Gebiet der Strafrechtspflege (oben S. 1 1 ) den veränderten Verhältnissen anzupassen und möglichst bundeseinheitlich zu gestalten. Die hier auftauchenden Schwierigkeiten ergaben sich daraus, daß nach dem Rückfall der Justizhoheit auf die einzelnen Länder in der Zeit des Nationalsozialismus, die Befugnisse der Polizei auf dem Gebiet der Strafverfolgung auf Kosten der Justiz zu erweitern, also der Gedanke des Schutzes vor polizeilicher Willkur. Die dogmatische Überlegung, daß Art. 92 GG. (Rechtsprechungsmonopol der Gerichte) auch einer summarischen vorlaufigen Ahndung durch Verwaltungsbehörden mit dem Vorbehalt der Anrufung des Strafrichters entgegenstehe, konnte jedenfalls nicht der tragende Grund für die Beseitigung der polizeiüchen Strafverfugung sein, denn damit wäre es unvereinbar gewesen, die Befugnis der Finanz-, Zoll- und anderer Verwaltungsbehörden, Abgabenzuwiderhandlungen durch Strafbescheid vorlaufig zu ahnden, aufrechtzuerhalten. Das aber geschah, allerdings in der Weise, daß — in Modifizierung eines Vorschlags des EGStGB.Entw. 1930 (s. unten S. 28) — der neugefaßte § 6 Abs. 2 Nr. 2 EGStPO. aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit und Rechtvereinheitlichung landesgesetzliche Vorschriften über das Strafbescheidsverfahren nur insoweit zuließ, als sie auf die Vorschriften der Reichsabgabenordnung verweisen, so daß insoweit die bundesrechtlichen Vorschriften der RAbgO. über das Verfahren der Finanzämter und die landesrechtlichen Vorschriften über das Verfahren anderer Verwaltungsbehörden gleichgeschaltet sind. Damit wurden die §§ 419—429 StPO. a. F., die der Entw. des Rechtsvereinheitlichungsges. noch hatte aufrechterhalten wollen, gegenstandslos. In der Folgezeit wurde freilich auch die Grundgesetzmaßigkeit des Strafbescheidsverfahrens bestritten, und dieser Streit ist, auch nachdem die die Grundgesetzmaßigkeit bejahenden Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (JZ. 1958 631) und des BGH. (St. 13 102 = N J W . 1959 1230) wenigstens für die Praxis Rechtsklarheit geschaffen hatten, bis heute nicht verstummt (Näheres in den Anm. zu § 13 GVG. und zu den §§ 419—429 StPO.). Aus der Praxis heraus wird, wie hier schon vorgreifend ausgeführt werden mag, auch heute noch der Wunsch nach Wiedereinführung der polizeilichen Strafverfugung erhoben (über dahingehende Tendenzen vgl. etwa W i m m e r N J W . 19581993), obwohl nach der im Text (S. 23) erörterten Einfuhrung des Bußgeldverfahrens bei Ordnungswidrigkeiten durch das Ges. über Ordnungswidrigkeiten v. 25. 3 . 1 9 5 2 (BGBl. I 177) solchen Wünschen kaum Erfolg beschieden sein dürfte. Die Beseitigung der polizeilichen Strafverfügung als Dauerzustand aber zwang, nachdem sich die amtsrichterliche Strafverfügung nicht als ein genügend wirksames Mittel erwiesen hatte, die Überlastung der Strafrechtspflege mit Bagatellsachen in vertretbaren Grenzen zu halten, dazu, nach Abhilfemaßnahmen zu suchen. Sie wurden, von der Einfuhrung des Bußgeldverfahrens abgesehen, darin gefunden, daß die Landesgesetzgebung die Polizei ermächtigte, von der Erstattung einer Anzeige bei leichteren Übertretungen abzusehen, wenn sich eine polizeiliche Verwarnung als ausreichend erweise (Näheres Anm. 4c zu § 13 GVG.). Auch gegen diese Maßnahme wurden zunächst Bedenken nach der Richtung erhoben, daß sie einen unzulässigen Eingriff der Landesgesetzgebung in die bundesrechtliche Ordnung der Zuständigkeiten auf dem Gebiet der Strafverfolgung bedeute. Bedenken dieser Art konnten sich nicht durchsetzen. Die polizeimaßige Erledigung geringfügiger Übertretungen durch Verwarnung ist eine praktische Notwendigkeit, die den Bundesgesetzgeber bei den zahlenmäßig häufigsten Übertretungen, den Verkehrsübertretungen, dazu zwang, die Abstandnahme von der Verfolgung bei gebührenpflichtiger polizeilicher Verwarnung in § 22 des Straßenverkehrsges. v. 1 9 . 1 2 . 1 9 5 2 (BGBl. I 837) einzuführen, und die Befugnis des Landesgesetzgebers, das Fehlen einer bundesrechtlichen Regelung bei den sonstigen Übertretungen durch landesrechtliche Vorschriften zu überbrücken, ist aus § 153 Abs. 1 StPO. rechtlich vertretbar herzuleiten.
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solche Maßnahmen nicht mehr von einer zentralen Stelle getroffen werden konnten, sondern daß es einer Einigung der einzelnen Landesjustizverwaltungen und, soweit auch sie beteiligt war, der Justizverwaltung des Bundes (des Bundesjustizministers) bedurfte, die dann jeweils eigne Weisungen mit inhaltlich übereinstimmendem Text erlassen mußten. Der Versuch, einen möglichst weitgehend bundeseinheitlich geltenden Text einer neuen Gnadenordnung als Ersatz für die GnadenO. des Reichsjustizministers von 1935 zu schaffen, mißlang freilich, weil die Gegensätze in den einzelnen Ländern, welche Stellen als „Gnadenbehörden" tätig sein sollten, sich als unüberbrückbar erwiesen. Die Gnadenordnungen der Länder weichen infolgedessen z. T. erheblich voneinander ab; insoweit kann auf die ausführliche Darstellung in D a l c k e / F u h r m a n n / S c h ä f e r , 37. Aufl. S. 1782ff. verwiesen werden. Dagegen gelang im Lauf der Zeit die Schaffung einheitlicher Texte der „Richtlinien für das Strafverfahren" (v. 1. 8.1953; seither mehrfach geändert), der Richtlinien zum JGG. v. 15. 2.1955, der Strafvollstreckungsordnung nebst Anordnung über die Einforderung und Beitreibung von Vermögensstrafen und Verfahrenskosten (v. 15. 2.1956, ebenfalls seither mehrfach geändert), der „Mitteilungen in Strafsachen" (v. 15.1.1958 Bundesanz. Nr. 12) und der „Richtlinien über den Verkehr mit dem Ausland in strafrechtlichen Angelegenheiten" (v. 15.1.1959). b) B e s c h r ä n k u n g e n der d e u t s c h e n G e r i c h t s b a r k e i t . — A u c h nach der Gründung der Bundesrepublik und dem Erlaß des Besatzungsstatuts, das die Grenzen der Befugnisse der Besatzungsmächte festlegte, blieben, wenn auch in geringerem Umfang als früher, gewisse Beschränkungen bestehen, denen die Ausübung der deutschen Gerichtsbarkeit zugunsten der von den Besatzungsmächten eingerichteten Besatzungsgerichtsbarkeit durch eigene Besatzungsgerichte unterlag. Die hiernach bestehenden Beschränkungen waren in dem von dem Rat der Alliierten Hohen Kommission erlassenen Gesetz Nr. 13 v. 25.11.1949 (ABl. der AHK. Nr. 6) betr. Gerichtsbarkeit auf den vorbehaltenen Gebieten aufgezählt. Danach behielten sich die Besatzungsmächte eine Reihe von Gebieten vor, auf denen deutsche Gerichte nur mit ausdrücklich (allgemein oder im Einzelfall) erteilter Genehmigung des Hohen Kommissars der betreffenden Zone Gerichtsbarkeit ausüben durften. Die Vorbehalte betrafen insbesondere Taten von Angehörigen der alliierten Streitkräfte, Straftaten gegen die alliierten Streitkräfte und ihre Angehörigen, Zuwiderhandlungen gegen Rechtsvorschriften der Besatzungsmächte und die Nachprüfung der Gültigkeit oder Rechtmäßigkeit von Vorschriften, Entscheidungen oder Anordnungen der Besatzimgsmächte. Entscheidungen deutscher Gerichte, die ohne Genehmigung auf den vorbehaltenen Gebieten ergingen, wurden für nichtig erklärt. In der Folgezeit wurden den deutschen Gerichten — in den einzelnen Besatzungszonen nicht einheitlich — eine Reihe von Ermächtigungen erteilt. Wegen Einzelheiten darf etwa auf die Erläuterungen zu dem AHK.-Ges. Nr. 13 in D a l c k e / F u h r m a n n / S c h ä f e r , 36. Aufl. S. 1660ff. verwiesen werden. Diese Beschränkungen blieben bis zur Aufhebung des Besatzungsregimes und Wiedererlangung der Souveränität der Bundesrepublik am 5. 5.1955 bestehen. Die seitdem kraft zwischenstaatlicher Vereinbarung noch bestehenden Beschränkungen der deutschen Gerichtsbarkeit gegenüber den auf deutschem Boden befindlichen Angehörigen der fremden Stationierungsmächte ergaben sich zunächst aus dem sog. Truppenvertrag (vgl. Bd. II, Anhang C der 20. Aufl. dieses Werkes) und jetzt aus dem Nato-Truppenstatut (Gesetz vom 18. 8.1961, BGBl. II S. 1183). c) S p ä t e r e Ä n d e r u n g e n von GVG. u n d StPO. — Bald nach dem Erlaß des Rechtsvereinheitlichungsgesetzes wurden GVG. und StPO. wieder geändert. Das 1. Strafrechtsänderungsgesetz v. 30. 8.1951 (BGBl. I 739) brachte neue Strafvorschriften gegen Hochverrat, Staatsgefährdung und Landesverrat. Die Art. 2 und 3 änderten und ergänzten die für die Verfolgung dieser Taten maßgebenden Vorschriften des GVG. und der StPO. (§§ 24, 74 a — Staatsschutzstrafkammer —, 120, 122, 134, 134a, 139 GVG. — erstinstanzliche Zuständigkeit des BGH. und der OLGe. —, §§153a, 168 a, 354, 374, 395, 433 StPO.). Art. 15 des Ges. über Maßnahmen auf dem Gebiet des Kostenrechts v. 7. 8.1952 (BGBl. I 401) änderte die §§ 304, 465 StPO. Art. 3 des Ges. zur Sicherung des Straßenverkehrs v. 19.12.1952 (RGBl. I 832) fügte den § l i l a StPO. (vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis) ein und änderte oder ergänzte die §§ 212b, 232, 233, 305, 463a StPO. Durch das JGG. v. 4. 8.1953 (BGBl. 11393), das das RJGG. 1943 ersetzte, wurde § 26 GVG. geändert und § 74b GVG. eingefügt. Zahlreiche Änderungen und Ergänzungen brachte das 3. Strafrechtsänderungsges. v. 4. 8.1953 (RGBl. I 735). Sie bestanden vor allem in der Anpassung der genannten Gesetze an die Änderungen des materiellen Strafrechts, insbesondere der Einführung der Strafaussetzung zur Bewährung und der bedingten
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Kap. 3
Einleitung (Schäfer)
6 Entlassung, die auf dem genannten Gesetz beruhten. Daneben wurden einzelne Streitfragen authentisch geklärt und in gewissem Umfang auch kleinere Reformen durchgeführt mit dem Ziel, die Rechtsstellung des Beschuldigten zu verbessern (z. B. Einfügung des § 35 a StPO., der bei allen Entscheidungen, die durch eine befristetes Rechtsmittel anfechtbar sind, eine Rechtsmittelbelehrung vorschreibt, Änderung des § 308 StPO., wonach das Beschwerdegericht auf Beschwerde hin eine Entscheidung zum Nachteil des Beschwerdegegners nur abändern darf, wenn ihm zuvor rechtliches Gehör gewährt wurde, Ergänzung des § 467 StPO. betr. obligatorische Auslagenerstattung zugunsten des Beschuldigten bei Freispruch wegen erwiesener Unschuld) oder das Verfahren zu vereinfachen und zu verbessern (z. B. Änderung des § 188 Abs. 4 StPO. betr. Zulassung der Kurzschrift bei der Protokollierung). Im übrigen bezogen sich die Änderungen des 3. Strafrechtsergänzungsges. auf die §§ 29 (Wiedereinführung des erweiterten Schöffengerichts), 51, 134, GVG., §§ 13a, 35a, 39, 53, 53a, 81a, 81c, 97, 101a, 152a, 170, 172, 188, 247, 260, 263, 267, 268, 268a, 268b, 305a, 308, 346, 350, 362, 364, 374, 391, 395, 408, 429e, 431, 450, 453, 453 a, 454, 467 StPO. Durch Ges. v. 9. 8.1954 (BGBl. II 729) wurde ein neuer § 220 a StGB. (Völkermord) geschaffen; die Aburteilungszuständigkeit wurde unter Erweiterung des § 134 GVG. dem BGH. übertragen. Bei der Wiedereinführung der Wehrpflicht und der Bildung der Bundeswehr wurde zwar grundsätzlich von der Erneuerung einer besonderen Militärstrafgerichtsbarkeit abgesehen .Der durch Ges. v. 19. 3. 1956 (BGBl. I 111) in das GG. eingefügte Art. 96a (jetzt Art. 96 a Abs. 2) übertrug aber dem Bund das Recht, Wehrstrafgerichte für die Streitkräfte als Bundesgerichte einzurichten, die indessen Strafgerichtsbarkeit nur im Verteidigungsfall sowie über Angehörige der Streitkräfte ausüben können, die in das Ausland entsandt oder an Bord von Kriegsschiffen eingeschifft sind. Gericht letzter Instanz ist hier der BGH. Der Bund hat bisher von dieser Ermächtigung keinen Gebrauch gemacht. Das 4. Strafrechtsänderungsges. v. 11. 6. 1957 (BGBl. I 597) brachte neue Straftatbestände auf dem Gebiet der Landesverteidigung; im Zusammenhang damit wurde die Zuständigkeit der Staatsschutzstrafkammer (§ 74a GVG.) auf bestimmte die Landesverteidigung gefährdende Taten und die Vergehen nach §§ 42—47 BVerfGG. erweitert und klargestellt, daß die Zuständigkeit dieser Strafkammer auch die in § 73 Abs. 1 GVG. bezeichneten Entscheidungen umfaßt. Für bestimmte Verbrechen und Vergehen aus dem Anhang A zum Truppenvertrag (oben unter b) wurde die erstinstanzliche Zuständigkeit des BGH. begründet. Im übrigen wurden die §§ 98, 105 StPO. ergänzt (betr. Beschlagnahme und Durchsuchung in militärischen Dienstgebäuden und Anlagen) und § 153c StPO. geschaffen, der bei staatsgefährdenden und landesverräterischen Handlungen unter gewissen Voraussetzungen die Einstellung des Verfahrens zuläßt. Durch das Kostenrechtsänderungsgesetz v. 26. 7.1957 (BGBl. I 861) wurden § 55 GVG. und die §§ 71, 84 StPO. geändert und die §§ 165 GVG., löOStPO. aufgehoben. Das Atomgesetz v. 23.12.1959 (BGBl. I 814) ergänzte in seinem § 51 Abs. 4 die §§ 79, 80 GVG. Bei der Schaffung der Verwaltungsgerichtsordnung durch Ges. v. 21.1.1960 (BGBl. I 17) wurde § 17 GVG. geändert, ein § 17 a GVG. geschaffen und das EGGVG. durch Vorschriften ergänzt (§§ 23—30), die zur Nachprüfung der Rechtmäßigkeit von Maßnahmen der Justiz- und Vollzugsbehörden auf dem Gebiet der Rechtspflege den ordentlichen Rechtsweg eröffnen. Das 6. Strafrechtsänderungsges. v. 30. 6.1960 (BGBl. I 478) erweiterte die Zuständigkeit der Staatsschutzstrafkammer durch Ergänzung des § 74 a GVG. Endlich hat das in Erfüllung des Art. 98 Abs. 1, 3 GG. geschaffene Richtergesetz v. 8. 9.1961 (BGBl. I 1665) zahlreiche Änderungen des GVG. zur Folge gehabt (Aufhebung oder Änderung der §§ 2—11, 29, 62, 68, 70, 77, 83, 88, 118, 125, 148, 198). d) V e r f a h r e n s r e c h t l i c h b e d e u t s a m e Ä n d e r u n g e n a u ß e r h a l b v o n GVG. u n d S t P O . — Außerdem sind eine Reihe von Gesetzen ergangen, die, ohne daß GVG. oder StPO. förmlich geändert oder ergänzt worden wären, doch für die Gerichtsverfassung und das Strafverfahren von Bedeutung sind. Das Gesetz über die Einrichtung eines Bundeskriminalpolizeiamts v. 8 . 1 . 1 9 5 1 (BGBl. 1165), das das Reichskriminalpolizeigesetz v. 21. 7.1922 (RGBl. I 593) ablöste, schrieb zur Bekämpfung des nicht ortsgebundenen Verbrechertums die Einrichtung eines Bundeskriminalamts (mit dem Sitz in Wiesbaden) durch den Bund und die Errichtung von Landeskriminalämtern durch die Länder vor, ermächtigte unter bestimmten Voraussetzungen das Bundeskriminalamt zur Verfolgung strafbarer Handlungen im Einzelfall unter Einsetzung eigner Vollzugsbeamten und regelte das Zusammenwirken des Bundeskriminalamts mit den Polizeidienststellen der Länder und den Justizbehörden. Im Gegensatz zum Bundeskriminalamt Bind dem auf Grund des Gesetzes v. 27. 9.1950 (BGBl. 682) errichteten Bundesamt für Ver-
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Die weitere Entwicklung der StPO. und des GVG.
Kap. 3 6
fassungsschutz keine besonderen Befugnisse auf dem Gebiet der Strafverfolgung eingeräumt. Das Gesetz über das Bundesverfassungsgericht (BVerfGG.) v. 12. 3 . 1 9 5 1 (BGBl. I 243) brachte die Möglichkeit, gegen rechtskräftige Strafentscheidungen das BVerfG. mit der Behauptung der Verletzung von Grundrechten und bestimmter Verfassungssätze durch Verfassungsbeschwerde anzurufen (§§ 90ff.) und schuf den Wiederaufnahme-Grund der Verurteilung auf Grund eines nichtigen Gesetzes ( § § 7 9 , 9 5 ; vgl. S. 154). Das Zuständigkeitsergänzungsgesetz v. 7 . 8 . 1 9 5 2 (BGBl. I 401) bestimmte das für die Fortführung oder die Wiederaufnahme eines Verfahrens zuständige Gericht und die zuständige Vollstreckungsbehörde in solchen Fällen, in denen das früher zuständige Gericht seit dem 8. 5 . 1 9 4 5 weggefallen ist oder an seinem Sitz deutsche Gerichtsbarkeit nicht mehr ausgeübt wird; § 18 a. a. 0 . erweiterte zugleich die Voraussetzungen für die Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Verurteilten gegenüber Urteilen der früheren Wehrmacht- und Sondergerichte. Ferner sind hier zu nennen das Gesetz über das gerichtliche Verfahren in Binnenschiffahrts- und Rheinschiffahrtssachen v. 27. 9.1952 (BGBl. I 641); das Gesetz über die innerdeutsche Rechts- und Amtshilfe v. 2.5.1953 (BGBl. 1161), das sich insbesondere mit der Vollstreckbarkeit sowjetzonaler Strafurteile in der Bundesrepublik befaßt, und das Gesetz über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen v. 29. 6 . 1 9 5 6 (BGBl. I S. 599). Auf das Ges. v. 7. 8.1952 (BGBl II 685, 953) betr. Beitritt zur Menschenrechtskonvention ist bereits oben (S. 2) hingewiesen worden. e) S t r a f v e r f a h r e n u n d B u ß g e l d v e r f a h r e n . — Gegenüber den vorgenannten Gesetzen ragt an dogmatischer und praktischer Bedeutung für das Strafverfahren weit hervor das G e s e t z ü b e r O r d n u n g s w i d r i g k e i t e n (OWiG.) v. 25. 3.1952 (BGBl. 1177). Es ist im Rahmen dieser kurzen Übersicht über den Gang der strafprozessualen Rechtsentwicklung hier nicht der Platz, auf das Problem des Ordnungswidrigkeitenrechts tiefer einzugehen; der Bearbeiter der vorliegenden Einleitung darf sich wegen seines eignen Standpunktes zur Ergänzung auf seine Vorbemerkung zum OWiG. in D a l c k e / F u h r m a n n / S c h ä f e r , 37. Aufl. (1960) S. 453ff. beziehen. Lediglich folgendes sei bemerkt: Das OWiG. geht bekanntlich von dem Grundgedanken aus, daß bei reaktionsbedrohten Gesetzesverstößen zwischen der Straftat und der Ordnungswidrigkeit zu unterscheiden sei. Zwischen den verschiedenen Arten der Gesetzesverstöße bestehe, so wird gelehrt, ein Unterschied, der nicht nur gradmäßiger (quantitativer), sondern wesensmäßiger (qualitativer) Art sei. Dem Gebiet des Kriminalunrechts ist danach die ethisch verwerfbare Verletzung wesentlicher Gemeinschaftsbelange zuzurechnen, dem des Ordnungsunrechts die ethisch indifferente, „wertneutrale" Verletzung von Vorschriften, die technischer Art sind und der Vorsorge für einen glatten Ablauf der Vorgänge und Spannungen dienen, die sich aus dem äußeren Zusammenleben der Menschen ergeben. Die Straftat löst die Kriminalstrafe aus, die der Richter im Strafverfahren verhängt; das strafrichterliche Erkenntnis hat die Bedeutung eines ethischen Unwerturteil über die Tat. Die Ordnungswidrigkeit dagegen führt nur zur Geldbuße als einer „scharfen Pflichtenanmahnung", die die Verwaltungsbehörde durch einen Verwaltungsakt, den Bußgeldbescheid, in einem elastisch geordneten Verwaltungsverfahren, dem Bußgeldverfahren, festsetzt. Die Geldbuße dient zwar auch der Ahndung des Gesetzesverstoßes (§§ 9 , 1 1 OWiG.), d.h. der repressiven Beantwortung des Gesetzesverstoßes durch den Staat; der Idee nach aber ist sie vorzugsweise ein weiteres Mittel des Verwaltungszwanges, das in die Hand der Verwaltungsbehörden gelegt ist, um die äußere gute Ordnung des Gemeinwesens durchzusetzen. Und während die Verfolgung von Straftaten grundsätzlich vom Legalitätsprinzip beherrscht wird, gilt für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten das im allgemeinen die Tätigkeit der Verwaltungsbehörden beherrschende Opportunitätsprinzip (§ 7 OWiG.). Wie jeder beschwerende Verwaltungsakt, so ist auch, entsprechend dem Gebot des Art. 19 Abs. 4 GG., der Bußgeldbescheid der gerichtlichen Nachprüfung unterworfen. Aber die Rechtskontrolle steht hier nicht den Verwaltungsgerichten (nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung v. 21.1.1960), sondern an ihrer Stelle den Strafgerichten zu (§§ 54ff., 75 OWiG.). Näheres hierzu unten S. 54. Das OWiG., das der Durchführung dieses gesetzgeberischen Grundgedankens von der Abscheidung des Kriminalunrechts vom Ordnungsunrecht dient, ist, soweit es sich um das materielle Ordnungsrecht handelt, nur ein Torso, denn es enthält, in der Ausdrucksweise des StBG., nur den Allgemeinen Teil, während die Einzeltatbestände, die auf strafrechtlichem Gebiet in der Hauptsache im Besonderen Teil des StGB, zusammengefaßt sind, in zahlreichen Sondervorschriften zerstreut sind. Das OWiG. zieht die Grenzlinie zwischen Straf- und Ordnungsrecht durch Aufstellung eines rein formalen Merkmals: Ordnungsunrecht liegt vor, wenn der Gesetz-
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geber im Einzelfall einen Gesetzesverstoß nur mit Geldbuße bedroht (§ 1 Abs. 1 OWiG.), Kriminalunrecht dagegen, wenn ausschließlich Kriminalstrafe angedroht ist. Dazu tritt die Sonderfigur der Mischtatbestände (§ 1 Abs. 3), die dadurch gekennzeichnet sind, daß ein Straftatbestand bei Hinzutritt privilegierender Umstände Geldbuße, ein Ordnungswidrigkeitstatbestand bei Hinzutritt qualifizierender Merkmale Kriminalstrafe androht; dann ist die Handlung, je nachdem die besonderen Merkmale vorliegen oder nicht, entweder Straftat oder Ordnungswidrigkeit (§ 2 OWiG.). Mit dem Grundgedanken des OWiG. nicht vereinbar ist das Nebeneinanderbestehen von Übertretungen als der leichtesten Form des kriminellen Unrechts und von Ordnungswidrigkeiten, denn die Tatbestände der meisten Übertretungen gehören materiell dem Ordnungsunrecht an. Nach den StGB.-Entw. 1960 soll es daher künftig Übertretungen nicht mehr geben. Die Generalbereinigung des vorhandenen Bestands an Übertretungen durch Umgestaltung zu Ordnungswidrigkeiten oder durch Zuweisung an das Kriminalstrafrecht unter Erhöhung zu Vergehen wird spätestens Sache des künftigen Einführungsgesetzes zum neuen StGB. sein. Das Landesrecht ist im Bereich seiner konkurrierenden Strafgesetzgebungszuständigkeit (Art. 74 Nr. 1 GG.) auch zur Schaffung von Ordnungswidrigkeitstatbeständen und zur Regelung des Verfahrens befugt. Es hat bisher schon in weitem Umfang von dieser Befugnis Gebrauch gemacht, und zwar in der Regel durch unveränderte oder modifizierte Verweisungen auf das bundesrechtliche OWiG., z. T. auch durch eigne, an das OWiG. sich anschließende Landesgesetze über Ordnungswidrigkeiten, wobei dann mitunter zugleich auch die im Bundesrecht noch ausstehende Generalbereinigung für die bisherigen landesrechtlichen Übertretungstatbestände durchgeführt wordenist. Wegen der Einzelheiten vgl. D a l c k e / F u h r m a n n / S c h ä f e r (37) Vorbem. 8 zum OWiG. (S. 458). Die gegen die Grundgesetzmäßigkeit des OWiG. gerichteten, auf Art. 92 GG. gestützten Angriffe hat BVerfGE. 8 207 = NJW. 1958 1963; 1959619 zurückgewiesen und ausgesprochen, es handle sich bei dem Bußgeldverfahren der Verwaltungsbehörde nicht um ein verkapptes Strafverfahren, sondern um die durch den grundsätzlichen Unterschied der Ordnungswidrigkeit von der Straftat begründete grundgesetzmäßig einwandfreie Ausübung von Verwaltungstätigkeit. Über diese Begründimg, die der bisher in der Rechtsprechung und überwiegend auch im Schrifttum vertretenen Auffassung folgt, läßt sich freilich streiten. Geldbuße für eine Ordnungswidrigkeit und Geldstrafe für eine Straftat haben gemeinsam, daß sie die Verhängung einer Vermögenseinbuße zur Ahndung eines schuldhaft begangenen Verstoßes gegen ein allgemein verbindliches Gesetz darstellen, und es fragt sich, ob es für die Wertung dieses Vorganges einen begrifflichen Unterschied begründen kann, ob die Übelszufügung als staatliche Vergeltung der Rechtsverletzung unter der Bezeichnung „Geldbuße" oder „Geldstrafe" erfolgt. Er fragt sich auch, ob wirklich der behauptete wesensmäßige Unterschied zwischen dem Kriminalunrecht und dem „bloßen" Ordnungsunrecht besteht. Es läßt sich die Auffassung wohl vertreten, daß materiell auch die Tätigkeit der Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren Ausübung von Rechtsprechung darstellt, nicht anders als die Tätigkeit der Verwaltungsbehörde im Verwaltungsstrafverfahren, und daß in beiden Fällen die Vereinbarkeit mit Art. 92 GG. deshalb zu bejahen ist, weil letztlich dem Richter die Entscheidung zusteht (vgl. S. 52). Dafür spricht, daß im Kartellbußgeldverfahren nach § 81 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen v. 27. 7.1957 (BGBl. I S. 1081) die Festsetzung einer Geldbuße wegen einer Kartellordnungswidrigkeit nach §§ 38ff. WBG. durch Bußgeldbescheid nur dem Oberlandesgericht zusteht. Hier ist der Erlaß des Bußgeldbescheides fraglos formell und materiell ein Akt der Rechtsprechung. Läßt sich dann noch die Auffassung vertreten, daß die Festsetzung einer Geldbuße wegen einer anderen Ordnungswidrigkeit durch die Verwaltungsbehörde, die mit dem Vorbehalt der gerichtlichen Nachprüfung ergeht, wesensmäßig etwas anderes sei als die Festsetzung einer Geldbuße wegen einer Kartellordnungswidrigkeit unmittelbar durch das Gericht? Eine Vertiefung dieser Fragen würde indessen, wie schon gesagt, den Rahmen der über die Rechtsentwicklung berichtenden Übersicht überschreiten.
4. Reformversuche und Reformbestrebungen. Jede Strafverfahrensregelung stellt sich letztlich dar als ein positivrechtlicher Ausgleich des Gesetzgebers zwischen den Interessen der durch den Staat verkörperten Rechtsgemeinschaft an einer möglichst raschen und zielstrebigen Strafverfolgung zur Wiederherstellung des gestörten
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Kap. 4
Rechtsfriedens und an möglichst umfassenden Mitteln zur Aufklärung des Sachverhalts auf der einen Seite und denen des Beschuldigten an möglichst weitgehenden Schutzrechten zur Verteidigung gegen den erhobenen Vorwurf. Die Vorstellungen über den kriminalpolitisch richtigen Ausgleich und über den zweckmäßigsten Weg zur Wahrheitsfindung aber sind wandelbar und werden durch Änderungen der politischen und sozialen Verhältnisse, der Anschauungen über die Grenzen der Macht des Staates und der Bedeutung der Würde und Rechte des Individuums beeinflußt. Davon abgesehen, erweist sich auch eine umfassende gesetzliche Neuregelung des Verfahrens in der Regel alsbald in mehr oder weniger großem Umfang als verbesserungsbedürftig, weil die gehegten Praktikabilitätserwartungen sich nicht erfüllen und unvorhergesehene Zweifelsfragen, Mängel und Unvollkommenheiten hervortreten. Weiter werfen neu hervortretende Erkenntnisse und Erfindungen auf anderen Gebieten, etwa der Medizin und der Technik, die sich zur Verwendung bei der Verbrechensaufklärung eignen (Daktyloskopie, Blutproben, erbbiologische Ähnlichkeitsvergleiche, Wahrheitsseren, Lügendetektor, Tonbandaufnahmen), neue Probleme auf und machen neue Verfahrensvorschriften erforderlich. Schließlich führen Änderungen des materiellen Strafrechts, aber auch außerstrafrechtliche Neuerungen, insbesondere die Ausprägung von Grundrechten in neuen Verfassungen und überstaatliche Vereinbarungen zu Anpassungen auf dem Gebiet des Gerichtsverfassungs- und Verfahrensrechts. Die Klinke der Gesetzgebung muß also zwangsläufig oft betätigt werden, und die vielberufene Unrast der modernen Gesetzgebung beruht, soweit es sich um das Verfahrensrecht handelt, oft genug weniger auf ungezügeltem Reformdrang und perfektionistischem Bestreben als auf dem Zwang außerverfahrensrechtlicher Anstöße, denen die Verfahrensgesetzgebung genügen muß. Solange es geht, wird der Gesetzgeber sich mit Novellen begnügen; von Zeit zu Zeit muß dann das flickenübersäte Gewand durch ein neues ersetzt werden (in der Form der Bekanntmachung eines durchgängig bereinigten Textes). Immer wieder erhebt sich aber daneben der Ruf nach der umfassenden, der „großen" Reform, der Reform an Haupt und Gliedern. In der Übersicht unter 3 ist dargestellt worden, welche Änderungen StPO. und GVG. seit dem 1.10.1879 erfahren haben. Die dort gegebene Übersicht ist hier nach der Richtung zu ergänzen, daß die nicht verwirklichten Änderungswünsche wesentlicher Art, insbesondere aber die Versuche einer umfassenden Reform kurz geschildert werden 7 . a) Reformbestrebungen von 1879—1914. Die Bestrebungen nach Änderung der StPO. setzten schon bald nach deren Inkrafttreten am 1.10.1879 ein; sie hatten u. a. das bis heute umstrittene Problem der Einführung einer zweiten Tatsacheninstanz gegen erstinstanzliche Strafkammerurteile zum Gegenstand. In den Jahren 1883 und 1884 stellten einige Abgeordnete im Reichstag den Antrag, die Berufung gegen Urteile der Strafkammern in 1. Instanz einzuführen, über die die Strafsenate der Oberlandesgerichte entscheiden sollten. Die Reichstagskommission, der diese Anträge überwiesen wurden, beantragte am 3. 2.1885, der Reichstag möge die Erwartung aussprechen, daß die Regierung beschleunigt dem Reichstag einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlege. Eine Beschlußfassung des Reichstagsplenums unterblieb mit Rücksicht darauf, daß der Bundesrat damals mit einer Novelle zum GVG. und zur StPO. befaßt war, von der eine Regelung der Frage erwartet wurde. Der von der Regierung am 9. 5.1885 vorgelegte Entwurf einer Novelle, die übrigens nicht im Reichstag beraten wurde, enthielt aber die Einführung der Berufung gegen Strafkammerurteile nicht, weil, wie es in der Begründung hieß, die Regierung sich nicht habe überzeugen können, daß diese Maßnahme das geeignete Mittel sei, gerügten Übelständen abzuhelfen. Aus der Mitte des Reichstags wurde daraufhin erneut der frühere Antrag eingebracht, der diesmal auf Vorschlag der Reichstagskommission vom Plenum des Reichstags im Jahre 1886 in allen wesentlichen Punkten angenommen wurde. Der Bundesrat beharrte aber im März 3887 bei seinem Standpunkt. Abermals wurden in den Jahren 1887—1892 von den Abgeordneten Münckel und Reichensperger mehrfach entsprechende Anträge eingebracht, die zwar nicht im Reichstag verhandelt wurden, aber schließlich den Erfolg hatten, daß in dem am 6.12.1894 von der Reichsregierung erneut dem Reichstag vorgelegten Entwurf einer Novelle neben anderen Änderungen auch die Berufung gegen erstinstanzliche Strafkammerurteile vorgesehen war. Der bei 7 Eine eingehende Darstellung der älteren Reformbestrebungen mit Quellenangabe findet sich in der 19. Aufl. des Kommentars, S. 11 ff. In der Darstellung des Textes sind die dort geschilderten einzelnen Entwicklungsphasen summarisch zusammengefaßt.
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Sessionsende unerledigt gebliebene Regierungsentwurf wurde mit gewissen Änderungen im Dezember 1895 erneut dem Reichstag vorgelegt, schließlich aber zurückgezogen, weil die Regierung auf den Wunsch der Reichstagskommission, die erstinstanzliche Strafkammer mit 5 Richtern zu besetzen — der Regierungsentwurf sah nur 3 vor —, nicht eingehen wollte. Nach mehrfachen erfolglosen Versuchen in den Jahren 1896 und 1897, die ins Stocken geratene Reform durch vermittelnde Anträge aus der Mitte des Reichstags wieder zu beleben, forderte schließlich der Reichstag bei den Verhandlungen über die Militärstrafgerichtsordnung am 4. 5.1898 einstimmig die Regierung auf, dem Reichstag in der nächsten Session alsbald einen Gesetzentwurf über die Berufung in Strafsachen vorzulegen. Eine entsprechende Resolution faßte der Reichstag erneut und wiederum einstimmig am 19. 4.1902. Zur Vorbereitung einer umfassenden Reform berief nunmehr das Reichsjustizamt eine Kommission von 21 Mitgliedern, die aus Richtern, Staatsanwälten und Rechtslehrern bestand; ein Teil der Mitglieder waren zugleich Reichstagsabgeordnete. Die Kommission erledigte ihre Aufgabt in der Zeit vom 16. 2.1903 bis 1. 4.1095 in 86 Sitzungen. Die Protokolle u n d eine Zusammenstellung der Kommissionsbeschlüsse wurden im Jahre 1905 veröffentlicht; eine lebhafte Kritik schloß sich in der juristischen Öffentlichkeit daran an 8 . Im September 1908 veröffentlichte das Reichsjustizamt einen von ihm ausgearbeiteten „Entwurf einer Strafprozeßordnung und Novelle zum GVG." nebst Begründung (Verlag Otto Liebmann, Berlin 1908) — bei den Erläuterungen in diesem Werk als „ N E I " zitiert —, der auf die Beschlüsse der Kommission wenig Rücksicht nahm. Der Entwurf sah die Berufung gegen erstinstanzliche Strafkammerurteile vor; doch sollten darüber nicht die Oberlandesgerichte, sondern bei den Landgerichten gebildete besondere Berufungssenate entscheiden. Weitere wichtige Vorschläge betrafen die Einschränkung des Legalitätsprinzips, die Erweiterung der Parteienöffentlichkeit, die Verbesserung des Zwischenverfahrens, die Regelung des Beweisantragsrechts und d i r Untersuchungshaft, die Beschleunigung des Verfahrens und das Verfahren gegen Jugendliche. Nachdem der Bundesrat dem Entwurf im wesentlichen zugestimmt hatte, wurde er am 26. 3.1909 dem Reichstag vorgelegt (RT-Verhandl. Bd. 254 Drucks. Nr. 1310 — im vorliegenden Kommentar als „ N E I I " zitiert —), aber nicht mehr beraten und deshalb in der nächsten Periode am 26.11.1909 unverändert erneut eingebracht (RT-Verhandl. Bd. 270 Nr. 7). In der 1. Lesung v. 15.1.1910" überwies der Reichstag den Entwurf einer Kommission, die am 1 8 . 1 . 1 9 1 1 einen eingehenden Bericht erstattete 1 0 . Am 6. 2.1911 begann im Reichstag die 2. Lesung des Entwurfs. Sie wurde jedoch schon während der Beratung des GVG. abgebrochen, da eine Einigung über die Besetzung der Berufungssenate nicht zu erreichen war. Der Streit ging um die Mitwirkung von Laienbeisitzern in der Berufungsinstanz, die der Reichstag forderte, die Regierung aber ablehnte. Die Weiterberatung der Vorlage wurde zunächst bis zum Herbst 1911 zurückgestellt, zu diesem Zeitpunkt aber nicht wieder aufgenommen. Die Reform war damit gescheitert. Der Ausbruch des Weltkrieges 1914 setzte den Reformplänen ein vorläufiges Ende. b) Reformbestrebungen von 1919 bis zur Emminger-Retorm 1924. Erst nach dem Kriege begannen unter weitgehend veränderten Verhältnissen die Reformvorhaben wieder Gestalt anzunehmen. I m Dezember 1919 ließ der damalige Reichsjustizminister Schiffer den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des GVG. veröffentlichen, dem bald darauf — 1920 — der Entwurf eines Gesetzes über den Rechtsgang in Strafsachen folgte 1 1 — im vorliegenden Kommentar zitiert als „ N E I I I " —. Dieser Entwurf entfernte sich weitgehend von den Grundgedanken der früheren Regierungsentwürfe und wollte neue Wege beschreiten. Unter den Vorschlägen sind hervorzuheben auf dem Gebiet der Gerichtsverfassung die Beseitigung der Strafkammer als Gericht erster Instanz und die Übertragung ihrer Zuständigkeit auf das Schöffengericht, die Besetzung auch der Berufungsgerichte mit Schöffen, die Heranziehung der Frauen zum Schöffen- und Geschworenenamt, und auf dem Gebiet des Strafverfahrens die Beseitigung der Voruntersuchung und des Eröffnungsbeschlusses, die Ausdehnung der Privatklage (Eigenklage) und der Parteienöffentlichkeit, die Einschränkung der Untersuchungshaft und des Legalitätsprin8 Vgl. u. a. A s c h r o t t , Reform des Strafprozesses 1906, v. L i s z t , Die Reform des Strafverfahrens 1906, H e i n e m a n n , Die rechtliche Stellung- des Angeklagten 1906; Mitteilungen der IKV. 14 239, 300, 305, 309. 9 Sten. Ber. S. 566. 10 Bd. 278 Nr. 638 S. 3108. 11 Erschienen im Verlag Otto Liebmann, Berlin 1920.
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zips. Diese Entwürfe, deren Vorschläge in der Öffentlichkeit z. T. heftige Kritik hervorriefen12, gelangten nicht an den Reichstag; der Entw. 1920 ist schon vom Reichsrat nicht verabschiedet worden. Am 19. 6.1921 legte der damals amtierende Reichsjustizminister Dr. Radbruch dem Reichsrat den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung der Strafgerichte 13 vor. Auch dieser Entwurf hielt an dem Gedanken fest, die Strafkammer als Gericht erster Instanz zu beseitigen und ihre Zuständigkeit einem Schöffengericht mit erweiterter Besetzung zu übertragen. In den Schöffengerichten und den Strafkammern als Berufungsgerichten sollten die Schöffen die Mehrheit haben. Weitere Vorschläge betrafen die Zusammensetzung der Ausschüsse für die Wahl der Schöffen und Geschworenen; das Stimrprecht des Amtsrichters und des Staatsverwaltungsbeamten sollte beseitigt und die Mitglieder dieses Ausschusses sollten nach den für die Wahl in politischen Angelegenheiten geltenden Grundsätzen gewählt werden. Der Entwurf wurde, nachdem zwischen Regierung und Reichsrat eine Einigung erzielt war, mit wesentlichen Abweichungen gegenüber der ursprünglichen Regierungsvorlage am 29. 5.1923 von dem neuen Reichsjustizminister Heinze dem Reichstag vorgelegt14. Die wichtigste Abweichung bestand in dem Vorschlag, das Schwurgericht unter Beibehaltung seines Namens und unter Herabsetzung der Geschworenenzahl in ein besonders großes Schöffengericht umzuwandeln. Die Vorschläge des Entwurfs Radbruch, daß die Schöffen im Großen Schöffengericht und in der Berufungsstrafkammer die Mehrheit haben sollten und daß der Ausschuß für die Wahl der Schöffen und Geschworenen umzugestalten sei, wurden fallen gelassen. Der Reichstag überwies in seiner Sitzung v. 5.6.1923 den Entwurf dem Rechtsausschuß; zu einer Beschlußfassung des Rechtsausschusses ist es nicht mehr gekommen. Nachdem in der Zwischenzeit bereits einige Reformanliegen durch Einzelgesetze verwirklicht waren (Gesetz über die Heranziehung der Frauen zum Schöffen- und Geschworenenamt v. 25. 4.1922 — RGBl. I 465 —, Gesetz über die Zulassung der Frauen zu den Ämtern und Berufen der Rechtspflege v. 11. 7.1922 — RGBl. 1573 —, Jugendgerichtsgesetz v. 16. 2.1923 — RGBl. I 135 —), machte die Reichsregierung von der ihr aus Anlaß der Währungsstabilisierung durch das Ermächtigungsgesetz v. 8.12.1923 (RGBl. I 1179) eingeräumten Befugnis, durch Verordnungen Recht zu setzen, Gebrauch, um wesentliche Gedanken der steckengebliebenen Reform im Verordnungswege zu verwirklichen. Die oben (S. 5) besprochene ,,Emminger"-VO. v. 4.1.1924 (RGBl. I 15) führte die Vorschläge der Entwürfe Radbruch und Heinze hinsichtlich der Beseitigung der Strafkammern als Gerichte erster Instanz durch, wandelte die Schwurgerichte in große Schöffengerichte um und schränkte den Verfolgungszwang ein. Die Dreigliedrigkeit in der Besetzung des Amtsgerichts — Einzelrichter, Schöffengericht in der Besetzung mit einem Richter und zwei Schöffen und erweitertes Schöffengericht mit zwei Richtern und zwei Schöffen— führte zu einer beweglichen Wahlzuständigkeit dergestalt, daß es in weitem Umfang von dem Willen der Staatsanwaltschaft abhängig gemacht wurde, ob die Verhandlung vor dem Einzelrichter, dem einfachen oder dem erweiterten Schöffengericht stattfand und von dieser Entschließung hing es wiederum ab, ob für die Berufung die Kleine oder die Große Strafkammer und ob für die Revision das Oberlandesgericht oder das Reichsgericht zuständig war. Die auf Beschränkung der Untersuchungshaft gerichteten Vorschläge fanden erst aus Anlaß eines aufsehenerregenden Einzelfalles in der Novelle v. 27.12.1926 ihre Verwirklichung. Die viel angegriffene Methode der Emminger-Reform, unter Ausschaltung eines langwierigen parlamentarischen Gesetzgebungsganges Reformen durch Regierungsdekret einzuführen — mochten sie zunächst auch nur als eine unter dem Druck der Verhältnisse notwendige Zwischenlösung gedacht sein —, hatte aber immerhin den Vorteil, daß nunmehr praktisch erprobt werden konnte, ob die alte und umstrittene Reformforderung, grundsätzlich in allen Sachen eine zweite Tatsacheninstanz zu eröffnen, sich auf dem Weg einer Beseitigung der erstinstanzlichen Strafkammer befriedigend lösen lasse. Die Entwicklung hat gezeigt, daß diese „Patentlösung" sich nicht halten ließ. Diese Beurteilung wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, daß es wiederum der Druck der Verhältnisse, die „Diktatur der Armut", war, die schrittweise durch die NotVOen. v. 6.10.1931 und 14. 6.1932 die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Strafkammer erzwang. Das Verlangen, den Schwerpunkt der erstinstanzlichen Strafrechtspflege wieder an die Landgerichte zu verlegen, war schon vorher erhoben worden15. Die Erfahrung hatte jedenfalls gezeigt, " V g l . J W . 1920 259. Veröffentlicht im Reichsanzeiger Nr. 157 v. 19. 7. 1922. 14 RT.-Drucksache Nr. 5884 der 1. Wahlperiode. 16 Vgl. namentlich Graf zu D o h n a , Gutachten zum 35. Deutschen Juristentag,Verhandl. Bd. l S . 1 2 9 f f . 13
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daß die Befassung mit umfangreichen Verfahren die Kräfte auch eines erweiterten Schöffengerichts oft übersteigt. Das Problem der zweiten Tatsacheninstanz war damit freilich noch nicht erledigt, doch war auch nach dieser Richtung Erfahrungsmaterial insofern angefallen, als gerade die Figur der Monstreprozesse, die den ersten Anstoß zur Wiedereinführung der erstinstanzlichen Strafkammer gab, die Bedenken zeigte, die einer umfassenden Wiederholung des gesamten Prozeßstoffs in einer zweiten Tatsacheninstanz entgegenstehen können. c) Die Reformvorschläge des EGStGB.-Entw. 1930. Neue Impulse zu umfassenderen Reformvorschlägen ergaben sich im Zusammenhang mit den Bemühungen um die Schaffung eines Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuchs. Im Jahre 1927 hatte der Reichsjustizminister dem Reichstag mit Zustimmung des Reichsrats den Entwurf eines neuen StGB, vorgelegt, dessen parlamentarische Behandlung im Rechtsausschuß schließlich infolge der Zuspitzung der innenpolitischen Lage auf zunehmende Schwierigkeiten stieß. Im Jahre 1930 war das Schicksal der Reform bereits kritisch geworden. Der gleichfalls im Jahre 1927 dem Reichstag vorgelegte Entwurf eines Strafvollzugsgesetzes, der namentlich eine gesetzliche Regelung der Rechtsstellung des Strafgefangenen im Vollzug vorsah (RT-Drucks. Nr. 3628), war noch nicht beraten worden. Unter dem 20. 5.1930 legte der Reichsjustizminister mit Zustimmung des Reichsrats dem Reichstag den Entwurf eines „Einführungsgesetzes zum Allgemeinen Deutschen Strafgesetzbuch und zum Strafvollzugsgesetz 1930" 16 vor (RT-Drucks. Nr. 2070). Dieser Entw. enthielt in den Art. 68—71 zahlreiche Vorschläge zur Änderung von GVG. und StPO. Den Gedanken einer gleichzeitig mit der Strafrechtsreform durchzuführenden umfassenden Neuregelung des Strafverfahrens, verbunden mit einem tiefgreifenden Umbau der Gerichtsverfassung, wie letzterer damals namentlich von dem früheren Reichsjustizminister Schiffer 17 wieder gefordert wurde, lehnte die amtl. Begründung freilich ab, als unvereinbar mit dem Ziel, die Strafrechtsreform möglichst bald durchzuführen und in Kraft setzen zu können; dieses Ziel sei nach den Erfahrungen der früheren Reformversuche und angesichts der Meinungsverschiedenheiten darüber, welche Linien eine Gesamtreform einzuhalten hätte, nur erreichbar, „wenn Gerichtsverfassung und Strafverfahren in ihren wesentlichen Grundzügen aufrechterhalten werden und das Einführungsgesetz sich damit bescheidet, solche Vereinfachungen und Verbesserungen des bestehenden Zustandes herbeizuführen, die sich in den vorhandenen Aufbau ohne große Schwierigkeiten und insbesondere ohne Zeitverlust organisch eingliedern lassen". Eine umfassende Reform oder die Regelung umstrittener Teilprobleme — die Begründung führt als Beispiele die Ersetzung des Offizialprinzips durch das Parteiprinzip nach englischem Muster und die Beseitigung der Voruntersuchung an — müsse einer späteren Zukunft vorbehalten bleiben. Immerhin wollte sich auch in diesem beschränkten Rahmen der Entwurf nicht nur mit solchen Änderungen von GVG. und StPO. begnügen, die in einer mehr oder weniger zwangsläufigen Anpassung an die Neugestaltung des materiellen Strafrechts bestanden, sondern gleichzeitig — z. T. im Anschluß an die früheren Entwürfe — eine Reihe von Reformen bringen, deren Lösung im Zusammenhang mit der Strafrechtsreform zwar nicht unbedingt geboten sei, aber ihrem Geiste entspreche und zweckmäßig sei. So wollte der Entw. auf dem G e b i e t des GVG. es zwar bei der Beseitigung der erstinstanzlichen Zuständigkeit der Strafkammer und bei der Umgestaltung des Schwurgerichts belassen, doch sollte die Zuständigkeit des Einzelrichters gegenüber dem bisherigen Recht eingeschränkt werden. (Art. 68 Nr. 3.) Zur Erhaltung einer einheitlichen Rechtsprechung sollte eine Vorlegungspflicht eingeführt werden, wenn ein OLG. als Revisionsgericht von einer in einer amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheidung des RG. in einer Rechtsfrage des Reichsstrafrechts, Reichsstrafprozeßrechts oder der reichsrechtlichen Gerichtsverfassung abweichen wollte (Art. 68 Nr. 30). Die Öffentlichkeit des Verfahrens sollte in weiterem Umfang ausgeschlossen werden können, insbesondere dann, wenn die Verhandlung persönliche Angelegenheiten (z. B. intime Dinge des Privat- und Familienlebens) zum Gegenstand hat, die das öffentliche Interesse nicht berühren, sofern von einer öffentlichen Verhandlung für den Betroffenen erhebliche, außerhalb des Zweckes des Verfahrens liegende Nachteile zu besorgen sind (Art. 68 Nr. 42 ff). Auf dem G e b i e t der S t P O . sind an bedeutsamen Vorschlägen u . a . zu erwähnen: die Beseitigung des Eröffnungsbeschlusses und sein Ersatz durch die Anordnung der Hauptver1S
Im folgenden als EGStGB.-Entw. 1930 zitiert. S c h i f f e r , „Die deutsche Justiz", und S c h i f f e r , „Entw. eines Gesetzes zur Neuordnung des deutschen Rechtswesens nebst Begründung", Berlin 1928. 17
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handlung seitens des Vorsitzenden (Art. 70 Nr. 115), die Erleichterung der Wiederaufnahme des Verfahrens gegenüber einem rechtskräftigen Urteil oder Strafbefehl, wonach in erster Linie die Wiederaufnahmevoraussetzungen zugunsten des Verurteilten, in gewissem Umfang aber auch diejenigen zuungunsten des Angeklagten erweitert werden sollten (Art. 70 Nr. 195). Zur Verbesserung des Ehrenschutzes war die Ermöglichung eines besonderen Feststellungsverfahrens bei übler Nachrede vorgesehen, wonach der Verletzte als Privat- oder Nebenkläger im Strafverfahren oder selbständig durch Erhebung einer Feststellungsklage, die in einem dem Privatklageverfahren ähnlichen Verfahren durchgeführt werden sollte, gegen den, der eine ehrenrührige Behauptung aufgestellt oder verbreitet hat, die Feststellung sollte beantragen können, daß der Inhalt der Behauptung unwahr sei (Art. 70 Nr. 219). Weitere Vorschläge betrafen die Einführung des Adhäsionsverfahrens (Art. 70 Nr. 220) und die Einführung eines vereinfachten Verfahrens zur polizeilichen Ahndung von Übertretungen, wonach die Polizeibehörde bei bestimmten Arten von Übertretungen gegen den auf frischer Tat betroffenen Täter Geldstrafen in geringer Höhe sofort sollte festsetzen und erheben können, wenn der Täter die Zuwiderhandlung vorbehaltlos einräumt und zu sofortiger Zahlung der Geldstrafe bereit ist (Art. 70 Nr. 234). Als wichtige Änderungsvorschläge sind ferner noch zu nennen die Festlegung der Voraussetzungen, unter denen ein Beweisantrag abgelehnt werden kann (Art. 70 Nr. 136; Ergänzung des § 244 im Anschluß an die Entwürfe von 1908 und 1920), die Erweiterung des notwendigen Inhalts der Urteilsgründe (Art. 70 Nr. 145, §267e: Zwang zur Angabe der Tatsachen, aus denen beim Indizienbeweis die Täterschaft gefolgert wird, Darlegung der Gründe, die für die Überzeugung des Gerichts maßgebend sind, Zwang zur Würdigung von Tatsachenbehauptungen, deren Aufnahme ein Beteiligter als entscheidungswesentlich in das Protokoll begehrt hat, obligatorische Anführung der Strafbemessungsgründe), die Erweiterung des Inhalts des Protokolls und die Einführung eines Protokollberichtigungsverfahrens (Art. 70 Nr. 149, §§ 273, 273 a), die Schaffung eines Gerichtsstands des Verwahrungsortes (Art. 70 Nr. 2, neuer § 8 a), die Rechtsmittelbelehrung bei Entscheidungen, die mit fristgebundenem Rechtsmittel anfechtbar sind (Art. 70 Nr. 16)die Verminderune der Eidesleistungen, indem die Beeidigung eines Zeugen nur noch ausnahmsweise, nämlich nur dann zulässig sein sollte, wenn das Gericht der Aussage ausschlaggebende Bedeutung für die Urteilsfindung beimißt und die Beeidigung bei Würdigung der Sachlage als äußerstes Mittel zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage erachtet, während für den Regelfall der Zeugeneid durch eine Versicherung der Richtigkeit nnd Vollständigkeit der Aussage unter Berufung auf die Pflicht zur Wahrheit ersetzt werden sollte (Art. 70 Nr. 30). Endlich sollten die Vorschriften über den Strafbescheid der Verwaltungsbehörden (§§ 419 ff.) beseitigt und durch Vorschriften ersetzt werden, die den Anwendungsbereich der Vorschriften der Reichsabgabenordnung über das Strafbescheidsverfahren des Finanzamts auf alle Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über öffentlich-rechtliche Abgaben erstreckten (Art. 70 Nr. 235). Auch sollten die Vorschriften über die Strafvollstreckung (§§ 449—463) in das Strafvollzugsgesetz übernommen und deshalb in der StPO. gestrichen werden (Art. 70 Nr. 243). In Wahrheit bezweckte danach angesichts der Zahl und Bedeutung der Änderungsvorschläge, trotz gegenteiliger Versicherung der amtl. Begr., der Entwurf eine umfassende, eine „große", Verfahrensreform. Mit dem Scheitern der Strafrechtsreform war auch das Schicksal des EGStGB.-Entw. 1930 besiegelt; doch hat, wie oben unter 3 dargestellt, die spätere Gesetzgebung auf eine Reihe von Vorschlägen des Entwurfs zurückgegriffen und sie unverändert oder abgewandelt zum Gesetz erhoben. d) Der StPO.-Entw. 1989. Im Gegensatz zu den vorgeschilderten Reformplänen, zunächst eine Strafrechtsreform und erst später eine Erneuerung der Strafgerichtsorganisation und des Verfahrensrechts herbeizuführen, gingen die Absichten in der Zeit der Herrschaft des Nationalsozialismus von vornherein dahin, eine Totalreform auf den genannten Gebieten gleichzeitig durchzuführen. Während die „Amtliche Strafrechtskommission" mit der Aufstellung eines StGB.-Entwurfs beschäftigt war, begann noch im Jahre 1933 eine innerhalb des Reichsjustizministeriums aus Praktikern und den Ministerialreferenten gebildete Vorkommission mit der Aufstellung des Vorentwurfs einer Strafverfahrensordnung, die zugleich die Strafgerichtsorganisation enthalten sollte. Nach Beendigung dieser Arbeit berief der Reichs justizminister im November 1936 eine größere Kommission, die aus Richtern, Staatsanwälten, Rechtslehrern, einem Vertreter der Rechtsanwaltschaft und den Kommissaren des Reichsjustizministeriums bestand und unter dem Vorsitz des
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damaligen Reichsjustizministers Dr. Gürtner tagte. Der an Hand des Vorentwurfs erstellte Entwurf wurde in zwei Lesungen beraten. Die Arbeiten der „Amtlichen Strafprozeßkommission" waren Ende 1938 beendet. Ihr Ergebnis ist der am 1. 5.1939 abgeschlossene „Entwurf einer Strafverfahrensordnung und einer Friedensrichter- und Schiedsmannsordnung" mit Begründung, der im Druck vorlag, der Öffentlichkeit aber nicht zugänglich gemacht wurde. Diese wurde vielmehr nach der ersten Lesung durch den im April 1938 vom Reichsjustizminister unter Mitwirkung von Mitgliedern der Kommisions und Sachbearbeitern des Reichs Justizministeriums herausgegebenen „Bericht der Amtlichen Strafprozeßkommission" unterrichtet. Der endgültige Entwurf weicht von dem Entwurf erster Lesung, der den Gegenstand des „Berichts" bildet, nach mehreren Richtungen ab; die Abweichungen betreffen insbesondere die Gestaltung der Urteilsrüge (s. u. S. 33) und die Einführung von zwei außerordentlichen Rechtsbehelfen, des außerordentlichen Einspruchs und der Nichtigkeitsbeschwerde. Der Ausbruch des Krieges setzte den Reformplänen ein Ende, doch wurden, wie oben S. 13 ff. geschildert, durch die Kriegsgesetzgebung eine Reihe wesentlicher Reformpunkte in Form von Novellen durchgeführt. Was den Entwurf 1939 entscheidend von seinen Vorgängern abhebt, sind nicht die einzelnen Abweichungen vom bisherigen Recht, etwa nach dem Stand vom 3 0 . 1 . 1 9 3 3 , oder von den vorangegangenen Entwürfen zu einer Neuordnung des Verfahrensrechts — der Entwurf 1939 greift in einer Reihe von Fällen auf frühere Reformvorschläge zurück, und manches von dem, was aus ihm während des Krieges in Novellenform in Kraft gesetzt worden ist, gehört auch heute noch als wirklicher Fortschritt zum gesicherten Bestand —, sondern ist seine geistig-weltanschauliche Grundhaltung. Die amtl. Begründung (S. 1) führt dazu aus: „Die bisher geltende Strafprozeßordnung von 1877 ist individualistisch ausgerichtet. Sie bildet eine Ergänzung verfassungsmäßiger ,Grundrechte', die die möglichste ,Freiheit' des Einzelnen gegenüber der Staatsgewalt zum Ausgangspunkt und Ziel haben. Die Voraussetzungen und Wege, unter denen sie Eingriffe in Ehre, Leben, Freiheit und Vermögen des Einzelnen zuläßt, sind wesentlich darauf abgestimmt, die Individualfreiheit zu schützen. Das Schutz- und Sühnebedürfnis der Volksgemeinschaft ist demgegenüber in der Strafprozeßordnung von 1877 stark vernachlässigt worden. Ein solches Verfahrensrecht, dessen Ausgangspunkt und Grundgedanken im Gegensatz zum nationalsozialistischen Rechtsdenken stehen, kann nicht durch Änderung einzelner Vorschriften derart umgestaltet werden, daß es den Anforderungen des neuen Rechtsdenkens entspricht. Eine von natioaalsozialistischem Geist getragene Rechtsanwendung kann nur gewährleistet werden, wenn die Grundsätze dieses neuen Rechtsdenkens alle Einzelheiten durchdringen und die Arbeitsordnung der Strafrechtspflege im ganzen neu gestalten . . . " . In der Tat waren alle bisherigen Reformbemühungen davon ausgegangen, daß das Interesse des Staates, den Strafanspruch zur Sicherung der Allgemeinheit rasch und nachdrücklich durchzusetzen, auf der einen Seite, und der Schutz des Beschuldigten, dessen Schuld oder Unschuld ja erst festgestellt werden soll, vor nicht unumgänglich notwendigen Eingriffen in seine Persönlichkeitssphäre auf der anderen Seite gleichrangige Anliegen seien und daß die staatlichen Zugriffsmöglichkeiten ihre Grenzen in der unverzichtbaren Achtung der Menschenwürde des Beschuldigten finden müssen, wobei die eigentlichen Schwierigkeiten in der richtigen Grenzziehung, in der gerechten Berücksichtigung der widerstreitenden Interessen lagen und liegen. Indem der Entw. 1939 unter Preisgabe dieser Grundhaltung dem „Schutz- und Sühnebedürfnis der Volksgemeinschaft" grundsätzlich den Vorrang gegenüber dem „individualistischen" Bestreben nach möglichst weitgehendem Schutz der „Freiheit" des Beschuldigten einräumen wollte, erweist er sich als eine Episode in der Geschichte der modernen Strafverfahrensreform. Nur wäre es ungerecht, a l l e n Vorschlägen des Entwurfs mit gleichem Mißtrauen zu begegnen; im einzelnen bringt der Entwurf, der ja selbst altes Reformgut aufnahm, manchen Gedanken, der, von der vorbezeichneten Grundeinstellung nicht berührt, bei künftigen Reformarbeiten der Erörterung wert erscheint. Der Entw. enthält zunächst Vorschriften über die sachliche Zuständigkeit und den Rechtsmittelzug in Strafsachen, während die Strafgerichtsorganisation im übrigen im GVG. geregelt werden sollte. Als Strafgerichte des 1. Rechtszuges waren vorgesehen: a) für die kleine und mittlere Kriminalität der Amtsrichter als E i n z e l r i c h t e r . Eine Beteiligung von Schöffen sollte es beim Amtsgericht nicht mehr geben. Die Strafgewalt des Amtsrichters sollte Haft, Gefängnis und Festungshaft bis zu fünf Jahren, Zuchthaus bis zu zwei Jahren und die sichernden Maßregeln mit Ausnahme von Sicherungsverwahrung, Entmannung und Berufsverbot auf Lebenszeit umfassen; b) für die schwere Kriminalität die beim Landgericht gebildete S c h ö f f e n k a m m e r , in
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der Hauptverhandlung besetzt mit drei Berufsrichtern und zwei Schöffen. Das Schwurgericht sollte wegfallen. Die Strafgewalt der Schöffenkammer sollte sämtliche im Gesetz vorgesehenen Strafen und Maßregeln umfassen. Die Zuständigkeit von Amtsrichter oder Schöffenkammer im Einzelfall zu bestimmen sollte Sache des Staatsanwalts bei Erhebung der Anklage sein; er sollte Anklage vor dem Amtsrichter erheben, wenn er dessen Strafgewalt für ausreichend hielt, und die Schöffenkammer nur angehen, wenn er die amtsrichterliche Strafgewalt nicht für ausreichend oder die Verhandlung vor dem Amtsrichter mit Rücksicht auf Umfang oder Bedeutung der Sache nicht für angezeigt hielt. Als erstinstanzliche Strafgerichte für S o n d e r f ä l l e waren vorgesehen: a) die beim Landgericht gebildete S t r a f k a m m e r in der Besetzung mit drei Berufsrichtern (also ohne Schöffen), die an die Stelle der bisherigen Sondergerichte treten und deren Zuständigkeit neben einer Reihe bestimmter Straftaten solche Delikte umfassen sollte, bei denen der Staatsanwalt mit Rücksicht auf ihre Schwere oder Verwerflichkeit oder die in der Öffentlichkeit hervorgerufene Erregung die sofortige Aburteilung durch die Strafkammer für geboten hält; b) der V o l k s g e r i c h t s h o f und — kraft Abgabe — die O b e r l a n d e s g e r i c h t e in Hoch- und Landesverratssachen und bei einigen gleichgestellten Delikten; sie sollten in der Hauptverhandlung mit zwei Berufsrichtern und drei ehrenamtlichen Richtern besetzt sein; c) der B e s o n d e r e S t r a f s e n a t des Reichsgerichts, besetzt mit drei Berufsrichtern und zwei ehrenamtlichen Richtern, wenn — für seltene Ausnahmefälle gedacht — der Oberreichsanwalt vor ihm wegen der besonderen Bedeutung der Sache Anklage erhob. Die R e c h t s m i t t e l sollten gegenüber dem bisherigen Recht beschränkt werden. Gegen Urteile des Amtsrichters sollte es nur die Berufung an die Schöffenkammer des Landgerichts geben, die dann letztinstanzlich entschied; die Oberlandesgerichte hätten damit aufgehört, Revisionsgerichte in Strafsachen zu sein. Gegen erstinstanzliche Urteile der Schöffenkammern war (nur) die Urteilsrüge, die an die Stelle der bisherigen Revision treten sollte, an das Reichsgericht, besetzt mit fünf Berufsrichtern, vorgesehen. Unanfechtbar sollten sein die erstinstanzlichen Urteile der Strafkammern, der Oberlandesgerichte, des Volksgerichtshofs und des Besonderen Strafsenats des Reichsgerichts. Diese Beschränkung der ordentlichen Rechtsmittel sollte mit einer Erweiterung der außerordentlichen Rechtsbehelfe gegen rechtskräftige Urteile verbunden werden. Neben der — namentlich zuungunsten des Angeklagten — erweiterten Wiederaufnahme des Verfahrens kannte deT Entwurf noch an außerordentlichen Rechtsbehelfen gegen rechtskräftige Urteile die Nichtigkeitsbeschwerde („wenn das Urteil wegen eines groben Fehlers bei der Anwendung des Rechts auf die festgestellten Tatsachen ungerecht ist", § 370) und den außerordentlichen Einspruch („wegen schwerwiegender Bedenken gegen die Richtigkeit des Urteils", § 373), die nur dem Oberreichsanwalt beim Reichsgericht zustehen und zu einer Entscheidung des Reichsgerichts führen sollten. Die Gestaltung des Verfahrens wird vornehmlich von zwei Gesichtspunkten beherrscht: der „Auflockerung des Verfahrens" zur Verwirklichung „wahrer Gerechtigkeit" und der Erweiterung der Machtbefugnisse des weisungsgebundenen Staatsanwalts auf Kosten bisheriger gerichtlicher Befugnisse. Die „ A u f l o c k e r u n g des V e r f a h r e n s " sollte — abgesehen von der vorerwähnten Beschränkung der Rechtskraft durch Erweiterung und Vermehrung der außerordentlichen Rechtsbehelfe — vor allem in der „Beseitigung aller nicht unbedingt notwendigen Formvorschriften" (Begr. S. 4) und in der Erweiterung des richterlichen Ermessens durch Beseitigung der das Ermessen beschränkenden Vorschriften bestehen — also in einem Abbau der bisherigen rechtsstaatlichen Garantien zum Schutz des Angeklagten. So sollten z. B. die im bisherigen Recht bestehenden förmlichen Bindungen des Gerichts an eine Zustimmung des Angeklagten zu bestimmten Verfahrenshandlungen beseitigt werden. Der Strengbeweis des bisherigen Rechts sollte abgemildert werden. Die Einschränkungen des richterlichen Ermessens bei der Ablehnung von Beweisanträgen sollten entfallen. Über den Umfang der Beweisaufnahme besagten die §§ 64, 65 nur, daß das Gericht von Amts wegen alles zur Wahrheitserforschung Notwendige zu tun habe und daß über Beweisanträge der Vorsitzer, der auch sonst entsprechend dem „Führerprinzip" grundsätzlich die dem Urteil vorangehenden Entscheidungen zu treffen hatte (§ 50), durch Beschluß entscheide. Weiterhin sollten — in Einschränkung des Grundsatzes der Unmittelbarkeit — grundsätzlich alle vorhandenen Beweismittel ausgeschöpft werden können. „Der Entwurf lockert daher die zu starren Regeln des geltenden Rechts über die Zulassung und Verwendung von Beweismitteln. Die Möglichkeit, beim Mangel besserer Beweismittel Schriftstücke zu verlesen, wird im Interesse der Wahrheitserforschung erweitert. Das hervor-
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ragendste Beweismittel, die Zeugenaussage, wird für das Strafverfahren in weiterem Umfange nutzbar gemacht als bisher. Die Befugnis zur Aussageverweigerung aus persönlichen Gründen wird dem höheren Interesse des Volksgemeinschaft an der Wahrheitserforschung und Strafverfolgung untergeordnet" (Begr. S. 4). Die E r w e i t e r u n g der M a c h t b e f u g n i s s e des S t a a t s a n w a l t s , die die Eingriffsmöglichkeiten der Justizverwaltung durch Erteilung von Weisungen sichern sollte, wird nach dem Entw. erreicht durch eine scharfe Trennung des Vorverfahrens vom Hauptverfahren. Für das Vorverfahren sollte der Staatsanwalt, für das Hauptverfahren das Gericht „die Verantwortung tragen". Das kommt im Vorverfahren zunächst durch eine stärkere Betonung des Anklagemonopols der Staatsanwaltschaft zum Ausdruck: Die Privatklage, die Nebenklage des Verletzten und das Anklageerzwingungsverfahren (§§ 172ff. StPO.) sollten beseitigt werden. An die Stelle des Privatklageverfahrens sollte nach dem Entwurf der Friedensrichterordnung ein friedensrichterliches Verfahren mit dem Ziel einer Gesamtbefriedigung der Beteiligten durch friedensrichterliche Mittel und unter Verzicht auf die Verhängung krimineller Strafen treten. Das Legalitätsprinzip wurde grundsätzlich aufrechterhalten, sollte aber allgemein dahin gelockert werden, daß der Staatsanwalt (ohne richterliche Kontrolle) von Verfolgung sollte absehen können, „wenn sie nicht zum Schutz des Volkes oder zur Sühne der Tat geboten und wenn die Schuld des Täters so gering ist, daß voraussichtlicu von Strafe abgesehen oder höchstens auf Gefängnis, Festungshaft oder Haft von einem Monat, Geldstrafe von 30 Tagesbußen . . . erkannt werden würde" (§ 15). Vor allem sollten die Machtmittel des Staatsanwalts als Untersuchungsführer im Vorverfahren erweitert werden. Für Zeugen und Sachverständige war die Pflicht zum Erscheinen und zur Aussage vor dem Staatsanwalt und der ihn unterstützenden Polizei vorgesehen; dem Staatsanwalt sollte das Recht zustehen, Ungehorsamsstrafen zu verhängen und Zwangsmaßnahmen anzuordnen (§ 186) und nur bei Freiheitsentziehung sollte dagegen die Anrufung des Gerichts möglich sein. Auch die Entscheidung über die sonstigen prozessualen Zwangsmittel — Vorführung des Beschuldigten, Untersuchungshaft, Beschlagnahme, Durchsuchung, Untersuchung von Menschen — war nach dem Entwurf im Vorverfahren dem Staatsanwalt übertragen; nur gegen die Anordnung der Vermögensbeschlagnahme und gegen den Haftbefehl des Staatsanwalts (und auch erst nach mehr als zweiwöchiger Dauer der Untersuchungshaft) sollte das Gericht (der Vorsitzer der Strafkammer) angerufen werden können, während im übrigen gegen Verfügungen des Staatsanwalts nur die Beschwerde an seinen Vorgesetzten zulässig sein sollte (§§ 215, 249, 314). An richterlichen Tätigkeiten im Vorverfahren waren nur — auf Antrag des Staatsanwalts — die Vorwegnahme einer Beweisaufnahme des Hauptverfahrens durch Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen und Augenscheinseinnahme, wenn sie im Hauptverfahren voraussichtlich unmöglich waren, und die eidliche Vernehmung von Zeugen zur Herbeiführung einer wahrheitsgemäßen Aussage vorbehalten. Die Voruntersuchung wollte der Entwurf grundsätzlich beseitigen; sie sollte nur noch ausnahmsweise in Betracht kommen, wenn „wegen außergewöhnlicher Umstände" die Führung des Vorverfahrens durch einen Richter geboten erschien (§ 377); gedacht war, wie die Begr. (S. 182) ergibt, an Fälle, „in denen die Vornahme der Ermittlungen durch den weisungsgebundenen Staatsanwalt zu Mißdeutungen Anlaß geben könnte, z. B. wenn eine Untersuchung wegen der Persönlichkeit des Täters oder der Art der Tat unter innen- oder außenpolitischen Gesichtspunkten besonders heikel ist". Daß die Wahl zwischen der erstinstanzlichen Zuständigkeit des Amtsrichters oder der Schöffenkammer in die Hand des anklagenden Staatsanwalts gelegt werden sollte, ist bereits oben hervorgehoben. An bedeutsameren Vorschlägen mögen im übrigen noch erwähnt werden: die Pflicht zur Vernehmung des Beschuldigten vor Erhebung der Anklage (§ 12), die Pflicht des Staatsanwalts, in wichtigeren Sachen den Beschuldigten nach Abschluß der Ermittlungen zu deren Ergebnis zu hören und seinem Verteidiger Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben (§ 13 Abs. 2), das Recht des Verteidigers, in die Akten des Vorverfahrens Einsicht zu nehmen (§ 146), die Beseitigung des Eröffnungsverfahrens und sein Ersatz durch die Anberaumung der Hauptverhandlung seitens des Vorsitzers (§§ 32ff.), die Vorschriften über den Ehrenschutz des Verletzten (§§ 423ff.), wonach im Strafverfahren wegen Ehrenkränkung das Gericht auf Antrag des Verletzten im Urteilsspruch eine Feststellung über die Unwahrheit der ehrenrührigen oder herabsetzenden Behauptung trifft, und, wenn es zu einem Hauptverfahren nicht kommt, der Staatsanwalt auf Antrag des Verletzten gegen den, der eine solche Behauptung aufgestellt oder verbreitet hat, eine Feststellungsklage erheben kann (selbständiges Feststellungsverfahren), die Rehabilitierung des Freigesprochenen durch Niederlegung in den Urteilsgründen, wenn das Gericht ihn für unschuldig
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erachtet oder überzeugt ist, daß kein begründeter Verdacht gegen ihn besteht (§ 91), elastischere Gestaltung der Kostenvorschriften unter Erweiterung des richterlichen Ermessens zur Vermeidung von Unbilligkeiten und Härten (§§ 453), die Umgestaltung des Wiederaufnahmerechts durch Parallelisierung der Gründe für die Wiederaufnahme zugunsten wie zuungunsten des Verurteilten oder Freigesprochenen und durch Zulassung eines neuen Wiederaufnahmegrundes der Beschwer durch die die Ehre des Angeklagten berührenden Gründe eines freisprechenden oder verfahrenseinstellenden Urteils (§§ 364ff.), und die Einführung des Adhäsionsverfahrens (§§ 438ff.). Neue Wege beschreiten die Vorschläge über die Ausgestaltung der beiden ordentlichen Rechtsmittel gegen Urteile, der Berufung und der Urteilsrüge. Bei der durch das Ges. v. 28. 6.1935 verfügten Aufhebung des Verbots der reformatio in peius sollte es bleiben. Die rechtzeitige Anfechtung hemmt nach dem Entw. die Rechtskraft des Urteils im ganzen (§317); eine Teilrechtskraft durch Beschränkung des Rechtsmittels sollte es wegen der bei Tatmehrheit oder Mehrheit von Rechtsverletzungen im StGB.-Entw. 1936 vorgesehenen Einheitsstrafe und im Interesse einer richtigen Bewertung der Gesamtpersönlichkeit nicht mehr geben. Neu ist, daß beide Rechtsmittel sich auch gegen die Urteilsgründe richten können, wenn die Gründe eines freisprechenden oder einstellenden Urteils die Ehre des Angeklagten schwer mindern oder ihn sonst erheblich schädigen (§ 316). Eine Neuerung bei der Berufung sollte — an § 357 StPO. anknüpfend — darin bestehen, daß, wenn von mehreren Mitangeklagten nur einer Berufung einlegt, während die übrigen das Urteil rechtskräftig werden lassen, das Berufungsgericht von Amts wegen in Durchbrechung der Rechtskraft die Erstreckung der Verhandlung auf den rechtskräftig Abgeurteilten sollte beschließen können, wenn auf die Berufung hin mit Aufhebung des Urteils zu rechnen ist und der Aufhebungsgrund auch die rechtskräftige Verurteilung beeinflußt haben kann (§ 327). Die bei weitem wesentlicheren Vorschläge des Entw. aber betrafen die U m g e s t a l t u n g der heutigen Revision zur U r t e i l s r ü g e , und hier bietet der Entw. in der Tat wertvolles Reformmaterial, das, losgelöst von der politisch-weltanschaulichen Tendenz des Entwurfs im übrigen, bei künftigen Reformarbeiten Beachtung fordert. Die Revision des geltenden Rechts dient in erster Linie der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung durch einheitliche Gesetzesauslegung und Rechtsanwendung. Die Gerechtigkeit des Spruchs des Tatrichters im E i n z e l f a l l nachzuprüfen, steht dem Revisionsgericht nur insoweit zu, als es im Rahmen der reinen Rechtsprüfung liegt. Bei Verfahrensrügen erstreckt sich die Nachprüfung nur auf die Tatsachen, aus denen der Beschwerdeführer den Verfahrensmangel herleitet; die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen und die Ausübung des richterlichen Ermessens, insbesondere bei der Strafzumessung, sind grundsätzlich der Nachprüfung des Revisionsgerichts entzogen. Das bedeutet, daß das Revisionsgericht — von den stets von Amts wegen zu berücksichtigenden Verfahrenshindernissen abgesehen — offensichtliche, aber nicht gerügte Verfahrensmängel, die erkennbar das Urteil beeinflußt haben, unberücksichtigt lassen muß und daß es verfahrensrechtlich einwandfrei getroffene tatsächliche Feststellungen auch dann hinnehmen muß, wenn sich, insbesondere nach Lage der Akten, schwere Bedenken gegen ihre Richtigkeit erheben oder gar ihre Unrichtigkeit dargetan ist. Nicht zum wenigsten auch der verhältnismäßig enge Bereich der Nachprüfungsbefugnisse des Revisionsgerichts war es, der, wie oben (S. 26) dargestellt, schon früh das Verlangen auslöste, allgemein die Berufung gegen erstinstanzliche Urteile zuzulassen. Der Entw. 1939 wollte zwar bei erstinstanzlichen Urteilen der Schöffenkammern diesen Weg nicht gehen, aber wenigstens durch Erweiterung der Nachprüfungsbefugnisse des Urteilsrügegerichts einen gewissen Ausgleich für die fehlende zweite Tatsacheninstanz schaffen (Begr. S. 146, 148). Nach den §§331 ff. des Entw. sollte sich bei Urteilsrüge die Nachprüfung des angefochtenen Urteils darauf erstrecken: 1. ob es auf einem Fehler im V e r f a h r e n beruht, 2. ob es wegen eines Fehlers in der Anwendung des Rechts auf die festgestellten Tatsachen oder bei A u s ü b u n g des r i c h t e r lichen E r m e s s e n s , insbesondere der Bemessung der Strafe, ungerecht ist, 3. ob ein so schweres Bedenken gegen die Richtigkeit der t a t s ä c h l i c h e n F e s t s t e l l u n g e n besteht, daß eine neue Entscheidung notwendig ist. Die Abweichungen gegenüber dem geltenden Recht bestehen im einzelnen darin: a) das Urteil muß im Einzelfall auf dem Verfahrensfehler beruhen; absolute Revisionsgründe sollte es nicht mehr geben; b) fehlerhafte Anwendung des sachlichen Rechts berührt den Bestand des Urteils nur, wenn es dadurch ungerecht erscheint; der Rechtsfehler soll unberücksichtigt bleiben, wenn das Urteil im Ergebnis richtig ist; c) die Nachprüfung umfaßt auch die gerechte Ermessensausübung; d) die Nachprüfung erstreckt sich in engen Grenzen auch auf die tatsächlichen Feststellungen, nämlich nach der Richtung, ob sich — gleich3
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viel ob aus den Urteilsgründen, dem Akteninhalt im übrigen oder auf andere Weise — ein so schweres Bedenken gegen die Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen ergibt, daß sie nicht als Grundlage der Entscheidung hingenommen werden können, sondern eine Klärung der Bedenken in einer neuen Entscheidung erforderlich erscheint (Beispiel: In einer Strafsache wegen Untreue hat die Schöffenkammer ein Buch, das die Eingänge und Ausgänge einer Kasse darstellt, als Beweismittel gebraucht. Der Vergleich der Urteilsgründe mit dem Inhalt des Buchs macht es in hohem Grad wahrscheinlich, daß die tatsächlichen Feststellungen zuungunsten oder zugunsten des Angeklagten unrichtig geworden sind, indem eine in dem Buch eingetragene Zahl versehentlich falsch gelesen wurde). In diesem Fall sollte im Interesse der Beschleunigung das Reichsgericht — freilich nur auf Antrag des Oberreichsanwalts — befugt sein, Beweise selbst aufzunehmen oder durch einen beauftragten oder ersuchten Richter vornehmen zu lassen (§340); gedacht war vorzugsweise an den Fall, daß es sich um leicht und schnell zu treffende Ergänzungen der tatsächlichen Feststellungen handelt; e) die Nachprüfung auf Verfahrensmängel sollte sich, entsprechend dem bisherigen Recht, zunächst nur auf die unter Angabe der entsprechenden Tatsachen erhobenen Verfahrensrügen erstrecken; doch sollte das Gericht, über das bisherige Recht hinaus, auch einen nicht gerügten Mangel von Amts wegen berücksichtigen, wenn es ihn bei Prüfung von Verfahrensrügen oder bei Nachprüfung des Urteils im übrigen bemerkt (§§ 333, 341). Schließlich sollte bei Aufhebung des Urteils das Urteilsrügegericht die Wahl haben, die Sache zurückzuverweisen oder — über die Grenzen des § 354 StPO. hinaus — selbst in der Sache zu entscheiden (§ 342). Gänzlich neue Wege beschritt der gleichzeitig mit dem Entw. der Strafverfahrensordnung aufgestellte Entwurf einer F r i e d e n s r i c h t e r - u n d S c h i e d s m a n n s o r d n u n g 1 8 . Der StPO.Entw. wollte das bisherige Privatklageverfahren beseitigen, weil es unvereinbar sei mit dem Anklagemonopol der Staatsanwaltschaft. Aber das war nur die „dogmatische" Einkleidung der Erkenntnis, daß im Hauptanwendungsgebiet der heutigen Privatklage ein in den Formen des Strafverfahrens sich abspielendes Verfahren, das den Strafrichter auf die Feststellung einer kriminellen Schuld und gegebenenfalls auf die Verhängung einer Kriminalstrafe beschränkt, dem praktischen Bedürfnis nicht genügt. Bestimmte häufig vorkommende Straftatbestandsverwirklichungen von geringerer Schwere, wie insbesondere Beleidigungen, aber auch leichte Körperverletzungen, Hausfriedensbruch, Sachbeschädigungen haben ihre Wurzel vielfach in den Reibungen und Spannungen des täglichen Nebeneinanderlebens und in Meinungsverschiedenheiten der Beteiligten über Inhalt und Umfang zivilrechtlicher Befugnisse. In diesen Fällen ist es vom Standpunkt des öffentlichen Interesses aus weniger wichtig, daß die Tatbestandsverwirklichung mit einer Kriminalstrafe geahndet wird, als daß der gestörte Rechtsfrieden durch schlichtende Maßnahmen wiederhergestellt und vor künftigen Störungen geschützt wird. Als Schlichtungsmittel stehen heute nur der Sühneversuch vor dem Schiedsmann vor Erhebung der Privatklage, im Verfahren nur der Abschluß eines Vergleichs der Beteiligten, den der Richter aber nur anregen und fördern kann, zur Verfügung. Den vielfach beklagten Unzulänglichkeiten des Privatklageverfahrens wollte der Entwurf 1939 dadurch abhelfen, daß er bestimmte Tatbestandsverwirklichungen von geringem kriminellem Unrechtsgehalt der Untersuchung und Ahndung in einem Kriminalverfahren entziehen und sie statt dessen einem Friedensrichter (dem Amtsrichter) zur S c h l i c h t u n g durch das Hinwirken auf eine gütliche Einigung der Beteiligten, bei Erfolglosigkeit dieser Bemühungen aber zur Befriedigung durch grundsätzlich unanfechtbaren Friedensspruch mit nichtkriminellen Maßnahmen in einem freigestalteten Verfahren ohne Mitwirkung des Staatsanwalts überweisen wollte. Der Verletzte sollte danach durch Erhebung einer Klage, der in gewissen Fällen ein Sühneversuch vor dem Schiedsmann vorangehen muß, den Friedensrichter anrufen können bei Beleidigung, leichter vorsätzlicher und fahrlässiger Körperverletzung, Hausfriedensbruch, Verletzung des Briefgeheimnisses und Sachbeschädigung. Die Abgrenzung der friedensrichterlichen Zuständigkeit gegenüber der dem Strafrichter vorbehaltenen Aburteilungszuständigkeit bei ernsteren Vergehen war letztlich dem Staatsanwalt übertragen. Nach § 2 Abs. 2 der Friedensrichterordnung sollte der Friedensrichter nicht tätig werden dürfen, wenn der Staatsanwalt es für geboten hält, die Tat mit den Mitteln des Strafrechts zu ahnden. Die Aufgaben des Friedensrichters bestanden nach § 1 der FriedensrichterO. darin, dem Verletzten Genugtuung zu verschaffen und den Frieden zwischen den Beteiligten wiederherzustellen, Maßnahmen zur Verhütung künftiger Friedensstörungen unter 18
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Lit.: K o h l r a u s c h im Bericht der amtl. Strafprozeßkommission S. 538.
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den Beteiligten zu treffen und schließlich Streitigkeiten beizulegen, die die Ursache des Unfriedens bilden oder zu neuem Unfrieden Anlaß geben können. Inhalt des Friedensspruches konnten nach §§ 5ff. sein: die Auferlegung einer Friedensbuße in Geld oder die Erteilung einer Verwarnung zur A h n d u n g der Tat, ferner zur V e r h ü t u n g künftig zu besorgender Friedensstörungen die Auferlegung einer Friedensbürgschaft durch Leistung einer Sicherheit in Höhe eines bestimmten Geldbetrages, der der Staatskasse verfällt, wenn der Verpflichtete innerhalb der vom Friedensrichter bestimmten Frist eine neue Tat begeht. Inhalt des Friedensspruchs sollten weiterhin sein bei ehrenrührigen Behauptungen auf Antrag des Verletzten die Feststellung der Unwahrheit der Behauptung zur Wiederherstellung des guten Rufs und schließlich zur Sicherung des Rechtsfriedens die Entscheidung über Streitigkeiten bürgerlich-rechtlicher Art, die mit der Tat zusammenhängen oder zu künftigen Friedensstörungen führen können, wenn ein Beteiligter es beantragt, das Amtsgericht sachlich zuständig ist und bestimmte Wertgrenzen nicht überschritten werden. Das Verfahren sollte der Friedensrichter nach pflichtgemäßem Ermessen bestimmen, wobei ihm die Grundsätze des Strafverfahrensrechts als Richtschnur dienen und er von Amts wegen alles zur Erforschung der Wahrheit Notwendige zu tun hat. Die Verhandlung sollte grundsätzlich nicht öffentlich sein. Auf weitere Einzelheiten ist hier nicht einzugehen. Über die Teilverwirklichung dieser Vorschriften während des Krieges durch Art. 8 der VO. v. 13. 8.1942 s. oben S. 15. e) Der Entwurf der „kleinen Straiprozeßreform" 1960. Wie schon oben (S. 19) ausgeführt, kam es nach der Gründung der Bundesrepublik bei dem Rechtsvereinheitlichungsgesetz 1960 darauf an, so rasch wie möglich der in der Zeit nach dem 8. 6.1945 bis zum Inkrafttreten des Grundgesetzes eingetretenen Rechtszersplitterung ein Ende zu bereiten und bei der Ausmerzung nationalsozialistischer Gedanken einen raschen Gang der parlamentarischen Erörterungen dadurch zu gewährleisten, daß im allgemeinen auf Regelungen zurückgegriffen wurde, die in der vornationalsozialistischen Zeit gegolten hatten. Eine umfassende Reform mußte notgedrungen ruhigeren Zeiten überlassen werden. Nachdem sich die Bundesregierung im Jahre 1953 entschlossen hatte, eine Erneuerung des materiellen Strafrechts einzuleiten, ähnelt die Reformsituation jetzt etwa derjenigen, wie sie sich in der Mitte der zwanziger Jahre nach der Einbringung der StGB.-Entw. 1925/1927 darstellte. Bekanntlich berief der Bundesjustizminister im Jahre 1954 eine „Große Strafrechtskommsison" zur Aufstellung eines StGB.-Entw. ein. Die Kommission beendete ihre Arbeiten im Juni 1959. Ihr Entwurf wurde in einer vom Bundesjustizministerium überarbeiteten Form vom Bundeskabinett am 8. 9.1960 mit wenigen Änderungen angenommen und im Oktober 1960 beim Bundesrat eingebracht, um zunächst von einer Länderkommission beraten zu werden. Wenn die Reform des materiellen Strafrechts zum Abschluß kommt, wird sie weitreichende Auswirkungen für das Strafverfahrensund Strafgerichtsverfassungsrecht haben. Die zunächst erforderliche Anpassung durchzuführen, wird Aufgabe des künftigen Einführungsgesetzes zum StGB. sein. Eine umfassende Gesamtreform, die gründlicher und langdauernder Vorbereitung bedarf, wird einer späteren Zeit angehören. Mit ihrer amtlichen Vorbereitung kann überhaupt erst begonnen werden, wenn die Konturen des künftigen materiellen Strafrechts nach dem Gang der parlamentarischen Erörterungen und den Beschlüssen der Gesetzgebungsorgane sich einigermaßen deutlich abzeichnen. Bei einer solchen Gesamtreform werden dann auch neben den schon traditionellen Änderungswünschen wie der allgemeinen Einführung einer zweiten Tatsacheninstanz oder der Beseitigung des Eröffnungsverfahrens die in neuerer Zeit besonders hervorgetretenen grundlegenden Änderungswünsche wie die Einführung von Grundsätzen des anglo-amerikanischen Strafverfahrensrechts für das Vorverfahren und für die Stellung des Vorsitzenden, des Staatsanwalts, des Angeklagten und des Verteidigers in der Hauptverhandlung der Prüfung und Erörterung bedürfen (dazu auch unten S. 114 f.). Bis zur amtlichen Inangriffnahme einer Gesamtreform wird danach also wohl noch geraume Zeit vergehen. Die Bundesregierung war aber der Auffassung, daß gewisse Fragen so dringend regelungsbedürftig, gewisse Punkte so dringend änderungsbedürftig seien, daß ihre Behandlung nicht bis zu einer Gesamtreform zurückgestellt werden dürfe, sondern alsbald der Weg einer Teilreform beschritten werden müsse. Sie legte im Sommer 1960 den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozeßordnung und des Gerichtsverfassungsgesetzes vor 1 9 , der am 16. 7. 1 9 S. dazu K l e i n k n e c h t , Beilage z. Bundesanz. Nr. 139/1960 und kritisch Schmidt-Leichner N J W . 1961 3 3 7 ; H e i n i t z J R . 1961 241
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1960 vom Bundesrat im ersten Durchgang verabschiedet 2 0 , am 17. 8 . 1 9 6 0 beim Bundestag eingebracht 2 1 und dort am 2 1 . 1 0 . 1 9 6 0 in erster Lesung beraten und dem Rechtsausschuß überwiesen wurde. Da er in der im Herbst 1961 beendeten 3. Wahlperiode nicht verabschiedet werden konnte, ist er inzwischen erneut eingebracht worden 2 1 4 . Das Hauptziel des Entwurfs ist die Verbesserung der Stellung des Beschuldigten im Strafverfahren, vornehmlich im Vorverfahren, wo ihm eine rechtlich gesicherte Einflußnahme auf den Gang der Ermittlungen und die Entschließungen der Staatsanwaltschaft eröffnet werden soll. In großen Zügen sieht der E n t wurf folgende grundsätzlich bedeutsame Änderungen vor: I . StPO. a) In Art. 1 ist eine Neufassung der Vorschriften über die U n t e r s u c h u n g s h a f t (§§ 112 ff. StPO.) vorgesehen. Die Neuerungen bezwecken die Beschränkung der Untersuchungshaft. Zunächst sind die Haftgründe — mit der Tendenz der Einschränkung — schärfer umrissen. Die Fluchtgefahr ist stets in Würdigung der Umstände des Einzelfalls zu prüfen; eine dem § 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO., wonach bei Verbrechen der Fluchtverdacht keiner weiteren Begründung bedarf, entsprechende Vorschrift ist nicht mehr vorgesehen. Die Verdunkelungsgefahr ist nicht nur genauer umschrieben, sondern setzt als zusätzliches Erfordernis die Gefahr voraus, daß durch die zu befürchtenden Verdunkelungsmaßnahmen des Beschuldigten die Ermittlung der Wahrheit erschwert werde. Der Haftgrund der Verdunkelungsgefahr würde danach in Zukunft z. B . nicht mehr gegeben sein, wenn zwar die Gefahr besteht, daß der Beschuldigte einen Mitbeschuldigten zu unrichtigen Angaben bestimmt, aber schon genügende Beweise zur Feststellung der Wahrheit zur Verfügung stehen. Allgemein soll die Untersuchungshaft ausgeschlossen sein, wenn ohne weiteres feststeht, daß sie zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe oder Maßregel außer Verhältnis steht. Ferner sollen die Möglichkeiten erweitert werden, den Vollzug einer angeordneten Untersuchungshaft durch schonendere Maßnahmen abzuwenden, und zwar nicht nur — wie nach § 117 StPO. — beim Haftbefehl wegen Fluchtverdacht, sondern auch bei Verdunkelungsgefahr, wenn andere Mittel, wie insbesondere die Anweisung, mit Mitbeschuldigten, Zeugen oder Sachverständigen keinerlei Verbindung aufzunehmen, „die Erwartung hinreichend begründen, daß sie die Verdunkelungsgefahr erheblich vermindern werden". Der Einschränkung der Dauer der Untersuchungshaft dient die Vorschrift, daß, wenn bis dahin kein auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel lautendes Urteil ergangen ist, der Vollzug einer Untersuchungshaft über die Dauer von sechs Monanten hinaus nur aufrechterhalten werden darf, wenn die Schwierigkeit der Untersuchung oder wichtige Belange der Strafrechtspflege, z. B . die Schwere der zu erwartenden Strafe, die Haftdauer erfordern. Die Entscheidung darüber, ob diese Voraussetzungen vorliegen, soll nach dem Regierungsentwurf dem Oberlandesgericht (dem Bundesgerichtshof, wenn dessen erstinstanzliche Zuständigkeit gegeben ist), nach den Vorschlägen des Bundesrats dagegen dem allgemein für die Entscheidung über die Haftdauer zuständigen Gericht zustehen. Die damit angestrebte grundsätzliche Begrenzung der Höchstdauer des Haftvollzugs auf sechs Monate soll dem Art. 5 Abs. 3 der Menschenrechtskonvention besser Rechnung tragen, wonach der Beschuldigte „Anspruch auf Aburteilung innerhalb einer angemessenen Frist oder auf Haftentlassung während des Verfahrens" hat. b) Die Art. 2, 4 sehen eine Verbesserung der Rechtsstellung des Beschuldigten im Vorverfahren durch E r w e i t e r u n g des r e c h t l i c h e n G e h ö r s vor, und zwar durch Einführung der o b l i g a t o r i s c h e n V e r n e h m u n g des Beschuldigten (neuer § 1 6 3 a S t P O . ) u n d — i m Anschluß an entsprechende Vorschläge in den Entwürfen von 1 9 0 8 , 1 9 2 0 und 1939 — durch Einführung des S c h l u ß g e h ö r s d u r c h die S t a a t s a n w a l t s c h a f t in bedeutenderen Strafsachen (neuer §169b). Nach § 169 a hat die Staatsanwaltschaft, wenn sie die Erhebung der öffentlichen Klage durch Einreichung einer Anklageschrift erwägt, den „Abschluß der Ermittlungen" in den Akten zu vermerken. Spätestens vor dem Abschluß der Ermittlungen muß, sofern das Vorverfahren nicht zur Einstellung führt, der Beschuldigte vernommen werden; in einfachen Sachen genügt es, wenn ihm Gelegenheit zu schriftlicher Äußerung gegeben wird (§ 163 a). In Vorwegnahme seines Beweisantragsrechts in der Hauptverhandlung (§ 244 Abs. 3) wird dem Beschuldigten nunmehr auch im Vorverfahren das Recht eingeräumt, Entlastungsbeweise zu beantragen, denen die Strafverfolgungsbehörde entsprechen muß, wenn sie von Bedeutung sind ( § 1 6 3 a Abs. 2). Neben diese in allen Strafsachen vorgeschriebene Anhörung tritt im Bereich der schwereren Kriminalität noch das Schlußgehör durch die Staatsanwaltschaft. Erwägt diese nämlich, die Anklage vor 20 21
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Bundesrats-Drucks. Nr. 180/60; Protokoll der 222. Sitzung des Bundesrats S. 439ff. 2 1 a BT-Drucks. Nr. 63 der 4. Wahlperiode (vgl. DRiZ 1962 24) BT-Drucks. Nr. 2037.
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dem Landgericht oder einem Gericht höherer Ordnung zu erheben, so hat sie den Abschluß der Ermittlungen dem Beschuldigten und seinem Verteidiger mitzuteilen und zugleich den Beschuldigten zu belehren, daß er binnen einer Woche beantragen könne, von der Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis der Ermittlungen gehört zu werden (Schlußgehör). Die Pflicht zur Gewährung des Schlußgehörs entfällt, wenn der Aufenthalt des Beschuldigten unbekannt ist oder seine Teilnahme wegen seines Zustandes (Krankheit, Verhandlungsunfähigkeit) oder weiter Entfernung erschwert ist oder er ohne genügende Entschuldigung nicht zum Termin erscheint. Der Beschuldigte kann sich durch einen Verteidiger vertreten lassen. Die Vorschriften über das Schlußgehör gelten auch im Jugendstrafverfahren sowie nach Schluß einer vorangegangenen Vorunteruschung (§ 197 n. F.). Soweit eine Pflicht zur Gewährung des Schlußgehörs nicht besteht (weil die Staatsanwaltschaft die Anklage bei dem Amtsgericht erheben will), steht es im Ermessen der Staatsanwaltschaft, das Schlußgehör zu gewähren, wenn es mit Rücksicht auf Art und Umfang der Beschuldigung oder aus anderen Gründen zweckmäßig erscheint. In gleicher Weise ist es in das Ermessen der Staatsanwaltschaft gestellt, das Schlußgehör zu wiederholen, wenn in der Sache bereits ein Schlußgehör stattgefunden hatte, danach aber neue Ermittlungen vorgenommen worden sind. Die Einführung des (auf Antrag) obligatorischen Schlußgehörs in den zur erstinstanzlichen Zuständigkeit des Landgerichts und der Gerichte höherer Ordnung gehörigen Sachen bietet mit der Intensivierung des Vorverfahrens zugleich in gewisser Weise einen Ausgleich für die dort fehlende zweite Tatsacheninstanz. c) Neben diese Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, dem Beschuldigten zu seiner Entlastung Einfluß auf Gang und Umfang des Vorverfahrens einzuräumen, tritt zur weiteren Verbesserung der Stellung des Beschuldigten die E r w e i t e r u n g des U m f a n g s der n o t w e n d i g e n V e r t e i d i g u n g und die S t ä r k u n g der S t e l l u n g des V e r t e i d i g e r s . Nach den Vorschlägen in Art. 3 soll die Verteidigung nunmehr auch in der Hauptverhandlung vor der erstinstanzlichen großen Strafkammer notwendig sein (neuer § 140 Abs. 1 Nr. 1) — also stets, wo nur eine Tatsacheninstanz gegeben ist —, und bei Verbrechen und langdauernder Untersuchungshaft erfolgt die Bestellung eines Verteidigers von Amts wegen ohne Rücksicht auf den Antrag eines Verfahrensbeteiligten (neuer § 140 Abs. 1 Nr. 3, B). Im Zusammenhang mit der Einführung des Schlußgehörs ist auch in weiterem Umfang die Amtsbestellung eines Verteidigers schon im V o r v e r f a h r e n vorgesehen. Nach dem Abschluß der Ermittlungen muß auf Antrag des Staatsanwalts vom Vorsitzenden des für das Hauptverfahren zuständigen Gerichts ein Verteidiger bestellt werden, und der Staatsanwalt soll diesen Antrag stellen, wenn die Gewährung des Schlußgehörs in Betracht kommt und nach seiner Auffassung in dem gerichtlichen Verfahren die Verteidigung nach § 140 Abs. 1 notwendig sein wird (neuer § 141 Abs. 3). Der Sinn dieser Vorschläge ist, dem Beschuldigten die Beratung durch einen Verteidiger schon dann zu gewährleisten, wenn es sich darum handelt, ob der Beschuldigte die Gewährung des Schlußgehörs beantragen soll; deshalb ist vorgesehen, daß die Mitteilung über den Abschluß der Ermittlungen, -die die einwöchige Frist für den Antrag auf Schlußgehör in Lauf setzt, erst nach der Bestellung des Verteidigers erfolgen soll (§ 141 Abs. 3 letzter Satz). Die Stellung des Verteidigers soll durch die neue Fassung des § 147 (Akteneinsichtsrecht) und des § 148 (Verkehr des Verteidigers mit dem verhafteten Beschuldigten) gestärkt werden. Grundsätzlich hat danach der Verteidiger das Recht, die Verfahrensakten einzusehen, und zwar nicht nur die Gerichtsakten, sondern auch die des Vorverfahrens („die dem Gericht im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären"). Dieses Recht ist unbeschränkt, sobald der Abschluß der Ermittlungen in den Akten vermerkt ist; vor diesem Zeitpunkt kann — in den Grenzen des § 147 Abs. 3 — die Akteneinsicht versagt werden, wenn sie den Zweck des Verfahrens gefährden könnte. Auch der Verkehr mit dem Verhafteten soll nach dem Vermerk des Abschlusses der Ermittlungen keinen Beschränkungen unterliegen. d) Zur Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren will der neuvorgeschlagene § 154 a den V e r f o l g u n g s z w a n g weiter dahin a b m i l d e r n , daß bei Sammelverbrechen und fortgesetzten Handlungen diejenigen abtrennbaren Teile, bei Tateinheit diejenigen Gesetzesverletzungen von der Verfolgung ausgenommen werden können, die für die zu erwartende Strafe oder Maßregel nicht ins Gewicht fallen. e) Das E r ö f f n u n g s v e r f a h r e n soll zwar beibehalten, aber dahin modifiziert werden, daß nicht der Eröffnungsbeschluß, sondern die Anklage die Grundlage des Hauptverfahrens bildet. Das Eröffnungsgericht soll, wie bisher (§ 203), prüfen, ob der Angeschuldigte der straf37
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baren Handlung hinreichend verdächtig erscheint, im Fall der Bejahung aber soll der Eröffnungsbeschluß nicht mehr dahin lauten, daß der Angeschuldigte der Tat hinreichend verdächtig sei, sondern nur (§ 207 n. F.) aussprechen, daß das Hauptverfahren eröffnet und „die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen" werde. In der Hauptverhandlung soll nicht mehr der Eröffnungsbeschluß durch das Gericht, sondern (§ 243 Abs. 3 n. F.) der Anklagesatz durch den Staatsanwalt verlesen werden. Durch diese Gestaltung soll bei dem rechtsunkundigen Angeklagten die irrige Vorstellung vermieden werden, das Gericht habe sich mit dem Erlaß des Eröffnungsbeschlusses in der tatsächlichen und rechtlichen Beurteilung seines Falles schon mehr oder weniger festgelegt (amtl. Begr. BT.-Drucksache Nr. 2037 S. 38). Eine besondere Lage ergibt sich, wenn das Gericht die Anklage nicht unverändert zur Hauptverhandlung zulassen will, z. B. weil es bei Anklage wegen Tatmehrheit die Eröffnung des Hauptverfahrens wegen einzelner Taten ablehnt oder die Verfolgung nach dem neuen § 154 a (vorstehend zu d)) beschränkt oder die Tat rechtlich abweichend von der Anklageschrift würdigt. In diesen Fällen legt das Gericht im Eröffnungsbeschluß die Änderungen dar, mit denen es die Anklage zuläßt. Das weitere Verfahren gestaltet sich verschieden. Bei Beschränkung der Eröffnung auf einzelne von mehreren Handlungen oder auf einzelne abtrennbare Teile einer Handlung hat der Staatsanwalt eine dem Eröffnungsbeschluß entsprechende Anklage einzureichen, die nunmehr die Grundlage des weiteren Verfahrens bildet. Bei Ausscheidung einzelner Gesetzesverletzung bei Tateinheit hat der Staatsanwalt bei der Verlesung des Anklagesatzes in der Hauptverhandlung die vom Gericht bei der Zulassung der Anklage beschlossenen Änderungen zu berücksichtigen (§ 243 Abs. 3 n. F.). Bei abweichender rechtlicher Würdigung schließlich weist der Vorsitzende in der Hauptverhandlung nach der Verlesung des Anklagesatzes auf die dem Eröffnungsbeschluß zugrundeliegende abweichende rechtliche Würdigung hin. I) Über die bereits bestehenden Einzelvorschriften und die neu vorgeschlagenen §§ 163 a, 169a und b (s. oben S.36) hinaus sieht Art. 8 ergänzende Vorschriften vor, um dem Verfassungsgebot des r e c h t l i c h e n Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG.) volle Beachtung im Verfahren zu sichern und im einzelnen die Folgerungen zu ziehen, die sich aus dem Verfassungsgrundsatz als prozessuale Rechte und Pflichten ergeben. Dies soll in erster Linie durch die Einführung einer Generalklausel (neuer § 33 Abs. 3) geschehen, wonach das Gericht bei Entscheidungen außerhalb der Hauptverhandlung — abgesehen von der Beteiligung der Staatsanwaltschaft — andere Verfahrensbeteiligte zu hören hat, bevor zu ihrem Nachteil Tatsachen oder Beweisergebnisse, zu denen sie noch nicht gehört sind (also auch dann, wenn diese vor Beginn ihrer Verfahrensbeteiligung liegen), verwertet werden. Der Gewährleistung des rechtlichen Gehörs dient es auch, wenn nach den Vorschlägen in Art. 9 zwar dem Revisionsgericht die Befugnis bleiben soll, eine Revision als offensichtlich unbegründet durch Beschluß zu verwerfen (§ 349 Abs. 2) — die dagegen z. T. im Schrifttum erhobenen Bedenken22 hat der Entw. insoweit mit Recht nicht als durchgreifend erachtet —, dem Beschwerdeführer aber zuvor Gelegenheit gegeben werden muß, schriftlich zu dem Antrag der Staatsanwaltschaft Stellung zu nehmen, den der Entw. nunmehr als Voraussetzung des Beschlußverfahrens fordert. Die §§ 33 Abs. 4, 407 Abs. 5, 413 Abs. 4 n. F. sehen Ausnahmen von der Pflicht des G e r i c h t s zu vorgängiger Anhörung vor, wenn — wie bei Anordnung der Untersuchungshaft oder Beschlagnahme — diese den Zweck der Anordnung gefährden würde und wenn es sich um den Erlaß eines Strafbefehls oder einer Strafverfügung handelt; in den letzteren Fällen bleibt aber die Pflicht zu vorheriger Anhörung durch Staatsanwaltschaft oder Polizeibehörde unberührt (vgl. für den Strafbefehl §§ 163 a, 407 Abs. 5 Satz 1, für die Strafverfügung § 413 Abs. 1 Satz 1). g) Auf dem schon für die Umgestaltung des Eröffnungsbeschlusses maßgeblichen Gedanken, bei dem Angeklagten die Vorstellung einer Befangenheit der Richter wegen einer Beteiligung in einem vorangehenden Verfahrensabschnitt auszuschließen, beruht es auch, wenn nach dem vorgeschlagenen neuen Abs. 2 des § 23, einem alten Reformanliegen entsprechend, in W i e d e r a u f n a h m e v e r f a h r e n die Richter k r a f t Gesetzes a u s g e s c h l o s s e n sein sollen, die bei der durch Wiederaufnahmeantrag angefochtenen Entscheidung mitgewirkt haben; bei Rechtsmittelentscheidungen soll sich die Ausschließung auch auf die Richter der unteren Instanz erstrecken. Den weitergehenden Wünschen, die Richter der Vorinstanz allgemein auch dann auszuschließen, wenn auf Revision ein Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen wird (vgl. S e i b e r t JZ. 1958 609), will der Entwurf allerdings nicht entsprechen. 22 Vgl. dazu S i e g e r t NJW. 1959 2152; v. S t a c k e l b e r g NJW. 1960 505; J a g u s o h NJW. 1960 73; S a r s t e d t J R . 1960 1.
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Neu ist auch die zeitliche Erweiterung des Rechts zur A b l e h n u n g eines Richters wegen Befangenheit, die ebenfalls an frühere Reformarbeiten anknüpft. Während nach dem geltenden § 26 StPO. die Ablehnung nur bis zum Beginn des an die Vernehmung des Angeklagten zur Sache anschließenden Teils der Hauptverhandlung zulässig ist, soll nach dem Entwurf die Ablehnungsbefugnis in der Hauptverhandlung bis zum letzten Wort des Angeklagten (§ 268 Abs. 2) ausgedehnt werden, aber nur, wenn die Tatsachen, auf die die Ablehnung gestützt ist, sich erst nach dem Beginn der Vernehmung des Angeklagten zur Sache ereignet haben und die Ablehnung unverzüglich geltend gemacht wird. Einem Mißbrauch des Ablehnungsrechts soll §26a vorbeugen (Verwerfung der Ablehnung unter Mitwirkung der' abgelehnten Richter als unzulässig, wenn dadurch offensichtlich das Verfahren nur verschleppt oder nur verfahrensfremde Zwecke [Demonstration] verfolgt werden sollen). h) Von weiteren bedeutsamen Änderungsvorschlägen mag noch erwähnt werden die Verl ä n g e r u n g der R e v i s i o n s b e g r ü n d u n g s f r i s t von zwei Wochen auf einen Monat, wenn im ersten Rechtszug das Landgericht oder das erweiterte Schöffengericht (§ 29 Abs. 2 GVG.) entschieden hat (Art. 9 Nr. 1; neuer § 345 Abs. 1) sowie die Einführung der P a r t e i ö f f e n t l i c h k e i t bei der Beweisaufnahme im Wiederaufnahmeverfahren gemäß § 369 nach Zulassung des Wiederaufnahmeantrags (Art. 10 Nr. 1; neuer § 369 Abs. 3). II. GVG. a) Die vielerörterte Frage, in welchem Umfang in der Hauptverhandlung Film-, Rundfunk- und Fernsehaufnahmen zulässig sind (vgl. dazu BGHSt. 10, 202; NJW 1961 1781), will Art. 17 des Entw. ausdrücklich klären (neue Abs. 2 und 3 des § 169). Danach sind während des Ganges der Hauptverhandlung solche Aufnahmen schlechthin unzulässig, während es dem Vorsitzenden überlassen sein soll, für die Verkündung des Urteils aus wichtigen Gründen Ausnahmen zuzulassen. Der Bundesrat hat der Zulassung von Ausnahmen für die Urteilsverkündung widersprochen. b) Die bisher nur durch eine Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern v. 17.12.1963 geregelte E r m i t t l u n g s t ä t i g k e i t des B u n d e s k r i m i n a l a m t s und seiner Beamten in Sachen, die zur erstinstanzlichen Zuständigkeit des BGH. gehören, soll nach Art. 12 (neuer § 134b GVG.) eine gesetzliche Regelung erfahren. Danach sollen in den genannten Verfahren der Generalbundesanwalt und der Untersuchungsrichter die Wahl haben, mit den Ermittlungen das Bundeskriminalamt und seine Beamten, die insoweit Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft' (§ 152 GVG.) sind, oder die zuständigen Landespolizeibehörden zu beauftragen. Der Bundesrat hat diesem Vorschlag aus verfassungsrechtlichen Gründen widersprochen. Die Tendenz der „kleinen Strafprozeßreform" ist bei den Erörterungen in der Tagespresse häufig dahin mißverstanden worden, als gelte es, eingewurzelten Mißbräuchen entgegenzutreten, und als handle es sich um ernste, dringend notwendige Schritte, ein im ganzen unmodernes und rechtsstaatlichen Anforderungen nicht genügendes Verfahren zu reformieren und den Staatsbürger gegen Übergriffe verfolgungswütiger Strafverfolgungsorgane zu schützen. Aber auch in der Fachpresse und im Parlament sind z. T. unter Berufung auf Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte Reformforderungen erhoben worden, die auf völlige Abkehr vom geltenden Recht hinauslaufen, so, wenn die gänzliche Beseitigung der Untersuchungshaft oder die Beschränkung der Höchstdauer der Haft auf zwei Monate gefordert wurde, Vorschläge, die man mit gutem Grund als eine Art „Eisenbart-Kur" 28 bezeichnet hat. Sehr zu Recht hat sich der Deutsche Richterbund 24 als die Standesvertretung der deutschen Richter und Staatsanwälte demgegenüber gegen alle Änderungswünsche ausgesprochen, die „die bewährten Grundzüge unseres Strafverfahrens aufgeben und damit dessen vornehmstes Ziel, die Erforschung der Wahrheit, nachhaltig gefährden". Auch darin ist ihm zuzustimmen, wenn er zwar die Grundgedanken des Entwurfs, die Mäßigung und Beschränkung seiner Forderungen billigt, aber der Meinung Ausdruck gibt, daß der Entwurf in der Stärkung der Rechte des Beschuldigten im Verfahren „an die Grenze dessen gegangen sei, was kriminalpolitisch vertretbar ist". f) Die Vorschläge des Entw. des Straßenverkehrssicherungsges. 1960. Weitere Änderungen der StPO. von allgemeiner Bedeutung sieht endlich der von der Bundesregierung mit Zustimmung des Bundesrats am 5.1.1961 dem Bundestag vorgelegte Entwurf 23 24
Abg. Dr. K a n k a in der Bundestagssitzung v. 21.10.1960. Prot. S. 7410 DRiZ. 1960 448.
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1 eines 2. Gesetzes zur Sicherung des Straßenverkehrs 25 vor. Der Entwurf hat die viel erörterte Umgestaltung der Verkehrsübertretungen in Ordnungswidrigkeiten zurückgestellt, weil das Ges. über Ordnungswidrigkeiten v. 25. 3.1962 nicht in jeder Hinsicht ein geeignetes Verfahren biete, um die schlagkräftige und schnelle Ahndung der massenhaft vorkommenden leichteren Verkehrsverstöße zu ermöglichen, die Umgestaltung des OWiG. aber einer längeren Vorbereitung bedürfe. Der Entwurf schlägt aber einige Änderungen, die auch die Umstellung auf Ordnungswidrigkeiten mit sich bringen würde, für die vorläufig noch weitergeltenden Übertretungstatbestände nach der materiellrechtlichen und verfahrensrechtlichen Seite vor. Und zwar sieht Art. 1 Nr. 1 die Erhöhung des Rahmens der Übertretungsgeldstrafe auf 500 DM vor. Nach Art. 2 Nr. 4 soll ferner künftig, soweit eine Verhandlung nur Übertretungen betrifft, das Gericht unbeschadet des § 244 Abs. 2 den Umfang der Beweisaufnahme bestimmen (neuer § 245 a). Schließlich schlägt Art. 2 Nr. 5, 6 eine Beschränkung der Revision in Bagatellsachen vor. Und zwar soll gegen ein Urteil des Amtsrichters, das ausschließlich Übertretungen zum Gegenstand hat und in dem der Angeklagte entweder freigesprochen oder ausschließlich zu Geldstrafe verurteilt ist, Revision nur zulässig sein, wenn a) die Ersatzfreiheitsstrafe eine Woche übersteigt oder b) es sich um eine Übertretung nach § 361 StGB, handelt oder c) das Revisionsgericht auf Antrag die Revision zugelassen hat, um die Nachprüfung des Urteils unter dem Gesichtspunkt der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen (neue §§ 334, 334 a).
5. Das Wesen, der Zweck, die Gliederung und der Verlauf des Strafverfahrens. 1. Strafverfahren und materielles Recht. — Das Strafgesetz (das materielle Strafrecht) regelt zum Schutz der Rechtsordnung die Rechtsfolgen strafrechtlicher Art, die sich an die Verwirklichung eines gesetzüchen Straftatbestandes anschließen. Das Strafprozeßrecht dient der Verwirklichung des materiellen Strafrechts, der Durchsetzung der Strafdrohung im Einzelfall. Da es die Formen regelt, unter denen sich die Aufklärung des Sachverhalts, die Feststellung der Schuld und die Verhängung der Strafe und sonstiger im Strafgesetz angedrohter Unrechtsfolgen vollzieht, wird es auch formelles Strafrecht genannt. Die Vorschriften über das Strafverfahren gehören gleich denen über das Verbrechen und seine Bestrafung dem öffentlichen Recht an. Auch sie erzeugen öffentlich-rechtliche Rechte und Pflichten. Doch decken die Rechte und Pflichten, die auf dem Boden des Verfahrensrechts erwachsen, sich nicht mit denen, die aus dem sachlichen Recht hervorgehen. Sie weichen vielmehr von diesen hinsichtlich des Grundes, hinsichtlich der Träger der Rechte und Pflichten und hinsichtlich ihres Inhalts ab. Das Verbrechen begründet die Pflicht des Verbrechers, als Ausfluß seiner Unterwerfung unter das Gesetz, das zu leiden, was das Strafgesetz als die Folge des Verbrechens vorschreibt. Zugleich mit dieser Pflicht des Verbrechers entsteht als ihr Gegenstück die Pflicht des Staates, Justiz zu gewähren und dem Rechtsbrecher die im materiellen Strafrecht angedrohten Unrechtsfolgen aufzuerlegen. Denn nachdem der Staat in einem langen Kampf gegen Selbsthilfe und Privatrache das R e c h t zu strafen bei sich monopolisiert hat, erwächst ihm daraus die im Wesen des Rechtsstaats (Art. 28 GG.) begründete Pflicht, der Androhung von Unrechtsfolgen im Strafrecht deren Verwirklichung im Strafprozeß nach Begehung der Tat folgen zu lassen; der dahinterstehende Verfolgungszwang gibt der Strafdrohung die rechte generalprävenierende Kraft. Solange nun das Verbrechen oder die Täterschaft des Verbrechers verborgen bleibt, führen das nach Maßgabe des sachlichen Strafrechts begründete Recht (der „Strafanspruch") und die Pflicht des Staates zu strafen ein Dasein ohne äußere Wirkung. Dauert dieser Zustand eine geraume, je nach der Schwere der Rechtsverletzung bemessene Zeit an, so bleibt der Rechtsbrecher straffrei, wobei an dieser Stelle nicht weiter zu erörtern ist, ob diese Wirkung der Verjährung materiellrechtlich als ein „Erlöschen des Strafanspruchs" oder verfahrensrechtlich als Verfolgungshindernis, als Verbot der Verfolgung zu würdigen ist, oder ob die Verjährung zugleich materiellrechtliche und verfahrensrechtliche Züge aufweist. Die dem Verfahrensrecht entspringenden Rechte und Pflichten sind an andere Voraussetzungen gebunden. Die Strafdrohungen des materiellen Strafrechts gelten nur dem, der wirklich nach der äußeren und inneren Seite den gesetzlichen Tatbestand verwirklicht; nur gegen ihn 25 Bundestags-Drucks. Nr. 2368 der 3. Wahlperiode. Die amtl. Begr. des Entw. ist auch auszugsweise abgedruckt in DRiZ. 1961 28. Der in der 3. Wahlperiode nicht verabschiedete Entw. soll erneut eingebracht werden (vgl. DRiZ. 1962 4).
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wird ein staatlicher Strafanspruch nach sachlichem Recht begründet, und nur ihn trifft materiellrechtlich die Pflicht, Strafe auf sich zu nehmen und ihren Vollzug zu erdulden. Verfahrensrechtlich gesehen aber verschiebt sich das Bild. Die Strafverfolgungsorgane, denen der Staat die Verwirklichung des Strafanspruchs übertragen hat, müssen der Natur der Sache nach grundsätzlich schon einschreiten, wenn ein genügender Verdacht vorliegt, daß eine strafbare Handlung begangen sei, und ihre Maßnahmen gegen den richten, der der Tat verdächtig ist. Das Verfahren richtet sich nicht gegen den (wirklichen) Täter, sondern gegen den der Tat (mit Recht oder zu Unrecht) Beschuldigten. Gewiß ist es Ziel des Strafverfahrens, im Einklang mit dem sachlichen Strafrecht nur den Täter der Bestrafung zuzuführen, den Unschuldigen aber aus dem Verfahren zu entlassen, spätestens durch Freispruch in der Hauptverhandlung. Durch die Unzulänglichkeit menschlichen Erkennens und Könnens kann es aber dahin kommen, daß das Strafverfahren mit einem dem materiellen Recht entgegengesetzten Ergebnis endet, daß der Schuldige freigesprochen und der Unschuldige bestraft wird. Zu einem solchen F e h l u r t e i l kann es kommen, ohne daß dem Gericht daraus ein Vorwurf zu machen ist, so wenn das Gericht seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten auf eine glaubwürdige, aber objektiv falsche Zeugenaussage oder auf ein nach Lage des Falles glaubhaftes, aber objektiv unrichtiges Geständnis des Angeklagten stützt. Wird ein solches Urteil rechtskräftig, so bewirkt, soweit und solange nicht etwa auf dem Weg der Wiederaufnahme des Verfahrens eine dem materiellen Recht entsprechende Lage hergestellt werden kann, die Rechtskraft des Urteils, daß an die Stelle der aus dem materiellen Recht sich ergebenden Rechtslage fortan die dem Urteil gemäße Rechtslage tritt: Bei unrichtigem Freispruch bleibt die Weisung des Strafgesetzes („wird bestraft") unvollzogen, und aus der falschen Verurteilung erwächst dem Verurteilten die Pflicht, den Vollzug der Strafe zu dulden (vgl. dazu unten S. 92) Während der Idee nach der Strafrichter deklaratorisch über Schuld und Nichtschuld entscheidet, wirkt das Fehlurteil — nicht anders als das unrichtige Urteil im Zivilprozeß — wie ein Gestaltungsurteil26. Der Fall des Fehlurteils infolge unrichtiger tatsächlicher Feststellungen aber ist nicht der einzige Fall, in dem materielle Rechtslage und Urteil voneinander abweichen können. Aus Gründen, die noch zu erörtern sind (unten S. 42), gestattet das Gesetz den Strafverfolgungsorganen nicht, alle zur Aufklärung möglichen und zur Überführung des Beschuldigten geeigneten Beweismittel einzusetzen, sondern zieht der Benutzung von Beweismitteln Schranken durch Beweis- und Beweisverwertungsverbote. Bei der Urteilsfindung entscheidet der Strafrichter zwar ohne Bindung an Beweisregeln nach seiner freien Überzeugung, aber nur, soweit er diese Überzeugung auf das Ergebnis einer verfahrensrechtlich zulässigen und prozeßordnungsgemäß durchgeführten Beweisaufnahme stützen kann (§ 261 StPO.). Das bedeutet, daß gewissermaßen das Verfahrensrecht die Tragweite der materiellrechtlichen Strafdrohung einengt: Nach materiellem Recht wird bestraft, wer eine Tat begangen hat; das Verfahrensrecht aber läßt die Bestrafung nur zu, wenn der Beweis mit zugelassenen, mit „justizförmigen" Mitteln erbracht ist. So kann es dahin kommen, daß das Gericht von der Schuld des Angeklagten überzeugt, aber durch das Verfahrensrecht, insbesondere durch die Sperrkraft der mit unzulässigen Mitteln herbeigeführten Aussage (§136a) 27 gehindert ist, zu verurteilen und im Widerspruch zum materiellen Recht den Angeklagten freisprechen muß. Dann ist das Urteil materiellrechtlich „falsch", verfahrensrechtlich aber „richtig". Eine entsprechende Lage ergibt sich, wenn das Verbot der Verschlechterung (§§ 331, 358) oder die durch Teilanfechtung oder Teilaufhebung eingetretene Teilrechtskraft das Gericht daran hindern, in vollem Umfang die aus dem materiellen Recht sich ergebenden Folgerungen bei der Urteilsfindung zu ziehen, wenn es also z. B., falls der Angeklagte nur gegen den Strafausspruch Berufung eingelegt hat, den rechtskräftig gewordenen Schuldspruch hinnehmen und eine Strafe auf der Grundlage der früher getroffenen Schuldfeststellungen auswerfen muß, auch wenn sich in der Hauptverhandlung zur Straffrage die Zurechnungsunfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit ergibt 28 . Schließlich entfernen sich die durch das Verfahrensrecht begründeten Rechte und Pflichten noch nach einer anderen Richtung von denen, die sich aus dem materiellen Recht ergeben, indem das Verfahrensrecht auch Personen, die an der Straftat unbeteiligt sind (Zeugen, Sachverständige, Besitzer von Beweisgegenständen), Mitwirkungs- und Duldungspflichten auferlegt. 29 Weitergehend wird gelehrt, daß jedes verurteilende Erkenntnis ein Gestaltungsurteil darstellt (so z. B. Eb. S c h m i d t Lehrkomm. Teil. I S. 33), weil es den Beschuldigten aus dem Rechtszustand des „Nichtbestraftseins" in den des „Bestraftseins" versetze. Die Frage ist hier nicht zu erörtern. 27 Vgl. über die Tragweite der Sperrkraft B a u m a n n GA. 1959 33. 28 Vgl. BGHSt. 7,283; 10,71.
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Kap. 5
Einleitung (Schäfer)
2 2. Ziel and Mittel des Strafverfahrens. Das Strafverfahren dient dazu28", zur Verwirklichung des materiellen Strafrechts festzustellen, ob gegen eine bestimmte Person ein staatlicher Strafanspruch entstanden ist und besteht, bejahendenfalls die Schuld auszusprechen und die Unrechtsfolgen festzusetzen, verneinendenfalls den Beschuldigten aus dem Verfahren zu entlassen. Das Ziel des Verfahrens ist also zunächst die Aufklärung des Sachverhalts, die E r m i t t l u n g der W a h r h e i t (vgl. S. 110). Aber es wäre mit rechtsstaatlichen Vorstellungen unvereinbar, die Aufklärung des wirklichen Sachverhalts mit allen vorhandenen Mitteln zu betreiben, vielmehr kommt eine Ermittlung der Wahrheit nur in einem geregelten Verfahren und nur mit justizförmigen Mitteln in Betracht. Die Prozeßordnung kennt keinen Grundsatz, daß die Wahrheit um jeden Preis erforscht werden müßte (BGHSt. 14, 358). „Es geht in der Strafrechtspflege nicht nur um die materiellrechtliche Bichtigkeit der Urteile, sondern ebensosehr auch um ihre Gewinnung auf keinem anderen als dem justizförmigen Wege" (Eb. S c h m i d t JZ. 1958 601). Dieser Grundsatz wird in seinen Auswirkungen keineswegs immer als selbstverständlich empfunden. Einem naiven Gemüt mag es als verdienstlich oder wenigstens erträglich erscheinen, den leugnenden Mörder zu überlisten, indem der Kriminalbeamte ihm als angeblicher Mitgefangener und Zellengenosse ein Geständnis entlockt. Aber § 136 a verbietet die Verwertung eines solchen „Geständnisses" (vgl. B a d e r JZ. 1958 499) und hält dem Beschuldigten zugute, daß er ja nicht der Strafverfolgungsbehörde gegenüber eingestehen, sondern dem angeblichen Mitgefangenen, auf dessen Verschwiegenheit er unter der Einwirkung der Täuschung baute, ein Geheimnis anvertrauen wollte. Die Würde der Rechtspflege verbietet es, die Überführung des Schuldigen auf solche „Tricks" zu gründen. Auch der schwerster Straftaten Beschuldigte und dringlich Verdächtige hat Anspruch auf faires, gesetzmäßiges Verfahren. Bei jedem Angeklagten wird bis zum gesetzmäßigen Nachweis seiner Schuld vermutet, daß er unschuldig ist (Art. 6 Abs. 2 der Menschenrechtskonvention). Keinerlei Ausnahmen sind zulässig; in keinem Fall heiligt der Zweck die Mittel. Diese Starrheit rechtfertigt sich, mag auch im Einzelfall ein Verbrecher der verdienten Strafe entgehen, aus der Erwägung, daß von der ausnahmsweise hingenommenen Überlistung zur psychischen Aussageerpressung nur ein Schritt wäre, und am Ende stünde die „verschärfte" Vernehmung. Das Strafverfahren in seiner heutigen Gestalt ist dadurch gekennzeichnet, daß über Schuld und Strafe nur das unabhängige, örtlich und sachlich zuständige, von vornherein nach abstrakten Merkmalen berufene Gericht (der „gesetzliche Richter") in einem vorgeschriebenen Verfahrensgang entscheidet, in dem die Befugnisse der staatlichen Organe begrenzt, die Rechte des Beschuldigten aber durch feste Vorschriften, vor allem über Art und Umfang der Beweisaufnahme, auf die das Gericht seine Überzeugung von der Schuld des Angeklagten gründen darf, gewährleistet sind. Diese Gestaltung ist das Ergebnis einer langen und mühseligen, von Rückschritten immer wieder zeitweise unterbrochenen und noch im Fluß befindlichen Entwicklung, deren Grundtendenz sich schlagwortartig etwa als die Erhöhung des Angeklagten vom Prozeßobjekt zum Prozeßsubjekt und die Festigung und der Ausbau dieser Stellung charakterisieren ließe. Mancherlei geistige, politische und soziale Strömungen und Gedankengänge, die hier nur anzudeuten sind, haben diese Entwicklung beeinflußt. In der Aufklärungszeit beginnt die Beseitigung der Folter, der Zwang zum Geständnis wird als menschenunwürdig, aber auch als untauglich zur Erforschung der Wahrheit erkannt2®. Die Achtung vor der Menschenwürde des Beschuldigten und das Wissen um die Gefahren für die Wahrheitsfindung durch die Grenzen menschlicher Erkenntnis wirken fortan und in zunehmendem Maße auf die Gestaltung des Verfahren sein. Heute begrenzt Art. 1 GG.: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt" verfassungsmäßig über und neben den Einzelnormen des Verfahrensrechts den Umfang der Macht- und Zwangsbefugnisse der staatlichen Organe auch im Strafprozeß. Diesem Verfassungsgebot förmlich Ausdruck zu verleihen ist der Sinn des § 136a StPO., und Fragen wie die, ob als Beweismittel die Verwendung eines Lügendetektors oder heimlicher Tonbandaufnahmen von Aussagen eines Beschuldigten zulässig ist, hat die Rechtsprechung aus dem Geist des Verfassungsgrundsatzes heraus verneinend beantwortet (BGHSt. 5, 332; 14, 358 = NJW. 60,1680). Das Wissen um die Grenzen mensch28a
Von besonderen Gestaltungen (obj. Verfahren, Sicherungsverfahren usw.) abgesehen. Wie langsam solche Gedanken sich mitunter durchsetzen, zeigt die Rechtsentwicklung in Spanien, wo die gerichtliche Folter 1812 durch Gesetz „theoretisch" abgeschafft wurde, „endgültig und wirklich" aber erst durch VO. v. 25. 7.1914 ( R i p o l l e s in ZStrW. 72 [1960] Mitteilungsblatt S. 124f.). 29
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Wesen, Zweck, Gliederung und Verlauf des Strafverfahrens
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licher Erkenntnisfähigkeit, das Bestreben, das Äußerste zu tun, was zumutbarerweise möglich ist, um der Verteidigung des Beschuldigten Raum zu geben und vorschnelle Urteilsfindung mit der Gefahr des Justizirrtums auszuschließen, führt schließlich zu dem Grundsatz der gebundenen Beweisaufnahme, des Strengbeweises (§§ 244, 245). Daneben erheben sich im 19. Jahrhundert die Forderungen nach Rechtsstaatlichkeit und Rechtssicherheit. Der Ausgangspunkt ist die Überlegung, daß der Beschuldigte auch bei noch so starkem Tatverdacht nicht als Schuldiger behandelt werden darf, solange seine Schuld nicht durch rechtskräftiges Urteil festgestellt ist. (Heute Axt. 6 Abs. 2 der Menschenrechtskonvention: „Bis zum gesetzlichen Nachweis seiner Schuld wird vermutet, daß der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist.") Die Freiheit des Individuums aber, wie auch die des Beschuldigten, muß gegenüber der allmächtigen Staatsgewalt geschützt werden; der Staat darf in die Rechtssphäre des Individuums nur insoweit eingreifen, als es im Interesse des Gemeinwohls unabwendbar ist. Die Freiheit der Person, die Unverletzlichkeit der Wohnung, die Wahrung des Briefgeheimnisses usw. werden schließlich zu Verfassungssätzen erhoben. Das führt dazu, einmal die Grenzen staatlicher Zwangsbefugnisse im Strafverfahren unter dem Gesichtspunkt zu ordnen, inwieweit sie im Interesse der Verbrechensbekämpfung und -Verfolgung unentbehrlich sind; die Entwicklung geht dabei — insbesondere bei der Untersuchungshaft — deutlich dahin, die Anforderungen an die Unentbehrlichkeit zu verschärfen (vgl. oben 36). Die Rechtsstaatlichkeit fordert weiter die Einhaltung eines bestimmten Ablaufs des Verfahrens, die Wahrung vorgeschriebener Förmlichkeiten, die Beachtung von Fristen, dergestalt, daß sich der Beschuldigte darauf einrichten kann, und die Befolgung der zu seinem Schutz und im Interesse seiner Verteidigung erlassenen Vorschriften nur unterbleiben darf, wenn er, soweit dies zulässig ist, darauf verzichtet. Die Rechtssicherheit verlangt schließlich, daß eine einmal abgeurteilte Sache grundsätzlich nicht wieder aufgerollt werden darf. Art. 103 Abs. 3 GG. hat im Hinblick auf die Aushöhlung der Rechtskraft in der vorangehenden Zeit dem Verbot „ne bis in idem" Verfassungskraft beigelegt. Nur in engen Grenzen läßt das Gesetz (§§369ff. StPO.) Ausnahmen durch die Wiederaufnahme des Verfahrens zu. Ein neuer Gedankengang tritt hinzu. Auch wenn der verfolgende Staat die Machtmittel und Befugnisse seiner Organe begrenzt, sind die Mittel, die er zur Aufklärung des Sachverhalts einsetzen kann, ungleich größer als die des einzelnen Beschuldigten, der sich verteidigen will. Der Staatsanwalt kann z. B. im Vorverfahren zu Ermittlungen die Amtshilfe aller Behörden in Anspruch nehmen, insbesondere die Polizeibehörden ersuchen, und die mitunter sehr hohen Aufwendungen der Ermittlungstätigkeit trägt die Staatskasse. Der Beschuldigte hat keine vergleichbaren Befugnisse; hätte er sie, so würden sie dem meist rechtsunkundigen und vermögenslosen Beschuldigten nichts nutzen. Das Gesetz sucht diesen Mangel auszugleichen, indem es dem Staatsanwalt die Rolle des objektiven Sachwalters zuweist; er hat nicht nur die zur Belastung, sondern auch die zur Entlastung dienenden Umstände zu ermitteln (§ 160 Abs. 2), und die Rechtsprechung betont diese objektive Stellung, indem sie dem die Anklage in der Hauptverhandlung vertretenden Staatsanwalt, wenn er als Zeuge benannt und vernommen wird, die Fähigkeit abspricht, weiter in der Sache Anklagevertreter zu sein, weil ihm die zur Amtsausübung in jeder Weise erforderliche völlige Unbefangenheit fehle (BGHSt. 14, 265). Die Erfahrung zeigt, daß die Staatsanwaltschaft diese ihre Aufgabe ernst nimmt („objektivste Behörde der Welt"). Aber mit den Augen des Beschuldigten sehen sich die Dinge anders an. Er wird in dem Staatsanwalt in vielen Fällen weniger oder gar nicht den objektiven Sachwalter als vielmehr den Verfolger sehen, gegen den er sich wehren will. Von seinem Standpunkt aus muß es erwünscht sein, daß ihm schon von Beginn des gegen ihn gerichteten Verfahrens an die Rolle eines Gegenspielers des Staatsanwalts mit selbständigen, denen des Anklägers soweit wie möglich angeglichenen Befugnissen zur Einwirkung auf die Sammlung und Gestaltung des Prozeßstoffs zugewiesen wird und daß ihm, wenn er nicht selbst die Mittel zur Gestellung eines Verteidigers besitzt, in möglichst weitem Umfang von Amts wegen ein Verteidiger zugeordnet wird, der ihm bei der Ausübung seiner Rechte beisteht. Aus solchen Vorstellungen erwächst schließlich das Verlangen nach völliger W a f f e n g l e i c h h e i t von Ankläger und Beschuldigtem und gipfelt in dem Verlangen, die Hauptverhandlung nach dem Vorbild des englisch-amerikanischen Rechts in der Weise durchzuführen, daß die Durchführung der Beweisaufnahme in den Händen der „Parteien" liegt (Kreuzverhör), während die Aufgabe des Gerichts unter Ausschluß einer eignen inquirierenden Tätigkeit und unter Ausschluß von Vorabentscheidungen, die seine Unvoreingenommenheit beeinträchtigen könnten, sich auf die äußere Leitung der Verhandlung und auf
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die Fällung des Urteils beschränkt. Das geltende Recht entspricht dem Verlangen nach Waffengleichheit nur teilweise. Im Vorverfahren kann der Beschuldigte im allgemeinen auf die Tätigkeit des Staatsanwalts nur durch die Anregung bestimmter Ermittlungen Einfluß nehmen. Von einigen anderen Ansätzen abgesehen, tritt der Gedanke der Waffengleichheit erst in der Hauptverhandlung hervor, am stärksten in der Regelung des Beweisantragsrechts der „Parteien" (§ 244). Hatte der Staatsanwalt im Vorverfahren das Übergewicht durch die Möglichkeit, alle ihm zur Überführung des Beschuldigten geeignet erscheinenden Ermittlungen anzustellen, so gewährt das Beweisantragsrecht dem Angeklagten in der Hauptverhandlung den Ausgleich, indem es ihm die Macht verleiht, die Erhebung der ihm geeignet erscheinenden Entlastungsbeweise grundsätzlich zu erzwingen. Aber die Rechtsentwicklung geht unverkennbar dahin, die Stellung des Beschuldigten schon im Vorverfahren im Sinn einer Annäherung an den Gedanken der Waffengleichheit zu verbessern, mag man die darauf abzielenden Bemühungen damit begründen, die Rechtsstaatlichkeit verlange die uneingeschränkte Möglichkeit, sich schon gegen die Beschwer einer Hauptverhandlung zu verteidigen (so A r n d t NJW. 19601192), oder mit BGHSt. 12,136,139 30 den Gedanken der Waffengleichheit mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. in Verbindung bringen. Den Anfang einer solchen Entwicklung mag man in der Untersuchungshaftnovelle 1926 erblicken, die dem in Untersuchungshaft Befindlichen das Recht einräumte, mündliche Verhandlung über die Aufrechterhaltung des Haftbefehls zu beantragen (§§ 114d, 115a). Einen entscheidenden Schritt vorwärts will der Entwurf der „kleinen Strafprozeßreform" 1960 tun (S. 36). Der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG.), das die Voraussetzung einer sachgemäßen Verteidigung bildet, soll schärfer durchgeführt werden; dem Abschluß des Vorverfahrens muß grundsätzlich eine Anhörung, der Erhebung der Anklage in schwereren Sachen auf Antrag des Beschuldigten ein Schlußgehör durch den Staatsanwalt mit mündlicher Erörterung vorausgehen. Dem Beschuldigten wird vor allem im Vorverfahren das Recht beigelegt, zu seiner Entlastung die Erhebung von Beweisen zu verlangen, die erhoben werden müssen, wenn sie von Bedeutung sind. Im Zusammenhang damit wird die notwendige Verteidigung bei Verbrechen und in allen erstinstanzlichen Sachen vor dem Landgericht notwendig, die Stellung des Verteidigers soll verstärkt werden. Und schließlich kommt der Gedanke, dem Beschuldigten die Besorgnis einer Voreingenommenheit des Gerichts fernzuhalten, in der beabsichtigten Umgestaltung des Eröffunngsbeschlusses zum Ausdruck. Der Gedanke, daß das Übergewicht der staatlichen Mittel gegenüber den beschränkten Möglichkeiten des Beschuldigten den Staat zur Selbstbeschränkung und zum fair play verpflichte, liegt schließlich dem Grundsatz der F ü r s o r g e p f l i c h t des Gerichts, aber auch, soweit es mit seinen Aufgaben vereinbar ist, des Staatsanwalts (vgl. LG. Aachen NJW. 1961 86) gegenüber dem Beschuldigten zugrunde (dazu eingehend K l e i n k n e c h t / M ü l l e r Einl. 12 II). Sie umfaßt zunächst die Pflicht, die nachteiligen Folgen eines unvermeidlichen Eingriffs in die Rechtssphäre nach Möglichkeit herabzumindern (vgl. L ü t t g e r / K a u l GA. 1961 77). Über die mehr und mehr in ihren Einzelfolgerungen durch Gesetz und Rechtsprechung ausgeformte Pflicht zur Gewährung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG.) hinaus ist es danach ferner Aufgabe der Strafjustizorgane, dem Beschuldigten, der durch Rechtsunkenntnis, Unerfahrenheit, mangelnde Mittel, insbesondere aber, weil es ihm an Beistand eines Verteidigers fehlt, Gefahr läuft, seine rechtlichen Belange nicht vertreten und verfahrensrechtlichen Befugnisse nicht wahrnehmen zu können oder sonst fehlerhaft zu handeln und dadurch Schaden zu erleiden, in geeigneter Weise zu helfen (vgl. N i e t h a m m e r JZ. 1953 472). Die gleiche Pflicht besteht übrigens auch gegenüber anderen hilfebedürftigen Verfahrensbeteiligten (so muß das Gericht möglichst verhindern, daß der Zeuge in Meineidsgefahr gebracht wird) und gegenüber dem durch die Straftat Verletzten ( K l e i n k n e c h t / M ü l l e r Einl. 12 IIb). Die Fürsorgepflicht als allgemeines Prinzip läßt sich aus den zahlreichen Einzelvorschriften ableiten, in denen unter dem Gesichtspunkt der Fürsorge Verhaltenspflichten als Rechtspflichten begründet sind, insbesondere aus 30 Der BGH. wirft dort die Frage auf, ob die besondere Fristenregelung für die Rechtsmittel der Finanzamter in Steuerstrafsachen (§ 467 Abs. 2 RAbgO.) —also für staatliche Strafverfolgungsorgane und -mitwirkungsorgane — als widerspruchlich mit dem Gedanken der Waffengleichheit gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG. verstoße. Er verneint diese Frage, weil Art. 3 GG. dem Gesetzgeber einen gewissen Ermessensspielraum lasse. Aber der Entw. der „Kleinen Strafprozeßreform" 1960 will — im Sinn der Waffengleichheit — das Problem z. T. dadurch bereinigen, daß die bisher nur dem Finanzamt zustehende Fristerweiterung bei der Revisionsbegründung in gewissem Umfang allen Rechtsmittclberechtigten zukommen soll (vgl. S. 39).
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Wesen, Zweck, Gliederung und Verlauf des Strafverfahrens
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solchen, die eine Belehrung über die Rechtslage, über Antrags- und Aussageverweigerungsrechte usw. vorschreiben (vgl. z. B. §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2, 63, 115,115 a Abs. 4, 201 Abs. 1 Satz 2,3, 235 Satz 2, 265 Abs. 1). Die Tendenz der neueren Gesetzgebung geht dahin, die Belehrungspflichten zu erweitern. So ist durch das 3. Strafrechtsänderungsgesetz v. 4. 8.1953 allgemein bei Entscheidungen, die durch ein befristetes Rechtsmittel angefochten werden können, die Pflicht zur Belehrung des Betroffenen über die Möglichkeiten der Anfechtung und die dafür vorgeschriebenen Fristen und Formen eingeführt worden (§ 35 a StPO.). Der Entwurf des Strafprozeßänderungsgesetzes 1960 (oben S. 35) sieht weitere Belehrungspflichten vor (Belehrung des Beschuldigten über sein Recht, die Aussage zur Sache zu verweigern [neuer § 136 Abs. 1] und das Schlußgehör zu beantragen [neuer § 169b Abs. 4], Belehrung der Zeugen über Zeugnisverweigerungsrecht auch bei Vernehmung durch Staatsanwaltschaft oder Polizei [neuer §163a Abs. 4]). Eine über diese Einzelvorschriften hinausgehende, aus dem Obersatz ableitbare Fürsorgepflicht kann Rechtspflicht sein, wenn sie sich aus dem durch erweiternde Auslegung zu gewinnenden Sinn von Rechtspflichten begründenden Einzelvorschriften ergibt (vgl. dazu OLG. Düsseldorf GA. 1958 54 zu § 228 Abs. 2 StPO.), andernfalls folgt sie als nobile officium aus der Amtspflicht ( K l e i n k n e c h t / M ü l l e r Einl. 12 Ilf.). Z u s a m m e n f a s s e n d läßt sich danach der Zweck des Strafverfahrens dahin kennzeichnen: Das Strafverfahren dient der Verwirklichung des materiellen Strafrechts, d. h. der Feststellung, ob sich im Einzelfall ein Beschuldigter nach der äußeren und inneren Tatseite einer Straftat schuldig gemacht hat, um je nach dem Ergebnis gegen den Schuldigen die im sachlichen Strafrecht vorgesehenen Unrechtsfolgen zu verhängen, den nicht für schuldig Befundenen aber aus dem Verfahren zu entlassen und den Unschuldigen zu rehabilitieren. Um die Wahrheit festzustellen, muß der Staat die Organe — Gericht und Verfolgungsorgane —, in deren Hand er die Verfolgung des Verbrechens und die Ausübung der Strafgewalt gelegt hat, mit den nötigen Mitteln und Befugnissen ausstatten. Aber der Staat muß auch Vorsorge treffen, daß nicht Irrtum und menschliche Unzulänglichkeit auf das Ergebnis Einfluß gewinnt. Er muß den Gegensatz zwischen dem Interesse des Staates an nachhaltiger Verbrechensbekämpfung, an Ermittlung, Überführung und Bestrafung des Rechtsbrechers einerseits und der Menschenwürde und dem Interesse des Beschuldigten, der im Rechtssinn erst mit der Rechtskraft des Schuldspruchs zum Schuldigen wird, sich zu verteidigen, Ruf und Freiheit zu erhalten, und selbst wenn er sich schuldig fühlt, ein möglichst günstiges Urteil anzustreben, andererseits, ausgleichend Rechnung tragen und darf gegen den Beschuldigten nur insoweit Zwangsmittel anwenden, als es zur Erreichung des Prozeßziels unvermeidlich ist. Er muß auch Vorsorge treffen, daß Dritte, die zur Aufklärung in Anspruch genommen werden müssen, so wenig wie möglich beschwert werden. 3. Gestaltung des Verfahrens. Aus den vorbezeichneten Absichten heraus ist das Strafverfahren so gestaltet, daß drei in Unterabschnitte zerlegte Abschnitte mit verschiedenen Zielen, nämlich das Vorverfahren, das Hauptverfahren und die Vollstreckung, unterschieden werden können. Das V o r v e r f a h r e n soll aufklären, ob eine Wahrscheinlichkeit für die Täterschaft und die Schuld des Beschuldigten besteht. Das Ziel des H a u p t v e r f a h r e n s bildet die Entscheidung darüber, ob die Täterschaft und die Schuld des Angeklagten nachgewiesen und welche Folgen der Vorschrift des Strafgesetzes gemäß über ihn zu verhängen sind oder ob er mangels des Nachweises der Täterschaft oder der Schuld freizusprechen ist. Im Abschnitt der V o l l s t r e c k u n g , in dem der Vollzug von Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln der Sicherung und Besserung an erster Stelle steht, werden die in der rechtskräftigen Entscheidung ausgesprochenen Unrechtsfolgen dem Urteil gemäß verwirklicht, soweit es hierzu besonderer Ausführungsmaßnahmen bedarf, und es werden ferner in diesem Abschnitt Unrechtsfolgen, die im Urteil nur bedingt oder von unbestimmter Dauer festgesetzt sind, durch ergänzende gerichtliche Entscheidung konkretisiert, z. B. die Strafaussetzung zur Bewährung wegen Nichtbewährung widerrufen, die ausgesetzte Strafe nach Ablauf der Bewährungsfrist erlassen, der Vollzug einer freiheitsentziehenden Maßregel wegen Erreichung ihres Zweckes beendet. Trotz der Aufteilung des Verfahrens in Abschnitte bildet es eine Einheit; das zeigt sich darin, daß eine jeweils vom zuständigen Richter getroffene und auf Weiterentwicklung berechnete Anordnung nicht ohne weiteres mit Abschluß des Abschnitts gegenstandslos wird, sondern fortwirkt, bis sie der zuständige Richter des nächsten Abschnitts aufhebt (BGHSt. 8,196). In den drei Abschnitten aber greifen immer wieder mannigfache Handlungen der staatlichen Organe, der Beteiligten und Dritter ineinander. Die „Prozeßhandlungen" (s. unten S. 63) bezwecken, das Verfahren seinem Ende in der Richtung auf ein vom Handelnden erstrebtes
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3 Ergebnis näher zu bringen. Sie bewirken die Entstehung von Verfahrenslagen (Eb. S c h m i d t , Lehrkomm. I S. 42), von denen jeweils die eine die andere ablöst, bis ein im Prozeßgesetz vorgesehener endgültiger Abschluß des Verfahrens erreicht ist. Auch diese Handlungen lassen, wenn ihre Besonderheiten beachtet werden, eine Dreiteilung zu. Die handelnden Personen machen von den Mitteln Gebrauch, die das Verfahrensgesetz gewährt, damit die Untersuchung und Entscheidung des Falls geordnet verlaufen; sie verfahren. Bei diesem Verfahren betreiben sie die ihnen dienlichen Zwecke, auf deren Widerstreit oben hingewiesen ist; sie verfolgen. Durch die verfahrensmäßige Verfolgung aber wirken sie auf den Stoff, der im einzelnen Fall bearbeitet wird, nämlich auf die Bereitung eines Bildes des der Vergangenheit angehörenden, als Verbrechen bezeichneten Ereignisses, auf seine rechtliche Würdigung sowie auf die Verwirklichung der gesetzlich vorgeschriebenen Folge, je nach Zweck und Vermögen aufklärend oder verwirrend, fördernd oder hemmend ein; sie gestalten die Sache. So wickelt sich der Lebensvorgang, der entsprechend den Verfahrensvorschriften der Untersuchung, Aburteilung und Sühne eines Verbrechens gewidmet ist, in den Handlungen der staatlichen Organe, der Beteiligten und der Dritten schrittweise ab; es wird prozediert. Manchmal findet die Entwicklung ihren Abschluß schon innerhalb des ersten Abschnitts, des Vorverfahrens, manchmal dringt sie in den zweiten Abschnitt, in das Hauptverfahren, oder auch darüber hinaus in den dritten Abschnitt, in die Vollstreckung, vor. Freilich ist das Prozedieren keineswegs regelmäßig ein gerades Vorschreiten. Viele Schritte geschehen zurück oder zur Seite, sowohl äußerlich, indem die Bearbeitung in einen duichschrittenen Unterabschnitt zurückversetzt wird, als auch innerlich, indem Unerheblichem nachgegangen oder von der in greifbare Nähe gerückten Wirklichkeit und der ihr entsprechenden Folge abgeirrt wird. Das Umsonst und das Beinahe sind häufige Erscheinungen im Strafverfahren. Im allgemeinen31 stellt sich also das Strafverfahren als ein staatlich geordneter Vorgang dar, in dem staatliche Behörden tätig werden, um die Frage, ob eine strafbare Handlung begangen sei und wer sie begangen habe, zu klären, um, sofern die vorbereitenden Nachforschungen die Täterschaft eines bestimmten Menschen wahrscheinlich gemacht haben, eine gerichtliche Entscheidung über jene Frage und über die Folge ihrer Beantwortung herbeizuführen und um die rechtskräftig gewordene Entscheidung zu vollstrecken. Hierbei ist auf folgendes hinzuweisen: Zum Strafverfahren gehört auch das Verfahren, das der Vorbereitung der öffentlichen Klage dient. Herr dieses Verfahrens ist die Staatsanwaltschaft. Sie kann sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben mit Ersuchen und Aufträgen an die Behörden und Beamten des Polizei- und Sicherheitsdienstes und, wenn die Vornahme einer richterlichen Untersuchungshandlung erforderlich wird, mit Anträgen an die Amtsrichter wenden. Sie kann die Einstellung des Verfahrens mangels genügenden Anlasses zur Erhebung der öffentlichen Klage verfügen und von der Klageerhebung unter gewissen Voraussetzungen wegen mangelnden Strafbedürfnisses oder aus Zweckmäßigkeitsgründen absehen. Dem Strafverfahren ist es nicht wesentlich, daß eine Strafe für den Fall der Täterschaft und der Schuld verhängt werden müsse. Vielmehr werden im Strafverfahren auch gerichtliche Entscheidungen gefällt, die gemäß §§ 163 ff. StPO. trotz angenommener Schuld auf Einstellung des Verfahrens lauten oder die zwar die Schuld feststellen, aber von Bestrafung absehen (§ 260 Abs. 4) oder die Entscheidung über die Bestrafung zurückstellen (§ 27 JGG.), wenn das sachliche Strafrecht dies zuläßt. Hierher gehören auch Entscheidungen, die den Täter in Anwendung der §§ 199 oder 233 StGB, für straffrei erklären. Ein Strafverfahren ist auch das Verfahren, in dem der Verletzte von dem Recht Gebrauch macht, strafbare Handlungen im Weg der Privatklage zu verfolgen, während die zur Erhebung der öffentlichen Klage berufene Staatsanwaltschaft untätig bleibt, weil sie ein öffentliches Interesse an der Verfolgung nicht für vorliegend erachtet. 31 Allgemeinere, von der konkreten Gestaltung des geltenden Verfahrensrechts abstrahierende Begriffsbestimmungen sind meist farblos. Die Begriffsbestimmung von Eb. S c h m i d t , Lehrkomm. I S. 43 (ihm folgend K l e i n k n e c h t / M u l l e r Einl. 8a) „Der Prozeß ist der rechtlieh geordnete, von Lage zu Lage sich entwickelnde Vorgang zwecks Gewinnung einer richterlichen Entscheidung über ein materiellrechtliches Rechtsverhältnis" trifft in dieser Allgemeinheit uneingeschränkt nur für das Stadium von der Anklageerhebung ab zu; für das Vorverfahren, das ja schließlich auch „Prozeß" ist, gilt diese Zielsetzung nur bedingt: Ein großer Teil der Vorverfahren endet nach mehr oder weniger umfangreichen Ermittlungen mit der Einstellung des Verfahrens durch die Staatsanwaltschaft. Gänzlich aus einer Begriffsbestimmung ausscheiden muß die unergiebige und richtigerweise (vgl. zutreffend Eb. S c h m i d t Lehrkomm. I S. 39b mit Schrifttumsangaben; a. M. z. B. P e t e r s S. 80) zu verneinende Frage, ob der Strafprozeß als ein Prozeßrechtsverhältnis anzusehen ist.
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Wesen, Zweck, Gliederung und Verlauf des Strafverfahrens
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4. Erweiterung der Zwecke des Strafverfahrens. Innerhalb des Strafverfahrens werden gegen den, dessen Täterschaft festgestellt ist, nicht nur Strafen und strafähnliche Nebenfolgen als Erwiderung auf den Rechtsbruch, als „gerechte Vergeltung", ausgesprochen, sondern auch sichernde und bessernde Maßregeln angeordnet, die die Verhütung künftiger, von dem Täter der Allgemeinheit drohender Gefahren bezwecken, und zwar in gewissem Umfang selbst dann, wenn eine Bestrafung wegen mangelnder Schuld nicht möglich ist. In eingeschränktem Maße bestand diese Möglichkeit seit langem (Zulässigkeit von Polizeiaufsicht, „unterschiedslose" Einziehung, Unbrauchbarmachung von Schriften und Darstellungen, Ausspruch der dauernden Unfähigkeit, als Zeuge oder Sachverständiger eidlich vernommen zu werden usw.). Die neuere Gesetzgebung hat die Pflicht oder wenigstens das Recht der Strafgerichte, Rechtsfolgen auszusprechen, die nicht die Eigenschaft eines dem Täter um seiner Schuld willen auferlegten Strafübels haben, sondern den Schutz der Allgemeinheit vor künftigen Rechtsbrüchen des Täters bezwecken, weit ausgedehnt. Das Gewohnheitsverbrecherges. v. 24.1.1933 insbesondere brachte die Maßregeln der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, in einer Trinkerheiloder Entziehungsanstalt und in einem Arbeitshaus, der Sicherungsverwahrung und des Berufsverbots, das Straßenverkehrsges. v. 19.12.1952 (BGBl. I 832) die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 42m StGB.) und das Bundesjagdges. v. 29.11.1952 (BGBl. I 780) die Entziehung des Jagdscheins (§ 41). Den Strafgerichten ist hier — nach den Vorstellungen des früheren Rechts — eine von Haus aus materiell-polizeiliche Aufgabe (Verbrechensverhinderung) übertragen, wie sich schon daraus ergibt, daß ein Teilt dieser Maßnahmen auch von den zuständigen Verwaltungsbehörden angeordnet werden kann. Zunächst haben prozeßökonomische Gesichtspunkte zu dieser Erweiterung des strafrichterlichen Aufgabenbereiches geführt: die Sachkenntnis, die das Strafgericht durch die Untersuchung des Falles gewonnen hat, seine Kenntnis von den Tatumständen und der Persönlichkeit des Täters soll ausgenutzt werden, um alsbald die Maßnahmen zu treffen, die sonst — sofern zulässig — später anderen Behörden oblägen und dann gegebenenfalls erneut richterlicher Nachprüfung — dann aber z. B. der des Verwaltungsrichters — unterbreitet werden müßten. Aber mehr und mehr tritt als Ergebnis der Reformideen der soziologischen Strafrechtsschule der Gedanke in den Vordergrund, daß es sich bei dieser Erweiterung des Aufgabenbereichs des Strafrichters gar nicht um eine nur mit Zweckmäßigkeitserwägungen begründbare Koppelung seiner „eigentlichen" Aufgaben mit materiell außerstrafrechtlichen handelt, sondern um eine legitime Erweiterung seiner spezifisch strafrichterlichen Aufgaben, die sich aus dem Wandel der Anschauungen über Ziel und Zweck des Strafrechts und des Strafverfahrens ergibt: über die bloße Ahndung der Tat, ihre repressive Beantwortung, an die sich nur gedanklich die Zwecke der Spezial- und Generalprävention anschließen, hinaus gehört es danach auch zu den „eigentlichen" Aufgaben des Strafrichters, mit selbständigen Mitteln, die ihm das sachliche Strafrecht zur Verfügung stellt, die Resozialisierung des Täters und die Verhütung künftiger Rechtsbrüche anzustreben, wenn die begangene Tat bei Würdigung ihrer Umstände und der Persönlichkeit des Täters zeigt, daß die Strafe — ihre Verhängung und ihr Vollzug — allein nicht ausreicht, die naheliegende Gefahr künftiger Straftaten auszuschließen. Die Verbrechensverhütung ist damit zu einem Bestandteil der den Strafrechtspflegeorganen übertragenen Verbrechensbekämpfung geworden, sobald sich aus der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung die Gefahr künftiger weiterer Verletzungen strafrechtlich geschützter Rechtsgüter ergibt. Die Strafe hat damit ihre Monopolstellung als Mittel der Verbrechensbekämpfung verloren; sie ist zwar noch immer das Hauptmittel, aber doch nur noch ein Mittel neben anderen, die an ihre Seite getreten sind. Auch wenn „nur" bestraft wird, besteht die Bedeutung der Bestrafung im weitem Umfang nicht mehr in der Festsetzung des Strafübels, das die Vollstreckungsbehörden durchführen m ü s s e n und das der Verurteilte zu erdulden verpflichtet ist. Bei der Strafaussetzung zur Bewährung (§§ 23ff. StGB., § 20ff. JGG.) kommt es bei erwartungsgemäßem Verhalten des Verurteilten gerade nicht zum Vollzug. An die Stelle der bisher allein möglichen Vollstreckungsstrafe tritt hier, zwar nicht im rechtstechnischen Sinn, aber dem materiellen Gehalt nach, auflösendbedingt die Aussetzungsstrafe, über deren begriffliche Einordnung, namentlich wenn sie mit Bewährungsauflagen, insbesondere Führungsanweisungen (§ 24 StGB.), verbunden ist, sich streiten läßt (Besserungsmaßregel? Sicherungsmaßregel eigner Art? „Neue selbständige dritte Spur" der staatlichen Reaktionsmittel? Vgl. dazu D a l c k e / F u h r m a n n / S c h ä f e r [37] Vorbem. zu § 23 StGB.).
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Kap. 6
Einleitung (Schäfer)
1 Noch weiter von den klassischen Vorstellungen über das Strafverfahren entfernt sich das Jugendstrafverfahren, in dem die Verhängung einer Strafe die Ausnahme und die Festsetzung von Maßnahmen ohne Strafcharakter (Erziehungsmaßregeln, Zuchtmittel) die Regel ist. Die Konsequenz dieser Entwicklung ist, daß auch im Erwachsenenstrafrecht neben das klassische Strafverfahren, das gegen einen bestimmten Beschuldigten betrieben wird mit dem Ziel, eine Entscheidung über seine Schuld herbeizuführen und bejahendenfalls eine Strafe zu verhängen und daneben etwaige Sicherungs- und Besserungsmaßregeln anzuordnen, ein in den Formen eines Strafverfahrens betriebenes Verfahren tritt, das nur der Anordnung einer Sicherungsoder Besserungsmaßregel dient, weil die Verhängung einer Strafe von vornherein wegen fehlender Zurechnungsfähigkeit oder wegen eines Verfahrenshindernisses entfällt, während das sachliche Recht die Anordnung der Maßregel unabhängig von einer Bestrafung zuläßt. Ein solches selbständiges Verfahren kannte das Verfahrensrecht schon früher in der Form des objektiven Verfahrens (§§ 430ff. StPO.), wenn es sich um Einziehung oder Unbrauchbarmachung körperlicher Gegenstände handelt, die infolge ihrer Beschaffenheit objektiv gefährlich sind (vgl. dazu noch §§ 8 ff. des Wirtschaftsges. v. 9. 7.1954, BGBl. I S. 175 betr. selbständiges Mehrerlösabführungsverfahren). Mit der Einführung weiterer Maßregeln der Sicherung und Besserung trat das Bedürfnis hervor, auch gegen eine bestimmte Person, die den Tatbestand einer mit Strafe bedrohten Handlung verwirklicht hat, zur Verhinderung künftiger Rechtsgutverletzungen die im sachlichen Recht unabhängig von einer Bestrafung zugelassenen Maßregeln anordnen zu können. Das geltende Recht kennt ein solches selbständiges Verfahren nur in Form des Sicherungsverfahrens (§§ 429aff. StPO.) für den Fall, daß die Unterbringung eines zur Tatzeit Zurechnungsunfähigen in einer Heil- oder Pflegeanstalt (§ 42 b StGB.) angeordnet werden soll. BGHSt. 13, 91 = NJW. 1959 1185 läßt in erweiternder Auslegung des § 429 a neben der Unterbringung auch die Entziehung der Fahrerlaubnis zu, die nach § 42 m StGB, auch gegenüber dem zur Tatzeit Zurechnungsunfähigen durch strafgerichtliches Urteil ausgesprochen werden kann. Die Beschränkung der selbständigen Anordnung im geltenden Recht genügt dem praktischen Bedürfnis nicht; die Reformtendenzen zielen auf Erweiterung ab (vgl. Vorbem. 2 vor § 429 a). Die vielfach übliche Bezeichnung des selbständigen Verfahrens als „unechter Strafprozeß" geht von der Vorstellung aus, daß ein „echtes", ein „eigentliches" Strafverfahren nur ein solches sei, das auf Feststellung von strafrechtlicher Schuld oder Nichtschuld und für den Fall der Schuldfeststellung (in der Regel) auf die Verhängung einer Strafe gerichtet ist. Sieht man aber in der Verhütung rechtswidriger Taten, nachdem die Wiederholungsgefahr durch eine rechtswidrige Tatbestandsverwirklichung erkennbar geworden ist, einen der repressiven Beantwortung gleichwertigen originären Zweig der den Strafrechtspflegeorganen übertragenen Verbrechensbekämpfung, dann ist auch das selbständige Verfahren ein „echtes" Strafverfahren; es ist dann unter „Strafverfahren" — die Bezeichnung knüpft nur an den Regelfall an — jedes Verfahren zu verstehen, das von den Straf justizorganen in den vorgeschriebenen Formen zur Verwirklichung der im sachlichen Strafrecht an die rechtswidrige Tatbestandsverwirklichung geknüpften Rechtsfolgen betrieben wird, gleichviel ob diese Folgen in Strafe neben Maßregeln oder nur in Maßregeln bestehen. Auch das Jugendstrafverfahren ist ja ein „echtes" Strafverfahren, auch wenn von vornherein nicht die Verhängung von Jugendstrafe, sondern nur die Anordnung von Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmitteln in Frage steht. Nur in dem Sinn ist das selbständige Verfahren ein „unechter" Strafprozeß, als hier die Regeln des Normalprozesses, die auf den Fall der Verhängung einer Strafe für den Fall der Schuldfeststellung zugeschnitten sind, nur mit den — z. T. tiefgreifenden — Abweichungen („entsprechend") anzuwenden sind, die sich aus der Besonderheit der Lage und der Zielsetzung des Verfahrens ergeben (vgl. N a g l e r Ger. S. 112, 133,144, 308; 113,1). Dieser Unterschied wird verwischt, wenn z. B. § 429 a vom „Beschuldigten" statt richtigerweise vom „Betroffenen" spricht (vgl. Vorbem. 1 vor § 429 a). Über eine andere Ausdehnung der Zwecke des Strafverfahrens im Hinblick auf den Verletzten (Rufwiederherstellung, Entschädigung) s. unten S. 50 f.
6. Verhältnis des Strafverfahrens zu anderen Verfahren. 1. Strafprozeß und ZivilprozeB. a) Die beiden Verfahrensarten weisen im Großen und im Kleinen viel Gemeinsames auf. In beiden wird angesichts der Behauptung einer Verletzung der Rechtsordnung das Ziel verfolgt, daß das Gericht sich in einem geordneten Verfahren durch Handlungen und Wahrnehmungen
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Verhältnis des Strafverfahrens zu anderen Verfahren
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eine Vorstellung von den erheblichen tatsächlichen Ereignissen oder Zuständen verschaffe, die anzuwendenden Rechtssätze ermittle und auf Grund der tatsächlichen Feststellung und der rechtlichen Würdigung eine Entscheidung zur Sache erlasse, die mit dem Eintritt der Rechtskraft Geltung und Wirkung auch dann erlangt, wenn sie von dem durch die Tatsachen erzeugten Recht, dem wahren Recht, abweicht. Die Vorschriften über die Ausschließung und Ablehnung der Gerichtspersonen, über die Zustellungen, über den Beweis durch Zeugen und Sachverständige und über die Rechtsmittel sind für beide Verfahrensarten in Einzelheiten ähnlich gestaltet. Andererseits scheidet ein tiefreichender Gegensatz das Strafverfahren vom Verfahren im bürgerlichen Rechtsstreit ab. Begriffe, deren Entwicklung dem letzteren förderlich geworden ist, können auf den ersteren nicht ohne weiteres übertragen werden. Der Gegensatz wird durch den Unterschied der Gegenstände begründet. Die Erfüllung der bürgerlich-rechtlichen Verpflichtungen erfordert keine gerichtliche Entscheidung. Die weit überwiegende Zahl dieser Verpflichtungen wird ohne gerichtliches Verfahren erfüllt. Das bürgerliche Recht räumt grundsätzlich dem Berechtigten die freie Verfügung über seine Rechte und Ansprüche ein, sofern nicht Ausnahmen um des öffentlichen Wohls willen, insbesondere in den Ehe-, Kindschafts- und Entmündigungssachen, stattfinden. Das Recht der freien Verfügung über private Rechte bestimmt auch entscheidend die Gestaltung des Zivilprozesses; es gilt die Parteimaxime. Was die vor Gericht streitenden Einzelnen, die Parteien, nicht vorbringen, um den Grund ihrer Ansprüche oder Einwendungen nachzuweisen, ist vom Gericht nicht zu beachten. Das Gericht muß die von einer Partei behaupteten Tatsachen als wahr gelten lassen, wenn die Gegenpartei sie ausdrücklich oder stillschweigend zugesteht und nicht etwa ersichtlich ist, daß das Zugeständnis gegen die im § 138 Abs. 1 ZPO. bestimmte Wahrheitspflicht verstößt. Es ist für die Prüfung der Wahrheit der bestrittenen Tatsachen grundsätzlich auf die Benutzung der von den Parteien bezeichneten Beweismittel beschränkt („formelle Wahrheit"). Was die Parteien nicht begehren, um sich die Befriedigung ihrer Ansprüche zu verschaffen, darf ihnen vom Gericht nicht zugesprochen werden. Hierbei gilt die Gleichberechtigung der Parteien. Demzufolge treten im bürgerlichen Rechtsstreit, wenn das Verhältnis zwischen Gericht und Parteien betrachtet wird, eine weitgehende Freiheit der Parteien und als ihr Gegenstück eine starke Gebundenheit des Gerichts mit ausschlaggebender Wirkung auf die Sachgestaltung hervor. Dagegen bedarf es stets der im Strafverfahren getroffenen gerichtlichen Entscheidung, um die Rechtsfolgen zu verwirklichen, die das sachliche Strafrecht an die Erfüllung eines Straftatbestands knüpft. Im Strafverfahren verlangt das öffentliche Wohl immer und überall Berücksichtigung. Der Staat wird hier in der Regel von Amts wegen erforschend, entscheidend und vollstreckend tätig, damit unverzichtbare Rechte ausgeübt und unerlaßbare Pflichten abgetragen werden, damit der Rechtsbruch geahndet, der Nichtschuldige aber von dem Schuldvorwurf freigesprochen werde. Die Regeln des Strafprozeßrechts sind grundsätzlich zwingendes Recht, das nur ausnahmsweise einer gewissen Disposition der Beteiligten unterliegt (vgl. z. B. § 245 Satz 3, § 261 Abs. 1 Nr. 4). Das Hauptgewicht der staatlichen Tätigkeit ist für das Strafverfahren auf die vom Gericht zu fällende Entscheidung gelegt. Das Hauptverfahren muß, soweit nicht Verfahrenshindernisse eingreifen (§§205, 206a) oder Einstellung nach §§163ff. stattfindet, bis zu dem am Schluß der Hauptverhandlung zu erlassenden Urteil durchgeführt werden (§ 260). Eine Erledigung des Verfahrens durch Privatdisposition (Vergleich, Anerkenntnis oder Verzicht) gibt es, wenn man von gewissen Möglichkeiten bei den Antragsdelikten und den Privatklageverfahren absieht, nicht. Das Gericht kann der öffentlich-rechtlichen Pflicht, dem Recht gemäß zu entscheiden, nur nachkommen, wenn es von dem Verhalten, dem Willen und den Wünschen der Beteiligten unabhängig ist. Es muß, gleichviel was die Beteiligten vorbringen und begehren, die Wahrheit (die „materielle Wahrheit") mit allen zu Gebote stehenden Beweismitteln selbständig erforschen und aus seiner Überzeugung heraus das Urteil bilden, das den Rechtssätzen entspricht. Für eine volle Gleichberechtigung der Beteiligten aber ist grundsätzlich kein Raum, weil der Hauptbeteiligte angesichts des gegen ihn bestehenden Verdachts des Verbrechens einem Zwang unterworfen werden muß, der gegenüber dem Ankläger nicht Platz greifen kann. Andererseits ist der öffentliche Kläger kein echter „Gegner", denn es gehört zu seinen Amtspflichten, auch entlastend für den Beschuldigten einzutreten (vgl. insbes. §§ 160 Abs. 2, 296 Abs. 2). Der allgemeine Sprachgebrauch verleiht diesem Gegensatz einen treffenden Ausdruck. Die Parteien des Zivilprozesses „prozessieren miteinander"; im Strafverfahren aber wird dem Schuldigen „der Prozeß gemacht". 4
Löwe-Rosenberg,
StPO. 21. Aufl.
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Kap. 6
Einleitung (Schäfer)
1 Das vorstehend über das Beweisrecht Gesagte gilt ohne Einschränkung für das ordentliche Verfahren, hier aber auch in Übertretungssachen (§§ 244, 245) und in Privatklageverfahren. Gewisse Abweichungen bestehen bei den sog. summarischen Verfahren, dem Strafbefehls- und Strafverfügungsverfahren (§§ 407 ff. StPO.), wo sich der Richter mit einer knappen Sachaufklärung zufrieden geben darf, wenn sie ihm zur Bildung seiner Überzeugung von der Täterschaft und Schuld ausreichend erscheint. Dies beruht auf dem Bestreben, für gewisse häufig vorkommende Delikte von geringerer Bedeutung ein möglichst einfaches und formloses Verfahren zur beschleunigten Erledigung des Falles zur Verfügung zu stellen. Der Gesetzgeber sieht hier die Rechte des Beschuldigten dadurch als genügend gewahrt an, daß er ihm ermöglicht, gegen die Straffestsetzung Einspruch einzulegen, der dann zu einer mit allen Rechtsgarantien ausgestatteten ordentlichen Hauptverhandlung führt. Verfehlt wäre es aber, diesen vorläufigen Verzicht auf eine umfassende Sachaufklärung unter dem Gesichtspunkt zivilrechtlicher oder zivilprozessualer Erledigungsmöglichkeiten zu würdigen, etwa als eine „vertragsähnliche Abmachung der Angelegenheit" zwischen dem Beschuldigten und den Strafjustizorganen oder als ein Gegenstück zum Mahnverfahren des Zivilprozesses, dergestalt, daß der Richter lediglich die im Strafbefehlsantrag des Staatsanwalts aufgestellten Behauptungen als wahr unterstellt (vgl. Anm. 7 zu § 407) b) Die Pflicht des Gerichts, die materielle Wahrheit selbständig mit allen Mitteln zu erforschen und nur der eignen auf dieser Grundlage gewonnenen Überzeugung entsprechend zu entscheiden, führt dazu, daß der Strafrichter auch über z i v i l r e c h t l i c h e V o r f r a g e n (z. B. über die Fremdheit der Sache im Fall des § 242 StGB.) selbständig zu entscheiden hat und an Urteile des Zivilprozeßgerichts (ausgenommen Gestaltungsurteile, vielleicht auch Urteile mit Rechtskraft inter omnes) nicht gebunden ist (§ 262 Abs. 1 und die Anmerkungen hierzu, ferner B r u n s , Festschrift für Lent [1956] 107ff.; S c h w a b N J W . 1960 2169). Er darf aber das Strafverfahren aussetzen, um die Ergebnisse eines Zivilprozesses für seine eigne Untersuchung nutzbar zu machen (§ 262 Abs. 2). E r kann sogar einem Beteiligten eine Frist zur Erhebung der Zivilklage setzen; doch kann, wenn der Beteiligte der Auflage nicht nachkommt, dies zwar gegebenenfalls bei der Beweiswürdigkeit bedeutsam sein, während sich weitere Folgerungen für das Strafverfahren daraus nicht ergeben. Anders liegt es dagegen im Vorverfahren; hängt bei einem Vergehen die Erhebung der öffentlichen Klage von der Beurteilung einer zivilrechtlichen Vorfrage ab, so kann nach § 154 a auch der Staatsanwalt dem Beteiligten eine Frist zur Austragung der Frage im Zivilprozeß bestimmen, aber mit der Folge, daß er das Vorverfahren einstellen kann, wenn die Auflage unbeachtet bleibt. Entsprechende Grundsätze gelten bei Vorfragen auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts; doch greifen hier gewisse Ausnahmen Platz (§468 RAbgO., Art. 21 Abs. 2 Satz 2 GG.; Näheres Anm. 11 zu § 262). c) Der Strafrichter entscheidet nicht nur über zivilrechtliche Vorfragen, sondern auch über z i v i l r e c h t l i c h e A n s p r ü c h e , dann nämlich, wenn der Verletzte (sein Erbe) einen aus der Straftat, die den Gegenstand des Strafverfahrens bildet, erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch oder ein Verlangen nach Buße gegen den Beschuldigten geltend macht (§§ 403ff.) und das Gericht nicht „von einer Entscheidung absieht" (§ 405). In den Formen des Adhäsionsprozesses wird auch über den Anspruch auf Rückerstattung des Mehrerlöses entschieden, den bei einem Preisvergehen der Geschädigte gegen den Täter geltend macht (§ 9 des Wirtschaftsstrafges. v. 9. 7.1954, BGBl. I S. 175). Der Strafrichter tritt hier also an die Stelle des Zivilprozeßrichters, und seine dem Anspruch stattgebende Entscheidung hat die Bedeutung eines im Zivilprozeß ergangenen Endurteils (§ 406 Abs. 3). Die Untersuchung und Entscheidung erfolgt aber nicht in einem von dem Strafverfahren getrennten Nebenverfahren — die Bezeichnung als „Anhangs"- oder „Adhäsionsverfahren" ist deshalb irreführend —, sondern i m Strafverfahren, sie bildet einen Bestandteil des Strafverfahrens. Dies zeigt sich insbesondere darin, daß für die Verhandlung, die Beweiserhebung und die Bildung der richterlichen Überzeugung nicht die Regeln des Zivilprozesses mit den Grundsätzen der Parteimaxime und der formellen Wahrheit, sondern — in gleicher Weise wie bei der Feststellung der strafrechtlichen Folgen der Tat — die Vorschriften des Strafprozesses maßgebend sind. Es gelten also nicht die Bestimmungen der ZPO. über die Wirkung von Geständnis, Anerkenntnis oder Verzicht (s. die Anm. zu § 403), und die Beweiserhebung richtet sich nach dem Grundsatz des § 244 Abs. 2; strittig ist lediglich, ob das Gericht nach den Grundsätzen der gebundenen Beweisaufnahme (§ 244 Abs. 3) zu verfahren hat oder den Umfang der Beweisaufnahme nach pflichtmäßigem Ermessen bestimmt (s. die Anm. zu § 404). Auch die Anfechtung des Urteils über den Anspruch durch den Verurteilten erfolgt
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mit den nach der StPO. zulässigen Rechtsmitteln (Anm. 3 zu § 406 a). Daß andererseits auch im Strafverfahren und vor dem Strafgericht ein wirksamer Vergleich (§ 794 ZPO.) über den geltend gemachten vermögensrechtlichen Anspruch geschlossen werden kann, ergibt sich ohne weiteres daraus, daß der Anspruch seinen Charakter als dispositionsfähiges privates Rechtsgut auch im Adhäsionsprozeß beibehält. Die Erweiterung des strafrichterlichen Aufgabenbereichs, wenn es zum Adhäsionsverfahren kommt, beruht wie bei der Anordnung von Maßregeln der Sicherung und Besserung (oben S. 47f.) zunächst auf der prozeßökonomischen Überlegung, daß sich getrennte Prozesse vermeiden lassen, wenn die tatsächlichen Feststellungen, die der Strafrichter ohnedies für seine Entscheidung über den strafrechtlichen Vorwurf treffen muß, alsbald auch für die Klärung der vermögensrechtlichen Auswirkungen der Tat nutzbar gemacht werden. Aber neben diese bloße Zweckmäßigkeitserwägung tritt auch hier der andere Gedanke, daß sich die „eigentliche" Aufgabe des Strafrechts und des Strafverfahrens nicht in repressiven Maßnahmen gegen den Täter erschöpft, sondern anch dazu dient, dem Verletzten in einem mit dem Hauptzweck des Strafverfahrens verträglichen Ausmaß Genugtuung und Schadensausgleich zu verschaffen 82 . Im sachlichen Strafrecht dienen die Buße (§§ 188, 231 StGB.) und die Urteilsbekanntmachung zur Rufwiederherstellung (§§ 165, 200 StGB.), im Verfahrensrecht die Neben- und die Privatklage von jeher diesen Zwecken. In neuerer Zeit tritt die mit der Strafaussetzung zur Bewährung verbundene Auflage hinzu, den durch die Tat angerichteten Schaden wiedergutzumachen (§ 24 Abs. 1 Nr. 1 StGB.). Mit ihrem durch die Drohung des Aussetzungswiderrufs (§ 25 StGB.) begründeten mittelbaren Erfüllungszwang kann sie einen Zivilprozeß entbehrlich machen oder den Vollstreckungszwang eines bereits erstrittenen Zivilurteils verstärken. Die Reformbestrebungen sind darauf gerichtet, den Umfang der im (weiteren) Rahmen eines Strafverfahrens möglichen Maßnahmen zur Schadloshaltung eines Verletzten zu erweitern. Dem Mangel des geltenden Rechts, daß ein Strafverfahren wegen Beleidigung mit Freispruch wegen Wahrnehmung berechtigter Interessen oder mit Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses (Amnestie) enden kann (oder daß es aus diesen Gründen überhaupt nicht zur Erhebung der Anklage kommt), ohne daß der Verletzte eine strafrichterliche Feststellung über die Unwahrheit oder Nichterweislichkeit der gegen ihn gerichteten ehrenrührigen Behauptung erreichen kann, wollten Art. 70 Nr. 219 EGStGB.-Entw. 1930, § 423ff. StPO.-Entw. 1939 (vgl. oben S. 29 und 32) und der Entwurf des 1. Strafrechtsänderungsges. (BT-Drucks. 1949 Nr. 1307 S. 18 ff.) durch die Einführung eines mit dem Strafverfahren verbundenen, notfalls selbständigen strafrechtlichen Feststellungsverfahrens abhelfen 33 . In beschränktem Umfang wurde — abgesehen von den Vorschriften der Kriegsgesetzgebung über den Inhalt des Friedensspruchs im Privatklageverfahren (oben S. 35) — dieser Gedanke in den Straffreiheitsgesetzen v. 31.12.1949 (BGBl. S. 37) — § 8 — und vom 17. 7.1954 (BGBl. I S. 203) — § 18 — verwirklicht. In der Folgezeit wurde die Frage der Rufwiederherstellung durch objektive Feststellung der Wahrheit oder Unerweislichkeit einer ehrenrührigen Behauptung sogar als ein Problem des materiellen Strafrechts bezeichnet und seine Regelung im Strafgesetzbuch erwogen. Der StGB.-Entw. 1960 ist aber diesen Vorschlägen nicht gefolgt, sondern hat, hauptsächlich aus Zweckmäßigkeitsgründen, die Regelung dieser Frage der Strafprozeßreform überlassen. Insgesamt aber ergibt sich im Zusamenhalt mit den in die Hand des Strafrichters gelegten sichernden und bessernden Maßnahmen (oben S. 47) ein in der Verwirklichung begriffenes Vorstellungsbild von den Aufgaben des Strafverfahrens im weiteren Sinn, das etwa so zu kennzeichnen ist, daß es über die Feststellung von strafrechtlicher Schuld oder Nichtschuld und über die strafrechtliche Ahndung der Tat gegenüber dem für schuldig Befundenen hinaus Zweck des Strafverfahrens ist, in möglichst umfassender Weise den gestörten Rechtsfrieden wiederherzustellen und Maßnahmen zu möglichst dauerhafter Bewahrung des Rechtsfriedens zu treffen. 2. Strafprozeß und Verwaltungsstrafverfahren. Ein Verwaltungsstrafverfahren kommt heute nur noch in Betracht bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Entrichtung von Postgefällen (§§ 5 EGStPO., §§ 34ff. des Postgesetzes v. 28.10.1871) und bei Steuer- und Abgabezuwiderhandlungen nach §§ 421ff. RAbgO. und solchen landesrechtlichen Vorschriften, die auf die §§ 421 ff. RAbgO. verweisen (§ 6 Abs. 2 32
S. dazu K ü h l e r ZStrW. 71 (1959) 617. Vgl. dazu K e r n , Ehrenschutz im künftigen Strafverfahren, in Materialien zur Strafreohtsreform Bd. I Bonn 1954 S. 303, und J e s c h e c k GA. 1957 363. 33
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Kap. 6
Einleitung (Schäfer)
2 Nr. 2 EGStPO.). Vgl. dazu Anm. 2, 3 zu § 13 GVG. Das postalische Verwaltungsstrafverfahren hat nur geringe praktische Bedeutung, desto größere aber das Verwaltungsverfahren in Steuerstrafsachen. Das Wesen des Verwaltungsstrafverfahrens besteht darin, daß eine Verwaltungsbehörde bei leichteren kriminellen Verfehlungen —• Vergehen und Übertretungen — Geldstrafen und Nebenstrafen wie Einziehung durch einen Bescheid festsetzen darf, gegen den der Betroffene die Entscheidung des Strafrichters anrufen kann. Freiheitsstrafen (auch Ersatzfreiheitsstrafen für uneinbringliche Geldstrafen) durch Strafbescheid festzusetzen würde an dem Verbot des Art. 104 Abs. 2 GG. scheitern. Gegen die Weitergeltung der Vorschriften über das Verwaltungsstrafverfahren sind Bedenken im Hinblick auf Art. 92 GG. und aus den Vorschriften der Menschenrechtskonvention erhoben worden, während die herrschende Auffassung dahin geht, daß es sowohl auf dem Gebiet des Strafrechts (BGHSt. 18,102) wie auch in außerstrafrechtlichen Angelegenheiten (vgl. BSG. JZ. 1959 378) dem Rechtsprechungsmonopol der unabhängigen Gerichte und dem Grundsatz der Gewaltenteilung nicht widerspreche, Verwaltungsbehörden materielle Rechtsprechungsaufgaben zu übertragen, sofern nur der Betroffene gegen ihre Entscheidungen den Richter anrufen kann, so daß letztlich das unabhängige Gericht entscheidet. Auf den Meinungsstreit ist hier nicht näher einzugehen (vgl. dazu ausführlich die Anm. zu § 13 GVG.). Hier ist lediglich hervorzuheben, daß auch bei Anerkennung der Grundgesetzmäßigkeit des Verwaltungsstrafverfahrens jedenfalls diejenigen Vorschriften, die dem Beschuldigten ein Wahlrecht einräumen, gegen den Strafbescheid die Entscheidung des Strafrichters zu beantragen oder Beschwerde bei der höheren Verwaltungsbehörde zu erheben, die dann „endgültig" (nämlich ohne die Möglichkeit einer Anrufung des Strafrichters) entscheidet (§ 42 Postges., § 450 RAbgO.), durch Art. 19 Abs. 4 GG. überholt sind. BGHSt. 13,102 = NJW. 1959 1230 und BHF. (Großer Sen.) NJW. 1958 846 stimmen darin überein, daß der Beschuldigte nach wie vor die Möglichkeit habe, gemäß § 4öORAbgO. gegen den Strafbescheid des Finanzamts entweder unmittelbar den Strafrichter oder die Oberfinanzdirektion anzurufen, daß aber gegen den beschwerenden (den Strafbescheid ganz oder zum Teil aufrechterhaltenden) Beschwerdebescheid der Oberfinanzdirektion gemäß Art. 19 Abs. 4 der Rechtsweg offenstehe und daß dieser Weg nicht zu den Finanzgerichten (wie früher BFH. NJW. 1954 1422 annahm), sondern zum Strafgericht führe. Nach BGHSt. 18, 102 steht dieser Weg in der Weise offen, daß gegen den Beschwerdeentscheid in gleicher Weise befristeter Antrag auf gerichtliche Entscheidung zulässig ist wie gegen den Strafbescheid des Finanzamts. Das Beschwerdeverfahren ist danach im Ergebnis gewissermaßen ein Internum des Verwaltungsstrafverfahrens; beschwert sich der Beschuldigte, so stellt erst der Beschwerdeentscheid den (endgültigen) Strafbescheid dar, gegen den der Strafrichter angerufen werden kann. Vorliegend handelt es sich darum, von der so modifizierten Weitergeltung der Vorschriften über das Verwaltungsstrafverfahren ausgehend, das Verhältnis des (normalen) Strafverfahrens zum Verwaltungsstrafverfahren zu bestimmen. Beantragt der Beschuldigte gerichtliche Entscheidung, so ersetzt der Strafbescheid die Anklage und den Eröffnungsbeschluß und bestimmt die Grenzen der Rechtshängigkeit. Das vorangehende Ermittlungsverfahren des Finanzamts tritt an die Stelle des von der Staatsanwaltschaft betriebenen Vorverfahrens; im übrigen verliert es seine Bedeutung, doch behalten die dort vom Finanzamt nach § 419 Abs. 2 RAbgO. herbeigeführten Unterbrechungen der VerfolgungsVerjährung auch im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren ihre Wirkung (BGHSt. 12,14). Beläßt es der Beschuldigte bei dem erlassenen Strafbescheid, so erlangt dieser mit Eintritt der Rechtskraft die Wirkung eines rechtskräftigen Strafurteils (§ 468 RAbgO.), d. h. er wird vollstreckbar und erlangt (beschränkte) Konsumtionswirkung. Aus diesen Wirkungen folgt, daß die (ermittelnde und entscheidende) Tätigkeit des Finanzamts materiell Rechtsprechung i. S. des Art. 92 GG., formell aber Verwaltungsführung ist (Anm. 2 zu §13 GVG.; BGHSt. 13,102; 15,16). Das Strafverfahren vor der strafbefugten Verwaltungsbehörde ist also kein „Strafverfahren" im technischen Sinn der StPO., wohl aber Rechtssache im Sinn des § 336 StGB. Das Verwaltungsstrafverfahren ist dadurch gekennzeichnet, daß — wie ehedem im Inquisitionsprozeß — die Aufgaben des Ermitteins und Entscheidens, die Rollen des Anklägers und des Richters, in einer Hand vereinigt sind (über die entsprechende Gestaltung im Bußgeldverfahren s. unten S. 54). Diese Vereinigung zeigt sich nicht nur bei der Festsetzung der Strafe, sondern auch darin, daß das Finanzamt z. T. bei der Anwendung von Zwangsmitteln (Beschlagnahme, § 430 RAbgO. im Gegensatz zu § 98 StPO.) von richterlicher Kontrolle, wie sie in dem von der Staatsanwaltschaft betriebenen Vorverfahren besteht, freigestellt ist. Beherrscht wird
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die Tätigkeit des Finanzamts nach dem Grundsatz des § 420 RAbgO. von den Vorschriften der StPO., aber nur, soweit „die Steuergesetze", also auch die §§ 421 ff. RAbgO., nichts Abweichendes vorschreiben. Danach ergibt sich folgendes Bild (vgl. dazu H ä r t u n g in H ü b s c h m a n n / H e p p / S p i t a l e r , Komm. z. RAbgO. Vorbem. IV ff. vor §421; Moser, Das Strafverfahren nach der AO. S. 26ff.): Es gilt der Legalitätsgrundsatz (vgl. §152 Abs. 2 StPO., §§420, 440, 441, 446 RAbgO.; RGSt. 72,70) mit den aus §153 StPO., §477 Abs. 2 RAbgO. sich ergebenden Einschränkungen. Stellt das Finanzamt nach den letztgenannten Vorschriften wegen geringer Schuld ein, so entspricht dies, da das Finanzamt ja in einer Person Verfolgungsbehörde und Richter ist, einer im allgemeinen Verfahren durch das Gericht mit Znstimmung des Staatsanwalts beschlossenen Verfahrenseinstellung nach § 158 Abs. 3 StPO. mit beschränkter Rechtskraftwirkung (vgl. OLG. Bremen NJW. 19681248). Der Umfang der Ermittlungspflicht ergibt sich aus § 244 Abs. 2 StPO., das Finanzamt bestimmt aber den Umfang der Beweisaufnahme, und ein Beweisantragsrecht des Beschuldigten, dessen rechtliches Gehör durch § 442 RAbgO. geregelt ist, gibt es hier so wenig wie bei dem Strafbefehls- und Strafverfügungsverfahren. Bei der Entscheidung gilt der Grundsatz der freien Beweis Würdigung, und ein Strafbescheid darf nur erlassen werden, wenn das Finanzamt die Überzeugung von der Schuld erlangt hat. Bei seiner ermittelnden Tätigkeit ist das Finanzamt, nicht anders als die Staatsanwaltschaft, an Weisungen der vorgesetzten Behörden (in den Grenzen des § 346 StGB.) gebunden (vgl. Anm. 3 zu § 146 GVG.). Streitig ist dagegen, ob das Weisungsrecht sich auch auf die entscheidende Tätigkeit des Finanzamts erstreckt (vgl. H ä r t u n g a. a. 0. Vorbem. V vor § 421). M. E. gibt hier nicht der Umstand, daß der Erlaß des Strafbescheids formell ein Verwaltungsakt ist, sondern der Gesichtspunkt den Ausschlag, daß es sich materiell um die Ausübung von Rechtsprechung handelt. Das Wesen der Rechtsprechung besteht aber gerade darin, daß sie von unabhängigen, nur nach ihrer Überzeugung handelnden und darum weisungsfreien Staatsorganen ausgeübt wird (Art. 92,97 GG.). Daher kann die Frage, ob und wie bestraft wird, nicht Gegenstand einer Weisung sein. Anders mag es liegen, wenn die Weisung dahin geht, wegen bestehender Zweifel nicht selbst zu entscheiden, sondern das Verfahren der Staatsanwaltschaft zu überlassen (§ 446) oder vor der Entscheidung noch weitere Ermittlungen anzustellen, weil die bisherigen Ermittlungen nach Auffassung der vorgesetzten Behörde — im Gegensatz zu der des Finanzamts — noch keine genügende Grundlage für den Erlaß eines Strafbescheids bilden. Solche Weisungen entsprechen, mit dem allgemeinen Strafverfahren verglichen, nicht (unzulässigen) Weisungen an den Richter, sondern (zulässigen) Weisungen an die Staatsanwaltschaft, die die Erhebung der Anklage betreffen. Eine Besonderheit des Verwaltungsstrafverfahrens bildet das U n t e r w e r f u n g s v e r f a h r e n . Nach § 445 RAbgO. kann der Beschuldigte, der die Zuwiderhandlung vorbehaltlos einräumt, sich der in einer Niederschrift von der Verwaltungsbehörde festzusetzenden Strafe sofort unterwerfen, und die Unterwerfung steht einem rechtskräftigen Strafbescheid gleich. Damit sind zwar die Rechtsbehelfe, die gegen einen nicht rechtskräftigen Strafbescheid ergriffen werden können, ausgeschlossen. Wesentliche Mängel des Unterwerfungsverfahrens, machen indessen die Unterwerfung unwirksam (RGSt. 63,294,301; OLG. Hamburg JW. 1937 2405). Der Betroffene kann die Unwirksamkeit gemäß Art. 19 Abs. 4 GG. durch Anrufung des Amtsrichters als Strafrichter geltend machen, der dann aber nicht über die dem Antragsteller vorgeworfene Abgabenzuwiderhandlung, sondern lediglich über die Unwirksamkeit der Unterwerfungsverhandlung entscheidet (BGHSt. 15, 73). Das Unterwerfungsverfahren ist von großer praktischer Bedeutung; nach den Mitteilungen von H ä r t u n g in H ü b s c h m a n n / H e p p / S p i t a l e r , Komm. z. RAbgO. Anm. 1 zu §445 wird die Mehrzahl aller Verwaltungsstrafverfahren, soweit es nicht zu Einstellung kommt, durch Unterwerfung erledigt. Im Schrifttum werden aber — abgesehen von den gegen die Verfassungsmäßigkeit des Verwaltungsstrafverfahrens insgesamt erhobenen Angriffen — Bedenken gegen die Rechtsstaatlichkeit des Unterwerfungsverfahrens geltend gemacht (Nachweise bei H ä r t u n g a. a. O.). In der Tat läßt sich nicht verkennen, daß beim Unterwerfungsverfahren leicht der Gedanke eines „Vergleichs" über den Strafanspruch des Staats, eines Aushandelns der Strafe zwischen dem Täter und der strafbefugten Staatsgewalt, nahegelegt wird und daß die Befürchtung aufkommt, es möchten einerseits durch fiskalische oder sonstige verwaltungsmäßige Erwägungen die Belange der Strafrechtspflege verkürzt, andererseits der Beschuldigte durch den Druck der sonst drohenden förmlichen und möglicherweise schärferen Bestrafung zum Nachgeben gezwungen werden. Bei einem Abwägen des Für und Wider erschienen aber doch
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Kap. 6 8
Einleitung (Schäfer)
dem Gesetzgeber die Vorteile des Unterwerfungsverfahrens so überwiegend, daß er für den rechtsähnlichen Fall des Bußgeldverfahrens sich entschloß, auch dort das Unterwerfungsverfahren zuzulassen (§ 67 des Ges. über Ordnungswidrigkeiten v. 25. 3.1952, BGBl. I S. 177). Freilich liegt es dort insofern anders, als im Verwaltungsstrafverfahren das Legalitätsprinzip, im Bußgeldverfahren aber das Opportunitätsprinzip gilt (§ 7 OWiG.) und daher die Frage, ob und in welcher Höhe eine Geldbuße festzusetzen ist, im Ermessen der Verwaltungsbehörde liegt, die dabei auch Erwägungen verwaltungsmäßiger Zweckmäßigkeit Raum geben kann. Im Zusammenhang mit dem Problem des Verwaltungsstrafverfahrens steht die Frage, inwieweit die Polizeibehörden und -beamten befugt sind, in Übertretungssachen von einer Anzeige (§ 163 StPO.) abzusehen und statt dessen eine p o l i z e i l i c h e V e r w a r n u n g zu erteilen. Solange den Polizeibehörden nach § 413 StPO. a. F. in Verbindung mit den landesrechtlichen Ausführungsgesetzen das Recht zustand, Übertretungen durch polizeiliche Strafverfügung zu ahnden, gegen die der Beschuldigte strafrichterliche Entscheidung beantragen könnte, konnte die Befugnis des Landesrechts, Polizeibehörden und -beamte zur Erteilung von (gebührenpflichtigen oder gebührenfreien) polizeilichen Verwarnungen unter Abstandnahme von einer weiteren Verfolgung zu ermächtigen, ohne weiteres aus der ihm in § 413 eingeräumten Regelungsbefugnis hergeleitet werden. Mit der vollständigen und endgültigen Beseitigung der polizeilichen Strafverfügung durch das Rechtsvereinheitlichungsgesetz v. 12. 9. 1950 (oben S. 19) fiel dieser Rechtsboden weg. Wenn gleichwohl auch ohne bundesgesetzliche Ermächtigung — die bundesrechtliche Regelung der polizeilichen Verwarnung in § 22 des Straßenverkehrsges. v. 19.12.1952 (BGBl. I S. 837) betrifft nur die Verkehrsübertretungen — die Landesgesetzgebung dazu überging, auch bei anderen Übertretungen die polizeiliche Verwarnung unter Abstandnahme von einer weiteren Verfolgung zuzulassen, so war der Zusammenhang mit dem Verwaltungsstrafverfahren völlig gelöst, und die Regelung konnte nur in den allgemeinen strafverfahrensrechtlichen Vorschriften und ergänzend in der Gesetzgebungszuständigkeit der Länder auf dem Gebiet des Polizeirechts ihre Begründung finden. Das Nähere ist in anderem Zusammenhang oben S. 20 dargestellt. 3. Strafprozeß und Bußgeldverfahren. Das Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten (oben S. 23) weist mit dem Verwaltungsstrafverfahren viele Ähnlichkeiten auf. Wie dieses ist es formell Verwaltungsführung, nach der Konstruktion des OWiG. ist es sogar materiell Verwaltungsausübung, wobei sich freilich, wie oben ausgeführt, die Frage erhebt, ob diese Wertung als zutreffend anerkannt werden kann. Wie das Strafbescheidsverfahren ist es ein inquisitorisches Verfahren, Ermittlung und Entscheidung hegen in einer Hand. Auch das Bußgeldverfahren kennt ein Unterwerfungsverfahren (§ 67). Einen förmlichen Rechtssatz, daß die Vorschriften der StPO. für das Bußgeldverfahren der Verwaltungsbehörde sinngemäß ergänzend anwendbar seien, enthält das OWiG. (anders als § 420 RAbgO.) nicht. Doch sind seine Verfahrensvorschriften weitgehend denen der StPO. angepaßt, z. T. verweisen sie auf die StPO. (vgl. §§ 28—30, 38, 42), und aus der histrorischen Herkunft des Bußgeldverfahrens aus dem Strafverfahren, aber auch aus der Natur der Sache, ergibt sich, daß Lücken in der Regelung des Bußgeldverfahrens durch sinngemäßen Rückgriff auf die Vorschriften der StPO. zu schließen sind, soweit es mit dem Wesen des Bußgeldverfahrens und den dafür erlassenen Vorschriften vereinbar ist. Schließlich entspricht das Bußgeldverfahren dem Verwaltungsstrafverfahren auch darin, daß der Betroffene (diese technische Bezeichnung verwendet das OWiG., um den Gegensatz zum „Beschuldigten" des Strafverfahrens hervorzuheben) gegen den Bußgeldbescheid strafrichterliche Entscheidung beantragen kann. Dagegen ist das anschließende gerichtliche Verfahren anders gestaltet als das Verfahren nach Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen den Strafbescheid. Wie oben (S. 52) dargelegt, wird durch den letztgenannten Antrag das Verfahren in das gerichtliche Hauptverfahren übergeleitet. Der Strafbescheid verliert seine Bedeutung als Entscheidung, er bildet von nun an die Verfahrensgrundlage, indem er Anklage und Eröffnungsbeschluß ersetzt. Das Urteil des Strafrichters lautet also z. B., wenn sich der Strafbescheid als zutreffend erweist, nicht auf dessen Bestätigung oder Aufrechterhaltung, sondern auf Verurteilung zu einer inhaltlich dem Strafbescheid entsprechenden Strafe. Sieht das Gericht die Tat nicht als erwiesen an, so wird nicht der Strafbescheid aufgehoben, sondern der Angeklagte freigesprochen. Ganz anders liegt es im gerichtlichen Stadium des Bußgeldverfahrens. Nach der Konstruktion des OWiG. ist der Bußgeldbescheid als Verwaltungsakt Gegenstand der gerichtlichen Nachprüfung, und der Unter-
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Verhältnis des Strafverfahrens zu anderen Verfahren
Kap. 6 4
schied gegenüber anderen Verwaltungsakten besteht nur darin, daß die gerichtliche Nachprüfung des Bußgeldbescheids nicht auf Anfechtungsklage hin durch die allgemeinen Verwaltungsgerichte nach den Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung, sondern durch die Strafgerichte in einem dem Strafverfahren angenäherten Verfahren erfolgt. Die Entscheidung des Strafrichters lautet demgemäß auf Aufrechterhaltung, auf Abänderung oder auf Aufhebung des Bußgeldbescheids als unbegründet oder unzulässig (§ 55 OWiG.). Nach einer nicht unbestrittenen Auffassung kann bei Verfahrenshindernissen auch die Einstellung des Verfahrens ausgesprochen werden (vgl. D a l c k e / F u h r m a n n / S c h ä f e r [37] Anm. 17 zu § 55). Die Besonderheit des gerichtlichen Verfahrens nach §§ 54ff. OWiG. besteht also nach der Vorstellung des Gesetzgebers darin, daß den Strafgerichten über ihren eigentlichen Wirkungskreis — die Untersuchung und Entscheidung in Strafsachen — hinaus wegen der herkunftmäßigen Verwandtschaft der Bußgeldsachen mit den Strafsachen und wegen der Erfahrung der Strafgerichte bei der Feststellung der Tatbestandsverwirklichung nach der inneren und äußeren Seite Aufgaben übertragen sind, die materiell in den Bereich der Verwaltungsgerichtsbarkeit fallen. Die Strafgerichte verfahren dabei nach den ihnen vertrauten Vorschriften der StPO. (vgl. § 55 Abs. 2). Daß die Staatsanwaltschaft im gerichtlichen Stadium des Bußgeldverfahrens grundsätzlich nicht mitwirkt (§ 5 Abs. 4 OWiG.), ist lediglich eine Folgerung aus dem Wesen des Bußgeldverfahrens. Im Rechtsbeschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht ist sie allerdings zu hören (§ 56 Abs. 4); damit soll ihr aber nur Gelegenheit gegeben werden, zu solchen Rechtsfragen Stellung zu nehmen, die über den Bereich des Ordnungsrechts und des Bußgeldverfahrensrechts hinaus auch für die Handhabung des Straf- und Strafverfahrensrechts von Bedeutung sind. In den Bereich des Strafverfahrens (im weiteren Sinn) fällt dagegen die Tätigkeit von Staatsanwaltschaft und Strafgericht, die ihnen durch das OWiG. auf dem Gebiet der Z u s t ä n d i g k e i t s ü b e r p r ü f u n g zugewiesen ist. Hier handelt es sich um die Frage, ob die Verwirklichung eines Mischtatbestandes (§ 1 Abs. 3 OWiG.) als Straftat oder als Ordnungswidrigkeit zu verfolgen ist, ferner darum, ob eine Handlung zugleich eine Ordnungswidrigkeit und eine Straftat darstellt (Tateinheit) mit der Folge, daß sie (zunächst) nur als Straftat verfolgt wird (§ 4 OWiG.). Um zu vermeiden, daß in solchen Fällen die Handlung zu Unrecht nur von der Verwaltungsbehörde als Ordnungswidrigkeit gewürdigt und nur durch Bußgeldbescheid geahndet wird, daß andererseits aber auch in Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft das Vorhegen einer Straftat verneint, die Handlung nicht ungeahndet bleibt, weil die Verwaltungsbehörde sich dieser Auffassung nicht anschließen will, sieht das OWiG. die Möglichkeit einer gerichtlichen Zuständigkeitsüberprüfung vor. Und zwar schreibt § 53 OWiG. vor, daß jeder Bußgeldbescheid auch der örtlich zuständigen landgerichtlichen Staatsanwaltschaft zuzustellen ist, die dadurch die Möglichkeit erhält, zu prüfen, ob nicht ihre Verfolgungszuständigkeit gegeben ist; bejaht sie dies (positiver Kompetenzkonflikt), so beantragt sie nach § 58 bei der Strafkammer die Überprüfung, ob die dem Bußgeldbescheid zugrunde hegende Handlung als Straftat gerichtlich zu verfolgen ist. Umgekehrt kann die Verwaltungsbehörde, wenn die Staatsanwaltschaft eine Sache an sie abgibt, weil eine Straftat nicht vorliege, ihre Bedenken gegen diese Auffassung (negativer Kompetenzkonflikt) dadurch geltend machen, daß sie nach § 32 OWiG. die Sache der Strafkammer zur Entscheidung vorlegt. 4. Strafprozeß und Dienststrafverfahren. Das Dienststrafrecht regelt, inwieweit Dienstvergehen von Beamten mit (nichtkriminellen) Dienststrafen geahndet werden können. Es hat mit dem Kriminalstrafrecht nichts zu tun, sondern ist ein Bestandteil des Beamtenrechts. Demgemäß hat auch das Dienststrafverfahren wesensmäßig mit dem Strafverfahren nichts zu tun, mag es auch in weitem Umfang dem Strafverfahren nachgebildet und Vorschriften der StPO. für entsprechend anwendbar erklärt seinDas Dienststrafverfahren unterscheidet sich im übrigen von dem Strafverfahren vor allem da. durch, daß für die Verfolgung von Dienstvergehen das Opportunitätsprinzip gilt. Zwischen Strafverfahren und Dienststrafverfahren ergeben sich aber Berührungspunkte, wenn das vorgeworfene Dienstvergehen zugleich eine Straftat darstellt. Für das Strafverfahren ist es ohne Bedeutung, ob wegen des Sachverhalts ein Dienststrafverfahren anhängig oder sogar schon rechtskräftig durchgeführt ist. Das Disziplinarurteil verbraucht die Strafklage nicht, und die tatsächlichen Feststellungen des Disziplinarrichters binden den Strafrichter nicht (§§ 261, 262 StPO.). Dagegen können Gang und Ergebnis des Strafverfahrens das Dienststrafverfahren beeinflussen. Zunächst schließt ein auf Zuchthaus, Ehrverlust oder Amtsunfähigkeit lautendes
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Kap. 7
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Urteil die Einleitung oder den Fortgang eines Disziplinarverfahrens aus, da der Verurteilte aufhört, Beamter zu sein (§§ 31 ff. StGB.; § 48 BBG. und § 24 des Beamtenrechtsrahmengesetzes i. d. F. v. 1.10.1961, BGBl. 1 1834). Nach diesen Vorschriften tritt Verlust des Amtes auch ein, wenn ein Beamter ohne Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte wegen vorsätzlich begangener Tat zu Gefängnis von einem Jahr oder längerer Dauer oder wegen vorsätzlicher hoch- oder landesverräterischer oder staatsgefährdender Handlungen zu Gefängnis von sechs Monaten oder längerer Dauer verurteilt wird. Materiell handelt es sich hier um b e a m t e n r e c h t l i c h e Folgen der Verurteilung, um Disziplinarmaßnahmen, die zur Vermeidung eines überflüssigen Disziplinarurteils kraft Gesetzes an das Strafurteil geknüpft sind; wegen der daraus sich ergebenden Folgerungen für die Gnadenzuständigkeit vgl. Anm. 13 vor § 12 GVG. Ferner muß nach § 13 BDO. ein Dienststrafverfahren bis zur Beendigung des strafgerichtlichen Verfahrens ausgesetzt werden, wenn wegen derselben Tatsachen, die das Dienstvergehen begründen, die öffentliche Klage im Strafverfahren erhoben ist. Ein Freispruch im Strafverfahren bewirkt, daß wegen der Tatsachen, die Gegenstand der strafgerichtlichen Untersuchung waren, ein Dienststrafverfahren nur eingeleitet oder fortgesetzt werden kann, wenn diese Tatsachen, ohne den Tatbestand eines Strafgesetzes zu erfüllen, ein Dienstvergehen enthalten. Endlich sind für die Entscheidung im Disziplinarverfahren grundsätzlich die tatsächlichen Feststellungen im strafgerichtlichen Urteil bindend; eine Ausnahme gilt nur, wenn das Disziplinargericht einstimmig die wiederholte Prüfung der Tatsachen beschließt (§ 13 BDO.).
7. Strafprozeß und Justizverwaltung. Als S t r a f r e c h t s p f l e g e kann man die von den zuständigen Behörden entfaltete Tätigkeit bezeichnen, die — allgemein oder im Einzelfall — darauf gerichtet ist, der Strafrechtsordnung Geltung zu verschaffen und die Rechtsfolgen zu verwirklichen, die das materielle Strafrecht an die Verwirklichung von Straftatbeständen knüpft. Diese Tätigkeit ist entweder Rechtsprechung i. S. des Art. 92 GG. oder Justizverwaltung. Rechtsprechung (vgl. dazu Vorbem. 2 vor § 1 GVG.) ist die dem Richter übertragene Gesetzesanwendung zur Entscheidung eines Rechtsstreits. Die Rechtsprechung umfaßt nicht nur die eigentliche Entscheidung, die das Verfahren der Instanz abschließt, und die im Lauf eines Verfahrens vom Richter zu treffenden Zwischenentscheidungen, sondern auch die der Entscheidung vorausgehende und sie vorbereitende Tätigkeit, die in die Hand des Richters gelegt ist und die in der Aufklärung des Sachverhalts oder in der Ergreifung der Zwangsmaßnahmen zur Ermöglichung oder Sicherung der Durchführung eines Vorverfahrens besteht. Zur Rechtsprechung gehören also auch die Leistung von Rechtshilfe (§§ 156ff. GVG.) und die „richterlichen Untersuchungshandlungen" i. S. des § 162 StPO., um die im Vorfahren der Staatsanwalt den Amtsrichter ersuchen kann. Hier kommen nicht nur solche Handlungen in Betracht, die nur ein Richter vornehmen kann, wie die eidliche Vernehmung von Zeugen und die Anwendung von Zwangsmitteln oder die uneidliche Vernehmung eines Zeugen, der sich weigert, vor dem Staatsanwalt oder der Polizeibehörde (§§ 161, 163 StPO.) zu erscheinen oder auszusagen, sondern auch solche Handlungen, die, wenn es sich nur um die Aufklärung des Sachverhalts handelte, ebensogut der Staatsanwalt selbst vornehmen könnte, die aber eine bestimmte verfahrensfördernde Wirkung nur haben, wenn sie ein Richter vornimmt, wie die verjährungsunterbrechenden richterlichen Verfolgungshandlungen i. S. des § 68 StGB., die z. B. in der Einforderung von Akten oder Strafregisterauszügen bestehen können (über die hier bestehenden Meinungsverschiedenheiten vgl. D a l c k e / F u h r m a n n / S c h ä f e r [37] Anm. 2 zu §68 StGB.). Jede Tätigkeit der an der Strafrechtspflege beteiligten Stellen, die nicht zur Rechtsprechung in dem vorerwähnten Sinn gehört, ist Justizverwaltung. Es gehört hierher die Bereitstellung der sachlichen und personellen Mittel, die allgemein erforderlich sind, um anfallende Strafverfahren durchzuführen, wie die Errichtung und Instandhaltung von Gerichtsgebäuden, die Anstellung der nötigen Zahl von Richtern und Staatsanwälten, die Einrichtung und der Betrieb von Geschäftsstellen usw., oder die im Einzelfall für Zwecke eines bestimmten Verfahrens benötigt werden wie die Zuweisung eines geeigneten Sitzungssaals oder eines Protokollführers (vgl. Anm. 5 zu § 158 GVG.). Justizverwaltung ist weiterhin die Ausübung der Dienstaufsicht über Richter, Staatsanwälte und das sonstige Personal der Justizbehörden mit der Folge, daß die nach dem Richtergesetz v. 8. 9.1961 (BGBl. 11655) zu errichtenden Dienstgerichte für Richter, die in disziplinar- und dienstrechtlichen Angelegenheiten sowie dann zu entscheiden haben, wenn ein Richter
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Strafprozeß und Justizverwaltung
Kap. 7
von einer Maßnahme der Dienstaufsicht behauptet, daß sie seine richterliche Unabhängigkeit beeinträchtige, materiell Verwaltungsgerichtsbarkeit ausüben (vgl. Schlee DRiZ. 1961 227). Verwaltungstätigkeit, mithin Justizverwaltung im allgemeinen Sinn, mag auch der Begriff „Justizverwaltung" herkömmlicherweise in einem engeren Sinn gebraucht werden, ist aber auch begrifflich die T ä t i g k e i t des S t a a t s a n w a l t s (und seiner Hilfsorgane; vgl. dazu BVerwG. MDR. 1956 313) im Strafverfahren, und zwar sowohl im Vorverfahren wie im Hauptverfahren 34 . Denn der Staatsanwalt übt nicht Rechtsprechung aus; dies ist nur dem Richter vorbehalten (Art. 92 GG.); die Beteiligung des Staatsanwalts bei der Ausübung der Rechtsprechung kann mithin nur Verwaltungstätigkeit, wenn auch Verwaltungstätigkeit eigner Art 34 ", sein. Daß er dabei — wie der Richter — gesetzesgebunden und im Dienst von Wahrheit und Gerechtigkeit handelt, dem Legalitäts- und nicht dem Opportunitätsprinzip unterstellt ist, begründet keinen Sondercharakter, denn die Ausübung von Verwaltungstätigkeit ist auch außerhalb der Justiz in weitem Umfang gesetzesgebunden und selbst vom Legalitätsgrundsatz beherrscht. Dagegen kommt der Charakter der Tätigkeit des Staatsanwalts deutlich in seiner Weisungsgebundenheit (§ 146 GVG.) zum Ausdruck, auch wenn dem Weisungsrecht verhältnismäßig enge Grenzen gesetzt sind. So, wie die Ausübung der Weisungs- und Aufsichtsbefugnis der Vorgesetzten selbst, namentlich des Justizministers Justizverwaltung ist, ist es auch die weisungsgebundene Tätigkeit der Staatsanwaltschaft. Zur Justizverwaltung gehört weiterhin die Strafvollstreckung und der Vollzug von Freiheitsstrafen und freiheitsentziehenden Maßregeln der Sicherung und Besserung (vgl. Vorbem. 3 vor § 449 StPO.), die Leistung von Amtshilfe, soweit die Beistandsleistung nicht in einer richterlichen Handlung, also in einem Rechtsprechungsakt, d. h. in Gewährung von Rechtshilfe im technischen Sinn (s. oben), besteht (vgl. die Vorbem. vor § 156 GVG.), ferner das Strafregisterwesen (vgl. Vorbem. 14 vor § 12 GVG.) und schließlich die Ausübung von Gnadenbefugnissen gegenüber rechtskräftigen Strafurteilen (vgl. Vorbem. 11 a vor § 12 GVG.). An Stelle des Ausdrucks „Justizverwaltung" verwendet das Deutsche Richtergesetz den Ausdruck „ G e r i c h t s v e r w a l t u n g " (§4 Abs. 2 Nr. 1). Eine Sinnesänderung ist mit diesem Ausdruckswechsel nicht verbunden; der Wechsel beruht darauf, den in der ordentlichen Gerichtsbarkeit entwickelten Begriff der Justizverwaltung mit gleichem Sinngehalt für alle Gerichtsbarkeitszweige einzuführen (amtl. Begr. zum Entw. des Richterges., BT. Drucks. Nr. 516 zu § 4). § 4 EGGVG. gestattet es dem Landesrecht, den „betreffenden Landesbehörden" (den Gerichten und Staatsanwaltschaften) „Geschäfte der Justizverwaltung" zu übertragen. Hier ist nur an solche Geschäfte gedacht, die nicht bereits, wie die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft im Strafverfahren oder bei der Strafvollstreckung (§ 451 StPO.), durch Bundesrecht diesen Behörden zugewiesen sind oder für die nicht das Bundesrecht selbst eine besondere Übertragungsermächtigung vorsieht (vgl. § 451 Abs. 3 StPO, der die Landes Justizverwaltung ermächtigt, den Amtsrichtern in den zur Zuständigkeit der Amtsgerichte gehörenden Sachen die Strafvollstreckung zu übertragen). Übertragungen dieser Art sind vor allem in der Zeit nach Übergang der Justizhoheit der Länder auf das Reich durch die VO. zur einheitlichen Regelung der Gerichtsverfassung 34 Gegen diese rechtliche Einordnung der Tätigkeit des Staatsanwalts im Strafverfahren sind Einwendungen erhoben worden, und zwar hauptsachlich aus Anlaß der Entscheidung des BGH. NJW 1960 2346 über die Auswirkung des Bestehens einer festen hochstrichterlichen Rechtsprechung auf die Anklagepflicht des Staatsanwalts (vgl. S. 120) und im Zusammenhang mit der Frage, ob auch die Rechtsstellung des Staatsanwalts im neuen Richtergesetz zu regeln sei (vgl. u. a. Eb. S c h m i d t DRiZ. 1957 279; K a i s e r NJW. 1961 201; G o b e i NJW. 1961 856). Es wird geltend gemacht, daß der Staatsanwalt — in gleicher Weise wie der Richter — zur Erforschung der materiellen Wahrheit und zur Herbeiführung eines gerechten Urteilsspruchs tätig werde, daß seine Art, den Tatsachenstoff zu würdigen und die Rechtslage zu beurteilen, sich in nichts von der richterlichen Betrachtungsweise unterscheide, daß Staatsanwalt und Richter gemeinsam die Erfüllung der staatlichen Justizgewahrungspflicht übertragen sei, daß sie zusammengehörende Organe der Strafrechtspflege seien, usw. Das alles ist gewiß richtig — und § 122 des Richtergesetzes v. 8. 9. 1961 (BGBl. I 1655) beruht auf dem Bestreben, die „Nahe zum Richteramt" beim Staatsanwalt zu betonen (vgl. Bericht des Rechtsausschusses BT-Drucks. Nr. 2785 zu B XI) —, rechtfertigt aber nicht Folgerungen wie die, daß der Staatsanwalt „zur rechtsprechenden Gewalt gehöre", (Göbel aaO.), daß die Funktionen des Staatsanwalts „durchaus richterlicher Art" seien ( K a i s e r aaO.). Der entscheidende Unterschied bleibt, daß der Staatsanwalt nicht Recht spricht und nicht Recht sprechen kann, weil ihm die Unabhängigkeit fehlt, mag auch der Bereich seiner Weisungsgebundenheit noch so eng gezogen werden (a. M. auch A r n d t DRiZ. 1961 374). 34a
Vgl. BVerwG. NJW. 1961 1496, 1835.
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Kap. 7
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v. 20. 3.1935 (RGBl. I 403) — vgl. im Anh. in Bd. 2 dieses Werkes — einheitlich für das damalige Reichsgebiet ausgesprochen worden. § 13 aaO. verpflichtet die Präsidenten der Gerichte und aufsichtführenden Amtsrichter sowie die Leiter der Staatsanwaltschaften zur Erledigung der ihnen von der Ministerialinstanz zugewiesenen Justizverwaltungsgeschäfte und überträgt ihnen das Recht, die ihrer Dienstaufsicht unterstellten Richter und Beamten zu Geschäften der Justizverwaltung heranzuziehen. § 14 aaO. regelt die Zuständigkeit zur Ausübung der Dienstaufsicht. In diesen Rechtszustand hat z. T. das Deutsche Richtergesetz v. 8. 9.1961 ändernd eingegriffen, soweit es sich um die Heranziehung der Gerichte und Richter zu Geschäften der Justdz(Gerichts-)verwaltung handelt. § 4 spricht zwar aus, daß ein Richter außer Aufgaben der rechtsprechenden Gewalt und anderen aufgrund eines Gesetzes Richtern oder Gerichten zugewiesenen Aufgaben dienstlich auch Aufgaben der Gerichtsverwaltung einschl. Prüfungsangelegenheiten wahrnehmen darf. Eine V e r p f l i c h t u n g zur Erledigung von Aufgaben der Gerichtsverwaltung, zu denen er herangezogen wird, trifft ihn jedoch nach § 42 nur insoweit, als der Umfang dieser Aufgaben den Charakter und den herkömmlichen Rahmen einer Nebentätigkeit nicht überschreitet; bei einem Streit, ob diese Grenze gewahrt ist, entscheidet das Dienstgericht (§ 62 Abs. 1 Nr. 4 d, § 78 Nr. 4 d). Für eine ausschließliche, also hauptamtliche Verwendung in der Gerichtsverwaltung ist jetzt (abweichend von § 13 der vorgenannten VO. v. 20. 3.1936) die Einwilligung des Richters erforderlich. Soweit hiernach Angelegenheiten der Justizverwaltung Gerichten und Richtern übertragen werden, handeln diese nicht unter richterlicher Unabhängigkeit, die sich grundsätzlich nur auf die Rechtsprechungstätigkeit erstreckt, sondern als weisungsgebundene Organe der Justizverwaltung (vgl. insbesondere Anm. 4a zu § 451). Beschwerden gegen ihre Maßnahmen sind also keine Beschwerden i. S. der §§ 304ff. StPO., über die ein Beschwerdegericht zu entscheiden hätte, sondern werden grundsätzlich „im Dienstaufsichtswege" erledigt (§ 17 der VO. v. 20. 3. 1935); z. T. ist das Beschwerderecht auch dahin geregelt, daß — neben der stets zulässigen Dienstaufsichtsbeschwerde, also der Beschwerde an die Justizverwaltungsbehörde, die die persönliche Dienstaufsicht über den Richter ausübt — die Beschwerde an die Stelle vorgesehen ist, die den Richter mit sachlichen Weisungen versehen kann (vgl. § 21 der StrVollstrO. und über die Konkurrenz der allgemeinen Dienstaufsichtsbeschwerde mit der besonders geregelten Beschwerde an den Fachvorgesetzten bei Beschwerden gegen die Maßnahmen des Amtsrichters als Strafvollstreckungsorgan Anm. 4a zu § 461 StPO.). Zwischen die Rechtsprechung, die in der Entscheidung in einem Rechtsstreit besteht, und die Gerichtsverwaltung, die alle übrigen nicht zur Rechtsprechung gehörigen Rechtspflegetätigkeiten umfaßt, schiebt sich aber eine Zwischenfigur ein. Das Gesetz kennt Tätigkeiten, die Richtern zur Wahrnehmung in r i c h t e r l i c h e r U n a b h ä n g i g k e i t zugewiesen sind, ohne daß es sich um die Mitwirkung bei der Entscheidung eines konkreten Rechtsstreits handelt. So ist, um den Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 GG.) und der richterlichen Unabhängigkeit in voller Reinheit durchzuführen, die personelle Besetzung der Abteilungen des Amtsgerichts, der Kammern und Senate und die Verteilung der Geschäfte auf sie bestimmten aus Richtern bestehenden Kollegien, dem Vorsitzendenkollegium und dem Präsidium übertragen, die ihre Aufgabe unter richterlicher Unabhängigkeit erfüllen (§§ 22a, 22b, 22c, 62ff., 117ff. 131 ff. GVG.). Da die Geschäftsverteilung vor Beginn des Geschäftsjahres und für seine Dauer erfolgt, fehlt es hier an der Beziehung dieser Tätigkeit zu einem konkreten Rechtsstreit, vielmehr handelt es sich um einen Akt allgemeiner Vorsorge für anhängige wie für künftig anfallende Verfahren, der materiell — nicht anders als die Schaffung der personellen und sachlichen Voraussetzungen für die Durchführung von Verfahren wie die Anstellung der nötigen Zahl von Richtern, die Bestimmung der erforderlichen Zahl von Kammern und Senaten (vgl. §§ 7,8 der VO. v. 20.3.1935, § 130 GVG.) — Justizverwaltungstätigkeit ist, deren Besonderheit aber darin besteht, daß sie von Richtern unter richterlicher Unabhängigkeit ausgeübt wird. Gleiches gilt für die Bestellung der Vorsitzenden und der übrigen richterlichen Mitglieder des Schwurgerichts durch das Präsidium des Oberlandes- bzw. des Landgerichts (§ 83 GVG.). Ähnliche Fälle dieser Art etwa sind die Mitwirkung des Amtsrichters bei der Wahl der Schöffen und Geschworenen (§§ 40ff., 84 GVG.), die Auslosung der Schöffen und Geschworenen für die einzelnen Sitzungen und die Tagungen des Schwurgerichts (§§ 46, 77, 86 GVG.) und die Mitwirkung des Präsidiums bei der Einberufung der Hilfsrichter (§ 70 Abs. 1 GVG.). Es ist üblich geworden, diese Formen richterlicher Tätigkeit im Gegensatz zu den „eigentlichen" Rechtsprechungsakten als „ j u s t i z f örmige
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Strafprozeß und Justizverwaltung
Kap. 7
V e r w a l t u n g s a k t e " zu bezeichnen (so Eb. S c h m i d t Lehrkomm. I Nr. 39, im Anschluß an G r ü n h u t ) . Die Zugehörigkeit der gedachten Maßnahmen zur Justizverwaltung zeigt sich auch darin, daß mitunter dieselbe Maßnahme teils „justizförmig", teils rein justizverwaltungsmäßig getroffen wird. So ist z. B. die Bildung der Kammern und Senate der Kollegialgerichte (nicht ihre Besetzung) grundsätzlich Sache der Justizverwaltung (§§ 7, 8 der VO. v. 20. 3.1935, § 130 GVG.); die Bildung von Hilfskammern und -Senaten kann dagegen auch durch das Präsidium erfolgen (vgl. Anm. 10 a zu § 63 GVG.), und die Bildung von Ferienkammern und -Senaten (§ 201 GVG.) ist ausschließlich Sache des Präsidiums. Auf diese Maßnahmen allgemeiner Vorsorge ohne Einwirkung auf eine konkrete Sache muß aber der Begriff des justizförmigen Verwaltungsakts beschränkt bleiben. Es erscheint nicht angängig, wenn E b S c h m i d t a. a. 0. Nr. 389, 390 auch die im Stadium der Vollstreckung oder des Vollzugs nach §§462, 463 a Abs. 4 StPO. ergehenden gerichtlichen Entscheidungen zu den justizförmigen Verwaltungsakten rechnet. Wäre z. B. die Entscheidung über die Dauer der Unterbringung (§42f StGB., §463a Abs. 4 StPO.) ein justizförmiger Verwaltungsakt, so müßte dies auch für die im Strafurteil enthaltene Anordnung der Unterbringung selbst gelten, denn die im Vollzugsstadium ergehende Nachtragsentscheidung bedeutet ja nichts weiter, als daß die Anordnung im Urteil, die kraft Gesetzes (§ 42f StGB.) auf Unterbringung bis zur Zweckerreichung lautet, dahin präzisiert wird, daß der Vollzugszweck (mit dem Vorbehalt des § 42 h StGB.) erreicht sei, nicht anders, als wenn die Jugendstrafe von unbestimmter Dauer nachträglich in eine bestimmte Jugendstrafe umgewandelt wird (§§ 19, 83, 89 JGG.). Ein Rechtsprechungsakt liegt vielmehr immer vor, wenn ein Gericht unter richterlicher Unabhängigkeit über die Anwendung des Rechts in einem konkreten Einzelfall oder mit Wirkung für einen konkreten Fall entscheidet, ohne daß qualitative Unterscheidungen möglich wären, ob es sich „von Haus aus" um eine Justizverwaltungsangelegenheit handelt (s. dazu auch oben S. 47 f.). Maßgeblich ist nur die positivrechtliche Ausgestaltung der Maßnahme durch den Gesetzgeber. Daß qualitative Unterscheidungen mit Überzeugungskraft nicht möglich sind, zeigt der Wechsel deT Gesetzgebung und der Reformarbeiten zu der Frage, ob bestimmte Aufgaben als Rechtsprechungs- oder als Justizverwaltungsaufgaben zu erledigen seien, so z. B. bei der Strafvollstreckung, wie in Anm. 2 a, 4a zu § 451 näher ausgeführt ist. Die Strafaussetzung zur Bewährung, der Straferlaß und die Anordnung der Auskunftsbeschränkung nach §§ 23, 25 StGB, sind daher echte Rechtsprechungsakte, auch wenn es daneben eine Strafaussetzung und einen Straferlaß als Gnadenakt und strafregisterliche Auskunftsbeschränkung im Verwaltungsweg (§ 8 des Straftilgungsges.) gibt und früher nur diese Wege offenstanden. Rechtsprechungsakte sind auch mit Rücksicht auf die Auswirkung auf den veranlassenden Einzelfall trotz ihrer hauptsächlich in die Zukunft weisenden Bedeutung die auf Vorlegung gemäß §§ 120 Abs. 3,121 Abs. 2 GVG. ergehenden Entscheidungen des BGH. und die Entscheidungen des Großen Senats in Fragen von grundsätzlicher Bedeutung zur Fortbildung des Rechts nach § 137 GVG. A k t e der ( r e i n e n ) J u s t i z v e r w a l t u n g können unter Umständen Gegenstand s t r a f g e r i c h t l i c h e r N a c h p r ü f u n g und damit eines Strafverfahrens im weiteren Sinn sein. Nach Art. 19 Abs. 4 GG. steht dem, der durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt wird, der Rechtsweg offen, und zwar der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten, soweit nicht die Zuständigkeit eines anderen Gerichtsbarkeitszweiges begründet ist. Nach der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO.) v. 21.1.1960 (BGBl. I 17) können beschwerende Verwaltungsakte grundsätzlich mit der bei den allgemeinen Verwaltungsgerichten zu erhebenden Anfechtungsklage angefochten werden. Die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte ist aber, soweit es sich um beschwerende Justizverwaltungsakte handelt, zugunsten des Rechtswegs zu den ordentlichen Gerichten ausgeschlossen worden durch § 179 VwGO., der dem EGGVG. die §§ 23ff. einfügte. Was die hier allein interessierende Strafrechtspflege anlangt, so entscheiden danach über die Rechtmäßigkeit von Anordnungen, Verfügungen oder sonstigen Maßnahmen, die von den Justizbehörden zur Regelung einzelner Angelegenheiten auf dem Gebiet der Strafrechtspflege getroffen werden, auf Antrag die ordentlichen Gerichte (ein Strafsenat des Oberlandesgerichts, § 26). Das gleiche gilt für Anordnungen usw. der Vollzugsbehörden im Vollzug der Freiheitsstrafen, der Maßregeln der Sicherung und Besserung, des Jugendarrests und der Untersuchungshaft. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme oder die Ablehnung oder Unterlassung eines von ihm begehrten Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt zu sein. Die neue Regelung hat nur subsidiäre Bedeutung; sie gilt nicht, soweit die ordentlichen Gerichte bereits auf Grund anderer Vor-
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Kap. 7
Einleitung (Schäfer)
Schriften angerufen werden können (§ 23 Abs. 3). Nach den bisherigen Erfahrungen 36 wird das Hauptanwendungsgebiet der §§ 23 ff. auf dem Gebiet der Strafrechtspflege die Nachprüfung von Maßnahmen der Vollstreckungsbehörden, soweit nicht § 458 StPO. eingreift, und der Vollzugsbehörden beim Vollzug von Freiheitsstrafen und sonstigen durch strafgerichtliche Entscheidung angeordneten Freiheitsentziehungen sein; insoweit wird auf die Ausführungen in Vorbem. 3 vor § 449 StPO. verwiesen. Im übrigen ist bisher nur in verhältnismäßig geringem Umfang versucht worden, Verwaltungsakte der Justizbehörden auf dem Gebiet der Strafrechtspflege zum Gegenstand gerichtlicher Nachprüfung zu machen. Die Tätigkeit des S t a a t s a n w a l t s im S t r a f v e r f a h r e n wird in aller Regel nicht einer Nachprüfung nach §§23 ff. unterliegen, da sie bereits durch die Vorschriften der StPO. überall da, wo beachtliche Interessen des Beschuldigten oder des Verletzten auf dem Spiel stehen, letztlich einer Rechtskontrolle durch das Strafgericht unterliegt. Das gilt insbesondere für die Entschließung des Staatsanwalts, die öffentliche Klage nicht zu erheben (§§ 172ff. StPO.). Ja, man kann geradezu sagen, daß die Vorschriften der StPO. sich auf dem Gebiet des Strafverfahrens als abschließende Regelung, als leges speciales gegenüber der lex generalis der §§ 23 ff. EGGVG. darstellen. Wenn § 172 Abs. 2 bestimmt, daß in den dort genannten Fällen das Klageerzwingungsverfahren ausgeschlossen ist, so erscheint es wenig sinnvoll, anzunehmen, daß diese Vorschrift durch §§ 23 ff. EGGVG. überholt sei. Vielmehr muß § 23 Abs. 3 ÉGGVG. dahin verstanden werden, daß nicht nur die Vorschriften der StPO., die bereits die Möglichkeit einer Anrufung des Gerichts vorsehen, unberührt bleiben, sondern daß auch solche Vorschriften nicht berührt werden, die ausnahmsweise die nach der StPO. grundsätzlich zulässige Anrufung ausschließen3®. Noch weniger erscheint es möglich, daß etwa in den Fällen, in denen nur die Staatsanwaltschaft, nicht auch das Gericht von einer Verfolgung absehen kann (vgl. §§153c, 154 c StPO.), der Beschuldigte gegen eine die Einstellung ablehnende Verfügung die gerichtliche Entscheidung anrufen könnte. Der Fall, daß die Staatsanwaltschaft es ablehnt, ein besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung einer Körperverletzung von Amts wegen (ohne Strafantrag) anzunehmen (§ 232 StGB.), ist zwar in § 172 Abs. 2 StPO. nicht erwähnt. Hier kann aber nicht davon gesprochen werden, daß der Verletzte „in seinen Rechten" verletzt sei, wenn die Staatsanwaltschaft ein besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung nicht annimmt, denn dem Verletzten stand es frei, durch Stellung des Strafantrags und gegebenenfalls durch Erhebung der Privatklage auf eine Verfolgung hinzuwirken. Eine andere Frage ist, ob auch die Erklärung der Staatsanwaltschaft, daß ein besonderes öffentliches Verfolgungsinteresse vorliege, einer gerichtlichen Nachprüfung entzogen ist, wie die bisher h. M. im Anschluß an RGSt. 77 20 annimmt. Zum mindesten unterliegt diese Erklärung auf Antrag des Beschuldigten einer Nachprüfung gemäß §§ 23ff., 28 Abs. 3 EGGVG. nach der Richtung, ob ein Ermessensmißbrauch oder eine Ermessenswillkür in Frage kommt (so auch OLG. Celle MDR. 1961 251 und Bremen MDR. 1961167; Altenhain JVB1.196019436a). Dann liegt es aber noch näher, anzunehmen, daß, wenn die Verfolgbarkeit (mangels eines rechtzeitig gestellten Strafantrags) nur auf der Erklärung der Staatsanwaltschaft beruht, schon das eröffnende und demnächst das erkennende Gericht zu prüfen hat, ob ein besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung gegeben ist (vgl. OLG. Bremen a. a. 0.), in gleicher Weise wie etwa, wenn gemäß § 25 GVG. die Staatsanwaltschaft wegen der besonderen Bedeutung des Falles Anklage zum Landgericht erhebt, das eröffnende Gericht prüfen muß, ob ein Fall von besonderer Bedeutung vorliegt 37 . Zur Frage, ob die Staatsanwaltschaft (und mit welcher Wirkung) die einmal abgegebene Erklärung nach Eröffnung des Hauptverfahrens zurücknehmen kann, vgl. unten S. 105f. Maßnahmen der S t r a f r e g i s t e r b e h ö r d e n im Vollzug des Straftilgungsgesetzes (Beispiel: Ablehnung der Tilgung eines Strafvermerks im Strafregister, wenn der Verurteilte geltend macht, daß ein Straffreiheitsgesetz sich über den Erlaß der Strafe hinaus auf das Strafregister erstrecke) sind Maßnahmen einer Justizbehörde zur Regelung einer einzelnen Angelegenheit auf dem Gebiet 35
Vgl. A l t e n h a i n JVB1.1960 194; K a i s e r NJW. 1961 200. Ebenso im Ergebnis K a i s e r NJW. 1961 201; 1102; a. M. z. B. T h i e r f e l d e r NJW. 1961 1101. AM. — nicht überzeugend — BGH. NJW. 1961 2120 (mit abl. Anm. T h i e r f e l d e r NJW. 1962 116); nach dem „klaren Wortlaut" des Gesetzes binde die Entscheidung der StA. das Gericht und der Beschuldigte werde nicht in seinen Rechten verletzt. 37 So auch im Ergebnis Vogel NJW. 1961 761, dessen Ausgangspunkt aber, daß nicht die Erklärung der Staatsanwaltschaft, sondern unabhängig davon das besondere öffentliche Interesse an der Verfolgung zum Wegfall des Antragserfordernisses fuhrt, bedenklich ist; s. S. 105. 36
3,a
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Die Prozeßbeteiligten
Kap. 8
der Strafrechtspflege i. S. des § 23 EGGVG. (für das bisherige Recht vgl. BVerwG. NJW. 1960 1924), denn das Strafregister dient in erster Linie Zwecken der Strafrechtspflege. Dagegen erscheint eine gerichtliche Nachprüfung ausgeschlossen, wenn ein Gesuch des Verurteilten um vorzeitige Tilgung des Strafvermerks oder Auskunftsbeschränkung von dem Bundesjustizminister oder der obersten Landes Justizverwaltung abgelehnt wird (vgl. § 8 des Straftilgungsges.). Denn die Anordnung der vorzeitigen Tilgung oder Auskunftsbeschränkung ist zwar im technischen Sinn kein Gnadenakt (vgl. Vorbem. 14 vor § 12 GVG.), steht aber nach Voraussetzungen und Wirkung materiell einem Gnadenakt gleich. Gnadenentscheidungen aber sind nach ganz überwiegender Auffassung „justizlose" Hoheitsakte (vgl. D a l c k e / F u h r m a n n / S c h ä f e r (37) Vorbem. 6 vor § 1 der Gnadenordnung — S. 1785 —). Denn wenn auch die Gnade weitgehend in den Dienst der materiellen Gerechtigkeit gestellt wird, indem sie dazu dient, Härten, die sich aus der Anwendung des gesetzten Rechts ergeben, auszugleichen und abzumildern — etwa bei Fehlurteilen, die nicht im Weg der Wiederaufnahme des Verfahrens beseitigt werden können —, und wenn auch die Gnadeninstanz ihre Entscheidung im allgemeinen davon abhängig machen wird, ob der Betroffene gnadenwürdig ist, so besteht doch das Wesen der Gnade darin, daß sie frei waltet, an rechtlich meßbare Voraussetzungen nicht gebunden ist und auch ohne Verdienst und Würdigkeit gewährt werden kann. Da Gnade Entbindung vom Recht ist, wäre ein nachprüfbares „Recht" auf Gnade ein Widerspruch in sich, so daß der Gesuchsteller durch Ablehnung eines Gnadenerweises nicht in seinen Rechten i. S. des Art. 19 Abs. 4 GG. verletzt sein kann. Daran hat sich durch die Schaffung der §§ 23ff EGGVG., die nur der Durchführung des Art. 19 Abs. 4 GG. dienen, nichts geändert (so mit Recht auch OLG. Frankfurt, Beschluß v. 4.10.1960 — 1 VAs 7/60 —).
8. Die Prozeßbeteiligten. In einem Strafverfahren kann eine Vielzahl von Stellen und Personen handelnd auftreten. Das Verfahren kann z. B. durch die Anzeige einer Privatperson, meistens des Verletzten, veranlaßt werden. Die Beziehung des Anzeigers zum Verfahren zeigt sich dann u. a. in der Vorschrift des § 469 StPO. Das Verfahren kann auch durch Stellung eines Strafantrags bedingt sein; dann erlangt der Verletzte sogar Verfügungsmacht über das Verfahren in dem Sinn, daß die zulässige (§ 64 StGB.) Zurücknahme des Strafantrags dem Verfahren ein Ende setzt. Der Staatsanwalt, in dessen Hand das Vorverfahren liegt, kann sich bei seinen Ermittlungen der Hilfe der Polizeibehörden bedienen. Der Beschuldigte wird vernommen, Zeugen und Sachverständige werden gehört. Dem Beschuldigten kann ein Verteidiger, ein Beistand (§ 149 StPO., § 69 JGG.) oder der Erziehungsberechtigte oder gesetzliche Vertreter (§§ 149 Abs. 2, 298, 365 StPO., § 67 JGG.) helfend zur Seite stehen oder für ihn tätig werden. Schon in diesem Stadium kann das Gericht zur Anordnung von Zwang (Haftbefehl usw.) und zur Vornahme einzelner Untersuchungshandlungen (§ 162 StPO.) tätig werden. Die Erhebung der öffentlichen Klage durch die Staatsanwaltschaft führt zur „gerichtlichen Untersuchung" (§ 151 StPO.) in Form der Voruntersuchung, des Eröffnungsverfahrens (des sog. Zwischenverfahrens) und des Hauptverfahrens, das mit der Hauptverhandlung abgeschlossen wird; im Stadium der gerichtlichen Untersuchung ist das Gericht „Herr" des Verfahrens. Nach Erhebung der öffentlichen Klage, die er gegebenenfalls erzwingen kann (§§ 172ff. StPO.), kann sich der Verletzte als Nebenkläger dem Verfahren anschließen und neben und unabhängig von dem Staatsanwalt auf den Betrieb des Verfahrens hinwirken; schon im Vorverfahren kann er sich auch durch Geltendmachung seiner gegen den Beschuldigten aus der Straftat erwachsenen zivilrechtlichen Ansprüche am Verfahren beteiligen, ohne freilich dadurch weitere prozessuale Einwirkungsmöglichkeiten zu erlangen (vgl. Anm. 6 zu § 404). In gewissem Umfang können auch andere Stellen und Personen ganz oder zum Teil die sonst der Staatsanwaltschaft übertragenen Aufgaben übernehmen. Im Privatklageverfahren erhebt der Verletzte die Klage und tritt auch für das weitere Verfahren — mit gewissen Einschränkungen — an die Stelle des Staatsanwalts (§ 385 StPO.). Nach vorausgegangenem Strafbescheidsverfahren (oben S. 51 ff.) ersetzt der Strafbescheid der Verwaltungsbehörde die öffentliche Klage und den Eröffnungsbeschluß; neben dem Staatsanwalt, der nunmehr die Rolle des öffentlichen Klägers übernimmt, übt aber die Verwaltungsbehörde die Rechte eines Nebenklägers aus (§ 467 RAbgO.). Es wird also hier der in seinen abgaberechtlichen Belangen durch die Tat verkürzte Staat wie ein privater Verletzter behandelt; die Parallele zeigt sich auch darin, daß die
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Kap. 8
Einleitung (Schäfer)
Verwaltungsbehörde mit der Erhebung der öffentlichen Klage durch die Staatsanwaltschaft die Rechte eines Nebenklägers erlangt (§ 472 Abs. 1 RAbgO.) und als Gegenstück zur Klageerzwingungsbefugnis des Verletzten (§§ 172 StPO.) räumt § 472 Abs. 2 RAbgO. der Verwaltungsbehörde die Befugnis ein, selbst die öffentliche Klage zu erheben, wenn die Staatsanwaltschaft die Erhebung ablehnt. Schließlich bildet im Strafverfügungsverfahren der Antrag der Polizeibehörde die prozessuale Grundlage der richterlichen Entscheidung, der Strafverfügung (vgl. Anm. 4 zu § 413). Weiterhin können am Verfahren beteiligt sein dritte Personen, die neben dem Beschuldigten für Geldstrafen oder Kosten haften, die durch eine Beschlagnahme von Gegenständen zu Beweiszwecken betroffen sind (§ 111 StPO.) oder die Rechte an den der Einziehung, Vernichtung oder Unbrauchbarmachung unterliegenden Sachen geltend machen (vgl. für das subjektive Verfahren Vorbem. 7 vor §§ 430ff.); entsprechend liegt es, wenn bei einem Preisvergehen auf einen Mehrerlös, der zur Staatskasse abgeführt werden soll, ein Dritter Ansprüche erhebt (§§ 8ff. des Wirtschaftsstrafges.). Endlich werden im Strafverfahren neben dem Staatsanwalt und dem Gericht noch andere Justizorgane tätig, so die Geschäftsstelle des Gerichts und vor allem der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (§§ 168,187, 226 StPO.); doch kann man diese in Nebenrollen Mitwirkenden nicht mehr als Prozeßbeteiligte bezeichnen. Unter diesen am Prozeß Beteiligten ragen, sobald es zum Hauptverfahren oder, wo dem Hauptverfahren die förmliche Erhebung einer Klage vorausgeht, zur Erhebung der Klage gekommen ist, drei Beteiligte hervor, ohne die nach der heutigen Gestaltung des Verfahrensrechts begrifflich von einem Prozeß überhaupt nicht gesprochen werden könnte, nämlich das G e r i c h t , der K l ä g e r und der B e s c h u l d i g t e . Ihre besondere Eigenart beruht darin, daß ihnen die Rechtsmacht verliehen ist, aktiv gestaltend auf die Bereitung des Bildes von dem Lebensvorgang einzuwirken, der den Gegenstand der Anklage und der Entscheidung bildet. Für das Gericht ergibt sich Recht und Pflicht zu solcher Tätigkeit aus der Wahrheitserforschungspflicht (§ 244 Abs. 2); die Rechtsmacht von Kläger und Beschuldigtem zeigt sich vornehmlich in der Möglichkeit, durch Beweisanträge, denen das Gericht grundsätzlich entsprechen muß (§ 244 Abs. 3), bestimmend auf den Umfang der Beweisaufnahme einzuwirken, wobei Kläger und Beschuldigter jeweils in der Absicht handeln, dem Gericht ein Bild zu vermitteln, das zu dem von ihnen gewünschten und erstrebten Urteil führt. Durch diese Zweckrichtung des prozessualen Verhaltens unterscheidet sich das Handeln von Kläger und Beschuldigtem grundsätzlich von dem Verhalten der Zeugen und Sachverständigen im Prozeß: auch sie wirken durch ihre Aussagen und Gutachten auf die Bildung der richterlichen Überzeugung ein, aber ihre Aufgabe besteht nur in der objektiven, wahrheitsgetreuen Übermittlung ihres Wissens, ohne eine subjektive Zielrichtung. Daran ändert sich auch nichts, wenn der Zeuge zulässigerweise die Aussage verweigert, um nicht durch Bekundung der Wahrheit den Beschuldigten zu belasten; denn nicht zu dem Zweck, auf die Urteilsfindung einzuwirken, ist dem Zeugen das Verweigerungsrecht eingeräumt, sondern in Würdigung seiner eigenen KonfMktslage, die ihm eine wahrheitsgemäße Aussage unzumutbar machen kann. Zeugen und Sachverständige sind daher grundsätzlich nicht Prozeßbeteiligte im engeren Sinn, sie sind es nur in einem etwaigen Nebenstreit, in dem über Ungehorsamsfolgen und Zeugnisverweigerungsrecht entschieden wird. Die tragende Rolle, die Gericht, Kläger und Beschuldigter im Verfahren spielen, rechtfertigt es, sie als P r o z e ß s u b j e k t e zu bezeichnen ( E b S c h m i d t , Lehrkomm. I Nr. 68, P e t e r s S. 82), und gerade die Erhöhung des Beschuldigten vom Untersuchungsobjekt zum Prozeßsubjekt ist das Kennzeichen des modernen Prozesses38, die Verbesserung seiner Rechtsstellung durch Erweiterung der Rechtsgarantien und prozessualer Befugnisse im Interesse seiner Verteidigung das Bestreben aller Reformarbeiten. Aber wenn auch Kläger und Beschuldigter gleichermaßen Prozeßsubjekte und in gewissem Umfang auch „gleichberechtigt" sind, so kann doch — jedenfalls im Offizialverfahren — keine Rede davon sein, daß sich im Strafprozeß Staatsanwalt und Beschuldigter als P a r t e i e n gegenüberstünden. Zunächst besteht der wesensbedingte Unterschied, daß der Beschuldigte Eingriffen in seine Rechtssphäre (Untersuchungshaft usw.) unterliegt, die den Staatsanwalt nicht treffen können. Im übrigen bleibt bei allen Bestrebungen des Gesetzgebers, die Rechtsstellung des Beschuldigten zu verbessern und den Organen, die den Staat bei der Verbrechensverfolgung repräsentieren, beim Einsatz der staatlichen Machtmittel Beschränkungen aufzuerlegen (oben S. 42 ff.), doch bestehen, daß Staatsanwalt und Beschuldigter gänzlich verschiedene Zwecke verfolgen. Der Ankläger vertritt den Staat, der im Interesse des Gemeinwohls Ahndung des Bruchs 38
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Vgl. dazu S. 42 und E b S c h m i d t Lehrk. I Nr. 90ff.
Die Prozeßhandlungen
Kap. 9 1
der staatlichen Rechtsordnung begehrt. Der Staatsanwalt hat kraft seiner Amtspflicht für die Wahrheit und Gerechtigkeit einzutreten; ihm obliegt auch die Ermittlung entlastender Umstände; er darf einen Schuldspruch nur beantragen (§258 StPO.), wenn er von der Schuld des Angeklagten überzeugt ist. Bei dem Beschuldigten dagegen achtet der Gesetzgeber, daß er, einem natürlichen Drange folgend, selbst dann bemüht sein wird, möglichst glimpflich aus dem Verfahren herauszukommen, wenn er sich schuldig fühlt. Ihn trifft keine Pflicht, für die Feststellung der Wahrheit tätig zu werden. Er darf nicht nur untätig bleiben und durch Aussageverweigerung jede Mitwirkung an der Aufklärung des Sachverhalts ablehnen, er darf auch leugnen (auf die Frage, ob für ihn eine Wahrheitspflicht ohne Wahrheitszwang besteht, ist hier nicht einzugehen), und es dürfen daraus allein grundsätzlich auch bei der Strafzumessung keine nachteiligen Folgerungen gezogen werden. Ergänzend darf auf Vorbem. 5 vor § 141 GVG verwiesen werden. Wie der Kläger ist auch der N e b e n k l ä g e r Prozeßsubjekt. Der V e r t e i d i g e r dagegen ist grundsätzlich nicht Prozeßsubjekt, sondern als Beistand des Beschuldigten (vgl. Vorbem. 3 vor § 137) Prozeßsubjektsgehilfe (so B e l i n g und E b S c h m i d t Lehrk. I Nr. 70, 71). Freilich ist der Verteidiger ein „Gehilfe" besonderer Art. Denn seine besondere Aufgabe im Strafprozeß, dem Schutz des Beschuldigten zu dienen, zur Beachtung aller ihm günstigen Tatsachen beizutragen und dadurch zur Findung eines gerechten Urteils mitzuwirken, hat er unter eigner Verantwortung und unabhängig vom Beschuldigten zu erfüllen (BGHSt. 13 343), unabhängig auch von Einflüssen außerhalb des Verfahrens stehender Stellen (BGH. NJW. 1961 614). Wille und Weisung des Beschuldigten binden den Verteidiger nicht (vgl. Vorbem. 3 d vor § 137 ; s. aber § 297). Auch gehen einerseits seine verfahrensrechtlichen Rechte z. T. über die des Beschuldigten hinaus (vgl. insbes. §§ 147, 239 StPO.), und andrerseits setzen die Standespflichten seinem Verhalten Grenzen, die für den Beschuldigten nicht gelten (vgl. Vorbem. 4 c vor § 137). So darf er z. B. nicht, der ihm bekannten Wahrheit zuwider, das Leugnen des Angeklagten unterstützen, wohl aber darf er auch bei Kenntnis der Schuld den Freispruch seines Mandanten anstreben, solange er sich auf verfahrensrechtlich erlaubte Mittel beschränkt und sich jeder Verdunkelung des Sachverhalts enthält (vgl. RGSt. 70 393; BGHSt. 2 375; BGH. MDR. 1958 48). Ausnahmsweise, nämlich wo das Gesetz es ausdrücklich zuläßt, kann der Verteidiger den abwesenden Beschuldigten in der Hauptverhandlung v e r t r e t e n (vgl. §§ 234, 329, 350, 387, 411, 413 StPO.) und bedarf dazu sowie auch sonst zur Ausübung von Antragsrechten des Beschuldigten in dessen Namen einer Vertretungsvollmacht (so die h. M. ; vgl. z. B. BGHSt. 12 367 = JZ. 1959 780; a. M. S p e n d e l JZ 1959 736, wonach der Verteidiger Vertreter des Beschuldigten und der weitgehend feststehende Umfang seiner Vollmacht nur in bestimmten Fällen erweiterungsfähig oder beschränkbar ist). Über die Merkmale, die die Prozeßsubjekte aufweisen müssen, ist an dieser Stelle nicht weiter zu sprechen. Sie werden im Zusammenhang mit den Prozeßvoraussetzungen und den Prozeßhandlungen zu erörtern sein.
9. Die Prozeßhandlungen. 1. Begriff und Einteilung der Prozellhandlungen. Prozeßhandlungen sind die Handlungen der Prozeßbeteiligten, die auf die Gestaltung des Verfahrens, letztlich auf die Herbeiführung des erstrebten Prozeßausgangs gerichtet sind, die also die Einleitung, Durchführung und Beendigung des Prozesses betreffen. Während die ZPO. von Prozeßhandlungen spricht (vgl. z. B. § 295), kennt die StPO. einen entsprechenden terminus technicus nicht. Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Bemühungen um die Durchdringung des Begriffs der Prozeßhandlung, die vom Zivilprozeß her ihren Ausgang nahmen 39 , erweisen sich auch für die Erkenntnis des strafprozessualen Begriffs als fruchtbar, sofern man sich die Grenzen einer Übertragung vor Augen hält, die sich aus dem grundsätzlichen Unterschied zwischen Zivilprozeß und Strafprozeß ergeben. Ein entscheidender Unterschied liegt z. B. darin, daß es im Strafprozeß Prozeßhandlungen mit Doppelnatur, die, wie Prozeßvergleich, Anerkenntnis, 39 Grundlegend G o l d s c h m i d t , Prozeß als Rechtslage. Aus dem neueren Schrifttum vgl. etwa B a u m g a r t e l , Wesen und Begriff der Prozeßhandlung einer Partei im Zivilprozeß, 1957, R. B r u n s , Der Begriff der Parteiprozeßhandlung JZ. 1959 204.
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Kap. 9 1
Einleitung (Schäfer)
Verzicht oder Aufrechnung, zugleich sachlichrechtliche Rechtsgeschäfte und verfahrensrechtlich wirkende Handlungen sind, nicht geben kann; der Begriff der Prozeßhandlung beschränkt sich hier auf das verfahrensgestaltende Verhalten, dessen Voraussetzungen und Wirkungen vom Prozeßrecht geregelt sind. Die Erforschung der materiellen Wahrheit schließt auch Prozeßhandlungen aus, die, wie das gerichtliche Geständnis im Zivilprozeß (§§ 288ff. ZPO.), sich als prozessuale Erklärung des Einverständnisses mit ungeprüfter Verwertung von vorgetragenen Tatsachen darstellen; das Geständnis im Strafverfahren löst keine derartigen verfahrensrechtlichen Folgen aus. Es kann demgemäß auch nur verwirren, wenn in der älteren Literatur bei Prozeßhandlungen, die eine Rechtsfolge im Strafprozeß willensgemäß auslösen, in Anknüpfung an den spezifisch bürgerlichrechtlichen Rechtsbegriff des Rechtsgeschäfts von „strafprozeßrechtlichen Rechtsgeschäften" gesprochen wird ( E b S c h m i d t Lehrkomm. I Nr. 182ff.). Im einzelnen herrscht über die Abgrenzung des Begriffs der Prozeßhandlung Streit. Die am weitesten gehende Auffassung (so z. B. Beling 162ff.) will jedes prozeßbedeutsame Verhalten, auch reine Tatakte (z. B. das öffnen der Türen des Gerichtssaals durch den Justizwachtmeister zur Herstellung der Öffentlichkeit) einschließen, die wohl engste (Kern 78) nur solche Erklärungen erfassen, die eine Rechtsfolge im Prozeß willensgemäß auslösen, die also den Prozeß dem erklärten Willen gemäß weiter fördern sollen. Aber die Ausdehnung auf Handlungen nur nebensächlich am Prozeß Beteiligter erscheint zu weit, die Beschränkung auf Rechtsfolgen auslösende Willensäußerungen zu eng. Bei den Mittelmeinungen besteht insbesondere Streit, ob auch Aussagen und Bekundungen (des Beschuldigten, des Zeugen oder Sachverständigen) Prozeßhandlungen sind. Zeugen und Sachverständige sind indessen im allgemeinen keine Prozeßbeteiligten (oben S. 62), ihre Aussagen, da sie nicht willensmäßig auf Gestaltung des Verfahrens gerichtet sind, keine Prozeßhandlungen. Dagegen ist (gegen Peters 195) der Aussage des Beschuldigten die Eigenschaft einer Prozeßhandlung nicht abzusprechen. Sein Verhalten wirkt willensgemäß auf die Bildung der richterlichen Überzeugung ein. Namentlich da, wo es sich um Vorgänge im Innern des Beschuldigten handelt, die in weitem Umfang einer Klärung durch eine förmliche Beweisaufnahme unzugänglich sind, ist es oft die „nicht zu widerlegende Einlassung" des Angeklagten, von der das Gericht bei der Urteilsfindung ausgehen muß. Und da ja der Angeklagte keiner Wahrheitspflicht unterliegt, handelt es sich um mehr als „die bloße Klärung des Sachverhalts": es liegt — man denke z. B. an eindrucksvolle Unsehuldsbeteuerungen — eine prozeßordnungsmäßig zulässige psychische Einwirkung auf den Richter mit dem Ziel eines dem Angeklagten günstigen Urteils vor. Qualitativ unterscheidet sich die Vernehmung zur Sache (§ 243 Abs. 3) schwerlich von den Ausführungen und Anträgen des Angeklagten nach Schluß der Beweisaufnahme (§ 258 Abs. 1), die doch zweifellos Prozeßhandlungen sind. Einen breiten Raum bei den Erörterungen in der Wissenschaft nimmt die Frage nach der G r u p p i e r u n g der Prozeßhandlungen ein. Man kann sie mit S a u e r (Allg. Prozeßl. §9 III 2, Gründl. S. 187 ff.) nach der Nähe zum Prozeßziel in solche einteilen, die das Verfahren, die Verfolgung und die Sachgestaltung betreffen (s. S. 46), doch läßt sich diese Einteilung angesichts des Vor- und Rückwärtsschreitens des Verfahrens und des Ineinandergreifens der einzelnen Verfahrensstadien und -abschnitte nur mit Schwierigkeiten durchführen. Andere Einteilungen nehmen den Ausgang von den Prozeßsubjekten (Handlungen des Gerichts auf der einen, des Klägers und des Beschuldigten auf der anderen Seite oder hoheitliche Maßnahmen des Gerichts und des öffentlichen Klägers auf der einen und nichthoheitliche (private) des Beschuldigten), vom Inhalt (Erklärungen und Realakte) oder von der Bedeutung der Handlung für das Verfahren (prozeßtragende Handlungen wie Strafantrag, Klage, Eröffnungsbeschluß, Urteil, Rechtsmitteleinlegung und schlichte Prozeßhandlungen, wie Beweisanträge) usw. Eine Auseinandersetzung mit diesen Lehren liegt nicht im Rahmen der vorliegenden Einleitung. Die folgende Darstellung geht von der Unterscheidung von Handlungen des Klägers und des Beschuldigten gegenüber denjenigen des Gerichts aus und schließt sich, soweit es sich um die erstere Gruppe handelt, der von G o l d s c h m i d t (Prozeß als Rechtslage S. 364ff.) erarbeiteten, im Schrifttum weitgehend anerkannten grundsätzlichen Einteilung der Prozeßhandlungen in E r w i r k u n g s - und Bew i r k u n g s h a n d l u n g e n an. E r w i r k u n g s h a n d l u n g e n sind danach Handlungen, die dazu bestimmt sind, durch psychische Einwirkung auf den Richter eine Entscheidung bestimmten Inhalts herbeizuführen; B e w i r k u n g s h a n d l u n g e n sind alle Prozeßhandlungen des Klägers oder des Beschuldigten, die nicht Erwirkungshandlungen sind und in Erklärungen oder Realakten bestehen können. Die Frage, ob die Bewirkungshandlungen, soweit sie in Erklärungen bestehen, einer
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Die Prozeßhandlungen
Kap. 9 2
weiteren Differenzierung (etwa in Willenserklärungen, Willens- und Vorstellungsmitteilungen — so G o l d s c h m i d t a. a. 0 . 457 ff. — oder in Willenserklärungen, Wollenserklärungen und Wissenserklärungen — so Peters 201 —) zugänglich sind, soll hier unerörtert bleiben 40 , da sich keine praktischen Folgerungen daran knüpfen. E r w i r k u n g s h a n d l u n g e n sind hauptsächlich die Anträge. Sie enthalten das Begehren an das Gericht, eine Entscheidung bestimmten Inhalts zu erlassen, wobei Sachanträge auf die Gestaltung des Urteilsinhalts, Prozeßanträge auf das Verfahren betreffende Entscheidungen abzielen. Eine Erwirkungshandlung ist auch die Einlegung eines Rechtsmittels (OLG. Köln N J W . 1957 641), denn darin liegt stets der Antrag auf Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Zu den B e w i r k u n g s h a n d l u n g e n gehören insbesondere rechtsgestaltende Erklärungen, also Erklärungen, die mit sofortiger Wirkung die prozessuale Rechtslage entsprechend ihrem Inhalt gestalten, wie der Verzicht auf Rechtsmittel und die Zurücknahme eines Rechtsmittels, die den Eintritt der (mindestens relativen) Rechtskraft der Entscheidung zur Folge haben. Bei einzelnen Prozeßhandlungen besteht über ihre Zuordnung zu den Bewirkungs- oder den Erwirkungshandlungen Streit, so etwa bei der Anschlußerklärung des Nebenklägers, die E b S c h m i d t Anm. 11 zu §396 und, ihm folgend, OLG. Köln N J W . 1960 306 — gegen die h. M. — zu den Bewirkungshandlungen rechnen. Die Prozeßhandlungen des G e r i c h t s zerfallen in die das Verfahren a b s c h l i e ß e n d e n E n t s c h e i d u n g e n , also in erster Linie die Urteile, und in die vorangehenden, auf die Gewinnung der abschließenden Entscheidung gerichteten Maßnahmen, die unter den Oberbegriff der P r o z e ß l e i t u n g gebracht werden können und ihrerseits in Entscheidungen (Beschlüssen und Verfügungen) oder Realakten (Durchführung der Beweisaufnahme, Entgegennahme 41 von Anträgen und Erklärungen von Kläger und Beschuldigtem usw.) bestehen können. Die Entscheidungen können Sach- oder Prozeßentscheidungen sein 42 . Als d o p p e l f u n k t i o n e l l e Prozeßhandlungen (vgl. N i e s e , Doppelfunktionelle Prozeßhandlungen, 1950) werden Prozeßhandlungen bezeichnet, die Wirkungen sowohl verfahrensrechtlicher wie materiellrechtlicher Art entfalten. So sichert z. B. der Haftbefehl die Durchführung des Verfahrens, indem er ausschließt, daß dem Verfahren das Prozeßhindernis der Abwesenheit des Beschuldigten entgegenstehen könnte; gleichzeitig schafft er materiellrechtlich einen Rechtfertigungsgrund für den Eingriff in die Freiheit des Beschuldigten. Oder es schließt das auf Freiheitsstrafe lautende Urteil das Verfahren ab und legt zugleich dem Verurteilten die Pflicht auf, den Vollzug des Urteils zu erdulden, und bildet damit einen Rechtfertigungsgrund für das Vorgehen der Vollstreckungs- und Vollzugsorgane. 2. Wertung der Prozeßhandlungen. Für die Vornahme von Prozeßhandlungen stellt das Verfahrensrecht bestimmte, im Einzelfall verschiedene Voraussetzungen auf. Es fragt sich, welche Bedeutung einer Prozeßhandlung für das Verfahren zukommt, wenn die vorgeschriebenen Voraussetzungen nicht vorliegen. Im Anschluß an die (freilich umstrittene) Lehre von S a u e r lassen sich vier prozessuale Wertkategorien unterscheiden: G ü l t i g k e i t , W i r k s a m k e i t , Z u l ä s s i g k e i t und B e g r ü n d e t h e i t , die aber nicht bei jeder Prozeßhandlung durchführbar sind. E r w i r k u n g s h a n d l u n g e n unterliegen vorzugsweise einer Wertung unter den Gesichtspunkten der Zulässigkeit und der Begründetheit. Zulässigkeit bedeutet, daß die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen gegeben sein müssen, bevor der Richter, an den sie sich wenden, Veranlassung hat, sich mit ihrer inhaltlichen Bedeutung für das erstrebte Prozeßziel (mit ihrer Begründetheit) zu befassen. So ist das nicht frist- und formgerecht eingelegte Rechtsmittel unzulässig, und die Unzulässigkeit hindert das Gericht, sich mit der Begründetheit des Rechtsmittels, mit der Berechtigung des Verlangens, die angefochtene Entscheidung zu ändern, überhaupt zu befassen. Streitig ist, ob — ausnahmsweise — Erwirkungshandlungen unter den Gesichtspunkten der Gültigkeit und Wirksamkeit gewertet werden können, wobei Ungültigkeit 4 0 Vgl. dazu E b S c h m i d t Lehrkomm. I Nr. 1 9 4 : „Eine erschöpfende Aufzählung der Bewirkungshandlungen ist weder möglich noch nötig, wie auch Einteilung und Gruppierung kein wissenschaftliches Problem i s t . " 4 1 Prozeßhandlungen der „ P a r t e i e n " sind grundsatzlich, soweit das Gesetz nichts Abweichendes bestimmt, gegenüber der Stelle vorzunehmen, die „ H e r r " des maßgeblichen Verfahrensabschnitts ist; ein Verzicht auf das Privatklagerecht müßte also gegenüber dem für die Erhebung der Privatklage zuständigen Gericht ausgesprochen werden (vgl. H ä r t u n g N J W . 1 9 6 1 523). 4 2 Vgl. dazu P e t e r s , Die Parallelitat von Prozeß- und Sachentscheidungen, Z S t r W . 6 8 (1956) 374ff.
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Löwe-Rosenberg,
StPO. 21. Aufl.
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bedeutet, daß der Handlung wegen Fehlens der wesentlichen Merkmale jede Beachtlichkeit fehlt, während Unwirksamkeit vorliegt, wenn der Handlung eine Wirkung im Sinne der Herbeiführung einer neuen Verfahrenslage abgeht. Die Frage ist zu bejahen. So läge etwa Ungültigkeit vor, wenn der Beweisantrag eines Geisteskranken offensichtlich unsinnig ist. Im allgemeinen aber sind Erwirkungshandlungen gültig, d. h., der Richter darf sie nicht ohne weiteres unbeachtet lassen, sondern muß sie bescheiden (vgl. § 244 Abs. 6). Bei B e w i r k u n g s h a n d l u n g e n dagegen kommt vorzugsweise eine Wertung unter den Gesichtspunkten der Gültigkeit und Wirksamkeit in Betracht. So ist etwa ungültig die Rechtsmittelzurücknahme, die der Angeklagte im Zustand der Verhandlungsunfähigkeit — im Fieberdelirium, in einem epileptischen Anfall — oder unter Zwang (s. unten S. 69) erklärt, unwirksam dagegen die Rechtsmittelzurücknahme durch den Verteidiger ohne ausdrückliche Ermächtigung des Angeklagten (§ 302 Abs. 2). Was die P r o z e ß h a n d l u n g e n des G e r i c h t s anlangt, so unterliegen die Sachleitungsmaßnahmen des Vorsitzenden einer Bewertung unter dem Gesichtspunkt der Zulässigkeit; nach § 238 Abs. 2 entscheidet das Gericht, wenn eine Sachleitungsmaßnahme von einem Verhandlungsbeteiligten als unzulässig beanstandet wird. Auch gerichtliche Entscheidungen können wegen Fehlens der verfahrensrechtlichen Voraussetzungen unzulässig sein. So ist z. B. der Erlaß eines Sachurteils unzulässig, wenn ein Verfahrenshindernis einer sachlichen Entscheidung entgegensteht (vgl. S. 71). Der Fehler hat aber keine weitergehende Bedeutung, als wenn das Urteil aus anderen Gründen — wegen falscher tatsächlicher Feststellungen oder wegen Verstoßes gegen das sachliche oder Verfahrensrecht — unrichtig ist, d. h., die Unrichtigkeit kann nur durch Anfechtung mit den allgemein zulässigen Mitteln geltend gemacht werden, und der Mangel wird bedeutungslos, wenn das Urteil rechtskräftig wird. Die Wertkategorien der Ungültigkeit und Unwirksamkeit (Unbeachtlichkeit) scheiden also grundsätzlich beim Urteil aus. Ob es davon in extremen Fällen Ausnahmen gibt, wird an anderer Stelle (S. 144 f f.) zu erörtern sein. Entsprechendes gilt für andere gerichtliche, insbesondere für die dem Urteil vorangehenden Entscheidungen. So ist auch ein mit schweren Mängeln behafteter Eröffnungsbeschluß (vgl. S. 80) nicht unbeachtlich (wirkungslos), sondern führt zur Eröffnung des Hauptverfahrens. Wird der Mangel während des Hauptverfahrens bemerkt und kann er nicht nachträglich behoben werden, so ist das Verfahren förmlich einzustellen; bleibt er aber unbemerkt und ergeht ein Sachurteil, so liegt wieder der zuvor erörterte Fall vor, daß unzulässigerweise ein Urteil gefällt ist, das wegen des Fehlens einer Verfahrensvoraussetzung (der ordnungsmäßigen Eröffnung) nicht hätte ergehen dürfen. Bei den gerichtlichen Entscheidungen, die nicht einem Urteil vorangehen, insbesondere bei denjenigen, die nach einem Urteil ergehen, entfällt zwar der bei den dem Urteil vorangehenden Entscheidungen für die Beachtlichkeit trotz fehlender rechtlicher Voraussetzungen angeführte Gesichtspunkt, daß der Fehler nur durch Anfechtung des Urteils geltend gemacht werden kann und die Rechtskraft des Urteils den Mangel heilt. Aber auch bei ihnen verlangt die Rechtssicherheit und das öffentliche Vertrauen in die Beständigkeit eines Richterspruchs, daß sie trotz wesentlicher Mängel grundsätzlich nicht unbeachtlich sind. Soweit sie mit der Beschwerde anfechtbar sind, ergibt sich daraus, daß dies nach der Auffassung des Gesetzgebers der (einzige) Weg ist, die Mangelhaftigkeit geltend zu machen, sodaß die formelle Rechtskraft der Entscheidung den Mangel bedeutungslos macht. In diesem Zusammenhang erhebt sich die Frage, ob nicht ausnahmsweise die Entscheidung des Beschwerdegerichts mit der sonst für diese Fälle nicht zugelassenen weiteren Beschwerde angefochten werden kann, wenn die Entscheidung des Beschwerdegerichts selbst unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften (Nichtgewährung des rechtlichen Gehörs) ergangen ist (vgl. S. 137). Soweit Entscheidungen aber nach gesetzlicher Vorschrift einer Anfechtung entzogen sind, folgt daraus die Absicht des Gesetzes, daß ihre „Richtigkeit" nicht mehr in Zweifel gezogen werden soll; das muß dazu führen, daß solche Entscheidungen, auch wenn sie von einem funktionell unzuständigen Gericht erlassen sind, unanfechtbar und wirksam sind (vgl. RGSt. 40 273: Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Revisioneinlegungsfrist durch die Strafkammer statt durch das allein zuständige Revisionsgericht). Die Frage, ob bei besonders krassen Verstößen Ausnahmen denkbar sind, gehört auch hier zum Problem der nichtigen Entscheidung, das an anderer Stelle (S. 144ff.) gesondert erörtert wird. Zu beachten ist aber, daß sich die Unanfechtbarkeit einer Entscheidung nach dem Sinne der Vorschrift nur auf deren Inhalt beschränken kann. So sind Beschlüsse, durch die nach Ablauf der Bewährungsfrist die Strafe erlassen und Auskunftsbeschränkimg für das Strafregister angeordnet wird (§ 25 StGB.), teils nach ausdrücklicher
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Die Prozeßhandlungen
Kap. 9 3,4
Vorschrift (§ 453 Abs. 3 StPO.), teils wegen Gleichheit der Sachlage nicht anfechtbar (vgl. Anm. 6b zu § 463). Die Unanfechtbarkeit kann sich aber nach dem Sinn der Vorschrift nur auf den Inhalt der Ermessensentscheidung beziehen, während wesentliche Verfahrensverstöße die Staatsanwaltschaft zur (einfachen) Beschwerde und das Gericht zur Rücknahme der Entscheidung berechtigen (vgl. Anm. 6 a zu § 463). Von einer Unbeachtlichkeit der Entscheidung kann aber auch hier keine Rede sein. 3. Widerrullichkeit von ProzeBhandlungen. Eine Reihe von Prozeßhandlungen sind nach ausdrücklicher Vorschrift oder nach der Natur der Sache unwiderruflich (nicht mehr zurücknehmbar und nicht mehr oder — bei Entscheidungen — nur auf Rechtsmittel oder Rechtsbehelfe hin abänderbar) oder nur zeitlich oder in anderer Weise beschränkt widerruflich. Einschränkende Vorschriften gelten z. B. für die Zurücknahme des Strafantrags (§ 64 StGB.), der Klage (§§ 156, 411 StPO.), des Einspruchs gegen Strafbefehl oder Strafverfügung (§§ 411, 413) und des Rechtsmittels (§ 303). Unwiderruflich sind namentlich Urteile und urteilsähnliche Entscheidungen wie Strafbefehl, Strafverfügung und der die Revision als offensichtlich unbegründet verwerfende Beschluß des Revisionsgerichts nach § 349 Abs. 2 (BGH. NJW. 1955 1766) sowie im Hinblick auf § 311 Abs. 3 alle mit sofortiger Beschwerde anfechtbaren Entscheidungen, ferner der Eröffungsbeschluß wegen seiner verfahrenstragenden Bedeutung sowie Rechtsmittelverzicht und Rechtsmittelzurücknahme, die die Rechtskraft herbeiführen (BGHSt. 10, 247). Unwiderruflich sind auch z. B., weil sie die Rechtslage unmittelbar konstitutiv ändern, die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 46 Abs. 2) und Straferlaß sowie Anordnung der Auskunftsbeschränkung nach Ablauf der Bewährungsfrist (§ 453 Abs. 3 StPO.). Im übrigen sind Anträge und Behauptungen von Kläger und Beschuldigtem grundsätzlich widerruflich und änderbar, soweit nicht der Prozeßabschnitt, in dem die Prozeßhandlung erfolgte, durch den weiteren Prozeßablauf endgültig abgeschlossen ist. Das gleiche gilt für gerichtliche Beschlüsse, die mit einfacher oder einfacher weiterer Beschwerde anfechtbar sind, da sie — anders als die mit sofortiger Beschwerde anfechtbaren — nicht in (formelle) Rechtskraft erwachsen (RGSt. 43 229; BGHSt. 8 194; OLG. Bremen NJW. 1951 854). Hier ist das Gericht des ersten Rechtszugs auch dann abänderungsbefugt, wenn keine Beschwerde eingelegt ist. Ob auch das Beschwerdegericht, wenn weitere Beschwerde nicht zulässig ist, seine Entscheidung auf Gegenvorstellung abändern darf, ist streitig (vgl. W o e s n e r NJW. 1960 2129; vgl. dazu S. 138 im Zusammenhang mit der Frage, ob das Beschwerdegericht seine Entscheidung abändern kann, wenn sie auf einer Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör beruht). Auch ist, wo die Anfechtbarkeit mit sofortiger Beschwerde eine Änderung der Entscheidung ausschließt (§ 311 Abs. 3), das Gericht nicht gehindert, bei erneuter Befassung mit der Sache (z. B. bei Wiederholung eines abgelehnten Antrags) einer Änderung der Sachlage Rechnung zu tragen. Im Einzelfall können Zweifel bestehen, wo die Grenze der Widerruflichkeit (Abänderbarkeit) verläuft. So ist z. B. strittig, inwieweit ein die Revision wegen Fristversäumnis als unzulässig verwerfender Beschluß (§§ 346, 349 Abs. 1) zurückgenommen werden kann, wenn sich nachträglich ergibt, daß entgegen der Annahme des Gerichts die Frist gewahrt war. Meist wird dem Revisionsgericht die Änderungsbefugnis zugestanden, wenn es sich in einem tatsächlichen Irrtum befand, dagegen nicht bei Rechtsirrtum (RGSt. 49 419; BGH. NJW. 1951 771), während sie dem iudex a quo (§ 346 Abs. 1) versagt wird (RGSt. 55 236; OLG. Celle Nds. Rpfl. 1960 120). Vgl. dazu Anm. 6 zu § 306; Anm. 3 zu § 346; Anm. 4 zu § 359 und S c h m i d t JZ. 1961 15. In diesen Bereich gehört auch die Frage, ob, wenn zur Anfechtung eines Urteils wahlweise Berufung und Revision zur Verfügung stehen (§§ 312, 335 StPO.), der Anfechtungsberechtigte von der eingelegten Berufung zur Revision und von der eingelegten Revision zur Berufung übergehen kann. Die Rechtsprechung ist hier schrittweise dazu gelangt, einen solchen Wechsel innerhalb der Revisionsbegründungsfrist zuzulassen und sieht in dem Wechsel weder eine (unzulässige) Anfechtung wegen Irrtums noch einen (unzulässigen) Widerruf eines Verzichts auf das andere Rechtsmittel (vgl. BGHSt. 2 63; 5 338; 13 388). Die in BGHSt. 13 388 gemachte Einschränkung, daß eine erkennbar endgültige Wahl der Revision den Übergang zur Berufung ausschließe, erweckt Bedenken (vgl. E b S c h m i d t NJW. 1960 1651 gegen BayObLG. NJW. 1960 1682). 4. Einfluß von Irrtum, Täuschung und Drohung. a) I r r t u m . Die Frage, inwieweit Willensmängel den Bestand einer Prozeßhandlung berühren, erhebt sich vorzugsweise bei unwiderruflichen W i l l e n s e r k l ä r u n g e n des B e s c h u l d i g t e n und hier insbesondere bei den Bewirkungshandlungen, wie Rechtsmittelverzicht, Rechts5*
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4 mittelzurücknahme oder Einverständnis eines Verfolgten mit der Auslieferung (§ 7 DAG.). Wenn z. B. nach Verkündung eines auf neun Monate Gefängnis lautenden Urteils der Angeklagte die Frage des Vorsitzenden, ob er das Urteil annehme, bejaht, weil er sich verhört hat und glaubt, das Urteil laute auf drei Monate Gefängnis: ist er an seine einen Rechtsmittelverzicht darstellende Erklärung gebunden, wenn er nachträglich seinen Irrtum erkennt und er bei Kenntnis der wahren Sachlage nicht auf Rechtsmittel verzichtet hätte? Die Vorschriften des bürgerlichen Rechts (§§117 ff. BGB.) über die Bedeutung von Willensmängeln, die auf einer Abwägung der Belange der privaten Beteiligten beruhen, können im Strafprozeß auch keine entsprechende Anwendung finden; das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Rechtskraft eines Strafurteils schließt es grundsätzlich aus, daß die Rechtskraft entfallen könnte, weil der Angeklagte seine Rechtsmittelverzichtserklärung wegen Irrtums anficht (h. M.; vgl. RGSt. 57 83; 64 14; BGH. NJW. 1954 687; E b S c h m i d t Lehrkomm. I Nr. 184ff.; Peters 215). Das gleiche gilt für andere die Rechtslage unmittelbar gestaltende Erklärungen wie etwa die Einverständniserklärung gemäß § 7 DAG. Verfahrensbedeutsame Erklärungen muß der Erklärende so gegen sich gelten lassen, wie sie für die anderen Verfahrensbeteiligten erkennbar zum Ausdruck gekommen sind, wobei der unrichtige Gebrauch technischer Ausdrücke nicht schadet (§ 300). Nur bei Mehrdeutigkeit des Wortlauts der Erklärung ist der Sinn durch Auslegung zu ermitteln (BGHSt. 7 162, 165). Auf den hinter der Erklärung stehenden Willen kommt es dagegen nicht an. Beantwortet der Angeklagte nach Belehrung über die zulässigen Rechtsmittel (§ 35 a StPO.) die Frage, ob er auf Rechtsmittel verzichte, vorbehaltlos bejahend, so liegt ein bindender Rechtsmittelverzicht vor, gleichviel, ob er glaubt, zu einer geringeren als der erkannten Strafe verurteilt zu sein — Irrtum im Motiv — (vgl. RG. JW. 1929 49 Nr. 19 mit Anm. von O e t k e r ) oder ob er die Frage mißverstanden und geglaubt hat, er werde gefragt, ob er Berufung einlege — Irrtum über den Inhalt der Erklärung — (so die h. M.; vgl. die Nachweise bei H e n k e l 296 Fußnote 10; OLG. Bremen NJW. 1961 2271; a. M. z. B. P e t e r s 217). Den Erklärungsirrtum unberücksichtigt zu lassen, mag im Einzelfall zu Härten führen und die Bemühungen des Schrifttums um Einschränkung des Grundsatzes oder um Abhilfemöglichkeiten (vgl. insbes. O e t k e r und P e t e r s a. a. 0.) sind verständlich. Aber andrerseits: wenn schon nach bürgerlichem Recht (§ 122 BGB.) der Erklärungsgegner des Irrenden oder ein Dritter Vertrauensschutz genießt, um wieviel mehr verdient das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Rechtsbeständigkeit des formell rechtskräftigen Urteils Schutz gegenüber der Gefahr, daß der Angeklagte, indem er sich auf Erklärungsirrtum infolge Mißverstehens, Verhörens usw. beruft, in Wahrheit die Folgen einer vorschnell abgegebenen Verzichtserklärung zu korrigieren versucht. Auch darf die Situation des Anfechtungsgegners — man denke namentlich an den Privat- oder Nebenkläger —• nicht unberücksichtigt bleiben, wenn er sich etwa nur durch den Rechtsmittelverzicht des Angeklagten seinerseits zum Rechtsmittelverzicht veranlaßt sah. Schließlich war es Sache des Angeklagten, sich die Tragweite seiner Erklärung vor Augen zu halten und sich, wenn er nicht sicher sein konnte, ob er richtig verstanden und die Sachlage voll erfaßt habe, durch Fragen Gewißheit zu verschaffen. Im übrigen ist es natürlich auch Amtspflicht des Vorsitzenden, das nach Sachlage Erforderliche zu tun, um Mißverständnisse überhaupt nicht aufkommen zu lassen und unüberlegte, übereilte Erklärungen auszuschließen. Das geschieht am sichersten, wenn er die Frage nach einem Rechtsmittelverzicht nur dann stellt, wenn ein besonderes Interesse des Angeklagten am alsbaldigen Rechtsmittelverzicht erkennbar ist, etwa bei dem in Untersuchungshaft Befindlichen im Hinblick auf § 450 StPO. Denn die Rechtsmittelfrist soll dem Rechtsmittelberechtigten ermöglichen, sich in Ruhe schlüssig zu werden, ob er von seinem Recht Gebrauch machen will oder nicht. Wenn danach auch die Frage nach einem Rechtsmittelverzicht nicht geradezu unzulässig ist, so entspricht es doch nicht dem Sinn und Geist der StPO., den Angeklagten ohne besondere Veranlassung im unmittelbaren Anschluß an die Urteilsverkündung zu Erklärungen über einen Rechtsmittelverzicht zu veranlassen (Nr. 124 Abs. 2 RiStV.; RGSt. 58 83; 64 14; s. auch Anm. 11 zu §268). Wird das ernstlich beachtet, so wird die Frage nach der Bedeutung des Irrtums beim Rechtsmittelverzicht nur geringe praktische Bedeutung haben. Bei g e r i c h t l i c h e n E n t s c h e i d u n g e n kann sich, wenn sie unwiderruflich sind, die Frage nach der Bedeutung eines Verlautbarungsirrtums erheben, wenn die beschlossene Entscheidung von der verkündeten abweicht oder die Formel mit den Gründen der Entscheidung in Widerspruch steht. Die Frage, unter welchen Voraussetzungen ein solches Versehen durch Berichtigung behoben werden kann, ist in Anm. 7 zu § 268 eingehend erörtert.
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b) T ä u s c h u n g u n d D r o h u n g . — Nach §136a StPO. darf die Freiheit der Willensentschließung und Willensbetätigung des B e s c h u l d i g t e n nicht durch Täuschung und Drohung mit verfahrensrechtlich unzulässigen Maßnahmen beeinträchtigt werden. Das Verbot gilt für den Richter, den Staatsanwalt (§ 161 Abs. 2), die Polizei (§ 163 Abs. 2), aber auch für den Sachverständigen als Richtergehilfen (BGHSt. 14 21). Ein die Entschlußfreiheit beeinträchtigender Irrtum dagegen, in den der Beschuldigte von selbst oder durch seinen Verteidiger geraten ist, begründet nicht die Anwendung des §136a (BGHSt. 14 192). §136a gilt zwar nach seiner Stellung im Gesetz unmittelbar nur für Vernehmungen (vgl. das Aussageverwertungsverbot in § 136 a Abs. 3). Die Bedeutung der Vorschrift reicht aber weiter. Denn § 136 a enthält für seinen Bereich eine Anerkennung und Verdeutlichun des allgemeinen rechtsstaatlichen Grundsatzes, daß der Staat ein Strafverfahren nur mit fairea, mit rechtsstaatlichen Mitteln betreiben darf. Dieser Grundsatz muß auch gelten, wenn die Organe und Hilfsorgane der staatlichen Strafverfolgung in einer die Voraussetzungen des § 136 a erfüllenden Weise in die Freiheit der Willensentschließung und -betätigung des Beschuldigten bei Prozeßhandlungen eingreifen und ihn etwa durch Täuschung oder Drohung zur Zurücknahme eines Beweisantrages oder eines Rechtsmittels oder zu einem Rechtsmittelverzicht veranlassen (h. M., vgl. OLG. Bremen JZ. 1955 680 mit Anm. von E b S c h m i d t ; Hamm JMB1. NRW. 1956 250, NJW. 1960 1967; Düsseldorf NJW. 1960 210 [mit abl. Anm. von Feldmann]; E b S c h m i d t Lehrkomm. I Nr. 187; KleinknM Einl. lOe; D a l c k e - F u h r m a n n - S c h ä f e r [37] Anm. l a zu §136a; a.M. OLG. Düsseldorf NJW. 1961 96 [Vorlagebeschluß gemäß § 121 Abs. 2 GVG.]). Die Folge eines solchen Verhaltens ist die Unwirksamkeit der Prozeßhandlung. Zweifelhaft ist dabei, ob von einer „Täuschung" auch gesprochen werden kann, wenn der Beschuldigte durch eine objektiv unrichtige Erklärung des Gerichts, Staatsanwalts usw., etwa durch eine die Verfahrenslage verkennende unrichtige Belehrung durch den Richter zu seiner Erklärung veranlaßt wird, ohne daß eine Täuschungsabsicht vorlag. Das wird von den OLGen. Bremen, Hamm, a. a. O., und OLG. Düsseldorf NJW. 1960 210 sowie von E b S c h m i d t JZ. 1955 680 bejaht, von Bindokat NJW. 1956 51 und K l e i n k n M , a. a. O., verneint, weil zur Täuschung begrifflich ein Täuschungswille gehöre. Gewiß entfällt bei unbeabsichtigter Hervorrufung eines Irrtums der Gesichtspunkt des Prozedierens mit rechtsstaatswidrigen Mitteln, aber zur „Fairness" der staatlichen Strafverfolgung gehört auch, den Betroffenen von den nachteiligen Folgen eines Irrtums zu entbinden, der durch objektiv unrichtige Maßnahmen der staatlichen Strafverfolgungsorgane hervorgerufen ist. Schon vor der Einführung des § 136 a hatte RG. JW. 1933 1069 Nr. 22 einen Rechtsmittelverzicht des Angekl., hervorgerufen durch die unrichtige Belehrung des Vorsitzenden, das Urteil sei unanfechtbar, für unbeachtlich erklärt, weil eine Erklärung, sich einem vermeintlich unanfechtbaren Urteil unterwerfen zu wollen, nicht ernstlich als Verzicht auf ein tatsächlich zustehendes Rechtsmittel verstanden werden könne. Unbeachtlich ist dagegen, wenn die Prozeßhandlung des Beschuldigten durch Täuschung oder Drohung s e i t e n s D r i t t e r veranlaßt wird; hier greift, wie beim Irrtum des Beschuldigten, der Gesichtspunkt durch, daß die Prozeßsicherheit, das öffentliche Vertrauen in die Rechtsbeständigkeit des Urteils den Vorrang beanspruchen darf; auch auf die Schwere des angedrohten Übels kann es dabei nicht ankommen (a. M. P e t e r s 219). Nach §§ 69 Abs. 3, 72 darf auch auf Zeugen und S a c h v e r s t ä n d i g e nicht in einer die Voraussetzungen des § 136 a erfüllenden Weise eingewirkt werden. Auch diese Vorschriften enthalten einen allgemeinen und erweiterungsfähigen Gedanken dahin, daß neben dem Beschuldigten auch andere am Verfahren beteiligte private Personen (Privat- und Nebenkläger) gegen Beeinträchtigung ihrer Willensfreiheit durch Maßnahmen der Verfolgungsorgane Schutz genießen (OLG. Neustadt NJW. 1961 1984. Endlich kommt bei g e r i c h t l i c h e n E n t s c h e i d u n g e n eine Beeinträchtigung der Wirksamkeit durch eine arglistige Täuschung oder Drohung gegenüber dem Gericht nicht in Betracht (ebenso E b S c h m i d t Lehrkomm. I Nr. 188; a. M. — bezügl. der Drohung — P e t e r s 220). Daß ein Urteil durch T ä u s c h u n g (falsche Angaben des Beschuldigten, falsche Zeugenaussagen usw.) herbeigeführt wird, gehört zu den Alltäglichkeiten; zur Abhilfe stehen nur die zulässigen Rechtsmittel und nach Rechtskraft der Weg der Wiederaufnahme (§§359 ff.) zur Verfügung. Der Richter, der unter der Einwirkung einer Drohung das sachliche oder Verfahrensrecht wider sein Gewissen und seine bessere Überzeugung falsch anwendete, beginge Rechtsbeugung (§ 336 StGB.), was wiederum, wie sich aus § 359 Nr. 3, § 362 Nr. 2 StPO. ergibt, nach Rechtskraft des Urteils nur im Wege der Wiederaufnahme berücksichtigt werden könnte. Entfiele die Schuld des Richters
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durch Nötigungsstand (§52 StGB.; vgl. das Beispiel bei P e t e r s 220: Bedrohung mit Erschießen), so würde dies nach dem Sinn des § 364 StPO. der Durchführung eines Wiederaufnahmeverfahrens nicht entgegenstehen; die fehlende Schuld trotz objektiver rechtswidriger Verwirklichung des Tatbestands des § 336 StGB, müßte i. S. des § 364 als ein „anderer Grund" gewertet werden, der der Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens entgegensteht, so daß das Wiederaufnahmeverfahren unabhängig von einer vorgängigen Verurteilung des Richters durchführbar wäre. 5. Bedingungen. Dem Begriff der Prozeßhandlung als einer gestaltenden, auf die Herbeiführung des erstrebten Prozeßausgangs gerichteten Handlung entspricht es, daß Erklärungen im allgemeinen bedingungsfeindlich sind, da einer bedingten Erklärung, deren Wirkung von einem zukünftigen ungewissen Ereignis abhängig gemacht wird, die Eignung abgeht, den Prozeß dem endgültigen Abschluß näher zu bringen. Bedingungsfeindlich mit der Wirkung, daß die Hinzufügung einer Bedingung die Erklärung unwirksam macht, sind insbesondere die Einlegung eines Rechtsmittels (BGH. NJW. 1964 243) sowie die auf den Eintritt der Rechtskraft gerichteten Bewirkungshandlungen der Rechtsmittelzurücknahme und des Rechtsmittelverzichts (RGSt. 66 267). Bedingungsfeindlich ist auch der Strafantrag (RGSt. 74 188; OLG. Oldenburg MDR. 1968 55); auflösende Bedingungen sind unbeachtlich (RGSt. 14 96); aufschiebende Bedingungen machen den Strafantrag unwirksam (RGSt. 74 188). Ebenso ist eine nur bedingt ausgesprochene Zurücknahme des Antrags wirkungslos (RGSt. 48 195); dagegen ist nach Sinn und Zweck des § 470 Satz 2 StPO. zulässiff die Zurücknahme unter der Bedingung, daß der Antragsteller nicht mit Verfahrenskosten und Auslagen des Beschuldigten belastet wird (BGHSt. 9 149). Auch im übrigen können Prozeßhandlungen mit Bedingungen verbunden werden, soweit dies mit ihrer besonderen Zweckbestimmung vereinbar ist. So kann ein Beweisantrag bedingt gestellt werden (vgl. RG. JW. 1929 667 Nr. 24), ebenso der Antrag auf mündliche Verhandlung im Bußgeldverfahren (§ 55 Abs. 3 Satz 1 OWiG.) bedingt für den Fall, daß der Amtsrichter nicht schon aus Rechtsgründen oder im Hinblick auf das Beweisergebnis zur Aufhebung des Bußgeldbescheides kommt (BayObLG. JZ. 1958 510).
10. Die YerfahrensVoraussetzungen43. A. Allgemeines 1. Begriff und Wesen der Prozeßvoraussetzungen. Nach § 274 ZPO. sind mehrere nicht zu den Prozeßhandlungen gehörende Tatsachen, darunter die Unzuständigkeit des Gerichts, die Unzulässigkeit des Rechtswegs, die Rechtshängigkeit sowie der Mangel der Parteifähigkeit, der Prozeßfähigkeit und der gesetzlichen Vertretung durch „prozeßhindernde Einreden" vorzubringen. Der Ausdruck ist irreführend; die Stellungnahme des Gesetzes zu der Frage, was für die Zulässigkeit eines Prozesses vorausgesetzt werden muß, ist auch sonst unzulänglich ( L e n t ZAkDR. 1942 244). Indes haben Rechtslehre und Rechtsprechung den Begriff der Prozeßvoraussetzungen in dem Sinn herausgearbeitet, daß, während der Betrieb des Prozesses im allgemeinen der Parteiherrschaft unterworfen ist, doch die Prüfung von Amts wegen da verlangt werden muß, wo Erfordernisse des Verfahrens nicht nur den Bedürfnissen der Parteien zu dienen, sondern das öffentliche Wohl zu wahren haben (RGZ. 70 179,185; 158 153,160 344). Die StPO. war in ihrer ursprünglichen Fassung, obwohl die Untersuchung und Entscheidung der Strafsachen immer aus Gründen des öffentlichen Wohls erfolgt, noch dürftiger mit Vorschriften darüber ausgestattet, welche Bedeutung das Fehlen gewisser verfahrensrechtlich 43 S c h r i f t t u m : G o l d s o h m i d t , Der Prozeß als Rechtslage, 1925; Beling 85, 100, 165; derselbe ZStrW. Bd. 42 257ff.; Graf zu D o h n a 51; v. H i p p e l 9, 336, 471; E b S c h m i d t Lehrk. I 103ff.; Peters 221; H e n k e l 279; K l e i n k n M Einl. 11; S a u e r Grdl. 149, 211, 323, 363, 657; derselbe, Allgemeine Prozeßlehre 1951 S. 227; N i e t h a m m e r DStR 1937 127; Niese, Prozeßvoraussetzungen und -hindernisse und ihre Feststellung im Strafprozeß DReZ 1949 S. 505.
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Die Verfahrens Voraussetzungen (Verfahrenshindernisse)
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bedeutsamer Umstände hat, wann es zu berücksichtigen und wie es festzustellen ist. Aus § 260 a.F. StPO. ergab sich nur, daß es neben Urteilen, die eine Sachentscheidung auf die erhobene Anklage (Verurteilung oder Freisprechung) enthalten, Urteile gibt, die auf Einstellung des Verfahrens lauten, also das Verfahren förmlich abschließen, ohne eine Sachentscheidung zu treffen; als Gründe für eine Einstellung nannte das Gesetz das Fehlen oder die Zurücknahme des zur Strafverfolgung erforderlichen Strafantrags. § 205 a. F. sah die v o r l ä u f i g e Einstellung durch gerichtlichen Beschluß vor, wenn nach erhobener Anklage Abwesenheit des Beschuldigten oder nachträglicher Verfall in Geisteskrankheit dem weiteren Verfahren entgegensteht. Die Rechtslehre sah angesichts der Schweigsamkeit des Gesetzes ihre Aufgabe darin, die Bedeutung der Verfahrensvoraussetzungen im Strafverfahren klarzulegen. Sie konnte hierbei auch aus den reicheren Quellen des Zivilprozeßrechts schöpfen 41 . Die Rechtsprechung ist zunächst nur zögernd und manchmal schwankend nachgefolgt. Ihre Zurückhaltung erklärte sich aus der Vorsicht, die da geübt werden muß, wo die Bewährung einer umkämpften Meinung in der Anwendung noch nicht sicher berechnet werden kann, aus der Schwierigkeit, ältere Entscheidungen zu überwinden, und aus der Abneigung gegen das Ansinnen, nicht gerügten Mängeln nachzuspüren, um, wenn sich ein solcher ergibt, ein sachlich einwandfreies Urteil aufzuheben. Die Rechtsentwicklung nach dem ersten Weltkrieg, namentlich die seitdem in größerem Umfang einsetzende Amnestiegesetzgebung, bot reichlichen Anlaß zur Vertiefung der Probleme und führte schließlich zu einer in den Grundzügen gefestigten Rechtsprechung, deren Ergebnisse z. T. in Novellenform Eingang in die StPO., z. T. auch ihren Niederschlag in einem Ausbau der Verfahrensvorschriften in den einzelnen Amnestiegesetzen fanden. Zunächst dehnte die Rechtsprechung den Satz, daß fehlender Strafantrag zur Einstellung des Verfahrens durch Urteil führe, auf alle Verfahrenshindernisse (Niederschlagung, vorgängige rechtskräftige Aburteilung, Rechtshängigkeit usw.) aus und ließ weiter die Einstellung auch durch Beschluß außerhalb der Hauptverhandlung zu, wenn der Mangel einer Verfahrensvoraussetzung auch ohne Hauptverhandlung einwandfrei festzustellen war. Diese Rechtsprechung legalisierte der Gesetzgeber durch Einfügung des § 206 a (VO. v. 13. 8.1942, RGBl. I 512; vgl. Anm. zu § 206 a). Die gleiche VO. erweiterte den § 205 auf alle in der Person des Angeschuldigten liegenden Hindernisse, die der Durchführung einer Hauptverhandlung entgegenstehen. Und schließlich erhielt der Abs. 3 des § 260 durch das Vereinheitlichungsgesetz v. 12. 9.1950 — im Anschluß an den Vorschlag in Art. 70 Nr. 142 EGStGB. = Entw. 1930 — seine heutige Fassung, die die Voraussetzungen für die Einstellung des Verfahrens durch Urteil generell umschreibt: „Die Einstellung des Verfahrens ist auszusprechen, wenn ein Verfahrenshindernis besteht." Ein Verfahrenshindernis ist also ein Umstand, der den Erlaß eines Sachurteils, aber auch schon, sobald dieser Umstand erkannt ist, das weitere Prozedieren mit dem Ziel eines Sachurteils, ausschließt. Ein Verfahrenshindernis liegt, anders und genauer ausgedrückt, vor, wenn eine Bedingung dafür fehlt, daß es zulässig ist, in einem bestimmten Verfahren — vor diesem Gericht, unter Mitwirkung dieser Prozeßsubjekte — zu einem Sachurteil in einer bestimmten Sache zu gelangen. Solche Zulässigkeitsbedingungen bezeichnet man als Prozeßvoraussetzung; das Wesen der Prozeßvoraussetzung besteht darin, Zulässigkeitsbedingung dafür zu sein, unter den gegebenen Umständen zu einem Sachurteil zu gelangen (BGHSt. 10 75). Die Begriffe Verfahrenshindernis und Prozeßvoraussetzung drücken danach, wie heute fast allgemein anerkannt ist, keinen Gegensatz aus, sondern bringen den gleichen Gedanken in negativer oder positiver Form zum Ausdruck; es kommt auf das gleiche hinaus, ob man z. B. das Vorhandensein des erforderlichen Strafantrags als Prozeßvoraussetzung oder sein Fehlen als Verfahrenshindernis bezeichnet. Inhaltlich gehört zum Begriff der Prozeßvoraussetzung, daß es sich um einen Umstand handelt, der nach dem ausdrücklich erklärten oder aus dem Zusammenhang ersichtlichen Willen des Gesetzes für das Strafverfahren so schwer wiegt, daß von seinem Vorhandensein oder Nichtvorhandensein die Zulässigkeit des Verfahrens im g a n z e n abhängig gemacht werden muß (BGH. NJW. 1961 567), daß sie eine Zulässigkeitsbedingung für das Verfahren in seiner Gesamtheit und nicht nur für eine bestimmte V e r f a h r e n s h a n d l u n g innerhalb des Verfahrens darstellt. Dagegen gibt es Prozeßvoraussetzungen, die schon begrifflich nur für bestimmte Verf a h r e n s a b s c h n i t t e bedeutsam sind. So ist die Erhebung einer ordnungsmäßigen Klage nur für 44 Grundlegend für den Zivilprozeß O. B i i l o w , „Die Lehre von den Prozeßeinreden und den Prozeßvoraussetzungen" (1868). Als erster hat v o n K r i e s in einem im Jahrl885 erschienenen Aufsatz (ZStW.5 1) den Voraussetzungen des Strafprozesses eine eingehende Darstellung gewidmet.
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Einleitung (Schäfer)
A2 das Eröffnungs- und Hauptverfahren, nicht aber für das davorliegende Vorverfahren Prozeßvoraussetzung. Begrifflich ist auch die wirksame Anfechtung Prozeßvoraussetzung des dadurch eingeleiteten Rechtsbehelfs- oder Rechtsmittelverfahrens. Indessen führt eine wegen Nichtbeachtung der Vorschriften über Frist und Form des Rechtsbehelfs oder Rechtsmittels unwirksame Anfechtung zur Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig und nicht etwa zur Einstellung des Rechtsmittelverfahrens wegen der der Sachentscheidung entgegenstehenden Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung (vgl. dazu Anm. 3 a zu §449). Denn Einstellung bedeutet die förmliche Beendigung des Verfahrens i n s e i n e r G e s a m t h e i t ohne Sachurteil. Die Auffassung der Verfahrensvoraussetzungen als Voraussetzungen der Zulässigkeit des Verfahrens beugt ihrer Verwechslung mit den materiellrechtlichen Voraussetzungen der Bestrafung vor. Die Frage, ob der Beschuldigte sich in das Verfahren mit dem Ziel der Entscheidung über seine Täterschaft und Schuld einlassen müsse, kann nicht von der Feststellung der Tatsachen abhängig gemacht werden, deren Vorhandensein oder Nichtvorhandensein maßgebend dafür ist, ob er für schuldig zu erklären und wie er zu bestrafen oder ob er freizusprechen sei. Allein wenn die begriffliche Unterscheidung einleuchtet, so tauchen doch hinsichtlich gewisser Bestimmungen in Vorschriften des sachlichen Rechts Zweifel darüber auf, ob sie Tatbestandsmerkmale, Bedingungen der Strafbarkeit oder Verfolgungsvoraussetzungen aufstellen. Die nachfolgende Übersicht (S. 79) über die einzelnen Verfahrensvoraussetzungen wird solche Zweifel erörtern. Die Abgrenzung der Voraussetzungen der Zulässigkeit des Verfahrens im g a n z e n von Voraussetzungen geringeren Rangs, nämlich von den Voraussetzungen der Zulässigkeit einzelner Verfahrenshandlungen, ist durch die Natur der Sache geboten und läßt sich, wenn sie auch in einzelnen Fällen erheblichen Schwierigkeiten begegnen mag, doch der Grundrichtung nach durchführen. Die Vorschriften der StPO. treffen in ihrer weit überwiegenden Zahl lediglich Anordnungen darüber, wie die einzelnen Verfahrenshandlungen, insbesondere hinsichtlich der Zeit, des Orts und der Form vorzunehmen sind. Sie enthalten „Rechtsnormen über das Verfahren" im Sinn der §§ 328 Abs. 2, 344 StPO. Verstöße gegen diese Rechtsnormen ereignen sich oft und vielfach. Ihnen ist ein weit geringeres Gewicht beizumessen als den geschriebenen oder ungeschriebenen Rechtssätzen, von denen die Zulässigkeit des Verfahrens im ganzen, also die Frage abhängt, nicht nur, wie vorzugehen ist, sondern ob überhaupt in diesem Verfahren vorgegangen werden darf. Unter diesen Umständen bestehen keine Bedenken dagegen, es den Beteiligten zu überlassen, daß sie die Nachteile, die aus der Verletzung von Rechtnormen über das Verfahren befürchtet werden, durch den Gebrauch der gesetzlich gebotenen Rechtsbehelfe abwehren. Der Grund zu einer Prüfung von Amts wegen, wie sie bei den Prozeßvoraussetzungen geboten ist (s. unten), tritt gegenüber solchen Fehlern regelmäßig nicht hervor. 2. Einteilung der Prozeßvoraussetzungen. Das Schrifttum hat sich bemüht, die einzelnen Prozeßvoraussetzungen in Kategorien einzuordnen. Rein äußerlich schon läßt sich z. B. unterscheiden zwischen solchen, die, wenn sie bei Verfahrensbeginn vorliegen, von Anfang an jedes Prozedieren ausschließen, wie etwa fehlender Strafantrag (s. aber §§ 127 Abs. 3, 130 StPO.), Verjährung oder vorgängige rechtskräftige Aburteilung, und solchen, die nur von einem bestimmten Verfahrensstadium ab bedeutsam sind, wie etwa das Fehlen der Klage, die ja erst nach Abschluß des Ermittlungsverfahrens für das künftige Verfahren Bedeutung als Prozeßvoraussetzung gewinnt. Man kann auch unterscheiden zwischen allgemeinen Prozeßvoraussetzungen, die bei jedem Beschuldigten und bei jeder strafbaren Handlung gegeben sein müssen, z. B. die Unberührtheit der Sache, und den besonderen Voraussetzungen, die nur bei bestimmten Delikten oder bei bestimmten Beschuldigten vorliegen müssen, z. B. der Strafantrag bei Antragsdelikten, die Verfolgungsgenehmigung der gesetzgebenden Körperschaft bei Abgeordneten. Eine weitere Unterscheidung betrifft behebbare oder nur vorübergehende und unbehebbare, die Verfolgung endgültig ausschließende Hindernisse. Oder es wird unterschieden nach der Herkunft der Prozeßvoraussetzung, ob sie dem Gebiet des Straf-, des bürgerlichen, des Verwaltungs-, Staats- oder Völkerrechts entstammt. Über die Befriedigung des Bedürfnisses nach systematischer Durchdringung hinaus sind solche Unterscheidungen für die praktische Rechtshandhabung ohne wesentliche Bedeutung, da sie Unterschiede hinsichtlich des Wesens und der Wirkung der Prozeßvoraussetzungen, soweit und solange sie fehlen, nicht begründen. Dies gilt auch für die Versuche einer Einteilung nach materiellen Kategorien, etwa nach Sachgestaltungs-, Verfolgungs- und Verfahrensvoraussetzungen
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Die Verfahrensvoraussetzungen (Verfahrenshindernisse)
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( S a u e r ) , nach Prozeßvoraussetzungen im engeren Sinn und Strafklagerechtsvoraussetzungen usw., die E b S c h m i d t Lehrk. I Nr. 103ff. kritisch würdigt mit dem resignierenden Ergebnis: „Die Einteilung der Prozeßvoraussetzungen als wissenschaftliches Problem aufzufassen lohnt nicht. Es handelt sich nur um eine Frage einer möglichst übersichtlichen Darstellung" (a. a. 0 . Fußnote 123). 3. Zeitliehe Geltung. Die Verfahrensvoraussetzungen treten mit dem Gesetz, das sie ausspricht oder aufhebt, also z. B. das Antragserfordernis aufstellt oder fallen läßt, i n u n d a u ß e r K r a f t ; sie äußern ihre Wirkung, falls das betreffende Gesetz nichts Abweichendes bestimmt, auch innerhalb schon anhängiger Verfahren (RGSt. 75 311; 77160,183; OLG. Hamm NJW. 1961 2030; BayObLG. N J W . 1961 2268). 4. Prüfung von Amts wegen. Freibeweis. Auf die Verfahrensvoraussetzungen ist grundsätzlich in j e d e r L a g e des V e r f a h r e n s 44,1 — auch in der Revisionsinstanz — v o n A m t s w e g e n zu achten (RGSt. 22 137; 34199; 41 274; 45 278; 54 66 ; 55 285; 57 208; 59 36 u. 56; 64 187; 65 150; 66 173; 67 55 und 323 ; 68 19 u. 107; 69 126, 245 u. 319; 71 252 u. 261; 72 5,102,143 u. 379; 73 114; 74 187 u. 192; 75 257; BGHSt. 10 75). Denn die im Strafverfahren immer und überall durchdringende Rücksicht auf das allgemeine Wohl läßt, sofern ein Gesetz nicht ausdrücklich eine gegenteilige Regelung trifft, nicht zu, daß Versäumnisse und Verzichte der Beteiligten einen Einfluß gegenüber verfahrenshindernden Mängeln gewinnen. Selbst der Umstand, daß das Urteil durch Teilanfechtung schon zum Teil rechtskräftig geworden ist, schließt nicht aus, daß das mit dem angefochtenen Teil befaßte Rechtsmittelgericht von Amts wegen das Vorhandensein von Verfahrenshindernissen prüft und, wenn es solche feststellt, die daraus sich ergebende Folgerung nicht nur für den noch anhängigen Teil, sondern für das Verfahren in seiner Gesamtheit zieht. Beschränkt sich also ein Rechtsmittel nur auf das Strafmaß oder nur auf einen Nebenpunkt, z. B. eine angeordnete Einziehung oder den Kostenausspruch, und wird ein Verfahrenshindernis, etwa fehlender Strafantrag oder Anwendbarkeit eines Straffreiheitsgesetzes, festgestellt, so wird das g a n z e Verfahren eingestellt (RGSt. 74 206; BGHSt. 6 304; 8 269 = JZ. 1956 417 mit Anm. von J e s c h e c k ; BGHSt. 11 393; 13 128 [betr. Beschränkung des Rechtsmittels auf den Kostenpunkt]; NJW. 1961 228). Die Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses durch das Revisionsgericht erstreckt sich ferner gemäß § 357 StPO. auf die Mitangeklagten, die keine Revision eingelegt haben, soweit das Hindernis auch sie betrifft (RGSt. 68 18; BGHSt. 12 340 = JZ. 1959 713), und die gleiche Wirkung kommt als einem Surrogat des Einstellungsurteils dem gemäß § 206 a wegen Außerachtlassung eines Verfahrenshindernisses ergehenden Einstellungsbeschluß zu (BayObLG. JZ. 1952 179; OLG. Celle JZ. 1959 180 mit zust. Anm. von K l e i n k n e c h t ; a. M. BGH. JZ. 1956 31). Die Prüfung von Amts wegen aber erfordert, daß das Gericht bei der Nachforschung den gesamten Akteninhalt heranzieht und überhaupt alle verfügbaren Erkenntnisquellen benützt, also nach den Regeln des F r e i b e w e i s e s verfährt (RGSt. 51 72; 56 109; 59 36. u. 56; 61 118; 62 14; 63 321; 64 187 u. 237; 65 166; 66 319; 71 261; 72 5; BGH. NJW. 1961 1979). Demnach kann von den Grundsätzen der Mündlichkeit und der Öffentlichkeit insoweit abgewichen werden, als Erhebungen über Verfahrensvoraussetzungen anzustellen sind. Auch bleiben die Vorschriften außer Anwendung, die für die Beweisaufnahme zur Aufklärung der Tat und der Schuld und zur Bemessung der Strafe gelten. Ermittlungsanträge der Beteiligten, die sich auf Verfahrensvoraussetzungen beziehen, sind nur als Anregungen anzusehen; das Gericht nimmt ihnen gegenüber eine freie Stellung ein und kann sich einer besonderen Bescheidung solcher Anträge enthalten (RGSt. 53, 231; 59, 36 u. 56). Einfache Stimmenmehrheit genügt, wie sich aus § 263 Abs. 3 StPO. ergibt, für die Entscheidung über das Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen (RGSt. 53, 276; KG. GA. 70, 43). 44a Wenn unter Ablehnung des Antrags auf Voruntersuchung das Hauptverfahren eröffnet wurde und gegen die Ablehnung der Voruntersuchung Beschwerde eingelegt ist, hat nach OLG. Köln NJW. 1961 1784 das Beschwerdegericht nur über die Notwendigkeit der Voruntersuchung, nicht auch über das Ein greifen von Verfahrenshindernissen wie Verjährung oder Amnestie zu entscheiden. Ob dieser mit Gesichtspunkten der Prozeßökonomie begründeten Ausnahme zuzustimmen ist, bedarf hier nicht der Erörterung.
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A5 5. Prüfung durch das Rechtsmittelgericht. In der Rechtsmittelinstanz setzt jedoch die Prüfung der Prozeßvoraussetzungen von Amts wegen voraus, daß die spezielle Verfahrensvoraussetzung des Rechtsmittelverfahrens, eine formund fristgerechte Anfechtung, gegeben ist. Das Rechtsmittelgericht kommt demnach nur dann in die Lage, die Zulässigkeit des Verfahrens im Hinblick auf Verfahrenshindernisse zu prüfen, wenn es die Zulässigkeit des Rechtsmittels bejaht hat. Das ist zweifellos, wenn die Unzulässigkeit des Rechtsmittels darauf beruht, daß es v e r s p ä t e t eingelegt ist. Denn nur ein rechtzeitig eingelegtes Rechtsmittel hemmt den Eintritt der Rechtskraft (§§316, 343 StPO.); der Befassung mit einer bereits rechtskräftig erledigten Sache steht aber das Verbot ne bis in idem (Art. 103 Abs. 3 GG.) entgegen. Die Verwerfung des Rechtsmittels durch Beschluß als unzulässig hat dann nur deklaratorische Bedeutung. Das gleiche gilt, wenn das Rechtsmittel zwar während der Anfechtungsfrist, aber nach Eintritt der Rechtskraft durch vorangegangenen Rechtsmittelverzicht oder Rechtsmittelzurücknahme eingelegt wird. Streitig ist dagegen die Behandlung des Falles, daß aus anderen Gründen Bedenken gegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels bestehen, insbesondere dann, wenn die Revision zwar rechtzeitig eingelegt ist, aber die Vorschriften über Form und Frist der Revisionsbegründung (§§ 344, 345) nicht beachtet sind. Es wird z. T. geltend gemacht, daß in diesen Fällen die Rechtskraft des angefochtenen Urteils erst mit dem die Revision als unzulässig verwerfenden Beschluß eintrete, dieser also konstitutive Bedeutung habe und demgemäß die Rechtskraft einer Berücksichtigung des Verfahrenshindernisses nicht entgegenstehe. Die Auffassung, daß nur eine in vollem Umfang den Anforderungen an Frist und Form genügende Revision die Berücksichtigung des Verfahrenshindernisses zulasse, wird vertreten von RGSt. 63 17; BayObLG. NJW. 1953 1402 (das aber anders entscheidet, wenn das Verfahrenshindernis, z. B. Eintritt der Verjährung, erst nach Erlaß des tatrichterlichen Urteils entstanden ist); BGH. NJW. 1961 1684 und im Schrifttum — abgesehen von den Ausführungen in der Vorauflage dieses Werkes S. 36 — von N i e t h a m m e r JZ. 1954 580 und S c h w a r z NJW. 1954 1228. Vertreter der anderen Auffassung, die die Einstellung zuläßt, wenn es nach fristgerecht eingelegter Revision an der ordnungsmäßigen Begründung fehlt, sind RGSt. 53 237, KG. DJZ. 1926 458; OLGe. Neustadt GA. 1955 185, Hamburg NJW. 1954 1620, BGHSt. 15 203 = NJW. 1961 228 und im Schrifttum K l e i n k n M Anm. 14a zu § 344. BGHSt. 15 203 war ergangen auf Vorlegung gemäß § 121 Abs. 2 GVG. Eine erneute Vorlegung durch BayObLG. NJW. 1961 432 führte zu der vorgenannten abweichenden Entscheidung BGH. NJW. 1961 1684, die nunmehr die von allen Strafsenaten des BGH. gebilligte Rechtsauffassung wiedergibt. Der hiernach jetzt als herrschend zu bezeichnenden Ansicht, daß nur eine auch frist- und formgerecht begründete Revision Raum läßt für die Berücksichtigung von Verfahrenshindernissen, ist zuzustimmen. BGHSt. 15 203 wollte die gegenteilige Auffassung mit der Erwägung rechtfertigen, es sei dem Revisionsgericht nicht zuzumuten, einem zu Unrecht ergangenen Urteil durch den Verwerfungsbeschluß zur Rechtskraft zu verhelfen; es wäre eigenartig, wenn das Revisionsgericht den erkannten Mangel nicht berücksichtigen dürfte und den offensichtlich zu Unrecht Verurteilten auf den Weg der Gnade verweisen müßte. Diese Billigkeitserwägungen müßten folgerichtig dazu führen, daß es auch bei einem offensichtlich schweren Mangel des angefochtenen Urteils in sachlich-rechtlicher Hinsicht — etwa bei einer Verurteilung auf Grund offenbar falscher Rechtsauslegung — in der Macht des Revisionsgerichts stehen müßte, ohne Rücksicht auf die fehlende Revisionsbegründung für Abhilfe zu sorgen, denn auch dann müßte gelten, daß es dem Revisionsgericht nicht zuzumuten sei, durch Verwerfungsbeschluß das falsche Urteil zu sanktionieren und den ungerecht Verurteilten auf den Gnadenweg zu verweisen. Das wäre de lege ferenda ein diskutabler Weg, Fehlurteile zu beseitigen, aber dem geltenden Recht, das die Nachprüfungstätigkeit des Revisionsgerichts an die Voraussetzung eines ordnungsmäßig eingelegten Rechtsmittels knüpft, entspricht er nicht. Im übrigen ist die Frage, ob bei rechtzeitig eingelegter, aber nicht ordnungsgemäß begründeter Revision die Rechtskraft erst mit dem Erlaß des revisionsgerichtlichen Verwerfungsbeschlusses eintritt, durchaus streitig (vgl. Anm. 3 a zu § 449). Aber auch, wenn man die Frage im Sinn der konstitutiven Wirkung dieses Beschlusses beantwortet, ergibt sich daraus noch nichts für die andere Frage, wie das Rechtsmittelgericht zu verfahren hat, wenn Prozeßvoraussetzungen allgemeiner Art mit der speziellen Verfahrensvoraussetzung des Rechtsmittelverfahrens konkurrieren, Auch hier muß der Grundsatz gelten, daß die spezielle Norm der allgemeinen vorgeht. Danach verdient die Ansicht den Vorzug, die allgemein verlangt, daß „zuerst die sich auf die einzelne 74
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Prozeßhandlung und erst dann die sich auf den Prozeß als Ganzes beziehende Voraussetzung geprüft werde" (Sauer, Grundlagen 672), und die demzufolge insbesondere, ohne hierin zwischen der Rechtzeitigkeit der Einlegung und den anderen Voraussetzungen der Zulässigkeit des Rechtsmittels zu unterscheiden, die von Amts wegen einsetzende Prüfung der Zulässigkeit des Verfahrens nur zuläßt, wenn „der Rechtsbehelf des Beschwerdeführers die Probe seiner Zulässigkeit bestanden hat" (Beling a. a. 0. 332, 337, 339). Ist aber dem Revisionsgericht der Weg zur Prüfung der Zulässigkeit des Verfahrens eröffnet, so ist es an die t a t s ä c h l i c h e n F e s t s t e l l u n g e n des a n g e f o c h t e n e n U r t e i l s n i c h t geb u n d e n , die unmittelbar hinsichtlich der Verfahrensvoraussetzung, also etwa, wenn die Rechtzeitigkeit des Antrags zu prüfen ist, hinsichtlich der Zeit der Kenntnis des zum Antrag Berechtigten von der Tat und vom Täter getroffen sind. Es ist jedoch gebunden an die Feststellungen, die sich auf die den Gegenstand der Urteilsfindung bildende Tat erstrecken und für die Verfahrensvoraussetzung mittelbar Bedeutung haben, wie dies etwa, wenn Verjährung in Frage kommt, hinsichtlich der Zeit der Begehung der Handlung zutrifft (RGSt. 45 128; 62 262; €9 319; 71 261; BGH. bei D a l l i n g e r MDR. 1955 143; BGHSt. 14 139). Dies letztere wird von E b S c h m i d t Lehrkomm. I Nr. 176 Fußnote 197, bezweifelt, ergibt sich aber zwingend aus der Erwägung, daß Tatsachen, die unter der Herrschaft des Strengbeweises festgestellt wurden, weil sie zur Schuld- oder Straffrage gehören, nicht Gegenstand eines formlosen Freibeweises sein können (so auch P e t e r s 527; K l e i n k n M Ein!. 11h). Bei Zulässigkeit des Rechtsmittels hat das Rechtsmittelgericht grundsätzlich auch zu prüfen, ob für die Tätigkeit der V o r i n s t a n z e n die speziellen Prozeßvoraussetzungen für ihr Verfahren gegeben waren. Das Revisionsgericht prüft also, wenn gegen die Sachentscheidung des Berufungsgerichts form- und fristgerecht Revision eingelegt ist, ob gegen das Urteil des Amtsgerichts rechtzeitig Berufung eingelegt war, und es prüft, wenn das Amtsgericht eine Sachentscheidung gefällt hat, nachdem ein vorangegangenes summarisches Verfahren (Strafbescheids-, Strafbefehls- und Strafverfügungsverfahren) durch Antrag auf gerichtliche Entscheidung oder Einspruch in das ordentliche Hauptverfahren übergeleitet war, ob der Rechtsbehelf form- und fristgerecht angebracht worden ist. Denn wenn diese Fragen zu verneinen sind, so stand in den Vorinstanzen dem Erlaß eines Sachurteils das Verfahrenshindernis der Rechtskraft entgegen. Wenn also das Revisionsgericht feststellt, daß der Einspruch gegen den Strafbefehl verspätet eingelegt war, so verwirft es den Einspruch als unzulässig und hebt die in Verkennung der bereits eingetretenen Rechtskraft ergangenen Urteile des Amtsgerichts und des Berufungsgerichts auf (BGHSt. 13 306 = NJW. 1960109, das sich mit Recht gegen die Auffassung wendet, daß statt auf Aufhebung der Urteile neben der Verwerfung des Einspruchs auf Einstellung des weiteren Verfahrens erkannt werden könne, weil es keine auf gewisse Verfahrensabschnitte beschränkte Einstellung gibt). Hat aber das Amtsgericht, die Verspätung des Einspruchs übersehend, auf eine gegenüber dem Strafbefehl mildere Strafe erkannt, so muß sich im Hinblick auf das Verbot der Verschlechterung, wenn der Angeklagte Berufung einlegt, das Berufungsgericht mit der Verwerfung der Berufung als unzulässig begnügen; das gleiche gilt für das Revisionsgericht, wenn der Angeklagte Revision einlegt, nachdem das Berufungsgericht die Strafe gegenüber dem Strafbefehl und dem 1. Urteil herabsetzte (offengelassen in BGHSt. 18 306). Entsprechendes muß dann aber auch gelten, wenn der Vorderrichter in anderer Weise gegen den Grundsatz ne bis in idem verstieß, also z. B. das Berufungsgericht übersah, daß die Berufung sich nur gegen den Strafausspruch richtete und den schon rechtskräftig gewordenen Schuldspruch zum Vorteil des Angeklagten abänderte (vgl. dazu OLG. Bremen JZ. 1958 646 mit Anm. von Spendel) oder bei einer Beschränkung der Berufung auf die Ablehnung der Strafaussetzung zur Bewährung die Rechtskraft des Strafausspruchs übersah und die Strafe herabsetzte (vgl. OLG. Oldenburg NJW. 1959 1983). Dann bleibt dem Revisionsgericht im Hinblick auf das Verbot der Verschlechterung nichts übrig, als die Revision zu verwerfen. Eine solche Behandlung ist allerdings nur möglich und gerechtfertigt, wenn man davon ausgeht, daß ein im Widerspruch zu dem Grundsatz ne bis in idem ergangenes Urteil nicht schlechthin nichtig ist, sei es, daß man überhaupt dem Verstoß gegen das Verbot der Doppelbestrafung die Folge der Nichtigkeit der späteren Entscheidung abspricht, sei es, daß man mit BGHSt. 13 306 die Nichtigkeit jedenfalls dann verneint, wenn der Verstoß sich innerhalb desselben Verfahrens in verschiedenen Abschnitten oder Rechtszügen ereignet. Vgl. dazu unten S. 93.
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A 6, 7 6. Zusammentreffen von Verfahrenshindernissen. Außer dem zuvor (Nr. 5) erörterten Fall, daß ein Rechtszugshindernis und ein allgemeines Verfahrenshindernis zusammentreffen, ist auch eine Konkurrenz mehrerer allgemeiner Verfahrenshindernisse möglich, z. B. fehlender Strafantrag neben Verjährung. Dieser Fall bietet im allgemeinen keine Probleme: die Verfahrenshindernisse sind grundsätzlich rechtlich gleichwertig, und es spielt keine Rolle, ob die Einstellung aus dem einen oder dem anderen Grunde oder aus beiden Gründen ausgesprochen wird, wenn beide Verfahrenshindernisse dargetan sind. Ein Rangverhältnis zwischen mehreren Verfahrenshindernissen besteht nach der Rechtsprechung nur, wenn die Niederschlagung durch ein Straffreiheitsgesetz mit anderen Verfahrenshindernissen (fehlender Strafantrag, Verjährung) zusammentrifft. Dann haben diese vor der Niederschlagung den Vorrang, weil es für den Beschuldigten in der Wertung der Öffentlichkeit im allgemeinen beschwerender wirkt, wenn er „nur" auf Grund einer allgemeinen Amnestie aus dem Verfahren entlassen wird (so für das Verhältnis von Amnestie zu fehlendem Strafantrag RG. DStR. 1937 206, und von Amnestie zu Verjährung RG. HRR. 1989 Nr. 1014; BGHSt. 12 15; vgl. Anm. I I a und 12 d zu §260). 7. Geltung des Grundsatzes „in dubio pro reo" i Sehr streitig ist, ob auch für die Prozeßvoraussetzungen (d. h. für ihre tatsächlichen Grundlagen) der Grundsatz in dubio pro reo gilt. Das wird teils ausnahmslos mit der Begründung verneint, daß dieser Grundsatz nur für die für Schuld- und Straffrage bedeutsamen Tatsachen gelte (vgl. dazu S. 126), teils wegen der „königlichen Bedeutung" des Grundsatzes allgemein bejaht. Sowohl im Schrifttum wie in der Rechtsprechung gehen die Meinungen auseinander; selbst die Rechtsprechung des BGH. ist uneinheitlich. Die Anwendbarkeit der Rechtswohltat des Zweifels auf Prozeßvoraussetzungen wird b e j a h t u. a. von BGH. v. 19. 2.1953 — 3 StR. 427/62 —; E b S c h m i d t Lehrkomm. I Nr. 177; P e t e r s 222; H e n k e l §70 IV 2; K l e i n k n M Vorbem. l f . vor § 48; K e r n JZ. 1958 373 und in dem vorliegenden Werk in den Vorbem. vor § 151; v e r n e i n t u. a. von RG. J W . 1931 2370; BGH. v. 9.10.1952 — 4 StR. 124/51 —; 25. 5. 1955 — 5 StR. 157/55 —; 8. 7.1955 — 5 StR. 115/55; OGHSt. 1 342; OLG. Düsseldorf NJW. 1957 1485; OLG. Hamm NJW. 1960 1784. OGHSt. 1 207 wollte zwischen Prozeßvoraussetzungen und Prozeßhindernissen unterscheiden und nur bei ersteren den genannten Grundsatz gelten lassen, aber ein solcher Unterschied besteht nicht (oben S. 71). Nach anderer Auffassung (vgl. KG. J R . 1954 470; G a g e - S a r s t e d t 175; S a x JZ. 1958 178) läßt sich die Frage überhaupt nicht allgemein für alle Verfahrensvoraussetzungen einheitlich beantworten, sondern bedarf jeweils einer besonderen Prüfung für die einzelnen Voraussetzungen. Eine Zeitlang schien es so, als ob wenigstens hinsichtlich der Niederschlagung durch Straffreiheitsgesetz im wesentlichen Übereinstimmung bestehe. Hier hatte das RG. in ständiger Rechtsprechung (vgl. RGSt. 71 263; 72 5, 25) und unter weitgehender Zustimmung des Schrifttums die Geltung der Zweifelsbegünstigung mit der Begründung verneint, bei der Niederschlagung handle es sich um einen ausnahmsweise ergehenden Eingriff in den regelmäßigen Gang der Rechtspflege; dem Ausnahmecharakter entsprechend könne sie nur da eingreifen, wo ihre Voraussetzungen voll nachgewiesen seien. An diesen für die Amnestie entwickelten Grundsatz wollte auch das oben angeführte Urteil BGH. v. 19. 2.1953 — 3 StR. 427/52 — nicht rühren. Diese Rechtsprechung bezog sich vornehmlich auf den amnestieerheblichen Zeitpunkt der Tatbegehung. Als aber im Lauf der Zeit die Amnestievoraussetzungen mehr und mehr durch den Einbau einschränkender und ausschließender Merkmale (Not, Gewinnsucht, gemeine Gesinnung, Vorstrafen) verfeinert wurden, gewann die Auffassung an Boden, daß wenigstens bei der Feststellung dieser Merkmale der Satz „im Zweifel für den Angeklagten" anzuwenden sei (vgl. BGH. J R . 1954 355 mit Anm. von N ü s e ) . Auch bei den s p e z i e l l e n P r o z e ß v o r a u s s e t z u n g e n des R e c h t s m i t t e l v e r f a h r e n s und eines sonstigen durch Ergreifung eines Rechtsbehelfs eröffneten Nachprüfungsverfahrcns ist streitig, ob bei einem Zweifel über die Wirksamkeit des Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs, soweit er sich auf die tatsächlichen Umstände der Einlegung bezieht, nach dem Grundsatz in dubio pro reo zu verfahren ist, ob also z. B. ein vom Angeklagten eingelegtes Rechtsmittel als rechtzeitig oder als verspätet eingelegt anzusehen ist, wenn ein unaufklärbarer Zweifel über den Zeitpunkt der Einlegung besteht. In Wahrheit müßte die Frage allerdings nicht lauten, ob ein Zweifel zugunsten des Angeklagten, sondern ob er zugunsten des Rechtsmittelführers geht. Denn wenn ein Rechtsmittel zuungunsten des Angeklagten vom Staatsanwalt, Privat- oder Nebenkläger eingelegt und dessen Rechtzeitigkeit zweifelhaft ist, so kann die Frage der Rechtzeitigkeit
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nicht gut nach anderen Grundsätzen entschieden werden als bei dem zugunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittel (so auch BGH. NJW. 1960 2202; KG. JR. 1954 470). Ein Grundsatz „im Zweifel zugunsten des Rechtsmittels" würde sich in diesem Fall contra reum auswirken. Immerhin steht in dubio pro reo praktisch im Vordergrund, weil es sich im allgemeinen wohl um die Rechtzeitigkeit der vom Angeklagten oder seinem Verteidiger eingelegten Rechtsmittel und Rechtsbehelfe handeln wird. Stets aber bedeutet eine Entscheidung zugunsten des Rechtsmittelführers eine Entscheidung zuungunsten der Rechtskraft. Bei der Lösung des Problems bildet z. T. die Erwägung den Ausgangspunkt, daß die Rechtskraft automatisch durch Fristablauf eintrete, wenn sie nicht durch einen Gegenakt, durch rechtzeitige Einlegung eines Rechtsmittels gehemmt wird (§§ 316, 343 StPO). Daraus wird — gewissermaßen unter dem Gesichtspunkt des Verhältnisses von Regel zur Ausnahme — gefolgert, daß die Rechtskraft nur entfalle, wenn die Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels feststeht: im Zweifel zugunsten der Rechtskraft. So KG. JR. 1964 470 (mit abl. Anm. von S a r s t e d t ) für den Fall, daß der Zeitpunkt des Eingangs der Rechtsmittelschrift nicht aufklärbar war. In gleicher Weise hat BGHSt. 10 245 (mit abl. Anm. von Sax in JZ. 1958 179) in dem Fall, daß der Verteidiger das von ihm eingelegte Rechtsmittel zurücknahm und nicht aufklärbar war, ob der Angeklagte die Rücknahmeermächtigung (§ 302 Abs. 2) vor oder nach der Zurücknahme widerrufen hatte, ausgesprochen, daß es zu Lasten des Angeklagten gehe, wenn die Rechtzeitigkeit des Widerrufs nicht feststehe. In entgegengesetztem Sinn („im Zweifel zugunsten des Rechtsmittels") aber hat BGH. NJW. 1960 2202 den Fall entschieden, daß an ein und demselben Tag innerhalb der Anfechtungsfrist ein Rechtsmittelverzicht des Angeklagten und eine zeitlich später von ihm angefertigte Rechtsmittelschrift bei Gericht eingingen und nicht festgestellt werden konnte, welche der beiden Erklärungen zeitlich früher eingegangen war. Wenn nämlich, so heißt es in der Entscheidung, die Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels in Frage stehe, so sei es nach §§ 319, 346 StPO. nur als unzulässig zu verwerfen, wenn es verspätet sei. Der Richter müsse also die Überzeugung von der Verspätung erlangt haben und bei einem nicht behebbaren Zweifel von der Rechtzeitigkeit ausgehen. Aber es fragt sich, ob diese Argumentation zwingend ist. Wenn nach §§ 316, 343, 411 StPO. die Rechtskraft (nur) durch rechtzeitige Einlegung gehemmt wird, so läßt sich daraus mit ebensogutem Recht folgern, daß die Rechtzeitigkeit feststehen müsse; dann ist als verspätet i. S. der §§ 319, 346 das Rechtsmittel zu verwerfen, wenn seine Rechtzeitigkeit nicht feststeht. Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich, so scheint es, keine sichere Grundlage für die Entscheidung. Ist dem aber so, dann bleibt nur der Rückgriff auf allgemeine Prinzipien, und es fragt sich wieder, ob aus Gründen der Rechtssicherheit der Rechtskraft der Vorrang gebührt oder —• wenn man von dem praktisch häufigsten Fall ausgeht, daß die Rechtzeitigkeit des Rechtsmittels des Angeklagten zweifelhaft ist — das Verteidigungsbedürfnis des Angeklagten unter Ausweitung des Satzes: in dubio pro reo. Vereinzelt hat übrigens das Gesetz selbst eine Regelung getroffen, die einen Streit nicht aufkommen läßt. §2a Abs. 3 des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 bestimmt bei Preisüberhöhungsverstößen: „Von der Einleitung eines Verfahrens ist abzusehen und ein bereits eingeleitetes Verfahren ist einzustellen, wenn kein öffentliches Interesse verletzt ist." Hier ist also die Verletzung eines öffentlichen Interesses Prozeßvoraussetzung. Durch die Fassung „wenn k e i n . . . verletzt ist" ist aber klargestellt, daß das Verfolgungsverbot nur Platz greift, wenn das Fehlen eines öffentlichen Interesses feststeht; der Grundsatz „in dubio pro reo" ist hier also ausgeschlossen (vgl. D a l c k e - F u h r m a n n - S c h ä f e r (37) Anm. 6 zu § 2a WiStG.). Es ist im Rahmen dieser allgemeinen Übersicht kein Raum für eine eingehendere Erörterung des Spezialthemas der Geltungsbreite des Satzes „in dubio pro reo". Nur eine Bemerkung allgemeinerer Art sei gestattet: Den Ausgangspunkt für die Behandlung der Frage der Erstreckung des genannten Grundsatzes auf die tatsächlichen Grundlagen der Prozeßvoraussetzungen bildete vielfach — ausgesprochen oder empfunden — die an zivilprozessuale Beweislastgrundsätze anklingende Vorstellung, daß einerseits die Entstehung eines staatlichen „Strafanspruchs" voll bewiesen werden müsse, daß andererseits aber auch prozessuale Hindernisse, die sich ausnahmsweise der Durchsetzung des Anspruchs im Verfahren entgegenstellen, voll bewiesen sein müßten. Dem läßt sich aber die andere Betrachtungsweise entgegenstellen, daß der Staat nur dann aburteilend in die Rechtsgüter des einzelnen, in seine Freiheit, seine Ehre, sein Vermögen, eingreifen dürfe, wenn alle Voraussetzungen eines solchen Eingriffs vorliegen und voll bewiesen sind. Auf dem Gebiet des materiellen Rechts geht die Entwicklung eindeutig in die Richtung, überall die volle Feststellung der Schuld zu fordern, mit der Wirkung, daß das Anwendungsgebiet
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A 8, 9 des Satzes in dubio pro reo sich entsprechend erweitert. Die Schuld- und Beweisvermutungen sind bereits weitgehend beseitigt; wo sie noch bestehen, sind die Reformpläne auf ihre Preisgabe gerichtet (vgl. z. B. § 286 StGB.-Entw. 1960, der die Beweisregel in § 259 StGB. — Hehlerei — aufgeben will). Der alte Satz von der Bedeutungslosigkeit des Strafrechtsirrtums (ignorantia iuris nocet) hat im Strafrecht keine Stätte mehr; die den Verbotsirrtum betreffenden Feststellungen aber stehen unter der Herrschaft von der Rechtswohltat des Zweifels. Selbst gegen die Figur der Bedingung der Strafbarkeit richten sich die Angriffe, obwohl hier die Schuld des Täters, der das Risiko falschen Verhaltens bewußt auf sich nimmt, nicht zu bezweifeln ist (vgl. D a l c k e - F u h r m a n n - S c h ä f e r (37) Anm. l f zu §59, Anm. 3 II zu §113 StGB.). Es spricht angesichts dessen alles dafür, daß auch die weitere Rechtsentwicklung auf dem Gebiet verfahrensrechtlicher Voraussetzungen für eine Bestrafung sich parallel vollziehen wird in dem Sinn, daß auch hier die volle Überzeugung von dem Vorliegen der Voraussetzungen gefordert werden wird, von denen die Zulässigkeit der Verhängung einer Strafe abhängt. 8. Verfahren nach erkanntem Verfahrenshindernis. Folgen der Nichtbeachtung. Ergibt die Nachforschung, daß eine Verfahrensvoraussetzung fehlt, und ist die alsbaldige Beseitigung des Mangels nicht — wie z. B. bei fehlendem Strafantrag durch dessen fristgemäße, auch in der Revisionsinstanz noch zulässige (RGSt. 68 120; BGHSt. 3 74) Nachholung — durchführbar, so muß gemäß §§260 Abs. 3, 206 a grundsätzlich das Verfahren je nach Lage durch Urteil oder Beschluß eingestellt werden (RGSt. 63 52, 249, 276; 69 158), und zwar, wenn mit späterer Behebung des Mangels gerechnet werden kann, vorläufig, andernfalls endgültig. Doch muß oder kann ausnahmsweise dem Verfahrenshindernis auch in anderer Weise als durch Einstellung Rechnung getragen werden. So führt fehlende sachliche Zuständigkeit im allgemeinen zur Verweisung an das sachlich zuständige Gericht; die in der Revisionsinstanz erkannte Verletzung des Innehaltungsgebots nach §§ 164 Abs. 6, 191 StGB, begründet nicht die Einstellung des Verfahrens, sondern die Aufhebung des Urteils und die Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz (BGHSt. 8 154); bei doppelter Rechtshängigkeit kann ggbf. das Revisionsgericht das zuerst ergangene Urteil aufheben und die Vorinstanz zur Verbindung der beiden Verfahren anweisen (BGHSt. 10 363; s. unten S. 84). Auf jeden Fall aber schließt der Mangel der Verfahrensvoraussetzung eine Sachentscheidung durch das mit der Sache befaßte Gericht aus. Ergeht trotzdem eine Sachentscheidung, weil das Gericht den Mangel der Verfahrensvoraussetzung nicht erkannt hat oder sich der Unzulässigkeit der Sachentscheidung nicht bewußt geworden ist, so ist diese doch der äußeren und der inneren Rechtskraft fähig; wird sie nicht rechtzeitig angefochten, so ist der Gegenstand des Verfahrens grundsätzlich entsprechend dem Inhalt der Sachentscheidung erledigt (RGSt. 40 271, 273; 55 100; 56 352). Ob es hiervon in gewissen Fällen Ausnahmen gibt, mit der Folge, daß der Gesetzesverstoß dem Urteil die Beachtlichkeit entzieht, wird im Zusammenhang mit der Behandlung der Frage der Nichtigkeit gerichtlicher Entscheidung zu erörtern sein (unten S. 144ff.). 9. Freispruch trotz fehlender Prozeßvoraussetzung. Die Pflicht des Gerichts, sich beim Fehlen einer Prozeßvoraussetzung einer Sachentscheidung zu enthalten, kann für den Beschuldigten wie für den Verletzten im Einzelfall zu Unbilligkeiten führen. Das ist namentlich bei den verschiedenen umfassenden Amnestien, die in der Zeit seit dem ersten Weltkrieg erlassen worden sind, zutage getreten. Die Niederschlagung eines anhängigen Strafverfahrens kann für den Beschuldigten zur Folge haben, daß ihm die Möglichkeit verlorengeht, durch einen Freispruch von dem erhobenen Verdacht gereinigt zu werden; für den durch eine Beleidigung Verletzten kann sie den Verlust der Rehabilitierungsmöglichkeit bedeuten, wenn über die Unwahrheit oder Nichterweislichkeit der rufgefährdenden Behauptung nicht mehr im Strafurteil entschieden wird. Die neuere Amnestiegesetzgebung ist bemüht, diesen Mängeln abzuhelfen, und zwar, indem sie dem Beschuldigten das Recht einräumt, die Fortsetzung des Verfahrens zu beantragen, und dem Verletzten das Recht, die Weiterführung des Verfahrens mit dem Ziel einer Feststellung über die Unwahrheit der Behauptung zu beantragen (oben S. 51). Darüber hinaus hat die Rechtsprechung im Interesse der Rehabilitierung bei dem Verfahrenshindernis der Niederschlagung die sachentscheidungsausschließende Wirkung wesentlich abgeschwächt, indem sie trotz Eingreifen eines Amnestiegesetzes die Freisprechung auch dann zuläßt und fordert, wenn deren Voraussetzungen nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung vorliegen, es also weiterer Aufklärung nicht bedarf (RGSt. 70 193; BGHSt. 13 272 = NJW. 78
Die Verfallrensvoraussetzungen (Verfahrenshindernisse)
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1969 2272; vgl. Anm. 12e zu § 260; Vorbem. 12b vor § 12 GVG.). Dieser Grundsatz muß aber auch im Verhältnis zu anderen Verfahrenshindernissen, insbesondere bei der Verjährung, durchgreifen (vgl. Anm. I I a zu § 260). § 86 des StPO.-Entw. 1939 wollte dies durch folgende Vorschrift klarstellen: „Das Gericht stellt das Verfahren ein, wenn ein Verfahrenshindernis besteht und das Ergebnis der Hauptverhandlung den Freispruch nicht begründet" 45 . J a es erscheint sogar die Auffassung vertretbar, daß das Gericht in Wahrnehmung seiner Fürsorgepflicht, mindestens eines nobile officium, berechtigt ist, die Hauptverhandlung trotz Feststehens eines Verfahrenshindernisses ausnahmsweise fortzusetzen, wenn die Möglichkeit eines Freispruchs sehr naheliegt und die noch erforderliche vollständige Sachaufklärung mit präsenten Beweismitteln und ohne nennenswerte Verzögerung erreichbar ist. Auch wenn das Gericht verfahrenswidrig trotz feststehenden Verfahrenshindernisses die Hauptverhandlung bis zur Sachaufklärung weiterführt, die Schuld feststellt und erst dann das Verfahren einstellt, in den Urteilsgründen aber die Schuldfeststellung ausspricht, kann der Angeklagte dagegen nicht mit Erfolg Rechtsmittel mit der Begründung einlegen, daß die Einstellung sofort hätte erfolgen müssen und er durch die Schuldfeststellung in den Urteilsgründen beschwert sei (BGHSt. 18 76). Denn nach herrschender, freilich (namentlich für den Fall des Freispruchs wegen Zurechnungsunfähigkeit statt aus objektiven Gründen und des Freispruchs mangels Beweises statt wegen erwiesener Unschuld) sehr umstrittener Auffassung muß der Angeklagte unmittelbar durch den Inhalt des Spruchs beschwert sein, während eine Beschwer durch die Urteilsgründe nicht genügt. Auch ein Freispruch mangels Beweises nach durchgeführter Hauptverhandlung statt der sofortigen Einstellung wegen eines offen zutage liegenden Verfahrenshindernisses (z. B. Verjährung) beschwert den Angeklagten nicht, weil ihn das freisprechende Urteil nicht schlechter stellt als das Einstellungsurteil (BGH. a. a. O.) 4 '. B. Die hauptsächlichen Prozeltvoraussetzungen (Verfahrenshindernisse) 1. Klage und Eröflnungsbeschluß. Der von der Staatsanwaltschaft beherrschte, der Vorbereitung der öffentlichen Klage gewidmete erste Unterabschnitt des Strafverfahrens ist formfreier und unabhängiger gestaltet als die gerichtliche Untersuchung. In ihm können und müssen auch Ermittlungen angestellt werden, die zugleich oder ausschließlich der Aufklärung der Frage dienen, ob das Verfahren zulässig oder ob seine Unzulässigkeit etwa durch den Mangel des Antrags oder durch Verjährung begründet sei. Die Umstände des einzelnen Falls können Anlaß dazu bieten, die Ermittlungen gemäß § 162 StPO. durch richterliche Untersuchungshandlungen von einschneidender Wirkung, wie durch Anordnung der Beschlagnahme oder der Durchsuchung, der Verhaftung oder der Vorführung auf die Gefahr hin zu betreiben, daß die Unzulässigkeit des Verfahrens als Ergebnis der Ermittlungen hervortritt. Dagegen ist die Eröffnung einer gerichtlichen Untersuchung nach § 161 StPO. durch die Erhebung einer Klage bedingt. Die Untersuchung und Entscheidung des Gerichts erstreckt sich gemäß § 166 StPO. immer nur auf die in der Klage bezeichnete Tat und auf den durch sie beschuldigten Menschen. Nur innerhalb dieser Grenzen ist das Gericht zu einer selbständigen Tätigkeit berechtigt. Die Klage ist hiermit als eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der gerichtlichen Untersuchung und Entscheidung gekennzeichnet. 46 Diese Passung laßt das, was gewollt war, nicht ganz deutlich erkennen. Der Wortlaut könnte dahin verstanden werden, als ob zunächst die Hauptverhandlung vollständig durchzufuhren sei und dann erst die Frage, ob auf Einstellung oder Freispruch zu erkennen sei, sich stelle. Daß die Vorschrift so nicht gemeint war, ergibt sich aus der Begründung zu § 85 (S. 54): „Ist in dem Zeitpunkt, in dem beurteilt werden kann, ob ein Verfahrenshindernis besteht, der Sachverhalt dahin geklart, daß der Angeklagte gar nicht schuldig ist, so hat ihn das Gericht demnach freizusprechen. Für eine Einstellung des Verfahrens ist nur Raum, wenn in diesem Zeitpunkt die Frage der strafrechtlichen Schuld oder Nichtschuld noch nicht geklart ist, sondern weiterer Aufklarung bedurfte." 46 Das gilt freilich dann nicht, wenn man in der Einstellung wegen eines von vornherein bestehenden Verfahrenshindernisses eine Freisprechung wegen erwiesener Unschuld i. S. des § 467 Abs. 2 Satz 2 StPO. sieht, die die Überbürdung der dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auflagen auf die Staatskasse zur Folge hat (vgl. Anm. 7 a zu §467), wahrend beim Freispruch mangels Beweises die Auslagenüberbiirdung im Ermessen des Gerichts steht. Dann ist der Angeklagte durch den Freispruch aus sachlichen Gründen beschwert, wenn das Gericht die Auslageuberburdung nicht anordnet und er kann dann, falls nicht die Versagungsgründe des § 467 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 vorliegen, das Urteil im Kostenpunkt angreifen.
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B 1 Macht der Untersuchungsrichter von der im § 191 StPO. eröffneten Möglichkeit Gebrauch, die Untersuchung auf einen im Antrag der Staatsanwaltschaft nicht bezeichneten Beschuldigten oder auf eine dort nicht angegebene Tat auszudehnen, so muß er doch die von Amts wegen vorgenommene Untersuchung einstellen, sobald die Staatsanwaltschaft zu erkennen gibt, daß sie die Erstreckung der Klage auf den neuen Täter oder die neue Tat ablehnt. Die trotzdem fortgesetzte Untersuchung ist unzulässig. Unzulässig ist auch das Vorgehen des an sich sachlich und örtlich zuständigen Gerichts, das sich mit der Untersuchung oder der Entscheidung einer Sache befaßt, obwohl die Klage, die öffentliche oder die Privatklage, fehlt (RGSt. 37 408; 41155; 56 113; 63 269; 67 59; 68 291; 72 143 ; 77 21). Dem Fehlen der Klage stehen schwerwiegende Mängel der Klage, wie etwa Fehlen der Angabe des Beschuldigten oder der ihm zur Last gelegten Tat oder eine unzulängliche Bezeichnung der Tat gleich (RGSt. 41155; 67 59; 68 107, 291; 77 21; BGHSt. 10 140). Was jedoch die Wirkung dieses Mangels einer Prozeßvoraussetzung für ein Sachurteil anlangt, so ist folgendes zu berücksichtigen: Abgesehen von den besonderen Arten des Verfahrens (bei amtsrichterlichen Strafbefehlen und Strafverfügungen und nach vorangegangenem Strafbescheid der Verwaltungsbehörde), kann im ordentlichen Verfahren nur ausnahmsweise, nämlich im beschleunigten Verfahren (§ 212) und bei Klageerweiterung nach § 266, ohne schriftlich erhobene Klage und ohne einen Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens zur Hauptverhandlung geschritten werden. Im übrigen aber ist Prozeßvoraussetzung für den Eintritt in das Hauptverfahren und die Durchführung einer Hauptverhandlung der in § 203 vorgeschriebene Eröffnungsbeschluß; er bildet von seinem Ergehen ab die Grundlage des weiteren Verfahrens. Das Fehlen eines Eröffnungsbeschlusses ist danach stets ein Verfahrenshindernis und führt grundsätzlich zur Einstellung des Verfahrens, auch wenn eine ordnungsmäßig erhobene Anklage vorliegt (BGH. JZ. 1958 93 mit Anm. von K e r n ) . Ein Fall des gänzlichen Fehlens liegt auch vor, wenn das Verfahren vor einem örtlich unzuständigen Gericht eröffnet ist und dieses (unzulässigerweise) die Sache an das örtlich zuständige Gericht verweist und letzteres das Verfahren entsprechend dem Verweisungsbeschluß fortsetzt (OLG. Hamm NJW. 1961 232). Wie bei der Klage steht es dem Fehlen des Eröffnungsbeschlusses gleich, wenn er an schweren Mängeln der oben bezeichneten Art leidet, die nicht durch ergänzende Heranziehung der mangelfreien Anklageschrift ausreichend behoben werden können (RGSt. 43 218, BGHSt. 5 225; 10 137, 278; JZ. 1958 93). Als solche Mängel kommen z. B. in Betracht, wenn in der Urschrift des Eröffnungsbeschlusses auf die Anklageschrift Bezug genommen wird und hinsichtlich wesentlicher Umstände unklar ist, welche Teile der Anklageschrift in den Eröffnungsbeschluß übernommen werden sollten (BGH. NJW. 1959 898; 1961 1366), oder wenn der Beschluß statt von drei Richtern nur von zwei oder einem Richter erlassen wird (wobei es nicht auf die Zahl der Unterschriften, sondern der bei der Fassung des Beschlusses Mitwirkenden ankommt; BGHSt. 6 109 = J R . 1957 59). Streitig ist, ob das genannte Verfahrenshindernis vorliegt, wenn beim Eröffnungsbeschluß ein Richter mitwirkt, der von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist (so RGSt. 55 113; BGH. 1 StR. 283/54 v. 9. 7.1954; offengelassen in BGHSt. 10 278 = JZ. 1958 93; wohl mit Recht verneinend K e r n JZ. 1958 93), während andere Mängel in der Besetzung der Beschlußkammer die Wirksamkeit des Eröffnungsbeschlusses nicht berühren und, nicht anders als Mängel in der Besetzung des in der Hauptverhandlung erkennenden Gerichts (vgl. § 338 Nr. 1), nur auf Verfahrensrüge zu berücksichtigen sind (BGHSt. 10 278). Wegen weiterer Einzelheiten vgl. Anm. 6 zu § 203. Danach ergibt sich folgendes Bild: Fehlt sowohl die Anklage wie auch der Eröffnungsbeschluß oder sind b e i d e Akte mit unheilbaren Mängeln der vorbezeichneten Art behaftet oder fehlt nur der Eröffnungsbeschluß bzw. weist nur er solche Mängel auf, so fehlt dem Verfahren die Grundlage (RGSt. 37 407; 67 59; 68 291; BGHSt. 15 44). Wird der Mangel bemerkt, so ist das Verfahren einzustellen, ohne daß auf andere Verfahrenshindernisse, wie Verjährung oder Eingreifen eines Straffreiheitsgesetzes, einzugehen wäre (RG. HRR. 1939 Nr. 545), und in der Rechtsmittelinstanz ist die Einstellung des gesamten Verfahrens auch dann geboten, wenn das Rechtsmittel auf einen Teil des Urteils, etwa auf den Strafausspruch, beschränkt ist (oben S. 73). Jedoch kann im ersten Rechtszug die Einstellung des Verfahrens wegen fehlenden und mangelhaften Eröffnungsbeschlusses dadurch vermieden werden, daß der Eröffnungsbeschluß nachträglich erlassen wird (OLG. Oldenburg NJW. 1960 353). Ergeht aber trotz wesentlicher Mängel der Anklage ein inhaltlich rechtswirksamer Eröffnungsbeschluß, so berühren, da er nunmehr die alleinige Grundlage des anschließenden Verfahrens bildet, die Mängel der Anklage die Zu-
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lässigkeit des weiteren Verfahrens nicht. Das gleiche gilt für Mängel des Eröffnungsbeschlusses, die die wesentlichen Merkmale nicht berühren und die auch im Lauf des weiteren Verfahrens durch Ergänzung behoben werden können (RGSt. 31 104; 43 218; RG. JW. 1928 2260 mit Anm. von O e t k e r ; BGH. NJW. 1961 1413) sowie für Verfahrensfehler im Zwischenverfahren und bei der Eröffnung wie Zustellung der Anklage erst nach Erlaß des Eröffnungsbeschlusses — entgegen § 201 — oder Eröffnung vor Ablauf der gemäß § 201 gesetzten Äußerungsfrist (vgl. BGHSt. 6 109, 114). Der Angeklagte kann dann nur in der Hauptverhandlung unter Berufung auf solche Verfahrensfehler gegebenenfalls beantragen, die Hauptverhandlung zur genügenden Vorbereitung seiner Verteidigung — entsprechend dem Rechtsgedanken des § 265 Abs. 4 StPO. — auszusetzen; macht er von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch, so beruht das Urteil nicht auf den im Zusammenhang mit dem Erlaß des Eröffnungsbeschlusses begangenen Verfahrensfehlern (BGHSt. 15 40). Der spätere Verlust der Urschrift des Eröffnungsbeschlusses steht dem Fortgang des Verfahrens nicht entgegen (RGSt. 55 159; 65 252). Was zuvor über die schriftlich erhobene Anklage ausgeführt ist, gilt entsprechend auch für die m ü n d l i c h erhobene Anklage (§§212a, 266 StPO.). Im W i e d e r a u f n a h m e v e r f a h r e n bildet der im §366 StPO. bezeichnete Antrag die Voraussetzung für das in den §§ 367 bis 370 StPO. vorgesehene Zulassungsprüfungsverfahren. Die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung setzt voraus, daß das Gericht sie gemäß § 370 Abs. 2 StPO. beschlossen hat (RGSt. 85, 353). In den besonderen" A r t e n des V e r f a h r e n s kommt die Eigenschaft einer Verfahrensvoraussetzung in demselben Sinn wie der Klage im ordentlichen Verfahren den Anträgen des Staatsanwalts nach § 407 StPO. für den Strafbefehl und nach § 429 a StPO. für das Sicherungsverfahren zu. Der Strafbefehl bildet, wenn der Beschuldigte rechtzeitig Einspruch erhoben hat, den Eröffnungsbeschluß ersetzend, die notwendige Grundlage für das weitere Verfahren; auch hier steht dem völligen Fehlen eine durch das Fehlen wesentlicher Merkmale bedingte unheilbare Fehlerhaftigkeit gleich. Hat z. B. statt des Jugendrichters der für Erwachsene zuständige Amtsrichter einen Strafbefehl gegen einen Heranwachsenden erlassen, so fehlt dem auf Einspruch erlassenen Urteil des Jugendgerichts die Verfahrensvoraussetzung der gesetzmäßigen Eröffnung, und das Rechtsmittelgericht muß das Verfahren einstellen (BayObLG. NJW. 1960 2013). Dagegen führen heilbare oder unwesentliche Fehler, wie etwa die unrichtige Bezeichnung des angewandten Strafgesetzes, die Versäumung der Angabe der Beweismittel oder bloße Mängel in der Konkretisierung der Tat, die durch entsprechende Hinweise des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung behebbar sind, nach BayObLG. NJW. 1961 1782 auch die versehentliche Nichtunterzeichnung des Strafbefehls nicht zur Einstellung des Verfahrens (näheres Anm. 2 zu § 409.) Im S i c h e r u n g s v e r f a h r e n ersetzt die vorliegende Anklageschrift eine fehlende Antragsschrift nicht (RGSt. 68 291; 72 143), und es muß das Gericht, wenn die Antragsschrift den wesentlichen Erfordernissen des § 429 b StPO. nicht genügt, die Eröffnung des (Sicherungs-) Hauptverfahrens bis zur Beseitigung des Mangels ebenso ablehnen, wie im ordentlichen Verfahren, wenn die Anklageschrift wesentliche Mängel aufweist (RG. JW. 1935 532 Nr. 37, 2368 Nr. 18; s. Anm. 3 zu § 429 b). Im S t r a f v e r f ü g u n g s v e r f a h r e n (§ 413 StPO.) tritt an die Stelle des Antrags der Staatsanwaltschaft auf Erlaß eines Strafbefehls der Antrag der Polizeibehörde auf Erlaß einer Strafverfügung; über die aus Mängeln des Antrags sich ergebenden Folgen vgl. Anm. 4ff. zu § 413. Für die Strafverfügung als Prozeßvoraussetzung der Hauptverhandlung, wenn der Beschuldigte Einspruch einlegt, gilt das über den Strafbefehl Gesagte. Entsprechendes gilt auch für den S t r a f b e s c h e i d der V e r w a l t u n g s b e h ö r d e (vgl. oben S. 51), wenn der Beschuldigte gegen den Strafbescheid Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt hat. Für Steuerstrafsachen ist im übrigen zu beachten, daß, soweit die Entscheidungsbefugnis des Finanzamts reicht, gemäß § 426 Abs. 1 RAbgO. einem auf Anklage der Staatsanwaltschaft hin eingeleiteten gerichtlichen Verfahren ein Verfahrenshindernis entgegensteht, solange das Finanzamt die Sache nicht an die Staatsanwaltschaft abgegeben hat; ist dem entgegen Anklage erhoben und das Hauptverfahren eröffnet, so kann das Verfahrenshindernis durch „Genehmigung" des Finanzamts behoben werden (OLG. Celle NJW. 1961 690). Besonderheiten gelten für den Fall, daß der Betroffene gegen den B u ß g e l d b e s c h e i d der Verwaltungsbehörde gerichtliche Entscheidung beantragt (vgl. oben S. 54). Zwar bildet auch hier nur ein wirksamer Bußgeldbescheid die Verfahrensvoraussetzung für die Tätigkeit des nachprüfenden Gerichts (OLG. Celle NJW. 1961 843). § 55 Abs. 5 OWiG. beschreibt aber die vom Gericht zu treffende Entscheidung in einer Weise, die den Zweifel aufkommen läßt, ob und inwie6
I,owe-Rosenberg, StPO. 21. Aufl.
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B2 weit Verfahrenshindernisse zur Einstellung des Verfahrens (statt zur Aufhebung des Bußgeldbescheids als unzulässig) führen. Die Erörterung der einschlägigen Spezialfragen, insbesondere auch, welche Merkmale des Bußgeldbescheids als wesentlich anzusehen sind, überschreitet aber den Rahmen der vorliegenden Einführung; es darf deshalb auf das Schrifttum zum OWiG. (z. B. auf D a l c k e - F u h r m a n n - S c h ä f e r (37) Anm. l f f . zu §52, Anm. 17ff. zu §65 OWiG.) verwiesen werden. 2. Gerichtsbarkeit und Gerichtsunterworfenheit. 1. G e r i c h t s b a r k e i t . — Sie stellt eine Verfahrensvoraussetzung dar, die Staatsanwaltschaft und Gericht zur Prüfung zwingt, ob der Gegenstand ihrer Betätigung eine Strafsache i. S. des § 13 GVG. ist (vgl. dazu oben S. 46) und ob nicht die Zuständigkeit einer Verwaltungsbehörde (s. oben S. 51) oder eines Sondergerichts in Betracht kommt. Die Gerichtsbarkeit ist, wie jede andere Verfahrensvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens, auch vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen (RGSt. 12 125; 17 244; 18 55; 27 145; 34 256; 59 36; 69 156; BGHSt. 14 139). Der Mangel der Gerichtsbarkeit führt auch hier zur Einstellung des Verfahrens. Ist die Gerichtsbarkeit des ordentlichen Gerichts durch die Zuständigkeit eines Sonderstrafgerichts beschränkt, so kann der Mangel der Gerichtsbarkeit des unrichtigerweise in der Sache tätig gewordenen ordentlichen Gerichts nachträglich geheilt werden, indem — falls zulässig — die Anklagebehörde des Sondergerichts die Sache zur Behandlung im ordentlichen Verfahren abgibt, bevor das Revisionsgericht über die Revision gegen das Urteil des ordentlichen Gerichts entscheidet (RGSt. 72 379). Wird der durch die Zuständigkeit eines Sondergerichts begründete Mangel der Gerichtsbarkeit übersehen, so heilt die Rechtskraft den Mangel (vgl. Anm. 10 e zu § 13 GVG.). Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die §§ 13 ff. GVG. und die dortigen Anmerkungen verwiesen. Nicht um einen Gerichtsbarkeitsmangel, sondern um eine Überschreitung der sachlichen Zuständigkeit handelt es sich, wenn das Erwachsenengericht in die Zuständigkeit des Jugendgerichts eingreift und umgekehrt (unten S. 109). 2. G e r i c h t s u n t e r w o r f e n h e i t . Die Frage, inwieweit das deutsche Strafrecht nicht nur für die im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch für die außerhalb dieses Gebiets begangenen strafbaren Handlungen, und nicht nur für Deutsche, sondern auch für Ausländer gilt, gehört dem sachlichen Recht an; sie ist in den §§ 3 bis 6 StGB, geregelt. Hier ist diese Frage nicht zu erörtern (Beling 84). Nach den genannten Vorschriften erfaßt die deutsche Gerichtsbarkeit grundsätzlich auch Täter, die Ausländer sind oder sich im Ausland aufhalten. Daß der Aufenthalt im Ausland die Ausübung der Gerichtsgewalt beeinträchtigt, ändert hieran nichts. Aus völkerrechtlichen Rücksichten durchbrechen jedoch die §§ 18,19 und 21 GVG. den bezeichneten Grundsatz, indem sie die Leiter und Mitglieder der bei der Bundesrepublik Deutschland beglaubigten diplomatischen Vertretungen sowie andere nach Völkerrecht oder Staatsvertrag von der deutschen Gerichtsbarkeit befreite Personen, ihre Familienmitglieder, Geschäftsgehilfen und Bediensteten, die nicht Deutsche sind, sowie unter bestimmten Voraussetzungen auch die in der Bundesrepublik Deutschland angestellten Konsuln der deutschen Gerichtsbarkeit entziehen. Die hiermit vorgeschriebene Einschränkung dieser Gerichtsbarkeit macht das Verfahren gegen die Befreiten durchweg unzulässig (RGSt. 17 51) und ein gleichwohl ergehendes Strafurteil nichtig (RGSt. 71 377). Auf zwischenstaatlichen Vereinbarungen beruhen ferner — nachdem die in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg bis zur Wiedererlangung der vollen Souveränität der Bundesrepublik am 5. 6.1955 bestehenden besatzungsrechtlichen Beschränkungen der deutschen Gerichtsgewalt weggefallen sind und hier keiner Darstellung mehr bedürfen — die weiteren Exemptionen, die sich aus der Stationierung von Truppen fremder Mächte auf dem Boden der Bundesrepublik ergeben. Diese Exemptionen waren zunächst im „Truppenvertrag" (BGBl. 1955 II 321 ff.; Ges. v. 24. 3.1955, BGBl. II 213; Bek. v. 30. 3.1955, BGBl. II 301) geregelt (abgedruckt und erläutert in der 20. Aufl. dieses Werkes Bd. II S. 343 ff.), der jetzt durch das Nato-Truppenstatut ersetzt ist (Ges. v. 18. 8.1961, BGBl. II 1183). Auch hier ist das Strafurteil des deutschen Gerichts, das staatsvertragswidrig gegen ein Mitglied der ausländischen Streitkräfte ergeht, nichtig (BayObLG. NJW. 1980 162). Für die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges b e s a t z u n g s g e r i c h t l i c h e s Urteil beendeten Verfahrens sind die deutschen Gerichte nicht zuständig (BGH. NJW. 1959 779). Zu der Frage, inwieweit eine frühere besatzungsgerichtliche Aburteilung die Verfolgung von Straftaten im Rahmen der deutschen Gerichtsbarkeit hindert, vgl. BGHSt. 12 36 und NJW. 1969 779; v . W e b e r JZ. 1968 751; OLG. Bremen NJW. 1960 783; Schorn JR. 1961 330.
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3. Unberührtheit der Sache. a) Grundsätzliches. — Im Strafverfahren herrscht der Grundsatz der Einmaligkeit der Strafverfolgung. Unzulässig ist das Verfahren, das gegen den Beschuldigten ungeachtet dessen betrieben wird, daß gegen ihn wegen derselben Tat schon eine gerichtliche Untersuchung bei demselben oder einem anderen Gericht eröffnet und noch nicht beendet oder eine rechtskräftige Entscheidung seitens desselben oder eines anderen Gerichts ergangen ist. Die Unberührtheit der Sache bildet in diesem Sinn eine Verfahrensvoraussetzung. Die Rechtshängigkeit, also die noch bestehende Befassung desselben oder eines anderen Gerichts mit derselben Sache, und die Rechtskraft, also die Erledigung der Sache durch eine mit den ordentlichen Rechtsmitteln nicht mehr anfechtbare Entscheidung desselben oder eines anderen Gerichts, hindern das Verfahren. Beim Verfahrenshindernis der Rechtshängigkeit, das sich aus § 12 StPO. ergibt, wiegen Gründe der Zweckmäßigkeit vor. Das Verfahrenshindernis der Rechtskraft hat dagegen eine viel ernstere Bedeutung. Insoweit wahrt der Grundsatz der Einmaligkeit die allgemeine Rechtssicherheit und gehört zu den großen Geboten der Gerechtigkeit. Art. 103 Abs. 3 GG. trägt der hervorragenden Bedeutung jenes Grundsatzes Rechnung, indem er das Verbot des „ne bis in idem" in einprägsamer, wenn auch unvollständiger Form zum Verfassungssatz und zum Grundrecht erhebt: „Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden". Das Verfahrensrecht zieht die Folgerungen aus dem Verfassungssatz und umschreibt zugleich dessen Grenzen, indem es den Angriff auf die Rechtskraft des Urteils nur durch Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens unter den in §§ 359 ff. StPO. bezeichneten Voraussetzungen zuläßt (vgl. dazu unten S. 85). Doch verlangt das deutsche Recht nur Rücksichtnahme auf eine beim inländischen Gericht eröffnete und noch nicht abgeschlossene Untersuchung sowie auf eine vom inländischen Gericht gefällte, nicht mehr anfechtbare Entscheidung. Ein von einem ausländischen Gericht erlassenes, rechtskräftig gewordenes Urteil wird nur insoweit berücksichtigt, als § 7 StGB, es vorschreibt (RGSt. 16 319). Wegen der Bedeutung der in der Zeit des Besatzungsregimes ergangenen rechtskräftigen besatzungsgerichtlichen Strafurteile vgl. oben S. 82. Besonderheiten gelten aber mit Rücksicht auf die Spaltung Deutschlands in zwei Staatsgewalten mit z. T. sehr unterschiedlicher Rechtsauffassung im Verhältnis zu gerichtlichen Verfahren, die bei deutschen Gerichten der Ostzone anhängig und zu rechtskräftigen Strafurteilen, die von diesen Gerichten erlassen sind. In welchem Umfang trotz Anhängigkeit einer gerichtlichen Untersuchung in der Ostzone oder trotz eines dort ergangenen rechtskräftigen Strafurteils ein Strafverfahren in der Bundesrepublik eingeleitet und durchgeführt werden darf und in welchem Umfang die dort erlassenen rechtskräftigen Entscheidungen einer Nachprüfung in der Richtung unterliegen, ob sie in der Bundesrepublik Vollstreckungswirkungen entfalten, ist in dem Gesetz über die innerdeutsche Rechtsund Amtshilfe in Strafsachen v. 2. 6.1953 geregelt, dessen Einschränkungen mit Art. 103 Abs. 3 GG. vereinbar sind (BVerfG. JZ. 1961 420). b) Rechtshängigkeit47. — Das Gericht muß, wenn sich ein Anlaß hierzu bietet, die Rechtshängigkeit von Amts wegen prüfen (RGSt. 67 53; BGHSt. 10 363). Die Prüfung ist selbständig vorzunehmen (RGSt. 52 262). Wird die anderweitige Rechtshängigkeit erkannt, gebührt unter Gerichten verschiedener Ordnung grundsätzlich dem der höheren Ordnung (RGSt. 70 337; RG. HRR.\1938 Nr. 132; BGH. JZ. 1953 246), unter Gerichten derselben Ordnung aber grundsätzlich dem Gericht der Vorrang, bei dem die Sache zuerst anhängig geworden ist (RGSt. 29 174, 55 187). Der auf der höheren Zuständigkeit beruhende Vorrang bedeutet, daß die Untersuchung und Entscheidung dem Gericht höherer Ordnung auch dann überlassen werden muß, wenn sich erst, nachdem das zuerst mit der Sache befaßte Gericht niederer Ordnung ein Urteil erlassen hat und dieses Urteil mit einem Rechtsmittel angefochten wird, herausstellt, daß die den Gegenstand des Urteils bildende Tat im Sinn des § 73 StGB, zugleich ein die Zuständigkeit des höheren Gerichts begründendes Gesetz verletzt hat und deshalb bei diesem verfolgt wird (RGSt. 70 337 — gegen RGSt. 29 179). Aber auch unter Gerichten der gleichen Ordnung ist der Prioritätsgrundsatz dahin eingeschränkt, daß dem Gericht der Vorrang gebührt, dem die Sache zu umfassenderer, den Sachverhalt erschöpfender Aburteilung unterbreitet ist (BGHSt. 5 384), also z. B. dem später tätig gewordenen Gericht, wenn es die Untersuchung wegen einer in Fortsetzungszusammenhang begangenen Tat eröffnet hat, während nur eine Einzelhandlung den Gegenstand der bei dem anderen Gericht früher eröffneten Untersuchung bildet (RGSt. 41 109; 47
Ergänzend vgl. Vorbem. V (17ff.) vor § 151.
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B3 66 19; 67 56; 70 337). Befassen sich aber beide Gerichte gleicher Ordnung je mit einer fortgesetzten Handlung, so tritt der Prioritätsvorrang nicht deshalb zurück, weil das zweite Verfahren Einzelhandlungen von größerer Zahl oder erheblicherem Gewicht zum Gegenstand hat (BGH. JZ. 1953 246). Demnach liegt es, wenn die gerichtliche Untersuchung zuerst vom Gericht niedrigerer Ordnung und hernach vom Gericht höherer Ordnung eröffnet worden ist, dem ersteren ob, das Verfahren einzuschlagen, das erforderlichenfalls zur Verweisung an das letztere fühlt. Im übrigen aber, also insbesondere im Verhältnis gleichgeordneter Gerichte zueinander, muß das Gericht, bei dem Hauptverhandlung in der schon anderweit anhängigen Sache angeordnet ist, sich einer Sachentscheidung enthalten und das Verfahren — übrigens nur vorläufig, bis zur Beseitigung der mehrfachen Rechtshängigkeit — einstellen (RGSt. 41 109; 52 264). Hat aber das den zeitlichen Vorrang nicht genießende Gericht eine Sachentscheidung unter bewußter oder unbewußter Nichtachtung der Rechtshängigkeit erlassen und ist diese Entscheidung rechtskräftig geworden, so bleibt freilich dem Gericht, dessen an sich begründeter Vorrang unbeachtet blieb, nichts übrig als die endgültige Einstellung des Verfahrens (RG. 1 D 279/20 v. 19. 5.1920). Auch in der R e v i s i o n s i n s t a n z ist die doppelte Rechtshängigkeit von Amts wegen zu prüfen. Doch zwingt hier § 260 Abs. 3 nicht immer zur Einstellung auch nur eines der beiden Verfahren, vielmehr ist so zu verfahren, wie es der Sachlage am besten entspricht. So kann das Revisionsgericht, wenn die Anwendbarkeit des § 73 StGB, auf das gesamte Verhalten des Angeklagten in Frage steht, das Urteil aufheben und die Vorinstanz anweisen, die beiden Verfahren zu verbinden. Es kann sogar in der Sache selbst entscheiden, wenn im Falle einer Zurückverweisung und Verbindung an Art und Höhe der Strafe im Hinblick auf § 358 Abs. 2 nichts mehr geändert werden dürfte und eine Zurückverweisung einer umfangreichen Sache nur zwecks umfassender Berücksichtigung auch der rechtlichen Gesichtspunkte, die den Gegenstand des anderen Verfahrens bilden, dem Gebot der Prozeßwirtschaftlichkeit widerspräche; der Schutz des Angeklagten vor zweimaliger Verurteilung wird dadurch nicht beeinträchtigt, da die endgültige Einstellung des anderen Verfahrens die zwangsläufige Folge einer solchen Behandlung ist (BGHSt. 10 358). Ein der Doppelrechtshängigkeit vergleichbares Problem ergibt sich, wenn dieselbe Einzelstrafe in verschiedenen Verfahren in eine Gesamtstrafe einbezogen worden ist; dann muß in der Revisionsinstanz dem Verbot der Doppelbestrafung auch dann Geltung verschafft werden, wenn das Urteil, das die Gesamtstrafe richtig gebildet hat, nicht auf einer Gesetzesverletzung beruht und früher als das rechtskräftig gewordene Urteil mit der unrichtig gebildeten Gesamtstrafe erlassen wurde (BGHSt. 9 190). Übrigens schränkt der Wandel, den die Rechtsprechung in der rechtlichen Würdigung des Wesens der gewerbs- u n d g e w o h n h e i t s m ä ß i g begangenen Straftaten vollzogen hat, indem sie die Lehre von der materiell- und verfahrensrechtlichen Zusammenziehung der Einzelhandlungen zu einer Straftat (Sammelverbrechen) aufgab, den Wirkungsbereich des Verfahrenshindernisses der Rechtshängigkeit stark ein. Hatte das RG. früher die Frage, wie zu verfahren sei, wenn eine gewerbsmäßig begangene Straftat desselben Täters bei einem Gericht, eine andere derselben Art bei einem anderen Gericht anhängig geworden ist, dahin entschieden, daß eines der beiden Gerichte sein Verfahren einstellen müsse, da eine und dieselbe Tat vorliege (RGSt. 41 109; 66 19; 67 56), so gilt dieser Grundsatz jetzt —• nach Anerkennung der rechtlichen Selbständigkeit der mehreren Einzelhandlungen — nicht mehr. Näheres s. unten S. 97. Schließlich ist hinsichtlich der S t r a f b e f e h l e zu beachten, daß für die Rechtshängigkeit ähnliche Rechtsregeln wie für die Rechtskraft gelten (vgl. dazu Anm. 2 zu § 410), daß also ein noch anfechtbarer Straibefehl der Einleitung einer Untersuchung im ordentlichen Verfahren nicht entgegensteht, sofern sie auf einen neuen, im Strafbefehl nicht gewürdigten und eine erhöhte Strafbarkeit begründenden rechtlichen Gesichtspunkt gestützt wird (RGSt. 56 253; 61 290). Entsprechendes gilt für die amtsrichterliche Strafverfügung (§ 413 StPO.). Dagegen bildet die Anhängigkeit eines V e r w a l t u n g s s t r a f v e r f a h r e n s vor der Verwaltungsbehörde, solange diese die Sache nicht an die Staatsanwaltschaft abgegeben hat, gemäß § 426 Abs. 1 RAbgO. auch für das Gericht ein Verfahrenshindernis, das zur Einstellung führt (OLG. Celle NJW. 1961 690; H ä r t u n g in Hübschmann-Hepp-Spitaler Anm. 16 zu §426). Führt die Verwaltungsbehörde ein B u ß g e l d v e r f a h r e n wegen einer Ordnungswidrigkeit, so hindert dies nicht, daß die Staatsanwaltschaft Anklage erhebt und das Gericht eine Untersuchung eröffnet und betreibt, weil sie entgegen der Meinung der Verwaltungsbehörde der Auffassung sind, daß mit der Ordnungswidrigkeit tateinheitlich eine Straftat zusammentreffe (§ 4 OWiG.) oder daß
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die Verwirklichung eines Mischtatbestands als Straftat zu verfolgen sei (§ 1 Abs. 3, § 2 OWiG.; vgl. D a l c k e - F u h r m a n n - S c h ä f e r [37] Anm. 1 zu §27 OWiG.). Sobald aber die Verwaltungsbehörde in einem solchen Fall einen Bußgeldbescheid erlassen hat, bildet er für das gerichtliche Verfahren wegen der Straftat ein Verfahrenshindernis, bis der Zuständigkeitsstreit im Zuständigkeitsüberprüfungsverfahren nach §§ 58ff. OWiG. erledigt ist. c) Rechtskraft48. A. Grundsätzliches. Die Rechtskraft eines Urteils, das in die Sache eingeht, verbraucht 4 9 die Strafklage, so daß derselbe Täter wegen derselben Tat nicht mehr gerichtlich verfolgt werden darf — auch nicht auf Grund einer anderen rechtlichen Würdigung der Tat (RGSt. 68 19; 70 30; 72 102). Das Nichtvorhandensein einer dieselbe Sache betreffenden gerichtlichen Entscheidung ist eine Verfahrensvoraussetzung, die jedes Gericht — auch das Revisionsgericht — in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen beachten und der es unter Verwendung aller verfügbaren Erkenntnismittel nachgehen muß (RGSt. 7 359; 9 16; 17 64; 18 272; 23 7, 231; 25 29; 33 303; 35 367; 41 152; 61 226; 64 42,164; 68 19; 69 171; BGHSt. 7 283; 13 306). Der Satz ne bis in idem ist in der StPO. nicht ausdrücklich ausgesprochen; erst Art. 103 Abs. 3 GG. brachte eine förmliche Vorschrift. An der Geltung dieses Satzes hatte freilich auch vorher kein Zweifel bestanden; er ergibt sich ohne weiteres aus den Vorschriften über die Wiederaufnahme des Verfahrens, die nur unter engen Voraussetzungen die Wiederaufrollung eines rechtskräftig abgeschlossenen Strafverfahrens zulassen. Art. 103 Abs. 3 GG. hat also, was die Anerkennung des Grundsatzes anlangt, nur deklaratorische Bedeutung. Aber auch die inhaltliche Umschreibung in der genannten Verfassungsvorschrift brachte keine Änderung der Rechtslage. Sie konnte es auch nicht, weil Art. 103 Abs. 3 eine zwar einprägsame, aber inhaltlich unvollständige Formulierung des Grundsatzes darstellt. Denn er verbietet nur die „mehrmalige Bestrafung", und von einer solchen kann, streng genommen, nur gesprochen werden, wenn bereits eine Bestrafung erfolgt war. Bei wörtlicher Auslegung würde sich also Art. 100 Abs. 3 GG. darauf beschränken, daß er eine nochmalige Bestrafung, auch in Form einer nachträglichen Verschärfung einer rechtskräftig erkannten Strafe oder einer zusätzlichen Bestrafung in anderer Weise verbietet. Der Satz ne bis in idem reichte und reicht aber viel weiter, denn er verbietet insbesondere auch die erneute Verfolgung eines rechtskräftig Freigesprochenen, wie auch den nachträglichen Freispruch eines rechtskräftig Schuldiggesprochenen 50 oder eine nachträgliche 48
Ergänzend vgl. Vorbem. VI (Nr. 20ff) vor § 151 StPO. Die nachfolgende Darstellung beschäftigt sich mit der Rechtskraft lediglich unter dem Gesichtspunkt eines Verfahrenshindernisses für künftige Verfahren, die den gleichen Gegenstand betreffen. Die streitige und von der Rechtsprechung (RGSt. 33 303; 44 257; OLG. H a m m N J W . 1959 1982) verneinte Frage, ob die Rechtskraft über diese negative Verbrauchs- oder Sperrwirkung hinaus positive Bindungswirkungen (Bindung an die Feststellung der Schuld oder Nichtschuld oder gar an die den Spruch tragenden tatsächlichen Feststellungen) entfaltet, wenn die rechtskraftige Entscheidung die prajudizelle Vorfrage f ü r einen spateren Prozeß mit anderem Gegenstand bildet, ist hier nicht zu erörtern (vgl. dazu neuestens eingehend H. J . B r u n s , Festschrift für EbSchmidt [1961] 602ff.). Die Darstellung beschäftigt sich weiterhin nur mit der Sperrwirkung des im vollen Umfang rechtskräftig gewordenen Urteils, also nicht mit den Wirkungen, die sich ergeben, wenn infolge Teilaufhebung oder Teilanfechtung das Urteil nur im Schuld-, nicht aber im Strafausspruch rechtskraftig wird. Die Rechtsprechung (vgl. insbesondere BGHSt. 7 283; 10 71; OLG. Saarbrücken N J W . 1958 1740; BayObLG. DAR. 1958 23; vgl. dazu aus dem Schrifttum etwa M a y N J W . 1960 465; E c k e l s N J W . 1960 1643; B r u n s a. a. O.) sieht hier die Wirkung der Rechtskraft in der Bindung des über die Straffrage entscheidenden Richters nicht nur an den Schuldspruch als solchen (Schuldfahigkeit, Schuldart, rechtliche Beurteilung der Tat), sondern auch an die dem Schuldspruch zugrunde liegenden Feststellungen, aus denen sich die Tat in ihrer konkreten Ausgestaltung ergibt. Anders liegt es bei der Aburteilung von zwei in Tatmehrheit begangenen Taten in einem Verfahren, wenn dieselben Tatsachen beiden Verurteilungen zugrunde gelegt worden sind und nur die Verurteilung wegen der einen Tat angefochten wird; die rechtskraftig gewordene Verurteilung h a t im weiteren Verfahren nur Beweisbedeutung, nicht anders als bei einer Aburteilung der beiden Delikte in getrennten Verfahren (BayObLG. JZ. 1960 31 mit Anm. von H e i n i t z ) . 49
50 Demgemäß steht, wenn der Schuldspruch — durch Beschrankung des Rechtsmittels auf das Strafmaß oder durch Aufhebung des Urteils nur im Strafausspruch — rechtskraftig geworden ist, die Rechtskraft einem Freispruch entgegen, wenn sich in der erneuten Hauptverhandlung die Zurechnungsunfahigkeit des Angeklagten zur Tatzeit ergibt (BGHSt. 7 283).
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B3 Milderung einer erkannten Strafe durch Urteilsspruch, sofern nicht die gesetzlichen Voraussetzungen einer Wiederaufnahme des Verfahrens gegeben sind. Offensichtlich wollte Art. 103 Abs. 3 GG. aber die Grenzen der Rechtskraft, die ihr durch das Verfahrensrecht gezogen sind, nicht einengen; Art. 103 Abs. 3 verbietet daher auch die Einleitung eines neuen Strafverfahrens gegen einen Freigesprochenen (BGHSt. 5 323). Andrerseits wollte er aber auch den bisherigen Bereich des Verbots der Doppelverfolgung nicht ausdehnen. BVerfG. NJW. 1954 69 hat denn auch ausgesprochen, durch Art. 103 Abs. 3 sei der Grundsatz ne bis in idem nur mit den Einschränkungen verfassungsmäßig garantiert, die ihm durch den Stand des Prozeßrechts und dessen Auslegung bei Inkrafttreten des GG. gezogen worden seien und hat mit dieser Begründung die auf Art. 103 Abs. 3 gestützten Angriffe gegen die Lehre von der beschränkten Rechtskraftwirkung des Strafbefehls zurückgewiesen. Die Bedeutung des Art. 103 Abs. 3 besteht danach in erster Linie darin, daß er einen verfahrensrechtlichen Grundsatz zum Rang eines Verfassungssatzes und eines Grundrechts erhebt, dessen Verletzung mit der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht werden kann (§ 90 BVerfGG.). Die institutionelle Garantie der Rechtskraftsperrwirkung bedeutet aber auch das Verbot einer Aushöhlung der Rechtskraft durch die Prozeßgesetzgebung, wie sie die Kriegsgesetzgebung (oben S. 14) brachte, und der Ausweitung der rechtlichen Möglichkeiten einer erneuten Aburteilung in Durchbrechung der Rechtskraft in einem Maße, daß das Verhältnis von Regel zur eng umgrenzten Ausnahme verlorengeht. Die Vorschriften über die Wiederaufnahme des Verfahrens regeln, wann ausnahmsweise ein rechtskräftiges Urteil beseitigt und durch ein neues Urteil ersetzt werden darf. Die Wiederaufnahmevorschriften besagen aber nichts darüber, wie weit die materielle Rechtskraft, die strafklageverbrauchende Wirkung eines formell rechtskräftigen Urteils, reicht, in welchem Umfange also das Urteil, das sich mit einem bestimmten Sachverhalt befaßt, ihn erledigt und das Verhalten des Beschuldigten abgilt. Auf diese Frage kommt es aber entscheidend an, wenn zweifelhaft ist, ob ein im Urteil nicht gewürdigter Teil des Sachverhalts von der materiellen Rechtskraft umfaßt wird. Denn nur im Umfang der Rechtskraftwirkung kommt eine Durchbrechung der Rechtskraft des Urteils unter den engen Voraussetzungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens in Betracht, während ein von der Rechtskraftwirkung nicht erfaßter Teil des Sachverhalts ohne weiteres Gegenstand eines neuen Verfahrens sein kann, das das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren um den unerledigt gebliebenen Teil ergänzt. Der Staatsanwalt kann dann durch eine E r g ä n z u n g s k l a g e die Vervollständigung der bisherigen Teilaburteilung herbeiführen. Die Frage, nach welchen Merkmalen sich der Umfang der Verbrauchswirkung bestimmt, ist Gegenstand lebhaften Streits. Nach § 264 StPO. ist Gegenstand der Urteilsfindung die in der Anklage bezeichnete Tat, wie sie sich nach dem Ergebnis der Verhandlung darstellt. Es fragt sich daher, nach welchen Merkmalen der Umfang der „Tat" zu bestimmen ist, die im Urteil abgeurteilt wurde. Die herrschende, namentlich vom RG. schrittweise entwickelte und vom BGH. übernommene und ausgebaute Auffassung sieht in der „Tat" i. S. des § 264 StPO. einen selbständigen verfahrensrechtlichen Begriff, der sich nicht mit dem materiell-rechtlichen Handlungsbegriff (§§ 73, 74 StGB.) deckt, und lehrt, die Verzehrwirkung umfasse die Tat als geschichtlichen Vorgang in dem Umfang, in dem das erkennende Gericht die Strafklage nach § 265 umzuwandeln befugt war, ohne Rücksicht darauf, ob das Gericht von dieser Befugnis Gebrauch gemacht und ob es nach Sachlage konkrete Veranlassung gehabt hat, die Aufklärungspflicht über den dargebotenen Prozeßstoff hinaus auszudehnen. Der Begriff „Tat" erstreckt sich danach zunächst auf die Handlung im materiell-rechtlichen Sinn des § 73 StGB., und die Verzehrwirkung umfaßt alle durch die Handlung verwirklichten Gesetzesverletzungen, insbesondere alle tateinheitlich und in Gesetzeskonkurrenz zusammentreffenden Delikte und bei einer fortgesetzten Handlung sämtliche Einzelakte ohne Rücksicht darauf, ob ihr Umfang dem erkennenden Gericht bekannt war. Es werden danach aber auch — und zwar auch hier ohne Rücksicht darauf, ob sie in der Hauptverhandlung hervortraten — in Tatmehrheit begangene Delikte, überhaupt der vom Eröffnungsbeschluß betroffene geschichtliche Vorgang in seiner Gesamtheit einschließlich aller damit zusammenhängenden und darauf bezüglichen Vorkommnisse und tatsächlichen Umstände erfaßt, die nach der Auffassung des Lebens eine „natürliche Einheit" bilden (BGHSt. 13 321). Eine solche natürliche Einheit setzt in den Fällen der sachlichrechtlichen Tatmehrheit einen engen sachlichen Zusammenhang, eine notwendige innere Verknüpfung der mehreren Beschuldigungen
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voraus, die sich unmittelbar aus den ihnen zugrundeliegenden Handlungen und Ereignissen ergeben muß, dergestalt, daß keine der Beschuldigungen sinnvoll für sich allein abgeurteilt werden kann, vielmehr eine getrennte Würdigung und Aburteilung in verschiedenen Verfahren als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorganges empfunden würde (BGHSt. 13 21 = JR. 1969 427 mit Anm. von E b S c h m i d t ) . Soweit danach die Tatidentität reicht, ist für die Kognitionspflicht des Gerichts wie für den Umfang der Verzehrwirkung ein etwa fehlender Verfolgungswille des Klägers für Teile des Tatvorganges bedeutungslos (BGH. NJW. 1981 1981). Dieser in der Praxis herrschenden und auch von einem Teil des Schrifttums gebilligten Auffassung mit ihrer verhältnismäßig weitgehenden Ausdehnung der Verbrauchswirkung, aber auch mit ihrer gewissen Unbestimmtheit, die sich aus der Verweisung auf die „natürliche Einheit nach der Auffassung des Lebens" ergibt, stehen Auffassungen des Schrifttums gegenüber, die den Umfang der Verzehrwirkung enger begrenzen wollen. Sie sind aus dem Bestreben erwachsen, gewissen als unerträglich empfundenen Folgerungen zu entgehen, zu denen die herrschende Auffassung führt, wenn diese die Verzehrwirkung auf Tatseiten erstreckt, die dem Gericht bei der Aburteilung unbekannt waren, falls es nur r e c h t l i c h in der Lage gewesen wäre, sie zu erfassen, auch wenn es tatsächlich dazu keine Möglichkeit hatte, weil eine konkrete Veranlassung zu weiterer Sachaufklärung nicht bestand. Vom Standpunkt der h. M. aus ist die Strafklage auch dann verbraucht, wenn der im Urteil gewürdigte Teil des Lebensvorgangs einen verhältnismäßig geringfügigen Teil des Gesamtvorgangs darstellt, der Schwerpunkt aber auf der unerkannt und ungewürdigt gebliebenen Tatseite ruht und dadurch die erkannte Strafe in keinem Verhältnis zur Strafwürdigkeit des Gesamtverhaltens steht. So etwa, wenn in dem bekannten Schulbeispiel der Täter, der einen Schuß abgegeben hatte, nur wegen gefährlichen Schießens (Übertretung nach § 367 Nr. 8 StGB.), allenfalls noch wegen Führens einer Schußwaffe ohne Waffenschein (Vergehen nach §§ 14, 26 des Waffengesetzes v. 18. 3.1938) verurteilt wird und erst nachträglich hervortritt, daß der Schuß einem Menschen galt und ein versuchtes oder vollendetes Tötungsverbrechen tateinheitlich begangen wurde, dessen nachträglicher Verfolgung die Rechtskraft des Urteils entgegensteht (vgl. RGSt. 70 30; weitere Nachweise bei P e t e r s 398). Oder wenn die Wegnahme eines Gegenstandes in Zueignungsabsicht nur mit einer geringen Strafe wegen Diebstahls vergolten wird und unerkannt blieb, daß der Täter sich ein Staatsgeheimnis zu Verratszwecken verschaffen wollte (§100 Abs. 2 StGB.; vgl. dazu RKG. 2 31 und N i e t h a m m e r ZWehrR 5 261). Oder wenn der Täter, weil er sich Aufnahme, Unterbringung und Verköstigung in einem Flüchtlingslager erschlich, eine geringe Betrugsstrafe erhält, und nicht erkannt wurde, das er als Auslandsagent diesen Weg wählte, um verräterische Beziehungen zu den Lagerinsassen aufzunehmen und er damit ein zur erstinstanzlichen Zuständigkeit des BGH. gehöriges Vergehen nach § 100 e Abs. 2 StGB, beging (vgl. BGHSt. 9 10)61. Weitere Fälle dieser Art sind etwa, daß der Täter nur wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt wird, weil unbekannt war, daß das Opfer an den Folgen der Verletzung inzwischen verstorben war, oder nur wegen einfacher vorsätzlicher Körperverletzung, während — dem Gericht unbekannt — eine zuchthauswürdige schwere Körperverletzung (§ 224 StGB.) vorlag62. Hierher gehört schließlich auch der Fall, daß bei der Aburteilung einer fortgesetzten Handlung nur wenige Einzelakte bekannt waren und 51 In BGHSt. 9 10 wurde das Vergehen nach § lOOe zwar als selbständige Tat (§ 74 StGB.) gegenüber dem Betrug, aber als Teil eines einheitlichen Lebensvorgangs gewürdigt. Die Strafe wegen Betrugs war aber dort durch Strafbefehl festgesetzt worden, und nur wegen der beschränkten Verzehrwirkung des Strafbefehls konnte die Frage einer erneuten Verfolgung wegen des Vergehens aus § 100 e aufgeworfen werden. 52 Anders liegt es, wenn der schwerere Erfolg im Zeitpunkt der Aburteilung noch nicht eingetreten war und deshalb denkgesetzlich nicht berücksichtigt werden konnte. Mit H e n k e l 447, B u s c h ZStrW. 68 (1956) l l f . und B r u n s JZ. 1960 585 ist davon auszugehen, daß hier die herrschende Rechtskraftlehre einer ergänzenden Verfolgung (wegen fahrlässiger Tötung oder schwerer Körperverletzung) nicht entgegensteht, da die Verzehrwirkung die Tat nur in den Grenzen der Umgestaltungsmöglichkeit erfaßt, eine Einbeziehung des spateren Erfolgs aber bei der Aburteilung begrifflich nicht möglich war. Das gilt auch, wenn in einem solchen Fall die Bestrafung wegen Korperverletzung nicht durch Urteil, sondern durch rechtskraftigen Strafbefehl erfolgte. Die Zulassigkeit ergänzender Verfolgung beruht hier nicht auf der beschränkten Verzehrwirkung des Strafbefehls, da die Nichtberücksichtigung des Todes nicht auf der summarischen Sachaufklärung des Strafbefehlsverfahrens, sondern — nicht anders als beim Urteil — auf der rechtlichen Unmöglichkeit beruht, noch nicht eingetretene Tatfolgen zum Gegenstand der Aburteilung zu machen (so mit Recht B r u n s a. a. O. zu OLGe. Koblenz und Stuttgart JZ. 1960 607, 608.)
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B3 sich später herausstellt, daß sie nur einen verschwindend geringen Bruchteil der tatsächlich begangenen Einzelhandlungen darstellen (vgl. BGHSt. 6 122: Verurteilung wegen fortgesetzten Betrugs auf Grund von 7 Einzelakten; später wurden 226 weitere bekannt, die infolge der Rechtskraft nicht mehr verfolgbar waren). Es ist klar, daß, wer den Ausgangspunkt der h. M. teilt, den als unbillig und ungerecht empfundenen Folgerungen, zu denen sie im Einzelfall führt, nicht mit der allgemeinen Erwägung ausweichen kann, die Verzehrwirkung müsse entfallen, wenn die für den gewürdigten Teil des Vorgangs erkannte Strafe außer jedem Verhältnis zu der Strafe stehe, die bei voller Kenntnis des Gesamtvorgangs als angemessen verhängt worden wäre. Der Verfassungssatz ne bis in idem (Art. 103 Abs. 3 GG.) verlangt, daß der Umfang der Rechtskraftwirkung sich nach festen Grundsätzen bemißt, die nicht mehr oder weniger willkürlich im Einzelfall preisgegeben werden dürfen. Eine Entscheidung wie die des OLG. München DJ. 1988 724, die aus den damaligen Vorstellungen von dem Vorrang der „materiellen" Gerechtigkeit gegenüber der „formalen" Rechtssicherheit erwachsen ist, daß nämlich der Grundsatz ne bis in idem zurücktrete, wenn das Festhalten daran „das Rechtsempfinden in schwerster Weise verletzen würde", ist heute schlechterdings unvorstellbar. Die im Schrifttum vertretenen, von der herrschenden Lehre abweichenden Auffassungen sind denn auch darauf gerichtet, feste Maßstäbe zu gewinnen, die zu einer Einengung der Verzehrwirkung führen. Diesen Bemühungen kann nicht etwa von vornherein mit der Erwägung begegnet werden, daß Art. 103 Abs. 3 GG. ihnen entgegenstehe, weil der Verfassungsgesetzgeber sich stillschweigend mit der herrschenden Auslegung identifiziert habe. Allerdings hatBVerfG. E. 3 248; JZ. 1961 420 ausgesprochen, daß Art. 103 Abs. 3 GG. keinen selbständigen, aus sich heraus auslegbaren Inhalt habe, sondern den Grundsatz ne bis in idem nur in den Grenzen verfassungsmäßig garantiere, die ihm durch den Stand des Prozeßrechts und dessen Auslegung bei Inkrafttreten des GG. gezogen worden seien. Aber mit diesen Ausführungen, die sich dagegen wenden, daß die in der Rechtsprechung herrschende Auffassung von der beschränkten Verzehrwirkung des rechtskräftigen Strafbefehls mit Art. 103 Abs. 3 GG. unvereinbar sei, sollte zweifellos nicht zum Ausdruck gebracht werden, daß Art. 103 Abs. 3 GG. Gesetzgebung und (herrschende) Auslegung bis in die Einzelheiten auf den Stand bei Inkrafttreten des GG. festlege und jede weitere Beschränkung der Rechtskraftwirkung ausschließe. Art. 103 Abs. 3 GG. steht jedenfalls Grenzkorrekturen kleineren und größeren Außmaßes nicht entgegen. Im Schrifttum sind die verschiedensten Wege und Methoden zu einer mehr oder weniger weitgehenden Beschränkung der Rechtskraftverzehrwirkung vorgeschlagen worden, etwa durch Verengerung des Begriffs der Tat in § 264 StPO., durch Verneinung der Tatidentität bei Tatmehrheit53, durch Beschränkung der Verzehrwirkung auf die „Handlungssubstanz", auf den „Kerngehalt" des Vorgangs, über den der Richter urteilt 64 (vgl. P e t e r s 399 zu dem oben [S. 87] genannten Schulbeispiel: „Wer das Schießen beurteilt, beurteilt nicht das Töten"), durch Beschränkung auf das tatsächliche Geschehen in den Grenzen der p r a k t i s c h erfüllbaren richterlichen Kognitionspflicht55 oder auch durch Ausschließung der Verzehrwirkung bei Verurteilung wegen Übertretung (£>der allgemein wegen eines Polizeidelikts ohne Beschränkung auf Übertretungen) für ideell konkurrierende kriminelle Delikte66 oder durch Ausschließung der Verbrauchswirkung eines amts- oder landgerichtlichen Urteils für solche (nicht gewürdigten) Tatseiten, die in die erst- und letztinstanzliche Aburteilungszuständigkeit des BGH. oder des OLG. fallen67. Eine eingehendere Auseinandersetzung mit den Rechtskraftlehren des Schrifttums kann 63
Nachweise bei E b S c h m i d t Lehrkomm. I Nr. 259, Fußnote 316. O e h l e r , Die Identität der Tat in Festschrift für Rosenfeld (1949) 319ff, Peters 397ff; weitere Nachweise bei J e s c h e c k JZ. 1957 30; P e t e r s JZ. 1961 426. 55 H e n k e l 446, ahnlich H a l l DRechtsw. 1941 305; S a u e r AllgProzRL.241; S t o c k , StrafprozR. 136. 66 So B u s c h ZStrW. 68 (1956) 12; O e h l e r a. a. 0 . 1 5 2 ; P e t e r s 403. Zu dem Vorschlag des EGStGB.Entw. 1930, diesen Gedanken bei der Begrenzung der Verzehrwirkung des rechtskräftigen S t r a f b e f e h l s nutzbar zu machen, vgl. Anm. 2 zu § 410. 57 In der 20. Aufl. (S. 46) dieses Werkes führte N i e t h a m m e r unter Hinweis auf RKG 2 31 und seine Besprechung ZWehrR 5 261 sowie auf VGH. DJ. 1941 1077 und OLG. Dresden HRR. 1942 Nr. 832 hierzu aus: „Ein Bedürfnis, sich von den Fesseln der Rechtskraft zu lösen, kann nur für oberste Gerichte des ersten Rechtszugs, für den BGH. und für die Oberlandesgerichte in Sachen wegen Hochverrats oder Landesverrats bei einem groben Mißverhältnis zwischen der Strafwurdigkeit der Tat und der im rechtskraftigen Urteil an sie geknüpften Rechtsfolge mit zwingender Gewalt hervortreten. . . . Innerhalb solcher Schranken mag eine Ausnahme vom Grundsatz des Verbrauchs der Strafklage durch eine rechtskraftige Entscheidung ertraglich 6ein. Im übrigen ist Zuruckhaltung dringend geboten." 64
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nicht Aufgabe dieser Einleitung sein. Folgende Bemerkungen seien gestattet: Die Rechtssprechung hat auch im Einzelfall befremdlich anmutende Folgerungen, die sich aus den in zahllosen Fällen bewährten Grundsätzen ergaben, um der Festigkeit willen hingenommen, die es bei Fragen der Rechtskraft aufzubringen gilt (vgl. BGHSt. 6 122). Andere Grundsätze könnten nur dann mit Recht beanspruchen, an die Stelle der bisher gehandhabten zu treten, wenn sie nicht nur die beanstandeten Folgerungen ausschlössen, sondern auch ihrerseits, ohne den der Verzehrwirkung grundsätzlich gebührenden Raum entscheidend einzuengen, unbillige Folgerungen vermieden; vor allem aber so beschaffen wären, daß mit ihrer Hilfe im Einzelfall die Frage, ob der Satz ne bis in idem einer weiteren Verfolgung entgegensteht, möglichst eindeutig beantwortet werden kann. Das verlangt die Rechtssicherheit, das verfassungsmäßig geschützte Bedürfnis des Abgeurteilten nach Rechtsruhe. Unvollkommenes durch Unvollkommenes ersetzen zu wollen, wäre kein berechtigtes Anliegen. Ein solches Übergewicht gegenüber der herrschenden Rechtskraftlehre kommt aber den im Schrifttum empfohlenen Grundsätzen über die Begrenzung der Rechtskraftwirkung nicht zu. Die Auffassung etwa, die nicht gewürdigte real konkurrierende Delikte von der Verzehrwirkung ausschließen will, vermeidet — von anderen Mängeln abgesehen (vgl. v. H i p p e l 369; P e t e r s 398) — weder eigene Unbilligkeiten noch bringt sie Abhilfe, wenn bei Tateinheit das Schwergewicht so auf der nicht gewürdigten Gesetzesverletzung ruht, daß die erkannte Strafe außer Verhältnis zur Schwere der Tat steht. Ein Abstellen auf den „Kerngehalt" der Tat führt zu schwierigen und angreifbaren Unterscheidungen, die den Umfang der Rechtskraftwirkung ungewiß machen. Aber auch die Beschränkung der Verzehrwirkung auf den Sachverhalt, den der Richter bei Erfüllung seiner Aufklärungspflicht nach den gegebenen Umständen feststellen kann, führt, wie Busch ZStrW. 68 5ff zutreffend dargelegt hat, zu erheblicher Unsicherheit. Denn es fragt sich, welcher Maßstab bei der Beurteilung anzulegen ist, ob das Gericht seiner Aufklärungspflicht (§ 155 Abs. 2) in dem erforderlichen Maß nachgekommen ist. Maßgebend soll sein, was von einem „Normalrichter" in einer solchen Lage billiger- und vernünftigerweise an Sachaufklärung zu fordern und zu erwarten ist. Aber die Vorstellungen darüber, wie weit im Einzelfall die praktisch erfüllbare Kognitionspflicht reichte, können sehr auseinandergehen. Der Ankläger und der Richter des späteren „Ergänzungsverfahrens" hätten dann darüber zu befinden, ob der frühere Richter seine Pflicht erfüllt hat. Problematisch erscheint auch die Forderung, daß ein Urteil, das nur über eine Übertretung entscheidet, keine Verzehrwirkung für nicht gewürdigte ideell konkurrierende Vergehen und Verbrechen haben dürfe. Für die Zukunft wird das Problem dadurch entfallen, daß es nach dem derzeitigen Stand der Reformarbeiten am materiellen Recht künftig Übertretungen nicht mehr geben und die Masse der heute noch vorhandenen Übertretungen in Ordnungswidrigkeiten umgewandelt wird (vgl. Begr. S. 94 zum StGB. = Entw. 1960). Der Umwandlungsprozeß ist bereits insofern in vollem Gang, als neu erlassene Gesetze, von wenigen Ausnahmen abgesehen, Übertretungstatbestände nicht mehr kennen und bei der Ersetzung alter Gesetze durch neue die bisherigen Übertretungstatbestände als Ordnungswidrigkeitstatbestände wiederkehren. Nach § 65 Abs. 2 OWiG. hat aber der rechtskräftige Bußgeldbescheid keine Verzehrwirkung, wenn sich aus nachträglich bekannt werdenden Tatsachen oder Beweismitteln ergibt, daß die als Ordnungswidrigkeit geahndete Tat eine Straftat darstellt. Doch lassen sich daraus für die Rechtskraftwirkung von Urteilen, die sich heute noch mit Übertretungen befassen, keine Folgerungen ableiten. Denn die Regelung in § 65 OWiG. beruht nicht auf dem Gedanken, daß es nicht angängig sei, einer geringfügigen Ahndung unter dem Gesichtspunkt eines Verstoßes gegen bloße Ordnungsvorschriften Verzehrwirkung für echte kriminelle Verstöße beizulegen, die tateinheitlich neben der Ordnungswidrigkeit begangen sind oder sich daraus ergeben, daß bei Vorliegen eines Mischtatbestandes (§ 1 Abs. 3 OWiG.) die Merkmale unerkannt blieben, die den Gesetzesverstoß als Straftat qualifizieren. § 65 Abs. 2 OWiG. zieht vielmehr die Folgerung daraus, daß die Verwaltungsbehörde im Bußgeldverfahren keine die Tat nach allen Richtungen erfassende Kognitionspflicht hat, während im Strafverfahren auch bei Übertretungen Kognitionspflicht und Umgestaltungsbefugnis des Gerichts in gleichem Ausmaß bestehen wie bei Vergehen und Verbrechen. Immerhin wäre zu bedenken, daß bei dem Massenanfall von Übertretungen einer umfassenden Sachaufklärung nach der Richtung, ob an strafrechtlicher Substanz mehr als die vorgeworfene Übertretung vorliegt, p r a k t i s c h e Grenzen gesetzt sind, und es ließe sich die Auffassung vertreten, daß trotz tiefgreifender rechtlicher Unterschiede die Aufklärung in der Hauptverhandlung — etwa nach Einspruch gegen einen Strafbefehl oder eine Strafverfügung — sich der Aufklärung im gerichtlichen Stadium des Bußgeldverfahrens nach Antrag auf gerichtliche
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B3 Entscheidung in vielen Fällen in einem Maße nähere, daß die rechtsanaloge Übertragung des in § 66 Abs. 2 OWiG. ausgesprochenen Grundsatzes auf das wegen Übertretung auf Strafe lautende Urteil gerechtfertigt sei. Dann verschwände auch der durch innere Gründe in der Regel nicht zu rechtfertigende Unterschied, daß angesichts der beschränkten Rechtskraftwirkung des Strafbefehls der Täter, der erfolglos Einspruch gegen den Strafbefehl einlegt, in weiterem Umfang gegen eine spätere Verfolgung unter einem anderen straferhöhenden rechtlichen Gesichtspunkt gesichert ist als der, der sich bei dem Strafbefehl beruhigt. Aber auch wenn man sich zu einer solchen Rechtsanalogie entschlösse, die das berühmte Schulbeispiel erledigte, daß der Täter durch rechtskräftige Bestrafung wegen gefährlichen Schießens der Ahndung des versuchten oder vollendeten Tötungsverbrechens entzogen wird, so könnte sie nicht bei allen Übertretungen Platz greifen. Denn bei manchen Sachverhalten führt bereits eine gewissermaßen in Reichweite liegende Veränderung des tatsächlichen Bildes zum Übergang von der Übertretung zum Vergehen oder gar zum Verbrechen. Dies ist namentlich bei den Verkehrsübertretungen der Fall, wo die vorsätzliche Verkehrsübertretung leicht durch Hinzutritt der Gemeingefahr in ein Vergehen der fahrlässigen Straßenverkehrsgefährdung nach § 316 Abs. 2 StGB, übergehen kann. Entsprechend liegt es bei dem „Mundraub" (§ 370 Nr. 5 StGB.)58, der auch Übertretung bleibt, wenn die Entwendung unter den Merkmalen des § 243 StGB, begangen wird, aber zum Vergehen oder Verbrechen wird, wenn eines der privilegierenden Merkmale sich als nicht vorhanden erweist. In Fällen dieser Art muß der Aburteilung als Übertretung Verzehrwirkung zukommen, die eine ergänzende Verfolgung nach den genannten Richtungen ausschließt. Im übrigen aber ist noch folgendes zu erwägen: Die Bemühungen des Schrifttums, den Umfang der Verzehrwirkung einzuengen, erklären sich daraus, daß das geltende Recht (§ 362) die Wiederaufnahme des Verfahrens zuungunsten des Beschuldigten nur in engstem Rahmen zuläßt, und daß die Beibringung neuer Tatsachen zwar die Wiederaufnahme zugunsten des Verurteilten, aber nicht zuungunsten des Beschuldigten rechtfertigt. Das Problem der Rechtskraftwirkung wäre ohne wesentliche praktische Bedeutung, wenn, wie dies die VereinfachungsVO. v. 29. 5.1943 (oben S. 15) im Anschluß an § 354 StPO. = Entw. 1939 vorsah, die Gründe der Wiederaufnahme pro und contra parallel gestaltet wären und die Beibringung neuer Tatsachen die Wiederaufnahme mit dem Ziel einer wesentlich strengeren „Ahndung" (so § 364 StPO. = Entw. 1939) ermöglichte. So gesehen laufen die Versuche, die Verzehrwirkung enger als die h. M. zu begrenzen, im Grunde darauf hinaus, den Folgen auszuweichen, die sich aus der starken Beschränkung der Wiederaufnahme zuungunsten des Beschuldigten ergeben, oder, wie man auch sagen könnte, die Schranken des Wiederaufnahmerechts auf dem Wege einer einschränkenden Bestimmung der Rechtskraftverzehrwirkung entscheidend zu erweitern, indem die Beibringung neuer Tatsachen zwar keine Wiederaufnahme, wohl aber ein neues ergänzendes Strafverfahren ermöglicht69. Es fragt sich aber gerade, ob dies dem Sinn des geltenden Wiederaufnahmerechts mit seinem starken, ja vielleicht überstarken Schutz des abgeurteilten Angeklagten vor erneuter Verfolgung entspricht. Bei der schwierigen und heiklen Abwägung zwischen dem Interesse des Beschuldigten an Rechtssicherheit und Schutz vor erneuter Aburteilung und den Belangen der Allgemeinheit an Durchsetzung der „materiellen" Gerechtigkeit hat die StPO. unmißverständlich dem Interesse des Beschuldigten den Vorrang eingeräumt. Die Gesetzgebung des „Dritten Reiches" ging den umgekehrten Weg und schuf neben der Erweiterung der Wiederaufnahmevoraussetzungen zur weiteren Durchbrechung der Rechtskraft im Interesse der „materiellen" Gerechtigkeit die Einrichtungen der Nichtigkeitsbeschwerde und des außerordentlichen Einspruchs. Das Vereinheitlichungsgesetz v. 12. 9.1950 ist zur Strenge des ursprünglichen Rechts zurückgekehrt. Mit der Aufnahme des Satzes ne bis in idem in das GG. (Art. 103 Abs. 3) hat die Verfassung die hohe Bedeutung der Rechtskraftsperrwirkung für ein rechtsstaatliches Verfahren zum Ausdruck gebracht und ihrerseits eine Sperre gegen eine Verflüchtigung der Sperrwirkung errichten wollen. Das hindert den Prozeßgesetzgeber nicht, bei künftigen Reformen in Abwägung des Für und Wider Grenzkorrekturen vorzunehmen, und unter diesem Gesichtspunkt sind die wissenschaftlichen Auseinandersetzungen über die sinnvollste Bemessung des Umfanges der Verzehrwirkung wertvoll. Aber es hindert die Rechtsprechung, die Aufgabe des Gesetzgebers 68 Beim „Mundraub" handelt es sich auch nicht um ein „Polizeidelikt", um bloßes Ordnungsunrecht, sondern um Kriminalunrecht leichter Art. § 242 Abs. 2 StGB.-Entw. 1960 sieht deshalb die Erhöhung des Mundraubs zum Vergehen vor. 59 Über ähnliche Korrekturtendenzen beim Problem des nichtigen Urteils vgl. S. 151.
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übernehmend, aus Bedürfnissen des Einzelfalles eine ständige Rechtshandhabung grundsätzlich zu ändern. „Vielmehr tut es not, genau auf die gesetzliche Regelung, wie sie in der Wiederaufnahme des Verfahrens vorliegt und auf die allgemeine Wirkung im Rechtsleben, also darauf zu achten, daß nicht eine Ausnahme von dem . . . Grundsatz, indem sie einer einzelnen rechtskräftig abgeurteilten Sache zu einer anderen, der Forderung der Gerechtigkeit mehr genügenden Erledigung verhilft, den festen Grund, auf dem viele tausend rechtskräftige Urteile ruhen, in unerträglicher Weise erschüttere" ( N i e t h a m m e r in der 20. Auflage dieses Werkes S. 46). Die unbeschränkte Verzehrwirkung ist nur dem Strafurteil eigen, das auf Grund einer Hauptverhandlung erging, in der das Gericht in Anwendung des § 264 StPO. berechtigt und verpflichtet war, die Strafklage umzuwandeln, und das inhaltlich auf Grund eines Strafgesetzes zu der Frage Stellung nimmt, ob der Beschuldigte strafrechtlich verantwortlich zu machen sei (RGSt. 56 166; 70 216; 72 102; 76 388; 76 270) oder ob gegen den Zurechnungsunfähigen ein staatlicher Sicherungsanspruch bestehe (RGSt. 68 171, 384, 392; 69 170; BGHSt. 11 322; vgl. Anm. 6 a zu § 429 b). Ohne Bedeutung ist es, ob das Urteil auf öffentliche oder Privatklage erging (LG. Hamburg NJW. 1948 352) und ob es sich um die Entscheidung eines ordentlichen Gerichts oder eines Sondergerichts handelt. Auch ein auf Einstellung laufendes Urteil hat Verzehrwirkung, wenn es das Vorliegen eines unbehebbaren Hindernisses feststellt, das jedem weiteren Verfahren entgegensteht. Ein Urteil, das einstellt, weil eine Übertretung nach § 370 Nr. 6 StGB, vorliege und der erforderliche Strafantrag fehle, schließt, wenn der Antrag nicht mehr nachholbar ist, eine erneute Verfolgung unter dem Gesichtspunkt eines gemeinen, eines Strafantrages nicht bedürftigen Diebstahls aus. Nur b e s c h r ä n k t ist die Verzehrwirkung der rechtskräftigen Urteilssurrogate (Strafbefehl, Strafverfügung — vgl. Anm. 2, 3 zu § 410 — und Strafbescheid des Finanzamts im Steuerstrafverfahren). Eine beschränkte Verbrauchswirkung kommt auch gewissen gerichtlichen Beschlüssen (§§ 174 Abs. 2, 211) zu, während der Einstellungsbeschluß nach § 206a eine Sonderstellung einnimmt, indem er, wie ein Einstellungurteil nach § 260 Abs. 3, auf eine endgültige Erledigung des Verfahrens abzielt (BGHSt. 6 111; 8 383), aber einem neuen Verfahren nicht entgegensteht, wenn sich aus Tatsachen, die dem Gericht unbekannt geblieben waren, nachträglich ergibt, daß das angenommene Verfahrenshindernis nicht bestand, z. B. wenn bei einer Einstellung wegen fehlenden Strafantrags sich nachträglich herausstellt, daß ein Antrag rechtzeitig gestellt, dies aber dem Gericht nicht bekannt war (ebenso KleinknM Anm. 6b zu § 206a). Eine beschränkte Verzehrswirkung ist schließlich auch Akten von Verwaltungsbehörden außerhalb des Strafverfahrens beigelegt, nämlich dem Bußgeldbescheid der Verwaltungsbehörde (§ 65 Abs. 1 OWiG.) und der polizeilichen Verwarnung nach § 22 des Straßenverkehrsgesetzes (oben S. 54). K e i n e r l e i V e r b r a u c h s w i r k u n g kommt gerichtlichen Einstellungsbeschlüssen zu, die nur deklaratorisch den aktenmäßigen Abschluß des Verfahrens vermerken, z. B. wenn das Gericht das Verfahren „einstellt" (vgl. Anm. 3 zu § 411), weil nach vorangegangenem Strafbefehl auf Einspruch hin der Staatsanwalt nach § 411 die Klage fallen läßt (RGSt. 63 268) oder weil nach vorausgegangenem Strafbescheid der Beschuldigte gerichtliche Entscheidung beantragt und das Finanzamt gemäß § 464 RAbgO. den Strafbescheid zurückgenommen hat (RGSt. 61 100). Außer der negativ-prozessualen Bedeutung als Verfahrenshindernis maß früher die Rechtssprechung des RG. der Rechtskraft auch eine p o s i t i v - m a t e r i e l l r e c h t l i c h e Bedeutung bei: eine erneute Aburteilung sei auch deshalb ausgeschlossen, weil die strafrechtliche Schuld durch das rechtskräftige Urteil getilgt sei (RGSt. 25 29; 35 369ff; 41 153; 43 62 ; 49 170; 62 154; 66 423 ; 72 102). Diese im Schrifttum (vgl. z.B. E b S c h m i d t Lehrkomm. I Nr. 236ff. mit Nachweisen; H e n k e l 443; a. M. P e t e r s ZStrW. 68 (1956) 388 unter Berufung auf die „reinigende Kraft" der Verurteilung) überwiegend abgelehnte Lehre von der D o p p e l w i r k u n g der Rechtskraft entstand zu einer Zeit, als das Wesen der Prozeßvoraussetzungen als stets von Amtswegen zu berücksichtigender Verfahrenshindernisse noch nicht in voller Schärfe erkannt war, aus dem praktischen Bedürfnis heraus, die Verletzung des Satzes ne bis in idem auch dann als materiellrechtlichen Verstoß berücksichtigen zu können, wenn sie als Verfahrensverstoß nicht prozeßordnungsgemäß gerügt war oder — wie im Fall des früheren § 340 StPO. — die Revision nur auf bestimmte Verfahrensverstöße gestützt werden konnte. Nachdem sich die Erkenntnis von der Unberührtheit der Sache als einer stets von Amtswegen zu berücksichtigenden Verfahrensvoraussetzung durchgesetzt hat und überdies Art. 103 Abs. 3 GG. den Angeklagten
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B3 dagegen schützt, daß durch einfaches Gesetz die Sperrwirkung der Rechtskraft beiseite geschoben werden könnte (vgl. BGHSt. 5 323), hat die Lehre von der Doppelwirkung keine praktische Bedeutung mehr. Für den Verurteilten bedeutet der Satz ne bis in idem, daß er das rechtskräftige Urteil hinnehmen muß und eine weitere Nachprüfung seiner Richtigkeit außer auf dem Wege der Wiederaufnahme des Verfahrens nicht mehr herbeiführen kann. Widerspricht das Urteil der materiellen Rechtslage, so kann natürlich auch die Rechtskraft des Urteils, das den Angeklagten des Diebstahls zu Unrecht schuldig spricht, ihn nicht von Rechts wegen zum Dieb machen. Aber das richtige wie das unrichtige rechtskräftige Urteil gestaltet die Rechtslage, indem es den bisher nur der Tat Beschuldigten in die rechtliche Stellung eines Schuldiggesprochenen und Verurteilten versetzt ( P e t e r s 393ff.) und ihm daraus Kraft seiner Gesetzesunterworfenheit die Rechtspflicht erwächst, das Vollzugsleiden zu erdulden und sich auch sonst (etwa hinsichtlich des Strafvermerks im Strafregister) als Verurteilten behandeln zu lassen. Er könnte sich, wenn er sich bei Ergreifung zwecks Vollstreckung den Amtshandlungen der Vollstreckungsbeamten widersetzt, in dem Strafverfahren wegen Widerstands (§ 113 StGB.) nicht darauf berufen, daß er zu Unrecht verurteilt sei und seine Freiheit gegen rechtswidrige Angriffe verteidigt habe. Der Richter dürfte in eine Nachprüfung des Urteils nicht eintreten und zwar nicht deshalb, weil der Satz ne bis in idem entgegenstünde — er greift nicht ein, da es sich nicht um denselben Gegenstand handelt —• oder er an die Feststellung der Schuld oder die getroffenen tatsächlichen Feststellungen des früheren Urteils gebunden wäre — vgl. dazu Fußnote 49 auf S. 85 —, sondern weil er von der Gestaltungswirkung des früheren Urteils auszugehen hat, kraft derer der Verurteilte zur Erduldung des Vollzugs und die Vollstreckungsbeamten zur Durchführung des Urteils verpflichtet sind. Das Gesetz mutet auch dem zu Unrecht Verurteilten, dessen Unschuld infolge der Unzulänglichkeit menschlicher Erkenntnis bei der Aburteilung unerkannt blieb, im Interesse des Rechtsfriedens der Allgemeinheit zu, daß er sich dem Urteil gemäß behandeln lassen müsse und bürdet ihm die Rechtspflicht auf, die im Urteil verhängten Unrechtsfolgen zu erleiden. Stellt sich später bei einer Wiederaufnahme des Verfahrens die Unrichtigkeit des Urteils heraus, so wird der Verurteilte wegen des ihm durch die Strafvollstreckung entstandenen Schadens entschädigt (Ges. v. 20. 5.1898, RGBl. 345), aber nicht unter dem Gesichtspunkt, daß der durch einen objektiv rechtswidrigen Eingriff des Staates in die Rechtssphäre des Beschuldigten entstandene Schade wieder gutgemacht werde müßte — der Staat handelt auch objektiv nicht rechtswidrig, wenn er die niemals ganz ausgeschlossene, aber nach ordnungsmäßiger Durchführung des Verfahrens gering gewordene Möglichkeit eines Justizirrtums unberücksichtigt läßt — sondern unter dem Gesichtspunkt eines Aufopferungsanspruches dafür, daß der Staat dem Verurteilten im höheren Interesse der Allgemeinheit an der Verbrechensbekämpfung und der Sicherung des Rechtsfriedens zumutet und zumuten durfte, das Urteil an sich vollziehen zu lassen und das Rechtsgut seiner persönlichen Freiheit zu opfern. Grundsätzlich anders ist die — namentlich und mit Nachdruck von E b S c h m i d t a.a.O. Nr. 244f vertretene — Lehre, die dem unrichtigen Urteil jede rechtliche Kraft zur Veränderung der Rechtslage abspricht. Die Vollstreckung eines unrichtigen Urteils kann danach „nur eine rechtswidrige Rechtsgüterverletzung in der Rechtsspäre des Betroffenen bedeuten. Wer eingesperrt wird, weil ein unrichtiges rechtskräftiges Urteil über ihn, der nicht gestohlen hat, eine Diebstahlsstrafe von 6 Monaten Gefängnis verhängt hat, erleidet eine rechtswidrige Freiheitsberaubung". Die Vollstreckungsorgane, die pflichtgemäß das Urteil vollstrecken, handeln zwar, weil durch den Urteilsbefehl gedeckt, schuldlos, begehen danach aber objektiv Freiheitsberaubung. Die Folgerung freilich, daß der Verurteilte, wenn er die Vollstreckungshandlung unter Eingriff in Rechtsgüter der Vollstreckungsbeamten abzuwehren sucht, etwa den den Vollstrekkungshaftbefehl vollziehenden Polizeibeamten niederschießt, sich auf Notwehr berufen könnte, will auch E b S c h m i d t nicht ziehen. Indem der Gesetzgeber für die Beseitigung von Unrichtigkeiten der staatlichen Justizgewährungsakte die ordentlichen und außerordentlichen Rechtsbehelfe zur Verfügung stellt, gebe er deutlich zu erkennen, daß jede andere Art, gegen diese Justizgewährungsakte anzugehen, untersagt sei. „Dem staatlichen Urteilsvollstreckungbetrieb gegenüber greift § 53 StGB, nicht Platz". Das bedeutet aber doch, da ein anderer „Gerichtsbehelf" als die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht in Betracht kommt, nichts anderes, als daß der Verurteilte die Vollstreckung des Urteils zu erdulden verpflichtet ist, bis dem Urteil durch den rechtsgestaltenden Akt der Wiederaufnahmeanordnung (§ 370 Abs. 2) die Vollstreckbarkeit
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entzogen ist. Bis dahin kann sich weder der Verurteilte noch ein Dritter (etwa ein Begünstiger, der den Verurteilten der Vollstreckung zu entziehen sucht, § 257 StGB.) auf die „Rechtswidrigkeit" des unrichtigen Urteils berufen. Einer näheren Erörterung bedarf die Frage, welche Folgen sich ergeben, wenn das Verfahrenshindernis der rechtskräftig abgeurteilten Sache in dem neuen Verfahren u n b e m e r k t bleibt und auch das neue Verfahren mit einem rechtskräftigen Sachurteil endet. Eine im Schrifttum vertretene Auffassung will an die Verletzung des Art. 103 Abs. 3 GG. die Folge der Urteilsnichtigkeit knüpfen (vgl. E b S c h m i d t Lehrkomm. I Nr. 222; P e t e r s 408; H e n k e l 306). Zur Begründung beruft man sich dabei auch auf § 17 EGMilStGO. 1898: „Ist ein Angeklagter sowohl durch ein militärisches wie durch ein allgemeines Gericht in einer denselben Gegenstand betreffenden Strafsache abgeurteilt worden, so gilt das Urteil, das zuerst die Rechtskraft erlangt hat", und sieht darin einen Rechtssatz von allgemein gültiger Bedeutung. Indessen regelte diese Vorschrift in erster Linie die Folgen eines Überschreitens der Gerichtsbarkeit (vgl. Anm. 10 e zu § 13 GVG.) und kann schon deshalb nicht ohne weiteres zur Begründung des Satzes dienen, daß das spätere Urteil schlechthin unwirksam sei. Aber auch wenn man unterstellt, daß — über den Fall eines Überschreitens der Gerichtsbarkeit hinaus — in Ausnahmefällen ein formell rechtskräftiges Urteil wegen offenkundiger gröbster Gesetzesverletzungen nichtig (unwirksam) sein kann mit der Folge, daß jedermann zu jeder Zeit und in jeder Form die Unbeachtlichkeit des Urteils geltend machen kann (vgl. dazu S. 144 ff1.), fragt es sich, ob es sich bei dem Verstoß gegen den Satz ne bis in idem um einen Mangel von solcher Schwere handelt, daß die Aufrechterhaltung des späteren Urteils nach dem Geist der Rechtsordnung nicht erträglich wäre und ob die globale Annahme der Unwirksamkeit des späteren Urteils in allen Fällen eine gerechte und zweckmäßige Lösung darstellt. In anderem Zusammenhang (oben S. 75) ist der Fall behandelt, daß in d e m s e l b e n V e r f a h r e n die schon vorher eingetretene Rechtskraft oder Teilrechtskraft einer vorangegangenen Entscheidung unbemerkt blieb und nach Rechtsbehelf oder Rechtsmittel der spätere Richter sich erneut mit der res iudicata befaßt. Hier wird, wenn das spätere Urteil rechtskräftig wird, der Verstoß nicht einmal (für Dritte, Außenstehende) offenkundig, denn das spätere Urteil ändert die frühere Entscheidung ab und diese Abänderung beruht auf der in dem späteren Urteil (wenn auch u. U. nur stillschweigend) getroffenen, freilich unrichtigen Feststellung, daß die frühere Entscheidung infolge rechtzeitiger und wirksamer Anfechtung nicht rechtskräftig geworden sei. Und wenn gar die spätere Entscheidung die frühere zugunsten des Angeklagten änderte, so leuchtet nicht ein, daß die Gerechtigkeit und Unverbrüchlichkeit der Rechtsordnung unabdingbar fordern sollten, dem Angeklagten die, wenn auch per nefas gewonnene günstigere Position zu entziehen. Jedenfalls dann, wenn die erneute Aburteilung in demselben Verfahren erfolgt, ist von einer Nichtigkeit der späteren Entscheidung nicht zu sprechen (so auch BGHSt. 13 306; OLG. Bremen JZ. 1958 546 und Spendel in der Anm. dazu mit weiteren Nachweisen, ferner K l e i n k n M Einl. lOe — allerdings mit der bedenklichen Begründung, daß ein Verstoß gegen den Grundsatz ne bis in idem nicht vorliege —, während OLG. Oldenburg NJW. 1959 1983 unterscheiden will, ob es sich um einen offensichtlichen, aus dem Urteil ohne weiteres entnehmbaren Verstoß gegen den Satz ne bis in idem handele, der das Urteil nichtig mache, oder ob es an der Offensichtlichkeit fehle). Aber auch wenn das spätere Urteil in einem neuen, gegenüber dem früheren selbständigen Verfahren ergeht, kann keineswegs immer von einem groben offenkundigen und unerträgüchen Gesetzesverstoß gesprochen werden. Bliebe z. B. — vgl. das oben Seite 87 erörterte Schulbeispiel — in einem Verfahren wegen Mordes oder Totschlags unbemerkt, daß der Angeklagte früher wegen Schießens in gefährlicher Nähe von Gebäuden zu einer geringfügigen Übertretungsstrafe (durch Urteil auf Grund einer Hauptverhandlung) verurteilt war, so leuchtet schon vom Ergebnis her ein, daß das neue auf eine schwere Freiheitsstrafe lautende rechtskräftige Urteil nicht absolut nichtig sein kann mit der Folge, daß die Unbeachtlichkeit zu jeder Zeit und in jeder Form geltend gemacht werden dürfte und daß schon die Vollstreckungsbehörde von der Vollstreckung absehen könnte, wenn sie der Meinung ist, das spätere Urteil verstoße gegen das Verbot der Doppelbestrafung und sei nichtig. Angesichts der Schwierigkeit und Zweifelhaftigkeit der Frage, wie weit die Verzehrwirkung des ersten Urteils reicht, könnte von einem offenkundigen schweren Mangel des späteren Urteils, der ihm jeden Anspruch auf Geltung und Beachtung von vornherein entzöge, nicht die Rede sein. Andererseits gibt es freilich verhältnismäßig einfache Fälle, in denen klar zutage liegt, daß eine gesetzwidrige Doppelbestrafung erfolgte. Es kommt z. B. nicht selten vor, daß Strafanzeigen wegen der gleichen Tat (insbesondere bei fortgesetzter
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B 3 Handlung oder Dauerdelikten) von verschiedenen Stellen bei zwei verschiedenen Staatsanwaltschaften eingehen und jede Staatsanwaltschaft, ohne von der anderen zu wissen, bei dem jeweils zuständigen Gericht einen Strafbefehl erwirkt, die der Beschuldigte beide rechtskräftig werden läßt. Die preußische Gnadenpraxis (vgl. G r a u - S c h ä f e r , Preuß. Gnadenrecht [1931] S. 126) ging früher davon aus, daß beide Strafbefehle wirksam seien und Abhilfe nur im Gnadenweg zu schaffen sei, wobei z. T. aus Billigkeitsgründen nicht ohne weiteres die später festgesetzte, sondern die schwerere der beiden Strafen erlassen wurde. Den doppelt Verurteilten an die Gnade zu verweisen, wäre aber keine rechtsstaatlichen Anforderungen und der Bedeutung des Art. 103 Abs. 3 GG. Rechnung tragende Lösung. Als eine solche schlug — ebenfalls von der Vorstellung ausgehend, daß beide rechtskräftigen Straferkenntnisse wirksam nebeneinander bestehen — Art. 70 Nr. 196 EGStGB. = Entw. 1930 die Einfügung eines § 360 a StPO. vor, wonach im Fall der Doppelverurteilung die Beseitigung des späteren Urteils oder Strafbefehls im Weg der Wiederaufnahme des Verfahrens erfolgen sollte. Dieser Weg ist, ohne daß es einer solchen Ergänzung der StPO. bedürfte, heute ohne weiteres gangbar. Denn die Beschränkungen in § 359 Nr. 6 a. F. StPO. (Ausschluß von Tatsachen, die der Verurteilte im früheren Verfahren kannte und geltend machen konnte), die früher einer Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Verurteilten in solchen Fällen in amtsgerichtlichen Sachen entgegenstanden, sind jetzt weggefallen und einer Freisprechung i. S. des § 359 Nr. 5 entspricht auch die Einstellung des späteren Verfahrens wegen des Verfahrenshindernisses der rechtskräftigen Verurteilung (vgl. die Anm. zu § 369). Steht aber zur Beseitigung eines Urteils der Weg der Wiederaufnahme zur Verfügung, so ergibt sich grundsätzlich schon daraus, daß nach dem Willen der Rechtsordnung nur dieser Weg beschreitbar ist und eine ipso iureNichtigkeit des Urteils entfällt. Ist dies richtig, so kommt auch der — als Ausweg vorgeschlagene — Weg einer Anrufung des Vollstreckungsgerichts nach § 458 nicht in Betracht. Zur Verneinung der Urteilsnichtigkeit führt schließlich auch die Erwägung, daß nach Erschöpfung der prozeßordnungsmäßigen Abhilfemöglichkeiten die Verletzung des Art. 103 Abs. 3 GG. mit der Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht geltend gemacht werden kann (§ 90 BVerfGG.). Erweist sie sich als begründet, so hebt nach § 95 Abs. 2 BVerfGG. das BVerfG. die auf dem Verstoß beruhende Entscheidung auf. Auch hier folgt daraus, daß die Rechtsordnung zur Behebung des Mangels einen förmlichen und fristgebundenen (§ 93 Abs. 1 BVerfGG.) Weg eröffnet hat, daß nach der Vorstellung des Gesetzgebers der Mangel nicht die ipso iure = Nichtigkeit bewirkt. B. Einzelheiten. a) Der Strafklageverbrauch setzt Identität der Tat nnd des Täters voraus. Hierzu ist in grundsätzlicher Hinsicht — wegen der Einzelheiten sei auf die Anm. zu § 264 und auf die Vorbem. vor §161 verwiesen — dem bereits unter A Ausgeführten folgendes ergänzend hinzuzufügen: aa) N ä m l i c h k e i t d e s s e n , der v e r f o l g t w i r d —. Es versteht sich von selbst, daß eine zum Verbrauch der Strafklage geeignete Entscheidung diese immer nur gegenüber demjenigen verbraucht, über den sie entschieden hat. Ist A wegen einer von ihm allein begangenen Straftat rechtskräftig verurteilt worden, so bleibt es jederzeit zulässig, ein Strafverfahren gegen B zu betreiben, weil er der alleinige Täter sei; das setzt nicht voraus, daß zuvor die Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des rechtskräftig Angeklagten in Angriff genommen werde. Ist A des schweren Diebstahls angeklagt, sieht aber das Gericht nur Mundraub als gegeben an, der wegen fehlenden Strafantrages und Verjährung nicht bestraft werden kann, so kann doch trotz des Freispruchs des A jederzeit gegen B als Mittäter eines schweren Diebstahls oder gegen C und D wegen Anstiftung oder Beihilfe zum schweren Diebstahl vorgegangen werden. Eine andere Frage ist, gegen wen entschieden ist, wenn Anklage und Eröffnungsbeschluß sich gegen A richten, in der Hauptverhandlung aber B erscheint und vorgibt, der A zu sein, und eine rechtskräftige Verurteilung erfolgt, ohne daß die Täuschung erkannt wird. Kann also z. B. wenn A nur wegen Beihilfe angeklagt war und das Urteil auf eine milde Strafe lautet, der an Stelle des A erschienene Haupttäter B in einem künftig gegen ihn wegen der Täterschaft betriebenen Verfahren sich auf die Rechtskraft des Urteils berufen, weil es nur vermeintlich gegen A, tatsächlich aber gegen ihn ergangen sei? Die Auffassungen gehen auseinander. Nach der einen Meinung richtet sich das Urteil gegen denjenigen, gegen den das Verfahren durch Anklageerhebung und Eröffnungsbeschluß rechtshängig geworden ist, also gegen A (so LG. Lüneburg
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MDR. 1949 768). Nach anderer Auffassung trifft das Urteil den, der tatsächlich vor Gericht gestanden hat, also B; wird das Urteil formell rechtskräftig, so erlangt es auch materielle Rechtskraft und es bleibt nur der Weg der Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn dessen Voraussetzungen vorliegen (so L u c a s - D ü r r 243, 359). Nach einer dritten Auffassung ist das Urteil „unbeachtlich", also nichtig (so E b S c h m i d t Lehrkomm. I Nr. 252; KleinknM Einl. 14 B Ie), weil es sich gegen eine Person richtet, die gar nicht (durch Anklage und Eröffnungsbeschluß) in das Verfahren gezogen war. Den Vorzug dürfte die erstere Auffassung verdienen. Das Verfahren war gegen A rechtshängig geworden, über seine Schuld wollte das Gericht entscheiden. Wenn tatsächlich in seiner Abwesenheit entschieden wurde, so fehlte es für das Verfahren an einer Verfahrensvoraussetzung (der Anwesenheit des Angeklagten, s. S. 102) und es wurde der Grundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG.) verletzt. Die Nichtbeachtung der Prozeßvoraussetzung wird aber, wenn das Urteil unangefochten bleibt, durch die Rechtskraft geheilt. A kann, wenn er sich durch das Urteil benachteiligt fühlt, ggbf. Verfassungsbeschwerde wegen Versagung des rechtlichen Gehörs mit dem Ziel der Aufhebung des Urteils einlegen (§§ 90, 95 BVerfGG.). bb) N ä m l i c h k e i t der T a t , d e r e t w e g e n v e r f o l g t wird. — Wie oben (S. 86) ausgeführt, umfaßt die abgeurteilte „Tat" das den Gegenstand der Anklage bildende geschichtliche Vorkommnis in dem Umfang, als es sich um einen nach natürlicher Betrachtung einheitlichen Lebensvorgang handelt. Jede Aburteilung (Verurteilung, Freispruch, Absehen von Strafe, endgültige Einstellung) einer Beteiligung (im weitesten Sinne) an dem einheitlichen Lebensvorgang bewirkt, daß der Betroffene auch nicht wegen einer anderen tatsächlichen oder rechtlichen Beteiligung an diesem Lebensvorgang in einem neuen Verfahren zur Verantwortung gezogen werden kann, wenn es bei der früheren Aburteilung rechtlich möglich (zulässig) war, auch diese Form der Beteiligung strafklageumgestaltend (ggbf. durch Verweisung nach § 270) in die Aburteilung einzubeziehen. Es schließt demgemäß die Aburteilung als Anstifter oder Gehilfe eine spätere Verfolgung als Haupttäter aus. Das gleiche gilt aber auch für Formen der Beteiligung, die der Haupttat vorangehen oder nachfolgen. So verhindert der Freispruch von der Anklage der Nichtanzeige eines geplanten Verbrechens (§ 138 StGB.) die spätere Verfolgung wegen Täterschaft des Verbrechens selbst oder der Teilnahme daran (RGSt. 21 78; a. M. P e t e r s 401), wie umgekehrt auch der Freispruch von der Anklage des Mordes einer späteren Verfolgung wegen Nichtanzeige des Mordes entgegensteht (RGSt. 14 78). Ebenso wird durch die Aburteilung der Begünstigung oder Hehlerei die Strafklage auch bzgl. der Vortat verbraucht, wie umgekehrt der Freispruch von der Anklage des Diebstahls einer späteren Aburteilung als Hehler entgegensteht (RGSt. 65 187). Es ist für den Umfang der Verzehrwirkung der Rechtskraft stets ohne Bedeutung, ob das rechtskräftige Urteil ein tatsächliches Stück der Tat außer Acht gelassen, oder ob es eine mögliche rechtliche Würdigung nicht angestellt hat. Es darf also z. B. gegen denjenigen, der von der Beschuldigung eines Betrugs freigesprochen worden ist, der darin liegen sollte, daß er bei der Versicherungsgesellschaft Sachen, die nicht verbrannt sind, als verbrannt angegeben habe, später nicht wegen des Betrugs vorgegangen werden, den er damals zugleich verübt habe, indem er einer Rechtspflicht zuwider verschwieg, den Brand schuldhaft verursacht zu haben (RG. HRR. 1936 Nr.651). Ohne Bedeutung ist es auch, ob der Staatsanwaltschaft und dem Gericht daraus, daß der Vorgang nicht in dem rechtlich zulässigen Umfang zum Gegenstand der Untersuchung und Entscheidung gemacht wurde, ein Vorwurf erwächst oder nicht. Nur dann greift — und zwar auch bei Gesetzesverletzungen, die mit der abgeurteilten Tat in Tateinheit stehen — der Verbrauch der Strafklage nicht durch, wenn im früheren Verfahren die Verfolgung der Tat in einer bestimmten Richtung dem Gericht aus irgend einem Grund von R e c h t s wegen verwehrt war, etwa, weil die Gerichtsbarkeit insoweit fehlte oder die Bedingung eines Auslieferungsvertrages entgegenstand oder der erforderliche Strafantrag noch nicht vorlag; dann ist für ein neues Verfahren zu dem Zwecke Raum, um die schon abgeurteilte Tat nachträglich daraufhin zu prüfen, ob der Angeklagte auch in der bisher der Prüfung verschlossenen Richtung gefehlt habe und die sich hieraus ergebende Rechtsfolge tragen müsse (RGSt. 46 367; 56 166). Dagegen wird die Verzehrwirkung nicht dadurch ausgeschlossen, daß das Gericht in Verkennung der Rechtslage Tatteile des einheitlichen Lebensvorganges von der Aburteilung ausgenommen hat, z. B. in der Annahme, es liege Tatmehrheit vor, das Verfahren z. T. abgetrennt hat, während bei richtiger rechtlicher Beurteilung Tateinheit gegeben ist. Ein solcher Fehler zwingt, wenn nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, nicht zur Aufhebung des Urteils zwecks Ergänzung des Schuldspruchs, wenn prozeßökonomische Gründe (bei einer umfang-
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Kap. 10
Einleitung (Schäfer)
BB reichen Sache) es erträglich erscheinen lassen, daß die nicht gewürdigten Gesetzesverletzungen im Schuldspruch außer Betracht bleiben, zumal wenn wegen des Verbots der reformatio in peius am Strafausspruch nichts geändert würde (BGHSt. 10 363). Einer besonderen Betrachtung bedürfen die Fälle der fortgesetzten Handlung, des Sammelverbrechens und der Dauerstraftat. oc) Wird eine Mehrheit von Willensbetätigungen wegen des auf der Einheit des verletzten Rechtsguts, der Gleichartigkeit der Begehungsform und der Einheitlichkeit des Vorsatzes beruhenden Zusammenhangs zu einer f o r t g e s e t z t e n H a n d l u n g im Sinne des sachlichen Rechts zusammengefaßt, so erledigt das Urteil, das den Angeklagten wegen einer im Fortsetzungszusammenhang begangenen Gesetzesverletzung verurteilt, sobald es rechtskräftig wird, alle vor der Verkündigung des Urteils begangenen, in den Fortsetzungszusammenhang gehörigen Einzelhandlungen, gleichviel, ob das erkennende Gericht sie berücksichtigt hat oder nicht, ob es sie kannte oder nicht, ob es Anlaß und Gelegenheit, sich Kenntnis von ihnen zu verschaffen, hatte oder nicht (RGSt. 66 60), ob die Einzelakte sich gegen im Verfahren bekannt gewordene oder auch gegen unbekannt gebliebene Verletzte richten (RGSt. 51, 254; a. M. P e t e r s 401) und ob die Zahl der bekannt gewordenen Einzelhandlungen nur einen kleinen Bruchteil der tatsächlich begangenen Einzelhandlungen bildet, sodaß die erkannte Strafe außer Verhältnis zur Schwere der Tat steht (BGHSt. 6 122: Verurteilung wegen fortgesetzten Betruges auf Grund von 7 Einzelhandlungen, während nachträglich 226 weitere bekannt wurden). Die Strafklage ist dann auch wegen einer Straftat verbraucht, die nur mit einer der Einzelhandlungen in Tateinheit zusammentrifft (RG. HRR. 1939 Nr. 212). Zwar ist mit der neueren Rechtsprechung davon auszugehen, daß, wenn zwischen einem Einzelakt und einem schwereren Delikt Tateinheit besteht, dadurch nicht Tateinheit zwischen dem schwereren Delikt und der Fortsetzungstat hergestellt wird, vielmehr insoweit selbständige Handlungen vorliegen. Das ändert aber verfahrensrechtlich nichts daran, daß wegen der Einheitlichkeit des Lebensvorganges die rechtskräftige Aburteilung des fortgesetzten Delikts einer späteren Verfolgung des vorher nicht bekannten schwereren Delikts entgegensteht (BGHSt. 6 92 gegen BGHSt. 3 165). Da aber die Urteilsfällung den Gegenstand der Urteilsfindung z e i t l i c h so begrenzt, daß alles, was nach der Verkündung des letzten tatrichterlichen Urteils geschieht, von diesem nicht erfaßt, durch dieses nicht erledigt wird, sondern einer künftigen Strafverfolgung zugänglich bleibt, so müssen Einzelhandlungen, die der Täter nach der Urteilsfällung begeht, auch dann im Verhältnis zum Vorangegangenen als selbständige Taten gelten, wenn sie, vom Rechtsbegriff der fortgesetzten Handlung aus betrachtet, als unselbständige Glieder der vom Urteil ergriffenen Tat anzusehen wären (RGSt. 66 47). In Fällen dieser Art begrenzt, wenn das Urteil des ersten Rechtszuges mit der Berufung angefochten worden ist, das Urteil des Berufungsgerichts den Fortsetzungszusammenhang, weil dieses Gericht berechtigt und verpflichtet ist, seine Entscheidung nicht nur auf alles das zu erstrecken, was vom angefochtenen Urteil im Rahmen des § 264 bei erschöpfender tatsächlicher und rechtlicher Würdigung als die unter Anklage gestellte Tat zu erfassen gewesen wäre, sondern darüber hinaus auch noch auf die begrifflich zu dieser Tat gehörigen, erst nach Verkündung des angefochtenen Urteils begangenen Einzelakte (RGSt. €6 48). In diesem Fall wie auch bei Zurückverweisung durch die Revisionsinstanz erfordert es, wenn der Angeklagte das Rechtsmittel eingelegt hat, die Gerechtigkeit, daß das Verbot der reformatio in peius in dem Umfange entfällt, als es zur Abgeltung der nach dem ersten Urteil begangenen Einzelhandlungen erforderlich ist (BGHSt. 9 324 = JZ. 1957 479 mit abl. Anm. von P e t e r s ) . Nach den zuvor dargelegten Grundsätzen muß das Gericht im neuen Verfahren s e l b s t ä n d i g prüfen, ob die Straf klage durch ein früheres Urteil verbraucht ist, das wegen einer fortgesetzten Tat verurteilt, aber die jetzt abzuurteilende Handlung nicht gekannt und deshalb nicht erwogen hat, ob auch sie in den Fortsetzungszusammenhang falle (BGH. JZ. 1961 426). Verzehrwirkung für die nicht gewürdigten Einzelhandlungen hat aber nur die verurteilende Entscheidung; der F r e i s p r u c h v o n d e r A n k l a g e d e r f o r t g e s e t z t e n H a n d l u n g beschränkt aus Gründen der Gerechtigkeit seine Wirkung auf die gewürdigten, nicht auf die unbekannt gebliebenen Einzelhandlungen (RGSt. 66 26; K l e i n k n M Einl. 14 B If). Darin liegt — gegen B e l i n g 267; E b S c h m i d t Lehrkomm. I Nr. 262 — auch keine Inkonsequenz. Denn zum Freispruch genügt, wenn ein Merkmal des inneren oder äußeren Tatbestandes zu verneinen ist, und das kann bei den untersuchten Einzelfällen zutreffen, ohne daß es auch für die unbekannt
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gebliebenen gelten müßte. Der Begriff der fortgesetzten Handlung aber ist kein apriorisch gegebener, sondern seine materiellrechtliche Begrenzung und verfahrensrechtliche Behandlung ist nach den Grundsätzen der Gerechtigkeit und Prozeßökonomie gestaltbar. Für den Verbrauch der Strafklage in B a n k r o t t s a c h e n kam das RG. zu Ergebnissen, die mit den beim Fortsetzungszusammenhang maßgeblichen Grundsätzen in weitem Umfang übereinstimmten, indem es annahm, daß dieselbe Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung äußerlich und innerlich getrennte Handlungen, auch sofern sie gegen verschiedene Strafgesetze verstoßen, zu einer Einheit vereinige (RGSt. 66 91, 269; 67 63). BGHSt. 1190; 3 26 hat sich aber mit Recht von dieser Auffassung abgewandt, da der Umstand, daß die Zahlungseinstellung oder Konkurseröffnung als objektive Bedingung der Strafbarkeit gleichmäßig zur Verwirklichung des Tatbestandes der mehreren Delikte erforderlich ist, nicht ausreicht, zeitlich getrennte selbständige Handlungen zu einer rechtlichen Einheit zu verbinden. Im übrigen war auch hier schon vorher anerkannt, daß die Strafklage nicht verbraucht ist, wenn der Gemeinschuldner nach der Aburteilung mit Bezug auf denselben Konkurs eine neue Bankrotthandlung begeht (RGSt. 71 375). ß) Das RG. hatte früher angenommen, daß in den Fällen, in denen die g e w e r b s - , g e w o h n h e i t s - , b e r u f s - o d e r g e s c h ä f t s m ä ß i g e Begehung ein strafbegründendes oder strafschärfendes Tatbestandsmerkmal bildet, die mehreren dieses Merkmal erfüllenden Einzelhandlungen materiell- und verfahrensrechtlich eine Einheit (ein Sammel- oder Kollektivverbrechen) bildeten mit der Folge, daß die Strafe des Gesamtverbrechens nur einmal verwirkt sei und daß die Aburteilung alle bis zum Tage des tatrichterlichen Urteils geschehenen Einzelfälle decke, daß also die abermalige Strafverfolgung wegen später ermittelter Verfehlungen unzulässig sei (RGSt. 68 298). Diese Rechtsprechung, die zu einer kriminalpolitisch nicht vertretbaren Schwächung der Verbrechensbekämpfung führte, hat das RG. vom Jahre 1938 ab allgemein aufgegeben und ausgesprochen, daß die einzelnen Tatbestandsverwirklichungen die Eigenschaft selbständiger Handlungen dadurch nicht verlieren, daß sie gewerbs-, gewohnheits- oder geschäftsmäßig begangen werden (RGSt. 72 164, 257, 285, 401, 313; 77 16, 98, 329). Die spätere Rechtsprechung hat daran festgehalten (BGHSt. 1 42; BayObLG. MDR. 1956 119). Demnach hindert die Rechtskraft eines StrafurteiJs, das den Angeklagten einer solchen Straftat für schuldig erkannt hat, nicht, daß er wegen eines weiteren Falls derselben Straftat verfolgt wird, die er vor dem früheren Urteil in derselben inneren Verfassung wie die abgeurteilte Tat begangen hat. Die Änderung der Rechtsprechung ist im Schrifttum überwiegend gebilligt worden, hat aber auch Widerspruch hervorgerufen. Man hat auf die Nachteile hingewiesen, die aus ihr insofern erwachsen können, als bei Verbrechen (vgl. § 260 StGB., gewerbsmäßige Hehlerei) die Staatsanwaltschaft den Gesamtkomplex bis in die letzten Einzelheiten ermitteln müsse und keine irgendwie in Betracht kommende Einzelhandlung unerörtert lassen dürfe (so E b S c h m i d t Lehrkomm. I Nr. 265), als es ferner nicht mehr möglich sei, Einzelfälle einer gewerbs-, gewohnheits- oder geschäftsmäßig begangenen Straftat, die erst im Laufe des Hauptverfahrens bekannt werden, ohne weiteres als unselbständige Teile der in der Anklage bezeichneten Tat zum Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung zu machen, und als die Gefahr bestehe, daß zeitlich weit zurückliegende Einzelhandlungen in Rücksicht auf ihre Selbständigkeit wegen Verjährung nicht mehr verfolgt werden können, während sie der Verfolgung zugänglich geblieben wären, wenn die Verjährung ihnen gegenüber erst mit dem Abschluß der letzten im Sammelverbrechen vereinigten verbrecherischen Tätigkeit des Schuldigen begonnen hätte. Man hat ferner eingewandt (so P e t e r s 402), es wäre richtiger, statt die Sammelstraftat in selbständige Einzeltaten aufzulösen, die Rechtskraft zu lockern und eine Nachtrags- oder Ergänzungsklage wegen der im früheren rechtskräftigen Urteil nicht berücksichtigten Einzelfälle zuzulassen. Dem gegenüber ist folgendes zu bemerken: Auch bei Verbrechen ermöglicht §154 StPO. eine Beschränkung des Prozeßstoffs durch Einstellung bzgl. solcher Einzelfälle, die für die Strafzumessung nicht ins Gewicht fallen; der in dem Entw. der StPO.-Novelle 1960 vorgeschlagene § 154a StPO. (oben S. 37) will diese Möglichkeiten noch erweitern. Im übrigen mag das auf der rechtlichen Selbständigkeit der Einzelhandlungen beruhende Erfordernis einer besonderen Anklage und eines besonderen Eröffnungsbeschlusses allerdings, wenn eine Tat ermittelt wird, während das Hauptverfahren wegen einer anderen Tat schon im Lauf ist, hin und wieder dazu führen, daß eine Hauptverhandlung auf kurze Zeit ausgesetzt werden muß. Doch betrifft dieser Nachteil nur den Gang des Verfahrens, dagegen nicht die Erledigung der Sache und hat angesichts des schweren Nachteils, dem abzuhelfen war, nichts zu bedeuten. Die Fälle, in denen Einzelhandlungen einer früheren 7
L ö w e - R o s e n b e r g , StPO. 21. Aufl.
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Kap. 10
Einleitung (Schäfer)
B 4 Verjährung dadurch unterliegen, daß sie nicht mehr mit anderen zu einer Tat zusammengefaßt werden können, sind bei der langen Dauer der hier in Betracht kommenden Verjährungsfristen selten. Jedenfalls wiegt der Nachteil, der insoweit hingenommen worden ist, weit weniger schwer als der behobene Nachteil. Eine die Grenzen des § 266 StPO. überschreitende Nachtrags- oder Ergänzungsklage aber wäre ihrem Wesen nach als ein mit neuen Tatsachen und Beweismitteln begründeter Antrag des Staatsanwalts auf Wiederaufnahme des durch rechtskräftiges Urteil geschlossenen Verfahrens zum Zweck einer wesentlich strengeren Ahndung gekennzeichnet. Der Gesetzgeber hat ein solches Verfahren bewußt ausgeschlossen. •y) Eine D a u e r s t r a f t a t liegt vor, wenn der gesetzliche Tatbestand durch eine schuldhafte Willensbetätigung — Handlung oder Unterlassung — erfüllt wird, die ununterbrochen während eines gewissen Zeitraums fortdauert. Hier gilt, wie bei der Fortsetzungstat, der Grundsatz, daß das Urteil nur das vor der Aburteilung liegende Verhalten erfaßt und bei Aufrechterhaltung der Dauerstraftat über den Zeitpunkt der letzten Tatsacheninstanz hinaus eine neue Straftat vorhegt, deren Verfolgung die Rechtskraft des vorangegangenen Urteils nicht entgegensteht (vgl. dazu BayObLG. NJW. 1958 110); das gilt auch, wenn das vorangegangene Urteil auf Freispruch lautet (BayObLG. DRZ. 1932 Nr. 763). b) Die Verbrauchswirkung der Rechtskraft des im Strafverfahren ergangenen Urteils hinsichtlich der Durchführung eines selbständigen Sicherungsverfahrens (§§429 äff. StPO.) und der Rechtskraft des im selbständigen Sicherungsverfahrens ergangenen Urteils für den Strafwie für den Sicherungsanspruch ist in Anm. 6 zu §429 eingehend erörtert; darauf kann hier verwiesen werden. c) Verbrauch der Strafklage im Rechtsmittelzug. Für die Rechtsmittelgerichte ergibt sich die Unzulässigkeit des weiteren Verfahrens auch dann, wenn das andere von ihnen zu berücksichtigende Urteil erst nach der Verkündung des ihrer Prüfung unterworfenen Urteils in Rechtskraft erwachsen ist (RGSt. 30 341; 49 170). Im übrigen legt die Pflicht, von Amts wegen zu prüfen, ob das Vorhandensein einer dieselbe Sache betreffenden rechtskräftigen Entscheidung dem Fortgang des Verfahrens entgegensteht, den Rechtsmittelgerichten vornehmlich auch die Erörterung der Frage nach der Wirksamkeit des Rechtsmittels auf (vgl. oben S. 75). Die R e c h t s m i t t e l b e s c h r ä n k u n g hat, wenn sie wirksam ist, zur Folge, daß das Urteil insoweit rechtskräftig wird, als der Beschwerdeführer von der Anfechtung rechtlich abtrennbarer Teile Abstand genommen hat. Es liegt Teilrechtskraft vor. Daher müssen die Rechtsmittelgerichte auch von Amts wegen prüfen, ob und inwieweit Teilrechtskraft die weitere Untersuchung und Entscheidung verwehre (RGSt. 62 13; 63 344; 64 20, 152; ferner Fußnote 49 auf S. 86). Teilrechtskraft kann auch dadurch eintreten, daß das Revisionsgericht der uneingeschränkt eingelegten Revision nur zum Teil stattgibt, im übrigen aber das Urteil bestätigt. Übrigens kann ein Rechtsmittel auch in der Art beschränkt werden, daß der Beschwerdeführer nur den Einwand der rechtskräftig entschiedenen Sache erhebt (RGSt. 83 22; 40 274). 4. Niederschlagung. Wie in den Vorbem. 9ff vor § 12 GVG. eingehend dargestellt ist, kann durch Bundesgesetz (Straffreiheitsgesetz) mit Wirkung für alle Strafjustizorgane der Bundesrepublik die Niederschlagung anhängiger ( = noch nicht rechtskräftig abgeschlossener) Strafverfahren unter generell bestimmten Voraussetzungen angeordnet werden. In gleicher Weise kann der Landesgesetzgeber im Rahmen seiner Gnadenzuständigkeit und soweit das Landesverfassungsrecht es zuläßt, durch Landesgesetz unter generell bestimmten Voraussetzungen Strafverfahren niederschlagen. Sind nach den §§ 7 ff StPO. die Gerichte mehrerer Länder zur Verfolgung derselben Straftat zuständig, so wirkt eine solche Maßnahme, wenn ein Gericht des niederschlagenden Landes zuerst die Untersuchung eröffnet hat und dadurch gemäß § 12 StPO. ausschließlich zuständig geworden ist, dahin, daß auch die Strafjustizorgane der anderen Länder die Sache nicht verfolgen dürfen; dagegen ist sie außerhalb des eigenen Landes ohne Bedeutung, wenn sie angeordnet wird, bevor ein einheimisches Gericht gemäß § 12 ausschließlich zuständig geworden ist oder nachdem die ausschließliche Zuständigkeit eines Gerichts eines anderen Landes begründet war (näheres Vorbem. 16 c vor § 12 GVG.). Schließlich kommt noch die Möglichkeit in Betracht, daß ein einzelnes bestimmtes Verfahren durch Einzelgnadenerweis des zuständigen Inhabers des Gnadenrechts niedergeschlagen wird (Abolition); diese Möglichkeit ist praktisch ohne Bedeutung, da Art. 60 GG.
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Die Verfahrensvoraussetzungen (Verfahrenshindernisse)
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kein Niederschlagungsrecht des Bundespräsidenten bei den in die Gnadenzuständigkeit des Bundes fallenden Strafsachen kennt und auch in den Ländern eine Niederschlagung durch Einzelgnadenerweis im allgemeinen ausgeschlossen ist (Vorbem. 16c vor § 12 GVG.). In allen Fällen hat die Niederschlagung einen D o p p e l c h a r a k t e r : materiellrechtlich bildet sie einen persönlichen Strafaufhebungsgrund, verfahrensrechtlich wirkt sie sich als Verfahrenshindernis aus, das in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten ist (RGSt. 69 126; BGHSt. 8 136; 4 289). Nach früherer Auffassung beendete die Niederschlagung kraft Gesetzes die Rechtshängigkeit des Verfahrens und in der gerichtlichen Einstellungsentscheidung wurde lediglich der deklaratorische, das Verfahren aktenmäßig abschließende Ausspruch erblickt, daß das Verfahren kraft Gesetzes sein Ende gefunden habe. Daraus wurde gefolgert, daß das Gericht ao diese Entscheidung nicht gebunden sei, sondern das Verfahren fortsetzen könne, wenn es später erkenne, daß es infolge eines tatsächlichen oder rechtlichen Irrtums zu Unrecht die Niederschlagung als eingetreten angesehen habe (so RGSt. 64 11; 67 236, 385; 69 126). Diese Auffassung ermöglichte zwar, die meist sehr zahlreichen Fälle, in denen die Anwendbarkeit des Straffreiheitsgesetzes in Frage stand, rasch auf Grund einer vielfach summarischen Aufklärung zu erledigen, ohne den Verlust des Strafanspruchs als Folge einer vorschnellen Beurteilung befürchten zu müssen, trug aber dem berechtigten Verlangen des Beschuldigten nach Rechtssicherheit nicht Rechnung. Sie ist durch die Entwicklung der neueren Amnestiegesetzgebung überholt. So sah z. B. das die Entwicklung zunächst abschließende Straffreiheitsgesetz v. 17. 7. 1964 (BGBl. I 403) die Möglichkeit vor, schon im vorbereitenden Verfahren, aber auch im Stadium zwischen Anklageerhebung und Eröffnungsbeschluß durch gerichtlichen, mit befristetem Rechtsmittel anfechtbaren Beschluß über das Vorliegen der Amnestievoraussetzungen zu entscheiden und legte einem unanfechtbaren Einstellungsbeschluß die Wirkung bei, daß wegen der Tat nur auf Grund neuer Tatsachen oder Beweismittel Anklage erhoben werden könne (§ 16 Abs. 3). Daraus folgt, daß ein Einstellungsurteil, das die Anwendbarkeit einer Amnestie bejaht, in gleicher Weise den Strafanspruch verbraucht wie jedes andere Urteil, das das Verfahren wegen eines endgültigen, unbehebbaren Verfahrenshindernisses einstellt (BGHSt. 10 115; vgl. oben S. 91). Dagegen würde ein die Amnestievoraussetzungen v e r n e i n e n d e r formell unanfechtbarer Gerichtsbeschluß das erkennende Gericht nicht binden und nicht von der Pflicht befreien, von Amts wegen und unter Benutzung aller Erkenntnisquellen nach den Grundsätzen des Freibeweises selbständig zu prüfen, ob das Verfahrenshindernis der Niederschlagung vorliegt. Das Verfahren, auch eine Hauptverhandlung, ist nur solange fortzusetzen, bis beurteilt werden kann, ob die Voraussetzungen der Straffreiheit vorliegen; wird dies bejaht, so hat das Urteil weder im Spruch noch in den Gründen eine Schuldfeststellung zu treffen, sondern in den Gründen den Sachverhalt nur soweit darzulegen, als es zur Beurteilung der Straffreiheit erforderlich ist (BGHSt. 10 113). Die Einstellung durch Urteil entfällt, wenn nach durchgeführter Hauptverhandlung die Voraussetzungen eines Freispruchs gegeben sind (RGSt. 70 193; BGHSt. 13 272). Auch kann nach den neueren Amnestiegesetzen der Beschuldigte durch Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens das Verfahrenshindernis der Niederschlagung zunächst beiseite schieben, während der durch Beleidigung, üble Nachrede oder Verleumdung Verletzte trotz Einstellung die Weiterführung des Verfahrens mit dem Ziele einer Feststellung der Unwahrheit oder Haltlosigkeit der von dem Beschuldigten aufgestellten oder verbreiteten Behauptung tatsächlicher Art verlangen kann (vgl. S. 61). Wegen der gerade bei der Niederschlagung besonders bedeutsamen Frage nach der Anwendbarkeit des Grundsatzes in dubio pro reo vgl. oben S. 76. 5. Verjährung. Über das Wesen der hier allein interessierenden V e r f o l g u n g s v e r j ä h r u n g herrscht ein bis heute unausgetragener Streit, der darum geht, ob die Verjährung nur dem materiellen Strafrecht (Erlöschen des staatlichen Strafanspruchs) oder nur dem Verfahrensrecht (Verfahrenshindernis) angehöre oder ob sie einen Doppelcharakter habe und sowohl materiellrechtliche wie verfahrensrechtliche Züge aufweise. Auf diese Streitfrage ist hier nur kurz einzugehen. Die Rechtsprechung empfand schon früh das Bedürfnis, die verfahrensrechtliche Seite zu betonen. Die rein materiellrechtliche Betrachtung würde dazu führen, daß bei Eintritt der Verjährung der Angeklagte freizusprechen wäre — so in der Tat früher das RG. (RGSt. 12 436 ; 40 90; GA. Bd. 47 169) —, obwohl der rehabilitierende Charakter des Freispruchs als Lossprechung von strafrechtlicher Schuld der Sachlage nicht gemäß wäre und den wirklichen Grund der Entlassung aus dem Verfahren verschleierte, der nur durch Einstellung des Verfahrens richtig zum Ausdruck 7*
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B 5 kommt (RGSt. 32 261; 58 276; 63 321; 66 328; 76 160). Für die prozessuale Betrachtung spricht ferner das praktische Bedürfnis, die mangelnde Rechtzeitigkeit der Verfolgung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu berücksichtigen und, sobald sie mit dem Mitteln des Freibeweises festgestellt ist, das Verfahren alsbald durch Einstellungsbeschluß nach § 206a StPO. beenden zu können, ohne eine bei klarer Sachlage überflüssige Hauptverhandlung durchführen zu müssen. Diesem praktischen Anliegen konnte auch die Lehre von der Doppelnatur gerecht werden, die den Grund der Verjährung sowohl materiellrechtlich in dem durch den Zeitablauf eingetretenen Wegfall des Strafbedürfnisses wie verfahrensrechtlich in der Beweisschrumpfung sieht. Tatsächlich hat sich dann auch nach anfänglichem Schwanken das RG. in ständiger Rechtsprechung (vgl. zuletzt RGSt. 59 199; 61 20; 66 328) und mit ihm die im Schrifttum überwiegende Meinung zu der Lehre von der Doppelnatur bekannt, ohne daß dabei berechtigte verfahrensrechtliche Anliegen zu kurz gekommen wären. Die Doppelnatur war bei dieser Handhabung, ähnlich wie etwa die Doppelnatur der materiellen Rechtskraft (oben S. 91) lediglich ein Gegenstand dogmatischer Bemühungen ohne praktische Bedeutung. Denn wo die Doppelnatur in der Rechtsprechung in Anspruch genommen wurde, um praktische Folgerungen daraus zu ziehen, geschah dies m einer Zeit, in der Wesen und Wirkungen der Prozeßvoraussetzungen als stets von Amts wegen zu berücksichtigender Verfahrenshindernisse noch nicht voll erkannt waren, so wenn RGSt. 12 434 aus der materiellrechtlichen Natur der Verjährung die Folgerung ableitete, daß eine nur auf Verletzung materiellen Rechts gestützte Revisionsrüge auch die Nachprüfung der Verjährung ermögliche oder wenn unter der Herrschaft des § 340 a. F. StPO., der bei der Sprungrevision grundsätzlich die Rüge der Verletzung von Verfahrensrecht ausschloß, die Rüge fehlerhafter Anwendung der Verjährungsvorschriften mit der Begründung für zulässig erklärt wurde, daß die Vorschriften über die Verjährung nicht ausschließlich dem Verfahrensrecht angehörten (so RGSt. 59 199; 66 328). In beiden Fällen hätte es bei der heutigen Auffassung vom Wesen des Verfahrenshindernisses eines Rückgriffs auf die Doppelnatur nicht bedurft. Die praktische Bedeutung der Lehre von der Doppelnatur zeigt sich aber, wenn die Frage auftaucht, ob eine durch Gesetz erfolgende Verlängerung von VerfolgungsVerjährungsfristen bei bestimmten Delikten auch vor dem Inkrafttreten des Gesetzes begangene Taten erfaßt und ob die Verlängerung gar auch eine Verfolgung solcher Taten ermöglicht, bei denen die Verjährungsfrist des alten Rechts bei Inkrafttreten der neuen Vorschrift schon abgelaufen war, nicht aber die verlängerte Verjährungsfrist des neuen Rechts. Lief die Verjährungsfrist des alten Rechts bei Inkrafttreten der Verlängerungsvorschrift noch, so würde heute die Verfolgung nach Maßgabe des strengeren neuen Rechts (mindestens bei materiellrechtlicher Würdigung der Verjährung) dem § 2 Abs. 2 StGB, widersprechen und es würde sich in Ermanglung einer ausdrücklichen Vorschrift fragen, ob der Wille des Gesetzgebers (was in seiner Macht stünde) dahin gehe, daß § 2 Abs. 2 StGB, zurücktreten und einer Verfolgung der Tat innerhalb der verlängerten Verjährungsfrist nicht entgegenstehen solle. In dieser Weise hat denn auch, als im Jahre 1942 das RG. erstmals mit der Frage befaßt wurde, welche Wirkung ein die Verjährungsfrist verlängerndes Gesetz entfalte, wenn die Verjährungsfrist des alten Rechts beim Inkrafttreten des neuen Gesetzes noch lief, RGSt. 76 72 das Problem angefaßt und darauf abgestellt, daß nach dem Willen des Gesetzgebers die Verlängerung auch für die bereits laufenden Verjährungsfristen gelten solle. War aber beim Inkrafttreten des neuen Rechts die bisher geltende Verjährungsfrist bereits abgelaufen, so käme bei Anerkennung einer materiellrechtlichen Wirkung der Verjährung im Sinne eines Erlöschens des Strafanspruchs die Ermöglichung der Verfolgung verjährter Taten (wenn sie dem Willen des Gesetzgebers entspräche) darauf hinaus, daß ein untergegangener Strafanspruch von neuem begründet, straflos gewordenes Tun rückwirkend von neuem für strafbar erklärt würde und es erhebt sich heute die Frage, ob die rückwirkende Begründung erneuter Strafbarkeit straflos gewordenen (nicht mehr strafbaren) Tuns nicht auf einer Stufe steht mit der rückwirkenden Begründung eines Strafanspruchs für bisher strafloses Verhalten, die der Verfassungssatz des Art. 103 Abs. 2 GG. verbietet. Als das RG. (RGSt. 76 159) auch mit der Frage befaßt wurde, ob die Verlängerung der Verjährungsfrist auch die Verfolgung von Taten ermögliche, bei denen schon vor dem Inkrafttreten des Gesetzes die Verjährung nach altem Recht eingetreten war, bestand zwar kein dem Art. 103 Abs. 2 GG. entsprechender höherrangiger Rechtssatz, aber eine materiellrechtliche Wertung der Verjährung hätte gleichwohl das Bedenken aufkommen lassen müssen, ob der Wille des damaligen Gesetzgebers auf die Erfassung solcher Fälle gerichtet sei. RGSt. 76 159, 327 erklärte indessen, die Verjährung bringe den
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Die Verfahrensvoraussetzungen (Verfahrenshindernisse)
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Strafansprueh nicht zum Erlöschen, sie habe lediglich die Bedeutung eines Verfahrenshindernisses, dessen Beseitigung durch Änderung der verfahrensrechtlichen Vorschriften die ungehinderte Durchsetzung des Strafanspruchs ermögliche. Damit war der Übergang zur rein verfahrensrechtlichen Wertung der Verjährung vollzogen, der nunmehr auch im Schrifttum weitgehend Anerkennung fand (vgl. z. B. E b S c h m i d t Lehrkomm. I Nr. 180; S c h ö n k e - S c h r ö d e r II; LK. [8] 1 zu § 66). Nach dem Kriege tauchte die Frage nach der Bedeutung der Verjährungsverlängerung in geänderter Gestalt auf, als die Länder Gesetze erließen, wonach Taten, deren Verfolgung in den Jahren 1933 bis 1945 aus politischen Gründen unterblieben war, trotz inzwischen eingetretener Verjährung verfolgt werden konnten. Soweit diesen Gesetzen der Gedanke eines Stillstands der Rechtspflege in der genannten Zeit zugrunde liegt, ergeben sich gegen ihre Gültigkeit auch bei (zugleich) materiellrechtlicher Wertung der Verjährung keine Bedenken (BVerfGE. 1 418). Unabhängig davon beantwortete BGHSt. 2 305 die Frage nach der Zulässigkeit einer rückwirkenden Verlängerung der Verjährungsfristen im gleichen Sinn wie RGSt. 76 159 dahin, daß die Verjährung nur verfahrensrechtliche Bedeutung habe, und in BGHSt. 4 382 (gutachtliche Stellungnahme des 1. ZivSen. des BHG. in einem Normenkontrollverfahren) wird schließlich ausgeführt, daß die rückwirkende Verlängerung abgelaufener Verjährungsfristen mit Art. 103 Abs. 2 GG. nicht in Widerspruch stehe. Inzwischen ist aber eine rückläufige Bewegung eingetreten. De lege ferenda setzte sich bei den Erörterungen in der großen Strafrechtskommission über die künftige Regelung der Verjährung (vgl. die Erörterungen in Bd. 2 S. 329ff. der „Niederschriften" [1958]) der Gedanke durch, daß die von der Rechtsprechung gezogene Konsequenz einer rein verfahrensrechtlichen Ausgestaltung, abgelaufene Verjährungsfristen rückwirkend durch Gesetz verlängern zu können, zur Rechtsunsicherheit führe und mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren sei, und daß es deshalb geboten sei, die Doppelnatur der Verjährung, die dem Prozeßrecht beläßt, was es billigerweise beanspruchen kann, durch Aufnahme der Verjährungsvorschriften in das StGB, und eine verdeutlichende Umschreibung der Verjährungswirkung klarzustellen. Dem entspricht der StGB.-Entw. 1960 (vgl. dazu die amtl. Begr. S. 241 ff.). Durch die Fassung des §127 Abs. 1: „Durch Verjährung werden die Ahndung der Tat und die Anordnung von Maßnahmen . . . ausgeschlossen" soll ermöglicht werden, „die Verjährung als Einrichtung sowohl des sachlichen als auch des Verfahrensrechts zu deuten" (Begr. zu § 127). Die Erwägung, daß gesetzgeberische Maßnahmen, die durch Rückwirkung eine sonst nicht bestehende Bestrafungsmöglichkeit eröffnen, mit rechtsstaatlichen Vorstellungen unverträglich sind, auch wenn sie im Gewand „lediglich" verfahrensändernder Vorschriften auftreten, bestimmte auch im Jahre 1960 den Bundestag, sich Wünschen auf Verlängerung noch laufender Verjährungsfristen für die in der Zeit vor dem 8. 5.1945 begangenen Straftaten zu versagen (vgl. A r n d t NJW. 1961 15). Wie bereits ausgeführt, führt auch die Auffassung der Verjährung als eines gemischt materiellund verfahrensrechtlichen Instituts dazu, daß im Verfahren die prozessuale Wirkung der nicht rechtzeitigen Verfolgung als Verfahrenshindemis voll zum Ausdruck kommt. Auf die Verjährung ist also in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu achten. Die Feststellung erfolgt, auch in der Revisionsinstanz, mit den Mitteln des Freibeweises, jedoch mit der Einschränkung, daß das Revisionsgericht an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden ist, die sich auf die den Gegenstand der Urteilsfindung bildende Tat erstrecken, also auch auf die Feststellungen hinsichtlich des Zeitpunktes der Tatbegehung (vgl. oben S. 75). Beschränkt sich eine Revision auf die Rüge unrichtiger Anwendung der Verjährungsvorschriften, so führt dies ohne weiteres auch zur Nachprüfung der sachlichrechtlichen Würdigung des Sachverhalts, da die Frage, ob die Tat verjährt ist, sich gemäß § 67 StGB, danach richtet, mit welcher Strafe die Tat bedroht ist und diese Frage sich erst bei rechtlich zutreffender Einordnung der Tat beantworten läßt (BGHSt. 2 385). Kommen für eine Einstellung sowohl Verjährung wie Niederschlagung in Betracht, so hat die Verjährung den Vorrang (RGSt. 58 276; BGH. NJW. 1958 1451; vgl. S. 76). Bei Teilanfechtung, z. B. bei Beschränkung des Rechtsmittels auf den Strafausspruch oder auf eine Nebenstrafe oder Nebenfolge erfaßt auch hier (vgl. S. 73) das Verfahrenshindernis den gesamten Urteilsausspruch, wobei zu berücksichtigen ist, daß die Verjährung auch nach Verkündigung des Urteils weiterläuft, solange nicht eine in vollem Umfang rechtskräftige und vollstreckbare Entscheidung vorliegt (RG. DRZ. 1931 Nr. 39; BGH. NJW. 1958 1307; OLG. Bremen NJW. 1956 1248). Bei Beschränkung der Anfechtung auf eine von mehreren selbständigen Taten ist, wenn das angefochtene Urteil auf eine Gesamtstrafe lautet, das Verfahren auch wegen der nicht angefochtenen Einzeltaten einzustellen, wenn die unter Übersehung der Ver-
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B6 jährang erkannten Einzelstrafen in die Gesamtstrafe einbezogen sind (BGHSt. 8 269) Das Rechtsmittelgericht hat auch eine Verjährung zu berücksichtigen, die erst nach der Verkündung des angefochtenen Urteils eingetreten ist (RGSt. 23 188; KG. DJZ. 1926 458; BayObLG. NJW. 1963 1402). Voraussetzung für die Berücksichtigung der Verjährung in der Rechtsmittelinstanz ist aber eine form- und fristgerechte Anfechtung und dies gilt auch, wenn die Verjährung nach Verkündung des mit der Revision angefochtenen Urteils eingetreten ist und die Revision nur an dem Mangel formgerechter Begründung leidet (vgl. oben S. 74). 6. Eigenschaften und Beziehungen der Beteiligten. a) L e b e n s a l t e r des B e s c h u l d i g t e n . Die Vorschriften in §§ 60ff. ZPO. über Parteifähigkeit und Prozeßfähigkeit finden im Strafverfahren auf den Beschuldigten keine Anwendung. Die strafrechtliche Verantwortlichkeit ist untrennbar vom Beschuldigten; eine Vertretung ist hierin ausgeschlossen; der Beschuldigte muß seine Rechte grundsätzlich selbst wahrnehmen (RG. Rspr. 7 377; Beling 180). § 1 Abs. 3 JGG. schließt aber, indem er für das sachliche Recht die strafrechtliche Verantwortlichkeit des zur Zeit der Tat noch nicht vierzehn Jahre alten Täters verneint, zugleich das Verbot seiner strafgerichtlichen Verfolgung in sich (RGSt. 57 207). Ergibt sich in der Verhandlung, daß der Angeklagte zur Zeit der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt gewesen war, so ist das verbotswidrig betriebene Verfahren einzustellen und zwar ohne Rücksicht darauf, ob er zur Zeit der Eröffnung der gerichtlichen Untersuchung oder der Aburteilung das vierzehnte Lebensjahr vollendet hatte (vgl. zu dieser sehr umstrittenen Frage D a l l i n g e r L a c k n e r Anm. 41ff. zu §1 JGG. mit reichen Schrifttumsangaben; P e t e r s ZStrW. 68 (1956) 389). Die materiellrechtliche Grundlage des Verfahrenshindernisses muß hier aber dazu führen, daß bei unaufklärbaren Zweifeln über das Alter zur Zeit der Tatbegehung nach dem Grundsatz in dubio pro reo zu verfahren ist (BGHSt. 5 366; D a l l i n g e r - L a c k n e r a. a. 0. Anm. 12). Nach §80 JGG. kann gegen einen Jugendlichen (d. h. gegen eine Person, die zur Tatzeit jugendlich war, mag sie auch zu der Zeit, zu der der Verletzte gegen sie vorgehen will, das 18. Lebensjahr vollendet haben; vgl. D a l l i n g e r - L a c k n e r Anm. 3 zu §80), Privatklage nicht erhoben werden; das fehlende Alter ist hier Verfahrenshindernis. Dagegen ist gegen einen jugendlichen Privatkläger (bei der Klageerhebung vertreten durch seinen gesetzlichen Vertreter) Widerklage zulässig (§ 80 Abs. 3 JGG.). b) V e r h a n d l u n g s f ä h i g k e i t , A n w e s e n h e i t . Das ordentliche Verfahren findet ferner grundsätzlich nur statt, wenn der Beschuldigte nach seiner körperlichen und geistigen Beschaffenheit seine Rechte wahrzunehmen vermag, und wenn er sich im tatsächlichen Machtbereich der deutschen Gerichte befindet, sodaß das erkennende Gericht den Beschuldigten vor sich bringen und das Urteil über ihn gestalten kann, indem es ihn sieht und hört (RGSt. 52 37; 70 176). V e r h a n d l u n g s u n f ä h i g k e i t (die nicht gleichbedeutend ist mit Zurechnungsunfähigkeit) und A b w e s e n h e i t bilden also Verfahrenshindernisse, die der Durchführung eines Verfahrens entgegenstehen (vgl. §205; näheres über den Begriff der Verhandlungsunfähigkeit in Vorbem. 12 vor § 151). Demnach muß das Revisionsgericht von Amts wegen sowohl prüfen, ob der Angeklagte zur Zeit der Hauptverhandlung vor der Strafkammer verhandlungsfähig war, als auch, ob er gegenwärtig verhandlungsfähig ist, also, wenn ihn ein Leiden am Erscheinen vor dem Revisionsgericht hindert, ob er genug Kraft und Klarheit hat, um mit seinem Verteidiger zu verhandeln und ihm alles mitzuteilen, was zu seiner Verteidigung vorgebracht werden kann (RG. HRR. 1936 Nr. 1477; RKGE. 1 135; N i e t h a m m e r ZWehrR. 4 284). Verhandlungsunfähigkeit des zur Tatzeit Zurechnungsunfähigen steht aber der Durchführung des Sicherungsverfahrens nicht entgegen (§ 429c). Der Tod des Beschuldigten hat mit Verhandlungsunfähigkeit nichts zu tun; er setzt dem subj. Verfahren ohne weiteres und ohne daß eine einstellende Entscheidung in Betracht käme, ein Ende (OLG. Hamm NJW. 1961 522). Der Tod ist kein Verfahrenshindernis, vielmehr ist begrifflich ein subjektives Verfahren mit dem Ziel der Feststellung, ob Unrechtsfolgen aus Anlaß einer rechtswidrigen Tatbestandsverwirklichung auszusprechen sind, ausgeschlossen, da solche Folgen gegen den Toten nicht angeordnet werden können ( E b S c h m i d t Lehrkomm. I Nr. 133). Der Grundsatz, daß A b w e s e n h e i t ein Verfahrenshindernis bildet, aber ist — auch hier von § 429 c abgesehen — von Ausnahmen durchbrochen. Dabei ist zwischen dem Ungehorsamsverfahren (§ 232), der Abwesenheit kraft Entbindung (§ 233) und dem Verfahren gegen Abwesende (§§ 276ff.) zu unterscheiden. Das Ungehorsamsverfahren findet gemäß § 232 Abs. 2 keine Anwendung, wenn es der öffentlichen Ladung bedarf; es ist also nur statthaft, wenn der Angeklagte für die deutsche Gerichtsgewalt greifbar ist, aber ohne genügende Entschuldigung fern-
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Die Verfahrensvoraussetzungen (Verfahrenshindernisse)
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bleibt; die Greiibarkeit ist Verfahrensvoraussetzung. Dagegen ist das besonders gestaltete Verfahren gegen Abwesende, d. h. gegen Personen, die sich im Inlande verborgen halten oder für die deutsche Gerichtsgewalt unerreichbar im Ausland verharren, gerade gekennzeichnet durch die öffentliche Ladung (§ 279) — es sei denn, daß die Ladung zu Händen eines Zustellungsbevollmächtigten möglich ist(BGHSt. 10 62) — und die öffentliche Zustellung des etwa ergehenden Abwesenheiturteils (§ 282 a Abs. 2). In der R e v i s i o n s i n s t a n z ist die im angefochtenen Urteil getroffene Feststellung der Verhandlungsfähigkeit einer Nachprüfung des Revisionsgerichts in tatsächlicher Beziehung entzogen (RGSt. 64 16; a. M. E b S c h m i d t Lehrkomm. 1176 Fußn. 197; A l s b e r g - N ü s e , Beweisantrag S. 480), denn der Tatrichter, der den Beschuldigten sieht und hört, hat ein zuverlässigeres Urteil, als es die Revisionsinstanz mit den Mitteln des Freibeweises für einen in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gewinnen könnte. Das Revisionsgericht ist dadurch aber nicht an einer Nachprüfung gehindert, ob der Angeklagte j e t z t verhandlungsunfähig ist, denn der Verzicht des Gesetzes auf die Anwesenheit des Angeklagten in der Revisionshauptverhandlung (§ 350 Abs. 2) umfaßt naturgemäß nicht auch den Verzicht auf die Verhandlungsfähigkeit, wenn diese dem Angeklagten die Wahrnehmung seiner Verteidigung unmöglich macht. Auch die tatrichterliche Feststellung im Falle des §232 StPO., daß der Angeklagte ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben sei, soll für die Revisionsinstanz bindend sein (RGSt. 61 90,176; 64 245); das läßt sich indessen bezweifeln (vgl. noch N i e t h a m m e r , Die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten in der Festschrift für Rosenfeld 1949 S. 119). Wo das Gesetz an das u n e n t s c h u l d i g t e A u s b l e i b e n des Angeklagten, der ein R e c h t s m i t t e l eingelegt oder einen Rechtsbehelf ergriffen hat, die Folge der Verwerfung ohne sachliche Prüfung knüpft (§§ 329, 412, 413), muß zwar diese Voraussetzung vom Berufungsgericht (vom Amtsgericht im Verfahren nach Einspruch) von Amts wegen geprüft und festgestellt werden. Das unentschuldigte Ausbleiben ist hier aber keine Verfahrensvoraussetzung, die in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen wäre, vielmehr bildet die Verkennung dieses Merkmals nur einen auf Verfahrensrüge nachprüfbaren Verfahrensverstoß (BGH. N J W . 1961 567). Vgl. die entsprechende Verfahrenslage in § 391 StPO. c) Z u g e h ö r i g k e i t des B e s c h u l d i g t e n zu e i n e m G e s e t z g e b u n g s o r g a n . — Nach Art. 46 Abs. 2 GG. darf ein Bundestagsabgeordneter nur mit Genehmigung des Bundestages zur Verantwortung gezogen oder verhaftet werden, es sei denn, daß er bei Begehung der Tat oder im Lauf des folgenden Tages festgenommen wird. Nach Art. 46 Abs. 3 GG. bedarf es auch zu jeder anderen Beschränkung der persönlichen Freiheit des Abgeordneten der Genehmigung und nach Art. 46 Abs. 4 GG. ist jedes Strafverfahren gegen einen Abgeordneten auf Verlangen des Bundestags auszusetzen. §152a StPO. bestimmt, daß landesgesetzliche Vorschriften über die Voraussetzungen, unter denen gegen Mitglieder eines Landesgesetzgebungsorgans eine Strafverfolgung eingeleitet oder fortgesetzt werden darf, auch für die Strafverfelgungsorgane in den anderen Ländern und im Bund wirksam sind. Fehlt eine danach erforderliche Genehmigung zur Strafverfolgung usw. oder liegt ein Aussetzungsverlangen (Art. 46 Abs. 4 GG.) vor, so besteht ein Verfahrenshindernis, und zwar ein zeitlich begrenztes, das vorbehaltlich des Art. 49 GG. spätestens mit dem Zeitpunkt endet, zu dem der Beschuldigte aufhört, Abgeordneter zu sein (vgl. § 205 StPO.). Der Abgeordnete selbst kann auf die Immunität nicht verzichten. Die Nr. 183 und 184 der „Richtlinien für das Strafverfahren" (1953) enthalten — in Form von Weisungen an den Staatsanwalt — Erläuterungen über die Tragweite des Verfolgungshindernisses und über das einzuschlagende Verfahren, wenn die Aufhebung der Immunität durch Herbeiführung der Genehmigung des Parlaments erstrebt wird. Die fehlende Genehmigung ist ein persönliches Verfahrenshindernis (§ 205); sie hindert nicht, daß gegen Mittäter, Anstifter, Gehilfen oder andere an der Tat des Abgeordneten beteiligte Personen ein Verfahren eingeleitet oder durchgeführt wird; auch besteht, wenn gegen a n d e r e Personen ein Strafverfahren durchgeführt wird, kein Hindernis, unter Beachtung der §§ 53 Abs. 1 Nr. 4, 53 a, 97 Abs. 3, 4 StPO., den Abgeordneten als Zeugen zu vernehmen, bei ihm Durchsuchungen vorzunehmen oder von ihm die Herausgabe von Gegenständen nach § 95 StPO. zu verlangen. Kein „Zurverantwortungziehen" ist nach Sinn und Zweck des Art. 46 Abs. 2 GG. die Einleitung eines Verfahrens gegen den Abgeordneten zwecks Einstellung des Verfahrens, wenn (gegebenenfalls nach einer Stellungnahme des Abgeordneten zu der ihm mitgeteilten Anschuldigung) der Sachverhalt die Einstellung ohne Beweiserhebung rechtfertigt (Nr. 183 Abs. 4b RiStV.). Unzulässige Verfolgungsmaßnahmen sind da-
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B 6 gegen auch Beweissicherungen — § 205 Satz 2 ist unanwendbar — und richterliche Handlungen zur Unterbrechung der Verjährung. Streitig ist, ob es zur Fortsetzung eines Strafverfahrens, das vor dem Erwerb des Mandats eingeleitet worden ist, einer Genehmigung bedarf; verneinend die h. M. (OLG. Celle Nds. Rpfl. 1953 72; Oldenburg Nds. Rpfl. 1954 53; B o c k e l m a n n , Unverfügbarkeit der Abgeordneten nach deutschem Immunitätsrecht [1951] 44; E b S c h m i d t Lehrkomm. I Nr. 137; K l e i n k n M Anm. 3 zu §205; a. M. M e y e r , Bundestag und Immunität [1953] 10ff.); Nr. 183 Abs. 3 RiStV. weist die Staatsanwaltschaft an, in solchen Fällen vorsorglich die Genehmigung einzuholen. Einzelfragen (betr. Vollstreckung von Freiheitsstrafen und Verhängung von Ungebührstrafen) sind in Anm. 2 c zu § 449 StPO. und Anm. 1 c zu § 178 GVG. behandelt. Wird die Genehmigung zur Strafverfolgung erteilt, so bestimmt der Genehmigungsbeschluß des Parlaments den Umfang und die Grenzen der Verfolgungsbefugnis. Lautet der Genehmigungsbeschluß nur auf „Genehmigung zur Strafverfolgung", so ergeben sich Inhalt und Umfang der Genehmigung aus den vorangegangenen parlamentarischen Verhandlungen in Verbindung mit dem von der Staatanwaltschaft gestellten Antrag auf Erteilung der Genehmigung. Die ohne erkennbare Einschränkungen erteilte Genehmigung bezieht sich auf den in dem Antrag bezeichneten bestimmten geschichtlichen Vorgang (i. S. des § 264 StPO.), wie er sich nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt und ohne Bindung an die rechtliche Beurteilung der Staatsanwaltschaft in ihrem Genehmigungsantrag (BGH. NJW. 1961 518). d) K l a g e r e c h t u n d P r o z e ß f ä h i g k e i t des K l ä g e r s s o w i e V e r t r e t u n g s m a c h t s e i n e s g e s e t z l i c h e n V e r t r e t e r s . — In seltenen Fällen kann zu erörtern sein, ob derjenige, der die ö f f e n t l i c h e Klage erhoben hat, befugt (vgl. dazu Anm. 5c zu § 142, Anm. 4 zu § 144 GVG.) und in Hinblick auf seine geistige Verfassung befähigt gewesen sei, im Namen der zuständigen Staatsanwaltschaft zu handeln. Tritt das Bedürfnis einer solchen Erörterung hervor, so muß die Prüfung von Amts wegen einsetzen. Sie richtet sich im Endergebnis auf die Feststellung des Vorhandenseins oder Nichtvorhandenseins der Verfahrensvoraussetzung der Klage, so daß auf die Ausführungen Seite 80 zu verweisen ist. Ebenso steht die zuvor bezeichnete Verfahrensvoraussetzung in Frage, wenn das Gericht, wozu häufig Anlaß geboten wird, von Amts wegen zu prüfen hat, ob dem P r i v a t k l ä g e r das Recht zur Klage nach den Vorschriften des sachlichen Rechts als dem Verletzten oder sonstwie Antragsberechtigten zusteht (§ 374 Abs. 1 und 2 StPO. in Verbindung mit § 65 StGB., § 22 UWG. und anderen Vorschriften), ob er zur Klageerhebung befähigt ist oder ob derjenige Vertretungsmacht gehabt hat, der bei der Klageerhebung als sein gesetzlicher Vertreter aufgetreten ist (OLG. Dresden JW. 1931 1638 28 mit Anm. von H e g l e r ; B e l i n g 124, 176; S a u e r Grdl. S.311, 663). Aus § 374 Abs. 3 StPO. folgt, daß die „Prozeßfähigkeit" des Privatklägers und die Vertretungsmacht seines gesetzlichen Vertreters in Anlehnung an die entsprechenden Vorschriften der ZPO. geregelt sind (vgl. die Anm. zu § 374). Auch der N e b e n k l ä g e r muß in diesem Sinne prozeßfähig oder durch einen Prozeßfähigen gesetzlich vertreten sein (vgl. die Anm. zu § 395). Doch betrifft beim Nebenkläger, der ja erst nach Erhebung der öffentlichen Klage in das Verfahren eintritt, der Mangel der Prozeßvoraussetzung nicht die Zulässigkeit des Verfahrens im ganzen, sondern immer nur der einzelnen Verfahrenshandlung, vornehmlich des Rechtsmittels. Auch insoweit ist Prüfung von Amts wegen noch im Verfahren vor dem Revisionsgericht geboten (RGSt. 35 25; 38 405; 44 7; 53 215; 59127; 62 209; BayObLG. DRiZ. 1931 Nr. 458). Im Jugendstrafverfahren ist Nebenklage unzulässig (§ 80 Abs. 3 JGG.). Wie beim Nebenkläger ist auch im Hinblick auf § 395 Abs. 2 Nr. 2 StPO. für die Wahrnehmung der Rechte als Verletzter im Klageerzwingungsverfahren nach § 172 StPO. Prozeßfähigkeit oder Vertretung durch einen gesetzlichen Vertreter zu fordern ( K a i s e r NJW. 1960 374). e) A d h ä s i o n s v e r f a h r e n . — Auch im Verfahren nach §§403ff. muß der Antragsteller prozeßfähig oder gesetzlich vertreten sein. Fehlt es daran, so ist von einer Entscheidung über den Antrag abzusehen (§ 405 und die dort. Anm.). Wegen der beim Beschuldigten nötigen Erfordernisse vgl. die Anm. zu § 403. I) Bei Z e u g e n und U n t e r s u c h u n g s p e r s o n e n i. S. des §81c StPO. kann es ebenfalls auf ihre geistige Beschaffenheit ankommen, zwar nicht im Sinne eines Hindernisses für das Verfahren im ganzen, aber für die Vornahme von Untersuchungshandlungen und der Verwertung des Ergebnisses, nämlich dann, wenn die Vernehmung des Zeugen den Verzicht auf ein Zeugnisverweigerungsrecht voraussetzt und wenn die Vornahme einer Untersuchung von der Einwilligung
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Die Verfahrensvoraussetzungen (Verfahrenshindernisse)
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des zu Untersuchenden abhängt. In diesen Fällen ist es für die Wirksamkeit des Verzichtes oder der Einwilligung entscheidend, ob die Beweisperson geistig reif ist in dem Sinne, daß sie das erforderliche Verständnis für die ihr vom Gesetz eingeräumte Berechtigung hat; fehlt es an dieser Reife, so steht die Ausübung der Berechtigung ihrem gesetzlichen Vertreter zu (BGHSt. 12 235, 240; 14 159). 7. Erklärungen Dritter. Vorentscheidungen einer anderen Stelle. In dieser Gruppe sind ausschließlich besondere Verfahrens Voraussetzungen, das heißt solche vereinigt, die nur bei bestimmten strafbaren Handlungen oder bei bestimmten Verhältnissen des Beschuldigten Platz greifen. Sie beruhen auf Gründen mannigfacher Art: a) A n t r a g des Verletzten nach §§ 61ff. StGB. — D e r Strafantrag ist zwar im StGB, geregelt, hat aber keinen materiellrechtlichen Charakter, sondern, wie heute allgemein anerkannt ist, lediglich verfahrensrechtliche Bedeutung; er bildet eine Verfahrensvoraussetzung (RGSt. 6 164; 38 40 ; 41 155; 45 128; 55 23 ; 57 143; 61 46; 67 55; 68 124; 73 114; 74 187; 75 257, 306; 76 327; 77 160, 183; BGHSt. 6 155). Daß er im StGB, und nicht in der StPO. geregelt ist (dabei soll es auch im künftigen Recht bleiben, vgl. §§ 121 ff. StGB. = Entw. 1960), erklärt sich nur aus dem praktischen Bedürfnis, das Strafantragserfordernis jeweils bei den einschlägigen Vorschriften des Besonderen Teils hervorzuheben; das führt dazu, auch die allgemeinen für den Strafantrag geltenden Regeln im StGB, aufzustellen. Als Verfahrensvoraussetzung, deren Fehlen sich als Verfahrenshindernis auswirkt (mit den aus §§ 127 Abs. 3, 130 StPO. sich ergebenden Einschränkungen) unterliegt der Strafantrag in vollem Umfange den oben (Seite 73, 78) dargestellten Grundsätzen: sein Fehlen führt also z. B. zur Verfahrenseinstellung, sein Vorhandensein ist in jeder Lage des Verfahrens mit den Mitteln des Freibeweises von Amts wegen zu prüfen (BGHSt. 6 155); sein Mangel ist in jeder Lage des Verfahrens, also auch noch in der Revisionsinstanz durch fristgemäße Nachholung zu beheben (RGSt. 68 124; BGHSt. 3 74; 6 157); bei Teilanfechtung führt die Feststellung des Mangels zur Einstellung des gesamten Verfahrens (RGSt. 62 262; 65 150) usw. Hervorgehoben werden mag, daß die Verfahrensvoraussetzung unter besonderen Umständen schon durch Stellung des Antrags vor Begehung der Tat geschaffen werden kann (BGH. NJW. 1960 443). Im übrigen wird, da der Antrag im StGB, geregelt ist, auf die Erläuterungswerke zum StGB, verwiesen. b) § 232 StGB. i. d. Fassung der VO. v. 2. 4.1960 enthält für leichte vorsätzliche und alle fahrlässigen Körperverletzungen eine sonst dem Strafrechtssystem unbekannte Regelung dahingehend, daß der grundsätzlich erforderüche Strafantrag entbehrlich wird, wenn die Strafverfolgungsbehörde ein Einschreiten von Amts wegen um des besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung willen für geboten erachtet; die Erklärung der Staatsanwaltschaft verwandelt also das Antragsdelikt in ein antragsloses Offizialdelikt 60 . Einer Ausdehnung auf andere Anklagsdelikte im Wege entsprechender Anwendung ist diese Sonderregelung nicht fähig (BGHSt. 7 256). Die Staatsanwaltschaft kann diese Erklärung — die ihrerseits Prozeßvoraussetzung ist — auch noch abgeben, nachdem der Verletzte die Antragsfrist ungenutzt hat verstreichen lassen (OLG. Hamm MDR. 1952 245) oder während laufender Antragsfrist auf sein Antragsrecht verzichtet (BGH. MDR. 1956 270) oder einen rechtzeitig gestellten Antrag zurückgenommen hat. Auch hindert die Einstellung eines Privatklageverfahrens, selbst durch Urteil, wegen fehlenden Strafantrags die Staatsanwaltschaft nicht, von neuem Anklage wegen eines besonderen öffentlichen Interesses zu erheben. Die Erklärung der Staatsanwaltschaft kann in jeder Lage des Verfahrens, auch noch in der Revisionsinstanz nachgeholt werden (BGHSt. 6 285). Nach der bisher überwiegend vertretenen Auffassung kann die einmal abgegebene Erklärung, entsprechend dem Grundgedanken des § 156 StPO., nach Eröffnung des Hauptverfahrens nicht mehr zurückgenommen werden; stellt sich die Staatsanwaltschaft nach diesem Zeitpunkt auf den Standpunkt, ein besonderes öffentliches Verfolgungsinteresse liege nicht oder nicht mehr vor, so kann diese Erklärung dem Verfahren seine prozessuale Grundlage nicht mehr mit der Folge der Verfahrenseinstellung entziehen, sondern nur gegebenenfalls zur Einstellung des Verfahrens wegen Geringfügigkeit nach § 153 Abs. 3 StPO. führen (RGSt. 77 72; OLG. Bremen JZ. 1956 663; O e h l e r 60 Grundsätzlich anders V o g e l NJW. 1961 761, wonach nicht die Erklärung der Staatsanwaltschaftsondern das (vom Gericht nachprüfbare) Bestehen eines besonderen öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung den Wegfall des Antragserfordernisses bewirkt (vgl. dazu oben S. 60). Mit dem Gesetzeswortlaut ist diese Auffassung nicht in Einklang zu bringen (so auch BGH. NJW. 1961 2120).
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Kap. 10
Einleitung (Schäfer)
B7 JZ. 1956 632). Nach der im Vordringen begriffenen Gegenmeinung (KG. NJW. 1961 669), der sich (vgl. BGHSt. 14 319) OLG. Bremen unter Aufgabe seines in JZ. 1956 663 vertretenen Standpunktes angeschlossen hat, gebieten praktische Gründe, daß sich der Staatsanwalt nach der wechselnden Verfahrenslage richten darf mit der Folge, daß bei Zurücknahme der Erklärung und fehlendem Strafantrag das Verfahren einzustellen ist und nunmehr Baum wird für die Bestrafung von Verkehrsübertretungen, deren Verfolgung durch die Subsidiaritätsklausel in § 49 StPO., § 71 StVZO. bisher ausgeschlossen war. Die Streitfrage ist ohne Bedeutung, wenn die Staatsanwaltschaft ihre Erklärung, daß ein besonderes öffentliches Interesse die Verfolgung gebiete, nach Eröffnung des Hauptverfahrens in Fällen zurücknimmt, in denen der Fortgang des Verfahrens durch einen wirksamen Strafantrag gesichert ist; dann hat die Erklärung, daß ein besonderes öffentliches Interesse nicht oder nicht mehr vorliege, nicht die Wirkung, daß dem Verfahren die prozessuale Grundlage entzogen wird, sondern sie stellt sich lediglich als eine materielle Bewertung der Tat dar, die auch hier den Weg zur Einstellung nach § 153 Abs. 3 eröffnet (vgl. RGSt. 77 72; OLG. Stuttgart JR. 1953 348). Zweifelhaft und streitig ist, wie zu verfahren ist, wenn das Gericht bei Beurteilung der Tat von der Bewertung der Staatsanwaltschaft abweicht, nämlich wenn die Staatsanwaltschaft Anklage aus einem schwereren Gesetz erhoben hat, während das Gericht ein geringeres Körperverletzungsdelikt annimmt. Hat z. B. die Staatsanwaltschaft Anklage auf § 223a StGB, (gefährliche Körperverletzung; kein Antragsdelikt) erhoben, während das Gericht nur einfache Körperverletzung (§ 223 StGB.; Antragsdelikt) annimmt, so fragt sich, ob es, wenn ein wirksamer Strafantrag fehlt, zu deren Aburteilung einer ausdrücklichen Erklärung der Staatsanwaltschaft bedarf, daß sie ein besonderes öffentliches Interesse an der Verfolgung annehme, oder ob das Gericht davon auszugehen hat, daß bereits in der Anklageerhebung eine entsprechende Bewertung der Tat nach allen Richtungen liegt, solange nicht die Staatsanwaltschaft das Gegenteil erklärt. Die gleiche Frage stellt sich, wenn die Staatsanwaltschaft unter ausdrücklicher Bejahung des besonderen öffentlichen Interesses (vgl. Nr. 241 Abs. 2 RiStV. 1953) Anklage wegen vorsätzlicher Körperverletzung erhoben hat, das Gericht aber nur fahrlässige Körperverletzung annimmt und ein wirksamer Strafantrag des Verletzten nicht vorliegt. Mit der überwiegend vertretenen Auffassung (vgl. RGSt. 75 341; 76 8; BayObLGSt. 1951 577 und die bei K o h l h a a s NJW. 1956 1188 mitgeteilte Rechtsprechung des BGH.) ist davon auszugehen, daß die Anklageerhebung unter diesen Umständen für das verbleibende Delikt die Erklärung des besonderen öffentlichen Verfolgungsinteresses enthält, solange die Staatsanwaltschaft nicht selbst eine einschränkende Erklärung abgibt. Wegen weiterer Einzelheiten muß auf die Erläuterungswerke zum StGB, verwiesen werden. Über die Frage, inwieweit die Erklärung der Staatsanwaltschaft nach der Richtung, ob ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung vorliegt, der gerichtlichen Nachprüfung unterliegt, vgl. oben S. 60. c) In einer Reihe von Vorschriften wird die Durchführung eines Strafverfahrens davon abhängig gemacht, daß eine Behörde oder Stelle einen Antrag (z. B. § 122 b Abs. 3 StGB.) oder ein Strafverlangen (§104a StGB.) stellt oder die Anordnung (§353b Abs. 4 Satz 2, §353c Abs. 6 StGB.), die Zustimmung (§ 353b Abs. 4 Satz 1 StGB.) oder die Ermächtigung (§§ 95 Abs. 4, 97 Abs. 2,100 c- Abs. 2, 197, 353 a Abs. 2 StGB.) zur Verfolgung erteilt. Diese Akte sind in gleicher Weise wie der Strafantrag nach §§61 ff. StGB. Prozeßvoraussetzungen, doch unterliegen sie nicht der Regelung der §§61 ff. StGB, insbesondere sind sie nicht an die Frist des § 61 gebunden (RGSt. 75 365; 76 55; BGHSt. 11 188; GA. 1953 73) und nicht zurücknehmbar, soweit die Zurücknehmbarkeit nicht — wie bei der Ermächtigung nach § 104 a StGB. — ausdrücklich zugelassen ist; dagegen sind sie, wie der Strafantrag, sachlich und persönlich teilbar. Der Strafantrag des Vorgesetzten nach § 196 StGB, ist ein Strafantrag i. S. des § 61 StGB, und das gleiche gilt — kraft positivrechtlicher Gestaltung — von dem Antrag der Preisüberwachungsbehörde nach § 2a Abs. 2 des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 (BGHSt. 11187). d) In den Fällen der §§ 170,172, 238 StGB, ist die Auflösung, Scheidung und Nichtigkeitserklärung der Ehe nach h. M. nicht Tatbestandsmerkmal oder objektive Bedingung der Strafbarkeit, sondern Verfahrensvoraussetzung; ihr Mangel führt also zur Einstellung des Verfahrens (RGSt. 2 62; 6 334; 7 298; 15 122, 262; 22 137; 41155; 74 382). e) Vor ab ent Scheidung. — Bei bestimmten Straftaten macht das Gesetz — hauptsächlich zur Vermeidung widersprechender Entscheidungen in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht — die Verfolgung von der V o r a b e n t s c h e i d u n g einer anderen Behörde oder eines anderen Gerichts
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Kap. 10 B7
abhängig. Diejenige Behörde soll nach dem Willen des Gesetzes mit der Entscheidung vorangehen, die über die besseren Mittel zur tatsächlichen Feststellung und zur rechtlichen Würdigung verfügt. Das Gericht darf eine Sachentscheidung in dem bei ihm eingeleiteten Verfahren nicht erlassen, bevor die andere Behörde, die gleichfalls ein Gericht sein mag, abschließend entschieden hat. Z. T. ist dabei auch vorgeschrieben, daß der Strafrichter an die in dem vorausgehenden Verfahren (vor einer Verwaltungsbehörde oder vor einem anderen Gericht) getroffene Entscheidung gebunden ist. Soweit es sich dabei um die Bindung an die im vorgehenden Verfahren getroffene Entscheidung eines anderen G e r i c h t s handelt, wie in dem unten zu erörternden Fall der Bindung des Strafrichters im Steuerstrafverfahren an die Entscheidung des Finanzgerichts nach § 468 RAbgO., unterliegen solche Vorschriften keinem rechtlichen Bedenken im Hinblick auf Art. 97 Abs. 1 GG. Denn diese Vorschrift garantiert die richterliche Unabhängigkeit nur im Verhältnis zu den Trägern nichtrichterlicher Gewalt; wird aber ein Gericht an die Entscheidung eines anderen Gerichts (des gleichen oder eines anderen Gerichtsbarkeitszweiges) gebunden, so liegt nur eine mit Art. 97 Abs. 1 GG. vereinbare Aufteilung der Zuständigkeit unter verschiedene Gerichte vor (BVerfG. NJW. 1961 655). Rechtliche Bedenken bestehen auch nicht, wenn die Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens bis zur Entscheidung einer Verwaltungsbehörde vorgeschrieben ist und diese Entscheidung entweder das Gericht nicht bindet oder nur deshalb bindet, weil es sich um einen rechtsetzenden (konstitutiven) Verwaltungsakt handelt. Zweifelhaft ist dagegen, ob und inwieweit Vorschriften, die eine Bindung des Strafrichters an nichtrechtsetzende (nichtkonstitutive) Entscheidungen einer Verwaltungsbehörde vorsehen und eine Aussetzung des Strafverfahrens bis zum Ergehen einer solchen Entscheidung vorschreiben, mit der Unabhängigkeit der Gerichte und ihrem Rechtsprechungsmonopol (Art. 92, 97 GG.) vereinbar sind. Diese Frage wurde neuerdings besonders bezüglich der §§ 7, 40 Abs. 3 des früher geltenden Personenbeförderungsgesetzes v. 4.12.1934 (RGBl. I 1217) erörtert (vgl. BayObLG. NJW. 1960 1534 mit Nachw. aus Rechtsprechung und Schrifttum und Gall NJW. 1960 1509), wobei überwiegend und mit wechselnder Begründung diesen Vorschriften die Weitergeltung abgesprochen wurde. (Die §§ 10, 60 des jetzt geltenden Personenbeförderungsges. v. 21. 3.1961 — BGBl. I 241 — sehen eine solche Bindung nicht mehr vor.) Auf diese Frage kann hier nicht näher eingegangen werden. Die Hauptfälle, in denen der Strafrichter eine Vorentscheidung einer anderen Stelle abwarten maß, sind die folgenden: a) Die das Verfahren über die angezeigte Handlung abschließende Entscheidung der zuständigen Stelle ist gemäß § 164 Abs. 6 StGB, zwingende Voraussetzung für die Entscheidung des Gerichts über die falsche Anschuldigung (RGSt. 31 231; 41 155; BGHSt. 8 151; 10 88). Da § 164 Abs. 6 nur widersprechende tatsächliche Feststellungen ausschließen will, ist die Vorschrift unanwendbar, wenn das Verfahren betr. die falsche Anschuldigung sich bereits in der Revisionsinstanz befindet und erst jetzt das andere Verfahren anhängig wird (RGSt. 26 365). Die Nichtbeachtung des Verfahrenshindernisses führt in der Revisionsinstanz nicht zur Einstellung, sondern zur Aufhebung und Zurückverweisung (BGHSt. 8 154; oben S. 78).
ß ) Die das Verfahren über die behauptete strafbare Handlung abschließende Entscheidung muß nach § 191 StGB, gegeben sein, damit das Gericht über die üble Nachrede entscheiden kann; es gilt im übrigen das zu a) gesagte. Der Tatrichter verstößt durch Aburteilung auch dann gegen das Aussetzungsgebot des § 191, wenn er zwar keine Kenntnis von der gegen den Beleidigten erstatteten Strafanzeige hat, sich diese Kenntnis aber aus den von ihm beigezogenen Akten hätte verschaffen können (BayObLG. JZ. 1959 253). y) Eine Verfolgung wegen Gründung oder Förderung staatsgefährdender Vereinigungen ist, wenn die Vereinigung eine politische Partei innerhalb der Bundesrepublik ist, nach §90a Abs. 3 StGB, erst zulässig, nachdem das Bundesverfassungsgericht ihre Verfassungswidrigkeit festgestellt hat. Diese Feststellung wurde bisher als Prozeßvoraussetzung verstanden (BGHSt. 6 322), ebenso wie die nach BGHSt. 6 318 erforderliche Vorentscheidung des BVerfG., wenn aus § 93 StGB, gegen die Herstellung usw. „parteiamtlicher" Schriften, die für die Ziele innerhalb der Bundesrepublik bestehender politischer Parteien werben, vorgegangen werden soll. Dagegen ist im Fall des § 129 a StGB, die oberstverwaltungsgerichtliche Feststellung, daß eine Vereinigung gemäß Art. 9 Abs. 2 GG. verboten ist, nicht Verfahrensvoraussetzung für die Verfolgung aus § 129 a, sondern Tatbestandsmerkmal. Nachdem aber BVerfG. NJW. 1961 723 den § 90 a StGB.
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B 8 insoweit für grundgesetzwidrig (wegen Unvereinbarkeit mit Art. 21 GG.) erklärt hat, als er eine Bestrafung der Gründung und Förderung auch für die Zeit vor Feststellung der Verfassungswidrigkeit durch das BVerfG. androht, hat auch hier die genannte Feststellung die Bedeutung eines Tatbestandsmerkmals oder wenigstens die einer objektiven Bedingung der Strafbarkeit. Die Frage einer entsprechenden Einschränkung erhebt sich auch bei § 129 StGB. (vgl. BGH. NJW. 19611315). ö) Die im ehrengerichtlichen Verfahren getroffene Feststellung einer Verletzung der Berufspflicht bildet nach § 423 RAbgO. eine Voraussetzung für die Einleitung der strafrechtlichen Verfolgung eines Rechtsanwalts wegen einer fahrlässigen Steuerzuwiderhandlung. e) Die rechtskräftige Entscheidung der Finanzbehörde oder des Finanzgerichts über Grund und Betrag des Steueranspruchs ist nach § 468 RAbgO. in bestimmtem Umfang Voraussetzung für die Entscheidung des Gerichts über die Steuerhinterziehung oder fahrlässige Steuerverkürzung (RGSt. 56 109, 395; 61 118; 63 66; 64 237; 65 166; 66 199; 76 195; BGHSt. 14 11). Auch hier führt des Übersehen des Verfahrenshindernisses in der Revisionsinstanz nicht zur Einstellung, sondern zur Aufhebung und Zurückverweisung ( H ä r t u n g in H ü b s c h m a n n - H e p p - S p i t a l e r , Komm. z. RAbgO. Anm. 17). Näheres über die Bedeutung des § 468 RAbgO. vgl. Vorbem. 16 vor § 151 und die bereits angeführten Erläuterungen zu § 468 von H ä r t u n g a. a. 0. C) In anderen Fällen ist die Entscheidung einer R e c h t s f r a g e , auf die es für die Entscheidung ankommt, einen bestimmten Gericht Übertragern, sei es wegen der überragenden Bedeutung dieser Frage, sei es im Interesse der Erhaltung oder Herbeiführung der Rechtseinheit. Dann hat das andere Gericht mit seinem eigenen Verfahren innezuhalten (Verfahrenshindernis) und die Frage dem dafür zuständigen Gericht vorzulegen und dessen Entscheidung als Vorabentscheidung für die eigene Entscheidung abzuwarten. Fälle dieser Art sind in §§ 120 Abs. 3, 121 Abs. 2 GVG. und in Art. 100 Abs. 1, 2, 126 GG. (Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen, Zweifel, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechts ist, Fortgeltung von vorkonstitutionellem Recht als Bundesrecht) geregelt (vgl. Anm. 4 zu § 1 GVG.). Auch hier ist, wenn das Gericht das Verfahrenshindernis übersieht und selbst enscheidet, mit der Rechtskraft der Entscheidung der Mangel geheilt. I) R ü c k s i c h t auf das V e r h ä l t n i s zu e i n e r a u s l ä n d i s c h e n B e h ö r d e . — Wird ein Beschuldigter von einer ausländischen Macht der deutschen Gerichtsgewalt ausgeliefert (Einlieferung), so kann der Umfang der Aburteilungsbefugnis, wie er sich aus den Vorschriften des deutschen Rechts ergibt, durch Erklärung des ausliefernden Staates im Einzelfall, durch bestehende Auslieferungsverträge und schließlich durch den allgemeinen völkerrechtlichen Grundsatz der sog. Spezialität, der nach Art. 25 GG. als Inlandsrecht gilt, beschränkt sein (näheres Vorbem. 5 III vor § 156 GVG.). Auslieferungsvertrag und Auslieferungsbescheid sind maßgebend für die tatsächliche und rechtliche Begrenzung der Verfolgung des ausgelieferten Beschuldigten (RGSt. 30 440; 34 199; 45 278; 55 285; 64 187; 66 174; BayObLG. JW. 1927 2054 3 ; C o n r a d R e c h t 1913 285, S a u e r Grdl. S. 327). Also müssen die Gerichte — auch die Rechtsmittelgerichte — wenn sie über einen Ausgelieferten zu urteilen haben, von Amts wegen prüfen, ob und inwieweit die Verfolgung des Beschuldigten nach dem im Einzelfall geltenden Auslieferungsrecht zulässig ist; wird die Zulässigkeit verneint, so muß das Verfahren wegen Mangels der Verfahrensvoraussetzung eingestellt werden (RGSt. 70 286). Dagegen ist es Aufgabe der Behörden des ausliefernden Staats, darüber zu wachen, daß die Bewilligung der Auslieferung den dort geltenden Vorschriften entspricht; den deutschen Gerichten steht z. B. kein Nachprüfungsrecht zu, wenn der Beschuldigte geltend macht, daß er nicht habe ausgeliefert werden dürfen (RGSt. 70 287; Vorbem. 5 I l l d vor §156 GVG.). Wird das Verfahrenshindernis der beschränkten Aburteilungsbefugnis übersehen und die ergangene Entscheidung rechtskräftig, so ist das Urteil wirksam, denn es liegt hier nicht ein Fall fehlender Gerichtsbarkeit vor, in dem die Überschreitung der Gerichtsbarkeit auch das rechtskräftige Urteil unwirksam (nichtig) macht (vgl. S. 82). 8. Sachliche und örtliche Zuständigkeit. Auch sachliche und örtliche Zuständigkeit sind Verfahrensvoraussetzungen, deren Bedeutung sich im Hinblick auf den Grundsatz des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG., § 16 GVG.) ergibt. Und zwar ist sachliche Unzuständigkeit ein dauerndes Prozeßhindernis, örtliche Unzuständigkeit dagegen nur ein Hindernis von zeitlich vorübergehender Bedeutung
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K a p . 10
B8 (vgl. §§ 16, 18 StPO.). Die sachliche Unzuständigkeit aber führt, wenn sie hervortritt — und darin unterscheidet sie sich von anderen dauernden Prozeßhindernissen — nicht zur Einstellung des Verfahrens61, sondern zur Verweisung an das sachlich zuständige Gericht 61 a . a) S a c h l i c h e Z u s t ä n d i g k e i t . — Die Auslegung des § 6 StPO., wonach das Gericht seine sachliche Zuständigkeit in jeder Lage des Verfahrens zu prüfen hat, war früher in der Rechtsprechung des RG. uneinheitlich. Zwar bestand kein Zweifel, daß nach dieser Vorschrift das Gericht des ersten Rechtszuges und das Berufungsgericht ihre sachliche Zuständigkeit stets nach den Regeln des Freibeweises zu prüfen haben und daß die Verweisungspflicht (§ 270 Abs. 1) nicht erst dann gegeben sei, wenn das Gericht die Tatsachen, aus denen die Zuständigkeit des anderen Gerichts folgt, als erwiesen, sondern schon dann, wenn es sie als wahrscheinlich ansieht (RGSt. 64 180; RG. GA. 50 284; 69 94; LZ. 1923 142). Dagegen wurde die Frage, ob das Revisionsgericht nur seine eigene sachliche Zuständigkeit oder auch die des vor ihm mit der Sache befaßten Gerichts von Amts wegen zu prüfen habe, vom RG. früher nicht einheitlich beantwortet. Nach RGSt. 34 256 ; 62 63 hatte zwar das RG. seine eigene Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen, also, ob die Revisionszuständigkeit des RG. oder des OLG. gegeben sei; dagegen sollte das RG. zur Prüfung der sachlichen Zuständigkeit der Vorinstanz nur berechtigt und verpflichtet sein, wenn ein Beteiligter die Unzuständigkeit rügte (so auch jetzt noch P e t e r s 227). Im Gegensatz dazu sah RGSt. 61 322 in der Überschreitung der sachlichen Zuständigkeit durch den Vorderrichter einen Mangel, der auch ohne Rüge von Amts wegen aufzuklären und ohne Rücksicht darauf, ob das Urteil darauf beruht, durch Aufhebung des Urteils unter Verweisung nach § 355 zu berücksichtigen sei. Diese letztere Auffassung hat sich in der Folgezeit in der Rechtsprechung unangefochten durchgesetzt (RGSt. 66 256; 67 58; BGHSt. 7 26; 10 74; 13 157, 378; 14 64; NJW. 1960 2203). Ohne Bedeutung ist dabei, ob der Angeklagte durch die Verkennung der sachlichen Unzuständigkeit beschwert ist oder nicht (BGHSt. 13 157; a. M. OLG. Oldenburg NJW. 1957 1329 Nr. 24). In gleicher Weise hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu beachten, wenn das Berufungsgericht entschieden hat, obwohl die Berufung noch § 313 StPO. ausgeschlossen war (BayObLG. NJW. 1953 756; OLG. Hamm NJW 1961 1369). Ein Fall der unter dem Gesichtspunkt einer fehlenden Verfahrensvoraussetzung zu würdigenden sachlichen Unzuständigkeit liegt auch vor, wenn die Erwachsenengerichte mit Sachen befaßt werden, die vor die Jugendgerichte gehören, also z. B. an Stelle des Jugendrichters der Amtsrichter (BayObLG. NJW. 1955 959) oder an Stelle des Jugend-Schöffengerichts oder der Jugendkammer die große Strafkammer (BGHSt. 7 26; 8 349; 10 64, 74, 100; NJW. 1960 2203) entscheidet, oder wenn umgekehrt das Jugendgericht in die Zuständigkeit des Erwachsenengerichts eingreift, also z. B. die Jugendkammer nach unzulässiger Verbindung (§ 103 JGG.) einen Erwachsenen aburteilt, der vor das Schwurgericht gehört (BGHSt. 9 399; 10 74; a. M. H e n k e l JZ. 1957 565) oder die Jugendkammer als Berufungsgericht (an Stelle der Strafkammer) über die Berufung eines Erwachsenen gegen das Urteil des Jugendschöffengerichts entscheidet, nachdem infolge Rechtskraft des gegen den Jugendlichen oder Heranwachsenden ergangenen Urteils die Verbindung, die im ersten Rechtszug die Zuständigkeit des Jugendgerichts für den Erwachsenen begründete, hinfällig geworden ist (BGHSt. 13 157). 61 In der 20. Auflage (Einl. S.50) sprach N i e t h a m m e r — im Gegensatz zu der durchaus herrschenden Meinung — der Zuständigkeit die Bedeutung als Verfahrensvoraussetzung ab, weil es bei einem Zustandigkeitsverstoß „lediglich gelte, ein an sich zulassiges Verfahren, das auf die falsche Bahn geraten ist, von dieser weg auf die rechte Bahn zu leiten". Indessen gehört zum Begriff des Prozeßhindernisses (des Fehlens einer Prozeßvoraussetzung) lediglich, daß es das Gericht an einer eigenen Sachentscheidung — also das sachlich unzuständige Gericht am Erlaß eines Urteils — hindert. Dagegen ist Einstellung des Verfahrens zwar die Regel, aber nicht die notwendige Folge bei Zutagetreten eines Verfahrenshindernisses (vgl. S. 78); es ist deshalb mit dem Begriff des Prozeßhindernisses nicht unverträglich, wenn das Gesetz im Falle der sachlichen Unzuständigkeit dem Gericht vorschreibt, sein eigenes Prozedieren zu beenden und ihm gleichzeitig aus prozeßökonomischen Gründen aufgibt, das Verfahren durch Verweisung (§ 270) „auf die rechte Bahn" zu bringen (ebenso E b S c h m i d t Lehrkomm. I Nr. 116). 61a Die Verweisung nach § 270 StPO. findet nach dem Wortlaut der Vorschrift allerdings nur statt, wenn des befaßte Gericht die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts h ö h e r e r Ordnung für begründet halt, und an dieser Voraussetzung fehlt es, wenn statt des für Erwachsene zustandigen Amtsrichters der Jugendrichter, statt der Strafkammer die Jugendstrafkammer zustandig ist und umgekehrt. Halt man mit Rucksieht auf den Gesetzeswortlaut in solchen Fallen eine Verweisung nicht für möglich, so muß statt dessen eine Abgabe der Sache an das zustandige Gericht mit dessen Zustimmung zulassig sein (vgl. BayObLG. NJW. 1961 1829).
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B 9; A Im gerichtlichen Stadium des B u ß g e l d v e r f a h r e n s hat das Gericht auch von Amts wegen die sachliche Zuständigkeit der Verwaltungsbehörde zu prüfen, die den mit Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochtenen Bußgeldbescheid erlassen hat (BayObLG. NJW. 1960 641). Erwächst aber die Sachentscheidung, die das sachlich unzuständige Gericht erlassen hat, in Rechtskraft, so heilt die Rechtskraft den Mangel, wie sich ohne weiteres aus §§ 328 Abs. 3, 338 Nr. 4, 355 ergibt (RGSt. 55 100; 56 352; 71 378). Das gilt auch, wenn an Stelle des Jugendgerichts das Erwachsenengericht entschieden hat (s. S. 146). Einzelfragen sind in Anm. 6, 8d und e zu § 24 GVG. Anm. 5 zu § 76 GVG.; Anm. 8 zu § 407; Anm. 3 zu 408 StPO. erörtert. b) Ö r t l i c h e Z u s t ä n d i g k e i t . — Sie steht an Bedeutung hinter der sachlichen Zuständigkeit weit zurück. Während die Wahrung des öffentlichen Wohls maßgebend dafür ist, daß die Untersuchung und Entscheidung bestimmter strafbarer Handlungen wegen ihrer Schwere oder Eigenart Gerichten höherer Ordnung oder Gerichten mit besonderer Besetzung (Jugendgerichte) anvertraut wird, üben auch Zweckmäßigkeitsgründe einen erheblichen Einfluß auf die Verteilung gleichartiger Strafsachen unter die nach örtlichen Rücksichten ausgewählten Gerichte gleicher Ordnung aus. Dementsprechend ist die örtliche Zuständigkeit durch die §§ 16 und 18 StPO. in ihren Wirkungen abgeschwächt; die Erörterung deT Frage der örtlichen Zuständigkeit ist eingeschränkt ( O e t k e r JW. 1928 2260). Eine Prüfung von Amts wegen findet nach Eröffnung des Hauptverfahrens nicht mehr statt. Der Beschuldigte muß den Einwand der örtlichen Unzuständigkeit in der Hauptverhandlung bis zur Verlesung des Beschlusses über die Eröffnung des Hauptverfahrens geltend machen. Führt die Verhandlung, nachdem das Recht des Beschuldigten zur Erhebung des Einwandes erloschen ist, in Abweichung vom Eröffnungsbeschluß zu einer tatsächlichen Feststellung oder zu einer rechtlichen Würdigung, aus der die Unzuständigkeit des Gerichts an sich folgen würde, so muß es doch bei der einmal begründeten örtlichen Zuständigkeit verbleiben (RGSt. 65 267). Im Auslieferungsverfahren wird der Beschluß des OLG. über die Zulässigkeit der Auslieferung durch den Mangel der örtlichen Zuständigkeit (§ 9 DAG.) nicht berührt (BGH. NJW. 1958 759). c) Für bestimmte Strafsachen sieht das Gesetz eine K o n z e n t r a t i o n der Z u s t ä n d i g k e i t bei e i n e m Gericht innerhalb eines größeren Gerichts vor. So ist z.B. nach §74a GVG. die Strafkammer des Landgerichts, in dessen Bezirk das Oberlandesgericht seinen Sitz hat, als Staatsschutzstrafkammer bei bestimmten politischen Verbrechen und Vergehen für den ganzen Oberlandesgerichtsbezirk zuständig. Über weitere Fälle dieser Art s. Anm. 1 zu § 74 GVG. In solchen Fällen handelt es sich um die Begründung einer sachlichen Zuständigkeit nur insoweit, als Gerichten mit Rang unter dem Gericht, bei dem die Zuständigkeit liegt (im Beispielsfall: den Amtsgerichten des OLG.-Bezirks) die Zuständigkeit entzogen ist. Dagegen hegt im Verhältnis zu den gleichrangigen Gerichten des Bezirks nur die Begründung einer örtlichen Zuständigkeit vor, so daß also, wenn in einer der in § 74a GVG. bezeichneten Strafsachen statt der Staatsschutzstrafkammer am Sitz des Oberlandesgerichts eine andere Strafkammer des OLG.-Bezirks entscheidet, nicht die Überschreitung der sachlichen, sondern nur die der örtlichen Zuständigkeit in Frage steht (BGHSt. 13 378; s. Anm. 2 zu § 74a GVG.). 9. Sühneversuch. Nach § 380 StPO. ist die Erhebung der Privatklage wegen bestimmter Vergehen erst zulässig, nachdem von einer Vergleichsbehörde die Sühne erfolglos versucht worden ist. Der Sühneversuch ist eine Klagevoraussetzung und erfordert Prüfung von Amts wegen. Hat ein Sühneversuch vor Erhebung der Klage nicht stattgefunden, so ist die Klage zurückzuweisen; eine Nachholung kommt — was freilich sehr streitig ist — nicht in Betracht (vgl. die Anm. zu § 380). Eröffnet aber (unrichtigerweise) das Gericht gleichwohl das Verfahren, so ist dadurch der Mangel der Klagevoraussetzung geheilt, da der Zweck, die Klage zu vermeiden, nicht mehr erfüllt werden kann und es dem Gericht jederzeit freisteht, den versäumten Sühneversuch durch die eigene Bemühung um gütliche Befriedung zu ersetzen (vgl. die Anm. zu § 380).
11. Die Prozeßmaximen. A. Allgemeines. Die Aufgabe, die die StPO. dem erkennenden Gericht im Strafverfahren zuweist, ist, die Wahrheit zu erforschen und ein gerechtes Urteil zu fällen. Diese Zielsetzung erschien dem Gesetzgeber so selbstverständlich, daß sich die StPO. in ihrer ursprünglichen Fassung nach beiden
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Richtungen eines ausdrücklichen Ausspruchs hierüber enthielt — erst Jahrzehnte nach dem Inkrafttreten der StPO. und auch nur zur Verdeutlichung ist die Wahrheitserforschungspflicht des Gerichts in der Hauptverhandlung förmlich niedergelegt worden (vgl. Anm. 4 und 6 zu § 244) — und sich damit begnügte, den Weg zu regeln, auf dem die Wahrheit zu finden sei, und damit Garantien für die Fällung eines gerechten, dem sachlichen Recht entsprechenden Urteils zu schaffen. Dieser Weg aber ist nicht ein mehr oder weniger zwangsläufig durch die Natur der Sache, das Wesen des Prozesses oder Überlegungen der Dogmatik oder Rechtslogik gewiesener, sondern ist das Ergebnis eines positiv-rechtlichen Abwägens zwischen widerstreitenden Belangen (s. oben S. 24) und die Auffassungen über die zweckmäßigste Gestaltung des Verfahrens, über die „richtige", d. h. dem Ideal der Ausgleichung sich am meisten nähernde Grenzziehung zwischen der Macht des verfolgenden Staats und dem Schutzbedürfnis des Individuums, zwischen dem öffentlichen Interesse an straffer Durchführung des Prozesses im Zuge einer raschen und nachdrücklichen Verbrechensverfolgung und dem Interesse des Beschuldigten an möglichst weitgehender Ausdehnung seiner Schutz- und Verteidigungsrechte sind, wie die Darstellung der Änderungen, die StPO. und GVG. seit ihrem Inkrafttreten am 1.10.1879 bis heute erfahren haben, und die Übersicht über die in diesem Zeitraum hervorgetretenen und unerfüllt gebliebenen Reformwünsche (oben S. 4ff. und S. 24 ff.) zeigen, wandelbar und werden vom Wechsel der weltanschaulichen Vorstellungen und der politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse, ja selbst von gewissen vorübergehenden Tagesbedürfnissen beeinflußt. Schließlich wirken auch Regelungen des Auslands, die ihrerseits — unbeschadet der Übereinstimmung in gewissen grundsätzlichen Fragen, die aus der Menschenrechtskonvention (S. 2) erhellt — von Staat zu Staat und von Kontinent zu Kontinent wechseln, auf die Reformideen und schließlich auch auf die gesetzgeberischen Maßnahmen ein. Immerhin haben sich aber mit der Durchsetzung des reformierten Strafprozesses im 19. Jahrhundert gewisse Grundprinzipien (Prozeßmaximen) herausgebildet, die, von der StPO. übernommen, den deutschen Strafprozeß charakterisieren und die, in Zeiten des Krieges, wirtschaftlicher Not und entarteter Staatsgewalt vorübergehend abgeschwächt oder zurückgedrängt, bis heute, wenn auch nicht ohne mehr oder minder weitgehende Änderungen im einzelnen, so doch im Grundsatz in Geltung geblieben sind. Diese Grundprinzipien sind aber nicht streng und bis zur letzten Konsequenz durchgeführt, sondern von Ausnahmen durchbrochen, zu denen die Ausgleichung gegensätzlicher Interessen zwang. So ist z. B. der Verfolgungszwang (unten S. 118) zur Milderung von Schärfen, die er im Einzelfall mit sich bringt, im Lauf der Zeit eingeschränkt worden. Und der Grundsatz der Mündlichkeit und Unmittelbarkeit (unten S. 129ff.) gilt zwar, wenn es zur Hauptverhandlung kommt, aber die überwiegende Zahl der kleineren Straffälle wird ohne Hauptverhandlung, nämlich durch Strafbefehl oder Strafverfügung erledigt. Dem Grundsatz der Mündlichkeit wird hier dadurch Genüge getan, daß dem Beschuldigten das Recht zusteht, durch Einlegung des Einspruchs eine Hauptverhandlung herbeizuführen. Auch gestattet das Gesetz zuweilen in Fällen, in denen eine Hauptverhandlung grundsätzlich stattfindet, zur Beschleunigung des Verfahrens bei einfacher Sachlage von der Hauptverhandlung abzusehen und im schriftlichen Verfahren durch Beschluß zu entscheiden (§§ 349 Abs. 2, 371 Abs. 1, 431 Abs. 4)62. 62 Bei der Diskussion um die Aufrechterhaltung des § 349 Abs. 2 (Verwerfung der Revision als offensichtlich unbegründet durch Beschluß des Revisionsgerichts; vgl. S. 38) ist es also kein sinnvolles Argument gegen diese Vorschrift, wenn geltend gemacht wird, das schriftliche Verfahren „verstoße" gegen den Grundsatz der Mündlichkeit, denn dieser Grundsatz gilt nicht apodiktisch, sondern nur in der Ausprägung und mit den Einschränkungen, die das geltende Recht vorsieht. Die Frage kann also nur lauten, ob die lex lata insoweit auf einer zweckmäßigen Interessenabwägung beruht. Auch mit Art. 6 Abs. 1 der Menschenrechtskonvention, soweit er dem Beschuldigten Anspruch auf „öffentliches Gehör" zuerkennt, steht § 349 Abs. 2 StPO. nicht in Widerspruch, denn der Mündlichkeitsgrundsatz gilt in erster Linie für die Tatsacheninstanzen und läßt dem nationalen Gesetzgeber Raum für Vorschriften, die für das auf die rechtliche Nachprüfung beschränkte Revisionsverfahren Ausnahmen vorsehen. Es trifft deshalb nicht den Kern der Sache, wenn OLG. Celle NJW. 1960 881 das auf Art. 6 Abs. 1 der Menschenrechtskonvention gestützte Verlangen des Betroffenen nach mündlicher Verhandlung im Rechtsbeschwerdeverfahren nach § 56 OWiG. mit der Begründung zurückweist, Art. 6 Abs. 1 gelte nur für das Straf-, nicht für das Bußgeldverfahren. Ob das zutrifft oder ob nicht auch im gerichtlichen Bußgeldverfahren Art. 6 Abs. 1 mindestens entsprechend anwendbar ist, mag dahinstehen. Denn auch dann, wenn Art. 6 unmittelbar oder entsprechend für das gerichtliche Bußgeldverfahren gilt, ist dem Anspruch auf öffentliches Gehör dadurch genügt, daß der Betroffene im Verfahren vor dem Amtsrichter mündliche Verhandlung beantragen kann (§ 55 Abs. 3 OWiG.).
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Kap. 11
Einleitung (Schäfer)
B 1 B. Die einzelnen Grundsätze. 1. Der Anklagegrundsatz. a) Ein wesentliches Merkmal des gemeinrechtlichen Inquisitionsprozesses war die Vereinigung der Tätigkeiten des Verfolgens und des Richtens in e i n e r Hand, der des Richters. Zum Richten aber gehört innere Unbefangenheit, die bei dem nicht erwartet werden kann, der früher angreifend und ermittelnd in der Sache tätig geworden ist; und noch weniger wird der Beschuldigte dem Richter das Vertrauen der inneren Unbefangenheit und Unparteilichkeit entgegenbringen, wenn dieser ihm zunächst angreifend und inquirierend, gewissermaßen als Gegner gegenübergetreten ist. Auf der psychologischen Grunderfahrung von der Unvereinbarkeit der Stellung von Inquirent und Richter in einer Person beruhten die Forderungen in der Reformbewegung des 19. Jahrhunderts, beide Aufgabenbereiche zu trennen, die Aufgabe des Einschreitens und Ermitteins einem besonderen Organ, einem die Öffentlichkeit, die Staatsgewalt repräsentierenden Ankläger, zu übertragen und dem Gericht die weitere Verfügung über das Verfahren erst durch einen förmlichen Akt, die Erhebung der öffentlichen Klage, zu überlassen, wenn der Ankläger auf Grund seiner Ermittlungen und des zusammengetragenen Belastungsmaterials einen hinreichenden Tatverdacht für gegeben hält. Diese Forderungen fanden um die Mitte des 19. Jahrhunderts im reformierten Strafprozeß ihre gesetzgeberische Verwirklichung und auf diesem Grundgedanken beruht auch die Regelung der StPO. Grundsätzlich wird danach gegen strafbare Handlungen von Amts wegen eingeschritten. Das Einschreiten von Amts wegen ist jedoch dem Gericht verwehrt. Nur ausnahmsweise hat der Amtsrichter bei Gefahr im Verzug auf Grund des § 165 StPO. als „Notstaatsanwalt" einzelne der Vorbereitung der öffentlichen Klage dienende Untersuchungshandlungen vorzunehmen. Vielmehr wird die Eröffnung einer gerichtlichen Untersuchung gemäß § 151 StPO. durch die Erhebung einer Klage bedingt ( A n k l a g e g r u n d s a t z ) . Die Klage bildet eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der gerichtlichen Untersuchung und Entscheidung; sie ist Verfahrensvoraussetzung, der Mangel einer ordnungsmäßigen Klage ein Verfahrenshindernis (vgl. S. 79). Zur Erhebung der öffentlichen Klage ist nach § 152 Abs. 1 StPO. der Staatsanwalt berufen. Er kann die von ihm erhobene öffentliche Klage nach § 156 StPO. nicht mehr zurücknehmen, wenn die Voruntersuchung oder das Hauptverfahren eröffnet und damit die Herrschaft des Gerichts über das Verfahren begründet ist (Ausnahme §§ 411, 413), während der Privatkläger einer solchen Beschränkung nicht unterliegt (§ 391). In strengster Folgerichtigkeit durchgeführt würde der Anklagegrundsatz etwa zu folgender Verfahrensgestaltung führen: Die ermittelnde Tätigkeit liegt ausschließlich dem Staatsanwalt ob. Der Richter trägt keine Verantwortung für die Klage; die Klageerhebung führt alsbald zur Hauptverhandlung. In dieser treten zwei Beteiligte, der Kläger und der Angeklagte, behauptend und begehrend vor ihm auf. Sie tragen — zumeist widerstreitend — vor, was die Klage erhärten oder entkräften soll. Der Richter ist aus der untersuchenden Tätigkeit völlig verdrängt und ausschließlich damit betraut, den Stoff, den die am Verfahren Beteiligten vor ihm ausbreiten, in sich aufzunehmen und hieraus das Bild zu formen, auf das er die Entscheidung stützt. Das geltende Strafverfahren ist jedoch nicht so gestaltet. Zunächst ist dem Hauptverfahren, dessen Kernstück die Hauptverhandlung bildet, ein Zwischenverfahren, das Eröffnungsverfahren vorgeschaltet. Die Anklageschrift des Staatsanwalts enthält den Antrag, das Hauptverfahren vor einem bestimmten Gericht zu eröffnen (§ 199 Abs. 2). Das Gericht prüft aber nicht nur seine örtliche und sachliche Zuständigkeit, sondern auch, ob der Angeschuldigte nach den bisherigen Ermittlungen einer strafbaren Handlung hinreichend verdächtig ist (§ 203). Der Angeschuldigte wird — außer in Einzelrichterstrafsachen — zuvor gehört (§ 202). Das Gericht kann ergänzende Ermittlungen anordnen (§ 202). Soweit es nicht wegen sachlicher Unzuständigkeit nach § 209 verfährt, lautet seine abschließende Entscheidung auf Eröffnung des Hauptverfahrens oder Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens; vorübergehende Verfahrenshindernisse führen zu vorläufiger Einstellung des Verfahrens (§§ 203—205). Der Sinn dieses Zwischenverfahrens ist die „negative Kontrollfunktion": dem Angeschuldigten zu ersparen, sich in einer öffentlichen Hauptverhandlung verantworten zu müssen, wenn nach Sachlage mit einer Verurteilung mangels hinreichenden Verdachts nicht zu rechnen ist, aber auch das erkennende Gericht von der Belastung mit einer überflüssigen Hauptverhandlung freizuhalten. Die Kehrseite dieser Vorprüfung ist freilich, daß das in der Hauptverhandlung erkennende Gericht, obwohl an den Eröffnungsbeschluß nicht gebunden (§§ 261, 264 Abs. 2), doch wenigstens in den Augen des Angeklagten
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Die Prozeßmaximen
K a p . 11 B1
als innerlich festgelegt erscheinen kann. So ist — von den Vorwürfen, daß es schleppend und umständlich, aber auch ungeeignet sei, die Interessen der Anklage oder des Beschuldigten zu wahren, ganz abgesehen — die Zweckmäßigkeit des Eröffnungsverfahrens seit langem umstritten (vgl. die Schrifttumsnachweise in Vorbem. 6 vor § 198) und auch die Stellungnahme des Gesetzgebers und der amtlichen Reformgremien hat im Laufe der Zeit gewechselt: Die VO. vom 13. 8.1942 hatte unter Vorwegnahme der im EGStGB. = Entw. 1930 (Art. 70 Ziff. 115) und im StPO. = Entw. 1939 (§§32 ff.) vorgeschlagenen Regelung den Eröffnungsbeschluß beseitigt (vgl. oben S. 14), das Rechtsvereinheitlichungsgesetz v. 12. 9.1950 hat ihn wieder hergestellt und der Entwurf der StPO. = Novelle 1960 (S. 37) will zwar den Eröffnungsbeschluß dem Namen wie der Kontrollfunktion nach beibehalten, seinen Inhalt aber dahin verändern, daß er nicht mehr die Feststellung enthält, der Angeschuldigte sei der ihm von der Anklage zur Last gelegten Tat hinreichend verdächtig, sondern sich mit dem Ausspruch begnügt, die Anklage werde „zur Hauptverhandlung zugelassen". Als weitere Durchbrechungen des Grundsatzes, den Richter von inquirierender Tätigkeit freizuhalten, kommen vornehmlich die durch §§ 178 ff. StPO. geregelte Voruntersuchung und die im § 238 StPO. angeordnete Übertragung der Vernehmung des Angeklagten und der Erhebung der Beweise in der Hauptverhandlung an den Vorsitzenden in Betracht. Seit langem werden diese Einrichtungen als lästige Überbleibsel älterer, nach dem Untersuchungsgrundsatz geformter Ordnungen nachdrücklich bekämpft. Reformvorschläge gipfeln in dem Wunsch nach Beseitigung der Voruntersuchung und nach allgemeiner Einführung des dem anglo-amerikanischen Vorbild angepaßten Kreuzverhörs. Berufungsgericht ist zur Umgestaltung der Strafklage berechtigt und verpflichtet (RGSt. 56 324, 62 130, 66 45). Der Gegenstand der Urteilsfindung wird für das Berufungsgericht -
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§264
Strafprozeßordnung. Zweites Buch
Anm. 4, 5 bei unbeschränkter Einlegung des Rechtsmittels — nicht durch das angefochtene Urteil, sondern durch den Eröffnungsbeschluß bestimmt und begrenzt (RGSt. 10 56, 61399, 62130; RG. JW. 1931 231111). Das Berufungsgericht muß aber seine Entscheidung nicht nur auf alles erstrecken, was vom angefochtenen Urteil im Rahmen des § 264 bei erschöpfender tatsächlicher und rechtlicher Würdigung als die unter Anklage gestellte Tat zu erfassen gewesen wäre, sondern außerdem auch noch auf die begrifflich zu dieser Tat gehörigen, erst nach der Verkündung des angefochtenen Urteils vorgefallenen Ereignisse (RGSt. 62 131, 66 48). Dies trifft auch im Fall der Zurückweisung gemäß § 354 zu, sofern das Revisionsgericht die dem Schuldspruch zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben hat. Also setzt das Urteil dem Fortsetzungszusammenhang die Grenze, das in der durch Rechtsmittel hervorgerufenen Aufeinanderfolge als letztes gestaltungsfähig im Sinn des § 264 ist (RGSt. 61 255, 66 49; BGHSt. 9 324). Nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts soll eine Ausnahme von dieser Regel in den Fällen Platz greifen, in denen die Verfahrungslage der §§ 331 und 358 Abs. 2 gegeben, also das Urteil nur zugunsten des Angeklagten angefochten ist; der Angeklagte, der nach seiner Verurteilung wegen einer strafbaren Handlung allein Berufung eingelegt und seine strafbare Tätigkeit bis zur Verwerfung der Berufung nicht eingestellt hat, soll sich gegenüber der neuen Anklage wegen dieser Tätigkeit nicht auf den Fortsetzungszusammenhang und die Unzulässigkeit zweimaliger Verfolgung wegen einer und derselben Tat berufen können (RGSt. 49 353). Demgegenüber verdient die Lösung den Vorzug, die auch für solche Fälle die Heranziehung der hinter der Urteilsfällung liegenden Einzelhandlungen ermöglicht, aber sie vom Zwang der §§ 331 und 358 Abs. 2 befreit (RGSt. 66 45, 49; BGHSt. 9 324). Bei Beschränkung auf das Strafmaß begrenzt allerdings das schöffengerichtliche Urteil, weil das Berufungsgericht die dem Urteil nachfolgenden Einzelhandlungen nicht heranziehen kann, den Fortsetzungszusammenhang. In der rechtlichen Beurteilung der Tat ist das Berufungsgericht frei; es muß eine einheitliche Tat nach allen an sich möglichen rechtlichen Beziehungen würdigen und darf wegen derselben Tat auch aus einem vom Schöffengericht nicht beachteten oder ausdrücklich verneinten rechtlichen Gesichtspunkt verurteilen (RGSt. 64 352). Insbesondere ist das Berufungsgericht nicht gehindert, sein Urteil auf den ganzen Klagegegenstand zu erstrecken, wenn es für ihn Tateinheit als gegeben ansieht, während das Gericht erster Instanz Tatmehrheit angenommen hatte und gegen das erstinstanzliche Urteil bezüglich der eine Einzelhandlung betreffenden Entscheidung keine Berufung eingelegt wurde (BayObLG. DRZ. 1932 Nr. 692). 4. Umgestaltung von Amts wegen. Nach dem Grundsatz des § 155 Abs. 2 ist die Zulässigkeit einer Klagänderung von keinem Antrag der Staatsanwaltschaft oder des Angeklagten abhängig. Das Gericht ist berechtigt, von Amts wegen alle in der Hauptverhandlung hervorgetretenen Tatumstände in Betracht zu ziehen und die Tat nach allen möglichen strafrechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Diese Berechtigung schließt aber zugleich die entsprechende Verpflichtung in sich; denn das Gericht hat von Amts wegen für die Feststellung der Wahrheit zu sorgen und muß dieser Pflicht in dem a n h ä n g i g e n V e r f a h r e n genügen, da die StPO. die Einrichtung des V o r b e h a l t s e i n e r a n d e r w e i t i g e n V e r f o l g u n g , wie solche in einem Teil Deutschlands früher gesetzlich bestand, nicht aufgenommen hat; wird ein solcher Vorbehalt vom Gericht gemacht, so ist er rechtlich bedeutungslos (RGSt. 4 34, 7 229,15 133, 21 79, 44 118, 48 91). Insbesondere geht es nicht an, daß das Gericht bei der Aburteilung der Straftat die Entscheidung über die Anordnung einer Nebenfolge nach § 42a StGB, vorbehält (RGSt. 68 384). — Der auf eine Klagänderung abzielende Antrag eines Prozeßbeteiligten hat hiemach nur insofern eine Bedeutung, als er einen ausdrücklichen Ausspruch über den in ihm bezeichneten rechtlichen Gesichtspunkt in den Entscheidungsgründen erforderlich macht (§ 267 Abs. 2). Mangels eines solchen Antrags braucht sich das Gericht über ein verneinendes Ergebnis seiner die etwaige Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts betreffenden Erörterungen nicht ausdrücklich auszusprechen (RGR. 1 798, 3 807, 7 522; RGSt. 2 15, 30, 4 192, 16 111). 5. Ausnahmen.
Das Gericht ist zu einer Klagänderung nicht befugt:
a) soweit die Tat die Merkmale einer der ordentlichen Gerichtsbarkeit entzogenen und der S o n d e r g e r i c h t s b a r k e i t unterstellten strafbaren Handlung enthält (RGSt. 33 406); b) soweit in A u s l i e f e r u n g s s a c h e n die Anwendung eines anderen rechtlichen Gesichtspunkts den Grundsatz der S p e z i a l i t ä t verletzen würde (RGSt. 21182, 27 128, 416, 29 271,33 387, 37 91, 41 275, 45 276, 64 189, 65 111, 66 173, 347). - Wenn das Gericht den von einem ausländischen Staat ausgelieferten Angeklagten wegen einer Tat, derentwegen er nicht ausgeliefert ist,
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Sechster Abschnitt. Hauptverhandlung (Geier)
§ 2 6 4 Anm. 6, 7
§265 verurteilt und das Urteil rechtskräftig wird, steht jedoch der Einwand der bereits entschiedenen Sache einer späteren, nunmehr die Auslieferungsbedingungen nicht verletzenden Aburteilung wegen derselben Tat entgegen (RG. III 888/29 v. 9. Jan. 1930). c) soweit das Hauptverfahren wegen eines im I n l a n d verübten Vergehens eröffnet i.st, der Angeklagte aber wegen einer im A u s l a n d begangenen Handlung bestraft werden soll, es sei denn, daß die Staatsanwaltschaft (vgl. § 163b) die Verfolgung der Auslandstat beantragt (RGSt 44119). 6. Erschöpfung des Eröffnungsbeschlusses. Das Gericht muß auch im Fall einer Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts die erhobene Klage wie sie im Eröffnungsbeschluß gefaßt ist, vollständig erschöpfen, d. h. sich in den Entscheidungsgründen über das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein der im Beschluß bezeichneten Tatbestandsmerkmale aussprechen: es darf die in ihm angenommene strafrechtliche Würdigung der Tat nicht mit Stillschweigen übergehen. Dies bezieht sich aber nur auf den wesentlichen Inhalt des Beschlusses. Sind in ihm Umstände aufgenommen, die nicht hinein gehören (z. B. die Strafminderungsgründe, StGB. §§ 157,158), so braucht über diese Umstände keine ausdrückliche Entscheidung zu ergehen (RGSt. 30 209). Das Erfordernis einheitlicher und erschöpfender rechtlicher Würdigung greift insbesondere, wenn die Verletzung mehrerer Strafgesetze durch eine und dieselbe Handlung in Betracht kommt, auch gegenüber der Berufung des Nebenklägers Platz, dessen Recht zum Anschluß sich nur auf eines der verletzten Gesetze stützt (RGSt. 41 349, 45 326, 46 366, 61 349, 63 67, 65 62,131). - Hat das Gericht erster Instanz die Klage nicht vollständig erschöpft, so liegt ein Mangel des Verfahrens vor, der im Weg der Revision geltend gemacht werden kann und zur Aufhebung des Urteils in vollem Umfang führt (RG. JW. 1929 105158). Bei einer fortgesetzten Tat, die dem Tatrichter im Eröffnungsbeschluß unterbreitet ist, ist es unzulässig, die Verhandlung und Entscheidung über einen Teil der Einzelhandlungen durch Beschluß oder Urteil abzutrennen und besonderer Aburteilung vorzubehalten (BGH. NJW. 1953 27318). 7. Zulässigkeit sonstiger Feststellungen. Dadurch, daß § 264 die Untersuchung gegenständlich auf die in der Anklage bezeichnete Tat begrenzt, wird das Gericht nicht gehindert, noch andere Tatsachen festzustellen, wenn es nur nicht geschieht, um eine andere Straftat zum Zwecke ihrer Ahndung festzustellen. So dürfen vor allem andere Tatsachen, selbst andere strafbare Handlungen, ermittelt und festgestellt werden, um sie als bloße Beweisanzeichen oder als Strafzumessungstatsachen zu verwerten (BGH. NJW. 1951 763; K l e i n k n M Anm. 7). Immer aber muß es sich aus den in Anm. 4 zu § 261 erörterten Gründen um für erwiesen erachtete Tatsachen handeln. Der bloße Verdacht, daß der Angeklagte früher oder bei anderer Gelegenheit eine ähnliche Straftat wie die ihm vorgeworfene begangen habe, kann weder Beweisanzeichen für die Bejahung der Schuldfrage noch zulässiger Strafzumessungsgrund sein (BGH. vom 16.6.1961—5 StR. 181/61; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 5).
§ 365 (1) Der Angeklagte darf nicht auf Grund eines anderen als des in dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens angeführten Strafgesetzes verurteilt werden, ohne daß er zuvor auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts besonders hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Verteidigung gegeben worden ist. (2) Ebenso ist zu verfahren, wenn sich erst in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände ergeben, welche die Strafbarkeit erhöhen oder die Anordnung einer Maßregel der Sicherung und Besserung rechtfertigen. (3) Bestreitet der Angeklagte unter der Behauptung, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zu sein, neu hervorgetretene Umstände, welche die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes gegen den Angeklagten zulassen als des in dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens angeführten, oder die zu den im zweiten Absatz bezeichneten gehören, so ist auf seinen Antrag die Hauptverhandlung auszusetzen. (4) Auch sonst hat das Gericht auf Antrag oder von Amts wegen die Hauptverhandlung auszusetzen, falls dies infolge der veränderten Sachlage zur genügenden Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung angemessen erscheint.
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§265
Strafprozeßordnung. Zweites Buch
Anm. 1, 2 Schrifttum: Meves GA. 38 93,263; W e r t h e i m e r , Die Mischgesetze des deutschen StGB. 1903 (Strafr. Abh. Heft 47); D i t z e n LZ. 111213; A r n d t NJW. 1969 6; 1297; J a g u s c h NJW. 1959 265; R ö h l NJW. 1959 285. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 215. II. Entw. § 221. III. Entw. § 224. Die Fassung des Abs. 2 geht auf Art. 2 Ziff. 23 des AG. z. GewVerbrGes. zurück. Sie ersetzte, ohne daß sich daraus eine sachliche Änderung ergab, die ursprüngliche Fassung: „wenn. . . . Umstände behauptet werden", durch die Wendung: „wenn sich Umstände ergeben", und fügte die Umstände hinzu, welche „die Anordnung einer Maßregel der Sicherung und Besserung rechtfertigen". Änderungsvorschläge: NE I und II §§ 250, 258. NE III § 260. 1. Sinn und Zweck der Vorschrift. Eine Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts, wie sie durch § 264 zugelassen ist, kann eine anderweite Vorbereitung der Klage oder der Verteidigung erforderlich machen, wie überhaupt von bestimmendem Einfluß auf das Verhalten der Prozeßbeteiligten sein. Mit der Aufgabe, ein Geschehnis unter einem bestimmten rechtlichen Gesichtspunkt zu klären und zu beurteilen, ist regelmäßig die Aufgabe verbunden, Wichtiges von Unwichtigem zu scheiden. Ändert sich der rechtliche Gesichtspunkt, kann bis dahin Unwichtiges und Nebensächliches entscheidende Wichtigkeit erlangen. Dem trägt § 265 Rechnung. Er will vor allem verhüten, daß der Angeklagte durch eine solche Verlagerung der Bewertung von Vorgängen überrascht und in seiner Verteidigung beeinträchtigt wird (vgl. BGHSt. 2 373). Die Pflicht des Gerichts, ihn davor zu bewahren, folgt schon aus der allgemeinen das ganze Verfahren beherrschenden Pflicht zur wahrheitsgemäßen Aufklärung des Sachverhalts; denn jede Beeinträchtigung der Verteidigung begründet die Besorgnis, daß die Sachaufklärung darunter leiden könne. Der rechtfertigende Grundgedanke — Schutz des Angeklagten vor Überraschung im Dienste der Sachaufklärung — kann auch in anderen als den in § 265 hervorgehobenen Fällen dem Gericht ein bestimmtes Verhalten zur Pflicht machen. Auch ohne Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts und das Hervortreten neuer Umstände kann der Fall eintreten, daß alle Beteiligten ersichtlich einen Vorgang oder einen Umstand als nebensächlich ansehen, das Gericht aber glaubt, ihm erhebliches Gewicht beilegen und aus ihm wichtige Schlüsse ziehen zu können, vielleicht obwohl er ganz verschiedene Deutungen zuläßt. Der Schutz des Angeklagten im Dienste der Sachaufklärung gebietet auch in einem solchen Falle, den Angeklagten mit einer solchen Bewertung, mit der er ersichtlich nicht rechnet, nicht erst im Urteil zu überraschen. Auch wenn ein Angeklagter eine Tatsache unter Zeugenbeweis stellt, der Zeuge die Behauptung bestätigt, das Gericht das Zeugnis aber als unglaubwürdig behandeln will, kann der Schutz des Angeklagten erfordern, daß Zweifel an der Glaubwürdigkeit in der Verhandlung selbst erörtert werden. BGHSt. 11 88, 91 meint, die Hinweispflicht folge aus dem durch Art. 103 Abs. 1 GG. verbürgten Anspruch auf rechtliches Gehör. In der Tat kann nicht gut in Zweifel gezogen werden, daß sich § 265 mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör berührt. Doch ist er nicht als Unterfall oder Anwendungsfall des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör aufzufassen, sondern als ein selbständiges Recht des Angeklagten, das ihm die Verfahrensordnung gibt, um ihn vor unvermuteten Überraschungen zu schützen und dadurch zugleich der Sachaufklärung zu dienen. Die Verletzung des § 265 kann deshalb die Revision begründen, nicht aber ohne weiteres eine Verfassungsbeschwerde rechtfertigen (vgl. BGHSt. 13 320,325; 16 47; BayVerfGH. NJW. 1959 285 mit Anm. R ö h l ; J a g u s c h NJW. 1959 265; teilweise a. A. A r n d t NJW. 1959 1297). Die zum Schutze des Angeklagten vor Überraschung in § 265 vorgesehenen Maßregeln sind die Hinweisung des Angeklagten auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts (Abs. 1, 2) und die Aussetzung der Hauptverhandlung (Abs. 3, 4). Das Interesse der Anklage ist nur in Abs. 4 ausdrücklich berücksichtigt. Ob auf eine Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts auch die Staatsanwaltschaft hinzuweisen sei, ist dem Ermessen des Vorsitzenden überlassen. Bei einem Mitangeklagten, der durch die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts nicht betroffen wird, bedarf es keines besonderen Hinweises. — Im Fall der Änderung einer tatsächlichen Annahme, z. B. über Tag oder Stunde der Tat, findet nicht Abs. 1—3, sondern Abs. 4 Anwendung (RG. JW. 1928 225968; D i t z e n 1214,1222; A l s b e r g , Justizirrtum und Wiederaufnahme 15, JW. 1922 811). 2. Verurteilung. Der Angeklagte wird im Sinne des § 265 Abs. 1 nicht nur verurteilt, wenn gegen ihn auf eine Kriminalstrafe erkannt, sondern auch dann, wenn eine Maßregel der Sicherung und Besserung angeordnet oder gegen einen Jugendlichen oder Heranwachsenden Erziehungsmaßregeln oder Zuchtmittel verhängt werden (RG. GA. 50 125). BGH. NJW. 1952 1346 verlangt
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Sechster Abschnitt. Hauptverhandlung (Geier)
§265 Anm. 3, 4
den Hinweis auch dann, wenn das Gericht unter Anwendung eines andren als des im Eröffnungsbeschluß genannten Strafgesetzes zwar nicht auf Verurteilung, aber auf Einstellung des Verfahrens statt auf Freisprechung erkennen will. 3. Eröffnungsbeschluß. Die Fassung des § 265 Abs. 1, der von dem Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens spricht, geht von dem Regelfall aus. a) Verweist das Gericht die Sache nach § 270 an ein Gericht höherer Ordnung, so tritt der Verweisungsbeschluß an die Stelle des Eröffnungsbeschlusses. Auf den im Verweisungsbeschluß enthaltenen rechtlichen Gesichtspunkt braucht mithin nicht nochmal besonders hingewiesen zu werden. §265 wird aber anwendbar, wenn das Gericht von diesem Beschluß abweichen will; dies gilt selbst dann, wenn nunmehr wieder das Strafgesetz für anwendbar erachtet wird, das im Eröffnungsbeschluß bezeichnet war (RGSt. 15 286, 65 363; Meves 97). — Für die Anwendung des § 270 selbst ist dagegen die Hinweisung auf den veränderten rechtlichen Gesichtspunkt nicht erforderlich, weil es hier an einer „Verurteilung" fehlt. b) In den Fällen des § 212 und § 266 ist die Anwendung des § 265 geboten, wenn von dem in der Ladung oder im Sitzungsprotokoll enthaltenen Vermerk über den Inhalt der Anklage abgewichen werden soll (Meves 98; E b S c h m i d t Anm. 6). 4. Anderes Strafgesetz. Ein anderes Strafgesetz bildet den Grund der Verurteilung, wenn im Urteil angenommen wird, daß das erwiesene Ereignis einen anderen als den im Eröffnungsbeschluß angegebenen strafrechtlichen Tatbestand erfülle; ein anderer Tatbestand liegt jedoch nicht etwa schon beim Wechsel zwischen wesensgleichen Begehungsformen derselben strafbaren Handlung, aber immer bei einer begrifflichen Verschiedenheit vor, mögen auch die verschiedenen Tatbestände aus äußeren Gründen in einem Satz derselben strafgesetzlichen Vorschrift vereinigt sein (RGSt. 6 169, 8 151, 12 379, 17 442, 19 402, 81 71, 36 266, 37 103, 40 114, 53 186, 63 160; G e r l a n d 357; W e r t h e i m e r 7, 21, 24; teilw. abw. RGSt. 1 378,5 213,17 295,23 279, 24 90, 36 24; a.M. Meves 108; D i t z e n 1217f.). Ist die zuvor bezeichnete Voraussetzung gegeben, so muß gemäß § 265 Abs. 1, 2 auch verfahren werden, wenn das Gericht das andere Strafgesetz dem Urteil nur wahlweise zugrunde lesen will (RG. HRR. 1937 Nr. 837). Im einzelnen ist folgendes zu bemerken: a) § 265 ist nicht anwendbar, wenn im Eröffnungsbeschluß, z. B. infolge eines Schreibfehlers, eine falsche Paragraphenzahl oder keine Paragraphenzahl oder kein Strafgesetz angegeben, die zur Anklage gestellte Tat aber nach ihren gesetzlichen Merkmalen richtig bezeichnet ist (RGSt. 6 169, 53 186; RG. GA. 46 214) oder irgendwelche für Nebenstrafen oder sonstige Nebenfolgen — wie Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter, Einziehung, öffentliche Bekanntmachung - maßgebenden Bestimmungen nicht angeführt sind (RGR. 8 600; RGSt. 5 137, 10 139, 33 398; RG. GA. 63 432; BGHSt. 16 47), oder irgendwelche Vorschriften nicht erwähnt sind, die — wie §§ 157, 213, 359 StGB, § 3 JGG., § 20 Abs. 2 PreßG., § 151 GewO. — neben dem Strafgesetz berücksichtigt werden müssen (RGSt. 4 40, 29 21, 50 11, 53 185). b) Dagegen ist ein Hinweis vornehmlich in folgenden Fällen erforderlich: § 113 StGB — tätlicher Angriff statt Widerstandsleistung, wobei freilich zu beachten ist, daß im einzelnen Fall dieselbe Handlung zugleich Angriff und Widerstand sein kann - (RGSt. 28 99; RG. GA.48 359; W e r t h e i m e r 32); §123 StGB — widerrechtliches Eindringen statt unbefugten Verweilens — (RGSt. 19 401; a. M. W e r t h e i m e r 34); § 163 StGB. - fahrlässige statt vorsätzlicher Verletzung der Eidespflicht — (RGSt. 65 363). Legt jedoch der Eröffnungsbeschluß dem Angeklagten ein Vergehen gegen § 153 in Fortsetzungszusammenhang mit Meineid zur Last und hält das Gericht nur die Verurteilung wegen Meineids für zulässig weil die uneidliche Falschaussage durch den Meineid aufgezehrt werde, bedarf es keines Hinweises (BGH. LM. StPO. § 265 Nr. 12). § 164 StGB. — vorsätzliche oder leichtfertige Begehung nach Abs. 5 statt Anschuldigung wider besseres Wissen (RG. J R . 1935 H R R . Nr. 774); § 166 StGB. — Beschimpfung kirchlicher Gebräuche statt beschimpfenden Unfugs in einer Kirche — (RG. Recht 1910 Nr. 1470; W e r t h e i m e r 39); § 175 a — Verurteilung wegen Verbrechens nach § 175 a statt wegen Vergehens nach § 175 — (RG. HRR. 1939 Nr. 214); § 176 Abs. 1 Nr. 1, 43 — versuchte gewaltsame Vornahme unzüchtiger Handlungen statt versuchter Notzucht — (RG. H R R . 1940 Nr. 206); §§ 185,187 StGB. — Beleidigung statt Verleumdung — (RG. JW. 1922 301); § 211 — im Wesen verschiedene Mordmerkmale — (OGH. NJW. 1950 195; KG. SJZ. 1947 447); § 223a StGB. — Verübung mit gefähr-
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§265
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Anm. 4 lichemWerkzeugstattgemeinschaftlich—(RGR.9204; RGSt. 12 379,30177); §243Nr.2 StGB. - Erbrechen eines Behältnisses statt Einbruchs oder Einbruch statt Einsteigens — (RGR. 7 138; RG. GA. 46 321; Oetker JW. 19221016; a. M. W e r t h e i m e r 51); §§ 243,262 StGB. — schwerer statt räuberischen Diebstahls — (RG. Recht 1927 Nr. 231); §§ 246, 266 StGB. — Unterschlagung statt Untreue — (RGSt. 46 378); §§ 246, 350 StGB. — einfache Unterschlagung statt Amtsunterschlagung — (RGSt. 17 294); § 260 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 StGB. — (BGH vom 29. 4.1954 — 5 StR 287/54); §257 StGB. — persönliche statt sachlicher Begünstigung — (RG. JW. 1920 649); eigennützige sachliche Begünstigung statt Anstiftung zum Diebstahl und Hehlerei — (BGHSt. 2 371); §§259 StGB. — Mitwirken zum Absatz statt Ansichbringens oder Verheimlichens oder dieses statt Ansichbringens — (RG. GA. 42 395, 51 354, JW. 1928 225959; a. M. GA. 65 544; W e r t h e i m e r 56); § 260 StGB. — gewerbsmäßige statt gewohnheitsmäßiger Hehlerei — RGSt. 27 138); § 266 — Treubruchtatbestand statt des Mißbrauchstatbestands bei der Untreue — (BGH. NJW. 1954 1616); §274 StGB. — Wegnahme statt Unkenntlichmachens eines Grenzmerkmals — (RG. GA. 52 244; a. M. RGR. 4 62; W e r t h e i m e r 59); § 289 StGB. — Wegnahme einer fremden statt der eigenen Sache — (RG. Recht 1902 Nr. 2772; a. M. W e r t h e i m e r 61); § 348 Abs. 2 StGB. — Vernichtung einer amtlich zugänglichen statt amtlich anvertrauten Urkunde — (RGSt. 24 89; a. M. W e r t h e i m e r 67). Andrerseits wird ein Hinweis in folgenden Fällen für entbehrlich erachtet: § 117 StGB. — vom Eigentümer bestellter Aufseher statt Forstbeamter — (RGSt. 33 224; W e r t h e i m e r 33); §§ 124,125 StGB. - Gewalttätigkeiten gegen Personen oder Sachen - (RG. I 315/20 v. 10. Juni 1920); § 175 a Nr. 3 — Verführung zum Unzuchttreiben statt Verführung zum Mißbrauchenlassen — (BGH. LM. StPO. § 265 Nr. 9); § 176 Nr. 3 StGB. — Verleitung zur Verübung einer unzüchtigen Handlung statt Verübung einer solchen — (RG. LZ. 8 784; W e r t h e i m e r 43); § 223a StGB. — Benutzung eines gefährlichen Werkzeugs statt eines Messers — (RGSt. 30 176; W e r t heimer 48); §243 Nr. 3 - Türe statt Behältnis - (RGSt. 37 353; W e r t h e i m e r 52); §257 StGB. — Begünstigung eines Vergehens statt eines Verbrechens — (RGSt. 13 136); §274 Nr. 1 StGB. — Unterdrückung statt Vernichtung einer Urkunde — (RGSt. 40 114; W e r t h e i m e r 59); §274 Nr. 2 StGB. — fälschliche Setzung eines Grenzsteins statt Verrückung — (RGR. 4 62; RGSt. 19 402; W e r t h e i m e r 59); §286 StGB. - Lotterie statt Ausspielung - (RGSt. 31 71; W e r t h e i m e r 61); §302a StGB. — Ausbeutung des Leichtsinns statt der Notlage — (RGSt. 17 440); §§239,240 KO. - Zahlungseinstellung statt Konkurseröffnung - (RGSt. 36 266); - einfacher Bankerott statt betrügerischen Bankerott — (BGH. LM. StPO. §265 Nr. 9); §240 Nr. 3 KO. — Unordentliche Führung der Bücher statt Unterlassung der Buchführung — (RGSt. 3 417, 19 402; W e r t h e i m e r 60). c) Gemäß § 265 Abs. 1 muß auch verfahren werden, wenn die Änderung des rechtlichen Gesichtspunkts in irgendeinem Wechsel zwischen den verschiedenen Täterschafts- oder Teilnahmeformen — unmittelbare oder mittelbare Täterschaft, Alleintäterschaft oder Mittäterschaft — etwa nur wahlweise festgestellt — Täterschaft oder Anstiftung oder Beihilfe oder Begünstigung — (RGR. 5 23,190; RGSt. 22 367, 63 430; RG. GA. 54 71; RG. HRR. 1937 Nr. 984; BGH. NJW. 1952 1385; BGHSt. 2 371); oder darin besteht, daß Versuch statt Vollendung (RGR. 5 536; BGHSt. 2 250) oder sachliches statt rechtlichen Zusammentreffens (RGR. 2 163; RGSt. 9 429, 16 437) oder Begehung im Fortsetzungszusammenhang statt in mehreren selbständigen Einzelhandlungen oder umgekehrt (RGR. 8 659; RGSt. 9 426, 20 226; RG. GA. 58 194; a. M. D i t z e n 1228) oder eine fortgesetzte Handlung statt einer Einzeltat (RG. HRR. 1987 Nr. 906) angenommen wird, während es eines Hinweises nicht bedarf, falls einzelne der mehreren Einzelhandlungen aus dem Fortsetzungszusammenhang ausgeschieden werden oder Fortsetzungszusammenhang an die Stelle einer natürlichen Einheit gesetzt wird (Dresden DRZ. 1928 Nr. 969). d) Der Hinweis wird dadurch nicht überflüssig, daß das Gesetz, das vom erkennenden Gericht für anwendbar erachtet wird, milder ist als das im Beschluß angeführte; denn dem Angeklagten muß die Möglichkeit gegeben werden, die Nichtanwendbarkeit auch dieses Gesetzes darzutun (RGR. 4 298; RGSt. 5 199, 6 349; DJZ. 1926 379). - Dagegen ist der Hinweis regelmäßig entbehrlich, wenn die Anwendung des milderen Strafgesetzes ihren Grund ausschließlich in der Ausscheidung eines im Eröffnungsbeschluß bezeichneten Tatbestandsmerkmals hat (RGSt. 53 100, 56 333, 59 424; RG. GA. 55 309, JW. 1930 279223; Meves 114), was aber auf den Übergang von der Verleumdung zur üblen Nachrede nicht zutrifft (RGSt. 5 211, 20 33; a. M. RGR. 2 191). Er bleibt aber erforderlich, sofern der Wegfall des Tatbestandsmerkmals bewirkt, daß die Zulässig-
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keit der Verfolgung von einem Antrag abhängig wird, oder daß die Möglichkeit einer Aufrechnung sich eröffnet, oder daß mildernde Umstände geltend gemacht werden können (RGR. 6 213; RGSt. 5 199, 7 200, 17 293, 296; RG. GA. 49 266). Die Entscheidung RGSt. 51 125 wollte eine Verpflichtung zum Hinweis auch in dem Falle bejahen, daß „mit der Ausscheidung des straferhöhenden Umstands eine darüber hinausgehende Umgestaltung des Tatbestandes verbunden" ist, und sah diesen Fall dann gegeben, wenn der des versuchten Einsteigediebstahls Angeklagte nur wegen versuchten einfachen Diebstahls verurteilt werden soll, weil der Beginn der Ausführung beim Einsteigediebstahl zeitlich früherliege als beim einfachen Diebstahl. E b S c h m i d t Anm. 12 ist zuzugeben, daß diese Begründung nicht überzeugt. e) Eines Hinweises bedarf es ferner nicht, wenn von mehreren Strafgesetzen, die der Eröffnungsbeschluß als rechtlich zusammentreffend anführt, eines ausscheidet (RGSt. 37 102). f) Wird erst in der Hauptverhandlung bekannt, daß der Angeklagte Jugendlicher oder Heranwachsender ist, so muß er auf das Eingreifen der Vorschriften des JGG. hingewiesen werden (RGSt. 83 166, 53 185, 187; E b S c h m i d t Anm. 14). g) Ist in derselben Sache ein aufhebendes Revisionsurteil ergangen, so bedarf es keines besonderen Hinweises auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts mehr, wenn das aufgehobene oder das aufhebende Urteil diesen erörtert hatte (RGSt. 58 52; RG. GA. 57 17; BGH. LM. Nr. 3 zu §265); dagegen erhebt E b S c h m i d t Anm. 20 Bedenken, die jedoch kaum durchgreifen dürften. BGH. LM. StPO. § 265 Nr. 1 hält einen Hinweis auch in dem Falle für entbehrlich, wenn der wegen Totschlags Angeklagte nach entsprechendem Hinweis wegen Beihilfe zum Morde verurteilt wird und, nachdem dieses Urteil vom Revisionsgericht aufgehoben wurde, nunmehr wegen Beihilfe zum Totschlag verurteilt werden soll. Ob das aufhebende Revisionsurteil verlesen wurde, ist nicht entscheidend, da der Angeklagte auch auf andere Weise, insbesondere durch Zustellung, von den Gründen des Revisionsurteils Kenntnis erlangt haben kann (RG. GA. 41 362, 46 340, 49 272). Das gleiche gilt für die Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn der Angeklagte in der früheren Hauptverhandlung auf einen andern rechtlichen Gesichtspunkt hingewiesen und unter diesem verurteilt worden war (RGSt. 57 10, 58 52). Auch im Berufungsrechtszuge braucht ein im ersten Rechtszuge geschehener Hinweis nicht wiederholt zu werden, falls nicht etwa ausnahmsweise anzunehmen ist, daß der Angeklagte ihn nicht mehr in Erinnerung hat (RGSt. 59 423). 5. Straferhöhende Umstände und Maßregeln der Sicherung und Besserung. Abs. 2. a) Unter den Umständen, welche die Strafbarkeit erhöhen, ist dasselbe wie in § 263 Abs. 2 zu verstehen, vgl. dort Anm. 2 d). Solche Gründe sind z. B. StGB. §§ 123 Abs. 2, 125 Abs. 2, 128 (Stifter und Vorsteher der Verbindung), 129 Abs. 2, 207, 221 Abs. 2 und 3, 223 Abs. 2, 223a, 223b, 224, 243, 250, 264, 292 Abs. 2 und 3, 293 Abs. 2 und 3 (RGR. 3 531), femer die Gewinnsucht des Hehlers (§259 StGB.) im Sinne des §27a StGB. (BGHSt.3 30). Bloße Strafzumessungsgründe, die im ordentlichen Strafrahmen berücksichtigt werden sollen, gehören nicht hierher. Anders, wenn das Gericht erwägt, auf sie die Annahme eines besonders schweren Falles (§ 263 Abs. 4, 266 Abs. 2 StGB.) zu stützen, den der Eröffnungsbeschluß nicht als vorliegend erachtet hat; die insoweit von § 263 Abs. 2 StPO. abweichende Auslegung erscheint durch den Zweck des § 265 gerechtfertigt (a. A. RG JW 1935 24331»; RGSt. 70 357 und 403; BGH. NJW. 1959 996). — Die Fälle, in denen das Hinzutreten eines Umstands zugleich den strafrechtlichen Gehalt der Tat ändert, werden schon von Ab. 1 betroffen. — Es muß sich um neu hervortretende Umstände tatsächlicher Art handeln, die der Angeklagte nicht aus Anklageschrift, Eröffnungsbeschluß oder einer früheren Hauptverhandlung entnehmen konnte (RGSt. 52 249; RG. JW. 1926 1217). b) Von den Umständen, welche die Anordnung einer Maßregel der Sicherung und Besserung rechtfertigen, kann zweifelhaft sein, ob es sich um solche tatsächlicher Art handeln muß. Der Zweck des § 265 Abs. 2 würde verfehlt, wenn man annehmen wollte, daß es keines Hinweises bedürfe, wenn schon der Eröffnungsbeschluß diejenigen Tatsachen enthalte, aus denen das Gericht auf die Notwendigkeit der Anordnung der Maßregel schließe, ohne daß dort die Tatsachen als Voraussetzung der Anordnung gekennzeichnet seien. Anders als bei der Verhängung von Nebenstrafen müssen dem Angeklagten, wenn er vor Überraschung geschützt werden soll, die Tatsachen, auf die das Gericht eine Maßregel der Sicherung stützen will, als mögliche Voraussetzung einer solchen Anordnung bezeichnet werden, wenn das im Eröffnungsbeschluß noch nicht geschehen ist. Darin liegt
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Anm. 6 regelmäßig nicht nur eine rechtliche Würdigung schon bekannter Tatsachen, sondern auch eine zusätzliche tatsächliche Würdigung, die ausreicht, in ihr einen neuen Umstand im Sinne des § 265 Abs. 2 zu sehen. So muß der Angeklagte, gegen den ein Berufsverbot ausgesprochen werden soll, in der Hauptverhandlung darauf hingewiesen werden, wenn die ihm zur Last gelegten Straftaten im Eröffnungsbeschluß nicht als Voraussetzungen dafür gekennzeichnet sind (BGHSt. 2 85). Da die einzelnen Maßregeln der Sicherung und Besserung ihrem Wesen nach verschieden sind, muß gemäß § 265 Abs. 2 auch auf die Möglichkeit der Anordnung einer anderen als der im Eröffnungsbeschluß angefühlten Maßregel hingewiesen werden (RG. HRR. 1939 Nr. 133). 6. a) Hinweis durch das Gericht. Bei den Worten „besonders hingewiesen" hat das Gesetz eine an den Angeklagten gerichtete Erklärung des Gerichts (des Vorsitzenden) im Auge. Diese wird nicht dadurch entbehrlich, daß der Staatsanwalt den neuen rechtlichen Gesichtspunkt erörtert und auf Grund desselben einen Antrag gestellt hat (RGSt. 1 254; RG. HRR. 1989 Nr. 733), ebensowenig dadurch, daß der Verteidiger sich auf diesen Gesichtspunkt eingelassen hat (RGSt. 20 33) oder schon in einei vor der Hauptverhandlung eingereichten Schutzschrift diesen Gesichtspunkt erörtert hat (RG. JW. 1927 2046). — Der Vorsitzende kann den Hinweis ohne vorgängigen Gerichtsbeschluß aussprechen (Prot. S. 405); er muß aber auch erfolgen, wenn das Gericht ihn für angemessen erachtet. b) Die Art des Hinweises ist nicht vorgeschrieben; jedenfalls aber muß er so erfolgen, daß der Angeklagte zu erkennen vermag, um welchen anderen Gesichtspunkt es sich handelt. Was er im einzelnen enthalten muß, folgt aus der jeweiligen Sachlage in Verbindung mit dem Zweck der Vorschrift, den Angeklagten im Dienste der Sachaufklärung vor Überraschungen zu schützen (BGHSt. 2 371; 11 88; 13 320 = JZ. 1960 227 mit zustimmender Anm. von E b S c h m i d t ) . Daher genügt weder die bloße Befragung des Angeklagten, ob er für den Fall der Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts Anträge zu stellen habe (RGSt. 2 116; RGR. 8 623; Meves 253ff.), noch, wenn der Angeklagte rechtsunkundig ist, die bloße Bezeichnung der neu in Betracht kommenden Paragraphen ( F u c h s JW. 1922 1394). Im übrigen kann der Hinweis, der mitkeiner Belehrung verbunden zu werden braucht, durch Bezugnahme auf die Ausführung des Staatsanwalts erfolgen (RG. ZStW. 47 269). Sind zwei Angeklagte beschuldigt, eine strafbare Handlung gemeinschaftlich begangen zu haben, so ersetzt der Hinweis gegenüber dem einen, daß mit seiner Bestrafung wegen Beihilfe zu rechnen sei, noch nicht den Hinweis an den andern, daß er als Alleintäter bestraft werden könne (RG. GA. 43 394). Der Hinweis auf § 73 StGB, reicht nicht aus, um die Verurteilung des Angeklagten wegen eines im Fortsetzungszusammenhang ausgeführten Vergehens zu ermöglichen (RG. GA. 58 194). Der allgemeine Hinweis auf die Möglichkeit der Verurteilung wegen Hausfriedensbruchs gestattet die Anwendung des § 123 Abs. 2 StGB, nicht (RG. Recht 16 Nr. 156). Beim Ubergang vom einfachen zum schweren Diebstahl muß der für vorliegend erachtete erschwerende Umstand (RGSt. 28 150; RG. JW. 1891 237), bei der Annahme der Hehlerei muß die Begehungsform (RG. JW. 1903 133) bezeichnet, zwischen den Tatbeständen der §§ 257, 258 StGB, muß, zumal wenn dem Angeklagten kein rechtskundiger Verteidiger zur Seite steht, unterschieden werden. Verändert sich mit dem rechtlichen Gesichtspunkt auch die Richtung des Vorwurfs (Begünstigung des A, statt Hehlerei nach Diebstahl des B), so muß auch das aus dem Hinweis hervorgehen (BGHSt. 2 371). Je mehr mit der möglichen Änderung des rechtlichen Gesichtspunktes, wie es nicht selten zutrifft, sich auch die mögliche Tatsachengrundlage von den tatsächlichen Annahmen des Eröffnungsbeschlusses entfernt, um so eher kann es, um den Zweck des § 265 zu erreichen, notwendig werden, mit dem Hinweis auf den veränderten rechtlichen Gesichtspunkt Erläuterungen tatsächlicher Art zu verbinden, damit der Angeklagte erkennen kann, in welchen von den tatsächlichen Annahmen des Eröffnungsbeschlusses abweichenden tatsächlichen Vorgängen die Merkmale der neu genannten Strafvorschrift gefunden werden könnten. Lehrreiche Beispiele dafür bieten die Entscheidungen BGHSt. 11 88 und 13 320. Die Entscheidung BGHSt. 13 320 hebt zutreffend hervor, daß der Hinweis in einem solchen Falle den Eröffnungsbeschluß unter Berücksichtigung der in der Hauptverhandlung gewonnenen neuen Erkenntnisse ergänzen solle und deshalb ähnlich wie der Eröffnungsbeschluß auch die tatsächlichen Vorgänge bezeichnen müsse, in denen die gesetzlichen Tatbestandsmerkmale gefunden werden könnten (vgl. auch BGH. vom 9. 8.1957 — 2 StR 287/57, mitgeteilt von D a l i i n g e r MDR. 1957 653). Mit dem Hinweis muß das Gericht gegebenenfalls den Angeklagten darüber belehren, daß er nunmehr das Recht habe, die Bestellung eines Pflichtverteigers zu beantragen, nämlich dann, wenn ihm an Stelle eines Vergehens nunmehr ein Verbrechen vorgeworfen wird, das nicht nur
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wegen Rückfalls Verbrechen ist (vgl. BGHSt. 1 302). Die Belehrung müßte dahin gehen, daß der Antrag sofort zu stellen sei ( K l e i n k n M Anm. 9f.). Bei einem Hinweis dieser Art kann für das Gericht auch ein ausreichender Anlaß dafür gegeben sein, dem Angeklagten gemäß § 140 Abs. 2 von Amts wegen einen Verteidiger beizuordnen (doch vgl. auch BGHSt. 6 14). 7. Zeitpunkt des Hinweises. Ob durch die Ergebnisse der Beweiserhebung ein Anlaß zu einem Hinweis geboten sei, ist im Lauf der Verhandlung zu erwägen. Er kann solange erfolgen, wie das Urteil noch nicht verkündet ist; ein bestimmter Z e i t p u n k t ist nicht vorgeschrieben (RGR. 6 174). Nur muß danach dem Angeklagten noch G e l e g e n h e i t zur V e r t e i d i g u n g gegeben werden. Ein Urteil, das laut Sitzungsprotokoll unmittelbar nach dem Hinweis erlassen ist, ohne daß erhellt, daß Verteidiger oder Angeklagter noch gehört sind, unterliegt daher der Aufhebung (RGSt. 21 372, 25 340). Tritt der Anlaß erst bei der Beratung hervor, so muß die Verhandlung wieder aufgenommen werden. Eine nochmalige Beratung ist nicht notwendig, wenn der Angeklagte nach dem Hinweis nichts Neues vorbringt. In welcher Weise dem Angeklagten mit und nach dem Hinweis Gelegenheit zur Verteidigung zu geben ist, umschreibt RGSt. 21 372 zutreffend mit den Worten: „Zum mindesten muß der Vorsitzende durch sein Verhalten unzweideutig zum Ausdruck bringen, daß das Gericht bereit ist, mit Rücksicht auf die eingetretene Veränderung Erklärungen und Anträge des Angeklagten vor der Urteilsfindung entgegenzunehmen und zu prüfen, und es muß dem Angeklagten zu solchen Erklärungen und Anträgen Zeit gelassen werden." Die ausdrückliche Frage, ob er dem veränderten rechtlichen Gesichtspunkt gegenüber etwas zu seiner Verteidigung anzuführen habe, ist zwar nicht vorgeschrieben, aber doch ratsam ( E b S c h m i d t Anm. 18). Wird die Hauptverhandlung nach Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts ausgesetzt (Abs. 3, 4), so ist eine Wiederholung des Hinweises in der neuen Hauptverhandlung zumal dann nicht unerläßlich, wenn die Aussetzung aus Anlaß jener Veränderung beschlossen war (RGR. 6 405, 9 610; Meves 96). Dasselbe gilt für die B e r u f u n g s i n s t a n z , wenn der Angeklagte auf Grund des vom Eröffnungsbeschluß abweichenden Strafgesetzes verurteilt wurde. Im übrigen sind die Umstände des einzelnen Falls maßgebend dafür, ob es in der Berufungsinstanz der Wiederholung eines in erster Instanz geschehenen Hinweises bedarf. Kann bezweifelt werden, daß der Hinweis dem Angeklagten noch geläufig sei, so muß er erneuert werden (RG. DRZ. 1929 Nr. 409); sonst kann hiervon abgesehen werden (RGSt. 69 423; RGSt. 58 52). 8. Hinweis an einen Abwesenden. Auch wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten vor sich geht, darf er auf Grund einer Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts nur verurteilt werden, wenn er zuvor darauf hingewiesen worden ist (vgl. RGSt. 12 45; 32 96; 35 65); der Hinweis an den in der Verhandlung erschienenen Verteidiger genügt nicht; wird aus diesem Grund neuer Termin notwendig, so muß der Angeklagte im Falle des § 232 unter Hinweis auf den veränderten rechtlichen Gesichtspunkt neu geladen, im Falle des § 233 erneut durch den ersuchten Richter vernommen werden. Dagegen genügt in den Fällen der §§ 232, 233 der Hinweis gegenüber einem mit schriftlicher Vollmacht zur V e r t r e t u n g des Angeklagten befugten (§ 234) Verteidiger (vgl. Anm. 5 zu § 234). 9. Nachweis des Hinweises. Daß der Hinweis erfolgt ist, kann nur durch das P r o t o k o l l bewiesen werden (§ 274); ein Vermerk hierüber in den Urteilsgründen ist ungenügend (RGR. 1 67). Gelangt das Gericht zu derselben rechtlichen Beurteilung wie der Eröffnungsbeschluß, so ist es nicht genötigt, sich in den Urteilsgründen über das Nichtvorhandensein des im Hinweis als möglich angenommenen Tatbestands auszusprechen (RGSt. 60 22). BGHSt. 2 371, 373 und K l e i n k n M Anm. 10 nehmen an, daß die Sitzungsniederschrift nicht nur Beweis für die Tatsache des Hinweises liefere, sondern auch für die Form und die Art und Weise, in der das Gericht auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts hingewiesen habe. Das RG. ist in der Entscheidung RG. 1922 13943 nicht so weit gegangen. Der 1. Strafsenat des BGH., von dem die Entscheidung BGHSt. 2 371, 373 stammt, hat es auch in der Entscheidung BGHSt. 13 320, 323 ohne nähere Begründung für zulässig gehalten, über die Art und Weise, in der dort der Angeklagte auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts hingewiesen worden war, Erhebungen anzustellen. Dem ist zuzustimmen. Der Hinweis wird nur in seltenen Fällen vorher wörtlich schriftlich festgelegt zum Unterschied etwa von Beschlüssen, durch die Fragen als unzulässig zurückgewiesen oder Beweisanträge abgelehnt werden. Es kommt zu ihm oft, wenn der Gang der Verhandlung dazu Veranlassung gibt. Er wird regelmäßig in Worte gekleidet, wie sie der Augenblick eingibt. Weil das Gesetz auch für die Art des Hinweises 60
L ö w e - R o s e n b e r g , StPO. 21. Aufl.
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Anm. 10 keine in jedem Falle zu beachtenden Formvorschriften aufstellt, weil vielmehr jeder Hinweis genügt, der es dem Angeklagten und seinem Verteidiger ermöglicht, ihre Verteidigung auf den neuen rechtlichen Gesichtspunkt einzurichten (BGH. vom 16.10.1962 — 5 StR 276/62), weil das, was danach notwendigerweise gesagt werden muß, ganz von den jeweiligen Umständen des Falles abhängt und von Fall zu Fall verschieden sein kann, ist nur zu fordern, daß nur die Tatsache des Hinweises in der Niederschrift beurkundet wird, ferner sein wesentlicher Inhalt. Es muß daher insbesondere das Strafgesetz bezeichnet werden, mit dessen möglicher Anwendung das Gericht rechnet. In den Fällen, in denen der Hinweis mit näheren Erläuterungen rechtlicher oder tatsächlicher Art verbunden wird, mag es ratsam sein, auch diese Tatsache in der Niederschrift festzuhalten. Dagegen ist nicht zu fordern, daß der wesentliche Inhalt solcher näherer Erläuterungen oder gar ihr Wortlaut beurkundet wird. Falles es darauf einmal ankommt, lassen sich, wie die in BGHSt. 11 88 und 18 320 entschiedenen Fälle zeigen, die näheren Umstände auch dann ausreichend klären, wenn sie nicht genau in der Sitzungsniederschrift beurkundet sind. 10. Anspruch auf Aussetzung bei veränderter Sach- und Rechtslage. Abs. 3, Liegen die Voraussetzungen des Abs. 3 sämtlich vor, hat der Angeklagte schlechthin einen Anspruch auf Aussetzung (RGSt. 1 106, 3 404). Es besteht allerdings keine Verpflichtung des Gerichts, den Angeklagten über diesen Anspruch zu belehren (ebenso E b S c h m i d t Anm. 22; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 9 A; abw. K l e i n k n M Anm. 11 c). Doch muß es, wie der Zusammenhang mit Abs.4 ergibt, auch ohne Antrag von Amts wegen aussetzen, sofem die Veränderung der Sachlage dies angemessen erscheinen läßt; die Erfüllung dieser Obliegenheit unterliegt der Nachprüfung des Revisionsgerichts (RGSt. 66 246; vgl. RGSt. 57 147). Im P r i v a t k l a g e v e r f a h r e n entfällt das Recht aus Abs. 3, während Abs. 1, 2 und 4 auch im Privatklageverfahren gilt (§ 384 Abs. 3). Der Ansprach auf Aussetzung ist im einzelnen von folgenden Voraussetzungen abhängig: a) Die Veränderung der Sachlage muß in dem Hervortreten n e u e r T a t s a c h e n oder t a t s ä c h l i c h e r V e r h ä l t n i s s e bestehen, die der Angeklagte weder aus dem Eröffnungsbeschluß, noch aus der Anklageschrift ersehen, auch nicht aus einer früheren Hauptverhandlung entnehmen konnte (RGR. 7 474; RGSt. 39 19, 52 250). Aus den in Anm.5b) erörterten Gründen liegen neue Tatsachen im Sinne des Abs. 3 auch dann vor, wenn das Gericht die Tatsachen als Voraussetzung für die Anordnung einer Maßregel der Sicherung und Besserung kennzeichnet, die Anklage und Eröffnungsbeschluß nicht in diesem Sinne gekennzeichnet haben (BGHSt. 2 85). Gleichgültig ist, ob die neue Tatsache zur äußeren oder inneren Tatseite gehört. Kein neu hervorgetretener Umstand ist ein neues Beweismittel. Insoweit gilt § 264. Mangels neuer Umstände begründet die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts (Abs. 1) den Anspruch auf Aussetzung nicht. Selbstverständlich genügt das Hervortreten eines neuen Umstands. Eine veränderte Sachlage ist auch gegeben, wenn in einer Untersuchung wegen Meineids das Urteil die Eidesverletzung in einem anderen Teil der Aussage findet als der Eröffnungsbeschluß. b) Anwendung eines schwereren Strafgesetzes. Unter dem schwereren Strafgesetz ist ein solches zu verstehen, das die Verhängung einer schwereren Strafe gegen den Angeklagten zuläßt, als das im Beschluß angeführte Strafgesetz (Prot. S. 403). Es kommt also nur auf die a n g e d r o h t e Strafe an; Art und Maß der im vorliegenden Fall wirklich zu verhängenden Strafe kann die Ablehnung des Antrags auf Aussetzung nicht begründen. Es ist nicht vorgeschrieben, das in Betracht kommende Strafgesetz durch Verlesung bekanntzugeben (RG. GA. 7117). Den Umständen, die die Anwendung eines schwereren Strafgesetzes rechtfertigen, stehen diejenigen gleich, die straferhöhend wirken oder zur Anwendung einer Maßregel der Sicherung und Besserung führen können. c) Der Angeklagte muß die neu hervorgetretenen Umstände bestreiten, d. h. ihre Wahrheit in Abrede stellen. Widerspricht er nur in rechtlicher Beziehung, so liegt die Voraussetzung des Abs. 3 nicht vor. d) Der Angeklagte muß behaupten, auf die Verteidigung nicht genügend vorbereitet zusein. Die Richtigkeit dieser Behauptung unterliegt nicht der Prüfung des Gerichts (Sauer Grundlagen 217; E b S c h m i d t Anm. 23); dieses darf also die Aussetzung nicht deshalb verweigern, weil eine anderweite Vorbereitung der Verteidigung nicht erforderlich sei. — Eine andere Frage ist die, ob neue Umstände wirklich in der Weise hervorgetreten seien, daß von ihrer Berücksichtigung bei der Urteilsfällung die Rede sein kann. In dieser Beziehung ist das Ermessen des Angeklagten nicht maßgebend, da ihm sonst in vielen Fällen die Handhabe geboten sein würde, willkürlich Aussetzungen herbeizuführen und seine Verurteilung hinzuhalten. Es kommt vielmehr nur
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darauf an, ob die Umstände im Urteil als erwiesen angesehen und dem Angeklagten zur Last gelegt werden; ist dies nicht der Fall, so kann der Angeklagte aus der Ablehung seines Aussetzungsantrags keinen Beschwerdegrund entnehmen. Die Frage ist also vom Gericht zu entscheiden. — Da die Entscheidung der Frage häufig von dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme abhängt, muß das Gericht auch für befugt erachtet werden, den Beschluß über einen Aussetzungsantrag bis zum Schluß der Beweisaufnahme aufzuschieben. 11. Pflicht zur Aussetzung bei veränderter Sachlage. Abs. 4. Fehlt es an einer der Voraussetzungen des Abs. 3, so entscheidet das Ermessen des Gerichts darüber, ob infolge der Veränderung der Sachlage zur besseren Vorbereitung der Anklage oder der Verteidigung die Aussetzung der Verhandlung erforderlich sei (RGSt. 1 106; RGR. 2 20; Sauer Grundlagen 217). Soweit die Vorbereitung der Verteidigung in Betracht kommt, will auch Abs. 4 den Angeklagten davor bewahren, daß ihm ein Nachteil aus einer unerwarteten Gestaltung der Sache oder des Verfahrens erwachse. Die Veränderung der Sachlage kann im Hervortreten neuer Umstände (Abs. 3, zuvor Anm. 10; RG. GA. 73 15) bestehen. Eine solche veränderte Sachlage hat BGHSt. 8 92 in dem Falle für vorliegend erachtet, daß sich der Angeklagte gegen den Vorwurf eines Vergehens nach § 170 d StGB, verantworten soll und dabei erst in der Hauptverhandlung Handlungen des Angeklagten zur Sprache kommen und mit zum Gegenstand (1er Urteilsfindung gemacht werden sollen, die weder in der Anklage noch im Eröffnungsbeschluß erwähnt sind und von denen der Angeklagte daher nicht anzunehmen brauchte, daß sie ihm zum Vorwurf gemacht werden würden. Eine veränderte Sachlage kann aber auch darin bestehen, daß die Unterstützung des Angeklagten durch einen Verteidiger eine unvorhergesehene Beeinträchtigung erleidet, sei es, weil dem rechtsunkundigen Angeklagten die Ablehnung eines rechtzeitig angebrachten Antrags auf Bestellung eines Verteidigers so spät bekannt gemacht wird, daß er weder eine Änderung des Beschlusses herbeiführen noch einen Wahlverteidiger beiziehen kann (RGSt. 67 147; RG. JW. 1932 40610), sei es, weil ein Mitverteidiger wegfällt (RG. JW. 1926 1218; Oetker u. M a m r o t h ebenda; Marbe GerS. 95 410). Eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung kann darin liegen, daß das Gericht den Antrag des Angeklagten, die Hauptverhandlung auszusetzen, weil ihm am Abend zuvor eine Verhinderung seines Verteidigers mitgeteilt worden sei, bei nicht einfacher Sach- und Rechtslage mit der Begründung ablehnt, der Angeklagte hätte noch am Morgen des Verhandlungstages einen anderen Verteidiger beantragen können (RG. HRR. 1936 Nr. 1402). Nur ein Verteidiger, der den Stoff beherrscht, kann die notwendige Verteidigung mit der Sicherheit führen, die das Gesetz für erforderlich erachtet; darum darf das Gericht, wenn einer von zwei Wahlverteidigern während der Hauptverhandlung wegfällt und der andre mit der Begründung, daß er mit der Hauptaufgabe nicht genügend vertraut sei, die Aussetzung beantragt, diesen Antrag nicht ablehnen (RGSt. 71 353). Eine veränderte Sachlage im Sinne des § 265 Abs. 4 kann auch vorliegen, wenn der dem Angeklagten bestellte Pflichtverteidiger untätig bleibt, der Angeklagte daraufhin einen Anwalt seiner Wahl beauftragt und dieser sich nicht mehr ausreichend vorbereiten kann (BGH. NJW 1958 1736). Je nach den Umständen des einzelnen Falls ist gemäß § 266 Abs. 4 insbesondere dann zu verfahren, wenn der Angeklagte darauf hingewiesen worden ist, daß die ihm zur Last gelegten Straftaten als eine fortgesetzte Handlung angesehen werden können, und daß demzufolge auch Straftaten, derentwegen das Hauptverfahren nicht eröffnet ist, die sich aber als Teile der fortgesetzten Handlung erweisen, mit zum Gegenstand der Verhandlung und Entscheidung gemacht werden müssen. Vernimmt das Gericht in der Hauptverhandlung gegen einen von der Pflicht zum Erscheinen befreiten, durch Verteidiger nicht vertretenen Angeklagten einen neuen Belastungszeugen, so muß es von Amts wegen prüfen, ob die Verhandlung auszusetzen sei, damit sich der Angeklagte verteidigen kann (OLG München HRR. 1940 Nr. 484). Läßt die veränderte Sachlage die Aussetzung zur genügenden Vorbereitung der Verteidigung angemessen erscheinen, so hat zunächst der Vorsitzende den Angeklagten darauf aufmerksam zu machen, daß er die Aussetzung verlangen kann (RG. JW. 1932 40610). Im übrigen ist das Gericht im Fall des Abs. 4 verpflichtet, die Aussetzung von Amts wegen anzuordnen; das Revisionsgericht hat auf Beschwerde hin nachzuprüfen, ob dieser Verpflichtung genügt worden ist (RGSt. 28 124, 57 147, 65 247; RG. JW. 1925 372; Mezger ZStW. 47 160, JW. 1922 820, M a n n h e i m u. M a m r o t h JW. 1926 1216). Unzulässig ist es insbesondere, einen Vertagungsantrag, der zur Beibringung von Belegen für ein Verteidigungsvorbringen gestellt wird, mit der Begründung abzulehnen, daß das Gegenteil der Schutzbehauptung erwiesen sei (RG. GA. 75 213) oder einen gemäß Abs. 4 angebrachten Aussetzungsantrag erst im 69*
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§ 265 Anm. 12,13
Strafprozeßordnung. Zweites Buch
§266 Zusammenhang mit der Urteilsverkündung zu bescheiden (OLG. Dresden GA. 72 388). Femer darf, wenn ein Hinweis nach Abs. 1 erfolgt und für die Anwendung des anderen Strafgesetzes ein Tatumstand von Bedeutung ist, der bei Anwendung des im Eröffnungsbeschluß angeführten Strafgesetzes unerheblich gewesen wäre, der auf Abs. 4 gestützte Antrag des Angeklagten, die Verhandlung zur Klärung der Frage des Vorliegens jenes Tatumstands auszusetzen, nicht als ein Beweisermittlungsantrag zurückgewiesen werden (RG. JW. 1983 96731). 12. Dauer der Aussetzung. Sie wird in allen Fällen durch das richterliche Ermessen bestimmt; sie kann also auch in einer kürzeren Unterbrechung und einer Fortsetzung der Verhandlung (im Gegensatz zur Erneuerung) bestehen. 13. Revision. Verletzt das Gericht seine Verpflichtung, den Angeklagten auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts hinzuweisen, so führt der Verfahrensfehler zur Aufhebung des Urteils nur, wenn es auf ihm beruhen kann (OGH. DRiZ. 1950 294; BGH St. 2 250; NJW. 1952 1385). Mit Recht bemängelt E b S c h m i d t Anm. 26, daß die Rechtsprechung des RG. die Möglichkeit, daß das Urteil auf einem fehlerhaft unterbliebenen Hinweis nach § 265 beruhe, bisweilen zu großzügig verneint hat (RGSt. 76 251, 253; 77 350, 357). Die bloße nicht näher begründete Bemerkung, der Angeklagte hätte sich auch im Falle eines Hinweises nicht näher verteidigen können, genügt regelmäßig nicht, das Beruhen des Urteils auf dem fehlerhaft unterbliebenen Hinweis zu verneinen. Vielmehr muß unter Berücksichtigung aller besonderen Umstände des Falles näher dargelegt werden, weshalb es auszuschließen ist, daß das Urteil auf dem Fehler beruht. Beispiele dafür bieten BGHSt. 2 250; NJW. 1952 1385. Keine Bedenken bestehen auch gegen die Entscheidung BGH. vom 15. 5.1952 — 3 StR 130/52, mitgeteilt von D a l l i n g e r MDR. 1962 532, die in einem Falle, in dem ein des Mordes Angeklagter ohne Hinweis wegen Totschlags verurteilt war, das Beruhen des Urteils auf diesem Fehler im Schuldspruch verneinte, weil der Vorwurf des Mordes denjenigen des Totschlags so vollkommen in sich schließt, daß sich der Angeklagte hiergegen nur in derselben Weise verteidigen kann und muß, jedoch das Urteil im Strafausspruch aufhob, weil dieser auf dem verfahrensrechtlichen Fehler beruhen konnte. Wenn auch der Staatsanwalt nicht wirksam anstelle des Gerichts einen nach § 265 erforderlichen Hinweis machen kann, so kann doch das Beruhen des Urteils auf dem unterbliebenen Hinweis des G e r i c h t s dann zu verneinen sein, wenn der Staatsanwalt den an sich vom Gericht auszusprechenden Hinweis von sich aus in seinem Schlußvortrag gebracht hat und der Angeklagte und sein Verteidiger dazuStellung genommen haben (vgl. OLG. Köln NJW.1948 148; BGH. NJW. 1951 726). Steht ein Verstoß gegen Abs. 3 oder 4 fest, wird das Beruhen des Urteils auf dem Fehler in der Regel nicht verneint werden können (vgl. BGHSt. 8 92, 96). Soweit das Gericht einen nach Abs. 3 gestellten Antrag ablehnt, kann in Betracht kommen, daß ein solcher Beschluß eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung im Sinne des § 338 Nr. 8 bedeutet.
§ 366 (1) Erstreckt der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung die Anklage au! weitere Straftaten des Angeklagten, so kann das Gericht sie durch Beschluß in das Verfahren einbeziehen, wenn es für sie zuständig ist und der Angeklagte zustimmt. (2) Die Nachtragsanklage kann mündlich erhoben werden. Ihr Inhalt entspricht dem § 200 Abs. 1. Sie wird in die Siteungsniederschrift aufgenommen. Der Vorsitzende gibt dem Angeklagten Gelegenheit, sich zu verteidigen. (3) Die Verhandlung wird unterbrochen, wenn es der Vorsitzende für erforderlich hält oder wenn der Angeklagte es beantragt und sein Antrag nicht offenbar mutwillig oder nur zur Verzögerung des Verfahrens gestellt ist. Auf das Recht, die Unterbrechung zu beantragen, wird der Angeklagte hingewiesen. Entstehungsgeschichte: Eine dem § 266 entsprechende Vorschrift fehlt in den Entwürfen. Sie ist erst von der RTK (Protokolle S. 460, 973) aufgenommen. Die ursprüngliche Fassung lautete: „Wird der Angeklagte im Laufe der Hauptverhandlung noch einer anderen Tat beschuldigt, als wegen welcher das Hauptverfahren wider ihn eröffnet worden, so kann sie auf Antrag der Staatsanwaltschaft und mit Zustimmung des Angeklagten zum Gegenstande derselben Aburteilung gemacht werden.
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Sechster Abschnitt. Hauptverhandlung (Geier)
§266 Anm. 1—3
Diese Bestimmung findet nicht Anwendung, wenn die Tat als ein Verbrechen sich darstellt oder ihre Aburteilung die Zuständigkeit des Gerichts überschreitet." Die jetzt geltende Fassung beruht auf Art. 9 § 7 der 2. VereinfachungsVO. vom 13. August 1942 (RGBl. I S. 508). Änderungsvorschläge:
NE I und III §259 Abs. 2. NE II §257.
1. Zweck der Vorschrift. Die Vorschrift dient — ähnlich wie § 212 — der Vereinfachung und Beschleunigung, die unter Überspringung gewisser, regelmäßig vorgeschriebener Verfahrenshandlungen durch eine außergewöhnliche Art der Verbindung erreicht wird. Der Vermeidung unnötiger Weitläufigkeiten dient § 266 namentlich dann, wenn die Untersuchimg mehrere gleichartige Vergehen betrifft, in der Hauptverhandlung aber sich noch neue Straffälle ergeben, die alsbald ohne Schwierigkeit abgeurteilt werden können (vgl. Ber. der RTK. S. 71). 2. Sachliche Voraussetzungen der Nachtragsanklage. Weitere Straftat. Sie muß verschieden von der im Eröffnungsbeschluß bezeichneten Tat (§ 264) sein, kann mit ihr also nur sachlich zusammentreffen (§ 74 StGB). Auf alles, was unter den Begriff der Tat im Sinne des § 264 fällt, hat das Gericht — erforderlichenfalls unter Umgestaltung der Strafklage — die Untersuchung von Amtswegen zu erstrecken; es muß also auch andere erst in der Hauptverhandlung bekannt werdende Einzelakte einer fortgesetzten Handlung einbeziehen, ohne daß es einer Nachtragsanklage bedarf oder sie auch nur zulässig wäre. Erforderlich ist weder eine Mehrzahl bereits anhängiger Straffälle, noch Gleichartigkeit, noch der Fall einer zu verhängenden Gesamtstrafe. Gleichgültig ist, ob der Angeklagte wegen der im Eröffnungsbeschluß bezeichneten Tat verurteilt oder freigesprochen wird und ob die weitere Straftat ein Verbrechen (anders die frühere Fassung), ein Vergehen oder eine Übertretung ist. 3. Förmliche Voraussetzungen der Nachtragsanklage. a) Antrag des Staatsanwalts. Die Nachtragsanklage erfüllt die Prozeßvoraussetzung der Erhebung der öffentlichen Klage. Sie kann mündlich oder schriftlich erhoben werden. Beicht der Staatsanwalt eine Anklageschrift ein, muß sie doch in der Verhandlung mündlich vorgetragen werden. Nur dadurch wird sie zu einer in der Verhandlung abgegebenen Prozeßerklärung. Inhaltlich muß sie in jedem Falle den Anforderungen des § 200 Abs. 1 entsprechen. Wird sie nur mündlich erhoben, ist ihr Inhalt in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen. Überreicht der Staatsanwalt eine Anklageschrift unter mündlichem Vortrag ihres Inhalts, wird die Schrift zur Anlage des Protokolls und damit zu seinem Bestandteil gemacht. Für die Erhebung der Nachtragsanklage ist kein bestimmter Zeitpunkt vorgeschrieben. Sie kann also bis zum Schlüsse der Verhandlung, d. h. bis zum Abschluß der Urteilsverkündung erhoben werden. Wird sie erst nach dem Abschluß der Beweisaufnahme erhoben, muß das Gericht erneut in die Verhandlung eintreten (Abs. 2 Satz 3). b) Zuständigkeit des Gerichts. Sie bedeutet die sachliche Zuständigkeit in dem Sinne, daß nicht die Zuständigkeit eines h ö h e r e n Gerichts für die Aburteilung der weiteren Straftat begründet sein darf. Eine seine Zuständigkeit überschreitende Straftat darf das Gericht nach § 266 weder selbst aburteilen, noch — sei es allein, sei es zusammen mit den übrigen bei ihm anhängigen Straftaten — an das zuständige Gericht verweisen (RGR. 3 91). Die bisherigen Auflagen nahmen in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des RG. (RGSt. 42 91, 62 130,132) mit Billigung des Schrifttums ( K l e i n k n M Anm. 2; E b S c h m i d t Anm. 5) an, daß die Nachtragsanklage nur vor einem Gericht des ersten Rechtszuges, nicht jedoch in der Berufungsinstanz erhoben werden dürfe. Diese Rechtsmeinung kann nicht aufrecht erhalten werden. Der in den früheren Auflagen angeführte Grund, daß dem Angeklagten ein Rechtszug „genommen würde", greift nicht durch. Ein weiterer Vorwurf darf in das bisherige Verfahren ohnehin nur einbezogen werden, wenn der Angeklagte zustimmt. Er hat es also jederzeit in der Hand, ob er sich „einen Rechtszug nehmen" lassen will. Legt er, weil er der Einbeziehung einer Nachtragsanklage zustimmt, selbst keinen Wert auf einen weiteren Rechtszug, so ist nicht einzusehen, weshalb ihm entgegen seinem Wunsch und Wollen ein weiterer Rechtszug offen stehen soll. Würde die Staatsanwaltschaft, statt eine Nachtragsanklage zu erheben, eine selbständige Anklage erheben, so zweifelt niemand daran, daß dieses Verfahren, nach der Eröffnung des Hauptverfahrens, mit einem vor demselben Landgericht im Berufungsrechtszuge anhängigen Verfahren jederzeit zum Zwecke gleichzeitiger Verhandlung und Entscheidung verbunden werden könnte (vgl. auch BGHSt. 4 162). Es ist
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§266
Strafprozeßordnung. Zweites Buch
Anm. 4 kein rechter Grund dafür einzusehen, weshalb für die Nachtragsanklage im Einverständnis mit dem Angeklagten etwas unzulässig sein soll, was im Falle einer selbständigen Anklage sogar ohne und gegen den Willen des Angeklagten jederzeit geschehen dürfte. Dagegen kann in der Revisionsinstanz in der Tat keine Nachtragsanklage erhoben werden, weil dem Revisionsgericht in dieser Eigenschaft jede tatrichterliche Zuständigkeit mangelt (RG. HRR. 1928 Nr. 295). Schon bisher erkannte die Rechtsprechung an, daß für den Fall, daß das Gericht des ersten Rechtszuges den Angeklagten wegen einer Tat verurteilt hatte, die nicht von der Anklage und dem Eröffnungsbeschluß umfaßt war, der Mangel dieser Prozeßvoraussetzung im Berufungsrechtszuge durch Erhebung der Nachtragsanklage nach § 266 behoben werden konnte (RGSt. 56 113; ebenso K l e i n k n M Anm. 2). c) Zustimmung des Angeklagten. Der Angeklagte muß zu dem Antrag des Staatsanwalts gehört werden. Er muß der Einbeziehung ausdrücklich, d. h. unzweideutig zustimmen (RG. GA47 154; BayObLG 1953 1). Es genügt nicht, daß er schweigt und keine ausdrücklichen Einwendungen erhebt. Allerdings ist die Zustimmung des Angeklagten nicht als Prozeßvoraussetzung anzusehen. Fehlt sie, so ist der Einbeziehungsbeschluß nicht unwirksam. Der Mangel muß vielmehr mit der Berufung oder der Revision gegen das Urteil geltend gemacht werden (BGH. vom 24. 4.1956 — 5 StR 92/67; K l e i n k n M Anm. 6). Die Zustimmungserklärung des Angeklagten gehört zu den das Verfahren gestaltenden Willenserklärungen. Die Zustimmung kann deshalb nicht widerrufen werden. Ist allerdings im Zeitpunkt des Widerrufs der Einbeziehungsbeschluß des Gerichts noch nicht ergangen, wird das Gericht prüfen müssen, ob es nicht wegen des „Widerrufs" die beantragte Einbeziehung ablehnen sollte ( E b S c h m i d t Anm. 11; K l e i n k n M Anm. 6). d) Beschluß des Gerichts. Der Beschluß, durch den die weitere Straftat in das Verfahren einbezogen wird, tritt an die Stelle des Eröffnungsbeschlusses. Er muß also vom G e r i c h t — nicht vom Vorsitzenden — erlassen werden. Er braucht nicht notwendig aus sich heraus verständlich zu sein, sondern kann auf die protokollierte Nachtragsanklage oder auf die als Anlage zum Protokoll genommene Nachtragsanklageschrift Bezug nehmen, falls er nicht in rechtlicher oder tatsächlicher Beziehung von ihr abweicht. In diesem Falle müssen sich die Abweichungen aus dem Beschluß ergeben. Daß für den Einbeziehungsbeschluß nicht dieselbe Formstrenge wie für den Eröffnungsbeschluß gilt, kann daraus entnommen werden, daß § 266 nicht auf § 207 Abs. 1 verweist, während hinsichtlich der Nachtragsanklage auf § 200 Abs. 1 verwiesen wird. — Auch wenn alle sonstigen Voraussetzungen gegeben sind, steht es im freien E r m e s s e n des Gerichts, ob es die weitere Tat einbeziehen will. Als reine Ermessensentscheidung bedarf auch die Ablehnung keiner näheren Begründung, weil schon durch die Ablehnung klar ausgedrückt wird, daß das Gericht die Einbeziehung nicht für angemessen erachtet hat. e) Beurkundung. Die Erhebung der Nachtragsanklage, die Zustimmung des Angeklagten und der Einbeziehungsbeschluß des Gerichts gehören zu den wesentlichen Förmlichkeiten im Sinne des § 274, die nur durch die Sitzungsniederschrift bewiesen werden können und deshalb in ihr beurkundet werden müssen. 4. Unterbrechung der Hauptverhandlung. Der Vorsitzende (vgl. § 228 Abs. 1 Satz 2) ordnet die Unterbrechung der Hauptverhandlung bis zur Höchstdauer von 10 Tagen (§ 229) von sich aus an, wenn er sie für erforderlich hält, oder auf Antiag des Angeklagten. Dem Antrage des Angeklagten m u ß er entsprechen, auch wenn er die Unterbrechung nicht für erforderlich hält, falls nicht festgestellt werden kann, daß der Antrag mutwillig, d. h. ohne sachlichen Grund, aus Lust am Widerspruch, oder n u r zur Verzögerung des Verfahrens gestellt ist. Der Angeklagte muß über sein Recht, die Unterbrechung zu beantragen, belehrt werden. Die Entscheidung des Vorsitzenden über den Antrag des Angeklagten auf Unterbrechung gehört zur Sachleitung. Der Angeklagte hat daher das Recht, die Entscheidung des Gerichts anzurufen (§ 238 Abs. 2), falls er die Entscheidung des Vorsitzenden für unzulässig hält. Er muß dies tun, falls er aus der Entscheidung eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung herleiten und darauf die Revision stützen will (§ 338 Nr. 8). Es besteht kein Anspruch auf Aussetzung (§ 228 Abs. 1 Satz 1). Eine weitere Straftat, deren Verhandlung eine Aussetzung des Verfahrens notwendig machen würde, soll nicht einbezogen werden ( K l e i n k n M Anm. 9). Das schließt nicht aus, daß das Verfahren trotzdem ausgesetzt werden kann, wenn dazu hinreichender Anlaß besteht. Dabei muß es für zulässig erachtet werden, die mit der Einbeziehung der weiteren Straftat ausgesprochene Verbindung der Strafsachen wieder rückgängig zu machen und nur das Verfahren wegen der einbezogenen Straftat auszusetzen.
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Sechster Abschnitt. Hauptverhandlung (Geier)
§ 266 Anm. 5
§267 5. Revision. Erhebung der Nachtragsanklage und Einbeziehungsbeschluß gehören zu den Verfahrensvoraussetzungen. Daß sie vorliegen, kann nur durch die Sitzungsniederschrift bewiesen werden. Fehlen sie, muß dieser Mangel in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen berücksichtigt werden. Das Revisionsgericht muß deshalb, falls nur überhaupt eine zulässige Revision vorliegt (BGHSt. 16 115), den Mangel der Verfahrensvoraussetzung von Amts wegen berücksichtigen, während es die mangelnde Zustimmung des Angeklagten nur auf ausdrückliche Rüge beachten dürfte.
§ 367 (1) Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die IQr erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in denen die gesetzliehen Merkmale der strafbaren Handlang gefunden werden. Soweit der Beweis ans anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese Tatsachen angegeben werden. (2) Waren in der Verhandlung vom Strafgesetz besonders vorgesehene Umstände behauptet worden, welche die Strafbarkeit ausschliefien, vermindern oder erhöhen, so müssen die Urteilsgründe sich darüber aussprechen, ob diese Umstände für festgestellt oder für nicht festgestellt erachtet werden. (3) Die Gründe des Strafurteils müssen ferner das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz bezeichnen und die Umstände anführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Macht das Strafgesetz die Anwendung einer geringeren Strafe von dem Vorhandensein mildernder Umstände im allgemeinen abhängig,so müssen die Urteilsgründe die hierübergetroffeneEntscheidung ergeben, sofern das Vorhandensein solcher Umstände angenommen oder einem in der Verhandlung gestellton Antrag entgegen verneint wird. Die Urteilsgründe müssen ferner ergeben, weshalb die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder einem in der Verhandlung gestellton Antrag entgegen nicht ausgesetzt worden ist; dies gilt entsprechend für das Absehen von Strafe. (4) Verzichten alle zur Anfechtung Berechtigten auf Rechtsmittel, so genügt die Angabe der für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung gefunden werden, und des zur Anwendung gebrachten Strafgesetzes. (5) Wird der Angeklagte freigesprochen, so müssen die Urteilsgründe ergeben, ob der Angeklagte für nicht überführt oder ob und aus welchen Gründen die für erwiesen angenommene Tat für nicht strafbar erachtet worden ist. (6) Die Urteilsgründe müssen auch ergeben, weshalb eine MaBregel der Sicherung und Besserung angeordnet oder einem in der Verhandlung gestellten Antrag entgegen nicht angeordnet worden ist. Jugendgerichtsgesetz vom 4. August 1953 (BGBl. I S. 751): § 54. Wird der Angeklagte schuldig gesprochen, so wird in den Urteilsgründen auch ausgeführt, welche Umstände für seine Bestrafung, für die angeordneten Maßnahmen, für die Überlassung ihrer Auswahl und Anordnung an den Vormundschaftsrichter oder für das Absehen von Zuchtmitteln und Strafe bestimmend waren. Dabei soll namentlich die seelische, geistige und körperliche Eigenart des Angeklagten berücksichtigt werden. Schrifttum: Meves GA. 36 102ff.; D a h m Das freisprechende Urteil 1936; dazu K e g l e r Monatsschrift 1937 287; K r o s c h e l - D o e r n e r Die Abfassung der Urteile in Strafsachen; H ü l l e Die Begründung der Urteile in Strafsachen DRiZ 1952 92, ders. Das Revisionsurteil in Strafsachen JZ. 1951 170. Entstehungsgeschichte:
I.Entw. §216. II. Entw. §222. III. Entw. §225.
Änderungsvorschläge:
NE I und II §§ 259, 260. N E III § 261.
Spätere Änderungen: Durch das Gesetz zur Entlastung der Gerichte vom 11. März 1921 (RGBl. 229) wurde Abs. 4 eingefügt. Er enthielt ursprünglich die später wieder gestrichene weitere Vereinfachung, daß bei Angabe der für erwiesen erachteten Tatsachen auf den Eröffnungsbeschluß Bezug genommen werden könne. Das VereinheitlGes. v. 12. Sept. 1950 (BGBl. S. 455) änderte die Bestimmung in Abs. 3, daß die Strafzumessungsgründe angegeben werden s o l l e n , in eine Mußvorschrift ab. Abs. 6 wurde durch das AG. z. GewVerbrGes., Abs. 3 Satz 3 durch das 3. Strafrechtsänderungsgesetz vom 4. August 1953 (BGBl. I S. 735) eingefugt.
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§267
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Anm. 1, 2 Übersicht: 1. Allgemeines 2. Selbständige Feststellungen 3. Inhalt der Feststellungen a) äußere Tatseite b) innere Tatseite c) „Wahlfeststellung" d) Strafausschließungs-, Strafminderungs- und Straferhöhungsgründe e) Übereinstimmung mit dem Beratungsergebnis 4. Beweisgründe 5. Das angewandte Strafgesetz 6. Persönliche Verhältnisse und Werdegang des Angeklagten 7. Strafzumessungsgründe
8. 9. 10. 11.
a) Allgemeines b) Strafzumessungstatsachen und -erwägungen c) Mildernde Umstände. Absehen von Strafe. Abs. 3 Satz 2 d) Strafaussetzung zur Bewährung e) Maßregeln der Sicherung und Besserung f) Einziehung und Unbrauchbarmachung g) Urteil gegen Jugendliche und Heranwachsende Abgekürztes Urteil. Abs. 4 Freisprechendes Urteil Das einstellende Urteil Revision
1. Allgemeines. Die Vorschrift handelt von den Urteilsgründen, im Gegensatz zu dem Entscheidungssatz (Urteilsformel, Urteilstenor). Die Urteilsgründe enthalten die tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen der ausgesprochenen Entscheidung. Sie sollen jeden Leser von ihrer Richtigkeit und Gerechtigkeit überzeugen. Sie sind von größter Bedeutung für das weitere Verfahren in derselben Sache, insbesondere für das Rechtsmittelverfahren. Dem Revisionsgericht bieten sie die einzige Grundlage für die sachlich-rechtliche Nachprüfung des Urteils. Ob der Wiederaufnahmegrund des § 359 Nr. 5 gegeben ist, läßt sich nur aus den Urteilsgründen ermitteln. Aus ihnen ist zu entnehmen, welche Tat im Sinne des § 264 abgeurteilt ist, wie weit also die klageverbrauchende Wirkung des Urteils reicht. Sie bilden eine wichtige Grundlage für die Ausübung des Gnadenrechts, können aber auch für spätere Verfahren von großer Bedeutung* sein, so für die Strafzumessung oder die Anordnung von Maßregeln der Sicherung und Besserung, oder für ein Dienststrafverfahren. Wenn sie den Inhalt von Zeugenaussagen wiedergeben, können sie eine Unterlage für ein späteres Verfahren wegen Meineids oder falscher uneidlicher Aussage bieten (von H i p p e l 362; P e t e r s 370). Sie können diese Aufgabe nur erfüllen, wenn die Fülle des Stoffs, den die Verhandlung ergeben hat, im Hinblick auf die Bedeutung, die den Urteilsgründen zukommt, sorgfältig gesichtet, dabei Wichtiges von Unwichtigem geschieden, das Wesentliche zeitlich und gedanklich gut geordnet und übersichtlich gegliedert und so in den Gründen niedergelegt wird. 2. Selbständige Feststellungen, a) Die Urteilsgründe müssen s e l b s t ä n d i g den Erfordernissen des § 267 entsprechen. Soweit nicht die Ausnahmevorschrift des Abs. 4 eingreift, genügt ein Hinweis weder auf die Anklageschrift (RGSt. 4137) noch auf den Eröffnungsbeschluß (RGSt. 4 382) noch auf die Sitzungsniederschrift (RGR. 1 658). Es ist grundsätzlich (vgl. hernach Anm. 2 b) auch unzulässig, auf den Inhalt eines in derselben oder einer anderen Sache gegen den Angeklagten oder eine andere Person ergangenen Straf- oder Zivilurteils Bezug zu nehmen (RGSt. 4 367,30 143; RG. GA. 51 394, 69 92; JW. 1923 39B, 1932 4049). Ein Hinweis, den das Gericht trotzdem statt einer selbständigen Darlegung in den Urteilsgründen macht, ist für das Revisionsgericht unbeachtlich und gilt als nicht vorhanden (RGSt. 62 216, 66 4; RG. HRR. 1939 Nr. 548, 1939 Nr. 1009). b) Immerhin wird die Verweisung auf die Gründe des erstinstanzlichen Urteils, das gegen den Beschwerdeführer ergangen ist (RG. JW. 1932 310468), im Berufungsurteil nicht schlechthin verwehrt. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer solchen Bezugnahme ist aber, daß genau und zweifelsfrei angegeben wird, in welchem Umfang das Berufungsgericht die tatsächlichen und rechtlichen Ausführungen des ersten Urteils für zutreffend erachtet und übernimmt, daß also die Bezugnahme die Gesamtfeststellung in keinem Stück unsicher gestaltet (RGSt. 59 78, 427, 66 8; RG. JW. 1931 21220). c) Ergeben sich die Merkmale einer strafbaren Handlung aus einem Schriftstück, etwa einem Brief oder einem Zeitungsaufsatz oder einer andern Druckschrift, so muß der wesentliche Inhalt des Schriftstücks in die Urteilsgründe aufgenommen werden, so daß diese in sich verständlich sind; eine Verweisung auf das in den Akten enthaltene Schriftstück reicht nicht aus (RGSt. 53 258, 62 216, 66 8; RG. JW. 1929 10516», 1931 157130; BGHSt. 11 29, 31; BGHSt. 17 388; BGH. vom 13. 10. 1954 — 6 StR. 207/54; vom 13. 4. 1962 — 3 StR. 10/62; OLG. Braunschweig NJW.
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Sechster Abschnitt. Hauptverhandlung (Geier)
§267 Anm. 3
1956 72). Hierbei bedarf es allerdings weder einer vollständigen und wörtlichen Wiedergabe noch, wenn eine Mehrzahl von Schriftstücken strafbaren Inhalts in Betracht kommt, einer Erörterung aller einzelnen; vielmehr genügt es, wenn das Gericht in den Urteilsgründen den Inhalt des Schriftstücks so beschreibt, daß die Nachprüfung rechtsirrtumsfreier Anwendung des Strafgesetzes ermöglicht wird, und wenn es bezüglich der mitherangezogenen Schriftstücke feststellt, daß diese einen gleichen oder durchaus ähnlichen Inhalt haben (RG. JW. 1929 2739S9). Wird entgegen dem zuvor besprochenen Erfordernis im Urteil auf ein den strafbaren Tatbestand erfüllendes Schriftstück ohne ausreichende Wiedergabe seines Inhalts verwiesen, so führt auch die Sachbeschwerde zur Aufhebung des Urteils (RG. DRZ. 1927 Nr. 841). Auch die Berechnungsgrundlagen für die Höhe einer hinterzogenen Abgabe und für den Wertersatz müssen in den Urteilsgründen enthalten sein; auch insoweit dürfen sie sich also nicht auf den Inhalt der Akten beziehen (RG. HRR. 1988 Nr. 637). d) Zeichnungen lind Abbildungen dürfen zwar zur Ergänzung und Unterstützung der sprachlichen Darstellung verwendet werden; dagegen ersetzt eine Verweisung auf die in den Akten vorhandenen, dem Urteil selbst aber nicht einverleibten körperlichen Zeichen solcher Art nicht die vorgeschriebenen Feststellungen (RGSt. 4119, 23; Recht 1916 Nr. 278,1918 Nr. 1646). 3. Inhalt der Feststellungen, a) Wenn die Urteilsgründe diejenigen Tatsachen angeben müssen, in denen die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung gefunden werden, so bedeutet das, daß in der Schilderung des vom Gericht für erwiesen erachteten Sachverhalts die Merkmale der strafbaren Handlung, jedoch aufgelöst in bestimmte Tatsachen (OGHSt 1 87), wiederkehren müssen. Eine Feststellung, die nur die WorW des Gesetzes wiederholt, ist also nicht ausreichend. Vielmehr müssen die bestimmten Tatsachen angeführt werden, die nach der Ansicht des Gerichts den gesetzlichen Tatbestand erfüllen. Diese Darstellung muß so eingehend und klar sein, daß das Revisionsgericht nachprüfen kann, ob das Strafgesetz mit Recht auf das nachgewiesene Ereignis angewendet worden ist (RGSt. 2 419, 3 201, 71 25; RGR. 1 558, 2 112, 3 636, 4 281). Allgemein bekannte und verständliche Rechtsbegriffe, wie Kauf und Verkauf, können hierbei verwendet werden, ohne daß es ihrer Auflösung in die zugrundeliegenden tatsächlichen Vorgänge bedarf. Der Tag der Begehung ist so genau festzustellen, daß der Nichtabiauf der Verjährungsfrist deutlich wird (KG. JW. 1927 925). Der § 267 verlangt also eine klare Darstellung dessen, was sich nach der Überzeugung des Gerichts ereignet hat; diese Darstellung muß auf einer prüfenden Würdigung der Ergebnisse der Hauptverhandlung beruhen und sie im Hinblick auf die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung zusammenfassen; dabei kann es notwendig sein, einzelne Aussagen genau wiederzugeben, zumal dann, wenn sie zueinander oder zu dem in Widerspruch stehen, was das Gericht für erwiesen erachtet (RGSt. 71 25). Die durch § 267 Abs. 1 Satz 1 geforderte zusammenhängende, zeitlich und gedanklich geordnete Darstellung des Sachverhalts zur äußeren und inneren Tatseite, von dem das Gericht bei der rechtlichen Beurteilung ausgeht, hat keinen rein verfahrensrechtlichen Selbstzweck in dem Sinne, daß ein Verstoß gegen die verfahrensrechtliche Norm auf entsprechende Revisionsrüge zur Aufhebung des Urteils führen müßte. Die verfahrensrechtliche Forderung steht vielmehr im Dienste der richtigen Anwendung des sachlichen Rechts. Eine der Forderung des § 267 Abs. 1 Satz 1 nur mangelhaft genügende Sachdarstellung gefährdet den Bestand des Urteils nicht wegen des Verstoßes gegen diese verfahrensrechtliche Norm, sondern nur deshalb und insoweit, wie wegen der Mängel im Aufbau des Urteils und in der Darstellung unsicher bleibt, welchen Sachverhalt das Gericht seiner rechtlichen Beurteilung eigentlich zugrunde gelegt hat. In sich unklare Feststellungen verletzen zugleich das sachliche Recht und müssen auf eine mit der Sachrüge begründete Revision zur Aufhebung des Urteils führen, weil sie dem Revisionsgericht die Prüfung der richtigen Anwendung des sachlichen Rechts unmöglich machen (OGHSt. 1146; 2 269; RG. HRR. 1937 541). Wird der Angeklagte wegen mehrerer selbständiger Straftaten verurteilt, so müssen die Gründe für jede Tat die erwiesenen Tatsachen angeben, und zwar nach Zeit, Ort und Art der Begehung so deutlich, daß das Revisionsgericht nachprüfen kann, ob das Strafgesetz auf jede einzelne Tat ohne Rechtsirrtum angewandt ist, und daß nach Eintritt der Rechtskraft beim Auftauchen einer neuen Beschuldigung gegen den Verurteilten festgestellt werden kann, ob er wegen dieser Tat schon abgeurteilt worden ist (RG. HRR. 1939 Nr. 1011; vgl. auch BGHSt. 1 219, 222). Ein Verstoß sowohl gegen den § 261 als auch gegen das sachliche Recht kann ferner darin gefunden werden, daß das Urteil Tatsachen, die geeignet sein können, die Beurteilung des Sachverhalts zugunsten oder zuungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, zwar festgestellt, sich aber mit ihnen in der abschließenden Würdigung
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Anm. 3 nicht auseinandergesetzt hat. Ein sachlicher Mangel des Urteils kann auch darin liegen, daß es Tatsachen anführt, die sich zu widersprechen scheinen, und sie trotzdem als zwanglos miteinander vereinbar bezeichnet, ohne dies näher zu begründen (BGHSt. 3 213,215). Fehlen zwingend vorgeschriebene Urteilsgründe, so können sie durch einen Berichtigungsbeschluß nicht rechtswirksam nachgeholt werden (RG. HRR. 1939 Nr. 1010). Unzulässig ist es auch, die in den Urteilsgründen enthaltenen Tatsachen nachträglich zu berichtigen. Zulässig ist nur die Berichtigung von Schreibfehlern und ähnlichen Versehen (BGHSt. 2 248). b) Innere Tatseite. Die Notwendigkeit der Auflösung der gesetzlichen Merkmale in einzelne Tatsachen besteht nicht nur für die äußere, sondern auch für die innere Tatseite. Dabei ist es gleichgültig, ob die Strafvorschrift die Merkmale der inneren Tatseite ausdrücklich hervorhebt oder ob sie sich nur aus dem Zusammenhang ergeben. Die Urteilsgründe müssen also die inneren Tatsachen, die den Vorsatz des Täters ausmachen, auch dann feststellen, wenn der Wortlaut des angewendeten Strafgesetzes den Vorsatz nicht ausdrücklich erwähnt und in der Hauptverhandlung kein Tatbestandsirrtum nach § 59 Abs. 1 StGB, behauptet worden ist (BGHSt. 5 144; a. A. noch RGSt. 1 169, 8 46, 27 179, 51 204). — Bedingter Vorsatz liegt vor, wenn der Täter den als möglich vorgestellten Erfolg innerlich gebilligt und ihn damit für den Fall seines Eintrittes gewollt hat. Das wird mit der Wendung, er habe den Erfolg in Kauf genommen, möglicherweise allein noch nicht ausreichend festgestellt (vgl. RGSt. 72 43, 76 115; BGH. vom 2.10.1951 — 1 StR. 436/51, angeführt bei Daliinger MDR. 1952 16; zum andern jedoch RGSt. 59 2, 67 425, 77 228; vgl. auch BGHSt. 7 363, 369). Die deutliche Feststellung, daß der Täter den Erfolg für den Fall seines Eintritts gewollt habe, ist deshalb in jedem Falle ratsam. Häufig findet sich der Fehler, daß in den Urteilsgründen zwischen dem Kennen der einzelnen Tatbestandsmerkmale und dem Kennenkönnen und Kennenmüssen nicht deutlich genug unterschieden wird. Fehlerhaft sind Darlegungen, die — ohne daß insoweit eine klare Wahlfeststellung getroffen wird (Anm. 3 c) — an die Feststellung, daß der Täter vorsätzlich gehandelt habe, die Hilfserwägung anschließen, daß er aber jedenfalls mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe. Hilfserwägungen dieser Art erwecken den Verdacht, daß das Gericht entgegen der vorangegangenen Versicherung vom unbedingten Vorsatz nicht überzeugt ist. Dadurch kann eine den Bestand des Urteils gefährdende Unsicherheit in die Feststellungen hineingetragen werden (vgl. RG. JW. 1931 3Ö5922). So ist insbesondere bei der Anwendung des § 259 StPO. deutlich zwischen unbedingtem und bedingtem Vorsatz und der Anwendung der in dieser Vorschrift enthaltenen Beweisregel zu unterscheiden (RGSt. 55 204). — Zur inneren Tatseite gehören auch Ausführungen zur Frage des Verbotsirrtums (BGHSt. 2 199), wenn der Sachverhalt zur Erörterung dieser Frage Anlaß bietet oder der Angeklagte behauptet hat, im Verbotsirrtum gehandelt zu haben. Zur Frage der Entschuldbarkeit eines solchen Irrtums ist erst Stellung zu nehmen, wenn der Verbotsirrtum feststeht oder seine Möglichkeit nicht ausgeräumt werden kann. Begeht ein Täter mehrere gleichartige strafbare Handlungen, brauchen die dazugehörenden Feststellungen zur inneren Tatseite nicht notwendig in jedem Falle mit besonderen Worten getroffen zu werden. Im Urteil können vielmehr in solchen Fällen aus Gründen der besseren Darstellung oder aus anderen Gründen Feststellungen zur inneren Tatseite, die für mehrere Fälle in gleicher Weise zutreffen, gemeinsam nach der Erörterung der Besonderheiten des äußeren Tathergangs getroffen werden, wenn nur kein Zweifel darüber entstehen kann, auf welche Fälle sich solche Feststellungen zur inneren Tatseite im einzelnen beziehen (OGHSt. 3 34, 36). c) Wahlfeststellung. S c h r i f t t u m : Z e i l e r ZStW. 40 168, 42 665, 43 596, 49 565 64 156; 72 1 M a n n h e i m ZStW. 44 440, 49 734; G r ü n h u t MonKrimPsych. 34 327, N ü s e Das Problem der Zulässigkeit von Alternativ-Schuldfeststellungen im Strafprozeß (Strafrechtl. Abh. H 234) 1933, N ü s e GA. 1953 33; J R . 1958 65; H e i n i z JZ. 1952100; S c h a f f s t e i n NJW. 1952; W i l l m s JZ. 1962 628. Man hat sich daran gewöhnt, in den Fällen, in denen dem Richterspruch nicht die Überzeugung zugrunde liegt, daß sich ein Sachverhalt so und nicht anders zugetragen habe, in denen dem Urteil vielmehr ausnahmsweise die Überzeugung des Gerichts zugrunde liegt, daß zwei (oder gar mehrere) Möglichkeiten unter Ausschluß anderer Sachverhaltsgestaltungen gegeben sein könnten, von denen jede den Tatbestand einer strafbaren Handlung verwirklicht, von „zulässigen Wahlfeststellungen" oder von der Verurteilung auf Grund „wahldeutiger Feststellungen" zu sprechen. Diese Ausdrucksweise ist schief und ungenau. Daß ein Gericht nach Erschöpfung aller Beweismöglichkeiten zu dem Ergebnis gelangt, daß — unter Ausschluß anderer Sachverhaltsgestaltungen — von zwei (oder gar mehr) Möglichkeiten, von denen jede eine
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andere strafbare Handlung darstellt, keine mit Sicherheit ausgeschlossen werden könne, jede von ihnen also vorliegen könne, kann kein Gesetz für unzulässig erklären. Es hängt mit der Begrenztheit des menschlichen Erkenntnisvermögens zusammen, daß die Gerichte nicht immer zu e i n d e u t i g e n Feststellungen gelangen können. Die Frage der Zulässigkeit kann nicht im Hinblick auf eindeutige oder mehrdeutige Feststellungen, sondern nur im Hinblick darauf gestellt werden, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Angeklagter zulässigerweise verurteilt werden darf, wenn das Gericht nicht zu eindeutigen Feststellungen gelangt, sondern zu dem Ergebnis, daß — unter Ausschluß anderer Gestaltungen — zwei oder mehr genau umschriebene Möglichkeiten vorliegen könnten, von denen jede den Tatbestand einer strafbaren Handlung erfüllt. Es ist auch falsch, in diesem Zusammenhang von „Wahlfeststellungen" oder von der Verurteilung auf „wahldeutiger" Tatsachengrundlage zu sprechen; denn das Gericht steht den mehreren Möglichkeiten nicht in der Weise gegenüber, daß es in Ausübung eines ihm zustehenden Gestaltungsrechts, wie es für jede wahre Wahl kennzeichnend ist, zwischen den mehreren Möglichkeiten „wählen", sich nach seinem Ermessen für eine von ihnen entscheiden könnte. Nach dem Grundsatz in dubio pro reo muß das Gericht vielmehr, wenn und soweit auf solcher Grundlage überhaupt eine Verurteilung ausgesprochen werden darf, von der dem Angeklagten günstigsten Möglichkeit ausgehen (Willms JZ. 1962 628). Man sollte deshalb richtiger von einer Verurteilung auf doppeldeutiger (oder mehrdeutiger) Tatsachengrundlage sprechen (BGHSt. 17 210). Ob und unter welchen Voraussetzungen ein Angeklagter auf der Grundlage doppeldeutiger (oder gar mehrdeutiger) Feststellungen verurteilt werden darf, ist eine Frage des sachlichen Strafrechts. Als durch das Gesetz vom 28. 6.1935 die Verurteilung auf doppeldeutiger oder mehrdeutiger Tatsachengrundlage unbeschränkt für zulässig erklärt wurde, fand die entsprechende Vorschrift auch unter § 2b Aufnahme in das StGB. Ob die Verurteilung auf doppeldeutiger Tatsachengrundlage zuzulassen sei, wurde allerdings auch bei den Vorarbeiten zur StPO. erörtert (Mahn Mat. I 223). Der Gesetzgeber hat die Frage bewußt offengelassen und ihre Beantwortung der Rechtsprechung überlassen. Das RG. hat bis zur Entscheidung RGSt. 56 61 die Verurteilung auf Grund doppeldeutiger oder mehrdeutiger Feststellungen nur in den Fällen zugelassen, in denen nur verschiedene Ausführungsarten desselben Verbrechens oder Vergehens in Betracht kommen, die, selbst wenn sie in verschiedenen Vorschriften enthalten sind, doch keinen verschiedenen Tatbestand ergeben und vom Gesetz als gleichwertig angesehen werden, dagegen in den Fällen für unzulässig erklärt, in denen verschiedene Tatbestände in Frage stehen, die in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung so voneinander abweichen, daß der eine den anderen ausschließt und abweichend von ihm zu beurteilen ist. Entgegen diesen Grundsätzen hat es allerdings die Verurteilung wegen fahrlässiger Begehung einer Straftat trotz bestehenden Verdachts der vorsätzlichen Begehung der Straftat gebilligt (RGSt. 7185,41389,59 83). Es begründete diese Auffassung mit der — unzutreffenden — Erwägung, daß die Fahrlässigkeit gegenüber dem Vorsatz ein Weniger bedeute, während sich in Wahrheit beide Schuldformen gegenseitig ausschließen. Der Beschluß der Vereinigten Strafsenate vom 2. 5.1934 (RGSt. 68 257) erklärte schließlich innerhalb der Grenzen, die sich für die Umgestaltung der Strafklage aus §264 StPO. ergeben, die Wahlfeststellung für den praktisch wichtigsten Fall zwischen Diebstahl und Hehlerei für zulässig. Er begründete diese Ausnahme mit dem zwingenden praktischen Bedürfnis und führte ergänzend aus, daß die Sicherheit der Urteilsfindung und die Gerechtigkeit der Urteilswirkung, die der unbeschränkten Anerkennung einer Verurteilung auf Grund wahldeutiger Feststellungen entgegenstünden, bei Zulassung einer stofflich fest beschränkten Ausnahme keinen ins Gewicht fallenden Schaden litten. Der im Jahre 1935 neu eingefügte §2b StGB, ließ die Wahlfeststellung uneingeschränkt zu. Die Entscheidung RGSt. 68 257 konnte deshalb keine besonderen Wirkungen mehr entfalten, wenn auch eine Minderheit im Schrifttum (Kohlrausch StGB. Anm. II 2—4 zu § 2b; Graf zu Dohna ZStW. 55 579) die Handhabung des §2b StGB, an die in jener Entscheidung entwickelten Grundsätze zu binden und die Zulässigkeit der Wahlfeststellung an die Voraussetzung der „psychologischen und rechtsethischen Vergleichbarkeit" der möglichen Verhaltensweise zu knüpfen versuchte. Nach der Aufhebung des § 2b StGB, durch das Kontrollratsgesetz Nr. 11 gelangte im Schrifttum wie in der Rechtsprechung bald die Auffassung zur Herrschaft, daß Wahleststellungen in den Grenzen der Entscheidung RGSt. 68 257 für zulässig zu erachten seien (vgl. OGHSt. 2 89). Auch der BGH. ist ihr gefolgt (BGHSt. 1 304). Damit sind für die Rechtsprechung die praktisch wichtigsten Fälle entschieden, wenn auch im einzelnen Zweifelsfragen offen bleiben. Der BGH. hat
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versucht, sie mit der Formel von der „psychologischen und rechtsethischen Vergleichbarkeit" der möglichen Verhaltensweisen zu lösen und von diesem Gedanken aus die Zulässigkeit wahldeutiger Feststellungen zwischen einem Vergehen nach §330a StGB, und der die Bedingung der Strafbarkeit bildenden mit Strafe bedrohten Handlung verneint (BGHSt. 1 275 und 327). Will man die Formel als Voraussetzung für die Zulässigkeit der Verurteilung auf doppeldeutiger oder mehrdeutiger Tatsachengrundlage auffassen, ist sie zu eng. Selbst für den „klassischen" Fall der Verurteilung, daß der Täter entweder des Diebstahls oder der Hehlerei schuldig sei, kann die Vergleichbarkeit mit guten Gründen in Zweifel gezogen werden, mindestens wenn man die psychologische Gleichwertigkeit auf die Person des jeweiligen Täters bezieht und nicht nur abstrakt auf die beiden oder mehreren Deliktstypen; denn jeder erfahrene Kriminalist kennt zahlreiche Hehler, die niemals selbst einen Diebstahl begehen würden, für die also Diebstahl und Hehlerei psychologisch offensichtlich nicht gleichwertig sind. An der Formel ist nur soviel richtig, daß die Verurteilung auf doppeldeutiger oder mehrdeutiger Tatsachengrundlage jedenfalls dann für zulässig zu erachten ist, wenn die mehreren Möglichkeiten rechtsethisch und psychologisch gleichwertig sind. Die Formel mag auch ihren Wert haben, wenn man sie negativ dahin versteht, daß eine Verurteilung auf doppeldeutiger oder mehrdeutiger Tatsachengrundlage jedenfalls dann in aller Regel ausscheiden muß, wenn die mehreren Möglichkeiten weder rechtsethisch noch psychologisch miteinander vergleichbar sind. Richtiger ist es jedoch, kein Dogma aufzustellen, sondern mit dem RG. die Bedürfnisse der Praxis entscheidend sein zu lassen, ihnen jedoch nur dann Rechnung zu tragen, wenn unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles weder die Sicherheit der Urteilsfindung noch die Gerechtigkeit der Urteilswirkung nennenswerten Schaden leiden kann. Tut man dies, dann wird ein durch keine dogmatischen Scheuklappen verengter Blick insbesondere entdecken, daß zahlreiche strafbare Tatbestände in ganz bestimmter Weise aufeinander zugeordnet sind, ohne daß sie deswegen „psychologisch vergleichbar" zu sein brauchen. Das gilt einmal in allen Fällen, in denen der Gesetzgeber sowohl die vorsätzliche wie auch die fahrlässige Verletzung eines Rechtsguts mit Strafe bedroht. In der Regel wird nur die vorsätzliche Verletzung unter Strafe gestellt. Stellt der Gesetzgeber wegen der Bedeutung des zu schützenden Rechtsguts oder aus anderen Gründen auch die fahrlässige Verletzung dieses Rechtsguts unter Strafe, dann kann diese gesetzgeberische Entscheidung nicht dahin verstanden werden, daß nur der nachgewiesenermaßen vorsätzlich handelnde und nur der nachgewiesenermaßen fahrlässig handelnde Täter bestraft werden dürfe, derjenige jedoch, von dem ungewiß bleibt, ob er vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat, von dem aber feststeht, daß er jedenfalls nicht ohne Schuld gehandelt hat, straflos ausgehen solle. Die Entscheidung des Gesetzgebers muß vielmehr von jedem Unbefangenen dahin verstanden werden, daß nicht nur der nachgewiesenermaßen fahrlässig Handelnde, sondern auch der vielleicht sogar vorsätzlich, mindestens aber fahrlässig, keinesfalls schuldlos Handelnde bestraft werden solle (BGHSt. 4 340; 17 210). Ganz ähnlich ist trotz BGHSt. 9 390 das Verhältnis von § 330 a StGB, zu einer vorsätzlichen im Zustand erheblich verminderter Zurechnungsfähigkeit verübten strafbaren Handlung zu bestimmen, obwohl diese Entscheidung einleitend erklärt, eine „Wahlfeststellung" zwischen dem Vergehen gegen § 330 a StGB, und einer im schuldhaft herbeigeführte Zustand verminderter Zurechnungsfähigkeit begangenen strafbaren Handlung sei „nicht zulässig", weil es im Verhältnis des vorsätzlichen oder fahrlässigen Vergehens gegen § 330 a StGB, zu der im angetrunkenen Zustand (§ 51 Abs. 2 StGB.) begangenen Straftat an der rechtsethischen und psychologischen Gleichwertigkeit fehle. Was nach dieser Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen unzulässig sein soll, wird jedoch im selben Atemzuge zum zulässigen Gesetzesinhalt erklärt; denn § 330a StGB, wird dahin verstanden, daß er nicht nur den Fall der durch verschuldeten Rausch unzweifelhaft ausgeschlossenen Zurechnungsfähigkeit betreffe, sondern auch den Fall, daß zweifelhaft bleibt, ob der verschuldete Rausch die Zurechnungsfähigkeit des Täters ausschloß oder nur erheblich verminderte. Zur Begründung dieser Ansicht führt der Gr. Senat aus, es sei dem Gesetzgeber mit der Einfügung des § 330a StGB, darauf angekommen, alle diejenigen Fälle strafrechtlich zu erfassen, in denen ein Täter bisher in einem vorsätzlich herbeigeführten Rauschzustand gehandelt habe, deshalb erwiesenermaßen oder auch nur möglicherweise zurechnungsunfähig gewesen sei und aus diesem Grunde habe freigesprochen werden müssen. Darin wird zutreffend erkannt, daß § 330a StGB, der im Zustand nur verminderter Zurechnungsfähigkeit begangenen strafbaren Handlung in so besonderer Weise zugeordnet ist, die es gestattet, nicht nur bei eindeutiger, sondern auch bei doppeldeutiger Tatsachengrundlage zu ver-
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urteilen. Denn um eine Verurteilung auf doppeldeutiger Tatsachengrundlage handelt es sich der Sache nach, wenn unentschieden bleiben darf, ob der verschuldete Rausch die Zurechnungsfähigkeit ausgeschlossen oder nur erheblich vermindert hat. Im Grundsatz ähnlich liegen die Fälle, in denen ungewiß bleibt, ob ein Angeklagter als Mittäter oder als Gehilfe gehandelt hat (BGHSt. 15 63, 65; BGH. vom 28. 8.1952 — 5 S t R 602/62; RGSt. 71 364). Den vorstehend erörterten Fällen ist gemeinsam, daß sie sich nicht allein nach dem Grundsatz in dubio pro reo entscheiden lassen. Die beiden Möglichkeiten, von denen das Gericht keine ausschließen kann, stehen sich nicht in der Weise gegenüber, daß bei der einen Möglichkeit die Tatsachengrundlage zur Überzeugung des Gerichts unzweifelhaft feststeht und nur ungewiß bleibt, ob die für den andern möglichen Fall erforderliche Tatsachengrundlage gegeben ist. Die beiden Möglichkeitem stehen nicht zueinander im Verhältnis des Mehr oder Weniger, sondern im Verhältnis des Entweder-Oder, wenn auch beide Möglichkeiten in bestimmter Weise aufeinander zugeordnet sind und die eine von ihnen vom Gesetzgeber regelmäßig milder als die andere beurteilt wird, nämlich die fahrlässige Rechtsgutverletzung milder als die vorsätzliche, das fahrlässig oder vorsätzlich begangene Vergehen nach § 330 a milder als die vorsätzliche Rauschtat, die Beihilfe milder als die Täterschaft. Kennzeichnend für diese Fälle ist zum Unterschied von anderen Fällen für zulässig erachteter Verurteilung auf doppeldeutiger Tatsachengrundlage, daß dem Gericht hinsichtlich des äußeren Geschehensablaufs regelmäßig keinerlei Zweifel übrigbleibt; insoweit kann sich das Gericht vielmehr in aller Regel eine eindeutige Überzeugung bilden. Die Zweifel der Entscheidung zwischen zwei Möglichkeiten setzen vielmehr erst bei der inneren Tatseite ein, weil der erwiesene äußere Sachverhalt keinen sicheren Schluß auf die innere Verfassung des Täters erlaubt, hier vielmehr von zwei sich bietenden Möglichkeiten keine sicher ausgeschlossen werden kann. In diesen Fällen ist deshalb die Sicherheit der Urteilsfindung und die Gerechtigkeit der Urteilswirkung, die das RG. in RGSt. 68257 als entscheidend für die Zulässigkeit einer Verurteilung auf doppeldeutiger Grundlage ansah, nicht unbeträchtlich höher als in allen anderen Fällen, in denen die Rechtsprechung eine Verurteilung auf doppeldeutiger Tatsachengrundlage für zulässig erachtet hat. Als solche Fälle sind noch anzuführen: Steuerhinterziehung und Steuerhehlerei (BGHSt. 4 128), mittelbare Täterschaft und Mittäterschaft (BGH. MDR. 1951 179), Täterschaft und Anstiftung (BGHSt. 1 1 2 7 ) , Raub und räuberische Erpressung (BGHSt. 5 280), Abtreibung und vollendete Tötung in Tateinheit sowie vollendete Abtreibung und versuchter Totschlag in Tateinheit (BGHSt. 10 291), schwerer Diebstahl im Rückfall und gewerbsmäßige Hehlerei (BGHSt. 11 26), versuchte Gewaltunzucht und versuchte Notzucht (BGHSt. 11 100); schwerer Diebstahl als Täter oder Mittäter, Gehilfe beim Diebstahl und Hehler sowie Hehlerei allein (BGHSt. 15 63). Bestehen dagegen die beiden Möglichkeiten in Bestechlichkeit und Betrug, ist eine Verurteilung unzulässig (BGHSt. 15 88,99/100) Jedoch hat der BGH. die Verurteilung wegen Meineids in dem Falle für geboten erklärt, daß nicht festgestellt werden werden kann, welche von zwei sich widersprechenden eidlichen Aussagen falsch ist, sog. Tatsachenalternativität (BGHSt. 2 351). Soweit danach die Bedürfnisse der Praxis eine Verurteilung auf Grund doppeldeutiger Feststellungen rechtfertigen und die Sicherheit der Urteilsfindung und die Gerechtigkeit der Urteilswirkung dem nicht entgegenstehen, müssen die Urteilsgründe anstelle der für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung gefunden werden, den äußeren und inneren Sachverhalt der Verhaltensweisen schildern, die nach der Überzeugung des Gerichts allein als möglich in Betracht kommen. Sie müssen erkennen lassen, daß unter Ausschöpfung aller verfügbaren Beweismittel keine eindeutige Feststellung möglich ist, statt dessen das Entweder-Oder feststeht und insbesondere die Annahme eines straflosen Verhaltens ausscheidet. Dabei darf die Ungewißheit, welcher von zwei allein möglichen Tatbeständen verwirklicht ist, nur darauf beruhen, daß jeweils die Verwirklichung der anderen Möglichkeit nicht ausgeschlossen werden kann (BGHSt. 12 386; vgl. auch BGH. LM. StPO. § 261 Nr. 16). d) Strafausschließungs-, Strafminderungs- und Straferhöhungsgrimde. Abs. 2. Unter den im Strafgesetz besonders vorgesehenen Umständen, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen, ist dasselbe wie in § 263 Abs. 2 zu verstehen, vgl. dort Anm. 2 b) — d). Soweit solche Umstände in der Verhandlung b e h a u p t e t werden, bedarf es stets der ausdrücklichen Feststellung, ob sie als gegeben angesehen werden oder nicht. Nach Abs. 2 ist auch zu verfahren, wenn solche Umstände entgegen dem Eröffnungsbeschluß für nicht erwiesen erachtet werden;
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Anm. 4 denn die Feststellungen müssen den Eröffnungsbeschluß erschöpfen. Ebenso muß das Gericht, wenn es die Tat anders als der Beschluß rechtlich würdigt, z. B. in ihr nicht einen Diebstahl, sondern eine Unterschlagung findet, ausdrücklich aussprechen, welche Merkmale des Diebstahls nicht festgestellt seien. Dessen bedarf es jedoch nicht, wenn es eine Abweichung zwar erwägt, im Ergebnis aber verneint (RGSt. 2 181, 251; 8 328, 60 22). Der Beweis dafür, daß ein Umstand im Sinne des Abs. 2 in der Verhandlung behauptet worden sei, ist grundsätzlich durch die Sitzungsniederschrift zu führen (RGSt. 17 346). Enthält diese die Behauptung nicht ausdrücklich, so kann doch ein Schluß aus dem sonstigen Inhalt des Protokolls gezogen, z. B. aus der Vernehmung eines Psychiaters als Sachverständigen auf die Behauptung der Zurechnungsunfähigkeit oder der verminderten Zurechnungsfähigkeit geschlossen werden (RG. JW. 1930 160123). Auch die Urteilsgründe können zum Beweis der Behauptung herangezogen werden (OLG. Dresden JW. 1931 16258). Zu den besonderen Umständen des Abs. 2 gehören auch die Rückfallvoraussetzungen. Die rückfallbegründenden Vorstrafen müssen im einzelnen in den Urteilsgründen nach der Art und dem Datum der Erkenntnisse, ihrer Rechtskraft, nach dem Zeitpunkt der Strafverbüßung und dem Zeitpunkt der späteren Straftat oder der späteren Straftaten angegeben werden ( E b . S c h m i d t Anm. 16; K l e i n k n M Anm. 3 A g). Entsprechendes gilt für die förmlichen Voraussetzungen des § 20 a Abs. 1 StGB. Abs. 2 bezieht sich im übrigen nur auf Umstände, die vom Strafgesetz besonders vorgesehen sind. Nicht hierher gehört die Behauptung, daß eine Prozeßvoraussetzung fehle (RGSt. 53 59) oder daß die Tat einer vom Eröffnungsbeschluß abweichenden rechtlichen Beurteilung zu unterziehen sei (RGSt. 20 351). Noch weniger kann von einer Verletzung des Abs.2 die Rede sein, wenn andere Behauptungen tatsächlicher Art in den Urteilsgründen nicht widerlegt oder nicht angeführt sind. Das Gericht ist nicht verpflichtet, das Vorbringen des Angeklagten oder seines Verteidigers erschöpfend wiederzugeben und zu jeder ihrer Behauptungen Stellung zu nehmen. Es kann Behauptungen, die es als unerheblich ansieht, übergehen. e) Übereinstimmung mit dem Beratungsergebnis. Die Urteilsgründe müssen, ohne daß die abweichende Ansicht des überstimmten Urteilsverfassers Ausdruck finden darf, so angegeben werden, wie sie in der Beratung kraft des Willens der Mehrheit oder der nach § 263 maßgebenden Minderheit beschlossen worden sind; es ist sowohl unzulässig, nachträglich angestellte Erwägungen hereinzuarbeiten (RG. JW. 1928 2270), als auch, um das Urteil vor erfolgreicher Anfechtung zu bewahren, Gründe herzustellen, die von denen abweichen, mit denen sich die obsiegende Mehrheit oder Minderheit durchgesetzt hat ( J u n g JW. 1927 363, S a c h s e GA. 70 161; teilw. a. M. A l s b e r g JW. 1926 2164). 4. Beweisgründe. Der Entwurf wollte die Beweisgründe nicht in das Urteil aufnehmen, weil nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung die Überzeugung von der Schuld des Angeklagten bei dem einen Richter auf anderen Gründen beruhen kann als bei dem anderen (Mot. S. 193). Die RTK. (Prot. 405ff, 975ff.) hielt es jedoch für notwendig, das unbeschränkte richterliche Ermessen einer Art von Selbstüberwachung zu unterwerfen; sie nahm deshalb die Bestimmung des Abs. 1 Satz 2 auf. Nach dieser sollen die Beweistatsachen, also die Tatsachen, aus denen der Beweis der Tat „gefolgert" wird (Anzeichen), in den Urteilsgründen angeführt werden. Wird z. B. der Angeklagte des ihm zur Last gelegten Diebstahls für schuldig erachtet, weil man ihn um die Zeit der Tat in der Nähe des Tatortes bemerkt, weil er nach der Tat ungewöhnliche Ausgaben gemacht hat usw., so bedarf es der Anführung dieser Tatsachen. Wenn dagegen z. B. bei einer Anklage wegen Körperverletzung die verschiedenen Augenzeugen den Hergang verschieden darstellen, so soll es keiner Angabe der Gründe bedürfen, aus denen das eine Zeugnis für beweisend, das andere für nicht beweisend angesehen worden ist (RGR. 8 598). Nicht voll Bewiesenes, nur leicht Mögliches, von dem das Gericht nicht überzeugt ist, kann nicht als Beweistatsache verwertet werden (OGHSt. 1166). Die Folgerungen, die das Gericht aus den Beweistatsachen zieht, brauchen nur denkgesetzlich und nach der Lebenserfahrung möglich, sie brauchen aber nicht zwingend zu sein ( S a r s t e d t 217ff.). Aus der Fassung der Bestimmung („sollen") wird gefolgert, daß sie nur eine Ordnungsvorschrift ist. Die Unterlassung der Angabe der Beweistatsachen soll also keine Gesetzesverletzung im Sinn des § 337 enthalten (RGSt. 47 109) — Angesichts des Wortlauts und der Entstehungsgeschichte der Vorschrift wird man nicht gut bestreiten können, daß die bei der Gesetzgebung beteiligten Organe § 267 Abs. 1 seinerzeit in diesem Sinne verstanden wissen wollten. Trotzdem muß bezweifelt werden, ob § 267 Abs. 1 auch heute noch so verstanden werden darf. Tatsächlich geschieht es in der Praxis nicht. Abgesehen von den Fällen des Abs. 4, halten sich
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die Gerichte erfreulicherweise für verpflichtet, in den Urteilsgründen nicht nur anzugeben, daß sie die Überzeugung vom Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts erlangt haben, sondern auch näher darzulegen, auf welchem Wege sie zu dieser Überzeugung gelangt sind. Der BGH hat bezeichnenderweise seit seinem Bestehen noch keinen Anlaß gehabt, die Frage zu erörtern, ob und unter welchen Voraussetzungen eine — sachlichrechtliche oder verfahrensrechtliche — Rechtsverletzung zu bejahen sei, wenn ein Gericht nur angibt, zu welcher Überzeugung es hinsichtlich des tatsächlichen Geschehens gelangt sei, ohne näher darzulegen, auf welchem Wege es zu der Überzeugung gekommen ist. KleinknM Anm. 5 B a) sprechen in diesem Zusammenhang von dem „Selbstzwang, den sich die Richter durch Ausführungen über die Beweiswürdigung auferlegen", und E b S c h m i d t Anm. 6 führt unter Berufung auf v. H i p p e l 364 mit Recht aus, daß ein Urteil, das nur die für erwiesen erachteten Tatsachen enthält, in denen das Gericht die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung gefunden hat, ohne die Beweisanzeichen anzugeben und zu erörtern, auf denen diese Feststellungen beruhen, in Wahrheit nur Behauptungen enthält, aber keine Begründung. Es ist in der Rechtsprechung und im Schrifttum anerkannt, daß Denkfehler und Widersprüche oder die Mißachtung eines allgemein anerkannten Erfahrungssatzes nicht nur, wenn sie sich innerhalb der Feststellungen finden, sondern auch innerhalb der Beweisgründe das sachliche Recht verletzen und auf die Sachrüge hin zur Aufhebung des Urteils führen müssen. Soweit sich ein solcher Fehler innerhalb der Erwägungen und Überlegungen findet, auf deren Grundlage ein Gericht zur Überzeugung vom Vorliegen bestimmter Tatsachen gelangt ist, könnte er bei einer Überprüfung — auch vom Revisionsgericht — nur bemerkt und beanstandet werden, wenn jene Erwägungen und Überlegungen in die Urteilsgründe aufgenommen werden. Verneint man eine Verpflichtung dazu, hinge die Entdeckung eines solchen Fehlers und damit möglicherweise der Bestand des Urteils von dem Zufall ab, daß das Gericht die Beweiserwägungen in die Urteilsgründe aufgenommen und damit mehr als seine Pflicht getan hat. Ein solches Ergebnis müßte als befremdlich bezeichnet werden. Erkennt man erst einmal an, daß sich in die Beweisgründe sachlich-rechtliche Fehler einschleichen können, darf die Aufnahme der Beweiserwägungen in die Urteilsgründe nicht mehr dem richterlichen Ermessen überlassen bleiben. In dem knappen Jahrhundert, seit die StPO. in ihren Grundzügen in Kraft ist, haben sich Rechtsprechung und Wissenschaft unablässig bemüht, die Grundlagen eines richterlichen Urteils immer mehr rational aufzuhellen und der Nachprüfung durch vernunftgemäße Überlegungen zugänglich zu machen. Diese Bemühungen bezogen sich nicht nur auf den Schuldspruch, sondern auch auf die Strafzumessung. Dieser Entwicklung hat der Gesetzgeber u. a. dadurch Rechnung getragen, daß er — entgegen dem früheren Rechtszustand — den Gerichten die Pflicht auferlegt hat, diejenigen Umstände anzuführen, die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesen sind. Mit dieser Entwicklung, der der Gesetzgeber selbst durch die Änderung des § 267 Abs. 3 Satz 1 Rechnung getragen hat, würde die Ansicht, daß die Gerichte von Rechts wegen sogar wesentliche Grundlagen des Schuldspruchs im Dunkel lassen dürften, in einen unlöslichen Widerspruch treten. Sie müssen deshalb — trotz § 267 Abs. 1 Satz 2 — für verpflichtet erachtet werden, auch die Beweisgründe in den Urteilsgründen anzugeben, und zwar nicht nur die sogen. Indizien, aus denen das Gericht auf diejenigen Tatsachen geschlossen hat, in denen es die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung gefunden hat, sondern sämtliche Beweisgründe. Dazu kann auch die Beurteilung des Beweiswerts einzelner Zeugenaussagen gehören. Für den Sonderfall, daß das Gericht die seinem Urteil zugrunde liegenden Tatsachen mit Hilfe des Gutachtens Sachverständiger ermittelt hat, ist in der Rechtsprechung des BGH. schon anerkannt, daß das Gericht, selbst wenn es glaubt, sich dem Gutachten des Sachverständigen in vollem Umfange anschließen zu können, die Darlegungen und Ausführungen des Sachverständigen so ausführlich in die Urteilsgründe aufnehmen m u ß , daß für das Revisionsgericht nachprüfbar wird, ob der Tatrichter von richtigen rechtlichen Vorstellungen ausgegangen ist (BGHSt. 7 238). Nur wenn der Tatrichter v e r p f l i c h t e t ist, die Beweisgründe in die Urteilsgründe aufzunehmen, kann auch die Vorschrift des § 359 Nr. 2 und Nr. 5 diejenige praktische Bedeutung gewinnen, die ihr zugedacht ist. Die Gerichte müssen deshalb für verpflichtet erachtet werden, auch die Beweisgründe in die Urteilsgründe aufzunehmen. Geschieht dies und finden sich in den Beweisgründen sachlichrechtliche Fehler, muß die Sachrüge zum Erfolg führen. Sie muß es aber auch in dem Fall, daß die Beweisgründe nicht in die Urteilsgründe aufgenommen sind; denn dann läßt sich in der Regel nicht mit Sicherheit ausschließen, daß die vom Tatgericht nicht mitgeteilten Beweisgründe einen Rechtsfehler enthalten haben. Zum Unterschied vom Verfahrensfehler, der nachgewiesen
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§267
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Aum. 5—7 sein muß, wenn er den Bestand eines Urteils gefährden soll, genügt beim sachlich-rechtlichen Fehler, daß er möglicherweise geschehen ist, daß er nicht mit Sicherheit ausgeschlossen werden kann. Auf die besonderen Umstände des Abs. 2, die die Strafbarkeit ausschließen, mindern oder erhöhen, treffen dieselben Erwägungen zu. Die Pflicht zur Darlegung der Beweisgründe bedeutet jedoch nicht, daß das Gericht auf jede Behauptung, die im Laufe der Hauptverhandlung von einem Beteiligten aufgestellt ist, auf jede Überlegung oder Erwägung, die jemand angestellt hat, in den Urteilsgründen zustimmend oder ablehnend eingehen müßte. Sie umfaßt nur die Notwendigkeit, diejenigen Tatsachen, Überlegungen und Erwägungen in die Urteilsgründe aufzunehmen, die für die Bildung der richterlichen Überzeugung bestimmend gewesen sind. Die Urteilsgründe müssen mit anderen Worten mindestens so viel an Beweisgründen enthalten, daß das Gericht erwarten darf, einen unbefangenem und unvoreingenommenen Leser von der Richtigkeit und Gerechtigkeit des Urteils zu überzeugen. 5. Das angewandte Strafgesetz. Darunter sind die Vorschriften, die den gesetzlichen Tatbestand bestimmen und die Strafdrohung enthalten (RGR. 5 175; RGSt. 54 204; RG. GA. 45 367), sowie die Vorschriften zu verstehen, die den Versuch oder die Art der Teilnahme betreffen (RGSt. 19 213, 25 418, 82 351). — Ein bloßes Schreibversehen in der Angabe der Paragraphenzahl ist unschädlich. Ist diese überhaupt nicht angeführt, so genügt die zweifelsfreie Bezeichnung des Gesetzes durch Wiedergabe seines Wortlauts (RGSt. 51 33; RG. GA. 39 318, 45 367, 46 204, 47 374). — Übrigens begründet ein Verstoß gegen § 267 Abs. 3 die Revision nur, wenn das Urteil im Sinn des § 337 auf ihm beruht (RGSt. 32 35, 43 299). — Die Anführung anderer bei der Entscheidung angewendeter Bestimmungen, wie §§ 28, 29, 41, 74 StGB., § 20 Abs. 2 PreßG., ist nicht unbedingt notwendig (RGR. 5 175; RGSt. 54 204; RG. GA. 38 205), aber stets angemessen. Ob die Urteilsgründe außer der Anführung des angewandten Strafgesetzes weitere Rechtsausführungen enthalten müssen, hängt von den näheren Umständen, vor allem davon ab, ob solche Betrachtungen zum Verständnis erforderlich sind. Das Gesetz enthält darüber keine Vorschriften. Werden hilfsweise gestellte Beweisanträge nicht schon in der Hauptverhandlung beschieden, muß ihre Ablehnung in den Urteilsgründen begründet werden. 6. Persönliche Verhältnisse und Werdegang des Angeklagten. Die StPO. ist in einer Zeit entstanden, in der Gesetzgeber wie Strafrichter vorwiegend die einzelne verbrecherische Tat sahen und ihre Aufgabe für erfüllt hielten, wenn sie sie straften. Seitdem ist die Erkenntnis gewachsen, daß die Strafjustiz lebensfremd werden muß, wenn sie keinen Einblick in die Umwelt gewinnt, in der das Verbrechen entstanden ist, und wenn sie den hinter der Tat stehenden Täter nicht beachtet. Es ist deshalb üblich geworden, Angaben über die persönlichen Verhältnisse des Täters, über seinen Werdegang, seine Anlagen und die Umwelt, in der er lebt, in die Urteilsgründe aufzunehmen. Feststellungen dazu können als Grundlage für die Strafzumessung und für die Anordnung von Maßregeln der Sicherung und Besserung erforderlich sein, vor allem dann, wenn die Anwendung des § 20 a StGB, in Betracht kommt. Ob sie zweckmäßig der Darstellung des für die Schuldfrage wesentlichen Sachverhalts vorausgeschickt oder im Zusammenhang mit der Erörterung der Schuldfrage, vor allem der Zurechnungsfähigkeit, oder der Strafzumessung gebracht werden, hängt von den Umständen des Falles ab. Für die Feststellung dieser Umstände gelten dieselben Grundsätze wie für die Feststellung der Tatsachen, in denen der Strafrichter die Merkmale der strafbaren Handlung findet (vgl. BGH. 1 51). 7. Strafznmessungsgründe. S c h r i f t t u m : A n d e n a e s ZStW. 69 652; B a d e r JZ. 1955 525; B u s c h , K r i l l e , S a r s t e d t ZStW. 69 99 Sonderheft; D r o s t , Das Ermessen des Strafrichters 1930; E x n e r , Studien über Strafzumessungspraxis der deutschen Gerichte 1931; G r a ß b e r g e r , Die Strafzumessung 1932; von H e n t i g , Die Strafe, 1932; J a g u s c h LK. 8. Aufl. 87ff.; Wimm e r , JR. 1947 97,136; ders. SJZ 1948 64; ders. DRZ 1950 268; A r n d t SJZ. 1946 30; B u c h w a l d J R 1948 143; D r e h e r , Über die gerechte Strafe; ders. ZStW. 66 568; ders. JZ 1957 155; SJZ. 1949 768; H e i n i t z ZStW. 63 57; H ü l l e DRiZ. 1951 4 und 35; K l e i n k n e c h t J R . 1950 716; S a c h s , Beweiswürdigung und Strafzumessung 1932; ders. JZ. 1949 102; S c h r ö d e r Festschrift für Mezger 1954 415; K o f f k a JR. 1955 322; S a u e r GA. 1957 129; E b S c h m i d t SJZ. 1946 204; S e i b e r t MDR. 1952 457; ders. DRiZ 1955 32; S p e n d e l , Zur Lehre vom Strafmaß, 1954; Mezger MatStrRef. 1 1 ; B o c k e l m a n n MatStrRef. I 29; L a n g e MatStrRef. I 69; v o n W e b e r MDR. 1949 389.
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Sechster Abschnitt. Hauptverhandlung (Geier)
§267 Anm. 7
a) Allgemeines. Die ursprüngliche Fassung des Abs. 3 Satz 1, nach der die für die Zumessung der Strafe bestimmend gewesenen Umstände angeführt werden „sollten", beruhte auf Beschlüssen der RTK. Durch das VereinheitlG. vom 12. September 1950 wurde die Sollvorschrift umgewandelt. Schon vorher hatten sich, zum Teil gestützt auf Vorschriften des Besatzungsrechts, im Schrifttum wie in der Rechtsprechung die Stimmen gemehrt, die Abs. 3 Satz 1 im Sinne einer Verpflichtung gehandhabt wissen wollten. — Welche Umstände bei der Strafzumessung berücksichtigt werden dürfen und müssen, hängt davon ab, wie man die Frage nach dem Sinn und Zweck der Strafe beantwortet. Sie gehört dem sachlichen Strafrecht, nicht dem Strafverfahrensrecht an (vgl. dazu J a g u s c h im LK. 8. Aufl. S. 87ff.). Das StGB, enthält keine ausdrückliche Vorschrift, aus der sich ergibt, welche Vorstellungen sich der Gesetzgeber vom Sinn und Zweck der Strafe gemacht hat. Aus seiner Entscheidung für ein Strafgesetz mit fest umschriebenen Verbrechenstatbeständen und ihnen zugeordneten, nach dem rechtlichen Unwert der Handlung abgestuften Strafrahmen kann jedoch ein Bekenntnis zum Gedanken der Sühne und der gerechten Vergeltung als dem vorherrschenden Strafzweck entnommen werden, neben dem die Verfolgung generalpräventiver und spezialpräventiver Zwecke nur soweit zulässig ist, als dies dem Gedanken der Sühne und der gerechten Vergeltung nicht widerspricht. Die Strafe soll also in gerechter Weise der Schuld des Täters entsprechen. In diesem Rahmen dient sie zugleich der Verhütung von Straftaten, indem sie die sittlichen und sozialen Werte jedermann sichtbar macht und die Achtung vor ihnen weckt und erhält, sowie der Wiedereingliederung des straffällig Gewordenen in die Gemeinschaft (RGSt. 58 106,109; 61 417; BGHSt. 3 179). b) Strafzumessungstatsachen und -erwägungen. Die Strafzumessungsgründe setzen sich, worauf vor allem W i m m e r hingewiesen hat, (NJW. 1947/48 126,176), aus Tatsachen und Erwägungen zusammen, ohne daß freilich immer scharf zwischen beiden unterschieden werden kann. Soweit das Gericht für die Strafzumessung noch andere Tatsachen als diejenigen verwerten will, die dem Schuldspruch zugrunde liegen, müssen sie doch in derselben Weise festgestellt werden. Es ist deshalb rechtlich fehlerhaft, nicht voll Bewiesenes, nur leicht Mögliches, also einen bloßen Verdacht strafschärfend zu berücksichtigen (vgl. RG. HRR. 1932 1183; BayerObLG. NJW. 1951 314). Abs. 3 Satz 1 fordert nur die Anführung der Umstände, die für die Strafzumessung b e s t i m m e n d gewesen sind, verlangt also keine erschöpfende Aufzählung. Mit Recht sieht E b S c h m i d t Anm. 19 den Sinn der Vorschrift darin, daß sie den Tatrichter dazu verpflichtet, diejenigen Umstände und Erwägungen anzugeben, die ihn dazu bestimmt haben, diese und keine andere (höhere oder geringere) Strafe auszusprechen. Die Gerichte werden durch § 267 Abs. 3 zu nichts anderem als zur Wahrheit verpflichtet. Sie sollen diejenigen Tatsachen und Erwägungen angeben, die sie tatsächlich dazu bestimmt haben, eine bestimmte Strafe auszusprechen. Als Verstoß gegen § 267 Abs. 3 könnte deshalb gedanklich die Rüge in Betracht kommen, daß das Gericht der ihm durch § 267 Abs. 3 auferlegten Pflicht zur wahrheitsgemäßen Angabe der Strafzumessungsgründe nicht genügt habe, sondern sich in Wahrheit von ganz andern Gründen bei der Strafzumessung habe leiten lassen. Doch kann keine solche Rüge erhoben werden, weil sie nicht bewiesen werden könnte. Vorgänge bei der Urteilsberatung sind grundsätzlich dem Beweise nicht zugänglich, soweit behauptet wird, die Beratung habe im einzelnen oder im ganzen ein anderes Ergebnis gehabt als es im schriftlich niedergelegten Urteil beurkundet ist. Eine solche Rüge könnte auch nicht damit begründet werden, daß die mündlich verkündeten Strafzumessungsgründe anders als die schriftlich im Urteil niedergelegten gelautet hätten. Denn nach ständiger und zu billigender Rechtsprechung kommt es, wenn ein Widerspruch zwischen mündlich verkündeten und schriftlich niedergelegten Urteilsgründen behauptet wird, nur auf die schriftlich beurkundeten Gründe an (RGSt. 4 382; RG. GA. 64 553; BGH. vom 8. 6.1951 — 2 StR 22/51, mitgeteilt von D a l i i n g e r MDR. 1951 539; BGHSt. 7 363, 370). Die Rüge, daß die schriftlich niedergelegten Strafzumessungsgründe nicht den „wahren" Strafzumessungsgründen entsprechen, kommt deshalb praktisch nicht in Betracht; vielmehr müssen die in den schriftlichen Urteilsgründen niedergelegten Strafzumessungsgründe als die „wahren" Strafzumessungsgründe gelten, die, wenn sie als fehlerhaft angegriffen werden sollen, grundsätzlich nur mit der Sachrüge bekämpft werden können. Die vielfach zu beobachtende Gepflogenheit, Angriffe gegen die Strafzumessung damit zu begründen, daß § 267 Abs. 3 verletzt sei, verkennt gründlich die rechtlichen Gegebenheiten. Nicht weil § 267 Abs. 3 verletzt ist, sondern weil diese Vorschrift beachtet ist und die in den Urteilsgründen enthaltenen Strafzumes70
L ö w e - R o s e n b e r g , StPO. 21. Aufl.
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Anm. 7 sungsgründe als die „bestimmenden" Strafzumessungsgründe angesehen werden müssen, ergibt sich die Möglichkeit, sie als fehlerhaft zu bekämpfen. Das kann regelmäßig nur aus sachlichrechtlichen Erwägungen geschehen, gleichgültig, ob im einzelnen geltend gemacht wird, daß die Strafzumessungsgründe Überlegungen enthalten, die rechtlich unzulässig oder sonst fehlerhaft sind, oder ob bemängelt wird, daß Erwägungen, die sich nach der Sachlage aufgedrängt hätten, nicht angestellt worden sind. In jedem Falle gehören diese Fragen dem sachlichen Strafrecht an. Es ist deshalb verfehlt, unter § 267 Abs. 3 näher zu erläutern, nach welchen Grundsätzen sich die Gerichte bei der Bestimmung von Art und Höhe der Strafe zu richten hätten; denn diese Rechtssätze gehören dem sachlichen Strafrecht, nicht dem Verfahrensrecht an. Auch wenn sie im z. Z. geltenden Strafrecht nicht ausdrücklich näher umschrieben sind, wird nicht die Tatsache aus der Welt geschafft, daß sie ihrer Natur nach dem sachlichen Strafrecht, nicht dem Strafverfahrensrecht angehören. Sie müssen deshalb dort — nicht im Zusammenhang mit der verfahrensrechtlichen Vorschrift des § 267 Abs. 3 — entwickelt, begründet und näher umschrieben werden ( E b S c h m i d t Anm. 19). Der rechte Ort, diese Fragen zu behandeln, ist deshalb der erste Abschnitt („Strafen") des ersten Teils des StGB., wie denn auch die Erläuterungsbücher zum StGB, die Lehre von der richtigen Strafzumessung und die Erörterung von Fehlern, die dabei unterlaufen können, sämtlich richtig in die Vorbemerkungen vor § 13 StGB, verweisen. Obwohl Sammelwerke zur höchstrichterlichen Rechtsprechung wie L i n d e n m a i e r - M ö h r i n g (LM.) und NJW.-Fundhefte Entscheidungen zur Strafzumessung nach wie vor zu § 267 Abs. 3 verzeichnen, wird hier — entgegen früheren Auflagen — davon abgesehen, die Grundsätze der sachlich richtigen Strafzumessung darzustellen und die am häufigsten vorkommenden Fehler aufzuzeigen. Hier ist nur zu behandeln, in welcher Weise die Gerichte ihre Pflicht zur Darlegung der bestimmenden Strafzumessungsgründe erfüllen müssen. Dazu gehört vor allem, daß der Tatrichter die Strafzumessungserwägungen selbständig anstellen muß. Der Vorschrift des Abs. 3 Satz 1 wird nicht Genüge getan, wenn das Urteil wegen der Strafzumessungsgründe auf ein anderes Urteil verweist (BGH. NJW. 1951 413). Die Art, wie Mittäter von anderen Gerichten bestraft worden sind, darf ihn nur dann zu einer ähnlichen Strafe veranlassen, wenn er sie nach seiner eigenen Überzeugung für rechtlich geboten hält. Das muß aus dem Urteil hervorgehen (BGH. vom 5. 4. 1951 — 4 StR. 129/51). Wird die Strafe vom Revisionsgericht nebst den dazu gehörenden Feststellungen aufgehoben, hat der Tatrichter ohne Bindung an seine frühere Entscheidung die für die Strafzumessung wichtigen Tatsachen, soweit sie nicht durch die Rechtskraft des Schuldspruchs und die diesem zugrundeliegenden Tatsachen feststehen, erneut zu ermitteln und sie wie seine Erwägungen in den Urteilsgründen darzulegen. Er darf weder ausdrücklich noch stillschweigend auf die — aufgehobenen — früheren Strafzumessungsgründe verweisen oder sich durch sie für gebunden erachten (vgl. BGH. vom 20. 11.1962 — 1 StR. 426/62). Muß das Gericht gemäß § 74 oder § 79 StGB, aus mehreren Einzelstrafen eine Gesamtstrafe bilden, gilt die Pflicht zur wahrheitsgemäßen Darlegung der bestimmenden Strafzumessungsgründe grundsätzlich für jede der Einzelstrafen ebenso wie für die Gesamtstrafe. Das bedeutet jedoch nicht, daß für jede der Einzelstrafen gesondert alle Gründe schriftlich niedergelegt werden müßten und unabhängig davon die Gründe für die Gesamtstrafe ohne jede Beziehung zu den Einzelstrafen dargelegt werden müßten. Schon aus Gründen einer übersichtlichen und gefälligen Darstellung ist es den Gerichten nicht verwehrt, eine Mehrzahl von Straftaten für die Darlegung der bestimmenden Strafzumessungsgründe in der Weise zusammenzufassen, daß die allen Straftaten eigenen für die Strafzumessung wichtigen Umstände zusammenfassend geschildert und die nur für einige von ihnen kennzeichnenden Tatsachen gesondert angegeben werden. BGHSt. 8 205, 210ff. hat auch anerkannt, daß Anlaß zur b e s o n d e r e n Begründung der nach § 74 oder § 79 StGB, gebildeten Gesamtstrafe im allgemeinen nur besteht, wenn sie der oberen oder unteren Grenze der gesetzlich zulässigen Strafe nahekommt, sofern sich nicht eine solche Entscheidung aus den übrigen Urteilsgründen von selbst erklärt, oder andere besondere Umstände hervortreten. Gegen diese Auffassung hat vor allem D r e h e r JZ. 1957 155, 157 Bedenken erhoben, jedoch zu Unrecht. Die Bedenken Drehers erklären sich nicht aus einer anderen Auffassung des § 267 Abs. 3, sondern aus einer abweichenden Ansicht darüber, welche Umstände sachlich-rechtlich für die Bildung einer Gesamtstrafe berücksichtigt werden dürfen. Er möchte nämlich zwischen Gründen, die nur bei Bemessung der Einzelstrafen berücksichtigt werden dürfen, und solchen Gründen unterscheiden, die nur bei der Bildung der Gesamtstrafe Beachtung verdienen. Vor einer solchen Unterscheidung muß dringend gewarnt werden. Sie ist gekünstelt und läßt sich im einzelnen
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nicht sicher durchführen. Vom Sinn, von der Bedeutung und dem Zweck der Einzelstrafen und der Gesamtstrafen her gesehen gibt es kaum Gründe, die ihrer Natur nach nur der einen, nicht auch der andern Strafe zugeordnet werden könnten, ohne daß hier der Ort ist, das näher darzulegen. Die Rechtsprechung hat sich jedenfalls auch in anderem Zusammenhang entschieden dagegen ausgesprochen, aus der Gesamtheit der möglichen und zulässigen Strafzumessungsgründe einen Teil abzusondern und nur diesen Teil für die Entscheidung einer Teilfrage bei der Strafzumessung zu verwerten (BGHSt. 16 351; 17 266). Nach alledem wird in den Fällen des § 74 StGB., in denen der die Gesamtstrafe bildende Richter auch alle in sie einbezogenen Einzelstrafen selbst verhängt und nach § 267 Abs. 3 auch begründen muß, eine besondere, davon getrennte Begründung der Gesamtstrafe oft entbehrlich sein. Je mehr das Gericht jedoch von anderen Gerichten verhängte rechtskräftige Strafen, die es also selbst nicht mehr zu begründen braucht, in die Gesamtstrafe einbeziehen muß, um so eher kann es notwendig werden, zur Begründung der Gesamtstrafe besondere Ausführungen zu machen, wenn der Vorschrift des § 267 Abs. 3 genügt werden soll (vgl. OLG. Bremen NJW. 1952 1069; OLG. Köln NJW. 195B 275). Der Verpflichtung zur wahrheitsgemäßen Darlegung der bestimmenden Strafzumessungsgründe genügt ein Gericht nur, wenn es bei der Strafzumessung an die von ihm für erwiesen erachteten Tatsachen in der Person des Täters und den näheren Umständen der Tat anknüpft. Es verstößt regelmäßig gegen diese Pflicht, wenn es statt dessen von einem nur vorgestellten, in Wahrheit nicht gegebenen Sachverhalt ausgeht und erwägt, welche Strafe in diesem Falle angemessen wäre. Kann also z. B. die Strafe gemildert werden, weil die Tat im Versuche stecken geblieben ist (§ 44 StGB.) oder weil der Täter im Zustand erheblich verminderter Zurechnungsfähigkeit (§ 51 Abs. 2 StGB.), in vermeidbarem Verbotsirrtum (BGHSt. 2 194) oder im Falle des Meineids im Aussagenotstand des § 157 StGB, gehandelt hat, und entschließt sich das Gericht, von der Möglichkeit der Milderung Gebrauch zu machen, so muß es bei der Strafzumessung von dem danach sich ergebenden Strafrahmen ausgehen. Es widerstreitet schon der Forderung nach der wahrheitsgemäßen Angabe der bestimmenden Strafzumessungsgründe, müßte allerdings wohl auch als sachlich-rechtlich fehlerhaft angesehen werden, wenn das Gericht zunächst erwägen wollte, welche Strafe angemessen wäre, wenn der Milderungsgrund nicht vorläge, um dann die Strafe zu ermäßigen (RGSt. 59 164; OGHSt. 1194; BGHSt. 1115). Aus ähnlichem Grunde wird § 267 Abs. 3 verletzt (aber auch das sachliche Strafrecht), wenn sich in den Strafzumessungsgründen die Erwägung findet, das Gericht hätte dieselbe Strafe auch dann ausgesprochen, wenn es bei der Strafzumessung tatsächlich oder rechtlich von einem anderen Sachverhalt hätte ausgehen müssen, als es ihn für erwiesen erachtet hat. Die Hilfserwägung gefährdet den Strafausspruch aber nur für den Fall, daß das Revisionsgericht die Beurteilung des Sachverhalts durch den Tatrichter nicht billigt, sondern im Gegensatz zu ihm gerade diejenige Sach- und Rechtslage für gegeben hält, für die die Hilfserwägung gelten soll (RGSt. 70 400, 403; 71101,104; RG. JW. 1936 1938; BGH. vom 11.1. 1956 — 1 StR. 302/64; BGHSt. 7 359). Verletzt wird § 267 Abs. 3 ferner nicht nur dadurch, daß es das Gericht ganz unterläßt, Strafzumessungsgründe in die Urteilsgründe aufzunehmen, sondern auch dadurch, daß es sich mit allgemeinen, nichtssagenden Wendungen begnügt, etwa der Wendung, daß das Gericht die Strafe als angemessene und erforderliche Sühne ansehe. Auch in diesen Fällen bedarf es aber nicht der Verfahrensrüge, weil auch hier die Sachrüge zum Ziele führt. Enthält das Urteil keine oder nur nichtssagende Ausführungen zur Strafzumessung, ist dem Revisionsgericht die sachlichrcchtliche Überprüfung der Strafzumessung unmöglich gemacht. c) Mildernde Umstände. Absehen von Strafe. Abs. 3 Satz 2. Die Bestimmung über die mildernden Umstände entspricht dem, was in Abs. 2 hinsichtlich der besonders vorgesehenen, die Strafbarkeit vermindernden Umstände vorgeschrieben ist. Da das Urteil die bestimmenden Strafzumessungsgründe angeben muß und sachlich gerade die mildernden Umstände dem Bereich der Strafzumessung angehören, so muß das Urteil folgerichtig auch die Tatsachen anführen, in denen die mildernden Umstände gefunden werden. Zur Beurteilung, ob „mildernde Umstände" vorliegen, sind alle Umstände heranzuziehen und zu würdigen, die für die Wertung der Tat und des Täters in Betracht kommen, gleichgültig, ob sie der Tat selbst innewohnen, sie begleiten oder ihr vorausgehen oder nachfolgen. Nach dem hieraus gewonnenen Gesamteindruck ist zu entscheiden, ob der vom Gesetz vorgesehene außerordentliche Strafrahmen anwendbar ist (RGSt. 48 310; 59 237; BGHSt. 4 9). — Ein Antrag auf Zubilligung mildernder Umstände liegt auch darin, daß die „mildeste Strafe" oder eine nur bei Annahme mildernder Umstände zulässige Strafe beantragt wird 70'
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Anm. 7 (RGSt. 29 276, 43 297, 45 331). Demgemäß schließt der Antrag auf Verhängung einer Geldstrafe den Antrag auf Zubilligung mildernder Umstände nicht in sich, wenn gemäß § 27 b StGB, auch bei Versagung mildernder Umstände auf Geldstrafe erkannt werden darf (KG. GA. 75 65). Der Antrag muß auch beschieden werden, wenn die einheitliche Tat mehrere Strafgesetze verletzt, von denen ein Teil mildernde Umstände zuläßt, ein anderer Teil dagegen nicht (RGSt. 5 156,14 10; RGR. 10 158). Ergibt sich aus der Art oder dem Maß der Strafe, daß tatsächlich mildernde Umstände gewährt worden sind, so kann die Revision nicht darauf gestützt werden, daß die Urteilsgründe keinen ausdrücklichen Vermerk über die Zubilligung mildernder Umstände enthalten. Ist der Antrag auf Zubilligung mildernder Umstände von der Staatsanwaltschaft gestellt, so darf auch der Angeklagte die Übergehung dieses Antrags rügen (RGSt. 45 331). Die Übergehung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Zubilligung mildernder Umstände führt auf Revision zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, wenn dieses auf dem Verstoß beruht (RGSt. 43 298). Auch ohne daß ein ausdrücklicher Antrag auf Zubilligung mildernder Umstände gestellt war, müssen die Urteilsgründe aus sachlich-rechtlichen Gründen und wegen der Pflicht, die für die Strafzumessung bestimmenden Umstände anzugeben, die Frage der Zubilligung mildernder Umstände erörtern, wenn der Sachverhalt dazu Anlaß bietet. Für das Absehen von Strafe gelten die vorstehenden Grundsätze entsprechend. Die Maßnahme ist zulässig in den Fällen der §§ 82, 89, 90 Abs. 5, 129 Abs. 3, 129a Abs. 3, 157, 158, 175 Abs. 2. Soweit das sachliche Strafrecht einen besonderen Strafrahmen für minder schwere oder für besonders schwere Fälle (dazu BGHSt. 2 181, 4 8) vorsieht, gilt für die Notwendigkeit der Erörterung nicht Abs. 3 Satz 2, sondern Abs. 2. Die Urteilsgründe müssen also dazu Stellung nehmen, wenn ihr Vorliegen von einem Prozeßbeteiligten behauptet worden ist. d) Strafaussetzung zur Bewährung. B r u n s GA. 1956 193. Die Anordnung der Strafaussetzung zur Bewährung ist in den Urteilssatz aufzunehmen. Sie muß dann in den Urteilsgründen erläutert werden; es muß also näher dargelegt werden, weshalb das Gericht die Voraussetzungen des § 23 Abs. 2 StGB, für gegeben erachtet, unter Umständen auch, daß keiner der Hinderungsgründe des § 23 Abs. 3 StGB, vorliegt. Die Ablehnung eines auf Strafaussetzung gerichteten Antrags braucht im Urteilssatz nicht ausgedrückt zu werden, muß aber in den Urteilsgründen näher begründet werden. Das darf nicht nur in allgemeinen Wendungen geschehen. Die bloße Wiederholung des Gesetzeswortlauts ist regelmäßig ungenügend. Insbesondere reicht der nicht näher begründete Ausspruch nicht aus, daß das öffentliche Interesse die Vollstreckung der Strafe erfordere. Die Strafaussetzung zur Bewährung darf bei Straftaten bestimmter Art nicht grundsätzlich und allgemein versagt werden. Es kommt vielmehr stets auf die Umstände des einzelnen Falles an, die darzulegen sind, wobei allerdings auch die Art der Straftat zu berücksichtigen ist (BGHSt. 6 298; 7 6, 9). Rechtlich fehlerhaft wäre es, die an sich angemessene Strafe geringer zu bemessen, weil der Angeklagte keine Strafaussetzung zur Bewährung verdient, sondern seine Strafe verbüßen muß (BGH. vom 14. 10. 53 — 2 StR. 40/53). — Obwohl § 267 Abs. 3 Satz 3 eine Begründung nur für den Fall vorschreibt, daß die Strafe zur Bewährung ausgesetzt oder ein darauf gerichteter Antrag abgelehnt wird, folgt aus dem Zwang zur Anführung der bestimmenden Strafzumessungsgründe und aus sachlich-rechtlichen Erwägungen die Verpflichtung zu näheren Darlegungen auch für den Fall, daß nach der Höhe der Strafe und den sonstigen Feststellungen eine Strafaussetzung in Betracht kommt, das Gericht von ihr aber absieht, ohne daß ein solcher Antrag gestellt war. Das gilt vor allem in den Fällen, in denen der Angeklagte nicht gut einen Antrag auf Strafaussetzung stellen konnte, ohne sich mit seinen sonstigen Verteidigung in Widerspruch zu setzen (BGH. JR. 1955 471). Die Urteilsgründe müssen in diesem Falle mindestens erkennen lassen, daß sich das Gericht der Möglichkeit, nach § 23 StGB, zu verfahren, bewußt war. Ohne solche Darlegungen kann nicht ausgeschlossen werden, daß § 23 StGB, übersehen und das Gericht insofern von rechtlich fehlerhaften Erwägungen ausgegangen ist (vgl. OLG. Bremen NJW. 1954 613; OLG. Köln NJW. 1954 1091; BGHSt. 6 68; 168, 172; E b S c h m i d t Anm. 30; KleinknM Anm. 9 Bd). Lehnt das Gericht die Strafaussetzung zur Bewährung ab, ist es ihm nicht verwehrt, mehrere Versagungsgründe nebeneinander anzuführen, etwa darzulegen, daß es die Voraussetzungen des § 23 Abs. 2 StGB, nicht für gegeben erachtet, und außerdem auszuführen, daß unabhängig davon auch das öffentliche Interesse die Vollstreckung der Strafe erfordere (§ 23 Abs. 3 Nr. 1 StGB.). Es gefährdet nicht die Entscheidung, wenn sich bei der Nachprüfung durch das Revisionsgericht erweist, daß einer der mehreren Gründe nicht trägt. Dagegen können Hilfserwägungen die Ent-
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§267
Anm. 8 Scheidung zu § 23 StGB, gefährden, wenn sie besagen, daß das Gericht nicht anders entschieden haben würde, wenn nicht der von ihm angenommene, sondern ein anderer Sachverhalt vorgelegen hätte (oben Anm. 7 b vorletzter Abs.; BGHSt. 7 359). — Die Bewährungsanordnungen (Bewährungszeit und Bewährungsauflagen) werden in einem besonderen Beschluß festgesetzt (§ 268 a). In den Urteilsgründen sind diese Anordnungen daher nicht zu behandeln. e) Maßregeln der Sicherung und Besserung. Abs. 6. Die Anforderungen, denen die Urteilsgründe genügen müssen, wenn eine Maßregel der Sicherung und Besserung angeordnet oder ein auf eine solche Anordnung zielender Antrag abgelehnt wird, entsprechen den Fällen, in denen die Zubilligung mildernder Umstände oder die Strafaussetzung zur Bewährung in Betracht kommt. Auf die vorstehenden Erläuterungen zu c) und d) wird Bezug genommen; sie gelten sinngemäß auch in dem Falle, daß die Anordnung einer Maßregel der Sicherung und Besserung in Betracht kommt. Auch wenn kein Antrag auf Anordnung einer Maßregel der Sicherung und Besserung gestellt ist, eine solche Anordnung aber nach den sonstigen Feststellungen in Betracht zu ziehen ist, müssen die Urteilsgründe erörtern, weshalb von einer Anordnung abgesehen ist. Bei fehlender oder erheblich verminderter Zurechnungsfähigkeit (§ 51 Abs. 1 und 2 StGB.) müssen die Urteilsgründe daher erkennen lassen, ob das Gericht die Unterbringung nach § 42 b StGB, geprüft hat, falls sich nach der Sachlage eine solche Prüfung aufdrängt. Vor allem bei denjenigen Maßregeln der Sicherung und Besserung, die mit einer Entziehung der Freiheit verbunden sind, aber auch bei anderen, die einen tiefen Eingriff in die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen und seiner Familie bedeuten, wie es vor allem bei Berufsverboten und der Entziehung der Fahrerlaubnis zutreffen kann, werden an die Sorgfalt, mit der die Tatgerichte die Begründungspflicht des § 267 Abs. 6 zu erfüllen haben, hohe Anforderungen gestellt. I) Einziehung und Unbrauchbarmachung. Diese Anordnungen sind im Urteil, d. h. im Urteilssatz auszusprechen (§§ 40 Abs. 2, 41 Abs. 1 StGB.). Das muß so genau geschehen, daß eine sichere Vollstreckung möglich ist (RGSt. 70 341). Zur Ergänzung oder Erläuterung des Urteilsspruches können die Urteilsgründe herangezogen werden. Was sie enthalten müssen, wird in § 267 nicht ausdrücklich gesagt, ergibt sich aber aus der Natur der Sache. Sie müssen diejenigen Feststellungen enthalten, die Voraussetzung für die getroffene Anordnung sind, also z. B. im Falle des § 40 StGB, die Feststellung, daß die eingezogenen Gegenstände durch ein Verbrechen oder Vergehen hervorgebracht worden sind oder daß sie zur Begehung eines Verbrechens oder Vergehens gebraucht oder bestimmt gewesen sind und dem Täter oder Teilnehmer gehören (vgl. u. a. BGHSt. 8 205, 211 ff.; 9 88; 14 299, 301). Wird die Einziehung oder Unbrauchbarmachung nicht ausgesprochen, obwohl eine solche Anordnung nach den sonstigen Feststellungen in Betracht kommt, müssen die Urteilsgründe erkennen lassen, weshalb sie unterblieben ist. g) Urteil gegen Jugendliche und Heranwachsende. Wird ein jugendlicher Angeklagter schuldig gesprochen, muß in den Urteilsgründen ausgeführt werden, welche Umstände für seine Bestrafung, für die angeordneten Maßnahmen, für die Überlassung ihrer Auswahl und Anordnung an den Vormundschaftsrichter oder für das Absehen von Zuchtmitteln und Strafen bestimmend waren. Dabei soll vor allem die seelische, geistige und körperliche Eigenart des Angeklagten berücksichtigt werden (§ 54 JGG.). Diese Grundsätze müssen auch beachtet werden, wenn gegen einen Heranwachsenden Jugendrecht angewandt wird oder wenn ein Erwachsenengericht einen Jugendlichen schuldig spricht. Bei der Bemessung der Strafe, der Wahl der Zuchtmittel und der Prüfung der Frage, ob die Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden soll, ist es — anders als bei Erwachsenen — unzulässig, dem Gedanken der Abschreckung anderer einen Einfluß einzuräumen (vgl. BGH. vom 8.12.1953 — 5 StR. 540/53). 8. Abgekürztes Urteil. Abs. 4. Die abgekürzte Form des Urteils ist nur zulässig in dem Falle, daß der Angeklagte verurteilt wird, also nicht im Falle der Freisprechung, und daß alle Rechtsmittelberechtigten auf die Einlegung eines Rechtsmittels ausdrücklich verzichten. Auf den Fall, daß innerhalb der Rechtsmittelfrist kein Rechtsmittel eingelegt wird, ist Abs. 4 nicht anwendbar, ebensowenig auf den Fall, daß kein Rechtsmittel gegeben, das Urteil also mit der Verkündung rechtskräftig ist ( E b S c h m i d t Anm. 34; K l e i n k n M Anm. 12). Sind die genannten Voraussetzungen des Abs. 4 gegeben, genügt es, die für erwiesen erachteten Tatsachen anzugeben, in denen die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung gefunden werden, sowie das zur Anwendung gebrachte Strafgesetz. Diese Angaben dürfen nicht durch Bezugnahme auf die Anklageschrift oder den Eröffnungsbeschluß ersetzt werden.
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§267 Anm. 9,10
Strafprozeßordnung. Zweites Buch
9. Freisprechendes Urteil. Abs. 5. Das Gesetz „fordert von den Gründen eines freisprechenden Urteils zum mindesten ein klares und bestimmtes Auseinanderhalten der tatsächlichen und der rechtlichen Gesichtspunkte, andererseits in tatsächlicher Beziehung eine deutliche Bezeichnung derjenigen Tatsachen, welche das erkennende Gericht als nicht erwiesen erachtet, und in rechtlicher Beziehung eine Hervorhebung des Rechtsgrundes, welcher für die Entscheidung bestimmend gewesen ist" (RGR. 1 811; RGSt. 3 147, 5 225,18 30,16 217). Im Verfahren wegen übler Nachrede (§ 186 StGB.) ist grundsätzlich auf die Frage der Wahrnehmung berechtigter Interessen (§193 StGB.) erst einzugehen, nachdem die Erweislichkeit der behaupteten oder verbreiteten Tatsache geprüft worden ist (BGHSt. 4 194,198; 7 386, 391 f.; 11 273). Allerdings ist die Feststellung des äußeren Tatbestands nicht unter allen Umständen erforderlich; vielmehr kann schon die Verneinung der inneren Erfordernisse genügen, sofern nur der Rechtsstandpunkt, von dem das Gericht ausging, klar erkennbar ist (RGSt. 43 399,47 419; RG. JW. 1917 555). Doch ist dabei zu beachten, daß sich vielfach einwandfreie Feststellungen zur inneren Tatseite erst treffen lassen, nachdem zuvor festgestellt ist, was der Angeklagte im einzelnen getan hat, weil häufig erst daraus Schlüsse auf die Richtung seines Willens und den Inhalt seines Bewußtseins gezogen werden können. Verneinende Feststellungen zur inneren Tatseite vermögen allein die Freisprechung daher dann nicht zu tragen, wenn sie wegen fehlender — aber möglicher — Aufklärung der äußeren Tatseite der Rüge der Verletzung des § 244 Abs. 2 ausgesetzt sind (RGSt. 47 417; OGHSt. 1186,188; BGH. vom 17. 2.1956 — 1 StR. 452/55, mitgeteilt von D a l l i n g e r MDR. 1956 272). Im übrigen muß die Begründung des freisprechenden Urteils so gehalten sein, daß das Revisionsgericht auch nachprüfen kann, ob die Grundregeln der Beweiswürdigung beachtet sind, und daß das mit der Entscheidung über einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betraute Gericht die Frage beantworten kann, ob eine falsche Urkunde oder ein falsches Zeugnis oder Gutachten das Urteil im Sinn des § 362 Nr. 1, 2 beeinflußt habe (BayObLG. JW. 1931 9573). Die Gründe des freisprechenden Urteils müssen sich auch darüber aussprechen, ob und aus welchen Gründen die Pflicht oder die Möglichkeit bestand, die dem Angeklagten erwachsenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen (§ 467 Abs. 2), oder weshalb eine Verpflichtung zu verneinen war und von der bloßen Möglichkeit kein Gebrauch gemacht wurde. Ein Verstoß gegen Abs. 5 ist auch anzunehmen, wenn die Urteilsgründe keine erschöpfende Würdigung der dem Angeklagten zur Last gelegten Tat enthalten. Ist das Urteil in tatsächlicher oder rechtlicher Beziehung mangelhaft, so wird dieser Mangel durch einen Hinweis auf die Anklageschrift (RGSt. 4 137) oder auf die Gründe eines anderen Urteils nicht ersetzt (RGSt. 30 145; RG. GA. 51 394). 10. Das einstellende Urteil. Über den notwendigen Inhalt eines auf Einstellung lautenden Urteils enthält § 267 keine Vorschrift. Mit Recht führt RGSt. 69 157, 159 aus, daß man daraus nicht folgern dürfe, daß ein solches Urteil keiner Begründung bedürfte und sich mit dem bloßen Ausspruch begnügen könnte, das Verfahren werde eingestellt. Ein Begründungszwang ergibt sich vielmehr aus der Natur der Sache. Aus der Begründung muß sich ergeben, an welcher Verfahrensvoraussetzung es fehlt oder welches Verfahrenshindernis der Durchführung des Verfahrens entgegensteht. Bei der Mannigfaltigkeit und Unterschiedlichkeit der einzelnen Verfahrensvoraussetzungen und -hindernisse hängt es ganz von der Art des Hindernisses ab, wieweit die Hauptverhandlung im einzelnen durchgeführt werden muß und was das Urteil an notwendigen Feststellungen enthalten muß. Jedenfalls muß das Gericht zunächst von dem unter Anklage gestellten Sachverhalt ausgehen, wobei das Gericht die Hauptverhandlung jedoch nicht immer notwendig bis zur vollständigen Klärung des Sachverhalts durchzuführen braucht, sie vielmehr abbrechen darf und muß, sobald sich übersehen läßt, daß es an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt (vgl. RGSt. 69 157, 159). Dabei muß es dem Revisionsgericht, auch wenn jedes Gericht in jeder Lage des Verfahrens selbständig das Vorliegen der Verfahrensvoraussetzungen und das Fehlen von Verfahrenshindernissen prüfen muß, in den Urteilsgründen sowohl seine Rechtsauffassung darlegen wie auch dem Revisionsgericht den für die Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen wichtigen Tatsachenstoff unterbreiten, soweit es nicht Aufgabe des Revisionsgerichts ist, sich erforderlichenfalls auch diesen selbständig zu ermitteln. Solche Feststellungen können z. B. unerläßlich sein, wenn für die Prüfung der Rechtzeitigkeit des Strafantrags der Zeitpunkt der Tat oder der Zeitpunkt der Kenntnis des Verletzten von ihr Bedeutung gewinnt oder wenn für das Eingreifen eines Amnestiegesetzes die Modalitäten einer Tat oder der Zeitpunkt ihrer Begehung wichtig ist (vgl. dazu auch E b S c h m i d t Anm. 38).
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Sechster Abschnitt. Hauptverhandlung (Geier)
§ 267 Anm. 11
§268
11. Revision. Die verfahrensrechtliche Vorschrift des § 267 verfolgt den Zweck, dem Revisionsgericht die vollständige Nachprüfung des Urteils in sachlich-rechtlicher Beziehung zu ermöglichen. Entsprechen daher die Urteilsgründe nicht den Anforderungen des § 267, so kann regelmäßig nicht ausgeschlossen werden, daß das Urteil einen sachlich-rechtlichen Mangel enthält. Deshalb führt in solchen Fällen schon die mit der Revision erhobene Sachrüge zum Ziel, ohne daß es einer besonderen, auf die Verletzung des § 267 gestützten Verfahrensrüge bedarf. Geben also die Urteilsgründe entgegen § 267 nicht die für erwiesen erachteten Tatsachen klar und widerspruchsfrei an, in denen das Gericht die gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung gefunden hat, oder ist sonst nicht mehr sicher erkennbar, welchen Sachverhalt der Tatrichter der Beurteilung zugrunde gelegt hat, so kann das Revisionsgericht die Anwendung des sachlichen Rechts nicht mehr zuverlässig nachprüfen; das Urteil muß dann schon auf die allgemeine Sachrüge hin aufgehoben werden (vgl. RGSt. 69 370, 73 248; OGHSt. 1 87, 117). Daß ein Urteil auch ohne die Rüge der Verletzung des § 267 auf die Sachrüge hin aufgehoben werden muß, wenn der Inhalt der Urteilsgründe den Verdacht begründet, daß ein wesentliches Merkmal nicht geprüft ist, gilt auch für die in Abs. 2 besonders angeführten Umstände, welche die Strafbarkeit ausschließen, vermindern oder erhöhen. So kann in der Nichterörterung des Eidesnotstandes nach § 157 StGB, ein die Revision begründender sachlich-rechtlicher Mangel auch dann vorliegen, wenn der eine Eidesverletzung in Abrede stellende Angeklagte sich nicht darauf beruft (und nach der Art seiner Verteidigung auch nicht gut darauf berufen kann), im Eidesnotstand gehandelt zu haben (OLG. Hamm SJZ. 195» 207; vgl. auch BGHSt. 17 128,131 ff.). Abgesehen von den besonderen Fällen des Abs. 3 Satz 2 dient auch Revisionsangriffen gegen die Strafzumessung das sachliche Strafrecht regelmäßig besser zur Stütze als die Vorschrift des Abs. 3 Satz 1. Soweit der Angriff gegen die Strafzumessung darauf gestützt wird, daß der Tatrichter bei der Strafzumessung von verfahrensrechtlich nicht einwandfrei geklärten Tatsachen ausgegangen sei, dienen dem Angriff nicht § 267 Abs. 3, sondern andere verfahrensrechtliche Vorschriften zur Stütze (BGHSt. 1 51). Soweit geltend gemacht wird, der Tatrichter habe die von ihm bei der Strafzumessung berücksichtigten Umstände rechtlich fehlerhaft gewürdigt, wird eine Verletzung des sachlichen Rechts behauDtet. Wer die Verletzung des § 267 Abs. 3 Satz 1 rügen will, muß geltend machen, daß das Urteil die bestimmenden Strafzumessungsgründe vermissen lasse. Eine Verletzung des § 267 Abs. 3 ist in einigen Fällen auch dann bejaht worden, wenn die vom Tatrichter verhängte Strafe wesentlich schärfer oder milder sei, als der Unrechtsgehalt der Tat erwarten lasse, ohne daß die Urteilsgründe die Abweichung an den Besonderheiten des Falles verständlich machen (BGH. vom 26. 5.1954 — 4 StR. 86/54; OLG. Köln NJW. 1954 1053). Solche Gedankengänge können den Revisionsrichter zu leicht dazu verleiten, sein Ermessen an die Stelle des tatrichterlichen Ermessens zu setzen. In dem vom OLG. Köln NJW. 1954 1053 behandelten Falle kann mit Grund bezweifelt werden, daß die vom Tatrichter verhängte Strafe, wie das OLG. angenommen hat, „das für vergleichbare Fälle übliche Strafmaß beträchtlich überschreite". Vor einer Entwicklung, die zu Eingriffen in das dem Tatrichter bei der Strafzumessung vorbehaltene Ermessen führt, muß jedenfalls mit allem Nachdruck gewarnt werden. Denn wenn auch das Revisionsgericht — anders als der Tatrichter — einen Einblick in die Strafzumessungspraxis zahlreicher Tatgerichte erhält, so fehlt ihm doch das bei der Strafzumessung Wichtigste, der Eindruck von der Person des Angeklagten (vgl. S a r s t e d t 255ff.).
§ 368 (1) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes. (2) Die Verkündung des Urteils erfolgt durch Verlesung der Urteilsformel und Eröffnung der Urteilsgründe am Schluß der Verhandlung oder spätestens am vierten Tage nach dem Schluß der Verhandlung. Die Eröffnung der Urteilsgründe geschieht durch Verlesung oder durch mündliche Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts. Die Verlesung der Urteilsformel hat in jedem Falle der Mitteilung der Urteilsgründe voranzugehen. (3) War die Verkündung des Urteils ausgesetzt, so sind die Urteilsgründe tunlichst vorher schriftlich festzustellen. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 217. II. Entw. § 223. III. Entw. § 226. Abs. 2 ist durch Ges. vom 27. Dezember 1926 geändert worden. Ferner wurde der Vorschrift ein weiterer
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Anm. 1, 2 Abs. hinzugefügt, der die Belehrung des Angeklagten über die Einlegung des Rechtsmittels vorschrieb. Dieser Abs. ist durch das 3. Strafrechtsänderungsges. vom 4. Aug. 1953 mit Rücksicht auf die Einfügung der allgemeinen Vorschrift des § 35 a gestrichen. Im übrigen beruht die Fassung auf dem VereinheitlGes. vom 12. Sept. 1950, das die Frist des Abs. 2 auch von einer Woche auf vier Tage verkürzte und in Abs. 3 das Wort „tunlichst" einfügte. Inderungsvorschläge: NE I und II §§ 261, 262. NE III § 263. 1. Urteilsverkündung als Teil der Hauptverhandlung, a) Die Urteilsverkündung bildet auch im Fall der Aussetzung einen Teil der Hauptverhandlung (Gerland 172, Beling 376, Graf zu D o h n a 181; E b S c h m i d t Anm. 3). Die abweichende Meinung, die sich vornehmlich auf denfrüheren Wortlaut des ersten Satzes: „nach dem Schluß der Verhandlung" stützte ( H e g l e r JW. 1932 679 Anm. 38), führt zu unbefriedigenden Ergebnissen. Die Verkündung kann daher nur in Gegenwart der Richter und Schöffen stattfinden, die in der Hauptverhandlung mitgewirkt haben; ist das Gericht aus irgendeinem Grund, z. B. wegen des Todes eines Richters oder Schöffen am Zusammentritt in der früheren Besetzung verhindert, so muß die Hauptverhandlung erneuert werden (RGSt. 3 116, 62 198); eine Ausnahme kann auch nicht zugelassen werden, falls das Urteil schon gemäß § 275 zu den Akten gebracht ist. — Ferner müssen bei der Verkündung auch ein Staatsanwalt und ein Urkundsbeamter der Geschäftsstelle zugegen sein. — Der nicht auf freiem Fuß befindliche Angeklagte muß zur Urteilsverkündung gleich wie zur sonstigen Verhandlung vorgeführt werden (RGSt. 31 398, RG. Recht 1922 696). Ist der Angeklagte etwa durch Krankheit verhindert, im Termin zur Urteilsverkündung zu erscheinen, so ist die Aussetzung geboten (RG. BayZ. 17 269). Das Ausbleiben des Angeklagten steht der Verkündung nur beim Vorliegen des Ausnahmefalls des § 231 Abs. 2 nicht entgegen (RGSt. 9 341, 42 246). — Die Anwesenheit des Verteidigers bei der Verkündung bildet in den Fällen der notwendigen Verteidigung (§ 140) im Hinblick auf § 145 ein gesetzliches Erfordernis (RGSt. 57 264, 63 249 — 54 292 ist aufgegeben). — Wegen der umstrittenen Frage, ob es unter allen Umständen der Anwesenheit des Privatklägers bei der Urteilsverkündung bedürfe und ob sein Ausbleiben in einem besonderen Verkündungstermin die Versäumnisfolge des § 391 Abs. 2 nach sich ziehe, wird auf OLG. Stuttgart JW. 1927 2647, OLG. Karlsruhe JW. 1925 1035, BayObLG. 25 224, H e g l e r JW. 1932 679 Anm. 38 und die Anm. zu § 391 verwiesen. b) Verkündigungstermin. Wird das Urteil in unmittelbarem Anschluß an die Beratung verkündet, so ist die Anberaumung eines besonderen Verkündungstermins nicht erforderlich, auch wenn die Beratung bis zum nächsten Tag dauert. Im Verkündungstermin müssen Beweisanträge vor dem Beginn der Verkündung noch zugelassen werden (RG. GA. 44 27; 59 343; JW.1926 1215). Dagegen hat der Antragsteller keinen sachlichen Bescheid auf einen nach Beginn aber vor Beendigung der Verkündung angebrachten Antrag zu beanspruchen (RGSt. 57 142; 59 420); wird ihm ein solcher trotzdem gewährt, so müssen die allgemein gültigen Grundsätze beachtet werden. c) Bekanntmachung des Verkündungstermins. Der Zeitpunkt der Urteilsverkündung braucht im Fall der Aussetzung nur durch Verkündung bekanntgemacht zu werden. Der abwesende Angeklagte braucht nicht geladen zu werden, da der Verkündungstermin Teil der Hauptverhandlung ist. Wird der Termin der Urteilsverkündung nachträglich auf einen früheren oder späteren Zeitpunkt verlegt, so ist zum neuen Termin die Ladung des Angeklagten erforderlich. d) Beurkundung. Die Verkündung des Urteils muß durch das Protokoll beurkundet werden; ein Verstoß hiergegen begründet die Aufhebung (RGRspr. 1 496; vgl. auch RGZ. JW. 1915 592). 2. Frist für die Urteilsverkündung. Die Frist von vier Tagen enthält eine Ungereimtheit gegenüber § 229. Nach der ursprünglichen Fassung mußte die unterbrochene Hauptverhandlung am vierten Tage fortgesetzt werden, und die Frist des Abs. 2 betrug eine Woche. Diese Fristen waren sinnvoll aufeinander abgestimmt. Für die jetzt geltende Regelung kann kein innerer Rechtfertigungsgrund gefunden werden. Wenn die Erinnerung auch durch eine zehntägige Unterbrechung der Hauptverhandlung nicht leidet — und davon geht §229 aus —, kann die viertägige Frist des Abs. 2 nicht damit gerechtfertigt werden, es fehle sonst die Gewähr, daß unter dem zuverlässigen Eindruck der Hauptverhandlung entschieden werde. Für eine Verlängerung der Frist des Abs. 2 besteht in großen und umfangreichen Sachen, in denen wochen- oder monatelang verhandelt wird, ein dringendes Bedürfnis. Es gibt Fälle, in denen ein in wochen- oder monatelanger Verhandlung angesammelter Stoff in drei Tagen der Beratung nicht bewältigt werden kann. Durch Abs. 2 würde das Gericht unter Umständen gezwungen, einen Teil der Verhandlung — etwa das Schlußwort
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eines Angeklagten — ohne sonstige innere Rechtfertigung unter Ausnutzung des § 229 auf einen späteren Verhandlungstag zu verlegen, um dadurch Zeit für die Beratung zu gewinnen, ein wenig befriedigendes Ergebnis. Der innere Zusammenhang mit §229 legt es daher nahe, in der Frist des Abs. 2 Satz 1 entgegen dem Wortlaut nur eine Soll Vorschrift zu sehen, deren Nichtbeachtung den Bestand des Urteils nicht gefährdet, wenn sich die Überschreitung der Frist nur innerhalb der Grenzen der Frist des § 229 hält (RGSt. 73 217; GRSt. 9 302 = LM. StPO. § 268 Nr. 12 mit trefflicher Anm. von J a g u s c h ; E b S c h m i d t Anm. 15; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 2; teilweise a. A. RGSt. 57 422; K l e i n k n M Anm. 2; vgl. auch D a l l i n g e r MDR. 1956 528). — Für die in der Revisionsinstanz gesprochenen Urteile ist die Frist ohne Bedeutung (RGSt. 27 116). — Es ist nicht angängig, zunächst einen Verkündungstermin unter Einhaltung der Frist des § 268 oder des § 229 anzuberaumen und dann in diesem die Urteilsverkündung insgesamt über die Frist des § 229 hinaus zu verlegen (RGSt. 57 423). 3. Form der Urteilsverkündung, a) Das Urteil ergeht im Namen des Volkes; denn nach Art. 20 Abs. 2 GrundG. geht alle Gewalt vom Volke aus. Der Bestand des Urteils wird aber nicht dadurch gefährdet, daß diese Worte bei der Verkündung nicht gebraucht werden (RG. Recht 1934 Nr. 221). Es gehört zu den Pflichten des Vorsitzenden als des Verhandlungsleiters, die Urteilsformel zu verlesen und den wesentlichen Inhalt der Urteilsgründe mitzuteilen. Daß er sich aus besonderen Gründen — etwa bei stimmlicher Behinderung — durch ein richterliches Mitglied des erkennenden Gerichts darin vertreten läßt, wird man für zulässig halten müssen. Unzulässig ist es dagegen, einen Schöffen, den Staatsanwalt oder einen dem Gericht zur Ausbildung überwiesenen Referendar damit zu betrauen (OLG. Oldenburg NJW. 1952 1310). Der Mangel der ordnungsmäßigen Verkündung wird auch nicht durch Zustellung des Urteils geheilt. b) Die Verkündung des Urteils muß sich stets, auch wenn der Angeklagte nicht anwesend ist, auf die Urteils gründe mit erstrecken. Im Verhältnis zum Entscheidungssatz des Urteils, der Urteilsformel, sind die mündlich verkündeten Urteilsgründe allerdings der minder wichtige Teil des Urteils. Die Urteilsformel enthält den eigentlichen Urteilsspruch. Nur wenn sie verlautbart wird, liegt ein Urteil im Rechtssinne vor. Die mündliche Eröffnung der Urteilsgründe durch den Vorsitzenden ist demgegenüber nicht wesentlich, weil dessen Grundlage die vom Gericht beschlossenen Gründe sind, die sich aus dem von den Richtern zu unterschreibenden Urteile ergeben (RGSt. 71377, 379; BGHSt. 15 263). Die mündliche Urteilsbegründung hat nur die Aufgabe, die Verfahrensbeteiligten v o r l ä u f i g darüber zu unterrichten, welche Gründe das Gericht zu seiner Entscheidung bestimmt haben (vgl. BGHSt. 2 63, 66). Unterbleibt die Verkündung der Urteilsgründe, vermag dieser Mangel regelmäßig nicht die Anfechtung des Urteils zu begründen (RGR. 1 249 ; 467; 2 51); allerdings beginnt der Lauf der Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels in diesem Falle nicht schon mit der Verkündung, sondern erst mit der (deshalb hier notwendigen) Zustellung des Urteils (RGSt. 1192; 2 78). Das gilt auch, wenn sich der Angeklagte während der mündlichen Eröffnung der Urteilsgründe selbst freiwillig entfernt (OLG. Celle GA. 71 69), ja selbst wenn der Angeklagte nach der Verlesung der Urteilsformel einen Zusammenbruch erleidet, ins Krankenhaus gebracht wird und der Vorsitzende aus diesem Grunde die Urteilsgründe in Abwesenheit des Angeklagten zu Ende verkündet (BGHSt. 15 263; a. A. RG. JW. 1938 1644 Nr. 5). Ein wirksames Urteil liegt deshalb auch vor, wenn der Vorsitzende nach der Verlesung der Urteilsformel während der Eröffnung der Urteilsgründe verstirbt (BGHSt. 8 41). Wenn danach auch die mündlich verkündeten Urteilsgründe in mancher Beziehung weniger wichtig als die schriftlichen zu sein scheinen und für die Frage, ob überhaupt und mit welchem Inhalt ein Urteil existiert, hinter der Bedeutung der Verlesung der Urteilsformel zurücktreten, so kann ihre Wichtigkeit in anderer Beziehung doch kaum überschätzt werden, vgl. dazu die ausgezeichneten Ausführungen von W e r n e r JZ. 1951 779. Während die schriftlichen Urteilsgründe hauptsächlich — wenn auch selbstverständlich nicht nur — ein Werk von Juristen für Juristen sind, ist die mündliche Urteilsbegründung, worauf W e r n e r aaO. mit Recht hinweist, „eine der ganz wenigen Gelegenheiten, wo das Gericht die Welt der Akten verläßt und unmittelbar der Öffentlichkeit gegenübergestellt ist". Aus Art und Form der mündlichen Urteilsbegründung wird nicht nur der Angeklagte ein Urteil darüber gewinnen, ob Richter mit Mut und Verantwortungsbewußtsein, mit Menschenkenntnis und Lebenserfahrung, aber auch mit Mitgefühl und Herz bemüht gewesen sind, in seinem Falle das richtige und gerechte Urteil zu finden, auch die breite Öffentlichkeit wird sich ihr Bild von der Strafrechtspflege zu einem nicht geringen Teil aus den ihr bekannt werdenden mündlichen Urteilsbegründungen formen. Im Bewußtsein einer
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Anm. 4, 5 solchen weiten Wirkungsmöglichkeit sollte der Vorsitzende bei der Mitteilung des wesentlichen Inhalts der Urteilsgründe seine Worte wählen (ähnlich E b S c h m i d t Anm. 9). c) Die Urteilsformel muß stets verlesen, folglich vor der Verkündung des Urteils niedergeschrieben werden; die Bestimmung will die Möglichkeit einer Abweichung der verkündeten von der beschlossenen Entscheidung ausschließen. Indes bildet der Umstand, daß die Verkündung nicht durch Verlesung erfolgt ist, nicht ohne weiteres einen Revisionsgrund, sondern nur, wenn eine Verschiedenheit zwischen der verkündeten Urteilsformel und der in der Urteilsurkunde enthaltenen behauptet wird (RGSt. 3 131; RGR. 4 398, 7 233). Zur Begründung der Revision bedarf es der Angabe, worin die Verschiedenheit besteht (RGSt. 16 347). Daß die Urteilsformel vor der Verkündung protokolliert, unterschrieben und aus dem Sitzungsprotokoll verlesen werde, ist nicht vorgeschrieben (RGR. 4 382; RGSt. 60 270). Bei einem Widerspruch zwischen Urteilsformel und Sitzungsprotokoll ist dieses maßgebend. — War die Verkündung des Urteils ausgesetzt, sind die Urteilsgründe tunlichst vorher niederzuschreiben. Geschieht das nicht, bedeutet das keinen Revisionsgrund. Die Gründe können in allen Fällen, also auch im Fall des Abs. 3, durch mündliche Mitteilung ihres wesentlichen Inhalts eröffnet werden; eine Verlesung der Niederschrift ist niemals erforderlich (RGR. 9 603). Zur schriftlichen Feststellung der Urteilsgründe gehört die Unterschrift sämtlicher Berufsrichter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben (§ 276 Abs. 2; RGSt. 18 68, 54 256). Bei einem Widerspruch zwischen den mündlich eröffneten und den schriftlich festgestellten Urteilsgründen sind diese maßgebend (RGSt. 4 383, 13 68). Auf die Nichtübereinstimmung der mündlich verkündeten Gründe mit den schriftlich abgefaßten kann die Revision nicht gestützt werden (RGSt. 4 382; RGR. 4 210; RG. GA. 64 653; BGH. vom 8. 6. 1961 — 2 StR. 22/61, mitgeteilt von D a l i i n g e r MDR. 1951 539; BGHSt. 7 363, 370f.; BayObLG. NJW. 1953 248). Dagegen bildet ein Widerspruch zwischen Urteilsformel und Urteilsgründen einen Revisionsgrund, da beide zusammen eine untrennbare Einheit bilden. Nennt jedoch der verkündete Urteilssatz eine niedrigere Strafe als die schriftlichen Urteilsgründe und beruht die Angabe in den Gründen zur Gewißheit des Revisionsgerichts auf einem Schreibversehen, nötigt der scheinbare Widerspruch nicht zur Aufhebung des Urteils. Maßgebend ist dann der verkündete Urteilssatz (BGH. LM. StPO. § 268 Nr. 2). d) Reihenfolge. Abs. 2 Satz 3 schreibt vor, daß zunächst die Urteilsformel verlesen werden muß, ehe die Urteilsgründe mitgeteilt werden. Dadurch wird die Bedeutung der Urteilsformel besonders hervorgehoben. Die Vorschrift nimmt zugleich Rücksicht auf die Lage des Angeklagten, für den es eine starke seelische Belastung bedeuten kann, einer vielleicht langen Urteilsbegründung folgen zu müssen, ehe er das Ergebnis erfährt, auf das es ihm regelmäßig am meisten ankommt. 4. Öffentlichkeit der Urteilsverkündung. Deswegen s. § 173 GVG. und die Anm. dazu. 5. Abänderung des Urteils. Bei der Frage nach der Zulässigkeit einer Abänderung oder Ergänzung des Urteils muß man die überragende Bedeutung der Urteilsformel im Auge behalten. Sie allein enthält die Willenserklärung des Gerichts und bestimmt den Umfang der Rechtskraft (RGSt. 57 52; RG. DRZ. 1929 Nr. 304). Durch die Verlesung der Urteilsformel wird das Urteil mit der Folge bekanntgemacht, daß die kundgegebene Willenserklärung die ihr gebührende Wirkung ausübt (RGSt. 61 400). Würde die Hauptverhandlung nach Verlesung der Urteilsformel geschlossen werden, ohne daß eine Eröffnung der Urteilsgründe stattgefunden hätte, so würde dieser Mangel weder die durch die Verlesung der Formel geschaffene Tatsache, daß das Urteil vorliegt, beeinträchtigen, noch, da sich § 338 Nr. 7 nur auf die in die Urteilsurkunde aufzunehmenden Entscheidungsgründe bezieht, für sich allein einen Grund zur Anfechtung des Urteils mit der Revision gewähren ( O e t k e r JW. 1926 1216, 1928 267). Wegen dieses Ubergewichts der Urteilsformel kann Berufung nach Verlesung der Urteilsformel auf der Geschäftsstelle auch schon eingelegt werden, solange die mündliche Mitteilung der Urteilsgründe noch nicht beendet ist (KG. GA. 74 387). Andererseits bildet allerdings die Eröffnung der Urteilsgründe mit der Verlesung der Urteilsformel ein zusammenhängendes Ganzes (RGSt. 4 179, 46 326, 61 390). Daher erreicht die Verkündung, sofern der Vorschrift über die Eröffnung der Urteilsgründe genügt wird, erst mit der Mitteilung beider Urteilsteile — der Formel und der Gründe — ihren Abschluß, und die Urteilsformel kann ohne weiteres noch geändert werden, wenn sich ein Anlaß hierzu während der Eröffnung der Gründe ergibt (RGSt. 47 323,57 142, 61 390, 71 379; BGH. NJW. 1953155; BGHSt. 15 263, 265). Dagegen ist nach der Verkündung des Urteils eine Abänderung oder Ergänzung selbst dann unstatthaft, wenn der Vorsitzende eine förmliche Erklärung des Inhalts, daß die Hauptverhand-
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lung hiermit geschlossen sei, noch nicht abgegeben hat (RGSt. 5 173; RGR. 7 245; RG. Recht 1911 Nr. 959). Die Verhandlung darf also nicht wieder eröffnet werden, damit etwa auf Grund einer neuen Beratung nachträglich über den übergangenen Antrag auf Zuerkennung einer Buße entschieden werde (RGSt. 42 341). Für nachträgliche Anordnungen solcher Art ist nur insoweit Raum, als sie durch Sondervorschriften ausdrücklich zugelassen sind. Im übrigen kommt es für die Frage nach Zulässigkeit und Form einer Berichtigung des Urteils darauf an, ob der unterlaufene Fehler offenbar oder für die Beteiligten nicht ohne weiteres erkennbar ist, ferner darauf, ob er nur den Ausdruck für das Gewollte oder den Inhalt selbst betrifft, und schließlich darauf, ob die verkündete Entscheidung von der beschlossenen oder die in der Urteilsurkunde erscheinende Entscheidung von der verkündeten abweicht ( G e r l a n d 292f.). Dabei folgert die Rechtsprechung die Zulässigkeit einer Urteilsberichtigung in bestimmten eng gezogenen Grenzen trotz des Schweigens der StPO. aus § 267, der die Gerichte dazu verpflichtet, in den schriftlichen Urteilsgründen die Ergebnisse der Hauptverhandlung so, wie sie in der Beratung gesehen und gewürdigt wurden, vollständig und wahrheitsgetreu wiederzugeben. Sie entnimmt daraus mit Recht, daß es auch ohne ausdrückliche Vorschrift möglich sein muß, bei der Abfassung der schriftlichen Urteilsgründe unterlaufene Versehen, die diese Übereinstimmung in Frage stellen ,durch einen nachfolgenden Beschluß des erkennenden Gerichts zu beseitigen (BGHSt. 12 374, 376). Diese Entscheidung sieht deshalb mit Recht die Grenze für eine mögliche und zulässige Berichtigung schon dort, wo auch nur Zweifel auftreten können, ob es sich nur um die Berichtigung eines Versehens handelt oder um eine nachträgliche Meinungsänderung. Sobald dieser Zweifel Platz greifen kann, hat „das Bedürfnis, die schriftlichen Urteilsgründe dem anzupassen, was das Gericht auf Grund des Ergebnisses der Hauptverhandlung in der allein maßgeblichen Beratung sachlich festgestellt und rechtlich gewollt hat, gegenüber der Geltungskraft zurückzutreten, welche dem von den beteiligten Richtern unterzeichneten und den Verfahrensbeteiligten mitgeteilten Urteil zukommt". In sachlicher Übereinstimmung damit hatte schon das Urteil BGHSt. 5 5 ( = BGH. LM. StPO. § 268 Nr. 7 mit Anm. J a g u s c h ) die Ergebnisse der bisherigen nicht immer ganz einheitlichen Rechtsprechung dahin zusammengefaßt, daß „formale" Mängel berichtigt werden dürfen, „sachliche" dagegen nicht, daß offensichtliche Mängel des Ausdrucks für das erkennbar Gewollte und offensichtliche Schreib- und Fassungsversehen richtig gestellt werden dürfen, daß etwas Beschlossenes und nur infolge eines Ausdrucksmangels nicht Verkündetes noch im Wege der Berichtigung zur Geltung kommen darf, daß jedoch alle Berichtigungen unzulässig sind, die „auf einem neuen Denkvorgang beruhen". Auch wenn in der Rechtsprechung über diese Grundsätze weitgehend Einigkeit besteht, kann im Einzelfalle recht zweifelhaft sein, wo die Grenze zu ziehen ist. Beispiele für unzulässige Berichtigungen enthalten: RGSt. 61 388 (ein beschlossener, bei der Urteilsverkündung aber vergessener Teil der Entscheidung — Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte — darf nicht im Wege eines „Ergänzungsurteils" wirksam werden, a. A. noch RGSt. 15 271), RGSt. 5 173 (die nachträglich beschlossene Anrechnung der Untersuchungshaft ist „unzulässiger Erkenntniszusatz"), RGSt. 66 233 (nachträglich beschlossene Anordnung des Wertersatzes nach VZG.), BGH. LM. StPO. § 268 Nr. 6 (Änderung einer falsch berechneten Gesamtstrafe nach Abschluß der Urteilsverkündung), BGHSt. 2 248 (Änderung von Tatsachen, die dem Schuldspruch zugrundeliegen, unzulässig), BGHSt. 3 245 (keine Änderung des auf Verurteilung wegen Vornahme unzüchtiger Handlungen an Kindern lautenden Schuldspruchs in eine Verurteilung wegen Unzucht mit Abhängigen). Demgegenüber dürfen offenbar Versehen, die sich als bloße Schreib-, Rechen- oder sonstige Fassungsfehler kennzeichnen, jederzeit von Amts wegen oder auf die Anregung eines Beteiligten durch Beschluß berichtigt werden (RGSt. 13 267, 28 82, 250, 56 233, 61 392). Das gilt selbst dann, wenn die Berichtigung einer schon erhobenen Revisionsrüge den Boden entzieht (Schieibversehen beim Abschreiben einer im Urteil wörtlich angeführten Urkunde — BGH. NJW. 1952 797; ferner BGH. LM. StPO. §268 Nr. 8). Die Rechtsprechung sieht einen der Berichtigung durch Beschluß zugänglichen offenbaren Fassungsfehler auch dann für gegeben an, wenn der Vorsitzende eine Nebenstrafe, deren Verhängung das Gericht beschlossen hatte, im Vortrag der Urteilsformel nicht bekanntgibt, aber doch bei der Eröffnung der Urteilsgründe erwähnt (RGSt. 61 391; BGH. NJW. 1953 155). Ähnlich hält es BGHSt. 12 374 für zulässig, die in den schriftlichen Urteilsgründen durch ein Übertragungsversehen nicht enthaltenen Rückfallsvoraussetzungen durch Berichtigungsbeschluß einzufügen, wenn der Angeklagte wegen Rückfalls verurteilt und die Voraussetzungen dazu in der Hauptverhandlung eingehend erörtert und in der
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§268
Strafprozeßordnung. Zweites Buch
Anm. 6—9 mündlichen Urteilsbegründung mitgeteilt wurden. Besteht nach dem Inhalt der mündlich verkündeten Gründe kein Zweifel, daß das Revisionsgericht beschlossen hat, der Revision stattzugeben, während die verkündete Formel auf Verwerfung des Rechtsmittels lautet, ist die Berichtigung der Urteilsformel durch Beschluß gemäß den verkündeten Urteilsgründen zulässig BGHSt. 5 6), eine Großzügigkeit, die vielleicht beim Urteil eines Revisionsgerichts noch hingehen kann, bei einem tatrichterlichen Urteil jedoch nicht unbedenklich wäre. In RGSt. 61 390 hat das Reichsgericht zugleich die früher vertretene Ansicht, die es — selbst wenn das Versehen nicht „offenbar" war — gestattete, einen beschlossenen, aber nicht mitverkündeten Teil eines Urteils innerhalb der in § 268 Abs. 2 bestimmten Frist durch die Verkündung eines Nachtragsurteils herauszubringen (RGSt. 15 271; RG. GA. 41 45), mit der zutreffenden Begründung aufgegeben, daß das, was in der Urteilsformel durch Verlesung als Urteil verkündet werde, als das vollständige Urteil, die beschlossene Entscheidung angesehen werden müsse. Die Rechtslehre, die unter sich uneinig ist, schlägt zum Teil andere Lösungen der umstrittenen Frage vor (Gerl a n d 292, Beling 241, 326; P e t e r s 387; im wesentlichen wie hier E b S c h m i d t Anm. 20—24). Außerhalb des zuvor bezeichneten Gebiets findet die Berichtigung eines Urteils nicht statt. Insbesondere ist es schlechthin unzulässig, ein schriftliches, den Beteiligten zugestelltes Urteil sachlich zu ändern, sollte auch die Änderung der mündlichen Verkündung entsprechen (RGSt. 28 81, 247, 54 21; RG. JW. 1926 553, GA. 71 92; BGHSt. 2 248, 3 245). Eine unzulässige sachliche Änderung geschieht aber auch, wenn die der Verurteilung zugrunde gelegte Personalbezeichnung des Angeklagten durch eine andere, sei es gleich die richtige, ersetzt wird (BayObLG. JW. 1929 27503). Diesem Fall ist jedoch die für die Beteiligten ohne weiteres erkennbare, bloße Namensverwechslung bei der Verwerfung der Berufung eines ausgebliebenen Angeklagten nicht gleich zu achten (RG. I 1096/30 v. 25. Nov. 1930). Endlich steht dem nichts im Wege, daß das Revisionsgericht die mangelhaft gefaßte Formel eines angefochtenen Urteils berichtigt, sofern es sich nicht um die Übergehung eines Gegenstandes der Klage, sondern nur darum handelt, daß eine erfolgte Verurteilung in der Formel keinen vollkommenen Ausdruck gefunden hat (RGSt. 64 205). 6. Zustellung des Urteils. War der Angeklagte bei der Verkündung des Urteils nicht anwesend (§231 Abs. 2, §§232, 233, 234) oder hatte er sich während der Verkündigung entfernt, so muß ihm das Urteil mit den Gründen durch Zustellung bekanntgemacht werden. Die Zustellung muß an den Angeklagten selbst erfolgen, und zwar auch dann, wenn der Verteidiger zur Empfangnahme der Urteilsausfertigung ausdrücklich ermächtigt ist (RGSt. 19 390, 34 331). Bei Steuerzuwiderhandlungen einer Kommanditgesellschaft gilt das Urteil als in Anwesenheit der Angeklagten verkündet, wenn der persönlich haftende Gesellschafter bei der Verkündung anwesend ist (RGSt. 6« 75). 7. Schriftliche Feststellung der Urteilsgründe Abs. 3. War die Verkündung des Urteils ausgesetzt, so sind die Urteilsgründe tunlichst vorher festzustellen. Die Fassung der Vorschrift stellt jetzt klar, daß es sich bei ihr um keine zwingende Rechtsnorm, sondern um eine bloße Ordnungsvorschrift handelt. Ihre Verletzung begründet also nicht die Revision. Ihr wird nicht durch die bloße schriftliche Niederlegung der Urteilsgründe genügt, erforderlich ist vielmehr, wie sich aus § 275 ergibt, auch die Unterschrift der Richter, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben (RG St. 54 256). Liegen die in diesem Sinne schriftlich festgestellten Gründe bei der Verkündung als ihre Unterlage vor, dürfen sie zwar noch nachträglich mit nebensächlichen Zusätzen versehen, insbesondere in der sprachlichen Fassung verbessert werden, ihr sachlicher Inhalt darf aber nicht mehr geändert werden (RGSt. 44 308). 8. Wiederherstellung einer verlorenen Urteilsurkunde. Gerät eine Urteilsurkunde in Verlust, so kann sie durch die mitwirkenden Richter nach pflichtgemäßem Ermessen wieder so hergestellt werden, daß sie inhaltlich mit dem verlorengegangenen Urteil übereinstimmt. Die von den beteiligten Richtern durch ihre Unterschrift gebilligte wiederhergestellte Fassung ist dann maßgebend (RG. DJZ. 1930 332; GA. 63 443; HRR. 1940 Nr. 279). § 338 Nr. 7 ist entsprechend anzuwenden, wenn das nicht mehr möglich ist. 9. Rechtsinittelbelehrung. Ein durch Ges. vom 27. Dez. 1926 eingeführter weiterer Absatz begründete — wenn auch nur in der Form einer bloßen Ordnungsvorschrift — die Pflicht zur Rechtsmittelbelehrung. Nunmehr ist durch § 35 a allgemein und zwingend vorgeschrieben, daß bei der Bekanntmachung einer Entscheidung, die durch ein befristetes Rechtsmittel angefochten
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§ 2 6 8 Anm. 10
§ 268a Anm. 1, 2 werden kann, der Betroffene über die Möglichkeiten der Anfechtung und die dafür vorgeschriebenen Fristen und Formen zu belehren ist. Diese Vorschrift greift auch bei der Verkündung von Urteilen ein, die durch ein Rechtsmittel anfechtbar sind. Die Unterlassung der Belehrung bildet einen unabwendbaren Zufall im Sinne des § 44 und begründet damit die Wiedereinsetzung. Übrigens ist es unangebracht, den Angeklagten im unmittelbaren Anschluß an die Urteilsverkündung zu einer Erklärung darüber zu veranlassen, ob er auf ein Rechtsmittel verzichte oder ein solches einlegen wolle (Beschl. des RTags. v.17. Dez. 1926 StenB. S.8652; PrJMinBl. 1928 S. 12). An der Vermeidung einer unüberlegten Erklärung ist um so mehr gelegen, da die Frage der Zulässigkeit einer Anfechtung oder eines Widerrufs der Verzichtserklärung ernsten Schwierigkeiten begegnet (RGSt. 58 83, 64 14; G e r l a n d JW. 1930 2568 Anm. 38). 10. Urteil gegen Jugendliche. Einem jugendlichen Angeklagten ebenso einem Heranwachsenden, dessen Tat nach Jugendstrafrecht beurteilt wird (§§ 105,109 Abs. 2 JGG.), sind die Urteilsgründe nicht mitzuteilen, soweit davon Nachteile für die Erziehung zu befürchten sind (§ 54 Abs. 2 JGG.).
§ 268 a (1) Wird in dem Urteil die Strafe zur Bewährung ausgesetzt, so trifft das Gericht die Anordnungen, die sich auf die Strafaussetzung zur Bewahrung beziehen (§ 24 des Strafgesetzbuchs), durch Beschluß; dieser ist mit dem Urteil zu verkünden. (2) Der Vorsitzende belehrt den Angeklagton über die Bedeutung der Strafaussetzung zur Bewährung, die Bewährungszeit und die Bewährungsauflagen sowie darüber, daß er den Widerruf der Aussetzung zu erwarten habe, wenn er das in ihn gesetzte Vertrauen nicht rechtfertige, insbesondere den Bewährungsauflagen zuwiderhandle. Zugleich ist ihm aufzugeben, jeden Wechsel seines Aufenthaltes während der Bewährungszeit anzuzeigen. Die Belehrung ist in der Regel im Anschluß an die Verkündung des Beschlusses nach Absatz 1 zu erteilen. Entstehungsgeschichte: Die Vorschrift ist durch das 3. Strafrechtsänderungsgesetz vom 4. August 1953 (BGBl. I S. 735) eingefügt. Sie enthält die verfahrensrechtliche Ergänzung zu den durch dasselbe Gesetz neu eingefügten sachlich-rechtlichen Vorschriften der §§ 23ff. StGB., dazu D a l l i n g e r JZ. 1958 432, 434f.; K e r n GA. 1953 46; P e n t z NJW. 1954 141. 1. Strafaussetzung zur Bewährung. Im Schrifttum besteht Meinungsverschiedenheit darüber, ob es sich bei der zur Bewährung ausgesetzten Strafe (§ 23 StGB.) um eine andere Strafart handele als bei der nicht ausgesetzten Strafe ( J a g u s c h JZ. 1953 688; D r e h e r ZStW. 65[1953] 481). Die Meinung, die in der zur Bewährung ausgesetzten Strafe keine besondere Strafart, sondern eine bloße Ausgestaltung der Strafe sieht, für die —• unbeschadet der Wahrung der übrigen anerkannten Strafzwecke — die Gesichtspunkte der Erziehung und der Wiedereingliederung des Rechtsbrechers in die Rechtsgemeinschaft maßgebend sind, hat sich in der Rechtsprechung durchgesetzt (BGHSt. 7 180, 184; BGH. JZ. 1956 101, dazu H e l l m e r JZ. 1956 714). 2. Der Urteilssatz muß den Ausspruch über die Strafaussetzung zur Bewährung enthalten, wenn sich das Gericht zu ihr entschließt. Schweigt der Urteilssatz über eine Strafaussetzung zur Bewährung, bedeutet das, daß die Strafe nicht zur Bewährung ausgesetzt ist (Anm. 6 a zu § 260). Auch eine durch Strafbefehl (§407) oder durch Strafverfügung (§413) festgesetzte Strafe kann, wenn die Voraussetzungen gegeben sind, zur Bewährung ausgesetzt werden. Beim Strafbefehl kann das nur geschehen, wenn Richter und Staatsanwalt darüber einig sind; sonst muß der Richter Hauptverhandlung anberaumen. Kommt bei Strafverfügung (§ 413) die Verhängung einer Haftstrafe in Betracht, ist der Richter jedoch nicht an die Zustimmung der Polizei gebunden ( K l e i n k n M Anm. 2). Die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung kann nur zusammen mit dem Urteil getroffen, sie kann nicht nachgeholt, auch nicht späterer Entschließung vorbehalten werden (ebenso E b S c h m i d t Anm. 2; K l e i n k n M Anm. 2; D a l l i n g e r JZ. 1953 435 Anm. 46; a. A. K e r n GA. 1953 46). Nach dem Urteil kommt nur die bedingte Entlassung gemäß § 26 StGB, in Betracht. Nur die Aussetzung der Jugendstrafe kann, solange der Strafvollzug nicht begonnen hat, auch nachträglich durch Beschluß angeordnet werden (§ 57 JGG). Die Aussetzung kann sich nur auf die ganze Strafe beziehen, nicht auf einen Teil (BGHSt. 6 163). Doch ist es nicht ausgeschlossen, einen Teil der Strafe durch die Untersuchungshaft für verbüßt zu erklären und den Rest auszusetzen (BGHSt. 6 391). Ist sowohl auf eine Haft- wie
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§ 2 6 8 a A n m . 3—6 § 2 6 8 b Anm. 1
Strafprozeßordnung. Zweites Buch
auf eine Gefängnisstrafe erkannt worden, müssen beide ausgesetzt werden oder es darf keine ausgesetzt werden ( K l e i n k n M Anm. 2; E b S c h m i d t Anm. 4). Geldstrafen können nicht ausgesetzt werden ( E b S c h m i d t Anm. 4; L a c k n e r JZ. 1953 430). 3. Beschluß über Bewährungsanordnungen. Die Dauer der Bewährungszeit und etwaige dem Verurteilten gemachte Auflagen (§ 24 StGB.) sind nicht in den Urteilssatz, sondern in einen besonderen Beschluß aufzunehmen (BGH. NJW. 1954 522 Nr. 21; BGHSt. 6 298, 302; E b . S c h m i d t Anm. 8; P e n t z NJW. 1954 141). Dadurch wird der Urteilsspruch entlastet. Die Trennung ist auch deshalb zweckmäßig, weil die Bewährungsanordnungen nachträglich geändert werden können (§ 24 Abs. 3 und 4 StGB.). Unbeschadet dieser Möglichkeit ist die erste Entscheidung dieser Art dem erkennenden Gericht vorbehalten, das dazu auf Grund der ihm durch die Hauptverhandlung vermittelten Erkenntnisse auch am besten in der Lage ist. Der Beschluß ist zu begründen. Für nachträgliche Entscheidungen wird das in §453 Abs.l Satz 3 ausdrücklich ausgesprochen. Für den ersten Beschluß ergibt sich die Notwendigkeit einer Begründung aus §34 ( E b S c h m i d t Anm. 6; K l e i n k n M Anm. 3a). 4. Zeitpunkt und Art der Bekanntmachung. Der Beschluß ist mit dem Urteil zu verkünden. Das besagt, daß die Verkündung des Urteils und die Verkündung des Beschlusses über die Bewährungsanordnungen im natürlichen Sinne einen einheitlichen Vorgang bilden und die Verkündung des Beschlusses zur Verkündung des Urteils hinzugehört, auch wenn sie der Bekanntmachung des Urteils zeitlich erst nachfolgt. Während der Verurteilte über das gegen das Urteil gegebene Rechtsmittel gemäß § 35 a zu belehren ist, braucht er über das Beschwerderecht gegen den Beschluß nicht belehrt zu werden, weil dieses Rechtsmittel nicht befristet ist. 5. Belehrung über die Bedeutung der Strafaussetzung. Die Belehrung des Verurteilten nach Abs. 2 ist Aufgabe des Vorsitzenden. Sie ist in der Regel im Anschluß an die Verkündung des Beschlusses zu erteilen, kann aber in Ausnahmefällen, wenn es dem Gericht zweckmäßig oder geboten erscheint, auch später erfolgen und ist dann nach §453a vorzunehmen. Die Belehrung des Verurteilten durch den Vorsitzenden im Anschluß an die Verkündung des Beschlusses gehört mit zur Hauptverhandlung und muß als wesentliche Förmlichkeit in der Sitzirngsniederschrift vermerkt werden (§ 272). Nr. 122 a Abs. 2 RiStV. ordnen an, daß dem Angeklagten auch ohne Antrag eine Abschrift des Beschlusses über Strafaussetzung zur Bewährung zu übersenden ist. 6. Rechtsmittel. Gegen den Beschluß nach § 268 a ist Beschwerde zulässig. Sie kann nur darauf gestützt werden, daß eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist oder einen einschneidenden, unzumutbaren Eingriff in die Lebensführung des Beschwerdeführers darstellt (§ 305a Abs. 1). Auch wenn das Revisionsgericht über die Beschwerde zu entscheiden hat (§305a Abs. 2), ergeht die Entscheidung über die Beschwerde durch Beschluß, nicht im Urteil (BGH. vom 15. 6. 54 — 1 StR. 67/54). Die Revision gegen das Urteil kann nicht mit Angriffen gegen die Bewährungsanordnungen begründet werden (KG. NJW. 1957 275). Nach § 59 Abs. 1 Satz 2 JGG. ist nach Jugendstrafrecht im Urteil ausgesprochene Anordnung oder Ablehnung der Strafaussetzung mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar. Hier bedeutet die Beschränkung der Revision auf die Anordnung oder Ablehnung der Strafaussetzung den Übergang zur sofortigen Beschwerde, über die nicht das Revisionsgericht als solches zu entscheiden hat (BGHSt. 6 206: K l e i n k n M Anm. 6).
§ 368 b Bei der Urteilsfällung ist zugleich von Amts wegen über die Fortdauer der Untersuchungshaft oder einstweiligen Unterbringung zu entscheiden. Der Beschluß igt mit dem Urteil zu verkünden. Entstehungsgeschichte: Eingefügt durch das 3. Strafrechtsänderungsgesetz vom 4. August 1953 (BGBl. I S. 735). 1. Eine Entscheidung über die Haftfortdaner im Zusammenhang mit der Urteilsfällung war bisher nicht ausdrücklich vorgeschrieben, in der Praxis aber üblich. § 268b legt diesen Brauch gesetzlich fest. Er entscheidet zugleich die Streitfrage, ob das erkennende Gericht über die Haftfortdauer auch dann beschließen dürfe, wenn das Urteil alsbald mit der Verkündung rechtskräftig wird, sei es, daß alle Anfechtungsberechtigten auf Einlegung eines Rechtsmittels verzichten, sei es, daß gegen das Urteil überhaupt kein Rechtsmittel gegeben ist. § 268b unterscheidet nicht zwischen
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§ 268b Anm. 2, 3 § 269 Anm. 1
anfechtbaren und solchen Urteilen, die mit der Verkündung oder alsbald nach ihr rechtskräftig werden, sondern begründet die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts für die Entscheidung über die Haftfortdauer für jeden Fall ohne Ausnahme. Die Haftfortdauer wird allerdings regelmäßig nicht mehr wegen Verdunkelungsgefahr — jedenfalls dann, wenn das Urteil alsbald rechtskräftig wird — sondern nur noch wegen Fluchtverdachts angeordnet werden können. Die Frage, ob gegen den auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten im Zusammenhang mit dem Erlaß des Urteils Haftbefehl ergehen kann, wird durch § 268 b nicht entschieden. Sie muß bejaht werden, wenn auch bei den mit der Verkündung rechtskräftig werdenden Urteilen Verdunkelungsgefahr als Haftgrund wohl stets ausscheiden wird (ebenso E b S c h m i d t Anm. 2; Schneidewin NJW. 1954 298; KleinknM Anm.l; OLG. Hamm NJW. 1954 403; a. A. Wolff NJW. 1954 60). Für den Unterbringungsbefehl, gilt das gleiche. 2. Zeitpunkt der Verkündung. Der Beschluß über die Aufhebung des Haftbefehls oder die Fortdauer der Haft ist mit dem Urteil zu verkünden. Auch hier besagt die Wendung, daß die Verkündung des Urteils und die Verkündung des Beschlusses über die Haftfortdauer in natürlichem Sinne eine Einheit bilden und diese zur Verkündung des Urteils hinzugehört, auch wenn sie der Bekanntmachung des Urteils zeitlich erst nachfolgt. Die mit der Urteilsfällung notwendig werdenden Entscheidungen werden demnach regelmäßig in folgender Reihenfolge zu verkünden sein: Verlesung des Urteilsspruches, mündliche Urteilsbegründung, Verkündung des Beschlusses nach § 268a mit Belehrung oder Verkündung des Beschlusses über die Haftfortdauer, Belehrung des Verurteilten über das gegen das Urteil zulässige Rechtsmittel (§ 35 a), Belehrung gem. § 115. Trifft die Entscheidung über die Aufhebung des Haftbefehls mit einem Beschluß nach § 268a zusammen, ist nicht vorgeschrieben, in welcher Reihenfolge diese beiden Beschlüsse zu verkünden sind. 3. Unterlassung der Beschlußfassung. Unterläßt es das Gericht entgegen § 268 b versehentlich, einen Beschluß über die Haftfortdauer zu fassen, so kann es das Versäumnis jederzeit von Amts wegen oder auf Antrag nachholen. Unterbleibt nur die Verkündung, muß der Beschluß zugestellt werden. In Eilfällen, vor allem wenn nach Freisprechung des Angeklagten die Aufhebung des Haftbefehls übersehen ist, kann der Vorsitzende nach § 124 Abs. 2 und 3 im Einvernehmen mit der Staatsanwaltschaft allein handeln. Unterbleibt die Beschlußfassung oder die Verkündung, wird der Haftbefehl nicht von selbst unwirksam (Kl einknM Anm. 3).
§ 369 Das Gericht darf sich nicht für unzuständig erklären, weil die Sache vor ein Gericht niederer Ordnung gehöre. Entstehungsgeschichte: I. Entw. §218. II. Entw. §225. III. Entw. §228. Änderungsversuche: NE I und II § 252 Abs. 1. NE III § 255 Abs. 1. 1. Zuständigkeit. In § 269 ist nur von der sachlichen Zuständigkeit im engeren Sinn, d. h. von der Zuständigkeit der ordentlichen Strafgerichte in ihrem Verhältnis zueinander, die Rede. Wegen der örtlichen Zuständigkeit vgl. §§16—18, wegen der besonderen Gerichte: GVG. § 13. Nach der Auffassung der StPO. schließt die größere sachliche Zuständigkeit die geringere ein (Mot. S. 194). An sich gehört die sachliche Zuständigkeit zu den — in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfenden — Prozeßvoraussetzungen, wobei das Fehlen der Prozeßvoraussetzung grundsätzlich zur Einstellung des Verfahrens führen muß. Es ist der Sinn des § 269, daß, soweit seine Voraussetzungen reichen, diese Folge nicht eintritt und der Fehler der sachlichen Zuständigkeit unbeachtlich ist, wenn ein Gericht höherer Ordnung mit der Sache befaßt ist ( E b S c h m i d t Anm.l). Im Verhältnis der Jugendgerichte zu den Erwachsenengerichten nahm die Rechtsprechung auf Grund des JGG. eine Zeitlang an, daß es sich um Gerichte verschiedener Gerichtszweige handle, auch wenn sie beide zur ordentlichen Gerichtsbarkeit gehörten, so daß im Verhältnis zwischen ihnen die Frage, ob es sich im Sinne des § 269 um Gerichte höherer oder niederer Ordnung handle, gar nicht auftauchen könne (BGHSt. 7 26). Von dieser sehr formalistischen, durch sachliche Gründe kaum gestützten Rechtsauffassung ist der Beschluß des Großen Senats für Strafsachen vom 5. 10. 1962 (BGHSt. 18 79) abgegangen. Er hat erfreulicherweise anerkannt, daß Jugendgerichte und Erwachsenengerichte Abteilungen — wenn auch kraft Gesetzes verschieden besetzte Abteilungen — der ordentlichen Gerichte sind, bei denen zwar die vom Gesetz
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§ 269 Anm. 2, 3 § 270 Anm. 1
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angeordnete unterschiedliche Besetzung auf entsprechende Rüge notfalls als Verfahrensfehler berücksichtigt werden müsse, aber nicht von Amts wegen als Verfahrensvoraussetung beachtet zu werden brauche. Von dieser Betrachtung her kann auch zwischen Jugendgerichten und Erwachsenengerichten einmal das Verhältnis von Gerichten höherer und niederer Ordnung im Sinne des § 269 bestehen. 2. Anwendungsfälle. Dem § 269 ist angesichts seines Zwecks eine möglichst weite Ausdehnung zu geben; er ist auch anzuwenden, wenn die Zuständigkeit eines Gerichts niederer Ordnung schon aus dem Eröffnungsbeschluß ersichtlich war (RGSt. 16 39); ebenso, wenn das Gericht höherer Ordnung durch eine sachlich zu Unrecht erlassene Unzuständigkeitserklärung des Gerichts niederer Ordnung mit der Sache befaßt worden ist (RGR. 7 641; RGSt. 44 395, 62 271). Aber auch wenn der Verweisungsbeschluß nicht formgerecht zustande gekommen ist, wird dieAnwendung des § 269 hierdurch nicht schlechthin ausgeschlossen (RGSt. 62 271; vgl. jedoch auch BGHSt. 6 109). Ferner sind auch die Forst- und Feldrügesachen der Anwendung des § 269 unterworfen (RGSt. 13 383). Trifft eine vor einem Gericht niederer Ordnung verfolgte Straftat mit einer Straftat, die zur Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung gehört und bei ihm verfolgt wird, in Tateinheit zusammen, so gebührt der Vorrang grundsätzlich nicht dem Gericht, bei dem die Sache zuerst anhängig geworden ist, sondern dem Gericht, vor dem die umfassendere, die Sache erschöpfende Aburteilung möglich ist (RGSt. 70 337). 3. Als ein Gericht niederer Ordnung ist auch der Amtsrichter im Verhältnis zum Schöffengericht anzusehen, während der Unterschied zwischen dem dreigliedrigen und dem erweiterten Schöffengericht nicht die Zuständigkeit, sondern nur die Besetzung betrifft (RGSt. 62 270; Klef i s c h JW. 1926 2236, O e t k e r GerS. 90 363. B e l i n g 63 Anm. 3).
§370 (1) Hält ein Gericht nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet, so verweist es die Sache durch Beschluß an das zuständige Gericht. (2) In dem Beschluß werden die Tat, die dem Angeklagten zur Last gelegt wird, die strafbare Handlung, die sie darstellt, und die anzuwendenden Strafgesetze angeführt. (3) Der Beschluß hat die Wirkung eines das Hauptverfahren eröffnenden Beschlusses und muß den Erlordernissen eines solchen entsprechen. Seine Anfechtbarkeit bestimmt sich nach den Vorschriften des § 210. (4) Ist der Verweisungsbeschluß von einem Amtsrichter oder einem Schöffengericht ergangen, so kann der Angeklagte, falls nicht eine Voruntersuchung stattgefunden hat, innerhalb einer bei der Bekanntmachung des Beschlusses zu bestimmenden Frist die Vornahme einzelner Beweiserhebungen vor der Hauptverhandlung beantragen. Über den Antrag entscheidet der Vorsitzende des Gerichts, an das die Sache verwiesen ist. Entstehungsgeschichte: I. Entw. §219. II. Entw. § 226. III. Entw. § 229. Die geltende Fassung beruht auf dem VereinheitlGes. vom 12. 9.1950, das den Abs. 2 einfügte und im übrigen der Vorschrift zum Teil eine andere Fassung gab, ohne damit sachliche Änderungen zu verbinden. Änderungsversuche: NE I und II § 252. NE III § 255 Abs. 2,3. NE IV Art. IV 21. NE V Art. IV 24. 1. Sachliche Zuständigkeit. Wie § 269 so betrifft auch § 270 nur die sachliche Zuständigkeit im engeren Sinn (RGSt. 42 265). Während aber im Falle des § 269 das mit der Sache befaßte sachlich an sich unzuständige Gericht das Verfahren in diesem Rechtszug durch Sachurteil abschließt, muß im Falle des § 270 das sachlich unzuständige Gericht die Sache an das sachlich zuständige Gericht höherer Ordnung verweisen. Die Gerichte der höheren Ordnung werden vom Gesetz zugleich als Gerichte mit höherer Rechtsgarantie angesehen mit der Folge, daß der Angeklagte, der durch ein Gericht höherer Ordnung abgeurteilt wird, obwohl ein Gericht einer niederen Ordnung dazu ausgereicht hätte, dadurch keinen Rechtsnachteil erleidet, wohl aber umgekehrt der Angeklagte als benachteiligt angesehen werden müßte, der, obwohl seine Sache vor ein Gericht höherer Ordnung gehört hätte, es hinnehmen müßte, von dem Gericht niederer
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Sechster Abschnitt. Hauptverhandlung (Geier)
§270 Anm. 2
Ordnung und damit von einem Gericht mit geringeren Rechtsgarantien abgeurteilt zu werden. Für Privatklagen gilt nicht § 270, sondern § 389 ( H e r r m a n n DJZ. 1908 809). Die örtliche Zuständigkeit wird vorausgesetzt. § 270 ist im Falle örtlicher Unzuständigkeit auch nicht entsprechend anwendbar ( E b S c h m i d t Anm. 3; K l e i n k n M Anm. l a ) . 2. Voraussetzungen des Verweisungsbeschlusses. a) Zeitpunkt. Der Verweisungsbeschluß ist zu erlassen, wenn nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung begründet ist. Der Verweisungsbeschluß setzt also in der Regel eine Hauptverhandlung voraus (RGSt. 52 306, 62 271, BGHSt. 6 109). Das hat seinen guten Sinn. Der Eröffnungsbeschluß ist nur unter besonderen Voraussetzungen anfechtbar (§ 210 Abs. 2). Es kann dem Gericht, vor dem das Hauptverfahren eröffnet worden ist, nicht freistehen, sich für unzuständig zu erklären und die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung zu begründen, ohne daß neue Tatumstände zu Tage getreten sind, die eine andere rechtliche Beurteilung begründen können. Ist also das Hauptverfahren eröffnet, so kann sich das Gericht vor der Hauptverhandlung nicht mehr für unzuständig erklären und die Sache an ein Gericht höherer Ordnung verweisen (KG. H R R . 1935 Nr. 1720). Diese Rechtsansicht ist nicht ohne Widerspruch geblieben ( E b S c h m i d t Anm. 4; K l e i n k n M Anm. 2; P e t e r s in der Anmerkung zu BGHSt. 6 109 in J Z . 1955 53). Den kritischen Stimmen wird man zugestehen müssen, daß insbesondere die sehr entschiedene kompromißlose Auffassung in BGHSt. 6 109 der Ergänzung bedarf. Auch die Darlegungen dieser Entscheidung sind im Hinblick auf die dort gegebene Tatsachengrundlage zu verstehen. Sie war dadurch gekennzeichnet, daß das Landgericht einen ihm von der Staatsanwaltschaft unterbreiteten Sachverhalt, für den hinreichender Tatverdacht bestand, im Eröffnungsbeschluß in Übereinstimmung mit der Auffassung der Staatsanwaltschaft als Verletzung des § 90 a StGB, gewürdigt hatte. Nachträglich meinte das Landgericht, man könne in dem ihm unterbreiteten Sachverhalt, ohne daß auch nur im geringsten zwischenzeitlich eine Änderung im tatsächlichen Verdacht eingetreten war, auch die Merkmale des § 81 StGB, finden, eine Auffassung, die man — wenn überhaupt — nur vom Boden einer zur Zeit jener Entscheidung schon überholten Rechtsansicht vertreten konnte. Auch P e t e r s JZ. 1955 54 erkennt an, daß in einem solchen Falle, in dem schon in der Anklageschrift und im Eröffnungsbeschluß die die höhere Zuständigkeit begründenden Tatsachen keinen hinreichenden Ausdruck gefunden haben, eine mindestens zweifelhafte Lage gegeben sei, die es verbiete, noch vor der Hauptverhandlung einen Verweisungsbeschluß nach § 270 zu fassen. Mit Recht hebt er hervor, daß es grundsätzlich der Autorität der Gerichte entspreche, einen einmal eingeschlagenen Weg fortzusetzen und ihn erst nach sorgfältiger Prüfung aufzugeben. In all diesen Fällen verdient die Entscheidung BGHSt. 6 109 Anerkennung, mit dem Unterschiede allerdings, daß der Verweisungsbeschluß, wenn er trotzdem ergeht, nicht als „unwirksam", d. h. als nichtig in dem Sinne anzusehen ist, daß er als nicht vorhanden angesehen werden dürfte, sondern als unzulässig mit der Folge, daß das übergeordnete Gericht die Zulässigkeit des Beschlusses prüfen darf und durch den unzulässig ergangenen Verweisungsbeschluß nicht gebunden ist. Eine wenn auch begrenzte Wirkung des unzulässigerweise ergangenen Verweisungsbeschlusses zeigt sich darin, daß das übergeordnete Gericht zu ihm Stellung nehmen und sich für unzuständig erklären muß, wie es im Falle BGHSt. 6 109 der Sache nach auch geschah. Daneben gibt es aber Fälle, in denen die Zuständigkeit des übergeordneten Gerichts außer jedem Zweifel steht. Zu denken ist an die immer wieder vorkommenden Fälle, in denen bei der Eröffnung des Hauptverfahrens vor der Großen Strafkammer übersehen wurde, daß schon nach dem Vorwurf der Anklage die Zuständigkeit des Schwurgerichts (§ 80 GVG.) gegeben ist. Weiter kommen die Fälle in Betracht, daß nach der Eröffnung des Hauptverfahrens Vorstrafen bekannt werden, die einen schwereren Vorwurf begründen (Fall des RGSt. 52 305), oder daß die den Vorwurf der Anklage bildende Körperverletzung nach der Eröffnung des Hauptverfahrens zum Tode des Opfers führt und dadurch nachträglich wegen der Todesfolge die Zuständigkeit des Schwurgerichts begründet wird. Müßte das Gericht, vor dem das Hauptverfahren eröffnet wurde, in einem solchen Falle erst zur Hauptverhandlung schreiten, um den Verweisungsbeschluß nach § 270 zu fassen, obwohl schon vorher sicher ist, daß es dazu kommen muß, müßte darin in der Tat eine leere, sinnlose Förmlichkeit gesehen werden. In solchen Fällen muß mit P e t e r s J Z . 1955 54, E b S c h m i d t Anm. 4 und K l e i n k n M Anm. 2 die Möglichkeit bejaht werden, daß der Verweisungsbeschluß auch ohne Hauptverhandlung zulässigerweise und für das übergeordnete Gericht verbindlich ergehen darf. 71
L ö w e - R o s e n b e r g , StPO. 21. Aull.
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§270
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Ânm. 3 Kommt es, wie es im Regelfalle notwendig ist, zur Hauptverhandlung, braucht sie nicht notwendig durch Erhebung aller für die Beurteilung der Schuld des Angeklagten zu Gebote stehender Beweise durchgeführt zu werden; vielmehr hat das Gericht — und zwar auch, wenn keine Voruntersuchung stattgefunden hat und die Verweisung an das Schwurgericht erforderlich wird, — sich für unzuständig zu erklären und die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen, sobald sich in der Verhandlung ein die höhere Zuständigkeit begründender Verdacht ergibt, wonach es also vom pflichtmäßigen Ermessen des Tatrichters abhängt, in welchem Zeitpunkt der Verweisungsbeschluß zu erlassen ist (RGSt. 64 180; T r a u t GerS. 59 193ff., G e r l a n d 373, B e l i n g 386 Anm. 1). Insbesondere ist die Erklärung der Unzuständigkeit alsbald nach Verlesung des Eröffnungsbeschlusses (§ 243 Abs. 2) abzugeben, sofern aus diesem hervorgeht, daß die höhere Zuständigkeit begründet und das Hauptverfahren nur aus Versehen vor dem Gericht niederer Ordnung eröffnet worden ist (RGSt. 8 251, 9 327, 41 408, 64 180). b) Neue Tatumstände. Regelmäßig werden in der Hauptverhandlung neu zu Tage tretende Umstände dazu führen, daß das Gericht die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung für begründet erachtet. Hinsichtlich des Beweises der neuen Tatumstände, die für die rechtliche Würdigung der Tat und für die von ihr abhängige Zuständigkeit des Gerichts erheblich sind, hat das Gericht sich auf den Standpunkt des über die Eröffnung des Hauptverfahrens beschließenden Richters zu stellen, wie dies aus der in Abs. 3 ausgesprochenen Gleichstellung des Verweisungsbeschlusses mit dem Eröffnungsbeschluß hervorgeht. Es ist also nicht erforderlich, daß das Gericht diese Tatumstände für ü b e r z e u g e n d b e w i e s e n , es genügt vielmehr, daß es sie für hinreichend w a h r s c h e i n l i c h erachtet (Mot. zu § 229 Entw. Hahn Mat. 1 213; RGSt. 64 180; RG. GA. 50 284, 69 94; RG. HRR. 1937 Nr. 70). 3. Zuständigkeit für eigene Entscheidung. Treten in der Verhandlung Umstände neu hervor, aus denen sich die Zuständigkeit des höheren Gerichts für den Fall des Angeklagten ergeben würde, begründet aber andererseits der Inbegriff der Verhandlung die Überzeugung des Gerichts davon, daß der Angeklagte die Tat nicht begangen hat, oder daß seine Täterschaft keinesfalls erwiesen werden kann, so hat das Gericht keinen Verweisungsbeschluß zu erlassen, sondern durch Urteil auf Freisprechung zu erkennen (Bischoff GA. 44 81ff., T r a u t GerS. 59 215ff.; a. M. G e r l a n d 373). Entsprechend ist zu verfahren, sofern das Gericht aus der Verhandlung zwar den Verdacht eines zur höheren Zuständigkeit führenden Umstands, aber zugleich die Uberzeugung davon schöpft, daß ein Grund vorliegt, der die Strafe ausschließt. Da also die Einstellung wegen Verjährung nach Eröffnung des Hauptverfahrens nicht notwendig durch das zur Sachentscheidung berufene Gericht geschehen muß und da die Einstellung durch Beschluß zulässig ist, falls die Verjährung ohne Hauptverhandlung einwandfrei festgestellt werden kann (RGSt. 53 276; § 206a), steht dem nichts im Weg, daß die Strafkammer, während die Zuständigkeit des Schwurgerichts angenommen wird, beim sicheren Nachweis der Verjährung die Einstellung beschließt, statt zur Hauptverhandlung zu schreiten, damit an das Schwurgericht verwiesen werde, bei dem die Entscheidimg außerhalb der Tagung wiederum durch die Strafkammer zu treffen wäre (BayObLG. JW. 1929 149223; M a n n h e i m ebenda). Von dem Fall, daß das Gericht von den tatsächlichen Annahmen der Anklageschrift und des Eröffnungsbeschlusses aus seine Zuständigkeit zu Recht bejaht hat und nur prüfen muß, ob in der Hauptverhandlung neu zu Tage tretende Umstände es dazu zwingen, einen Verweisungsbeschluß nach § 270 zu erlassen, ist deutlich der andere Fall zu unterscheiden, daß von den tatsächlichen Annahmen der Anklageschrift und des Eröffnungsbeschlusses aus von Anfang an die Zuständigkeit eines höheren Gerichts gegeben war, das erkennende Gericht von dieser (hypothetischen) Tatsachengrundlage aus also seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat, die Hauptverhandlung aber, abweichend vom Eröffnungsbeschluß, zu einem tatsächlichen Ergebnis führt, dessen Beurteilung in die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts fällt. Einen solchen Fall betrifft BGHSt. 1 346 = MDR. 1952 117f. mit sehr lesenswerter Anmerkung von D a l l i n g e r . In diesem Falle war gegen den Angeklagten wegen des Vorwurfs des versuchten besonders schweren Raubes (§§ 251, 43 StGB.) das Hauptverfahren versehentlich vor der großen Strafkammer statt vor dem Schwurgericht eröffnet worden. Nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung hielt das Landgericht nur einen versuchten schweren Raub gemäß den §§ 250 Abs. 1 Nr. 1 und 3, 43 StGB, für erwiesen und verurteilte den Angeklagten dementsprechend, ohne daß hinsichtlich der V e r u r t e i l u n g die Große Strafkammer ihre Zuständigkeit überschritt. Die u. a. auf die Verletzung des § 338 Nr. 4 gestützte Revision wurde vom BGH. mit der Begrün-
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§270 Anm. 4
dung verworfen, daß es für den unbedingten Revisionsgrund des § 338 Nr. 4 darauf ankomme, ob das Gericht seine Zuständigkeit beim U r t e i l zu Unrecht angenommen habe. Ob dieser Entscheidung, soweit sie § 338 Nr. 4 betrifft, zuzustimmen ist, braucht hier nicht untersucht zu werden. Vielleicht läßt sie sich im Ergebnis durch die Erwägung rechtfertigen, daß der Angeklagte nicht dadurch beschwert sei, daß er wegen einer strafbaren Handlung von einem zur Aburteilung solcher strafbarer Handlungen sachlich zuständigen Gericht verurteilt und nur von dem weiterreichenden, an sich die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung begründenden Vorwurf durch das unzuständige Gericht „freigesprochen" wurde. Selbst wenn sich mit solchen oder ähnlichen Erwägungen BGHSt. 1 346 im Ergebnis halten ließe, wäre damit noch nicht das letzte Wort darüber gesprochen, ob das Landgericht in jenem Falle in jedem Betracht einwandfrei verfahren ist. Das muß mit D a l l i n g e r MDR. 1952 118 und ihm folgend E b S c h m i d t Anm. 9—12 verneint werden. Das Gericht, das zur Aburteilung derjenigen Tat sachlich zuständig ist, derentwegen das Hauptverfahren vor ihm eröffnet worden ist, hat zwar in eigener Zuständigkeit zu prüfen, ob ein im Laufe der Hauptverhandlung zu Tage tretender Verdacht, der, wenn er erwiesen würde, seine Zuständigkeit zur Aburteilung der Tat überschreiten würde, so erheblich ist, daß er die Verweisung der Sache an ein Gericht höherer Zuständigkeit rechtfertigen könnte. Es braucht nicht jeden auch noch so entfernten Verdacht zum Anlaß zu einem Verweisungsbeschluß nach § 270 zu nehmen. Auch die Verneinung eines zur Verweisung ausreichenden Verdachts liegt noch im Rahmen seiner Zuständigkeit ( E b S c h m i d t Anm. 7). Ganz anders ist jedoch die Sachlage, wenn dem Angeklagten in der Anklageschrift und im Eröffnungsbeschluß eine Tat vorgeworfen wird, deren Aburteilung die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts überschreitet, deren Aburteilung also nur fehlerhaft dem erkennenden Gericht zugewiesen wurde und, wenn richtig verfahren worden wäre, von Anfang an einem Gericht höherer Ordnung zur Aburteilung hätte zugewiesen werden sollen. In diesem Falle ist das Gericht, auch wenn es zur Aburteilung derjenigen Tat zuständig ist, die es nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung für erwiesen erachtet, doch rechtlich nicht befugt, verbindlich den weitergehenden Verdacht zu verneinen, der, wenn er erwiesen wäre, die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung begründen würde. Eine Strafkammer, die fehlerhafterweise vor sich — statt vor dem Schwurgericht — ein Hauptverfahren wegen des Verdachts des Mordes oder des Totschlags eröffnet, heilt den Fehler nicht dadurch, daß sie nach durchgeführter Hauptverhandlung nur eine fahrlässige Tötung für erwiesen hält. Für die Zuständigkeit zur Verhandlung und die Notwendigkeit einer Verweisung nach § 270 ist es gleichgültig, was das Gericht im Ergebnis für erwiesen erachtet, entscheidend ist nur, ob sich aus dem Eröffnungsbeschluß der hinreichende V e r d a c h t einer strafbaren Handlung ergibt, die nur durch ein Gericht höherer Ordnung abgeurteilt werden darf, oder ob sich im Laufe der Verhandlung ein solcher Verdacht ergibt. D a l l i n g e r MDR. 1952 118 und E b S c h m i d t Anm. 1 weisen mit Recht darauf hin, daß diese Einsichten der älteren reichsgerichtlichen Rechtsprechung (RGSt. 8 248, 251; 9 324, 327) ganz geläufig waren, später aber anscheinend in Vergessenheit geraten sind (teilweise anderer Meinung KleinknM Anm. 3). 4. Sachliche Unzuständigkeit anderer Art. Durch § 270 werden unmittelbar nur diejenigen Fälle geregelt, in denen es sich darum handelt, wie die sachlichen Zuständigkeiten vor Gerichten höherer und niederer Ordnung im Verhältnis zueinander gewahrt werden sollen. Daneben gibt es sachliche Zuständigkeitsabgrenzungen gleichgeordneter Gerichte. So ist die durch § 74a GVG. bestimmte Strafkammer zwar ein Gericht höherer Ordnung im Verhältnis zu allen Amtsgerichten des Oberlandesgerichtsbezirks, so daß im Verhältnis zwischen ihnen und der zentralen Strafkammer § 270 anzuwenden ist. Im Verhältnis zu allen anderen Strafkammern des Oberlandesgerichtsbezirks ist die durch § 74 a GVG. bestimmte Strafkammer jedoch kein Gericht höherer Ordnung. Ihr Verhältnis zueinander berührt die örtliche Zuständigkeit, so daß die Zuständigkeit, falls es überhaupt zu einem Streit zwischen mehreren Kammern kommen sollte, letztlich im Wege des § 14 entschieden werden müßte. Auch im Verhältnis der Jugendgerichte zu den Erwachsenengerichten handelt es sich um sachliche Zuständigkeitsabgrenzungen, die nicht im Verhältnis von Gerichten höherer und niederer Ordnung gesehen werden können. Sie sind nach der Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen vom 5.10.1962 (BGHSt. 18 79) zwar nicht mehr als von Amts wegen zu beachtende Verfahrensvoraussetzungen zu behandeln, müssen aber doch auf Rüge beachtet werden, falls Fehler unterlaufen sind. Eine ausdrückliche Vorschrift findet sich nur für den Unterfall des § 103 Abs. 3 JGG. Im übrigen wird man mit 71*
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Anm. 5—9 BayObLG. NJW. 1961 1829 annehmen dürfen, daß einander gleichgeordnete Jugendgerichte und Erwachsenengerichte Zuständigkeitsversehen im gegenseitigen Einvernehmen aus der Welt schaffen dürfen. 5. Keine andere Entscheidung neben Verweisungsbeschluß. Wenn wegen veränderter rechtlicher Würdigung der Tat ein Verweisungsbeschluß zu erlassen ist, darf das Gericht nicht daneben ein f r e i s p r e c h e n d e s U r t e i l hinsichtlich des im Eröffnungsbeschluß angegebenen Strafgesetzes, erlassen (RGSt. 3 4; 61 225). — Dagegen ist, wenn sich in einer m e h r e r e v e r b u n d e n e Strafsachen umfassenden Verhandlung (§§ 4, 237) die Unzuständigkeit des Gerichts wegen e i n e r dieser Sachen ergibt, regelmäßig in den übrigen das Urteil zu erlassen und auf sie die Unzuständigkeitserklärung nur zu erstrecken, falls besondere Gründe die gleichzeitige Aburteilung der verbundenen Sachen erheischen ( T r a u t GerS. 57 322ff.). Das Gericht höherer Ordnung hat jedoch in a l l e n Sachen auf die sich die Unzuständigkeitserklärung erstreckt, zu verhandeln und zu entscheiden (RG. GA. 37 179). 6. Erklärung von Amts wegen. Die Erlassung eines Verweisungsbeschlusses ist von keinem Antrag abhängig. — Findet das Gericht einen auf Verweisung gerichteten Antrag unbegründet, so verwirft es ihn, indem es zugleich in der Sache selbst erkennt. 7. Verweisung im Rechtsmittelverfahren. Die Verweisung muß in jeder Lage des Verfahrens, auch vom Rechtsmittelgericht, ausgesprochen werden, sobald ersichtlich ist, daß ihre Voraussetzungen gegeben sind, denn die Zuständigkeit eines höheren Gerichts ist für das niedere ein Verfahrenshindernis. Die Verweisung vor das für zuständig erachtete, in dem Beschluß zu bezeichnende Gericht ist auch auszusprechen, wenn dieses Gericht nicht das der zunächst höheren Ordnung ist. — Begründet die Revision die Aufhebung des Berufungsurteils, so erfolgt die Verweisung, sofern ihre Voraussetzung erfüllt ist, in Anwendung der §§ 270, 328 Abs. 3, 354 durch das Revisionsgericht, das hierbei auch das schöffengerichtliche Urteil aufzuheben hat (RGSt. 61 326). — Hat die Strafkammer über eine Tat geurteilt, zu deren Aburteilung das Schwurgericht zuständig war, so muß das Revisionsgericht das angefochtene Urteil auf Grund einer von Amts wegen einsetzenden Prüfung (RGSt. 60 256, 67 58, 68 19) aufheben und die Sache an das Schwurgericht verweisen (RG. HRR. 1939 Nr. 1285). Hat das Schöffengericht im Schnellverfahren nach § 212 über ein Verbrechen erkannt, dessen Aburteilung zur Zuständigkeit der großen Strafkammer gehörte, und hat das Oberlandesgericht als Revisionsgericht die Sache durch Urteil an die Große Strafkammer des ersten Rechtszugs zur Erledigung im gewöhnlichen Verfahren verwiesen, so ersetzt der Verweisungsbeschluß des Oberlandesgerichts den fehlenden Eröffnungsbeschluß (RGSt. 68 332). 8. Erfordernisse des Verweisungsbeschlusses. Erfordernisse und Inhalt des Verweisungsbeschlusses entsprechen denen des Eröffnungsbeschlusses (Abs. 2 und Abs. 3 Satz 1). Auf § 207 und Anm. 2 dazu wird verwiesen. Auch wenn § 270 nicht ausdrücklich auf § 207 verweist, entspricht es doch dem Zweck beider Vorschriften, daß das Gericht beim Verweisungsbeschluß zugleich von Amts wegen über die Anordnung oder die Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung beschließt (§207 Abs. 2). Die Vervollständigung eines mangelhaften Beschlusses ist zulässig (RGR. 5 227, 9 439, RG. GA. 37 191, 286, 64 372). Der Vorsitzende des Gerichts, an das die Sache verwiesen ist, kann den Beschluß mündlich erläutern und ergänzen (RGSt. 54 294, 59 360, 62 272, 68 335). 9. Wirkung des Verweisungsbeschlusses. Der die Unzuständigkeit aussprechende Beschluß hat die Wirkung, daß die Hauptverhandlung vor dem als zuständig bezeichneten Gericht stattfinden m u ß , wie wenn dieses auf dem gewöhnlichen Weg mit der Sache befaßt worden wäre. Insbesondere darf das bezeichnete Gericht die Einlassung auf die Sache nicht wegen Mangelhaftigkeit des Beschlusses verweigern (RG. GA. 37 191; RGSt. 55 243), es sei denn, daß die Mängel von der Art sind, daß sie dem Beschluß jede Wirkung nehmen. Das ist der Fall, wenn bei ihm nicht die erforderliche Anzahl von Richtern mitgewirkt hat, so wenn das Gericht unzulässigerweise (oben Anm. l a ) außerhalb der Hauptverhandlung die Verweisung beschließt und das Gericht in und außerhalb der Hauptverhandlung verschieden besetzt ist (BGHSt. 6 109). Abgesehen davon wird durch eine Verweisung nach § 270 der Eröffnungsbeschluß auch dann ersetzt, wenn sie zu Unrecht ausgesprochen worden ist (RGSt. 68 332). Auch für die Entscheidung ist der Beschluß in derselben Weise wie ein Eröffnungsbeschluß maßgebend (§ 243 Anm. 4 c). — Eine Zurückweisung der Sache an das früher befaßte Gericht ist nach §269 unzulässig; dagegen würde das
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§270 Anm. 10—12
nunmehr verhandelnde Gericht nicht gehindert sein, geeignetenialls die Sache wiederum an ein Gericht höherer Ordnung zu verweisen (RG. GA. 50 275). Darüber, daß § 270 hinsichtlich der Notwendigkeit einer Voruntersuchung den § 178 einschränkt, s. dort Anm. 15. 10. Bekanntmachung des Verweisungsbeschlusses. Für die Bekanntmachung gilt § 35. Dem Angeklagten ist der Beschluß durch Zustellung bekanntzumachen, falls er nicht bei der Verkündung anwesend war (RGSt. 4 373). Mit der Bekanntmachung beginnt für die Staatsanwaltschaft die Beschwerdefrist. Für den Angeklagten beginnt eine Frist nur, wenn ihm eine solche nach Abs. 4 gesetzt wird. 11. Dasselbe Hauptverfahren. Ein neues Hauptverfahren wird durch den Verweisungsbeschluß nicht eröffnet. Infolgedessen brauchen Zeugen, die schon in der Verhandlung vor dem verweisenden Gericht eidlich vernommen wurden, nicht nochmals vereidigt zu werden, dürfen vielmehr die Richtigkeit gemäß §67 versichern (ebenso KleinknM Anm. 10; a. A. B b S c h m i d t Anm. 4 zu § 67 und oben Anm. l b ) bb) zu § 67). Die Aussage eines Zeugen, der auf Anordnung des zuerst mit der Sache befaßten Gerichts durch einen ersuchten Richter vernommen wurde, darf verlesen werden (RG. LZ. 9 697). Der Angeklagte muß jedoch auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts hingewiesen werden, wenn das Gericht, an das die Sache gemäß § 270 verwiesen ist, nunmehr wieder im Sinn des Eröffnungsbeschlusses verurteilen will (RGSt. 65 363). 12. Anfechtbarkeit des Beschlusses. Abs. 3 Satz 2. a) Dem Angeklagten steht eine Anfechtung des Verweisungsbeschlusses in keinem Fall zu (RGSt. 3 311; RGR. 5 691). b) Hinsichtlich der Staatsanwaltschaft führt die entsprechende Anwendung des § 210 dazu, daß ihr die (sofortige) Beschwerde nur zusteht, wenn sie die Verweisung beantragt hatte, der Beschluß die Sache nicht an das im Antrag bezeichnete, sondern an ein Gericht niederer Ordnung verwiesen hat, oder wenn das Gericht bei der Beschlußfassung seine gesetzlichen Befugnisse überschritten hat (§ 210 Anm. 2). E b S c h m i d t Anm. 16 und KleinknM Anm. 11 nehmen an, daß der Staatsanwaltschaft die sofortige Beschwerde auch zustehe, wenn das Gericht in der Hauptverhandlung die von der Staatsanwaltschaft beantragte Verweisung ganz ablehne. Dem kann nicht zugestimmt werden. Die Ablehnung der Verweisung durch das erkennende Gericht ist eine der Urteilsfällung vorausgehende Entscheidung im Sinne des § 305. Sie kann nur zusammen mit dem Urteil angefochten werden. Hätte etwa im Falle BGHSt. 1 346 der Vertreter der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung beantragt, die Sache an das zuständige Schwurgericht zu verweisen und hätte das Gericht diesen Antrag abgelehnt, hätte die Staatsanwaltschaft mit der Revision geltend machen dürfen, daß die Strafkammer die Merkmale des versuchten besonders schweren Raubes verneint habe, ohne für diese Entscheidung zuständig zu sein. Da das Hauptverfahren wegen des Vorwurfs des versuchten besonders schweren Raubes eröffnet worden war, wenn auch fälschlicherweise vor der Strafkammer statt vor dem Schwurgericht, hätte die Rüge der mangelnden Zuständigkeit auch ohne Antrag auf Verweisung und Ablehnung dieses Antrags zum Erfolg führen müssen. Der Gedanke, daß die entsprechende Anwendung des § 210 dazu führen müsse, die Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens der Ablehnung eines Verweisungsantrags gleichzustellen, wäre ein Trugschluß. Der Beschluß, der die Eröffnung des Hauptverfahrens ablehnt, schließt das Verfahren überhaupt ab, wenn er nicht anfechtbar wäre. Der Beschluß, der die Verweisung ablehnt, ist nur eine Zwischenentscheidung, deren Richtigkeit mit der Nachprüfung des in der Sache ergehenden Urteils nachgeprüft werden kann. Ob die Ermittlungen des vorbereitenden Verfahrens den hinreichenden Verdacht einer bestimmten strafbaren Handlung ergeben, kann neben dem Gericht, das über die Eröffnung zu entscheiden hat, und unabhängig von ihm auf der Grundlage des Ermittlungsbeschlusses auch vom Beschwerdegericht beurteilt werden. Dem Beschwerdegericht würde aber gerade für den Regelfall des § 270, ob die Hauptverhandlung einen hinreichenden Verdacht für eine die Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung begründende strafbare Handlung ergeben habe, jede einigermaßen einwandfreie Tatsachengrundlage fehlen, da die Auffassung der Staatsanwaltschaft für das Beschwerdegericht nicht verbindlich wäre, die Sitzungsniederschrift über den hinreichenden Verdacht einer die Zuständigkeit des erkennenden Gerichts übersteigenden Straftat nichts zu enthalten braucht und auch regelmäßig nichts enthalten wird und auch das erkennende Gericht durch keine Vorschrift verpflichtet ist, sich mitten in der Hauptverhandlung über den Grad eines weitergehenden Verdachts zu äußern. Auch alle inneren Gründe sprechen mithin gegen die Gleichsetzung der Ablehnung der Eröffnung des Hauptverfahrens mit dem Beschluß, der die beantragte Verweisung
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§ 2 7 0 Anm. 18,14 § 271 Anm. 1
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gem. § 270 ablehnt. Die Möglichkeit der selbständigen Anfechtung eines solchen Beschlusses durch die Staatsanwaltschaft muß deshalb verneint werden (ebenso OLG. Braunschweig GA. 1959 89 mit Anm. K l e i n k n e c h t ) . 13. Einzelne Beweiserhebungen. Abs. 4 trägt dem Umstand Rechnung, daß den schöffengerichtlichen Hauptverhandlungen oftmals keine genügende Erforschung des Sachverhalts vorausgeht. Für die Entschließung des Vorsitzenden kommt es nicht nur darauf an, daß die beantragte Beweiserhebung erheblich ist, sondern daß Gründe bestehen, die die Erhebung des Beweises vor der Hauptverhandlung erforderlich machen. Das kann zutreffen, wenn der Verlust des Beweismittels zu besorgen ist oder wenn zu erwarten ist, daß sich aus der Beweiserhebung weitere geeignete Beweismittel ergeben. Über die Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen durch einen beauftragten oder ersuchten Richter muß das Gericht entscheiden (ähnlich K l e i n k n M Anm. 12,13; E b S c h m i d t Anm. 26). 14. Revision. Auf einen Verstoß gegen die Formvorschriften des § 270 kann die Revision nur gestützt werden, wenn das Urteil des Gerichts, das auf der Grundlage eines solchen Verweisungsbeschlusses und nach Erörterung der Fehlerhaftigkeit ergangen ist, auf dem Mangel beruhen kann (RGSt. 59 300, 62 271); etwas anderes muß für den Fall gelten, daß dem Verweisungsbeschluß ein so erheblicher Mangel anhaftet, der ihm die Wirkung nimmt, daß das Gericht höherer Ordnung in rechtswirksamer Weise mit der Sache befaßt wird. Dann fehlt es für das Tätigwerden dieses Gerichts an einer Verfahrensvoraussetzung, so daß die Frage des Beruhens des Urteils auf einem Verfahrensfehler nicht auftauchen kann (BGHSt. 6 109). Bei der Prüfung dieser Frage greifen die für Mängel des Eröffnungsbeschlusses entwickelten Grundsätze sinngemäß Platz (RGSt. 61353). Das Beruhen des Urteils auf einem Fehler des Verweisungsbeschlusses kann nach der Rechtsprechung des RG. auch dann zu verneinen sein, wenn dieser außerhalb der Hauptverhandlung erlassen worden ist, ein auf Grund einer Verhandlung erlassener Beschluß aber den Angeklagten nicht hätte besser stellen können (RGSt. 52 306, 58 125, 62 272); desgleichen bei ausreichender Ergänzung eines inhaltlich lückenhaften Verweisungsbeschlusses (RGSt. 55 242). Ergibt sich aus dem Urteil, daß das Gericht eine nach § 270 gebotene Verweisung unterlassen hat, folgt daraus seine Unzuständigkeit, die —• mindestens von dem durch dieses Verfahren Beschwerten — jederzeit gerügt werden darf und von einem Rechtsmittelgericht auch ohne Rüge von Amts wegen berücksichtigt werden muß ( K l e i n k n M Anm. 13). Wird keine Frist gemäß Abs. 4 gesetzt, kann daraus ein Revisionsgrund nur hergeleitet werden, wenn er in der Hauptverhandlung gerügt und die beantragte Aussetzung der Hauptverhandlung abgelehnt worden ist (vgl. RGSt. 62 265, 272).
§371 (1) Über die Hauptverhandlung ist ein Protokoll aufzunehmen und von dem Vorsitzenden und dein Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben. (2) Ist der Vorsitzende verhindert, so unterschreibt für ihn der älteste beisitzende Richter. Ist der Vorsitzende das einzige richterliche Mitglied des Gerichts, so genfigt bei seiner Verhinderung die Unterschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle. Entstehungsgeschichte: I. Entw. §221. II. Entw. §227. III. Entw. §230. Änderungsvorschläge: NE I und II § 263. NE III §266 Abs. 1, §41 Abs. 5. NE IV Art. IV 22. NE V Art. IV 25. 1. Verhandlungsprotokoll. Über die Abfassung der Hauptverhandlungsprotokolle vgl. S t e n g l e i n GerS. 45 81ff., O r t l o f f GA. 44 98ff. — Unter einem Protokoll ist eine lesbare Niederschrift zu verstehen, für deren Inhalt die Urkundspersonen durch ihre Unterschrift die Verantwortung übernommen haben. Die Tonbandaufnahme über eine Verhandlung ist daher kein Protokoll ( E b S c h m i d t JZ. 1956 206; R ö h l JZ. 1956 591). Bei einer mehrtägigen Verhandlung kann an jedem Tag ein besonderesProtokoll oder auch ein einheitliches Protokoll mit nur einmaligem Abschluß aufgenommen werden (RGSt. 30 205; RG. JW. 1901 690,1925 2785). Wird die Verhandlung unterbrochen (§ 228), braucht das Protokoll nicht jedesmal abgeschlossen zu werden; doch ist die Unterbrechung und ihre Dauer darin zu vermerken. — Der Verteidiger kann demnach auch bei einer Erstreckung der Hauptverhandlung über mehrere Wochen oder Monate den Abschluß des Protokolls für bestimmte, kurze Zeitabschnitte nicht durch Anträge erwirken; jedoch widerspricht
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§271 Anm. 2
es dem Zweck des Gesetzes, wenn das Protokoll über eine mehrere Monate umfassende Verhandlung erst nach der Urteilsverkündung abgeschlossen wird ( B e n d i x ZStW. 39 12). Wechselt der Urkundsbeamte während der Hauptverhandlung, hat jeder von ihnen den von ihm beurkundeten Teil zu unterschreiben und damit abzuschließen. Dabei muß darauf geachtet werden, daß Vermerke, die für die ganze Hauptverhandlung gelten sollen und deshalb üblicherweise am Schluß des Protokolls aufgenommen werden, wie etwa die Beachtung der Vorschrift des § 257, von jedem der mehreren Urkundsbeamten in den von ihm beurkundeten Teil der Hauptverhandlung aufgenommen werden. Der Vorsitzende ist nicht gehalten, die Sitzungsniederschrift jeweils dann durch seine Unterschrift abzuschließen, wenn der Urkundsbeamte wechselt. Seine Unterschrift am Schluß der Sitzungsniederschrift deckt ihren ganzen Inhalt auch dann, wenn der Urkundsbeamte im Laufe der Verhandlung gewechselt hat (anders noch die 20. Aufl.). 2. Aufnahme des Protokolls. a) Das Protokoll ist vom U r k u n d s b e a m t e n , und zwar regelmäßig selbständig aufzunehmen; indes schließt das Gesetz eine Angabe des Inhalts durch den Vorsitzenden nicht gerade aus (vgl. insbes. § 273 Abs. 3). Die RiStV. Nr. 127 Abs. 1 Satz 1 schärfen dem Urkundsbeamten ein, „die Niederschrift über die Hauptverhandlung wegen ihrer weittragenden Bedeutung (§ 274 StPO.) besonders sorgfältig abzufassen". Sie umschreiben in Nr. 127 Abs. 1 Satz 2 die Aufgaben des Vorsitzenden zutreffend dahin, daß er die ordnungsmäßige Niederschrift, namentlich der Förmlichkeiten des Verfahrens und der Beweisanträge, überwacht, die Niederschrift auf Richtigkeit und Vollständigkeit prüft und nötige Abänderungen und Ergänzungen veranlaßt. Die Erfahrungen der Revisionsgerichte gehen leider dahin, daß manche Vorsitzenden diese Aufgabe nicht ernst genug nehmen, die ihnen vorgelegten Protokolle nicht sorgfältig genug auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüfen oder erst zu einem Zeitpunkt nachsehen, in dem die lebendige Erinnerung an die Vorgänge der Hauptverhandlung bereits verblaßt ist. Auch bei Verhandlungen, die sich über mehrere Tage oder gar über mehrere Wochen erstrecken, sollten sie es sich zur Pflicht machen, nach jedem Verhandlungstag, mindestens aber jeweils nach wenigen Verhandlungstagen die Sitzungsniederschrift gemeinsam mit dem Urkundsbeamten in allen Einzelheiten zu erörtern. Zahlreiche Beanstandungen des Verfahrens würden unterbleiben oder mindestens keinen Erfolg haben können, wenn die Vorsitzenden diese Aufgabe ernst genug nähmen; denn zahlreiche Verfahrensrügen führen nicht deshalb zum Erfolg, weil dem Gericht tatsächlich ein Fehler unterlaufen ist, sondern weil das Protokoll unaufmerksam und flüchtig geführt und überprüft ist und deshalb Unrichtigkeiten und Mängel enthält, die einer Verfahrensrüge wegen der Beweiskraft des Protokolls (§ 274) zur Stütze dienen können. Das Protokoll ist zwar der Regel nach in der Hauptverhandlung selbst aufzunehmen; doch ist eine spätere Herstellung gesetzlich nicht untersagt und oft nicht zu vermeiden. Keinesfalls kann erfordert werden, daß das Protokoll vor der Urteilsfindung fertig zu den Akten gebracht werde (RG. JW. 1930 340413). Ein Hineinschreiben in das Protokoll und die Niederschrift eines Teils des Protokolls durch den Vorsitzenden sind nicht unzulässig, da nirgends vorgeschrieben ist, daß das Protokoll von der Hand des Urkundsbeamten fertiggestellt werde, aber es bedarf der Zustimmung des Urkundsbeamten, und das Protokoll selbst muß unzweideutig erkennen lassen, daß beide Urkundspersonen die Verantwortlichkeit für die Änderung übernommen haben, damit die Ergänzung oder Umarbeitung als beweiskräftiger Teil des Protokolls (§ 274) gelten kann (RGSt. 1 242, 20 425, 22 244). Die im voraus erklärte Einwilligung des Urkundsbeamten in die dem Vorsitzenden angebracht erscheinenden Änderungen des vom Urkundsbeamten aufgenommenen und unterschriebenen Protokolls ist nicht geeignet, die vom Vorsitzenden bewirkten Änderungen beweiskräftig zu machen (RG. DRZ. 1931 Nr. 366). — Eine den Inhalt des Protokolls betreffende, unerledigt gebliebene Meinungsverschiedenheit zwischen dem Vorsitzenden und dem Urkundsbeamten darf nicht mit Stillschweigen übergangen, muß vielmehr in dem Protokoll selbst zum Ausdruck gebracht werden; dem Gericht legt das Gesetz nicht die Befugnis bei, über solche Meinungsverschiedenheiten zu entscheiden und den Inhalt des Protokolls durch Beschluß festzustellen. Die nicht ausgeglichene Meinungsverschiedenheit hindert die Wirksamkeit der Beweisregel des § 274 (RGSt. 57 396; RG. GA. 50 116,6113, 352; BGH St. 4 364; Zweigert GA. 60 265; a. M. RG. GA. 60 265). b) Uber die Mitwirkung mehrerer Urkundsbeamten s. § 226 Anm. 3. c) Der Gebrauch von Vordrucken ist nicht untersagt und somit zulässig.
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§271
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Anm. 3, 4
d) Über die Frage, ob das Protokoll in Kurzschrift niedergeschrieben werden darf, vgl. § 188 Anm. 5. Andererseits ist es zulässig, daß der Vorsitzende den Gang der Hauptverhandlung, insbesondere die Aussagen der vernommenen Personen außerhalb des Protokolls in Kurzschrift aufnehmen läßt und die Aufzeichnungen den Mitgliedern des Gerichts vor der Beratung des Urteils zugänglich macht (RGSt. 65 436). 8. Unterschriften der Gerichtspersonen.
a) Das Protokoll muß, um Beweiskraft (§ 274) zu haben, vom Vorsitzenden und dem Urkundsbeamten unterschrieben sein. Die eigenhändige Unterschrift kann nicht durch den Gebrauch eines Namensstempels ersetzt werden (RG. LZ. 1920 443). Einen Zeitpunkt, bis zu dem spätestens die Unterzeichnung geschehen sein müsse, schreibt das Gesetz nicht vor; daher ist es auch statthaft, die aus Versehen unterbliebene Unterzeichnung nachzuholen, und zwar selbst noch nach Einlegung eines Rechtsmittels, sollte auch durch dieses der Mangel der Unterschrift gerügt sein (RGSt. 13 351; RG. LZ. 1920 443, JW. 1932 273032, BGHSt. 12 270), wenn auch dringend anzuraten ist, daß auch der Vorsitzende das Protokoll noch zu einem Zeitpunkt unterschreibt, in dem seine Erinnerung an die Hauptverhandlung noch nicht verblaßt ist und er daher imstande ist, bei Fehlern und Flüchtigkeiten, die dem Urkundsbeamten unterlaufen sind, eine Änderung oder Ergänzung zu veranlassen. — Gibt das Protokoll den Gang einer über mehrere Tage ausgedehnten Verhandlung wieder, so decken die das Protokoll abschließenden Unterschriften seinen ganzen Inhalt; es bedarf keiner besonderen Unterschriften für jeden einen einzelnen Sitzungstag betreffenden Abschnitt. — Ist das Urteil mit Gründen vollständig in das Protokoll aufgenommen, so genügt es nicht, wenn der Urkundsbeamte nur die Urteilsformel, der Vorsitzende aber nur die Gründe unterschreibt; ist so verfahren worden, so liegt ein Mangel des Protokolls vor (RGSt. 64 214). Ehe das Protokoll unterschrieben ist, kann keine Abschrift von ihm, insbesondere der in ihm beurkundeten Beschlüsse, verlangt werden (RGSt. 44 53). b) In Abs. 2 wird ein Hindernis vorausgesetzt, das dem Vorsitzenden das Unterschreiben, überhaupt oder doch zur Zeit, unmöglich macht (Prot. S. 418). — Die Ausnahmebestimmung des Schlußsatzes gilt für das dreigliedrige Schöffengericht und für die Verhandlungen, in denen der Amtsrichter ohne Schöffen entscheidet. — Obwohl das Gesetz hierüber schweigt, ist doch die Annahme gerechtfertigt, daß bei der Verhinderung des Urkundsbeamten die Unterschrift des Vorsitzenden oder des ältesten Beisitzers genügt (Gerland 385, F e i s e n b e r g e r ZStW. 38 660; E b S c h m i d t Anm. 11). 4. Änderungen und Ergänzungen der Niederschrift. Erst mit der unterschriftlichen Vollziehung durch beide Gerichtspersonen ist das Protokoll abgeschlossen; bis dahin ist daher die Zulässigkeit von Änderungen und Ergänzungen außer Frage (RGR. 5 191). Die Zulässigkeit solcher Änderungen hört auf, sobald das Protokoll abgeschlossen zu den Akten gegeben ist (RGSt. 17 346). Tritt später die Veranlassung zu einer Berichtigung des Protokolls ein, so kann diese nicht mehr durch eine Abänderung der vorhandenen Niederschrift, sondern nur in der Weise geschehen, daß vom Vorsitzenden und vom Urkundsbeamten unterschriebene Erklärungen zu den Akten gebracht werden, die als nachträgliche deutlich erkennbar und von der ursprünglichen Niederschrift unterscheidbar sind. Über die rechtliche Wirksamkeit solcher Vermerke wie überhaupt nachträglicher eine Berichtigung des Protokolls enthaltender Erklärungen der beiden Gerichtspersonen s. § 274 Anm. 4b. Aus Abs. 2 läßt sich herleiten, daß der älteste Beisitzer zur nachträglichen Berichtigung oder Ergänzung eines vom Vorsitzenden unterschriebenen Protokolls befugt sei, wenn der Vorsitzende inzwischen verstorben ist (ebenso KleinknM Anm. 6; a. A. die 20. Aufl. und Entsch. des EG. f. Rechtsanwälte 1 26). Zur Berichtigung kann es von Amts wegen kommen, also dann, wenn einer der Urkundspersonen einen Anlaß zur Berichtigung der Sitzungsniederschrift entdeckt zu haben glaubt. Die Berichtigung kann auch durch den Antrag eines Verfahrensbeteiligten veranlaßt sein (vgl. OGHSt. 1277, 278; BGHSt. 1259, 261). Stets ist zur Berichtigung die Übereinstimmung des Vorsitzenden und des Urkundsbeamten erforderlich. „Berichtigt" nur einer von ihnen, entfällt für diesen Teil der Niederschrift die förmliche Beweiskraft der Niederschrift und es tritt insoweit die freie Beweiswürdigung ein (RGSt. 68 244; BGH. vom 5. 2.1953 — 4 StR. 460/52, mitgeteilt von D a l l i n g e r MDR. 1953 273). Beantragt ein Beteiligter die Berichtigung der Sitzungsniederschrift und lehnt der Vorsitzende im Einvernehmen mit dem Urkundsbeamten diesen Antrag ab, so kann diese Entscheidung mit der Beschwerde gem. § 304 angegriffen werden. Allerdings läßt
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§ 271 Aani. 5—8
§272 sich mit ihr keine inhaltliche Änderung der Sitzungsniederschrift erreichen, weil über sie nur die eigene Erinnerung der Urkundspersonen entscheidet, die nicht durch eine auch andere Erkenntnisquellen verwertende Meinung oder Überzeugung des Beschwerdegerichts ersetzt werden kann (OLG. Celle NdsRpfl. 1951 211). Die ablehnende Entscheidung des Vorsitzenden kann vielmehr nur aus Rechtsgründen angegriffen werden, indem etwa geltend gemacht wird, der Vorsitzende habe vor der Entscheidung den Urkundsbeamten nicht gehört (OLG. Hamm JZ. 1951 466) oder er habe den Antrag überhaupt ohne jede Prüfung abgelehnt oder er habe rechtsirrig geglaubt, einem solchen Antrag nicht stattgeben zu dürfen ( S a r s t e d t 125; K l e i n k n M Anm. 5 a ; E b S c h m i d t Anm. 18). 5. Äußere Beschaffenheit des Protokolls. Sie muß seiner Bedeutung entsprechen; ein Ausschaben oder Überkleben ist unstatthaft (RG. GA. 47 377), ein Durchstreichen oder Hineinschreiben von Sätzen oder Worten ist möglichst zu vermeiden. Über die Wirkung etwaiger Verstöße gibt die StPO. auch hier (vgl. § 188 Anm. 8) keine Bestimmung; sie überläßt es dem Richter, den Einfluß eines Verstoßes der fraglichen Art auf die Beweiskraft des Protokolls nach freiem Ermessen zu würdigen (RG. GA. 46 132, LZ. 1914 196). Regelmäßig kann durch einen solchen Verstoß nicht die Beweiskraft des ganzen Protokolls, sondern nur die des betreffenden Satzes oder Teils in Frage gestellt werden (RGSt. 27 169). — Werden dem Protokoll Randvermerke hinzugefügt, so bedürfen diese der besonderen Beglaubigung durch die Unterschriften des Vorsitzenden und des Urkundsbeamten (vgl. Anm. 3 a); die Folge des Mangels dieser Beglaubigung würde indes auch nur sein können, daß der Randvermerk und unter Umständen auch der Satz, zu dessen Ergänzung er dienen soll, der Beweiskraft entbehren würde (RGR. 2 658; RGSt. 1 242, 20 425, RG. GA. 61 341). 6. Wegen der Niederschrift einzelner Aussagen usw. in einer fremden Sprache s. GVG. § 185. 7. Eine Verlesung des Protokolls findet nicht statt; eine Ausnahme s. in § 273 Abs. 3. 8. Revision. Nach dem Grundsatz des § 337 Abs. 1 begründen Mängel des Protokolls (z. B. das Fehlen der Unterschrift oder die unrichtige Bezeichnung eines Beisitzers) an sich nicht die Revision, da das Urteil auf ihnen nicht beruhen kann. Die Revision kann auch niemals darauf gestützt werden, daß im Protokoll ein Vorgang undeutlich, unvollständig oder gar nicht beurkundet sei; die sog. P r o t o k o l l r ü g e n sind wirkungslos (RGR. 2 39, 9 55, 480; RGSt. 12 119, 42 170,47 237, 48 39, 289, 58 143, 64 214, 68 273; BGHSt. 7162; D a l i i n g e r NJW. 1951 256; E b S c h m i d t Anm. 21; K l e i n k n M Anm. 7; S a r s t e d t 123f.). Die Bedeutung des Protokolls für die Revisionsinstanz besteht nur darin, daß dieses den Beweis hinsichtlich der Vorkommnisse in der Hauptverhandlung bildet, in denen ein Mangel des Verfahrens gefunden wird; die Mängel des Protokolls selbst aber können nur die Wirkung haben, daß dessen gesetzliche Beweiskraft ganz oder teilweise aufgehoben wird. — Das von den Mängeln des Protokolls Gesagte gilt entsprechend auch von einer Fälschung (§ 274; RGSt. 7 388). — Wird die Niederschrift über die Hauptverhandlung erst abgeschlossen, nachdem die Revisionsbegründungsfrist zu laufen begonnen hat, so kann doch das Urteil auf dieser Ordnungswidrigkeit nicht beruhen (RG. HRR. 1939 Nr. 64). Die Revision kann auch nicht darauf gestützt werden, daß die Sitzungsniederschrift fehle (RG. HRR. 1940 Nr. 343). Fehlt es jedoch an einem ordnungsmäßig abgeschlossenen Protokoll, entfällt die Beweisregel des § 274 und der Nachweis eines Verfahrensverstoßes, der sonst nur durch die Sitzungsniederschrift zu führen ist, kann durch jedes sonst zulässige Beweismittel erbracht werden. Für deren Würdigung gilt dann der Grundsatz der freien Beweiswürdigung.
§ 272 Das Protokoll über die Hauptverhandlung enthält: 1. den Ort und den Tag der Verhandlung; 2. die Namen der Richter, Geschworenen und Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle und des zugezogenen Dolmetschers; 8. die Bezeichnung der strafbaren Handlung nach der Anklage; 4. die Namen der Angeklagten, ihrer Verteidiger, der Privatkläger, Nebenkläger, Verletzten, die Ansprüche aus der Straftat geltend machen, gesetzlichen Vertreter, Bevollmächtigten und Beistände; 5. die Angabe, daß öffentlich verhandelt oder die Öffentlichkeit ausgeschlossen ist.
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§ 2 7 2 Aiuii. 1—5 § 2 7 3 Anm. 1
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Entstehungsgeschichte: I. und II. Entw. § - . III. Entw. § 231. Änderungsvorschläge: NE I §264. NE II §263. NE III §41 Abs. 2. 1. Zu Nr. 1 vgl. § 271 Anm. 3. Nimmt das Gericht im Laufe der Verhandlung einen Ortswechsel vor, nimmt es etwa den Tatort in Augenschein oder vernimmt es einen Zeugen in seiner Wohnung oder im Krankenhaus, muß sich das aus der Sitzungsniederschrift ergeben. Erstreckt sich eine Verhandlung über mehrere Tage, muß die Verhandlungsniederschrift ergeben, welche Verfahrenshandlungen in welcher Reihenfolge an jedem einzelnen dieser Tage geschehen sind. Stunde und Minute der Verhandlungsunterbrechung und des Wiederbeginns müssen vermerkt werden ( E b S c h m i d t Anm. 3). 2. Zu Nr. 2. Auch die Namen der etwa zugezogenen Ergänzungspersonen (Ergänzungsrichter. Ergänzungsgeschworenen, Ergänzungsschöffen) sind anzugeben; vgl. GVG. § 192. — Bei den Richtern ist die Dienstbezeichnung beizufügen. Bei Geschworenen und Schöffen empfiehlt es sich, auch ihren Beruf und Wohnort anzuführen ( K l e i n k n M Anm. 3). Dolmetscher sind Sprachkundige, deren Aufgabe es ist, den Prozeßverkehr zwischen dem Gericht und einem der deutschen Sprache nicht mächtigen Prozeßbeteiligten zu ermöglichen, zum Unterschiede von sprachkundigen Sachverständigen, die zu anderem Zwecke zugezogen werden (vgl. BGHSt. 1 4). Nur der Dolmetscher braucht im Kopf des Protokolls angeführt zu werden ( E b S c h m i d t Anm. 5). Der Dolmetscher muß zu Beginn der Verhandlung vereidigt werden, wenn er nicht für Übertragungen der betreffenden Art im allgemeinen vereidigt ist und sich auf den geleisteten Eid beruft (§ 189 GVG.). Daß das eine oder das andere geschehen ist, muß im Protokoll vermerkt werden ( K l e i n k n M Anm. 4). 3. Zu Nr. 3. Der Ausdruck „Anklage" ist ungenau und nur auf gewisse Fälle (§§ 212, 266) passend; gemeint ist der Eröffnungsbeschluß (vgl. § 243). —• Die Aufnahme einer die Tatbestandsmerkmale umfassenden Formel ist nicht erforderlich; es genügt die Bezeichnung der Handlung mit ihrem strafrechtlichen Namen oder, wo es (wie z. B. bei manchen Übertretungen) an einem solchen fehlt, die Bezugnahme auf das übertretene Strafgesetz. 4. Zu Nr. 4. Das Protokoll muß angeben, welche der hier gedachten Personen in der Verhandlung erschienen oder ausgeblieben sind. •— Wegen der gesetzlichen Vertreter vgl. Buch 1 Abschn. 11 Anm. 7; wegen der Bevollmächtigten: §§ 234, 378, 387, 397; wegen der Beistände: § 149. 5. Zu Nr. 5. Über die Öffentlichkeit der Verhandlung vgl. GGV. §§ 169—175. Wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen, so muß das Protokoll angeben, ob über die Ausschließung öffentlich oder nicht öffentlich verhandelt worden ist (RGSt. 10 92), auch die Vollziehung des über die Ausschließung ergangenen Beschlusses und die Wiederherstellung der Öffentlichkeit ersichtlich machen.
§ 273 (1) Das Protokoll muß den Gang und die Ergebnisse der Hauptverhandiung im wesentlichen wiedergeben und die Beobachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen, auch die Bezeichnung der verlesenen Schriftstücke sowie die im Laufe der Verhandlung gestellten Anträge, die ergangenen Entscheidungen und die Urteilsformel enthalten. (2) Aus der Hauptverhandlung vor dem Amtsrichter und dem Schöffengericht sind außerdem die wesentlichen Ergebnisse der Vernehmungen in das Protokoll aufzunehmen. (3) Kommt es auf die Feststellung eines Vorganges in der Hauptverhandlung oder des Wortlauts einer Aussage oder einer Äußerung an, so hat der Vorsitzende die vollständige Niederschreibung und Verlesung anzuordnen. In dem Protokoll ist zu vermerken, daß die Verlesung geschehen und die Genehmigung erfolgt ist, oder welche Einwendungen erhoben sind. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 221. NE II. Entw. § 227. NE III. Entw. § 233. Änderungsvorschläge: NE I § 265. NE II § 264. NE III § 41 Abs. 2 u. 3, 266 Abs. 2 u. 3. NE IV Art. IV 23. NE V Art. IV 26. 1. Inhalt der Sitzungsniederschrift. Was in der Niederschrift zu beurkunden ist, ergibt sich aus den §§ 272, 273. Nach Abs. 1 soll durch die Niederschrift die Hauptverhandlung in der Art beurkundet werden, daß eine Übersicht über den Gang und den wesentlichen Inhalt erreicht wird.
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§273 Anm. 2, 3
Wenn Abs. 1 noch die „Ergebnisse" der Hauptverhandlung erwähnt, so erscheint dies insofern müßig, als nach der Vorschrift des Abs. 2 die Ergebnisse der Beweisaufnahme hier nicht gemeint sind, im übrigen aber als Ergebnisse der Verhandlung nur die Entscheidungen bezeichnet werden können und diese am Schluß des Abs. 1 besonders hervorgehoben sind ( E b S c h m i d t Anm. 5). 2. Zweck der Vorschrift. Einzelheiten. Hauptsächlich erhellt der Zweck und die Bedeutung des Protokolls aus der Vorschrift des § 274; im Fall der Einlegung eines Rechtsmittels bildet die Niederschrift die Grundlage für die oberinstanzliche Prüfung, ob in der Hauptverhandlung in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise verfahren oder ob eine Prozeßvorschrift verletzt worden sei. Hiernach müssen, während ein für die Sachentscheidung bedeutungsloses Vorkommnis in der Niederschrift nicht erwähnt zu werden braucht (RG. JW. 1932 310960), alle wesentlichen Akte der Verhandlung wie überhaupt alle Vorkommnisse niedergeschrieben werden, denen bezüglich der Gesetzmäßigkeit des Verfahrens irgendwelche Bedeutung zukommen kann. Hierzu gehören vornehmlich: im Fall der Zuziehung eines Dolmetschers gemäß § 185 GVG. die Angabe, daß und warum er zugezogen worden ist, während die einzelnen Vorgänge, bei denen er tätig war, nicht bezeichnet zu werden brauchen (RGSt. 1 137, 43 442); femer die Verhandlung über die Ausschließung der Öffentlichkeit (RGSt. 10 93, 20 21); die Verlesung des Eröffnungsbeschlusses und ihr Zeitpunkt; die Vernehmung des Angeklagten zur Sache im Anschluß daran, wobei die Sitzungsniederschrift, wenn die Hauptverhandlung in mehrere Abschnitte zerlegt wird und der Angeklagte sich am Beginn jedes Abschnitts nur zu dem Stoff des Abschnitts äußern soll, Auskunft darüber geben muß, auf welchen Abschnitt sich die jeweilige Vernehmung des Angeklagten bezieht (BGHSt. 10 342); die auf einem Gerichtsbeschluß nach § 247 beruhende zeitweilige Abwesenheit des Angeklagten (RG. J W . 1931 2506 34 ); die Bezeichnung der als Zeugen und Sachverständige vernommenen Personen mit der Angabe, daß sie vereidigt worden sind oder warum ihre Vereidigung unterblieben ist, sofern dieser Grund nicht ohne weiteres aus den Antworten auf die gemäß § 68 gestellten allgemeinen Fragen hervorgeht (RG. GA. 54 81); der Nachweis ordnungsmäßiger Ladung, wenn ein unmittelbar geladener Zeuge vernommen werden soll (RGSt. 64 258; RG. DRZ. 1927 Nr. 731); bei der Einnahme eines gerichtlichen Augenscheins in der Hauptverhandlung die Bezeichnung der vom Gericht besichtigten Gegenstände, wogegen das Ergebnis des Augenscheins nicht geschildert zu werden braucht (RGSt. 26 278, 39 257); die Frage an einen Arzt, der als Zeuge vernommen werden soll, ob er aussagen wolle, und seine Antwort, auch wenn er nicht von der Verschwiegenheitspflicht befreit ist (BGHSt. 15 200); die Bezeichnung der verlesenen Schriftstücke, während im übrigen nicht verlangt werden kann, daß bloße Vorhaltungen aus Urkunden und die dazu vom Angeklagten abgegebenen Erklärungen in der Niederschrift beurkundet oder Vermerke über sonst getroffene Feststellungen und insbesondere etwa über die Erörterung der Frage nach derAllgemeinkundigkeit einer Tatsache aufgenommen werden (RGSt. 28 171; RG. JW. 1929 48 18 ; BayObLG. St. 1951 62); der Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts (§ 265); die Aufforderung zu den Schlußvorträgen und die Gewährung des letzten Wortes an den Angeklagten (RG. Recht 1919 Nr. 1022; § 258); endlich für die Verhandlung über eine Berufung der Vortrag des Berichterstatters mit der Verlesung des Urteils erster Instanz (BayObLG. JW. 1927 2060; vgl. hierzu für den Fall, daß der Angeklagte der deutschen Sprache nicht mächtig ist, OLG. Dresden JW. 19311640 32 , B r a n d t JW. 1932 602 Anm. 7). — O r d n u n g s v o r s c h r i f t e n können nicht als wesentliche Förmlichkeiten angesehen werden (RGSt. 56 67). Die Erklärungen über die Beschränkung oder Zurücknahme eines Rechtsmittels und über die Zustimmung des Gegners hierzu rechnen, wenn sie in der Hauptverhandlung der unteren Instanz abgegeben werden, nicht zu den wesentlichen Förmlichkeiten, deren Beobachtung durch das Protokoll ersichtlich gemacht werden muß (RGSt. 66 418; RG. DRZ. 1927 Nr.428; OLG. Kiel JW.1932 169564; BGH. vom 12. 2. 1963 — 1 StR. 561/62). Wird aber eine solche Erklärung in der Hauptverhandlung vor dem zur Entscheidung über das Rechtsmittel berufenen übergeordneten Gericht abgegeben, so ist ihre Beurkundung in der Sitzungsniederschrift vorgeschrieben (RGSt. 66 418). Die Urteilsberatung gehört dagegen nicht zu den in der Sitzungsniederschrift zu beurkundenden und nur durch sie beweisbaren Förmlichkeiten (BGHSt. 5 294; teilweise a. A. E b S c h m i d t Anm. 10). 3. Beurkundung der im Laul der Verhandlung gestellten Anträge. Ihre Beurkundung ist deshalb wichtig, weil, falls ein Rechtsmittel auf die Ablehnung oder Nichtbeachtung eines Antrags
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Anm. 4—6 gegründet wird, zunächst feststehen muß, daß der Antrag gestellt worden sei, diese Tatsache aber nur durch das Protokoll bewiesen werden kann (§ 274). Das Erfordernis der Niederschrift gilt auch für die nur hilfsweise gestellten Anträge (RG. JW. 1920150516). Dagegen braucht die B e g r ü n d u n g der Anträge nicht in die Sitzungsniederschrift aufgenommen zu werden; die Prozeßbeteiligten können ihre Beurkundung also nicht verlangen (RGSt. 82 239; BayObLGSt. 24 2). — Bei Beweisa n t r ä g e n sind sowohl die Tatsachen, über die Beweis erhoben werden soll, als auch die in Vorschlag gebrachten Beweismittel in der Niederschrift anzugeben (RGSt. 1 32; BayObLG. DRZ. 1931 Nr. 612; RGR. 8 306). Auch fehlerhafte Beweisanträge und Beweisermittlungsanträge müssen in die Sitzungsniederschrift aufgenommen werden. Ob ein fehlerhafter Beweisantrag oder nur ein Beweisermittlungsantrag vorliegt, ergibt sich nicht selten erst nach umfangreicher gewissenhafter Prüfung. Das Ergebnis einer solchen Prüfung darf nicht dadurch vorweggenommen werden, daß der Antrag überhaupt nicht ins Protokoll aufgenommen und damit der Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen wird. 4. Beurkundung der Entscheidungen. Die im Lauf der Verhandlung ergehenden Entscheidungen (Beschlüsse) sind, soweit sie einer Begründung bedürfen (§ 34), mit den Gründen in das Protokoll aufzunehmen. Wird der Beschluß samt seiner Begründung besonders abgefaßt, so kann er dem Protokoll als Anlage beigefügt werden. Sie muß dann als solche in der Niederschrift ausdrücklich in Bezug genommen sein. Die Beurkundung tatsächlicher Vorgänge, daher auch die Verkündung solcher Beschlüsse, gehört aber wegen der Notwendigkeit der Mitwirkung des Urkundsbeamten bei der Beurkundung in das Protokoll selbst (RGSt. 25 248, 334). 5. Beurkundung der Urteilsformel. Die Urteilsformel muß durch das Protokoll beurkundet sein (RGR. 1496, 826,5 451; RGSt. 68 143).—Auf den Umstand aUein, daß die Urteilsformel nicht in das Sitzungsprotokoll aufgenommen ist, kann die Revision aber nicht gestützt werden (RGSt. 58 143). War die Urteilsformel bei der Verkündung noch nicht protokolliert und ist sie folglich auf Grund einer anderen Niederschrift verlesen worden, so muß die protokollarische Beurkundung mit dieser Niederschrift wörtlich übereinstimmen. Weicht die Formel in der Urteilsurkunde von der Formel ab, die in der Verhandlungsniederschrift beurkundet ist, so ist diese jedenfalls dann maßgebend, wenn der Vorsitzende bestätigt, daß die Abweichung auf einem Versehen beruht (RGHRR. 1939 Nr. 215). — Im übrigen muß bei Widersprüchen zwischen Protokoll und Urteil unterschieden werden, ob es sich um Förmlichkeiten der Hauptverhandlung handelt, die durch die Sitzungsniederschrift, oder um Erwägungen in der Beratung, die durch das Urteil bewiesen werden (so zutreffend S a r s t e d t , Die Revision in Strafsachen, 1962, S. 126). Ob z. B. ein bestimmter Zeuge vernommen und beeidigt oder nicht beeidigt worden ist, das zu beurkunden ist Aufgabe der Sitzungsniederschrift. Weichen Angaben des Urteils, das nicht die Aufgabe hat, Vorgänge solcher Art im Widerspruch zum Protokoll verbindlich festzustellen, von den im Protokoll beurkundeten Vorgängen ab, könnte daraus, soweit nicht deutliche Anzeichen dafür sprechen, daß die eine oder die andere Aufgabe auf einem offensichtlichen Schreib- oder Fassungsversehen beruht, gefolgert werden, daß das Gericht etwas zur Urteilsgrundlage gemacht habe, was nicht zum Inbegriff der Hauptverhandlung gehört habe (§ 261). 6. Antrag auf Protokollierung. Die Prozeßbeteiligten sind befugt, bis zum Schluß der Verhandlung die Protokollierung eines jeden Vorkommnisses, insbesondere auch eines gestellten Antrags, ausdrücklich zu b e a n t r a g e n und so für die Herstellung des nach § 274 erforderlichenBeweises Sorge zu tragen. Einem solchen Antrag muß entsprochen werden, soweit es sich um Vorgänge handelt, für die das Protokoll das ausschließliche Beweismittel bildet (RGR. 3 842). In anderen Fällen entscheidet das richterliche Ermessen (vgl. Anm. 8b). Ob Staatsanwalt, Angeklagter und Verteidiger überhaupt Anträge des Inhalts stellen dürfen, daß bestimmte Vorgänge in der Hauptverhandlung in die Sitzungsniederschrift aufgenommen werden sollen, ist streitig geworden. S a r s t e d t 131f. und ihm folgend OLG. Köln NJW. 1955 843 möchten das verneinen. K l e i n k n M Anm. 7, E b S c h m i d t Anm. 4, S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 5, E r b s III, v. H i p p e l 538 Anm. 2 halten solche Anträge für zulässig, ebenso mit sehr sorgfältiger und eingehender, auch die geschichtliche Entwicklung berücksichtigender Begründung S c h m i d GA. 1962 363ff. Auch RGSt. 42 157,159 spricht von der „Befugnis, die Protokollierung des Vorgangs zu beantragen". Das Recht, solche Anträge zu stellen, kann den Verfahrensbeteiligten in der Tat nicht gut bestritten werden. Wer das Recht hat, nachträglich einen Antrag auf Berichtigung des Protokolls zu stellen, wenn er es für lückenhaft oder sonst für unrichtig hält, dem kann nicht verwehrt werden, schon während der Hauptverhandlung darauf hinzuwirken, daß ein vollständiges und
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§273 Anm. 6
richtiges Protokoll entsteht. Zwar kann S a r s t e d t darin zugestimmt werden, daß es nicht Pflicht des Verteidigers und noch weniger Aufgabe des Angeklagten ist, „während der Hauptverhandlung vor dem Tatrichter auf die Protokollierung sämtlicher wesentlichen Vorgänge zu achten und gegebenenfalls entsprechende Anträge zu stellen". Ein Verteidiger, der bei jeder Vernehmung eines Zeugen den Antrag stellen wollte, daß die Tatsache der Vernehmung des Zeugen und seine Vereidigung oder Nichtvereidigung im Protokoll beurkundet werde, müßte sich mit Recht entgegenhalten lassen, er solle sich nicht um Dinge kümmern, die ihn nichts angingen. Es kann in aller Regel nur darum gehen, dem Angeklagten oder seinem Verteidiger ein Recht zur Antragstellung in Fällen einzuräumen, in denen sie Anlaß zu der Annahme haben dürfen, daß ein von ihnen für wesentlich gehaltener Vorgang ohne einen solchen Antrag vielleicht nicht beurkundet werden könnte. Wann diese Voraussetzung gegeben ist, läßt sich nicht genau umschreiben. Es kommt hier ganz auf die Umstände des Falles an. Einen Anlaß zu einem Antrag kann der Angeklagte oder sein Verteidiger vor allem in einem Falle für gegeben halten, in dem der Vorsitzende oder das Gericht nach seiner Ansicht nicht prozeßordnungsgemäß verfahren ist. Muß nach alledem jedem Verfahrensbeteiligten das Recht zugestanden werden, daß er auf die Vollständigkeit und Richtigkeit des Protokolls durch sachgerechte Anträge einwirken darf, so muß doch auch zugegeben werden, daß die erzwingbare Wirkung solcher Anträge begrenzt ist. Der Vorsitzende muß auf den Antrag, einen bestimmten Vorgang in die Sitzungsniederschrift aufzunehmen, jedenfalls eine Antwort geben. Sie kann nur darin bestehen, daß er das Begehren als berechtigt anerkannt oder daß er erklärt, er lehne den Antrag ab, weil der Vorgang nicht beurkundet zu werden brauche. Hinhaltende Erklärungen, wie etwa, er wolle sich die Sache überlegen, müssen entgegen S a r s t e d t 132 als unzulässig angesehen werden. Im erstenFalle kann der Vorsitzende den Urkundsbeamten anweisen, den Vorgang mit bestimmten Worten im Protokoll zu vermerken, er kann sich aber auch damit begnügen, dem Antragsteller zuzusichern, daß der im Antrag bezeichnete Vorgang in der Niederschrift beurkundet werden solle. Der Antragsteller hat keinen Anspruch darauf, daß der Vorgang mit denjenigen Worten, die er für die richtigen hält, im Protokoll beurkundet werde. Da der Vorsitzende und der Urkundsbeamte allein die Verantwortung dafür tragen, mit welchen Worten ein bestimmter Vorgang im Protokoll beurkundet wird, wird man dem Antragsteller auch keinen Anspruch darauf zubilligen können, daß ihm in der Hauptverhandlnug schon verbindlich zugesichert wird, mit welchen Worten der Vorgang, dessen Beurkundung er wünscht, im Protokoll geschildert werden soll. Ist der Vorsitzende der Meinung, daß der Vorgang, dessen Beurkundung der Antragsteller verlangt, nicht zu den wesentlichen Förmlichkeiten gehöre und deshalb nicht beurkundet zu werden brauche, und lehnt er deshalb den Antrag auf Protokollierung des Vorgangs ab, so ist dem Antragsteller dagegen, auch wenn die Auffassung des Vorsitzenden sachlich falsch ist, kein Rechtsbehelf gegeben. Der Antragsteller hat insbesondere nicht die Befugnis, gemäß § 238 Abs. 2 die Entscheidung des Gerichts nachzusuchen. Die Anordnung des Vorsitzenden, daß ein bestimmter Vorgang im Protokoll beurkundet werden solle oder nicht beurkundet zu werden brauche, ist keine „auf die Sachleitung bezügliche Anordnung"; auch die Antwort des Vorsitzenden auf den Antrag eines Beteiligten, einen bestimmten Vorgang im Protokoll zu beurkunden, ist nicht dazu zu zählen. Trotzdem muß man den Antrag eines Verfahrensbeteiligten, einen Vorgang zu beurkunden, und die — ablehnende oder zustimmende — Antwort des Vorsitzenden zu den beurkundungspflichtigen Tatsachen rechnen, gleichgültig, ob sich der Antrag auf eine in der Hauptverhandlung zu beobachtende wesentliche Förmlichkeit bezieht oder nicht. Für den Fall, daß der Antrag eine wesentliche Förmlichkeit betrifft und der Vorsitzende dem zustimmt, ergibt sich das bereits aus § 273 Abs. 1, nicht nur für den Antrag und die Antwort des Vorsitzenden darauf, sondern sogar für den Vorgang selbst, weil das Protokoll die Beobachtung aller wesentlichen Förmlichkeiten ersichtlich machen muß. Aber auch in dem Fall, daß der Vorsitzende — zu Recht oder zu Unrecht — die Vorgänge, deren Beurkundung der Antragsteller wünscht, nicht zu den wesentlichen Förmlichkeiten zählt, wird man die Verpflichtung zur Beurkundung des Antrags und der ablehnenden Antwort des Vorsitzenden bejahen müssen; denn dem Vorsitzenden steht nicht die endgültige und abschließende Entscheidung darüber zu, ob der Vorgang, dessen Beurkundung im Protokoll gewünscht wird, zu den wesentlichen Förmlichkeiten im Sinne des § 273 Abs. 1 gehört oder nicht. Seine Entscheidung unterliegt zwar nicht der Kritik des erkennenden Gerichts, sie muß aber der Nachprüfung durch das Revisionsgericht standhalten. Damit das Revisionsgericht die Entscheidung des Vorsitzenden auf ihre Richtigkeit nachprüfen kann, müssen ihm die sachlichen Grundlagen für eine solche Entscheidung zugänglich gemacht
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§273
Strafprozeßordnung. Zweites Buch
Anm. 6 werden. Diese Unterlagen zu liefern, ist nun einmal die Aufgabe des Protokolls. Wenn das Protokoll über einen eine wesentliche Förmlichkeit betreffenden und darum beurkundungspflichtigen Vorgang nichts enthält, weil die Urkundspersonen aus Rechtsirrtum den Vorgang nicht für beurkundungspflichtig halten oder aus Versehen nicht beurkunden, muß wegen der Beweisregel des § 274 zunächst angenommen werden, daß dieser Vorgang nicht geschehen ist. Erst wenn eine oder beide Urkundspersonen, veranlaßt durch die Revisionsbegründung, dem Sinne nach erklären, daß das Protokoll in diesem Punkt eine Lücke enthält, ergibt sich für das Revisionsgericht, weil dem Protokoll wegen der Erklärung der einen oder beider Urkundspersonen in diesem Punkt die förmliche Beweiskraft des § 274 genommen wurde, die Möglichkeit, über diesen Punkt unter Verwendung aller verfügbaren Beweismittel Beweis zu erheben und sich eine Überzeugung darüber zu bilden, ob das Gericht alle wesentlichen Förmlichkeiten beobachtet hat oder ob ihm in irgendeiner Beziehung ein Fehler unterlaufen ist. Wenn man schon in dem Falle, daß zwischen Verfahrensbeteiligten und dem Vorsitzenden des Gerichts eine Meinungsverschiedenheit über die Notwendigkeit der Beurkundung eines Vorgangs besteht, den Vorgang selbst nicht als beurkundungspflichtig ansehen will, weil der Vorsitzende ihn nicht als wesentliche Förmlichkeit beurteilt, so wird man doch die Meinungsverschiedenheit selbst, wenn sie sich in einem förmlichen Antrage auf Beurkundung und seiner Ablehnung durch den Vorsitzenden äußert, als beurkundungspflichtig in dem Sinne ansehen müssen, daß der Antrag eines Verfahrensbeteiligten auf Beurkundung eines Vorgangs und seine Ablehnung durchden Vorsitzenden in der Sitzungsniederschrift vermerkt werden müssen; denn die Meinungsverschiedenheit zwischen dem Vorsitzenden und einem Verfahrensbeteiligten über die Notwendigkeit der Beurkundung eines Vorgangs kann in und während der Hauptverhandlung nicht endgültig und abschließend entschieden werden. Das letzte Wort darüber steht dem Revisionsgericht zu. Ihm darf aber das Urteil nicht dadurch abgeschnitten werden, daß ihm über die tatrichterliche Verhandlung ein Protokoll vorgelegt wird, das weder über den von der Revision behaupteten angeblich eine wesentliche Förmlichkeit nicht beachtenden Vorgang etwas enthält, noch eine in der Hauptverhandlung zwischen dem Vorsitzenden und Verfahrensbeteiligten entstandene Meinungsverschiedenheit über die Pflicht zur Beurkundung jenes Vorgangs vermerkt und das wegen der negativen Beweiskraft des Protokolls das Revisionsgericht dazu zwingt, davon auszugehen, daß der von der Revision behauptete Vorgang nicht geschehen und es auch zu der von ihr behaupteten Meinungsverschiedenheit über die Pflicht zur Protokollierung nicht gekommen sei. Zwar wird dem Protokoll diese weitreichende negative Beweiskraft auch dann genommen, wenn auch nur eine der beiden Urkundspersonen, insbesondere veranlaßt durch einen entsprechenden Vortrag der Revisionsbegründung, nachträglich erklärt, daß der behauptete Vorgang in der Tat so, wie behauptet, oder anders geschehen oder daß der Antrag eines Verfahrensbeteiligten auf Protokollierung des Vorgangs vom Vorsitzenden abgelehnt worden sei. Da die Revisionsbegründung regelmäßig erst mehrere Wochen nach dem Ende der Verhandlung bei Gericht eingeht und den Urkundspersonen Anlaß zu ergänzenden Erklärungen abgeben kann, kann die Erinnerung an bestimmte Vorgänge der Hauptverhandlung bei ihnen weitgehend verblaßt sein. Diese Gefahr ist weit geringer, wenn wenigstens die Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Vorsitzenden und Verfahrensbeteiligten über die Pflicht zur Beurkundung eines Vorgangs im Protokoll festgehalten werden und später als Erinnerungsstütze dienen können, soweit sie nicht dem Revisionsgericht schon unabhängig von den Erklärungen der Urkundspersonen die Überzeugung vermitteln, daß das Protokoll eine Lücke enthält oder mindestens enthalten kann und damit hinreichender Anlaß gegeben sein kann, über den von der Revision behaupteten Vorgang unter Verwendung aller sonst verfügbaren Beweismittel Beweis zu erheben. Nach alledem kann zwar der Vorsitzende nicht gezwungen werden, die Beurkundung eines Vorgangs im Protokoll anzuordnen, den er nicht als eine wesentliche Förmlichkeit beurteilt und deshalb nicht als beurkundungspflichtig ansieht. DerAntrag eines Verfahrensbeteiligten auf Beurkundung und die Ablehnung des Vorsitzenden sind jedoch in jedem Fall beurkundungspflichtig. Die Stellung der Verfahrensbeteiligten ist allerdings insofern schwach, als sie selbst diesen Anspruch nicht gegen den Willen des Vorsitzenden durchsetzen können. Eine Meinungsverschiedenheit solcher Art bleibt aber nach aller Erfahrung allen Verfahrensbeteiligten lange Zeit in der Erinnerung haften. In der Behauptung, der Vorsitzende habe nicht nur abgelehnt, einen bestimmten Vorgang im Protokoll beurkunden zu lassen, sondern sogar abgelehnt, den Antrag auf Protokollierung und seine Ablehnung zu protokollieren, wird man die Behauptung der Fälschung des Protokolls im Sinne des § 274 Satz 2 finden müssen, die mit allen verfügbaren
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Sechster Abschnitt. Hauptverhandlung (Geier)
§273 Anm. 7, 8
Beweismitteln — auch außerhalb des Protokolls — bewiesen werden kann. Dadurch kann wenigstens im Ergebnis ein ähnlicher Erfolg erreicht werden, wie wenn den Verfahrensbeteiligten ein gegen den Willen des Vorsitzenden durchsetzbarer Anspruch auf Protokollierung von Vorgängen eingeräumt würde, die sie — aber nicht der Vorsitzende — für wesentlich ansehen. So ist z. B. in BGHSt. 3 368 das Verbot des Vorsitzenden an den Angeklagten, beim letzten Wort Aufzeichnungen zu benutzen, nicht im Protokoll vermerkt worden. Der Angeklagte und sein Verteidiger hatten nicht einmal einen solchen Antrag gestellt, und trotzdem hatte das Revisionsgericht dazu zuverlässige Feststellungen treffen können. Die Rechtsprechung h a t auch stets dahin entschieden, daß das Revisionsgericht ein Protokoll, das über einen wesentlichen Verfahrensvorgang nichts enthält, den der Vorsitzende rechtsirrig als unwesentlich angesehen und deshalb seine Beurkundung im Protokoll nicht veranlaßt hat, als lückenhaft und deshalb als ungeeignet beurteilen muß, vollen Beweis im Sinne des § 274 zu erbringen (RGSt. 64 309). 7. Hauptverhandlung vor dem Amtsrichter oder vor dem Schöffengericht. Abs. 2. a) Zweck und Bedeutung der Vorschrift. Die Beurkundung des I n h a l t s der abgegebenen A u s s a g e n ist im Gesetz nicht allgemein, sondern nur für die Verhandlungen vor dem Amtsrichter und dem Schöffengericht vorgeschrieben (RGSt. 1199). — Die Bestimmung des Abs. 2 dient hauptsächlich der Vorschrift des § 325, daß in der Berufungsinstanz Protokolle über Aussagen der in der Hauptverhandlung erster Instanz vernommenen Zeugen und Sachverständigen unter bestimmten Voraussetzungen verlesen werden können. In anderen Strafsachen ist es dem Ermessen des Vorsitzenden überlassen, die Beurkundung der Aussagen anzuordnen; auch dem Gericht ist die Befugnis zu einer solchen Anordnung nicht abzusprechen. Enthält das Protokoll über eine Hauptverhandlung vor dem Amtsrichter oder vor dem Schöffengericht die Aussagen von Zeugen oder Sachverständigen, so findet § 274 auf diese Angaben keine Anwendung (RGSt. 58 58; vgl. RGR. 7 106; RGSt. 42 160; RG. JW. 1925 1009). Andererseits ist die Beurkundung nicht wertlos (RGSt. 31 69, 43 438); vielmehr kommt der allgemeine Grundsatz der freien Beweis Würdigung zur Anwendung (RG. JW. 1901 503; L ö w e n s t e i n , Revision 47). b) Wesentliche Ergebnisse. In der Regel (vgl. Abs. 3) muß, und zwar auch in schöffengerichtlichen Strafsachen, nur der w e s e n t l i c h e Inhalt der Aussagen protokolliert werden. Inwieweit der Inhalt einer Aussage wesentlich sei, läßt sich nur nach Lage des einzelnen Falls entscheiden; im Zweifel ist in dieser Hinsicht das Ermessen des Vorsitzenden für den Urkundsbeamten maßgebend. — War ein Zeuge bereits im Vorverfahren, wenn auch nur außergerichtlich, vernommen, so ist es statthaft, auf das betreffende Protokoll Bezug zu nehmen und im übrigen die Protokollierung auf die etwaigen Änderungen der früheren Aussage und die etwaigen Zusätze zu beschränken; dem Grundsatz der Mündlichkeit widerstreitet eine solche Bezugnahme nicht. — Jede Aussage ist e i n z e l n niederzuschreiben; ein Zusammenfassen mehrerer ist unstatthaft. 8. Beurkundung des Wortlauts einer Aussage oder eines Vorgangs. Abs. 3. a) Die in Abs. 3 vorgesehene Beurkundung, deren Wortlaut der Vorsitzende zweckmäßigerweise angeben wird, kann v o n A m t s w e g e n wie auf A n t r a g angeordnet werden. Die Ausführung der angeordneten Niederschrift im Beratungszimmer ist zulässig. — Der Zweck der Maßregel kann und wird sogar sehr oft a u ß e r h a l b der verhandelten Sache liegen, wie z. B. die Verfolgung eines Zeugen wegen Meineids oder die Verfolgung einer aus einer Aussage sich ergebenden bisher nicht bekannten strafbaren Handlung. In Fällen, dieser Art darf die Aussage auch in einer A n l a g e zur Sitzungsniederschrift beurkundet werden, die jedoch allen Erfordernissen des Protokolls entsprechen muß (RGSt. 2 33). b) Ob die V o r a u s s e t z u n g der Bestimmung zutrifft, daß es auf die Feststellung ankommt, darüber entscheidet, wenn es sich um den W o r t l a u t einer Aussage oder Äußerung handelt, das Ermessen des Vorsitzenden; die Prozeßbeteiligten haben keinen Anspruch darauf, daß die Protokollierung erfolge (RGR. 10 156; RGSt. 5 352, 28 394). Sie können auch, wenn der Vorsitzende den Antrag ablehnt, nicht die Entscheidung des Gerichts anrufen (ebenso K l e i n k n M Anm. 7; a. A. E b S c h m i d t Anm. 17, teilweise auch die früheren Aufl.). Das Verfahren nach Abs. 3 unterbricht wegen der Notwendigkeit, die niedergeschriebene Aussage oder Äußerung zu verlesen, die Genehmigung des oder der Beteiligten einzuholen oder zu vermerken, welche Einwendungen erhoben worden sind (Abs. 3 Satz 2), nicht unbeträchtlich den lebendigen Ablauf der mündlichen Verhandlung. Wird an den Vorsitzenden die Anregung gegeben, einen Vorgang, der nicht zu den wesentlichen Förmlichkeiten gehört, eine Aussage oder eine Äußerung gem. § 273 Abs. 3 ins
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§274
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Anm. 1 Protokoll aufzunehmen, wird er gegeneinander abwägen müssen, ob im einzelnen Falle das Festhalten des Vorgangs, der Aussage oder der Äußerung im Protokoll so wichtig ist, daß er demgegenüber eine Verzögerung im lebendigen mündlichen Ablauf der Verhandlung in Kauf nehmen soll. Diese Entscheidung kann nur der gewissenhafte Vorsitzende selbst treffen; sie kann ihm auch nicht durch das Gericht aufgenötigt werden. Anträge auf Beurkundung des Wortlauts einer Aussage werden von Verfahrensbeteiligten nicht selten in der Meinung gestellt, das Gericht müsse später im Urteil eine dem Inhalt der Aussage entsprechende Feststellung treffen, müsse sich mindestens mit ihr im Urteil ausdrücklich auseinandersetzen, und jede Abweichung der Urteilsfeststellungen von dem Inhalt der protokollierten Aussage biete der Revision Gelegenheit zu begründeten Angriffen. Diese Meinung ist ganz und gar irrig (RGSt. 5 352). Die Ablehnung des Antrages auf Protokollierung der vollständigen Aussage eines Zeugen kann deshalb nicht der Revision zur Stütze dienen. Der Angeklagte kann darum auch die Verlesung der niedergeschriebenen Aussage eines des Meineids verdächtigen Zeugen nicht durchsetzen und aus der Nichtverlesung keinen Revisionsgrund ableiten (RG. J W. 1932 311262). Hinsichtlich eines „ V o r g a n g e s " in der Verhandlung kann dies jedoch nur gelten, falls er in keiner Beziehung zu der vorliegenden Sache steht; sonst gilt das in Anm. 6 Bemerkte. Eine vollständige Niederschreibung liegt auch vor, wenn nur der trennbare Teil einer Aussage niedergeschrieben ist und es nur auf die Feststellung des Wortlauts dieses Teils ankommt (RG. JRsch. 3 Nr. 2167, 4 Nr. 273). — Die Staatsanwaltschaft nimmt keine Sonderstellung ein. Auch wenn ihr Vertreter in der Hauptverhandlung beantragt, den Wortlaut der Aussage eines Zeugen zu protokollieren, weil er ihn einer falschen Aussage für verdächtig hält und eine Grundlage für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn gewinnen will, hat der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen über den Antrag zu befinden (teilw. a. A. die früheren Aufl.). — Die Ablehnung eines Antrags bedarf auch in den Fällen des Abs. 3 stets der Beurkundung durch das Protokoll. c) Ein Unterschreiben des verlesenen Teils des Protokolls durch die beteiligten Personen ist nicht erforderlich.
§374 Die Beobachtung der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten kann nur durch das Protokoll bewiesen werden. Gegen den diese Förmlichkeiten betreffenden Inhalt des Protokolls ist nur der Nachweis der Fälschung zulässig. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 263. II. Entw. § 269. III. Entw. § 314. Änderungsvorschläge: NE I u. II §267. NE III §268. 1. Voraussetzungen der ausschließlichen Beweiskraft der Sitzungsniederschrift. Satz 1 durchbricht den Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 261). Er setzt aber eine Sitzungsniederschrift voraus, die ordnungsmäßig aufgenommen und vom Vorsitzenden sowie vom Urkundsbeamten unterzeichnet ist, der keine äußeren Fehler wie Durchstreichungen, Ausschabungen und unbeglaubigte Randvermerke anhaften (RGSt. 64 310) und die inhaltlich weder eine offensichtliche Lücke noch einen Widerspruch aufweist (RGSt. 63 410; BGHSt. 17 220; BGH. LM. § 274 Nr. 10); ist das Protokoll mangelhaft, so ist das Vorbringen eines Beschwerdeführers über den durch das Protokoll nicht bewiesenen Verfahrensvorgang, etwa den vom Beschwerdeführer gestellten Beweisantrag, nicht ohne weiteres als wahr anzunehmen (a. M. RGSt. 57 323, 59 429; RG. JW. 1930 55720), sondern es tritt die freie Beweiswürdigung, für die insbesondere die Urteilsgründe oder dienstliche Äußerungen der Verhandlungsteilnehmer verwertet werden können, an die Stelle der Regel des Satz 1 (RGSt. 49 11, 63 410; RG. JW. 1931 2824«; BayObLG. DRZ. 1931 Nr. 612, BayObLG.St 1951 120; KG. JW. 1931 1635"; D i t z e n Dreierlei Beweis 60ff„ A l s b e r g - N ü s e 440ff.; BGHSt. 17 220; E b S c h m i d t Anm. 5; K l e i n k n M Anm. 3). — Für die Auslegung des Inhalts der Verhandlungsniederschrift gelten dieselben Grundsätze wie auch sonst bei der Auslegung schriftlicher Erklärungen. Das zur Nachprüfung berufene übergeordnete Gericht ist deshalb nicht genötigt, dem nächsten Wortsinn zu folgen, sondern kann einen davon abweichenden Sinn feststellen, wenn sich für diesen sonst sichere Anhaltspunkte ergeben (vgl. RGSt. 65 352; RG. JW. 1932 42126 mit Anm. von Löwenstein, 311061). — Ist im Protokoll die Beobachtung einer vorgeschriebenen Förmlichkeit, z. B. die Beeidigung eines Zeugen, beurkundet, so wird hierdurch die Vermutung begründet, daß der diese Förmlichkeit betreffenden Vorschrift in vollkommener Weise genügt worden ist.
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§274 Anm. 2, 8
'2. Umfang der ausschließlichen Beweiskraft. Die ausschließliche Beweiskraft des Protokolls besteht nur für die gegenwärtige Untersuchung und nur für das übergeordnete Gericht, das die Gesetzmäßigkeit des bisherigen Verfahrens nachzuprüfen h a t (RGSt. 58 58, 378, 59 19; vgl. auch OGHSt. 1277, 279); sie erfaßt auch nur die Tatsache, über die das Protokoll Auskunft geben muß, also insbesondere die Besetzung des Gerichts (RGSt. 58 233) u n d die in § 273 bezeichneten Verhandlungsvorgänge, zu denen auch die in der Verhandlung vor dem Rechtsmittelgericht abgegebenen Erklärungen über die Beschränkung oder Zurücknahme eines Rechtsmittels u n d über die Zustimmung des Gegners hierzu gehören (RGSt. 66 418; Anm. 2 Abs. 2 zu § 273). Dagegen gilt die Beweiskraft des Protokolls weder für die Erklärungen des Angeklagten zur Sache, seien es Geständnisse oder Einräumungen oder irgendwelche auf Strafausschließungs- oder Milderungsgründe bezügliche Behauptungen (RGSt. 49 315, 58 59; RG. Recht 1916 Nr. 601) noch für sonstige Ergebnisse der Vernehmungen (RGSt. 58 59; § 273 Anm. 7 a) noch für die vom Vorsitzenden hierbei ausgesprochenen Fragen oder Vorhaltungen (RGSt. 35 164, 42 160, 43 438) noch für Feststellungen, die der Vorsitzende aus den Akten oder anderen Schriftstücken, etwa über die ordnungsmäßige Ladung des Angeklagten, trifft (RG. Recht 1920 Nr. 241, J W . 1927 2049). Soweit das Protokoll eine Angabe über solche Vorgänge enthält, ist dieser allerdings nur die in § 274 vorgeschriebene Beweiskraft entzogen, während sie doch auf Grund freier Beweiswürdigung für wahr erachtet werden kann (RGSt. 48 438; A l s b e r g JW. 1916 1205). Demnach kann ein Widerspruch, der hinsichtlich einer Erklärung des Angeklagten zwischen dem Protokoll und den Urteilsgründen besteht, die Revision nicht begründen (RGR. 7 106, 9 379; RGSt. 58 59). — Wird eine Aussage gemäß § 273 Abs. 3 in ihrem Wortlaut niedergeschrieben und dann verlesen und genehmigt, so kann für diese Niederschrift, obgleich ihr in freier Beweiswürdigung ein hoher Beweiswert beigemessen werden kann, doch nicht die Beweiskraft in Anspruch genommen werden, die § 274 dem Protokoll hinsichtlich der für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeiten verleiht ( A l s b e r g J W . 1924 1727; a. M. RGSt. 42 160, L ö w e n s t e i n J W . 1924 1604). Die Beweiskraft des Protokolls besteht nur für die Vorgänge in der Verhandlung selbst, da nur sie den Gegenstand der gemeinsamen Wahrnehmung des Vorsitzenden und des Urkundsbeamten bilden; an ihr nehmen also die der Beratung und Abstimmung gewidmeten Vorgänge nicht teil, gleichviel ob sie sich im Beratungszimmer oder im Verhandlungsraum zutragen (RGSt. 3 266, 17 287, 27 3; RG. J W . 1911 510, Recht 1924 880; OGHSt. 3 1 2 1 ; BGHSt. 5 294); ebensowenig Vorgänge, die sich vor Beginn oder nach Beendigung der Hauptverhandlung oder während einer Unterbrechung abgespielt haben (RG. J W . 1915 1265). Ferner erstreckt sich die Beweiskraft des Protokolls auch nicht auf Erklärungen, die nach Verkündung des Urteils über dessen Anfechtung oder den Verzicht auf ein Rechtsmittel vor dem Gericht, das die Entscheidung erlassen hat, abgegeben werden (RGSt. 32 280, 40 134, 66 418; RG. Recht 1927 Nr. 1566; vgl. auch BGH. vom 12. 2. 1963 — 1 StR. 561/62). Dies schließt aber nicht aus, daß das zuständige Gericht die Erklärung für abgegeben und rechtswirksam erachtet (RGR. 2 562; RGSt. 40 134; RG. J W . 1898 335; ebenso E b S c h m i d t Anm. 6—10). Schließlich ist in diesem Zusammenhang noch darauf hinzuweisen, daß § 274 keine Anwendung auf das Protokoll findet, das vom Urkundsbeamten gemäß §§ 51 Abs. 7 und 77 GVG. über die Beeidigung der Schöffen aufgenommen wird (RGSt. 64 50; RG. JW. 1928 2272 72 ). 3. Wirkung der ausschließlichen Beweiskraft der Verhandlungsniederschrift. Die Ausdrucksweise des Gesetzes, das von der Beobachtung der Förmlichkeiten spricht, ist nicht sachgemäß, da sie den Sinn des Gesetzes nur unvollkommen wiedergibt. Die Vorschrift bedeutet, daß das übergeordnete Gericht a l l e V o r g ä n g e in d e r H a u p t v e r h a n d l u n g als so geschehen annehmen muß, wie sie im Protokoll beurkundet sind, und daß dieses den einzigen Beweis für die Frage bildet, w e l c h e Verhandlungsvorgänge und wie diese stattgefunden haben. Es handelt sich also nicht nur um Vorkommnisse, die unter den Begriff der Förmlichkeiten im engeren Sinn fallen, sondern überhaupt um alle Vorgänge in der Hauptverhandlung, die für die Rechtsbeständigkeit des Verfahrens von Bedeutung sein können, also z. B. um die Stellung von Anträgen der Prozeßbeteiligten und um den Inhalt und die Begründung der im Lauf der Verhandlung ergangenen Entscheidungen (§ 273 Anm. 3, 4; RGR. 3 586; RGSt. 1 85, 2 76, 53 177). Auch ist die Verhandlungsniederschrift der alleinige Beweis nicht nur für die B e o b a c h t u n g der gesetzlichen Vorschriften, sondern ebenso für alle Vorgänge, in denen eine Nichtbeobachtung gefunden wird und die als Revisionsgrund geltend gemacht werden. Ferner beweist das Protokoll nicht nur, daß das geschehen 72
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Anm. 3 ist, was es angibt, sondern umgekehrt auch, daß das unterblieben ist, was im Protokoll nicht bezeugt wird (RGSt. 53 177; BGH. LM. StPO § 274 Nr. 10). Demzufolge muß grundsätzlich angenommen werden, daß keine Verhandlung über den Ausschluß der Öffentlichkeit stattgefunden hat, wenn das Protokoll hiervon nichts enthält (RGSt. 57 26), daß das Gericht den Ausschluß der Öffentlichkeit entgegen § 174 Abs. 1 Satz 3 GVG. nicht begründet hat, wenn der Beschluß über den Ausschluß der Öffentlichkeit keine Begründung enthält (BGHSt. 1 334), daß kein Beschluß ergangen ist, wenn das Protokoll keinen Beschluß erwähnt (BGHSt. 1 216), daß ein Zeuge die Richtigkeit seiner Aussage nicht unter Berufung auf den früher geleisteten Eid versichert hat, wenn nur beurkundet ist, der Zeuge sei „nach Hinweis auf den früher geleisteten Eid" vernommen worden (BGHSt. 4 140), daß der Eröffnungsbeschluß nicht verlesen wurde, wenn die Sitzungsniederschrift darüber nichts enthält (BGHSt. 8 283), daß eine im Protokoll als anwesend bezeichnete Person der Verhandlung bis zum Schluß beigewohnt hat, wenn das Protokoll ihre Entfernung nicht beurkundet (RGSt. 34 385), daß ein Zeuge, der vom Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat, auf dieser Stellungnahme verblieben ist, wenn aus dem Protokoll nichts über einen Widerruf der Zeugnisverweigerung hervorgeht, daß ein Zeuge, dessen Vereidigung das Protokoll nicht ersichtlich macht, unbeeidigt vernommen worden ist (RGSt. 43 438), daß ein im Protokoll nicht angegebener Beweisantrag nicht gestellt worden (RGSt. 31 163), ein im Protokoll nicht erwähnter Gerichtsbeschluß nicht ergangen ist (RG. JW. 1916 1266) daß der Vorsitzende den Angeklagten, den das Gericht gemäß §247 hatte abtreten lassen, nach dem Wiedereintritt nicht dieser Vorschrift entsprechend unterrichtet hat, wenn das Protokoll hiervon schweigt (RG. LZ. 9 846; BGHSt. 1 346, 350), daß er ihn auch nicht a l s b a l d unterrichtet hat, wenn zwischen dem beurkundeten Wiedereintritt und der beurkundeten Unterrichtung andere Verfahrensvorgänge geschildert werden (BGHSt. 3 384, 385), daß die im Protokoll nicht beurkundete Verlesung eines Schriftstücks nicht stattgefunden hat, daß der aus dem Protokoll nicht ersichtliche Hinweis auf die Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts versäumt worden ist. Gibt das Protokoll keinen Grund für das Unterbleiben der Vereidigung eines Zeugen an, muß angenommen werden, daß sich das Gericht unter Verletzung des Gesetzes über die Frage der Vereidigung nicht schlüssig gemacht hat (RGSt. 68 395). Die Beweiskraft der Verhandlungsniederschrift ist so ausschließlich, daß ihre Angaben grundsätzlich durch andere Beweise weder widerlegt, noch e r g ä n z t werden können. Daher können Beweiserhebungen, die auf eine solche Widerlegung oder Ergänzung abzielen, vom Revisionsgericht nicht angeordnet werden (RGSt. 20 166, 63 177). — Selbst der Inhalt des Urteils ist nicht geeignet, das Protokoll zu widerlegen oder zu ergänzen, soweit dieses den Beweis zu liefern bestimmt ist (Anm. 2; RGR. 9 379). Dies gilt auch für die im Urteil erwähnten Anträge der Prozeßbeteiligten (RGSt. 31163, 35 61; RG. GA. 69 86). — Endlich wird an der Beweiskraft der Verhandlungsniederschrift auch dadurch nichts geändert, daß über ihre Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit zwischen der Staatsanwaltschaft und dem Angeklagten Einverständnis besteht. — Doch darf der Grundsatz der ausschließlichen Beweiskraft des Protokolls, der — zumal vermöge der verneinenden Wirkung — überaus lästige Folgen haben kann (RG. JW. 1922 626,1925 1007; Recht 1927 Nr. 1563), nicht überspannt werden. Zunächst ist es dem übergeordneten Gericht keineswegs verwehrt, die Urteilsgründe für die Ermittlung des Sinns einer in der Niederschrift enthaltenen Angabe zu verwerten, sofern nur der aus den Gründen ermittelte Sinn in der Angabe überhaupt gefunden werden kann, es sich also um eine bloße Auslegung handelt (Alsberg-Nüse 438f.). Ferner können zugunsten eines Revisionsvorbringens dienstliche Äußerungen, die von den beiden Urkundspersonen oder nur vom Vorsitzenden oder nur vom Beamten der Geschäftsstelle, sei es auf Veranlassung der Staatsanwaltschaft vor Einsendung der Akten an das Revisionsgericht, sei es auf Verlangen des Revisionsgerichts abgegeben worden sind, sowohl der Wider'egung einer im Protokoll enthaltenen Angabe, als auch der Feststellung eines im Protokoll nicht beurkundeten Vorgangs insofern dienen, als sie dem Protokoll die Beweiskraft, die der übereinstimmenden amtlichen Bezeugung der beiden im Gesetz hierzu berufenen Personen zukommt, nachträglich wieder entziehen (RGSt. 57 396, 67 287; RG. JW. 1929 274041, 1930 71620, 1931 2506M; BGHSt. 4 364; OLG. Köln NJW. 1952 758; a. M. Beling JW. 1927 126 Anm. 25). Insbesondere aber entfällt die ausschließliche Beweiskraft des Protokolls, wenn sich ergibt, daß die Beurkundung einer für die Hauptverhandlung vorgeschriebenen Förmlichkeit unterblieben ist, weil eine der beiden Urkundspersonen der rechtsirrigen Meinung war, die Förmlichkeit sei unwesentlich und bedürfe keiner Aufnahme in das Protokoll (RGSt. 64310; Alsberg JW. 1930 3869 Anm. 8).
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§274 Anm. 4
4. Berichtigung und Ergänzung der Niederschrift. a) Zulässigkeit der Berichtigung. Liegt dem Revisionsgericht eine vom V o r s i t z e n d e n u n d vom U r k u n d s b e a m t e n der G e s c h ä f t s s t e l l e n a c h t r ä g l i c h a b g e g e b e n e E r k l ä r u n g vor, die das Protokoll b e r i c h t i g t oder e r g ä n z t , so ist in dem betreffenden Punkt nicht das Protokoll, sondern jene wenn auch in einem besonderen Schriftstück enthaltene Erklärung der Entscheidung zugrunde zu legen (RGSt. 3 47,19 367, 21 200,323). Die auf eine Berichtigung oder Ergänzung abzielende Tätigkeit liegt jeder der beiden Urkundspersonen von Amts wegen ob, sobald eine von ihnen zu der Überzeugung gelangt, daß sich ein Fehler in die Beurkundung eingeschlichen habe (RGSt. 19 367; RG. JW. 1893 335). So muß die Verhandlungsniederschrift durch einen nachträglichen Vermerk des Vorsitzenden und des Urkundsbeamten ergänzt werden, wenn sie übereinstimmend zu der Ansicht gelangen, daß ein nicht beurkundeter Beweisantrag gestellt ist; dann geht die Beweiskraft auf den Vermerk über; erachten sie dagegen einen Berichtigungsantrag für unbegründet, müssen sie den Antragsteller ablehnend bescheiden; sind sie verschiedener Ansicht, entfällt insoweit die Beweisregel des § 274 (RG. HRR. 1937 Nr. 286). Die Ablehnung eines Berichtigungsantrags kann im Einverständnis mit dem Urkundsbeamten auch vom Vorsitzenden allein erklärt werden; der Urkundsbeamte muß sich aber vorher schriftlich geäußert haben, damit im Beschwerdeverfahren nachprüfbar ist, ob eine Ubereinstimmung beider Urkundspersonen vorliegt, die Entscheidung des Vorsitzenden also in gesetzmäßiger Weise zustandegekommen ist (OLG. Hamm JMB1. NRW. 1951 182). Die Urkundspersonen sind verpflichtet, bei der Änderung des Protokolls gleich wie bei dessen Herstellung zusammenzuwirken, bis eine Übereinstimmung unter ihnen erreicht wird; es geht nicht an, daß der Beamte der Geschäftsstelle den Vorsitzenden ermächtigt, eine Änderung vorzunehmen, die diesem angebracht erscheint (RGSt. 20 427; DRZ. 1931 Nr. 366; KG. GA. 74 310). Erweist sich die Erinnerung der Urkundspersonen bei der Prüfung, ob und wie das Protokoll zu ändern sei, in irgendeinem Stück als nicht mehr ganz zuverlässig, so muß der Vorsitzende die Erhebungen veranlassen, die den Vorgang in das Gedächtnis der Urkundspersonen zurückrufen können (KG. GA. 75 304, 386). Für die Änderung durch die Erklärung nur einer der beiden Urkundspersonen kann ausnahmsweise Raum sein, wenn die andere dauernd oder auf voraussichtlich längere Zeit an der Abgabe einer Erklärung verhindert ist (RG. DJZ. 1915 316). In diesem Fall kann freilich die nur von einer Urkundsperson ausgehende Erklärung regelmäßig nur die Beweiskraft des Protokolls in seiner ursprünglichen Fassung aufheben (RGSt. 57 396; RG. GA. 44 42); es bedarf besonderer Umstände, damit eine Erklärung, die von der einen Urkundsperson bei Verhinderung der anderen abgegeben wird, das berichtigte Protokoll mit der Beweiskraft des § 274 ausstatte. — In gleicher Weise ist zu verfahren, wenn ein Prozeßbeteiligter den Antrag auf Berichtigung anbringt. Der Anspruch auf Protokollberichtigung steht dem Angeklagten auch nach Beendigung des Verfahrens durch rechtskräftiges Urteil zu, sofern die Berichtigung dem Schutz eines Rechts des Angeklagten dienen kann; einer erschöpfenden Begründung des Antrags bedarf es nicht (KG. GA. 74 310; OLG. Hamm JMB1. NRW. 1951 182). Wird die Berichtigung abgelehnt, so kann Beschwerde hiergegen nicht mit der Behauptung eingelegt werden, daß der Vorgang, dessen Beurkundung die Urkundspersonen verweigert haben, sich doch zugetragen oder daß er eine andere als die von den Urkundspersonen bezeugte Gestalt gehabt habe; denn das Beschwerdegericht vermag nicht nachzuprüfen, ob die in der Niederschrift wiedergegebene Wahrnehmung der Urkundspersonen zutreffend ist; dagegen findet Beschwerde gegen den Beschluß insoweit statt, als sie darauf gestützt wird, daß der Beschluß verfahrenswidrig — etwa vom Vorsitzenden allein ohne Mitwirkung des Beamten der Geschäftsstelle •— gefaßt worden oder von Rechtsirrtum — etwa von der fehlerhaften Meinung, der umstrittene Vorgang bedürfe keiner Beurkundung —, beeinflußt sei (RGSt. 3 47, 5 44; BayObLGSt. 7 53, 163, 10 192, 20 75, 241; KG. JW. 1927 133128,1930 259226, GA. 74 310, 75 304, 386; OLG. Celle NdsRspfl. 1951 211). — Falls die Berichtigung wegen der rechtsirrigen Meinung des Vorsitzenden abgelehnt worden ist, daß eine Förmlichkeit — etwa ein nur hilfsweise angebrachter Beweisantrag — nicht in das Protokoll aufzunehmen sei, kann der Vorgang auch noch durch die Erwähnung in den Urteilsgründen und durch dienstliche Äußerungen der Urkundspersonen nachgewiesen werden (RG. JW. 1930 150516). b) Grenzen der Wirkung. Der rechtlichen Wirksamkeit nachträglicher Erklärungen der Gerichtspersonen ist eine G r e n z e gezogen, sobald ein R e c h t s m i t t e l eingelegt und eine Rüge erhoben ist, die sich auf die Verhandlungsniederschrift, sei es auf ihren Inhalt oder auf das Fehlen einer Angabe stützt; in diesem Fall sind, weil ein einmal begründetes Recht des Beschwerdeführers 72'
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Anm. 4 ihm nicht nachträglich wieder verkümmert werden darf, spätere Erklärungen, die den für die erhobene Rüge entscheidenden Punkt der Niederschrift betreffen und ihr die bisherige Grundlage entziehen würden, nicht zu berücksichtigen (RGR. 5 451; RGSt. 2 76, 12 121, 13 352, 19 369, 21 200, 324, 28 250,43 9, 59 4 2 9 , 6 1 1 8 , 63 410, 68 244; RG. J W . 1914 435,1932 421 2 6 ; OGHSt. 1 277; BGHSt. 2 125; BGH. J Z . 1952 281; B o h n e S J Z . 1949 760; E b S c h m i d t Anm. 19 zu § 2 7 1 ; E r b s V I I zu § 271; K l e i n k n M Anm. 5 zu § 271; a. M. B e l i n g ZStW. 38 632, 41 124, J W . 1925 2790, M a n n h e i m J W . 1925 2818; 1932 3110; ZStW. 48 687; J o n a s J W . 1936 3009; O e t k e r J W . 1927 918; S c h a f h e u t i e D J . 1936 1300; N i e t h a m m e r S J Z 1948 191 und DRZ 1949 451; D i t z e n 60ff.; S i m a d e r 243; A l s b e r g - N ü s e 448ff.; vgl. S t e n g l e i n GerS. 45 86ff.). Das RG. war mit dem Beschluß des Großen Senats RGSt. 70 241 von der bisherigen Rechtsprechung abgegangen und hatte dahin entschieden, daß das Revisionsgericht eine Berichtigung der Verhandlungsniederschrift auch dann berücksichtigen müsse, wenn sie einer vorher erhobenen Rüge den Boden entziehe. Die Rechtsprechung nach 1945 ist dieser Entscheidung mit Recht nicht gefolgt, sondern zur früheren Auffassung des RG. zurückgekehrt. Die Unwirksamkeit der Berichtigung tritt von dem Zeitpunkt ab ein, in dem die Begründung des Rechtsmittels mit der einschlägigen Verfahrensbeschwerde bei Gericht eingeht (RGSt. 24 214; BGH. J Z . 1952 281; a. M. A l s b e r g Nüse 447; G e r l a n d 386, vgl. auch E b S c h m i d t § 271 Anm. 19, die den Zeitpunkt der Einlegung des Rechtsmittels für maßgebend erachten). Ist die Niederschrift in diesem Zeitpunkt abgeschlossen zu den Akten gebracht, so kann die Wirksamkeit einer nachträglichen Berichtigung auch nicht um deswillen bejaht werden, weil der Vorsitzende das Protokoll zwar unterschrieben, aber noch nicht durchgesehen, vielmehr seine Unterschrift nur geleistet habe, um mit ihr ausschließlich die Urteilsformel zu decken. Darum ist die Verhandlungsniederschrift nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung zu würdigen, wenn der Urkundsbeamte einen Beweisantrag beurkundet, der Vorsitzende diese Angabe selbständig ändert und der Urkundsbeamte die Änderung erst genehmigt, nachdem eine Rüge wegen des beurkundeten Verfahrensvorganges erhoben worden war (RGSt. 68 244). Die Sitzungsniederschrift hat auch dann die volle Beweiskraft des § 274, wenn sie der Vorsitzende erst nach Eingang der Revisionsbegründung unterschreibt, unter der Voraussetzung allerdings, daß er den vom Urkundsbeamten schon unterschriebenen Entwurf des Protokolls nicht ändert. Dabei ist es gleichgültig, ob das auf diese Weise durch die Unterschrift des Vorsitzenden erst endgültig vollzogene Protokoll durch die ihm nach § 274 zukommende Beweiskraft einer erhobenen Verfahrensrüge den Boden entzieht (BGHSt. 12 270 = LM. StPO. § 274 Nr. 6 mit Anm. K r u m m e ) . Wird jedoch das Hauptverhandlungsprotokoll erst nach Eingang der Revisionsbegründungsschrift unterschriftlich vollzogen und werden vor der Unterzeichnung Änderungen vorgenommen, die einer schon erhobenen Rüge den Boden entziehen, so dürfen diese Änderungen vom Revisionsgericht nicht berücksichtigt werden. Zwar sind Änderungen und Ergänzungen, die vor der Unterzeichnung des Protokolls vorgenommen werden, keine Berichtigungen des Protokolls; die Urkundsbeamten müssen sogar für verpflichtet erachtet werden, sie vorzunehmen, sobald sie zu der Überzeugung kommen, daß der Entwurf unrichtige Angaben enthält. Der Revisionsführer muß aber das Protokoll, auch wenn es im Zeitpunkt der Revisionsbegründung noch unverbindlicher Entwurf ist, als Grundlage für seine Revisionsbegründung benutzen dürfen. Für die Nichtberücksichtigung von Änderungen des Protokollentwurfs, die einer im Zeitpunkt der Änderung erhobenen Verfahrensrüge den Boden entziehen, sprechen dieselben Gründe, die für die Nichtberücksichtigung nachträglicher Protokollberichtigungen angeführt werden. Die Rechtsprechung hat deshalb mit Recht beide Fälle gleichmäßig behandelt (BGHSt. 10 145 = LM. StPO. § 271 Nr. 1 mit Anm. B u s c h ) . Der Grundsatz der Unwirksamkeit einer Berichtigung nach Erhebung einer Rüge greift aber immer nur in dem Sinn durch, daß sie das Vorbringen einer schon vorliegenden Rechtsmittelbegründung nicht zu entkräften vermag; die spätere Berichtigung ist wirksam und maßgebend, wenn und soweit sie die Rüge bestätigt (RGSt. 19 367, 21 200, 323; RG. J W . 1932 3109 6 "). Ist im Sitzungsprotokoll ein verfahrensrechtlich erheblicher Vorgang gänzlich ü b e r g a n g e n , so kann die Niederschrift nach Einlegung der Revision nicht in der Weise nachträglich ergänzt werden, daß der Vorgang nur teilweise beurkundet wird, nämlich soweit er dem Beschwerdeführer günstig ist. Vielmehr muß, wenn die Niederschrift ergänzt wird, der ganze rechtserhebliche Vorgang nachträglich in ihr beurkundet werden (RGSt. 56 29; RG. GA. 57 396, J W . 1932 3109«°; BGHSt. 1 259). Es ist nicht Sache der Urkundspersonen, sondern Sache des Revisionsgerichts, zu prüfen, in welchem Umfang die nachträgliche Ergänzung des Protokolls berücksichtigt werden darf
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§275 (RGSt. 69 429). Sofern der Vorgang, auf den die Revisionsrüge gestützt ist, zunächst nicht in die Verhandlungsniederschrift aufgenommen war, sondern erst durch die Berichtigung in seiner Gesamtheit zu ihrem Inhalt geworden ist, hat das Revisionsgericht die Berichtigung regelmäßig in vollem Umfange zu berücksichtigen (BGHSt. 1 259). Lücken im Protokoll können im einzelnen von sehr verschiedener Art sein. Im Falle BGHSt. 1 259 war die Tatsache der Lücke dem Protokoll selbst nicht anzumerken. Sie ergab sich erst aus dem Vortrag der Revision. Sie wurde durch förmlichen Berichtigungsbeschluß — in zulässiger Weise — geschlossen. Ein Gegenstück behandelt die Entscheidung BGH. LM. StPO. § 274 Nr. 10. Die Lücke, die sich ergab, wenn man von dem bloßen Wortsinn der Sitzungsniederschrift ausging, konnte hier bereits im Wege der Auslegung des Protokolls geschlossen werden, wenn man die sonstigen Angaben des Protokolls und die innere Beziehung dieser Angaben zueinander berücksichtigte. Die „Lücke" konnte in diesem Falle geschlossen werden, ohne daß es eines förmlichen Berichtigungsbeschlusses bedurfte und ohne daß das Revisionsgericht auf Erklärungen der Urkundspersonen oder anderer Verfahrensbeteiligten zurückzugreifen brauchte. Etwa in der Mitte steht der Fall BGHSt. 17 220 = LM. StPO. § 274 Nr. 12 mit Anm. von Geier. Auch hier ergab sich bereits aus der äußeren Fassung des Protokolls ähnlich wie im Falle LM. StPO. § 274 Nr. 10 und zum Unterschied von BGHSt. 1 259, daß im Protokoll beurkundungspflichtige Tatsachen nicht beurkundet waren, daß das Protokoll also eine Lücke enthielt. Die Urkundspersonen hatten in diesem Falle davon abgesehen, die Lücke durch einen förmlichen Berichtigungsbeschluß zu schließen. Auch im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung der sonstigen Angaben des Protokolls konnte die Lücke nicht ausgefüllt werden. Der BGH. hat es in diesem Falle für zulässig erachtet, sich über die im Protokoll nicht beurkundeten Verfahrensvorgänge im Wege des Freibeweises unter Benutzung aller verfügbaren Beweismittel eine Überzeugung zu bilden und diese seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Dem ist zuzustimmen. Auch wenn es sich nicht um die Ausfüllung einer Lücke handelt sondern um die Änderung eines beurkundeten Vorgangs, ist kein förmlicher auf der übereinstimmenden Ansicht der beiden Urkundspersonen beruhender Berichtigungsbeschluß erforderlich, um der ursprünglichen Beurkundung die Beweiskraft des § 274 zu nehmen. Schon die nachträgliche gegenteilige Erklärung eines der Urkundsbeamten nimmt dem Protokoll in diesem Punkt die förmliche Beweiskraft des § 274 und eröffnet dem Revisionsgericht insoweit den Weg des Freibeweises. Das ist im Schrifttum und in der Rechtsprechung nicht bestritten. Es ist deshalb nicht einzusehen, daß für die Ergänzung einer Lücke nur der förmliche Berichtigungsbeschluß oder nur der Freibeweis unter Verwendung aller verfügbaren Beweismittel zur Verfügung stehen sollte. Beide Möglichkeiten stehen vielmehr nebeneinander, ohne daß abgegrenzt werden könnte, daß in dem einen Falle nur die eine, in dem anderen Falle nur die andere Möglichkeit zur Verfügung stünde. Ist allerdings im Wege eines zulässigen förmlichen Berichtigungsbeschlusses eine Protokollücke ausgefüllt worden, ist für den Freibeweis unter Verwendung anderer Beweismittel kein Raum mehr. 5. Fälschung der Verhandlungsniederschrift. Eine Fälschung im Sinn des § 274 liegt vor, wenn entweder die Niederschrift als Ganzes von einem Unbefugten hergestellt oder eine an sich echte Niederschrift in unbefugter Weise inhaltlich verändert, sowie ferner, wenn von den bei der Errichtung Beteiligten mit Bewußtsein dem Protokoll, sei es durch eine Niederschrift oder durch eine Weglassung, ein unwahrer Inhalt gegeben wird; dagegen trifft der Begriff der Fälschung nicht zu, wenn nur aus Mißverständnis oder Fahrlässigkeit Vorgänge, die sich zugetragen haben, aus der Verhandlungsniederschrift weggelassen oder Vorgänge als wirklich in sie aufgenommen sind, die sich überhaupt nicht oder in anderer Weise zugetragen haben (RGSt. 5 44, 7 388, 8 143,19 344, 20 166; RG. JW. 1924 467 mit Anm. von Hegler; E b S c h m i d t Anm. 11; KleinknM Anm. 5; Peters 125; K e r n 4. Aufl. 56; a. A. B e n n e c k e - B e l i n g 475 Anm. 18; B e l i n g 325 Anm. 1).
§375 (1) Das Urteil mit den Gründen ist binnen einer Woche nach der Verkündung zu den Akten zn bringen, falls es nicht bereits vollständig in das Protokoll aufgenommen worden ist. (2) Es ist von den Richtern, welche bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterschreiben. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies unter der Angabe des Verhinderungsgrundes von dem Vorsitzenden und bei dessen Verhinderung von dem ältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der Schöffen und der Geschworenen bedarf es nicht.
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Anm. 1—4 (3) Die Bezeichnung des Tages der Sitzung sowie die Namen der Richter, der Geschworenen, der Schöffen, des Beamten der Staatsanwaltschaft und des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle, die an der Sitzung teilgenommen haben, sind in das Urteil aufzunehmen. (4) Die Ausfertigungen und Auszüge der Urteile sind von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 222. II. Entw. § 228. III. Entw. § 233. Abs. 1 ist geändert durch Gesetz vom 11. März 1921 Art. III Nr. 5 (RGBl. 231). Inderungsvorschläge: NE I u. II §262 NE III §§264, 265. 1. Frist für die Urteilsabsetzung. Abs. 1 enthält eine Sollvorschrift, die verhüten will, daß ein längeres Hinausschieben der Abfassung die Zuverlässigkeit der Erinnerung des Urteilsfassers beeinträchtigt und zur Aufnahme von Ausführungen führe, die nicht der Ansicht der Mehrheit entsprechen. Einen Revisionsgrund bildet weder die Verspätung der Abfassung des Urteils (RGR. 4 91; RGSt. 2 378, 31 349, 59 362, 62 182; OGHSt. 2 328) noch die Verspätung der Unterzeichnung (RGR. 7 493; RG. JW. 1928 2268, 1930 93751). Eine andere Auffassung kann selbst bei einer sehr erheblichen Überschreitung der Frist nicht Platz greifen (RGSt. 62 182). An dieser Auffassung hat auch der BGH. festgehalten (BGH. NJW. 1951 970), sie jedoch durch die Bemerkung ergänzt, daß die verspätete Absetzung der Gründe dem Revisionsgericht Anlaß geben könne, an ihre Vollständigkeit und Schlüssigkeit besonders strenge Anforderungen zu stellen. Er hat es auch abgelehnt, die Gründe, die im Zivilprozeß im entsprechenden Falle bei erheblicher Fristüberschreitung zu dem Revisionsgrund des § 551 Nr. 7 ZPO. führen können (BGHZ. 7 155), auch für das Strafverfahren durchgreifen zu lassen (BGH. LM. StPO. § 275 Nr. 2). Da die Wochenfrist des Satz 1 in größeren Sachen auch dann nicht immer eingehalten werden kann, wenn sich der Urteilsfasser ernstlich darum bemüht und alle geeigneten Vorkehrungen für die Entlastung des Urteilsfassers und des Vorsitzenden von sonstigen Dienstgeschäften getroffen werden, entspricht die Auslegung des Satzes 1 als einer Sollvorschrift einem dringenden praktischen Bedürfnis (RiStV Nr. 123 Abs. 2; E b S c h m i d t Anm. 6; K l e i n k n M Anm. 3). Sie birgt jedoch für den Fall der erheblichen Fristüberschreitung beträchtliche Gefahren. Falls die Rechtsprechung den Schritt nicht zu gehen wagt, in einer erheblichen, sachlich nicht begründeten Fristüberschreitung einen Revisionsgrund zu sehen, müßte sich der Gesetzgeber dazu entschließen, die Vorschrift des Satzes 1 durch eine weitere — geräumig zu bemessende — Frist zu ergänzen, deren Überschreitung einen Revisionsgrund bildet. — Wegen des Falls, daß die Urteilsverkündung ausgesetzt war, s. § 268 Abs. 3. 2. Aufnahme der Gründe in die Verhandlungsniederschrift. Ob das Urteil mit den Gründen als besondere Niederschrift zu den Akten zu bringen oder die Gründe in das Protokoll mit aufzunehmen seien, ist dem Ermessen des Vorsitzenden überlassen. Die Aufnahme der Gründe in das Protokoll empfiehlt sich nur in einfachen Sachen, deren Lage ein alsbaldiges Niederschreiben der Gründe gestattet. Sie erfordert, daß die Richter und der Urkundsbeamte das Protokoll nach Wiedergabe nicht nur der Formel, sondern auch der Gründe unterschreiben (RGSt. 64 214; K l e i n k n M Anm. 1; E b S c h m i d t Anm. 8). — Ist das Urteil mit den Gründen in das Protokoll aufgenommen, so bedarf es keiner besonderen Absetzung des Urteils. — Die besondere Niederschrift des Urteils muß sowohl den vollständigen Urteilskopf und den Urteilssatz wie auch die Gründe umfassen (RGSt. 19 233). 3. Urteilsfasser. Die Abfassung des Urteils mit den Gründen gehört (vom dreigliedrigen Schöffengericht und der kleinen Strafkammer abgesehen) nicht zur Aufgabe des Vorsitzenden; vielmehr ist, wie in den höheren Instanzen ein Berichterstatter (§§ 324, 351), so im ersten Rechtszuge ein U r t e i l s f a s s e r zu ernennen; als solcher kann indes auch der Vorsitzende selbst tätig sein. — Der Umstand, daß die Urteilsgründe in das Protokoll aufgenommen werden, schließt ihre Niederschreibung durch einen der Richter nicht aus. 4. Unterschriften der Richter. a) Das Erfordernis der Unterschrift sämtlicher Richter gilt sowohl für den Urteilssatz wie für die Gründe (RGR. 1 826). Auch wenn das Urteil vollständig in das Protokoll aufgenommen wird, muß es von allen Richtern unterschrieben werden. Das Fehlen einer Unterschrift bildet jedoch keinen Revisionsgrund; denn sie kann jederzeit nachgeholt und der Mangel hierdurch behoben werden (RGR. 9 480; RGSt. 61 399). Dies gilt auch, wenn ein nicht beteiligter Richter an Stelle eines beteiligten irrtümlich das Urteil unterschrieben hat. Eine solche Nachholung ist selbst dann noch zulässig, wenn der Mangel in der Revisionsbeschwerde gerügt ist. Ein vollständiges schrift-
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liches Urteil liegt so lange nicht vor, als nicht sämtliche Richter unterzeichnet haben. Die Frist zur Begründung der Revision läuft deshalb erst von der Zustellung eines durch Nachholung aller Unterschriften fertiggestellten Urteils ab (RG. LZ. 10 153; vgl. RGZ. 82 422). — Dasselbe gilt, wenn irrtümlich ein nicht Berufener die Verhinderung eines Richters zur Beifügung einer Unterschrift unter dem Urteil bemerkt hat (RG. GA. 38 48). — Der Urkundsbeamte hat nur die Ausfertigung des Urteils, nicht aber die (besonders niedergeschriebene) Urschrift zu unterschreiben. b) Änderung der Urteilsgründe nach Unterschreibimg. Bedarf es der Unterschrift mehrerer Richter und ist der Urteilsentwurf zunächst nur von einem Teil der Richter unterschrieben, so dürfen spätere Änderungen nur mit Zustimmung des oder der Richter vorgenommen werden, deren Unterschrift schon vorliegt (RG. Recht 1915 Nr. 2189). Eine dem Vorsitzenden oder einem Beisitzer im voraus erteilte Ermächtigung, an den ausgearbeiteten Gründen so viel zu ändern, als der Ermächtigte für erforderlich oder zweckmäßig erachte, ist rechtlich wirkungslos (RG. GA. 62 471). Scheidet ein Richter aus dem Gericht aus, nachdem der Urteilsentwurf von ihm, aber bevor er von den andern Richtern unterzeichnet ist, so steht dem nichts im Weg, daß die Änderung, die den zurückbleibenden Richtern angebracht erscheint, vorgenommen und daß die Unterschrift des ausgeschiedenen Richters durch einen Vermerk über seine Verhinderung an der Unterzeichnung des neu gefaßten Urteils ersetzt wird (RG. DRZ. 1929 Nr. 904). Verweigern die Richter, die den Urteilsentwurf schon unterzeichnet haben, die Zustimmung zu einer von den anderen Richtern gewünschten Änderung, so muß ein neuer Beschluß über die endgültige Fassung der Urteilsgründe herbeigeführt werden (RGSt. 44121; vgl. wegen der Besonderheiten bei dem mit zwei Richtern besetzten Schöffengericht, bei dem ein Mehrheitsbeschluß der Berufsrichter nicht zustande kommen kann, K n o d t DRZ. 1925 333, S a c h s e GA. 70 161, S a c h s DRZ. 1925 154). Einseitige Erklärungen, die ein Richter bei der Unterschrift des Urteils abgibt, sind nicht Bestandteil der Urteilsgründe und vermögen die Feststellungen des Urteils nicht zu beeinträchtigen. Ist das Urteil von allen mitwirkenden Richtern unterschrieben, so sind die Urteilsgründe hiermit so festgestellt, daß jede nachträgliche Änderung oder Ergänzung durch den Vorsitzenden allein ausgeschlossen ist und von ihm hinzugefügte Sätze als Gründe des Urteils überhaupt nicht gelten können (RGSt. 13 66; RG. GA. 46 218, JW. 1901 500). Sollen nachträgliche Änderungen vorgenommen werden, so bedürfen sie zur Gültigkeit der besonderen Unterzeichnung durch sämtliche Richter (RGSt. 23 261, 28 57). Eine Ausnahme hiervon kann nur in Betracht kommen, wenn es sich um die Berichtigung offensichtlicher, aus dem Urteil selbst zweifelsfrei hervorgehender Schreib- oder sonstiger Fassungsfehler handelt (BayObLG. DRZ. 1929 Nr. 1020). Jedoch werden auch Änderungen und Einschaltungen, die der Vorsitzende bewirkt hat, durch die Unterschriften gedeckt, wenn ein späteres Zufügen nicht feststeht (RG. JW. 1891 54). Mit der Zustellung des fertiggestellten und von allen mitwirkenden Richtern unterschriebenen Urteils an einen Prozeßbeteiligten erlischt die Befugnis zur Änderung (RGSt. 28 82; RG. Recht 1911 Nr. 3886, 1926 Nr. 1110, GA. 71 92); der Verfügung des Vorsitzenden, mit der die Übergabe des Urteils an die Staatsanwaltschaft angeordnet wird, kommt keine solche Wirkung zu, da diese Verfügung nur Bedeutung für den inneren Dienst hat (a. A. RGSt. 54 21). Nachträgliche Änderungen des unterschriebenen und zugestellten Urteils sind schlechthin unzulässig und unbeachtlich (RGSt. 24 118, 28 81, 247, 51 376; RG. JW. 1893 291). Dagegen ist die Zustellung eines von einem Teil der Richter nicht unterschriebenen Urteils rechtlich bedeutungslos; der Angeklagte kann keinen Einwand daraus herleiten, daß das hernach zugestellte, ordnungsmäßige Urteil inhaltlich von dem abweiche, das ihm zugestellt worden war, bevor die Unterschriften aller mitwirkenden Richter vorlagen (OLG. Dresden JW. 1930 2080 4 '). e) Verhinderung eines Richters an der Unterschriftsleistung. Eine Verhinderung im Sinne des Abs. 2 liegt vor, wenn ein Richter seine Unterschrift nicht leisten kann, nicht aber dann, wenn er sie nicht leisten will. Der überstimmte Richter darf seine Unterschrift nicht verweigern. Es gehört zu seiner richterlichen Pflicht, sich der gesetzlichen Mehrheit zu beugen ( E b S c h m i d t Anm. 12). K l e i n k n M Anm. 4 möchten in dem Falle, daß ein Richter seine Unterschrift nicht leisten will, Abs. 2 Satz 2 entsprechend anwenden; dagegen bestehen jedoch Bedenken. Eine Verhinderung im Sinn des Abs. 2 liegt z. B. vor, wenn ein Richter inzwischen einen Urlaub angetreten hat oder wenn ein nicht am Gerichtssitz wohnhafter Hilfsrichter mitgewirkt hat und vor der Abfassung des Urteils an seinen Wohnort zurückgekehrt ist (RGR. 8 739; RG. GA. 39 318). — Auch anderweitige Dienstgeschäfte können eine Verhinderung begründen. Das Revisionsgericht ist nicht befugt nachzuprüfen, ob tatsächlich eine Verhinderung bestand.
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Vor § 276 Anm. 1, 2 d) Verhinderung mehrerer Richter. Satz 2 gilt auch, wenn mehrere Richter an der Beifügung ihrer Unterschrift verhindert sind; es ist nicht ausgeschlossen (wenngleich nach Möglichkeit zu vermeiden), daß in solchem Fall einer für alle unterschreibt (RG. GA. 42 31; E b S c h m i d t Anm. 15). e) Verhinderung des allein mitwirkenden Berufsrichters. Die Unterschrift des Vorsitzenden kann beim dreigliedrigen Schöffengericht und bei der kleinen Strafkammer durch den älteren Schöffen nicht ersetzt werden (BayObLG. DRZ. 1931 Nr. 785; L o r e n z GA. 38 273ff., K ö n i g SächsArch. 13 160; E b S c h m i d t Anm. 16; K l e i n k n M Anm. 5; a. M. v. K u n o w s k i GA. 87 333 ff.). f) Vermerk über die Verhinderung. Der Vorsitzende soll durch eine Bemerkung unter dem Urteil ersichtlich machen, daß die Unterschrift eines mitwirkenden Richters nicht aus Versehen fehlt, sondern daß dieser Richter an der Vollziehung der Unterschrift verhindert ist. Gegen die Zulänglichkeit der Formel „zugleich für den erkrankten (beurlaubten) Landgerichtsrat" bestehen Bedenken (RG. Recht 1918 Nr. 655; Meyn LZ. 1915 1433). 5. Widerspruch zwischen Protokoll und Urteil. Weicht die in der Sitzungsniederschrift stehende Urteilsformel von der Formel des besonders niedergeschriebenen Urteils ab, so ist die Niederschrift maßgebend. Denn sie beweist den Wortlaut des v e r k ü n d e t e n U r t e i l s (§273 Anm. 5); darauf aber muß das alleinige Gewicht gelegt werden, weil der Angeklagte, der die Verkündung gehört hat, seine Entschließung über die etwaige Einlegung eines Rechtsmittels doch nur im Hinblick auf das ihm Verkündete fassen kann und er eine Abweichung der fraglichen Art regelmäßig erst nach Ablauf der Einlegungsfrist in Erfahrung bringt (RGR. 3 378; RG. JW. 1901 690; a. M. K e r n GerS. 91 145, M a n n h e i m JW. 1927 916). — Bei einem Widerspruch zwischen der Urteilsformel und den Urteilsgründen ist jene maßgebend. Wenn jedoch hinsichtlich der Strafe die Formel (auch die im Protokoll enthaltene) und die Gründe des Urteils einen Widerspruch enthalten, so liegt eine die Aufhebung des Urteils begründende Unklarheit vor (RGSt. 46 326; RG. GA. 42 37, JW. 1901 690, Recht 1909 Nr. 1435, DRZ. 1927 Nr. 75). Der Angeklagte ist aber nicht beschwert, wenn die maßgebende Formel die geringere Strafe enthält. 6. Urteilskopf. Unrichtigkeiten in den nach Abs. 3 vorgeschriebenen Angaben begründen nicht die Revision, da das Urteil nicht auf ihnen beruht (RGR. 9 480). Dies gilt insbesondere für die unrichtige Zeitangabe des Urteils (RG. JW. 1932 310539). 7. Verlust der Urschriit. Ist die Urschrift des Urteils abhanden gekommen, so kann eine neue Urschrift hergestellt werden, sofern die beteiligten Richter bezeugen, daß die Urteilsgründe der neuen Urschrift der früheren entsprechen (RG. GA. 68 443; E b S c h m i d t Anm. 18. 8. Ausfertigungen. Unter Ausfertigungen sind amtliche Abschriften zu verstehen, die im Verkehr die Urschrift ersetzen sollen und deshalb vom Urkundsbeamten in besonderer Form (Unterschrift, Gerichtssiegel) erteilt werden ( E b S c h m i d t Anm. 19, vgl. im übrigen Anm. 4 b zu § 37). Fehlt eine in der Urschrift vorhandene Unterschrift unter der Ausfertigung, so ist dieser Mangel unerheblich (RG. JW. 1923 934). — Zuständig zur Vornahme der in Abs. 4 vorgesehenen Amtshandlungen ist der Urkundsbeamte des mit d e r S a c h e b e f a ß t e n Gerichts, wenn es sich um Urteile einer bei einem Amtsgericht gebildeten Strafkammer handelt, auch der Urkundsbeamte des Landgerichts neben dem des Amtsgerichts (RGSt. 48 132).
Siebenter Abschnitt
Verfahren gegen Abwesende Vorbemerkungen 1. Schrifttum: F u c h s , Steuerstrafverfahren gegen Abwesende, ZfZ. 1954 65; N i e t h a m m e r , Die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten, Festschrift für Rosenfeld, S. 119; O r t l o f f , Das Strafverfahren gegen Abwesende und Flüchtlinge, GA. 19 492, 590; R e m p e , Verfahren gegen Flüchtige und Abwesende, Bericht der amtlichen Strafprozeßkommission 1938, S. 460. 2. Entstehungsgeschichte. In der Regierungsvorlage ( H a h n , Mat. 1 36) war das Abwesenheitsverfahren nur ein Beweissicherungsverfahren. § 273 lautete: „Gegen einen Abwesenden
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Siebenter Abschnitt. Verfahren gegen Abwesende (Dünnebier)
V o r § 276 Anm. 8
findet eine Hauptverhandlung und Urteilsfällung nicht statt. Bin gegen einen Abwesenden eingeleitetes Verfahren hat nur die Aufgabe, für den Fall seiner künftigen Gestellung die Beweise zu sichern". Demzufolge umfaßte der achte Abschnitt zunächst nur Bestimmungen, die sich jetzt in § 276 Abs. 1, §§ 285 bis 295 finden. Die Motive bemerken dazu: § 273 stehe in engem Zusammenhang mit § 230 Abs. 1. Dessen Grundsatz, daß gegen einen ausgebliebenen Angeklagten keine Hauptverhandlung stattfinde, folge mit Notwendigkeit aus dem Prinzip des Strafverfahrens. Dieses Prinzip beanspruche Geltung auch dann, wenn sich der Angeklagte der Hauptverhandlung entzogen habe. Denn es beruhe auf der Abwesenheit; ihr Grund sei gleichgültig. Die Behauptung, die Schwere eines Rechtsbruches verlange im öffentlichen Interesse alsbaldige Strafverhängung, verkenne Wesen und Zweck der Strafe. Die Beweissicherung sei notwendig, erfordere aber nicht das Abwesenheitsurteil. Die Ausnahme des § 232 Abs. 1 sei im Abwesenheitsverfahren nicht wiederholt, weil bei den dort bezeichneten geringfügigen Gesetzesverletzungen am wenigsten ein Bedürfnis vorliege, ein umständliches und meistens doch erfolgloses Abwesenheitsverfahren eintreten zu lassen (Mot., H a h n 1 238). Als Ausgleich für das Fehlen eines Abwesenheitsverfahrens schlug der Entwurf die Beschlagnahme des inländischen Vermögens, jedoch nicht in amtsgerichtlichen Sachen, zur Erzwingung der Gestellung vor (vgl. jetzt § 290). Das eigentliche Abwesenheitsverfahren (jetzt § 276 Abs. 2, §§ 277 bis 284) ist von der Reichstagskommission eingefügt worden. In erster Lesung war die Vermögensbeschlagnahme gefallen ( H a h n , Mat. 1 950). Die dadurch entstandene Lücke wurde in zweiter Lesung so ausgefüllt, daß bei zu erwartender Geldstrafe oder Einziehung ein Abwesenheitsverfahren und zur Deckung von Strafe und Kosten die Beschlagnahme von Vermögensteilen (jetzt §§ 273, 274) zugelassen, bei anderen als amtsgerichtlichen Sachen die Vermögensbeschlagnahme als Gestellungsmittel (jetzt §290) wieder hergestellt wurde ( H a h n , Mat. 2 1442, 1572). In dieser Form ist der Entwurf Gesetz geworden. Das System der Erzwingungsbeschlagnahme in großen Strafsachen und der Sicherungsbeschlagnahme verbunden mit Abwesenheitshauptverhandlung in Bagatellsachen wurde durch § 25 Abs. 2 der VO. über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege vom 4. Januar 1924 (RGBl. 115; „Emminger VO.") gestört, indem die Vermögensbeschlagnahme auch in Sachen für zulässig erklärt wurde, die zur Zuständigkeit des Amtsrichters oder des Schöffengerichts gehören. Zufolge dieser Änderung erhielt der Abschnitt in der Bekanntmachung vom 22. März 1924 (RGBl. I 299, 322) etwa den Inhalt, den er jetzt h a t ; nur die Haft in § 277 Abs. 2, das staatsanwaltschaftliche Ermessen in § 277 und die §§ 282 und 282 c entstammen späteren Änderungen. 3. Spätere Änderungen. Durch das Gesetz gegen Verrat der Deutschen Volkswirtschaft vom 12. Juni 1933 (RGBl. I 360) wurde das Abwesenheitsverfahren auf sämtliche Devisensachen ausgedehnt. Diese Ausdehnung des Umfangs erforderte eine Erweiterung der Wiederaufnahmegründe. Demzufolge wurde in § 9 Abs. 3 Satz 3 verordnet, bei Ergreifen oder Gestellen habe das Gericht die Erneuerung der Hauptverhandlung mit der Maßgabe zu beschließen, daß das frühere Urteil hinfällig werde. Die umfangreichste Änderung erfuhr der Abschnitt durch Art. 6 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften des Strafverfahrens und des Gerichtsverfassungsgesetzes vom 28. Juni 1935 (RGBl. I 844). Äußerlich wurde der Abschnitt mit der Überschrift „Hauptverhandlung gegen Flüchtige" auf die §§ 276 bis 282 beschränkt; die §§ 283 bis 295 bildeten einen achten Abchnitt mit der Überschrift „Weitere Maßnahmen gegen Flüchtige"; ihr Inhalt blieb im wesentlichen unverändert. Das eigentliche Abwesenheitsverfahren wurde — „symptomatisch für den neuen Geist der Verfahrensnovelle" (E. S c h ä f e r DJust. 1935 993) — bei allen Sachen schlechthin für zulässig erklärt, „wenn das Rechtsempfinden des Volkes die alsbaldige Aburteilung der Tat verlangt". In § 277 Abs. 1 wurde das Antragsrecht der Staatsanwaltschaft festgelegt mit dem Zusätze (§ 278 Satz 2), daß keine Nachprüfung durch das Gericht stattfinde. Die §§ 279, 280 erhielten die jetzige Fassung mit der Maßgabe, daß die Ladung in mindestens zwei öffentlichen Blättern (jetzt einem; § 288 Abs. 1 Satz 1) bekanntzumachen war; die Notwendigkeit der Verteidigung wurde begründet (§ 281; jetzt § 140 Abs. 1 Nr. 7). Von bleibender Bedeutung wurde die neue Fassung der §§ 282 und 282 b (jetzt § 282 c), die die Einstellung bei nicht spruchreifen Verfahren und die erleichterte Wiederaufnahmemöglichkeit brachte, die allerdings an die in Absatz 1 dargestellte nicht heranreicht. Art. 3 Nr. 131—133 VereinhG. verlieh dem Abwesenheitsverfahren im wesentlichen wieder den Inhalt, den er nach der Emminger VO. hatte. Jedoch ist — ohne Begründung — das Verfahren
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V o r § 276 Anm. 4, 5
Strafprozeßordnung. Zweites Buch
auch für zulässig erklärt worden, wenn die den Gegenstand der Untersuchung bildende Tat mit Haftstrafe bedroht ist. Die §§277, 279, 280 verdanken ihre Fassung, die §§282, 282 c ihren Inhalt der im vorhergehenden Absatz dargelegten Änderung. 4. Beform. Das Beweissicherungsverfahren (§§ 285 bis 294) wird immer ein Bestandteil des Gesetzes sein müssen, wenn auch nicht notwendig in einem besonderen Abschnitt und im Anschluß an das Hauptverfahren des ersten Rechtszuges. Die Regelung des eigentlichen Abwesenheitsverfahrens könnte durch Ergänzung der Strafprozeßordnung in Einzelbestimmungen entbehrt werden, wie das im EG. StGB. 1928 vorgeschlagen war. Über dieser untergeordneten Frage steht jedoch die nach einer Reform des Verfahrens selbst. Das System bis zur Emminger VO. war: Der Abwesende wird durch Vermögensbeschlagnahme zur Gestellung gezwungen (§290). Da die Beschlagnahme des ganzen Vermögens oft zu hart ist, wird die Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten durchgeführt, wenn die Tat nur mit Geldstrafe und Einziehung bedroht ist. Auf diese Weise soll der staatliche Zugriff mit dem Mittel der Urteilsvollstreckung auf die Geldstrafe oder auf den Einziehungsgegenstand beschränkt werden. Demgemäß muß sich auch die Sicherungsbeschlagnahme grundsätzlich auf Vermögensteile richten (§ 283). Nach dem System des Abschnitts ist die Abwesenheitshauptverhandlung also eine Vergünstigung gegenüber der unbeschränkten Vermögensbeschlagnahme und wegen der Beziehung zu dieser nur sinnvoll bei Geldstrafe und Einziehung. Das Abwesenheitsverfahren ist daher unsystematisch und in der Regel sinnlos, wenn eine Haftstrafe zu erwarten ist. In § 277 Abs. 2 sollte daher bei mit Haft bedrohten Übertretungen oder Vergehen (z. B. § 18B StGB.) auf eine zu erwartende Geldstrafe abgestellt oder der Haftfall ganz gestrichen werden. Indessen wäre zu prüfen, ob man nicht besser auf die Abwesenheitshauptverhandlung ganz verzichten könnte, weil die Vollstreckung geringfügiger Geldstrafen weder präventiv noch fiskalisch notwendig ist. In der Praxis kommt einem Verfahren ohne Angeklagten nur für die Einziehung Bedeutung zu. Für ein solches Verfahren ist aber durch § 42 StGB., §§ 430ff. ausreichend Vorsorge getroffen. Die Vermögensbeschlagnahme (§ 290), die in der Praxis auch nur eine sehr untergeordnete Rolle spielt, sollte, wenn man sie nicht entbehren zu können glaubt, nach dem Vorbild von § 432 Abs. 2 i. d. F. EGStGB. 1928 auf Fälle beschränkt werden, in denen mehr als sechs Monate Freiheitsstrafe zu erwarten sind. Um den Verfassungsgrundsatz des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG.) zu sichern, wird dem im Abwesenheitsverfahren Verurteilten das Recht auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach Ergreifen oder Gestellen vorbehaltlos einzuräumen sein, wie dies in § 9 Abs. 3 des G. gegen Verrat der Deutschen Volkswirtschaft vom 12. Juni 1933 — RGBl. I 360 — (s. u. 3 a zu § 282 c) vorgesehen war. Das staatliche Interesse geht nicht auf Verurteilung, sondern darauf, dem Verfahren, auch gegen den Abwesenden, das Ziel der Wahrheitserforschung und einer gerechten Entscheidung zu setzen ( H e n k e l , § 112,1 Abs. 2), d. h. die Schuldfrage grundsätzlich in einer Hauptverhandlung in Anwesenheit des Angeklagten zu prüfen. Ist dieses Ziel, wenn auch nachträglich zu erreichen, so bestraft der Staat den Angeklagten für seine Abwesenheit mit dem Entzug prozessualer Rechte, wenn er ihm die Wiederaufnahme nicht ohne Vorbehalte gewährt. Es besteht auch kein prozessualer Anlaß, der ihn zu dieser Engherzigkeit zwänge: Das Gericht vernimmt die Zeugen in der Hauptverhandlung, soweit nicht Ausnahmen vorgesehen sind (§§ 60 bis 63), eidlich (§ 69). Es kann in der neuen Hauptverhandlung die Niederschriften über die richterliche Vernehmung im Abwesenheitsverfahren verlesen, wenn ein Zeuge inzwischen unerreichbar geworden ist (§ 251 Abs. 1 Nr. 1 und 2). Auf diese Weise trifft ein Beweisverlust, der durch den Wegfall eines Zeugen entsteht, in der Regel den früher abwesenden Angeklagten, nicht aber den Staat. Wegen der Anwendung dieses Grundsatzes im geltenden Recht s. u. 4 b Abs. 2 zu § 282 c. 5. Gliederung des Abschnitts. Die Definitionsvorschrift von § 276 Abs. 1 und die Verweisungsvoischrift von § 276 Abs. 2 gelten für den gesamten Abschnitt. Dieser ist sonst, wie es das G. v. 28. 6. 1935 besonders deutlich gemacht hatte, in zwei Teile geschieden: Die §§ 277 bis 284 behandeln das eigentliche Abwesenheitsverfahren, die Abwesenheitshauptverhandlung. Die §§ 285 bis 295 regeln dagegen diejenigen Abwesenheitsfälle, bei denen keine Hauptverhandlung stattfinden darf. Von ihnen betreffen die §§ 285 bis 289 das Beweissicherungsverfahren. Ihnen angeschlossen ist das Verfahren der Vermögensbeschlagnahme zu dem Zwecke, die Gestellung zu erzwingen (§§ 290 bis 294) und damit das Regelverfahren zu ermöglichen. Dieses Ziel will auch § 295 erreichen aber nicht auf dem Wege des Zwanges sondern durch eine Art Vereinbarung.
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Siebenter Abschnitt. Verfahren gegen Abwesende (Dünnebier)
V o r § 276 Anm. 6, 7
§ 295 bezieht sich zwar auf einen Abwesenden, hat aber den Zweck, das Abwesenheitsverfahren oder die Vermögensbeschlagnahme zu vermeiden. 6. Steuersachen. Das Abwesenheitshauptverhandlungsverfahren (§§ 277 bis 284) findet in Steuersachen in einem erweiterten Umfang statt. Schon in der ursprünglichen Fassung der AO. v. 13.12. 1919 (RGBl. 1993) war der jetzige § 277 von der Anwendung auf Steuersachen gegen Abwesende ausgeschlossen, das Verfahren also in allen Steuersachen unabhängig von der Strafandrohung schlechthin zulässig. Art. 9 Nr. Bb des Gesetzes vom 28. Juni 1935 (RGBl. I 844) hat dem § 473 AO. die jetzige Fassung gegeben. Die Angleichung von § 473 AO. an die Strafprozeßordnung ist im VereinhG. offenbar übersehen worden. Zum Verständnis der in § 473 AO. enthaltenen Verweisungen ist daher auf den Text der Strafprozeßordnung nach dem Stande von 1935 zurückzugreifen; die danach angezogenen Bestimmungen sind durch die entsprechenden Vorschriften des derzeitigen Textes zu ersetzen (Art. 8 III Nr. 123 VereinhG.). Danach ergibt sich: Gegen den Abwesenden können die Hauptverhandlung durchgeführt, das Urteil vollstreckt und Beschlagnahmen (§§ 283, 284) angeordnet und vollzogen werden, auch wenn die Voraussetzungen des § 277 Abs. 3 und 4 nicht gegeben sind. (Der in § 473 AO. angezogene Absatz 1 des § 276 ist weggefallen ; die Absätze 2 und 3 heißen jetzt 3 und 4.) Von der Anwendung des § 280 Abs. 1, 3 und 4, des § 140 Abs. 1 Nr. 7 (1935: § 281) und des § 282a Abs. 1 Satz 2 kann abgesehen werden. Die Hauptverhandlung findet auch auf Antrag des Finanzamts statt, das auch das Urteil öffentlich bekannt machen (§ 282 a Abs. 2 Satz 2) kann. Die Einschränkung der Publizität der Ladung, der Wegfall der notwendigen Verteidigung und der Urteilszustellung an den Verteidiger durch § 473 Abs. 2 AO. sind so ersichtlich auf ein beschämendes Ausnutzen der Abwesenheit abgestellt, daß die Gültigkeit des ganzen § 473 AO. ernstlich in Frage zu stellen ist. Allein so weit wird man nicht gehen können, da ja schon vor 1935 für Steuersachen ein erweitertes Abwesenheitsverfahren bestanden hat und eine verfassungskonforme Auslegung zu noch erträglichen Ergebnissen führt. Der Bundesgerichtshof ist mehrfach von der Gültigkeit des § 473 AO. ausgegangen (NJW. 195B1641; ZfZ. 1954 26; NJW. 1957 472; BGHSt. 10 398; ebenso BayObLG. ZfZ. 1954 90; OLG. Saarbrücken ZfZ. 1957 378). Das Oberlandesgericht Bremen hat § 473 AO. zwar im Grundsatz als geltendes Recht behandelt, aus Art. 103 GG. aber die Einschränkung abgeleitet, daß auf keine längere Gefängnisstrafe erkannt werden dürfe (ZfZ. 1958 84; die gelegentlich in diesem Zusammenhang zitierte Entscheidung BVerfGE. 1 346 kann zur Stütze von § 473 AO. nicht herangezogen werden). Wenn auch Art. 103 Abs. 1 GG. rechtliches Gehör zwar grundsätzlich aber nicht in jedem Fall vor dem richterlichen Akt fordert, so ist doch die erleichterte Wiederaufnahme des § 282 c Abs. 2 — anders als die des Devisengesetzes von 1933 — kein vollgültiges nachträgliches Gehör, weil der früher Abwesende zur Wiederaufnahme nur zugelassen wird, wenn er sein Ausbleiben rechtfertigt oder wenn das Gericht die Wiederaufnahme für notwendig erachtet. Auch die verfassungskonforme Auslegung (s. u. 4 b Abs. 2 zu §282c) bewahrt den Abwesenden nicht vor der Gefahr des Beweisverlustes. Ein Abweichen von Art. 103 Abs. 1 GG und von den Grundsätzen des Strafprozesses kann daher und weil der Vorrang fiskalischer Ansprüche vor allgemeinen Prinzipien des Strafprozesses nicht mehr in dem Umfange wie 1919 und 1931 anerkannt werden kann, nur in den engsten Grenzen hingenommen werden. Die Unterscheidung in längere und kürzere Freiheitsstrafen, wie sie das Oberlandesgericht Bremen vornimmt, ist ohne Willkür und Ungleichheit in der Gesetzesanwendung nicht durchführbar. Bei verfassungskonformer Auslegung wird man § 473 AO. daher im Anklang an die Regelung der Strafprozeßordnung nur auf Bagatellfälle in der Weise anzuwenden haben, daß das Abwesenheitsverfahren in Steuersachen zulässig ist, gleichgültig, mit welcher Strafe das Delikt bedroht ist, das den Gegenstand der Untersuchung bildet, daß aber keine andere Strafe als Geldstrafe, Einziehung und Haft verhängt werden darf. Auch für die Zulassigkeit der Hauptverhandlung ist danach auf die zu erwartende Strafe abzustellen. § 473 Abs. 2, der die Verteidigung grundlos erschwert und gegen Art. 6 Abs. 1 Satz 1 MenschRKonv. (Grundsatz des fair trial) verstößt, wird in der Praxis mit Recht als obsolet angesehen. Die Verteidigung ist auch in Steuersachen notwendig. 7. Für Jugendsachen gelten wenig Abweichungen. Nach § 50 JGG. kann die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten stattfinden, wenn das im allgemeinen Verfahren zulässig wäre, besondere Gründe vorliegen und die Staatsanwaltschaft zustimmt. Der letzteren Bestimmung
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§276
Strafprozeßordnung. Zweites Buch
Anm. 1—3 kommt wohl bei § 231 Abs. 2, § 232 Abs. 1 und § 233 besondere Bedeutung zu, nicht aber im Abwesenheitsverfahren der §§ 277 ff. (§ 277 Abs. 1). Weitere Besonderheiten sind bei §§ 279 und 281 behandelt.
§ 376 (1) Ein Beschuldigter gilt als abwesend, wenn sein Aufenthalt unbekannt ist oder wenn er sich im Ausland aufhält und seine Gestellung vor das zuständige Gericht nicht ausführbar oder nicht angemessen erscheint. (2) Für das Verfahren gelten die allgemeinen Vorschriften, soweit ihnen nicht die Abwesenheit des Beschuldigten entgegensteht oder in den folgenden Vorschriften anderes bestimmt ist. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 224. II. Entw. § 230. I I I . Entw. § 274. Frühere Bezeichnung: § 3 1 8 . Inderungsvorschläge: NE I und I I § 158 Abs. 3. I I I § 182 Abs. 3. Spätere Änderungen: 28. 6.1935.
Absatz 2 ist entnommen aus der Fassung von Art. 6 des G. vom
1. Fiktion. § 276 Abs. 1 stellt eine Fiktion auf: Sind ihre Voraussetzungen gegeben, ist z. B. der Aufenthalt unbekannt, so sind die Maßnahmen des siebenten Abschnitts, sofern sonst erforderliche weitere Voraussetzungen (z. B . nach § 277 Abs. 1 und 2) erfüllt sind, zulässig, auch wenn der Beschuldigte tatsächlich anwesend ist, etwa bei einer Abwesenheitshauptverhandlung unerkannt im Zuschauerraum sitzt. 2. Begriff der Abwesenheit. Die Bedeutung des Wortes abwesend ist zunächst der Gegensatz von anwesend. In diesem Sinne werden die Worte Abwesenheit und Anwesenheit in § 338 Nr. 5 einander gegenübergestellt. Die dort bezeichnete Anwesenheit ist die Gegenwart in der Hauptverhandlung (§ 226), die Abwesenheit das Fernsein von ihr, sei es zufolge gerichtlicher Erlaubnis (§ 233 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2), sei es zufolge eigenmächtigen Ausbleibens (§ 232 Abs. 1 und 4) oder Entfernens (§ 231 Abs. 2). Diese Beschränkung des Begriffs auf die Beziehung zu einer stattfindenden Hauptverhandlung ist dem Begriff im siebenten Abschnitt nicht eigen. Das zeigen nicht nur die Verwendung des Wortes Beschuldigter, das auch den noch nicht angeklagten Beschuldigten mit umfaßt (§ 157), sondern mehr noch §§ 285ff., die ein Verfahren gegen einen Abwesenden regeln, das keine Hauptverhandlung ist. Abwesend i. S. des siebenten Abschnitts ist daher grundsätzlich — wegen einer Erweiterung s. u. 4 — ein Beschuldigter, der nicht zur Hauptverhandlung gebracht werden kann. Darin liegt zugleich der Gegensatz zu den Fällen der §§ 231 und 232. In diesen kann der Angeklagte zur Hauptverhandlung gebracht (§ 230 Abs. 2) und in ihr gehalten werden (§ 231 Abs. 1 Satz 2), doch kann das Gericht im Falle des Ungehorsams auf seine Gegenwart verzichten. 3. Nicht ausführbare Gestellung. Im Sinne des vorhergehenden Absatzes ist es folgerichtig, wenn das Gesetz auf einen Beschuldigten abstellt, dessen Aufenthalt unbekannt oder zwar bekannt ist, der aber nicht zur Hauptverhandlung gebracht werden kann, weil er sich im Auslande aufhält und seine Gestellung vor das zuständige Gericht nicht ausführbar erscheint. Gestellung ist das Bewirken des Erscheinens durch Laden unter der Warnung, der Geladene werde im Falle des unentschuldigten Ausbleibens verhaftet oder vorgeführt werden (§ 216 Abs. 1), sowie das Erzwingen des Erscheinens (§ 236) durch Haft- (§ 114) oder Vorführungsbefehl (§ 134 Abs. 2, § 230 Abs. 2), wobei gegen im Ausland Aufhältliche nur der Haftbefehl in Betracht kommt (Nr. 106 Abs. 3 Buchst, c, Nr. 117 RiVASt.). Nicht ausführbar ist die Gestellung, wenn der Beschuldigte freiwillig nicht erscheint und zwangsweise nicht vor Gericht gebracht, weil ein Einlieferungsverfahren nicht durchgeführt werden kann. Die Feststellung, daß die Gestellung eines Beschuldigten, der sich im Auslande aufhält, nicht ausführbar erscheint, hängt davon ab, ob der Beschuldigte von dem ausländischen Staat nach der Bundesrepublik ausgeliefert wird. Die Entscheidung über diese sog. Einlieferung obliegt den Verwaltungsbehörden, letztlich der Bundesregierung (vgl. die Zuständigkeitsvereinbarung v. 20. 2.1952 — BAnz. Nr. 78 v. 20. 2.1952 —, insbesondere Nr. 6), nicht den Gerichten im Abwesenheitsverfahren. Das Abwesenheitsverfahren ist daher gegen im Auslande aufhältliche
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Siebenter Abschnitt. Verfahren gegen Abwesende (Dünnebier)
§ 276 Anm. 4, 5
Beschuldigte mit der Begründung, die Gestellung vor das zuständige Gericht sei nicht ausführbar, nur dann zulässig, wenn die zuständige Landesjustizverwaltung eine dahingehende Feststellung getroffen hat. 4. Nicht angemessene Gestellung. Der unter 2 erarbeitete Begriff wird kraft besonderer Vorschrift dahin ergänzt, daß als abwesend auch gilt, wer sich im Auslande aufhält, wenn seine Gestellung nicht angemessen erscheint. Mit dieser Ausweitung ist der Begriff indessen nur sinnvoll, wenn man ihn auf die §§ 277, 285 bezieht. Wendete man ihn auch auf § 290 an, so zwänge man den zum Erscheinen, dessen Gestellung nicht angemessen erscheint. Es wäre richtiger gewesen, die Frage der Angemessenheit nicht in der Begriffsbestimmung zu regeln, sondern in den das Verfahren regelnden Vorschriften zwischen den verschiedenen möglichen Fällen Unterscheidungen zu treffen. Nach der Regelung, die der Gesetzgeber gewählt hat, ist indessen nicht zweifelhaft, daß nach dem Wortlaute für den ganzen Abschnitt über die o. 2 und 3 dargestellten Fälle hinaus auch derjenige im Ausland Befindliche als abwesend gilt, der zwar zur Hauptverhandlung gebracht werden kann, aber nicht zu ihr gebracht werden soll, weil das unangemessen wäre. Liegen in einem solchen Falle die Voraussetzungen von § 290 vor, so wird nach dem Sinn der Vorschrift von der Ermächtigung zur Beschlagnahme kein Gebrauch zu machen sein. Meistens wird allerdings umgekehrt die Gestellung angemessen sein, wenn ein Fall des § 290 gegeben ist. Unangemessen ist die Gestellung in der Regel, wenn die mit der Auslieferung aus dem Auslande für den Beschuldigten verbundenen Nachteile oder die durch den Vollzug der Einlieferung für die deutschen öffentlichen Kassen erwachsenden Kosten zu dem öffentlichen Interesse an der Strafverfolgung außer Verhältnis stehen (Nr. 105 Buchst, c RiVASt.). Die Feststellung, daß die Gestellung unangemessen sei, trifft das Gericht. Freilich muß es sich dabei in Übereinstimmung mit der Staatsanwaltschaft befinden. Denn wenn diese die Gestellung für angemessen erachtet, wird sie die Einlieferung und nicht das Abwesenheitsverfahren, und wenn die Einlieferung nicht durchführbar ist, das Abwesenheitsverfahren wegen Undurchführbarkeit der Gestellung betreiben. Diesen Weg muß sie auch gehen, wenn das Gericht entgegen der Ansicht der Staatsanwaltschaft die Gestellung für angemessen erachtet, es sei denn, daß sie dann das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 205 Satz 1 einstellt. 5. Ausland i. S. von § 276 Abs. 1 ist jeder außerhalb des Inlandes gelegene Teil der Erdoberfläche. Der Begriff des Inlands fällt mit dem deutschen Hoheitsbereich zusammen. Dieser umfaßt das Landgebiet und die Eigengewässer (Häfen und die Küste bespülende Meeresteile) und das Küstenmeer, einen Meeresstreifen, der in drei Seemeilen Breite den Eigengewässern vorgelagert ist ( M e t t g e n b e r g DJ. 1940 641). Mit diesem endet der deutsche Hoheitsbereich und beginnt die offene See. Diese muß i. S. von § 276 Abs. 1 mit zum Ausland zählen, weil die Vorschrift auf die Unwirksamkeit der inländischen Gestellungsmittel abstellt, die sich auf der offenen See eher stärker auswirkt als im Bereiche ausländischer Staaten. Zum Inlande gehören die Bundesrepublik, Berlin und die SBZ. Indem der Gesetzgeber durch das VereinhG. in § 276 — anders als in anderen Fallen (z. B. in § 8 Abs. 2, §§ 9, 10) — den Begriff Ausland nicht durch eine Formel ersetzt hat, in der auf den Geltungsbereich der Strafprozeßordnung abgestellt wird, hat er die politische Entscheidung getroffen, daß sich das Gericht bei einem in der SBZ. Aufhältlichen grundsätzlich mit den Mitteln der Rechtshilfe begnügen muß ( K l e i n k n M , l b zu §276; S c h w K l e i n k n e c h t , l z u § 2 7 6 ) . Eine analoge Anwendung der §§276ff. auf Beschuldigte, die sich in der SBZ. aufhalten ( E b S c h m i d t , 2 zu § 276), liefe der Entscheidung des Gesetzgebers zuwider. Diese Erwägungen schlagen jedoch nur durch, soweit sie sich auf das eigentliche Abwesenheitsverfahren, die Abwesenheitshauptverhandlung (§§ 277 bis 284), und auf die Vermögensbeschlagnahme (§§ 290 bis 294) beziehen. Es ist sinnvoll, wenn das Gesetz einen Deutschen, der sich Gerichten in der Bundesrepublik und in Westberlin auch bei gutem Willen nicht stellen kann, nicht dem Abwesenheitsverfahren und dem Gestellungszwang durch Vermögensbeschlagnahme unterwirft, und hinzunehmen, wenn für diejenigen keine Ausnahme gemacht wird, die aus der Bundesrepublik flüchten. Dagegen besteht kein Anlaß zu der Annahme, daß der Gesetzgeber auch auf das Beweissicherungsverfahren (§§ 285 bis 289) habe verzichten wollen, zu dessen Anwendung kriminalpolitische Gründe zwingen. Nach der Natur der Sache ist vielmehr für das Beweissicherungsverfahren unter Ausland auch das Gebiet der SBZ. zu verstehen ( S c h w K l e i n k n e c h t , 1 zu § 276).
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§ 276 Anm. 6, 7 § 277 Anm. 1
Strafprozeßordnung. Zweites Buch
6. Allgemeine Vorschriften (Absatz 2). Anwendbar sind alle Vorschriften, die nicht die Gegenwart oder Greifbarkeit des Beschuldigten verlangen, also insbesondere die des ersten Buches — mit Ausnahme derjenigen über Verhaftung und vorläufige Festnahme—und der drei ersten Abschnitte des zweiten Buches. In dem Abwesenheitsverhandlungsverfahren (§ 277) finden die Bestimmungen über die Voruntersuchung keine Anwendung (§ 277 Abs. 2, § 25 Nr. 2 Buchst, b, § 178 Abs. 2), wohl aber zusätzlich die des vierten Abschnitts des zweiten Buchs mit Ausnahme von § 201 (vgl. § 279 Abs. 1 Satz 2), § 202, soweit er sich auf die Voruntersuchung bezieht, § 204 Abs. 2, § 205, § 207 Abs. 2, § 208, §§ 212 bis 212 b; des fünften Abschnitts mit Ausnahme von § 214 Abs. 1 Satz 2, § 215 (vgl. § 279 Abs. 1 Satz 2), §§ 216, 217; des sechsten Abschnitts mit Ausnahme von §§ 230 bis 233, 235, 236, 243 Abs. 2, ersten Halbsatz, Abs. 3, 246 a, 247, 257, 258 Abs. 3, 259, 265, 266, 268b. Die §§ 201 und 215 sind aber für den Verteidiger entsprechend anwendbar (s.u. l a u n d b zu §§ 279, 280). Daß die Pflicht, die Wahrheit zu erforschen (§ 244 Abs. 2) und das Verbot, nach anderen Grundlagen als dem Verhandlungsergebnis zu entscheiden, ebensowenig eine Ausnahme erleiden dürfen wie der Umfang der Verteidigung, braucht kaum hervorgehoben zu werden. Werden gegen Abwesenheitsurteile Rechtsmittel eingelegt, so gelten die Vorschriften des dritten Buches mit den in § 282 a angegebenen Abweichungen, jedoch ist § 329 nicht anzuwenden. Die Frage ist nicht zu verwechseln mit derjenigen, welches Verfahren stattfindet, wenn der Beschuldigte erst nach der Hauptverhandlung der ersten Instanz abwesend wird; s. dazu u. 1 zu § 277. 7. Besondere Verfahrensarten. Das beschleunigte Verfahren (§§ 212ff.) kommt wegen der notwendigen Anwesenheit des Beschuldigten, das objektive Einziehungsverfahren (§§ 430ff.) wegen des Mangels eines Beschuldigten, das Sicherungsverfahren (§§ 429ff.) deswegen nicht in Betracht, weil auf Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt im Abwesenheitsverfahren nicht erkannt werden kann (s. u. 3b bb zu §§ 282 bis 282b). Wegen des Verfahrens bei Strafbefehlen und Strafverfügungen s. u. 2 zu § 277.
§ 277 (1) Gegen einen Abwesenden findet eine Hauptverhandlung nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft statt. (2) Die Staatsanwaltschaft darf den Antrag nur stellen, wenn die den Gegenstand der Untersuchung bildende Tat nur mit Haft, Geldstrafe oder Einziehung, allein oder in Verbindung miteinander, bedroht ist. (B) Ist den Umständen nach anzunehmen, daß sich der Beschuldigte im Ausland authält, so soll die Staatsanwaltschaft den Antrag nur stellen, wenn mit einer alsbaldigen Gestellung des Abwesenden nicht gerechnet werden kann, oder seine Auslieferung nicht möglich ist oder auf Schwierigkeiten stößt. Ist anzunehmen, daß er sich im Inland verborgen hält, so soll sie den Antrag nur stellen, wenn die Ermittlungen nach dem Aufenthalt des Abwesenden ergebnislos geblieben sind. (4) Gegen einen abwesenden Ausländer soll der Antrag nicht gestellt werden. Entstehungsgeschichte: Eine entsprechende Bestimmung war in den Entwürfen nicht vorgesehen. Die Reichstagskommission hatte eine Vorschrift eingefügt, durch die das Abwesenheitsverfahren bei Delikten zulässig sein sollte, die nur mit Geldstrafe oder Einziehung allein oder in Verbindung miteinander bedroht sind. Frühere Bezeichnung: § 319. Änderungsvorschläge: NE I u. II § 226 Abs. 2. III § 182 Abs. 1, § 227. Spätere Änderungen: Die Absätze 2 und 3 entstammen dem Art. 6 des G. vom 28. Juni 1935, die Erweiterung auf die Haft in Absatz 2 ist durch Art. 3 Nr. 131 VereinhG. eingeführt worden. 1. Hauptverhandlung. §§ 277 bis 284 regeln das Verfahren bei einer Abwesenheitshauptverhandlung. Die Vorschriften stehen im zweiten Buch, welches das Verfahren im ersten Rechtszug behandelt. Daraus allein ist allerdings nicht herzuleiten, daß § 277 nur eine Hauptverhandlung erster Instanz im Auge hat. Denn im Regierungsentwurf handelte der Abschnitt nur vom Verfahren zur Beweissicherung und zur Gestellung (jetzt §§ 285ff.), das zweifellos zum ersten Rechtszuge gehört; das Verfahren bei der Hauptverhandlung gegen einen Abwesenden ist erst von der Reichstagskommission eingefügt worden (s. Vorbem. 2 zum siebenten Abschnitt). Bei solchen Einfügungen kann der Stellung im Gesetz nichts Ausschlaggebendes entnommen werden.
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Siebenter Abschnitt. Verfahren gegen Abwesende (Dünnebier)
§ 277 Anm. 2
Gleichwohl ist entgegen den Vorauflagen und der Meinung E b S c h m i d t s (7 zu § 276) der herrschenden Ansicht (RGSt. 6190; 65 417; 66 79; BayObLGSt. 1952126; OLG. Köln NJW. 1957 164; KleinknM Vorbem. 4 zum siebenten Abschnitt; S c h w K l e i n k n e c h t , 3 zu § 276) darin zuzustimmen, daß § 277 nur die Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges im Auge hat mit der Folge, daß gegen einen erst nach einer solchen abwesend Gewordenen § 329, und zwar auch wenn die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt hat, Anwendung findet (RGSt. 65 417); und daß für das Revisionsverfahren die nachträglich eingetretene Abwesenheit ohne Bedeutung bleibt (RGSt. 61 90). Die Einschränkung des Abwesenheitsverfahrens will verhindern, daß ein Abwesender ohne die Möglichkeit eigener Verteidigung, ja in Unkenntnis von dem Verfahren verurteilt wird. Die Ausnahme für Bagatellstrafen, von denen die für Haftstrafen in der gewählten Form (s. u. 4) nicht zu billigen ist, besagt nichts gegen das Prinzip. Denn seit der Einführung der erleichterten Wiederaufnahme (§ 282 c) handelt es sich dabei nur um eine dem Grundsatze nach korrigierbare, gegenüber der Erzwingungsmaßnahme des § 290 eingeschränkte, Sicherungsmaßnahme. Ist aber der Sinn der in § 277 Abs. 2 und § 285 Abs. 1 Satz 1 ausgesprochenen Einschränkung, Strafen nur gegen einen verteidigungsfähigen Angeklagten auszusprechen, so kann die Einschränkung dann nicht Platz greifen, wenn das Verfahren bei Verteidigungsfähigkeit in der ersten Instanz durchgeführt worden ist, und der Angeklagte sich freiwillig der weiteren Verteidigung begeben hat. Ist der Beschuldigte — zufolge Verschleppung, Verhaftung, Unfall oder auf sonstige Weise — unfreiwillig abwesend, so kann er nach Behebung des Hinderungsgrundes im Falle des § 329 Revision einlegen und dazu Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Revisionsfrist nachsuchen oder Wiedereinsetzung nach § 329 Abs. 2 und dazu Wiedereinsetzung gegen Versäumung der Wiedereinsetzungsfrist beantragen. Entsprechendes gilt, wenn er Revision einlegt aber vor der Begründung unfreiwillig abwesend wird. Tritt dieser Fall nach Abschluß der Tatsacheninstanz ein und legt die Staatsanwaltschaft Revision ein, so kann der Angeklagte gegen die Versäumung der Frist zur Gegenerklärung (§ 347 Abs. 1 Satz 2) Wiedereinsetzung beantragen (Art. 103 Abs. 1 GG.). 2. Verfahren ohne Hauptverhandlung. a) Allgemein. Indem § 277 Abs. 2, § 286 Abs. 1 Satz 1 die Hauptverhandlung gegen Abwesende beschränken, bringen sie zum Ausdruck, daß Verfahren ohne Hauptverhandlung gegen Abwesende nicht schlechthin unzulässig sind. Dem System muß allerdings entnommen werden, daß sie unstatthaft sind, wenn sie sich gegen einen Beschuldigten richten, dessen Aufenthalt unbekannt ist (Nr. 160 Abs. 4 RiStV.). Ist dagegen ein Auslandsaufenthalt bekannt, so kann schon im regelmäßigen Anklageverfahren versucht werden, ob der Angeklagte aus dem Auslande erscheint. Alsdann ist es auch zulässig, den Versuch eines schriftlichen Verfahrens zu machen und dem Angeschuldigten eine Strafverfügung oder einen Strafbefehl auch dann zuzustellen, wenn andere als die in § 277 Abs. 2 aufgeführten Delikte Gegenstand der Untersuchung sind (a. A. S c h w a r z , 4 zu §407; K l e i n k n M , 4 zu §407; S c h w K l e i n k n e c h t , 5 zu §407; E b S c h m i d t , 8 zu § 276). Da im Abwesenheitsverfahren die Nachteile einer öffentlichen Zustellung (§ 279) durch die Notwendigkeit der Verteidigung (§ 140 Abs. 1 Nr. 7) und die erleichterte Wiederaufnahme (§282c) aufgewogen werden, diese Vorteile aber im Mandatsverfahren fehlen, muß nach dem System der Strafprozeßordnung (vgl. § 232 Abs. 2) die öffentliche Zustellung (§ 40) für unzulässig angesehen werden. b) Einspruch. Legt der Beschuldigte Einspruch ein, so kann es nicht zur Hauptverhandlung kommen. Der Staatsanwalt hat die Klage fallen zu lassen (§ 411 Abs. 1) und das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 205 vorläufig einzustellen. Hat der Richter Bedenken, ohne Hauptverhandlung zu entscheiden, so kann er nicht nach § 408 Abs. 2 verfahren (§ 277 Abs. 2, § 285 Abs. 1 Satz 1) sondern muß das Verfahren nach § 205 einstellen. Ist ein Einspruch zu erwarten, dann soll der Staatsanwalt keinen Strafbefehl beantragen (RiStV. Nr. 160 Abs. 5). Dasselbe muß bei einer Strafverfügung gelten. Bei dieser ist zu beachten, daß die Polizei den Beschuldigten vernommen haben muß (§ 413 Abs. 1 Satz 1). In der Praxis, die im internationalen Reiseverkehr eine Rolle spielt, erklären die Täter oft ihr Einverständnis mit dem Mandatsverfahren, bezeichnen einen Zustellungsbevollmächtigten und hinterlegen eine Sicherheit für Strafe und Kosten.
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§277
Strafprozeßordnung. Zweites Buch
Anm. 3, 4 3. Antrag der Staatsanwaltschaft. a) Allgemein. Da das Gericht ohnehin nur auf Antrag des Klägers zu einer Hauptverhandlung kommen kann, bezieht sich der Antrag der Staatsanwaltschaft auf die Verfahrensform. Damit erhebt die Bestimmung den Antrag der Staatsanwaltschaft zur Voraussetzung des Verfahrens der §§ 279 bis 284. Demzufolge kann das Gericht auf eine im Normalverfahren erhobene Anklage hin im Abwesenheitshauptverhandlungsverfahren, vorausgesetzt, daß dies sonst zulässig ist (s. dazu u. 3d zu §§ 285—289), nur auf Antrag der Staatsanwaltschaft, nicht aber von Amts wegen übergehen (BGH. NJW. 1957 472). Auch kann der Privatkläger kein Abwesenheitsverfahren betreiben. Die Trennung des abstrakt gefaßten Antragsrechts (Absatz 1) von den konkreten Antragsvoraussetzungen (Absatz 2) ist nicht geeignet, das Gericht von seiner Pflicht zu entbinden, zu prüfen, ob die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen (a. A. — Gericht darf die Eröffnung des Verfahrens nicht ablehnen, weil es die Voraussetzungen des § 277 Abs. 2 nicht für vorliegend hält — S c h ä f e r - D a l c k e , 1 zu § 277). Zur Klarstellung empfiehlt es sich, bei einer Reform auf die ursprüngliche Fassung (§ 319 Abs. 1 a. F.) zurückzugreifen und auszusprechen, daß nur die Staatsanwaltschaft das Verfahren betreiben kann. b) Richtlinien. Im Gegensatz zu den Antragsvoraussetzungen des Absatzes 2 enthalten die Absätze 3 und 4 lediglich allein an die Staatsanwaltschaft gerichtete Richtlinien, die ihren Platz besser in den RiStV. gefunden hätten. Das Gericht darf nicht prüfen, ob der Staatsanwalt sich an die Richtlinien gehalten hat. Sind die Voraussetzungen des Absatzes 2 erfüllt und stellt der Staatsanwalt einen Antrag entgegen den Richtlinien, dann findet das Verfahren gleichwohl statt, wenn nicht Anregungen bei dem Vorgesetzten zur Einhaltung der Richtlinien führen. In der Regel wird indessen eine Verletzung der Richtlinien zugleich eine vom Gericht nachprüfbare ( P e t e r s , §63 12 Abs. 2) Verletzung von § 276 Abs. 1 enthalten. — Die Staatsanwaltschaft wird bei Verfahren gegen Personen, die sich vermutlich im Inlande aufhalten, die Aufenthaltsermittlung besonders sorgfältig betrieben haben müssen, ehe sie einen Antrag stellt. c) Ausländer. Durch Absatz 4 wird das Abwesenheitsverfahren gegen Ausländer praktisch ausgeschlossen, doch sind gerechtfertigte Abweichungen von der Richtlinie bei Taten von Ausländern im Inland (Reiseverkehr) durchaus denkbar. Allerdings ist für diesen Täterkreis das Abwesenheitsverfahren in der Praxis weitgehend durch das Strafverfügungs- und Strafbefehlsverfahren ersetzt. Der Begriff des Ausländers ist hier als Gegensatz zum Begriff des Inländers aufzufassen, umfaßt also auch Staatenlose, nicht jedoch Angehörige der SBZ. d) Verfahren der Staatsanwaltschaft. Der Staatsanwalt braucht den Antrag nach § 277 Abs. 1 nicht zu stellen, auch wenn die Voraussetzungen von § 277 Abs. 2 erfüllt sind und die Richtlinien von § 277 Abs. 3 und 4 nicht entgegenstehen. Aus § 205 ergibt sich vielmehr, daß die Einstellung bei Abwesenheit des Beschuldigten mit dem Legalitätsprinzip vereinbar ist. Der Staatsanwalt muß sich daher nach pflichtmäßigem Ermessen entscheiden, ob er das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 205 vorläufig einstellt oder einen Antrag aus § 277 Abs. 1 anbringt. Der Staatsanwalt kann gegen einen Abwesenden, dessen Aufenthalt im Ausland ihm bekannt ist, auch Anklage erheben, damit der Versuch gemacht wird, den Angeklagten durch Ladung im Auslande, nicht durch öffentliche Ladung, zu einer ordentlichen Hauptverhandlung zu bringen. Er wird das in der Regel nur tun, wenn der Beschuldigte sein Erscheinen — bei einer polizeilichen Vernehmung oder auf besondere Anfrage — zugesagt hat. Für die besonders interessierenden Fälle der Übertretungen der Straßenverkehrsordnung im internationalen Reiseverkehr führt oft das Strafbefehlsverfahren (s. o. 2) am raschesten zum Ziel. In Steuersachen kann den Antrag, gleichgültig ob die Staatsanwaltschaft oder das Finanz(Hauptzoll-)amt (§ 473 Abs. 2 AO.) die Klage erhoben hat, auch das Finanzamt, auch gegen den Willen der Staatsanwaltschaft, stellen. 4. Gegenstand der Untersuchung. Aus der Erwägung, daß die Gegenwart des Angeklagten in der Hauptverhandlung zu den Grundprinzipien des Strafverfahrens gehört, ist die Abwesenheitshauptverhandlung auf Delikte beschränkt, die mit Haft, Geldstrafe oder Einziehung, allein oder in Verbindung miteinander bedroht sind. Im Gegensatz zu § 232 Abs. 1 Satz 1 ist auf die angedrohte, nicht auf die zu erwartende Strafe abgestellt. Der Staatsanwalt sollte gleichwohl den Antrag nicht stellen, wenn eine Haftstrafe zu erwarten ist. Der Idee nach dient das eigentliche Abwesenheitsverfahren einer Einschränkung der unbeschränkten Vermögensbeschlagnahme
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Siebenter Abschnitt. Verfahren gegen Abwesende (Dünnebier) § 2 7 7 Anm. 5—7 §§278,279 (§ 290) auf den bestimmten Betrag der Strafe, weil in Bagatellsachen die unbeschränkte Beschlagnahme zu hart wäre. Die Verhangung einer Freiheitsstrafe aber, die wahrscheinlich niemals vollstreckt werden kann, ist sinnlos und widerspricht dem Wesen der Strafe (Mot., H a h n 1 239). Die Erweiterung des ursprünglichen Katalogs auf Delikte, die auch mit Haftstrafen bedroht sind, ist daher sinnvollerweise dahin zu verstehen, daß zwar, um die Grundlage für auszuwerfende Geldstrafen zu verbreitern, der Katalog der Delikte vernünftig ausgeweitet werden sollte, weil auch die vielen Übertretungen getroffen werden mußten, die nicht nur mit Geldstrafe, sondern mit Geldstrafe oder mit Haft (z. B. § 21 StVG.) bedroht sind, nicht aber daß die Haftstrafe auch als Ergebnis der Abwesenheitshauptverhandlung eine Rolle spielen sollte. Die Vorschrift wäre bei einer Reform zweckmäßigerweise dahin zu ergänzen, daß nur auf Geldstrafe oder Einziehung, allein oder in Verbindung miteinander, erkannt werden darf. 5. In Steuersachen findet ein erweitertes Abwesenheitshauptverhandlungsverfahren in der Weise statt, daß zwar auch nur auf Geldstrafe, Einziehung und Haft erkannt werden kann, die Strafandrohung aber in Abweichung von § 277 Abs. 2 keine Rolle spielt (s. o. Vorbem. 6 zum siebenten Abschnitt). Das Verfahren ist auf Steuersachen beschränkt, findet danach bei Idealkonkurrenz des Steuervergehens mit anderen Delikten nur Anwendung, wenn die Strafe aus dem Steuergesetz zu entnehmen ist. Bilden mehrere Straftaten zusammen die Tat i. S. von § 264, so ist das Verfahren nur zulässig, wenn die Strafe für jede Straftat dem Steuergesetz zu entnehmen ist (BGHSt. 10 398; a. A. RGSt. 61 89). 6. In Jugendsachen ist zusätzliche Voraussetzung, daß besondere Gründe für das Verfahren vorliegen (§ 50 Abs. 1 JGG.). Die besonderen Gründe sind den erzieherischen Absichten des JGG. zu entnehmen. Sie können etwa vorliegen, wenn ein vermögender Jugendlicher in Mißachtung des Gerichts auf Auslandsreise geht, werden indessen selten gegeben sein. 7. Notwendige Verteidigung. Nach § 140 Abs. 1 Nr. 7 ist die Mitwirkung eines Verteidigers notwendig, wenn die Hauptverhandlung gegen einen Abwesenden stattfindet. Aufgabe des Verteidigers ist es schon, dem Antrage des Staatsanwalts, das Abwesenheitsverfahren stattfinden zu lassen, entgegenzutreten und Bedenken gegen seine Zulassigkeit geltendzumachen. Die Notwendigkeit der Verteidigung beginnt daher mit dem Antrage des Staatsanwalts. Dieser ist dem Verteidiger bekanntzugeben, damit er seine Anträge stellen kann. Hat der Abwesende keinen Verteidiger gewählt, so hat der Vorsitzende alsbald nach Eingang des Antrages einen zu bestellen (S 141). § 3 7 8 Die Vorschrift (ursprüngliche Bezeichnung: § 320) hatte früher etwa den Inhalt von § 280 Abs. 1. Im G. vom 28. Juni 1935 enthielt sie das Verbot, die Entschließung der Staatsanwaltschaft zu überprüfen. Durch Art. 3 Nr. 131 VereinhG. ist die Vorschrift weggefallen.
§ 279 (1) der Abwesende wird zur Hauptverhandlung öffentlich geladen. Einer Zustellung der Anklageschrift und des Eröffnungsbeschlusses bedarf es nicht. (2) In der Ladung sollen angegeben werden: 1. Der Name und, soweit bekannt, der Rufname, der Beruf, der frühere Wohn- oder Aufenthaltsort und der Geburtsort des Abwesenden; 2. die Straftat, die ihm zur Last gelegt wird, mit ihren gesetzlichen Merkmalen sowie der Ort und die Zeit der Begehung; 3. die anwendbaren Strafvorschriften; 4. Ort und Zeit der Hauptverhandlung. (3) In der Ladung ist der Abwesende darauf hinzuweisen, daß die Hauptverhandlung auch bei seinem Ausbleiben stattfinden wird und das Urteil vollstreckbar ist. Entstehungsgeschichte: Eine dem § 279 entsprechende Vorschrift war in den Entwürfen nicht vorgesehen. Sie ist durch die Reichstagskommission eingefügt (s. o. Vorbem. 2b zum siebenten Abschnitt). Frühere Bezeichnung: § 321. Änderungsvorschläge: NE I und II § 212 Abs. 3, § 214. NE III §§ 215, 227. Spätere Änderungen: Die Fassung ist Art. 6 des G. vom 28. 6. 1935 entnommen. 73
L ö w e - R o s e n b e r g , StPO. 21. Aufl.
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§ § 279, 2 8 0 Anm. 1, 2
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§ 380 (1) Die Ladung ist in mindestens einem öffentlichen Blatt, dessen Auswahl die Staatsanwaltschaft trifft, bekanntzumachen. Sie gilt als erfolgt, wenn seit dem Erscheinen des Blattes, in dem die erste Bekanntmachung erfolgt ist, zwei Wochen verflossen sind. (2) Eine beglaubigte Abschrift der Ladung soll zwei Wochen an die Gerichtstafel des Gerichts des ersten Rechtszuges angeheftet werden. (S) Ist der Aufenthalt des Abwesenden, seiner Angehörigen oder anderer ihm nahestehender Personen bekannt, so soll ihnen die Ladung unter Beifügung der Anklageschrift mitgeteilt werden. (4) Die Staatsanwaltschaft kann auch weitere Maßnahmen treffen, um die Ladung zur Kenntnis des Abwesenden zu bringen. Entstehungsgeschichte: Eine entsprechende Vorschrift war in den Entwürfen nicht enthalten. Die Ladung durch Anheften an die Gerichtstafel wurde von der Reichstagskommission eingefügt. Frühere Bezeichnung: § 320. Anderungsvorschläge: NE I und II §§ 33, 35, § 212 Abs. 3, § 214. NE I I I §§ 50, 215, 227. Spätere Änderungen: Die durch Art. 3 Nr. 131 VereinhG. verordnete Fassung ist dem Art. 6 des G. vom 28. 6. 1935 entnommen, doch war dort die Bekanntmachung in mindestens zwei öffentlichen Blättern vorgesehen. Erläuterung zu den §§ 279 und 280 1. Für das Verfahren bis zur Hauptverhandlung bringt der Abschnitt nur die beiden Bestimmungen über die Ladung. Im übrigen gelten die allgemeinen Vorschriften (§ 276 Abs. 2). Danach ist folgendes Verfahren zu beobachten: a) Anklageschrift. Die Staatsanwaltschaft reicht eine Anklageschrift (§ 200) ein mit den Anträgen, das Hauptverfahren zu eröffnen (§ 199 Abs. 2) und die Hauptverhandlung gegen den abwesenden Angeschuldigten stattfinden zu lassen (§ 277 Abs. 1). Das Gericht teilt den Antrag dem Verteidiger mit, wenn keiner bekannt ist, nachdem es einen bestellt hat (§ 140 Abs. 1 Nr.7, § 141). Zwar bedarf es der Zustellung der Anklageschrift nicht (§ 279 Abs. 1 Satz 2), so daß § 201 nicht unmittelbar güt. Da aber der Verteidiger seine Aufgabe nicht erfüllen kann, wenn ihm nicht vor der Eröffnung des Hauptverfahrens die Anklage bekanntgemacht ist, ist § 201 entsprechend anzuwenden. b) Eröffnungsbeschluß. Nach einem etwaigen vom Verteidiger angeregten oder von Amts wegen betriebenen Zwischenverfahren beschließt das Gericht über die Eröffnung des Hauptverfahrens. Es kann die Eröffnung ablehnen, weil der Angeschuldigte nicht abwesend ist (§ 276 Abs. 1) oder die Strafandrohung die Grenzen von § 277 Abs. 2 übersteigt. In diesem Fall kann die Anklage jederzeit im regelmäßigen oder wenn im ersten Falle die Abwesenheit eintritt, im Abwesenheitsverfahren, wiederholt werden. Das Gericht kann die Eröffnung aber auch wegen mangelnden Tatverdachts ablehnen (§§ 203, 204 Abs. 1). Dann tritt die Folge des § 211 ein. Das Gericht ist nicht befugt, die Eröffnung deshalb abzulehnen, weil es glaubt, mit den zur Verfügung stehenden Beweismitteln weder die Schuld noch die Nichtschuld des Angeschuldigten feststellen zu können. Die Einstellung aus diesem Grunde ist allein der Hauptverhandlung vorbehalten (§ 282 Satz 1). Der Eröffnungsbeschluß ist dem Verteidiger bekanntzumachen. Zwar gilt auch § 215 nicht unmittelbar (§ 279 Abs. 1 Satz 2). Da aber der Eröffnungsbeschluß die Grundlage für das weitere Verfahren ist (§ 265 Abs. 1), muß er in seinem Besitze sein, so daß § 215 entsprechend anzuwenden ist. 2. Ladung (§ 279). a) Befreiung von §§ 201, 215. Bei der Ladung im Abwesenheitsverfahren bedarf es der Zustellung der Anklageschrift und des Eröffnungsbeschlusses nicht. Danach gehören § 201 Abs. 1 und § 215 zu den Vorschriften, die nach § 276 Abs. 2 zufolge anderer Bestimmung nicht anzuwenden sind. Sie sind aber dem Verteidiger gegenüber entsprechend anzuwenden (s. o. l a und b). Ihre Anwendung ist auch nicht schlechthin ausgeschlossen („bedarf" es nicht). Wenn der Angeklagte daher nicht öffentlich geladen wird (s. u. c), dann findet, weil die bei der öffentlichen Ladung gebotene Vereinfachung entfällt, die Zustellung von Anklage und Eröffnungsbeschluß wieder statt (BGHSt. 10 64).
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Siebenter Abschnitt. Verfahren gegen Abwesende (Dünnebier)
§ § 279, 280 Anm. 3
b) Die öffentliche Ladung ist die grundsätzliche, wenn auch nicht ausschließliche (s. u. c) Form der Ladung im Abwesenheitsverfahren. § 279 verdrängt § 216. Als Inhalt der Ladung ist nur der Hinweis zwingend vorgeschrieben, daß die Hauptverhandlung auch beim Ausbleiben des Angeklagten stattfinde und daß das ergehende Urteil vollstreckbar sein werde (§ 279 Abs. 3). Absatz 2 ist dagegen als Sollvorschrift ausgestaltet. Das kann aber nicht bedeuten, daß jede Verletzung dieser Bestimmung unbeachtlich wäre. So liegt keine Ladung vor, wenn der Name des Angeklagten (Nr. 1) und Ort und Zeit der Hauptverhandlung (Nr. 4) nicht angegeben sind. Es wäre auch unverständlich, wenn Nr. 2 so eingehende Vorschriften gäbe, es aber gleichwohl der Staatsanwaltschaft freistellte, die Bezeichnung der Straftat ganz wegzulassen. Nach ihrem Sinn und ihrer Bedeutung ist die Vorschrift dahin aufzufassen, daß alle vier Angaben in die Ladung aufgenommen werden müssen. Fehlt eine von ihnen, darf das Gericht nicht zur Hauptverhandlung schreiten. Der Sinn des Wortes „soll" kann dann nur darin gefunden werden, daß das Gericht in der Beurteilung von Unvollkommenheiten (Weglassen des Wortes vorsätzlich oder fahrlässig bei der Tatbestandsbeschreibung, wenn die Strafe für Vorsatz- und Fahrlässigkeitstaten gleich ist) ein pflichtmäßiges Ermessen anwenden kann. c) Ordentliche Ladung. Das Gesetz behilft sich durch die Einrichtung der öffentlichen Zustellung mit der Annahme, der Abwesende werde durch die getroffenen Maßnahmen von der Ladung Kenntnis erhalten. Wenn eine solche Fiktion nicht erforderlich ist, weil eine Zustellung bewirkt werden kann, ist es zulässig und geboten, diese Form zu wählen. Hat der Angeklagte die Ladung selbst erhalten (§ 280 Abs. 3, 4), so ist sie ihm zugestellt, auch wenn der Nachweis der formgerechten öffentlichen Zustellung nach § 279 nicht erbracht worden ist (§ 276 Abs. 2, § 37 Satz 2, § 187 Satz 1 ZPO.). Demzufolge ist auch die Zustellung an einen Zustellungsbevollmächtigten wirksam (BGHSt. 10 62). Jederzeit ist auch die ordentliche Ladung durch Zustellung im Rechtshilfeverkehr mit dem Auslande zulässig, wenn die ausländische Anschrift bekannt ist, der Angeklagte erklärt hat, nicht erscheinen zu wollen, und die sonstigen Voraussetzungen des Abwesenheitsverfahrens vorliegen. Bei einer solchen Ladung ist das Verfahren klar als ein Abwesenheitsverfahren zu kennzeichnen. 3. Ausführung der Ladung (§ 280). a) Staatsanwaltschaft. Nach § 214 Abs. 1 Satz 2 können Ladungen auch vom Gericht bewirkt werden, wie dies § 36 Abs. 2 auch für Zustellungen zuläßt. Die Abwesenheitsverfahren werden regelmäßig beim Amtsgericht anhängig sein; die Amtsgerichte führen aus Gründen der Geschäftsvereinfachung ihre Ladungen weitgehend selbst durch. § 280 ist jedoch gegenüber § 214 Abs. 1 Satz 2 als Spezialvorschrift (§ 276 Abs. 2) anzusehen und, wie sich aus den Absätzen 1 und 4 ergibt, dahin auszulegen, daß die Ladung von der Staatsanwaltschaft zu bewirken ist. Die Staatsanwaltschaft kann sich daher der Ladung nicht entziehen, auch wenn durch Vereinbarung sämtliche Ladungen vom Amtsgericht übernommen sind. Das Gericht wird sich der Ladung zu enthalten haben. Eine gleichwohl vom Gericht vorgenommene Ladung ist indessen wirksam. Da die öffentliche Ladung gesetzlich verordnet ist, bedarf es keiner gerichtlichen Bewilligung; § 204 Abs. 1 Satz 1 ZPO. in Vbdg. mit § 37 Abs. 1 findet keine Anwendung. b) Bekanntmachung. aa) Veröffentlichung (Absatz 1 Satz 1). Die Bekanntmachung ist in mindestens einem öffentlichen Blatt vorgeschrieben, öffentliches Blatt ist jede öffentlich erscheinende Zeitung, nicht etwa nur Staats- oder Bundesanzeiger usw., die in der Regel zur Veröffentlichung wenig geeignet sind, weil der Angeklagte sie kaum lesen wird. Die Bekanntmachung in nur einem Blatt wird oft nicht ausreichen; die 1936er Fassung hatte zwei vorgeschrieben. bb) Gerichtstafel (Absatz 2). Das Anheften an die Gerichtstafel ist in der Regel nur ein formaler Akt. Verbreitungsbedeutung wird er nur gewinnen, wenn in kleineren Orten anzunehmen ist, daß dem Abwesenden nahestehende, der Staatsanwaltschaft als solche unbekannte Personen von der Ladung Kenntnis nehmen. Das Anheften bewirkt die Staatsanwaltschaft; die Gerichtstafel ist ihr dazu durch das Gesetz zur Verfügung gestellt, doch ist Benachrichtigung des Gerichtsvorsitzenden angebracht. Bundeseinheitliche Vorschriften über das Verfahren beim Anheften an die Gerichtstafel in Strafsachen sind nicht erlassen. Die entsprechende Anwendung von Nr. 44 Abs. 1 PrZusBest. zur AktO. bietet sich an. 73*
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§ § 279, 280 Anm. 3
§ 281 Anm. 1—3
Strafprozeßordnung. Zweites Buch
cc) Sonstige Maßnahmen (Absätze 3 und 4). Die Ladung soll unter Beifügung der Anklageschrift Personen mitgeteilt werden, denen der Aufenthalt des Abwesenden bekannt ist (Absatz 3). Da die Staatsanwaltschaft auch weitere Maßnahmen treffen soll (Absatz 4), wird sie die Mitteilung nicht nur vorzunehmen haben, wenn sie festgestellt hat, daß einer bestimmten Person der Aufenthalt bekannt ist, sondern auch dann, wenn sie das vermutet, die Preisgabe der Anschrift aber nicht erwarten kann. Bei den sonstigen Maßnahmen der Staatsanwaltschaft kommt die Verbreitung durch Rundfunk, Anschlag in Lagern und ähnliches in Betracht. c) Wirkung (Absatz 1 Satz 2). Die Ladung gilt mit der Veröffentlichung in einem Blatte als bewirkt, wenn seit dem Erscheinen des Blattes mit der ersten Bekanntmachung zwei Wochen verflossen sind. Bis zur Hauptverhandlung muß weiter die Wochenfrist des § 217 Abs. 1 liegen. Über diese Mindestforderung hinaus ist es Pflicht des Vorsitzenden, den Termin so anzuberaumen, daß dem Angeklagten ausreichend Zeit bleibt, die Reise an den Terminsort vorzubereiten und auszuführen. Ist eine der Vorschriften des § 279 Abs. 2 (mit der o. 2 b angeführten Ausnahme) und Abs. 3, § 280 Abs. 1 verletzt, dann darf die Hauptverhandlung nicht stattfinden. Ob das nach § 280 Abs. 2—4 Gebotene veranlaßt ist, darf das Gericht nicht nachprüfen ( E b S c h m i d t , 4 zu § 280); Verletzungen der staatsanwaltschaftlichen Verbreitungspflicht machen die Ladung nicht unwirksam (KleinknM, 1 zu § 280). d) Weitere Ladung. Ist eine Abwesenheitshauptverhandlung ausgesetzt worden (§ 228 Abs. 1 S a t z l ; Unterbrechungen nach §229 scheiden wegen der notwendigen Fristen aus), so gilt für die weitere Ladung die vereinfachte Form des § 40 Abs. 2; es genügt also das Anheften an die Gerichtstafel.
§381 Angehörige des Angeklagten sind, auch ohne Vollmacht, als Vertreter zuzulassen. Entstehungsgeschichte: Die Entwürfe I, II und III hatten keine dem jetzigen §281 entsprechende Vorschrift enthalten. Die Vorschrift ist durch die Reichstagskommission eingefügt. Frühere Bezeichnung: § 322. Änderungsvorschläge: NE I und II § 227 Abs. 2. Spätere Änderungen: In der ursprünglichen Fassung war zusätzlich geregelt, daß ein Verteidiger für den Angeklagten auftreten könne. Das G. vom 28. 6.1935 führte die Notwendigkeit der Verteidigung ein, die jetzt in § 140 Abs. 1 Nr. 7 geregelt ist. 1. Verfahren in der Hauptverhandlung. Für die Hauptverhandlung im Abwesenheitsverfahren gibt das Gesetz nur zwei zusätzliche Bestimmungen: § 140 Abs. 1 Nr. 7 über die Notwendigkeit der Verteidigung und, ihn ergänzend, § 281 über die Vertretung des Angeklagten durch Angehörige. Sonst gelten die allgemeinen Vorschriften, soweit sich ihre Unanwendbarkeit nicht aus der Abwesenheit ergibt (s. o. 6 a zu § 276). Die Rechte des Angeklagten werden durch den Verteidiger und durch Angehörige gewahrt. 2. Angehörige. Der Begriff ist hier ebenso aufzufassen wie in § 98 Abs. 2, § 114a (s. o. II 5b zu § 98). 3. Vertreter. a) Begriff. Die Bedeutung des Wortes Vertreter läßt sich nur erhellen, wenn man auf die ursprüngliche Fassung zurückgeht. Diese lautete: „In der Hauptverhandlung kann für den Angeklagten ein Verteidiger auftreten. Auch Angehörige des Angeklagten sind, ohne daß sie einer Vollmacht bedürfen, als Vertreter zuzulassen." Der zweite Satz kann wegen des Wortes „auch" nur so gelesen werden: „Wie ein Verteidiger, so können auch Angehörige, und diese ohne Vollmacht, als Vertreter auftreten". Demnach ist der Sinn des Satzes eine Gleichstellung der Angehörigen mit dem Verteidiger auf der — irrigen — Grundlage, daß der Verteidiger ein Vertreter sei. Da sich aus dem System der Strafprozeßordnung ergibt, daß diese sonst zwischen Verteidiger und Vertreter unterscheidet (BGHSt. 12 369; s. auch o. Vorbem. 3 zum elften Abschnitt), kann die Verwendung des Wortes Vertreter bei den erst während der Beratungen eingefügten Bestimmungen nur auf einem freien Gebrauch der noch nicht völlig geklärten Begriffe beruhen. Das Wesentliche der Bestimmung liegt nicht in der Zuordnung von Vertreterrechten, sondern in der Gleichstellung der Angehörigen mit den Verteidigern.
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Siebenter Abschnitt. Verfahren gegen Abwesende (Dünnebier) § 281 Amii. 4 §§ 282-282 a,b Danach ist der Angehörige, wenn er zugelassen ist, nicht Vertreter sondern Verteidiger (ebenso wohl S c h w K l e i n k n e c h t , 1 zu § 281; a. A. — Vertreter schlechthin — E b S c h m i d t , 2 zu § 281; — Vertreter, der keine dem Angeklagten nachteilige Willenserklärungen abgeben darf — K l e i n k n M , 2b zu § 281). b) Sonstige Verteidigung und Vertretung. Nach § 140 Abs. 1 Nr. 7 liegt ein Fall der notwendigen Verteidigung vor. Das Recht des Angeklagten und des gesetzlichen Vertreters, einen Verteidiger zu wählen (§ 137), bleibt unberührt. Gehört der Gewählte nicht zu den in § 138 Abs. 1 und in § 142 Abs. 2 genannten Personen, dann bleibt ein bestellter Pflichtverteidiger daneben bestehen. Er ist zu entlassen, wenn der gewählte Verteidiger oder der als Verteidiger zugelassene Angehörige dem genannten Personenkreis zugehört. Hat der Angeklagte, nicht der gesetzliche Vertreter, einen Verteidiger schriftlich bevollmächtigt, dann entfällt die Vorsorge des § 281, weil der Angeklagte zu erkennen gegeben hat, daß er für seine Verteidigung selbst sorgen wolle. Das Recht des Ehegatten und des gesetzlichen Vertreters, als Beistand aufzutreten (§ 149 Abs. 1 und 2), bleibt durch die Wahl oder Bestellung eines Verteidigers unberührt. Sie können auch als Beistände auftreten, wenn der Angeklagte keinen Verteidiger gewählt hat und sie selbst nicht als Verteidiger auftreten. Der gesetzliche Vertreter kann selbständig Rechtsmittel einlegen (§ 298 Abs. 1). 4. Zulassung. Die Angehörigen haben einen Anspruch auf Zulassung, ohne daß sie eine Vollmacht nachzuweisen, ja auch nur zu besitzen brauchen. Das dem Gericht in § 138 Abs. 2 eingeräumte Ermessen findet nicht statt; § 281 schränkt § 138 Abs. 2 ein. Das Gericht hat die Zulassung zu versagen, wenn der Angehörige unfähig ist, in der Sache Verteidiger zu sein (s. o. I I I 1 zu § 138). Wollen mehrere Angehörige als Verteidiger auftreten, so kann das Gericht einigen von ihnen die Zulassung nur versagen, wenn durch die Vielzahl von Verteidigern eine Beeinträchtigung der Verteidigung zu erwarten ist (enger S c h w K l e i n k n e c h t , 1 zu § 281; a. A. — keine Beschränkung der Zulassung — Köhler GS. 1897 360).
§ 282 Ergibt die Hauptverhandlung, daß sich in Abwesenheit des Angeklagten weder seine Schuld noch seine Nichtschuld feststellen läßt, so stellt das Gericht das Verfahren vorläufig ein. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Entstehungsgeschichte: Eingefügt durch Art. 6 des G. vom 28. 6.1936. Keine späteren Änderungen.
§
282a
(1) Das Urteil ist als Abwesenheitsurteil zu kennzeichnen und nach § 40 Abs. 2 zuzustellen. Die in § 316 Abs. 2 und § 343 Abs. 2 vorgeschriebenen Zustellungen erfolgen an den Verteidiger. (2) Das Urteil ist zu vollstrecken, soweit es möglich ist. Die Staatsanwaltschaft kann das Urteil öffentlich bekanntmachen. Entstehungsgeschichte: Die Entwürfe I, II und I I I hatten nicht vorgesehen, die Form der Zustellung des Urteils im Verfahren gegen Abwesende zu bestimmen. Die Vorschrift ist ihrem Inhalte nach von der Reichstagskommission eingefügt. Frühere Bezeichnung: § 323. Änderungsvorschläge: NE I und II § 36. III § 52. Spätere Änderungen: Die Fassung entstammt Art. 6 des G. vom 28. 6. 1935.
§ 283 b Die im § 281 bezeichneten Personen können von den dem Beschuldigten zustehenden Rechtsmitteln Gebrauch machen. Entstehungsgeschichte: Die Bestimmung war in den Entwürfen nicht enthalten. Sie ist von der Reichstagskommission eingefügt worden. Frühere Bezeichnung: § 324. Änderungsvorschläge: NE I und II § 308. I I I § 295 Abs. 2. Keine späteren Änderungen.
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§ § 282—282 b Anm. 1
Strafprozeßordnung. Zweites Buch Erläuterung zu den §§ 282 bis 282 b Übersicht
1. Beendigung der Hauptverhandlung a) Allgemein b) Gestellung des Angeklagten aa) Bei öffentlicher Ladung bb) Bei ordentlicher Ladung cc) Nach Beginn der Hauptverhandlung dd) Wegfall der notwendigen Verteidigung 2. Urteilsunreife (§ 282) a) Inhalt
b) Anwendungsbereich c) Verfahren 3. Abwesenheitsurteil ( § 2 8 2 a ) a) Allgemein b) Inhalt c) Verfahren 4. Rechtsmittel a) Berechtigte b) Rechtsmittel der Angehörigen (§ 282 b) c) Verfahren d) Keine Wiedereinsetzung
1. Beendigung der Hauptverhandlung. a) Allgemein. Die Hauptverhandlung kann nach den allgemeinen Vorschriften und nach den Sondervorschriften der §§ 282, 2 8 2 a auf folgende Weise zum Abschluß kommen: Durch Beschluß, wenn sich in der Hauptverhandlung die sachliche Zuständigkeit eines Gerichts höherer Ordnung herausstellt (§ 270 Abs. 1); wenn einer der Fälle von § 153 Abs. 3, § 153a Abs. 2, § 154 Abs. 2 vorliegt; und endlich im Falle von § 282 (s. u. 2). Ein Einstellungsbeschluß nach § 205 Satz 1 kann nicht ergehen, weil das Verfahren j a gerade trotz der Hindernisse des § 2 0 5 betrieben wird; durch Urteil, wenn das Verfahren einzustellen ist, weil sich in der Hauptverhandlung ein Verfahrenshindernis herausstellt (§ 260 Abs. 3), sei es eines allgemeiner Art (etwa Fehlen eines Strafantrags), sei es eines auf das Abwesenheitsverfahren bezüglichen. Beisp.: In der Hauptverhandlung ergibt sich, daß die den Gegenstand der Untersuchung bildende Tat nicht mit Haft sondern mit Gefängnis bedroht ist. Es ergibt sich, daß ein anderes Strafgesetz anzuwenden ist. Der nach § 265 Abs. 1 zur Verurteilung erforderliche Hinweis kann wegen der Abwesenheit des Angeklagten nicht gemacht werden; durch Sachurteil im Falle des Freispruchs oder der Verurteilung (§ 260 Abs. 1 ; § 282 a Abs. 1, 1. Halbsatz; s. u. 3). b) Gestellung des Angeklagten. Erscheint der Angeklagte zu Beginn der Hauptverhandlung, so ist das Abwesenheitsverfahren nicht etwa deshalb durch Prozeßurteil abzuschließen, weil die Verfahrensvoraussetzung der Abwesenheit weggefallen sei. Das Abwesenheitsverfahren ist eine Sonderart des Regelverfahrens. Für dieses hat das Prozeßhindernis der Abwesenheit bestanden; nachdem es weggefallen ist, setzt sich das Verfahren im Regelverfahren fort. aa) Bei öffentlicher Ladung. War der Angeklagte öffentlich geladen (§ 279), so sind alle Akte nachzuholen, die wegen der Abwesenheit des Beschuldigten nicht vorgenommen werden konnten, soweit das noch möglich ist. Dazu ist die Hauptverhandlung auszusetzen und das Verfahren von der Ladung an zu wiederholen. Vor der Ladung sind dem Angeklagten Anklageschrift und Eröffnungsbeschluß zuzustellen. Zwar kann er der Eröffnung nicht mehr mit Einwendungen entgegentreten; er kann aber Anträge zur Vorbereitung des Hauptverfahrens stellen und auf Verfahrenshindernisse hinweisen, damit das Verfahren außerhalb der Hauptverhandlung eingestellt werde (§ 206 Abs. 1). bb) Bei ordentlicher Ladung. Hatte der im Ausland aufhältliche Angeklagte, nachdem ursprünglich angenommen war, er werde nicht erscheinen, zur Abwesenheitshauptverhandlung unter Zustellung von Anklageschrift und Eröffnungsbeschluß geladen werden können (s. o. 2 c zu §§ 279, 280), so kann alsbald zum Regelverfahren übergegangen und in diesem verhandelt werden. Doch ist die Hauptverhandlung auszusetzen, wenn der Angeklagte erklärt, daß er erst zufolge seiner Anwesenheit Beweismittel beibringen könne und dazu Zeit zur Vorbereitung benötige (§ 228 Abs. 1 Satz 1). ce) Nach Beginn der Hauptverhandlung. Erscheint der Angeklagte erst nach Beginn der Hauptverhandlung, dann kann diese nicht in ein Abwesenheits- und in ein ordentliches Verfahren
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Siebenter Abschnitt. Verfahren gegen Abwesende (Dünnebier)
§§282—282 b Anm. 2 , 3
geteilt werden. Wegen der Einheitlichkeit der Hauptverhandlung ist sie vollständig zu wiederholen. Im übrigen sind die unter aa und bb entwickelten Grundsätze zu beachten. dd) Wegfall der notwendigen Verteidigung. Mit dem Erscheinen des Angeklagten fallen die Voraussetzungen von § 140 Abs. 1 Nr. 7 weg. Ein bestellter Verteidiger ist zu entlassen (s. o. I 4c zu §§ 141 bis 143), falls die Verteidigung nicht auch aus einem anderen Grunde notwendig ist oder es aus einem solchen wird. Wird die Bestellung nicht aufgehoben, bleibt die Verteidigung nach § 140 Abs. 2 notwendig (s. o. 14 a zu §§ 141 bis 143), so daß § 338 Nr. 5 verletzt ist, wenn ohne den noch nicht entlassenen Verteidiger verhandelt wird. Die Zulassung der Angehörigen (§ 281) ist aufzuheben. 2. Urteilsunreiie (§ 382). a) Inhalt. Wird das Verfahren ohne den Angeklagten geführt, so verzichtet der Staat auf das Erkenntnismittel (Beweismittel ist der Angeklagte nie), das in seiner Einlassung liegt. Da der Angeklagte zur Aussage nicht verpflichtet (§ 136 Abs. 1 Satz 2) und der Schluß von der Nichteinlassung auf die Schuld unzulässig ist (a. A. OLG. Hamburg GA. 74 315), kann sich der Verzicht im Fehlen von Verteidigungs- nicht von Überführungsmitteln auswirken. Eine Einstellung des Verfahrens im Hinblick auf die Möglichkeit, daß der Angeklagte noch Verteidigungsmaterial beibringen werde (z. B. Umstände, die einen Rechtfertigungs-, Entschuldigungsgrund oder einen Verbotsirrtum begründen), ist daher vom favor defensionis aus begründet. Die 1935 eingefügte Vorschrift will aber bei einem non liquet auch den Freispruch verhindern ( S c h w K l e i n k n e c h t , 1 zu § 282), auf den der sich nicht einlassende Angeklagte im Regelverfahren nach dem Grundsatz in dubio pro reo einen Anspruch hätte. Insoweit widerspricht sie allgemeinen Grundsätzen der Strafprozeßordnung und wird bei einer Reform zu beseitigen sein. b) Anwendungsbereich. Die Vorschrift bezieht sich nur auf den Schuldspruch. Das Verfahren ist stets einzustellen, wenn eine auch nur entfernte, allerdings nicht rein theoretische Möglichkeit besteht, der Angeklagte könne sich in der Weise entlasten, daß sein Freispruch oder die Verurteilung auf Grund eines milderen als des im Eröffnungsbeschluß angenommenen Strafgesetzes oder nur die Verurteilung zu Strafe und nicht auch zu Einziehung stattfinden könne. Die Einstellung findet nach dem Wortlaut des Gesetzes auch statt, wenn ein Anhaltspunkt dafür besteht, daß der Angeklagte, wenn er in der Hauptverhandlung erscheint, sich belasten werde. Im Hinblick auf § 136 Abs. 1 Satz 2 wird davon grundsätzlich nicht auszugehen sein. Ist eine künftige Belastung des Angeklagten nicht zu erwarten, dann ist er nach dem Grundsatze in dubio pro reo freizusprechen. § 282 schließt den Freispruch wegen Mangel an Beweisen nicht aus (KleinknM, 1 zu § 282). Auf den Strafausspruch und die Einziehung erstreckt sich § 282 nicht. Sieht sich das Gericht durch die Abwesenheit an der Persönlichkeitsbewertung behindert, dann muß es damit genau so fertig werden, wie bei einem sich nicht einlassenden Angeklagten. c) Verfahren. Das Gericht stellt das Verfahren durch Beschluß vorläufig ein. Ergeht der Einstellungsbeschluß gegen einen Antrag des Staatsanwalts oder des Verteidigers auf Freispruch oder Verurteilung, so ist er zu begründen (§ 34), damit die Prozeßbeteiligten ihr weiteres Verhalten (Forschen nach Beweisen und Gegenbeweisen) darauf einstellen können. Der Beschluß ist sowohl zu verkünden, weil die von der Entscheidung betroffene Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung anwesend ist, als auch dem abwesenden Angeklagten bekannt zu machen (§ 35 Abs. 1 und 2). Ist die Anschrift des Abwesenden nicht bekannt und hat er keinen Zustellungsbevollmächtigten, so ist Zustellung durch Anheften des entscheidenden Teils des Beschlusses an die Gerichtstafel (§ 40 Abs. 2) zu wählen. Der Beschluß ist unanfechtbar (§ 282 Satz 2). Er hat die Wirkung, daß das Verfahren nur noch wegen Eintritts eines Prozeßhindernisses (Amnestie, Verjährung) eingestellt oder bei Anwesenheit des Beschuldigten, nicht bei neuen Beweismitteln, aufgenommen werden kann. 3. Abwesenheitsurteil (§ 282a). a) Allgemein. Für ein das Verfahren einstellendes und für ein freisprechendes Urteil gelten mit Ausnahme der Zustellung im allgemeinen (§ 35 Abs. 2, § 40 Abs. 2) und nach Einlegung von Rechtsmitteln (§ 282 a Abs. 1 Satz 2) keine Besonderheiten. § 282 a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 bezieht sich, wie sich aus Absatz 2 Satz 1 ergibt, nur auf ein Urteil, durch das der Angeklagte im Abwesenheitsverfahren zu Strafe oder Einziehung, allein oder nebeneinander, verurteilt wird.
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§ 282—282 b Amn. 4
Strafprozeßordnung. Zweites Buch
b) Inhalt. Der Verurteilung darf zwar nur eine Strafdrohung mit Haft, Geldstrafe oder Einziehung zugrunde liegen. Für die Strafe ist jedoch keine Begrenzung vorgeschrieben, so daß nach dem Wortlaut des Gesetzes (s. aber o. 4 zu § 277) auch eine Ersatzfreiheitsstrafe (§ 29 Abs. 1: RGSt. 20 297; vgl. RG. R. 7 94) und Unbrauchbarmachung (§ 41) ausgesprochen werden können. Daneben kann auch auf Entschädigung an den Verletzten (§ 403 Abs. 1, § 406 Abs. 1) und auf Buße (§ 406 d) erkannt werden. Im siebenten Abschnitt ist kein Verbot aufgestellt, im Abwesenheitsverfahren Maßregeln der Besserung und Sicherung zu verhängen. Das Verbot ist aber dem System der Strafprozeßordnung zu entnehmen. Nach § 232 Abs. 1 Satz 2 und 3 darf im Ungehorsamsverfahren keine Maßregel der Besserung und Sicherung verhängt werden mit Ausnahme der Entziehung der Fahrerlaubnis, wenn der Angeklagte in der Ladung auf diese Möglichkeit hingewiesen worden ist. Nach § 233 Abs. 1 Satz 2 und 3 darf gegen den Angeklagten, der von der Verpflichtung entbunden worden ist, in der Hauptverhandlung zu erscheinen, keine Maßregel der Besserung und Sicherung mit Ausnahme der Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet werden. Wenn auch beide Vorschriften nach § 276 Abs. 2 nicht gelten, weil ihnen die Abwesenheit i. S. von § 277 Abs. 1, d. h. die Nichterreichbarkeit für die Hauptverhandlung, entgegensteht, von der die §§ 232, 233 ausgehen (§ 236), so kann ihnen doch der Grundsatz entnommen werden, daß Maßregeln der Besserung und Sicherung gegen einen Abwesenden grundsätzlich nicht verhängt werden dürfen. Die Ausnahme für die Entziehung der Fahrerlaubnis ist für die beiden genannten Fälle ausdrücklich angeordnet. Sie darf, wenn das Prinzip auf einen anderen Fall übernommen wird, nur dann mit übertragen werden, wenn dieser gleich liegt. Das trifft nicht zu, weil die bei den §§ 232, 233 sinnvolle Anordnung im Falle des Abwesenheitsverfahrens regelmäßig mangels Vollstreckungsmöglichkeit ins Leere stößt, das Abwesenheitsverhandlungsverfahren zudem nach der Absicht des Gesetzgebers dazu dient, die unbeschränkte Beschlagnahme (§ 290) zu begrenzen, nicht aber unvollstreckbare Freiheitsstrafen oder Maßregeln auszuwerfen. c) Verfahren. Das Urteil ist im Urteilskopf als Abwesenheitsurteil zu kennzeichnen. Werden Abwesenheitsurteile mit Rechtsmitteln angefochten, so tragen auch die Urteile der Rechtsmittelinstanz diese Bezeichnung. Dies gilt auch für Urteile im Revisionsverfahren (a. A. RG. DRpfl. 1938 266), auch wenn sie nicht in der Sache selbst (§ 354 Abs. 1) entscheiden. Die Fälle der Abwesenheitsurteile in der Berufungs- und Revisionsinstanz sind nicht mit denen zu verwechseln, in denen in der Berufungs- und Revisionsinstanz Urteile im Regelverfahren ergehen, nachdem der Angeklagte bei der ersten Tatsachenverhandlung anwesend gewesen war (s. o. 1 zu § 277). Das Urteil ist durch Anheften der Urteilsformel unter Kennzeichnung als Abwesenheitsurteil an die Gerichtstafel zuzustellen (§ 35 Abs. 2, § 282 a Abs. 1, § 40 Abs. 2). Die bei der Ladung aus § 280 zu entnehmende Beschränkung auf die Staatsanwaltschaft (s. o. 3 a zu §§ 279, 280) besteht hier nicht; der Gerichtsvorsitzende kann die Zustellung auch unmittelbar veranlassen (§ 36 Abs. 2). Die öffentliche Zustellung kann hier, im Gegensatz zu dem Fall des § 279, nicht durch Nachweis des Zugangs an den Angeklagten ersetzt werden (§ 37; § 181 Satz 2 ZPO.). Für die Vollstreckung gelten keine Besonderheiten. Solange der Verurteilte abwesend ist, kann nur in inländisches Vermögen, insbesondere in nach §§ 283, 284 beschlagnahmte Gegenstände, vollstreckt werden. 4. Rechtsmittel. a) Berechtigte. Der Einstellungsbeschluß nach § 282 ist, auch für die Staatsanwaltschaft und auch, wenn diese Freispruch erstrebt, unanfechtbar (§ 282 Satz 2). Gegen das Abwesenheitsurteil stehen die gewöhnlichen Rechtsmittel zur Verfügung, die nach den allgemeinen Vorschriften der Angeklagte selbst, sein gesetzlicher Vertreter (§ 298 Abs. 1) und der Verteidiger (§ 297) einlegen können. Nach § 282 b sind dazu auch die Angehörigen (§ 281) befugt, soweit sie das nicht schon kraft ihrer Zulassung als Verteidiger (s. o. 3 zu § 281) tun können. Die Einschränkung der Befugnis, Rechtsmittel einzulegen, auf als Verteidiger oder zum Rechtsmittel besonders zugelassene Angehörige ( K l e i n k n M , 1 zu § 282b), findet im Gesetz keine Stütze. Die Angehörigen dürfen jedoch nicht gegen den erklärten Willen des Angeklagten handeln; dieser kann seinen Willen auch durch einen bevollmächtigten Verteidiger kundtun. b) Rechtsmittel der Angehörigen (§ 282b). § 282 b bezieht sich auf alle Rechtsmittel, also Beschwerde, Berufung und Revision und, nach dem Sinn der Vorschrift, auch auf Anträge auf Entscheidung des Rechtsmittelgerichts nach § 319 Abs. 2 und § 346 Abs. 2, aber nur im Ab-
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Siebenter Abschnitt. Verfahren gegen Abwesende (Dünnebier)
§ § 2 8 2 — 2 8 2 b Anm. 4 § 2 8 2 c Anm. 1—8
wesenheitsverhandlungsverfahren der §§ 277 bis 284. Wird das Verfahren mit Strafbefehl oder Strafverfügung angewendet (s. o. 2 a zu § 277), so sind die Angehörigen nicht befugt, Einspruch (§ 409 Abs. 1, § 413 Abs. 4) einzulegen. Im Gegensatz zu dem gesetzlichen Vertreter (§ 298 Abs. 1) verfolgen die Angehörigen kein eigenes, sondern das Rechtsmittel des Angeklagten. Sie sind daher an die für den Angeklagten laufenden Fristen gebunden, können kein Rechtsmittel gegen seinen erklärten Willen oder nach seinem Verzicht einlegen oder verfolgen. Ein eingelegtes Rechtsmittel können sie ohne Zustimmung des Angeklagten nicht, wohl aber kann es dieser zurücknehmen. Die Kosten des Rechtsmittels treffen den Angeklagten. c) Verfahren. Wird ein Rechtsmittel eingelegt, so ist das vollständige Urteil dem Verteidiger erneut zuzustellen (§ 282 a Abs. 1 Satz 2), doch darf die Zustellung erst vorgenommen werden, nachdem dem Angeklagten gegenüber die nach § 282 a Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz bewirkte öffentliche Zustellung (s. o. 3 c) die Rechtsmittelfrist in Lauf gesetzt hat. Die Revisionsbegründungsfrist (§ 345) beginnt erst mit der Zustellung an den Verteidiger zu laufen (RGSt. 75 158). d) Keine Wiedereinsetzung. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 235 findet, da diese Vorschrift auf den nicht anwendbaren § 232 bezogen ist, unmittelbar keine Anwendung. Eine entsprechende Anwendung scheidet aus, weil § 282 c ein besonderes Verfahren zur Verfügung stellt.
§ 383c (1) Wird der Verurteilte ergriffen oder stellt er sieh freiwillig, so ist ihm das Abwesenheitsurteil erneut zuzustellen. Bei der Zustellung ist er über die Form und die Frist für die Wiederaufnahme des Verfahrens (Absatz 2) zu belehren. (2) Binnen einer Woche seit der Zustellung kann der Verurteilte, auch wenn die im § 359 vorgesehenen Gründe für die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht vorliegen, die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragen. Sie findet statt, wenn der Abwesende sein Ausbleiben durch triftige Gründe rechtfertigt oder wenn sonstige Umstände vorliegen, die eine Erneuerung der Hauptverhandlung als notwendig erscheinen lassen. (8) Im übrigen gelten für das Verfahren die allgemeinen Vorschriften. Entstehungsgeschichte: Die Vorschrift war in der ursprünglichen Fassung nicht enthalten; sie ist durch Art. 6 des G. vom 28. 6 . 1 9 3 5 ins Gesetz eingefügt worden. Änderungsvorschläge: — Spätere Änderungen: Eine geringfügige Textänderung in Absatz 1 durch die Bereinigung (BGBl. I I I 312 — 2) ist bereits berücksichtigt. 1. Ergreifen und Stellen. Wegen des Begriffs Ergreifen s. o. 1 a zu § 9. Ein Beschuldigter stellt sich dann freiwillig, wenn er im Bereiche der Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik aus freiem Willen vor einer zur Strafverfolgung berufenen Behörde seine Bereitschaft erklärt, sich gegenüber dem strafrechtlichen Vorwurf zu verantworten. Im übrigen ist in § 2 8 2 c die genaue Begriffsabgrenzung entbehrlich; es soll der Verurteilte bezeichnet werden, der im Bereiche der Gerichtsbarkeit der Bundesrepublik von der ihm in Absatz 2 eröffneten Möglichkeit Gebrauch machen kann. Das Ergreifen im Ausland oder in der SBZ. genügt daher als Zustellungsvoraussetzung nicht. In diesem Falle gilt der Verurteilte erst als ergriffen, wenn er in die Bundesrepublik eingeliefert oder überstellt wird. 2. Urteilsznsteilung. Ergreifen und Gestellen hemmen die Strafvollstreckung nicht. Die Zustellung dient einmal der Fürsorge für den Angeklagten, damit er die Voraussetzungen zur Beseitigung des Abwesenheitsurteils und der Unterbrechung der Vollstreckung (§ 306 Abs. 2, § 282 c Abs. 3) herbeiführen kann. Die Zustellung bezweckt zum anderen den Beginn des Laufes der Frist von Absatz 2 Satz 1. Sie ist daher auch dann vorzunehmen, wenn dem Angeklagten schon durch den Verteidiger ein vollständiges Urteil zugänglich gemacht worden ist. Sie eröffnet keine neue Rechtsmittelfrist. Wegen der Belehrung s. o. 4d Abs. 3 zu § 35 a. 8. Inhalt. Die Vorschrift entstammt dem G. vom 28. 6. 1935. Für ein Teilgebiet war die Wiederaufnahme sachgemäßer in § 9 Abs. 3 des G. gegen Verrat der Deutschen Volkswirtschaft
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Anm. 4 vom 12. Juni 1933 — RGBl. I 360 — dahin geregelt: „Wird der Verurteilte ergriffen oder stellt er sich dem Gericht, so hat das Gericht auf seinen Antrag die Erneuerung der Hauptverhandlung zu beschließen. Mit diesem Beschluß wird das frühere Verfahren hinfällig". Vor diesen Gesetzen war die Materie zwar gesetzlich ungeregelt, doch wendete die Praxis § 235 entsprechend an ( P u c h e l t , 3 Abs.l zu § 324 nebst Nachw.). Gegenüber beiden Vorschriften ist die 1935 er Fassung eine Verschlechterung. Sie lastet dem Verurteilten die Rechtfertigung durch triftige Gründe an und stellt die Wiederaufnahme, soweit sie darüber hinaus zugelassen ist, in unangemessen unklarer Form ins Ermessen des Gerichts. Die Übertragung von § 235, der aufs Ungehorsamsverfahren abgestellt war, war schon eine Aushilfe, durch die notwendige Wiedereinsetzung bei Unkenntnis von der Ladung aber ausreichend. Befriedigend war nur die Regelung des G. vom 12. 6. 1933. Sie wird bei einer Reform wiederherzustellen sein. Die Wiederaufnahme des § 282c trägt wegen der Notwendigkeiten: bei Rechtfertigung des Ausbleibens die Wiedereinsetzung ohne sachliche Prüfung zu gewähren; dem Angeklagten Anklage und Eröffnungsbeschluß bekanntzumachen; und das Verfahren stets in erster Instanz zu erneuern, mehr die Züge der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als die der Wiederaufnahme. Darauf ist bei der Durchführung des Verfahrens zu achten. 4. Wiederaufnahmegründe. a) Rechtfertigung des Ausbleibens. Rechtfertigt der Verurteilte sein Ausbleiben durch triftige Gründe, so hat das Gericht die Wiederaufnahme anzuordnen, ohne daß es die Aussichten des Verfahrens überprüfen darf. Insoweit liegt in Wahrheit eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vor. Triftige Gründe sind auf jeden Fall die Verhinderung durch Naturereignisse und andere unabwendbare Zufälle (§ 44). Trotz der Wortwahl, die wohl auf eine Einengung der Wiedereinsetzungsgründe abzielt, wird es schwer fallen, sichere Merkmale einer Abgrenzung von den Begriffen des § 44 oder der nicht genügenden Entschuldigung des § 329 Abs. 1 zu finden. Demzufolge ist es auch als triftiger Grund anzusehen, wenn der Verurteilte ohne sein Verschulden keine Kenntnis von der öffentlichen Zustellung erlangt hat, es sei denn, daß er geflohen war, um sich einem ihm bekannten strafrechtlichen Vorwurf zu entziehen. b) Sonstige Gründe. Ein weites Ermessen des Gerichts findet statt, wenn sonstige Umstände vorliegen, die eine Erneuerung der Hauptverhandlung als notwendig erscheinen lassen. Da das Abwesenheitsverfahren eine Irregularität ist, wird die Notwendigkeit großzügig zu bejahen sein. Sie wird stets vorliegen bei einer gewissen, wenn auch durchaus nicht sicheren Erfolgsaussicht, also bei der Möglichkeit von Zweifeln an der Richtigkeit des Schuld-, Straf- oder Einziehungsausspruchs. Sie ist weiter anzuerkennen, wenn der Abwesende in der Verteidigung beschränkt war, und wenn die Prozeßordnungsmäßiglkeit des Verfahrens Bedenken begegnet. In diesen beiden Fällen kommt es auf die Erfolgsaussicht nicht an, weil nur die Verurteilung in einem ordnungsmäßigen Verfahren bei wirksamer Verteidigung des Angeklagten Ziel der Klage ist. Die dargestellten Wiederaufnahmegründe reichen indessen (entgegen der Ansicht von R ö h l NJW. 1953 1533) nicht aus, um das Recht auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG.) zu sichern. D ü r i g geht denn auch weiter und läßt unter die sonstigen Umstände auch die glaubhaft gemachte Behauptung fallen, der im Abwesenheitsverfahren Verurteilte könne noch erhebliche Tatsachen oder Rechtsausführungen vorbringen ( M a u n z - D ü r i g , GG., 47 zu Art. 103, Aum. 1). Aber auch diese Auslegung kann der von D ü r i g zu Recht erhobenen Forderung, dem Betroffenen nachträglich unbeschränkt rechtliches Gehör zu gewähren, nicht genügen. Welches Mittels der Glaubhaftmachung soll sich der Angeklagte, dem weder die eidliche Versicherung des Zeugen (§ 56) noch die eidesstattliche Versicherung zur Verfügung steht (s. o. 6 c zu § 46), bedienen können, um die Behauptung glaubhaft zu machen, er könne noch erhebliche Tatsachen oder Rechtsausführungen vorbringen, und von wessen Standpunkt aus ist die Erheblichkeit zu beurteilen? Letztlich müßte er wohl, was er in der erstrebten neuen Hauptverhandlung vorbringen will, in seinem Antrag auf Wiederaufnahme vortragen. Damit würde die mündliche, ggf. unter Zuziehung von Laienrichtern stattfindende Hauptverhandlung, in das schriftliche Zulassungsverfahren verlegt, an dem allein die Berufsrichter beteiligt sind. Das ist aber nicht das Gericht, vor dem der Angeklagte Anspruch auf rechtliches Gehör hat. Die Konsequenz der von D ü r i g zu Recht aus Art. 103 Abs. 1 GG. hergeleiteten Forderung auf unbeschränktes rechtliches Gehör kann vielmehr nur die Auslegung sein, daß dem erschienenen Verurteilten auf seinen
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Siebenter Abschnitt. Verfahren gegen Abwesende (Dünnebier)
§ 2 8 2 c Anm.5,6 §283
bloßen Antrag hin die Wiederaufnahme des Verfahrens zu gewähren ist (s. auch o. Vorbem. 4 Abs. 3 zum siebenten Abschnitt). 5. Verfahren. a) Berechtigte. Die Wiederaufnahme nach Erscheinen steht nur dem Angeklagten, seinem Verteidiger und seinem gesetzlichen Vertreter (§§ 365, 297, 298) zu, auch den beiden zuletzt genannten erst nach Ergreifen oder Stellen des Angeklagten. Der Staatsanwalt ist nicht antragsberechtigt, weil das Verfahren seinem Wesen nach eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist, die dem Angeklagten persönlich zusteht (s. o. 1 zu § 46). b) Frist. Der Antrag ist binnen einer Woche (§ 43) seit der Zustellung anzubringen, kann aber, wie ein Rechtsmittel (§ 366), auch vor der Zustellung gestellt werden. Er richtet sich in erster Linie gegen ein rechtskräftiges Urteil, ist aber nach dem Zweck des Verfahrens auch statthaft, wenn ein Rechtsmittel läuft. Ein Vorrang besteht weder für das Wiederaufnahme- noch für das Rechtsmittelverfahren, weil ein jedes das andere, wenn es Erfolg hat, überflüssig macht, wenn es keinen hat, unberührt läßt. Die Reihenfolge bestimmt sich nach Erwägungen der Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung von Wünschen des Angeklagten. e) Form. Trotz § 282 c Abs. 3 ist § 366 Abs. 2 (Formzwang) nicht anwendbar. Diese Vorschrift ist auf das förmliche Wiederaufnahmeverfahren der §§ 359 ff. abgestellt und auf das einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand angeglichene Verfahren nach dessen Zweck nicht anwendbar. Der Antrag nach Absatz 2 ist daher formfrei; er kann schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts angebracht werden, das das Urteil erlassen hat, bei Personen, die sich nicht auf freiem Fuße befinden, auch zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts, in dessen Bezirk die Anstalt liegt, in der der Verurteilte verwahrt wird (§§ 365, 299). d) Gerichtliches Verfahren. Das Gericht kann einen Aufschub sowie eine Unterbrechung der Vollstreckung anordnen (§ 282 c Abs. 3, § 360 Abs. 2). Ein Zulassungs- (§ 367) und ein Beweisverfahren (§ 369) finden nicht statt. Das Gericht bewertet die Gründe und Umstände (Absatz 2) im Freibeweis und verwirft den Antrag als unbegründet (§ 370 Abs. 1) oder ordnet die Wiederaufnahme des Verfahrens und die Erneuerung der Hauptverhandlung an. Da das Abwesenheitsverfahren im Regelverfahren erneuert wird, findet die neue Hauptverhandlung stets in erster Instanz statt, auch wenn ein Berufungsurteil ergangen ist ( E b S c h m i d t , 10 zu § 282; der dort weiter behandelte Fall eines Abwesenheitsverfahrens nur in zweiter Instanz kann von der hier vertretenen Auffassung aus nicht eintreten). Die Wirkung der Wiederaufnahme ist die Beseitigung des früheren Urteils (RGSt. 35 352). Für das weitere Verfahren gilt das o. l b zu §§ 282—282 b Ausgeführte entsprechend, für das neue Urteil § 373, wegen der Kosten § 474 a. e) Ordentliche Wiederaufnahme. Das Verfahren nach §§ 359 ff. bleibt daneben, auch nach Ablauf der Frist des Absatzes 2, statthaft. Der Staatsanwalt ist allein auf dieses Verfahren angewiesen. Innerhalb der Frist des Absatzes 2 kann der Angeklagte Wiederaufnahmegründe .des § 359 auch als Umstände nach § 282 c Abs. 2 in der einfacheren Form dieser Vorschrift geltend machen. 6. Allgemeine Vorschriften. Von den Vorschriften des vierten Buchs sind für die Wiederaufnahme nach Erscheinen anwendbar § 360; § 361, soweit er sich auf die durchgeführte Strafvollstreckung bezieht; § 365; § 370 Abs. 1 in seiner ersten Hälfte; § 372; § 373. Danach gelten für die Rechtsmittel keine Besonderheiten.
§ 383 Soweit es nach dem Ermessen des Richters znr Deckung der den Angeschuldigten möglicherweise treffenden höchsten Geldstrafe und der Kosten des Verfahrens erforderlich ist, können einzelne zum Vermögen des Angeschuldigten gehörende Gegenstände mit Beschlag belegt werden. Für diese Beschlagnahme gelten die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Vollziehung und die Wirkungen des dinglichen Arrestes entsprechend. Die Beschlagnahme ist aufzuheben, wenn ihr Grund weggefallen ist.
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§ § 283, 284 Anm. 1, 2
Strafprozeßordnung. Zweites Buch
Entstehungsgeschichte: Die Vorschrift war in den Entwürfen nicht enthalten. Sie ist von der Reichstagskommission eingefügt worden. Frühere Bezeichnung: § 325. Änderungsvorschläge: NE I und II § 159 Abs. 2, § 461. NE III § 443. Spätere Änderungen: Die Textfassung beruht auf Art. 9 VereinhG. in Vbdg. mit der Bekanntmachung BGBl. 1950 I 631.
§ 384 (1) Soweit eine Deckung durch eine Beschlagnahme gemäß § 288 nicht ausführbar erscheint, kann durch Beschluß des Gerichts das im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes befindliche Vermögen des Angeschuldigten mit Beschlag belegt werden. Der Beschluß ist durch den Bundesanzeiger und nach Ermessen des Gerichts auch durch andere Blätter zu veröffentlichen. (2) Verfügungen, die der Angeschuldigte über sein mit Beschlag belegtes Vermögen nach der ersten durch den Bundesanzeiger bewirkten Veröffentlichung des Beschlusses vornimmt, sind der Staatskasse gegenüber nichtig. (8) Die Beschlagnahme des Vermögens ist aufzuheben, sobald ihr Grund weggefallen oder die Deckung der Staatskasse durch eine Beschlagnahme gemäß § 283 bewirkt ist. (4) Die Aufhebung der Beschlagnahme ist durch dieselben Blätter bekanntzumachen, durch welche die Beschlagnahme veröffentlicht worden ist. Entstehungsgeschichte: Die Vorschrift war in den Entwürfen nicht enthalten. Sie ist von der Reichstagskommission eingefügt worden. Frühere Bezeichnung: § 326. Änderungsvorschläge: — Spätere Änderangen: Die Textfassung beruht auf Art. 3. Nr 133 VereinhG. Verwandte Vorschriften: §§ 290, 433. Schrifttum: Die Beschlagnahme des Vermögens (annotatio bonorum) im heutigen Strafrecht, Delius GA. 37 117. Erläuterung zu den §§ 283 und 284 1. Inhalt und Beziehung der Vorschriften. § 290 läßt die Beschlagnahme des gesamten Vermögens zu, um einen Abwesenden zur Gestellung zu nötigen. § 283 in Vbdg. mit § 277 Abs. 1 und 2, §282a Abs. 2 Satz 1 begrenzen die Härte der Gesamtbeschlagnahme dadurch, daß in Bagatellsachen, für die die Vermögensbeschlagnahme unverhältnismäßig wäre, eine Abwesenheitshauptverhandlung stattfindet, dazu eine beschränkte Vermögensbeschlagnahme erlaubt und die Vollstreckung vorgeschrieben ist. Dadurch wird das Vermögen nur schonend angegriffen und, soweit nicht benötigt, in absehbarer Zeit wieder frei. In der Beziehung der §§ 283, 284 zueinander kommt der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zwischen dem angestrebten Zweck und dem angewendeten Übel dadurch zum Ausdruck, daß grundsätzlich nur die auf die Höhe von Strafe und Verfahrenskosten begrenzte Beschlagnahme einzelner Vermögensgegenstände zulässig ist (§ 283), und nur hilfsweise, wenn die Einzelbeschlagnahme nicht ausreicht, diejenige des gesamten Vermögens (§ 284). 2. Zulässigkeit der Beschlagnahme. Die Beschlagnahme ist bei allen in § 277 Abs. 2 bezeichneten strafbaren Handlungen zulässig, also auch bei Übertretungen. Sie ist in beiden Vorschriften nur zulässig zur Deckung der Geldstrafe und der Verfahrenskosten, nicht auch von Wertersatz, der Strafe in Geld aber keine Geldstrafe im technischen Sinne ist, von vermögensrechtlichen Ansprüchen (§ 403 Abs. 1) und von Buße (§ 406 d). Sie ist beschränkt auf die voraussichtlich entstehenden Kosten und auf den Höchstsatz der Geldstrafe, wenn es möglich ist, daß dieser den Angeklagten treffen kann. Besteht diese Möglichkeit nicht, ergibt sich die Grenze aus der Strafe, die höchstens zu erwarten ist. Sie ist nicht abstrakt, sondern nach den Umständen des Falles abzuschätzen ( E b S c h m i d t , 4 zu § 283). Ist die Verurteilung ausgesprochen und hat die Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel eingelegt, so ist die Grenze der Urteilssumme zu entnehmen. Bei der Beschlagnahme nach § 284 ist weitere Voraussetzung ihrer Zulässigkeit, daß die vorstehend angegebenen Beträge durch die Verwertung einzelner beschlagnahmter Vermögensgegenstände nicht gedeckt werden, sei es weil solche nicht bekannt sind, sei es, daß bekannte dazu nicht ausreichen.
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Siebenter Abschnitt. Verfahren gegen Abwesende (Dünnebier)
§ § 283, 284 Anm. 3—5
3. Zeitpunkt der Beschlagnahme. Die §§ 283, 284 beziehen sich nach ihrer Stellung nur auf das Abwesenheitsverfahren der §§ 277 bis 282c ( E b S c h m i d t , 2 zu § 283; 2 zu § 284); im Regelverfahren sind sie unanwendbar (LG. Kiel NJW. 1951 247 und L e v e r e n z ebendort). Im Abwesenheitsverfahren ist die Beschlagnahme nach beiden Vorschriften zulässig, nachdem gegen den Beschuldigten Anklage (§ 277 Abs. 2) erhoben worden ist. Das ergibt sich aus der Verwendung des Wortes Angeschuldigter, das nur nach erhobener öffentlicher Klage gebraucht wird (§ 157). Bei dem in den §§ 277 bis 282 c geregelten Verfahren kommt als Erhebung der öffentlichen Klage nur die Einreichung einer Anklageschrift (§ 170 Abs. 1, § 199 Abs. 2) in Betracht. Von diesem Zeitpunkt an ist die Beschlagnahme zulässig bis zur Rechtskraft des Urteils. Von da ab schließt die Vollstreckung Maßnahmen aus, die, wie der Wortlaut von § 283 eindeutig ergibt (die den Angeschuldigten möglicherweise treffende Geldstrafe) ihrer Vorbereitung dienen. Die herrschende Ansicht schiebt den Wortlaut mit der Begründung beiseite, daß er nur den Normalfall bezeichne, den der Gesetzgeber (zu Unrecht) allein im Auge gehabt habe. Sie läßt alsdann die Vermögensbeschlagnahme auch nach Rechtskraft zu (BGH. MDR. 1963 431; E b S c h m i d t , 1 zu § 283). Von den beiden Formen der §§ 283 und 284 kommt allerdings bei der Möglichkeit, das Urteil in einzelne Gegenstände zu vollstrecken, nur der nach § 284 eine Bedeutung zu. Als Begründung wird angegeben, es sei nicht einzusehen, warum der Gesetzgeber, wenn er die Sicherung vor dem Urteil ermögliche, sie dann nicht zulasse, wenn wirklich ein Urteil ergangen sei (OLG. Stuttgart Alsb., E. 2 138). Die Gegenfragen sind, warum der Gesetzgeber das grausame Vollstreckungsprivileg des § 284 nicht zur Verfügung stellt, wenn ein zu viel höheren Geldstrafen, als sie hier in Rede stehen, Verurteilter nach Rechtskraft flüchtig wird oder sein Vermögen verborgen hält, und warum § 290 nur der Gestellung, nicht der Vollstreckung dient (s. u. 1 und 5 zu §§290—294). § 284 kommt in seiner Wirkung dem „bürgerlichen Tod" (s.u. 2c bb zu §§ 290—294) der Vermögensbeschlagnahme nach § 290 gleich. Gegen den wegen einer Bagatellstrafe Verfolgten enthält er eine excessive Maßnahme. Hätte der Gesetzgeber den Gebrauch dieses außerordentlichen Aushilfsmittels auch nach Rechtskraft zur Verfügung stellen wollen, dann hätte er diese Abweichung von der allgemeinen Vollstreckung eindeutig zum Ausdruck bringen müssen. Vorläufige Anordnungen der Staatsanwaltschaft bei Gefahr im Verzuge (vgl. § 433 Abs. 2 Satz 2) sind nicht zulässig. Eine gerichtliche Beschlagnahme ist im vorbereitenden Verfahren unzulässig, weil die Beschlagnahme Anklageerhebung voraussetzt ( E b S c h m i d t , 3 zu §283). Die Voruntersuchung findet im Rahmen der §§ 277 bis 284, für die allein die §§ 283, 284 gelten, nicht statt; es handelt sich um ein ausschließliches Abwesenheitshauptverfahren. 4. Zuständigkeit. Die Beschlagnahme wird durch Beschluß des Gerichts angeordnet, das zufolge der Anklage mit der Sache befaßt ist, also in der Regel durch das Amtsgericht, sei es als Einzelrichter (§ 25 GVG.), sei es als Schöffengericht (§ 28 GVG.), doch kann in Steuersachen auch die Strafkammer in Betracht kommen. Der Beschluß ergeht je nach Verfahrenslage außerhalb der Hauptverhandlung in Beschlußbesetzung (§§ 25, 30 Abs. 2 GVG., § 76 Abs. 1 GVG.) oder in der Abwesenheitshauptverhandlung in der vollen Besetzung (§§ 25, 29 Abs. 1, § 76 Abs. 2, 2. Möglichkeit). Während der Hauptverhandlung ist beim Schöffengericht die Entscheidung durch den Amtsrichter und bei der Strafkammer diejenige durch die drei Berufsrichter unzulässig. 5. Beschlagnahme einzelner Gegenstände (§ 283). a) Beschluß. Die Beschlagnahme erstreckt sich auf unbewegliche und bewegliche Sachen, Forderungen und Rechte, gleichviel wo, im Inlande oder Auslande, sie sich befinden. Der Beschluß gibt den beschlagnahmten Gegenstand und die Höhe der zu sichernden Forderung an. b) Folge. Die Beschlagnahme enthält ein Veräußerungsverbot nach § 136 BGB. Demzufolge sind Verfügungen des Abwesenden gegenüber dem Justizfiskus relativ unwirksam (§§ 136, 135 Abs. 1 BGB.; OLG. Bremen NJW. 1951 675), doch wird der gutgläubige Erwerber geschützt (§§ 136, 135 Abs. 2 BGB.). c) Durchführung. Die Durchführung obliegt der Staatsanwaltschaft (§ 36 Abs. 1 Satz 1), doch kann der Gerichtsvorsitzende sie auch unmittelbar veranlassen (§ 36 Abs. 2). Der Beschluß ist zuzustellen, je nach Verfahrenslage nach § 40 Abs. 1 oder 2, doch ist, wenn ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt ist, Zustellung an diesen und bei bekanntem Auslandsaufenthalt auch Zustellung durch Rechtshilfe im Auslande zulässig.
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§ § 283, 2 8 4 Anm. 6—8
Strafprozeßordnung. Zweites Buch
Die Vollstreckung kann schon vor der Zustellung auf Grund einer einfachen Ausfertigung des Beschlusses betrieben werden. Die Vollstreckungsbehörde beauftragt bei der Pfändung beweglicher Sachen den Gerichtsvollzieher und stellt bei sonstigen Pfändungsakten ihre Anträge bei dem Gericht, wo der Abwesende seinen allgemeinen Gerichtsstand hat oder wo sich Vermögen befindet (§§ 928 bis 932, §§ 803ff. ZPO., D e l i u s , S. 122). 6. Vermögensbeschlagnahme (§ 284). a) Beschluß. Die Beschlagnahme erstreckt sich auf das in der Bundesrepublik und in WestBerlin befindliche Vermögen des Abwesenden. In dieser Weise wird das Vermögen im Beschluß bezeichnet. Das Gericht braucht keine Kenntnis von dem Umfang und Inhalt des Vermögens zu haben; für die Beschlagnahme ist es gleichgültig, ob das Vermögen festgestellt, ja ob überhaupt welches vorhanden ist. b) Folge. Die Beschlagnahme erfaßt das gegenwärtige und künftige Vermögen und enthält zunächst ein Veräußerungsverbot nach § 136 BGB. Von der Bekanntmachung im Bundesanzeiger an ist aber zufolge der „Nichtigkeit" gegenüber der Staatskasse, anders als bei § 283 (s. o. 6b), der gutgläubige Erwerber im Verhältnis zur Staatskasse nicht mehr geschützt (§ 284 Abs. 2; B b S c h m i d t , 3 zu § 284). Doch geht die Wirkung der Beschlagnahme nach § 284 auf der anderen Seite nicht so weit wie bei § 290 (s. u. 4b zu §§ 290 bis 293). Wie dort sind aber Verfügungen von Todes wegen frei (a. A. D e l i u s , S. 124). c) Durchführung. Es gilt zunächst das zu 6 c Abs. 1 Satz 1 Ausgeführte. Der Beschluß ist im Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Diese Veröffentlichung ist die Zustellung nach § 40. Weitere Veröffentlichungen stehen im Ermessen des Gerichts. Sie werden angezeigt sein, wenn ein Anhalt besteht, daß die Beschlagnahme dadurch dem Angeschuldigten oder den in § 280 Abs. 3 genannten Personen bekannt wird. Eine weitere Vollstreckung kommt nicht in Betracht. Werden einzelne Vermögensgegenstände bekannt, so ist nach § 283 zu verfahren ( D e l i u s , S. 124). 7. Aufhebung der Beschlagnahme. a) Voraussetzungen. Die Beschlagnahmen nach §§ 283,284 sind aufzuheben, wenn ihr Grund weggefallen ist (§ 283 Satz 3, § 284 Abs. 3), die des § 284 außerdem, sobald nach § 283 genügend Gegenstände zur Deckung der Forderung der Staatskasse beschlagnahmt sind (§ 284 Abs. 3). Der Grund der Beschlagnahme fällt weg mit dem Tod des Angeschuldigten vor Rechtskraft des Urteils, der Freisprechung, der Einstellung durch Amnestie, dem Eintritt von Prozeßhindernissen (Verjährung, Wegfall der Voraussetzungen der §§ 276, 277), der Sicherheitsleistung für Strafe und Kosten und dem Beginn der Vollstreckung; wird diese verzögert, mit der Möglichkeit der Vollstreckung. Insbesondere darf die Vermögensbeschlagnahme nach § 284 nach der Rechtskraft nicht deshalb aufrechterhalten werden, weil die Vollstreckungsbehörde einzelne Vermögensgegenstände nicht ausfindig machen kann. § 284 dient der Sicherung der Vollstreckung, nicht der Besserstellung der Vollstreckungsbehörde gegenüber dem Regelverfahren nach der Rechtskraft. b) Verfahren. Die Aufhebung spricht durch Beschluß dasjenige Gericht aus, das nach der Verfahrenslage mit der Sache befaßt ist. Im Falle des § 284 ist die Aufhebung der Beschlagnahme durch dieselben Blätter bekanntzumachen, in denen die Beschlagnahme veröffentlicht war (§ 284 Abs. 4). 8. Rechtsmittel. Die Beschlüsse unterliegen der Beschwerde der Staatsanwaltschaft oder des Angeschuldigten nach § 304 Abs. 1, auch wenn sie vom erkennenden Gericht erlassen werden. § 305 Satz 1 findet keine Anwendung. Zwar kann es fraglich sein, ob § 305 Satz 2 auch die Beschlagnahme der §§ 283, 284 oder nicht vielmehr nur die nach den §§ 94ff. im Auge hat. Auf jeden Fall ist die Beschwerde gegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts deshalb statthaft, weil die Beschlüsse nach den §§ 283, 284 nicht im inneren Zusammenhang mit dem nachfolgenden Abwesenheitsurteil stehen (s. u. 3 zu § 306). Über Anträge, Einwendungen und Erinnerungen des Abwesenden, des Drittschuldners und anderer Beteiligter gegen die Art und Weise der Zwangsvollstreckung entscheidet das Vollstreckungsgericht (§ 766 Abs. 1 ZPO.).
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Siebenter Abschnitt. Verfahren gegen Abwesende (üünnebier)
§ § 285—289
§ 385 (1) In anderen als den in § 277 bezeichneten Fällen findet gegen einen Abwesenden eine Hauptverhandlung nicht statt. Das gegen den Abwesenden eingeleitete Verfahren hat die Aufgabe, für den Fall seiner künftigen Gestellung die Beweise zu sichern. (2) Für dieses Verfahren gelten die Vorschriften der §§ 286 bis 294. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 223. II. Entw. § 229. III. Entw. § 273. Frühere Bezeichnung: § 327. Anderungsvorschläge: NE I u. II § 168 Abs. 1 u. 2. III § 182 Abs. 2. Keine späteren Änderungen.
§ 386 (1) Für den Angeklagten kann ein Verteidiger auftreten. Auch Angehörige des Angeklagten sind, auch ohne Vollmacht, als Vertreter zuzulassen. (2) Zeugen sind, soweit nicht Ausnahmen vorgeschrieben oder zugelassen sind, eidlich zu vernehmen. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 226. II. Entw. § 232. III. Entw. § 276. Absatz 1 lautete ursprünglich: Die Zulassung eines Verteidigers wird durch die Abwesenheit des Beschuldigten nicht ausgeschlossen. Zur Wahl eines Verteidigers sind auch Angehörige des Beschuldigten befugt. Frühere Bezeichnung: § 328. Änderungsvorschläge: NE I u. II § 137 Abs. 3. § 65 Abs. 3, § 70. III § 160 Abs. 3, § 86 Abs. 2. Spätere Änderungen: Die Textfassung beruht auf Art. 3 Nr. 133 VereinhG.
§ 387 (1) Dem abwesenden Beschuldigten steht ein Anspruch auf Benachrichtigung über den Fortgang des Verfahrens nicht zu. (2) Der Richter ist jedoch befugt, einem Abwesenden, dessen Aufenthalt bekannt ist, Benachrichtigungen zugehen zu lassen. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 228. II. Entw. § 234. III. Entw. § 277. Frühere Bezeichnung: § 329. Änderungsvorschläge: NE I u. II § 158 Abs. 1. III § 182 Abs. 1. Keine späteren Änderungen.
§ 388 Der Abwesende, dessen Aufenthalt unbekannt ist, kann in einem oder mehreren öffentlichen Blättern zum Erscheinen vor Gericht oder zur Anzeige seines Aufenthaltsortes aufgefordert werden. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 227. II. Entw. § 233. III. Entw. § 278. Frühere Bezeichnung: § 330. Änderungsvorschläge: — Keine späteren Änderungen.
§ 389
Stellt sich erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens die Abwesenheit des Angeklagten heraus, so erfolgen die noch erforderlichen Beweisaufnahmen durch einen beauftragten oder ersuchten Richter. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 225. II. Entw. § 231. III. Entw. § 275. Frühere Bezeichnung: § 331. Änderungsvorschläge: — Keine späteren Änderungen.
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§ § 285—289 Anm. 1, 2
Strafprozeßordnung. Zweites Buch Erläuterung zu den §§ 285 bis 289
1. Beweissicherungsverfahren (§ 285). a) Allgemein. Die §§ 285 bis 289 regeln das Beweissicherungsverfahren gegen Abwesende (§ 276 Abs. 1). Sie stehen, zusammen mit den §§ 290 bis 295, die das Verfahren zur Gestellung zum Inhalte haben, im Gegensatz zu den §§ 277 bis 284. Dort wird eine Hauptverhandlung und in ihr eine Beweisaufnahme durchgeführt mit dem, wenn auch nicht stets erreichten (§ 282), Ziele der Verurteilung und Vollstreckung (§282a). Hier kann keine Hauptverhandlung und damit weder Beweisaufnahme noch Verurteilung und Vollstreckung stattfinden, so daß Beweissicherung und volle Vermögensbeschlagnahme an deren Stelle treten. b) Ausschluß der Hauptverhandlung gegen Abwesende. Der Eingangssatz von § 285 Abs. 1: „In anderen als den in § 277 bezeichneten Fällen" bezieht sich auf beide Sätze dieses Absatzes, insbesondere auch auf Satz 2. Das ergibt sich aus dem System des siebenten Abschnitts, nach welchem die Abwesenheitshauptverhandlung in Bagatellsachen mit anschließender Vollstreckung und der dadurch herbeigeführten Begrenzung des Vermögenszugriffs gegenüber der vollen Vermögensbeschlagnahme des § 290 eine Vergünstigung darstellt. Die Folgen hieraus sind unter c dargestellt. Auf Satz 1 bezogen sind die Worte inhaltsleer, weil sie nur das sich schon aus § 277 Abs. 2 ergebende Verbot wiederholen, in anderen als den dort geregelten Fällen die Hauptverhandlung gegen einen Abwesenden stattfinden zu lassen. Der erste Satz hat daher außer der Verbindung seiner Eingangsworte mit dem zweiten Satz wenig Sinn. In der Fassung des Entwurfs: „Gegen einen Abwesenden findet eine Hauptverhandlung und Urteilsfällung nicht statt", war er das stolze Bekenntnis: Das Kontumazialverfahren ist abgeschafft ( H a h n , Mat. 1 239). c) Andere als in § 277 bezeichnete Fälle. Wegen der Beziehung der ersten Hälfte von Satz 1 auf Satz 2 und nach dem System des Abschnittes kann im Hinblick auf die schweren Folgen der vollen Vermögensbeschlagnahme nach dem Grundsatz, daß die am wenigsten eingreifende Maßnahme anzuwenden ist, das Verfahren der Beweissicherung und Vermögensbeschlagnahme nur Anwendung finden, wenn weder das ordentliche Hauptverfahren noch die Abwesenheitshauptverhandlung stattfinden kann. Daraus ergibt sich, daß für die Anwendung der §§ 286 bis 294 nur auf die Strafandrohungen des § 277 Abs. 2 abzustellen ist. Gilt jemand nicht als abwesend, weil seine Gestellung vor das zuständige Gericht ausführbar und angemessen erscheint (§ 276 Abs. 1), dann findet das Verfahren nach den §§ 285 ff. schon deshalb nicht statt, weil der Beschuldigte kein Abwesender ist. Denn § 276 Abs. 1 gilt für den ganzen siebenten Abschnitt. Es ist das ordentliche Verfahren zu wählen. Stellt die Staatsanwaltschaft keinen Antrag, die Hauptverhandlung gegen den Abwesenden (§ 276 Abs. 1) stattfinden zu lassen (§ 277 Abs. 1), obwohl die den Gegenstand der Untersuchung bildende Tat nur mit Haft, Geldstrafe oder Einziehung, allein oder in Verbindung miteinander bedroht ist (§ 277 Abs. 2), etwa weil die Gestellung zwar ausführbar und angemessen erscheint (§ 276 Abs. 1), aber nicht mit einer alsbaldigen Gestellung gerechnet werden kann (§ 277 Abs. 3) oder weil eine an sich mögliche Auslieferung nicht lohnt, dann findet das Verfahren der §§ 285ff., 290ff. nicht statt (a. A. E b S c h m i d t , 3 zu § 285). Es bewendet bei den Möglichkeiten der allgemeinen Vorschriften (§ 162 Abs. 1). In der Regel wird es sich um Fälle handeln, bei denen das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 205 vorläufig und nach Verjährung endgültig eingestellt wird. 2. Arten des Verfahrens. a) Allgemein. Das VereinhG. hat § 286 an § 281 angepaßt, aber dabei durch die Verwendung des Wortes „Angeklagter" seinen Sinn und den Sinn des Abschnitts verdunkelt. Angeklagter ist der Angeschuldigte, gegen den die Eröffnung des Hauptverfahrens beschlossen worden ist (§ 157). In anderen als den in § 277 bezeichneten Fällen kann aber weder die Staatsanwaltschaft den Abwesenden anklagen mit dem Antrage, das Hauptverfahren zu eröffnen (§ 199 Abs. 2) noch kann das Gericht auf eine gleichwohl erhobene Anklage in den in den §§ 285 bis 289 geregelten Fällen das Hauptverfahren eröffnen. Denn in diesen Fällen findet gerade keine Hauptverhandlung statt (§ 285 Abs. 1 Satz 1). In § 286 ist daher, wie in der ursprünglichen Fassung, das Wort „Angeklagter" als „Beschuldigter" zu lesen. Alsdann sind dem Gesetz folgende Verfahrensarten zu entnehmen: b) Ermittlungsverfahren. Daß die Staatsanwaltschaft gegen einen Abwesenden ein Ermittlungsverfahren führen darf, bedarf keiner ausdrücklichen Regelung; es ist nach ihrer Aufgabe selbstverständlich, ergibt sich auch aus § 112 Abs. 1 Nr. 1 in Vbdg. mit § 125 Abs. 1.
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Siebenter Abschnitt. Verfahren gegen Abwesende (Dünnebier)
§ § 285—289 Asm. 3
Die Staatsanwaltschaft kann von Ermittlungen absehen und das Verfahren alsbald in entsprechender Anwendung von § 205 einstellen, wenn keine Beweise zu sichern sind, insbesondere die eidliche Vernehmung von Zeugen nicht erforderlich erscheint. § 286 Abs. 2 schreibt zwar vor, Zeugen grundsätzlich zu vereidigen, wendet sich indessen, § 65 ergänzend und ändernd, an den Richter, der einen Zeugen vernommen hat und zwingt den Staatsanwalt nicht, sämtliche polizeilich vernommenen Zeugen auch noch richterlich vernehmen und vereidigen zu lassen. Kann der Staatsanwalt annehmen, den Aufenthalt des Beschuldigten in absehbarer Zeit ermitteln zu können, wird es oft sachgerechter sein, die Vereidigung zurückzustellen, bis der Zeuge auch zu der Einlassung des Beschuldigten Stellung nehmen kann. Sind in dem Ermittlungsverfahren gegen den Abwesenden Beweise zu sichern, so veranlaßt das die Staatsanwaltschaft entweder selbst, indem sie Gegenstände, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können, sicherstellt (§ 94 Abs. 1) oder sie beantragt die Beschlagnahme (§ 98 Abs. 1) oder andere richterliche Untersuchungshandlungen (§ 162 Abs. 1) beim Amtsrichter. Insbesondere kommt dabei die Vereidigung wichtiger Zeugen in Betracht (§ 286 Abs. 2), wenn mit deren Wegfall zu rechnen ist oder Erinnerungstrübungen zu befürchten sind. Nach Abschluß dieser formlosen Beweissicherung stellt die Staatsanwaltschaft das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 205 vorläufig ein. c) Voruntersuchung. Sind in größerem Umfange Beweise zu sichern, und liegt keines der in § 26 Nr. 1, Nr. 2 Buchst, b GVG. bezeichneten Delikte vor, dann beantragt die Staatsanwaltschaft die Voruntersuchung (§ 178). Damit erhebt sie die öffentliche Klage (§ 170 Abs. 1) und schafft auf diese Weise auch die Voraussetzungen für die Vermögensbeschlagnahme nach § 290. Nach Abschluß stellt das Gericht, wenn der Angeschuldigte nicht außer Verfolgung gesetzt wird, das Verfahren vorläufig ein (§ 198 Abs. 1, § 205 Satz 1). d) Keine Anklageschrift. Die Erhebung der öffentlichen Klage durch Einreichen einer Anklageschrift (§ 170 Abs. 1, § 200) ist der Staatsanwaltschaft versagt, weil die Anklageschrift auf die Eröffnung des Hauptverfahrens abzielt (§ 199 Abs. 2), ein solches aber gerade nicht stattfinden kann (§ 285 Abs. 1 Satz 1). Erhebt die Staatsanwaltschaft gleichwohl die öffentliche Klage durch Einreichen einer Anklageschrift, so darf das Gericht weder das Hauptverfahren eröffnen noch die Eröffnung ablehnen, sondern muß das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 198 Abs. 1 nach § 205 Satz 1 vorläufig einstellen. Die öffentliche Klage durch Einreichen einer Anklageschrift ist auch dann nicht zulässig, wenn keine Voruntersuchung stattfinden kann (§ 25 Nr. 1, Nr. 2 Buchst, b GVG., § 178; a. A. K l e i n k n M , l d zu § 285). Damit ist in diesen Bagatellfällen auch das Gestellungsverfahren (§ 290) — wie auch allein zweckmäßig — ausgeschlossen. 3. Nachträgliche Abwesenheit. a) Vor Eröffnung des Hauptverfahrens. War gegen den Angeklagten die Anklageschrift im Regelverfahren eingereicht worden (§ 170 Abs. 1, § 199 Abs. 2), weil der Beschuldigte bei der Anklageerhebung anwesend war oder weil die Staatsanwaltschaft das irrtümlich angenommen hatte, und stellt sich nach der Einreichung der Anklageschrift die Abwesenheit des Beschuldigten heraus, dann nimmt die Staatsanwaltschaft die Anklage zurück (§ 156), weil sie ihr Ziel, die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 199 Abs. 2 Satz 1), nicht mehr eneichen kann. Sie hat dann die unter 2 dargestellten Möglichkeiten. Nimmt die Staatsanwaltschaft die Anklage nicht zurück, dann stellt das Gericht das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 198 Abs. 1 nach § 205 Satz 1 vorläufig ein. b) Nach Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 289). War gegen den Angeklagten das Hauptverfahren im Regelverfahren eröffnet worden (§ 203), weil der Angeklagte bei der Eröffnung anwesend war oder weil das Gericht das irrtümlich angenommen hatte, und stellt sich nach der Eröffnung des Hauptverfahrens die Abwesenheit des Angeklagten heraus, dann ist das Verfahren je nach Verfahrenslage außerhalb oder innerhalb der Hauptverhandlung durch Beschluß vorläufig einzustellen (§ 205 Satz 1). c) Sicherung der Beweise (§ 289). In dem unter b genannten Falle der Abwesenheit nach Eröffnung des Hauptverfahrens bewirkt die vorläufige Einstellung nur den Abschluß des mündlichen Hauptverfahrens. Das Verfahren setzt sich als schriftliches fort. Das Gericht sichert die Beweise, indem es Beschlagnahmen anordnet oder durch einen beauftragten oder ersuchten 74
L 5 w e - R o s e n b e r g , StPO. 21. Aufl.
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§ § 285—289 Anm. 3 §290
Strafprozeßordnung. Zweites Buch
Richter Zeugen vernehmen läßt. Der Abschluß der Beweissicherung ist formlos. Das Gericht gibt die Akten an die Staatsanwaltschaft zurück. Diese kann keine Ergänzung der Beweissicherung beantragen, sie aber durch den ersuchten Amtsrichter vornehmen lassen. Hat die Staatsanwaltschaft im Falle 2 d eine Anklageschrift eingereicht oder im Falle 3 a eine Anklage nicht zurückgenommen, dann braucht das Gericht die Beweise nur zu sichern, soweit nötig (§ 206 Satz 2), d. h. in diesen Fällen, soweit durch Aufschub ein Beweisverlust droht. Im übrigen kann es die Sicherung der Staatsanwaltschaft überlassen, die im Falle von 2d durch Unterlassen der Klage und im Falle 3 a durch Rücknahme der Klage ihre Herrschaft über das Verfahren hätte begründen müssen. d) Überleitung ins Abwesenheitsverfahren. Liegen die Voraussetzungen von § 277 Abs. 2 vor, dann finden die §§ 285ff. keine Anwendung (s. o. lc). Die Staatsanwaltschaft kann den Antrag stellen, auf Grund der erhobenen Anklage die Hauptverhandlung gegen den Abwesenden stattfinden zu lassen (§ 277 Abs. 1). Das Verfahren beginnt dann mit der Ladung nach § 279 erneut. Stellt sie den Antrag, entfällt die Einstellung nach § 205 Satz 1. Stellt sie den Antrag nicht, dann stellt das Gericht das Verfahren nach § 205 Satz 1 ein, und es bewendet bei dieser Einstellung bis zu einer etwaigen Wiederaufnahme nach Ergreifen oder Gestellen. 4. Ergänzende Vorschriften. a) Benachrichtigung des Abwesenden (§§ 287, 288). Der Abwesende braucht, selbst wenn sein Aufenthalt bekannt oder Zustellungsvollmacht hinterlegt ist, nicht — z. B. vom Termin zur Zeugenvernehmung (§ 193) — benachrichtigt zu werden (§ 287 Abs. 1), doch kann der Richter es tun (§ 287 Abs. 2); auch kann der Beschuldigte öffentlich zum Erscheinen aufgefordert werden (§ 288). Eine solche Bekanntmachung empfiehlt sich besonders, wenn Maßnahmen nach § 290 erwogen werden. Nachrichten an den Verteidiger (z. B. nach § 193 Abs. 3 in Vbdg. mit Absatz 1) werden von § 287 Abs. 1 nicht berührt. b) Verteidiger (§ 286 Abs. 1). Die Verteidigung ist nicht notwendig, doch kann, was selbstverständlich ist, ein bevollmächtigter Verteidiger auftreten. Angehörige sind, ohne daß ein gerichtliches Ermessen obwaltet, auch ohne Vollmacht als Verteidiger zuzulassen (§138 Abs. 2; s. o. 3a zu § 281). § 286 Abs. 1 gilt auch vor Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 147 Abs. 2); das Wort Angeklagter ist als Beschuldigter zu lesen (s. o. 2 a). Die Anwendung von § 140 Abs. 2, § 141 Abs. 1 Satz 2 wird stets besonders sorgfältig zu prüfen sein. c) Eidliche Zeugenvernehmung (§ 286 Abs. 2). Weil die Aussagen erst später verwendet werden, wenn bei auftauchenden Zweifeln ihre Bestätigung vielleicht nicht mehr erlangt werden kann, ordnet das Gesetz die grundsätzliche Vereidigung der Zeugen, nicht der jederzeit ersetzbaren Sachverständigen, an, soweit nicht Ausnahmen vorgeschrieben oder zulässig sind. Sinn der Vorschrift ist, daß die §§ 65, 66 und 66 b unanwendbar werden, die übrigen Ausnahmevorschriften (§§ 60, 61) aber gelten. Das ist auch der Fall bei § 62, weil das Prinzip, wegen Bagatellen keinen Meineid in Kauf zu nehmen, wenn es nicht wegen der ausschlaggebenden Bedeutung der Aussage oder zum Herbeiführen einer wahren Aussage erforderlich ist, keine Ausnahme zufolge der Abwesenheit erheischt. Sind Zeugen vor dem Bekanntwerden der Abwesenheit uneidlich vernommen worden, so ist ihre Vereidigung nachzuholen.
§ 290 Liegen gegen den Abwesenden, gegen den die öffentliche Klage erhoben ist, Verdachtsgrttnde vor, die den ErlaB eines Haftbefehls rechtfertigen würden, so kann sein im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes befindliches Vermögen durch Beschluß des Gerichts mit Beschlag belegt werden. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 229. II. Entw. § 235. III. Entw. § 279. Frühere Bezeichnung: §332. Änderungsvorschläge: NE I u. II § 159 Abs. 1. III § 443 Abs. 2. IV Art. IV 26. V. Art. IV 28. Spätere Änderungen: Durch Art. 3 Nr. 133 VereinhG. sind die Worte „im Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes an die Stelle der Wendimg „im Deutschen Reich" gesetzt worden.
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Siebenter Abschnitt. Verfahren gegen Abwesende (Dünnebier)
§ § 291—293 § 2 9 4 Amn. 1
§ 3 9 1 Der die Beschlagnahme verhängende Beschluß ist durch den Bundesanzeiger bekanntzumachen und kann nach dem Ermessen des Gerichts auch durch andere Blätter veröffentlicht werden. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 230 Abs. 1. II. Entw. § 236. III. Entw. § 280. Frühere Bezeichnung: § 333. Änderungsvorschläge: NE I u. II § 460 Abs. 2. III § 444 Abs. 2. Spätere Änderungen: Durch Art. 3 Nr. 133 VereinhG. sind die Worte „im Bundesanzeiger" an die Stelle der Worte „im Deutschen Reichsanzeiger" gesetzt worden. § 3 9 3 (1) Mit dem Zeitpunkt der ersten Bekanntmachung im Bundesanzeiger verliert der Angeschuldigte das Recht, Aber das in Beschlag genommene Vermögen unter Lebenden zu verfügen. (2) Der die Beschlagnahme verhängende Beschluß ist der Behörde mitzuteilen, die für die Einleitung einer Pflegschaft über Abwesende zuständig ist. Diese Behörde hat eine Pflegschaft einzuleiten. Entstehungsgeschichte: I. Entw. §§ 230, 231. II. Entw. § 237. III. Entw. § 281. Frühere Bezeichnung: § 334. Änderungsvorschläge: NE I u. II § 460 Abs. 3. III § 444 Abs. 3. Spätere Änderungen: Durch Art. I Nr. 133 VereinhG. sind die Worte „im Bundesanzeiger" an die Stelle der Worte „im Deutschen Reichsanzeiger" gesetzt worden. § 3 9 8 (1) Die Beschlagnahme ist aufzuheben, wenn ihre Gründe weggefallen sind. (2) Die Aufhebung der Beschlagnahme ist durch dieselben Blätter bekanntzumachen, durch welche die Beschlagnahme selbst veröffentlicht worden war. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 232. II. Entw. § 238. III. Entw. § 444 Abs. 4. Frühere Bezeichnung: § 335. Änderungsvorschläge: NE I u. II § 460 Abs. 4. III § 444 Abs. 4. Keine späteren Änderungen. § 3 9 4 (1) Für das nach Erhebung der öffentlichen Klage eintretende Verfahren gelten im übrigen die Vorschriften über die Voruntersuchung entsprechend. (2) In dem nach Beendigung dieses Verfahrens ergehenden Beschlufi (§ 198) ist zugleich über die Fortdauer oder Aufhebung der Beschlagnahme zu entscheiden. Entstehungsgeschichte: Die Vorschrift war in den Entwürfen nicht enthalten. Sie ist durch die Reichstagskommission aufgenommen worden ( H a h n , Mat. 2 1463,1468,1674). Frühere Bezeichnung: § 336. Änderungsvorschläge: NE I und II § 169 Abs. 3. III § 443 Abs. 3. Spätere Änderungen: Die Textfassung beruht auf Art. 9 VereinhG. in Vbdg. mit der Bekanntmachung BGBl. 1950 I 631. Erläuterung zu den §§ 290 bis 294 1. Zweck der Vermögensbeschlagnahme. Die §§ 290 bis 294, die die Maßnahme der Vermögensbeschlagnahme behandeln, gehören zu den Bestimmungen über die Beweissicherung für den Fall der künftigen Gestellung (§ 285 Abs. 1), die die §§ 285 bis 294 umfassen. Alle diese Vorschriften stehen im Gegensatz zu den §§ 277 bis 284, die das Abwesenheitsverhandlungsverfahren 74'
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§ § 290—294 Anm. 2
Strafprozeßordnung. Zweites Buch
behandeln. Das ergibt sich aus § 285 Abs. 1. Die Streichung des früheren § 332 Abs. 2 hat auf diese Beziehung keinen Einfluß ausüben können. Solange eine Abwesenheitsverhandlung möglich ist, finden die §§ 285 bis 294 und damit die Vermögensbeschlagnahme zum Zwecke der Gestellung keine Anwendung (s. o. 1 c zu §§ 285 bis 289), da das Abwesenheitsverhandlungsverfahren ja gerade auf die Gestellung verzichtet. Die Gestellung ist das Ziel der Vermögensbeschlagnahme (BayObLGSt. 7 249). Darin erschöpft sich ihr Zweck. Sie dient weder der Sicherung des Strafanspruchs (KG. Recht 1905 1817), noch ist sie eine Ungehorsamsstrafe. Wenn daher feststeht, daß die Beschlagnahme die Gestellung nicht bewirken kann, so ist für sie kein Raum (OLG. Hamburg HRR. 1985 1572). Der Deutsche, der in einer Schweizer Lungenheilanstalt Aufenthalt genommen und keine Aussicht hat, lebend nach Deutschland zurückzukehren, ist vor der Beschlagnahme seines Vermögens ebenso geschützt, wie der Beschuldigte, der ausgewandert und fest entschlossen ist, nicht mehr, selbst unter Verlust seines Vermögens, nach der Bundesrepublik zurückzukehren. Doch ist bei der Feststellung einer solchen Unbeugsamkeit des Willens Zurückhaltung am Platze. 2. Voraussetzungen (§ 290). a) Abwesenheit. Das Verfahren ist nur gegen einen Angeschuldigten zulässig, der i. S. von § 276 Abs. 1 abwesend ist, gegen den also im Regelverfahren keine Hauptverhandlung stattfinden kann. § 285 ist die weitere Voraussetzung zu entnehmen, daß auch im Abwesenheitsverfahren der §§ 277 bis 284 keine Hauptverhandlung stattfinden kann (s. o. 1 c zu §§ 285—289). b) Öffentliche Klage. Gegen den Beschuldigten muß die öffentliche Klage erhoben sein. Als solche kommen regelmäßig der Antrag auf Eröffnung der Voruntersuchung (s. o. 2 c zu §§ 285 bis 289) und unregelmäßigerweise (s. o. 2d zu §§ 285—289) und ausnahmsweise (s. o. 3 a und b zu §§ 285—289) die Einreichung einer Anklageschrift in Betracht. c) Haftgründe. aa) Allgemein. Weitere Voraussetzung ist, daß Verdachtsgründe vorliegen, die den Erlaß eines Haftbefehls rechtfertigen würden. Dazu sind erforderlich (§ 112 Abs. 1): Dringender Verdacht einer Straftat und entweder Fluchtverdacht oder Verdunkelungsgefahr. Die Verdunkelungsgefahr spielt bei der Vermögensbeschlagnahme eine geringere Rolle. Fluchtgefahr liegt vor, wenn der Beschuldigte flüchtig ist oder sich verborgen hält, oder wenn die Befürchtung begründet ist, daß er sich dem Strafverfahren entziehen werde. Dabei bedarf der Fluchtverdacht keiner Begründung (§ 112 Abs. 2), wenn ein Verbrechen den Gegenstand der Untersuchung bildet oder der Angeschuldigte im räumlichen Geltungsbereich der Strafprozeßordnung keinen festen Wohnsitz oder Aufenthalt hat. Danach werden bei unbekanntem Inlandsaufenthalt und bei bekanntem und unbekanntem Auslandsaufenthalt bei begründeten Tatverdacht in der Regel die Voraussetzungen für den Erlaß eines Haftbefehls begründet sein. Doch sind Ausnahmen möglich. So scheidet bei zwangsweisem Auslandsaufenthalt Fluchtverdacht aus. Wird bei Auslandsaufenthalt ein Wohnsitz in der Bundesrepublik beibehalten, bedarf der Fluchtverdacht besonderer Begründung. bb) Verhältnismäßigkeit. § 432 StPO. i. d. F. EGStGBE. 1928 hatte als weitere Voraussetzung vorgesehen, daß eine schwerere Strafe als Freiheitsstrafe von sechs Monaten zu erwarten sei. Auch ohne eine solche Vorschrift ist zu fordern, daß die schwere Maßnahme der Vermögensbeschlagnahme, die bei den Beratungen als „bürgerlicher Tod" bezeichnet worden ist ( H a h n , Mat. 2 1447), in einem angemessenen Verhältnis zu der Schwere des Delikts und zu der zu erwartenden Strafe steht; sonst „werden die Akte der Justiz zu Akten der Rache" (Abg. L a s k e r , H a h n , Mat. 2 1446). Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist auch für den Haftbefehl anerkannt (Nr. 35 Satz 2 RiStV.; s. o. 6 zu §§ 112, 113), der ja in enger Beziehung zur Vermögensbeschlagnahme steht. Für die in § 277 Abs. 2 bezeichneten Bagatelldelikte ist die Beschlagnahme kraft Gesetzes ausgeschlossen (§285; s. o. l c zu §§285—289). Aber auch darüber hinaus muß ein gewisses Gewicht der Tat gefordert werden. Demzufolge ist die Anordnung auch in das Ermessen des Gerichts gestellt. cc) Haftbefehl ist keine Voraussetzung der Vermögensbeschlagnahme, doch wird er in der Regel zugleich mit der Vermögensbeschlagnahme zu erlassen sein, wenn er ihr nicht voraufgegangen ist. Auf der anderen Seite wird das Gericht nicht von seiner Prüfungspflicht entbunden, weil ein Haftbefehl vorliegt.
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Siebenter Abschnitt. Verfahren gegen Abwesende (Dünnebier)
§ § 290—294 Anm. 3—5
8. Vermögensbeschlagnahme. a) Inhalt (§ 290). Beschlagnahmt wird das Vermögen, das sich im Geltungsbereich der Strafprozeßordnung, also in der Bundesrepublik und in West-Berlin, befindet. Die Beschlagnahme umfaßt insoweit das gegenwärtige und künftige Vermögen, belastet mit den Rechten, die Dritte daran erworben haben, aber auch mit dem Anspruch von unterhaltsberechtigten Angehörigen auf Unterhalt aus dem Vermögen (Mot., H a h n 1 241). Daß Vermögen vorhanden ist, ist dem Gericht nicht nachzuweisen; es ist für die Beschlagnahme ohne Bedeutung, ob welches vorhanden ist, da ja auch das künftige Vermögen erfaßt wird. Einzelne Vermögensstücke werden in dem Beschluß nicht aufgeführt (BayObLGSt. 7 248). b) Anordnung (§ 290). Die Anordnung erläßt das mit der Sache durch die Anklage befaßte Gericht, im Falle der Voruntersuchung also nicht der Untersuchungsrichter. Sie ergeht durch Beschluß. Wegen der Rechtsmittel (§ 304 Abs. 1 und 2) gelten keine Besonderheiten. § 310 Abs. 1 findet keine Anwendung. c) Die Bekanntmachung (§ 291) im Bundesanzeiger ist Voraussetzung der Wirksamkeit. Sie ist der einzige Akt der Vollstreckung. Weitere Vollstreckungsakte finden nicht statt; das Gericht erlangt keine Verfügungsgewalt über das Vermögen. Eine Eintragung der Beschlagnahme im Grundbuch ist unzulässig (KG. Recht 1905 1817). Die Bekanntmachung in anderen Blättern dient in erster Linie dem Schutze Dritter, setzt aber auch die Gestellung durch, weil niemand mit dem Angeschuldigten Kauf-, Arbeits- und sonstige Verträge wirksam abschließen kann. 4. Wirkung der Beschlagnahme (§ 292). a) Zeitpunkt. Die Vermögensbeschlagnahme wird wirksam mit der Ausgabe derjenigen Nummer des Bundesanzeigers in Bonn, in dem die Bekanntmachung, bei mehreren die erste, enthalten ist. Eine frühere Bekanntmachung in anderen Blättern ist selbst dann wirkungslos, wenn der Abwesende oder ein mit ihm Kontrahierender sie gelesen hat. b) Folge. Der Wortlaut ist ungenau. Der Angeschuldigte verliert nicht das Recht, über das in der Bundesrepublik und in West-Berlin befindliche Vermögen unter Lebenden zu verfügen; dieses übt der Pfleger für ihn aus. Ihm geht aber seine Fähigkeit verloren, Vermögensverfügungen selbst auszuüben (KG. Recht 1905 1817). Daher sind alle Verfügungen, die er gleichwohl selbst vornimmt, nicht nur, wie im Falle des § 284 Abs. 2, der Staatskasse gegenüber unwirksam, sondern schlechthin nichtig (KG. OLG. Rspr. 12 203). Doch bleiben Verfügungen von Todes wegen (§§ 2064 bis 2302 BGB.) von dem Verfügungsverbot unberührt. c) Die Abwesenheitspflegschaft (Absatz 2) hat für das Strafverfahren keine Bedeutung; § 292 Abs. 2 Satz 2 ist keine Vorschrift des Strafprozesses, sondern eine Ergänzung (Art. 32 Satz 1 EG. BGB.) von § 1911 BGB., die bewirkt, daß das Fürsorgebedürfnis nicht geprüft werden darf. Die Pflegschaft dient der Fürsorge für das Vermögen, nicht der Vollstreckung. Daher ersucht die Vollstreckungsbehörde das Vormundschaftsgericht nicht, die Beschlagnahme durchzuführen, sondern teilt den Beschluß nur mit, damit das Vormundschaftsgericht von seiner Verpflichtung, eine Abwesenheitspflegschaft anzuordnen, Kenntnis erhält. Trotz dieses Fürsorgezwecks ist jedoch das Interesse der Vollstreckungsbehörde daran anzuerkennen, daß das Vermögen ordnungsgemäß verwaltet wird und auch nicht mittelbar dem Einfluß des Abwesenden unterliegt. Demzufolge steht der Staatsanwaltschaft die Beschwerde (§ 67 Abs. 1 Nr. 3 GFG.) zu, wenn die Einleitung der Pflegschaft abgelehnt oder eine nicht geeignete Person zum Pfleger bestellt wird (BayObLGSt. 10 559; KG. Recht 1911 811). 5. Aulhebung der Beschlagnahme (§ 293). a) Aufhebungsgründe. Die Beschlagnahme ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen weggefallen sind. Das ist der Fall: wenn der Tatverdacht durch die Untersuchung (s. u. 6) ausgeräumt wird; wenn Fluchtverdacht oder Verdunkelungsgefahr entfällt, insbesondere bei Verschonung mit der Untersuchungshaft (§117); wenn der Beschuldigte außer Verfolgung gesetzt (§ 294 Abs. 2, § 198 Abs. 1) oder das Verfahren wegen Eintritts eines Verfahrenshindernisses (Amnestie) oder wegen Feststellens eines
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§ § 290—294 Anm. 6 § 295 Anm. 1
Strafprozeßordnung. Zweites Buch
übersehenen Verfahrenshindernisses (fehlender Strafantrag) oder wegen Verjährung eingestellt wird; wenn sich ergibt, daß nur eines der in § 277 Abs. 2 bezeichneten Delikte vorliegt; wenn der Abwesende ergriffen wird oder sich stellt oder wenn er stirbt. Die Beschlagnahme kann ferner nach dem Ermessen des Gerichts aufgehoben werden, wenn sie nicht mehr sinnvoll oder angemessen ist (KleinknM, 3 zu § 293); sie muß aufgehoben werden, wenn feststeht, daß sie ungeeignet ist, den Willen des Angeklagten zu beugen (OLG. Hamburg HRR. 1935 1572; s. o. 1). b) Verfahren. Wegen der Anordnung gilt das zu 3 b Ausgeführte. Die Aufhebung wird wirksam, wenn sie, schriftlich abgefaßt und unterschrieben, im regelmäßigen Geschäftsgang an die Staatsanwaltschaft oder auf besondere Anordnung des Vorsitzenden (§ 36 Abs. 2) oder des Gerichts an eine Person außerhalb des Gerichts bekanntgegeben wird (s. o. 1 c Abs. 3 zu § 33). Die Bekanntmachung in den öffentlichen Blättern ist keine WirksamkeitsVoraussetzung; sie dient nur der Unterrichtung. Die Staatsanwaltschaft hat es also nicht in der Hand, wenn sie gegen die Aufhebung Beschwerde einlegt, die ausgeschlossene Vollzugshemmung (§ 307 Abs. 1) dadurch zu beseitigen, daß sie die Veröffentlichung unterläßt. Sie wird, wenn sie gegen die Aufhebung Bedenken hat, in ihrer Stellungsnahme (§ 33) zu beantragen haben, daß die Vollziehung auszusetzen sei (§ 307 Abs. 2). Der die Beschlagnahme aufhebende Beschluß ist auch dem Vormundschaftsgericht (§ 292 Abs. 2 Satz 1) mitzuteilen, damit dieses wegen Aufhebung und Abwicklung der Pflegschaft das Erforderliche veranlaßt. 6. Beweissicherungsverfahren (§ 294). Ist eine Vermögensbeschlagnahme ausgesprochen, dann setzt sich das durch Anklageschrift eingeleitete Verfahren in Abweichung von dem o. unter 3 a bis c zu §§ 285—289 Dargestellten in einem förmlichen schriftlichen fort. Dieses findet in entsprechender Anwendung der Vorschriften über die Voruntersuchung statt. Demzufolge überträgt das Gericht einem beauftragten oder ersuchten Richter die Beweisaufnahme im ganzen, nicht durch Einzelanweisungen. Ist das Gericht, bei dem die Anklage erhoben ist, ein niedrigeres Gericht als die Strafkammer, so trifft diese die dem Gericht vorbehaltenen Entscheidungen (§ 73 Abs. 1, erster Halbsatz GVG.). Ist das Verfahren in der Voruntersuchung (s. o. 2 c zu §§ 285—289), dann wird diese fortgeführt ( E b S c h m i d t , 1 zu §294). Nach Abschluß der Beweissicherung entscheidet das Gericht, ob der Angeklagte außer Verfolgung zu setzen oder das Verfahren nach § 205 Satz 1 einzustellen ist (§ 294 Abs. 2, § 198 Abs. 1). Es gelten die allgemeinen Vorschriften; § 282 findet, als Sondervorschrift keiner Ausdehnung fähig, keine Anwendung. Dabei ist zugleich über die Aufhebung oder Fortdauer der Beschlagnahme zu entscheiden (s. o. 5 a). Wird der Beschuldigte außer Verfolgung gesetzt, so versteht sich die Aufhebung von selbst. Aber auch im Falle der vorläufigen Einstellung muß die Beschlagnahme aufgehoben werden, wenn sie sich nach der Art des im Verdacht bleibenden Delikts als unangemessen herausstellt.
§ 395 (1) Das Gericht kann einem abwesenden Beschuldigten sicheres Geleit erteilen; es kann diese Erteilung an Bedingungen knüpfen. (2) Das sichere Geleit gewährt Befreiung von der Untersuchungshalt, jedoch nur wegen der strafbaren Handlung, für die es erteilt ist. (8) Es erlischt, wenn ein auf Freiheitsstrafe lautendes Urteil ergeht, oder wenn der Beschuldigte Anstalten zur Flucht trifft, oder wenn er die Bedingungen nicht erfüllt, unter denen ihm das sichere Geleit erteilt worden ist. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 233. II. Entw. § 239. III. Entw. § 283. Frühere Bezeichnung: § 337. Inderungsvorschläge: NE I u. II § 123. III § 144. Keine späteren Änderungen. 1. Zweck. Das sichere Geleit dient dem Interesse des Staates, ein Strafverfahren zu Ende zu führen, nicht um seinen Anspruch auf Strafe und Sühne (so S o n t a g DJZ. 1928 725), sondern um die Gerechtigkeit zu verwirklichen, die ebenso wie in der Strafe auch im Freispruch zum Aus-
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Siebenter Abschnitt. Verfahren gegen Abwesende (Dünnebier)
§ 295 Anm. 2, 3
druck kommt. Auf diesen kommt es dem Abwesenden an. Denn wer den Schutz der Verborgenheit aufgibt, um als freier Mann ein Verfahren durchzustehen mit der Gewißheit der Verhaftung, wenn er zu Freiheitsstrafe verurteilt wird (Absatz 3), t u t dies im Vertrauen auf seinen Freispruch. Das sichere Geleit gewinnt daher seine Bedeutung in politischen Prozesssen. Seinem Wesen nach ist es ein vertragsähnlicher Zustand auf Verschonung mit der Untersuchungshaft bis zum Urteil, der sich wegen der Unveränderlichkeit der Entscheidung von der bloßen Haftverschonung (§ 117) unterscheidet, die jederzeit wieder aufgehoben werden kann. 2. Abwesender Beschuldigter. Der Begriff der Abwesenheit ist aus § 276 Abs. 1 zu entnehmen. Es kommt nur auf die Abwesenheit zur Zeit der Erteilung des sicheren Geleits an. Die spätere Begründung eines festen inländischen Wohnsitzes kann, was selbstverständlich ist, nicht zu einer Änderung der Entscheidung führen (OLG. Köln NJW. 1964 1856), da ja die Aufhebung der Abwesenheit gerade Ziel der Geleitsgewährung ist. Der Begriff Beschuldigter zeigt an, daß das sichere Geleit in jedem Abschnitt des Verfahrens bis zu einem auf Freiheitsstrafe lautenden Urteil zulässig ist. Es kann also insbesondere auch während des staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahrens oder während der Voruntersuchung gewährt werden, aber auch in den höheren Instanzen, wenn die Staatsanwaltschaft die Aufhebung eines Freispruchs erstrebt. Ist ein verurteilendes Erkenntnis in der Berufungs- oder Revisionsinstanz aufgehoben worden, so ist für die neue Verhandlung wieder freies Geleit möglich. 3. Sicheres Geleit. a) Inhalt. Das sichere Geleit gibt Befreiung von der Untersuchungshaft. Es enthält die Zusage, daß ein bestehender oder ein künftiger (KG. DJZ. 1928 250) Haftbefehl nicht vollstreckt, nicht jedoch, daß keiner erlassen werde. Ist ein Haftbefehl erlassen, so wirkt der Beschluß über die Gewährung sicheren Geleits auch der Staatsanwaltschaft gegenüber als eine Suspendierung des Haftbefehls bis zum Erlöschen des Geleits (s. u. 4), so daß sie bis zu diesem Zeitpunkt den bestehenden Haftbefehl nicht vollstrecken darf. Das sichere Geleit wird für eine bestimmte strafbare Handlung erteilt und befreit nur von der Verhaftung für diese. Die Handlung ist die Tat i. S. von § 264, also der vom Geleitbrief betroffene geschichtliche Vorgang in seiner Gesamtheit, einschließlich aller damit zusammenhängenden und darauf bezüglichen Vorkommnisse und tatsächlichen Umstände, die nach der Auffassung des Lebens eine natürliche Einheit bilden. Die rechtliche Würdigung und ihre Änderung sind ohne Bedeutung. Aber auch in tatsächlicher Beziehung kann ein im Geleitbrief nicht ausdrücklich erwähntes Tun oder Unterlassen des Angeklagten Teil der Handlung sein, sofern es bei lebensnaher Betrachtung mit dem zugrunde liegenden geschichtlichen Vorgang eine natürliche Einheit bildet (vgl. BGHSt. 13 321). b) Dauer. Das sichere Geleit dauert von seiner Erteilung an solange, bis ein auf Freiheitsstrafe lautendes Urteil ergeht, gleichviel, in welcher Instanz. Es kann auf Teile des Verfahrens beschränkt werden, also etwa auf eine richterliche Vernehmung im Vorverfahren. Da bei dieser Beschränkung dem staatlichen Interesse an dem Abschluß des Verfahrens und der Greifbarkeit des Angeklagten, wenn er verurteilt werden sollte, nicht genügt wird, ist von einer solchen Einschränkung in der Regel nur Gebrauch zu machen, wenn durch die damit herbeigeführte Vernehmung das Verfahren gegen Mittäter und Teilnehmer gefördert wird; doch sind ggf. auch andere, etwa historische, Interessen zu berücksichtigen. Kommt der Aufklärung der Sache in einer öffentlichen Verhandlung mehr Bedeutung zu als der Verurteilung, so ist das Gericht nicht gehindert, das sichere Geleit etwa bis zu einer Woche vor der dem Angeklagten bekanntzugebenden Urteilsverkündung zu gewähren, wenn das auch ein seltener, den Absichten des Gesetzes im allgemeinen nicht entsprechender Ausnahmefall sein wird. c) Bedingungen. Das Gericht kann die Erteilung sicheren Geleits an Bedingungen knüpfen, sollte dabei aber nicht kleinlich sein, in der Erwägung, daß der Angeklagte freiwillig das Risiko auf sich nimmt, verhaftet zu werden, wenn er zu Freiheitsstrafe verurteilt wird. Daher kommt Bedingungen, wie der Entsagung, öffentlich aufzutreten oder an Versammlungen teilzunehmen, größere Bedeutung zu als etwa der Sicherheitsleistung oder der Meldung bei einer Polizeidienststelle. Die Bedingungen sind wegen der in Absatz 3 angegebenen Folge ihrer Verletzung im Geleitbrief genau festzulegen. Solange der Beschuldigte sie einhält, kann sie das Gericht, selbst wenn die Umstände sich ändern, nicht verschärfen (KG. DJZ. 1906 489; OLG. Hamburg DRiZ.1929 456).
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§295
Strafprozeßordnung. Zweites Buch
Anm. 4—6 d) Verfahren. Das sichere Geleit wird durch Gerichtsbeschluß („Geleitbrief") erteilt. Der Beschluß bezeichnet die strafbare Handlung, für die das Geleit erteilt wird, unter Hervorhebung ihrer gesetzlichen Merkmale und des anzuwendenden Strafgesetzes sowie des Gerichts, vor dem die Prozeßhandlung stattfinden soll, für die das Geleit gewährt wird. Er gibt die genau beschriebenen Bedingungen an, an die die Erteilung des Geleits geknüpft wird. Es ist empfehlenswert, die Absätze 2 und 3 wörtlich in den Beschluß aufzunehmen. Zuständig ist vor Erhebung der öffentlichen Klage der Amtsrichter (§ 162 Abs. 1), wenn das sichere Geleit nur für eine richterliche Untersuchungshandlung im Vorverfahren erteilt wird, sonst das Gericht, vor dem das Hanptverfahren stattfinden soll ( K l e i n k n M , 2e zu § 295; a. A. E b S c h m i d t , 6 zu § 295), weil der Amtsrichter dieses Gericht nicht binden sollte. In der Voruntersuchung ist nicht der Untersuchungsrichter zuständig, sondern das Gericht (RGSt. 59102; BGHSt. 12193). Nach Erhebung der Anklage ist das jeweils mit der Sache befaßte Gericht zuständig (s. o. III 3 a, II 2 d bis f zu §§ 124,125). Hat ein unzuständiges Gericht entschieden, so ist die Gewährung sicheren Geleits gleichwohl wirksam und unabänderlich. Das zuständige Gericht hat auch nicht die Befugnis des Verzichts in der Weise, daß es das Geleit aufkündigen und dem Angeklagten eine Frist zur Entfernung einräumen könnte. Die Staatsanwaltschaft wird durch Rechtsmittel dafür Sorge zu tragen haben, daß kein höheres Gericht durch die Entscheidung eines unzuständigen niederen Gerichts gebunden wird. Da das sichere Geleit Befreiung von der Untersuchungshaft nur in dem Verfahren bewirkt, in dem es bewilligt wird, erfüllt es, wenn in mehreren Verfahren Haftbefehle ergangen oder zu erwarten sind, in der Regel nur dann seinen Zweck, wenn in allen Verfahren sicheres Geleit erteilt wird. Es ist daher zweckmäßig, daß sich die Gerichte untereinander ins Benehmen setzen. 4. Erlöschen. Das sichere Geleit erlischt aus den in Absatz 3 angegebenen drei Gründen von selbst. Im Falle des auf Freiheitsstrafe lautenden Urteils kommt es nur auf das Ergehen, d. h. die Verkündung (s. o. l c Abs. 2 zu § 33), an, nicht dagegen auf die Rechtskraft ( S c h w K l e i n k n e c h t , 5 zu § 295). Wegen des Begriffs „Anstalten zur Flucht treffen" s. o. II 6c zu §§ 117 bis 120. Ist das sichere Geleit erloschen, dann können das Gericht einen Haftbefehl erlassen, die Staatsanwaltschaft einen vorher erlassenen Haftbefehl vollstrecken, die Staatsanwaltschaft und die Polizei den Angeklagten vorläufig festnehmen (§ 127 Abs. 2), wenn die Voraussetzungen eines Haftbefehls vorliegen und Gefahr im Verzuge ist. Das Gericht braucht das Erlöschen des sicheren Geleits nicht durch Beschluß feststellen (Sommer Recht 1912 587) und wird das, wenn ein auf Freiheitsstrafe lautendes Urteil ergeht, auch nicht tun, weil der Eintritt der Bedingung eindeutig ist. Ebenso wird die Frage, ob der Beschuldigte Anstalten zur Flucht getroffen hat, in der Regel erst im Haftverfahren (§ 114b Abs. 1, § 128 Abs. 1) geprüft werden. Daß das sichere Geleit erloschen ist, weil der Beschuldigte die Bedingungen nicht erfüllt hat, wird dagegen, wenn die Verletzung nicht offensichtlich ist, durch Gerichtsbeschluß festzustellen sein. Dieser ist erst bei oder alsbald nach der Verhaftung zuzustellen; der Beschuldigte hat im Haftverfahren Gelegenheit, sich zu äußern. 5. Rechtsmittel. Die Gewährung oder Versagung sicheren Geleits kann sowohl der Staatsanwalt als auch der Beschuldigte mit der Beschwerde anfechten (§ 304 Abs. 1), die Gewährung der Beschuldigte nur, soweit er durch Bedingungen beschwert ist. § 310 Abs. 1 findet, weil das sichere Geleit nicht die Verhaftung, sondern die Befreiung von ihr betrifft, keine Anwendung (OLG. Frankfurt NJW. 1952 908; OLG. Köln NJW. 1958 1985). Wird der Beschuldigte nach Erlöschen des sicheren Geleits verhaftet, dann gelten die allgemeinen Bestimmungen über Haftbeschwerden, insbesondere also § 310 Abs. 1 über die weitere Beschwerde. 6. Sicheres Geleit zu anderen Zwecken. Nach dem Aufbau der Vorschrift, insbesondere der Beziehung des erstenFalles vonAbsatz3 zuAbsatzl hat der Gesetzgeber, wie die Motive ( H a h n , 1 242) ergeben, das sichere Geleit zu dem Zwecke im Auge gehabt, den Angeklagten zur Hauptverhandlung zu bringen. Der Wortlaut des Gesetzes schließt aber nicht aus, einem Beschuldigten sicheres Geleit zu erteilen, wenn er in einem anderen Verfahren als Zeuge, Partei oder Beteiligter zu erscheinen hat. Die Gewährung des Geleits in solchen Fällen steht dem Gericht zu, bei dem das Strafverfahren gegen den Beschuldigten anhängig ist (RG. GA. 73 173), nicht dem Gericht, das sein Erscheinen wünscht. Ein Beschuldigter, der einen in anderer Sache verfolgten abwesenden Beschuldigten als Zeugen benötigt, hat keinen Anspruch darauf, daß diesem sicheres Geleit erteilt werde (RG. HRR. 1987 361).
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Drittes
Buch
Rechtsmittel Vorbemerkungen Übersicht Allgemeines Zum Wesen der Rechtsmittel Rechtsbehelf und Rechtsmittel Rechtsmittel im engeren Sinne C 1 Rechtsmittelbeschränkung 2 Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Rechtsmittelwirkung D 1 Verschlechterungsverbot (§§ 331, 358 II) a) Rechtskraft E 1 b) „Einseitige" Rechtskraft 2 c) Beschlüsse und Verfügungen d) Keine Rechtskraft der Entscheidungsgründe e) Schreib-, Rechen- und Fassungsfehler f) Aufhebung der Rechtskraft (§ 357) g) Nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe 3 h) Örtliche Zuständigkeit und Rechtskraft i) Zurücknahme von Beschlüssen 7 Andere Vorschriften über Rechtsmittel 8 Die Einlegung von Rechtsmitteln a) Frist b) Form
A 1 2 3 B 1 2 3 4 5 6
c) Bedingung d) Zuständiges Gericht e) Art des zulässigen Rechtsmittels Beschwerde Einfache und sofortige Beschwerde Berufung. Entstehungsgeschichte. Zulässigkeit der Berufung Grundzüge der Revision Zweck und Bedeutung der Revision a) Richtige Rechtsanwendung im Einzelfalle b) Wahrung der Rechtseinheit c) Veröffentlichung höchstrichterlicher Entscheidungen Reform der Revision a) Prüfung nicht gerügter Verfahrensverstöße b) Das „schwere Bedenken" gegen die Richtigkeit der Urteilsfeststellungen. Aktenwidrigkeit c) Ergänzende Beweisaufnahme durch das Revisionsgericht
A. Allgemeines 1. Alle gerichtlichen Entscheidungen sind unvermeidlich den natürlichen Schranken menschlicher Erkenntnis und damit dem Irrtum ausgesetzt. Dies gilt im Strafverfahren gleichermaßen für das Verfahren einschließlich der Verfahrensvoraussetzungen, für die Erforschung und Feststellung des Sachverhalts wie für die Rechtsanwendung. Die Rechtsmittel sind vorgesehen, um die Möglichkeit zu eröffnen, diese Fehler in engen Grenzen zu halten. Das Bewußtsein jener naturgegebenen Schwächen, bei der richterlichen Tätigkeit wachgehalten, unterstützt jedoch die Wahrheitserforschung. Es warnt auch vor den Gefahren eines bloßen Positivismus und vor unangebrachter „Entschlußfreudigkeit" bei Beweiswürdigung und Tatfeststellung, zumal da das deutsche Strafrecht, anders als die angelsächische jury, keine gesetzlichen Beweisregeln kennt. Zusammen mit dem Rechtssatz „Im Zweifel zugunsten des Angeklagten", der allein den u n ü b e r w i n d b a r e n Zweifel betrifft, trägt dieses Bewußtsein zur Erarbeitung desjenigen Maßes an Überzeugung bei, das als Gewißheit gelten muß. Das Gesetz sieht verschiedenartige Rechtsbehelfe zur Prüfung gerichtlicher Entschließungen und Entscheidungen in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung vor. Damit soll erstens richtige Entscheidung des Einzelfalles gewährleistet werden (materielle Gerechtigkeit), jedoch auch Justizförmigkeit des gerichtlichen Verfahrens und einheitliche Rechtsanwendung über-
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Anm. A 2, 8; B 1 haupt (Rechtseinheit, Gleichheit vor dem Gesetz). Der Vorrang des einen oder anderen dieser Zwecke ist für die Auslegung der Verfahrensgesetze bedeutsam. Die Rechtsmittel greifen im Einzelfalle auf das rechtzeitige, formgerechte Verlangen dazu befugter Beteiligter Platz. Sie finden ihre Schranke als Rechtseinrichtung an dem Postulat der Rechtssicherheit (Rechtskraft), das immer erneute Nachprüfung der Entscheidung verhindert. Die Frage, wo zwischen den berechtigten Forderungen der formellen Rechtskraft und anderseits der materiellen Gerechtigkeit die Grenze verläuft und verlaufen sollte, ist nicht endgültig zu beantworten. Sie richtet sich nach rechtspolitischen Überlegungen und bestimmt die jeweilige Gestalt der Rechtsmittel. Dabei spielen kriminalpolitische und psychologische Überlegungen und Tatsachen keine geringe Rolle. Die Vorschriften über Rechtsmittel haben auf Erscheinungen Rücksicht zu nehmen, die mit der Wahrheitserforschung untrennbar verknüpft sind (Bedeutung des „ersten Angriffs", Einfluß von Seele und Geist auf Erinnerung und Vorstellung, Mängel der Erinnerung, Gefahr der Selbsttäuschung, Erinnerungstrübung nach längerer Zeit, Bildung von Interessenlagen während längerer oder besonders wichtiger Verfahren, Beweismittelverschlechterung und -Verlust, Suggestivwirkung öffentlicher Äußerungen). Diese und andere Umstände sprechen für gründliche, aber rasche Justiz bei beschleunigter Rechtskraft und gegen häufiges Verhandeln desselben Rechtsfalles, gegen mehrere Tatsacheninstanzen in größeren Strafsachen (Kapitalsachen), und auch gegen die Ausdehnung der Berufung auf solche Strafsachen, obwohl an sich gerade bei diesen das Bedürfnis dafür am größten ist. Näheres kann darüber hier nicht gesagt werden. Vgl. S c h w i n g e , Grundlagen des Revisionsrechts, 1936, mit weiteren Angaben. Gegen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in erster Instanz gibt es herkömmlicherweise kein Rechtsmittel. Die Rechtsgemeinschaft muß darauf vertrauen, daß das höchste Gericht die Rechtsgrundsätze, zu deren Überwachung es bestellt ist, in eigenen erstinstanzlichen Verfahren auch selbst getreu beachtet. Fehlte dieses Vertrauen, so könnte auch ein Rechtsmittel, das mangels einer höheren Instanz übrigens untunlich ist, nur wenig nützen. 2. Zum Wesen der Rechtsmittel. Die Vorschriften über Rechtsmittel beruhen nicht auf der Erwägung, der betroffene Beteiligte habe einen „Rechtsschutzanspruch" gegenüber Fehlentscheidungen. Zwar haben die Gerichte die Gesetze richtig anzuwenden. Die Z u l ä s s i g k e i t der Rechtsmittel beruht aber nicht darauf, ob das Gesetz verletzt worden ist. Sie beruht vielmehr auf formellen Voraussetzungen. Andernfalls würden Zulässigkeit und Begründetheit des Rechtsmittels zusammenfallen. Nur das materiell begründete, erfolgreiche Rechtsmittel wäre zulässig. Gegen ein sachlich richtiges Urteil könnte eine solche materielle Rechtsmittellehre mangels Gesetzesverstoßes überhaupt kein Rechtsmittel vorsehen. Die StPO gewährt die Rechtsmittel jedoch auch bei sachlich richtiger Entscheidung ausschließlich nach formellen Regeln. Ihre Zulässigkeit beruht allein auf Verfahrensrecht. Erst die Begründetheit ergibt sich aus dem sachlichen Recht. Daher ist E b S c h m i d t Nr. 36 flg. beizutreten. Die Rechtsmittel beruhen allein auf Verfahrensrecht. Die Rechtsmittelgerichte handeln auf Grund ihrer Justizgewährungspflicht. Auf dieser beruht ihre Pflicht, die angefochtene Entscheidung zu prüfen und nötigenfalls selbst zu entscheiden oder sie zu ändern oder aufzuheben. 3. Rechtsbehelf und Rechtsmittel. Gegen Entschließungen der Staatsanwaltschaft, Verfügungen des Gerichtsvorsitzenden, richterliche Maßnahmen, Beschlüsse und gegen Urteile gibt es, je nach Art des angefochtenen Aktes, Rechtsbehelfe verschiedener Art (Gegenvorstellung, Dienstaufsichtsbeschwerde, Anklageerzwingung, Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Einwand nach § 181, Erinnerung, Einspruch, Antrag auf Wiederaufnahme, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Antrag auf Entscheidung des Rechtsmittelgerichts, Beanstandung von Verfügungen in der Hauptverhandlung, früher noch den außerordentlichen Einspruch und die Nichtigkeitsbeschwerde). Alle diese Behelfe, in bestimmten Verfahrensabschnitten geregelt und behandelt, sind keine Rechtsmittel im engeren Sinne. Dazu gehören nur Beschwerde, Berufung und Revision (s. unter B). B. Rechtsmittel im engeren Sinne 1. Rechtsmittel im engeren Sinne des 3. Buches der StPO. sind nur die einfache und die sofortige Beschwerde, die Berufung und die Revision. Näheres über deren Grundzüge unter C, D, E. Die Beschwerde wendet sich gegen gewisse Verfügungen und Beschlüsse, die Berufung und die Revision nur gegen Urteile. Gemeinsam ist ihnen, daß sie die Änderung nicht rechtskräftiger Entscheidungen durch ein übergeordnetes Gericht erstreben (mit einigen Abweichungen
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bei der Beschwerde). Voraussetzung ist bei allen die Erfüllung gesetzlicher Formalien: 1. die Maßnahme oder Entscheidung muß gesetzlich anfechtbar sein, und zwar gerade durch den Beschwerdeführer, 2. Zulässigkeit des eingelegten Rechtsmittels, 3. rechtzeitige, formgerechte Einlegung bei dem zuständigen Gericht, und 4. eine Beschwer des Rechtsmittelführers durch die angefochtene Entscheidung (näher § 296 Anm. 4). Fehlt eines dieser Erfordernisse, so ist das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen. Einzelheiten sind bei den einschlägigen Vorschriften erörtert. 2. Kechtsmittelbeschränkung. Berufung und Revision sind nach den Grundsätzen, die bei den §§ 318 (ausführlich), 344, 352 dargelegt sind, auf abtrennbare Teile der angefochtenen Entscheidung beschränkbar. Soweit das wirksam geschieht, gemäß § 302 auch noch nachträglich, wird der nicht oder nicht mehr angefochtene selbständige Teil der Entscheidung rechtskräftig (§§ 316 I, 343 I). Das Rechtsmittelgericht entscheidet dann nur noch über den angefochtenen Teil. Doch sieht § 357 aus rechtspolitischen Gründen einen nicht immer zweckmäßigen Eingriff in die Rechtskraft vor (Erstreckungswirkung). 3. Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft. Auf Vorschriften, die nur zugunsten des Beschuldigten gegeben sind, darf die StA ihr Rechtsmittel nicht zu seinen Ungunsten stützen. Da sie als objektive Anklagebehörde auch die entlastenden Umstände zu berücksichtigen hat, darf sie ein Rechtsmittel auch lediglich zugunsten des Angeklagten einlegen. Ob das zutrifft, richtet sich nach dem Gesamtinhalt des Rechtsmittels. Trifft es zu, so darf sie es nicht ohne die Zustimmung des Beschuldigten zurücknehmen (§ 302 I). Es unterliegt dem Verschlechterungsverbot (Vorb. B 5). Jedes andere Rechtsmittel der StA. kann zum Nachteil oder Vorteil des Beschuldigten ausschlagen (§ 301). Die StA. soll das Ziel ihres Rechtsmittels gehörig bezeichnen. 4. Rechtsmittelwirkung. Das rechtzeitig formgerecht eingelegte Rechtsmittel überträgt die Sache in die Gerichtsgewalt des Rechtsmittelgerichts (Devolutivwirkung) (Ausnahmen: §§ 306 II, 319 I, 346 I). Dieses entscheidet über das Rechtsmittel, von den erwähnten Ausnahmen abgesehen, und zwar bei der Berufung nach den Grundsätzen des Berufungsverfahrens über die Sache auch in tatsächlicher Beziehung, bei der Revision nach den Regeln der Rechtsrüge (unten D, E). Einige Rechtsmittel haben, was die Vollstreckung der angefochtenen Entscheidung angeht, ohne weiteres aufschiebende Wirkung (Suspensivwirkung), und zwar die Berufung und die Revision. Die Beschwerde und die sofortige Beschwerde haben keine aufschiebende Wirkung, jedoch darf bei beiden Aufschub angeordnet werden (§ 307 I, II). 5. Verschlechterungsverbot. Hat nur der Beschuldigte, die StA. zu seinen Gunsten oder sein gesetzlicher Vertreter ein erfolgreiches Rechtsmittel eingelegt, so darf die neue Entscheidung keine nach Art oder Höhe schwerere Strafe gegen ihn verhängen, auch keine oder keine schwerere Maßregel der Sicherung oder Besserung, ausgenommen die im Interesse des Beschuldigten hegende Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, einer Trinkerheilanstalt oder Entziehungsanstalt (§§ 331, 358 II). Dieses Verschlechterungsverbot ist lediglich eine rechtspolitische Maßnahme und nicht im Wesen des Rechtsstaates verankert. Änderung des Schuldspruchs zum Nachteil des Beschuldigten ist stets zulässig. 6. Rechtskraft. a) Nur gegen nicht rechtskräftige Entscheidungen ist ein Rechtsmittel zulässig. Beide Begriffe hängen daher zusammen. Ein Urteil ist rechtskräftig, wenn und soweit es nicht mehr mit der Berufung oder Revision angefochten werden kann (§§ 316, 343). Mit Eintritt der Rechtskraft sind alle Mängel des vorangegangenen Verfahrens gegenstandslos, abgesehen von dem nahezu nur theoretischen Fall der Nichtigkeit einer Entscheidung. Man unterscheidet die formelle und die materielle Rechtskraft. Formelle Rechtskraft tritt ein, sobald eine Entscheidung keinem Rechtsmittel unterliegt. Sie begründet eine weitere, als materielle Rechtskraft bezeichnete Rechtswirkung. Diese besteht darin, daß gegen denselben Täter wegen derselben Tat keine weitere Strafklage mehr erhoben werden darf ( G r u n d s a t z der E i n m a l i g k e i t der Strafverfolgung, Art. 103 III GG., „ne bis in idem"). Das Vorhandensein einer rechtskräftigen Entscheidung über dieselbe Sache und denselben Angeklagten ist ein Prozeßhindernis. b) „Einseitige" Rechtskraft. Wegen der Wirkung des Verschlechterungsverbots (Vorb. B 5) spricht man von „einseitiger" Rechtskraft zugunsten des Beschuldigten. Der Begriff ist jedoch schief. Nicht um einseitige Rechtskraft handelt es sich, sondern um Sperrwirkung der verhängten Strafe (s. § 331 Anm. 1). Ein von dem Beschuldigten oder zu seinen Gunsten eingelegtes Rechts-
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Anm. B 7, 8 mittel kann nicht dazu führen, daß das Urteil in Art und Höhe der Strafe zu seinem Nachteil geändert wird (§§ 301 Anm. 3, 331, 358 II). Vgl. Yorb. B 5. Die teilweise Rechtskraft, die sich auf selbständige Urteilsteile bezieht, ist bei den §§ 316, 318, 327, 343 behandelt. c) Beschlüsse und Verfügungen sind nur mitunter und nur beschränkt der Rechtskraft fähig. Vgl. die §§ 306 Anm. 6, 311 Anm. 4, RGSt. 69 243, 65 292. Näheres auch unter C (Beschwerde). d) Nur die Entscheidung, nicht ihre Begründung erwächst in Rechtskraft. Vgl. aber § 353 II. Daher kann sich ein Rechtsmittel nur gegen die Urteilsformel richten, nicht ausschließlich gegen die Urteilsgründe, auch nicht bei Freispruch mit einer Begründung, die den Beschwerdeführer benachteiligt. Vgl. § 296 Anm. 4, besonders 4 c, RGSt. 63 185. e) Offenbare Schreib-, Rechen- oder andere Fassungsfehler können auch in der Urteilsformel nicht in Rechtskraft erwachsen. Sie dürfen ohne Rechtsmittel auf Anregung oder jederzeit von Amts wegen berichtigt werden. In Betracht kommen jedoch nur offensichtliche Versehen nicht sachlicher Art, BGHSt. 3 245. Vgl. auch RGSt. 13 267, 56 233, RG. GA. 37 176, 40 161, 70 108. Die Berichtigung ist auf offenbare Mängel des Ausdrucks für das erkennbar Gewollte beschränkt; jede Änderung, die auf einem „neuen Denkvorgang zur Sache", dem Überdenken der Sachfrage beruht, ist unzulässig, RGSt. 28 81, 247, 42 341, 54 21, 56 233, 61 392. Vgl. jedoch BGHSt. 5 5 (Berichtigung des Urteilssatzes gemäß den unzweifelhaft zutreffenden, mündlich verkündeten Urteilsgründen zum Nachteil des Angeklagten) mit Rechtsprechungsübersicht. f) Wiederaufhebung der Rechtskraft. Vgl. die Fälle der Erstreckung gemäß § 367. g) Nachträgliche BUdung einer Gesamtstrafe. Vgl. § 79 StGB und die §§ 460, 462 StPO. h) Wegen der Rechtskraft der Entscheidung über die örtliche Zuständigkeit s. § 19. i) Zurücknahme von Beschlüssen. Beschlüsse, die nicht rechtskraftfähig sind, darf das Gericht ändern oder zurücknehmen, solange sie noch nicht gegenstandslos geworden sind. Vgl. die §§ 306 Anm. 5, 311 Anm. 4. Über die Zurücknahme von Gerichtsbeschlüssen RGSt. 87 112. Einen Verwerfungsbeschluß gemäß § 346 I, den die Strafkammer irrig erläßt, darf sie nicht selbst aufheben, s. § 346 Anm. l f . Über die Zurücknehmbarkeit der Entscheidung des RevGs. gemäß § 346 II s. dort Anm. 2 a. Verwirft das RevG. die Revision irrtümlich gemäß § 349 I, so kann es diesenBeschluß zurücknehmen, s. dort Anm. I 3. Hat es jedoch die Revision einstimmig als offensichtlich unbegründet verworfen, so ist dieser Beschluß endgültig, s. § 349 Anm. I 3. 7. Andere Vorschriften über Rechtsmittel. Außerhalb des 3. Buches enthält die StPO. weitere Vorschriften über Rechtsmittel, z. B. in den §§ 28, 81,123, 390, 397, 401, 403, 462. 8. Die Einlegung von Rechtsmitteln. Einzelheiten über die Beschwerde bei § 306, zur Einlegung der Berufung bei § 314, zu ihrer Begründung bei § 317, zur Einlegung der Revision bei § 341, zu ihrer Begründung bei den §§ 344, 345. a) Frist. Die Berufungs- und die Revisionsfrist betragen je eine Woche nach Verkündung des Urteils (§§ 314, 341). Die Beschwerde ist an keine Frist gebunden, die sofortige Beschwerde ist binnen einer Woche von der Bekanntmachung der Entscheidung ab einzulegen (§ 311). Bei mündlicher Verkündung des Urteils besteht die Verkündung im Sinn der Rechtsmittelvorschriften in der Verlesung der Urteilsformel. Daher kann Berufung nicht vorher, jedoch von diesem Zeitpunkt ab eingelegt werden. Näheres bei § 314 Anm. 4. RGSt. 57 142, KG. GA. 74 387, RG. JW. 31 301, S t u t t g a r t DRZ. 19 94. Die Frist beginnt mit der Urteilsverkündung in Gegenwart des Angeklagten, BGHSt. 6 207, vgl. § 341 Anm. 5, 6. Ist die Entscheidung verkündet, aber dem nicht anwesenden Angeklagten noch nicht zugestellt worden, so darf er dennoch bereits ein Rechtsmittel einlegen, RG. JW. 29 493. Die Rechtsmittelfrist beginnt für ihn jedoch erst mit der Zustellung. Vgl. § 314 Anm. 4. b) Form. Die Einlegung der Rechtsmittel ist in allen Fällen zur Niederschrift der Geschäftsstelle oder schriftlich zulässig (§§ 306, 314, 341). Nur für die Revisionsbegründung ist strengere Form vorgeschrieben. Darüber § 345 Anm. 3. — Zur Niederschrift der Geschäftsstelle s. § 306 Anm. 3 a (Beschwerde), § 314 Anm. 2 a (Berufung), § 341 Anm. 2 (Revision). Über „schriftlich" § 306 Anm. 3b (Beschwerde), § 314 Anm. 2b (Berufung), § 341 Anm. 3 (Revision). Über fernmündliche Einlegung §306, §314 Anm. 2 b. Telegrafisch kann ein Rechtsmittel in der Weise eingelegt werden, daß das Ankunftstelegramm oder das Fernschreiben der Post ( H a m m NJW. 1961 2225) mit ausreichendem Erklärungsinhalt und mit Urheberangabe rechtzeitig bei Gericht eingeht, BGHSt. 8 174. Damit ist der Schriftform genügt. Bloßes Zusprechen des Telegramms
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Erster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen (Jagusch) V o r § 296 Anm. B 8; C1—2; D 1 an die Geschäftsstelle erfüllt, entgegen neuerdings vordringender Meinung, das Merkmal der Schriftlichkeit auch dann nicht, wenn der Urkundsbeamte darüber eine ordnungsgemäße Niederschrift aufnimmt, wozu er nicht verpflichtet ist. Jedoch kann dadurch das Merkmal „zur Niederschrift der Geschäftsstelle" erfüllt sein. Näheres darüber § 306 Anm. 3b, § 314 Anm. 2b. — Legt die StA. oder eine andere Behörde das Rechtsmittel schriftlich ein, so muß der unterzeichnende Beamte dazu befugt sein, RG. JW. 1931 1615 Nr. 73. e) Bedingung. Erklärungen über die Einlegung oder Begründung von Rechtsmitteln dürfen nicht bedingt abgegeben werden. Bedingte Erklärungen hierüber sind unwirksam. Der Bestand des Rechtsmittels muß sich zweifelsfrei aus der Rechtsmittelschrift ergeben, BGHSt. 5 183, RG. Rspr. 3 490, RGSt. 53 51, 57 83, 60 355, 66 267. Näheres bei § 300 Anm. 1. Zur Auslegung des Wortes „vorsorglich" bei der Rechtsmitteleinlegung s. BGHSt. 5 183. Unzulässig ist daher ein Rechtsmittel, das erklärtermaßen nur für den Fall eingelegt wird, daß auch ein anderer Beteiligter ein Rechtsmittel einlegt, BayObLG. DRZ. 20 Nr. 82, oder daß die Haftbeschwerde abgelehnt werde, B r e m e n Rpfl. 1962 387. Die Beifügung einer bloßen Rechtsbedingung ist jedoch zulässig (Einlegung der Berufung für den Fall, daß diese zulässig ist, sonst sei das Rechtsmittel als Revision zu behandeln). Ein bloßer Bezeichnungsirrtum ist unschädlich, s. § 300. d) Für die Einlegung zuständiges Gericht. Das Rechtsmittel ist bei dem Gericht einzulegen, dessen Entscheidung angefochten wird (§§ 306, 314, 341). Ausnahmen: §§ 299, 306, 311. Geht die Erklärung, von den angegebenen Ausnahmen abgesehen, bei einem anderen Gericht oder bei der StA. ein, so ist sie nur rechtzeitig, wenn sie innerhalb der Rechtsmittelfrist zur Geschäftsstelle oder Briefannahmestelle des zuständigen Gerichts gelangt. Das gilt auch, wenn eine unzuständige Behörde eine Niederschrift über die Erklärung aufgenommen hat. Als Niederschrift ist sie auch bei rechtzeitiger Weitergabe unwirksam. Hat der Beschwerdeführer sie unterzeichnet, so ist die Schriftform erfüllt. Näheres bei § 314 Anm. 3, auch über gemeinsame Briefannahmestellen. e) Die Art des zulässigen Rechtsmittels hängt von der anzufechtenden Entscheidung ab, und zwar von ihrem Gesamtinhalt und der Verfahrensform, in der sie ergangen ist, nicht von ihrer Bezeichnung, BGHSt. 8 383, RGSt. 28 147, 65 398, Celle NRpfl. 1961 233. Ein Urteil kann nur mit Berufung oder Revision angefochten werden, RG. Rspr. 4 322, RGSt. 23 156, 43 228, 50 24, 54 56. Ein bloßer Bezeichnungsirrtum des Beschwerdeführers ist unschädlich, sofern er das zulässige Rechtsmittel einlegen will, vgl. § 300. Einer Eingabe, mit welcher die Änderung einer gerichtlichen Entscheidung begehrt wird, ist im Zweifel die Bedeutung beizulegen, die dem Beschwerdeführer zum Erfolg verhilft, RGSt. 67 125, KG. HR. 6 Nr. 1671, sofern die Formvorschriften dies erlauben. C. Beschwerde 1. Die §§ 304ff. regeln nur die Beschwerde gegen gerichtliche und richterliche Verfügungen und Beschlüsse (§ 304) im Rahmen der StPO. Sie gelten nicht für Beschwerden gegen Entschließungen der StA. (vgl. die §§ 172, GVG. 147), für Dienstaufsichtsbeschwerden in Angelegenheiten der Justizverwaltung, für Beschwerden, die sich auf die Dienst- und Hausordnung im Strafvollzuge beziehen (München 6 499), ausgenommen solche gegen richterliche Verfügungen gemäß § 116 V (Hamm NJW. 1953 356). Die Beschwerden, deren Gegenstand die Rechtshilfe und die Ausübung der Sitzungspolizei bildet, sind in den §§ 159, 181 GVG behandelt, ebenso die Beschwerden in Angelegenheiten des Schöffen- und Geschworenendienstes (§§ 41, 52, 53 II, 56 II, 84 GVG.). 2. Einfache und sofortige Besehwerde. Wo das Gesetz nicht ausdrücklich nur sofortige Beschwerde vorsieht, ist die einfache (unbefristete) Beschwerde vorgesehen, soweit überhaupt Beschwerde zulässig ist. Wann Beschwerde zulässig ist, ist in den §§ 304ff. nicht abschließend geregelt, da die in Betracht kommenden gerichtlichen und richterlichen Entscheidungen zu vielfältig sind. Die §§ 304, 305, 310 enthalten nur allgemeine Regeln über die Zulässigkeit der Beschwerde. Zahlreiche Einzelbestimmungen hierüber befinden sich an anderen Stellen der StPO. Näheres s. Vorb. vor § 304. D. Berufung 1. Entstehungsgeschichte. Der Entwurf der StPO. erstrebte Beseitigung der Berufung. Die RTK. entschied sich schließlich in zweiter Lesung für ihre Beibehaltung in schöffengerichtlichen
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Strafsachen. Diesem Beschluß trat der Reichstag bei. Die VO. vom 4.1.1924 (RGBl. I 15) erweiterte das Gebiet der Berufung durch Ausdehnung der amtsgerichtlichen (schöffengerichtlichen) Zuständigkeit auf Strafkammer- und einige Schwurgerichtssachen. Anderseits schloß er die Berufung aus bei Übertretungen und Privatklagesachen wegen bestimmter Vergehen, wenn freigesprochen oder ausschließlich auf Geldstrafe erkannt worden war. Das Gesetz vom 22.12. 1925 (RGBl. I 475) beseitigte diese Beschränkung bei den Privatklagen wieder. Die NotVO. vom 6.10.1931, 6. Teil, Kap. I § 8 (RGBl. I 537, 563), enthielt eine die Privatklage betreffende Änderung. Die VO. vom 14. 6.1932 (RGBl. 1285) schränkte die Rechtsmittel ein. Das erweiterte Schöffengericht wurde aufgehoben, die große Strafkammer wurde wieder erstinstanzliches Gericht für Strafsachen von mittlerer Bedeutung. Urteile der Amtsrichter und der Schöffengerichte konnten nur noch mit Berufung oder Revision angefochten werden, nicht mit beiden Rechtsmitteln. Das VereinhG. vom 12.9.1950 ist hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung zur Fassung von 1924 zurückgekehrt. 2. Die Zulässigkeit der Berufung ist in § 312 geregelt. Ihr Wesen besteht in völliger Neuverhandlung der Sache in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung, so daß allein auf Grund der Berufungsverhandlung entschieden wird, RGSt. 62 132, 402. Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme ist allerdings nicht durchweg vorgeschrieben (§ 325). Bei mangelhafter Handhabung liegt darin eine Schwäche der Berufung. Die neue Hauptverhandlung kann an Gefahren des Zeitablaufs und der Beweismittelverschlechterung leiden (Vorb. A 1) und bietet daher nicht immer bessere Gewähr für die Wahrheitserforschung. Das gilt für die Berufung ebenso wie für die nach erfolgreicher Revision erneuerte Hauptverhandlung in Kapitalsachen, ist dort nach der StPO. (anders noch etwa in England) aber unvermeidbar. Bei dem gegenwärtigen sachlichen Umfang der Berufung, der die schwere Kriminalität großenteils ausschließt, während die übrigen Fälle durchschnittlich raschere Aufklärung erhoffen lassen, tritt der Nachteil des Zeitablaufs mehr zurück. Würde die Berufung auf Strafkammerfälle ausgedehnt, so träte er wieder in den Vordergrund (s. P e t e r s 604 ausführlich mit Schrifttum). Diese Ausdehnung ist daher aus sachlichen und auch aus personellen Gründen abzulehnen. E. Revision Schrifttum: Beling, Revision, Binding-Festschrift (1911) 2 87. Beling, Rechtsfrage und revisionsgerichtliche Abstimmung im Strafprozeß, GA. 67 141. N e u k a m p , Das Rechtsmittel der Revision, Wach-Festschrift (1913) 2 163. L ö w e n s t e i n , Die Revision in Strafsachen, 1919. M a n n h e i m , Beiträge zur Lehre von der Revision, Berl. Abh. 3 (1925). Schlosky, Revision wegen Verletzung der Denkgesetze, DRZ. 25 103. Schwinge, Grundlagen des Revisionsrechts, 1935 (wichtig). S a r s t e d t , Die Revision in Strafsachen, 4. Aufl. 1962. 1. Grundzüge der Revision. Die Revision ist an die Stelle der früheren Nichtigkeitsbeschwerde getreten. Die Motive S. 211 bemerken hierzu, die in früheren Prozeßgesetzen neben der Berufung enthaltene Nichtigkeitsbeschwerde sei in der StPO. wegen ihrer großen Mängel durch die bessere Revision ersetzt worden. Bei dieser bleibe die rein tatsächliche Würdigung des Straffalles, vor allem der Beweise, von der Tätigkeit des Revisionsgerichts ausgeschlossen. Dessen Aufgabe bestehe nur in der rechtlichen Nachprüfung der Sache. Darin liege der Hauptunterschied der Revision zu der Nichtigkeitsbeschwerde. Das RevG. habe das angefochtene Urteil in der Regel aber nicht schon bei jeder Verletzung von Verfahrens- oder sachlichem Recht aufzuheben, sondern nur, wenn die Gesetzesverletzung in ersichtlichem oder wenigstens möglichem Zusammenhang mit der angefochtenen Entscheidung stehe (Beruhen). Das RevG. habe sich auch nicht auf Aufhebung zu beschränken, sondern in der Sache selbst zu entscheiden, soweit es dazu nicht auf die ihm verschlossene Beweiswürdigung angewiesen sei. Wegen des Zusammenhanges mit der Revision des Zivilprozesses habe man diese „Rechtsberufung" ebenfalls Revision genannt. Beide Rechtsmittel stimmten bis auf notwendige Besonderheiten des Zivil- und des Strafprozesses überein. Ob der Unterschied der Revision zur früheren Nichtigkeitsbeschwerde wirklich so erheblich ist, kann zweifelhaft sein, ist jedoch auch unwesentlich. Die Erwartung jedenfalls, die Zurückverweisung an den Tatrichter werde sich häufig erübrigen, hat sich nicht erfüllt. Nur in recht wenigen Sachen kann das RevG., wie sich gezeigt hat, endgültig entscheiden. Die Neuerung besteht daher vor allem in der Beruhensprüfung.
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Die Grundzfige der Revision sind hiernach folgende: a) die Revision hat Erfolg, wenn die angefochtene Entscheidung das Gsetz verletzt (§ 337), wenn sie hierauf beruht und wenn der Revisionsführer dies form- und fristgerecht gerügt hat (§§344,346, 352). b) Nach der Urteilsaufhebung entscheidet das RevG. nach Maßgabe der in § 354 I enthaltenen und weiterentwickelten Grundsätze anstatt des Tatrichters (s. dort), andernfalls verweist es die Sache an die Vorinstanz zurück. c) Das Gericht, an welches die Sache zurückverwiesen worden ist, ist an die Aufhebungsansicht des RevGs. gebunden (s. § 368). Auch das RevG selbst oder ein anderes RevG. bleibt nach herrschender Ansicht an diese Aufhebungsansicht gebunden. Näheres darüber bei § 358. Andere Rechtsausführungen des RevGs. haben keine bindende Wirkung. Diese Rechtsbindung besteht nur bei der Revision, nicht bei der Berufung. Zum Legalitätsgrundsatz vgl. die wichtige Entscheidung BGHSt. 15 155. 2. Zweck und praktische Bedeutung der Revision. Die Revision ist als bloße Rechtsrüge kein einfach zu handhabendes Rechtsmittel. Ihre Möglichkeiten werden von vielen Verteidigern oft nicht erschöpft, so daß das RevG. im Rahmen des formell Möglichen selbst einzugreifen hat. Bei voller Ausnutzung durch Verteidiger, StA. und RevG. ist sie ein wirksames und nützliches Rechtsmittel. a) Richtige Rechtsanwendung im EhizelialL Diesem Revisionszweck sollte, entgegen herrschender Ansicht, der Vorrang vor dem Rechtseinheitszweck (s. 2 b) eingeräumt werden. Hauptaufgabe der Strafrechtspflege ist gerechte Entscheidung des Einzelfalles. Die Verfahrensbeteiligten können nicht als Mittel zur Erfüllung der Wahrung der Rechtseinheit betrachtet werden. Die Gerichte und Rechtsmittel sind nicht in erster Linie, sondern a u c h um der Rechtseinheit willen da. Der Angeklagte hat Anspruch darauf, daß seine Sache nach dem Gesetz richtig entschieden wird. Dadurch, daß dies geschieht, dienen die Gerichte zugleich dem wichtigen Rechtseinheitszweck. Vgl. J a g u s c h NJW. 19681,666, DRZ. 1949 434,436. — An die Tatfeststellungen des Erstgerichts ist das RevG. gebunden, jedoch nur, soweit sie justizförmig, erschöpfend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze und die Erfahrung zustande gekommen sind. Die RevGe. haben daher häufig auch in tatsächlicher Beziehung erheblichen Einfluß, was Kritiker der Revision, die sich an die Grundzüge zu halten und die Praxis des Rechtsmittels zu vernachlässigen pflegen, meist unbeachtet lassen. Die Güte des Rechtsmittels hängt wesentlich von zurückhaltender, aber alle Möglichkeiten erschöpfender Handhabung durch erfahrene Revisionsrichter ab. Neben Verfahrensverstößen und solchen gegen das sachliche Recht kommen als Rechtsanwendungsfehler vor allem in Betracht im Urteil hervortretende Verstöße gegen die allgemeine Lebenserfahrung, gegen anerkannte Denkgesetze, gegen Allgemeinkundiges und unlösbare Widersprüche in den Tatfeststellungen oder in der Beweiswürdigung, sodann in sich unklare „Feststellungen", RGSt. 71 26. — Die richtige Anwendung des sachlichen Rechts prüft das RevG. auf die Sachrüge hin in vollem Umfange, die Verfahrenshindernisse und -Voraussetzungen von Amts wegen, andere Verfahrensverstöße nur auf rechtzeitige, formgerechte Rüge. b) Wahrung der Rechtseinheit. Sie ist die zweite Hauptaufgabe der Revision. Viele setzen sie an erste Stelle (vgl. S c h w i n g e a. a. 0.). Darüber 2a. Die Rechtseinheit wird angestrebt durch Zuständigkeit nur weniger Revisionsgerichte (BGH., BayObLG. und OLGe.), also durch Zusammenfassung der revisionsgerichtlichen Entscheidungsgewalt, sodann durch Bindung des Erstgerichts an die Aufhebungsansicht des RevGs. (§ 358 I), durch die daraus abzuleitende Selbstbindung der RevGe. in derselben Sache (dazu § 358 Anm. 4), durch gegenseitige Bindung der OLGe. an ihre seit dem 1. 4.1950 erlassenen Urteile und an diejenigen des BGH. (§ 121 I I GVG., Vorlegungspflicht) und durch Vorlegungspflicht der Senate des BGH. (§§ 136,137 GVG.). Besondere Mißstände haben sich aus dem Fehlen der Erzwingbarkeit der Vorlegung nicht ergeben, obwohl eine milde Art von „horror pleni" bei Senaten des BGH. wie bei OLGen. gelegentlich mitsprechen mag. c) Veröffentlichung höchstrichterlicher Entscheidungen. Ein wichtiges Mittel zur Förderung der Rechtseinheit ist der rasche Nachweis grundsätzlicher höchstrichterlicher Entscheidungen in Fachzeitschriften, in der Amtlichen Sammlung der Entscheidungen des BGH. in Strafsachen, in L i n d e n m a i e r - M ö h r i n g , Nachschlagewerk des BGH., in Strafsachen herausgegeben von J a g u s c h - v . Stackelberg, und in den Fundheften der NJW.
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Vor § 296
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. £ 3 3. Beform der Revision. Schrifttum: S c h w i n g e , Grundlagen, mit weiteren Angaben. J a g u s c h NJW. 1963 1. — Die Revision beruht auf dem mehr formalen Ordnungsprinzip der Nachprüfung nur der Rechtsanwendung. Der Sachverhalt, auf den es den Beteiligten häufig ankommt, steht zwar nicht rechtskräftig fest, denn es gibt keine Teilrechtskraft der tatsächlichen Feststellungen, jedoch ist er als Teil des Schuld- und Strafausspruches bindend für das RevG., sofern dieses die Feststellungen bei Urteilsaufhebung nicht mit aufhebt (§ 353 II). Aber auch in diesem Falle kann erst die neue Hauptverhandlung zu erneuten Feststellungen führen. Diese rechtstechnische Selbstbeschränkung der Revision setzt sie naturgemäß der Kritik aus. Diese ist aber im ganzen unberechtigt, denn ein mangelfreies Rechtsmittelsystem kann es nicht geben. Die Ausdehnung der Berufung auf die schwerste Kriminalität ist untunlich (s. D 2). Anderseits ist die Revision bei richtiger Handhabung sehr wirksam. Fraglich kann nur sein, ob sie bei Beibehaltung ihrer Grundzüge und Vorzüge „aufgelockert" und mit Merkmalen der Berufung noch brauchbarer und wirksamer gestaltet werden kann. Die Möglichkeiten dazu sind nur gering. Allgemein ist dabei zu berücksichtigen, daß es nicht so sehr auf die technische Gestalt der Revision ankommt, als auf verständige Handhabung. Ein schlecht geregeltes Verfahren kann bei geschickter richterlicher Handhabung zufriedenstellen, ein gutes Verfahren bei ungeschickter Handhabung Fehler heraufbeschwören. Neue Befugnisse des RevGs. könnten im wesentlichen nur Ermessensbefugnisse sein, von denen zurückhaltend Gebrauch gemacht werden müßte. Regelmäßig pflegen auch gerade gut gemeinte Vereinfachungsvorschriften in der Praxis besondere Zweifel hervorzurufen, wie etwa die §§ 313, 335 zeigen. a) Prüfung nicht gerügter Verfahrensverstöße. Die Einführung dieses Rechtsgedankens würde die Revision völlig umgestalten und die Organisation der RevGe. sprengen. Die wichtige Vorschrift der §§ 345 I, 344 II (rechtzeitige, formgerechte Verfahrensrüge) würde bei Amtsprüfung des gesamten Verfahrens gegenstandslos. Amtsprüfung würde auch voraussetzen, daß bereits das Erstgericht verläßliche Unterlagen dafür herzustellen hätte. Dies ist nur beschränkt möglich. Ob z. B. ein Zeuge zur Verweigerung der Aussage berechtigt war und ob er hätte beeidigt werden dürfen, läßt sich in den Akten in tatsächlicher Beziehung oft nicht festhalten. Ein umfangreiches Berichtssystem müßte eingeführt, die Vorschriften über die Niederschrift der Hauptverhandlung müßten erweitert werden. Das RevG. hätte von Amts wegen die gesamten Akten durchzuarbeiten und daher außerordentlich erhöhten, nicht zu befriedigenden Personalbedarf, ohne lediglich nach den Akten stets volle Sicherheit zu gewinnen. Die Verfahrens dauer würde wesentlich länger. Bei der Unzahl möglicher Verfahrensverstöße erbrächte eine papierene Amtsprüfung stets nur ungewisse Ergebnisse. Wird die Vorschrift des § 344 II aufgegeben, so gibt es keine feste Grenze mehr. Bleibt sie jedoch bestehen, so kann sich die Amtsprüfung nach wie vor nur auf Verfahrensvoraussetzungen und -hindernisse beschränken. Eine Reform in dieser Richtung ist also unvertretbar. Hat das RevG. gegen ein Urteil unüberwindliche Bedenken, so wird meist ein der Revision schon jetzt zugänglicher Rechtsfehler vorhanden sein, der ohnedies zur Aufhebung berechtigt. b) Das „schwere Bedenken gegen die Richtigkeit der Urteilsfeststellungen". Dieser Reformpunkt ähnelt dem abzulehnenden Grundsatz der „Aktenwidrigkeit" (Schwinge a. a. 0. 237, 241). Eine geringfügige, selten zutreffende Verbesserung könnte hier in der Nachprüfbarkeit des Inhalts tatrichterlich verwerteter Urkunden liegen, die sich in den Akten befinden, offensichtlich Beweiswert haben, vom Tatrichter aber verkannt worden sind (Irrtum über Zahlen oder Daten; mangelhafte Urteilsangaben über Rückfallvoraussetzungen, obwohl Strafregisterauszug und frühere Gerichtsakten beiliegen). Insoweit könnten die Befugnisse des RevGs. unter der Voraussetzung erweitert werden, daß auch die anderen Verfahrensbeteiligten gegen die Richtigkeit der Urkunde keine begründete Einwendung erheben können. Die Ausdehnung der Revision auf allgemeine Fälle von „Aktenwidrigkeit" ist jedoch ausgeschlossen, da die Akten oft ein anderes Bild bieten als die Hauptverhandlung, auf welcher das Urteil allein zu beruhen hat. Das Aktenbild, das zur Verfahrenseröffnung führt, wird in der Hauptverhandlung oft umgestoßen oder wesentlich verändert. Da an dem Grundsatz der Erforschung der Wahrheit festzuhalten ist, kann es auf derartige vermeintliche oder wirkliche Aktenwidrigkeit nicht ankommen. Andernfalls hätte das Erstgericht außer den Erfordernissen des § 267 im Urteil auch noch die Ergebnisse des Vorverfahrens abzuhandeln, eine offensichtlich unmögliche und auch nutzlose Aufgabe. Das RevG. kann aktenwidrige Punkte auch nicht nach Lebenserfahrung oder Wahrscheinlichkeit behandeln, da sich auch das Unwahrscheinlichste ereignet. Der Reformgedanke der Aktenwidrigkeit ist daher unbrauchbar.
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Erster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen (Jagusch) V o r § 296 Anm. E S § 296 Anm. 1 c) Ergänzende Beweisaufnahme durch das RevG. (Schwinge 201.) Abgesehen von der Verwertung vorhandener, unbestrittener Urkunden (Anm. 3 b) ist auch hiervon kein Fortschritt zu erwarten. Der Tatrichter ist zur Gesamtwürdigung des Beweisergebnisses der Hauptverhandlung verpflichtet, also zur Würdigung aller Beweise in ihrer Beziehung zueinander. Das RevG. ist meist außerstande, nachträglich erhobene Beweise in dieses Gesamtbild, das ihm nur im Rahmen des § 267 bekannt wird, verläßlich einzufügen, zumal da in jedem Strafprozeß auch Unwägbarkeiten mitsprechen können, die sich im Urteil nicht darstellen lassen. Wer Teile des Gesamtbildes antastet, berührt unter Umständen unbewußt einen Punkt, der für die Beweiswürdigung des Tatrichters wesentlich war. Die wenigen Fälle aber, in denen ein weiterer Beweis am Gesamtbild offensichtlich nichts ändert, können erneuter tatrichterlicher Verhandlung überlassen bleiben. Erster Abschnitt Allgemeine Vorschriften
§ 396 (1) Die zulässigen Rechtsmittel gegen gerichtliche Entscheidungen stehen sowohl der Staatsanwaltschaft als dem Beschuldigten zu. (2) Die Staatsanwaltschaft kann von ihnen auch zugunsten des Beschuldigten Gebrauch machen. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 234, II. Entw. § 240. III. Entw. § 284. III. Entw. § 284. Frühere Bezeichnung: § 338. Änderungsvorschläge: NE I § 301. NE III § 293. 1. Rechtsmittelbefugnis. Die Bestimmung des Abs. 1 betrifft nur das ordentliche Verfahren des 2. Buches der StPO und grenzt den Kreis der Rechtsmittelberechtigten nicht ab. Rechtsmittelbefugt sind grundsätzlich alle Verfahrensbeteiligten, außer dem Beschuldigten also in dessen Vollmacht der Verteidiger (§ 297), aus eigenem Recht der gesetzliche Vertreter des Beschuldigten (§ 298), der Privatkläger (§ 390), der Nebenkläger (§ 401, s. BGH. JR. 1959 347, Schneidewin 328), im selbständigen Verfahren bei Einziehungen die im § 431 bezeichneten Beteiligten (§ 432), bei einem Abwesenheitsurteil die Angehörigen des Verurteilten (§ 282b), im Falle des § 67 Abs. 3 JGG. der Erziehungsberechtigte. Ein allgemeiner Rechtssatz des Inhalts, daß jeder, dessen Rechte durch eine strafrichterliche Entscheidung unmittelbar berührt werden, rechtsmittelbefugt sei, besteht nicht und würde zu untragbaren Weiterungen führen, BGH. LM. § 40 StGB. Nr. 4, RGSt. 69 33, 66 405. Vielmehr gelten hier je nach dem Inhalt der anzufechtenden Entscheidung Unterschiede (s. Anm. le). a) Der Beschuldigte darf von dem zuständigen Rechtsmittel Gebrauch machen, wenn er verhandlungsfähig ist, und auch wenn er im bisherigen Verfahren jedenfalls als verhandlungsfähig behandelt worden ist, KleinknM 2b, E b S c h m i d t 2. Auf Geschäftsfähigkeit kommt es nicht an. Verhandlungsfähig ist, wer seine Belange in der Hauptverhandlung noch verständig wahrnehmen und Verfahrenserklärungen entgegennehmen oder abgeben kann, RGSt. 64 14, RG. Rspr. 5 764. Durchgeführt kann das Rechtsmittel jedoch nur werden, wenn der Beschuldigte insoweit nunmehr verhandlungsfähig ist, andernfalls ist damit innezuhalten. Über die Vertretung des Beschuldigten bei dem Gebrauch der Rechtsmittel s. die §§ 297, 298, 282 b, 361 Abs. 2 und § 67 Abs. 3 JGG. b) Die Staatsanwaltschaft hat dieselbe Rechtsmittelbefugnis wie der Beschuldigte, jedoch darf sie die Verletzung von Rechtsnormen, die lediglich zugunsten des Beschuldigten bestehen, nicht deshalb rügen, um das angefochtene Urteil zu dessen Nachteil zu beseitigen (§§ 339, 328 Abs. 2). Über das Erfordernis der Beschwer Anm. 4. Die Staatsanwaltschaft ist nicht Verfahrenspartei, sondern als öffentlicher Kläger zur unparteiischen Mitwirkung an der Rechtspflege berufen. Vgl. Biermann GA. 1955 353. Ihr berechtigtes Anliegen besteht daher darin, daß eine dem Beschuldigten günstigere oder ungünstigere Entscheidung ergeht, oder allgemein in der Beachtung der Gesetze, Bremen NJW. 1955 1243 (sofortige Beschwerde der StA. in einem besonderen Falle), oder auch in der Wahrung der Rechtseinheit, RGSt. 60 190,48 26. Maßgebend 75
1 6 w e - R o s e n b e r g , StPO. 21. Aull.
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§296
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 1 ist auch hierbei, wie bei Prüfung der Beschwer, die Urteilsformel (Anm. 4 c). Gegen die bloße Begründung steht auch der Staatsanwaltschaft kein Rechtsmittel zu, RGSt. 63 186. Soweit sie es ausschließlich zugunsten des Beschuldigten einlegt (§ 296 Abs. 2), also nicht nur gemäß § 301, ist auch hier eine Beschwer des Beschuldigten Voraussetzung (Anm. 4c), E b S c h m i d t 27 vor § 296, RGSt. 42 400. Die Rechtsmittel stehen der staatsanwaltlichen Behörde bei dem Gericht zu, dessen Entscheidung angefochten wird, BayObLGSt. 1 230. Vgl. GVG. § 145. Über Rechtsmittel des Staatsanwalts s. Nr. 130 der RiStV. 1953. Anschlußrechtsmittel kennt die StPO. nicht. Ist das Rechtsmittel jedoch frist- und formgerecht eingelegt, so ist die unrichtige Bezeichnung unschädlich (RGSt. 1194, § 300). Jedes von der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel kann dazu führen, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten geändert wird (§ 301). Vgl. noch § 302 Abs. 1 Satz 2 und die §§ 303, 331. — Celle GA. 1957 79 (Befugnis des „örtlichen Sitzungsvertreters" für ehemalige preuß. Amtsanwälte). c) Selbständigkeit der Rechtsmittel. Die Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft und des Beschuldigten sind voneinander unabhängig. Beginn und Ablauf der Rechtsmittelfristen können für beide verschieden sein. Die Anfechtbarkeit der Entscheidung kann für den einen noch bestehen, für den anderen bereits erloschen sein. Ein Rechtsmittelverzicht des Beschuldigten oder der Ablauf der Rechtsmittelfrist für ihn hindert die StA. nicht, wirksam zu seinen Gunsten oder ungunsten ein Rechtsmittel einzulegen. d) Nachhaitung. Wer für eine dem Täter auferlegte Geldstrafe gesetzlich haftet, ist im Strafverfahren Nebenbeteiligter, kann als solcher zur Abwendung seiner Haftung Gehör verlangen und selbständig Rechtsmittel einlegen, RGSt. 12 212, 16 109, 21 331, 22 41, 63 26, 296. Zur Nachhaftung und ihrer Bedeutung s. LK. 8. Aufl. A III 3 b vor § 13 StGB. Sie fand und findet sich vor allem in Nebengesetzen, s. § 110 a BranntweinmonG. i. d. F. vom 26. 3.1939, § 76 DevisenG. vom 12.12.1938, § 153 VZG., §§ 416, 449, 450 AbgO., § 8 DepotG., § 11 Preuß. ForstdiebstG. und die §§ 361 Nr. 9 mit 143 Abs. 3 StGB. e) Einziehung. Die Einziehung nach § 40 StGB, betrifft nur Täter oder Teilnehmer, also Beschuldigte. Andere Einziehungsinteressenten sind nicht rechtsmittelbefugt, ausgenommen im selbständigen Verfahren (§§ 430ff.), das Einziehung zum Gegenstande hat, ohne sich gegen einen bestimmten Beschuldigten zu richten (Anm. 1), BGHSt. 7 333, BGH. LM. § 40 StGB. Nr. 4, RGSt. 69 33, 66 405. Unterschiedslose Einziehung ist vorgeschrieben oder zugelassen z.B. in den §§ 86, 98,101,152, 246a Abs. 3, 284b, 295, 296a, 360, 367 StGB., 11 SprengstG., 77 ViehseuchenG., 28 WeinG., 13 LebMG., 10 Abs. 6 OpiumG., 72 DevisenG., 401, 414 AbgO., 128 BranntweinmonG. Allgemein zur Einziehung als Strafe oder Sicherungsmaßnahme LK. 8. Aufl., § 40 StGB. Anm. I. Ob sie Strafe oder Sicherungsmaßnahme ist, ist fallweise zu prüfen. Vgl. RGSt. 46 133. Ihre Anordnung beruht nicht stets oder nur auf Tatbeteiligung des Eigentümers, sondern mitunter auch auf der Vorstellung, der Gegenstand sei gefährlich oder mit einem Makel behaftet, Zunächst hatte das RG. die Ansicht vertreten, eine Entscheidung, die Eigentumsverlust bewirke, dürfe nicht ohne Anhörung des Betroffenen ergehen, RGSt. 5 372, 376. Das hätte jedoch dazu führen müssen, jeden, der den Gegenstand rechtlich für sich beansprucht, mit Rechtsmittelbefugnis am Verfahren zu beteiligen. Das würde die Strafverfolgung unerträglich hemmen, da die Behauptung eines dinglichen Rechtes für die Rechtsmittelbefugnis zunächst ausreichen müßte, vgl. BGHSt. 2 296, RGSt. 69 39. Daher hat das RG. später die Rechtsmittelbefugnis solcher Betroffener, vom selbständigen Verfahren abgesehen, verneint, weil die StPO. diesen Personen in dem gegen eine bestimmte Person gerichteten Verfahren keine Verfahrensrechte einräume, RGSt. 34 389, ebenso BGHSt. 7 333, LM. § 40 StGB. Nr. 4, RGSt. 69 33, 66 405. Der Eigentümer des einzuziehenden Gegenstandes ist daher nur im selbständigen Verfahren (§§ 430ff.) und nach besonderen Vorschriften (vgl. AbgO. §§ 421 Abs. 3, 414, 415) Nebenbeteiligter und als solcher rechtsmittelbefugt, vgl. RGSt. 63 26 und die oben angeführten Entscheidungen, ferner § 431 Abs. 2, 3 und § 432. Über die Frage, inwieweit ein Urteil Wirkung äußert, bei dem dies unbeachtet geblieben ist, RGSt. 5 376, 34 388, 87 15, 17. 48 33, 62 61, 63 26. Durch die Einziehung gemäß § 401 AbgO. ist auch der Nichteigentümer beschwert, dem unmittelbarer Besitz entzogen wird, BayObLGSt. 1955 107. f) Beschwerdeberechtigte. Zur (einfachen oder sofortigen) Beschwerde befugt ist, wer durch eine gerichtliche Maßnahme unmittelbar in Freiheit, Vermögen oder einem sonstigen Recht beeinträchtigt wird, es sei denn, daß ausschließlich Berufung oder Revision zulässig ist. Näheres darüber § 304 Anm. II.
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Erster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen (Jagusch)
§ 296 Anm. 2—4
2. Zulässiges Rechtsmittel. Soweit gegen Beschlüsse ein Rechtsmittel offensteht (§§ 304,306) und nichts Besonderes angeordnet ist, ist dies die einfache Beschwerde, nur in den Fällen ausdrücklicher Vorschrift die sofortige Beschwerde (§ 311). Die weitere Beschwerde ist nur zugelassen gegen landgerichtliche Beschwerdebeschlüsse über Haft- oder Unterbringungsbefehle (§ 310). Gegen die Urteile des Amtsrichters und des Schöffengerichts ist Berufung zulässig (§ 312), im Falle des § 313 jedoch nur die Revision (§ 334). Wo Berufung zulässig ist, kann stattdessen Sprungrevision eingelegt werden (§ 335). Urteile der Strafkammern, auch Berufungsurteile, und Urteile des Schwurgerichts unterliegen nur der Revision (§ 333). Gegen Urteile der Oberlandesgerichte gemäß § 120 GVG. und des Bundesgerichtshofes gemäß § 134 GVG. (in beiden Fällen einziginstanzliche Zuständigkeit) ist kein Rechtsmittel zulässig. Welches Rechtsmittel sonst zulässig ist, hängt vom sachlichen Inhalt der angefochtenen Entscheidung ab, nicht von ihrer Bezeichnung, Celle NRpfl. 1961 233. 3. Übereinstimmung der angefochtenen Entscheidung mit den Antrügen. Das Strafverfahren unterliegt dem Grundsatz der Wahrheitserforschung. Ein Rechtsmittel steht daher auch demjenigen zu, mit dessen Anträgen die angefochtene Entscheidung übereinstimmt, RGSt. 60 190. Eine unrichtige Entscheidung wird dadurch nicht richtig und verletzt außerdem die Rechtseinheit. Dies gilt für alle Verfahrensbeteiligten, RGSt. 48 26, RG. BayZ. 23 108. Der Staatsanwalt darf also, wenn auch nach sorgfältiger Prüfung, ein Rechtsmittel einlegen, obwohl er Freispruch beantragt und das Gericht dem Antrage stattgegeben hat, RG. BayZ. 23 109, JW. 56 912. 4. Beschwer, a) Wer ein Rechtsmittel einlegen darf, muß durch die angefochtene Entscheidung beschwert sein und ein r e c h t l i c h anzuerkennendes Anliegen an ihrer Aufhebung haben. Ist er im Rechtssinne nicht beschwert (darüber unten), so steht ihm kein Rechtsmittel zu. Nach der Natur der Sache gelten für Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, die nicht ausschließlich zugunsten des Beschuldigten eingelegt werden, für die Beschwer teilweise andere Grundsätze als für den Beschuldigten. Die Staatsanwaltschaft (Anm. l b ) ist nicht Partei, sondern öffentliches Rechtspflegeorgan. Sie hat darauf zu achten, daß die Entscheidung den Gesetzen entspricht, Bremen NJW. 1965 1243, daß sie die Rechtseinheit nicht beeinträchtigt, daß sie den Angeklagten nicht ungerecht benachteiligt, aber auch den öffentlichen Strafbelangen nicht zuwiderläuft, RGSt. 60 190, KG. GA. 74 384, RGSt. 48 26. Daher ist sie an ihre Anträge in der früheren Hauptverhandlung nicht gebunden, RGSt. 60 190. Sie darf das Urteil auch angreifen, wenn nur der Nebenkläger beschwert ist, RGSt. 60 190, 71 75. Nur wenn die StA. ausschließlich zugunsten des Beschuldigten ein Rechtsmittel einlegt (§ 296 Abs. 2), ist Voraussetzung, daß dieser beschwert ist, obwohl sie auch dieses Rechtsmittel aus eigenem Recht einlegt, RGSt. 42 400, E b S c h m i d t 27 vor § 296. Wie der Beschwerdeführer darf die StA. nur die Urteilsformel angreifen, nicht ausschließlich Einzelheiten der Urteilsgründe, RGSt. 63 185 und unten. b) Die Beschwer ist Voraussetzung der Zulässigkeit des Rechtsmittels, nicht nur seiner Begründetheit, BGHSt. 16 376, v. H i p p e l 563, 664, G e r l a n d 392, H e n k e l 421 („anfechtungsberechtigt"), P e t e r s 495 („kann kein Rechtsmittel einlegen"), G a g e - S a r s t e d t 25, wohl auch BGHSt. 7 154, J a g u s c h LM. Nr. 2, K l e i n k n M 8 vor § 296. A. M. K e r n Strafverfahrensrecht 172, E b S c h m i d t 14 vor § 296, weil es nur auf die Behauptung einer Beschwer ankomme, weil die §§ 319 Abs. 1, 322, 346 Abs. 1, 349 Abs. 1 die Verwerfung als unzulässig mangels Beschwer nicht vorsähen und weil die Frage, ob Beschwer vorliege, mit den „typischen Zulässigkeitsbedingungen" für Rechtsmittel nichts zu tun habe. Dem ist jedoch entgegenzuhalten, daß die herrschende Meinung, der insoweit auch E b S c h m i d t 19—21 vor §296 beitritt, das Rechtsmittel des freigesprochenen Beschuldigten auch dann nicht als unbegründet, sondern als unzulässig behandelt, wenn es etwa einen Verfahrensfehler zutreffend rügt. Beschwert die Urteilsformel den Beschuldigten nicht, so findet keine Prüfung der Sachrüge oder Verfahrensrügen statt. Der herrschenden Meinung ist daher wohl zu folgen. c) Der Beschuldigte, der Privatkläger, Nebenkläger und andere Beteiligte sind nur bei Beschwer rechtsmittelbefugt. Bei Prüfung der Beschwer kommt es nur darauf an, ob die Urteilsformel den Beschwerdeführer belastet, nicht auf Einzelheiten der Urteilsbegründung, BGHSt. 16 374, 7 153, RGSt. 4 355, 13 324, 63 185, 67 317, 69 13, RG. Recht 16 Nr. 2788, KG. HRR. 33 264, B r a u n s c h w e i g MDR. 1950 629, H a m m NJW. 1953 1484, Schleswig NJW. 1957 1487, M ü n c h e n S t . 6 521, Celle GA.49311, Köln GA.51380, E b S c h m i d t löff. vor §296, KleinknM 3 vor § 296. Diese Rechtsprechung verletzt kein Grundrecht, wie das BVerfG. für das frei76'
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§296
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Anm. 4 sprechende Urteil bereits entschieden hat, BVerfG. NJW. 1956 1833. Aufgabe der Strafgerichte ist und muß sein die Verbrechensbekämpfung im Rahmen der Strafgesetze, also die Prüfung des staatlichen Strafanspruchs und die Entscheidung darüber, nicht die Entlastung des Beschuldigten von jedem Verdacht auch dann noch, wenn kein Strafanspruch besteht. Dazu sind sie ohne Beeinträchtigung ihrer Aufgabe gar nicht in der Lage. Diese Rechtsprechung, seit Jahrzehnten gefestigt und herrschend (vgl. BGHSt. 16 374, 7 153 mit Angaben), ist im Grundzug unausweichlich, obwohl sie mitunter erhebliche Unzuträglichkeiten mit sich bringt. Denn auch die Urteilsgründe können den Beschuldigten in seinem Rufe schädigen oder dazu beitragen, daß ihm rechtliche Nachteile außerhalb des Strafrechts erwachsen. Dies gilt ebenso von einem Freispruch (darüber Anm. 4e), der die Begehung der Tathandlung offen läßt und vor allem von einem solchen wegen Zurechnungsunfähigkeit, wenn der Beschuldigte die Tatbegehung oder Zurechnungsunfähigkeit bestreitet. Es wird unterstrichen durch Verfahrensvorschriften, die dem Beschuldigten hinreichenden Tatverdacht gerichtlich ausdrücklich aufbürden (§203) oder zur Erörterung fortbestehenden Tatverdachts trotz Freispruchs geradezu zwingen (§ 467 Abs. 2) oder die Eintragung eines Freispruchs in das Strafregister vorsehen (§ 9 Nr. 1 StrRegVO. vom 17. 2. 1934), so daß sich das Gesetz, obwohl Freisprüche verschiedener Klassen (mangels Verschuldens, mangels Beweises) gesetzlich unmittelbar nicht vorgesehen sind, einem solchen Rechtszustand im Ergebnis doch nähert. Alledem steht jedoch entgegen, daß dieser Zustand nicht noch vertieft werden darf, sondern änderungsbedürftig ist, damit der schlichte Freispruch nicht weiter entwertet und derjenige nicht geschädigt wird, der zwar unschuldig ist, dessen Unschuld aber nicht beweisbar ist. Auch müßten andernfalls umfangreiche Erhebungen und Erörterungen zur Tat angestellt werden, obwohl bereits feststeht, daß Freispruch aus subjektiven Gründen (Irrtum, Entschuldigungsgrund) geboten ist (s. P e t e r s 496, RGSt. 4 355). Nach diesen Grundsätzen ist der Angeklagte z. B. beschwert, wenn er gemäß den §§ 199, 233 StGB, für straffrei erklärt wird (§ 260), RGSt. 4 355, 42 401, Celle GA. 49 311, E b S c h m i d t 18. Ebenso bei Schuldspruch und Absehen von Strafe nach den §§ 82,157 Abs. 2,158 Abs. 1,175 Abs. 2 StGB., E b S c h m i d t 18, und in den Fällen der §§ 49a Abs. 3, 139, 46 StGB. (Strafaufhebungsgründe). Bei Verurteilung wegen Übertretung statt nach § 330a StGB., B r e m e n VRS. 61 445. Bei Anordnung der Unbrauchbarmachung (§ 41 StGB.) zu seinen Lasten, nicht zum Nachteil einer anderen Person. Bei Freispruch unter Versagung der Erstattung notwendiger Auslagen (§ 467 Abs. 2) hinsichtlich dieser Auslagen, BGHSt. 7 155 (zur Neufassung des § 467 Abs. 2), 4 275, RGSt. 61 293, Celle NRpfl. 1961 91, KG. HR. 9 Nr. 264, RG. JW. 1930 639,1931 1489 Nr. 27, KG. VRS. 1959 49. Bei Anordnung von Erziehungsmaßregeln nach JGG. unter Absehen von Strafe. Bei Verurteilung zu Strafe, der Anordnung einer Maßregel der Sicherung oder Besserung, einer Nebenfolge gegen ihn, wegen der Kostenentscheidung, vgl. BayObLGSt. 1950/51 432, RGSt. 61 293 (dieser nur kurz begründeten Entscheidung ist nur beizutreten, wenn der Revisionskläger, was aus ihr nicht hervorgeht, unmittelbar in seinen Rechten durch Anordnung der Unbrauchbarmachung betroffen worden war). Bei Freispruch wegen Zurechnungsunfähigkeit (§§ 51 Abs. 1, 55 Abs. 1 StGB., s. Anm. 4e) und Anstaltsunterbringung (§ 42b StGB.) besteht die Beschwer nur hinsichtlich der Unterbringung, nicht des Freispruchs (§ 318 Anm. 5 o, § 331 Anm. 8, BGH. NJW. 1954 519, KG. NJW. 1953 195, a. M. z. B. BGH. NJW. 1951 450, 724, T ü b i n g e n NJW. 1953 1444, E b S c h m i d t 17. Wie hier K l e i n k n M 8 vor § 296. Vgl. auch BGHSt. 11 319, 5 267 und RGSt. 69 12. Der Betroffene kann den Freispruch mangels Beschwer nicht anfechten. Strafe darf auch dann nicht verhängt werden (§§ 331, 358 Abs. 2), wenn sich nachträglich Schuldfähigkeit herausstellt, die als Voraussetzung der Unterbringung trotz Unanfechtbarkeit des Freispruchs geprüft werden muß. Daher ist die Maßregel gesondert anfechtbar, RGSt. 69 12 (RGSt. 71 265 deshalb anders, weil das Verschlechterungsverbot damals nicht bestand). Über die Urteilsformel hinaus ist der Beschuldigte auch beschwert, wenn er nach den Urteilsgründen wegen einer Tat verurteilt wird, die in der Urteilsformel nicht erwähnt wird, sofern Berichtigung der Formel (dazu BGHSt. 5 5) zulässig ist ( P e t e r s 498). d) Einstellung des Verfahrens. Wird das Verfahren endgültig eingestellt, weil eine Verfahrensvoraussetzung fehlt oder ein endgültiges Verfahrenshindernis besteht (Verjährung, anderweite Aburteilung, Straffreiheit, fehlender Strafantrag), so ist der Beschuldigte dadurch nicht beschwert, weil die Einstellung den Strafanspruch beseitigt ,RGSt. 4 358 13 327, 20 49,42 400, BayObLGSt. 1954 109, E b S c h m i d t 25, in Einzelheiten abw. K l e i n k n M 3c vor § 296. Wirkt die Einstellung nur vorläufig, weil das Hindernis behoben werden kann (Abwesenheit oder Krankheit des Beschuldigten, fehlender Strafantrag bei Fortdauer der Antragsberechtigung, fehlende Ermäch-
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Erster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen (Jagusch)
§ 296 Anm. 5
tigung der dazu berechtigten Stelle, anderweite Rechtshängigkeit), so ist der Beschuldigte beschwert und zum Rechtsmittel befugt. Wird das Verfahren eingestellt, weil nur eine Ordnungswidrigkeit vorliege (§ 31 Abs. 2 OWiG.), so steht damit fest, daß kein Strafanspruch besteht. Der Beschuldigte ist nicht beschwert, Celle NRpfl. 1951 149, K l e i n k n M 3c vor § 296, E b S c h m i d t 25 vor § 296; a. M. wegen der notwendigen Abgabe an die Verwaltungsbehörde BGH. GA. 1965 78, S t u t t g a r t NJW. 1957 1488 (Beschwer bei nicht erwiesenem Vergehen, aber verjährter Übertretung, Einstellung statt Freispruchs). Sieht ein Straffreiheitsgesetz die Möglichkeit der Verfahrensdurchführung zur Feststellung der Unschuld auf besonderen Antrag vor und erhält der Beschuldigte nicht Gelegenheit, den Antrag zu stellen, so ist er durch die Einstellung beschwert, E b S c h m i d t 25 vor § 296 mit weiteren Angaben. Der mangels Schuldnachweises freigesprochene Beschuldigte ist nicht beschwert, wenn das Berufungsgericht das Verfahren gemäß dem StFG. 1954 durch Beschluß einstellt, BayObLGSt. 1954 109. e) Über die Beschwer bei Freispruch gehen die Meinungen erheblich auseinander, und zwar vor allem hinsichtlich des Freispruchs, bei welchem Verdachtsgründe bestehen bleiben, und des Freispruchs wegen Zurechnungsunfähigkeit. Die herrschende Meinung schließt auch hier jede Beschwer aus, ohne damit ein Grundrecht zu verletzen, BVerfG. NJW. 1956 1833, MDR. 1957 22, BGHSt. 16 374, KG. VRS. 1959 49, B r a u n s c h w e i g MDR. 1950 629, H a m m JMBNRW. 1955 213, Celle NRpfl. 1961 91 (anders hinsichtlich der Auslagen), vgl. KG. JR. 1961 510, BGH. NJW. 1954 519, Schleswig SchlHA. 1956 184 (einschränkend NJW. 1957 1487), K l e i n k n M 3b vor § 296, E b S c h m i d t 20 vor § 296. Einen Beschluß, durch den ihm Entschädigung für Untersuchungshaft versagt wird, kann der Freigesprochene nicht durch ein Rechtsmittel gegen den Freispruch beseitigen, B r a u n s c h w e i g MDR. 1950 629, E b S c h m i d t 22 vor § 296, KleinknM 3b vor § 296. Bei Freispruch wegen Zurechnungsunlähigkeit schließen jede Beschwer ebenfalls aus BGHSt. 16 374, BGH. NJW. 1954 519 (mit nur kurzer Begründung, offengelassen in BGHSt. 7 153), H a m m JMBNRW. 1955 213, RGSt. 69 12 (bei RGSt. 71 265 bestand kein Verschlechterungsverbot), KG. NJW. 1953195, DJZ.11205, RG. Recht 16 Nr. 2788, Düsseldorf JMBNRW. 1960 79. Beschwer nehmen hier an KG. HESt. 1 242, BGH. NJW. 1951 450, 724, T ü b i n g e n NJW. 1953 1444 (mit Angaben), S t u t t g a r t NJW. 1959 1840, S a a r b r ü c k e n NJW. 1960 2068, Schleswig NJW. 1957 1487 (dann, wenn die Tathandlung nicht nachgewiesen ist, unter Hinweis auf § 9 Ziff. 1 StrRegVO. vom 17. 2. 34), P e t e r s 498, v. Hippel 564, H e n k e l 422, K e r n Strafverfahren 1949, 165. — Roos JR. 1951 202 und H e n r i c h s MDR. 1956 201 nehmen bei jedem Freispruch, der nicht jeden Tatverdacht beseitigt, Beschwer an. Jedoch kann eine solche Durchbrechung des Grundsatzes, daß es auf den Inhalt der Urteilsformel ankomme, hier auch nicht damit gerechtfertigt werden, daß der Freispruch wegen Zurechnungsunfähigkeit die Verantwortlichkeit verneine und damit die Grundlage der sittlichen Persönlichkeit antaste.Ein überzeugender innerer Unterscheidungsgrund gegenüber anderen sittlichen Vorwürfen, die sich weder erweisen noch beseitigen lassen, ist nicht anzuerkennen. De lege ferenda ist lediglich zu erwägen, ob eine Einschränkung der Unzuträglichkeiten der herrschenden Ansicht, an der im Grundsatz festzuhalten ist, dadurch erreicht werden kann, daß alle Vorschriften beseitigt werden, die im Ergebnis auf Unterscheidung der Freisprüche hinauslaufen (mit ihnen allerdings auch die damit verbundenen Vergünstigungen im Einzelfalle), und dadurch, daß Freispruch erst zulässig ist, nachdem alle vorhandenen Beweismittel zur äußeren und inneren Tatseite in dieser Reihenfolge justizförmig erschöpft worden sind. Der Nachteil solcher Handhabung liegt in der Notwendigkeit, Beweise zu erheben, welche die Unschuld des Beschuldigten ergebenkönnen, obwohl Freispruch von vornherein feststeht, die zugleich jedoch wiederum auf Unterscheidung der Freisprüche zu Lasten der übrigen Freigesprochenen hinauslaufen. Ihr Vorteil beschränkt sich auf Beschuldigte, bei denen vollständige Entlastung von dem Tatvorwurf erreicht wird (die keineswegs auch von jedem sittlichen Vorwurf entlasten muß, da das Strafrecht eine fragmentarische Auswahl besonders schwerer sittlicher Vorwürfe ist). — BayObLGSt. 1957 241 (Freispruch wegen Unschuld, Beschwer hinsichtlich Auslagenerstattung). Vgl. auch Düsseldorf NJW. 1960 1404. 5. Rechtsmittel der StA. zugunsten des Beschuldigten (Abs. 2). Vgl. B i e r m a n n GA. 1955 353. Die Staatsanwaltschaft ist im Verfahren nicht Partei. Als Anklagebehörde hat sie vom Beginn des Verfahrens an dahin zu wirken, daß dem Gesetz für und wider den Beschuldigten Genüge geschehe. Daher kann sie Rechtsmittel unabhängig von dem Beschuldigten in jeder zulässigen Richtung einlegen (Anm. 1 b, c). Gibt sie dem Rechtsmittel keine bestimmte
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Anm. 6, 7 Richtung, so kann es zugunsten oder zu Ungunsten des Beschuldigten wirken (§301). Zugunsten des Beschuldigten soll sie ein Rechtsmittel einlegen, wenn er durch das Urteil„tatsächlich benachteiligt" worden oder wenn die Strafe unangemessen hoch festgesetzt worden ist (RiStV. Ziff. 130 Abs. 3). Unwesentliche Versehen, die an dem Ergebnis nichts ändern können und auf die angemessene Ahndung der Straftat keinen Einfluß haben, können ungerügt bleiben. Andernfalls würde der StA. seiner Aufgabe, dem Gesetz durch Anträge bei Gericht Genüge zu verschaffen, nicht gerecht. Auch bei Einlegitng eines Rechtsmittels zugunsten des Beschuldigten ist die StA. nicht dessen Vertreterin. Sie erfüllt ihre amtliche Pflicht aus eigenem Recht. Abs. 2 setzt daher voraus, daß der StA. im gegebenen Fall ein Rechtsmittel zusteht (Anm. l b , c). Dies wiederum hängt davon ab, ob der Beschuldigte durch die anzufechtende Entscheidung beschwert ist (Anm. l b , 4c), RGSt. 42 400, E b S c h m i d t 6, 27 vor § 296. Die Rechtsmittelfristen laufen für die StA. selbständig. Der Rechtsmittelverzicht, die Rücknahme des eigenen Rechtsmittels und der Ablauf der eigenen Rechtsmittelfrist des Beschuldigten hindern die StA. nicht, ihr Rechtsmittel zu seinen Gunsten selbständig durchzuführen (Anm. lc). Steht gegen einen Beschluß nur dem Beschuldigten die Beschwerde zu, so ist Abs. 2 unanwendbar, RG. Rspr. 4 889. Spätestens bei der Rechtsmittelbegründung sollte die StA. förmlich angeben, ob das Rechtsmittel zugunsten des Beschuldigten eingelegt wird, dies schon mit Rücksicht auf die Verfahrenswirkungen (§§ 302 Abs. 1, 331 Abs. 1, 358 Abs. 2, 373 Abs. 2). Vgl. jedoch BGHSt. 13 41. Dies ist ihre Pflicht auch ohne ausdrückliches gesetzliches Gebot (vgl. RiStV. Ziff. 130.) Die Willensrichtung kann sich aus der Gesamtheit ihrer Verfahrenserklärungen ergeben, jedoch nicht aus Umständen außerhalb dieser Erklärungen, BGHSt. 2 41, vgl. auch RGSt. 5 218. Bereits in den Verhandlungen der RTK. (S. 529, Bericht S. 86) ist zum Ausdruck gekommen, daß die StA. anzuweisen sein werde, sich bei Einlegung eines Rechtsmittels zugunsten des Beschuldigten hierüber ausdrücklich zu erklären. Vgl. § 302 Anm. 8. Ergibt die Gesamtheit der Verfahrenserklärungen keine Einlegung zugunsten des Beschuldigten, so treten die damit verknüpften Rechtsvorteile nicht ein (s. oben). K l e i n k n M 3c heben für diesen Fall mit Recht hervor, daß § 300 nicht anwendbar sei, weil die StA. keine bloße unrichtige Bezeichnung des Rechtsmittels gewählt habe, RGSt. 65 235. A. M. Cüppers NJW. 1952 435. Wie hier E b S c h m i d t 7. 6. Rechtsmittel der StA. zugunsten anderer Betroffener. Die StA. kann ein Rechtsmittel auch zugunsten anderer von der Entscheidung betroffener Personen einlegen. In Betracht kommen Einziehungsbeteiligte (Eigentümer, Nießbraucher, Pfandgläubiger, Besitzer), ferner Personen, die als Antragsteller gemäß § 470 zu Kosten verurteilt worden sind (RGSt. 7 409), oder ebenso als Nebenkläger (RGSt. 60 191). In Betracht kommen außerdem die im § 304 Abs. 2 bezeichneten Personen (Zeugen, Sachverständige, andere Verfügungsbetroffene), E b S c h m i d t 8. Hierfür spricht die Aufgabe der ASt. (Anm. l b , 6) und die Erwägung, daß von derartigen gerichtlichen Maßnahmen und Entschließungen der Fortgang des Verfahrens abhängen kann. Die Vorschrift des § 304 Abs. 2 steht nicht entgegen, weil sie den Kreis der Beschwerdeberechtigten nicht abschließend bezeichnet, München 6 405. Die NE. I und II, § 308 Abs. 2, III § 299 Abs. 2 erkennen dies ausdrücklich an (Begr. NE. I S. 330, NE. II S. 176, KommB. S. 3621). Soweit der Nebenkläger jedoch nur eigenes Interesse wahrnimmt, ist die StA. nicht befugt, zu seinen Gunsten vorzugehen, F r a n k f u r t AlsbergE. II Nr. 113, E b S c h m i d t 7d. Die Rechtswirkungen des zugunsten solcher Betroffener eingelegten Rechtsmittels der StA. sind dieselben wie bei dem Beschuldigten (Anm. 5). 7. Keine entsprechende Anwendung des Abs. 2. Die besondere Befugnis gemäß Abs. 2 beruht auf der amtlichen Stellung der StA. (Anm. 5). Dem Privat- und Nebenkläger steht sie daher nicht zu, H a m b u r g GA. 1958 117, K l e i n k n M § 390 Anm. 4, a. M. RGSt. 22 400. Jedoch kann umgekehrt ein Rechtsmittel des Privat- oder Nebenklägers auch über den Bereich der Privat- oder Nebenklagedelikte hinaus Wirkungen zu ungunsten des Beschuldigten äußern. Darüber § 331 Anm. 2, RGSt. 66 61,131, RG. HR. 9 Nr. 265, BGH. 2 StR 251/58 vom 1.10.1958 (§§ 211, 43 statt § 223 a StGB.).
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§ 297 Anm. 1—3
§ 397 Für den Beschuldigten kann der Verteidiger, jedoch nicht gegen dessen ausdrücklichen Willen, Rechtsmittel einlegen. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 236. II. Entw. § 241. III. Entw. § 285. Frühere Bezeichnung: § 339. Änderungsvorschläge: NE I und II § 303. NE III § 296. Keine späteren Änderungen. 1. Verteidiger. Der im vorangegangenen Verfahren gewählte (§ 138) oder bestellte (§ 140) Verteidiger darf ohne weiteres ein Rechtsmittel für den Beschuldigten einlegen. Seine Ermächtigung dazu, die formlos erteilt werden kann, wird vom Gesetz vermutet, vgl. BGHSt. 12 370. Die Ermächtigung kann jedoch von vornherein zeitlich, sachlich oder auf einen Verfahrensabschnitt begrenzt werden. Dies kann formlos auch später geschehen. Ferner kann sie ganz entzogen werden. Hierzu RGSt. 1 71,18346,66 211, 66 266, RG. HR. 3 Nr. 77. Die Beschränkung muß ausdrücklich geschehen, entweder in der Vollmachtsurkunde oder durch spätere Erklärung. Auf den Zeitpunkt des Nachweises der Vollmacht bei Gericht kommt es bei wirksamer Ermächtigung nicht an, RGSt. 21 125, 28 430, 46 372, 55 213, 66 210, HRR. 27 77, Bremen NJW. 1954 46. Der Nachweis kann noch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist geführt werden, RGSt. 55 213. Bei rechtzeitiger formloser Bevollmächtigung ist es ohne Bedeutung, wann die Vollmachturkunde ausgestellt wird, RGSt. 46 372. Die Ermächtigung ist von Amts wegen zu prüfen, KleinknM 2b. Wer im vorigen Rechtszug nicht Verteidiger war, kann ein Rechtsmittel wirksam nur einlegen, wenn er vor Ablauf der Rechtsmittelfrist zum Verteidiger gewählt oder bestellt wird. Auch bei ihm hängt die Wirksamkeit der Rechtsmittelerklärung davon ab, daß er bei Abgabe der Erklärung sachlich dazu ermächtigt war. Fehlt es daran, so kann das trotzdem eingelegte Rechtsmittel vom Beschuldigten nicht nachträglich noch genehmigt und dadurch wirksam werden. Das öffentlichrechtliche Strafverfahren duldet keinen ungewissen Schwebezustand, RGSt. 66 266, BGHSt. 5 183. (Dieser Satz könnte allerdings auch gegenüber dem erlaubten verspäteten Nachweis der Vollmacht eingewandt werden.) Ein derart unwirksam eingelegtes Rechtsmittel muß daher innerhalb der Rechtsmittelfrist formgerecht wiederholt werden. Die Ermächtigung des gewählten Verteidigers zur Einlegung eines Rechtsmittels endet mit Ablauf, Widerruf oder der entsprechenden Beschränkung der Vollmacht durch Erklärung gegenüber dem Verteidiger. Anzeige oder Ermächtigung an das Gericht ist nicht erforderlich, RGSt. 24 142, BayObLG. DRZ. 21 633. Jedoch ist auch ein Widerruf der Vollmacht bei Gericht zum Zeitpunkt des Eingangs bei Gericht zu berücksichtigen. Über die Vertretung des Verteidigers s. § 139. Für den Vertreter oder Beistand des Privatklägers oder Nebenklägers gilt die Vorschrift des § 297 nicht, BayObLGSt. 1 374. 2. Andere Bevollmächtigte. Der § 297 spricht nur von dem Verteidiger. Er beschränkt die Befugnis zur Einlegung von Rechtsmitteln jedoch nicht auf diesen. Auch andere Bevollmächtigte des Beschuldigten, die nicht Verteidiger sind oder waren, können im Rahmen einer Ermächtigung wirksam Rechtsmittel einlegen, RGSt. 66 211, BayObLG. JR. 1934 HRR. Nr. 1429, Bremen NJW. 1954 46 (Sohn). Für den Zeitraum, Umfang und Nachweis der Vollmacht und ihre Prüfung von Amts wegen gilt dasselbe wie für den Verteidiger (vgl. Bremen NJW. 1954 46). Mit KleinknM 6 ist davon auszugehen, daß hierfür nur natürliche Personen in Betracht kommen, Hamm MDR. 1950 756, BayObLGSt. 52 267, bei einer juristischen Person im Zweifel ihre gesetzlichen Vertreter. Hamm NJW. 1952 1160 will für Verfahrenserklärungen außerhalb der Hauptverhandlung auch juristische Personen zulassen. Die Frage bedarf noch der Prüfung. — Zulässig ist die Vertretung im Willen, BayObLGSt. 34 82, und in der Erklärung, RGSt. 66 211, Bremen NJW. 1954 46, die der Bevollmächtigte mit dem Namen des Vertretenen zeichnen darf, RGSt. 66 212. 3. Für den Beschuldigten. Der Verteidiger oder andere Bevollmächtigte, der das Rechtsmittel einlegt, handelt nicht aus eigenem Recht, auch nicht bei notwendiger Verteidigung, sondern regelmäßig als Vertreter im Willen, sonst als Vertreter in der Erklärung, RGSt. 66 211, 266. Daher laufen für ihn dieselben Rechtsmittelfristen wie für den Beschuldigten. Eine Ausnahme
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§ 297 Anm. 4 § 298 Anm. 1
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
gilt für die sofortige Beschwerde des Verteidigers gegen den Unterbringungsbeschluß nach § 81 (s. dort). § 297 begründet bei dem Verteidiger jedoch die Vermutung der Befugnis zur Einlegung des Rechtsmittels (Mot. S. 209, Prot. S. 429, Begr. zum NE. I S. 301, NE. II S. 174, vgl. § 138), solange keine gegenteilige Erklärung des Beschuldigten vorliegt, RGSt. 3 222, RG. Rspr. 9 230. Bis dahin ist der Verteidiger von dem Nachweis der Ermächtigung entbunden. Für andere bevollmächtigte Personen als Verteidiger gilt dies nicht. Die Befugnis des Verteidigers oder anderen Bevollmächtigten endet mit der Vollmacht, bei unbefristeter Bestellung nach § 140 oder Genehmigung nach § 138 Abs. 2 mit der Rücknahme der Bestellung oder Genehmigung. Legt eine der im § 138 Abs. 2 bezeichneten Personen für den Beschuldigten ein Rechtsmittel ein, so liegt darin regelmäßig auch ihr Antrag auf Genehmigung der Zulassung als Wahlverteidiger. Vgl. § 138. Ist der Pflichtverteidiger nur „für die Instanz" bestellt, so endet sein Amt mit dem Urteil, es umfaßt nicht ohne weiteres auch die Einlegung eines Rechtsmittels. Jedoch sollte darauf Bedacht genommen werden, daß die sachgemäße Prüfung der Aussichten eines Rechtsmittels und seine ordnungsgemäße Einlegung gewährleistet bleiben. 4. Nicht gegen dessen ausdrücklichen Willen. Der Verteidiger legt das Rechtsmittel nicht aus eigenem Recht ein. Daher geht der e r k l ä r t e Wille des Beschuldigten stets vor, mag er gegenüber dem Verteidiger oder dem Gericht erklärt werden, BayObLGSt. 29 5. Verzichtet der Beschuldigte wirksam auf ein Rechtsmittel, so tritt damit Rechtskraft ein. Der Verteidiger kann kein Rechtsmittel mehr einlegen, ein bereits eingelegtes ist zurückgenommen. Der Verzicht ist spätestens mit dem Eingang bei Gericht wirksam, er schneidet jede Vertretung im Willen in Bezug auf Rechtsmittel ab. Diese Wirkung tritt jedoch erst mit der Erklärung ein, nicht bereits mit der Willensbildung. Daher ist ein mit Vollmacht gegen den noch nicht erklärten Willen des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel vorerst wirksam, KleinknM 3. Erklärt der Beschuldigte dem Gericht, er sei mit dem Rechtsmittel nicht einverstanden, so ist es damit zurückgenommen oder entsprechend eingeschränkt. Beharrt der Verteidiger trotzdem auf dem Rechtsmittel, so ist es als unzulässig zu behandeln, RG. III 879/39 vom 30.11. 39. Entzieht der Beschuldigte dem Verteidiger durch Erklärung gegenüber dem Gericht die Vollmacht, so endet dessen Rechtsmittelbefugnis. Ob ein bereits eingelegtes Rechtsmittel dadurch als zurückgenommen zu gelten hat, ist durch Auslegung zu ermitteln. Bei bloßem Vollmachtentzug ist es nicht zu vermuten. Im Zweifel bleibt das Rechtsmittel bestehen. Hatte der Verteidiger nach § 302 wirksam auf Rechtsmittel verzichtet oder das Rechtsmittel zurückgenommen, so bindet dies den Beschuldigten (§ 302). Nimmt der Beschuldigte das Rechtsmittel durch Erklärung gegenüber dem Verteidiger zurück, so endet damit dessen Rechtsmittelbefugnis. Er bleibt ermächtigt und verpflichtet, ein bereits wirksam eingelegtes Rechtsmittel zurückzunehmen. Wirksam wird eine solche Erklärung erst mit dem Eingang bei Gericht. Daher bleibt das Rechtsmittel bestehen, wenn der Verteidiger den Auftrag nicht ausführt.
§ 398 (1) Der gesetzliche Vertreter eines Beschuldigten kann binnen der für den Beschuldigten lautenden Frist selbständig von den zulässigen Rechtsmitteln Gebrauch machen. (2) Aul ein solches Rechtsmittel und au! das Verfahren sind die für die Rechtsmittel des Beschuldigten geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 236. II. Entw. § 242. III. Entw. § 286. Frühere Bezeichnung: § 340. Änderungsvorschläge: NE I und II § 303, NE III § 294. Spätere Änderungen: Abs. 1: AusfG. zum GewohnheitsverbrG. vom 24. 11. 1933 (RGBl. 1 1000). VereinhG. vom 12. 9.1960 (BGBl. I 455), Art. 3 Nr. 135. 1. Gesetzlicher Vertreter. Maßgebend ist das bürgerliche Recht. Näheres bei § 137. Rechtsquellen sind die §§ 1627 ff., 1684, 1685, 1773, 1793, 1909 BGB., 67 JGG. und das Gleichberechtigungsgesetz vom 18. 6.1957, geltend ab 1. 7.1958 (BGBl. I 609). Vgl. RGSt. 42 343. Zur Volljährigkeitserklärung P o t r y k u s NJW. 1958 1156.
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Erster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen (Jagusch)
§ 298 Anm. 2—5
2. Rechtsmittel. Gemeint sind die bei der jeweiligen Verfahrenslage zulässigen Rechtsmittel, vor allem Berufung und Revision. Den Antrag auf Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 319 Abs. 2) oder des Revisionsgerichts (§ 346 Abs. 2) kann der gesetzliche Vertreter nur hinsichtlich des eigenen selbständigen (Anm. 3) Rechtsmittels stellen, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann er nur bei eigener Säumnis beantragen. Den Antrag auf mündliche Verhandlung nach § 116 c kann der gesetzliche Vertreter kraft ausdrücklicher Vorschrift des § 115 c Abs. 1 selbst stellen, ebenso den Antrag auf Wiederaufnahme nach § 365. Dieselbe Regelung gilt nach § 409 Abs. 3 für den Einspruch gegen Strafbefehle. Vgl. RGSt. 38 9 und RG. GA. 71109. Die allgemeinen Voraussetzungen der Zulässigkeit des Rechtsmittels müssen vorhanden sein, vor allem eine Beschwer des Beschuldigten. 3. Selbständig. Der gesetzliche Vertreter ist selbständig zum Rechtsmittel befugt, jedoch nur zugunsten des Beschuldigten, da ihm dieses Recht nur in dessen Interesse zusteht. Er handelt dabei kraft eigenen Rechts nach pflichtgemäßem Ermessen, ist an den Willen des Beschuldigten nicht gebunden und kann das Rechtsmittel auch verfolgen, wenn der Beschuldigte das Urteil angenommen hat, RGSt. 5 50, 64 364, Düsseldorf GA. 72 382. Dies gilt auch für den gesetzlichen Vertreter eines Heranwachsenden, auf den Erwachsenenstrafrecht angewandt worden ist, BayObLG. NJW. 1945 1378. Auch der Beschuldigte ist vom Willen des gesetzlichen Vertreters unabhängig. Die beiden selbständig Berechtigten können nebeneinander und unabhängig voneinander Rechtsmittel verfolgen. Das Rechtsmittelgericht hat dann sämtliche Beschwerdegründe zu prüfen. Beschränkt nur einer der beiden Rechtsmittelführer das Rechtsmittel, so ist das Urteil in vollem Umfang angefochten. Wird dies übersehen, so darf derjenige, der sein Rechtsmittel beschränkt hatte, den Verstoß dennoch mit der Revision rügen, RG. HRR. 7 Nr. 2002. Für die dem Beschuldigten günstige Auslegung, daß der Vertreter aus eigenem Recht handele, ist im Zweifel auch Raum, sofern dieser erklärt hat, das Rechtsmittel „für" den Beschuldigten einzulegen, RGSt. 21 335. Die Selbständigkeit des Rechtsmittels hat zur Folge, daß jeder Beschwerdeführer Erklärungen nur mit Wirkung für das eigene Rechtsmittel abgeben kann. Ein Rechtsmittelverzicht des Beschuldigten beseitigt das Recht des gesetzlichen Vertreters zu keiner Zeit, KG. JW. 1933 2076. Jeder Beschwerdeführer kann nur eigene Wiedereinsetzungsgründe in Bezug auf das eigene Rechtsmittel geltend machen. Jedoch muß bei Rücknahme des Rechtsmittels des gesetzlichen Vertreters der Rechtsgedanke des §302 Abs. 1 Satz 2 durchgreifen, Düsseldorf NJW. 1957 840, falls der Beschuldigte nicht vorher auf Rechtsmittel verzichtet hat und deshalb nicht mehr schutzbedürftig ist (vgl. jedoch BGHSt. 10 174). Es ist davon auszugehen, daß er seine Rechtsmittelbefugnis ungenutzt gelassen haben kann, weil der gesetzliche Vertreter ein Rechtsmittel eingelegt hatte. Daher ist die Zurücknahme nur mit Zustimmung des Beschuldigten zulässig, Düsseldorf NJW. 1957 840, E b S c h m i d t 4, a. M. KleinknM 3a, unklar RGSt. 28 385. Anträge nach den §§ 319 Abs. 2, 346 Abs. 2 kann jeder Beschwerdeführer nur für das eigene Rechtsmittel stellen. 3. Vollmacht. Beschränkt sich der gesetzliche Vertreter darauf, als Bevollmächtigter des Beschuldigten ein Rechtsmittel einzulegen, so gelten die Grundsätze des § 297 entsprechend (s. dort), RG. Rspr. 8 175, 602, 4 479, Celle GA. 61 368, RG. JW. 1903 220, DJZ. 25 851. Im Zweifel („namens" oder „für") gilt die dem Beschuldigten günstigere Auslegung, RGSt. 21 335. 4. Binnen der für den Beschuldigten lautenden Frist. Die anzufechtenden Entscheidungen werden dem gesetzlichen Vertreter des Beschuldigten, mit Ausnahme im Falle des § 67 JGG, nicht bekannt gemacht. Daher muß er das Rechtsmittel innerhalb der für den Beschuldigten laufenden Frist einlegen, BayObLG. NJW. 1954 1378, und zwar auch im Falle des § 67 JGG. Es ist dann seine Sache, sich über den Verfahrensstand zu unterrichten. Seine bloße Unkenntnis des die Frist in Lauf setzenden Ereignisses rechtfertigt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht ohne weiteres, BayObLG. DRZ. 20 Nr. 422. Jedoch gilt die Vorschrift des § 298 nur für die Einlegungsfrist. Die Begründungsfrist hängt regelmäßig von der Zustellung des Urteils an den Beschwerdeführer ab und läuft daher für den gesetzlichen Vertreter selbständig. 5. Befugnisse des Beschwerdeführers. Hat der gesetzliche Vertreter ein Rechtsmittel eingelegt, so hat er im Verfahren dieselben Befugnisse wie der Beschuldigte, der ein Rechtsmittel eingelegt hat. Zur Hauptverhandlung ist er zu laden (§§ 350, 323) und gegebenenfalls nach den §§ 323 Abs. 1, 329 zu belehren. Ihm steht rechtliches Gehör zu, er kann Beweisanträge stellen
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§ 298 Anm. 6, 7 § 299 Anm. 1
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
(§§ 240, 268). Entscheidungen sind ihm bekannt zu machen. Verstöße hiergegen kann der Beschuldigte und der gesetzliche Vertreter rügen, weil sich das Verfahren auch bei einem Rechtsmittel des gesetzlichen Vertreters stets gegen den Beschuldigten richtet, RGSt. 64 364. Ist der gesetzliche Vertreter während der Rechtsmittelverhandlung in Haft, so ist er im Berufungsverfahren auf seinen Antrag vorzuführen, RGSt. 64 364, E b S c h m i d t 10. Verliert der gesetzliche Vertreter nach Einlegung des Rechtsmittels die Vertretungsbefugnis, so kann er es nicht weiter betreiben, also gegebenenfalls auch nicht begründen, RGSt. 42 342, 47 160, BGHSt. 10 174, Alsberg GA. 61 488. Jedoch tritt der neue gesetzliche Vertreter in dieselbe Verfahrenslage ein. Daher bleibt auch ein vom früheren gesetzlichen Vertreter für den Beschuldigten bestellter Verteidiger im Amt, E b S c h m i d t 5. Betreibt der neue gesetzliche Vertreter das Rechtsmittel nicht weiter oder kommt kein gesetzlicher Vertreter mehr in Betracht, etwa wegen Eintritt der Volljährigkeit, so gehen die Rechte aus dem Rechtsmittel auf den Beschuldigten über, BGHSt. 10 174, BayObLG. DRZ. 25 Nr. 53, Celle HRR. 3 Nr. 1874, Kön i g s b e r g JW. 1928 1322, M a n n h e i m JW. 1928 1322, Alsberg GA. 61 487, E b S c h m i d t 6, S a u e r ZStW. 87 201 Anm. 56, a. M. RGSt. 47 160, Galli DJZ 19 730. Die Gegenmeinung ist formalistisch und berücksichtigt nicht das unbillige Ergebnis, welches eintritt, wenn der Vertretene im Vertrauen auf das Rechtsmittel des Vertreters kein eigenes eingelegt hat. Auch führt sie gegen Ende der Unmündigkeit zu besonderen Unzuträglichkeiten, da die Dauer des Rechtsmittelverfahrens selten abzusehen ist. Ob dies alles auch gilt, wenn der Minderjährige vorher auf (sein) Rechtsmittel verzichtet hatte, wie BGHSt. 10 174 meint, mag zweifelhaft sein. Der Entscheidung ist aus den darin angegebenen Gründen aber wohl zuzustimmen. Wird die Sache auf das Rechtsmittel hin in die Vorinstanz zurückverwiesen, so kann der bisherige gesetzliche Vertreter hier nur noch als Beistand (§ 149) auftreten, RG. GA. 48 132. 6. Über die rechtliche Stellung des Beschuldigten im Falle des § 298 äußert sich nur § 330. Mit der dort erwähnten Besonderheit ist der Beschuldigte so zu behandeln, als hätte er das Rechtsmittel selbst eingelegt. Die Entscheidungen sind ihm bekanntzumachen. Von dem gesetzlichen Vertreter eingereichte Schriftstücke (§§ 320, 347) werden dem Beschuldigten nicht zugestellt. Ein Rechtsmittel des gesetzlichen Vertreters kann den Beschuldigten, was die Strafe angeht, nicht beeinträchtigen (§§ 331, 358 II). Wegen der Kosten des Rechtsmittels s. § 473, wegen Anrechnung der Untersuchungshaft auf die Strafe s. § 450. 7. Legt ein Anwalt namens des gesetzlichen Vertreters das Rechtsmittel ein, so muß er nachweisen, daß er von diesem innerhalb der Rechtsmittelfrist Vollmacht erhalten hat. Dieser Nachweis ist noch nach Fristablauf zulässig, RGSt. 46 372, 66 210, § 297 Anm. 1.
§ 399 (1) Der nicht auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte kann die Erklärungen, die sich auf Rechtsmittel beziehen, zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichte geben, in dessen Bezirk die Anstalt liegt, wo er auf behördliche Anordnung verwahrt wird. (2) Zur Wahrung einer Frist genfigt es, wenn innerhalb der Frist das Protokoll aufgenommen wird. Entstehungsgeschichte: I. Entw. §237. II. Entw. §243. III. Entw. §287. Frühere Bezeichnung: § 341. Änderungsvorschläge: NE I, II §§ 305 Abs. 2. NE III § 296 Abs. 2. Änderung: Abs. 1: AusfG. zum GewVerbrG. vom 24.11.1933 (RGBl. I S. 1000). 1. Rechtsmittelerklärungen des verhafteten Beschuldigten. Die Bestimmung schützt den verhafteten Beschuldigten gegen Fristversäumung und enthält daher eine Ausnahme von der allgemeinen Regel, daß eine Verfahrenserklärung erst mit dem Eingang bei dem zuständigen Gericht wirke. § 299 gilt auch, wenn sich der Beschuldigte am Ort des Gerichts befindet, dessen Urteil angefochten werden soll. Die Befugnis des Beschuldigten, seine Erklärungen außerhalb der Regelung des § 299 abzugeben, bleibt unberührt, denn § 299 gilt nur zu seinen Gunsten. Jedoch schließt § 299 den Anspruch auf Vorführung vor den sonst zuständigen Urkundsbeamten
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Erster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen (Jagusch)
§ 299 Anm. 2—5 § 300 Anm. 1
aus, B r e m e n DRpfl. 1956 240, H a m m Rpfl. 56 240. Erklärungen zur Niederschrift des im § 299 bezeichneten Urkundsbeamten reichen zur Fristwahrung aus (Anm. 4). Ein in dieser Webe erklärter Rechtsmittelverzicht soll mit Abgabe der Erklärung unwiderruflich sein, BGH. LM. Nr. 1, RG. GA. 50 276, 74 283, nicht erst mit Zugang bei dem RevG. Vgl. jedoch § 302 Anm. 6 c. Geht die gemäß § 299 aufgenommene Niederschrift bei Übersendung an das zuständige Gericht verloren, so berührt dies die Wirksamkeit der Erklärung nicht, RG. JW. 1923 395. 2. Nicht auf freiem FuB befindlich. Anstalt. Vgl. § 35 und BGHSt. 4 309 (Freiheitsentziehung im weitesten Sinne). Der Ausdruck „Anstalt" umfaßt alle Arten behördlicher Verwahrung (Untersuchungshaftanstalt, Strafanstalt, Heil- oder Pflegeanstalt, Entziehungsanstalt), auch polizeiliche Verwahrung. Dient eine Anstalt mehreren Amtsgerichten zur Aufnahme von Untersuchungshäftlingen, so soll jeder Urkundsbeamte eines der beteiligten Amtsgerichte zur Entgegennahme zuständig sein, RG. Recht 26 1621 (zweifelhaft, da es auf die Lage der Anstalt ankommt). 3. Erklärungen, die sich auf Rechtsmittel beziehen: Einlegung, Begründung, Beantwortung, Verzicht, Rücknahme (s. jedoch unten), Wiedereinsetzungsantrag, KG. DRZ. 21 Nr. 1151, Gegenerklärung. In Betracht kommen Erklärungen gemäß den §§ 297, 302, 306, 311, 314, 317, 319, 341, 344, 345, 346, 347, 365, 409. Für verfassungsgerichtliche Anträge, die sich gegen ein Strafurteil richten, soll § 299 nicht gelten, B r e m e n Rpfl. 1958 228. Jedoch ist das für den Rechtsbehelf der fristgemäß einzulegenden Verfassungsbeschwerde zweifelhaft. 4. Wahrung der Frist (Abs. 2). Hier liegt die wesentliche Abweichung von der allgemeinen Regel. Ist eine Frist zu wahren, so genügt rechtzeitige Erklärung zur Niederschrift des nach Abs. 1 zuständigen Urkundsbeamten. Auf den Zugang bei dem zuständigen Gericht kommt es nicht an. Hat der Beschuldigte rechtzeitig um Vorführung gebeten, jedoch vergeblich, so ist das ein Wiedereinsetzungsgrund (§ 44). Ein Rechtsmittelverzicht ist mit Abschluß der Beurkundung wirksam, BGH. LM. Nr. 1. Die Zurücknahme des Rechtsmittels, für welche keine Frist zu beachten ist, wirkt erst mit dem Zugang bei dem zuständigen Gericht. Vgl. § 347 Anm. 3. Insoweit greift nur Abs. 1 des § 299 ein. 5. Gemäß § 298 Abs. 2 gilt die Vorschrift auch für den gesetzlichen Vertreter des Beschuldigten, jedoch nicht für andere Personen, vgl. KG. GA. 70 340.
§ 300 Ein Irrtum in der Bezeichnung des zulässigen Rechtsmittels ist unschädlich. Entstehungsgeschichte: I., II. und III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: §342. Änderungsvorschläge: NE I und II § 305 Abs. 1. NE III § 296 Abs. 1. 1. Unrichtige Bezeichnung des Rechtsmittels. Bedingte Einlegung. Die Vorschrift regelt den Irrtum bei der Erklärung über Rechtsmittel, nicht den Irrtum im Beweggrund, Düsseldorf MDR. 1962 327. Wer klar zu erkennen gibt, daß er eine gerichtliche Entscheidung anfechte, sich bei ihr „nicht beruhigen wolle", aber das zulässige Rechtsmittel versehentlich unrichtig oder gar nicht bezeichnet, soll dadurch keinen Nachteil erleiden. Als eingelegt gilt „der durch die Rechtslage gebotene Rechtsbehelf", KG. DJZ. 1909 605. Maßgebend dafür ist der sachliche Inhalt der angefochtenen Entscheidung, Celle NRpfl. 1961 233. Wer dagegen, abgesehen von dem Sonderfall der Sprungrevision (darüber unter 2 d und § 335), das früher bewußt und gewollt eingelegte Rechtsmittel zufolge einer Sinnesänderung durch ein anderes ersetzen will, kann sich nicht auf den § 300 berufen, KleinknM 2a, M a n n h e i m JW. 1926 1250, F r a n k f u r t JW. 1927 932 (allg. Meinung). Aber nicht nur die versehentlich unrichtige Bezeichnung des Rechtsmittels ist unschädlich, Celle VRS. 15 58. Es ist an sich überhaupt nicht erforderlich, daß der Beschwerdeführer das Rechtsmittel, das er einlegen will, benennt, BGHSt. 2 67. In jeder Erklärung, der Beschwerdeführer wolle sich bei der bezeichneten Entscheidung nicht beruhigen, liegt die Einlegung des zulässigen Rechtsmittels. Dies wird auch für einen mit dieser Begründung eingereichten Antrag zu gelten haben, hierfür einen Verteidiger zu bestellen, Schwarz 1. Die Eingabe der durch eine gerichtliche Entscheidung beschwerten
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§300
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 2 Person, in welcher Änderung der Entscheidung begehrt wird, ist im Zweifel so aufzufassen, wie sie den meisten Erfolg verspricht, h. M., RGSt. 67 125, KG. HR. 6 Nr. 1571, DJZ. 1909 605. Der Anfechtungswille muß jedoch aus der Erklärung hervorgehen, E b S c h m i d t 2. Bei Auslegung des Anfechtungswillens kann die Person des Beschwerdeführers bedeutsam sein. Das gilt vor allem bei Beschränkung des Rechtsmittels auf Teile der angefochtenen Entscheidung. Rechtskundige sind hier regelmäßig beim Wort zu nehmen, bei Rechtsunkundigen ist großzügigere Auslegung am Platze. Vgl. KG. J R . 1950 633. Maßgebend für die Auslegung ist der Gesamtinhalt der Verfahrenserklärungen, BGHSt. 2 43, nebst den erkennbaren Erklärungsumständen, jedoch nicht außerhalb der Verfahrenserklärungen liegende Umstände. Das Rechtsmittelgericht hat die hiernach maßgebenden Erklärungen und Umstände pflichtgemäß insgesamt zu würdigen, BayObLG. NJW. 1960 1682. Vgl. dazu jedoch auch BayObLG. NJW. 1961 2317 (Bindung des RevGs.). Bedingte Erklärungen über Rechtsmittel sind nach herrschender Meinung unwirksam, weil das öffentlich-rechtliche Strafverfahren einen Schwebezustand hierin nicht ertrage, BGHSt. 5 183, RGSt. 67 83, 60 355,66 267, KG. HRR. 4 Nr. 398, D ü s s e l d o r f MDR. 1956 376, H a m m JMBNRW. 1956190, B r e m e n Rpfl. 1962 387. Die Sprungrevision (vgl. § 335) und bloße Rechtsbedingungen machen hiervon eine sachlich berechtigte und notwendige Ausnahme (Vorb. B 8 c). 2. Einzelfälle. Aus den zu 1 dargelegten Grundsätzen ergibt sich im einzelnen: a) Fehlende Bezeichnung. Ist das Rechtsmittel nicht bezeichnet, jedoch nur ein einziges Rechtsmittel zulässig, so ist dieses Rechtsmittel eingelegt. Erklärt der Beschwerdeführer später, dieses Rechtsmittel sei nicht gemeint, sondern ein anderes (gesetzlich nicht vorgesehenes), so gilt dies nur als Zurücknahme, wenn dem Beschwerdeführer die Unzulässigkeit jenes anderen Rechtsmittels an sich bekannt und wenn seiner Erklärung deutlich zu entnehmen ist, daß das zulässige Rechtsmittel keinesfalls verfolgt und die beanstandete Entscheidung jedenfalls auf diesem anderen Wege nicht angefochten werden solle. Fehlt die Bezeichnung und sind mehrere Rechtsmittel zulässig, so gelten die Grundsätze des § 335 (s. unten 2 d und bei § 335). b) Unklare Bezeichnung. Ist der Sinn der Erklärung zweifelhaft, so ist der Erklärende zu befragen, BGHSt. 2 67, E b S c h m i d t 2. Ergibt sich ein bloßer Bezeichnungsirrtum, so gilt das nunmehr Bezeichnete, zurückbezogen auf den Zeitpunkt der unklaren Bezeichung (sofern die Voraussetzungen zu 1 erfüllt sind). Die Rechtsmitteleinlegung ist rechtzeitig, wenn die erste Erklärung, unbeschadet späterer Erläuterung, fristgerecht abgegeben worden ist, E b S c h m i d t 2, K l e i n k n M 1. Kein bloßer Bezeichnungsirrtum im Sinne des § 300 ist es, wenn der Erklärende das Rechtsmittel, das er eingelegt hat, auch einlegen wollte, D ü s s e l d o r f MDR. 1962 327, aber weil er ein anderes irrig für unzulässig gehalten hat, KG. JW. 1925 1032, G o l d s c h m i d t JW. 1925 1032, U n g e r JW. 1927 2083. Dieser Standpunkt ist prüfungsbedürftig. Vgl. Celle VRS. 15 58. Sicher trifft er dann nicht zu, wenn der Erklärende jedenfalls das zulässige Rechtsmittel meint, aber die Zulässigkeit unrichtig beurteilt und aus diesem Grunde das unzulässige Rechtsmittel „will". Der rechtspolitische Sinn des § 300, ein Irrtum in der Bezeichung des z u l ä s s i g e n Rechtsmittels solle unschädlich sein, würde dadurch verfehlt. Dafür spricht auch, daß die Nichtbezeichnung des Rechtsmittels dem Erklärenden zugute gehalten wird (Anm. 2 a). Warum sollte es anders sein, wenn der Erklärende, statt nur seinen Anfechtungswillen kundzugeben, auch seinen (rechtlich unrichtigen) Gedankengang dazu offenbart. Nur wenn sich der Erklärende aus Rechtsirrtum auf ein bestimmtes Rechtsmittel versteift und kein anderes durchführen will, wird §300 unanwendbar bleiben müssen, D ü s s e l d o r f MDR. 1962 327. Erklärt jedoch der Beschwerdeführer, er lege Berufung ein, aber Revision, falls die Berufung unzulässig sei, so ist das Rechtsmittel ausreichend bezeichnet, BayObLGSt. 24 90, E b S c h m i d t 4. Im Gesuch um Erteilung einer Urteilsabschrift liegt für sich allein nicht die Einlegung eines Rechtsmittels, RG. Rspr. 1 110, sofern nicht weitere Umstände auf Anfechtung hindeuten. Ist Berufung und zugleich Revision eingelegt, beides innerhalb der Begründungsfrist an sich ordnungsgemäß begründet, die Wahl zwischen beiden Rechtsmitteln aber über die Begründungsfrist hinaus ausdrücklich vorbehalten, so wird das Rechtsmittel bei fortbestehendem Anfechtungswillen als (die umfassendere) Berufung zu behandeln sein. Das OLG. K ö l n NJW. 1954 692 will hier als unzulässig verwerfen. c) Klare, aber unrichtige Bezeichnung. Vgl. auch 2 b. Ist nur ein bestimmtes Rechtsmittel, etwa nur Revision, zulässig, so ist eine unrichtig als Berufung bezeichnete Anfechtung als Revision zu behandeln, und zwar auch schon von der Geschäftsstelle, RGSt. 68 298, RG. DRZ.J20
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Erster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen (Jagusch)
§ 300 Anm. 3 § 301 Anm. 1, 2
Nr. 854, R o s t o c k GA. 71 70. BayObLGSt. 1958 5 („Berufung "statt Revision), 1953 89 („Einspruch" statt Revision), KG. DJZ. 1909 605 (Antrag nach § 346 Abs. 2 statt Wiedereinsetzung). Erklärt der Beschwerdeführer später, er verharre bei dem unrichtig bezeichneten Rechtsmittel, und bekundet er weiterhin seinen Anfechtungswillen, so ist das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen, bei mangelndem Anfechtungswillen hat es als zurückgenommen zu gelten. d) Sprungrevision. Ist Berufung oder Revision wahlweise zulässig (§ 335), so braucht der Anfechtende innerhalb der Anfechtungsfrist nur zu erklären, er fechte das Urteil an. Bringt er dann innerhalb der Revisionsbegründungsfrist die Revisionsanträge mit Begründung nicht oder nicht formgerecht an, so ist das Rechtsmittel als Berufung zu behandeln, BGHSt. 2 63 mit eingehender, überzeugender Begründung, S e i b e r t JZ. 1951 216 mit Rspr., KleinknM 3a, E b S c h m i d t 3, München NJW. 1949 436, H a m m MDR. 1951 244, N ü r n b e r g NJW. 1950 516, BayObLGSt. 1949/51 404, Köln NJW. 1954 692, (a. M. RGSt. 60 356, DRZ. 20 Nr. 854, KG. HR. 4 Nr. 298, Manheim JW. 1927 916, Schwarz 3). Näher dazu § 335. e) Die Rechtsmittelfrist (Einlegungsfrist) ist im Bereich des § 300, also des bloßen Bezeichnungsirrtums, ohne Bedeutung. Es gilt, zurückbezogen auf den Zeitpunkt der Anfechtung, das günstigste (umfassendste) zulässige Rechtsmittel als gewollt. Nur wenn der Beschwerdeführer trotz bloßen Bezeichnungsirrtums widerspricht (er erklärt, statt der allein zulässigen Revision die nicht zulässige Berufung durchführen zu wollen, vgl. § 313), ist die Einlegungsfrist wegen der Rechtsfolgen bedeutsam: Klarstellung vor Fristablauf führt zur Verwerfung der Berufung als sachlich unzulässig, Erklärung nach Fristablauf hat zur Folge, daß die Revision als zurückgenommen gilt, die Berufung aber wegen verspäteter Einlegung als unzulässig zu verwerfen ist. Im Ergebnis ist die Unterscheidung ohne Bedeutung. 3. Entsprechende Anwendung. Die Grundsätze des § 300 gelten nicht nur für Rechtsmittel im engen Sinne, sondern auch für alle Rechtsbehelfe, also für den Einspruch, den Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts nach § 346 Abs. 2, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die Wiederaufnahme des Verfahrens, RGSt. 67 125, BayObLGSt. 10 57, KG. DJZ. 1909 605, KleinknM 5. Ein Gesuch um Wiedereinsetzung kann daher als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 346 Abs. 2) aufgefaßt werden.
§
3 0 1
Jedes Ton der Staatsanwaltschaft eingelegte Rechtsmittel hat die Wirkung, daß die angefochtene Entscheidung auch zugunsten des Beschuldigten abgeändert oder aufgehoben werden kann. Entstehungsgeschichte: II. Entw. §245. III. Entw. §289. Frühere Bezeichnung: §343. Änderungsvorschläge: NE I und II § 301 Abs. 2. NE III § 293 Abs. 2. 1. Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft. Favor defensionis. Legt nur der Beschuldigte ein Rechtsmittel ein, oder die Staatsanwaltschaft zu seinen Gunsten (§ 296 Abs. 2), so kann das Urteil in Art und Höhe der Strafe nicht zu seinem Nachteil geändert werden (§§ 331, 358 Abs. 2). Dieselbe Rechtswirkung tritt ein, wenn die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel z u u n g u n s t e n des Beschuldigten einlegt, die angefochtene Entscheidung aber daraufhin zugunsten des Beschuldigten geändert wird. Ist ein solches Rechtsmittel zulässig und unbeschränkt eingelegt, so führt es stets zur Gesamtüberprüfung der angefochtenen Entscheidung. Rechtsfehler zum Nachteil des Beschuldigten sind ebenso zu beseitigen wie solche zu seinem Vorteil. Hat das zuungunsten eingelegte Rechtsmittel zugunsten des Beschuldigten Erfolg, so tritt auch hier die Sperrwirkung der §§ 331, 358 Abs. 2 ein, BGHSt. 13 41. Sie fehlt nur bei erfolgreichem Rechtsmittel zuungunsten. 2. Die Vorschrift des § 301 gilt nur, soweit das Rechtsmittel zulässig, ordnungsgemäß eingelegt und nicht wirksam beschränkt, soweit also nicht Rechtskraft eingetreten ist (§§ 327, 353), E b S c h m i d t 2,3, KleinknM 1, RGSt.63186. Sind mehrere selbständige Handlungen abgeurteilt und ist das Rechtsmittel wirksam auf eine von ihnen beschränkt, so wird das Urteil, soweit es rechtskräftig geworden ist, nicht mehr geprüft. Hat der Staatsanwalt die Berufung auf den Strafausspruch beschränkt, so ist der Schuldspruch rechtskräftig, RGSt. 42 30, 243, 45 150, 47 382, 65 296, BayObLGSt. 3 45, 17 113, H a m m HESt. 2 124. A. M. noch RGSt. 22 217.
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§ 301 Anm. 3—9 §302
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
3. Zugunsten des Beschuldigten. Die StPO. sieht einseitige (relative) Rechtskraft nur zugunsten des Beschuldigten vor. Ein von ihm zu seinen Gunsten eingelegtes Rechtsmittel kann nicht dazu führen, daß das Urteil in Art und Höhe der Strafe zu seinem Nachteil geändert wird (Anm. 1, §§ 331, 358 Abs. 2, 373 Abs. 2). Dies kann nur ein zuungunsten eingelegtes, erfolgreiches Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft, des Privat- oder Nebenklägers bewirken. Eine dem Beschuldigten nachteilige einseitige Rechtskraft ist nicht vorgesehen. Sie würde dem Wesen des Strafverfahrens und der Aufgabe der Staatsanwaltschaft widersprechen (vgl. § 166). Nach § 301 bleibt daher die Sache auch dann zugunsten des Beschuldigten rechtshängig, wenn das Rechtsmittel seine härtere Bestrafung bezweckt, jedoch eine mildere erreicht. Ebenso H a m m N J W . 1953 119, E b S c h m i d t 4. 4. Mußvorschrift. Der § 301 ist zwingend. Das „kann" besagt nur, daß das Rechtsmittelgericht ohne Bindung an den vom Beschwerdeführer verfolgten Rechtsmittelzweck (Anm. 1) und ohne Ermessensspielraum diejenige Entscheidung zu fällen hat, die dem Gesetz nach Sachlage entspricht. Auch wenn das Rechtsmittel Erschwerung des Schuldspruchs oder schwerere Bestrafung erstrebt, ist bei Rechtsfehler der Schuldspruch zugunsten des Beschuldigten zu ändern oder die Strafe zu mildern, H a m m NJW. 1953 118, E b S c h m i d t 6, KleinknM 2. 5. Zurückverweisung. Dieselben Grundsätze gelten, wenn das Revisionsgericht selbst entscheidet (364 Abs. 1), wie wenn es die Sache zurückverweist (§ 364 Abs. 2), und entsprechend für das Berufungsgericht (§ 328). Die Vorschrift des § 368 Abs. 1 über die Bindung an die Aufhebungsansicht des Revisionsgerichts gilt auch hier. Wirkt das zuungunsten des Beschuldigten eingelegte Rechtsmittel zu seinen Gunsten, so gilt von jetzt ab das Verschlechterungsverbot der §§ 331, 368 Abs. 2. 6. Entscheidungen des Amtsrichters und des Schöffengerichts. Hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, und zwar auch zuungunsten des Beschuldigten, so steht diesem, mit Ausnahme der im § 313 bezeichneten Fälle, die Revision selbst dann zu, wenn er kein Rechtsmittel eingelegt hatte. Mit Rücksicht auf die Berufung der Staatsanwaltschaft ist die Sache auch zu seinen Gunsten rechtshängig geblieben (Anm. 3). Hat umgekehrt nur der Beschuldigte erfolglos Berufung eingelegt, so tritt für ihn einseitige (relative) Rechtskraft ein. Die Staatsanwaltschaft kann jetzt nur noch zu seinen Gunsten (§ 296 Abs. 2) Revision einlegen (Anm. 1). Ebenso E b S c h m i d t 7. 7. Entsprechende Anwendung. Der Grundsatz des § 301 gilt entsprechend für Rechtsmittel des Privatklägers (§ 390), des Nebenklägers (§ 401), für das Wiederaufnahmeverfahren (§ 366) und für die Rechtsbeschwerde der Verwaltungsbehörde (vgl. §§ 66 Abs. 2, 66 OWiG.), E b S c h m i d t 1, Bay Ob LG. MDR. 1954 376, BayObLGSt. 1953 169, H a m m HESt. 2 124, ferner schon RGSt. 22 213, 217, 41 439, 45 326, 61 191. 8. Die Revision eines Mitbeschuldigten kommt nach § 357 dem Beschuldigten zugute, eine Berufung nicht. 9. Form der Entscheidung. Hat die Staatsanwaltschaft zuungunsten, der Verteidiger oder gesetzliche Vertreter des Beschuldigten zu dessen Gunsten oder dieser selbst ein Rechtsmittel eingelegt, und erweist es sich als begründet, so ist das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zu verwerfen und auf das Rechtsmittel des Beschuldigten gemäß den §§ 328 bzw. 354 zu entscheiden, E b S c h m i d t 8, KleinknM 3.
§ 302 (1) Die Zurücknahme eines Rechtsmittels sowie der Verzicht anf die Einlegung eines Rechtsmittels kann auch vor Ablauf der Frist zu seiner Einlegung wirksam erfolgen. Ein von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel kann jedoch ohne dessen Zustimmung nicht zurückgenommen werden. (2) Der Verteidiger bedarf zur Zurücknahme einer ausdrücklichen Ermächtigung. Entstehungsgeschichte: I. Ent. §238. II. Entw. §244. III. Entw. §288. Frühere Bezeichnung: § 344. Änderungsvorschläge: NE I § 306. NE III § 297. Schrifttum: F r i e d l ä n d e r GS. 58 401, Kies JZ 1958 343, Hegler GS. »5 196.
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Erster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen (Jagusch)
§ 302 Anm. 1—8
1. Zurücknahme des Rechtsmittels. Rechtsmittelverzicht. Beides sind unstreitig zulässige Prozeßhandlungen. Wegen ihrer besonderen Bedeutung für das Verfahren sieht die Vorschrift des § 302 bei ihnen jedoch einschränkende Sicherungen zugunsten des Beschuldigten vor. Dieser Grundgedanke der Vorschrift muß ihre Auslegung und Anwendung im Einzelfalle bestimmen. Da Zurücknahme, Verzicht und Ermächtigung Prozeßhandlungen sind, setzen sie nicht voraus, daß im Zeitpunkt ihrer Vornahme bürgerliche Geschäftsfähigkeit besteht, wohl aber prozeßrechtliche Verhandlungsfähigkeit, RGSt. 64 14, BayObLG. 33 66, D r e s d e n LZ. 11 495, Neus t a d t Rpfl. 1957 249, E b S c h m i d t 1, KleinknM 1, a. M. noch Hegler GS. 95 195. Sie ist durch Freibeweis zu prüfen, sofern Zweifel bestehen, und zwar hinsichtlich eines selbst erklärten Verzichts wie hinsichtlich der Ermächtigung zum Verzicht nach Abs. 2, BGH. 1 StR 738/54 vom 21.1. 55, D a l i i n g e r MDR. 1955 272. Die Verhandlungsfähigkeit, eine Verfahrensvoraussetzung (vgl. § 205), ist die unter Umständen wechselnde körperliche und geistige Fähigkeit, den Verfahrenserörterungen zu folgen oder eine Prozeßhandlung mit Verständnis vorzunehmen. Maßgebend dafür ist stets die jeweilige Sachlage. Übermäßige Anforderungen sind hierbei nicht zu stellen. Auch Geisteskrankheit, Mängel der geistigen Entwicklung, Taubstummheit schließen die Verhandlungsfähigkeit je nach Sachlage nicht stets aus, vgl. RGSt. 52 36, 70176, E b S c h m i d t 1 130. Vgl. H a m m Rpfleger 1952492 (Stotterer). §302 Abs. 2 gilt im Bußgeldverfahren nicht, B r a u n s c h w e i g JZ. 1953 285. Zum Absatz 1: 2. Zeitpunkt der Erklärung. Zurücknahme und Verzicht können wirksam vor Ablauf der etwaigen Rechtsmittelfrist erklärt werden, wie Abs. 1 ausdrücklich ergibt. Unzweifelhaft ist es auch, daß Zurücknahme und Verzicht vom Beginn der Rechtsmittelfrist ab zulässig sind, RGSt. 2 78, RG. LZ. 22 368, München 6 352, sobald die Entscheidung mit Gründen verkündet ist, RG. JW. 1894 396, E b S c h m i d t 4, KG. JW. 1930 2079, E r b s IV. Dasselbe gilt auch für die einfache Beschwerde, B r e s l a u GA. 42 149, F r i e d l ä n d e r GS. 68 404. KleinknM 2d wollen Zurücknahme und Verzicht bereits vom Erlaß der Entscheidung ab zulassen, also unter Umständen bereits vor Beginn der Rechtsmittelfrist. Bei Entscheidungen, welche nicht begründet werden, ist das unbedenklich, H a m m NJW. 1957 883, weil der Beschwerdeführer hier nicht in die Lage kommt, sich mit den Gründen der Entscheidung auseinanderzusetzen und seinen Entschluß, ein Rechtsmittel zu ergreifen, von ihrem Inhalt abhängig zu machen. Unbedenklich ist es auch, soweit der Rechtsmittelberechtigte der Verkündung der Urteilsgründe beigewohnt hat, H a m m HRR. 3 210. Es entspricht dem Grundgedanken des §302 (vgl. Anm. 1), Zurücknahme und Verzicht frühestens zuzulassen, sobald dss Urteil vollständig verkündet ist, bei Abwesenheit des Beschwerdeführers, sobald diesem die Urteilsgründe bekanntgeworden sind. Auf Bekanntgabe durch formelle Zustellung dürfte es dabei nicht ankommen (Freibeweis) (anders RG. JW.28395, KG. JW.1980 2079). Maßgebend ist, daß dem Betroffenen anderseits auch ermöglicht werden muß, Rechtskraft und Vollstreckung so rasch herbeizuführen, als wichtige öffentliche Belange dies zulassen. Vgl. auch Müller NJW. 1957 1347. 3. Form der Erklärung. Eine bestimmte Form ist für Zurücknahme und Verzicht nicht vorgeschrieben. Daher gelten dieselben Grundsätze wie für die Einlegung von Rechtsmitteln (Vorbem. B 8, §§ 306, 314, 341). Die Erklärung muß schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle abgegeben werden, RGSt. 82 279, BayObLGSt. 18 16, B r e m e n MDR. 1951 696, München 9 281, H a m b u r g HESt. 3 59, E b S c h m i d t 2, KleinknM 2. Ein nach der Urteilsverkündung erklärter, in der Hauptverhandlungs-Niederschrift beurkundeter Verzicht ist wirksam, RG. Rspr. 2 562, RG. Recht 25 2086, H a m b u r g HESt. 3 58, jedoch steht er nicht unter der Beweisgarantie des §274, RGSt. 40 134, 66 417, N ü r n b e r g NJW. 49 519, H a m b u r g HESt. 3 57. Daher unterliegt er dem Freibeweis, BGH. LM. Nr. 7 (wo Freibeweis erhoben worden ist). So auch E b S c h m i d t 3. Wird Rücknahme oder Verzicht in der Verhandlung vor dem Rechtsmittelgericht erklärt, so ist dies nach § 273 mit der Folge der Rechtsvermutung des § 274 zu beurkunden, RGSt. 66 417. Ein bloßer Protokollvermerk des Erstgerichts über die „um zehn Uhr eingetretene Rechtskraft" genügt mangels Angabe der zugrunde liegenden Tatsachen nicht, B r e m e n MDR. 51 696, E b S c h m i d t 2. Ist der Verzicht nicht in die Sitzungsniederschrift aufgenommen, sondern vom Urkundsbeamten besonders beurkundet oder am Schluß der Niederschrift als Zusatz beigefügt, so ist die Erklärung formgültig abgegeben. Ist die Beurkundung des mündlich erklärten Verzichts versehentlich unterblieben, so ist er unwirksam, BayObLGSt. 18 16, BayZ. 14 157, M ü n c h e n S t . 9 281, Hamburg HESt. 3 58, und wird auch durch nach-
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Anm. 4—6 trägliche „Berichtigung" des Protokolls nicht wirksam, S c h l e s w i g SchlHA. 1959 157. Der noch nicht bei Gericht eingegangene Verzicht kann formlos als unwirksam erklärt werden, H a m b u r g NJW. 1960 1969. Vgl. Anm. 6 c. 4. Inhalt der Erklärung. Rücknahme und Verzicht müssen ausdrücklich erklärt, die Erklärung muß hinreichend deutlich sein. Sie muß den auf Zurücknahme oder Verzicht gerichteten Willen des Erklärenden hinlänglich ausdrücken, ohne daß es auf Ausdrücke wie „Rücknahme", „Verzicht" oder „verzichten" ankommt, RGSt. 2 78, 58 373, 66 267, K o b l e n z DRZ. 1949 453, E b S c h m i d t 3, v. K r i e s 642, F r i e d l ä n d e r GS. 58 407. Maßgebend ist der Gesamtsinn der Erklärung, H a m b u r g HESt. 3 58 (z. B. keine Rücknahme, wenn der Beschwerdeführer auf Befragen zunächst erklärt, er wolle kein Rechtsmittel durchführen, auf nochmalige Frage, er wolle es sich noch überlegen). Es kommt auf den wirklichen Willen zur Zeit der Erklärung an, sofern er in der Erklärung noch ausgedrückt gefunden werden kann, vgl. BGH. JZ. 1952 568 (Mehrdeutigkeit der Erklärung, der Angeklagte „nehme das Urteil an"), BGH. J R 1952 483, K o b l e n z DRZ. 1949 453. Zur Berichtigung bloßen Motivirrtums darf das freilich nicht führen. Auch Erklärungsirrtum bleibt ausgeschlossen. Die bloße Verneinung der Frage des Vorsitzenden, ob ein Rechtsmittel beabsichtigt sei, ist noch kein Verzicht, H a m m JW. 1985 2398, vgl. auch H a m b u r g NJW. 1958 1726. Die bloße Erklärung, das Urteil annehmen oder die Strafe sofort antreten zu wollen, genügt nur, wenn feststeht, daß der Angeklagte damit den Willen ku'ndgeben wollte, das Urteil nicht anzufechten, BGH. JZ. 1952 568, RG. JW. 1890 108. Kein Verzicht liegt vor, wenn der Angeklagte nur deswegen erklärt, er unterwerfe sich dem Urteil, weil der Vorsitzende ihn rechtsirrig dahin belehrt hat, Revision gegen das Urteil finde nicht statt, RG. JW. 1933 1069 Nr. 22, B r e m e n JZ. 1955 680. Vgl. auch BayObLGSt. 51 556 (Zurücknahme infolge irriger Belehrung durch das Gericht). In dem Antrag des Sitzungsvertreters der Staatsanwaltschaft, deren Berufung zu verwerfen, liegt keine Zurücknahme des Rechtsmittels, H a m b u r g NJW. 1953 1726. Ist Sprungrevision gewählt, so liegt darin ein Verzicht auf Berufung, RGSt. 60 357, RG. DRZ. 21 208. In der wirksam gewordenen Zurücknahme eines Rechtsmittels liegt nach herrschender Meinung zugleich ein Verzicht auf wiederholte Einlegung auch innerhalb der Rechtsmittelfrist (vgl. jedoch Anm. 6d). 5. Teilweise Zurücknahme. Teilverzicht. Soweit das Rechtsmittel nach allgemeinen Grundsätzen auf einen Teil der angefochtenen Entscheidung beschränkt werden kann, sind auch teilweise Zurücknahme und Teilverzicht möglich. So etwa, wenn mehrere selbständige Handlungen abgeurteilt worden sind, RG. Rspr. 4 732. Näheres hierüber bei § 318. Ist nur eine Tat abgeurteilt, so ist Beschränkung auf den Strafausspruch möglich. Sind mehrere Straftaten abgeurteilt, begangen teils als Erwachsener, teils als Heranwachsender, so kann die Rüge der sachlichen Unzuständigkeit auf einen selbständig anfechtbaren Urteilsteil beschränkt werden, BGHSt. 10 100. Vgl. KG. VRS. 8 462. Ein Teilverzicht kann darin liegen, daß das Rechtsmittel von vornherein oder nachträglich auf einen selbständig anfechtbaren Teil der Entscheidung beschränkt wird, RGSt. 65 235, BayObLGSt. 1950/51, 562. Jedoch muß jeder Zweifel an diesem Willen des Beschwerdeführers nach den Umständen ausgeschlossen sein, RGSt. 39 394, 42 242, 58 372, 64 164, RG. ZStW. 47 Beil. 269. Im Zweifel ist der Beschwerdeführer zu befragen (vgl. Anm. 4). Ist die Revision unbeschränkt eingelegt, beschränkt sich die Revisionsbegründung aber auf trennbare Teile des Urteils, so liegt hierin keine Teilrücknahme, vielmehr ist die Revision, soweit nicht formgerecht begründet, unzulässig, BGH. LM. Nr. 1, RG. HRR. 1940 346. Ist der Verteidiger zur Beschränkung des Rechtsmittels nicht ermächtigt (Abs. 2), so ist der in der beschränkten Einlegung liegende Teilverzicht zwar unwirksam, das Rechtsmittel gilt aber nicht als unbeschränkt eingelegt, BGHSt. 3 46. 6. Wirksamkeit der Erklärung. a) Die Wirksamkeit der Erklärung hängt von der Verhandlungsfähigkeit des Erklärenden bei Abgabe ab. Darüber s. Anm. 1. b) Eine bedingte Erklärung, sofern nicht eine bloße Rechtsbedingung vorliegt, ist unwirksam, weil Rechtsmittelerklärungen keinen Schwebezustand vertragen (vgl. Vorbem. B 8c und § 300 Anm. 1). Unwirksam ist daher die Erklärung vor dem Berufungsgericht, der Angeklagte ziehe die Berufung zurück, falls nicht vertagt werde, RGSt. 66 267, BayObLGSt. 34 18, JR. 1935 HRR. 826, K a r l s r u h e DRZ. 24 Nr. 693, K a s s e l HESt. 2 132. Ein Rechtsmittel kann jedoch
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zurückgenommen werden, um es rechtzeitig durch ein anderes zu ersetzen; darin liegt kein Verzicht auf jedes Rechtsmittel, sondern die lediglich rechtlich und daher zulässig bedingte Rücknahme nur für den Fall der Zulässigkeit des beabsichtigten Rechtsmittels, BayObLGSt. 54 110. c) Eingang bei Gericht. Zurücknahme und Verzicht müssen, um wirksam zu sein, dem Gericht gegenüber erklärt worden sein, RGSt. 1 92, RGRspr. 1 423, Recht 7 Nr. 427. Empfänger der Erklärung ist das Erstgericht, solange die Akten noch nicht an das Rechtsmittelgericht abgegeben worden sind, von da ab das Rechtsmittelgericht, BGH. LM. Nr. 2, RGSt. 77 370, J e n a HRR. 37 1204, a. M. noch RG. III 1240/32 v. 22.12. 32. Geht die vom Erstgericht weitergeleitete Rücknahmeerklärung erst nach Entscheidung durch das Rechtsmittelgericht dort ein, so bleibt es bei dieser Entscheidung, BGH. LM. Nr. 2. Dies setzt voraus, daß das Rechtsmittelgericht unverzüglich, notfalls fernmündlich oder telegrafisch, vom Eingang der Zurücknahme benachrichtigt wird. Mit dem Eingang bei dem zuständigen Gericht ( N e u s t a d t NJW. 1962 359) wird die angefochtene Entscheidung rechtskräftig. Eine dennoch ergehende spätere Rechtsmittelentscheidung ist gegenstandslos, KleinknM 2e. Ein mündlicher Verzicht des Untersuchungsgefangenen gegenüber Gefängnisbeamten ist unwirksam (Anm. 3). Unterzeichnet der Verurteilte eine Niederschrift des Gefängnisbeamten (nicht des zuständigen Urkundsbeamten), so wird diese mit dem Eingang bei dem zuständigen Gericht wirksam, ebenso liegt es bei der Niederschrift eines Kanzleibeamten der Staatsanwaltschaft, sobald diese Niederschrift unterzeichnet bei dem zuständigen Gericht eingeht, RG. Recht 18 Nr. 2958, JW. 1916 1541, Recht 20 Nr. 2174. Wird der Verzicht von dem Urkundsbeamten des für die Haftanstalt zuständigen Amtsgerichts beurkundet, so soll er gemäß § 299 bereits mit dem Abschluß der Beurkundung wirksam sein, nicht erst mit dem Eingang bei dem zuständigen Gericht (BGH. LM. § 299 Nr. 1, RG. GA. 50 276, 74 283). Diese Ansicht überzeugt nicht. § 299 bildet die Ausnahme nur gegenüber den Vorschriften der §§ 306 Abs. 1, 341 Abs. 1, 345 Abs. 2. Bei der Kürze der Rechtsmittelfristen will er die formgerechte, rasche Niederschrift gewährleisten und unverschuldete Verzögerungen und damit verbundene begründete Wiedereinsetzungsgesuche hintanhalten. Eine Ausnahme von dem § 302 sieht er nicht vor, eine Schlechterstellung des verhafteten Verurteilten bezweckt er nicht. Das geht schon aus dem Wahlrecht des Häftlings hervor, der von der Möglichkeit des § 299 nicht Gebrauch machen m u ß (vgl. dort Anm. 1). In dem BGH. LM. Nr. 1 entschiedenen Fall steht der verhaftete Angeklagte schlechter als ein auf freiem Fuß befindlicher. Ein überzeugender Grund dafür besteht nicht. — Geht die Erklärung, durch welche ein Rechtsmittel eingelegt wird, beim zuständigen Gericht früher ein als der später abgesandte Verzicht auf Rechtsmittel, so gilt der Verzicht. Vgl. BGH. NJW. 1960 2202. Ist der Verzicht früher abgesandt, geht er aber erst nach der Rechtsmitteleinlegung ein, so ist er überholt und das Rechtsmittel wirksam eingelegt, H a m b u r g NJW. 1952 638, E b S c h m i d t 3. Bis zum Eingang des Verzichts bei dem zuständigen Gericht ist er formlos ( H a m b u r g NJW. 1960 1969) widerruflich, auch durch Einlegung eines Rechtsmittels, RG. HRR. 39 819. Gehen Revisionseinlegung und Rechtsmittelverzicht an demselben Tage bei dem zuständigen Gericht ein, ohne daß sich die Reihenfolge des Eingangs feststellen läßt, so ist, nach BGH. LM. § 349 Nr. 2, das Rechtsmittel nicht für erledigt zu erklären, sondern als unzulässig zu verwerfen, weil es sich nicht ausschließen lasse, daß der Verzicht, bei früherem Eingang, bereits Rechtskraft herbeigeführt haben könne. Die Begründung überzeugt nicht. Der Zufall, ob die Uhrzeit des Eingangs vermerkt oder nicht vermerkt oder ob die Reihenfolge anderweit ermittelt werden kann, was sich nicht gänzlich ausschließen läßt, sollte nicht über derart einschneidende Rechtsfolgen zum Nachteil des Verurteilten entscheiden. Entsprechend dem im § 300 ausgedrückten Rechtsgedanken sollte vielmehr die dem Verurteilten und dem Bestand des Rechtsmittels günstige Beurteilung Platz greifen. Ist die Justizverwaltung sogar in Grundbuchsachen zur Feststellung der Uhrzeit des Eingangs verpflichtet, so ist nicht einzusehen, warum in Strafsachen geringere Anforderungen ausreichen sollten. Wie hier jetzt BGH. NJW. 1960 2202. d) Kein Widerruf der Erklärung. Die öffentliche Bedeutung des Strafprozesses fordert zweifelsfreien Bestand und unbedingte Wirksamkeit der Prozeßhandlungen, durch welche ein Rechtsmittel eingelegt, auf ein solches verzichtet oder es zurückgenommen wird, BayObLG. DRZ. 19 Nr. 1098. Hieraus ergibt sich: Die Zurücknahme enthält einen Verzicht auf das Rechtsmittel und schließt daher wiederholte Einlegung, auch innerhalb der Rechtsmittelfrist, aus, RG. GA. 74 283, RGSt. 40 135, 57 83, 64 166, BGH. NJW. 1957 1040, N e u s t a d t Rpfleger 1957 249, jedoch wohl nur mangels ausdrücklichen Vorbehalts der Neueinlegung (vgl. Königsberg GA. 71 269, vgl. auch RGZ. 91 186 und die Rspr. zu dem allerdings — „Verlust des ein76
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Anm. 7, 8 gelegten Rechtsmittels" — anders gefaßten § 515 ZPO.). Das Strafprozeßrecht enthält keinen Grundsatz, der zur Vermutung des Zusammenfallens von Zurücknahme und Verzicht geradezu zwingt. Wirtschaftliche Gründe, die oftmals zur Zurücknahme führen, können in Zivil- wie Strafsachen später wegfallen (Anwaltsgebühren) und dann die Wiedereinlegung des Rechtsmittels nahelegen, zumal die Rechtsmittelfristen im Strafverfahren kurz sind. Überprüfung dieser Rechtsprechung empfiehlt sich daher. — Die w i r k s a m gewordene Zurücknahme und der wirksame Verzicht sind unanfechtbar und unwiderruflich (Prot. S. 629), BGH. JZ. 1952 273, RG. Rspr. 1 650, RGSt. 2 79, 32 280, 39 394, 40 135, 57 83, 64 14, 166, RG. LZ. 9 146,13 1144,GA. 74 283, JW. 1932 404 Nr. 9, N e u s t a d t Rpfleger 1957 249. Dasselbe gilt für den Teilverzicht, die teilweise Zurücknahme und für die Beschränkung des Rechtsmittels auf trennbare Beschwerdepunkte (s. die §§ 318, 344), BayObLGSt. 2 24, E b S c h m i d t 3, K l e i n k n M 4, Klee GA. 68 286. Anfechtung wegen Irrtums ist ausgeschlossen, RGSt. 57 83, 40 133, 60 355, 64 15, vgl. RGZ. 81 177, 105 355, B r e m e n NJW. 1961 2271, S a u e r Grundlagen 172, Graf D o h n a 187, a. M. R o s t o c k ZStW. 44 192, G e r l a n d JW. 1930 2568 Anm. 38. Zur Drohung BGHSt. 17 14. Die Vorschrift des § 136 a ist nicht entsprechend anzuwenden, BGHSt. 17 14. Um so schärfer ist zu prüfen, ob eine undeutliche Erklärung wirklich Verzichtswillen ausdrückt, BGH. JZ. 1952 568. Hat der Verteidiger mit wirksamer Ermächtigung auf Rechtsmittel verzichtet oder es mit Verzichtswillen zurückgenommen, so kann der Angeklagte, da beide dasselbe Recht ausüben, kein Rechtsmittel mehr einlegen und umgekehrt. Vgl. KG. HRR. 7 Nr. 721. Der noch nicht eingegangene Verzicht kann formlos als gegenstandslos erklärt werden (s. Anm. 3, 6c). 7. Zurücknahme eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft. Zuständig zur Zurücknahme ist die Staatsanwaltschaft, die das Rechtsmittel eingelegt hat, oder der ihr vorgesetzte Generalstaatsanwalt, nicht die aufsichtsführende Landesjustizverwaltung (§ 147). Nach Eingang der Akten bei dem Rechtsmittelgericht ist auch die Staatsanwaltschaft dieses Gerichts zur Zurücknahme befugt, wie sich aus § 145 GVG. ergibt. Der Generalbundesanwalt ist den Staatsanwälten der Länder nicht vorgesetzt (§ 147 GVG.) und daher zur Zurücknahme nicht befugt. Jedoch braucht er das Rechtsmittel nicht zu vertreten. 8. Die Zurücknahme eines von der Staatsanwaltschaft zugunsten des Beschuldigten eingelegten Rechtsmittels ist nur mit dessen Zustimmung zulässig, weil er wegen des staatsanwaltschaftlichen Rechtsmittels von der Einlegung eines eigenen abgesehen haben kann und dadurch nicht benachteiligt werden darf (Bericht RTK. S. 85, vgl. § 296 Anm. 5). Zugunsten des Beschuldigten ist das Rechtsmittel eingelegt, wenn es ausschließlich bezweckt, rechtliche Gesichtspunkte durchzusetzen, die ihn günstiger stellen. Darüber hat sich die Staatsanwaltschaft stets zu erklären (RiStV. Ziff. 130, § 296 Anm. 5). Maßgebend ist der Gesamtinhalt der Rechtsmittelerklärung, gesehen im Lichte der jeweiligen Sachlage, vgl. BGHSt. 2 41, RGSt. 5 218 und § 296 Anm. 5. Wirft das Rechtsmittel nach seiner Begründung, zu welcher die allgemeine Sachrüge gehört, Rechtsfragen a u c h zuungunsten des Beschuldigten auf, so ist es nicht nur zu seinem Gunsten eingelegt (§ 296 Anm. 5). Umstände außerhalb der Rechtsmittelerklärung bleiben bei der Prüfung außer Betracht, BGHSt. 2 41. Ein hiernach nicht nur zugunsten des Beschuldigten eingelegtes Rechtsmittel darf die Staatsanwaltschaft, soweit nicht § 303 eingreift, nach pflichtgemäßem Ermessen zurücknehmen oder beschränken, RGSt. 5 221. Erst die Zustimmung des Beschuldigten macht die Erklärung wirksam. Sie ist nicht formgebunden und durch Freibeweis zu ermitteln. Zustimmen kann nur, wer die Tragweite der Zustimmung erkennt, den Zustimmungswillen hat und ihn hinreichend erklärt. Dazu wird bloßes Schweigen des Beschuldigten in der Hauptverhandlung zu der Erklärung des Staatsanwalts meist nicht genügen, die Erklärung der Zustimmung wird nur bei vorheriger Klarstellung ihrer Tragweite und Rechtsfolge ausreichen. Der Beschuldigte kann den Verteidiger ausdrücklich ermächtigen, die Zustimmung für ihn abzugeben, E b S c h m i d t 7, a. M. K o b l e n z NJW. 1951933. Die Ermächtigung zur Zurücknahme nach Abs. 2 erstreckt sich darauf nicht. Die Ermächtigung zur Zustimmung wird, legt man die wohl herrschende Meinung zur Zurücknahmeermächtigung nach Abs. 2 zugrunde, bereits in der Prozeßvollmacht allgemein erteilt werden können. Jedoch ist dies aus denselben Gründen wie dort bedenklich (s. Anm. 10 c). Bloßes Schweigen des Beschuldigten zur Zustimmungserklärung des anwesenden Verteidigers enthält regelmäßig keine wirksame Genehmigung der Zustimmung. Rechtserhebliche Prozeßerklärungen müssen nicht nur hinsichtlich der Einlegung von Rechtsmitteln klar sein, sondern auch in Bezug auf ihr weiteres
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Schicksal (dazu P u s i n e l l i NJW. 1951 933). Daher darf die Zustimmung auch nur mit einer Rechtsbedingung verbunden sein. 9. Für die Zurücknahme eines vom gesetzlichen Vertreter des Beschuldigten eingelegten Rechtsmittels gilt der Grundsatz des § 302 Abs. 1 Satz 2 entsprechend, weil die Interessenlags dieselbe ist, Düsseldorf NJW. 1957 840. In den Anmerkungen 2 und 5 zu § 298 ist dies näher dargelegt. Zwar ist der gesetzliche Vertreter selbständig zum Rechtsmittel befugt, aber nur zugunsten des Beschuldigten, da ihm dieses Recht nur in dessen Interesse zusteht. Der Beschuldigte kann von selbständiger Einlegung mit Rücksicht auf das Vorgehen des Vertreters abgesehen haben. Das darf ihm keinen Nachteil eintragen (vgl. MünschenSt. 3 692, B i n d i n g 253, Düsseldorf JMB1NRW. 57 83). AM. RGSt. 28 386, v.Schwarze HH. 2 263, v. Kries 644, S t e n g l e i n 7, B e n n e c k e - B e l i n g 447 Anm. 8. Umgekehrt kann der minderjährige Beschuldigte auf das eigene Rechtsmittel ohne Zustimmung des Vertreters wirksam verzichten, RG. Rspr. 1 650, D r e s d e n SächsOLG. 28 98. Dessen Rechtsmittel kann unabhängig hiervon durchgeführt werden, weil es selbständig aus eigenem Recht eingelegt ist (§ 298 Anm. 3). Zum Absatz 2: 10. Zurücknahme durch den Verteidiger. a) Einheitliches Rechtsmittel. Erklärungen des Beschuldigten und eines oder mehrerer Verteidiger betreffen, anders als im Falle des gesetzlichen Vertreters nach § 298, stets dasselbe Rechtsmittel, nicht mehrere selbständige, BGH. 2 StR 563/59 v. 4. 12. 1959. Daher geht bei widersprechenden wirksamen Erklärungen die des Beschuldigten vor. Auch kann jeder Verteidiger, wirksame Ermächtigung nach Abs. 2 vorausgesetzt, BGHSt. 9 358, das vom Beschuldigten oder dem anderen Verteidiger eingelegte Rechtsmittel zurücknehmen, und zwar selbst gegen den Widerspruch des Beschuldigten, wenn dieser erst nach Eingang der Zurücknahme bei Gericht bekannt wird. Vgl. RGSt. 24 142 und Anm. 6 c. b) Verzicht. Wie zur Rücknahme braucht der Verteidiger auch zum Verzicht auf das Rechtsmittel die ausdrückliche Ermächtigung des Beschuldigten, RGSt. 64 165, OGHSt. 1 74. Das gilt auch für teilweise Zurücknahme und Teilverzicht, RGSt. 65 236. Die Ermächtigung zur Zurücknahme schließt weder diejenige zum Verzicht ein, BGH. LM. Nr. 3, RGSt. 64 166, BGHSt. 3 46, noch umgekehrt, und ferner auch nicht die Erlaubnis zur Zustimmung nach Abs. 1 Satz 2. Jede dieser Ermächtigungen muß gesondert ausdrücklich erteilt werden, sonst ist die Garantiefunktion des § 302 nicht gesichert. c) Form der Ermächtigung. Die Ermächtigung muß „ausdrücklich" erteilt sein. Dadurch wird sie an sich nicht formgebunden, jedoch unterliegt ihr Nachweis strengen Regeln. Im Zweifel hat sie als nicht erteilt zu gelten. Vgl. auch Anm. 10b. Nach BGH. LM. Nr. 4 kann die Ermächtigung dem Verteidiger auch mündlich gegeben und von diesem dem Gericht durch dienstliche Versicherung nachgewiesen werden (vgl. auch RG. Recht 1915 Nr. 279, RG. 4 D 278/43 v. 12.12.1943). Sie kann mündlich widerrufen werden, BGH. LM. Nr. 9, BGHSt. 10 245, und zwar auch vorbeugend gegenüber dem Gericht. Zweifelhaft ist die bedeutsame Frage, ob dem Schutzzweck des Abs. 2 genügt ist, wenn die Ermächtigung in der Verteidigervollmacht ausdrücklich, jedoch in Voraus erteilt wird, ohne daß bereits bekannt ist, ob ein Rechtsmittel, und welches, wird ergriffen werden müssen. Bejahend RGSt. 24 142, 77 369, 64 166, BayObLGSt. 51 561, JZ. 1952 346, B r a u n s c h w e i g JZ. 1953 343, die ständige Praxis des BGH. (vgl. BGH. 2 StR 563/59 v. 4. 12. 1959), ferner N e u s t a d t JR. 1958 189, Köln MDR. 1959 780 und beiläufig OGHSt. 1 75. Dem läßt sich entgegenhalten, daß eine so wichtige Erklärung nicht in anderem Zusammenhange mehr oder weniger formularmäßig und nicht ohne konkreten Anlaß, der ihre große Tragweite in den Vordergrund stellt, wirksam sollte abgegeben werden dürfen, besonders dann nicht, wenn man mit dem BGH. sogar Mündlichkeit ausreichen läßt. Welche Gefahr hier liegt, zeigt die Entscheidung BayObLGSt. 55 181, der zuzustimmen ist. Mehr spricht daher dafür, daß die Ermächtigung mit Bezug auf das konkrete Rechtsmittel ausdrücklich und bedingungslos erteilt sein muß, d. h. angesichts der Sachlage, die erst zur Entscheidung über einen Schritt von solcher Tragweite zwingt. So läßt sich übrigens, worauf E b S c h m i d t 10 zutreffend hinweist, auch RGSt. 24 142 verstehen. Ebenso KG. HESt. 1 194, JW. 1926 2229, E b S c h m i d t 10, KleinknM 8b, Kies JZ. 1953 343, F e i s e n b e r g e r 76*
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§ 302 Anm. 11—18 § 303 Anm. 1
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
§ 302 N. 7, D a l l i n g e r 2, Rosenfeld217 Anm. 8, Henkel423 Anm. 9, G e r l a n d 399 Anm. 66. — Eine bedingte Ermächtigung ist unwirksam, D a r m s t a d t DStRZ. 3 345. Als Prozeßerklärung ist sie auch nicht wegen Irrtums anfechtbar, jedoch widerruflich, sofern die Zurücknahme nicht vor Bekanntwerden des Widerrufs wirksam wird. Daher kann die Zurücknahme ohne Ermächtigung auch nicht nachträglich wirksam genehmigt werden, RGSt. 66 267, KG. JR. 56 308, K l e i n k n M 8d. Nimmt der Verteidiger das Rechtsmittel in Anwesenheit und mit Wissen des Beschuldigten zurück, so kann in dessen Schweigen die Ermächtigung liegen, sofern an seiner Kenntnis der Bedeutung und Tragweite der Erklärung kein Zweifel besteht. Vgl. Anm. 8 und RGSt. 77 369, HRR. 6 Nr. 1572. d) Widerruf der Ermächtigung. Der Beschuldigte kann die Ermächtigung zur Zurücknahme oder zum Verzicht jederzeit durch einfache Kundgabe gegenüber dem Ermächtigten oder dem Gericht widerrufen, BGHSt. 10 245. Dadurch ist jede entgegenstehende Erklärung, die noch nicht wirksam geworden war, gegenstandslos, RGSt. 24 142, 64 167, BayObLG. DRZ. 21 Nr. 533, KleinknM 8e, B r a u n s c h w e i g NRpfl. 1958 169, L ö w e n s t e i n 1932 3112 Anm. 63, a. M. RG. JW. 61 3112 Nr. 63. Der Widerruf kommt zu spät, wenn das Rechtsmittel bei seinem Bekanntwerden bereits zurückgenommen oder der Verzicht dem Gericht bereits mitgeteilt worden war. Bei unklarer Beweislage vgl. Anm. 10 e. e) Der Nachweis der Ermächtigung kann auch nachträglich geführt werden. Läßt sich nicht klären, ob der Widerruf vor Eingang der Rücknahmeschrift bei Gericht liegt, so soll nach BGH. LM. Nr. 9, BGHSt. 10 245 das Rechtsmittel als zurückgenommen gelten und auch innerhalb der Rechtsmittelfrist nicht wieder eingelegt werden dürfen. Hiergegen sprechen die in Anm. 6d dargelegten Bedenken. Auf jeden Fall beseitigt ein Widerruf die Wirkung der Zurücknahme dann, wenn er bei dem Verteidiger früher eingeht als dessen bereits abgesandte Zurücknahme bei Gericht. 11. Der Nebenkläger kann sich dem Verfahren zwecks Einlegung eines Rechtsmittels nur anschließen, so lange das Urteil nicht durch Verzicht oder Zurücknahme des Rechtsmittels des Beschuldigten oder der Staatsanwaltschaft rechtskräftig geworden ist, RGSt. 66 130, D r e s d e n JW. 1982 1782 Nr. 33. 12. Ein Beschluß des Gerichts ist bei Zurücknahme nicht vorgeschrieben und auch nicht aus Kostengründen erforderlich (§ 473 Abs. 1), Kassel GA. 39 188, D r e s d e n SächsA. n. F. 3 113. Ist das Rechtsmittel rechtzeitig zurückgenommen worden, so kann es nicht mehr als unzulässig verworfen, sondern nur für erledigt erklärt werden, RGSt. 55 213, BayObLG. DRZ. 23 786, G e r l a n d 390. Gegen diesen Beschluß findet vorbehaltlich des § 304 Abs. 3 einfache Beschwerde statt, BayObLG. DRZ. 23 786, KG. HRR. 8 Nr. 2009. Wird trotz wirksamer Zurücknahme das Rechtsmittel nochmals eingelegt, ist es als unzulässig gemäß § 322 zu verwerfen (Art. Anm. 3). 13. Die Auslegung einer Rechtsmittelerklärung durch das Berufungsgericht bindet das RevG. nicht, RG. GA. 72 141. — BGHSt. 10 174 (Volljährigkeit vor Entscheidung über das Rechtsmittel des gesetzlichen Vertreters). BGH. MDR. 1957 527 (keine Wiedereinsetzung bei Zurücknahme verspäteten Rechtsmittels).
§ 303 Wenn die Entscheidung über das Rechismittel auf Grund mündlicher Verhandlung stattzufinden hat, so kann die Zurücknahme nach Beginn der Hauptverhandlung nur mit Zustimmung des Gegners erfolgen. Entstehungsgeschichte: I., II., III. Entw. § —. Vgl. RGSt. 67 282. Frühere Bezeichnung: § 345. Änderungsvorschläge: NE I und II § 307. NE III § 298. 1. Zweck der Vorschrift. Die RTK., auf deren Beschlüssen die Vorschrift beruht (Prot. S. 529, 1004, 1005), hat hauptsächlich erwogen, es dürfe der S t a a t s a n w a l t s c h a f t nicht zustehen, das Gericht an einer dem Angeklagten günstigen Entscheidung zu hindern, wenn das Rechtsmittel zuungunsten des Angeklagten eingelegt worden war, das Ergebnis der Verhandlung über das Rechtsmittel aber zu seinen Gunsten spricht, RGSt. 65 236, E b S c h m i d t 2. Dem steht gegenüber, daß die Staatsanwaltschaft zur Unparteilichkeit verpflichtet ist. Fällt die Berufungs-
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Erster Abschnitt. Allgemeine Bestimmungen (Jagusch)
§ 303 Anm. 2—6
Verhandlung überzeugend zugunsten des Angeklagten aus, so hat sie dies bei ihren Entschließungen ohnedies pflichtgemäß zu berücksichtigen und darf den gerechten Sachausgang auch ohne den § 303 nicht vereiteln. Jedoch verbleiben Fälle, in welchen die Beurteilung durch die Staatsanwaltschaft von der gerichtlichen aus vertretbaren Gründen abweicht. Hier greift der Leitgedanke ein. Unmittelbar trifft er nur für Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zu, während § 303 die Rechtsmittel aller Verfahrensbeteiligten erfaßt, also auch das des Angeklagten, des gesetzlichen Vertreters, des Privat- und des Nebenklägers. Der Leitgedanke ist in § 303 auch unvollständig ausgeprägt. Gerade wegen der Unparteilichkeit der Staatsanwaltschaft ist nicht einzusehen, warum die im Zustimmungserfordernis liegende Sicherung erst mit Beginn der Hauptverhandlung einsetzen soll. Die Erwägung der RTK. trifft an sich auch zu, wenn sich schon vor der Hauptverhandlung zeigt, daß das angefochtene Urteil den Angeklagten ungerecht benachteiligt. Anderseits sollte dem Angeklagten die Möglichkeit einseitiger Zurücknahme bis zum Beginn der Verhandlung erhalten bleiben (vgl. § 302). 2. Rechtsmittel. Die Vorschrift gilt nur für Berufung (§ 324) und Revision (§ 351). Sie betrifft auch die Teilzurücknahme und die nachträgliche Beschränkung des Rechtsmittels auf abtrennbare Teile der Entscheidung, RGSt. 65 235, KleinknM 1, E b S c h m i d t 3, BayObLG. 1949/51 562. Sie gilt ferner, wenn der Angeklagte bei Berufung der Staatsanwaltschaft unentschuldigt und unvertreten ausbleibt (§ 329 I). Das Recht aus § 303 verliert er dadurch nicht, RGSt. 65 235, RG. JW. 19311613 Nr. 72,1932 3112 Nr. 64, E b S c h m i d t 2, KleinknM 2. Sie gilt auch nach Zurückverweisung durch das RevG. in die Berufungsinstanz, RGSt. 67 287. Dazu K r a c h NJW. 1953 1860 und Anm. 3. 3. Beginn der Hauptverhandlung. Maßgebend für diesen Begriff sind die §§ 324, 351 I mit § 243 I. Danach beginnt die Hauptverhandlung „mit dem Aufruf der Zeugen und Sachverständigen". Das trifft jedoch nur zu, wenn Zeugen oder Sachverständige geladen sind, und auch dann nur in kleineren Sachen. In Wirklichkeit beginnt die Hauptverhandlung mit der Feststellung der erschienenen Beteiligten nach dem Aufruf der Sache, BayObLG. 1924 51, im Ergebnis wohl auch RGSt. 65 235, 67 281, KleinknM 2, E b S c h m i d t 5. Hierfür spricht, daß Abweichungen von der Reihenfolge des § 243 in geeigneten Fällen erlaubt sind, solange sie die natürliche Ordnung des Verfahrens nicht stören (BGHSt. 3 384, 10 342), während § 303 verhindern soll, daß der Rechtsmittelführer, wenn die Verhandlung einen ihm unerwünschten Ausgang erwarten läßt, den Gegner durch Zurücknahme des Rechtsmittels benachteiligt. Vom Beginn der Urteilsverkündung ab ist keine Zurücknahme mehr zulässig, B r e s l a u HR. 8 Nr. 806. Wird die Hauptverhandlung ausgesetzt (§ 228) oder nicht spätestens am 11. Tage nach Unterbrechung fortgesetzt, so daß sie erneuert werden muß (§ 229), so bedarf die Zurücknahme auch jetzt schon der Zustimmung, E b S c h m i d t 5, Schwarz 1, v. H i p p e l 563 Anm. 1, K r a c h NJW. 1953 1860, D r e s d e n JW. 1928 2290,1929 2772, Celle GA. 75 116, HR. 9 Nr. 790. Maßgebend ist der Beginn der e r s t e n Hauptverhandlung über das Rechtsmittel, auf spätere kommt es nicht mehr an. Die Gegenmeinung (RGSt. 67 286 — vgl. aber 72 263 —, O l d e n b u r g NJW. 1959 2225, KleinknM 2) verkennt den Sinn des Sperrzeitpunktes. Ist das Verfahren zum Beginn der Hauptverhandlung gediehen, so soll einseitige Verfügung über das Rechtsmittel von jetzt ab ausgeschlossen sein. Es ist sinnwidrig, sie noch später vorübergehend, nämlich bis zur nächsten Hauptverhandlung, wieder zuzulassen und dann erneut auszuschließen. Auch könnte der Erfolg eines Revisionsverfahrens nach Zurückverweisung an das Berufungsgericht durch Zurücknahme des Rechtsmittels wieder beseitigt werden. Die gegenteilige Ansicht der 20. Aufl. wird aufgegeben. — Vor Beginn der ersten Hauptverhandlung ist, mit Ausnahme der zugunsten des Angeklagten eingelegten Revision der Staatsanwaltschaft (§ 302 I S. 2), einseitige Zurücknahme zulässig, RGSt. 65 236. — Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 465 AbgO. kann nach Verkündung des Urteils nicht mehr zurückgenommen werden, auch nicht bei Aufhebung dieses Urteils und Zurückverweisung, RGSt. 72 263. 4. Zurücknahme. Vgl. § 302 Anm. 1, 3, 4, 5, 6 sinngemäß. 5. Gegner, ist bei Rechtsmitteln des Angeklagten und seines gesetzlichen Vertreters die Staatsanwaltschaft, ferner, soweit in der Verhandlung anwesend, der Nebenkläger, RGSt. 61 385 65 236, KleinknM 3. Bei Rechtsmitteln der Staatsanwaltschaft, des Privat- oder Nebenklägers ist der Angeklagte Gegner, nicht sein gesetzlicher Vertreter, selbst dann nicht, wenn dieser ein eigenes Rechtsmittelrecht verfolgt. Der Verteidiger ist nicht Gegner, es sei denn, er vertritt den Angeklagten gemäß § 234. Nur im letzten Falle macht er ein eigenes, abgeleitetes Recht geltend.
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§ 303 Anm. 6, 7
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Vor § 304 Anm. 1 6. Zustimmung. Erst die Zustimmung des Gegners macht die Zurücknahme wirksam. Ohne sie ist die Zurücknahme unwirksam. Als Prozeßerklärung ist die Zustimmung dem Gericht gegenüber abzugeben. Sie ist nicht formgebunden und durch Freibeweis zu ermitteln, vgl. RGSt. 64 20. Zustimmen kann nur, wer die Tragweite der Zustimmung erkennt, zustimmen will und dies unmißverständlich ausdrückt. Bloßes Schweigen gilt nicht schlechthin als vermutete Zustimmung, RG. JW. 1933 1069. Nur innerhalb dieser Grenzen kann schlüssiges Handeln oder Schweigen als Zustimmung gelten. Vgl. BayObLGSt. 51562, Koblenz NJW. 1951 933. Anderseits steht § 274 nicht entgegen, Köln MDR. 1954 500. Vgl. im übrigen § 302 Anm. 8. Die Zustimmung ist Sache des Angeklagten. Er kann sie durch den Verteidiger abgeben, jedoch nicht kraft allgemeiner Ermächtigung. In den Fällen des § 234 hat der bevollmächtigte Verteidiger selbst zuzustimmen, der den Angeklagten hier im Willen vertritt, KleinknM 4c, E b S c h m i d t 4. Stimmt der Verteidiger des anwesenden Angeklagten zu, so ist dies nur wirksam, wenn der Angeklagte in Kenntnis seines Rechts dazu schweigt oder der Erklärung des Verteidigers beitritt. Als Verfahrenserklärung ist die Zustimmung nach Eingang bei Gericht unwiderruflich und unanfechtbar. Wird sie versagt, so ist die Zurücknahme, die ihr vorhergeht oder folgt, unwirksam und gegenstandslos. Vgl. RGSt. 65 235, KG. KGJ. 52 377. Eine später dennoch erteilte „Zustimmung" erlangt nur Bedeutung, wenn erneut Zurücknahme erklärt wird. Bloße inzwischen fortbestehende Rücknahmebereitschaft ist keine Prozeßhandlung. Prozeßerklärungen müssen als Verfahrenshandlungen klar und zweifelsfrei sein. 7. Hat der Staatsanwalt die Berufung mit Zustimmung des Angeklagten zurückgenommen, so kann über die Kosten des Rechtsmittels durch Beschluß entschieden werden. Celle HR. 4 Nr. 1681. Bei Streit über die Wirksamkeit der Zurücknahme ist außerhalb der Hauptverhandlung die Beschwerde gegeben (§ 304), in der Hauptverhandlung ist durch Urteil zu entscheiden, bei wirksamer Zurücknahme das Rechtsmittel durch Urteil für erledigt zu erklären, RGSt. 67 281, K l e i n k n M 5. Zweiter A b s c h n i t t Beschwerde Vorbemerkungen Schrifttum: Z i m m e r m a n n GS. 36 605. F e r d i n a n d , Freiburger Abh. Heft 15 (1908). 1. Beschwerde. Der Abschnitt behandelt nur die Verfahrensbeschwerde, nicht die Dienstaufsichtsbeschwerde, und nur die Verfahrensbeschwerde gegen selbständig anfechtbare gerichtliche Verfügungen und Beschlüsse im ersten Rechtszug und im Berufungsverfahren. Die StPO. sieht die (einfache, unbefristete) Beschwerde und die sofortige (befristete) Beschwerde vor. Über den sachlichen und formellen Unterschied s. § 311. Ein Beschluß ergeht in oder außerhalb der Hauptverhandlung je nach dem Verfahrenserfordernis. Regelmäßig ergeht er nicht zur Hauptsache, sondern zu einer Verfahrensfrage oder einem anderen Begehren eines Verfahrensbeteiligten oder zur Förderung der Sache, und regelmäßig beendet er das Verfahren nicht, jedoch bestehen in beiden Punkten wichtige Ausnahmen. Die Beschlußform ist nicht vorgeschrieben. Sie richtet sich nach dem Zweck des Beschlusses. Wesentlich ist lediglich die klare Kundgabe des Beschlossenen. Beschlüsse, die einen Antrag ablehnen und gegen welche ein Rechtsmittel zulässig ist, sind nach § 34 zu begründen. Der Beschluß wird durch Verkündung in Anwesenheit der Beteiligten, bei Fristlauf sonst durch Zustellung bekanntgemacht. Setzt die Bekanntmachung des Beschlusses keine Frist in Lauf, so genügt formlose Mitteilung (§ 36). Die Verfügung unterscheidet sich vom Beschluß teils durch den Gegenstand, stets aber durch den Urheber. Sie ist eine Verfahrensanordnung des Vorsitzenden, des Einzelrichters, Untersuchungsrichters, Ermittlungsrichters, des beauftragten oder ersuchten Richters, während der Beschluß im allgemeinen vom Gerichtskollegium ausgeht. Sachliche Bedeutung hat die Unterscheidung nicht. Über die Änderung von Beschlüssen und Verfügungen von Amts wegen oder nach und auf Beschwerde s. Vorbem. 6. Ausgenommen von der Beschwerde sind: a) die nach ausdrücklicher Vorschrift unanfechtbaren Beschlüsse (§ 304 Abs. 1), die alsbald in formelle Rechtskraft erwachsen (z. B. in den Fällen der §§ 28, 46), oder in beschränkte ma-
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terielle Rechtskraft (z. B. im Falle des § 153 Abs. 3), vgl. auch § 304 Abs. 3, 4. Bei ihnen ist regelmäßig auch dem Gericht, das sie erlassen hat, Änderung von Amts wegen versagt (s. Vorbem. 5 b). b) Ausgenommen sind außerdem diejenigen Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die „der UrteilsfäUung vorausgehen" (§ 305, s. dort) und nach dem Gesetz nur zusammen mit einem Rechtsmittel gegen die Entscheidung in der Sache selbst angefochten werden können (Berufung, Revision). Hierher gehört etwa der Beschluß über Nichtbeeidigung von Zeugen oder Ablehnung von Beweisanträgen. Solche Entscheidungen sind im Gegensatz zu a) nicht unanfechtbar; sie sind nur der B e s c h w e r d e entzogen. Diese könnte das Verfahren in der Lage, in welcher es sich befindet, regelmäßig also die Hauptverhandlung, unangebracht hemmen, vor allem bei wiederholter Beschwerde, und würde den Verfahrensgang dadurch beeinträchtigen. Freilich nimmt das Gesetz dafür die Gefahr in Kauf, daß ein Verfahrensverstoß, auf dem das angefochtene Urteil beruht, später zur Aufhebung der Entscheidung im ganzen und zur Wiederholung des gesamten Verfahrens führt. Zwischenentscheidungen dieser Axt sind hiernach formell rechtskräftig, jedoch nur gegen Anfechtung durch Beschwerde. Das Gericht hat einen Verstoß, den es als solchen erkennt, von Amts wegen zu beseitigen (die Beeidigung wird nachgeholt, dem Beweisantrag nachträglich stattgegeben), vgl. RGSt. 59 244, BayObLG. NJW. 1953 755. S. Vorbem. 6 c. c) Ausgenommen von der Verfahrensbeschwerde der StPO. sind Dienstaufsichtsbeschwerden gegen Verfügungen der Staatsanwaltschaft (§ 147 GVG.), die Beschwerde gemäß § 163 GVG. (Vollstreckungshilfe) und die Sonderregelung nach § 172 (Anklageerzwingungsverfahren). Auch Aufsichtsbeschwerden, die das Verhalten von Richtern und Beamten, den Geschäftsbetrieb oder Verzögerungen betreffen, sind ausgenommen und richten sich nach Landesrecht. Das gilt auch für die Anberaumung der Hauptverhandlung, wenn nicht Rechtsverweigerung behauptet, sondern nur Verzögerung geltend gemacht wird. Das Beschwerdegericht kann den Erstrichter zwar zur Terminsanberaumung anweisen, sofern die Sache verhandlungsreif ist, es kann aber die Geschäftseinteilung des Erstrichters nicht prüfen und nicht selbst Termin bestimmen. Außerhalb des Bereichs der StPO liegen ferner Beschwerden im Rahmen des Dienstes und der Hausordnung der Haft- und Vollzugsanstalten, M ü n c h e n S t . 6 499. Richterliche Verfügungen gemäß § 116 Abs. 5 unterliegen der einfachen Beschwerde, nicht der sofortigen und nicht der weiteren Beschwerde, H a m m NJW. 1953 356 und § 116. Wegen der Beschwerden auf dem Gebiet der Rechtshilfe s. § 159 GVG, der Ordnungsstrafe wegen Ungebühr s. § 181 GVG., des Schöffen- und Geschworenendienstes s. die §§ 41, 52 Abs. 4, 53 Abs. 2, 56 Abs. 2, 84 GVG. 2. Gegenstand der Beschwerde ist die angefochtene Entscheidung oder Verfügung in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung, im ganzen oder teilweise (Vorbem. 5 a), also die rechtliche Zulässigkeit, die Richtigkeit ihrer tatsächlichen Grundlage, die Rechtsanwendung und außerhalb der Grenzen des pflichtgemäßen Ermessens des Erstrichters auch ihre Zweckmäßigkeit. Der Sache nach ähnelt die Beschwerde also der Berufung, sie ist eine „Berufung gegen Zwischenentscheidungen" ( B i n d i n g , Grundriß 1904, 280). 3. Beschwerdeberechtigt ist jeder durch die angefochtene Verfügung beschwerte Verfahrensbeteiligte und jeder Drittbetroffene (§ 304 Abs. 2), also der Beschuldigte, der Verteidiger, dieser unter Umständen aus eigenem Recht, der Staatsanwalt, der Privat- und Nebenkläger, der gesetzliche Vertreter, der Zeuge oder Sachverständige, der Einziehungsbeteiligte, der Zuhörer in der Hauptverhandlung, der in Ordnungsstrafe genommen wird, der Wohnungsinhaber bei Durchsuchung, der Eigentümer der Sache bei Beschlagnahme. 4. Beschwerdegericht ist die Strafkammer (§§ 73 Abs. 1, 76 Abs. 1 GVG), im Falle des § 121 Abs. 1 Nr. 2 GVG. das Oberlandesgericht, in Jugendstrafsachen die Jugendkammer (§ 41 JGG). 5. Verfahren. a) Begründung der Beschwerde. Weder die einfache noch die sofortige Beschwerde braucht begründet zu werden. Formgerechte Einlegung genügt (§ 306), bei der sofortigen Beschwerde unter Beachtung der Wochenfrist (§ 311). Jedoch ist eine etwaige Begründung bedeutsam, wenn die Beschwerde auf selbständig anfechtbare Teile der angefochtenen Entscheidung oder Verfügung beschränkt wird. Das ist zulässig. Andernfalls führt die Beschwerde zur Prüfung der Vorentscheidung im ganzen in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung. Der Beschwerdeführer kann neue Tatsachen und Beweise vorbringen. Vgl. Vorbem. 2. Die Entscheidung ergeht nach Akten-
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Anm. 6 läge und Prüfung von Amts wegen, unter Umständen nach weiteren Erhebungen. Wird die zulässige sofortige Beschwerde in zulässiger Weise beschränkt, so erwächst der übrige Teil der angefochtenen Entscheidung in (beschränkte) Rechtskraft. b) Die Einlegung der Beschwerde (§§ 304, 311) bewirkt keinen Vollzugsanfschub, jedoch kann das Erstgericht oder Beschwerdegericht, wenn dies angezeigt erscheint, Aufschub gewähren (§ 307 Abs. 1). Die Einlegung der s o f o r t i g e n Beschwerde überträgt die Sache in die Entscheidungsgewalt des Beschwerdegerichts (Devolutivwirknng),denn der Erstrichter darf der Beschwerde, auch wenn er sie für begründet hält, nicht abhelfen. Wegen des Grundes hierfür s. § 311 Anm. 1, 3, 4. Bei der Beschwerde tritt der Übergang nur ein, wenn der Erstrichter ihr nicht abhilft, wozu er bei begründeter Beschwerde verpflichtet ist (§ 306 Abs. 2). Insoweit unterscheidet sich die (einfache) Beschwerde von den anderen Rechtsmitteln, die stets Devolutivwirkung haben. c) Eingelegt wird die s of o r t i g e Beschwerde, schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle, bei dem Erstrichter oder bei dem Beschwerdegericht (§ 311), die einfache Beschwerde in derselben Form bei dem Erstgericht und nur in dringenden Fällen auch bei dem Beschwerdegericht (§ 306). Das Beschwerdeverfahren kennt in der Regel nur zwei Rechtszüge, davon einen Rechtsmittelzug, nämlich denjenigen bei dem Beschwerdegericht. Das gilt auch für die sofortige Beschwerde. Weitere Beschwerde ist nur in den Fällen des § 310 zulässig (s. dort). d) Fristgebunden ist nur die sofortige Beschwerde (eine Woche seit Bekanntmachung, § 311 Abs. 2). Die einfache Beschwerde kann eingelegt werden, solange der Betroffene durch die angefochtene Entscheidung beschwert und diese durch den Verfahrensgang nicht überholt und gegenstandslos geworden ist. Dieser Grenze unterliegt jede Beschwerde. e) Das Verfahren richtet sich nach dem jeweils Zweckmäßigen. Jedoch ist der Gegner des Beschwerdeführers vor einer ihm nachteiligen Entscheidung zur Beschwerde vollständig zu hören (§ 308). Regelmäßig ist auch die Staatsanwaltschaft des Beschwerdegerichts zu hören (Einzelheiten bei § 309). Über die Beschwerde, auch die sofortige, wird ohne mündliche Verhandlung entschieden. Die Entscheidung ergeht nach Aktenlage, jedoch nach Aufklärung von Amts wegen, unter Umständen nach weiteren Erhebungen. Hat die Beschwerde Erfolg, so trifft das Beschwerdegericht die Sachentscheidung regelmäßig selbst. Zurückverweisung an den Erstrichter ist nur geboten, wenn nach bisheriger Sachbehandlung sonst eine Instanz verlorenginge. Näheres darüber bei § 309 Anm. 3, 4. f) Über die Bedeutung des Verschlechterungsverbots im Beschwerdeverfahren s. § 309 Anm.6. Die entsprechende Anwendung des §358 Abs. 2 in der Weise, daß k e i n e r l e i nachteiligere Maßnahme zu Lasten des Beschwerdeführers getroffen werden könne, muß außer Betracht bleiben. Fraglich kann nur sein, ob das Verschlechterungsverbot bei Beschwerdegegenständen, welche die Strafhöhe betreffen, entsprechend zu gelten hat. Dies wird anzunehmen sein, wie oben ausgeführt. Ebenso E b S c h m i d t § 309 Anm. 7, K l e i n k n M 6 vor § 304, a. M. ohne nähere Begründung S c h w a r z 2 C vor § 304. 6. Allgemeines zur Änderung von Beschlüssen und Zwischenverlttgungen. Ob Beschlüsse oder Verfügungen geändert werden können, hängt davon ab, ob sie formell oder materiell rechtskräftig sind. Bereits formelle Rechtskraft schließt Änderung regelmäßig aus, solange die Sachlage dieselbe bleibt. Formelle Rechtskraft liegt vor, wenn das Gesetz Anfechtung überhaupt ausschließt oder bei erfolgloser oder nicht wahrgenommener sofortiger Beschwerde. Sachliche Rechtskraft tritt ein, wenn die Entscheidung als Sachentscheidung (auch zu einem Verfahrenshindernis) ergangen ist und nach Rechtslage ein erneutes Strafverfahren auf Grund derselben Sachlage wegen derselben Tat gegen dieselbe Person ausschließt (Grundsatz der Einmaligkeit der Strafverfolgung, „ne bis in idem"). Unter diesen Voraussetzungen gilt jedoch auch der staatliche Strafanspruch wegen der Tat gegen den Beschuldigten als verbraucht. Die materielle Rechtskraft hat also sachlichrechtliche und verfahrensrechtliche Sperrwirkung. a) Fälle der einfachen Beschwerde. Sie betreffen sämtlich Beschlüsse und Verfügungen über Sachlagen, die keiner rechtskräftigen Regelung bedürfen. Derartige Maßnahmen sind jeweils dann zu ändern, wenn die Sachlage es gebietet, auch wenn keine Beschwerde eingelegt wird, und auch noch nach eingelegter Beschwerde (§ 306 Abs. 2). Änderung und Beschwerdebefugnis entfallen erst mit der Beschwer, die dann wegfällt, wenn das Verfahren weitergeht und die bisherige Sachlage überholt ist, BGHSt. 8 194, BayObLG. GA. 1954377. Vorher ist in diesen Fällen
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je nach Sachlage Änderung von Amts wegen erlaubt, unter Umständen geboten, RGSt. 48 229, BGHSt. 8 194 (Anwaltsausschluß), B r e m e n N J W . 1951 854. b) Fälle der sofortigen Beschwerde. Das Gesetz sieht sofortige Beschwerde dann vor, wenn es sich um Verfahrenslagen handelt, die regelmäßig mit formeller, unter Umständen auch mit beschränkt materieller Rechtskraft geordnet werden müssen. Daher kann das Erstgericht seinen Beschluß hier regelmäßig nicht ändern, auch nicht vor Einlegung der sofortigen Beschwerde, bevor formelle oder materielle Rechtskraft eingetreten ist (§ 311 Abs. 3), RGSt. 37 114, BayObLGSt. 82 199, K l e i n k n M 3c vor §304. Ist sogar (beschränkte) materielle Rechtskraft eingetreten, so hindert die damit verbundene formelle Rechtskraft das Ergehen jeder weiteren Entscheidung über denselben Gegenstand, außerdem hindert die materielle Rechtskraft das Ergehen einer anderen Entscheidung, welche die Wirkung des rechtskräftigen Beschlusses beseitigt, sofern nicht, soweit zulässig, Wiederaufnahme in Betracht kommt, K l e i n k n M 3 c vor §304, BayObLG. N J W . 1955 1644, GA. 1955 310. c) Nur mit dem Urteil anfechtbare Beschlüsse (§ 305) können, solange sie nicht überholt sind, von Amts wegen geändert werden. Vgl. Vorbem. 1. Die Vorschrift des § 305 will nur unangebrachte Verfahrensbehinderungen vermeiden, die bei Zulassung der Beschwerde regelmäßig die Hauptverhandlung belasten würden. Sie beruht nicht auf dem Gedanken, daß derartigen Entscheidungen Rechtskraft zukomme. Daher ist Änderung von Amts wegen hier erlaubt, unter Umständen unter dem Gesichtspunkt der Pflicht zur Amtsaufklärung (§ 244 Abs. 2) geboten (die abgelehnte Beeidigung oder Beweiserhebung wird nachgeholt). Vgl. RGSt. 59 244, BayObLG. N J W . 1953 755. d) Kraft Gesetzes unanfechtbare Beschlüsse werden regelmäßig mit der Bekanntmachung formell rechtskräftig (z. B. die §§ 28, 46) oder materiell rechtskräftig (z. B. § 153 Abs. 3). Bei unveränderter Sachlage ist daher Änderung unzulässig, RGSt. 40 272. e) Auch das Beschwerdegericht kann die Beschwerdeentscheidung, nachdem sie bekanntgemacht ist, nicht mehr ändern (§ 310 Abs. 2). Bei der sofortigen Beschwerde verbietet dies die Rechtskraft in Verbindung mit dem Grundsatz der Unzulässigkeit weiterer Beschwerde (§ 310 Abs. 2), bei der einfachen Beschwerde die Erwägung, daß nach Bekanntmachung der Beschwerdeentscheidung wieder der Erstrichter zuständig ist und das Verfahren fortführt, so daß nachträgliche Eingriffe durch das Beschwerdegericht untunlich sind. Wo keine Rechtskraft eintritt und die Sachlage eine weitere Entscheidung gebietet, steht sie wieder dem Erstrichter zu. f) Änderung trotz Rechtskraft. Die höchstrichterliche Rechtsprechung erkennt einige Ausnahmefälle der Rücknahme r e c h t s k r ä f t i g e r Beschlüsse an. In dem Falle RGSt. 37 112 hatten abgelehnte Richter einer Strafkammer an der Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs teilgenommen. Diese Entscheidung war rechtskräftig, obwohl von unzuständigen Richtern erlassen. Um den Fehler zu beseitigen, nahm die Strafkammer den Beschluß zurück, weil andernfalls das Hauptverfahren mit offensichtlich unrichtiger Besetzung hätte durchgeführt werden müssen. Das RG. hat die Rücknahme gebilligt, da sie kein wesentliches Recht oder Interesse eines Verfahrensbeteiligten beeinträchtige, sondern einen erheblichen Verfahrensfehler beseitige und das Verfahren auf ordnungsgemäße Grundlage stelle. Diese Rechtsprechung hat das RG durch den weiteren allgemeinen Grundsatz ergänzt, daß ein Verwerfungsbeschluß nach § 349 Abs. 1 (Unzulässigkeit der Revision), der auf unrichtiger tatsächlicher Grundlage beruht (Irrtum über den zuständigen Gerichtsschreiber), zurückgenommen werden könne, RGSt. 59 419. Ebenso BGH. N J W . 1951 771 (offengelassen in BGH. MDR. 1956 52 und BGHSt. 17 96), K ö l n N J W . 1954 692, B r a u n s c h w e i g DRZ. 195« 332, T ü b i n g e n DRZ. 1948 317, KG. J W . 1937 1835 Nr. 122. Dasselbe ist angenommen worden bei Irrtum über die formellen, also tatsächlichen Voraussetzungen des Beschlusses gemäß § 4 UHaftEntschädG., B r a u n s c h w e i g N J W . 1954 1500, S c h l e s w i g SchlHA. 1951 49, vgl. auch J e n a D J . 1939 752, KG. JZ. 1953 155, ferner hinsichtlich eines Beschlusses, der auf irriger Tatsachengrundlage einen Wiedereinsetzungsantrag verworfen hatte, BayObLGSt. 1952 61, 82 199. Das RG. hat (Recht 1930 754) Zurücknahme eines die Revision verwerfenden Beschlusses zugelassen, dem der Rechtsmittelführer durch Berufung zuvorgekommen war. Die Zurücknahme ist stets abgelehnt worden, wenn sie nur der Berichtigung oder Überprüfung unrichtiger Rechtsanwendung dienen würde. So hat BGHSt. 17 94 und BGH. MDR. 1956 52 (je mit weiteren Angaben) Zurücknahme eines Verwerfungsbeschlusses gemäß § 349 Abs. 2 (Verwerfung als u n b e g r ü n d e t ) für unzulässig erklärt, wenn das Revisionsgericht sämtliche
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Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Tatsachen, auch die auf ein Straffreiheitsgesetz bezüglichen, bei der Entscheidung berücksichtigt hat (anders Köln NJW. 1954 692 für den Fall der Verwerfung der Revision nach § 349 Abs. 2, obwohl sich der Rechtsmittelführer nicht rechtzeitig über Berufung oder Revision erklärt hatte, so daß das Rechtsmittel als u n z u l ä s s i g zu verwerfen gewesen wäre). Zutreffend führt Köln NJW. 1955 314 gegenüber einem erschlichenen Wiedereinsetzungsbeschluß nach § 370 Abs. 2 aus, daß die Rechtskraft bei bloßer Täuschung des Gerichts über Tatsachen den Vorrang habe. Ein solcher Beschluß könne nicht zurückgenommen werden. Der Fehler sei nach § 373 Abs. 1 (erneute Hauptverhandlung) zu beheben.
§ 304 (1) Die Beschwerde ist gegen alle von den Gerichten im ersten ficchtszug oder im Berufungsverfahren erlassenen Beschlüsse und gegen die Verfügungen des Vorsitzenden, des Untersuchungsrichters, des Amtsrichters und eines beauftragten oder ersuchten Richters zulässig, soweit das Gesetz sie nicht ausdrücklich einer Anfechtung entzieht. (2) Auch Zeugen, Sachverständige und andere Personen können gegen Beschlüsse und Verfügungen, durch die sie betroffen werden, Beschwerde erheben. (3) Die Beschwerde gegen Entscheidungen über Kosten, Gebühren und Auslagen ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes fünfzig Deutsche Mark übersteigt. (4) Gegen Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofes ist keine Beschwerde zulässig. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 239. II. Entw. § 246. III. Entw. § 290. Frühere Bezeichnung: § 346. Änderungsvorschläge: NE I und II § 308. NE III § 299. Spätere Änderungen: Abs. 3: Gesetz über Maßnahmen auf dem Gebiete des Kostenrechts vom 7. 8.1962, Art. 15 (BGBl. S. 401). Abs. 4: VereinhG. vom 12. 9.1950, Art. 3 Nr. 136 (BGBl. S. 456). Übersicht: I. Beschwerde g) Beschwer 1. Begriff der Beschwerde h) Ausschluß der Beschwerde 3 2. Zulässigkeit - Kostenbeschwerde a) Im ersten Rechtszuge II. Beschwerdeberechtigte (Beschuldigter, b) Im Berufungsverfahren Zeuge, Sachverständiger, andere Perc) Beschlüsse, Verfügungen sonen). Beispiele d) Des Vorsitzenden III. Beschwerdegericht e) Des Untersuchungsrichters IV. Beschwerdebegründung f) Des ersuchten und beauftragten V. Abhilfe Richters VI. OLG- und BGH-Beschlüsse I. Beschwerde. 1. Begriff der Beschwerde. Die einfache und die sofortige Beschwerde sind Rechtsmittel im engeren Sinne des 3. Buches der StPO. Die Beschwerde wendet sich gegen Maßnahmen, Verfügungen oder Beschlüsse des Gerichts, des Vorsitzenden, Einzelrichters, Untersuchungs- oder Ermittlungsrichters, des beauftragten oder ersuchten Richters und erstrebt Abhilfe oderÄnderung durch das übergeordnete Gericht. Allgemeine Voraussetzung der Zulässigkeit der Beschwerde ist, wie bei Berufung und Revision, die Anfechtbarkeit des angefochtenen Aktes überhaupt, die Anfechtbarkeit gerade durch den Beschwerdeführer, die gesetzliche Zulässigkeit der Beschwerde im gegebenen Falle, die rechtzeitige und formgerechte Einlegung (bei der sofortigen Beschwerde), und eine Beschwer des Beschwerdeführers. Ob Beschwerde, Berufung oder Revision gegeben ist, hängt von den Grundlagen und dem sachlichen Inhalt der angefochtenen Entscheidung ab, nicht von ihrer Form oder äußeren Bezeichnung, RGSt. 65 398 .MünchenSt. 8 115, D r e s d e n Sachs Arch. 8 1, vgl. § 260. Näheres Anm. I 2. 2. Zulässigkeit. An dieser Stelle können nur die allgemeinen Grundsätze der Zulässigkeit der Beschwerde dargelegt werden. Einzelfragen sind bei den jeweiligen Verfahrensvorschriften behandelt.
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Zweiter Abschnitt. Beschwerde (Jagusch)
§304 Anm. 1 2
a) Im ersten Rechtszug. Der Sinn der Gesetzesstelle ergibt sich, wenn zugleich die Vorschrift des § 310 berücksichtigt wird: Betrifft die Beschwerde eine Verhaftung oder vorläufige Unterbringung, dann kann eine „auf die Beschwerde hin" erlassene Entscheidung durch weitere Beschwerde angefochten werden, der Verfahrensgegenstand insgesamt also dreimal Gegenstand richterlicher Prüfung und Entscheidung sein. In allen anderen Fällen darf er es nur zweimal sein, wie § 310 Abs. 2 zeigt. Maßgebend ist stets der Gesamtsachverhalt, mit dem sich die Entscheidung oder Verfügung befaßt. Ist er zum ersten Male Verfahrensgegenstand, etwa erst im Beschwerdeverfahren oder im Wiederaufnahmeverfahren ( K o b l e n z NJW. 1961 1418), so ist dieses Verfahren im Sinne des § 304 der „erste Rechtszug", diese Beschwerdevoraussetzung also erfüllt. B e i s p i e l : Erst im Beschwerdeverfahren wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, BayObLGSt. 1952 8; während des Beschwerdeverfahrens ergeht ein Straffreiheitsgesetz, das erstmals zu Ermittlungen in dieser Richtung nötigt, BayObLGSt. 1949/51 340; das Gericht hätte erstinstanzlich entscheiden müssen, es hat jedoch als Beschwerdegericht entschieden, BayObLGSt. 55 19, Celle DRZ. 1948 109. Vgl. auch Celle NRpfl. 1952 19. Alles dies gilt also nicht, wenn das Beschwerdegericht auf den bisherigen Gesamtsachverhalt nur anderes sachliches Recht anwendet, N e u s t a d t NJW. 1957 1082, JZ. 1952 310. Es gilt ferner nicht, wenn der Verfahrensgegenstand derselbe bleibt und die zugrundeliegenden Tatsachen im Beschwerdeverfahren nur durch weitere Ermittlungen ergänzt werden, K l e i n k n M § 310 Anm. 2. Ist gegen die Entscheidung überhaupt kein Rechtsmittel zulässig, so auch dann nicht, wenn ein unzuständiges Gericht entschieden hat, KG. J R . 55 350. Vgl. BGHSt. 9 272 (einfache Beschwerde gegen amtsgerichtlichen Verwerfungsbeschluß gemäß § 54 OWiG.). BGHSt. 9 351 (Beschwerde gegen abgelehnte Beschlagnahme). BGHSt. 10 91 (keine Beschwerde gegen Einstellung gemäß § 154 II.). b) Im Berufungsverfahren. Es beginnt mit der Einlegung der Berufung (§ 314 Abs. 1). Der angefochtene Beschluß kann noch vom Erstgericht stammen. Ein Beschwerdebeispiel im Berufungsverfahren bildet § 322 Abs. 2. Der Sache nach ist auch der Antrag auf Entscheidung des Berufungsgerichts (§ 319 Abs. 2) eine sofortige Beschwerde gegen den Verwerfungsbeschluß nach § 319 Abs. 1. — Celle NJW. 1957 35 (zu § 390 V). c) Beschlüsse. Verfügungen. Ob Beschwerde oder ein anderes Rechtsmittel einzulegen ist, entscheidet nicht Form oder Bezeichnung der anzufechtenden Maßnahme, sondern ihre Grundlage und ihr sachlicher Inhalt, RGSt. 65 398. Vgl. Anm. 1. Beschwerdefähig sind außer förmlichen Beschlüssen auch Verfügungen und andere gerichtliche Maßnahmen, überhaupt jede Handlung und Unterlassung im Verfahren, die einen anderen u n m i t t e l b a r beschwert, H a m b u r g J R . 1951 218. Dazu Anm. II. Die Beschwerde kann sich daher auch dagegen richten, daß der Richter eine beantragte Maßnahme unterläßt, N ü r n b e r g HESt. 2 152. Die Maßnahme kann auf einen Antrag zurückgehen oder von Amts wegen geschehen sein. Sie kann vom Gericht, dem Vorsitzenden oder vom Einzelrichter stammen. d) Des Vorsitzenden. Vgl. § 305 Anm. 2. e) Des Untersuchungsrichters. Vgl. § 184 Anm. 5. Das Beschwerderecht gegen Verfügungen des Untersuchungsrichters wird durch die Eigenart der Untersuchungsaufgabe beschränkt, soweit diese sonst beeinträchtigt oder vereitelt würde. Die Strafkammer als Beschwerdegericht soll nicht über den Untersuchungsplan und über die bloße Z w e c k m ä ß i g k e i t einzelner Untersuchungsmaßnahmen entscheiden, sondern nur über die Verletzung eines Rechts oder berechtigten Anliegens ( H a h n Mat. 1 162, KG. GA. 69 445). Die Aufstellung des Untersuchungsplanes, Durchführung, Art, Reihenfolge undZeit der einzelnen Untersuchungshandlungen müssen dem p f l i c h t g e m ä ß e n Ermessen des Untersuchungsrichters überlassen bleiben. Das Eingreifen des Beschwerdegerichts insoweit würde den Untersuchungszweck mitunter gefährden oder vereiteln können. Ebenso K o h l h a a s § 184. f) Wegen des ersuchten und des beauftragten Richters s. Anm. I I I 3, 4. g) Beschwer. Wie jedes Rechtsmittel setzt auch die Beschwerde eine Beschwer des Betroffenen voraus. Ob eine solche vorliegt, hängt von der Wirkung der Verfügung oder des Beschlusses auf die Belange des Beschwerdeführers ab, die sachlich oder verfahrensrechtlich beeinträchtigt werden können. Hinsichtlich der StA. als „Vertreterin der Rechtsordnung" (Peters) wird der Standpunkt vertreten, daß sie jede unrichtige Entscheidung usw. als allgemeine Beschwer rügen
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§304
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 12 dürfe ( P e t e r s 495, ähnlich trotz Vorbehalts wohl auch E b S c h m i d t Lehrk. 852 oben, und K l e i n k n M § 296 Vorb. 4). Das trifft jedenfalls dann zu, wenn die Verfügung usw. für einen Beteiligten einen Verfahrensnachteil, etwa Verzögerung, bewirkt, der dem Verfahrensrecht zuwiderläuft oder, soweit das Gesetz keine Vorschrift enthält, auf grobem Ermessensvorstoß beruht. Von diesem Standpunkt aus ist die lehrreiche Entscheidung Celle JZ. 1954 199 nicht zu billigen, nach welcher die Stk., noch vor Entscheidung über die Eröffnung des Verfahrens, schwieriges Besatzungsrecht nicht durch einen Rechtslehrer als Sachverständigen ermitteln dürfe, sondern zunächst nur durch ein Ersuchen an den zuständigen Fachminister. Das Vorverfahren dient der Ermittlung des Sachverhalts. Was dazu gehört, hängt jedoch von dem Tatbestand ab, unter dessen rechtlichem Aspekt der Sachverhalt zu untersuchen ist. Bei entlegenem Besatzungs- oder ausländischem Recht ist zunächst die Norm und ihre Tragweite aufzuklären, bevor sachgemäß zur Sache selbst ermittelt werden kann. Keinesfalls ist es fehlerhafte Ermessensausübung, wenn das Gericht den Normenbestand und dessen Änderungen schon vor der etwaigen Eröffnung des Verfahrens durch unabhängige Sachverständige erforscht und nicht durch Behörden. Das erkennende Gericht braucht sich bei Freibeweis auch unter Kostengesichtspunkten nicht Organe der Exekutive zur Sachaufklärung aufdrängen zu lassen, die nicht bereits gesetzliche Hilfsbeamte der StA. sind. Erst bei unsachlicher Ermessensausübung hätte die Beschwerde der StA. Erfolg haben dürfen. Im Ermessensbereich ist es untunlich, wenn das Beschwerdegericht lediglich eigenes Ermessen walten läßt, solange der Standpunkt der angefochtenen Verfügung vertretbar ist. Ebenso P e t e r s JZ. 1954 182. Vgl. dazu Anm. I 2e (Untersuchungsplan) und h (Unvereinbarkeit). h) Ausschluß der Beschwerde. Gesetzlich ausgeschlossen oder eingeschränkt, und zwar ganz, teilweise, ausdrücklich oder stillschweigend (sinngemäß) ist die Beschwerde durch die §§ 28, 46 Abs. 2,153 Abs. 3,181 Abs. 1,182 Abs. 2,201 Abs. 2,202 Abs. 3,210 Abs. 1,270 Abs. 3, 304 Abs. 3, 4, 305, 305a, 310, 319 Abs. 2, 346 Abs. 2, 348 Abs. 2, 453 Abs. 3, GVG.41, 52 Abs. 4, 53 Abs. 2. Entweder schließt das Gesetz die Beschwerde ausdrücklich aus, oder es schränkt sie durch den Sachgegenstand oder durch eine Wertgrenze ein, oder es sieht ein anderes Rechtsmittel vor. — Der Ausschluß der Beschwerde verstößt weder gegen Art. 3 GG., noch verletzt er den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG.), BVerfG. 1 433, 437. — Die Fassung des § 304 ist ungenau, soweit die Vorschrift nur von a u s d r ü c k l i c h e r Ausschließung der Anfechtung spricht. Z. B. schließen die §§ 319 Abs. 2, 346 Abs. 2 die Beschwerde dadurch aus, daß sie ein anderes Rechtsmittel vorsehen. — Beschlüsse, die nicht im ersten Rechtszuge oder im Berufungsverfahren ergehen und deren Anfechtung nicht besonders vorgesehen ist, sind nicht beschwerdefähig. — Die Beschwerde ist ferner ausgeschlossen, soweit sie überholt ist und am Verfahren nichts mehr ändern kann (BGH. 1 StR 337/56 vom 21.12.1956) (Ausnahme wohl § 181 GVG. bei verbüßter Ordnungshaft). Das trifft z. B. zu, wenn die anzufechtende Entscheidung inzwischen keine Wirkung mehr äußert, weil sie überholt ist; wenn das Gericht sie inzwischen ohne weitere Nachwirkung wieder aufgehoben hat; wenn sie durch Eingreifen einer zwingenden Verfahrensvorschrift, etwa des § 229, gegenstandslos geworden ist, BayObLG. NJW. 1956 390. — Entscheidet anstelle des zuständigen Vorsitzenden das Gericht, so kann dies nicht mit Beschwerde beanstandet werden, K ö l n DRZ. 28 Nr. 452. — Mitunter schließt der Inhalt der Verfügung oder Entscheidung die Beschwerde wegen Unvereinbarkeit aus, etwa wenn sie niemanden unmittelbar beschwert; oder wenn andere zwingende Grundsätze entgegenstehen, etwa der Untersuchungszweck in der Voruntersuchung (Anm. I 2e); oder die selbständige Beurkundungspflicht des Vorsitzenden und des Urkundsbeamten hinsichtlich der Sitzungsniederschrift (Celle NRpfl. 51 211, KG. JW. 1927 1330, vgl. neuerdings KG. JR. 1960 28 mit zweifelnder Anm. von D ü n n e b i e r ) ; oder wenn ein anderes Rechtsmittel als die Beschwerde gegeben ist (Köln NJW. 1955 396); oder wenn kein Bedürfnis für Anfechtung oder selbständige Anfechtung besteht (vgl. § 28 für beide Fälle). — Wann die anzufechtende Entscheidung erlassen ist, ergibt sich aus § 33. — Die verfrühte oder bedingte Beschwerde für den Fall, daß eine bestimmte Entscheidung oder Verfügung ergehe, ist unzulässig, E b S c h m i d t 6, ebenso Beschwerde gegen Berichtigung eines Versehens bei Abfassung des Urteilstenors, solange der etwaige Fehler im Rechtsmittelverfahren behoben werden kann, O l d e n b u r g GA. 59 94. Gegen Beschlüsse und Verfügungen der Oberlandesgerichte und des BGH. ist keine Beschwerde zulässig. Hiervon sieht § 159 GVG. (Ablehnung eines Rechtshilfeersuchens) eine Ausnahme vor (s. Anm. VI).
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Zweiter Abschnitt. Beschwerde (Jagusch)
§ 304 Anm. I 3, n 1—4
3. Kostenbeschwerde. Abs. 3, eingefügt durch Art. 15 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiete des Kostenrechts v. 7. 8. 1952 (BGBl. I S. 401), bindet die Kostenbeschwerde an eine Wertgrenze, H a m b u r g NJW. 1956 1891. Die Vorschrift wirkt ein auf die §§ 4 Abs. 2 GKG. 20 Abs. 2 GebO. für Zeugen und Sachverständige und auf § 86b Abs. 2 RAGebO. idF. v. 7. 8.1952. Sie betrifft die einfache Beschwerde gegen den Ansatz von Gebühren und Auslagen (§ 4 GKG.), die Beschwerde des Pflichtverteidigers gegen Festsetzung seiner Gebühren und Auslagen (§ 98 Abs. 3 RAnwGebO.), sofortige Beschwerde im Kostenfestsetzungsverfahren (§ 464 Abs. 2), überhaupt alle Beschwerden gegen selbständige Kostenbeschlüsse. Sie gilt nicht für Rechtsmittel gegen Sachentscheidungen, die sich stets auch auf die Kostenentscheidung im ganzen erstrecken. Bei der Beschwerde des Erstattungspflichtigen ist für die Wertgrenze der Betrag der Umsatzsteuer einzubeziehen, B r e m e n NJW. 1956 72. Muß die Beschwerde gegen eine sachlich unrichtige Kostenentscheidung mangels Wertgrenze verworfen werden, so können die Kosten trotz § 473 Abs. 1 in entsprechender Anwendung des § 6 GKG. niedergeschlagen werden, KG. JR. 1957 430. Kann das Gericht bei unzulässiger Beschwerde nicht abhelfen, so kann es seine Entscheidung doch gemäß wiederholter Sachprüfung ändern, KG. JR. 1957 430. Zur Berechnung der Beschwer Hagen AnwBl. 1956 12. II. Beschwerdeberechtigte. 1. Zur Beschwerde befugt ist, wer durch die gerichtliche Maßnahme u n m i t t e l b a r in Freiheit, Vermögen oder einem sonstigen Recht beeinträchtigt wird, BayObLGSt. 1952 233, E b S c h m i d t 15, KleinknM 6, es sei denn, daß ausschließlich Berufung oder Revision zulässig ist. Hierher gehört der Beschuldigte, Angeschuldigte oder Angeklagte, der Zeuge (vgl. die §§ 50—55, 70, 71), der gerichtliche Sachverständige (vgl. die §§ 75—77, 84), derjenige, der für den Angeklagten Sicherheit geleistet hat (§ 122 Abs. 2), der Schöffe und Geschworene (§§ 56 Abs. 2, 84 GVG.), der Gewahrsamsinhaber oder Eigentümer einer beschlagnahmten Sache (§ 98), das Postscheckamt hinsichtlich des Guthabens des abwesenden Beschuldigten (BayObLG. DRZ. 18 425), Personen, denen Kosten auferlegt werden (§§ 470, 472), der Nebenkläger (Celle NRpfl. 1948 252), der Dienstvorgesetzte bei erforderlicher Aussagegenehmigung (§§ 54, 81c, Celle HESt. 2 79), der gesetzliche Vertreter aus eigenem Recht, der Leiter der Gefangenenanstalt im Falle des § 116 Abs. 5 ( E b S c h m i d t 16), die Anklagebehörde (s. § 296 Anm. lb), der Verteidiger, soweit er neben dem Beschuldigten eigene Rechte geltend macht (Prot. S. 533, Celle GA. 58 241, BayObLGSt. 10 12, 54 35, NJW 1953 755), etwa nach den §§ 145 Abs. 4, 147, 148, oder im Falle des § 143 (KG. JW. 1933 484 Nr. 27, 485 Nr. 28), die „andere Person" (§ 138 Abs. 2) bei Nichtzulassung als Wahlverteidiger oder Zurücknahme der Genehmigung, BayObLG. NJW. 1953 755. Die Befugnis besteht nur bei u n m i t t e l b a r e r Beschwer, Schleswig SchlHA. 1954 64 (s. Anm. II oben). 2. „Betroffen werden". Schon das Ergehen einer Maßnahme berechtigt zur Beschwerde, bevor noch eine Wirkung eingetreten ist. Vgl. §33. So kann wegen dem § 50 zuwiderlaufender Ladung Beschwerde erhoben werden, oder wegen eines noch unvollstreckten Haftbefehls. 3. Wer nur mittelbar betroffen wird, hat kein Beschwerderecht. Das bloße Anliegen, daß der Beschuldigte verfolgt oder nicht verfolgt werde, genügt nicht, sofern der Beschwerdeführer nicht ein unmittelbar beeinträchtigtes Recht verfolgt. Keine Beschwerde steht daher zu der Ehefrau des Verurteilten wegen bedingter Entlassung, Schleswig SchlHA. 1958 288; dem Konkursgläubiger bei Einstellung des wegen Bankrotts eingeleiteten Verfahrens (Kassel GA. 54 99); dem Fischereiberechtigten im entsprechenden Falle (Dresden AlsbE. 2 Nr. 127); den Eltern des Volljährigen bei Unterbringung (BayObLG. NJW. 1953 714, Schleswig SchlHA. 1961 201); der Mutter des Beschuldigten, die nicht gesetzlicher Vertreter ist (Schleswig GA. 56 301); dem lediglich Unterhaltsberechtigten (BayObLGSt. 1952 232). 4. Beispiele für Beschwerdebefugnis: des Beschuldigten gegen die vorläufige Einstellung des Verfahrens nach § 154 Abs. 2, KG. JW. 1932 1229 Nr. 6, vgl. auch Köln NJW. 1953 1444, Celle NJW. 1957 153, BGHSt. 10 88; gegen Verweigerung der Aufnahme der Begründung eines Beweisantrages in die Sitzungsniederschrift, KG. GA. 75 304; gegen Ablehnung der Berichtigung der Sitzungsniederschrift, Schleswig NJW. 1959 162, auch nach Rechtskraft des Urteils (§ 274), KG. GA. 74 310; gegen Bewilligung des Armenrechts an den Privatkläger, BayObLG. AlsbE. 3 Nr. 41; gegen Ablehnung der Bestellung eines Verteidigers, Köln NJW. 1953 1807; gegen Auf-
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§304
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. m 1—4 hebung der Kostenverurteilung nach § 51, überhaupt gegen die einen anderen betreffende Maßnahme, sofern sie auch den Beschuldigten u n m i t t e l b a r berührt, BayObLG. DRZ. 20 Nr. 423; gegen den Beschluß über Außerverfolgungsetzung, der die notwendigen Auslagen nicht der Staatskasse auferlegt, BayObLG. Rpfleger 56 2; gegen den Beschluß, durch den nach Zurücknahme eines Rechtsmittels über Auslagen entschieden wird, BayObLG. Rpfleger 56 41; gegen den Beschluß des Amtsgerichts, welcher den Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung (§64 OWiG) verwirft, BGHSt. 9 272; gegen die richterliche Anordnung ärztlicher Untersuchung nach § 81a, BayObLGSt. 56 180; gegen sitzungspolizeiliche Maßnahmen, die über die Verhandlung hinaus wirken, und Ordnungsstrafen, K o b l e n z HESt. B 59; der StA. gegen Ablehnung des Antrages auf Widerruf der Strafaussetzung (§ 453 Abs. 3), Mainz NJW. 1956 1249; der StA. gegen Zurückweisung der Beitrittserklärung des Nebenklägers, der Berufung eingelegt hat (§ 396 Abs. 2), K a s s e l DRZ. 22 Nr. 223; dem Verletzten bei Zurückweisung seiner Anschließung an die zufolge eines Antrags nach § 196 StGB, erhobene öffentliche Klage, BayObLG. DRZ. 22 Nr. 155. Weitere Beispiele bei § 305. Auf Unzulässigkeit der Beschwerde ist erkannt worden: wenn ein StraffreiheitsG nach Urteilsverkündung, aber vor Rechtskraft ergeht und über die Einstellung noch das Erstgericht zu entscheiden hat, KG. JR. 55 72; gegen die Berichtigung der Urteilsgründe, solange ein Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt werden kann, O l d e n b u r g MDR. 1959 60; wenn das Erstgericht nach Verurteilung und Revisionseinlegung vor Übersendung der Akten an das RevG. die Anwendung eines StraffreiheitsG ablehnt, K ö l n NJW. 1955 396; bei Ablehnung der Vorlage an das BVerfG. wegen angeblicher Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes, B r e m e n MDR. 1956 232; bei Bestimmung des für das Bußgeldverfahren zuständigen Amtsgerichts durch das gemeinschaftliche Landgericht, BayObLGSt. 56 38. Weitere Beispiele bei § 305. III. Beschwerdegericht. 1. Örtlich zuständig ist das örtlich übergeordnete Gericht, auch wenn das Gericht, das die angefochtene Entscheidung oder Maßnahme erlassen hat, dafür örtlich nicht zuständig war. 2. Sachlich zuständig zur Entscheidung über die Beschwerde ist bei Beschlüssen, Maßnahmen und Verfügungen des Amtsrichters, des Schöffengerichts, seines Vorsitzenden, des Untersuchungsrichters und seines Vertreters (§ 186 Abs. 2) die Strafkammer in der Besetzung mit drei Richtern (§§ 73, 76 GVG.). Über Beschwerden gegen Verfügungen und Beschlüsse der Strafkammer, des Schwurgerichts oder des Vorsitzenden eines dieser Gerichte, ebenso über weitere Beschwerden entscheidet der Strafsenat des Oberlandesgerichts (§§ 121 Nr. 2,122 GVG.), ebenso gegen sitzungspolizeiliche Beschlüsse über Ordnungsstrafen (§ 181 Abs. 3 GVG.). In den Fällen des § 186 ist das OLG. bzw. der BGH. zuständig, bei Ablehnung der Rechtshilfe (§ 159 Abs. 1 GVG.) der BGH. in der Besetzung mit drei Richtern (§ 139 Abs. 2 GVG.), ebenso bei Verfügungen und Beschlüssen des Ermittlungsrichters des BGH. (§§ 168a StPO., 134 Abs. 3 GVG.). 3. Ersuchter Richter. In der RTK. (Prot. S. 534, 1009) wurde erörtert, ob eine über den e r s u c h t e n Richter geführte Beschwerde durch Entscheidung des i h m vorgeordneten Beschwerdegerichts zu erledigen sei. Dies ist zweifellos zu bejahen. Eine andere Frage ist es, ob sich die Beschwerde nicht in Wahrheit gegen den I n h a l t des E r s u c h e n s , also gegen die Entscheidung des e r s u c h e n d e n G e r i c h t s wendet. Dann kann sie nur an das diesem Gericht vorgeordnete Beschwerdegericht gehen. Der ersuchte Richter ist regelmäßig (Ausnahmen: GVG. § 158) an das Ersuchen gebunden. Für eine Beschwerde über i h n ist daher nur Raum, soweit ihm bei Erledigung des Ersuchens ein eigenes Ermessen und ein selbständiges Entscheidungsrecht zusteht oder die Beschwerde deshalb erhoben wird, weil er nicht dem Ersuchen entsprechend verfahren sei ( D r e s d e n SächsOLG. 14 202; v. K r i e s 698; S t e n g l e i n 5; B e n . - B e l i n g 451). Die Beschwerde über den ersuchten Richter, der nach § 157 GVG. stets ein Amtsrichter ist, geht an die Strafkammer des Landgerichts (GVG. § 73). Der Fall, daß die Beschwerde die Zul ä s s i g k e i t der R e c h t s h i l f e betrifft, ist im GVG. § 159 besonders behandelt. Sie geht an den Strafsenat des Oberlandesgerichts. 4. Beauftragter Richter. Ist ein Mitglied eines Gerichts beauftragt, eine Untersuchungshandlung vorzunehmen, so kann sich die Beschwerde gegen das V e r f a h r e n des b e a u f t r a g t e n R i c h t e r s oder gegen den Auftrag, die E n t s c h e i d u n g des b e a u f t r a g t e n G e r i c h t s , wenden.
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Zweiter Abschnitt. Beschwerde (Jagusch)
§304 Anm. 5, IV—VI
Über den ersten Fall enthält weder die StPO. noch das GVG. eine Bestimmung. Das beauftragende Gericht kann hier nicht über die Beschwerde entscheiden. Der beauftragte Richter ist Mitglied dieses Gerichts; er würde aber nach § 23 Abs. 1 bei der Entscheidung über die Beschwerde nicht mitwirken können. Überdies kann das beauftragende Gericht ein Schwurgericht sein (z. B. wenn dieses die Vernehmung eines wegen Krankheit ausbleibenden Zeugen beschließt). Das Schwurgericht ist aber kein Beschwerdegericht. Hiernach und da der beauftragte Richter stets nur ein Mitglied des Landgerichts oder des Schwurgerichts sein kann, ist das O b e r l a n d e s g e r i c h t das ihm vorgeordnete Beschwerdegericht. Aus der Aufgabe des beauftragten Richters folgt allerdings, daß das beauftragende Gericht jederzeit in sein Verfahren eingreifen darf, auch auf Grund einer Beanstandung durch einen Prozeßbeteiligten. Doch wird hierdurch dessen Recht, die Entscheidung des Beschwerdegerichts anzurufen, nicht ausgeschlossen. 5. Wird die Entscheidung über die Beschwerde von einem unzuständigen Gericht erlassen, so ist sie gleichwohl wirksam (RGSt. 82 93; RG. JW. 1921 470). Eine Ausnahme machte das Reichsgericht in Sachen, für die es in erster Instanz zuständig war (GVG. § 134). In diesen Sachen wurde eine Entscheidung des Landgerichts über die Beschwerde gegen den Haftbefehl des Amtsrichters als nichtig behandelt, weil sie einen unzulässigen Eingriff einer Landesbehörde in die Justizhoheit des Reichs enthalte. IV. Beschwerdebegründung. Hierüber enthält die StPO. keine Vorschriften (§ 306). Die Beschwerde kann sich daher auf tatsächliche wie rechtliche Gründe stützen. Sie kann die Zulässigkeit (Rechtmäßigkeit) der angefochtenen Maßnahme bestreiten, ihre tatsächliche Grundlage angreifen, die sachliche Richtigkeit anzweifeln ( H a m m MDR. 1950 373) und sich, von Ausnahmen abgesehen, auch gegen ihre Zweckmäßigkeit wenden (vgl. aber Anm. I 2e). Neues tatsächliches und rechtliches Vorbringen ist zulässig. Begründungszwang besteht nicht. Auch die nicht mit Begründung versehene Beschwerde veranlaßt das Beschwerdegericht zur vollständigen Überprüfung der angefochtenen Maßnahme, K ö l n MDR. 1951 373 (zu § 81), H a m m MDR. 1950 373 (zu § 81). Alles dies gilt auch für die sofortige und die weitere Beschwerde. Auch die neue Vorschrift des § 305 a enthält keinen Begründungszwang (s. dort). Jedoch beschränkt sie die Nachprüfbarkeit des angefochtenen Beschlusses, sofern Beschwerde erhoben wird, auf die dort aufgezählten beiden Beschwerdegründe. V. Abhilfe. Hält das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung oder Maßnahme angefochten wird, die einfache Beschwerde für begründet, so ist ihr abzuhelfen (§ 306 Abs. 2). Bei der sofortigen Beschwerde, die sich gegen Entscheidungen richtet, die mehr oder minder der Bedeutung eines Urteils ähneln und der Rechtskraft fähig sind, ist Selbstabhilfe untersagt (§ 311 Abs. 3). — Das untere Gericht hat sich über Abhilfe oder Nichtabhilfe auszusprechen. Es befindet darüber funktionell diejenige Stelle, von welcher die angefochtene Maßnahme stammt. Bei inzwischen erkannter Unzuständigkeit dieser Stelle entscheidet nunmehr die sachlich zuständige. Die StPO. berechtigt nicht dazu, von dem erkanntermaßen unzuständigen Gericht nur deshalb, weil nunmehr die Beschwerde vorliegt, eine weitere Entschließung über Abhilfe zu fordern. Vielmehr entscheidet stets das funktionell zuständige Gericht. Den Grund der Abhilfe oder Nichtabhilfe braucht das Gericht in seiner Entschließung nicht anzugeben. Ob es sich zur Beschwerde vor Weitergabe äußern will, steht ihm frei. Vgl. noch Anm. VI. VI. Beschlüsse der Oberlandesgerichte und des Bundesgerichtshofes unterliegen nicht der Beschwerde (§ 304 Abs. 4). Ausgenommen sind nur einige Beschlüsse der OLGe. nach § 159 GVG. Weitere Ausnahmen sieht das Gesetz nicht vor, auch nicht hinsichtlich der Kosten- und Gebührenentscheidungen, RG. Rspr. 5 527, RGSt. 7 420. Bei Beschwerden gegen Verfügungen des Ermittlungsrichters des BGH. entscheidet der BGH. (§§ 168 a StPO., 134 Abs. 3 GVG.). Die grundsätzliche Unanfechtbarkeit der Beschlüsse wird nicht hindern, daß ein Senat einen Beschluß auf Anregung oder von Amts wegen wieder aufhebt, den er auf unrichtiger Tatsachengrundlage erlassen hat (so RGSt. 59 420, RG. III 1152/29 v. 23.1.1930, N a u m b u r g HR. 8 Nr. 1278, BGH. NJW. 1951 771 (zu § 349 Abs. 1). Im Beschwerdeverfahren wird dieser Grundsatz, soweit anderweite wichtige Verfahrensinteressen, insbesondere der Rechtskraft und Rechtssicherheit, nicht entgegenstehen, auch auf Fälle irriger Rechtsanwendung erstreckt werden dürfen. Vgl. 2. Abschnitt, Vorbem. 6, besonders 6f.
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§305
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 1, 2
§ 305 Entscheidungen der erkennenden Gerichte, die der Urteilsfällung vorausgehen, unterliegen nicht der Beschwerde. Ausgenommen sind Entscheidungen über Verhaftungen, die einstweilige Unterbringung, Beschlagnahmen, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis oder Straffestsetzungen sowie alle Entscheidungen, durch die dritte Personen betroifen werden. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 240. II. Entw. § 247. III. Entw. § 291. Frühere Bezeichnung: §347. Änderungsvorschläge: NE I und II § 309. NE III § 300. Spätere Änderungen: AusfG. zum GewVerbrG. vom 24.11.1933 (RGBl. S. 1000) und VerkSichG. Art. 3 vom 19.12.1962 (BGBl. S. 832). 1. Einschränkung der Beschwerde. Die Motive S. 210 zu der Vorschrift besagen: Das Gesetz schließt „bei den meisten der Urteilsfällung vorausgehenden Entscheidungen der erkennenden Gerichte zwar nicht jede Anfechtung, wohl aber die Beschwerde aus. Es beruht dies darauf, daß diese Entscheidungen regelmäßig in irgendwelchem inneren Zusammenhang mit der nachfolgenden Urteilsfällung stehen und zur Vorbereitung der letzteren dienen, daß sie demzufolge sich aber meistens als bloß vorläufige Beschlüsse darstellen und bei der Urteilsfällung selbst nochmals der Prüfung des Gerichts unterliegen. Hier würde ein schon vor der Urteilsfällung stattfindendes Eingreifen des höheren Gerichts in das Verfahren mit der Stellung und Aufgabe des Gerichts erster Instanz unvereinbar sein. Dies gilt vor allem von solchen Beschlüssen, welche eine Beweisaufnahme anordnen oder ablehnen. In allen diesen Fällen bleibt demjenigen, der sich durch die Entscheidung beschwert fühlt, die Geltendmachung seiner Beschwerdegründe insofern vorbehalten, als dieselben zur Begründung des Rechtsmittels (der Berufung oder der Revision) gegen das demnächst ergehende Urteil benutzt werden können. Die Beschwerde geht hier also in diesem Rechtsmittel auf. Gegen solche Entscheidungen des erkennenden Gerichts hingegen, welche in keinem inneren Zusammenhange mit der Urteilsfällung stehen, . . . , ist das Rechtsmittel der Beschwerde zulässig."Beispiele der zuletzt erwähnten Gruppe von Entscheidungen sind solche über Verhaftungen, Beschlagnahmen, einstweilige Unterbringung, vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis und die Festsetzung von Ordnungsstrafen. Soweit die Beschwerde hiernach unzulässig ist, bedeutet das nur, daß die B e t e i l i g t e n während des Fortgangs des Verfahrens nicht Beschwerde einlegen können. Das Gericht darf die Entscheidung jederzeit ändern (RGSt. 59 243). Der Wortlaut des § 305 reicht an sich über den Gesetzeszweck (s. die Motive) hinaus. Praxis und Lehre schränken die Vorschrift daher übereinstimmend auf die Fälle ein, welche nach dem gekennzeichneten Gesetzeszweck nur in Betracht kommen. Darüber Näheres in Anm. 3. Auch die Entwürfe zur StPO. beschränken die Materie des § 305 ausdrücklich auf Entscheidungen, die zur Vorbereitung des Urteils ergehen (s. Stichwort Änderungsvorschläge). In der Begründung zum NE I S. 303, II S. 177 wird hervorgehoben, daß ein innerer Zusammenhang mit der Urteilsfällung bestehen müsse, wenn die Beschwerde ausgeschlossen sein solle. Trotz dieser Regeln bleiben viele Zweifel bestehen. Die Vorschrift des § 305 schränkt die für die Beschwerde allgemein geltenden Grundsätze des § 304 aus triftigen Verfahrensrücksichten ein, ohne daß den Beteiligten dadurch eine Instanz genommen wird, RGSt. 74 395. Sie gilt auch für das Verfahren des Beschwerdegerichts, K ö l n NJW. 1956 803. Die Einschränkung unterliegt nicht der Verfassungsbeschwerde, BVerfGE. 1 9. 2. Erkennendes Gericht. Das erkennende Gericht ist dasjenige, bei welchem das Hauptverfahren anhängig ist, BGHSt. 2 2, oder durch Eröffnungsbeschluß anhängig wird. Das Hauptverfahren beginnt mit dem Eröffnungsbeschluß (§§ 207, 209), E b S c h m i d t 2. Das in ihm bezeichnete Gericht, vor dem das Verfahren eröffnet wird, ist das erkennende. Dies gilt auch, wenn das beschließende Gericht das Verfahren vor einem anderen Gericht eröffnet, BayObLG. NJW. 1956 113, etwa im Falle des § 134a Abs. 3 GVG. Das Berufungsgericht ist von dem Eingang der Akten mit der Berufung ab das erkennende Gericht, BayObLGSt. 21159, K ö l n NJW. 1956 803. Im Strafbefehlsverfahren ist erkennendes Gericht dasjenige, das Termin zur Hauptverhandlung bestimmt hat, BayObLGSt. 21 159. Vgl. auch § 305 a Anm. 3d. Vorsitzender. Beauftragter Richter. Der § 305 gilt auch für Verfügungen usw., die der Vorsitzende für das erkennende Gericht erläßt (§§ 219 bis 221), und für solche des beauftragten
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Zweiter Abschnitt. Beschwerde (Jagusch)
§305 Anm. 3
Richters. Der Wortlaut der §§ 304, 305 spricht nicht dagegen. Die Erwägungen der Motive (Anm. 1) treffen auch hier zu. Überdies kommen hier die Gründe in Betracht, aus welchen das Gesetz Verfügungen usw. des Vorsitzenden vorsieht (vgl. § 219). Bs wäre sinnwidrig, das erkennende Gericht von der einstweiligen Entscheidung über Herbeischaffung von Beweismitteln gesetzlich auzuschließen und diese Befugnis nur dem Vorsitzenden zu übertragen, zugleich aber das Eingreifen des Beschwerdegerichts insoweit vorzusehen, obwohl dieses der Sache ferner steht und, von Berufungsfällen abgesehen, auch künftig nicht in die Lage kommt, ein Urteil über die Beweisfrage zu erlassen ( M ü n c h e n S t . 3 133, 605; 8 372, BayObLGSt. 1 155, 9 123,15 143, v. K r i e s 697, E b S c h m i d t 4, K l e i n k n M 2. In Schwurgerichtssachen ist erkennendes Gericht außerhalb der Hauptverhandlung die Strafkammer (§ 82 Abs. 2 GVG., RGSt. 43 181). Nicht beschwerdefähig ist ein Beschluß, den das Gericht gleichzeitig mit dem Eröffnungsbeschluß erläßt, sofern er mit der Urteilsfällung zusammenhängt und ausschließlich ihrer Vorbereitung dient, ohne weitere Verfahrenswirkungen zu äußern, BayObLG. MDR. 1955 629 (Beschluß über Verbindung und Ablehnung der Beziehung von Akten). 3. Entscheidungen, die der Urteilsfällung vorausgehen. a) Formell kommt jeder Verfahrensakt in Betracht (s. §304 Anm. I 2 c). Im übrigen gilt § 305 für alle Entscheidungen, die nach Eröffnung des Hauptverfahrens vor dem Urteil ergehen, RGSt. 67 312, 43 180 ,BayObLGSt. 9 123, 28 52, 21 159, Celle AlsbergE. 2 Nr. 128d, KG. DJZ. 33 1338, M ü n c h e n 5 481, einschließlich solcher, die zugleich mit dem Eröffnungsbeschluß ergehen, BayObLG. MDR. 1955 629. So jetzt die herrschende Meinung, K l e i n k n M 2, E b . S c h m i d t 1, a. M. K a s s e l HESt. 2 157 (Erhebung der öffentlichen Klage, jedoch steht hier das erkennende Gericht noch nicht fest). Die NE I und II § 309, III §300 wollten den Begriff „Entscheidungen der erkennenden Gerichte" ersetzen durch „Entscheidungen, die nach Eröffnung des Hauptverfahrens zur Vorbereitung des Urteils erlassen werden". Sie stimmen daher mit der herrschenden Meinung überein (Begr. zum NE I S. 304, II S. 177). Die Verfügung muß dem Urteil zeitlich vorausgehen. Für Beschwerden gegen Entscheidungen, die erst nach dem Urteil ergehen, gilt die allgemeine Regel des § 304. b) Vorbereitung des Urteils. Keine weiteren Verfahrenswirkungen. Der Wortlaut des § 305 geht über den gesetzgeberischen Grundgedanken der Vorschrift hinaus und muß daher sinngemäß eingeschränkt werden, weil die Beschwerdebefugnis sonst über Gebühr eingeengt würde (vgl. Anm. 1). Der Ausschluß der Beschwerde beschränkt sich auf Verfügungen usw., die in innerem Zusammenhang mit der Urteilsfällung stehen, n u r der Urteilsvorbereitung dienen und k e i n e weiteren Verfahrenswirkungen äußern. Das ist jetzt herrschende Meinung, zusammenfassend RGSt. 67 312, BayObLGSt. 3 405, 6 406,13 493, 27 99, 28 52, 52 116, 55 113, M ü n c h e n MDR. 1955 629, K a s s e l HESt. 2 157, O l d e n b u r g NJW. 1956 682, KG. GA. 67 464, HR. 8 Nr. 1010, Celle GA. 59 365, B r e s l a u ZStW. 47 Beil. 20, M a n n h e i m JW. 1927 2076, K l e i n k n M 3, E b S c h m i d t 5, a. M. noch RGSt. 43 182, D a r m s t a d t DStRZ. 2 363, D r e s d e n JW. 1927 2076. c) Beispiele: Beschlüsse, die in diesem Sinne das Urteil zwar vorbereiten, bleiben dennoch beschwerdefähig, wenn sie weitere, mit dem Urteil nicht zusammenhängende Verfahrenswirkungen äußern. Der Beschwerde entzogen sind hiernach Beschlüsse oder Verfügungen über die Beweisaufnahme; über die Hauptverhandlung, um dort die Anwendbarkeit eines Gnadenerlasses zu prüfen, RGSt. 74 396; über die Ablehnung einer beantragten Verweisung, B r a u n s c h w e i g GA. 59 89; über die Verbindung oder Trennung von Sachen, KG. HR. 8 Nr. 1010, K a r l s r u h e DRZ. 23 Nr. 787, jedoch nur, wenn dies weitere Verfahrensbelange der Beteiligten nicht beeinträchtigt, etwa durch Verzögerung, BayObLGSt. 53 86; über die Ablehnung des Antrages, vom Erscheinen in der HV. entbunden zu werden, KG. GA. 73 201, K a r l s r u h e JW. 1934 2501, B r e s l a u DRZ. 23 Nr. 538, a. M. BayObLGSt. 13 493, vgl. auch Celle NJW. 1957 1163; über die Ablehnung der Verteidigerbestellung in der HV., D a r m s t a d t HR. 7 Nr. 722; über den Ausschluß des erschienenen Anwalts von der Verteidigung in der HV., GK. JW. 193 8 485; über die Anordnung im Berufungsverfahren, der Angeklagte sei durch den ersuchten Richter zu vernehmen, D r e s d e n AlsbE. 2 Nr. 87 d, a. M. BayObLG. AlsbE. 2 Nr. 89 b; über Ablehnung eines Sachverständigen nach Eröffnung des Hauptverfahrens, O l d e n b u r g VRS. 1960 301; über die Verwerfung eines Ablehnungsgesuchs gegen den geladenen Sachverständigen, S c h l e s w i g SchlHA. 53 222, 77
L ö w e - R o s e n b e r g , StPO. 21. Aufl.
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§305
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 4 B r e s l a u DRZ. 22 Nr. 156; über Verwerfung des Einwandes der örtlichen Unzuständigkeit, RG. JW. 1933 444; gegen den Beschluß in der HV., der Kostenübernahme gemäß § 220 Abs. 3 ablehnt, steht dem Angekl. keine Beschwerde zu, B r e m e n GA. 55 60; auch nicht gegen den Beschluß, der das persönliche Erscheinen des Privatklägers anordnet, Celle NJW. 1953 1933; oder der die Aussetzung der HV. ablehnt, N e u s t a d t HESt.3 61, K ö l n NJW.1956 803, B r a u n s c h w e i g NJW. 1955 565, E b S c h m i d t 7. Gegen den Aussetzungsbeschluß zwecks weiterer Ermittlungen will F r a n k f u r t NJW. 1954 1012 die Beschwerde zulassen, sofern das Verfahren dadurch unvernünftig verzögert wird, da die spätere Urteilsanfechtung die Verzögerung nicht mehr beheben könne. Ähnlich N e u s t a d t HESt. 3 61, S c h l e s w i g SchlHA. 58 116, K ö l n NJW. 1956 203, E b S c h m i d t 6. Dem hält B r a u n s c h w e i g NJW. 1955 565 überzeugend entgegen, daß damit in die Aufklärungspflicht des erkennenden Gerichts verfrüht eingegriffen werde. Weitere Ermittlungen betreffen meist den Umfang der Beweisaufnahme. Das Beschwerdegericht kann die bisherigen Beweiserwägungen des erkennenden Gerichts weder kennen, noch darf es in sie eingreifen. Das Gericht kann nicht dazu gedrängt werden, die HV. auf nach seiner Ansicht unzulänglicher Grundlage durchzuführen. Die HV. ist auch nicht dazu da, Versäumnisse des Vorverfahrens nachzuholen, es sei denn, dies ist ohne Erschwernis möglich. Die Aussetzung wird daher nur beschwerdefähig sein, wo diese Gesichtspunkte ausnahmsweise keine Rolle spielen und die Aussetzung keinen sachlich verständigen Grund hat. Weiteres bei den einzelnen Vorschriften. Die Beschwerde ist zulässig: bei Ablehnung oder Zulassung des Verletzten als Nebenkläger, O l d e n b u r g NJW. 1956 682; bei Ablehnung des Ablehnungsgesuchs gegen einen Sachverständigen, der gemäß § 81 Abs. 1 gehört werden soll, Celle NRpfl. 56 80 (vgl. aber O l d e n b u r g VRS. 1960 301); gemäß den §§ 270 Abs. 3, 210 durch die StA. dann, wenn einem Verweisungsantrage zwar entsprochen, aber an ein Gericht niedrigerer Ordnung als beantragt verwiesen wird, K l e i n k n M GA. 59 93; gegen die richterliche Anordnung ärztlicher Untersuchung nach §81a, auch bei Anordnungen des erkennenden Gerichts, BayObLGSt. 56 180 unter Aufgabe von 51 472; gegen die Verweigerung des Armenrechts an den Nebenkläger, BayObLGSt. 51 242; bei vorläufiger Einstellung des Verfahrens, RGSt. 43 182, 66 326, BayObLGSt. 15 1, H a m b u r g GA. 40 359; gegen Nichtanberaumung des Termins zur Verhandlung der Privatklage, BayObLG. DJZ. 21 248; gegen nachträgliche Aussetzung des Sicherungsverfahrens, um den Einfluß weiterer Strafvollstreckung abzuwarten, KG. J R . 1935 H R R . Nr. 569; gegen Ablehnung des Antrags auf Verteidigerbestellung vor der HV., vgl. § 141, RGSt. 48 386, 67 311 gegen 48 182, BayObLGSt. 6 406, KG. GA. 78 200, K a r l s r u h e HR. 5 Nr. 682. Eine Beschwerde gegen die Ablehnung der Verteidigerbestellung nach § 141 vor der HV. ist dem Beschwerdegericht vorzulegen; dies darf nicht deshalb unterbleiben, weil die Erledigung der Beschwerde vor der HV. nicht möglich und Aussetzung untunlich sei, RG. HRR. 1939 Nr. 276, B r e m e n NJW. 1951 454 (zu § 140 Abs. 1 Nr. 5) gegen H a m m JZ. 1951 121. Vgl. auch D a h s NJW. 1951 454. Der gewählte Verteidiger, der die Verteidigung niederlegt, kann sich im eigenen Namen gegen die Verfügung, die seine Bestellung zum Pflichtverteidiger ablehnt, beschweren, damit aber keinen Erfolg erzielen, KG. HR. 8 Nr. 1807. Vgl. ferner Anm. 4. 4. Ausnahmen von § 305 (Beschwerde zulässig). Entscheidungen über Verhaftungen sind solche über den Erlaß, die Aufhebung oder Aufrechterhaltung des Haftbefehls (§§ 112, 230) und über Sicherheitsleistung nach den §§117 ff. Die Beschwerdefähigkeit der Entscheidungen nach § 116, welche den Vollzug der Untersuchungshaft betreffen, richtet sich nach § 304. Entscheidungen über vorläufige Unterbringung sind solche nach den §§81 (vgl. K ö l n MDR. 1951 373) und 126 a, über Beschlagnahme und Durchsuchung solche nach den §§81a, 98, 99, 100, 105, über die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis solche nach § l l l a , über Straffestsetzungen (Ordnungsstrafen) solche nach den §§ 178, 181 GVG. Beschwerdefähig sind ferner sämtliche Entscheidungen, die dritte Personen betreffen, in Bezug auf diese, auch wenn der Beschuldigte nach § 305 kein Beschwerderecht hat. In Betracht kommen Entscheidungen z. B. nach den §§ 70, 81c, 103, GVG. 177, 178. Vgl. § 304 Anm. II 1 und 4.
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Zweiter Abschnitt. Beschwerde (Jagusch)
§ 305a Anm. 1—8
§ 305 a (1) Gegen den Beschluß nach § 268 a Abs. 1 ist Beschwerde zulässig. Sie kann nur darauf gestützt werden, daß eine getroffene Anordnung gesetzwidrig ist oder einen einschneidenden, unzumutbaren Eingriff in die Lebensführung des Beschwerdeführers darstellt. (2) Wird gegen den Beschluß Beschwerde und gegen das Urteil eine zulässige Revision eingelegt, so ist das Bevisionsgericht auch zur Entscheidung über die Beschwerde zuständig. Entstehung: 3. StrafRÄndG. vom 4. 8.1953, Art. 4 Nr. 33. In Kraft seit dem 1.10.1953. Schrifttum: D a l i i n g e r JZ. 1953 435, B r u n s GA. 1956 209, P e t e r s JZ. 1957 64 mit weiteren Angaben. Vgl. auch J a g u s c h LM. § 24 Nr. 3. 1. Eingeschränkte Beschwerde gegen Auflagenbeschluß. Die Vorschrift gehört, wie § 453, zum Verfahrensrecht der Strafaussetzung zur Bewährung. Ob Strafaussetzung nach § 23 StGB bewilligt wird, ist im Urteil zu entscheiden. Über die Bewährungszeit und etwaige Auflagen (§ 24 StGB.), die nicht notwendig angeordnet werden müssen (§ 24 Abs. 2 StGB.), hat der Erstrichter durch gesonderten Beschluß (BGH. LM. § 24 Nr. 1, NJW. 1964 522) zugleich mit dem Urteil zu entscheiden, um das Urteil damit nicht zu belasten ( D a l l i n g e r JZ. 1953 435), aber auch, weil das Gericht den Beschluß nachträglich treffen, ändern oder aufheben kann (§ 24 Abs. 3 StGB). Geschieht dies nach eingelegtem zulässigem Rechtsmittel, aber vor Entscheidung des Rechtsmittelgerichts, so entscheidet dieses auch über die Beschwerde (arg. § 305 a Abs. 2). Ergeht die Nachtragsentscheidung erst nach der Entscheidung über das Rechtsmittel, so richtet sich die Beschwerde nach dem entsprechend gestalteten § 453, BGHSt. 10 21, E b S c h m i d t 5. Entscheidet das Erstgericht über Bewährungszeit oder Auflagen gemäß § 24 versehentlich im Urteil, so gilt dieser Urteilsteil als beschwerdefähiger Beschluß nach § 268 a, da es nicht auf die Form der Entscheidung, sondern auf ihren Gegenstand ankommt (vgl. § 304 Anm. I 1). BGH. 5 StR 354/54 vom 2. 7.1954 will in diesem Falle die Revision zulassen und verwirft sie gleichzeitig als u n z u l ä s s i g , weil der Angeklagte nur die zu lange Bewährungsfrist gerügt, den Rahmen des § 305 a also nicht beachtet habe. Dem ist nicht zuzustimmen. Diese Betrachtungsweise trägt der Änderungsbefugnis gemäß § 24 Abs. 3 StGB, nicht Rechnung. Sie übersieht auch, daß die Sachrüge erhoben worden war, die keiner Begründung bedarf (Anm. 2), so daß die als unzulässig behandelte Revision in Wirklichkeit eine unbegründete Beschwerde war. — Näheres über den Auflagenbeschluß gemäß § 24 StGB bei § 268 a. 2. Beschwerde zulässig. Die Beschwerde nach § 305 a ist keine reine Rechtsbeschwerde. Soweit sie einen einschneidenden, unzumutbaren Eingriff in die Lebensführung des Verurteilten behauptet, macht sie einen schweren Ermessensfehler des Erstrichters geltend, den das Beschwerdegericht zu prüfen und zu berichtigen habe. — An sich gelten auch für die § 305a-Beschwerde die allgemeinen Beschwerderegeln. Sie bedarf keiner Begründung. Eine Begründung ist nur beachtlich, soweit sie Gesetzwidrigkeit oder den in Abs. 1 Satz 2 gekennzeichneten schweren Ermessensverstoß geltend macht. Die ohne Begründung eingereichte Beschwerde führt ebenfalls nur zur Überprüfung in diesen beiden Richtungen. Eine hiernach unzulängliche Begründung wird regelmäßig als Rüge der Gesetzwidrigkeit zu gelten haben. Aber auch wenn ausnahmsweise feststeht, daß die beiden nach § 305 a allein zulässigen Rügen nicht erhoben werden sollen, ist die Beschwerde deshalb nicht u n z u l ä s s i g , wie es nach den Gesetzesworten „kann nur darauf gestützt werden" scheinen könnte, sondern nur unbegründet, sofern kein sachlichrechtlicher Fehler vorliegt. Die Sachrüge ist auch hier unteilbar. Der § 305 RegEntw., der einen auf beide Punkte beschränkten Begründungszwang vorsah, ist nicht Gesetz geworden. Ein solcher Zwang würde die Pflicht des Tatrichters zur Änderung eines gesetzwidrigen Beschlusses (§ 24 Abs. 3 StGB.) übrigens nicht beseitigen ( K l e i n k n M 2). Die Gesetzesfassung enthält daher nur die Aufzählung der beiden sachlich allein zulässigen Beschwerdegründe und den entsprechenden Hinweis an den Beschwerdeführer für den Fall, daß er die Beschwerde begründen will. Ebenso E b S c h m i d t 2, K l e i n k n M 2, a. M. BGH. 5 StR 354/54 vom 2. 7. 54 (s. Anm. 1 am Ende). 3. Beschwerdegericht. Beschwerdeverfahren. a) Der Tatrichter hat auf die Beschwerde hin darüber zu befinden, ob er ihr abhelfen will (§ 306 Abs. 2). Ist der Beschluß gesetzwidrig, wozu auch grober Ermessensverstoß gehört, so ist er zur Abhilfe verpflichtet (§ 24 Abs. 2, 3 StGB.). 77'
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§ 305 a Anm. 4, 5
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
b) Über die Beschwerde gegen den Beschluß nach § 268 a entscheidet das Beschwerdegericht durch Beschluß, BGH. LM. § 24 StGB. Nr. 2. c) Ist das Urteil rechtskräftig und nur Beschwerde erhoben, so entscheidet darüber das örtlich und sachlich übergeordnete Gericht (§304 Abs. 3, D ü s s e l d o r f NJW. 1956 1889). Es hat ausschließlich zu prüfen, ob der Beschluß gesetzwidrig ist oder einen einschneidenden, unzumutbaren Eingriff in die Lebensführung des Verurteilten darstellt (s. Anm. 5 über die Beschwerdegründe). Es erhebt Freibeweis. Greift keiner der beiden Gründe durch, wobei die Beurteilung durch das Beschwerdegericht entscheidet, so verwirft es die Beschwerde. Andernfalls wird es den angefochtenen Beschluß durch Streichung, Ergänzung oder Neuordnung der Auflagen ändern. Das Verschlechterungsverbot (§§ 331, 358 Abs. 2) greift nicht ein, da es sich bei der Dauer der Bewährungszeit und den Bewährungsauflagen nicht um Strafen handelt, sondern um spezialpräventive Maßnahmen der Resozialisierung, K l e i n k n M 5b, D r e h e r - M a a ß e n 3, BayObLGSt. 56 253, N ü r n b e r g GA. 1959 317. Zurückverweisung wird im allgemeinen nicht in Betracht kommen. d) Ist ein Rechtsmittel eingelegt, das hinsichtlich der Auflagen zugleich als Beschwerde zu gelten hat, so ist zunächst über das Rechtsmittel zu entscheiden. Ist es zum Schuld- oder Strafausspruch erfolgreich, so ist zugleich der Auflagebeschluß als gegenstandslos aufzuheben. Zuständig ist in derartigen Fällen zwecks Beschleunigung und Vereinfachung des Verfahrens das Rechtsmittelgericht (BGHSt. 10 20), also neben dem Berufungsgericht, das stets zugleich auch Beschwerdegericht ist, das Revisionsgericht. Vgl. BGHSt. 6 208. Verwirft das Berufungsgericht die Berufung, so entscheidet es über die Beschwerde im Rahmen des § 304 durch Beschluß, gegen den keine weitere Beschwerde statthaft ist (§ 310 Abs. 2), BayObLG. NJW. 1956 1728, mit nicht überzeugender ablehnender Anmerkung von S c h m i t t . Gelangt es zu einem anderen Schuldspruch, so erläßt es einen neuen Auflagenbeschluß nach § 268 a, gegen den Beschwerde nach § 305 a gegeben ist. Entscheidet das Revisionsgericht gemäß § 354 Abs. 1 auf Verhängung der gesetzlich niedrigsten Strafe, so erläßt es den Auflagenbeschluß selbst. Er ist nach § 304 IV nicht beschwerdefähig. Das Berufungsgericht entscheidet über die Berufung in der Besetzung der Hauptverhandlung ( D ü s s e l d o r f NJW. 1956 1889), über den § 268a-Beschluß durch Beschluß (BGH. LM. § 24 StGB. Nr. 2) außerhalb der Hauptverhandlung, wobei es im Berufungsverfahren auch den Beschluß insgesamt zu überprüfen hat, nicht nur im Rahmen des § 305 a Abs. 1 Satz 2, KG. VRS. 11 357. Die Entscheidungen sollen gleichzeitig ergehen, andernfalls ist der Beschluß nachträglich zu erlassen, E b S c h m i d t 8. — Ist ein Rechtsmittel eingelegt, so ist das Revisionsgericht nur dann das Beschwerdegericht, wenn die Revision zulässig eingelegt ist (§ 346), weil der Beschleunigungs- und Vereinfachungszweck des § 305 a Abs. 2 sonst nicht erreicht wird, BGHSt. 10 20. Weitere Voraussetzung ist, daß das Erstgericht vor Beendigung des Revisionsverfahrens einen Beschluß nach § 268 a erlassen hat und daß auch die Beschwerde noch vorher eingelegt wird, KG. NJW. 1957 275, BGHSt. 10 20. Nach Zurücknahme der Revision ist dasRevisionsgericht für die Beschwerde nicht mehr zuständig, BayObLG. MDR. 1960 866. Die Vorschrift des § 305 a Abs. 2 ist eng auszulegen, da sie den Revisionsgerichten nur aus Gründen der Zweckmäßigkeit eine neben ihrer eigentlichen Aufgabe liegende Zuständigkeit überträgt, BGHSt. 10 20. Vgl. auch KG. NJW. 1957 275. 4. Beschwerdeberechtigt ist nicht nur, wie es nach der Wortfassung des Abs. 1 scheinen könnte, der Verurteilte, sondern auch sein gesetzlicher Vertreter (§ 298) und der Staatsanwalt (§ 296), N ü r n b e r g GA. 1959 317, ferner der Nebenkläger ( S c h l e s w i g GA. 1958 121). Mit der herrschenden Meinung ist anzunehmen, daß die Gesetzesworte „Lebensführung des Beschwerdeführers" die Beschwerdebefugnis nicht einschränken, sondern nur den Regelfall kennzeichnen sollen, E b S c h m i d t 6, K l e i n k n M 4. 5. Beschwerdegründe. Beide in § 305 a Abs. 1 genannten ausschließlichen Beschwerdegründe sind sachlichrechtlicher Art und laufen im Ergebnis auf das Merkmal der Gesetzwidrigkeit hinaus, BGHSt. 9 365. a) Gesetzwidrig sind z. B. Beschlüsse, die gegen die Regel des § 24 Abs. 2 Satz 2 StGB, oder gegen die zeitlichen Grenzen des § 24 Abs. 4 StGB, verstoßen. Soweit Auflagen verhängt sind, ergeben sich schwierige, noch nicht geklärte Rechtsfragen, die hier nicht näher zu behandeln sind, weil sie zum sachlichen Recht gehören. Vgl. § 24 StGB., grundlegend B r u n s GA. 1956 193, 209, ebenso P e t e r s JZ. 1957 64 mit weiteren Angaben, J a g u s c h LM. § 24 StGB. Nr. 3, außerdem
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Zweiter Abschnitt. Beschwerde (Jagusch)
§306 Anm. 1
§ 10 JGG. 1953 und BGHSt. 9 259 (wo die Zweifel zum Berufsverbot durch Auflage keineswegs erschöpft werden, auch wohl schwerlich ein wirkliches Berufsverbot vorlag). Die noch zweifelhafte Hauptfrage ist, ob Bewährungsauflagen nach § 24 StGB, diejenigen gesetzlichen Schranken überschreiten dürfen, die unter denselben Umständen der Verhängung vergleichbarer Strafen oder sichernder Maßregeln entgegenstehen, und wenn ja, inwieweit und unter welchen Umständen. Mit anderen Worten: Sind Auflagen gemäß § 24 StGB, nur durch ihren spezialpräventiven Wiedereingliederungszweck gesetzesgebunden, was eine Generalklausel von außerordentlicher Tragweite wäre, oder gelten, soweit vergleichbare Strafen (Geldstrafe) oder sichernde Maßnahmen (Berufsverbot) an enge gesetzliche Voraussetzungen gebunden sind, dieselben Voraussetzungen auch für die entsprechenden Bewährungsauflagen. Die Rechtsprechung hat bisher, mit Ausnahme von H a m m NJW. 1955 34 zum Berufsverbot, keine festen Leitlinien entwickelt, aber auch keine Einschränkung ausgesprochen. Die Entscheidung BGHSt. 9 259 beruht nicht auf den dort angegebenen Erwägungen, weil sie sich nur mit einer Nebentätigkeit befaßt. b) Einschneidend greifen nur solche Auflagen in die Lebensführung des Verurteilten ein, die ihn über ordentliche Lebensführung hinaus erheblich mit Aufgaben oder Pflichten belasten und von ihm auch so empfunden werden. Es kommen Gebote und Verbote in Betracht, die erhebliche Lenkung im positiven Sinne darstellen und einen Grad von Zwang ausüben, der über bloßes straffreies Wohlverhalten erheblich hinausgeht. Vg.l N ü r n b e r g GA. 1959 317. Unzumutbar sind Auflagen, die gesetzwidrig sind oder auf grobem Ermessensverstoß beruhen. Insoweit hat das Beschwerdegericht eine eingeschränkte Ermessensprüfung vorzunehmen. Dabei kommt es auf die Berücksichtigung aller wesentlichen Tat- und Täterumstände an, also auf Art und Maß der Täterschuld, Art und Umfang der verbrecherischen Tätigkeit, BGHSt. 9 260, auf die Tatumstände, die Verhältnisse des Täters, seine Persönlichkeit und Tatbeweggründe, vor allem darauf, ob die Auflage dem Wiedereingliederungszweck unter den gegebenen Verhältnissen dienen kann. Schematisch verhängte Auflagen eingreifender Art, die wesentlichen Anforderungen in diesen Richtungen nicht genügen, können unzumutbar sein. — BGHSt. 9 365 (Auflage, die Verfahrenskosten zu bezahlen, sei unzulässig. Mit bedenklich psychologisierender Begründung, die nicht überzeugt).
§ 306 (1) Die Beschwerde wird bei dem Gericht, von dem oder von dessen Vorsitzenden die angefochtene Entscheidung erlassen ist, zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt. Sie kann in dringenden Fällen auch bei dem Beschwerdegericht eingelegt werden. (2) Erachtet das Gericht oder der Vorsitzende, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für begründet, so haben sie ihr abzuhelfen; andernfalls ist die Beschwerde sofort, spätestens vor Ablauf von drei Tagen, dem Beschwerdegericht vorzulegen. (3) Diese Vorschriften gelten auch für die Entscheidungen des Amtsrichters im Vorverfahren, des beauftragten oder ersuchten Richters und des Untersuchungsrichters. Entstehungsgeschichte: I. Entw. §§ 242, 243. II. Entw. §§ 248, 249. III. Entw. §§ 292, 293. Frühere Bezeichnung: § 348. Änderungsvorschläge: NE. I und II § 310. NE. III § 301. 1. Einlegung der Beschwerde. Das Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, hat der Beschwerde, soweit es sie für begründet hält, abzuhelfen. Es kann die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung aussetzen (§ 307 Abs. 2), sich zur Beschwerde gegenüber dem Beschwerdegericht äußern und hat die Akten dem Beschwerdegericht vorzulegen, soweit dies sachdienlich ist. Daher ist die Beschwerde, wie auch Berufung (§ 314) und Revision (§ 341), bei dem Erstgericht einzulegen (vgl. die Motive S. 210). Doch ist dies nur eine Regel der Zweckmäßigkeit, keine Formvorschrift. In „dringenden Fällen" sieht das Gesetz selbst unmittelbare Einlegung bei dem Beschwerdegericht vor (Abs. 1 Satz 2). Jedoch ist diese Bezeichnung so allgemein, daß es dem Beschwerdeführer nach herrschender Ansicht nicht schadet, wenn kein dringender Fall anerkannt wird (vgl. § 311 Abs. 2), B r e m e n MDR. 1951 56, zust. D a l i i n g e r , K l e i n k n M l b . Das Beschwerdegericht wird die Beschwerde dann dem Erstgericht zur Entschließung über Abhilfe zuleiten. Es kann jedoch auch sofort über sie entscheiden, wenn ein dringender Fall vorliegt oder die Beschwerde offensichtlich unbegründet ist. Die Entschließung des Erstgerichts über Abhilfe
1219
§306
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 2, 3 ist dafür nicht Voraussetzung, B r e m e n MDR. 1951 56. Der nicht auf freiem Fuß befindliche Beschuldigte kann in der Form des § 299 Beschwerde einlegen, H a m m Rpfl. 1966 240. Erklärungen gegenüber einem hiernach unzuständigen Gericht, schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten abgegeben, gelten mit Eingang bei dem Erst- oder Beschwerdegericht als Beschwerde (Anm. 3). Das unzuständige Gericht hat sie dorthin weiterzuleiten. Unter Umständen können sie durch neue Verfahrensvorgänge überholt sein. 2. Keine Einlegungsfrist bei einfacher Beschwerde. Die einfache Beschwerde ist an keine Frist gebunden. Nur für die sofortige Beschwerde gilt die Wochenfrist des § 311 Abs. 2. Jedoch kann eine sachlich verzögerte einfache Beschwerde durch den Fortgang des Verfahrens gegenstandslos werden (s. § 304 Anm. I 2 h), wenn inzwischen ein Verfahrensstand eingetreten ist, bei welchem die beanstandete Verfügung usw. nicht mehr beseitigt werden kann. Dies gilt z. B. von Verfügungen des Untersuchungsrichters, wenn inzwischen bereits das Hauptverfahren eröffnet worden ist. Dazu H a m b u r g HESt. 1161, E b S c h m i d t 2, allg. Meinung, v. K r i e s 698, O e t k e r Würzburg Abh. 217. 3. Form der Beschwerde. a) Zur Niederschrift der Geschäftsstelle. Vgl. auch § 314. — Eine zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle abgegebene Erklärung ist zugleich eine schriftliche, wenn der Erklärende sie unterzeichnet, RGSt. 2 125, 253,48 275, RGRspr. 2128,133, 3 3, AlsbE. 1 361, jedoch auch dann, wenn der Urkundsbeamte die Erklärung als abgegeben beurkundet. Beides ist von Bedeutung, wenn die Niederschrift im übrigen an einen Formmangel leidet. Ist eine Frist zu wahren und die Beschwerde zur Niederschrift eines unzuständigen Gerichts erklärt, so wird sie mit dem Eingang bei dem Erstgericht oder dem Beschwerdegericht als Beschwerde wirksam, vgl. RG. LZ. 8 1915. Durch Übersendung einer beglaubigten Abschrift der Niederschrift wird eine Frist ebenfalls gewahrt, da der Beglaubigungsvermerk die Erklärung zur Niederschrift oder die Schriftlichkeit ausreichend bezeugt (a. M. RGSt. 48 276). Besteht kein Zweifel an der Nämlichkeit des Unterzeichners, so ist sogar Unterzeichnen mit unrichtigem Namen unschädlich, RG. DStRZ. 2 82. Die Geschäftsstelle des zuständigen Gerichts ist zur Entgegennahme der Erklärung verpflichtet (§ 153 GVG.). Zuständig ist nur der Urkundsbeamte des Erst- oder des Beschwerdegerichts. Nimmt ein anderer Urkundsbeamter die Erklärung entgegen, so wird sie mit dem Eingang bei einem der zuständigen Gerichte zur Beschwerde (vgl. § 299). Dies gilt auch für Hauptverhandlungen oder Verhandlungen vor einem ersuchten oder beauftragten Richter. Diese Stellen sind zur Entgegennahme sachlich nicht verpflichtet. Nehmen sie die Erklärung entgegen, so nimmt sie an der etwaigen Beweiskraft der Niederschrift (§ 274) nicht teil, da sie nicht zu den Förmlichkeiten des Verfahrens gehört. Die Erklärung zu Protokoll eines anderen Strafverfahrens als desjenigen, auf das sich die Beschwerde bezieht, soll nach RGSt. 32 279 unbeachtlich sein, jedoch ist nicht einzusehen, warum eine solche Urkunde bei Mitteilung an das zuständige Gericht nicht als Beschwerde soll gelten können. Vgl. B r e m e n JZ. 1953 516. Nimmt statt des Urkundsbeamten ein Richter die Niederschrift auf, so genügt auch dies der Form, da einer solchen Niederschrift derselbe öffentliche Glaube zukommt. Der zuständige Urkundsbeamte darf die Aufnahme der Niederschrift nicht deshalb verweigern, weil die Beschwerde auch schriftlich eingelegt werden könne, B r e m e n DRpfl. 56 240. Er muß auch die Begründung entgegennehmen, selbst wenn sie später erklärt wird. Eine in die Sitzungsniederschrift der Hauptverhandlung aufgenommene Erklärung steht der Einlegung der Beschwerde zur Niederschrift der Geschäftsstelle gleich, B r e m e n JZ. 1953 516, jedoch erst mit dem Eingang bei dem zuständigen Gericht. b) Schriftlich. Vgl. Anm. 3 a und § 314. Zur Schriftform gehört nicht notwendig eine unterzeichnete Erklärung, BGHSt. 2 77. Es genügt, wenn aus dem Schriftstück in jeden Zweifel ausschließender Weise hervorgeht, von wem es herrührt, BGHSt. 2 78, RGSt. 62 53, 63 246, 67 387, und wenn es den Willen des Urhebers dartut, Beschwerde einzulegen. Weitere Beweismittel sollen nach RGSt. 67 387 nicht herangezogen werden dürfen. Das wird jedoch nicht für offensichtliche Begleitumstände bei der Einreichung der Schrift zu gelten haben (mehrere Eingaben desselben Anwalts werden gemeinsam bei der Geschäftsstelle abgegeben). Anders liegt es, wenn nach Art oder Fassung des Schriftstücks oder aus anderen Gründen Zweifel am Urheber entstehen, BGHSt. 2 78. Zur Schriftform genügt hiernach unter Umständen auch UnterStempelung, H a m b u r g GA. 73 142. Es genügt nicht, wenn das Schriftstück möglicherweise nur ein Entwurf ist. 1220
Zweiter Abschnitt. Beschwerde (Jagusch)
§306 Anm. 4, 5
Stammt es aus einer Anwaltskanzlei, so wird meist ein strengerer Maßstab angebracht sein als bei der Erklärung eines geschäftsungewandten Menschen. Kanzleistempel oder Anwaltsbriefkopf genügen im allgemeinen nicht, um eine Willenserklärung des Anwalts nachzuweisen, RGSt. 69137, jedoch hat RGSt. 67 387 das Diktatzeichen des Anwalts bei fehlender Unterschrift genügen lassen, RGSt. 52 53 auch den Faksimüestempel. Unterzeichnung durch Bevollmächtigten mit dessen Namen oder mit dem des Beschwerdeführers genügt, wenn die Vollmacht bekannt oder glaubhaft ist. Die Einreichung einer gehörig beglaubigten Abschrift genügt bei einer Behörde, BGHSt. 2 77. Sie muß auch ausreichen, wenn die Beschwerde von einer Privatperson stammt, da sie genügend nachweist, daß eine entsprechende schriftliche Erklärung abgegeben ist. Eine nicht unterzeichnete behördliche Niederschrift wird dann ausreichen, wenn sie bezeugt, welche Person die Erklärung abgegeben hat, nicht nur, wie der Erklärende sich bezeichnet hat. Telegrafisch kann ein Rechtsmittel dadurch eingelegt werden, daß der Beschwerdeführer das Aufgabetelegramm unterzeichnet, durch einen Bevollmächtigten unterzeichnen läßt oder es dem Aufgabepostamt zuspricht oder zusprechen läßt, sofern das Ankunftstelegramm rechtzeitig bei Gericht eingeht, BGHSt. 8 174 (mit weiteren Angaben). Ob es auch genügt, daß das Ankunftstelegramm der Geschäftsstelle rechtzeitig zugesprochen, aber erst nach Ablauf der Frist zugestellt wird, das läßt BGHSt. 8 174 ausdrücklich offen. In den Entscheidungen BGH. NJW.1953 25 (5.ZS.), N e u s t a d t NJW. 1952 271, K ö l n NJW. 1952 440, B r a u n s c h w e i g HESt. 3 7 wird auch dies zugelassen, sofern der Urkundsbeamte die Durchsage schriftlich festhält. Ebenso anscheinend K l e i n k n M § 314 Anm. 3 a. Diese Ausweitung ist nicht zu billigen. Sie läßt von dem Erfordernis der Schriftlichkeit nichts mehr übrig. Einer unzulässigen unmittelbaren telefonischen Einlegung des Rechtsmittels durch den Beschwerdeführer, die der Urkundsbeamte schriftlich festhält, steht sie völlig gleich. Ist auch das Erfordernis der Schriftlichkeit an sich gelockert, so muß das Rechtsmittel doch jedenfalls innerhalb der Frist s c h r i f t l i c h bei Gericht e i n g e h e n . Die zur Vereinfachung des Postbetriebes gegebene Erlaubnis des Empfängers, ihm Telegramme zunächst zuzusprechen, kann dieses Mindesterfordernis nicht ersetzes, zumal diese Erlaubnis allgemein gegeben zu werden pflegt. Lassen die Gerichte diese Überdehnung des Gesetzes, die in Wirklichkeit eine Streichung des gesetzlichen Formerfordernisses ist, einheitlich nicht zu, so liegt, entgegen H a m m NJW. 1955 664, auch kein Wiedereinsetzungsgrund vor. Wie hier BayObLG. 1949/51505, N i e t h a m m e r JZ. 1952 117, H a m m DRpfl. 1953 249, S e i b e r t DRiZ. 1952 8. 4. Beschwerdegericht. Vgl. § 304 Anm. III. 5. Verfahren. a) Abhilfe. Vgl. § 304 Anm. V. Das Gericht, der Vorsitzende, der beauftragte oder ersuchte Richter, der Amtsrichter im Vorverfahren und der Untersuchungsrichter, von dem die angefochtene Verfügung stammt, hat sie auf Beschwerde hin zu prüfen und sich zu entschließen, ob er der Beschwerde abhilft. Besteht dazu gesetzlich oder nach Ermessen Anlaß, so hat er ihr abzuhelfen. Die Entschließung muß ausdrücklich getroffen werden und dem Beschwerdegericht gegebenenfalls ersichtlich sein. Nur bei der sofortigen Beschwerde ist eigene Abhilfe unzulässig (§ 311 Abs. 3). Beseitigt die Abhilfe den Beschwerdegegenstand völlig, so ist die Beschwerde gegenstandslos. Das trifft nicht zu, wenn nur den Hauptpunkten der Beschwerde abgeholfen wird, oder zwar allen Punkten, aber nicht im beantragten Umfang. Das Beschwerdebegehren ist durch Auslegung zu ermitteln. Bei nur teilweiser Abhilfe ist die Beschwerde dem Beschwerdegericht zur Entscheidung über den Rest vorzulegen. Wird Abhilfe versagt, so bedarf dies keiner Begründung. Der Erstrichter kann jedoch seinen Standpunkt zur Beschwerde vor Weitergabe darlegen. Die Entschließung des Erstrichters über Abhilfe ist zweckmäßig und unter der Voraussetzung des Abs. 2 als Pflicht vorgesehen. Sie ist jedoch nicht Verfahrensvoraussetzung der Entscheidung des Beschwerdegerichts, B r e m e n MDR. 1951 56. Dies gilt vor allem, wenn ein dringender Fall angenommen und die Beschwerde deshalb unmittelbar bei dem Beschwerdegericht eingelegt worden war. Vgl. Anm. 1. Bei der Abhilfe ist der Erstrichter, wie sich von selbst versteht, an die Beschwerdegründe nicht gebunden. b) Änderung von Amts wegen. Entscheidungen, die nicht der Rechtskraft fähig sind, kann das Gericht aus begründetem Anlaß auch ohne Beschwerde von Amts wegen oder auf Antrag zurücknehmen oder ändern. Diese Befugnis erwächst ihm nicht erst aus der Beschwerde, RGRspr. 8 760, 8 150, RGSt. 43 229, BayObLG. JW. 1916 1349. Die Änderungsbefugnis und der Anlaß zur Änderung endet erst mit einem neuen Verfahrensabschnitt, wenn auch eine Beschwerde überholt und gegenstandslos wäre (s. § 304 Anm. 12 h). Beschlüsse, die in Rechtskraft erwachsen,
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§ 306 Anm. 5 § 307 Anm. 1
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
kann das Gericht, das sie erlassen hat, nicht von Amts wegen aufheben oder ändern (§ 311 Abs. 3), KG. GA. 76 236, RGSt. 37 293, Celle JR. 1949 122, E b S c h m i d t 9. Einen Beschluß nach § 346 Abs. 1 (Verwerfung der Revision als unzulässig) kann das Gericht daher nicht zurücknehmen, RGSt. 38 157, 55 235, RG. LZ. 13 911. Hiergegen steht vielmehr der Antrag gemäß § 346 Abs. 2 zur Verfügung (vgl. aber unten). Dasselbe gilt für unanfechtbare Beschlüsse, etwa bei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 46 Abs. 2) oder bei Anordnung der Wiederaufnahme des Verfahrens und Erneuerung der Hauptverhandlung, RGSt. 40 272, 59 243, RG. JW. 1927 396, KG. GA. 76 236. Die strenge Durchführung dieses Grundsatzes kann jedoch zwecklose Kosten und unnötigen Zeitverlust verursachen oder zu unhaltbaren Ergebnissen führen. Daher hat das RG. den Beschluß eines sachlich unzuständigen Gerichts bis zur Rechtskraft als rücknehmbar bezeichnet, sofern die Zurücknahme Verfahrensrechte und wesentliche Belange der Beteiligten nicht berührt, RGSt. 37 112. Wo kein weiteres Rechtsmittel eingreift, wie im Falle des § 349 Abs. 1, hat es einen Verwerfungsbeschluß, der auf unrichtiger t a t s ä c h l i c h e r Grundlage beruhte, ebenfalls zurückgenommen, RGSt. 59 420, N a u m b u r g HR. 8 Nr. 1278. Ebenso der BGH. NJW. 1951 771 (zu § 349 Abs. 1). Zweifelnd E b S c h m i d t 10,13. Bei bloßem Rechtsirrtum, etwa im Falle des § 349 Abs. 2, ist Zurücknahme oder Berichtigung ausgeschlossen, BGHSt. 17 94, BGH. NJW. 1951 771. Vgl. § 304 Anm. VI. Ausführlich 2. Abschnitt, Vorb. 6f. c) Soweit das Beschwerdegericht die Beschwerde für begründet hält, trifft es selbst, ohne Bindung an Erwägungen des Erstrichters, nach Freibeweis seine Entscheidung. Es ändert die angefochtene Verfügung usw. ab oder ersetzt sie durch eine eigene. Diese Beschwerdeentscheidung kann das Beschwerdegericht später auf Gegenvorstellung nicht mehr ändern, soweit nicht die weitere Beschwerde zugelassen ist (§ 310 Abs. 1, 2). § 310 will die nochmalige Erörterung der Beschwerdeentscheidung auf die dort genannten Fälle beschränken. Auch wäre es mißlich, wenn das Beschwerdegericht auf solche Weise nachträglich noch jederzeit in die Tätigkeit des Erstgerichts eingreifen dürfte (a. M. P e t e r s JZ. 1953 641, der bei vorbereitenden und vorläufigen Entscheidungen und wenn der Betroffene aus Verfahrensgründen vorher nicht gehört werden durfte, auch dem Beschwerdegericht Änderungsbefugnis geben will, solange dieselbe Verfahrenslage noch besteht). Dagegen ist ein neuer Antrag bei dem Erstrichter zulässig, wenn bei Dauerzuständen (Verhaftung, Beschlagnahme) eine veränderte Sachlage besteht oder wenn ein Mangel, der zur Abweisung aus formellem Grunde geführt hatte, beseitigt ist, KG. GA. 73 202. — Zwischenentscheidungen über die Zulassung eines Rechtsmittels haben nicht die Wirkung einer rechtskräftigen Vorentscheidung, RGSt. 59 241. d) Unzulässige Beschwerde. Der Erstrichter darf auch eine Beschwerde, die er für unzulässig hält (§ 304 Anm. I 2, 3, II), nicht zurückweisen. Jede Beschwerde ist dem Beschwerdegericht vorzulegen, sofern ihr nicht voll abgeholfen (Anm. 5 a) wird, RGSt. 43 180, HRR. 1939 Nr. 276, 1936 Nr. 1474. e) Vorlegungsirist. Die Dreitagefrist des Abs. 2 ist eine wichtige und beachtliche Sollvorschrift, E b S c h m i d t 18.
§ 307 (1) Durch Einlegung der Beschwerde wird der Vollzug der angefochtenen Entscheidung nicht gehemmt. (2) Jedoch kann das Gericht, der Vorsitzende oder der Richter, dessen Entscheidung angefochten wird, sowie auch das Beschwerdegericht anordnen, daß die Vollziehung der angefochtenen Entscheidung auszusetzen ist. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 244. II. Entw. § 250. III. Entw. § 294. Frühere Bezeichnung: § 351. Änderungsvorschläge: NE I und II § 311. NE III § 302. 1. Aufschub der Durchführung. Vollzug bedeutet Vollstreckung oder Durchführung der angefochtenen Entscheidung. Die NE I, II und III (s. oben) sehen die Ersetzung des Wortes „Vollzug" in diesem Sinne ohne Änderung in der Sache vor (Begründung zum NE I S. 304, II S. 177). Von Gesetzes wegen hat die Beschwerde nur ausnahmsweise aufschiebende Wirkung, nämlich in den Fällen des § 81 Abs. 3 (Anordnung der Anstaltsuntersuchung). Vgl. aber auch die
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Zweiter Abschnitt. Beschwerde (Jagusch)
§ 307 Aiim. 2—4 § 308 Anm. 1
§§ 180,181 Abs. 2 GVG. (Einwand gegen Eröffnung der Voruntersuchung). Wird ein Haftbefehl aufgehoben, so ist der Angeschuldigte freizulassen. Die Einlegung eines Rechtsmittels darf die Freilassung nicht verzögern (§ 123 Abs. 2). Hier ist Vollzugsaufschub also ausdrücklich untersagt. In allen anderen Fällen richtet sich etwaiger Vollstreckungsaufschub nach pflichtgemäßem Ermessen. Er ist untunlich, wenn er den Zweck der angefochtenen Entscheidung beeinträchtigen würde, richtet sich jedoch nach der jeweiligen, unter Umständen gewandelten Sachlage, kann also auch noch später gewährt oder von vornherein befristet gewährt oder widerrufen werden. Aussetzung kann, wenn Anlaß dazu eintritt, bis zum Erlaß der Beschwerdeentscheidung angeordnet werden. Mit dieser entfällt sie, auch wenn die Beschwerde nicht zur Beseitigung der beanstandeten Maßnahme führt, ohne daß dies besonders gesagt werden müßte. Der Aufschub gilt von vornherein nur bis zur Entscheidung über die Beschwerde. 2. Zuständig für die Aussetzung ist das Beschwerdegericht, bis zur Abgabe an das Beschwerdegericht jedoch auch der Richter oder das Gericht, welches die angefochtene Entscheidung erlassen hat. Der Vorsitzende des Erstgerichts, der beauftragte und der ersuchte Richter kann nur eigene Entscheidungen oder Verfügungen, die er zuständigerweise erlassen hat, aussetzen. Erfährt das Erstgericht nach Abgabe an das Beschwerdegericht Umstände, welche die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung erfordern oder rechtfertigen, so darf es sie aufheben oder hat es sie aufzuheben. Betreffen die Umstände die Frage einer Aussetzung, so teilt es sie dem Beschwerdegericht mit. 3. Ausdrücklich braucht über Aussetzung nur entschieden zu werden, wenn dies beantragt wird oder wenn die angefochtene Entscheidung ausgesetzt werden soll. Die Beschwerdeentscheidung braucht sich darüber nur auszusprechen, wenn ausgesetzt worden war, weitere Beschwerde (§ 310 Abs. 2) zulässig ist und nach Sachlage noch Grund zu weiterem Aufschub besteht. 4. Entscheidet das Erstgericht über Aufschub, so ist dagegen gemäß § 304 Beschwerde zulässig, entscheidet das Beschwerdegericht über Aufschub, so ist diese Entscheidung endgültig, soweit das Gesetz nicht weitere Beschwerde (§ 310 Abs. 1) vorsieht. Zur Mitteilungspflicht (§ 308) bei Außervollzugsetzung R a h n NJW. 1959 1167, M ü l l e r NJW. 196« 21.
§ 308 (1) Das Beschwerdegericht darf die angefochtene Entscheidung nicht zum Machteil des Gegners des Beschwerdeführers ändern, ohne daß diesem die Beschwerde zur Gegenerklärung mitgeteilt worden ist. (2) Das Beschwerdegericht kann Ermittlungen anordnen oder gelbst vornehmen. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 245. II. Entw. § 251. III. Entw. § 295. Frühere Bezeichnung § 350. Änderungsvorschläge: NE I und II § 312 Abs. 1. NE I I I § 303 Abs. 1. Jetzige Fassung: 3. StÄG. vom 4. 8. 1953, Art. 4 Nr. 34 (Begründung BTDr. 3713). 1. Rechtliches Gehör bei Begehwerde. Wegen der Verschiedenartigkeit der Beschwerdefälle regelt die StPO. das Besch werdeverfahren im einzelnen nicht. Die §§ 304ff. stellen nur einzelne Grundsätze dafür auf. Im übrigen richtet sich das Verfahren jeweils nach pflichtgemäßem Ermessen des Gerichts unter Berücksichtigung des jeweiligen Verfahrenszwecks und der beherrschenden Verfahrensgrundregeln. Vgl. noch Anm. 5. Das bisherige Recht gewährleistete das rechtliche Gehör des Gegners des Beschwerdeführers, soweit ein Gegner vorhanden ist, nicht ausreichend (vgl. § 309 I). Er muß jedoch gehört werden, sofern das Beschwerdegericht die angefochtene Entscheidung zu seinem Nachteil ändern will. Die Regelung entspricht dem grundrechtsgleichen Anspruch des Art. 103 I GG. Ihre Verletzung verstößt daher meist auch gegen Art. 103 I GG., BVerfGE. 11 29, NJW. 1959 1315, MDR. 1960 469. Sie vermeidet es, daß der Gegner, ohne zu allen wesentlichen Tatsachen oder Beweisergebnissen und zur Rechtslage gehört worden zu sein, durch die Beschwerdeentscheidung benachteiligt wird. Sie gilt jedoch nicht uneingeschränkt, wie das BVerfG. inzwischen anerkannt hat (Anm. 4) Die Anhörung hängt nicht vom Vorbringen oder Vorhandensein neuer Tatsachen oder Beweis-
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§308
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 2—4 mittel oder von einer Rechtsänderung ab. Sie ist auch bei unverändertem Sachverhalt vorgeschrieben, weil das erforderliche rechtliche Gehör auch Äußerung zur Rechtslage einschließt. Allgemein zum rechtlichen Gehör B a u r AcP.153 393, J a g u s c h NJW. 1959 265, 1962 1645, R ö h l NJW. 1955 522,1958 1268, H a m a n n AnwBl. 1958 141, teilweise zu weit gehend A r n d t NJW. 1959 6 Rechtsgespräch!). Das rechtliche Gehör will jedoch nach der Rechtsprechung des BVerfGs. nur gewährleisten, daß nicht über Tatsachen oder Beweisergebnisse oder Rechtsfragen entschieden wird, zu denen sich die Verfahrensbeteiligten nicht sämtlich vorher äußern konnten, BVerfG. 6 14, 7 275, 340, N J W . 1959 1315, BGHZ. 3 215, und zwar auch, wenn der Beschwerdeführer keinen neuen Sachverhalt vorbringt. Auch über gerichtskundige Tatsachen muß der Gegner gehört werden, BVerfG. N J W . 196« 31, BGHSt. 6 295, dazu BVerfGE. 12 113 (allgemeinkundig). Hat sich der Beschwerdeführer weitere Begründung vorbehalten, so darf über die Beschwerde erst nach Fristsetzung entschieden werden, BVerfG. Rpfleger 1958 261. Ergeht keine dem Gegner nachteilige Entscheidung, so ist seine Anhörung, die dann auf bloße Verzögerung hinausliefe, entbehrlich, K l e i n k n M l d . Jedoch begründet der geringste sachlich- oder verfahrensrechtliche oder wirtschaftliche Nachteil die Anhörungspflicht. Zur Anhörung bei Außervollzugsetzung (§ 307 Abs. 2) s. R a h n NJW. 1959 1167, M ü l l e r NJW. 1960 21. 2. Gegner ist bei Beschwerde der Staatsanwaltschaft der Beschuldigte, dessen Verteidiger als Träger einer selbständigen Verfahrensrolle und als bevollmächtigter Verteidiger, und auch der gesetzliche Vertreter, da sonst der Zweck der gesetzlichen Vertretung, die Wahrung der Rechte des Vertretenen, nicht gewährleistet ist (insoweit enger K l e i n k n M l a ) . Bei Beschwerde des Beschuldigten ist trotz § 309, der jetzt nur noch zusammen mit § 308 Abs. 1 ausgelegt werden kann, der Staatsanwalt Gegner, sonst der Privatkläger ( S c h l e s w i g SchlHA. 1954 210), ferner ein Nebenkläger, da § 303 im schriftlichen Beschwerdeverfahren nicht entsprechend anwendbar ist, K l e i n k n M l a . Der Staatsanwalt ist auch Gegner, wenn sich die Verfügung gegen eine andere Person richtet und diese Beschwerde einlegt. 3. Zur Gegenerklärung mitgeteilt muß die Beschwerde dem Gegner werden, und zwar ihr voller Inhalt, BVerfGE. 11 29, nicht nur die Tatsache der Einlegung, damit ausreichende Gegenerklärung möglich ist. Die Form der Mitteilung ist nicht vorgeschrieben. Mündliche Mitteilung ist zulässig, aber meist unsachgemäß und daher im allgemeinen nicht ratsam. Zweckmäßig erhält der Gegner eine Abschrift der Beschwerde unter ausreichender Fristsetzung zur Erklärung. Die Frist muß etwaige Haftbedingungen und Hafterschwernisse berücksichtigen. Zustellung ist nicht vorgeschrieben, jedoch muß der Nachweis rechtzeitigen Zugangs gesichert sein. Über rechtliche Erwägungen des Beschwerdegerichts braucht der Gegner im allgemeinen nicht belehrt zu werden (vgl. jedoch Celle NJW. 1956 268 für Ostzonenbewohner). Allgemeines zum rechtlichen Gehör s. Anm. 1. Anders als in der Hauptverhandlung, wo Eröffnungsbeschluß und Hinweispflicht (§ 265 StPO) die anwendbaren Strafvorschriften bezeichnen, ist im Beschwerdeverfahren keine rechtliche Belehrung über das anwendbare sachliche Recht vorgeschrieben. Es genügt Gelegenheit zur Äußerung auf die Beschwerde, so wie sie vorliegt. Wird sie vor Entscheidung ergänzt oder treten weitere, für die Entscheidung wesentliche Tatsachen hinzu, so muß der Gegner auch dazu gehört werden. Der Gegner muß sich sachgemäß äußern können. Daher muß zwischen Mitteilung und Entscheidung eine angemessene, am besten bei der Mitteilung zu bestimmende Frist liegen. Andernfalls ist das Recht auf Gehör verletzt, BVerfG. NJW. 1955 1145. Derselbe Rechtsgrundsatz gilt auch in anderen gerichtlichen Verfahren, vgl. BayObLG. MDR. 1957 106 (verfrühte Entscheidung), BGH. NJW. 1958 1186 (Anwaltswechsel in Zivilsachen). Die Gegenerklärung bedarf keiner Form, muß jedoch privatschriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle abgegeben werden. Dem Beschwerdeführer braucht sie nicht mitgeteilt zu werden, auch nicht, wenn sie zur Abweisung der Beschwerde führt. Enthält sie jedoch neue Tatsachen, die bedeutsam sind, so werden Beschwerdeführer und Gegner nochmals zu hören sein. Hat bereits das Erstgericht die Beschwerde dem Gegner mitgeteilt, so reicht dies aus. Andernfalls veranlaßt das Beschwerdegericht zuständigkeitshalber die Mitteilung, E b S c h m i d t 2 c. Über Ausnahmen vom vorherigen rechtlichen Gehör Anm. 4. 4. Ausnahmen vom vorherigen Gehör sind anerkannt, BVerfGE. 7 99, 9 95, N J W . 1959 427. Sie betreffen vor allem vorläufige Maßnahmen zur Regelung eines einstweiligen Zustandes. zur einstweiligen Sicherung von Rechten (Arrest, einstweilige Verfügung, einstweilige Anordnungen nach den §§ 32 BVerfGG., 30 BVerwGG.), im Bereich des Strafverfahrens vor allem den
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Zweiter Abschnitt. Beschwerde (Jagusch)
§ 3 0 8 Anm. 5, 6 § 3 0 9 Anm. 1
Haftbefehl, die Beschlagnahme und die Durchsuchung. Auch hier ist die v o r h e r i g e Anhörung geboten, wo sie den berechtigten Verfahrenszweck nicht durchkreuzt. Jedoch kann es, wie das BVerfG. zutreffend ausführt, geradezu geboten sein, von vorheriger Anhörung abzusehen, um den Betroffenen nicht zu warnen, BVerfGE. 7 99, 9 95, und N J W . 1959 428. Hier ist er auf sein Verlangen nachträglich anzuhören. Vgl. O l d e n b u r g N J W . 1958 152 (zu § 134). Nach diesen Grundsätzen verstößt es nicht gegen das Grundgesetz, wenn bei Anordnung der Untersuchungsh a f t der Beschuldigte in den erwähnten Fällen erst nachträglich gehört wird. Erläßt das OLG. auf Beschwerde der StA. einen vom Erstrichter abgelehnten oder aufgehobenen Haftbefehl, ohne den Beschuldigten vorher zu hören, so muß es ihm Gelegenheit zu nachträglichen Gegenvorstellungen geben, ihn in entsprechender Anwendung von § 115 StPO. hierauf hinweisen und über seine Einwendungen entscheiden, BVerfG. N J W . 1959 427. Ebenso im Ergebnis K l e i n k n M 3b, J a g u s c h N J W . 1959 265. A. M. E b S c h m i d t 2d, W e r s d ö r f e r N J W . 1954 377. Vgl. noch H a m m JMB1. NRW. 1957 117 (Verfahren betr. Fürsorgeerziehung), Köln N J W . 1956 1925 (Vormundschaftsverfahren). 5. Aufklärung des Sachverhalts. Das Beschwerdegericht p r ü f t den Sachverhalt von Amts wegen ohne formelle Bindung an Anträge in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht, BayObLGSt. 1952 9, 55; E b S c h m i d t 1. Einschränkung im Bereich des § 305a (Strafaussetzung zur Bewährung). Maßgebend ist sein pflichtgemäßes Ermessen. Es kann Vernehmungen durch den beauftragten oder ersuchten Richter veranlassen, je nach dem Verfahrensstande, sofern zulässig auch eidliche, und andere Ermittlungen vornehmen, nötigenfalls durch die Staatsanwaltschaft, die ihrerseits Polizeiorgane heranziehen kann. 6. Weitere Beschwerde. Strittig ist es, ob die Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Abs. 1 trotz § 310 zur weiteren Beschwerde berechtigt. Eine verbreitete Ansicht lehnt dies ab und verweist den Benachteiligten auf sein Recht zur Verfassungsbeschwerde, S c h l e s w i g SchlHA. 45 210, K ö l n MDR. 1957 54, N e u s t a d t N J W . 1960 257, BayObLG. N J W . 1955 474, C e l l e NRpfl. 1956 170 (anders noch 1954 188), H a m m VRS. 1955 135, D ü s s e l d o r f JMB1NRW. 1954 166, H a m b u r g J R . 1955 233, K l e i n k n M 3a, S c h w a r z 2, P a r s c h N J W . 1960 63. Jedoch ist dies zu eng. Die Vorschrift des § 310 berücksichtigt die moderne Auffassung von der grundlegenden Bedeutung des rechtlichen Gehörs, die jetzt im § 308 Abs. 1 zum Ausdruck kommt, noch nicht. Art. 103 I GG bindet auch den Gesetzgeber. Dazu J a g u s c h N J W . 1962 1645. Es ist theoretisch und praktisch ein Unding, die Bereinigung eines offensichtlichen Grundfehlers des jeweiligen Beschwerde Verfahrens, die durch sinngemäße Anwendung des § 310 mit § 308 Abs. 1 möglich ist, dem unter Umständen langwierigen Verfahren der Verfassungsbeschwerde zu überlassen, obgleich die Beschwerde in Strafsachen meist eilbedürftig ist. Zur Behebung eines Grundfehlers des Beschwerdeverfahrens ist zunächst das Rechtsmittelgericht in Strafsachen berufen, erst nach ihm das BVerfG. Vgl. § 310 Anm. 2, ganz abgesehen von der Überlegung, daß es nicht Sache der ordentlichen Gerichte sein kann, sich durch einen zu engen Gesetzeswortlaut zur Verletzung der Anhörungspflicht gleichsam gedrängt zu sehen. Die Befürchtung, solche Beschwerden könnten überhandnehmen, ist demgegenüber nicht gewichtig genug. Ebenso K o b l e n z JZ. 1959 31 mit zust. Anm. von E b S c h m i d t , derselbe, Lehrkomm. § 310 Anm. 2, S t u t t g a r t N J W . 1959 2080 und eingeschränkt bereits GA. 1955 126, B r a u n s c h w e i g N J W . 1953 236.
§ 309 (1) Die Entscheidung über die Beschwerde ergeht ohne mündliche Verhandlung, in geeigneten Fällen nach Anhörung der Staatsanwaltschaft. (2) Wird die Beschwerde für begründet erachtet, so erläßt das Beschwerdegericht zugleich die in der Sache erforderliche Entscheidung. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 246. II. Entw. § 252. III. Entw. § 296. Frühere Bezeichnung: § 351. Änderungsvorschläge: N E I und II § 312. N E III § 303. 1. Beschwerdeentscheidung im schriftlichen Verfahren. Mündliche Verhandlung über die Beschwerde sieht das Gesetz nicht vor. Ausnahme: § 122 Abs. 2 Satz 3 (Verfall einer Sicherheit). Über die Beschwerde wird daher nach Aktenlage und nötigenfalls nach weiteren Ermittlungen ohne mündliche Verhandlung entschieden, BayObLG. N J W . 1954 204, vgl. BGHSt. 13 108.
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§309
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 2—5 2. Anhörung der Staatsanwaltschaft. Der Gegner des Beschwerdeführers ist zur Beschwerde nach Maßgabe des § 308 stets zu hören, also auch die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft, sofern sie Gegner ist. Näheres darüber § 308 Anm. 1 bis 4. Voraussetzung der Anhörung nach § 308 ist, daß die angefochtene Entscheidung zum Nachteil des Gegners des Beschwerdeführers geändert werden soll. Mit dieser Neuregelung des rechtlichen Gehörs steht § 309 Abs. 1 nicht im Widerspruch. Er betrifft nicht die Anhörung des „Gegners", sondern die Anhörung der bei dem Beschwerdegericht bestehenden Staatsanwaltschaft. Ihre Anhörung (Grundsatz des § 33) steht bei der Beschwerde im Ermessen des Beschwerdegerichts. Bei Beschwerden der Staatsanwaltschaft ist sie regelmäßig angezeigt, weil die StA. des Beschwerdegerichts rücknahmebefugt ist (§ 302 Anm. 7) und Erklärungen der örtlichen StA. ändern, ergänzen oder zurücknehmen kann. Ferner wird Anhörung in Betracht kommen bei Beschwerden des Nebenklägers und dann, wenn erwogen wird, die Beschwerde des Beschuldigten oder eines Dritten zu verwerfen, K l e i n k n M 1. Im übrigen ist der Grundsatz des § 33 durch § 309 für das Beschwerdeverfahren geändert. Die Anhörung geschieht schriftlich oder mündlich. Näheres bei § 33. 3. Die in der Sache erforderliche Entscheidung. Ist die Beschwerde begründet, so hat das Beschwerdegericht in der Regel die „in der Sache erforderliche" Entscheidung zu erlassen unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung oder Verfügung (Abs. 2), RGSt. 59 243. „Sache" in diesem Sinne ist nicht notwendig und stets die gesamte Beschwerdematerie, sondern der Inhalt der Entscheidung des Erstgerichts. Hat dieses Eröffnung des Hauptverfahrens sachlich zu Unrecht abgelehnt (§ 204), während es hätte eröffnen müssen, so erläßt das Beschwerdegericht den Eröffnungsbeschluß selbst (§ 203). Hatte sich das Erstgericht auf Entscheidung einer Vorfrage beschränkt, etwa auf die Zuständigkeit, so ist dies die dem Beschwerdegericht vorliegende „Sache", und nicht die Frage der Eröffnung, RGSt. 19 332, BayObLG. 8 328, E b S c h m i d t 4. Hält es die Zuständigkeit des Erstgerichts für gegeben, so hat es dies auszusprechen und die Sache dorthin zur Entscheidung über Eröffnung zurückzuverweisen. Voraussetzung der eigenen Sachentscheidung des Beschwerdegerichts ist stets eine förmliche, beschwerdefähige Entscheidung des Erstgerichts zur Sache, vgl. KG. JW. 1984 2272, M ü n c h e n BayJMinBl. 55 210. Ist die Entscheidung des Erstrichters nicht abhilfefähig, wie in den Fällen der sofortigen Beschwerde (§ 311 Abs. 3), und erschöpft sie die Materie des Beschwerdegegenstandes nicht, so kommt Zurückverweisung an das Erstgericht in Betracht, um den Beschwerdeführer nicht um eine Instanz zu verkürzen, BGHSt. 8 195, RG. GA. 73 126, BayObLGSt. 1954 53 (zu § 138 Abs. 2), B a m b e r g HESt. 3 3 (rechtliches Gehör im Verfahren betr. Wiederaufnahme), BayObLGSt. 53 202 (mündliche Haftprüfung ohne Beschuldigten und Verteidiger), B r a u n s c h w e i g NRpfl. 1950 43 (Vorinstanz hat noch nicht sachlich entschieden), BayObLG. NJW. 1954 1212, B r e m e n NJW. 1951 84. Vgl. Anm. 4. 4. Zurückverweisung an das Erstgericht. Hat das Erstgericht es unterlassen, eine gesetzlich vorgesehene oder vom Beschwerdeführer beantragte Anordnung zu treffen (§ 304) und bestehen bei dem Beschwerdegericht nicht die Voraussetzungen zur Nachholung, so kann es den Erstrichter entsprechend anweisen, RGSt. 19 332, BayObLG. NJW. 1954 123. Das Beschwerdegericht muß zurückverweisen, wenn ihm die Entscheidung gesetzlich nicht zusteht, wie im Falle des § 28 Abs. 2 (zurückgewiesene Richterablehnung), jedoch nur, wenn noch eine Sachentscheidung in Betracht kommt. Das Beschwerdegericht darf auch nicht zur Sache entscheiden, wenn sich das Erstgericht zu Unrecht für zuständig gehalten hat, während das zuständige Gericht nicht zum Bezirk des Beschwerdegerichts gehört, RGSt. 19 338. Es kann und wird zurückverweisen, wenn das Verfahren des Erstgerichts mangelhaft war und das Beschwerdegericht den Mangel nicht beheben kann, BayObLG. NJW. 1954 204, denn eigene Sachentscheidung setzt regelmäßig eine ordnungsgemäß zustande gekommene Vorentscheidung voraus, KG. GA. 73 126. Vgl. noch Anm. 3 und BGHSt. 8 194 (Verteidigerausschluß). 5. Verschlechterungsverbot. Entsprechende Anwendung des § 358 Abs. 2 ist im Beschwerdeverfahren nicht vorgesehen. Allein aus rechtsstaatlichen Gründen ist sie nicht geboten, denn das Verschlechterungsverbot ist dem Rechtsstaat nicht eigentümlich, es bedeutet nur ein rechtspolitisches Entgegenkommen, auf dessen gesetzliche Sicherung kein unabdingbarer Anspruch besteht. Die StPO. brauchte es nicht vorzusehen. Das Verschlechterungsverbot kommt auch nur bei Beschwerdegegenständen in Betracht, welche die Strafhöhe betreffen, vor allem im Bereich des § 460 (nicht in den Fällen des § 458, weil dort der Urteilsinhalt erst festgestellt werden soll).
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Zweiter Abschnitt. Beschwerde (Jagusch)
§310 Anm. 1, 2
Mit LG. Z w e i b r ü c k e n NJW. 1954 934 wird § 358 Abs. 2 aber jedenfalls dann entsprechend anzuwenden sein, wenn die Bildung einer Gesamtstrafe durch Urteil unterblieben ist, ohne daß der Verurteilte ein Rechtsmittel hiergegen hatte (vgl. die in BGHSt. 12 10 angegebenen Fälle). Er braucht nicht darunter zu leiden, daß dann nach § 460 entschieden, die Gesamtstrafe jedoch fehlerhaft gebildet wird, denn er hat diese Umstände nicht zu vertreten. Wie hier E b S c h m i d t 7, K l e i n k n M 6 vor § 304. Die Frage ist jedoch zweifelhaft.
§310 (1) Beschlüsse, die von dem Landgericht auf die Beschwerde hin erlassen worden sind, können, sotern sie Verhaftungen oder die einstweilige Unterbringung betreffen, durch weitere Besehwerde angefochten werden. (2) Im übrigen findet eine weitere Anfechtung der auf eine Besehwerde ergangenen Entscheidungen nicht statt. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 247. II. Entw. § 253. III. Entw. § 297. Frühere Bezeichnung: §352. Änderungsvorschläge: NE I und II § 313. NE I I I § 304. 1. Weitere Beschwerde. Die Masse der Beschwerdesachen soll nach dem Willen des Gesetzgebers in zwei Rechtszügen, also mit der Beschwerdeentscheidung des Landgerichts, beendet und weiterer Anfechtung entzogen sein. Regelmäßig endet das Beschwerdeverfahren daher mit dem Beschluß des Landgerichts als Beschwerdegericht „auf die Beschwerde hin". Die Vorschrift des §310, die nur das B e s c h werdeverfahren des Landgerichts betrifft, sieht weitere Beschwerde nur unter den b e i d e n Voraussetzungen vor, daß das Landgericht „auf die Beschwerde hin", also nicht im Berufungsverfahren (vgl. §§ 304 Abs. 1 StPO., 121 GVG.), über eine Verhaftung oder einstweilige Unterbringung entschieden hat (Abs. 1). Daraus ergibt sich: Gericht der weit e r e n Beschwerde ist ausschließlich das OLG. (GVG § 121 Abs. 1 Nr. 2); stammt die angefochtene Verfügung vom LG. und ist das OLG. B e s c h w e r d e g e r i c h t , so ist weitere Beschwerde (an BayObLG, bzw. BGH.) nicht zulässig (§ 304 Anm. 4). Die weitere Beschwerde setzt daher zwei vorangegangene Rechtszüge über denselben Beschwerdegegenstand voraus. Beschwerdegegenstand ist ein auf einen bestimmten Grundsachverhalt gestütztes, Änderung der angefochtenen Entscheidung erstrebendes Begehren. Er bleibt derselbe, wenn das Beschwerdegericht nur andere Rechtsnormen als das Erstgericht angewendet hat, etwa ein Straffreiheitsgesetz, das vorher übersehen worden war, N e u s t a d t NJW. 1957 1082 (vgl. auch N e u s t a d t JZ. 1952 310), selbst wenn dadurch weitere Ermittlungen und Feststellungen nötig geworden waren; oder wenn beim Erstgericht das Armenrecht allgemein erbeten, beim Beschwerdegericht dieser Antrag aber aufgeteilt und nur teilweise bewilligt wird, B r e m e n MDR. 1956 55. Die weitere Beschwerde steht allen beschwerten Beteiligten zu. Einen Sonderfall der weiteren Beschwerde sieht § 159 GVG. vor (Rechtshille). Nicht „auf die Beschwerde hin" ergangen ist ein landgerichtlicher Beschwerdebeschluß, der über einen erst im Beschwerdeverfahren neu gestellten weiteren Antrag befindet, so daß insoweit Beschwerde zulässig ist, BayObLG. JZ. 1952 436. Dasselbe gilt, wenn im Beschwerdeverfahren durch Inkrafttreten eines Straffreiheitsgesetzes eine neue Rechtslage eintritt. Der sie berücksichtigende Beschluß ist kein Beschwerdebeschluß, BayObLGSt. 1949/51 340. Hat irrigerweise statt des zuständigen Amtsgerichts das Landgericht die Erstentscheidung erlassen, so ist Beschwerde zulässig, Celle NRpfl. 1952 19. Hat das Amtsgericht die Berufung als unzulässig verworfen, zugleich aber über einen Wiedereinsetzungsantrag entschieden, für den nur das Berufungsgericht zuständig war, so ist die Entscheidung des Landgerichts insoweit keine Beschwerdeentscheidung, sondern als Erstentscheidung mit Beschwerde anfechtbar, Celle DRZ. 1948 109. Erläßt das Berufungsgericht unter Verwerfung der Berufung einen neuen Auflagebeschluß gemäß § 268 a StPO, so ist hiergegen keine weitere Beschwerde gegeben, BayObLG. NJW. 1956 1728 (s. § 305a Anm. 3d), a. M. S c h m i t t a. a. O 2. Sehr streitig ist es, ob die Verletzung des Rechts auf Gehör (§ 308 Abs. 1, s. dort Anm. 6) zur (weiteren) Beschwerde berechtigt. Die überwiegende Meinung lehnt dies ab, jedoch zu Unrecht. Ausführlich dazu J a g u s c h NJW. 1962 1645. Nähere Angaben darüber auch § 308 Anm. 6. Wird der Gegner des Beschwerdeführers vor der ihm ungünstigen Beschwerdeentscheidung trotz
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§310
Strafprozeßordnimg. Drittes Buch
Anm. 3 § 308 Abs. 1 nicht gehört, so ist eine von ihm hiergegen erhobene Beschwerde, von seinem Standpunkt aus gesehen, keine „weitere Anfechtung" im Sinne des § 310 Abs. 2, weil er mangels Kenntnis von dem Beschwerdeverfahren bisher keine Beschwerde erheben konnte und erhoben hat. Für die Auslegung des § 310 Abs. 2 kommt es also darauf an, ob die Vorschrift objektiv oder vom Standpunkt des nicht angehörten Gegners aus zu verstehen ist. Im ersten Falle läge eine (unzulässige) weitere Beschwerde vor, im zweiten Falle eine zulässige Beschwerde. Für Unzulässigkeit K ö l n MDR. 1957 54, F r a n k f u r t NJW. 1960 736, KG. J R . 1962 311, P e t e r s JZ. 1953 642, jedoch vor der Neufassung des § 308 Abs. 1, und D ü s s e l d o r f JMB1NRW. 1954 166, H a m m VRS. 8 135, N e u s t a d t NJW. 1960 257. Für Zulässigkeit E b S c h m i d t 2, B r a u n s c h w e i g NJW. 1953 236, S t u t t g a r t NJW. 1959 2080, soweit vor einer beschwerenden Entscheidung kein rechtliches Gehör gegeben war. Insoweit wird dieser Ansicht beizutreten sein. Der alte Wortlaut des § 310 Abs. 2 ist unter Berücksichtigung der Neufassung des § 308 Abs. 1 auszulegen, die das Grundrecht des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG.) gewährleistet. Dieses Grundrecht bindet unmittelbar Gesetzgeber und Richter. Verweisung auf die Verfassungsbeschwerde, abgesehen von den mit ihr verbundenen Weiterungen, ist unvertretbar, solange eine funktionell sinnvolle Verfahrensgestaltung die Behebung der Grundrechtsverletzung im Beschwerdeverfahren gestattet. Das ist der Fall. K l e i n k n M 2e lassen die Frage offen, bei § 308 Anm. 3a verneinen sie sie. Ebenso P a r s c h NJW. 1960 63. Wie hier bereits D r e s d e n JW. 1932 1780 Nr. 30. Im übrigen beschränkt sich die weitere Beschwerde auf die im Abs. 1 bezeichneten Voraussetzungen. Daher ist keine weitere Beschwerde gegeben, wenn das Beschwerdegericht sicheres Geleit bewilligt (§295), F r a n k f u r t NJW. 1952 908. Einen landgerichtlichen Beschwerdebeschluß, der dem Privatkläger Armenrecht bewilligt, kann der Beschuldigte nicht mit der weiteren Beschwerde anfechten, BayObLG. JW. 1935 369 N r . l . S. ferner KG. DStR. 1938 65 (Verfallerklärung gemäß § 122 durch das Beschwerdegericht). Weitere Beispiele in Anm. 3. 3. Verhaftung. Einstweilige Unterbringung. Verhaftung ist vor allem Verhängung der Untersuchungshaft des Beschuldigten (§§ 112 bis 115,117). Es muß zu entscheiden sein, ob der Beschuldigte in Untersuchungshaft zu nehmen oder zu halten sei, BayObLGSt. 2 33, M ü n c h e n 6 498. Daher können auch Beschlüsse mit der weiteren Beschwerde angefochten werden, die den Antrag auf Anberaumung eines Haftprüfungstermins ablehnen, K ö n i g s b e r g DRZ. 20 Nr. 760, ferner solche nach § 117 (Freilassung gegen Sicherheit), N ü r n b e r g GA. 1961 157. Hat der Beschuldigte mündliche Verhandlung über den Haftbefehl beantragt (§ 114 d), so entfällt insoweit sein Beschwerderecht (§ 115 Abs. 2). Beides steht ihm nur wahlweise zu. Jedoch ist Beschwerde gegen das Ergebnis der Verhandlung zulässig (§ 304 Abs. 1), ebenso gegen die Entscheidung nach § 116d Abs. 6. Der Untersuchungshaft gleich steht die Beugehaft nach § 230 gegen den ausgebliebenen Angeklagten (nicht die bloße Vorführungsanordnung) und die Vorführungshaft gemäß § 236. Der überzeugend begründeten Ansicht Celle NJW. 1957 393 ist gegenüber der Vorauflage zuzustimmen. Ebenso E b S c h m i d t 3, K l e i n k n M 3b. Für die bloße Vorführung nach den §§ 134, 230, 236 gilt dies jedoch nicht, Celle NJW. 1957 393, K ö l n MDR. 1952 378, BayObLGSt. 1 366, M ü n c h e n AlsbE. 2 Nr. 142, H a m b u r g AlsbE. 2 Nr. 142b, auch nicht für das bloße Festhalten des Angeklagten in der Hauptverhandlung nach §231, K l e i n k n M 4d, oder für die Ablehnung sicheren Geleits, K ö l n MDR. 1958 941. Für Zwangshaft nach den §§ 51 (unentschuldigtes Ausbleiben), 70 (Zeugnisverweigerung), 95 (Herausgabeverweigerung) wird der hiernach naheliegende Schluß auf Zulässigkeit der weiteren Beschwerde trotz Dauer der Freiheitsentziehung bis zu sechs Wochen bisher nirgends gezogen, KG. GA. 53180, BayObLG St. 7 297, M ü n c h e n S t . 3 602, K l e i n k n M 4e, E b S c h m i d t 4. Mit Recht hebt S c h w a r z 1 A jedoch hervor, daß Beschuldigte, Angeklagte und Zeugen hierin gleich zu behandeln seien. Die Frage ist daher prüfungsbedürftig. Die begrenzte Dauer der Zwangshaft und die Möglichkeit des Betroffenen, sie durch Aufgeben der Weigerung schon früher zu beenden, rechtfertigen schwerlich die unterschiedliche Behandlung. Die Art des Haftvollzugs fällt nicht unter § 310. Keine weitere Beschwerde daher gegen die Berechnung der Strafzeit (§§ 458, 462), B r e s l a u DRZ. 24 Nr. 153; gegen Einzelheiten des Haftvollzugs (§ 116); gegen Anordnungen nach § 148 (Verkehr mit dem Verteidiger), B r a u n s c h w e i g NRpfl. 55 119; gegen die Verhängung von Ordnungsstrafen, BayObLG. JW. 1927 2059, DRZ. 21 Nr. 1017, N ü r n b e r g DRZ. 49 478, S t u t t g a r t ZStW. 45 409; gegen vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, O l d e n b u r g NRpfl. 1954 193; gegen Bestätigung eines Beschlusses, der
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Zweiter Abschnitt. Beschwerde (Jagusch)
§ 310 Aiun. 4, 5
§ 311 Anm. 1, 2 Untersuchungshaft durch Strafvollstreckung in anderer Sache unterbricht, KG. GA. 73 292; gegen Verfallerklärung einer Sicherheit (§ 122), K ö n i g s b e r g DRZ. 20 Nr. 624; gegen Verhängung einer Hausstrafe während der Untersuchungshaft, BayObLG. DRZ. 21 Nr. 1017, B r e s l a u J R . 1926 Nr. 1896; gegen Verhaftung zwecks Strafvollstreckung (§ 457), BayObLG. AlsbE. 2 Nr. 143a, M ü n c h e n S t . 10 324, K ö n i g s b e r g GA. 68 315. Wie hier, auch hinsichtlich der Zwangshaft, die NE I und II (Begr. NE I S. 304, II S. 178). Gegen Unterbrmgungsbefehle (§ 126 a, vgl. AusfG. zum GewohnhVerbrG. vom 24.11.1933, RGBl. I S. 1000) ist weitere Beschwerde zulässig. Gegen vorläufige Einweisung nach § 81 zur Beobachtung wird sie allgemein nicht zugelassen, BayObLGSt. 27 81, B r e m e n NJW. 1949 74, E b S c h m i d t 4, K l e i n k n M 4b. Auch dies ist prüfungsbedürftig, obwohl der Begriff „einstweilige Unterbringung" die Einweisung zur Beobachtung eher ausschließen mag, als der Begriff „Verhaftung" die bloße Zwangs- oder Beugehaft. 4. Zuständig für die weitere Beschwerde ist das OLG. (GVG. § 121 Abs. 1 Nr. 2). 5. Verfahren. Mangels anderer Regelung gelten auch hier die für die Beschwerde allgemein gegebenen Vorschriften (§§ 306—309). Wegen der Begründung der Entscheidung s. § 304 Anm. IV. Vgl. außerdem § 311.
§311 (1) Für die Fälle der sofortigen Beschwerde gelten die nachfolgenden besonderen Vorschriften. (2) Die Beschwerde ist binnen einer Woehe einzulegen; die Frist beginnt mit der Bekanntmachung (§ 86) der Entscheidung. Die Einlegung. bei dem Beschwerdegericht genügt zur Wahrung der Frist, auch wenn der Fall nicht für dringlich erachtet wird. (3) Das Gericht ist zu einer Abänderung seiner durch Beschwerde angefochtenen Entscheidung nicht befugt. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 241. II. Entw. § 246. III. Entw. § 298. Frühere Bezeichnung: § 353. Änderungsvorschläge: NE I und II § 314. NE I I I § 305. 1. Sofortige Beschwerde. Die sofortige Beschwerde ist eine Unterart der einfachen Beschwerde. Daher gelten für sie, abgesehen von der Beschwerdefrist und dem Änderungsverbot, die allgemeinen Beschwerdevorschriften der §§304ff. Formell unterscheidet sie sich von der Beschwerde durch die einwöchige Einlegungsfrist und durch das Änderungsverbot für den Erstrichter (entgegen §306 Abs. 2), jedoch auch für das Beschwerdegericht hinsichtlich der Beschwerdeentscheidung. Sachlich unterscheidet sie sich von der Beschwerde dadurch, daß das Gesetz sie in Fällen vorsieht, in welchen den ergehenden Beschlüssen oder Verfügungen eine gewisse, im Einzelfall unterschiedliche Rechtskraft zukommt (darüber Anm. 4). Ob einfache oder sofortige Beschwerde zulässig ist, ergibt nicht die Sache, sondern das Gesetz. Beispiele: die §§ 28 Abs. 1, 46 Abs. 3, 81 Abs. 3, 122 Abs. 2, 182 Abs. 1,183, 201 Abs. 2, 206a Abs. 2, 210 Abs. 2, 270 Abs. 3, 322 Abs. 2, 372, 379 a Abs. 3, 383 Abs. 2, 432 Abs. 2, 453 Abs. 3 S. 3, 454 Abs. 2, 462 Abs. 4, 463 a Abs. 3, 469 Abs. 3. Vgl. auch GVG. §181. Wegen der Frist für die Beschwerde gegen gerichtliche Entscheidungen über Kosten wird auf § 464 verwiesen. Dazu O l d e n b u r g NJW. 1955 1202 (eine Woche). Unrichtige Bezeichnung der sofortigen Beschwerde als Beschwerde oder umgekehrt ist unschädlich (§ 300). Eine sofortige w e i t e r e Beschwerde ist nicht statthaft. Nach den §§ 310,124, 304 Abs. 1 käme hierfür nur der Fall amtsrichterlicher Entscheidung über den Verfall einer Sicherheit (§§ 122,126, GVG. 30 Abs. 2) in Betracht. Er fällt jedoch nicht in den Sachbereich der weiteren Beschwerde nach § 310 (s. dort). 2. Einlegung der sofortigen Beschwerde. Beschwerdefrist. Die sofortige Beschwerde kann beim Erstgericht oder bei dem Beschwerdegericht schriftlich oder zurNiederschrift derGeschäftsstelle (§ 306 Abs. 1) eingelegt werden. Die Einlegung bei dem Beschwerdegericht genügt stets, ohne Rücksicht auf Prüfung der Dringlichkeit. Beschwerdebegründung oder -begründungsfrist schreibt das Gesetz nicht vor. Auch die nicht mit Gründen versehene Beschwerde führt zur Prü-
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§311
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 3, 4 fung der angefochtenen Entscheidung (des Beschwerdegegenstandes) im ganzen. Dabei ist alles zu berücksichtigen, was der Beschwerdeführer bis zur Entscheidung über die Beschwerde vorbringt, H a m b u r g H R R . 1936 Nr. 1263. Jedoch braucht das Gericht weder eine Begründung anzufordern, noch den Eingang einer solchen abzuwarten, sofern dem Beschwerdeführer nicht eine Frist zur Erläuterung gesetzt worden war. Die Beschwerdefrist beträgt eine Woche und wird nach § 43 berechnet (s. dort). Vgl. M ü n c h e n MDR. 1957 375 (zu § 464 II). Sie beginnt mit der Bekanntmachung der anzufechtenden Entscheidung, also mit deren Verkündung in Anwesenheit des Beschwerdeführers, BGHSt. 6 207, oder mit der Zustellung an ihn. Bloße formlose Mitteilung genügt auch dann nicht, wenn sie nachgewiesen ist (§ 35 Abs. 2). Die Beschwerdeerklärung muß spätestens am letzten Tage der Frist bei dem Erst- oder Beschwerdegericht eingehen. Haben mehrere Gerichte mit dem Erstoder Beschwerdegericht eine gemeinsame Briefannahmestelle, so genügt Eingang bei dieser, KG. J R . 1955 152. Vgl. § 314 Anm. 3. Auch die Frist für die sofortige Beschwerde gegen Entscheidungen über notwendige Auslagen beträgt eine Woche, KG. NJW. 1955 35. Über eine verspätete sofortige Beschwerde darf nicht das Erstgericht entscheiden, sondern nur das Beschwerdegericht. Die Sonderregelung für Berufung (§ 319) und Revision (§ 346) gilt hier nicht. — Über den Übergang von Revision zu sofortiger Beschwerde BGHSt. 6 206. 3. Änderungsverbot. In den Fällen der sofortigen Beschwerde darf das Erstgericht seine Entscheidung nicht ändern (§ 311 Abs. 3), BGHSt. 8 195. Der Ausdruck „Gericht" ist mißverständlich. Er umfaßt, wie bei der einfachen Beschwerde, alle in § 306 Abs. 2, 3 erwähnten Stellen, außer dem Gericht also auch den Vorsitzenden, den Amtsrichter im Vorverfahren, den beauftragten oder ersuchten Richter und den Untersuchungsrichter. Auch die Gesetzesworte „angefochtene Entscheidung" sind mißverständlich. Der innere Grund des Änderungsverbotes liegt nicht in der formellen Tatsache der Anfechtung durch sofortige Beschwerde, sondern darin, daß das Gesetz solche Beschlüsse und Verfügungen der sofortigen Beschwerde unterwirft, die ihrer Verfahrensbedeutung nach einem Urteil mehr oder minder nahekommen und deshalb eingeschränkter Rechtskraft fähig sind. „Die Besonderheit der sofortigen Beschwerde besteht darin, daß diejenigen Entscheidungen, welche derselben unterliegen, von dem Gericht, welches sie erlassen hat, nicht abgeändert werden können, vielmehr werden diese Entscheidungen analog dem Urteil behandelt" (Mot. S. 211). Das Gericht ist daher in solchen Fällen aus sachlichen Gründen jedenfalls grundsätzlich nicht änderungsbefugt, ohne daß es darauf ankommt, ob sofortige Beschwerde eingelegt worden ist, K ö l n NJW. 1955 314. Das Wort „angefochtene" enthält also keine Einschränkung. Vgl. dazu Anm. 4. In derartigen Fällen kann auch das Beschwerdegericht aus eigener Entschließung oder auf Gegenvorstellung seine Entscheidung nicht ändern, M ü n c h e n S t . 6 347. Davon hält RGSt. 37 112 eine Ausnahme für zulässig bei einem außerhalb der Hauptverhandlung erlassenen Beschluß, für den das Gericht nicht zuständig war. Vgl. §306 Anm. 5 b ; 2. Abschnitt, Vorbem. 6f. 4. Bedeutung der Rechtskraft. Wird die Erstentscheidung nicht mit sofortiger Beschwerde angefochten oder diese verworfen, so tritt Rechtskraft ein. Eine ändernde Beschwerdeentscheidung ist endgültig und daher sogleich rechtskräftig, weil ein Fall des § 310 nicht in Betracht kommt. Die Rechtskraft hat jedoch nicht stets denselben Inhalt. Sie richtet sich nach Wesen und Verfahrensbedeutung der Entscheidung. Manche Beschlüsse enthalten eine (möglicherweise endgültige) Entscheidung der Sache selbst oder über einen einzelnen Verfahrensgegenstand. Ihre Rechtskraft steht daher der eines Urteils gleich. Hierher gehören Beschlüsse nach § 122, die eine Sicherheit für verfallen erklären; die gemäß § 462 eine Gesamtstrafe festsetzen; die einem Dritten gemäß § 469 Kosten auferlegen. In anderen Fällen besteht die Rechtskraft eines Beschlusses nur darin, daß er eine Verfahrensfrage endgültig erledigt und so das weitere Verfahren regelt, ohne die Sache selbst zu berühren. Vgl. den Beschluß, der den Antrag des Beschuldigten auf Eröffnung der Voruntersuchung (§§ 201,178,183) oder den Einwand örtlicher Unzuständigkeit (§§ 182, 201) verwirft. Bei Anstaltsbeobachtung des Beschuldigten besteht die Rechtskraft des Beschlusses nur in seiner Vollstreckbarkeit. Trotz des Abs. 3 ist das Gericht je nach Sachlage befugt, unter Umständen verpflichtet, von der Maßregel abzusehen, wenn sie nicht mehr geboten ist ( G l a s e r , Grünhuts Z. 12 333, O s t e r , Der Umfang der Rechtskraft im Strafprozeß, Göttinger Diss. S. 49). Ebenso EbS c h m i d t 5.
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Dritter Abschnitt. Berufung (Jagusch)
§ 312 Anm. 1—3 § 313 Anm. 1, 2
Dritter Abschnitt Berufung § 3 1 3 Gegen die Urteile des Amtsrichters und des Schöffengerichts ist Berufung zulässig. Entstehungsgeschichte: I., II. und III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: § 354. Änderungsvorschläge: NE I und II § 315. NE III § 306 Abs. 1. Spätere Änderungen: a) Bek. vom 22. 3.1924 (RGBl. I S. 354). b) VO. vom 14. 6.1932 (RGBl. I S. 285). c) Das VereinhG. vom 12. 9.1950 (BGBl. I S. 455, 629), Art. 3 Nr. 138, hat die Fassung von 1924 wieder hergestellt. 1. Berufung. Die Berufung ist nur zulässig gegen Urteile des Amtsrichters und Schöffengerichts (§§ 24, 25 GVG), des Jugendrichters (§ 39 JGG) und Jugendschöffengerichts (§ 40 JGG.). Gegen Urteile der Strafkammer und des Schwurgerichts ist sie nicht zugelassen. Sie können nur mit der Revision angefochten werden. Jedoch kann auch ein Urteil des Amtsrichters nicht mit der Berufung angefochten werden, sondern nur mit Revision, wenn es ausschließlich Übertretungen betrifft und nur auf Freispruch oder Geldstrafe lautet. Näheres hierüber bei §313. Soweit Berufung zulässig ist, kann das Urteil stattdessen mit der Sprungrevision angefochten werden (§ 335). Die Berufung kann auf selbständige Urteilsteile beschränkt werden (vgl. die §§ 318 und sinngemäß 827), zu denen auch die Kostenentscheidung gehört. 2. Berechtigte. Die Berufung steht allen durch die angefochtene Entscheidung beschwerten (§ 296 Anm. 4) Verfahrensbeteiligten zu. Vgl. die §§ 296, 297, 298. Da das Urteü mit der Verkündung ergeht (§§ 260, 268, RGSt. 47 323), kann sie auch eingelegt und durchgeführt werden, wenn eine dem §275 genügende Urteilsurkunde weder vorhanden ist noch hergestellt werden kann, RGSt. 61 399. 3. Berufungsgericht ist die Strafkammer des Landgerichts (§ 74 Abs. 2 GVG.), bei Berufung gegen ein Urteil des Amtsrichters die kleine Strafkammer, sonst die große Strafkammer (§ 76 Abs. 2 GVG.), bei Urteilen des Jugendrichters und des Jugendschöffengerichts die Jugendkammer (§ 41 Abs. 2 JGG). Wegen der auswärtigen Strafkammern s. § 78 GVG.
§ 3 1 3 Ein Urteil des Amtsrichters kann nicht mit Berufung angefochten werden, wenn es ausschließlich Übertretungen zum Gegenstand hat und der Angeklagte entweder freigesprochen oder ausschließlich zu Geldstrafe verurteilt worden ist. Entstehungsgeschichte: VO. vom 4.1.1924 (RGBl. I S. 20), § 33 Abs. 1. Spätere Änderungen: G. vom 22. 12.1925 (RGBl. I S. 475). VO. vom 14. 6.1932 (RGBl. I S. 285). VereinhG. vom 12. 9. 1950 (BGBl. I S. 455). Übergangsregelung in Art. 8 Nr. 107 VereinhG. Schrifttum: W. Fischer, Berufungsausschluß, Strafr.Abh. Heft 275, 1930. H ä r t u n g DJZ. 31129,131. Wunderer LZ. 18 777, 20 197. 1. Ausschloß der Berufung bei amtsrichterliehen Bagatellurteilen. Die Vorschrift betrifft ausschließlich Urteile des Amtsrichters als Einzelrichter, nicht solche des Schöffengerichts. Sie erfaßt auch Urteile des Jugendrichters, soweit sie auf Freispruch von einer Übertretung ergehen. Geldstrafe sieht das JGG. nicht vor, D a l l i n g e r - L a c k n e r JGG. Anm. 10,11 vor § 55. 2. Ausschließlich Übertretungen zum Gegenstand. Dieses Merkmal entscheidet darüber, welches Rechtsmittel zulässig ist und daher auch darüber, ob das Rechtsmittel, wenn nur Revision in Betracht kommt, formell begründet werden muß (§§ 344, 345 Abs. 1). Trotz des Alters der übrigens mehrfach geänderten Vorschrift ist ihre Auslegung noch immer zweifelhaft, obgleich bei 78
L ö w e - R o s e n b e r g , StPO. 21. Aufl.
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§313
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 2 einer Vorschrift über die Zulässigkeit von Rechtsmitteln besondere Anforderungen an Klarheit und Einfachheit der Handhabung zu stellen wären. Dies liegt weniger an der unscharfen Fassung („Übertretungen zum Gegenstand"), als an Unklarheit über die rechtspolitische Tragweite des § 313. Der Grundgedanke der Vorschrift ist an sich, für bloße Bagatellsachen nicht drei Rechtszüge zu eröffnen. Zweifelhaft ist jedoch die zutreffende Abgrenzung des Bagatellfalles. Sind dies ausschließlich Fälle, in denen bereits die Anklage oder der Antrag im Strafbefehlverfahren (§ 407) nur Übertretungen angenommen haben und der Amtsrichter ebenso eröffnet und erkennt, oder sind auch diejenigen Fälle einzubeziehen, die zwar in Anklage, Antrag und (oder) Eröffnungsbeschluß als Vergehen gewertet werden, nach dem Ergebnis der Hauptverhandlung, der ausschließlichen Urteilsgrundlage, gemäß amtsrichterlicher Überzeugung aber lediglich Übertretungen sind? Die Schwierigkeit entsteht daraus, daß Gegenstand des Ermittlungs- und sogar des Hauptverfahrens ursprünglich ein vorläufiger Sachverhalt sein kann, der sich als Vergehen darstellt, während der „Gegenstand der Urteilsfindung", nämlich die „in der Anklage bezeichnete Tat" (§ 264 Abs. 1), nach durchgeführter Hauptverhandlung als „Ergebnis der Verhandlung" ein völlig anderes Gesicht zeigen kann. Die herrschende Meinung gibt hierauf keine klare und überzeugende Antwort. Einigkeit besteht nur darüber, daß § 313 unanwendbar ist, wenn schon im Urteilstenor wegen Vergehen verurteilt oder davon freigesprochen wird, Köln NJW. 1952 1107, KleinknM 2a. Das muß ebenso gelten, wenn nicht der entscheidende Teil auf ein Vergehen hinweist, wohl aber die Urteilsgründe n o t w e n d i g e Erörterungen darüber enthalten, daß kein Vergehen vorliege. Im übrigen soll nach überwiegender Meinung der Gesamtinhalt des Urteils maßgebend sein, also Urteilssatz und Urteilsgründe zusammen, BayObLGSt. 1951 434, Köln NJW. 1962 1108, und zwar ohne Rücksicht auf Beschwer. Dem wäre zuzustimmen. Die h. M. schränkt diesen Satz jedoch alsbald dadurch ein, daß die Tatbezeichnung in der Anklage maßgebend sei, wobei es nicht darauf ankomme, ob sie sich unmittelbar ausdrückt (§ 212), oder in der Anklageschrift (§ 264), in der Nachtragsanklage (§ 266), im Antrag auf Erlaß eines Strafbefehls (§§ 407, 408), oder im Eröffnungsbeschluß (§ 207), BayObLG. MDR. 1951 442, KG. JW. 1937 1360, München JW. 1936 3012, Schleswig SchlHA. 1957 187, Celle NRpfl. 1953 232, F r a n k f u r t NJW. 1952 1189, H a m m NJW. 1957 74, Köln NJW. 1952 1107. Ähnlich E b S c h m i d t 6, während KleinknM 2b, aa auf den Eröffnungsbeschluß abstellen. Diese verbreitete Ansicht versteht den § 313 also so, als ob er nicht auf das Urteil des Amtsrichters abstellte, sondern auf den ursprünglichen Verfahrensgegenstand. Dahinter steht das Bestreben, der Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel der Berufung für den Fall offenzuhalten, daß die Tatfeststellungen des Amtsrichters Verurteilung zwar nur wegen Übertretung rechtfertigen und die Rechtsausführungen hierüber der Revision standhalten, während die Anklagebehörde aber meint, ein Vergehen nachweisen zu können (vgl. H a m m NJW. 1957 74). Die h. M. hält also an ihrem Ausgangspunkt, daß der sachlich notwendige Gesamtinhalt des Urteils maßgebend sei, im Grunde nicht fest. Sie greift auf frühere Verfahrensvorgänge zurück, teils auf die Anklage in jeder Form, teils, wie KleinknM 2b, aa, auf den Eröffnungsbeschluß, weil er im Rahmen der Anklage die Grundlage des gerichtlichen Strafverfahrens bilde. Diese Auslegung befriedigt nicht. Erstens spielt bei ihr, entgegen der Fassung des § 313, das Urteil und mit ihm das Ergebnis der Hauptverhandlung zu Unrecht nur eine untergeordnete Rolle. Zweitens ist ihr Ergebnis als Abgrenzung zwischen Revision und Berufung unzulänglich, weil erst eine Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen (undeutlichen) Aufschluß über das zulässige Rechtsmittel gibt. Drittens legt sie dem Ergebnis der Vorermittlungen und ihrer vorläufigen Beurteilung größeres Gewicht bei als dem Beweisergebnis der Hauptverhandlung, auf dem das Urteil allein zu beruhen hat (§ 264 Abs. 1). Aus allen drei Gründen dürfte dem sachlich notwendigen Urteilsinhalt im ganzen als Maßstab der Vorrang zukommen. Die Einwendungen, das Urteil habe den Eröffnungsbeschluß zu erschöpfen (KleinknM 2b, aa) und die Urteilsgründe stünden in notwendigem Zusammenhang mit Anklage und Eröffnungsbeschluß (EbS c h m i d t 6), greifen, obwohl an sich zutreffend, demgegenüber nicht durch. Den Eröffnungsbeschluß hat das Urteil nur in der Weise zu erschöpfen, daß es den darin bezeichneten Hergang so abhandelt, wie er sich als Ergebnis der Hauptverhandlung darstellt, wobei es über den rechtlichen Rahmen des Eröffnungsbeschlusses hinausgreifen darf, soweit Belehrung nach § 265 stattgefunden oder eine Nachtragsanklage durch Beschluß (§ 266) in das Verfahren einbezogen worden ist. Mit der Anklage steht das Urteil nur im Zusammenhang, soweit sie den Rahmen für Eröffnungsbeschluß und Hauptverfahren abgibt. Auseinandersetzungen mit beiden sind im
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Dritter Abschnitt. Berufung (Jagusch)
§313 Anm. 2
Urteil nur erforderlich, wenn der Sachverhalt, der ihnen zugrunde lag, im wesentlichen erwiesen ist, das Gericht ihn aber rechtlich anders beurteilt. Stellt sich im Rahmen der in der Anklage bezeichneten „Tat" (§ 264) jedoch ein Sachverhalt heraus, der nur noch die Annahme einer Übertretung rechtfertigt, so verlieren die früheren Verfahrensvorgänge ihre Bedeutung. Vorzuziehen dürfte daher die folgende Auslegung sein: Maßgebend ist der sachnotwendige Gesamtinhalt des Urteils. § 313 scheidet aus, wenn wegen Vergehens verurteilt oder von einem solchen ausdrücklich freigesprochen worden ist (KG. DAR. 1961 204). Er scheidet ferner aus, wenn nach den Urteilsfeststellungen sachlicher Anlaß zur Prüfung eines Vergehenstatbestandes vorlag (a.M. anscheinend H a m m NJW. 19611369) und ein Vergehen geprüft und verneint oder diese Prüfung übersehen worden ist (so an sich auch BayObLGSt. 1951 434, K ö l n NJW. 19521108). Unter dem Gesichtspunkt des § 313 kommt es hiernach auf Eröffnungsbeschluß, Hinweis nach § 266 und Nachtragsanklage wegen Vergehens nicht an. Weichen die Urteilsfeststellungen von der vorläufigen tatsächlichen Beurteilung, die jenen Verfahrensakten zugrunde lag, nur unwesentlich ab, so besteht regelmäßig sachlicher Anlaß zur Prüfung, ob ein Vergehen vorliegt, andernfalls kann dieser Anlaß entfallen, weil von vornherein eine nur nicht erkannte Bagatelle vorlag. Umgekehrt scheidet § 313 auch aus, wenn erst im Urteil sachlicher Grund besteht, ein Vergehen, wenn auch verneinend, zu erörtern, D r e s d e n J W. 1982 963,3656, BayObLG. NJW. 1952 36. Bei Freispruch kommt es darauf an, ob sich die Urteilsgründe auf Grund der Feststellungen mit einer Übertretung oder mit einem Vergehen befassen oder zu befassen hätten (§§ 370 Nr. 5,242), s . D r e s d e n J W . 1932 963, KG. DAR. 1961 204. Kein sachlicher Anlaß zur Erörterung eines Vergehens besteht, wenn insoweit nur eine bloße formelhafte, verneinende Fassung gewählt wird, die neben der Erörterung der Übertretung sachlich auch unterbleiben könnte (s. K ö l n NJW. 1952 1108). Bloße Fassungszufälle müssen ohne Einfluß bleiben. Auch diese Auslegung ist nicht mangelfrei, sie dürfte jedoch den vorangestellten drei Grundsätzen besser entsprechen. Vor allem bietet sie, weil sie auf die Urteilsfeststellungen abstellt, einen klareren Zulässigkeitsmaßstab. Unvollständigen oder widersprüchlichen Feststellungen kann die Verfahrensrüge nach § 244 Abs. 2 begegnen. Wo dies ausnahmsweise nicht angeht, kann die Einbuße nicht mehr ins Gewicht fallen. Über frühere Rechtsprechung und Literatur s. die 20. Auflage, Anm. 2, 3. Befaßt sich das Urteil außerdem noch mit Vergehen, so ist § 313 auch bei Rechtsmittelbeschränkung auf die Übertretung unanwendbar, BayObLGSt. 84 76. Es kommt auf die Gesamtentscheidung an, nicht auf die Strafen für einzelne Taten, selbst wenn sie selbständig nebeneinander stehen, H a m b u r g JW. 1925 499, D a r m s t a d t JW. 1925 1527, S t u t t g a r t HR. 5 Nr. 880. Zusammenhängende Sachen dürfen hinsichtlich der Rechtsmittel nicht zerrissen und dadurch der Gefahr widersprechender Entscheidungen ausgesetzt werden. Daher ist § 313 auch unanwendbar, wenn wegen mehrerer selbständiger Handlungen teils zu Geldstrafe, teils zu Freiheitsstrafe verurteilt wird; oder wenn dasselbe Urteil über strafbare Handlungen mehrerer Angeklagter entscheidet und teils auf Geldstrafe, teils auf Freiheitsstrafe erkennt, BayObLGSt. 1951 398, 681, oder teils sachlichen Anlaß hat, das NichtVorliegen eines Vergehens zu prüfen und diese Prüfung vornimmt oder versehentlich unterläßt. In derartigen Fällen steht allen Beteiligten die Berufung zu. (Beispiele: Verurteilung eines Teilnehmers an der Übertretung zu Geldstrafe, eines anderen zu Freiheitsstrafe, S t u t t g a r t HR. 5 Nr. 880; ein Teilnehmer eines Fahrzeugunfalls wird wegen Übertretung, der andere wegen Vergehens verurteilt, Celle DAR. 1952 45, D r e s d e n HR. 6 Nr. 684, 9 Nr. 632.) — Steht einem anderen Verfahrensbeteiligten das Recht auf Berufung zu, so hat es auch der nur wegen einer Übertretung Verurteilte, BayObLG. NJW. 1962 1733. Die Berufung ist nach § 313 nur ausgeschlossen, wenn das Urteil alle Beteiligten entweder wegen Übertretung freispricht oder aus demselben Grunde ausschließlich zu Geldstrafe verurteilt, BayObLG. JW. 1926 1237, JR. 1934 HRR. Nr. 1428, 1935 HRR. Nr. 912, D a r m s t a d t JW. 1925 1527, H a m b u r g GA. 71 357, D r e s d e n DRZ. 22 Nr. 224, S t u t t g a r t HR. 5 Nr. 880, C o n r a d DRZ. 301180, a. M. noch BayObLG. ZStW. 45 397, KG. JW. 19251033, HR. 1 Nr. 1603, K ö n i g s b e r g ZStW. 45 614, D o e r r GA. 69 220. — Wird der Einspruch gegen einen Strafbefehl nach § 412 Abs. 1 verworfen, so kommt es hinsichtlich des § 313 auf den Strafbefehl an, H a m b u r g JR. 1956 70, BayObLG. DRZ. 23 Nr. 877, D r e s d e n HRR. 1938 Nr. 1266, B e l i n g 477, M a n n h e i m JW. 1926 1250. Lautet dieser wegen Übertretung ausschließlich auf Geldstrafe und ist der Einspruch wegen Ausbleibens des Angeklagten verworfen worden, so ist Berufung unzulässig, BGHSt. 14289. Wird nach Versäumung der Einspruchsfrist Revision eingelegt und zugleich gegen die Versäumung Wiedereinsetzung gewährt, so wird die Revision gegenstandslos, KG. GA. 76 236. 78'
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§ 3 1 3 Anm. 3—7
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
§314 3. Freigesprochen. Einstellung des Verfahrens ist kein Freispruch, auch nicht bloßes Absehen von Strafe, soweit gesetzlich zulässig. Dazu BayObLGSt. 34 50, KG. JW. 1925 1033, Düsseldorf GA. 69 205, Breslau GA. 69 339, S t e t t i n JW. 1925 1041, F r a n k f u r t HR. 1 Nr. 973. 4. Ausschließlich zu Geldstrafe verurteilt ist der Angeklagte nicht, wenn unmittelbar auch Freiheitsstrafe verhängt oder wenn Geldstrafe mit Nebenstrafe oder Nebenfolgen verbunden ist (Einziehung, Wertersatz, Buße, Erziehungsmaßregel, öffentliche Bekanntmachung, Entziehung der Fahrerlaubnis). In solchen Fällen ist Berufung zulässig, BayObLGSt. 29 73, KG. JW. 1936 3124, HRR. 1936 Nr. 174, B r a u n s c h w e i g LZ. 18 834, K a r l s r u h e ZStW. 45 211, Düsseldorf ZStW. 45 510, H a m m ZStW. 45 512, Kern JW. 1926 2231, Schleswig SchlHA. 1957 38. Wird der Antrag nach § 42 m StGB, neben Verhängung der Geldstrafe wegen Übertretung abgelehnt, so ist Berufung unzulässig, H a m m VRS. 1955 221. Tritt Geldstrafe gemäß § 27b StGB, an die Stelle einer an sich verwirkten Freiheitsstrafe, so ist die Geldstrafe Hauptstrafe, die Freiheitsstrafe nur Ersatzstrafe und daher „ausschließlich" zu Geldstrafe verurteilt, der § 313 also anwendbar, Celle ZStW. 46 138, Doerr GA. 69 221, M a n n h e i m JW. 1925 2810, LK. 1. Das gilt auch für jede andere Ersatzstrafe für den Fall der Uneinbringlichkeit einer Geldstrafe, H a m b u r g HansRZ. 7 350, K ö n i g s b e r g ZStW. 45 515. Vgl. BGHSt. 3 259. Wird der Einspruch gegen eine auf Geldstrafe lautende Strafverfügung verworfen, so ist nur Revision zulässig, KG. VRS. 1962 370. 5. Irrige Rechtsmittelbezeichnuiig. War das eingelegte Rechtsmittel als unzulässig verworfen worden, so hindert dies die zusätzliche, formgerechte Einlegung des statthaften Rechtsmittels nicht, BayObLG. NJW. 1961 2317. Ist nach § 313 nur Revision zulässig, wird sie jedoch irrtümlich als Berufung bezeichnet, so ist dies nach § 300 an sich unschädlich, wenn das zulässige Rechtsmittel gemeint ist. Das Rechtsmittel ist dann als Revision zu behandeln, BayObLG. JW. 1932 955 Nr. 2, Celle VRS. 15 58, KG. GA. 69 227, Düsseldorf GA. 73 276, N a u m b u r g DRZ. 21 Nr. 460. Es muß daher den Erfordernissen der §§ 344,345 Abs. 1 genügen, BayObLGSt. 1953 5. Dies trifft nicht zu, wenn der Beteiligte auf dem unzulässigen Rechtsmittel besteht (anders anscheinend Celle VRS. 15 58, wonach ein Motivirrtum unerheblich sein soll). Ist Berufung zulässig, so gelten die allgemeinen Grundsätze. Vgl. § 300. 6. Ist Berufung nach § 313 unzulässig, nach Landesrecht jedoch auch Revision ausgeschlossen, wie im § 9 PrForstpolG., so gibt es überhaupt kein Rechtsmittel, BGHSt. 4 138, vgl. auch Schleswig SchlHA. 1956 245. Hat das Berufungsgericht, obwohl Berufung nach § 313 unzulässig war, im Berufungsverfahren zur Sache entschieden, so ist dagegen Revision zulässig, BayObLG. NJW. 1953 756, vgl. außerdem RGSt. 65 255 und BayObLGSt. 31166, DRZ. 24 Nr. 147. Ist diese Revision nach § 345 formell ordnungsgemäß begründet, wozu Erhebung der Sachrüge ausreicht, so ist von Amts wegen zu prüfen, ob das Berufungsverfahren zulässig war. Wenn nicht, ist das angefochtene Berufungsurteil aufzuheben und das frühere Rechtsmittel als Revision zu behandeln. War es nicht ordnungsgemäß begründet worden und kommt auch keine Wiedereinsetzung gegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist mehr in Betracht, so ist die frühere Revision als unzulässig zu verwerfen. Dabei soll § 358 Abs. 2 zugunsten des Verurteilten zu beachten sein. Sah das Berufungsurteil eine nach Art oder Höhe niedrigere Strafe vor als das Ersturteil, so soll es trotz der Aufhebung bei dieser bleiben, BayObLG. NJW. 1953 756, KleinknM § 334 Anm. 2, vgl. auch E b S c h m i d t 4. Die Anwendbarkeit des § 358 Abs. 2 ist jedoch zweifelhaft, da die Revision nur bewirkt, daß bereits das erste Rechtsmittel als (unzulässige) Revision behandelt wird. Der Rechtsfehler, der in dem Erlaß des Berufungsurteils lag, wird beseitigt, und es bleibt bei dem Urteil des Amtsrichters. 7. Vgl. auch § 334.
§314
(1) Die Berufung muß bei dem Gericht des ersten Rechtszuges binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden. (2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des Angeklagton stattgefunden, so beginnt für diesen die Frist mit der Zustellung. Entstehungsgeschichte: I., II. und III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: § 355. Änderungsvorschläge: NE I und II § 316. NE III § 308.
1234
Dritter Abschnitt. Berufung (Jagusch)
§314 Anm. 1, 2
1. Berufung. Form und Frist. Die Berufung ist frist- und formgebunden, jedoch sind die Formerfordernisse insgesamt weniger streng als bei der Revision. Hinsichtlich der Einlegung der beiden Rechtsmittel stimmen Formen und Fristen überein, vgl. § 341, hinsichtlich der Begründung der Rechtsmittel ist § 344 (Revision) strenger als § 317 (Berufung). Vgl. § 317. 2. Form der Einlegung. a) Zur Niederschrift der Geschäftsstelle. Vgl. RiStV. Nr. 133. Vgl. auch § 341 und § 306 Anm. 3 a. — Hierzu gehört die mündliche Erklärung des Beschwerdeführers oder eines zu diesem Zeitpunkt hierzu von ihm Bevollmächtigten vor dem Urkundsbeamten des erkennenden Gerichts erster Instanz, daß Berufung eingelegt werde, die Niederschrift dieser Erklärung und regelmäßig die Unterzeichnung dieser Urkunde durch den Urkundsbeamten. Vermerkt der Urkundsbeamte die Verlesung oder Genehmigung der Niederschrift nicht, so ist dies unschädlich, RGSt. 48 79. Der Beschwerdeführer braucht nicht zu unterschreiben, denn die Formvorschriften der §§ 168, 187,188 gelten hier nicht, RGSt. 48 78, H a m b u r g HESt. 3 75, E b S c h m i d t 3. Verweigert der Beschwerdeführer Genehmigung oder Unterschrift, so ist der Grund hierfür durch Freibeweis zu ermitteln. Die Weigerung kann die Fassung der Niederschrift betreffen, sie braucht die Wirksamkeit der Berufungseinlegung nicht zu berühren, E b S c h m i d t 3. Fehlt die Unterschrift des Urkundsbeamten, so ist auch insoweit der Grund durch freie Auslegung zu ermitteln. § 314 setzt nur ein „Protokoll der Geschäftsstelle", also, ohne weitere Formvorschiift, eine Niederschrift des Urkundsbeamten voraus. Steht fest, daß die Niederschrift vom Urkundsbeamten herrührt und keinen bloßen Entwurf darstellt, so reicht dies aus. Andernfalls ist zu prüfen, ob nicht jedenfalls die Schriftform erfüllt ist. Vgl. E b S c h m i d t 3. Wirksam ist auch die Niederschrift durch den Urkundsbeamten nach Urteilsverkündung noch in der Hauptverhandlung in derselben oder in besonderer Niederschrift, B r e m e n JZ. 1953 516, H a m b u r g HESt. 3, 75, doch ist der Urkundsbeamte hier zur Entgegennahme der Erklärung nicht verpflichtet, auch ist die Würde der Verhandlung zu beachten. § 274 gilt für eine solche Niederschrift nicht. Nach Beginn der Berufungsverhandlung kann der Umfang des Rechtsmittels noch wirksam beschränkt werden. Derartige Erklärungen bestimmen den Umfang des Rechtsmittelverfahrens und damit den Gang der Hauptverhandlung. Sie unterliegen dem § 274. Vgl. dazu RGSt. 66 418, H a m b u r g NJW. 1955 1201, E b S c h m i d t 4. Vgl. auch Anm. 2c am Ende. b) Schriftlich. Vgl. § 306 Anm. 3b. — Die schriftliche Erklärung muß ihren Urheber zweifelsfrei erkennen lassen, RGSt. 67 388. Regelmäßig geschieht dies durch Unterzeichnen, jedoch kann die Unterschrift fehlen, sofern der Urheber anderweit deutlich ersichtlich ist und kein bloßer Entwurf vorliegt. Vgl. RGSt. 62 53, 63 246, 67 387 (beglaubigte Abschrift), BGHSt. 2 78, RG. HRR. 39 Nr. 402, BayObLG. JZ. 1952 117, Düsseldorf NJW. 1962 551. Die Übersendung einer beglaubigten Abschrift reicht unter diesen Voraussetzungen aus, BGHSt. 2 77, RGSt. 67 387, 63 246 (a. M. noch RGSt. 57 280), jedoch nicht eine unbeglaubigte Abschrift. Das Handzeichen des Staatsanwalts reicht bei vorgesehener Unterschrift des Abteilungsleiters nicht aus, BayObLG. NJW. 19621527. Der Gebrauch eines Namen- oder Faksimilestempels reicht bei nicht mißbräuchlicher Benutzung aus, vgl. RGSt. 62 63, 63 246. Fehlt die Unterschrift, so kann der Urheber noch hinreichend aus anderen Merkmalen der Schrift hervorgehen (Briefkopf, Diktatzeichen, stets gleiche Form der Schriftsätze), s. RGSt. 67 386, BGHSt. 2 78 (Diktatzeichen), Düsseldorf NJW. 1962 551, Schleswig SchlHA. 1953 12, KG. JR. 1954 391. Die Unterschrift muß noch ein Mindestmaß individueller Merkmale (Schriftzüge) aufweisen, bloße geometrische Figuren genügen nicht, BGHSt. 12 317. Leserlich braucht sie jedoch nicht zu sein. Das Schriftstück darf mit Hilfe technischer Mittel hergestellt sein, RGSt. 62 64. Ein Bevollmächtigter darf mit dem eigenen oder mit dem Namen des Beschwerdeführers unterzeichnen, sofern er zu derartiger Unterzeichnung ermächtigt ist, RGSt. 45 328. Fernmündliche Einlegung ist keine schriftliche. Überwiegend wird sie daher für unzulässig gehalten. RGSt. 38 282, F r a n k f u r t NJW. 1953 1118, H a m m NJW. 1952 276, S e i b e r t DRiZ. 1952 8, E b S c h m i d t 6. Das trifft aber nur hinsichtlich der Schriftlichkeit zu. Nimmt der Urkundsbeamte eine Niederschrift auf und bestehen über die Person des Erklärenden keine begründeten Zweifel, so ist die Erklärung zur Niederschrift der Geschäftsstelle abgegeben und wirksam. Ob der Erklärende selbst erscheint oder die Geschäftsstelle anruft, ist für die Form der Niederschrift unerheblich. A. M. RGSt. 38 282, H a m b u r g DRZ. 21 Nr. 1174. Jedoch wird die Geschäftsstelle die Niederschrift ablehnen, wenn die Person des Anrufenden nicht einwandfrei feststeht. Vgl. D a h s NJW. 1952 276.
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§314
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 3 Telegrafisch kann das Rechtsmittel in der Weise eingelegt werden, daß das Ankunftstelegramm mit ausreichendem Erklärungsinhalt und mit Urheberangabe rechtzeitig bei Gericht eingeht, BGHSt. 8 174. Der Schriftform ist dadurch genügt, daß der Beschwerdeführer die Post zur technischen Herstellung seiner schriftlichen Erklärung in Telegrammform veranlaßt. Übereinstimmung mit Aufgabeerklärung oder Aufgabetelegramm ist nur der Sache, nicht dem Wortlaut nach erforderlich (enger noch RGSt. 38 282, wonach das Ankunftstelegramm die Schriftform jedoch ebenfalls erfüllt). Eigenhändigkeit des Aufgabetelegramms ist nicht erforderlich, E b S c h m i d t 10 (a. M. K l e i n k n M 3b), fernmündliches Aufgeben bei der Post genügt, BGHSt. 8 174 (mit weiteren Angaben), RGZ. 139 4 5 , 1 5 1 82. Es genügt auch, daß der Beschwerdeführer eine andere Person als Schreibmittler verwendet. Das Ankunftstelegramm oder Fernschreiben der Post ( H a m m N J W . 1961 2225) muß dem Gericht rechtzeitig zugehen, bloßes Zusprechen genügt zur Schriftlichkeit nicht, auch dann nicht, wenn die Geschäftsstelle darüber eine Niederschrift aufnimmt, wozu sie nicht verpflichtet ist, BayObLGSt. 1951 505, 1963 265, H a m m N J W . 1952 276, J M B N R W . 1953 109, S t u t t g a r t N J W . 1958 2028, N i e t h a m m e r J Z . 1952 117 (a. M. BGHSt. 14 233, BGH. N J W . 1953 25 für die Rechtsbeschwerde in Landwirtschaftssachen, B r a u n s c h w e i g NRpfl. 1947 126, HESt. 3 7, K ö l n J M B N R W . 1952 87 für den Fall der Bestätigung durch das Ankunftstelegramm, H e r l a n J R . 1954 353). Es geht nicht an, das gesetzliche Erfordernis der Schriftlichkeit durch Auslegung gänzlich zu beseitigen. Einrichtungen, die nur der Arbeitserleichterung der Post dienen, wie § 26 TelegrO. vom 30. 6 . 1 9 2 6 / 2 2 . 1 2 . 1 9 3 8 , können an der gesetzlichen Schriftform nichts ändern. Wäre die Gegenmeinung richtig, dann könnte der Beschwerdeführer, statt den Telegrammweg zu benutzen, auch selbst bei dem Gericht anrufen. S c h r i f t l i c h ist eine solche Einlegung daher nicht. Jedoch ist auch hier zu prüfen, ob eine Niederschrift, welche die Geschäftsstelle freiwillig aufnimmt, als Protokoll der Geschäftsstelle gelten kann, so daß dieses Formerfordernis dann erfüllt ist. Die Geschäftsstelle kann das Zusprechen von Rechtsmitteltelegrammen jedoch auch ablehnen. In diesem Falle wird dem Absender, nachdem die Entscheidung BGHSt. 14 233 vorliegt, allerdings Wiedereinsetzung zuzubilligen sein. Vgl. hierzu H a m m J M B N R W . 1954 262, BayObLG. N J W . 1954 323 (Wiedereinsetzung, wenn die Geschäftsstelle das Telegramm sich zusprechen läßt). Legt eine Behörde das Rechtsmittel telegrafisch ein, so muß das Ankunftstelegramm regelmäßig die Unterschrift des für die Einlegung zuständigen Beamten enthalten, H a m m J M B N R W . 1955 226, vgl. auch RG. J W . 19311615 Nr. 73. c) Die Person des Erklärenden muß feststehen. Vgl. auch 2b. Eine Berufung der Staatsanwaltschaft muß von dem zuständigen Beamten unterzeichnet sein, RG. J W . 19311615 Nr. 73. Der Beschwerdeführer darf sich bei der Erklärung durch den Verteidiger oder einen andern Bevollmächtigten vertreten lassen. Näheres bei § 297 und § 306. Die Vollmacht muß bei Einlegung des Rechtsmittels bestehen, ihr Nachweis ist noch nach Ablauf der Einlegungsfrist zulässig, D r e s d e n J R . 1934 H R R . Nr. 1499 und § 297, RGSt. 66 211, 17 256, 38 282, E b S c h m i d t 34 vor § 137. Der Urkundsbeamte muß die Erklärung eines beauftragten Familienangehörigen beurkunden, auch wenn dieser keine schriftliche Vollmacht hat und das Aktenzeichen der Sache nicht kennt, B r e m e n N J W . 1954 46. 3. Bei dem Gerieht des ersten Rechtszuges. Die Berufung ist bei dem Amtsgericht einzulegen, das das angefochtene Urteil erlassen hat. Der Eingang bei der unrichtigen Abteilung ist unschädlich. Stammt das Urteil von einem gemeinsamen Amtsgericht (§ 58 GVG.), so kann die Berufung bei dem Vorsitzenden auch dann eingelegt werden, wenn er seinen Amtssitz nicht am Ort des gemeinsamen Schöffengerichts hat, RGSt. 60 329. Die Berufung ist rechtzeitig, wenn sie rechtzeitig der Person zugeht, die zur Empfangnahme bei Gericht befugt ist, RGSt. 31 4, ohne Rücksicht auf Beurkundung der Eingangszeit, die dem Freibeweis unterliegt, RG. DRZ. 21 Nr. 77, oder auf gegenteilige oder vermeintlich gegenteilige dienstliche Anordnungen, die dazu führen, daß das Rechtsmittel als später eingegangen behandelt wird, RGSt. 31 6, H a m b u r g HR. 5 Nr. 2061. Rechtzeitig ist sie auch, wenn ein befugter Gerichtsbediensteter sie am letzten Tage der Rechtsmittelfrist noch nach Dienstschluß entgegennimmt, O l d e n b u r g NRpfl. 1955 159, oder wenn der Urkundsbeamte sie während der Verkündung der Urteilsgründe n a c h Verkündung der Urteilsformel entgegennimmt, R o s t o c k HR. 8 Nr. 215, oder wenn er sie nach Urteilsverkündung noch in der Hauptverhandlung niederschreibt, B r e m e n J Z . 1953 516, oder wenn sie bei einem auswärtigen Gerichtstag rechtzeitig abgegeben, aber verspätet gestempelt wird, S c h l e s w i g Sehl AH. 1953 70. Unterhalten mehrere Gerichte oder Behörden eine gemeinsame Brief annahme-
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Dritter Abschnitt. Berufung (Jagusch)
§ 314 Anm. 4
§315
stelle, so genügt rechtzeitiger Eingang bei dieser Stelle, auch bei unrichtiger Anschrift der Behörde oder des Gerichts, sofern die Annahmestelle für das Erstgericht zuständig ist, KG. JR. 1955 152, H a m m JMBNRW. 1956 141, E b S c h m i d t 12, KleinknM 1. Diese Stellen sollen Irrtümer vermeiden helfen. Daher ist es nicht gerechtfertigt, bei rechtzeitigem Eingang, aber unrichtiger Adressierung auf die Entschließung der Annahmestelle abzustellen, wie BGH. JR. 1953 430 und KG. JR. 1954 391 (anders bereits JR. 1955152) dies noch taten. Für den verhafteten Angeklagten gilt die Vereinfachung gemäß § 299. Geht die Berufung bei dem Berufungsgericht oder bei der StA. ein und besteht keine gemeinsame Briefeingangsstelle mit dem Amtsgericht, so ist sie nur wirksam, wenn sie weitergeleitet wird und rechtzeitig bei dem Amtsgericht eingeht. Dies gilt auch für eine Niederschrift der Geschäftsstelle des Berufungsgerichts. 4. Berufungsfrist. Die Berufungsfrist beginnt mit Verkündung des Urteils in Anwesenheit des Angeklagten. Im Sinne des § 314 besteht die Verkündung, anders als bei § 268, in der Verlesung der Urteilsformel. Daher ist eine Berufung, die danach, aber vor Mitteilung der Urteilsgründe eingelegt wird, zulässig, KG. GA.74 387. Nur vor Verkündung der Urteilsformel kann nicht wirksam Berufung eingelegt werden, D r e s d e n DRZ. 22 Nr. 43. Aus diesem Grunde läuft die Berufungsfrist für den Privatkläger, der der Verkündung der Urteilsformel, aber nicht der Gründe beiwohnt, von der Verkündung an, das Urteil braucht ihm zu diesem Zweck nicht nach Abs. 2 zugestellt zu werden, KG. NJW. 1955 565. Dasselbe gilt für den Angeklagten, der sich nach Verkündung der Urteilsformel entfernt, denn er ist von dem Urteilsinhalt durch Verkündung unterrichtet (a. M. D r e s d e n DRZ. 20 Nr. 970). Abs. 1 ist jedoch nur bei persönlicher Anwesenheit des Angeklagten anwendbar, nicht bereits bei Anwesenheit des Verteidigers oder eines anderen Vertreters. — Über den Lauf der Rechtsmittelfrist bei Zustellung an die Finanzbehörde s. Celle GA. 58 53. Abwesenheit des Angeklagten. Ist der Angeklagte auch bei Verkündung der Urteilsformel nicht anwesend, so beginnt die Berufungsfrist für ihn erst mit Zustellung des vollständigen Urteils mit Gründen (Abs. 2), BGHSt. 15 265. Das gilt auch für die andern Verfahrensbeteiligten, soweit ihnen selbständige Rechtsmittelbefugnis zusteht, etwa für den Privatkläger, RGSt. 6 28, Köln DRZ. 28 Nr. 219, und für die Statsanwaltschaft, sofern sie bei der Urteilsverkündung nicht vertreten war und auch nicht zulässigerweise auf Teilnahme verzichtet hatte, B a m b e r g HESt. 1209, vgl. auch Kassel HESt.2 125. Es gilt auch, wenn nur ein Vertreter des Angeklagten anwesend war. Ein Verzicht des Angeklagten auf förmliche Zustellung ist wirkungslos. War er bei der Verkündung nicht zugegen, so muß ihm das vollständige Urteil auch dann zugestellt werden, wenn er einen Zustellungsbevollmächtigten hat, RGSt. 43 321, andernfalls läuft die Berufungsfrist nicht, RGSt. 19 390. Nur bei Aufenthalt des Angeklagten im Ausland soll nach RGSt. 77 212 Zustellung an einen Zustellungsbevollmächtigten (§ 119) genügen. War der Privatkläger abwesend, so beginnt der Fristlauf hier mit Zustellung an einen Bevollmächtigten, KleinknM 6a. War Zustellung an die Finanzbehörde unterblieben und wird sie erst nach Entscheidung über die Berufung des Angeklagten nachgeholt, so beginnt die Rechtsmittelfrist für die Finanzbehörde mit Zustellung des das Berufungsurteil wegen Verfahrensverstoßes aufhebenden Revisionsurteils, Celle GA. 1958 53. Vgl. auch § 341 Anm. 6. Ob die Berufungsfrist eingehalten ist und die Berufung zulässig war, hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen, und zwar in freier Beweiswürdigung, RGSt. 65 256. Sind die Akten über die Einlegung verloren gegangen, so sind die Tatsachen zu beachten, aus denen sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts die Rechtzeitigkeit oder Verspätung ergibt, vgl. auch RGSt. 62 13, 64 17, 21 151. Zur Fristberechnung s. § 43. Der Verkündungs- bzw. Zustellungstag (Abs. 2) rechnet nicht mit. Bestehen Zweifel an der rechtzeitigen Einlegung des Rechtsmittels, die sich nicht beheben lassen, so gilt die Berufung als rechtzeitig, da sie nur bei erwiesener Verspätung als unzulässig verworfen werden darf (§ 319). Ebenso E b S c h m i d t 14, S a r s t e d t JR. 1954 471, Schwarz 1 Bb, a. M. KG. JR. 1954 470, H a m m GA. 1957 222. Behebbare Zweifel sind zu beseitigen. Über den Rechtsmittelverzicht und dessen Widerruf s. § 302.
§315 (1) Der Beginn der Frist zur Einlegung der Berufung wird dadurch nicht ausgeschlossen, daB gegen ein auf Ausbleiben des Angeklagten ergangenes Urteil eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachgesucht werden kann.
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§ 3 1 5 Anm. 1—3
§316
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
(2) Stellt der Angeklagte ein Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, so wird die Berufung dadurch gewahrt, daß sie sofort für den Fall der Verwerfung jenes Gesuchs rechtzeitig eingelegt wird. Die weitere Verfügung in bezug auf die Berufung bleibt dann bis zur Erledigung des Gesuchs um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgesetzt. (8) Die Einlegung der Berufung ohne Verbindung mit dem Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt als Verzicht auf die letztere. Entstehungsgeschichte: I., II., III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: § 356. Änderungsvorschläge: NE I und II § 319. NE III § 309. 1. Ausbleiben des Angeklagten. Zusammentreffen von Berufung und Wiedereinsetzungsgesuch. Ist die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten durchgeführt worden (§ 232), so kann dieser nach § 235 binnen einer Woche nach Zustellung des Urteils Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen. Vgl. auch die ähnliche Regelung des § 412 über das Ausbleiben im Verfahren bei Strafverfügungen und im § 329. Die Voraussetzungen der §§ 44, 235 müssen erfüllt sein. Innerhalb einer Woche nach Urteilszustellung kann der Angeklagte auch Berufung (§§ 312, 314) einlegen. Die Fristen für den Rechtsbehelf der Wiedereinsetzung und das Rechtsmittel der Berufung fallen also zusammen. Die Vorschrift des § 315 regelt das Zusammentreffen beider Behelfe durch zwei Rechtsregeln: a) Dem Angeklagten ist es verwehrt, die Einlegung der Berufung aufzuschieben, bis ein Wiedereinsetzungsgesuch abgelehnt worden ist. b) Legt er Berufung ein, ohne zugleich Wiedereinsetzung zu beantragen, so gilt dies als gesetzlich zwingend eintretender Verzicht auf Wiedereinsetzung (Abs. 3). Weitere Beschränkungen sieht der § 315 nicht vor. Der Angeklagte darf daher zunächst Wiedereinsetzung beantragen und danach i n n e r h a l b der Berufungsfrist noch Berufung einlegen. Das Wort „sofort" im Abs. 2 ist ungenau, wie das Wort „rechtzeitig" zeigt, und besagt nur: innerhalb der Berufungsfrist, nicht später. Die Anbringung des Gesuchs um Wiedereinsetzung enthält daher keinen Verzicht auf Berufung, die rechtzeitige Einlegung der Berufung nach Anbringung des Wiedereinsetzungsgesuchs keinen Verzicht auf dieses. Eine solche Berufung gilt, wie die gleichzeitig eingelegte, als für den Fall der Verwerfung des Gesuchs um Wiedereinsetzung eingelegt. Nur wenn ausschließlich Berufung eingelegt wird, ohne gleichzeitiges oder vorheriges Wiedereinsetzungsgesuch, tritt kraft Gesetzes Verzicht auf Wiedereinsetzung ein (Abs. 3). Nach wohl einhelliger Meinung kann die gesetzliche Verzichtswirkung nicht durch gegenteilige Erklärung entkräftet werden, KleinknM 2c, E b S c h m i d t 4. Das Wiedereinsetzungsgesuch kann jederzeit ausdrücklich zurückgenommen werden. Eine dem § 315 entsprechende Regelung enthält § 342 für die Revision. 2. Auslegungszweifel. Bleibt es zweifelhaft, ob der Angeklagte Wiedereinsetzung beantragen, Berufung einlegen oder beides nebeneinander verfolgen will, so ist er hierüber zu befragen. Wegen der Rechtzeitigkeit der Erklärung gilt dann § 300 Anm. 2 b. Äußert er sich nicht ausreichend, so wird nach § 300 in Verbindung mit dem Grundsatz der günstigsten Auslegung anzunehmen sein, daß beides verfolgt wird. 3. Weiteres Verfahren. Das Schicksal der Berufung hängt zunächst von dem Erfolg des Wiedereinsetzungsgesuches ab. Wird ihm stattgegeben, so ist das Urteil beseitigt, der Angeklagte in die Instanz wieder eingesetzt und die Berufung gegenstandslos. Daher ist zunächst über Wiedereinsetzung zu entscheiden. Die Berufung gilt als für den Fall der Ablehnung der Wiedereinsetzung eingelegt (Böhm JR. 1 668). Daraus wird zu entnehmen sein, daß die Rechtfertigungsfrist für die Berufung (§ 317) erst mit rechtskräftiger (§ 46 Abs. 3) Verwerfung des Wiedereinsetzungsgesuchs beginnt. § 315 fordert von dem Angeklagten zunächst nur rechtzeitige Einlegunu der Berufung, dadurch wird sie „gewahrt" (Abs.2), E b S c h m i d t 6. Ebenso ausdrücklich NE I und II, KleinknM 4b. Vgl. § 342 Anm. 2. Allerdings ist die Berufung, anders als die Revision, auch ohne formelle Begründung wirksam (vgl. § 317).
§316 (1) Durch rechtzeitige Einlegung der Berufung wird die Rechtskraft des Urteils, soweit es angefochten ist, gehemmt. (2) Dem Beschwerdeführer, dem das Urteil mit den Gründen noch nicht zugestellt war, ist es nach Einlegung der Berufung sofort zuzustellen.
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Dritter Abschnitt. Berufung (Jagusch)
§316 Anm. 1, 2
Entstehungsgeschichte: I., II. und III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: § 357. Änderungsvorschläge: NE I und II § 315 Abs. 2, § 316 Abs. 3. NE III §§ 310, 308 Abs. 2. 1. Hemmung der Rechtskraft (Abs. 1). Verstreicht die Berufungsfrist ungenutzt (§ 314), so tritt Rechtskraft ein. Nur rechtzeitig (§§ 314, 319) eingelegte Berufung, diese jedoch stets, hemmt den Eintritt der Rechtskraft. Hat das Gericht des ersten Rechtszuges die Berufung wegen verspäteter Einlegung nach § 319 Abs. 1 als unzulässig zu verwerfen, so wird die Rechtskraft nicht gehemmt. Ist die Berufung aus anderen Gründen unzulässig und daher nach § 322 zu behandeln, so wird die Rechtskraft zunächst nach § 316 Abs. 1 gehemmt. Die Hemmung dauert entweder bis zur endgültigen Entscheidung gemäß § 322, bei sofortiger Beschwerde bis zur Entscheidung über diese (§§ 322 Abs. 2, 316 Abs. 1), sonst bis zur Sachentscheidung über die Berufung (§§ 328, 329). Über den Zeitpunkt der Rechtskraft bei Einlegung und Zurücknahme von Rechtsmitteln ausführlich Niese JZ. 1957 76. Hemmung tritt nur ein, soweit das Urteil angefochten ist. Vgl. dazu die §§ 318, 327. Die Berufung kann auf bestimmte Beschwerdepunkte beschränkt werden (§ 318). Darunter sind einzelne Teile der in der Urteilsformel enthaltenen Entscheidung zu verstehen. Die Beschränkung ist zulässig, soweit der angefochtene Teil der Entscheidung, losgelöst von dem nicht angefochtenen, selbständig geprüft und beurteilt werden kann. Näheres darüber bei den §§ 318, 327, 344. Bei Hemmung der Rechtskraft bleibt das Verfahren in der Berufungsinstanz rechtshängig. Das angefochtene Urteil ist noch nicht vollstreckbar (§ 449). Wird der Angeschuldigte freigesprochen oder außer Verfolgung gesetzt, so ist ein Haftbefehl gegen ihn aufzuheben. Die Freilassung darf durch Einlegung der Berufung nicht verzögert werden (§ 123). 2. Zustellung des Urteils mit Gründen (Abs. 2). War das Urteil mit Gründen dem Beschwerdeführer noch nicht zugestellt, so ist es ihm nach Einlegung der Berufung sofort zuzustellen, weil die Kenntnis der Urteilsgründe, obwohl Berufungsrechtfertigung nicht vorgeschrieben ist (§ 317), für diese und für die Durchführung des Rechtsmittels überhaupt bedeutsam sein kann. Beschwerdeführer nennt die StPO. jeden, der ein Rechtsmittel einlegt (vgl. auch die §§ 308, 344). Der Gegner des Beschwerdeführers hat keine eigene gesetzliche Bezeichnung (vgl. die §§ 308, 347). Beschwerdeführer im Sinne des § 316, also Zustellungsempfänger, ist jeder, der aus eigenem Recht Berufung eingelegt hat. In Betracht kommt hierfür der Angeklagte, sein gesetzlicher Vertreter, die Staatsanwaltschaft, der Nebenkläger, der Privatkläger (§§ 296, 298), nicht der Verteidiger, der nur ein Recht des Beschuldigten ausübt (§ 297), jedoch der Zustellungsermächtigte (vgl. H a m m NJW. 1961 474). a) Rechtzeitige Berufung. Auch die Vorschrift des Absatzes 2 setzt rechtzeitige Berufung (§§ 314, 319) voraus. Verwirft der Amtsrichter die Berufung gemäß § 319 Abs. 1 als unzulässig, so unterbleibt die Zustellung. Sie wird erforderlich, wenn das Berufungsgericht einem Antrage gemäß § 319 Abs. 2 stattgibt, weil die Berufung dann rechtzeitig war. Bei rechtzeitiger Berufung ist das Urteil stets zuzustellen, auch wenn das Rechtsmittel aus anderen Gründen unzulässig ist, RGSt. 62 250. Vgl. Anm. 1. b) Inhalt der Zustellung. Das angefochtene Urteil ist mit den vollständigen Gründen zuzustellen, vgl. oben 2. War das vollständige Urteil bereits gemäß § 314 Abs. 2 zugestellt (Verkündung in Abwesenheit des Angeklagten), so ist es nicht nochmals zuzustellen. War bisher nur die Urteilsformel zugestellt, so ist nunmehr das vollständige Urteil zuzustellen. Bei öffentlicher Zustellung geht die Sondervorschrift des § 40 Abs. 2 vor. Die Gründe sind hier von der Zustellung ausgenommen. Ihre Anheftung an die Gerichtstafel wäre sinnlos, auch könnte sie die öffentliche Sittlichkeit oder Ordnung gefährden. Bei wirksamer Zustellung des vollständigen Urteils kann nochmalige Zustellung unterbleiben, RG. HR. 4 Nr. 694. Sie darf nicht deshalb unterbleiben, weil die Berufung bereits begründet worden ist, weil die Kenntnis der Urteilsgründe zu Änderungen, Ergänzungen oder weiteren Entschließungen Anlaß geben kann. Ein Verzicht auf Zustellung ist wirkungslos, da mit der Zustellung die Begründungsfrist beginnt (§ 317), die nach der Ausgestaltung der Berufung allerdings unwesentlich ist. Dazu BayObLGSt. 8 139. c) Empfänger der Zustellung. Dem Beschwerdeführer ist das Urteil zuzustellen. Zustellung an ihn ist stets wirksam und ausreichend selbst dann, wenn er einen Zustellungsbevollmächtigten hat, RGSt. 6 93, und auch wenn die Zustellung an diesen beantragt worden war; S c h l e s w i g MDR1949 429, a. M. RGSt. 47 114. Das Gesetz bezweckt lediglich, dem Beschwerdeführer voll-
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§ 3 1 6 Anm. 3 § 317 Anm. 1
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
ständige Urteilskenntnis zu gewährleisten. Entgegen RGSt. 47 114 ist bei formell ordnungsgemäßer Zustellung an den Beschwerdeführer daher auch ein Irrtum der Geschäftsstelle der StA., die an den Verteidiger zustellen sollte, unschädlich. Anderseits genügt Zustellung an den Zustellungsbevollmächtigten (dazu H a m m NJW. 1961 474), solange dem Gericht das Ende der Vollmacht nicht angezeigt worden ist, ohne Rücksicht auf ausdrücklichen Zustellungsantrag. Rechtsprechung zu diesen Fragen: RGSt. 6 93, 47 114, RG. Rspr. 4 830, 6 32, RG. Recht 28 886, BayObLGSt. 22 142, SeuffBl. 71 68, MünchenSt. 10 69, H a m b u r g ZStW. 46 147. War der Angeklagte bei Urteilsverkündung abwesend, so beginnt die Berufungsfrist für ihn mit Zustellung an ihn, auch wenn er einen Zustellungsbevollmächtigten hat (§ 314 Abs. 2), RGSt. 19 390, 43 321. Hat der gesetzliche Vertreter Berufung eingelegt, und zwar aus eigenem Recht, so ist das Urteil ihm zuzustellen, nicht dem Angeklagten, es sei denn, dieser ist ebenfalls Beschwerdeführer (§§ 298, 330). Haben mehrere Berechtigte (§ 298 Anm. 3) selbständig Berufung eingelegt, so ist das Urteil jedem von ihnen zuzustellen, MünchenSt. 4 288. Haben sie einen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten, so dürfte es kein Verfahrensmangel sein, wenn diesem nur einmal zugestellt wird, vgl. BayObLG. DRZ. 23 Nr. 137. Bei Zustellung an den Angeklagten und seinen zustellungsbevollmächtigten Verteidiger gilt die frühere Zustellung im Sinne des § 317 als maßgebend, Köln MDR. 1952 441, auch bei mehreren Verteidigern eines Angeklagten, RG. JW. 1919 998, JW. 1933 2152. Wegen der Zustellung an die StA. s. § 41. Macht der Beschwerdeführer geltend, er habe das Urteil bei Zustellung gemäß § 181 ZPO an einen Hausgenossen nicht erhalten, so ist dies von Amts wegen nachzuprüfen, H a m b u r g DRZ. 24 Nr. 766. Ist eine Behörde Nebenkläger, vgl. § 341 Anm. 6. Die Entwürfe einer StPO. sehen vor, daß das Urteil auch dem Verteidiger zuzustellen ist, wenn der Angeklagte oder sein gesetzlicher Vertreter Berufung eingelegt haben (NE I und II § 316 Abs. 3, III § 171 Abs. 2). 3. Bei Aktenverlust ist das Urteil, soweit möglich, wieder herzustellen, RG. JW. 1917 52, H a m m GA. 62 210, Gadow DJZ. 12 587. Ist Wiederherstellung der Gründe nicht möglich, so wenigstens die der Urteilsformel. In diesem Falle ist das Urteil, da ihm die Gründe fehlen, in der Hauptverhandlung aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen ( H a m b u r g LZ. 14 311). Bei Tod des Amtsrichters vor Abfassung der Urteilsgründe ist ebenso zu verfahren.
§317 Die Berufung kann binnen einer weiteren Woche nach Ablaut der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels oder, wenn zu dieser Zeit das Urteil noch nicht zugestellt war, nach dessen Zustellung bei dem Gericht des ersten Rechtszuges zu Protokoll der Geschäftsstelle oder in einer Beschwerdeschrift gerechtfertigt werden. Entstehungsgeschichte: I., II. und III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: § 358. Änderungsvorschläge: NE I und II § 318. 1. Berufimgsbegründung. Die Begründung („Rechtfertigung") der Berufung ist kein notwendiger Verfahrensbestandteil. Anders als bei der Revision, wo sie zwingend vorgeschrieben ist (§§ 344, 346), ist sie bei Berufung entbehrlich und kann daher auch unterbleiben. Das Urteil gilt dann als im ganzen angefochten (§ 318). Die verfahrensrechtliche Bedeutung der Begründung besteht nur darin, daß sie den Gegner des Beschwerdeführers und das Berufungsgericht über Richtung und Umfang der Berufung v o r l ä u f i g unterrichtet und daher für die Entschließung Bedeutung erlangen kann, welche Beweismittel zur Hauptverhandlung herbeizuschaffen sind. Ferner kann die Begründung, sofern das Rechtsmittel unbeschränkt eingelegt worden war, eine Teilzurücknahme enthalten, sofern die Vorschrift des § 302 beachtet ist. Der Ablauf der Begründungsfrist ist endlich bedeutsam für die Vorlegung der Akten nach § 320 an die Staatsanwaltschaft. Im übrigen genügt rechtzeitige Einlegung der Berufung, um die Sache in die Entscheidungszuständigkeit des Berufungsgerichts zu bringen. Vgl. die §§ 320, 321. Zur Sprungrevision s. §335. Die S t a a t s a n w a l t s c h a f t hat jedes von ihr eingelegte Rechtsmittel auch dann zu begründen, wenn kein gesetzlicher Begründungszwang besteht (RiStV. Nr. 139). Einlegung und Begründung der Berufung haben in „Schriftstücken" (§ 320) zu geschehen. Dazu kann an sich auch ein Aktenvermerk der Staatsanwaltschaft ausreichen. Er ist dem Beschuldigten zur Kenntnis zu bringen, da diesem sonst das rechtliche Gehör versagt wird. Maßgebend ist jedoch der
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§ 317 Anm. 2, 3 §318
Zweck des Vermerks. Ein nach Einlegung der Berufung zu den Akten gebrachter Vermerk über die mit dem Rechtsmittel verfolgte Absicht braucht keine Begründung des Rechtsmittels zu enthalten und braucht dem Beschuldigten dann nicht mitgeteilt zu werden. Im Zweifel ist die Mitteilung geboten. 2. Begründungsfrist. Die Begründungsfrist beträgt eine Woche und beginnt mit Ablauf der Berufungsfrist, sofern die Berufung rechtzeitig eingelegt ist und das Urteil mit den Gründen im Zeitpunkt des Ablaufs der Berufungsfrist dem Beschwerdeführer bereits zugestellt worden war. Andernfalls beginnt sie mit Zustellung des vollständigen Urteils, vgl. § 316. Die Begründung kann schon früher abgegeben und mit der Berufungseinlegung verbunden werden. Anderseits ist Fristversäumung hier bedeutungslos. Neuem Vorbringen des Beschwerdeführers steht sie nicht entgegen. Die Berufung kann noch in der Hauptverhandlung begründet, die bisherige Begründung geändert oder ergänzt werden. Alles das ist in der Berufungs-Hauptverhandlung zu berücksichtigen. Daher bedarf es keiner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen Versäumung der Begründungsfrist. Fristverlängerung durch das Gericht ist bei Revision und Berufung unzulässig, bei der Berufung auch gegenstandslos. Über den Fristbeginn s. § 316 Anm. 1. Die Fristberechnung richtet sich nach den §§ 42, 43. 3. Form. Anders als bei der Revision darf der Beschuldigte die Berufung selbst schriftlich („Beschwerdeschrift") begründen. Ferner kann sie zur Niederschrift der Geschäftsstelle erklärt werden. Zuständig ist das Erstgericht, doch ist der Eingang bei dem Beschwerdegericht unschädlich. Zur Schriftform s. die §§ 306, 314. Weitere Formvorschriften bestehen für die Berufungsbegründung nicht. Die Begründung durch Fernsprecher zur Niederschrift der Geschäftsstelle wird regelmäßig nicht ausreichen, jedenfalls nicht bei umfangreicherer Begründung und wenn über den Anrufenden nicht völlige Gewißheit besteht, wofür das Ermessen der Geschäftsstelle maßgebend ist. Vgl. § 314.
§318 Die Berufung kann auf bestimmte Begehwerdepunkte beschränkt werden. Ist dies nicht geschehen oder eine Rechtfertigung überhaupt nicht erfolgt, so gilt der ganze Inhalt des Urteils als angefochten. Entstehungsgeschichte: I., II. und III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: § 359. Änderungsvorschläge: NE I und II § 317. Schrifttum: P e t e r s Strafprozeß 389, E b S c h m i d t Lehrk. § 318, G a g e - S a r s t e d t 45, Spendel ZStW. 67 556, M o r t z f e l d t NJW. 1956 1586. Übersicht: 1. Beschränkung der Berufung c) Einzelheiten zur Schuldfrage: Einzelne rechtliche Erwägungen zum Schuld2. Wesen der Beschränkung, Teilverzicht. spruch. Verminderte ZurechnungsfähigTeilzurücknahme keit. Tateinheit. Unrichtige Tatmehrheit. 3. Form der Beschränkung Fortgesetzte Tat. Sammelstraftat 4. Auslegung der Berufungserklärungen d) Mehrere Angeklagte 5. Bestimmte Beschwerdepunkte e) Zutreffende Tatmehrheit a) Grundsätzliches. Beispiele für Nichtbef) Beschränkung auf den Strafausspruch schränkbarkeit: Verfahrensvoraussetg) Verminderte Zurechnungsfähigkeit zung. Gültiges Strafgesetz. Rechtshänh) Strafschärfender Rückfall gigkeit. Anderweite Aburteilung. Strafi) Anrechnung der Untersuchungshaft freiheitsgesetz. Unklare Schuldfeststelk) Mildernde Umstände. Besonders schwelungen. Auslandsstrafe. Gewerbs- oder rer Fall. § 213 StGB gewohnheitsmäßige Hehlerei. Banden1) Strafaussetzung zur Bewährung maßiger Bannbruch. Rechtsänderung. m) Weitere Fälle zum Strafausspruch Verjährung. Rechtfertigungsgrund. n) Strafschärfung nach § 20 a StGB Schuldausschließungsgrund. Persönlicher o) Maßnahmen der Sicherung und BesseStrafausschließungsgrund. Unrichtiger rung. Sicherungsverwahrung. AnstaltsVerurteilter. Möglichkeit gerechter unterbringung. Arbeitshaus. TrinkerheilSachentscheidung anstalt. Berufsverbot. Entziehung der b) Schuldfrage Fahrerlaubnis
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§318
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Anm. 1—B 1. Beschränkung der Berulung. Vgl. auch die §§ 327, 344, 352. Wie der Beschuldigte das Urteil, auch das unrichtige, unangefochten rechtskräftig werden lassen kann, so kann er durch Beschränkung des Rechtsmittels auch Teilrechtskraft eintreten lassen, BGHSt. 11 363, jedoch nicht in beliebiger Weise. Übereinstimmung besteht darüber, daß „bestimmte Beschwerdepunkte", wie § 318 sich ausdrückt, einzelne Teile der in der Urteilsformel enthaltenen Entscheidung sind, und daß Beschränkung der Berufung nur zulässig ist, soweit der angefochtene Urteilsteil, vom übrigen Urteilsinhalt losgelöst, selbständig geprüft und rechtlich beurteilt werden kann (so RGSt. 42 30, 241, 52 342, 60 109, 61 323, 349, 62 13, 433, 65 238, 296, 69 110, 73 81, 75 171, BGHSt. 2 385, 7 1 0 1 , 1 0 101). Über die Tragweite dieser im Grundsatz richtigen Formel im einzelnen (vgl. Anm. 5) und damit über den Umfang zulässiger Teilrechtskraft bestehen erhebliche Unklarheiten. Sie beruhen darauf, was jeweils zur Schuldfrage gehört, inwieweit einzelne Straf- und Maßregelfragen selbständig beurteilt werden können, ob Teilrechtskraft auch hingenommen werden darf, wo die Nachprüfung des angefochtenen Urteilsteiles offenbare Unrichtigkeit des übrigen Urteils ergibt, im Grunde also darauf, ob materiell richtige oder formell ordnungsgemäße Sachbehandlung hier dem Gesetz besser entspricht. Endlich spielt dabei eine Rolle, ob das Wesen des Berufungsverfahrens als neue Tatsacheninstanz andere Grundsätze der Beschränkbarkeit erfordert als das bloße Rechtsrügeverfahren der Revision. Dies dürfte sich jedoch dadurch erledigen, daß auch die Revision bei Zurückverweisung in die Tatinstanz zu Konflikten mit der Teilrechtskraft führen kann. Für die §§ 318, 327, 344 werden daher dieselben Grundsätze über Beschränkbarkeit zu gelten haben. Die Rechtslehre (vor allem E b S c h m i d t a. a. O., auch P e t e r s a.a.O.) zieht der Beschränkbarkeit weit engere Grenzen als die umfangreiche Gerichtspraxis. Maßgebend muß stets die Lage des Einzelfalles sein. Die entschiedenen Fälle haben nur den Wert von Beispielen und müssen stets in diesem Lichte gewürdigt werden. 2. Wesen der Beschränkung. Teilverzicht. Teilrücknahme. Die Beschränkungserklärung betrifft den Umfang des Rechtsmittels. Soweit sie wirksam ist, läßt sie Teilrechtskraft eintreten, RGSt. 42 243. Sie ist daher eine verfahrensrechtliche Bewirkungshandlung ( E b S c h m i d t 2). Gemessen an der Regelung der §§ 318, 344, 327 besagt sie nichts über die Zulässigkeit des Rechtsmittels. Sie betrifft nur die zulässige Beschränkung. Daher ist sie wirksam oder unwirksam (beachtlich oder unbeachtlich) je nachdem, ob sie „bestimmte Beschwerdepunkte" (Anm 1) betrifft oder nicht. Ist sie unwirksam, so hat dies nicht Unzulässigkeit der Berufung zur Folge, sondern das ganze Urteil gilt als angefochten, RGSt. 54 82, 51 307, 65 129, 296, sofern dem Rechtsmittel nicht die Bestimmtheit überhaupt fehlt, BayObLGSt. 54 84. Es liegt dann ebenso wie bei unbeschränkt eingelegter Berufung oder bei fehlender Berufungsbegründung (§ 317). Näher hierzu E b S c h m i d t eingelegter Berufung oder bei fehlender Berufungsbegründung (§ 317). Näher hierzu E b S c h m i d t 2. Die Beschränkung des Rechtsmittels schon bei Einlegung enthält einen Teilverzicht (§ 302), RGSt. 39 393, 42 242. Der Verteidiger braucht dazu eine ausdrückliche Ermächtigung, deren Nachweis auch später noch geführt werden, vgl. § 302. Auch nachträglich ist noch Beschränkung zulässig, vor Hauptverhandlung des Rechtsmittelgerichts schriftlich (Anm. 3) oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle, in der Hauptverhandlung durch Erklärung, die dadurch schon vor Protokollierung wirksam wird. Die nachträgliche Beschränkung enthält eine Teilzurücknahme. Sie ist an die Voraussetzungen der §§ 302, 303 gebunden, RGSt. 65 236, RG. J W . 1933 1069 Nr. 22. Die Ermächtigung nach § 302 muß bei der Beschränkungserklärung vorliegen, sonst ist die Beschränkung nicht wirksam, B r a u n s c h w e i g N J W . 1958 169. Der Nachweis der Ermächtigung kann jedoch auch später noch geführt werden. Ist die Beschränkung nicht zur Niederschrift in der Hauptverhandlung des Berufungsgerichts erklärt worden, so unterliegt sie dem Freibeweis, sonst der Beweisregel des § 274, vgl. H a m b u r g N J W . 1955 1201 und § 314 Anm. 2a. Als prozessuale Bewirkungserklärung wird die wirksam erklärte Beschränkung mit Eingang bei Gericht wirksam und erzeugt Rechtskraft. Daher kann sie auch innerhalb der Berufungsfrist nicht widerrufen werden, s. § 302 Anm. 6d. Nach Beginn der Berufungsverhandlung kann das Rechtsmittel nur mit Zustimmung des Gegners zurückgenommen oder beschränkt werden (§ 303). 3. Form der Beschränkung. In der Berufungsverhandlung genügt Mündlichkeit (Anm. 2), vorher muß die Beschränkung schriftlich oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle erklärt werden. Vgl. §§ 314, 306. Wird die Beschränkung nur einem anderen Verfahrensbeteiligten mitgeteilt, so ist sie unwirksam. Sie wird wirksam bei Weiterleitung mit Eingang bei Gericht (§ 314),
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sofern sie als Verfahrenserklärung zum Gebrauch gegenüber dem Gericht gewollt war (Freibeweis). Vgl. B r e s l a u AlsbE. II Nr. 175. 4. Auslegung der Berulungserkläriingen. Die Beschränkung setzt die auslegungsfähige Erklärung des Beschwerdeführers voraus, er fechte nur einen bestimmten Teil des Urteils an oder beruhige sich bei einem bestimmten Teil. Auch die Begründung kann ausdrücklich oder stillschweigend eine Beschränkung enthalten, KG. GA. 68 286. Die Beschränkungserklärung ist sorgfältig unter Berücksichtigung aller Umstände auszulegen, BayObLGSt. 27 252. Dabei ist nicht am Wortlaut zu haften, sondern der Sinn der Gesamterklärung, der gedankliche Zusammenhang und das Ziel des Rechtsmittels zu erforschen, BGH. NJW. 1966 756, RGSt. 58 372, 62 13. Die Erfahrung oder mangelnde Erfahrung des Erklärenden oder des Verfassers (des Angeklagten, Urkundsbeamten, Verteidigers) in gerichtlichen Angelegenheiten, seine sprachliche Gewandtheit oder Unbeholfenheit, sein Beruf sind zu berücksichtigen, RGSt. 58 372 (Verteidiger), 62 13, 64 164, KG. HR. 4 Nr. 192, KG. JR. 1950 633. An den Staatsanwalt und den Verteidiger ist ein strengerer Maßstab zu legen als an einen unerfahrenen Angeklagten. Die Erklärung, das Urteil werde angefochten, weil die Strafe zu hoch sei, enthält im allgemeinen nur bei einem Verteidiger stets eine Beschränkung auf das Strafmaß, RGSt. 58 372, 62 13, 64 165, BayObLG. DRZ. 20 Nr. 520, JW. 1931 1621 Nr. 5; H a m m JMB1NRW. 53 69 und 1959 107. Die Erklärung, beanstandet werde Verletzung materiellen Rechts und zwar der §§ 44, 213, betrifft den Strafausspruch, sofern die übrige Begründung nicht auch den Schuldspruch erfaßt, BGH. NJW. 1956 756. Wird gerügt, der Tatrichter habe einen weiteren, für Fahrlässigkeit sprechenden Umstand übersehen, so ist der Schuldspruch angefochten, BGH. NJW. 1956 1845. Nachträgliche Beschränkung auf das Strafmaß betrifft nicht notwendig auch die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 42m StGB.), KG. VRS. 8 462, jedoch in der Regel, H a m m DAR. 54 67, a. M. Celle NRpfl. 1961 187 für die Berufung der StA. Sie erfaßt ferner die Rückfallvoraussetzungen, BGHSt. 5 252, RGSt. 65 237, B r e m e n NJW. 1953 1034, die bei Beschränkung des Rechtsmittels auf das Strafmaß jedoch ausgenommen bleiben können, BGHSt. 5 252. Rügt der Beschwerdeführer lediglich Nichtanwendung eines Straffreiheitsgesetzes, so ist das gesamte Urteil angefochten, BGH. NJW. 1951 810. Bleibt die Auslegung der Erklärung für sich allein zweifelhaft, so kann der Beschwerdeführer noch in der Berufungsverhandlung um Erläuterung ersucht werden. Das Ergebnis ist auf den Zeitpunkt der Erklärung zurückzubeziehen, soweit es auf ihn ankommt, und soweit die Erklärung die Erläuterung noch deckt. Im Zweifel erfaßt die Erklärung auch den Schuldspruch, H a m m JMBNRW. 1959 107. Rügt die Staatsanwaltschaft bei Anwendung des § 242 StGB. Nichtanwendung des § 243 StGB., so ist der Schuldspruch angefochten, E b S c h m i d t 4 (a. M. KG. JR. 1950 633). Mit beendeter Auslegung stehen Umfang des Rechtsmittels und Rechtskraft fest vorbehaltlich selbständiger Nachprüfung von Amts wegen durch das Revisionsgericht, RGSt. 67 30, 62 13, 64 21,152,164, 65 252. Dabei ist das Revisionsgericht an die Auslegung und rechtliche Beurteilung durch das Berufungsgericht nicht gebunden, weil Rechtsfragen zur Beurteilung stehen, RGSt. 58 372, RG. JW. 1931 2831 Nr. 53, KG. JW. 1927 3059 Nr. 3. Sind mehrere Rechtsmittel eingelegt, von denen eines den Schuldspruch erfaßt, so ergreift die Berufung das gesamte angefochtene Urteil, RG. DRZ. 20 Nr. 742. Trotz der Erklärung, das Urteil werde im ganzen angefochten, kann doch lediglich die Straffrage gemeint sein, etwa Verkennung des § 158 StGB., RG. I 478/28 vom 12. 6.1928. Das Rechtsmittel kann sich scheinbar auf Verfallerklärung beschränken, in Wirklichkeit jedoch die Feststellungen zur Schuldfrage, nämlich den Umfang des Annehmens oder des Angenommenen betreffen, RGSt. 67 30. Ist wegen gefährlicher Körperverletzung mittels gefährlichen Werkzeugs verurteilt, kommt jedoch auch Begehung durch hinterlistigen Überfall oder lebensgefährdende Behandlung in Betracht, so kann die Berufung, die sich hiergegen richtet, den Schuldspruch erfassen, BGHSt. 13 143. 5. Bestimmte Beschwerdepunkte. a) Grundsätzliches. Zum Begriff s. Anm. 1. Bei unbeschränkter oder unbeschränkbarer Berufung erfaßt das Berufungsverfahren die gesamte Tat im Sinne des § 264, O l d e n b u r g NRpfl. 1955 159. Auch wenn das Rechtsmittel selbständige Urteilsteile in diesem Sinne betrifft, erfaßt es nach allgemeiner, zutreffender Meinung doch das gesamte angefochtene Urteil, wenn eine Verfahrensvoraussetzung fehlt, was von Amts wegen stets zu prüfen ist (Strafantrag), BGH. MDR. 1959 772 (Verjährung bei Beschränkung des Rechtsmittels auf die Kostenentscheidung), RGSt. 66 173, 419, 67 30, 59, 51 243, 62 262, 65 150, 40 274, BGH. bei D a l l i n g e r MDR. 1956
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Anm. 5 146, B r a u n s c h w e i g GA. 1954 346 (Strafantrag), E b S c h m i d t 51, K l e i n k n M 879; oder wenn sich zeigt, daß das Urteil nicht auf einem zu Recht erlassenen Oesetz beruht, RGSt. 22 217, KG. HR. 3 Nr. 115, BayObLGSt. 1953 263, 1954 160, BayObLG. N J W . 1955 395, 1962 213 (dazu S t u t t g a r t N J W . 1962 2118), oder überhaupt nicht auf einem Strafgesetz (Verurteilung wegen versuchter Amtsanmaßung, obwohl Versuch nicht strafbar), so daß freizusprechen ist, obwohl nur der Straf aussprach angegriffen worden war, KG. J W . 1932 1774 Nr. 26; oder bei anderweiter Rechtshängigkeit, RGSt. 67 53; oder bei bereits geschehener anderweiter Aburteilung. Greift ein Straffreiheitsgesetz ein, so kann die Berufung nicht auf das Strafmaß beschränkt werden, RG. DStR. 1989 287, BayObLGSt. 1956 2, vgl. auch BGH. N J W . 1951 810; auch nicht bei Verjährung, BGHSt. 2 385, H a m b u r g VRS. 1957 455, obwohl nur Nichtanrechnung der Untersuchungshaft bemängelt wird, RG. H R R . 1938 Nr. 941 ; auch nicht, wenn erst die Einreihung als Vergehen oder Übertretung über die Verjährung entscheidet, B r a u n s c h w e i g N J W . 1956 1118 (a. M. K u b i s c h N J W . 1956 1530). Die Verjährung ist auch zu prüfen, wenn das Rechtsmittel nur einen Teil der Kostenentscheidung ergreift, BGH. 4 S t R 122/59 vom 13. 5. 1959. Vgl. zur Verjährung ferner BGH. LM. § 67 StGB. Nr. 7. Sind Schuldspruch und Strafe jedoch mangels Rechtsmittels in nicht verjährter Zeit rechtskräftig geworden, weil sich das Rechtsmittel nur gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis richtete, so kann jetzt nur noch insoweit Verjährung eintreten, N e u s t a d t GA. 1956 268. Sind die Urteilsfeststellungen zur Schuldfrage derart, daß sie der Strafzumessung keine Grundlage bieten, so sind Schuld- und Straffrage untrennbar, RG. H R R . 1939 Nr. 548, vgl. H a m m DAR. 1957 303. Jedoch können je nach Sachlage auch ergänzende Feststellungen zur Straffrage in Betracht kommen, die dann den Schuldfeststellungen nicht widersprechen dürfen, vielmehr gelten diese auch für die Strafzumessung, BGHSt. 10 71, KG. VRS. 1955 462, S a a r b r ü c k e n N J W . 1958 1740, KG. VRS. 1959 139, H a m m J M B N R W . 1956 237, DAR. 1958 23, K ö l n N J W . 1955 1333. Näher Anm. 5f. Beschränkung auf Nichtanrechnung einer im Ausland vollstreckten Strafe (§ 7 StGB.) ist unwirksam, da geprüft werden muß, welche Tat dem ausländischen Schuldspruch zugrunde liegt, RG. H R R . 1939 480, ebenso Beschränkung auf eine von zwei zwingend nebeneinander vorgesehenen und verhängten Strafen, RGSt. 19 237, 46 268; auf das strafschärfende Merkmal der Gewerbsmäßigkeit der Hehlerei oder der bandenmäßigen oder bewaffneten Begehung des Bannbruchs, RGSt. 60 110, 64 151, 65 238, 313; regelmäßig auf Anordnung der Sicherungsverwahrung, soweit diese mit der Straffrage, wie meist, untrennbar zusammenhängt, RGSt. 68 385, 73 82, soweit § 2 0 a StGB, angewandt worden ist (a. M. BGHSt. 7 101 „unter besonderen Umständen", K o b l e n z HESt. 3 75, sofern § 20 a nicht angewandt worden ist). (Vgl. Anm. 5 o). Ist die Strafe irrig nicht dem § 20 a StGB, entnommen, so betrifft die Revision der Staatsanwaltschaft wegen Ablehnung der Sicherungsverwahrung den gesamten Strafausspruch, wenn zwischen Strafhöhe und Nichtverhängung der Sicherungsverwahrung ein Zusammenhang besteht, RGSt. 73 81, vgl. dazu RGSt. 68 385, J W . 1936 3458 Nr. 17, H R R . 39 Nr. 548. Wegen Sicherungsverwahrung und Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt s. RG. H R R . 39 Nr. 734. Muß zur Ermittlung des milderen Strafgesetzes bei Rechtsänderung (§ 2 Abs. 2 StGB.) die Strafzumessung untersucht werden, so kann das Strafmaß nicht allein angefochten werden, RGSt. 61 323. Vgl. ferner RGSt. 2 99, 22 217, P e t e r s 390 und 531 VI 1. Sind straferhöhende oder -mildernde Umstände zugleich Tatmerkmale (z. B. in den §§ 260, 351), so ist die Beschränkung unwirksam, liegen sie in Umständen, die zur Tatbestandserfüllung hinzutreten oder in besonderen Eigenschaften oder Verhältnissen des Täters außerhalb des Tatbestandes (z. B. die §§ 244, 264 StGB.), so ist Beschränkung darauf zulässig, RGSt. 69 114. Näher zu diesen Fragen E b S c h m i d t 46. Daß eine formell an sich ordnungsmäßige Beschränkung auf das Strafmaß hier unbeachtlich sein muß, ergibt sich daraus, daß mangels eines tragfähigen Schuldspruchs für die weiteren Entscheidungen nur fiktive Grundlagen vorhanden wären. Der abweichenden Ansicht von H a m m N J W . 1954 613, wonach auch ein offensichtlich unrichtiger Schuldspruch binde, ist nicht zu folgen. Diese Fälle unterscheiden sich jedoch dem sachlichen Gewicht nach nicht von denen, in denen sich etwa zeigt, daß dem Verurteilten, der die Strafhöhe bemängelt, in Wahrheit ein Rechtfertigungs-, Schuldausschließungs- oder persönlicher Strafausschließungsgrund zusteht (§ 51 I statt 51 II, Notwehr statt mildernder Umstände), oder daß ein anderer derTäter ist. Daher fragt es sich mit E b S c h m i d t 44, ob die Beschränkbarkeit in den §§318, 344 ausschließlich formallogisch durch die Selbständigkeitsformel bestimmt wird (Anm. 1), oder ob sie nicht auch die Möglichkeit gerechter Sachentseheidung durch das Berufungsgericht voraussetzt. Ebenso v. H i p p e l 579,
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P e t e r s 390. Dafür spricht, daß hier nur vorläufige Teilrechtskraft in Frage steht, weil die Rechtsmittel noch nicht erschöpft sind, so daß die strengen Rechtskraftgrundsätze, die nach endgültiger Aburteilung zu gelten haben, hier noch nicht notwendigerweise eingreifen müssen. Der tiefgreifende Fehler kann noch in einer und derselben Tatsacheninstanz beseitigt werden. Der Verurteilte hat an seinem Fortbestehen in derartigen Fällen, wo die Verurteilung im ganzen in Frage steht, kein berechtigtes Interesse. Seine Rechtsmittelbeschränkung beruht auf Irrtum. Der Grundsatz der Rechtssicherheit wird, wenn derartige Beschränkungen unwirksam bleiben, nicht beeinträchtigt, derjenige der sachlichen Gerechtigkeit aber gefördert. Diese Tendenz verdient daher sorgfältige Prüfung. A. M. RGSt. 69 110, BGHSt. 5 252, 7 283 (wo jedoch dem wichtigen Gesichtspunkt der Nichterschöpfung der Rechtsmittel zu geringe Bedeutung eingeräumt wird. Solange das Verfahren nicht endgültig abgeschlossen ist, ist „Festigkeit in Fragen der Rechtskraft" nicht die Hauptsorge). Dort auch weitere Angaben. — Die Rechtskft des Schuldanspruchs hindert nicht die Annahme verschuldeten Verbotsirrtums (Straffrage), BayObLG. JR. 196« 189. b) Die Schuldtrage allein ist nicht selbständig anfechtbar. Sie ist Grundlage der weiteren Entscheidungen über Strafe, sichernde Maßnahmen, Nebenfolgen und Kosten. Wird sie angefochten, so wendet sich das Rechtsmittel regelmäßig gegen das gesamte Urteil, RGSt. 61 323, 68 369, 64 163, bei dem Angeklagten und den im § 298 bezeichneten Personen allerdings nur, soweit sie beschwert sind und ihnen daher ein Rechtsmittel zusteht (§ 296 Anm. 4). Wegen weiterer tateinheithcher Verkehrsübertretung (§ 49 StVO.) BGH. DAR. 1958 100. c) Einzelne rechtliche Erwägungen zum Schuldspruch sind nicht selbständig anfechtbar, etwa Ausführungen des Urteils zu einzelnen Tatbestandsmerkmalen, RGSt. 60 109, zur Tat- oder Beweisfrage, zu einzelnen Rechtsbegriffen, zur Gewerbsmäßigkeit bei § 260, RGSt. 64 163, über Tateinheit oder Tatmehrheit, vgl. H a m m NJW. 1955 644, zur Zurechnungsunfähigkeit (§ 61 Abs. 1 StGB.), T ü b i n g e n NJW. 1953 1444, RGSt. 71266,6912, zum Umfang der Fahrlässigkeit, BGH. NJW. 19561846. Dagegen rechnet die herrschende Meinung die verminderte Zurechnungsfähigkeit (§ 61 Abs. 2) mit Recht zur Straffrage. (Vgl. Anm.5g). Zwar ist der Übergang zur Zurechnungsunfähigkeit fließend und die Zurechnungsfähigkeit im ganzen ein Schuldfaktor. Ist die Tat jedoch vorwerfbar, so ist verminderte Zurechnungsfähigkeit nur ein Strafzumessungsgrund neben anderen. Vgl. RGSt. 69 110, N i e t h a m m e r JR. 1935 121, RGSt. 71 266, BGHSt. 5 267, BayObLGSt. 1954 163. A. M. mit Nachdruck E b S c h m i d t 18, S p e n d e l ZStW. 67 565, auch RG. HRR. 1934 Nr. 1417. Ist mit Recht oder Unrecht Tateinheit angenommen, so ist Beschränkung auf einen der mehreren rechtlichen Gesichtspunkte unwirksam, RGSt. 65 129, 59 318, 58 32,14 150, 47 11, 57 84, 60 109, 61 349, OGHSt. 1 39, BayObLGSt. 1957 107, H a m m JZ. 1953 674. Dasselbe gilt, wenn Tatmehrheit zu Unrecht angenommen (s. auch Anm. 5e) ist und in Wirklichkeit Tateinheit oder fortgesetzte Tat vorliegt, RGSt. 62 14, 73 243, 74 390 (Fortsetzungszusammenhang), GA. 74 201, B r a u n s c h w e i g GA. 1955 56, NJW. 1954 45 (irrige Tatmehrheit), E b S c h m i d t 14. Hier würde Teilrechtskraft der zutreffenden rechtlichen Würdigung der gesamten Tat entgegenstehen. Für den Fall zweier an sich selbständiger Taten, deren jede in Tateinheit mit derselben Dauerstraftat steht, die bedenkliche Entscheidung Celle GA. 1959 22, ferner H a m m VRS. 7 135, BayObLG. NJW. 1957 1485. Die Verurteilung wegen fortgesetzter Tat kann nur im ganzen, nicht hinsichtlich einzelner Tatakte, angefochten werden (h. M., RG. DRZ. 20 Nr. 170). Anders bei der früheren, jetzt nicht mehr anerkannten Sammelstraftat (vgl. LK. 8. Aufl., B III 2e vor § 73 StGB.), die aus selbständigen Straftaten besteht, so daß insoweit selbständig angefochten werden konnte. d) Mehrere Angeklagte können die gegen sie gerichtete Verurteilung selbständig anfechten. Der Staatsanwalt und der gemeinsame Verteidiger können entsprechende Beschränkungen des Rechtsmittels vornehmen. Die Vorschrift des § 357 gilt im Berufungsverfahren nicht entsprechend (a. M. K l e i n k n M §357 Anm. 5). e) Bei zutreffender Tatmehrheit ist Teilanfechtung hinsichtlich selbständiger Taten unter Einbeziehung des Strafausspruchs wirksam, Celle MDR. 1958 707, auch wenn beiden Straftaten dieselben Tatsachen zugrunde liegen (Verkehrsunfall, Unfallflucht), BayObLG. NJW. 1959 1646. Der Schuldspruch wegen der übrigen Straftaten wird dadurch rechtskräftig. Nur bei zu Unrecht angenommener Tatmehrheit kann dies wegen der die weitere Sachbehandlung sonst störenden Teilrechtskraft nicht gelten (s. Anm. 5 c). Aus § 32 JGG. ergeben sich hiergegen keine Bedenken, BGHSt. 10 101.
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Anm. 5 I) Beschränkung auf den Strafausspruch. Greift keiner der zu Anm. 5 a erwähnten Hinderungsgründe durch, so kann die Berufung nach herrschender Meinung auf den Strafausspruch, unter Umständen auf Teile desselben und auch auf Verhängung gewisser sichernder Maßregeln beschränkt werden. Grundsätzliche Bedenken hiergegen bei E b S c h m i d t 26ff., 28, wo auch wieder die Frage nach unterschiedlicher Beschränkbarkeit bei Berufung und Revision aufgeworfen sind (vgl. aber Anm. 1). Ihm ist zuzugeben, daß die Schuld der Hauptzumessungsgrund der Strafe ist: Indes hindert die Bindung an rechtskräftige Feststellungen zum äußeren und inneren T a t b e s t a n d den Berufungsrichter nicht daran, statt der im Straftatbestand typisierten Schuld nunmehr den Lebensvorgang, der zur Verurteilung geführt hat, in denjenigen Einzelheiten zu erforschen, die f ü r den Straftatbestand ohne rechtliche Bedeutung sind, die Straftat als Ganzes jedoch kennzeichnen, von ähnlichen unterscheiden und den Grad des Verschuldens für die Strafzumessung bestimmen, BayObLG. HR. 6 Nr. 2042. Vgl. LK. Bern. B I vor § 13 StGB. Hierbei binden ihn die rechtskräftigen Schuldfeststellungen, BGH. NJW. 1957 433, BGHSt. 10 71, KG. VRS. 1955 462, auch diejenigen zum Schuldumfang, S a a r b r ü c k e n NJW. 1958 1740, Celle DAR. 1956 77. Sie bestimmen den Strafrahmen und, soweit sie die Tat individualisieren, die Strafbemessung im einzelnen innerhalb des Strafrahmens. Ferner hat der Berufungsrichter ergänzende Feststellungen zum Strafmaß zu treffen, die jedoch nicht in Widerspruch zu den rechtskräftigen Schuldfeststellungen treten dürfen, RGSt. 61 209, H a m m JMBNRW. 1959 58, BGH. GA. 1959 305 (zu § 51 Abs. 1 StGB, bei rechtskräftigem Schuldspruch), BGHSt. 10 71 (Form des Vorsatzes). Die bisherigen Feststellungen zum Strafmaß dagegen dürfen, da sie nicht rechtskräftig sind, geändert oder ergänzt werden, K ö l n NJW. 1955 1333, H a m m JMBNRW. 1958 88, DAR. 1958 23, JMBNRW. 1956 237 (zu § 23 StGB.). Vgl. auch O l d e n b u r g NJW. 1955 233 zum Strafmaß und Anm. 5 a. In derartigen Fällen hat das Berufungsgericht über die die Strafe bestimmenden Gesichtspunkte zu entscheiden, während es die der Strafe „vorgeordneten" binden, BayObLG. MDR. 1956 248. Zum Beispiel hat es das Mitverschulden des Opfers eines Verkehrsunfalles als etwaigen strafmindernden Umstand zu prüfen, KG. VRS. 1959 139. Ein Ausspruch des Erstrichters, der Verurteilte trage die Alleinschuld im Verhältnis zum Opfer, würde als nicht zum Schuldspruch gehörig nicht binden. Dasselbe gilt für alle anderen wirksamen Beschränkungen. Ist das Berufungsgericht nur mit der Auslagenentscheidung befaßt, so ist es an die Tatfeststellungen gebunden, BGH. NJW. 1959 1450; es hat sie jedoch vollständig zu beurteilen, BGHSt. 15 78. Betrifft das Rechtsmittel zulässigerweise (Tatfrage, s. Anm. 1, 5e) nur die Strafaussetzung zur Bewährung (§ 23 StGB.), so sind nur hierzu ergänzende Feststellungen zu treffen. H a m m JMBNRW. 1956 237. Mit Feststellungen, die ausschließlich den rechtskräftigen Urteilsteil betreffen, hat sich das Berufungsgericht nicht mehr zu befassen. Sind sie jedoch zugleich oder ausschließlich Strafzumessungstatsachen, so ist ihnen nachzugehen. Treten dabei keine wirklichen Widersprüche zu bindenden Feststellungen auf, oder keine für die Strafbemessung erheblichen Widersprüche, so bestätigt dies die grundsätzliche Beschränkbarkeit auf das Strafmaß. Ergeben sich schwerwiegende unlösbare Widersprüche oder Zweifel, so wird es an der Möglichkeit gerechter Sachentscheidung fehlen (Anm. 5 a), weil die Grundlage richtiger Strafzumessung dann zerstört ist, und es greifen die in Anm. 5 a dargelegten Erwägungen über die Nichtbeschränkbarkeit Platz. Alles, was dort über die störende Wirkung verfrüht angenommener Teilrechtskraft gesagt ist, wird auch bei unbehebbaren Widersprüchen zu gelten haben. Hat das Berufungsgericht nur noch gemäß § 467 Abs. 2 zu entscheiden, so darf es zur Tatfrage keine neuen Feststellungen mehr treffen; vgl. BGH. LM. §327 Nr. 2, BGH. NJW. 1956 756 (Rüge der Verletzung der §§ 44, 213 StGB, betrifft nur den Strafausspruch). BGHSt. 10 320 (Beschränkung auf § 316 Abs. 2 StGB.). Zum verschuldeten Verbotsirrtum s. BayObLG. J R . 1960 189 (Rechtskraft des Schuldspruchs steht nicht entgegen). g) Die verminderte Zurechnungsfähigkeit (§ 51 Abs. 2 StGB.) gehört nach herrschender Meinung hinsichtlich ihrer Bedeutung f ü r die Straffolge, als ein Kennzeichen für den Grad der Tatvorwerfbarkeit, zum Strafausspruch, K ö l n GA. 1956 60, RGSt. 69 110, N i e t h a m m e r JR. 1935 121, RGSt. 71 266, BGHSt. 5 267 und ständig, BayObLGSt. 1954 163, a. M. RG. HRR. 1934 Nr. 1417, E b S c h m i d t 18, S p e n d e l ZStW. 67 565. S. auch Anm. 5c. h) Der strafschärfende Bückfall ist gesondert anfechtbar. Seine gesetzlichen Voraussetzungen sind fest umrissen und dem richterlichen Ermessen nicht zugänglich, BGHSt. 5 252, RGSt. 65 237, 64 159, 60 110, 54 180, B r e m e n NJW. 1953 1034, Celle GA. 1959 153. Andererseits bleibt die Feststellung, ob Rückfall vorliegt, und der hiernach anzuwendende Strafrahmen von der
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übrigen Strafzumessung unberührt, so daß die Strafzumessung auch mit Ausnahme des Rückfalls angefochten werden kann, BGHSt. 5 252. Untrennbar von der Straffrage ist der Rückfall, wenn Vorbestrafung überhaupt bestritten wird, vgl. H a m m VRS. 1957 449, 363 (zu § 23 StGB.). A. M. zum Rückfall E b S c h m i d t 21. i) Die Anrechnung der Untersuchungshaft (§ 60 StGB.) kann je nach Sachlage untrennbar zur Strafzumessung gehören, aber auch getrennt anfechtbar sein. BGHSt. 7 214 (Vorlagefall) geht davon aus, daß vor Prüfung der Anrechnung die schuldangemessene Strafe festgesetzt worden sein muß. Strafbemessung und Anrechnung richten sich nach verschiedenen Gesichtspunkten, die erstere nach Täterschuld, Tatschwere, Tatfolgen, Täterpersönlichkeit, Wiedereingliederung und den Strafzwecken, die Anrechnung vorwiegend danach, ob und inwieweit die Untersuchungshaft verschuldet war, unter Umständen auch danach, ob und inwieweit ihr Vollzug den Strafzweck bereits vorweggenommen hat, RGSt. 75 282. In der Regel kann das Rechtsmittel daher auf Anrechnung oder Nichtanrechnung beschränkt werden, jedoch dann nicht, wenn ausnahmsweise besondere Gründe für Zusammenhang von Strafhöhe und Untersuchungshaft sprechen. BGHSt. 7 214 bietet Überblick über die Rechtsprechung. Vgl. dazu noch OGHSt. 1150, O l d e n b u r g JZ. 1962 753, E b S c h m i d t 32. Trennbarkeit besteht auch bei offensichtlichen Rechenfehlern in bezug auf die Haftdauer; ferner bei unrichtiger Anrechnung auf die nachträglich gebildete Gesamtstrafe statt auf die Einzelstrafe, vgl. RGSt. 41 318, 71143, oder bei unrichtiger Anrechnung auf neben Freiheitsstrafe erkannte Geldstrafe, RG. DR. 1939 1318. k) Mildernde Umstände, besonders schwerer Fall, § 213 StGB. Beschränkbarkeit wird auch insoweit angenommen, vgl. RGSt. 68 219, 69 53, JW. 1935 2201 Nr. 5, J R . 1934 HRR. Nr. 84 (besonders schwerer Fall, §§ 263, 266 StGB.), RGSt. 66 159, 69 318, BGH. 5 StR 305/53 v. 27. 10. 1953, BayObLGSt. 1949/61 111 (zum § 213). A b i . E b S c h m i d t 22. 1) Stralaussetzung zur Bewährung (§ 23ff. StGB.). Die Beschränkbarkeit hängt hier davon ab, ob die Strafzumessungsgründe mit denjenigen zur Strafaussetzung so eng zusammenhängen, daß die selbständige, widerspruchslose Entscheidung allein über die Strafaussetzung nicht möglich ist, B r a u n s c h w e i g NRpfl. 1958 220. Meist wird dies zutreffen, vor allem wenn Bewilligung oder Versagung der Aussetzung auf Erwägungen beruht, die auch die Strafhöhe berühren. Trennbarkeit ist anzunehmen, wenn gesetzliche Voraussetzungen der Strafaussetzung verkannt sind, etwa daß bei Verkehrsdelikt mit Todesfolge grundsätzlich keine Strafaussetzung in Betracht komme, oder bei Aussetzung einer Gefängnisstrafe von zehn Monaten. Vgl. BGH. NJW. 1954 39. Übersicht über Rechtsprechung des BGH. bei D a l l i n g e r MDR. 1955 394. Jeder Fall ist nach seiner Eigenart zu beurteilen. Für Beschrankbarkeit auf § 23 im Revisionsverfahren z. B. BGH. VRS. 1960 347 BayObLGSt. 1954 54, H a m m JMBNRW. 1957 58, K o b l e n z JR. 1957 30. Wie hier B r a u n s c h w e i g NRpfl. 1958 220, KG. VRS. 1957 184, Celle VRS. 1956 210, D ü s s e l dorf N J W . 1956 1889. Bei Beschränkbarkeit binden die rechtskräftigen Feststellungen zu Schuld und Strafe, nur ergänzende Feststellungen zu den Aussetzungsgründen sind zulässig, H a m m JMBNRW. 1956 237 (daher gesonderte Beurteilung im Zweifel abzulehnen). Näheres Anm. 5f. Keine Beschränkbarkeit, wenn die einschlägige Vorstrafe bestritten wird, H a m m VRS. 1957 449, 363. Nach S t u t t g a r t NJW. 1956 1119 kann die Entscheidung über Strafaussetzung angefochten, die Entziehung der Fahrerlaubnis jedoch hiervon ausgenommen werden (dazu Anm. 5o am Ende). Ebenso, je nach Begründung, auch H a m m DAR. 1955 254. Jedoch muß auch hier die Lage des Falles entscheiden und Beschränkbarkeit abgelehnt werden, wenn innerer Zusammenhang nach den Gründen nicht ausgeschlossen werden kann. Anfechtung des Strafmaßes wird regelmäßig auch die der Strafaussetzung einschließen, D ü s s e l d o r f NJW. 1956 1889, jedoch sind Ausnahmen denkbar (entgegen § 18 StGB, ist auf acht Wochen Haft und Strafaussetzung erkannt, gerügt wird nur Überschreitung der oberen Haftgrenze). Ist einem Heranwachsenden Strafaussetzung nach § 23 StGB, bewilligt und legt die Staatsanwaltschaft nur hiergegen Berufung ein, so darf nicht mehr Jugendstrafrecht angewendet werden, F r a n k f u r t NJW. 1956 233. m) Weitere Fälle zum Strafausspruch. Auf Anwendung oder Nichtanwendung des § 27 b StGB. (Ersatzgeldstrafe) kann das Rechtsmittel beschränkt werden, BGHSt. 10 330, NJW. 1957 1199, RGSt. 60 168, 58 235. Bei Nichtanwendung soll nach O l d e n b u r g JZ. 1953 382 der gesamte Strafausspruch berührt sein. Die Begründung hierfür überzeugt jedoch nicht. Beschränkung ist außerdem wirksam bei § 157 StGB. (Aussagenotstand), BGH. LM. § 302 Nr. 1 (a. M. 79
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Anm. 5 F r a n k f u r t N J W . 1950 615: Strafausspruch), und bei den §§ 1 5 8 , 1 6 3 Abs. 2 StGB., RGSt. 6 1 1 2 3 , 60 106; auf die Bildung der Gesamtstrafe, wenn § 74 StGB, verletzt ist, RGSt. 49 91, 40 274, 37 285, auch bei Verletzung der §§ 75 bis 79 S t B G . ; jedoch nicht, wenn Festsetzung der Einzelstrafen übersehen worden ist, RGSt. 65 296; bei Ausspruch der Unfähigkeit, als Zeuge eidlich vernommen zu werden (§ 161 StGB.), RG. BayZ. 4 359, vgl. jedoch BayObLG. MDR. 1960 67; B G H . 3 S t R 389/54 v. 27. 1. 1955; bei Zuerkennung einer Buße, RGSt. 44 295; auf Verhängung der Ersatzfreiheitsstrafe an Stelle uneinbringlicher Geldstrafe. R G S t . 45 268, 39 394; auf die Rüge, § 316 Abs. 2 StGB, sei verletzt, B G H . N J W . 1957 1447; bei § 3 3 0 a StGB, wohl auf die Straffrage. Die im Vollrausch begangene Tat bestimmt zwar den Strafrahmen und im wesentlichen die Strafhöhe mit, sie gehört jedoch nicht zum Tatbestand, sondern nur zur Straffrage (anders O l d e n b u r g N J W . 1955 233); auf Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte und Zulässigkeit von Polizeiaufsicht, RGSt. 42 31, 241; auf Einziehung und Unbrauchbarmachung, RGSt. 33 2 2 , 4 2 31; auf Verfallerklärung nach § 335 StGB., § 12 Abs. 3 UWG. und Wertersatz nach den Steuerstrafgesetzen, RGSt. 67 30; auf die Kostenentscheidung, RG. Rspr. 4 322, 6 57, RGSt. 49 58, 46 363, dazu BGH. MDR. 1959 858; innerhalb des Strafausspruches auf Nebenstrafen und Nebenfolgen, soweit kein innerer Zusammenhang besteht, RGSt. 65 297, 42 241; auf eine von mehreren nebeneinander verhängten Hauptstrafen, sofern sie sich mit Gewißheit selbständig beurteilen läßt, RGSt. 58 238, RG. Recht 17 300; auf einzelne Verfahrensverstöße. Keine Beschränkung auf einen Teil des Strafausspruchs, wenn nur Überschreitung der zulässigen Höchststrafe gerügt wird, B r e m e n MDR. 1962 499. n) Die Entscheidung nach § 2 0 a StGB, gehört nach herrschender Ansicht, der beizutreten sein wird, regelmäßig zur Straffrage und ist daher vom Schuldspruch trennbar, seltener von dem übrigen Strafausspruch. Für sie gilt das in Anm. 5f über die wirksame Beschränkung auf den Strafausspruch allgemein Gesagte. Auch der B G H . dürfte im allgemeinen in diesem Sinne entscheiden, vgl. G a g e - S a r s t e d t Anm. 300, B G H . LM. § 2 0 a Nr. 3, 4, 5, 6. Ebenso R G S t . 68 390, F r e i b u r g H E S t . 1 242, K l e i n k n M 4 d l , a. M. E b S c h m i d t 23. o) Dieselben Grundsätze gelten für sichernde Maßnahmen. Auch hier ist häufig Trennbarkeit von der Schuldfrage gegeben (vgl. jedoch Anm. 1, 5 a und T ü b i n g e n N J W . 1953 1444 mit weiteren Angaben, B G H . N J W . 1954 5 1 9 , 1 9 5 1 450), Selbständigkeit gegenüber dem Strafausspruch nur, soweit innerer Zusammenhang ausgeschlossen ist. Vgl. RG. H R R . 1938 Nr. 264 (Tatmehrheit, gemeinsame Sicherungsmaßregel). Selbst für die Sicherungsverwahrung (dazu noch unten) hat B G H S t . 7 101 Beschränkbarkeit „unter besonderen Umständen" anerkannt, doch ist hier große Zurückhaltung geboten. Vgl. K o b l e n z H E S t . 3 75 und B G H . 4 S t R 632/51 v. 6. 12. 1951 (selbständige Anfechtbarkeit der Sicherungsverwahrung, wenn die Strafe nicht dem § 2 0 a S t G B , entnommen ist). Regelmäßig ergreift das Rechtsmittel gegen den Strafausspruch auch daneben verhängte sichernde Maßregeln, jedoch kann sachliches Bedürfnis dafür bestehen, nur die Verhängung der Maßregel anzugreifen und die Strafe, die nicht zu beanstanden ist, alsbald zu verbüßen. Dem nicht Rechnung zu tragen, soweit rechtlich möglich, besteht kein Anlaß. Ist bei dSr Sicherungsverwahrung (§ 42e S t G B . ) die Strafe aus § 2 0 a StGB, entnommen, so kann nach RGSt. 68 385, 70 128, 7 1 1 7 9 , B G H . 4 S t R 632/51 v. 6 . 1 2 . 1 9 5 1 der Strafausspruch nur im ganzen angefochten werden, nach B G H S t . 7 101 jedoch die Sicherungsverwahrung allein, wenn erkennbar kein Zusammenhang zur Strafhöhe besteht und der Verurteilte die Strafe hinnimmt. Die Entscheidung ist jedoch als Ausnahme gedacht („unter besonderen Umständen"). Ist die Strafe nicht aus § 2 0 a entnommen, so richtet sich die selbständige Anfechtbarkeit der Maßregel nach § 42e ebenfalls nach dem Zusammenhang, R G S t . 73 81, RG. J W . 1 9 3 6 3458, K o b l e n z H E S t . 3 75, K l e i n k n M 878, a. M. E b S c h m i d t 23 (Untrennbarkeit). Zum ganzen H e n n k e GA. 1956 41. Die Anordnung der Unterbringung nach § 42 b StGB, im Falle des § 51 Abs. 1 S t G B , ist zwar sachlichrechtlich mit der Schuldfrage verbunden, weil sie Zurechnungsunfähigkeit voraussetzt, mit Rücksicht auf das Verschlechterungsverbot (§§ 331, 358 Abs. 2) aber selbständig anfechtbar, B G H S t . 5 267. Der Betroffene kann seinen Freispruch mangels Beschwer nicht anfechten. Strafe darf gemäß den §§ 331, 358 Abs. 2 nicht mehr verhängt werden, auch wenn sich herausstellt, daß Schuldfähigkeit bestand, daher ist hier die Maßregel gesondert anfechtbar. Ebenso R G S t . 69 12, anders RGSt. 71 265, jedoch galt damals das Verbot der Schlechterstellung nicht. Anders auch B G H . N J W . 1951 450 Nr. 23. Für Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft gilt dies nicht. Ist Unterbringung gegen einen vermindert Zurechnungsfähigen (§ 51 Abs. 2 StGB.) aus-
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§319 Anm. 1
gesprochen, so ist sie gesondert anfechtbar, RGSt. 71 26B, 73 306. Bestehen Bedenken, ob § 61 Abs. 1 oder Abs. 2 vorliegt, so ist nur der gesamte Strafausspruch anfechtbar, BGH. 1 StR 481/54 v. 9. 11. 1954. Vgl. auch BayObLGSt. 1954 163. A. M. E b S c h m i d t 36. Die Unterbringung im Arbeitshaus (§ 42 d StGB.) kann selbständig angefochten werden, RGSt. 72 224, BayObLGSt. 1954 164, H a m m JZ. 1951 180, unabhängig vom Strafausspruch jedoch nur, wenn sie die Straffestsetzung nicht beeinflußt hat, RGSt. 72 225. A. M. noch RG. JW. 1935 524 Nr. 20 und E b S c h m i d t 38. Für Unterbringung nach § 42 c StGB. (Trinkerheilanstalt) gilt dasselbe, BGH. 4 StR 34/54 v. 26. 5.1954 (vgl. auch BGHSt. 3 339). ebenso für Verhängung eines Berufsverbots (§ 421 StGB.), BGH. 2 StR 300/53 v. 16.10.1953, D a l l i n g e r MDR. 1954 16. Jedoch wird ein Zusammenhang mit der Strafe hier oft besonders naheliegen, H a m m NJW. 1957 1773. Wird ein Berufsverbot verhängt, so ergreift das Rechtsmittel nach RGSt. 74 55, BayObLGSt. 1954 164 stets auch den Strafausspruch. Die Entziehung der Fahrerlaubnis (§ 42 m StGB.) ist vom Schuldspruch untrennbar, wenn sie neben Freispruch wegen Zurechnungsunfähigkeit geschieht, H a m m NJW. 1956 560. Sonst ist sie vom Schuldspruch stets unabhängig, vom Strafausspruch dann, wenn sie die Strafhöhe zweifellos nicht berührt. Bilden die dem Strafausspruch zugrunde liegenden Tatsachen zugleich den wesentlichen Teil der Grundlage der Entziehung der Fahrerlaubnis, so sind Strafausspruch und Entscheidung nach § 42 m StGB, untrennbar, BGHSt. 10 379. Dies wird der Regelfall sein. Vgl. auch BayObLGSt. 1956 255, BGH. VRS. 1960 347 (zu eng daher BGHSt. 6 183 und wohl auch D a l l i n g e r MDR. 1954 16). Das wird auch für die Fälle eines selbständigen Rechtsmittels gegen Zubilligung oder Versagung von Strafaussetzung (§ 23 StGB.) zu gelten haben. Für selbständige Anfechtbarkeit der Entziehung BayObLG. NJW. 1955 353, 395, S c h l e s w i g SchlHA. 1954 261; für jedenfalls regelmäßigen Zusammenhang mit dem Strafausspruch in dem Sinne, daß das Rechtsmittel gegen diesen auch die Entziehung der Fahrerlaubnis ergreift, H a m m VRS. 8 138, B r a u n s c h w e i g GA. 1956 56, NJW. 1955 1333 (und umgekehrt), F r a n k f u r t NJW. 1955 1331, mit zust. Anm. von H ä r t u n g , Celle NRpfl. 1956 78. A. M. BayObLG. NJW. 1957 511 (Entziehung der Fahrerlaubnis kann von Anfechtung des Strafausspruchs ausgenommen werden, wenn sich ein innerer Zusammenhang zwischen Strafe und Maßregel nicht mehr auswirken kann), S t u t t g a r t NJW. 1956 1119, R ö d d i n g NJW. 1956 1347 (die Strafe kann auch ohne die Maßregel angefochten werden). Ist eine auf § 23 Abs. 2 StGB, beruhende Ermessensentscheidung ergangen und § 42 m StGB, angewandt, so betrifft das Rechtsmittel den gesamten Strafausspruch, K ö l n NJW. 1959 1237, s. auch B r a u n s c h w e i g NJW. 1958 679. — Auf die Dauer der Sperrfrist allein kann das Rechtsmittel nicht beschränkt werden, D ü s s e l d o r f VerkM. 1957 59.
§319 (1) Ist die Berufung verspätet eingelegt, so hat das Gericht des ersten Rechtszuges das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerten. (2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Berufungsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Berufungsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35 a gilt entsprechend. Entstehungsgeschichte: I., II. und III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: § 360. Änderungsvorschläge: NE I und II § 320. NE III § 311. Spätere Änderung: 3. StRÄndG. vom 4. 8. 1953, Art. 4 Nr. 35. Schrifttum: R a s c h LZ. 8 1745. 1. Verspätete Einlegung der Berufung. Vgl. die entsprechende Regelung für die Revision im § 346. Ist Berufung verspätet eingelegt, so verwirft sie der Amtsrichter (GVG. § 30 Abs. 2) durch Beschluß, der dem Betroffenen mit Rechtsmittelbelehrung gemäß § 35a über sein Antragsrecht gemäß § 319 Abs. 2 zuzustellen ist. Hat nicht die Staatsanwaltschaft die verspätete Berufung eingelegt, so ist sie vor der Verwerfung als unzulässig anzuhören (§ 33). Unterbleibt 79'
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§319
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 2—5 Belehrung gemäß § 35 a, so ist regelmäßig ein Wiedereinsetzungsgrund gegen Versäumung der Wochenfrist des § 319 Abs. 2 gegeben. Lehnt der Amtsrichter die Verwerfung als unzulässig ab oder übersieht er sie, so findet hiergegen nicht Beschwerde statt (KG. Recht 31 Nr. 517), die Akten sind vielmehr dem Berufungsgericht zur Entscheidung vorzulegen, das die Berufung ebenfalls wegen Fristversäumnis als unzulässig verwerfen kann. Dagegen ist, anders als im Falle des § 322 Abs. 2, keine Beschwerde zulässig. 2. Verwerfung als verspätet. Der Amtsrichter hat ausschließlich die Rechtzeitigkeit der Berufung zu prüfen und darf ausschließlich bei und wegen verspäteter Einlegung verwerfen. Die Rechtzeitigkeit bindend festzustellen, steht ihm nicht zu. Dies ist allein Sache des Berufungsgerichts. Stellt er gleichwohl rechtzeitige Einlegung des Rechtsmittels fest, so bindet dies das Berufungsgericht nicht und braucht daher auch nicht durch Beschwerde angefochten zu werden. Für eine solche Beschwerde ist kein Raum, Celle DRZ. 1948 109. Der Amtsrichter darf das Rechtsmittel auch nicht aus anderen Gründen, selbst wenn sie zutreffen, als unzulässig verwerfen, etwa weil der Berufungsführer zur Einlegung nicht ermächtigt sei, oder weil bereits wirksamer Rechtsmittelverzicht vorliege. Auch hierüber hat lediglich das Berufungsgericht zu entscheiden. Vgl. BGH. MDR. 1959 507 (zu § 346). Verwirft der Amtsrichter das Rechtsmittel unzuständigerweise, so ist dagegen einfache Beschwerde (§ 304) zulässig, E b S c h m i d t 4. Der Amtsrichter hat auch nicht darüber zu befinden, ob die Wochenfrist des § 319 Abs. 2 eingehalten ist. 3. Keine Vollstreckungshemmung. Verstreicht die Berufungsfrist (§ 314) ungenutzt, so tritt Rechtskraft des Urteils ein. Verspätete Einlegung der Berufung hemmt Vollstreckung des angefochtenen Urteils nicht (§ 316 Abs. 1). Andernfalls könnte der Verurteilte die Vollstreckung durch verspätete Einlegung der Berufung willkürlich hinausschieben. Bei zweifelhafter Rechtslage wird die Vollstreckungsbehörde die Vollstreckung aufschieben. Vgl. auch Anm. 7. 4. Antrag auf Entscheidung des Berufungsgerichts (Abs. 2). Die Einrichtung der Verwerfung bei Verspätung als unzulässig soll das Berufungsgericht entlasten und das Verfahren vereinfachen. Das Berufungsgericht hat jedoch auf Antrag die Kontrolle über die amtsrichterliclie Verwerfung. Dieser Antrag ist fristgebunden und seinem Wesen nach eine sofortige Beschwerde. Daß das Gesetz ihn nicht so bezeichnet, beruht auf Fassungsversehen ( S p i n d l e r ZStW. 27 459). Demgemäß sehen die NE I und I I (§ 320 Abs. 2), NE I I I (§ 311 Abs. 2) diesen Antrag ausdrücklich als sofortige Beschwerde vor. Die Begründung dazu führt aus, der Rechtsbehelf werde, seinem Wesen entsprechend, als sofortige Beschwerde gekennzeichnet (Begr. zum NE I S. 307, I I S. 181). Antragsberechtigt ist jeder Beteiligte nur hinsichtlich der eigenen Berufung, also nicht der gesetzliche Vertreter für den Angeklagten, dessen Berufung als verspätet verworfen worden ist, nicht der Nebenkläger für die Staatsanwaltschaft, aber der bevollmächtigte Verteidiger für den Angeklagten, überhaupt der Bevollmächtigte. Ein Gesuch um Wiedereinsetzung gegen Versäumung der Berufungsfrist schließt regelmäßig den Antrag gemäß § 319 Abs. 2 ein, B r e m e n GA. 1954 279 (vgl. jedoch Anm. 9). Hat das Amtsgericht die Berufung als verspätet verworfen, so ist für den Antrag nach § 319 Abs. 2 die Strafkammer zuständig, B r e m e n RPfleger 1958 182, jedoch kann, da das Gesetz darüber nichts bestimmt, der Antrag auch bei dem Amtsgericht gestellt werden. Wird dabei die Wochenfrist versäumt, so entscheidet darüber das Berufungsgericht, das dafür allein zuständig ist, D r e s d e n SächsOLG. 12 386. Abhelfen kann der Amtsrichter bei Antragstellung nicht, entsprechend § 311 Abs. 3, auch nicht bei neuer Sachlage, Celle J R . 1949 22. Da der Verwerfungsbeschluß nach Abs. 1, und nur dieser (Anm. 2), mangels Antrags gemäß § 319 Abs. 2 nach Ablauf der Wochenfrist des Abs. 2 rechtskräftig wird und auch die Rechtskraft des angefochtenen Urteils feststellt, kann er nach Zustellung und Fristablauf weder vom Amtsrichter noch vom Berufungsgericht aufgehoben oder zurückgenommen werden, RGSt. 37 293, 38 157, J W . 1927 395 Nr. 27, Celle J R . 1949 22, vgl. § 311 Anm. 3. Vgl. jedoch Anm. 5. Allgemein zur Änderung von Beschlüssen, 2. Abschnitt, Vorb. 6f, § 306 Anm. 5 b. 5. Verfahren. Die Aktenvorlage bei dem Berufungsgericht obliegt der Staatsanwaltschaft (§ 321). Über den Antrag beschließt das Berufungsgericht in nicht öffentlicher Sitzung. Ist der Antrag verspätet oder von einem Nichtberechtigten (Anm. 4) gestellt, so verwirft es ihn als unzulässig. Ist der Antrag rechtzeitig gestellt, die Berufungsfrist jedoch versäumt, so verwirft es ihn als unbegründet. Ist der Antrag begründet und das Rechtsmittel auch aus keinem anderen, jetzt bereits ersichtlichen Grunde unzulässig, so hebt es den Beschluß des Amtsrichters auf.
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Dritter Abschnitt. Berufung (Jagusch)
§ 319 Anm. 6—9
§320 Die Akten werden dann dem Amtsrichter wieder zugestellt. Das Verfahren tritt in dieselbe Lage, wie wenn die rechtzeitige Einlegung der Berufung nicht zweifelhaft gewesen wäre. Vollstreckungsmaßnahmen sind aufzuheben. Hat das Berufungsgericht den Antrag nach Abs. 2 verworfen, so kann dieser Beschluß nicht wegen unrichtiger Rechtsanwendung zurückgenommen werden, sondern nur, wenn das Gericht von unrichtigen tatsächlichen Voraussetzungen ausgegangen ist, vgl. Bern. 6f vor § 304 mit näheren Angaben, § 306 Anm. 5b, K l e i n k n M 6b. 6. Kein weiteres Rechtsmittel. Der Antrag gemäß § 319 Abs. 2 ist ein der sofortigen Beschwerde ähnlicher Rechtsbehelf. Anders als bei dem Beschluß des Berufungsgerichts gemäß § 322, der eine erste Entscheidung über die Zulässigkeit der Berufung ist, unterliegt die Entscheidung des Berufungsgerichts über diesen Antrag keinem weiteren Rechtsmittel, vor allem nicht der weiteren Beschwerde, Celle MDR. 1954 313, S t u t t g a r t NJW. 1951 46, K ö l n JZ. 1952 243, H a m m Rpfl. 1951 240, O l d e n b u r g NRpfl. 1949 127, KG. GA. 69 188, BayObLG. NJW. 1951 371, BayObLGSt. 33 71,12 193, D r e s d e n SächsOLG. 15 481, 23 387, D ü s s e l d o r f HR. 1 Nr. 1485, K l e i n k n M 6, E b S c h m i d t 6, a. M. unentwegt S c h w a r z 2. 7. Auch der Antrag nach Abs. 2 hemmt die Vollstreckung nicht. Vgl. Anm. 3 und § 316. Da § 307 Abs. 2 nicht eingreift, kann das Gericht die Vollstreckung auch nicht durch Beschluß aufschieben. 8. Untersuchungshaft. Hat der Angeklagte zu spät Berufung eingelegt, so ist ihm Untersuchungshaft vom Ablauf der Einlegungsfrist ab auf die Strafe anzurechnen. Von diesem Zeitpunkt ab gilt § 450. Verspätete Einlegung hemmt die Rechtskraft des Urteils nicht (§ 316), so daß von dem angegebenen Zeitpunkt ab die Strafhaft läuft. Die Fristberechnung richtet sich nach den §§ 42,43. 9. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Wird nach § 44 Wiedereinsetzung gegen Versäumung der Berufungsfrist beantragt, so geht dieser Antrag sowohl Verwerfung nach Abs.l wie der Entscheidung über den Antrag nach § 319 Abs. 2 vor. Der Antrag ist bei dem Amtsgericht zu stellen (§ 45). Zur Entscheidung darüber zuständig ist das Berufungsgericht (§ 46). Wird der Antrag vor dem amtsgerichtlichen Verwerfungsbeschluß gestellt, so erübrigt sich dieser, bis das Landgericht über Wiedereinsetzung entschieden hat. Wird sie gewährt, so entfält ein Verwerfungsbeschluß nach § 319 Abs. 1 endgültig. Wird sie versagt, so ist nach Maßgabe des § 311 Rechtskraft des ablehnenden Beschlusses abzuwarten. Dann dürfte der Amtsrichter nach § 319 Abs. 1 zu entscheiden haben. Jedoch liegt die Annahme näher, daß in diesem Falle eine Entscheidung nach § 319 Abs. 1 gegenstandslos ist, da Fristversäumung bereits feststeht, und daß das Landgericht die Berufung zugleich mit Versagung der Wiedereinsetzung als unzulässig zu verwerfen hat, wogegen, da diese Entscheidung an die Stelle derjenigen des Amtsrichters tritt, keine Beschwerde zulässig wäre, vor allem nicht diejenige gemäß § 322 Abs. 2. Wird Wiedereinsetzung erst nach dem Verwerfungsbeschluß gemäß § 319 Abs. 1 beantragt, so räumt der Antragsteller die Fristversäumung damit ein, so daß ein solcher Antrag demjenigen aus § 319 Abs. 2 ebenfalls vorgeht. Auch ein vorsorglich gestellter Wiedereinsetzungsantrag beeinflußt den Fristlauf nach Abs. 2 nicht. Wird der Wiedereinsetzungsantrag verworfen, so ist auch der Antrag nach § 319 Abs. 2 unbegründet. Wird Wiedereinsetzung gewährt, so ist zugleich der Verwerfungsbeschluß des Amtsrichters aufzuheben. In dem Wiedereinsetzungsgesuch hegt regelmäßig zugleich ein Antrag auf Entscheidung des Berufungsgerichts gemäß § 319 Abs. 2, B r e m e n GA. 1954 279. Ist das Urteil nicht ordnungsgemäß zugestellt worden, so läuft die Berufungsfrist nicht. Ein Wiedereinsetzungsantrag ist dann, sofern der Amtsrichter die Berufung wegen Verspätung nach § 319 Abs. 1 verworfen hat, als Antrag gemäß § 319 Abs. 2 aufzufassen, B r e m e n GA. 1954 279, E b S c h m i d t 12.
§ 330 Ist die Berufung rechtzeitig eingelegt, so hat nach Ablauf der Frist zur Rechtfertigung die Geschäftsstelle ohne Rücksicht darauf, ob eine Rechtfertigung stattgefunden hat oder nicht, die Akten der Staatsanwaltsehalt vorzulegen. Diese stellt, wenn die Berufung von ihr eingelegt ist, dem Angeklagten die Schriftstücke über Einlegung und Rechtfertigung der Berufung zu. Entstehungsgeschichte: I., II. und III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: § 361. Änderungsvorschläge: NE I und II § 321 Abs. 1. NE I I I § 312. Jetzige Fassung: Art. 3 Nr. 139 VereinhG. v. 12. 9. 1950 (BGBl. S. 455, 629).
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§ 3 2 0 Anm. 1—4 § 321 Anm. 1—3
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
1. Zustellung. Bekanntgabe an die Staatsanwaltschaft. Die Vorschrift regelt das weitere Verfahren nach Einlegung rechtzeitiger Berufung. Berufungsbegründung ist entbehrlich (§ 317), ebenso Gegenerklärung auf die Berufungsbegründung ( s. Anm. 4). 2. Nach Ablauf der Frist zur Begründung. Der Fristablauf entscheidet über Vorlage der Akten an die Staatsanwaltschaft. Ist die Berufung rechtzeitig (§ 314) eingelegt, so wird noch die Wochenfrist des § 317 abgewartet, dann sind die Akten stets der Staatsanwaltschaft vorzulegen. Ist eine Begründung der Berufung eingegangen, so können die Akten auch schon vor Fristablauf der Staatsanwaltschaft zugeleitet werden. Geht ein Nachtrag ein, so wird er nachgesandt. Sind mehrere Personen am Verfahren beteiligt, so sind die Akten erst weiterzuleiten, nachdem die Frist gegen alle verstrichen ist, denn über dieselbe Tat kann, Abtrennung eines Verfahrens ausgenommen, nur einheitlich durch dasselbe Berufungsurteil entschieden werden. Vgl. auch RGSt. 67 251 (versehentliche NichtZustellung des vom Angeklagten angefochtenen Urteils an das Finanzamt als Nebenkläger, Aufhebung, damit gemäß den §§ 36, 320 verfahren werde). 3. Zustellung. Hat der Angeklagte das Rechtsmittel eingelegt, so findet keine Zustellung gemäß § 320 an die Staatsanwaltschaft statt, da die Akten ohnedies durch sie an das Berufungsgericht geleitet werden (§ 321). Hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, so ist Binlegung und etwaige Begründung (Nr. 139 RiStV.) dem Angeklagten zuzustellen, damit er von diesen Verfahrensakten Kenntnis erhält, auch bei Einlegung zu seinen Gunsten (§ 296 Abs. 2). Zustellung gemäß den §§ 35 Abs. 2, 36 ist erforderlich, formlose Einlegung in das Schließfach des Verteidigers genügt nicht, RG. I 171/27 v. 4. 3. 1927. Die Zustellung hat an den Angeklagten selbst zu geschehen, an den Verteidiger genügt sie nur, wenn er zu diesem Zeitpunkt noch Zustellungsbevollmächtigter ist. Auf den Zeitpunkt der Anzeige bei Gericht kommt es insoweit nicht an. Ist Zustellung unterblieben, so kann das Rechtsmittel nicht auf die Unterlassung gestützt, aber Aussetzung der Hauptverhandlung beantragt werden, RG. DRZ. 19 Nr. 966. Der Angeklagte h a t keinen Anspruch auf Mitteilung von Erklärungen der Staatsanwaltschaft, die sich nur auf die zuungunsten oder zugunsten eines Mitangeklagten eingelegte Berufung beziehen, RG. I I I 1136/30 v. 5. 2. 1931, soweit die darin enthaltenen Gesichtspunkte sein eigenes Rechtsmittel nicht berühren. 4. Eine Gegenerklärung wie bei Revision (§ 347 Abs. 1) ist im Berufungsverfahren nicht vorgesehen. Dieses ist mündlich und Tatsacheninstanz. Der Gegner des Berufungsführers kann sich in der Hauptverhandlung umfassend äußern. Was das Herbeischaffen von Beweismitteln angeht, so hat er dieselben Befugnisse wie im ersten Rechtszug (§ 323 Abs. 1, vgl. die §§ 214, 219, 220). Beantwortung der Berufung ist jedoch zulässig und beachtlich (§ 323).
§331 Die Staateanwaltschaft übersendet die Akten an die Staatsanwaltschaft bei dem Berufungsgericht. Diese fibergibt die Akten binnen einer Woche dem Vorsitzenden des Gerichts. Entstehungsgeschichte: I., II. und I I I . Entw. —. Frühere Bezeichnung: § 362. Änderungsvorschläge: NE I und II § 321 Abs. 2. N E III § 312 Abs. 3. 1. Die ersten Beamten der Staatsanwaltschaft bei den Landgerichten haben wie diejenigen bei den Oberlandesgerichten das Recht, Amtsverrichtungen der Staatsanwaltschaft bei allen Gerichten ihres Bezirks selbst zu übernehmen (§ 145 GVG.). Die Vorschrift des § 321 gewährleistet ihnen die Prüfung der eingelegten Berufungen und entsprechende Antragstellung bei dem Berufungsgericht. Jedoch kann der erste Beamte der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht die vom Amtsanwalt eingelegte Berufung auch zurücknehmen, wobei § 302 Abs. 1 Satz 2 bei einem zugunsten des Beschuldigten eingelegten Rechtsmittel zu beachten ist. Vgl. § 302 Anm. 7. Er kann das Rechtsmittel durch Erklärung gegenüber dem Berufungsgericht zurücknehmen oder den Amtsanwalt zur Zurücknahme anweisen. In diesem Falle sendet er die Akten demAmtsanwalt zurück. 2. Die Fristbestimmung „binnen einer Woche" ist eine Ordnungsvorschrift. 3. Die Staatsanwaltschaft bei dem Berufungsgericht h a t die Akten zu prüfen, die erforderlichen Erklärungen abzugeben und Anträge bei dem Berufungsgericht zu stellen. Ist sie der
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Dritter Abschnitt. Berufung (Jagusch)
§ 321 Anm. 4 § 322 Anm. 1—3
Ansicht, daß die Berufung aus einem der Gründe des § 322 als unzulässig zu verwerfen sei, so legt sie die Akten mit diesem Antrag dem Berufungsgericht vor. Nötigenfalls erklärt sie sich zu dem Rechtsmittel. Sie beantragt Termin zur Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht und teilt dem Vorsitzenden mit, welche Beweismittel sie zur Hauptverhandlung herbeischaffen werde. Vgl. § 323. 4. Über den Fall des Aktenverlustes s. § 316 Anm. 3.
§ 333 (1) Erachtet das Berufungsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Berufung nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. Andernfalls entscheidet es darüber durch Urteil. (2) Der Beschluß kann mit sofortiger Beschwerde angefochten werden. Entstehungsgeschichte: I., II. und III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: § 363. Änderungsvorschläge: NE I und II § 322. NE III § 313. 1. Verwerfung der Berufung als unzulässig. Die Vorschrift des § 322 will die Berufungsgerichte von entbehrlichen Hauptverhandlungen entlasten und enthält insoweit in Abs. 1 eine Kannbestimmung, von der das Berufungsgericht nur bei unzweifelhaft unzulässigen Rechtsmitteln Gebrauch machen wird. Das Berufungsgericht prüft von Amts wegen, ob die Bestimmungen über die Einlegung der Berufung (Anm. 3) beachtet sind. Vor der Hauptverhandlung beschließt es hierüber jedoch nur im Falle des § 319 Abs. 2 (Antrag auf Entscheidung des Berufungsgerichts) und dann, wenn es die Zulässigkeit des Rechtsmittels bezweifelt oder die Staatsanwaltschaft einen Antrag in dieser Richtung stellt. Hält es die Berufung zunächst für zulässig, so bindet es sich dadurch nicht. Die Zulässigkeit ist in der Hauptverhandlung endgültig zu prüfen. Vgl. auch Anm. 6. Das gemäß § 322 beschließende Gericht kann von Verwerfung als unzulässig absehen und die Entscheidung hierüber dem erkennenden Gericht in der Hauptverhandlung überlassen. Bei zweifelhafter Rechtslage empfiehlt sich dies schon wegen der etwaigen anderen Besetzung in der Hauptverhandlung. 2. Durch Beschluß ist nur außerhalb der Hauptverhandlung zu entscheiden (Besetzung gemäß § 76 Abs. 1 GVG.). In der Hauptverhandlung ist stets durch Urteil zu entscheiden, gleichgültig, ob das Rechtsmittel unzulässig ist, weil eine Vorschrift über die Einlegung der Berufung nicht beachtet worden ist (Anm. 3), ob sich ein Verfahrenshindernis herausstellt, das nicht nur das Rechtsmittel, sondern die Zulässigkeit des gesamten Verfahrens betrifft, oder ob Zweifel über wirksame Einlegung der Berufung bestehen. Eine verspätet eingelegte Berufung kann auch dann durch Beschluß oder Urteil noch als unzulässig verworfen werden, wenn der Amtsrichter, der hierfür nicht zuständig ist, sie als rechtzeitig erklärt hat (§ 319 Anm. 2). Das Landgericht kann einen Verwerfungsbeschluß nicht selbst aufheben, es sei denn, daß es auf unrichtiger tatsächlicher Grundlage entschieden hat, vgl. unten Anm. 6, § 319 Anm. 5, jedoch auch Celle J R . 1949 122. 3. Vorschriften über Einlegung der Berufung. Verwerfung des Rechtsmittels gemäß § 322 kommt nur in Betracht, wenn die „Vorschriften über die Einlegung der Berufung" unbeachtet geblieben sind. Dazu gehören die Bestimmungen über Form und Frist des Rechtsmittels (§ 314); über die Rechtsmittelberechtigten (§§ 296, 297, 298), zu denen Privat- und Nebenkläger gehören können (vgl. RGSt. 69 245); darüber, ob das angefochtene Urteil den Berufungsführer beschwert, jedenfalls nach wohl herrschender Meinung, vgl. BGHSt. 7 153, G a g e - S a r s t e d t 25, K l e i n k n M 1, B r a u n s c h w e i g MDR. 50 629, S c h l e s w i g SchlHA. 1956 184 (Freispruch mangels Beweises statt wegen erwiesener Unschuld), J a g u s c h LM. StPO. § 296 Nr. 2, a. M. E b S c h m i d t 14 vor § 296; ob die Berufung an sich zulässig ist (§§ 312, 313); ob § 297 beachtet ist. Hat der Amtsrichter die an sich gebotene Verwerfung gemäß § 319 Abs. 1 unterlassen, so ist nach Aktenvorlage das Berufungsgericht für die Verwerfung als unzulässig zuständig. Hat der Amtsrichter die Berufung für rechtzeitig erklärt, so bindet dies das Berufungsgericht nicht. Verwerfung als unzulässig gemäß § 322 ist ferner geboten, wenn der Berechtigte auf das Rechtsmittel bereits wirksam verzichtet oder ein früher eingelegtes Rechtsmittel zurückgenommen hatte, nun aber erneut
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§322
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 4—6 Berufung einlegt, denn Verzicht oder Zurücknahme führen hinsichtlich dessen, der sie vornimmt, Rechtskraft herbei, RGSt. 40133, BayObLGSt. 21139, S c h l e s w i g SchlHA. 1956184, K l e i n k n M 1, E b S c h m i d t 4 mit weiteren Angaben, a. M. RGSt. 55 213, KG. HR. 8 Nr. 2009 und die 20. Aufl. Entgegen K l e i n k n M l a 3b wird dies auch bei Zweifeln über die Wirksamkeit des Verzichts oder der früheren Zurücknahme zu gelten haben, so daß auch in solchen Fällen § 322 anzuwenden ist. Ob ein Verfahrensbeteiligter diese Wirksamkeit bestreitet oder ob sie erst mehr oder weniger eingehend erforscht werden muß, kann nicht darüber entscheiden, ob nach § 322 oder (vor der Hauptverhandlung) nach § 206a vorzugehen ist, welche Vorschrift an sich ebenfalls bezweckt, Hauptverhandlungen über das Vorliegen von Verfahrensvoraussetzungen zu ersparen. Sofortige Beschwerde ist sowohl nach § 322 Abs. 2 wie nach § 206a Abs. 2 zulässig. Dagegen ist vor der Hauptverhandlung nach § 206 a vorzugehen und das Verfahren durch Beschluß, in der Hauptverhandlung durch Urteil einzustellen, wenn sich ein Verfahrenshindernis herausstellt, das nicht die Berufung allein betrifft, sondern das gesamte Verfahren (z. B. Fehlen des Strafantrages, Verjährung, Straffreiheit, Vorverurteilung). Dies ist jedoch vom Berufungsgericht nur bei zulässigem Rechtsmittel zu beachten, so daß die Prüfung, ob die Berufung nach § 322 zulässig ist, voranzugehen hat, BayObLG. JZ. 1954 579, 580. 4. Berufungsgericht. Entscheidet das Berufungsgericht über die Zulässigkeit der Berufung durch Urteil, so hat das Revisionsgericht bei Revision die Zulässigkeit der Berufung von Amts wegen zu prüfen, RGSt. 65 250. Vgl. § 314 Anm. 4. 5. Mehrere Rechtsmittel. Über eine einheitliche Tat desselben Angeklagten muß, auch wenn mehrere Berufungen eingelegt sind (§§ 296, 298), durch dasselbe Berufungsurteil entschieden werden, RGSt. 67 250. Dies erfordert der Grundsatz der Einmaligkeit. Ihm widerspricht es nicht, wenn eine von mehreren Berufungen in derselben Sache als unzulässig vorab verworfen (§ 322) und über die übrigen durch Urteil entschieden wird. Über den Fall, daß über die Berufung des Angeklagten entschieden wird, bevor das angefochtene Urteil dem Nebenkläger zugestellt worden war, RGSt. 67 250. Ein von dem Verteidiger eingelegtes Rechtsmittel ist ein solches des Angeklagten (§ 297). Hat das Berufungsgericht übersehen, über eine von mehreren Berufungen (das Urteil über dieselbe Tat betreffend) zu entscheiden, so wird dieses Rechtsmittel gegenstandslos, sofern der beschwerte Berufungsführer nicht Revision einlegt, BayObLGSt. 1951 593. 6. Sofortige Beschwerde (Abs. 2). Sofortige Beschwerde ist nur bei Verwerfung der Berufung als unzulässig (§ 322) gegeben, nicht gegen die vorläufige gerichtliche Entschließung, das Rechtsmittel als rechtzeitig eingelegt zu behandeln. Die sofortige Beschwerde ist in § 311 geregelt. Über sie entscheidet das Oberlandesgericht (§ 121 Abs. 1 Nr. 2 GVG.). Ist die sofortige Beschwerde verspätet (§ 311) eingelegt, so ist sie als unzulässig zu verwerfen und der Verwerfungsbeschluß gemäß § 322 Abs. 1 wird rechtskräftig. Zugleich tritt insoweit Rechtskraft des angefochtenen Urteils ein. Ist der angefochtene Beschluß gemäß § 322 rechtlich nicht zu beanstanden, so wird die sofortige Beschwerde als unbegründet mit derselben Folge verworfen. Wird der Verwerfungsbeschluß aufgehoben, so hat lediglich die Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht stattzufinden. Über das Rechtsmittel ist dann durch Urteil zu entscheiden. Die Entscheidung über die sofortige Beschwerde bindet das Berufungsgericht jedoch nicht hinsichtlich der Beurteilung der Zulässigkeit der Berufung in der Hauptverhandlung. § 358 Abs. 1 ist nicht sinngemäß anzuwenden. Das Berufungsgericht hat über die Zulässigkeit selbständig zu entscheiden und kann die Berufung daher nunmehr durch Urteil als unzulässig verwerfen, RGSt. 59 241, v. K r i e s 652, K l e i n k n M 4c, E b S c h m i d t 10. Eine Bindung scheidet schon deshalb aus, weil ausschließlich das Ergebnis der Hauptverhandlung für die Beurteilung des Rechtsmittels im ganzen maßgebend ist. Eine Bindung gemäß § 358 Abs. 1 tritt erst ein, wenn das Berufungsurteil auf Revision hin aufgehoben und die Sache zurückverwiesen wird, jedoch auch dann nur unter der Voraussetzung, daß derselbe Sachverhalt ermittelt wird. Gemäß § 311 Abs. 3 kann das Landgericht einen gemäß § 322 ergangenen Beschluß an sich nicht ändern, jedenfalls nicht wegen unrichtiger Rechtsanwendung und nicht, wenn sofortige Beschwerde eingelegt worden ist, weil ein etwaiger Fehler in der Tatsachengrundlage oder in der Rechtsanwendung dann vom Oberlandesgericht beseitigt werden kann. Eine Ausnahme muß jedoch gelten, wenn keine sofortige Beschwerde eingelegt oder diese als unzulässig verworfen wird, sofern sich herausstellt, daß der Beschluß des Berufungsgerichts gemäß § 322 auf unrichtiger tatsächlicher Grundlage beruht. In diesem Falle scheitert die Berichtigung durch das
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Dritter Abschnitt. Berufung (Jagusch)
§ 322 Anm. 7 § 323 Anm. 1
Beschwerdegericht. Es gelten deshalb zu § 319 Anm. 5 angeführten Grundsätze. Vgl. auch 2. Abschnitt, Vorb. 6f, § 306 Anm. 5b. A. M. E b S c h m i d t 12, Celle J R . 1949 122. Wie hier wohl K l e i n k n M 5. 7. Vollstreckbarkeit. Anrechnung der Untersuchungshaft. Vgl. § 319 Anm. 3, 7, 8.
§ 323 (1) Für die Vorbereitung der Hauptverhan dlung gelten die Vorschriften der §§ 214,216 bis 225. In der Ladung ist der Angeklagte an! die Folgen des Ausbleibens ausdrücklich hinzuweisen. (2) Die Ladung der im ersten Rechtszug vernommenen Zeugen und Sachverständigen kann nur dann unterbleiben, wenn ihre wiederholte Vernehmung zur Aufklärung der Sache nicht erforderlich erscheint. (3) Neue Beweismittel sind zulässig. (4) Bei der Auswahl der zu ladenden Zeugen und Sachverständigen ist aul die von dem Angeklagten zur Rechtfertigung der Berufung benannton Personen Rücksicht zu nehmen. Entstehungsgeschichte: I., II. und III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: § 364. Änderungsvorschläge: NE I §§ 323, 324 Abs. 1, 3. NE I I I §§ 314, 315. 1. Vorbereitung der Berufungsverhandlung. Das Berufungsverfahren ist in den §§ 323 ff. geregelt. Wie die Hauptverhandlung erster Instanz bezweckt es die Wahrheitserforschung in zweiter Tatsacheninstanz. Daher beruht es auf Neuverhandlung des gesamten wesentlichen Tatsachenstoffes und unterscheidet sich also wesentlich von dem bis 1879 in Preußen geltenden Verfahren. Die StPO. bindet das Berufungsgericht nicht an erstrichterliche Feststellungen, auch wird nicht zwischen Aufrechterhaltung oder Aufhebung des angefochtenen Urteils unterschieden. Vielmehr hat das Berufungsgericht die Sache, soweit das Ersturteil zulässigerweise (§ 318) angefochten ist, neu und selbständig zu verhandeln und zu entscheiden. Insoweit hat es eigene Feststellungen zu treffen und den festgestellten Sachverhalt rechtlich selbst zu beurteilen. Es darf sich nicht damit begnügen, erstrichterliche Feststellungen zum angefochtenen Urteilsteil lediglich aufrecht zu erhalten. Nach diesen Grundsätzen richtet sich der Umfang der Beweisaufnahme (s. auch Anm. 3). Will sich das Berufungsgericht eine eigene begründete Überzeugung bilden, wozu es verpflichtet ist, so genügt der Vortrag des Berichterstatters hierzu meistens nicht. Die Beweise müssen vielmehr neu erhoben werden. Zu prüfen ist nicht, ob aufs Neue Beweis erhoben werden muß, sondern vielmehr, ob und inwieweit ausnahmsweise auf unmittelbare Beweiserhebungen ganz oder teilweise verzichtet werden und stattdessen Verlesung gemäß § 325 stattfinden kann. Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht ist beispielsweise entbehrlich, wenn nur über eine Vorfrage zu entscheiden ist, etwa über das Antragserfordernis, so daß Erörterungen zur Sache nicht stattfinden, oder wenn die Sache wegen Verfahrensmangels (§ 328 Abs. 2) zurückverwiesen wird. Sie wird regelmäßig beschänkt werden können, unter Umstanden je nach Sachlage auch entbehrlich sein bei Beschränkung der Berufung auf Art oder Maß der erkannten Strafe. Ist die Schuldfrage bestritten, so ist neue Beweisaufnahme regelmäßig geboten. Daß der Angeklagte in der Berufungsbegründung bestimmte festgestellte Tatsachen nicht bestritten hat, macht Beweisaufnahme darüber nur entbehrlich, wenn darin mit Sicherheit ein glaubhaftes Zugeständnis liegt. Die Vorschrift des § 244 Abs. 2, also der Grundsatz der Wahrheitserforschung, geht stets vor. Der Umfang der neuen Beweiserhebung wird ausschließlich durch die Sacherfordernisse bestimmt, nicht durch die erstinstanzliche Sachbehandlung. Unerhebliche Beweismittel und Beweisgegenstände des ersten Rechtszuges können beiseite bleiben. Neue Tatsachen und Beweismittel können bis zum Schluß der Beweisaufnahme, notfalls bis zum Beginn der Urteilsverkündung, unbeschränkt beigebracht werden, und zwar von Berufungsführer wie von dessen Gegner. Neues Vorbringen ist an keine Frist oder Form gebunden (§§ 246 Abs. 1, 317 Anm. 3). Das Gericht hat auf den Inhalt der Berufungsbegründung und darin angegebene Beweismittel nicht nur „Rücksicht zu nehmen", sondern sie im Rahmen der Aufklärungspflicht zu beachten (§§ 219, 244 Abs. 2). Dasselbe gilt für Beweisanträge des Gegners des Beschwerdeführers und für die Verwendung in der Hauptverhandlung benutzbar vorhandener Beweismittel (§2451
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§323
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 2—4 2. Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme. Sind Zeugen und Sachverständige schon vom Erstrichter vernommen worden, erlaubt § 325 das Abweichen von dem wichtigen Grundsatz der Unmittelbarkeit (§ 250), soweit die Voraussetzungen des § 325 (s. dort) vorliegen. Zwar stellt § 323 Abs. 2 dem Wortlaut nach nochmalige Ladung solcher Personen als Regel hin, jedoch sind im Rahmen der Aufklarungspflicht gemäß § 325 Abweichungen hiervon zulässig und häufig. 3. Staatsanwaltschaft. Umfang der Beweisaufnahme. Gemäß der Verweisung auf § 214 hat auch im Berufungsverfahren die Staatsanwaltschaft die erforderlichen Ladungen zu bewirken und die Beweismittel herbeizuschaffen. Sie läßt auch den verhafteten Angeklagten vorführen. Bei Prüfung der zu beschaffenden Beweismittel berücksichtigt sie § 244 Abs. 2 und die Grundsätze des § 325 über die Verlesbarkeit. Sie erfaßt alle wesentlichen Beweismittel des früheren Rechtszuges, auch nicht verlesbare, neu benannte (Abs. 4) und solche, die von Amts wegen zu berücksichtigen sind. Dabei wird sie die Ansicht des Vorsitzenden berücksichtigen, jedoch ist sie nicht an diese Ansicht gebunden (vgl. § 250). Neue Beweisanträge vor der Hauptverhandlung sind nach § 219 zu behandeln. Wer Berufung eingelegt hat, darauf kommt es bei der Prüfung dieser Gesichtspunkte nicht an. Bevor die Staatsanwaltschaft die Akten dem Gerichtsvorsitzenden übergibt (§ 321), prüft sie, welche Beweise zu erheben sein werden. Sie stellt die Liste der Beweismittel auf und legt sie mit den Akten dem Vorsitzenden vor (vgl. die §§ 200, 214). Die Entscheidung, wer zu laden oder außerdem noch zu laden ist, trifft dann der Vorsitzende. Jeder Beschwerdeführer und dessen Gegner kann weitere Beweiserhebungen bei dem Vorsitzenden beantragen, vgl. § 323 Abs. 4. Solche Anträge sind nach § 219 zu behandeln. Gemäß § 220 können daneben die Verfahrensbeteiligten Zeugen oder Sachverständige zur Berufungsverhandlung unmittelbar laden. Das Gericht beschließt erst in der Hauptverhandlung endgültig über den Umfang der Beweisaufnahme. Liegen die Voraussetzungen des § 223 vor, so kann es eine der Hauptverhandlung vorausgehende Beweisaufnahme durch den beauftragten oder ersuchten Richter veranlassen. Wird ein vor der Hauptverhandlung gestellter Beweisantrag übersehen, obwohl die Bescheidung in der Verhandlung zugesagt worden war, so kann dies die Revision begründen, sofern das Berufungsurteil auf dem Versehen beruht, vgl. RG. DRZ. 22 Nr. 424, RGSt. 61 376. Für die Benachrichtigung der Verfahrensbeteiligten über den Umfang der Beweisaufnahme gelten die Bestimmungen der §§ 219, 222 entsprechend. Der Angeklagte wird mit der Ladung zur Hauptverhandlung darüber unterrichtet, welche Zeugen geladen worden sind, so daß er Zeugen selbst laden oder ihre Ladung beantragen kann. 4. Ladung. Hat der Angeklagte Berufung eingelegt, so ist er zur Hauptverhandlung zu laden, weil sein Rechtsmittel bei unentschuldigtem Ausbleiben nach Maßgabe des § 329 Abs. 1 verworfen werden kann. Ladung zu Händen eines Zustellungsbevollmächtigten, auch wenn er der Verteidiger ist, genügt i n s o w e i t nicht, RGSt. 63 10, 66 79, RG. JW. 1933 968 Nr. 33. Noch enger E b S c h m i d t 4, J a n e t z k e NJW.1956 620, wonach der Angeklagte stets persönlich geladen werden muß. Liegen die Voraussetzungen des § 119 vor, so reicht Ladung an den inländischen Zustellungsbevollmächtigten stets aus. Nach § 323 Abs. 1 ausreichende Ladung liegt nur vor, wenn sie den gesetzlichen Vorschriften entspricht, insbesondere auf die Folgen unentschuldigten Ausbleibens zutreffend hinweist, RG. III 133/27 vom 21. 3.1927. Die Angabe des angefochtenen Urteils ist zweckmäßig, aber nicht vorgeschrieben, RG. HRR. 7 2003. Hat der nicht verhaftete Angeklagte Berufung eingelegt, so ist er in der Ladung gemäß § 329 zu belehren. Ein wesentlicher Fehler der Ladung, etwa widerspruchsvolle Zeitangabe, hindert die Anwendung des § 329 Abs. 1, D r e s d e n DRZ. 23 Nr. 874. Der Hinweis in der Ladung des Angeklagten, daß die Berufung bei unentschuldigtem Ausbleiben verworfen werden könne, ersetzt nicht den Hinweis, daß in seiner Abwesenheit verhandelt werden könne, O l d e n b u r g NJW. 1952 1151. Vgl. auch F r a n k f u r t NJW. 1952 1350. Welche Hinweise die Ladung zu enthalten hat, ergibt die jeweilige Verfahrenslage. Hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, so ist darauf hinzuweisen, bei unentschuldigtem Ausbleiben des Angeklagten werde das Gericht entweder verhandeln und entscheiden oder die Vorführung oder Verhaftung anordnen (§ 329). Dasselbe gilt, wenn eine der im § 298 bezeichneten Personen Berufung eingelegt hat, jedoch ohne Androhung der Verhaftung (§ 330). Wo sich der Angeklagte vertreten lassen darf (§ 329), ist der Hinweis auf Zulässigkeit der Vertretung zweckmäßig, aber nicht notwendig. Für die Ladung des verhafteten Angeklagten gilt § 216 Abs. 2. Daher darf § 329 Abs. 1 nicht angewandt werden, wenn Ladung mittels Ersatzzustellung in der Wohnung geschehen oder wenn
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§ 323 Anm. 5—6 § 324 Anm. 1
die vorgeschriebene Befragung unterblieben ist, BayObLG. DRZ. 20 Nr. 841. Über die Notwendigkeit der Vorführung des Angeklagten zur Hauptverhandlung s. § 329 Anm. 5. Ist der gesetzliehe Vertreter des Angeklagten Berufungsführer (§ 298), so ist er darauf hinzuweisen, das Rechtsmittel werde verworfen, sofern er und der Angeklagte unentschuldigt ausbleibe (§ 329). Für die Ladung des Wahlverteidigers gilt § 218. Der Wahlverteidiger der ersten Instanz ist regelmäßig zu laden, sofern sich nicht ausnahmsweise ergibt, daß sein Mandat früher geendet hat. Der bestellte Verteidiger ist zu laden, sofern er auch für das Berufungsverfahren bestellt worden war. Andernfalls ist zu prüfen, ob die Verteidigung notwendig ist, und der dann bestellte Pflichtverteidiger zu laden (vgl. § 140). 5. Ladungsfrist. Der Angeklagte hat auch dann Anspruch auf Einhaltung der Ladungsfrist (§ 217), wenn nicht er die Berufung eingelegt hat, weil er das Recht der unmittelbaren Zeugenladung behalten muß. Diesen Anspruch hat auch jeder andere Beschwerdeführer. Der Zeitpunkt des im § 217 Abs. 2 bezeichneten Antrags auf Aussetzung der Verhandlung wird sich entsprechend nach § 25 zu richten haben (Ende der Vernehmung des Angeklagten zur Sache). Nach E b S c h m i d t 3 richtet er sich nach der Verlesung des angefochtenen Urteils. 6. Weitere Verfahrensfragen. Der Gang des Berufungsverfahrens vor der Hauptverhandlung entspricht demjenigen der ersten Instanz. Nach Eingang der Akten (§ 321) bestimmt der Vorsitzende Termin zur Hauptverhandlung, bezeichnet den Berichterstatter und trifft vorläufige Entschließung über den Umfang der Beweisaufnahme (Anm. 1, 2, 3). Danach bewirkt die Staatsanwaltschaft die Ladungen, Benachrichtigungen und schafft die Beweismittel herbei. Für die Abstimmung im Berufungsgericht (GVG. § 76) gilt § 263 entsprechend. Wird nach dem Inkrafttreten eines Straffreiheitsgesetzes die Berufung zurückgenommen, so hat über den Eintritt von Straffreiheit das Berufungsgericht zu entscheiden, BayObLGSt. 1956 29.
§334 (1) Nachdem die Hauptverhandlung nach Vorschrift des § 243 Abs. 1 begonnen hat, hält ein Berichterstatter in Abwesenheit der Zeugen einen Vortrag über die Ergebnisse des bisherigen Verfahrens. Das Urteil des ersten Rechtszuges ist zu verlesen; von der Verlesung der Urteilsgrfinde kann abgesehen werden, soweit sie für die Berufung nicht von Bedeutung sind. (2) Sodann erfolgt die Vernehmung des Angeklagten und die Beweisaufnahme. Entstehungsgeschichte: I., II. und III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: § 365. Änderungsvorschläge: NE I und II § 327 Abs. 1, § 323. NE III § 317 Abs. 1. Spätere Änderung: StrRÄndG. vom 4. 8.1953, Art. 4 Nr. 36. 1. Die Berufungsverhandlung. Über den Beginn der Berufungsverhandlung s. § 243. Sie beginnt mit dem Aufruf durch den Vorsitzenden in der Sitzung in Gegenwart der Verfahrensbeteiligten, daß die Sache nunmehr verhandelt werde, E b S c h m i d t § 243 Anm. 14. Das Nichterscheinen Beteiligter hindert den,,Beginn"bei ordnungsgemäßer Ladung nicht, zu welcher auch ordnungsgemäße Hinweise gemäß § 323 Abs. 1 gehören (s. dort Anm. 4). Der Verlauf der Hauptverhandlung richtet sich nach § 243 (s. § 332). Doch kann das Berufungsgericht hiervon abweichen, sofern die Sachlage es angezeigt erscheinen läßt, wenn Wahrheitsermittlung und sachgemäße Verteidigung des Angeklagten dadurch nicht beeinträchtigt werden. Das gilt ebenso für die im §324 bestimmte Reihenfolge. Dazu S a a r b r ü c k e n VRS. 1962 54. Daher darf die Berufungsverhandlung mit Erörterung der Zulässigkeit des Rechtsmittels, der Befugnis des Beschwerdeführers, der Richtung des Rechtsmittels (s. die §§ 296 Abs. 2, 301, 302) und seines Umfangs beginnen. Etwa darf durch Erörterung mit dem Beschwerdeführer zunächst geklärt werden, inwieweit das Ersturteil angefochten worden ist (s. § 318) oder zulässigerweise angefochten werden kann. Hat ein Dritter (§ 298) Berufung eingelegt, so kann seine Befugnis dazu erörtert werden. Unter besonderen Umständen kann daher die Vernehmung des Angeklagten oder ein Teil der Beweisaufnahme der Berichterstattung vorangehen, RGSt. 58 178, 60 182, 61 287, RG. JW. 1981 542 Nr. 23,1932 113 Nr. 7, E b S c h m i d t 1, S c h l e s w i g SchlHA. 1954 231. Vgl. jedoch K ö l n NJW. 1959 1551 (Tatortbesichtigung vor Bericht unzulässig). Die Verteidi-
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Anm. 2, 3 gungsmöglichkeit des Angeklagten darf durch die Abweichung nicht beschränkt werden. Bleibt sie gewahrt, so kann, entgegen S c h l e s w i g a. a. 0., der Widerspruch des Verteidigers das Abweichen nicht hindern. Die Entscheidung trifft im Rahmen der Sachleitung der Vorsitzende. Zur Verbindung einer Berufungsverhandlung mit einer Hauptverhandlung erster Instanz s. §237. 2. Berichterstattung. Berichterstatter kann jedes Mitglied des Berufungsgerichts sein, auch der Vorsitzende. Der Vortrag ist mündlich. Der Berichterstatter kann ihn nach Ermessen schriftlich ausarbeiten. Der Eröffnungsbeschluß wird nicht verlesen, E b S c h m i d t 2. Als wesentlicher Teil der Hauptverhandlung darf der Vortrag bei notwendiger Verteidigung (§ 145 Abs. 1) nicht in Abwesenheit des Verteidigers gehalten werden, RG. 1 180/27 vom 29. 3.1927. Der Vortrag ist kein Teil der Beweisaufnahme, BayObLG. JMB1. 1958 111. Soweit er dies ausnahmsweise bei besonderer Sachlage doch sein soll und sein darf, ist dies besonders festzuhalten. Der Vortrag bezweckt die vollständige Kennzeichnung des Sachstandes, des Beschwerdeführers, seiner Rechtsmittelbefugnis, der Richtung des Rechtsmittels (s. die §§ 296 Abs. 2, 301, 302), des Umfangs des Rechtsmittels und der Vorbereitung der Berufungsverhandlung im ganzen, E b S c h m i d t 3. Der Vortrag kann nicht Grundlage der amtlichen Sachaufklärung und der aus dem Inbegriff der Berufungsverhandlung zu schöpfenden Überzeugung des Berufungsgerichtes sein (§ 261), RGSt. 61 287, 399, RG. J W . 1927 2049 Nr. 75, GA. 7118, BayZ. 24 26, HR. 3 Nr. 1366. Dies muß auch wegen der Teilnahme von Laienschöffen an der Berufungsverhandlung völlig klar hervortreten. Das vorzutragende erstinstanzliche Urteil tritt daher auch nicht an die Stelle des Eröffnungsbeschlusses, RGSt. 61 399. Ebenso darf das Berufungsgericht seine eigenen Feststellungen nur auf Beweisergebnisse der Berufungsverhandlung stützen, nicht auf bloße Verlesung des angefochtenen Urteils, RG. Recht 30 220, KG. HR. 2 Nr. 345. Der Vortrag umfaßt den gesamten Sachverhalt in sachlich- und verfahrensrechtlicher Beziehung, soweit das Urteil zulässigerweise angefochten ist, RG. JW. 1932 3113. Bestehen über den Umfang der Anfechtung oder über die Anfechtbarkeit Zweifel, so umfaßt der Vortrag auch alles möglicherweise Angefochtene. Das Gesetz schreibt Darstellung der „Ergebnisse des bisherigen Verfahrens" vor. Der Vortrag darf sich daher nicht auf die im angefochtenen Urteil enthaltenen Tatsachen und Beweismittel beschränken, es sei denn, sie sind vollständig. Er hat alles zu enthalten, was bekannt ist und der Sachaufklärung dienen kann, also auch Ergebnisse von Vorerhebungen, zumal wenn die Berufungsbegründung an solche anknüpft. Er enthält sodann das Vorbringen der Berufung (s. K ö l n NJW 1961 1127) und verweist auf neu angebotene Beweismittel. Ist in früherer, aber vertagter Verhandlung ein Zeuge vernommen worden und kommt die Aussage als sachdienlich in Betracht, so darf sie im Vortrag als vorläufiges Verfahrensergebnis mitgeteilt werden, obwohl Verlesung zu Beweiszwecken unzulässig wäre, RG. DRZ. 24 Nr. 224. Dasselbe gilt für nicht verwertete Akten, RG. JW. 1927 2048. Stets muß es sich um bisherige Verfahrensergebnisse handeln, L ö w e n s t e i n JW. 1927 2048. Enthält das Ersturteil alles Wesentliche, so genügt sein Vortrag. Neue Ausführungen, Beschwerden und Anträge des Beschwerdeführers und anderer Beteiligter sind vollständig mitzuteilen. Ferner hat der Vortrag die Förmlichkeiten des Rechtsmittels, falls noch erforderlich, zu behandeln (s. § 322), außerdem das erstinstanzliche Verfahren, soweit es Berufungsgegenstand sein kann. Ist die Zulässigkeit der Berufung zweifelhaft (§ 322), so kann sich der Berichterstatter zunächst hierauf beschränken. Da der Vortrag lediglich den Sachstand zu kennzeichnen hat, darf er schon mit Rücksicht auf die Schöffen keine Vorwegnahme von Tatsachen oder der Beweiswürdigung enthalten, E b S c h m i d t 7. 3. Verlesung des Urteils. Vorzutragen sind Urteilsformel und Urteilsgründe, soweit das Urteil angefochten ist und den Beschwerdeführer betrifft, und soweit die Urteilsgründe noch von Bedeutung sind, RG. JW. 1932 3113, O l d e n b u r g NRpfl. 1953 34, E b S c h m i d t 4. Im Zweifel ist das Urteil vollständig vorzutragen. Bei unzulässiger Berufung braucht das Urteil nicht verlesen zu werden, K ö n i g s b e r g HR. 4 Nr. 2161. Ist das Urteil abhanden gekommen oder nicht von allen Richtern unterschrieben, so hindert dies die Durchführung des Berufungsverfahrens an sich nicht, RGSt. 61 399, 65 374. Auf Verlesung eines früheren, vom Revisionsgericht aufgehobenen Berufungsurteils soll nach RG. JW. 1931 1816 Nr. 28 kein Anspruch bestehen. Jedoch kann dies nur gelten, wenn das frühere Urteil keinen Anhalt für die Wahrheitserforschung bietet (s. Anm. 4).
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§ 324 Anm. 4—7 § 325 Anm. 1
4. Die Verlesung von Schriftstücken kann der Berichterstattung und unter Umständen (s. Anm. 2) zugleich der Beweisaufnahme dienen, RG. JW. 1932 113 Nr. 7. Bei bloßer Berichterstattung gelten die Vorschriften der §§ 249 ff. nicht, so daß dann auch die Niederschrift über die Einlassung eines früheren Mitangeklagten (RG. JW. 1932 3112 Nr. 65), das Urteil des Revisionsgerichts und das von diesem aufgehobene frühere Urteil des Berufungsgerichts zur Erläuterung des Verfahrensstandes verlesen werden dürfen, RG. GA. 75 215. Schriftstücke, deren Verlesung stets unstatthaft ist, sind vom Vortrag ausgeschlossen (s. § 325), so etwa die Anklageschrift. Nimmt das angefochtene Urteil unzulässigerweise auf den Inhalt der Anklageschrift Bezug, ist es jedoch nur zum Strafmaß angefochten, so darf ausnahmsweise wegen dieser Bezugnahme insoweit auf den Inhalt der Anklage (in Wahrheit des Urteils) zurückgegriffen werden, RG. GA. 73 169. 5. In Abwesenheit der Zeugen. Vgl. hierzu § 243. 6. Für die weitere Berufungsverhandlung gelten im allgemeinen die für die Hauptverhandlung erster Instanz maßgebenden Vorschriften (§ 332) gleichviel, wer Berufung eingelegt hat. Jedoch findet Beweisaufnahme nicht in allen Fällen statt (s. § 323). Außerdem kennt das Berufungsverfahren Abweichungen von dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme. Näheres darüber bei § 325 und bei § 323 Anm. 1, 2. Für den Umfang der Beweisaufnahme gelten auch im Berufungsverfahren die Grundsatze der §§ 244 bis 246. Vorgeladene und erschienene Zeugen oder Sachverständige sind in der Berufungsverhandlung zu vernehmen, andere herbeigeschaffte Beweismittel zu benutzen (§ 245), sofern nicht einer der im § 245 aufgezählten Ausnahmegründe vorliegt. 7. Die Vernehmung des Angeklagten zur Person und zur Sache ist zwingend vorgeschrieben» RGSt. 65 374. Dies gilt auch bei einer auf das Strafmaß beschrankten Berufung, da Äußerungen zur Schuldseite für die Strafzumessung besondere Bedeutung erlangen können, K ö l n NJW. 1955 1333. Vgl. jedoch die Erläuterungen zum § 318, besonders Anm. 5f. Betrifft die Verhandlung viele selbständige oder unselbständige Einzelhandlungen und äußert sich der Angeklagte dazu zunächst allgemein, so muß er noch bei Erörterung der Einzelfälle Gelegenheit zur Verteidigung erhalten, RG. JW. 1931 542 Nr. 23.
§ 325 Bei der Berichterstattung und der Beweisaufnahme können Schriftstücke verlesen werden; Protokolle über Aussagen der in der Hauptverhandlung des ersten Rechtszuges vernommenen Zeugen und Sachverständigen dürfen, abgesehen von den Fällen der §§ 251 und 253, ohne die Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten nicht verlesen werden, wenn die wiederholte Vorladung der Zeugen oder Sachverständigen erfolgt ist oder von dem Angeklagten rechtzeitig vor der Hauptverhandlung beantragt worden war. Entstehungsgeschichte: I., II. und III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: § 366. Änderungsvorschläge: NE III § 314, Begründung S. 63. Schrifttum: A l s b e r g JW. 1929 2681, zu D o h n a S. 201 Anm. 195, v o n H i p p e l 576. 1. Verlesbarkeit von Schriftstücken und Niederschriften. a) Die Vorschrift ist für das Berufungsverfahren wichtig, weil sie den allgemeinen Grundsatz der Unmittelbarkeit und Mündlichkeit der Beweiserhebung einschränkt. Sie betrifft nicht das sachliche Beweisrecht, nicht die Frage, ob ein Beweis zu erheben sei, sondern die Form der Erhebung von Beweisen im Berufungsverfahren. Dies ist in den Verhandlungen der RTK. (Prot. S. 526) ausdrücklich durch den Hinweis anerkannt, die Mündlichkeit, an der § 325 möglichst festhalten wolle, sei im Berufungsverfahren „nicht ausnahmslos durchzuführen", übrigens eine sachlich anzweifelbare Auffassung. Die Vorschrift ist gleichwohl ausnahmslos so anzuwenden, daß sie den obersten Verfahrensgrundsatz, die Wahrheitserforschung, nicht beeinträchtigt. Die sachlichen Bedenken gegen die bloße Verlesbarkeit sucht § 325 dadurch auszugleichen, daß er die Verlesbarkeit unter gewissen Voraussetzungen von Zustimmung der Beteiligten abhängig macht und diese in den Stand setzt, das Gericht zur wiederholten Vernehmung zu zwingen (s. Anm. 2). Der Leitgedanke ist dabei, das Einverständnis des Gerichts und aller Beteiligten
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Anm. 2 über Entbehrlichkeit der Vernehmung biete Gewähr dafür, daß bloße Verlesung die Wahrheitsfindung nicht beeinträchtige. Diese Überlegung ist jedoch nicht immer richtig. Der Angeklagte ist durchaus nicht immer an voller Wahrheitsfindung interessiert. Anderseits kennt er häufig die Bedeutung unmittelbarer Vernehmung nicht und macht daher von den Möglichkeiten des § 325 keinen Gebrauch. Gericht und Staatsanwaltschaft wiederum mögen eher dazu neigen, bloße Verlesung für ausreichend zu halten, ohne doch zu wissen, ob sie damit sicheren Boden betreten. Zwar gibt es Fälle, in denen es ausreicht, Bekundungen aus erster Instanz durch bloße Verlesung ihres Wortlauts in das Berufungsverfahren als Beweisergebnis zu übernehmen. Jedoch kann das nur bei offensichtlicher Verläßlichkeit der Bekundung in Betracht kommen. Bleiben Zweifel bestehen, so gebietet § 244 Abs. 2 die Wiederholung der unmittelbaren Beweiserhebung. § 325 ist daher zurückhaltend anzuwenden. Bei den erstinstanzlichen Zeugen und Sachverständigen geht § 325 zwar davon aus, daß abermalige Vernehmung bisweilen entbehrlich sein mag. Die wiederholte Vernehmung durch Verlesung zu ersetzen, gestattet die Vorschrift aber dennoch nur, wenn dadurch ebenso sicherer Beweis wie durch Vernehmung geführt wird (s. § 323 Abs. 2). Maßgebend dafür ist regelmäßig der Aussagegegenstand, sein Bestrittensein, die Beweislage im ganzen, die Beziehung der Beweistatsache zu anderen Beweistatsachen und Beweisen und auch die Klarheit und Vollständigkeit der Niederschrift. Ob § 325 angewandt wird, ist daher niemals eine Frage ausschließlich der Arbeits- und Kostenersparnis, sondern stets Sache der Abwägung aller jener Gesichtspunkte unter dem Grundsatz der Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2). b) Die Vorschrift ist außerdem unrichtig abgefaßt. Erstens unterscheidet sie nicht deutlich zwischen bloßer Berichterstattung und Beweiserhebung. Für die Zwecke der Berichterstattung gelten die Einschränkungen des § 325 nicht. Näheres darüber bei § 324 Anm. 2. Der Vortrag des Berichterstatters ist nicht Urteilsgrundlage. Daher muß das Gericht klarstellen, welche Verlesung, ausschließlich oder zugleich, der Beweiserhebung dient, damit die Beteiligten zu dem Beweisergebnis Stellung nehmen können. Ein ausdrücklicher Gerichtsbeschluß wird dazu nicht stets erforderlich sein. Was die Beweiserhebung angeht, den eigentlichen Gegenstand des § 325, so verleitet der bloße Wortlaut zu der irrigen Ansicht, als sei die Verlesung von Schriftstücken im Berufungsverfahren ohne Rücksicht auf die §§ 249 bis 256 allgemein gestattet und nur hinsichtlich der Aussagen erstinstanzlicher Beweispersonen eingeschränkt. Das ist unrichtig. Das Verlesungsverbot des § 252 steht zu der Verschiedenheit der beiden Rechtszüge in keiner Beziehung, es gilt daher auch im Berufungsverfahren. § 325 sieht keine Ausnahme vor. Für das Verbot des § 256, ein Leumundszeugnis zu verlesen, gilt dasselbe. Auch im Vorverfahren abgebenene Aussagen dürfen nur unter den Voraussetzungen des §251 verlesen werden (Meyer GA. 31 326, v. K r i e s 626, A l s b e r g JW. 1929 2682). Die Vorschrift des § 325 besagt hiernach lediglich, daß von Unmittelbarkeit der Beweiserhebung nur bei Bekundungen von erstinstanzlichen Zeugen und Sachverständigen abgewichen werden darf, soweit die Einschränkungen des § 325 nicht eingreifen. Zu eng H a m b u r g GA. 1962 312. c) In den Fällen der §§ 251 (Verstorbene, Geisteskranke, Abwesende, Gebrechlichkeit, unbehebbares Hindernis, große Entfernung) und 254 Abs. 1 (Beweisaufnahme über ein Geständnis) gelten die allgemeinen Grundsätze. Die Zulässigkeit der Verlesung hängt hier nicht von Zustimmung der Verfahrensbeteiligten ab. Hierher gehört auch die Verlesung einer Aussage in früherer Hauptverhandlung gemäß § 251 Abs. 2, sofern keine Bedenken gegen ihre Richtigkeit besteht, RG. JW. 1929 2741 Nr. 42. Jedoch hängt die Zulässigkeit der Verlesung hier stets vom Fortbestehen der im § 223 bezeichneten Hinderungsgründe ab, RGSt. 59 299, BayObLG. HR. 6 Nr. 578, E b S c h m i d t ö . 2. Zulässigkeit der Verlesung. Die Sonderregelung des § 325 betrifft nur Bekundungen erstinstanzlicher Zeugen und Sachverständiger. Zulässig ist Verlesung jedoch auch insoweit nur, a) bei Nichtvorladung des Zeugen oder Sachverständigen vor das Berufungsgericht zur Hauptverhandlung. Ist er geladen worden, so ist seine frühere Aussage auch unverlesbar, wenn er ausgeblieben ist, ohne Rücksicht auf den Grund des Ausbleibens. Sie wird in diesem Falle nur verlesbar, wenn Gericht und die übrigen antragsberechtigten Verfahrensbeteiligten, zu denen auch der Privatkläger gehört ( K ö n i g s b e r g DRZ. 21 Nr. 926), der Verlesung zustimmen. Als Ladung gilt Ladung durch den Angeklagten nach § 220, die vom Vorsitzenden gemäß § 221 von Amts wegen verfügte und ausgeführte Ladung (Celle NJW. 1961 1490) und Ladung durch die Staatsanwaltschaft (§ 222). Ein Zustellungsnachweis ist nicht erforderlich, Celle GA. 1961 216. Wird
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§325 Anm. 8
ein geladener Zeuge nachträglich vom Erscheinen entbunden, der Angeklagte hiervon aber nicht benachrichtigt, so ist die Aussage nur mit allseitiger Zustimmung verlesbar, BayObLG. N J W . 1957 1290, D r e s d e n HR. 8 Nr. 1011. Dasselbe gilt für den ohne Wissen des Angeklagten wieder abbestellten Sachverständigen, BayObLG. DRZ. 22 Nr. 427, oder wenn die erste Berufungsverhandlung zwecks Zeugenladung ausgesetzt worden war, die Ladung jedoch versehentlich unterblieben ist, BayObLG. DRZ. 24 Nr. 148, oder wenn die angeordnete und den Beteiligten mitgeteilte Ladung den Zeugen nicht erreicht, S t e t t i n J W . 1932 2745 Nr. 16. Die Gestellung eines Zeugen oder Sachverständigen steht der Ladung gleich, A l s b e r g J W . 1929 2682. Der Angeklagte kann nicht nach § 325, aber unter Umständen nach § 244 Abs. 2 Vertagung und Ladung eines erstinstanzlichen Zeugen verlangen, RG. J W . 1929 2741 Nr. 42. Die Aufklarungspflicht gebietet auch auf dem Gebiet des § 325 stets die Prüfung, ob die Umstände, die der früheren Bekundung zugrunde lagen, noch fortbestehen und Verlesung erlauben, vgl. RGSt. 59 299, 63 228, 48 359; b) wenn der Angeklagte die wiederholte Vorladung nicht rechtzeitig vor der Haupt verhandlung beantragt hat. Ein solcher rechtzeitiger Antrag h a t ebenfalls Sperrwirkung, die nur durch allseitige Zustimmung beseitigt werden kann, RG. DRZ. 21 Nr. 905. Er kann auch vom Privatoder Nebenkläger gestellt werden, K ö n i g s b e r g DRZ. 21 Nr. 926. Nach H a m b u r g N J W . 1962 880 soll ein rechtzeitig gestellter Hilfsantrag nicht genügen. Diese Entscheidung dürfte der einschränkenden Tendenz des § 325 nicht entsprechen. — Ein Antrag der Staatsanwaltschaft kommt nicht in Betracht, weil diese die Ladung selbst bewirkt (§ 214). Rechtzeitig bedeutet so zeitig, daß die Ladung zur Hauptverhandlung noch bewirkt werden kann, auch wenn der Zeuge nicht erscheint oder erscheinen kann, und zwar Ladung mit den modernen technischen Mitteln, soweit über den Zugang der Ladung Gewißheit erlangt werden kann. Statt des Antrags auf Ladung kann der Verfahrensbeteiligte den Zeugen auch stellen, K l e i n k n M 2 (3), E b S c h m i d t l O . Ob der Vorsitzende dem Antrage entspricht, ist für die Verlesungssperre unwesentlich, es genügt der rechtzeitige Antrag. Wird eine Beweisperson wieder abbestellt, so kommt es darauf an, ob sie von Amts wegen oder auf rechtzeitigen Antrag geladen worden war. Bei Ladung von Amts wegen und rechtzeitiger Mitteilung der Abbestellung an die Beteiligten erlischt die Verlesungssperre. Es bleibt den Beteiligten dann uberlassen, einen „rechtzeitigen Antrag" auf Vernehmung zu stellen, wenn sie die Verlesung hindern wollen. Bei Ladung auf rechtzeitigen Antrag und Abbestellung bleibt die Sperre auch bei Mitteilung an die Beteiligten bestehen, weil der Antrag rechtzeitig gestellt worden war und dieses die Verlesung einschränkende Erfordernis ausschließlich durch allseitige Zustimmung beseitigt werden kann. c) wenn Angeklagter und Staatsanwalt der Verlesung zustimmen. Die allseitige Zustimmung reicht auch aus bei Ladung des Zeugen oder rechtzeitig gestelltem Antrag auf Ladung. Jedoch kann das Gericht durch Zustimmung nicht zur Verlesung gezwungen werden, wenn es nochmalige Vernehmung für geboten hält. Die Zustimmung ist so bedeutsam, daß sie ausdrücklich (RG.JW. 1927 2049 Nr. 75) oder durch zweifelfreies schlüssiges Verhalten des Berechtigten erteilt werden muß, BayObLGSt. 1953 220. Unterläßt ein Beteiligter den Widerspruch gegen die unzulässige Verlesung, so liegt darin nur Zustimmung, wenn der Wille, d a s i h m b e k a n n t e R e c h t nicht auszuüben, zweifelsfrei hervortritt, H a m m J M B N R W . 1957 275, RG. J W . 1932 421 Nr. 26, D r e s d e n H R . 8 Nr. 1011, A l s b e r g J W . 1929 2683, RG. J W . 1928 1506 Nr. 23. Neben dem Verteidiger muß der Angeklagte unmißverständlich Gelegenheit zur Äußerung erhalten, BayObLGSt. 1957 132. Die Zustimmung muß durch die Sitzungsniederschrift nachgewiesen werden, H a m m a. a. O. Das Revisionsgericht muß ihr Vorliegen prüfen können, und zwar durch Freibeweis, sofern Zustimmung durch schlüssiges Verhalten in Betracht kommt. Ist gemäß § 273 niedergeschrieben worden, daß der Beteiligte nach Belehrung über sein Widerspruchsrecht der Verlesung zugestimmt habe, so greift § 274 ein. Ist die Zustimmung erklärt, so ist sie als Prozeßerklärung unwiderruflich. Sie steht einem Antrage auf erneute Vernehmung der Beweisperson, der sachliche Gründe haben kann, jedoch nicht entgegen, RGSt. 63 302 (vgl. Anm. 4). Ob solchem Antrage zu entsprechen ist, richtet sich nach den Erfordernissen der Aufklärungspflicht. Auch der persönliche Eindruck des Zeugen auf das Berufungsgericht kann eine neue, nach § 244 Abs. 2 wesentliche Tatsache sein, E b S c h m i d t 12 (a. M. BayObLG. HR. 3 Nr. 2166). 3. Verlesung der Sitzungsniederschrift. Verlesbar ist die Niederschrift derjenigen Hauptverhandlung, in der das angefochtene Urteil ergangen ist, nicht diejenige einer früheren, vertagten Hauptverhandlung, RG. HR. 8 Nr. 1185. Hat der Zeuge früher anders ausgesagt, so wird dar-
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§ 325 Anm. 4, 5 § 326 Anm. 1
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
über zu berichten sein (§ 324 Anm. 2) und meist Anlaß zur wiederholten Vernehmung bestehen. Verlesen wird nur die jeweilige Aussage des Zeugen oder Sachverständigen. Verlesbar dürfte auch eine Niederschrift im Vorverfahren sein, welche der Erstrichter verlesen hatte, um die Übereinstimmung mit der Aussage des Zeugen in der Hauptverhandlung festzustellen, D r e s d e n HR. 8 Nr. 2227. Eine vom Erstrichter nur als Vorhalt benutzte polizeiliche Niederschrift darf nicht zum Beweise verlesen werden, wohl aber zwecks Berichterstattung ohne Beweiswirkung (a. M. RG. JW. 1933 959 Nr. 15). Die Feststellung, ob die Aussage eidlich erstattet worden ist, ist entgegen § 251 Abs. 4 nicht vorgeschrieben, K ö n i g s b e r g HR. 6 Nr. 186, aber angebracht. Verlesung nach § 325 ist unzulässig, wenn der Zeuge erst nach dem angefochtenen Urteil eidesmündig geworden ist, RGSt. 63 228, und auch, wenn der Zeuge uneidlich vernommen worden war, jetzt aber eidlich zu vernehmen ist, weil Beeidigung durch den Erstrichter versehentlich unterblieben oder der Rechtsgrund der Nichtvereidigung inzwischen fortgefallen ist, E b S c h m i d t 6. Die Vorschriften der §§ 60 ff. gelten unabhängig von einer Zustimmung zur Verlesung, so daß diese die nochmalige ordnungsgemäße Vernehmung nicht entbehrlich macht. Anders liegt es nur in den Fällen des § 251, weil der Zeuge dann nicht verfügbar ist. Hat ein Zeuge nach ordnungsgemäßer Belehrung über ein Zeugnisverweigerungsrecht, das ihm zusteht, ausgesagt, so ist die Aussage verlesbar, sofern die übrigen Voraussetzungen des § 325 vorliegen. Er braucht nicht nochmals befragt zu werden. Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig geschehen, so wird dasselbe wie bei unrichtiger Handhabung der Vorschriften über die Beeidigung zu gelten haben, so daß nochmalige Vernehmung und richtige Belehrung geboten ist. Ebenso E b S c h m i d t 7. Vgl. auch RG. JW. 1927 1492. 4. Nochmalige Vernehmung. Nachträgliche Ladung. Ist Verlesung mangels Zustimmung unzulässig und die Beweisperson nicht erreichbar, so ist Vertagung der Hauptverhandlung geboten, sofern es nach dem allgemeinen Beweisrecht auf die Aussage ankommen kann (§§ 244, 245). § 325 besagt hierüber nichts (Anm. 1). Insbesondere verpflichtet er das Gericht nicht zu unerheblichen Beweiserhebungen über die Regeln der §§ 244, 245 hinaus. Hatte ein Zeuge vor dem Erstgericht trotz Zeugnisverweigerungsrechts ausgesagt und ist die Aussage verlesbar, so kann er die Verlesung nur durch die Mitteilung an das Gericht verhindern, daß er die Aussage nunmehr verweigere. Vgl. RG. GA. 71 168. Da § 325 nur die Beweiserhebung vereinfachen will, während die Berufungsverhandlung Tatsacheninstanz bleibt, muß dem Zeugen dieses Widerrufsrecht zustehen, das er bei erneuter Vernehmung ebenfalls ausüben könnte. Ist die Verlesung bereits durchgeführt, so ist wirksame Ausübung des Weigerungsrechts nur noch bei nachträglicher Vorladung des Zeugen möglich. Verweigert er nunmehr das Zeugnis berechtigterweise, so wird die Verlesung gegenstandslos. Auch nach Verlesung können berechtigte Gründe für nochmalige Ladung und Vernehmung des Zeugen sprechen, sei es zu denselben oder zu anderen Beweispunkten. Über solche Anträge hat das Gericht nach den §§ 244, insbesondere Abs. 2, 245 zu entscheiden, RGSt. 58 80, 378, 63 302, A l s b e r g JW. 1929 2684. 5. Ist ein erstinstanzlicher Zeuge weder wiederholt vernommen noch seine Aussage verlesen worden, so scheidet sie als Beweisgrundlage aus, RG. BayZ. 23 264. Die Mitteilung der Aussage im Vortrag genügt dazu nicht (§ 324 Anm. 2). § 325 gilt auch für die erneute Hauptverhandlung nach Wiederaufnahme gemäß § 370 Abs. 2, RG. DRZ. 21 Nr. 209.
§ 336 Nach dem Schluß der Beweisaufnahme werden die Staatsanwaltschaft sowie der Angeklagte und sein Verteidiger mit ihren Ausführungen und Anträgen,und zwar der Beschwerdeführer zuerst, gehört. Dem Angeklagten gebührt das letzte Wort. Entstehungsgeschichte: I., II. und III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: §367. Änderungsvorschläge: NE I und II § 327 Abs. 3. NE III § 317 Abs. 2. 1. Schlußvorträge. Letztes Wort. Die Vorschrift regelt die Materie des § 258 für das Berufungsverfahren. Satz 1 enthält eine Ordnungsvorschrift, die zwar auf der Natur der Sache beruht, deren Nichtbeachtung die Revision jedoch nicht begründet, RGSt. 64 133, E b S c h m i d t 3, K l e i n k n M 1. Der erste Schlußvortrag steht dem Beschwerdeführer zu. Haben mehrere Beteiligte
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Dritter Abschnitt. Berufung (Jagusch)
§ 326 Amn. 2, 3 § 327 Anm. 1, 2
Berufung eingelegt, so wird zuerst die Staatsanwaltschaft gehört, sonst der Angeklagte oder der andere Beschwerdeführer. Das letzte Wort gebührt stets dem Angeklagten, so daß Erwiderungen, soweit sie in Betracht kommen, vorher anzuhören sind. Ob die Revision, wenn dem Angeklagten das letzte Wort nicht ordnungsgemäß gewährt worden ist, mit dieser Rüge durchdringt, hängt vom Beruhen des Urteils auf dem Verstoß ab, D r e s d e n HR. 6 Nr. 266. Die Praxis neigt wohl überwiegend dazu, dies anzunehmen, jedoch ist hier eher Zurückhaltung angebracht. Das letzte Wort enthält selten Wesentliches. Im allgemeinen dürfte es ausreichen, daß der Angeklagte Gelegenheit gehabt hat, am Schluß der Hauptverhandlung alle zur Sache gehörenden Gesichtspunkte zusammenhängend vorzubringen. Das letzte Wort kann auch, soweit zur Sache gesprochen wird, verlesen werden, BGHSt. 3 368. 2. Hat ein anderer Verfahrensbeteiligter (der gesetzliche Vertreter, der Privat- oder Nebenkläger) Berufung eingelegt, so ist er der Beschwerdeführer und hält den Schlußvortrag zuerst. Vgl. § 298 Abs. 2. 3. Verteidiger. Der Wahlverteidiger ist regelmäßig auch für das Berufungsverfahren bestellt (§ 137), ebenso der Pflichtverteidiger, soweit die Verteidigung nicht erst im Berufungsverfahren notwendig wird. Vgl. die §§ 140,141. Wird dem Verteidiger das Wort verweigert, so kann er die Revision hierauf auch stützen, wenn er keinen Beschluß nach § 238 Abs. 2 herbeigeführt hat, O l d e n b u r g NRpfl. 1957 76. Zur Erwiderung des Verteidigers O l d e n b u r g NJW. 1967 839.
§ 337 Der Prüfung des Gerichte unterliegt das Urteil nur, soweit es angefochten ist. Entstehungsgeschichte: I., II. und III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: § 368. Änderungsvorschläge: NE I und II § 328. NE III § 318. 1. Gegenstand des Berufungsverfahrens. Hat der Berufungsführer einen Teil der Erstentscheidung, wie sie in der Urteilsformel festliegt, in zulässiger Weise von der Berufung ausgenommen, so ist dieser Teil damit rechtskräftig. Seiner weiteren gerichtlichen Erörterung steht das Verfahrenshindernis der Rechtskraft entgegen, RGSt. 62 14, 64 20, 65 252, 67 65, das vom Berufungsgericht wie später vom Revisionsgericht von Amts wegen beachtet werden muß. Vgl. § 316 Abs. 1. Der Vorsitzende des Berufungsgerichts hat daher, wenn Berufung zulässig eingelegt ist, zunächst zu prüfen, ob sie rechtswirksam beschränkt, worauf sie beschränkt oder ob sie unbeschränkt eingelegt ist. Im Zweifel erfaßt sie die gesamte Erstentscheidung (s. § 318 Anm. 2). Diese Vorprüfung, die das Berufungsgericht nicht bindet, ist für die Vorbereitung der Berufungsverhandlung (§ 323), vor allem für die Herbeischaffung der Beweismittel wichtig. Besteht Anlaß dazu, so beginnt die Berufungsverhandlung mit der Klärung des Umfangs der Berufung. Notfalls muß die Hauptverhandlung dann zur Vorbereitung weiterer Beweisaufnahme unterbrochen, ausgesetzt (§ 228) oder vertagt werden, es sei denn, die Verlesung erstinstanzlicher Bekundungen ist ausreichend und zulässig (darüber eingehend § 326). Über zulässige Berufungsbeschränkung s. Anm. 2 und ausführlich § 318. Das Berufungsgericht ist zweites Tatgericht. Den angefochtenen Urteilsteil hat es daher, anders als das Revisionsgericht, im Rahmen des Eröffnungsbeschlusses (§ 264) in tatsächlicher und rechtlicher Beziehung ohne Beschränkung auf vorgebrachte Berufungsgründe selbständig zu verhandeln und zu beurteilen. Beschränkung der Berufung auf rechtliche Erörterungen oder Anträge wie bei der Revision (§ 352) ist, abgesehen von zulässiger Beschränkung der Berufung, dem Berufungsverfahren fremd. Wie das Amtsgericht entscheidet auch das Berufungsgericht über das Ergebnis seiner Beweisaufnahme nach freier (pflichtgebundener), aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpfter Überzeugung (§ 261). Weder bindet es das angefochtene Urteil, noch ein Antrag eines Verfahrensbeteiligten. Die Entscheidung darf über die gestellten Anträge hinausgehen und kann hinter ihnen zurückbleiben. Gebunden ist das Gericht lediglich an das Verschlechterungsverbot des § 331, soweit nicht die Staatsanwaltschaft erfolgreich Berufung zuungunsten des Beschuldigten eingelegt hat (§ 296). 2. ZuISssigkeit der Teilanfechtung. Inwieweit die Berufung wirksam beschränkt werden kann, ist bei § 318 ausführlich dargelegt. Hier genügt die Darlegung der Grundzüge. Will die Staatsanwaltschaft beschränkt Berufung einlegen, so hat sie sich dem Gericht gegenüber hierzu 80
L S w e - R o e e n b e r g , StPO. 21. Aull.
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§327
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 3—5 deutlich zu erklären. Ein bloßer Vermerk in den Gerichtsakten genügt regelmäßig nicht, RG. GA. 69 340. „Bestimmte Beschwerdepunkte", auf die das Rechtsmittel beschränkt werden kann, sind einzelne Teile der in der Urteilsformel enthaltenen Entscheidung, soweit sie, vom übrigen Urteilsinhalt losgelöst, selbständig geprüft und rechtlich beurteilt werden können (§ 318 Anm. 1). Nur wo dies zutrifft, tritt im übrigen Rechtskraft ein. Entfällt die Beschränkbarkeit, so erfaßt das Rechtsmittel, wenn es durchgeführt werden soll, das gesamte Ersturteil, sofern dem Rechtsmittel nicht die Bestimmtheit überhaupt fehlt (§ 318 Anm. 2). Die Beschränkung der Berufung enthält einen Teilverzicht. Sie hat der Form des § 314 in Verbindung mit § 302 zu genügen, in der Berufungsverhandlung genügt mündliche Erklärung. Sie ist unter Berücksichtigung aller Umstände sorgfältig auszulegen (§ 318 Anm. 4). Beschränkung ist ausgeschlossen: wo es an einer Verfahrensvoraussetzung fehlt oder ein Verfahrenshindernis besteht; wenn der Entscheidung die gesetzliche Grundlage überhaupt fehlt (§ 318 Anm. 5 a); bei anderweiter Rechtshängigkeit oder Aburteilung; bei Eingreifen eines Straffreiheitsgesetzes; bei Verjährung; bei Vorliegen eines Rechtfertigungs-, Schuldausschließungs- oder persönlichen Strafausschließungsgrundes; wenn sich offensichtlich heraustellt, daß ein anderer der Täter ist; überhaupt wohl stets, wenn sonst nicht die Möglichkeit gerechter Sachentscheidung besteht (vgl. § 318 Anm. 5 a). Die Schuldfrage kann nicht allein angefochten werden, und auch nicht einzelne unselbständige rechtliche Erwägungen zum Schuldspruch (§ 318 Anm. 5b, c, dort auch Angaben über die Beschränkbarkeit bei verminderter Zurechnungsähigkeit, bei Tateinheit, bei unrichtig angenommener Tatmehrheit und bei der fortgesetzten Tat). Bei mehreren Angeklagten kann jeder, soweit ihn das Urteil betrifft und beschwert, selbständig Berufung einlegen. Die Vorschrift des § 357 (Aufhebung zugunsten eines Mitangeklagten) gilt im Berufungsverfahren nicht entsprechend, O l d e n b u r g DAR. 1955 170, KG. J R . 1956 308 mit Anm. S a r s t e d t . Sie kann bedenkliche Wirkungen äußern und ist nicht ausdehnend auszulegen. Vgl. § 357. Greift keiner der hier angedeuteten und bei § 318 ausführlich erörterten Hinderungsgründe durch, so kann die Berufung auf den Strafausspruch, unter Umständen auf Teile desselben und auch auf Verhängung gewisser sichernder Maßregeln beschränkt werden, soweit nicht unauflösbare innere Zusammenhänge bestehen oder bei getrennter Behandlung Widersprüche auftreten, die sich nicht beheben lassen. Näheres darüber bei § 318 Anm. 5f ff. Gesondert anfechtbar ist in der Regel (nicht im Zweifel): der Ausspruch über verminderte Zurechnungsfähigkeit ; die Verurteilung wegen strafschärfenden Rückfalls; die Anrechnung der Untersuchungshaft; die Annahme mildernder Umstände, eines besonders schweren Falles oder des § 213 StGB. ; die Strafaussetzung zur Bewährung oder ihre Versagung; die Entscheidung über § 27b StGB, oder ihr Unterbleiben; über Aussagenotstand (§ 157 StGB.); über die §§ 158, 163 Abs. 2 StGB.; über Bildung der Gesamtstrafe; über § 161 StGB.; über Verhängung einer Buße und der Ersatzfreiheitsstrafe; über die §§ 316 Abs. 2, 330 a S t G B . ; über Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte; den Ausspruch über Zulässigkeit von Polizeiaufsicht; die Einziehung oder Unbrauchbarmachung; die Verfallerklärung nach § 335 StGB.; die Entscheidung über Wertersatz; über die Kosten (BGHSt. 13 153); über Nebenstrafen und Nebenfolgen, soweit kein untrennbarer Zusammenhang besteht; unter Umständen die Entscheidung gemäß § 20a StGB. (s. § 318 Anm. ön). Hinsichtlich Beschränkbarkeit auf den Ausspruch über sichernde und bessernde Maßnahmen s. §318 Anm. 5o (Sicherungsverwahrung, Unterbringung nach den §§ 42b, d, c, Berufsverbot, Entziehung der Fahrerlaubnis). 3. Mehrere Berufungen. Ergreift von mehreren Berufungen eine zulässigerweise das gesamte Ersturteil, so hat das Berufungsgericht den gesamten Bereich des Eröffnungsbeschlusses erneut erschöpfend tatsächlich und rechtlich zu behandeln. Gelangt es zu anderen Beweisergebnissen als das Amtsgericht, so sind diese für die Berufungsentscheidung maßgebend, RGSt. 85 397, 65 401, RG. LZ. 10 1385, DRZ. 20 Nr. 742. 4. Das Revisionsgerlcht hat von Amts wegen zu prüfen, ob die Berufung zulässigerweise beschränkt worden war, weil davon abhängt, ob und inwieweit das Verfahrenshindernis der Rechtskraft besteht, RGSt. 62 14, 64 20, 65 252, 67 55, E b S c h m i d t 6. 5. Fortgesetzte Tat. Dauerstraftat. Das Verbot der Schlechterstellung (§ 331) gilt nicht für Einzeltaten einer fortgesetzten Handlung, die der Angeklagte nach dem ersten Urteil begeht. Der neue Tatrichter, auch das Berufungsgericht, muß solche Tatakte in die neue Verhandlung einbeziehen. Das Verschlechterungsverbot gilt dann nur für den vom Ersturteil erfaßten Teil der fortgesetzten oder Dauerstraftat. Die später begangenen Teile hat er gesondert zu ahnden.
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Dritter Abschnitt. Berufung (Jagusch)
§328
Anm. 1 Werden die späteren Tatakte nicht einbezogen, so können sie später wegen Verbrauchs der Strafklage ( Art. 103 Abs. 3 GG) nicht mehr verfolgt werden, BGHSt. 9 324 (ausführlich in Auseinandersetzung mit dem RG. aber nicht überzeugend). A. M. anscheinend BayObLGSt. 1955 77, H a m m NJW. 1955 313. Vgl. auch H a m m JMBNRW. 1955 83. §
3 £ 8
(1) Soweit die Berufung für begründet befunden wird, hat das Berufungsgericht unter Aufhebung des Urteils in der Sache selbst zu erkennen. (2) Leidet das Urteil an einem Mangel, der die Revision wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren begründen würde, so kann das Berufungsgericht unter Aulhebung des Urteils die Sache, wenn die Umstände des Falles es fordern, zur Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverweisen. (3) Hat das Gericht des ersten Rechtszuges mit Unrecht seine Zuständigkeit angenommen, so hat das Berufungsgericht unter Aufhebung des Urteils die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen. Entstehungsgeschichte: I., II. und III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: § 369. Änderungsvorschläge: NE I und II § 329. NE III § 319. 1. Entscheidung des Berufungsgerichts. Die Vorschrift behandelt die Entscheidungsmöglichkeiten des Berufungsgerichts, soweit eine Entscheidung des Berufungsgerichts zur Zuständigkeit des Amtsgerichts, zu dessen Verfahren oder zu dem angefochtenen Urteil in Betracht kommt. Ist die Berufung zulässig und begründet, so hat grundsätzlich das Berufungsgericht in der Sache selbst zu entscheiden (Abs. 1), und zwar aufgrund eigener Verhandlung und Beweiswürdigung. Geschieht dies, so wird das angefochtene Urteil geändert oder aufgehoben und durch ein Berufungs-Sachurteil ersetzt. Nur wenn der Erstrichter unzuständig war und auch das Berufungsgericht nicht zuständig ist, hat es die Sache an das zuständige Gericht zu verweisen (Abs. 3). Liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel vor, so kann es, um beide Tatsacheninstanzen auszunutzen, die Sache an den Erstrichter zurückverweisen, jedoch nach sachlich begründetem Ermessen auch in diesem Falle selbst zur Sache entscheiden (Abs. 2, unten Anm. 4). Außerhalb der Fälle der Abs. 2 und 3 darf das Berufungsgericht die Sache nicht zurückverweisen, sondern muß stets selbst zur Sache entscheiden. Vgl. RGSt. 66 315. a) Zulässigkeit. Im Hauptverfahren prüft das Berufungsgericht zunächst, ob die Berufung zulässig ist und verwirft sie gegebenenfalls durch Urteil als unzulässig (s. § 322 Abs. 1). Da die Prüfung gemäß den §§ 319, 322 vorangegangen ist, werden derartige Fälle selten sein. Da die Entscheidung in der Hauptverhandlung ergeht, hat sie nicht durch Beschluß, sondern durch Urteil zu geschehen (§ 260 Abs. 1), E b S c h m i d t 2, das der Revision unterliegt. b) Verfahrenshindernis. Ist die Berufung zulässig, besteht jedoch ein Verfahrenshindernis (Prüfung von Amts wegen), so ist das Verfahren durch Urteil einzustellen (§ 260 Abs. 3), und zwar mit Kostenentscheidung (§ 464 Abs. 1), ohne daß das angefochtene Urteil aufgehoben werden müßte. Die Einstellung gemäß § 153 wegen geringer Schuld und unbedeutender Tatfolgen gehört nicht hierher. Sie geschieht auch in der Hauptverhandlung gemäß § 153 Abs. 3 stets durch unanfechtbaren Beschluß. c) Sachurteil. Besteht bei zulässiger Berufung kein Verfahrenshindernis, ist die Berufung jedoch unbegründet, so wird sie verworfen (Sachurteil). Es bleibt bei der Formel des Ersturteils. Sie braucht nicht wiederholt oder ausdrücklich aufrechterhalten zu werden. Nur über die Kosten des Berufungsverfahrens ist noch zu entscheiden. Ist die Berufung teilweise begründet, so kann es unter Umständen genügen, das angefochtene Urteil in der Formel zu ändern. Andernfalls wird es aufgehoben und durch eine neue Urteilsformel ersetzt. In keinem Falle dürfen Zweifel bestehen bleiben, wie die neue Entscheidung des Berufungsgerichts insgesamt lautet und welche Vollstreckungsgrundlage nunmehr besteht. Dasselbe gilt entsprechend bei begründeter Berufung. Insoweit ist das Ersturteil aufzuheben (Abs. 1) und eine eigene Sachentscheidung zu treffen, zu der auch die Kostenentscheidung gehört. Die Aufhebung ist ausdrücklich auszusprechen. Wird dies versäumt, ergibt es sich jedoch eindeutig aus dem übrigen Inhalt des Berufungsurteils, so kann das Revisionsgericht die Formel 80*
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§328
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Anm. 2—4 ergänzen. Die neue Formel muß eine brauchbare Vollstreckungsgrundlage bilden. Die Urteilsgrfinde müssen aus sich heraus verständlich sein. Bezugnahmen auf das Ersturteil sind rechtlich nicht ausgeschlossen, sie empfehlen sich jedoch nur, wenn die Klarheit dessen, was in dem Berufungsurteil festgestellt und ausgeführt werden soll, dadurch nicht beeinträchtigt wird. Vor allem muß bei Bezugnahmen feststehen, welche Feststellungen und Rechtsausführungen des Erstgerichts übernommen werden, RGSt. 59 78, 427, H a m m NJW. 1952 77. Unklarheiten hierüber werden meist zur Aufhebung im Revisionsverfahren führen müssen. Vgl. RGSt. 66 9, K l e i n k n M 2b, L i c h t i DRiZ. 52 152. 2. Mehrere Rechtsmittel. Über die Tat (§ 264) desselben Angeklagten muß, auch wenn mehrere Berufungen (§§ 296, 298) eingelegt worden sind, einheitlich durch dasselbe Berufungsurteil entschieden werden, RGSt. 66 233, 67 250. Dies fordert der Grundsatz der Einmaligkeit. Dies schließt aber nicht aus, daß eine der Berufungen vorab als unzulässig verworfen (§ 322) und nur über die anderen durch Urteil entschieden wird, RGSt. 67 250. Hat das Berufungsgericht eine von mehreren Berufungen übersehen (BayObLGSt. 1949/51 593), so kann der Fehler nur durch Revision des dadurch beschwerten Beteiligten beseitigt werden, E b S c h m i d t 9. Wird über die mehreren Berufungen sachlich gemeinsam entschieden, so muß die Formel aussprechen, welchen Erfolg jedes Rechtsmittel gehabt und welchen Gesamtinhalt die Berufungsentscheidung hat, K l e i n k n M 2a, bb. 3. Entscheidung in der Sache selbst. Hat das Berufungsgericht in der Sache selbst zu erkennen (Abs. 1) oder erkennt es selbst (Abs. 2), so hat es die Strafgewalt des Erstrichters einzuhalten. Reicht diese nicht aus, so muß es als erstinstanzliches Gericht entscheiden (Anm. 5 c) oder die Sache an das zuständige Gericht verweisen. Entscheidet es als Berufungsgericht, so gilt § 329 und die Verlesungserlaubnis des § 325. Es gelten die dort dargelegten Grundsätze über die Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2). Vgl. dazu § 323 Anm. 1. Bei Entscheidung als erstinstanzliches Gericht sind die §§ 326, 329 nicht anwendbar. 4. Zurückverweisung wegen Verfahrensverletzung (Abs. 2). Kannbestimmung. a) Rechtsnorm über das Verfahren. Der Abs. 2 betrifft nur solche Verfahrensverletzungen durch das Erstgericht, die nach Revisionsrecht zur Urteilsaufhebung führen würden, also absolute Revisionsgründe (§ 338), Verfahrensverstöße anderer Art, auf denen das angefochtene Urteil beruht (§ 337) ,oder Fälle gemäß § 339 (Berufung der Staatsanwaltschaft, des Privat- oder Nebenklägers). In solchen Fällen liegt es nahe, daß erneute formgerechte Ermittlung und Prüfung des Sachverhalts in zwei Tatsachenrechtszügen stattfindet, KG. GA. 75 222. Zurückverweisung nach Abs. 2 ist auch zulässig, wenn das Ersturteil abhanden gekommen ist, RGSt. 65 373. Verfahrensverstöße, die im Revisionsverfahren nicht zur Aufhebung und Zurückverweisung führen würden, bewirken dies auch im Berufungsverfahren nicht, E b S c h m i d t 12. Hierher gehören solche Mängel der Urteilsgründe, die das Berufungsgericht beseitigen kann. Das beschränkte Anfechtungsrecht der Staatsanwaltschaft (§ 339) gilt auch im Berufungsverfahren. Hat das Erstgericht gesetzliche Tatbestandsmerkmale nur unvollständig festgestellt oder übergangen, so kommt nur ein sachlichrechtlicher Verstoß in Betracht. Abs. 2 ist nicht anwendbar. Das Berufungsgericht muß prüfen, ob die fehlenden Merkmale vorliegen und selbst entscheiden. Abs. 2 ist jedoch anzuwenden, wenn das Erstgericht entgegen § 468 AbgO. von einer rechtskräftigen Entscheidung der Finanzbehörde abgewichen ist. Das Berufungsgericht kann hier entweder zurückverweisen, oder ohne Abweichung in der Sache selbst erkennen, RGSt. 59 258, 264, RG. GA. 74 283. b) Keine Verfahrensrüge erforderlich. Der Verfahrensverstoß braucht nicht ausdrücklich gerügt zu werden (§ 317), das Vorliegen des Verstoßes genügt. Eine dem § 344 entsprechende Vorschrift fehlt im Berufungsverfahren, E b S c h m i d t 13. Die Ordnungsmäßigkeit des erstinstanzlichen Verfahrens ist vom Berufungsgericht von Amts wegen zu prüfen (Abs. 2). Das geht bereits aus den §§ 317, 318 hervor. Hat der Berufungsführer nur einen Verfahrensverstoß gerügt und diesen zu Unrecht, so ist dies unschädlich. Das Berufungsgericht hat trotzdem das Verfahren und die sachliche Rechtsanwendung als Tatsacheninstanz zu untersuchen. c) Für den Beweis des Verfahrensverstoßes gelten die Regeln des Revisionsverfahrens entsprechend (Freibeweis, Beweiskraft der Sitzungsniederschrift, s. § 352). d) Zurfickverweisung. Ist ein Verfahrensverstoß gemäß Anm. 4 a vorgekommen, so ist die Sache vom Berufungsgericht zurückzuverweisen, „wenn die Umstände des Falles es fordern",
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Dritter Abschnitt. Berufung (Jagusch)
§328 Anm. 5
also nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Verfahrenslage. Andernfalls erkennt es auch hier in der Sache selbst. Im allgemeinen empfiehlt sich Zurückverweisung, wo der Verfahrensmangel von grundlegender Bedeutung ist und zahlreiche Teile des Beweisverfahrens beeinflußt hat oder das Verfahren im ganzen betrifft (etwa bei § 338). Hierher wird auch ein Verhandeln ohne Eröffnungsbeschluß gehören, E b S c h m i d t 14. Wesentlich ist es, ob dem Angeklagten andernfalls eine Tatsacheninstanz entgeht, oder ob der Mangel etwa nur einen einzigen Verfahrensvorgang berührt, der nachgeholt werden kann. Vgl. BayObLG. 1957 11 (Berufungsgericht verkennt die Möglichkeit zur Zurückverweisung). Bei Meinungsverschiedenheit mit dem Erstrichter über die umstrittene Verfahrensvorschrift ist Zurückverweisung unzweckmäßig: Der Erstrichter muß die Sache im Umfang der Aufhebung neu verhandeln und entscheiden, ohne an die Rechtsansicht des Berufungsgerichts gebunden zu sein, weil § 358 Abs. 1 im Berufungsverfahren nicht entsprechend gilt. Vgl. RG. JW. 1932 60. Bei Wiederholung des früheren Verstoßes und abermaliger Berufung würde das Berufungsgericht daher ohnedies selbst in der Sache erkennen müssen, E b S c h m i d t 18. Auch Selbstbindung des Berufungsgerichts tritt nicht ein. Die Ermessensentscheidung des Berufungsgerichts über Zurückverweisung oder Selbstentscheidung ist pflichtgebunden und wird vom Revisionsgericht daraufhin geprüft, ob sie rechtsfehlerhaft ist oder einen Mißbrauch darstellt, O l d e n b u r g NJW. 1953 1483 (keine Zurückverweisung durch Landgericht, obwohl in erster Instanz kein Verteidiger geladen und erschienen; entschuldigt ausgebliebener Angeklagter erhält kein rechtliches Gehör). Vgl. auch RGSt. 59 264, E b S c h m i d t 14. Das Revisionsgericht kann die Sache unmittelbar an das Erstgericht zurückverweisen, wenn das Berufungsgericht dies nach Abs. 2 hätte tun sollen, RGSt. 63 343. Soweit auf Aufhebung und Zurückverweisung erkannt wird, werden die erstrichterlichen Feststellungen von selbst hinfällig, da das Erstgericht die Sache neu verhandeln und entscheiden muß, E b S c h m i d t l 6 . Die Vorschrift des § 353 (Aufhebung von Feststellungen) gilt im Berufungsverfahren nicht entsprechend. Im Falle des Abs. 2 muß an das Erstgericht zurückverwiesen werden, von welchem das angefochtene Urteil stammt. § 354 Abs. 2 Satz 2 (Verweisung an Nachbargericht) ist nicht entsprechend anwendbar. So auch E b S c h m i d t 17. Das Verbot der Strafverschlechterung gilt auch bei Zurückverweisung (§ 331). Das neue Urteil des Amtsgerichts ist wieder berufungsfähig (§ 312), E b S c h m i d t 19. 6. Verweisung wegen Unzuständigkeit (Abs. 3). Mußvorschrift. War das Erstgericht unzuständig, und zwar örtlich oder sachlich, so darf das Berufungsgericht auch dann nicht selbst erkennen (vgl. BGHSt. 10 77), wenn das zuständige Erstgericht zu seinem Bezirk gehört. Es muß die Sache gemäß Abs. 3 an das zuständige Amtsgericht verweisen, es sei denn, die Sache ist wegen eines f e s t s t e h e n d e n Verfahrenshindernisses einzustellen, K l e i n k n M 4b, RGSt. 66 315, oder das sachliche Ergebnis steht bereits fest, BayObLG. MDR. 1962 841. a) Hinsichtlich der örtlichen Zuständigkeit s. § 338 Anm. 9. Die dortigen Bemerkungen gelten für das Berufungsverfahren entsprechend. Die örtliche Zuständigkeit ändert sich nicht dadurch, daß sich die im Eröffnungsbeschluß dargestellte Tat nachträglich als an einem anderen Ort begangen herausstellt und rechtlich anders gewürdigt wird, RGSt. 65 267 (Betrug statt Unterschlagung). Den Einwand der örtlichen Unzuständigkeit muß der Angeklagte vergeblich rechtzeitig (§§ 16, 17, 18) erhoben haben. Ob das Amtsgericht örtlich zuständig war, hat das Berufungsgericht von Amts wegen zu prüfen, da § 18 hier nicht gilt, E b S c h m i d t 26. Auch hinsichtlich des gesamten Bereichs der örtlichen oder sachlichen Zuständigkeit braucht keine Verfahrensrüge erhoben zu werden (Anm. 4b). b) Keine Bindung durch Verweisung. Die Verweisung bindet das als zuständig bezeichnete Gericht an sich nicht (vgl. Anm.4d), E b S c h m i d t 21. Es hat seine Zuständigkeit selbst zu prüfen und sich nötigenfalls für unzuständig und ein anderes Gericht für zuständig zu erklären. Gehört dieses andere Gericht jedoch ebenfalls zum Bezirk des Berufungsgerichts, so ist dessen Verweisungsbeschluß zugleich ein Beschluß des „gemeinsamen oberen Gerichts" und deshalb bindend (§§ 14,19), zumal da eine etwaige Erklärung als unzuständig bei Beschwerde wiederum vor dasselbe Landgericht als Beschwerdegericht käme. c) Sachliche Zuständigkeit. Vgl. K a p p e J R . 1958 209. Das Amtsgericht hat seine sachliche Zuständigkeit „mit Unrecht angenommen" (Abs. 3), wenn es die Zuständigkeitsbestimmungen der §§ 24, 25, 26 GVG. verkannt oder den § 270 unrichtig angewandt hat, RGSt. 41 112. Das Merkmal „zu Unrecht angenommen" ist jedoch objektiv zu verstehen, RGSt. 6 309, 74 140,
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§ 328 Asm. 6 §329
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
E b S c h m i d t 23. Daher war das Amtsgericht auch unzuständig, wenn erst die Verhandlung vor dem Berufungsgericht einen Sachverhalt ergibt, der nicht mehr zur amtsgerichtlichen Zuständigkeit gehört. Dasselbe gilt auch für die jugendgerichtliche Zuständigkeit. Hat das Amtsgericht einen Heranwachsenden zu Unrecht als Erwachsenengericht abgeurteilt, so hat das Berufungsgericht die Sache an den zuständigen Jugendrichter zu verweisen, Schleswig GA. 1959 28 (a. M. KleinknM 4a: Einstellung). Besteht hinreichender Verdacht (BayObLG. NJW. 1957 1485) hinsichtlich von Tatumständen, welche die Zuständigkeit des Schwurgerichts begründen würden, so ist die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils dorthin zu verweisen, RG. HR. 4 397. Hat der Amtsrichter statt des zuständigen Schöffengerichts entschieden (vgl. H a m b u r g GA. 71 184), so kann das Revisionsgericht unmittelbar an das Schöffengericht verweisen, da das Berufungsgericht dieselbe Entscheidung zu treffen hätte, H a m b u r g HR. 3 Nr. 32, N a u m b u r g HR. 7 Nr. 1410, M a n n h e i m JW. 1925 2812. Übersteigt die Sache die schöffengerichtliche Zuständigkeit (§ 28 GVG.) und ist das Berufungsgericht als kleine Strafkammer besetzt (§ 76 Abs. 2 GVG.), so hat es die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils an die große Strafkammer zu verweisen. Ist es bereits als große Strafkammer besetzt, weil das Schöffengericht entschieden hatte, so hat es nunmehr unter Aufhebung des Ersturteils als erstinstanzliches Gericht zu entscheiden, RGSt. 74 139, 75 305. Die §§ 325, 329 sind nicht anwendbar. Es hat die Sache nicht an eine andere, nach der Geschäftsverteilung etwa zuständige Strafkammer abzugeben, RGSt. 75 304. Das ergehende erstinstanzliche Urteil unterliegt der Revision zum Bundesgerichtshof, H a m b u r g MDR. 1954 152, vgl. RGSt. 74 139. Vgl. hierzu BGH. MDR. 1957 370: Muß das Berufungsgericht bei Bildung der Gesamtstrafe die amtsgerichtliche Strafgewalt überschreiten, so kann es erstinstanzlich selbst entscheiden, muß jedoch die allgemeinen Verfahrensvorschriften für die Strafkammer beachten. Diese Entscheidung setzt sich mit der Ansicht des OLG. H a m m JMBNRW. 1958 287 auseinander, wonach das Landgericht in derartigen Fällen in der Niederschrift oder in den Urteilsgründen ausdrücklich das Tätigwerden als Erstgericht feststellen müsse, andernfalls sein Urteil vom Revisionsgericht aufgehoben werden müsse. Wie der BGH. auch H a m b u r g NJW. 1958 1931. Vgl. auch D a l l i n ger MDR. 1954 153 und E b S c h m i d t 25. Ergibt die Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht Verbrauch der Strafklage, so ist das Verfahren einzustellen, RGSt. 66 315 und Anm. I b . Vgl. auch § 389 (Privatklage). Bei fortgesetzter Tat, Dauerstraftat und Tateinheit kann nicht hinsichtlich einzelner Tatteile an das höhere Gericht verwiesen werden, sondern nur im ganzen. d) Form der Verweisung. Die Verweisung nach § 328 Abs. 3 hat durch Urteil zu geschehen. Von der Aufhebung des angefochtenen Urteils ist sie sachlich nicht zu trennen, RGSt. 65 397, RG. JW. 1933 967 Nr. 30, K a r l s r u h e DRZ. 22 Nr. 285, E b S c h m i d t 22. Die Vorschrift des § 270 ist im Berufungsverfahren nicht anzuwenden, ein Verweisungsbeschluß ergeht daher nicht, so daß die Verweisung nicht der Beschwerde unterliegt. Ob das verweisende Urteil den Anforderungen eines Verweisungsbeschlusses (§ 270 Abs. 3) entsprechen muß, könnte nach RGSt. 61 326 zweifelhaft sein. Doch ist E b S c h m i d t 22 zuzustimmen, der dies wegen Nichtanwendbarkeit des § 270 und deshalb verneint, weil die Entscheidung RGSt. 61 326 einen Sonderfall behandelt. Die Verweisung bindet das Gericht nicht, an welches verwiesen worden ist (s. Anm. 4d). 6. Wegen der Kostenentscheidung bei Zurückverweisung in die Vorinstanz s. § 473. Der Fall, daß das Amtsgericht sich für unzuständig erklärt hat, ist im § 328 nicht geregelt, weil dies durch Beschluß geschieht, der nicht der Berufung unterliegt (§ 312).
§ 339 (1) Ist bei dem Beginn der Hauptverhandlung weder der Angeklagte noeh in den Fällen, in denen dies zulässig ist, ein Vertreter des Angeklagten erschienen und das Ausbleiben nicht genügend entschuldigt, so ist, soweit der Angeklagte die Berufung eingelegt hat, diese sofort zu verwerten; soweit die Staatsanwaltschaft die Berufung eingelegt hat, ist über diese zu verhandeln oder die Vorführung oder Verhaftung des Angeklagten anzuordnen. (2) Der Angeklagte kann binnen einer Woche nach der Zustellung des Urteils die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter den in den §§ 44 und 45 bezeichneten Voraussetzungen beanspruchen.
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Dritter Abschnitt. Berufung (Jagusch)
§329 Anm. 1—4
Entstehungsgeschichte: I., II. und III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: § 370. Änderungsvorschläge: NE I und II § 326. NE III § 316. Schrifttum: S c h n e i d e r , Das Versäumnisurteil in der StPO., Diss. München 1928. M e i s t e r MDR. 1949 78, H.-W. S c h m i d t NJW. 1957 1389, B a r t h NJW. 1958 373, U n g e w i t t e r NJW. 1962 2144. 1. Ausbleiben des Angeklagten in der Berulungsverhandlung. Die Vorschrift sieht eine ihrem rechtspolitischen Wert nach zweifelhafte Ausnahme von dem Grundsatz vor, daß gegen einen ausgebliebenen Angeklagten nicht verhandelt und entschieden werden dürfe. Sie birgt erhebliche Gefahren und ist daher streng einengend auszulegen und anzuwenden, RGSt. 61 280, 64 246, 65 57, K ö l n NJW. 1953 1036, Celle GA. 1960 316, E b S c h m i d t 6. Die allgemeinen Voraussetzungen der Anwendbarkeit des § 329 ohne Rücksicht darauf, wer Berufung eingelegt hat, bestehen im Ausbleiben des Angeklagten bei Beginn der Hauptverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung und Hinweises ohne genügende Entschuldigung und ohne zulässige (Anm. 7) Vertretung. 2. Ausbleiben. Abs. 1 gilt für alle Fälle unentschuldigten Ausbleibens des Angeklagten, also auch, wenn der Angeklagte nur nicht erscheinen will, RGSt. 66 151. Abs. 2 erfaßt dagegen nur die Hinderung am Erscheinen durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle im Sinne des § 44 und nur unter der weiteren Voraussetzung formgerechter Anbringung des Wiedereinsetzungsgesuches (§ 45). Ausgeblieben ist der Angeklagte nicht schon, wenn er bei Aufruf der Sache nicht im Sitzungsraum ist oder seine Anwesenheit nicht bekanntgibt. Innerhalb verständiger Grenzen muß das Gericht nach ihm forschen und dieses Ergebnis abwarten, bevor es nach § 329 verfährt, RGSt. 61177, RG. DRZ. 24 Nr. 150, E b S c h m i d t 7. — Ein Verteidiger ohne V e r t r e t u n g s v o l l m a c h t kann die Entbindung des Angeklagten vom Erscheinen nicht wirksam beantragen, BGHSt. 12 367. — Das RevG. hat das unentschuldigte Ausbleiben in der Berufungsverhandlung nicht von Amts wegen zu prüfen, BGHSt. 15 287. 3. Beim Beginn der Hauptverhandlung. Im Sinne des § 329 beginnt die Hauptverhandlung mit Erklärung des Vorsitzenden, daß er die aufgerufene Sache verhandle (s. § 243 und § 324 I), BayObLGSt. 24 51. Bei Zurückstellung der Sache beginnt sie mit dem neuen Aufruf, BayObLG. 27 77. Es kommt darauf an, ob der Angeklagte zu diesem Zeitpunkt unentschuldigt ausgeblieben ist. Ist er erschienen oder in zulässiger Weise vertreten (Anm. 7), so ist § 329 nicht anwendbar, auch nicht bei vorzeitigem Weggang des rechtzeitig erschienenen Angeklagten, RGSt. 63 57, E b S c h m i d t 9. — Maßgebend ist die erste Hauptverhandlung über die Berufung, Celle GA. 1960316, in der zur Sache verhandelt worden ist, BGH. LM. Nr. 3, BGHSt. 17 188, RGSt. 61 280,6311, RG. JW. 1933 459, BayObLGSt. 1952 59, H a m b u r g NJW.1953 758, D ü s s e l d o r f NJW. 1957 1082 gegen K ö l n NJW. 1953 1036. A. M. S c h n e i d e w i n NJW. 1961 841 (auch jede spätere). — War in Gegenwart des Angeklagten zur Sache verhandelt worden, so gelten bei späterem Ausbleiben die allgemeinen Grundsätze (§§ 332, 230 II, 231 II), RGSt. 61 280, 63 11, JW. 1931 1603 Nr. 59, KG. GA. 75 56, BayObLGSt. 32 41, auch wenn der Angeklagte für die erste Verhandlung vom Erscheinen entbunden (§ 233) worden war, RGSt. 63 11, DRZ. 21 Nr. 411. Gemäß § 332 sind die Vorschriften über das Verfahren gegen Abwesende hier nicht anwendbar (§§ 276ff.), RGSt. 65 419, 66 79. Zweifelnd für den Fall der Aussetzung (§ 229) E b S c h m i d t 11. — Hat das RevG. ein nach § 329 ergangenes Urteil aufgehoben, so darf § 329 in der erneuten Hauptverhandlung nicht mehr angewendet werden, BayObLGSt. 1952 80, Celle GA. 1960 317. Auch nach Aussetzung der Prüfung, warum der Angeklagte ausgeblieben sei, darf in der neuen Verhandlung nicht mehr wegen des früheren Ausbleibens verworfen werden, H a m b u r g J R . 1959 29, H a m m GA. 1958 218, ebenso nicht, wenn der Angeklagte nach erfolgreicher Revision im neuen Berufungstermin ausbleibt, H a m m JMBNRW. 1958 89. 4. Ordnungsmäßige Ladung. Das Verfahren nach § 329 setzt ordnungsmäßige Ladung voraus. Dies prüft das Revisionsgericht, RGSt. 64 243, 63 11, 66 79, RG. JW. 1933 913 Nr. 13. Näheres darüber bei § 323 Anm. 4. An ordnungsmäßiger Ladung fehlt es, wenn sie bei Berufung des Angeklagten nicht diesem selbst, sondern nur dem mit Zustellungsvollmacht ausgestatteten Verteidiger zugestellt worden ist, RGSt. 63 11, RG. J W . 1933 968 Nr. 33; a. M. RGSt. 43 321, 66 79; ferner überhaupt bei widerspruchsvoller Zeitangabe oder ( D r e s d e n DRZ. 23 Nr. 874) unrichtigem Hinweis auf die Folgen des Ausbleibens (Anm. 4 zu § 323), RG. HR. 3 Nr. 1174,
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§329
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 5, 6 oder bei Ladung des nicht auf freiem Fuß befindlichen Angeklagten unter Nichtbeachtung der §§ 323, 216 Abs. 2 durch Ersatzzustellung in der Wohnung, BayObLG. DRZ. 20 Nr. 841. Der Hinweis in der Ladung auf § 329 ersetzt nicht den Hinweis, daß nach § 232 oder § 329 Abs. 1 Halbsatz 2 in seiner Abwesenheit verhandelt werden könne, O l d e n b u r g NJW. 1952 1151, E b S c h m i d t 4, H a m m NJW. 1954 1131, vgl. aber B r e h NJW. 1954 1640. Die Einhaltung der L a d u n g s f r i s t (§ 217 Abs. 1) ist beim § 329 keine Voraussetzung ordnungsmäßiger Ladung. Sie hat nur insofern Bedeutung, als sie je nach den Umständen des Falles den ausgebliebenen Angeklagten entschuldigen kann, RG. DJZ. 36 501, BayObLG. DRZ. 22 Nr. 154, D r e s d e n DRZ. 24 Nr. 538 und Anm. 6. 5. Vorführung des verhafteten Angeklagten. Der verhaftete Angeklagte hat das Recht auf Vorführung zur Verhandlung vor dem Berufungsgericht. Dies ergibt sich aus dem Wesen der Berufung. Nur im Revisionsverfahren hat er keinen Anspruch auf Anwesenheit (§ 350 Abs. 2). Ist er in der vor dem Berufungsgericht zu verhandelnden Sache festgenommen, so ist er trotz etwaigen Verzichts vorzuführen (§ 232). In diesem Fall ist § 329 also niemals anwendbar, E b S c h m i d t 12. Befindet sich der Angeklagte in anderer Sache in Haft, so ist er bei gerichtlicher Anordnung gemäß § 236 vorzuführen. Liegt keine solche Anordnung vor, so ist der Verzicht des Angeklagten auf Vorführung in den Fällen zulässig, in denen er sich vertreten lassen könnte, wenn er auf freiem Fuß wäre, also in den Fällen der §§ 232, 233 und bei Berufung der Staatsanwaltschaft (Anm. 7). In diesen Fällen darf in Abwesenheit des verhafteten Angeklagten, auch wenn er nicht vertreten ist, auf seine Berufung und auf die der Staatsanwaltschaft verhandelt und entschieden werden. 6. Genügend entschuldigt. Maßgebend hierfür ist die wirkliche Sachlage, nicht nur das Vorbringen des Angeklagten, E b S c h m i d t 12. §329 ist unanwendbar, wenn das Ausbleiben nach allen Umständen, die von Amts wegen zu erforschen sind (BayObLG. NJW. 1956 838) und nicht unbedingt glaubhaft gemacht zu werden brauchen ( K ö l n NJW. 53 1036), genügend entschuldigt ist. Das Berufungsgericht muß alle Entschuldigungsgründe berücksichtigen, dazu die Akten heranziehen, RGSt. 62 422, 64 246, RG. DRZ. 21 Nr. 810, JW. 1931 1604 Nr. 60, 1618 Nr. 78,1932 1151 Nr. 22, Celle MDR. 1955 184, F r a n k f u r t NJW. 1953 1036, B r e m e n MDR. 1955 184 (ärztliches Zeugnis), H a m b u r g GA. 40 359, HR. 4 Nr. 1678, notfalls auch Zeugen hören. Die Entscheidung, ob das Ausbleiben genügend entschuldigt ist, erfordert sorgfältiges Abwägen des Grundes des Ausbleibens gegenüber der Pflicht zum Erscheinen. Aus Obliegenheiten des Angeklagten gegen Familie, Amt oder Beruf (näher dazu H a m m MDR. 1962 326) kann sich hinreichender Grund zum Ausbleiben ergeben. Auch die Bedeutung der Sache fordert Beachtung, RGSt. 66 151, E b S c h m i d t 12. Bloßer Verdacht unentschuldigten Ausbleibens benachteiligt den Angeklagten nicht (vorgetäuschte Krankheit), RG. JW. 1932 3629, RG. HR. 5 Nr. 985, J W . 1932 3629 Nr. 21, KG. VRS.6 312. Das Ausbleiben ist genügend entschuldigt, wenn glaubhafte Gründe bestehen, daß dem Angeklagten das Erscheinen zu diesem Zeitpunkt billigerweise nicht zuzumuten war, RG. HR. 5 Nr. 985, daß ihm sein Nichterscheinen also nicht zum Vorwurf gereicht, H a m b u r g GA. 72 146, HR. 4 Nr. 1678, 5 Nr. 1186, D ü s s e l d o r f NJW. 1960 1921. Die Umstände, die den Entschuldigungsgrund bilden, brauchen keinen unabwendbaren Zufall im Sinne des §44 darzustellen, BayObLG. MDR. 53 631; E b S c h m i d t 12. Ob der Entschuldigungsgrund durchgreift, hat das Berufungsgericht unter sorgfältiger Berücksichtigung der Sachlage nach pflichtmäßigem Ermessen zu entscheiden, RG. HR. 3 Nr. 356, v. S c a n z o n i JW. 1926 595. Es ist z. B. keineswegs ohne weiteres rechtlich unrichtig, wenn das Berufungsgericht ein Verschulden des Angeklagten in der Versäumung des letzten für die Reise nach dem Verhandlungsort zur Verfügung stehenden Verkehrsmittels (RG. HR. 7 Nr.723) oder darin sieht, daß der Angeklagte es unterlassen hat, das Hindernis zu beheben, RG. JW. 1930 938 Nr. 54. Über die Nachprüfbarkeit s. die Anm. 8 und 11. Fälle genügender Entschuldigung: Entbindung vom Erscheinen auf Grund des auch im Berufungsverfahren anwendbaren § 233 (s. dort und § 332), RG. HR. 4 Nr. 2245, JW. 1931 1604 Nr. 60, KG. HR. 1 Nr. 970, 2 Nr. 120a, BayObLG. HR. 1 Nr. 1707, E b S c h m i d t 5. Liegt ein Entbindungsbeschluß vor, so ist, auch wenn der Angeklagte keinen Vertreter entsendet, weder die sofortige Verwerfung seiner Berufung noch bei Berufung der Staatsanwaltschaft seine Vorführung oder Verhaftung zulässig. Vielmehr findet dann die Verhandlung zur Sache in dem Rahmen j t a t t , der sich aus einer etwaigen Beschränkung nach § 318 ergibt. Der Angeklagte kann den Antrag auf Entbindung auch noch in der Berufungsverhandlung durch einen hierzu
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Dritter Abschnitt. Berufung (Jagusch)
§329 Anm. 7
besonders ermächtigten Verteidiger (s. § 233; RG. II 1482/31 vom 2. 2.1932) stellen. Wird dieser Antrag freilich abgelehnt oder fehlt dem Verteidiger die besondere Ermächtigung zum Entbindungsantrag und ist § 329 auch sonst erfüllt, so kann das Rechtsmittel verworfen werden, BayObLG. HR. 5 Nr. 780, vgl. RGSt. 64 245. Hinsichtlich des verhafteten Angeklagten s. Anm. 5. Als genügende Entschuldigungsgründe kommen Umstände in Betracht, die das Erscheinen unzumutbar machen; ferner Unklarheiten infolge undeutlicher Verfahrensvorgänge ; Rechtsirrtum des Angeklagten oder Verteidigers, RGSt. 61 280, 62 422, 64 246, 66 161, RG. HR. 7 Nr. 2090, BayObLG. JW. 1932 2892 Nr. 1, D r e s d e n DRZ. 23 Nr. 532. Dazu k ö n n e n gehören: a) Erkrankung des Angeklagten oder eines auf seine Fürsorge angewiesenen Angehörigen oder Hausgenossen auch wenn der Angeklagte erscheinen, aber wegen Krankheit nicht verhandeln kann, S c h l e s w i g SchlHA. 1955 31 (Privatattest über Nervenkrankheit), B r e m e n MDR. 1955 184 (Attest vom Verhandlungstage); dringende Inanspruchnahme durch eine Pflicht gegen die Familie ; Notwendigkeit unverzüglicher Erfüllung einer bedeutsamen dienstlichen oder beruflichen Aufgabe, RGSt. 62 422, 66 151, RG. JW. 1931 1604 Nr. 60, 1933 224 Nr. 9; b) Mangel an Zeit zur Vorbereitung und Ausführung der Reise zum Verhandlungsort, bei weiten Entfernungen selbst dann, wenn die Ladungsfrist eingehalten ist, RG. JW. 1932 1151 Nr. 22, 64 246; s. aber BayObLG. 28 257: weite Entfernung des Wohnorts genügt allein nicht; vgl. N e u s t a d t MDR. 1956 312 (Verteidiger vergißt sein Versprechen, den Angeklagten zum Gericht zu fahren) ; c) Nichterteilung an sich rechtzeitig möglichen Bescheides auf den ernstgemeinten, nicht in Verschleppungsabsicht gestellten Antrag des Angeklagten, die Verhandlung zu vertagen oder ihn vom Erscheinen zu entbinden, RGSt. 59 279, RG. Recht 30 Nr. 165, HR. 6 Nr. 953 und Nr. 1081, 7 Nr. 172, JW. 1931 1604 Nr. 60, BayObLG. DRZ. 24 Nr. 454, D r e s d e n HR. 6 Nr. 1186; d) Nichteinhaltung der Ladungsfrist, RG. DJZ. 36 501, BayObLG. DRZ. 22 Nr. 154, D r e s d e n DRZ. 24 Nr. 538; e) Ladung zu einer gleichzeitigen gerichtlichen Verhandlung an anderem Ort, RG. II 478/31 vom 17.12.1931; f) Rechtsirrtum des Angeklagten oder Verteidigers über die Zulässigkeit der Vertretung, wenn Berufung vom Angeklagten und von der Staatsanwaltschaft eingelegt worden ist, insbesondere die rechtsirrige Annahme, daß in einem solchen Fall die Entsendung eines mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidigers in die Hauptverhandlung vor der sofortigen Verwerfung der Berufung schütze, RG. HR. 7 Nr. 2090, BayObLGSt. 56 32. 7. Zulässige Vertretung. Die Vertretung des Angeklagten in der Berufungsverhandlung ist nach § 332 mit den §§ 234, 411 Abs. 2 und nach § 465 Abs. 2 RAbgO. in folgenden Fällen mit der Wirkung zulässig, daß die Berufung nicht gemäß § 329 verworfen werden darf, wenn zu Beginn der Hauptverhandlung ein mit besonderer schriftlicher Vollmacht versehener Verteidiger für den ausgebliebenen Angeklagten erscheint (bloße Verteidigungsvollmacht grnügt dazu nicht, jedoch kann ein Irrtum hierüber hinreichend entschuldigen, BayObLGSt. 56 32): a) im Falle des § 232. Maßgebend für die zu erwartende Strafe im Sinne dieser Vorschrift ist nicht mehr diejenige Strafe, die das Gesetz auf die den Gegenstand der Urteilsfindung bildende Tat androht (dazu RGSt. 61 279,62 421, K l e i n f e i l e r GerS. 45 375, B e n . - B e l i n g 579, S c h n e i d e r 47), sondern nunmehr die vom Erstgericht verhängte Strafe unter Berücksichtigung von §331, E b S c h m i d t 3, K l e i n k n M . 3a (a. M. die 20. Aufl.); b) im Falle des § 233. Die Entbindung des Angeklagten vom Erscheinen in der Verhandlung entschuldigt das Ausbleiben unter allen Umständen (Anm. 6). Für ein Verfahren nach § 329 ist daher selbst dann kein Raum, wenn der Angeklagte die Befugnis nach § 234, sich vertreten zu lassen, nicht ausnutzt, RGSt. 64 244, 66 365, E b S c h m i d t 5, K l e i n k n M 4; c) bei Berufung gegen ein Urteil, das auf den Einspruch gegen amtsrichterlichen Strafbefehl oder auf den Antrag auf gerichtliche Entscheidung über den Strafbescheid eines Finanzamts ergangen ist, RGSt. 66 69, RG. JW. 1932 3114, KG. GA. 75 387, BayObLG. 32 106, 33 57, DRZ. 25 Nr. 54; d) Die Fälle, in denen das Auftreten eines mit besonderer schriftlicher Vollmacht (dazu BayObLG. NJW. 1956 838) ausgestatteten Verteidigers das Verfahren nach § 329 gegen den ausgebliebenen Angeklagten ausschließt, sind damit erschöpfend aufgezählt. Vgl. H a m m NJW.
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§329
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Asm. 8 1955 114. Hat die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt, so darf sich der Angeklagte stets durch einen schriftlich bevollmächtigtenVerteidiger vertreten lassen, E b S c h m i d t 17 (a. M. RGSt. 62 421). Dies folgt gemäß den §§ 332 mit 234 und 329 Abs. 1 zwingend daraus, daß in diesem Fall auch gegen den ausbleibenden Angeklagten verhandelt werden darf. Die Verfahrenslage ist also bei staatsanwaltschaftlicher Berufung anders als in den unter a—c angeführten Fällen. Bei ihnen hängt die Zulässigkeit des in § 329 Abs. 1 geregelten Verfahrens davon ab, daß die Befugnis zur Vertretung nicht wahrgenommen wird. Bei Berufung der StA. begründet umgekehrt die Tatsache, daß gemäß § 329 in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt wird, die Zulässigkeit der Vertretung, RG. HR. 7 Nr. 2090, 8 Nr. 80. Wegen des Umfanges der Vertretung beim Zusammentreffen der Rechtsmittel des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft bezüglich derselben Tat s. Anm. 10. 8. Berufung des Angeklagten. Sofortige Verwerfung. Sind die Voraussetzungen des § 329 erfüllt, so ist die Berufung des Angeklagten „sofort" zu verwerfen, E b S c h m i d t 14. Vorher hat das Berufungsgericht von Amts wegen die Zulässigkeit des Rechtsmittels (§ 322) zu prüfen und bei Fehlen einer Prozeßvoraussetzung das Verfahren einzustellen (vgl. RGSt. 63 17, RG. DRZ. 21 Nr. 211). Trotz Ausbleibens des Angeklagten ist das Verfahren also einzustellen, wenn eine andere rechtskräftige Entscheidung in derselben Sache ergangen ist; wenn der notwendige Strafantrag fehlt; wenn Verjährung eingetreten ist. Das „sofort" bedeutet nur, daß das Rechtsmittel im Falle des § 329 zu verwerfen ist ohne Erörterung etwa geltend gemachter Verstöße gegen Vorschriften über das Verfahren, ohne neue Ermittlung des den Gegenstand der Klage bildenden Sachverhalts und ohne weitere rechtliche Prüfung, also auch ohne Berichterstattung und ohne Beweisaufnahme, RGSt. 52 149, 59 277, 280, RG. DRZ. 21 Nr. 797, JW. 1981 1603 Nr. 69, D r e s d e n GA. 72 223, E b S c h m i d t 15. In Abweichung von § 245 unterbleibt also auch die Vernehmung geladener Zeugen ohne Prüfung, ob der Angeklagte hiermit einverstanden ist, RG. II 1128/32 vom 24.11.1932, E b S c h m i d t 15. Es wird überhaupt nicht zur Sache verhandelt. Daher ist für die Begründung des auf Verwerfung der Berufung nach § 329 lautenden Urteils nicht § 267 maßgebend, sondern die allgemeine Regel des § 34, E b S c h m i d t 13. Das Urteil muß sich mit den vorgebrachten und mit sonst in Betracht kommenden Entschuldigungsgründen auseinandersetzen und die Erwägungen, aus denen das Berufungsgericht die Gründe nicht genügen läßt, darlegen, so daß die Rechtsanwendung nachprüfbar ist. Die Verwendung eines Vordrucks mit den Gesetzesworten reicht dazu nicht aus, RGSt. 66 150, 62 420, RG. JW. 1981 3561 Nr. 26, O l d e n b u r g NRpfl. 1958 172, NJW. 1958 1933,Hamm JMBNRW. 1955 59, Celle MDR. 1955 184. Das Wesen des Urteils gemäß § 329 ist zweifelhaft. In der ersten Beratung der RTK. äußerten zwei Abgeordnete, aus dem Nichterscheinen des Angeklagten könne man den Verzicht auf das Rechtsmittel folgern (Hahn Mat. III 1 S. 1019, 1025). So auch KleinknM 8, H e n k e l 430 Anm. 6, E b S c h m i d t 13 (Versäumnisurteil). Da der Angeklagte aber immerhin rechtzeitig Berufung eingelegt hat, kann das nur so zu verstehen sein, daß das Nichterscheinen den Entschluß bekundet, das Rechtsmittel nicht durchzuführen. Die §§ 391 Abs. 2 und 3, § 412 Abs. 1 enthalten ähnliche Regelungen. Nach den Motiven S. 228 zum jetzigen § 412 ist beim Ausbleiben des Angeklagten, der rechtzeitig Einspruch gegen den Strafbefehl erhoben hat, zu vermuten, daß sein Vorgehen nur den Aufschub der Strafvollstreckung bezweckt. Damit wird anerkannt, daß die Vermutung der Unbegründetheit des Rechtsmittels in diesem Falle die Verwerfung durch Urteil ohne Beweisaufnahme nach sich zieht. Das RG. hat wiederholt ausgesprochen, die Berufung werde kraft der Vermutung verworfen, mit dem unentschuldigten Ausbleiben bekunde der Angeklagte den Willen zum Verzicht auf die weitere Verfolgung des Rechtsmittels, also zur Rücknahme, RGSt. 61 280, 64 246, 66 79. Einzelne Oberlandesgerichte schlössen sich dem an (Dresden HR. 6 Nr. 1186), wobei sie erklärten, § 329 sei unanwendbar, wenn der ausbleibende Angeklagte schriftlich mitteile, daß er auf der Berufung bestehe, D r e s d e n JW. 1982 1781 Nr.32. Diese Einschränkung übersieht die Unwiderleglichkeit der im § 329 an das unentschuldigte Ausbleiben geknüpften Vermutung der Unbegründetheit des Rechtsmittels. Vgl. auch Alsberg JW. 1926 1105. Gegen die Ansicht des RG. spricht, daß die Rücknahme eines Rechtsmittels nicht zur Verwerfung, sondern zur Erledigungserklärung führt, RGSt. 55 213, RG. II 337/33 vom 23. 3.1933. Der eigenartigen, dem Strafverfahren an sich fremden Regelung wird der folgende Gedankengang wohl am besten gerecht: erscheint der Angeklagte, der die Entscheidung des Berufungsgerichts in zulässiger Weise angerufen und dieses Verlangen aufrechterhalten hat, in
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§329 Anm. 9—11
der Verhandlung über seine Berufung nicht, obwohl sein Ausbleiben n a c h a l l e n U m s t ä n d e n , die amtlich zu erforschen sind, nicht genügend entschuldigt ist, so darf angenommen werden, daß er im Bewußtsein, die strafbare Handlung begangen und die verhängte Strafe verdient zu haben, nur die Vollstreckung hinhält. Dies aber enthebt das Gericht der Nachprüfung. Das Ausbleiben bestimmt, indem es den Schluß auf die U n b e g r ü n d e t h e i t des Rechtsmittels rechtfertigt, den Inhalt des Berufungsurteils. Die Berufung muß als unbegründet verworfen werden. Das auf § 329 Abs. 1 beruhende Verwerfungsurteil ist also ein eigenartiges strafrechtliches Versäumnisurteil, dem vergleichbar, das gemäß den §§ 542 Abs. 1, § 330 ZPO. gegen den nicht erschienenen Beklagten und Berufungskläger ergeht, und als solches ein Sachurteil, nicht bloßes Formalurteil, W e b e r JW. 1927 2079; a. M. RGSt. 65 231, wo sich das RG. mit den hier vertretenen Bedenken besonders befaßt; S c h n e i d e r 16; vgl. O e t k e r JW. 1938 3556, 1932 511. 9. Berufung der Staatsanwaltschaft. Soweit die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt hat, läßt § 329 (anders als nach § 230 Abs. 2) die Verhandlung in Abwesenheit des Angeklagten auch zu, wenn die zur Anklage stehende Tat mit einer härteren als der in § 232 Abs. 1 bezeichneten Strafe bedroht ist, RGSt. 65 235. Auch die Strafen gemäß § 233 Abs. 1 dürfen überschritten werden, BGHSt. 17 391, a. M. E b S c h m i d t 17, K l e i n k n M 10 C, S c h w a r z - D r e h e r 6 A. Jedoch muß das Berufungsgericht stets sorgfältig prüfen, ob die Vorführung oder Verhaftung nicht wegen der Beweislage, der vorrangigen Aufklärungspflicht (BGHSt. 17 391) oder der zu erwartenden Strafe unerläßlich ist (RGSt. 66 80), damit der Angeklagte ausreichend Gelegenheit zur Verteidigung erhält, RG. JW. 1928 417 Nr. 29, vor allem dann, wenn die Strafe höher ausfallen kann, E b S c h m i d t 19. Wird in Abwesenheit des Angeklagten verhandelt, so erlangt dieser dadurch die Befugnis (Anm. 7), sich durch einen mit besonderer schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten zu lassen, E b S c h m i d t 17. Tritt ein hinreichend ausgewiesener Verteidiger mit dem Antrag auf, das Ausbleiben aus bestimmten Gründen zu entschuldigen und die Verhandlung zu vertagen, so muß das Gericht eine ablehnende Entscheidung nach § 34 begründen und hierbei auf den vorgebrachten Entschuldigungsgrund eingehen. Ein Verstoß hiergegen kann die Revision nach § 336 begründen, RG. II 1401/31 vom 4. 4.1932. — Da § 303 auch im Fall des § 329 gilt, ist eine nach dem Beginn der Hauptverhandlung (Anm. 3) abgegebene Erklärung der Staatsanwaltschaft über Zurücknahme oder Beschränkung des Rechtsmittels mangels Zustimmung des Gegners unwirksam. Das Berufungsgericht muß die Sache demnach gemäß § 301 in vollem Umfang verhandeln und entscheiden, RGSt. 65 234, RG. JW. 1932 3112 Nr. 64, E b S c h m i d t 18. 10. Berufimg des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft. Haben beide Seiten Berufung eingelegt, so ist es zulässig,entweder in e i n e m Urteil über beide Rechtsmittel zu entscheiden oder die Berufung des Angeklagten vorweg (§ 329) zu verwerfen und dann erst über die der StA. zu entscheiden, RGSt. 65 231, 67 250, RG. DRZ. 21 Nr. 797, HR. 7 Nr. 2090, 8 Nr. 80, JW. 1932 2725 Nr. 23, BayObLGSt.17 113 und 1956 32, S t u t t g a r t NJW. 19611687,KG. HR. 4 Nr. 1077, D r e s d e n HR. 4 Nr. 806, JW. 1927 2079 Nr. 36, 1933 486 Nr. 32, K ö n i g s b e r g JW. 1982 966 Nr. 23, E b S c h m i d t 14, K l e i n k n M 8. Das RG. stützte diese Ansicht darauf, daß „das Gesetz in dem unentschuldigten Ausbleiben die stillschweigende Rücknahme der Berufung erblicke" (RG. HR. 8 Nr. 80) und die Verfahrenslage „in keiner Beziehung anders sei, als wenn der Angeklagte überhaupt keine Berufung eingelegt hätte oder wenn seine Berufung in Anwendung des § 322 durch Beschluß als unzulässig verworfen worden wäre", RGSt. 65 233. Hier ist der herrschenden Meinung beizutreten (a. M. noch die 20. Auflage). Ob gesonderte Behandlung der Berufungen zulässig war, hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen, BayObLGSt. 1956 32. 11. Revision. Wird Verletzung des § 329 I behauptet, so muß die Revision dies formgerecht (§ 344 II) rügen. Ob der Angeklagte im Berufungsverfahren unentschuldigt gefehlt hat,ist keine Verfahrensvoraussetzung für die Verwerfung der Berufung gemäß § 329 I und vom RevG. daher nicht von Amts wegen zu prüfen, BGHSt. 15 287 mit weit. Angaben, a. M. K a r l s r u h e MDR 1957 760. Die angeblich entschuldigenden Tatsachen braucht die Revision nicht einzeln anzugeben, B r e m e n NJW. 1962 881. Vgl. auch S a a r b r ü c k e n VRS. 1962 298. Die Feststellungen des Berufungsgerichts über die entschuldigenden oder nicht entschuldigenden Tatsachen binden das RevG., es kann sie nur in rechtlicher Beziehung prüfen, H a m m MDR. 1961 169 (Beerdigung der Mutter), RGSt. 61 175, 62 421, Recht 31 Nr. 237, JW. 1937 2050, 1931 1604, 1932 511, E b S c h m i d t 6. Die Rechtsbegriffe des Ausbleibens oder der nicht genügenden Entschuldigung
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§329
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Anni. 12 sind revisibel, RGSt. 59 279, 61 175, 62 421, 64 245, JW. 1930 938,1931 2834,1932 511. — Maßgebend ist es, ob der ausgebliebene Angeklagte nach Sachlage entschuldigt war, nicht, ob er sich genügend entschuldigt hat, E b S c h m i d t 12, F r a n k f u r t NJW. 1953 1036, B a y O b L G . 1956 838 mit weiteren Angaben. Dies hat das Berufungsgericht von Amts wegen zu erforschen, BayObLG. NJW. 1956 839. Die Behauptung, der Sache nach entschuldigt oder nicht entschuldigt gewesen zu sein, zielt auf rechtliche Nachprüfung dieser Begriffe ab, RGSt. 66 151, H a m b u r g GA. 72 146, HR. 5 Nr. 1186, S c a n z o n i JW. 1927 2050, M e z g e r JW. 1928 417. — Einzelfälle: Verkennung der Amtspflicht des Berufungsgerichts, zu erforschen, ob das Ausbleiben ausreichend entschuldigt ist. Das Berufungsgericht begnügt sich mit der Feststellung, der Ausgebliebene habe sich nicht ausreichend entschuldigt, RG. DRZ. 21 Nr. 810, H a m b u r g HR. 5 Nr. 1186, F r a n k f u r t NJW. 1953 1036 und oben; es begnügt sich ohne Amtsprüfung mit dem Verdacht der unwahren Entschuldigung, RG. HR. 5 Nr. 985; es begnügt sich nicht mit einem ausreichenden ärztlichen Zeugnis, weil es zu spät eingereicht worden sei und nicht vom Amtsarzt stamme, RG. DRZ. 21 798, B r e m e n MDR. 1955 184, S c h l e s w i g SchlHA. 1955 31; es verlangt Reiseunfähigkeit, obwohl erhebliche Gesundheitsgefährdung ärztlich glaubhaft gemacht ist, RG. JW. 1931 1604; es läßt gerichtsbekannte geistige Erkrankung des Angeklagten unberücksichtigt, K a r l s r u h e DRZ. 24 Nr. 62; es begründet das Verwerfungsurteil nur formularmäßig, B r e m e n NJW. 1962 881. Daß der Angeklagte nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt hatte, macht die Revision nicht unzulässig, D r e s d e n H R 4 Nr. 97. War die Berufung gemäß § 329 als unbegründet verworfen worden und macht die Revision demgegenüber Verletzung des sachlichen Rechts geltend, so kann die Revision bei Verjährung, Niederschlagung oder Erledigung durch ein anderes rechtskräftiges Urteil dennoch nicht als unzulässig, sondern nur als unbegründet verworfen werden, RG. DRZ. 21 Nr. 211. Hebt das RevG. ein nach § 329 ergangenes Urteil auf, so darf es das Urteil erster Instanz sachlichrechtlich nicht prüfen, dies ist Sache des Berufungsgerichts, RGSt. 59 280. 12. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Abs. 2). a) Form des Antrages. Die Wiedereinsetzung setzt einen formgerechten (§ 45) Antrag des Angeklagten voraus, der an das Berufungsgericht zu richten ist. Die Antragsfrist beginnt mit Zustellung oder Ersatzzustellung (BGHSt. 11 155, BayObLGSt. 1957 79, Celle NJW. 1957 1449,1960 930, auch durch Niederlegung bei der Post) des gemäß § 329 ergangenen Urteils (§ 329 Abs. 2). Die Fristberechnung richtet sich nach den §§ 42, 43. Wiedereinsetzung ist zulässig bei Urteilen, welche die Berufung des Angeklagten gemäß § 329 verwerfen, aber auch gegenüber Urteilen, die auf Berufung der Staatsanwaltschaft hin nach Sachverhandlung ergehen, RGSt. 61 181, E b S c h m i d t 20, K ö r n e r JW. 1929 2991. Im letzten Fall kommt es nicht darauf an, ob das Berufungsgericht das Ersturteil zugunsten, zuungunsten des Angeklagten oder überhaupt nicht geändert hat. War der Angeklagte vom Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden worden (§§ 332 mit 233 Abs. 2), so hat er keinen Anspruch auf Wiedereinsetzung. Der Grundsatz, daß ein Rechtsbehelf des Betroffenen so auszulegen ist, wie er am ehesten Erfolg verspricht (Vorb. Rechtsmittel B 8e), gilt auch für den Wiedereinsetzungsantrag. Einer Eingabe des Angeklagten, gegen den ein Urteil gemäß § 329 ergangen ist, kann entnommen werden, daß er vor allem Wiedereinsetzung gemäß Abs. 2 erstrebt und Revision nur für den Fall einlegen will, daß Wiedereinsetzung abgelehnt wird (s. § 342 Abs. 2), KG. HR. 6 Nr. 1571. b) Begründung des Antrags. Der Antrag auf Wiedereinsetzung kann gemäß § 44 nur darauf gestützt werden, daß der Angeklagte durch Naturereignisse oder andere unabwendbare Zufälle am E r s c h e i n e n gehindert worden sei (s. Anm. 2). Ob er gehindert war, sich rechtzeitig ausreichend zu e n t s c h u l d i g e n , ist ohne rechtliche Bedeutung, Hamm JMBNRW. 1954 264, M ü n c h e n MDR. 1957 761. Ein Wiedereinsetzungsgrund ist nicht vorhanden, wenn die Versäumung durch rechtzeitigen Verlegungsantrag hätte abgewendet werden können, dies aber schuldhaft versäumt worden ist, KG. GA. 73 293; oder wenn sich der Angeklagte wegen der Terminszeit auf Angaben eines Angestellten verläßt, N e u s t a d t GA. 1955 378 (sicherlich Tatfrage). Anderseits kommt es nicht darauf an, ob der Säumige an rechtzeitiger Entschuldigung gehindert war, BayObLGSt. 33 58, denn es steht dem Angeklagten frei, ob er sich vor der Verhandlung entschuldigen oder ob er nach Erlaß des Urteils gemäß § 329 Wiedereinsetzung beantragen will, KG. GA. 71 351, 73 293, BayObLG. DRZ. 23 Nr. 52, S t u t t g a r t GA. 72 152, E b S c h m i d t 23, a. M. M e i s t e r MDR. 1949 78. Der nicht ordnungsgemäß geladene, als säumig behandelte Angeklagte kann mangels eines anderen Rechtsmittels Wiedereinsetzung bean-
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§330 Anm. 1—8
spruchen, M ü n c h e n HRR. 1938 Nr. 427. Das Recht des Angeklagten im Privatklageverfahren, sich vertreten zu lassen, steht der Wiedereinsetzung wegen unverschuldeter Säumnis nicht entgegen, KG. DRZ. 21 Nr. 228. Vgl. im übrigen § 44. Der Antrag auf Wiedereinsetzung kann nicht auf Tatsachen gestützt werden, die das Berufungsgericht bei Prüfung des entschuldigten Ausbleibens als ungeeignet befunden hat. Das darin liegende Werturteil kann nur mit Revision bekämpft werden, K a s s e l DRZ. 22 Nr. 358, D r e s d e n DStR. 1939 65, Celle NRpfl. 1955 220, E b S c h m i d t 24. Ist unabwendbarer Zufall im Beschwerdeverfahren verneint worden, so kann gleichwohl mit der Revision Verletzung des § 329 gerügt werden, KG. HR. 6 Nr. 756, jedoch nur im Rahmen der Bindung des Revisionsgerichts an erstrichterliche Feststellungen. Abs. 2 des §45 trifft bei §329 nicht zu, R o s t o c k GA. 40 185. Verspäteter Eingang der Berufungsrücknahme rechtfertigt keine Wiedereinsetzung, BayObLGSt. 1957 63. c) Die Wiedereinsetzung stellt die Rechtslage her, die vor der Säumnis bestand. Das gemäß § 329 Abs. 1 ergangene Säumnisurteil wird mit Wiedereinsetzung ohne weiteren besonderen Ausspruch hinfällig, RGSt. 61 180, 65 233, E b S c h m i d t 20. d) Zusammentreffen mit Revision. Wird mit dem Gesuch um Wiedereinsetzung zugleich Revision eingelegt (s. Anm. 12 a am Ende), so ist die Revision bei Verwerfung des Gesuchs um Wiedereinsetzung nunmehr zu begründen. Darüber § 342 Anm. 2, a. M. Celle NJW. 1959 2177, RG. JW. 1981 1617 Nr. 77. Wird Wiedereinsetzung gegen Versäumung der Verhandlung gewährt, so erledigt sich dadurch die zugleich eingelegte Revision, RGSt. 61 180, 65 233.
§ 330 Ist von dem gesetzliehen Vertreter die Berufung eingelegt norden, so hat das Gericht auch den Angeklagten zu der Hauptverhandlung vorzuladen und kann ihn bei seinem Ausbleiben zwangsweise vorführen lassen. Entstehungsgeschichte: I., II. und III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: §371. Änderungsvorschläge: NE I und II § 324 Abs. 2, 326 Abs. 3. NE I I I § 315 Abs. 2. Neufassung: VereinhG. vom 12. 9.1950 (BGBl. S. 455), Art. 3 Nr. 140. 1. Berufung des gesetzlichen Vertreters. An sich führt unentschuldigtes Ausbleiben des Beschwerdeführers, auch wenn er der gesetzliche Vertreter des Angeklagten ist, nach § 329 unter den übrigen Voraussetzungen dieser Vorschrift zur sofortigen Verwerfung der Berufung. Diese Rechtsfolge tritt ein, wenn er und der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung unter Hinweis auf die Folge gemäß § 329 unentschuldigt ausbleiben (§ 323 Anm. 4, § 329 Anm. 4). Sie tritt nicht ein, wenn zwar der Beschwerdeführer ausbleibt, der Angeklagte aber erscheint. Denn die selbständige Rechtsmittelbefugnis gemäß § 298 kann nur im Interesse des Angeklagten ausgeübt werden. Dieser kann es gerade deshalb unterlassen haben, selbst Berufung einzulegen. Daher ist es gerechtfertigt, daß das Erscheinen des Angeklagten die Verwerfung der Berufung gemäß § 329 stets ausschließt (§ 298 Anm. 5), E b S c h m i d t 3, K l e i n k n M . l c . Der NE II § 326 Abs. 3 erkennt dies ausdrücklich an. Vgl. auch Begr. S. 183 zum NE II. Bleibt nur der Angeklagte trotz ordnungsgemäßer Ladung aus, so ist je nach Sachlage (§244 Abs. 2) seine Vorführung anzuordnen oder, soweit zulässig, ohne ihn zu verhandeln und zu entscheiden. Seine Verhaftung darf nicht angeordnet werden, anders als bei § 329 Abs. 1, weil nicht er das Rechtsmittel eingelegt hat, K l e i n k n M l d . Entfernt sich der Beschwerdeführer oder der Angeklagte nach Beginn der Hauptverhandlung zur Sache, so gelten die allgemeinen Regeln (§ 329 Anm. 3). § 329 ist dann nicht mehr anwendbar. 2. Vertretung des Beschwerdeführers. Die Beschwerdeführer gemäß § 298 dürfen sich stets durch einen besonders bevollmächtigten Rechtsanwalt vertreten lassen, weil kein hinreichender Grund für ihre Anwesenheit als Rechtsmittelführer besteht (NE I und II § 324 Abs. 2, NE I I I § 315 Abs. 2). Auch entsprechende Vertretung des Angeklagten ist unbeschadet der Zulässigkeit der Vorführung statthaft (§ 329 Anm. 7). 3. Wegen des verhafteten Angeklagten s. § 329 Anm. 5.
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§ 330 Anm. 4 § 331 Anm. 1
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4. Zustellung des Urteils. Dem Angeklagten, auch wenn er nicht Beschwerdeführer ist, muß ein in Abwesenheit ergangenes Urteil zugestellt werden, auch damit er Rechte aus § 329 Abs. 2 ausüben kann. Hat der Beschwerdeführer (§ 298) der Verkündung nicht beigewohnt, so ist das Urteil auch ihm zuzustellen. Vgl. § 268. Die Frist zur Einlegung der Revision kann für Beschwerdeführer und Angeklagten daher verschieden laufen (§ 341). Die auf die Frist bezügliche Vorschrift des § 298 (dort Anm. 4) gilt hier nicht.
§331 (1) Das Urteil darf in Art und Höhe der Strafe nicht zum Naehteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Berufung eingelegt hat. (2) Diese Vorschrift steht der Anordnung der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt nicht entgegen. Entstehungsgeschichte: I., II. und III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: § 372. Änderungsvorschläge: NE I und II § 330. NE III § 320. Spätere Änderungen: G. vom 28. 6.1935 (RGBl. I S. 844). VereinhG. vom 12.9.1960 (BGBl. I S. 465, 629), Art. 3 Nr. 141. Absatz 2: Fassung durch das AusfG. zum GewVerbrG. vom 24.11. 1933 (RGBl. I S. 1000). Übersicht: 1. 2. 3. 4.
Verschlechterungsverbot Sperrwirkung Verzichtbarkeit ? Strafverschlechterung a) Strafart b) Strafhöhe c) Untersuchungshaft d) Kostenentscheidung e) Gesamtstrafe 6. Verschlechterungsverbot und sichernde oder bessernde Maßregeln gemäß § 42 a StGB. 6. Nebenstrafen, Nebenfolgen, sichernde Maßregeln außerhalb des § 42 a StGB.
a) b) c) d) e) f)
Einziehung gemäß § 40 StGB. Ehrenrechtsverlust Urteilsbekanntmachung Befristete Amtsunfähigkeit Verfallerklärung Sichernde Maßregeln außerhalb des § 42a StGB. Nebenfolgen ohne Strafcharakter. Einziehung. Aberkennung der Eidesfähigkeit. Unbrauchbarmachung. Buße. Mehrerlös 7. Strafaussetzung zur Bewährung 8. Verfahrensfragen
Schrifttum: K l e i n f e i l e r GerS. 38 579, B r a c h v o g e l ZStW. 13 206, B i n d i n g , Grundr. § 122, N o r d e n ZStW. 29 781, G e r b e r , Strafr. Abh. Heft 165,1913, L a u c k n e r , Zur Geschichte und Dogmatik der reformatio in pejus, Strafr. Abh. Heft 171,1914, S ch warz JW. 1935,3345, DJZ. 1936 209, Graf zu D o h n a 188, W. S c h m i d t , Das Für und Wider die strafrechtliche reformatio in pejus, JR. 1950 193, Müller DRZ. 1947 101, S e i b e r t MDR. 1954 340, B r u n s , Sichernde Maßnahmen und Verschlechterungsverbot, JZ. 1954 730, P o t r y k u s NJW. 1955 927 (zum Jugendstrafrecht), P e t e r s e n NJW. 1961 348 (zum Jugendstrafrecht), Hellmer JZ. 1956 714 (zu § 23 StGB.), K a u f m a n n JZ. 1958 297 (zu § 23 StGB.), P e t e r s JZ. 1957 479. 1. Verschlechterungsverbot. Die Vorschrift enthält das Verbot der Strafverschlechterung. Sie deckt sich nunmehr mit den §§ 358 Abs. 2, 373 Abs. 2. Die frühere Verschiedenheit im Wortlaut beruhte darauf, daß § 358 Abs. 2 bereits im Entwurf stand, während § 331 erst von der RTK. aufgenommen worden ist, RGSt. 9 324, 25 398, RG. Recht 6 400, BayObLGSt. 15 108. Die Vorschrift will den Angeklagten davor schützen, daß das Berufungsgericht ein Urteil, das nur zu seinen Gunsten angefochten worden ist, „in Art und Höhe der Strafe" zu seinem Nachteil ändert, eine Befürchtung, die ihn sonst abhalten könnte, das für notwendig erachtete Rechtsmittel einzulegen, BGHSt. 11 323, 7 86. Das Für und Wider dieser Regelung ist hier nicht zu erörtern. Daß sich ein derartiges Verschlechterungsverbot zwangsläufig aus dem Rechtsstaatgedanken ergebe, läßt sich jedenfalls nicht sagen, VerfGH. München NJW. 1959 285. §331 enthält auch keinen besonderen Strafrahmen (a. M. noch KG. GA. 75 337). Auch ist es zweifelhaft 1276
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§331 Aum. 2
und strittig, ob sich sagen läßt, das Verbot schaffe teilweise und einseitige Rechtskraft der verhängten Strafe ausschließlich zugunsten des Angeklagten (so BGHSt. 11 322, RGSt. 67 64, BayObLGSt. 1952 66, P e t e r s JZ. 1957 483, § 301 Anm. 1, 3 und die 20. Aufl.). Jedenfalls liegt eine Sperrwirkung der verhängten Strafe zugunsten des Verurteilten vor. Zum Wesen der Rechtskraft gehört es, daß sie, soweit sie eingetreten ist, gegen jedermann wirkt, nicht nur zugunsten des Angeklagten, und außerdem, daß sie, soweit sie reicht, jede Überprüfung des Ersturteils ausschließt, also auch Nachprüfung der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Feststellungen und ihrer rechtlichen Beurteilung. In den Fällen des § 331 trifft alles dies nicht zu. Auch die zugunsten des Angeklagten oder von ihm selbst eingelegte unbeschränkte Berufung verpflichtet das Berufungsgericht, die gesamte Tat selbständig zu beurteilen, wie auch sonst im Berufungsverfahren (RGSt. 62 402). Demgemäß hat es über die Schuldfrage neu zu entscheiden, also etwa wegen Diebstahls statt wegen Unterschlagung zu verurteilen, oder wegen Verbrechens statt wegen Vergehens, wegen eines schwerere statt leichtere Strafe androhenden Gesetzes, oder wegen Tatmehrheit statt Tateinheit. Nur die verhängte Strafe darf es nicht erhöhen oder verschärfen. Vgl. RGSt. 25 3 9 7 , 5 6 1 1 9 , 6 2 97,130, 216, 402, 65 63,67 217. Jetzt allgemeine Meinung. Das Verschlechterungsverbot betrifft also ausschließlich die Strafe, nicht die Kostenentscheidung, BGHSt. 5, 52, und es führt zur Beibehaltung der erkannten Strafe, auch wenn der geänderte Schuldspruch an sich höhere Strafe erlauben oder erfordern würde, RGSt. 62 82, 67 64, BayObLG. J R . 1955 472. Wird nur der Strafausspruch angefochten, so wird der Schuldspruch rechtekräftig, jedoch nicht kraft des § 331, sondern gemäß § 316. Hiernach wird K l e i n k n M l c und E b S c h m i d t 3 darin zuzustimmen sein, daß das Verschlechterungsverbot der Teilrechtskraft ähnelt, jedoch wesensverschieden von ihr ist und nur hindert, trotz vollständiger Überprüfung des angefochtenen Urteils eine sonst zulässige höhere Strafe festzusetzen. Keine Strafverschlechterung liegt hiernach darin, daß das Ersturteil wegen sachlicher Unzuständigkeit des Amtsgerichts aufgehoben (§ 328 Abs. 3) und die Sache an ein Gericht höherer Ordnung verwiesen wird, RGSt. 8 307. Auch dieses Gericht hat den § 331 zu beachten. Dasselbe gilt für Zurückverweisung an den Erstrichter gemäß § 328 Abs. 2, RGSt. 66 353, E b S c h m i d t 7. Das Verschlechterungsverbot bezieht sich ausschließlich auf die verhängte Strafe (darüber Anm. 4). Es gilt zwar auch bei erschwertem Schuldspruch, jedoch dann nicht, wenn der Angeklagte eine fortgesetzte oder Dauerstraftat nach Verkündung des nunmehr angefochtenen Ersturteils fortgesetzt hat, BGH. J Z . 1957 479. § 331 kann nach seinem Zweck (s. oben) nicht bewirken, daß eine abgeurteilte Straftat während der Dauer des Berufungsverfahrens straflos fortgesetzt werden kann. Daher hat das RG. das Ersturteil ohne Rücksicht auf die Vorstellung des Täters und seinen Willen als rechtlichen Endpunkt der fortgesetzten Tat betrachtet (vgl. RGSt. 42 372, 49 353, 66 49), so daß das Berufungsgericht weitere Tatakte als neue, selbständige Tat abzuurteilen habe und insoweit durch § 331 an neuer Straffestsetzung nicht gehindert sei. Abweichend hiervon besagt BGHSt. 9 324, der neue Tatrichter müsse derartige weitere Tatakte bei der neuen Entscheidung noch mit berücksichtigen, andernfalls stehe späterer Verfolgung Art. 103 Abs. 3 GG. entgegen. Das Verschlechterungsverbot gelte jedoch nur für den zeitlich vor dem Ersturteil liegenden Teil der fortgesetzten Tat, nicht für den späteren. Ob dem beizutreten ist, ist bei § 3 6 8 zu erörtern (beachtliche Kritik bei P e t e r s J Z . 1957 482). Hinsichtlich des § 3 3 1 stimmen die Ansichten im Ergebnis überein. Vgl. dazu § 264 und T ü b i n g e n N J W . 1953 1605. 2. Sperrwirkung. Das Verbot der Strafverschlechterung greift ein, wenn lediglich der Angeklagte, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Berufung eingelegt hat (Abs. 1). In Betracht kommt daher auch Berufung des Verteidigers (§ 297) und des gesetzlichen Vertreters (§298). Ob die Berufung der Staatsanwaltschaft zugunsten des Angeklagten eingelegt ist (§ 296 Abs. 2, s. dort), ist nach dem Gesamtinhalt des Erklärten zu beurteilen, nicht nach Umständen außerhalb dieser Erklärungen, BGHSt. 2 41, RGSt. 5 218, also nicht nach ihrem übrigen Verhalten im Verfahren, etwa nach ihrem Schweigen auf eine Erklärung des Verteidigers. Leider stellt die StPO. für die Staatsanwaltschaft insoweit keinen Erklärungszwang auf, obwohl schon mit Rücksicht auf § 302 Abs. 1 dringend zu fordern ist, daß sich die Staatsanwaltschaft über die Richtung ihres Rechtsmittels deutlich erklärt. Die Vorschrift des § 331 belegt diese Notwendigkeit ebenfalls. Ist die Richtung der Berufung trotzdem nicht näher erläutert, so wird das Rechtsmittel, wenn auch sein Inhalt nichts hierüber ergibt, nicht als nur zugunsten des Angeklagten eingelegt gewertet werden können. Nach § 301 wirkt jedes Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft auch zugunsten des Beschuldigten (RGSt. 45 64). Hatte die StA. das Rechtsmittel
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§331 Anm. 3, 4
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
zuungunsten des Angeklagten eingelegt, hat es jedoch n u r zugunsten des Angeklagten Erfolg gehabt, so gilt § 331 ebenfalls, BGHSt. 13 41, RGSt. 45 64, P e t e r s 449. § 331 greift auch ein, wenn beide Seiten Berufung einlegen, diejenige der Staatsanwaltschaft aber verworfen wird, RGSt. 46 64. Ein verworfenes Rechtsmittel wirkt nicht zum Nachteil des Angeklagten und beseitigt den Rechtsvorteil des § 331 nicht. Es liegt so, als ob der Angeklagte von vornherein allein Berufung eingelegt hätte. Ein Antrag des Staatsanwalts in der Berufungsverhandlung, das Ersturteil aufrecht zu erhalten, zielt auf Sachentscheidung ab und enthält daher keine Zurücknahme der Berufung, RG. III 63/31 vom 2. 3.1931, H a m b u r g NJW. 1953 1726. Ficht der Angeklagte den Schuldspruch an, die Staatsanwaltschaft zu seinen Ungunsten nur das Strafmaß, so erlangt § 331 insoweit Bedeutung, als das Berufungsgericht nur bis zur oberen Strafgrenze des vom Erstrichter angewandten Strafgesetzes gehen darf, RGSt. 62 404, RG. HR. 4 Nr. 2071. Hat der Nebenkläger zulässigerweise Berufung eingelegt, so gilt das Verschlechterungsverbot auch dann nicht, wenn das Berufungsgericht, entgegen dem Erstrichter, ein Strafgesetz anwendet, das an sich nicht zur Nebenklage berechtigt, RGSt. 65 62, 131, RG. HR. 9 Nr. 265, BGHSt. 13 143 (versuchter Mord statt gefährlicher Körperverletzung). 3. Verzichtbarkeit 1 Nach Zweck und Sinn des Verschlechterungsverbotes, die weniger im Rechtsstaatlichen als im Psychologischen liegen, dürfte es anzuerkennen sein, daß der Angeklagte aus persönlichen Gründen ausdrücklich auf die Wirksamkeit des Verbots des § 331 verzichten kann, S e i b e r t MDR. 1954 341, K l e i n k n M l f . Nur bei Annahme eines solchen zulässigen Verzichts erscheint das Urteil BGHSt. 5 312 haltbar, wonach es zulässig sein soll, die gesetzlich unzulässige Unterbringung nach § 42 b StGB, durch Sicherungsverwahrung zu ersetzen, der der Angeklagte, der allein Revision eingelegt hat, aus persönlichen Gründen den Vorzug gibt (eine Verfahrenslage, die in anderer Form auch im Berufungsverfahren auftreten kann). Die vom 4. StS. gegebene Begründung setzt sich über das Verbot des § 358 Abs. 2 mit unzutreffender Begründung hinweg, indem sie ihr angebliches Ergebnis als Widersinn bezeichnet. Dagegen mit überzeugenden Gründen E b S c h m i d t 23. Den Verzichtsgedanken erörtert das Urteil nicht. Wird er abgelehnt, so mußte die Unterbringung nach § 42 b als rechtsfehlerhaft aufgehoben und es bei der Bestrafung belassen werden. Sicherungsverwahrung kam nach § 358 Abs. 2 nicht mehr in Betracht. Gegen dieses Ergebnis hätte der Angeklagte zweifellos nichts einzuwenden gehabt. Es verkehrt auch nicht, wie der 4. StS. meint, die Rechtswohltat des § 358 Abs. 2 in ihr Gegenteil. Zu der Entscheidung s. D a l i i n g e r MDR. 1954 334, S a r s t e d t Anm. 315, S e i b e r t MDR. 1954 341, B r u n s JZ. 1954 731 (grundsätzlich). 4. Strafverschlechterung. Vgl. Anm. 1. Das Berufungsgericht darf weder die Strafart verschärfen noch die vom Erstrichter erkannte Strafe erhöhen oder eine weitere Nebenstrafe oder Nebenfolge hinzufügen. Das Verschlechterungsverbot gilt nach herrschender, zutreffender Ansicht auch für sämtliche Nebenfolgen ohne Rücksicht auf ihre Eigenschaft als Nebenstrafe, als Maßregel der Sicherung, Besserung oder Wiedergutmachung. Näheres darüber unten. Nur die Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt (§ 42b StGB.), Trinkerheilanstalt oder Entziehungsanstalt (§ 42 c StGB.) ist gemäß ausdrücklicher Vorschrift des §331 Abs. 2 von dem Verschlechterungsverbot ausgenommen, weil diese Maßnahmen vom Standpunkt des Gesetzes aus nur dem wohlverstandenen Interesse des Betroffenen dienen. Abs. 2 erlaubt jedoch nicht den Gegenschluß, daß das Verschlechterungsverbot nur die Strafe und solche Tatfolgen betreffe, die als Strafe verhängt werden (etwa die Einziehung gemäß § 40 StGB), während alle vorbeugenden und sichernden Maßnahmen, die nicht zugleich Strafe sind, zulässig blieben (strittig). Vielmehr besteht der Sinn des Verschlechterungsverbots darin, jede nicht ausdrücklich zugelassene Schlechterstellung des Beschwerdeführers außerhalb des Schuldspruchs auszuschließen, BGHSt. 4 157 (nach BGHSt. 5 178, RGSt. 67 215), Sicherungsmaßregeln polizeilicher Art allerdings ausgenommen. Kritisch dazu B r u n s JZ. 1954 733 und GA. 1954 163. Näheres unten. Das Verschlechterungsverbot besagt anderseits nicht, daß das Berufungsgericht die Strafe deshalb ermäßigen müsse, weil es den Schuldspruch mildert, solange auch der neue Strafrahmen die verhängte Strafe noch rechtfertigt, D r e s d e n SächsA. 6 370 (s. die folgenden Beispiele). Es verstößt nicht gegen das Verschlechterungsverbot, wenn das Landgericht nach Zurückverweisung einen fehlerhaften Zusatz über bedingten Straferlaß durch ein Straffreiheitsgesetz im neuen Urteil wegläßt, BGH. LM. § 358 Nr. 15. Unterläßt der Tatrichter irrig in der Formel den in den Urteilsgründen ausgeführten Freispruch zu einzelnen Anklagepunkten, so ist für § 358 Abs. 2 auch insoweit von einem Freispruch auszugehen, H a m m NJW. 1956 234. Nimmt das Ersturteil eine
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Dritter Abschnitt. Berufung (Jagusch)
§331 Anm. 4
Antragstat an, so steht § 331 der Verurteilung wegen eines Offizialdelikts auch dann nicht entgegen, wenn sich der Mangel des Antrags erst im Berufungsverfahren herausstellt, RGSt. 65 246. Wäre die abgeurteilte Tat unter dem vom Erstgericht angenommenen rechtlichen Gesichtspunkt verjährt, so kann das Berufungsgericht den Schuldspruch trotz § 331 auf ein Gesetz gründen, das Verjährung noch nicht rechtfertigt, RG. HR. 6 Nr. 685. Hatte das Rechtsmittelgericht ein früheres Verfahren wegen Verfahrenshindernisses eingestellt, so hindert § 331 nicht, daß in dem neuen Verfahren wegen derselben Tat höhere Strafe verhängt wird, KG. HR. 7 Nr. 1499. a) Strafart. Maßgebend ist die gesetzliche Strafenfolge. Freiheitsstrafe darf daher durch Geldstrafe ersetzt werden, mag diese auch als drückender empfunden werden, nicht jedoch umgekehrt, RGSt. 2 205, 66 203, RG. LZ. 21 1145. Zu § 27 b StGB. s. Anm. 4b. — Jugendstrafe ist im Sinne des Verschlechterungsverbots nicht milder als Gefängnisstrafe, BGH. NJW. 1956 681 (vgl. § 92 Abs. 2 JGG.). Bei der Vergleichung von bestimmter und unbestimmter Jugendstrafe entscheidet das Höchstmaß der unbestimmten Jugendstrafe, H a m b u r g NJW. 1960 1970. War für zwei Straftaten auf Gesamtgefängnisstrafe erkannt worden und wird das Urteil hinsichtlich einer der Taten aufgehoben, so darf, wenn insoweit demnächst auf Jugendstrafe erkannt wird, deren Dauer zusammen mit der rechtskräftigen Gefängnisstrafe die Dauer der früheren Gesamtstrafe nicht übersteigen, BGH. NJW. 1956 681. Abführung von Mehrerlos ist stets milder als Gefängnis, auch wenn inzwischen ein Straffreiheitsgesetz eingreift und daher nunmehr nicht mehr zu Gefängnis verurteilt werden kann, B r a u n s c h w e i g NRpfl. 1951 52. Mildert das Berufungsgericht Gefängnisstrafen in Geldstrafen, so darf die Summe der Ersatzfreiheitsstrafen die frühere Gesamtstrafe nicht übersteigen, BayObLGSt. 1952 239. Das Verschlechterungsverbot gilt auch, wenn sich eine fortgesetzte Tat im Berufimgsverfahren als umfangreicher darstellt als bei dem Erstrichter, RGSt. 67 63, jedoch dann nicht, wenn die weiteren Tatakte während des Berufungsverfahrens begangen worden sind (darüber Anm. 1 am Ende). § 331 kann zur Verhängung einer Strafe unterhalb der unteren Strafgrenze des vom Berufungsgericht angewandten Strafgesetzes führen, RGSt. 62 82, 65 63, D r e s d e n JW. 1930 332 Nr. 2, O l d e n b u r g MDR. 1956 630. Die Vorschrift ist auch zu berücksichtigen bei Verwerfung gemäß § 329 Abs. 1 (RG. JW. 1931 1603 Nr. 59) und bei Anwendung des § 357 (s. dort, O e t k e r JW. 1931 2525 Anm. 19). War ein Strafausspruch wegen Verwendung eines unzulässigen Straferhöhungsgrundes aufgehoben worden, so darf trotz § 331 mit zutreffender Begründung dieselbe Strafe verhängt werden, RG. DRZ. 22 Nr. 25. War im Ersturteil versehentlich keine Ersatzfreiheitsstrafe ausgesprochen worden, so darf das Berufungsgericht dies nachholen, da sonst § 459 anzuwenden wäre, BGH. LM. Nr. 2. Dagegen darf die verhängte Ersatzfreiheitsstrafe nicht erhöht werden, K ö l n DAR. 1957 109, RG. HR. 3 Nr. 184. Eine vergessene Einzelstrafe darf nachträglich festgesetzt werden, jedoch muß es bei der bisherigen Gesamtstrafe bleiben, BGHSt. 4 345. Statt Zuchthausstrafe darf das neue Urteil Gefängnis von längerer Dauer im Rahmen des Maßstabes des § 21 StGB, verhängen, BGHSt. 2 96, RGSt. 40 412, E b S c h m i d t 10. A. M. K ö l n NJW. 1959 161; diese Entscheidung ist jedoch abzulehnen, sie ist unpraktikabel und berücksichtigt nicht die in LM. Nr. 1 angeführten Gesichtspunkte. Maßgebend muß ungeachtet der Vollzugsweise der gesetzliche Maßstab sein, solange er besteht. Statt Gefängnis darf auf Haftstrafe erkannt werden, jedoch nicht auf höhere als bisher, H a m m NJW. 1957 1889. — War im früheren Urteil unter Verletzung des § 29 Abs. 1 Satz 1 als Ersatzfreiheitsstrafe Gefängnis statt Zuchthaus festgesetzt, so darf nunmehr unter entsprechender Kürzung (§ 21 StGB.) Zuchthaus festgesetzt werden, RGSt. 62 186. War auf Zuchthaus ohne Nebenstrafe erkannt worden, so darf das neue Urteil nach KG. GA. 49 277, J R . 1934 HRR. Nr. 1649 auf Gefängnis und Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter lauten. War neben Gefängnisstrafe mit unrichtiger Begründung Geldstrafe verhängt worden, so darf die Gefängnisstrafe nicht erhöht, die Geldstrafe aber mit zutreffender Begründung aufrecht erhalten werden. Hat der Erstrichter bei einer militärischen Straftat, die mit Gefängnis, Einschließung oder Strafarrest bedroht ist, auf Gefängnis von weniger als einem Monat erkannt und hat nur der Angeklagte Berufung eingelegt, so muß nunmehr auf Strafarrest erkannt werden. Die Dauer darf diejenige der früheren Gefängnisstrafe nicht überschreiten, BayObLG. NJW. 1958 876. War der Angeklagte zu Wertersatz als Mitschuldner verurteilt worden, und ist der Mitverurteilte vor Rechtskraft gestorben, so darf der Angeklagte nunmehr als Alleinschuldner verurteilt werden, RG. III 1045/31 vom 25.1.1932. War irrig auf Einziehung eines Miteigentumsanteils des Angeklagten erkannt, obwohl dieser Eigentümer ist, so darf dies berichtigt werden, §331 steht nicht entgegen, BGH. LM. Nr. 3. Wegen Geldstrafe und Ersatzgeldstrafe (§27b StGB.) s. Anm. 4b. 81
L S w e - K o s e n b e r g , StPO. 21. Aufl.
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§331
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 4 b) Strafhöhe. Bei gleicher Strafart darf das bisherige Strafmaß nicht überschritten werden, auch nicht, wenn jetzt ein Strafgesetz mit höherer Strafuntergrenze angewandt wird, so daß unter Umständen auch § 18 Abs. 1 JGG. zurücktritt und auf weniger als sechs Monate Jugendstrafe zu erkennen ist, O l d e n b u r g NJW. 1956 1730, L a c k n e r GA. 1955 37, K l e i n k n M 3b, a. M. P o t r y k u s NJW. 1956 656. Hatte das Rechtsmittelgericht nur zur Prüfung zurückverwiesen, ob der Strafzweck durch Geldstrafe zu erreichen sei (§27b StGB.), so ist das neu erkennende Gericht an die Einzelfreiheitsstrafen und an die Gesamtstrafe gebunden, RG. JW. 1932 60 Nr. 19. Aufgehobene Freiheitsstrafe begrenzt die neu zu verhängende Freiheitsstrafe; Geldstrafe wird nur insoweit begrenzt, als ihre Ersatzfreiheitsstrafe die frühere Freiheitsstrafe nicht übersteigen darf, D r e s d e n JW. 1927 2080, K i e l SchlHA. 1949 138. War früher auf Geldstrafe erkannt, so darf jetzt Wertersatzstrafe hinzutreten, wenn beide zusammen die frühere Geldstrafe nicht überschreiten, OGHSt. 2 187. War auf zwei Monate Gefängnis erkannt worden, war die Mindeststrafe jedoch drei Monate, so darf § 27 b StGB nicht angewandt werden, weil drei Monate Gefängnis v e r w i r k t sind, wenn sie auch wegen § 331 nicht mehr verhängt werden dürfen, K l e i n k n M 3b. Sind für dieselbe Tat zwei Geldstrafen nebeneinander festzusetzen, so darf bis zur Höhe der Gesamtsumme die eine ermäßigt, die andere dafür erhöht werden, RG. HR. 3 Nr. 670 (zweifelhaft, s. etwa RGSt. 67 236). Fällt eine Einzelstrafe weg, so zwingt §331 doch nicht zur Ermäßigung der Gesamtstrafe, BGHSt. 7 87. War auf Gefängnis und Geldstrafe erkannt, so soll die Geldstrafe bei entsprechender Herabsetzung der Gefängnisstrafe im neuen Urteil erhöht werden dürfen, S c h l e s wig SchlHA. 1949 138, RG. II 467/24 vom 23. 6.1924. Ermäßigt das neue Urteil die Freiheitsstrafe, so darf es wegen § 36 Abs. 1 Satz 2 StGB, die Dauer des Ehrenrechtsverlustes entsprechend erhöhen, RGSt. 67 95. Wird eine Gesamtstrafe durch mehrere Geldstrafen ersetzt, so darf die Summe der Ersatzfreiheitsstrafen die frühere Gesamtstrafe nicht übersteigen, BayObLGSt. 1952 239. War der Angeklagte außer wegen seiner Tat irrig noch wegen Anstiftung verurteilt worden, so bildet die frühere Gesamtstrafe nunmehr die Strafobergrenze für die Strafe als Täter, RGSt. 62 63,67 275, Rspr. 2 239. Waren trotz Tateinheit irrig zwei Strafen nebeneinander verhängtworden, so bildet ihre Summe nunmehr die Höchstgrenze der Strafe, RG. J W . 1980 2437 Nr. 48.Gewährt das neue Urteil Strafermäßigung nach § 157 StGB., so darf die Strafe, von der dabei ausgegangen wird, höher als im angefochtenen Urteil angesetzt werden, jedoch darf die ermäßigte Strafe, auf welche erkannt wird, die frühere nicht übersteigen, RGSt. 61 383. Stellt sich heraus, daß ein schwereres Gesetz verletzt ist, als bisher angenommen worden war, so darf die Mindestgrenze des verletzten Gesetzes nur insoweit unterschritten werden, als die frühere Strafe niedriger lag, vgl. RG. HR. 7 Nr. 173. Geldstrafe darf durch Ersatzgeldstrafe (§ 27 b StGB.) gleicher Höhe ersetzt werden, H a m m NJW. 1960 977, Celle NJW. 1960 975 (abl. Dahs), KG. VRS. 1960 350. c) Untersuchungshaft. War Untersuchungshaft angerechnet worden, so muß dies auch das neue Urteil im Ergebnis in demselben Umfang tun. Das neue Urteil darf bei gleichbleibender Freiheitsstrafe nicht weniger Untersuchungshaft anrechnen als das bisherige, BGH. LM. § 358 Nr. 7, RGSt. 66 353. War in dem früheren Urteil auf Gefängnis erkannt worden, die Untersuchungshaft angerechnet und Strafaussetzung zur Bewährung versagt worden, und wird nunmehr ebenso hohe Jugendstrafe verhängt und Strafaussetzung bewilligt, so muß dennoch auch die Untersuchungshaft wieder angerechnet werden, BGH. LM. § 358 Nr. 16. Kürzt das Berufungsgericht die Strafe, so darf es die bisherige Anrechnung der Untersuchungshaft ebenso kürzen, maßgebend ist das Maß der zu verbüßenden Strafe, RGSt. 59 231, RG. Rspr. 2 602, RG. HR. 6 Nr. 2045, BGH. JZ. 1952 754. War die Untersuchungshaft voll auf Gesamtstrafe angerechnet worden, so ist sie auch wieder voll anzurechnen, wenn im Berufungsverfahren nur noch eine einzige Tat übrigbleibt. Weitere Untersuchungshaft während des Berufungsverfahrens braucht nach § 331 nicht angerechnet zu werden, RG. HR. 8 Nr. 692, H a m m NJW. 1951 415. Jedoch ist dies zugleich auch Zumessungsfrage des sachlichen Rechts gemäß § 60 StGB., zumal auch die Revisionsgerichte weitere Untersuchungshaft in gewissem Umfange anzurechnen pflegen, E b S c h m i d t 14. 4) Die Kostenentscheidung kann zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, BGHSt. 5 52, E b S c h m i d t 37. Die gegenteilige Meinung in RGSt. 45 92 beruht noch auf der früheren Gesetzesfassung („zum Nachteil" des Angeklagten). e) Gesamtstrafe. Wird der ursprünglich wegen mehrerer selbständiger Taten Verurteilte nunmehr wegen einer Tat freigesprochen, so entfällt diese Einzelstrafe, KG. GA. 37 231. Die
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Dritter Abschnitt. Berufung (Jagusch)
§331 Anm. 5
Gesamtstrafe ist neu zu bilden, darf die bisherige nicht überschreiten und hat im übrigen im Rahmen des § 74 StGB, zu bleiben, RGSt. 53 164, 2 202, 25 297, 47 166, BGHSt. 7 86, vgl. auch BayObLGSt. 1965 160. Ist trotz Schuldspruchs bei Tatmehrheit Verhängung einer Einzelstrafe vergessen worden, so darf sie nachgeholt, die neue Gesamtstrafe jedoch nicht erhöht werden, BGH. LM. § 358 Nr. 11, BGHSt. 4 346. War bei Tatmehrheit auf Einzelstrafen erkannt worden und erkennt das neue Urteil ebenso, nur unter Wegfall einer Tat, so darf keine der Einzelstrafen erhöht werden, BGHSt. 1 252. Auch die Einzelstrafen sind selbständige, der Rechtskraft fällige Entscheidungen, ihre Erhöhung verstößt gegen § 331, RGSt. 53 164, 67 236, GA. 55 316. Vgl. dazu die Übersicht in RGSt. 67 236. Waren in drei selbständigen Fällen drei Geldstrafen verhängt worden und legt der Angeklagte voll, die Staatsanwaltschaft nur in einem der Fälle unter Beschränkung auf das Strafmaß Berufung ein, so darf künftig wegen einer alle diese Teilakte umfassenden fortgesetzten Tat auf Gefängnis erkannt werden, H a m m N J W . 1957 1850. Zum Zusammentreffen von Gefängnis und Jugendstrafe vgl. BGH. N J W . 1956 680 und Anm. 4 a. Wird statt wegen Tateinheit nunmehr wegen Tatmehrheit verurteilt, so dürfen im Rahmen der früheren Verurteilung Einzelstrafen festgesetzt und darf aus ihnen eine Gesamtstrafe gebildet werden, die die frühere Strafe nicht übersteigt, RGSt. 62 403,67 241, vgl. auch BGHSt. 14 5. Hatte das Schöffengericht eine Gesamtstrafe gebildet, die Festsetzung von Einzelstrafen aber versäumt, so darf das Berufungsgericht Einzelstrafen bestimmen, jedoch muß sich aus ihnen die frühere Gesamtstrafe bilden lassen, die nicht überschritten werden darf, RG. HR. 7 Nr. 1828. War fortgesetzte Handlung angenommen und die Strafe dafür festgesetzt worden, und werden nunmehr mehrere selbständige Handlungen angenommen, so gilt derselbe Grundsatz. Die jetzige Gesamtstrafe darf die frühere Strafe auch hier nicht übersteigen, RGSt. 67 238, RG. J W . 1931 1611 Nr. 69. Bestand in einem solchen Falle die Strafe aus Freiheits- und Geldstrafe, so ist Erhöhung der Geldstrafe nur zulässig, wenn die Freiheitsstrafe um soviel gekürzt wird, wie sich die Ersatzfreiheitsstrafe verlängert, RG. HR. 7 Nr. 9. Gelangt umgekehrt das neue Urteil statt einer Mehrheit selbständiger Handlungen zu einer einzigen, aus ihnen gebildeten Tat, so darf die frühere Gesamtstrafe als Einzelstrafe bestehen bleiben, RG. J W . 1931 2602 Nr. 28, wenn dies an sich zulässig und wenn es angemessen ist, RGSt. 67 238, RG. GA. 70 139, RG. J W . 19311618 Nr. 79, 1933 460 Nr. 49. Vgl. BGHSt. 14 5. War wegen zweier Straftaten eröffnet, vom Erstgericht dann aber eine einzige Tat angenommen worden, so darf das Berufungsgericht die bisherige Strafe beibehalten, auch wenn es nur geringeren Tatumfang annimmt, RG. HR. 9 Nr. 980. Wird das Strafmaß derart geändert, daß eine Gesamtstrafe durch mehrere Geldstrafen ersetzt wird, so dürfen die Ersatzfreiheitsstrafen zusammen die frühere Gesamtstrafe nicht übersteigen, BayObLG. J R . 53 161, aber auch nicht hinter ihr zurückbleiben; sie sind durch Kürzung der an sich verwirkten (§ 27 b StGB.) Freiheitsstrafen zu bilden, KG. GA. 74 141. Hat der Angeklagte durch rechtskräftigen oder nur von ihm angefochtenen Strafausspruch einen über das Maß der §§ 74, 79 StGB, hinausgehenden Vorteil (eine statt zweier Gesamtstrafen) erlangt, so darf er darin durch neuerliche Gesamtstrafenbildung nicht beeinträchtigt werden, BGHSt. 8 203, vgl. auch LM. § 79 StGB. Nr. 15 (Anm.). Hatte das Erstgericht Tateinheit angenommen und der Angeklagte unbeschränkt Berufung eingelegt, die Staatsanwaltschaft jedoch nur gegen den Strafausspruch, und wird nunmehr wegen Tatmehrheit verurteilt, so ist das Gericht an den Rahmen des vom Erstrichter angewandten Strafgesetzes gebunden, RGSt. 62 401, O l d e n b u r g NRpfl. 1955 159. War Tateinheit angenommen worden, ist jedoch wegen Tatmehrheit zu verurteilen und hält das Berufungsgericht die bisherige Strafe bereits für eine der beiden Taten für notwendig, so braucht diese nicht ermäßigt zu werden, BayObLG. J R . 1955 472. Jedoch scheint das BayObLG. in diesem Urteil von Straffestsetzung für die übrigen Taten ganz absehen zu wollen. Dem wäre nicht beizutreten. Isolierte Schuldsprüche können schon wegen der Möglichkeit späterer Wiederaufnahme nicht bestehen bleiben. Daher sind auch insoweit Strafen im Rahmen der bisherigen Einheitsstrafe festzusetzen. Die Gesamtstrafe ist jedoch in Höhe der bisherigen Einheitsstrafe zu bilden, weil § 74 StGB, gegenüber § 331 zurücktreten muß (a. M. anscheinend K l e i n k n M . 3b, bb 4). S. auch Anm. 8. Vgl. ferner § 368 Anm. 6. 5. Verschlechterungsverbot und sichernde und bessernde Maßregeln gemäß § 42 a StGB. Die herrschende Meinung ist darüber einig, daß der Angeklagte im Rahmen der §§ 331, 358 Abs. 2, 373 auch dagegen geschützt sein muß, daß gewisse Maßregeln der Sicherung und Besserung gegen ihn verhängt werden, auf die bisher nicht erkannt worden war, oder daß die Dauer einer solchen Maßregel, wo sie in Betracht kommt, im neuen Urteil verlängert wird. Dem Wort „Strafe" 81'
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§331
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 6 kommt bei der Auslegung des Verschlechterungsverbots kein entscheidendes Gericht zu, RGSt. 60 286, 67 218 (zu § 161 StGB.), BGHSt. 4 157 (zu § 161 StGB.), RG. JW. 1935 2135 Nr. 8, B r u n s JZ. 1954 733, 737, E b S c h m i d t 16,17, K l e i n k n M . 3c, für den Bereich des § 42a StGB, ebenso auch BGHSt. 5 168, 178, jedoch im übrigen mit Begründung, der nicht beizutreten ist. A. M. noch RG. GA. 74 374. Diese Auslegung, die weitere Fragen aufwirft (s. unten), kann sich unter anderem, außer auf den psychologischen Grundgedanken des Verschlechterungsverbots, der hier ebenfalls zutrifft, auf den Umkehrschluß aus § 331 Abs. 2 berufen, wo ärztlich geleitete Sicherungs- und Heilungsmaßnahmen gemäß den §§ 42b, c StGB, von der Geltung des Verschlechterungsverbots ausdrücklich ausgenommen werden, E b S c h m i d t 22, K l e i n k n M 3e, B r u n s JZ. 1954 730, BGHSt. 7 103. Das Verbot gilt daher auch für Unterbringung im Arbeitshans, Sicherungsverwahrung, RG. JW. 1935 2136, H a m m HESt. 1 212, E b S c h m i d t 22, Untersagung der Berufsausübung und für die richterliche Entziehung der Fahrerlaubnis, BGHSt. 5 168 (die hier bereits verhängt worden war, so daß es nur noch auf die Vollzugsmaßnahme der Einziehung des Führerscheines ankam, ohne daß auf die anfechtbare Rechtsprechung des RG. zur Einziehung aus polizeilichen Gründen, gegen die es kein Verschlechterungsverbot gebe, hätte zurückgegriffen werden müssen, dazu Anm. 6), H a m m DAR. 1958 106 (die Dauer vorläufiger Entziehung muß nicht gemäß § 331 auf die spätere Sperrfrist angerechnet werden). Wo keine dieser Maßnahmen verhängt worden ist, ist auch der neue Tatrichter durch § 331 daran gehindert. Eine dazu gehörige Frist darf er nicht verlängern. Vgl. B e n d e r DAR. 1958 204. Ist Fristsetzung erforderlich, aber übersehen worden, so darf er nach erneuter Prüfung die angemessene Frist, nicht nur die gesetzliche Mindestfrist, selbst bestimmen, da die Maßnahme sonst nicht vollstreckbar wäre. Ist bereits eine der erwähnten Maßregeln verhängt worden, so darf im Rahmen der §§ 42b, c StGB, nur eine der dort bezeichneten Unterbringungen hinzugefügt werden, B r u n s JZ. 1954 735. Offen ist es, ob eine (gesetzlich unzulässige oder zulässige) bereits verhängte Maßregel durch andere, nach sachlichem Recht zulässige, ersetzt werden kann, und nach welchen Grundsätzen. Hierzu ausführlich B r u n s JZ. 1954 730. War die verhängte Maßregel sachlichrechtlich unzulässig, so ist sie zu beseitigen, ohne daß, soweit das Verschlechterungsverbot reicht, auf andere Maßregeln erkannt werden darf, D a l l i n g e r MDR. 1954 334, B r u n s a. a. O. 735, K l e i n k n M 3e. Die Frage ist jedoch gerade, wie weit dieses Verbot reicht. Läßt sich, ähnlich wie bei den Strafen (Anm. 4a, b), ein objektives Rangverhältnis der Maßregeln im Sinne der Gleich- oder Unterordnung (härter, milder) aufstellen, so brauchte es nicht gegen § 331 zu verstoßen, wenn eine verhängte Maßregel durch eine objektiv noch gleichgeordnete oder objektiv mildere ersetzt wird. Vgl. dazu RGSt. 69 129, wo der Gedanke des Austausches der verhängten Sicherungsverwahrung gegen andere Maßregeln ebenfalls eine Rolle spielt. Vgl. anderseits RGSt. 69 76. Soweit derartige objektive Rangordnung reicht, hätten dann dieselben Grundsätze wie bei den Strafen zu gelten (Anm. 4 a, b). Die Entscheidung BGHSt. 5 313 ist zumindest in der Begründung, soweit sie sich mit dem Verschlechterungsverbot beschäftigt, nicht haltbar, auch kann es nicht vom Empfinden des Verurteilten abhängen, welche Maßregel zu wählen ist. Vgl. Anm. 3. Darüber müssen objektive Maßstäbe entscheiden (krit. B r u n s JZ. 1954 730, E b S c h m i d t 23). Über Möglichkeiten zur Erforschung und Beurteilung des Rangverhältnisses O e t k e r JW. 1935 1417, B r u n s JZ. 1954 736ff. —Über einen Sonderfall der Unterbringung (§ 42b II StGB.) ohne Strafe wegen § 358 II s. BGHSt. 11 319. 6. Nebenstrafen, Nebenfolgen, sichernde Mattregeln außerhalb des § 42 a StGB. Einigkeit besteht darüber, daß nach § 331 keine weitere Nebenstrafe ausgesprochen und keine verhängte Nebenstrafe verschärft werden darf, E b S c h m i d t 15, K l e i n k n M 3 c, BGHSt. 4157 und insoweit auch 5 168. Solche Nebenstrafen sind nach sachlichem Recht a) die Einziehung gemäß § 40 StGB., da sie nur den Täter oder Teilnehmer trifft (Näheres LK. § 40 Anm. I). Für sie gilt daher das Verschlechterungsverbot, RGSt. 27 245, 67 218. Die neue Einziehung darf nicht auf bisher nicht erfaßte Gegenstände ausgedehnt werden. Bloße Klarstellung des Gegenstandes der Einziehung ist jedoch nicht zu beanstanden, da sonst § 458 eingriffe. Hatte der Erstrichter Miteigentum des Angeklagten angenommen und besteht in Wirklichkeit Alleineigentum, so verstößt Einziehung nicht gegen § 331, BGH. LM. § 358 Nr. 5. Ob dem Urteil beizutreten ist, hängt davon ab, ob man es als Fall erlaubter Klarstellung ansieht oder als Neuverhängung der Einziehung. Über Einziehung als Sicherungsmaßnahme, die ebenfalls unter § 331 fällt, Näheres unten f.
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Dritter Abschnitt. Berufung (Jagusch)
§331 Anm. 7
b) die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte (§ 32 StGB.). § 331 greift hier ebenfalls ein. Wird jedoch Freiheitsstrafe, neben der auf Ehrenrechtsverlust erkannt wird, verkürzt, so darf wegen der Regelung des § 36 Abs. 1 Satz 2 StGB, die Dauer der Ehrenstrafe entsprechend verlängert werden, RGSt. 67 95, a. M. E b S c h m i d t 15. c) die Urteilsbekanntmachung (§§ 104b, 165, 200 StGB.). Auch sie ist Nebenstrafe und daher der Sperre des § 331 unterworfen, BayObLGSt. 1954 71, RG. HR. 9 Nr. 87, E b S c h m i d t 20, K l e i n k n M 3c. Die Bekanntmachungsbefugnis darf nicht nachträglich zuerkannt werden, eine festgesetzte Frist darf nicht verlängert, RG. JW. 1933 955, eine versehentlich nicht festgesetzte Frist jedoch neu bestimmt werden, weil dies dem Verurteilten nicht zum Nachteil gereicht. War die Art der Bekanntmachung im Ersturteil nicht geregelt, so darf dies nachgeholt und auch auf die Urteilsgründe oder einen Teil davon erstreckt werden, a. M. BayObLGSt. 1954 71. d) die befristete Amtsunfähigkeit (§ 35 StGB.), e) die Verfallerklärung (§§ 108 b, 335 StGB.). gilt §331.
Auch gegenüber diesen Nebenstrafen
f) Sichernde Maßregeln außerhalb des § 42 a StGB., Nebenfolgen ohne StrafCharakter. Insoweit besteht Unklarheit. Das RG. schloß derartige Maßregeln und Nebenfolgen von dem Verschlechterungsverbot aus, weil sie keine Strafen seien, RGSt. 67 218 (mit Übersicht). Die Rechtsprechung des BGH. ist uneinheitlich. BGHSt. 4 157 (zu § 161 StGB.) versteht unter „Strafe" im Sinne des § 331 auch sämtliche Nebenfolgen ohne Strafcharakter und alle sichernden Maßnahmen mit Ausnahme der im § 331 Abs. 2 angegebenen. Das Urteil erstreckt das Verschlechterungsverbot mit grundsätzlichen Erwägungen („jede nicht ausdrücklich zugelassene (!) Schlechterstellung . . . auszuschließen"; „grundsätzlich auch eine in einer Sicherungsmaßnahme bestehende nachteilige Änderung . . . verboten") auch auf die sichernde Maßnahme der Aberkennung der Eidesfähigkeit. Umgekehrt bezieht sich BGHSt. 5 168 ohne zwingenden Anlaß (s. Anm. 5) auf RGSt. 67 218 und die dortige Beschränkung des Verschlechterungsverbots. Ist es jedoch der Zweck des § 331 (Anm. 1), den Angeklagten vor Verschlechterungen des Strafausspruchs zu bewahren und gilt dies, wie allgemein anerkannt ist, auch für die gewichtigsten Maßnahmen zur Sicherung und Besserung des StGB., so ist nicht einzusehen, warum weniger gewichtige, außerhalb des § 42 a im StGB, und in Nebengesetzen verstreute anderweite Sicherungsmaßnahmen zulässig bleiben sollen. Dem Urteil BGHSt. 4 157 ist daher beizutreten. Ebenso E b S c h m i d t 18, soweit der Angeklagte betroffen ist, a. M. K1 e i n k n M 3 d. Hierher gehört die Einziehung, soweit sie gegen jedermann zulässig ist, wie etwa in den §§ 86, 98 StGB., BGHSt. 8 165 (a. M. RGSt. 67 218, BayObLGSt. 24113); Aberkennung der Eidesfähigkeit (§ 161 StGB), BGHSt. 4157, RGSt. 67 218 (abweichend von der eigenen Regel), 60 286; Unbrauchbarmachung nach § 41 StGB., soweit sie den Angeklagten betrifft, E b S c h m i d t 19 (a. M. RGSt. 67 218). Zur Buße vgl. RGSt. 15 439, 44 295 und die §§ 403f f. Bei Abführung von Mehrerlös ist jeweils zu prüfen, ob es sich um eine Strafe oder Nebenfolge handelt. In solchen Fällen gilt § 331 auch hier. Soweit die Abführung nach dem Gesetz, das sie anordnet, nur bezweckt, ungerechtfertigte Bereicherung des Täters diesem wieder zu entziehen, kann das Verschlechterungsverbot nicht durchgreifen, E b S c h m i d t 21. Zu Fragen der Abführung von Mehrerlös vgl. RGSt. 77 145, BGHSt. 3 130, 5 95, 7 91, K ö l n MDR. 1948 63, O l d e n b u r g MDR. 1948 63, BayObLG. DevR. 1957 13 (Verschlechterung der Abführungsanordnung unzulässig). 7. Strafaussetzung zur Bewährung. Über das Wesen der Strafaussetzung zur Bewährung s. LK., 8. Aufl., Vorbem. zu § 23 mit Schrifttum. Besonders zum Verschlechterungsverbot im Zusammenhang mit § 23 StGB.: H e l l m e r JZ. 1956 714, Armin K a u f m a n n JZ. 1958 297, B r u n s GA. 1956 234, J a g u s c h LK. § 23 Anm. 4b. Der Gesetzgeber hat sich der Regelung der wichtigen und außergesetzlich überhaupt nicht befriedigend zu regelnden Materie bewußt enthalten ( D a l i i n g e r JZ. 1953 435), ein Verfahren, das bei Einführung einer so wichtigen Rechtseinrichtung nicht befriedigen kann. Die Rechtsprechung bemüht sich mit dem Schrifttum um sachgemäße Grundsätze, ohne jedoch stets überzeugen zu können. Bereits die unterschiedlichen Grundauffassungen vom Wesen der Strafaussetzung zur Bewährung stehen dem entgegen (besondere Strafart, neuartiges Mittel der Straf Sanktion, Vollstreckungsmodalität, kriminalpolitisches Reaktionsmittel eigener Art, spezialpräventive Maßnahme der Resozialisierung, richterliche Gnade). Eine allseits überzeugende, methodisch einwandfreie Lösung, die jedem Standpunkt genügt, ist nicht erreichbar. Der Gesetzgeber sollte, nachdem genügend Anschauungs-
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material vorhanden ist, feste Maßstäbe auch hinsichtlich des Verschlechterungsverbots setzen müssen. Bis dahin können nur die in der Praxis hervortretenden uneinheitlichen Linien angegeben werden. Der BGH. bezeichnet die Strafaussetzung zur Bewährung als neuartiges Mittel der Strafsanktion (BGH. NJW. 1954 40), § 23 StGB, lasse das Strafensystem unberührt und betreffe nur die Aussetzungsmöglichkeiten, BGHSt. 7 184. § 23 StGB, betreffe nur die Vollstreckung, nicht die Strafe, bei Prüfung des Verschlechterungsverbots habe er daher „außer Betracht zu bleiben", BGH. JZ. 1956 101, ebenso H e l l m e r 715, P r e i s e r NJW. 1956 1222. Daß dieser formale Standpunkt in dieser Schärfe nicht zutrifft, zeigt andererseits BGH. NJW. 1954 40, wo anerkannt wird, daß Strafaussetzung auch Strafmilderung ist, Streichung der Strafaussetzung also Verschärfung, so daß die Wirkung der Aussetzung bei Prüfung des § 331 durchaus nicht „außer Betracht zu bleiben" hat. Einigkeit besteht vielmehr darüber, das das Verschlechterungsverbot gerade auch im Verhältnis zu § 23 StGB, eine wichtige Rolle spielt, B r u n s GA. 1956 234, K ö l n MDR. 1956 759. Dabei hebt Armin K a u f m a n n 297 die Bedeutung eines objektiven Maßstabes für die Prüfung im einzelnen hervor. Gegenüber nicht ausgesetzter Freiheitsstrafe gleicher Höhe ist Strafaussetzung zur Bewährung im Sinne des § 331 stets milder, BGH. NJW. 1954 40, H a m m NJW. 1955 1000, Streichung der Strafaussetzung daher durch § 331 untersagt, BayObLG. NJW. 1962 1261, K ö l n MDR. 1956 760, H a m m NJW. 1955 1000, A. K a u f m a n n 300. Das gilt jedoch auch bei Ermäßigung der Strafe und Streichung der Aussetzung, weil insoweit Umrechnung nicht möglich ist, A. K a u f m a n n 300. Anderseits soll eine Strafe ohne Aussetzung zur Bewährung nicht durch längere mit Aussetzung ersetzt werden dürfen BGH. J R . 1954 228, O l d e n b u r g MDR. 1955 436, A. K a u f m a n n 299, weil es hier auf die Strafhöhe ankomme, nicht auf die Möglichkeit, die Vollstreckung durch Bewährung zu vermeiden, und aus dem gleichen Grunde dürfe auch Haftstrafe ohne Bewährung nicht durch Gefängnisstrafe mit Bewährung ersetzt werden, A. K a u f m a n n 299. Auf dieser Linie liegt auch BGHSt. 9 105: war Strafaussetzung nach §27 JGG. gewährt worden, so ist nach § 331 damit gewährleistet, daß der Angeklagte jede Strafvollstreckung durch Bewährung beseitigen kann, entweder nach § 20 JGG. oder bei Anwendung des Erwachsenenstrafrechts nach §23 StGB. (vgl. jedoch D ü s s e l dorf NJW. 1961 891: Jugendarrest statt Gefängnis mit Bewährungszeit). Gemäß §331 kann es vorkommen, daß die Mindestdauer der Jugendstrafe unterschritten werden muß, O l d e n b u r g MDR. 1956 630. Die Bewährungsauflagen sind bei diesen Bewertungen stets ausgenommen; sie können neu erteilt, geändert und auch erschwert werden, ohne daß § 331 dies hindert, BayObLGSt. 1956 253 (Geldbuße), S t u t t g a r t NJW. 1954 611, N ü r n b e r g FRZ. 1959 165, A. K a u f m a n n 299. Insoweit ist nur Beschwerde zulässig (§ 305a Abs. 1). Wie die Ersatzfreiheitsstrafe nach § 331 bei Ersetzung von Freiheitsstrafe durch Geldstrafe die frühere Freiheitsstrafe nicht übersteigen darf, so auch nicht die jetzt zur Bewährung ausgesetzte Strafe, O l d e n b u r g MDR. 1955 437. Das Verschlechterungsverbot soll das Berufungsgericht auch hindern, die Strafaussetzung aus gesetzlichen Gründen (§ 23 Abs. 3, § 25 Abs. 2 StGB.) zu streichen, sowohl bei Rechtsirrtum des Erstrichters wie sogar dann, wenn erst im Berufungsverfahren ein Unzulässigkeits- oder Widerrufsgrund bekannt wird, H a m m NJW. 1955 1000, A. K a u f m a n n 300, E b S c h m i d t 27. Zuständig für den Widerruf sei, auch wegen der Gewährung zweier Tatsacheninstanzen, das Amtsgericht (§ 453 Abs. 1), H a m m NJW. 1957 1850. Die letztere Entscheidung schränkt diesen Grundsatz jedoch auf Fälle ein, in denen das Berufungsgericht, sei es auch auf Grund neuer Tatsachen, jedenfalls Ermessenserwägungen anzustellen hätte, die sich von denen des Erstrichters nicht trennen lassen, und läßt es offen, ob das auch bei eindeutig bindenden neuen Tatsachen zu gelten hätte. Dem tritt K ö l n MDR. 1956 760 zutreffend insoweit bei, als das Berufungsgericht dieselbe Sachlage nur anders als der Erstrichter rechtlich beurteilen will. Hat der Angeklagte die strafbare Handlung über das angefochtene Urteil hinaus fortgesetzt, so darf das Berufungsgericht nach eigener Würdigung die Strafaussetzung entsprechend dem Urteil BGHSt. 9 324 (Weiterführung einer fortgesetzten Tat) streichen, BayObLG. NJW. 1957 1119. Nach K l e i n k n M 4b darf das Berufungsgericht trotz § 331 Strafaussetzung bei Bekanntwerden neuer Tatsachen streichen, weil es durch das Verschlechterungsverbot nicht gehindert werden könne, eine Entscheidung zu erlassen, die jedenfalls das Amtsgericht nach § 453 Abs. 1 alsbald durch Widerruf zu fällen haben würde. Ihm ist beizutreten: Ein späterer Tatrichter, der eine Gesamtstrafe zu bilden hat, hat auch über früher bewilligte Strafaussetzung mit zu entscheiden, BGHSt. 7 180. Bei entsprechender Sach- und Rechtslage hat der BGH. ausgesprochen, daß auch das Revisionsgericht eine Strafaussetzung widerrufen kann, BGH. NJW. 1954 40. Demgemäß muß auch das Berufungsgericht als Tatrichter neue Tatsachen, vor allem wenn sie Strafaus-
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§ 331 Anm. 8 § 332 Anm. 1
Setzung zwingend ausschließen, bei seiner Entscheidung berücksichtigen. Das Verschlechterungsverbot hat nicht die Kraft, ihm eine Entscheidung vorzuschreiben, die dem Gesetz widerspricht und deren Wirkung durch tatrichterlichen Widerruf alsbald beseitigt werden muß. Der § 331 hindert es lediglich, bekannte Tatsachen abweichend vom Erstrichter mit Wirkung einer Streichung der Aussetzung zu würdigen. Diese Regelung ist unbedenklich, weil Strafaussetzung von vornherein unverzichtbar an die Möglichkeit gesetzlichen Widerrufs teils zwingend, teils als Kannvorschrift geknüpft ist. 8. Verfahren. Wird ein nach § 313 unstatthaftes Berufungsurteil aufgehoben, so gilt auch hier das Verschlechterungsverbot, BayObLG. NJW. 1953 756. Hat das Berufungsgericht auf Berufung des im Privatklageverfahren Verurteilten das Verfahren gemäß § 389 eingestellt, so gilt im neuen Verfahren auf öffentliche Klage § 331, RGSt. 9 324,42 423. Bei Einstellung wegen Verfahrenshindernisses beginnt nach Behebung des Hindernisses ein neues Verfahren. Hier § 331 anzuwenden, dürfte zu weit gehen ( S a r s t e d t § 389 und Rev., 3. Aufl. S. 80, a. M. BayObLG. NJW. 1961 1488) Die Beachtung des § 331 ist vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen, BGHSt. 14 7, BGH. LM. § 358 Nr. 21 (immerhin zweifelhaft, s. Anm. 1), BayObLGSt. 1952 66. § 331 gilt auch gegenüber einem Urteil, das wegen Versäumung der Einspruchsfrist nicht hätte erlassen werden dürfen, BayObLGSt. 1963 34. Wer wegen Zurechnungsunfähigkeit gemäß § 42 b StGB, untergebracht worden ist, kann nicht mehr bestraft werden, wenn im neuen Urteil nur § 51 Abs. 2 StGB, angewandt wird, BGHSt. 11 321, 6 267, RGSt. 69 14, er kann aber nach § 42b Abs. 2 StGB, untergebracht werden, obwohl keine Strafe verhängt wird, BGHSt. 11 319. Stellt sich im neuen Verfahren seine volle Zurechnungsfähigkeit heraus, so kann er weder bestraft noch untergebracht werden, RGSt. 69 12. Die Sperrwirkung des § 331 gilt auch im Sicherungsverfahren (§ 429b Abs. 1) und wenn dieses in ein Strafverfahren übergeht, BGHSt. 11 322. Ist auf das Rechtsmittel des Angeklagten eine Gesamtstrafe aufgehoben worden und darf wegen Verbüßung einer Einzelstrafe keine Gesamtstrafe mehr gebildet werden, so darf die übrige Einzelstrafe nicht höher sein als die aufgehobene Gesamtstrafe abzüglich der verbüßten Strafe, BGHSt. 12 94, vgl. BayObLG. NJW. 1958 1406. Wird in einem solchen Falle mit einer neuen Einzelstrafe eine andere Gesamtstrafe gebildet, so ist das Verschlechterungsverbot bei der Höhe der neuen Gesamtstrafe zu berücksichtigen, BayObLG. NJW. 1959 1236. § 468 AbgO. steht der Anwendung des Verschlechterungsverbots nicht entgegen, RGSt. 57 129.
§ 332 Im übrigen gelten die im sechsten Abschnitt des zweiten Buches über die Hauptverhandlung gegebenen Vorschriften. Entstehungsgeschichte: I., II. und III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: § 373. Änderungsvorschläge: NE I und II § 323. NE I I I § 314. 1. Vorschriften über die Hauptverhandlung. Von den Vorschriften Uber die Hauptverhandlung, die auch im Berufungsverfahren gelten, sind hervorzuheben a) die §§ 217 (Ladungsfrist) und 218 (Ladung des Verteidigers), s. D r u c k e r JW. 1927 2040, b) die §§ 219 (Beweisanträge des Angeklagten vor der Hauptverhandlung) und 220 (mittelbare Ladung von Beweispersonen), c) die §§ 223 (kommissarische Zeugenvernehmung) und 224 (Terminsnachricht hiervon), d) die §§ 232 (Aburteilung eines Abwesenden), 234 (Vertretung des befugt Abwesenden), vgl. RGSt. 61 279, e) § 233 über Entbindung des Angeklagten vom Erscheinen in der Berufungsverhandlung. Voraussetzung hierfür ist ein eigener Antrag des Angeklagten für die Berufungsverhandlung, RGSt. 62 259, 64 244, 61 279, 66 364, RG. DRZ. 20 Nr. 599. Solange diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, hat der Angeklagte auch ohne ausdrückliche Anordnung nach § 236 zu erscheinen. Wird der Angeklagte vom Erscheinen entbunden, so muß er durch den ersuchten Richter unter Belehrung zur Anklage vernommen werden (§ 233 Abs. 2, 3). Diese Niederschrift ist in der Berufungsverhandlung zu verlesen. Die Verlesung der erstinstanzlichen Einlassung des Ange-
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klagten, auch soweit Gewähr für richtige und erschöpfende Wiedergabe des Verteidigungsvorbringens bestehen mag, an Hand der Niederschrift des Erstgerichts genügt schwerlich, weil sie der Vorschrift des § 325 nicht entspricht. Diese Vorschrift ist eng auszulegen (dort Anm. 1). Aus diesen Gründen ist B b S c h m i d t 4 zuzustimmen. A. M. für den Fall, daß die Verlesung der erstrichterlichen Niederschrift Vollständigkeit der Verteidigung gewährleistet, die 20. Aufl. und RG. HR. 4 Nr. 2333, JW. 1931 1604 Nr. 60. 1) § 264. Gegenstand der Berufung, falls sie den Schuldspruch erfaßt, ist nicht das Ersturteil, sondern die Tat im Sinne des § 264, wie der Eröffnungsbeschluß sie kennzeichnet und wie sie sich im Berufungsverfahren darstellt, RGSt. 62 130, RG. JW. 1931 2311 Nr. 11, unter Umständen also auch neu hervortretende weitere Tatumstände. Ausgenommen bleiben nur selbständige Taten außerhalb des Eröffnungsbeschlusses. Vgl. § 264. g) § 265 über den Hinweis auf neue rechtliche Gesichtspunkte und Aussetzung der Hauptverhandlung, RG. GA. 70 139. h) Daß die Bestimmungen der §§ 276ff. (7. Abschnitt) über das Verfahren gegen Abwesende im Berufungsverfahren unanwendbar seien (so RGSt. 65 417, 66 79 für das Berufungsverfahren, RGSt. 61 90 für das Revisionsverfahren, K l e i n k n M 1), ist zumindest zweifelhaft. Nach § 277 kann erstinstanzlich gegen Abwesende nur verhandelt werden, wenn ausschließlich eine mit Haft, Geldstrafe oder Einziehung, allein oder nebeneinander, bedrohte Tat in Betracht kommt und die Staatsanwaltschaft die Verhandlung beantragt. In allen anderen Fällen kann ohne den Angeklagten nicht verhandelt werden. Auch das Berufungsverfahren ist Tatsacheninstanz und unterliegt der Amtsaufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2). Das Gesetz schweigt über die Anwendbarkeit der §§ 276ff. in den Rechtsmittelverfahren. Es leuchtet nicht ein, warum es in der Berufungsinstanz zulässig sein soll, die Grenzen des § 277 in unter Umständen folgenreicher Weise zu überschreiten. Es liegt näher, in derartigen Fällen mit der Verfolgung innezuhalten, bis der Angeklagte erreichbar ist. Die vom RG. in RGSt. 65 417 angeführten Gegengründe muten formal an. Von Gewicht ist nur der Hinweis auf Verwerfung der Berufung bei unentschuldigtem Ausbleiben des Angeklagten (§ 329). Aber diese Vorschrift ist als Ausnahme eng auszulegen. Außerdem kann sich der entschuldigt ausgebliebene Angeklagte auf § 329 Abs. 2 stützen, während dies dem nach § 277 Abwesenden, obwohl auch er „entschuldigt" sein kann, versagt ist. Überwiegende Gründe sprechen dafür, daß § 277 auch in den Rechtsmittelzügen gilt. Wie hier E b S c h m i d t §276 Anm. 7. Auch BGHSt. 10, 396, 398 dürfte dieser Ansicht zuneigen. 2. Umfang der Beweisaufnahme. Die Beweisaufnahme wird durch die §§ 244, 245 bestimmt (s. § 323 Anm. 1, 2, 3). Sie ist auf alle geladenen und erschienenen Zeugen zu erstrecken, auch auf Zeugen, die ihre Aussage bei dem Erstgericht befugt verweigert haben, RG. DRZ. 23 Nr. 363. 3. Für die Abstimmung gilt auch im Berufungsverfahren § 263. 4. Urteil. Vgl. § 267. Bezugnahme auf die Urteilsgründe des Erstrichters ist zulässig. Sie muß aber zweifelsfrei zeigen, welche Feststellungen und Rechtsausführungen des Erstrichters das Berufungsgericht nach Prüfung übernimmt, andernfalls ist die Urteilsbgegründung fehlerhaft, RGSt. 59 78, 427, 66 8, RG. JW. 1925 1005 Nr. 64, BayObLG. HR. 2 Nr. 121, K a s s e l AlsbE. 2 Nr. 204, O e t k e r JW. 1925 1005. Die allgemeine Bemerkung, die Verhandlung vor dem Berufungsgericht habe „im wesentlichen" denselben Sachverhalt ergeben, genügt nicht. Vierter Abschnitt Revision
§ 333 Gegen die Urteile der Strafkammern und der Schwurgerichte ist Revision zulässig. Entstehungsgeschichte: I. Entw. §248. II. Entw. §255. III. Entw. §299. Frühere Bezeichnung: § 374. Änderungsvorschläge: NE I und II § 331. NE I I I § 321 Abs. 1. Spätere Änderungen: Vgl. Anm. 2 und die ausführliche Darstellung in Anm. 1 b der 19. Auflage. Jetzige Fassung: Art. 3 Nr. 142 VereinhG. vom 12. 9.1950 (BGBl. I S. 455, 629).
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Vierter Abschnitt. Revision (Jagusch)
§333 Anm. 1—6
1. Urteile. Maßgebend ist die sachliche Urteilsqualität, nicht die äußere Bezeichnung, BGHSt. 8 384. Das Urteil ist eine gerichtliche Entscheidung, die auf Grund der Hauptverhandlung ergeht und verkündet wird und das Verfahren nach ihrem Inhalt beendet oder (abgesehen von dem Verweisungsbeschluß nach § 270) geeignet ist, die Beziehung des Prozeßgerichts zu dem Verfahren zu lösen und zugleich eine solche Beziehung mit Wirkung für ein anderes Gericht herzustellen, RGSt. 68 246, 66 397. Vgl. dazu § 260. Auf die Bezeichnung als Urteil oder Beschluß und die Richtigkeit der Bezeichnung kommt es nicht an, BGHSt. 8 384. Bei der Strafkammer kommen erstinstanzliche und Berufungsurteile in Betracht. Ein Urteil ist auch das Einstellungsurteil gemäß § 260 Abs. 3. Entscheidungen gemäß den §§ 458 Abs. 1 (Urteilsklärung, Strafberechnung) und 462 Abs. 1 (Vollstreckungsentscheidungen) sind der Sache nach Beschlüsse, auch wenn sie als „Urteile" ergehen, RG. H R R . 1933 Nr. 1199. Allein gegen das Rubrum kann kein Rechtsmittel eingelegt werden, S a a r b r ü c k e n VRS. 1961 130. 2. Strafkammer. Erstinstanzlich sind die Strafkammern zuständig für alle Verbrechen, die nicht zur Zuständigkeit des Amtsgerichts, des Schwurgerichts oder des Bundesgerichtshofes gehören, sodann für alle Vergehen und Verbrechen, deretwegen von der Staatsanwaltschaft bei ihnen angeklagt wird (§24 Nr. 2,3) oder die vom Amtsgericht, dessen Strafgewalt nicht ausreicht, an sie verwiesen werden (§ 74 Abs. 1 GVG.). In Betracht kommt ferner die erstinstanzliche Zuständigkeit der Staatsschutzkammer gemäß § 74a GVG. In allen diesen Fällen amtiert die Strafkammer als große Strafkammer (§ 76 Abs. 2 GVG.). Als Berufungsgerichte entscheiden die Strafkammern über Berufungen gegen Urteile des Amtsrichters (insoweit als kleine Strafkammer) und des Schöffengerichts (§ 74 Abs. 2 GVG.). Soweit die Strafkammer als Berufungsgericht entscheidet, sind daher insgesamt drei Rechtszüge gegeben, im übrigen nur zwei Rechtszüge. Die Zuständigkeit der Strafkammer ist mehrfach geändert worden und hat vorübergehend zu unvertretbarem Abbau der Rechtsmittel geführt. Gemäß der VO. über Gerichtsverfassung und Strafrechtspflege vom 4. 1. 1924 (RGBl. I S. 16) waren die Landgerichte als erkennende Gerichte nur Berufungsgerichte gegen Urteile des Amtsrichters und des Schöffengerichts. Nach der VO. gegen die Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 6. 10. 1931 (RGBl. I S. 563) waren die großen Strafkammern erstinstanzlich zuständig für Verbrechen und Vergehen, die an sich zur Zuständigkeit der Amtsgerichte gehörten, wenn Voruntersuchung stattgefunden hatte und der Staatsanwalt bei Anklageerhebung Hauptverhandlung vor der großen Strafkammer beantragte. Die Rechtspflege VO. vom 14. 6. 1932 (RGBl. I S. 285) begründete erstinstanzliche Zuständigkeit der großen Strafkammer für gewisse Verbrechen und im übrigen eine gewillkürte Zuständigkeit gemäß § 24 GVG. 3. Schwurgericht. Die Zuständigkeit ergibt sich aus § 80 GVG. 4. Amtsrichter. Schöffengericht. Revision gegen amts- und schöffengerichtliche Urteile ist nur zulässig im Falle des § 334, nämlich soweit nach § 313 (s. dort) Berufung ausgeschlossen ist (Ersatzrevision), und im Falle der Sprungrevision (§ 335). Für den Fall, daß die amtsrichterliche Strafgewalt durch den Amtsrichter oder durch die kleine Strafkammer überschritten wird, s. § 328 Anm. 5 c. Hatte der Amtsrichter seine Strafgewalt überschritten und ist das Berufungsgericht als große Strafkammer besetzt, so hat es unter Aufhebung des Ersturteils als Gericht erster Instanz zu entscheiden, RGSt. 74 139, 75 304. Dieses Urteil unterliegt der Revision zum Bundesgerichtshof, BGH. MDR. 1957 370, H a m b u r g MDR. 1954 152. 5. Jugendgerichte. Für das Jugendstrafverfahren gelten die allgemeinen Vorschriften, eingeschränkt durch die §§ 33, 55 JGG. Wer in einer Jugendstrafsache zulässigerweise Berufung eingelegt hatte, kann das Berufungsurteil nicht mehr durch Revision anfechten. Angeklagter, Erziehungsberechtigter und gesetzlicher Vertreter gelten hierbei als dieselbe Person. Hat einer von ihnen Berufung eingelegt, so wirkt dies auch gegen die anderen (§ 55 Abs. 2 JGG.). Nach § 104 Abs. 1 Nr. 7 JGG. gilt dies auch, wenn ein Erwachsenengericht gegen den Jugendlichen entscheidet. Wegen der Heranwachsenden vgl. § 109 Abs. 2 JGG. Ein Angeklagter, der gegen die Verurteilung zu Jugendstrafe Revision eingelegt hat, kann jedenfalls innerhalb der Revisionsbegründungsfrist zur sofortigen Beschwerde gegen Ablehnung der Strafaussetzung zur Bewährung übergehen, BGH. LM. § 59 JGG. Nr. 1. 6. Bundesgerichtshof. Die Urteile des Bundesgerichtshofes sind mit der Verkündung rechtskräftig (§§ 134, 135 GVG.). Gegen sie findet kein Rechtsmittel statt. Jedoch unterliegen sie, wie jede andere rechtskräftige Entscheidung, der Verfassungsbeschwerde (§§ 90ff. BVerfGG.).
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§333 Anm. 7—9
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
7. Befugnis zur Einlegung. Beschwer. Nur Rechtsbedingungen sind zulässig. a) Befugnis. Revision steht allen Verfahrensbeteiligten zu, soweit sie beschwert sind. Näheres über die Befugnis zur Einlegung der Revision bei den §§ 296, 297, 298. Die Staatsanwaltschaft kann Revision zuungunsten desAngeklgten auch einlegen, wenn sie keine Berufung eingelegt hatte, RG. JRundsch. 1 Beil. 1407. Vgl. jedoch Anm. 5 zu § 55 Abs. 2 JGG. Legt die Staatsanwaltschaft das Rechtsmittel zugunsten des Angeklagten ein, so soll sie dies wegen der besonderen Rechtswirkungen (vgl. § 302 Abs. 1) klarstellen. Geschieht dies nicht ausdrücklich, so gilt der Gesamtinhalt der Erklärung. Im Zweifel ist nicht anzunehmen, daß das Rechtsmittel nur zugunsten des Angeklagten eingelegt ist. Die Staatsanwaltschaft kann Revision auch zuungunsten des Nebenklägers einlegen, RGSt. 60 191. Zugunsten nicht rechtsmittelberechtigter Personen kann sie es nicht. Vgl. zur Revision der StA. die Nrn. 130,131,139 RiStV. und B i e r m a n n GA. 1955 353. Der Angeklagte kann Revision auch selbst einlegen, wenn er nicht geschäftsfähig ist, jedoch muß er verhandlungsfähig sein. Im Verfahren gegen Abwesende können die im § 281 bezeichneten Personen von den dem Beschuldigten zustehenden Rechtsmitteln Gebrauch machen (§ 282b). Im Jugendstrafverfahren gelten die §§ 55, 67 JGG. Hier ist der Erziehungsberechtigte selbständig rechtsmittelbefugt, auch wenn er nicht der gesetzliche Vertreter des Jugendlichen ist, und auch gegen den Willen dieser beiden Personen. Der Nebenkläger kann nur im Rahmen der Nebenklagebefugnis Rechtsmittel einlegen und verfolgen, nicht hinsichtlich rechtlicher Gesichtspunkte außerhalb der Nebenklagedelikte, auch nicht bei rechtlichem Zusammentreffen, BGH. LM. § 395 Nr. 2. Ist jedoch das der Nebenklage zugängige sachliche Recht unrichtig oder nicht erschöpfend angewandt (z. B. § 223 a StGB.) und liegt eine einheitliche Tat vor, so kann die zulässige Revision des Nebenklägers auch zur Anwendung sachlichen Rechts außerhalb des Bereichs der Nebenklagedelikte führen (z. B. des § 211 StGB.), BGHSt. 13143. Auch der Nebenkläger muß durch das Urteil selbst beschwert sein, K l e i n k n M 10g. b) Zur Beschwer ausführlich § 296 Anm. 4 a bis e. Die Revision ist stets nur gegen die Entscheidung selbst zulässig, nicht gegen die Begründung allein, RGSt. 68 185. Der Revisionsführer muß ein berechtigtes Anliegen an Aufhebung der Entscheidung haben. Das trifft bei jeder rechtlich nachteiligen Entscheidung für den benachteiligten Verfahrensbeteiligten zu, für den freigesprochenen Angeklagten z. B. dann, wenn auf Unbrauchbarmachung erkannt wird (§ 41 StGB.), RGSt. 61 293, oder auf Einziehung, RGSt. 66 419. Hatte der Angeklagte in der tatrichterlichen Hauptverhandlung Einstellung gemäß einem Straffreiheitsgesetz beantragt und erreicht, so kann er mit der Revision nicht Fortsetzung des Verfahrens verlangen, BGH. NJW. 1955 1935 = LM. StFG. 54 § 17 Nr. 4. — Zur Frage, wann das RevG. einen unrichtigen Schuldspruch mangels Beschwer unbeanstandet lassen kann, BGH. NJW. 1955 1407. Verpflichtet ist es dazu auch durch § 358 II nicht. Ausführlich dazu J a g u s c h NJW. 1962 1417. c) Bedingung. Die Revision darf, wie jedes Rechtsmittel, allenfalls an Rechtsbedingungen geknüpft werden. Andere Bedingungen sind unzulässig. Schon der Zweifel, ob eine andere als eine Rechtsbedingung vorliegt, macht das Rechtsmittel unzulässig, BGHSt. 5 183. Unter Umständen kann das auch für eine „vorsorglich" eingelegte Revision zutreffen, wenn damit gemeint ist, die Revision werde nur für den Fall eingelegt, daß auch ein anderer Beteiligter Revision einlege. Das Wort „vorsorglich", das ohne rechtliche Bedeutung ist, weil das Rechtsmittel zurückgenommen und weil auf dieses Recht nicht verzichtet werden kann, sollte daher vermieden werden. Vgl. auch RGSt. 66 267 mit weiteren Angaben. Vgl. ferner Vorb. B 8c vor § 296 (Bedingung). 8. Revisionsgericht ist in den Fällen des § 121 Nr. l a bis c GVG. das Oberlandesgericht, sonst der Bundesgerichtshof (§§ 135, 121 Abs. 2 GVG.). Zur Feststellung der Zuständigkeit des Revisionsgerichts s. § 348. 9. Gesetzesänderung. Bei Verfahrensänderung entscheidet über Zulässigkeit eines und welches Rechtsmittels das Gesetz, das bei Verkündung des angefochtenen Urteils gilt, bei Abwesenheit des Angeklagten dasjenige, das bei Zustellung des Urteils an ihn gilt (§§ 314 Abs. 2, 341 Abs. 2), BayObLGSt. 1 261. Bei Änderung des sachlichen Rechts während des Rechtsmittelverfahrens richtet sich die Rechtsanwendung nach § 354 a.
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Vierter Abschnitt. Revision (Jagusch)
§ 334 Anm. 1—3 §335
§ 3 3 4 Gegen die Urteile des Amtsrichters ist Revision insoweit zulässig, als nach § 313 die Beratung ausgeschlossen ist. Entstehungsgeschichte: VO. vom 4. 1. 1924, § 33 (RGBl. I S. 20). Jetzige Fassung: Art. 3 Nr. 143 VereinhG. vom 12. 9.1950 (BGBl. I S. 455, 629). 1. Ersatzrevision bei Bagatellsachen. Die Vorschrift will die Verhandlung einiger Bagatellsachen nach Maßgabe des § 313 auf zwei Instanzen beschränken. Der Kreis der einschlägigen Fälle ist dort allerdings nur unklar bezeichnet. Näheres darüber bei § 313 Anm. 2, 3. In Betracht kommen ausschließlich Urteile des Amtsrichters, nicht des Schöffengerichts, jedoch auch Urteile des Jugendrichters, soweit sie auf Freispruch von der Anklage wegen Übertretung ergehen. Vgl. § 313 Anm. 1. An die Stelle der sonst zulässigen Berufung tritt die auf bloße Rechtsrügen beschränkte Revision, mit welcher, wie auch sonst, die Verletzung von Verfahrens- und von sachlichem Recht gerügt werden kann. Gegen ein Urteil, welches den Einspruch gegen einen nur auf Geldstrafe lautenden Strafbefehl wegen Übertretung gemäß § 412 verwirft, ist nur Revision zulässig, H a m b u r g JR. 1956 70. Zu § 55 Feld- und ForstpolizeiG. s. Celle NRpfl. 1952 174 und Schleswig SchlHA. 1956 245. 2. Irrtum. Ist nach den §§ 334, 313 nur Revision zulässig, das Rechtsmittel jedoch als Berufung bezeichnet, so ist die irrige Bezeichnung nach § 300 unschädlich, sofern Revision gemeint ist, ebenso wenn das zulässige Rechtsmittel gemeint ist. Das Rechtsmittel ist dann als Revision zu behandeln und muß den Erfordernissen der §§ 344, 345 Abs. 1 genügen. Vgl. § 313 Anm. 5. Besteht der Rechtsmittelführer auf Berufung, so ist das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen. Dasselbe hat mangels ausreichender Begründung bei allein zulässiger Revision zu geschehen. Ist nur Revision zulässig, hat das Rechtsmittelgericht jedoch die Revision als Berufung oder die Berufung als solche behandelt und als Berufungsgericht entschieden, so ist hiergegen an sich Revision zulässig. Ist diese ordnungsgemäß erhoben, so ist das Berufungsurteil aufzuheben und das erste Rechtsmittel nunmehr als Revision zu behandeln. War es als solche ordnungsgemäß begründet worden, so ist zur Sache zu verhandeln. War es nicht gemäß den §§ 344, 345 begründet worden, so ist nunmehr als unzulässig zu verwerfen. Dabei soll jedoch, falls das Berufungsurteil für den Beschwerdeführer günstiger als das Ersturteil war, § 358 Abs. 2 sinngemäß zu beachten sein. Dagegen bestehen Bedenken. Näheres hierüber mit weiteren Angaben bei § 313 Anm. 6 und bei KleinknM § 334 Anm. 2. 3. Zuständig für die Verhandlung über die Ersatzrevision ist das Oberlandesgericht, § 121 Abs. 1 Nr. l a GVG., in Bayern das BayObLG. § 3 3 5 (1) Ein Urteil, gegen das Berufung zulässig ist, kann statt mit Berufung mit Revision angefochten werden. (2) Über die Revision entscheidet das Gericht, das zur Entscheidung berufen wäre, wenn die Revision nach durchgeführter Berufung eingelegt worden wäre. (3) Legt gegen das Urteil ein Beteiligter Revision und ein anderer Berufung ein, so wird, solange die Berufung nicht zurückgenommen oder als unzulässig verworfen ist, die Revision als Berufung behandelt. Die Revisionsanträge und deren Begründung sind gleichwohl in der vorgeschriebenen Form und Frist anzubringen und dem Gegner zuzustellen (§§ 344 bis 347). Gegen das Berufungsurteil ist Revision nach den allgemeinen Vorschriften zulässig. Entstehungsgeschichte: NE III § 321. VO. vom 4. 1.1924 § 34 (RGBl. I 20). Änderungen: NotVO. vom 14. 6. 1932, Erster Teil, Kap. I Art. 2 (vgl. die Darstellung 19. Aufl. Anm. 5). Wieder aufgehoben durch VO. vom 1. 9.1939, Teil III. Jetzige Fassung: VereinhG. vom 12. 9.1950 (BGBl. I 455, 629), Art. 3 Nr. 143. Übergangsvorschrift in Art. 8. Nr. 107. Schrifttum: S c h ä f e r NJW. 1951 461, S e i b e r t JZ. 1951 216, Dallinger-Lackner § 55 JGG. Anm. 29, S t r a t e n w e r t h JZ. 1958 64, Mayer NJW. 1959 1522; Eberhard S c h m i d t JZ. 1962 371.
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§335
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 1, 2 1. Sprungrevision. Ist gegen ein amtsrichterliches Urteil Berufung zulässig (also nicht im Falle des § 313, wo nur Ersatzrevision nach § 334 stattfindet) und kommt es dem Beschwerdeführer ausschließlich auf Entscheidung von Rechtsfragen an (BGHSt. 5 339), nicht auf Neuverhandlung des Sachverhalts, so kann er statt Berufung das Rechtsmittel der Sprungrevision wählen, für die das Oberlandesgericht zuständig ist (§ 121 Abs. 1 Nr. l b GVG.). Nachdem der frühere § 340 weggefallen ist, können mit Sprungrevision, wie mit jeder anderen Revision, sämtliche Verfahrens- und sachlichrechtlichen Verstöße gerügt werden, BGHSt. 2 65. Die Sprungrevision erlaubt es, die zweite Tatsacheninstanz zu ersparen, wo es nur auf Klärung von Rechtsfragen ankommt, BGHSt. 2 65, 5 339, BayObLG. N J W . 1958 561. Zu ihrer Entwicklung nach der EmmingerVO. von 1924 s. BGHSt. 2 56 und E b S c h m i d t 1. 2. Angefochten. Die Berufung, soweit sie zulässig eingelegt ist, führt zur vollständigen Neuverhandlung, während die Revision auf Rechtsrügen beschränkt bleibt. Die Berufung ist daher das umfassendere Rechtsmittel. Die sachgemäße Entschließung, ob Sprungrevision ausreicht, ist im allgemeinen erst nach Zustellung des begründeten Urteils möglich. Das gilt auch für die Frage, ob das Urteil auf einem behaupteten Verfahrensverstoß beruht, soweit nicht ein absoluter Revisionsgrund (§ 338) vorliegt, BGHSt. 2 65, 5 339, K ö l n N J W . 1954 692. Würde bei dieser Sachlage gefordert, daß der Beschwerdeführer bereits innerhalb der Einlegungsfrist unabänderlich Berufung oder Revision wähle, so würde der Zweck des § 335, das Verfahren geeignetenfalls zu verkürzen, fast stets durchkreuzt. Ausgenommen blieben nur die Fälle des zugestellten Abwesenheitsurteils (vgl. BayObLG. N J W . 1958 561), in welchen der Beschwerdeführer die Urteilsgründe schon vom Beginn der Einlegungsfrist ab kennt. Diese strenge Auffassung (vgl. RGSt. 57 83, 60 356. 63 194, KG. J W . 1928 1162, KG. GA. 69 229, BayObLG. ZStW. 45 Rspr. 174, M a n n h e i m JW.1927 916, F r a n k f u r t s. BGHSt. 2 64) ist unter Führung des BGH. nunmehr aufgegeben, da die formalen Gründe, die für solche Formstrenge angeführt wurden, nicht durchgreifen. Statt das Verfahren zu vereinfachen, bürdet sie dem Beschwerdeführer ein unzumutbares Wagnis auf und nimmt dem § 335 seine Bedeutung. Nach nunmehr herrschender Ansicht reicht es aus, wenn der Beschwerdeführer das Urteil innerhalb der Einlegungsfrist allgemein anficht, BGHSt. 2 66, 5 339, BayObLGSt. 1951 367, N J W . 1958 561, H a m m MDR. 1951 244, K ö l n N J W . 1954 692, entweder durch bloße Anfechtungserklärung, oder durch Einlegung von Berufung (vgl. BGHSt. 5 339) oder von Revision (strittig, s. unten), oder durch einheitliche Erklärung, er lege entweder Berufung oder Revision ein, K ö l n N J W . 1954 692, K l e i n k n M 3, E b S c h m i d t § 300 Anm. 5. Die endgültige Wahl des Rechtsmittels darf er dann bis zum Ablauf der Revisionsb e g r ü n d u n g s f r i s t (BGHSt. 17 44) treffen, also bis zum Ablauf der Frist des § 345 Abs. 1, nicht derjenigen des § 317, BGHSt. 2 66, 5 339, 6 207, BayObLG. N J W . 1958 561, H a m m MDR. 1951 244, jedoch nicht mehr nach dem Ablauf dieser B e g r ü n d u n g s f r i s t , BGHSt. 17 44 (zust. E b S c h m i d t JZ. 1962 371), 5 341, K ö l n N J W . 1954 692. Trifft er die Wahl verspätet, so ist davon auszugehen, daß er sich für Berufung entschieden hat, BGHSt. 2 63, 5 339, D a l l i n g e r - L a c k n e r JGG. § 55 Anm. 26. Dies gilt jedoch nicht, wenn er rechtzeitig Revision gewählt, die rechtzeitige Revisionsbegründung (§ 345) jedoch versäumt hat. Eine solche Revision ist als unzulässig zu verwerfen. Ob es ferner nicht gilt, wenn er sich die Wahl zwischen beiden Rechtsmitteln in einer Form offengehalten hat, die nur f ü r beabsichtigte Revision spricht, kann zweifelh a f t sein. K ö l n N J W . 1954 692 hält hier die Umdeutung in Berufung nicht für zulässig. Das stimmt jedoch mit BGHSt. 2 63, 5 339 und dem Vereinfachungszweck des § 335 nicht überein und dürfte nur zutreffen, wenn sichere Anhaltspunkte dafür bestehen, daß der Beschwerdeführer keine Berufung wünscht. So D a l i i n g e r - L a c k n e r JGG. § 55 Anm. 26 und wohl auch K l e i n k n M 3. Vgl. aber dazu BayObLG. N J W . 1960 1682 und Anm. 4. Gegen Versäumung der Frist zur Ausübung des Wahlrechts (§ 345 Abs. 1) will H a m m N J W . 1956 1168 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht zulassen, jedoch überzeugt dies in einem Falle des § 44 nicht ( D a l l i n g e r L a c k n e r JGG. § 55 Anm. 26). Mit Recht wendet BayObLG. N J W . 1958 561 alle diese Grundsätze auch auf das zugestellte Abwesenheitsurteil (§ 314 Abs. 2, 341 Abs. 2) an, obwohl der Beschwerdeführer hier die Urteilsgründe bei Anfechtung bereits kennt. Ihm soll dieselbe Prüfungsund Überlegungsfrist zustehen wie anderen Beschwerdeführern. Wie hier bereits die NotVO. vom 14. 6.1932 (Erster Teil, Kap. I Art. 2 § 1 Nr. 4), welche allgemeine Anfechtung mit befristetem Wahlrecht zwischen beiden Rechtsmitteln vorsah (aufgehoben am 1. 9. 1939), E b S c h m i d t 4, RG. J W . 1926 2198 (vereinzelt), dort zust. Anm. von L ö w e n s t e i n , M a n n h e i m N J W . 1927 916,1928 1880, G o l d s c h m i d t J W . 1930 1322, B e l i n g 402, H ä r t u n g J R . 1925 83.
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Vierter Abschnitt. Revision (Jagusch)
§335 Anm. 3—6
8. Übergang von der Berufung zur Sprungrevision. Hatte der Beschwerdeführer Berufung gewählt, so war er nach bisheriger überwiegender Ansicht daran gebunden, Übergang zur Sprungrevision war ihm nunmehr verwehrt (vgl. RGSt. 60 354, 62 426, 63 194, BayObLGSt. 24 118, H a m b u r g J R . 1952 207, weitere Angaben 20. Aufl., Anm. 2c, a. Ansicht schon RG. JW. 1926 2198, die Fußnote zu RGSt. 62 427 und die h. M. zu § 566a ZPO., etwa RGZ. 154 146). Aus den zu 2 angegebenen Gründen hat BGHSt. 5 338 diese Ansicht aufgegeben und Übergang zur Sprungrevision bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist zugelassen. Ebenso Celle NRpfl. 1953 332, K l e i n k n M 5, E b S c h m i d t 4, D a l l i n g e r - L a c k n e r JGG. § 55 Anm. 28, und die nunmehr wohl einhellige Ansicht. Über den umgekehrten Fall des Übergangs von der Revision zur Berufung Anm. 4. Die innerhalb der Revisionsbegründungsfrist, also in Kenntnis der Urteilsgründe abgegebene Wahlerklärung ist bindend und schließt späteren Übergang aus. Insoweit besteht kein Anlaß, weiteren Spielraum zu gewähren. 4. Übergang von der Sprungrevision (Revision) zur Berufung. Auch insoweit bestehen keine zwingenden Bedenken, den Übergang zuzulassen. BGHSt. 5 338 läßt die Frage noch offen und deutet wenig gewichtige Zweifel an. In BGHSt. 13 388 wird der Übergang von „zweifelsfrei gewählter" Revision zur Berufung für unzulässig erklärt. Ebenso BayObLG. NJW. 1960 1682, zweifelnd aber bereits E b S c h m i d t NJW. 1960 1651. Dem schließt sich BGHSt. 17 44 an: der Umstand, daß der Beschwerdeführer das Rechtsmittel zunächst als Revision bezeichne, hindere ihn „in der Regel" nicht am Übergang zur Berufung. Alles das ist wenig befriedigend und ein unnötiges Stehenbleiben auf halbem Wege ohne zwingenden praktischen oder dogmatischen Grund. Schon der formale Einwand, Wahl der Revision enthalte einen Verzicht auf Berufung, geht fehl, so alt er ist. Vgl. BGHSt. 17 44. Im Abgeben einer verfahrensgestaltenden Erklärung liegt im allgemeinen nur der Wille hierzu, nicht auch der Ausdruck des Willens, damit unwiderruflich auf andere, prozessual ebenfalls mögliche Gestaltungen zu verzichten (a. M. N ü r n b e r g MDR. 1959 595). Außerdem entstehen, hat der Verteidiger die Revision eingelegt, Schwierigkeiten aus § 302 II; der unverteidigte Beschwerdeführer wäre ohne zureichenden Grund geringer geschützt. Der weitere Einwand, die Berufung sei das umfassendere Rechtsmittel, der Übergang zu ihr vereinfache das Verfahren daher nicht im Sinne des § 335, trifft zwar zu. Er wiegt aber leicht gegenüber dem Rechtsgrundsatz, niemand solle dadurch Nachteil erleiden, daß er von einer Vereinfachungsvorschrift, vielleicht vorzeitig, Gebrauch macht, um erst aus den Urteilsgründen zu erkennen, daß Wahl der Berufung zweckmäßiger gewesen wäre. Im ganzen ist es daher gerechtfertigt und rechtlich unbedenklich, bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist auch den Übergang zur Berufung zuzulassen. Dies dient dem Zweck des § 335 am besten, es schafft klare Verhältnisse und beseitigt die meisten Zweifel. So BGHSt. 17 44 und 13 388 (mit der Einschränkung wie oben), K ö l n NJW. 1957 641, K a r l s r u h e NJW. 1959 209, H a m m JMBNRW. 1959 175, S c h l e s w i g SchlHA. 1959 216, K l e i n k n M 5, E b S c h m i d t JZ. 1962 371, S t r a t e n w e r t h JZ. 1958 64, D a l l i n g e r - L a c k n e r JGG. § 55 Anm. 29. A. M. N ü r n b e r g MDR. 1959 595, S t u t t g a r t NJW. 1957 641, RGSt. 62 426, M a y e r NJW. 1959 1522. — Nur die innerhalb der Revisionsbegründungsfrist, also in Kenntnis der Urteilsgründe abgegebene Wahlerklärung ist bindend und schließt späteren Übergang aus. Insoweit besteht kein Anlaß, weiteren Spielraum zu gewähren. 5. Übergang zur sofortigen Beschwerde (§ 59 Abs. 1 JGG.). Wer gegen Verurteilung zu Jugendstrafe Revision eingelegt hat, kann jedenfalls innerhalb der Revisionsbegründungsfrist noch zur sofortigen Beschwerde gegen Ablehnung der Strafaussetzung übergehen, BGHSt. 6 206. Für diese ist jedoch nicht das Revisionsgericht, sondern das OLG. zuständig. 6. Mehrere Rechtsmittel. a) Die Vorschrift des Abs. 3 verhütet, daß eine und dieselbe Sache bei mehreren Beteiligten, wenn mehrere verschiedene Rechtsmittel eingelegt werden, vor verschiedene Rechtsmittelgerichte kommen kann. Daher hat eine eingelegte Berufung Vorrang. Daneben eingelegte Revisionen werden, solange die Berufung nicht zurückgenommen oder als unzulässig verworfen wird, als Berufungen „behandelt", BGHSt. 4 208, N e u s t a d t GA. 1957 422. Der Sache nach bleiben sie Revisionen und werden bei Wegfall der vorrangigen Berufung als solche durchgeführt, so daß sie ordnungsgemäß (§§ 344, 345) begründet werden müssen. Zuständig zur Behandlung der Berufungen ist die Strafkammer. Die Berufung kann beschränkt eingelegt, etwa auf das Strafmaß beschränkt sein, die Wirkung des Abs. 3 tritt dennoch ein. Vgl. RGSt. 63 194. Sie tritt jedoch
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§ 335 Anm. 7 § 336 Anm. 1
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
nur ein, solange verbundene Sachen (§§ 2, 4) vorliegen. Bei Trennung fällt der gesetzgeberische Grund des Abs. 3 weg. Er entfällt außerdem bei Zurücknahme der Berufung oder bei Verwerfung als unzulässig (§§ 319, 322). Wird die konkurrierende Berufung jedoch erst in der BerufungsHauptverhandlung wegen Nichterscheinens des Berufungsklägers verworfen (§ 329 Abs. 1), so ist über die übrigen Rechtsmittel, obwohl sie an sich Revisionen sind, als Berufungen zu entscheiden, RGSt. 59 63, F e i s e n b e r g e r 5, E b S c h m i d t 11. Ist anderseits über die konkurrierende Berufung bereits sachlich entschieden, so trifft der Grund des Abs. 3 nicht mehr zu. Daneben eingelegte Revisionen gelten dann nicht als Berufungen, a. M. BayObLGSt. 1949/51 400, wie hier wohl E b S c h m i d t 11. b) Beteiligter im Sinne des Abs. 3 ist, wem ein selbständiges Anfechtungsrecht zusteht, so daß Angeklagter und Verteidiger hier als derselbe Beteiligte zu gelten haben. Bei Widersprüchen zwischen ihnen gilt der zu erforschende Wille des Angeklagten (§ 300). Beteiligte sind hiernach außerdem die Staatsanwaltschaft, Mitangeklagte, der Neben- und Privatkläger, BGHSt. 12 163, Einziehungsbeteiligte. Legt eine dieser Personen eine auch nur beschränkte Berufung ein, so sind sämtliche Rechtsmittel als Berufungen zu behandeln (Anm. 6 a). Stehen einem Beteiligten mehrere Verfahrensrollen zu (etwa als Mitangeklagter und Nebenkläger), so kann er in jeder von ihnen ein anderes Rechtsmittel wirksam und mit der Wirkung des Abs. 3 einlegen, H a m m JMBNRW. 1955 59. c) Revision. Solange eine Berufung wirksam durchgeführt wird, sind konkurrierende Sprungrevisionen als Berufungen zu behandeln, so daß es an sich ausreicht, daß diese Rechtsmittel der Form des § 314 für Berufungen genügen. Entfällt die Berufung jedoch, so entfällt damit auch der Grund, diese Revisionen als Berufungen zu behandeln, so daß sie vorsorglich rechtzeitig ordnungsgemäß (§§ 344, 346) begründet werden müssen, weil sie andernfalls als unzulässig zu verwerfen wären, vgl. N e u s t a d t GA. 1957 422, RGSt. 59 64. Genügt die Revision im Falle des Abs. 3 nicht der Form des § 314, so ist das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen. Es kann dann nicht als formgerechte Berufung behandelt werden. 7. Das Berufungsurteil unterliegt, wie jedes andere, der Revision. Revision darf auch einlegen, wer schon vorher Sprungrevision gewählt hatte (Anm. 6). Zuständig für die Revision ist das Oberlandesgericht (§ 121 Abs. 1 Nr. l b GVG.). Die Vorlegungspflicht (§ 121 Abs. 2 GVG.) besteht auch bei Sprungrevision, BGHSt. 2 63.
§ 336 Der Beurteilung des Revisionsgeriehte unterliegen auch die Entscheidungen, die dem Urteil vorausgegangen sind, sofern es aul ihnen beruht. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 251. II. und III. Entw.—. Frühere Bezeichnung: §375. Änderungsvorschläge: NE I und II § 336. NE III § 326. 1. Prüfung vorausgegangener Entscheidungen. Die Vorschrift des § 305 schließt für eine Reihe derjenigen Entscheidungen im Sinne von Verfahrensakten, die nach Eröffnung des Hauptverfahrens und vor Urteilsfällung ergehen, nur der Urteilsvorbereitung dienen und keine weiteren Verfahrenswirkungen äußern, die Beschwerde aus und behält die Rüge von Rechtsverstößen insoweit der Berufung oder Revision vor. Näheres hierüber § 305 Anm. 1 und 3, dort auch Beispiele solcher Verfahrensakte. Soweit solche Akte in Betracht kommen und als fehlerhaft beanstandet werden sollen, ergänzt § 336 den § 305. In Betracht kommen nach § 336 jedoch nicht nur Entscheidungen des erkennenden Gerichts, wie im § 305, sondern auch alle anderen Entscheidungen, etwa des Vorsitzenden, in demselben Verfahren (Vorverfahren, Zwischenverfahren, bei Vorbereitung der Hauptverhandlung), soweit das Urteil auf ihnen beruht (Anm. 3). Vgl. § 305 Anm. 2. Die Entscheidung muß in demselben Verfahren ergangen sein, es genügt nicht, daß sie nur vor dem Urteil liegt, jedoch in einem anderen Verfahren ergangen ist. Beruht das Urteil auf ihr, so kann sie auch gerügt werden, wenn sie vor dem Eröffnungsbeschluß liegt. Das Weiterwirken im Sinne des Beruhens des Urteils auf dem Verstoß ist nach der jeweiligen Verfahrenslage zu untersuchen. Die Prüfung setzt ordnungsgemäße Verlahrensrüge (§§ 344, 352) voraus, sofern nicht eine Verfahrensvoraussetzung in Frage steht, deren Erfüllung von Amts wegen zu prüfen ist (ein-
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schränkend mit Recht jedoch BGHSt. 10 278). Angefochten wird nicht die frühere Entscheidung, sondern das Urteil, welches nach dem Vorbringen der Revision auf Gesetzesverletzung beruht, E b S c h m i d t 3, K l e i n k n M 2. Besteht die behauptete Gesetzesverletzung in Verfahrensverstößen, so sind diese ordnungsgemäß (§ 344 Abs. 2) zu rügen. Bei Verletzung des sachlichen Rechts genügt die allgemeine Sachrüge oder die in besonderer Richtung begründete uneingeschränkte Sachrüge. Beide führen zur Prüfung der gesamten sachlichen Rechtsanwendung. Wird ein Verfahrenshindernis behauptet, so ist dies nach ordnungsgemäßer Rüge (s. oben) von Amts wegen zu prüfen, K l e i n k n M 2. Stets muß es sich um richterliche Verfahrensakte im weitesten Sinne handeln. Mängel des Ermittlungsverfahrens, der Anklage oder andere Beanstandungen gegenüber der Staatsanwaltschaft scheiden hier aus, ebenso angebliche Fehler des Untersuchungsrichters, BGHSt. 6 328, RG. JW. 1930 3421, RGSt. 31 104, BayObLGSt. 1949/51 63, K l e i n k n M 1, E b S c h m i d t 5. Wegen Mängeln der Voruntersuchung s. noch Anm. 2a. Beschlüsse, gegen die nur sofortige Beschwerde zulässig ist (s. § 311), können nach Ablauf der Beschwerdefrist nicht mehr mit Berufung oder Revision angefochten werden, wie sich aus dem Wesen der einschlägigen Entscheidungen ergibt. Näheres bei § 311. Vgl. BGHSt. 4 208, 210, RG. Rspr. 6161, RGSt. 2 20,4 402, 20 48, 26 342,44 382, 55 225, RG. Recht 20 Nr. 1234, K l e i n knM 5, E b S c h m i d t 8. Das gilt jedoch nicht, wenn die sofortige Beschwerde ohne Sachprüfung zu Unrecht als unzulässig verworfen worden ist, RGSt. 32 79, E b S c h m i d t 6, im Gegensatz zu dem in RGSt. 44 380 entschiedenen andersartigen Falle. Hätte die sofortige Beschwerde nicht als unzulässig behandelt werden dürfen, so versetzt das Revisionsgericht das Verfahren in diejenige Lage, die bei Einlegung der sofortigen Beschwerde bestand, E b S c h m i d t 6. War einfache Beschwerde gegen den Verfahrenakt zulässig, so hindert dies die Revisionsrüge ebenfalls nicht, K l e i n k n M 5. 2. Einzelheiten. a) Verhalten der Staatsanwaltschaft, Mängel der Anklage, des Ermittlungsverfahrens, der Voruntersuchung. Auf behauptete Mängel solcher Art kann die Revision nicht gestützt werden, RGSt. 55 225, RG. JW. 1930 3421, BGHSt. 6 328, BayObLGSt. 1949/51 63, E b S c h m i d t 5, K l e i n k n M 1. Das Hauptverfahren bietet die gesetzlichen Möglichkeiten zu ausreichender Verteidigung. Vgl. BGH. NJW. 1952 1426 (zu den §§ 140 Abs. 2, 141, 251). Die ordnungsgemäße Bestellung des Untersuchungsrichters ist in BGH. 1 StR 622/51 vom 22. 4.1952 jedoch geprüft worden. Ergibt Einzelprüfung das Weiterwirken eines vor dem Eröffnungsbeschluß liegenden Verfahrensverstoßes bis zum Urteil und das Beruhen, so ist ein Revisionsgrund gegeben, K l e i n knM l b . Ist der Beschuldigte entgegen § 201 Abs. 1 nicht befragt worden, ob er Voruntersuchung beantrage, so ist dies kein Revisionsgrund, RG. DRZ. 25 Nr. 352. Anders, wenn der Antrag auf Voruntersuchung abgelehnt und die sofortige Beschwerde des Beschuldigten entgegen den §§ 201 Abs. 2 Satz 3, 183, 311 zu Unrecht als unzulässig verworfen worden ist, eine Sachprüfung also nicht stattgefunden hat, RGSt. 32 79. Hier ist nach Erfolg der Revision von der Verfahrenslage bei sofortiger Beschwerde auszugehen, E b S c h m i d t 6. Vgl. § 201. Ist entgegen dem Antrage auf Voruntersuchung alsbald das Hauptverfahren eröffnet worden und hiergegen keine sofortige Beschwerde eingelegt oder diese zurückgenommen worden, so ist kein Revisionsgrund anzuerkennen, BGHSt. 4 210, RGSt. 44 380, 55 225, E b S c h m i d t 7. b) Verfahrenshindernis. Ob ein Verfahrenshindernis bestand, ist auch ohne ordnungsgemäße Rüge (§ 344 Abs. 2, einschränkend mit Recht jedoch BGHSt. 10 278) bei ersichtlichem Anlaß von Amts wegen aufzuklären. S. auch Eröffnungsbeschluß (Anm. 2e). c) Örtliche Zuständigkeit. Beschlüsse im Hauptverfahren über örtliche Zuständigkeit sind durch § 305 der Beschwerde entzogen. Auf Rüge hat das Revisionsgericht zu prüfen, ob das Gericht seine örtliche Zuständigkeit mit Recht angenommen hat (s. § 338 Anm. 9 und die §§ 16—18). d) Einstellung. Wird das Verfahren hinsichtlich unwesentlicher Nebendelikte vorläufig eingestellt, so bietet dies keine Handhabe zur Anfechtung eines wegen anderer Straftaten desselben Beschuldigten gefällten Urteils. Weder geht ein solcher Einstellungsbeschluß dem Urteil, das andere Taten betrifft, „voraus", noch kann das Urteil auf ihm beruhen, RGSt. 66 327, E b S c h m i d t 11. Ebenso für § 163 K ö l n MDR. 1957 182. e) Eröffniingsbegchlutt. Ist ohne Eröffnungsbeschluß verhandelt und entschieden worden, so liegt an sich kein Fall des § 336, jedoch ein Verfahrensverstoß vor. Das Vorhandensein des
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Amn. 3 Eröffnungsbeschlusses bildet im Verfahren regelmäßig eine Prozeßvoraussetzung, deren Mangel von Amts wegen zu beachten ist, BGHSt. 10 137,140, 5 225,227, LM. § 207 Nr. 5, RGSt. 68 105, 67 59, 65 250, 68 268, 56 113, 41 155. Fehlt der Eröffnungsbeschluß, so ist das Verfahren einzustellen. Ist er nicht ordnungsgemäß beschlossen worden, so beeinträchtigt dies das Urteil dann nicht, wenn der Angeklagte in der Hauptverhandlung keine Einwendungen hiergegen erhoben hat und nicht anzunehmen ist, daß er bei ordnungsgemäßer Besetzung anders ergangen wäre, RG. JW. 1930 2141 Nr. 16. Doch gilt dies bei schweren Mängeln nicht, BGHSt. 10 278. Dann ist das Verfahren ebenfalls einzustellen. Vgl. auch BGHSt. 4 208. Geringfügige Mängel und Unklarheiten des Eröffnungsbeschlusses können aus der Anklageschrift ergänzt werden, BGHSt. 10 137, RG. Rspr. 5 583, 8 377, RGSt. 3 406, 21 64, 372, 24 64, 44 30, 54 294, 59 360, RG. GA. 35 321, 40 318, J W . 1927 1595 Nr. 32, 1930 2562 Nr. 28, O e t k e r Dernburg-Festschrift 81 und JW. 1928 2262, E b S c h m i d t 13. Vgl. im übrigen § 207. Ist der Eröffnungsbeschluß nicht verlesen worden, so ist dies regelmäßig ein Revisionsgrund, BGHSt. 8 283, RG. JW. 1938 3293. f) Verweisungsbeschluß. Was für Mängel des Eröffnungsbeschlusses gilt, ist entsprechend auf Mängel des Verweisungsbeschlusses nach § 270 anzuwenden. Vgl. auch BGHSt. 6 109. Verstöße gegen Formvorschriften des § 270 sind Revisionsgründe nur, wenn das Urteil, das auf der Grundlage des Verweisungsbeschlusses und nach Erörterung seiner Mängel in der Hauptverhandlung ergangen ist, auf einem der Mängel beruhen kann, RGSt. 52 305, 55 242, 58 125, 59 300, 62 271, RG. GA. 38 42. Vgl. auch § 270. g) Anordnungen des Vorsitzenden vor der Hauptverhandlung. Hat der Vorsitzende einen Beweisantrag (§ 219) dahin beschieden, er werde ihn in der Hauptverhandlung dem Gericht unterbreiten und unterläßt er dies, so liegt darin ein Verfahrensverstoß. Sagt er vorläufig Wahrunterstellung zu, so muß er das Gericht in der Hauptverhandlung hiervon unterrichten und dem Angeklagten Kenntnis geben, wenn das Gericht anderer Meinung ist, BGHSt. 1 51, RGSt. 73 193, 75 165, 167, anderseits BGHSt. 1 286. h) Ablehnungsgesuche. Beweisanträge in der Hauptverhandlung. Zu den Entscheidungen im Sinne des § 336 gehören insbesondere Beschlüsse, die vor oder in der Hauptverhandlung gestellte Ablehnungsanträge gegen einen Richter oder Sachverständigen zurückweisen, BGHSt. 1 34, 298, RG. Rspr. 10 353, RGSt. 22 136, 33 314, GA. 57 233, BayObLGSt. 3 405, 7 274, 9 328. Vgl. die §§ 28, 338. Hinsichtlich in der Hauptverhandlung abgelehnter Beweisanträge s. die §§ 244, 337, 338. i) Beschlüsse gemäß den §§ 238 Abs. 2,242. Auch diese Entscheidungen fallen in den Bereich des § 336. k) Hat ein Beschluß des Erstgerichts die Zulässigkeit der Berufung oder Revision ausgesprochen, so bindet dies das Rechtsmittelgericht nicht. Dieses hat die Zulässigkeit selbständig von Amts wegen zu prüfen, RGSt. 59 241, 244, 65 252. Vgl. § 322 Anm. 1, 3, 6. — Das RevG. prüft als Voraussetzung der Zulässigkeit der Revision auch von Amts wegen, ob die Berufung rechtzeitig eingelegt worden war, KG. J R . 1955 310, S a r s t e d t ebenda. 1) Nebenklage. Legt der Nebenkläger Revision ein, so ist, als Zulässigkeitsvoraussetzung der Revision, vom Revisionsgericht von Amts wegen die Befugnis zum Anschluß als Nebenkläger zu prüfen, RGSt. 59 126, 62 209, 53 215, 44 7, 38 405, 35 25. Auf Revision des Nebenklägers ist daher auch der Beschluß zu prüfen, der den Anschluß als Nebenkläger zurückgewiesen hat, sofern mangels Beschwerde hiergegen nicht Verzicht vorliegt. Denn war der Nebenkläger gesetzwidrig gehindert, als solcher am Verfahren mitzuwirken, so kann das Beruhen des Urteils auf dem Verstoß nur ausgeschlossen werden, wenn schlechthin alle denkbaren Gesichtspunkte ohnedies berücksichtigt worden sind, vgl. RGSt. 59 103, BayObLG. DRZ. 21 Nr. 423, JW. 19291064 Nr. 6. Die Rüge des Angeklagten, der Nebenkläger sei zu Unrecht zugelassen worden und habe das Urteil durch Ausführungen und Anträge beeinflußt, ist zulässig. Das Urteil kann auf dem Verstoß beruhen, RGSt. 66 346, 41168, D a r m s t a d t JR. 1949 512, E b S c h m i d t 14. A. M. für den Regelfall mit Rücksicht auf die Aufklärungspf licht K ö l n HESt. 1 219 BayObLGSt. 1953 64, Kl e i n k n M § 396 Anm. 6. Ob hier wirklich eine Meinungsverschiedenheit besteht, ist zweifelhaft. Maßgebend muß stets der Verfahrensverlauf sein. 3. Beruht. Stellt sich auf ordnungsgemäß begründete Rüge (hierzu BGHSt. 10 278) ein Verfahrensverstoß heraus oder ist das sachliche Recht verletzt, so beruht das Urteil auf diesem Fehler nur, wenn die Möglichkeit besteht, daß es ohne ihn anders ausgefallen wäre, und zwar
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zum Nachteil des Rechtsmittelführers, vgl. BGH. NJW. 19551407, E b S c h m i d t 4, KleinknM l b . Andernfalls kann die Rechtsverletzung als für das Urteil nicht ursächlich auf sich beruhen. Vgl. BGHSt. 1 346. 4. Verfahren. Vgl. Anm. 1, 2 a, e. Ist das angefochtene Urteil ein Berufungsurteil, so ist dessen Ersturteil keine dem Berufungsurteil „vorausgegangene", in der Revision nachprüfbare Entscheidung, da die Berufungsinstanz Tatsacheninstanz ist, RGSt. 59 300. Jedoch kann Ablehnung eines Pflichtverteidigers durch das Erstgericht auch das Berufungsverfahren beeinflussen, vgl. Bremen NJW. 1955 1629.
§337 (1) Die Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf einer Verletzung des Gesetzes beruhe. (2) Das Gesetz ist verletzt, wenn eine Rechtsnorm nicht oder nicht richtig angewendet worden ist. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 249. II. Entw. § 256. III. Entw. § 300. Frühere Bezeichnung: § 376. Änderungsvorschläge: NE I, II § 332. NE III § 322. Änderung: Gesetz vom 17. 8.1920, § 11 Abs. 3 (RGBl. I S. 1579). Üb e r s i e h t A. Allgemeines. Revisionsgründe B. Gesetzesverletzung. Verletzung sachlichen Rechts I. Gesetz ist jede Rechtsnorm II. Anwendung. Nichtanwendung. Unrichtige Anwendung 1. Tatfeststellungen als Gegenstand der Rechtsanwendung. — Widerspruch. Denk- und Erfahrungsregeln 2. Auslegung. Rechtsanwendung 3. Nicht revisibel: a) einwandfrei getroffene Tatfeststellungen b) Beweiswürdigung c) Aktenwidrigkeit 4. Einzelfragen a) tatrichterliches Ermessen b) Strafzumessung c) Richterliches Prüfungsrecht auf Verfassungsmäßigkeit C. Gesetzesverletzung. Verfahrensverstöße 1. Allgemeines. Freibeweis. § 274 StPO.
D. E. F. G.
2. Verfahrensvoraussetzung. Verfahrenshindernis a) Zuständigkeit b) Anklage. Eröffnungsbeschluß c) Anderweite Rechtshängigkeit. Verbot der Doppelverfolgung d) Strafantrag e) Verjährung f) Verhandlungsfähigkeit g) Straffreiheit h) Auslieferungsbedingung 3. Andere Verfahrensverstöße a) Beweisrecht b) Beweiswürdigung c) Unbedingte Revisionsgründe d) Sollvorschriften e) Aufklärungspflicht Gestfitzt Beruhen Verwirkung von Revisionsgründen ? a) Fälle gesetzlicher Verwirkung b) Weitere Verwirkungsfälle Verfahren des Revisionsgerichts. Gesetzesänderung
A. Allgemeines. Revisionsgründe. Die Vorschrift umschreibt das Kernstück des Revisionsrechts. Die Revisionsinstanz ist keine weitere Tatsacheninstanz, obwohl sie zu erneuter tatrichterlicher Verhandlung führen kann. Sie gewährleistet auf ordnungsgemäß erhobene Rüge hin die Beachtung der Gesetze im gesamten Verfahren, des formellen wie des sachlichen Rechts, BGHSt. 12 2. Mit der Revision kann der Verfahrensbeteiligte erzwingen, daß der Sachverhalt (die Tat und alle übrigen wesentlichen tatsächlichen Umstände) gemäß den Verfahrensgesetzen justizförmig einwandfrei festgestellt werde, daß ein Strafverfahren gegen ihn nur unter den zulässigen Verfahrensvoraussetzungen stattfinde, daß das Gericht bei Beweiswürdigung und Tatfeststellung die Denkgesetze und Erfahrungssätze beachte und seine Überzeugung widerspruchsfrei darlege, 82
L ö w e - B o s e n b e r g , StPO. 21. Aull.
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Anm. B I daß es das anzuwendende sachliche Recht richtig auslege und auf den festgestellten Sachverhalt richtig anwende. Soweit nicht ein unbedingter Revisionsgrund vorliegt, erfaßt diese Prüfung nur Verstöße, auf denen das angefochtene Urteil beruht. § 337 setzt ein Urteil voraus, keinen Beschluß, BGHSt. 12 3. Dabei ist Gesetzesverletzung im Sinne des § 337 jede Verletzung formellen und sachlichen, geschriebenen oder ungeschriebenen Rechts, vgl. BGHSt. 1 359. Die Gesetzesverletzung kann in unzulässiger Anwendung, in Nichtanwendung anzuwendenden Rechts oder in unrichtiger Anwendung liegen. Die allgemeinen Denkgesetze und Erfahrungsregeln sind zwar nicht Rechtsnormen, ihre Nichtbeachtung hindert jedoch die zutreffende Rechtsanwendung von vornherein und steht den Rechtsnormen nach zutreffender Ansicht daher gleich. Was das Verfahrensrecht angeht, so gliedert sich das Revisionsrecht dreifach: Verfahrensvoraussetzungen und -hindernisse gelten gleichzeitig auch für das Revisionsverfahren, sie sind daher ohne Rüge von Amts wegen zu prüfen, wenn dazu Anlaß besteht. Unbedingte Revisionsgründe (§ 338) müssen, um beachtet zu werden, formell gerügt werden (§ 344 Abs. 2), jedoch ist bei ihnen nicht zu prüfen, ob das Urteil auf dem Verstoß beruht. Dies wird gesetzlich vermutet (§ 338). Alle übrigen behaupteten Verfahrensverstöße werden nur beachtet, wenn sie formell ordnungsgemäß gerügt worden sind und bei Beruhen des Urteils auf dem Verstoß. Gegenstand der Prüfung im Revisionsverfahren ist, abgesehen von Verfahrensrügen, stets nur das schriftlich abgefaßte Urteil, niemals die mündliche Urteilsbegründung, BGH. VRS. 10 213. Auch muß es sich um ein nicht rechtskräftiges Urteil handeln, BGHSt. 12 3. Anderseits bietet § 337 keinen Anhalt dafür, daß Revision ausgeschlossen sein könnte, obwohl ein beschwerender Rechtsverstoß vorliegt und das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, so daß daneben nicht etwa das Verfahren gemäß den §§ 460, 462 zur Wahl steht, BGHSt. 12 3. Hiernach hat das Revisionsgericht nicht zu untersuchen, ob der Tatrichter die Sachlage unrichtig beurteilt hat (Ausnahme: Saarland, BGHSt. 10 156). Er ist dabei nur an die dargelegten Regeln und Grenzen gebunden. Die Feststellung der Tatsachen obliegt allein dem Erstrichter und, soweit Berufung zulässig ist, dem Berufungsgericht, RGSt. 12 436, 39 293, 45 159, 59 55. Daher ist innerhalb jener Grenzen die tatrichterliche Beweiswürdigung unangreifbar, und sie muß es gemäß dem Aufbau des Revisionsverfahrens sein, das dem Revisionsgericht keine eigene Beurteilungsgrundlage hinsichtlich des Tatsachverhalts bietet. Die häufige Behauptung in Revisionsbegründungen, das Gericht habe nicht alle in der Hauptverhandlung erhobenen oder erörterten Beweismittel und Beweisergebnisse oder Einlassungen richtig gewürdigt, eine Aussage falsch verstanden oder im Urteil unrichtig wiedergegeben oder aus Tatsachen unrichtige Schlüsse gezogen, ist daher nach § 337 unzulässig, RG. JW. 1931 1816 Nr. 28, S a r s t e d t 141, ständige Revisionspraxis. Umgekehrt liegt in Verwendung von Tatsachen, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung waren, ein Revisionsgrund, sofern sie nicht allgemeinkundig sind. Da das Urteil nicht auf den Akten beruht, sondern ausschließlich auf der Hauptverhandlung zu beruhen hat, kann auch nicht gerügt werden, die Akten ergäben das Gegenteil einer Urteilsfeststellung, sofern darin nicht die Rüge verletzter Aufklärungspflicht (§ 244 Abs. 2) hegt, was oft zutreffen wird, etwa wenn der Beweis durch Verlesung einer Niederschrift (§§ 251 ff.) erhoben worden war. Einzelheiten hierüber in Anm. B II 4b (Beweiswürdigung). Wann eine Verfahrensvorschrift verletzt ist, kann hier nicht vollständig besprochen werden. Näheres darüber bei den einzelnen Vorschriften. Vgl. noch RGSt. 76 45 und 77 264. B. Gesetzesverletzung. Sachliches Recht. I. Gesetz ist jede Rechtsnorm (§§ 337 Abs. 2, 7 EGStPO.), BGHSt. 11 214. Der Ausdruck „Rechtsnorm" gilt hier im weitesten Sinn (Motive S. 212). Er umfaßt geschriebenes und ungeschriebenes Recht, auch das durch richterliche Auslegung und Rechtsfortbildung geschaffene Recht (etwa die in § 244 Abs. 3 enthaltenen Grundregeln vor gesetzlicher Normierung), also nicht nur formelle Gesetze, sondern alle Grundsätze, welche aus dem Sinn und Zusammenhang der Rechtsnormen hervorgehen, RGSt. 6 237, 46 44. Dazu gehört das Gewohnheitsrecht, OGHSt. 1 66, RGSt. 9 299. Die Norm kann dem Strafrecht, jedoch auch anderen Rechtsgebieten angehören (Verfassungsrecht, Privatrecht, Völkerrecht, s. GG. Art. 25, 100 Abs. 2). Hierher gehören auch ausländische anwendbare Rechtsnormen. Zwar gilt im Strafverfahren ausschließlich deutsches Verfahrensrecht und, von Besonderheiten des interlokalen Strafrechts abgesehen, ausschließlich inländisches sachliches Strafrecht (§ 3 StGB.). Soweit jedoch Vorfragen nach fremdem Recht zu beurteilen sind (wie etwa bei den §§3 Abs. 2,4 Abs. 2 Nr. 3 StGB),begründet auch dessen Verletzung die Revision. Für richtige Anwendung ausländischen Rechts als Vorfrage der Anwendung des
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eigenen hat der Staat einzustehen, weil es das eigene Recht ist, das die Vortrage aufwirft und ihre Beantwortung fordert, vgl. RGSt. 10 285, 57 48. Das Auslieferungsrecht und Staatsverträge, die sich in formellen Gesetzen niedergeschlagen haben, sind Rechtsnormen gemäß § 337, RGSt. 12 381,17 52, RG. GA. 36 404, HR. 9 Nr. 559, ebenso auch Rechtsverordnungen, die das zuständige Organ kraft allgemeiner Befugnis oder Ermächtigung mit Gesetzeskraft erläßt, RG. Recht 14 Nr. 624, so die Eisenbahn-Verkehrsordnung, die Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung ( F r i e b e JW. 1928 2305, S c h n e i d e w i n , Verkehrsrechtliche Rundschau 5 251), die Rechtsverordnungen des Postwesens RGZ. 19 104, 43 99, 70 316. Keine Rechtsnormen im Sinne des § 337 sind polizeiliche Anordnungen, die nur ein Gebot oder Verbot im Einzelfall enthalten, RGSt. 20 177 (Seuchensperre), 58 224 (Vereinsverbot), BayObLGSt. 2 61, 4 318; sodann nicht Anweisungen für den inneren Behördendienst, RGSt. 1 125 (Bahnbeamtendienst), 53 134, BGH. VRS. 59 53 (Eisenbahn-Fahrdienstvorschriften), RGSt. 29 180; auch nicht Strafvollzugsvorschriften, RG. HR. 8 Nr. 1813; Gefängnisverordnungen, RGSt. 44 196, 52 140, RG. Recht 14 Nr. 624; Dienstanweisungen über Fernsprechrechnungsdienst, K a r l s r u h e JW. 1929 2067 Nr. 13; Unfallverhütungsvorschriften von Berufsgenossenschaften, die nur Erfahrungssätze für die Beurteilung berufserforderlicher und -üblicher Sorgfalt enthalten, RGSt. 52 42, RG. Recht 14 Nr. 624, GA. 68 364, H e s s e n NJW. 1947/48 350; ferner nicht Anweisungen vorgesetzter Behörden an untergeordnete Stellen, Gesellschaftssatzungen; Feststellungen in rechtskräftigen Gerichtsurteilen. Auch Rechtsgeschäfte sind, da sie keine allgemeinen Rechtssätze enthalten können, keine Rechtsnormen. Über Ermessensvorschriften s. Anm. B II 5a, über Sollvorschriften Anm. C III d. Die Geschäftsverteilungspläne der Gerichte sind keine Rechtsnormen, RGSt. 37 59, 45 262, BGH. NJW. 1953 353, RG. Recht 18 Nr. 2583, 20 Nr. 278, 27 Nr. 1079, werden sie nicht beachtet, so können die §§ 338 Nr. 1 (unvorschriftsmäßige Besetzung) oder GVG. 63 Abs. 2,64 (Änderung der Geschäftsverteilungsplanes durch das Präsidium) verletzt sein. Ebenso E b S c h m i d t 17. Ist sachliches Recht in beschwerender Weise verletzt, so ist dies ausnahmslos ein Revisionsgrund, BGHSt. 12 3, 4. Der Betroffene kann nicht auf einen anderen Rechtsbehelf verwiesen werden, insbesondere nicht auf das Verfahren gemäß den §§ 460, 462, BGHSt. 12 3. IL Anwendung, Nichtanwendung, unrichtige Anwendung von Rechtsnormen. Im Bereich des sachlichen Rechts kann der Verstoß darin bestehen, daß eine anzuwendende Norm nicht angewandt wird, daß die angewendete Norm nicht angewandt werden durfte, oder daß die anzuwendende Norm unrichtig ausgelegt wird. Beschwert dies einen Beteiligten, so besteht ein Revisionsgrund. Grundlage der Prüfung ist allein der Inhalt des schriftlichen Urteils, nicht der Akteninhalt. Das Revisionsgericht prüft, ob der festgestellte Sachverhalt widerspruchsfrei und verständlich dargestellt ist und die Gesetzesanwendung rechtfertigt, oder ob er eine andere rechtliche Beurteilung erfordert. Ist ein zum gesetzlichen Tatbestand gehöriges Merkmal der äußeren oder inneren Tatseite nicht ausreichend festgestellt, so greift die allgemeine Sachrüge (§ 344) durch. Bejahende oder verneinende Feststellungen sind nur nachprüfbar, soweit sie auf unrichtigen rechtlichen Vorstellungen beruhen. Das Urteil muß die Tatumstände anführen, in denen das Gericht die Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes erfüllt sieht (§ 267). Die Gegenüberstellung erlaubt es dem Revisionsgericht, zu prüfen, ob die Feststellungen an Hand richtiger Tatbestandserfassung getroffen und umgekehrt, ob das sachliche Recht auf die Tatfeststellungen richtig angewendet worden ist (Wechselwirkung). Diese Grundsätze gelten auch für Feststellung des Rückfalls. Vorstrafen sind im Sinne des § 267 Abs. 2 im Strafgesetz besonders vorgesehene, die Strafbarkeit erhöhende Umstände. Ist daher formell zutreffend Rückfall festgestellt, so kann dies nicht unter Hinweis auf gegenteiligen Akteninhalt mit der Sachrüge beanstandet werden, wohl aber mit der Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2). Sind die Vorverurteilungen im Urteil nicht so festgestellt, wie § 244 StGB, es vorschreibt, so berührt dies die Feststellungen zum Schuldspruch nicht, sondern beschränkt sich auf den Strafausspruch, RG. Rspr. 2 529, RGSt. 32 310, 54 180, 60 109. Einzelheiten gehören zum sachlichen Recht. 1. Die Tatfeststellnngen als Gegenstand der Rechtsanwendung. Die Urteilsgründe müssen die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben, in welchen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden. Soweit der Beweis aus anderen Tatsachen gefolgert wird, sollen auch diese angegeben werden (§ 267). Weitere Anforderungen an die Urteilsgründe ergeben sich aus § 267 Abs. 2, 3. Bei Freispruch ist der Sachverhalt so zu schildern, wie er unter dem Leitbild des Anklagetatbestandes festgestellt werden kann. Für das Revisionsgericht kommt es ausschließlich auf die Urteilsfeststellungen an, nicht auf den Akteninhalt, denn die Hauptverhandlung kann 82*
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Anm. B U S ein abweichendes Bild geboten haben, BGH. VRS. 53 393. Jedes Urteil hat eigene ausreichende Feststellungen zu enthalten. Die Bezugnahme auf Feststellungen eines aufgehobenen früheren Urteils ist unzulässig, BGH. LM. § 352 Nr. 4, RG. JW. 38 1814 Nr. 20. Enthalten Feststellungen tatsächlicher Art zum äußeren Hergang, zu inneren Vorgängen oder über sonstige wesentliche Umstände unbehebbare Widersprüche, die auch sorgfältiger Prüfung vom Standpunkt des Tatrichters aus nicht weichen, so fehlt es schon aus diesem Grunde an dem zur Anwendung des sachlichen Rechts erforderlichen Nachweis des Sachverhalts. Die Sachrüge greift dann durch, denn unklare oder bis zur Unklarheit unübersichtliche Sachdarstellung schafft keine gesetzlich ausreichende Grundlage der Rechtsanwendung und verletzt daher das sachliche Recht, RGSt. 71 25, HRR. 37 541, OGHSt. 1 146, BGHSt. 3 213, BGH. LM. § 352 Nr. 4 (Sachmangel zweifelsfreier Feststellungen), BGHSt. 7 75 (durch Berichtigung entstandene Lücke der Urteilsgründe), BGH. 1 StR 17/51 vom 11.12.1951, 1 StR 41/52 vom 25.3.1952, K ö l n N J W . 1964 1298 (Verwendung widerlegter Schutzbehauptung), KG. VRS. 1961 199 (Nichtangabe des Übertretungstages). Ein sachlichrechtlicher Mangel kann ferner liegen in Feststellung be- oder entlastender Tatsachen ohne ausreichende rechtliche Auseinandersetzung mit ihnen (lückenhafte rechtliche Würdigung des Sachverhalts in tatsächlicher Beziehung), BGHSt. 14165, OGHSt. 2 69, BGH. 3 StR 42/59 vom 16.11.1959, 3 StR 31/61 vom 1.12.1961, RG. 11005/35 vom 24.1.1935, oder in dem Freispruch vor abschließender Sachaufklärung und Beweiswürdigung, RG. H R R . 1936 1155, unter Umständen in Verneinung der inneren Tatseite, bevor der äußere Hergang, der vielleicht Rückschlüsse nahelegt, hinreichend erforscht und festgestellt ist (BGH). — Festgestellte belastende Umstände müssen sämtlich abgehandelt werden, wobei kein Rechtsfehler unterlaufen darf, BGH. 3 StR 39/59 vom 16.11.1959. Ein sachlicher Revisionsgrund ist es aus demselben Grunde, wenn der Tatrichter aus Feststellungen Schlüsse zieht, die der Erfahrung widerstreiten oder mit allgemeinkundigen geschichtlichen Tatsachen nicht zu vereinen sind, OGHSt. 1 70,146,2 291, BGHSt. 6 72 (Blutgruppenfall), OGHSt. 2 305 (geschichtliche Tatsache), B r a u n s c h w e i g NJW. 19551201. Erfahrungswidrige Feststellungen leiden dann an unheilbarem Widerspruch, wenn sie einem festen Erfahrungssatz widersprechen, wenn ein Erfahrungssatz mißverstanden worden ist oder wenn das Gericht die Feststellung nur auf einen vermeintlichen Erfahrungssatz gründet (vgl. N e u s t a d t MDR. 1959 863). Entgegen BGHSt. 6 72 kann man hier nicht von „Normen des ungeschriebenen Rechts" sprechen. Es handelt sich um allgemeine Regeln geistiger Tätigkeit, ohne welche die Rechtsanwendung keine verläßliche Grundlage hat, E b S c h m i d t 20, B r a u n s c h w e i g NJW. 1955 1202, S a r s t e d t 73. Dasselbe gilt bei Verletzung eines Denk- oder Sprachgesetzes oder einer feststehenden Auslegungsregel, OGHSt. 1117, BGHSt. 6 72, RGSt. 41 79, 45 139, 61 154, 63 113, 64 251, 352, KG. J R . 1959 106, S c h l e s w i g SchlHA. 1956 184 (unrichtigerweise für zwingend gehaltene Folgerung), K ö l n NJW. 1954 1298 (Verwendung widerlegter Schutzbehauptung), Celle DAR. 1956166 (Nichtberücksichtigung eigener Feststellungen, häufiger Fehler!). Die Übergänge zwischen beiden Fehlern sind oft nicht genau bestimmbar, das Grundübel ist jedoch dasselbe. Verletzt sein muß stets eine allgemein anerkannte Regel. Das trifft nicht zu, wenn die Beweiswürdigung des Tatrichters nur durch eine eigene ersetzt wird. Gerügt kann daher nicht werden, die tatrichterliche Folgerung sei in der Beweisaufnahme nicht erwiesen worden, BGHSt. 10 216, sie sei nicht zwingend, nicht überzeugend oder unwahrscheinlich. Sie muß vielmehr im Lichte eines jener festen Grundsätze unhaltbar sein, RG. J W. 1931 1816 Nr. 28. Das Recht des Tatrichters zur freien Beweiswürdigung (§ 261) kann nicht eingeschränkt werden. Für den Schuldbeweis genügt ein Maß an Gewißheit, dem gegenüber der Richter keinen vernünftigen Zweifel mehr hat, RGSt. 66 164, BGH. NJW. 1951 122, BGH. LM. § 261 Nr. 6 und Nr. 2, BGHSt. 3 377, LM. § 261 Nr. 14, 16 (Wahlfeststellung), RGSt. 66 164, 61 106, B o h n e NJW. 1953 1377. — Anders als durch Freibeweis kann das Revisionsgericht derartigen Verstößen gegen das sachliche Recht, die zugleich auch gegen Verfahrensgrundlagen verstoßen, nicht beikommen, so daß Freibeweis, soweit die verletzte Regel des Beweises überhaupt bedarf, zulässig sein muß, B r a u n s c h w e i g NJW. 1955 1201, BGHSt. 7 75, 77 sinngemäß. Zu beachten ist bei alledem, daß die Beweiswürdigung nicht a l l e i n im logischen Sinne denkrichtig sein kann und zu sein hat, da sie oft zahlreichen Unwägbarkeiten der Beurteilung unterliegt, die ihr Gewicht beanspruchen. 2. Auslegung. Rechtsanwendung. Das sachliche Recht ist verletzt, wenn der Tatrichter eine anzuwendende Rechtsnorm nicht oder nicht richtig oder eine unanwendbare Rechtsnorm angewendet hat (Abs. 2). Wann dies zutrifft, ergibt die Rechtsauslegung durch das Revisions-
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gericht (§ 358 Abs. 1). Erweisen sich die Tatfeststellungen als unangreifbar (Anm. B II 1), so beschränkt sich die Prüfung darauf, ob sie die tatrichterliche Rechtsanwendung ohne Beschwer des Revisionsführers rechtfertigen. Trifft dies zu, so ist das Rechtsmittel im allgemeinen als unbegründet zu verwerfen. Ist der Beschwerdeführer im Schuldspruch zu gut weggekommen, so bleibt dies im allgemeinen ohne nachteilige Folgen. Vgl. BGH. NJW. 1965 1407. Aus Gerechtigkeitsgründen kann es jedoch auch angebracht sein, den Schuldspruch zum Nachteil des Beschwerdeführers zu berichtigen. § 358 Abs. 2 steht dem nicht entgegen. Ein Rechtssatz, der nachteilige Berichtigungen im Schuldspruch untersagt, wenn nur der Verurteilte Revision eingelegt hat, ist nicht anzuerkennen. — Die Rechtsanwendung (Subsumtion) besteht darin, an Hand des Leitbildes des gesetzlichen Tatbestandes den Sachverhalt erschöpfend festzustellen und ihn sodann mit den Tatbestandsmerkmalen zu vergleichen. Aus dem Sachverhalt interessiert dabei nur das für den Tatbestand rechtlich Wesentliche (nur in diesem Sinne wird er „verallgemeinert"). Umgekehrt werden die abstrakten Rechtsmerkmale des Straftatbestandes vom Sachverhalt her in der nur dem gegenwärtigen Fall eigenen Weise beleuchtet („konkretisiert"). Gedanklich bleiben Sachverhalt und Gesetzestatbestand jedoch getrennt. Decken sie sich im Einzelfalle, so ist, wenn sonst kein rechtliches Hindernis besteht, die Straftat erwiesen (Beispiel: BGHSt. 1 158 zum Begriff des umschlossenen Raumes). Decken sie sich nicht, so kann das daran liegen, daß der Tatrichter ein unzutreffendes Strafgesetz angewendet hat, daß er das zutreffende unrichtig verstanden oder den Sachverhalt nicht so festgestellt hat, daß sich die Vergleichung mit dem Rechtssatz einwandfrei durchführen läßt. In diesen Fällen ist Aufhebung und Zurückverweisung geboten. Änderung des Schuldspruchs, etwa wenn der Sachverhalt einen anderen Tatbestand erfüllt und § 265 beachtet ist, ist häufig bedenklich, es sei denn, es besteht Gewißheit, daß die den anderen Tatbestand erfüllenden Tatsachen auch bei richtiger rechtlicher Würdigung festgestellt worden wären. Unrichtige Feststellungen zum Sachverhalt, soweit sie nicht auf inneren Widerspruch, Unklarheit oder Denk- oder Erfahrungswidrigkeit beruhen (Anm. B II 1), kann die Sachrüge nicht beseitigen. Der Grundsatz der „Aktenwidrigkeit" (B II 4c) besteht im Revisionsrecht nicht. Hier kann nur die Aufklärungsrüge (§ 244 Abs. 2) helfen. Unbestimmte Begriffe, die in besonderem Maße richterliche Wertung voraussetzen („geringwertiger Gegenstand", Gegenstand von „unbedeutendem Wert", „lebenswichtiger Bedarf", „irreführende Bezeichnung", „unwiderstehliche Gewalt", „gebotene" Notwehr), sind hinsichtlich dieser Wertung revisibel. Feststellungen rein tatsächlicher Art, mit denen sie verknüpft sind, binden das Revisionsgericht. Zwar dient die Revision der Rechtseinheit u n d der gerechten Einzelentscheidung. Das kann jedoch nicht zur revisionsrichterlichen Nachprüfung bloßer Tatsachenfeststellungen führen. Nachprüfbar ist, ob der Tatrichter alle zu richtiger Wertung gehörigen Umstände berücksichtigt hat, ob der Wertungsmaßstab richtig gewählt und dann auch beachtet worden ist und ob die tatrichterliche Bewertung, hier ein rechtlicher Schluß, der rechtlichen Prüfung standhält. Aus Gründen der Rechtseinheit muß dieser Schluß, der qualitativ der Auslegung anderer Rechtsnormen gleichsteht, einheitlich gezogen werden und daher revisibel sein. Unangreifbare „Tatfrage" ist alles ausschließlich Tatsächliche, vollständig revisibel ist die den unbestimmten Begriff ausfüllende rechtliche Wertung, ohne welche rechtseinheitliche Gesetzesanwendung nicht denkbar wäre. Näher hierzu z. B. Schwinge 112, ausführlich EbS c h m i d t 37ff., O t t o w DRiZ. 1956 200. Weiteres Schrifttum bei Schwinge. Die Auslegung von ÄuSerungen ist insoweit revisibel, als die allgemeinen gedanklichen Grundlagen jeder Feststellung (B II 1) erkennbar beachtet sein müssen. Auch hier sind bloße Tatsachenfeststellungen unangreifbar. Die Sinnwertung eines Vorganges hat von der Erfahrung auszugehen, braucht aber, wie auch sonst, sich darin nicht zu erschöpfen, da einzelne Äußerungen erfahrungswidrigen Sinn haben können. Ein tatrichterlicher Verstoß kann hier nur in Nichtbeachtung der erforderlichen und zutreffenden Maßstäbe liegen. 3. Nicht revisibel sind: a) einwandfreie Tatfeststellungen. Was darunter zu verstehen ist, ergibt Anm. B II 1. Die Unangreifbarkeit geht bereits aus dem Aufbau des Revisionsverfahrens hervor. Den tatrichterlichen Feststellungen dürfen nur justizförmig durch Strengbeweis (§§ 244, 245) ermittelte Beweisergebnisse zugrunde liegen, zu denen sich der Angeklagte in der Hauptverhandlung äußern konnte, sodann Gerichtskundiges, über das verhandelt worden ist, und Allgemeinkundiges, das nicht besonders eingeführt zu werden braucht, aber meist Gegenstand von Vorhaltungen oder
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Anm. B D B Hinweisen sein wird. Justizförmigkeit setzt zwingend die Einheit der Hauptverhandlung (§ 229) voraus. Deren Bild kann das Revisionsgericht durch eigene Beweisergebnisse nicht zuverlässig ergänzen. Daher ist es an rechtlich einwandfreie tatrichterliche Feststellungen gebunden. Das Revisionsgericht hat Allgemeinkundiges auch zu beachten, wenn darüber nicht verhandelt worden ist (BayObLGSt. 1951 174), jedoch nur als Grundlage eines Aufhebungsgrundes. Die Einheit der Hauptverhandlung (§ 229) bleibt gleichwohl maßgebend. Das Revisionsgericht kann nicht eine hinzutretende eigene Beweiserwägung in diese einfügen. Die Revision kann nach allem nicht bemängeln, die richterliche Beweiswürdigung sei nicht zwingend, denn dadurch würde nahezu jede Beweiswürdigung ohne triftigen Grund angreifbar; oder sie sei unwahrscheinlich oder nicht überzeugend, denn dadurch ersetzt der Revisionsführer die richterliche Beweiswürdigung nur durch eine eigene. Dies ist auch dem Revisionsgericht verwehrt. Die Revision kann daher auch nicht rügen, der wirkliche Sachverhalt sei anders als festgestellt, RGSt. 76 45, oder der Sachverständige oder Zeuge habe anders als im Urteil dargestellt ausgesagt, H a m m JMBNRW. 1957 117, oder der Tatrichter habe es versäumt, weitere (ihm jedoch nicht mögliche) Feststellungen zu treffen, RGSt. 76 264. Revisionsrügen dieser und ähnlicher Art sind überaus zahlreich, jedoch unzulässig. Vgl. auch B II 3b. b) die Beweiswürdigung. Auch bei der Beweiswürdigung hat der Tatrichter die Gesetze des Denkens und die Erfahrungssätze zu beachten, BGHS. 6 70. Näheres darüber bei § 261 und oben Anm. B II 3 a. Mit allen wesentlichen Feststellungen hat er sich auseinanderzusetzen, OGHSt. 2 69, vgl. auch BGHSt. 6 72, Celle DAR. 1956 166. Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung bindet die Verurteilung an die Überzeugung des Tatrichters von der Schuld oder Unschuld des Angeklagten. Kann er nach Erschöpfung der Beweismittel die Überzeugung von einem bestimmten Hergang nicht gewinnen, so darf er ihn nicht feststellen, BGHSt. 10 208. Dabei darf er sich freilich nicht denk- oder erfahrungswidrig verhalten. Solange er jedoch verständige Zweifel hegt, darf er sich über sie nicht hinwegsetzen. Er hat sie dann näher zu begründen (BGH 3 StR 25/59 vom 16. 9.1959, 3 StR 39/59 vom 16.11.1959, 3 StR 42/59 vom 16.11.1959). Unzulässig ist daher das Revisionsvorbringen, die Beweisaufnahme habe die Urteilsfeststellungen nicht erhärtet, BGHSt. 10 216. Vgl. auch RGSt. 76 45, 77 264. Verkennt die Beweiswürdigung Denk- oder Erfahrungssätze oder überschreitet sie die Grenzen zulässigen Ermessens, so verletzt dies das sachliche Recht, BGH. VRS. 7 54. Vgl. S e i b e r t NJW. 1955 172. Zusammenfassend mit weiteren Angaben Köln MDR. 1954 631. Ist die Beweiswürdigung unklar, so ist auch dies ein sachlichrechtlicher Fehler, BGHSt. 3 215. Der Grundsatz „Im Zweifel zugunsten des Angeklagten" beherrscht die Beweiswürdigung. Er macht die sachlich gestützte Überzeugung des Richters, frei von Beweiswürdigungsregeln, zur Entscheidungsgrundlage. Er verwehrt es dem Richter, eine dem Angeklagten ungünstige Feststellung zu treffen, wenn er noch an ihr zweifelt (Mannheim Berl. Abh. III 141). Ergibt das Urteil, daß der Richter Tatsachen, an denen er noch zweifelt, dennoch „festgestellt" hat, so verletzt es das Verfahrens- und das sachliche Recht, OGHSt. 1 56,165, vgl. BGHSt. 10 216. Legt das Urteil den Gedankengang dar, der den Richter vom Zweifel an einer ungünstigen Tatsache zur Überzeugung von ihrer Richtigkeit und zur Feststellung geführt hat, so ist er nur im Rahmen der allgemeinen Denkgrundsätze (B II 1) nachprüfbar, außerhalb ihrer ist ein Revisionsangriff unzulässig, BGHSt. 2 169, RG. Recht 13 Nr. 783, 26 Nr. 151. Vgl. auch S e i b e r t DRZ. 1949 557. c) Fälle sogenannter Aktenwidrigkeit. Vgl. B II 1. Darunter ist Verschiedenartiges zu verstehen. — aa) Unrichtige Feststellungen zum Sachverhalt, soweit sie nicht auf Unklarheit, Widerspruch, Denk- oder Erfahrungswidrigkeit beruhen (B II 1), lassen sich nicht mit der Sachrüge beseitigen, sondern nur mit der Aufklärungsrüge (vgl. B II 2). Die Sachrüge greift hier nur mittelbar durch, wenn zugleich das sachliche Recht unrichtig auf die Feststellungen angewandt worden ist, E b S c h m i d t 34. — bb) Mit der Sachrüge kann nicht mit Erfolg vorgebracht werden, eine Feststellung widerspreche dem Akteninhalt, jedenfalls nicht, soweit dieser nicht aus unbezweifelbar klaren Urkunden besteht (darüber cc). Das Urteil hat auf dem Gesamtergebnis der H a u p t v e r h a n d l u n g zu beruhen. Dieses weicht häufig von dem Bilde der Vorermittlungen und auch einer Voruntersuchung ab. Schon deshalb scheidet der Gesichtspunkt der „Aktenwidrigkeit", in dieser Breite verstanden, als Revisionsgrundlage aus. — cc) Zweifelhaft kann es sein, ob dies auch für die „Urkundenwidrigkeit" so allgemein gilt und gelten muß. Dazu E b S c h m i d t 34, S a r s t e d t 73, P e t e r s 516, Schwarz DJZ. 1936 215 (jetzt in 21. Aufl. 459 ablehnend). Fälle: Das Strafregister, aus dem das angefochtene Urteil die Vorstrafe entnimmt,
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betrifft einen anderen, RG. H R R . 1939 546, RG. GA. 59 350; die Untersuchungshaft ist unrichtig berechnet, RGSt. 54 25; die Geburtsurkunde des verletzten Jugendlichen ergibt bei § 176 Abs. 1 Nr. 3 StGB, ein Alter von über 14 Jahren; eine Vertragsurkunde ergibt einen anderen, für die Beweiswürdigung oder eine andere Tatsache wesentlichen Abschlußtag. Der strenge Standpunkt (z. B. S a r s t e d t 73) hält auch solche „Feststellungen" für unangreifbar und verweist auf die Sorgfaltspflicht des Verteidigers oder auf Wiederaufnahme, soweit nicht Denkwidrigkeit in Betracht kommt (Rechenfehler). Gewiß ist auch hier Zurückhaltung geboten. Z. B. geht es nicht an, durch die Sitzungsniederschrift eines anderen Verfahrens nachzuweisen, der Angeklagte sei in jenem anderen Verfahren unbeeidigt geblieben und könne daher nicht wegen Meineides verurteilt werden ( S a r s t e d t 75). Diese Tragweite h a t §274 nicht. Auch kommen in amtlichen und Privaturkunden Schreibfehler vor. Die Berichtigung des tatrichterlichen Beweisergebnisses durch das Revisionsgericht an Hand der Urkunde ist daher gewiß ausgeschlossen. Es kann nicht selbst so entscheiden, wie bei richtiger Beurteilung der Urkunde seiner Ansicht nach zu entscheiden gewesen wäre (etwa auf Streichung des Rückfalls). Auch kann nicht verlangt werden, daß es in den Akten nach Urkunden und derartigen Widersprüchen fahndet. Geringere Bedenken bestehen jedoch, Hinweise innerhalb der Sachrüge ebenso zu berücksichtigen, wie eine formrichtig erhobene entsprechende Verfahrensrüge, und die Sache daraufhin zur nochmaligen Prüfung der Urkunde und ihrer Bedeutung zurückzuverweisen. § 359 Nr. 1 hilft hier nur in seltenen Fällen, weil eine Urkunde nur dann unecht ist, wenn der aus ihr ersichtliche Aussteller nicht der wirkliche Aussteller ist, oder wenn sie nachträglich unbefugt geändert worden ist (LK. 8. Aufl. 7 vor § 267). Eine im Verfahren bereits verwendete, jedoch unrichtig verstandene Urkunde ist regelmäßig auch kein neues Beweismittel, das Gegenteil des bisher aus ihr Entnommenen ist keine neue Tatsache (§ 359 Nr. 5). In diesem engen Rahmen eingeschränkter „Urkundenwidrigkeit" und Zurückverweisung sollte eine Änderung der Rechtsprechung daher erwogen werden. 4. Einzelfragen. a) Ermessen. Vgl. dazu B II 4 b (Strafzumessung). Soweit der Tatrichter im Verfahren oder auf sachlichrechtlicher Grundlage nach Ermessen zu entscheiden hat, ist dies stets rechtlich gebundenes, pflichtgemäßes Ermessen, Willkür ist ihm untersagt, BGHSt. 1181. Das Revisionsgericht darf insoweit keinen eigenen Maßstab anlegen. Es p r ü f t nur, ob das Ermessen rechtlich fehlerfrei ausgeübt worden ist, BGHSt. 5 58 (Bildung der Gesamtstrafe), also die Einhaltung der Grenzen pflichtgemäßen richterlichen Ermessens, RGSt. 77 332, 76 182, 325, BGHSt. 7 29, 6 392, OGHSt. 2 203. Der Tatrichter h a t alle für die Entscheidung wesentlichen Umstände zu beachten und ohne Verletzung wesentlicher Grundsätze gegeneinander abzuwägen, BGHSt. 1 180. Bei der Ausübung des rechtlich gebundenen Ermessens (BGHSt. 1 177 zu § 61 Nr. 2) ist er nicht unter allen Umständen zur Begründung der Entscheidung verpflichtet, besonders nicht bei Verfahrensentscheidungen. Dort genügt es im allgemeinen, wenn erkennbar ist, daß nach Ermessen entschieden worden ist, BGHSt. 1 177 (zu § 61 Nr. 2). Es liegt in der Natur von Ermessensentscheidungen, daß sie weitgehend auf Erwägungen der Zweckmäßigkeit und Angemessenheit beruhen und auch Erwägungen Raum geben, die sich schriftlicher Darlegung entziehen, so daß es genügen muß, wenn ersichtlich ist, welcher Ermessensfall angenommen worden ist, BGHSt. 1 177, RGSt. 57 44. Zur Begründungspflicht bei Verfahrensentscheidungen näher OGHSt. 3 155 (zu § 59). Ersichtlich sein muß, ob die rechtlichen Ermessensvoraussetzungen zutreffend beurteilt worden sind, BGHSt. 10 329 (zu § 103 JGG.). Das Revisionsgericht kann Einheitlichkeit der Rechtsprechung nicht dadurch herbeiführen, daß es jenseits jener Grundsätze in die Ermessensausübung des Tatrichters eingreift, BGH. VRS. 7 46. — Die Nichtbeachtung einer Sollvorschrift begründet für sich allein nicht die Revision, RGSt. 42 168, 56 66, 62 182, 64 133, BGHSt. 6 328. Die letztere Entscheidung läßt es ausdrücklich offen, ob Sollvorschriften nicht wenigstens Richtlinien für das pflichtgemäße Ermessen bilden (zu § 43 JGG.). Jedoch würde auch das bei triftigen Gründen das Abweichen von der Sollvorschrift nicht pflichtwidrig machen. Näheres dazu Anm. C 3d. — Gemäß den dargelegten Grundsätzen h a t das Revisionsgericht die Angemessenheit einer im Gesetz nur zugelassenen Einziehung nicht nachzuprüfen, RGSt. 51198. Die Verbindung oder Trennung von Strafsachen richtet sich nach Zweckmäßigkeit, RGSt. 52 140, RG. J W . 1932 404 Nr. 9. Dazu BGHSt. 10 329 zu § 103 JGG. b) Strafzumessung. Wegen des Versuchs einer Systematik der Strafzumessung s.LK. 8. Aufl. vor § 13. Bei der Strafzumessung handelt der Tatrichter innerhalb fester gesetzlicher Regeln
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Anm. Ii II 4 gemäß seinem pflichtgemäßen Ermessen (vgl. Anm. B II 4a). An absolut bestimmte Strafen, an die gesetzlichen Strafrahmen, an die gesetzlichen Grenzen für die Über- oder Unterschreitung der Regelstrafrahmen und die Umwandlungsgrenzen des sachlichen Rechts ist er gebunden. Vgl. BGHSt. 7 30. Er darf die Strafe nur auf Grund verfahrensrechtlich einwandfrei geklärten und klar festgestellten Sachverhalts bemessen, BGHSt. 1 61. Es ist fehlerhaft, wenn er Tatsachen unrichtig oder widersprüchlich feststellt oder Erwägungen anstellt, die der Rechtsidee und den anerkannten Strafgrundsätzen widersprechen, OGHSt. 2 204; wenn er wesentliche Tatsachen bei der Strafzumessung übergeht, OGHSt. 2 69, BGH. LM. § 267 Abs. 3 Nr. 32, oder geschichtliche Tatsachen außer acht läßt. Die Strafe muß dem Maß der Schuld und den anerkannten Strafzwecken entsprechen, OGHSt. 2 147, BGHSt. 3 179. Auch innerhalb des gesetzlichen Strafrahmens darf keine Strafe verhängt werden, die zur Schuld in unerträglichem Mißverhältnis steht und in diesem Sinne überhoch oder grausam ist, OGHSt. 1 174, 2 144. Innerhalb dieser Grenzen ist jedoch das Ermessen des Tatrichters maßgebend, nicht der abweichende Maßstab des Revisionsgerichts, OGHSt. 2 145. Diesem fehlen, selbst wenn der Verurteilte in der Revisionsverhandlung erscheint, nach der Art seines Verfahrens wesentliche Beurteilungsgesichtspunkte. Es darf auch nicht abweichende Strafpraxis anderer Gerichte vergleichend heranzuziehen, auch nicht, wenn sie überwiegt, wenn der Tatrichter den vorgeschriebenen Strafrahmen ohne sonstigen Rechtsverstoß beachtet hat. Andernfalls könnte überwiegender Mißbrauch, etwa eine Tendenz zu übermäßiger Milde oder Härte, zum „Rechtsmaßstab" werden. Bei Nebenstrafen hat der Tatrichter zu prüfen, ob sie nach allen wesentlichen Umständen neben der Hauptstrafe angebracht sind, BGHSt. 10 337. Ist Regelstrafe noch schuldangemessen, so braucht die Kannbestimmung des § 51 Abs. 2 StGB, nicht angewendet zu werden, BGHSt. 7 28. Für Strafaussetzung zur Bewährung gelten, auch bei Anrechnung von Untersuchungshaft, innerhalb des Rahmens des § 23 StGB., die allgemeinen Ermessensgrundsätze, BGHSt. 6391. Zur Begründung der Strafzumessung s. § 267. Einzelheiten: Einen Revisionsgrund bietet die Verhängung einer unzulässigen Strafe; die Verwendung eines Tatbestandsmerkmals als Straferhöhungsgrund, RGSt. 8 76, 23 91, 38 207, RG. GA. 46 36; das Unterlassen allseitiger Würdigung von Tat und Täter unter Berücksichtigung der wesentlichen Strafzwecke, nicht nur eines dieser Zwecke, OGHSt. 2 94; Verwendung widerspruchsvoll festgestellter oder verfahrenswidrig ermittelter Tatsachen, BGHSt. 1 51, OGHSt. 2 202; in sich unklare Feststellungen zur äußeren oder inneren Tatseite, OGHSt. 1 146, BGH. 3 StR 150/55 vom 7. 7.1955 (mit weiteren Angaben), wobei Rechtsirrtum zur äußeren Tatseite die Behandlung der inneren beeinflussen kann, BGHSt. 8 88; strafmindernde oder -erhöhende Verwendung eines Umstandes, der aus Rechtsgründen so nicht verwertet werden darf, OGHSt. 1 119; einseitige Verwertung be- oder entlastender Umstände (lückenhafte Würdigung), OGHSt. 1 244, 2 69; überhohe Strafe, OGHSt. 1 171; Verhängung der Höchststrafe, obwohl die Tat offensichtlich an der unteren Strafrahmengrenze liegt, BGH. 2 StR 45/50 vom 29. 5.1952; die Urteilsgründe ergeben, daß der Tatrichter den Umfang des Strafrahmens nicht erkannt hat, BGH. LM. § 267 Abs. 3 Nr. 2; bloße Verweisung auf Zumessungsgründe eines anderen Urteils, BGH. LM. §267 Abs. 3 Nr. 3, LM. §352 Nr. 4; Benutzung eines nicht zutreffenden Strafrahmens, BGH. LM. § 267 Abs. 3 Nr. 4 und Nr. 7; unselbständig angestellte Zumessungserwägungen, BGH. LM. § 267 Abs. 3 Nr. 8; unzulässige Verwertung des Prozeßverhaltens des Angeklagten, BGH. LM. § 267 Abs. 3 Nr. 14; Strafmilderung nach § 51 Abs. 2 StGB, darf bei Taten bestimmter Art nicht schlechthin ausgeschlossen werden, BGH. LM. § 267 Abs. 3 Nr. 18; über nur geringfügige Erhöhung der Einsatzstrafe trotz zahlreicher Einzelstrafen BGHSt. 5 57; Verwertung von Umständen, die zur Tat in keinerlei Beziehung stehen (allgemeine Sittenrichterei), BGH. LM. § 267 Abs. 3 Nr. 20 und Nr. 24; zum Überzeutungstäter BGHSt. 8 162; mildernde Umstände zwingen nicht schlechthin zur Unterschreitung des Regelstrafrahmens, OGHSt. 2 62; öffentliche Erregung über die Tat braucht nicht stets straferhöhend zu wirken, B r e m e n M D R . 1949 504; irrtümliche Verwertung einer Vorstrafe, Celle NJW. 1949 600; Verschweigen der Abnehmer des Diebesgutes, falls es mit Gewißheit auf stärkere verbrecherische Haltung deutet, H a m m S JZ. 1949137; Leugnen und „hartnäckiges" Leugnen: die Rspr. des BGH. ist mit Recht einschränkend. Das Prozeßverhalten des Angeklagten ist für sich allein kein Strafzumessungsgrund, sondern allenfalls Anzeichen für mangelnde Einsicht und damit Gefährlichkeit, wenn dies gewiß feststeht, nicht im Zweifel, BGHSt. 1 103, 1 105. Darüber muß sich das Urteil deutlich aussprechen, BGHSt. 1 103. Der Angeklagte braucht zu seiner Überführung nicht beizutragen. Sein Schweigen oder Leugnen kann erfahrungsgemäß verschiedenartigste Gründe haben, die nicht verwerflich zu sein brauchen.
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Vgl. LK. 8. Aufl. I 120, S a c h s SJZ. 1949 102. Leugnet der Angeklagte eine fahrlässige Tat in der Überzeugung, nicht fahrlässig gehandelt zu haben, so ist dies kein Straferhöhungsgrund, BGH. 3 StR 46/51 vom 30. 8.1951. Wer durch Leugnen weitere Beweiserhebung veranlaßt, darf nicht allein deshalb härter bestraft werden, BGHSt. 1 342. Die Strafzumessungsgründe brauchen nicht erschöpfend im Urteil zu stehen und können es nicht, OGHSt. 2 389, 1 283. c) Richterliches Prfilungsrecht aul Verfassungsmäßigkeit. Besteht Anlaß, die Gültigkeit einer angewendeten oder anzuwendenden Norm anzuzweifeln, so hat das Revisionsgericht die Gültigkeit ohne Antrag von Amts wegen zu prüfen, da sonst nicht entschieden werden kann, ob „eine Norm nicht oder nicht richtig angewendet" worden ist (§ 337). Art und Umfang dieses richterlichen Prüfungsrechtes waren früher strittig. Hinsichtlich der Rechtsverordnungen war das Prüfungsrecht allgemein anerkannt, RGSt. 56 181, 61 426, RGZ. 102 164 mit weiteren Angaben, Giese Recht 28 342, M e n d e LZ. 18 705, S c h a c k AöR. 41 165, bei Verordnungen auf Grund des Art. 48 WV. mit der Einschränkung, daß nicht geprüft werden durfte, ob die tatsächlichen Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 WV. erfüllt und die Notmaßnahme zur Wiederherstellung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nötig und zweckmäßig war, RGSt. 55 115, 56 163,189, 420, 58 271, 362, 65 364, 66 256, 67 131, StaatsGH. RGZ. 134 Anh. 21, 43, T h o m a AöR. 43 281. Bei Landesgesetzen war Beachtung des Rechtsgrundsatzes „Reichsrecht bricht Landesrecht" zu prüfen (Art. 13 Abs. 1 WV., RGSt. 56 180, RGZ. 64 201). Schließlich wurde das richterliche Prüfungsrecht auch angenommen hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit von Reichsgesetzen, RGZ. 102 164 (Bundesratsverordnung), 111 322 (Aufwertungsgesetz), 134 1. Ebenso T r i e p e l AöR. 39 356, S t i e r - S o m l o AöR. 42 105, B ü h l e r DJZ. 26 580, F r i e d r i c h s , Recht28331, B e n d i x JW. 1924527, G ö r r e s JW. 19241564, S t o l l JW. 19261429; a. M. T h o m a AöR. 43 267, W. J e l l i n e k DJZ. 26 753, JW. 1925 454, S c h a c k AöR. 41167, K l e e DRZ. 16 152. Nachdem das BVerfG. E 2 124, NJW. 1956137 entschieden hat, daß sich Art. 100 GG. nur auf formelle Gesetze und im Gesetzgebungsnotstand ( Art. 81 GG.) erlassene Gesetze (NJW. 1952 497) bezieht, die nach Erlaß des Grundgesetzes ergangen sind (nachkonstitutionelles Recht), obliegt die Gültigkeitsprüfung hinsichtlich aller übrigen Rechtsnormen und der vor dem GG. erlassenen uneingeschränkt den Gerichten. Soweit lediglich formelle Geltungsvoraussetzungen (Verkündung, Ermächtigung) zweifelhaft sind, die nicht im GG. geregelt sind, dürfte dies uneingeschränkt für alle Rechtsnormen gelten, da Art. 100 GG. nur die Verfassungswidrigkeit betrifft. Bei Recht, das bei Inkrafttreten des GG. bereits galt, hat sich die richterliche Prüfung als Maßstab nach der Gesamtheit der Rechtsordnung zu richten, wie sie sich im GG., den Grund- und Menschenrechten und der Gesamtheit des geschriebenen und ungeschriebenen Rechts spiegelt. Nicht maßgebend kann sein die Anschauung des jeweiligen Richters und seine private Gewissensüberzeugung ( E b S c h m i d t I 414ff.). Vgl. bereits RGSt. 61 247. Das Gericht ist insoweit zur Prüfung zuständig. Dasselbe gilt für sämtliche Rechtsnormen ohne Rücksicht auf Entstehungszeit, die nicht formelle Gesetze einschließlich der gemäß Art. 81 GG. erlassenen sind (BVerfG. NJW. 1952 497), weil diese Normen von Art. 100 GG. nicht erfaßt werden. Auch insoweit entscheiden die Gerichte endgültig bejahend oder verneinend. Für formelle Gesetze, die unter der Geltung des Grundgesetzes in Kraft getreten sind (BVerfG. a. a. O.), gilt die Sonderregelung des Art. 100 GG. Hier findet unter Umständen eine „konkrete Normenkontrolle" (BVerfG. NJW. 1958 98) durch das zuständige Verfassungsgericht im Zwischenverfahren statt. Hält ein Gericht ein Gesetz, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung ankommt (vgl. § 80 Abs. 2 BVerfGG.), für verfassungswidrig, so ist das Verfahren auszusetzen und, wenn eine Landesverfassung verletzt wäre, die Entscheidung des für Verfassungsstreitigkeiten zuständigen Gerichts des Landes, wenn Verletzung des Grundgesetzes in Betracht kommt, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen. Dies gilt auch bei Verletzung des Grundgesetzes durch Landesrecht oder bei Unvereinbarkeit eines Landesgesetzes mit Bundesrecht (Art. 100 Abs. 1 GG.).Vgl. aber BVerfG. NJW. 1959 2108 (Vereinbarkeit von Landesrecht mit weiterem Bundesgesetz). Ist in einem Verfahren zweifelhaft, ob eine Regel des Völkerrechts Bestandteil des Bundesrechtes ist und ob sie unmittelbar Rechte und Pflichten erzeugt, so hat das Gericht ebenfalls die Entscheidung des BVerfGs. einzuholen (Art. 100 Abs. 2 GG). Auch bei beabsichtigten Abweichungen der Landesverfassungsgerichte untereinander ist die Entscheidung des BVerfG. einzuholen (Art. 100 Abs. 3 GG.). Innerhalb dieses Rahmens ist das richterliche Prüfungsrecht nicht beseitigt, jedoch auf „konkrete Normenkontrolle" durch Verfassungsgerichte, vor allem durch das BVerfG. beschränkt. Dieses Zwischenverfahren findet auch
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§337
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. C 1 ohne Antrag eines Beteiligten statt. Es entfällt, wenn das Gericht die Verfassungsmäßigkeit der Norm nicht anzweifelt (vgl. auch B r e m e n MDR. 1956 232). Rechtlich gehindert ist es nur daran, Verfassungswidrigkeit festzustellen. Einzelheiten bei Art. 100 GG. — Ob Berliner Gesetze mit dem GG. übereinstimmen, haben bisher ausschließlich die zur Sachentscheidung zuständigen Gerichte zu beurteilen, BVerfG. NJW. 1957 1273, BGH. NJW. 1956 949. Dasselbe gilt für die Vereinbarkeit mit bisherigem Besatzungsrecht, BVerfG. NJW. 1954 873. Näher zum Begriff des vor- und nachkonstitutionellen Rechts BVerfG. NJW. 1957 417, 1954 873, 1959 2107, H e r h o l z DÖV. 1959 371, O s w a l d DVB1.1958 563, T h o m a s DVB11959 203. Über Nichtigkeit einer Verfassungsnorm BVerfG. NJW. 1954 65, BGH. NJW. 1954 347, A p e l t JZ. 1954 401. C. Gesetzverletzung. Verfahrensverstöße. 1. Allgemeines. Eine Verfahrensverletzung kann darin bestehen, daß eine gesetzlich vorgeschriebene Handlung, insbesondere Entscheidung, unterblieben ist, daß sie fehlerhaft vorgenommen worden ist, oder daß sie überhaupt unzulässig war. Ob der Fehler auf ausdrücklicher Entscheidung beruht, ist hierfür ohne Bedeutung. Maßgebend für die Beurteilung der Verfahrenslage und der Gesetzmäßigkeit des Verfahrens ist die wirkliche Sachlage, wie das RevG. sie ermittelt, nicht die Kenntnis oder Beurteilung durch den Tatrichter, es sei denn, daß der Verfahrensakt den seinerzeitigen Verfahrensstand (Stand der Hauptverhandlung) zur Grundlage zu nehmen hatte (Beispiel: Entscheidung gemäß § 60 Nr. 3). Die Prüfung durch das RevG. ist daher, von Förmlichkeiten der Hauptverhandlung gemäß § 274 abgesehen, mittels Freibeweises auf die gesamte Verfahrenslage zu erstrecken. Neues Vorbringen der Revision hierzu ist zulässig. Vgl. RGSt. 4 205, 12 125, 31 232. Da das Urteil auf der Hauptverhandlung beruht, kommen regelmäßig nur deren Mängel in Betracht, nicht solche des Vorverfahrens, BGHSt. 6 328, es sei denn,ein dort vorgekommener Verstoß wirkt in die Hauptverhandlung hinein. Vgl. RG. HR. 91473 (Niederschrift über ungesetzlich vorgenommene Augenscheinseinnahme oder Zeugenvernehmung wird verlesen). Auf Mängeln des Vorverfahrens kann das Urteil nur unter besonderen Umständen beruhen. So muß gesetzwidriges Unterbleiben der Voruntersuchung auf dem in § 201 gewiesenen Wege gerügt werden, RGRspr. 3 91, 6 161. War Zustellung des Eröffnungsbeschlusses versäumt worden, so kommt es darauf an, ob die Verteidigung dadurch beschränkt worden ist, was im allgemeinen nicht zutreffen wird, wenn er mit der Anklageschrift übereinstimmt, RG. GA. 46 216. — Die Verfahrensverletzung muß als geschehen behauptet werden. Es genügt nicht, daß lediglich die Sitzungsniederschrift als unrichtig bezeichnet wird (bloße Protokollrüge), oder daß der Verstoß als möglich hingestellt wird. Ein nur möglicher Verfahrensverstoß reicht zur Begründung nicht aus. Die Tatsachen, welche den Verfahrensverstoß begründen sollen, müssen bestimmt behauptet und bewiesen werden (§ 344 Abs. 2). Im Zweifel sind sie nicht zugunsten des Angeklagten zu unterstellen. Sind sie bewiesen, so genügt nunmehr die naheliegende Möglichkeit eines Verstoßes und des Beruhens des Urteils auf dem Verstoß. — Maßgebend ist das Verfahrensrecht, das zur Zeit des Verfahrensaktes galt. Spätere Änderungen bleiben außer Betracht. Ändert sich das Verfahrensrecht während der Hauptverhandlung und fehlen Übergangsbestimmungen, so ist in derselben Sache vom Inkrafttreten ab das neue Verfahrensrecht maßgebend. — Jeder Beteiligte kann nur Verstöße rügen, die ihn selbst betreffen, RGSt. 62 260, 38 272. Das können unmittelbar ihn berührende Verfahrensakte gewesen sein, jedoch auch solche, die zunächst nur Mitangeklagte betrafen, sofern das dadurch erzielte Beweisergebnis auch gegen den Beschwerdeführer verwertet worden ist, E b S c h m i d t 25. Trifft dies nicht zu, so wirkt die erfolgreiche Rüge eines Beteiligten hinsichtlich eines Verfahrensverstoßes nicht für solche anderen Beteiligten, die diese Rüge nicht oder nicht formgerecht erhoben haben, auch dann nicht, wenn gegen sie derselbe Verstoß geschehen ist. Das Erstreckungsgebot des § 357 gilt für Verfahrensrügen nicht. Verfahrensvoraussetzungen oder -hindernisse sind zwar von Amts wegen zu beachten, jedoch nur hinsichtlich desjenigen Verurteilten, der form- und fristgerecht Revision eingelegt und diese ordnungsgemäß (§§ 344,345) begründet hat, BGHSt. 16115 (BGHSt. 15 203 ist überholt und wird nicht aufrechterhalten). — Ein allgemeines Recht jedes Beteiligten, jedes „prozeßordnungswidrige Verhalten", also jeden irgendwie gearteten Verfahrensverstoß zu rügen, besteht nicht. Vielmehr muß bei jeder Vorschrift geprüft werden, ob ihre Verletzung den Rechtskreis des Beschwerdeführers berührt oder ob sie für ihn von untergeordneter oder ohne Bedeutung ist, BGHSt. 11 214, 215 (GSSt.). Ist wirksam Revision eingelegt, so ist, wo Anlaß dazu besteht, auch ohne Rüge von Amts wegen zu prüfen, ob eine Verfahrensvoraussetzung fehlt oder ein Verfahrenshindernis besteht, und zwar in jeder Verfahrenslage, BGHSt. 9192,13128. Andere Verstöße sind nur auf formgerechte
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Anm. C 2 Büge (§ 344 Abs. 2) hin zu untersuchen, mit den angegebenen Rechtsfolgen. Im Bereich des § 274 ist nur die Sitzungsniederschrift Beweismittel und gegen sie nur Beweis der Fälschung zulässig. Nach erhobener Rüge ist eine Berichtigung, die der Rüge den Boden entzieht, oder eine Zusatzerklärung der Urkundspersonen nicht mehr zulässig, BayObLG. N J W . 1967 34. Im übrigen erhebt das RevG. auf Grund neuen Vorbringens zu dem Verfahrensverstoß Freibeweis. Das gilt namentlich bei der Prüfung der Verfahrensvoraussetzungen. Vgl. RGSt. 3 50, 4 388, 8 251, 20 163, 44 120 (dienstliche Äußerung), 35 367 (Aktenbeiziehung), 71 261, BGH. N J W . 1952 1307 (dienstliche Äußerung). An Feststellungen zur Tat, soweit sie für den Verfahrensvorgang erheblich sind, ist es jedoch gebunden (a. M. E b S c h m i d t 12). So hat es bei Prüfung der Verfolgbarkeit (§§ 4ff. StGB.) von dem festgestellten Tatort auszugehen, bei Prüfung der Verjährung oder Niederschlagung von der festgestellten Tatzeit, RGSt. 69 318, sowie auch von den weiteren wesentlichen Tatumständen. Verfahrensrechtlich erhebliche Umstände, die der Tatrichter in der Hauptverhandlung nach pflichtgemäßem Ermessen zu berücksichtigen hat, hat das RevG. mangels Ermessensverstoßes nicht nachzuprüfen ( A l s b e r g J W . 1915 306, E b S c h m i d t 13, B e l i n g Binding-Festschrift 2 146, H e g l e r Rechtsgang 1 401 Anm. 1). Daher hat das RevG., von Rechtsfehlern abgesehen, nicht in tatsächlicher Beziehung nachzuprüfen, ob der Angeklagte im Sinn des § 62 Nr. 1 mit der Zeugin verlobt ist; ob der Zeuge nach § 60 Nr. 1 eidesunfähig oder ob er nach § 60 Nr. 3 teilnahmeverdächtig ist, RGSt. 11 261, 26 98, 44 384, 56 103, 139; ob der abgelehnte Sachverständige befangen ist, RGSt. 25 362, RG. Recht 14 Nr. 3872, LZ. 9 554; ob der Angeklagte vorsätzlich ausgeblieben ist (vgl. §§ 230, 231); ob weiteres Forschen nach einem Zeugen Erfolg verspricht, RGSt. 54 22; ob ein Verfahrensbeteiligter die deutsche Sprache ausreichend beherrscht (§ 185 GVG.). In allen diesen Fällen ist nur zu prüfen, ob dem Tatrichter ein Rechtsirrtum unterlaufen ist. Trifft das nicht zu, so sind die tatsächlichen Feststellungen bindend. Sie sind nicht bindend, soweit keine Ermessensausübung mitspricht, wie etwa bei dem Alterserfordernis in den §§ 60 Nr. 1, 61 Nr. 1, oder bei dem Rechtsbegriff des Angehörigen in § 61 Nr. 2. 2. Verfahrensvoraussetzung. Verfahrenshindernis. Vgl. Anm. C 1. Kommt Mangel einer Prozeßvoraussetzung oder ein Verfahrenshindernis in Betracht, so ist dies von Amts wegen auch ohne Antrag zu prüfen, KG. J R . 1955 310 (verspätete Prüfung), BGHSt. 13 128. Vgl. auchKG. N J W . 1960 2207. Es gilt Freibeweis. Ist dieser besonders zeitraubend und das Vorhandensein eines Verfahrenshindernisses möglich, so dürfte auch Aufhebung und Zurückverweisung zulässig sein, vgl. Celle MDR. 1960 334. An rechtsirrtumfrei festgestellte Tatsachen ist das RevG. dabei gebunden. Zum Freibeweis und seinem Wert BGHSt. 11 215. Hat ein Verfahrenshindernis bestanden oder eine Verfahrensvoraussetzung gefehlt, so ist das angefochtene Urteil, soweit wirksam (§ 344 Abs. 2) Revision eingelegt ist, wozu hier auch die Sachrüge ausreicht, aufzuheben und das Verfahren vorläufig einzustellen. Die Sachrüge eines Beteiligten, die zur Aufdeckung eines Prozeßhindernisses führt, wirkt nicht zugunsten eines Beteiligten, der kein Rechtsmittel eingelegt hat. § 357 gilt nur für sachlichrechtliche Verstöße. a) Sachliche und örtliche Zuständigkeit. Den Einwand örtlicher Unzuständigkeit des erkennenden Gerichts kann der Angeklagte nur bis zum Schluß der Voruntersuchung geltend machen, hat keine Voruntersuchung stattgefunden, bis zum Beginn der Verlesung des Eröffnungsbeschlusses in der Hauptverhandlung (§ 16). Eine Revisionsrüge kommt hier nur in Betracht, wenn der Einwand aus Rechtsirrtum erfolglos geblieben ist, vgl. RGSt. 3 311, 316, 70 239, RG. H R R . 1982 2225, RGSt. 40 357. Unterbleibt der Einwand oder bleibt er ohne Rechtsirrtum erfolglos, so ist er verbraucht. Vgl. § 16. — Ob der Tatrichter innerhalb seiner sachlichen Zuständigkeit entschieden hat, ist von Amts wegen zu prüfen, BGHSt. 13 158, RGSt. 66 256, 76 58, O l d e n b u r g N J W . 1957 1329, a. M. BayObLG. J W . 1930 2973 Nr. 8. War das Gericht sachlich unzuständig, so liegt ein Verstoß gegen § 338 Nr. 4 vor und das angefochtene Urteil ist ohne Beruhensprüfung aufzuheben, BGHSt. 13 157. Näheres bei § 338 Anm. 10. b) Anklage. Eröffnungsbeschluß. Mängel der Anklage beeinträchtigen den Bestand des Urteils im allgemeinen nicht (vgl. § 336), wohl aber Fehlen der Anklage, RGSt. 67 59, 24 66, 31 104. Ist Klage wegen Inlandstat erhoben, während die Hauptverhandlung als Tatort das Ausland ergibt, so hat sich die Staatsanwaltschaft gemäß § 153 b zu erklären, ob sie die Auslandstat verfolgen wolle, RGSt. 44 119. Der Anklage gleich stehen Anträge der Staatsanwaltschaft gemäß § 277 Abs. 1 (Hauptverhandlung gegen Flüchtige) und § 429 äff. (Sicherungsverfahren), RGSt. 68 291. — Das Vorhandensein des Eröffnungsbeschlusses ist bei Anlaß hierzu von Amts
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Anm. C 2 wegen zu prüfen, BGHSt. 10137, 279. Fehlt er oder bezeichnet er die Tat auch in Verbindung mit der Anklageschrift nicht ausreichend, so muß das Verfahren eingestellt werden, BGHSt. 10137, 279. Ist nur Zustellung des EB. versäumt worden, so kommt als Verstoß nur Behinderung der Verteidigung in Betracht. Sie wird im allgemeinen nicht vorliegen, wenn EB. und ordnungsgemäß zugestellte Anklageschrift übereinstimmen, RG. GA. 46 216. Enthält der EB. eine unzulässige Darstellung der Ermittlungen und wird diese in der Hauptverhandlung verlesen, so verliert er dadurch nicht die Eigenschaft als Prozeßvoraussetzung. Die Verlesung des unzulässigen Teils verstößt lediglich gegen § 337, das Beruhen des Urteils auf dem Verstoß ist zu prüfen, BGH. GA. 1969 277 mit weiterer Angabe. Vgl. auch BGHSt. 5 261. Ob der Eröffnungsbeschluß sonst an Mängeln leidet, die nicht offensichtlich sind, ist nur auf Rüge zu prüfen, BGHSt. 10 278 (Gerichtsbesetzung). Bezeichnet der EB. die Tat nicht ausreichend deutlich, so ist das Urteil mit Feststellungen aufzuheben und das Verfahren einzustellen, BGHSt. 10 137, 279, 1 StR 645/58, LM. § 207 Nr. 5. Über schwere Mängel des Eröffnungsbeschlusses BGHSt. 10 278, BGH. NJW. 1954 360, JR. 1957 69, RGSt. 48 218, 55 113. e) Anderweite Rechtshängigkeit. Verbot der Doppelverfolgung. Bei gegebenem Anlaß ist anderweite Rechtshängigkeit von Amts wegen zu prüfen, RGSt. 67 53, 52 262. Unter Gerichten verschiedener Ordnung hat das höhere Gericht den Vorrang, RGSt. 70 337, HRR. 1938 132, unter Gerichten gleicher Ordnung regelmäßig dasjenige, bei dem die Sache früher anhängig geworden ist, RGSt. 29 174, 55 187. Das gilt auch, wenn das niedere Gericht bereits ein Urteil gefällt hat, während die Sache bei dem Gericht höherer Ordnung noch anhängig ist, RGSt. 70 337, a. M. noch 29 179. Hat bei Gerichten gleicher Ordnung das früher tätig gewordene nur eine Einzelhandlung erfaßt, das später tätig gewordene eine als Gesamtheit angesehene Mehrheit von Handlungen, oder hat es die Untersuchung sonst umfassender gestaltet, so kann dieses zuständig sein, RGSt. 70 337, 67 56,66 19, 41 109. Das Verbot der Doppelverfolgung (Art. 103 III GG.) ist von Amts wegen in jeder Verfahrenslage zu berücksichtigen, BGHSt. 9 191. Ihm ist auch noch Geltung zu verschaffen, wenn das angefochtene Urteil sonst nicht auf Verletzung des § 337 beruht, BGHSt. 9 191 (Einbeziehung derselben Einzelstrafe in mehrere Gesamtstrafen). Rechtskraft des Strafbefehls hindert nicht Verfolgung derselben Tat unter einem anderen rechtlichen Gesichtspunkt, der erhöhte Strafbarkeit begründet, BGHSt. 8 13. Die Strafbarkeit ist in diesem Sinne erhöht, wenn innerhalb desselben geschichtlichen Vorganges zu dem im Strafbefehl abgeurteilten Vergehen eine weitere selbständige Handlung tritt, BGHSt. 9 10. Dies hat jedoch auch bei Tateinheit zu gelten, sei es, daß ihr zufolge ein strengerer Strafrahmen anzuwenden ist oder daß bei unverändertem Strafrahmen erheblich höhere Strafe angezeigt ist. Vgl. noch BGH. LM. GG. Art. 103 Nr. 3 (Forstrügegerichte). Art. 103 Abs. 3 GG. hindert in gewissem Rahmen auch nochmalige Aburteilung eines Freigesprochenen, BGHSt. 5 323. Hinsichtlich von Einzelakten einer fortgesetzten Handlung, die nach Erlaß des ersten Strafurteils liegen, vgl. BGHSt. 9 324 (bedenklich). Zur früheren Aburteilung durch Besatzungsgericht BGHSt. 6 176,12 36 (hier vor Inkrafttreten des Überleitungsvertrages). Ob das frühere und das gegenwärtige Verfahren dieselbe Sache betreffen, richtet sich nach dem Inhalt der beiden Urteile, RGSt. 28 98. d) Strafantrag. Bei Antragsstraftaten hat das RevG. selbständig zu prüfen, ob ein wirksamer Antrag gestellt ist, RGSt. 67 55, BGHSt. 6 155, RGHSt. 47 202, 48 276, 51 72; ob der Antragsteller antragsberechtigt ist, BGHSt. 6 156, RG. Rspr. 10 156, RG. JW. 1918 155; ob der Antrag rechtzeitig gestellt und ob er wirksam geblieben ist, RG. Recht 24 Nr. 2720. Das RevG. hat den Antrag unter Berücksichtigung aller Umstände frei auszulegen, BGH. NJW. 1951 368, 1 StR 189/52 vom 19. 9. 1952, RG. Rspr. 1 614, 7 259. Soweit es auf Antragsberechtigung ankommt, hat sich das RevG. hierauf zu beschränken. Ob Vorentscheidungen des Vormundschaftsgerichts zutreffen, etwa ob die gesetzlichen Voraussetzungen der Anordnung der Vormundschaft oder Pflegschaft vorliegen, hat es nicht selbst zu untersuchen, RG. GA. 59 452, Recht 19 Nr. 1457, auch nicht die Ermessensfrage, ob im Einzelfall ein Bedürfnis für die Ausübung des Vertretungsrechts bestanden hat, RGSt. 57 144. Der N a c h w e i s rechtzeitiger Antragstellung ist noch im Revisionsverfahren zulässig. Ob der bisher fehlende Antrag, der im Berufungsverfahren noch gestellt werden kann, auch im Revisionsverfahren nachgebracht werden darf, ist strittig und wohl zu verneinen. Wie hier RGSt. 46 48, RG. GA. 49 129. Nach RGSt. 68 120, BGHSt. 8 73, 6 157 genügt Nachbringung im Revisionsverfahren. Zwar trifft es zu, daß das Fehlen des Antrags, sofern er noch gestellt werden kann, nur zur Einstellung führt. Jedoch kann das Ergebnis eines
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wiederholten Verfahrens anders ausfallen, daher genügt Nachbringung außerhalb der letzten Tatsacheninstanz nicht. — Fehlt der Strafantrag, so ist das Verfahren auch einzustellen, wenn es wegen einer, nun nicht erweisbaren, Nicht-Antragstat eröffnet worden war, RGSt. 72 296. Kann der Strafantrag nicht mehr nachgeholt werden und ist jene Nicht-Antragstat nicht erweisbar, so ist Freispruch geboten, BGHSt. 1 231, RGSt. 66 51. Sind mehrere Antragsteller zugleich verletzt, so kann das Verfahren nur eingestellt werden, wenn alle ihren Antrag zurückgenommen haben, BGHSt. 9 149. Ist die Verfahrenseröffnung wegen fehlenden Strafantrags abgelehnt worden und stellt sich später heraus, daß ein wirksamer Antrag vorlag, so kann das Verfahren trotz § 211 wieder aufgenommen werden, BGHSt. 7 64. e) Verjährung. Die Verjährung ist ausschließlich ein Verfahrenshindernis, BGHSt. 2 300, sie richtet sich daher nach dem Recht des Gerichtsortes. Verjährung macht das Verfahren unzulässig, RGSt. 66 328, 67 55. Ob die Verjährung unterbrochen worden ist, hat das RevG. selbst festzustellen, vgl. BGHSt. 4 135 und § 68 StGB., RGSt. 12 434. An Feststellung der Tatzeit ist das RevG. gebunden, RGSt. 69 320. Die Verjährung gehört nicht zum gesetzlichen Tatbestand, daher kann die Verjährungsfrist nachträglich gesetzlich verlängert werden, BGHSt. 4 384, auch wenn die Tat nach bisheriger Regelung bereits verjährt war. Nur mögliche Verjährung hindert das Verfahren nicht. Die Tatsachen, aus denen sich die Verjährung ergibt, müssen vielmehr feststehen. I) Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten hindert die Hauptverhandlung gegen ihn. Auf diesen Grundsatz kann wegen seiner Bedeutung nicht verzichtet werden. Beachtung der Verhandlungsfähigkeit ist im jeweiligen Verfahren f ü r d i e s e s von Amts wegen geboten. Ob der Angeklagte vor dem Tatgericht verhandlungsunfähig war, ist Tatfrage und vom RevG. nicht nachzuprüfen, RGSt. 1 151, 29 326, 64 15, RG. DJZ. 19 755, GA. 69 85, 70 243, zumal da hierfür nachträglich oft kein verläßlicher Beweis mehr zu erbringen ist. Revisibel ist lediglich der Rechtsbegriff der Verhandlungsunfähigkeit. Ihr angebliches Vorhandensein muß jedoch formgerecht durch Revisionsrüge (§ 344 II) behauptet werden (so für den Regelfall wohl H a m m NJW. 1961 842). Führt der Angeklagte den Zustand selbst herbei, um die Hauptverhandlung zu hemmen, so kann unter den übrigen Voraussetzungen des § 231 Abs. 2 gegen ihn verhandelt werden, BGHSt. 2 300 (Hysterie), RG. DR. 44 836 (Selbstmordversuch). Im letzten Falle kommt es jedoch auf die Willens- oder Krankheitsursache an. g) Straffreiheit. Niederschlagung. Der Staat kann weitere Strafverfolgung wegen bestimmter Delikte unter allgemein bezeichneten Voraussetzungen gesetzlich untersagen, im Gegensatz zur Begnadigung einzelner Verurteilter. Derartige Straffreiheitsgesetze schaffen ein Prozeßhindernis, oder je nach dem Stande des Verfahrens ein Vollstreckungshindernis, BGHSt. 9 104, 3 136. Das unbeendete Verfahren ist einzustellen, die Vollstreckung zu beenden. Die Einstellung hat nur feststellende Wirkung, BGHSt. 3 136, da sachlichrechtlich ein Straffreiheitsgesetz in den einschlägigen Fällen den staatlichen Strafanspruch erlöschen läßt, BGHSt. 3 136, RGSt. 69 126, eine Rechtsfolge, welche kraft Gesetzes eintritt. Diese Rechtslage bewirkt, daß jedes Gericht, auch das Revisionsgericht, in jeder Verfahrenslage von Amts wegen (RGSt. 71 252, 59 56) dafür zu sorgen hat, daß gesetzlich bewirkte Straffreiheit festgestellt werde, und zwar auf Grund Freibeweises, der freilich nicht zur Erneuerung der Hauptverhandlung zwecks Entscheidung über Straffreiheit führen kann. Vgl. RGSt. 33 208, 41 155, 53 41, 54 19, 83, 284, 55 231, 59 56, 78 66, 74192,207,395, 75 34,297, 76 104. Straffreiheit kann nur festgestellt werden, wenn die Tatsachen feststehen, auf welche sich ihre gesetzlichen Voraussetzungen gründen, ihre bloße Möglichkeit genügt dazu nicht, BGH. LM. StFG. 49, Allg. Nr. 4, RGSt. 69 126, 158, 71 252, 261, 72 5, 25, RG. JW. 1937 2446, DStR. 1939 287. Sind allerdings bei Feststellung der Schuld und ihres Umfanges nach dem Rechtssatz „Im Zweifel zugunsten des Angeklagten" Tatsachen festgestellt, so sind sie auch für die Prüfung der Voraussetzungen der Straffreiheit maßgebend, BGH. LM. § 6 StFG. 54 Nr. 2. Ein Einstellungsurteil schließt nach Rechtskraft weitere Strafverfolgung aus, BGH. 4 StR 280/51 vom 10. 5. 1951. Vgl. hierzu jedoch RGSt. 54 18, 67 385, 69 125. Sieht das Gesetz den Antrag des Beschuldigten auf Durchführung des Verfahrens vor, so ist er noch im Revisionsverfahren zulässig, BGHSt. 2 216. Niederschlagung ist auch zu prüfen, wenn das Rechtsmittel nur beschränkt eingelegt ist, BGHSt. 6 304, RGSt. 74 206, RG. HRR. 39 1141. Feststellung der Tatzeit bindet das RevG. auch bei Prüfung der Straffreiheit, RGSt. 69 318. Zur Beschwer des Beschuldigten, der Unschuld behauptet, bei bloßer Einstellung wegen Straffreiheit s. RGSt. 69 124, anderseits 70 193. Zum Verhältnis von Bundes- und Landesstraffreiheitsgesetzen BGHSt.
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Anm. C 8 3 137. Sind mehrere Revisionen gegen ein Strafkammerurteil eingelegt, von denen die eine nur Nichtanwendung eines Landes-Straffreiheitsgesetzes rügt, so ist der BGH. für sämtliche Rechtsmittel zuständig, BGHSt. 4 207. Entscheidung über Niederschlagung geht derjenigen gemäß § 27 JGG. vor, BGHSt. 9 104. Über das weitere Verfahren und die Urteilsbegründung bei Straffreiheit BGHSt. 10 113. Über Straffreiheit als Auslieferungshindernis BGHSt. 1122. h) Auslieferungsbedingung. Wird ein Beschuldigter von einer fremden Regierung der inländischen Gerichtsbarkeit zur Strafverfolgung ausgeliefert, so darf er nur innerhalb des von der ausliefernden Stelle genehmigten tatsächlichen und rechtlichen Rahmens im Inland verfolgt werden, im übrigen besteht ein Verfahrenshindernis. Maßgebend für den Umfang der Verfolgbarkeit ist der Auslieferungsbescheid zusammen mit dem etwaigen zwischenstaatlichen Auslieferungsvertrag, RGSt. 30 440, 34 199, 45 278, 55 285, 64 187, 66 174. Internationale Verträge gehen als Bestandteile des Völkerrechts dem innerdeutschen Verfahrensrecht vor, BGHSt. 5 402. Dies ist in jeder Verfahrenslage von Amts wegen zu berücksichtigen. Soweit hiernach keine Verfolgbarkeit besteht, ist von Verfolgung abzusehen, etwa eingetretene Rechtsfolgen sind zu beseitigen, das Verfahren ist insoweit einzustellen, RGSt. 70 286. Ob der fremde Staat nach eigenem Recht hätte ausliefern dürfen oder ob er der deutschen Behörde zu umfangreiche Verfolgungsbefugnis eingeräumt hat, betrifft ihn allein und ist nicht zu untersuchen, RGSt. 70 287. Jedoch sind fremde Auslieferungsbescheide im Licht des jeweiligen zwischenstaatlichen Abkommens und nach dessen Sinn und Zweck auszulegen. Einzelheiten der Materie können hier nicht dargestellt werden. — Über Nichtzulässigkeit der Auslieferung bei Straffreiheit im Inland BGHSt. 1122. 3. Andere Verfahrensverstöße. Die hierfür geltenden allgemeinen Grundsätze sind in Anm. C 1 bereits dargelegt. Welche Verstöße in Betracht kommen, ist bei den einzelnen Verfahrensvorschriften zu erörtern, vor allem bei denjenigen über die Hauptverhandlung, auf der das Urteil beruht, und bei den Vorschriften, deren Wirksamkeit in die Hauptverhandlung hineinreicht und ihr Ergebnis beeinflussen kann. In Betracht kommen hier vor allem beispielsweise a) das Beweisrecht, wie es in den §§ 244ff. geregelt ist. Das Gebiet ist so umfangreich, daß es hier auch nicht umrißweise erörtert werden kann. Auf die einschlägigen Vorschriften wird verwiesen. b) das Recht der Beweiswürdigung. Eingehende Ausführungen hierüber befinden sich in Anm. B II 1, 2, 3. Darauf wird verwiesen. Rechtsverstöße auf dem Gebiete der Beweiswürdigung verletzen zugleich das sachliche Recht, weil sie der Rechtsanwendung die zutreffende Tatsachengrundlage entziehen (BGH. 3 StR 39/59 v. 16. 11.1959 mit weiteren Angaben). Ist die Beweiswürdigung rechtlich einwandfrei und frei von Unklarheiten, Denk- oder Erfahrungsfehlern, so kann sie mit der Rechtsrüge der Revision nicht angefochten werden. Vor allem muß der in Revisionsbegründungen häufige Versuch scheitern, rechtlich mögliche Schlüsse, zu denen der Tatrichter gelangt ist, als Rechtsverstöße auszugeben, weil sie der eigenen Ansicht nicht entsprechen, weil sie nicht überzeugend seien, nicht einleuchteten oder weil auch andere Schlüsse möglich seien. — Auch mit dem Satze „Im Zweifel zugunsten des Angeklagten" kann die Beweiswürdigung nicht angegriffen werden. Er greift nur ein, wenn der Richter eine Tatsache „feststellt", obwohl er erkennbar noch Zweifel an ihr hegt, und wenn die weitere Aufklärung scheitert. Kann der Richter nach Erschöpfung der Beweismittel die Überzeugung von einem bestimmten Hergang nicht gewinnen, so darf er ihn nicht feststellen, BGHSt. 10 208. Dabei darf er nur verständigen Zweifeln Raum geben. Bloße leere Skrupel oder bewußt übertriebene Anforderungen an eine „letzte Gewißheit" fallen nicht darunter, soweit sie die beschränkte Erkenntnisfähigkeit des Menschen außer Acht lassen. Vgl. Anm. B II 3b. — Soweit der Satz „Im Zweilei gegen den Angeklagten" gilt, wie z. B. in den §§ 186, 245a, 259, 361 Nr. 8 StGB., ist auch seine Verkennung oder Nichtbeachtung ein Rechtsverstoß, E b S c h m i d t 27. c) die unbedingten Revisionsgründe des § 338, zu denen, soweit das erkennende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war (§ 338 Nr. 1), auch aus der Geschäfts Verteilung erwachsende Rechtsfragen gehören. Zwar ist der Geschäftsverteilungsplan keine Rechtsnorm im Sinne des § 337, jedoch hat er auf den einschlägigen Vorschriften des GVG., vor allem der §§ 63, 64 GVG., zu beruhen, deren Nichtbeachtung oder unrichtige Beachtung zu unvorschriftsmäßiger Gerichtsbesetzung führen kann. Näheres bei § 338 Nr. 1. Vgl. BGHSt. 1 265. d) Sollvorschriften sind Rechtsnormen (strittig, vgl. G a g e - S a r s t e d t 72, RGSt. 42 168, K e r n 195), da sie Gesetzesbestandteile sind. Der Richter darf von ihrer Befolgung nicht nach
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bloßem freiem Ermessen absehen, sondern nur aus triftigem Grunde und nur, wenn Grundprinzipien geregelten Verfahrens trotzdem gewahrt bleiben, BGHSt. 3 384. Ihre Besonderheit liegt darin, daß der Gesetzgeber hier anerkennt, daß es Verfahrenslagen gibt, die das Abweichen von zweitrangigen Ordnungsregeln mitunter nahelegen. Nur insoweit dürfen Sollvorschriften unbeachtet bleiben. Ähnlich wohl E b S c h m i d t 19. Ob eine Sollvorschrift vorliegt, ergibt Sinn und Verfahrensaufgabe, nicht die Bezeichnung (vgl. den Fall in BGHSt. 9 1). Diese ist nur ein Anhaltspunkt. Sollvorschriften sind zu beachten, wo ein triftiger Grund, von ihnen abzusehen, nicht vorliegt. Regelmäßig wird das Urteil auf Nichtbeachtung nicht beruhen können, wie sich aus ihrer mehr untergeordneten Aufgabe ergibt. Die Rechtsprechung des BGH. scheint sich ähnlich zu entwickeln, wenn sie ausspricht, nach ständiger Rechtsprechung sei Nichtbeachtung einer Sollvorschrift keine Rechtsverletzung (RGSt. 42 168, 56 66, 62 182, 64 133), es anderseits aber dahingestellt läßt, ob dem so allgemein zuzustimmen ist, BGHSt. 6 328, und ob Sollvorschriften nicht mindestens „Richtlinien für das pflichtgemäße Ermessen" des Richters oder für dessen Aufklärungspflicht bilden. Jede Sollvorschrift gibt dem Tatrichter jedenfalls Anlaß zur Erwägung, ob sie auf einen Gesichtspunkt hindeutet, der der Wahrheitsfindung die Richtung gibt (Beispiel: von der Ordnungsvorschrift des § 243 Abs. 2, 3 darf nur aus triftigen Gründen unter Beachtung des Aufbaus der Hauptverhandlung im ganzen abgewichen werden. War der Angeklagte gemäß § 247 aus dem Sitzungssaal entfernt worden, so ist er alsbald nach Vernehmung der befangenen anderen Person wieder zuzulassen und über das Verhandelte zu unterrichten, bevor er sich weiter zu erklären hat, BGHSt. 3 384). Vgl. auch BGHSt. 6 329 (zu § 43 JGG.), und BGH. MDR. 1958 356 (zu § 37 JGG.). Das RG. hat z. B. als Sollvorschriften behandelt die §§ 57 (RGSt. 56 66), 58 (RGSt. 64 297), 68 (RGSt. 40 158), 243 Abs. 4 (RGSt. 40 158 mit Zusammenstellung von Ordnungsvorschriften), 257 (RGSt. 32 321, 42 170), 267 Abs. 1 Satz 2 (RGSt. 47 109), 275 Abs. 1 (RGSt. 59 362, 62 182, BGH. N J W . 1951 970), 326, soweit er die Reihenfolge der Worterteilung bestimmt (RGSt. 64 133). e) Wegen Verletzung der Aulklfirungspilicht ist auf die Erläuterungen zu § 244 Abs. 2 hinzuweisen. Der Hinweis, in welcher Richtung das Gericht den Sachverhalt noch aufzuklären habe, kann sich aus dem tatsächlichen Hergang ergeben, jedoch auch aus gesetzlichen Ordnungsvorschriften, welche auf typische Gesichtspunkte besonders verweisen. Vgl. Anm. C 3d. So wird häufig die Aufklärungspflicht verletzt sein, wenn bei einem Jugendlichen überhaupt keine der im § 43 JGG. vorgeschriebenen Ermittlungen vorgenommen worden ist, BGHSt. 6 329. D. Gestützt. Revision kann nur darauf gestützt werden, daß das Urteil auf Gesetzesverletzung beruhe (Abs. 1). Dazu gehört, daß der Beschwerdeführer in der Lage ist, Gesetzesverletzung geltend zu machen und dies ordnungsgemäß tut. Zu einer Verfahrensrüge gehört die bestimmte Behauptung, der gerügte Fehler sei geschehen, BGHSt. 7 163, N J W . 1953 836, RGSt. 48 289, 58 51,189, RG. DJZ. 24 760, H R R . 1940 Nr. 343. Weitere Angaben in BGHSt. 7 163. Die Äußerung einer Vermutung oder die Erklärung, ein oder der Gesetzesverstoß sei möglich oder wahrscheinlich, reichen zur Revisionsbegründung nicht aus, auch genügt nicht die Äußerung von Zweifeln an der Ordnungsmäßigkeit des Verfahrens. Widerspruchsvolle Behauptungen können eine Verfahrensrüge ebenfalls nicht stützen, RGSt. 52 68, RG. Recht 28 Nr. 1612. Nur bedingt vorgebrachte Verfahrensrügen sind unwirksam, RGSt. 57 83, 60 354. Vgl. noch BGHSt. 10 178 (einschränkende Tendenz mit strengen Anforderungen an die Begründung der Verfahrensrüge selbst bei Prozeßvoraussetzung), RGSt. 76 178, und § 344. E . Beruhen des Urteils auf Gesetzesverletzung. Eine Gesetzesverletzung, die für das beanstandete Urteil keinerlei Bedeutung hat, kann die Revision nicht begründen, BGHSt. 2 251. Die Motive (S. 212) führen dazu aus: „Als Erfordernis für den Erfolg der Revision wird aufgestellt, daß das Urteil auf. . . Gesetzesverletzung beruhe, d. h. daß ohne Verletzung des Gesetzes die Entscheidung nicht so hätte ergehen können, wie sie ergangen ist. Nicht eine aus den Entscheidungsgründen sich ergebende, sondern nur eine durch die Entscheidung selbst begangene Gesetzesverletzung kann den Erfolg der Revision begründen. Die unrichtige Anwendung einer Rechtsnorm ist zur Begründung der Revision nicht geeignet, wenn auch bei deren richtiger Anwendung das Gericht zu derselben Entscheidung gelangt sein würde. Der Erfolg des Rechtsmittels ist also durch einen Zusammenhang zwischen der begangenen Gesetzesverletzung und der Entscheidung selbst bedingt." Hieraus ergibt sich: Stellt sich auf ordnungsgemäß begründete Rüge (vgl. BGHSt. 10 278) ein Verfahrensverstoß heraus oder ist das sachliche Recht verletzt, so beruht das Urteil auf diesem Fehler, sofern die Möglichkeit besteht, daß es ohne ihn anders ausgefallen wäre,
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Anm. E BGHSt. 1 350, 8 155, 9 84, 364, BGH. LM. § 260 Abs. 1 Nr. 1, BGHSt. 12 2, B r e m e n MDR. 1960 698. Bei sachlicher Rechtsverletzung entstehen hieraus regelmäßig keine Schwierigkeiten. Urteil ist nur die im Urteilssatz enthaltene Entscheidung. Die Urteilsgründe sind für sich allein nicht anfechtbar, RGSt. 63 184. Der Einfluß des Rechtsfehlers auf die Entscheidung ist jedoch nach den Gründen zu beurteilen. Z. B. beschwert rechtsirrige Anwendung eines schwereren Strafgesetzes den Angeklagten auch, wenn die Gründe hervorheben, daß bei Anwendung des milderen Gesetzes dieselbe Strafe verhängt worden wäre, RG. JW. 1933 968 Nr. 34. Vgl. KG. VRS. 14 37 (Widerspruch im Urteil). Bei Verfahrensverstößen kommt es darauf an, ob der Verstoß nach der gesamten Verfahrenslage das Urteil beeinflußt haben k a n n , BGHSt. 1 350, 8 155, 9 84, 364, RGSt. 52 307, 61 353. Bei unbedingten Revisionsgründen (§ 338) wird das Beruhen auf dem Verstoß unwiderleglich gesetzlich vermutet. In der RTK. war hinsichtlich der übrigen Verfahrensverstöße beantragt worden: „Wegen Verletzung von Rechtsnormen für das Verfahren ist das Urteil als auf . . . Verletzung beruhend anzusehen, wenn die Annahme nicht ausgeschlossen ist, daß die Beobachtung der Rechtsnorm zu einer anderen Entscheidung geführt haben würde." Der Antrag wurde abgelehnt, weil der Zusammenhang des Verstoßes mit dem Urteil nach freiem Ermessen zu prüfen und das Urteil schon dann aufzuheben sei, wenn das Gericht auch nur zur Vermutung eines Zusammenhanges gelange (Prot. S. 584). Darauf stützt sich die in der Rechtsprechung des RG. entwickelte, oben angegebene Möglichkeitsformel. Vgl. RGSt. 1 210, 254, 9 69, 310, 10 135, 20 33, 32 322,42 95,43 299,44 345 und die erwähnten Entscheidungen des BGH. Nach Erlaß des Urteils eingetretene Umstände scheiden daher als Revisionsgründe aus (unrichtige Angabe des Verkündungstages in der Urteilsniederschrift, Fehler bei Ausfertigung oder Zustellung des Urteils). Einzelheiten: Auf Verstößen im Vorverfahren beruht das Urteil nur, wenn sie in die Hauptverhandlung hineingewirkt und das auf ihr beruhende Urteil beeinflußt haben können, vgl. BGHSt. 6 328, 3 368. Es beruht nicht: auf Nichtangabe der Strafvorschrift mit Paragraphenbezeichnung oder des Gesetzeswortlauts, OGHSt. 1 53; auf einem Fehler des Eröffnungsbeschlusses, BGHSt. 1 346; auf Nichtbelehrung gemäß § 265, sofern auch bei Belehrung keine andere Verteidigung möglich gewesen wäre, BGHSt. 2250; auf unrichtiger Belehrung über das Untersuchungs-Verweigerungsrecht, sofern der Zeuge erklärt hat, daß er zur Sachaufklärung beitragen wolle, BGHSt. 5 132; auf fehlerhafter Vorentscheidung des Vorsitzenden, wenn der gesetzlich vorgesehene Gerichtsbeschluß nicht beantragt worden ist, BGHSt. 11 215; nicht auf unrichtiger Bezugnahme auf den in der Vorinstanz vermeintlich geleisteten Zeugeneid, wenn feststeht, daß der Zeuge sich als unter Eid stehend betrachtet und daß das LG. die Aussage als eidliche gewürdigt hat, RGSt. 64 379; nicht auf Ablehnung eines vor der Hauptverhandlung gestellten Aussetzungsantrages, der in der Verhandlung nicht wiederholt worden ist, K a r l s r u h e JW. 1927 1171; nicht auf Nichtverlesung des Eröffnungsbeschlusses, sofern Gewähr besteht, daß das Gericht auf andere Weise über den Gegenstand der Klage zuverlässig und vollständig unterrichtet worden ist, RG. JW. 1932 2726; nicht auf bloßen Mängeln der Niederschrift über die Hauptverhandlung; in der Regel nicht auf sachlich fehlerhafter Zulassung der Nebenklage, BayObLGSt. 1953 64; nicht auf dem Mangel eines förmlichen Gerichtsbeschlusses, wenn nur der Vorsitzende einen Mitangeklagten bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 247 aus der Sitzung entfernt, BGH. JZ. 1955 386; nicht bei Verlesung eines fehlerhaften Eröffnungsbeschlusses, wenn das Verlesene das Beweisergebnis nicht beeinflußt haben kann, BGH. GA. 1959 277; nicht auf fehlerhafter Beeidigung, sofern die Aussage überhaupt nicht verwertet worden ist, BGH. VRS. 1956 438; nicht, wenn die Rüge des Verfahrensverstoßes verwirkt ist (Vorsicht!, s. Anm. F), BGHSt. 10 281, NJW. 1952 1426. — Das Urteil kann auf dem Verstoß beruhen: bei Behinderung der Verteidigung durch Tonbandaufnahme gegen den Willen des Verteidigers, BGHSt. 10 207; bei fehlerhafter Nichtbeeidigung von Zeugen, BGHSt. 8155; bei Zwangsentfernung des Angeklagten, der nach Wiedereintritt nicht alsbald über das Verhandelte unterrichtet wird, BGHSt. 9 77; bei unzulässiger Zeugniserzwingung, die andere Zeugen beeinflußt haben kann, BGHSt. 9 362; bei fehlerhafter Nichtanhörung eines weiteren Sachverständigen, OGHSt. 2 207; bei unrichtiger Bekanntgabe der Gerichtsbesetzung, falls dies den Angeklagten von Anbringung eines begründeten Ablehnungsgesuchs abhält, RG. J W. 1930 925; bei Nichtanhörung der Beteiligten vor Ausschließung der Öffentlichkeit, RGSt. 69 401; bei Nichtladung des Nebenklägers zur Hauptverhandlung, RGSt. 71 74; bei Nichtladung des Wahlverteidigers zur Hauptverhandlung, auch wenn er durch Akteneinsicht Kenntnis erlangt hat, RG. JW. 1931 1601; bei Nichtvernehmung des Angeklagten über
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die ihm vorgeworfenen Einzeltaten vor Beweiserhebung, RG. JW. 1931 543; bei Verletzung des Auslieferungsrechts, obwohl das Urteil die Strafverfolgung für gegenwärtig unzulässig erklärt, RG. HR. 9 599; bei Verwertung der Aussagen nicht vernommener Zeugen, RG. I 596/14 vom 11. 10. 1915 (offenbare Schreibversehen ausgenommen); bei Anwesenheit des Urkundsbeamten bei Urteilsberatung unter besonderen Umständen, RGSt. 64 167, bei Verstoß gegen § 258, BGHSt. 3 368,10 207. — Zu den Sollvorschriften s. Anm. C 3d. — Über einen Fall der Urteilsänderung im Revisionsverfahren ohne Gesetzesverletzung, um dem Verbot der Doppelverfolgung Geltung zu verschaffen, BGHSt. 9 192. — Das RevG. kann die Annahme, daß das Urteil nicht auf Verletzung des § 245 Abs. 1 beruhe, nicht ohne weiteres auf mutmaßliche Unerheblichkeit der betreffenden Tatsache stützen, RGSt. 65 307. Verletzung von Verfahrensvorschriften kommt nur dem Beteiligten zugute, dem gegenüber die Verfahrenswidrigkeit geschehen ist und der sie ordnungsgemäß gerügt hat, RGSt. 8 155, 32122, 38 274, 52 189, 59 63, 62 260, BGH. VRS. 7 54, sodann demjenigen, gegen den das Beweisergebnis mit verwertet worden ist. sofern auch er Revision eingelegt hat. Näheres Anm. C 1. F. Verwirkung von Revisionsgründen 1 Von einigen unten erwähnten Fallen abgesehen schweigt die StPO. über diese schwierige Frage, die daher jeweils gemäß der Grundhaltung der StPO. entschieden werden muß. Analogie zu § 295 ZPO. scheidet wegen des den Strafprozeß beherrschenden Untersuchungsgrundsatzes im Gegensatz zur Dispositionsmaxime des Zivilprozesses aus. Sehr instruktiv, auch rechtsgeschichtlich und rechtsvergleichend, und mit im wesentlichen zutreffenden Ergebnissen J e s c h e c k JZ. 1952 400. Vgl. ferner Wolff NJW. 1963 1656, B r e m e n GA. 1953 87 (beide viel zu weit gehend), demgegenüber J e s c h e c k GA. 1963 88. Der Gesetzgeber der StPO. hatte das Problem zwar vor sich, er hat es durch § 337 jedoch nur vermeintlich gelöst, indem er in den Motiven zu § 337 (damals § 300) die Ansicht vertrat, das „Gesetz brauchte vermöge der von ihm in § 300 aufgestellten Regel nicht besonders vorzuschreiben, daß der Beschwerdeführer die Revision nicht auf die Beschränkung einer prozessualen Befugnis gründen könne, wenn er durch sein eigenes Verhalten zu erkennen gegeben hat, daß er die Beschränkung für eine ihm nachteilige nicht erachte" ( H a h n , Materialien S. 251). Er hat dabei verkannt, daß es auch andere schwerwiegende Verfahrensverstöße als Beschränkungen von Verfahrensbefugnissen des Angeklagten gibt und vor allem, daß das Beruhen der Entscheidung auf dem Vorstoß objektiv und nicht nach dem Empfinden oder Verhalten des Angeklagten allein beurteilt werden muß, soweit jedenfalls wichtige öffentliche Belange berührt werden. Soweit die StPO. unverzichtbare Verfahrensregeln aufstellt, wie etwa in § 338 (ausgenommen dort Nr. 8), scheidet Verwirkung und jeder Verzicht auf Einhaltung schon wegen besonderer Verfahrensbedeutung aus. Z. B. können die Beteiligten über die Beachtung von Verfahrensvoraussetzungen mittelbar nur dadurch verfügen, daß sie Rechtskraft eintreten lassen. Bereits formgerechte Erhebung der Sachrüge führt, sofern Anlaß ersichtlich ist, zur Amtsprüfung, ob die Verfahrensvoraussetzungen erfüllt sind. Alle übrigen unverzichtbaren Verfahrensverstöße werden in dem Zeitpunkt gegenstandslos, wo keine formgerechte Verfahrensrüge mehr angebracht werden kann. Ausnahmen hiervon gelten nur, soweit das Gesetz sie ausdrücklich vorsieht, wie etwa in den §§ 16, 18, 269. Unabdingbare Verfahrensregeln enthalten z. B. die §§ 136a, 226, 230, 268, 258 und die §§ 59 ff. Was hierher gehört, kann nicht für jede Vorschrift ein für allemal bestimmt werden, es ergibt sich jeweils aus der Bedeutung der verletzten Vorschrift und des Verstoßes für das Verfahren. Vgl. E b S c h m i d t 66, K l e i n k n M lOd. Anderseits enthält das Gesetz teilweise Regeln, die alsbaldiges Geltendmachen bestimmter Verstöße bei Gefahr des Verlustes der Rüge anordnen: a) Fälle gesetzlicher Verwirkung. Eine Reihe von Verfahrenseinreden ist gesetzlich befristet und später unzulässig. Beispiele bilden die §§ 16, 18 (Einwand örtlicher Unzuständigkeit), 25 (Richterablehnung wegen Befangenheit), 217 Abs. 2, 3 (Ladungsfrist), 218 Abs. 1 Satz 2 (Ladung des Verteidigers), 246 Abs. 2 (verspätet beantragter Zeugenbeweis), 265 Abs. 3 (neue Umstände in der Hauptverhandlung), 266 Abs. 3 (Unterbrechung der Hauptverhandlung bei Nachtragsanklage), § 338 Nr. 8 (Beschränkung der Verteidigung nur durch Gerichtsbeschluß in der Hauptverhandlung). Daneben stehen die zahlreichen Fälle vorläufiger Anordnungen oder von Sachleitungsmaßnahmen des Vorsitzenden. Gegen derartige Maßnahmen des Vorsitzenden ist das Gericht anzurufen, andernfalls kann die Rüge verwirkt sein. Vgl. BGHSt. 3 368, 7 282,11 215, RG. GA. 46 337, JW. 1930 760,1931 950,1932 520, RGSt. 7123. Jedoch ist hier überall unter Beachtung der gesamten Verfahrensumstände und der Personen der Beteiligten zu untersuchen, ob Verwirkung vertretbar ist. War der Angeklagte nicht verteidigt 83
L ö w e - B o s e n b e r g , StPO. 21. Aufl.
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Anm. F und Verteidigung nicht notwendig, so ist dabei besondere Vorsicht geboten, weil mit Befangenheit, Rechtsunkenntnis und dem Bestreben zu rechnen ist, dem Gericht nicht lästig zu fallen. Vgl. RGSt. 61 377 und BGHSt. 7 282. Verwirkung ist nur vertretbar, wenn es feststeht, daß der Angeklagte die Tragweite seiner Verfahrensbefugnis kannte und trotzdem das Gericht nicht angerufen hat. War er verteidigt, so kommt es nicht auf Kenntnis und Willen des Verteidigers an, sondern wiederum auf Kenntnis und Entschluß des Angeklagten, der regelmäßig vollständige und zutreffende Belehrung voraussetzt. Fehler des Verteidigers auf diesem Gebiet können den rechtsunkundigen Angeklagten nicht belasten. Hier entsteht freilich eine Schwierigkeit aus der Behandlung arglistiger Revisionsgründe des Verteidigers (s. b). — Gemäß diesen Grundsätzen kann keinen Verstoß gegen § 224 geltend machen, wer in der Hauptverhandlung der Verlesung der Vernehmungsniederschrift gemäß § 261 Abs. 1 Nr. 3 nicht widersprochen hat, BGHSt. 1 284. Keine Verwirkung liegt vor, wenn die gerichtliche Entscheidung gemäß § 238 II über Nichtbeeidigung des Zeugen zwar nicht herbeigeführt worden ist, die Verfahrenslage später jedoch zur Erheblichkeit der früher für unwesentlich gehaltenen Aussage und damit zur Beeidigung drängt, BGHSt. 7 282. Vgl. auch K ö l n NJW. 1957 1373 (Verstoß gegen § 60), O l d e n b u r g NRpfl. 1957 75 (Verteidiger, WortverWeigerung), BGH. MDR. 1958 14 (zu § 60). Maßgebend ist die jeweilige Verfahrenslage. Jede schematische Beurteilung ist unzulässig. Der Gedanke der Verwirkung ist einschränkend und nur nach strenger Einzelprüfung zu erwägen. Er darf nicht dazu dienen, lässiger Handhabung der Verfahrensregeln Vorschub zu leisten. Auch bei wiederholter erfolgreicher Revision wird ein zunächst nicht behaupteter wichtiger Verfahrensverstoß noch nachgebracht werden können, sofern er dem Beschwerdeführer erst nachträglich bekannt oder bewußt wird. Angesichts der kurzen Revisionsbegründungsfrist (§ 345) bei oft erheblichem Sachumfang kann hiergegen nicht eingewandt werden, der Beschwerdeführer hätte den Verstoß früher auffinden müssen. Nur mit dieser Einschränkung dürfte BGHSt. 10 278 beizupflichten sein. Unzulässig ist es allerdings, bekannte Verstöße ungerügt zu lassen, um sie bei etwaiger späterer Revision noch zu verwerten. Hier kommt ein Verstoß gegen Treu und Glauben im Verfahren in Betracht. — In den Fällen gesetzlich vorgesehenen und erteilten Einverständnisses zu bestimmten Maßnahmen des Gerichts, etwa in den §§ 245 Satz 3, 251 Abs. 1 Nr. 4, 325, liegen keine Verfahrensverstöße vor, weil das Gesetz derartige Maßnahmen bei allseitigem Einverständnis vorsieht. Sie gehören daher nicht hierher. b) Weitere Verwirkungsfälle. Außer bei den zu F, a erörterten Fällen kommt Verwirkung noch in Betracht, wenn die Beteiligten einen Verstoß, vor allem des Vorverfahrens, in der Hauptverhandlung kennen und hinnehmen wollen, entweder weil er für das weitere Verfahren ohne Bedeutung ist, oder weil sie die noch mögliche Beseitigung des Mangels verhindern wollen, um später einen Revisionsgrund zu haben, und erst recht, wenn sie den Verstoß aus diesem Grunde selbst herbeiführen oder bei ihm mitwirken und sich dadurch arglistig einen Revisionsgrund verschaffen. Vgl. RGSt. 2 21, Rspr. 6 649 (verfrühte, in der Hauptverhandlung als solche erkannte, aber nicht gerügte Eröffnung), RGSt. 4 365 (Verletzung des § 201), 6 443 (verspätete Bestellung des notwendigen Verteidigers), 10 59 (Mitwirkung des Untersuchungsrichters bei Eröffnung), RG. Rspr. 5 583 (mangelhafter Eröffnungsbeschluß). Über einen Arglistfall D a r m s t a d t J R . 1949 515. Die Ansicht des OLG. B r e m e n (GA. 1953 87), die Revision könne nicht auf einen Verfahrensverstoß gestützt werden, den der Angeklagte in der Hauptverhandlung erkannt hat und zu verhindern fähig war, geht so allgemein zu weit. Für den entschiedenen Fall (Teilabwesenheit der Staatsanwaltschaft in der HV.) gilt sie schon deshalb nicht, weil die ununterbrochene Mitwirkung der StA. in der HV. im öffentlichen Interesse unverzichtbar ist. So auch J e s c h e c k GA. 1953 88. Inwieweit sie sonst zutrifft, ist oben dargelegt. Vgl. auch BGHSt. 3 368 (zu § 258). — Soweit Verwirkung hiernach zulässig ist, kann sie sich auch aus schlüssigem Verhalten ergeben, jedoch nur, wenn feststeht, daß dieses Verhalten auf zutreffender rechtlicher Beurteilung der Verfahrenslage beruht, was bei dem unverteidigten Angeklagten besonders sorgfältig zu prüfen ist, KG. NJW. 1954 124. Jedoch auch bei Mitwirkung eines Verteidigers ist vollständige und zutreffende Beratung des Angeklagten durch diesen notwendige Voraussetzung. Sie darf nicht zum Nachteil des Angeklagten unterstellt werden. — Die Staatsanwaltschaft hat gesetzliche Mitwirkungspflicht in der Hauptverhandlung. Daraus ist abzuleiten, daß sie Verstöße gegen verzichtbare Verfahrensregeln, die ihr in der HV. bekannt werden, sofort aufdecken muß und später nicht rügen darf, sofern sie sich nicht bemüht hat, dem Mangel abzuhelfen. Dagegen läßt sich freilich einwenden, daß der leitende Beamte der Staatsanwaltschaft keine Parteirolle
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wahrnimmt, sondern eine selbständige öffentliche Aufgabe (s. § 296 Anm. l b ) , die dem Verwirkungsgedanken nicht zugänglich ist. G. Verfahren des Revisionsgerichts. Gesetzesänderung. a) Bei Prüfung des Einflusses der Gesetzesverletzung auf das Urteil ist dem Revisionsgericht eigene tatrichterliche Würdigung oder Aktenverwertung untersagt. Ist ein Tatbestandsmerkmal nicht festgestellt, so darf das RevG. es auch dann nicht selbst feststellen, wenn der Akteninhalt vollen Beweis dafür zu erbringen scheint. Das Urteil hat ausschließlich auf dem Gesamtbild der tatrichterlichen Hauptverhandlung zu beruhen, welches sich das RevG. niemals verschaffen kann. Eine seltene Ausnahme mag zulässig sein, wenn es sich nur um die Einfügung einer offenkundigen weiteren Tatsache in einen sonst völlig klaren, einfachen Sachverhalt handelt (so RGSt. 57 257), sofern nicht Bedenken hinsichtlich des rechtlichen Gehörs bestehen. — Ein vom Tatrichter versehentlich übergangener oder zu Unrecht abgelehnter Beweisantrag kann nicht als Verfahrensverstoß deshalb bedeutungslos werden, weil das RevG. den Beweis für unerheblich hält. Auch dies wäre ein unzulässiger Eingriff in die tatrichterliche Zuständigkeit, RGSt. 65 307. Ob der Gesetzesverstoß das Urteil beeinflußt hat, kann nur aus dem Urteil, bei Verfahrensverstößen außerdem aus der Sitzungsniederschrift und, soweit zulässig, nach den Ergebnissen des Freibeweises beurteilt werden. — Richten sich mehrere Revisionen gegen dasselbe Urteil und rügt eine von ihnen nur Verletzung von Landesrecht, so ist der Bundesgerichtshof für sämtliche Rechtsmittel zuständig, BGHSt. 4 207. Das RevG. ist nicht zugleich auch Beschwerdegericht bei Ablehnung der Strafaussetzung gemäß dem JGG., BGHSt. 6 206. Ein Antrag auf Durchführung des Verfahrens, den ein StFG. vorsieht, ist auch noch im Revisionsverfahren zulässig, BGHSt. 2 217. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Nachholung einzelner Verfahrensrügen ist regelmäßig unzulässig, BGHSt. 1 44. Änderung der Sitzungsniederschrift, die der erhobenen Verfahrensrüge den Boden entzieht, ist unzulässig, BGHSt. 1 259,10 145. Nach dem Revisionsurteil ist das RevG. für Beschwerde gegen einen Auflagebeschluß nicht mehr zuständig, BGHSt. 10 19. Vgl. noch BGHSt. 10 358 (Sachentscheidung des RevG. trotz doppelter Rechtshängigkeit), 6 292 (über Gerichts- und Offenkundiges), 2 76 (Schuldspruchänderang durch RevG.), 10 272, 275 (Schuldspruchänderung durch RevG. ohne Hinweis gemäß § 265). b) Hat sich nach dem angefochtenen Urteil das Verlahrensrecht geändert, so ist dies ohne Einfluß, wenn der Tatrichter das frühere Recht richtig angewendet hat. Ob ein Verfahrensverstoß, der nach neuem Recht kein Verstoß mehr ist, außer Betracht bleiben darf, ist zweifelhaft, denn er kann zu tatsächlichen Ergebnissen geführt haben, die ohne ihn nicht bestünden. Hat die Rechtsänderung eine nicht erfüllte Verfahrensvoraussetzung neu eingeführt, die nicht nachgeholt werden kann, so hat das RevG. das Verfahren endgültig einzustellen, sonst vorläufig einzustellen. Zum Wegfall des Antragserfordernisses s. RGSt. 77 106. Ändert sich das Revisionsrecht, so ist die Änderung vom Inkrafttreten ab zu berücksichtigen, sofern das Gesetz nichts Abweichendes vorsieht. e) Über Änderung des sachlichen Rechts nach dem Ersturteil s. § 354a und § 2 StGB., LK. 8. Aufl.
§338 Ein Urteil ist stets als an! einer Verletzung des Gesetzes beruhend anzusehen: 1. wenn das erkennende Gerieht nicht vorschriftsmäßig besetzt war; 2. wenn bei dem Urteil ein Richter, Geschworener oder Schölte mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen war; 3. wenn bei dem Urteil ein Richter, Geschworener oder Schöffe mitgewirkt hat, nachdem er wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt war und das Ablehnungsgesnch entweder für begründet erklärt war oder mit Unrecht verworfen worden ist; 4. wenn das Gericht seine Zuständigkeit mit Unrecht angenommen hat; 5. wenn die Hauptverhandlung in Abwesenheit der Staatsanwaltschaft oder einer Person, deren Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, stattgefunden hat; 6. wenn das Urtoll anf Grund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt sind; 7. wenn das Urteil keine Entseheidungsgrfinde enthält; 83*
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Aiim. 1, 2 8. wenn die Verteidigung in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt durch einen Beschluß des Gerichts unzulässig beschränkt norden ist. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 250. II. Entw. § 257. III. Entw. § 301. Frühere Bezeichnung: § 377. Änderungsvorschläge: NE I und NE II § 333. NE III § 323. 1. Unbedingte Revisionsgründe. Die Vorschrift gestaltet einzelne Verfahrens vorstoße, die besonders schwerwiegend sind oder jedenfalls so beurteilt werden, zu unbedingten Revisionsgründen aus, indem sie die unwiderlegbare Vermutung aufstellt, daß das Urteil auf ihnen beruht. Liegt ein solcher Verstoß vor und ist er nicht durch Wiederholung des mangelhaften Verfahrensteiles nach Beseitigung des Mangels geheilt worden (RGSt. 35 354), so ist das Urteil oder der trennbare, betroffene Urteilsteil (RGSt. 44 19) ohne Prüfung des Beruhens aufzuheben, RGSt. 29 297, 42 107, BGHSt. 1 265, 2 15, 10 179 (und ständig). Der Verstoß darf nicht nur einen Verfahrensabschnitt betroffen haben, der nur einen Mitangeklagten angeht. Er muß für den Revisionsführer irgendeine Bedeutung gehabt haben, BGH. NJW. 1962 261. — In Nr. 8 kehrt § 338 zu dem Grundgedanken des § 337 zurück, weil dort bestimmt wird, daß das Urteil stets dann auf dem Verstoß b e r u h e , wenn die Verteidigung „in einem für die Entscheidung wesentlichen P u n k t " durch Gerichtsbeschluß unzulässig beschränkt worden ist. Dies setzt eine Beruhensprüfung durch das RevG. voraus. — Betrifft der Verstoß nach § 338 nur einen von mehreren Angeklagten, so kann ein anderer Angeklagter den Verstoß gemäß § 337 rügen, sofern er die ihn betreffende Entscheidung nachteilig beeinflußt haben kann. Als unbedingten Revisionsgrund kann ihn nur derjenige geltendmachen, gegen den er sich unmittelbar richtet, BGHSt. 10 121, BGH. NJW. 1962 261, vgl. RGSt. 38 272,62 260, a. M. RGSt. 29 299. — Rechtsnormen, die lediglich zugunsten des Angeklagten bestehen, kann die StA. nicht als verletzt rügen, um das Urteil zu dessen Nachteil aufheben zu lassen, § 339. Diese Vorschrift enthält insoweit also eine Einschränkung. Gerichtsbesetzung (Nr. 1) 2. Nicht ordnungsgemäß besetzt ist das (erkennende, s. Anm. 3) Gericht, wenn andere als die gesetzlich bestimmten Berufs- oder Laienrichter in der Hauptverhandlung mitgewirkt haben, oder ein Richter nicht in der gesetzlichen Rolle, oder ein nicht voll wahrnehmungsfähiger Richter, oder nicht ordnungsgemäß vereidigte Schöffen oder Geschworene. Nach den Art. 97 II, 92 GG. müssen Berufsrichter grundsätzlich hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellt sein. Richter, bei denen diese Garantien der persönlichen Unabhängigkeit fehlen, dürfen nur aus zwingenden Gründen herangezogen werden; sie müssen möglichst gleichmäßig auf Gerichte, Kammern und Senate verteilt werden. Entscheidungen, bei denen ohne zwingende Gründe Richter mitgewirkt haben, die nicht hauptamtlich und planmäßig endgültig angestellt sind, verletzen das Recht auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 I Satz 2 GG.) und die Rechtsgarantie bei Freiheitsentziehung (Art. 104 II Satz 1 GG.). BVerfG. NJW. 1962 1495. Nach Art. 1011 GG. darf niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden. Jedoch sind darunter nur willkürliche Maßnahmen oder Eingriffe in die Gerichtsbesetzung und nicht lediglich auf Tatsachen- oder Rechtsirrtum oder Unachtsamkeit beruhende zu verstehen, BVerfG. 3 364,4 416, 7 329, (insoweit zweifelhaft aber neuestens BVerfG. NJW. 1962 1495), BGHSt. 11106, vgl. auch BGHSt. 14 18, BayVerfGH. NJW. 1962 790, A r n d t JZ. 1956 633, K e r n JZ. 1956 407 und Der gesetzliche Richter, 1927, Bettermann-Nipperdey-Scheuner, Grundrechte I I I 2 556, 565. Vgl. noch A r n d t DRiZ. 1959 171, O s t l e r J R . 1957 454, B o c k e l m a n n GA. 1957 357 (zur beweglichen Zuständigkeit), S t r e e NJW. 1959 2051 mit weiteren Angaben, BVerfG. NJW. 1959 871 (bewegliche Zuständigkeit unter Voraussetzungen zulässig), BGH. N J W . 1956 1238, LM. Nr. 22 (Senats- und Kammerüberbesetzung zulässig), BGH. NJW. 1958 1503 (Zuständigkeitsbestimmung nach Angeklagtenfolge in Anklageschrift), BVerfG. NJW. 1954 593 (willkürliche Gerichtsmaßnahme), NJW. 1956 545 (Einfluß ausgeschlossenen Richters auf Terminbestimmung unzulässig, dazu BAG. NJW. 1960 1542). Es fragt sich, ob der Willkürmaßstab (s. oben) auch die Auslegung des § 338 Nr. 1 zu bestimmen hat, oder ob hier, wie gegenwärtig überwiegend angenommen wird, schon jedes bloße Versehen bei Gerichtsbesetzung und Besetzung des Präsidiums, des Direktoriums, bei deren Beschlüssen, bei Aufstellung des Geschäftsverteilungsplanes, dessen Änderung, bei Vertretung verhinderter Richter und Heranziehung von Laienrichtern einen unbedingten
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Revisionsgrund bildet. Die überwiegende Meinung (s. nachstehende Einzelfälle) hält im allgemeinen schon derartige bloße Versehen für unbedingte Revisionsgründe. Damit ermöglicht sie Revisionsangriffe, die ohne hinreichendes rechtsstaatliches Interesse geringe Versehen oder irrige Gesetzesauslegung als Kardinalfehler der Gerichtsbesetzung ausgeben und zur Aufhebung sonst einwandfreier Verfahren führen. Die sorgfältige Beachtung vorschriftsmäßiger Gerichtsbesetzung ist unerläßlich, an solcher Überspitzung kann jedoch niemand berechtigterweise interessiert sein. Der BGH. beginnt, dieser Entwicklung entgegenzutreten. Zutreffend erklärt BGHSt. 12 233 (1. StS.) ein rechtliches Versehen bei Bildung des Präsidiums, das sich als Rechtsansicht immerhin vertreten läßt, als nicht ausreichend, um schlechthin vorschriftswidrige Gerichtsbesetzung herbeizuführen, weil die Präsidialverfassung die Rechtspflege vor w i l l k ü r l i c h e n Eingriffen zu schützen habe und übertrieben enge Auslegung des § 338 Nr. 1 unerträgliche Folgen für die Rechtspflege herbeiführen könne. Ebenso BGHSt. 12 405 (4. StS.). Vgl. ferner BGHSt. 11 106 und BVerfG. 2 1, 78. Diesem zutreffenden Grundsatz gebührt bei der Auslegung der Nr. 1 der Vorrang. Die übrige bisherige Rechtsprechung dazu artet in formale Überspannung des an sich wichtigen Grundsatzes aus, indem sie bloße Irrtumsfälle ohne überzeugenden Grund einbezieht. Sie erfordert sorgfältige Zurückführung auf Willkürfälle. Vgl. dazu K o h l h a a s NJW. 1956 1428, 1959 469, der für Verwirkung der Rüge eintritt, hiergegen v. S t a c k e l b e r g NJW. 1959 469, S i e b e c k e NJW. 1958 1816. Zur Auskunft aus Justizverwaltungsakten H ü l l e JVB1.1959 153. Einzelfälle: BGHSt. 3 353 (Nachprüfung der Gesetzmäßigkeit der Geschäftsverteilung durch RevG. Mitwirkung zu weniger Richter, § 192 GVG.). — BGHSt. 8 17, 10 278 (nicht gemäß § 62 Abs. 2 GVG. bestellter Vorsitzender der Strafkammer), dazu RGSt. 69 325, RGRspr. 7 41, RGSt. 3 236, 22 134,168, RG. JW. 1982 2888 Nr. 36, GA. 47 159. — RG. GA. 38 440, Recht 15 Nr. 3887 (Mitwirkung des Richters während seines Urlaubs nicht zu beanstanden). — RG I 640/19 vom 15. 1. 1920 (Mitwirkung des in höhere Stelle beförderten Richters vor dortigem Amtsantritt nicht zu beanstanden). — BGHSt. 2 5 (Einschränkung durch politische Belastung des Richters).— BGHSt. 8 17 mit weiteren Angaben (Vorsitzender muß wesentlichen Einfluß auf Rspr. der Kammer üben können; lediglich vorübergehende Verhinderung unschädlich; ebenso BGHSt. 2 71, RGSt. 55 202, Vorsitz in mehreren Kammern an sich zulässig; BGHSt. 7 26, BGHZ. 9 291, 10 131,15 138, RGSt. 56 158, 55 201, 62 273, 366, 64 6, RGZ. 132 304). — BGHSt. 14 11 (Verhinderung des neu bestellten Vorsitzenden). — BGH. LM. Nr. 1 (Nachprüfung, ob Begriff der Verhinderung gemäß den §§ 63, 67 GVG. verkannt, keine Nachprüfung, ob tatsächliche Verhältnisse der angegebenen Verhinderung vorliegen). — BGHSt. 14 321, 8 159 (mit weiteren Angaben darüber, wann Hilfsrichter mitwirken dürfen; ebenso BGHSt. 1 274, 7 205, 9 107, 12 159, 13 53, BGHZ. 12 3, 22 142 vgl. auch S a a r b r ü c k e n NJW. 1960 643). — Über Hilfsrichter als Beisitzer des Schwurgerichts RGSt. 71 204. — BGHSt. 3 186 (Bestellung neuen Schwurgerichtsvorsitzenden gemäß § 83 Abs. 1 GVG. durch OLG.-Präsidenten, nicht durch LG.-Präsidenten). — BGHSt. 1 265 (nur ordentliches Gerichtsmitglied als stellvertretender Vorsitzender, kein beauftragter Richter, vgl. auch RGSt. 1 240,18 307, 54 253, 60 259; dies gilt auch für den stellv. Vorsitzenden einer auswärtigen Strafkammer, BGHSt. 1 265). — BGHSt. 15 116 (keine Geschäftsverteilung nach zeitlichem Sacheingang bei der Geschäftsstelle). — BGHSt. 7 45 (als Zeuge geladener und erschienener Vorsitzender kann nicht den Vorsitz führen). — BGHSt. 7 23 (ist LG.-Präsident Vorsitzender und häufig verhindert, so genügt es, wenn sein Stellvertreter Landgerichtsdirektor ist und bestimmenden Einfluß auf die Rspr. der Kammer hat). — K ö l n NJW. 1957 1729 (Anonymus als planmäßiger Vorsitzender). — BGHSt. 7 23 (zwecks Entlastung dürfen nicht einzelne ausgewählte Sachen anderer Kammer zugewiesen werden). — BGHSt. 7 205 (Bestimmung zeitweiligen Vertreters durch LG.-Präsidenten gemäß § 67 GVG.). — RGSt. 71 204 (Beisitzer des Schwurgerichts hat der LG.-Präsident der Person nach zu bestimmen, vgl. § 83 Abs. 2 GVG.). — BGHSt. 8 252 (Kammermitglieder sind für das gesamte Geschäftsjahr zu bestimmen, nicht nur bis zur Erledigung bestimmter einzelner Sachen; ebenso BGHSt. 7 24, 8 240,10180. Dies gilt ebenso für die Mitglieder des Schwurgerichts und deren Vertreter, BGHSt. 8 240). — BGHSt. 12 198 (Änderung der Geschäfts Verteilung, sobald Fehler bemerkt ist). — BGH. NJW. 1958 557, BGHSt. 10 384 (Heranziehung des Hilfsgeschworenen, vgl. auch RGSt 62 203, 66 75, 2 241, 48 192, 62 424, 65 298). — BGHSt. 10 179 (keine Zuweisung eines Richters für schon mit Sachen besetzte Sitzung). — BGHSt. 6 202 („Volksdeutscher "Richter, Fähigkeit zum Richteramt). — BGHSt. 9 203 (Befreiung vom Schöffendienst für die gesamte Wahlperiode, Heranziehung von Hilfsschöffen); vgl. hierzu auch BGHSt. 5 73,10 384, 252 und 12 197 über die
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Amn. 3—6 Aufstellung der Geschworenenliste). — BayObLG. NJW. 1961668 (Auslosung des Schöffen durch LG.-Präs. bei außerordentlicher Sitzung). — BGHSt. 10 252 (Unfähigkeit als Schöffe). —BGHSt. 3 175, 4 158, NJW. 1953 1154 (sieht das Gesetz Vereidigung der Schöffen je Geschäftsjahr vor, ist Neuvereidigung erforderlich). — BGHSt. 8 250 (wird die Hauptverhandlung binnen 10 Tagen iin neuen Geschäftsjahr fortgesetzt, dürfen die beteiligten Schöffen über ihre Wahlperiode hinaus ohne Neuvereidigung mitwirken). — BGHSt. 15 217 (Bildung der Ferienkammern nur durch Präsidium). — BGH. LM. Nr. 19 (Beendigung der Hauptverhandlung der Ferienstrafkammer außerhalb der Gerichtsferien). — BGH. NJW. 1953 1801 (verspätete Vereidigung der Schöffen in der Hauptverhandlung). Vgl. dazu RGSt. 61 374, 64 309, JW. 1930 2573 Nr. 45, RGSt. 67 363 (Beeidigung für Dauer der Wahlperiode), H a m m JMB1NRW. 1958 89. — BGHSt. 10 54 (über außerordentliche Sitzung i. S. des § 48 GVG.). — BGHSt. 3 353, 12 227, 13 126, 12 402 (über Tagung und Abstimmung des Präsidiums und Direktoriums), 13 53 (Wesen des Präsidiums), 13 53 (Bildung des Präsidiums), 13 262 (Wahl des Präsidiums), BGHSt. 13 53 (Änderung der Geschäftsverteilung; dazu BGH. LM. Nr. 8: Gesetzmäßigkeit der Geschäftsverteilung nachprüfbar). — Alle mitwirkenden Richter müssen die Hauptverhandlung in allen wesentlichen Einzelheiten wahrnehmen und wahrnehmen können. Nicht ordnungsmäßig besetzt ist das Gericht daher bei Übermüdung eines Richters, die ihn hindert, wesentliche Vorgänge noch wahrzunehmen, nicht bereits bei vorübergehender Minderung der Aufnahmefähigkeit durch bloße Ermüdung, BGHSt. 215, MDR. 1956 398, RGSt. 60 63, JW. 1932 2888,1936 3473. — Andere Fälle unrichtiger Besetzung: Geisteskrankheit eines Richters, Schöffen oder Geschworenen, RG. DRZ. 20 Nr. 76; erhebliche Geistesschwäche bereits dann, wenn nur noch praktische Lebenstüchtigkeit bei fehlender Arbeitsfähigkeit besteht; mangelhafte Kenntnis der deutschen Sprache; vorübergehende Störung des Bewußtseins oder der Geistestätigkeit (Absenz). Hier kommt auch Nr. 5 in Betracht, KG. JW. 1930 1104 Nr. 49; Taubheit des Richters, BGHSt. 4 191, Unaufmerksamkeit durch ablenkende Tätigkeit, BGH. NJW. 1962 2212, nicht aber Blindheit, abgesehen vom Vorsitz, vom Augenschein und bei zeichnerischer Erläuterung von Gutachten, H a m m VRS. 56 223, BGHSt. 2 14, 4 191, 5 354, BGHSt. 18 51 (Tatortskizze), RGSt. 60 64, JW. 1928 821, a. M. W i m m e r JZ. 1953 671. Vgl. hierzu noch S c h o r n JZ. 1954 298, RGSt. 22 106, 30 399, 40 52, RG. GA. 68 360, LZ. 14 804, JW. 1925 1008,1932 2888. — BAG. NJW. 1960 1542 nimmt für das Verfahren vor dem ArbG. nur einen einfachen Revisionsgrund an (uneinheitliche Begründung). 3. Erkennendes Gericht ist nur das Gericht in der Hauptverhandlung, vgl. BGH. MDR. 1955 270 (Verwerfung Ablehnungsantrages durch unrichtig besetztes Gericht). Unrichtige Besetzung bei der Hauptverhandlung vorhergehender Entscheidung kommt nur nach den §§ 336, 337 in Betracht, RGSt. 2 338, GA. 43 123, nicht nach § 338 Nr. 1. Zum mangelhaften Eröffnungsbeschluß s. BGHSt. 10 278. Wird ein Berufungsurteil angefochten, so kann nicht mehr unrichtige Besetzung des Erstgerichts gerügt werden, RGSt. 59 300. 4. a) Die vorschriftsmäßige Besetzung ist unverzichtbar, RG. Rspr. 9 522, RGSt. 64 309. RG. JW. 1930 2573 Nr. 45, wie bereits aus Art. 101 GG. und der Einreihung als unbedingter Revisionsgrund hervorgeht. b) Die unzulässige Anwesenheit eines Ergänzungsrichters bei der Beratung (§§ 192 Abs. 2, 193 GVG.) fällt nicht unter Nr. 1, RG. J W . 1926 122. Ist der von einem Schöffen vorgebrachte Verhinderungsgrund anerkannt worden, so ist dies nur in rechtlicher, nicht in tatsächlicher Beziehung im Revisionsverfahren nachzuprüfen, RGSt. 7 284, 13 191, 30 229, 38 45, BGH. 2 StR 53/51 vom 6. 4. 1951 für § 67 GVG. Ausschließung kraft Gesetzes (Nr. 2) 5. Die Vorschrift der Nr. 2 erfaßt die Mitwirkung eines in derselben Sache gesetzlich ausgeschlossenen Richters an dem angefochtenen Urteil, RGSt. 45 261, 354, 63 337, 65 40. Näheres bei den §§ 22, 23, 31 Abs. 1. Gemeint ist nur richterliche Tätigkeit, nicht Leitung der Schöffenauslosung als Angelegenheit der Justizverwaltung, BGHSt. 3 68. Vorangegangene richterliche Tätigkeit, von dem Falle des § 23 Abs. 1 abgesehen, fällt nicht unter die Vorschrift, BGHSt. 9194, RGSt. 60 322, 324, 62 302. Nur Ausschließung nach Vorschriften der StPO. kommt in Betracht, nicht eine solche gemäß Anordnung der MilReg., BGHSt. 2 4. Richterliche Anordnung oder Durchführung einzelner Beweiserhebungen vor Hauptverhandlung ist kein gesetzlicher Ausschließungsgrund, BGHSt. 9 233, vgl. dazu RGSt. 63 337, RG. JW. 1933 1663 Nr. 23 (Befragung
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des Angeklagten über Hilfsbeweistatsache). Der Untersuchungsrichter und sein Stellvertreter sind nach § 23 Abs. 2 auch ausgeschlossen, wenn sie in dringenden Fällen gemäß § 191 Abs. 1 tätig geworden sind, RGSt. 68 375. Der gewinnbeteiligte Prokurist der geschädigten GmbH, ist nicht Verletzter i. S. des § 22 Nr. 1, BGHSt. 1 298. Zum Sachbegriff i. S. von § 22 Nr. 4 BGHSt. 9 193. Beraumt der gesetzlich ausgeschlossene Vorsitzende Termin zur Hauptverhandlung an oder nimmt er hierauf Einfluß, so ist dies nach BGH. LM. Nr. 4 zu § 67 GVG. nur ein Verstoß gemäß § 337, während BVerfG. NJW. 1956 546 in derselben Sache unrichtige Gerichtsbesetzung gemäß § 338 Nr. 1 annimmt, obwohl schwerlich Willkür vorlag. Gemäß § 22 Nr. 4 ist auch ausgeschlossen, wer als Staatsanwalt in Vertretung des Abteilungsleiters Verfügungen des nicht zeichnungsberechtigten Sachbearbeiters unterschrieben hat, BGH. LM. § 338 Nr. 2 (2). Der Ausschluß gilt auch bei Verbindung von Strafsachen selbst dann, wenn die Sache, auf die sich der Ausschluß bezieht, später eingestellt wird, BGHSt. 14 219. 6. Die Rüge des Verstoßes nach § 338 Nr. 2 ist unverzichtbar, RG. Rspr. 9 522. Vgl. Anm. 4 a. Richterablehnung (Nr. 3) 7. Richter, Geschworener, Schölle. Die Vorschriften über Richterablehnung gelten auch für Schöffen und Geschworene (§ 31). Über Anfechtung der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch s. § 28. Wird das gegen einen erkennenden Richter gerichtete Ablehnungsgesuch „mit Unrecht", nämlich als unzulässig oder als unbegründet (BGHSt. 5 155) abgelehnt, so kann dieser Beschluß nur mit dem Urteil angefochten werden (§ 28 Abs. 2), andernfalls ist nur sofortige Beschwerde zulässig; wird sie versäumt, kann die Revision darauf nicht mehr gestützt werden, BGH. NJW. 1952 234. War der Ablehnung s t a t t g e g e b e n worden, so kann dieser Beschluß nicht mit der Begründung angefochten werden, die beschließende Kammer sei vorschriftswidrig besetzt gewesen, RG. DRZ. 24 Nr. 841. Hierzu BGH. MDR. 1955 270 (Dallinger), JR. 1957 68, BGHSt. 4 208 und Anm. 8. 8. Einzelfälle: S. Anm. 7. — Wird gesetzwidrige Verwerfung der Ablehnung gerügt, so hat das Revisionsgericht das Vorbringen in tatsächlicher Beziehung und rechtlich zu prüfen, BGHSt. 1 34, RG. Rspr. 8 89, RGSt. 7 340, 22135,55 6, 65 40, KG. GA. 57 233, jedoch darf die Revision keine neuen Tatsachen vorbringen, RGSt. 74 297, RG. Rspr. 4 527. Die Fassung des § 24 Abs. 2, die keine bestimmten Ablehnungsgründe enthält, schließt Beschränkung der Nachprüfung auf Rechtsgründe aus. Daß keine neuen Tatsachen vorgebracht werden dürfen, geht aus § 25 mit § 338 Nr. 3 („mit Unrecht verworfen") hervor. Ablehnung ist nur fristgerecht zulässig, BGHSt. 1 298, 5 153 (§ 25). Bei Ablehnung eines Sachverständigen ist nur die richtige Rechtsanwendung zu prüfen, nicht das tarichterliche Ermessen, BGHSt. 8 226. „Mit Unrecht verworfen" ist die Ablehnung bei Unzuständigkeit des Gerichts, RGSt. 19 339, und bei unrichtiger Besetzung des verwerfenden Gerichts, RGSt. 49 9, vgl. jedoch Anm. 7 am Ende. Der Ausdruck umfaßt Verwerfung als unzulässig wie als unbegründet, BGH. 1 StR 66/53. Hat ein Richter in der Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht als Ergänzungsrichter an Beratungen über dem Urteil vorausgehende Entscheidungen teilgenommen, so begründet dies nicht Besorgnis der Befangenheit, RGSt. 65 42. Vgl. BGH. NJW. 1959 55 (ungewöhnlich scharfer Geständnisdruck durch den Vorsitzenden in der Hauptverhandlung), BGHSt. 3 68 (bei begründeter Selbstanzeige ist richterliche Tätigkeit ausgeschlossen), 4 264 (Pressemitteilungen des Vorsitzenden vor Hauptverhandlung), 9 193 (zum Sachbegriff in den §§ 22 Nr. 4,23 Abs. 2), BayObLGSt. 195711 (nicht erledigtes Ablehnungsgesuch). BGHSt. 15 40 (Mitwirkung bei Eröffnungsbeschluß). Örtliche und sachliche Unzuständigkeit (Nr. 4) 9. Örtliche Zuständigkeit. Der Tatrichter hat die örtliche Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen, nach Eröffnung des Hauptverfahrens nur noch auf Einwand des Angeklagten hin (§ 18). Diesen Einwand kann der Angeklagte in der Hauptverhandlung, wenn keine Voruntersuchung stattgefunden hat, nur bis zum Beginn der Verlesung des Eröffnungsbeschlusses vorbringen, in der Voruntersuchung nur bis zu deren Schluß (§ 16). Danach ist er abgeschnitten. Näheres bei den §§ 16,17,18. Im Revisionsverfahren ist gemäß dieser Regelung zu prüfen, ob der Einwand rechtzeitig erhoben ist und ob der Tatrichter ihn zu Unrecht verworfen hat, RGSt. 3 136,17 412, RG. GA. 45 139. An sich und in diesem Rahmen fällt der Einwand der örtlichen Unzuständigkeit
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Anm. 10—12 unter § 338 Nr. 4, BGHSt. 11131, RGSt. 4« 359. Er ist im Revisionsverfahren auch zu beachten, wenn er nach Eröffnung des Hauptverfahrens vor Hauptverhandlung erhoben und zurückgewiesen, in der Hauptverhandlung aber nicht wiederholt worden ist, RG. DRZ. 24 Nr. 840. Die andere rechtliche Beurteilung der Tat als im Eröffnungsbeschluß beeinflußt die örtliche Zuständigkeit nicht, RGSt. 65 267 (Betrug statt Unterschlagung). Hat nur ein Mitangeklagter den Einwand erhoben und erhebt er eine diesen betreffende Revisionsrüge, so erstreckt sich die Prüfung auch auf die Mitangeklagten, RGSt. 23 156. Vgl. RGSt. 19 427 (örtliche Zuständigkeit im selbständigen Verfahren) und BGHSt. 11 288 (zur örtlichen Zuständigkeit des OLG. in Auslieferungssachen). Zur örtlichen Zuständigkeit der Staatsschutzkammer BGHSt. 13 378. 10. Sachliche Zuständigkeit. Die sachliche Zuständigkeit ist im GVG. und in Nebengesetzen geregelt. Vgl. die §§ 1, 6. Gericht und Revisionsgericht haben ihre Beachtung in jeder Verfahrenslage von Amts wegen zu prüfen (§ 6), RGSt. 66 256, 67 58, RG. H R R . 1939 1285, BGHSt. 7 57, 10 64, 10 74, 13 157. Die sachliche Zuständigkeit ist Verfahrensvoraussetzung, BGHSt. 7 27. Ein Fall der Nr. 4 liegt jedoch nur vor, wenn das erkennende Gericht seine Strafgewalt im U r t e i l überschritten hat (vgl. §§ 269, 270), RGSt. 66 256, 67 58, RG. H R R . 1939 1285, RGSt. 45 296, 16 39, BGHSt. 10 64, 1 346, oder wenn die Zuständigkeit eines Gerichts besonderer Art (Jugendkammer) übergangen worden ist, BGHSt. 7 27, 8 355, 9 401,10 74, vgl. auch 10 100 (zu den §§ 31, 3 2 , 1 0 8 JGG.) und 8 349 (ebenfalls zum Jugendstrafrecht). Naturgemäß richtet sich die sachliche Zuständigkeit im Rahmen des Gesetzes zunächst nach dem Inhalt des Eröffnungsbeschlusses, BGHSt. 10 65; bei Änderung der rechtlichen Beurteilung in der Hauptverhandlung liegt kein Verstoß gegen § 338 Nr. 4 vor, wenn die Strafgewalt des Gerichts für das angefochtene Urteil ausgereicht hat, BGHSt. 10 64, 1 346. Verweisung an ein Gericht höherer Strafgewalt setzt Hauptverhandlung voraus, BGHSt. 6 109. Hat das Jugendschöffengericht entschieden, jedoch nur noch ein erwachsener Mitangeklagter Berufung eingelegt, so ist die Strafkammer dafür zuständig, BGHSt. 13 157. Vgl. auch O l d e n b u r g N J W . 1957 1329, H a m m N J W . 1958 1704. S t u t t g a r t N J W . 1959 1697 erkennt einen Fall gemäß § 338 Nr. 4 an, wenn gegen einen Erwachsenen statt des Amtsrichters der Jugendrichter entschieden hat, verlangt jedoch entgegen dem Grundsatz der Amtsprüfung bei Verfahrensvoraussetzungen hierfür die besondere Rüge (mit weiteren Angaben). Dem ist nicht zuzustimmen. Amtsprüfung der sachlichen Zuständigkeit als wesentliche Verfahrensvoraussetzung ist stets geboten (s. oben). Die Notwendigkeit einer Ausnahme läßt der Stuttgarter Fall nicht erkennen. Anderseits umfaßt die Strafgewalt und Sachkenntnis des Jugendrichters (anders als bei dem Jugendschöffengericht und bei der Jugendkammer), der an sich auch Amtsrichter ist, diejenige des Amtsrichters insgesamt. Nur umgekehrt läßt sich nicht dasselbe sagen, weil die Jugendgerichte, auch der Jugendeinzelrichter, Gerichte besonderer Art sind, BGHSt. 7 27. — Wo das Schwurgericht zuständig ist, darf nicht die Jugendkammer entscheiden, BGHSt. 9 399, 10 74. Vgl. noch BGHSt. 7 189 (Zuständigkeit nach § 2 StFG.), 10 177 (zu § 42 Abs. 3 JGG.), 10 255 (zu den §§ 1 2 , 1 3 a), 9 367 (die bewegliche Zuständigkeit gemäß den §§ 74, 24 Abs. 1 GVG. verstößt nicht gegen Art. 101 GG., es sei denn bei mißbräuchlicher Handhabung, BGHSt. 14 17). Zur Zuständigkeit der Staatsschutzkammer BGHSt. 13 378. 11. Der Fall, daß sich das Gericht mit Unrecht für unzuständig erklärt hat, ist nicht geregelt, weil dies durch Beschluß geschieht, der mit Beschwerde anzufechten ist. Dazu T r a u t GS. 56 380. Gesetzwidrige Abwesenheit (Nr. 5) 12. Hauptverhandlung. Gemäß § 226 ist die Hauptverhandlung in ununterbrochener Anwesenheit der Richter, des Staatsanwalts und des Urkundsbeamten durchzuführen. Gegen den ausgebliebenen Angeklagten darf, von den Ausnahmen der §§ 231ff. abgesehen, nicht verhandelt werden (§ 230). Unerläßlich ist außerdem Anwesenheit des notwendigen Verteidigers (§§ 140, 141,145) und eines Dolmetschers, sofern der Angeklagte überhaupt nicht deutsch kann (s. unten). Auf Einhaltung dieser Vorschriften kann nicht verzichtet werden, BGHSt. 3 191, RGSt. 58 150, bedenklich daher B r e m e n GA. 1953 87 mit Anm. J e s c h e c k . — Anwesenheit der vorgeschriebenen Personen gehört zu den Förmlichkeiten des Verfahrens (§§ 273, 274), BGHSt. 4 364, sie wird daher durch die Sitzungsniederschrift bewiesen, es sei denn, eine der Urkundspersonen erklärt die Niederschrift hierin für unrichtig, BGHSt. 4 364. — Abwesenheit liegt vor, wenn jemand, dessen ununterbrochene Anwesenheit das Gesetz vorschreibt, in der Hauptverhandlung
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oder einem ihrer wesentlichen Teile fehlt, RGSt. 35 408, 38 217, 40 230, 42 246, 44 18, 55 168. Ganz unwesentliche Vorgänge dürfen außer Betracht bleiben, K l e i n k n M 6. Dies kann der Aufruf der Zeugen und Sachverständigen sein, RGSt. 58 180. Wesentliche Vorgänge sind die Vernehmung des Angeklagten, RG. H R R . 39 Nr. 1217, die Beweisaufnahme, die Urteilsverkündung, RGSt. 53 171, 57 264, 63 248, die Vereidigung von Zeugen. Die Belehrung des Angeklagten über Strafaussetzung zur Bewährung (§ 268 a Abs. 2) und über Rechtsmittel (§ 35 a) sind keine wesentlichen Teile der Hauptverhandlung in diesem Sinne, K l e i n k n M 6. Zur Ortsbesichtigung als wesentlicher Teil BGHSt. 3 188, RGSt. 42 198, 66 29, zur Urteilsverkündung P o p p e NJW. 1954 1914. — Vgl. die §§ 145, 226, 268 StPO., 67 JGG. — Wird erneuter Augenschein für notwendig gehalten, so müssen wiederum alle notwendigen Teilnehmer der Hauptverhandlung anwesend sein, RGSt. 66 28, H a m m NJW. 1959 1192 (Beratung am Tatort, also nicht nur Beratung). Anders, wenn die Richter während der Beratung ein in der Hauptverhandlung bereits behandeltes Beweisstück erneut betrachten, RG. I I I 910/29 vom 19. 12. 1929. Die Erstattung des Sachverständigengutachtens ist Teil der Hauptverhandlung. Über die hier mögliche Abwesenheit des Angeklagten s. RGSt. 69 253, 60 313, 49 40. — Nimmt ein Richter während des Augenscheins in Gegenwart aller Beteiligten Messungen vor oder macht er Aufnahmen oder Zeichnungen, so braucht er die Beteiligten hieran nicht besonders teilnehmen zu lassen, RG. JW. 1931 955 Nr. 31. — 13. Zu den einzelnen vorgeschriebenen Teilnehmern ist zu bemerken: a) Staatsanwalt. Vgl. die §§ 226, 227. Ein Fall des § 338 Nr. 5 liegt vor, wenn als Staatsanwalt jemand auftritt, der landesrechtlich zur Vertretung des Staatsanwalts nicht befugt ist, RGSt. 20 40; bei auch nur kurzer Abwesenheit während der Vernehmung des Angeklagten, RG. J R . 35 H R R . Nr. 155. — Kein Fall der Nr. 5 liegt vor, wenn der Staatsanwalt bei einem anderen Gericht tätig und daher unzuständig ist, aber demselben Vorgesetzten untersteht, RGSt. 73 86 (zweifelhaft), vgl. dagegen RGSt. 20 40, 44 77. Die Entscheidung RGSt. 73 86 trifft nur zu, wenn es im Sinne der Nr. 5 lediglich auf die allgemeine Stellung als Staatsanwalt ankommt und nicht auf die dienstliche Zuständigkeit. Nach KG. HESt. 1 205 soll auch Nichtbefähigung des Staatsanwalts zum Richteramt nicht gegen Nr. 5 verstoßen. Sie ist jedoch unerläßliche Anstellungsvoraussetzung. Zum Auftreten eines Staatsanwalts, der in derselben Hauptverhandlung auch Zeuge ist, s. BGHSt. 14 265 (Verstoß nach § 337), RG. GA. 67 476, 71 92, J W . 1933 523 Nr. 17. Bei alleiniger Berufung der Nebenklägerin verstößt es nicht gegen Nr. 5, wenn der Staatsanwalt in der Hauptverhandlung, obwohl anwesend, keinen Schlußvortrag hält, F r a n k f u r t NJW. 1956 1250. b) Urkundsbeamter. Vgl. § 226. BayObLG. GerS. 95 309. Die Abwesenheit des Urkundsbeamten bei Urteilsverkündung verstößt nicht gegen Nr. 5 ,wenn das Urteil in seiner Anwesenheit alsbald nochmals verkündet wird, O l d e n b u r g NRpfl. 1954 34. c) Angeklagter. Vgl. die §§ 226, 230, 231, 232, 233, 237, 247, 273, 274, 277. Der Angeklagte muß in der HV. grundsätzlich ununterbrochen zugegen sein, um alle ihn betreffenden Verfahrensvorgänge wahrnehmen und sich entsprechend verteidigen zu können, BGHSt. 3 385. Verstöße gegen das Anwesenheitsgebot hinsichtlich des Angeklagten sind: Anwesenheit bei Ortsbesichtigung ist geboten, ausgenommen Fälle der §§ 231 Abs. 2, 232,233,247, BGHSt. 3187. Ferner RGSt. 30 398 (Vorführung des Angeklagten an einem Verhandlungstage oder zum Verkündungstermin wird versäumt). BGHSt. 3 285, RG. GA. 47 384 (anwesender Angeklagter kann nicht deutsch, Dolmetscher nicht zugegen; dagegen Ermessensfrage, wenn er die deutsche Sprache unvollkommen beherrscht; Dolmetscher nur teilweise anwesend, RG. GA. 50 394). BGHSt. 4 364 (Entfernung des Angeklagten aus der Sitzung gemäß § 247 ohne Beschluß). BGHSt. 10 304 (Verhandlung, obwohl unentschuldigtes Ausbleiben des Angeklagten nicht nachgewiesen). K ö l n NJW. 1952 758 (Abwesenheit bei Zeugenbeeidigung). RGSt. 54 210, 62 259 (Verhandlung ohne den von der Anwesenheit entbundenen Angeklagten, obwohl Verteidiger zu dem Entbindungsantrage nicht besonders ermächtigt war). RG. JW. 1938 1644 Nr. 5 (Urteil wird vollständig verkündet, obwohl Angeklagter nach Verkündung der Urteilsformel ohnmächtig wird; a. M. BGHSt. 15 263: kein unbedingter Revisionsgrund). H a m m JMBNRW. 61 94 (Angeklagter wird verhandlungsunfähig). RGSt. 58 149, 69 19, H R R . 1937 Nr. 288 (über einen die gemeinsame Tat betreffenden Beweisantrag wird verhandelt, während Mitangeklagter und dessen notwendiger Verteidiger ohne die Voraussetzungen der §§ 231 Abs. 2, 232, 247, aber gemäß gerichtlicher Anordnung den Sitzungs-
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Anm. 13 räum verlassen haben). D ü s s e l d o r f GA. 1967 417 (Urteilsverkündung ohne Angeklagten). — Der Entfernungsbeschluß muß förmlich und zutreffend begründet worden sein, BGHSt. 15 194. Kein Verstoß gegen Nr. 5 ist es, wenn das Verfahren gegen einen Mitangeklagten, um diesen zu beurlauben, vorübergehend abgetrennt wird, sofern währenddessen nur Fälle erörtert werden, die ihn nicht betreffen und mit seiner Tat auch nicht zusammenhängen, RGSt. 69 360. Vgl. ferner RGSt. 69 18 (Verfahren gegen verhandlungsunfähig gewordenen Angeklagten wird abgetrennt, jedoch noch während der Hauptverhandlung wieder verbunden, dem zweitweise abwesend gewesenen Angeklagten wird das inzwischen Verhandelte nur mitgeteilt, er widerspricht diesem Verfahren nicht und stellt auch keinen Antrag; ebenso RG. JW. 1935 1098 Nr. 18, 2980 Nr. 59. Wohl abzulehnen, sofern inzwischen Wesentliches verhandelt worden war). RGSt. 38 272, 52 189, RG. Recht 21 Nr. 1194, GA. 70 107, JW. 1935 2380 (die bloße Eigenschaft als Mitangeklagter gibt anderen Angeklagten kein Recht, Anwesenheit zu beanspruchen). RGSt. 62 260 (unzulässiges Verhandeln gegen abwesenden Mitangeklagten verschafft dem anwesenden Angeklagten keinen Revisionsgrund nach § 338 Nr. 5, jedoch kann er rügen (§ 337), besonders bei gemeinsamer Tat, die Anwesenheit des andern Angeklagten hätte das eigene Verhandlungsergebnis günstig beeinflußt). Aus diesen Entscheidungen dürfte der allgemeine Rechtssatz abzuleiten sein: Verbundene Strafsachen dürfen zwecks Beurlaubung eines Angeklagten vorübergehend getrennt und später wieder verbunden werden, sofern während der Abwesenheit nur Fälle verhandelt werden, die den Abwesenden weder unmittelbar noch mittelbar betreffen. Erforderlich ist ein Gerichtsbeschluß. RGSt. 70 65 (ergibt sich Trennung und Wiederverbindung nur aus einer Maßnahme des Vorsitzenden, so ist dies unschädlich, wenn diese Bedeutung der Maßnahme allen Beteiligten klar war und von ihnen gebilligt worden ist. Die Rüge gemäß § 338 Nr. 5 ist nicht gegeben. Der Verfahrensfehler ist zu überprüfen, ob das Urteil auf ihm beruhen kann). RGSt. 49 40, 60 313, vgl. auch BGHSt. 3 190 (ist das Anhören des Sachverständigengutachtens für den Angeklagten gefährdend, so kann er solange entfernt werden). d) Verteidiger. Vgl. die §§ 140, 141, 145, 268. Ein Verstoß gegen Nr. 6 setzt Notwendigkeit der Verteidigung voraus, also Wahl- oder Pflichtverteidigung gemäß § 140 Abs. 1 oder Verteidigerbestellung gemäß § 140 Abs. 2 in den dort vorgesehenen Fällen. Nur bei notwendiger Verteidigung in diesem Sinne darf ohne den Verteidiger nicht verhandelt werden (vgl. § 145). Ist Verteidigung nicht in diesem Sinne notwendig, so ist Verhandlung ohne den Verteidiger jedenfalls kein Verstoß gegen § 338 Nr. 5. Vgl. BayObLG. J R . 1960 190. In den Fällen des § 140 Abs. 1 Nr. 2, 5 kommt, soweit nicht zugleich Abs. 2 vorliegt, notwendige Verteidigung an sich nur bei fristgemäßem Antrag (Abs. 3) in Betracht. Ist kein Antrag gestellt, so ist die Verteidigung nicht im Sinne des Absatzes 1 notwendig. Ist der Antrag zu Unrecht abgelehnt, so greift Nr. 5 ein. War Verteidigung sachlich notwendig, ist jedoch Belehrung gemäß § 201 Abs. 1 über das Antragsrecht unterblieben und nur wegen Unkenntnis kein Antrag gestellt, so wäre es ungerecht, darin nur einen Verstoß gemäß § 337 zu sehen, da bei abgelehntem Antrag § 338 Nr. 5 durchgriffe. Die Nr. 5 wird daher auch hier anzuwenden sein. — Einzelfälle der Nr. 5: BGHSt. 3 78 (Antrag gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 2, Beiordnung, Ablösung durch Wahlverteidiger, erneuter Antrag auf Pflichtverteidiger). Dazu RGSt. 67 11, RG. JW. 1933 2009 Nr. 13. — BGHSt. 4 320 (notwendige Verteidigung, wenn Umstände auf Anstaltsunterbringung hindeuten). Umgekehrter Fall: BGH. MDR. 1957 141. — BGHSt. 9 243 (Wiederholung der Verhandlung, wenn notwendiger Verteidiger erst in ihr bestellt wird). BGH. MDR. 1956 11, RG. H R R . 40 Nr. 345 (Fernbleiben notwendigen Verteidigers bei Urteilsverkündung). BGH. GA. 1959 55 (Berufsuntersagung, Wiederholung der Verhandlung). RGSt. 67 313 (vergebliche Beschwerde über Nichtbestellung). RG. HRR. 39 Nr. 63 (Nichtladung des Verteidigers). BGHSt. 15 306, RG. HRR. 39 Nr. 1217 (Fehlen des Verteidigers bei Beweisaufnahme oder Vernehmung des Angeklagten). RGSt. 63 248, H R R . 37 Nr. 288 (Verhandlung über Beweisantrag des Mitangeklagten in Abwesenheit des tatbeteiligten Angeklagten oder seines notwendigen Verteidigers). RG. JW. 38 1644, HRR. 40 Nr. 344 (erkrankter Verteidiger kann der Verhandlung nicht folgen). BGHSt. 3 334 (zur Haft in § 140 Abs. 1 Nr. 5). BGHSt. 8 105 (zum Fristlauf in § 140 Abs. 3). BGHSt. 6 200 und AnwBl. 1961 261 (Verteidiger gemäß § 140 Abs. 2 nach pflichtgemäßem Ermessen, jedoch kann in Strafkammersachen nur selten von Bestellung abgesehen werden. Grenzen des Ermessens sind nachzuprüfen). BGHSt. 7 69 (lediglich andere Beurteilung der Rechtslage berechtigt nicht zur Abberufung des bestellten Verteidigers, § 140 Abs. 2). — War gemäß § 140 Abs. 2 ein Pflichtverteidiger zu bestellen, ist diese Amtspflicht aber übersehen worden, so verstößt dies gegen § 338 Nr. 5,
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auch wenn kein Antrag gestellt worden ist. Andernfalls ist die Ermessensausübung rechtlich zu prüfen. Ein Verstoß fällt ebenfalls unter Nr. 5, weil die Verteidigung dann notwendig und kein Verteidiger anwesend war (BGHSt. 9 243; BGHSt. 6 200 scheint jedoch Rüge gemäß § 337 anzunehmen, ebenso K l e i n k n M 6e). Zum beschleunigten Verfahren RGSt. 66 112. War der Verteidiger gemäß § 141 nur für das erstinstanzliche Verfahren bestellt, so ist Fehlen des Verteidigers im Berufungsverfahren kein Verstoß gegen Nr. 5, RGSt. 62 22. Der nicht notwendige Wahlverteidiger braucht nicht allen wesentlichen Verfahrensvorgängen beizuwohnen, BGH. 1 StR 278/54 vom 28. 10. 1954, KG. J W . 1932 1169 Nr. 38. Ist Verteidigung gesetzlich notwendig, so genügt Ausbleiben bei irgendeinem wesentlichen Verfahrensvorgang, BGHSt. 15 306, RG. J W . 1930 716, H R . 3 Nr. 94. Dazu gehört der Vortrag des Verteidigers eines Mitangeklagten, RG. J W . 1930 716 Nr. 20, H R . 3 Nr. 94. Auf Fehlen des notwendigen bestellten oder gewählten Verteidigers des Angeklagten kann sich der Mitangeklagte nicht berufen, RGSt. 52 189, GA. 62 347 (fraglich, ob dies nicht nur für Fälle fehlenden Zusammenhanges zu gelten hat, s. RGSt. 58 149, 69 19 und Anm. 13 c). Zur Aufhebung bei Verstoß gegen Nr. 5 RGSt. 68 397. e) Der Beistand (s. §§ 149, 218) gehört nicht zum Personenkreis der Nr. 5. Fehlerhafte Nichtzulassung eines Beistandes kann aber gegen § 337 verstoßen, RGSt. 22 198. I) Auf den Sachverständigen bezieht sich Nr. 5 nicht, auch nicht, wenn er geladen und erschienen ist, RG. J W . 1927 2040. ZUT Begutachtung in der Hauptverhandlung in Abwesenheit des Angeklagten RGSt. 73 306, 49 40, 60 313, BGHSt. 3 190. Auch im Falle des § 246 a braucht der Sachverständige nicht ständig anwesend zu sein, K l e i n k n M 6, a. M. RG. J R . 35 H R R . Nr. 993. Verletzung der Sollvorschrift des § 246 a Satz 2 kann ein Aufklärungsverstoß sein, BGH. MDR. 1954 310. Vgl. jedoch auch BGHSt. 9 1, RGSt. 68 198, 327, 69 133. g) Privatkläger. Vgl. die §§ 385, 387, 391. h) Nebenkläger. Vgl. die §§ 397, 400. Der Nebenkläger h a t ein Anwesenheitsrecht während der gesamten Verhandlung, auch wenn er als Zeuge geladen ist, RGSt. 28 220, 31 37, RG. J W . 1931 2505 Nr. 33. Bleibt er trotz ordnungsgemäßer Ladung aus, darf ohne ihn verhandelt werden, sonst liegt Verstoß gegen § 337 vor. Über Nichtbenachrichtigung des Finanzamts als Nebenkläger von der Hauptverhandlung RGSt. 71 74. i) Dolmetscher. Kann der Angeklagte nicht deutsch, so muß der Dolmetscher während der gesamten Verhandlung zugegen und tätig sein, sonst Verstoß gegen Nr. 5, RG. GA. 47 384. Spricht der Angeklagte unvollkommen deutsch, so bestimmt der Vorsitzende nach pflichtgemäßem Ermessen, wann der Dolmetscher beizuziehen ist, BGHSt. 3 285, RG. GA. 50 394. Öffentlichkeit des Verfahrens (Nr. 6) 14. Öffentlichkeit der Hauptverhandlung gehört zu den Grundregeln rechtsstaatlichen Verfahrens. Vgl. Art. 6 Abs. 1 der Menschenrechtskonvention und BGHSt. 9 281, 7 221, 1 334. Die Strafrechtspflege soll nicht hinter verschlossenen Türen wirken und dadurch dem Argwohn gegen ihre Handhabung Raum geben, BGHSt. 7 221, 9 281. Einzelheiten bei den §§ 169,172,174 GVG. Die Bestimmung des § 338 Nr. 6 sichert den Grundsatz der Öffentlichkeit u n d betrifft daher nur ihre ungesetzliche Beschränkung oder Ausschließung, RGSt. 77 186, 3 295, RG. Rspr. 1 324. Auch ihre gesetzwidrige Nichtbeschränkung kann einen Verfahrensverstoß bilden, jedoch nur einen solchen gemäß § 337. Darüber unten. — Die Öffentlichkeit besteht in der möglichen Gegenwart unbeteiligter Personen in der Hauptverhandlung nach Maßgabe des nach dem pflichtgemäßen Ermessen des Vorsitzenden verfügbaren Raumes, BGHSt. 3 386, RGSt. 70112. Auch einzelne Personen dürfen nur ausgeschlossen oder entfernt werden, wenn zulässiger Grund hierfür besteht. Darüber S c h ä f e r bei § 169 GVG. Die §§ 170—174,175,177 GVG. enthalten diese Gründe nicht vollständig. Entfernt werden darf z. B. ein Zuhörer, der als Zeuge in Betracht kommt, oder gegen den als Mitbeteiligten (etwa als Hehler) ein Ermittlungsverfahren schwebt, BGHSt. 3 388. Die Hauptverhandlung darf durch Zulassung von Zuhörern auch nicht anderen strafbaren Handlungen Vorschub leisten. Entfernt werden darf daher, wer als Zuhörer Kenntnisse zur Begehung eigener strafbarer Handlungen oder zur Vorschubleistung bei solchen Handlungen anderer erlangen will, wenn nach Sachlage hinreichender Verdacht hierfür vorliegt (RGSt. 64 384 ist zu eng). — Vgl. noch BGHSt. 9 280 (Verhältnis der Grundsätze der Öffentlichkeit und der Wahrheitsermittlung zueinander. Die bloße Erwartung, der Angeklagte werde in öffentlicher
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Anm. 15 Verhandlung nicht die Wahrheit sagen, reicht zur Ausschließung nicht aus), dazu BGHSt. 3 344 (öffentliche Aussage kann den Zeugen gefährden). BGHSt. 5 75 (öffentliche Verhandlung, wenn beliebige, wenn auch unter Umständen nur wenige, Zuhörer beiwohnen können, es sei denn, eine Ortsbesichtigung kann sonst nicht ungehindert stattfinden, RGSt. 47 322, 52 137, JW. 1937 3100 Nr. 29). — RGSt. 70 111 (das Gericht vergißt die Öffentlichkeit zur Verkündung eines weiteren Ausschließungsbeschlusses wieder herzustellen). BGHSt. 7 218 (die Öffentlichkeit darf nur fehlen, soweit sie wirksam ausgeschlossen worden war, nicht bei weiteren Verfahrensakten, soweit sie nicht sachlich zu demjenigen gehören, für den die Öffentlichkeit ausgeschlossen worden war, dazu RGSt. 43 367, 70110). RG. H R R . 39 Nr. 1567, KG. JW. 1932 204 Nr. 45 (Ausschließung nur für bestimmte Zeugenvernehmung beschlossen, diese war abgeschlossen, es wird jedoch weiter nichtöffentlich verhandelt, dazu allerdings RG. H R R . 39 449). BGHSt. 10 205 (die anwesenden Zuhörer bilden die Öffentlichkeit, nicht der Rundfunk). H a m m NJW. 1960 785 (Verhandlung in nicht genügend gekennzeichnetem Räume). BGHSt. 4 279, OGHSt. 3 83, RGSt. 60 279,57 26,35106,1 90 (auch die Urteilsverkündung gehört zur Hauptverhandlung, die Urteilsformel ist ausnahmslos öffentlich zu verkünden, hinsichtlich der Urteilsgründe darf die Öffentlichkeit durch besonderen Beschluß formell ausgeschlossen werden; a. M., aber abzulehnen RGSt. 69 175, 71 377, 70 111, K ö l n HESt. 1 207, P o p p e NJW. 1955 6: nur Verstoß gemäß § 337). RG. DRZ. 20 Nr. 736 (Zuziehung des Ergänzungsrichters während des Ausschlusses ohne neue Beschlußfassung). Der Ausschließungsgrund ist anzugeben, es genügt nicht, daß der Sachzusammenhang ihn ausweist, BGHSt. 1 334, 2 56, RGSt. 25 249, 26 396, 70 112, RGZ. 128 216 (mit Hinweisen). Erforderlich ist ein öffentlich verkündeter Gerichtsbeschluß, der gemäß § 274 nachzuweisen ist, BGHSt. 2 56, BGH. MDR. 1955 653. Die Beteiligten müssen vorher Gelegenheit zur Äußerung erhalten, ausdrückliche Aufforderung dazu ist nicht geboten, BGH. LM. Nr. 1, LM. § 33 Nr. 2, OGHSt. 2 113, RGSt. 37 437, 47 342, a. M. D ü s s e l d o r f HESt. 1 206. Nach RGSt. 69 401, 69 175 (gegen 53106) soll in mangelnder Anhörung nur ein Revisionsgrund gemäß § 337 liegen. Dies trifft nicht zu, wenn das rechtliche Gehör versagt, also keine Gelegenheit zur Äußerung gewährt worden ist. — Ist die Öffentlichkeit formgerecht und zulässigerweise ausgeschlossen, so nötigt ein hinzutretender weiterer Ausschließungsgrund nicht zu nochmaligem Beschluß, RG. 2 D139/35 vom 18. 3.1935, vgl. RGSt. 3 297, 43 367. Jedenfalls braucht ein solcher Beschluß, falls er ergeht, nicht öffentlich verkündet zu werden. Kein Verstoß gegen § 338 Nr. 6 liegt vor, wenn die formgerechte Ausschließung nicht streng beachtet wird, BGHSt. 1 334, OGHSt. 2 337, RGSt. 77 186; bei Ablehnung des Antrages auf Ausschließung, KG. J R . 50 119 (jedoch kann hier bei Gefährdung der Wahrheitsermittlung in Nichtausschließung ein Revisionsgrund gemäß §337 liegen, vgl. BGHSt. 3 344). Vgl. RG. HRR. 39 Nr. 278 (Nichtausschließung trotz Anregung des Angeklagten); D r e s d e n JW. 1932 3657 Nr. 40 (Ausschließungsantrag wird ohne Anhörung der Beteiligten abgelehnt). RGSt. 77 186 (Gestattung des Zutritts zur nichtöffentlichen Verhandlung durch Beschluß). BGHSt. 10 119 (zu § 48 Abs. 3 JGG.). — Hat nicht das Gericht die Öffentlichkeit ausgeschlossen, sondern war der Zutritt nur durch Eigenmacht oder infolge Irrtums eines Gerichtsbeamten versperrt, so soll § 338 Nr. 6 nicht gelten, RGSt. 71 380,43 189, 2 301, RG. Rspr. 4 268, H a m m NJW. 1960 785. Wegen des Zwecks der Vorschrift ist das jedoch zweifelhaft. Fehlende Urteilsgründe (Nr. 7) 15. Vgl. die §§ 267,275,34. Die verkündete Urteilsformel kann nicht darauf beruhen, daß bei der nachfolgenden Urteilsabfassung keine Gründe niedergelegt werden. Fehlende Urteilsgründe machen aber jede rechtliche Nachprüfung im Revisionsverfahren unmöglich. Sie sind daher ein unbedingter Revisionsgrund und zugleich ein sachlichrechtlicher Mangel des Urteils (s. unten). Keine Entscheidungsgründe enthält das Urteil, wenn sie überhaupt fehlen und das Urteil nur aus der Formel besteht, RGSt. 40 184, BGH. MDR. 1954 337 (nur zwei Urteilsentwürfe bei den Akten), Celle NJW. 1959 1647 (keine Gründe vorhanden), oder wenn bei Tatmehrheit Gründe nur hinsichtlich einer Tat vorhanden sind (RGSt. 43 298), oder wenn wesentliche Tatumstände des Eröffnungsbeschlusses im Urteil nicht erschöpft werden, RGSt. 3147. Vgl. auch RGZ. 109 205, RG. JW. 19271861 und zum teilweisen Fehlen von Gründen RG. GA. 56 320 und JW. 1935 2981.— Diesem Fall steht es an sich sachlich gleich, wenn das Urteil überhaupt keine klaren Feststellungen enthält und daher keine rechtliche Prüfung erlaubt, jedoch rechnet die herrschende Meinung
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§338 Anm. 16,17
diesen Fehler, der ebenfalls zugleich ein Sachmangel ist, unter die Revisionsgründe des § 337. Ob dies zutrifft, kann auf sich beruhen, da unklare Gründe stets ein Verfahrensfehler sind, auf dem das Urteil beruht und die Rüge daher stets durchgreift. Beispiele: OGHSt. 1 146, RGSt. 71 25, HRR. 1937 541 (völlig unklare Feststellungen), OGHSt. 1 195 unten (unklare Feststellungen zu einigen Taten). Diese und andere Mangel der vorhandenen Gründe fallen nicht unter Nr. 7, sondern unter § 337, RGSt. 48 298. Vgl. auch BGHSt. 8 42 mit weiteren Angaben (ein Urteil ohne Gründe besteht, bis es angefochten wird). Vollends dasselbe gilt bei schlechtem Aufbau des Urteils, der Feststellungen und Rechtsansicht des Tatrichters immerhin noch gewiß ersehen läßt, OGHSt. 2 270, RGSt. 46 326 (Widerspruch zwischen Formel und Gründen im Strafmaß), 63 186 (mangelhafte Gründe). Ebenso E b S c h m i d t 33, K l e i n k n M 8. — Überschreitung der Frist des § 275 fällt nicht unter Nr. 7, BGH. NJW. 1955 284. — Maßgebend sind nicht die mündlich mitgeteilten, sondern die schriftlichen Urteilsgründe, BGHSt. 2 66, 7 363, 8 42, RGSt. 4 382, 13 66. — Ist das Urteil mit Gründen nicht zu den Akten gelangt oder verloren gegangen und keine Abschrift zu beschaffen, so gilt Nr. 7 entsprechend, RGSt. 40 184, 54 101, 65 373, RG. GA. 69 115, F e i s e n b e r g e r ZStW. 41 452. Sind die erkennenden Berufsrichter noch bei demselben Gericht tätig und noch imstande, Formel und Gründe verläßlich und erschöpfend zu beurkunden, so wird Neuanfertigung des Urteils zulässig sein. — Das Fehlen von Urteilsgründen ist außerdem ein sachlichrechtlicher Mangel, der stets zur Aufhebung nötigt. Da bereits unzulängliche Urteilsgründe ein Sachmangel sind, BGHSt. 3 215 und ständig, so ist auf Mitangeklagte, die kein Rechtsmittel eingelegt haben, § 357 anzuwenden, sofern die Sachrüge erhoben worden ist. Ist nur die Verfahrensrüge erhoben worden, so geht dies nicht an. Vgl. Celle NJW. 1959 1647. Unzulässige Beschränkung der Verteidigung (Nr. 8) 16. Unzulässig. Vgl. F u h r m a n n JR. 1962 321. — Die Vorschrift der Nr. 8 ist von der RTK. aufgenommen worden (Prot. S. 590, 591). Neben § 337 hat sie nur die Bedeutung, daß sie die gesetzlichen Rechte der Verteidigung, zu denen auch die des nicht verteidigten Angeklagten gehören, besonders bekräftigt und (unecht) als absoluten Revisionsgrund ausgestaltet, soweit die Beschränkung der Verteidigung durch Beschluß in der Hauptverhandlung „in einem für die Entscheidung wesentlichen Punkt", also bei Möglichkeit des Beruhens des Urteils auf dem Verstoß, in Frage steht. Hierüber RGSt. 44 345. Eine selbständige Verfahrensnorm enthält die Nr. 8 nur, soweit sie den Verstoß auf Gerichtsbeschlüsse in der Hauptverhandlung einschränkt. Ein echter unbedingter Revisionsgrund ist Nr. 8 nicht, weil sie indirekt zur Beruhensprüfung zurückführt (s. oben). Unzulässig beschränkt ist die Verteidigung durch Verletzung einer Verfahrensnorm zu ihrem Nachteil, RG. DJZ. 19 508, LZ. 101198, BayObLG. DAR. 1957131. Wann dies zutrifft, ist bei den einzelnen Verfahrensvorschriften angegeben. Beispiele: RGSt. 62 142 (gesetzwidrige Nichtbestellung des Verteidigers). RGSt. 71353 (Nichtaussetzung der Hauptverhandlung bei nicht eingearbeitetem Wahlverteidiger). OGHSt. 1 212 (Nichteinhaltung zugesagter Wahrunterstellung). OGHSt. 1 282, 3 142 (unzulässige Ablehnung Beweisantrages). BGHSt. 1 221 (unzulässige Ablehnung beantragter Verlesung einer Zeugenaussage). BGHSt. 8 145 (unzulässige Zurückweisung begründeten Ablehnungsgesuchs gegen Sachverständigen). BGHSt. 10 110 (ungenügende Begründung der Nichtvereidigung des Zeugen). BGHSt. 10 207 billigt zwar Zulassung der Rundfunk-Tonbandaufnahme des Plädoyers durch den Vorsitzenden nicht, nimmt jedoch keinen Verstoß gegen § 338 Nr. 8 an, weil dies zur Sitzungspolizei des Vorsitzenden gehöre. Dem ist deshalb beizutreten, weil die Maßnahme des Vorsitzenden keinem Gerichtsbeschluß unterliegt (§ 176 GVG.). — K ö l n NJW. 1961 1127 (ungünstiger Platz des Verteidigers). Durch gesetzmäßige Gerichtsbeschlüsse kann die Verteidigung nicht im gesetzlichen Sinne „beschränkt" werden, sondern nur im gesetzlich ohnedies vorgesehenen Rahmen. Vgl. OGHSt. 3 30 (Zurückweisung unnützer Bloßstellung des Belastungszeugen). RGSt. 64 113 (pflichtgemäße zulässige Ablehnung der Einholung eines Obergutachtens). Dies gilt z. B. auch für Beschlüsse über Verbindung oder Trennung von Strafsachen, selbst wenn dadurch bisherige Mitangeklagte zu Belastungszeugen werden. Hält sich der Gerichtsbeschluß innerhalb pflichtgemäßer Ermessensgrenzen, soweit dem Gericht Ermessensentscheidungen zustehen, so scheidet Beschränkung der Verteidigung aus. 17. Gerichtsbeschluß in der Hauptverhandlung. Nr. 8 setzt Gerichtsbeschlüsse in der Hauptverhandlung voraus, OGHSt. 2 198. Verfügungen des Vorsitzenden begründen einen Verstoß
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§ 338 Anm. 18 § 339 Anm. 1
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gegen Nr. 8 niemals, ebensowenig ein Gerichtsbeschluß außerhalb der Verhandlung, RGSt. 17 45, 20 38, JW. 1926 1225. Wird hier nicht Entscheidung des Gerichts in der Verhandlung herbeigeführt (§ 238 Abs. 2), so ist die Rüge eines etwaigen Verstoßes gesetzlich verwirkt (vgl. § 337 Anm.F.a), RG. JW. 1930 760 Nr. 9,1938 520 Nr. 16, HR. 3 Nr. 95. Vgl. §238. Ist ein Beweisantrag vor der Verhandlung gestellt, aber abgelehnt oder übergangen und in der Verhandlung nicht wiederholt worden, so ist kein Verstoß gegen Nr. 8 gegeben, RG. JW. 19311097 Nr. 28,1932 3099 Nr. 50, jedoch kann gegen die Aufklärungspflicht verstoßen worden sein. Vgl. § 244. Wird ein solcher Antrag in der Verhandlung gestellt und übergangen, so wird dieser Vorgang einem Beschluß gleichzustellen und ein Verstoß gegen Nr. 8 anzunehmen sein, vgl. RGSt. 57 262, BayObLG. DRZ. 23132. Vgl. noch RGSt. 67 313, RG. HRR. 39 Nr. 276 (rechtzeitige Beschwerde über Ablehnung des Antrages auf Gestellung eines Verteidigers wird dem Beschwerdegericht nicht vorgelegt, weil bis zur Verhandlung keine Zeit mehr dazu vorhanden sei). 18. Für die Entscheidung wesentlicher Punkt. Wesentlich ist der Funkt, wenn die Entscheidung, wie sie ergangen ist, auf ihm beruhen kann, unwesentlich ist er nur, wenn dies ausgeschlossen ist. Die Prüfung durch das RevG. geschieht auf Grundlage des im angefochtenen Urteil festgestellten Sachverhalts, der Tat im Sinne des Eröffnungsbeschlusses, der Anklage und des gesamten Verfahrens. Vgl. RGSt. 3 298, 4 138, 29 368, 39 364, 63 330, JW. 1929 259 Nr. 17 über Behandlung von Beweisanträgen. Nach Verkündung der Urteilsformel brauchen keine Beweisanträge mehr entgegengenommen zu werden, RGSt. 59 420, 57 142, dies dürfte rechtlich aber auch nicht ausgeschlossen sein, etwa im Rahmen eines die Aufklärungspflicht wesentlich berührenden neuen Gesichtspunktes. — Für Beweisanträge der StA. gilt Nr. 8, wenn sie zugunsten des Angeklagten gestellt waren, RG. Recht 28 Nr. 82, oder wenn der Angeklagte ihnen beigetreten ist, RG. JW. 43 433. Vgl. RGSt. 45 331 (Übergehung des Antrages auf Zubilligung mildernder Umstände). RG. JW. 1926 1222 (Ablehnung des Antrages des Nebenklägers, dem Angeklagter nicht beigetreten war). RG. JW. 22 587 (verletzt Ablehnung Beweisantrages des Angeklagten Rechte des Mitangeklagten ?). RG. JW. 1935 2380 Nr. 36 (freiwilliges Ausbleiben des Mitangeklagten bei Bedeutung für den Angeklagten). RG. JW. 1931 2821 Nr. 42 (Privatkläger kann Verletzung der Nr. 8 nicht rügen).
§339 Die Verletzung von Rechtsnormen, die lediglich zugunsten des Angeklagten gegeben sind, kann von der Staatsanwaltschaft nicht zu dem Zweck geltend gemacht werden, um eine Aiilhebung des Urteils zum Nachteil des Angeklagten herbeizuführen. Entstehungsgeschichte: I., II. und III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: § 378. Änderungsvorschläge: NE I und II § 334. NE III § 324. 1. Lediglich zugunsten des Angeklagten gegebene Rechtsnormen. Es kann vorkommen, daß eine Rechtsnorm, die ausschließlich zugunsten des Angeklagten gegeben ist, zu seinem Nachteil nicht oder nicht richtig angewandt, daß im Ergebnis aber trotzdem zugunsten des Angeklagten erkannt wird. Die Vorschrift will verhindern, daß die StA. diese für das Ergebnis des Verfahrens unerhebliche Verfahrens Verletzung zum Nachteil des Angeklagten aufgreift. Hat der Verstoß das Ergebnis des Verfahrens jedoch zu seinem Nachteil beeinflußt, so darf die StA. darauf eine Verfahrensrüge gründen, BGH. LM. Nr. 1. Vgl. RG. JW. 1929 3017 Nr. 15 (entgegen § 358 StGB, hat das Berufungsgericht neben Geldstrafe auf Amtsverlust erkannt. Die StA. will mit ihrer Rüge auf Gefängnisstrafe hinaus. Das RG. billigt dies in der Erwägung, auch bei der Revision zugunsten des Angeklagten verfolge die StA. stets auch das Staatsinteresse an richtiger Rechtsanwendung).— Die Entwürfe enthielten keine Vorschrift dieses Inhalts, weil sie neben § 337 entbehrlich erschien (Mot. S. 212, Prot. S. 693—597). Rechtsnormen im Sinne des § 339 sind nach überwiegender Ansicht nur Verfahrensnormen, RGSt. 3 386 (zum Verbot der Doppelverfolgung), E b S c h m i d t 1, KleinknM 1. BGH. LM. Nr. 1 läßt dies ausdrücklich offen. RG. JW. 1929 3017 Nr. 15 und LZ. 19 124 (zu § 27 b StGB.) scheinen auch das sachliche Recht einbeziehen zu wollen, jedoch ist dann unklar, wie das Merkmal „ausschließlich zugunsten des Angeklagten gegeben" zu verstehen wäre. — Gemeint sind vor allem die Normen über Verfahrensbefugnisse des Angeklagten und der Verteidigung, vgl. W e r t h e i m e r
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Vierter Abschnitt. Revision (Jagusch)
§ 339 Anm. 2, 3 § § 340, 341 Anm. 1
StrAbh. 47 21. Beispiele: §§ 140 (notwendige Verteidigung) 145 Abs. 1 (Ausbleiben des notwendigen Verteidigers), 247 Abs. 1 Satz 3 (Unterrichtung des zwangsentfernten Angeklagten), 257 (Befragung des Angeklagten nach jedem Beweisakt), 258 Abs. 2 (letztes Wort), 201 Abs. 1 Satz 3 (Belehrung über Antragsrecht gemäß § 140 Abs. 1 Nr. 2, 5), 217 (Ladungsfrist), 265(Belehrung über veränderten rechtlichen Gesichtspunkt, S t u t t g a r t MDR. 1955 505), 331 (Verschlechterungsverbot), 338 Nr. 5 (bei notwendiger Verteidigung), § 338 Nr. 8 (Beschränkung der Verteidigung durch Beschluß), sodann das Verbot der Tatsachenunterstellung zu ungunsten des Angeklagten, RG. HRR. 89 817. Vgl. auch E b S c h m i d t 2, K l e i n k n M 2. Bei mancher dieser Vorschriften (§ 331 etwa ausgenommen) fragt es sich freilich, ob sie nicht zum Wesen des rechtsstaatlich abgewogenen Verfahrens gehören und daher auch dem allgemeinen Interesse dienen, so daß die Rüge ihrer Verletzung stets vertretbar wäre. Deshalb wird § 339 umgekehrt teilweise ausdehnend dahin verstanden, daß die StA. überhaupt keinen Verfahrensverstoß, der den Angeklagten im Ergebnis nicht benachteiligt hat, zu seinem Nachteil soll rügen dürfen (vgl. B r e m e n NJW. 1947/48 313, BayObLGSt. 1949/51 135. Gage-Sarstedt 50, dazu E b S c h m i d t 7, 8, v. K r i e s 676). Diese Ausweitung ist abzulehnen. Sie widerspricht dem klaren Willen des Gesetzes („lediglich zugunsten . . . gegeben"), läuft auf Ausdehnung einer Ausnahmevorschrift und Lässigkeit im Verfahren hinaus und verkennt die öffentliche Bedeutung zahlreicher Verfahrensnormen, über deren Einhaltung die StA. im Allgemeininteresse zu wachen hat (s. unten). Nicht nur zugunsten des Angeklagten sind gegeben die §§ 22 Nr. 4 (RGSt. 59 267), 23 (frühere Verfahrensmitwirkung eines Richters), 230 (Ausbleiben des Angeklagten, RGSt. 29 48, 60 180), 264 (Strafklage), 266 (Nachtragsanklage, RG. III 744/24 v. 12. 2. 1925), 267 (UrteilsgTünde, F r a n k f u r t MDR. 1949 437), GVG. § 169 (RGSt. 1 90, K l e i n k n M 2), § 338 Nr. 1—7 (vgl. RGSt. 60 179 zu Nr. 5), das Verbot der Doppelverfolgung (RGSt. 3 384, E b S c h m i d t 4). Wird etwa der Angeklagte unter gesetzwidrigem Ausschluß der Öffentlichkeit freigesprochen, so ist Rüge der StA. nicht nur zulässig, sondern wegen der Bedeutung der Öffentlichkeit geboten, da sonst Verdacht vertuschender Freisprüche entstehen kann. Schon deshalb kann § 339 nicht ausdehnend verstanden werden. 2. Zum Nachteil des Angeklagten. Auf Rechtsmittel der StA. zugunsten des Angeklagten (§ 296 Abs. 2) bezieht sich § 339 nicht, RGSt. 5 221, sofern das Rechtsmittel lediglich zu seinen Gunsten eingelegt ist. 3. Staatsanwaltschaft. Die Bestimmung gilt trotz ihres engeren Wortlauts auch für den Privatkläger ( D r e s d e n SächsOLG. 25 386) und für den Nebenkläger, RGSt. 59 101, II 24/25 v. 23. 2. 1925. § 3 4 0 Weggefallen (Art. 3 Nr. 145 VereinhG. vom 12. 9.1950, BGBl. I S. 455, 629). Die Vorschrift betraf die Beschränkung der Verfahrenrüge bei der Sprungrevision. Vgl. BGHSt. 2 65. § 3 4 1 (1) Die Revision muB bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, binnen einer Woehe nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden. (2) Hat die Verkündung des Urteils nicht in Anwesenheit des Angeklagten stattgefunden, so beginnt für diesen die Frist mit der Zustellung. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 252. II. Entw. § 258. III. Entw. § 302. Frühere Bezeichnung: § 381. Änderungsvorschläge: NE I, II § 337 Abs. 1. NE III § 327 Abs. 1. 1. Revision. Einlegung. Form und Frist. Einzulegen ist die Revision bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird. Das ist die Strafkammer als Erst- und als Berufungsgericht, auch wenn das Schwurgericht entschieden hat, und auch bereits während der Tagung des Schwurgerichts, vgl. RGSt. 13 156. Bei Sprungrevision ist es das Amtsgericht. Das Revisionsgericht ist unzuständig. Bei Urteilen der auswärtigen Strafkammer ist es diese selbst, das Landgericht, zu dem sie gehört und das Amtsgericht, bei dem sie gebildet ist, RG. HRR. 32 1627, E b S c h m i d t 3. Unnötiger Formalismus hierbei ist zu vermeiden, zumal da auch der Angeklagte selbst schriftlich
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§ 341 Anm. 2—6
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
§342 Revision einlegen kann (vgl. § 345 Abs. 2). Zur gemeinsamen Annahmestelle s. § 314 Anm. 3, H a m m Rpfleger 58 313. 2. Zur Niederschrift der Geschäftsstelle. Näheres darüber bei § 306 Anm. 3 a, § 314 Anm. 2 a. Das dort Gesagte gilt hier sinngemäß. Vgl. RiStV. Nr. 133. Die Erklärung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, er nehme das Urteil nicht an, bedeutet im Zweifel nicht Revisionseinlegung, sondern nur Ablehnung eines Rechtsmittelverzichts, RG. Recht 25 Nr. 2086. Der Antrag an das Gericht, der als Pflichtverteidiger bereits beigeordnete Referendar möge zur Einlegung der Revision veranlaßt werden, ist als Revisionsschrift aufzufassen, RG. JW. 1931 2373 Nr. 14. Die Revision darf nicht bedingt eingelegt werden, etwa nur für den Fall, daß auch der Privatkläger Revision einlege, Vorb. B 8c vor § 296, BayObLG. DRZ. 20 Nr. 82, vgl. RG. HR. 9 Nr. 1556. Nur Rechtsbedingungen sind zulässig. Die Dienstbezeichnung „Referendar" bei dem Namen des Urkundsbeamten genügt zum Nachweis der Zuteilung zur Geschäftsstelle, B r a u n s c h w e i g HR. 4 Nr. 1544. 3. Schriftlich. Näheres darüber bei § 306 Anm. 3b, § 314 Anm. 2b. Dort auch Näheres über fernmündliche und telegrafische Rechtsmittel. Über Rechtsmittelverzicht und dessen Widerruf s. § 302. 4. Die Person des Erklärenden muß feststehen. Darüber § 314 Anm. 2 c. 5. Revisionsfrist. Sie beträgt eine Woche ab Urteilsverkündung, auch bei vergessener Rechtsmittelbelehrung, BayObLGSt. 1957 157. Darüber § 314 Anm. 3, 4 entsprechend. Ein Telegramm an die Privatanschrift des Vorsitzenden, das erst in den letzten Stunden der Revisionsfrist bei diesem eingeht, genügt nach RG. I TB. 49/29 vom 8. 10. 1929 zur Fristwahrung nicht. A. M. BayObLGSt. 20 40. Die Frist beginnt mit Urteilsverkündung in Gegenwart des Angeklagten, BGHSt. 6 207. Rechtzeitiger Eingang der Revisionsschrift bei Gericht muß feststehen, H a m m GA. 1957 222. Zur Nachholung einzelner Verfahrensrügen s. BGHSt. 1 44 und neuerdings BGHSt. 14 330. 6. Verkündung in Abwesenheit des Angeklagten. Darüber § 314 Anm. 4. War der Angeklagte bei Urteilsverkündung nicht zugegen, so beginnt die Revisionsfrist für ihn mit Zustellung des Urteils. Zur Ersatzzustellung gemäß § 181 ZPO. s. BGHSt. 11 153. Ist bei verspäteter Revision Wiedereinsetzung gewährt, so beginnt die Revisionsfrist erst mit Bekanntmachung der Wiedereinsetzung und Urteilszustellung, nicht mit dieser allein, Celle NJW. 1956 760 mit weit. Angaben. — Bei Verurteilung einer Handelsgesellschaft gemäß § 393 Abg.O ist diese bei Verkündung zugegen, wenn ein vertretungsberechtigter Gesellschafter anwesend ist, RGSt. 60 75. Für das Finanzamt, Hauptzollamt, die Finanzdirektion und die Verwaltungsbehörde beginnt die Revisionsfrist erst mit Zustellung des Urteils; sie beträgt eine Woche, § 467 Abs. 2 S. 2 AbgO., § 472 Abs. 1 AbgO., 20 WiStG. 54. Diese Regelung mag sachliche Gründe haben und ist nicht verfassungswidrig, BGHSt. 12 138, K a r l s r u h e NJW 1954 1457 Nr. 20. Für den Privatkläger s. § 390, den Einziehungsbeteiligten § 432, den Nebenkläger § 395 und RGSt. 76 178, 66 129. Über Rechtsmittelbelehrung §35a.
§343 (1) Der Beginn der Frist zur Einlegung der Revision wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß gegen ein auf Ausbleiben des Angeklagten ergangenes Urteil eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachgesucht werden kann. (2) Stellt der Angeklagte ein Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, so wird die Revision dadurch gewahrt, daß sie sofort für den Fall der Verwerfung jenes Gesuchs rechtzeitig eingelegt and begründet wird. Die weitere Verfügung in Bezug auf die Revision bleibt dann bis zur Erledigung des Gesuchs um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausgesetzt. (3) Die Einlegung der Revision ohne Verbindung mit dem Gesuch um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gilt als Verzicht auf die letztere. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 253. II. Entw. § 259. III. Entw. § 303. Frühere Bezeichnung: § 382. Änderungsvorschläge: NE I, II § 337 Abs. 1. NE III § 331.
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Vierter Abschnitt. Revision (Jagusch)
§ 342 Amn. 1—3 § 343 Anm. 1
1. Ausbleiben des Angeklagten. Zusammentreffen von Revision und Wiedereinsetzungsgesuch. Vgl. die §§ 315, 300 Anm. 2b und 329 Anm. 12. Die Vorschrift entspricht genau dem § 315 im Berufungsverfahren. Hat die Hauptverhandlung ohne den Angeklagten stattgefunden (§§ 232, 329), so kann dieser binnen einer Woche nach Zustellung des Urteils Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen (§§ 235, 329 Abs. 2). Vgl. dort. Innerhalb einer Woche nach Urteilszustellung kann er auch Revision einlegen (§ 341 Abs. 2). Beide Fristen fallen also zusammen. Dieses Zusammentreffen beider Rechtsbehelfe regelt für die Revision § 342, wie § 315 für die Berufung: a) der Angeklagte darf die beabsichtigte Einlegung der Revision nicht bis zur etwaigen Ablehnung der Wiedereinsetzung aufschieben (Abs. 1, 2); b) legt er ausschließlich Revision ein, so gilt dies gemäß Abs. 3 als unwiderlegbarer Verzicht auf Wiedereinsetzung. Anderseits gilt ein Wiedereinsetzungsgesuch nicht als Verzicht auf Revision. Diese darf „rechtzeitig", also innerhalb der Wochenfrist, noch eingelegt werden. Vgl. § 315 Anm. 1,2, RG. DRZ. 22 Nr. 429, KleinknM 1. 2. Weiteres Verfahren. Hat das Wiedereinsetzungsgesuch Erfolg, so ist das Urteil beseitigt, der Angeklagte in die Instanz wieder eingesetzt und die Revision gegenstandslos, so daß sie nicht mehr begründet zu werden braucht. Daher ist zunächst über Wiedereinsetzung zu entscheiden (Abs. 2). Die Revision gilt als für den Fall der Ablehnung der Wiedereinsetzung eingelegt. Die Rechtfertigungsfrist für die Revision wird daher erst mit rechtskräftiger (§ 46 Abs. 3) Verwerfung des Wiedereinsetzungsgesuchs beginnen. Vgl. § 315 Anm. 3 entsprechend. Der Wortlaut des § 342 Abs. 2 steht nicht entgegen. Er fordert nur „rechtzeitige" Begründung des Rechtsmittels, ohne den Beginn der Begründungsfrist festzulegen. Auch die gleichartige Regelung des § 315 Abs. 2 spricht hierfür, wenn die Berufung allerdings auch ohne Begründung wirksam ist. Wie hier E b S c h m i d t 3, KleinknM 2, a. M. Celle NJW. 1959 2177, RG. DRZ. 30 Rspr. 259 Nr. 429. Das anzufechtende Urteil muß zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits zugestellt sein, da sonst die ausreichende Grundlage für die Revisionsbegründung fehlt. War es noch nicht zugestellt, so beginnt die Begründungsfrist mit der Urteilszustellung. Hat der Angeklagte Wiedereinsetzung gegen Versäumung der Berufungsverhandlung und auch der Revisionseinlegungsfrist beantragt, so ist zunächst über den ersten Antrag zu entscheiden; hat er Erfolg, so ist der zweite Antrag gegenstandslos, RG. Recht 31 Nr. 1326. Der Urkundsbeamte muß die Erklärungen eines bevollmächtigten Familienangehörigen beurkunden, auch wenn dieser keine schriftliche Vollmacht hat und das Aktenzeichen nicht kennt, Bremen NJW. 1954 46. Die Vollmacht kann später nachgewiesen werden. — Rechtskräftige Versagung der Wiedereinsetzung steht dem Revisionsverfahren nicht entgegen; ist das Gesuch als verspätet verworfen worden, so ist das Revisionsgericht an diese Beurteilung nicht gebunden, KG. JW. 19301103, HRR. 30 Nr. 756, KleinknM 3. 3. Zum Absatz 3. Wer nur Revision einlegt, verzichtet gemäß unwiderleglicher gesetzlicher Vermutung (Abs. 3) dadurch auf Wiedereinsetzung. Darüber § 315 Anm. 1 am Ende. Diese Verzichtsvermutung greift auch ein, wenn Revision vor Beginn der Einlegungsfrist des § 341 Abs. 2 (Abwesenheitsurteil) eingelegt wird, Köln JMBNRW. 1954 190, weil die zwingende Vorschrift des Absatzes 3 sonst umgangen werden könnte.
§343 (1) Durch rechtzeitige Einlegung der Revision wird die Rechtskraft des Urteils, soweit es angefochten ist, gehemmt. (2) Dem Beschwerdeführer, dem das Urteil mit den Gründen noch nicht zugestellt war, ist es nach Einlegung der Revision zuzustellen. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 254, II. Entw. § 260, III. Entw. § 304. Frühere Bezeichnung: § 383. Änderungsvorschläge: NE I, II § 331 Abs. 2. NE III §§ 328, 327 Abs. 3. 1. Hemmung der Rechtskraft (Abs. 1). Die Vorschrift entspricht wörtlich dem § 316 im Berufungsverfahren. Verstreicht die Revisionsfrist (§ 341) ungenutzt, so tritt Rechtskraft ein. Die rechtzeitig eingelegte Revision hemmt, soweit sie reicht und zulässigerweise beschränkt werden kann (dazu § 318 entsprechend), die Rechtskraft. Hat das Gericht des ersten Rechtszuges die Revision wegen verspäteter Einlegung als unzulässig zu verwerfen (§ 346 Abs. 1), so wird die Rechtskraft nicht gehemmt, auch nicht bei formwidrig angebrachter Revision. Ist die Revision 84
L ö w e - R o s e n b e r g , StPO. 21. Aufl.
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Anm. 2, 3 aus anderen Gründen unzulässig und daher nach § 349 zu behandeln, so wird die Rechtskraft gemäß § 343 zunächst gehemmt. Die Hemmung dauert bis zur Entscheidung gemäß den §§ 349 oder 353 (Sachentscheidung). Über den Zeitpunkt des Eintritts der Rechtskraft bei Einlegung und Zurücknahme von Rechtsmitteln ausführlich N i e s e JZ. 1957 76. — Hemmung tritt nur ein, soweit das Rechtsmittel zulassigerweise (vgl. § 318) reicht. Näheres darüber bei den §§ 318, 327, 344. Bei Hemmung der Rechtskraft bleibt das Verfahren rechtshängig. Das angefochtene Urteil ist insoweit nicht vollstreckbar (§ 449). Solange die Rechtskraft gehemmt ist, dürfen keine Verfahrenshindernisse vorliegen. Bei zulassiger Revision h a t das RevG. hierauf zu achten, bis dahin der Tatrichter, K l e i n k n M 4. — Vgl. § 450 Abs. 1 über Anrechnung weiterer Untersuchungshaft, wenn die Rechtskraft durch ein nicht vom Angeklagten eingelegtes Rechtsmittel gehemmt wird. BGHSt. 7 283 (Bindung des Tatrichters an rechtskräftigen Schuldspruch, auch wenn sich Schuldunfahigkeit herausstellt). BGHSt. 12 395 (Verjährung trotz Teilrechtskraft). 2. Zustellung des Urteils mit Gründen (Abs. 2). War das Urteil mit den Gründen dem Beschwerdeführer noch nicht zugestellt, so ist es ihm nach Einlegung der Revision alsbald zuzustellen, damit er die Revision begründen kann. Beschwerdeführer in diesem Sinne ist jeder, der ein Rechtsmittel einlegt (vgl. § 344). Sein Gegner hat keine gesetzliche Bezeichnung (vgl. die §§ 308, 347). Zustellungsempfanger ist, wer aus eigenem Recht Revision eingelegt hat, also der Angeklagte, sein gesetzlicher Vertreter, die Staatsanwaltschaft, der Neben- und der Privatkläger (§§ 296, 298). Der Verteidiger übt nur ein Recht des Beschuldigten für diesen aus (§ 297). Die Abweichung des § 343 Abs. 2 von § 316 Abs. 2 („sofort") ist bedeutungslos. Näheres bei § 310 Anm. 2. a) Rechtzeitige Revision. Auch Abs. 2 setzt rechtzeitige Revision voraus (Anm. 1), RGSt. 52 77 (68 244 ist ungenau). Wird die Revision gemäß § 346 Abs. 1 als unzulässig verworfen, so unterbleibt Zustellung des Urteils. Gibt das Revisionsgericht dem Antrage gemäß § 346 Abs. 2 statt, so wird sie erforderlich, weil das Rechtsmittel dann rechtzeitig ist. Bei rechtzeitiger Revision ist das Urteil auch zuzustellen, wenn die Revision aus anderen Gründen unzulässig ist, RGSt. 62 250. Hat das RevG. das Rechtsmittel wegen Fristversäumung (§§ 341, 345) als unzulässig verworfen, so ist trotz eingetretener Rechtskraft Wiedereinsetzung möglich und dann ebenfalls Zustellung geboten, KG. J W . 1932 124 Nr. 30, RGSt. 52 77, sofern das Urteil nicht bereits aus anderem Anlaß mit den Gründen zugestellt worden war; die Zustellung braucht dann nicht wiederholt zu werden, die Begründungsfrist lauft bereits von Zustellung des Wiedereinsetzungsbeschlusses ab, RGSt. 76 280, K l e i n k n M 3. War das Urteil noch nicht zugestellt, so setzt erst die Zustellung mit den Gründen die Begründungsfrist in Lauf (vgl. § 345 Abs. 1). Auf Zustellung kann nicht wirksam verzichtet werden, RG. Rspr. 1 118. — Bei einem Gefangenen oderUntergebrachten ist Ersatzzustellung an den Anstaltsvorsteher, unter Umständen an einen anderen zustandigen Anstaltsbeamten möglich. Vgl. BGHSt. 11 153 über Ersatzzustellung gemäß § 181 ZPO. an den vom Erscheinen entbunden gewesenen Angeklagten. b) Inhalt der Zustellung. Das angefochtene Urteil ist mit den Gründen zuzustellen (Anm. 2), sonst beginnt die Begründungsfrist nicht zu laufen, RG. Rspr. 9 161. Die Urteilsgründe müssen vollständig sein, RG. DRZ. 20 Nr. 77, N e u s t a d t GA. 1955 186, K l e i n k n M 3b. Daher muß auch ein Berichtigungsbeschluß zugestellt werden und setzt, sofern er Wesentliches berichtigt, die Begründungsfrist neu in Lauf, vgl. RG. H R R . 39 Nr. 1010, E b S c h m i d t 3. Urteilsteile, die ausschließlich andere Angeklagte und auch nicht mittelbar den Beschwerdeführer betreffen, dürfen fehlen, RG. Rspr. 10 422. War das vollständige Urteil bereits zugestellt, so braucht es nicht nochmals zugestellt zu werden, RG. HR. 4 Nr. 694. Bei öffentlicher Zustellung geht die Sondervorschrift des § 40 Abs. 2 vor; die Urteilsgründe werden hier nicht mit ausgehängt oder veröffentlicht. Vgl. § 316 Anm. 2 b. Die Zustellung darf auch nicht unterbleiben, wenn die Revisionsbegründung bereits vorliegt, weil sie Anlaß zu Änderung und Ergänzung bieten kann. Ein Verzicht auf Zustellung ist wirkungslos. c) Empfänger der Zustellung. Die Anm. 2 c bei § 316 gilt sinngemäß. 3. Bei Aktenverlust ist das Urteil, soweit möglich, wieder herzustellen, RG. J W . 1917 52, H a m m GA. 62 210, G a d o w DJZ. 12 587. Ist Wiederherstellung der Gründe nicht möglich, so wenigstens die der Urteilsformel. In diesem Falle ist das Urteil, da ihm die Gründe fehlen, in der Hauptverhandlung aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Vgl. § 316 Anm. 3. War das
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§ 343 Anm. 3
§ 344 Anm. 1, 2 verlorengegangene Urteil bereits vollständig zugestellt und wird es nach Wiederherstellung erneut zugestellt, so beginnt keine neue Begrundungsfrist. Die frühere Revisionserklärung bleibt wirksam, auch wenn sie ebenfalls verloren gegangen war, RG. HR. 4 Nr. 694.
§344 (1) Der Beschwerdeführer hat die Erklärung abzugeben, inwieweit er das Urteil anfechte und dessen Aufhebung beantrage (Revisionsanträge), und die Anträge zu begründen. (2) Aus der Begründung muß hervorgehen, ob das Urteil wegen Verletzung einer Rechtsnorm über das Verfahren oder wegen Verletzung einer anderen Rechtsnorm angefochten wird. Ersterenfalls müssen die den Mangel enthaltenden Tatsachen angegeben werden. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 265. II. Entw. § 261. III. Entw. § 305. Frühere Bezeichnung: § 384. Änderungsvorschläge: NE I, II § 337 Abs. 2. NE III § 329. Schrifttum: S c h n e i d e w i n JW. 1928 345, G a g e - S a r s t e d t , Die Revision in Strafsachen, 3. Aufl. 1. Revisionsantrag. Beschränkbarkeit der Revision. a) Der Revisionsantrag soll den Umfang des Rechtsmittels feststellen. Er hat sich lediglich auf die Urteilsformel zu beziehen und muß angeben, ob diese insgesamt oder in welchem Teile sie angegriffen wird (Mot. S. 213). „Urteil" im Abs. 1 bedeutet nur die im erkennenden Teil enthaltene Entscheidung; Urteilsgründe können für sich allein nicht angegriffen werden, RGSt. 63 184. Ein ausdrücklicher Antrag, das Urteil ganz oder teilweise aufzuheben, ist nicht Zulässigkeitsvoraussetzung, jedoch muß aus dem Gesamtinhalt der Rechtsmittelerklärungen einschließlich der Begründung der Anfechtungswille des Beschwerdeführers hervorgehen, RG. Rspr. 9 420, RGSt. 5 187, 56 225, RG. Recht 14 Nr. 256. Gegenstand des Antrages kann stets nur Urteilsaufhebung oder -änderung sein. Auf die bei Aufhebung erforderlichen weiteren Entscheidungen des Revisionsgerichts (§§ 354, 354a, 355) braucht sich der Antrag nicht zu richten, RGSt. 3 43. Zur Auslegung der Revisionserklärungen s. Anm. l c . b) Beschränkbarkeit der Revision. Es gelten dieselben Grundsätze, wie sie bei § 318 ausführlich dargelegt sind und auch bei § 327 behandelt werden. Wegen der Einzelheiten s. dort. Einzelne Beispiele für Teilanfechtung: RGSt. 65 237, BGHSt. 5 252 (Rückfall), BGHSt. 5 252 (Strafe ohne Rückfallvoraussetzungen), BGHSt. 7 102 (Sicherungsverwahrung, sofern kein untrennbarer Zusammenhang mit der Strafe besteht), BGHSt. 7 214 (fehlerhafte Anrechnung der Untersuchungshaft), BGHSt. 10 320 (zu § 316 a Abs. 2 StGB, mit weiteren Angaben), BGHSt. 10 330 (Nichtanwendung des § 27 b StGB., mit weiteren Angaben), BGHSt. 11 361 (Beschränkbarkeit der Wiederaufnahme auf den Ruckfall), H a m b u r g DAR. 1959 165 (unzulängliche Grundlage der Strafbemessung), O l d e n b u r g NRpfl. 1953 207 (Prüfung, ob Verfolgungsverjährung zu Recht angenommen, auch ohne Rüge), O l d e n b u r g JZ. 1953 382 (zu § 27b StGB.), B r e m e n DAR. 1962 210 (§ 23 StGB.). 2. Revisionsbegriindung (Abs. 2). a) Im Gegensatz zur Berufung (§ 317) ist die Revision stets zu begründen, andernfalls ist sie unzulässig (§ 346). Vgl. BGH. LM. Nr. 9. Dabei ist die Formvorschrift des § 345 Abs. 2 zu beachten. Bloße Einlegung der Revision mit oder ohne Antrag genügt nicht, vgl. die §§ 345, 346, 349. Die Vertretung des Angeklagten bei Abgabe der erforderlichen Erklärungen durch Bevollmächtigte gegenüber Gericht oder Anwalt ist zulässig, KG. JW. 1930 3445 Nr. 21. § 344 Abs. 2 wird durch § 352 ergänzt. Der Inhalt der Revisionsbegründung im ganzen einschließlich des Antrages bildet den Stoff für die Rovisionsentscheidung, soweit Verfahrensrügen erhoben sind. Ist das Rechtsmittel zulassig, so sind die Verfahrensvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen, soweit dazu Anlaß besteht. Vgl. § 337 Anm. C 1. Das übrige Verfahren wird nur überprüft, soweit die zulässig erhobene Verfahrensruge reicht (Abs. 2). Die Sachrüge braucht nur erhoben, nicht näher ausgeführt zu werden. Sie führt zur vollständigen Prufung des Urteils, soweit das sachliche Recht in Betracht kommt. Die Motive S. 213 fuhren zur Revisionsbegründung aus, sie habe zu ergeben, ob das Verfahren oder die sachliche Rechtsanwendung beanstandet werde. 84'
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Anni. 3 Werde nur eine Verfahrensrüge erhoben, so sei unrichtige Anwendung sachlichen Rechts nicht zu beachten. Diese Ansicht ist in der RTK. (Prot. S. 602, 603) als Gesetzessinn ausdrücklich anerkannt worden. Genügt die Revisionsbegründung den Erfordernissen des § 344, so ist eine etwaige weitere Begründung, die unwichtig ist, unschädlich (§ 352 Abs. 2). b) Vollständigkeit der Begründung. Die Revisionsbegründung muß den gesetzlichen Erfordernissen, insbesondere dem Abs. 2, aus sich heraus selbständig genügen. Das RevG. muß allein aus ihr heraus prüfen können, ob der behauptete Verfahrensfehler vorliegt, BGH. MDR. 1955 19, unter Benutzung der Akten, des Urteils und frei erhobener weiterer Beweise. Vgl. § 337 Anm. Cl. Unzulässig ist daher Verweisung auf andere Schriftstücke, BGH. 4 StR 202/51 v. 10. 8. 1951, KG. VRS. 1956 11; etwa auf die frühere Gegenerklärung zur Anklageschrift, RG. 11034/15 vom 3.11.1915, 865/21 vom 12.12.1921; auf schriftliche Erklärungen von Angeklagten, Zeugen oder Sachverständigen, RG. GA. 68 364, BayZ. 23 376; auf einen früher an das Gericht gerichteten Schriftsatz, RG. BayZ. 24 376; auf einen Antrag, der Berichtigung der Sitzungsniederschiiit erstrebt, RG. GA. 69 93; auf die Begründung einer früheren Revision in derselben Sache, RGSt. 18 95; auf die Revisionsbegründung in anderer Sache, auch wenn sie bei demselben RevG. anhängig und von demselben Anwalt eingelegt worden ist, RGSt. 20 42, BayObLGSt. 6 201; auf die Revisionsbegründung eines Mitangeklagten, RG. GA. 47 163, Recht 25 2695, JW. 1930 3404 Nr. 13. Auch die StA. darf sich nicht mit bloßen Verweisungen begnügen, RGSt. 29 411, RG. I I I 53/24 vom 19. 6. 1924. — Eine Ausnahme wird anzuerkennen sein bei Revisionsbegründungen desselben Verteidigers für mehrere Mitangeklagte wegen Beteiligung an derselben Tat. Hier dürfte es keinen Unterschied machen, ob die Begründung in einem einzigen Schriftsatz zusammengefaßt oder in mehrere zerlegt ist (a. M. RG. 1325/13 vom 7.1.1914). Ist die Begründung an sich formgerecht, so wird sie nicht dadurch unzulässig, daß sie die wähl- und gedankenlose Abschrift einer anderen Begründung darstellt, RG. HR. 1 Nr. 122. c) Auslegung der Begründung. Als Willenserklärung im Prozeß ist die Revisionsbegründung auslegungsfähig, RGSt. 67 197. Hierbei ist das Gesamtvorbringen, soweit es rechtzeitig ist, zu berücksichtigen. Das RevG. darf nicht am Wortlaut haften, es hat den Sinn der Rüge zu erforschen, soweit er der Begründung verständigerweise zu entnehmen ist, BGH. J R . 1956 228. In diesem Sinne sind auch zweifelhafte oder undeutliche Erklärungen zu verstehen. Der gesetzliche Grundgedanke des § 300 ist auch hier zu berücksichtigen, soweit Wortlaut und Sinn der Erklärungen es noch gestatten. Ist die allgemeine Sachrüge erhoben, während die Einzelausführungen nur die Beweiswürdigung unzulässig angreifen, so wird die Sachrüge im Zweifel zulässig erhoben sein. Unzulässig ist sie ,wenn feststeht, daß jene unzulässigen bloßen Beweisangriffe den Sinn der Sachrüge erschöpfen und vollständig kennzeichnen sollen. Geht aus der Gesamterklärung deutlich hervor, daß überhaupt keine Gesetzesverletzung gerügt, sondern nur die Beweiswürdigung beanstandet und durch eine eigene ersetzt werden soll, so ist die Revision wegen Verstoßes gegen § 344 Abs. 2 unzulässig und durch begründeten Beschluß zu verwerfen (§ 349 Abs. 1). Näheres bei § 337 Anm. B I, II. 3. Verfahrensverstöße. a) Darüber § 337 Anm. C. Verfahrensrügen müssen in bestimmter Form behauptet, jede einzelne muß durch Angabe aller sie betreffenden Verfahrenstatsachen begründet werden, BGHSt. 7 162 mit weiteren Angaben, 12 244, RG. HRR. 1940 Nr. 343. Bloße „Protokollrügen", mit welchen nur behauptet wird, die Sitzungsniederschrift sei unrichtig oder weise einen gesetzwidrigen Verfahrensvorgang aus, sind unzulässig, BGHSt. 7 162, RGSt. 42 170, JW. 1932 2437, BGH. MDR. 1951 275, Celle MDR. 1956 182. Auch auf Vorgänge, die nicht zu den Förmlichkeiten des Verfahrens (§ 274) gehören, darf sich die Revision stützen, BGHSt. 11 215, obwohl sie oft schwer nachweisbar sind. Bezeichnung der verletzten Verfahrensvorschrift ist nicht vorgeschrieben, Irrtum über ihre Bezeichnung ist unschädlich (§ 352 Abs. 2), solange der behauptete Verfahrensverstoß hinreichend gekennzeichnet und mit Tatsachen belegt wird, BGH. LM. § 344 Abs. 2 Nr. 8. Bloße Angabe der angeblich verletzten Vorschrift genügt nicht. Angegeben werden müssen sämtliche Tatsachen und Vorgänge, in denen der behauptete Mangel nachprüfbar hervortritt, so daß das RevG. weiß, in welcher Handlung oder Unterlassung des Gerichts die Revision den Verstoß sieht, BGHSt. 2 304 (bloße Behauptung der Verfahrensverletzung „in mehreren Fällen"), BGH. MDR. 1951 371 (Anm. Dahs), LM. § 344 Abs. 2 Nr. 1, RGSt. 44 162, 53 189, Rspr. 3 792,10 450, JW. 1930 939, BayObLGSt. 24 59. Hieran fehlt es, wenn die Revision nur vorbringt, das Verfahrensrecht sei verletzt, die Verteidigung beschränkt worden, RG. JW. 1932
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2437 Nr. 28; die Verhandlung sei „übers Knie gebrochen'" worden, RG. I 246/21 v. 21. 3. 1921; Beeidigungsvorschriften seien unbeachtet geblieben, einem Aussetzungsantrag sei nicht entsprochen worden, BayObLGSt. 24 59; die Geschäftsverteilung entspreche nicht dem GVG., BGHSt. 10 281 (ohne Tatsachenangabe); ein Beweisantrag sei zu Unrecht abgelehnt worden, BayObLG. DRZ. 19 Nr. 973. — Die Begründungstatsachen müssen ausdrücklich und bestimmt behauptet werden, soweit das verantwortet werden kann, S c h n e i d e w i n J W . 1923 345, MDR. 1951 193, C ü p p e r s N J W . 1950 930, BGH. N J W . 1953 836, vgl. auch BGHSt. 7 164. Sie dürfen nicht gegen andere Tatsachenbehauptungen ausgewechselt werden, BGHSt. 17 337. Die Vermutung, ein Verfahrensverstoß liege vor, die Erklärung, er sei möglich oder wahrscheinlich, reicht nicht aus, BGHSt. 12 33 (Bitte um Prüfung, ob das Gericht richtig besetzt war), RGSt. 48 289, 53 51, 189, DJZ. 24 760. Eine bedingt vorgebrachte Verfahrensrüge ist unwirksam, RGSt. 57 83,60 354, LZ. 13 1142, H R . 9 Nr. 1556. Auch widerspruchsvolle Behauptungen können eine Verfahrensrüge nicht stützen, RGSt. 52 68, Recht 28 Nr. 1612. Sie muß in sich schlüssig vorgetragen sein. Gegen diese Regeln wird oft verstoßen. Auch im Jugendstrafverfahren wird das Verfahren nicht von Amts wegen überprüft, sondern nur auf formgerechte Rüge, BGH. GA. 1953 83. — Verfahrensrügen dürfen einzeln zurückgenommen werden, BayObLG. MDR. 1959 144. — Ob eine Verfahrensrüge, die zugleich den Schuldspruch berührt, auf die Straffrage beschränkt werden kann, ist zweifelhaft, nach deu Sinn der Regel des § 344 aber zu bejahen. b) Einzelfälle: Wird Verletzung des § 24 Abs. 3 Satz 2 gerügt, so müssen die beabsichtigten Ablehnungsgründe nicht vorgebracht werden, RGSt. 66 10. — Verletzung der Aufklärungspflicht ist nur ausreichend gerügt, wenn die aufzuklärenden Tatsachen mit erreichbaren Beweismitteln einzeln angegeben werden, BGHSt. 2 168, MDR. 1955 529, VRS. 15 338, S t u t t g a r t RdK. 1955 125, sonst brauchte sich die Notwendigkeit weiterer Aufklärung regelmäßig auch dem Tatrichter nicht aufzudrängen. Dazu BGH. VRS. 15 446. — Wird Verstoß gegen § 338 Nr. 3 behauptet, so genügt nicht Verweisung auf ein Ablehnungsgesuch, erforderlich ist Mitteilung des Ablehnungsgesuchs, die Erklärung, der ablehnende Richter habe mitgewirkt und inwiefern das Gesuch zu Unrecht verworfen worden sei, RG. H R . 1 Nr. 977, D r e s d e n DRZ. 23 Nr. 457. — Wird Ablehnung von Fragen beanstandet, so sind diese anzuführen, der Vorgang ist darzustellen. — Wird Ablehnung eines Beweisantrages beanstandet, so ist der Inhalt des Antrages (Beweistatsache und Beweismittel) zu bezeichnen, ferner der Inhalt des Ablehnungsbeschlusses und die Tatsachen, welche den Beschluß als fehlerhaft kennzeichnen, BGHSt. 3 213. Hinsichtlich des Ablehnungsbeschlusses ist anzugeben, ob der Verstoß in unrichtigen oder fehlenden (künden erblickt wird, RG. H R . 3 Nr. 1983, J W . 1929 1474 Nr. 25, BayObLG. DRZ. 20 Nr. 947. Wird gerügt, der Beweisantrag sei zu Unrecht deshalb abgelehnt worden, weil der Zeuge unerreichbar sei, so braucht das Beweisthema für den Zeugen nicht angegeben zu werden, BGH. LM. § 344 Abs. 2 Nr. 5. Die Gründe für Ablehnung eines Hilfsbeweisantrages brauchen nicht angegeben zu werden, sofern auch die Sachrüge erhoben ist, weil das RevG. sie dann aus dem Urteil kennt, BGH. MDR. 1956 272, BayObLG. N J W . 1955 563. Bei Ablehnung wegen Ungeeignetheit des Beweismittels muß das Beweisthema angegeben werden, wenn es für die Prüfung der Geeignetheit wesentlich ist, S c h l e s w i g SchlHA. 1959 166. — Die Rüge, ein Zeuge sei zu Unrecht unbeeidigt gebliegen, schließt nicht die Angabe in sich, die Gründe des ablehnenden Beschlusses seien unzureichend mitgeteilt worden, BayObLG. GA. 1958 307. — Wird gesetzwidrige Geschäftsverteilung behauptet, so müssen die angeblich gesetzwidrigen Tatsachen angegeben werden, BGHSt. 10 278, und zwar dieser Entscheidung zufolge nicht erst in der dritten Revision, wenn der angebliche Fehler in zwei früheren unbeanstandet geblieben war. Vgl. hierzu § 337 Anm. F. — Die Rüge, dem Angeklagten sei kein Schlußwort gewährt worden, braucht den Inhalt des beabsichtigten Schlußwortes nicht mitzuteilen, S c h l e s w i g SchlHA. 1953 248. — Auch die Rüge der Verletzung des § 267 Abs. 1 Satz 1 darf nicht bedingt vorgebracht werden, doch kann sie einen sachlichen Rechtsfehler aufdecken, wenn sich wegen des Begründungsverstoßes die sachliche Rechtsanwendung nicht sicher prüfen läßt, RG. J W . 1932 2729 Nr. 37. — Ist zur Niederschrift des Urkundsbeamten gerügt, dem Angeklagten sei nicht von Amts wegen ein Verteidiger bestellt worden, so sind an den Inhalt dieser Rüge keine zu strengen Anforderungen zu stellen, BGH. J R . 1955189. Vgl. noch BGHSt. 10 202 (die Tatsache der Behinderung des Plädoyers durch Tonbandaufnahme muß belegt werden, sonst kein Beruhen auf dem Verstoß. — Sehr zweifelhaft). c) Zu prüfen sind nur Verfahrensrügen, die rechtzeitig, vor Ablauf der Rechtfertigungsfrist (§ 345), unter erschöpfender Tatsachenangabe (s. oben) vorgebracht worden sind (§ 352).Nach
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§ 344 Anm. 4, 5
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§345 Fristablauf, insbesondere in der Hauptverhandlung, kann keine neue Verfahrensrüge und keine zur Begründung einer Rüge noch fehlende Tatsache mehr nachgebracht werden, BGHSt. 17 337 (keine Auswechslung der Tatsachenbehauptungen). Das schließt es nicht aus, daß die formell ausreichend begründete Verfahrensrüge das RevG. zur Ermittlung und Berücksichtigung weiterer Tatsachen zu derselben Rüge veranlaßt und daß darüber verhandelt wird. Vgl. Mot. S. 213, wo darauf verwiesen wird, daß das Revisionsverfahren auf der Grundlage der schriftlich erhobenen und begründeten Rüge stattzufinden hat. Der mündliche Vortrag der Rüge in der Revisionsverhandlung hat sich in den dargelegten Grenzen zu halten. — Verfahrensrügen dürfen einzeln zurückgenommen werden, BayObLG. MDR. 1959 144. d) Über den Beweis der zur Verfahrensrüge gehörenden Tatsachen s. §337 Anm. C 1. Soweit § 274 in Betracht kommt, ist weiterer Beweis ausgeschlossen, abgesehen nur von dem Nachweis der Fälschung (§ 274 S. 2), der durch Beweis des wirklichen Hergangs ergänzt werden muß. Aktenteile, die den behaupteten Nachweis erbringen, braucht die Revision nicht zu bezeichnen. Das RevG. hat insoweit Freibeweis zu erheben. Beweisantritt ist jedoch zulässig. Auf Tatsachen, die das RevG. aus gesetzlichen Gründen nicht nachprüfen darf, kann keine Verfahrensrüge gestützt werden, etwa auf angeblich gesetzwidrige Vorgänge in der Urteilsberatung, RGSt. 61 217, RG. I 736/27 vom 25. 10. 1927, es sei denn, der Vorgang ist bereits bekannt. 4. Verletzung sachlichen Rechts. Darüber ausfuhrlich § 337 Anm. B I, II. Zur Begründung genügt es hier, die Verletzung sachlichen Rechts oder einer derartigen Norm geltend zu machen. Vgl. auch Anm. 2 a. Ob das angeblich verletzte Gesetz richtig bezeichnet ist, darauf kommt es nicht an. Es genügt, daß der Wille, Verletzung des sachlichen Rechts zu rügen, hinreichend zum Ausdruck kommt. Über Auslegung der Sachrüge Anm. 2 c. Bei ausreichend begründeter Sachrüge ist der gesamte Sachverhalt auf richtige Rechtsanwendung hin zu prüfen. Ausführungen in dieser Richtung stehen der Revision zu und schränken diese Prüfung durch das RevG. nicht ein. Vgl. Mot. S. 213. Wird nur die Beweiswurdigung beanstandet, so ist das Rechtsmittel unzulässig, H a m m Rpfl. 1948 37, KG. VRS. 6 212. Die Begründung, das Urteil werde ,,in seinem ganzen Umfang" oder „nach allen Richtungen" angefochten, es „beruhe auf Gesetzesverletzung", reicht für sich allein nicht aus, weil sie nicht angibt, ob eine Verfahrens- oder Sachrüge oder überhaupt eine zulassige Rüge gemeint ist, RGSt. 44 263, BayObLGSt. 20 333, D ü s s e l d o r f DRZ. 25 Nr. 274. Bloße Zweifel an richtiger Rechtsanwendung reichen so wenig wie bei der Verfahrensrüge aus, RG. 1586/26 vom 8. 6.1926, 678/31 vom 25. 9.1931, Celle ZStW. 45 484. Ist die Bitte, das Urteil sachlichrechtlich nachzuprüfen, nur die höfliche Einkleidung des Verlangens nach Prufung, so ist die Rüge ausreichend begründet. — Wird geltend gemacht, die Urteilsfeststellungen seien widersprüchlich, das Gesetz sei fehlerhaft angewendet, der Angeklagte zu Unrecht bestraft, so reicht dies als Sachrüge aus, RG. JW. 1931 1618 Nr. 80, BayObLG. DRZ. 20 Nr. 83. Vgl. § 337 Anm. B II 1. Die Sachrüge greift auch durch, wenn keine Tatsachen festgestellt sind, die den Schuldspruch rechtfertigen, RGSt. 63 343 (§ 267), wenn etwa bei einem jugendlichen oder taubstummen Angeklagten die Fähigkeit, das Ungesetzliche der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, nicht nachgewiesen ist. Gibt die Revision die Urteilsfeststellungen unrichtig wieder und sucht sie daraus Widersprüche oder Unklarheiten herzuleiten, so ist sie mangels formrichtiger Sachrüge unzulässig, BGH. LM. § 344 Abs. 2 Nr. 9. — BGHSt. 13 128 (beschränkte Revision, Prüfung der Prozeßvoraussetzungen trotzdem von Amts wegen). o. Der Nebenkläger darf auch Verfahrensverstöße geltendmachen, die vor seinem Verfahrensbeitritt liegen, BayObLG. DRZ. 22 Nr. 747. Eine Sachrüge kann er nur darauf stützen, das zur Nebenklage berechtigende Gesetz sei nicht oder unrichtig angewendet, RGSt. 65 60, RG. HRR. 1940 Nr. 61, JW. 1933 1465 Nr. 22. Hat diese Rüge Erfolg, so sind in der neuen Hauptverhandlung sämtliche verletzten Strafgesetze anzuwenden, auch soweit sie nicht zur Nebenklage berechtigen, BGHSt. 13 143 (versuchter Mord statt gefährlicher Körperverletzung).
§345 (1) Die Revisionsanträge und deren Begründung sind spätestens binnen zwei weiteren Wochen nach Ablauf der Frist zur Einlegung des Rechtsmittels oder, wenn zu dieser Zeit das Urteil noch nicht zugestellt war, nach dessen Zustellung bei dem Gericht, dessen Urteil angefochten wird, anzubringen.
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Vierter Abschnitt. Revision (Jagusch)
§345 Anm. 1
(2) Seitens des Angeklagten kann dies nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle geschehen. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 256. II. Entw. § 262. III. Entw. § 306. Frühere Bezeichnung: § 385. Änderungsvorschläge: NE I, II § 337. NE III § 330. Änderungen: RG. vom 9. 7. 1927 (RGBl. I S. 175). — VereinhG. vom 12. 9. 1950 (BGBl. I S. 455, 629), Art. 3 Nr. 146. Schrifttum: S c h n e i d e w i n JW. 1923 345; G a g e - S a r s t e d t , Die Revision in Strafsachen, 3. A u f l . ; P e n t z , Die Revisionsbegründung zu Protokoll der Geschäftsstelle, MDR. 1962 532; W. S c h m i d , Die Revision zu Protokoll des UdG., Rpfl. 1962 301 (sehr ausführlich). 1. Begründungsfrist zwei Wochen. a) Die Revisionsbegründungsfrist ist zwecks Verfahrensbeschleunigung kurz bemessen und beträgt ohne Rücksicht auf Sachumfang und den Umfang des angefochtenen Urteils zwei Wochen ohne Verlängerungsmoglichkeit. Ergänzung des Rechtsmittels innerhalb der Frist ist zulässig. Verfahrensrügen, die nach Fristablauf erhoben werden, bleiben außer Betracht. Auch kann keine Verfahrensrüge nachgeschoben werden. Eine rechtzeitig wirksam erhobene Verfahrensrüge kann in tatsächlicher Beziehung weiter ergänzt werden, a.M. D r e s d e n JW. 1931 241 Nr. 31. Weitere Ausführungen zur rechtzeitig erhobenen Sachrüge werden berücksichtigt, da hier ohnehin das gesamte Urteil überprüft wird. Vgl. auch § 344. In den meisten Fällen ist der Spielraum zur Ausarbeitung von Verfahrensrügen erheblich länger, da das Urteil nur selten bei Ablauf der Revisionsfrist (§ 341) bereits zugestellt ist. Die Zweiwochenfrist beginnt dann erst mit dei Zustellung des vollständigen Urteils. Die Begründungsfrist gilt auch für die StA. Die Tendenz, sie gesetzlich zu verlangern, ist verbreitet, jedoch sprechen berechtigte Belange des Angeklagten und der Rechtspflege (Beweisverlust, Beschleunigung des Strafverfahrens) dagegen. Die Begründung kann bereits mit Einlegung der Revision abgegeben werden, jedoch nur in der Form des Abs. 2, RG. JW. 19 233, M ü n c h e n St. 6 134. Ihre Ergänzung ist auch dann nur bis zum Ablauf der Zweiwochenfrist (Abs. 1) zulässig. — Näheres zur Begründung der Sprungrevision bei § 335. Die allgemeinen Grundsätze über den Inhalt der Begründung gelten neben den Besonderheiten des § 335 auch bei Sprungrevision. — Nur bei fristgemäßer Revision setzt die Urteilszustellung die Begrundungsfrist in Lauf; das gilt auch, wenn die Einlegungsfrist erst durch Zustellung des Urteils in Lauf gesetzt wird, H a m m NJW. 1955 565. Eine vom Nebenkläger vor der Zulassung als solcher eingelegte Revision ist unter der Rechtsbedingung der Zulassung wirksam. Ist ihm das Urteil vor Zustellung der Zulassung zugestellt worden, so beginnt die Frist mit Zustellung der Zulassung, nochmalige Urteilszustellung ist nicht erforderlich, D r e s d e n JW. 1931 3580 Nr. 37, B e l i n g 462 und ZStW. 36 295, RGSt. 76 280 sinngemäß, a. M. RGSt. 48 236, 66 393. — Hat der Neben- oder Privatkläger zwei Anwälte, so beginnt die Frist mit der früheren Zustellung, auch wenn einer der Anwalte beigeordneter Armenanwalt ist, RG. JW. 1930 3326 Nr. 20. — Das Finanzamt hat die Begründungsfrist von einem Monat, §§ 467 Abs. 2 Satz 3, 472 Abs. 2 Satz 3 AbgO., BGHSt. 12 138. Vgl. § 341 Anm. 6. b) Zustellung. Beginnt die Einlegungsfrist erst mit Urteilszustellung (Abwesenheit des Angeklagten, § 341 Abs. 2), oder war das Urteil aus anderem Grunde bereits vor Ablauf der Einlegungsfrist zugestellt (Fall des § 343 Abs. 2), so beginnt die Begründungsfrist unmittelbar mit dem Ablauf der Einlegungsfrist. Findet Urteilszustellung erst später statt (Regelfall), so beginnt sie mit dieser (§ 345 Abs. 1), es sei denn, es wird Wiedereinsetzung gewährt und dieser Beschluß erst nach Urteilszustellung zugestellt, Celle NJW. 1956 760 mit weit. Angaben. Darüber unten Anm. 1 c und § 343 Anm. 2a. Die Zustellung ist zu beurkunden. Nur Zustellung des vollständigen Urteils mit den Gründen setzt die Frist in Lauf. Ob die zuständige Stelle die Zustellung verfügt hat, ist ohne Bedeutung, da es nur darauf ankommt, daß das vollständige Urteil dem Anfechtungsberechtigten formgerecht zugegangen ist (a. M. RGSt. 47 114). Werden Urteilsgründe zulässigerweise berichtigt, so beginnt die Begründungsfrist erst mit Zustellung des Berichtigungsbeschlusses, BGHSt. 12 374, vgl. auch RG. HRR. 1939 Nr. 1010, es sei denn, die Berichtigung kann für die Begründung keinerlei rechtliche Bedeutung haben, H a m m NJW. 1956 923. — Uber den Empfanger der Zustellung s. § 316 Anm. 2c. — Nach fehlerhafter Rechtsmittelbelehrung
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§345
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Anm. 2, 3 beginnt die Begriindungsfrist erst mit erneuter Zustellung und zutreffender Belehrung, N e u s t a d t GA. 1955 185. — Hat der Vorsitzende verfügt, daß bei Zustellung auch an den Verteidiger für den Beginn der Frist die Zustellung an den Beschuldigten maßgebend sei, so kommt es auf diese an, RG. DRZ. 19 Nr. 845. — Haben mehrere Verteidiger desselben Angeklagten Revision eingelegt oder hat der Angeklagte mehrere Verteidiger und wird das Urteil allen zugestellt, so beginnt die Frist stets mit der frühesten Zustellung, unter Umständen mit der Zustellung an den Angeklagten, RG. J W . 1919 998, K ö l n MDR. 1952 441, auch wenn der eine Verteidiger um Zustellung an sich ersucht hatte, aber dem anderen Verteidiger oder dem Beschuldigten zugestellt worden ist, RG. J W . 1938 2152 Nr. 40. — Der StA. ist zugestellt, wenn die Akten mit dem Urteil zwecks Zustellung bei ihrer Geschäftsstelle eingehen, RGSt. 72 317. c) Wiedereinsetzung. Vgl. § 342. Wird die Einlegungsfrist versäumt und Wiedereinsetzung beantragt, so beginnt die Begründungsfrist nicht mit Urteilszustellung vor Wiedereinsetzung, sondern erst mit Zustellung des Wiedereinsetzungsbeschlusses, RGSt. 52 76, HR. 1 Nr. 125, sofern das Urteü bereits vorher zugestellt war (a. M. BayObLGSt. 1954 26). Nochmalige Zustellung ist nicht erforderlich, RGSt. 76 280, a. M. RGSt. 52 78. — Dem Nebenkläger, der sich dem Verfahren erst durch Revisionseinlegung angeschlossen hat, braucht nur einmal zugestellt zu werden, RGSt. 77 281. — War das Urteil dem zustellungsbevollmächtigten Verteidiger zugestellt worden, so kann der Angeklagte nicht Wiedereinsetzung gegen Versäumung der Begründungsfrist deshalb beanspruchen, weil er von der Zustellung nichts wußte, RGSt. 66 350 (zu § 44 Satz 2). — Wird Wiedereinsetzung gegen Versäumung der Begründungsfrist gewährt, so sind formgerechte Ergänzungen der Begründung, die zugleich mit dem Antrage fristgerecht (§ 345 Abs. 1) vorgebracht werden, beachtlich, RG. I I I 367/24 vom 28. 4. 1924. — BGIISt. 14 330 (Wiedereinsetzung trotz im übrigen rechtzeitiger Begründung). — Zur Nachholung einzelner Verfahrensrügen ist regelmäßig keine Wiedereinsetzung zulässig, BGHSt. 1 44, a. M. K ö l n N J W . 1952 558 für einen berechtigten Sonderfall; BayObLG. J R . 1960 145 (Urkundsbeamter) mit berechtigten Bedenken von S a r s t e d t . 2. Zuständiges Gericht. Vgl. § 341 Anm. 1 und vor allem § 314 Anm. 3 sinngemäß. Eine an den Strafsenat gerichtete, bei der allgemeinen, auch für die Strafkammer zuständigen Annahmestelle rechtzeitig abgegebene Begründung ist rechtzeitig, B r e m e n N J W . 1950 395. Die Zuständigkeit der Annahmestelle muß auf Anordnung des zuständigen Beamten beruhen. Dies gilt vor allem für die Bedeutung des Einwurfs in einen Nachtbriefkasten des Gerichts, C e l l e GA. 1959 283. Ist einem Wachtmeister die allgemeine Befugnis zugewiesen, Schriftstücke für das Gericht anzunehmen und mit dem Eingangsstempel zu versehen, so ist das Schriftstuck mit Übergabe an ihn eingegangen, H a m m 1958 313. — Über gemeinsame Briefannahmestellen s. § 314 Anm. 3. — Welcher Gerichtsbeamte Schriftstücke entgegennehmen darf, regeln Landesrecht und Dienstanweisung, RG. J W. 421003. — Die Urschrift der Begründungsschrift muß bei Gericht eingereicht werden, RG. J W . 30 503. Nur im behördlichen Verkehr genügt beglaubigte Abschrift, BGIISt. 2 77. Gibt der Verteidiger oder ein Anwalt die Begründung ab, so muß sie von ihm unterzeichnet sein; anders als bei § 341 („schriftlich") genügt hier nicht bloße Erkennbarkeit, von wem das Schriftstück stammt, BGHSt. 2 77. — Das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, ist auch zuständig, wenn der Angeklagte nach Einlegung der Revision beantragt, ihm zwecks Ausarbeitung der Begründung einen Verteidiger zu bestellen, BayObLGSt. 1 400, oder wenn der Privatkläger nach Einlegung der Revision Armenrecht und Anwaltsbeiordnung zur Revisionsbegründung erbittet, BayObLGSt. 12 322. Mit Abgabe der Sache an das RevG. erlischt diese erstinstanzliche Zuständigkeit, vgl. BGH. 4 StR 641/51 vom 26. 10. 1951, RG. HR. 1 Nr. 1403. 3. Form der Revisionsbegründung. a) Die Vorschrift des § 345 Abs. 2 schließt formlose RevisionsbegrSndungen aus. Dem wohlverstandenen Interesse aller Beteiligten ist mehr gedient, wenn Anträge und Begründung von sachkundiger Seite stammen, RGSt. 2 359, 4 8, 14 349, 18 104. Außerdem soll die Vorschrift dem RevG. „die Prüfung ganz grundloser oder unverständlicher Anträge" möglichst ersparen (Mot. S. 213). Die Mitwirkung des Anwalts oder Urkundsbeamten erschöpft sich nicht in bloßer Beurkundung. Er h a t sich an der Revisionsbegründung gestaltend zu beteiligen und nach Belehrung des Angeklagten den Kern des Vorgebrachten zu berücksichtigen. Dafür hat er die Verantwortung zu übernehmen. Kann er dies nicht, so muß er dies in der Niederschrift erklären, BVcrfG. 1 B v R 145/58 v. 28. 1. 1960. — Allerdings kommen nicht selten Begründungen durch Urkundsbeamte und Anwälte vor, die formelhaft und oberflächlich anmuten und die gesetzlichen An-
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Vierter Abschnitt. Revision (Jagusch)
§345 Anm. S
fechtungsmöglichkeiten nicht erschöpfen. Sie verfallen, wo die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorliegen, zum erheblichen Teil der Verwerfung gemäß der Vorschrift des § 349 Abs. 2 als offensichtlich unbegründet. Nicht selten führen Rechtsmittel jedoch auch zur Berücksichtigung von Verstößen durch das RevG., die dem Antragsteller entgangen sind (Verfahrensvoraussetzungen, Sachrüge). — Die Formvorschrift des Abs. 2 gilt für jede Revision des Angeklagten und des Privat- oder Nebenklägers, auch in den Fällen der §§ 282 b (Abwesenheitsverfahren), 298 (gesetzlicher Vertreter) und 431 (selbständiges Verfahren). Jedoch können Privat- und Nebenkläger die Revision nur mittels einer anwaltlich unterzeichneten Schrift anbringen (§§ 390, 397), nicht zur Niederschrift der Geschäftsstelle. Im Bereich der AbgO. kann das Finanzamt Revisionsanträge und -begründungen schriftlich selbst anbringen (§ 467 Abs. 2 AbgO.). Das gilt daher z. B. nicht für den Präsidenten des Landesfinanzamtes als Nebenkläger im Strafverfahren wegen Widerstandes, K ö n i g s b e r g DRZ. 21 Nr. 1035. b) Der Abs. 2 betrifft nur die Form der Revisionsanträge und deren Begründung, nicht die Vollmacht dessen, der sie anbringt, und nicht den Nachweis der Vollmacht (vgl. § 138). Begründet ein Anwalt das Rechtsmittel, der nicht der Verteidiger war (s. Anm. 3 c) und auch keine Vollmacht des Beschwerdeführers vorlegt, so reicht das bis zum Nachweis der Vollmacht für den Zeitpunkt der Begründung aus, es sei denn, es bestehen Anhaltspunkte, daß die Erklärung ohne Auftrag oder gegen den Willen des Angeklagten abgegeben worden ist, RG. Rspr. 6 355, RGSt. 15 226, GA. 42 37, BayObLGSt. 16 68. Der Anwalt braucht die Vollmacht nicht bis zum Ablauf der Begründungsfrist nachzuweisen, es genügt, daß sie überhaupt für den Zeitpunkt der Begründung nachgewiesen wird, A l s b e r g und K l e f i s c h JW. 1932 2179 Anm. 39. c) Verteidiger, Anwalt. Vgl. die Anm. 3 a, b. — Der Begriff des Verteidigers beschränkt sich nicht auf den Verteidiger in der Vorinstanz. Auch für die Revisionsinstanz darf ein Anwalt oder eine der im § 138 Abs. 1 bezeichneten Personen als Verteidiger gewählt werden (§§ 137,138,140), der die Begründung dann unterzeichnet, RGSt. 28 430. Der noch bevollmächtigte Verteidiger der Vorinstanz darf auch die Begründung der Revision unterzeichnen, RGSt. 8 222, N a u m b u r g DRZ. 21 Nr. 556. War er nur für die Tatsacheninstanz zugelassen worden, so hat der Erstrichter über weitere Zulassung auf Antrag zu beschließen, solange die Akten dem RevG. nicht vorgelegt worden sind (§ 347 Abs. 2). Wer weder Anwalt noch bisher Verteidiger ist, darf die Begründung nicht wirksam unterzeichnen, auch nicht bei späterem Antrag des Angeklagten, ihn nunmehr gemäß § 138 Abs. 2 als Verteidiger zuzulassen. Ein Beistand ist nicht Verteidiger im Sinne des § 345 (s. § 149), RGSt. 7 403. — Der unterzeichnende Anwalt muß bei einem deutschen Gericht zugelassen sein (§ 138 Abs. 1). Aber weder in der Vorinstanz noch im Revisionsverfahren braucht er als V e r t e i d i g e r gewählt oder bestellt zu sein. — Nimmt der Beschwerdeführer den Urkundsbeamten nicht in Anspruch, so muß die Begründung von dem Verteidiger oder einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Anwalt unterzeichnet sein, BGHSt. 2 77, RG. Rspr. 9 144, und zwar mit dem bürgerlichen Namen, RGSt. 37 82, DRZ. 20 Nr. 937. Es genügt nicht, wenn ersichtlich ist, von wem das Schriftstück herrührt, wie bei § 341, wo bloße Schriftlichkeit ausreicht, sondern Unterzeichnung ist erforderlich, BGHSt. 2 77. Die Unterschrift muß nicht geradezu lesbar sein, aber aus charakteristischen Schriftzügen bestehen, nicht aus geometrischen Figuren, BGHSt. 12 317. Der Nachweis nur versehentlicher Nichtunterzeichnung genügt nicht, RGSt. 30 366. „Unterzeichnet" ist nicht unbedingt räumlich zu verstehen, RG. H R R . 1939 Nr. 1284. UnterStempelung mit Druckbuchstaben genügt nicht, RGSt. 34 358, 67 385, 388, 69 137, LZ. 12 780, BayObLGSt. 20 297, dagegen wird Anbringung eines Faksimilestempels dann ausreichen, wenn kein Anhalt besteht, daß ein Unbefugter den Stempel mißbraucht hat. Ein Beauftragter oder Bevollmächtigter, der nicht selbst Anwalt oder Anwaltsassessor ist, darf nicht für den Anwalt unterzeichnen, KG. GA. 69 474 (a. M. anscheinend BGHSt. 8 176, jedoch befaßt sich die dort zitierte Entscheidung RGSt. 66 210 nicht mit der Vertretung eines Anwalts). Ein Anwaltsassessor darf die Begründung für den Anwalt oder im eigenen Namen unterzeichnen, K ö l n N J W . 1952 197, jedoch nicht in eigener Sache, K ö l n J R . 1957 308. Die Unterschrift darf nicht auf einem besonderen Blatt oder aufgeklebten Zettel stehen, J e n a ThürBl. 49 80. Bloße „Beglaubigung" durch einen Anwalt oder durch den Vermerk „legalisiert" ersetzt Unterzeichnung nicht, RG. Rspr. 5 527, 10 149, RGSt. 21 159, GA. 35 396. Die Einreichung einer von einem Anwalt beglaubigten Rechtfertigungsschrift genügt dann, wenn sie von diesem herrührt und unterzeichnet ist, K ö n i g s b e r g J W . 1932 2920 Nr. 71. Nicht genügt Einreichung einer nicht unterschriebenen Abschrift s t a t t der unterzeichneten Urschrift, RG. Recht 25 Nr. 2087.
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Anm. 8 Der Anwalt muß die volle Verantw Ortung fUr den Inhalt der Begründung und Anträge übernehmen, sonst ist die Erklärung unwirksam, H a m b u r g J R . 1955 233 („auftragsgemäß" genügt nicht), H a m m J M B N R W . 1951 184, S e i b e r t AnwBl.1955 225, dazu B r e m e n DRZ. 1950 186, Celle NRpfl. 1954 32, RGSt. 73 23. Der Grund hierfür ist in Anm. 3a angegeben. Hält der Anwalt die Revision für aussichtslos, so wird er die Begründung abzulehnen haben oder sich auf die Sachrüge beschränken, RGSt. 73 23. Gibt er zu erkennen, daß er das Vorgetragene nicht verantworten wolle, so ist die erforderliche Form verletzt, RGSt. 73 23. Hat der Angeklagte die Revisionsbegründung verfaßt und unterzeichnet, so genügt bloße Beifügung der Unterschrift des Anwalts im allgemeinen nicht, denn sie läßt nicht mit Gewißheit erkennen, ob er das Vorgetragene vollständig verantworten will, RG. SeuffBl. 76 35, LZ. 10 823, R o s t o c k GA. 70 150, D a r m s t a d t HR. 3 Nr. 2316. A. M. für den Fall sachgemäßer Begründung BayObLGSt. 12 96. Derartige Unklarheiten sollten die Anwälte vermeiden, weil sie den Bestand des Rechtsmittels unnötig gefährden. Daher genügt es nicht, wenn der unterzeichnende Anwalt Vorbehalte oder einschränkende Zusätze beifügt, RG. J W . 1933 969 Nr. 35, etwa, er unterzeichne „in Gemäßheit des § 345 StPO", RGSt. 18 103; oder „entsprechend der formellen Vorschrift des § 345 StPO.", RG. LZ. 10 823; oder „mit Rucksicht auf den Ablauf der Frist", RGSt. 9 95; oder er mache die Ausführungen des Angeklagten in der Begründung „sinngemäß" zu den seinigen, RG. LZ. 10 823; er habe „den Schriftsatz nicht verfaßt", RG. DStRZ. 2 167; er mache einen Teil der Begründung auf Wunsch des Angeklagten geltend, RGSt. 54 282; die Unterzeichnung geschehe nur „zur anwaltlichen Deckung", BayObLG. J W . 1929 1490 Nr. 19; oder „der Angeklagte begründe die Revision" wie folgt, RGSt. 60 53. Trotz anwaltlicher Unterzeichnung ist die Form verletzt, wenn Form oder Inhalt der Begründung zeigen, daß der Anwalt auf ihre Abfassung in keiner Weise eingewirkt h a t (was durch Prüfung und Billigung jedoch geschieht), RG. BayZ. 14 23, J R . 1934 H R R . Nr. 1501, B r e s l a u H R . 2 30. Beilagen der Begründung: Ein beigefügtes formloses Schriftstück bleibt auch dann beiseite, wenn es in der Begründung als deren Bestandteil bezeichnet wird, BayObLGSt. 55 257, BGH. LM. Nr. 2 mit weiteren Angaben, RGSt. 14 348, GA. 35 393, J W . 30 503, LZ. 9 1226. Zur Revisionsbegründung durch Telegramm oder Fernsprecher s. § 314 Anm. 2 b. Wichtig BGHSt. 8 174: maßgebend ist Inhalt und maschinelle Unterzeichnung des zugestellten Ankunftstelegramms, das Aufgabetelegramm braucht der Anwalt nicht zu unterzeichnen. Ist der Angeklagte selbst Anwalt, so genügt seine Unterzeichnung, RG. Rspr. 4 695, selbst bei ehrengerichtlichem Vertretungsverbot, RGSt. 69 377. Das wird auch zu gelten haben, wenn der Angeklagte zum Verteidiger gemäß § 138 Abs. 1 gewählt werden kann, weil der Zweck des § 345 (s. Anm. 3 a) auch in diesem Falle gewahrt ist (a. M. aus formalen Gründen KG. GA. 35 445). Den Anwaltsassessor will K ö l n J R . 1957 308 in eigener Sache nicht zur Unterzeichnung zulassen. d) Zur Niederschrift der Geschäftsstelle. Vgl. Anm. 3 a. Näheres ferner bei § 314 Anm. 2 a. Vgl. auch RiStV. Nr. 133 und S e i b e r t Rpfl. 1951 645. — Zuständig ist allein die Geschäftsstelle des Vordergerichts, BayObLGSt. 1951 350. Für den verhafteten Angeklagten gilt die Sonderregel des § 299, RG. Rspr. 3 51. RGSt. 7 114, Recht 17 Nr. 301. Eine unzuständige Geschäftsstelle wird auch durch Ersuchen der zuständigen Stelle nicht zuständig, RG. J W . 42 164. Nimmt sie die Revisionsbegründung formgültig auf und geht diese rechtzeitig bei dem zuständigen Gericht ein, so dürfte Rechtzeitigkeit der Begründung anzunehmen sein, da dem Sinn des § 345 Abs. 1 genügt ist. — Bezeichnet sich der beurkundende Beamte als Justizobersekretär und fehlt ein Anhalt, daß er nicht Urkundsbeamter ist, so wird dies ausreichen (a. M. RG. J W . 1927 524). Wer zum Urkundsbeamten bestimmt werden darf, richtet sich nach Landesrecht und Dienstanweisung. Ein Justizangestellter als stellvertretender Urkundsbeamter kann die Begründung nicht wirksam entgegennehmen, weil er nicht Gewähr für denjenigen rechtlichen Beistand bieten kann, den § 345 voraussetzt, BGH. LM. Nr. 5 (Bayern). Vgl. C e l l e NRpfl. 1951 91, H a m m J M B N R W . 1960 35 (Beamter des mittleren Dienstes genügt nicht), BayObLGSt. 1953 11 (Rechtsreferendar ist in Bayern zuständig, sofern er zum stellvertretenden Urkundsbeamten bestellt worden ist). — Die Begründung ist in die Niederschrift ohne Verweisung auf beigefügte Schriftstücke vollständig aufzunehmen, BGH. 4 StR 202/51 vom 10. 8. 1951, RGSt. 2 358, 4 7, 14 349, 18 104. Vgl. Anm. 3 c. — Ein vom Angeklagten verfaßtes Schriftstück in der Form einer amtlichen Niederschrift reicht auch dann nicht aus, wenn der Urkundsbeamte einen Beglaubigungsvermerk hinzufügt, RGSt. 2 444, Rspr. 8 338, SeuffBl. 76 35, LZ. 17 610. — Der Urkundsbeamte muß die Verantwortung für den Inhalt der Begründung übernehmen in dem Sinne, daß
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Vierter Abschnitt. Revision (Jagusch)
§ 345 Anm. 3 §346
er das Vorbringen prüft. Unsachgemäßes Vorbringen braucht er nicht entgegenzunehmen, RGSt. 64 63, BayObLG. Rpfl. 1951 379. Anderseits kann der Angeklagte verlangen, daß der wesentliche Inhalt seines Vorbringens, soweit es nicht offenbar unsachlich ist, protokolliert werde, weil nicht der Urkundsbeamte, sondern das RevG. über das Vorbringen entscheidet, F r e y m u t h GA. 1956 281. Aufzunehmen ist nicht der Wortlaut, sondern der sachgemäß ausgedrückte Sinn des Vorbringens zur Revision, BVerfG. 1 BvR 145/58 v. 28.1.1960, H a m b u r g AlsbE. 2 Nr. 296a. Ist die Begründung inhaltlich zulässig, so steht ein Vermerk, der Urkundsbeamte übernehme die Verantwortung nicht, der Wirksamkeit nicht entgegen, RG. JW. 1931 1760 Nr. 7. Vgl. K ö l n NJW. 1952 239. Schreibt der Urkundsbeamte einen Entwurf des Angeklagten ohne eigene Prüfung ab, so ist die Form verletzt, RGSt. 12 367, 27 211, 52 277, JW. 24 468, 29 492. Jedoch genügt es, wenn der Urkundsbeamte eine ihm übergebene Schrift nach (Belehrung, Besprechung, Durchsicht und) Prüfung für die Niederschrift benutzt, K ö l n JR. 1957 308. Will der Angeklagte o f f e n s i c h t l i c h und ohne jeden Zweifel nur die Beweiswürdigung beanstanden, so braucht der Urkundsbeamte diese unzulässigen Erklärungen nicht entgegenzunehmen. Im Zweifel hat er sie aber niederzuschreiben. Vgl. K ö l n MDR. 1954 57 (mögliche Umdeutung in Sachrüge). — Besteht der Angeklagte auf Aufnahme nicht offensichtlich unzulässiger Erklärungen, so sind sie entgegenzunehmen, aber durch Vermerk zu kennzeichnen, RG. Recht 14 Nr. 2333, 15 Nr. 268, 29 Nr. 2560. — Über die gesetzlichen Erfordernisse der Begründung hat der Urkundsbeamte den Angeklagten zu belehren, sonst kann dieser auch noch nach Verwerfung als unzulässig Wiedereinsetzung gemäß § 44 beanspruchen, RGSt. 67 197, O l d e n b u r g NJW. 1952 908. Vgl. Anm. lc.— In Kurzschrift darf die Niederschrift über die Begründung nicht verfaßt sein, Celle NJW. 1958 1314. — Zur Unterschrift des Urkundsbeamten vgl. § 314 Anm. 2a, jedoch auch K ö n i g s b e r g JW. 1930 1526 Nr. 40. Die Unterschrift des Angeklagten ist entbehrlich, RGSt. 48 78, JW. 1931 3562 Nr. 27, M ü n c h e n S t . 9 38. Vgl. dazu BayObLG. Rpfleger 1961 355 und § 314 Anm. 2 a. Statt des Angeklagten darf ein Bevollmächtigter die Revision zur Niederschrift begründen, RG. Recht 7 Nr. 1527, Recht 17 Nr. 2819, LZ. 14 867. Der Urkundsbeamte muß die Erklärung auch entgegennehmen, wenn keine Vollmacht vorliegt, sofern nicht feststeht, daß keine Vollmacht besteht. Die Vollmacht darf später nachgewiesen werden, jedoch muß sie bei Niederschrift bestanden haben, RGSt. 66 210. Spätere Bevollmächtigung macht eine frühere Niederschrift nicht gültig. e) Revision der Staatsanwaltschaft. Insoweit gilt die Regelung des § 345 nicht, daher genügt nach allgemeinen Grundsätzen einfache Schriftform. Der Sinn des § 345 steht dem bei der StA. nicht entgegen. Die Schrift muß an das Gericht gerichtet sein, dessen Urteil angefochten wird, und von dem zustandigen Beamten der StA. unterzeichnet sein oder deutlich erweisen, daß sie von ihm herrührt. Vgl. § 314 Anm. 2b. Schriftzugstempel genügt, RGSt. 63 247, nicht aber der bloße Anfangsbuchstabe des Namens, K a r l s r u h e HR. 9 Nr. 88. Die Einreichung einer beglaubigten Abschrift genügt, BGHSt. 2 77, a. M. noch RGSt. 34 137, 57 280.
§346 (1) Ist die Revision verspätet eingelegt, oder sind die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der im § 345 Abs. 2 vorgeschriebenen Form angebracht worden, so hat das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig zu verwerfen. (2) Der Beschwerdeführer kann binnen einer Woche nach Zustellung des Beschlusses auf die Entscheidung des Revisionsgerichts antragen. In diesem Falle sind die Akten an das Revisionsgericht einzusenden; die Vollstreckung des Urteils wird jedoch hierdurch nicht gehemmt. Die Vorschrift des § 35 a gilt entsprechend. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 257. II. Entw. § 263. III. Entw. § 307. Frühere Bezeichnung: § 386. Änderungsvorschläge: NE I, II § 337 Abs. 1. NE I I I § 332. Änderung: Ergänzt durch StrRÄndG. vom 4. 8. 1953, Art. 4 Nr. 37. Schrifttum: P e n t z NJW. 1962 1236.
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§346
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 1 1. Verwerfung als unzulässig durch die Strafkammer (Abs. 1). a) Die Vorschrift soll, wie auch § 319 im Berufungsverfahren, das Revisionsgericht entlasten und das Verfahren vereinfachen, indem das Erstgericht unzulässige Revisionen in den Fällen des Absatzes 1 — und nur in diesen — verwirft, auf Antrag des Revisionsführers unter Überprüfung durch das RevG. Unterbleibt der Antrag, so wird das RevG. mit dem Rechtsmittel nicht befaßt, wird er gestellt, so entscheidet es ausnahmslos selbst. Liegt ein Fall des Abs. 1 vor, so darf der Erstrichter die Revision auch dann noch verwerfen, wenn sich die Verspätung oder der Formmangel erst nach Zustellung der Revisionsschrift an den Gegner herausstellt, solange die Akten nicht an das RevG. abgegeben worden sind. — Vgl. § 319 entsprechend. Die Vorschrift überträgt dem Erstgericht gewisse Prüfungsaufgaben, die an sich Sache des RevGs. sind. Sie erschöpfen sich in der Vorprüfung formeller Gesichtspunkte. Das Erstgericht hat sie selbst auszuführen, nicht etwa dessen Geschäftsstelle. Solange die Prüfung nach Abs. 1 nicht beendet und nicht gegebenenfalls gemäß Abs. 1 entschieden und der Beschluß der Geschäftsstelle übergeben worden ist, hat das Erstgericht auch sämtliche Verfahrenshindernisse noch zu beachten (s. § 206 a). Außerhalb des Bereiches des Abs. 1 ist das Erstgericht nicht zuständig (s. Anm. lb—f). — Die Vorschrift gilt nur im Revisionsverfahren. — Hat nicht der StA. Revision eingelegt, so ist er vor der Verwerfung als unzulässig anzuhören. — Lehnt die Strafkammer die Verwerfung ab oder wird die Vorschrift übersehen, so entscheidet das RevG., dessen Befugnis zur Verwerfung als unzulässig durch § 345 Abs. 1 nicht eingeengt wird. — Verstreicht die Revisionsfrist (§ 341) ungenutzt, so tritt mit Fristablauf Rechtskraft ein. Verspätete Einlegung der Revision hemmt die Vollstreckung des Urteils nicht (§ 345 Abs. 2) und beseitigt auch die eingetretene Rechtskraft nicht, RGSt. 53 235. Andernfalls könnte die Vollstreckung noch durch verspätete Einlegung der Revision willkürlich hinausgeschoben werden. Lediglich ein erfolgreiches Wiedereinsetzungsgesuch beseitigt die Rechtskraft nachträglich. Vgl. Anm. 3. Verwerfung als unzulässig durch die Strafkammer ist nur in drei Fällen zulässig: b) Verspätet eingelegte Revision. Näheres hierüber bei § 341. Nur rechtzeitige Einlegung der Revision hemmt die Rechtskraft des Urteils, soweit sie zulässigerweise eingelegt ist (§ 343 Abs. 1). Wo das nicht geschieht, tritt mit Ablauf der Revisionsfrist Rechtskraft ein, die durch verspätete Nachholung der Revision nicht mehr beseitigt wird, RGSt. 53 236 und Anm. l b , ferner § 319 Anm. 3, K l e i n k n M 3. Der Verwerfungsbeschluß (§ 346 I) stellt diese Rechtsfolge nur nachträglich fest, sie tritt kraft Gesetzes ein. Vgl. auch BGHSt. 11 152. — Sinngemäß wird dasselbe zu gelten haben, wenn Revision gesetzlich ausgeschlossen ist, K l e i n k n M 3. c) Verspätete oder fehlende Revisionsbegründung. § 345 Abs. 1 spricht nur von den Revisionsanträgen, darunter fällt jedoch auch die Revisionsbegründung, RGSt. 44 264, Recht 16 Nr. 1571. — Ist das Urteil rechtzeitig (§ 341) angefochten worden, so ist die Rechtskraft dadurch gehemmt. Wird die Revision nunmehr nicht oder nicht rechtzeitig begründet, oder nicht in gehöriger Form (§ 344), so beseitigt dies die Hemmung der Rechtskraft für sich allein nicht, RGSt. 53 236, K l e i n k n M 3. Diese Wirkung hat erst die Übergabe des Verwerfungsbeschlusses (§ 346 I) an die Geschäftsstelle. D i e s e r Beschluß hat daher konstitutive Wirkung: er führt die Rechtsfolge erst selbst herbei. Auch ein Antrag nach Abs. 2 ändert daran nichts. Da er die Urteilsvollstreckung nicht hemmt, beseitigt er auch die Rechtskraft nicht. — Wird ein rechtlich abtrennbarer Teil der Revision nicht begründet, so ist sie insoweit unzulässig, BGH. LM. § 302 Nr. 1. — Über einen Fall beabsichtigter, aber nicht rechtzeitig gewählter Sprungrevision H a m m N.IW. 1956 1168. d) Nicht formgerechte Revisionsbegründung. Darüber § 345. Die nicht formgerechte Revisionsbegründung steht den beiden anderen Fällen des § 346 Abs. 1 gleich. Zur Begründung durch Telegramm s. § 314 Anm. 2b, BGHSt. 8 174. Bei formwidriger Revision des Nebenklägers kann trotz Bezugnahme auf § 345 Abs. 2 nach § 346 verfahren werden, D r e s d e n DRZ. 24 Nr. 768. e) Keine Verwerfungsbefugnis der Strafkammer in anderen Fällen. Da die Strafkammer bei Verwerfung als unzulässig der Sache nach Befugnisse des RevGs. wahrnimmt, ist sie auf die im Abs. 1 bezeichneten Fälle (Anm. l b — d ) beschränkt. Alle übrigen Entscheidungen bleiben ausnahmslos dem RevG. vorbehalten, BGHSt. 2 70, LM. § 349 Nr. 4, MDR. 1959 507, K l e i n k n M 5. Auf den Inhalt der Revisionsbegründung hat das Erstgericht nicht einzugehen, es darf lediglich ihre Form (§ 345) prüfen, BayObLGSt. 1951 337. Hält es das Rechtsmittel für zulässig, so hat es ohne weiteres nach § 347 zu verfahren, auch wenn Verwerfung als unzulässig beantragt worden war, K a s s e l JW. 1930 2598 Nr. 42. Ein Beschluß, der die Verwerfung ablehnt, ist ohne Bedeu-
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§346 Anm. 2
tung und bindet das RevG. nicht. Ein solcher Beschluß steht der Strafkammer nicht zu. Weitere Beispiele, in denen die Strafkammer nicht nach § 346 Abs. 1 beschließen darf: RG. I 558/17 vom 17. 12.1919, BayObLGSt. 18 113, M ü n c h e n S t . 6 138 (der Beschwerdeführer sei zur Einlegung der Revision nicht ermächtigt), BGH. MDR. 1959 507 (angeblich fehlende Ermächtigung, angeblich bereits vorliegender Rechtsmittelverzicht), RG. Rspr. 9 420, M ü n c h e n S t . 6 134 (die Revisionsbegründung genüge dem § 344 nicht), RG. Rspr. 8 469, Recht 23 Nr. 527, BGH. MDR. 1959 507 (Rücknahme früherer Revision, Verzicht auf das Rechtsmittel). — Ein Beschluß, der den Rahmen des Abs. 1 überschreitet und eigentlich nur dem RevG. zusteht, ist jedoch nicht unwirksam und unbeachtlich. Die Strafkammer kann ihn auch nicht zurücknehmen, da er nur auf Rechtsirrtum beruht. Wird er nicht rechtzeitig gemäß § 346 Abs. 2 durch Antrag an das RevG. angefochten, so tritt mit dem Ablauf der Wochenfrist des § 346 Abs. 2 Rechtskraft ein (konstitutive Wirkung, Anm. l c , da rechtzeitig Revision eingelegt worden war). Das Gesetz bezeichnet im Abs. 2 selbst das allein zulässige Rechtsmittel, RGSt. 37 292, 38 157, 55 235. f) Verwerfung durch Beschluß. Die Strafkammer entscheidet außerhalb der Hauptverhandlung durch drei Richter durch Beschluß (GVG. § 76). Hat nicht die StA. die Revision eingelegt, so ist sie vorher zu hören (§ 33). Die Revision wird als unzulässig kostenpflichtig verworfen. Der Beschluß ist den Beteiligten zuzustellen (§ 346 Abs. 2) (Staatsanwaltschaft, Angeklagter, Privat- oder Nebenkläger). Er setzt die Antragsfrist gemäß Abs. 2 in Lauf. Wann Rechtskraft eintritt, richtet sich nach der Begründung des Verwerfungsbeschlusses. Darüber s. Anm. l b und c. Jeder Beschluß ist mit Rechtsmittelbelehrung gemäß § 35 a zu versehen, die mit zuzustellen ist. Der Erstrichter darf seinen Beschluß auch nicht aufheben, wenn sich herausteilt, daß er auf Tatsachenirrtum beruht, RGSt. 37 157, 55 235, LZ. 12 1149, 13 911, KG. HR. 3 Nr. 33, Celle JR. 1949 122, D ü s s e l d o r f JMBNRW. 1955 251. Wegen des Grundes hierfür s. § 319 Anm. 4. Ein gleichwohl ergehender Aufhebungsbeschluß ist jedoch als formeller Gerichtsakt nicht nichtig. Er führt nur dazu, daß nunmehr das RevG. entscheidet. Das gesetzlich vorgesehene Rechtsmittel gegen Verwerfungsbeschlüsse gemäß Abs. 1 ist ohnedies der Antrag an das RevG. (s. Anm. le). Über Wiedereinsetzungsfälle s. Anm. 3. 2. Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts (Abs. 2). a) Zur Bedeutung dieses Antrages s. § 319 Anm. 4 entsprechend. Die Regelung stimmt in beiden Vorschriften überein, Von Besonderheiten der Revision abgesehen. Wird das RevG. angerufen, so stehen dem Erstgericht über den Rahmen des Abs. 1 hinaus keine Entscheidungen mehr zu, die Akten sind unverzüglich dem RevG. vorzulegen (Abs. 2). Dieses entscheidet in dieser Eigenschaft, nicht als Beschwerdegericht. Es prüft daher nicht nur den tatrichterlichen Beschluß, sondern die Zulässigkeit der Revision in jeder Richtung, BGHSt. 11 155. — Der Antrag bedarf keiner besonderen Form, BGHSt. 11154. — Das Erstgericht muß ihn dem RevG. auch vorlegen, wenn es ihn für verspätet hält, H a m m NJW. 1956 1168, K l e i n k n M 6b. Ergeht ein Beschluß gemäß § 346 Abs. 1, so ist der Antrag an das RevG. bereits deswegen zulässig, auch wenn in Wahrheit Berufung vorliegt, H a m m NJW. 1956 1168, S t u t t g a r t GA. 72 226, K l e i n k n M 6b, a. M. KG. JW. 1925 2807 (Beschwerde). Zur Entscheidung verschiedener Gerichte über den Antrag gemäß § 346 Abs. 2 in Verbindung mit Wiedereinsetzungsgesuch KG. J R . 1956 111 mit Anm. von S a r s t e d t , und Anm. 3. — Will ein OLG. bei Beschluß gemäß § 346 Abs. 2 von einem anderen RevG. rechtlich abweichen, so ist es nach § 121 Abs. 2 GVG. vorlagepflichtig an den BGH.,BGHSt. 11 152,15 204. — Verwirft das RevG. den Antrag, so stellt es damit fest, daß die Revision zu Recht als unzulässig verworfen worden ist. Dieser Beschluß wird mit Ubergabe an die Geschäftsstelle rechtskräftig. Die Rechtskraft des angefochtenen Urteils war bereits mit Verwerfung der Revision oder mit Ablauf der Einlegungsfrist eingetreten (Anm. l b , c). — Wird der Antrag gestellt, so kann das Erstgericht auch hier nicht selbst abhelfen (Anm. l f ) . — Gegen die Entscheidung des RevGs. gibt es kein weiteres Rechtsmittel, auch nicht bei Entscheidung eines OLG. statt des zuständigen BGH., vgl. RGSt. 55 100. — Lehnt das RevG. den Antrag ab, so wird er verworfen. Das kann auch wegen verspäteten Antrags geschehen. Hat das Erstgericht ein Verfahrenshindernis übersehen, so hat das RevG. bei wirksam eingelegter, aber nicht formgerecht begründeter Revision das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen, BGHSt. 16 115, KG. VRS. 1962 370, (BGHSt. 15 203 ist aufgegeben).Beruht die Entscheidung des RevGs. über den Antrag auf Tatsachenirrtum, so darf es ihn zurücknehmen, BGH. NJW. 1951 771, RGSt. 59 419, JW. 27 395, N a u m b u r g HRR. 32 1278, T ü b i n g e n DRZ. 1948 317, O l d e n b u r g HESt.
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§ 346 Anm. 3
§347
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
1 210, a. M. KG. JW. 1927 2073, offengelassen in BGH. LM. § 349 Nr. 3. Vgl. S c h m i d t JZ. 196115. b) Antragsberechtigt ist der, dessen Revision als unzulässig verworfen worden ist. Vgl. § 319 Anm. 4, RG. Rspr. 4 889, K ö l n JW. 1928 129. Die StA. kann den Antrag nicht zugunsten des Angeklagten stellen. Auch die in § 298 bezeichneten Personen sind dazu nicht befugt, RGSt. 38 9, Recht 21 Nr. 540, 24 Nr. 2978, BayObLGSt. 7 40. c) Verfahren. Wird die Antragsfrist von einer Woche versäumt, so wird der Verwerfungsbeschluß des Erstgerichts rechtskräftig, RGSt. 37 293, 38 157, 53 287. Vgl. Mot. zum Entw. §§ 306—310. Voraussetzung ist formgerechte Zustellung des Verwerfungsbeschlusses an den richtigen Empfänger, RGSt. 48 236. Der von einem unzuständigen Gericht erlassene Beschluß über Versagung der Wiedereinsetzung hindert das RevG. nicht, einem Antrage gemäß § 346 Abs. 2 zu entsprechen, RGSt. 75 171, N e u s t a d t VRS. 15 281. — War der angefochtene Beschluß unrichtig, so hebt ihn das RevG. auf, andernfalls verwirft es den Antrag ohne Kostenentscheidung. — Wird der Antrag gemäß Abs. 2 gestellt, so sind die Akten dem RevG. unverzüglich zur vollständigen Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels vorzulegen, BayObLGSt. 1951 337. Nach ausdrücklicher Vorschrift (Abs. 2) hemmt auch dieser Antrag die Vollstreckung des Urteils nicht. d) Vollstreckbarkeit. Untersuchungshaft. Vgl. § 319 Anm. 7, 8. Mit Eintritt der Rechtskraft ist das angefochtene Urteil vollstreckbar (vgl. die Anm. l b und c). Verspätete Einlegung der Revision hemmt den Eintritt der Rechtskraft nicht (Anm. l b ) . Das gilt auch für den Antrag gemäß Abs. 2. Wird die Revision nur wegen Nichtbegründung oder verspäteter oder formfehlerhafter Begründung als unzulässig verworfen, so beginnen Rechtskraft und Vollstreckbarkeit mit Übergabe des Verwerfungsbeschlusses an die Geschäftsstelle (Anm. 1 c). Dieser Beschluß schafft erst Rechtskraft, RGSt. 53 236, KG. GA. 71 43, K ö l n DRZ. 25 Nr. 639. — Wird der Verwerfungsbeschluß durch spätere Wiedereinsetzung beseitigt, so gilt inzwischen vollstreckte Strafe als Strafhaft, H a m m NJW. 1956 274. 3. Wiedereinsetzung. Vgl. § 342 und § 319 Anm. 9. Wird gegen Versäumung der Revisionsoder Begründungsfrist Wiedereinsetzung beantragt, so ist dafür das RevG. zuständig (§ 46). Das Erstgericht stellt daher die Entscheidung gemäß § 346 Abs. 1 solange zurück, vgl. RG. DR. 1941 1406, K i e l GA. 42 150, BayObLGSt. 10 97. Vgl. auch Anm. 2d am Ende. — Wird Wiedereinsetzung bewilligt, so entfallt die Entscheidung gemäß § 346 Abs. 1, BGHSt. 11154, war anderseits die Frist nicht versäumt, so entfallen beide Rechtsbehelfe, BGHSt. 11 154. — Wiedereinsetzung ist auch noch zulassig, wenn ein nicht angefochtener Verwerfungsbeschluß ergangen ist, RGSt. 53 287. Mit ihrer Bewilligung wird die Verwerfung ohne weiteren Ausspruch gegenstandslos, RGSt. 61 181 (für § 329). — Wird Wiedereinsetzung versagt, so entscheidet nunmehr das Erstgericht, falls das RevG. die Entscheidung nicht selbst trifft, was zulässig ist (s. Anm. 1). Bewilligt ein unzuständiges Gericht Wiedereinsetzung, so ist dies bindend, RGSt. 40 272, a. M. jedoch für den Fall gleichzeitiger Antragstellung RGSt. 75 172. — Vgl. N e u s t a d t VRS. 15 281 (Antrag gemäß § 346 II und auf Wiedereinsetzung). — Über Wiedereinsetzung bei rechtzeitig erhobener Verfahrensrüge BGH. NJW. 1960 1775.
§347 (1) Ist die Revision rechtzeitig eingelegt und sind die Revisionsanträge rechtzeitig und in der vorgeschriebenen Form angebracht, so ist die Revisionsschrilt dem Gegner des Beschwerdeführers zuzustellen. Diesem steht frei, binnen einer Woche eine schriftliche Gegenerklärung einzureichen. Der Angeklagte kann letztere auch zu Protokoll der Geschäftsstelle abgeben. (2) Nach Eingang der Gegenerklärung oder nach Abiaul der Frist sendet die Staatsanwaltschaft die Akten an das Revisionsgericht. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 258. II. Entw. § 264. III. Entw. § 308. Frühere Bezeichnung: § 387. Änderungsvorschläge: NE I, II § 338. NE I I I § 333.
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Vierter Abschnitt. Revision (Jagusch)
§347 Anm. 1—3
1. Zustellung der Revisionsschrift an den Gegner. Zur rechtzeitigen Einlegung der Revision s. § 341, zur rechtzeitigen und formgerechten Revisionsbegründung s. § 345. — Da § 347 eine Gegenerklärung binnen einer Woche vorsieht, schreibt die Vorschrift Zustellung der Revisionsschrift an den Gegner des Rechtsmittelführers vor. Die Wochenfrist ist keine Ausschlußfrist (vgl. Anm. 2). Ob der Angeklagte oder die StA. Revision eingelegt haben, ist dafür ohne Bedeutung. Haben beide das Rechtsmittel eingelegt, so sind die Revisionsschriften wechselseitig zuzustellen. — Der Begriff „Revisionsschrift" umfaßt, wie § 345 ergibt, die Revisionsantrage und ihre Begründung nebst etwaiger Ergänzung. Ergänzt die StA. ihre Ausführungen zur Sachrüge späterhin, falls sie solche macht, so ist dem Gegner die Ergänzung noch rechtzeitig zuzustellen, damit das rechtliche Gehör auch bei seinem Nichterscheinen in der RevisionsVerhandlung oder bei Beschlußverwerfung gewährleistet ist (Anm. 2). — Revisionsschrift ist auch eine zur Niederschrift der Geschäftsstelle erklarte Revisionsbegründung. — Die Revisionsschrift ist dem Angeklagten auch zuzustellen, wenn die StA. das Rechtsmittel zu seinen Gunsten eingelegt hat (§ 296 II), E b S c h m i d t 2. Dem Nebenkläger ist jede Revisionsschrift zuzustellen, die ein von seinen Anträgen in der Hauptverhandlung oder im Revisionsverfahren abweichendes Ergebnis verfolgt, vgl. O e t k e r , Rechtsgang 3 214. Das Gericht hat die Zustellung zu bewirken, nicht die StA. Eine dem § 320 Satz 2 entsprechende Vorschrift (Zustellung durch StA.) fehlt im Revisionsverfahren. Auch § 36 ist nicht anwendbar, D ü s s e l d o r f GA. 58 258, Celle GA. 60 302. Hat die StA. jedoch versehentlich eine sonst mangelfreie und vollständige Zustellung bewirkt, so wird dies ausreichen, B r e s l a u ZStW. 47 Beil. S. 7. 2. Gegenerklärung. Die Einrichtung der Gegenerklärung sichert formell das rechtliche Gehör, jedoch begründet § 347 keine Pflicht zur Gegenerklärung. Dem Wesen des Rechtsganges (vgl. Art. 103 Abs. 1 GG.) entspricht es, daß sich jeder Verfahrensbeteiligte im Rahmen des § 344 Abs. 2 bis zur Entscheidung durch das RevG. zum eigenen Rechtsmittel und zu dem des Gegners oder eines anderen Beteiligten wiederholt äußern darf. Die Frist des Abs. 1 ist nur eine Ordnungsfrist und hat keine Ausschlußwirkung. Zur Gegenerklärung der StA. s. Nr. 144 RiStV. Die StA. braucht ihre Gegenerklärung, falls sie eine solche abgibt, der Strafkammer nicht vorzulegen, BGHSt. 9 199, jedoch ist dies zweckmäßig, weil bei Verfahrensrügen ergänzende Äußerungen der Gerichtspersonen angebracht sein können. — Die Gegenerklärung bedarf nur der Schriftform. Vgl. § 314 Anm. 2 b. Der Angeklagte darf sie eigenhändig oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des Landgerichts abgeben. — Für das Finanzamt beträgt auch diese Frist einen Monat, § 467 II AbgO., was die Weiterleitung der Akten an das RevG. gemäß § 347 Abs. 2 leider entsprechend verzögert. Nicht rechtzeitig begründete Verfahrensrügen (§§ 344 II, 345) können nicht durch „Gegenerklärung" nachgeschoben werden, auch die Ergänzung solcher Rügen in tatsächlicher Beziehung ist unzulässig, RG. JW. 30 691. Zustellung der Gegenerklärung an den Gegner ist nicht vorgeschrieben. Ihre rechtzeitige Mitteilung an ihn gehört jedoch zum rechtlichen Gehör, sofern sie erhebliche neue Tatsachen oder Beweisergebnisse enthält, BVerfGE. 7 275. Da sie bei beabsichtigter Verwerfung des Rechtsmittels gemäß § 349 nachgewiesen sein muß, empfiehlt sich Zustellung oder Mitteilung gegen Empfangsbestätigung. — Die Abgabe der Gegenerklärung des Angeklagten ist, soweit erforderlich, Sache des Pflichtverteidigers, BayObLGSt. 1952 85, H a m m SJZ. 1950 218. — Die Gegenerklärung kann weitere Prozeßerklarungen enthalten, z. B. das besondere öffentliche Interesse an Strafverfolgung ausdrücken (§ 232 I StGB.), BGHSt. 6 282. Antwort auf die Gegenerklärung ist nicht ausdrucklich vorgesehen, aber bis zur Entscheidung zulässig. Vgl. auch § 299 Anm. 3. 3. Aktenübersendung an das RevG. (Abs. 2). Nach Ablauf der Wochenfrist, im Falle des § 467 II AbgO der Monatsfrist nach Zustellung der Revisionsschrift, oder nach früherem Eingang der Gegenerklärung sind die Akten dem RevG. vorzulegen. Dies geschieht über die StA. des RevGs. Im Rahmen des § 145 GVG. darf diese das Rechtsmittel zurücknehmen. Der Generalbundesanwalt ist nicht Vorgesetzter der Staatsanwalte der Lander und kann daher kein Rechtsmittel zurücknehmen. Er kann die Zurücknahme bei der zustandigen Stelle aber anregen. Die StA. legt die Akten ihrem RevG. vor, der Generalbundesanwalt dem BGH. Vom Zeitpunkt des Eingangs bei dessen Geschäftsstelle an ist die Sache bei dem Revisionsgericht anhängig, sofern die Akten nach ordnungsgemäßem Verfahren gemäß § 347 zwecks Entscheidung vorgelegt werden, BGHSt. 12 218, RGSt. 67 145. Vor diesem Zeitpunkt hat noch das Landgericht die anfallenden Entscheidungen zu treffen, etwa diejenige gemäß § 473 I Satz 2, BGHSt. 12 219. Vgl. K ö l n 1955 396 (Ablehnung der Einstellung gemäß StFG. vor Aktenübersendung durch die
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§348
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 1—4 Strafkammer), D ü s s e l d o r f RdK. 1955 143 (vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis vor Aktenübersendung), BayObLG. JW. 1935 1191 Nr. 6 (Entscheidung über Straffreiheit). — Hält das Landgericht die Revision für zulässig, so darf es über einen Verwerfungsantrag der StA. nicht entscheiden, sondern muß die Akten dem RevG. zuleiten, vgl. § 346 Anm. 1, K a s s e l DRZ. 22 Nr. 360. — Über Aktenverlust s. § 316 Anm. 3. — Zur Übersendung der Akten, Beiakten und Beweisstücke durch die StA. s. Nr. 145—148 RiStV. — Wird ein neues RevG. errichtet, so ist der Zeitpunkt des Akteneingangs bei dem RevG. maßgebend, K ö l n GA. 54 315. — Sobald die Revision bei dem RevG. anhängig geworden ist, ist eine Rücknahmeerklärung dorthin zu richten. Geht sie erst nach Entscheidung ein, so ist sie verspätet. Die Entscheidung bleibt bestehen, BGH. JZ. 1951 791. Dies gilt auch im Falle des § 299, da die Rücknahmeerklärung nicht „eine Frist wahrt" (der Fall BGH. LM. § 299 Nr. 1 betrifft einen Rechtsmittelverzicht). Es gilt ferner, wenn sie bereits vor der Entscheidung bei dem Landgericht eingegangen war, obwohl schon das RevG. zuständig war. War das Landgericht noch zuständig und ist die Zurücknahme nur versehentlich unbeachtet geblieben, so ist die Revisionsentscheidung gegenstandslos, da, als sie erging, kein Rechtsmittel mehr vorlag. — War die Berufung verspätet eingelegt, so hat dies das RevG. auch ohne Verfahrensrüge von Amts wegen zu beachten, KG. J R . 1955 310.
§348 (1) Findet das Gericht, an das die Akten gesandt sind, daB die Verhandlung und Entscheidung über das Rechtsmittel zur Zuständigkeit eines anderen Gerichts gehört, so hat es durch Beschluß seine Unzuständigkeit auszusprechen. (2) Dieser Beschluß, in dem das zuständige Revisionsgericht zu bezeichnen ist, unterliegt keiner Anfechtung und ist für das in ihm bezeichnete Gericht bindend. (3) Die Abgabe der Akten erfolgt durch die Staatsanwaltschaft. Entstehungsgeschichte: I. und II. Entw. — III. Entw. § 309. Frühere Bezeichnung: § 388. Änderungsvorschläge: NE I und II § 399. NE I I I § 334. 1. Sachliche Unzuständigkeit. Über die Revision entscheidet entweder der BGH., das Bayerische Oberste Landesgericht oder ein OLG. (§§ 121, 135 GVG.). Bei Zweifeln über die sachliche Zuständigkeit greift § 348 ein. Er schließt verneinenden Zuständigkeitsstreit zwischen Revisionsgerichten aus, indem er einem auf Abs. 1 gestützten Verweisungsbeschluß bindende Kraft für das in ihm als zuständig bezeichnete RevG. beilegt. Dies hat auch zu gelten, wenn er auf Rechtsirrtum beruht, selbst im Verhältnis eines OLG. zum BGH., RGSt. 35 158, 67 59. Man wird den Beschluß mit Rücksicht auf seinen Zweck auch nicht für rücknehmbar halten können. Vgl. E b S c h m i d t 2. Wird in Wahrheit nur Verletzung von Landesrecht und nur zum Schein auch von Bundesrecht gerügt, so kann der BGH. die Sache an ein OLG. verweisen, RGSt. 40 221, F a l c k DStRZ. 2 522, es sei denn, sie war an ihn verwiesen worden (§ 348 II). Die Vorschrift betrifft nur die Verneinung der Zuständigkeit. Entscheidet ein sachlich unzuständiges RevG., so bleibt es dabei, RGSt. 22 113, a. M. B i n d i n g 246, N a g l e r GS. 65 464, v. K r i e s 708. Ein höheres RevG. kann die Entscheidung des unzuständigen RevGs. nicht beseitigen. Zur sachlichen Unzuständigkeit bei Überschreitung der Strafgewalt s. § 328 Anm. 5 c mit Rspr. und E b S c h m i d t 3. 2. Über die örtliche Zuständigkeit der RevGe. wird keine Meinungsverschiedenheit entstehen können. Örtlich zuständig ist außer dem BGH. und dem BayObLG. stets das OLG., zu dessen Bezirk das Erstgericht gehört. Ist das an sich zuständige OLG. an Ausübung des Richteramtes rechtlich gehindert, so hat der BGH., in Bayern das BayObLG., durch Beschluß gemäß § 15 ein anderes OLG. zu bestimmen. 3. Bindende Kraft der Verweisung. Der Verweisungsbeschluß bindet das in ihm bezeichnete RevG. nur hinsichtlich seiner sachlichen Zuständigkeit. Es darf die Sache nicht zurück- und nicht weiterverweisen. In der rechtlichen Beurteilung ist das nunmehr zuständige RevG. frei und an die rechtliche Beurteilung des Verweisungsbeschlusses nicht gebunden, RGSt. 35157, Rspr. 6 298. 4. Der Verweisungsbeschluß gemäß § 348 darf noch in der Hauptverhandlung ergehen, wenn sich die sachliche Unzuständigkeit erst jetzt herausstellt.
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Vierter Abschnitt. Revision (Jagusch)
§349 Anm. 1 1
§349 (1) Erachtet dag Revisionsgericht die Vorschriften über die Einlegung der Revision oder die über die Anbringung der Revisionsanträge nicht für beobachtet, so kann es das Rechtsmittel durch Beschluß als unzulässig verwerfen. (2) Das gleiche ist der Fall, wenn das Revisionsgericht die Revision einstimmig für offensichtlich unbegründet erachtet. (8) Andernfalls wird über das Rechtsmittel durch Urteil entschieden. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 259. II. Entw. § 265. III. Entw. § 310. Frühere Bezeichnung: § 389. Änderungsvorschläge: NE I, II § 340. NE I I I § 335. Änderungen: G. vom 8. 7. 1922 (RGBl. I 569), Art. IV Nr. 1. — Bekanntmachung vom 22. 3. 1924 (RGBl. I 357). — NotVO. vom 6. 10. 1931 (RGBl. I 537), VI. Teil Kap. I § 6. — VO. vom 13. 12. 1944 (RGBl. S. 339) § 14. — VereinhG. vom 12. 9. 1950 (BGBl. I 455, 629), Art. 3 Nr. 147. Schrifttum: K a h l JW. 19251405, L o b e JW. 19251612, H ä r t u n g DRZ. 1950 219, W i m m e r NJW. 1950 201, L e ß SJZ. 1950 68, S e i b e r t DRZ. 1948 371, J a g u s c h NJW. 1960 73, S a r s t e d t J R . 1960 1, N i e s e JZ. 1957 73, O s t l e r DRiZ. 1957 Gl, B ö r k e r DRiZ. 1957 139. I. Beschlußverwerfung als unzulässig (Abs. 1). Kannbestimmung. Beide Absätze des § 349 enthalten Kannbestimmungen, die zurückhaltend anzuwenden sind. Der Abs. 1, die Beschlußverwerfung (BGHSt. 11155) der Revision durch das RevG. als unzulässig betreffend, entspricht dem Abs.l des § 322 und bezweckt, das RevG. von entbehrlichen Hauptverhandlungen in Fällen zu entlasten, in denen Verwerfung durch die Strafkammer (§ 346 Abs. 1) nicht zulässig ist, jedoch ein anderer unzweifelhafter Fall unzulässiger Revision vorliegt, vgl. BGHSt. 4138,13 293. Der Abs. 2 enthält eine praktisch noch weit wichtigere Entlastungsvorschrift (vgl. das angegebene Schrifttum). Näheres darüber in Anm. II. — Abs. 1 umfaßt zwei Fälle: 1. Vorschriften über die Einlegung der Revision. Näheres hierüber bei den §§ 314, 341 (Einlegungsfrist, Form des Rechtsmittels, zuständiges Gericht). Über Unzulässigkeit der Revision aus anderen als den im § 346 Abs. 1 bezeichneten Gründen hat lediglich das RevG. zu entscheiden, nicht die Strafkammer, BGH. MDR. 1959 507. — Dazu gehören auch die Bestimmungen über die Befugnis, Revision einzulegen, RGSt. 35 26, BayObLG. LZ. 12 943. Vgl. die §§ 296 (Beschuldigter, Staatsanwaltschaft), 297 (Verteidiger), 298 (gesetzlicher Vertreter) und die Vorschriften über die Privat- und Nebenklage, RGSt. 69 245. Revision ist außerdem nur zulässig, wenn das angefochtene Urteil den Revisionsführer beschwert, vgl. § 322 Anm. 3. Revision muß gegen das angefochtene Urteil an sich vorgesehen, also zulässig sein, BGHSt. 13 293. Sie darf nicht gegen den ausdrücklichen Willen des Beschwerdeführers eingelegt worden sein (§ 297). War das Rechtsmittel zurückgenommen worden oder hatte der Befugte darauf wirksam verzichtet, so kann es nicht mehr wirksam eingelegt werden. Vgl. § 302 Anm. 6 und § 322 Anm. 3. — Hat die Strafkammer die Prüfung gemäß § 346 I unterlassen oder sie rechtsirrig vorgenommen, so entscheidet nunmehr das RevG. Ein etwaiger Ausspruch der Strafkammer, das Rechtsmittel sei rechtzeitig eingelegt, bindet das RevG. nicht. Es entscheidet selbständig darüber. — Ist im ordentlichen Verfahren eine Sache eingezogen worden, so kann ein Dritter, der rechtliche Ansprüche auf die Sache zu haben behauptet, nicht selbst Revision einlegen, soweit nicht Sondervorschriften (vgl. RAbgO.) eingreifen; ein solches Rechtsmittel ist unzulässig, RGSt. 66 405, N i e t h a m m e r DRZ. 25 197. Näheres über Rechtsmittelbefugnis bei § 296 Anm. 1. Ist gegen den Angeklagten auf Einstellung erkannt, jedoch das einem anderen gehörige Tatwerkzeug eingezogen, so darf der Angeklagte Revision einlegen, RGSt. 66 421. Das Recht des Nebenklägers auf Anschluß hat das RevG. auch dann selbständig zu prüfen, wenn die Strafkammer ihn bereits zugelassen hatte, RGSt. 69 245, 25 25, BayObLG. LZ. 12 943. Vgl. § 396. Das RevG. hat auch zu prüfen, ob die Berufung zulässig und rechtzeitig war, da davon die Zulässigkeit der Revision abhängt, RGSt. 65 252, HR. 9 Nr. 899, H a m b u r g GA. 69 336. Näheres bei § 336. War die Berufung gemäß § 329 I (Ausbleiben des Angeklagten) verworfen worden und rügt er mit der Revision Verletzung sachlichen Rechts, weil ein Verfahrenshindernis bestehe (Verjährung, Niederschlagung, Verbot der Doppelverfolgung), so ist das Rechtsmittel nicht unzulässig, RG. DRZ. 21 Nr. 211. 85
L S w e - R o s e n b e r g , StPO. 21. Aufl.
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§349
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Aiim. 1 2 , 3; n 1 2. Vorschriften über die Anbringung der Revisionsanträge. Gemeint sind die Revisionsanträge und ihre Begründung ( vgl. § 346 Anm. l c , d). Näheres bei den §§ 344 (Anträge, erforderlicher Inhalt der Begründung) und 345 (Frist und Form der Anträge u n d Begründung). Ist gegen diese Vorschriften verstoßen, so ist Verwerfung durch Beschluß als unzulässig angängig. Das trifft z. B. zu, wenn die Beweiswürdigung nur in tatsächlicher Beziehung beanstandet, aber kein Rechtsverstoß dargetan wird, RGSt. 1 257,40 99, 53 235, 67 198, Rspr. 8 336, J W . 1921 841. Unzulässig ist die Revision auch, soweit sie einen Widerspruch oder Denkfehler der Gründe nur daraus herzuleiten sucht, daß sie die Gründe unrichtig widergibt, BGH. N J W . 1956 1767. Dasselbe gilt, wenn die Sachrüge erhoben wird, nachdem der Angeklagte wegen Zurechnungsunfähigkeit freigesprochen und seine Berufung mangels Beschwer verworfen worden war, S c h l e s w i g SchlHA. 1959 199. 3. Beschluß. Sind die besprochenen rechtlichen Voraussetzungen erfüllt, so kann das RevG. (BGH. oder OLG.) das Rechtsmittel durch Beschluß (BGHSt. 11 155) ohne Hauptverhandlung als unzulässig verwerfen, BGH. N J W . 1961 1684. Einstimmigkeit gehört dazu nicht. Bei dem BGH. wirken fünf Richter mit (§ 139 I GVG.), bei dem OLG. drei Richter (§ 122 GVG.). Findet Hauptverhandlung statt, so ist stets durch Urteil zu entscheiden. Ein Verwerfungsbeschluß kann auch ergehen, wenn die Strafkammer die Revision irrig als rechtzeitig angesehen hatte. Gehen Revision und Rechtsmittelverzicht am selben Tage bei Gericht ein, ohne daß sich die Reihenfolge des Eingangs feststellen läßt, so soll die Revision als unzulässig zu verwerfen sein, BGH. LM. Nr. 2 mit Anm. K r u m m e . Vgl. §§ 319, 302. Bedenken hiergegen bei § 302 Anm. 6c mit weiteren Angaben. Nach Verwerfung als unzulässig ist Wiedereinsetzung gegen Versäumung der Begründungsfrist möglich, falls nur diese versäumt worden war, RGSt. 67 200. Der Verwerfungsbeschluß nach Abs. 1 und 2 ist unanfechtbar, BGH. LM. Nr. 3. Das ergibt § 304 Abs. 4 und die Tatsache, daß eine Entscheidung des RevGs. vorliegt, welches nach dem Verfahrensaufbau endgültig entscheidet. Wird die Revision als unzulässig (Abs. 1) verworfen, so stellt der Beschluß die Rechtskraft nur fest, die bei Versäumung der Einlegungsfrist mit Ablauf dieser Frist, sonst mit Ablauf der Begründungsfrist eingetreten ist. In anderen Fällen schafft er erst Rechtskraft, RGSt. 53 236. Die Rechtskraft des Beschlusses t r i t t ein mit Anordnung der Übergabe an die StA., RGSt. 56 359, also wenn er mit dieser richterlichen Anordnung zur Geschäftsstelle des RevGs. gelangt, nicht erst mit Übergabe. War der Beschluß gemäß Anordnung des Vorsitzenden einem Beteiligten früher eröffnet oder bekanntgegeben worden, so gilt für die Rechtskraft dieser frühere Zeitpunkt, C e l l e JZ. 1955 124, H a m m JZ. 1951 756 (abweichend). Ausführliche Kritik bei N i e s e JZ. 1951 757. Beruht ein gemäß § 349 Abs. 1 ergangener Verwerfungsbeschluß auf unrichtigen tatsächlichen Annahmen des RevGs., so kann es ihn zurücknehmen, RGSt. 59 419, J W . 27 395, BGH. N J W . 1951 771, T ü b i n g e n DRZ. 1948 317, offengelassen BGH. LM. Nr. 3 und BGHSt. 17 94. Die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung gilt dann wieder als gehemmt (§ 343 Abs. 1). Dieser Standpunkt ist vertretbar, weil keine Prüfung der angefochtenen Entscheidung im ganzen stattgefunden hat. Ein Beschluß, durch den die Revision als offensichtlich unbegründet verworfen worden ist (Abs. 2), ist unanfechtbar und kann auch bei Tatsachenirrtum vom RevG. nicht zurückgenommen werden, BGHSt. 17 94, BGH. LM. Nr. 3, T ü b i n g e n DRZ. 1948 317, denn er setzt vollständige Prüfung des angefochtenen Urteils in rechtlicher Beziehung voraus, KG. J W . 1937 1835 Nr. 122. Lit.: S c h m i d t JZ. 196115. II. Beschluß Verwerfung als offensichtlich unbegründet (Abs. 2). Auch diese wichtige Einrichtung ist eine Kannvorschrift. Sie bezweckt Entlastung des RevGs. durch rasche Erledigung offensichtlich aussichtsloser Revisionen. Der Abs. 2 entstammt, ursprünglich auf das RG. beschränkt und im Abs. 1 Satz 2 enthalten, dem Art. IV des Gesetzes vom 8. 7. 1922 (RGBl. I S. 569). Die NotVO. vom 6. 10. 1931 (RGBl. I S. 563) h a t die Einrichtung auch auf die OLGe. ausgedehnt. Sie will vor allem, jedoch nicht hierauf beschränkt, mutwilligen Revisionen und solchen, die nur auf Zeitgewinn ausgehen, entgegenwirken. Die Vorschrift ist mit großer Zurückhaltung unter strenger Beschränkung auf offensichtlich unbegründete Revisionen anzuwenden. Näher J a g u s c h a. a. O. u n d S a r s t e d t a. a. O. Vor Beschlußfassung ist die StA. zu hören. 1. Offensichtlich unbegründet ist die Revision nur, wenn die mitwirkenden Richter nach erschöpfendem Sachvortrag ohne besondere Erörterungen ohne weiteres erkennen, welche Rechtsfragen vorliegen und wie sie zu beantworten sind, W i m m e r a. a. 0 . Die Unbegründetheit
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Vierter Abschnitt. Revision (Jagusch)
§ 349 Anm. II 2, 3
§350 muß dem Blick des sachkundigen Beurteilers, also allen beschließenden Richtern, sofort aufgehen, L o b e a. a. 0 . Eine „für das RevG. sofort erkennbare Unbegründetheit" muß vorliegen, K a h l a. a. 0 . Einen Unterschied zwischen dem RevG. und einem anderen durchschnittlichen sachkundigen Beurteiler zu machen, geht mangels geeigneter Maßstäbe nicht an. Nicht ausgeschlossen ist es jedoch, daß der Stand der Rechtsprechung zu einer entlegenen, seltenen Frage erst festgestellt wird, wenn nur danach keine rechtlichen Zweifel mehr bestehen, W i m m e r a. a. 0 . Muß jedoch auch nur ein Mitglied des beschließenden Senats das Für und Wider erst länger erwägen und Zweifel klären, so besteht keine Offensichtlichkeit. Hält auch nur ein Richter die Entscheidung in einem Punkte für zweifelhaft, so ist Hauptverhandlung geboten. — Der Beschluß muß, anders als bei Abs. 1, einstimmig ergehen. Die Einstimmigkeit muß sich darauf beziehen, daß die Revision unbegründet ist und darauf, daß dies offensichtlich ist. Besonders sorgfältiger Sachvortrag ist geboten, weil keine Hauptverhandlung stattfindet. Die auf Begründung der Revision vielleicht verwendete Mühe oder das Gewicht der Sache ist für sich allein kein brauchbarer Maßstab. Bleibt von einer ursprünglich umfangreichen oder schwierigen Sache im Revisionsverfahren nur ein klar überblickbarer Sachverhalt nebst unzweifelhaft richtig entschiedenen Rechtsfragen übrig, so ist auch hier Beschlußverwerfung zulässig. 2. Beschluß. Die Entscheidung geschieht auch hier durch Beschluß. Vgl. Anm. I 3. Über Besetzung, Unanfechtbarkeit, Rechtskraftwirkung und Unaufhebbarkeit s. Anm. I 3. Eine Gegenerklärung muß dem Gegner so rechtzeitig bekanntgegeben worden sein (Zustellung oder Übersendung gegen Empfangsbestätigung), daß er vor dem Beschluß Gelegenheit zur Äußerung hat. Durch Freibeweis ermittelte Tatsachen, soweit sie das Rechtsmittel berühren, sind den Beteiligten rechtzeitig bekanntzugeben, andernfalls ist das rechtliche Gehör nicht gewährt ( J a g u s c h a. a. 0.). Der Beschluß ergeht auf Grund einer alle rechtlichen Gesichtspunkte erschöpfenden Prüfung des Urteils und Rechtsmittels an Stelle des Revisionsurteils. Seine förmliche und sachliche Rechtskraftwirkung entspricht der eines Urteils, BGH. LM. Nr. 3. — Bei mehreren Rechtsmitteln kann jedes gesondert beschieden werden, jedoch ist § 357 zu beachten. Ist nur ein Teil der Entscheidung angefochten, so kann § 349 II ebenfalls angewendet werden. Über dasselbe Rechtsmittel kann nur einheitlich durch Urteil oder Beschluß entschieden werden. Änderung des angefochtenen Urteils durch Beschluß gemäß Abs. 2 wird nur ausnahmsweise ratsam sein und nur, wenn dadurch ein zu Lasten des Angeklagten bestehender offensichtlicher Fehler beseitigt wird, der den Urteilsbestand im übrigen nicht berühren kann (Wegfall eines verjährten, bisher tateinheitlich angenommenen rechtlichen Gesichtspunktes; Nachholung eines übersehenen Teilfreispruchs). Schuldspruchberichtigung wird nur bei einfacher Sachlage zulässig sein, wenn § 265 beachtet ist und der Strafausspruch nicht berührt werden kann. Kommt ein anderes Strafgesetz in Betracht, so wird durch Urteil zu entscheiden sein, und wohl auch, wenn ein Urteilsteil zwar mitverkündet, aber im schriftlichen Urteil nicht enthalten ist, vgl. RGSt. 61 388. — Weitere Untersuchungshaft, soweit sie drei Monate übersteigt, pflegt der GBH. im allgemeinen auch bei Beschlußverwerfung anzurechnen, BGH. LM. Nr. 1. Weitere Ermessenserwägungen sind hier wegen der Gefahr der Uneinheitlichkeit unangebracht. 3. Einstellung. Wiederaufnahme. Stellt sich vor Rechtskraft des angefochtenen Urteils ein Verfahrenshindernis heraus, so ist das Verfahren nach § 206a einzustellen. Das setzt voraus, daß Revision zulässig war und rechtzeitig eingelegt worden ist. Dadurch ist die Rechtskraft gehemmt (§ 343 I). Zuständig ist die Strafkammer, wenn das weitere Verfahren gemäß § 347 noch nicht stattgefunden hat. Vgl N e u s t a d t GA. 1955 186. Das Fehlen der Verfahrenvoraussetzung ist also auch vor Anbringung der Revisionsbegründung bereits zu beachten. Nach Eingang der Akten bei dem RevG. ist dieses zuständig. Es prüft hier nur Rechtzeitigkeit der Revision und sodann das Verfahrenshindernis, K l e i n k n M 2. Besteht kein verständiger Anhalt für ein Verfahrenshindernis, braucht das RevG. nicht von Amts wegen danach zu forschen. Vgl. § 322 Anm. 3 am Ende. Über Wiederaufnahme bei Schuldspruchänderung B r a u n s c h w e i g HESt. 3 76 (zur alten Fassung des § 349).
§350 (1) Dem Angeklagten und dem Verteidiger sind Ort und Zeit der Hauptverhandlung mitzuteilen. Ist die Mitteilung an den Angeklagten nicht ausfahrbar, so genügt die Benachrichtigung des Verteidigers. 86*
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§350
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Anm. 1—3 (2) Der Angeklagte kann in der Hauptverhandlung erscheinen oder sich durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Verteidiger vertreten lassen. Der Angeklagte, der nicht aui freiem Fuße ist, hat keinen Anspruch auf Anwesenheit. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 260. II. Entw. § 266. III. Entw. §311. Frühere Bezeichnung: § 390. Änderungsvorschläge: NE I, II §§ 341, 342. NE I I I §§ 336, 337. Änderung: 3. StrÄndG. vom 4. 8. 1953, Art. 4 Nr. 38. 1. Hauptverhandlung. Benachrichtigung der Beteiligten. Die Hauptverhandlung im Revisionsverfahren ist als mündliche Verhandlung gestaltet. Die StA., bei dem BGH. der Generalbundesanwalt, muß vertreten sein. Die gesetzliche Regelung bewirkt jedoch starken Einschlag von Schriftlichkeit. Davon ist der Gesetzgeber der StPO. ausdrücklich ausgegangen. Vgl. H a h n , Materialien, Bd. 3 S. 254, 255. Es tritt im Gesetz an mehreren Stellen besonders hervor, neben dem § 350 vor allem in den §§ 346, 349 I, II, sodann in der Stoffbeschränkung durch § 344. Näher J a g u s c h NJW. 1960 75, mit weiteren Angaben. Die unterschiedslose Anwendung sämtlicher Grundsätze der mündlichen Hauptverhandlung erster Instanz auf das Revisionsverfahren wäre rechtspolitisch nicht vertretbar. In zahlreichen Sachen entstände durch notwendige mündliche Verhandlung, womöglich bei notwendiger Anwesenheit des Angeklagten, unendlicher Leerlauf und Zeitvergeudung bei dem RevG. Anderseits muß gewährleistet sein, daß im Rahmen des Rechtsmittels rechtzeitig und ausreichend rechtliches Gehör gewährt wird (Art. 103 I GG.), und daß sich der Verteidiger, der dies wünscht, in der Revisionsverhandlung mündlich äußern kann, es sei denn, das Rechtsmittel ist offensichtlich unbegründet (darüber s. § 349). Vgl. dazu auch E b S c h m i d t 1. Rechtlich notwendig zur Entscheidung ist weder die Anwesenheit des Angeklagten noch die des Verteidigers. Waren beide rechtzeitig benachrichtigt (darüber Anm. 3, 4), so kann auch bei ihrem Ausbleiben entschieden werden. Rechtliche Nachteile wie im § 329 sind mit dem Ausbleiben nicht verbunden. Mit Rücksicht auf diese Rechtslage entzieht das Gesetz dem nicht auf freiem Fuße befindlichen Angeklagten den Anspruch auf Vorführung zur Hauptverhandlung ohne Unterschied, wo und in welcher Sache er in Haft oder untergebracht ist. Er hat keinen Anspruch auf Vertagung der Hauptverhandlung wegen Krankheit oder anderer Hinderungsgründe. Dies gilt auch für den Verteidiger und andere Beteiligte. Der auf freiem Fuß befindliche Angeklagte hat ein Recht auf Erscheinen. Sein Erscheinen kann nicht erzwungen werden. Er darf sich durch einen schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten lassen, wobei der Verteidiger nicht nur als solcher mitwirkt, sondern als Vertreter des Angeklagten im Rechtssinne, vgl. BGHSt. 12 370. 2. Notwendige Verteidigung besteht im Revisionsverfahren nicht, BayObLGSt. 1953 194, K l e i n k n M 2, E b S c h m i d t 5. Der notwendige Verteidiger der Tatsacheninstanz darf jedoch im allgemeinen, sofern er nicht nur für die Hauptverhandlung bestellt worden war, noch die Revision einlegen und begründen. Bei schwieriger Rechtslage kann es sich ausnahmsweise empfehlen, daß das RevG. die Bestellung auf die Revisionsverhandlung erweitert oder für diese einen Verteidiger bestellt. Verpflichtet ist es dazu nicht, weil es den tatsächlichen und rechtlichen Stoff im Rahmen des zulässig eingelegten Rechtsmittels von Amts wegen zu überprüfen hat. Auch in Jugendsachen ist Verteidigung vor dem RevG. nicht notwendig (§ 68 JGG.). Zulässig ist die Verteidigung stets und uneingeschränkt. 3. Benachrichtigung von der Hauptverhandlung. Alle Beteiligten müssen (zwingend) von Ort und Zeit der Hauptverhandlung benachrichtigt werden, auch der verhaftete oder untergebrachte Angeklagte. Da die Mitteilung keine Frist in Lauf setzt, genügt formlose Mitteilung (§ 35 II). Es empfiehlt sich der Hinweis, daß auch bei Nichterscheinen zur Sache entschieden werden kann. Nach herrschender Meinung gelten für die Revisionsverhandlung keine Ladungsfristen (§§ 217, 218), B r a u n s c h w e i g GA. 1955 219, K l e i n k n M 1, E b S c h m i d t 4, RG. HRR. 1931 1401, S c h w a r z 1. Der hierfür angegebene Grund, Vorbereitung auf die Hauptverhandlung sei mit Rücksicht auf die vorangegangene Revisionsbegründung nicht erforderlich, trifft jedoch nicht zu, erstens weil die Sachrüge noch in der Hauptverhandlung näher ausgeführt werden darf, zweitens weil dem Verteidiger, der erscheinen will, ermöglicht werden muß, sich hierauf einzurichten, drittens allgemein in schwierigeren Sachen. Daher ist Nichteinhaltung der Ladungsfrist zwar kein rechtliches Entscheidungshindernis. Rechtliches Gehör muß jedoch stets gewährt
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§ 350 Anm. 4, 5 § 351 Anm. 1
werden, BVerfG. 7 278, 9 267, vor allem, wenn dem Verteidiger Gegenerklärungen, durch Freibeweis ermittelte Tatsachen und Rechtsausführungen anderer Beteiligter mitgeteilt worden sind. In derartigen Fällen ist mit der Entscheidung zumindest zu warten, bis sich derjenige, dem die Mitteilung zugegangen ist, zu neuem Vorbringen oder neuen Verfahrenstatsachen bei unverzüglicher Äußerung erklärt haben kann. Andernfalls setzt sich das RevG. der berechtigten Verfassungsbeschwerde aus. Wird die Hauptverhandlung nicht nur zwecks Urteilsverkündung vertagt, und ist dies nicht in Anwesenheit des Angeklagten, bevollmächtigten Vertreters oder Verteidigers geschehen, so ist die Benachrichtigung zu wiederholen. — Ist der Angeklagte nicht erreichbar (Wegzug, Flucht), so genügt Benachrichtigung des Verteidigers, BayObLGSt. 1952 16. Dieser braucht nicht zustellungsbevollmächtigt zu sein, jedoch muß seine Verteidigervollmacht noch bestehen. Hat der unerreichbare Angeklagte keinen Verteidiger, ist die Mitteilung an der Gerichtstafel anzubringen, BayObLGSt. 1952 126. Auch anderen Beteiligten (Nebenkläger, Einziehungsbeteiligter) ist Mitteilung zu machen. — Wegen Benachrichtigung des gesetzlichen Vertreters s. § 298. Der Angeklagte ist neben dem gesetzlichen Vertreter zu benachrichtigen, denn § 350 wird durch § 298 nur ergänzt. — Ist eine zwingend vorgeschriebene Mitteilung unterlassen worden, so kommt Wiedereinsetzung in Betracht, s. Anm. 4. — Sitzt der Angeklagte in Strafhaft, hat er keinen Wahlverteidiger und ist ihm ein Pflichtverteidiger abgelehnt worden, so muß er über die Ergebnisse von Ermittlungen des RevGs. auch unterrichtet werden, wenn durch Urteil entschieden wird, denn er hat keinen Anspruch auf Anwesenheit in der Verhandlung, BVerfG. 1 BvR 145/68 vom 28. 1. 1960. 4. Wiedereinsetzung. Bei Versäumung der Hauptverhandlung kann nicht gemäß § 235 Wiedereinsetzung beantragt werden, Köln NJW. 1957 74, Schleswig SchlHA. 1950 90, KleinknM 3, E b S c h m i d t 6. Die Hauptverhandlung vor dem RevG. kann ohne den Angeklagten stattfinden, so daß es auf seine Verhinderung nicht ankommt, wie auch Abs. 2 zeigt. Anders liegt es, wenn die vorgeschriebene Mitteilung bei einem Beteiligten unterblieben ist oder nur so stattgefunden hat, daß das rechtliche Gehör nicht gewährleistet war. Hier ist auf Antrag gemäß § 235 Wiedereinsetzung zu gewähren, weil das zwingende Mitteilungserfordernis sonst zur leeren Form würde. Ebenso Celle HESt. 3 79, E b S c h m i d t 7, a. M. KleinknM 3, Schleswig SchlHA. 1950 90. 5. In Jugendsachen gilt nichts Abweichendes, vgl. D allinger-Lackner Anm. 12 zu § 50 JGG. und § 67 JGG. zur Stellung des Erziehungsberechtigten und des gesetzlichen Vertreters.
§351 (1) Die Hauptverhandlung beginnt mit dem Vortrag eines Berichterstatters. (2) Hieraul werden die Staatsanwaltschaft sowie der Angeklagte und sein Verteidiger mit ihren Ausführungen und Anträgen, und zwar der Beschwerdeführer zuerst, gehört. Dem Angeklagten gebührt das letzte Wort. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 261. II. Entw. § 267. III. Entw. § 312. Frühere Bezeichnung: § 391. Änderungsvorschläge: NE I, II § 343. NE III § 338. 1. Revisions-Hauptverhandlung. Zur Eigenart der Hauptverhandlung vor dem Revisionsgericht s. § 350 und J a g u s c h NJW. 1960 73. Die Motive S. 208 (Hahn S. 256) sagen darüber: „Über die Hauptverhandlung selbst bedurfte es nur weniger Bestimmungen. Das Sachverhältnis, soweit es für die Entscheidung in Betracht kommt, sowie die Beschwerdeeründe werden mittels eines von einem der mitwirkenden Richter zu erstattenden Berichts zur Kenntnis des Gerichts gebracht. Hieran schließt sich die Anhörung der Staatsanwaltschaft und des etwa erschienenen Angeklagten oder Verteidigers, wobei der Beschwerdeführer, wenn er anwesend ist, zuerst gehört werden soll. Im übrigen finden die für die Hauptverhandlung erster Instanz geltenden Regeln entsprechende Anwendung, insbesondere auch hinsichtlich der Öffentlichkeit des Verfahrens." Die Frage, welche der für die Hauptverhandlung erster Instanz geltenden Vorschriften im Revisionsverfahren entbehrlich sind, weil ihnen dort nicht derselbe Sinn zukommt, verdient nähere Prüfung im einzelnen.
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§ 351 Anni. 2, 3 § 352 Anm. 1, 2
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
2. Vortrag des Berichterstatters. Der Vorsitzende bestellt rechtzeitig einen Berichterstatter aus dem Kreise der mitwirkenden Richter. Er kann die Berichterstattung selbst übernehmen. Der Vortrag hat alles zu enthalten, was für die Entscheidung des RevGs. tatsächlich und rechtlich von Bedeutung sein k a n n . Als Beratungsgrundlage ist er nicht auf die Ansicht des Berichterstatters beschränkt. Vielmehr muß er allen mitwirkenden Richtern ein vollständiges Bild des Sach- und Streitstandes geben. Er enthält, sofern es darauf ankommt, den Inhalt des angefochtenen Urteils, soweit Revision eingelegt ist. Ist der Umfang des Rechtsmittels zweifelhaft, so hat der Vortragende darauf Rücksicht zu nehmen. Ferner wird das Revisionsvorbringen vorgetragen, soweit es nicht etwa offensichtlich unzulässig ist (bloße Tatsachenangriffe), der Inhalt rechtzeitig erhobener Verfahrensrügen einschließlich der dazu gehörigen Verfahrensvorgänge, auch solcher, die das RevG. durch Freibeweis ermittelt hat, und, soweit erforderlich, die einschlägigen Teile der Sitzungsniederschrift. Kommt es auf Prüfung von Verfahrensvoraussetzungen an, so hat der Vortrag auch hierüber Auskunft zu geben. 3. Ausführungen der Beteiligten. Wie § 326 (s. dort), so enthält auch § 351 eine bloße Ordnungsvorschrift, RGSt. 64 134. Der Beschwerdeführer ist regelmäßig deshalb zuerst zu hören, weil sein Vortrag darüber Auskunft gibt, inwieweit er das Rechtsmittel aufrecht erhält und wodurch er sich besonders beschwert fühlt. Jedoch kann es zweckmäßig sein, daß der Beschwerdeführer vorher die Ansicht der Anklagebehörde kennenlernt, um sie bei seinen Ausführungen zu berücksichtigen. Ob der Angeklagte nur gemäß einer Ordnungsvorschrift oder zwingend das letzte Wort haben muß, ist zweifelhaft. RGSt. 64 134 scheint den § 351 insoweit für zwingend zu halten. Vgl. auch RG. HRR. 1936 1477. Jedoch dürfte dies nicht zutreffen, weil die Anwesenheit des Angeklagten in der Revisionsverhandlung entbehrlich ist (vgl. ( 350 Abs. 2) und weil er zu einem letzten Wort im Sinne der Rechtsrüge aus Rechtsunkenntnis ganz regelmäßig unfähig ist. Wie hier wohl auch E b S c h m i d t 4 . — Ist der Angeklagte nur in der Revisionsverhandlung verhandlungsunfähig, so kann das RevG. trotzdem entscheiden, da es auch bei seinem Ausbleiben entscheiden darf. Vgl. jedoch RG. H R R . 1936 1477.
§ 3 5 2 (1) Der Prüfung des Revisionsgerichts unterliegen nur die gestellten Revisionsanträge und, soweit die Revision auf Mängel des Verfahrens gestützt wird, nur die Tatsachen, die bei Anbringung der Bevisionsanträge bezeichnet worden sind. (2) Eine weitere Begründung der Bevisionsanträge als die im § 344 Abs. 2 vorgeschriebene ist nicht erforderlich und, wenn sie unrichtig ist, unschädlich. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 262. II. Entw. § 268. III. Entw. § 313. Frühere Bezeichnung: § 392. Änderungsvorschläge: NE I, II §§ 344, 305 Abs. 1. NE III § 339. 1. Prüfung durch das BevG. Was das RevG. im einzelnen zu prüfen hat, in welcher Reihenfolge und mit welchen Rechtsfolgen, darüber äußert sich § 352 nur unzulänglich. Teils wiederholt die Vorschrift Regelungen, die bereits anderwärts getroffen sind und daher auch in das Revisionsverfahren hineinwirken (vgl. etwa die §§ 312, 313, 318, 327, 333, 335, 343, 344), teils äußert sie sich über das weitere Vorgehen des RevGs. überhaupt nicht oder sogar unrichtig (Anm. 3 b). Insoweit hat sich daher umfangreiches Richterrecht gebildet. 2. Zulässigkeit des Revisionsverfahrens. a) Insoweit hat bereits eine Vorprüfung gemäß den §§ 346, 349 (s. dort) stattgefunden, die sich jedoch nur auf Frist und Form des Rechtsmittels (§§ 341, 344, 345) erstreckt haben darf, gemäß § 346 durch die Strafkammer, gemäß § 349 durch das RevG. Es bestehen jedoch weitere Voraussetzungen für die Zulässigkeit des Revisionsverfahrens, die das RevG. nunmehr zu prüfen h a t : Vorhandensein eines nicht rechtskräftigen Urteils, gegen welches Revision gesetzlich zulässig ist (§§ 333, 335, JGG. § 55). Fehlt es hieran, so hat das RevG. das Rechtsmittel durch Urteil als unzulässig zu verwerfen (§ 349 Abs. 3), weil eine Verfahrensprüfung mangels Zulässigkeit des Revisionsverfahrens nur bis zu diesem Punkte reichen darf. Aus der Verwerfung ergibt sich entweder, daß das Ersturteil als Nichturteil unwirksam ist (kommt kaum jemals vor, vgl. aber
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Vierter Abschnitt. Revision (Jagusch)
§352 Anm. 3
NJW. 1960 162) oder daß Revision nicht zugelassen ist, wie etwa im Falle des § 312. Die Rechtslage richtet sich dann nach den weiteren einschlägigen Vorschriften. Das RevG. stellt das Verfahren nicht ein. b) Prozeßvoraussetzungen. Sie sind zugleich Voraussetzungen des Revisionsverfahrens und daher auch vom RevG. von Amts wegen (RGSt. 66 173, 67 30, 323, § 337 Anm. C) vorab zu prüfen, BGH. LM. § 358 Nr. 21, MDR. 1958 443. Fehlt eine Verfahrensvoraussetzung und kann dieser Mangel nicht mehr behoben werden (etwa durch nachträgliche Antragstellung, BGHSt. 8 73, oder durch Erklärung der StA. gemäß § 232 StGB., BGHSt. 6 282), so ist das Verfahren einzustellen mit der Wirkung, daß das angefochtene Urteil nicht mehr rechtskräftig werden kann. Vgl. aber Anm. 3b. Mit Recht rechnen K l e i n k n M 4b hierher auch die Prüfung nach den §§ 153 III, 153 c III und 154 II durch das RevG. Liegt nur ein vorübergehendes Verfahrenshindernis vor, so wird das Verfahren vorläufig eingestellt (§ 205), entweder durch das RevG. oder nach Zurückverweisung ohne Aufhebung der tatsächlichen Feststellungen durch das Erstgericht (darüber BGHSt. 8 154 mit weiteren Angaben), K l e i n k n M 4b. — Ist gegen ein Berufungsurteil Revision eingelegt, so prüft das RevG. als Verfahrensvoraussetzung auch, ob Berufung zulässig war und formell zulässigerweise durchgeführt worden ist, BayObLG. VRS. 1953 544, RGSt. 65 250,67 65 (mit weiteren Angaben). Wird durch zulässige und begründete Revision Unzulässigkeit der Berufung geltend gemacht, so hat das RevG. das Berufungsurteil aufzuheben, RGSt. 71 378. Ist wirksam Revision eingelegt, so gehört zu den Voraussetzungen des Revisionsverfahrens auch, daß das Berufungsgericht rechtlich ordnungsgemäß über die angeklagte Tat befunden hat, vor allem, ob die Berufung wirksam beschränkt war. Soweit die Berufung zulässigerweise beschränkt war, ist der übrige Teil der angefochtenen amtsrichterlichen Entscheidung rechtskräftig und nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens, vgl. RGSt. 64 151 mit weiteren Angaben. Hat das Berufungsgericht zu Unrecht Beschränkung der Berufung angenommen und daher über einen Teil des amtsgerichtlichen Urteils nicht selbst entschieden, muß das RevG. zur Nachholung zurückverweisen. Ebenso K l e i n k n M 2. — Zur Prüfung der Verhandlungsfähigkeit BGH. MDR. 1958 142. c) Beispiele: Ob der Tatrichter zu Recht Verjährung angenommen oder nicht angenommen hat, ist auch ohne ausdrückliche Rüge zu prüfen, sofern die Revision formell ordnungsgemäß erhoben ist, O l d e n b u r g NRpfl. 1953 207. Zur Verjährung noch BGHSt. 8 269. — Dies gilt auch für Zulässigkeit der Berufung, BayObLGSt. 1953 89, H a m m JMBNRW. 1954 228, und dafür, ob der Vorentscheidung überhaupt eine gesetzliche Strafdrohung zugrunde liegt, BayObLG. NJW. 1954 611 und St. 1953 263,1954 160. — Hat statt der sachlich zuständigen Jugendkammer die große Strafkammer entschieden, so ist deren Urteil ohne besondere Rüge dieses Verstoßes aufzuheben, BGHSt. 7 26, ebenso wenn statt des sachlich zuständigen Jugendrichters der Amtsrichter entschieden hat, BayObLGSt. 1955 53. — Die Verspätung der Berufung ist von Amts wegen zu beachten, KG. JR. 1955 310 mit Anm. von S a r s t e d t . — Über Verjährung und ähnliche Verfahrenshindernisse BGHSt. 8 269,11 393, N e u s t a d t VRS. 10 132 (Beschränkung auf § 42m StGB.), B r a u n s c h w e i g NJW. 1956 1118,1530 (Kubisch), B r e m e n NJW. 1956 1248 (rechtskräftiger Schuldspruch), Celle NRpfl. 1957 159 (fehlerhafter Eröffnungsbeschluß). Zur Niederschlagung BayObLGSt. 1956 2, RGSt. 74 206, BGH. LM. Nr. 2 zu § 2 StFG. 1954. — Ob bei Berufung des Angeklagten und der StA. über eines der Rechtsmittel gesondert entschieden werden durfte, ist Verfahrensvoraussetzung und daher von Amts wegen zu prüfen, BayObLG. BayJMBl. 1956 121. — Zum Verbot der Doppelbestrafung BGHSt. 9 190, MDR. 1958 566. — Bloße Verfahrensverstöße im Jugendstrafverfahren können nur auf formgerechte Rüge hin geprüft werden, BGH. GA. 1953 83. — BGH. LM. Nr. 4 (bloße Bezugnahme auf frühere Feststellungen). BGHSt. 10 330 (zu § 27 b StGB.). 3. Gegenstand der Prüfung im übrigen. Das RevG. prüft, abgesehen von den Verfahrensvoraussetzungen (Anm. 2), im Rahmen zulässig erhobener Revision das Urteil der Vorinstanz. Über Beschränkbarkeit der Berufung s. ausführlich § 318 und § 327, entsprechend für die Revision s. die §§ 344, 343. Vgl. auch § 406 a mit BGHSt. 3 210. War die Berufung zulässig beschränkt worden, so besteht im übrigen Rechtskraft (§ 316). Dasselbe gilt entsprechend für das Revisionsverfahren (§ 343). Soweit Rechtskraft eingetreten ist, prüft das RevG. das frühere Urteil nicht mehr nach, abgesehen von Verfahrenshindernissen (Anm. 2) und von dem anders liegenden Falle des § 357. Ob ein Urteil so fehlerhaft sein kann, daß es als schlechthin unbeachtlich (nichtig) anzusehen ist, darüber bestehen Zweifel (näher darüber RGSt. 71 378). In aller Regel ist ein
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§352
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Anm. 3 solches Urteil nur durch ein Rechtsmittel zu beseitigen. — Das RevG. untersucht, ob das zur Zeit der Aburteilung durch den Tatrichter geltende Recht richtig angewendet worden ist, RGSt. 55 194, 67 149. Zum sachlichen Recht vgl. hierzu § 2 StGB, und § 354 a, zum Verfahrensrecht s. § 337 Anm. G. a) Die Sachrüge führt, soweit sie nicht zulässigerweise beschränkt ist, zur Prüfung des angefochtenen Urteils in sachlichrechtlicher Beziehung im ganzen. Sie braucht, wenn sie wirksam erhoben ist, nicht näher ausgeführt zu werden. Unrichtige Ausführungen sind unschädlich. Näheres bei § 337 Anm. B. Dort befinden sich auch Ausführungen über den Verstoß gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungsregeln (§ 337 Anm. B II). Darauf wird verwiesen. b) Verfahrensmängel. Zusammentreffen von Verfahrens- und Sachrüge. Über Verfahrensrügen s. § 337 Anm. C, D. Sind Verfahrensmängel ordnungsgemäß (§ 344 II) gerügt (BGHSt. 10 180), bewiesen (darüber ausführlich § 337 Anm. C 1) und beruht das angefochtene Urteil auf ihnen (§§ 337 Anm. E, 338), so hat das RevG. den Fehler zu beheben. Regelmäßig geschieht das durch Aufhebung und Zurückverweisung (vgl. § 353). Über Verfahrensvoraussetzungen s. oben Anm. 2. Sind mehrere Verfahrensrfigen neben der Sachrüge begründeterweise erhoben, so ist die Revision insoweit begründet und der Revisionsführer hat Anspruch auf Entscheidung über sämtliche Rügen, soweit es nicht als ausgeschlossen gelten kann, daß sich der Fehler im weiteren Verfahren wiederholt (§§ 352 I, 353), erst recht dann, wenn die Bedeutung des Verfahrensverstoßes neben derjenigen der Sachrüge zurücktritt. Sie StPO. räumt der begründeten Verfahrensrüge nicht die Wirkung ein, daß sie die Entscheidung über weitere Verfahrens- oder Sachrügen hindert oder erübrigt, auch nicht bei unbedingten Verfahrensverstößen (§ 338). Schon wegen der Bindung des Tatrichters an die Aufhebungsansicht des RevGs. (§ 358 I) wäre das ungerecht und verfahrensunwirtschaftlich. Dem RevG. steht nicht das Recht zu, nur einzelnen begründeten Rügen stattzugeben und andere, ebenso begründete, zu übergehen. Hätte z. B. die begründete Sachrüge zum alsbaldigen Freispruch durch das RevG. zu führen (§ 354 I), so kann der Revisionskläger nicht dadurch schlechter gestellt werden, daß das Erstgericht außerdem auch unrichtig besetzt war oder andere Verfahrensvorschriften verletzt hat, und daß er dies berechtigterweise ebenfalls gerügt hat. Die Sachrüge geht solchenfalls den anderen Rügen vor. Die Gefahr der ungünstigen Beurteilung einzelner Rügen durch das RevG. kann nicht dem Revisionsführer aufgebürdet werden, auch geht es nicht an, daß eine Häufung erstrichterlicher Fehler ihn im Ergebnis ungünstiger stellt, als ein bloßer sachlichrechtlicher Verstoß. Er kann statt bloßer Zurückverweisung wegen des Verfahrensverstoßes sofortige Erledigung der Sachrüge verlangen. Das RevG. hat daher auf sämtliche begründeten Rügen ,soweit die Wiederanwendung der verletzten Vorschrift nicht ausgeschlossen ist und die Feststellungen es gestatten, eine bindende Aufhebungsansicht zu äußern (§ 358 I). Ausführlich zu diesen Fragen J a g u s c h NJW. 1962 1417. Die abweichende Ansicht von K l e i n k n M 4c ist abzulehnen. — Ist eine Verfahrensrüge und zugleich die Sachrüge wirksam erhoben, so ist regelmäßig zuerst die Verfahrensrüge zu prüfen. Ist sie begründet und beruht das angefochtene Urteil auf dem Verstoß, so entzieht dies, soweit der Verstoß reicht, den Tatfeststellungen die Grundlage, so daß die sachliche Rechtsanwendung für sich allein nicht fortbestehen kann. Auch hat das RevG. durch seine Entscheidung zu gewährleisten, daß sich der Verfahrensverstoß künftig nicht wiederholt. Die hinsichtlich der Verfahrensrügen geäußerte Aufhebungsansicht hat für den Tatrichter bindende Wirkung (§ 358 I). Zeigt sich bereits, daß auch das sachliche Recht auf die bisherigen Feststellungen unrichtig angewendet worden war, oder daß der in Betracht kommende Sachverhalt die Anwendung eines Strafgesetzes überhaupt nicht rechtfertigt, so hat das RevG., um das Verfahren ungesäumt zu beenden und Wiederholung auch dieses Fehlers zu vermeiden, auch die Sachrüge mit Wirkung gemäß § 358 I zu bescheiden oder gemäß § 354 I selbst zu entscheiden. Ein beachtliches Interesse, anders zu verfahren, besteht nirgends. Ebenso R o e s e n NJW. 1960 1096. — Entschieden ist über eine Rüge auch, wenn sie neben anderen begründeten Rügen nur in der Weise behandelt wird, daß sie ebenfalls begründet sei und zur Aufhebung führe, ohne daß dies im einzelnen ausgeführt ist, solange aus dem Zusammenhang mit der Revisionsbegründung oder einer festen Rechtsprechung des RevGs. der Aufhebungsgrund ersichtlich ist. Über den Beweis der Verfahrensmängel näher § 337 Anm. C 1 und § 344 Anm. 3. Eigene Feststellungen tatsächlicher Art darf das RevG. nur zur Ermittlung von Verfahrensverstößen treffen, BGH. GA. 1955 269. Über Erfahrungssätze darf Freibeweis erhoben werden, B r a u n s c h w e i g NJW. 1955 1201. Vgl. noch BGHSt. 7 385 (zu § 18 StFG. 54), BGH. MDR. 1956 398
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§ 352 Anm. 4 § 353 Anm. 1 1 , 2
(zur Sitzungsniederschrift über Zeugenbeeidigung), BayObLG. JZ. 1956 770 (nachträgliche Berichtigung der Sitzungsniederschrift), BGHSt. 8 226 (Ermessen des RevGs. bei Prüfung von Beweisbeschlüssen), BGH. LM. § 67 GVG. Nr. 4 (Rechtsbegriff der Verhinderung). Zur Rechtsmittelbeschränkung s. die §§ 318, 327, 343, 344. 4. Abstimmung. Im RevG. wird nicht über die Schuld- und Straffrage je im ganzen abgestimmt, sondern über die einzelnen Rechtsfragen in sachlich gebotener Reihenfolge, also über Zulässigkeit der Revision, ihren Umfang, über Zulässigkeit des Verfahrens überhaupt (Prozeßvoraussetzungen), über die einzelnen Verfahrensrügen (vgl. jedoch Anm. 3), über die Rechtsfragen zur Sachrüge und über diejenigen zur Straffolge und zu den übrigen Maßnahmen ( B e l i n g 428, v. K r i e s 451, K e r n ZStW. 41 295). Insoweit ist § 263 daher nicht anzuwenden, so daß einlache Mehrheit entscheidet. Soweit das RevG. jedoch gemäß § 354 Abs. 1 zur Sache selbst entscheidet, ist wie bei dem Tatrichter für jede dem Angeklagten nachteilige Entscheidung zur Schuldfrage, zur Strafe oder zur Anordnung einer Maßregel der Sicherung oder Besserung eine Mehrheit von zwei Dritteln der Stimmen erforderlich, also vier Stimmen, ausgenommen die Strafaussetzung zur Bewährung (§ 263), K l e i n k n M 6, E b S c h m i d t 8.
§353 (1) Soweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Gleichzeitig sind die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben, sofern sie dureh die Gesetzesverletzung betroffen werden, wegen deren das Urfeil aufgehoben wird. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 264. II. Entw. § 270. III. Entw. § 315. Frühere Bezeichnung: § 393. Änderungsvorschläge: NE I, II § 345. NE III § 340. Schrifttum: W i m m e r , Die ändernde Sachentscheidung des RevGs. in Strafsachen, MDR. 1948 69. H ü l l e , Das RevUrteil in Strafsachen, JZ. 1951 170. J a g u s c h , Zum Zusammentreffen mehrerer Revisionsrügen, NJW. 1962 1417. I. Entscheidung des RevGs. durch Urteil in sachlicher Beziehung. Mit der sachlichen Entscheidung des RevGs. befassen sich die §§ 353 bis 355. Abgesehen von Erstreckung gemäß § 357 reicht die Prüfung des angefochtenen Urteils durch das RevG. nur so weit, wie nicht bereits Rechtskraft eingetreten ist. Darüber § 343. Rechtskraft ist eingetreten, soweit in bezug auf einen rechtlich abtrennbaren Teil der angefochtenen Entscheidung (vgl. die §§ 318, 327, 344) auf Revision verzichtet oder kein zulässiges Rechtsmittel rechtzeitig und formgerecht eingelegt worden ist. Das RevG. entscheidet nur noch über denjenigen Teil, auf den sich die rechtzeitig eingelegte Revision zulässigerweise bezieht. Das RevG. kann je nach Sachlage erkennen 1. a) auf Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses, das sich nicht beheben läßt (§ 260 I). Sobald ein solches Hindernis feststeht, darf das Verfahren nicht fortgesetzt werden. Das RevG. hat es einzustellen, BGHSt. 15 203, Celle GA. 1958 217 mit weit. Angaben. Steht das Hindernis nicht gewiß fest, so darf das RevG. die nötigen Ermittlungen anstellen und hat dann demgemäß zu erkennen. Sind die Ermittlungen umfangreich, so wird es unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung auch zurückverweisen dürfen (a. M. K l e i n k n M l b ) . b) Fällt das Verfahrenshindernis in absehbarer Zeit weg oder kann es jedenfalls rechtlich noch beseitigt oder eine erforderliche Prozeßvoraussetzung noch geschaffen werden, so darf das RevG. das Verfahren vorläufig einstellen. Es darf die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils jedoch auch bis zur Klärung hierüber zurückverweisen, BGHSt. 8 154 mit weiteren Angaben, vgl. auch BGHSt. 8 133. c) §§ 153 III, 154 II. Auch bei Geringfügigkeit oder unwesentlichen Nebentaten darf das RevG. nach Maßgabe der genannten Vorschriften das Verfahren einstellen. 2. auf Verwerfung der Revision durch Urteil, soweit das Rechtsmittel nicht bereits durch Beschluß als unzulässig (§§ 346, 349 I) oder als offensichtlich unbegründet (§ 349 II) verworfen worden ist. Auch durch Urteil kann die Revision als unzulässig oder unbegründet verworfen werden, einzelne Teile des Rechtsmittels auch nach mehreren dieser rechtlichen Gesichtspunkte
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§353
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Anm. 1 3 nebeneinander. Ebenso kann die Revision, wenn sie im übrigen Erfolg hat, teilweise als unzulässig oder unbegründet verworfen werden. — Weitere Untersuchungshaft pflegt der BGH. bei Verwerfung durch Urteil oder Beschluß anzurechnen, soweit sie drei Monate übersteigt. War das Rechtsmittel ersichtlich leichtfertig eingelegt worden, so ist weitere Anrechnung nicht angezeigt.— Lediglich äußere Mängel der Urteilsformel können auch bei Verwerfung berichtigt werden, RG. GA. 55 331, jedoch darf dies keine sachliche Änderung der angefochtenen Entscheidung bewirken. Ein solcher Mangel kann darin liegen, daß die sachlich richtige Urteilsformel unklar oder unvollständig ist, RGSt. 54 203, 290. Vgl. BGHSt. 3 245, 5 5, OGHSt. 3 93. Ist es sachlich geboten, so darf das RevG. auch Teile des Schuldspruchs oder des Strafausspruchs streichen, soweit dies den Verurteilten nicht beschwert, und das Rechtsmittel im übrigen verwerfen. 3. auf Aufhebung und Zurückverweisung, soweit die Revision begründet und keine andere Entscheidung, etwa auf Einstellung oder Freispruch, geboten ist. Zur Sachentscheidung durch das RevG. s. § 354. Inwieweit auch die „tatsächlichen Feststellungen" des Erstrichters oder Berufungsgerichts aufzuheben sind, ist eine weitere Frage (darüber Anm. II). Hier ist zunächst nur von Aufhebung des Schuldspruchs und (oder) des Strafausspruchs die Rede. Soweit Rechtskraft besteht, scheidet Aufhebung aus, abgesehen von dem Sonderfall des § 357 (Anm. I). Im übrigen wird auf Aufhebung und Zurückverweisung erkannt, soweit das (rechtlich teilbare) Rechtsmittel begründet ist und das RevG. nicht selbst zur Sache entscheidet. Daher kommt auch teilweise Aufhebung in Betracht mit der Folge, daß im übrigen Rechtskraft eintritt, alles dies jedoch nur im Rahmen der rechtlichen Beschränkbarkeit (Anm. I). — Betrifft dieselbe strafbare Handlung (Anstiftung) mehrere Personen, so kann nicht teilweise auf Verurteilung und auf Freispruch erkannt werden (BGH. 1 StR 384/55 v. 2.11.1955). — Erweisen sich Teile einer fortgesetzten Handlung, die Gegenstand des Schuldspruchs ist, als nicht strafbar, so genügt es, wenn die Gründe des Revisionsurteils dies aussprechen und im einzelnen feststellen. Bleibt eine Fortsetzungstat übrig, so kann der Schuldspruch formell bestehen bleiben und ebenso der Strafausspruch, sofern es ausgeschlossen ist, daß der Wegfall einzelner Teile die Strafhöhe beeinflußt haben kann, etwa weil nur geringfügige Handlungen wegfallen. Andernfalls ist der Strafausspruch aufzuheben, der Schuldspruch dann, wenn der Wegfall von Einzelhandlungen den Gesamtvorsatz berühren kann. Vgl. dazu K l e i n k n M 4. — Ist zu Unrecht auf eine leichtere statt einer schweren Teilnahmeform erkannt, ist statt eines engeren, strengeren Tatbestandes ein weiterer und milderer angewandt worden oder ist statt Tatmehrheit Tateinheit angenommen worden, so k a n n , falls nur der Angeklagte Revision eingelegt hat, der Schuldspruch unverändert bleiben, falls die Nichtänderung ihn nicht beschwert, BGHSt. 8 37. Vgl. jedoch J a g u s c h NJW. 1962 1417. — Aufhebung des Strafausspruchs erfaßt auch die Anrechnung der Untersuchungshaft, RGSt. 66 351, jedoch im allgemeinen nicht umgekehrt, BGHSt. 7 214. — Ist bei Tatmehrheit nach dem JGG. auf Einheitsstrafe erkannt, so ist der Schuldspruch nach allgemeinen Grundsätzen teilbar und Teilaufhebung daher zulässig, BGH. GA. 1953 83. — Hat nur der Angeklagte das Urteil angefochten und ist er durch einen aufgedeckten Rechtsfehler nicht beschwert, so wird das RevG. im allgemeinen keine Aufhebung hierauf gründen, jedoch kann es rechtlich auch anders verfahren, denn § 358 II hindert nur Strafverschlechterung, nicht Änderung des Schuldspruchs zum Nachteil des Angeklagten. Auch muß der Zugriff auf den vollständigen Sachverhalt zwecks sachgerechter Strafzumessungsgründe erhalten bleiben. — Bei Unteilbarkeit ist es ohne Bedeutung, daß der Angeklagte den Schuldspruch nur beanstandet, soweit er ihm ungünstig ist. Eine zulässige Beschränkung der Revision im Sinne der §§ 343, 344, 352 liegt darin nicht. Die Revision kann sich in solchen Fällen nur gegen den gesamten Schuldspruch richten und die Sachprüfung (§ 352) also nicht einschränken, RGSt. 38 318, 41 189, RG. Rspr. 8 19, GA. 42 408. — Hat das Berufungsgericht die Berufung irrig als beschränkbar und beschränkt angesehen, so ist auf Sachrüge hin das Urteil im ganzen aufzuheben, RGSt. 60 109, RG. JW. 1929 264 Nr. 24. Vgl. § 318. a) Sind wegen derselben Tat mehrere Strafen nebeneinander verhängt, so k a n n ein Rechtsverstoß, der nur eine der Strafen betrifft, zur Aufhebung des gesamten Strafausspruchs führen, sofern er auch die Festsetzung der übrigen Strafen beeinflußt haben kann, RG. Rspr. 5 663, RG. HR. 3 Nr. 667, ständige Rspr. — Ist bei Tatmehrheit Einheitsstrafe nach JGG. verhängt, so ist der Schuldspruch nach allgemeinen Grundsätzen teilbar, BGH. GA. 1953 83. — Ist bei Tatmehrheit auf Gesamtstrafe erkannt und nur eine der Verurteilungen fehlerhaft, so bleiben die übrigen Einzelstrafen bindend bestehen (§ 354 II), es sei denn, die aufgehobene Verurteilung kann
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§353 Amn.ni, 2
auch sie beeinflußt haben, so daß sie ebenfalls fehlerhaft sein können (§ 337). Vgl. BGHSt. 3 280 (Zurückverweisung nur zur Bildung der Gesamtstrafe), BGHSt. 7 215 (Anrechnung der Untersuchungshaft). Die Beurteilung richtet sich nach Lage des Falles. Im Zweifel, vor allem wenn die aufgehobene Verurteilung ins Gewicht fällt, wird der gesamte Strafausspruch aufzuheben sein. — Vgl. RGSt. 25 297, 85 65. Aufhebung wegen eines Rechtsverstoßes darf nicht deshalb unterbleiben, weil anzunehmen ist, daß die neue Verhandlung dasselbe Ergebnis haben werde, OGHSt. 1 152. Ist eine Schuldspruchänderung jedoch geringfügig und sachlich bedeutungslos, so kann es gerechtfertigt sein, den Strafausspruch bestehen zu lassen, OGH. NJW. 1949 354, vor allem, wenn die Strafe in der Nähe der unteren Strafgrenze liegt, wenn die Änderung neben dem übrigen Teil des Schuldspruchs geringfügig ist, oder wenn die Urteilsgründe ohne Rechtsverstoß ausweisen, daß der Tatrichter auch ohne den Verstoß keine andere Strafe verhängt hätte. b) Bei der Sachrüge ist Aufhebung des Schuldspruchs geboten, wenn sich herausstellt, daß er unteilbar ist und in keinem Bestandteil dem sachlichen Recht entspricht. Trifft dies nur für einen Bestandteil zu und steht Nichtanwendbarkeit dieser Vorschrift bereits fest, so kann das RevG. sie aus dem Schuldspruch streichen und sich nötigenfalls auf Aufhebung des Strafausspruchs beschränken, falls und soweit diese geboten ist. Ist der Schuldspruch teilbar und nur teilweise unrichtig, so gilt Entsprechendes. c) Bei begründeter Verfahrensrüge ist der Schuld- und (oder) Strafausspruch aufzuheben, soweit die Wirkung des Verfahrensfehlers bei der Ermittlung der Tatfeststellungen oder der Zumessungsgrundlagen gereicht haben kann. Das ist nach Lage des Einzelfalles zu prüfen. Sind z. B. nur bei Urteilsverkündung die Vorschriften über die Öffentlichkeit verletzt worden, so trifft dies nicht zu, RGSt. 55 103. Vgl. Anm. II. Über das Zusammentreffen von begründeten Verfahrens* und Sachrügen s. § 352 Anm. 3b und J a g u s c h NJW. 1962 1417. II. Aufhebung von Urteilsfeststellungen. 1. Vgl. S e i b e r t NJW. 1958 1076. Jeder Freispruch und jede Verurteilung gründet sich auf Feststellungen tatsächlicher Art zum Tatvorwurf und zur Strafbemessung. Diese Feststellungen werden gemäß richterlicher Überzeugung von ihrer Wahrheit aus der Masse sämtlicher Wahrnehmungen in der Hauptverhandlung als Beweisergebnisse unter den rechtlichen Gesichtspunkten der Tatbestandsmerkmale und der Strafzumessung justizförmig ausgewählt. Wird der Angeklagte verurteilt, so müssen die Urteilsgründe die für erwiesen erachteten Tatsachen und sie sollen auch die weiteren Beweistatsachen angeben (§ 267). Betrifft eine vom RevG. ermittelte Gesetzesverletzung diese Tatsachen oder, wie meist, zumindest einige von ihnen, so sind die betroffenen zusammenhängenden Feststellungen aufzuheben, damit der künftige Tatrichter insoweit gemäß § 261 wieder freie Hand hat. Im Zweifel sind sämtliche Feststellungen aufzuheben. Teilweise Aufhebung ist nur zulässig, soweit sich die nicht betroffenen Tatsachengruppen einwandfrei sondern lassen. Die Feststellungen können bestehen bleiben, wenn der Hergang ersichtlich vollständig verfahrensrechtlich einwandfrei aufgeklärt und festgestellt worden und nur die rechtliche Beurteilung unrichtig ist. — Betrifft der Rechtsfehler weder einen Verfahrensverstoß noch liegt er in unrichtiger Anwendung sachlichen Rechts, so bleiben die Feststellungen bindend bestehen, BGHSt. 4 290 (StraffreihG.) mit weiterer Rspr. — Hebt das RevG. das Urteil nur wegen mangelnder Prüfung der Zurechnungsfähigkeit auf, so kann es die Feststellungen zum äußeren Hergang aufrechterhalten, BGHSt. 14 31 mit eingehenden Ausführungen hierüber. Vgl. noch BGHSt. 9105 (Aufrechterhaltung der Feststellungen zur Tat und Verantwortlichkeit).— Meist ist die zutreffende rechtliche Beurteilung mit den Tatfeststellungen so eng verknüpft, daß ein Rechtsfehler auch zur Aufhebung der Feststellungen zwingt. Vgl. BayObLG. NJW. 1961 742, anderseits aber BGHSt. 14 299 und § 354 Anm. 7. Vor allem bei unvollständigen Feststellungen oder nicht erschöpfender rechtlicher Beurteilung wird in der künftigen Hauptverhandlung die Notwendigkeit ergänzender Änderungen hervortreten, für die das RevG. Raum schaffen muß. — Bleiben Feststellungen insgesamt bestehen, so darf der künftige Tatrichter keine weiteren, dazu in Widerspruch tretenden treffen, BGH. LM. § 354 II Nr. 1. Unter Umständen kommen aber Ergänzungen in Betracht (BGHSt. 10 333: Prüfung nach § 27b StGB.). Auch bei ihnen sind Widersprüche zu den bindenden Feststellungen unzulässig. 2. Bei Verfahrengverstößen ist maßgebend, ob und inwieweit die Tatfeststellungen auf dem Verstoß beruhen können. Ist nur das Urteil versehentlich nicht öffentlich verkündet worden (§ 338 Nr. 6), so trifft dies an sich nicht zu. Demgemäß hat RGSt. 55 103 zwar zurückverwiesen,
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§ 353 Anm. IL 3—5; III §354
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den Wahrspruch der Geschworenen jedoch bestehen lassen. Es fragt sich, ob das künftige Gericht dann darauf beschränkt bleibt, die Urteilsverkündung fehlerfrei nachzuholen, oder ob es auf unveränderter, durch das frühere Urteil ausgewiesener Tatsachengrundlage über Schuld und Strafe neu zu befinden hat. § 229 ist in solchen Fällen nicht anwendbar. — Werden Feststellungen aufgehoben, so ist auch der Schuld- oder Strafausspruch aufzuheben, soweit er auf ihnen beruht. Über das Zusammentreffen begründeter Verfahrens- und Sachrügen s. § 352 Anm. 3 b und J a g u s c h NJW. 1962 1417. 3. Soweit Feststellungen aufzuheben sind, geschieht dies von Amts wegen unabhängig von Anträgen der Beteiligten, RG. I 966/15 vom 13. 12. 1915, BayObLG. ZStW. 46 148. — Spricht sich das Revisionsurteil über Aufhebung von Feststellungen nicht ausdrücklich aus, so wird es gemäß den angegebenen Grundsätzen auszulegen sein. Ausdrücklich angeordnete oder unterlassene Aufhebung ist jedoch bindend. 4. Bei derselben Tat desselben Angeklagten ist Teilaufhebung nur bei rechtlicher Teilbarkeit (§ 318) zulässig, im übrigen kann über Schuld und Strafe stets nur einheitlich entschieden werden, RGSt. 1 81, 2 289, 4 190,16 100, BayObLG. JW. 46 730. Das gilt auch für die Tatfeststellungen, selbst wenn der Erstrichter die Tat nach verschiedenen Strafgesetzen geprüft und teils verneinende, teils bejahende Feststellungen getroffen hat. Ist z. B. Meineid geprüft, jedoch nur wegen fahrlässigen Falscheides verurteilt worden, aber unter unrichtiger Anwendung des § 163, so sind sämtliche Tatfeststellungen aufzuheben. In der neuen Hauptverhandlung ist auch Meineid wieder zu prüfen. 5. Zur Selbständigkeit des Strafausspruches s. § 318. Wird der Strafausspruch aufgehoben, so pflegt der BGH. auch die dazu gehörigen Feststellungen nach den oben angegebenen allgemeinen Grundsätzen mit aufzuheben. Durch die Aufhebung und etwa notwendige Ergänzung darf auch hier kein Widerspruch zu fortbestehenden Tatfeststellungen eintreten. In geeigneten Fällen werden auch hier die Feststellungen bestehen bleiben können. Sie dürfen dann nur widerspruchsfrei ergänzt werden und binden im übrigen. Die gedankliche Trennung der Zumessungstatsachen von den eigentlichen Schuldfeststellungen ist meist durchaus möglich, zumal da Tatbestandsmerkmale nicht straferhöhend verwendet werden dürfen. Es handelt sich stets um Umstände, welche nicht die Tatbestandserfüllung nachweisen, sondern sie besonders beleuchten. Die gegenteilige Ansicht K ö l n NJW. 1953 356 und JMBNRW. 1954 27, die von K l e i n k n M 5b gebilligt wird, dürfte dem Gesetz nicht entsprechen. Praktisch dürfte der Frage keine entscheidende Bedeutung zukommen. III. Mehrere Revisionen. Haben mehrere Beteiligte das Urteil angefochten, so hat das RevG. jedes Rechtsmittel so zu prüfen und zu bescheiden, als ob es das einzige wäre, und zwar nach den allgemeinen Grundsätzen. Vgl. Anm. I und sinngemäß § 328 Anm. 2. Jedes der Rechtsmittel kann (vorab) als unzulässig verworfen werden, als unbegründet verworfen werden, Teilerfolg oder vollen Erfolg haben.
§354 (1) Erfolgt die Aufhebung des Urteils nur wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf die dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen, so hat das Revisionsgericht in der Sache selbst zu entscheiden, sofern ohne weitere tatsächliche Erörterungen nur auf Freisprechung oder auf Einstellung oder auf eine absolut bestimmte Strafe zu erkennen ist, oder das Revisionsgericht in Übereinstimmung mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft die gesetzlich niedrigste Strafe oder das Absehen von Strafe für angemessen erachtet. (2) In anderen Fällen ist die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Gericht, dessen Urteil aufgehoben wird, zurückzuverweisen. Die Sache kann auch an ein zu demselben Land gehörendes benachbartes Gericht gleicher Ordnung oder, wenn dies nicht möglich ist, an eine andere Kammer des Gerichts, dessen Urteil aufgehoben wird, zurückverwiesen werden. (3) Die Zurückverweisung kann an ein Gericht niederer Ordnung erfolgen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zu dessen Zuständigkeit gehört. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 265. II. Entw. § 271. III. Entw. § 316. Frühere Bezeichnung: § 394.
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Vierter Abschnitt. Revision (Jagusch)
§354 Anm. 1 1 — 1
Änderungsvorschläge: NE I, II § 346. NE III § 341. Änderungen: Bekanntm. vom 22. 3.1924 (RGBl. I 357). VereinhG. vom 12. 9.1950 (BGBl. I 455, 629), Art. 3 Nr. 148. G. vom 30. 8. 1951 (BGBl. I 739), Art. 4 Nr. 4. Übergangs vorschritt: VereinhG. vom 12. 9. 1950, Art. 8 Nr. 118. Schrifttum: S. § 353. I. Sachentscheidung durch das BevG. (Abs. 1). 1. Die Vorschrift des Abs. 1 sieht regelwidrig aus Gründen der Verfahrenswirtschaftlichkeit unter engen Voraussetzungen die eigene Sachentscheidung durch das RevG. vor, die dann tatrichterlicher Art ist. Die Praxis hat weitere Fälle entsprechender Anwendbarkeit des Grundgedankens des Abs. 1 entwickelt (Anm. I 7). Eigene Tatfeststellungen sind dem RevG. auch hier versagt. Es ist an die Feststellungen des angefochtenen Urteils gebunden und darf sie weder ändern noch ergänzen, auch nicht anhand der Akten. Notwendige Voraussetzung eigener revisionsgerichtlicher Sachentscheidung ist daher, daß die tatrichterlichen Feststellungen bestehen bleiben können (s. § 353), so daß das RevG. nur über ihre rechtliche Beurteilung oder über andere rechtliche Folgen entscheidet. Ausführlich dazu J a g u s c h NJW. 19621417. Zweite Voraussetzung revisionsgerichtlicher Sachentscheidung ist, daß die Vorentscheidung sachlichrechtlich mangelhaft ist. Denn ist ein Verfahrensmangel der Aufhebungsgrund, so ist bei Beschwer und Beruhen regelmäßig Aufhebung und Zurückverweisung auch hinsichtlich der Feststellungen geboten. Das Verfahren muß vor dem Tatrichter erneuert werden. Der eigenen Sachentscheidung des RevGs. würde die Tatsachengrundlage fehlen. Vgl. § 353 Anm. II. 2. Die „dem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen" sind die darin verfahrensrechtlich einwandfrei nachgewiesenen Tatsachen. Die gelegentlich noch vorkommenden überflüssigen „Schlußfeststellungen", ein unbrauchbares Gemisch von Tatsachenzusammenfassung und rechtlicher Beurteilung, sind dafür wegen ihrer Unbestimmtheit regelmäßig bedeutungslos. Das RevG. prüft, ob die festgestellten Tatsachen das angewendete Strafgesetz erfüllen. Sind die Feststellungen, an diesem Tatbestand gemessen, unvollständig, lückenhaft, widersprüchlich oder dunkel, so ist zurückzuverweisen, damit sie zur brauchbaren Beurteilungsgrundlage vervollständigt werden. In diesem Falle ist nicht die Rechtsanwendung mangelhaft (sie kann es zwar auch sein), sondern die Feststellungen selbst. 3. Freispruch. Enthalten die Feststellungen mit Gewißheit alles Erreichbare zum einschlägigen äußeren und inneren Tatbestand, erfüllen sie jedoch den Tatbestand nicht völlig und scheidet nach Sachlage die Anwendung anderer Strafgesetze aus, so ist Aufhebung und Freispruch geboten, BGH. NJW. 1962 1452, J a g u s c h NJW. 1962 1417, RGSt. 13 8, ebenso wenn die Voraussetzungen eines Rechtfertigungs-, Entschuldigungs- oder persönlichen Strafausschließungsgrundes feststehen. Vgl. J a g u s c h NJW. 1962 1417 und BGHSt. 12 306 (Rücktritt gemäß § 49a III StGB.). Unter den angegebenen Voraussetzungen darf das RevG. auch auf Teilfreispruch erkennen. War auf eine überhaupt oder vorliegendenfalls unzulässige Nebenstrafe erkannt worden, so wird sie vom RevG. gestrichen, sofern sie den übrigen Strafausspruch mit Sicherheit nicht beeinflußt hat. Andernfalls ist der gesamte Strafausspruch aufzuheben und insoweit zurückzuverweisen, BGH. NJW. 1951 206. Vgl. § 353 Anm. I 3. Zur Kostenentscheidung RGSt. 10 210, BayObLGSt. 12 8, 51. — Spricht das RevG. frei, so verbleibt die Entscheidung über Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft doch dem letzten Tatrichter, BGHSt. 4 300. Sind keine besonderen Erhebungen notwendig, so kann das RevG. über den Ersatz der notwendigen Auslagen des Freigesprochenen entscheiden, BayObLG. Rpfleger 1956 2. 4. Ginstellung. Darunter sind alle Fälle zu verstehen, in denen weder auf Verurteilung noch auf Freispruch zu erkennen ist, vor allem bei Unzulässigkeit der Strafverfolgung, RGSt. 36 66, 41 156,167, 46 217, KG. GA. 63 338. Vgl. BGHSt. 8 269 (Verjährung, wenn nur andere Urteilsteile angefochten sind, die Gesamtstrafe aber die verjährte Tat mit ihnen verbindet), 8 151 (keine Einstellung, sondern Zurückverweisung bei dem behebbaren Verfahrenshindernis des § 164 Abs. 6 StGB.), 9 262 (Einstellung mangels Strafantrages gemäß § 122b Abs. 3 StGB.), 10 400 (Einstellung wegen verstrichener Strafantragsfrist). — Hat der Tatrichter die Rechtskraft des Strafbefehls verkannt, so ist sein Urteil aufzuheben und das weitere Verfahren einzustellen, D r e s d e n JW. 1929 2773 Nr. 33, 1930 772 Nr. 18.
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Anm. I 5—7 5. Absolut bestimmte Strafe ist eine solche ohne Ermessensspielraum. Vgl die §§ 401, 414 AbgO., 134,135 VerZollG., RGSt. 66 434, zur Einziehung RGSt. 20 218, 53 248, JW. 1928 1609, KG. J W . 1927 927, § 86 Abs. 3 StGB. Auch Nebenstrafen oder sichernde Maßnahmen können absolut bestimmt sein, etwa im § 161. Ist ein solcher Ausspruch, obwohl erforderlich, unterblieben, so hat das RevG. ihn nachzuholen, wenn nicht das Verschechterungsverbot entgegensteht. Vgl. BGH. LM. Nr. 2 (Urteil erkennt nur auf Unterbringung in Trinkerheilanstalt, anstatt wahlweise in Entziehungsanstalt). Für das RevG. liegt absolut bestimmte Strafe auch vor, wenn die Verfahrenslage jedes Ermessen über Art und Höhe der Strafe in der Revisionsinstanz ausschließt (Beispiele: nach Aufhebung einer Gesamtstrafe bleibt nur eine rechtskräftige Einzelstrafe übrig; Schuld- und Straffrage sind einwandfrei geprüft und beantwortet, irrig ist jedoch Straffreiheit angenommen worden, RG. I I I 628/36 v. 11. 5. 1937; die in den Gründen richtig festgesetzte Gesamtstrafe fehlt in der Urteilsformel, BGH. LM. Nr. 3, Tatrichter hat Höchststrafe überschritten, B r e m e n NJW. 1962 1217). — Kann die Bemessung anderer Unrechtsfolgen von dem Rechtsfehler beeinflußt worden sein, so ist Zurückverweisung im ganzen geboten, vgl. § 353 Anm. I 3 a. Das gilt stets, wenn es noch auf richterliches Ermessen ankommt, etwa bei Prüfung der Rückgabe beschlagnahmter Sachen, BayObLGSt. 20 451. — Bei irriger Anwendung des § 27 b StGB, kann das RevG. die festgestellte verwirkte Freiheitsstrafe an die Stelle der Geldstrafe setzen, RG. JW. 1929 265 Nr. 26. — Bleiben Schuldspruch und Gesamtstrafe bestehen, setzt das RevG. aber eine Einzelstrafe anders fest, so ist dies in der Formel des Revisionsurteils auszusprechen, RG. I 358/39 vom 23. 5. 1939 (a. M. RG. II 404/39 vom 26.10. 1939). Vgl. noch BGH. LM. § 354 I Nr. 5 (ausnahmsweise Festlegung der Bekanntmachungsbefugnis gemäß § 200 StGB, durch RevG.) und Nr. 1 (Dauer des Ehrenrechtsverlusts). 6. Gesetzlieh niedrigste Strafe. Absehen von Strafe. In Übereinstimmung mit Antrag der StA. darf das RevG. selbst auf die gesetzlich niedrigste Strafe erkennen oder, soweit zulässig, von Strafe absehen. Hier tritt das Sonderprinzip des § 354 Abs. 1 (Anm. I 1) besonders deutlich hervor. Sind Freiheits- und Geldstrafe nebeneinander angedroht, so ist das Mindestmaß der angedrohten Freiheitsstrafe und der Mindestbetrag der angedrohten Geldstrafe nur dann die gesetzlich niedrigste Strafe, wenn Geldstrafe zwingend vorgeschrieben ist, RGSt. 47 229. — Hängt Zulässigkeit einer geringeren Strafe vom Vorliegen mildernder Umstände im Gesetzessinne ab, so darf das RevG. nur selbst entscheiden, wenn der Tatrichter das Vorliegen oder Nichtvorliegen abschließend geprüft hat, RGSt. 2 355. — Einen Irrtum des Tatrichters bei Berechnung der niedrigsten Strafe darf das RevG. im Rahmen des § 358 II berichtigen. — Vgl. noch BGHSt. 3 73 (Art der Veröffentlichungsbefugnis, am wenigsten beschwerende Form). — Beteiligt ist die bei dem RevG. errichtete Staatsanwaltschaft, RG. LZ. 12 780. Erforderlich ist auch Zustimmung des Privat- oder Nebenklägers. 7. Entsprechende Anwendung des Grundsatzes des Abs. 1. Die Praxis der RevGe. wendet den Grundsatz des Abs. 1 in weiteren Fällen entsprechend an, in welchen feststeht, wie der Tatrichter bei richtiger Sachbehandlung erkannt hätte oder wie er nach der Verfahrenslage nunmehr erkennen müßte. Jedoch ist hier Vorsicht geboten, vgl. BayObLG. NJW. 1961 742. Vgl. BGHSt. 14 299 (Einziehung bei feststehendem Sachverhalt), BGHSt. 5 52 (Richtigstellung der Kostenentscheidung), 5 100 (Zurückweisung des Antrages, Mehrerlös einzuziehen), 6 402 (Entziehung der Fahrerlaubnis auf 5 Jahre), 7 391 (Änderung der Kostenentscheidung), 9 323 (eigene Entscheidung über Rechtsbeschwerde), BGH. LM. § 354 II Nr. 2 (Nachholung einer Entscheidung bei sachlicher Rechtsänderung), 10 405 (Streichung einer Verurteilung aus dem Schuldspruch), 12 30 (Änderung des Schuldspruchs), BGH. LM. § 354 Abs. 1 Nr. 5 (Klarstellung der Bekanntmachungsbefugnis), H a m b u r g NJW. 1955 1080 (Streichung der Entziehung der Fahrerlaubnis, da keine rechtliche Grundlage dafür feststellbar), S t u t t g a r t NJW. 1956 1081 (Entziehung der Fahrerlaubnis für immer), B r e m e n N J W . 1962 1217, S c h l e s w i g SchlHA. 1962 201 (Kürzung auf die gesetzliche Höchststrafe), K ö l n J R . 1959 30 (Kürzung der Geldstrafe auf das gesetzliche Höchstmaß, wenn kein eigenes Ermessen erforderlich, ähnlich H a m m NJW. 1953 118, dazu K ö l n DAR. 1957 109, Celle NJW. 1953 1683), BGH. NJW. 1953 1838 (Strafaussetzung zur Bewährung aufgrund eindeutiger tatrichterlicher Strafzumessungsgründe), BGH. VRS. 10 451 (Aufhebung und Versagung der Strafaussetzung zur Bewährung wegen unabweisbaren sofortigen Sühnebedürfnisses, das nur durch Vollstreckung befriedigt werden könne), K ö l n MDR. 1956 696 (Kürzung der Sperrfrist auf zeitige Höchstdauer), BGH. LM. § 3541 Nr. 3 (Festsetzung der vergessenen Gesamtstrafe nach den Strafzumessungsgründen des Tatrichters). — Entfällt bei an-
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Anm. II 8 genommener Tateinheit die Anwendung des einen Strafgesetzes, so kann das RevG. es aus dem Schuldspruch streichen und die Sache zur neuen Strafbemessung zurückverweisen. — Erfüllen die erschöpfenden Feststellungen des angefochtenen Urteils zwar nicht den angewendeten Tatbestand, jedoch denjenigen eines anderen Strafgesetzes, das bereits in Anklage und Eröffnungsbeschluß enthalten war oder auf das gemäß § 265 hingewiesen worden ist, oder ist dieser Hinweis ausnahmsweise (OGHSt. 8 99) entbehrlich, so kann das RevG. den Schuldspruch ändern, OGHSt. 1 138,169, BGHSt. 12 30. Vgl. außer BGHSt. 12 30 auch RG. JW. 1929 257 Nr. 14 (Täterschaft statt Beihilfe), BGHSt. 2 246 (Tatmehrheit statt Tateinheit bei mehreren Mordversuchen). Das Verschlechterungsverbot steht einer solchen Schuldspruchänderung nicht im Wege, J a g u s c h NJW. 1962 1417. — Hat der Tatrichter den Verstoß gegen ein Strafgesetz einwandfrei nachgewiesen, die Aufnahme in die Urteilsformel jedoch vergessen, so kann das RevG. die Formel ergänzen, RGSt. 4 179. Ist dem § 265 nicht genügt, der Hinweis aber erforderlich, so muß das RevG. zurückverweisen. — Über den Schuldspruch des RevGs. gegen einen freigesprochenen Angeklagten s. KG. J R . 1957 270 mit Anm. S a r s t e d t . Ergeben die Gründe des angefochtenen Urteils, wie der Angeklagte verurteilt ist und erschöpfen sie die Anklage, so kann das RevG. eine unklare oder mangelhafte Urteilsformel entsprechend berichtigen, RGSt. 54 205, 290, 4 179. Vgl. BGHSt. 5 5 mit weiteren Angaben (besteht nach dem Inhalt der mündlich verkündeten Urteilsgründe kein Zweifel, daß das Gericht beschlossen hat, dem Rechtsmittel stattzugeben, während die verkündete Urteilsformel auf Verwerfung lautet, so darf die Formel gemäß den verkündeten Gründen berichtigt werden). — Über Rechenfehler bei Strafberechnung RGSt. 57 429. •— Entscheidend ist, ob nur äußere Mängel der Urteilsformel vorliegen, die sich beseitigen lassen, ohne daß durch neuen Entscheidungsakt in die tatrichterlichen Feststellungen oder in die rechtliche Bewertung eingegriffen wird (zu Dohna JW. 1927 1316). Vgl. RGSt. 47 372 (Streichung der Beihilfe bei Verurteilung auch wegen Anstiftung). — Zur Schuldspruchberichtigung BayObLGSt. 1951369,375. — BGHSt. 13 309 (Verwerfung des Freispruchs gegen gerichtliche Strafverfügung als einzige Maßnahme des RevGs.). n . Zurückverweisung. Regelung der örtlichen Zuständigkeit (Abs. 2). 8. Aufhebung und Zurückverweisung. Zur Entstehung des Abs. 2 RGSt. 68 353. Durch Zurückverweisung wird das Gericht, an welches verwiesen wird, mit der Sache, soweit die Zurückverweisung sachlich reicht (s. § 353), (von neuem) befaßt. Fortbestehende Feststellungen (darüber § 353) binden den neuen Tatrichter, BGHSt.4 290, ergänzende Feststellungen dürfen nicht in Widerspruch zu ihnen treten, OGHSt. 2 351. Sie können auch dann nicht geändert werden, wenn sie nach dem Ergebnis der neuen Hauptverhandlung als unrichtig erscheinen, RG. Rspr. 3 561, RGSt. 7 176, RG. GA. 55 116. Dies ist eine berechtigte Folge der Rechtskraft bei teilbarem Rechtsmittel. Sie ist jedoch mißlich, so daß das RevG. sie bei Entscheidung über die Aufhebung der Urteilsfeststellungen stets berücksichtigen wird. Im Zweifel sind alle Feststellungen aufzuheben. Darüber § 353 Anm. II. — Ob mildernde Umstände vorliegen, ist eine Beurteilungsfrage, keine Tatfeststellung. Der Tatrichter hat den Sachverhalt auch dann neu zu beurteilen, wenn die Feststellungen bestehen geblieben sind oder wenn künftig dieselben Feststellungen wieder getroffen werden, er ist lediglich an § 358 II gebunden, RGSt. 3 319, 9 98, 20 411. Er darf mildernde Umstände auch anerkennen, wenn sie früher versagt worden waren, RG. GA. 65 366. Die rechtliche Beurteilung des RevGs. muß er dabei beachten (§ 358 I). — Bei unanfechtbaren Feststellungen, jedoch unrichtiger rechtlicher Beurteilung kann das RevG. entweder selbst entscheiden (Anm. I), wenn die Voraussetzungen des Abs. 1 vorliegen, oder zur neuen rechtlichen Prüfung einschließlich des Strafausspruchs zurückverweisen, RGSt. 73 346, oder zur Entscheidung über Strafe oder Straffreiheit, falls sie in Betracht kommen kann, RG. V 585/39 vom 30.11.1939. — Wird nur der Strafausspruch aufgehoben, so steht der Schuldspruch damit rechtskräftig fest. Die ihn tragenden Feststellungen bleiben bestehen. Die Schuldfrage darf nicht mehr erörtert werden, RGSt. 42 241,45 149, RG. J W . 192314. Vgl. RGSt. 65 237 (über Rechtsänderung bei Aufhebung nur wegen des Rückfalls). — Wegen bestehenbleibender Einzelstrafen bei Aufhebung der Gesamtstrafe s. § 353 Anm. I 3 a. — RGSt. 58 235 (nur zu § 27 b StGB.), BGHSt. 10333 (zu § 27 b StGB.), BGHSt. 8 154 (Zurückverweisung wegen behebbaren Verfahrenshindernisses), Hamm JMBNRW. 1953 213 (ist wegen verjährter Übertretung verurteilt, das Vorliegen eines Vergehens aber verkannt, und hat allein der Verurteilte Revision eingelegt, so darf trotz fehlender Beschwer aufgehoben und zurückverwiesen werden, damit wegen Vergehens unter Be-
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§354 Anm. n 9—18
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achtung des § 358 II verurteilt werden kann). Dazu J a g u s c h NJW. 1962 1417. BGHSt. 15 227 (zu den §§ 146, 139 BRAO.). 9. Nene Hauptverhandlung. Die künftige Entscheidung ergeht gemäß neuer Hauptverhandlung. Ihr sachlicher Umfang richtet sich nach dem Umfang der Urteilsaufhebung durch das RevG. Der Grundsatz der Mündlichkeit (§§ 226,229) verbietet es, daß die frühere Verhandlung die Grundlage neuer Feststellungen bilden kann. Ist das Urteil mit allen Feststellungen aufgehoben worden, so hat die neue Verhandlung den gesamten Prozeßstoff zu umfassen. Sie darf sich daher nicht auf diejenigen Punkte beschränken, die Anlaß zur Aufhebung geboten haben, jedoch schließt sie diese Punkte ein, RG. Rspr. 1 767, RGSt. 2 289, 25 323, 41 189, JW. 1981 2505 Nr. 33. — Die neue Hauptverhandlung ist selbständig. Sie wird, auch hinsichtlich der Beweisaufnahme, wie eine erste Verhandlung geführt. Die Bezugnahme auf frühere Feststellungen ist nicht statthaft. Neue Behauptungen und Beweise sind nach allgemeinen Grundsätzen zulässig. Auch zur Strafzumessung darf das Gericht, selbst wenn nnr noch Ergänzungen zulässig sind (Anm. II 8), weitere Beweise erheben, RGSt. 20 411, GA. 65 367. Vgl. § 353 Anm. II 2. 10. Neue Entscheidung. Die neue Entscheidung, soweit sie ergehen darf (Anm. II 9), ist von der früheren tatrichterlichen unabhängig, aber an § 358 I, II gebunden (Aufhebungsansicht, Verschlechterungsverbot), OGHSt. 2 351. Der Grundsatz des § 264 ist wieder maßgebend, RGSt. 5 134. Über neue Feststellungen zur Straffrage s. Anm. II 9, § 353 Anm. II 1 und BGH. LM. § 354 II Nr. 1. — War das angefochtene Utreil vollständig aufgehoben worden, so hat das Tatgericht die Anklage nach allen Richtungen zu erschöpfen und unter Umständen auch Tatteile zu berücksichtigen, die sich erst nach Verkündung des aufgehobenen Urteils ereignet haben, RGSt. 62 131, 66 48. 11. Einstellung. Die neue Entscheidung kann auch in vorläufiger (§§ 154 II, 205) wie endgültiger (Verjährung, Mangel des Antrages, Straffreiheit) Einstellung des Verfahrens bestehen. Anderweite Verhandlung und Entscheidung ist nur geboten, soweit sie möglich und rechtlich zulässig ist, RGSt. 66 327. 12. Zurückverweisung an den früheren Richter. Grundsätzlich verweist das RevG. die Sache an das Gericht zurück, dessen Urteil aufgehoben worden ist, doch ist dies Ermessenssache. Zurückverweisung schließt die bisher mitwirkenden Richter von der neuen Hauptverhandlung nicht aus, auch dann nicht, wenn das RevG. an eine andere Kammer desselben Gerichts (BGH. 5 StR 192/60 v. 21. 6.1960) oder an ein benachbartes Gericht verwiesen hatte und ein früher mitwirkender Richter inzwischen dorthin versetzt worden ist, RG. GA. 41 139, JW. 22 414, RGSt. 31 225. Das RevG. darf auch keinen einzelnen Richter von der Mitwirkung auszuschließen suchen. Es darf nur im Rahmen des Abs. 2 zurückverweisen. Neuerliche Bestrebungen ( S e i b e r t JZ. 1958 609, 1959 120, B e t t e r m a n n JZ. 1959 17), den Gesetzgeber zu Vorkehrungen zu veranlassen, welche die bisherigen Richter an künftiger Mitwirkung stets rechtlich hindern, verdienen keinen Erfolg. Abs. 2 verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Sie laufen auf amtliche Mißtrauensbekundung gegen amtierende Richter hinaus, zu der kein sachlicher Grund besteht. — An eine andere Kammer des früheren Gerichts darf nur verwiesen werden, wenn kein zu demselben Lande gehörendes Gericht gleicher Ordnung besteht, B r a u n s c h w e i g JZ. 1951 235. •— Wird an dasselbe Gericht zurückverwiesen, so entscheidet dessen Geschäftsverteilung, welche Kammer nunmehr zuständig ist, es sei denn, das RevG. hat zulässigerweise an eine bestimmte Kammer verwiesen, vgl. RG. Rspr. 3 216. — Eine auswärtige Strafkammer (§ 78 GVG.) gilt im Sinne des Abs. 2 als „benachbartes" Gericht, so daß von ihr an das Landgericht und umgekehrt verwiesen werden kann, RGSt. 17 230, JW. 46 112, LZ. 11 1331. 18. Verweisung an das benachbarte Gericht. In Ausnahmefällen (zu enge örtliche Verflechtung, örtliche Voreingenommenheit, wiederholte Zurückverweisung, Erfordernis größeren Sachabstandes) kann es ratsam sein, die Sache aus psychologischen Gründen aus dem örtlichen Bereich zu entfernen und einem Nachbargericht (s. auch Anm. 12) zu übergeben. Dem trägt Abs. 2 Rechnung. Die RevGe. machen von dieser Möglichkeit mit Recht nur ausnahmsweise Gebrauch, weil ihre Anwendung Mißdeutungen erlaubt. Vgl. auch den Fall des § 15. — Das Gericht, an das verwiesen wird, muß demselben Lande angehören und dem früheren Gericht benachbart sein. Dadurch wird beliebige Auswahl durch das RevG. ausgeschlossen und der Kreis der Gerichte, an die verwiesen werden darf, sinnvoll beschränkt. Das Gericht, an das verwiesen werden soll, muß zum Bereich des RevGs. gehören. Benachbart sind Gerichte nicht nur ,wenn sie
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§ 3 5 4 Anm. HI 14 § 3 5 4 a Anm. 1, 2
gemeinsame Gerichtsgrenzen haben, sondern auch schon bei Nähe der Bezirke. Vgl. BGH. MDR. 1958 566 (auswärtige Strafkammer). — Die Zurückverweisung begründet die örtliche Zuständigkeit bis zur abschließenden Entscheidung. Auch bei Zurückverweisung an ein Nachbargericht bleibt die Zuständigkeit des bisherigen Gerichts für Vollstreckungsentscheidungen bestehen, Celle NRpfl. 1955 39,1958 218, ebenso für Entscheidungen gemäß §24StGB., D ü s s e l d o r f MDR. 1958 941. — Zum Begriff des Gerichts gleicher Ordnung OGHSt. 2 349. Maßgebend ist die Strafgewalt. Schwurgerichte und Strafkammern sind nicht Gerichte gleicher Ordnung. — Wird ein Berulungsurteil aufgehoben, so wird, falls wieder durch ein Berufungsgericht entschieden werden muß, an dieses zurückverwiesen. Zuständig ist gemäß der Geschäftsverteilung die für Berufungssachen bei Eingang der zurückverwiesenen Sache zuständige Strafkammer. — Hätte das Berufungsgericht seinerseits Anlaß zur Zurückverweisung an den Erstrichter gehabt (§ 328 II), so kann das RevG. dorthin verweisen, RGSt. 63 343, auch wenn das Berufungsgericht die Sache an das Schöffengericht (§ 328 I I I ) hätte verweisen müssen, H a m b u r g GA. 71114, M a n n h e i m J W . 1925 2812,1928 3013 Nr. 19. Zu § 412 I s. KG. J W . 1931 2525 Nr. 18, D r e s d e n J W . 1929 285 Nr. 17. ID. Zurttckverweisung an ein Gericht niederer Ordnung. Sachliche Zuständigkeit (Abs. 3 ) . 14. Zum Begriff OGHSt. 2 349. Die Strafkammer ist niederer Ordnung als das Schwurgericht. Verweisung gemäß Abs. 2 betrifft die örtliche Zuständigkeit, diejenige gemäß Abs. 3 jedoch die sachliche, daher gehört hierher auch das Gericht anderer Ordnung, etwa das Jugendgericht, BGHSt. 14 68. Abs. 3 kommt in Betracht, wenn die Umstände, welche die Zuständigkeit des Gerichts höherer Ordnung begründet haben, nach Zurückverweisung keine Rolle mehr spielen (§§ 2 bis 4), BGHSt. 14 68, oder wenn sie von vornherein nicht bestanden haben. Auch diese Verweisung geschieht aus Zweckmäßigkeitsgründen nach Ermessen des Revisionsgerichts. Ist ein Schwurgerichtsurteil nur noch durch Entscheidung gemäß § 42b StGB, zu ergänzen, so kann das RevG. die Sache an die Strafkammer zurückverweisen, BGH. LM. § 354 I I Nr. 6, s. auch RGSt. 70 338. BGHSt. 15 78 (Zurückverweisung ans Amtsgericht). Ob Feststellungen bestehen bleiben, die den neuen Tatrichter binden, ist auch für diese Verweisung ohne Bedeutung. Hatte das Schwurgericht den Angeklagten nach § 308 StGB, verurteilt und richtet sich seine erfolgreiche Revision nur gegen das Strafmaß, so darf an die Strafkammer zurückverwiesen werden, RGSt. 70 340, ebenso wenn nur noch über Einziehung zu entscheiden ist. — Bestehen Zweifel in tatsächlicher Hinsicht, ob die Sache an das Jugendgericht zurückzuverweisen ist, so darf das RevG. sie ohne ausdrückliche Revisionsrüge durch Nachforschung beheben, BGH. N J W . 1957 1370. — Das Gericht, an welches verwiesen worden ist, verfährt nach eigenem Verfahrensrecht.
§ 354a Das Revisionsgericht hat auch dann nach § 364 zu verfahren, wenn es das Urteil aulhebt, weil zur Zeit der Entscheidung des Revteionsgerichta ein anderes Gesetz gilt als zur Zeit des Erlasset der angefochtenen Entscheidung. Lit.: H a r d w i g J Z . 1961 364. 1. Entstehung: Eingefügt durch Gesetz vom 28. 6. 1935 (RGBl. I 844). In der früheren amerikanischen und britischen Besatzungszone zunächst gestrichen. Wieder eingefügt durch das VereinhG. vom 12. 9. 1960 (BGBl. I 455), Art. 3 Nr. 149. Vgl. die Entwicklung des § 2 StGB. 2. Gesetzesänderung nach der angefochtenen Entscheidung. a ) Bis zu dem Gesetz vom 28.6.1935 beschränkten sich die RevGe. gemäß der Rechtsprechung des RG. zu § 337 auf die Prüfung, ob der Tatrichter das sachliche Recht auf den festgestellten Sachverhalt richtig angewandt hatte, RGSt. 61135, 22 351. Maßgebend dafür war der Zeitpunkt des angefochtenen Urteils, der tatrichterlichen „Aburteilung" (§ 2 StGB. idF. bis zum 28. 6.1935, Mußvorschrift). Später eingetretene sachliche Rechtsänderungen blieben außer Betracht. Nur bei Aufhebung und Zurückverweisung aus anderen Rechtsgründen hatte der Tatrichter das mildere Recht nunmehr anzuwenden, weil es zu erneuter tatrichterlicher Aburteilung kam. Eine Ausnahme im Revisionsverfahren war für den Fall anerkannt, daß eine vom Tatrichter vertretene, damals noch unzutreffende Ansicht inzwischen gesetzlich anerkannt worden war. Solche Rechts86
L ö w e - B o s e n b e r g , StPO. 21. Aufl.
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§ 354a
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 3
verstoße konnte das RevG. unbeanstandet lassen, RGSt. 51 47, 53 13, RGZ. 101 164, denn andernfalls hätte der Tatrichter in der erneuten Hauptverhandlung Recht anwenden müssen, das dem inzwischen geltenden Recht widersprach. b) Die Neufassung des § 2a StGB, durch das Gesetz vom 28. 6.1936 (§ 2a II StGB, „zur Zeit der Entscheidung"; Kannvorschrift) führte zur Anpassung des Revisionsrechts durch Einfügung des § 354a. Galt zur Zeit der Entscheidung durch den Tatrichter ein milderes Gesetz (milderes sachliches Recht), so k o n n t e — Maßnahmen der Sicherung und Besserung ausgenommen, die sich stets nach dem Rechtsstande zur Zeit der Entscheidung richten — der Tatrichter das mildere Recht anwenden. Dieser Grundsatz galt nunmehr auch für das RevG. Wie der Tatrichter war es berechtigt, nicht verpflichtet, jede spätere Rechtsmilderung im Revisionsurteil noch zur Geltung zu bringen, also über seine eigentliche Aufgabe der Rechtsnachprüfung hinauszugreifen. Zum Begriff des milderen Gesetzes s. LK. 8. Aufl. § 2 Anm. II, vor allem II 5 (konkrete Vergleichung). c) Jetzige Fassung. Soweit § 354 a zonal nicht bestehen geblieben war, wurde er durch das VereinhG. vom 12. 9.1950 wieder in die StPO. eingefügt (Anm. 1). Im sachlichen Recht kehrte das 3. StRÄndG. vom 4. 8. 1953 (BGBl. I 735) durch Neufassung des § 2 StGB, mit Wirkung ab 1.10.1953 zur Mußfassung zurück: bei Gesetzesverschiedenheit zwischen Tat und Aburteilung ist das mildeste Gesetz anzuwenden (§ 2 Abs. 2 Satz 2 StGB.). § 354a blieb unverändert bestehen. Dadurch entstand erneut der alte Zweifel, zumal das sachliche Recht statt von „Entscheidung" jetzt wieder von „Aburteilung" spricht, ob das RevG. wieder nur noch die tatrichterliche Entscheidung nachzuprüfen und spätere Rechtsmilderungen nicht zu berücksichtigen habe (Anm. 2a). So wieder Celle GA. 1953 185. So weit ging BGH. NJW. 1954 39 nicht (Milderung nach pflichtgemäßem Ermessen des RevGs.). Diese Ansichten dürfen aber als überwunden gelten. Vgl. BGH. NJW. 1953 1800 („Aburteilung" i. S. des § 2 II StGB. nF. ist die rechtskräftige Verurteilung. Das mildere Gesetz ist daher auch vom RevG. zu beachten), BGHSt. 6 192 (Einführung der §§ 23, 24 StGB, ist auch vom RevG. noch zu berücksichtigen), BGH. NJW. 1955 1406 Nr. 22, BayObLG. MDR. 1955 123 (zum Kostenrecht). Undeutlich jedoch BGHSt. 6 33 (das RevG. sei zur Berücksichtigung der Milderung berechtigt). Ganz klar wiederum BGHSt. 5 208 mit weiteren Angaben aus der Rspr. des BGH. („Aburteilung" sei auch noch die Entscheidung des RevGs.). So auch D ü n n e b i e r JZ. 1953 726, E b S c h m i d t 8, K l e i n k n M l b , M i t t e l b a c h JR. 1961 353, D r e h e r - M a a ß e n 3, BGHSt. 6 258 (wie 5 208, für das Inkrafttreten des neueren JGG.), BayObLG. NJW. 1961 689 (Wegfall der Strafbarkeit). Dieser Standpunkt ist gerechtfertigt. Es kann nicht die Absicht des Gesetzgebers des 3. StÄG. gewesen sein, im sachlichen Recht zur Mußmilderung voranzuschreiten, im Revisionsrecht dagegen — für die Zeit nach dem angefochtenen Urteil — von der Anwendbarkeit des milderen Rechts zur Nichtanwendung zurückzugehen und die Wirksamkeit eines modernen Rechtsgedankens dadurch abzuschneiden. Dafür besteht kein Anhalt. BGH. NJW. 1954 39 bestätigt dies, indem die Nachholung der Prüfung gemäß § 23 StGB., der erst nach dem tatrichterlichen Urteil in Kraft getreten war, vorgeschrieben wird. Das RevG. hat das mildere Recht zwingend zu berücksichtigen, durch eigene Entscheidung (vgl. BGH. NJW. 1954 39) oder durch Zurückverweisung (Schleswig SchlHA. 1953 293). Dies gilt auch, wenn das RevG. nur noch über den Strafausspruch zu entscheiden hat. Maßgebend ist der rechtskräftige Abschluß des gesamten Verfahrens. Erstreckungswirkung gemäß § 357 kommt nicht in Betracht (s. dort Anm. 3). BGHSt. 7 283 steht alledem nicht entgegen. d) Gemilderte Zeitgesetze fallen gemäß § 2 III StGB, nicht unter § 354a. Ein Gesetz, das nur für bestimmte Zeit erlassen ist, ist auf die während seiner Geltung begangenen Straftaten auch anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Das gilt sinngemäß ebenso für die Änderung von Zeitgesetzen. Näheres LK. 8. Aufl. § 2 Anm. III mit Angaben über die Rechtsprechung. e) Maßregeln der Sicherung und Besserung richten sich nach dem Gesetz, das zur Zeit der Entscheidung, auch der durch das RevG., gilt (§ 2 IV StGB.), also auch rückwirkend und zum „Nachteil" des Verurteilten. Vgl. LK. § 2 Anm. IV. 3. Veränderte Gesetzesauslegung. § 354a enthält nur den Rechtsgedanken, spätere Milderung des sachlichen Rechts auch noch im Revisionsverfahren zur Geltung zu bringen. Änderung der Auslegung des sachlichen Rechts darf und wird das RevG. jedoch allgemein auch dann berücksichtigen, wenn sich der Tatrichter an die damals herrschende Ansicht gehalten hat, so daß ihm kein Rechtsverstoß unterlaufen ist. Ein Wechsel in der höchstrichterlichen Rechtsprechung stellt
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Vierter Abschnitt. Revision (Jagusch)
§ 3 5 4 a Amn. 4, 5 § 355 Anm. 1
stets nur die gegenwärtige Erkenntnis und Anwendung der Gesetze dar. Er wirkt zugunsten und zu Lasten des Verurteilten. Er fällt nicht unter das Rückwirkungsverbot, das nur für formelle Gesetze gilt (LK. 8. Aufl. § 2 Anm. I l b , bb), und auch nicht unter das Verschlechterungsverbot des § 358 II, das nur für die Strafe gilt. Neue Auslegungserkenntnisse hat das RevG. daher stets anzuwenden. 4. Änderung des Verfahrensrechts. Hat sich nach dem angefochtenen Urteil das Verfahrensrecht geändert, so ist dies ohne Einfluß, wenn dem Tatrichter kein ordnungsgemäß gerügter Verfahrensverstoß unterlaufen ist, BayObLG. MDR. 1956 123. Hat ein solcher Verstoß stattgefunden, so kann er außer Betracht bleiben, wenn er nach geändertem Verfahrensrecht kein Verstoß mehr ist. Änderungen des Verfahrensrechts ergreifen das Verfahren mit dem Zeitpunkt ihres Inkrafttretens, von Übergangsregelungen abgesehen. Wird eine nicht erfüllte Prozeßvoraussetzung neu eingeführt, so ist das Verfahren, falls sie nicht nachgeholt werden kann, vom RevG. einzustellen. Für den Wegfall des Antragserfordernisses RGSt. 77 106. Vgl. noch RGSt. 77 181, 76 161, 328. Ist nach tatrichterlicher Entscheidung eine Verfahrensänderung außerhalb der Gruppe der Prozeßvoraussetzungen eingetreten, die der Tatrichter also nicht beachten konnte, so liegt kein Verfahrensverstoß vor (a. M. anscheinend E b S c h m i d t 3). Prozeßvoraussetzungen hat auch das RevG. noch von Amts wegen zu beachten. 5. Verfahrensrechtlich hat das RevG. bei Berücksichtigung der Rechtsmilderung wie bei geänderter Auslegung nach § 354 vorzugehen, also selbst zu entscheiden, wenn die dort gegebenen Voraussetzungen erfüllt sind, oder an den Tatrichter zurückzuverweisen.
§355 Wird ein Urteil aufgehoben, weil das Gerieht des vorangehenden Rechtszuges sich mit Unrecht für zuständig erachtet hat, so verweist das Revisionsgericht gleichzeitig die Sache an das zuständige Gericht. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 266. II. Entw. § 272. III. Entw. § 317. Frühere Bezeichnung: § 395. Änderungsvorschläge: NE I, II § 347. NE III § 342. 1. Verweisung an das zuständige Gericht. Die Vorschrift betrifft die sachliche (BGHSt. 7 28, 8 355,10 103) und örtliche Zuständigkeit, RGSt. 40 369. In § 347 NE I, II ist dies ausdrücklich hervorgehoben. Vgl. § 338 Nr. 4, Anm. 9—11. Sie gilt nur im Verhältnis zwischen ordentlichen Gerichten, RGSt. 69 36. Zur sachlichen Zuständigkeit des OLG. in Auslieferungssachen im Falle des § 9 Abs. 1, 3 DAG. BGHSt. 11 290. — Das Merkmal „mit Unrecht für zuständig erachtet« ist, wie im § 328 Abs. 3 (dort Anm. 5c), objektiv zu verstehen, RGSt. 74 140, E b S c h m i d t 14. Vgl. § 328 Anm. 5 c. Hat die Strafkammer irrig Sachverhalte angenommen und Strafgesetze angewendet, die in ihre Zuständigkeit fallen, während in Wirklichkeit das Schwurgericht zuständig war, so hat das RevG. die Sache von Amts wegen an das Schwurgericht zu verweisen, RGSt. 60 256, 67 58, 68 19, HRR. 89 Nr. 1285. Ein Fall des § 355 liegt nur vor, wenn der Tatrichter seine Strafgewalt im Urteil überschritten hat, oder wenn ein Gericht mit Sonderzuständigkeit, etwa die Jugendkammer, übergangen worden ist. Vgl. § 338 Anm. 10. Hat die Strafkammer ihre Strafgewalt im Urteil zwar überschritten, war sie bei richtiger rechtlicher Würdigung jedoch sachlich zuständig, so verfährt das RevG. nach § 354, nicht nach § 355, Celle JR. 1950 414. — § 355 ist auch anzuwenden, wenn das Urteil nicht wegen Verletzung der Zuständigkeit aufgehoben wird, sondern wegen sachlichen Rechtsverstoßes, die Sache jedoch vor ein Gericht höherer Ordnung (Schwurgericht statt Strafkammer) gehört, RGSt. 10 192, 14 19. •— Hat statt der Staatsschutzkammer eine andere Strafkammer entschieden, so ist dieser Verstoß nicht von Amts wegen zu prüfen, weil insoweit im Verhältnis zu anderen Strafkammern desselben Gerichts nur eine geschäftsordnungsmäßige, im Verhältnis zu anderen Landgerichten nur eine örtliche Zuständigkeit besteht, BGH. LM. § 74a GVG. Nr. 1. Vgl. dazu KleinknM l a . DieStrafkammer, die an Stelle des sachlich zuständigen Amtsgerichts entscheidet, ist nicht sachlich unzuständig (§ 269). Demgemäß wird auch das RevG. nicht nach § 355 verfahren dürfen, KleinknM l a . Hat statt des sachlich zuständigen Jugendgerichts ein anderes Gericht entschieden, so verweist das RevG. an die Jugendkammer, BGHSt. 7 28, 8 355,10 103, BGH. NJW. 1960 2203 (statt an 86»
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§ 355 Anm. 2, 3 § 356 1 - 3 ; § 357
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
das Jugendschöffengericht). — Das RevG. prüft die sachliche Zuständigkeit, da sie in jeder Verfahrenslage von Amts wegen zu beachten ist, auf der Grundlage des angefochtenen Urteils, im übrigen jedoch durch Freibeweis, vgl. § 338 Anm. 10. — Zur örtlichen Zuständigkeit und ihrer Prüfung durch das RevG. s. § 338 Anm. 9. 2. Form der Verweisung. Die Verweisung geschieht durch Urteil regelmäßig in der Form des § 270, die für Verweisungsbeschlüsse vorgeschrieben ist. Bs gilt dasselbe wie zu § 328 III (s. dort Anm. 5), RGSt. 10 195, 61 326, 69 167. Bei der Verweisung bildet die Bezeichnung der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat, ihrer gesetzlichen Merkmale und des anzuwendenden Strafgesetzes den Entscheidungssatz, der deshalb im allgemeinen in die Formel gehört. Bleibt jedoch der tatsächliche und rechtliche Inhalt der Beschuldigung derselbe wie im Eröffnungsbeschluß, so führt BGHSt. 7 28 ihn nicht nochmals an. Zustimmend E b S c h m i d t 15, KleinknM 2. 3. Bindende Wirkung der Verweisung. Gemäß § 358 I ist das Gericht, an das die Sache verwiesen worden ist, an die Aufhebungsansicht des RevGs. gebunden. Das gilt auch für die Entscheidung des RevGs. über die örtliche und sachliche Unzuständigkeit des bisherigen Tatrichters und für die Zuständigkeit des Gerichts, an welches die Sache nunmehr verwiesen worden ist. Ein Unterschied zwischen örtlicher und sachlicher Zuständigkeit dürfte, entgegen der Ansicht der 20. Auflage, nicht begründet sein. So auch E b S c h m i d t 16, KleinknM 2b. Im Bereich des § 14 bindet jedenfalls auch die Verweisung als örtlich zuständig, so daß die Frage bei Verweisung durch den BGH. nicht entsteht. Vgl. auch BGH. NJW. 1951 205. § 3 5 6 Die Verkündung des Urteils erfolgt nach Maßgabe des § 268. Entstehungsgeschichte: I. Entw. —. II. Entw. § 273. III. Entw. § 318. Frühere Bezeichnung: § 396. Änderungsvorschläge: NE I, II §§ 341, 348. NE III § 343. 1. Revisionsurteil. Entscheidet das RevG. gemäß § 364 I selbst oder verwirft es die Revision durch Urteil als unzulässig oder als unbegründet, so tritt mit Verkündung des Revisionsurteils dieses Inhalts Rechtskraft ein. Verwirft das RevG. die Revision durch Urteil als verspätet oder formungültig, was an sich schon nach den §§ 346, 349 hätte geschehen können, so ist hinsichtlich des Zeitpunktes der Rechtskraft § 343 zu beachten. Denn nur rechtzeitige Einlegung der Revision hemmt die Rechtskraft des Urteils, soweit es angefochten ist. In derartigen Fällen hat das Revisionsurteil daher nur feststellende Wirkung. — Bei Aufhebung und Zurückverweisung (§ 354 II) bleibt die Sache rechtshängig. 2. Wegen der Form der Urteilsverkündung gilt § 268 entsprechend. 3. Urteilsform. Für die Urteilsurkunde gilt § 275 nicht. § 356 verweist nur auf die Vorschrift des § 268. Die Sollvorschrift des § 275 hat nur für das Verfahren im ersten Rechtszuge Bedeutung, E b S c h m i d t 5, a. M. KleinknM 3. Jedoch gehört es zu den Pflichten des Revisionsgerichts, das Revisionsurteil so rasch als möglich abzufassen. § 3 5 7 Erfolgt zugunsten eines Angeklagten die Aufhebung des Urteils wegen Gesetzesverletzung bei Anwendung des Strafgesetzes und erstreckt sich das Urteil, soweit es aulgehoben wird, noch auf andere Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben, so ist zu erkennen, als ob sie gleichfalls Revision eingelegt hätten. Entstehungsgeschichte: I, II, III. Entw. —. Frühere Bezeichnung: § 397. Änderungsvorschläge: NE I, II § 349. NE III § 344. Schrifttum: H a a s e GA. 1956 273, H e n k e l JZ. 1959 690.
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§357 Anm. 1—3
1. Erstreckung aal weitere Verurteilte. Die Vorschrift, die in den Regierungsentwürfen nicht enthalten war und erst durch die Reichstagskommission in die StPO. hineingekommen ist, beruht auf an sich naheliegenden Erwägungen, jedoch ist sie unklar, bedenklich und in ihrer Anlage verfehlt. Die RTK. (Prot. S. 614,1032) hatte erwogen, es beeinträchtige die Gerechtigkeit, wenn „einer von mehreren Komplizen auf Grund der von ihm allein eingelegten Revision von Strafe befreit" werde, während die übrigen, die sonst „gleichfalls Freisprechung erlangt haben würden", bestraft werden. Hierauf beschränkt, wäre die Vorschrift heilsam und nötig. Sie reicht jedoch viel weiter, ist teilweise leider auch ausdehnend ausgelegt worden und erfaßt Fälle, von zusätzlicher Kostenbelastung ganz abgesehen, in denen die gesetzlich beabsichtigte Wohltat zur Plage und rücksichtslosen Belästigung wird. Es gibt häufig Angeklagte, die wissen, daß sie Strafe verdient haben, sich im ganzen als gerecht beurteilt anerkennen, auf bloße perfektionistische Berichtigungen im Schuld- oder Strafausspruch keinen Wert legen und sich auf Strafverbüßung eingerichtet haben. Ihnen schadet die Vorschrift mehr, als sie nützt. Denn auch erfolgreiche Revisionen führen weit häufiger wieder zur Verurteilung als zum Freispruch, wobei der Schuldspruch, unbeschadet des § 358 II, verschlimmert werden kann. Einigkeit besteht jetzt darüber, daß § 357, weil er die Rechtskraft durchbricht, als Ausnahmevorschrift eng auszulegen ist, BGH. NJW. 1955 1934, E b S c h m i d t 2a, H e n k e l JZ. 1959 690, 692. Daher gibt es keine entsprechende Anwendung des § 357 auf anderen Gebieten. Der Gerechtigkeit ist es nicht unerträglich, daß sich jemand mit einem Urteil abfindet, obwohl diesem Verfahrens- oder sachlichrechtliche Verstöße anhaften, während ein Mitverurteilter mit der Revision (zunächst) durchdringt. Die Gerechtigkeit kommt nur ins Spiel, wenn in Wahrheit Freispruch geboten gewesen wäre, oder bei anderen groben Fehlgriffen. Nur enge Auslegung kann verhindern, daß § 357 unerwünschte Nebenwirkungen hat. Zum Grundgedanken der Vorschrift s. BGHSt. 12 341 mit weiteren Angaben. Im Berufungsverlahren gilt § 357 weder unmittelbar, noch entsprechend. Außergesetzliche Durchbrechung der Rechtskraft steht dem Richter nicht zu, zumal bei einer so zweischneidigen Vorschrift. So auch O l d e n b u r g DAR. 1955 170, NJW. 1957 1450, KG. JR. 1956 308, E b S c h m i d t 12, H a m m NJW. 1957 392, a. M. B r e m e n NJW. 1958 189, 432. 2. Aufhebung zugunsten eines Angeklagten. Ob die StA. für oder gegen den Angeklagten (§§ 296 II, 301), dieser selbst oder ein anderer Verfahrensbeteiligter Revision eingelegt hatte, ist ohne Bedeutung, erforderlich ist jedoch Urteilsaufhebung zugunsten eines Angeklagten, RGSt. 16 417,33 371. Bei der gebotenen engen Auslegung genügt es nicht, wenn das RevG. das Verfahren lediglich vor Anberaumung der Hauptverhandlung, also ohne Urteil, alsbald einstellt. BGH. NJW. 1955 1934, E b S c h m i d t 1, a. M. BayObLG. JZ. 1952 179. Es genügt ferner nicht, wenn die Revision unter Urteilsänderung nicht zugunsten des Revisionsführers verworfen wird, RG. II 659/24 vom 2. 10. 1924, oder wenn die Rechtsänderung überwiegend zuungunsten des Nichtrevidenten wirken würde, RG. HRR. 1939 536, oder wenn seine eigene Sachrüge, falls er sie erhoben hätte, kein für ihn günstigeres Ergebnis hätte haben können, RGSt. 71 215, KG. JW. 1937 54 Nr. 44, 769 Nr. 62. 3. Gesetzesverletzung bei Anwendung eines Strafgesetzes. Gesetze im Sinne des § 357 sind nur Regeln des sachlichen Rechts und in einigen Fällen Verfahrensvoraussetzungen und -hindernisse. Jede weiter reichende Auslegung ginge über den vertretbaren Gesetzeszweck hinaus (Anm. 1). Wer einen Verfahrensverstoß, auch einen solchen absoluter Art, nicht hinnehmen will, obwohl das Urteil sonst gerecht erscheint, muß ihn selber formgerecht rügen, E b S c h m i d t 2. Gegebenenfalls hat die StA. mit Rechtsmittel gemäß § 296 einzugreifen. Die ausdehnende Entscheidung B r e m e n NJW. 1958 432 zu Art. 101 I Satz 2 GG., die auf weitere Aufweichung des Revisionsrechts hinausläuft, ist nachdrücklich abzulehnen. Erfolgreiche Verfahrensrügen wirken daher nicht gemäß § 357 auch für andere Beteiligte. Daran ist ausnahmslos festzuhalten. — Der Hauptfall ist unrichtige Anwendung sachlichen Rechts, RGSt. 71 252, ohne Unterschied, ob der Rechtsfehler den Schuldspruch, die Strafbemessung (RGSt. 16 417, grundsätzlich) oder die Kostenentscheidung betrifft, RG. GA. 54 483, RG. ZStW. 46 113. Der Fehler muß den Nichtrevidenten jedoch seiner Art nach und gemäß der Verfahrenslage beschweren können, BGH. LM. Nr. 2. So scheidet Erstreckung aus, wenn die Gründe, aus denen Nichterörterung des § 23 StGB, rechtlich zu beanstanden ist, nur in der Person des Beschwerdeführers hegen, BGH. LM. Nr. 6. Mit Recht erstreckt BGH. GA. 1955 247 auch die Wirkung eines im Revisionsverfahren eingreifenden Straffreiheitsgesetzes nicht auf Mitverurteilte, gegen die bereits Rechtskraft ein-
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§357
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Anm. 4 getreten ist. Anders insoweit RGSt. 71 262, 68 426. Die ausdehnende Auslegung des RG. ist nicht zu billigen. Zutreffend führt der BGH. aus, „das" StFG. regele selbst näher, wann und unter welchen Voraussetzungen ein Gnadenerweis gewährt sei. — Bloße Rechtsänderungen, die das RevG. gemäß § 354 a bei dem Revisionsführer noch berücksichtigt, werden nicht erstreckt, dies ginge über die gebotene enge Auslegung hinaus, so ausdrücklich BGH. LM. § 1 JGG. Nr. 2, § 357 Nr. 5, mit weiteren Angaben, ferner BGH. 1 StR 657/53 v. 29. 1. 1954 mit Angaben. — Keine Erstreckung ferner, wenn ein Urteil aufgehoben oder berichtigt wird, weil nach dem angefochtenen Urteil die Ermächtigung zur Anwendung eines Gesetzes wegfällt, BGH. LM. Nr. 1 (zum KRG. 10), oder wenn das unrichtig angewendete Gesetz auf den Nichtrevidenten mangels einer bei ihm erforderlichen Prozeßvoraussetzung (Strafantrag, Ermächtigung) nicht angewandt werden kann. Dazu E b S c h m i d t 2. — Dem Hauptfall stellt die Rechtsprechung zutreffend das von Amts wegen zu beachten de Fehlen einer Veriahrensvoraussetzung oder das Vorhandensein eines Prozeßhindernisses gleich. Insoweit findet Erstreckung statt, falls das Hindernis bei dem Nichtrevidenten rechtlich in Betracht kommt, RGSt. 68 18, 71 252, BGHSt. 10 141 (fehlerhafter Eröffnungsbeschluß), 12 340, E b S c h m i d t 2 (mit zutreffender Einschränkung auf Verfahrenshindernisse, die nicht lediglich für den Beschwerdeführer in Betracht kommen), in BGH. LM. Nr. 1 noch offengelassen. — Stellt das RevG. das Verfahren vor Anberaumung der Hauptverhandlung durch Beschluß wegen Verjährung alsbald ein, so ist § 357 nicht anwendbar, BGH. LM. Nr. 8, a. M. Celle NRpfl. 1958 56. Es kommt hier nicht zur Urteilsaufhebung. Ausdehnende Auslegung ist abzulehnen, sie führt wiederum auf einen Billigkeitsweg, dessen Ende nicht abzusehen ist. 4. Erfordernis des inneren Zusammenhanges. a) Dasselbe Urteil muß über den Revidenten und den Nichtrevidenten entschieden haben. Bei Strafverfolgung in getrennten Verfahren ist § 357 unanwendbar, auch wenn gemeinsame Aburteilung rechtlich zulässig gewesen wäre. § 357 gilt nur für Mitverurteilte, die gegen dasselbe Urteil Revision hätten einlegen können, aber nicht eingelegt haben, RG. HR. 3 11. Er gilt also z. B. nicht für Angeklagte, die gegen das erstinstanzliche Urteil keine Berufung eingelegt hatten, RG. Recht 14 Nr. 822, HR. 2 Nr. 1799, a. M. H a m b u r g JW. 1931 2525 Nr. 19, so daß überhaupt kein Berufungsurteil gegen sie ergangen ist; oder die ihre Berufung auf das Strafmaß beschränkt hatten, RG. DRZ. 22 Nr. 431, wenn das RevG. nunmehr den Schuldspruch des Berufungsurteils beanstandet; oder deren Berufung wegen Nichterscheinens gemäß § 329 verworfen worden war, RG. JW. 1926 1219, K ö n i g s b e r g HR. 2 Nr. 442. b) Nämlichkeit der Tat. Nach ständiger Rechtsprechung ist Erstreckung gemäß § 357 nur zulässig, wenn derjenige, der keine Revision eingelegt hat, wegen der „nämlichen Tat" verurteilt worden ist, BGHSt. 12 341, NJW. 1955 1566 Nr. 19, RGSt. 71 251, 72 24. Darunter ist im Sinne des § 357 dasselbe tatsächliche Ereignis zu verstehen, an dem beide in strafbarer Weise, nicht notwendig in derselben Richtung, beteiligt gewesen sind. Das Geschehnis muß natürlicher Betrachtung als ein und derselbe Vorgang erscheinen, bei welchem sich die mehreren Beteiligungen zu einheitlichem Hergang verflechten, BGHSt. 12 341. Zusammenhang nach § 237 genügt nicht, BGHSt. 12 342. Anderseits kommt es auf den Zusammenhang im Sinne des § 3, für den andere Grundsätze maßgebend sind, entgegen dem RG. für § 357 nicht an, er kann nur einen Anhalt bieten, BGHSt. 12 342. Vgl. auch BGH. LM. Nr. 7. — Doch ist dies nicht unbestritten. Nach E b S c h m i d t 4 kommt es nur darauf an, ob sich die sachlichrechtliche Gesetzesverletzung auch „auf andere Angeklagte erstreckt", was bereits zutreffe, „wenn die Änderung in der rechtlichen Beurteilung des einen Angeklagten notwendigerweise die des andern beeinflußt haben würde, falls er ebenfalls Revision eingelegt hätte". H e n k e l JZ. 1959 692 wiederum tritt der Rspr. bei, soweit sachliches Recht verletzt ist. Bei der Prüfung von Verfahrenshindernissen komme es jedoch auf Nämlichkeit der Tat nicht an. Einzelfälle: Strafbare Beteiligung an demselben Verkehrsvorgang, jedoch nicht in derselben Richtung, BGHSt. 12 336, anders noch RGSt. 71 252 (Teilnahme an demselben geschichtlichen Vorgang in derselben Richtung). RG. HRR. 1938 Nr. 497 (Verurteilung nach § 332 StGB, und nach § 333 StGB.), RGSt. 72 24 (miteinander und mit anderen fortgesetzt begangene gleichgeschlechtliche Unzucht); Mord und Nichtanzeige des Verbrechens; RG. JW. 1928 2265 Nr. 63 (Vorteilsannahme und Vorteilsgewährung), RG. I I I 204/30 vom 19. 6. 1930 (Verleitung zur Falschaussage und fahrlässiger Falscheid), RG. II 346/28 vom 30. 4.1928 (mehrere auf dieselbe Straftat bezügliche Begünstigungen), RG. JW. 1929 2730 Nr. 30 (verabredeter Meineid in Tateinheit mit Begünstigung bei Nichtanwendung des § 157 StGB.), BGHSt. 11 18 (Mittäterschaft
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Vierter Abschnitt. Revision (Jagusch)
§ 357 Anm. 5—7
§358 statt Beihilfe, auch wenn bei dem Nichtrevidenten Alleintäterschaft vorliegen kann) ; OGHSt. 2 50, O l d e n b u r g NRpfl. 1956 58 (Verwendung eines Tatbestandsmerkmals als straferhöhend bei beiden Verurteilten), RGSt. 71214 (bei fortgesetzter Tat braucht Aufhebung der Verurteilung desHaupttaters nicht stets auch den Gehilfen zu betreffen). RG. II 531/39 vom 12.12.1939 (Rechtsfehler bei § 20a StGB., der nur besondere Voraussetzungen der Eigenschaft als gefährlicher Gewohnheitsverbrecher beim Beschwerdeführer betrifft). c) Gemeinsamer Revisionsgrund. Insofern bestanden seit je Zweifel, ob dieselbe Gesetzesverletzung, bezogen auf dieselbe Sachlage, mehrere Verurteilte zugleich betroffen haben mußte (Identität der Gesetzesverletzung), oder ob es für § 357 genügt, daß der Rechtsfehler, den die Revision aufdeckt, auch dem Nichtrevidenten Erfolg gebracht haben würde, wenn er Revision eingelegt hätte. In diesem Sinne (gleichartige Rechtsverletzung) entscheidet sich jetzt die herrschende Meinung, BGH. LM. 3 und 7, mit weiteren Angaben, OGHSt. 2 50, O l d e n b u r g NRpfl. 1955 58, RGSt. 16 417, 68 18, RG. JW. 1935 125, E b S c h m i d t 6, N e u s t a d t GA. 1954 252. Soweit N e u s t a d t a. a. 0. auch bereits rechtskräftig abgeurteilte Taten desselben Angeklagten sinngemäß einbeziehen will, geht das über § 357 hinaus und ist abzulehnen, so auch Eb S c h m i d t 9. Auch hier ist zu beachten, daß § 357 nur eingreift, soweit der Nichtrevident einen Vorteil davon hat (Anm. 2). 5. Angeklagte, die nicht Revision eingelegt haben. Ihnen steht gleich, wer Revision zwar eingelegt, aber nicht rechtzeitig oder nicht ausreichend begründet hatte, RG. DJ. 1939 1616, HRR. 194« Nr. 208, RG. Rspr. 6 557, BayObLG. DRZ. 20 Nr. 601. Es hindert nicht, daß die Revision als unzulässig verworfen, RGSt. 40 219, BGH. LM. Nr. 10, oder daß sie zurückgenommen worden ist, BGH. LM. Nr. 10, oder daß sie in anderer Beziehung keinen Erfolg gehabt hat, BGH. NJW. 1954 441. Vgl. noch O l d e n b u r g NJW. 1957 1450 (Berufung gemäß § 55 II JGG.). 6. Entscheidung des Revisionsgerichts. Das RevG. hat von Amts wegen zu beachten, ob die Voraussetzungen des § 357 vorliegen und demgemäß auch hinsichtlich des Nichtrevidenten zu erkennen. Auf dessen Willen kommt es nicht an. Es braucht ihn zum Verfahren nicht hinzuzuziehen. Ist Erstreckung geboten, so darf sie nicht deshalb unterbleiben, weil nicht anzunehmen, also nicht gewiß ist, daß die künftige Verhandlung zu milderer Strafe führen werde, es sei denn, es steht bereits fest, daß das Ergebnis für den Nichtrevidenten nicht günstiger werden kann (Anm. 2). Ob das RevG. nach Urteilsaufhebung in der Sache erkennt oder zurückverweist, ist für die Anwendung des § 357 unerheblich. Wird § 357 nicht angewandt, so braucht das RevG. darüber keine ausdrückliche Entscheidung zu treffen. Ist § 357 versehentlich nicht angewandt worden, so bleibt es dabei, a. M. RG. LZ. 18 42. 7. Weiteres Verfahren. Bei Erstreckung steht der Nichtrevident so, als ob er erfolgreich Revision eingelegt hätte. Bei Zurückverweisung nimmt er am weiteren Verfahren wieder teil, auch wenn er auf die Vergünstigung des § 357 keinen Wert legt. Gegen das neue Urteil steht ihm wieder Revision zu. Das Verschlechterungsverbot gilt auch für ihn, RGSt. 70 231. Wird abermals Strafe verhängt, so ist etwa verbüßte Strafe auf sie anzurechnen, RG. JW. 1929 1007 Nr. 9, RGSt. 40 219. Eine weitere Unbilligkeit des § 357 kann in weiterer Kostenbelastung des Nichtrevidenten bestehen.
§358 (1) Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen ist, hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung des Urteils zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen. (2) Das angefochtene Urteil darf inArt und Höhe der Strafe nicht zum Nachteil des Angeklagten geändert werden, wenn lediglich der Angeklagt«, zu seinen Gunsten die Staatsanwaltschaft oder sein gesetzlicher Vertreter Revision eingelegt hat. Diese Vorschrift steht der Anordnung der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, einer Trinkerheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt nicht entgegen. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 265 I, § 267. II. Entw. § 274. III. Entw. § 319. Frühere Bezeichnung: § 398. Änderungsvorschläge: NE I, II § 350. NE III § 345. Änderungen: Bek. v. 22. 3.1924 (RGBl. I 358). G. v. 24. 11.1933. VereinhG. Art. 3 Nr. 150 (BGBl. I 455, 629).
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§358
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
Anm. 1, 2 1. Bindung durch das Revisionsurteil (Abs. 1). Das Gericht, an das die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung verwiesen worden ist, hat die Aufhebungsansicht des RevGs. seiner Entscheidung zugrunde zu legen. Über den Begriff der Aufhebungsansicht, der nicht genau zutrifft, s. Anm. 2. Die Regelung entspricht der gleichlautenden Vorschrift des § 565 I S. 2 ZPO. Hinweise auf weitere entsprechende gesetzliche Regelungen bei BVerfG. NJW. 1954 1153. Die Vorschrift will vermeiden, daß die Sache zwischen RevG. und Erstgericht, wenn deren Rechtsansichten nicht übereinstimmen, zum Nachteil der Beteiligten und der Rechtseinheit hin und her geht. Deshalb und zur Wahrung der Rechtseinheit ist die Bindung vorgeschrieben. Das Gesetz beläßt es insoweit nicht bei bloßer Überzeugung durch die Gründe des Revisionsurteils. Aus dieser Regelung ist nicht zwingend und ohne weiteres ein Grundsatz der Selbstbindung desselben und anderer RevGe. durch das erste RevG. zu entnehmen. Darüber Anm. 4. — Wird das neue Urteil abermals mit Revision angefochten, so ist die Einhaltung der Bindung an die Aufhebungsansicht von Amts wegen zu prüfen, KG. J R . 1958 269, BayObLG. DRZ. 21 Nr. 313, vgl. RGZ. 9413. Dies gilt jedenfalls für das sachliche Recht. Betrifft die Aufhebung einen Verfahrensverstoß, so dürfte, mit K l e i n k n M 4d, zur erneuten Nachprüfung eine formgerechte Verfahrensrüge nötig sein. Da der Grundsatz des § 344 II gegenüber jedem nicht gerügten Verfahrensverstoß gilt, liegt es nahe, daß er auch gegenüber § 358 I durchgreift. Andernfalls hätte das Revisionsurteil mit seiner Aufhebungsansicht eine stärkere Stellung als die Verfahrensgesetze, was gewiß nicht beabsichtigt war. — Das Gericht, an das die Sache verwiesen worden ist, hat das Revisionsurteil von Amts wegen zur Kenntnis zu nehmen. Seine Verlesung in der neuen Hauptverhandlung ist nicht vorgeschrieben, aber zulässig, RGSt. 21436, RG. JW. 21358. Zum Verfahren in der erneuten Verhandlung BGH. MDR. 1958 15. 2. Aufhebungsansicht. Bindend ist die Ansicht des RevGs., welche der Urteilsaufhebung zugrunde liegt, BVerfG. NJW. 1954 1153 mit zahlreichen Hinweisen, KG. J R . 1958 268. Das gilt für Verfahrensverstöße wie für das sachliche Recht. Befaßt sich das RevG. nur mit einem Verfahrensverstoß und hebt es nur aus diesem Grunde auf, so ist das Erstgericht künftig lediglich an die Verfahrensauslegung gebunden, auf welcher die Aufhebung beruht. Hat das RevG. daneben andere Verfahrensrügen für unbegründet erklärt, so ist der Tatrichter daran nicht gebunden, ebensowenig an eine Auslegung des sachlichen Rechts, der das RevG. lediglich beigepflichtet hat, BGHSt. 3 357, 367. Insoweit gewährleistet § 358 I seinen Zweck nicht und erweist sich als zu eng. Der künftige Tatrichter ist nicht verpflichtet, das sachliche Recht wie bisher anzuwenden, obwohl das RevG. sein Vorgehen für richtig erklärt hat, weil dies nicht in der Form der Aufhebungsansicht geschehen konnte. Umgekehrt gilt dasselbe. Hat die Sachrüge Erfolg gehabt, jedoch nicht zu allen Punkten der sachlichen Rechtsanwendung, so bindet auch hier nur die zu dem Rechtsfehler geäußerte Ansicht des RevGs. — Bei begründeter Verfahrens- und Sachrüge ist auf beide Rügen hin mit Bindungswirkung aufzuheben (vgl. § 352 Anm. 3b, J a g u s c h NJW. 1962 1417). Die Bindung setzt voraus, daß die neue Verfahrens- oder Sachlage wieder Anlaß zur Anwendung der zugrunde liegenden Vorschrift bietet, andernfalls wird sie gegenstandslos (Anm. 3). — Zur Aufhebungsansicht rechnen sachlich notwendig ihr zugehörige (Vorentscheidungen, etwa diejenige über Nichtverjährung, über Vorhandenssein oder Rechtzeitigkeit eines Strafantrages oder der notwendigen Ermächtigung zur Strafverfolgung, auch wenn das RevG. dazu nichts Näheres ausgeführt hat, ebenso die Prüfung gemäß Art. 100 I GG., BVerfG. NJW. 1957 627. Wie hier K l e i n k n M l c . — Zur Nichtanwendung eines vom RevG. erkannten Erfahrungssatzes durch den neuen Tatrichter BGH. VRS. 1957 208. — Hat das RevG. die Sache gemäß § 355 an das zuständige Gericht verwiesen, so bindet die hierbei ausgesprochene Ansicht über örtliche oder sachliche Unzuständigkeit des bisherigen Tatrichters und über die Zuständigkeit des Gerichts, an welches verwiesen worden ist. Vgl. § 355 Anm. 3. — Alle übrigen Ausführungen des Revisionsurteils, auch soweit sie ein bloßes Beipflichten enthalten oder Ratschläge für weitere Sachbehandlung oder -beurteilung geben, aber nicht Aufhebungsansicht im dargelegten Sinne sind, haben keine bindende Kraft, wenn auch oft große praktische Bedeutung, BGHSt. 3 235. Erstgericht und RevG. können später von solchen Darlegungen abweichen, auch wenn sie zur Sache gehörten, vorbehaltlich der Bindung gemäß den §§ 121, 136 GVG. Wie weit die Aufhebungsansicht jeweils reicht, kann nur der Zusammenhang ergeben. Legt das RevG. z. B. dar, daß und warum das Erstgericht ein Strafgesetz unrichtig angewendet habe, so beschränkt sie sich hierauf; führt es außerdem aus, wie dieselbe Sachlage richtig zu beurteilen sei, so gehört auch dies zur Aufhebungsansicht. War die Berufung wegen
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Vierter Abschnitt. Revision (Jagusch)
§358 Anm. 3—5
Ausbleibens des Angeklagten verworfen worden (§ 329 I), so kommt keine sachliche Rechtsbindung in Betracht. Die Wirkung des § 358 I beschränkt sich hier auf die Rechtsansicht des RevGs. zum § 329, vgl. RG. JW. 19B1 1603 Nr. 59. — Bindung gemäß § 358 I besteht auch, wenn das RevG. ohne Beachtung einer Vorlegungspflicht (§§ 121 II, 136 GVG.) entschieden hat. Es ist nicht Sache des Tatrichters, dies nachzuprüfen, für ihn ist das Revisionsurteil maßgebend, KG. J R . 1958 269. S a r s t e d t NJW. 1955 1629 gegen B e c k e r NJW. 1955 1262. 8. Neuer Sachverhalt. Die Bindung gemäß § 358 I gilt nur bei entsprechender Verfahrensund Sachlage. Wiederholt sich eine frühere Verfahrenslage nicht oder besteht zur Prüfung der Anwendbarkeit der gerügten sachlichrechtlichen Vorschrift nach Sachlage kein Anlaß mehr, so entfällt insoweit die Bindung. Anders liegt es in sachlichrechtlicher Beziehung, soweit Urteilsfeststellungen bestehen bleiben (§ 353 II). Wiederholt sich der Sachverhalt vor Rechtskraft später nochmals, so lebt die Bindung wieder auf. Hat das Erstgericht neue Feststellungen zu treffen, so können die neuen Beweisergebnisse Anlaß zu anderer rechtlicher Beurteilung bieten, unter Umständen anhand derselben Vorschrift, RGSt. 31 436, RG. 41 389, LZ. 11 210, BVerfG. NJW. 1954 1153. Die Bindung des Tatsachengerichts schließt es nicht aus, daß es zu anderen Feststellungen gelangt und dann Rechtsfragen entscheiden muß, zu denen das RevG. nach bisheriger Sachlage nicht Stellung zu nehmen hatte, BGHSt. 9 329. Die bisherige rechtliche Beurteilung kann in solchen Fällen gegenstandslos werden, BayObLGSt. 1951 135, KG. HR. 3 Nr. 892, ebenso unter Umständen bei Gesetzesänderung (vgl. § 354 a), RG. GA. 64 554. Vgl. jedoch auch § 354 Anm. 8, 9, 10 (Zurückverweisung durch das RevG.). 4. Selbstbindung der Revisionsgerichte. Nach herrschender Ansicht hat nicht nur das Gericht, an welches die Sache zurückverwiesen worden war, die Aufhebungsansicht des RevGs. zu beachten ( Anm.l, 2, 3), sondern auch jedes später mit der Sache befaßte Revisionsgericht, neue Verfahrens- oder Sachlagen (Anm. 3) ausgenommen, dies alles auch dann, wenn zuerst ein OLG. entschieden hatte und später das RG. zuständig war oder der BGH. zuständig ist, BGH. NJW. 1953 1880,1952 35,1951 970, BVerfG. NJW. 1954 1153, OGHSt. 1 212, 1 35, RG. Rspr. 4 300, RG. LZ. 13 541, JW. 1935 2380 Nr. 40, BayObLG. DRZ. 21 Nr. 313, M ü n c h e n S t . 8 341, RGSt. 6 357, 22 156 (RG. im Verhältnis zum OLG.), RG. GA. 69 223 (ebenso unter mehreren Senaten des RG.), KG. J R . 1958 269, RFH. 42 349, BFH. BStBl. 1954 I I I 72. Diese Selbstbindung soll auch fortbestehen, wenn nach dem ersten Revisionsurteil ein abweichender Plenarbeschluß (Beschluß eines Großen Senats) ergangen ist, so daß die Sache also im Widerspruch zur nunmehr geltenden Rechtsanschauung zu entscheiden sei. Soweit die Bindung reicht, besteht keine Vorlegungspflicht, weil eine von der Aufhebungsansicht abweichende Beantwortung der Rechtsfrage durch das obere Gericht unbeachtlich wäre, KG. J R . 1958 269. Bindung besteht auch, wenn das erste RevG. seine Vorlegungspflicht (§§ 121 II, 136 GVG.) unbeachtet gelassen hat. Ebenso K l e i n k n M 2, E b S c h m i d t 4. — Die herrschende Meinung ist bedenklich. Es spricht mehr gegen als für sie. Für sie spricht lediglich, daß es mißlich erscheint, ein erstinstanzliches Urteil, das der Bindung des § 358 I gemäß entscheidet, wegen späterer Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung aufzuheben. Doch tritt dies im Bereich des § 354a ebenfalls ein. Gegen sie spricht, daß es nicht minder mißlich, ja unerträglich sein kann, eine schon lange laufende Sache nunmehr gegen die neueste Erkenntnis, unter Umständen sogar gegen einen Plenarbeschluß zu entscheiden. Auch spätere Rechtsänderung ist ja gemäß § 354 a zu beachten. Das Anliegen der Rechtseinheit wird allzu sehr vernachlässigt. Die Fälle sind auch nicht häufig. Ähnliche Bedenken bei RFH. 40 308, RStBl. 1941 212 (gelegentlich) und bei BVerwG. VII C 189/57 v. 11. 7. 1958,1 C 141/57 v. 27. 3. 1958. Zweifelnd auch S c h ö n k e § 565. — Das BVerfG. nimmt mit der h. M. revisionsgerichtliche Selbstbindung an, jedoch ohne eigene oder verbindliche Prüfung der Problematik. Nichtbeachtung der Selbstbindung verstößt nicht gegen Art. 3 I GG., BVerfG. NJW. 1954 1153 (nur für den Fall irrtümlicher Nichtbeachtung). Bei bewußter Nichtbeachtung kann es jedoch nicht anders liegen, weil immerhin gute Gründe dafür sprechen, keine Selbstbindung aus § 368 I abzuleiten. 5. Yersehlechterungsverbot. Die Vorschrift des § 358 II entspricht vollständig derjenigen des § 331 I, II. Dort ist das Verschlechterungsverbot, das keine notwendige rechtsstaatliche Einrichtung ist, ausführlich behandelt. Schrifttum und Rechtsprechung, insbesondere die des BGH., sind dort ausführlich angegeben. Darauf wird verwiesen. Nachzutragen sind hier BGHSt. 13 143 (Schuldspruchänderung auf Berufung des Nebenklägers, Folgerungen daraus für Strafe und Verschlechterungsverbot). BGHSt. 14 5, 15 164 (Verschlechterungsverbot bei Umbildung
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§ 358 Anm. 5
Strafprozeßordnung. Drittes Buch
von Einzel- und Gesamtstrafen). BGHSt. 14 287 (Schuldsprucherweiterung). — BGHSt. 14 381 (Irrtum über den Umfang der Aufhebung). — Der Entscheidung BGHSt. 9 324 (Einzelakte einer fortgesetzten Handlung nach dem ersten Urteil) ist nicht beizutreten, da die Kritik von P e t e r s JZ. 1957 482 den Vorzug verdient. — BGHSt. 5 376 (wie RGSt. 67 236, wenn statt Fortsetzungstat Tatmehrheit angenommen wird). BGHSt. 10198 (§ 358 II gilt sinngemäß auch für Erziehungsmaßregeln und Zuchtmittel des JGG.). BGHSt. 10 100 (zum Verhältnis von Gefängnis- und Jugendstrafe). — Das Urteil BGH. NJW. 1960 1870 überspannt den Rechtsgedanken des Verschlechterungsverbots und erweckt daher Bedenken. — BGHSt. 13 41 (Revision der StA. zuungunsten, die zu Gunsten des Angeklagten Erfolg hat). Das Verschlechterungsverbot hindert die Verschlimmerung des Schuldspruchs nicht, J a g u s c h NJW. 1962 1417.
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Viertes
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Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens Literatur: A l s b e r g , Justizirrtum und Wiederaufnahme (1913); v. K r i e s GA. 26 169; D i t z e n Ger. S. 47 126; R o s e n b l a t t Ger. S. 53 450; ZStW. 23 680, 26 101; E c k s t e i n Ger. S. 85 107, L o b e Ger. S. 110 239; M a y e r Ger. S. 99 299; N e u m a n n , System der strafprozessualen Wiederaufnahme (1932); S c h ä f e r J R . 1933 6ff„ 18ff.; B a u e r JZ. 1952, 209; v o n H e n t i g , Wiederaufnahmerecht (1930); S c h n e i d e w i n JZ. 1957 537. 1. Die Wiederaufnahme des Verfahrens findet niemals durch das Gericht von Amts wegen statt, sondern n u r auf A n t r a g eines Prozeßbeteiligten, der zudem behaupten muß, das Urteil sei materiell unrichtig, R ö h l NJW. 1960,180. Der Kreis der Prozeßbeteiligten ist in Einleitung Kapitel 8 umschrieben. Über die Wiederaufnahme des Verfahrens im objektiven Verfahren vgl. Anm. zu § 432, ferner § 359, Anm. 21. 2. a) Die Wiederaufnahme setzt voraus, daß ein Strafverfahren durch rechtskräftiges Urteil beendet worden ist. Ob dabei das Verfahren als Ganzes abgeschlossen sein muß oder ob auch eine t e i l w e i s e R e c h t s k r a f t genügt, um diesen Teil des Verfahrens erneut in Gang zu bringen, ist bestritten. Die von E r b s § 359 Anm. II; P e t e r s 539; B e l i n g ZStW. 41 152; Eb. S c h m i d t Vorbem. 6, H e n k e l 401; M e i s t e r MDR. 1950 713; B a u e r a. a. O. OLG. Braunschweig NJW. 1950 36; OLG. Düsseldorf NJW. 1951 677; Köln NJW. 1953 396, OLG. Schleswig SchlHA. 1953 270; OLG. Bremen JZ 1951 92 vertretene Ansicht, wonach eine teilweise Rechtskraft ausreicht, verdient den Vorzug. So reicht die r e c h t s k r ä f t i g e E r l e d i g u n g des S c h u l d s p r u c h s oder eine rechtskräftige Aufrechterhaltung tatsächlicher Feststellungen entsprechend § 353 Abs. 2 aus, um diesen Teil des Verfahrens der Wiederaufnahme zu eröffnen. Dasselbe gilt für die Erledigung eines in s i c h a b g e s c h l o s s e n e n T e i l e s (selbständige Straftat), selbst wenn die Gesamtstrafe noch in einer neuen tatrichterlichen Hauptverhandlung neu festgesetzt werden muß. Die gegenteilige von S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Vorbem. 1 vor §359, K l e i n k n M §359 Anm. l a ; D a l c k e Anm. 1, welche zudem ein angebliches Urteil des BGH. MDR. 1953 119 zitieren, obwohl der BGH. diese Frage noch nie behandelt hat; OLG Hamm HESt. 1, 216, OLG. Hamburg DStR. 1936 375; MDR. 1951 245; J R . 1951 509; OLG. Frankfurt NJW. 1951 976, 1952 119; OLG. Celle NdsRpfl. 1952 20; OLG. Düsseldorf NJW. 1954 1499 unter Aufgabe von NJW. 1951 677 vertretene Ansicht, welche einen vollständigen Abschluß des anhängigen Verfahrens bis zur Straffestsetzung einschließlich der Gesamtstrafenbildung fordert, ist zu eng und führt zu überflüssigen Verhandlungen über Feststellungen oder Rechtsfragen, von denen bereits in Zweifel steht, ob sie einem Wiederaufnahmeverfahren standhalten werden oder nicht. Sie führt sogar dahin, daß u. U. auf Grund des bisher rechtskräftigen Teils eine Strafe ausgesprochen werden muß, obwohl bereits feststeht, daß im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochen werden wird. Hierin liegt eine nicht nur überflüssige, sondern auch dem Ansehen der Rechtspflege abträgliche Mehrarbeit. Daß Wiederaufnahmegesuche den Ablauf des noch anhängigen Verfahrens nicht ohne Grund verzögern dürfen, versteht sich dabei von selbst. Die hier vertretene Ansicht bezieht sich daher nur auf Fälle, in denen begründete Zweifel daran bestehen, ob das bisherige Verfahren auf fehlerfreien Grundlagen beruht. Wie hier mit weiteren Nachweisen B a u e r a. a. O. Über Urteile ausländischer Gerichte, von Besatzungsgerichten und Gerichten aus abgetrennten Gebieten vgl. § 367, Anm. 1. b) Die Wiederaufnahme ist auch in Privatklagesachen gegenüber Urteilen zulässig; OLG. Celle ZStW. 43 502; BayObLG. DRZ. 1930 Nr. 361, nicht dagegen gegenüber Beschlüssen K l e i n k n M Anm. l a ; OLG. Hamm JMB1. NRW. 55 227, da diese nicht die eine Strafklage ver-
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Vor § 359
Strafprozeßordnung. Viertes Buch
Anm. 3 brauchende Wirkung eines Urteils, Strafbefehls oder gerichtlich bestätigten Bußgeldbescheids haben. Über die Frage, ob das Verfahren gegenüber n i c h t i g e n Urteilen statthaft ist, besteht Streit. Es gilt hier das Entsprechende, wie in Vorbem. 26a vor § 151 ausgeführt wurde. Selbst wenn ein Fall der erkennbaren Nichtigkeit vorliegt, ist das W i e d e r a u f n a h m e v e r f a h r e n zul ä s s i g ; a. A. E b S c h m i d t Vorbem. 5, allerdings wohl weil er es für überflüssig hält, was aber m. E. nicht praktikabel ist; denn das zu Unrecht ergangene Urteil ist in der Welt und der zu Unrecht Verurteilte hat einen Anspruch darauf, durch ein im Wiederaufnahmeverfahren erlassenes Urteil freigesprochen zu werden. Die Gefahr, daß das nichtige Urteil eine fehlerhafte Grundlage einer Vollstreckung darstellen könne, besteht in zahlreichen Fällen. So ist es oft zweifelhaft, ob wirklich die Strafklage durch das frühere Urteil verbraucht ist und es besteht hier, wie in anderen Fällen das Bedürfnis, diese Zweifelsfragen durch richterliches Urteil zu entscheiden. Es wäre schwer erträglich, wollte man diese Entscheidungen in das Vollstreckungsverfahren verlegen, wo eine Klärung durch eine Hauptverhandlung entbehrt werden muß. Mit Recht weist A r n d t Ger. S. 101190 gegenüber G e r l a n d 298 und Beling 433 darauf hin, daß die Nichtigkeit eines Staatsaktes dessen Anfechtung nicht ausschließt, wenn der Betroffene ein berechtigtes Interesse daran hat, auch den Anschein eines gültigen Staatsaktes zu zerstören. Die Wiederaufnahme gegen ein Urteil, welches gegen den Grundsatz „ne bis in idem" verstoßen hat, ist daher mit BayOLG. = Alsberg Entsch. 2 Nr. 270c und Köln = Alsberg Entsch. 2 Nr. 270d zuzulassen. So O l b r i c h t GA.48100; von S p i n d l e r GA. 68 433; a. A. KG. JW. 1927 2073 und Breslau GA. 51 376. Vgl. noch Hamburg NJW. 1952 1150; P o t r y k u s NJW. 1953 93. Die Problematik der Nichtigkeit von Gesetzen und deren Auswirkung auf den Bestand des Urteils, falls Tateinheit vorliegt wird unter Anm. 3 d besonders behandelt. e) Die Wiederaufnahme gegenüber einem rechtekräftigen Strafbefehl ist jetzt durch § 373a ausdrücklich zugelassen. Daß hieraus keine volle Rechtskraft des Strafbefehls, welche den Verbrauch der Strafklage unbeschränkt nach sich zieht, herzuleiten ist, wurde an anderer Stelle (Vorbem. 22f. vor § 151) bereits dargelegt. Bei den nach landesrechtlicher Bestimmung gem. § 413 zulässigen richterliehen Strafverfügungen muß im Gegensatz zu den früher zulässigen polizeilichen Strafverfügungen ( F r i e d r i c h GA. 72 12) eine analoge Anwendung des § 373a zugelassen werden. K l e i n k n M § 373a Anm. 2; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Vorbem. 3 vor § 359; a. A. E r b s § 359 Anm. II; P e t e r s 539; D a l i i n g e r §373a Anm. 1. E b S c h m i d t Vorbem. 1. Vgl. ergänzend § 373 a Anm. 3. Dagegen gibt es keine Wiederaufnahme gegen Beschlüsse nach § 383 Abs. 2 (OLG. Hamm JMB1NRW.1962221) und Verwerfungsbeschlüsse nach §349 Abs. 2 StPO. S c h w a r z K l e i n k n e c h t Vorbem. 3. Die gegenteilige Auffassung OLG Braunschweig NJW. 1950 36 wird schon deshalb kaum praktisch werden, weil es neue Tatsachen, wenn überhaupt im Revisionsverfahren, so doch keinesfalls in einer Verfahrensform gibt, bei welcher gerade keine Tatsachen mehr berücksichtigt wurden, also das Neue sich nur gegen das Erstgericht richten kann. Ausgenommen.ist allerdings der Fall des § 359 Ziff. 3 und des § 362 Ziff. 3. 3. a) Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gehört nicht zu den Rechtsmitteln der StPO.; Schwarz Anm. 1 vor §369; K l e i n k n M Note 3 vor § 369. Von diesen unterscheidet ersieh dadurch, daß er nicht auf im Urteil enthaltene rechtliche Fehler gegründet werden kann; Köln MDR. 1952 313, daß er vielmehr — abgesehen von dem einzigartigen Wiederaufnahmegrund der Ziff. 3 der §§ 369 und 362 — gegen die B e w e i s g r u n d l a g e des Urteils angeht. Rechtsfehler können nur im Gnadenweg oder durch Tilgung des Strafvermerks beseitigt werden; P e t e r s 536; E b S c h m i d t Vorbem. 7; K l e i n k n M Anm. 7b. OLG. Hamburg MDR. 1953 119, OLG. Köln MDR 1952 313. Entgegen RG. 19 321 und G e r l a n d 436 richtet sich der Antrag nicht nur gegen die Entscheidung in der Schuldfrage, vielmehr lassen die Ziff. 1 und 2 der §§ 369 und 362 auch Angriffe gegen Beweisannahmen zu, die außerhalb der Schuldfrage liegen; S c h w a r z Anm. 1 B vor § 359. Dies gilt z. B. wenn das Schriftstück, welches den zur Strafverfolgung erforderlichen Antrag enthielt, gefälscht war oder die Unterbrechung der Verjährung auf einem gefälschten Protokoll beruht. Hier wird die Zulässigkeit der Strafverfolgung angegriffen. Entsprechendes gilt für die Frage der Wiederaufnahme gegen ein Urteil, welches sich nur mit der Zulässigkeit eines Rechtsmittels befaßt, falls die Verneinung der Zulässigkeit etwa auf gefälschten Vermerken über die Zustellung des Urteils usw. beruht. O l b r i c h t GA. 48 100; Köln = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 270 d; Braunschweig NJW. 1950 36. Da derartige Fragen jedoch meist im Beschlußwege erledigt werden, sind Wiederaufnahmemöglichkeiten im Rahmen dieser Vorschriften selten. K l e i n k n M §359 Anm. l a .
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Wiederaufnahme des Verfahrens (Kohlhaas)
Vor § 359 Anm. B
Da Rechtsfragen, abgesehen von den Sonderfällen der Ziff. 3 der §§ 359 und 362 E b S c h m i d t Anm. 7 dem Wiederaufnahmeantrag nicht zugrunde gelegt werden können, kann auch eine Ges e t z e s ä n d e r u n g nicht zum Anlaß eines solchen Antrags herangezogen werden, auch nicht die Änderung einer Rechtsauffassung höchster Gerichte. So für den Wegfall der deutschen Gerichtsbarkeit OLG. Hamburg MDR. 1953 119. Wohl aber kann in solchen Fällen mit einem Wiederaufnahmeverfahren versucht werden, die Beweisgrundlage jenes Urteils zu erschüttern, worauf dann allerdings bei Erfolg in der neuen Hauptverhandlung die neue Rechtsauffassung oder Gesetzesänderung zugrunde zu legen wäre. E b S c h m i d t Vorbem. 8, S e i b e r t NJW. 1952 251, OLG. Hamm NJW. 1958 918, OLG. Schleswig NJW. 1953 1445. War eine Rechtsnorm von Anfang an nichtig, so ist ein Wiederaufnahmegrund gegeben. So ganz allgemein über § 79 BVerfGG. hinaus AG. Dinkelsbühl NJW. 19521190. Vgl. S e i b e r t NJW. 1952 251. E b S c h m i d t Vorbem.9, K l e i n k n M Anm. 2a. Über die Folgen einer Nichtigkeit, die nur über eine Normenkontrollklage festgestellt werden kann vgl. Näheres unter Anm. 3d. b) Ein Recht zur Bestellung eines neuen O f f i z i a l v e r t e i d i g e r s für den Wiederaufnahmeantrag besteht nicht, Hamburg = A l s b e r g Entsch. 1 Nr. 314. Über Ausnahmen vgl. aber § 366 Anm. 2. e) Das Verfahren nach § 81 ist auch im Wiederaufnahme-Zwischenverfahren zulässig Bay.ObLG. = A l s b e r g Entsch. 1 Nr. 197; a.M. OLG. Düsseldorf = A l s b e r g Entsch. 1 Nr. 198. d) Wie zu verfahren sei, wenn eine Norm für verfassungswidrig erklärt wird, ist im Gesetz sehr unklar geregelt. Zweifelsfrei ist, daß es sich um einen Wiederaufnahmegrund handelt und daß die Rechtslage eine andere ist, wenn als sich Rechtsauffassungen des Gerichts geändert haben oder Gesetze nachträglich geändert worden sind (Vorb. 3a). Wie hier E b S c h m i d t Vorbem. 3 vor § 359 und K l e i n k M 6 vor § 359. Gleichgültig ist auch, ob der Wegfall der Norm eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu Ungunsten oder zu Gunsten des Verurteilten nach sich zieht. E b S c h m i d t Vorbem. 3 vor §359 und K l e i n k n M Vorbem. 6 vor §359 entgegen früheren Auflagen. Es ist auch gleichgültig, wer das Nichtigkeitsverfahren in Gang gebracht hat, ob also die Regierung oder ein Betroffener auf dem Wege der Verfassungsbeschwerde oder die Gerichte nach Art. 100 GG. Soweit die Verweisung im BVerfGG. unklar ist, handelt es sich um ein Redaktions versehen. K l e i n k n e c h t N J W 1952 1190. Da es sich nur um eine entsprechende Anwendung der Vorschriften der §§ 359ff. handelt, kann das Wiederaufnahmebegehren auch keine Grenze an § 363 finden. Während dort bei Gesetzeskonkurrenz oder bei Tateinheit unter Anwendung der Strafe aus einem Gesetz, auf das sich die Wiederaufnahme nicht bezieht, jede Wiederaufnahme ausgeschlossen ist, weil in Wahrheit allenfalls die Strafzumessung betroffen sein kann, ohne daß die Strafe aus einem „anderen Gesetz" als bisher genommen werden muß, handelt es sich bei Nichtigkeit um einen solch einschneidenden Akt, daß jeder Betroffene Anspruch darauf hat, von dem Makel der Bestrafung, auch wenn sie sich nur im Strafmaß auswirken könnte, befreit zu werden ( K l e i n k n e c h t a. a. 0.), womit er aber dennoch nicht jeder Aburteilung entgehen kann. Da es sich ferner bei dem Wegfall einer Norm infolge Nichtigkeit im Gegensatz zu den sonstigen Wiederaufnahmefällen um keine Beseitigung der tatsächlichen Grundlagen des Urteils handelt, ist die Neuansetzung einer neuen Tatsachenverhandlung mit Zeugeneinvernahme usw. überflüssig und daher sinnwidrig. Sonach ist zwar ein Zulassungsbeschluß nach § 367 erforderlich, es kann aber von der Notwendigkeit einer Beweisaufnahme (§ 369), einer Anordnung der Hauptverhandlung (§ 370 Abs. 2) und einer Hauptverhandlung selbst keine Rede sein. Gedacht werden kann nur an einen Beschluß, der dem § 371 Abs. 2 entspricht, wo zwar nicht „freigesprochen", aber die bisher angewandte Norm als weggefallen erklärt wird. Soweit dann eine Änderung der Strafbemessung in Betracht kommt, muß der Richter diese durch Beschluß vornehmen. Geht man davon aus, daß die Wiederaufnahme auch zu Ungunsten des Verurteilten in der Form möglich ist, daß an Stelle der nichtigen Norm eine andere, auf den tatsächlich abgeurteilten Sachverhalt schon zur Zeit der Tat passende, Norm angewandt wird ( S c h m i d t - L e i c h n e r N J W 1962 1369 ff.) und bietet die Beschlußfassung dort keine Schwierigkeiten, wo die Norm ersatzlos nicht mehr angewandt wird und nur nach bisher bereits tateinheitlich angewandten oder durch Gesetzeskonkurrenz „verdrängten" Normen abgeurteilt wird, so ist umstritten, ob eine Berichtigung des Urteils durch Ersatzanwendung einer anderen Norm im Beschlußweg zulässig sei.
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V o r § 359 Anm. 4, 5
Strafprozeßordnung. Viertes Buch
Ablehnend S c h m i d t - L e i c h n e r a. a. 0. Nach dem oben Ausgeführten, wonach es nicht möglich ist, eine neue Hauptverhandlung anzuordnen, weil eine Beweisaufnahme sinnwidrig ist, muß ein Ersatz der für nichtig erklärten Norm durch eine denselben Sachverhalt rechtlich schon zur Zeit der Tat erfassende Norm zulässig sein (OLG. Bamberg NJW 1962 2168, Bremen NJW 1962 2169, OLG. Hamm NJW 1962 2265). Welches Gericht zuständig ist, richtet sich nach den zu § 369 Anm. 3 a entwickelten Grundsätzen. Sofern das frühere Urteil in der Revisionsinstanz ergangen war, bestehen keine Bedenken dagegen, daß das Revisionsgericht diese Berichtigung vornimmt, da es keine Tatsachenfeststellungen zu treffen braucht. OLG. H a m m NJW 1962 2265 a. A.hinsichtlich der Zuständigkeit des Revisionsgerichts OLG. Düsseldorf NJW 1962 2265, hinsichtlich der Urteilsberichtigung OLG. N ü r n b e r g NJW 1962 2264. Gegen die Berichtigung wird mit beachtlichen Gründen von von S t a c k e l b e r g NJW 1963 700 vorgebracht, daß es Berichtigungen nur bei offenkundigen Fehlern gebe und keinesfalls eine Änderung des Schuld- oder Strafausspruchs damit ausgesprochen werden dürfe. S t a c k e l berg macht dabei eine Unterscheidung zwischen Geldstrafen und Freiheitsstrafen im Hinblick auf Art. 104 Abs. 1 GG., weil letztere ein ordentliches Verfahren voraussetzen. Dieser Unterschied ist keinesfalls entscheidend. Ob Geldstrafe oder Freiheitsstrafe, muß gleichgültig sein; ja selbst bei Ordnungswidrigkeiten darf die Wiederaufnahme an dem dogmatischen Unterschied der beiden Verfahrensarten nicht scheitern. K o h l h a a s NJW 1963 454 in Ablehnung von BayOb. LG. a. a. 0. Daher können S t a c k e l b e r g s Hinweise im Ergebnis nicht überzeugen. Er beruft sich zwar mit Recht auf die Rechtskraft eines Urteils, jedoch greift der Grundsatz „ne bis in idem" gerade dort nicht durch, wo eine Tat nicht zweimal verfolgt, sondern für dieselbe Tat unter denselben tatsächlichen Feststellungen, ja sogar denselben rechtlichen Gesichtspunkten, nur unter Hinzuziehung einer inhaltlich gleichen Norm einmal bestraft wird. 4. Die Gründe der Wiederaufnahme werden in den §§ 359, 362, 363, die sonstigen Vorbedingungen des Antrages in den §§ 361, 364, 366 behandelt. Der § 360 bestimmt den Einfluß des Antrags auf die Strafvollstreckung. Die §§ 367 bis 373 regeln das Verfahren über den Antrag auf Wiederaufnahme und zwar werden drei Stadien, die es durchlaufen kann, durch die in §§ 368, 370, 373 erwähnten Entscheidungen, gekennzeichnet. 5. Amnestie, Begnadigung — So wenig wie man einen Antrag auf eine Gesetzesänderung oder nachträglichem Wegfall einer Prozeßvoraussetzung stützen kann, so wenig kann er auf eine Amnestie gestützt werden. Hamburg JR. 1933 Nr. 1160. Das Übersehen einer Amnestie, bevor das Urteil in Rechtskraft erwuchs, begründet als reiner R e c h t s f e h l e r keinen Wiederaufnahmeantrag Neumann a.a.O. 84; Schäfer JR. 192969. Beruht die Nichtbeachtung der Amnestie jedoch auf t a t s ä c h l i c h e n Erwägungen (Annahme ehrloser Gesinnung oder Ausschluß drängender Not), so kann bei Beibringen tatsächlicher Unterlagen, welche diese Annahmen entkräften können, ein Wiederaufnahmeantrag gestellt werden. KleinknM § 359 Anm. 7; K o h l h a a s StfG. 1954, § 16 A II g. Umstritten ist die Frage, ob ein aus anderen Gründen beantragtes Wiederaufnahmeverfahren von einer nach Rechtskraft des Urteils erlassenen Amnestie berührt werde. Daß ein Verfahren, welches nicht aus anderen Gründen zur Erneuerung der Hauptverhandlung gem. § 370 Abs. 2 führt, von einer Amnestie völlig unberührt bleibt, bedarf keiner weiteren Ausführung, sollte nicht einem Mißbrauch der Amnestie durch mutwillige Wiederaufnahmeanträge Vorschub geleistet werden. Dagegen ist entgegen KG. JW. 1926 2231, welches einer Amnestie jede Einwirkung auf das Wiederaufnahmeverfahren versagt, von dem Augenblick an, in welchem es aus anderen Gründen zu einer Anordnung der Erneuerung der Hauptverhandlungen gekommen ist, die Rechtskraft des alten Urteils bereits gebrochen. Das neue Verfahren ist wieder „anhängig", so daß es auf Grund der Amnestie niederzuschlagen und zugleich mit dem Beschluß nach § 370 Abs. 2 einzustellen ist. RG. JW. 1923 80; F u c h s JW. 1926 2231; BayObLG. HRR. 1936 Nr. 86. Die Ansicht des OLG. Breslau, ZStW. 45 186, daß bereits die Zulassung der Wiederaufnahme (§ 369) die Amnestie wirksam mache, geht zu weit, da bis zur Anordnung der Wiederaufnahme die Rechtskraft des vor Amnestieerlaß gefällten Urteils noch ungebrochen ist, ebenso kann die Ansicht, daß die Amnestie nur einer Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten entgegenstehe (von H e n t i g a. a. 0.), nicht gebilligt werden. Wird ein Verfahren auf Grund der Amnestie eingestellt, so gibt es hiergegen kein Wiederaufnahmeverfahren, OLG. Hamburg HRR. 1937 Nr. 1685, falls der Angeklagte keine Möglichkeit gehabt hat, hiergegen anzugehen oder sie nicht wahrgenommen hat. Hat er aber das Verfahren in einer dem § 17 StFG. 1954 entsprechenden
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Wiederaufnahme des Verfahrens (Kohlhaas)
§359 Anm. 1—8
Weise weitergeführt und ist dann eingestellt worden, so besteht eine Wiederaufnahmemöglichkeit, weil sonst die endgültige Einstellung einem Schuldspruch gleich steht. OLG. Celle NdsRpfl. 1956 18. Dagegen steht die B e g n a d i g u n g einer Wiederaufnahme nicht entgegen. Bleibt das Wiederaufnahmeverfahren erfolglos, so behält der Gnadenerweis (Erlaß oder Teilerlaß) seine Wirkung. RG. GA. 68 379; a.M. RG St. 57 312; M i t t e l b a c h NJW. 1950172. Die Anwendung des § 163 Abs. 3 ist auch nach Wiederaufnahme möglich. Beling 439; F o r t lage DJZ. 301033. Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, daß § 163 nicht der Umgehung der Schuldfrage dient, somit nur in Betracht kommt, wenn das Wiederaufnahmeverfahren zwar die Schuld nicht ausräumen kann, sie aber nun geringer und die Folgen der Tat als unbedeutender erkennen läßt.
§ 359 Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zugunsten des Verurteilten ist zulässig: 1. wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Ungunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war; 2. wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei einem zu Ungunsten des Verurteilten abgelegten Zeugnis oder abgegebenen Gutachten einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung des Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht hat; 3. wenn bei dem Urteil ein Richter, Geschworener oder Schöffe mitgewirkt hat, welcher sich in Beziehung auf die Sache einer Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat, sofern diese Verletzung mit einer im Wege des gerichtlichen Strafverfahrens zu verhängenden öffentlichen Strafe bedroht und nicht vom Verurteilten selbst veranlaßt ist; 4. wenn ein zivilgerichtliches Urteil, auf welches das Strafurteil gegründet ist, durch ein anderes rechtskräftig gewordenes Urteil aufgehoben ist; 5. wenn neue Tatsachen oder Beweismittel beigebracht sind, welche allein oder in Verbindung mit den früher erhobenen Beweisen die Freisprechung des Angeklagten oder in Anwendung eines milderen Strafgesetzes eine geringere Bestrafung oder eine wesentlich andere Entscheidung über eine Maßregel der Sicherung und Besserung zu begründen geeignet sind. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 268, II. Entw. § 276, III. Entw. § 320, Bek. v. 22. 3.1924 (RG. Bl. I 368). AG. GewVerbG. v. 24.11.1933 fügte die „Maßregeln der Sicherung und Besserung" ein. Art. 6 der dritten VereinfVO. v. 29. 6 1943 (RGBl. I 342) faßte den § neu. Art. 3 Nr. 139 der VereinfGes. paßte ihn den neuen Fassungen des § 267 und der uneidlichen falschen Aussage an. Änderungsvorschläge: NE I und II §§ 361, 354, V Art. IV 34 Entw. ADStGB. Art. 70 Ziff. 196. 1. Zeit des Antrags. Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zugunsten des Verurteilten ist an keine Frist gebunden, kann vielmehr zu jeder Zeit gestellt werden. Vgl. § 361. S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 1. 2. Wiederholung des Antrags. Die Verwerfung des Antrags auf Wiederaufnahme schließ einen abermaligen Antrag dieser Art nicht aus, falls er auf einen neuen, von der Verwerfung nicht betroffenen, Grund gestützt wird. Ein zurückgenommener Antrag kann mit derselben Begründung wiederholt werden. E r b s Anm. V. 3. Zweck des Antrags. Die Wiederaufnahme des Verfahrens kann nicht bloß zum Zweck der völligen F r e i s p r e c h u n g des Angeklagten, sondern auch zu dem Zweck stattfinden, damit ein anderes Strafgesetz angewandt und auf Grund desselben die Tat m i n d e r schwer als geschehen q u a l i f i z i e r t , nicht dagegen innerhalb desselben Strafgesetzes milder beurteilt werde. Eine Modifikation siehe in Anm. 22 b, vgl. im übrigen § 363 und die Anm. daselbst. Daher kann auch eine Teilwiederaufnahme bei selbständigen Taten oder bei Tatmehrheit erfolgen und insoweit unbeschadet des § 363 auch die Strafzumessung angegriffen werden (BGHSt. 1136114 88). Dasselbe gilt, wenn bei einer fortgesetzten Handlung alle Tatteile bis auf einen in Wegfall kommen sollen.
1873
§359
Strafprozeßordnung. Viertes Buch
Arn». 4—8 Bleiben aber auch nur zwei Tatteile unangefochten, so bleibt die fortgesetzte Tat bestehen und liegt der Unzulässigkeitsgrund des § 363 vor. OLG. O l d e n b u r g NJW. 1952 1029. Eine Wiederaufnahme nach Verneinung der Schuld des Angeklagten, um eine andere günstigere Beurteilung zu erlangen, ist dagegen nicht möglich, G e r l a n d 438. Darüber, daß der Katalog der Wiederaufnahmegründe nicht erschöpfend ist, vgl. Vorbem. 3 a vor §359 am Ende. 4. Die hier zugelassenen Wiederaufnahmegründe sind ihrem Wesen nach voneinander verschieden. Der unter Nr. 3 bestimmte Grund betrifft die Rechtsbeständigkeit des Verfahrens und ist den in § 338 Nr. 1—3 bezeichneten Revisionsgründen verwandt (vgl. unten Anm. 13). Bei den unter Nr. 1, 2, 4 bestimmten Gründen handelt es sich um die Beseitigung der Beweisgrundlagen des ergangenen Urteils (vgl. Anm. 9,15), bei dem unter Nr. 5 bezeichneten Grunde endlich um die Erschütterung der in dem Urteil enthaltenen Feststellungen mittels neuer Tatsachen oder Beweismittel (vgl. Anm. 16). Die Verschiedenartigkeit der Wiederaufnahmegründe tritt auch bei der Bestimmung des §367 hervor; vgl. dort Anm. 3. Vgl. ferner oben Vorbem. 4 vor §359. Zu Nr. 1. 5. Der Begriff der „Urkunde" ist nicht im prozessualen Sinne (§ 249 StPO.) sondern im m a t e r i e l l r e c h t l i c h e n Sinne (§267 StGB.) zu verstehen. K l e i n k n M Anm. 3a; S c h w a r z K l e i n k n e c h t Anm. 2; E b S c h m i d t Anm. 2. Der Begriff der „Urkunde" ist nicht auf Schriftstücke beschränkt, vielmehr fallen unter ihn auch andere leblose Gegenstände, die durch Zeichen einen Gedankeninhalt zum Ausdruck bringen. Auch der Nachweis einer Fälschung von Blechmarken, Nummerkarten, Kerbhölzern, Siegeln und ähnlichen Beweiszeichen kann die Grundlagen des ergangenen Urteils beseitigen; G e r l a n d 438, E r b s Anm. VII. E b S c h m i d t weist aber mit Recht Anm. 3 darauf hin, daß der gedankliche Inhalt nicht übersehen werden darf, daß also Fußspuren, Geschoßeinschläge und Kälberzeichen, auch wenn sie verfälscht worden sind, keine Urkunden sind, sondern allenfalls als Augenscheinsobjekte über Ziff. 5 eingeführt werden können. 6. Die Bestimmung setzt eine unechte oder verfälschte Urkunde voraus. Der Fall der schriftlichen Lüge, daß (wie z. B. bei Scheinverträgen) die in der Urkunde enthaltene Erklärung eine unwahre ist, gehört nicht hierher ( K l e i n k n M Anm. 3b) ebensowenig der Fall, daß ihr Inhalt mißverstanden worden ist. Der Wiederaufnahmegrund der Nr. 1 hegt auch dann nicht vor, wenn die zu benutzende Urkunde mit einer anderen, jedoch gleichfalls echten, verwechselt, hierdurch aber das Gericht in einen Irrtum versetzt wurde. In diesen Fällen wird unter Umständen die Bestimmung der Nr. 5 Anwendung finden. Die Worte „unecht oder verfälscht" sind im Sinne des StGB, zu verstehen; gleichwohl läßt sich nicht aufstellen, daß die Bestimmung der Nr. 1 notwendig den Tatbestand einer s t r a f b a r e n H a n d l u n g (Urkundenfälschung) voraussetzt. Zum Tatbestand der Urkundenfäschung ist nach § 267 StGB, erforderlich, daß zur Täuschung im Rechtsverkehr gehandelt wird. So ist jedoch § 359 Nr. 1 nicht einzuschränken, vielmehr genügt hier auch eine i r r t ü m l i c h e V o r l a g e der unechten Urkunde ohne Täuschungsabsicht. S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 2; E b S c h m i d t Anm. 4; E r b s Anm. VII. In derartigen Irrtumsfällen ist zwar eine Verurteilung gem. § 364 nicht möglich, jedoch auch nicht erforderlich. So auch G e r l a n d 438. a. A. wohl K l e i n k n M Anm. 3b, der fälschlicherweise fordert, daß stets ein Strafurteil ergangen sein müsse. Über die Wirkung der Urkunde vgl. Anm. 9. Zu Nr. 2. 7. Soweit eidliche Zeugnisse oder Gutachten in Betracht kommen, steht der Beeidigung der Gebrauch von Beteuerungsformeln und die Berufung auf einen früher geleistete^ Eid gleich (§§ 65, 67, 79 Abs. 2 sowie StGB. § 155 Abs. 3). Durch die jetzige Fassung stehen uneidliche vorsätzliche Aussagen nach StGB. § 153 den eidlichen gleich. Dies gilt auch für im Ausland gemachte eidliche oder uneidliche Aussagen. 8. Der Zeuge oder Sachverständige, zu denen nach § 191 GVG auch der Dolmetscher zählt ( S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 3, E b S c h m i d t Anm. 5 mit dem Hinweis auf §191 Satz 2, wonach das Verhalten eines Urkundsbeamten die Voraussetzung der Ziff. 2 nicht erfülle), muß sich durch die Art seiner Aussage strafbar gemacht haben. Beruht die Unwahrheit auf einem entschuldbaren Irrtum und liegt keine strafbare Handlung des Zeugen usw. vor, so ist Nr. 2 nicht anwendbar, da nach § 364 eine rechtskräftige Verurteilung wegen der strafbaren Handlung
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Wiederaufnahme des Verfahrens (Kohlhaas)
§359 Anm. 9—12
ergangen sein oder ein Strafverfahren aus einem anderen Grund als wegen Mangels an Beweis nicht eingeleitet oder durchgeführt werden können muß. Wohl aber kann § 359 Nr. 5 in Betracht kommen, da für letzteren Wiederaufnahmegrund § 364 keine Anwendung findet. So auch K l e i n k n M Anm. 4d OLG. Marienwerder DStR. 1938 402; OLG. Hamm DRZ. 1928 Nr. 248. Näheres vgl. § 364 Anm. 1. Ist die strafbare Verletzung der Aussagepflicht durch den Zeugen festgestellt, so ist der Antrag auf Wiederaufnahme gem. Nr. 2 zulässig und er darf nicht abgelehnt werden, selbst wenn ihn das Gericht für sachlich unbegründet hält. BayObLG. JW. 1929 2754. Hierin liegt der Unterschied zwischen Ziff. 2 und Ziff. 5. Ziff. 2 schafft einen absoluten Wiederaufnahmegrund, bei dem das Beruhen des Urteils auf dem Verstoß vermutet wird. Das Gericht ist verpflichtet, den Antrag nach Ziff. 2 auch auf die Voraussetzungen der Ziff. 6 zu überprüfen, wie umgekehrt ein Antrag nach Ziff. 5 Anlaß zu Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Eidesverletzung geben kann. K l e i n k n M Anm. 4d. Daß im Falle der Ziff. 2 die Ziff. 5 durch Gesetzeskonkurrenz ausgeschlossen sein soll (so S c h n e i d e w i n a. a. 0.) überzeugt nicht. Es kommt auf das Ergebnis an, das am raschesten zur Wiederaufnahme führt, wenn wirklich falsche Aussagen vorliegen. Ob die Verletzung der Anssagepflicht in der A n g a b e unwahrer oder in dem V e r s c h w e i g e n wahrer Tatsachenbestand, ist gleichgültig: K l e i n k n M Anm. 4b. Ob die Beweisperson in der Hauptverhandlung oder in anderen Verfahrensstadien vernommen wurde, ist gleichgültig. Es genügt kommissarische Vernehmung und Protokollverlesung, selbst dann, wenn diese unzulässig war und nicht beanstandet worden war ( E b S c l i m i d t Anm. 8). Zu Nr. 1, 2. 9. Das Vorbringen der falschen Urkunde oder die Erstattung der falschen Aussage muß „zuungunsten" des Angeklagten erfolgt sein. Es genügt also nicht die bloße Tatsache, daß die Urkunde überhaupt als Beweismittel benutzt oder die falsche Aussage überhaupt abgegeben worden ist; vielmehr muß wenigstens die Möglichkeit bestehen, daß das Beweismittel einen Einfluß auf die Entscheidung und zwar einen den Verurteilten ungünstigen Einfluß gehabt hat. Hierzu genügt allerdings, daß auch der richtige Teil der Aussage oder ein richtiger Teil der Urkunde auf das Urteil von Einfluß gewesen ist; OLG. Dresden H R R . 1939 Nr. 134; OLG. Düsseldorf NJW. 1950 616, da insoweit eine Trennung der Aussage oder der Urkunde in sich nicht möglich ist. Dagegen ist die Wiederaufnahme trotz der Falschheit der Urkunde oder Aussage ausgeschlossen, wenn das Beweismittel in dem Urteil ausdrücklich als einflußlos bezeichnet worden ist, ferner wenn es nur zugunsten des Angeklagten gewirkt oder nur für die Strafbemessung (§ 363) Bedeutung gehabt haben kann. G e r l a n d 439; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 1 K l e i n k n M Anm. 3b und c. Der Gesuchsteller muß in seinem Antrag (§ 366) den Zusammenhang zwischen dem falschen Zeugnis, dem falschen Gutachten oder der Verwertung einer verfälschten Urkunde mit dem Urteil ausdrücklich dartun. Andernfalls ist der Antrag als unzulässig zu verwerfen; OLG. Marienwerder HRR. 1940 Nr. 135. Eine Beweislast trifft den Verurteilten dabei hinsichtlich der Möglichkeit des Einflusses nicht. Die Annahme der Möglichkeit eines Einflusses bleibt so lange bestehen, als nicht bestimmte Gründe vorliegen, welche sie als ausgeschlossen erscheinen lassen. Über die Beachtung des Grundsatzes „in dubio pro reo" hierbei vgl. Anm. 18a. Zu Nr. 3. 10. Die Bestimmung setzt eine mit k r i m i n e l l e r Strafe bedrohte (nicht bloß disziplinarisch strafbare) Verletzung der Amtspflicht (vgl. z. B. StGB. §§ 334, 336) voraus. Vgl. § 346; E b S c h m i d t Anm. 3; K l e i n k n M Anm. 5a. 11. Nur die Pflichtverletzung eines Richters, Geschworenen oder Schöffen, nicht aber die des S t a a t s a n w a l t s , des U r k u n d e n b e a m t e n oder des V e r t e i d i g e r s begründen die Wiederaufnahme ( S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 4). 12. Der Richter, der sich der Pflichtverletzung schuldig gemacht hat, muß bei dem a n g e f o c h t e n e n Urteil (vgl. § 367 Anm. 3) mitgewirkt haben. Die bloße Mitwirkung eines ausgeschlossenen Richters ist kein Wiederaufnahmegrund (OLG. Bamberg HESt. 3 1). Über Mitwirkung eines Schwindlers vgl. P e t e r s 212. Mit K l e i n k n M Anm. 5a muß hier über die bei Rechtskrafteintritt noch nicht gerügte, weil nicht erkennbare Fehlbesetzung hinaus die Wiedereinsetzung dann gewährt werden, falls Amtsanmaßung vorgelegen hat. a. A. E b S c h m i d t Anm. 11. Ist das Verfahren, in welchem ein Richter eine Amtspflichtverletzung begangen hat, in einer höheren Instanz fortgesetzt worden, so wird durch das Berufungsurteil, auch bei Ver87
L ö w e - R o s e n b e r g , StPO. 21. Aull.
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§359
Strafprozeßordnung. Viertes Buch
Arnn. 13—16 werfung nach Sachverhandlung, der Mangel geheilt. Anders aber bei Verwerfung ohne Sachprüfung (a. A. E b S c h m i d t Anm. 13, der auch dort nur auf das Berufungsgericht abstellt). Nach Aufhebung eines Urteils in der Revisionsinstanz und korrekter Neuverhandlung entfällt der Wiederaufnahmegrund der Ziff. 3, er gilt aber, wenn die Revision als unzulässig oder unbegründet (auch durch Beschluß) verworfen wurde, oder das Revisionsgericht in der Sache selbst entscheidet, da insoweit wegen Bindung des Revisionsgerichts an Tatsachen die Verstöße des Tatrichters nicht geheilt werden können ( E b S c h m i d t Anm. 14). 18. Daß die geschehene Pflichtverletzung irgendwelchen Einfluß auf die Entscheidung gehabt habe, ist nicht Erfordernis der Wiederaufnahme; K l e i n k n M Anm. 5a. 14. Dem Verurteilten steht der Anspruch auf Wiederaufnahme nicht zu, wenn er s e l b s t , oder ein Dritter in seinem Einverständnis die Pflichtverletzung v e r a n l a ß t hat. War die Pflichtverletzung durch eine andere Person ohne Zutun des Verurteilten, wenn schon in dessen Interesse, veranlaßt, so ist die Wiederaufnahme nicht ausgeschlossen; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 4. 15. Das Strafurteil muß auf das zivilgerichtliche Urteil gegründet sein. Über das Vorhandensein dieser Voraussetzung ist von dem Gericht nach freiem Ermessen zu entscheiden. Nach Ansicht von S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 5 sollen Entscheidungen der Verwaltungsbehörden einem zivilrechtlichen Urteil nicht gleich stehen. Man muß jedoch Entscheidungen von Verwaltungsgerichten über verwaltungsrechtliche Vorfragen, auf welchen das angegriffene Urteil beruht, entsprechend beurteilen, sofern das Verfahren bis zur Entscheidung über sie ausgesetzt worden war. So jetzt auch K l e i n k n M Anm. 6, E b S c h m i d t Anm. 16. Dies ergibt sich aus der Fassung des § 154a, worin ausdrücklich die Bedeutung derartiger Vorfragen anerkannt wird, sowie für die Bindung gem. §468 RAbgO. hinsichtlich der Urteile von Finanzgerichten; vgl. hierzu §164a Anm. 1, 2 und Vorbem. 16 c vor § 151. Über späteren Wegfall von Gesetzen vgl. Vorbem. 3 a am Ende. Zu Nr. 5. 16. Im Fall der Nr. 5 richtet sich der Antrag gegen die Entscheidung der Schuldfrage (RGSt. 19 321; BayObLG = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 269 E b S c h m i d t Anm. 7) bezieht sich also auf keine formalen Verfahrens verstoße, welche keine Einwirkung auf die Schuldfrage und damit mittelbar auf die Straffrage gehabt haben. An dieser Beziehung auf die Schuldfrage wird auch nichts dadurch geändert, daß sich die Wiederaufnahme auf die Strafe allein auswirken kann, da Grundlage doch die fehlerhafte Schuldentscheidung ist. Die Vorschrift, daß Ziel der Wiederaufnahme die Freisprechung oder die geringere Bestrafung in Anwendung eines milderen Gesetzes sein müsse, darf aber nicht zu eng ausgelegt werden. In manchen Fällen kann auch die E i n s t e l l u n g des Verfahrens, selbst eine solche nach § 153 Abs. 3 das Ziel eines zulässigen Wiederaufnahmeantrags sein. Denn es kann nicht angenommen werden, daß dem Verurteilten die Wiederaufnahme offen stehen soll, wenn er nur eine geringere Bestrafung erreichen kann, daß sie ihm aber versagt sein soll, wenn er durch Einstellung des Verfahrens von jeder Bestrafung frei werden kann; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 6 B a, OLG. Bamberg NJW. 1955 1121, E b S c h m i d t Anm. 30; S p i n d l e r GA 1958 433. Zur Schuldfrage sind daher nicht nur die Fragen der Zurechnungsfähigkeit, der Verhandlungsfähigkeit und der Strafmündigkeit zu rechnen, sondern es sind ihr auch Fragen gleichzustellen, die das Entstehen oder das Erlöschen des staatlichen Strafanspruchs betreffen, so daß in diesen Grenzen die Wiederaufnahme auch auf den Mangel von Prozeßvoraussetzungen im vorangegangenen Verfahren gegründet werden kann, so etwa auf Tatsachen, deren BestehenzurZeit des Urteils eine damals gültige Amnestie begründet hätten. E b S c h m i d t Anm. 3. Hierher gehören Verjährung, rechtskräftige Aburteilung sowie der Mangel eines rechtzeitigen Strafantrags, wenn die angefochtene Entscheidung ein Antragsdelikt betraf. RGSt. 57 206 (fehlende Strafmündigkeit); BayObLG. = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 270, O l b r i c h t GA. 48 100; P e t e r s 539; a. A. KG. = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 270a; vgl. Breslau = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 270b; Braunschweig = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 271b. Dagegen kann der nachträgliche Wegfall einer Verfahrensvoraussetzung (später ergangene Amnestie) nicht mehr angeführt werden (Vorbem. 5). Nicht dagegen gehört zur Freisprechung der Fall, daß der Angeklagte nach § 199 StGB, für straffrei erklärt werden soll; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 3, Stettin = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 275. Wohl aber der, daß nach § 247 Abs. 2 StGB, auf Grund neu festgestellter Eigentumsverhältnisse freigesprochen werden müßte. E b S c h m i d t Anm. 30. Außerhalb der bezeichneten
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Grenzen kann der Mangel einer Prozeßvoraussetzung allein den Wiederaufnahmeantrag nicht stützen; Kassel GA. 37 462. Ebensowenig genügt eine Verletzung anderer prozeßrechtlicher Vorschriften oder ein Verstoß gegen das materielle Recht. Zweck des Wiederaufnahmeverfahrens ist eine neue Prüfung der Tatfrage: RGSt. 19 323. Eine Änderung der Rechtsprechung oder Rechtsanschauung über Auslegung und Anwendung des Strafgesetzes kommt nicht in Betracht: BayObLG. = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 252. Dasselbe gilt, wenn der Sachverhalt in einem anderen Verfahren anders beurteilt worden ist, KG. HRR. 1927 Nr. 221. Vgl. OLG. Köln MDR. 1952 313. Über Nichtigkeit von Rechtsnormen vgl. Vorbem. 3 d. 17. a) Durch die Bestimmung der Nr. 5 wird die Beibringung neuer e r h e b l i c h e r Tatsachen oder Beweismittel als Wiederaufnahmegrund zugelassen, und zwar in so weitem Maße, daß eine strenge und sorgfältige Prüfung aller auf diesen Grund gestützten Anträge geboten ist, wenn anders nicht aus der Bestimmung eine Gefahr für die Strafrechtspflege erwachsen soll. Neue Anführungen willkürlich vorzubringen und Zeugen zu finden, welche diese zu bestätigen bereit sind, wird einem großen Teil der Verurteilten und, wenn diese sich in Haft befinden, ihren Angehörigen ohne Schwierigkeit möglich sein, während andererseits (was namentlich bei den zu mehrjährigen Freiheitsstrafen Verurteilten in Betracht kommt) die Widerlegung der neubeschafften Beweise mit dem Laufe der Zeit immer schwieriger wird, da in diesem die Belastungsbeweise mehr oder minder verlorenzugehen pflegen, so daß eine neue Hauptverhandlung (§ 373) den Inhalt der früheren meistens nur unvollkommen reproduzieren kann. Vgl. die Anm. zu § 370 und zu § 373. Bloße Vermutungen oder Möglichkeiten sind keine neuen Tatsachen: Dresden = A l s b e r g Entsch.2 Nr. 261 a u n d b . Ebensowenig andere Bewertungen und Rechtsauffassungen; P e t e r s 538. Wohl aber sind politische Umstände, welche zur Zeit des Urteils weiten Kreisen nicht und dem Gericht möglicherweise nicht bekannt gewesen sind, neue Tatsachen. OLG. Bamberg NJW. 1962 468; F r o wein NJW 1962 1288. Streitig ist, ob und inwieweit neue Gutachten von Sachverständigen als neue Beweismittel anzusehen sind. Grundsätzlich gehören sie zu den neuen Beweismitteln: Hamburg GA. 51210; W i n k l e r GerS. 78 370, OLG. BraunschweigNdsRpfl. 1955 235, S c h w a r z K l e i n k n e c h t Anm. 6 A, K l e i n k n M Anm. 7c, E b S c h m i d t Anm. 22, G e r l a n d 440, A l s b e r g Beweisantrag 307 Anm. 2, a. A. OLG. D ü s s e l d o r f A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 260a, Kassel GA. 54 99. Unbegründet ist die Besorgnis, die Zulassung neuer Sachverständiger werde die auf Gutachten gestützten Urteile zu sehr gefährden, da sich ein Sachverständiger, der die Ansicht seiner Fachgenossen nicht teilt, immer finden werde (s. OLG. Düsseldorf und Kassel a.a.O., OLG. Düsseldorf = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 260c). Denn es genügt nicht die Behauptung, ein Sachverständiger werde einen Punkt anders, als bisher geschehen, beurteilen. Vielmehr hängt es auch im Wiederaufnahmeverfahren von dem p f l i c h t g e m ä ß e n E r m e s s e n des Gerichts ab, darüber zu befinden, ob Umstände dafür beigebracht sind, daß die bisherigen Gutachten oder die auf eigener Sachkunde des Gerichts beruhende Beurteilung unrichtig oder unzureichend seien. Das KG. GA. 72 218, hat angenommen, Sachverständige seien nur dann neue Beweismittel, wenn sie sich mit dem Gegenstand des Verfahrens bereits erfolgreich beschäftigt hätten und daher eine besondere Kenntnis von ihnen zu erwarten sei. Aber eine solche Beschäftigung gibt noch keine Gewähr für neue Ergebnisse; die Auslegung ist auch deshalb zu eng, weil auf manchen Gebieten, insbesondere der Wissenschaft und Technik, Fortschritte erzielt sein können, die ohne weiteres die bisherigen Gutachten als überholt erscheinen lassen: Dresden = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 262a. So kann auch der bisherige Sachverständige, der kein neues Beweismittel ist, über andere von ihm erarbeitete Anknüpfungstatsachen gehört werden. Ebenso der frühere Zeuge über neu zu bekundende Tatsachen. Das Ermessen des Gerichts wird sich deshalb der Prüfung der Frage zuwenden müssen, ob die neuen Gutachten von neuen wissenschaftlichen oder technischen oder sonstigen Erkenntnissen ausgehen; Karlsruhe JW. 1931 1643 und die Besprechung dieses Urteils von M a n n h e i m JW. 1931 3581. In solchen neuen Erkenntnissen können, wenn sie als völlig gesichert anzusehen sind, auch n e u e T a t s a c h e n gefunden werden; P e t e r s 638. Es genügt, daß solche Umstände hervortreten, die geeignet erscheinen, dem die Verurteilung tragenden Gutachten den Boden zu entziehen. Klee DStR. 1938 423f. Stets aber ist Voraussetzung, daß die Vorprüfung der Gutachten auch ergibt, daß sie überhaupt zu Gunsten des Verurteilten zur Schuldfrage wirken können. E b S c h m i d t Anm. 22, OLG. Braunschweig GA. 1956 266. Als neue Tatsache kann auch der Widerruf eines in der Hauptverhandlung abgelegten Geständnisses angesehen werden, OLG. Bremen NJW. 1952 678, ferner der Widerruf einer belastenden Erklärung seitens eines Mitangeklagten, OLG. Hamburg JR. 1951 218, stets vorausgesetzt, daß diese Widerrufe 87'
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§359
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Anm. 1 8 - 1 9 glaubhaft und geeignet sind, das bisherige Geständnis zu widerlegen. E b S c h m i d t Anm. 24. Über Änderung von Zeugenaussagen vgl. Anm. 18 e. Der Wegfall von Vorstrafen kann neu und bedeutsam sein, OLG. Bremen J R . 1960 271, auch die neue Einlassung des Verurteilten selbst, OLG. Karlsruhe NJW. 1958 1247. b) Ein Zivilurteil kann ein neues Beweismittel sein: KG. GA. 41158. e) Die Behauptung einer dem ausländischen Recht angehörigen Rechtsnorm ist nicht die Behauptung einer Tatsache: KG. = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 254. 18. a) Die von dem Antragsteller beigebrachten Tatsachen oder Beweismittel müssen „neue" sein: hierunter sind alle diejenigen zu verstehen, welche dem über die Schuldfrage entscheidenden Erstinstanzgericht bzw. Berufungsgericht nicht vorgelegen haben, bei der Entscheidung also nicht in Betracht gezogen werden konnten. Die Neuheit ist also nicht in Beziehung auf den Angeklagten zu prüfen, sondern in Beziehung auf das erkennende Gericht, einschließlich der Laienrichter, OLG. Hamm GA. 1957 90, S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 6 A, E b S c h m i d t Anm. 18. Selbst wenn also der Angeklagte aus Nachlässigkeit das Beweismittel beizubringen versäumt hat, greift § 359 Ziff. 5 Platz. P e t e r s 538. Die Auffassung, eine Ortsbesichtigung sei kein neues Beweismittel, da das Gericht sie ja seinerzeit habe durchführen können (KG. JW. 1928 1950), die von E b S c h m i d t Anm. 23 abgelehnt wird, ist in dieser lakonischen Begründung nicht haltbar. In dem Augenblick, da behauptet wird, daß sich am Ort andere Tatsachen feststellen ließen als damals, als das Gericht eine solche vorzunehmen nicht für erforderlich gehalten hat oder sie gar vorgenommen hat, ist auch eine Ortsbesichtigung ein geeignetes neues Beweismittel. Es kann also nur dort, wo sie unsubstantiiert beantragt wird, eine Ablehnung als unzulässig erfolgen. Das Zeugnis eines rechtskräftig verurteilten Teilnehmers, er und der Angeklagte seien schuldlos, ist kein neues Beweismittel, wenn seine Angabe gegenüber der in der früheren Hauptverhandlung gemachten unverändert ist. Dagegen ist ein Zeuge, der bisher sein Zeugnis verweigert hatte und nachträglich aussagen will, ein neues Beweismittel: OLG. Hamburg GA. 44 410; A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 258, nicht dagegen, wenn der bisherige eidesunmündige Zeuge eidesmündig wird. Ein früher nicht erreichbarer Zeuge ist nunmehr ein neues Beweismittel. OLG. Hamm NJW. 1956 853. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit der Wiederaufnahme sind die von der Staatsanwaltschaft veranlaßten polizeilichen Vernehmungen der Zeugen nicht zu berücksichtigen. Dies ist Sache des Verfahrens über die Begründetheit der Wiederaufnahme. Vgl. § 369 Anm. 1. Der Umstand, daß die Strafakten vernichtet sind, genügt für sich allein noch nicht, um das Gericht von der Prüfung der Frage der Neuheit zu entbinden. Ist die Neuheit nicht festzustellen, so ist der Antrag als unzulässig abzulehnen. Zweifel wirken hier nicht zugunsten des Angeklagten, OLG. Kiel GA. 69 148, OLG. Braunschweig NJW. 1959 1984, jedoch ist es ein nobile officium für die Staatsanwaltschaft, der Klärung solcher Zweifel nachzugehen. S c h w a r z K l e i n k n e c h t Anm. C. Nicht unbedenklich ist die Vermutung, daß der Angeklagte ihm seinerzeit bekannte Tatsachen und Beweismittel auch dem Gericht bekannt gemacht habe, OLG. Hamm Rpfl. 1963 82. b) Im übrigen fordert das Gesetz nur die Neuheit der Tatsache oder des Beweismittels; es kann also zum Erweise einer neuen Tatsache auf die früher benutzten Beweismittel Bezug genommen, desgleichen können neue Beweismittel vorgebracht werden, um hinsichtlich einer bereits erörterten oder behaupteten Tatsache eine abweichende Beurteilung zu begründen; BayObLGSt. 19 277. Aus dem Wortlaut des Gesetzes („Tatsachen") ist nicht zu folgern, daß eine Mehrzahl neuer Tatsachen oder Beweismittel erfordert werde. c) Darauf, daß der im Urteil genannte Verurteilte überhaupt nicht existiert, kann kein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gestützt werden. Das Wiederaufnahmeverfahren setzt in der Regel voraus, daß die abgeurteilte Person noch lebt: BayObLGSt. = Alsberg Entsch. 2 Nr. 256; vgl. jedoch § 361. 19. Erhebliehe Tatsachen, a) Die neuen Tatsachen oder Beweismittel müssen g e e i g n e t sein, eine von dem U r t e i l a b w e i c h e n d e E n t s c h e i d u n g der S c h u l d f r a g e h e r b e i z u f ü h r e n ; hiermit ist das Erfordernis ihrer E r h e b l i c h k e i t anerkannt. RGSt. 19321. Das beschließende Gericht (§§ 368, 370) muß also in eine Prüfung der Tatfrage eintreten und sich hierbei auf den Standpunkt des erkennenden Richters stellen; es muß sich darüber schlüssig werden, ob die Tatfrage anders, als geschehen, zu entscheiden gewesen wäre, wenn das neue Beweismoment schon dem erkennenden Richter vorgelegen hätte. Es kommt somit auf die Verein-
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Wiederaufnahme des Verfahrens (Kohlhaas)
§359 Anm. 20
barkeit der neuen Tatsache mit der in dem Urteil getroffenen Feststellung bzw. auf das Gewicht, welches dem neuen Beweismittel beizumessen ist, an. Der Mangel einer Voraussetzung (vgl. Anm. 16) zu der auch die Zurechnungsfähigkeit des Täters gehört, kann ein Wiederaufnahmegrund nur sein, wenn er Einfluß auf die Schuldfrage gehabt hat. Bei dieser Prüfung hat das Gericht nicht bloß den Inhalt des angefochtenen Urteils, sondern den gesamten I n h a l t der A k t e n in Betracht zu ziehen. Dies kann z. B. in den Fällen des § 267 Abs. 4 erheblich sein. Die Prüfung ist für die Frage der Zulässigkeit abstrakt, die Richtigkeit des Vorbringens unterstellt, vorzunehmen OLG. Köln JMB1. NRW. 1952 160. Über Zweifel vgl. Anm. 18a am Ende. Zu erwartende nutzlose Beweiserhebungen machen ein Beweismittel „unerheblich". OLG. Köln NJW. 1963 967. b) Im übrigen kommt es auf die Art des B e w e i s t h e m a s nicht an. Die neue Tatsache kann eine solche sein, die ein Merkmal des Tatbestandes oder einen im Strafgesetz vorgesehenen, die Strafbarkeit ausschließenden, vermindernden oder erhöhenden Umstand darstellt; sie kann aber auch ein bloßes Beweismoment bilden und zu dem Zwecke vorgebracht sein, eine gewisse, dem Verurteilten günstige Schlußfolgerung zu begründen oder einen gegen ihn geltend gemachten Beweisgrund zu beseitigen. Das Vorbringen neuer Tatsachen oder Beweismittel kann auch lediglich darauf abzielen, die Unzuverlässigkeit der bisher benutzten Beweismittel darzutun; vgl. Anm. 18 a, sie müssen sich dann aber stets auf Tatsachen beziehen. OLG. Celle NdsRpfl. 1961 231. 20. a) Über E i n s t e l l u n g und S t r a f f r e i e r k l ä r u n g , vgl. Anm. 16. Ist der Angeklagte wegen einer fortgesetzten Tat verurteilt worden und sind die von ihm vorgebrachten neuen Beweismittel geeignet, alle Einzelakte bis auf einen in Wegfall zu bringen, so liegt ein Fall des § 359 Ziff. 5 vor, da bei Verurteilung in einem Einzelfall keine fortgesetzte Handlung mehr übrig bleiben würde und somit wegen der anderen bisherigen Teilakte freigesprochen werden müßte; OLG. Oldenburg NJW. 1952 1029; E b S c h m i d t Anm. 29; a. A. OLG. Kiel SchlHA. 1950 198. b) Ist die neue Anführung von der Art, daß sie nicht die Freisprechung des Verurteilten, sondern nur die Anwendung eines milderen Strafgesetzes herbeiführen kann, worunter nach der Wortfassung nur das in abstracto eine geringe Strafdrohung enthaltende verstanden werden kann; (vgl. § 363 Anm. 4,5), so ist die Zulässigkeit der Wiederaufnahme noch davon abhängig, ob von letzterer auch in Ansehung der S t r a f e ein praktischer Erfolg zugunsten des Verurteilten zu erwarten steht; b e i d e Erfordernisse: die Anwendbarkeit des milderen Strafgesetzes und die Wahrscheinlichkeit einer Strafmilderung, müssen zusammentreffen; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 6 B, K l e i n k n M Anm. 7e. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, wenn mit dem Wiederaufnahmeantrag geltend gemacht wird, daß die Voraussetzungen des strafschärfenden Rückfalls zu Unrecht angenommen worden seien; RG. JW. 1929 264; JW. 1933 488; oder eine maßgebende Vorstrafe sei infolge einer damals übersehenen Amnestie (vgl. Anm. 16) weggefallen oder der Vorbestrafte habe eine Vorstrafe irrigerweise als getilgt angesehen. OLG. Hamm NJW. 19531765; E b S c h m i d t Anm. 32. § 363 steht nicht entgegen, da die Frage des Rückfalls nur bei der Urteilsfällung zur Strafzumessung gerechnet wird (§ 263 Abs. 3). Ebenso gehören hierher die Geltendmachung, es läge, unbeschadet der KannVorschrift des § 44 StGB., nur Versuch statt Vollendung vor, OLG. Darmstadt = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 277; es sei Beihilfe statt Täterschaft anzunehmen, die Gewohnheitsverbrechereigenschaft komme in Wegfall, P e t e r s 639, es seien andere Altersstufen gegeben gewesen, welche für die Anwendung von Jugendstrafrecht oder Halberwachsenenstrafrecht statt Erwachsenenstrafrechts von Bedeutung seien, RGSt. 57 206, OLG. Hamburg NJW. 19521150. Vgl. hierzu auch die entgegengesetzt zu behandelnden Fälle des § 363 Anm. 3, bei deren Vorliegen eine Wiederaufnahme ausscheidet. Entsprechendes gilt für Maßregeln der Sicherung und Besserung. Auch hier müssen die neuen Tatsachen und Beweismittel geeignet sein, eine wesentlich günstigere Entscheidung, also eine weniger schwer wiegende Maßnahme zu rechtfertigen; K l e i n k n M Anm. 7e. Die Anwendung eines milderen Strafgesetzes kann auch darin gefunden werden, daß an Stelle einer Gesamtstrafe für mehrere rechtlich selbständige Handlungen eine Einzelstrafe für eine fortgesetzte Handlung zu verhängen ist; Hamburg GA. 64 575. Umgekehrt ist ein Antrag auf Wiederaufnahme nicht zulässig, der sich bei mehreren in Tateinheit zusammentreffenden Straftaten gegen die Verurteilung wegen einer Tat richtet, deren Strafnorm nicht als die schwerste (StGB. § 73) angewandt worden ist; RG. JW. 1930 3422, vgl. aber für Fälle der Nichtigkeit einer Norm Vorbem. 3 a am Ende. Ferner findet die Wiederaufnahme nicht statt, wenn trotz der Anwendung des milderen Strafgesetzes entweder die erkannte Strafe aufrechterhalten werden müßte oder doch ihre Aufrechterhaltung zulässig wäre und diese von dem
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§ 359 Anm. 21, 22 § § 360, 361 Anm. 1, 2
Strafprozeßordnung. Viertes Buch
beschließenden Gericht nach Lage der Sache auch für angemessen erachtet wird, wobei das freie Ermessen des Gerichts entscheidet. c) Im Wiederaufnahmeverfahren ist das Gericht nicht auf die vom Antragsteller beigebrachten Beweismittel beschränkt; OLG. Hamm GA. 71116. 21. Für die Einziehung lehnen KleinknM in Anm. 7h eine Wiederaufnahme ab. Dies entspricht aber nicht der Entwicklung des Einziehungsrechts, sofern wirklich ein anderes Strafgesetz, etwa statt Bandenschmuggel einfacher Bannbruch angenommen wird. 22. Die Bestimmung, daß in Schöffengerichts- und Einzelrichtersachen nur Beweismittel geltend gemacht werden dürfen, welcher der Verurteilte nicht im früheren Verfahren geltend gemacht habe, ist weggefallen. Es gilt also auch hier das zu Anm. 18 Ausgeführte. Über die Wiederaufnahme des Verfahrens in Disziplinarsachen siehe § 373 Anm. 4a.
§ 360 (1) Durch den Antrag aul Wiederaufnahme wird die Vollstreckung des Urteils nicht gehemmt. (2) Das Gericht kann jedoch einen Aufschub sowie eine Unterbrechung der Vollstreckung anordnen. Entstehungsgeschichte: I.Entw. § 269. II. Entw. § 276. III. Entw. § 321. Änderungsvorschläge: NE I § 361 Abs. 2. NE II § 357. NE III § 353; Entw. EGADStGB. Art. 70 Ziff. 196. 1. Weder die Anbringung des Antrags noch dessen Zulassung (§ 368 Abs. 2) hat an sich aufschiebende Wirkung; KleinknM Anm. 1. Das Gericht ist jedoch befugt, aus besonderen Gründen einen Aufschub oder eine Unterbrechung der Strafvollstreckung anzuordnen. Erst der Beschluß auf Erneuerung der Hauptverhandlung (§ 370 Abs. 2) schließt, da er die Rechtswirksamkeit des von der Wiederaufnahme betroffenen Urteils tatsächlich beseitigt, eine weitere Vollstreckung dieses Urteils unbedingt aus, RGSt. 76 48; OLG. Bremen NJW. 1956 316. Der in Strafhaft befindliche Verurteilte ist daher von da an entweder in Freiheit zu setzen oder in Untersuchungshaft zu nehmen; KleinknM § 370 Anm. 4b; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t §370 Anm.5; OLG. Köln = Alsberg Entsch. 2 Nr. 325c; OLG. Jena Alsberg Entsch. 2 Nr. 325a; OLG. Hamburg JW. 1931 2860; GA. 75 316. 2. Unter dem Gericht (Satz 2) ist das Gericht zu verstehen, dem die Entscheidung über den Antrag zusteht; § 367 Anm. 1 und 2. Gegen die in dieser Richtung getroffene Entscheidung ist nicht die einfache, sondern nur die sofortige Beschwerde statthaft; OLG. Dresden Alsberg Entsch. 2 Nr. 326; KleinknM Anm. 3; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 1; E b S c h m i d t Anm. 3. In diesem Falle ist das Beschwerdegericht für die Gewährung von Strafaufschub zuständig; OLG. Rostock = Alsberg Entsch. 2 Nr. 336; OLG. Dresden a. a. 0. Ist ein Gericht bereits als endgültig entscheidendes Beschwerdegericht mit dem Wiederaufnahmeantrag befaßt, so ist der von ihm ausgesprochene, den Aufschub ablehnende Bescheid unanfechtbar. OLG. Neustadt NJW. 1961 2363.
§361 (1) Der Antrag aul Wiederaufnahme des Verfahrens wird weder durch die erfolgte Stralvolltreckung noch durch den Tod des Verurteilten ausgeschlossen. (2) Im Falle des Todes sind der Ehegatte, die Verwandten aul- und absteigender Linie sowie die Geschwister des Verstorbenen zu dem Antrag befugt. Entstehungsgeschichte: I.Entw. § 270. II. Entw. § 277. III. Entw. § 322. Änderungsvorschläge. N E I § 351 Abs.l, §363 Abs. 1 und 3. NE II § 362 Abs. 2, §363 Abs. 1 und 3. NE III § 346 Abs. 2, § 363; Entw. EGADStGB. Art. 70 Ziff. 195. 1. Antrag vgl. § 369 Anm. 3 und 4. 2. Durch den Tod des Verurteilten wird die Zulässigkeit des Antrags zu Gunsten des Angeklagten zwar nicht ausgeschlossen, wohl aber eingeschränkt; siehe § 371 Anm. 1. Eine Begnadigung hindert die Wiederaufnahme ebensowenig wie eine Vollstreckung; S c h ä f e r JR. 1938 21,
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Wiederaufnahme des Verfahrens (Kohlhaas)
§ 361 Anm. 3 § 362 Anm. 1, 2
ferner Vorbem. 5a E. vor § 359. Dasselbe gilt für die Verjährung der Strafvollstreckung; KleinknM Anm. 3. S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 1. Der Tod des Verurteilten steht der Wiederaufnahme des Verfahrens zuungunsten des Angeklagten stets entgegen (§ 362 Anm. 2). 3. Angehörige. Während zu Lebzeiten des Verurteilten außer der Staatsanwaltschaft (§ 296 Abs. 2) der Verteidiger (§ 297) und der gesetzliche Vertreter (§ 298) neben diesem antragsberechtigt sind, enthält Abs. 2 eine Spezialbestimmung gegenüber den allgemeinen Grundsätzen des § 365. Demzufolge steht im Falle des Todes des Verurteilten die Berechtigung zu dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens nur den in Abs. 2 genannten Personen zu. Die Vorschriften der §§297, 298 sind dann nicht anwendbar; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 2; a. M. OLG. Hamburg = Alsberg Entsch. 2 Nr. 307b. Vgl. noch § 371 Anm. 4a. Dagegen wird das Antragsrecht der Staatsanwaltschaft durch die Vorschrift des Abs. 2 nicht berührt; RGSt. 10 423; Hamburg Alsberg Entsch. 2 Nr.307b; Graf zu Dohna211; KleinknM Anm. 2; SchwarzK l e i n k n e c h t Anm. 2.
§ 362 Die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenen Verfahrens zuungunsten des Angeklagten ist zulässig: 1. wenn eine in der Hauptverhandlung zu seinen Gunsten als echt vorgebrachte Urkunde unecht oder verfälscht war; 2. wenn der Zeuge oder Sachverständige sich bei einem zugunsten des Angeklagten abgelegten Zeugnis oder abgegebenen Gutachton einer vorsätzlichen oder fahrlässigen Verletzung der Eidespflicht oder einer vorsätzlichen falschen uneidlichen Aussage schuldig gemacht hat; 3. wenn bei einem Urteil ein Richter, Geschworener oder Schöffe mitgewirkt hat, der sich in Beziehung auf die Sache einer Verletzung seiner Amtspflichten schuldig gemacht hat, sofern diese Verletzung mit einer im Wege des gerichtlichen Strafverfahrens zu verhängenden öffentlichen Strafe bedroht ist; 4. wenn von dem Freigesprochenen vor Gericht oder außergerichtlich ein glaubwürdiges Geständnis der strafbaren Handlung abgelegt wird. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 271. II. Entw. § 278. III. Entw. § 323. Durch die dritte VereinfVO. v. 29. 5.1943 (RGBl. I 342) aufgehoben, wurde er durch Art. 3 Ziff. 140 des Vereinheitlichungsgesetzes wiedereingeführt. Dabei wurde der Wortlaut der Neufassung des StGB. § 267 (Urkundenfälschung) und der Strafbarkeit der uneidlichen falschen Aussage angepaßt. Durch das dritte Strafrechtsänderungsgesetz Art. 4 Ziff. 39 wurde ein Redaktionsversehen beseitigt, indem in Ziff. 2 das Wort „Verurteilter" durch das Wort „Angeklagter" ersetzt wurde. Änderungsvorschläge: NE I und II § 351 Abs. 1, § 352 Abs. 1, § 355. III §§ 347 bis 350. Entw. EGADStGB. Art. 70 Ziff. 195. 1. a) Über die Berechtigung zu dem Antrage auf Wiederaufnahme des Verfahrens s. § 365 Anm. 2. Ein Klageerzwingungsverfahren ist unzulässig; § 172 Anm. 9b. b) Verschieden von der zuungunsten des Angeklagten eintretenden Wiederaufnahme des Verfahrens ist die in gewissen Fällen statthafte Erneuerung der Strafklage, welche den Bestand des rechtskräftigen Urteils unberührt läßt; hierüber Vorbem. 9 und 23c vor § 151; vgl. auch KleinknM Anm. 2. c) Über die Wiederaufnahme eines Verfahrens, das durch rechtskräftigen EinstellungsbeschluB beendet ist, vgl. § 211 Anm. 3 ff. 2. Das zu § 359 Anm. 1, 2 Bemerkte findet auch hier Anwendung, jedoch mit der Einschränkung, daß der Eintritt der Verjährung und der Tod des Angeklagten die Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließen; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 1; KleinknM Anm. 3. Hinsichtlich der Verfolgungsverjährung ist dies umstritten, da gesagt wird, die Verfolgungsverjährung werde mit Rechtskraft des Strafurteils durch die Vollstreckungsverjährung ersetzt. Das paßt aber auf die Fälle des Freispruchs gerade nicht, mag man nun sagen, die Verjährung ruhe (BayObLG. JW. 1930 3426 und OLG. Dresden JW. 1932 1765) oder die Tat sei der Verjährung nicht mehr
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§362
Strafprozeßordnung. Viertes Buch
Anm. 3—7 unterworfen (RGSt. 76 46). Es kann doch nicht zum Nachteil des fälschlich Freigesprochenen sein, daß ihm nun nach ca. 30 Jahren erst etwas nachgewiesen werden soll, was bei Nichtanklage nunmehr verjährt wäre. a. A. E b S c h m i d t Anm. 3 mit starker Überzeugungskraft, aber doch von der ratio legis her bedenklich. Anders dort, wo in den Fällen der Ziff. 1—3 die abgeurteilte Tat verjährt, eine auf Grund neuer Tatsachen anders zu qualifizierende Tat aber noch nicht verjährt sein würde, da hier die Verjährung des neu festzustellenden Tatgeschehens nicht eingetreten ist (vgl. Anm. 3). 3. Die Zulässigkeit der Wiederaufnahme des Verfahrens zuungunsten des Angeklagten ist, abgesehen von dem Falle unter Nr. 4 (vgl. hierüber Anm. 7), nicht auf den Fall einer völligen Freisprechung beschränkt; vielmehr kann die Wiederaufnahme auch gegenüber einem v e r u r t e i l t e n Angeklagten zu dem Zwecke stattfinden, damit ein anderes Strafgesetz angewendet und die Tat s c h w e r e r , als geschehen, q u a l i f i z i e r t werde (vgl. § 363 und die Anm. das.; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 1, K l e i n k n M Anm. 1). Das Gesetz setzt nicht voraus, daß die schwerere Qualifikation (z. B. das Vorhandensein eines die Strafbarkeit erhöhenden, im Gesetz besonders vorgesehenen Umstandes) in dem Urteil in Betracht gezogen und verneint worden ist; das Vorbringen der falschen Urkunde oder die Ablegung des falschen Zeugnisses kann wiederholt, d. h. sowohl in der Hauptverhandlung wie auch im Vorverfahren, stattgefunden und demzufolge schon in dem Beschlüsse über die Eröffnung des Hauptverfahrens zu einer unrichtigen Qualifizierung der Tat geführt haben. — Vgl. § 359 Anm. 3. Zu Nr. 1, 2. 4. Vgl. das zu § 359 Anm. 5—8 Bemerkte. Das dort Anm. 11 Gesagte findet hier mit der Maßgabe Anwendung, daß die Möglichkeit eines dem Angeklagten g ü n s t i g e n Einflusses gefordert wird. Vgl. ferner Vorbem. 3 vor § 359. Wegen des N e b e n k l ä g e r s s. § 365 Anm. 2. Zu Nr. 3. 5. Vgl. das zu §359 Anm. 10—14 Bemerkte. — Eine seitens des S t a a t s a n w a l t s , Urkundsbeamten oder Verteidigers begangene Pflichtverletzung ist auch im § 362 nicht als ein Grund der Wiederaufnahme anerkannt. Auf ihr kann das Urteil nicht beruhen. Zu Nr. 1, 2,3. 6. Daß die hier bezeichneten strafbaren Handlungen von dem A n g e k l a g t e n irgendwie v e r a n l a ß t seien, ist kein Erfordernis der Wiederaufnahme. S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 2. Zu Nr. 4. 7. Da in Nr. 4 (vgl. Anm. 3) im Gegensatz zu den Nr. 1 bis 3 ausdrücklich von dem „Freigesprochenen" die Rede ist, findet die Bestimmung dann keine Anwendung, wenn das Urteil sich mit einem bestimmten Sachverhalt gar nicht befaßt und somit nicht festgestellt hat, daß ein Strafanspruch des Staates nicht bestehe, weil weder auf Grund des Eröffnungsbeschlusses noch der Ergebnisse der Hauptverhandlung Anlaß dazu bestand, derartige Feststellungen zu treffen. Ein Verbrauch der Strafklage konnte daher insoweit gar nicht stattfinden; einer Wiederaufnahme bedarf es also nicht, wenn nunmehr eine Verurteilung angestrebt wird, jedoch ist insoweit jedes Verfahrenshindernis, auch die Verjährung (Anm. 2) zu beachten. Die Anwendbarkeit der Nr. 4 setzt ferner voraus, daß der Angeklagte von dem Vorwurf der hier in Frage stehenden Tat völlig freigesprochen wurde; Nr. 4 findet also keine Anwendung, wenn der Angeklagte verurteilt worden ist, selbst wenn diese Verurteilung wegen einer minder als im Eröffnungsbeschluß qualifizierten Tat erfolgt ist, mag der Fehler noch so kraß gewesen sein. Dabei ist auch die Verurteilung zu einem Zuchtmittel einem Freispruch nicht gleichzustellen; JugGer. Hannover MDR. 1949 701, E b S c h m i d t Anm. 8. So ist eine Wiederaufnahme unzulässig, wenn der nicht wegen Mords, sondern nur wegen Körperverletzung mit tödlichem Ausgang Verurteilte nachträglich den Tötungsvorsatz zugibt. Dasselbe gilt bei Verurteilung wegen fahrlässigen Falscheids bei nachträglichem Geständnis eines Meineids; K l e i n k n M Anm. 5a. Dem Freigesprochenen steht ein Angeklagter gleich, gegen den auf Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt erkannt worden ist, sofern er bei Erhebung der öffentlichen Strafklage außerhalb des Rahmens der §§ 429 b ff. freigesprochen worden wäre. Somit ist bei Vortäuschung einer Geisteskrankheit eine Wiederaufnahme möglich. P e t e r s 539, E b S c h m i d t Anm. 7, OLG. Hamm JMB1NRW. 1949 202, K l e i n k n M Anm. 5a. Daß die Verurteilung wegen einer Übertretung bei krassem Mißverhältnis einem Freispruch gleichstehe, ist entgegen P e t e r s 539 zu verneinen. Dagegen kann eine Buß-
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Wiederaufnahme des Verfahrens (Kohlhaas)
§ 362 Anm. 8—11 §363
geldsache nie zu einer „Verurteilung", also auch zu keinem Freispruch führen, so daß insoweit es keiner Wiederaufnahme bedürfte, wenn eine Straftat behauptet wird. 8. Die Bestimmung erfordert ein vom „Freigesprochenen", also nach Freisprechung abgelegtes Geständnis. Dabei hat das Gesetz derartige Erklärungen des Freigesprochenen im Auge, durch welche er die Unrichtigkeit des freisprechenden Urteils direkt oder indirékt zugesteht. Ein vor der Freisprechung abgelegtes Geständnis, welches erst später ermittelt wird, könnte nur die Wirkung eines neuen Beweismittels haben. Auf neue Beweise kann aber die zuungunsten des Angeklagten beantragte Wiederaufnahme des Verfahrens nicht gestützt werden; S c h w a r z K l e i n k n e c h t Anm. 3b; K l e i n k n M Anm. 5 d ; E b S c h m i d t Anm. 10. 9. Das Gesetz erfordert kein volles Schuldbekenntnis, sondern ein „Geständnis" der strafbaren Handlung. Es kommt also nur darauf an, daß der Angeklagte den äußeren Tatbestand der Handlung und seine Täterschaft zugesteht; ob er Angaben hinzufügt, welche auf die Verneinung eines strafbaren Verschuldens abzielen (Trunkenheit, Notstand) ist für die Frage der Wiederaufnahme gleichgültig; BayObLG. = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 291a; OLG. Rostock = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 288; E b S c h m i d t Anm. 9; K l e i n k n M Anm. 6c; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 3c. Ebenso ist es gleichgültig, ob die Handlung in der Form, in der sie nun zugestanden wird, der früher im Eröffnungsbeschluß angenommenen Qualifikation entspricht, sofern nur die Identität der Tat (§ 264) gewahrt ist. Ist der Freispruch unter Feststellung des äußeren Tatbestands auf das Vorhandensein eines Unrechts- oder Schuldausschließungsgrundes gestützt gewesen, so muß sich das Geständnis auf den inneren Tatbestand beziehen. P e t e r s 539 weist sehr eindrucksvoll auf die ungenügende Fassung der Ziff. 4 hin, welche nur ein Geständnis, nicht aber sonstige eindeutige Feststellungen der Täterschaft des Angeklagten als Wiederaufnahmegrund zuläßt. Da schon ein außergerichtliches Geständnis, also auch dritten Personen gegenüber genügt, durch deren Zeugenschaft seine Abgabe festgestellt werden kann, auch wenn sie Geheimnisträger sind und sich eines Verstoßes gegen § 300 StGB, schuldig machen könnten, falls nicht die bei Kapitalverbrechen stets anzunehmenden höherwertigen Interessen vorliegen, ist auch unter „vor Gericht" nicht etwa nur der Strafrichter zu verstehen. Der Anlaß des Geständnisses ist gleichgültig. Es wäre aber bei Verstoß gegen § 136 a StPO. unverwertbar. Es muß ferner glaubwürdig sein, darf also nicht nur auf Ruhmrederei oder Prahlerei beruhen. Ein Widerruf des Geständnisses hat nicht die Folge, daß es nunmehr als unglaubwürdig angesehen werden müßte; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 3c; K l e i n k n M Anm. 6f.; OLG. Hamm GA. 1957 123. Wie die Glaubwürdigkeit des Geständnisses, so ist auch die Bedeutung des Widerrufs von dem Gericht nach Lage des einzelnen Falles zu beurteilen; vgl. noch D a l c k e GA. 84 82; E b S c h m i d t Anm. 12. 10. Der freigesprochene Angeklagte muß das G e s t ä n d n i s s e l b s t a b g e l e g t haben. Das Geständnis eines Mittäters reicht nicht aus, um eine Wiederaufnahme zugunsten des nicht geständigen Angeklagten zu rechtfertigen; BayObLG. = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 291b; E b S c h m i d t Anm. 13; K l e i n k n M Anm. 6b. 11. Die Wiederaufnahme des durch Strafbefehl erledigten Strafverfahrens ist jetzt in § 373 a geregelt. Darüber, daß der Strafbefehl den Verbrauch der Strafklage nur in beschränktem Umfang herbeiführt, vgl. Vorbem. 22 f vor § 161.
§ 363 (1) Eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu dem Zweck, eine andere Strafbemessung auf Grund desselben Strafgesetzes herbeizuführen, ist nicht zulässig. (2) Eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu dem Zweck, eine Milderung der Strafe wegen verminderter Znrechnungsfähigkeit herbeizuführen, ist gleichfalls ausgeschlossen. Entstehungsgeschichte : In den Entwürfen nicht vorgesehen. Durch das AG. zum Gew.VerbrGes. vom 24.11.1933 wurde in § 363 die Wiederaufnahme nur zum Zwecke, die Änderung der Entscheidimg über Maßregeln der Sicherung und Besserung herbeizuführen, gleichfalls ausgeschlossen. Durch Art. 6 der 3. VereinfVO. vom 29. 5.1943 wurde § 363 gestrichen und durch Art. 3 Ziff. 141 des VereinhGes. in seiner jetzigen Form wieder eingeführt. Änderungsvorschläge: NE I und II § 361 Abs. 3. NE III § 346 Abs. 3; EGADStGB.Art. 70 Ziff. 196.
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§ 363
Strafprozeßordnung. Viertes Buch
Anm. 1—5
1. Geltungsgebiet Die Bestimmung findet sowohl auf die in § 369 wie auf die in § 362 behandelte Wiederaufnahme Anwendung; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 1; KleinknM Anm. 1; E b S c h m i d t Anm. 1. 2. „dasselbe Gesetz" Im Sinne des Paragraphen ist als ein anderes Gesetz nicht bloß jede Vorschrift anzusehen, die einen selbständigen strafrechtlichen Tatbestand bestimmt, sondern auch jede, die gewisse die Strafbarkeit erhöhende oder vermindernde Tatumstände besonders vorsieht. Hierbei macht es keinen Unterschied, ob die Vorschrift sich in dem Gesetzesparagraphen, welcher den Tatbestand des Deliktes selbst normiert, oder in einem anderen befindet; die äußere Gesetzesordnung ist nicht entscheidend. Hierher gehört also die „Reizung zum Zorn" im StGB. § 213, ferner die §§ 228 Abs. 2, 235 Abs. 2 StGB, ferner die „gewinnsüchtige Absicht" in StGB. § 133 Abs. 2, „Waffenbesitz" in StGB. § 123 Abs. 2, nicht dagegen die in besondereu Absätzen erwähnten unbenannten Umstände oder schweren Fälle. Einzelheiten vgl. Anm. 3. 3. Um eine bloße Ä n d e r u n g der S t r a f e innerhalb des durch dasselbe Gesetz bestimmten Strafrahmens handelt es sich in den Fällen nicht, in denen die Anwendung eines müderen Strafgesetzes in Betracht kommt; vgl. hierzu §359 Anm. 20b; OLG. Hamm NJW. 1958 1765, also unter anderem bei Möglichkeit des Wegfalls des Rückfalls, der Annahme von Beihilfe statt Täterschaft, Versuch statt Vollendung, Jugendlichkeit statt Erwachsenentat, OLG. Hamburg NJW. 19521150. Dagegen greift § 363 Platz, wenn bei mehreren in Tateinheit zusammentreffenden Straftaten sich die Wiederaufnahme gegen eine Tat richtet, deren Strafnorm nicht als die schwerste (§ 73 StGB.) angewendet worden ist; RG. JW. 1980 3422; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 3. Auch bei der sog. Gesetzeskonkurrenz ist die Wiederaufnahme unzulässig, wenn sie sich nur gegen die rechtlich in der abgeurteilten Straftat aufgehenden Handlung wendet. Ebenso fällt die Frage, ob mildernde U m s t ä n d e vorhanden seien, lediglich in den Bereich der Strafzumessung; daher kann die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht zu dem Zwecke stattfinden, damit das Vorhandensein mildernder Umstände anerkannt oder die in dem Urteil enthaltene Annahme ihres Vorhandenseins beseitigt werde. So RG. JW. 1930 3423; OLG. Dresden = Alsberg Entsch. 2 Nr. 279c; OLG. Jena = Alsberg Entsch. 2 Nr. 279b; OLG. Köln = Alsberg Entsch. 2 Nr. 279a. Eine Sonderstellung nimmt dabei § 213 StGB ein, der benannte und unbenannte Strafmilderungsgründe kennt. Das Vorliegen der unbenannten ändert das Strafgesetz genau so wenig wie sonstige mildernde Umstände (BayObLG 1949 70), wogegen die benannten Strafmilderungsgründe einen selbständigen Straftatbestand normieren. KleinknM Anm. 2; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 1; a. A. E b S c h m i d t Anm. 5. Ebensowenig wie mildernde Umstände verändert die Annahme eines besonders schweren Falles das Strafgesetz. OLG. Dresden HRR 1936 Nr. 1955, BGHSt. 8 167. Dasselbe gilt für Tatsachen, die zu einer Strafaussetzung zur Bewährung führen könnten, BGH. NJW. 1954 40, OLG. Hamm NJW. 1965 565 sowie die einen verschuldeten Verbotsirrtum begründenden Tatsachen, da dieser nur zur Herabsetzung der Strafe im allgemeinen Strafrahmen führt (OLG. Oldenburg NJW. 1953 435) sich also nicht von § 51 Abs. 2 StGB, unterscheidet, dessen Nichtberücksichtigung in Abs. 2 durch BVerfG. NJW. 1956 1026 als verfassungsmäßig anerkannt ist. Anders, wenn Tatsachen beigebracht werden, die einen unverschuldeten Verbotsirrtum oder einen Fall des § 51 Abs. 1 StGB, dartun könnten, da dann Freispruch in Betracht kommt. Umkehrschluß aus Absatz 2. Ausnahmen von den hier aufgestellten Regeln sind in den verschiedenen Ahndungsgesetzen, welche nach 1945 ergangen sind, enthalten, soweit diese eine Wiederaufnahme vorsehen, wenn eine früher erkannte Strafe aus politischen Gründen zu der Schwere der Tat in offenem Mißverhältnis steht. Über verfassungswidrige Normen vgl. Vorbem. 3d vor § 359. 4. Die Verhängung einer Maßregel der Sicherung oder Besserung oder deren Wegfall kann auch auf Grund desselben Strafgesetzes angestrebt werden, da sie im Gegensatz zu der zeitweiligen Fassung des §363 ( E b S c h m i d t Anm. 6) in der Neufassung nicht genannt sind (Entstehungsgeschichte). Dasselbe gilt entgegen KleinknM auch für die Einziehung, die vielfach durch die Qualifizierung des Gesetzes begründet werden kann (vgl. § 359 Anm. 21). Das Jugendstrafrecht wird ergänzt durch § 55 JGG in Verb, mit § 365. 5. Ist die Anordnung der Wiederaufnahme erfolgt, so muß der Tatrichter, auch wenn er sie nach § 363 für unzulässig hält, die neue Verhandlung durchführen und neu erkennen und ist dabei nur an die Schranke des § 373 Abs. 2 gebunden. Vgl. § 373 Anm. 1 a.
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Wiederaufnahme des Verfahrens (Kohlhaas)
364 Anm. 1—3
§364 Ein Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens, welcher auf die Behauptung einer strafbaren Handlung gegründet werden soll, ist nur dann zulässig, wenn wegen dieser Handlung eine rechtskräftige Verurteilung ergangen ist, oder wenn die Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis nicht erfolgen kann. Dies gilt nicht im Falle des § 369 Nr. 5. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 272. II. Entw. § 279. III. Entw. § 324 der jetzige Abs. 2 wurde durch das 3. Strafrechtsänderungsgesetz Art. 4 Ziff. 40 eingefügt, um die in 19. Aufl. Ziff. 1 ausführlich erörterte Streitfrage, ob die Vorschrift sich auch auf die Fälle des § 359 Nr. 5 beziehe, zu bereinigen. Änderungsvorschläge: NE I und II §352 Abs. 1, 353 Abs .2; EGAD StGB. Art. 70 Ziff. 195. 1. Das Verhältnis zu § 359 Nr. 5 ist nunmehr durch Satz 2 geregelt. Werden somit n e u e T a t s a c h e n und B e w e i s m i t t e l geltend gemacht und enthält die Geltendmachung derselben die Behauptung einer strafbaren Handlung, so ist ein Wiederaufnahmegrund gegeben, auch ohne daß ein Nachweis nach § 364 geführt werden muß. Somit bezieht sich § 364 nur auf die in § 359 Nr. 1—3 und § 362 Nr. 1—3 vorgesehenen Gründe. Satz 2 darf jedoch nicht so verstanden werden, als ob nun § 364 leicht umgangen werden könne. Die Behauptung, ein Zeuge habe falsch ausgesagt, kann ohne n e u e Tatsachen und Beweismittel nicht ohne § 364 Abs. 1 zum Erfolg führen. OLG. Celle NdsRpfl. 52, 119. Ist die Tatsache aber neu, dann ist die Verurteilung des Zeugen nicht erforderlich. OLG. Hamburg JZ 1957 522. Es genügt sonach auch, wenn die neuen Tatsachen und Beweismittel die Unglaubwürdigkeit des Zeugen dartun sollen. K l e i n k n M Anm. 2. 2. In den in Anm. 1 genannten Fällen muß regelmäßig (Anm. 3) eine rechtskräftige Verurteilung wegen der den Wiederaufnahmegrund darstellenden strafbaren Handlung vorliegen, bevor der Antrag auf Wiederaufnahme zulässig ist. Die rechtskräftige Verurteilung bildet das Fundament des Antrages. — Selbstverständlich kann diese Verurteilung nur in einer b e s o n d e r e n U n t e r s u c h u n g erfolgen. Für die Frage, ob eine solche zu eröffnen und welches Gericht für sie zuständig sei, gelten die allgemeinen Bestimmungen; insbesondere finden die §§ 151, 172 auch hier volle Anwendung. — Kann eine Untersuchung wegen Mangels an Beweis nicht eröffnet oder nicht bis zur Urteilsfällung durchgeführt werden, so liegt der Fall ebenso, wie wenn diese mit einem freisprechenden Urteil endet: der Wiederaufnahmegrund ist alsdann nicht vorhanden. 3. Nur dann greift ein abweichendes Verfahren Platz, wenn eine Untersuchung „aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweis" n i c h t e i n g e l e i t e t oder n i c h t d u r c h g e f ü h r t werden kann. Kann die Verfolgung des Beschuldigten wegen eines tatsächlichen oder rechtlichen Hindernisses (wegen Todes, Abwesenheit, Verjährung, derzeitige Geisteskrankheit, Amnestie) nicht mehr stattfinden, so fällt das Erfordernis einer vorgängigen rechtskräftigen Verurteilung fort, und es tritt das in den §§ 369ff. vorgeschriebene regelmäßige Verfahren ein. Es werden also Beweiserhebungen angeordnet; wenn sich aus ihnen ergibt, daß die in dem Antrag behauptete strafbare Handlung bei Durchführbarkeit wenigstens zur Einleitung eines Ermittlungsverfahrens geführt hätte, so wird zur Wiederaufnahme der Untersuchung geschritten. Wird der Beschuldigte wegen Unzurechnungsfähigkeit zur Zeit der Tat außer Verfolgung gesetzt oder freigesprochen, so liegt eine strafbare Handlung, wie sie § 364 voraussetzt, nicht vor und ebenso wenig ein der Einleitung und Durchführung des Strafverfahrens entgegenstehendes Hindernis, jedoch ist die Feststellung, daß der Zeuge damals schon geisteskrank war, eine neue Tatsache, welche seine Glaubwürdigkeit über § 359 Nr. 5 erschüttern kann. Ist der Zeuge, der sich strafbar gemacht haben soll, rechtskräftig außer Verfolgung gesetzt worden, aber dann gestorben, so ist die Wiederaufnahme gem. § 364 nach Maßgabe des zu § 211 ausgeführten möglich, sofern ein Verfahren gegen den noch lebenden Beschuldigten durchgeführt werden könnte; OLG Dresden HRR 1937 Nr. 841. K l e i n k n M Anm. 3; E b S c h m i d t Anm. 4.
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§ 365 Anm. 1, 2 § 366 Anm. 1, 2
Strafprozeßordnung. Viertes Buch
§ 365 Die allgemeinen Bestimmungen Aber Rechtsmittel finden auch bei dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens Anwendung. Entstehungsgeschichte: I.Entw. § 273. II. Entw. § 280. III. Entw. § 362. Änderungsvorschläge: NE I § 351 Abs. 2. NE. II § 356 Abs. 1. NE III. § 351 Abs. 1. 1. Bezug genommen wird auf die §§ 296 bis 303. Von der Staatsanwaltschaft kann der Antrag sowohl zugunsten wie zuungunsten des Angeklagten gestellt werden (§ 296); vgl. z. B. RGSt. 20 46. Ist der Antrag zuungunsten des Angeklagten gestellt, so vgl. auch die §§ 6. u. 8 des Ges. betreffend die Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft, vom 14. 7.1904 (RGBl, 321). Der freigesprochene AngeUagte kann nicht zu seinen Ungunsten die Wiederaufnahme beantragen. Für den Verteidiger findet § 297, für den gesetzlichen Vertreter § 298 Anwendung. Eine Abweichung s. zu § 361 Anm. 3. Ebenso gelten die §§ 300, 301, 302 Abs. 1 Satz 2 § 203. Über die Weiterfunktion des früheren Verteidigers vgl. § 366 Anm. 2. Der Verteidiger kann den Antrag nicht gegen den Willen des Verurteilten stellen. OLG. Dresden Alsberg Entsch. 2 Nr. 301. Für Jugendliche gilt § 67 Abs. 3 JGG. Der Antrag ist unbefristet. 2. Der Privatkläger und der Nebenkläger können die Wiederaufnahme nur zuungunsten des Verurteilten beantragen und zwar nur durch eine durch einen Rechtsanwalt unterzeichnete Schrift (§§ 390 Abs. 1 und 2, 397); S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 2. Der Nebenkläger kann es nur soweit tun, als ein rechtlicher Gesichtspunkt vorliegt, der ihn seinerzeit zur Nebenklage berechtigt haben würde (RGSt. 69 246; OLG. Karlsruhe NJW. 1964 167) also mit dem Ziel, wegen des Nebenklagedelikts eine Verurteilung herbeizuführen. Daß er es im vorhergegangenen Verfahren nicht getan hatte, ist dabei nicht maßgebend, es kommt nur darauf an, ob er es früher auf Grund der Eröffnung des Hauptverfahrens hätte tun können, da er es vielleicht im Vertrauen auf die gerichtliche Aufklärung unterlassen hatte und nun erst neue Tatsachen oder Beweismittel beibringen kann. a. A. noch 20. Aufl. unter Bezugnahme auf BayObLG. DRiZ. 1988 Nr. 364, ebenso E b S c h m i d t Anm. 2. Ein Klageerzwingungsverfahren findet nicht statt. § 172 Anm. 9.
§ 366 (1) In dem Antrag müssen der gesetzliche Grund der Wiederaufnahme des Verfahrens sowie die Beweismittel angegeben werden. (2) Von dem Angeklagten und den im § 861 Abs. 2 bezeichneten Personen kann der Antrag nur mittels einer von dem Verteidiger oder einem Recntsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle angebracht werden. Entstehungsgeschichte: I.Entw. §—. II. Entw. §281. III. Entw. §326; Ges. vom 9.7. 1927 (RGBl. I 176). Änderungsvorschläge: NE I §356. NE § 356 Abs.2 und 3. III § 351 Abs.2 und 3; EGAD. StGB. Art. 70 Ziff. 196. 1. Inhalt des Antrages. Die Prüfung erstreckt sich nur auf den im Antrag angegebenen gesetzlichen Grund. Es genügt kein Hinweis auf eine Gesetzesstelle, es müssen vielmehr die Tatsachen angegeben werden, auf welchen der Wiederaufnahmegrund beruht sowie die Beweismittel angegeben werden, die zu ihrem Nachweise dienen. Das Gericht ist nicht befugt, aus anderen Gründen die Wiederaufnahme anzuordnen; vgl. Anm. 1 vor § 359. Fehlt die Angabe eines Wiederaufnahmegrundes, so ist der Antrag unzulässig; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 1; KleinknM Anm. 1; E b S c h m i d t Anm. 2. 2. Form des Antrags, a) Die Vorschrift entspricht den Formvorschriften des § 345 Abs. 2. Es gilt das dort Ausgeführte. Der Vorschrift des Abs. 2 ist nicht genügt, wenn Form und Inhalt des Schriftstücks ergeben, daß der Verteidiger, Rechtsanwalt oder Urkundsbeamte in keiner Weise auf seine Abfassung eingewirkt hat; KG. ZStW. 45 472. Der Grundsatz, daß eine Verweisung auf andere Schriftstücke unzulässig ist, gilt auch für den Wiederaufnahmeantrag; OLG.
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Wiederaufnahme des Verfahrens (Kohlhaas)
§367 Anm. 1
Breslau = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 298; OLG. Königsberg = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 300; OLG. Düsseldorf NJW. 1947/48 194; OLG. Freiburg SJZ. 1950 622; OLG. Schleswig NJW. 1953 1445 ist insoweit einengender, als es die Unterzeichnung der Anlagen durch den Verteidiger genügen läßt. Wie hier E b S c h m i d t Anm. 3. Für völlige Freiheit der Bezugnahme auf frühere Wiederaufnahmeanträge, sofern neue Beweismittel oder Tatsachen dies frühere Vorbringen stützen können K l e i n k n M Anm. 2, C ü p p e r s NJW. 1947/48 195. Die Funktion des notwendigen, ob gewählten oder bestellten Verteidigers dauert für das Wiederaufnahmeverfahren fort; RGSt. 22 99, 29 279, 405. Sie erlischt erst mit dem Beschlüsse, der nach § 370 Abs. 2 die Erneuerung der Hauptverhandlung anordnet; RGSt. 29 281, 40 5. Der Offizialverteidiger kann ein kostenfreie Ausfertigung des Urteils verlangen. Die Bestimmung des Abs. 2 findet auch dann Anwendung, wenn der gesetzliche Vertreter des Angeklagten oder der Ehemann nach § 290 (vgl. § 365) die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Trotz der weiterlaufenden Funktion des früheren Verteidigers ist für den Antrag auf Wiederaufnahme die Bestellung eines anderen Verteidigers möglich. OLG. Hamm NJW. 1961 932; a. A. E b S c h m i d t § 140 Anm. 8. Die Staatsanwaltschaft stellt ihren Antrag schriftlich. b) Geschäftsstelle ist nur die Geschäftsstelle des Gerichts, das die Entscheidung erlassen hat; BayObLG. = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 302 oder gem. § 367 (Anm. 1) für die neue Entscheidung zuständig ist. Vgl. OLG. Schleswig SchlHA. 52 156. Für den nicht auf freiem Fuß befindlichen Verurteilten gilt § 299 Abs. 1. Im übrigen § 345. Nimmt der Urkundsbeamte aber formlose Schriftstücke unzulässigerweise entgegen, so kann der Antrag, da er unbefristet ist in gehöriger Form nachgeholt werden. Über die Wiederholbarkeit trotz Verwerfung als unzulässig bei reinen Formfehlern vgl. § 372 Anm. 5. § 3 6 7 (1) Über die Zulassung des Antrags auE Wiederaufnahme des Verfahrens entscheidet das Gericht, dessen Urteil mit dem Antrag angelochten wird. Wird ein in der Revisionsinstanz erlassenes Urteil aus anderen Gründen als auf Grund des § 359 Nr. 3 oder des § 362 Nr. 3 angefochten, so entscheidet das Gericht, gegen dessen Urteil die Revision eingelegt war. (2) Die Entscheidung erfolgt ohne mündliche Verhandlung. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 274. II. Entw. § 282. III. § 327. Änderungsvorschläge: NE §§357,358. NE II § 356 Abs. 4. NE I I I §352; EGADStGB. Art. 70 Ziff. 197. 1. Zuständigkeit: Für das Wiederaufnahmeverfahren ist nur das Gericht z u s t ä n d i g , das zuvor mit der Sache befaßt gewesen war und das angefochtene Urteil erlassen hat. Bedenken gegen diese Regelung erhebt mit Recht P e t e r s 540. Sie gilt auch dann, wenn diesem Gericht nunmehr die G e r i c h t s b a r k e i t über den Angeklagten fehlt; Königsberg GA. 37 81, so für Wegfall der deutschen Gerichtsbarkeit OLG Schleswig NJW. 1953 1445; S e i b e r t NJW. 1952 252; OLG. Hamm NJW. 1953 118. Dies selbst dann, wenn dieser Mangel schon zur Zeit der Urteilsfällung bestand und nicht erkannt wurde; RGSt. 12 125. In einem solchen Falle kann die mit der Aufhebung des Urteils zu verbindende anderweite Entscheidung in der Sache (§ 373 Abs. 1) allerdings nur auf Einstellung des bisherigen Verfahrens lauten, so daß alles Weitere dem zuständigen Gericht vorbehalten bleibt. Zweifel über das zur Entscheidung nach § 367 zuständige Gericht können namentlich dann entstehen, wenn infolge einer Änderung der Gerichtsorganisation, die die sachliche Zuständigkeit berührt, das Gericht, dessen Urteil angefochten wird, nicht mehr besteht, weil Gerichte dieser Art aufgehoben worden sind. Für Urteile von S o n d e r g e r i c h t e n und W e h r m a c h t s g e r i c h t e n gilt — insoweit nur zugunsten des Verurteilten — das Zuständigkeitsergänzungsgesetz vom 7. 8.1952 (BGBl. I 407). Änderungen der Zuständigkeit zwischen Schwurgericht-Strafkammer oder Einzelrichter-Schöffengericht haben keine Wirkung; vgl. Anm. 5. Wenn die Erneuerung der Hauptverhandlung angeordnet ist, ist es rechtlich nicht ausgeschlossen, daß die erneute Hauptverhandlung wegen Sachzusammenhangs mit einer vor einem anderen Gericht anhängigen Sache vor dem letzteren Gericht stattfindet (§ 373), jedoch ist für das vorausgehende Verfahren (§§ 366—370) nur das früher befaßte Gericht zuständig. Änderungen der ö r t l i c h e n Zuständigkeit durch Umgestaltung der Gerichtsbezirke ändert grund-
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§367
Strafprozeßordnung. Viertes Buch
Anm. 2, 3 sätzlich nichts an der Zuständigkeit des früheren Gerichts. Eine Ausnahme ist lediglich für die Fälle zugelassen, in welchen durch Gebietsabtretungen und die Verluste zeitweilig besetzter Gebiete ein Wiederaufnahmeverfahren an Ort und Stelle unmöglich geworden ist. Zuständig wird hier, ebenso wie bei den erwähnten Wehrmachts- und Sondergerichten die Strafkammer des Landgerichts, in dessen Bezirk der Verurteilte zur Zeit des Inkraftretens des Zuständigkeitsergänzungsgesetzes vom 7. 8.1962 (BGBl. I 407) seinen Wohnsitz oder in Ermanglung eines solchen seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Ist er erst nach dem 7. 8.1952 im Geltungsbereich der deutschen Gerichtsbarkeit ansässig geworden, so ist die Strafkammer oder das Schwurgericht zuständig in deren Bezirk er erstmals einen Wohnsitz begründet hat. Andernfalls bestimmt der BGH. das Gericht (§ 19 des Zuständigkeitsgesetzes). Wiederaufnahme gegen Gerichte der sowjetisch besetzten Zone sind nach § 11 des Rechtshilfegesetzes vom 2. 5.1963 möglich, für Wiederaufnahmen gegen Urteile der Besatzungsgerichte ist § 13 a StPO. anzuwenden. 2. Wird die nach § 367 zu treffende Entscheidung, sei es auch nur auf Zeit verweigert, so ist die sofortige Beschwerde nach § 372 gegeben. Dagegen sind Beschlüsse, welcher weder die Frage der Zulässigkeit noch der Begründetheit betreffen noch einem solchen Beschluß vorangehen (§ 305) mit der einfachen Beschwerde anfechtbar. OLG. Koblenz NJW. 1961 1418. 3. Bei Urteilen verschiedener Instanzen läßt die Bestimmung Zweifel darüber offen, welches U r t e i l als das durch den Antrag a n g e f o c h t e n e anzusehen und welches Gericht demzufolge für die Entscheidung über den Antrag zuständig ist. Für das Verhältnis der Revisionsinstanz den Vorinstanzen und das der Berufungsinstanz zu der ersten Instanz zu unterscheiden: a) R e v i s i o n s i n s t a n z . Hat das Revisionsgericht die R e v i s i o n als unbegründet oder unzulässig verworfen, so ist das Urteil der Vorinstanz das durch den Wiederaufnahmeantrag angefochtene, es sei denn daß der Antrag auf einen Wiederaufnahmegrund gestützt wird, welcher i n n e r h a l b des R e v i s i o n s v e r f a h r e n s liegt; nur in diesem Falle ist das Urteil des Revisionsgerichts angefochten und dieses Gericht somit für die Entscheidung über den Antrag zuständig. Hierbei geht das Gesetz von der Annahme aus, daß das Revisionsverfahren nur den in § 369 Nr. 3 und § 362 Nr. 3 vorgesehenen Wiederaufnahmegrund darbieten kann. Eine Ausdehnung über den klaren Wortlaut hieraus ist nicht möglich; E b S c h m i d t Anm. 7; K l e i n k n M Anm. 3. Allerdings würde ein Wiederaufnahmegrund nach §§ 359, 362 jeweils Nr. 3 auch bei Beschlüssen nach § 349 Abs. 2 StPO. Platz greifen. E b S c h m i d t Anm. 7; OLG. Braunschweig NJW. 195« 36 betraf die „offensichtlich begründete Revision". In Fällen der Nichtigkeit einer Norm (Vorbem. 3d vor § 369) ist das Revisionsgericht, wenn es zuvor ein Urteil bestätigt hatte, selbst zuständig, weil es sich nicht um Tatsachen, sondern um weggefallene Rechtsgrundlagen handelt. Hat das Revisionsgericht das Urteil der Vorinstanz a u f g e h o b e n u n d in der S a c h e s e l b s t e r k a n n t , so kann zwar nur noch das Urteil des Revisionsgerichts Gegenstand der Anfechtung durch den Antrag sein; allein nach der ausdrücklichen Gesetzesvorschrift ist in diesem Falle das Gericht der Vorinstanz für die Entscheidung zuständig, ausgenommen nur den Fall, daß es sich um einen innerhalb des Revisionsverfahrens liegenden Wiederaufnahmegrund aus §§ 359 Nr. 3, 362 Nr. 3 handelt; K l e i n k n M Anm. 3. Es gilt also hier dasselbe wie im Falle der Verwerfung der Revision. Der Grund, aus welchem das Gesetz die Entscheidung dem Gericht der Vorinstanz überträgt, ist der, daß, abgesehen von dem Ausnahmefalle, der Wiederaufnahmeantrag die Beseitigung der Feststellungen des Urteils bezweckt und daß die letzteren, auch wenn der Revisionsrichter in der Sache selbst erkannt hat, doch nur von dem Vorderrichter getroffen sein können. — Hat das Revisionsgericht ein Urteil aufgehoben und die Sache zur abermaligen Entscheidung in die V o r i n s t a n z z u r ü c k v e r w i e s e n , so kommt dieses Revisionsurteil bei einem Antrage auf Wiederaufnahme des Verfahrens überhaupt nicht in Betracht; Gegenstand der Anfechtung durch den Antrag können alsdann nur die neuen Urteile sein, die infolge jener Zurückverweisung ergangen sind; E b S c h m i d t Anm. 6; OLG. Hamm HESt. 1 316. Steht in den genannten Ausnahmefällen die Entscheidung über einen Wiederaufnahmeantrag dem R e v i s i o n s g e r i c h t zu und wird der Antrag für begründet befunden, so ist die Folge hiervon nur, daß das R e v i s i o n s v e r f a h r e n wieder aufgenommen und evtl. ein neues Revisionsurteil erlassen wird; das Urteil der Vorinstanz wird von dem Wiederaufnahmeverfahren an sich (im Gegensatz zu dem neuen Revisionsurteil) noch nicht berührt. — Steht die Entscheidung dem Gericht der Vorinstanz zu und wird der Antrag für begründet befunden, so hat dieses Gericht bei Erlassung des neuen Urteils (§ 373) das Urteil des Revisionsgerichts ausdrücklich aufzuheben, falls dieses in der Sache selbst entschieden hatte. Dagegen wird ein die Revision
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Wiederaufnahme des Verfahrens (Kohlhaas)
§ 347 Arno. 4—8
verwerfendes Urteil durch die Aufhebung des Urteils der Vorinstanz von selbst hinfällig ohne daß es der Aufhebung des Revisionsurteils bedarf. Über das Verfahren bei N i c h t i g k e i t e i n e r N o r m vgl. Vorbem. 3d vor § 369 b) B e r u f u n g s i n s t a n z . War gegen ein Urteil des Schöffengerichts oder des Amtsrichters die Berufung eingelegt, so ist (sofern nicht etwa auch Revision eingelegt worden war und nach a) das Revisionsgericht für die Entscheidung über den Antrag zuständig ist) der R e g e l nach das Urteil der Berufungsinstanz, nicht das der ersten Instanz, als angefochten anzusehen und somit das B e r u f u n g s g e r i c h t für die Entscheidung über den Antrag zuständig. Dies folgt daraus, daß nach den Vorschriften der StPO. der Berufungsrichter die Schuldfrage selbständig und unabhängig von den Feststellungen des ersten Richters zu entscheiden hat. Hierbei macht es auch keinen Unterschied, ob der Berufungsrichter das Urteil erster Instanz aufgehoben und neue Feststellungen getroffen oder ob er unter Beibehaltung der erstrichterlichen Feststellungen die Berufung verworfen hat: soweit er eine Feststellung beibehält, macht er sie zu der seinigen; OLG. Naumburg ZStW. 45 636. Eine A u s n a h m e von der Regel greift jedoch Platz, wenn der Berufungsrichter nicht über die Schuldfrage entschieden, also Feststellungen weder neu getroffen, noch auch beibehalten hat. Dies ist der Fall bei Verwerfung des Rechtsmittels als unzulässig oder bei Beschränkung des Rechtsmittels auf den Strafausspruch. In diesen Fällen kann das Berufungsurteil nur dann als angefochten angesehen werden, wenn der Antrag auf einen innerhalb des Berufungsverfahrens liegenden Wiederaufnahmegrund gestützt wird; BayObLG-Alsberg Entsch. 2 Nr. 303 b. In allen anderen Fällen dieser Art muß das Urteil erster Instanz als angefochten gelten; OLG Dresden = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 303c; OLG Celle JR1960 229; BayObLG. = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 303a und b; Braunschweig HESt. 1 216; K l e i n k n M Anm. 2; E b S c h m i d t Anm. 3. Steht die Entscheidung über den Antrag dem Berufungsgericht zu und wird der Antrag für begründet befunden, so ist die Folge hiervon die, daß das B e r u f u n g s v e r f a h r e n wieder aufgenommen wird; das Urteil erster Instanz wird hiervon nicht berührt. Umgekehrt werden, wenn das Gericht erster Instanz sein Urteil aufhebt, hiermit die Urteile der höheren Instanzen von selbst hinfällig. 4. Beantragt der Verurteilte die Wiederaufnahme eines Strafverfahrens, in dem er unter Einrechnung der von a n d e r e n G e r i c h t e n gegen ihn ausgesprochenen Strafen zu einer Gesamtstrafe verurteilt worden ist, hinsichtlich der sämtlichen gegen ihn ergangenen Urteile, so entscheidet über die Zulassung des Antrages jedes einzelne der Gerichte insoweit, als sein Urteil angefochten ist; München GA. 41 69 ( = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 304). E b S c h m i d t Anm. 10, stimmt zu, weist aber auf peinliche Gefahren divergierender Entscheidungen hin. 5. Da nach Abs. 2 die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erfolgt, so entscheidet an Stelle des Schöffengerichts der A m t s r i c h t e r (GVG. § 30 Abs. 2). Die S t r a f k a m m e r beschließt in allen Fällen in der Besetzung mit drei Richtern (GVG. § 76), gleichviel ob es sich um ein Urteil erster oder zweiter Instanz oder um ein schwurgerichtliches Urteil (GVB. § 82) handelt. Das Ober l a n d e s g e r i c h t und der Bundesgerichtshof entscheiden in der durch GVG. §§ 122, 139 vorgeschriebenen Richterzahl. Zu Abs. 2 vgl. noch § 368 Anm. 1, 3. 6. Verletzung der Amtspflicht durch Richter — Im Falle des § 369 Nr. 3 und des § 362 Nr. 3 darf der von dem Vorwurf der Amtspflichtverletzung betroffene R i c h t e r bei der Entscheidung nicht mitwirken. E b S c h m i d t Anm. 11. 7. Der Richter, dessen Urteil mit dem Wiederaufnahmeantrag angefochten ist, ist als solcher vom Richteramt im Wiederaufnahmeverfahren nicht ausgeschlossen, da die Wiederaufnahme kein Rechtsmittel ist. Bedenken erhebt zu Recht P e t e r s 640. 8. Die Staatsanwaltschaft ist gem. § 33 zur Frage der Zulässigkeit zu hören. OLG. Dresden A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 309, E b S c h m i d t Anm. 3; K l e i n k n M Anm. 1. Daß auch der Privatkläger zu hören sei, leiten S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 2 aus BVerfG. NJW. 1958 2011 her. Das dürfte aber kaum gangbar sein, es sei denn, man fordere gemäß Art. 103 Abs. 1 GG. auch die Anhörung des Verurteilten beim Antrag der Staatsanwaltschaft, was aber K l e i n k n M Anm. 1 ausdrücklich erst nach Zulassung für erforderlich halten. So wohl auch E b S c h m i d t Anm. 3, vgl. § 368 Anm. 4.
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§368
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Anm. 1—4
§ 368 (1) Ist der Antrag nicht in der vorgeschriebenen Form angebracht, oder ist darin kein gesetzlicher Grund der Wiederaufnahme geltend gemacht oder kein geeignetes Beweismittel angeführt, so ist der Antrag als unzulässig zu verwerfen. (2) Anderenfalls ist er dem Gegner des Antragstellers unter Bestimmung einer Frist zur Erklärung zuzustellen. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 275. II. Entw. § 238. III. Entw. § 328, Bek. vom 22.3. 1924 (RGBl. I 359). Änderungsvorschläge: NE I und II § 358 Abs. 1, § 359 Abs. 1. NE III § 354 Abs. 1, § 355 Abs. 1. 1. Der § 368 behandelt die Entscheidung, die über die Zulässigkeit des Antrages ergeht, wogegen in §370 von der über das B e g r ü n d e t s e i n des Antrages, also der über die Wiederaufnahme selbst ergehenden Entscheidung die Rede ist; vgl. § 370 Anm. 3b und RGSt. 35 361. Da die §§ 371 ff., vor allem § 373 das neue Hauptverfahren selbst betreffen, zerfällt das Wiederaufnahmeverfahren also in drei Abschnitte; P e t e r s 540; E b S c h m i d t Anm. 1. Ohne vorgängige Entscheidung über die Zulässigkeit des Antrags kann nicht sogleich über seine Begründetheit geurteilt werden. Es ist daher zunächst keine weitere Sachprüfung angezeigt, sondern nur darauf abzustellen, ob es sich um „Beweismittel" (§359 Anm. 17 a) oder um „Tatsachen" handelt, welche mit dem Fall etwas Ausschlaggebendes, ihre Richtigkeit zunächst unwiderlegt unterstellt, zu tun haben können. E b S c h m i d t Anm. 1, OLG Hamburg NJW. 1951 218, OLG Köln JMB1NRW. 1952 160, a. A. K l e i n k n M Anm. 2 I, der eine Art Schlüssigkeitsprüfung fordert. Erst wenn ein Wiederaufnahmeantrag als zulässig anerkannt und deshalb Beweis erhoben ist, liegt die prozessuale Möglichkeit vor, die Entscheidung, der Antrag sei unbegründet, zu treffen; OLG Dresden = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 319. — Für die in § 359 Nr. 5 und § 362 Nr. 4bestimmten Wiederaufnahmegründe besteht allerdings der Unterschied zwischen einem Beschlüsse, der den Antrag als unzulässig, und einem solchen, der ihn als unbegründet verwirft, im wesentlichen nur darin, daß der letztere Beschluß auf Grund einer B e w e i s a u f n a h m e (§ 369) ergeht; insoweit sich o h n e eine solche die Grundlosigkeit des Antrages erkennen läßt, ist die in § 368 vorgesehene alsbaldige Verwerfung stets statthaft. Die letztere kann also insbesondere auch wegen der Unerheblichkeit der angeführten Tatsachen erfolgen. Kein Antrag, vor allem nicht ein auf § 359 Nr. 5 gestützter kann zum Teil f ü r z u l ä s s i g erklärt, z u m Teil als u n z u l ä s s i g verworfen werden. KA. GA. 57 414, OLG. Hamburg-Alsberg Entsch. 2 Nr. 312a, BayObLG. JW. 1929 1491; OLG. Frankfurt NJW. 1955 73; E b S c h m i d t Anm. 3, vgl. aber unten Anm. 4b. 2. — „nicht in der vorgeschriebenen Form" — Hierzu vgl. § 366 Anm. 2. 3. — „kein gesetzlicher Grund der Wiederaufnahme" — Hierzu vgl. § 364 und Anm. 1 zu § 366. Die Zulässigkeitsprüfung enthält insoweit, vor allem in den Fällen des § 359 Nr. 5 nur eine Sachprüfung, bei welcher von den Angaben des Antragstellers auszugehen ist; P e t e r s 540. OLG. Köln JMB1. NRW. 1952 160 (vgl. aber Anm. 1). Bei dieser Sachprüfung müssen jedoch im Freibeweis Erhebungen darüber angestellt werden, ob diese Tatsachen dem Gericht nicht bekannt gewesen sind. Hierzu ist die Einholung dienstlicher Erklärungen möglich. OLG. Celle GA. 1957 90. Daß etwas nicht im Urteil oder in den Akten steht, ist für sich noch kein Indiz für die Neuheit. K l e i n k n M Anm. 2 II. 4. a) Das Gericht muß, bevor es gemäß Abs. 2 verfahren kann, über die Zulassung des Antrages eine ausdrückliche Entscheidung treffen; denn die Anhörung des Gegners ist bei unzulässigem Antrag ausgeschlossen, setzt also einen zulässigen Antrag voraus; RGSt. 35 352; von H i p p e l 619; P e t e r s 541. § 33 wird durch diese Bestimmung nicht berührt. Die Staatsanwaltschaft muß daher schon vor der Prüfung der Zulässigkeit des Antrags gehört werden; OLG. Dresden-Alsberg Entsch. 2 Nr. 309; E b S c h m i d t Anm. 5; K l e i n k n M Anm. 4; OLG Bamberg HESt. 3 3. Über die Bedenken hiergegen vgl. § 367 Anm. 8. Unterbleibt die Anhörung der Staatsanwaltschaft, so kann dieser Mangel des Verfahrens die Revision nicht begründen, da das evtl. neue Urteil auf diesem Mangel nicht beruhen kann. Da Beschwerde möglich ist (Anm. 6) gilt das Entsprechende wie für Fehler in der Voruntersuchung; § 178 Anm. 4. Ist die Staatsanwaltschaft vor der Zulassung nach § 33 gehört worden, so bedarf es ihrer nochmaligen An-
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§369 hörung nach § 368 Abs. 2 zu demselben Antrage nicht, a. A. E b S c h m i d t Anm. 5, K l e i n k n M Anm. 4, die m. E. der Staatsanwaltschaft, vor allem dort, wo sie selbst Antragstellerin ist, einen Primat geben, der über kurz oder lang zu Schwierigkeiten über Art. 103 GG. führen kann. Die Zulassung darf nicht auf die Erhebung einzelner bestimmter Beweise beschränkt werden; KG. GA. 57 414; OLG. Hamburg = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 321a; OLG. Stuttgart GA. 71 193; vielmehr ist der Antrag wenn er überhaupt zugelassen wird, in vollem Umfang zuzulassen. — Wiederaufnahmegründe, die der Antragsteller hat fallen lassen, unterliegen der Nachprüfung des Gerichts nicht. b) Ist nur eine von mehreren vorgetragenen Tatsachen geeignet, die Wiederaufnahme herbeizuführen, so muß der Antrag zugelassen werden. Es ist in dem weiter auf die Zulassung folgenden Verfahren zu entscheiden, ob und in welchem Umfange die Tatsachen zu erörtern sind, die der Angeklagte außer der für die Zulassung entscheidenden Tatsache vorträgt. Ein Antrag, der nur auf eine der in § 359 aufgeführten Gruppen von Tatsachen gestützt wird, kann nicht teilweise zulässig und teilweise unzulässig sein; KG. GA. 57 414 = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 312; OLG. Hamburg = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 312a und b; BayObLG. JW. 1929 1491 OLG Köln JMB1. NRW 1963 48; ferner Anm. l a E. Teilzulassung ist aber dort möglich, wo abtrennbare Urteilsabschnitte betroffen sind oder wo Tatmehrheit vorliegt, K l e i n k n M Anm. 4. c) Der Zulassungsbeschluß nach § 368 ist nicht präjudiziell für die künftige Entscheidung über die Wiederaufnahme; KG. JW. 1929 1073, auch nicht hinsichtlich der Zulässigkeit. OLG. K ö l n - A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 314b, E b S c h m i d t Anm. 4. Er kann nicht nachträglich aufgehoben werden. OLG. H a m b u r g - A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 314a. 5. Ergänzung des Antrags. Ist der Antrag nur unvollständig oder leidet er an einem anderen leicht zu behebenden Mangel, so kann das Gericht, statt ihn alsbald zu verwerfen, zunächst den Antragsteller unter Bestimmung einer Frist z u r V e r v o l l s t ä n d i g u n g usw. a u f f o r d e r n . Ein solches Verfahren wird sich in den geeigneten Fällen um so mehr empfehlen, als der Antragsteller jederzeit befugt ist, einen verworfenen Antrag nach Behebung des betreffenden Mangels zu erneuern (vgl. § 359 Anm. 2, § 362 Anm. 2); OLG. Königsberg ZStW. 46 148; K l e i n k n M Anm. 3. 6. Anfechtung der Entscheidung. Sowohl der den Antrag zulassende als auch der ihn verwerfende Beschluß können mit der sofortigen Beschwerde a n g e f o c h t e n werden (§ 372); daher sind Verstöße, welche dem Beschluß vorangehen, nicht geeignet, die Revision zu begründen. Jedoch ist bei solchen Verstößen die einfache Beschwerde zulässig. Sofern nicht § 305 dem entgegensteht. § 367 Anm. 2. Die sofortige Beschwerde ist auch bei Beschränkung der Zulassung möglich (vgl. Anm. 4a). Dagegen kann ein im Zulassungsbeschluß erfolgender Hinweis auf bestimmte allein einzuholende Beweise erst mit der Beschwerde gegen den nach § 370 Abs. 1 ergehenden Beschluß erfolgen. E b S c h m i d t Anm. 8, OLG. Frankfurt NJW. 1955 73. 7. Die Erklärung des Gegners ist an keine Form gebunden. Auch der Gegner kann n e u e T a t s a c h e n u n d B e w e i s m i t t e l vorbringen, wie überhaupt Anträge bezüglich der etwaigen Beweisaufnahme stellen. Kosten: Es gelten die allgemeinen Bestimmungen der §§ 465ff. Die Gerichtsgebühr wird im Falle des Abs. 1 nur zur Hälfte erhoben (§ 73 GKG).
§ 369 (1) Wird der Antrag für zulässig befunden, so beauftragt das Gericht mit der Aufnahme der angetretenen Beweise, soweit dies erforderlich ist, einen Richter. (2) Dem Ermessen des Gerichts bleibt es fiberlassen, ob die Zeugen und Sachverständigen eidlich vernommen werden sollen. (3) Für die Berechtigung der Beteilgten zur Anwesenheit bei der Beweisaufnahme sind die für die Voruntersuchung maßgebenden Vorschriften anzuwenden. (4) Nach Schluß der Beweisaufnahme sind die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte unter Bestimmung einer Frist zur weitere Erklärung aufzufordern. Entstehungsgeschichte: I. Entw. §§ 276—278. II. Entw. §§ 284—286. III. Entw. §§ 329—331. Stilistische Änderung der Neufassung im Vereinheitlichungsgesetz. 88
L ö w e - B o s e n b e r g , StPO. 21. Auil.
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§369
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Anm. 1—8 Änderungsvorschläge: NB I und II §359 Abs. 2 und 3. NE III § 355; EGADStGB. Axt. 70 Ziff. 198. 1. a) Hat das Gericht den Antrag für zulässig befunden (vgl. § 368 Anm. 4) und der Gegner des Antragstellers seine Erklärung (§ 368 Abs. 2) abgegeben oder die ihm gestellte Frist verstreichen lassen, so bedarf es einer weiteren Entschließung des Gerichts darüber, ob vor Erlassung des Beschlusses über die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 370) noch eine Beweisaufnahme e r f o r d e r l i c h ist oder nicht. Einer solchen wird es in den Fällen des § 359 Nr. 5 regelmäßig bedürfen; doch sind auch Fälle denkbar, in denen sie entbehrlich ist; RG. GA. 44 145. Daher ist in klaren Fällen sogar die Verbindung der Beschlüsse über Zulässigkeit und Begründetheit denkbar. K l e i n k n M § 368 Anm. 5d, RGSt. 35 351. a. A. E b S c h m i d t , der einem solchen Beschluß die Eignung als weitere Verfahrensvoraussetzung abspricht. b) Aufnahme der angetretenen Beweise. Wenngleich der Paragraph nur von den „ a n g e t r e t e n e n " Beweisen spricht, so ist das Gericht doch befugt, n o c h a n d e r e Beweise zu erheben, auch solche, welche geeignet sind, die von dem Antragsteller vorgebrachten zu entkräften; E b S c h m i d t Anm. 3. Ohne diese Befugnis könnte das Gericht in die Lage kommen, auf Grund unglaubwürdiger neuer Aussagen die Hauptverhandlung erneuern zu müssen. Auch für das Wiederaufnahmeverfahren gilt das Offizialprinzip. Das Gericht ist also nicht auf die von dem Antragsteller bezeichneten Beweismittel beschränkt; OLG. Hamm GA. 71 116. Demgemäß ist auch die Beobachtung des Verurteilten in einer öffentlichen Heil- oder Pflegeanstalt gemäß § 81 zulässig; Voss GA. 55 199; W i n k l e r Ger. S. 78 371; K l e i n k n M Anm. 3. Vgl. OLG. Hamburg NJW. 1954 974. Vgl. auch Anm. 5. 2. Auftrag zur Beweisaufnahme. Der Ausdruck „ b e a u f t r a g t " ist gegenüber der sonstigen Terminologie der StPO. ungenau: das Gericht kann die Beweisaufnahme auch durch einen e r s u c h t e n Richter bewirken; E b S c h m i d t Anm. 2. In allen Fällen muß jedoch ein R i c h t e r mit der Beweisaufnahme betraut werden. Die Erhebung von Beweisen durch eine Polizeibehörde genügt nicht; BayObLGSt. = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 315b; OLG. Hamburg = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 315a; OLG. Königsberg = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 315c. Dasselbe gilt für Staatsanwalts chaftliche Ermittlungen. Ein Antrag auf Voruntersuchung ist ausgeschlossen; E b S c h m i d t Anm. 2. Wenn der Beschluß dem Amtsrichter (§ 367 Anm. 5) zusteht, ist die Fassung Abs. 1 ohnedies nicht passend. Er kann nur die Beweise selbst erheben oder einen anderen Richter um deren Erhebung ersuchen. E b S c h m i d t Anm. 2; A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 315. Wenn das Gericht ein Beweismittel für geeignet im Sinne des § 359 Abs. 5 hält, muß es den Wiederaufnahmeantrag für zulässig erklären und die gerichtliche Vernehmung des oder der Zeugen anordnen. Zweck der etwaigen Beweisaufnahme ist, die notwendigen tatsächlichen Unterlagen für die Prüfung zu gewähren, ob die gesetzlichen Voraussetzungen der Wiederaufnahme für dargetan zu erachten sind und daher zu einer erneuten mündlichen Verhandlung geschritten werden soll. — Das Gericht kann jederzeit und insbesondere auch noch nach Eingang der in Abs. 4 gedachten Erklärungen eine w e i t e r e Erhebung von Beweisen beschließen; KG. GA. 69 446 = Alsberg Entsch. 2 Nr. 333). Ein und derselbe Antrag kann nicht zu einem Teile nach § 368 Abs. 1, zu andern nach § 369 Abs. 1 beschieden werden. Nach Zulassung des Antrags darf auch nicht das Begehren des Verteidigers, weitere Zeugen, zu vernehmen, als unzulässig abgelehnt werden; BayObLG. JW. 1929 1491. Das Gericht muß nicht alle Beweise erheben, sofern schon ein Teil der Erhebung zur Wiederaufnahme ausreicht. Entscheidet es aber unter Nichterhebung von Beweisen, die angeboten sind gegen den Antragsteller, so führt dieser Mangel zur Anfechtbarkeit. OLG. Hamburg-Alsberg Entsch. 2 Nr. 333c. Es darf die Polizei und die Staatsanwaltschaft keinesfalls mit Beweiserhebungen, sondern allenfalls mit der Beischaffung gegenständlicher Beweismittel beauftragen. K l e i n k n M Anm. 2. Der mit der Beweiserhebung beauftragte Richter muß bei der späteren Beschlußfassung nicht mitwirken; Hamburg SJZ. 1950, 622, er ist aber auch nicht daran verhindert. BGH. NJW. 1954 891. 3. Eidliche Vernehmung. Zu Abs. 2 vgl. § 66. Die hier getroffene Bestimmung beruht darauf, daß es mit dem Wesen der Wiederaufnahme einer bereits rechtskräftig entschiedenen Untersuchung nicht verträglich erscheint, diese auf unbeeidigte Aussagen zu gründen. Die Aussetzung der B e e i d i g u n g ist daher in diesem Verfahren die Ausnahme, aber nicht ganz ab-
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Wiederaufnahme lies Verfahrens (Kohlhaas)
§ 369 Anm. 4—8
§370 geschlossen. K l e i n k n M Anm. 5. Die Bestimmung gilt aber nur für den dem Verfahren analogen Teil des Wiederaufnahmeverfahren und nicht für die Fälle des § 371 Abs. 1 u. 2, in denen die allgemeinen Regeln über die Notwendigkeit der Beeidigung gelten; RGSt. 29 64. Die Berufung auf einen in der früheren Hauptverhandlung geleisteten Eid ist nicht zulässig; RGSt. 18 417. Das Gericht muß in dem Beschluß, in welchem Beweiserhebungen angeordnet werden, bestimmen, ob die Aussagen der Zeugen beeidet werden sollen oder nicht; K l e i n k n M Anm. 5. Dem vernehmenden Richter steht dann die Entscheidung über die Frage der Beeidigung, dort wo sie zulässig wäie, nicht zu. BGH. NJW. 1954 891. Dies bedeutet aber nicht, daß er dort, wo er Beeidigungsverbote feststellt, etwa beeidigen müsse. E b S c h m i d t Anm. 4. 4. Parteiöffentlichkeit. Die in Abs. 3 gemeinten §§ 193, 194 ertragen keine wörtliche, sondern nur entsprechende Anwendung. So kann § 193 Abs. 2 nicht im Hinblick auf eine künftige Hauptverhandlung, die ja im Wiederaufnahmeverfahren oft nicht stattfindet, das Anwesenheitsrecht des Betroffenen einschränken. Daher hat jeder, auch der in Haft befindliche Verurteilte das Recht auf Anwesenheit. Mißbräuche werden um so weniger zu befürchten sein, als die Zulässigkeitsprüfung vorausgegangen ist. Wie hier OLG. Celle NJW. 1962 1072; OLG. Hamm NJW. 1955 1122; E b S c h m i d t Anm. 5; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 4, vermittelnd OLG. Braunschweig NdsRpfl. 1960 144, das den auf freiem Fuß Befindlichen stets zulassen will; für völligen Ausschluß im Hinblick auf § 193 Abs. 2 bisher 20. Aufl., K l e i n k n M Anm. 6 und OLG. Hamburg SJZ. 1950 622. Danach gilt eine Ausnahme nur für § 193 Abs. 4. 5. Andere Maßregeln. Wenngleich in § 369 nur von der A u f n a h m e der Beweise die Rede ist, so sind doch in dem hier behandelten Stadium des Verfahrens auch die U n t e r s u c h u n g s h a n d l u n g e n statthaft, welche, wie die Beschlagnahme und die Durchsuchung zum Zwecke der H e r b e i s c h a f f u n g von Beweismitteln erforderlich sein können; K l e i n k n M Anm. 7. Eine V e r h a f t u n g des Angeklagten kommt nur dann in Frage, wenn die Wiederaufnahme zu seinen Ungunsten beantragt ist (§ 362); E b S c h m i d t Anm. 6. Die Verhaftung ist nur auf Grund neuer Tatsachen und Beweismittel zulässig; K l e i n k n M Anm. 3. 6. Der Angeklagte wird, soweit er nicht der Beweisaufnahme beigewohnt hat, die in Abs. 4 gedachte „weitere Erklärung" (vgl. § 368 Anm. 7) nur abgeben können, wenn ihm das Ergebnis der Beweisaufnahme bekanntgemacht wird. Einem Antrage des Angeklagten auf Mitteilung der aufgenommenen Protokolle muß daher stets stattgegeben werden. In Ermangelung einer gesetzlichen Bestimmung hat der Vorsitzende bzw. das Gericht nach den Umständen des Falles zu entscheiden, in welcher Weise die vom Angeklagten verlangte Mitteilung erfolgen soll. Außer der Erteilung von Abschriften kann auch die Verlesung der Protokolle oder die mündliche Eröffnung ihres wesentlichen Inhalts durch eine mit Vernehmung des Angeklagten beauftragte Gerichtsperson in Frage kommen. Hat der Angeklagte einen Verteidiger, so kann er nur beanspruchen, daß diesem die A k t e n e i n s i c h t gestattet werde. Die beschränkende Bestimmung des §147 Abs. 2 kann hier nicht Platz greifen. Auch die Staatsanwaltschaft muß nach Schluß der Beweisaufnahme gehört werden; OLG. Rostock ZStW. 42 718. Über die Art der Mitteilung entscheidet das freie Ermessen des Gerichts. Ist der Vorschrift des Abs. 4 nicht genügt, so ist die Entscheidung aufzuheben. 7. Ist eine Frist nicht bestimmt oder dem Antragsteller nicht bekanntgemacht, so kann dieser Mangel zur Aufhebung des den Antrag verwerfenden Beschlusses (§ 370) führen; OLG. Breslau ZStW. 48 518. 8. Beschwerde ist in diesem Zwischenstadium entgegen dem zu § 367 Anm. 2 Ausgeführten gemäß § 305 nicht möglich, da erst das Ergebnis von § 370 Abs. 1 abzuwarten ist. E b S c h m i d t Anm. 8, OLG. Breslau = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 333b.
§ 370 (1) Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahreng wird ohne mündliche Verhandlung als unbegründet verworfen, wenn die darin aufgestellten Behauptungen keine genügende Bestätigung gefunden haben, oder wenn in den Fällen des § 359 Nr. 1 und 2 oder des § 362 Nr. 1 und 2 nach Lage der Sache die Annahme ausgeschlossen ist, daß die in diesen Vorschriften bezeichnete Handlung auf die Entscheidung Einfluß gehabt hat. 88'
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§370
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Anm. 1, 2 (2) Anderenfalls ordnet das Gericht die Wiederaufnahme des Verfahrens and die Erneuerung der Hauptverhandlung an. Entstehungsgeschichte: I.Entw. §279. II. Entw. §287. III. Entw. §332, nach Neufassung durch die dritte VereinhVO. vom 29. 6.1943 (GBl I 342) wieder durch Art. 3 Nr. 143 des VereinhGes. eingeführt. Änderungsvorschläge: NE I und II. § 360 Abs. 1. NE III. §§ 367, 366 Abs. 1 EGADStGB. Art. 70 Ziff. 199. 1. Entscheidung ob der Antrag begründet ist; In dem Beschluß, von welchem § 370 handelt, liegt der Schwerpunkt des ganzen Wiederaufnahmeverfahrens: Hat das Gericht nämlich einmal gem. Abs. 2 die Wiederaufnahme rechtskräftig beschlossen, so i s t das f r ü h e r e U r t e i l t a t s ä c h l i c h b e s e i t i g t ; RGSt. 9 36,27 382,29 280,30 421,41106,57 317,58 52; BGHSt. 14,64,86; Hamburg JW. 19812860; G e r l a n d 4 4 6 ; Graf zu D o h n a 213; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 4; K l e i n k n M Anm. 4; a. A. KG. GA. 69 128; O e t k e r Ger. S. 65 455, 66 124. Der rechtskräftige Beschluß aus § 370 stellt eine P r o z e ß Voraussetzung für das weitere Verfahren dar; BayObLG. 1952 78. Er ist von Amts wegen zu beachten. Sein Fehlen muß zur Einstellung des Verfahrens führen; K l e i n k n M Anm. 3; E b S c h m i d t Anm. 2; BayObLGSt. 1952 80. Bis zu seiner Rechtskraft steht einem neuen Hauptverfahren die Rechtskraft des bisherigen Urteils entgegen; RGSt. 85 353, 67 54; RG. HRR. 1938 718,1939 Nr. 279. Würde ein die Wiederaufnahme des Verfahrens zuungunsten des Verurteilten anordnender Beschluß diesem nicht zugestellt, so ist, wenn er verurteilt ist, die Rüge einer Verletzung des § 370 vom Revisionsgericht zu beachten und die Einstellung des Verfahrens auszusprechen; Dresden JW. 1928 1882. Eine formelle Beschlußfassung darüber, ob der Antrag auf Wiederaufnahme b e g r ü n d e t sei, ist daher unentbehrlich; RGSt. 35 352. Das erkennende Gericht (§ 373) ist an den Beschluß insofern gebunden, als es nicht befugt ist, die Zulässigkeit der Wiederaufnahme von neuem zu prüfen; RGSt. 35 362, 57 317,58 52. Der aufs neue erkennende Richter kann seine Überzeugung aus nichts anderem als aus dem Inhalt der n e u e n Verhandlung schöpfen; das frühere Urteil kommt hierbei nicht in Betracht; RGSt. 57 317. Es kann also sehr wohl vorkommen, daß der frühere Verurteilte, obwohl die von ihm beigebrachten neuen Tatsachen usw. sich in der neuen Hauptverhandlung als ganz unerheblich erweisen, doch freigesprochen werden muß, weil die Belastungsbeweise inzwischen teilweise verloren gegangen sind und die noch vorhandenen zur Überführung nicht ausreichen. Prinzipiell gilt aber auch für die Berufungsrichter dasselbe; RGSt. 2 323. Aber nicht bloß hinsichtlich der Beweisfrage, sondern auch in jeder anderen Hinsicht ist das neue Urteil von dem früheren unabhängig, und die in § 373 Abs. 2 bestimmte Einschränkung ist die einzige, der das freie Ermessen des aufs neue entscheidenden Richters unterliegt. Selbst dann, wenn die Feststellungen des neuen Urteils mit denen des früheren völlig übereinstimmen, der Wiederaufnahmeantrag also seinen Zweck völlig verfehlt hat, ist das Gericht nicht gehindert, auf eine mildere Strafe, als die früher verhängte, zu erkennen, und hat die P f l i c h t , ganz neu auch über die Straffrage zu befinden; RGSt. 30 421. Dieser Ansicht steht der § 363 nicht entgegen: er verbietet zwar, die Wiederaufnahme zum Zwecke einer bloßen Strafermäßigung e i n t r e t e n zu lassen; er beschränkt jedoch das Gericht in seinem freien Ermessen nicht weiter, wenn einmal die Wiederaufnahme eingetreten ist. Auch hat das Gericht selbst im Falle des § 369 Nr. 6 nicht etwa bloß die Wahl zwischen Freisprechung und Verurteilung, sondern es hat geeignetenfalls auch die Einstellung des Verfahrens auszusprechen; RGSt. 20 46 und § 367 Anm. 1. Wie sich aus dem Vorbemerkten ergibt, ist auf „Aufrechterhaltung" des früheren Urteils nur dann zu erkennen, wenn das Gericht auf Grund der neuen Hauptverhandlung zu derselben Entscheidung gelangte wie das früher urteilende Gericht. Eine sachliche Bedeutung hat diese im Gesetz nur für einen ganz bestimmten Fall vorgeschriebene F o r m e l nicht; RGSt. 2 326, 57 317. Es soll nur vermieden werden, daß das bisherige Urteil aufgehoben und alsdann ein neues Urteil mit demselben Inhalt verkündet wird. Es handelt sich insoweit also nur um eine Formalbezeichnung; Hamburg GA. 75 316; JW. 19312860. Aus dem vorstehend über die Wirkung und Tragweite dieses Beschlusses Gesagten erhellt, daß das Gericht die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht beschließen darf, ohne die Notwendigkeit auf das genaueste geprüft zu haben; vgl. bes. § 359 Anm. 17. 2. Zuständigkeit. Der Beschluß wird von demselben G e r i c h t erlassen, das über die Zulassung des Antrages (§ 367) entschieden hat; s. § 367 Anm. 1. Eine Mitteilung der durch die Beweisaufnahme gemäß § 369 erzielten Ergebnisse ist nicht erforderlich.
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Wiederaufnahme des Verfahrens (Kohlhaas)
§370 A m 3—7
3. a) Umfang der Prfifungspflicht. Worauf die P r ü f u n g des G e r i c h t s sich zu richten habe, hängt davon ab, welcher Wiederaufnahmegrund von dem Antragsteller geltend gemacht ist. In den Fällen der Nr. 1, 2 der §§ 359, 362 wird es sich auf Grund der Vorschrift des § 364 regelmäßig um die Frage handeln: welchen Einfluß das Vorbringen der falschen Urkunde bzw. die Abgabe der falschen Aussage auf das angefochtene Urteil gehabt haben könne; vgl. § 359 Anm. 9. (Bei dem Beschlüsse über die Zulassung des Antrages (§ 368) kommt diese Frage noch nicht in Betracht.) Um die Prüfung von Beweisergebnissen wird es sich hier nur ausnahmsweise handeln können; vgl. § 364 Anm. 3, § 359 Anm. 8. — In dem Falle der Nr. 3 der §§ 359, 362 begründet die in § 364 vorausgesetzte rechtskräftige Verurteilung ohne weiteres die Wiederaufnahme; vgl. § 359 Anm. 13. Wie in den Fällen der Nr. 1, 2, so kann es sich auch hier nur ausnahmsweise um die Prüfung von Beweisergebnissen (§ 364 Anm. 3) handeln. — In dem Falle des § 359 Nr. 4 kommt es darauf an, ob das angefochtene Strafurteil auf das betreffende zivilgerichtliche Urteil gegründet war und ob das letztere nunmehr durch ein anderes, und zwar rechtskräftiges Urteil aufgehoben ist; vgl. § 359 Anm. 15. — In dem Falle des § 359 Nr. 5 handelt es sich darum, ob die neuen Ausführungen durch die stattgehabte Beweisaufnahme (§ 369) eine genügende Bestätigung gefunden haben, es also wahrscheinlich ist, daß sie in der Hauptverhandlung nachgewiesen werden; E b S c h m i d t Anm. 6. Außerdem ist das Vorhandensein aller in Nr. 5 bezeichneten Erfordernisse der Wiederaufnahme von neuem zu prüfen; vgl. § 359 Anm. 15ff. Haben die neuen Tatsachen, welche die Freisprechung usw. des Angeklagten zu begründen geeignet sind, genügende Bestätigung gefunden, dann darf das Gericht den Antrag nicht auf Grund von Tatsachen verwerfen, die es für erwiesen erachtet, die in dem früheren Verfahren aber nicht für erwiesen «rächtet waren; RGSt. 57 317. Wohl aber sind auch vom Gesuchsteller nicht geltend gemachte neue Tatsachen, die sich in der Beweisaufnahme ergeben haben, zu seinen Gunsten zu berücksichtigen. OLG. Hamburg NJW. 1964 974. — In dem Falle des § 362 Nr. 4 endlich ist zu prüfen, ob der Angeklagte das behauptete Geständnis abgelegt hat und ob es für glaubwürdig anzusehen ist; vgl. § 362 Anm. 9,11. b) Unverbindlichkeit des Zulassungsbeschlusses. Der über die Z u l a s s u n g des Antrages ergangene Beschluß (§ 368) ist für die Entscheidung über die Wiederaufnahme (§ 370) in keiner Weise bindend; das Gericht hat die Verwerfung des Antrages auch dann auszusprechen, wenn es findet, daß es gerechtfertigt gewesen wäre, ihn ohne weiteres als unzulässig zu verwerfen. Unzulässigkeitsgriinde, die später erkannt werden, sind auch noch im Verfahren gemäß § 370 zu beachten; OLG. Dresden HRR. 1937 Nr. 841. 4. Anfechtung. Der Beschluß, er mag die Verwerfung des Antrags oder die Wiederaufnahme des Verfahrens aussprechen, ist mit der sofortigen Beschwerde a n f e c h t b a r (§ 372). 5. Ist nach Rechtskraft des angefochtenen Urteils eine auf die Tat anzuwendende A m n e s t i e erlassen, so ist das Verfahren niederzuschlagen und zugleich mit dem Beschluß nach § 370 Abs. 2 «inzustellen. E b S c h m i d t Anm. 8; BayObLGSt. 1952 78. Das Nähere hierüber und über die verschiedenen Meinungen Vorbem. 5 vor § 359. 6. a) Ist die Wiederaufnahme rechtskräftig ausgesprochen, so wird (abgesehen von den in § 371 Abs. 2 bestimmten Ausnahmefällen) eine neue Hauptverhandlung anberaumt, und zwar in d e r I n s t a n z , in welcher das durch den Wiederaufnahmeantrag angefochtene Urteil ergangen war; das Nähere hierüber s. zu § 367 Anm. 2. Dabei ist die Zuständigkeit den zur Zeit des Wiederaufnahmeverfahrens geltenden Regeln anzupassen. RGSt. 9 37, 29 279; E b S c h m i d t Anm. 13; K l e i n k n M Anm. 5. b) Es ist zulässig, die neue Hauptverhandlung, statt vor dem früher befaßten Gericht, vor einem Gericht niederer Ordnung stattfinden zu lassen, wenn die noch in Frage kommende strafbare Handlung zur Zuständigkeit des letzteren Gerichts gehört; RG. GA. 29 278. Jedoch sind dort, wo das GVG. besondere absolute Zuständigkeiten geschaffen hat (§ 80 GVG.), solche Abweichungen vom Eröffnungsbeschluß her nicht möglich; BGHSt. 14 64. c) Eine vorläufige Einstellung des Verfahrens gemäß § 205 StPO. kennt die StPO. in diesem Stadium des Verfahrens nicht; OLG. Köln = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 321. E b S c h m i d t Anm. 11. Eine solche Einstellung kann erst nach Anordnung der Wiederaufnahme erfolgen. Dasselbe gilt für Einstellungsfälle nach § 206a. Vgl. aber § 371 Anm. 3. 7. Der Wiederaufnahmebeschluß hat grundsätzlich nur die Erneuerung der Hauptverhandlung zur Folge. An sich können also versäumte Fristen nicht nachgeholt werden. RGSt. 35 410.
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§ 3 7 0 Anm. 8, 9 § 371 Anm. 1
Strafprozeßordnung. Viertes Buch
Mit Recht weist aber E b S c h m i d t in Anm.14 darauf hin, daß sich die Situation bei Beantragung eines Pflichtverteidigers gegen früher entscheidend verändert haben kann. Zu helfen wird zwar meist über § 140 Abs. 2 sein, jedoch kann es auch Fälle geben, in denen die Unterlassung einer Belehrung nach § 201 Abs. 1 zusammen mit Fristsetzung nach § 140 Abs. 3 gegen den Grundsatz der richterlichen Fürsorge verstoßen würde. Ein form- und fristgerecht gestellter Strafantrag kann nicht mehr zurückgenommen werden. Da § 12 eine Übertragung im ersten Rechtszug, solange das Urteil noch nicht erlassen ist, vorsieht (§ 12 Anm. 5) kann mit dem Wegfall des früheren Urteils auch die Übertragung an ein anderes örtlich zuständiges Gericht durch das gemeinsame obere Gericht nach § 12 Abs. 2 zulässig sein. Die Verlesung des Wiederaufnahmebeschlusses in der neuen Hauptverhandlung ist nicht notwendig, aber zulässig; RG. Recht 25 2296. Eine Nachprüfung, ob der Wiederaufnahmebeschluß formell zu Recht ergangen ist, findet in der Hauptverhandlung nicht mehr statt, vgl. Anm. 1 und § 372 Anm. 4. Es beginnt eine neue VerfolgungsVerjährung, vgl. aber § 362 Anm. 2. 8. Über die Unzulässigkeit weiterer Strafvollstreckung vgl. § 360 Anm. 1 über den Fortfall einer zugesprochenen Entschädigung, wenn zuungunsten des Angeklagten die Wiederaufnahme beschlossen ist, § 5 des G., betr. Entschädigung für unschuldig erlittene Untersuchungshaft vom 14. 7 . 1 9 0 4 (RGBl. 321) und § 4 des G., betreffend die Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen, v. 20. 5. 1898 (RGBl. 345) im Fall einer Wiederaufnahme. 9. Zum I n h a l t der neuen Hauptverhandlung s. § 373 Anm. 1.
§371 (1) Ist der Verurteilte bereite verstorben, so hat ohne Erneuerung der Hauptverhandlung das Gericht nach Aufnahme des etwa noch erforderlichen Beweises entweder die Freisprechung zu erkennen oder den Antrag auf Wiederaufnahme abzulehnen. (2) Auch in anderen Fällen kann das Gericht, bei öffentlichen Klagen jedoch nur mit Zustimmung der Staatsanwaltschalt, den Verurteilten sofort freisprechen, wenn dazu genügende Beweise bereits vorliegen. (S) Mit der Freisprechung ist die Aulhebung des früheren Urteils zu verbinden. War lediglich auf eine Maliregel der Sicherung und Besserung erkannt, so tritt an Stelle der Freisprechung die Aufhebung des früheren Urteils. (4) Die Aufhebung ist auf Verlangen des Antragstellers durch den Bundesanzeiger bekanntzumachen, und kann nach dem Ermessen des Gerichts auch durch andere Blätter veröffentlicht werden. Entstehungsgeschichte:
In den früheren Entwürfen nicht vorgesehen. Sonst vgl. § 370 Note 1.
Änderungsvorschläge: NE I und II §360 Abs. 2, §§362, 363. NE I I I §§359, 362, 363 EGADStGB. Art. 70 Ziff. 199. Zu Abs. 1. Tod des Verurteilten. 1. Die Bestimmung des Abs. 1 hätte in Verbindung mit den Bestimmungen des § 361 ihre Stelle in einem besonderen Paragraphen finden sollen, da sie für den Fall des Todes des V e r u r t e i l t e n sowohl hinsichtlich der Zulässigkeit der Wiederaufnahme wie auch hinsichtlich des Verfahrens besondere, von den allgemeinen Vorschriften abweichende Normen aufstellt. Die B e s o n d e r h e i t e n des Falles sind folgende: a) Die Wiederaufnahme des Verfahrens kann nur zum Zweck der völligen F r e i s p r e c h u n g , nicht aber zu dem Zweck stattfinden, damit die Tat minder schwer, als geschehen, qualifiziert werde; vgl. § 359 Anm. 3. — b) Bei der schließlichen Entscheidung (vgl. § 370) ist nicht zu prüfen, ob die Voraussetzungen der W i e d e r a u f n a h m e des Verfahrens, sondern ob die Voraussetzungen der F r e i s p r e c h u n g vorhanden sind. Die zur Begründung dieser Entscheidung erforderlichen Beweiserhebungen werden in ihrem ganzen Umfange auf dem in § 369 Abs. 1 bestimmten Wege bewirkt. Hierbei müssen die eidesfähigen Zeugen und die Sachverständigen notwendig, unbeschadet der gesetzlich vorgeschriebenen oder zulässigen Ausnahmen der §§ 60ff., eidlich vernommen werden, da die Beweiserhebungen eine Beweisaufnahme in der Hauptverhandlung ersetzen sollen; § 369 Anm. 3 a E. Die Prozeßbeteiligten haben Anspruch auf Anwesenheit in den Terminen und auf Benachrichtigung von ihnen; KG. GA. 37 313
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Wiederaufnahme des Verfahrens (Kohlhaas)
§371 Anm. 2, 3
( = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 324); Verzicht ist auch hier zulässig; EG. GA. 46 211. — c) Erachtet das Gericht die völlige Freisprechung des Verurteilten nicht für gerechtfertigt, so hat es den Antrag nicht zu verwerfen, sondern „ a b z u l e h n e n " ; diese Verschiedenheit der Ausdruckweise entspricht der materiellen Verschiedenheit, welche nach dem vorstehend (a, b) Bemerkten zwischen dem in Rede stehenden Falle und dem regelmäßigen Falle des § 370 besteht. — d) Wird die völlige Freisprechung für gerechtfertigt erachtet, so beschließt das Gericht nicht die Wiederaufnahme des Verfahrens, sondern es erläßt, o h n e daß eine neue H a u p t v e r h a n d l u n g stattfindet, alsbald den freisprechenden Beschluß, vgl. Anm. 6. 2. a) Abs. 1 findet sowohl Anwendung, wenn der Antrag erst nach dem Tode des Verurteilten angebracht war (§ 361), also auch, wenn der Verurteilte ihn selbst gestellt hatte, d e m n ä c h s t aber v e r s t o r b e n ist und nunmehr statt seiner ein Berechtigter (§ 361 Abs. 2) das Verfahren weiter betreibt. Die Wiederaufnahme des Verfahrens geht also weiter, auch wenn der Verurteilte im Laufe desselben verstirbt; Hamburg = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 323, auch wenn der Wiederaufnahmebeschluß noch zu Lebzeiten ergangen und damit das alte Urteil in Wegfall gekommen war und daher Abs. 1 dem Wortlaut nach nicht zutrifft, da sonst der Verurteilte dem Rufe nach schlechter gestellt wäre, als wenn seine Angehörigen das Verfahren erst nach dem Tode weiterbetrieben haben. K l e i n k n M Anm. l c ; Blei NJW. 1957 1961; a. A. OLG. Hamm NJW. 1957 473. In diesem Fall wird, falls kein Berechtigter an die Stelle des Antragstellers tritt, das Wiederaufnahmeverfahren formlos erledigt, da dessen Fortgang das Vorhandensein eines Antragstellers voraussetzt; E b S c h m i d t Anm. 5; a. A. 20. Aufl. wo eine Einstellung gefordert wurde. b) Auch dann, wenn gegenüber M i t v e r u r t e i l t e n die Erneuerung der Hauptverhandlung stattfindet, ist bezüglich eines verstorbenen Verurteilten nach Abs. 1 zu verfahren; RGSt. 10 423; E b S c h m i d t Anm. 6, der bei Verstoß einen Revisionsgrund als gegeben ansieht. e) Auch im Privatklageverfahren ist ein Antrag des Verurteilten auf Wiederaufnahme des Verfahrens nach dem Tode des Privatklägers zulässig; Stuttgart = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 308a. a. A. OLG. Dresden = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 308b. Zu A b s . 2. Sofortige Freisprechung eines lebenden Verurteilten. 3. Auch die Freisprechung eines l e b e n d e n Verurteilten kann ausnahmsweise „sofort", auch in Verbindung mit dem Beschluß der Anordnung der Wiederaufnahme (OLG. Bremen JZ. 1966100) als reine Ermessenssache, d. h. ohne Erneuerung der Hauptverhandlung, erfolgen, wenn die Lage des B e w e i s e s eine so zweifellose ist, daß die abermalige mündliche Verhandlung sich als überflüssig darstellt, und auf v ö l l i g e F r e i s p r e c h u n g zu erkennen ist. Erste Voraussetzung der sofortigen Freisprechung, ist gem. Abs. 2, daß der Verurteilte noch lebt; BayObLG. A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 266. Hierzu tritt bei öffentlichen Klagen das fernere Erfordernis, daß die S t a a t s a n w a l t s c h a f t ihre Zustimmung zu der sofortigen Entscheidung und zur Freisprechung erklärt hat. Diese soll nach den Richtlinien (Ziff. 153) nur ausnahmsweise erklärt werden. Das Gericht kann, wenn die Zustimmung einmal erteilt ist, auch dann durch Beschluß entscheiden, wenn es zuvor einen Hauptverhandlungstermin angesetzt hatte; RG. DRiZ. 1934 Nr. 53. Im Privatklageverfahren bedarf es der Zustimmung des Privatklägers nicht. Infolgedessen ist auch die Zustimmung des Nebenklägers nicht notwendig (§ 397). Die des Verurteilten wird in keinem Falle erfordert. Die Bestimmung des Abs. 2 kommt vor allem in Frage, wenn ein anderer Täter später wegen der Tat rechtskräftig verurteilt worden ist. Ferner bei Verurteilung eines wegen Meineids überführten und verurteilten einzigen Zeugen, auf dessen Zeugnis die Verurteilung allein beruhte. Außerdem kommen die Fälle in Betracht, in denen die Strafverfolgung bereits vor der früheren Verurteilung verjährt war; KG. GA. 69 130 sowie die Fälle, in denen der Verurteilte wegen unheilbarer Geisteskrankheit oder aus anderen Gründen dauernd verhandlungsunfähig ist; Hamburg = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 322. Desgleichen gehört der Fall hierher, daß neben der Freisprechung wegen einzelner von mehreren real konkurrierenden Delikten die Bildung einer neuen Gesamtstrafe nötig wird; RGSt. 47 169; GA. 71 315; JW. 1928 68; stets vorausgesetzt, daß nur wegen dieser Delikte Wiederaufnahme beantragt und zugelassen worden ist. E b S c h m i d t Anm. 9. Das in Abs. 2 zugelassene außergewöhnliche Verfahren paßt zu dem ganzen sonstigen Organismus des Prozesses nicht, und die Klarheit der Beweisfrage kann den Wegfall der Hauptverhandlung hier ebensowenig rechtfertigen, wie sie ihn in dem Berufungsverfahren würde rechtfertigen können. Keinesfalls sollte gegen den Willen des Verurteilten von der Erneuerung der Hauptverhandlung Abstand genommen werden, da der Verurteilte gerade in dieser oft1397
§371
Strafprozeßordnung. Viertes Buch
Anm. 4—8 mals ein viel wirksameres Mittel zur Wiederherstellung seiner Ehre erblicken wird als in der öffentlichen Bekanntmachung, die der Abs. 4 des Paragraphen vorsieht. OLG. Jena JW. 1928 2293. Allerdings besteht das Erfordernis der Zustimmung des Verurteilten nicht. E b S c h m i d t Anm. 8 c. Zu Abs. 1 und 2. 4. Die ohne Erneuerung der Hauptverhandlung stattfindende Freisprechung erfolgt durch Beschluß und nicht durch Urteil. BGHSt. 8 383; B ö r k e r NJW. 1951 391; H e n k e l JZ. 1956 502; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 1; K l e i n k n M Anm. 1. Zwar ist die Aufhebung eines Urteils durch einen Beschluß dem System der StPO. an sich fremd, wenn man von der zeitweilig eingeführten und von der Praxis •— wenigstens für Revisionen die zugunsten des Angeklagten wirken müssen — mit Recht geforderten Möglichkeit absieht, Revisionen durch Beschluß für offensichtlich begründet zu erklären. Andererseits kennt § 371 die Ablehnung der Wiederaufnahme durch Beschluß und es ist nicht einleuchtend, weshalb Entscheidungen innerhalb derselben Rechtsnorm verschiedener Natur sein sollen. Auch ist eine Berufung oder Revision gegen ein ohne mündliche Hauptverhandlung ergangenes Urteil dem System der StPO. nicht weniger fremd. Für die hier vertretene Ansicht spricht auch, daß außerhalb der Hauptverhandlung das beschließende Gericht (also ohne Schöffen und Geschworene) entscheidet, was mit der Fällung eines Urteils, welches sonst dem erkennenden Gericht vorbehalten ist, nicht vereinbar ist. Auch spricht die Stellung in § 371 vor § 372, der nur die sofortige Beschwerde kennt, für die hier vertretene Ansicht. a. A. unter Hinweis darauf, daß in § 4 Abs. 2 des Gesetzes über unschuldig erlittene Untersuchungshaft nur von Urteilen die Rede sei und daß es ferner systemwidrig sei, Urteile durch Beschlüsse aufzuheben; E b S c h m i d t Anm. 10; P e t e r s 542; F u h r m a n n - D a l c k e Anm. 4; K e r n 208 sowie früher RGSt. 28 146, 29 65, 47 166. 5. Abs. 3 Satz 2 bezieht sich auf diejenigen Fälle, in denen neben Freispruch oder nur im Sicherungsverfahren nach § 429 äff. auf eine Maßregel der Sicherung und Besserung erkannt worden war. E b S c h m i d t Anm. 13. Zu Abs. 1, 2, 3. 6. Seit Geltung des G. v. 20.5.1898, betr. die Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen, ist nach § 4 bei erfolgender Freisprechung gleichzeitig mit dem Beschluß vgl. Anm. 4, auch darüber Beschluß zu fassen, ob die V e r p f l i c h t u n g der S t a a t s k a s s e zur E n t s c h ä d i g u n g auszusprechen ist. Dies hat im Falle des Abs. 1 (wenn der Verurteilte verstorben ist) allerdings nur Bedeutung für die in § 1 Abs. 2 des G. v. 20.5.1898 benannten Personen, da für den Verstorbenen selbst ein erst durch den gerichtlichen Beschluß enstehender Entschädigungsanspruch überhaupt nicht mehr erwachsen, somit auch nicht auf dessen Erben übergehen kann. Der Anspruch auf Entschädigung ist ausgeschlossen, wenn der Verurteilte die frühere Verurteilung vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hatte, wobei die Versäumung von Rechtsmitteln nicht als grobe Fahrlässigkeit zu gelten hat; K l e i n k n M Anm. I d . — Im Falle der A b l e h n u n g des Antrags auf Wiederaufnahme (oben Anm. 1) kann auch dann, wenn die Beweisergebnisse eine zu schwere Bestrafung ergeben haben, eine Entschädigungspflicht nicht ausgesprochen werden. 7. Entsprechend der in Anm. 4 vertretenen Ansicht, daß die Aufhebung des bisherigen Urteils durch Beschluß erfolge, ist auch nur das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde des § 372 gegeben. BGHSt. 8 333. Bei gegenteiliger Ansicht, also Annahme daß die Entscheidung aus § 371 ein Urteil sei, gelten dieselben Rechtsmittelzüge wie für ein in der Hauptverhandlung ergangenes Urteil. Der in Anm. 6 besprochene Beschluß ist nach der ausdrücklichen Bestimmung des G. v. 20. 5.1898 § 4 jeglicher Anfechtung durch Rechtsmittel entzogen. E b S c h m i d t Anm. 12. Zu Abs. 4. 8. Die öffentliche Bekanntmachung hat auf Kosten der Staatskasse zu erfolgen. Sie bezieht sich nur auf die Ausnahme des § 371, nicht auf die Regel des § 373; da die Bestimmung des § 371 einen Ersatz für die fehlende Verhandlung darstellen soll; vgl. RGSt. 42 116; JW. 1931 1099; E b S c h m i d t Anm. 14. Das Verlangen auf öffentliche Bekanntmachung ist an keine Frist gebunden. Es kann noch geltend gemacht werden, wenn das Urteil bereits rechtskräftig geworden
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Wiederaufnahme des Verfahrens (Kohlhaas)
§372 Anm. 1—3
ist. In den Fällen, in denen das erste Urteil öffentlich bekannt gemacht worden war, kann der Verurteilte auch außerhalb des § 371 die Bekanntmachung des späteren freisprechenden Urteils verlangen; RGSt. 15 188, 42 116.
§ 373 Alle Entscheidungen, welche aus Anlaß eines Antrags auf Wiederaufnahme des Verfahrens von dem Gericht im ersten Rechtszug erlassen werden, können mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden. Entstehungsgeschichte: I. Entw. § 280. II. Entw. § 288. III. Entw. § 383. Änderungsvorschläge: NE I 368 Abs. 3, § 360 Abs. 4. NE II § 368 Abs. 3, § 360 Abs. 1. NE III § 361 ADStGB. Art. 70 Ziff. 200. 1. a) Unter allen Entscheidungen sind praktisch nur die über die Zulässigkeit (§ 369 Abs. 1) oder die Begründetheit (§370 Abs. 1) sowie die Beschlüsse nach §371 (vgl. dort Anm. 7) zu verstehen, (a. A. E b S c h m i d t Anm. 1. Zu letzteren s. § 373 Anm. 3, § 371 Anm. 4), ferner diejenigen welche über ein gemäß § 360 Abs. 2 gestelltes Ersuchen um Aufschub der Strafvollstreckung ergehen; vgl. § 360 Anm. 4; Dresden = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 326). Auf Beschlüsse der erkennenden Gerichte findet § 372 keine Anwendung. § 306 gilt auch im Wiederaufnahmeverfahren: Breslau ZStW. 43 98. So für Beweiserhebungsmaßnahmen E b S c h m i d t Anm. 2. Jedoch sind Beschlüsse, die nicht unmittelbar mit der Beschlußfassung Zulässigkeit, Begründetheit oder Strafvollstrekkung zusammenhängen (Antrag auf Verteidigerbestellung und nicht unter § 305 fallen, weil sie der Beschlußvorbereitung dienen (nach § 304 anfechtbar. OLG. Koblenz NJW. 19611418). — In den Fällen des § 371 Abs. 1, 2 geht der Wiederaufnahmebeschluß in dem alsbald zu erlassenden freisprechenden Urteile auf. — Die Beschwerde ist an die Form an § 306 Abs. 1 gebunden. E b S c h m i d t Anm. 3; a. A. noch Vorauflage. N e u e T a t s a c h e n und B e w e i s m i t t e l , welche die Wiederaufnahme begründen sollen, können in der Beschwerdeinstanz nicht vorgebracht werden, da dem Antragsteller zur Prüfung seines Vorbringens der volle Instanzenzug zur Verfügung stehen und ferner das Gericht, welches das Urteil erlassen hat, prüfen muß, ob das Vorbringen „neu" im Sinne des Gesetzes ist; OLG. Oldenburg NJW. 1952 1068; OLG. Hamburg = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 328c; OLG. Dresden = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 328d; OLG. Naumburg = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 330c; OLG. Hamm JMB1. NRW. 1953118; OLG. Braunschweig NdsRpfl. 1954 31. Die Tatsachen müssen in der Form des § 366 bei dem nach § 367 zuständigen Gericht angebracht werden, a. A. KG. GA. 55 121; OLG. Celle GA. 44 68. Wie hier E b S c h m i d t Anm. 4, der hinzufügt, daß es ein nobile officium des Gerichts sei, in solchen Fällen die Beschwerde nicht zu verwerfen, sondern den Gesuchsteller darüber zu belehren, daß er statt der Beschwerde einen neuen Antrag stellen solle. b) Da eine Frist für die Begründung der Beschwerde nicht bestimmt ist, so muß das Beschwerdegericht auch nach Ablauf der Beschwerdefrist bis zur Entscheidung eingehende Ausführungen berücksichtigen; E b S c h m i d t Anm. 8; K ö r n e r JW. 1929 292; a. M. Breslau GA. 42 149 = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 329. 2. — „von dem Gericht im ersten Rechtszug" — Die Entscheidung steht nicht immer dem Erstinstanzgericht, sondern nach Verschiedenheit der Fälle bald diesem, bald einem Gericht höherer Instanz zu; vgl. § 367 Anm. 2. Der Ausdruck „im ersten Rechtszug" ist daher nicht gleichbedeutend mit „erkennendes Gericht im ersten Rechtszug"; die Beschlüsse der Oberlandesgerichte sowie des Bundesgerichtshofs unterliegen keiner Anfechtung (§ 304 Abs. 4); E b S c h m i d t Anm. 5. 3. Das Besehwerderecht der Staatsanwaltschaft ist bei Wiederaufnahmeentscheidungen im Gegensatz zum Eröffnungsbeschluß unerläßlich, weil die Folgen eines Beschlusses nach § 370 aus den dort in Anm. 1 erwähnten Gründen sehr weittragend sind. Die Staatsanwaltschaft darf ihre Beschwerde auch auf tatsächliche Gründe stützen. E b S c h m i d t Anm. 6; K l e i n k n M Anm. 4. Der Nebenkläger hat in dem zu § 395 Anm. 16 gezogenen Rahmen ein Beschwerderecht gegen die Ablehnung seines Antrags. Ebenso der Antragsteller, dessen Antrag verworfen oder abgelehnt wird sowie die nach § 361 Abs. 2 antragsberechtigten Personen, sofern der Verurteilte gestorben ist und daher keinen Gebrauch von seinem Beschwerderecht mehr machen kann. Vgl. § 361 Anm. 3. K l e i n k n M Anm. 4.
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§ 372 Anm. 4, 5 § 373 Anm. 1
Strafprozeßordnung. Viertes Buch
4. Rechtskraft des Wiederaufnahmebeschlusses. Ist der die Wiederaufnahme des Verfahrens anordnende Beschluß (§ 370 Abs. 2) durch den Ablauf der Beschwerdefrist oder durch die Verwerfung der eingelegten sofortigen Beschwerde unanfechtbar geworden, so steht die R e c h t m ä ß i g k e i t d e r W i e d e r a u f n a h m e e n d g ü l t i g fest. In der erneuten Hauptverhandlung unterliegt diese nicht weiter der Prüfung des Gerichtss RGSt. 35 353. Dementsprechend kann auch die Revision (oder Berufung) gegen das neue Urteil (vgl. § 373 Anm. 3) nicht darauf gegründet werden, daß die Wiederaufnahme zu Unrecht beschlossen worden sei; RGSt. 20 46; S c h w a r z K l e i n k n e c h t Anm. 2; BGH. 1 StR 675/54 vom 15. 4. 1955. 5. Aus der Rechtskraft des die Wiederaufnahme in einer Sachentscheidung etwa wegen Nichtneuheit der Tatsachen oder Nichteignung der Beweismittel (gleichgültig ob als „unzulässig oder unbegründet"), ablehnenden Beschlusses folgt, daß auf d i e s e l b e n T a t s a c h e n u n d Bew e i s m i t t e l ein neuer Antrag nicht gestützt werden kann; KG. ( A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 313); Köln = A l s b e r g Entsch. 2 Nr. 299; OLG. Düsseldorf NJW. 1947/48 194. Zulässig aber ist er auf Grund neuer Beweismittel unt Tatsachen (BayObLG. GA. 55 310) wobei die alten abgelehnten Beweise und Tatsachen unterstützend herangezogen werden können; K l e i n k n M Anm. 6. Wurde der Antrag aber nicht „sachlich" abgelehnt, sondern nur weil es an einer Form der Anbringung fehlte (§ 368 Anm. 1) so kann er trotz scheinbarer Rechtskraft wiederholt werden. E b S c h m i d t Anm. 8; K l e i n k n M Anm. 6.
§ 373 (1) In der erneuten Hauptverhandlung ist entweder das frühere Urteil aufrechtzuerhalten oder unter seiner Aufhebung anderweit in der Sache zu erkennen. (2) Das frühere Urteil darf in Art und Höhe der Strafe nicht zum Nachteil des Verurteilten geändert werden, wenn lediglich der Verurteilte, zu seinem Gunsten die Staatsanwaltschalt oder sein gesetzlicher Vertreter die Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt hat. Diese Vorschrift steht der Anordnung der Unterbringung in einer Heil- oder Pflegeanstalt, einer Trinherheilanstalt oder einer Entziehungsanstalt nieht entgegen. Entstehungsgeschichte : I. Entw. § 281. II. Entw. § 289. III. Entw. § 334; Bek. vom 32. 3. L924 (RGBl. 1360). Änderungsvorschläge: N E I und II §361. NE III § 361; EGADSt. GB. Art. 70 Ziff. 202. 1. a) Die „erneute Hauptverhandlung" ist nach Verschiedenheit der Fälle eine Verhandlung vor dem Gericht erster Instanz oder vor dem Berufungsgericht oder vor dem Revisionsgericht; vgl. § 367 Anm. 2. § 370 Anm. 6. — Findet sie vor dem G e r i c h t e r s t e r I n s t a n z oder vor dem B e r u f u n g s g e r i c h t statt, so ist sie in j e d e r Beziehung eine n e u e u n d s e l b s t ä n d i g e Verhandlung, also keineswegs nur eine Wiederholung der früheren Verhandlung unter Hinzunahme des in dem Wiederaufnahmeantrage oder der Gegenerklärung (§ 362 Abs. 2) neu Vorgebrachten, RGSt. 57 317, S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 1; das Vorbringen neuer Tatsachen und Beweise ist ohne Einschränkung statthaft und der Grundsatz des § 246 wiederum in vollem Maße anwendbar; RGSt. 2 323, 80 421, RG. GA. 36 314. Auch ist die Bezugnahme in einem neuen Berufungsurteilauf das erstinstanzliche Urteil — soweit möglich — zulässig. K l e i n k n M Anm. 5e. Eine erneute Hauptverhandlung in der R e v i s i o n s i n s t a n z hat nur die Revision, über welche das frühere Urteil ergangen, zum Gegenstande (vgl. § 352). S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 5. b) Die Richter, welche bei dem Beschlüsse über die Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 370 mitgewirkt haben, sind ebenso wie die Richter, die am aufgehobenen Urteil oder bei der Zulässigkeitsprüfung mitgewirkt haben, von der Mitwirkung in der neuen Hauptverhandlung nicht ausgeschlossen; RGSt. 4 426. Vgl. § 367 Anm. 8; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 1; E b S c h m i d t Anm. 4. c) In der neuen Hauptverhandlung ist der Beschluß über die Eröffnung des Hauptverfahrens (§ 203) wiederum zu v e r l e s e n (§ 243), RG. JW. 1932 2726; dagegen ist eine Verlesung des Beschlusses über die Wiederaufnahme des Verfahrens § 370 nicht vorgeschrieben und darum nicht notwendig, aber zum Verständnis der Prozeßklage mindestens zweckmäßig; RGSt. 4 426; 35 410; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 1; E b S c h m i d t Anm. 5; a. M. G e r l a n d 447. Ist ein Eröffnungsbeschluß überhaupt nicht ergangen, wie in früheren Verfahren vor seiner Wiedereinführung oder
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Wiederaufnahme des Verfahrens (Kohlhaas)
§373 Anm. 2—4
im Schnellverfahren nach §§ 212—212b oder ist er verloren gegangen, so ist an Stelle des Eröffnmigsbeschlusses das Schriftstück zu verlesen, aus dem sich der Gegenstand der Anklage ergibt. Dies kann je nach den Umständen der Antrag auf Anberaumung der Hauptverhandlung, das Sitzungsprotokoll, der Verweisungsbeschluß oder der die Wiederaufnahme anordnende Beschluß sein. E b S c h m i d t Anm. 6. — Die Verlesung des angefochtenen S t r a f u r t e i l s ist nicht unzulässig; RGSt. 5 429; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 1; a. A. RG HRR. 1933,1477. d) Personen, welche in dem früheren Verfahren mitverurteilt sind, sind nicht als Angeklagte, sondern als Zeugen zu vernehmen; RG. GA. 52 88. Über die Beeidigung der Zeugen vgl. § 67 Anm. 4. Ebenso wie danach Berufung auf den in der früheren Hauptverhandlung geleisteten Eid unzulässig ist, ist auch die Berufung des Zeugen auf den in der nach § 369 erfolgten Beweiserhebung geleisteten Eid unzulässig; RGSt. 18 419; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 1. Ob Beeidigungsverbote bestehen sowie andere Vereidigungsfragen richten sich nach dem zur Zeit der neuen Hauptverhandlung geltenden Recht. E b S c h m i d t Anm. 6. e) Die neue Hauptverhandlung erstreckt sich nicht von selbst auf eine in in dem früheren Urteil übergangene Straftat; RGSt. 19 227. § 153 Abs. 3 ist in der neuen Hauptverhandlung anwendbar: §153 Anm. 8, Vorbem. 5 vor §359; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 1. Die Einstellung erfolgt durch Beschluß. Über dessen Anfechtung vgl. § 153 Anm. 15. § 325 ist in der neuen Hauptverhandlung anwendbar: RG. JW. 1930 937; E b S c h m i d t Anm. 5. Der Hinweis auf eine Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes (§ 265)ist in der neuen Hauptverhandlung zu wiederholen. Es genügt nicht, wenn der Angeklagte durch das frühere Urteil auf die Veränderung hingewiesen worden war, da dies Urteilnicht mehr existiert. RGSt. 58 62; E b S c h m i d t Anm. 7. A. A. 20. Auflage unter Bezug auf RGSt. 57 10. Handelt es sich um ein wiederaufgenommenes Privatklageverfahren, so ist auch Erledigung durch Vergleich möglich: Hamburg JW. 1931 2860; E b S c h m i d t Anm. 8. 2. Darüber, daß das n e u e U r t e i l von dem früheren unabhängig ist, sowie über die Bedeutung des Ausdrucks „aufrechtzuerhalten"; desgleichen über dieNichtbindung an §363 vgl. §370 Anm. 1. 3. Das neue Urteil unterliegt der Anfechtung durch Rechtsmittel in derselben Weise wie andere Urteile des betreffenden Gerichts. Das Rechtsmittel darf nicht damit begründet werden, daß die Wiederaufnahme zu Unrecht angeordnet worden sei. Auch ein Urteil des Revisionsgerichts ist nicht anfechtbar. Wird aber nach § 354 verfahren, so wird der normale Rechtsmittelzug in Gang gesetz. K l e i n k n M Anm. 8. Auch ein a b e r m a l i g e r A n t r a g auf W i e d e r a u f n a h m e des Verfahrens ist dem neuen Urteil gegenüber nicht ausgeschlossen. Vgl. § 359 Anm. 2. 4. Darüber, welche Folgen die Wiederaufhebung eines rechtskräftigen Strafurteils hat, enthält die StPO. (vgl. aber Anm. 4b) keine Bestimmung; sie geht davon aus, daß diese Folgen sich aus der Natur der Sache von selbst ergeben. — Ist in dem neuen Urteil wiederum auf Strafe erkannt, so muß eine aus dem aufgehobenen Urteil bereits vollstreckte Strafe auf die nunmehr erkannte in A n r e c h n u n g gebracht werden, auch wenn dies in dem neuen Urteil nicht ausdrücklich ausgesprochen ist: RG. GA. 47 296, K l e i n k n M Anm. 5c. War in dem aufgehobenen Urteil eine G e l d s t r a f e verhängt, während das neue Urteil eine solche nicht festsetzt, so ist der gezahlte oder beigetriebene Betrag dem Verurteilten ohne Möglichkeit einer Verrechnung mit einer neuen Freiheitsstrafe ( K l e i n k n M Anm. 5c) zu erstatten, da, wie infolge der Wiederaufhebung des Urteils feststeht, der Staat diesen Betrag ohne Rechtsgrund empfangen hatte. Ebenso verhält es sich mit der Rückgabe eine Gegenstandes, dessen E i n z i e h u n g auf Grund des wiederaufgehobenen Urteils erfolgt war. War in dem aufgehobenen Urteil dem Verletzten die Befugnis zur ö f f e n t l i c h e n B e k a n n t m a c h u n g des Urteilstenors zugesprochen und ist diese erfolgt, so ist auf Antrag des nunmehr Freigesprochenen auch die öffentliche Bekanntmachung der Aufhebung jenes Urteils anzuordnen: RGSt. 15 188; S c h w a r z - K l e i n k n e c h t Anm. 4. Ist in dem aufgehobenen Urteil der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte ausgesprochen, so kann die kraft Gesetzes eingetretene Wirkung dieses Strafausspruchs durch die spätere Aufhebung des Urteils nicht mehr rückwirkend aus der Welt geschafft werden ( K l e i n k n M Anm. 4). Auf die Nebenstrafe darf in dem neuen Urteil wiederum erkannt werden. In diesem Falle ist der Zeitraum, in dem die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte auf Grund des ersten Urteils wirksam war, anzurechnen: RGSt. 57 312. Dagegen leben die aberkannten bürgerlichen Ehrenrechte im Falle
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§ 3 7 3 Anm. 5—8
§ 373a Anm. 1
Strafprozeßordnung. Viertes Buch
der Aufhebung des früheren Urteils, falls nicht erneut auf Verlust erkannt wird, wieder auf. Ebenso kommen alle Beschränkungen und Verwirkungen aus Nebengesetzen, die mit dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verbunden waren, in Wegfall. Dasselbe gilt auch für die mit einer Verurteilung zu Zuchthaus verbundenen Folgen des Urteils. War der Verurteilte Inhaber eines ö f f e n t l i c h e n A m t e s , und war er dessen infolge der Verurteilung verlustig gegangen, so ist in Abweichung zum früheren Rechtszustand nach § 51 des deutschen Bundesbeamtengesetzes zu verfahren. Wird somit ein Urteil, demzufolge der Beamte aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden ist, im Wiederaufnahmeverfahren durch ein Urteil ersetzt, welches diese Folgen nicht nach sich zieht, so erhält der Verurteilte von der Einbehaltung der Bezüge, die er zu erhalten hätte, wenn er nicht ausgeschieden wäre. Entsprechend wird die ruhehaltsfähige Dienstzeit berechnet. Auch Wohnungsgelder, Kinderzuschläge, Dienstalterszulagen und gesetzliche Verbesserungen (aber auch Verschlechterungen) der Bezüge sind dabei einzurechnen, nicht dagegen im Verwaltungsweg möglicherweise angeordnete Maßnahmen, wie Beförderungen. Diese Rechtsfolgen des § 51 a. a. 0 . treten kraft Gesetzes ein, es bedarf keiner Neubegründung des Beamtenverhältnisses. Es ist jedoch daran festzuhalten, daß der Amtsverlust keine kriminelle, in dem Urteil auszusprechende Strafe, sondern eine Wirkung ist, die gesetzlich an die Verhängung bestimmter Strafen geknüpft ist. Das Beamtenverhältnis wird also zunächst so aufgelöst, daß die Regierung befugt ist, die Planstelle neu zu besetzen, da die Frage des Verlustes der Beamtenstellung wegen der unbefristeten Möglichkeit eines Wiederaufnahmeverfahrens sonst stets in der Schwebe bleiben müßte. Aus dieser Befugnis für den Staat, die Planstelle neu zu besetzen, ergibt sich die Besonderheit, wonach der Beamte zwar die Stellung eines Wartestandsbeamten, aber die vollen Bezüge erhält. Die Regelung nach den Beamtengesetzen schließt die Geltendmachung von Ansprüchen auf Grund des Gesetzes vom 20. 5. 1898 (vgl. Anm. 5) ausdrücklich aus. 5. Durch das Gesetz vom 20. 5. 1898 betreffend die Entschädigung der im Wiederaufnahmeverfahren freigesprochenen Personen (RGBl. I 345) ist für den Fall des Freispruchs oder der Verurteilung zu einer geringeren, aber schon vollstreckten Strafe dem insoweit schuldlos Verurteilten auch ein im Rechtsweg verfolgbarer Anspruch aul Entschädigung gewährt. Aus den einzelnen Bestimmungen dieses Gesetzes ist vor allem § 4 hervorzuheben, wonach über den Entschädigungsanspruch durch einen besonderen, gleichzeitig mit dem Urteil zu erlassenden, aber nicht mit zu verkündenden Beschluß zu befinden ist. Vgl. § 371 Anm. 5, K l e i n k n M Anm. 6 6. Das Verbot der Schlechterstellung im Abs. 2 entspricht dem Verbot der §§ 331 und 358 Abs. 2 (RGSt. 57 317). Auf dortige Anmerkungen wird Bezug genommen. 7. Rechtsmittel gegen das neue Urteil sind nach allgemeinen Regeln gegeben. Daß eine Revision nicht darauf gestützt werden kann, daß beim Antrag auf Wiederaufnahme und bei Entscheidung über die Zulässigkeit und Begründetheit desselben Verfahrensverstöße vorgekommen seien, ist bereits in § 370 Anm. 1 erwähnt. 8. Die Kostenentschcidung entspricht § 473. Bei Freispruch fallen auch frühere erfolglose Revisionskosten der Staatskasse zur Last. BGH. LM. Nr. 3 zu § 373.
§ 373 a Für die Wiederaufnahme eines durch rechtskräftigen Strafbefehl abgeschlossenen Verfahrens gelten die Vorschriften der §§ 359 bis 373 entsprechend. Entstehungsgeschichte: Eingeführt durch Art. 3 Nr. 158 des Vereinheitlichungsgesetzes, um die Streitfrage, ob ein Wiederaufnahmeverfahren auch gegen einen rechtskräftigen Strafbefehl zulässig sei, zu bereinigen. Dabei wurde § 413, der gleichzeitig geschaffen wurde, übersehen. Vgl. Anm. 2. 1. Mit der Einfügung des § 373 a ist keine Stärkung der nur beschränkten Rechtskraftwirkung des Strafbefehls bezweckt oder verbunden gewesen. Es bleibt also auch jetzt dabei, daß die Wiederaufrollung eines durch Strafbefehl erledigten Falles dann möglich ist, wenn dieselbe Tat unter einem rechtlichen Gesichtspunkt verfolgt werden soll, der in dem früheren Strafbefehl nicht gewürdigt worden war und eine höhere Strafbarkeit begründet. Vgl. Vorbemerkung 22f.vor § 151.
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Wiederaufnahme des Verfahrens (Kohlhaas)
§ 373a
Anm. 2—4 So wirkt auch § 373 a praktisch nur zugunsten des Verurteilten, mag er auch seinem Wortlaut nach jede Wiederaufnahme decken BGHSt. 3 16 K l e i n k n M Anm. 1, E b S c h m i d t Anm. 3. Ist nämlich die Tat r e c h t l i c h ungenügend gewürdigt worden, hat der Strafbefehl eine unvollkommene Rechtskraft, so daß es eines Umwegs über § 373 zur Wiederaufroliung des Verfahrens zuungunsten des Abgeurteilten nicht bedarf. Die bloße Veränderung des Strafausspruches, also innerhalb desselben rechtlichen Gesichtspunktes rechtfertigt abgesehen von § 363 eine neue Verfolgung selbst dann nicht, wenn der Unrechtsgehalt der Tat im Strafbefehl etwa wegen Übersehens überwiegender Teilakte einer fortgesetzten Handlung ganz unvollkommen gewertet wurde. Vgl. hierzu BGHSt. 6 122. 2. Die richterliche Strafverfügung nach § 413 muß entsprechend behandelt werden. Zwar spricht der Wortlaut dafür, daß der Gesetzgeber eine verschiedene Behandlung gewollt habe, man würde aber damit dem Sinn des Gesetzes Gewalt antun und dem Zufall, ob eine Übertretung durch die Staatsanwaltschaft oder die Polizei ans Gericht gebracht wurde, übergroßes Gewicht verleihen. Dies um so mehr, als das OWiG die Wiederaufnahme für Bußgeldbescheide und die AbgO solche bei Bescheiden der Finanzämter kennt. Wie hier K l e i n k n M Anm. 2, S c h w a r z K l e i n k n e c h t A n m . l , B o t h JZ. 1958 630; AG. Landsberg NJW. 1961134 mit Anm. von R u t k o w s k i . Gegen diese Annahme eines Redaktionsversehens LG. Kassel NJW. 1958 1104, P e t e r s § 76IV, E b S c h m i d t Vorbem. 1 vor § 359, D a l i i n g e r Anm. 1, E r b s § 359 Anm. 3, F u h r m a n n D a l c k e allerdings mit widerspruchsvollem Inhalt vgl. Anm. 4. 3. Wird das Verfahren wieder aufgenommen, so kann weder durch Strafbefehl noch durch Strafverfügung sondern nur durch Hauptverhandlung (Ausnahme des § 371 vorbehalten) erfolgen, weil durch den Wiederaufnahmebeschluß das Hauptverfahren eröffnet ist (vgl. § 370 Anm. 1) K l e i n k n M Anm. 3. 4. Keine Wiederaufnahme in den Fällen des § 75 JGG. Wer wie OLG. Köln für die Strafverfügungen einer Feldkommandantur Wiederaufnahme zuläßt (GA. 1957 249) muß folgerichtig auch richterliche Strafverfügungen unter § 873a einreihen. Das übersieht F u h r m a n n - D a l c k e bei Anm. 2 am Ende. Die Ausführungen in der Vorauflage über Friedensgerichte sind an sich überholt. Festzuhalten ist aber, daß jede gerichtliche Entscheidung der Wiederaufnahme zugänglich sein muß. M i t t e l b a c h NJW. 1949 72.
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