Das UNCITRAL Modellgesetz in der EU: Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts vor dem Hintergrund des Art. 1 (2)(d) EuGVVO? [1 ed.] 9783428582983, 9783428182985

Nach der Überarbeitung der EuGVVO ist die Schnittstelle zwischen Schieds- und staatlichen Gerichtsverfahren in der EU tr

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German Pages 298 [299] Year 2021

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Das UNCITRAL Modellgesetz in der EU: Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts vor dem Hintergrund des Art. 1 (2)(d) EuGVVO? [1 ed.]
 9783428582983, 9783428182985

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Schriften zum Prozessrecht Band 278

Das UNCITRAL Modellgesetz in der EU Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts vor dem Hintergrund des Art. 1(2)(d) EuGVVO?

Von Stephan Klebes

Duncker & Humblot · Berlin

STEPHAN KLEBES

Das UNCITRAL Modellgesetz in der EU

Schriften zum Prozessrecht Band 278

Das UNCITRAL Modellgesetz in der EU Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts vor dem Hintergrund des Art. 1(2)(d) EuGVVO?

Von Stephan Klebes

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaften der Universität Osnabrück hat diese Arbeit im Jahre 2020 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten

© 2021 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-0219 ISBN 978-3-428-18298-5 (Print) ISBN 978-3-428-58298-3 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Ich danke meiner Doktormutter, Frau Prof. Dr. Mary-Rose McGuire, für die stete Unterstützung bei der Erstellung der vorliegenden Arbeit. Sie hat mir die Möglichkeit gegeben, meine eigenen Gedanken zu entfalten und zugleich ihr eigenes Wissen bereitwillig geteilt, wenn dies erforderlich war. Ihre Betreuung hat erheblich dazu beigetragen, dass ich meine Promotionszeit stets in guter Erinnerung behalten werde. Mein Dank gilt ihr schließlich auch für die Erstellung des Erstgutachtens. Für die Erstellung des Zweitgutachtens danke ich Frau Prof. Dr. Antje Baumann. Die Idee für das Thema der Arbeit entstand während meines LL.M.-Studiums an der University of Cape Town. Dabei wurde ich von Frau Dr. Thalia Kruger unterstützt, der ich ebenfalls danken möchte. Mein Dank gilt schließlich meinen Eltern, welche die Promotion sowie mein gesamtes Studium finanziell unterstützt haben. Während all dieser Zeit stand mir Gesa-Runhild Lipprandt stets treu und unterstützend zur Seite. Hierfür bin ich ihr zutiefst dankbar. Hamburg, im Mai 2021

Stephan Klebes

Inhaltsverzeichnis A. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 I. Hintergrund des Vorschlags einer Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts in der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 II. Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22 B. Der Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich der EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 I. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. EZPR und Schiedsgerichtsbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 2. Entwicklung des EZPR . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 a) EuGVÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 b) EuGVVO a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 c) EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 d) Lugano-Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 3. Folge des Ausschlusses einer Materie vom Anwendungsbereich der EuGVVO

29

II. Beteiligung staatlicher Gerichte an Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 1. Überprüfung der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 a) Die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung als Vorfrage des Verfahrens . . . . . . 31 b) Die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung als Hauptstreitgegenstand . . . . . . . 38 2. Prozessführungsverbote zur Unterstützung von Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . 39 a) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 b) Prozessführungsverbote staatlicher Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 c) Schiedsgerichtliche Prozessführungsverbote . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 3. Maßnahmen zur Unterstützung des Schiedsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51 4. Einstweilige Maßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 a) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 b) Anordnung durch staatliche Gerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 c) Anordnung durch Schiedsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 5. Aufhebung des Schiedsspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 6. Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 7. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 58

8

Inhaltsverzeichnis III. Verbleibende Probleme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 1. Parallelverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 2. Vollstreckung miteinander unvereinbarer Rechtstitel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 a) Vollstreckungshindernisse der EuGVVO und des UNÜ . . . . . . . . . . . . . . . . 60 b) Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs im Staat des Parallelverfahrens . . . . . 63 c) Gleichzeitige Existenz miteinander unvereinbarer Rechtstitel, die beide noch nicht vollstreckt wurden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 d) Früherer Erlass eines der beiden Titel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 aa) Gerichtsurteil vor Schiedsspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 bb) Schiedsspruch vor Gerichtsurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 e) Nach erfolgter Vollstreckung eines der Titel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 aa) Vollstreckung im gleichen Staat – Gerichtsurteil vor Schiedsspruch . . . 67 bb) Vollstreckung im gleichen Staat – Schiedsspruch vor Gerichtsurteil . . . 67 cc) Vollstreckung in verschiedenen Mitgliedstaaten – Gerichtsurteil vor Schiedsspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 dd) Vollstreckung in verschiedenen Mitgliedstaaten – Schiedsspruch vor Gerichtsurteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 f) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 3. Race to the courthouse – Race to the arbitral tribunal . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79

C. Die Rechtsetzungskompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit . . . 81 I. Fehlende Berücksichtigung in der bisherigen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 2. Zu Zeiten des EuGVÜ und der EuGVVO a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 3. Die Reform der EuGVVO a. F. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 4. Inkrafttreten der EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 5. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 II. Europarechtliche Grundlage der vertikalen Kompetenzverteilung, Art. 5 EUV . . 89 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 2. Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung, Art. 5(2) EUV . . . . . . . . . . . . . 90 3. Subsidiaritätsprinzip, Art. 5(3) EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 4. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Art. 5(4) EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 III. Art. 81 AEUV als Kompetenzgrundlage eines EU-Schiedsverfahrensrechts . . . . . 96 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 2. Voraussetzungen der Kompetenzausübung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98

Inhaltsverzeichnis 3. Kompetenztitel des Art. 81(2) AEUV mit Bezug zur Schiedsgerichtsbarkeit

9 100

a) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 b) Anerkennung und die Vollstreckung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 c) Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen und Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten . . . . . . . . . . . . . . . . 104 d) Effektiver Zugang zum Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 e) Beseitigung von Hindernissen für die reibungslose Abwicklung von Zivilverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 f) Entwicklung von alternativen Methoden für die Beilegung von Streitigkeiten 107 g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 D. Parallelverfahren – relevante Regelungsbereiche und multilateraler Rahmen . . 111 I. Für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Regelungsbereiche des Schiedsverfahrensrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 2. Gültigkeit der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 a) Das Schiedsvereinbarungsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 112 b) Definition und Form der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 3. Zuständigkeitsallokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Regelung der Kompetenz-Kompetenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 b) Isolierte Überprüfung der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 115 c) Überprüfung der Schiedsvereinbarung nach Erlass des Schiedsgerichts . . . . 116 4. Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung . . . . 116 II. Für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Regelungen in multilateralen Staatsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 2. Für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Regelungen des UNÜ . . . . 118 a) Gültigkeit der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 118 aa) Das Schiedsvereinbarungsstatut, Art. II, V(1)(a) UNÜ . . . . . . . . . . . . . . 118 bb) Definition und Form der Schiedsvereinbarung, Art. II(1), (2) UNÜ . . . . 119 b) Zuständigkeitsallokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 c) Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung 120 3. Für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Regelungen des EuÜ . . . . 121 a) Gültigkeit der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 aa) Das Schiedsvereinbarungsstatut, Art. VI(2) EuÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 bb) Definition und Form der Schiedsvereinbarung, Art. I(2)(a) EuÜ . . . . . . 122 b) Zuständigkeitsallokation, Art. V, VI EuÜ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

10

Inhaltsverzeichnis c) Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung

123

III. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 E. Das UNCITRAL Modellgesetz als Grundlage eines Rechtsaktes der EU? . . . . . . 125 I. Einleitung – Das Straßburger Übereinkommen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 1. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 2. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 126 3. Gründe des Scheiterns . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 II. Das UNCITRAL Modellgesetz – Hintergrund und Eignung für einen EURechtsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 1. Hintergrund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 2. Eignung für einen EU-Rechtsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 III. Das UNCITRAL Modellgesetz – für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Vorschriften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 1. Gültigkeit der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 a) Das Schiedsvereinbarungsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 aa) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 134 bb) Regelungsumfang des Schiedsvereinbarungsstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . 134 b) Das subjektive Schiedsfähigkeitsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 c) Das objektive Schiedsfähigkeitsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 d) Das Formstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 e) Definition und Form der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 aa) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 bb) Variante I . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 cc) Variante II . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 2. Zuständigkeitsallokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 a) Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 b) Isolierte Überprüfung der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 aa) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 bb) Prüfungsmaßstab des Art. 8(1) ModG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 cc) Prüfungsumfang des Art. 8(1) ModG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 c) Überprüfung der Schiedsvereinbarung nach Erlass des Schiedsgerichts . . . . 150 aa) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 bb) Rechtliche Qualifikation der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Vorfrage nach Art. 16(3) ModG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 cc) Negative Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . 154 dd) Präklusionswirkung eines unterlassenen Antrags nach Art. 16(3) ModG 157 ee) Prüfungsmaßstab des Art. 16(3) ModG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158

Inhaltsverzeichnis

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3. Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung . . . . 159 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 F. Die Rezeption des Modellgesetzes in den Mitgliedstaaten der EU . . . . . . . . . . . . . 161 I. Das Modellgesetz als Abgrenzungskriterium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 II. Unterschiede zwischen den Schiedsverfahrensgesetzen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Entstehung von Parallelverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 1. Modellgesetz-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Nicht-Modellgesetz-Staaten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 3. Darstellung der Bandbreite an Lösungsansätzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 G. Rechtsanwendungsvergleich der Mitgliedstaaten Irland, Deutschland und Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 I. Vollständige Rezeption des Modellgesetzes – Irland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2. Gültigkeit der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 a) Das Schiedsvereinbarungsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 b) Definition und Form der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 3. Zuständigkeitsallokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 b) Isolierte Überprüfung der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 185 c) Überprüfung der Schiedsvereinbarung nach Erlass des Schiedsgerichts . . . . 189 4. Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung . . . . 191 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 II. Teilweise Rezeption des Modellgesetzes – Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 2. Gültigkeit der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 a) Das Schiedsvereinbarungsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 aa) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 bb) Reichweite des Schiedsvereinbarungsstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 194 cc) Bestimmung des Schiedsvereinbarungsstatuts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 b) Das subjektive Schiedsfähigkeitsstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 200 c) Das Formstatut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 aa) Ausländischer Schiedsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 bb) Deutscher Schiedsort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 d) Definition und Form der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205 aa) Legaldefinition der Schiedsvereinbarung, § 1029 dZPO . . . . . . . . . . . . . 205 bb) Form der Schiedsvereinbarung, § 1031 dZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

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Inhaltsverzeichnis 3. Zuständigkeitsallokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209 a) Vorläufige Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . 210 b) Isolierte Überprüfung der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 aa) Schiedseinrede, § 1032(1) dZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 211 bb) Zulässigkeitskontrolle, § 1032(2) dZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (1) Verhältnis der Zulässigkeitskontrolle zur Schiedseinrede . . . . . . . . . 213 (2) Gegenstand der Zulässigkeitskontrolle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 c) Überprüfung der Schiedsvereinbarung nach Erlass des Schiedsgerichts . . . . 217 aa) Rechtliche Qualifikation der Entscheidung des Schiedsgerichts nach § 1040(3) dZPO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 217 bb) Negative Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . 219 cc) Präklusionswirkung eines unterlassenen Antrags nach § 1040(3) dZPO 221 4. Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung . . . . 222 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 III. Keine Rezeption des Modellgesetzes – Frankreich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 1. Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 224 2. Methodologische Grundlage der Schiedsgerichtsbarkeit nach französischem Recht – Lehre vom transnationalen Schiedsverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 3. Gültigkeit der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 a) Kollisionsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 b) Definition und Form der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 231 4. Zuständigkeitsallokation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 233 a) Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 234 b) Isolierte Überprüfung der Schiedsvereinbarung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 235 c) Überprüfung der Schiedsvereinbarung nach Erlass des Schiedsgerichts . . . . 238 aa) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 bb) Rechtliche Qualifikation der Zwischenentscheidung des Schiedsgerichts 239 cc) Negative Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . 240 dd) Präklusionswirkung eines unterlassenen Antrags nach Art. 1520 NCPC gegen die Zwischenentscheidung des Schiedsgerichts . . . . . . . . . . . . . . 241 5. Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung . . . . 241 a) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 241 b) Vollstreckung im Ausland aufgehobener Schiedssprüche . . . . . . . . . . . . . . . 242 6. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 243 IV. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 244

H. Lösungsvorschlag zur Vermeidung von Parallelverfahren in der EU . . . . . . . . . . 246 I. Einleitung – Meinungsstand zur Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts auf Ebene der EU . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 246

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II. Lösungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 1. Die geeignete Handlungsform – Verordnung oder Richtlinie? . . . . . . . . . . . . . 249 a) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 249 b) Verordnung, Art. 288(2) AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 aa) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 251 bb) Möglichkeit einer Begrenzung des räumlichen Anwendungsbereichs 252 c) Richtlinie, Art. 288(3) AEUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 aa) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 253 bb) Regelungsdichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 cc) Umsetzungspflicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 dd) Möglichkeit einer Begrenzung des räumlichen Anwendungsbereichs

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d) Stellungnahme – Verhältnismäßigkeit der Wahl der geeigneten Handlungsform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 aa) Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 256 bb) Harmonisierung auch gegenüber Drittstaaten durch Verwendung des Modellgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 257 cc) Direkte Rezeption des Modellgesetzes als Idealfall der Harmonisierung 257 dd) Die Verordnung als verhältnismäßige Handlungsform . . . . . . . . . . . . . . 258 2. Eine Verordnung zur Umsetzung von Teilen des Modellgesetzes . . . . . . . . . . . 260 a) Gesetzgebungsvorschlag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 260 b) Erläuterung Kapitel I. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 c) Erläuterung Kapitel II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 265 d) Verknüpfung mit der EuGVVO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 267 3. Verhältnismäßigkeit des Vorschlags, Art. 5(4) EUV . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 268 III. Weitere Vorteile eines einheitlichen Schiedsverfahrensrechts auf Grundlage des Modellgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 270 1. Umfassende Vereinheitlichung über die Grenzen der EU hinaus . . . . . . . . . . . . 270 2. Wertungskonsistenz durch EuGH . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 271 3. Aufbau auf bestehenden multilateralen Staatsverträgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 272 IV. Der richtige Zeitpunkt – die Auswirkungen des Brexit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 273 I. Ergebnis und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 I. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 277 II. Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 278 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 Sachwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 296

Abkürzungsverzeichnis a. A. AA 1998 AA 2010 ABl. Abs. a. E. AEUV a. F. AG AGB Am. Rev. Int’l Arb. Am. U. Bus. L. Rev. Anm. Arb. Int’l Art. ASA AuR BayObLG BB BeckRS BGB BGBl. BGH BGHZ Bull. civ. Bus. L. Int’l bzw. Cah. arb. CEPANI C.L.C. COETSER Colum. J. Eur. L. dbzgl. dies. DIS dZPO EFTA EG

andere Ansicht Arbitration (International Commercial) Act 1998, No. 14 of 1998 (Irland) Arbitration Act 2010, No. 1 of 2010 (Irland) Amtsblatt Absatz am Ende Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union alte Fassung Generalanwalt beim EuGH Allgemeine Geschäftsbedingungen American Review of International Arbitration American University Business Law Review Anmerkung Arbitration International Artikel Swiss Arbitration Association Arbeit und Recht Bayerisches Oberlandesgericht Der Betriebsberater Elektronische Entscheidungsdatenbank in beck-online Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Sammlung der Entscheidungen des BGH in Zivilsachen Bulletin des arrêts de la Cour de cassation – Chambres civiles Business Law International beziehungsweise Les Cahiers de l’Arbitrage/The Paris Journal of International Arbitration Belgian Centre for Arbitration and Mediation Company Law Cases Council of Europe Treaty Series Columbia Journal of European Law diesbezüglich dieselben Deutsche Institution für Schiedsgerichtbarkeit e. V. deutsche Zivilprozessordnung European Free Trade Association Europäische Gemeinschaft

Abkürzungsverzeichnis EGBGB EGV (Nizza) EGV (Amsterdam) Einl. E.L. EMRK endg. ErwGr. ETS EU EuGH EuGVÜ EuGVVO (n. F.)

EuGVVO (a. F.) EuPartVO

EuÜ EUV/TEU EWG EWGV EWHC EZPR f., ff. Gaz. Pal. gem. GRCh GVG HCCH HGB HL

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Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche Römischer Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. 03. 1957 i. d. F. des Vertrages von Nizza vom 26. 02. 2001 Römischer Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. 03. 1957 i. d. F. des Vertrages von Amsterdam vom 02. 10. 1997 Einleitung Ergänzungslieferung Europäische Menschenrechtskonvention endgültig Erwägungsgrund European Treaty Series Europäische Union Europäischer Gerichtshof Übereinkommen von Brüssel über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2012 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen Verordnung (EU) 2016/1104 des Rates zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21. 04. 1961 Vertrag über die Europäische Union/Treaty of the European Union Europäische Wirtschaftsgemeinschaft Römischer Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 03. 1957 High Court of England and Wales Europäisches Zivilprozessrecht folgende La Gazette du Palais gemäß Charta der Grundrechte der Europäischen Union Gerichtsverfassungsgesetz Hague Conference on Private International Law/Haager Konferenz für Internationales Privatrecht Handelsgesetzbuch House of Lords (Großbritannien)

16 h. M. ICC i. d. F. i. E. IEHC IIC Int’l & Comp. L.Q. Int. A.L.R. i. S. d. i. V. m. J.D.I. JORF J. Priv. Int’l L. KTS LG Lloyd’s Rep. LugÜ 1988 LugÜ 2007 Mich. L. Rev. ModG MüKo NCPC NJW NJW-RR Nr. NVwZ Nw. J. Int’l L. & Bus. OLG RDAI Rec. Dal. Rev. arb. Riv. arb. RIW RL Rn. Rom I-VO Rs. S. SchiedsVZ

Abkürzungsverzeichnis herrschende Meinung International Chamber of Commerce in der Fassung im Ergebnis High Court of Ireland International Review of Intellectual Property and Copyright Law International and Comparative Law Quarterly International Arbitration Law Review im Sinne des in Verbindung mit Journal du droit international (Clunet) Journal officiel de la République française Journal of Private International Law Zeitschrift für Insolvenzrecht Landgericht Lloyd’s Law Reports Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 16. 09. 1988 Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. 10. 2007 Michigan Law Review UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration, as adopted by the United Nations Commission on International Trade Law on 21 June 1985 Münchener Kommentar Nouveau Code de Procédure Civile/Französische Zivilprozessordnung Neue Juristische Wochenschrift NJW-Rechtssprechung-Report Zivilrecht Nummer Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Northwestern Journal of International Law & Business Oberlandesgericht Revue de Droit des Affaires Internationales Recueil Dalloz Revue de l’arbitrage Rivista dellA arbitrato Recht der internationalen Wirtschaft Richtlinie Randnummer Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I) Rechtssache Seite Zeitschrift für Schiedsverfahren

Abkürzungsverzeichnis Sect. Slg. Straßburger Übereinkommen TGI Ts. UN UNCITRAL UNIDROIT U.N.T.S. UNÜ verb. Vgl. V. J. Int’l C. L. & Arb. VO W.L.R. z. B. ZPO ZVglRWiss

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Section Sammlung Europäisches Übereinkommen zur Einführung eines Einheitlichen Gesetzes über die Schiedsgerichtsbarkeit vom 20. 1. 1966 Tribunal de Grande Instance Teilsatz United Nations United Nations Commission on International Trade Law International Institute for the Unification of Private Law United Nations Treaty Series UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 1958 verbundene Vergleiche Vindabona Journal of International Commercial Law and Arbitration Verordnung Weekly Law Reports zum Beispiel Zivilprozessordnung Zeitschrift für Vergleichende Rechtswissenschaft

A. Einleitung I. Hintergrund des Vorschlags einer Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts in der EU Die EU hat während der vergangenen Jahrzehnte nicht nur geographisch ihre Grenzen durch die Aufnahme neuer Mitgliedstaaten stetig erweitert, sondern kraft einer Kompetenzübertragung durch ihre Mitgliedstaaten nach und nach auch immer weitreichendere Rechtsetzungsbefugnisse erhalten. Dies betrifft auch den Bereich der justiziellen Zusammenarbeit. Auf dieser Basis wurde das internationale Zivilprozessrecht zunächst durch das Brüsseler Übereinkommen1 (EuGVÜ) und später durch die Brüssel I-Verordnung2 (EuGVVO a. F.) bzw. seit 2015 durch die Brüssel Ia-Verordnung3 (EuGVVO) für die staatliche Gerichtsbarkeit umfassend geregelt. Durch einheitliche Zuständigkeits- und Rechtshängigkeitsregelungen für staatliche Gerichte haben sie den Binnenmarkt erheblich gestärkt und darauf aufbauend eine grenzüberschreitende Urteilsfreizügigkeit ermöglicht. Die insbesondere für Handelsstreitigkeiten eminent wichtige Schiedsgerichtsbarkeit war hingegen seit Anbeginn vom Anwendungsbereich dieser Regelungswerke ausgeschlossen. Um Wirkung entfalten zu können, benötigt die private Schiedsgerichtsbarkeit mangels eigener Hoheitsrechte aber die Unterstützung staatlicher Gerichte, sodass ein völlig unabhängiges Nebeneinander der beiden Verfahrensarten weder möglich noch wünschenswert wäre. Vielmehr ist es im Interesse beider Institutionen, dass ihr jeweiliges Pendant möglichst effektiv funktioniert: aus der Sicht staatlicher Gerichte gilt dies zum Beispiel aufgrund der erheblichen Entlastung, die für sie mit der Schiedsgerichtsbarkeit gerade im Bereich komplexer Wirtschaftsstreitigkeiten einhergeht; aus Sicht der Schiedsgerichtsbarkeit erklärt sich dieses Bedürfnis bereits aus der zuvor genannten Unterstützungsfunktion.

1

Übereinkommen von Brüssel über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (1968), Brüssel, 27. 9. 1968, ABl. EG vom 31. 12. 1972 Nr. L 299, S. 32 ff. 2 Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel I), 22. 12. 2000, ABl. EG vom 16. 01. 2001 Nr. 12, S. 1 ff. 3 Verordnung (EU) Nr. 1215/2012 des Europäischen Parlaments und des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (Brüssel Ia), 12. 12. 2012, ABl. EU vom 20. 12. 2012 Nr. L 351, S. 1 ff.

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A. Einleitung

In Anbetracht der grundlegend verschiedenen Natur der beiden Streitbeilegungsmechanismen leuchtet der fortwährende Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit in Art. 1(2)(d) EuGVVO zwar ein, insbesondere da ein Teil des internationalen Schiedsverfahrensrechts bereits vor dem EuGVÜ durch das New Yorker UNÜbereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 19584 (UNÜ) weit über die Grenzen der EU hinaus vereinheitlicht worden war. Jedoch beschränkt sich der Anwendungsbereich des UNÜ mit der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedsvereinbarungen und Schiedssprüche im Wesentlichen auf eine ex-post Kontrolle und lässt damit wichtige Teile des Schiedsverfahrensrechts unberührt. Dabei profitiert gerade die internationale Schiedsgerichtsbarkeit mit ihren grenzüberschreitenden Streitigkeiten und der damit einhergehenden Notwendigkeit, Parteien und deren Vertreter aus verschiedenen Jurisdiktionen zufriedenzustellen, besonders von umfassender Rechtsvereinheitlichung. Dies war bereits den Gesetzesvätern des EuGVÜ bewusst, die schon damals davon ausgingen, dass das internationale Schiedsverfahrensrecht auf europäischer Ebene durch ein separates Regelungswerk geregelt werden würde.5 Doch auch über 50 Jahre später ist dies noch nicht der Fall. Vielmehr hat zwischenzeitlich die Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht (UNCITRAL) auf anderer Ebene die Harmonisierung des Schiedsrechts durch Verabschiedung des Modellgesetzes für die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit6 (ModG) erfolgreich vorangetrieben und diesen Bereich damit erheblich gestärkt. International herrscht ein reger Wettbewerb um die Austragung lukrativer Schiedsverfahren, wobei insbesondere das zur Anwendung kommende Schiedsrecht einen wesentlichen Wettbewerbsfaktor darstellt.7 Innerhalb der EU finden sich zwar einige Staaten, die auf der Bühne der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit eine große Rolle spielen. Jedoch sehen sich auch diese mit einer erheblichen Konkurrenz aus Drittstaaten konfrontiert. Während die EuGVVO für die staatliche Gerichtsbarkeit international als Erfolgsmodell anerkannt ist,8 hat die Bereichsausnahme an 4

New Yorker UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche vom 10. 6. 1958, BGBl. II 1961, S. 122. 5 Jenard, ABl. EG vom 5. 3. 1979 Nr. C 59, S. 13. 6 UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration, UNCITRAL, A/40/17, Annex I. 7 Wolff 6 SchiedsVZ (2016) 293, 293 f.; Queen Mary University of London, 2018 International Arbitration Survey: The Evolution of International Arbitration, S. 10, verfügbar unter http://www.arbitration.qmul.ac.uk/media/arbitration/docs/2018-International-Arbitration-Sur vey–The-Evolution-of-International-Arbitration-(2).PDF, zuletzt aufgerufen am 22. April 2019; UNCITRAL, Notes on Organizing Arbitration Proceedings (2016), Rn. 29, verfügbar unter http://www.uncitral.org/pdf/english/texts/arbitration/arb-notes/arb-notes-2016-e.pdf, zuletzt aufgerufen am 22. 4. 2019. 8 Dies zeigt z. B. auch die Vorbildfunktion des EuGVÜ für das „Judgments Project“ der Haager Konferenz, vgl. insoweit z. B. den ersten Vorschlag des US Department of State vom 5. 5. 1992: „While taking account of the 1971 Hague Convention, we would propose that The

I. Hintergrund des Vorschlags einer Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts

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der Schnittstelle zwischen Schiedsverfahren und staatlichen Gerichtsverfahren in der EU eher zu einer Verunsicherung geführt, die im weltweiten Wettbewerb um Schiedsverfahren einen Nachteil begründet. Ein zentrales Problem an dieser Schnittstelle stellt insbesondere die mögliche Entstehung von Parallelverfahren vor einem Schiedsgericht und einem staatlichen Gericht dar, welche das mangelhafte Zusammenspiel der nationalen Schiedsverfahrensrechte in der EU besonders gut veranschaulicht. Zwar handelt es sich nicht um ein genuin europarechtliches Problem, da die Möglichkeit der Entstehung paralleler Verfahren auf den voneinander abweichenden Regelungen der nationalen Schiedsverfahrensrechte basiert und daher auch in anderen Teilen der Welt auftritt. Jedoch erfährt das Problem in der EU infolge des Vollstreckungsregimes der EuGVVO eine zusätzliche Dimension, da sich im Falle widersprüchlicher Entscheidungen die Frage stellt, ob sich der Schiedsspruch auf Grundlage des UNÜ oder das Gerichtsurteil auf Basis der EuGVVO durchsetzen sollte. Zudem scheint sich die EU durch ihre Untätigkeit eines Vorteils zu berauben, den sie sich aufgrund ihrer Befugnis zur Bildung eines einheitlichen Justizraumes im Binnenmarkt möglicherweise verschaffen könnte. Die bisherigen Bestrebungen einer Regulierung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, insbesondere während der Überarbeitung der EuGVVO a. F., können hingegen als gescheitert erachtet werden. Doch nicht nur auf der Rechtsetzungsebene werden der EU die Grenzen ihrer Handlungsfähigkeit aufgezeigt; spätestens seit dem Votum des britischen Volkes für einen Austritt aus der Union haben sich für den supranationalen Staatenverbund auf einer viel profunderen Ebene zuvor ungekannte Abgründe aufgetan. Der Austritt Großbritanniens aus der EU könnte zugleich aber auch Chancen für bislang nicht realisierbare Rechtsetzungsvorhaben bergen. Denn Großbritannien hat sich in der Vergangenheit – insbesondere wegen der vom kontinentaleuropäischen Recht abweichenden Tradition des common laws und der Protektion Londons als einer der führenden Schiedsstandorte – den bisherigen Vorstößen der EU im Bereich des Schiedsrechts verwehrt. Trotz der zuletzt gescheiterten Versuche der Reformierung des Schiedsverfahrensrechts in Europa im Zuge der Überarbeitung der EuGVVO a. F. könnte der Zeitpunkt für einen erneuten Versuch im Rahmen der anstehenden Überprüfung der EuGVVO9 daher günstig sein. Vor diesem Hintergrund untersucht die vorliegende Arbeit die Möglichkeit, in der EU einen harmonisierenden Rechtsakt für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit auf Grundlage des UNCITRAL Modellgesetzes zu erlassen. Denn ein Versuch, inzwischen erweiterte Kompetenzen der EU zu nutzen, um von der bereits bewährten Arbeit der UNCITRAL zu profitieren, indem das Modellgesetz einer HarmonisieHague Conference build on the Brussels and Lugano Conventions in seeking to achieve a convention that is capable of meeting the needs of and being broadly accepted by the larger community represented by the Member States of The Hague Conference.“, verfügbar unter https://www.state.gov/documents/organization/65973.pdf, zuletzt aufgerufen am 22. 4. 2019. 9 Vgl. Art. 79 EuGVVO.

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A. Einleitung

rung des Rechts der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in der EU zugrunde gelegt wird, ist bislang nicht erfolgt. Aufgrund der Reichweite dieses Unterfangens kann der mögliche Regelungsinhalt zwar in Anbetracht der Vielzahl an Mitgliedstaaten sowie betroffenen Interessengruppen nicht vollumfänglich im Rahmen einer einzelnen Arbeit ausgeleuchtet werden. Stattdessen soll ein erster Grundstein für Regelungsgegenstand und Rechtsform auf Basis der im Laufe des letzten halben Jahrhunderts teils mehr, teils weniger erfolgreich vorgenommenen Rechtsvereinheitlichung im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit gelegt werden. Diese infolge paralleler Entwicklungen innerhalb der EU sowie im Bereich des Rechts der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit entstandene Forschungslücke soll im Folgenden aufgedeckt und geschlossen werden. Das Ziel ist es dabei, anhand eines konkreten Vorschlags eine neue Diskussion anzustoßen.

II. Gang der Untersuchung Zu diesem Zweck wird in Kapitel B. zunächst die Entwicklung der sich aus dem Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich des EuGVÜ, der EuGVVO a. F. und der EuGVVO in ihrer aktuell gültigen Fassung ergebenden Rechtslage an der Schnittstelle zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit in der EU dargestellt. Anschließend werden die aus dem Ausschluss resultierenden Probleme erörtert. Dabei werden in einem ersten Schritt die möglichen Berührungspunkte der beiden Streitbeilegungsmechanismen im Kontext des Ausschlusses der Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich der EuGVVO chronologisch dargestellt, um so zunächst festzustellen, welche staatlichen Gerichtsverfahren zur Unterstützung eines Schiedsverfahrens welchem Regelungswerk unterliegen. Da eines der festzustellenden Hauptprobleme darin besteht, dass es zu parallelen Verfahren vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten mit möglicherweise widersprüchlichen Ergebnissen kommen kann, wird in einem zweiten Schritt diskutiert, wie die staatlichen Gerichte in der EU mit der sich daraus ergebenden Vollstreckungsproblematik umgehen sollten. Davon ausgehend wird in den nachfolgenden Teilen untersucht, ob diese Probleme durch Erlass eines EU-Schiedsverfahrensrechts gelöst oder zumindest entschärft werden könnten. Kapitel C. befasst sich daher zunächst mit der primärrechtlichen Kompetenz der EU im Bereich des internationalen Schiedsverfahrensrechtes auf Ebene des Sekundärrechts gesetzgeberisch tätig zu werden. Neben den in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen gilt es dabei vor dem Hintergrund der europarechtlichen Schrankentrias und des effet utiles auch Art und Umfang der Handlungsalternativen des europäischen Gesetzgebers auszuloten. Das Modellgesetz hat sich seit seiner Verabschiedung international bewährt und bereits einen großen Beitrag zur weltweiten Vereinheitlichung des Schiedsverfahrensrechts geleistet. Daher bietet es sich an, die Möglichkeit einer Harmonisierung

II. Gang der Untersuchung

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des Schiedsverfahrensrechts in der EU bereits im Ausgangspunkt an diesem Regelungswerk zu orientieren. Die Harmonisierung sollte dabei zunächst insbesondere das zuvor erörterte Problem der Parallelverfahren vor Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten beheben. Daher werden in Kapitel D. zunächst die Regelungsbereiche des Schiedsverfahrensrechts, welche für die Entstehung dieses Problems relevant sind, ausgemacht, der durch internationale Übereinkommen gesteckte Regelungsrahmen dargestellt und schließlich in Kapitel E. die entsprechenden Vorschriften des Modellgesetzes erörtert. Da das Modellgesetz kein internationales Übereinkommen ist, sondern nur ein Gesetzesvorschlag an dem sich nationale Gesetzgeber orientieren können, folgt auf diese allgemeine Darstellung in Kapitel F. eine Analyse der Umsetzung des Modellgesetzes in den Mitgliedstaaten der EU. Zu diesem Zweck wird zunächst ein Überblick über die de lege lata geltenden Vorschriften in den Mitgliedstaaten gegeben. Daran schließt sich in Kapitel G. ein rechtsvergleichender Teil an, der die konkrete Anwendung des nationalen Schiedsrechts und dabei möglicherweise auftretende Probleme in verschiedenen Mitgliedstaaten zum Gegenstand hat. Für den Rechtsvergleich bietet sich dabei eine Unterscheidung nach dem Ausmaß der Übereinstimmung des nationalen Schiedsrechts mit dem Modellgesetz an, sodass die Vor- und Nachteile einer vollständigen, teilweisen oder unterbliebenen Rezeption der Gesetzesvorlage herausgearbeitet werden können. Vor diesem Hintergrund werden beispielhaft die für die Entstehung von Parallelverfahren relevanten Vorschriften Irlands, Deutschlands und Frankreichs sowie deren Anwendung durch die staatlichen Gerichte untersucht. Die Wahl dieser Mitgliedstaaten für den Rechtsvergleich beruht dabei darauf, dass Irland das Modellgesetz durch einen direkten Verweis vollständig und unverändert umgesetzt hat, wohingegen Deutschland sein Schiedsrecht auf Grundlage des Modellgesetzes, aber unter Beibehaltung nationaler Ansätze modernisiert hat. Das französische Schiedsrecht mit seinem transnationalen Ansatz bietet sich schließlich für die Darstellung bestehender Unterschiede zum Modellgesetz und der Erörterung von Problemen beim Aufeinandertreffen mit dem Modellgesetz an. Auf dem Ergebnis der vorhergehenden Teile aufbauend dient Kapitel H. dann der Erarbeitung eines eigenen Vorschlags für den Erlass eines harmonisierenden Rechtsaktes der EU im Bereich des internationalen Schiedsverfahrensrechts. Dabei wird insbesondere den europarechtlichen Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit Rechnung getragen. Schließlich wird die Konzeption des unterbreiteten Vorschlags erklärt und die Vorteilhaftigkeit der vorgeschlagenen Maßnahme erörtert. Hierbei findet auch die Relevanz des Austritts Großbritanniens aus der EU für das Vorhaben einer Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts Berücksichtigung, wobei ein besonderes Augenmerk auf die Positionen der britischen Delegation bei vergangenen Vorstößen der europäischen Institutionen in diesem Bereich gelegt wird. Die Untersuchung endet in Kapitel I. schließlich mit einem zusammenfassenden Ergebnis und Ausblick.

B. Der Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich der EuGVVO Das folgende Kapitel gibt einen Überblick über die Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich des Brüsseler Übereinkommens und der Brüssel I Verordnung. Dabei wird insbesondere untersucht, welche rechtlichen Konsequenzen aus der Bereichsausnahme nach Art. 1(2)(d) EuGVVO folgen. Im Zuge dessen gilt es zwei Vorfragen zu beantworten. Zunächst wird erörtert, welche Verfahren vor den Gerichten der Mitgliedstaaten mit Bezug zur Schiedsgerichtsbarkeit von dem Ausschluss in Art. 1(2)(d) EuGVVO erfasst werden. Nach einer allgemeinen Einführung in die Schnittstelle zwischen europäischem Zivilprozessrechts (EZPR) und Schiedsgerichtsbarkeit (unten I.) werden zu diesem Zweck sämtliche möglichen Berührungspunkte staatlicher Gerichte mit Schiedsgerichtsverfahren in verfahrenschronologischer Reihenfolge untersucht (unten II.). Dabei finden die Berichte zum Brüsseler Übereinkommen, die einschlägige Rechtsprechung des EuGH sowie die Auswirkungen der Änderungen in der EuGVVO n. F. Berücksichtigung. In einem zweiten Schritt werden die aus dem gegenwärtigen Zutand folgenden rechtlichen Probleme diskutiert und bestmöglich aufgelöst (unten III.).

I. Einleitung 1. EZPR und Schiedsgerichtsbarkeit Als die damals sechs Vertragsparteien des Vertrags zur Gründung der EWG 1968 das EuGVÜ abschlossen, waren sie von dem Bestreben geleitet „innerhalb der Gemeinschaft den Rechtsschutz der dort ansässigen Personen zu verstärken“.1 Schon damals war aber ein wesentlicher Teil des Rechtsschutzes für Unternehmen, nämlich die (Handels-)Schiedsgerichtsbarkeit, vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossen.2 Der Grund hierfür war damals vornehmlich in einem geplanten Europäischen Übereinkommen zur Einführung eines Einheitlichen Gesetzes über die Schiedsgerichtsbarkeit (Straßburger Übereinkommen)3, sowie in bereits existierenden internationalen Übereinkommen in diesem Bereich, insbesondere dem 1

Vgl. Präambel des EuGVÜ. Art. 1(4) EuGVÜ. 3 European Convention providing a Uniform Law on Arbitration, Strasburg 20. 1. 1966, 56 ETS (1966). 2

I. Einleitung

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UNÜ, zu sehen.4 Das Straßburger Übereinkommen wurde wegen seiner weitgehenden Eingriffe in die Regelungshoheit der unterzeichnenden Staaten jedoch nur von Belgien umgesetzt.5 Die Harmonisierungsbestrebungen wurden stattdessen auf die Vereinten Nationen verlagert, welche mit der Verabschiedung des Modellgesetzes schließlich eine erfolgreiche Alternative geschaffen haben. Auf Ebene des EZPR stellte sich im Laufe der Zeit heraus, dass die ursprünglich für die Bereichsausnahme gegebene Begründung nicht alle Probleme erfasste, die sich an der Schnittstelle zwischen Schiedsgerichtsbarkeit und staatlicher Gerichtsbarkeit stellen. Das Bewusstsein für diese Tatsache wurde durch die Zunahme grenzüberschreitender Streitigkeiten gestärkt. Zum einen ist die Anzahl an Schiedsverfahren seither stark angestiegen.6 Zum anderen haben im Zuge der Globalisierung grenzüberschreitende Streitigkeiten im Allgemeinen – und mit ihnen die diesbezüglichen Zuständigkeitsprobleme – ebenfalls zugenommen.7 Dies resultierte in einem gesteigerten Bewusstsein für den Koordinationsbedarf an der Schnittstelle zwischen Schiedsverfahren und staatlichen Verfahren. Infolgedessen wurde die Harmonisierung von Rechtsinstrumenten, die sich dieser Herausforderung stellen, unter anderem in der EU vorangetrieben. Mit der Erweiterung zunächst der EG und später der EU ging eine Erweiterung des räumlichen Anwendungsbereichs europäischer Rechtsakte einher. Mit Inkrafttreten der EuGVVO a. F. im Jahr 2002 und der aktuellen EuGVVO im Jahr 2015 wurden die Vorschriften für die internationale Zuständigkeit von Gerichten und die grenzüberschreitende Vollstreckung ihrer Urteile weiter verbessert. Eine Regulierung der Schiedsgerichtsbarkeit im Rahmen der EuGVVO wurde zwar während der letzten Überarbeitung vorgeschlagen, im Ergebnis aber abgelehnt.8 Folglich ist es bis heute beim Nebeneinander von EZPR und Schiedsgerichtsbarkeit geblieben. Eine einheitliche Regelung der Materie in einem gesonderten Rechtsakt auf europäischer Ebene ist indes ebenfalls nicht erfolgt.

4 Jenard, ABl. EG vom 5. 3. 1979 Nr. C 59, S. 13; Hauberg Wilhelmsen, 30 Arb. Int’l (2014), 169, 172. 5 Siehe im Einzelnen unten Kapitel E. I. 6 Menon QC, International Arbitration: The Coming of a New Age for Asia (and Elsewhere), ICCA Congress 2012 – Opening Plenary Session, 11. 6. 2012, Rn. 3, verfügbar unter https://cdn.arbitration-icca.org/s3fs-public/document/media_document/ags_opening_speech_ icca_congress_2012.pdf, zuletzt aufgerufen am 10. 8. 2016; im Hinblick auf alternative Streitbeilegungsmechanismen im Allgemeinen Brenninkmeijer/Shelkopylas, Globalisation and Jurisdiction, S. 219 ff. 7 Slot, Globalisation and Jurisdiction, S. 1 ff. 8 Siehe im Einzelnen unten Kapitel B. II.

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

2. Entwicklung des EZPR a) EuGVÜ Den ersten Grundstein des EZPR legte die EWG im Jahr 1968 mit Abschluss des EuGVÜ.9 Hintergrund der Verhandlungen zwischen den sechs Mitgliedstaaten waren vor allem Probleme bei der grenzüberschreitenden Vollstreckung von Gerichtsurteilen.10 Das Übereinkommen regelte aber darüber hinaus auch die internationale Zuständigkeit und Rechtshängigkeit,11 was für den Bereich grenzüberschreitender Streitigkeiten einen wesentlichen Fortschritt bedeutete. Gepaart mit der aus dem Luxemburger Auslegungsprotokoll12 folgenden Vorlageberechtigung der Gerichte der Mitgliedstaaten an den EuGH bei Fragen zur Auslegung des Übereinkommens wurde die convention double so zum Erfolgsmodell.13 Die Vereinfachung der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung war dabei damals nur möglich, weil gerade durch die Zuständigkeits- und Rechtshängigkeitsregelungen die Entstehung von Parallelverfahren verhindert werden konnte, sodass die Entstehung widersprüchlicher Entscheidungen nicht zu besorgen war. Die Aufforderung der Rechtsgrundlage des Art. 220 EWGV14 zu einer „Vereinfachung der Förmlichkeiten für die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung richterlicher Entscheidungen“ wurde folglich übertroffen.15 Da Art. 220 EWGV nur eine Verhandlungskompetenz begründete, die ohnehin den Abschluss eines Übereinkommens erforderlich machte, war dies aber nicht schädlich.16 Umgekehrt folgte aus der damals noch fehlenden Rechtsetzungskompetenz des Staatenverbundes jedoch auch, dass bei jeder Erweiterung der Gemeinschaft eine Überarbeitung und erneute Ratifikation des Übereinkommens notwendig wurde.17 9 McGuire, Verfahrenskoordination, S. 13; Staudinger, in: Rauscher, EuZPR, Einl. Brüssel I-VO Rn. 3. 10 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Einleitung Rn. 3; Gottwald, in: MüKo ZPO, EuGVVO Vorb. Art. 1 Rn. 1. 11 Gottwald, in: MüKo ZPO, EuGVVO Vorb. Art. 1 Rn. 2; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Einleitung Rn. 69 ff., 137 ff.; sog. „convention double“, vgl. Hess, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 4; Staudinger, in: Rauscher, EuZPR, Einl. Brüssel I-VO Rn. 3. 12 Protokoll betreffend die Auslegung des Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen durch den Gerichtshof, Luxemburg, 3. 6. 1971, ABl. EG vom 2. 8. 1975 Nr. L 204, S. 28 ff. 13 Pörnbacher, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, EuGVVO a. F. Einl. Rn. 4. 14 Römischer Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft vom 25. 3. 1957, BGBl. II 1957, S. 766. 15 McGuire, Verfahrenskoordination, S. 13; in diesem Sinne auch Hess, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 4. 16 Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Einleitung Rn. 36; Kruger, Civil Jurisdiction Rules, Rn. 1.06. 17 McGuire, Verfahrenskoordination, S. 13; Schack, Die Entwicklung des EZPR, S. 317; Kruger, Civil Jurisdiction Rules, Rn. 1.10.

I. Einleitung

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b) EuGVVO a. F. Dies änderte sich mit Inkrafttreten des Amsterdamer Vertrages am 1. Mai 1999, welcher der EG in Art. 61, 65 EGV (Nizza)18 die Kompetenz zum Erlass von Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen verlieh.19 Am 1. März 2002 trat auf dieser Grundlage die EuGVVO a. F. in Kraft,20 die sich inhaltlich am EuGVÜ orientiert und deren zweigliedrige Struktur übernimmt.21 Die Verordnung erleichterte gegenüber ihrem Vorgänger das Exequaturverfahren erheblich, da sie dem Vollstreckungsgericht bereits die Prüfung materieller Anerkennungsversagungsgründe untersagte.22 Dies fand seine Berechtigung auch in einer weiteren Verbesserung der Rechtshängigkeitsregelungen: in Art. 30 EuGVVO a. F. wurde erstmals der Begriff „Anhängigkeit“ autonom definiert und dadurch die zuvor infolge der unterschiedlichen nationalen Auslegungen aufgetretenen Probleme behoben.23 Art. 73 EuGVVO a. F. sah eine Überprüfung der Verordnung nach fünf Jahren vor, die einen umfassenden Reformprozess anstieß. c) EuGVVO Dieser mündete in dem Inkrafttreten der Neufassung der EuGVVO am 10. Januar 2015.24 Rechtsgrundlage für den Erlass waren Art. 67(4) AEUV25 sowie Art. 81(2)(a), (c) und (e) AEUV.26 Gegenstand der EuGVVO sind weiterhin die gerichtliche Zuständigkeit und Rechtshängigkeit sowie die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der EU.27 Die Zuständigkeitsvorschriften der Art. 4 ff. EuGVVO gewähren zusammen mit der Litispendenzregelung in Art. 29 EuGVVO weiterhin einen hohen Grad an Vorher18 Römischer Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. 3. 1957 i. d. F. des Vertrages von Nizza vom 26. 2. 2001, BGBl. II 2001, S. 1667. 19 McGuire, Verfahrenskoordination, S. 15; Staudinger, in: Rauscher, EuZPR, Einl. Brüssel I-VO Rn. 1; Schack, Die Entwicklung des EZPR, S. 317; Kruger, Civil Jurisdiction Rules, Rn. 1.12. 20 Vgl. Präambel, ErwGr. 3 und Art. 76(1) EuGVVO a. F.; Staudinger, in: Rauscher, EuZPR, Einl. Brüssel I-VO Rn. 2, 8; Schack, Die Entwicklung des EZPR, S. 317 f.; Gottwald, in: MüKo ZPO, EuGVVO Vorb. Art. 1 Rn. 16. 21 Staudinger, in: Rauscher, EuZPR, Einl. Brüssel I-VO Rn. 11. 22 Schack, Die Entwicklung des EZPR, S. 318; Mankowski, in: Rauscher, EuZPR, 4. Aufl. 2015, Art. 41 Brüssel I-VO Rn. 4; Pörnbacher, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, EuGVVO a. F. Einl. Rn. 16. 23 Pörnbacher, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, EuGVVO a. F. Einl. Rn. 15. 24 Art. 81(2) EuGVVO; da es sich um das letzte der aufeinanderfolgenden Rechtsinstrumente des Brüssel Regimes handelt, nimmt diese Arbeit in der Regel Bezug auf die Vorschriften der EuGVVO und verweist nur wo nötig auf die Vorschriften der Vorgänger. 25 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, ABl. EU vom 26. 10. 2012 Nr. C 326, S. 47 ff. 26 Vgl. ErwGr. 5 EuGVVO. 27 Dörner, in: Saenger, EuGVVO Vorb. Rn. 7.

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

sehbarkeit und verhindern Parallelverfahren zwischen den Gerichten der Mitgliedstaaten.28 Gerade die Rechtshängigkeitsregelungen in Art. 29 – 34 EuGVVO wurden dabei nochmals präzisiert und erweitert.29 Unter anderem die damit einhergehende weitere Reduktion der möglichen Entstehung widersprüchlicher Urteile rechtfertigte eine nochmalige Erleichterung des Anerkennungsverfahrens durch eine Umkehrung des Regel-Ausnahme-Verhltnisses zwischen Anerkennung und Verweigerung.30 d) Lugano-Übereinkommen Parallel zu den Brüsseler Rechtsakten wurde ab Mitte der achtziger Jahre das mittlerweile bewährte System der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung für Drittstaaten geöffnet. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) standen nach anfänglichen Bemühungen Schwedens und der Schweiz ab 1985 mit den Mitgliedstaaten der EG in Verhandlungen, die schließlich zur Unterzeichnung des ersten Lugano-Übereinkommens am 16. September 1988 führten (LugÜ 1988).31 Neben den Mitgliedstaaten der EFTA stand es auch weiteren Drittstaaten zur Unterzeichnung offen.32 Inhaltlich wurde durch eine wechselseitige Einflussnahme auch auf die Entwicklung des EuGVÜ zunächst eine nahezu vollständige Übereinstimmung zwischen den beiden Übereinkommen erreicht.33 Mit der fortschreitenden europäischen Integration und dem Erlass der EuGVVO a. F. wurde die Übereinstimmung mit dem in der EG geltenden Recht jedoch zumindest teilweise aufgehoben, was die einfache Anwendung des LugÜ 1988 stark

28 Dörner, in: Saenger, EuGVVO Vorb. Art. 29 – 34 Rn. 1; Gottwald, in: MüKo ZPO, EuGVVO Art. 29 Rn. 1; Pfeiffer/Pfeiffer, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, EuGVVO Art. 29 Rn. 1. 29 Pfeiffer/Pfeiffer, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, EuGVVO Art. 29 Rn. 3; zur Diskussion während des Reformprozesses vgl. McGuire, Weiterentwicklung der Verfahrenskoordination im Rahmen der EuGVO-Reform, S. 671 ff. 30 Vgl. Art. 39 EuGVVO, dazu Pfeiffer/Pfeiffer, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, EuGVVO Art. 39 Rn. 1 ff., insb. 24 – 28; Gottwald, in: MüKo ZPO, EuGVVO Art. 39 Rn. 1; Dörner, in: Saenger, EuGVVO Vorb. Art. 39 – 44 Rn. 2; Bach 4 ZRP (2011) 97, 98 ff. 31 Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen – Geschlossen in Lugano am 16. September 1988 (88/592/EWG), ABl. EG vom 25. 11. 1988 Nr. L 319, S. 9 – 48; dazu Jenard/Möller, ABl. EG vom 28. 7. 1990 Nr. C 189, S. 64 f.; McGuire, Verfahrenskoordination, S. 14; Geimer, in: Geimer/Schütze, EuZVR, Einleitung Rn. 40 f.; Oetiker/Weibel, in: dies., BSK LugÜ Einl. Rn. 10 ff. 32 Vgl. Art. 62(1)(b) LugÜ; McGuire, Verfahrenskoordination, S. 15; Geimer, in: Geimer/ Schütze, EuZVR, Einleitung Rn. 41; dies ermöglichte z. B. den Beitritt Polens zu dem Übereinkommen vor dessen Beitritt in die EU, vgl. Schack, Die Entwicklung des EZPR, S. 325 f.; Gottwald, in: MüKo ZPO, EuGVVO Vorb. Art. 1 Rn. 25. 33 Jenard/Möller, ABl. EG vom 28. 7. 1990 Nr. C 189, S. 61; Oetiker/Weibel, in: dies., BSK LugÜ Einl. Rn. 13; Gottwald, in: MüKo ZPO, EuGVVO Vorb. Art. 1 Rn. 26; Pörnbacher, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, EuGVVO a. F. Einl. Rn. 5.

I. Einleitung

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beeinträchtigte.34 Infolgedessen wurde am 30. Oktober 2007 ein zweites LuganoÜbereinkommen (LugÜ 2007) unterzeichnet, das die Parallelität zwischen den damals geltenden Rechtsakten weitestgehend wiederherstellte.35

3. Folge des Ausschlusses einer Materie vom Anwendungsbereich der EuGVVO In all diesen Übereinkommen und Verordnungen ist die Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich ausgeschlossen.36 Es stellt sich daher die Frage, nach welchen Vorschriften sich die gerichtliche Zuständigkeit sowie die Anerkennung und Vollstreckung in diesem und anderen ausgeschlossenen Rechtsbereichen richtet. Zu unterscheiden sind zwei Fallgruppen. Handelt es sich um ein Verfahren, das in den Anwendungsbereich einer anderen Verordnung fällt, findet diese als lex specialis Anwendung, wie dies zum Beispiel bei Ehesachen gemäß Art. 1(2)(a) EuGVVO der Fall ist.37 Wenn in dem ausgeschlossenen Rechtsgebiet keine entsprechenden europäischen Rechtsakte existent sind, findet das nationale Recht des jeweiligen Mitgliedstaats Anwendung. Die Zuständigkeit richtet sich in diesem Fall nach dem nationalen Prozessrecht, ebenso wie die Anerkennung und Vollstreckung entsprechender Entscheidungen. Grundsätzlich gilt dies infolge von Art. 1(2)(d) EuGVVO und in Ermangelung anderer Rechtsakte der EU in diesem Bereich auch für die Schiedsgerichtsbarkeit. Nicht eindeutig ist allerdings, was unter dem Begriff „Schiedsverfahren“ zu verstehen ist. Keinesfalls handelt es sich um eine Verweisung in das nationale Recht. Vielmehr muss der Begriff als Teil des Unionsrechts autonom einheitlich ausgelegt werden. Dabei gilt es zu bedenken, dass die nationalen Gesetze der Mitgliedstaaten im Einklang mit den grundlegenden Prinzipien des Unionsrechts stehen müssen,38 was zu einer einschränkenden, unionsrechtskonformen Auslegung nationaler Vorschriften führen kann. Daneben kann auch die Vielzahl von Arten der Gerichts34

Oetiker/Weibel, in: dies., BSK LugÜ Einl. Rn. 23. Luganer Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. 10. 2007, ABl. EU vom 21. 12. 2007 Nr. L 339, S. 3 – 41; Oetiker/Weibel, in: dies., BSK LugÜ Einl. Rn. 26; Schack, Die Entwicklung des EZPR, S. 326; Gottwald, in: MüKo ZPO, EuGVVO Vorb. Art. 1 Rn. 27. 36 Vgl. Art. 1(2)(4) EuGVÜ; Art. 1(2)(d) EuGVVO a. F.; Art. 1(2)(d) EuGVVO; Art. 1(2)(4) LugÜ 1988; Art. 1(2)(d) LugÜ 2007. 37 Dörner, in: Saenger, EuGVVO Art. 1 Rn. 8. 38 Bezüglich der Niederlassungsfreiheit: EuGH 9. 3. 1999, Rs. C-212/97 – Centros/Er¨ berseering/NCC, Slg. 2002 Ihvervs, Slg. 1999 I-01459; EuGH 5. 11. 2002, Rs. C-208/00 – U 09919; EuGH 30. 9. 2003, Rs. C-167/01 – Kamer van Koophandel en Fabrieken voor Amsterdam/Inspire Art, Slg. 2003 I-10155; bezüglich des freien Personenverkehrs: EuGH 2. 10. 2003, Rs. C-148/02 – Carlos Garcia Avello/Belgian State, Slg. 2003 I-11613; EuGH 14. 10. 2008, Rs. C-353/06 – Grunkin and Paul/Standesamt Niebu¨ ll, Slg. 2006 I-07639. 35

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

verfahren im Zusammenhang mit Schiedsverfahren zu Unsicherheiten im Hinblick auf den genauen Anwendungsbereich des Art. 1(2)(d) EuGVVO führen. Zudem überschneidet sich der Regelungsbereich der Verordnung teilweise mit dem des UNÜ, da beide Regelungswerke die Anerkennung und Vollstreckung von Rechtstiteln zum Gegenstand haben. Deshalb wurde eine Vorschrift über das Verhältnis der beiden Regelungswerke zueinander in die EuGVVO eingefügt, die den Vorrang des UNÜ explizit statuiert.39 Dass dies als notwendig erachtet wurde zeigt, dass auch der Unionsgesetzgeber von einer verbleibenden Schnittmenge ausgeht. Die zunächst einfach erscheinende Regelung des Art. 1(2)(d) EuGVVO ist daher Gegenstand anhaltender Kontroversen,40 insbesondere weil ihr Umfang nie klar definiert war. Aufgrund des Wortlauts stellt sich zunächst die Frage, ob sich der Ausschluss nur auf Verfahren vor Schiedsgerichten selbst bezieht, oder auch auf Verfahren vor staatlichen Gerichten zur Unterstützung von Schiedsverfahren. Dabei würde die zweite Variante zu der Frage führen, ob alle unterstützenden Verfahren von dem Ausschluss erfasst sein sollen. Wie das folgende Kapitel aufzeigen wird, hat bislang alleine der EuGH dazu beigetragen, diese Unklarheiten und die damit einhergehenden Unwägbarkeiten zu beheben. Im folgenden Abschnitt wird daher untersucht, welche Verfahren mit Bezug zur Schiedsgerichtsbarkeit von Art. 1(2)(d) EuGVVO erfasst werden und weshalb dies der Fall ist. Zu diesem Zweck werden alle in diesem Zusammenhang möglichen Verfahrensarten vor nationalen Gerichten in chronologischer, am möglichen Verlauf eines Schiedsverfahrens orientierter Abfolge untersucht.

39

Vgl. Art. 73(2) EuGVVO: „Diese Verordnung lässt die Anwendung des Übereinkommens von New York von 1958 unberührt.“; die Vorschrift hat wegen der Bereichsausnahme in Art. 1(2)(d) EuGVVO aber nur deklaratorische Bedeutung, vgl. Pfeiffer/Pfeiffer, in: Geimer/ Schütze, Int. Rechtsverkehr, EuGVVO Art. 73 Rn. 14; Gottwald, in: MüKo ZPO, EuGVVO Art. 73 Rn. 6. 40 Siehe z. B. Auda 82(2) Arbitration (2016) 122 ff.; Baumann, Schiedsgerichtsbarkeit und EuGVVO, S. 467 ff.; Brengesjö 17(2) Int. A.L.R. (2014) 43 ff.; Camilleri Int’l & Comp. L.Q. (2013) 899 ff.; Carducci 29 Arb. Int’l (2013) 467 ff.; Carducci 24 Am. Rev. Int’l Arb. (2013) 515 ff.; Demirkol 65 Int’l & Comp. L.Q. (2016) 379 ff.; Estrup Ippolito/Adler-Nissen 79(2) Arbitration (2013) 158 ff.; Hartley 63 Int’l & Comp. L.Q. (2014) 843 ff.; Hartley, 64 Int’l & Comp. L.Q. (2015) 965 ff.; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 2.39 ff.; Illmer, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 2.55; Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 37 ff.; de Ly 5 Am. U. Bus. L. Rev. (2015 – 2016) 485 ff.; Moses 35 Nw. J. Int’l L. & Bus. (2014) 1 ff.; Nuyts 102 Revue critique du droit international privé (2013) 1 ff.; Ojiegbe 11(2) J. Priv. Int’l L. (2015) 267 ff.

II. Beteiligung staatlicher Gerichte an Schiedsverfahren

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II. Beteiligung staatlicher Gerichte an Schiedsverfahren 1. Überprüfung der Schiedsvereinbarung Die Schiedsvereinbarung stellt die vertragliche Grundlage des Schiedsverfahrens dar, ohne welche ein Schiedsverfahren überhaupt nicht stattfinden könnte. Daher wird ihre Gültigkeit oftmals noch vor Beginn des eigentlichen Schiedsverfahrens zum Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung. Diese Überprüfung kann zum einen infolge der Klageerhebung in der Hauptsache vor einem staatlichen Gericht erfolgen, wenn der Kläger der Ansicht ist, dass die Schiedsvereinbarung nicht gültig und deswegen der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten eröffnet ist. In diesem Fall wird die Überprüfung der Schiedsvereinbarung zu einer Vorfrage des Verfahrens (unten a)). Zum anderen kann aber auch vor Einleitung des Rechtsstreits in der Hauptsache eine Klage auf Feststellung der Ungültigkeit der Schiedsabrede erhoben werden und den Streitgegenstand bilden (unten b)). a) Die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung als Vorfrage des Verfahrens Eine Partei, die ursprünglich eine Schiedsvereinbarung getroffen hat, nun aber das Schiedsververfahren vermeiden will – etwa weil ihr ein staatliches Gerichtsverfahren prozesstaktisch sinnvoller erscheint – wird versuchen ein Verfahren vor einem nationalen Gericht zu initiieren. In der Regel wird die Gegenseite daraufhin die Schiedseinrede erheben und gleichzeitig das Schiedsverfahren einleiten. Das staatliche Gericht hat die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung in diesem Fall als Vorfrage des eigentlichen Verfahrens zu entscheiden, da es zunächst über seine eigene Zuständigkeit zu befinden hat. Sollte die Schiedsvereinbarung gültig sein, liegt im staatlichen Gerichtsverfahren ein Prozesshindernis vor, sodass die grundsätzliche Zuständigkeit des nationalen Gerichts verdrängt wird und dieses die Parteien auf das schiedsrichterliche Verfahren verweisen muss. Im umgekehrten Fall, in dem das Gericht die Schiedsvereinbarung für ungültig erklärt, könnte es selbst für die Entscheidung in der Hauptsache zuständig sein. Hat der Streitfall einen grenzüberschreitenden Zusammenhang, stellt sich dann vor dem Hintergrund der Existenz einer (möglicherweise ungültigen) Schiedsvereinbarung die Frage nach der grundsätzlichen Anwendbarkeit der EuGVVO. Der Schlosser Bericht zum Brüsseler Übereinkommen stellte diesbezüglich zwar fest, dass verschiedene Interpretationen von Art. 1(2)(4) EuGVÜ möglich wären, ließ das Ergebnis jedoch offen.41 Der spätere Kerameus Bericht äußerte sich etwas konkreter und befand, dass die Bestätigung einer Schiedsvereinbarung als Vorfrage eines Verfahrens in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen würde, ohne diese Ansicht jedoch näher zu begründen.42 41 42

Schlosser, ABl. EG vom 5. 3. 1979 Nr. C 59, S. 92 f. Rn. 61, 62. Evrigenis/Kerameus, ABl. EG vom 24. 11. 1986 Nr. C 298, S. 10 Rn. 35.

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

Der EuGH hatte erstmals in der Rechtssache Marc Rich die Möglichkeit, sich zu dieser Frage zu äußern.43 Impianti, die angeblich anspruchsverpflichtete Partei, erhob eine negative Feststellungsklage vor einem italienischen Gericht. Marc Rich, die angeblich anspruchsberechtigte Partei, erhob in diesem Verfahren die Schiedseinrede und beantragte zeitgleich die Ernennung eines Schiedsrichters bei einem Gericht am Schiedsort in England, weil Impianti sich geweigert hatte am Schiedsverfahren mitzuwirken. Im Berufungsverfahren zur ersatzweisen Ernennung eines Schiedsrichters legte das englische Gericht dem EuGH die Frage vor, ob das bei ihm anhängige Verfahren in den Anwendungsbereich des Brüsseler Übereinkommens falle. Impianti machte in dem Verfahren vor den englischen Gerichten geltend, dass dieses Verfahren eigentlich nicht die ersatzweise Ernennung eines Schiedsrichters, sondern die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung zum Gegenstand hätte, welche ihrer Ansicht nach in den Anwendungsbereich des Brüsseler Übereinkommens fallen würde, sodass das englische Gericht, da es später angerufen wurde, sich nach Art. 21(2) EuGVÜ44 für unzuständig erklären müsse.45 Der EuGH urteilte, dass für die Feststellung, ob ein Rechtsstreit in den Anwendungsbereich des Übereinkommens falle, nur der Gegenstand dieses Verfahrens zu berücksichtigen sei, da die Parteien anderenfalls nur durch das einredeweise Vorbringen einer Vorfrage über den Anwendungsbereich des Übereinkommens bestimmen könnten, was die Rechtssicherheit gefährden würde.46 Im Fall der Rechtssache Marc Rich war der Gegenstand des Verfahrens die ersatzweise Ernennung eines Schiedsrichters, für welche die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung lediglich eine Vorfrage darstellte. Dies veranlasste den EuGH, das Übereinkommen bezüglich des Verfahrens in England nach Art. 1(2)(4) EuGVÜ für unanwendbar zu erklären, da es sich bei der ersatzweisen Ernennung eines Schiedsrichters als Gegenstand des Verfahrens „um eine staatliche Maßnahme handelt, die der Einleitung eines Schiedsverfahrens dienen soll“ und „demgemäß in den Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit“ fällt.47 Da die englischen Gerichte die Schiedsvereinbarung für gültig erklärt hatten, ernannten sie für Impianti ersatzweise einen Schiedsrichter für das eingeleitete Schiedsverfahren. Dass das italienische Gericht in der Hauptsache zuerst angerufen worden war, war mangels Anwendbarkeit des EuGVÜ – und damit der Rechtshängigkeitsregel des Art. 21(2) – nicht relevant. Demnach konnte auch das italienische Gericht sein Verfahren fortsetzen. Dieses erklärte die Schiedsvereinbarung im Gegensatz zu den englischen Gerichten für ungültig, da es das Schriftlichkeitserfordernis des Art. II(2) UNÜ enger auslegte, sodass die italienischen Gerichte den Fall in der Hauptsache entscheiden konnten. 43

EuGH 25. 7. 1991, Rs. 190/89 – Marc Rich/Impianti, Slg. 1991 3855. I. d. F. des des Übereinkommens vom 25. 10. 1982 über den Beitritt der Republik Griechenland. 45 EuGH 25. 7. 1991, Rs. 190/89 – Marc Rich/Impianti, Slg. 1991 3855, Rn. 7. 46 EuGH 25. 7. 1991, Rs. 190/89 – Marc Rich/Impianti, Slg. 1991 3855, Rn. 26, 27. 47 EuGH 25. 7. 1991, Rs. 190/89 – Marc Rich/Impianti, Slg. 1991 3855, Rn. 19; zur Anwendung der Verordnung auf unterstützenden Verfahren siehe auch unten B. II. 3. 44

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Die Kompetenz des italienischen Gerichts zur Entscheidung über die Schiedseinrede als Vorfrage des Verfahrens ergab sich – im Gegensatz zur Zuständigkeit in der Hauptsache – nicht aus dem Brüsseler Übereinkommen, sondern aus dem nationalen Recht des italienischen Gerichts.48 Da die Vorfrage der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung anhand des nationalen Rechts zu beurteilen war, war es zugleich ohne Rechtsfehler möglich, dass die italienischen und die englischen Gerichte diesbezüglich zu unterschiedlichen Ergebnissen kamen. Dies hätte potenziell zu widersprüchlichen Entscheidungen in der Hauptsache durch die italienischen Gerichte und ein hypothetisches Schiedsgericht in England führen können. Tatsächlich ist dies nicht eingetreten, da Marc Rich sich später vor dem italienischen Gericht zur Hauptsache eingelassen hatte.49 Dieser Grundsatz, nämlich dass der Hauptgegenstand eines Verfahrens für die Bestimmung des Anwendungsbereichs des Brüssel Regimes maßgeblich ist, wurde vom EuGH in späteren Entscheidungen bestätigt.50 In der Rechtssache Van Uden konkretisierte der Gerichtshof, dass die Schiedsgerichtsbarkeit Hauptgegenstand des Verfahrens ist, wenn das Verfahren dem Schutz des Rechts dient, einen Rechtsstreit mithilfe eines Schiedsverfahrens zu entscheiden.51 Die Vorfrage der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung hat daher keinen Einfluss auf die Anwendbarkeit des BrüsselRegimes. Diese Auslegung von Art. 1(2)(4) EuGVÜ bzw. Art. 1(2)(d) EuGVVO a. F. wurde zwar im Allgemeinen akzeptiert.52 Zugleich zeigte die Entscheidung jedoch das Bedürfnis auf, das Problem potenziell widersprüchlicher Urteile und Schiedssprüche zu beheben.53 Während der Verhandlungen für die Reform der EuGVVO a. F. wurden mehrere Lösungen vorgeschlagen, die sich schwerpunktmäßig mit der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung als Vorfrage des Verfahrens und der daraus resultierenden

48 EuGH 12. 2. 1991, Rs. 190/89 – Marc Rich/Impianti, Schlussanträge des Generalanwalts Darmon, Slg. 1991 3855, Rn. 33, 44. 49 Hartley 63 Int’l & Comp. L. Q. (2014) 843, 847; Lando, Modern Issues in European Law, S. 109. 50 EuGH 17. 11. 1998, Rs. 391/95 – Van Uden/Deco-Line, Slg. 1998 7091, Rn. 31, 33, 34; EuGH 10. 2. 1009, Rs. 185/07 – Allianz and Generali/West Tankers, Slg. 2009 663, Rn. 22; EuGH 13. 5. 2015, Rs. 536/13 – Gazprom/Lietuvos Respublika, Slg. 2015 316, Rn. 29; auch wenn der Gerichtshof sich diesbezüglich nicht äußert, da er „nicht über ausreichende Informationen verfügt, um dem vorlegenden Gericht eine sachdienliche Antwort zu geben“ (Rn. 58), hat der Generalanwalt diesen Grundsatz in seinen Schlussanträgen wiederholt (Rn. 98): EuGH 21. 5. 2015, Rs. 352/13 – CDC/Evonik, Slg. 2015 335. 51 EuGH 17. 11. 1998, Rs. 391/95 – Van Uden/Deco-Line, Slg. 1998 7091, Rn. 33. 52 Hascher 13 Arb. Int’l (1997) 33, 37 f.; Ambrose 19(1) Arb. Int’l (2003) 3, 24 f.; van Houtte 21 Arb. Int’l (2005) 509, 513. 53 Bourque ICC Bulletin (1994) 8, 14 ff.; Audit, L’internationalisation du droit, S. 19, 27; Hascher 13 Arb. Int’l (1997) 33, 61; van Haersolte-Van Hof 18(1) J. Int’l Arb. (2001) 27, 37; Ambrose 19(1) Arb. Int’l (2003) 3, 13; van Houtte 21 Arb. Int’l (2005) 509, 513.

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen staatlicher Gerichte befassten.54 Die erste offizielle Veröffentlichung stellte der Heidelberg Report dar.55 Dieser schlug mehrere Lösungsansätze vor: die Bereichsausnahme entweder zu streichen und den Vorrang des UNÜ beizubehalten oder die Schiedsgerichtsbarkeit (teilweise) in den Anwendungsbereich der Verordnung einzubeziehen und den Gerichten am Ort des Schiedsgerichts eine ausschließliche Zuständigkeit für das Schiedsverfahren unterstützende Gerichtsverfahren zu gewähren.56 Das diesbezügliche Grünbuch der Kommission unterstützte den zweiten der beiden im Heidelberg Report gemachten Vorschläge.57 Er enthielt aber darüber hinaus weitreichende Harmonisierungsansätze wie zum Beispiel eine einheitliche Kollisionsnorm in Bezug auf das für die Gültigkeit von Schiedsvereinbarungen anwendbare Recht, um so die Wirksamkeit von Schiedsvereinbarungen über das UNÜ hinaus zu verbessern, indem abweichende Beurteilungen der Wirksamkeit durch verschiedene Gerichte in den Mitgliedstaaten vermieden würden.58 Darauf folgte ein eher moderater Vorschlag der Kommission, der nur bezüglich der Überprüfung der Schiedsvereinbarung eine Rechtshängigkeitsregel vorsah, die auf einer ausschließlichen Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats am Ort des Schiedsgerichts basierte.59 Der Vorschlag wurde damit begründet, dass dadurch der Gefahr parallel laufender Gerichts- und Schiedsverfahren vorgebeugt und der Anreiz für missbräuchliche Prozesstaktiken beseitigt würde.60 Den Wendepunkt in dieser Diskussion markiert ein Bericht an das Europäische Parlament, der im Gegensatz zu den zuvor genannten Vorschlägen vorsah, dass die Bereichsausnahme beibehalten, jedoch durch einen klarstellenden Erwägungsgrund ergänzt werden sollte.61 Dem lag die Überlegung zugrunde, dass die Schiedsgerichtsbarkeit durch die bestehenden internationalen Verträge zufriedenstellend geregelt sei und die intensive Debatte um die Aufhebung der Bereichsausnahme den Rückschluss zulasse, dass die Mitgliedstaaten noch keine konsensuale Lösung für das Problem gefunden hätten.62 Auf dieser Grundlage verabschiedete der Rat eine allgemeine Ausrichtung, welche die vorherigen Vorschläge unbeachtet ließ und in 54 Eine anschauliche Übersicht findet sich bei den Tandt 21(1) Colum. J. Eur. L. (2015) 89, 95; siehe ebenso Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 32 ff. 55 Hess/Pfeiffer/Schlosser, Brussels I Regulation. 56 Hess/Pfeiffer/Schlosser, Brussels I Regulation, Rn. 131 ff.; kritisch dazu Baumann, Schiedsgerichtsbarkeit und EuGVVO, S. 481. 57 Europäische Kommission, KOM(2009) 175 endg., S. 9. 58 Europäische Kommission, KOM(2009) 175 endg., S. 9; für kritische Auseinandersetzungen mit diesem Vorschlag siehe Pinsolle 12(4) Int. A.L.R. (2009) 62 ff.; Bienvenu/Tawil 10(3) Bus. L. Int’l (2009) 302 ff.; Magnus/Mankowski 109 ZVglRWiss (2010) 1, 21 ff.; Radicati Di Brozolo 7(3) J. Priv. Int’l L. (2011) 423, 433; Benedettelli 27(4) Arb. Int’l (2011) 583, 608 ff. 59 Europäische Kommission, KOM(2010) 748 endg., S. 38. 60 Europäische Kommission, KOM(2010) 748 endg., S. 10. 61 Europäisches Parlament, P7_TA(2010)0304, S. 8. 62 Europäisches Parlament, P7_TA(2010)0304, S. 3 f.

II. Beteiligung staatlicher Gerichte an Schiedsverfahren

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einer Fußnote zum ersten Mal den Text des später neu eingeführten ErwGr. 12 der EuGVVO enthielt.63 Nach einigen weiteren Konsultationen64 verabschiedete das Europäische Parlament am 12. Dezember 2012 schließlich die finale Version der EuGVVO. Die Schnittstelle zwischen der Schiedsgerichtsbarkeit und den Regelungen der EuGVVO wird seither in einem neuen ErwGr. 12 sowie in Art. 73(2) EuGVVO erläutert, wobei der grundsätzliche Ausschluss in Art. 1(2)(d) EuGVVO unverändert aufrechterhalten bleibt.65 Bezüglich der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung als Vorfrage des Verfahrens enthalten diese Neuerungen einige Klarstellungen, ohne dabei das Problem der Parallelverfahren effektiv zu lösen. Die wesentlichen Grundsätze enthält dabei der neu eingefügte ErwGr. 12: „Diese Verordnung sollte nicht für die Schiedsgerichtsbarkeit gelten. Sie sollte die Gerichte eines Mitgliedstaats nicht daran hindern, die Parteien gemäß dem einzelstaatlichen Recht an die Schiedsgerichtsbarkeit zu verweisen, das Verfahren auszusetzen oder einzustellen oder zu prüfen, ob die Schiedsvereinbarung hinfällig, unwirksam oder nicht erfüllbar ist, wenn sie wegen eines Streitgegenstands angerufen werden, hinsichtlich dessen die Parteien eine Schiedsvereinbarung getroffen haben. Entscheidet ein Gericht eines Mitgliedstaats, ob eine Schiedsvereinbarung hinfällig, unwirksam oder nicht erfüllbar ist, so sollte diese Entscheidung ungeachtet dessen, ob das Gericht darüber in der Hauptsache oder als Vorfrage entschieden hat, nicht den Vorschriften dieser Verordnung über die Anerkennung und Vollstreckung unterliegen. Hat hingegen ein nach dieser Verordnung oder nach einzelstaatlichem Recht zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats festgestellt, dass eine Schiedsvereinbarung hinfällig, unwirksam oder nicht erfüllbar ist, so sollte die Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache dennoch gemäß dieser Verordnung anerkannt oder vollstreckt werden können. Hiervon unberührt bleiben sollte die Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten, über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen im Einklang mit dem am 10. Juni 1958 in New York unterzeichneten Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche („Übereinkommen von New York von 1958“) zu entscheiden, das Vorrang vor dieser Verordnung hat. Diese Verordnung sollte nicht für Klagen oder Nebenverfahren insbesondere im Zusammenhang mit der Bildung eines Schiedsgerichts, den Befugnissen von Schiedsrichtern, der Durchführung eines Schiedsverfahrens oder sonstigen Aspekten eines solchen Verfahrens oder für eine Klage oder eine Entscheidung in Bezug auf die Aufhebung, die Überprüfung, die Anfechtung, die Anerkennung oder die Vollstreckung eines Schiedsspruchs gelten.“

Die Absätze 1 bis 3 des Erwägungsgrundes befassen sich dabei in Teilen mit der Überprüfung der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung als Vorfrage des Verfahrens: 63

S. 61. 64

Rat der Europäischen Union, 2010/0838 (COD), JUSTCIV 209, CODEC 1495 ADD 1,

Europäisches Parlament, COM(2010)0748 – C7 – 0433/2010 – 2010/0383(COD), S. 1; Europäisches Parlament, ABl. C 419, S. 203 f. 65 Zur Rechtsnatur des neuen Erwägungsgrundes siehe Carducci 29 Arb. Int’l (2013) 467, 470.

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

ErwGr. 12(1) EuGVVO wiederholt den Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich der Verordnung und den Vorrang von Art. II(3) UNÜ.66 Der Absatz hebt zudem die Bedeutung der nationalen Schiedsverfahrensrechte der Mitgliedstaaten hervor, indem er die Gerichte im Hinblick auf die Zuständigkeit in Verfahren mit Schiedsverfahrensbezug und die Überprüfung der Schiedsvereinbarung auf das nationale Recht verweist.67 Dies verdeutlicht, dass keine Rechtshängigkeitsregelung für Gerichtsverfahren zur Unterstützung eines Schiedsverfahrens, insbesondere bezüglich der Gültigkeit einer Schiedsvereinbarung als Vorfrage des Verfahrens, in der Verordnung enthalten ist.68 ErwGr. 12(2) EuGVVO führt weiter aus, dass Entscheidungen über die Ungültigkeit einer Schiedsvereinbarung, die durch das Gericht eines Mitgliedstaates ergangen sind, „nicht den Vorschriften dieser Verordnung über die Anerkennung und Vollstreckung unterliegen“, und zwar „ungeachtet dessen, ob das Gericht darüber in der Hauptsache oder als Vorfrage entschieden hat“. ErwGr. 12(3) EuGVVO greift diese Fallkonstellation erneut auf und stellt klar, dass „die Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache dennoch gemäß dieser Verordnung anerkannt oder vollstreckt werden“ kann. Dies bildet auch den Fall vor den italienischen Gerichten in der Rechtssache Marc Rich nach, sodass sich die damals ergangene Entscheidung unter Geltung der EuGVVO inhaltlich nicht ändern würde. Nichtsdestotrotz folgt eine Klarstellung aus dem Zusammenspiel zwischen ErwGr. 12(2) und ErwGr. 12(3): Die EuGVVO a. F. und die Rechtsprechung des EuGH hatten bisher die Möglichkeit offen gelassen, dass ein Gerichtsurteil, welches die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung als Vorfrage zum Gegenstand hatte, von den Regelungen über die Anerkennung und Vollstreckung der Verordnung profitieren konnte, wenn nur der Hauptgegenstand des Verfahrens in den Anwendungsbereich der Verordnung fiel. Dies lag zum einen daran, dass die EuGVVO a. F. sich nicht explizit zu diesem Fall äußerte. Zum anderen wurde diese Sichtweise aber auch durch die Rechtsprechung des EuGH unterstützt. In der Rechtssache Marc Rich hatte der EuGH lediglich entschieden, dass für den Fall eines Verfahrens, welches in Anbetracht seines Hauptgegenstandes nicht in den Anwendungsbereich des Brüsseler Übereinkommens fällt, „die Existenz einer Vorfrage welchen Inhalts auch immer, die das Gericht zur Entscheidung dieses Rechtsstreits zu beantworten hat, die Anwendung des Übereinkommens nicht rechtfertigen“ könne.69 Das Urteil enthielt keine Aussage zur umgekehrten Situation, in welcher der Hauptgegenstand des Verfahrens in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fällt. Daher war zu diesem Zeitpunkt noch nicht entschieden, ob eine Entscheidung über die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung als Vorfrage des Verfahrens in einem solchen Fall 66 Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 34; Baumann, Schiedsgerichtsbarkeit und EuGVVO, S. 479. 67 Carducci 29 Arb. Int’l (2013) 467, 471. 68 Linna 19(3) Int. A.L.R. (2016) 70, 72. 69 EuGH 25. 7. 1991, Rs. 190/89 – Marc Rich/Impianti, Slg. 1991 3855, Rn. 26.

II. Beteiligung staatlicher Gerichte an Schiedsverfahren

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auf die gleiche Weise von den Regelungen über die Anerkennung und Vollstreckung des Übereinkommens profitieren würde, wie dies im Hinblick auf die Entscheidung der Hauptsache der Fall war. Dieser umgekehrte Fall war jedoch Gegenstand der späteren West Tankers Entscheidung des EuGH.70 In dieser Entscheidung führte die Große Kammer aus, „dass dann, wenn ein Verfahren nach seinem Streitgegenstand, d. h. nach der Rechtsnatur der in diesem Verfahren zu sichernden Ansprüche, etwa eines Schadensersatzanspruchs, in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 fällt, eine Vorfrage, die die Anwendbarkeit einer Schiedsvereinbarung einschließlich deren Gültigkeit betrifft, ebenfalls in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fällt.“71

Folglich war zumindest die Möglichkeit offen gelassen, dass eine Entscheidung über die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung als Vorfrage des Verfahrens in den Anwendungsbereich der EuGVVO a. F. fallen könnte, sofern der Streitgegenstand des Hauptverfahrens dem Anwendungsbereich der Verordnung zuzuordnen war. Im Gegensatz dazu teilt ErwGr. 12 EuGVVO das Urteil jetzt in die Entscheidung in der Hauptsache und die Entscheidung der Ungültigkeit der Schiedsabrede als Vorfrage auf.72 Auch in dieser Konstellation soll nun ErwGr. 12(2) EuGVVO zufolge letztere „nicht den Vorschriften dieser Verordnung über die Anerkennung und Vollstreckung unterliegen“. Dadurch wird klargestellt, dass eine Entscheidung über die Ungültigkeit einer Schiedsvereinbarung, sei es als Vorfrage des Verfahrens oder als Hauptstreitgegenstand, in keinem Fall von den Regeln der EuGVVO über die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen profitieren kann. Praktische Bedeutung hat diese Klarstellung vor allem mit Blick auf die Mitgliedstaaten, in denen – anders als nach § 322 ZPO – auch Vorfragen in Rechtskraft erwachsen können. Da sich die Rechtshängigkeit in den vorhergehenden Verfahren nach ErwGr. 12(2) EuGVVO nach dem einzelstaatlichen Recht richtet,73 ist dies nach der der EuGVVO inhärenten Systematik konsequent. Denn das Fehlen einer harmonisierten Rechtshängigkeitsregelung begünstigt Parallelverfahren, sodass auch der Erlass widersprüchlicher Entscheidungen ermöglicht wird. Daher ist die Klarstellung in ErwGr. 12(2) EuGVVO systematisch korrekt, zeigt sich allerdings nur als Konsequenz der mangelhaften Regelung der Rechtshängigkeit. 70 EuGH 10. 2. 1009, Rs. 185/07 – Allianz and Generali/West Tankers, Slg. 2009 663; die Entscheidung wird unter B. II. 2. b) cc) im Detail besprochen. 71 EuGH 10. 2. 1009, Rs. 185/07 – Allianz and Generali/West Tankers, Slg. 2009 663, Rn. 26. 72 Baumann, Schiedsgerichtsbarkeit und EuGVVO, S. 480; Illmer, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 2.55; Camilleri Int’l & Comp. L.Q. (2013) 899, 904; Auda 82(2) Arbitration (2016) 122, 126; de Ly 5 Am. U. Bus. L. Rev. (2015 – 2016) 485, 505 ff.; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 2.39, 2.41. 73 Vgl. ErwGr. 12(1) S. 2 EuGVVO: „[Die Verordnung] sollte die Gerichte eines Mitgliedstaats nicht daran hindern, […] gemäß dem einzelstaatlichen Recht […] das Verfahren auszusetzen […]“.

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

Daneben besagt ErwGr. 12(3) in seinem letzten Satz, dass das UNÜ „Vorrang vor dieser Verordnung hat“. Diese Anordnung wird von Art. 73(2) EuGVVO bestätigt, folgt an sich aber auch schon aus der Bereichsausnahme des Art. 1(2)(d) EuGVVO.74 Dies hat zur Folge, dass sich der Schiedsspruch durchsetzt, wenn das Gericht eines Mitgliedstaates und ein Schiedsgericht eine Entscheidung in der gleichen Sache erlassen, sofern das Gerichtsurteil nicht bereits deklaratorisch anerkannt oder vollstreckt wurde.75 Im Ergebnis wird das Urteil eines Gerichts, welches die Gültigkeit der Schiedsabrede als Vorfrage des Verfahrens zum Gegenstand hat, diesbezüglich vom Anwendungsausschluss des Art. 1(2)(d) EuGVVO erfasst. Dieses Ergebnis folgt im Ausgangspunkt aus Art. II(3) UNÜ, welcher bestimmt, dass „das Gericht [die Parteien] auf das schiedsrichterliche Verfahren zu verweisen“ hat und somit staatlichen Gerichten die Zuständigkeit zugunsten der Schiedsgerichte versagt. In diesem Fall sind die nationalen Schiedsverfahrensgesetze der Mitgliedstaaten (welche diesbezüglich auf dem UNÜ basieren oder direkt auf dieses verweisen) anwendbar. Nur falls das angerufene Gericht „feststellt, dass die Vereinbarung hinfällig, unwirksam oder nicht erfüllbar ist“, lässt das UNÜ Raum für eine Zuständigkeit des staatlichen Gerichts in der Hauptsache. Da das UNÜ selbst keine Zuständigkeitsregelungen für den Fall enthält, dass die Schiedsvereinbarung ungültig ist, müssen andere Rechtsvorschriften Anwendung finden. Erklärt das Gericht eines Mitgliedstaates der EU eine Schiedsvereinbarung für ungültig, enthält nach den obenstehenden Ausführungen die EuGVVO diese Vorschriften. Daher bestimmt sich dann sowohl die Zuständigkeit des Gerichts als auch die Anerkennung und Vollstreckung von dessen Urteil in der Hauptsache unabhängig von der Entscheidung über die Vorfrage der Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung nach der EuGVVO. Jedoch profitiert umgekehrt die Entscheidung über die Vorfrage der Ungültigkeit der Schiedsabrede nicht von den Regeln der EuGVVO über die Anerkennung und Vollstreckung und entfaltet mangels Urteilsfreizügigkeit keine Wirkung in anderen Mitgliedstaaten. b) Die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung als Hauptstreitgegenstand Verglichen mit Gerichtsverfahren, in denen die Gültigkeit einer Schiedsvereinbarung eine Vorfrage darstellt, scheinen Hauptsacheverfahren über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung die Ausnahme zu sein.76 Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache West Tankers zeigt jedoch, dass die Feststellung der Gültigkeit einer

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Pfeiffer/Pfeiffer, in: Geimer/Schütze, Int. Rechtsverkehr, EuGVVO Art. 73 Rn. 14; Gottwald, in: MüKo ZPO, EuGVVO Art. 73 Rn. 6. 75 Siehe dazu unter B. III. 2. c). 76 Vgl. Hascher 13 Arb. Int’l (1997) 33, 42; ebenso EuGH 12. 2. 1991, Rs. 190/89 – Marc Rich/Impianti, Schlussanträge des Generalanwalts Darmon, Slg. 1991 3855, Rn. 76.

II. Beteiligung staatlicher Gerichte an Schiedsverfahren

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Schiedsvereinbarung durchaus auch in der Hauptsache praktische Relevanz haben kann.77 Bereits der Schlosser Bericht bezog sich auf diese Verfahrenskonstellation und führte aus, ein Urteil, welches die Gültigkeit der Schiedsabrede zum Gegenstand hat, falle nicht in den Anwendungsbereich des Brüsseler Übereinkommens.78 Im Einklang damit steht auch der Grundsatz des EuGH, hinsichtlich der Bestimmung des Anwendungsbereichs des Brüsseler Übereinkommens sei auf den Hauptgegenstand des Verfahrens abzustellen. Denn die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung ist elementare Grundvoraussetzung des Schiedsverfahrens und daher originärer Regelungsgegenstand des Schiedsverfahrensrechts, sodass diesbezügliche Verfahren unter den Ausschluss des Art. 1(2)(d) EuGVVO fallen. Ein Grund hierfür könnte der dadurch erreichte Schutz von Unterstützungsverfahren am Sitz des Schiedsgerichts sein, weil die dortigen Gerichte in der Regel als neutral erachtet werden.79 Der neue ErwGr. 12 der EuGVVO stützt dieses Ergebnis ebenfalls, da er in Absatz 2 explizit angibt, dass die Entscheidung eines Gerichts in einem Mitgliedstaat über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung „nicht den Vorschriften dieser Verordnung über die Anerkennung und Vollstreckung unterliegen“ soll. Folglich werden Urteile, die in der Hauptsache über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung entscheiden, von Art. 1(2)(d) EuGVVO erfasst, was zu einer Anwendbarkeit der nationalen Vorschriften der Mitgliedstaaten auf diese Verfahren führt.80

2. Prozessführungsverbote zur Unterstützung von Schiedsverfahren a) Einleitung Sobald die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung durch ein staatliches Gericht festgestellt wurde, sieht insbesondere das anglo-amerikanische Recht die Möglichkeit vor, ein Prozessführungsverbot zum Schutz des Schiedsverfahrens zu erlassen.81 Prozessführungsverbote sollen die Parteien eines Rechtsstreits daran hindern, vor einem anderen Gericht Klage zu erheben. Zweck der Regelung ist es, den geordneten Ablauf des Verfahrens zu sichern und ein race to judgment zu verhindern. 77

Für eine Besprechung der Entscheidung siehe unten Kapitel B. II. 2. b). Schlosser, ABl. EG 1979 Nr. C 59, S. 93 Rn. 64. 79 EuGH 12. 2. 1991, Rs. 190/89 – Marc Rich/Impianti, Schlussanträge des Generalanwalts Darmon, Slg. 1991 3855, Rn. 76. 80 Ebenso Bourque ICC Bulletin (1994) 8, 16; Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 43. 81 In der EU ist Großbritannien der bekannteste Mitgliedstaat, der diese auch „anti-suit injunction“ genannte Möglichkeit vorsieht: Supreme Court Act 1981, Sect. 37(1) für staatliche Gerichte; Arbitration Act 1996, Sect. 48(5)(a) für Schiedsgerichte; zum Ganzen siehe Poudret/ Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 1018 ff.; Naumann, Englische antisuit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen; Pfeiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum, S. 284 ff. 78

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

Wird das Prozessführungsverbot missachtet, kann das Gericht ein Ordnungsmittel in Form eines Bußgeldes oder anderer Disziplinarmaßnahmen erlassen,82 weshalb es sich wohl um die radikalste Form der Vermeidung von Parallelverfahren handelt.83 Grundsätzlich verfügt das Gericht bei Erlass dieser parteibezogenen Anordnung zwar über Ermessen.84 Dieses ist bei Vorliegen einer gültigen Schiedsvereinbarung jedoch stark eingeschränkt,85 sodass die Beantragung des Erlasses eines Prozessführungsverbotes gerade im Zusammenhang mit Schiedsverfahren besonders wirksam ist. Prozessführungsverbote wurden ursprünglich von der englischen equity-Gerichtsbarkeit in ihrem Kampf gegen die common law-Gerichte entwickelt86 und verbreiteten sich von dort aus in andere common law-Jurisdiktionen.87 Sie können sowohl von Schiedsgerichten als auch von staatlichen Gerichten erlassen werden, dienen aber jeweils dem gleichen Zweck.88 In der EU werden sie in der Regel nur von britischen und irischen Gerichten erlassen.89 Zuletzt ist jedoch auch ein deutsches Gericht, dessen Verfahren durch ein von einem ausländischen Gericht angeordnetes Prozessführungsverbot unterbunden werden sollte, zum Gegenangriff übergegangen und hat der das Prozessführungsverbot beantragenden Partei im Wege der einstweiligen Verfügung verboten, den Antrag auf Erlass eines Prozessführungsverbot vor dem ausländischen Gericht aufrechtzuerhalten,90 und damit in der Sache selbst ein (auf das erste Prozessführungsverbot beschränktes zweites) Prozessführungsverbot verfügt.

82 Sog. civil contempt of court, vgl. Pfeiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum, S. 306; Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, S. 11 f.; Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 1019; Illmer 5 SchiedsVZ (2011) 248, 250. 83 Kruger, Civil Jurisdiction Rules, Rn. 5.147. 84 Sog. in personam injunction, vgl. Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, S. 11, 17; Kruger, Civil Jurisdiction Rules, Rn. 5.147. 85 Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, S. 205; Illmer 5 SchiedsVZ (2011) 248, 250. 86 Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, S. 9 ff.; Pfeiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum, S. 285 ff. 87 Hartley 63 Int’l & Comp. L.Q. (2014) 843, 849; Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 1019. 88 Ojiegbe 11(2) J. Priv. Int’l L. (2015) 267, 268. 89 Radicati Di Brozolo 7(3) J. Priv. Int’l L. (2011) 423, 430; in Irland ist der Erlass von Prozessführungsverboten zwar möglich, sie wurden bisher jedoch noch nicht erlassen: siehe einzig die ablehnende Entscheidung des IEHC 7. 12. 2017, Walters & anor v. Flannery & anor, [2017] IEHC 736; zur Haltung kontinentaleuropäischer Staaten siehe Gaillard Rev. arb. (2004) 47, 53 ff.; zur deutschen Rechtslage siehe Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, S. 92 ff.; Pfeiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum, S. 330 ff. 90 LG München I, BeckRS 2019, 25536.

II. Beteiligung staatlicher Gerichte an Schiedsverfahren

41

Dies zeigt, dass Prozessführungsverbote mit grenzüberschreitender Wirkung im Hinblick auf die völkerrechtliche Doktrin der comity problematisch sind, da sie die Souveränität und Entscheidungsfreiheit ausländischer Gerichte berühren.91 Wenngleich das Prozessführungsverbot nur an die abtrünnige Partei und nicht das Gericht als staatliches Organ gerichtet ist, hindert die strafbewährte Drohung die Partei daran, ein Verfahren vor dem Gericht eines anderen Staates einzuleiten, sodass dieses erst gar nicht in die Lage versetzt wird, über seine eigene Zuständigkeit zu entscheiden.92 Im Hinblick auf das Brüssel Regime ist die entscheidende Frage allerdings nicht, ob Prozessführungsverbote zum Schutz eines Schiedsverfahrens gemäß Art. 1(2)(d) EuGVVO wegen ihres Bezuges zum Schiedsverfahren vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen sind, sondern ob sie im Allgemeinen mit den Grundgedanken der Verordnung vereinbar sind. Der Grund für eine mögliche Unvereinbarkeit ist das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens, welches den Gerichten der Mitgliedstaaten die Verpflichtung auferlegt, wechselseitig darauf zu vertrauen, dass ihre Rechtsordnungen gleichwertig sind und von den mitgliedstaatlichen Gerichten sachgerecht angewandt werden.93 Damit geht das Prinzip weiter als die Doktrin der comity, da es nicht nur gegenseitigen Respekt von den Gerichten der Mitgliedstaaten fordert, sondern vielmehr bedingungsloses Vertrauen.94 Da staatliche Gerichte und Schiedsgerichte beim Erlass von Prozessführungsverboten unterschiedlichen Vorschriften unterliegen, wird im Folgenden zwischen den beiden Spruchkörpern unterschieden. b) Prozessführungsverbote staatlicher Gerichte Ein staatliches Gericht ordnet ein Prozessführungsverbot zur Unterstützung eines Schiedsverfahrens vor allem an, um eine der Parteien daran zu hindern, das Schiedsverfahren aus taktischen Gründen zu verzögern. Da Prozessführungsverbote einen speziellen Teilbereich des anglo-amerikanischen Rechts darstellen und Großbritannien der EWG zudem erst am 1. Januar 1973 beitrat, entwickelte sich das Problembewusstsein für die Vereinbarkeit der Verbote mit europäischem Recht erst relativ spät.

91

Kruger, Civil Jurisdiction Rules, Rn. 5.151; Carducci 32 Arb. Int’l (2016) 111, 112; sie sind jedoch nicht völkerrechtswidrig, vgl. Lehmann NJW (2009) 1645, 1646; Pfeiffer, Schutz gegen Klagen im forum derogatum, S. 295 ff.; zu den Wurzeln und der Bedeutung des Grundsatzes siehe Yntema 65 Mich. L. Rev. (1965) 1, 9 ff. 92 Kruger, Civil Jurisdiction Rules, Rn. 5.151; Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 1019. 93 Kaufhold EuR 2012, 408, 430; Naumann, Englische anti-suit injunctions zur Durchsetzung von Schiedsvereinbarungen, S. 186 f. 94 Kruger, Civil Jurisdiction Rules, Rn. 5.153.

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

So thematisierten die Berichte zum Brüsseler Übereinkommen – auch der zum Beitritt des Vereinigten Königreichs – die Zulässigkeit von Prozessführungsverboten noch nicht. Englische Gerichte hatten zunächst in einigen Fällen die Ansicht vertreten, das EuGVÜ würde die Anordnung von Prozessführungsverboten nicht ausschließen.95 Dies änderte sich, als der EuGH sich in der Rechtssache Turner mit dieser Frage befasste.96 Der Fall wies keinen Bezug zur Schiedsgerichtsbarkeit auf, da das streitgegenständliche Prozessführungsverbot dem Schutz eines Verfahrens vor einem staatlichen Gericht in England und nicht eines Schiedsverfahrens dienen sollte. In seinem Urteil stellte der EuGH jedoch ohne Bezug auf eine konkrete Verfahrensart generell fest, dass die Anordnung eines grenzüberschreitenden Prozessführungsverbotes mit dem EuGVÜ unvereinbar sei, da diese das betroffene (in der Rechtssache Turner spanische) Gericht indirekt davon abhalten würde, selbst über die eigene Zuständigkeit zu entscheiden. Dies widerspreche dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens, welches dem Übereinkommen zugrunde liege.97 Die Zulässigkeit von Prozessführungsverboten zur Unterstützung eines Schiedsverfahrens war dann Gegenstand der Vorabentscheidung des EuGHs in der Rechtssache West Tankers.98 Allianz und Generali Assicurazioni forderten in diesem Verfahren vor einem italienischen Gericht als Versicherer der Firma Erg den von ihnen an West Tankers gezahlten Betrag zurück. Hintergrund der Zahlung war der Zusammenstoß eines Frachtschiffs, das Erg von West Tankers gechartert hatte, mit einem Landungssteg der Firma Erg in Italien. Der Chartervertrag zwischen West Tankers und Erg enthielt eine Schiedsvereinbarung zugunsten eines Schiedsgerichts in London. Unter Berufung auf diese Schiedsvereinbarung initiierte West Tankers ein paralleles Verfahren vor dem High Court of Justice. Dort beantragte West Tankers die Feststellung der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung sowie den Erlass eines Prozessführungsverbots gegen die Versicherer, das diese von der Fortsetzung des Verfahrens in Italien abhalten sollte. Nachdem der High Court zugunsten von West Tankers entschieden hatte und die Versicherer gegen das Urteil Berufung einlegten, legte das House of Lords dem EuGH die Frage vor, ob „es mit der Verordnung Nr. 44/2001 vereinbar [ist], dass ein Gericht eines Mitgliedstaats eine Entscheidung erlässt, wonach eine Person es zu unterlassen hat, ein Verfahren in einem

95

Court of Appeal 10. 11. 1993, Continental Bank N.A. v. Aeokos Compania Naviera S.A., [1994] 1 W.L.R. 588; Court of Appeal 17. 5. 1994, Aggeliki Charis Compania Maritima S.A. v. Pagnan S.P.A., [1995] 1 Lloyd’s Rep. 87; Court of Appeal 12. 07. 1996, Philip Alexander Securities & Future Ltd. v Bamberger, [1996] C.L.C. 1757; für eine Übersicht von entsprechenden Fällen siehe auch Kruger, Civil Jurisdiction Rules, Rn. 5.162 ff.; Hartley 49 Int’l & Comp. L.Q. (2000) 166, 170 f. 96 EuGH 27. 4. 2004, Rs. 159/02 – Turner/Grovit, Slg. 2004 3565. 97 EuGH 27. 4. 2004, Rs. 159/02 – Turner/Grovit, Slg. 2004 3565, Rn. 28, 31. 98 EuGH 10. 2. 1009, Rs. 185/07 – Allianz and Generali/West Tankers, Slg. 2009 663.

II. Beteiligung staatlicher Gerichte an Schiedsverfahren

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anderen Mitgliedstaat einzuleiten oder fortzuführen, weil ein solches Verfahren gegen eine Schiedsvereinbarung verstößt“.99

Zunächst wiederholte der Gerichtshof die Grundsätze, die er in den Rechtssachen Marc Rich und Van Uden aufgestellt hatte, und zog die logische Konsequenz, dass „[e]in Verfahren wie das Ausgangsverfahren, das zum Erlass einer ,anti-suit injunction‘ führt, […] nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 44/2001 fallen“ kann.100 Dennoch befand die Große Kammer, die Anordnung eines Prozessführungsverbotes sei mit der EuGVVO a. F. unvereinbar.101 Dieses Ergebnis begründete das Gericht damit, dass die Anordnung eines Prozessführungsverbotes unabhängig davon, dass dieses nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung falle, deren Effektivität unterlaufen würde indem sie ein anderes Gericht davon abhielte, die ihm aufgrund der Verordnung zukommende Zuständigkeit auszuüben.102 Daher sei bezüglich der Zulässigkeit von Prozessführungsverboten auf den Gegenstand des Verfahrens abzustellen, das durch das Prozessführungsverbot verhindert werden solle. Im vorliegenden Fall waren die von Erg an ihre Versicherer abgetretenen Schadensersatzansprüche Gegenstand des Verfahrens vor dem italienischen Gericht. Nach der Rechtsprechung des EuGH in der Rechtssache Marc Rich schließt die Entscheidung eines Gerichts über die Schiedseinrede die Anwendbarkeit der Verordnung auf das in der Folge ergehende Urteil in der Hauptsache nicht aus.103 Demnach fiel auch das Verfahren vor den italienischen Gerichten in den Anwendungsbereich der EuGVVO a. F. Folglich hinderte das vom High Court erlassene Prozessführungsverbot die italienischen Gerichte an der Ausübung ihrer Zuständigkeit nach Art. 5(3) EuGVVO a. F., sodass die Anordnung des Prozessführungsverbots für unzulässig erklärt wurde. Somit schob das Urteil des EuGH der Möglichkeit englischer Gerichte, Prozessführungsverbote zur Unterstützung von Schiedsverfahren zu erlassen und dadurch parallele Verfahren vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaates zu verhindern, einen Riegel vor. Das Urteil rief viel Kritik hervor, da es einen bis dahin gangbaren Weg zur frühzeitigen Verhinderung von Parallelverfahren und Torpedoklagen verstellte.104 Während des Überarbeitungsprozesses der EuGVVO a. F. stellte der Heidelberg 99 EuGH 10. 2. 2009, Rs. 185/07 – Allianz and Generali/West Tankers, Slg. 2009 663, Rn. 18. 100 EuGH 10. 2. 2009, Rs. 185/07 – Allianz and Generali/West Tankers, Slg. 2009 663, Rn. 22, 23. 101 EuGH 10. 2. 2009, Rs. 185/07 – Allianz and Generali/West Tankers, Slg. 2009 663, Rn. 32. 102 EuGH 10. 2. 2009, Rs. 185/07 – Allianz and Generali/West Tankers, Slg. 2009 663, Rn. 24. 103 Siehe oben unter B. II. 1. 104 Illmer 4 IPRax (2009) 312; Seriki 1 J.B.L. (2010) 1, 24; Dutson/Howarth 75(3) Arbitration (2009) 334; Dickler, Schiedsgerichtsbarkeit und Reform der EuGVVO, S. 15 ff.; Lehmann NJW (2009) 1645, 1646 f., Bendetelli 27(4) Arb. Int’l (2011) 583, 587 ff.; Baumann, Schiedsgerichtsbarkeit und EuGVVO, S. 475.

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

Report, der noch vor dem Urteil in der Rechtssache West Tankers veröffentlicht wurde, fest, dass dieses die Zukunft der Prozessführungsverbote bestimmen würde. Den Verfassern zufolge wäre eine sich auf die Schiedsvereinbarung berufende Partei jedoch ohnehin besser geschützt, wenn Schiedsverfahren im Einklang mit dem unterbreiteten Vorschlag in den Anwendungsbereich der Verordnung fielen und die Gerichte am Sitz des Schiedsgerichts über eine ausschließliche Zuständigkeit verfügen würden. Diese These begründeten sie damit, dass ihrem Vorschlag zufolge ein die Schiedsvereinbarung bestätigendes Gerichtsurteil am Sitz des Schiedsgerichts durch andere Gerichte in der EU anerkannt werden müsste, sodass diese sich in der Hauptsache nicht mehr für zuständig erklären könnten.105 Schlosser wiederholte diese Begründung später, nachdem das Urteil in der Rechtssache West Tankers ergangen war.106 Das Grünbuch und der folgende Vorschlag der Kommission befassten sich jedoch nicht mit der Zulässigkeit von Prozessführungsverboten. Da sie sich jedoch größtenteils dem Vorschlag des Heidelberg Report anschlossen, ließ sich die dort vorgebrachte Argumentation übertragen, was zumindest in Teilen Zustimmung fand.107 Der den Vorschlag ablehnende Bericht des Europäischen Parlaments wurde nach Verkündung des Urteils in der Rechtssache West Tankers veröffentlicht und setzte sich für eine Rückkehr zum status quo – also die Zulässigkeit von Prozessführungsverboten zur Unterstützung von Schiedsverfahren – ein, soweit diese mit dem freien Personenverkehr und den Grundrechten vereinbar sind.108 Die darauf folgende allgemeine Ausrichtung des Rates brachte dann bereits ErwGr. 12 in seiner jetzigen Form in den Überarbeitungsprozess ein.109 Die Auswirkungen von ErwGr. 12 EuGVVO auf die Zulässigkeit von Prozessführungsverboten zur Unterstützung von Schiedsverfahren sind umstritten. Teilweise wird vertreten, der neue Erwägungsgrund führe dazu, dass die grenzüberschreitende Anordnung von anti-suit injunctions zur Unterstützung von Schiedsverfahren durch englische Gerichte wieder zulässig sei.110 Dieser Ansicht war auch Generalanwalt Wathelet in seinen Schlussanträgen zu der später durch den EuGH entschiedenen Rechtssache Gazprom.111 Er vertrat dort 105

Hess/Pfeiffer/Schlosser, Brussels I Regulation, Rn. 122. Schlosser 12(4) Int. A.L.R. (2009) 45, 46. 107 Carducci 27(2) Arb. Int’l (2011) 171, 190 ff.; Estrup Ippolito/Adler-Nissen 79(2) Arbitration (2013) 158, 165. 108 Europäisches Parlament, EUR. PARL. Doc. 2009/2140 (INI), S. 5 ff.; für eine Stellungnahme gegen diesen Vorschlag siehe Radicati Di Brozolo 7(3) J. Priv. Int’l L. (2011) 423, 430 ff. 109 Rat der Europäischen Union, 2010/0838 (COD), JUSTCIV 209, CODEC 1495 ADD 1, S. 61. 110 Nuyts 102 Revue critique du droit international privé (2013) 1, 15; Kindler, Prozessführungsverbote zwischen Brüssel Ia und Schiedsgerichtsbarkeit, S. 325. 111 EuGH 13. 5. 2015, Rs. 536/13 – Gazprom/Lietuvos Respublika, Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet, Slg. 2015 316, Rn. 132 ff.; da die Entscheidung ein durch ein 106

II. Beteiligung staatlicher Gerichte an Schiedsverfahren

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die Auffassung, das Prozessführungsverbot in der Rechtssache West Tankers wäre nicht als mit der EuGVVO a. F. unvereinbar erachtet worden, wenn ErwGr. 12 der EuGVVO schon gegolten hätte. Als Begründung gab er an, aus ErwGr. 12(2) EuGVVO folge seiner Ansicht nach, dass die inzidente Entscheidung über die Gültigkeit einer Schiedsvereinbarung grundsätzlich vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen sei. Dies gelte ungeachtet dessen, ob das Gericht über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung in der Hauptsache oder als Vorfrage entschieden hat.112 Nach Wathelet soll ErwGr. 12(3) EuGVVO erst ab dem Zeitpunkt der Entscheidung über die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung auf das Urteil in der Hauptsache Anwendung finden. Bis dahin sei der Erlass eines Prozessführungsverbots möglich, da die Entscheidung über die Vorfrage der Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung (noch) nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung falle, sodass es sich (noch) nicht um ein Verfahren im Anwendungsbereich der Verordnung handele – danach hingegen schon. Daneben bezog er sich auch auf die Entstehungsgeschichte des Erwägungsgrundes, und dabei insbesondere auf den zuvor genannten Bericht des Europäischen Parlaments, demzufolge der Erlass von Prozessführungsverboten wieder zulässig sein sollte.113 Schließlich wird diese Auslegung Wathelets Ansicht nach auch durch ErwGr. 12(4) EuGVVO getragen, der „Nebenverfahren“ im Zusammenhang mit der Durchführung eines Schiedsverfahrens vom Anwendungsbereich der Verordnung ausschließt. Darunter falle ihm zufolge auch der Erlass eines Prozessführungsverbots durch ein staatliches Gericht.114 Diese Begründung wurde teilweise abgelehnt, da sie übersehe, dass ErwGr. 12 EuGVVO sich in den relevanten Teilen nur auf die Regeln zur Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen und nicht auch auf die Zuständigkeitsregeln beziehe. Folglich seien Urteile zur Gültigkeit von Schiedsabreden nicht vollständig vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen. Das Urteil des EuGHs in der Rechtssache West Tankers beanspruche demnach weiterhin Gültigkeit.115 Neben diesem berechtigten Punkt stellt sich Wathelets Aufteilung ein und desselben Falls in zwei Teile aber wohl als das Ergebnis einer Überinterpretation von ErwGr. 12 EuGVVO dar. Die zeitliche Trennung einer Rechtssache im Hinblick auf ihre Zugehörigkeit zum Anwendungsbereich der Verordnung erscheint unüblich und würde den Wettlauf zu den Gerichten verstärken. Es würde von der Dauer der Schiedsgericht angeordnetes Prozessführungsverbot zum Gegenstand hatte, wird sie erst im nächsten Kapitel ausführlich dargestellt, siehe unten B. II. 2. c). 112 EuGH 13. 5. 2015, Rs. 536/13 – Gazprom/Lietuvos Respublika, Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet, Slg. 2015 316, Rn. 134 f. 113 EuGH 13. 5. 2015, Rs. 536/13 – Gazprom/Lietuvos Respublika, Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet, Slg. 2015 316, Rn. 132. 114 EuGH 13. 5. 2015, Rs. 536/13 – Gazprom/Lietuvos Respublika, Schlussanträge des Generalanwalts Wathelet, Slg. 2015 316, Rn. 137 f. 115 Demirkol 65 Int’l & Comp. L.Q. (2016) 379, 399; Hartley, 64 Int’l & Comp. L.Q. (2015) 965, 971 ff.; eingehend unter Berücksichtigung weiterer Kritikpunkte Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 38 ff.

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

Entscheidung des (in der Rechtssache West Tankers italienischen) Gerichts über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung abhängen, wie lange englische Gerichte in der Lage wären, die Fortsetzung dieses Verfahrens durch den Erlass eines Prozessführungsverbots zu verhindern. Dies läuft der Rechtssicherheit zuwider. Zudem müssen ErwGr. 12(2) EuGVVO und ErwGr. 12(3) EuGVVO zusammen gelesen werden.116 Danach hängt es vom Ergebnis der inzidenten Beurteilung der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung ab, ob das Urteil in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt oder nicht. Ist die Schiedsvereinbarung nach dem Urteil des staatlichen Gerichts gültig, findet das Verfahren vor diesem Gericht damit sein Ende und das Urteil fällt im Einklang mit ErwGr. 12(2) EuGVVO nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung. Ist die Schiedsvereinbarung hingegen ungültig, kann das staatliche Gericht das Verfahren in der Hauptsache fortsetzen und in dieser ein Urteil erlassen. Dieses fällt dann gemäß ErwGr. 12(3) EuGVVO in den Anwendungsbereich der Verordnung. Tatsächlich trennt ErwGr. 12(2) EuGVVO die inzidente Entscheidung über die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung hinsichtlich der Anerkennung und Vollstreckung von der Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache. Daraus folgt jedoch nur, dass die Gerichte anderer Mitgliedstaaten durch die Entscheidung über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung nicht gebunden sind, und nicht, dass das gesamte Verfahren vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen ist, bis diese Entscheidung getroffen wurde. Anderenfalls würde die bloße Behauptung der Existenz einer gültigen Schiedsvereinbarung den Parteien die Möglichkeit einräumen, dieses Verfahren, bis das Gericht die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung festgestellt hat, mit einer anti-suit injunction zu unterlaufen. Die Argumentation Wathelets führt damit zu einer künstlichen und ergebnisorientierten Wiederherstellung des status quo vor der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache West Tankers, die durch die Einführung von ErwGr. 12 EuGVVO nicht intendiert war. Im Ergebnis vermag Wathelet daher nicht zu überzeugen. Damit übereinstimmend vertritt auch die überwiegende Meinung in der Literatur die Ansicht, ErwGr. 12 EuGVVO betreffe Prozessführungsverbote staatlicher Gerichte gar nicht, sodass weiterhin von deren Unzulässigkeit auszugehen sei.117 Die überzeugendste Erklärung hierfür dürfte wohl sein, dass auch die neue Fassung der EuGVVO auf dem Prinzip des gegenseitigen Vertrauens basiert.118

116

So i. E. auch Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 38 ff. Baumann, Schiedsgerichtsbarkeit und EuGVVO, S. 480; Carducci 29 Arb. Int’l (2013) 467, 488 ff.; Carducci 24 Am. Rev. Int’l Arb. (2013) 515, 543; Camilleri 62 Int’l & Comp. L.Q. (2013) 899, 916; Ojiegbe 11(2) J. Priv. Int’l L. (2015) 267, 278; Hartley 63 Int’l & Comp. L.Q. (2014) 843, 858; Hartley 64 Int’l & Comp. L.Q. (2015) 965, 972; Estrup Ippolito/Adler-Nissen 79(2) Arbitration (2013) 158, 169 ff.; de Ly 5 Am. U. Bus. L. Rev. (2015 – 2016) 485, 501; Moses 35 Nw. J. Int’l L. & Bus. (2014) 1, 24 ff.; Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 37 ff.; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 2.28. 118 Brengesjö 17(2) Int. A.L.R. (2014) 43, 52; Demirkol 65 Int’l & Comp. L.Q. (2016) 379, 400. 117

II. Beteiligung staatlicher Gerichte an Schiedsverfahren

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Letzten Endes wird erneut nur der EuGH in der Lage sein, über die Zulässigkeit von Prozessführungsverboten staatlicher Gerichte unter der EuGVVO Klarheit zu schaffen. Nachdem das zukünftige Verhältnis zwischen der EU und Großbritannien aufgrund des Brexit jedoch mehr als unsicher erscheint, liegt die Annahme nahe, dass der EuGH sich mit dieser Frage nicht mehr wird befassen müssen. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn dem EuGH die Frage nach der Zulässigkeit der Anordnung von Prozessführungsverboten durch irische Gerichte – oder aber einer Gegenanordnung durch deutsche Gerichte – vorgelegt würde. Sollte der Brexit dazu führen, dass die EuGVVO für Großbritannien nicht mehr gilt, müssten die Gerichte dort auch kein Vertrauen mehr in die Rechtssysteme der Mitgliedstaaten der EU setzen. In diesem Fall könnten englische Gerichte wieder Prozessführungsverbote anordnen, und zwar selbst dann, wenn das gegenständliche Verfahren von einem Gericht innerhalb der EU geführt wird.119 Alternativ könnte im Verhältnis Großbritanniens zu den Mitgliedstaaten gegebenenfalls auch das EuGVÜ wiederaufleben.120 Dann bliebe die Anordnung von Prozessführungsverboten weiterhin unzulässig, da der EuGH den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens gerade im Anwendungsbereich des EuGVÜ entwickelt hatte.121 Da die EuGVVO a. F. nach ErwGr. 8 EuGVVO aber das EuGVÜ „im Verhältnis der Mitgliedstaaten zueinander […] hinsichtlich der Hoheitsgebiete der Mitgliedstaaten ersetzt“ hat, wird dieser Fall nach dem Brexit voraussichtlich nicht eintreten. Im Ergebnis ist daher davon auszugehen, dass es infolge der fehlenden Anwendbarkeit europäischen Rechts zu einem Wiederaufleben gerichtlicher Prozessführungsverbote englischer Gerichte gegenüber den Gerichten in der EU kommen wird.

119 So auch Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 42; SchmidtAhrendts/de Jong 5 SchiedsVZ (2018) 281, 283 f.; für eine allgemeine Diskussion siehe Davies/ Kirsey 33(4/1) J. Int’l Arb. (2016) 501 ff.; Masters QC/McRae 33(4/1) J. Int’l Arb. (2016) 483 ff.; Ndolo/Liu, Revisiting Anti-Suit Injunctions Post Brexit: Some Lessons from the US, Kluwer Arbitration Blog, 23.3.218, verfügbar unter http://arbitrationblog.kluwerarbitration. com/2018/03/23/revisiting-anti-suit-injunctions-post-brexit-lessons-us/, zuletzt aufgerufen am 3. 8. 2018; für eine Stellungnahme zu den positiven Auswirkungen des Brexit auf englische antisuit injunctions siehe Cannon/Naish/Ambrose, Anti-suit Injunctions and Arbitration in London Post-Brexit, Kluwer Arbitration Blog, 27. 7. 2016, verfügbar unter http://kluwerarbitrationblog. com/2016/07/27/when-life-gives-you-lemons-make-lemonade-anti-suit-injunctions-and-arbitra tion-in-london-post-brexit/, zuletzt aufgerufen am 28. 7. 2016; für eine negative Stellungnahme zu den Auswirkungen des Brexit auf den englischen Rechtsmarkt im allgemeinen siehe Hess/ Requejo Isidro, Brexit – Immediate Consequences on the London Judicial Market, Kluwer Arbitration Blog, 29. 6. 2016, verfügbar unter http://kluwerarbitrationblog.com/2016/06/29/bre xit-immediate-consequences-on-the-london-judicial-market/, zuletzt aufgerufen am 2. 7. 2016. 120 So Lehmann/Zetzsche JZ 2017, 62, 70; a. A. Hess, IPRax 2016, 409, 413; Sonnentag, Die Konsequenzen des Brexits für das IPR/IZVR, S. 80. 121 EuGH 9. 12. 2003, Rs. 116/02 – Gasser/Misat, Slg. 2003 14693, Rn. 72; EuGH 27. 4. 2004, Rs. 159/02 – Turner/Grovit, Slg. 2004 3565, Rn. 24 f.

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

c) Schiedsgerichtliche Prozessführungsverbote Die EuGVVO regelt lediglich die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsentscheidungen in Zivil- und Handelssachen. Schiedsverfahren im Allgemeinen – und daher auch solche, die Prozessführungsverbote betreffen – sind vom Anwendungsbereich ausgeschlossen. Daher kann sich die Frage einer Unvereinbarkeit schiedsgerichtlicher Prozessführungsverbote eigentlich erst nach Erlass des Schiedsspruchs stellen, wenn dieser von nationalen Gerichten anerkannt oder vollstreckt werden soll. Da dieses Kapitel die möglichen Berührungspunkte staatlicher Gerichte mit Schiedsverfahren in chronologischer Reihenfolge darstellt, dürften schiedsgerichtliche Prozessführungsverbote daher eigentlich erst später behandelt werden.122 Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache West Tankers rechtfertigt jedoch eine Erörterung der Thematik bereits an dieser Stelle, da sie bei manchen Parteien offenbar Verwirrung hinsichtlich der Zulässigkeit von schiedsgerichtlichen Prozessführungsverboten hervorgerufen hat. In Abhängigkeit von der anwendbaren Schiedsordnung kann möglicherweise auch das Schiedsgericht selbst ein Prozessführungsverbot erlassen und die Parteien dadurch daran hindern, vor einem staatlichen Gericht Klage zu erheben. In England enthält das nationale Schiedsverfahrensgesetz in Sect. 48 eine ausdrückliche Aufzählung möglicher Anordnungen durch das Schiedsgericht.123 Nach Sect. 48(5)(a) können Schiedsrichter genauso wie staatliche Richter gegenüber den Parteien jedwedes Tun oder Unterlassen anordnen – also auch Prozessführungsverbote zum Schutz des eigenen Verfahrens erlassen.124 Obwohl dies eigentlich zunächst die Anwendbarkeit des englischen Schiedsverfahrensrechts voraussetzen würde, ist die Befugnis des Schiedsgerichts, Anordnungen nach Sect. 48 des englischen Schiedsverfahrensrechts zu treffen, unabhängig vom anwendbaren Schiedsrecht allgemein anerkannt.125 Die Befugnis hierzu findet ihre Rechtsgrundlage abseits des englischen Rechts in dem Prinzip der Kompetenz-Kompetenz. Wenn das Schiedsgericht schon die Befugnis inne hat, über seine eigene Zuständigkeit zu entscheiden, müsse es auch Streitigkeiten über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung entscheiden und Strafen wegen einer Missachtung derselben verhängen können.126 Zudem sei die Anordnung von Prozessführungsverboten durch Schiedsrichter gegebenenfalls nötig, um deren Verpflichtung sicherzustellen, alle zum Schutz des künftigen Schiedsspruchs erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen.127 Erst nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache West Tankers lenkte die Rechtssache „Gazprom“ OAO v Lietuvos Respublika die Aufmerksamkeit auf eine 122

Zur Anerkennung und Vollstreckung siehe unten Kapitel B. II. 6. UK Arbitration Act 1996. 124 Raphael, The Anti-suit Injunction, S. 196 ff. 125 Brengesjö 17(2) Int. A.L.R. (2014) 43, 55; Demirkol 65 Int’l & Comp. L.Q. (2016) 379, 383. 126 Gaillard, Anti-suit Injunctions Issued by Arbitrators, S. 236. 127 Lea´n˜ez 14 V. J. Int’l C. L. & Arb. (2010) 33, 35. 123

II. Beteiligung staatlicher Gerichte an Schiedsverfahren

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mögliche Unzulässigkeit von schiedsgerichtlichen Prozessführungsverboten.128 In dieser Rechtssache hatte zunächst die Republik Litauen als eine der Hauptaktionärinnen der Gesellschaft Lietuvos dujos AB eine Klage vor litauischen Gerichten erhoben, um eine Untersuchung angeblich nicht ordnungsgemäßer Tätigkeiten des Generaldirektors sowie der von Gazprom (als eine andere Hauptaktionärin der Gesellschaft) berufenen Mitglieder des Vorstands einleiten zu lassen.129 Die Aktionärsvereinbarung enthielt jedoch eine Schiedsvereinbarung, auf die sich Gazprom berief und ein Schiedsverfahren beim Schiedsgerichtsinstitut der Stockholmer Handelskammer einleitete.130 In diesem Schiedsverfahren stellte Gazprom unter anderem den Antrag, der Republik Litauen aufzugeben, das Verfahren vor den litauischen Gerichten zu beenden. Das Schiedsgericht kam diesem Antrag in Form eines Schiedsspruchs nach. Diesen wollte Gazprom in der Folge vor dem litauischen Gericht, bei dem das betroffene Verfahren anhängig war, vollstrecken lassen. Dieses Vollstreckungsverfahren ging schließlich bis vor den Obersten Gerichtshof Litauens, welcher dem EuGH die Frage vorlegte, „ob die Verordnung Nr. 44/2001 dahin auszulegen ist, dass sie einem Gericht eines Mitgliedstaats die Anerkennung und Vollstreckung oder die Versagung der Anerkennung und Vollstreckung in Bezug auf einen Schiedsspruch verwehrt, der es einer Partei untersagt, bei einem Gericht dieses Mitgliedstaats bestimmte Anträge zu stellen“.131

Es zog diese Möglichkeit in Erwägung, da „ein Schiedsspruch, der es einer Partei untersagt, bei einem nationalen Gericht bestimmte Anträge zu stellen, die praktische Wirksamkeit der Verordnung Nr. 44/2001 in dem Sinne beeinträchtigen [könnte], dass er dieses Gericht in der Ausübung seiner Befugnis beschränkt, selbst darüber zu entscheiden, ob es für einen Rechtsstreit, der in den Anwendungsbereich der genannten Verordnung fällt, zuständig ist“.132

Damit nahm das vorlegende Gericht offensichtlich Bezug auf die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache West Tankers. Der Gerichtshof wiederholte die von ihm in den Rechssachen Marc Rich und West Tankers aufgestellten Grundsätze, ehe er die Aufmerksamkeit auf einen grundlegenden Unterschied zwischen der ihm zur Entscheidung vorgelegten Rechtssache und seiner Entscheidung in der Rechtssache West Tankers lenkte: Während Gegenstand der Rechtssache West Tankers ein durch ein staatliches Gericht angeordnetes Prozessführungsverbot war, erging in der Rechtssache Gazprom ein Schiedsspruch, der ein Prozessführungsverbot enthielt und anschließend von staatlichen Gerichten vollstreckt werden sollte.133 Aufgrund der Verschiedenheit zwischen den 128 129 130 131 132 133

EuGH 13. 5. 2015, Rs. 536/13 – Gazprom/Lietuvos Respublika, Slg. 2015 316. EuGH 13. 5. 2015, Rs. 536/13 – Gazprom/Lietuvos Respublika, Slg. 2015 316, Rn. 14. EuGH 13. 5. 2015, Rs. 536/13 – Gazprom/Lietuvos Respublika, Slg. 2015 316, Rn. 16. EuGH 13. 5. 2015, Rs. 536/13 – Gazprom/Lietuvos Respublika, Slg. 2015 316, Rn. 27. EuGH 13. 5. 2015, Rs. 536/13 – Gazprom/Lietuvos Respublika, Slg. 2015 316, Rn. 31. EuGH 13. 5. 2015, Rs. 536/13 – Gazprom/Lietuvos Respublika, Slg. 2015 316, Rn. 35.

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

anordnenden Spruchkörpern befand der Gerichtshof, dass kein Konflikt unter der EuGVVO a. F. vorläge, da diese nur Zuständigkeitskonflikte zwischen Gerichten der Mitgliedstaaten regele. Folglich käme bei Beteiligung eines Schiedsgerichts auch kein Verstoß gegen das Prinzip des gegenseitigen Vertrauens in Betracht.134 Zudem führte das Gericht aus, die durch den Schiedsspruch belastete Partei könne sich in dem diesen betreffenden Verfahren der Anerkennung und Vollstreckung widersetzen, sodass „das angerufene Gericht auf der Grundlage des nationalen Verfahrensrechts und der anwendbaren völkerrechtlichen Vorschriften festzustellen hätte, ob dieser Schiedsspruch anzuerkennen und zu vollstrecken ist oder nicht“.135 In den meisten Fällen stelle das UNÜ das anwendbare Völkerrecht dar, was den Gerichtshof zu der Folgerung führte, dass die ihm vorgelegte Frage negativ zu beantworten sei. Diese Entscheidung hatte zur Folge, dass die EuGVVO a. F. die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen, die ein Prozessführungsverbot beinhalten, nicht beeinflusst.136 Dieses Ergebnis war bereits vorhergesagt worden ehe das Urteil ergangen war137 und fand auch danach breite Zustimmung.138 Wenn zuvor nicht die Entscheidung in der Rechtssache West Tankers ergangen wäre, hätte der Fall höchstwahrscheinlich keiner Klärung durch den EuGH bedurft, da keine Verwirrung bezüglich der auf Gerichtsurteile und Schiedssprüche anwendbaren Rechtsinstrumente entstanden wäre. Niemand hätte angenommen, dass die EuGVVO a. F. der Vollstreckung eines Schiedsspruches entgegenstehen könnte – unabhängig von dessen Inhalt. Erst nachdem das Problem des Erlasses von Prozessführungsverboten durch nationale Gerichte zutage getreten war, bestand die Versuchung die vom EuGH in West Tankers gegebene Begründung für deren Unzulässigkeit auch auf schiedsgerichtliche Prozessführungsverbote zu übertragen. Dabei wurde jedoch übersehen, dass diese Begründung zumindest die Möglichkeit einer Anwendung der EuGVVO a. F. voraussetzte. Diese Möglichkeit besteht im Hinblick auf die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen jedoch nicht, da sich diese nach nationalem Prozessrecht und völkerrechtlichen Vorschriften richtet. Im Rahmen der Überarbeitung der EuGVVO a. F. wurde dies durch die Einführung von Art. 73(2) EuGVVO nochmals hervorgehoben. Denn diesem zufolge lässt die Verordnung die Anwendung des UNÜ unberührt. Darüber hinaus manifestiert auch ErwGr. 12(3) S. 2 EuGVVO den Vorrang des UNÜ. Folglich fallen schiedsgerichtliche Prozessführungsverbote nicht in den Anwendungsbereich der EuGVVO. 134

EuGH 13. 5. 2015, Rs. 536/13 – Gazprom/Lietuvos Respublika, Slg. 2015 316, Rn. 36 f. EuGH 13. 5. 2015, Rs. 536/13 – Gazprom/Lietuvos Respublika, Slg. 2015 316, Rn. 38. 136 EuGH 13. 5. 2015, Rs. 536/13 – Gazprom/Lietuvos Respublika, Slg. 2015 316, Rn. 44. 137 Hartley 63 Int’l & Comp. L.Q. (2014) 843, 855 ff. 138 Carducci 32 Arb. Int’l (2016) 111 ff.; Ojiegbe 11(2) J. Priv. Int’l L. (2015) 267 ff.; Demirkol 65 Int’l & Comp. L.Q. (2016) 379 ff.; Hartley 64 Int’l & Comp. L.Q. (2015) 965, 973; de Ly 5 Am. U. Bus. L. Rev. (2015 – 2016) 485, 502 ff.; Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 46 ff.; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 2.27 f. 135

II. Beteiligung staatlicher Gerichte an Schiedsverfahren

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3. Maßnahmen zur Unterstützung des Schiedsverfahrens Wenn eine der Parteien sich nicht an die zuvor getroffene Schiedsvereinbarung hält und bei der Bildung des Schiedsgerichts nicht mitwirkt, muss diese zur Gewährleistung der Effektivität des Schiedsverfahrens zumindest insoweit durch eine andere Instanz ersetzt werden. In den meisten Fällen nimmt die Schiedsvereinbarung Bezug auf die Schiedsordnung einer Schiedsinstitution. Diese geben in der Regel vor, dass das Schiedsgericht die Befugnis hat, unterstützende Maßnahmen zu ergreifen.139 Solche Maßnahmen können zum Beispiel die ersatzweise Bestellung eines Schiedsrichters oder dessen Abweisung betreffen, aber auch die Bestimmung des Schiedsortes oder die Verlängerung einer Frist. Sollte die Schiedsvereinbarung jedoch nicht auf die Schiedsordnung einer Schiedsinstitution verweisen, müssen diese Maßnahmen auf Antrag auch von staatlichen Gerichten angeordnet werden. Die genannten Maßnahmen sind alle eng mit der Durchführung des eigentlichen Schiedsverfahrens verbunden und oftmals – zumindest indirekt durch Verweis auf eine Schiedsordnung – bereits Gegenstand der Schiedsvereinbarung. Sollte dies nicht der Fall sein, bestimmen die nationalen Schiedsverfahrensgesetze die vorgeschriebene Vorgehensweise. Da es sich jedoch um Hilfsmaßnahmen für ein Schiedsverfahren handelt, fallen diese nicht in den Anwendungsbereich der EuGVVO.140 Dieser Ausschluss überzeugt auch inhaltlich, weil im Rahmen der Unterstützungsmaßnahmen kaum eine Fallgestaltung vorstellbar ist, die der grenzüberschreitenden Anerkennung und Vollstreckung einer Entscheidung bedürfte. Dies wurde bereits in den Berichten zum Brüsseler Übereinkommen festgestellt,141 durch den EuGH in den Rechtssachen Marc Rich und Van Uden bestätigt und wird jetzt in ErwGr. 12(4) EuGVVO ausdrücklich adressiert. Dieser besagt, dass „[d]iese Verordnung […] nicht für Klagen oder Nebenverfahren insbesondere im Zusammenhang mit der Bildung eines Schiedsgerichts, den Befugnissen von Schiedsrichtern, der Durchführung eines Schiedsverfahrens oder sonstigen Aspekten eines solchen Verfahrens“

gelten soll. Da Maßnahmen zur Unterstützung des Schiedsverfahrens regelmäßig nicht den Hauptstreitgegenstand bilden, fallen diese ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich der EuGVVO, sondern sind Gegenstand der nationalen Verfahrensvorschriften der Mitgliedstaaten.

139 So z. B. UNCITRAL Rules, Art. 6 – 10, 14; ICC Rules, Art. 12 – 15, 18; LCIA Rules, Art. 5, 7, 10, 11; SCC Rules, Art. 13, 15, 17, 20; DIS Rules, Sect. 2, 14. 140 Ebenso Bourque ICC Bulletin (1994) 8, 16; Baumann, Schiedsgerichtsbarkeit und EuGVVO, S. 470, 478. 141 Schlosser, ABl. EG vom 05. 3. 1979 Nr. C 59, S. 93 Rn. 64; Evrigenis/Kerameus, ABl. EG vom 24. 11. 1986 Nr. C 298, S. 10 Rn. 35.

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

4. Einstweilige Maßnahmen a) Einleitung Die Beantragung einer einstweiligen Maßnahme durch eine der Parteien kann schon erforderlich werden, ehe das Schiedsgericht gebildet wurde. In der Regel wird ein derartiger Antrag jedoch erst während des laufenden Schiedsverfahrens gestellt. Einstweilige Maßnahmen können je nach Rechtsordung in unterschiedlichen Formen auftreten und je nach Fall entweder primär sichernden Charakter haben oder wegen ihrer Eingriffsintensität bereits die Hauptsache vorwegnehmen.142 Im Anwendungsbereich des Brüssel Regimes sollen sie jedoch vornehmlich „eine Sachoder Rechtslage erhalten […], um Rechte zu sichern, deren Anerkennung im übrigen bei dem in der Hauptsache zuständigen Gericht beantragt wird“,143 sodass die Sicherungsfunktion im Vordergrund steht. Die verschiedenen Versionen des Brüssel Regimes enthielten nie eine konkrete Definition einstweiliger Maßnahmen.144 Jedoch wurde im Zuge der Überarbeitung ErwGr. 25 in die EuGVVO aufgenommen, welcher ebenfalls darauf hindeutet, dass sich einstweilige Maßnahmen vor allem durch ihre Sicherungswirkung auszeichnen.145 Regelmäßig verfügen sowohl staatliche Gerichte als auch Schiedsgerichte über die Befugnis, einstweilige Maßnahmen anzuordnen.146 Hinsichtlich der Anwendbarkeit der EuGVVO ist daher erneut zwischen den handelnden Spruchkörpern zu unterscheiden. b) Anordnung durch staatliche Gerichte Die Behandlung einstweiliger Maßnahmen durch staatliche Gerichte zur Unterstützung eines Schiedsverfahrens wurde im Laufe der Fortentwicklung des Brüssel Regimes wiederholt intensiv diskutiert:

142

Für einen Überblick über einstweilige Maßnahmen in internationalen Schiedsverfahren siehe Born, International Arbitration: Law and Practice, S. 216. 143 EuGH 16. 3. 1992, Rs. 261/90 – Reichert/Dresdner Bank, Slg. 1992 2149, Rn. 34. 144 Im Zuge der Überarbeitung des Brüsseler Übereinkommens wurde zwar vorgeschlagen, einstweilige Maßnahmen als „dringende Maßnahmen, die es ermöglichen sollen, eine Untersuchung in einem Rechtsstreit durchzuführen, Beweismaterial oder Vermögen im Hinblick auf die Entscheidung oder die Zwangsvollstreckung zu sichern, eine tatsächliche oder rechtlich bestehende Lage aufrechtzuerhalten oder zu regeln, um Rechte zu wahren, deren Anerkennung bei dem mit der Hauptsache befaßten Gericht beantragt wird oder beantragt werden kann“, zu definieren, Europäische Kommission, ABl. Nr. C 33 vom 31. 01. 1998, S. 32; jedoch setzte sich dieser Vorschlag im Ergebnis nicht durch. 145 In diesem Sinne auch EuGH 28. 4. 2005, Rs. 104/03 – St. Paul Dairy/Unibel Exser, Slg. 2005 3481, Rn. 17 ff. 146 In Deutschland z. B. § 1033 ZPO für staatliche Gerichte, § 1041 ZPO für Schiedsgerichte.

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Die verschiedenen Berichte zum Brüsseler Übereinkommen setzten sich mit dieser Thematik jedoch noch nicht auseinander. Sie äußerten sich lediglich zu einstweiligen Maßnahmen im Allgemeinen,147 die schon damals Gegenstand einer eigenen Vorschrift des Übereinkommens waren.148 Der EuGH befasste sich mit dem Verhältnis der Schiedsgerichtsgerichtsbarkeit zur Vorschrift des EuGVÜ über einstweilige Maßnahmen in der Rechtssache Van Uden.149 Van Uden, ein niederländisches Unternehmen, beantragte bei einem Gericht in den Niederlanden den Erlass einer einstweiligen Maßnahme bezüglich vier vertraglicher Forderungen gegen Deco-Line, einem deutschen Unternehmen, wobei der zugrunde liegende Vertrag eine Schiedsvereinbarung enthielt. Das oberste Zivilgericht der Niederlande legte dem EuGH unter anderem die Frage zur Vorabentscheidung vor, wie sich die Tatsache auswirke, dass der bei ihm anhängige Rechtsstreit nach dem Vertrag der Schiedsgerichtsbarkeit unterliegt.150 Der Gerichtshof führte zunächst aus, die Zuständigkeit des Gerichtes könne sich bei Vorliegen einer Schiedsvereinbarung nur aus der Vorschrift des Übereinkommens über einstweilige Maßnahmen ergeben,151 da die Schiedsvereinbarung die Zuständigkeit staatlicher Gerichte in der Hauptsache per se ausschließe.152 Bezüglich der Vorschrift des Übereinkommens über einstweilige Maßnahmen hatte der Gerichtshof jedoch bereits zuvor entschieden, dass, wenn eine Rechtsmaterie nach Art. 1(2) EuGVÜ von dessen Anwendungsbereich ausgeschlossen sei, auch einstweilige Maßnahmen in diesem Bereich ausgeschlossen seien.153 Da für die Schiedsgerichtsbarkeit eine Bereichsausnahme bestand,154 lag der Rückschluss nahe, diese Begründung auch in der Rechtssache Van Uden heranzuziehen. Der Gerichtshof entschied jedoch, einstweilige Maßnahmen seien grundsätzlich nicht auf die Durchführung eines Schiedsverfahrens gerichtet,155 sondern würden parallel zu einem solchen Verfahren zu dessen Unterstützung angeordnet, sodass für die Bestimmung des Anwendungsbereichs des Übereinkommens auf die Rechtsnatur der durch die einstweilige Maßnahme gesichterten Ansprüche abzustellen sei.156 In der dem Gerichtshof vor147

Jenard, ABl. EG vom 5. 3. 1979 Nr. C 59, S. 42; Schlosser, ABl. EG vom 5. 3. 1979 Nr. C 59, S. 126 Rn. 183; Evrigenis/Kerameus, ABl. EG vom 24. 11. 1986 Nr. C 298, S. 19 Rn. 70. 148 Art. 24 EuGVÜ, zu der Anwendbarkeit der Vorschrift im Rahmen von Schiedsverfahren noch recht undifferenziert Bourque ICC Bulletin (1994) 8, 16. 149 EuGH 17. 11. 1998, Rs. 391/95 – Van Uden/Deco-Line, Slg. 1998 7091. 150 EuGH 17. 11. 1998, Rs. 391/95 – Van Uden/Deco-Line, Slg. 1998 7091, Rn. 18. 151 Art. 24 EuGVÜ. 152 EuGH 17. 11. 1998, Rs. 391/95 – Van Uden/Deco-Line, Slg. 1998 7091, Rn. 24 ff. 153 Bezüglich Art. 1(2)(1) EuGVÜ siehe EuGH 27. 3. 1979, Rs. 143/78 – Jacques de Cavel/ Louise de Cavel (Cavel I), Slg. 1979 1055, Rn. 9 ff.; EuGH 31. 3. 1989, Rs. 25/81 – CHW/GJH, Slg. 1982 1189, Rn. 12. 154 Art. 1(2)(4) EuGVÜ. 155 Der Schlosser Bericht hatte zuvor angegeben, dass gerichtliche Nebenverfahren zu einem Schiedsverfahren vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossen seien, Schlosser, ABl. EG 1979 Nr. C 59, S. 93 Rn. 64. 156 EuGH 17. 11. 1998, Rs. 391/95 – Van Uden/Deco-Line, Slg. 1998 7091, Rn. 33.

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

gelegten Rechtssache diente die einstweilige Anordnung nicht dem Schutz der Durchführung des Schiedsverfahrens, sondern dem Schutz der Anspruchsbefriedigung des Gläubigers einer vertraglichen Forderung. Folglich war die Vorschrift des Übereinkommens über einstweilige Maßnahmen anwendbar.157 Das Urteil des EuGH fand teilweise Zustimmung,158 wurde jedoch auch dafür kritisiert, dass die Unterscheidung zwischen „auf die Durchführung eines Schiedsverfahrens gerichteten Maßnahmen“ und „Maßnahmen, die parallel zu einem solchen Verfahren zu dessen Unterstützung angeordnet werden“ nicht eindeutig sei, da beispielsweise einstweilige Maßnahmen zur Unterstützung des Schiedsverfahrens (wie z. B. solche zur Sicherung rechtserheblicher Beweismittel) unter beide Verfahrenskategorien subsumiert werden könnten.159 Bald nach Erlass des Urteils wurde im Zuge der Verabschiedung der EuGVVO a. F. eine Änderung der Vorschrift über einstweilige Maßnahmen vorgeschlagen,160 die sich letztendlich jedoch nicht durchsetzen konnte.161 Während der Überarbeitung der EuGVVO a. F. setzte sich der Heidelberg Report erneut mit den Auswirkungen einer Schiedsvereinbarung auf die Befugnis nationaler Gerichte zur Anordnung einstweiliger Maßnahmen auseinander und legte zwei alternative Lösungsvorschläge vor. Sollte die Schiedsgerichtsbarkeit im Einklang mit dem Vorschlag der Autoren in den Anwendungsbereich der Verordnung aufgenommen werden, würden ihnen zufolge „provisional measures of national courts supporting arbitration proceedings […] not only fall under Article 31 [of the Brussels I Regulation], but could also be granted by all courts of the Member States under the heads of jurisdiction provided for in Articles 2 – 26 [of the Brussels I Regulation]“.162

Dies hätte jedoch nicht die aus der Entscheidung des EuGH in der Rechssache Van Uden resultierenden sprachlichen Unklarheiten beseitigt, da die vorgeschlagene ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte am Sitz des Schiedsgerichts nur für „ancillary proceedings“ begründet werden sollte.163 Damit wäre offen geblieben, wie mit den vom EuGH als „Maßnahmen, die parallel zu einem Schiedsverfahren zu 157

EuGH 17. 11. 1998, Rs. 391/95 – Van Uden/Deco-Line, Slg. 1998 7091, Rn. 34. Hartley 24(6) E.L. Rev. (1999) 674, 678 ff.; Ambrose 19(1) Arb. Int’l (2003) 3, 25; Kruger, Civil Jurisdiction Rules, Rn. 6.25. 159 van Houtte 21 Arb. Int’l (2005) 509, 516; van Haersolte-Van Hof 18(1) J. Int’l Arb. (2001) 27, 29 ff.; Maher/Rodger 48 Int’l & Comp. L.Q. (1999) 302, 316; Dickinson 6 J. Priv. Int’l L. (2010) 519, 528 ff.; den Tandt 21(1) Colum. J. Eur. L. (2015) 89, 93. 160 Europäische Kommission, ABl. Nr. C 33 vom 31. 1. 1998, S. 13 – 15, 32. 161 Europäische Kommission, ABl. Nr. C 376E vom 28. 12. 1999, S. 8. 162 Hess/Pfeiffer/Schlosser, Brussels I Regulation, Rn. 124. 163 Also „auf die Durchführung eines Schiedsverfahrens gerichtete Maßnahmen“ i. S. d. Rechtsprechung des EuGH in der Rs. Van Uden; siehe Hess/Pfeiffer/Schlosser, Brussels I Regulation, Rn. 132. 158

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dessen Unterstützung angeordnet werden“ definierten Anordnungen zu verfahren wäre. Dem obenstehenden Absatz kann man entnehmen, dass die Gerichte der Mitgliedstaaten nach diesem Vorschlag für die Anordnung einstweiliger Maßnahmen unabhängig davon, ob diese auf die Durchführung eines Schiedsverfahrens gerichtet sind, nach Art. 2 – 26 EuGVVO a. F. oder nach Art. 31 EuGVVO a. F. zuständig wären. Die Vorschrift über die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte am Sitz des Schiedsgerichts hätte dabei nur auf Maßnahmen Anwendung gefunden, die auf die Durchführung eines Schiedsverfahrens gerichtet sind, ohne auch einstweiliger Natur zu sein, wie zum Beispiel die Ernennung eines Schiedsrichters. Für den Fall, dass dem Vorschlag, die Schiedsgerichtsbarkeit mit in den Anwendungsbereich der EuGVVO aufzunehmen, nicht gefolgt werden sollte, schlugen die Autoren des Heidelberg Reports vor, die Bereichsausnahme um eine Ausnahme von der Ausnahme zu ergänzen, indem Art. 1(2)(d) EuGVVO a. F. der Zusatz „[arbitration] not including provisional measures not affected, under the law of the Member State, by an arbitration agreement“ beigefügt würde.164 Wie bereits erwähnt, schloss sich das Grünbuch dem erstgenannten Vorschlag an, die Schiesdgerichtsbarkeit in den Anwendungsbereich der Verordnung aufzunehmen, und hätte daher zu den gleichen Ergebnissen geführt.165 Der darauf folgende gemäßigte Ansatz der Kommission unterbreitete diesbezüglich hingegen wieder einen anderen Vorschlag. Während die ausschließliche Zuständigkeit der Gerichte am Ort des Schiedsgerichts sich nur auf Verfahren zur Überprüfung der Schiedsvereinbarung bezogen hätte, sollte ein neuer Art. 36 eingeführt werden, der staatliche Gerichte in Abhängigkeit ihrer nationalen Rechte zum Erlass von einstweiligen Maßnahmen befugt hätte, und zwar „auch dann […], wenn für die Entscheidung in der Hauptsache […] ein Schiedsgericht zuständig ist“.166 Demnach wäre jedes staatliche Gericht zur Anordnung einstweiliger Maßnahmen befugt gewesen, sofern das anwendbare nationale Recht dies vorsieht. In den weiteren Beratungen wurden diese Vorschläge verworfen. Die Hauptänderung bezüglich der Schiedsgerichtsbarkeit in der endgültigen Fassung der EuGVVO war die Einführung des ErwGr. 12 EuGVVO. An der Vorschrift über einstweilige Maßnahmen167 wurden nur leichte Veränderungen vorgenommen, die keinen Einfluss auf die Anordnung solcher Maßnahmen zur Unterstützung eines Schiedsverfahrens durch ein staatliches Gericht haben. ErwGr. 12 EuGVVO könnte sich höchstens in Absatz 4 auf einstweilige Maßnahmen beziehen, in welchem ausgeführt wird, dass

164 165 166 167

Hess/Pfeiffer/Schlosser, Brussels I Regulation, Rn. 774 ff., 784, 789 ff. Europäische Kommission, KOM(2009) 175 endg., S. 9. Europäische Kommission, KOM(2010) 748 endg., S. 41. Vormals Art. 31 Brüssel I-VO, jetzt Art. 35 Brüssel Ia-VO.

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO „[d]iese Verordnung […] nicht für Klagen oder Nebenverfahren insbesondere im Zusammenhang mit der Bildung eines Schiedsgerichts, den Befugnissen von Schiedsrichtern, der Durchführung eines Schiedsverfahrens oder sonstigen Aspekten eines solchen Verfahrens“

gelten soll. Einzig die dort genannten „Nebenverfahren im Zusammenhang mit der Durchführung eines Schiedsverfahrens“ könnten sich auf einstweilige Maßnahmen in diesem Sinne beziehen. Der EuGH hat diese in seinem Urteil in der Rechtssache Van Uden jedoch ausdrücklich von „Maßnahmen, die parallel zu einem Schiedsverfahren zu dessen Unterstützung“ angeordnet werden, unterschieden. Da derartige Maßnahmen in dem Erwägungsgrund keine Erwähnung finden, obwohl sich die verschiedenen Gremien während des Überarbeitungsprozesses ausführlich mit der Problematik befasst haben, scheint es fernliegend, den Wortlaut des Erwägungsgrundes so zu interpretieren, dass dieser einstweilige Maßnahmen erfasst.168 Der vom EuGH in der Rechtssache Van Uden aufgestellte Grundsatz beansprucht unter der EuGVVO noch immer Geltung. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass dies nicht zu einer Anwendbarkeit der gesamten EuGVVO auf einstweilige Verfahren führt. Nur die Vorschrift der EuGVVO über einstweilige Maßnahmen169 kann Grundlage für die Zuständigkeit des Gerichts eines Mitgliedstaats für die Anordnung einstweiliger Maßnahmen in einem Verfahren sein, das in der Hauptsache der Schiedsgerichtsbarkeit unterliegt, sofern die durch die einstweilige Maßnahme gesicherten Ansprüche ihrer Art nach in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. c) Anordnung durch Schiedsgerichte Im Gegensatz dazu kann in den Regelungen des Brüssel Regimes keine Rechtsquelle für die Zuständigkeit bei und Vollstreckung von schiedsrichterlichen Anordnungen einstweiliger Maßnahmen gesehen werden. Dies lässt sich leicht erklären, da Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes vor Schiedsgerichten gleichwohl Schiedsverfahren sind. Diese waren von Beginn an vom Brüssel Regime ausgeschlossen. Die diversen Überarbeitungen des Regelungswerkes haben daran nichts geändert. Probleme mit dem Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich des Brüssel Regimes entstanden schon immer nahezu ausschließlich im Hinblick auf Verfahren vor staatlichen Gerichten mit Bezug zu Schiedsverfahren, nicht jedoch bezüglich der Verfahren vor einem Schiedsgericht selbst. Ebenso wie schiedsgerichtliche Prozessführungsverbote spielen staatliche Gerichte auch bei Anordnung einstweiliger Maßnahmen durch Schiedsgerichte (meist in Form eines Zwischenschiedsspruchs) erst in der Vollstreckungsphase eine

168

Ebenso den Tandt 21(1) Colum. J. Eur. L. (2015) 89, 107; a. A. Dickler, Schiedsgerichtsbarkeit und Reform der EuGVVO, S. 173; Baumann, Schiedsgerichtsbarkeit und EuGVVO, S. 479. 169 Art. 35 EuGVVO.

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Rolle. Daher sind durch Schiedsgerichte angeordnete einstweilige Maßnahmen ebenfalls vom Anwendungsbereich der EuGVVO ausgenommen.

5. Aufhebung des Schiedsspruchs Nach Abschluss des Schiedsverfahrens kann die unterlegene Partei zunächst versuchen, den Schiedsspruch von einem Gericht am Sitz des Schiedsgerichts aufheben zu lassen.170 Diese Aufhebungsverfahren fallen nicht in den Anwedungsbereich der EuGVVO, da sie zumindest teilweise Gegenstand des vorrangigen UNÜ sind. Dies wurde in allen Berichten zum Brüsseler Übereinkommen klargestellt,171 vom EuGH später wiederholt172 und ist nun ausdrücklich in ErwGr. 12(4) EuGVVO geregelt. Er besagt, dass „[d]iese Verordnung […] nicht […] für eine Klage oder eine Entscheidung in Bezug auf die Aufhebung […] eines Schiedsspruchs gelten“ soll. Folglich finden diesbezüglich die zahlreichen nationalen Schiedsverfahrensrechte der Mitgliedstaaten Anwendung.

6. Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs Wie der vollständige Titel des UNÜ (UN-Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche) bereits andeutet, sind Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren Gegenstand dieses Regelungswerkes. Daher sind diese Verfahren ebenfalls vom Anwendungsbereich der EuGVVO ausgeschlossen.173 Die Berichte zum Brüsseler Übereinkommen äußerten sich zu dieser Frage eindeutig,174 und auch der EuGH ließ diesbezüglich keine Zweifel aufkommen.175 Im Einklang damit stellt ErwGr. 12(4) EuGVVO nun auch klar, dass „[d]iese Verordnung […] nicht […] für eine Klage oder eine Entscheidung in Bezug auf […] die Anerkennung oder die Vollstreckung eines Schiedsspruchs gelten“ soll. Im Ergebnis führt dies für Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren ebenfalls zur Anwendbarkeit der nationalen Schiedsverfahrensrechte, die sich auf das UNÜ be170 Born, International Commercial Arbitration, S. 3164; Blackaby/Partasides QC/Redfern/ Hunter, International Arbitration, Rn. 10.24. 171 Jenard, ABl. EG vom 5. 3. 1979 Nr. C 59, S. 13; Schlosser, ABl. EG vom 5. 3. 1979 Nr. C 59, S. 93 Rn. 65; Evrigenis/Kerameus, ABl. EG vom 24. 11. 1986 Nr. C 298, S. 10 Rn. 35. 172 EuGH 17. 11. 1998, Rs. 391/95 – Van Uden/Deco-Line, Slg. 1998 7091, Rn. 32. 173 Ebenso bereits für das EuGVÜ Bourque ICC Bulletin (1994) 8, 17; jedoch sind staatliche Gerichte zur Überprüfung des Schiedsspruchs auf Vereinbarkeit mit grundlegenden Bestimmungen des Europarechts verpflichtet, EuGH 1. 6. 1999, Rs. 126/97 – Eco Swiss/Benetton, Slg. 1999 3055, Rn. 32 ff. 174 Jenard, ABl. EG vom 5. 3. 1979 Nr. C 59, S. 13; Schlosser, ABl. EG vom 5. 3. 1979 Nr. C 59, S. 93 Rn. 65; Evrigenis/Kerameus, ABl. EG vom 24. 11. 1986 Nr. C 298, S. 10 Rn. 35. 175 EuGH 17. 11. 1998, Rs. 391/95 – Van Uden/Deco-Line, Slg. 1998 7091, Rn. 32; EuGH 13. 5. 2015, Rs. 536/13 – Gazprom/Lietuvos Respublika, Slg. 2015 316, Rn. 41.

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

ziehen oder auf diesem aufbauen, und dementsprechend zum Ausschluss der Anwendbarkeit der EuGVVO.

7. Zwischenergebnis Aufgrund der bisherigen Ergebnisse kann an dieser Stelle die erste Teilfrage des Kapitels, welche Gerichtsverfahren mit Bezug zur Schiedsgerichtsbarkeit von dem Ausschluss in Art. 1(2)(d) EuGVVO erfasst werden, beantwortet werden. Im Hinblick auf Verfahren die sich mit der Überprüfung der Schiedsvereinbarung befassen, hängt die Antwort auf diese Frage davon ab, ob die Überprüfung den Streitgegenstand der Hauptsache darstellt oder nicht. Ist dies der Fall, findet die Verordung im Einklang mit ErwGr. 12(2) EuGVVO keine Anwendung. Stellt die Überprüfung der Schiedsvereinbarung hingegen eine bloße Vorfrage des Verfahrens dar, so gilt es erneut zu unterscheiden: Bestätigt das nationale Gericht die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung und verweist die Parteien daher an das Schiedsgericht, ist die Verordnung auf das weitere Verfahren aus dem gleichen Grund nicht anwendbar. Hält das Gericht die Schiedsvereinbarung hingegen für ungültig und entscheidet den Fall daher in der Hauptsache, findet die Verordnung infolge von ErwGr. 12(3) EuGVVO auf die Anerkennung und Vollstreckung des Urteils in der Hauptsache Anwendung. Dennoch ist die Entscheidung über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung wegen ErwGr. 12(2) EuGVVO bezüglich ihrer Anerkennung und Vollstreckung nach Art. 1(2)(d) EuGVVO vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen. Im Bereich der Prozessführungsverbote hängt der Einfluss der EuGVVO auf das jeweilige Verfahren vom anordnenden Spruchkörper ab. Sofern die Anordnung durch ein Schiedsgericht erfolgt, könnte die Verordnung von vornherein nur auf die Vollstreckung des die Anordnung enthaltenden Schiedsspruches Anwendung finden, was nach ErwGr. 12(4) EuGVVO jedoch nicht der Fall ist. Erlässt das Gericht eines Mitgliedstaates ein Prozessführungsverbot zur Unterstützung eines Schiedsverfahrens, ist dieses Verfahren selbst vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen, da es dem Schutz des Rechts dient, den Rechtsstreit mithilfe eines Schiedsverfahrens zu entscheiden. Jedoch verstößt ein Prozessführungsverbot, das ein vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaates anhängiges Verfahren betrifft, gegen den Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens, sodass diese im Ergebnis unzulässig sind. Gerichtsverfahren, die unterstützende Maßnahmen zugunsten eines Schiedsverfahrens betreffen, fallen ebenfalls unter Art. 1(2)(d) EuGVVO und sind daher vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen. Dieser Befund wird durch ErwGr. 12(4) EuGVVO bestätigt. Bezüglich vorläufiger Maßnahmen ist erneut zwischen den anordnenden Spruchkörpern zu unterscheiden. Sofern die Anodnung durch ein Schiedsgericht erfolgt, gilt die zuvor im Rahmen der schiedsgerichtlichen Prozessführungsverbote

III. Verbleibende Probleme

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angeführte Begründung in gleicher Weise. Diese Verfahren sind daher vom Ausschluss des Art. 1(2)(d) EuGVVO erfasst. Ordnet das Gericht eines Mitgliedstaates die vorläufige Maßnahme an, fällt dieses Verfahren in den Anwendungsbereich der Verordnung, wenn die durch die einstweilige Maßnahme gesicherten Ansprüche – unabhängig vom Bestehen einer Schiedsvereinbarung – ihrer Rechtsnatur nach in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen. Der Anwendungsausschluss des Art. 1(2)(d) EuGVVO greift nicht ein, da diese Gerichtsverfahren sich nicht mit dem Schiedsverfahren selbst befassen, sondern mit einer vorläufigen Rechtsentscheidung über eine Zivil- und Handelssache, über die endgültig im Rahmen eines Schiedsverfahrens entschieden wird. Aufhebungsverfahren sind hingegen im Einklang mit ErwGr. 12(4) EuGVVO eindeutig vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen nach Art. 1(2)(d) EuGVVO. Gleiches gilt schließlich im Hinblick auf Verfahren zur Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruches.

III. Verbleibende Probleme 1. Parallelverfahren Probleme an der Schnittstelle zwischen staatlichen Gerichtsverfahren und Schiedsverfahren in der EU beruhen hauptsächlich darauf, dass keine Regelungen bestehen, die das Entstehen paralleler Hauptsacheverfahren vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten verhindern.176 Ursache dieses Missstands ist eine Zuständigkeitsüberschneidung, die auf dem Prinzip der Kompetenz-Kompetenz beruht.177 In einer Situation, in der mehrere Spruchkörper berechtigt sind, über ihre eigene Zuständigkeit zu entscheiden, entsteht automatisch die Gefahr voneinander abweichender Ergebnisse. Die national unterschiedlichen Ansätze bei der Ermittlung des Schiedsvereinbarungsstatuts erhöhen dieses Risiko weiter.178 176 Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 35: „[…] by far the most problematic matter at the interface of Brussels I and arbitration.“; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 3.64; Baumann, Schiedsgerichtsbarkeit und EuGVVO, S. 469; implizit Dickler, Schiedsgerichtsbarkeit und Reform der EuGVVO, S. 55; eingehend zu den Möglichkeiten der Parteien in dieser Situation Breder, Die Verzahnung der Brüssel Ia-VO mit der Schiedsgerichtsbarkeit bei Parallelverfahren; zu den verbleibenden Problemen allgemein Ojiegbe, The Interface Between International Commercial Arbitration and the Brussels I Regime. 177 Erk, Parallel Proceedings, S. 1. 178 Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 35 [Fn. 12]; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 3.65, 8.24; Dickler, Schiedsgerichtsbarkeit und Reform der EuGVVO, S. 223; siehe dazu auch unten Kapitel D. I. 2. a).

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

Dass die Überarbeitung der EuGVVO diesbezüglich keine Änderungen gebracht hat, lässt sich durch die Anwendung der aktuellen Fassung auf den Sachverhalt der Rechtssache Marc Rich veranschaulichen.179 Die Entscheidung der italienischen Gerichte in der Hauptsache würde im Einklang mit ErwGr. 12(3) EuGVVO noch immer von den Regelungen der Verordnung über die Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen profitieren, während sie gleichzeitig die englischen Gerichte weiterhin nicht daran hindern könnte, die Vorfrage der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung abweichend zu beurteilen (ErwGr. 12(2) EuGVVO). Daher könnten diese noch immer ein in England eingeleitetes Schiedsverfahren unterstützen. Folge dessen wäre wiederum die Gefahr, dass sowohl ein staatliches Gericht in Italien als auch ein Schiedsgericht in England den gleichen Fall in der Hauptsache entscheiden würden.

2. Vollstreckung miteinander unvereinbarer Rechtstitel a) Vollstreckungshindernisse der EuGVVO und des UNÜ Parallelverfahren resultieren möglicherweise in miteinander unvereinbaren Rechtstiteln, und jede Partei wird versuchen, denjenigen Titel zu vollstrecken, der zu ihren Gunsten erlassen wurde. Miteinander unvereinbare Entscheidungen können an der Schnittstelle der EuGVVO mit der Schiedsgerichtsbarkeit vor allem zwischen Schiedssprüchen und Hauptsacheurteilen entstehen, die eine inzidente Entscheidung über die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung beinhalten.180 Es stellt sich daher die Frage, welchem dieser Rechtstitel der Vorzug gegeben werden sollte. Dabei ist zwischen verschiedenen Konstellationen zu unterscheiden. Grundsätzlich beinhalten sowohl die EuGVVO als auch das UNÜ verschiedene Gründe, die der Anerkennung und Vollstreckung von Urteilen beziehungsweise Schiedssprüchen entgegenstehen können.181 Liegen widersprüchliche Rechtstitel vor, kommen verschiedene Vollstreckungshindernisse aus beiden Regelungswerken 179

Die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Marc Rich erging noch zum EuGVÜ. Eingehend Dickler, Schiedsgerichtsbarkeit und Reform der EuGVVO, S. 81, die insoweit von einer Erforderlichkeit der „Verfahrenskoordination im weiteren Sinne“ spricht; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.04, macht zudem auf eine mögliche Unvereinbarkeit von positiven Feststellungsurteilen mit Hauptsacheurteilen, die eine inzidente Entscheidung über die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung beinhalten, aufmerksam. Da diese einen rein zwischenstaatlichen Konflikt ohne unmittelbare Beteiligung eines Schiedsgerichts darstellen und somit allein durch die Mechanismen der EuGVVO beigelegt werden können (ebd., Rn. 7.33 ff.), wird dieses Problem in der vorliegenden Arbeit vernachlässigt. 181 Dickler, Schiedsgerichtsbarkeit und Reform der EuGVVO, S. 83; das EuÜ hat die Anerkennung und Vollstreckung internationaler Schiedssprüche hingegen nicht zum Gegenstand, siehe Hascher, Commentary European Convention, S. 534 Rn. 73; siehe bezüglich des EuÜ auch Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.47. 180

III. Verbleibende Probleme

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in Betracht. Subsidiär besteht zudem die Möglichkeit, dass die Rechtsordnung des betreffenden Mitgliedstaates weitere Gründe beinhaltet, die einer Anerkennung und Vollstreckung entgegenstehen können.182 Die EuGVVO enthält zwei Vorschriften, die sich unmittelbar mit der Versagung der Anerkennung (und Vollstreckung183) miteinander unvereinbarer Entscheidungen befassen:184 Art. 45(1)(c) EuGVVO betrifft miteinander unvereinbare Urteile, die im gleichen Mitgliedstaat ergangen sind,185 wohingegen Art. 45(1)(d) EuGVVO auf miteinander unvereinbare Urteile aus unterschiedlichen Mitgliedstaaten Anwendung findet186. Daneben könnte in der Durchsetzung eines Urteils, das in Widerspruch zu einem anderen Rechtstitel steht, ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung nach Art. 45(1)(a) EuGVVO gesehen werden.187 Mit Inkrafttreten der EuGVVO entfiel die Notwendigkeit eines Exequaturverfahrens, sodass die Urteile der Gerichte innerhalb der Mitgliedstaaten in der EU direkt vollstreckbar sind, sofern der Schuldner im Vollstreckungssstaat kein Anerkennungsversagungsverfahren einleitet.188 Während die EuGVVO a. F. ein zweistufiges Exequaturverfahren vorsah – Beantragung der Vollstreckbarerklärung im Vollstreckungsstaat durch den Gläubiger auf der ersten Stufe und Beantragung der Versagung durch den Gläubiger auf der zweiten Stufe – hat die EuGVVO die erste Stufe abgeschafft und lediglich die zweite Stufe beibehalten.189 Auf dieser (ehemals) zweiten Stufe des Versagungsverfahrens kann der Schuldner sich auf die Anerkennungsversagungsgründe nach Art. 46, 45 EuGVVO berufen. Da der Schuldner die Versagung beantragen muss,190 darf das Gericht im Vollstreckungsstaat nicht in

182 Vgl. ErwGr. 30 EuGVVO; Born, International Arbitration: Law and Practice, S. 383 ff.; Blackaby/Partasides QC/Redfern/Hunter, International Arbitration, Rn. 11.35; für eine beispielhafte Übersicht möglicher Gründe des nationalen Rechts in Schweden, Deutschland, England und Frankreich siehe Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.53 ff. 183 Art. 46 EuGVVO. 184 Fitchen, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 13.341 ff.; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.07 ff.; noch zu Art. 34(3), (4) EuGVVO a. F. Dickler, Schiedsgerichtsbarkeit und Reform der EuGVVO, S. 83 ff. 185 Fitchen, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 13.358 ff.; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.14 ff. 186 Fitchen, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 13.363 ff.; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.20 ff. 187 Fitchen, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 13.268 ff.; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.27; noch zu Art. 34(1) EuGVVO a. F. Dickler, Schiedsgerichtsbarkeit und Reform der EuGVVO, S. 85 f. 188 Art. 39 und ErwGr. 26 EuGVVO. 189 Fitchen, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 13.169 ff. 190 Art. 45(1) EuGVVO.

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

Eigeninitiative auf die Versagungsgründe rekurrieren.191 Es gilt dabei jedoch strikt zwischen dem Anerkennungsversagungsverfahren und dem eigentlichen Vollstreckungsverfahren zu unterscheiden. Während das Erstgenannte der Geltendmachung der Anerkennungsversagungsgründe in Art. 45 EuGVVO dient, unterliegt die Vollstreckung selbst dem nationalen Verfahrensrecht im Vollstreckungsstaat.192 Folglich muss der Urteilsgläubiger die Vollstreckung in jedem Mitgliedstaat einzeln beantragen.193 Das UNÜ enthält in Art. V zwei potenzielle Anerkennungsverweigerungsgründe, die im Fall der Unvereinbarkeit eines mitgliedstaatlichen Gerichtsurteils mit einem Schiedsspruch dessen Vollstreckung verhindern könnten.194 Zum einen könnte Art. V(1)(a) UNÜ der Vollstreckung des Schiedsspruches entgegenstehen,195 sofern das Vollstreckungsgericht die Schiedsvereinbarung für ungültig befindet.196 Zum anderen bezieht sich auch das UNÜ in Art. V(2)(b) auf einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung im Vollstreckungsstaat.197 Im Gegensatz zu Art. V(2)(b) UNÜ muss Art. V(1)(a) UNÜ von einer der Parteien geltend gemacht werden, um vom Vollstreckungsgericht berücksichtigt werden zu können.198 Wenn das UNÜ Anwendung findet, bedarf es im Allgemeinen eines Exequaturverfahrens, um den Schiedsspruch im Zielland vollstrecken lassen zu können.199 Das Vollstreckungs191

Fitchen 26(4) I.C.C.L.R. (2015) 145, 146. EuGH 13. 10. 2011, Rs. 139/10 – Prism Investments/van der Meer, Slg. 2011 9511, Rn. 40; EuGH 29. 4. 1999, Rs. 267/97 – Coursier/Fortis Bank, Slg. 1999 2543, Rn. 28, m. w. N.; Hess, in: Schlosser/Hess EuGVVO Art. 46 Rn. 1; für eine beispielhafte Übersicht möglicher Gründe des nationalen Rechts in Schweden, Deutschland, England und Frankreich siehe Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.53 ff.; die nationalen Vollstreckungshindernisse weichen also je nach Mitgliedstaat voneinander ab und finden in dieser Arbeit keine Berücksichtigung. 193 Bezüglich Urteilen aus Drittstaaten EuGH 26. 3. 1992, Rs. 261/90 – Owens Bank/Bracco Industria Chemica, Slg. 1992 2149; Kruger, Civil JurisdictionRules, Rn. 3.48. 194 Ebenso Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.38 ff. 195 A. A. Dickler, Schiedsgerichtsbarkeit und Reform der EuGVVO, S. 86 ff., die lediglich Art. V(2)(b) UNÜ für möglicherweise einschlägig hält. 196 Born, International Arbitration: Law and Practice, S. 389 ff.; Blackaby/Partasides QC/ Redfern/Hunter, International Arbitration, Rn. 11.66 ff. 197 Born, International Arbitration: Law and Practice, S. 407 ff.; Blackaby/Partasides QC/ Redfern/Hunter, International Arbitration, Rn. 11.105 ff. 198 Vergleiche Art. V(1)(a) UNÜ: „auf Antrag der Partei, gegen die [der Schiedsspruch] geltend gemacht wird“, gegenüber Art. V(2)(b) UNÜ: „wenn die zuständige Behörde des Landes, in dem die Anerkennung und Vollstreckung nachgesucht wird, feststellt“. 199 Das UNÜ hat zwar dem Erforderniss eines „doppelten Exequaturverfahrens“ – also der Notwendigkeit den Schiedsspruch zunächst am Ort des Schiedsgerichts für vollstreckbar erklären zu lassen, um ihn erst dann im eigentlichen Vollstreckungsstaat für vollstreckbar erklären lassen zu können – ein Ende bereitet, im Vollstreckungsstaat ist die Vollstreckbarerklärung jedoch nach wie vor notwendig; siehe Born, International Arbitration: Law and Practice, S. 387; Blackaby/Partasides QC/Redfern/Hunter, International Arbitration, Rn. 11.14. 192

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verfahren selbst unterliegt hingegen wiederum dem Prozessrecht des Vollstreckungsstaats. Die im Folgenden dargestellten Konstellationen beruhen auf der Annahme, dass die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs nicht am Sitz des Schiedsgerichts beantragt wird, sodass das UNÜ anwendbar ist.200 Zudem wird unterstellt, dass staatliche Gerichtsverfahren in einem Mitgliedstaat der EU stattfinden. b) Vollstreckbarkeit des Schiedsspruchs im Staat des Parallelverfahrens Sobald ein staatliches Gericht die Schiedsvereinbarung für ungültig erklärt hat, würde in diesem Mitgliedstaat die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs auf Antrag der unterlegenen Partei aufgrund von Art. V(1)(a) UNÜ versagt werden.201 Nötigenfalls würden die Gerichte im Staat des Parallelverfahrens die Anerkennung und Vollstreckung sogar in Eigeninitiative auf Grundlage von Art. V(2)(b) UNÜ versagen.202 Wenngleich die Vorschrift eng auszulegen ist,203 würde das Gericht auf dieser Grundlage von Amts wegen die Anerkennung und Vollstreckung versagen, um sich nicht in Widerspruch zu einem innerstaatlichen Gerichtsurteil zu setzen.204 Da das mit dem Schiedsspruch unvereinbare Gerichtsurteil nur im Staat des Parallelverfahrens ein innerstaatliches Urteil darstellt, das nicht der EuGVVO (sondern dem nationalen Prozessrecht) unterliegt, stellt diese Konstellation für die Vollstreckung miteinander unvereinbarer Rechtstitel einen Einzelfall dar.205 200 Alle Mitgliedstaaten der EU haben das UNÜ unterzeichnet und ratifiziert; siehe UNCITRAL, Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards (New York, 1958) – Status, verfügbar unter http://www.uncitral.org/uncitral/en/uncitral_texts/arbitrati on/NYConvention_status.html, zuletzt aufgerufen am 3. 11. 2018. 201 Hinsichtlich der Anwendbarkeit des UNÜ zustimmend Hartley 63 Int’l & Comp. L.Q. (2014) 843, 866. 202 Illmer, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 2.64; Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 50; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.46, macht zudem auf die Bedeutung der national abweichenden Interpretation des public policy-Tatbestandes aufmerksam. 203 Born, International Arbitration: Law and Practice, S. 409 ff.; Blackaby/Partasides QC/ Redfern/Hunter, International Arbitration, Rn. 11.105 ff. 204 A. A. Dickler, Schiedsgerichtsbarkeit und Reform der EuGVVO, S. 87 ff., die stattdessen in einer rechtstheoretischen Erörterung auf die allgemeinen Grundsätze und prozessualen Prinzipien der Rechtskraft und Bindungswirkung zurückgreifen will (ebd. S. 92 ff.), was ihrer Ansicht nach aber zu „einer Übergewichtung der von der Rechtskraft einer Entscheidung ausgehenden Bindungswirkung in nachfolgenden Verfahren“ führe, „indem einseitig die staatliche res iudicata von der staatlichen Gerichtsbarkeit zu beachten“ sei; dies führt sie zu einem eigenen Lösungsansatz auf Grundlage einer „Durchbrechung des Dogmas der staatlichen endgültigen Kompetenz-Kompetenz“ (ebd., S. 105 ff., insb. S. 108 ff.). 205 Auch wenn ErwGr. 26 besagt, dass „[e]ine von den Gerichten eines Mitgliedstaats erlassene Entscheidung […] so behandelt werden [sollte], als sei sie im ersuchten Mitgliedstaat ergangen“, finden sich in Art. 46, 45 Brüssel Ia-VO eine begrenzte Anzahl von Anerken-

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

c) Gleichzeitige Existenz miteinander unvereinbarer Rechtstitel, die beide noch nicht vollstreckt wurden Daher kann für die im Folgenden dargestellten Konstellationen die weitere Annahme aufgestellt werden, dass die Vollstreckung des Schiedsspruchs in jedem Mitgliedstaat außer dem des parallelen Gerichtsverfahrens angestrebt wird. Die nachfolgende Konstellation betrifft einen rein hypothetischen Fall, in welchem das Gerichtsurteil und der Schiedsspruch, die miteinander unvereinbar sind, beide bereits erlassen wurden, ohne dass einer der Rechtstitel bereits vollstreckt wurde. Um die dogmatischen Probleme bei der Vollstreckung besser verdeutlichen zu können, wird diese Situation dennoch berücksichtigt. Hierfür wird unterstellt, dass die Parteien des Rechtsstreits zur gleichen Zeit und in dem gleichen Mitgliedstaat versuchen, den sie jeweils begünstigenden Rechtstitel für vollstreckbar erklären zu lassen. Wie bereits erörtert, enthalten Art. 73(2) EuGVVO und ErwGr. 12(3) S. 2 EuGVVO für diesen Fall eine Klarstellung: die Gerichte der Mitgliedstaaten sind aufgrund von ErwGr. 12(3) S. 1 EuGVVO verpflichtet, das Hauptsacheurteil eines Gerichts aus einem anderen Mitgliedstaat anzuerkennen und zu vollstrecken, wenn dieses zuvor eine Schiedsvereinbarung für ungültig erklärt hat. ErwGr. 12(3) S. 2 EuGVVO ergänzt jedoch, dass davon „die Zuständigkeit der Gerichte der Mitgliedstaaten, über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen im Einklang mit dem [UNÜ] zu entscheiden, das Vorrang vor dieser Verordnung hat“, unberührt bleiben sollte. Diese Klarstellung kann an folgendem Beispiel illustriert werden: Bei einem Gericht G1 des Mitgliedstaats A wird die Vollstreckung des Hauptsacheurteils eines Gerichts G2 aus Mitgliedstaat B gemäß Art. 36 ff. EuGVVO beantragt. G2 hatte dabei als Vorfrage des Verfahrens eine bestehende Schiedsvereinbarung für ungültig erklärt. Gleichzeitig wird bei G1 die Vollstreckungbarerklärung eines Schiedsspruches, der in der gleichen Sache ergangen ist, beantragt. Dieser wurde erlassen, da das Schiedsgericht (und möglicherweise das Gericht eines anderen Mitgliedstaates) die Schiedsvereinbarung für gültig erklärt hatte. Obwohl G1 das Urteil von G2 im Einklang mit der EuGVVO vollstrecken müsste, berührt diese Verpflichtung nicht dessen Zuständigkeit über die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs im Einklang mit dem UNÜ zu entscheiden. Denn dieses hat Vorrang vor der EuGVVO. Zudem entfaltet die inländische Anerkennungsentscheidung Rechtskraftwirkung, sobald sie ergangen ist. Sofern G1 den Schiedsspruch nach dem UNÜ für vollstreckbar hält, wird sich dieses Ergebnis also gegen die Verpflichtung nach der EuGVVO zur Vollstreckung des Urteils von G2 durchsetzen.206 nungsverweigerungsgründen, die nur auf Urteile aus einem anderen Mitgliedstaat als dem Vollstreckungsstaat Anwendung finden. 206 Ebenso Hartley 63 Int’l & Comp. L.Q. (2014) 843, 865 ff.; Hauberg Wilhelmsen 10(1) J. Priv. Int’l L. (2014) 113, 125; Auda 82(2) Arb. (2016) 122, 127; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.31.

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Fraglich ist, ob G1 im Rahmen der Anwendung des UNÜ dem Schiedsspruch aufgrund eines Verstoßes gegen die öffentlich Ordnung nach Art. V(2)(b) UNÜ die Vollstreckbarkeit versagen könnte, da dieser im Widerspruch zu dem Urteil von G2 steht und somit gegen den Grundsatz der res judicata verstoßen könnte.207 Diese Argumentation ist jedoch nicht mit dem Sinn und Zweck von ErwGr. 12(3) S. 2 EuGVVO vereinbar. Denn wenn die aus der EuGVVO folgenden Verpflichtungen die Zuständigkeit der Gerichte in den Mitgliedstaaten zur Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen nach dem UNÜ unberührt lassen sollten, ergäbe sich keine sinnvolle Folge aus ErwGr. 12(3) EuGVVO, wenn gerade diese Verpflichtungen wiederum zu einem Verstoß gegen Art. V(2)(b) des danach anwendbaren UNÜ führen würden. Eine solche Auslegung würde zu einem Zirkelschluss führen. Daher sollte der Schiedsspruch für vollstreckbar erklärt werden, sofern keine anderen Vollstreckungshindernisse einschlägig sind. Als Versagungsgrund käme auf Antrag einer der Parteien Art. V(1)(a) UNÜ in Betracht, wenn das Vollstreckungsgericht die Schiedsvereinbarung (ebenfalls) für ungültig befinden würde. Diese Möglichkeit würde jedoch davon abhängen, ob das staatliche Gericht der die Schiedsvereinbarung betreffenden Entscheidung des Schiedsgerichts eine Präklusionswirkung beimessen würde.208 Sollte dies der Fall sein, würde sich die Vollstreckung des Schiedsspruches durchsetzen. Anderenfalls würde es die Schiedsvereinbarung erneut überprüfen.209 Unter der Annahme, dass die Partei, die das Hauptsacheverfahren vor den staatlichen Gerichten eingeleitet hat, rechtsmissbräuchliche Motive verfolgt, wäre das Ergebnis jedoch identisch. Demnach sollte ein Gericht, bei dem zeitgleich die Vollstreckung des Urteils eines Gerichts aus einem anderen Mitgliedstaat und die Vollstreckung eines diesem widersprechenden Schiedsspruchs beantragt wird, das UNÜ anwenden. Im Ergebnis ist (ausschließlich) der Schiedsspruch für vollstreckbar zu erklären, sofern kein Vollstreckungshindernis vorliegt. Der Antrag auf Anerkennung und Vollstreckung des ausländischen staatlichen Urteils ist dann wegen entgegenstehender Rechtskraft nach Art. 46, 45(1)(c) EuGVVO abzulehnen. Dieses Ergebnis beruht auf Art. 73(2) und ErwGr. 12(3) EuGVVO, welchen zufolge die EuGVVO die Anwendung des UNÜ auch zwischen den Mitgliedstaaten unberührt lässt.

207 Hauberg Wilhelmsen 30 Arb. Int’l (2014) 169, 184 mit [Fn. 75]; später scheinbar a. A. Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.43 ff. unter Verweis auf die Abhängigkeit der nationalen Bewertung des Grundsatzes der res judicata. 208 Born, International Arbitration: Law and Practice, S. 391. 209 Ebenso Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.45.

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

d) Früherer Erlass eines der beiden Titel Tatsächlich wird stets einer der Rechtstitel früher erlassen werden, sodass es zwei weitere Szenarien zu unterscheiden gilt: Zum einen die Situation, in welcher das Urteil des Gerichts eines Mitgliedstaates zeitlich vor dem Schiedsspruch ergeht, und zum anderen die umgekehrte Situation, in welcher der Schiedsspruch zeitlich vor dem Gerichtsurteil erlassen wird. aa) Gerichtsurteil vor Schiedsspruch In dem ersten Szenario ist das schiedsrichterliche Verfahren noch nicht beendet, wohingegen das Gericht eines Mitgliedstaates bereits ein Urteil in der Hauptsache erlassen hat. Beantragt die dadurch begünstigte Partei in der Folge die Vollstreckung des Urteils bei den Gerichten eines anderen Mitgliedstaates, müssten diese dem Antrag im Einklang mit Kapitel III der EuGVVO entsprechen, da sich die Vollstreckungshindernisse in Art. 46, 45 EuGVVO nicht auf parallele Schiedsverfahren beziehen. Folglich würde sich in dieser Situation das Gerichtsurteil durchsetzen. Sollte das Schiedsgericht seinen Sitz in dem Mitgliedstaat der Vollstreckung des Urteils haben, würde die Rechtskraftwirkung zudem zu einer Beendigung des Schiedsverfahrens führen.210 bb) Schiedsspruch vor Gerichtsurteil Im zweiten Szenario ist das schiedsgerichtliche Verfahren bereits abgeschlossen, während das staatliche Gerichtsverfahren noch im Gange ist. Wenn die dadurch begünstigte Partei die Vollstreckung des Schiedsspruches bei dem Gericht eines Mitgliedstaates beantragt, wäre dieses nach Art. III ff. UNÜ verpflichtet, dem Antrag statt zu geben.211 Die bloße Existenz eines parallelen Verfahrens vor den Gerichten eines anderen Mitgliedstaates wirkt sich auf diese Verpflichtung nicht aus und stellt auch kein Vollstreckungshindernis nach Art. V UNÜ dar. Ein möglicher Grund wäre in dieser Situation allenfalls Art. V(1)(a) UNÜ, sollte das Vollstreckungsgericht die Schiedsabrede ebenfalls für ungültig halten. Diesbezüglich unterscheidet sich das Szenario jedoch nicht von dem hypothetischen Fall, dass beide Rechtstitel bereits erlassen, aber noch nicht vollstreckt wurden.212 e) Nach erfolgter Vollstreckung eines der Titel Sobald einer der beiden Rechtstitel bereits vollstreckt wurde, ist es eindeutig im Interesse der Rechtssicherheit, die Vollstreckung des anderen, mit dieser Entschei210 211 212

Hartley 63 Int’l & Comp. L.Q. (2014) 843, 865. Ebenso Hartley 63 Int’l & Comp. L.Q. (2014) 843, 865. Siehe oben unter B. III. 2. c).

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dung unvereinbaren Rechtstitels zu verhindern. Es stellt sich jedoch die Frage auf welcher rechtlichen Grundlage die Vollstreckung des zweiten Rechtstitels versagt werden kann. Dabei gilt es zwischen der versuchten Vollstreckung im gleichen Staat und dem Antrag auf Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat zu unterscheiden, wobei jeweils nochmals dahingehend zu differenzieren ist, ob der Schiedsspruch oder das Gerichtsurteil bereits vollstreckt wurde. aa) Vollstreckung im gleichen Staat – Gerichtsurteil vor Schiedsspruch In dem Staat, der den unvereinbaren Rechtstitel bereits vollstreckt hat, bestehen kaum Chancen für eine erfolgreiche Vollstreckung des zweiten Titels. Handelt es sich bei dem bereits vollstreckten Rechtstitel um das Gerichtsurteil, kommt eine Versagung der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruches auf Grundlage von Art. V(1)(a) oder Art. V(2)(b) UNÜ in Betracht. Art. V(1)(a) UNÜ ist in diesem Fall kein zwingendes Vollstreckungshindernis, da die Vollstreckung des Gerichturteils in der Hauptsache nicht notwendigermaßen die inzidente Entscheidung des Ausgangsgerichts über die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung bestätigt hat, sondern lediglich dessen Entscheidung in der Hauptsache.213 Wird die Versagung der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs auf Grundlage des Art. V(1)(a) UNÜ beantragt, kann das diesbezüglich angerufene Gericht unabhängig über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung entscheiden.214 Aber selbst wenn das Vollstreckungsgericht die Schiedsvereinbarung für gültig erachtet, wird es den Schiedsspruch auf Grundlage des Art. V(2)(b) UNÜ für nicht vollstreckbar erklären und so der Rechtskraft des Gerichtsurteils im Rahmen der public policy-Prüfung Wirkung verleihen.215 bb) Vollstreckung im gleichen Staat – Schiedsspruch vor Gerichtsurteil Wurde umgekehrt der Schiedsspruch bereits in dem Staat vollstreckt, in dem später auch die Vollstreckung des mit diesem unvereinbaren Gerichtsurteils beantragt wird, kommen ebenfalls mehrere Versagungsgründe in Betracht, die die Vollstreckung des mitgliedstaatlichen Urteils verhindern könnten. Als erste Option könnte Art. 46, 45(1)(a) EuGVVO als Vollstreckungshindernis dienen, sofern die Vollstreckung des Urteils „der öffentlichen Ordnung (ordre public) des ersuchten Mitgliedstaats offensichtlich widersprechen würde“. Der ständigen 213

Siehe ErwGr. 12(2), (3) S. 1 Brüssel Ia-VO. Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.45. 215 Ebenso Mankowski 5 SchiedsVZ (2014) 209, 214; Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 50; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.46 (unter Verweis auf die national unterschiedliche Handhabung des Grundsatzes der res judicata im Rahmen des Art. V(2)(a) UNÜ). 214

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

Rechtsprechung des EuGH zufolge ist der Versagungsgrund grundsätzlich eng auszulegen, wobei die Bestimmung seiner Grenzen eine sich aus der Verordnung ergebende Auslegungsfrage darstellt.216 Der Wortlaut der Vorschrift („offensichtlich“) deutet bereits auf diesen strikten Interpretationsmaßstab hin.217 Prinzipiell kann der Grund gemeinsam mit weiteren in Art. 45(1) EuGVVO enthaltenen Versagungsgründen geltend gemacht werden.218 Soll der Versagungsgrund wegen eines bereits vollstreckten, mit dem Urteil unvereinbaren Schiedsspruches zur Anwendung kommen, kommen hierfür mehrere Begründungen in Betracht. Zum einen wird vertreten, die offensichtliche Missachtung einer gültigen Schiedsvereinbarung könne ein Vollstreckungshindernis im Sinne des Art. 46, 45(1)(a) EuGVVO darstellen.219 Einer anderen Auffassung zufolge kann die Vorschrift zumindest dann zur Anwendung kommen, wenn dem widersprüchlichen Schiedsspruch nach nationalem Recht res judicata Wirkung zuteil würde.220 Die erste Ansicht scheint dabei bereits Art. 45(3) S. 2 EuGVVO zu übersehen, welchem zufolge „[d]ie Vorschriften über die Zuständigkeit […] nicht zur öffentlichen Ordnung (ordre public) im Sinne des Absatzes 1 Buchstabe a“ gehören. Schon der Jenard Bericht gab zu Protokoll, dass die öffentliche Ordnung nicht für die Überprüfung der Zuständigkeitsentscheidung eines Gerichts herangezogen werden dürfe, worin sich das Bestreben des Ausschusses manifestiere, den Versagungsgrund des Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung so weit wie möglich zu beschränken.221 Das damals zum Ausdruck gebrachte Bestreben hat bis heute nichts an Aktualität eingebüßt.222 Wenngleich die Zuständigkeitsvorschriften in Kapitel II der Verordnung nicht unmittelbar Bezug auf Schiedsvereinbarungen nehmen, würde die Anwendung der Vorschrift aufgrund der Tatsache, dass sich ein Gericht trotz des Vorliegens einer gültigen Schiedsvereinbarung im Einklang mit diesen Vorschriften für zuständig erklärt hat, einem Verstoß gegen Art. 45(3) S. 2 EuGVVO entsprechen. Denn dieser verbietet selbst die Überprüfung einer im Rahmen des Art. 6 EuGVVO begründeten Zuständigkeit, die sich ausschließlich aus nationalem Recht ergibt.223 Im vorliegenden Fall richtet sich hingegen nur die Entscheidung über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung, und damit die Entscheidung über die Derogation der 216

Noch zur Vorgängervorschrift von Art. 34(1) EuGVVO EuGH 6. 9. 2012, Rs. C-619/10 – Trade Agency/Seramico Investments, dig. Slg. 2012 531, Rn. 48 ff., m. w. N. 217 Gottwald, in: MüKo ZPO, EuGVVO Art. 45 Rn. 12; Pfeiffer/Pfeiffer, in: Geimer/ Schütze, Int. Rechtsverkehr, EuGVVO Art. 45 Rn. 14. 218 Fitchen, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 13.278. 219 Illmer, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 2.66, m. w. N. 220 Hauberg Wilhelmsen 30 Arb. Int’l (2014) 169, 178; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.32; Mourre 23(3) ASA Bulletin (2005) 408, 420. 221 Jenard, ABl. EG Nr. C 59, S. 46. 222 Fitchen, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 13.396. 223 Gottwald, in: MüKo ZPO, EuGVVO Art. 45 Rn. 57 f.; Pfeiffer/Pfeiffer, in: Geimer/ Schütze, Int. Rechtsverkehr, EuGVVO Art. 45 Rn. 139.

III. Verbleibende Probleme

69

staatlichen Gerichte, nach nationalem Recht.224 Die Zuständigkeitsentscheidung des staatlichen Gerichts beruht demgegenüber auf den Vorschriften der EuGVVO. Folglich muss Art. 45(3) S. 2 EuGVVO erst Recht einer Anwendbarkeit des Versagungsgrundes nach Art. 45(1)(a) EuGVVO auf die aus der Missachtung einer gültigen Schiedsvereinbarung folgenden Zuständigkeitsentscheidung entgegenstehen. Vor dem Hintergrund der restriktiven Handhabung sowie der Subsidiarität des Art. 46, 45(1)(a) EuGVVO kann der Versagungsgrund generell nicht auf die Situation miteinander unvereinbarer Schiedssprüche und Gerichtsurteile angewendet werden. Die Unvereinbarkeit mehrerer Rechtstitel ist bereits Gegenstand der Regelungen in Art. 45(1)(c), (d) EuGVVO. Andere Fälle, in denen die Vorschrift zur Anwendung kommt, erscheinen wesentlich schwerwiegender als die Missachtung einer gültigen Schiedsvereinbarung.225 Daher stellt Art. 46, 45(1)(a) EuGVVO keinen tauglichen Versagungsgrund für die Verhinderung der Vollstreckung eines Gerichtsurteils dar, das mit einem bereits vollstreckten Schiedsspruch unvereinbar ist.226 Als zweite Möglichkeit für die Versagung der Vollstreckung des unvereinbaren Gerichtsurteils kommt eine direkte Anwendung des Art. 46, 45(1)(c) EuGVVO in Betracht, wobei als unvereinbare Entscheidung, „die zwischen denselben Parteien im ersuchten Mitgliedstaat ergangen ist“ der innerstaatliche Beschluss der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs in Betracht käme. Derart könnte der Schiedsspruch als Schutzschild gegen die Vollstreckung des unvereinbaren Mitgliedstaatsurteils im gleichen Staat eingesetzt werden. Die Vorschrift begründet einen uneingeschränkten Vorrang der nationalen Entscheidung,227 ist jedoch auf Entscheidungen begrenzt, die im Vollstreckungsstaat ergangen sind. Jedoch ist auch dieser Ansatz problembehaftet. Zunächst ist der Beschluss der Vollstreckbarerklärung eindeutig außerhalb des Anwendungsbereichs der Verordnung, da er der Vollstreckung des Schiedsspruches dient, sodass der Vorgang in jedem Staat wiederholt werden müsste, in dem die Vollstreckung des Gerichtsurteils beantragt wird. Dies würde die Anwendung der Vorschrift jedoch noch nicht ausschließen, da Art. 46, 45(1)(c) EuGVVO keine Entscheidung im Anwendungsbereich der Verordnung erfordert.228 Schwerer wiegt hingegen der Einwand, der Beschluss der Vollstreckbarkeit müsse als Entscheidung im Sinne des Art. 2(a) Eu-

224

Siehe oben Kapitel B. II. 1. So z. B. ein Verstoß gegen Menschenrechte oder Prozessbetrug; Fitchen, in: Dickinson/ Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 13.290 ff. 226 Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 50, berücksichtigt diese Möglichkeit (daher) erst gar nicht. 227 Stadler, in: Musielak/Voit EuGVVO Art. 45 Rn. 12. 228 Hartley 63 Int’l & Comp. L.Q. (2014) 843, 866; Illmer, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 2.67; Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 51; jeweils m. w. N. 225

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

GVVO zu qualifizieren sein.229 Der EuGH hat diesbezüglich entschieden, dass „die betreffende Entscheidung […] von einem Rechtsprechungsorgan eines [Mitgliedsstaats] erlassen worden sein [muss], das kraft seines Auftrags selbst über zwischen den Parteien bestehende Streitpunkte entscheidet“.230 Die nationalen prozessualen Vorschriften der Mitgliedstaaten unterscheiden sich dabei zwar im Hinblick auf die genaue Ausgestaltung der Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruches unter dem UNÜ, haben jedoch gemeinsam, dass sie im Allgemeinen keine Überprüfung der Entscheidungsgründe vorsehen.231 Folglich entscheidet das angerufene Gericht gerade nicht selbst über die zwischen den Parteien bestehenden Streitpunkte. Der Lehre vom Doppelexequatur232 wird damit auch an der Schnittstelle zwischen staatlichen Gerichtsverfahren und Schiedsverfahren in der EU eine Absage erteilt.233 Demnach ist eine direkte Anwendung des Art. 46, 45(1)(c) EuGVVO auf Grundlage des Beschlusses der Vollstreckbarerklärung im Ergebnis nicht möglich, da ein solcher Beschluss nach der Rechtsprechung des EuGH nicht als Entscheidung im Sinne des Art. 2(a) EuGVVO zu qualifizieren ist.234 Eine dritte Möglichkeit, um die Vollstreckung des mit dem Schiedsspruch unvereinbaren Urteils im gleichen Mitgliedstaat zu verhindern, könnte in einer analogen Anwendung der Vorschrift des Art. 46, 45(1)(c) EuGVVO zu sehen sein.235 Die Analogie würde dabei darauf beruhen, dass der Schiedsspruch gerade keine Entscheidung im Sinne der Vorschrift ist, aber eine vergleichbare Interessenlage zwischen der Verhinderung der Vollstreckung miteinander unvereinbarer Entscheidungen im Sinne des Art. 2(a) EuGVVO im gleichen Mitgliedstaat und der Verhinderung der Vollstreckung miteinander unvereinbarer Entscheidungen in diesem Sinne und Schiedssprüche im gleichen Mitgliedstaat besteht. Denn Schiedssprüchen soll zumindest durch die Vollstreckbarerklärung die gleiche Wirkung zuteil werden, wie den von der Vorschrift erfassten Entscheidungen. Eine Regelungslücke ist 229 Diese Voraussetzung ist sowohl für Art. 45(1)(c) als auch für Art. 45(1)(d) erforderlich, siehe Fitchen, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 13.344 ff. 230 EuGH 2. 6. 1994, Rs. 414/92 – Solo Kleinmotoren/Boch, Slg. 1994 2237, Rn. 17. 231 Illmer, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 2.67; Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 51 f. 232 Eingehend Schlosser, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 908 ff. 233 Vgl. zunächst Gavalda 62 Clunet (1935) 106, 113: „Exequatur sur exequatur ne vaut“; aufgegriffen von Münch, in: MüKo ZPO § 1061 Rn. 32 ff.; Stadler, in: Musielak/Voit EuGVVO Art. 2 Rn. 6. 234 Ebenso Fitchen, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 13.347; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.10; Dickler, Schiedsgerichtsbarkeit und Reform der EuGVVO, S. 83; de Ly 5 Am. U. Bus. L. Rev. (2015 – 2016) 485, 507; i. E. auch Radicati Di Brozolo 7(3) J. Priv. Int’l L. (2011) 423, 455; a. A. noch Hauberg Wilhelmsen 30 Arb. Int’l (2014) 169, 177 ff.; Hartley 63 Int’l & Comp. L.Q. (2014) 843, 866; Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 50 ff. 235 Stadler, in: Musielak/Voit EuGVVO Art. 45 Rn. 13; Dickler, Schiedsgerichtsbarkeit und Reform der EuGVVO, S. 84; Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 52 ff.; jeweils m. w. N.

III. Verbleibende Probleme

71

ebenfalls vorhanden, da der Fall miteinander unvereinbarer Gerichtsurteile und Schiedssprüche wie festgestellt weder in der Verordnung noch anderweitig geregelt ist. Es erscheint jedoch fraglich, ob man diese Regelungslücke wirklich als ungewollt bezeichnen kann. Der europäische Gesetzgeber hat die Schiedsgerichtsbarkeit explizit vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen, da diese seiner Ansicht nach durch das UNÜ hinreichend geregelt sei. Die daraus resultierende Regelungslücke war zumindest bei Überarbeitung der EuGVVO a. F. bekannt, wie der Überarbeitungsprozess nur allzu deutlich belegt.236 Der Mangel einer Regelung mag auf die fehlende Konsensfähigkeit der verantwortlichen Stellen innerhalb der EU zurückzuführen sein.237 Es wäre jedoch gegen den Willen des europäischen Gesetzgebers, sich über dessen Entscheidung hinwegzusetzen, die Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich der Verordnung ausgeschlossen zu lassen, indem man die Vorschriften der Verordnung nun im Wege einer Analogie auf Sachverhalte anwendet, die er zuvor bewusst von deren Anwendungsberreich ausgeschlossen hat. Auch der EuGH steht einer analogen Anwendung der Anerkennungsversagungsgründe in Art. 45(1) EuGVVO kritisch gegenüber.238 Im Ergebnis kann eine analoge Anwendung des Art. 46, 45(1)(c) EuGVVO das Problem der Vollstreckung miteinander unvereinbarer Gerichtsurteile und Schiedssprüche nicht befriedigend lösen.239 Als vierter Lösungsvorschlag wird diskutiert, ob sich aus dem letzten Satz von ErwGr. 12(3) EuGVVO ergibt, dass der Schiedsspruch sich im Allgemeinen immer gegen ein unvereinbares Gerichtsurteil durchsetzen sollte.240 Dieser allgemeine Vorrang des Schiedsspruches soll entweder auf Grundlage des Art. 45(1)(a) oder (d) EuGVVO umgesetzt werden.241 Alternativ soll ErwGr. 12(3) EuGVVO selbst als weiterer Anerkennungsversagungsgrund im Rahmen des Art. 45(1) EuGVVO Berücksichtigung finden.242 Wie oben gezeigt führt ErwGr. 12(3) EuGVVO jedoch lediglich zu einem Anwendungsvorrang des UNÜ gegenüber der EuGVVO, nicht 236

Siehe oben unter B. II. Stadler/Klöpfer, ZEuP (2015) 732, 764; von Hein, RIW (2013) 97, 99. 238 EuGH 26. 9. 2013, Rs. 157/12 – Salzgitter Mannesmann/SC Laminorul, dig. Slg. 2013 597, Rn. 39: „[…] die Vollstreckungshindernisse, da ihre Aufzählung […] erschöpfend ist, eng ausgelegt werden müssen und folglich […] einer Auslegung im Wege der Analogie […] nicht zugänglich sind“. 239 Ebenso Dickler, Schiedsgerichtsbarkeit und Reform der EuGVVO, S. 84 ff.; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.13; a. A. Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 52 ff.; Mankowski 5 SchiedsVZ (2014) 209, 212. 240 Camilleri Int’l & Comp. L.Q. (2013) 899, 905; de Ly 5 Am. U. Bus. L. Rev. (2015 – 2016) 485, 507; a. A. Illmer, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 2.69; Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 54 ff.; Dickler, Schiedsgerichtsbarkeit und Reform der EuGVVO, S. 75 ff. 241 Camilleri Int’l & Comp. L.Q. (2013) 899, 905. 242 De Ly 5 Am. U. Bus. L. Rev. (2015 – 2016) 485, 507. 237

72

B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

jedoch zu einem allgemeinen Vorrang eines Schiedsspruches gegenüber einem staatlichen Gerichtsurteil.243 Zudem hat die vorausgehende Untersuchung aufgezeigt, dass Art. 45 EuGVVO nicht wirklich eine Lösung für das Problem miteinander unvereinbarer Gerichtsurteile und Schiedssprüche bereithält. Nach alldem kann also festgehalten werden, dass die EuGVVO keine zufriedenstellende Lösung für die Auflösung von Entscheidungskonflikten zwischen staatlicher und Schiedsgerichtsbarkeit bereithält. cc) Vollstreckung in verschiedenen Mitgliedstaaten – Gerichtsurteil vor Schiedsspruch Wird die Vollstreckung des mit dem bereits vollstreckten Rechtstitel unvereinbaren Rechtstitels später in einem anderen Mitgliedstaat beantragt, stellt sich die Frage, ob die vorherige Vollstreckung des divergierenden Rechtstitels ein Vollstreckungshindernis in einem anderen Mitgliedstaat begründen kann. Dabei gilt es wiederum nach der Reihenfolge der Entscheidungen zu differenzieren. Wurde das Urteil eines Gerichts G1 des Mitgliedstaats A bereits in Mitgliedstaat B vollstreckt, ist ein Gericht G2 in Mitgliedstaat C gleichwohl berechtigt (und verpflichtet) das UNÜ anzuwenden, wenn die Partei eines Schiedsverfahrens die Vollstreckung des Schiedsspruchs beantragt. G2 ist dabei nicht an die Entscheidung über die Ungültigkeit der Schiedsabrede von G1 gebunden, da ErwGr. 12(2) und (3) EuGVVO eine Bindungswirkung nur für das Urteil in der Hauptsache vorsehen. Es stellt sich daher lediglich die Frage, ob die bereits erfolgte Vollstreckung des Gerichtsurteils in Mitgliedstaat B Auswirkungen auf den Versuch der Vollstreckung des unvereinbaren Schiedsspruches in Mitgliedstaat C hat, dieses also die Anwendung eines der Versagungsgründe in Art. V UNÜ begründen könnte. Im Hinblick auf die Möglichkeit einer Anwendung des Art. V(1)(a) UNÜ ergeben sich im Vergleich zur Vollstreckung im gleichen Mitgliedstaat keine Änderungen.244 In einem anderen Mitgliedstaat sind die Gerichte ebenfalls nicht an die inzidente Entscheidung über die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung von G1 gebunden und können somit diesbezüglich eine eigenständige Entscheidung treffen.245 Möglicherweise käme aber auch eine Anwendung von Art. V(2)(b) UNÜ aufgrund eines Verstoßes gegen die öffentliche Ordnung in Betracht.246 Der Grund hierfür könnte in einem unerwünschten Widerspruch bei der grenzüberschreitenden Vollstreckung von Gerichtsurteilen innerhalb der EU zu sehen sein, die den freien 243

Siehe oben unter B. III. 2. c). Siehe oben unter B. III. 2. e) aa). 245 Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.45. 246 Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.40 ff.; ablehnend Dickler, Schiedsgerichtsbarkeit und Reform der EuGVVO, S. 87 ff. 244

III. Verbleibende Probleme

73

Verkehr gerichtlicher Entscheidungen behindert.247 Der EuGH hat entschieden, dass – obwohl „[d]ie Erfordernisse der Effizienz des Schiedsverfahrens es rechtfertigen, Schiedssprüche nur in beschränktem Umfang zu überprüfen und […] die Versagung seiner Anerkennung [oder Vollstreckung] nur in außergewöhnlichen Fällen vorzusehen“ – es auch nötig ist, grundlegenden Vorschriften des primären Europarechts zur Geltung zu verhelfen und diese daher „der öffentlichen Ordnung im Sinne [des UNÜ] zuzurechnen“ sind.248 In der Normenhierarchie sind die Vorschriften der EuGVVO unterhalb des Primärrechts angesiedelt. Da der Anerkennungsverweigerungsgrund des Art. V(2)(b) UNÜ dem EuGH zufolge wie zuvor erwähnt zudem grundsätzlich restriktiv zu handhaben ist, scheidet seine Anwendung zur Verhinderung der Vollstreckung eines divergierenden Schiedsspruches auch in diesem Fall aus. Die Mitgliedstaaten der EU bleiben rechtlich eigenständige Staaten, und da es kein EU-Schiedsverfahrensrecht gibt, können sie weiterhin unabhängig über den Vollstreckungsantrag eines Schiedsspruchs entscheiden. Im Gegensatz zur Vollstreckung im gleichen Staat setzt sich das Gericht auch nicht in Widerspruch zu einem von den Gerichten des gleichen Staats bereits vollstreckten Urteil.249 Letztendlich unterscheidet sich das Szenario nicht maßgeblich von der Situation, in der beide Rechtstitel schon erlassen, aber noch nicht vollstreckt sind.250 Daher sollte das Gericht G 2 in Mitgliedstaat C das UNÜ anwenden und den Schiedsspruch vollstrecken, sofern kein (sonstiges) Vollstreckungshindernis vorliegt. dd) Vollstreckung in verschiedenen Mitgliedstaaten – Schiedsspruch vor Gerichtsurteil Wurde der Schiedsspruch bereits in Mitgliedstaat B vollstreckt, so kann dieser möglicherweise die Vollstreckung eines unvereinbaren Urteils des Gerichts G 1 aus Mitgliedstaat A durch ein Gericht G 2 in Mitgliedstaat C verhindern, da G 2 im Einklang mit ErwGr. 12(2) EuGVVO nicht an die inzidente Entscheidung über die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung durch G 1 gebunden ist.251 Solange weder der Schiedsspruch noch das Gerichtsurteil in Mitgliedstaat C vollstreckt wurden, entspricht die Situation dem Szenario, in welchem beide Rechtstitel lediglich bereits erlassen wurden, ohne dass einer der beiden Titel bereits vollstreckt wurde.252 247 Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.46, stellt demgegenüber maßgeblich auf die nationale Auslegung der Vorschrift ab: „This means that the admissibility of a defence of res judicata against the recognition and enforcement of an arbitral award under Art. V(2)(b) oft he New York Convention will depend on the national perception of public policy.“ 248 EuGH 1. 6. 1999, Rs. 126/97 – Eco Swiss/Benetton, Slg. 1999 3055, Rn. 35 – 39. 249 Siehe oben unter B. III. 2. e) aa). 250 Siehe oben unter B. III. 2. c). 251 Illmer, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 2.64. 252 Siehe oben unter B. III. 2. c).

74

B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

Die Auswirkungen der Vollstreckung des Schiedsspruchs in Mitgliedstaat B auf die Anwendung der Anerkennungsverweigerungsgründe der EuGVVO durch G 2 entsprechen dabei denen des oben erörterten Szenarios, in welchem der Schiedsspruch ausschließlich bereits in dem Staat vollstreckt wurde, in dem auch das unvereinbare Gerichtsurteil vollstreckt werden soll (hier Mitgliedstaat C),253 und nicht auch bereits in einem anderen Mitgliedstaat (hier Mitgliedstaat B). In Anbetracht der bereits erfolgten Vollstreckung des Schiedsspruchs in Mitgliedstaat B könnte jedoch ein weiterer Anerkennungsverweigerungsgrund der Brüssel Ia-Verordung in Betracht kommen. Art. 46, 45(1)(d) EuGVVO findet unter anderem dann Anwendung, wenn eine ausländische Entscheidung, die in einem Mitgliedstaat vollstreckt werden soll, mit einer anderen ausländischen Entscheidung unvereinbar ist, die bereits in einem anderen Mitgliedstaat ergangen ist.254 Die von der Vorschrift aufgestellten Voraussetzungen sind verglichen mit Art. 45(1)(c) EuGVVO strenger, da ihre Anwendung auf Entscheidungen beschränkt ist, die sich auf den gleichen Streitgegenstand und die gleichen Parteien beziehen.255 Im fraglichen Szenario würden diese Voraussetzungen jedoch vorliegen, sodass wie schon bei Art. 45(1)(c) EuGVVO eine direkte oder analoge Anwendung der Vorschrift in Betracht gezogen werden könnte.256 Die direkte Anwendung von Art. 46, 45(1)(d) EuGVVO würde sich in diesem Fall auf den Beschluss der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs in einem anderen Mitgliedstaat beziehen. Da diese Entscheidung nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fällt,257 wäre sie diesbezüglich als Entscheidung aus einem Drittstaat zu qualifizieren. Dies wirkt sich jedoch nur auf den Zeitpunkt aus, ab dem die Entscheidung die Anerkennungsvoraussetzungen im adressierten Mitgliedstaat erfüllt, und nicht auf die Anwendbarkeit der Vorschrift im Allgemeinen.258 Dieser steht jedoch erneut die fehlende Qualifikation als Entscheidung im Sinne des Art. 2(a) EuGVVO entgegen, sodass eine direkte Anwendung der Art. 46, 45(1)(d) EuGVVO in dieser Konstellation ebenfalls nicht möglich ist.259

253

Siehe oben unter B. III. 2. e) bb). Fitchen, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 13.364. 255 Fitchen, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 13.363; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 7.21. 256 Siehe oben unter B. III. 2. e) bb). 257 Ebd. 258 Da der Beschluss der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs außerhalb des Anwendungsbereichs der EuGVVO ist, richten sich die Voraussetzungen für dessen Anerkennung nach dem nationalen Recht des jeweiligen Mitgliedstaates; für die daraus resultierenden Folgen siehe Fitchen, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 13.367 ff. 259 Ebenso Mankowski 5 SchiedsVZ (2014) 209, 213; Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 50 ff. 254

III. Verbleibende Probleme

75

Im Zuge einer analogen Anwendung der Art. 46, 45(1)(d) EuGVVO würde auf den unvereinbaren Schiedsspruch selbst abgestellt und dieser somit einem Gerichtsurteil eines anderen Mitgliedstaats oder eines Drittstaats gleichgestellt.260 Einem solchen Vorgehen steht jedoch derselbe Einwand wie zuvor einer analogen Anwendung des Art. 46, 45(1)(c) EuGVVO261 entgegen, nämlich die mangelnde Planwidrigkeit der Regelungslücke.262 Es kann also festgehalten werden, dass grundsätzlich zusätzliche Optionen für die Vollstreckungsverweigerung des unvereinbaren Gerichtsurteils in Betracht kommen, wenn der Schiedsspruch schon in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt wurde. Auch diese führen jedoch nicht zu einer zufriedenstellenden Lösung. f) Zwischenergebnis Im Ergebnis hat die Untersuchung der verschiedenen Vollstreckungsszenarien bei divergierenden Entschiedungen also gezeigt, dass der gegenwärtige Gesetzesrahmen keine zufriedenstellenden Lösungen für diese Situation zur Verfügung stellt. Diese Probleme treten auf, da es im Zuge der Überarbeitung der EuGVVO a. F. versäumt wurde, einen Mechanismus für die Verhinderung paralleler Verfahren vor Schiedsgerichten und nationalen Gerichten vorzusehen. Die untenstehende Tabelle veranschaulicht dieses Ergebnis nochmals in zusammgefasster Form:

260

Diese Lösung befürworten Mankowski 5 SchiedsVZ (2014) 209, 213; Illmer, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 2.66; Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 52 ff. 261 Siehe oben unter B. III. 2. e) bb). 262 Ebenso Fitchen, in: Dickinson/Lein, The Brussels I Regulation Recast, Rn. 13.348.

76

B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

1. Im Mitgliedstaat des parallelen Gerichtsverfahrens ist dem Schiedsspruch die Vollstreckung auf Grundlage des Art. V(1)(a) UNÜ zu versagen. In allen anderen Mitgliedstaaten:

Ausländisches Gerichtsurteil

Ausländischer Schiedsspruch

Ergebnis

Erlassen Vollstreckt Erlassen Vollstreckt 2.

(+)

(-)

(+)

(-)

Vollstreckung des Schiedsspruchs nach dem UNÜ

3.

a) (+)

(-)

(-)

(-)

Vollstreckung des Gerichtsurteils nach der EuGVVO

b) (-)

(-)

(+)

(-)

Vollstreckung des Schiedsspruchs nach dem UNÜ

i.

(+)

(+)

(-)

Keine Vollstreckung des Schiedsspruchs wegen Art. V(1)(a) oder Art. V(2)(b) UNÜ

(-)

(+)

(+)

Keine Vollstreckung des Gerichtsurteils; Problem des anwendbaren Anerkennungsverweigerungsgrundes innerhalb der EuGVVO: Art. 46, 45(1)(a): (-) Art. 46, 45(1)(c) bzgl. Beschluss der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs: (-) Art. 46, 45(1)(c) analog bzgl. Schiedsspruch: (offen) Vorrang des Schiedsspruchs wegen Art. 73(2), ErwGr. 12(3): (-)

4.a) Vollstreckung im gleichen Mitgliedstaat

(+)

ii. (+)

III. Verbleibende Probleme In allen anderen Mitgliedstaaten:

Ausländisches Gerichtsurteil

Ausländischer Schiedsspruch

77 Ergebnis

Erlassen Vollstreckt Erlassen Vollstreckt 4.b) Vollstreckung in einem anderen Mitgliedstaat

i.

(+)

ii. (+)

(+)

(+)

(-)

Vollstreckung des Schiedsspruchs nach dem UNÜ

(-)

(+)

(+)

Keine Vollstreckung des Gerichtsurteils; Problem des anwendbaren Anerkennungsverweigerungsgrundes innerhalb der EuGVVO: Hinsichtlich der Auswirkungen der Vollstreckung des Schiedsspruchs im gleichen Mitgliedstaat: Art. 46, 45(1)(a): (-) Art. 46, 45(1)(c) bzgl. Beschluss der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs: (-) Art. 46, 45(1)(c) analog bzgl. Schiedsspruch: (offen) Vorrang des Schiedsspruchs wegen Art. 73(2), ErwGr. 12(3): (-) Zusätzlich hinsichtlich der Auswirkungen der Vollstreckung des Schiedsspruchs in einem anderen Mitgliedstaat: Art. 46, 45(1)(d) bzgl. Beschluss der Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs: (-) Art. 46, 45(1)(d) analog bzgl. Schiedsspruch: (offen)

Der Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich der EuGVVO führt also zu einem Dilemma. Einerseits bleiben auch unter der aktuellen EuGVVO parallele Verfahren vor Schiedsgerichten und nationalen Gerichten möglich, während andererseits keine zufriedenstellenden Lösungen für die daraus

78

B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

resultierenden Probleme bei der Vollstreckung miteinander unvereinbarer Entscheidungen zur Verfügung gestellt werden. Solange diese Unzulänglichkeiten fortbestehen, erscheint für die Vollstreckungsversagung eines mit einem Schiedsspruch unvereinbaren Gerichturteils eine analoge Anwendung der Art. 46, 45(1)(c), (d) EuGVVO – je nach dem ob die Vollstreckung im gleichen Mitgliedstaat erstrebt wird oder nicht – die einzig vertretbare, wenn auch nicht zufriedenstellende Lösung des Konfliktes darzustellen. Wenngleich die Regelungslücke schwerlich als ungewollt angesehen werden kann, bedarf es einer Lösung für die Vollstreckungsverweigerung des unvereinbaren Gerichtsurteils, da anderenfalls die Rechtssicherheit gefährdet wäre. Wurde hingegen das Gerichtsurteil zuerst vollstreckt, sodass es der Vollstreckungsversagung des Schiedsspruches bedarf, gibt das UNÜ dem angerufenen Gericht in Art. V UNÜ ausreichend Möglichkeiten an die Hand, um der Situation gerecht zu werden.

3. Race to the courthouse – Race to the arbitral tribunal Die verschiedenen beschriebenen Szenarien haben zudem offenbart, dass Timing eine wichtige Rolle bei Parallelverfahren und der Vollstreckung der möglicherweise daraus resultierenden miteinander unvereinbaren Rechtstitel spielt. Die Partei, die zuerst eine Entscheidung zu ihren Gunsten erreicht, hat von diesem Zeitpunkt an einen eindeutigen Vorteil gegenüber der Gegenseite.263 Damit wohnt der Situation die Gefahr inne, dass die Parteien ein Wettrennen zwischen dem staatlichen Gerichtsverfahren und dem Schiedsverfahren betreiben.264 Dies könnte die Qualität des Schiedsspruchs gefährden, da die Schiedsrichter möglicherweise zulasten der Qualität so schnell wie möglich einen Schiedsspruch erlassen werden, sobald sie um den Druck wissen, dass es das Schiedsverfahren im Interesse eines vollstreckbaren Schiedsspruchs möglichst zeitnah abzuschließen gilt. Zudem wird die Prozessführungslast für den Beklagten erhöht und das Vertrauen in die Justiz untergraben, weil beispielsweise bei einem Schadensersatzprozess kaum denkbar ist, dass beide Spruchkörper zu exakt demselben Ergebnis gelangen. Für die in Anbetracht der prorogierenden Wirkung durchaus mit Schiedsvereinbarungen vergleichbaren Gerichtsstandsvereinbarungen265 wurde mit dem neugefassten Art. 31(2), (3) EuGVVO und den Auslegungsregeln in ErwGr. 19 ff. EuGVVO ein „race to the courthouse“ weitestgehend unterbunden.266 Nach den gescheiterten Verhandlungen zur Ergänzung der Bereichsausnahme für Schiedsver263

Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 50. Zum Ganzen siehe auch Hauberg Wilhelmsen 10(1) J. Priv. Int’l L. (2014) 113, 125; Hauberg Wilhelmsen, 30 Arb. Int’l (2014), 169, 185; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 3.61 ff. 265 Zur Vergleichbarkeit der Vereinbarungen siehe Gottwald, Internationale Gerichtsstandsund Schiedsvereinbarungen, S. 131 ff. 266 Mankowski, RIW (2015) 17, 19; von Hein, RIW (2013) 97, 104. 264

IV. Ergebnis

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fahren fehlt für die Verfahrenskoordination zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten hingegen weiterhin ein funktionierendes Rechtshängigkeitssystem. Damit kann es an der Schnittstelle zwischen den beiden Spruchkörpern nicht nur zu einem „race to the courthouse“, sondern auch zu einem „race to the arbitral tribunal“ kommen. Die Herausforderung, ein effektives Rechtshängigkeitssystem für Gerichtsstandsvereinbarung zu schaffen, wurde also während des Reformprozesses erfolgreich gemeistert. Für den Umgang mit Schiedsvereinbarungen besteht das Problem hingegen fort.

4. Zwischenergebnis Die zweite Teilfrage dieses Kapitels kann also dahingehend beantwortet werden, dass die Probleme, die aus dem gegenwärtigen Zustand des rechtlichen Rahmens an der Schnittstelle zwischen Schiedsverfahren und Verfahren vor staatlichen Gerichten in der EU folgen, vor allem darauf beruhen, dass Parallelverfahren vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten nach wie vor möglich sind. Dies kann zu divergierenden Gerichtsurteilen und Schiedssprüchen führen, bei deren Vollstreckung Probleme auftreten können, da gerade für mit einem Schiedsspruch unvereinbare Gerichtsurteile keine zufriedenstellenden Versagungsgründe vorhanden sind. Daher hat die Partei einen Vorteil, die zuerst einen Rechtstitel zu ihren Gunsten erwirken kann. Dies kann zu einem Wettlauf zwischen staatlichen Gerichtsverfahren und Schiedsverfahren führen.

IV. Ergebnis Im Ergebnis ist daher zunächst festzuhalten, dass in der EuGVVO keine Rechtshängigkeitsregel für parallele Verfahren vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten existiert. Letztendlich scheinen die festgestellten Mängel aber bereits das Resultat des gescheiterten Versuchs zu sein, ein einheitliches europäisches Schiedsverfahrensrecht zu erlassen. Als die Mitgliedstaaten der EWG das Brüsseler Übereinkommen verabschiedeten, war ihnen klar, dass das UNÜ nicht alle Teile des Schiedsverfahrensrechts abdeckt. Damals wie heute ist dessen Anwendungsbereich auf die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedsvereinbarungen und Schiedssprüchen begrenzt. Die Begründer des Brüsseler Regimes gingen davon aus, dass ein einheitliches Schiedsverfahrensrecht in Form eines europäischen Übereinkommens alle anderen relevanten Bereiche des Schiedsverfahrensrechts abdecken würde. Auf dieser Grundlage hätte eine umfassende Bereichsausnahme Sinn ergeben. Stattdessen werden die neben dem UNÜ verbleibenden Bereiche des Schiedsverfahrensrechts nun von einem Flickenteppich verschiedener nationaler Schiedsverfahrensrechte in den Mitgliedstaaten der EU geregelt. Mangels einheitlicher Rechtsgrundlagen auch für das Schiedsverfahren musste durch den EuGH ein

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B. Der Ausschluss vom Anwendungsbereich der EuGVVO

umfangreiches Regel-Ausnahmesystem zu Umfang und Bedeutung des Ausschlusses der Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich des Brüsseler Regimes entwickelt werden. Mit Blick auf die Frage, welche rechtlichen Konsequenzen sich aus dem Ausschluss der „Schiedsgerichtsbarkeit“ vom Anwendungsbereich der EuGVVO gemäß Art. 1(2)(d) EuGVVO ergeben, kann folgendes Ergebnis festgehalten werden: Die Grenze des Ausschlusses der Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich der EuGVVO wird durch die Rechtsprechung des EuGH gezogen. Maßstab der Abgrenzung ist der Streitgegenstand der Hauptsache, welcher anhand der Rechte bestimmt wird, deren Schutz das Verfahren dient. Wenn dies das Recht ist, einen Rechtsstreit mithilfe eines Schiedsverfahrens zu entscheiden, greift der Ausschluss grundsätzlich ein. Jedoch hat der EuGH einige Ausnahmen von dieser Regel entwickelt, die jetzt zumindest teilweise Gegenstand von ErwGr. 12 EuGVVO sind. Kommt der Ausschluss zur Anwendung, so sind es de lege lata die nationalen Schiedsverfahrensrechte, welche die Zuständigkeit in Gerichtsverfahren mit Schiedsverfahrensbezug sowie die Anerkennung und Vollstreckung der in diesen ergehenden Entscheidungen regeln. Die nationalen Schiedsverfahrensrechte beruhen wiederum häufig auf dem UNÜ oder verweisen direkt auf dieses. Wenn der Ausschluss keine Anwendung findet, regelt die EuGVVO diese Fragen. Die Interpretation der Bereichsausnahme der Schiedsgerichtsbarkeit durch den EuGH, wie sie nun in ErwGr. 12 EuGVVO vorgesehen ist, hat die Rechtsunsicherheit allerdings nicht beseitigt, da insbesondere parallele Verfahren vor Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten möglich bleiben. Dies führt zu weiteren Problemen in der Phase der Vollstreckung, welche einen Wettlauf zwischen staatlichen Gerichtsverfahren und Schiedsverfahren begünstigen, da sich der zeitlich früher erlassene Rechtstitel in der Regel durchsetzt. Die auftretenden Probleme entsprechen damit genau den Missständen, die bei staatlichen Gerichtsverfahren durch die uniforme Festlegung der Zuständigkeit sowie die Vorschriften über die Verfahrenskoordination behoben wurde. Das legt nahe, dass auch im Bereich des Schiedsverfahrensrechts ein Bedarf für eine convention double besteht.

C. Die Rechtsetzungskompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit Der Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich des EuGVÜ beruhte neben dem UNÜ auch auf der Annahme, dass die Mitgliedstaaten ihre nationalen Schiedsverfahrensrechte harmonisieren würden. Das geplante Straßburger Übereinkommen scheiterte in Anbetracht der weitreichenden Eingriffe in die Regelungshoheit der potenziellen Unterzeichner jedoch.1 Um den sich auch heute noch aus der Bereichsausnahme ergebenden Problemen zu begegnen, müsste man dem harmonisierten Anerkennungsregime auch für das Schiedsverfahren eine Zuständigkeitsregel gegenüberstellen. Daran ändern auch die weitestgehend gescheiterten Reformversuche während der Überarbeitung der EuGVVO a. F. nichts. Die Harmonisierung der nationalen Schiedsverfahrensrechte bedürfte vielmehr – wie ursprünglich vorgesehen – eines eigenständigen Rechtsaktes. Der letzte derartige Versuch liegt jedoch mittlerweile über 50 Jahre zurück. In dieser Zeit haben sich die EU und ihre Rechtsetzungsbefugnisse stark verändert. Die erforderliche Maßnahme müsste nicht mehr notwendig in Form eines multilateralen Übereinkommens erfolgen. Vielmehr kommt heute auch sekundäres EU-Recht in Betracht. Die EU könnte durch einen der in Art. 288 AEUV vorgesehenen Rechtsakte unmittelbar auf die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten Einfluss nehmen. Der folgende Teil dieser Arbeit widmet sich daher der Frage, ob und in welchem Umfang eine Harmonisierung durch genuines Unionsrecht zulässig wäre. In diesem Rahmen wird zunächst der Meinungsstand in der Literatur zu dieser Fragestellung dargestellt (unten I.). Anschließend wird die unionsrechtliche Grundlage der vertikalen Kompetenzverteilung, Art. 5 EUV (unten II.), und sodann Art. 81 AEUV als mögliche Kompetenzgrundlage für ein EU-Schiedsverfahrensrecht (unten III.) erörtert.

I. Fehlende Berücksichtigung in der bisherigen Diskussion 1. Einleitung Den primärrechtlichen Handlungsbefugnissen der EU wurde während der anhaltenden Diskussionen um die Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts auf

1

Im Einzelnen siehe unten unter E. I. 3.

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C. Die Rechtsetzungskompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit

europäischer Ebene nur überraschend wenig Aufmerksamkeit geschenkt.2 Dies trifft weitestgehend auf den Geltungszeitraum des EuGVÜ und der EuGVVO a. F. zu (unten 2.). Auch während der Reform der Verordnung, die sich explizit mit einer möglichen Regelung der Schiedsgerichtsbarkeit befasst hat, wurde eine entsprechende Befugnis der EU nur vergleichsweise unvollständig erörtert (unten 3.). In Anbetracht der gescheiterten Reformierung der Schnittstelle zwischen Schiedsverfahren und der EuGVVO haben sich seither ebenfalls nur wenige Autoren mit dem Thema befasst (unten 4.).

2. Zu Zeiten des EuGVÜ und der EuGVVO a. F. Schon der Jenard Bericht ging auf Grundlage von Art. 220 EWGV wie selbstverständlich von einer grundsätzlichen Kompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit aus, ohne diese Annahme näher zu erläutern.3 Die fehlende Begründung lässt sich zumindest aus dem Umstand rechtfertigen, dass die Schiedsgerichtsbarkeit in der Folge ohnehin vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossen blieb. Aber auch im Rahmen der Vorarbeiten zum Straßburger Übereinkommen, welches Grundlage der Bereichsausnahme war, wurde die Frage der Kompetenz zum Abschluss eines entsprechenden Übereinkommes außer Acht gelassen.4 Ersichtlich auf Basis des Jenard Berichts ging auch der EuGH in der Rechtssache Marc Rich ohne Umschweife grundsätzlich von einer vollumfänglichen Kompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit aus, von der lediglich kein ausschöpfender Gebrauch gemacht worden sei.5 Das Urteil wurde von Bourque zum Anlass genommen, sich erstmals ausführlicher mit der primärrechtlichen Grundlage der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit auseinanderzusetzen.6 Dabei kommt er zu dem Ergebnis, die EU dürfe auf Grundlage von Art. 220 EWG-Vertrag wegen des Subsidiaritätsprinzips nur tätig werden, wenn sie den Bereich effektiver als die Mitgliedstaaten regeln könne. Dies 2

Für eine Übersicht siehe Warwas, The State of Research on Arbitration and EU Law, S. 10 ff. 3 Jenard, ABl. EG Nr. C 59, S. 13: „Arbitration is, of course, referred to in Article 220 of the Treaty of Rome.“; in den weiteren Berichten wurde die Frage nicht mehr thematisiert. 4 Herment Revue Belge de Droit International (1966) 370, 381. 5 EuGH 25. 7. 1991, Rs. 190/89 – Marc Rich/Impianti, Slg. 1991 3855, Rn. 16 f.: „Mit der Bezugnahme auf richterliche Entscheidungen und Schiedssprüche erfaßt Artikel 220 EWGVertrag somit sowohl die bei staatlichen Gerichten eingeleiteten Verfahren, die durch eine richterliche Entscheidung abgeschlossen werden, als auch die Verfahren, die vor private Schiedsrichter gebracht und durch Schiedssprüche abgeschlossen werden. […] Zum Ausschluß der Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich des Übereinkommens heißt es in dem anläßlich der Ausarbeitung des Übereinkommens erstellten Sachverständigenbericht (ABl. 1979, C 59, S. 1) wie folgt: ,Dieses Rechtsgebiet, das in Artikel 220 des EWG-Vertrags ausdrücklich erwähnt wird, […]‘“. 6 Bourque ICC Bulletin (1994) 8, 8.

I. Fehlende Berücksichtigung in der bisherigen Diskussion

83

sei wegen des schon bestehenden parallelen Rechtsrahmens aus europäischen Verträgen und nationalen Schiedsrechten nicht der Fall, weswegen die EU die Schiedsgerichtsbarkeit richtigerweise entweder von Maßnahmen ausschließe, oder allenfalls als einen von mehreren untergeordneten Faktoren berücksichtige.7 Briner sieht dies etwas später grundsätzlich ähnlich, weißt aber auf das Paradox hin, einerseits im EuGVÜ und LugÜ erfolgreich eine convention double im Bereich der staatlichen Gerichtsbarkeit geschaffen zu haben, andererseits aber im Bereich der wichtigen Schiedsgerichtsbarkeit unter Verweis auf den Subsidiaritätsgrundsatz weitgehend untätig zu bleiben, obwohl man die Materie auf Unionsebene besser regeln könne.8 Schlosser lässt die Reichweite von Art. 220 EWGV zu dieser Zeit in einem Beitrag zum europäischen ordre public noch offen.9 Die Bereichsausnahme für die Schiedsgerichtsbarkeit war nicht Gegenstand der Reform von 2001,10 sodass zumindest auf Seiten der EU auch keine Veranlassung bestand, eine etwaige Kompetenz im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit zu erörtern. Poudret äußerte damals bereits Bedauern, dass eine Möglichkeit vertan worden sei, eine notwendige Anpassung vorzunehmen.11 Nourissat hingegen begrüßte die Untätigkeit der Union, da die Schnittstelle zwischen EU- und Schiedsrecht immer komplexer würde.12

7 Ebd., dabei verweist er zum einen auf das EuGVÜ, zum anderen auf die Richtlinie 93/13/ EWG über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen. 8 Briner, L’Arbitrage International et l’Europe, S. 25 f., der insoweit von einem „Paradox“ spricht: „[…] on aurait pu penser que le droit européen se serait préoccupé de la réglementation de ce secteur important du droit des affaires à un niveau régional, comme il s’est préoccupé très utilement, par exemple, des règles de compétence judiciaire et de la reconnaissance des jugements par le biais des conventions de Bruxelles et de Lugano. La sagesse, semble-t-il a prévalu. Faisant une juste application du principe de subsidiarité […], l’Union européenne a très peu agi en la matière, dans la mesure où les objectifs recherchés pouvaient être mieux réalisés par l’action des Etats membres que par l’action communautaire. C’est en cela que tient le paradoxe européens […]“; ähnlich Poudret, Conflits entre juridictions étatiques en matière d’arbitrage international, S. 761 f. 9 Schlosser, Arbitration and European Public Policy, S. 93. 10 Ambrose 19(1) Arb. Int’l (2003) 3, 6, m. w. N. zu den entsprechenden Beratungsdokumenten. 11 Poudret, Conflits entre juridictions étatiques en matière d’arbitrage international, S. 780: „Il est regrettable que l’on n’ait pas saisi l’occasion de la récente procedure de revision des deux Conventions [Bruxelles et Lugano] pour procéder à cet ajustement nécessaire.“ 12 Nourissat 7 RDAI (2003) 761, 775 f.: „Since relations between international commercial arbitration and EC law seem to inevitably veer towards complexity, the Community legal system should seize this area (just as it took on – with the Member States’ approval of course – areas that seemed outside of its scope […]“.

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C. Die Rechtsetzungskompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit

3. Die Reform der EuGVVO a. F. Der Urheber der Idee, die Schiedsgerichtsbarkeit zumindest teilweise im Rahmen der EuGVVO zu regeln, van Houtte, thematisierte die primärrechtliche Handlungsgrundlage der EU im Bereich der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit zwar, schenkte ihr aber keine allzu große Beachtung. Er scheint jedoch von einer grundsätzlichen Befugnis der EU auf Grundlage von Art. 65 EGV (Amsterdam)13 auszugehen.14 Da van Houtte umfangreiche Harmonisierungsvorschläge unterbreitete, hätte eine dezidiertere Auseinandersetzung seine Idee jedoch unterstützt. Insbesondere der Vorschlag, neben der Aufhebung des Ausschlusses der Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich der EuGVVO auch ein „Europäisches Protokoll zum New Yorker Übereinkommen“ zur Bestimmung des auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren Rechts zu erarbeiten,15 hätte davon unter Umständen profitiert. Andere Autoren, die sich in dieser Zeit mit der Thematik auseinandergesetzt haben, befassen sich mit der Ermächtigungsgrundlage ebenso allenfalls oberflächlich.16 Der Heidelberg Report enthielt wie der Jenard Bericht lediglich einen pauschalen Verweis auf Art. 220 EWGV bzw. dann Art. 293 EGV (Nizza).17 Einer der Autoren, Peter Schlosser, setzte sich in einem kurz darauf veröffentlichten Beitrag jedoch 13 Römischer Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft vom 25. 3. 1957 i. d. F. des Vertrages von Amsterdam vom 2. 10. 1997, BGBl. 1998 II, S. 386. 14 van Houtte 21 Arb. Int’l (2005) 509, 517: „Article 65 of the present EC Treaty instructs the Council of Ministers to promote the compatibility of proceedings and to resolve conflicts of jurisdiction within the EU. Moreover, it mandates the Council to improve the recognition and enforcement of all decisions in civil and commercial matters, and in extrajudicial cases. Regardless of whether one regards arbitration as a judicial or extrajudicial matter, Article 65 thus urges the Council to make court jurisdiction more compatible with arbitral jurisdiction and to harmonize the enforcement of court decisions and arbitral awards.“ 15 Das Protokoll sollte scheinbar die Form eines Übereinkommens annehmen, vgl. van Houtte 21 Arb. Int’l (2005) 509, 516 f.: „Nevertheless, nothing prevents a group of states under international law from agreeing among themselves how they will fill in the gaps that the Convention left open.“; dazu kritisch Schlosser, Die Vollstreckung von Schiedssprüchen, S. 160 f. 16 Gomez 2 IPRax (2005) 84, 84: „Der freie Verkehr von Schiedssprüchen ist immer ein Ziel des EG-Vertrages gewesen. Vor In-Kraft-Treten des Amsterdamer Vertrages ließ sich dies aus Art. 220 EGV herleiten. Seit In-Kraft-Treten des Amsterdamer Vertrages ergibt sich dies explizit sowohl aus Art. 65 lit. a EGV als auch aus Art. 293 EGV.“; Veeder 24(4) ASA Bulletin (2006) 803, 806: „[…] Article 220 (now 293) of the 1958 Treaty of Rome required the Member States to secure ,the simplification of formalities governing the reciprocal recognition and enforcement of judgments of courts or tribunals and of arbitration awards‘ (emphasis added). The result was the 1968 Brussels Convention, albeit excluding ,arbitration‘. […] This was clearly a departure from the uniform regime intended by Article 220.“; Mourre 23(3) ASA Bulletin (2005) 408 ff. kritisiert die Harmonisierungsbestrebungen, befasst sich aber nicht mit einer etwaigen Kompetenz der EG. 17 Hess/Pfeiffer/Schlosser, Brussels I Regulation, Rn. 106 [Fn. 145]: „However, Article 220 EC-Treaty of 1958 (now Article 293 EC-Treaty) explicitly provides for a Community competence in arbitration.“

I. Fehlende Berücksichtigung in der bisherigen Diskussion

85

kritisch mit der Regelungskompetenz der EG im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit auseinander.18 Schlosser schließt zunächst eine Kompetenz nach Art. 65(c) EGV (Nizza) aus, da es nicht vorstellbar sei, „dass mit dem Begriff ,Zivilverfahren‘ (englisch: civil proceedings) auch Schiedsgerichtsbarkeit gemeint ist“.19 Auch eine Rechtsetzungsbefugnis der EG wegen der Nennung von „außergerichtlichen Entscheidungen“ in Art. 65(a) EGV (Nizza) sieht er wegen dem (mutmaßlichen) Hintergrund der Differenzierung in der Vorschrift, die seiner Ansicht nach zunächst vor allem auf Behördenentscheidungen abzielte, kritisch, kommt dann aber zu dem Ergebnis, man solle „die Gunst des Wortlauts akzeptieren“.20 Die daraus folgende Gemeinschaftskompetenz könne aber nur für Verfahren mit grenzüberschreitenden Bezügen, also die internationale Schiedsgerichtsbarkeit, bestehen, wobei er sich über die diesbezügliche Auffassung der Kommission im Unklaren zeigt.21 Eine Auseinandersetzung mit der Begrenzung auf die „Anerkennung und Vollstreckung“ in Art. 65(a) EGV (Nizza) findet nicht statt. Betrachtet man dann die ersten Vorschläge der Kommission im Grünbuch, gewinnt man den Eindruck, dass die Kommission selbst von recht weitreichenden Rechtsetzungsbefugnissen im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ausgeht, wobei die rechtliche Grundlage dieser Befugnisse jedoch nicht thematisiert wird.22 Neben der (teilweisen) Aufhebung der Bereichsausnahme und der Einführung einer eigenen Zuständigkeitsregel werden dort einheitliche Regelungen zur Erstkompetenz der staatlichen Gerichte am Sitz des Schiedsgerichts bezüglich der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung, eine entsprechend einheitliche Kollisionsnorm, die ausschließliche Befugnis zur Exequaturerteilung durch die staatlichen Gerichte am Sitz des Schiedsgerichts mit Wirkung für die ganze EU sowie eine Regelung zur weiteren Erleichterung der Anerkennung von Schiedssprüchen auf EU-Ebene vorgeschlagen.23 Damit deckt der Vorschlag des Grünbuchs das Schiedsverfahrensrecht nicht vollumfänglich ab, aber kann doch als sehr weitreichend bezeichnet werden. Bemerkenswert ist, dass sich auch die zahlreichen Kritiker dieses Vorschlages kaum mit der entsprechenden Kompetenz der EU auseinandersetzen,24 obwohl man dadurch einige der vorgeschlagenen Maßnahmen in Frage stellen konnte.25 18 Schlosser, Die Vollstreckung von Schiedssprüchen, S. 145 ff.; in dem Beitrag bemängelt der Autor selbst die unzureichende Auseinandersetzung mit dem Thema: „Van Houtte nimmt es als selbstverständlich, dass Schiedsgerichtsbarkeit unter den doppelten Begriff ,gerichtliche und außergerichtliche Entscheidungen‘ fällt. Eine gründliche Auseinandersetzung mit dem Thema ist aber ausgeblieben.“ (vgl. S. 147). 19 Schlosser, Die Vollstreckung von Schiedssprüchen, S. 147, mit dem berechtigten Verweis auf das Fehlen von Materialien zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift. 20 Schlosser, Die Vollstreckung von Schiedssprüchen, S. 148. 21 Schlosser, Die Vollstreckung von Schiedssprüchen, S. 150. 22 Europäische Kommission, KOM(2009) 175 endg., S. 9 f. 23 Ebd. 24 Vgl. z. B. Bienvenu/Tawil 10(3) Bus. L. Int’l (2009) 302 ff.; Vagenheim 27(3) ASA Bulletin (2009) 588 ff.; Pinsolle 12(4) Int. A.L.R. (2009) 62 ff.; Mourre, „Circulez, il n’y a rien à

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C. Die Rechtsetzungskompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit

Benedettelli setzt sich hingegen vor dem Hintergrund der West Tankers Entscheidung und den Vorschlägen der Kommission ausführlich mit einer möglichen „Vergemeinschaftung“ der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in der EU auseinander.26 Er stellt zunächst fest, der minimalistische Reformansatz bei der Überarbeitung der EuGVVO a. F. habe wesentliche Bereiche außer Betracht gelassen, die grundsätzlich einer Harmonisierung zugänglich wären.27 Es gäbe – auch vor dem Hintergrund des Art. 81 AEUV – keinen Grund, warum die Schiedsgerichtsbarkeit nicht Teil des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sein sollte.28 Die grundsätzliche Kompetenz der EU sei jedoch durch die Grundprinzipien der europäischen Verträge begrenzt, insbesondere durch das Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung sowie durch die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.29 Auf dieser Grundlage kommt er zu dem Ergebnis, die EU könne insbesondere in den Bereichen der objektiven Schiedsfähigkeit, der Vorlagebefugnis von Schiedsgerichten nach Art. 267 AEUV, der Zuständigkeitsallokation sowie der Anerkennung und Vollstreckung von Gerichtsurteilen und Schiedssprüchen harmonisierend tätig werden.30 Er schlägt letztendlich jedoch auch in diesen Bereichen für Schiedsverfahren, die nicht das materielle EU-Recht zum Gegenstand haben (also fast alle), lediglich den Erlass eines optionalen Rechtsaktes vor, um so dessen Anwendungsbereich flexibel zu halten.31 Die von Benedettelli unterbreiteten Vorvoir!“. A Response to Professor Hess, Kluwer Arbitration Blog, 3. 3. 2010, verfügbar unter http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2010/03/03/circulez-il-ny-a-rien-a-voir-a-responseto-professor-hess/, zuletzt aufgerufen am 6. 6. 2018; ders., Some additional comments on the (now amended) Heidelberg Report: A reply to Professor Hess, Kluwer Arbitration Blog, 22. 3. 2010, verfügbar unter http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2010/03/22/some-additionalcomments-on-the-now-amended-heidelberg-report-a-reply-to-professor-hess/, zuletzt aufgerufen am 6. 6. 2018; Magnus/Mankowski 109 ZVglRWiss (2010) 1, 22 schneidet das Problem der Rechtsgrundlage zwar an, legt sich aber nicht fest: „This leaves apart even the paramount question whether the EU would be competent to invade to such a degree into the territory of arbitration. In the pure introspection of Community law Art. 293 EC Treaty might possibly sanction such step by mentioning the free circulation of arbitration awards side by side with the free circulation of judicial decisions.“; ähnlich später Radicati Di Brozolo 7(3) J. Priv. Int’l L. (2011) 423, 434 f.: „Some have suggested that the only solution to tackle the problem would be through a comprehensive regulation of arbitration, which would have to be introduced by way of harmonisation. Leaving aside the problem of the legal basis for any intervention of the EU in this area […]“. 25 Kessedjian 4 Rev. arb. (2009) 699, 703 ff. erörtert zwar die Kompetenz der EU und bejaht diese wohl, legt sich im Ergebnis aber insbesondere hinsichtlich des Umfangs nicht eindeutig fest: „On peut donc penser que la compétence de la nouveau Union sera sensiblement élargie par rapport à ce que la Communauté pouvait faire en vertu de l’article 65 TCE.“ 26 Benedettelli 27(4) Arb. Int’l (2011) 583 ff. 27 Benedettelli 27(4) Arb. Int’l (2011) 583, 586. 28 Benedettelli 27(4) Arb. Int’l (2011) 583, 599. 29 Benedettelli 27(4) Arb. Int’l (2011) 583, 600 ff., er weist zudem auf die Begrenzung durch die aus internationalen Übereinkommen folgenden Verpflichtungen der Mitgliedstaaten hin (S. 602 ff.). 30 Benedettelli 27(4) Arb. Int’l (2011) 583, 614 ff. 31 Benedettelli 27(4) Arb. Int’l (2011) 583, 621 f.

I. Fehlende Berücksichtigung in der bisherigen Diskussion

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schläge zeugen damit von einer differenzierten Auseinandersetzung mit den unionsrechtlichen Grundlagen, auf deren Basis die EU im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit tätig werden könnte. Moses hat sich diesen Vorschlägen im Hinblick auf die möglichen Regelungsbereiche angeschlossen.32 Die späteren Vorschläge der Kommission waren nicht mehr so einschneidend wie die ausgiebig diskutierten Ansätze des Grünbuchs. Im Ergebnis wurde von einer Teilregelung der Schiedsgerichtsbarkeit gänzlich abgesehen, da die Mitgliedstaaten die Möglichkeit der Anwendung ihrer eigenen Schiedsgesetze nicht einschränken wollten.33 Dennoch zeigen die ursprünglichen Vorschläge der Kommission während der Reform der EuGVVO a. F., dass die Kommission grundsätzlich von einer vollumfänglichen Kompetenz der EU im Bereich des Schiedsverfahrensrechts ausgeht.

4. Inkrafttreten der EuGVVO Vor dem Hintergrund des weitgehenden Scheiterns der Reformvorschläge des Grünbuchs und des Heidelberg Reports ist es seit Inkrafttreten der EuGVVO um eine mögliche Harmonisierung des internationalen Schiedsverfahrensrechts in der EU recht still geworden. Die ohnehin zumeist nur oberflächlich geführte Diskussion um eine entsprechende Handlungsbefugnis der EU wurde wohl auch deswegen kaum weiterverfolgt. Ersichtlich gehen Schrifttum und Praxis aber von dieser Möglichkeit aus. Hauberg Wilhelmsen, die sich vor dem Hintergrund des Art. 1(2)(d) EuGVVO ausführlich mit einer möglichen Harmonisierung des internationalen Schiedsverfahrensrechts in Europa auseinandersetzt und zumindest eine Regelung des Schiedsvereinbarungsstatuts im Rahmen der Rom I-VO vorschlägt, erörtert die Befugnis der EU zur Vornahme einer entsprechenden Maßnahme nicht, sondern setzt sie ersichtlich voraus.34 Dickler, die einen umfassenden Harmonisierungsvorschlag unterbreitet hat, geht ohne weitere Erörterung von einer umfassenden Befugnis der EU auf Grundlage von Art. 81(2)(g) AEUV aus.35 Gaffney hat demgegenüber – 32

Moses 35 Nw. J. Int’l L. & Bus. (2014) 1, 43: „Professor Massimo Benedettelli has listed these areas where there is room for further harmonization of arbitration law: […]“. 33 Moses 35 Nw. J. Int’l L. & Bus. (2014) 1, 42. 34 Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 8.17. 35 Dickler, Schiedsgerichtsbarkeit und Reform der EuGVVO, S. 181: „Der Union ist gem. Art. 81 Abs. 2 lit. g AEUV ausdrücklich die Befugnis zugewiesen, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren auch solche Maßnahmen zu ergreifen, die der Entwicklung von alternativen Methoden für die Beilegung von Streitigkeiten dienen. Kompetenzrechtlich bestehen hinsichtlich der Verabschiedung eines Unionsrechtsaktes, der die Harmonisierung von staatlichen und schiedsgerichtlichen Verfahren zum Gegenstand hat […] demzufolge keine Bedenken.“, sowie zuvor schon S. 138: „[…] trotz der dem europäischen Gesetzgeber ausdrücklich in Art. 81 Abs. 2 lit. g AEUV verliehenen Kompetenz für diesen Bereich [der Schiedsgerichtsbarkeit] […]“; ähnlich für die Kompetenz der EU in Bezug auf Art. 1(2)(e)

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C. Die Rechtsetzungskompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit

grundsätzlich ähnlich wie Benedettelli36 – erneut eine detailliertere Erörterung der Rechtsetzungskompetenz der EU im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit vorgenommen.37 Er kommt zu dem Ergebnis, die EU sei auf Grundlage von Art. 67(1) und (4), 81(1) AEUV grundsätzlich zur Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts befugt.38 Die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit würden jedoch nur Maßnahmen zulassen, die der Behebung nicht anderweitig lösbarer Probleme dienten, wozu insbesondere Parallelverfahren sowie sich daraus ergebende divergierende Entscheidungen von staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten zählten.39 Illmer setzte sich nach Scheitern der Reform ebenfalls mit möglichen Perspektiven des Schiedsverfahrensrechts in der EU auseinander.40 Ernüchtert stellt er fest, dass neben den erheblichen politischen Hindernissen auch rein rechtlich gesehen eine Regulierung auf Ebene der EU ausgeschlossen sei. Seiner Auffassung nach hat die Änderung des Art. 293 EGV (Nizza) hin zu Art. 81 AEUV dazu geführt, dass die EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit nicht gesetzgeberisch tätig werden könne.41 Die Begrenzung des Art. 81 AEUV auf Gerichtsurteile und „außergerichtliche Entscheidungen“ erfasse die Schiedsgerichtsbarkeit nicht, da mit den Zweitgenannten behördliche Entscheidungen oder etwa Handlungen von Notaren gemeint seien, nicht aber Institutionen, die wie eben die Schiedsgerichtsbarkeit rechtsprechende Funktionen ausüben.42 So begrenzt er ähnlich wie zuvor schon Schlosser43 die Reichweite der „außergerichtlichen Entscheidungen“ auf Behörden und kommt zu dem Ergebnis, dass das Feld künftig wohl (weiterhin) im Rahmen internationaler Übereinkommen geregelt werden muss.44 Rom I-VO auch Mankowski RIW 2018, 1, 10: „Dass sich die EU Kompetenzen auch jenseits der staatlichen Gerichtsbarkeit anmaßt, zeigt schon Art. 81 Abs. 2 lit. g AEUV, eindeutige Erstreckung in den Bereich der ADR. Art. 81 Abs. 2 lit. a AEUV sekundiert dem noch. Denn dort steht die Anerkennung und Vollstreckung außergerichtlicher Entscheidungen neben jener gerichtlicher Entscheidungen.“ 36 Benedettelli 27(4) Arb. Int’l (2011) 583 ff., siehe oben Kapitel C. I. 3. 37 Gaffney 33 Arb. Int’l (2017) 81, 92 ff. 38 Gaffney 33 Arb. Int’l (2017) 81, 93. 39 Gaffney 33 Arb. Int’l (2017) 81, 95. 40 Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 59 ff. 41 Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 59: „Since the abandonment of Art. 293 of the pre-Lisbon EC Treaty, it appears more than doubtful that the EU has the competence to legislate in the field of arbitration.“ 42 Ebd.: „Even Art. 81 of the [TFEU] cannot convey such competence since it is limited to judgments rendered by courts and to ,decisions in extrajudicial cases‘ which do not include arbitration, but rather, decisions by authorities that do not have a judicial function as arbitral tribunals do. […] Art. 81 is limited to […] or persons authorized by the state to act in an official function such as notaries.“ 43 Siehe oben Kapitel C. I. 3.; Schlosser, Die Vollstreckung von Schiedssprüchen, S. 148. 44 Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 60: „[…] the abandonment of Art. 293 of the EC-Treaty by the Lisbon Treaty in 2009 was an unequivocal sign that the EU

II. Europarechtliche Grundlage der vertikalen Kompetenzverteilung

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5. Stellungnahme Die zumeist nur vordergründig geführte Diskussion um die primärrechtliche Handlungskompetenz der EU im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit überrascht. Selbst während des langen Zeitraums intensiver Diskussionen um eine mögliche Einbeziehung der Schiedsgerichtsbarkeit in die EuGVVO sowie noch weitreichenderer Harmonisierungsmaßnahmen wurde die entsprechende europarechtliche Befugnis kaum beachtet. Soweit dies geschehen ist, wurden in der Regel nur Einzelaspekte erörtert. Dabei war und ist die logische Vorfrage dieser Diskussion unentbehrlich, nämlich ob, und falls ja in welchem Umfang, die EU gesetzgeberisch im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit tätig werden könnte. Möglicherweise hätten die Reformbestrebungen während der Überarbeitung der EuGVVO a. F. eine andere Richtung eingeschlagen, wenn man sich von Anfang an differenzierter mit den primärrechtlichen Grundlagen befasst hätte.

II. Europarechtliche Grundlage der vertikalen Kompetenzverteilung, Art. 5 EUV 1. Einleitung Um eine fundierte Stellungnahme zur Regulierungsmöglichkeit der EU im Bereich des Schiedsverfahrensrechts abzugeben, bedarf es daher zunächst einer Erörterung der primärrechtlichen Grundlagen der vertikalen Kompetenzverteilung. Die Kompetenzverteilung zwischen der EU und den Mitgliedstaaten ist insbesondere in Art. 5 EUV geregelt. Daneben sind auch die Art. 1, 4 und 7 EUV von grundlegender Bedeutung.45 Als „Schlüsselnorm“ des europäischen Kompetenzgefüges gilt jedoch Art. 5 EUV,46 dessen Absatz 1 zunächst die grundlegenden Prinzipien der Unionskompetenz benennt: „Für die Abgrenzung der Zuständigkeiten der Union gilt der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung. Für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union gelten die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.“

Damit statuiert Art. 5 EUV die Grundsätze der vertikalen Kompetenzverteilung zwischen der Union und den Mitgliedstaaten und der Kompetenzausübung durch die Union: Art. 5(1) EUV benennt die drei maßgeblichen Grundsätze, den Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung, den Grundsatz der Subsidiarität und den (kompetenzbezogenen) Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die entsprechenden Definitiowill – at least in the near future – not engage in any intra-EU regulation of arbitration, but leave the field to international conventions […]“. 45 Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV Art. 5 Rn. 1. 46 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV Art. 5 Rn. 4; ähnlich Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV Art. 5 Rn. 1, der von einer „Zentralnorm“ spricht.

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C. Die Rechtsetzungskompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit

nen finden sich in Art. 5(2)-(4) EUV.47 Maßnahmen der EU müssen die in diesen „europarechtlichen Schrankentrias“48 niedergelegten Voraussetzungen grundsätzlich kumulativ erfüllen.49 Die Grundsätze stellen justiziable Kriterien dar und liegen damit der Rechtmäßigkeitskontrolle von EU-Maßnahmen durch den EuGH zugrunde.50 Der EuGH wendet die Grundsätze im Einklang damit regelmäßig bei der Überprüfung europäischer Rechtsakte an.51 Die Autoren, welche sich mit den Grundlagen der primärrechtlichen Rechtsetzungskompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit auseinandergesetzt haben, verweisen dementsprechend ebenfalls auf die große Bedeutung des Art. 5 EUV in diesem Zusammenhang.52

2. Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung, Art. 5(2) EUV Der Inhalt des Grundsatzes der begrenzten Einzelermächtigung ergibt sich aus Art. 5(2) EUV: „Nach dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung wird die Union nur innerhalb der Grenzen der Zuständigkeiten tätig, die die Mitgliedstaaten ihr in den Verträgen zur Verwirklichung der darin niedergelegten Ziele übertragen haben. Alle der Union nicht in den Verträgen übertragenen Zuständigkeiten verbleiben bei den Mitgliedstaaten.“

Demnach kann die Union nur dann gesetzgeberisch tätig werden, wenn ihr in den europäischen Verträgen eine entsprechende Handlungsermächtigung erteilt wurde.53 Der Grundkonzeption der Vorschrift zufolge bilden die nationalen Kompetenzen aber den Regelfall, wie Satz 2 verdeutlicht.54 Gerade deswegen ist die Union nicht mit einem (Bundes-)Staat vergleichbar, der im Unterschied dazu eine gesetzgebe47 Lienbacher, in: Schwarze, EUV Art. 5 Rn. 1; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV Art. 5 Rn. 5; Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur, European Union Treaties, Art. 5 TEU, Rn. 1; zu den einzelnen Grundsätzen und Prinzipien siehe unten Kapitel C. II. 2. – 4. 48 Merten, Die Subsidiarität Europas, S. 78; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUVArt. 5 Rn. 4. 49 Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur, European Union Treaties, Art. 5 TEU, Rn. 2. 50 Lienbacher, in: Schwarze, EUV Art. 5 Rn. 2; Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV Art. 5 Rn. 3. 51 Vgl. z. B. EuGH 10. 2. 2002, Rs. 491/01 – The Queen/Secretary of State for Health, Slg. 2002 11453, Rn. 173 ff.; EuGH 8. 6. 2010, Rs. 58/08 – The Queen (auf Antrag von Vodafone)/Secretary of State for Business, Slg. 2010 4999, Rn. 50 ff.; EuGH 12. 5. 2012, Rs. 176/09 – Luxemburg/Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union, Slg. 2011 3727, Rn. 56 ff. 52 Benedettelli 27(4) Arb. Int’l (2011) 583, 600 ff.; Gaffney 33 Arb. Int’l (2017) 81, 92 ff.; zumindest implizit Nourissat 7 RDAI (2003) 761, 776: „[…]strengthened by the reminder that Community intervention is subject to compliance with the principles of proportionality and subsidiarity […]“; zum großen Potential der Vorschrift auch als „Baustein einer erneuerten Europäischen Union“ siehe Callies NVwZ 2018, 1, 7. 53 Der Grundsatz wird zudem von Art. 7 AEUV im Zusammenhang mit dem Kohärenzprinzip in Bezug genommen, Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV Art. 5 Rn. 13. 54 Langguth, in: Lenz/Borchardt, EUV Art. 5 Rn. 3.

II. Europarechtliche Grundlage der vertikalen Kompetenzverteilung

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rische Kompetenz-Kompetenz inne hat.55 Daneben ist stets konkret zu prüfen, ob die EU tätig werden „kann“.56 Die Kompetenzen der EU ergeben sich gem. Art. 2(6) AEUV „aus den Bestimmungen der Verträge zu den einzelnen [Politik-]Bereichen“.57 Dabei ist die EU dazu verpflichtet, die richtige Kompetenzgrundlage zu wählen.58 Die Befugnisse können sich aber nicht nur ausdrücklich aus EU-Recht ergeben, sondern auch als Annexkompetenz aus dem Sachzusammenhang.59 Im Ergebnis benötigt jeder Unionsrechtsakt zum Zeitpunkt seines Erlasses eine Ermächtigungsgrundlage.60 Sie ist unter Berücksichtigung von Ziel und Inhalt der geplanten Maßnahme sorgfältig zu prüfen, um Existenz und Reichweite einer unionsrechtlichen Kompetenz festzustellen.61 Um die Nachprüfbarkeit zu gewährleisten müssen die EU-Organe in ihren Rechtsetzungsvorschlägen die entsprechende Ermächtigungsgrundlage angeben.62 Lienbacher fasst die Bedeutung der Vorschrift unter Zitierung der einschlägigen Rechtsprechung des EuGHs dahingehend zusammen, dass „sich doch die Wahl der Rechtsgrundlage auf die inhaltliche Ausgestaltung der Rechtsakte auswirken [kann]. Die Wahl der Rechtsgrundlage hat sich nach ständiger Rechtsprechung des EuGH auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände zu stützen, zu denen insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsaktes gehören.“63 55 Dies entspricht auch Art. 1(1) EUV, welcher die Stellung der Mitgliedstaaten als „Herren der Verträge“ unterstreicht, vgl. Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV Art. 5 Rn. 6. 56 Sogenannte „Kann-Frage“, vgl. Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV Art. 5 Rn. 9. 57 Lienbacher, in: Schwarze, EUV Art. 5 Rn. 8; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV Art. 5 Rn. 10. 58 Langguth, in: Lenz/Borchardt, EUV Art. 5 Rn. 3; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV Art. 5 Rn. 9. 59 Auch „Implied powers“ genannt, vgl. Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur, European Union Treaties, Art. 5 TEU, Rn. 5; Lienbacher, in: Schwarze, EUV Art. 5 Rn. 9. 60 Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV Art. 5 Rn. 13. 61 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV Art. 5 Rn. 10. 62 Langguth, in: Lenz/Borchardt, EUV Art. 5 Rn. 13. 63 Lienbacher, in: Schwarze, EUV Art. 5 Rn. 12, unter Verweis auf EuGH 3. 9. 2008, verb. Rs. 402/05 P und 415/05 P – Kadi/Rat und Kommission, Slg. 2009 6351, Rn. 203: „[…] auf dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung beruhenden institutionellen Ordnung […]“; EuGH 1. 10. 2009, Rs. 370/07 – Kommission/Rat, Slg. 2009 8917, Rn. 47 und EuGH 6. 12. 2001, Gutachten 2/00 – Protokoll von Cartagena, Slg. 2001 9713, Rn. 5: „[…] verfassungsrechtliche Bedeutung […]“; EuGH 11. 9. 2003, Rs. 211/01 – Kommission/Rat, Slg. 2003 8913, Rn. 52: „Grundsätzlich kann die fehlerhafte Anwendung eines Vertragsartikels als Rechtsgrundlage mit der Folge, dass die qualifizierte Mehrheit im Rat durch Einstimmigkeit ersetzt wird, nicht als rein formaler Fehler angesehen werden, da sich eine Änderung des Abstimmungsmodus auf den Inhalt des erlassenen Rechtsakts auswirken“; EuGH 26. 10. 2010, Rs. 482/08 – Vereinigtes Königreich/Rat, Slg. 2010 10413, Rn. 45: „Die Einstufung eines Rechtsakts der Union […] muss […] auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen, zu denen insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts gehören.“; EuGH 8. 9. 2009, Rs. 411/06 – Kommission/Parlament und Rat, Slg. 2009 7585, Rn. 45: „Die Wahl der Rechtsgrundlage eines gemeinschaftlichen Rechtsakts [muss] auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen […], zu denen insbesondere das Ziel und der Inhalt des

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C. Die Rechtsetzungskompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit

Der Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung führt also dazu, dass für jeglichen Rechtsakt der EU im Bereich der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit zunächst einmal eine Ermächtigungsgrundlage in den europäischen Verträgen gefunden werden muss. Erst deren sorgfältige Prüfung erlaubt eine Bestimmung der Form und des möglichen Inhalts. Daher widmet sich die vorliegende Arbeit der Erörterung der primärrechtlichen Ermächtigungsgrundlage separat im nächsten Unterabschnitt.64

3. Subsidiaritätsprinzip, Art. 5(3) EUV Die Definition des Subsidiaritätsprinzips sowie dessen Ergänzung durch das Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit ergeben sich aus Art. 5(3) EUV: „Nach dem Subsidiaritätsprinzip wird die Union in den Bereichen, die nicht in ihre ausschließliche Zuständigkeit fallen, nur tätig, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind. Die Organe der Union wenden das Subsidiaritätsprinzip nach dem Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit an. Die nationalen Parlamente achten auf die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips nach dem in jenem Protokoll vorgesehenen Verfahren.“

Das Subsidiaritätsprinzip behandelt damit die Frage nach dem „Ob“ des Tätigwerdens der EU,65 sofern es sich nicht um eine Maßnahme im Bereich der ausschließlichen Zuständigkeiten der EU nach Art. 3 AEUV handelt.66 Für die Anwendung des Prinzips muss also zunächst eine Handlung vorliegen, die die konkurrierende oder parallele Zuständigkeit der EU nach Art. 4 AEUV betrifft.67 Das Subsidiaritätsprinzip greift dabei nur, wenn eine EU-Zuständigkeit bereits besteht, und beschränkt deren konkret beabsichtigte Ausübung.68 Ist dies der Fall, so ist nach

Rechtsakts gehören“; EuGH 3. 9. 2009, Rs. 166/07 – Parlament/Rat, Slg. 2009 7135, Rn. 42: „Im Rahmen des Zuständigkeitssystems der Gemeinschaft muss sich die Wahl der Rechtsgrundlage eines gemeinschaftlichen Rechtsakts auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen, zu denen insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts gehören“. 64 Siehe unten Kapitel C. III. 65 Sogenannte „Ob-Frage“, vgl. Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV Art. 5 Rn. 5, 23; Langguth, in: Lenz/Borchardt, EUV Art. 5 Rn. 6. 66 Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur, European Union Treaties, Art. 5 TEU, Rn. 12; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV Art. 5 Rn. 26; Langguth, in: Lenz/Borchardt, EUV Art. 5 Rn. 6. 67 Langguth, in: Lenz/Borchardt, EUV Art. 5 Rn. 6; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV Art. 5 Rn. 27. 68 Langguth, in: Lenz/Borchardt, EUV Art. 5 Rn. 12: „Kompetenzausübungsschranke“.

II. Europarechtliche Grundlage der vertikalen Kompetenzverteilung

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der Vorschrift eine zweistufige Prüfung vorzunehmen.69 In einem ersten Schritt ist im Sinne eines Negativkriteriums zu erörtern, ob „die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können“, den Mitgliedstaaten zur Erreichung des Ziels also ausreichend Mittel zur Verfügung stehen.70 In einem zweiten Schritt wird diese Prüfung durch ein Positivkriterium ergänzt, welchem zufolge die Ziele der Maßnahme „wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf Unionsebene besser zu verwirklichen“ sein müssen,71 sodass das „supranationale Plus gegenüber der Summe der einzelstaatlichen Maßnahmen zu ermitteln ist“.72 Damit soll das Subsidiaritätsprinzip insbesondere dem Schutz der nationalen Identitäten der Mitgliedstaaten dienen und deren Befugnisse vor einer Aushöhlung durch die Kompetenzen der EU schützen.73 Steht eine beabsichtigte Maßnahme jedoch in eindeutigem Zusammenhang mit einer bereits früher rechtmäßig erlassenen Maßnahme, kann eine EU-Zuständigkeit vermutet werden.74 Die aus Art. 5(3)(2) EUV folgende Ergänzung des Prinzips durch das Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit75 soll die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips durch Kontrollverfahren sicherstellen, die insbesondere die nationalen Parlamente einbinden.76 Es handelt sich infolge von Art. 51 EUV um Primärrecht, das gleichberechtigt neben dem EUV und dem AEUV steht.77 Das Protokoll ist jedoch nur auf Gesetzgebungsakte im Sinne des Art. 289 AEUV anwendbar.78 Die parlamentarische Überprüfung dieser Rechtsakte erfolgt dem Protokoll zufolge durch eine ex-ante-Kontrolle im Rahmen eines Frühwarnsystems (vgl. Art. 6, 7 des Protokolls) sowie durch eine ex-post-Kontrolle im Rahmen der Subsidiaritätsklage (vgl. Art. 8 des Protokolls).79 Wegen ihres Initiativrechts kommt der Kommission im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips daher eine besonders wichtige Rolle zu.80 69

Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV Art. 5 Rn. 30; Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur, European Union Treaties, Art. 5 TEU, Rn. 13; Langguth, in: Lenz/Borchardt, EUV Art. 5 Rn. 20. 70 Langguth, in: Lenz/Borchardt, EUVArt. 5 Rn. 16, 20; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV Art. 5 Rn. 30, 33 ff.; Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur, European Union Treaties, Art. 5 TEU, Rn. 13. 71 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUVArt. 5 Rn. 30, 39 ff.; Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur, European Union Treaties, Art. 5 TEU, Rn. 13. 72 Langguth, in: Lenz/Borchardt, EUV Art. 5 Rn. 20. 73 Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur, European Union Treaties, Art. 5 TEU, Rn. 8; Langguth, in: Lenz/Borchardt, EUV Art. 5 Rn. 6. 74 Langguth, in: Lenz/Borchardt, EUV Art. 5 Rn. 35. 75 Protokoll (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäbigkeit, 9. 5. 2008, ABl. 2006 C 115, S. 206 – 209. 76 König, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, § 2 Rn. 29. 77 Geiger, in: Geiger/Khan/Kotzur, European Union Treaties, Art. 5 TEU, Rn. 8. 78 Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV Art. 5 Rn. 51. 79 König, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, § 2 Rn. 29. 80 Langguth, in: Lenz/Borchardt, EUV Art. 5 Rn. 17.

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C. Die Rechtsetzungskompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit

Ob die Kommission dieser Rolle jedoch immer gerecht wird, erscheint fraglich. So begründete sie den Vorschlag der Aufhebung des Ausschlusses der Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich der EuGVVO vor dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips folgendermaßen: „Die oben genannten Probleme aufgrund […] des Zusammenspiels von Verordnung und Schiedsgerichtsbarkeit sind auf die geltenden EU-Rechtsvorschriften zurückzuführen. Sie können daher nur durch ein Tätigwerden des europäischen Gesetzgebers behoben werden. […] Diese Ziele können auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht verwirklicht werden.“81

Im Kontrast zum Ergebnis dieser undifferenzierten Begründung, die das Subsidiaritätsprinzip ad absurdum zu führen scheint, wurde das Prinzip schon früh als Hauptgrund für die zurückhaltende Regelungspolitik der EU im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit angeführt.82

4. Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, Art. 5(4) EUV Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sowie die diesbezüglich ebenfalls gegebene Anwendbarkeit des Protokolls ergibt sich aus Art. 5(4) EUV: „Nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gehen die Maßnahmen der Union inhaltlich wie formal nicht über das zur Erreichung der Ziele der Verträge erforderliche Maß hinaus. Die Organe der Union wenden den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach dem Protokoll über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit an.“

Damit greift die Vorschrift die Frage nach der Intensität des Unionshandelns auf und rundet damit die Schrankentrias ab.83 Es geht also um die Frage nach dem „Wie“ eines Tätigwerdens der Union.84 Gemeinsam mit dem Subsidiaritätsprinzip erfüllt der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz die Funktion einer Kompetenzausübungsschranke.85 Die Vorschrift gilt ihrem Wortlaut nach erneut für alle Maßnahmen der EU und ist somit nicht auf Maßnahmen im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung beschränkt.86 Schutzgut ist wie bereits in Art. 5(3) EUV die Autonomie der Mitgliedstaaten, welche nur insoweit beschränkt werden soll, wie es zur Erreichung des Regelungsziels erforderlich ist.87 Die Erläuterung „inhaltlich wie formal“ nimmt auf 81

Europäische Kommission, SEK(2010) 1548 endgültig, 14. 12. 2010, S. 11. Bourque ICC Bulletin (1994) 8, 8; Briner, L’Arbitrage International et l’Europe, S. 25 f. 83 Langguth, in: Lenz/Borchardt, EUV Art. 5 Rn. 12; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV Art. 5 Rn. 43. 84 Sogenannte „Wie-Frage“, vgl. Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV Art. 5 Rn. 5, 43. 85 König, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, § 2 Rn. 27. 86 Langguth, in: Lenz/Borchardt, EUV Art. 5 Rn. 12; Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV Art. 5 Rn. 69; Kadelbach, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, EUV Art. 5 Rn. 50. 87 Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV Art. 5 Rn. 66. 82

II. Europarechtliche Grundlage der vertikalen Kompetenzverteilung

95

Art. 296(1) AEUV Bezug, wonach die Festlegung der Handlungsform eines Rechtsakts im regulären Rechtsetzungsverfahren erfolgt und im Ermessen der Organe steht.88 Folglich gilt der Grundsatz für die Wahl der adäquaten Handlungsform und deren Ausgestaltung in Bezug auf die Regelungsweite und -tiefe.89 Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit erfolgt nach der Geeignetheit, Erforderlichkeit sowie Angemessenheit der fraglichen Maßnahme.90 Zunächst muss die Unionshandlung also geeignet sein, das angestrebte Ziel zu erreichen, wobei den Organen ein großzügiger Einschätzungsspielraum zugestanden wird.91 Im Rahmen der Erforderlichkeit der Maßnahme ist zu prüfen, ob deren Ziel nicht auch ebenso effektiv durch eine mildere Regelung erreicht werden könnte.92 Dabei geht eine Handlung auch über die Erforderlichkeit hinaus, wenn die mit dieser einhergehenden Nachteile nicht mehr im Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen.93 Der EuGH prüft die Erforderlichkeit somit ähnlich wie im deutschen Recht.94 Die Angemessenheit spielt hingegen eher selten eine Rolle und wird wenn überhaupt in Form einer Abwägung zwischen dem Allgemeinnutzen der Maßnahme und der Einschränkung geschützter Rechtspositionen der Unionsbürger geprüft.95 Die Kontrolldichte ist bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit im weiteren Sinne im Allgemeinen eher gering.96 Das in Art. 5(4)(2) EUVerwähnte Subsidiaritäts-Protokoll befasst sich tatsächlich vornehmlich mit der Kontrolle des Subsidiaritätsprinzips und steht nur hinsichtlich der Begründungs- und Darstellungspflichten (Art. 5 des Protokolls) im direkten

88

Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV Art. 5 Rn. 72. König, in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, § 2 Rn. 35. 90 Kadelbach, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, EUVArt. 5 Rn. 49; König, in: Schulze/ Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, § 2 Rn. 35; im Ergebnis wohl auch Bast, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, EUV Art. 5 Rn. 70, der jedoch nur von „Eignung und Erforderlichkeit“ spricht; ähnlich unter Verweis auf den EuGH Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV Art. 5 Rn. 51. 91 Kadelbach, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, EUV Art. 5 Rn. 51. 92 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUVArt. 5 Rn. 44; Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV Art. 5 Rn. 71; Kadelbach, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, EUV Art. 5 Rn. 52. 93 Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV Art. 5 Rn. 71. 94 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV Art. 5 Rn. 44, unter Verweis auf EuGH 10. 11. 1982, Rs. 261/81 – Rau/De Smedt, Slg. 1982 3961, Rn. 17. 95 Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV Art. 5 Rn. 44, unter Verweis auf EuGH 29. 4. 1982, Rs. 147/81 – Merkur GmbH/Hauptzollamt Hamburg-Ericus, Slg. 1982 1389, Rn. 12. 96 Vgl. EuGH 11. 7. 1989, Rs. 265/87 – Schräder/Hauptzollamt Gronau, Slg. 1989 2237, Rn. 22; EuGH 12. 7. 2001, Rs. 189/01 – Jippes/Minister van Landbouw, Slg. 2001 5689, Rn. 83; EuGH 12. 5. 2011, Rs. 176/09 – Luxemburg/Parlament u. Rat, Slg. 2011 3727, Rn. 62; dazu Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUVArt. 5 Rn. 73: „Es geht somit nicht darum, ob die erlassene Maßnahme inhaltlich und formal die bestmögliche war, sondern darum, ob sie aus einer ex-ante-Perspektive im Lichte der verfügbaren Informationen offensichtlich ungeeignet war bzw. offensichtlich eine weniger belastende (autonomieschonendere), aber ebenso wirksame Maßnahme hätte getroffen werden können.“ 89

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C. Die Rechtsetzungskompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit

Zusammenhang mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.97 Art. 5 S. 5 des Protokolls stellt dabei nochmals klar, dass die Prüfung der Angemessenheit der Maßnahme Teil des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist.98 Die Umsetzung dieser Maßstäbe durch die Kommission fällt jedoch wiederum recht knapp aus, wie die Begründung der Verhältnismäßigkeit im Rahmen des Vorschlags für die Überarbeitung der EuGVVO a. F. exemplarisch zeigt: „Die genannten favorisierten Optionen stehen mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Einklang. Die damit verbundenen Änderungen gehen nicht über das hinaus, was zur Lösung der festgestellten Probleme notwendig ist. Wie oben dargestellt, überwiegen die Vorteile und Einsparungen durch die favorisierten Optionen bei weitem etwaige Kosten und Nachteile. Die potenziellen Einsparungen sind beträchtlich, die Kosten für die Umsetzung der Reform in den Mitgliedstaaten insgesamt gering. Mit dem Reformpaket können das Vertrauen in den Binnenmarkt gestärkt und mehr Unternehmen und Bürger dazu angehalten werden, grenzüberschreitend Geschäfte zu tätigen und so vom Binnenmarkt zu profitieren. Eine verstärkte Wirtschaftstätigkeit sowie die Einsparungen durch die Reform würden Bürgern und Unternehmen dabei helfen, die derzeitige Wirtschaftskrise zu überwinden.“99

5. Zwischenergebnis Die Schrankentrias des Art. 5 EUV zeigt also, wie wichtig eine dezidierte Auseinandersetzung mit der primärrechtlichen Handlungsgrundlage der EU für jedweden Rechtsakt der Union ist. Dies gilt zunächst insbesondere für die Wahl der Rechtsgrundlage, da erst ausgehend von deren Inhalt im Einklang mit dem Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz Art und Umfang der Maßnahme bestimmt werden können. Daher erfolgt eine abschließende Stellungnahme erst nach der folgenden Erörterung der möglichen Rechtsgrundlage für eine Harmonisierung des Rechts der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit.100

III. Art. 81 AEUV als Kompetenzgrundlage eines EU-Schiedsverfahrensrechts 1. Einleitung Die Darstellung des Meinungsstandes zur Rechtsetzungskompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit hat bereits angedeutet, dass Art. 81 AEUV ge97

Bast, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV Art. 5 Rn. 74 f. Kadelbach, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, EUV Art. 5 Rn. 53; Calliess, in: Calliess/Ruffert, EUV Art. 5 Rn. 44. 99 Europäische Kommission, SEK(2010) 1548 endg., 14. 12. 2010, S. 11. 100 Siehe unten Kapitel C. IV. 98

III. Art. 81 AEUV als Kompetenzgrundlage eines EU-Schiedsverfahrensrechts

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meinhin als die Grundlage für eine mögliche Maßnahme der EU angesehen wird.101 Eine ausführliche Erörterung der Vorschrift vor diesem Hintergrund ist bislang hingegen nicht ersichtlich. Dieses Versäumnis soll im Folgenden nachgeholt werden. Ausgangspunkt der Überlegungen zur Rechtsgrundlage für eine Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts in der EU ist die in Art. 67(1) AEUV vorgesehene Bildung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Die hervorgehobene Bedeutung des Bereichs wird durch die Nennung in den Hauptzielen der EU nach Art. 3(2) S. 1 EUV unterstrichen.102 Insbesondere ein Raum des Rechts sollte daher eines der wichtigsten Streitbeilegungsverfahren für Wirtschaftsstreitigkeiten nicht aussparen oder doch zumindest dessen reibungsloses Funktionieren gewähren. Die in Art. 67(1) AEUV verwendete Formel ist jedoch angesichts ihrer Unbestimmtheit einer Vielzahl an Interpretationen zugänglich.103 Dies wird durch die Konkretisierungen in den folgenden Absätzen zwar leicht revidiert, wobei für den Raum des Rechts insbesondere Art. 67(4) AEUV von Bedeutung ist, der auf die Erleichterung des Zugangs zum Recht durch die gegenseitige Anerkennung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen in Zivilsachen abstellt. Jedoch stellt diese Formulierung lediglich ein programmatisches Ziel dar, welches der Konkretisierung in einer eigenen Vorschrift bedarf.104 Art. 67 AEUV kann daher im Allgemeinen nicht selbst als Kompetenzgrundlage herangezogen werden, sondern ist lediglich als Einleitung des Titel V zu verstehen.105 Die folglich notwendige Konkretisierung des Art. 67(4) AEUV erfolgt in Art. 81 AEUV, der die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen betrifft.106 Aus dem Zusammenspiel der Vorschriften geht bereits hervor, dass die Verträge nicht primär auf die Kreierung eines einheitlichen Rechtsraums abzielen, sondern auf die Optimierung des Zusammenwirkens der nationalen Rechtsordnungen.107 Dennoch ermächtigt Art. 81 AEUV grundsätzlich zum Erlass sämtlicher der in Art. 288 AEUV genannten Rechtsakte,108 wie sich aus Art. 81(1) S. 2 AEUVergibt.109 Um die nationalen Schiedsverfahrenrechte besser 101

Siehe oben Kapitel C. I. Suhr, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 67 Rn. 76; Herrnfeld, in: von der Groeben/ Schwarze/Hatje, AEUV Art. 67 Rn. 13; Röben, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 67 Rn. 9. 103 Herrnfeld, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUVArt. 67 Rn. 6; Suhr, in: Calliess/ Ruffert, AEUV Art. 67 Rn. 75. 104 Herrnfeld, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUV Art. 67 Rn. 29. 105 Weiß/Satzger, in: Streinz AEUV Art. 67 Rn. 37; Herrnfeld, in: von der Groeben/ Schwarze/Hatje, AEUV Art. 67 Rn. 1 f. 106 Suhr, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 67 Rn. 83; Herrnfeld, in: von der Groeben/ Schwarze/Hatje, AEUV Art. 67 Rn. 29. 107 Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 1, 35 f.; ähnlich Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 81 Rn. 12. 108 Lenzing, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUVArt. 81 Rn. 19; Rossi, in: Calliess/ Ruffert, AEUV Art. 81 Rn. 16; Leible, in: Streinz AEUV Art. 81 Rn. 13. 109 Vgl. Art. 81 Abs. 1 S. 2 AEUV: „Diese Zusammenarbeit kann den Erlass von Maßnahmen zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten umfassen.“ 102

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C. Die Rechtsetzungskompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit

aufeinander abzustimmen, käme demnach Art. 81 AEUV als Grundlage in Betracht, sofern dessen Anwendungsbereich eröffnet ist und einer oder mehrere der genannten Kompetenztitel einschlägig sind.

2. Voraussetzungen der Kompetenzausübung Art. 81(1), (2) AEUV enthält in seinem Tatbestand verschiedene Kompetenzausübungsvoraussetzungen, die für ein Tätigwerden der EU erfüllt sein müssen. In den insoweit relevanten Teilen lautet die Vorschrift: „Die Union entwickelt eine justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug, die auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen beruht. Diese Zusammenarbeit kann den Erlass von Maßnahmen zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten umfassen. Für die Zwecke des Absatzes 1 erlassen das Europäische Parlament und der Rat, insbesondere wenn dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Maßnahmen, die Folgendes sicherstellen sollen: […]“

Die Kompetenzgrundlage bezieht sich zunächst nur auf Maßnahmen im Bereich von „Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug“. Durch die Beschränkung auf Zivilsachen sollte vor allem eine Abgrenzung zu Maßnahmen erfolgen, die öffentlich-rechtliche Streitigkeiten einschließlich des Strafrechts betreffen.110 Während eine entsprechende Zuordnung einer Maßnahme regelmäßig unproblematisch sein dürfte, ist das Merkmal des grenzüberschreitenden Bezugs umstritten.111 Die Kommission hat bisweilen zu einer ausufernden Interpretation geneigt, wenn sie von ihren Maßnahmen zunächst auch rein inländische Sachverhalte erfasst wissen wollte, sofern diese grundsätzlich auf die Erleichterung grenzüberschreitender Verfahren abzielen würden.112 Sie konnte sich mit dieser Auffassung jedoch nicht durchsetzen.113 Im Ergebnis ist ein unmittelbarer grenzüberschreitender Bezug zu fordern.114 Insbesondere Regelungen des IPR und des IZPR haben dabei schon definitionsgemäß einen Auslandsbezug, da sie bei reinen Inlandssachverhalten nicht zur An110 Stumpf, in: Schwarze, AEUV Art. 81 Rn. 13; Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 81 Rn. 16. 111 Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 26. 112 Vgl. dazu Lenzing, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUV Art. 81 Rn. 4 (unter Verweis auf die Gesetzgebungsverfahren zu den Richtlinien über Prozesskostenhilfe und Mediation); Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 26 (unter Verweis auf die Begründung des Kommissionsvorschlags zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen vom 15. 3. 2005, KOM (2005) 87 endg., S. 6). 113 Lenzing, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUV Art. 81 Rn. 4; Hess, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 27. 114 H. M. Stumpf, in: Schwarze, AEUV Art. 81 Rn. 13; Lenzing, in: von der Groeben/ Schwarze/Hatje, AEUV Art. 81 Rn. 4; Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 81 Rn. 5; zweifelnd Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 28.

III. Art. 81 AEUV als Kompetenzgrundlage eines EU-Schiedsverfahrensrechts

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wendung kommen.115 Daher dürften sich bei einer Harmonisierungsmaßnahme zumindest im Bereich der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit bezüglich des Merkmals der Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug keine Probleme ergeben.116 Denn die Handelsschiedsgerichtsbarkeit befasst sich gemeinhin ausschließlich mit zivilrechtlichen Streitigkeiten und die internationale Schiedsgerichtsbarkeit befasst sich – unabhängig von der genauen Abgrenzung zur nationalen Schiedsgerichtsbarkeit – naturgemäß gerade nicht mit reinen Inlandssachverhalten. Die avisierte Maßnahme muss zudem „auf dem Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen“ beruhen. Damit hat sich dieser Grundsatz als „souveränitätsschonendere Möglichkeit“ gegenüber der Vollharmonisierung durchgesetzt, ohne diese jedoch vollständig auszuschließen.117 Daneben wird die justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen vom Grundsatz der Erleichterung zum Zugang des Rechts nach Art. 67(4) AEUV geprägt.118 Gemeinsam sollen sie die Einhaltung rechtsstaatlicher Mindestanforderungen sicherstellen.119 Insofern handelt es sich um Leitlinien der Kompetenzausübung im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit, sodass die Achtung der Grundsätze als Kompetenzausübungsvoraussetzung gesehen werden kann. Da hinsichtlich der im Katalog des Art. 81(2) AEUV genannten Maßnahmen davon ausgegangen werden kann, dass sie diesen Grundsätzen dienen, hat der Verweis jedoch keine kompetenzbeschränkende Wirkung. Ein EU-Schiedsverfahrensrecht auf Grundlage des Art. 81 AEUV würde daher zumindest nicht an einem Widerspruch zu den beiden Grundsätzen scheitern. Die in Art. 81(2) AEUV genannte Erforderlichkeit „für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes“ stellt ebenfalls keine einschränkende Voraussetzung dar, wie schon das vorangestellte „insbesondere“ verdeutlicht.120 Da auf das „reibungslose“ Funktionieren abgestellt wird, könnte der Binnenmarktvoraussetzung „eher eine kompetenzbegründende Funktion zugesprochen werden, die ihr Argumentationspotential für das Positiv-Kriterium der Subsidiaritätsklausel des Art. 5 Abs. 3 EUV verleiht“.121 Schließlich muss eine Maßnahme zur Sicherstellung der in den einzelnen Kompetenztiteln nach Abatz 2 genannten Ziele vorliegen. Aufgrund der recht ver115

Lenzing, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUV Art. 81 Rn. 4. So zu Art. 65 EGV (Nizza) im Hinblick auf den grenzüberschreitenden Bezug auch Schlosser, Die Vollstreckung von Schiedssprüchen, S. 148 ff. 117 Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 81 Rn. 6. 118 Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 28; Leible, in: Streinz AEUV Art. 81 Rn. 15, 18. 119 Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 34; Leible, in: Streinz AEUV Art. 81 Rn. 15 ff.; Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 81 Rn. 6. 120 Stumpf, in: Schwarze, AEUVArt. 81 Rn. 13: „nur noch Regelvoraussetzung“; Leible, in: Streinz AEUV Art. 81 Rn. 11: „Binnenmarktfinalität keine conditio sine qua non“; Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 81 Rn. 13: „auf ein Regelbeispiel zurückgenommen“. 121 Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 81 Rn. 13. 116

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C. Die Rechtsetzungskompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit

schiedenen dort erwähnten Bereiche, werden die Kompetenztitel des Art. 81(2) AEUV im nächsten Unterabschnitt jedoch getrennt untersucht. Im Hinblick auf die allgemeinen Voraussetzungen der Kompetenzausübung des Art. 81 AEUV kann an dieser Stelle jedoch festgehalten werden, dass diese für sich genommen einer Kompetenz der EU im Bereich der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit nicht im Wege stehen.122

3. Kompetenztitel des Art. 81(2) AEUV mit Bezug zur Schiedsgerichtsbarkeit a) Einleitung Die grundsätzliche Kompetenz der EU zur Harmonisierung des Rechts der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit steht und fällt daher mit der Frage, ob die Kompetenztitel des Art. 81(2) AEUV ein entsprechendes Vorhaben decken würden. Denn es handelt sich bei den genannten Materien nicht etwa um Regelbeispiele, sondern um eine abschließende Liste möglicher Regelungsfelder des Unionshandelns im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen.123 Anerkannt ist aber, dass die verschiedenen Kompetenztitel kumulativ als Grundlage für Harmonisierungsmaßnahmen herangezogen werden können.124 Insgesamt enthält Art. 81(2) AEUV acht verschiedene Kompetenztitel, die Folgendes sicherstellen sollen: „a) die gegenseitige Anerkennung und die Vollstreckung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen zwischen den Mitgliedstaaten; b) die grenzüberschreitende Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke; c) die Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen und Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten; d) die Zusammenarbeit bei der Erhebung von Beweismitteln; e) einen effektiven Zugang zum Recht;

122 Ähnlich schon zu Art. 65 EGV (Nizza) Schlosser, Die Vollstreckung von Schiedssprüchen, S. 147: „Eine Gesetzgebung auf dem Gebiet der Schiedsgerichtsbarkeit ist sicherlich insoweit ,für das Funktionieren des Binnenmarktes erforderlich‘, wie sie auf dem Gebiet der internationalen Zuständigkeit der Gerichte erforderlich ist. Die anderen drei Grundvoraussetzungen für eine Gesetzgebungszuständigkeit der Gemeinschaft sind aber problematisch.“ 123 Lenzing, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUV Art. 81 Rn. 7; Rossi, in: Calliess/ Ruffert, AEUVArt. 81 Rn. 17; Leible, in: Streinz AEUVArt. 81 Rn. 19; a. A. Hess, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 38, der insbesondere eine Erstreckung auf weitere Handlungsfelder der justiziellen Zusammenarbeit durch strategische Leitlinien nach Art. 68 AEUV als möglich erachtet. 124 Lenzing, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUVArt. 81 Rn. 8; Rossi, in: Calliess/ Ruffert, AEUV Art. 81 Rn. 17.

III. Art. 81 AEUV als Kompetenzgrundlage eines EU-Schiedsverfahrensrechts

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f) die Beseitigung von Hindernissen für die reibungslose Abwicklung von Zivilverfahren, erforderlichenfalls durch Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden zivilrechtlichen Verfahrensvorschriften; g) die Entwicklung von alternativen Methoden für die Beilegung von Streitigkeiten; h) die Förderung der Weiterbildung von Richtern und Justizbediensteten.“

Für eine Harmonisierung des Rechts der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit können dabei die in Buchstaben (b), (d) und (h) genannten Kompetenztitel a priori vernachlässigt werden. Die grenzüberschreitende Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke stellt zwar ein Kernelement des Zugangs zum Recht dar,125 ist aber in Anbetracht der weitreichenden Parteiautonomie in Schiedsverfahren ein Regelungsgegenstand, der, wenn er überhaupt einer Regulierung bedürfen sollte, in den Schiedsordnungen zu verorten ist.126 Die (grenzüberschreitende) Zusammenarbeit bei der Erhebung von Beweismitteln kommt bei Schiedsverfahren nur zwischen einem Schiedsgericht und einem staatlichen Gericht als unterstüztende Maßnahme des Schiedsverfahrens in Betracht.127 Insoweit könnte zwar eine Harmonisierung in Erwägung gezogen werden, kommt aber als isoliertes Handlungsfeld kaum in Betracht. Die Weiterbildung von Richtern und Justizbediensteten – selbst wenn mit Richtern auch Schiedsrichter gemeint sein sollten128 – wäre zumindest nicht Gegenstand einer Harmonisierung der nationalen Schiedsverfahrensrechte. Alle anderen Kompetenztitel könnten hingegen grundsätzlich für eine Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts nutzbar gemacht werden, sodass sie einer eingehenderen Erörterung bedürfen. b) Anerkennung und die Vollstreckung gerichtlicher und außergerichtlicher Entscheidungen Der erste Kompetenztitel des Art. 81(2) AEUV ist von besonderer Bedeutung, da er den in Absatz 1 und Art. 67(4) AEUV genannten Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung aufgreift.129 Art. 220 EWGV bzw. später Art. 293 EGV bezogen sich dabei noch ausdrücklich auf Schiedssprüche. Mit Einführung des Art. 65 EGV (Nizza) wurde jedoch die Inbezugnahme von Schiedssprüchen getilgt; stattdessen wurde dort erstmals die Anerkennung außergerichtlicher Entscheidungen genannt. 125

Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 81 Rn. 20. Born, International Commercial Arbitration, S. 3067. 127 Vgl. z. B. Art. 27 ModG. 128 Dies ließe sich ggfs. aus der Ansicht von Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 81 Rn. 33, ableiten, der in diesem Zusammenhang die „Förderung der juristischen Ausbildung, einschließlich der Schulung in fremdsprachlicher Rechtsterminologie, im Interesse der Entstehung einer gemeinsamen Rechts- und Justizkultur“ nach Art. 4(1)(b) der VO (EU) Nr. 1382/ 2013 anführt. 129 Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 81 Rn. 18. 126

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C. Die Rechtsetzungskompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit

Der Regelungsgegenstand sollte diesbezüglich jedoch derselbe sein.130 Dies hat sich so auch in Art. 81 AEUV fortgesetzt, nur dass nunmehr Art. 293 EGV ersatzlos gestrichen wurde.131 Auch damit geht nach herrschender Meinung jedoch keine Kompetenzeinschränkung einher.132 Vielmehr hielt man die Nennung der Schiedsgerichtsbarkeit für entbehrlich, da mit Einführung der Art. 65 EGV (Nizza) bzw. Art. 81 AEUV vorrangig die Regelung der justiziellen Zusammenarbeit forciert werden sollte.133 Durch die Überführung von Art. 65 EGV (Nizza) in Art. 81 AEUV wurde eine Erweiterung des Kompetenztitels vollzogen, da das Funktionieren des Binnenmarktes nun sicherzustellen ist;134 eine Einschränkung bewirkt diese Veränderung daher nicht. Folglich wird die Schiedsgerichtsbarkeit von der Begrifflichkeit der „außergerichtlichen Entscheidung“ in Art. 81 AEUV vor dem Hintergrund der früheren Art. 220 EWGV und Art. 293 EGV erfasst.135 Der Wortlaut des Art. 81(2)(a) AEUV beschränkt sich jedoch auf Maßnahmen zur Sicherstellung der „Anerkennung und Vollstreckung“ von Entscheidungen in den genannten Bereichen. Gerade diesen Bereich regelt für Schiedssprüche aber das UNÜ, weswegen die Schiedsgerichtsbarkeit auch bereits vom Anwendungsbereich des EuGVÜ ausgeschlossen wurde.136 Das EuGVÜ regelte als convention double indes auch die gerichtliche Zuständigkeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug sowie die Rechtshängigkeit.137 Nur so konnte der Verzicht auf eine Kontrolle im Rahmen der Anerkennung gerechtfertigt werden, sodass der Urteilsfreizügigkeit bestmöglich Rechnung getragen wurde.138 Das Übereinkommen basierte noch auf Art. 220 EWGV,139 der später in Art. 293 EGV fortgeführt wurde, welche ihrem Wortlaut nach beide ebenfalls nicht auf eine Kompetenz der EG im Bereich der Zuständigkeitsregelung schließen lassen. Der EuGH stellte aber bereits im Hinblick 130 Eingehend Drappatz, Überführung des internationalen Zivilverfahrensrechts, S. 116 f.; Graßhof, in: Schwarze, EGV Art. 65 Rn. 25; Schmahl, in: von der Groeben/Schwarze, EGV Art. 65 Rn. 2. 131 Hatje, in: Schwarze, EGV Art. 293 Rn. 14; dadurch erübrigte sich auch die Frage des Verhältnisses der Vorschriften zueinander, vgl. Lenzing, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUV Art. 81 Rn. 23. 132 Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 40; Schlosser, Die Vollstreckung von Schiedssprüchen, S. 148; a. A. Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 59 ff. 133 Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 40 [Fn. 8]. 134 Stumpf, in: Schwarze, AEUV Art. 81 Rn. 15. 135 So auch Benedettelli 27(4) Arb. Int’l (2011) 583, 599 f.; a. A. Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 59 ff. 136 Jenard, ABl EG Nr. C 59, S. 13; siehe auch Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 4 [Fn. 4]. 137 Drappatz, Überführung des internationalen Zivilverfahrensrechts, S. 13; Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 4. 138 Jenard, ABl. EG Nr. C 59, S. 7 f. 139 Vgl. Präambel zum EuGVÜ: „[…] in dem Wunsch, Artikel 220 des genannten Vertrags auszuführen […]“.

III. Art. 81 AEUV als Kompetenzgrundlage eines EU-Schiedsverfahrensrechts

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auf Art. 220 EWGV den Grundsatz auf, dass dessen vierter Spiegelstrich entgegen seinem Wortlaut auch die Regelung der gerichtlichen Zuständigkeit erfasse, um das Funktionieren des gemeinsamen Markts zu erleichtern.140 Die EuGVVO a. F. wurde ausweislich ihrer Präambel über den Verweis in Art. 61(c) EGV (Nizza) noch auf Grundlage von Art. 65 EGV (Nizza) erlassen,141 der im Wortlaut diesbezüglich gleichermaßen beschränkt ist. Auch insoweit ist aber von einer „kompletten Übernahme des sachgegenständlichen Anwendungsbereichs des Art. 220, vierter Spiegelstrich“ EWGV auszugehen.142 Dies wird zudem von Art. 65(b) EGV (Nizza) unterstrichen, der sich erstmals auch auf „Kompetenzkonflikte“ bezog und somit eindeutig auch Regelungen zur Zuständigkeit erfasst.143 Der maßgebliche Wortlaut des Art. 65(a) dritter Spiegelstrich EGV (Nizza) hat sich in Art. 81(2)(a) AEUV nicht verändert. Auch wenn die EuGVVO in ihrer jetzigen Fassung neben Art. 81(2)(a) AEUV auch auf Buchstaben (c) und (e) beruht144 und die Zuständigkeitsregelungen nun insbesondere auf Buchstabe (c) fußen,145 ist insoweit von keiner abweichenden Interpretation der Reichweite des Art. 81(2)(a) AEUV gegenüber Art. 65(a) dritter Spiegelstrich EGV (Nizza) auszugehen. Demnach erlaubt der Kompetenztitel im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH nicht nur die Harmonisierung der Regelungen über die Anerkennung und Vollstreckung, sondern auch der Zuständigkeit und Rechtshängigkeit. Dieses Ergebnis wird durch den Erfolg des Modells der convention double bestätigt,146 muss dann aber auch für die Schiedsgerichtsbarkeit gelten. Im Ergebnis ermöglicht Art. 81(2)(a) AEUValso infolge der mit Art. 220 EWGV und Art. 293 EGV verknüpften Gesetzeshistorie grundsätzlich eine Harmonisierung im Bereich des internationalen Schiedsverfahrensrechts und erfasst neben Maßnahmen zur Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen auch solche bezüglich der Zuständigkeitsverteilung sowie Rechtshängigkeitsregeln. Gerade 140 EuGH 10. 2. 1994, Rs. 398/92 – Mund & Fester/Hatrex, Slg. 1994 00467, Rn. 11: „Obwohl diese Vorschrift keinen unmittelbar geltenden Rechtssatz aufstellen will, sondern nur den Rahmen für Verhandlungen zwischen den Mitgliedstaaten absteckt (vgl. Urteil vom 11. Juli 1985 in der Rechtssache 137/84, Mutsch, Slg. 1985, 2681, Randnr. 11), bezweckt sie, das Funktionieren des Gemeinsamen Marktes durch den Erlaß von Zuständigkeitsregeln […] zu erleichtern.“ 141 Vgl. Präambel zur EuGVVO a. F.: „[…] gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 61 Buchstabe c und Artikel 67 Absatz 1, […]“. 142 Drappatz, Überführung des internationalen Zivilverfahrensrechts, S. 117; hinsichtlich des gleichen Regelungsgegenstandes ebenso Graßhof, in: Schwarze, EGV Art. 65 Rn. 25; Schmahl, in: von der Groeben/Schwarze, EGV Art. 65 Rn. 2. 143 Graßhof, in: Schwarze, EGV Art. 65 Rn. 20. 144 Vgl. Präambel zur EuGVVO: „[…] gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 67 Absatz 4 und Artikel 81 Absatz 2 Buchstaben a, c und e […]“. 145 Siehe unten Kapitel C. III. 3. c). 146 Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 4.

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C. Die Rechtsetzungskompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit

durch die Verzahnung dieser Bereiche wird die von Art. 81(2)(a) AEUV erstrebte Entscheidungsfreizügigkeit gewährleistet. c) Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen und Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten Der offensichtlich besser passende Kompetenztitel für eine Regelung der internationalen Zuständigkeit ist jedoch Art. 81(2)(c) AEUV. Die Vorschrift zielt auf eine Harmonisierung des IPR und IZPR ab.147 Da auch insoweit die Begrenzung auf eine „Förderung“ aufgegeben und zur „Sicherstellung“ aufgewertet wurde, erlaubt der Kompetenztitel nun grundsätzlich eine vollständige Harmonisierung dieser Bereiche.148 Sowohl die EuGVVO als auch die Rom I, II und III-Verordnungen basieren zumindest zum Teil auf diesem Titel.149 Bezüglich des Rechts der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit wären von dem Titel also zumindest die kollisionsrechtlichen Vorschriften, z. B. hinsichtlich des anwendbaren materiellen Rechts oder des Schiedsvereinbarungsstatuts, von dem Kompetenztitel erfasst. Zudem liegt es nahe, dass unter Kompetenzkonflikte nicht nur die Zuständigkeitsverteilung und Rechtshängigkeit zwischen den einzelnen Gerichten der Mitgliedstaaten fällt, sondern auch die Zuständigkeitsallokation zwischen Gerichten und Schiedsgerichten. Der Wortlaut sieht insoweit keine Einschränkung vor.150 Das ungelöste Problem der Parallelverfahren veranschaulicht gut, dass es gerade in diesem Bereich einer Regelung bedürfte.151 Soll aber das Funktionieren des gesamten Binnenmarktes durch Maßnahmen zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten sichergestellt werden, so kann nicht gerade die wirtschaftlich so bedeutsame internationale Schiedsgerichtsbarkeit ausgeklammert werden.

147 Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 81 Rn. 22; Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 44; Stumpf, in: Schwarze, AEUV Art. 81 Rn. 17. 148 Stumpf, in: Schwarze, AEUVArt. 81 Rn. 17; Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 25; Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 81 Rn. 22. 149 Vgl. Präambel zur EuGVVO: „[…] gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 67 Absatz 4 und Artikel 81 Absatz 2 Buchstaben a, c und e […]“; ErwGr. 2 zur Rom I-VO (noch zu Art. 65(b) EGV (Nizza)): „Nach Artikel 65 Buchstabe b des Vertrags schließen diese Maßnahmen solche ein, die die Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen und Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten fördern.“; ErwGr. 2 zur Rom II-VO (noch zu Art. 65(b) EGV (Nizza)): „Nach Artikel 65 Buchstabe b des Vertrags schließen diese Maßnahmen auch solche ein, die die Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen und Vorschriften zur Vermeidung von Kompetenzkonflikten fördern.“; weniger spezifisch ErwGr. 2 zur Rom IIIVO: „Nach Artikel 81 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union fallen darunter auch Maßnahmen, die die Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden Kollisionsnormen sicherstellen sollen.“ 150 So auch im Englischen („jurisdiction“) und Französischen („compétence“). 151 Siehe oben Kapitel B. III. 1.

III. Art. 81 AEUV als Kompetenzgrundlage eines EU-Schiedsverfahrensrechts

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Demnach ermöglicht der Kompetenztitel des Art. 81(2)(c) AEUV grundsätzlich eine Harmonisierung kollisionsrechtlicher Vorschriften mit Bezug zur internationalen Schiedsgerichtsbarkeit sowie – wie schon zuvor Buchstabe (a) – eine Regelung der Zuständigkeitsallokation zwischen staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten. d) Effektiver Zugang zum Recht Der Kompetenztitel des effektiven Zugangs zum Recht klingt zunächst wie eine Wundertüte der Unionskompetenzen, hinter der sich Alles oder Nichts verbergen könnte. In Anbetracht des weiten Wortlautes152 wird im Allgemeinen vertreten, dass sich durch die Aufnahme des Titels die Rechtsetzungsbefugnisse der Union zumindest erweitert haben dürften.153 Ursprünglich sollen sogar auch die nun in Buchstabe (g) verorteten alternativen Methoden für die Beilegung von Streitigkeiten von dem Kompetenztitel erfasst worden sein,154 und auch die EuGVVO bezieht sich zur Begründung ihrer kompetenziellen Rechtmäßigkeit auf Buchstabe (e).155 Für eine so weite Interpretation würde zudem die Anknüpfung an den Wortlaut des übergeordneten Art. 67(4) AEUV sprechen.156 Demgegenüber wird jedoch auch der Wortlaut des Art. 47(3) GRCh aufgegriffen,157 der einen grundrechtlichen Anspruch auf Prozesskostenhilfe gewährt.158 Das Hauptbeispiel für einen EU-Rechtsakt auf der Grundlage des Kompetenztitels stellt im Einklang damit die Prozesskostenhilfe-RL dar.159 Daneben wurden Hilfestellungen für die Rechtsdurchsetzung im Internet auf Grundlage der Kompetenz aufgebaut.160 Diese Beispiele sprechen für eine wesentlich eingeschränktere Interpretation, die auf Maßnahmen zur Durchsetzung des Justizgewährleistungsanspruchs beschränkt ist. Anderenfalls könnte bald jede Rechtsetzungsmaßnahme zur Sicherstellung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarktes auf Buchstabe (e) 152 Ebenso im Englischen („effective access to justice“) und Französischen („accès effectif à la justice“). 153 Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 81 Rn. 26; Lenzing, in: von der Groeben/ Schwarze/Hatje, AEUV Art. 81 Rn. 15. 154 Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 46. 155 Vgl. Präambel zur EuGVVO: „[…] gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 67 Absatz 4 und Artikel 81 Absatz 2 Buchstaben a, c und e […]“. 156 Lenzing, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUVArt. 81 Rn. 15; Hess, in: Grabitz/ Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 46. 157 Lenzing, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUV Art. 81 Rn. 15; Hoppe, in: Lenz/ Borchardt, AEUV Art. 81 Rn. 8. 158 Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 81 Rn. 26. 159 RL 2003/8/EG vom 27. 1. 2003, ABl. 2003 Nr. L 26/41; vgl. Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUVArt. 81 Rn. 26; Hoppe, in: Lenz/Borchardt, AEUVArt. 81 Rn. 8; Stumpf, in: Schwarze, AEUV Art. 81 Rn. 20; Lenzing, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUV Art. 81 Rn. 15; Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 46. 160 Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 47.

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C. Die Rechtsetzungskompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit

gestützt werden,161 da sie dann wohl auch den Zugang zum Recht effektiver gestalten würde. Diese Aufgabe wird aber tendenziell eher Buchstabe (f) zuteil.162 Daher beschränkt sich der Kompetenztitel in Buchstabe (e) auf Maßnahmen zur Stärkung des Justizgewährleistungsanspruches. Für die Schiedsgerichtsbarkeit ist er damit nur bedingt fruchtbar zu machen, da die Justizgewährungspflicht nur durch Gesetz errichtete Gerichte betrifft.163 Die Bildung von Schiedsgerichten beruht hingegen im Ausgangspunkt auf der lediglich gesetzlich eingeräumten Möglichkeit, durch übereinstimmende Willenserklärungen der Parteien einen Streit durch ein Schiedsgericht entscheiden zu lassen. Der Staat lässt zwar auch Schiedsverfahren nur unter der Voraussetzung zu, dass diese einen effektiven Rechtsschutz gewähren.164 Da es sich bei der Wahl eines Schiedsgerichts aber um eine freiwillige Entscheidung handelt, die eine Alternative zum Rechtsschutz vor staatlichen Gerichten darstellt, ist der Justizgewährleistungsanspruch nicht in seinem Kernbereich betroffen. e) Beseitigung von Hindernissen für die reibungslose Abwicklung von Zivilverfahren Im Gegensatz zu Buchstabe (e) ist der in Buchstabe (f) enthaltene Kompetenztitel auf eine weitreichende Kompetenz der EU ausgerichtet. Die Beseitigung von Hindernissen für die reibungslose Abwicklung von Zivilverfahren, erforderlichenfalls durch Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden zivilrechtlichen Verfahrensvorschriften, stellt nach einhelliger Meinung den weitesten der in Art. 81(2) AEUV enthaltenen Kompetenztitel dar, der eine umfassende Regelung des IZPR durch die Union ermöglicht.165 Der Titel wurde ebenfalls aus Art. 65 EGV (Nizza) überführt und durch kleinere Änderungen im Wortlaut noch erwei161

Dieser Ansicht scheint Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 81 Rn. 26, zu sein: „Er sichert – ggf. auch in Kombination mit den präziseren Kompetenztiteln dieses Artikels – die Breite der der EU übertragenen Kompetenzen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen.“, im nächsten Satz dann aber (widersprüchlich) einschränkend: „Er entspricht dem rechtsstaatlich begründeten Justizgewährleistungsanspruch“; ebenso Stumpf, in: Schwarze, AEUV Art. 81 Rn. 20: „Die Aufnahme von lit. e) ist daher als Kompetenzerweiterung verstanden worden, auf dessen Grundlage weitreichende Maßnahmen zur Stärkung der Effizienz von Zivilverfahren erlassen werden könnten.“; offengelassen von Storskrubb, Civil Procedure and EU Law, S. 45. 162 Siehe unten Kapitel C. III. 3. e). 163 Vgl. Art. 47(2) S. 1 GRCh: „Jede Person hat ein Recht darauf, dass ihre Sache von einem unabhängigen, unpartebbschen und zuvor durch Gesetz errichteten Gericht in einem fairen Verfahren, öffentlich und innerhalb angemessener Frist verhandelt wird.“; siehe dazu auch Calliess, in: Calliess/Ruffert, GRCh Art. 47 Rn. 8; Voet van Vormizeele, in: Schwarze, GRCh Art. 47 Rn. 12. 164 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 51 Rn. 1 ff. 165 Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 36, 48; Lenzing, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUV Art. 81 Rn. 16; Hoppe, in: Lenz/Borchardt, AEUV Art. 81 Rn. 9; Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 81 Rn. 28; Pollak, in: Mayer, AEUV Art. 81 Rn. 80.

III. Art. 81 AEUV als Kompetenzgrundlage eines EU-Schiedsverfahrensrechts

107

tert.166 Beschränkend wirkt jedoch die allgemeine Voraussetzung des „grenzüberschreitenden Bezugs“, sodass nach herrschender Meinung auf Grundlage des weiten Kompetenztitels in Buchstabe (f) beispielsweise keine „europäische ZPO“ erlassen werden könnte.167 Der Begriff des Zivilprozesses ist aber weit zu verstehen, sodass auch die Schiedsgerichtsbarkeit umfasst ist.168 Dafür spricht auch, dass der zweite Teilsatz auf die „zivilrechtlichen Verfahrensvorschriften“ verweist, die in vielen Mitgliedstaaten auch das Schiedsverfahrensrecht umfassen.169 Man könnte daher von einer Auffangkompetenz für den Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen sprechen.170 Folglich werden diejenigen Bereiche des Schiedsverfahrensrechts, die noch nicht von einem der anderen Kompetenztitel abgedeckt sind, zumindest von Art. 81(2)(f) AEUV erfasst. Die Behinderung der reibungslosen Abwicklung von Zivilverfahren wurde bereits belegt,171 sodass auch Maßnahmen zur Förderung der Vereinbarkeit der in den Mitgliedstaaten geltenden (Schieds-) Verfahrensvorschriften erforderlich sind. Aus der Beschränkung auf Zivilsachen mit grenzüberschreitendem Bezug folgt jedoch auch insoweit eine Einschränkung auf die internationale Schiedsgerichtsbarkeit. Zudem ist wegen des weiten Anwendungsbereichs der Vorschrift ein besonderes Augenmerk auf die allgemeinenen Anwendungsvoraussetzungen des Art. 81 AEUV172 zu legen.173 Ebendies gilt für die noch allgemeineren Voraussetzungen des Art. 5 EUV.174 Fest steht aber bereits: Art. 81(2)(f) AEUV ermöglicht grundsätzlich Harmonisierungsmaßnahmen im gesamten Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. f) Entwicklung von alternativen Methoden für die Beilegung von Streitigkeiten Schließlich verleiht Art. 81(2)(g) AEUV der EU die Kompetenz zur Entwicklung von alternativen Methoden für die Beilegung von Streitigkeiten. Die daraus folgende 166 Stumpf, in: Schwarze, AEUV Art. 81 Rn. 21; Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 81 Rn. 28. 167 Leible, in: Streinz AEUV Art. 81 Rn. 36; Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 48. 168 Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 81 Rn. 28; a. A. mit Verweis auf die englische Fassung Schlosser, Die Vollstreckung von Schiedssprüchen, S. 147. 169 Siehe unten den Überblick über relevante Teilbereiche der Schiedsverfahrensgesetze der Mitgliedsstaaten in Kapitel F. II. 170 So im Ergebnis auch Pollak, in: Mayer, AEUV Art. 81 Rn. 80: „Unstrittig unter Art. 81 Abs. 2 lit. f fallen alle nicht schon von lit. a bis e und g erfassten Regelungen des internationalen Zivilprozessrechts.“ 171 Siehe oben Kapitel B. 172 Siehe oben Kapitel C. III. 2. 173 Stumpf, in: Schwarze, AEUV Art. 81 Rn. 21. 174 Siehe oben Kapitel C. II.

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C. Die Rechtsetzungskompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit

Kompetenz der EU im Hinblick auf Mediationsverfahren ist unbestritten.175 Als Hauptanwendungsfall der Kompetenz gilt bislang die RL 2008/52/EG über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen.176 Die RL 2013/11/EU über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten, die Schlichtungsverfahren betrifft, wurde hingegen auf die Binnenmarktkompetenz nach Art. 114 AEUV gestützt.177 Die Entwicklung alternativer Methoden für die Beilegung von Streitigkeiten erfasst auch die Schiedsgerichtsbarkeit. Grundsätzlich stellt die Schiedsgerichtsbarkeit eine Alternative – im Sinne einer anderweitigen Möglichkeit – zur Streitbeilegung im Wege des Zivilprozesses dar. Sie kann also als alternative Methode für die Beilegung von Streitigkeiten i. S. d. Buchstaben (g) verstanden werden. Das Wort „Entwicklung“ deutet darauf hin, dass Maßnahmen auf Grundlage des Kompetenztitels zu einer Verbesserung des Rechtsrahmens im jeweiligen Bereich führen müssen. Dies ergibt sich aber ohnehin bereits aus Art. 5 EUV.178 Systematisch könnte die Stellung direkt nach der sehr weit gefassten „Auffangkompetenz“ des Buchstabe (f) ebenfalls für eine weite Interpretation sprechen. Dem steht aber der nachfolgende, im Anwendungsbereich recht beschränkte Kompetenztitel in Buchstabe (h) entgegen.179 Eine systematische Auslegung führt somit nicht weiter. Historisch folgte Buchstabe (g) der Entwicklung alternativer Streitbeilegungsmethoden in Verbrauchersachen nach.180 Eine Beschränkung kann daraus spätestens seit Verabschiedung der Mediations-RL aber ebenfalls nicht mehr hergeleitet werden, weil diese für Zivil- und Handelssachen gilt.181 Schließlich würde es auch keinen Sinn machen, einen separaten Kompetenztitel für die Entwicklung alternativer Streitbeilegungsmechanismen aufzunehmen, nur um dann einzelne Bereiche als nicht erfasst auszunehmen. Folglich können Rechtsetzungsakte, die der Fortentwicklung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit dienen, auch auf Art. 81(2)(g) AEUV gestützt werden.

175 Leible, in: Streinz AEUV Art. 81 Rn. 39; Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 50; Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUVArt. 81 Rn. 31; Stumpf, in: Schwarze, AEUV Art. 81 Rn. 23. 176 Richtlinie 2008/52/EG des europäischen Parlamentes und des Rates vom 21. 5. 2008 über bestimmte Aspekte der Mediation in Zivil- und Handelssachen, ABl. 2008 L 136, S. 3 ff. 177 Richtlinie 2013/11/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. 5. 2013 über die alternative Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten, ABl. 2013 L 165, S. 63 ff.; Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUVArt. 81 Rn. 31; kritisch dazu Engel NJW (2015) 1633, 1634. 178 Siehe oben Kapitel C. II. 179 Siehe oben Kapitel C. III. 3. a). 180 Leible, in: Streinz AEUV Art. 81 Rn. 38 f.; Hess, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 81 Rn. 49. 181 Vgl. Art. 1(2) RL 2008/52/EG.

IV. Ergebnis

109

g) Zwischenergebnis Die EU hat die primärrechtliche Kompetenz zur Harmonisierung des Rechts der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Insbesondere Art. 81(2)(f) und (g) AEUV ermöglichen grundsätzlich umfängliche Maßnahmen in diesem Bereich. Die Kontroverse um die Auslegung des Begriffs der „außergerichtlichen Entscheidungen“ verliert vor diesem Hintergrund an Bedeutung. Gerade weil die Vorschrift aber einen so weiten Anwendungsbereich hat, ist die Berücksichtigung des Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nach Art. 5 EUV von besonderer Bedeutung. Pauschale Aussagen über das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Rechtsetzungsbefugnis der EU nur auf Grundlage des durch Art. 81 AEUV eingeräumten Handlungsspielraums verbieten sich daher.

IV. Ergebnis Die Untersuchung hat gezeigt, dass eine Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts in der EU grundsätzlich möglich wäre, gleichzeitig aber die Autonomie der Mitgliedstaaten weitestmöglich zu schützen ist. Eben diesem Zweck dienen das Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzip. Das Subsidiaritätsprinzip ist im Rahmen des Art. 81 AEUV anzuwenden, da dieser eine konkurrierende Zuständigkeit begründet, und beschränkt die Kompetenz der EU. Um nicht bereits an dieser Schwelle zu scheitern, müsste eine Harmonisierungsmaßnahme auf die Behebung evidenter Probleme des Rechts der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in der EU beschränkt werden. Wie gezeigt, ermöglicht der Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich der EuGVVO die Entstehung von Parallelverfahren und infolge dessen den Erlass divergierender Rechtstitel.182 Das Ziel einer Unionsmaßnahme könnte also unter Wahrung des Subsidiaritätsgrundsatzes lediglich die Behebung dieser Probleme sein. Denn nur in diesem Fall ließe sich das Ziel der Harmonisierungsmaßnahme jedenfalls nicht besser auf Ebene der Mitgliedstaaten verwirklichen (Negativkriterium). Dies zeigt gerade die de lege lata bestehende Bereichsausnahme und die daher erfolgende Regelung der Schiedsgerichtsbarkeit auf Ebene der Mitgliedstaaten. Bei entsprechender Ausgestaltung könnte ein EU-Rechtsakt de lege ferenda diese Probleme durch Beseitigung relevanter Unterschiede in den nationalen Schiedsverfahrensrechten hingegen beheben (Positivkriterium), sodass ein echtes „supranationales Plus“ gegeben wäre. Das „Ob“ des Unionshandelns sollte vor diesem Hintergrund eigentlich nicht in Frage stehen. Die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kann hingegen erst überprüft werden, wenn die genaue Ausgestaltung einer Harmonisierungsmaßnahme geklärt ist. Dies gilt für die Handlungsform ebenso wie für die Regelungsweite und 182

Siehe oben Kapitel B. III.

110

C. Die Rechtsetzungskompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit

-tiefe. Daher gilt es im Folgenden zunächst anhand dieser Maßstäbe einen Lösungsvorschlag für das Problem der Parallelverfahren auf europäischer Ebene zu erarbeiten. Auf dieser Grundlage kann dann die Verhältnismäßigkeit der Maßnahme erörtert werden.183

183

Siehe unten Kapitel H. II. 3.

D. Parallelverfahren – relevante Regelungsbereiche und multilateraler Rahmen Um dem Subsidiaritätsgrundsatz Rechnung zu tragen, müsste sich ein europäischer Rechtsakt also auf die Behebung des zentralen Problems, die Vermeidung von Parallelverfahren vor Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten, konzentrieren. Denn wenn bereits Parallelverfahren an sich vermieden werden, würden sich die anschließenden Probleme im Anerkennungs- und Vollstreckungsstadium nicht mehr stellen. Im Folgenden werden daher zunächst die Regelungsbereiche der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ausgemacht und erörtert, welche für die Entstehung von Parallelverfahren primär relevant sind und daher jedenfalls einer Vereinheitlichung auf Ebene der EU bedürften (unten I.). Anschließend wird der in diesen Bereichen durch multilaterale Übereinkommen gesteckte Regelungsrahmen umrissen (unten II.).

I. Für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Regelungsbereiche des Schiedsverfahrensrechts 1. Einleitung Für die Entstehung paralleler Verfahren vor Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten lassen sich einige grundlegende Faktoren feststellen: Erstens die Anforderungen an eine gültige Schiedsvereinbarung, zweitens die Zuständigkeitsallokation zwischen Schiedsgericht und staatlichen Gerichten und drittens die Möglichkeit der Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung. Wären diese Bereiche in der EU einheitlich geregelt, kämen die dargestellten Probleme bei der Anerkennung und Vollstreckung miteinander unvereinbarer Entscheidungen erst gar nicht auf, da die Möglichkeit widersprüchlicher Entscheidungen im Keim erstickt würde. Die grenzüberschreitende Anerkennung und Vollstreckung innerhalb der EU sowohl für Gerichtsurteile1 als auch für Schiedssprüche2 ist hingegen bereits weitestgehend einheitlich geregelt,3 sodass hier kein spezifischer Regelungsbedarf besteht. 1 Art. 36 ff. EuGVVO; Ausnahmen bestehen für die sonstigen Bereichsausnahmen in Art. 1(2) EuGVVO sowie weitere durch andere europäische Rechtsakte harmonisierte Rechtsgebiete. 2 Art. V UNÜ; da alle Mitgliedstaaten der EU das UNÜ ratifiziert haben, entfaltet die Vorschrift auch in allen Mitgliedstaaten Wirkung.

112

D. Parallelverfahren – relevante Regelungsbereiche und multilateraler Rahmen

2. Gültigkeit der Schiedsvereinbarung Parallelverfahren haben ihren Ursprung zunächst in einer uneinheitlichen Bewertung der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung: Wenn in einem ersten Schritt schon die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung uneinheitlich beurteilt wird, folgt daraus eine uneinheitliche Festlegung der gerichtlichen Zuständigkeit, da nur eine gültige Schiedsvereinbarung die Zuständigkeit der staatlichen Gerichte derogiert. Bei einer einheitlichen Beurteilung käme es hingegen auf die Möglichkeit, dass diese von unterschiedlichen Gerichten vorgenommen werden kann, nur noch sekundär an, da alle Gerichte bei korrekter Anwendung der einheitlichen Vorschrift ohnehin zu einem einheitlichen Ergebnis kommen müssten. Auf Ebene des Kollisionsrechts gilt es daher zunächst das Schiedsvereinbarungsstatut zu behandeln, auf Ebene des Sachrechts Definition und Form der Schiedsvereinbarung. a) Das Schiedsvereinbarungsstatut Um die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung beurteilen zu können, ist zunächst das Schiedsvereinbarungsstatut zu ermitteln. Denn wenn schon auf der vorgelagerten Ebene des Kollisionsrechts keine einheitliche Bestimmung des anwendbaren Rechts gewährleistet wäre, würde eine einheitliche Vorschrift für die Beurteilung der Gültigkeit der Schiedsabrede erst gar keine konsistente Anwendung finden. Die vom Schiedsvereinbarungsstatut betroffenen Anknüpfungsgegenstände können dabei je nach nationalem Schiedsverfahrensrecht variieren.4 Die wichtigsten Anknüpfungsgegenstände sind jedoch die materielle Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung unter Einschluss von Zustandekommen und Existenz der Schiedsvereinbarung, die subjektive und objektive Schiedsfähigkeit sowie die formelle Gültigkeit der Schiedsvereinbarung. In einem ersten Schritt gilt es daher zu erörtern, anhand welcher Vorschriften und Maßstäbe das Schiedsvereinbarungsstatut bestimmt wird und

3

A. A. Schack, IZPR, Rn. 1303, der von „unterschiedlichen Anerkennungsregimes im UNÜ und im autonomen Recht vieler Mitgliedstaaten“ ausgeht, ohne diese Annahme weiter zu erläutern. 4 Die wohl differenzierteste Analyse der möglicherweise betroffenen Regelungsbereiche findet sich bei Born, International Commercial Arbitration, S. 489, der die formelle Gültigkeit der Schiedsvereinbarung, die subjektive und objektive Schiedsfähigkeit, die Vollmacht der Vertretungsbefugten der Schiedsvereinbarungsparteien, das Zustandekommen und die Existenz der Schiedsvereinbarung, die materielle Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung, die Rechtsfolgen der Schiedsvereinbarung, die Vollstreckbarkeit der Schiedsvereinbarung, die Abtretung der Schiedsvereinbarung sowie den Verzicht auf das Recht zur Durchführung eines Schiedsverfahrens nennt; ähnlich Blessing, Law Applicable to the Arbitration Clause and Arbitrability, S. 168 f.; andere Autoren berücksichtigen weniger Anknüpfungsgegenstände, vgl. z. B. Lew, Law Applicable to the Arbitration Clause, S. 119; Gaillard/Savage, International Commercial Arbitration, Rn. 423; Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 295.

I. Relevante Regelungsbereiche des Schiedsverfahrensrechts

113

welche Bereiche von diesen Regelungen erfasst sind.5 Erst dann können die ermittelten Wirksamkeitserfordernisse anhand der zur Anwendung berufenen Rechtsordnung einheitlich geprüft werden. b) Definition und Form der Schiedsvereinbarung Wurde das auf die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung anwendbare Recht ermittelt, wären zur Vermeidung paralleler Verfahren jedoch in einem zweiten Schritt einheitliche Formerfordernisse und eine einheitliche Definition der Schiedsvereinbarung nötig. Wird unterschiedlich beurteilt, wann eine formell gültige Schiedsvereinbarung vorliegt, so wird möglicherweise unterschiedlich beurteilt, welcher Spruchkörper zur Entscheidung des Rechtsstreits berufen ist.6

3. Zuständigkeitsallokation Doch auch wenn die Voraussetzungen an die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung einheitlich geregelt werden, können uneinheitliche Zuständigkeits- und Rechthängigkeitsregeln zu mehreren, nach verschiedenen Vorschriften für zuständig erklärten Spruchkörpern führen. Ziel der Zuständigkeitsverteilung zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten ist es, auf der einen Seite sicherzustellen, dass die Schiedsvereinbarung den gesetzlichen Anforderungen entspricht. Hierfür wird in streitigen Fällen in letzter Instanz stets eine Überprüfung durch staatliche Gerichte erfolgen. Häufig wird es jedoch im Interesse der Parteien sein, schon zu einem früheren Zeitpunkt Sicherheit über das Vorliegen einer gültigen Schiedsvereinbarung zu haben. Anderenfalls sind sie dem Risiko ausgesetzt, unter Verwendung von viel Zeit und Geld einen Schiedsspruch zu erwirken, der nicht vollstreckt werden kann. Andererseits gilt es jedoch Verzögerungstaktiken auszuschließen, die den reibungslosen Ablauf des Schiedsverfahrens behindern. Eine wesentliche Rolle bei der Erreichung dieser Ziele spielen dabei insbesondere die Regelung der KompetenzKompetenz des Schiedsgerichts sowie die Möglichkeit der Überprüfung dieser Zuständigkeitsentscheidung durch ein staatliches Gericht.

5 Für eine Übersicht der möglichen Ansätze siehe zunächst Lew, Law Applicable to the Arbitration Clause, S. 140 ff.; sowie diesen Beitrag erweiternd Blessing, Law Applicable to the Arbitration Clause and Arbitrability, S. 169 f. 6 Dies gilt zumindest unter der Prämisse, dass sich die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung nicht gezwungenermaßen immer nach dem Recht am Ort des Schiedsgerichts richtet (dies ist de lege lata z. B. in Frankreich nach Art. 1505 NCPC der Fall). Wäre das Formstatut einheitlich geregelt, würde es sich insofern aber nur noch um einen Auffangmechanismus handeln.

114

D. Parallelverfahren – relevante Regelungsbereiche und multilateraler Rahmen

a) Regelung der Kompetenz-Kompetenz Das Prinzip der Kompetenz-Kompetenz7 umschreibt die Befugnis eines Spruchkörpers über die (gerichtliche) Zuständigkeit und damit auch über die eigene Entscheidungskompetenz zu entscheiden. Es steht daher in einem direkten Zusammenhang mit der Zuständigkeitsallokation zwischen Schiedsgericht und staatlichem Gericht. Die Folgen des Prinzips werden im Allgemeinen in den positiven und den negativen Effekt des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz aufgeteilt.8 Der positive Effekt bezieht sich auf die Frage, ob das Schiedsgericht über seine eigene Zuständigkeit entscheiden darf oder nicht. Da die meisten modernen Schiedsverfahrensrechte eine solche Befugnis des Schiedsgerichts ausdrücklich vorsehen, ist diese Frage in der Regel zu bejahen.9 Diese Ausprägung des Prinzips dient vor allem dem Schutz vor rechtsmissbräuchlichen Taktiken und soll die Effektivität des Schiedsverfahrens unterstützen.10 Die Befugnis des Schiedsgerichts über seine eigene Zuständigkeit zu entscheiden enthält an sich jedoch noch keine Aussage über die korrespondierende Befugnis eines nationalen Gerichts, ebenfalls über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts zu entscheiden. Der Ausschluss der Befugnis staatlicher Gerichte über Einwände gegen die Zuständigkeit des Schiedsgerichts zu entscheiden bis ein Schiedsspruch erlassen wurde begründet den negativen Effekt des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz.11 Diesem zufolge ist die Zuständigkeit eines anderen Spruchkörpers ausgeschlossen, sobald das Schiedsverfahren eingeleitet wurde, sodass eine Intervention durch ein staatliches Gericht erst nach Erlass eines Zwischenschiedsspruchs in Betracht kommt. Insofern handelt es sich um die weitestgehende Schutzregelung zugunsten der Zuständigkeit des Schiedsgerichts, da die Möglichkeit staatlicher Gerichte zur Überprüfung der Schiedsvereinbarung stark eingeschränkt wird.12 Auf diese Weise kann die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen über die Zuständigkeit minimiert

7

Teilweise auch als competence-competence oder compétence de la compétence bezeichnet. 8 Erk, Parallel Proceedings, S. 25 ff.; Hauberg Wilhelmsen 10(1) J. Priv. Int’l L. (2014) 113, 115; Gaillard/Savage, International Commercial Arbitration, Rn. 660; Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 458 ff.; für eine zurückhaltende Verwendung der Unterteilung in positiven und negativen Effekt Born, International Commercial Arbitration, S. 1050; unterteilend in „vorläufige“ und „endgültige“ Kompetenz-Kompetenz Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 84 f. 9 Blackaby/Partasides QC/Redfern/Hunter, International Arbitration, Rn. 5.108; Poudret/ Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 459. 10 Brengesjö 17(2) Int. A.L.R. (2014) 43, 45. 11 Born, International Commercial Arbitration, S. 1069; Erk, Parallel Proceedings, S. 26; Gaillard/Savage, International Commercial Arbitration, Rn. 660; Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 458; Boucaron-Nardetto, Le principe compétencecompétence, S. 53 ff. 12 Brengesjö 17(2) Int. A.L.R. (2014) 43, 45.

I. Relevante Regelungsbereiche des Schiedsverfahrensrechts

115

werden,13 sodass der negative Effekt des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz als Rechtshängigkeitsregel angesehen werden kann.14 Insbesondere der negative Effekt des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz ist dementsprechend eng verknüpft mit den Überprüfungsmöglichkeiten staatlicher Gerichte bezüglich der Kompetenzentscheidung des Schiedsgerichts. Das Prinzip legt jedoch nur grob fest, welchem Spruchkörper in welcher Phase des Verfahrens welche Befugnisse im Zusammenhang mit der Zuständigkeitsentscheidung zustehen sollen. Somit wäre eine einheitliche Vorschrift zur positiven Kompetenz-Kompetenz nicht ausreichend um Parallelverfahren vollständig zu verhindern. Die Überprüfung der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts läuft immer auf eine Überprüfung der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung als Grundlage des Schiedsverfahrens hinaus, die entweder unabhängig von der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts oder zu deren Überprüfung erfolgen kann. Daher bietet sich eine Unterscheidung zwischen der isolierten Überprüfung der Schiedsvereinbarung durch ein staatliches Gericht unabhängig von der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts, welche sich dann implizit auf ein möglicherweise bereits laufendes Schiedsverfahren auswirken kann, und der Überprüfung der Schiedsvereinbarung durch ein staatliches Gericht nach Erlass einer Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts an. b) Isolierte Überprüfung der Schiedsvereinbarung Der Regelfall der Überprüfung der Schiedsvereinbarung durch ein staatliches Gericht ist die Erhebung der Schiedseinrede durch den Beklagten im Hauptsacheverfahren vor einem staatlichen Gericht. Vereinzelt findet sich in nationalen Rechtsordnungen zudem die Möglichkeit einer gesonderten Zulässigkeitskontrolle des Schiedsverfahrens durch die staatlichen Gerichte.15 In beiden Fällen hat das staatliche Gericht ungeachtet einer Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts zu klären, ob eine gültige Schiedsvereinbarung vorliegt. Ist jedoch nicht einheitlich geregelt, wie sich die Erhebung der Schiedseinrede oder die Zulässigkeitskontrolle zum Schiedsverfahren verhält, kann es in dieser Situation zu Parallelverfahren über die Zuständigkeitsfrage kommen. Bei einheitlicher Beurteilung der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung durch die staatlichen Gerichte innerhalb der EU würden Parallelverfahren zwar nicht per se zu einer Gefährdung der Rechtssicherheit führen, da sich die Beurteilung der staatlichen Gerichte spätestens im Aufhebungsverfahren durchsetzen würde.16 Jedoch könnte eine einheitliche Regelung der Rechtshängig13

Carducci 29 Arb. Int’l (2013) 467, 482. Hauberg Wilhelmsen 10(1) J. Priv. Int’l L. (2014) 113, 115: „The negative effects of the competence-competence principle may be considered as a lis pendens rule.“ 15 Vgl. z. B. § 1032(2) dZPO; Art. 11(3) slowenisches Law on Arbitration. 16 Siehe dazu unten Kapitel D. I. 4. 14

116

D. Parallelverfahren – relevante Regelungsbereiche und multilateraler Rahmen

keit bereits die Entstehung von Parallelverfahren im Keim ersticken. Dies wäre im Sinne der Prozessökonomie und würde die Ressourcen der Parteien schonen. c) Überprüfung der Schiedsvereinbarung nach Erlass des Schiedsgerichts Prinzipiell können diese Ausführungen für die Überprüfung der Schiedsvereinbarung durch ein staatliches Gericht nach einer Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts gleichermaßen Geltung beanspruchen. Denn für die Entstehung von Parallelverfahren kommt es in dieser Situation ebenfalls entscheidend darauf an, welche Auswirkungen die Überprüfung der Zuständigkeitsentscheidung durch das staatliche Gericht auf das Schiedsverfahren hat. Die Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts könnte die Entscheidung des staatlichen Gerichts jedoch beeinflussen, wenn dadurch Gegenstand oder Maßstab der Prüfung verändert werden.17 Zudem stellt die Überprüfung in der Regel einen eigenständigen Antrag beim staatlichen Gericht dar, sodass sich diese Situation von der Überprüfung der Schiedsvereinbarung unabhängig von einer Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts unterscheidet. Daher bedarf es in den folgenden Kapiteln einer getrennten Untersuchung der beiden Verfahrenskonstellationen.

4. Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung Neben den zuvor genannten Bereichen müsste zudem die Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung gewährleistet sein. Dies würde den staatlichen Gerichten der Mitgliedstaaten spätestens im Aufhebungsverfahren die Möglichkeit einräumen, die Anwendung und einheitliche Auslegung der vorgenannten Regeln zu sichern. Anderenfalls verbliebe die Möglichkeit, dass ein harmonisierender Rechtsakt bei seiner Anwendung durch Schiedsgerichte mit Sitz innerhalb der EU nicht einheitlich ausgelegt werden würde, da diese über keine Vorlagebefugnis an den EuGH nach Art. 267 AEUV verfügen.18 Dadurch ist in Zweifelsfällen bezüglich der Anwendung und Auslegung des harmonisierenden Rechtsaktes die Unterstützung staatlicher Gerichte nötig. Allerdings käme auch insoweit die staatliche Überprüfungskompetenz im Rahmen eines Aufhebungsverfahrens zum Tragen, wenn in allen Mitgliedstaaten die Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung gewährleistet wäre. Folglich müsste der Rechtsakt zumindest die Implementierung dieser Aufhebungsmöglichkeit eines Schiedsspruches sicherstellen. Ein auf dieser Grundlage aufgehobener 17

Dies ist z. B. der Fall, wenn das Schiedsgericht in einer Rechtsordnung die Letztentscheidungsbefugnis über die eigene Kompetenz hat. 18 Dies gilt zumindest für freiwillige Schiedsgerichte, vgl. EuGH 27. 1. 2005, Rs. 125/04 – Denuit und Cordenier/Transorient, Slg. 2005 923; noch zu Art. 234 EGV.

II. Relevante Regelungen in multilateralen Staatsverträgen

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Schiedsspruch wäre anschließend international kaum mehr vollstreckbar,19 sodass das durch die Gerichte der Mitgliedstaaten einheitlich ausgelegte Schiedsverfahrensrecht auch außerhalb der EU effektive Wirkung entfalten könnte.

II. Für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Regelungen in multilateralen Staatsverträgen 1. Einleitung Die bestehenden multilateralen Staatsverträge im Bereich der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit stellen den nationalen Schiedsverfahrensrechtsordnungen übergeordnete Regelungswerke dar und beeinflussen die Anwendung des nationalen Rechts. Der mit Abstand wichtigste Staatsvertrag ist dabei in Anbetracht seiner zahlreichen (gegenwärtig 166)20 Vertragsparteien das UNÜ.21 Daneben ist aber auch das Genfer Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit22 (EuÜ) von Bedeutung. Als die UN-Wirtschaftskommission das EuÜ 1961 verabschiedete, war sie sich der Existenz des New Yorker Übereinkommens bewusst und verfolgte das Ziel, die Entwicklung des europäischen Handels zu fördern.23 Damals sollte das Übereinkommen die Wirtschaft in einem geteilten Europa unterstützen und wurde von 16 Staaten unterzeichnet; mittlerweile wurde es von 31 Parteien ratifiziert, darunter 17 Mitgliedstaaten der EU.24 Auch wenn die geringe Anzahl von unterzeichnenden Parteien die Bedeutung des Eu-Übereinkommens schmälert, enthält es dennoch einige wichtige Vorschriften, über die andere Rechtsinstrumente des Schiedsverfahrens nicht verfügen. Daher gilt es zunächst den durch die beiden Übereinkommen gesteckten übergeordneten Rahmen für die Schiedsvereinbarung und die Zuständigkeitsallokation zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten sowie die Auswirkungen auf die Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung zu erörtern.

19

Art. V(1)(e) UNÜ, siehe dazu unten Kapitel D. II. 2. c). UNCITRAL, ,Status: Convention on the Recognition and Enforcement of Foreign Arbitral Awards‘, verfügbar unter https://uncitral.un.org/en/texts/arbitration/conventions/foreign_ arbitral_awards/status2, zuletzt aufgerufen am 25. 11. 2020. 21 Blackaby/Partasides QC/Redfern/Hunter, International Arbitration, Rn. 1.211. 22 Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit vom 21. 04. 1961, BGBl. II 1964, S. 425. 23 Vgl. Präambel zum EuÜ, BGBl. II 1964, S. 427. 24 UN, ,European Convention on International Commercial Arbitration – Status‘, United Nations, 2016, verfügbar unter https://treaties.un.org/pages/ViewDetails.aspx?src=TRE ATY&mtdsg_no=XXII-2&chapter=22& clang=_en, zuletzt aufgerufen am 5. 11. 2018. 20

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D. Parallelverfahren – relevante Regelungsbereiche und multilateraler Rahmen

2. Für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Regelungen des UNÜ a) Gültigkeit der Schiedsvereinbarung Das UNÜ regelt die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedsvereinbarungen insbesondere in Art. II, V(1)(a) UNÜ und legt in Art. II(1), (2) UNÜ formelle Anforderungen an eine gültige Schiedsvereinbarung fest. aa) Das Schiedsvereinbarungsstatut, Art. II, V(1)(a) UNÜ Dabei verpflichtet das Übereinkommen das nationale Gericht eines unterzeichnenden Staates in Art. II(1), (3) UNÜ die Schiedsvereinbarung anzuerkennen (Absatz 1) und die Parteien „auf das schiedsrichterliche Verfahren zu verweisen, sofern es nicht feststellt, dass die Vereinbarung hinfällig, unwirksam oder nicht erfüllbar ist“ (Absatz 3). Aus diesen Vorschriften folgt zunächst, dass im Grundsatz von der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung auszugehen ist.25 Art. II(1), (2) UNÜ bezieht sich dabei auf die formellen Voraussetzungen der Schiedsvereinbarung,26 beinhaltet jedoch keine Regelung des Schiedsvereinbarungsstatuts. Art. V(1)(a) UNÜ hilft hier aus und bestimmt, dass die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung „nach dem Recht, dem die Parteien sie unterstellt haben, oder, falls die Parteien hierüber nichts bestimmt haben, nach dem Recht des Landes, in dem der Schiedsspruch ergangen ist,“ zu beurteilen ist. Demnach gilt primär Rechtswahlfreiheit und auf sekundärer Ebene eine Anknüpfung an das Recht des Schiedsortes. Sollte dieser in der Einredesituation nach Art. II(3) UNÜ noch nicht feststehen, enthält das UNÜ keine Anknüpfungsregel,27 sodass auf die lex fori des befassten Gerichts zurückzugreifen ist.28 Jedoch gilt die Vorschrift ihrem Wortlaut zufolge nur im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche.29 Überwiegend wird zwar davon ausgegangen, dass die Kollisionsregel auch in der Einredesituation Anwendung findet,30 jedoch wird die Vorschrift unterschiedlich interpretiert. Eine abwei-

25 Van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 168; Born, International Commercial Arbitration, S. 230 ff. 26 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 44 Rn. 7. 27 Born, International Commercial Arbitration, S. 496. 28 Van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 127; für eine alternative Anknüpfung an das Recht sämtlicher in Betracht kommender zukünftiger Schiedsorte („Validation Principle“) Born, International Commercial Arbitration, S. 496 [Fn. 132]. 29 Van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 126; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 43 Rn. 1. 30 Van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 126 f.; Born, International Commercial Arbitration, S. 499; Erk, Parallel Proceedings, S. 40 ff.; Hauberg Wilhelmsen 10(1) J. Priv. Int’l L. (2014) 113, 118 ff., m. w. N.; a. A. Bernardini, The Law applicable to Arbitration Clauses, S. 200, der auf eine Anwendung der lex fori pocht.

II. Relevante Regelungen in multilateralen Staatsverträgen

119

chende Auslegung kann zur Anwendung verschiedener materieller Gesetze führen,31 was zu widersprüchlichen Ergebnissen im Hinblick auf die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung führen kann. Das Fehlen einer eindeutigen Regel birgt daher für sich genommen die Gefahr paralleler Verfahren in der Hauptsache.32 bb) Definition und Form der Schiedsvereinbarung, Art. II(1), (2) UNÜ Hinsichtlich der Form der Schiedsvereinbarung beinhaltet das UNÜ in Art. II(1) eine Legaldefinition und in Art. II(2) die insoweit zu stellenden formellen Anforderungen. Art. II(2) UNÜ verlangt dabei Schriftlichkeit,33 wobei die Schriftform auf zwei verschiedene Arten erfüllt sein kann. Dies ist zum einen eine von beiden Parteien unterzeichnete Vertragsurkunde, zum anderen der wechselseitige Austausch von Briefen und Telegrammen. Eine von beiden Parteien unterzeichnete Vertragsurkunde im Sinne des Art. II(2) Alt. 1 UNÜ meint dabei eine handschriftliche Unterzeichnung beider Parteien, die jedoch auch unter dem die Schiedsvereinbarung enthaltenden (Gesamt-)Vertrag erfolgen kann.34 Liegt ein wechselseitiger Austausch von Briefen und Telegrammen vor, ist eine Unterschrift nicht erforderlich, da diese durch das Erfordernis der Wechselseitigkeit ersetzt wird.35 Beide Alternativen erfordern aber „doppelte Schriftlichkeit“ in dem Sinne, dass ein bloß von einer Seite schriftlich bestätigter mündlicher Vertragsschluss beispielsweise nicht als ausreichend zu erachten wäre.36 Jedoch gelten nach der Meistbegünstigungsklausel des Art. VII(1) UNÜ die nationalen Vorschriften, sofern diese geringere Anforderungen stellen.37 Dies ist mittlerweile in zahlreichen Ländern der Fall.38 Folglich wird den Anforderungen der Vorschrift nur noch untergeordnete Bedeutung zuteil, da diese lediglich ein Maximal-Regime darstellen. Um sicherzustellen, dass die internationale Vollstreckbarkeit des Schiedsspruches gewährleistet ist, empfiehlt es sich für die Vertragsparteien einer 31 Siehe z. B. Van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 128, der auf die abweichende Praxis in den USA hinweist [Fn. 15]; Born, International Commercial Arbitration, S. 501. 32 Van Houtte 21 Arb. Int’l (2005) 509, 511. 33 Vgl. Art. II(2) UNÜ: „Unter einer ,schriftlichen Vereinbarung‘ ist eine Schiedsklausel in einem Vertrag oder eine Schiedsabrede zu verstehen, sofern der Vertrag oder die Schiedsabrede von den Parteien unterzeichnet oder in Briefen oder Telegrammen enthalten ist, die sie gewechselt haben.“ 34 Van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 192; Epping, Schiedsvereinbarung, S. 63. 35 Van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 193; Epping, Schiedsvereinbarung, S. 64. 36 Wie dies beispielsweise bei Art. 25(1)(a) Brüssel Ia-VO der Fall wäre; Epping, Schiedsvereinbarung, S. 65. 37 Van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 86 ff.; Born, International Commercial Arbitration, S. 617 ff. 38 Kröll 1 SchiedsVZ (2009) 40, 45 ff.

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D. Parallelverfahren – relevante Regelungsbereiche und multilateraler Rahmen

Schiedsvereinbarung dennoch, sich an den formellen Anforderungen des Art. II(1), (2) UNÜ zu orientieren. b) Zuständigkeitsallokation Da Gegenstand des UNÜ die Anerkennung und Vollstreckung internationaler Schiedsvereinbarungen und Schiedssprüche ist, behandelt es die Zuständigkeitsverteilung zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten nicht ausdrücklich. Doch auch wenn das Übereinkommen nicht explizit Bezug auf das Prinzip der Kompetenz-Kompetenz nimmt, ermächtigt es implizit sowohl Schiedsgerichte als auch nationale Gerichte zur Entscheidung der Zuständigkeitsfrage, ohne einem der beiden Spruchkörper einen Vorrang einzuräumen.39 Dies folgt aus Art. II(3) UNÜ und Art. V(1)(a), (c) UNÜ, die zwar die durch die Schiedsvereinbarung begründete Zuständigkeit des Schiedsgerichts anerkennen, aber staatlichen Gerichten diesbezügliche Überprüfungskompetenzen einräumen.40 c) Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung Das UNÜ sieht keine eigenen Aufhebungsgründe vor. Vielmehr deutet Art. V(1)(e) UNÜ darauf hin, dass das UNÜ die Aufhebung von Schiedssprüchen als Gegenstand des nationalen Rechts am Ort des Schiedsgerichts ansieht.41 Auch wenn das Übereinkommen implizit fordern mag, dass das Aufhebungsverfahren nicht zu einer „révision au fond“ verkommt, kann dies nicht zu einer Übertragung der Anerkennungsversagungsgründe des Art. V UNÜ auf das Aufhebungsverfahren führen.42 Selbstverständlich ist es aus Sicht des Übereinkommens sinnvoll, wenn ein dem Art. V(1)(a) UNÜ vergleichbarer Aufhebungsgrund bei Vorliegen einer unwirksamen Schiedsvereinbarung bereits zur Annulierung des Schiedsspruchs führt, sodass diesem dann schon gemäß Art. V(1)(e) UNÜ die Anerkennung und Vollstreckung verwehrt werden kann. Sollte dies nicht der Fall sein, kommt es im Anwendungsbereich des UNÜ wegen Art. V(1)(a) UNÜ jedoch trotzdem zu einem unvollstreckbaren Schiedsspruch. Für die Ausgestaltung des Aufhebungsverfahrens nach nationalem Recht hat das UNÜ insofern lediglich Modellfunktion.

39

Van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 131; Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 460; Born, International Commercial Arbitration, S. 1052 ff. 40 Erk, Parallel Proceedings, S. 28. 41 Vgl. Art. V(1)(e) UNÜ: „The award has not yet become binding, on the parties, or has been set aside or suspended by a competent authority of the country in which, or under the law of which, that award was made.“; Van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 19 ff.; Born, International Commercial Arbitration, S. 3165 ff. 42 Born, International Commercial Arbitration, S. 3169 ff.

II. Relevante Regelungen in multilateralen Staatsverträgen

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3. Für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Regelungen des EuÜ Das EuÜ kann im Hinblick auf die Regelungsdichte im Bereich der Schiedsvereinbarung und der Zuständigkeitsallokation gewissermaßen als Gegenentwurf zum UNÜ betrachtet werden. Während die Schiedsvereinbarung lediglich nachrangige Berücksichtigung in Art. I(2)(a), Art. VI(2) EuÜ findet, ist die Zuständigkeit staatlicher Gerichte in Art. V, VI EuÜ detailliert geregelt. Zudem bezieht sich das EuÜ in Art. IX(1)(a) auf die Aufhebung des Schiedsspruchs wegen Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung. a) Gültigkeit der Schiedsvereinbarung Das EuÜ legt in Art. VI(2) die Anknüpfungsleiter für das Schiedsvereinbarungsstatut fest und beinhaltet in Art. I(2)(a) eine Legaldefinition der Schiedsvereinbarung. aa) Das Schiedsvereinbarungsstatut, Art. VI(2) EuÜ Das Schiedsvereinbarungsstatut ist in Art. VI(2) EuÜ geregelt und unterscheidet nach dem subjektiven Schiedsfähigkeitsstatut und dem Statut „sonstiger Fragen“ im Zusammenhang mit dem Bestehen oder der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung. Das subjektive Schiedsfähigkeitsstatut richtet sich demnach stets nach dem IPR der lex fori.43 Die „sonstigen Fragen“ betreffen alle verbleibenden Bereiche, für die das EuÜ keine eigene Sachnorm enthält, also z. B. die Form der Schiedsvereinbarung und die subjektive Schiedsfähigkeit juristischer Personen.44 Für diese Bereiche werden in Art. VI(2)(a), (b) EuÜ die Kriterien des Art. V(1)(a) UNÜ übernommen,45 jedoch ist die Vorschrift schon dem Wortlaut nach in ihrem Anwendungsbereich nicht auf die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs begrenzt.46 Zudem ergänzt Art. VI(2)(c) EuÜ den Anknüpfungskatalog um ein weiteres Kriterium, nämlich das „Recht, welches das angerufene Gericht nach seinen Kollisionsnormen anzuwenden hat“.47 Das Fehlen eines vergleichbaren Anknüpfungsmerkmals im UNÜ basiert auf der konzeptionellen Beschränkung auf die Exequaturperspektive, da der Schiedsort in diesem Stadium regelmäßig schon feststeht.48 Für das Anerkennungsverfahren 43

Adolphsen, in: MüKo ZPO, Art. VI EuÜ Rn. 8. Art. I(2)(a) EuÜ, Art. III EuÜ, vgl. Adolphsen, in: MüKo ZPO, Art. VI EuÜ Rn. 6, 9. 45 Hascher, Commentary European Convention, S. 528 Rn. 55; Born, International Commercial Arbitration, S. 502 ff.; Magnus, IPRax (2016) 521, 530. 46 Hauberg Wilhelmsen 10(1) J. Priv. Int’l L. (2014) 113, 119; Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 94. 47 Art. VI(2)(c) EuÜ. 48 Epping, Schiedsvereinbarung, S. 40. 44

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D. Parallelverfahren – relevante Regelungsbereiche und multilateraler Rahmen

sieht zudem Art. IX(1)(a) EuÜ eine dem Art. V(1)(a) UNÜ entsprechende Anknüpfung vor.49 Gleichwohl führt auch dieser detailliertere Ansatz nicht wirklich zu mehr Rechtssicherheit. Denn auch die nach Art. VI(2)(c) EuÜ anzuwendenden Kollisionsnormen der lex fori führen zur Anwendung unterschiedlicher materieller Rechtsnormen auf die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung. Dies gilt insbesondere für die Einredesituation, die potenziell vor den nationalen Gerichten verschiedener Staaten erhoben werden könnte, die dann auf unterschiedliche Kollisionsregeln zurückgreifen könnten. Daher vermag auch die ausführlichere Kollisionsregel des EuÜ die Gefahr einer unterschiedlichen Beurteilung der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung nicht gänzlich auszuräumen. bb) Definition und Form der Schiedsvereinbarung, Art. I(2)(a) EuÜ Das EuÜ definiert die Schiedsvereinbarung in Art. I(2)(a) Alt. 1 im Wesentlichen wie Art. II(2) UNÜ, ergänzt jedoch, dass diese auch eine in Fernschreiben enthaltene Schiedsklauseln in einem Vertrag oder Schiedsabreden umfasst.50 Unterschiede zwischen den beiden Übereinkommen ergeben sich zwar nicht aus dieser Ergänzung.51 Jedoch ergibt sich eine Abweichung daraus, dass die im EuÜ geforderte Schriftlichkeit der Schiedsvereinbarung im Ausgangspunkt als Mindestvoraussetzung anzusehen ist, die nicht unterschritten werden darf.52 Die Sachnorm wird in Art. I(2)(a) Alt. 2 EuÜ aber durch eine kollisionsrechtliche Regelung ergänzt, derzufolge bezüglich der formellen Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung alternativ an das Sachrecht am Ort des gewöhnlichen Aufenthalts oder Sitzes der Vertragsparteien zum Zeitpunkt des Abschlusses der Schiedsvereinbarung angeknüpft werden kann.53 Stellen diese Rechtsordnungen also geringere Anforderungen an die formelle Gültigkeit der Schiedsvereinbarung, kann von dem in Art. I(2)(a) Alt. 1 EuÜ statuierten Schriftformerfordernis abgesehen werden. b) Zuständigkeitsallokation, Art. V, VI EuÜ Das EuÜ befasst sich in Art. V mit der Einrede der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts und in Art. VI mit der Zuständigkeit der staatlichen Gerichte, wo49

Bernardini, The Law applicable to Arbitration Clauses, S. 200 [Fn. 5]. Vgl. Art. I(2)(a) Alt. 1 EuÜ: „Im Sinne dieses Übereinkommens bedeutet ,Schiedsvereinbarung‘ eine Schiedsklausel in einem Vertrag oder eine Schiedsabrede, sofern der Vertrag oder die Schiedsabrede von den Parteien unterzeichnet oder in Briefen, Telegrammen oder Fernschreiben, die sie gewechselt haben, enthalten ist […]“. 51 Epping, Schiedsvereinbarung, S. 68; Hascher, Commentary European Convention, S. 513 Rn. 19 ff.; Schlosser, in: Stein/Jonas Anhang § 1061 Artikel I EuÜ Rn. 171. 52 Born, International Commercial Arbitration, S. 693. 53 Epping, Schiedsvereinbarung, S. 68 f.; Schlosser, in: Stein/Jonas Anhang § 1061 Artikel I EuÜ Rn. 171. 50

II. Relevante Regelungen in multilateralen Staatsverträgen

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durch eine ausdrückliche Regelung der Zuständigkeitsverteilung zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten vorgenommen wird. Dabei statuiert Art. V(3) EuÜ zunächst den positiven Effekt der KompetenzKompetenz, um so Verzögerungstaktiken seitens einer sich dem vereinbarten Schiedsverfahren widersetzenden Partei vorzubeugen.54 Schon alleine damit geht das EuÜ über den Regelungsgehalt des UNÜ hinaus, da die Vorschrift den zeitlichen Vorrang einer Zuständigkeitsentscheidung durch das Schiedsgericht vorsieht.55 Jedoch bindet die Zuständigkeitsentscheidung die staatlichen Gerichte nicht.56 Zwar beinhaltet Art. VI(3) EuÜ den negativen Effekt der Kompetenz-Kompetenz,57 jedoch ordnet auch diese Vorschrift lediglich an, dass „die Entscheidung über die Zuständigkeit des Schiedsgerichts auszusetzen [ist], bis der Schiedsspruch ergangen ist“. In der Vollstreckungssituation verbleibt die Letztentscheidungsbefugnis somit auch im Anwendungsbereich des EuÜ bei den staatlichen Gerichten. Darüber hinaus sieht Art. VI(3) a. E. EuÜ vor, dass ein staatliches Gericht das Verfahren auch zuvor nicht auszusetzen hat, wenn dem ein wichtiger Grund entgegensteht. Dennoch stellt das EuÜ mit diesen Vorschriften ein Regelungswerk dar, das weitreichende Entscheidungsbefugnisse des Schiedsgerichts vorsieht. c) Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung Der Titel von Art. IX EuÜ („Aufhebung des Schiedsspruches“) lässt zunächst darauf schließen, dass das EuÜ auch das Aufhebungsverfahren regelt. Die Überschrift ist jedoch missverständlich, da die Vorschrift eigentlich nur die Auswirkung einer Aufhebungsentscheidung durch das staatliche Gericht eines Vertragsstaats des Übereinkommens auf die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruches in einem anderen Vertragsstaat regelt.58 Der Zweck der Vorschrift besteht in der Unterbindung ausufernder Aufhebungsgründe in den Mitgliedstaaten und wird erreicht, indem im Anwendungsbereich des EuÜ eine Aufhebungsentscheidung nur dann ein Anerkennungshindernis bildet, wenn sie auf einem der enumerativ aufgelisteten Aufhebungsgründe des Art. IX(1) EuÜ beruht.59 Die dort genannten Gründe entsprechen weitestgehend Art. V(1)(a)-(d) UNÜ.60 54 Hascher, Commentary European Convention, S. 525 Rn. 49; Adolphsen, in: MüKo ZPO, Anh. 2 § 1061 EuÜ Art. V Rn. 15 ff. 55 Born, International Commercial Arbitration, S. 1057; Erk, Parallel Proceedings, S. 29. 56 Hascher, Commentary European Convention, S. 526 Rn. 50. 57 Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 458; Hauberg Wilhelmsen 10(1) J. Priv. Int’l L. (2014) 113, 121. 58 Hascher, Commentary European Convention, S. 535 Rn. 75; Adolphsen, in: MüKo ZPO, Anh. 2 § 1061 EuÜ Art. IX Rn. 1. 59 Hascher, Commentary European Convention, S. 535 f. Rn. 82. 60 Hascher, Commentary European Convention, S. 535 Rn. 80; Born, International Commercial Arbitration, S. 3173; Adolphsen, in: MüKo ZPO, Anh. 2 § 1061 EuÜ Art. IX Rn. 4.

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D. Parallelverfahren – relevante Regelungsbereiche und multilateraler Rahmen

Art. IX(1)(a) EuÜ sieht dementsprechend als Aufhebungsgrund vor, dass die Schiedsvereinbarung „nach dem Recht, dem die Parteien sie unterworfen haben, oder, falls die Parteien hierüber nichts bestimmt haben, nach dem Recht des Staates, in dem der Schiedsspruch ergangen ist, ungültig“ ist. Insofern hat das EuÜ für nationale Regelungen, welche die Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung vorsehen, nur deklaratorische Bedeutung. Denn Art. IX(1)(a) EuÜ bestimmt diesbezüglich nur, dass die Anwendung einer solchen Vorschrift die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruches in einem anderen Mitgliedstaat hindern kann, sofern dies dort vorgesehen ist. In den Mitgliedstaaten des UNÜ wird dies in Anbetracht des Art. V(1)(e) UNÜ stets der Fall sein, sodass sich aus Art. IX(1)(a) EuÜ für die Frage eines einheitlich vorgesehenen Aufhebungsgrundes wegen der Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung keine merklichen Unterschiede ergeben.

III. Ergebnis Für die Entstehung von Parallelverfahren sind vornehmlich die Regelungen über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung, die Zuständigkeitsallokation zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten sowie die Möglichkeit der Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung relevant. Für diese Bereiche sehen das UNÜ und das EuÜ einen übergeordneten Regelungsrahmen vor, der sich entweder ergänzt oder deckt. Da alle Mitgliedstaaten das UNÜ und eine Vielzahl von ihnen auch das EuÜ unterzeichnet haben, muss ein die genannten Regelungsbereiche betreffender Rechtsakt der EU mit den Regelungen der beiden internationalen Übereinkommen vereinbar sein.

E. Das UNCITRAL Modellgesetz als Grundlage eines Rechtsaktes der EU? Der fünfte Teil der vorliegenden Arbeit widmet sich der Frage, ob das UNCITRAL Modellgesetz eine geeignete Grundlage für einen Rechtsakt der EU darstellen könnte. Im Zuge dessen werden zunächst das Straßburger Übereinkommen und die Gründe für dessen Scheitern beleuchtet (unten I.). Darauf folgt eine Erörterung der Eignung des Modellgesetzes als Grundlage eines EU-Rechtsaktes (unten II.) sowie eine Untersuchung derjenigen Vorschriften des Modellgesetzes, welche die für die Entstehung von Parallelverfahren relevanten Regelungsbereiche betreffen (unten III.).

I. Einleitung – Das Straßburger Übereinkommen Für die Unterbreitung eines Lösungsvorschlags zur Vermeidung von Parallelverfahren zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten in der EU ist es zunächst notwendig, den Ursprung des Ausschlusses der Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich der EuGVVO nochmals genauer zu betrachten. Denn nur so kann der von den Brüsseler Gesetzesvätern ursprünglich intendierte Mechanismus aus Bereichsausnahme und einheitlichem Gesetz für die Schiedsgerichtsbarkeit in einem separaten Regelungswerk korrekt nachvollzogen werden. Für die Schiedsgerichtsbarkeit galt neben den Regelungen des UNÜ insbesondere das Straßburger Übereinkommen als gegenüber einer Einbeziehung der Materie in die EuGVVO vorzugswürdiger Regelungsrahmen. Eine Ratifikation des Straßburger Übereinkommens durch die Vertragsstaaten blieb jedoch aus.1 Würde sich der europäische Gesetzgeber erneut eines solchen Vorhabens annehmen, bestünde die Gefahr einer ausbleibenden Ratifikation in Anbetracht der mittlerweile wesentlich weitreichenderen Rechtsetzungsbefugnisse nicht mehr. Dennoch bedürfen auch die Rechtsetzungsmaßnahmen der EU im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens der Zustimmung der Mitgliedstaaten. Um einen neuerlichen Regelungsvorschlag für die Schiedsgerichtsbarkeit auf europäischer Ebene nicht an den gleichen Problemen scheitern zu lassen, lohnt sich daher ein Blick auf das Straßburger Übereinkommen sowie die Gründe seines Scheiterns. 1 Mit Ausnahme Belgiens, vgl. Rat der Europäischen Union, Unterschriften und Ratifikationsstand des Europäischen Übereinkommens zur Einführung eines einheitlichen Gesetzes über die Schiedsgerichtsbarkeit, verfügbar unter https://www.coe.int/de/web/conventions/fulllist/-/conventions/treaty/056/signatures?p_auth=QEHZsYGX, zuletzt aufgerufen am 9. 5. 2019.

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E. Das UNCITRAL Modellgesetz als Grundlage eines Rechtsaktes der EU?

1. Hintergrund Nachdem sich eine Arbeitsgruppe auf Grundlage eines bereits 1954 vom International Institute for the Unification of Private Law (UNIDROIT) erarbeiteten Vorschlags für ein einheitliches Schiedsverfahrensrecht zur Aufnahme entsprechender Beratungen entschlossen hatte,2 wurde das Straßburger Übereinkommen am 20. Januar 1966 vom Ministerkomitee des Europarats beschlossen.3 Ursprünglich war neben dem Straßburger Übereinkommen noch ein Protokoll über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen erarbeitet worden, um diesen Bereich unter den Mitgliedstaaten des Übereinkommens noch über die Regelungen des UNÜ hinaus zu vereinfachen.4 An das Übereinkommen wurden seinerzeit hohe Erwartungen gestellt, die auf dem bis dahin erfolgreichen Fortschritt im Bereich der Entwicklung des Rechts der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit fußten.5 Dennoch war man sich bewusst, dass eine Vereinheitlichung des Schiedsverfahrensrechts auf europäischer Ebene ein sensibles Unterfangen darstellt, da sie zumindest indirekt rechtliche Grundkonzepte betreffe.6

2. Inhalt Die Mischung aus Euphorie und Zurückhaltung der Arbeitsgruppe spiegelt sich auch im Inhalt des Straßburger Übereinkommens wider: einerseits regelt das in 2 Herment Revue Belge de Droit International (1966) 370, 380 f.; Jenard, Draft European Convention providing a Uniform Law on Arbitration, S. 371; die Bemühungen von UNIDROIT begannen bereits 1933 und stellten den ersten Versuch der Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts auf europäischer Ebene dar, vgl. BT-Drs. 13/5274, 23; dazu Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 31 f., m. w. N. 3 European Convention providing a Uniform Law on Arbitration, Explanatory Report, 2 COETSER (1966) 1, 1. 4 Arnold NJW (1967) 142, 144; auf dieses Protokoll verweist der Jenard Bericht als Grund für den Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich des EuGVÜ eigentlich noch mehr als auf das UNÜ selbst (auch wenn das letztgenannte – fälschlicherweise – stets als Hauptgrund des Ausschlusses genannt wird): „[…] and this will probably be accompanied by a Protocol which will facilitate the recognition and enforcement of arbitral awards to an even greater extent than the New York Convention.“, vgl. Jenard, ABl. EG Nr. C 59, S. 46. 5 Roth 28 KTW (1967) 65, 65: „Das [Straßburger Übereinkommen] leitet, das wird man selbst bei kritischer Betrachtung sagen dürfen, eine neue Epoche in der Geschichte der internationalen schiedsrechtlichen Konventionen ein.“; Arnold NJW (1967) 142, 143: „[…] in den Erörterungen über die Schiedsgerichtsbarkeit wird das Straßburger Übereinkommen sicherlich eine große Rolle spielen […]“; auch AG Darmon sprach in seinen Schlussanträgen in der Rs. Marc Rich noch von „erhoffte[m] Erfolg”, vgl. EuGH 25. 7. 1991, Rs. 190/89 – Marc Rich/ Impianti, Schlussanträge des Generalanwalts Darmon, Slg. 1991 3855, Rn. 12. 6 Herment Revue Belge de Droit International (1966) 370, 382: „[…] harmoniser les legislations de quelque seize ou dix-sept Etats dans une pareille matière est chose laborieuse, ardue et délicate […]“; auf Herment verweisend Jenard, Draft European Convention providing a Uniform Law on Arbitration, S. 397.

I. Einleitung – Das Straßburger Übereinkommen

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Annex 1 des Übereinkommens enthaltene einheitliche Schiedsverfahrensgesetz mit seinen 31 Artikeln das Schiedsverfahren umfassend und stellt damit genuines Prozessrecht dar – andererseits enthält Annex 2 zahlreiche Vorbehalte, die es den Vertragsparteien ermöglicht hätten, nur Teile der Vorschriften umzusetzen. Der Regelungsgehalt der einzelnen Normen ist für einen EU-Rechtsakt nicht wirklich von Interesse, weil das Straßburger Übereinkommen nach mehr als 50 Jahren offenkundig veraltet ist. Das Gesetz sollte zudem nicht nur das Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit vereinheitlichen, sondern auch die nationale Schiedsgerichtsbarkeit in allen Vertragsstaaten einem einheitlichen Regelungsregime unterwerfen. Im Hinblick auf diese Regelung wurde aber erstaunlicherweise bewusst gerade keine Vorbehalts- oder Wahlmöglichkeit vorgesehen.7 Eine Beschränkung auf Handelsstreitigkeiten war hingegen möglich.8 Zudem sieht Art. 9 einen Vorrang anderer bi- oder multilateraler Übereinkommen vor, es sei denn der Vorbehalt nach Anhang 3 wurde ausgeübt.9 Grundsätzlich war das Übereinkommen auf eine wörtliche Übernahme der Vorschriften in das nationale Recht ausgelegt.10 Interessant ist jedoch, dass die vorgeschlagenen Vorschriften einen Regelungskomplex für die Verfahrenskoordination vorsahen, das heißt die Entstehung von Parallelverfahren zu verhindern versuchten. Grundsätzlich umfasste der Vorschlag zumindest grob alle hierfür relevanten Regelungsbereiche:11 die Schiedsvereinbarung (Art. 1 – 3 Anhang 2), die Zuständigkeitsallokation (Art. 4(1), 18(1), (3), (4) Anhang 2) und die Aufhebung bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung (Art. 25(2)(c) Anhang 2). Die Regelung der Schiedsvereinbarung beschränkt sich jedoch auf formelle Aspekte sowie die objektive Schiedsfähigkeit;12 Hinweise auf eine Regelung des Schiedsvereinbarungsstatuts finden sich hingegen nicht.13 Die 7 European Convention providing a Uniform Law on Arbitration, Explanatory Report, 2 COETSER (1966) 1, 5; Herment Revue Belge de Droit International (1966) 370, 381; Roth 28 KTW (1967) 65, 66. 8 Vgl. Art. 1(4) Straßburger Übereinkommen: „Jede Vertragspartei ist berechtigt, bei der Unterzeichnung dieses Übereinkommens oder bei der Hinterlegung ihrer Ratifikations-, Annahme- oder Beitrittsurkunde zu erklären, sie werde das Einheitliche Gesetz nur auf Streitigkeiten aus solchen Rechtsverhältnissen anwenden, die nach ihrem innerstaatlichen Recht als Handelssachen angesehen werden.“ 9 Vgl. Art. 9 Straßburger Übereinkommen: „Vorbehaltlich der den Vertragsparteien in der Anlage III eingeräumten Befugnis lassen die Bestimmungen dieses Übereinkommens die Anwendung zwei- oder mehrseitiger Verträge unberührt, die auf dem Gebiete der Schiedsgerichtsbarkeit geschlossen worden sind oder noch geschlossen werden.“; European Convention providing a Uniform Law on Arbitration, Explanatory Report, 2 COETSER (1966) 1, 5, 20. 10 Jenard, Draft European Convention providing a Uniform Law on Arbitration, S. 373. 11 Zu den Hintergründen siehe oben Kapitel D. I. 12 Arnold NJW (1967) 142, 144; Jenard, Draft European Convention providing a Uniform Law on Arbitration, S. 375 ff.; European Convention providing a Uniform Law on Arbitration, Explanatory Report, 2 COETSER (1966) 1, 5 f. 13 Zumindest die subjektive Schiedsfähigkeit wurde bewusst einer Regelung durch die nationalen Rechtsordnungen überlassen, vgl. European Convention providing a Uniform Law

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E. Das UNCITRAL Modellgesetz als Grundlage eines Rechtsaktes der EU?

Vorschriften über die Zuständigkeitsallokation weisen eine Tendenz zum negativen Effekt des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz auf, da die in Art. 18(1) vorgesehene vorrangige Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts gem. Art. 18(3) S. 1 erst mit dem abschließenden Schiedsspruch angegriffen werden kann.14 Die tatsächliche Angreifbarkeit einer eventuellen Zwischenentscheidung über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung sollte aber den Vertragsstaaten überlassen bleiben.15 Eine Überprüfung der Schiedsvereinbarung bei Erhebung der Schiedseinrede vor einem staatlichen Gericht ist nach Art. 4(1) aber ebenfalls vorgesehen, ohne dass eine Regelung des anzuwendenden Prüfungsmaßstabes intendiert gewesen wäre.16 Die Aufhebung des Schiedsspruches wegen der Ungültigkeit des Schiedsvertrages schließlich ist zwar in Art. 25(2)(c) vorgesehen,17 entbehrt aber einer Aussage zu den Kriterien der Gültigkeit. Nennenswert ist zudem die Regelung des Art. 24, der den Schiedsspruch automatisch einer rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung gleichstellt, sobald dieser beim Schiedsgericht nicht mehr mit Rechtsmitteln angegriffen werden kann.18 Generell war man bei den Vorarbeiten der Auffassung, die nicht erfassten Regelungsgegenstände seien besser durch die nationalen Gesetzgeber zu regeln.19 Ob dies vor dem Hintergrund der zuvor identifizierten Bereiche, die zur Verhinderung von Parallelverfahren einer einheitlichen Regelung bedürfen,20 zutreffend ist, erscheint fraglich. Wie erläutert birgt vor allem die unterschiedliche Beurteilung der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung die Gefahr, dass parallele Verfahren entstehen. Eine entsprechende einheitliche Regelung findet sich in Anhang 1 jedoch nicht. Ebenso ist es für die Verhinderung von Parallelverfahren abträglich, es den Vertragsstaaten zu überlassen, ob eine Zwischenentscheidung des Schiedsgerichts über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung unmittelbar durch ein staatliches Gericht überprüft wird. Dadurch wird die eigentlich intendierte Vereinheitlichung der Zuständigkeitsallokation relativiert. Selbst durch die Rechtshängigkeitsregel in on Arbitration, Explanatory Report, 2 COETSER (1966) 1, 2; Jenard, Draft European Convention providing a Uniform Law on Arbitration, S. 375; Herment Revue Belge de Droit International (1966) 370, 381. 14 Arnold NJW (1967) 142, 145; Jenard, Draft European Convention providing a Uniform Law on Arbitration, S. 383. 15 European Convention providing a Uniform Law on Arbitration, Explanatory Report, 2 COETSER (1966) 1, 11. 16 European Convention providing a Uniform Law on Arbitration, Explanatory Report, 2 COETSER (1966) 1, 7. 17 Roth 28 KTW (1967) 65, 80. 18 Dies sollte nach Zustellung nicht mehr möglich sein, vgl. Arnold NJW (1967) 142, 145; European Convention providing a Uniform Law on Arbitration, Explanatory Report, 2 COETSER (1966) 1, 14; Roth 28 KTW (1967) 65, 80; Jenard, Draft European Convention providing a Uniform Law on Arbitration, S. 387. 19 European Convention providing a Uniform Law on Arbitration, Explanatory Report, 2 COETSER (1966) 1, 2; Herment Revue Belge de Droit International (1966) 370, 381. 20 Siehe oben Kapitel D. I.

I. Einleitung – Das Straßburger Übereinkommen

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Art. 18(3) könnte die Entstehung von Parallelverfahren in der Hauptsache nicht verhindert werden, da den Parteien immer noch der Weg über Art. 4(1) offen steht, um die Schiedsvereinbarung durch ein staatliches Gericht überprüfen zu lassen. Für diesen Fall fehlt es aber ebenfalls an einer Regelung der Rechtshängigkeit. Das größere Problem stellt indes das Fehlen einer Vorschrift zum Schiedsvereinbarungsstatut dar. Denn so wird trotz des einheitlichen Gesetzes schon auf Ebene des Kollisionsrechts eine divergierende Beurteilung der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung durch die zuständigen Spruchkörper ermöglicht. Dieses Problem vermag keine später eingreifende Rechtshängigkeitsregel mehr zu beheben. Folglich wurde das Problem der Parallelverfahren in keiner denkbaren Konstellation vollständig gelöst.

3. Gründe des Scheiterns Es ist unwahrscheinlich, dass diese aus dem Zusammenspiel mit dem EuGVÜ resultierende Problematik damals bereits vorhergesehen wurde. Das im Lauf der Zeit mangels Ratifizierung schleichend eingetretene Scheitern des Straßburger Übereinkommens dürfte eher auf andere Umstände zurückzuführen sein. Als der deutsche Gesetzgeber 1998 eine Reform des Schiedsverfahrensrechts anstrebte, erachtete er die Regelungen des Straßburger Übereinkommens im Vergleich zum geltenden deutschen Recht nur unter der Prämisse als überlegen, dass auch andere Staaten das Übereinkommen ratifizieren würden und gab einer teilweisen Rezeption des Modellgesetzes den Vorzug.21 Auch sonst sah man das Übereinkommen höchstens als geeignete Grundlage für nationale Reformen an – ein Ansatz, den UNCITRAL für seine eigenen Harmonisierungsbestrebungen später auch vor dem Hintergrund der Erfahrungen mit dem Straßburger Übereinkommen vorzog.22 Die Verabschiedung des Modellgesetzes im Jahr 1985 machte auch die letzten Hoffnungen für eine Ratifikation des Straßburger Übereinkommens zunichte,23 und der Erfolg gibt dem Modellgesetz recht. Es scheint also zunächst so, als ob die Handlungsform des multilateralen Vertrages zumindest auf europäischer Ebene ungeeignet war, eine Harmonisierung herbeizuführen. Die Erstreckung des Übereinkommens auf die nationale Schiedsgerichtsbarkeit könnte rückblickend ebenfalls hinderlich gewesen sein. Die Vorzüge einer Vereinheitlichung des Regelungsregimes für rein nationale Sachverhalte ist begrenzt, greift zugleich aber unverhältnismäßig stark in die Souveränität der Vertragsparteien ein. Daneben hat sicherlich auch die große Anzahl der in Annex 2 21 BT-Drs. 11/3960, S. 2; so auch zuvor schon Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 40 f. 22 Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 2; Van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 394; Berger, Internationale Wirtschaftsschiedsgerichtsbarkeit, S. 35 [Fn. 78]. 23 Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 41 Rn. 6.

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E. Das UNCITRAL Modellgesetz als Grundlage eines Rechtsaktes der EU?

eingeräumten Möglichkeit von Vorbehaltserklärungen zu dessen Scheitern beigetragen,24 da diese dem eigentlichen Anliegen einer Vereinheitlichung diametral entgegensteht. Der bezweckte Mehrwert, der gerade in der Harmonisierung liegt, wird dadurch ad absurdum geführt. Die angestrebte einheitliche Regelung der objektiven Schiedsfähigkeit ist dafür das beste Beispiel. Sie hätte zwar sicherlich (auch für die Verhinderung von Parallelverfahren) einen Mehrwert dargestellt, wurde aber ebenfalls durch zahlreiche Vorbehalte relativiert. Der Grund hierfür dürfte nicht zuletzt gewesen sein, dass die objektive Schiedsfähigkeit einen elementaren Bestandteil nationaler Regelungshoheit darstellt, dessen Harmonisierung auch UNCITRAL bisher nicht gewagt hat.25 Schließlich wurde auch die Handlungskompetenz der EU im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit schon während der Beratungen zum Straßburger Übereinkommen nicht hinreichend erörtert.26 Eine fundiertere Begründung der Handlungskompetenz wäre den Erfolgsaussichten aber auch damals bereits zuträglich gewesen.

II. Das UNCITRAL Modellgesetz – Hintergrund und Eignung für einen EU-Rechtsakt 1. Hintergrund UNCITRAL hat nach dem Erfolg des UNÜ im Jahr 1985 ein Modellgesetz über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit verabschiedet und dieses im Jahr 2006 nochmals überarbeitet.27 Es ist heute Grundlage für die Schiedsverfahrensrechte in 111 Jurisdiktionen aus 80 Staaten, darunter 17 Mitgliedstaaten der EU.28 Ursprung der Verhandlungen war ein Vorstoß des African-Asian Legal Consultative Committee bei UNCITRAL im Jahr 1976, das ein Protokoll zum UNÜ vorschlug, welches dieses um einige wenige Aspekte ergänzen sollte.29 Da das UNÜ von den beteiligten Interessengruppen aber als ausgewogenes Regelungswerk angesehen wurde, das durch Ergänzungen aus dem Gleichgewicht gebracht werden könnte, wurde der Vorschlag eines ergänzenden Protokolls wieder verworfen.30

24

Schlosser, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 119. Siehe auch unten Kapitel E. III. 1. c). 26 Herment Revue Belge de Droit International (1966) 370, 381. 27 UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration (1985), with amendments as adopted in 2006, United Nations Publication Sales No. E.08.V.4, 2008, S. 1 ff. 28 UNCITRAL, UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration (1985), with amendments as adopted in 2006 – Status, verfügbar unter http://www.uncitral.org/uncitral/ en/uncitral_texts/arbitration/1985Model_arbitration_status.html, zuletzt aufgerufen am 13. 6. 2019. 29 UNCITRAL, A/CN.9/127, Rn. 4. 30 UNCITRAL, A/CN.9/169, Rn. 4 f. 25

II. Hintergrund und Eignung für einen EU-Rechtsakt

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Als geeigneter erachtete man die Entwicklung eines umfassenden Modellgesetzes, das die bestehenden Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsordnungen verringern sollte.31 So mündete dieser Vorstoß 1985 in der Verabschiedung des Modellgesetzes,32 dessen Ziel es ist, nationale Gesetzgeber bei der Überarbeitung und Modernisierung ihrer Schiedsverfahrensrechte zu unterstützen und dadurch einen Beitrag zur weltweiten Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts zu leisten.33 Das Modellgesetz ist dabei kein internationales Übereinkommen, sondern eine bloße Handlungsempfehlung für nationale Gesetzgeber, die ihre Schiedsverfahrensrechte reformieren.34 Seine Vorschriften decken das Schiedsverfahren grundsätzlich umfassend ab,35 sparen jedoch einzelne Teilbereiche aus.36 So finden sich keine Regelungen zur objektiven und subjektiven Schiedsfähigkeit, zur Vertragsanpassung durch das Schiedsgericht, zum Schiedsrichtervertrag, zum Kostenrecht, zum Einfluss staatlicher Souveränität oder hinsichtlich der Vollstreckungsfristen für den Schiedsspruch.37 Teilweise waren die Bereiche als für eine Rechtsvereinheitlichung noch nicht reif angesehen worden, teils bestanden aber auch systematische Bedenken gegen eine Regelung im Modellgesetz.38 Wo sich das Modellgesetz inhaltlich mit dem UNÜ überschneidet, werden die Vorschriften des UNÜ vom Modellgesetz, das als dessen Weiterentwicklung verstanden werden kann, übernommen und ergänzt.39

31

UNCITRAL, A/CN.9/169, Rn. 6 ff. Zur Entstehungsgeschichte des ModG insgesamt siehe Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 9 ff.; Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 51 ff.; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 1 ff.; Born, International Commercial Arbitration, S. 134 f.; Mustill 6 Arb. Int’l (1990) 3, 4 f. 33 UNCITRAL, A/CN.9/309, Rn. 2 f.; dazu Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 49 ff.; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 3; Herrmann 1 Arb. Int’l (1985) 6, 10 f. 34 Schack, IZPR, Rn. 1305; Jaeger, Umsetzung des UNCITRAL-Modellgesetzes, S. 36 f.; Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 18 f.; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 4; Mustill 6 Arb. Int’l (1990) 3, 5 f. 35 Blackaby/Partasides QC/Redfern/Hunter, International Arbitration, Rn. 1.219; Born, International Commercial Arbitration, S. 135. 36 Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 5. 37 UNCITRAL, A/CN.9/264, Art. 1 Rn. 8; für eine jeweils nicht vollständige Übersicht siehe Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 220 ff.; Jaeger, Umsetzung des UNCITRALModellgesetzes, S. 227 ff.; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 5; Mustill 6 Arb. Int’l (1990) 3, 6 f. 38 Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 220. 39 Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 227 f.; Hußlein-Stich, Das UNCITRALModellgesetz, S. 3: „Insgesamt schließt das UNC-ML eine Entwicklungsreihe ab, die mit dem [UNÜ] begann […]“; Born, International Commercial Arbitration, S. 136 f. 32

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E. Das UNCITRAL Modellgesetz als Grundlage eines Rechtsaktes der EU?

In den ersten Jahren nach der Verabschiedung herrschte noch einige Skepsis gegenüber dem Modellgesetz,40 auch wenn es bereits im ersten Jahrzehnt in einer Reihe von Staaten rezipiert wurde.41 Um die Jahrtausendwende kamen auch bei UNCITRAL Bedenken auf, ob insbesondere das Schriftlichkeitserfordernis der Schiedsabrede noch zeitgemäß war und die Befugnisse von Schiedsrichtern zum Erlass von vorläufigen Maßnahmen ausreichend waren, sodass die ursprüngliche Version ab dem Jahr 2000 überarbeitet wurde.42 Neben dem UNÜ ist das Modellgesetz damit mittlerweile der zweite Meilenstein des internationalen Schiedsverfahrensrechts. Es wird zu Recht als das „single most important legislative instrument in the field of international commercial arbitration“ bezeichnet.43

2. Eignung für einen EU-Rechtsakt Die Wahl des UNCITRAL Modellgesetzes als mögliche Grundlage eines Rechtsaktes der EU beruht im Ausgangspunkt auf der Überlegung, dass das Modellgesetz das Ergebnis eines ausführlichen Beratungsprozesses in den Vereinten Nationen ist und somit bereits die Zustimmung einer weitaus größeren Anzahl von Nationen erfahren hat, als die EU Mitgliedstaaten hat. Viele dieser Nationen haben das Modellgesetz selbst zur Grundlage ihres Schiedsverfahrensrechts gemacht, sodass dem Ziel der internationalen Rechtsvereinheitlichung Rechnung getragen würde. Auch deswegen hat sich das Modellgesetz bei den bisherigen Harmonisierungsbestrebungen im Bereich der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit durchgesetzt – insbesondere gegenüber dem gescheiterten Straßburger Übereinkommen, das ursprünglich für den Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich der EuGVVO verantwortlich war. Zudem hat ein EU-Rechtsakt nur dann Chancen auf Zustimmung, wenn er auch das Verhältnis zu Drittstaaten normiert und dort auf Akzeptanz stößt. Auch diesem Anliegen würde das Modellgesetz gerecht werden.

40 Siehe z. B. Mustill 6 Arb. Int’l (1990) 3, 37; Jaeger, Umsetzung des UNCITRAL-Modellgesetzes, S. 235. 41 Vgl. z. B. die Übersicht in BT-Drs. 13/5274, 24 f. zum Stand der Umsetzung bei der Reform des deutschen Schiedsverfahrensrechts. 42 Für den Ursprung der Überarbeitung siehe UNCITRAL, A/CN.9/460 und UNCITRAL, A/ CN.9/WG.II/WP.108; dazu Holtzmann/Neuhaus/Kristjánsdóttir/Walsh, Commentary Model Law 2006, S. 2 ff.; Born, International Commercial Arbitration, S. 137 f.; Blackaby/Partasides QC/Redfern/Hunter, International Arbitration, Rn. 1.220 f. 43 Born, International Commercial Arbitration, S. 134; ähnlich Blackaby/Partasides QC/ Redfern/Hunter, International Arbitration, Rn. 1.220: „It may be said that if the New York Convention put international arbitration on the world stage, it was the Model Law that made it a star, with appearances in states across the world.“; Sanders 21 Arb. Int’l (2005) 442, 442: „UNCITRAL’s MODEL Law […] was a great success.“

III. Für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Vorschriften

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Obwohl es zahlreiche weitere Gründe gibt, die für eine Rezeption des Modellgesetzes sprechen können,44 haben trotzdem einige prominente Schiedsverfahrensnationen ihr Schiedsverfahrensrecht nicht in Anlehnung an das Modellgesetz erlassen.45 Unabhängig davon, ob die Rezeption wegen inhaltlicher Bedenken oder aus sonstigen Gründen – wie etwa einem Wettbewerb der Rechtsordnungen46 – unterblieben ist, kommt ein blindes Vertrauen auf das Modellgesetz ohne eine weitere Analyse der Auswirkungen einer Harmonisierung auf dieser Grundlage in der EU somit nicht in Betracht, da anderenfalls die Zustimmung dieser Staaten sehr ungewiss wäre. Darüber hinaus gilt es ein besonderes Augenmerk auf die zuvor festgestellte Möglichkeit der Entstehung von Parallelverfahren vor Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten zu legen, da diese, wie dargelegt,47 das dringlichste Problem an der Schnittstelle zwischen Schiedsverfahren und staatlichen Gerichtsverfahren in der EU darstellen.

III. Das UNCITRAL Modellgesetz – für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Vorschriften Daher sollen im nachfolgenden Kapitel die für die Entstehung von Parallelverfahren relevanten Vorschriften des UNCITRAL Modellgesetzes vorgestellt und analysiert werden, um im Anwendungsbereich des Modellgesetzes möglicherweise bestehende Probleme zu erörtern und berücksichtigen zu können. Dafür werden die Vorschriften des Modellgesetzes zur Gültigkeit der Schiedsvereinbarung, zur Zuständigkeitsallokation zwischen Schiedsgericht und staatlichem Gericht sowie zur Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung benannt und im Kontext der travaux préparatoires analysiert.48 Probleme bei der Anwendung der Vorschriften in Modellgesetz-Staaten werden in diesem Zusammenhang ebenfalls erörtert. Die herangezogene Literatur bezieht sich dabei stets ausschließlich auf das Modellgesetz und nicht auch auf das Schiedsverfahrensrecht einzelner Staaten, die das Modellgesetz ganz oder teilweise rezipiert haben. Mit Blick auf den Vorbildcharakter gilt es zunächst ein möglichst autonomes, von Erwägungen nationaler Rechtsordnungen unbeeinflusstes Bild der dem Modellgesetz zugrundeliegenden Gesetzessystematik zu erhalten. 44

Für die von UNCITRAL ins Feld geführten Gründe siehe z. B. UNCITRAL, Explanatory Note, S. 24 ff. Rn. 2 ff. 45 Vgl. die Liste bei UNCITRAL, UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration (1985), with amendments as adopted in 2006 – Status, verfügbar unter http://www. uncitral.org/uncitral/en/uncitral_texts/arbitration/1985Model_arbitration_status.html, zuletzt aufgerufen am 13. 6. 2019. 46 Wie dies z. B. in Großbretannien der Fall sein dürfte, vgl. unten H. IV. 47 Siehe oben Kapitel B. III. 48 Zu der herausragenden Bedeutung der travaux préparatoires siehe Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 15 f.

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E. Das UNCITRAL Modellgesetz als Grundlage eines Rechtsaktes der EU?

1. Gültigkeit der Schiedsvereinbarung a) Das Schiedsvereinbarungsstatut aa) Einleitung Eine explizite Regelung, die sich ausschließlich mit dem für die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung maßgeblichen Recht beschäftigt, findet sich im Modellgesetz nicht.49 Lediglich Art. 34(2)(a)(i), 36(1)(a)(i) ModG befassen sich mit dem auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren Recht und sind bewusst an Art. V(1)(a) UNÜ angelehnt,50 da UNCITRAL schon bei den Verhandlungen zum Modellgesetz auf einen möglichst weitgehenden Gleichlauf der beiden Rechtsinstrumente bedacht war.51 Art. 34(2)(a)(i) ModG lautet im englischen Original: „An arbitral award may be set aside […] if the party making the application furnishes proof that a party to the arbitration agreement referred to in article 7 was under some incapacity; or the said agreement is not valid under the law to which the parties have subjected it or, failing any indication thereon, under the law of this State; […]“

Art. 36(1)(a)(i) ModG statuiert die gleichen Voraussetzungen für das Verfahrensstadium der Anerkennung und Vollstreckung: „Recognition or enforcement of an arbitral award […] may be refused only at the request of the party against whom it is invoked, if that party furnishes […] proof that a party to the arbitration agreement referred to in article 7 was under some incapacity; or the said agreement is not valid under the law to which the parties have subjected it or, failing any indication thereon, under the law of the country where the award was made; […]“

bb) Regelungsumfang des Schiedsvereinbarungsstatuts Grundsätzlich betrifft das Statut der Schiedsvereinbarung das Zustandekommen und die inhaltliche Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung. Sollten jedoch besondere Sach- oder Kollisionsnormen für die Form oder für die objektive und subjektive Schiedsfähigkeit vorliegen, sind diese Normen vorrangig gegenüber der allgemeinen Anknüpfung der Schiedsvereinbarung.52 Wie in Art. 34(2)(a)(i), 36(1)(a)(i) ModG bereits zum Ausdruck kommt, trifft dies im Rahmen des Modellgesetzes zumindest für die Form der Schiedsvereinbarung zu, 49

UNCITRAL, 2012 Digest of Case Law, Art. 16 Rn. 11, 17; Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 93; Born, International Commercial Arbitration, S. 479. 50 Wenngleich das UNÜ keine Regelung zur Aufhebung von Schiedssprüchen enthält, sind die in Art. V UNÜ aufgeführten Anerkennungs- und Vollstreckungshindernisgründe im Modellgesetz für Aufhebungsverfahren nach Art. 34 ModG übernommen worden, vgl. Blackaby/ Partasides QC/Redfern/Hunter, International Arbitration, Rn. 10.38; Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 382. 51 UNCITRAL, A/40/17, Rn. 283 ff.; Broches, Commentary Model Law, Art. 34 Rn. 15. 52 Epping, Schiedsvereinbarung, S. 39.

III. Für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Vorschriften

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die in Art. 7 ModG separat geregelt wird.53 Die objektive Schiedsfähigkeit ist hingegen nicht Gegenstand der Vorschriften,54 während in der jeweiligen Alternative 1 die subjektive Schiedsfähigkeit in Bezug genommen wird.55 Die Art. 34(2)(a)(i), 36(1)(a)(i) ModG befassen sich eigentlich mit der Phase des Schiedsverfahrens, in welcher der Schiedsspruch bereits erlassen wurde. Es stellt sich daher die Frage, ob eine Ermittlung des Schiedsverfahrensstatuts auch in früheren Verfahrensstadien, wie etwa der Einredesituation nach Art. 8 ModG oder bei Überprüfung einer Zwischenentscheidung nach Art. 16(3) S. 1 ModG, anhand dieser Vorschriften zu erfolgen hat. Der Wortlaut der Art. 34(2)(a)(i), 36(1)(a)(i) ModG deutet zunächst darauf hin, dass sie nicht unmittelbar auf die Überprüfung der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung vor Erlass des Schiedsspruches anwendbar sind.56 Gleiches gilt für die systematische Stellung in Kapitel 7 und 8, also nach Kapitel 6, das sich bereits mit dem Schiedsspruch und der Beendigung des Verfahrens befasst. Die travaux préparatoires weisen hingegen auf eine umfassende Anwendbarkeit der Art. 34(2)(a)(i), 36(1)(a)(i) ModG unabhängig vom jeweiligen Verfahrensstadium hin. Während der Beratungen zum Modellgesetz wurde zunächst die besondere Bedeutung des Schiedsvereinbarungsstatuts für das Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit hervorgehoben.57 Man befasste sich daraufhin eingehend mit den bestehenden Optionen und empfahl eine Beschränkung des territorialen Anwendungsbereichs (wie er heute auch nach Art. 1(2) ModG bestimmt wird)58 sowie die Verabschiedung einer eigenständigen Kollisionsvorschrift, welche auch vor Erlass des Schiedsspruchs eine Anknüpfung des Schiedsvereinbarungsstatuts nach den Kriterien der Art. 34(2)(a)(i), 36(1)(a)(i) ModG vorsieht.59 In diesem Zusammenhang wurde auch darauf hingewiesen, dass in diesem frühen Stadium der Ort des Schiedsgerichts nicht immer feststeht und die vorgeschlagene Anknüpfungsleiter insofern lückenhaft ist.60 Daher wurde vorgeschlagen, ein drittes Kriterium hinzuzufügen und zu diesem Zweck das Statut des Hauptvertrages heranzuziehen.61 53 Vgl. Art. 34(2)(a)(i), 36(1)(a)(i) ModG: „[…] a party to the arbitration agreement referred to in article 7 […]“; bei Art. 7 ModG handelt es sich um eine Sachvorschrift, sodass diese getrennt unten in Kapitel E. III. 1. e) behandelt wird. 54 Siehe dazu unten in Kapitel E. III. 1. c). 55 Siehe dazu unten in Kapitel E. III. 1. b). 56 Zur Unbeachtlichkeit der semantischen Unterschiede zwischen Art. 34(2)(a)(i) Alt. 2 ModG und Art. 36(1)(a)(i) Alt. 2 ModG siehe Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 93 f.; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 48. 57 UNCITRAL, A/CN.9/207, Rn. 45; UNCITRAL, A/CN.9/216, Rn. 25. 58 Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 35 ff.; Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 56 ff.; Jaeger, Umsetzung des UNCITRAL-Modellgesetzes, S. 43 f.; HußleinStich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 18 ff. 59 UNCITRAL, A/CN.9/WG.II/WP.49, Rn. 37. 60 UNCITRAL, A/CN.9/WG.II/WP.49, Rn. 40.

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E. Das UNCITRAL Modellgesetz als Grundlage eines Rechtsaktes der EU?

Kurz vor Beendigung der Verhandlungen befand man dann den vorherigen Erörterungen zum Trotz, dass das Modellgesetz pauschal nicht den richtigen Rahmen für eine kollisionsrechtliche Regelung des Schiedsverfahrens im Allgemeinen biete, auch wenn eine solche grundsätzlich durchaus wünschenswert wäre.62 Begründet wurde dies zum einen damit, man habe sich gegen eine Begrenzung des territorialen Anwendungsbereichs entschieden und zum anderen plane die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht ein Übereinkommen zur Harmonisierung des Schiedsvereinbarungsstatuts.63 Die erstgenannte Begrenzung des territorialen Anwendungsbereichs wurde schließlich doch – wenn auch erst von der Kommission – in Art. 1(2) ModG aufgenommen.64 Der zweitgenannte Plan der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht (HCCH), ein Übereinkommen zur Harmonisierung des Schiedsvereinbarungsstatuts zu erarbeiten, wurde ebenfalls nicht realisiert.65 Die Begründung für die unterlassene Einfügung einer eigenständigen Kollisionsvorschrift, welche auch vor Erlass des Schiedsspruchs eine Anknüpfung des Schiedsvereinbarungsstatuts nach den Kriterien der Art. 34(2)(a)(i), 36(1)(a)(i) ModG vorsieht und diese auf dritter Stufe um das Statut des Hauptvertrages ergänzt, ist damit hinfällig geworden. Zudem wurden zumindest für die Phase nach Erlass des Schiedsspruches kollisionsrechtliche Vorschriften aufgenommen. Daher ist es folgerichtig, die Art. 34(2)(a)(i), 36(1)(a)(i) ModG wenigstens so auszulegen, dass der von UNCITRAL geplanten Regelung zur Wirksamkeit verholfen wird. Dies entspricht nicht zuletzt auch dem Sinn und Zweck der Vorschriften, da eine Bestimmung des Schiedsvereinbarungsstatuts anhand unterschiedlicher Maßstäbe vor und nach Erlass des Schiedsspruches sinnwidrig wäre.66 Zudem wird so auch der erstrebte Einklang mit dem UNÜ erzielt, weil auch die Ursprungsvorschrift des Art. V(1)(a) UNÜ nach herrschender Meinung entgegen ihrem Wortlaut in der Einredesituation Anwendung finden soll.67 Für die nicht anderweitig geregelten Gültigkeitsvoraussetzungen der Schiedsvereinbarung bestimmt sich das anwendbare Recht daher während des gesamten Schiedsverfahrens nach der Anknüpfungsleiter der Art. 34(2)(a)(i), 36(1)(a)(i)

61 UNCITRAL, A/CN.9/WG.II/WP.49, Rn. 41; dies widerspricht der in Art. VI(2)(c) EuÜ vorgesehenen Anwendung des Kollisionsrechts der lex fori. 62 UNCITRAL, A/CN.9/246, Rn. 201. 63 UNCITRAL, A/CN.9/246, Rn. 200. 64 UNCITRAL, A/40/17, Rn. 81, 80, 73; Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 36; Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 56 ff. 65 Vgl. die Statusübersicht der HCCH-Verträge, verfügbar unter https://assets.hcch.net/ docs/ccf77ba4-af95-4e9c-84a3-e94dc8a3c4ec.pdf, zuletzt aufgerufen am 4. 9. 2018. 66 So auch die h. M.: Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 303; Epping, Schiedsvereinbarung, S. 43; Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 216 f.; Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 94 f.; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 48 f.; daraus eine analoge Anwendbarkeit ableitend Erk, Parallel Proceedings, S. 85. 67 Vgl. oben Kapitel D. II. 2. a) aa).

III. Für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Vorschriften

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ModG. Primär kommt demnach das von den Parteien für die Schiedsvereinbarung gewählte Recht zur Anwendung. Diese Rechtswahl kann auch konkludent erfolgen, wobei das für die Schiedsvereinbarung (konkludent) gewählte Recht nach dem Trennungsgrundsatz losgelöst von der materiellen Rechtswahl bezüglich des zugrundeliegenden Vertrages zu beurteilen ist.68 Eine konkludente Rechtswahl des Schiedsvertragsstatuts setzt folglich ein entsprechendes Erklärungsbewusstsein der Parteien voraus, das sich aus der Wahl einer bestimmten Schiedsinstitution ergeben kann.69 Sollte eine solche Wahl nicht getroffen worden sein, richtet sich die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung sekundär nach dem Recht am Ort des Schiedsgerichts, sodass es auf die vorsorgliche Wahl eines Schiedsortes als Anhaltspunkt für eine konkludente Rechtswahl nicht ankommt.70 Ist der Sitz ebenfalls noch nicht festgelegt worden, bestimmt sich das Schiedsvereinbarungsstatut im Einklang mit den travaux préparatoires nach dem Statut des Hauptvertrages,71 bis der Sitz von den Parteien oder dem Schiedsgericht bestimmt wurde.72 b) Das subjektive Schiedsfähigkeitsstatut Art. 34(2)(a)(i), 36(1)(a)(i) ModG beziehen sich mit den Worten „a party to the arbitration agreement […] was under some incapacity“ auf die subjektive Schiedsfähigkeit der die Schiedsvereinbarung schließenden Parteien. Das Modellgesetz bleibt mit dieser Wortwahl denkbar unspezifisch und bezüglich des anwendbaren Rechts sogar noch hinter der Vorbildvorschrift des Art. V(1)(a) UNÜ zurück.73 Hintergrund hierfür war, dass nach Ansicht der Gesetzesväter auch die Anknüpfung an das Personalstatut im UNÜ unklar war, weil diese wahlweise zur Anwendung des Rechts der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des gewöhnlichen Aufenthaltes der jeweiligen Partei führen würde, sodass man diese auch

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Born, International Commercial Arbitration, S. 479. Ausführlich dazu Epping, Schiedsvereinbarung, S. 52 ff., die zu Recht für das ModG auf das anderenfalls drohende Auseinanderfallen von Schiedsvereinbarungsstatut und Formstatut hinweist. 70 Epping, Schiedsvereinbarung, S. 56 f. 71 Siehe oben, Kapitel E. III. 1. a) cc) unter Verweis auf UNCITRAL, A/CN.9/WG.II/WP.49, Rn. 41; a. A. Epping, Schiedsvereinbarung, S. 43, die in diesem Fall Art. VI(2)(c) EuÜ zur Anwendung bringen will; dies trifft nach Art. 1(1) Ts. 2 ModG jedoch nur zwischen denjenigen Staaten zu, die das EuÜ auch ratifiziert haben. 72 Epping, Schiedsvereinbarung, S. 56. 73 Art. V(1)(a) UNÜ lautet in seinem relevanten Teil: „The parties to the agreement […] were, under the law applicable to them, under some incapacity […]“; diese Regel wird als „halfway conflict rule“ bezeichnet, siehe van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 277; vgl. zur Vorbildfunktion für das ModG Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 916; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 178 f. 69

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E. Das UNCITRAL Modellgesetz als Grundlage eines Rechtsaktes der EU?

weglassen könne.74 Aus den travaux préparatoires ergibt sich jedoch, dass für das subjektive Schiedsfähigkeitsstatut jedenfalls das Personalstatut herangezogen werden soll, wobei dessen Bestimmung uneinheitlich erfolgt.75 Zur einheitlichen Bestimmung des Personalstatuts wäre demnach für das Modellgesetz eine Rechtsfortbildung durch Richterrecht nötig.76 Im Rahmen eines EU-Rechtsaktes läge es hierbei nahe, in Anlehnung an Art. 3(1)(a) Brüssel IIa-Verordnung77 und die Art. 5 ff. Rom III-Verordnung78 dem Recht des gewöhnlichen Aufenthaltes den Vorzug zu geben.79 Die Gerichte in Modellgesetz-Staaten behandeln die Frage des auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren Rechts bisher aber im Allgemeinen nur selten,80 was für das Personalstatut im Zusammenhang mit dem subjektiven Schiedsfähigkeitsstatut erst recht gelten dürfte. Folglich lässt sich dem Modellgesetz nur insofern eine Regelung des Statuts der subjektiven Schiedsfähigkeit entnehmen, als dass sich dieses nach dem Personalstatut richtet, welches aus den allgemeinen Regeln des rezipierenden Staates folgt.81 Der Regelungsinhalt der Art. 34(2)(a)(i), 36(1)(a)(i) ModG beschränkt sich somit im Ergebnis auf die Feststellung, dass die fehlende subjektive Schiedsfähigkeit zur Aufhebung des Schiedsspruchs beziehungsweise zur Versagung der Anerkennung oder Vollstreckung des Schiedsspruchs führen kann. c) Das objektive Schiedsfähigkeitsstatut Art. 34(2)(b)(i), 36(1)(b)(i) ModG sehen nach Erlass des Schiedsspruchs eine Anknüpfung an die lex fori vor.82 Da das zuständige Gericht im Aufhebungsverfahren 74 UNCITRAL, A/40/17, Rn. 280; zuvor bereits UNCITRAL, A/CN.9/233, Rn. 141 ff.: „[…] too simplistic and not accepted in all legal systems.“ 75 UNCITRAL, A/CN.9/233, Rn. 143 f.; UNCITRAL, A/40/17, Rn. 281 f.; es bleibt damit bei der „halben Kollisionsregel“, siehe Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 178; i. E. ebenso Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 916. 76 Born, International Commercial Arbitration, S. 725. 77 Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen und in Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 1347/2000, 27. 11. 2003, Abl. EG vom 23. 12. 2003 Nr. L 338, S. 1 ff. 78 Verordnung (EU) Nr. 1259/2010 des Rates zur Durchführung einer Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich des auf die Ehescheidung und Trennung ohne Auflösung des Ehebandes anzuwendenden Rechts, 20. 12. 2010, Abl. EU vom 29. 12. 2010 Nr. L 343, S. 10 ff. 79 Vgl. dazu Dutta IPRax (2017) 139 ff. 80 UNCITRAL, 2012 Digest of Case Law, Art. 36 Rn. 20. 81 Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 382; Hußlein-Stich, Das UNCITRALModellgesetz, S. 178; Born, International Commercial Arbitration, S. 725; andeutungsweise Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 96: „Zu Sonderanknüpfungen (vor allem der Geschäftsfähigkeit) schweigt sich das Modellgesetz aus.“ 82 Vgl. Art. 34(2)(b)(i), 36(1)(b)(i) ModG: „[…] the subject-matter of the dispute is not capable of settlement by arbitration under the law of this state; […]“.

III. Für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Vorschriften

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in der Regel nicht dem Forum des zuständigen Gerichts im Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren entspricht, folgt daraus meist ein Auseinanderfallen des objektiven Schiedsfähigkeitsstatuts; zudem kann auch die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruches in verschiedenen Staaten erfolgen.83 Für das Verfahrensstadium vor Erlass des Schiedsspruches ist das objektive Schiedsfähigkeitsstatut im Modellgesetz hingegen bewusst erst gar nicht geregelt.84 Dies steht im Einklang mit der fehlenden Regelung der materiellen Anforderungen an die objektive Schiedsfähigkeit im Modellgesetz.85 Auch internationale Übereinkommen klammern die diesbezüglich zu stellenden materiellen Anforderungen regelmäßig aus.86 Aus den travaux préparatoires geht hervor, dass sich die Verfasser des Modellgesetzes früh dazu entschlossen haben, die Regelung der objektiven Schiedsfähigkeit unangetastet zu lassen.87 Dies verwundert nicht, da es sich bei der Regelung dieser Materie um einen tiefgehenden Eingriff in die staatliche Souveränität handelt – nämlich welche Streitgegenstände von vornherein ausschließlich der staatlichen Entscheidungshoheit vorbehalten bleiben sollen, weil sie besonders schutzwürdige Rechtsgüter betreffen.88 Im Ergebnis regelt das Modellgesetz das Statut der objektiven Schiedsfähigkeit also uneinheitlich. Da auch die materiellen Anforderungen an die Schiedsfähigkeit vom Regelungsbereich ausgespart wurden, scheint das Modellgesetz nicht die richtige Grundlage für eine Harmonisierung der objektiven Schiedsfähigkeit zu sein. Ursächlich dafür sind nicht zuletzt die national sehr unterschiedlichen Vorstellungen,

83 UNCITRAL, A/CN.9/246, Rn. 136 f.; Hanotiau, Law Applicable to Arbitrability, S. 153 ff.; Hanotiau 12 Arb. Int’l (1996) 391, 393; Born, International Commercial Arbitration, S. 597 ff.; Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 918; Epping, Schiedsvereinbarung, S. 200; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 181 ff.; Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 74 f., 201 f.; Balthasar, UNCITRAL Model Law, in: International Commercial Arbitration, Rn. 24. 84 UNCITRAL, A/CN.9/245, Rn. 187; UNCITRAL, A/CN.9/246, Rn. 23; Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 303 ff.; Epping, Schiedsvereinbarung, S. 200; Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 75; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 47. 85 Vgl. Art. 1(5) ModG. 86 Art. II(1), V(2)(a) UNÜ, Art. VI(2) EuÜ. 87 UNCITRAL, A/CN.9/216, Rn. 30 f.; UNCITRAL, A/CN.9/246, Rn. 136; UNCITRAL, A/ CN.9/264, Art. 7 Rn. 5; siehe auch Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 30 f.; Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 38 ff.; Broches, Commentary Model Law, Art. 1 Rn. 61; Born, International Commercial Arbitration, S. 959 f.; Jaeger, Umsetzung des UNCITRAL-Modellgesetzes, S. 43; Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 73. 88 UNCITRAL hatte schon 1999 eine Bearbeitung des Themas in Erwägung gezogen, vgl. UNCITRAL, A/CN.9/460, Rn. 32 – 34; auch 2006 wurde die objektive Schiedsfähigkeit noch als mögliches Betätigungsfeld von UNCITRAL geführt, vgl. UNCITRAL, A/CN.9/610, Rn. 13; jedenfalls 2011 scheint das Thema noch immer auf der Agenda von UNCITRAL gewesen zu sein, vgl. Lemay/Montineri, The UNCITRAL Model Law after Twenty-Five Years, S. 8; siehe auch Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 30 f., 525 f.; das Vorhaben scheint soweit ersichtlich aber nicht weiter verfolgt worden zu sein.

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E. Das UNCITRAL Modellgesetz als Grundlage eines Rechtsaktes der EU?

welche Bereiche von der Schiedsfähigkeit ausgenommen sein sollten.89 Daher findet diese Möglichkeit im Folgenden keine weitere Berücksichtigung, auch wenn sie zur Vermeidung von Parallelverfahren hilfreich wäre.90 d) Das Formstatut Die in Art. 7 ModG niedergelegten Formerfordernisse sind nach dem Territorialitätsgrundsatz des Art. 1(2) ModG nur zu erfüllen, wenn sich der Sitz des Schiedsgerichts im Inland befindet. Ist dies jedoch der Fall, folgt aus Art. 34(2)(a)(i) ModG, dass sich die Form der Schiedsvereinbarung unabhängig von einer abweichenden Rechtswahl zwingend nach Art. 7 ModG richtet.91 Liegt der Sitz des Schiedsgerichts im Ausland, gilt dies für die Situation der Anerkennung und Vollstreckung des ausländischen Schiedsspruch gleichermaßen, da auch Art. 36(1)(a)(i) ModG auf „eine Schiedsvereinbarung im Sinne des Artikels 7“ Bezug nimmt.92 Ob dies hingegen auch in der Einredesituation nach Art. 8(1) ModG gilt, wenn der Sitz des Schiedsgerichts im Ausland liegt, ergibt sich aus der Vorschrift nicht. Bezüglich des Schiedsvereinbarungsstatuts sollen die Kollisionsnormen der Art. 34(2)(a)(i), 36(1)(a)(i) ModG unabhängig vom gegenwärtigen Stand des Schiedsverfahrens zur Anwendung kommen, da anderenfalls keine kohärente kollisionsrechtliche Beurteilung der Schiedsvereinbarung möglich wäre.93 Auch wenn dieser Gedanke bislang kaum erörtert wurde und sich in den travaux préparatoires hierzu keine Ausführungen finden, sollte er auch auf die Ermittlung des Formstatuts übertragen werden, sodass die Form des Art. 7 ModG auch in der Einredesituation nach Art. 8(1) ModG gilt, wenn der Sitz des Schiedsgerichts im Ausland liegt.94

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Vgl. dazu Hollander 11(1) Disp. Resol. Int’l (2017) 47 ff. Für einen solchen Vorstoß Benedettelli 27(4) Arb. Int’l (2011) 583, 614 f.; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 8.31 ff. 91 Vgl. Art. 34(2)(a)(i) ModG: „[…]a party to the arbitration agreement referred to in article 7 […]“; siehe Epping, Schiedsvereinbarung, S. 92; zum zwingenden Charakter siehe auch Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 198; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 40. 92 Die Vorschrift wurde bewusst in Übereinstimmung mit Art. 34(2)(i) ModG formuliert, siehe Broches, Commentary Model Law, Art. 36 Rn. 12; Epping, Schiedsvereinbarung, S. 93; Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 209. 93 Siehe oben Kapitel E. III. 1. a). 94 Soweit ersichtlich einzig Epping, Schiedsvereinbarung, S. 93; Born, International Commercial Arbitration, S. 221 f. 90

III. Für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Vorschriften

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e) Definition und Form der Schiedsvereinbarung aa) Einleitung Art. 7 ModG definiert die Schiedsvereinbarung und schreibt die an diese zu stellenden formellen Anforderungen vor. In ihrer ursprünglichen Version von 1985 hatte die Vorschrift zwei Absätze, welche in Anlehnung an Art. II(1), (2) UNÜ erarbeitet wurden.95 Da Art. II UNÜ mit der dort geforderten Schriftform lediglich Maximalstandards für die formellen Anforderungen an eine Schiedsvereinbarung festlegt, können die nationalen Vorschriften der Unterzeichnerstaaten infolge von Art. VII(1) UNÜ grundsätzlich auch weniger strenge Anforderungen an eine gültige Schiedsvereinbarung stellen.96 Inhaltlich hatte Art. 7(2) ModG 1985 jedoch noch das weitergehende Ziel, ein mit Art. II(2) UNÜ übereinstimmendes Schriftlichkeitserfordernis für Schiedsvereinbarungen festzusetzen.97 Liberalere Ansätze wurden während der Diskussionen zwar erörtert, im Ergebnis blieb es jedoch auch in Art. 7 ModG 1985 bei dem „doppelten Schriftformerfordernis“, sodass zahlreiche praxisrelevante Schiedsvereinbarungsformen nicht erfasst wurden.98 Erst im Zuge der Änderungen 2006 wurde die Vorschrift angepasst und ist seither in zwei alternativen Versionen im Modellgesetz enthalten.99 Die Implementierung zweier Optionen spiegelt die Uneinigkeit der Arbeitsgruppe während des Überarbeitungsprozesses wider.100 Um trotz der Modernisierung eine möglichst weitgehende Übereinstimmung mit den Vorschriften des UNÜ beizubehalten,101 wurde von UNCITRAL parallel eine Auslegungsempfehlung zur Interpretation der Art. II(2), VII(1) UNÜ verabschiedet.102 Diese unterstreicht, dass das UNÜ die Parteien einer 95

UNCITRAL, A/CN.9/207, Rn. 40 ff.; UNCITRAL, A/CN.9/216, Rn. 22 f.; UNCITRAL, A/CN.9/264, Art. 7 Rn. 1; Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 260; Born, International Commercial Arbitration, S. 694; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 35; Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 86. 96 Schramm/Geisinger/Pinsolle, in: Global Commentary UNÜ, S. 75 f.; Born, International Commercial Arbitration, S. 617 ff. 97 Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 39; Jaeger, Umsetzung des UNCITRAL-Modellgesetzes, S. 53. 98 Für einen frühen Vorschlag für die Regelung des Umgangs mit kaufmännischen Bestätigungsschreiben siehe UNCITRAL, A/CN.9/WG.II/WP.37, Art. 3(2); wenig später verworfen in UNCITRAL, A/CN.9/232, Rn. 45; zum Ganzen siehe UNCITRAL, A/40/17, Rn. 84 ff.; siehe auch Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 260 ff.; Born, International Commercial Arbitration, S. 695 ff.; Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 75 ff.; Jaeger, Umsetzung des UNCITRAL-Modellgesetzes, S. 53 f.; Epping, Schiedsvereinbarung, S. 69 f. 99 Der Einführung einer Alternative gegenüber kritisch Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 114. 100 Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 113. 101 Deren überkommene Anforderungen an die Schriftlichkeit der Schiedsvereinbarung ebenfalls bereits seit längerem kritisiert wurden, vgl. van den Berg 3 G.A.R. (2008) 14 ff. 102 UNCITRAL, A/61/17, S. 61 ff.; Born, International Commercial Arbitration, S. 700.

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E. Das UNCITRAL Modellgesetz als Grundlage eines Rechtsaktes der EU?

Schiedsvereinbarung nicht daran hindert, sich auf das für sie günstigere nationale Schiedsverfahrensrecht des Staates, in dem sich das gerade mit der Sache befasste Gericht befindet, anzuwenden.103 Anderenfalls hätte die Gefahr bestanden, dass die Überarbeitung des Modellgesetzes im Endeffekt leergelaufen wäre, da die Parteien einer Schiedsvereinbarung, die lediglich den abgesenkten Anforderungen entspricht, sich nicht auf die internationale Vollstreckbarkeit eines auf dieser basierenden Schiedsspruches nach dem UNÜ hätten verlassen können.104 bb) Variante I Die erste Variante von Art. 7 ModG beinhaltet nun sechs Absätze und lautet im englischen Original: „(1) ,Arbitration agreement‘ is an agreement by the parties to submit to arbitration all or certain disputes which have arisen or which may arise between them in respect of a defined legal relationship, whether contractual or not. An arbitration agreement may be in the form of an arbitration clause in a contract or in the form of a separate agreement. (2) The arbitration agreement shall be in writing. (3) An arbitration agreement is in writing if its content is recorded in any form, whether or not the arbitration agreement or contract has been concluded orally, by conduct, or by other means. (4) The requirement that an arbitration agreement be in writing is met by an electronic communication if the information contained therein is accessible so as to be useable for subsequent reference; ,electronic communication‘ means any communication that the parties make by means of data messages; ,data message‘ means information generated, sent, received or stored by electronic, magnetic, optical or similar means, including, but not limited to, electronic data interchange (EDI), electronic mail, telegram, telex or telecopy. (5) Furthermore, an arbitration agreement is in writing if it is contained in an exchange of statements of claim and defence in which the existence of an agreement is alleged by one party and not denied by the other. (6) The reference in a contract to any document containing an arbitration clause constitutes an arbitration agreement in writing, provided that the reference is such as to make that clause part of the contract.“

Die überarbeitete Variante I von Art. 7 ModG lockert damit die Anforderungen an die Schriftlichkeit der Schiedsvereinbarung.105 Erfasst werden nun im Gegensatz zur 103 Siehe zum Zusammenspiel zwischen den neuen Fassungen des Art. 7 ModG und dem UNÜ auch unten Kapitel E. III. 1. e) cc). 104 Holtzmann/Neuhaus/Kristjánsdóttir/Walsh, Commentary Model Law 2006, S. 32, 605; an der Wirksamkeit der Auslegungsempfehlung zweifelnd Graves, 36(3) Belgrade L. Rev. (2009) 36, 38 f. 105 Holtzmann/Neuhaus/Kristjánsdóttir/Walsh, Commentary Model Law 2006, S. 30 f.; Born, International Commercial Arbitration, S. 699; Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 122.

III. Für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Vorschriften

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Fassung des Modellgesetzes von 1985 infolge der Einführung des Art. 7(3) ModG auch mündliche Angebote, die schriftlich angenommen oder bestätigt werden.106 Die genaue Bedeutung des Absatzes ist jedoch auch während der Beratungen nicht eindeutig geklärt worden.107 Fest steht lediglich, dass die Inbezugnahme von Schiedsordnungen oder des anwendbaren Schiedsverfahrensrechts in einem mündlichen Vertrag nicht unter Art. 7(3) ModG fällt.108 In Konnossementen enthaltene Schiedsvereinbarungen erfüllen zwar ebenfalls das Schriftlichkeitserfordernis im Sinne des Art. 7(3) ModG, jedoch können bei dieser Form des Vertragsschlusses Probleme auftreten, die nicht die formelle Gültigkeit der Schiedsvereinbarung betreffen, sondern deren materielles Zustandekommen.109 Die materiellen Voraussetzungen des Vertragsabschlusses sind allerdings nicht Gegenstand des Modellgesetzes, sodass sich insbesondere Drei- oder Mehrpersonenverhältnisse in Abhängigkeit des sonstigen nationalen Rechts als problematisch erweisen können.110 Von Absatz 4 werden jegliche Schiedsvereinbarungen erfasst, die mittels elektronischer Kommunikation geschlossen werden, solange der Inhalt der Schiedsvereinbarung gespeichert wurde.111 Dies war zwar bereits zuvor der Fall, sollte durch die abgeänderte Fassung jedoch deutlicher herausgestellt werden.112 Aus der „doppelten Schriftlichkeit“ des Art. 7 ModG 1985 wurde somit ein reines Nachweiserfordernis, welches sich lediglich auf den Inhalt der Schiedsvereinbarung bezieht.113 Damit kann zusammenfassend festgehalten werden, dass das Schriftlichkeitserfordernis des Art. 7 Variante I ModG erfüllt ist, wenn ein schriftlicher Nachweis über den Inhalt der Schiedsvereinbarung vorliegt. cc) Variante II Variante II von Art. 7 ModG beschränkt sich im Gegensatz dazu auf einen Satz und lautet im englischen Original: 106

Holtzmann/Neuhaus/Kristjánsdóttir/Walsh, Commentary Model Law 2006, S. 35; Born, International Commercial Arbitration, S. 699. 107 Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 114 ff. 108 Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 118. 109 UNCITRAL, A/CN.9/606, Rn. 14. 110 Ebd. 111 Holtzmann/Neuhaus/Kristjánsdóttir/Walsh, Commentary Model Law 2006, S. 41; Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 119. 112 Ebenso wie die Regelungen in Art. 7(5), (6) ModG; Holtzmann/Neuhaus/Kristjánsdóttir/ Walsh, Commentary Model Law 2006, S. 38; Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 119. 113 Born, International Commercial Arbitration, S. 699; Blackaby/Partasides QC/Redfern/ Hunter, International Arbitration, Rn. 2.20; das materielle Zustandekommen der Schiedsvereinbarung ist nach Variante I des Art. 7 ModG 2006 hingegen nicht Gegenstand der Nachweispflicht, Graves 36(3) Belgrade L. Rev. (2009) 36, 39; siehe auch Lew, Law Applicable to the Arbitration Clause, S. 130.

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„,Arbitration agreement‘ is an agreement by the parties to submit to arbitration all or certain disputes which have arisen or which may arise between them in respect of a defined legal relationship, whether contractual or not.“

Diese stark reduzierte Variante II begnügt sich hinsichtlich der Definition dessen, was unter einer Schiedsvereinbarung zu verstehen ist, mit dem ersten Satz der Variante I des Art. 7 ModG. Wie sich bereits an dem Titel der Vorschrift erkennen lässt,114 beinhaltet diese neben der Definition der Schiedsvereinbarung somit keine formellen Kriterien, die für eine gültige Schiedsvereinbarung vorausgesetzt werden und verzichtet folglich gänzlich auf das Schriftlichkeitserfordernis.115 Aus den travaux préparatoires ergibt sich, dass eine alternative Version eingeführt wurde, weil einige Staaten das Schriftlichkeitserfordernis bereits ohne größere Probleme aufgehoben hatten und es vor allem für die Zukunft als denkbar erachtet wurde, dass sich dieser Ansatz durchsetzen könnte.116 Ursprünglich sollte Variante II nur als Fußnote in die überarbeitete Fassung oder ausschließlich in den ergänzenden Unterlagen aufgenommen werden.117 Nachdem die Vorschrift aber optionaler Teil der überarbeiteten Gesetzesfassung wurde, können unter Variante II des Art. 7 ModG nun auch mündlich abgeschlossene Schiedsvereinbarungen gültig sein.118 Rein praktisch gesehen muss vor Gericht jedoch auch die Existenz einer mündlich abgeschlossenen Schiedsvereinbarung nachgewiesen werden. Dies entspricht im Ergebnis den Anforderungen von Variante I, sodass der Unterschied zwischen beiden Varianten nur marginal ist.119 Problematisch könnte auf den ersten Blick ebenfalls die bei Abschaffung des Schriftlichkeitserfordernisses entstehende Divergenz zum UNÜ sein. Dieses setzt in Art. II(1), (2) eine schriftliche Schiedsvereinbarung voraus, woraus seinerzeit teilweise geschlossen wurde, dass nicht der Schriftform genügende Schiedsvereinbarungen im Geltungsbereich des UNÜ nicht anerkannt würden, da die Vorschrift auch Mindeststandards festlege.120 Art. VII(1) UNÜ legt jedoch fest, dass „[d]ie Bestimmungen dieses Übereinkommens […] keiner beteiligten Partei das Recht [nehmen], sich auf einen Schiedsspruch nach Maßgabe des innerstaatlichen Rechts 114 Vgl. die Überschrift der Variante II des Art. 7 ModG („Definition of arbitration agreement“) gegenüber der Überschrift der Variante I des Art. 7 ModG („Definition and form of arbitration agreement“). 115 UNCITRAL, A/61/17, Rn. 163 f.; Born, International Commercial Arbitration, S. 698; Blackaby/Partasides QC/Redfern/Hunter, International Arbitration, Rn. 2.22. 116 UNCITRAL, A/61/17, Rn. 165; Blackaby/Partasides QC/Redfern/Hunter, International Arbitration, Rn. 2.22; Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 120. 117 UNCITRAL, A/61/17, Rn. 170; Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 113. 118 Holtzmann/Neuhaus/Kristjánsdóttir/Walsh, Commentary Model Law 2006, S. 44. 119 Born, International Commercial Arbitration, S. 699 f.; für die Vergleichbarkeit beider Versionen im Fall der Anwendbarkeit von Schiedsregeln einer Schiedsinstitution Graves 36(3) Belgrade L. Rev. (2009) 36, 39. 120 Van den Berg, The New York Arbitration Convention of 1958, S. 178 f.; van Houtte 16 Arb. Int’l (2000) 1, 6.

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oder der Verträge des Landes, in dem er geltend gemacht wird, zu berufen“. Demnach ließ das UNÜ schon immer das staatliche Recht unberührt, sofern dieses nur geringere Anforderungen an die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung stellt.121 Spätestens seit Veröffentlichung der Auslegungsempfehlung zur Interpretation des UNÜ durch UNCITRAL im Jahr 2006 wird die gegenteilige Auffassung nicht mehr vertreten,122 da die Empfehlung gerade die Bedeutung des Art. VII(1) UNÜ auch für die Auslegung des Art. II(2) UNÜ unterstreicht und vor dem Hintergrund eines einheitlichen Ansatzes von UNÜ und Art. 7 des überarbeiteten Modellgesetz erarbeitet wurde.123 Folglich führt auch Variante II des Art. 7 ModG mit ihrem liberalen Ansatz zu international vollstreckbaren Schiedssprüchen nach dem UNÜ, ohne dass es der Einhaltung formeller Voraussetzungen beim Abschluss der Schiedsvereinbarung bedarf.

2. Zuständigkeitsallokation a) Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts Die Regelungen des Modellgesetzes zur Zuständigkeitsallokation zwischen Schiedsgericht und staatlichem Gericht finden sich in Art. 8, 16 ModG. Sie gelten gemeinhin als besonders komplexer Regelungsbereich124 und sind von dem Versuch geprägt, das Interesse an einem möglichst reibungslosen Ablauf des Schiedsverfahrens, das die Möglichkeit missbräuchlicher Verzögerungstaktiken weitestgehend ausschließt, mit dem Ziel in Einklang zu bringen, frühzeitig Sicherheit über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung zu erlangen.125 Art. 16 ModG ist dabei eine der Vorschriften des Modellgesetzes, die den Charakter der Gesetzesvorlage ausmachen.126 Art. 16(1) S. 1 ModG stellt im Aus121

Gaillard/Savage, International Commercial Arbitration, Rn. 614. Solomon, UNÜ, in: International Commercial Arbitration, Rn. 151, 13, 110 ff.; dies scheinen Blackaby/Partasides QC/Redfern/Hunter, International Arbitration, Rn. 2.23 zu übersehen. 123 UNCITRAL, A/CN.9/592, Rn. 86; UNCITRAL, 2012 Digest of Case Law, S. 26 Fn. 96; Born, International Commercial Arbitration, S. 700; Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 121. 124 Bachand 25 Arb Int’l (2009) 431; Broches, Commentary Model Law, Art. 16 Rn. 1. 125 UNCITRAL, A/CN.9/233, Rn. 80; UNCITRAL, A/40/17, Rn. 158 f.; Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 485; Broches, Commentary Model Law, Art. 16 Rn. 4; Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 120 ff.; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 96 f. 126 Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 13: „[…] so-called ,pillars‘ […]“, S. 213: „[…] one of the key provisions of the Model Law […]“; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 83: „Die Regelung wird aufgrund ihrer weltweiten Verbreitung von der 122

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gangspunkt den Grundsatz auf, dass das Schiedsgericht die Befugnis zur Entscheidung über die eigene Zuständigkeit hat. Die Vorschrift lautet im englischen Original: „The arbitral tribunal may rule on its own jurisdiction, including any objections with respect to the existence or validity of the arbitration agreement.“

Die Vorschrift bestimmt die Geltung des positiven Effekts des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz im Anwendungsbereich des Modellgesetzes.127 Grundsätzlich kann das Schiedsgericht der Vorschrift zufolge zwar auch in Eigeninitiative eine Überprüfung der Zuständigkeit vornehmen.128 Es sollte dabei aber tendenziell Zurückhaltung walten lassen, da das fehlende Vorbringen eines entsprechenden Einwandes durch die betroffene Partei als Verzicht gewertet wird.129 Die Regelung ist in Anbetracht ihrer grundlegenden Bedeutung für die Funktionsfähigkeit der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit als zwingend anzusehen, sofern der das Gesetz erlassende Gesetzgeber nicht vom Originaltext abweicht.130 Die Entscheidung des Schiedsgerichts über seine eigene Zuständigkeit ist jedoch Gegenstand einer Kontrolle durch staatliche Gerichte,131 wobei Art. 16 ModG keine Aussage darüber enthält, welcher Spruchkörper zuerst über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung entscheidet.132 Dieser zeitliche Ablauf ergibt sich vielmehr aus dem Verhalten der Parteien sowie aus einem Zusammenspiel der Art. 8, 16 ModG.133 Denn nach Art. 8(1) ModG überprüft ein staatliches Gericht die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung, wenn in der Hauptsache anstelle des Schiedsgerichts ein staatliches Gericht angerufen wird, sodass dieses inzident eine Entscheidung über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung zu treffen hat.134 Sollte das Schiedsgericht hingegen bereits eine Zuständigkeitsentscheidung nach Art. 16(1) S. 1 ModG getroffen haben, ist diese nach Art. 16(3) ModG auf Antrag Gegenstand einer unUN-Kommission als ,essential and widely accepted feature of modern international arbitration law‘ bezeichnet.“ 127 Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 479; Erk, Parallel Proceedings, S. 29 f., 37; Born, International Commercial Arbitration, S. 1079; Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 214 f.; i. E. auch Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 127; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 95 ff. 128 UNCITRAL, A/40/17, Rn. 150; UNCITRAL, A/CN.9/264, Art. 16 Rn. 3. 129 Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 479; für eine Beschränkung der Prüfung von Amts wegen auf zwingende Vorschriften Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 88. 130 UNCITRAL, A/40/17, Rn. 151; Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 215; Erk, Parallel Proceedings, S. 28. 131 Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 479; Born, International Commercial Arbitration, S. 1079; Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 127; zurückhaltend HußleinStich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 88. 132 Erk, Parallel Proceedings, S. 36. 133 Born, International Commercial Arbitration, S. 1080; Erk, Parallel Proceedings, S. 35 f. 134 Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 122; Hußlein-Stich, Das UNCITRALModellgesetz, S. 47 f.; implizit Jaeger, Umsetzung des UNCITRAL-Modellgesetzes, S. 61.

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mittelbaren Überprüfung durch ein staatliches Gericht. In beiden Fällen besteht damit die Möglichkeit, dass parallele Verfahren entstehen könnten, da die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung durch zwei verschiedene Spruchkörper beurteilt werden kann.135 Diese Konstellation gilt es daher näher zu beleuchten. Schließlich kann die die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung auch erst nach Beendigung des Schiedsverfahrens im Rahmen des Art. 34(2)(a)(i) ModG oder im Rahmen des Art. 36(1)(a)(i) ModG überprüft werden. Da das Schiedsverfahren zu diesem Zeitpunkt bereits beendet ist, besteht insofern jedoch keine Gefahr der Entstehung paralleler Verfahren mehr, sodass dieses Szenario keiner weiteren Erörterung bedarf. b) Isolierte Überprüfung der Schiedsvereinbarung aa) Einleitung Art. 8(1) ModG determiniert parallel zu Art. 16(1) ModG das Vorgehen staatlicher Gerichte, wenn diese die Schiedsvereinbarung bei Klageerhebung in der Hauptsache durch eine der Parteien vor Beginn oder während des Schiedsverfahrens auf ihre Gültigkeit überprüfen.136 Es handelt sich ebenfalls um eine der grundlegenden Vorschriften des Modellgesetzes.137 Art. 8 ModG lautet im englischen Original: „A court before which an action is brought in a matter which is the subject of an arbitration agreement shall, if a party so requests not later than when submitting his first statement on the substance of the dispute, refer the parties to arbitration unless it finds that the agreement is null and void, inoperative or incapable of being performed. Where an action referred to in paragraph (1) of this article has been brought, arbitral proceedings may nevertheless be commenced or continued, and an award may be made, while the issue is pending before the court.“

Art. 8(1) ModG wurde in Anlehnung an Art. II(3) UNÜ verfasst und erlegt dem staatlichen Gericht die Verpflichtung auf, die Parteien auf Antrag auf das Schiedsverfahren zu verweisen, das heißt das Verfahren abzuweisen, sofern diese eine wirksame Schiedsvereinbarung getroffen haben.138 Dieses Vorgehen erfordert fol-

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Erk, Parallel Proceedings, S. 36; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 50. Born, International Commercial Arbitration, S. 1080; Hußlein-Stich, Das UNCITRALModellgesetz, S. 50. 137 Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 302: „[…] provides for a critical element of any arbitration law […]“; Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 153: „Art. 8 can be seen as one of the pillars of the Model Law […]“. 138 UNCITRAL, A/CN.9/264, Art. 8 Rn. 2; Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 302; Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 122 ff.; Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 122; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 44. 136

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E. Das UNCITRAL Modellgesetz als Grundlage eines Rechtsaktes der EU?

gerichtig eine getrennte Überprüfung der Schiedsvereinbarung, die sich nicht auch auf den zugrundeliegenden Vertrag erstreckt.139 Nach Art. 8(2) ModG hindert die Überprüfung der Schiedsvereinbarung durch ein nationales Gericht das Schiedsgericht jedoch nicht daran, das schiedsrichterliche Verfahren aufzunehmen, fortzusetzen oder durch den Erlass eines Schiedsspruches abzuschließen. Dies stellt eine Ergänzung des Art. II(3) UNÜ dar.140 Durch die Vorschrift wird dem Schiedsgericht die Entscheidung überlassen, ob es das Schiedsverfahren während der Überprüfung der Schiedsvereinbarung durch ein staatliches Gericht fortsetzen will.141 Ist dies der Fall, und das staatliche Gericht kommt dennoch zu dem Ergebnis, dass die Schiedsvereinbarung ungültig ist, setzt sich innerhalb des Staates, der als Sitz des Schiedsgerichts festgelegt wurde, die Entscheidung des staatlichen Gerichts wegen Art. 34(2)(a)(i) ModG spätestens im Aufhebungsverfahren durch.142 Ob dies im umgekehrten Fall, in dem das Schiedsgericht zu dem Ergebnis kommt, dass die Schiedsvereinbarung ungültig ist, das nationale Gericht die Parteien aber nach Art. 8(1) ModG auf das Schiedsverfahren verweist, ebenfalls zutrifft, richtet sich hingegen nach Art. 16(3) ModG.143 bb) Prüfungsmaßstab des Art. 8(1) ModG Welchen Prüfungsmaßstab das staatliche Gericht im Rahmen des Art. 8(1) ModG anzuwenden hat und in welchem Umfang die Schiedsvereinbarung zu überprüfen ist, wird nicht immer einheitlich beurteilt.144 Hinsichtlich des Prüfungsmaßstabs, den das nationale Gericht im Rahmen des Art. 8(1) ModG bei der Prüfung, ob „die Schiedsvereinbarung nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist“, anzuwenden hat, wird zum Teil vertreten, dass lediglich eine summarische Überprüfung vorzunehmen sei, was vor allem mit der Verhinderung von Verzögerungstaktiken begründet wird.145 Die überwiegende Ansicht geht hingegen von einer umfassenden Prüfungspflicht des nationalen Gerichts aus.146 139 Dem entspricht auch der in Art. 16(1) S. 2 ModG niedergelegte Trennungsgrundsatz; Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 305. 140 UNCITRAL, A/CN.9/264, Art. 8 Rn. 5; Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 127; noch weiter geht Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 50: „Im Vergleich zu Art. 2 III UNÜ und zu Art. 6 UNÜ ist diese Vorschrift völlig neuartig“; unklar hingegen Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 122: „[…] steht damit im Einklang mit dem New Yorker Übereinkommen […]“. 141 UNCITRAL, A/40/17, Rn. 90 ff.; UNCITRAL, 2012 Digest of Case Law, Art. 8 Rn. 2; Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 128; Jaeger, Umsetzung des UNCITRALModellgesetzes, S. 62. 142 Erk, Parallel Proceedings, S. 37. 143 Siehe zur negativen Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts und deren Überprüfung unten Kapitel E. III. 2. c) cc). 144 UNCITRAL, 2012 Digest of Case Law, Art. 8 Rn. 29 ff.; Born, International Commercial Arbitration, S. 1082 ff.; Bachand 22(3) Arb. Int’l (2006) 463, 464. 145 Bachand 22(3) Arb. Int’l (2006) 463, 476; Branson 16(1) Arb. Int’l (2000), 19, 25 ff.

III. Für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Vorschriften

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Der Wortlaut des Art. 8(1) ModG beinhaltet keinen Hinweis auf eine lediglich summarische Prüfung, was auf den Normalfall einer umfassenden Prüfung hindeutet. Unter dem Aspekt der Systematik spricht ebenfalls nichts für eine nur summarische Prüfung, denn ein reduzierter Prüfungsmaßstab wird im Modellgesetz zwar an anderer Stelle als solcher benannt,147 fehlt hier aber. Auch die travaux préparatoires lassen keinen anderen Rückschluss zu. Die Arbeitsgruppe zum Modellgesetzes hatte im Zuge ihrer Beratungen die Überlegung angestellt, eine rein summarische Prüfung der Schiedsvereinbarung explizit im Gesetzestext festzulegen. Sie verwarf den Vorschlag dann aber, weil die Parteien im Fall des Art. 8(1) ModG regelmäßig über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung streiten, sodass diese Frage direkt endgültig durch das staatliche Gericht geklärt werden sollte (und nicht erst bei Vollstreckung des Schiedsspruchs).148 Schließlich spricht auch der Sinn und Zweck der Überprüfung der Schiedsvereinbarung durch das staatliche Gericht gegen eine bloß summarische Prüfung: Käme das staatliche Gericht nämlich nach der Erhebung einer Klage in der Hauptsache durch eine der Parteien aufgrund einer rein summarischen Prüfung zu dem Ergebnis, dass die Schiedsvereinbarung ungültig ist, würde es anschließend in der Hauptsache entscheiden. Spätestens dann wäre aber eine umfassende Prüfung zu fordern. Folglich wäre eine nur summarische Prüfung bereits auf ein positives Ergebnis zugeschnitten, sodass sie auch gänzlich unterbleiben könnte.149 Das war ersichtlich nicht Sinn und Zweck der Vorschrift. Demnach ist der nach Art. 8(1) ModG vom staatlichen Gericht bei Beurteilung der Schiedsvereinbarung anzuwendende Prüfungsmaßstab mit der herrschenden Meinung als umfassend anzusehen. cc) Prüfungsumfang des Art. 8(1) ModG Neben dem anzuwendenden Prüfungsmaßstab wird vereinzelt auch vertreten, dass der Prüfungsumfang des staatlichen Gerichts in Art. 8(1) ModG nicht eindeutig geklärt sei.150 Konkret geht es um die Frage, ob das Schiedsgericht oder ein staatliches Gericht über die Reichweite der Schiedsvereinbarung entscheiden soll, wenn zwischen den Parteien streitig ist, ob der Streitgegenstand von der Schiedsvereinbarung erfasst wird.

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Born, International Commercial Arbitration, S. 1082; Dimolitsa, Separability and Kompetenz-Kompetenz, S. 235; Lew/Mistelis/Kröll, Comparative International Commercial Arbitration, S. 349 Rn. 14 – 61; Berger, International Economic Arbitration, S. 329 f.; Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 303; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 47 f. 147 Art. 17 A(1)(a) ModG: „Harm […] is likely to result […]“; dazu Holtzmann/Neuhaus/ Kristjánsdóttir/Walsh, Commentary Model Law 2006, S. 170. 148 UNCITRAL, A/CN.9/233, Rn. 77. 149 Born, International Commercial Arbitration, S. 1082. 150 Born, International Commercial Arbitration, S. 1094.

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E. Das UNCITRAL Modellgesetz als Grundlage eines Rechtsaktes der EU?

Dies ist jedoch schon dem Wortlaut der Vorschrift zu entnehmen: Zwar bezieht sich die Anordnung, auf das schiedsrichterliche Verfahren zu verweisen, auf Rechtsfolgenseite nur auf den Befund, „dass die Schiedsvereinbarung nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist“,151 jedoch setzt diese schon zuvor voraus, dass „Klage in einer Angelegenheit erhoben [wurde], die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist“. Demnach ist die Prüfung der Reichweite der Schiedsvereinbarung bei schematischer Befolgung der von Art. 8(1) ModG vorgesehenen Voraussetzungen noch vor der Prüfung der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung vorzunehmen. Im Ergebnis spielt die Reihenfolge keine Rolle; jedoch wird klar, dass das Gericht durchaus auch zu prüfen hat, ob die Angelegenheit von der Schiedsvereinbarung – unabhängig von der Gültigkeit – erfasst wird. UNCITRAL geht dementsprechend wie selbstverständlich davon aus, dass der Prüfungsumfang des Art. 8(1) ModG auch eine Überprüfung der Reichweite der Schiedsvereinbarung umfasst.152 Wenngleich das Modellgesetz keine Beschränkung der objektiven Schiedsfähigkeit statuiert,153 erkennt auch das Modellgesetz in Art. 1(5) implizit an, dass die Schiedsvereinbarung in ihrem Umfang beschränkt sein kann. Ist dies der Fall, gelten wieder die allgemeinen Zuständigkeitsregeln der staatlichen Gerichte. Insofern ist ein nicht von einer gültigen Schiedsvereinbarung gedeckter Streit vergleichbar mit einem in den Bereich einer ungültigen Schiedsvereinbarung fallenden Streit; in beiden Fällen ist im Ergebnis wieder ein staatliches Gericht zur Entscheidung berufen. Dann muss das staatliche Gericht aber auch – wie von Art. 8(1) ModG vorgesehen – befugt sein, sowohl die Gültigkeit als auch die Reichweite der Schiedsvereinbarung zu prüfen. c) Überprüfung der Schiedsvereinbarung nach Erlass des Schiedsgerichts aa) Einleitung Während Art. 16(1) S. 1 ModG lediglich bestimmt, dass das Schiedsgericht eine Entscheidung über die eigene Zuständigkeit treffen kann, bestimmt Art. 16(3) ModG die möglichen Formen dieser Entscheidung und die gegen diese verfügbaren Rechtsmittel sowie deren Auswirkung auf das Schiedsverfahren.154 Art. 16(3) ModG lautet im englischen Original: „The arbitral tribunal may rule on a plea referred to in paragraph (2) of this article [that the arbitral tribunal does not have jurisdiction] either as a preliminary question or in an award on the merits. If the arbitral tribunal rules as a preliminary question that it has jurisdiction, any party may request, within thirty days after having received notice of that ruling, the court 151

Und an dieser Stelle nicht explizit auch darauf, dass der Streitgegenstand nicht von der Schiedsvereinbarung erfasst ist, sodass diese Voraussetzung häufig ungenannt bleibt. 152 UNCITRAL, 2012 Digest of Case Law, Art. 8 Rn. 28 und Art. 7 Rn. 12. 153 Siehe oben Kapitel E. III. 1. c). 154 Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 219 f.; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 90 f.; Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 131 f.

III. Für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Vorschriften

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specified in article 6 to decide the matter, which decision shall be subject to no appeal; while such a request is pending, the arbitral tribunal may continue the arbitral proceedings and make an award.“

Die Vorschrift ist das Ergebnis umfassender Diskussionen über die Verteilung der Zuständigkeit zwischen Schiedsgericht und staatlichen Gerichten während der Beratungen zum Erlass des Modellgesetzes.155 Sie ist somit als Kompromiss zu sehen, aus welchem Folgefragen erwachsen, die Anlass zu einer genaueren Erörterung geben. bb) Rechtliche Qualifikation der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Vorfrage nach Art. 16(3) ModG Auffällig ist zunächst die terminologische Unterscheidung zwischen einer Entscheidung als Vorfrage156 und in Form eines Schiedsspruchs157 in Art. 16(3) S. 1 ModG. Hintergrund der Differenzierung ist die in Abhängigkeit der vom Schiedsgericht gewählten Art der Zuständigkeitsentscheidung abweichende Überprüfungsmöglichkeit bei einem staatlichen Gericht.158 Entscheidet das Gericht über die eigene Zuständigkeit als Vorfrage, so kann diese Entscheidung unmittelbar binnen 30 Tagen durch ein staatliches Gericht überprüft werden.159 Das Schiedsgericht kann das Schiedsverfahren währenddessen nach eigenem Ermessen aus- oder fortsetzen.160 Das Schiedsgericht wird eine Zuständigkeitsentscheidung vor allem dann als Vorfrage in einem Zwischenschiedsspruch treffen, wenn es der Ansicht ist, dass der Überprüfungsantrag nicht der Verzögerung des Verfahrens dienen soll und die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung ein ernsthaftes Problem darstellt, das die Vollstreckbarkeit des Schiedsspruches ohnehin gefährden würde.161 Eine Entscheidung über den Antrag der fehlenden Zuständigkeit des Schiedsgerichts, die erst gemeinsam mit dem Schiedsspruch in der Hauptsache ergeht, wird hingegen vor allem dann erfolgen, wenn das Schiedsgericht eine ungerechtfertigte Verzögerung des 155

Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 484; Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 132; vgl. auch die Übersicht bei Pavic´, (In)Appropriate Compromise, S. 389 f. 156 Im Englischen „preliminary question“, im Deutschen auch als „Zwischenschiedsspruch“ bezeichnet, vgl. Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 90; Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 131. 157 Im Englischen „award on the merits“, im Deutschen auch als „Endschiedsspruch“ (Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 131), „Schiedsspruch zur Hauptsache“ (HußleinStich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 90) oder „Schiedsspruch zur Sache“ (Jaeger, Umsetzung des UNCITRAL-Modellgesetzes, S. 83) bezeichnet. 158 Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 486; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 90; Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 131 ff. 159 Art. 16(3) S. 2, erster Teilsatz. 160 Art. 16(3) S. 2, zweiter Teilsatz. 161 UNCITRAL, 2012 Digest of Case Law, Art. 16 Rn. 14; Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 486.

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E. Das UNCITRAL Modellgesetz als Grundlage eines Rechtsaktes der EU?

eigenen Verfahrens befürchtet oder die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung in einem engen Zusammenhang mit den Gründen für die Entscheidung des Falls in der Hauptsache steht.162 Wenn die Zuständigkeitsentscheidung mit dem Schiedsspruch zur Hauptsache ergeht, ist sie im Zuge des Aufhebungsverfahrens in vollem Umfang Gegenstand einer Überprüfung durch staatliche Gerichte nach Maßgabe des Art. 34(2)(a)(i) ModG und profitiert von den vollstreckungsfreundlichen Regelungen der Art. 35, 36 ModG.163 Fraglich ist jedoch, ob dies auch für eine Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Vorfrage in einem Zwischenschiedsspruch gelten sollte. Dies hängt von deren rechtlicher Qualifikation ab.164 Würde es sich um eine rein prozessuale Entscheidung handeln,165 könnte diese nicht wie ein Schiedsspruch anerkannt und vollstreckt werden und auch nicht auf Verfahrensfehler überprüft werden.166 Dem Wortlaut zufolge findet Art. 34 ModG nur auf Schiedssprüche Anwendung.167 Gleiches gilt auch für Art. 35, 36 ModG.168 Da sich Art. 16(3) S. 1 Alt. 1 ModG auf eine Entscheidung als Vorfrage bezieht, würde dies folglich gegen eine Anwendbarkeit des Art. 34(2) ModG sprechen. Systematisch unterscheidet Art. 16(3) ModG gerade zwischen einer Entscheidung als Vorfrage und als Schiedsspruch zur Hauptsache, was ebenfalls für eine Unanwendbarkeit des Art. 34 ModG sprechen würde. Dieses Ergebnis wird zunächst auch durch die travaux préparatoires unterstützt. In diesen werden bezüglich der Rechtsnatur der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts und der daraus folgenden Konsequenzen verschiedene Alternativen diskutiert, unter anderem auch die ausschließliche Implementierung einer Zuständigkeitsentscheidung in Form eines Schiedsspruches, um sofort eine endgültige Entscheidung durch ein staatliches Gericht zu erwirken.169 Diese wurde jedoch zugunsten eines Mittelweges verworfen, der zum einen eine rein 162 Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 90; Jaeger, Umsetzung des UNCITRAL-Modellgesetzes, S. 84; UNCITRAL, 2012 Digest of Case Law, Art. 16 Rn. 14; Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 486. 163 Erk, Parallel Proceedings, S. 37; Born, International Commercial Arbitration, S. 1099; Broches, Commentary Model Law, Art. 16 Rn. 31; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 90. 164 Befürwortend Born, International Commercial Arbitration, S. 1098 ff. 165 So Uzelac 8(5) Int. A. L. R. (2005) 153, 155. 166 Born, International Commercial Arbitration, S. 1099. 167 Art. 34(1) ModG: „Recourse to a court against an arbitral award may be made only […]“; vgl. auch Kröll 8(5) Int. A. L. R. (2005) 170, 173. 168 Art. 35(1) ModG: „An arbitral award […]“; Art. 35(1) ModG: „Recognition and enforcement of an arbitral award […] may be refused only: […]“. 169 UNCITRAL, A/CN.9/264, Art. 16 Rn. 12 ff.; für die vorhergehenden Vorschläge siehe UNCITRAL, A/CN.9/WG.II/WP.38, Art. 28, 30; UNCITRAL, A/CN.9/WG.II/WP.40, Art. IV(3), XIII; UNCITRAL, A/CN.9/WG.II/WP.48, Art. 16 f. (mit dem Vorschlag einer Feststellungsklage); für Übersichten siehe auch Broches, Commentary Model Law, Art. 16 Rn. 30 ff.; Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 485 f.

III. Für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Vorschriften

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prozessuale Entscheidung des Schiedsgerichts vorsieht, die unter den in der Vorschrift vorgesehenen Voraussetzungen170 eine gerichtliche Überprüfung ermöglicht, ohne dass diese zwingend den ungehinderten Fortschritt des Schiedsverfahrens behindert.171 Zum anderen wird eine Entscheidung vorgesehen, die erst gemeinsam mit dem abschließenden Schiedsspruch ergeht und dann Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung nach Art. 34 ff. ModG sein kann.172 Aus den travaux préparatoires wird jedoch auch ersichtlich, dass der Grund hierfür nicht der Maßstab der gerichtlichen Überprüfung war, sondern der Ausgleich zwischen dem Interesse daran, in einem frühen Verfahrensstadium Sicherheit über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung zu erlangen, und der damit einhergehenden Missbrauchsgefahr in Form von Verzögerungstaktiken.173 Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift.174 Die bezweckte Sicherheit kann jedoch nur erreicht werden, wenn das Gericht auch in die Lage versetzt wird, die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung vollumfänglich zu beurteilen, wozu nicht nur die materielle Richtigkeit der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts gehört,175 sondern auch deren prozessuale Korrektheit, welche sich nur überprüfen lässt, wenn das Gericht auch Art. 34 ModG anwenden kann.176 Denn bei Anwendung eines unterschiedlichen Prüfungsmaßstabs in Abhängigkeit davon, ob eine Entscheidung nach Art. 16(3) S. 1 Alt. 1 ModG oder Art. 16(3) S. 1 Alt. 2 ModG getroffen wurde, würde im Ergebnis doch noch keine vollumfängliche Sicherheit über die Bestandskraft der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts vor einem staatlichen Gericht in einem anschließenden Aufhebungsverfahren bestehen. Verzögerungstaktiken werden dadurch nicht begünstigt, da die besonderen Voraussetzungen des Art. 16(3) S. 2 ModG diesen entgegenwirken.177 Zudem hat das Schiedsgericht ohne gültige Schiedsvereinbarung keine rechtliche Handlungsgrundlage, sodass nur eine vollumfängliche Überprüfung der Schiedsvereinbarung das grundlegende Recht auf

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Vgl. Art. 16(3) S. 2 ModG. UNCITRAL, A/40/17, Art. 16 Rn. 161. 172 Wobei eine prozessuale Entscheidung den Regelfall darstellen dürfte, vgl. Holtzmann/ Neuhaus, Commentary Model Law, S. 486. 173 UNCITRAL, A/CN.9/264, Art. 16 Rn. 13; UNCITRAL, A/40/17, Art. 16 Rn. 158 f. 174 Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 485; Broches, Commentary Model Law, Art. 16 Rn. 39. 175 Die materielle Richtigkeit der Zuständigkeitsentscheidung beruht demnach auf einer Überprüfung der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung nach allgemeinen Maßsstäben wie z. B. wirksamer Abschluss durch übereinstimmende Willenserklärungen, subjektive Schiedsfähigkeit der Parteien, Form der Schiedsvereinbarung. 176 Zur prozessualen Korrektheit in diesem Sinne gehören die verbleibenden Kriterien des Art. 34 ModG, wie z. B. Art. 34(2)(a)(bb), (iv), (b)(bb) ModG; vgl. Born, International Commercial Arbitration, S. 1099 [Fn. 288]; je nach angewendetem Überprüfungsmaßstab des Gerichts (siehe unten, Kapitel E. III. 2. c) ee) differenzierend Pavic´, (In)Appropriate Compromise, S. 405. 177 30-Tages-Frist, keine Berufung, paralleler Fortgang des Schiedsverfahrens. 171

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E. Das UNCITRAL Modellgesetz als Grundlage eines Rechtsaktes der EU?

rechtliches Gehör angemessen zu schützen vermag.178 Folglich muss Art. 16(3) ModG anhand der travaux préparatoires und seinem Sinn und Zweck nach so ausgelegt werden, dass auch eine Zuständigkeitsentscheidung nach Art. 16(3) S. 1 Alt. 1 ModG im Rahmen der Art. 34 – 36 ModG entgegen des Wortlauts als Schiedsspruch zu qualifizieren ist und vollumfänglich überprüft werden kann. cc) Negative Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts Die explizit nur für positive Zuständigkeitsentscheidungen geltende Regelung des Art. 16(3) S. 2 ModG wirft zudem die Frage auf, wie mit negativen Zuständigkeitsentscheidungen des Schiedsgerichts zu verfahren ist. Problematisch wird eine negative Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts dabei nur, wenn das staatliche Gericht zu dem gegenläufigen Ergebnis kommt, dass die Schiedsvereinbarung gültig ist; anderenfalls hätte es sich ohnehin im Rahmen einer Klage trotz Erhebung der Schiedseinrede nach Art. 8(1) ModG für zuständig erklärt.179 Im Fall einer gegenläufigen Entscheidung droht hingegen ein „Zuständigkeitsvakuum“ zu entstehen: Während das Schiedsgericht nicht sich – und damit in der Regel ein staatliches Gericht – für zuständig erklärt, zwingt Art. 8(1) ModG im Grundsatz das staatliche Gericht, die Sache wieder an das Schiedsgericht zu verweisen, wenn es nicht feststellt, dass die Schiedsvereinbarung nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist. Erklärt sich das Schiedsgericht nach Art. 16(1) ModG für zuständig, verleiht Art. 16(3) S. 2 ModG dem staatlichen Gericht die Letztentscheidungsbefugnis über die Frage der Zuständigkeit. Wäre dies auch bei einer negativen Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts der Fall, könnte gegebenenfalls das staatliche Gericht das Schiedsgericht entgegen dessen Entscheidung zur Durchführung des Schiedsverfahrens zwingen. Die Überprüfungskompetenz des staatlichen Gerichts in Art. 16(3) S. 2 ModG stellt dem Wortlaut der Vorschrift zufolge zunächst eindeutig nur auf eine positive Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts ab.180 Zudem bezieht sich das Modellgesetz in Art. 34(2)(a)(i), (iii) ModG ebenfalls nur auf die Überprüfung positiver Zuständigkeitsentscheidungen des Schiedsgerichts durch ein staatliches Gericht,181 ohne dies jedoch so explizit zu benennen wie in Art. 16(3) S. 2 ModG. Gleiches gilt für Art. 36(1)(a)(i) ModG. Dies spricht für sich genommen dafür, dass die ausdrückliche Inbezugnahme ausschließlich einer positiven Zuständigkeitsentscheidung in Art. 16(3) S. 2 ModG wörtlich zu verstehen ist. Jedoch beinhaltet die Erhebung einer Klage im Sinne des Art. 8(1) ModG, die nach einer negativen Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts erhoben wird, implizit auch eine 178

Bachand 25 Arb Int’l (2009) 431, 448. Vorausgesetzt es handelt sich um das international (sowie national) zuständige Gericht; vgl. z. B. Art. 27 ff. EuGVVO, §§ 12 ff. ZPO. 180 Art. 16(3) S. 2 ModG: „If the arbitral tribunal rules as a preliminary question that it has jurisdiction, […]“. 181 Born, International Commercial Arbitration, S. 1101. 179

III. Für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Vorschriften

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Überprüfung dieser Entscheidung.182 Eine ausdrückliche Regelung zu einer negativen Zuständigkeitsentscheidung durch das Schiedsgericht findet sich im Modellgesetz hingegen nicht.183 Im Ergebnis spricht somit die Systematik des Modellgesetzes ebenfalls dafür, Art. 16(3) S. 2 ModG nur auf positive Zuständigkeitsentscheidungen des Schiedsgerichts anzuwenden. Während des Beratungsprozesses zum Modellgesetz wurde der Umgang mit einer negativen Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichtes in den travaux préparatoires mehrfach erörtert.184 Unter anderem wurde auch ein eigenständiger Art. 16(3) S. 3 vorgeschlagen, dessen Gegenstand eine negative Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts sein sollte: „A ruling by the arbitral tribunal that it has no jurisdiction may be contested by any party within 30 days before the Court specified in article [6].“185

Der Vorschlag wurde jedoch in Übereinstimmung mit den bisherigen Ergebnissen wieder verworfen, da eine negative Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts zumindest das Verfahren vor diesem abschließen würde, die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung aber dennoch abschließend von einem staatlichen Gericht geklärt werden sollte.186 Den Schiedsrichtern, die die negative Zuständigkeitsentscheidung getroffen hatten, möglicherweise einen Zwang zur Fortführung des Schiedsverfahrens aufzuerlegen, sah man als nicht zweckdienlich an.187 Eine historische Auslegung der Vorschrift führt somit ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Art. 16(3) S. 2 ModG nur auf positive Zuständigkeitsentscheidungen des Schiedsgerichts anzuwenden ist. Schließlich zielt Art. 16(3) ModG darauf ab, einen angemessenen Ausgleich zwischen dem Bedürfnis nach frühzeitiger Sicherheit über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung und der Gefahr von taktischen Verzögerungen des Schiedsverfahrens zu schaffen.188 Damit ist die Vorschrift auch ihrem Sinn und Zweck nach auf eine gültige Schiedsvereinbarung zugeschnitten. Denn findet das Schiedsverfahren mangels positiver Zuständigkeitsentscheidung nicht statt, kann es auch nicht verzögert werden. Endgültige Sicherheit über die (Un-) Gültigkeit der Schiedsvereinbarung wird hingegen erst durch die Entscheidung eines staatlichen Gerichts herbeigeführt, da diesem nach der Konzeption des Modellgesetzes die Letztentscheidungsbefugnis zusteht.189 Eine Anwendung des Art. 16(3) S. 2 ModG

182 UNCITRAL, A/CN.9/264, Art. 16 Rn. 15; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 91. 183 Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 486 f. 184 UNCITRAL, A/CN.9/216, Rn. 82; UNCITRAL, A/CN.9/232, Rn. 157. 185 UNCITRAL, A/CN.9/WG.II/WP.40, Art. XIII(3) S. 3. 186 UNCITRAL, A/CN.9/245, Rn. 64. 187 UNCITRAL, A/40/17, Rn. 163. 188 UNCITRAL, A/CN.9/264, Art. 16 Rn. 12 – 14. 189 Blackaby/Partasides QC/Redfern/Hunter, International Arbitration, Rn. 5.112, 5.114.

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E. Das UNCITRAL Modellgesetz als Grundlage eines Rechtsaktes der EU?

auch auf negative Zuständigkeitsentscheidungen des Schiedsgerichts ist folglich nicht angezeigt.190 Damit bleibt die rechtliche Folge einer solchen Entscheidung jedoch ungeklärt. UNCITRAL ließ die Frage in den Beratungen zum Modellgesetz letztlich offen und verwies auf die (sonstigen) nationalen Regeln des Prozessrechts.191 Dementsprechend wird die Folge einer negativen Zuständigkeitsentscheidung durch das Schiedsgericht in den Modellgesetz-Staaten unterschiedlich gehandhabt.192 So wurde in Hong Kong die Auffassung vertreten, dass die negative Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts endgültig sei.193 In Kanada wurde hingegen eine Überprüfung anhand der Aufhebungsgründe in Art. 34(2)(a)(ii), 34(2)(a)(iii) und 34(2)(b)(ii) ModG vorgenommen.194 In der Literatur wird überwiegend angenommen, dass die Entscheidung des Schiedsgerichts in diesem Fall endültig sei, sodass ein staatliches Gericht in der Hauptsache entscheiden müsse.195 Teilweise wird jedoch auch vertreten, dass aufgrund eines argumentum a minori ad maius eine Anwendung des Art. 34(2)(a)(iv) ModG196 oder des Art. 34(2)(a)(iii) ModG197 zur Aufhebung der negativen Zuständigkeitsentscheidung durch das staatliche Gericht und damit zur Zurückverweisung der Sache an das gleiche Schiedsgericht führen könne. Möglich wäre zudem eine Lösung über Art. 8(1) ModG. Hat das Schiedsgericht eine negative Zuständigkeitsentscheidung getroffen, steht den Parteien noch immer der Weg über die Schiedseinrede nach dieser Vorschrift offen, da dieser grundsätzlich unabhängig vom Stadium des Schiedsverfahrens zu einer Entscheidung des staatlichen Gerichts über die Gültigkeit der Schiedsabrede führt.198 Für die klagende Partei würde dies zwar bedeuten, mit Klageerhebung gleichzeitig auch die Schiedseinrede zu erheben; der Wortlaut des Art. 8 ModG lässt dies jedoch grundsätzlich zu.199 Dadurch würde der klagenden Partei jedoch das Kosten- und 190

Born, International Commercial Arbitration, S. 1101. UNCITRAL, A/CN.9/264, Art. 16 Rn. 15. 192 UNCITRAL, 2012 Digest of Case Law, Art. 16 Rn. 21 ff. 193 High Court Hong Kong, 29. 10. 1991, Fung Sang Trading Limited v. Kai Sun Sea Products and Food Company Limited [1991] HKCFI 190 [Rn. 67]. 194 Ontario Superior Court of Justice, 5. 5. 2008, Bayview Irrigation District #11 v. United Mexican States [2008] CanLII 22120 [Rn. 63 ff.]. 195 Samuel, Jurisdictional Problems, S. 218; Sanders, Quo Vadis Arbitration?, S. 186; Dimolitsa, Separability and Kompetenz-Kompetenz, S. 234; Broches, Commentary Model Law, Art. 16 Rn. 52; scheinbar auch Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 91: „Aber das Schiedsgericht kann damit nicht gezwungen werden in der Hauptsache zu entscheiden.“; a. A. Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 481. 196 Born, International Commercial Arbitration, S. 1104 f. 197 Kro¨ ll 20 Arb Int’l (2004) 55, 67 ff. 198 Born, International Commercial Arbitration, S. 1080 f.; implizit auch Granzow, Das UNCITRAL Modellgesetz, S. 134; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 91. 199 Vgl. Art. 8(1) ModG: „[…] if a party so requests […]“. 191

III. Für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Vorschriften

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Insolvenzrisiko der Gegenseite aufgebürdet. Zudem käme es zu einem weiteren Zeitverlust. Daher überzeugt dieser Weg nicht.200 Interessengerechter ist es im Ergebnis, mit der herrschenden Meinung die Entscheidung des Schiedsgerichts als endgültig anzusehen und die Parteien verbindlich an die staatlichen Gerichte zu verweisen. Der Parteiwille war bei Abschluss der Schiedsvereinbarung zwar auf eine Streitentscheidung durch ein Schiedsgericht gerichtet. Kommt dieses – möglicherweise fehlerhaft – zu dem Ergebnis, die Schiedsvereinbarung sei nicht gültig, entspricht aber auch dies dem ursprünglichen Willen der Parteien. Denn die Schiedsvereinbarung überträgt dem Schiedsgericht die umfassende Kompetenz zur Entscheidung des Streits. Die Entscheidung über die eigene Zuständigkeit schließt dies mit ein, und zwar unabhängig davon, ob diese materiell richtig ist. Ebendies würde für eine Entscheidung in der Hauptsache gelten, die auch nur aufgrund der begrenzten Aufhebungsgründe in Art. 34 ModG revidiert werden könnte. Eine materiell-rechtliche Überprüfung der Entscheidung käme hingegen auch in diesem Fall nicht in Betracht. dd) Präklusionswirkung eines unterlassenen Antrags nach Art. 16(3) ModG Zudem stellt sich im Rahmen des Art. 16(3) ModG die Frage, ob einer Partei, die keinen fristgerechten Antrag auf Überprüfung der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts nach Art. 16(3) S. 2 ModG stellt, anschließend noch das Recht zusteht, die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung während eines Aufhebungs-, Anerkennungs- oder Vollstreckungsverfahrens anzufechten. Art. 16 ModG enthält zu einer möglichen Präklusion aufgrund eines unterlassenen Antrags keine ausdrücklichen Angaben, sodass es in der Vergangenheit zu unterschiedlichen Bewertungen durch nationale Gerichte gekommen ist.201 Während der Beratungen zum Modellgesetz wurde das Thema zwar kurz angeschnitten, schließlich jedoch offengelassen, da man sich scheinbar nicht zu sehr im Detail verlieren wollte.202 Berücksichtigt man jedoch den Sinn und Zweck der Überprüfung, der in der Herstellung frühzeitiger Sicherheit über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung zu erblicken ist, sollte das Recht, sich auf die angebliche Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung zu berufen, als verwirkt betrachtet werden, wenn es nicht im Rahmen des Art. 16(3) ModG geltend gemacht wurde, nachdem das Schiedsgericht seine Zuständigkeit als Vorfrage bejaht hatte.203 Anderenfalls wäre dem Streben nach

200 Dieser Lösung gegenüber kritisch Kro¨ ll 20 Arb Int’l (2004) 55, 61; offengelassen von Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 481. 201 UNCITRAL, 2012 Digest of Case Law, Art. 16 Rn. 27, Art. 34 Rn. 44 ff. 202 UNCITRAL, A/40/17, Rn. 288 f.; Broches, Commentary Model Law, Art. 16 Rn. 44. 203 Uzelac 8(5) Int. A. L. R. (2005) 153, 154 f.; Born, International Commercial Arbitration, S. 1105; Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 483; a. A. Broches, Commentary Model Law, Art. 16 Rn. 49; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 94 f.

158

E. Das UNCITRAL Modellgesetz als Grundlage eines Rechtsaktes der EU?

frühzeitiger Rechtssicherheit nicht Genüge getan, da die Überprüfung der Entscheidung des Schiedsgerichts nur auf Antrag einer der Parteien erfolgen kann.204 ee) Prüfungsmaßstab des Art. 16(3) ModG Schließlich stellt sich – ähnlich wie auch im Rahmen des Art. 8(1) ModG – die Frage nach dem Prüfungsmaßstab, den das staatliche Gericht bei der beantragten Überprüfung der Schiedsvereinbarung nach Art. 16(3) S. 2 ModG anzulegen hat, da die Vorschrift ebenfalls keine expliziten Vorgaben macht.205 Das Schiedsgericht hat als (zumindest potenziell) zuständiger Spruchkörper bereits über die Frage der Zuständigkeit entschieden, sodass es einerseits Sinn ergeben könnte, die im Zuge dessen getroffenen rechtlichen und tatsächlichen Feststellungen als für das staatliche Gericht verbindlich anzusehen. Dann sollte das staatliche Gericht diese Entscheidung im Sinne einer prima facie Betrachtung nur in außergewöhnlichen Fällen aufheben. Andererseits steht dem staatlichen Gericht nach der Konzeption des Modellgesetzes die Letztentscheidungsbefugnis über die Zuständigkeits zu, sodass es auch gerechtfertigt sein könnte, den Prüfungsmaßstab als vollumfänglich anzusehen. Folglich kommt es in Ländern, deren Schiedsverfahrensrecht auf dem Modellgesetz basiert auch in diesem Bereich zu unterschiedlichen Entscheidungen.206 Jedoch deutet schon der insofern neutrale Wortlaut des Art. 16(3) S. 2 ModG auf den Normalfall einer umfassenden Prüfung durch das staatliche Gericht hin. Lediglich eingeschränkte Prüfungsmaßstäbe werden hingegen regelmäßig ausdrücklich festgelegt.207 Als Beispiel können die Vorschriften zum einstweiligen Rechtsschutz dienen.208 Bedenkt man darüber hinaus, dass das Versäumnis, nach Art. 16(3) S. 2 ModG gegen die Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts vorzugehen, nach zutreffender Ansicht eine Geltendmachung der fehlenden Zuständigkeit des Schiedsgerichts präkludiert,209 ist von einem umfassenden Prüfungsmaßstab des staatlichen Gerichts auszugehen. Denn eine solch schwerwiegende Rechtsfolge kann durch eine bloße Anscheinsprüfung der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung, die anderenfalls erfolgen würde, nur schwerlich gerechtfertigt werden. Auch die Einordnung der Zuständigkeitsentscheidung als Schiedsspruch spricht für dieses Er204

Art. 16(3) S. 2 ModG: „[…] any party may request […]“. Art. 16(3) S. 2 ModG: „[…] any party may request […] the court specified in article 6 to decide the matter […]“. 206 UNCITRAL, 2012 Digest of Case Law, Art. 16 Rn. 18 ff. 207 Dies zeigen auch die Diskussionen zur Aufnahme des Wortes „manifestly“ in Art. 8(1) ModG, vgl. UNCITRAL, A/CN.9/233, Rn. 77. 208 So z. B. Art. 17 A(2) ModG: „With regard to a request for an interim measure under article 17(2)(d), the requirements in paragraphs (1)(a) and (b) of this article shall apply only to the extent the arbitral tribunal considers appropriate.“; Art. 17 I(2) S. 2 ModG: „The court where recognition or enforcement is sought shall not, in making that determination, undertake a review of the substance of the interim measure.“ 209 Siehe oben, Kapitel E. III. 2. c) dd). 205

III. Für die Entstehung von Parallelverfahren relevante Vorschriften

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gebnis, denn als solcher unterliegt die Schiedsvereinbarung einer Überprüfung nach Maßgabe des Art. 34(2)(a)(i) ModG.210 Dieser verlangt ebenfalls eine vollumfängliche Überprüfung der Schiedsvereinbarung.211 Folglich hat das staatliche Gericht nach Art. 16(3) S. 2 ModG eine umfassende Überprüfung der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts und damit der Schiedsvereinbarung vorzunehmen.212

3. Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung Wie sich den Ausführungen zum Schiedsvereinbarungsstatut bereits entnehmen lässt, sieht Art. 34(2)(a)(i) ModG die Aufhebung des Schiedsspruches vor, wenn dieser nicht auf einer gültigen Schiedsvereinbarung beruht. Die Gültigkeit wird dabei vor dem Hintergrund des Art. 16(3) S. 2 ModG unabhängig von einer vorher durch das Schiedsgericht getroffenen Entscheidung beurteilt.213 Dadurch wird die Letztentscheidungsbefugnis der staatlichen Gerichte unterstrichen. Sollte hingegen ein staatliches Gericht des Sitzstaates zuvor mit der Frage der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung befasst gewesen sein, entfaltet dessen Entscheidung Rechtskraft.214 Aus prozessökonomischen Gründen kann das Recht auf Aufhebung des Schiedsspruches wegen der Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung verwirkt sein, wenn die Ungültigkeit nicht vorher – im Einklang mit Art. 16(2) ModG spätestens mit Einreichung der Klagebeantwortung – geltend gemacht wurde.215 Der Aufhebungsgrund kommt somit nur zum Tragen, wenn das Schiedsgericht fälschlicherweise von einer wirksamen Schiedsvereinbarung ausging und dies von der den Aufhebungsantrag stellenden Partei auch im Schiedsverfahren beanstandet wurde. Meistens wird die Vorschrift des Art. 34(2)(i) Alt. 2 ModG demnach schon im Zuge der Überprüfung der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts nach Art. 16(1) S. 1 ModG zum Tragen kommen.216 Eine Anwendung nach Erlass des Schiedsspruches in der Hauptsache käme demnach nur in dem unwahrscheinlichen Fall in Betracht, dass die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung mit Einreichung der 210

Siehe oben, Kapitel E. III. 2. c) bb). Born, International Commercial Arbitration, S. 3189 f. 212 Ebenso Pavic´, (In)Appropriate Compromise, S. 400 f.; Born, International Commercial Arbitration, S. 1109; differenzierend Bachand 25 Arb Int’l (2009), 431, 450 ff.; offengelassen von Broches, Commentary Model Law, Art. 16 Rn. 31. 213 Born, International Commercial Arbitration, S. 3207. 214 Born, International Commercial Arbitration, S. 3219. 215 Born, International Commercial Arbitration, S. 3221; Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 482 ff.; so auch schon oben, Kapitel E. III. 2. c) dd); a. A. Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 91 ff. 216 Siehe oben Kapitel E. III. 2. c) aa). 211

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E. Das UNCITRAL Modellgesetz als Grundlage eines Rechtsaktes der EU?

Klagebeantwortung geltend gemacht wurde, das Schiedsgericht aber dennoch von einer Entscheidung nach Art. 16(3) S. 1 Alt. 1 ModG abgesehen hat. In diesem Fall hat die Partei demnach erst im Rahmen des Aufhebungsverfahrens gegen den Schiedsspruch in der Hauptsache die Möglichkeit, die Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts von einem staatlichen Gericht überprüfen zu lassen.217

IV. Ergebnis Als Ergebnis lässt sich somit festhalten, dass die Regelungen des Modellgesetzes zur Gültigkeit der Schiedsvereinbarung und zur Zuständigkeitsallokation zwischen staatlichem Gericht und Schiedsgericht zahlreiche Unsicherheiten mit sich bringen. Die Anwendung der einschlägigen Vorschriften des Modellgesetzes kann daher ebenfalls zu uneinheitlichen Ergebnissen in diesem Bereich führen. Der Grund dafür, dass keine eindeutigeren Regelungen getroffen wurden, ist zum einen in dem großen Forum zu sehen, in dem das Modellgesetz erarbeitet wurde, sowie in der damit einhergehenden Notwendigkeit, Kompromisse einzugehen. Zum anderen stellt die Regelung der Zuständigkeitsallokation im Bereich internationaler Schiedsverfahren eine höchst komplexe Materie dar. Es überrascht daher nicht, dass sie infolge der unterschiedlichen Sichtweisen verschiedener Spruchkörper stets zu uneinheitlichen Ergebnissen führt, sofern die entsprechenden Vorschriften Raum für Interpretation geben. Eine wirkliche Vereinheitlichung der Rechtsanwendung wird sich in diesem Bereich somit nur realisieren lassen, indem einem Spruchkörper die Verantwortung für eine einheitliche Auslegung der Vorschriften übertragen wird. Wie gezeigt, können die travaux préparatoires dabei eine wertvolle Auslegungsquelle darstellen. Dennoch veranschaulicht die Verbreitung des Modellgesetzes, dass es die bislang aussichtsreichste Grundlage internationaler Harmonisierungsbestrebungen im Bereich der Handelsschiedsgerichtsbarkeit darstellt. Die immer weitreichenderen Rechtsetzungsbefugnisse der EU könnten bei Zugrundelegung des Modellgesetzes so einen Synergieeffekt bewirken, der über die bestehenden Unsicherheiten hinweghelfen würde. Die Probleme des Straßburger Übereinkommens, wie zum Beispiel zu weitreichende Vorbehaltsregelungen, könnten so vermieden werden. Im Ergebnis stellt das Modellgesetz also zwar keine perfekte Grundlage für ein einheitliches Schiedsverfahrensrecht in der EU dar, ist aber in Anbetracht seiner Verbreitung und des bereits herbeigeführten Kompromisses dennoch als Vorbild geeignet.

217 Bezüglich der Folgen einer Entscheidung des Schiedsgerichts nach Art. 16(3) S. 1 Alt. 1 ModG kann auf die vorhergehenden Ausführungen verwiesen werden, siehe oben Kapitel E. III. 2. c) bb); siehe dazu auch Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 95.

F. Die Rezeption des Modellgesetzes in den Mitgliedstaaten der EU I. Das Modellgesetz als Abgrenzungskriterium Nachdem im vorangegangenen Kapitel diejenigen Vorschriften des Modellgesetzes ausgemacht und erörtert wurden, welche die zentralen Regelungsgegenstände der Schiedsvereinbarung sowie der (schieds-)gerichtlichen Zuständigkeit betreffen, gilt es im Folgenden zu untersuchen, wie diese Bereiche in den Mitgliedstaaten der EU geregelt sind und inwiefern die Regelungen in diesen Bereichen voneinander abweichen. Da jede Abweichung die oben aufgezeigten Probleme verstärkt, ist die Analyse zugleich ein Beitrag zur Klärung des Reformbedarfs. Das Modellgesetz fand im Allgemeinen – und auch in den damaligen Mitgliedstaaten der EG – zunächst keinen übermäßigen Anklang.1 Mittlerweile haben zwar insgesamt 17 der (noch) 28 Mitgliedstaaten der EU Schiedsverfahrensgesetze auf Grundlage des Modellgesetzes erlassen.2 Da das Modellgesetz jedoch lediglich eine Gesetzesvorlage darstellt, deren Umsetzung freiwillig erfolgt und von der abgewichen werden kann, bestehen selbst in diesen Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede. Einführend werden im Folgenden zunächst die wichtigsten Unterschiede zwischen den Schiedsverfahrensgesetzen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Entstehung von Parallelverfahren dargestellt. Mit Blick auf den Modellcharakter steht dabei die Regelungstechnik, nicht die konkrete Rechtsanwendung im Vordergrund.

1

Vgl. Jaeger, Umsetzung des UNCITRAL-Modellgesetzes, S. 26 ff. UNCITRAL, UNCITRAL Model Law on International Commercial Arbitration (1985), with amendments as adopted in 2006 – Status, 2016, verfügbar unter http://www.uncitral.org/un citral/en/uncitral_texts/arbitration/1985Model_arbitration_status.html, zuletzt aufgerufen am 13. 6. 2019. 2

162

F. Die Rezeption des Modellgesetzes in den Mitgliedstaaten der EU

II. Unterschiede zwischen den Schiedsverfahrensgesetzen der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit der Entstehung von Parallelverfahren Der folgende tabellarische Überblick über die vorliegend relevanten Teilbereiche der Schiedsverfahrensgesetze der Mitgliedstaaten ist getrennt nach Staaten, deren Schiedsrecht nach Angaben von UNCITRAL auf dem Modellgesetz basiert (Modellgesetz-Staaten) und Staaten, in denen dies nicht der Fall ist (Nicht-ModellgesetzStaaten).3 Auf eine Darstellung des Schiedsvereinbarungsstatuts wird dabei verzichtet, da in diesem komplexen Bereich selbst die Ermittlung der entsprechenden Normen in einzelnen Mitgliedstaaten nicht ohne vertiefte Sprach- und Rechtskenntnisse der jeweiligen Jurisdiktion möglich ist. Zugleich ist eine Untersuchung auch nicht erforderlich, weil der Harmonisierungbedarf mangels einer konkreten Regelung für die Anknüpfung nach den Regeln des IPR evident ist. Der Fokus der tabellarischen Übersicht liegt daher auf den formellen Anforderungen an die Schiedsvereinbarung, der Regelung der Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts sowie der Möglichkeit der Überprüfung der Schiedsvereinbarung durch ein staatliches Gericht vor oder während des Schiedsverfahrens. Die Aufhebung des Schiedsspruches bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung ist hingegen in allen nationalen Rechtssystemen der Mitgliedstaaten vorgesehen,4 sodass hier im Rahmen des tabellarischen Überblicks keine nennenswerten Unterschiede aufgezeigt werden könnten. In den beiden nachfolgenden Tabellen werden die einschlägigen Vorschriften sowie die in diesen direkt oder indirekt angeordneten Rechtsfolgen in einer nach Modellgesetz-Staaten und Nicht-Modellgesetz-Staaten unterteilten Übersicht dargestellt. Anschließend werden die ermittelten Ergebnisse zusammengefasst und ausgewertet.

3 UNCITRAL hat keine offiziellen Maßstäbe für die Unterteilung veröffentlicht; es wurde jedoch von anderer Seite angegeben, dass eine Übereinstimmung von 70 – 80 % gegeben sein müsste, vgl. Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 13; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 1.95. 4 Born, International Commercial Arbitration, S. 3188.

II. Unterschiede zwischen den Schiedsverfahrensgesetzen der Mitgliedstaaten

163

1. Modellgesetz-Staaten Rechtsordnung Form der KompetenzSchiedsvereinbarung Kompetenz des Schiedsgerichts5

Staatliche Überprüfung der Schiedsvereinbarung

UNCITRAL ModG

Art. 7 Option I: Schriftlicher Nachweis (Abs. 2 – 6) Art. 7 Option II: keine

Art. 16(1) S. 1, (3): Zuständigkeitsentscheidung als Vorfrage (Alt. 1); Zuständigkeitsentscheidung mit dem Schiedsspruch (Alt. 2)

Art. 8(1): Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht Art. 16(3): Nach Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Vorfrage

Belgien6

Art. 1681: keine

Art. 1690(1) S. 1, (3): Zuständigkeitsentscheidung als Vorfrage (Alt. 1); Zuständigkeitsentscheidung mit dem Schiedsspruch (Alt. 2)

Art. 1682(1): Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht Art. 1690(4): keine Überprüfung der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Vorfrage; aber Überprüfung einer negativen Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts

Bulgarien7

Art. 7: Schriftform (Abs. 2)

Art. 19(1), 20(4): (negative) Zuständigkeitsentscheidung i. V. m. Art. 42 Nr. 3 (Alt. 1); (positive) Zuständigkeitsentscheidung mit dem Schiedsspruch (Alt. 2)

Art. 8(1) S. 2: Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht

5 Die Terminologie bezüglich der Art der Zuständigkeitsentscheidung ist an den Wortlaut der jeweiligen englischen Übersetzung angelehnt. 6 Art. 1676 – 1722 belgische ZPO, vgl. Keutgen/Dal/Dal, Belgium, in: Handbook Commercial Arbitration. 7 Law on International Commercial Arbitration, vgl. Alexiev, Republic of Bulgaria, in: Handbook Commercial Arbitration.

164

F. Die Rezeption des Modellgesetzes in den Mitgliedstaaten der EU

Rechtsordnung Form der KompetenzSchiedsvereinbarung Kompetenz des Schiedsgerichts5

Staatliche Überprüfung der Schiedsvereinbarung

Dänemark8

Sect. 7(1): keine

Sect. 16(1) S. 1, (3): Zuständigkeitsentscheidung als Vorfrage (Alt. 1); Zuständigkeitsentscheidung mit dem Schiedsspruch (Alt. 2)

Sect. 8(1): Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht; jedoch nur Überprüfung der Schiedsfähigkeit des Streitgegenstandes, nicht der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung (S. 2) Sect. 16: Nach Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Vorfrage (Abs. 3); Präklusionswirkung bei Unterlassen (Abs. 4)

Deutschland9

§ 1031(1) – (4): Schriftlicher Nachweis

§ 1040(1) S. 1, (3) S. 1: In der Regel Zuständigkeitsentscheidung durch Zwischenentscheid

§ 1032(1): Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht § 1032(2): Zulässigkeitskontrolle, nur bis zur Bildung des Schiedsgerichts § 1040(3) S. 2, 3: Nach Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts durch Zwischenentscheid

8 Danish Arbitration Act 2005, vgl. Spierman, Denmark, in: Handbook Commercial Arbitration. 9 §§ 1025 – 1066 dZPO, vgl. Kröll, Germany, in: Handbook Commercial Arbitration.

II. Unterschiede zwischen den Schiedsverfahrensgesetzen der Mitgliedstaaten

165

Rechtsordnung Form der KompetenzSchiedsvereinbarung Kompetenz des Schiedsgerichts5

Staatliche Überprüfung der Schiedsvereinbarung

Estland10

§ 730(1) S. 1, (5): Ausschließlich Zuständigkeitsentscheidung als Zwischenentscheidung11

§ 730(8): Zuständigkeitsentscheidung entweder durch das Schiedsgericht oder ein staatliches Gericht § 730(1) S. 1, (6) i. V. m. § 755(4): Nur nach Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Zwischenentscheidung

Griechenland12 Art. 7(3) – (6): Schriftlicher Nachweis

Art. 16(1) S. 1, (3): Zuständigkeitsentscheidung als Vorfrage (Alt. 1); Zuständigkeitsentscheidung mit dem Schiedsspruch (Alt. 2)

Art. 8(1): Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht

Irland13

Art. 16(1) S. 1, (3) ModG: Zuständigkeitsentscheidung als Vorfrage (Alt. 1); Zuständigkeitsentscheidung mit dem Schiedsspruch (Alt. 2)

Art. 8(1) ModG: Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht Art. 16(3) ModG: Nach Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Vorfrage

§ 719(1): Schriftlicher Nachweis

Sect. 2(1) i. V. m. Art. 7 Option I ModG: Schriftlicher Nachweis

10 §§ 712 – 758 estnische ZPO, eine englischsprachige Version ist verfügbar unter http:// www.newyorkconvention.org/national+arbitration+law+-+estonia, zuletzt aufgerufen am 27. 10. 2017. 11 Die Entscheidung der Zuständigkeitsfrage erst mit dem Schiedsspruch wurde jedoch von einem estnischen Gericht nicht als Anerkennungsversagungsgrund angesehen; UNCITRAL, 2012 Digest of Case Law, Art. 34 Rn. 113. 12 Law on International Commercial Arbitration, vgl. Vassardanis, Greece, in: Handbook Commercial Arbitration. 13 Arbitration Act 2010, vgl. Reichert SC/Carey, Ireland, in: Handbook Commercial Arbitration.

166

F. Die Rezeption des Modellgesetzes in den Mitgliedstaaten der EU

Rechtsordnung Form der KompetenzSchiedsvereinbarung Kompetenz des Schiedsgerichts5

Staatliche Überprüfung der Schiedsvereinbarung

Kroatien14

Art. 6(2) – (5): Schriftlicher Nachweis

Art. 15(1) S. 1, (3): Zuständigkeitsentscheidung als Vorfrage (Alt. 1); Zuständigkeitsentscheidung mit dem Schiedsspruch (Alt. 2)

Art. 42(1): Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht Art. 15(3), (4): Nach Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Vorfrage (im Eilverfahren)

Litauen15

Art. 10(2): Schriftlicher Nachweis

Art. 19(1) S. 1, (3): Zuständigkeitsentscheidung als Teilschiedsspruch (Alt. 1); Zuständigkeitsentscheidung mit dem Schiedsspruch (Alt. 2)

Art. 11(2): Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht (nur vor Bildung des Schiedsgerichts, S. 2) Art. 50(3) Nr. 1: Nach Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Teilschiedsspruch

Malta – Arbitration Act 199816

Art. 7(2) ModG: Schriftlicher Nachweis

Art. 16(1) S. 1, (3) ModG: Zuständigkeitsentscheidung als Vorfrage (Alt. 1); Zuständigkeitsentscheidung mit dem Schiedsspruch (Alt. 2)

Art. 8(1) ModG: Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht Art. 16(3) ModG: Nach Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Vorfrage

14

Law on Arbitration, vgl. Uzelac, Croatia, in: Handbook Commercial Arbitration. Law on Commercial Arbitration, vgl. Vaitkute˙ Pavan/Auksˇtuoliene˙ , Lithuania, in: Handbook Commercial Arbitration. 16 Arbitration Act 1998, vgl. Carlevaris 19(3) J. Int. Arb. (2002) 275, 281; Ganado/Mallia 68(4) Arbitration (2002) 389 ff.; eine englische Version des Gesetzes ist abgedruckt bei Bosman, Malta, in: Handbook Commercial Arbitration. 15

II. Unterschiede zwischen den Schiedsverfahrensgesetzen der Mitgliedstaaten

167

Rechtsordnung Form der KompetenzSchiedsvereinbarung Kompetenz des Schiedsgerichts5

Staatliche Überprüfung der Schiedsvereinbarung

Österreich17

§ 583(1): Schriftlicher Nachweis

§ 592(1): Zuständigkeitsentscheidung mit der Entscheidung in der Sache (Alt. 1); Zuständigkeitsentscheidung in einem eigenen Schiedsspruch (Alt. 2)

§ 584(1) S. 2: Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht (nur vor Bildung des Schiedsgerichts, es sei denn Unzuständigkeit wurde gerügt; Abs. 3) § 611(2) Nr. 1: Nach Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts in eigenem Schiedsspruch

Polen18

Art. 1162 § 2: Schriftlicher Nachweis

Art. 1180 §§ 1, 3: Zuständigkeitsentscheidung als Vorfrage; Zuständigkeitsentscheidung mit dem Schiedsspruch

Art. 1165 § 2: Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht Art. 1180 § 3: Nach Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Vorfrage

Slowakei19

§ 4(2) – (7): Schriftlicher Nachweis

§ 21(1) S. 1, (4) S. 1: Zuständigkeitsentscheidung als Vorfrage (Alt. 1 i. V. m. § 38(1)); Zuständigkeitsentscheidung mit dem Schiedsspruch, nur sofern die Parteien nichts Gegenteiliges vereinbart haben (Alt. 2)

§§ 5(1) i. V. m. 8, 7(2) slovakische ZPO: Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht; nur vor Einleitung eines Schiedsverfahrens § 21(4) S. 2: Nach Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Vorfrage

17 §§ 577 – 618 österreichische ZPO, vgl. Melis, Austria, in: Handbook Commercial Arbitration. 18 Art. 1154 – 1217 polnische ZPO, vgl. Wis´niewski, Poland, in: Handbook Commercial Arbitration. 19 Act No. 244/2002 Coll. on arbitration, vgl. Magál/Porubsky, Slovakia, Global Arbitration Review, verfügbar unter http://globalarbitrationreview.com/jurisdiction/1003144/slovakia, zuletzt aufgerufen am 15. 2. 2018.

168

F. Die Rezeption des Modellgesetzes in den Mitgliedstaaten der EU

Rechtsordnung Form der KompetenzSchiedsvereinbarung Kompetenz des Schiedsgerichts5

Staatliche Überprüfung der Schiedsvereinbarung

Slowenien20

Art. 10(2) – (5): Schriftlicher Nachweis

Art. 19(1) S. 1, (3) S. 1: Zuständigkeitsentscheidung grundsätzlich nur als getrennte Entscheidung

Art. 11(1): Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht Art. 11(3): Klage auf Feststellung der (Un-) Gültigkeit der Schiedsvereinbarung; nur vor Bildung des Schiedsgerichts Art. 19(3) S. 2, 3: Nach Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als getrennte Entscheidung (im Eilverfahren)

Spanien21

Art. 9(3): Schriftlicher Nachweis

Art. 22(1) S. 1, (3) S. 1: Zuständigkeitsentscheidung als Vorfrage (Alt. 1); Zuständigkeitsentscheidung mit dem Schiedsspruch (Alt. 2)

Art. 11(1) i. V. m. Art. 63 – 67 spanische ZPO: Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht, nur vor Beginn des Schiedsverfahrens Art. 22(3) S. 2, 3: Nach Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Vorfrage

Ungarn22

Sect. 8(3) – (5): Schriftlicher Nachweis

Sect. 17(1) S. 1, (3) S. 1: Zuständigkeitsentscheidung als Vorfrage (Alt. 1); Zuständigkeitsentscheidung mit dem Schiedsspruch (Alt. 2)

Sect. 8(1) S. 1: Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht Sect. 17(3) S. 2: Nach Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Vorfrage

20 Law on Arbitration; eine englische Version des Gesetzes ist abgedruckt bei Bosman, Slovenia, in: Handbook Commercial Arbitration. 21 Consolidated Arbitration Law, vgl. Cremades/Cairns, Spain, in: Handbook Commercial Arbitration. 22 Act No. LX of 2017 on Arbitration; eine englische Version des Gesetzes ist verfügbar unter http://www.ilo.org/dyn/natlex/docs/ELECTRONIC/106843/131257/F-266585574/J201 7T0060P_20180102_FIN.pdf, zuletzt aufgerufen am 24. 2. 2021.

II. Unterschiede zwischen den Schiedsverfahrensgesetzen der Mitgliedstaaten

169

Rechtsordnung Form der KompetenzSchiedsvereinbarung Kompetenz des Schiedsgerichts5

Staatliche Überprüfung der Schiedsvereinbarung

Zypern23

Sect. 8(1): Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht Sect. 16(3): Nach Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Vorfrage

Sect. 7(2), (3): Schriftlicher Nachweis

Sect. 16(1) S. 1, (3): Zuständigkeitsentscheidung als Vorfrage (Alt. 1); Zuständigkeitsentscheidung mit dem Schiedsspruch (Alt. 2)

23 International Commercial Arbitration Law, 1987; eine englische Version des Gesetzes ist abgedruckt bei Bosman, Cyprus, in: Handbook Commercial Arbitration.

170

F. Die Rezeption des Modellgesetzes in den Mitgliedstaaten der EU

2. Nicht-Modellgesetz-Staaten Rechtsordnung Form der KompetenzSchiedsvereinbarung Kompetenz des Schiedsgerichts24

Staatliche Überprüfung der Schiedsvereinbarung

England und Wales25

Sect. 5: Schriftlicher Nachweis Sect. 81(1)(b) i. V. m. common law: keine

Sect. 30(1), 31(4): Zuständigkeitsentscheidung als eigener Schiedsspruch (lit. a); Zuständigkeitsentscheidung mit dem Schiedsspruch in der Hauptsache (lit. b)

Sect. 9(4): Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht Sect. 67(1): Nach Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Zwischenschiedsspruch Sect. 32: Jederzeit auf Antrag, aber nur mit Zustimmung aller Parteien oder Genehmigung des Schiedsgerichts

Finnland26

Sect. 3: Schriftlicher Nachweis

Nicht gesetzlich geregelt

Sect. 5(1): Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht (und Ort des Schiedsgerichts im Inland; nicht ausdrücklich geregelt) Sect. 51(1): Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht und Ort des Schiedsgerichts im Ausland

24

Die Terminologie bezüglich der Art der Zuständigkeitsentscheidung ist an den Wortlaut der jeweiligen englischen Übersetzung angelehnt. 25 Arbitration Act 1996, vgl. Veeder QC/Diwan QC, England and Wales, in: Handbook Commercial Arbitration. 26 Arbitration Act, vgl. Möller, Finland, in: Handbook Commercial Arbitration.

II. Unterschiede zwischen den Schiedsverfahrensgesetzen der Mitgliedstaaten

171

Rechtsordnung Form der Schiedsvereinbarung

KompetenzKompetenz des Schiedsgerichts27

Staatliche Überprüfung der Schiedsvereinbarung

Frankreich28

Art. 1507, 1508: keine

Art. 1506(3), 1465: Zuständigkeitsentscheidung als Zwischenschiedsspruch; oder Zuständigkeitsentscheidung mit dem finalen Schiedsspruch

Art. 1506(1), 1448: Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht, jedoch nur vor Bildung des Schiedsgerichts Art. 1520: Nach Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Zwischenschiedsspruch

Italien29

Art. 807, 808: Schriftlicher Nachweis

Art. 817(1): Zuständigkeitsentscheidung als Zwischenschiedsspruch, nur angreifbar zusammen mit dem Schiedsspruch in der Hauptsache

Umkehrschluss aus Art. 819 –ter(3): Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht, nur vor Bildung des Schiedsgerichts

Lettland30

Art. 12(1): Schriftform

Art. 24(1):31 Zuständigkeitsentscheidung durch Schiedsgericht

Art. 132(1) Nr. 3, 223 Nr. 6 lettische ZPO: Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht (Jederzeit Klage auf Feststellung der Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung möglich)32

27

Die Terminologie bezüglich der Art der Zuständigkeitsentscheidung ist an den Wortlaut der jeweiligen englischen Übersetzung angelehnt. 28 Art. 1442–1527 NCPC, vgl. Derains/Kiffer, France, in: Handbook Commercial Arbitration. 29 Art. 806 – 840 ital. ZPO, vgl. Bernardini, Itlay, in: Handbook Commercial Arbitration. 30 Arbitration Law, vgl. Lejin¸sˇ/Kalnina, Latvia, in: Handbook Commercial Arbitration. 31 Das lettische Verfassungsgericht hat in einer Entscheidung vom 28. 11. 2014 (Case No. 2014 – 09 – 01) entschieden, dass Art. 24(1) Arbitration Law verfassungswidrig ist, da die Vorschrift die jederzeitige Überprüfung der Schiedsvereinbarung durch ein staatliches Gericht unterbindet; die Entscheidung ist im Internet abrufbar unter http://www.satv.tiesa.gov.lv/wp-con tent/uploads/2014/03/2014-09-01_Spriedums_ENG.pdf, zuletzt aufgerufen am 24. 2. 2021. 32 Ebd.

172

F. Die Rezeption des Modellgesetzes in den Mitgliedstaaten der EU

Rechtsordnung Form der Schiedsvereinbarung

KompetenzKompetenz des Schiedsgerichts27

Staatliche Überprüfung der Schiedsvereinbarung

Luxemburg33

Art. 1226: Niederschrift vor den Schiedsrichtern; Notarielle Beurkundung; Schriftform

Nicht ausdrücklich geregelt: Zuständigkeitsentscheidung als Vorfrage34

Nicht ausdrücklich geregelt: Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht35

Niederlande36

Art. 1021: Schriftlicher Nachweis

Art. 1052(1), (4): Zuständigkeitsentscheidung, die nur mit dem Schiedsspruch in der Hauptsache angegriffen werden kann

Art. 1022, 1074: Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht, nur vor Bildung des Schiedsgerichts

Portugal37

Art. 2: Schriftlicher Nachweis

Art. 18(1), (8): Zuständigkeitsentscheidung als Zwischenentscheidung (Alt. 1); Zuständigkeitsentscheidung mit dem Schiedsspruch (Alt. 2)

Art. 5(1): Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht Art. 18(9): Nach Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Zwischenentscheidung

33

Art. 1224 – 1251 – 24 neue luxemburgische ZPO, vgl. Harles, Luxembourg, in: Handbook Commercial Arbitration; Luxemburg plant gegenwärtig jedoch eine Reform des Schiedsverfahrensrechts auf Grundlage des ModG, vgl. https://www.chd.lu/wps/portal/public/ Accueil/TravailALaChambre/Recherche/RoleDesAffaires?action=doDocpaDetails&id=7671, zuletzt aufgerufen am 24. 2. 2021. 34 Harles, Luxembourg, S. 18, in: Handbook Commercial Arbitration. 35 Harles, Luxembourg, S. 7, in: Handbook Commercial Arbitration. 36 Art. 1020 – 1076 niederländische ZPO, vgl. Rumora-Scheltema/Hoebeke, The New Dutch Arbitration Act 2015, Kluwer Arbitration Blog, 25. 2. 2015, verfügbar unter http://arbitra tionblog.kluwerarbitration.com/2015/02/25/the-new-dutch-arbitration-act-2015/, zuletzt aufgerufen am 3. 11. 2017.; Maarschalkerweerd/van Zelst 20(2) IBA Arb. News (2015) 62 ff.; eine englische Übersetzung des Gesetzes ist abgedruckt bei Bosman, The Netherlands, in: Handbook Commercial Arbitration. 37 Voluntary Arbitration Act, vgl. Moura Vicente, Portugal, in: Handbook Commercial Arbitration.

II. Unterschiede zwischen den Schiedsverfahrensgesetzen der Mitgliedstaaten

173

Rechtsordnung Form der Schiedsvereinbarung

KompetenzKompetenz des Schiedsgerichts27

Staatliche Überprüfung der Schiedsvereinbarung

Rumänien38

Art. 1112(1): Schriftlicher Nachweis

Art. 1118(1): Zuständigkeitsentscheidung, die nur mit dem Schiedsspruch in der Hauptsache angegriffen werden kann

Art. 1068(b): Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht

Schweden39

Sect. 1: keine

Sect. 2: Zuständigkeitsentscheidung als Zwischenentscheidung oder mit dem Schiedsspruch in der Hauptsache

Sect. 2, 4a(1): Klage auf Feststellung der Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung, nur vor Bildung des Schiedsgerichts; Nach Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Zwischenentscheidung

Tschechische Republik40

Sect. 3(1): Schriftlicher Nachweis

Sect. 15(1) S. 1: Zuständigkeitsentscheidung als Vorfrage oder mit dem Schiedsspruch in der Hauptsache

Sect. 30 i. V. m. Sect. 106 tschechische ZPO: Bei Klageerhebung in der Hauptsache vor staatlichem Gericht, nur vor Bildung des Schiedsgerichts und nach Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts

38

Art. 541 – 621, 1110 – 1132 rumänische ZPO, vgl. Nit¸u/Petrescu/Turenici, Arbitration procedures and practice in Romania: overview, UK Practical Law, verfügbar unter https://uk. practicallaw.thomsonreuters.com/9-632-9157?transitionType=Default&contextData=(sc.De fault)&firstPage=true&bhcp=1, zuletzt aufgerufen am 3. 11. 2017; eine englische Übersetzung des Gesetzes ist abgedruckt bei Bosman, Romania, in: Handbook Commercial Arbitration. 39 Arbitration Act 2019; eine englische Übersetzung des Gesetzes ist verfügbar unter https:// sccinstitute.com/media/408924/the-swedish-arbitration-act_1march2019_eng.pdf, zuletzt aufgerufen am 14. 6. 2019; 40 Arbitration Act, vgl. Maisner/Olík, Czech Republic, in: Handbook Commercial Arbitration.

174

F. Die Rezeption des Modellgesetzes in den Mitgliedstaaten der EU

3. Darstellung der Bandbreite an Lösungsansätzen Wie die Tabellen zeigen, ergeben sich auf Grund des unverbindlichen Charakters des Modellgesetzes selbst in denjenigen Staaten, die ihr Schiedsverfahrensrecht auf Grundlage des Modellgesetzes entwickelt haben, erhebliche Unterschiede bei den Regelungen, die die Schiedsvereinbarung und die Zuständigkeitsverteilung zwischen Schiedsgericht und staatlichem Gericht betreffen. Die Form der Schiedsvereinbarung wird uneinheitlich geregelt, was jedoch auch bereits durch die im Modellgesetz eröffnete Wahlmöglichkeit zwischen Variante I und Variante II des Art. 7 ModG nahegelegt wird. So sind in den ModellgesetzStaaten vom konservativen Erfordernis der klassischen Schriftform41 über den zumeist verfolgten Mittelweg des Erfordernisses eines schriftlichen Nachweises42 bis hin zum gänzlichen Verzicht auf formelle Anforderungen43 unterschiedliche Ansätze vorzufinden. Auch in den Staaten, die das Modellgesetz nicht rezipiert haben, ist die gesamte Bandbreite an Formerfordernissen vertreten. Auf der einen Seite stellt zum Beispiel Luxemburg sehr restriktive Anforderungen, da zumindest Schriftform, oder alternativ eine mündliche Vereinbarung vor den Schiedsrichtern oder eine notarielle Beurkundung der Vereinbarung erforderlich ist.44 Auf der anderen Seite stehen mit Frankreich und Schweden Mitgliedstaaten, die keinerlei Formerfordernisse statuieren.45 Überwiegend ist aber auch abseits der Modellgesetz-Staaten ein schriftlicher Nachweis über die Existenz der Schiedsvereinbarung erforderlich.46 Im Bereich der Zuständigkeitsverteilung zwischen Schiedsgericht und staatlichem Gericht, also der Regelung der Kompetenz-Kompetenz sowie der Möglichkeit einer parallelen Überprüfung der Entscheidung des Schiedsgerichts durch ein staatliches Gericht, verbietet sich die Bildung von Kategorien in der vorgenannten Weise in Anbetracht der Vielzahl verschiedener Ausgestaltungen a priori. In den Modellgesetz-Staaten übernehmen hier lediglich drei Mitgliedstaaten die Regelungen des Modellgesetzes ohne weitere Abänderungen.47 In den anderen Mitgliedstaaten betreffen die Unterschiede häufig insbesondere die Bereiche, die auch bei der Entwicklung des Modellgesetzes umstritten waren, beziehungsweise bei dessen Auslegung noch immer strittig sind. Der positive Effekt der Kompetenz-Kompetenz ist zunächst in allen Mitgliedstaaten gesetzlich anerkannt. Nur in Finnland ergibt sich die Kompetenz des Schiedsgerichts, über die eigene Zuständigkeit zu entscheiden, nicht direkt aus dem 41

Bulgarien. Deutschland, Estland, Griechenland, Irland, Kroatien, Litauen, Malta, Österreich, Polen, Slowakei, Slowenien, Spanien, Ungarn, Zypern. 43 Belgien, Dänemark, England und Wales. 44 Art. 1226 luxemburgische ZPO; ein Schriftformerfordernis besteht auch in Lettland. 45 Art. 1507, 1508 NCPC; Sect. 1 Arbitration Act 1999. 46 Italien, Niederlande, Portugal, Rumänien, Tschechische Republik. 47 Irland, Malta, Zypern. 42

II. Unterschiede zwischen den Schiedsverfahrensgesetzen der Mitgliedstaaten

175

Gesetz, ist aber dennoch allgemein akzeptiert.48 Umgekehrt ist der negative Effekt der Kompetenz-Kompetenz nur in Frankreich gesetzlich verankert.49 Allerdings wird er auch dort nicht konsequent umgesetzt, da eine Entscheidung über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung per Zwischenschiedsspruch möglich bleibt.50 Abweichungen in den anderen Mitgliedstaaten ergeben sich aus der Möglichkeit des Schiedsgerichts, die Entscheidung über die eigene Zuständigkeit vor Erlass des Schiedsspruchs in der Hauptsache zu treffen sowie der korrespondierenden Möglichkeit der Überprüfung dieser Entscheidung durch ein staatliches Gericht während des anhängigen Schiedsverfahrens. Hier ist von einem Ansatz, der darauf abzielt möglichst früh Rechtssicherheit bezüglich der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung herzustellen,51 bis zu einer Vertagung dieser Entscheidung zugunsten der Vermeidung von Verzögerungstaktiken bis nach Erlass des Schiedsspruches,52 eine große Bandbreite an Kompromisslösungen zu finden, die zwischen diesen beiden Extrempositionen liegen. In der Mehrzahl der Fälle kann das Schiedsgericht eine isolierte Zuständigkeitsentscheidung treffen, die unmittelbar Gegenstand einer staatlichen Kontrolle ist.53 Die Vielzahl der Ergänzungen dieses Grundsatzes in den Modellgesetz-Staaten belegt hierbei jedoch eindrücklich, dass die Umsetzung der Gesetzesvorlage oftmals nicht ohne Veränderungen erfolgt. So ist beispielsweise in Belgien lediglich die unmittelbare Überprüfung einer negativen Zuständigkeitsentscheidung vorgesehen.54 Kroatien und Slowenien führen die Überprüfung in einem Eilverfahren durch.55 Das deutsche Recht beinhaltet zusätzlich zur Überprüfung der Zuständigkeitsentscheidung eine Zulässigkeitskontrolle vor der Bildung des Schiedsgerichts.56 Ungarn hat hingegen mit Inkrafttreten des neuen Act No. LX of 2017 on Arbitration im Bereich der Kompetenzverteilung terminologisch eine weitere Annäherung an das Modellgesetz vollzogen. Nachdem das alte Schiedsrecht noch auf dem ModG 1985 beruhte, wurde die Neufassung auf Grundlage des ModG 2006 erarbeitet.57 Sect. 24(1) S. 1, 25(1) S. 2 des alten Act No. LXXI on Arbitration sahen eine 48

Möller, Finland, S. 17 f., in: Handbook Commercial Arbitration. Art. 1448 NCPC, siehe dazu unten Kapitel G. III. 4. b). 50 Art. 1520 NCPC, siehe dazu unten Kapitel G. III. 4. b). 51 Dänemark. 52 Niederlande. 53 Dänemark, Deutschland, Estland, England und Wales, Irland, Kroatien, Litauen, Malta, Österreich, Polen, Slowakei, Slowenien, Ungarn, Zypern, Portugal, Tschechische Republik. 54 Art. 1690(4) belgische ZPO. 55 Art. 19(3) S. 3 Law on Arbitration Slovenia; Art. 15(4) Law on Arbitration Croatia; vgl. Uzelac, Croatia, S. 14, in: Handbook Commercial Arbitration. 56 § 1032(2) ZPO, siehe dazu unten Kapitel G. II. 3. b) bb). 57 Novák, New Arbitration Act in Hungary, Kluwer Arbitration Blog, 15. 10. 2017, verfügbar unter http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2017/10/15/new-arbitration-act-hun gary/, zuletzt aufgerufan am 15. 6. 2019; siehe allgemein dazu auch Wilske/Markert/Bräuninger, SchiedsVZ 2019, 101, 107. 49

176

F. Die Rezeption des Modellgesetzes in den Mitgliedstaaten der EU

Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts „bei Erhebung der Einrede“ vor und wich damit vom Wortlaut der Vorbildvorschrift in Art. 16(3) S. 1 ModG 1985 ab.58 Sect. 17(3) S. 1 Act No. LX of 2017 on Arbitration hat insoweit jetzt den Wortlaut nahezu identisch übernommen.59 Diese semantische Annäherung führt zu einer besseren Verständlichkeit der Vorschriften, da dem Rechtsanwender unmittelbar klar ist, dass Ungarn die Regelung des Art. 16(3) S. 1 ModG umgesetzt hat. In den Mitgliedstaaten, die nicht das Modellgesetz übernommen haben, findet sich teilweise ausschließlich das aus Art. II(3) UNÜ folgende Überprüfungsrecht bei Klageerhebung in der Hauptsache.60 Nennenswert ist in diesem Zusammenhang eine Entscheidung des lettischen Verfassungsgerichts. Dieser zufolge ist die aus Art. 24(1) Arbitration Law folgende Entscheidungsbefugnis des Schiedsgerichts verfassungswidrig, da sie die Überprüfung der Schiedsvereinbarung durch ein staatliches Gericht unterbindet. Damit verstoße die Vorschrift gegen das Recht auf ein faires Verfahren, sodass eine Überprüfung nach der Entscheidung des Gerichts unabhängig der gesetzlichen Regelung jederzeit möglich ist.61 Dieses Richterrecht bricht mit dem bestehenden Rechtsrahmen und führt so möglicherweise zu Rechtsunsicherheit, da die Überprüfungsbefugnis sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz ergibt. Das neue schwedische Schiedsverfahrensrecht hat demgegenüber im Allgemeinen und insbesondere im Bereich der Kompetenzverteilung zu einer Annäherung an das Modellgesetz geführt.62 Nach dem alten Arbitration Act 1999 war nach einer Entscheidung des schwedischen Obersten Gerichtshofs gemäß Sect. 2 S. 2 Arbitration Act 1999 i. V. m. Sect. 13 schwedische ZPO jederzeit eine Klage auf Feststellung der Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung zulässig, sofern ein berechtigtes Interesse des Klägers bestand.63 Diese Möglichkeit wurde nun durch Sect. 4a Ar-

58 Vgl. Sect. 25(1) S. 1 Act No. LXXI on Arbitration: „The arbitral tribunal may rule on a plea referred to in Section 24 either when the plea is raised […]“ gegenüber Art. 16(3) S. 1 ModG 1985: „The arbitral tribunal may rule on a plea referred to in paragraph (2) of this article either as a preliminary question […]“. 59 Vgl. Sect. 17(3) S. 1 Act No. LX of 2017 on Arbitration: „The arbitral tribunal may rule on an objection referred to in paragraph (2) either as a preliminary question […]“. 60 Finnland, Italien, Luxemburg, Niederlande, Rumänien, Tschechische Republik. 61 Constitutional Court of the Republic of Latvia, 28. 11. 2014, Case No. 2014 – 09 – 01, verfügbar unter http://www.satv.tiesa.gov.lv/wp-content/uploads/2014/03/2014-09-01_Sprie dums_ENG.pdf, zuletzt aufgerufen am 14. 5. 2019. 62 Wilske/Markert/Bräuninger, SchiedsVZ 2019, 101, 107; Shaughnessy, Sweden Adopts Revisions to Modernize its Arbitration Act, Kluwer Arbitration Blog, 1. 12. 2018, verfügbar unter http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2018/12/01/sweden-adopts-revisions-to-mo dernize-its-arbitration-act/, zuletzt aufgerufen am 14. 6. 2019. 63 Oberster Gerichtshof Schweden (Högsta domstolen) 12. 11. 2010, Case No. Ö 2301 – 09, RosinvestCo UK Ltd v. The Russian Federation, verfügbar unter https://www.italaw.com/sites/de fault/files/case-documents/ita0722.pdf, zuletzt aufgerufen am 3. 11. 2017.

II. Unterschiede zwischen den Schiedsverfahrensgesetzen der Mitgliedstaaten

177

bitration Act 2019 ab dem Zeitpunkt der Bildung des Schiedsgerichts beseitigt.64 Eine Überprüfung der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts ist nunmehr nach Sect. 2 Arbitration Act 2019 nur noch zulässig, nachdem eine Zwischenentscheidung über die Zuständigkeit ergangen ist.65 Die Fortsetzung des Schiedsverfahrens wird dadurch jedoch – wie im Modellgesetz – nicht gehindert.66 Als Beispiel dafür, dass eine Umsetzung des Modellgesetzes aber nicht unbedingt zu einer Stärkung als Schiedsstandort führt, kann exemplarisch die Reform des belgischen Schiedsrechts genannt werden. Dort trat im Jahr 2013 ein neues Schiedsverfahrensgesetz auf Grundlage des Modellgesetzes in Kraft.67 Es wurde vor dem Hintergrund erlassen, Belgien insbesondere für internationale Schiedsverfahren attraktiver zu machen und das eigene Schiedsrecht anderen Rechtsordnungen anzugleichen.68 Daher wurde für die Überarbeitung das Modellgesetz herangezogen; spezifische Eigenheiten des vorherigen Schiedsgesetzes sollten jedoch beibehalten werden.69 So weichen auch die Regelungen zur Zuständigkeitsallokation von Art. 8, 16 ModG ab, da nach Art. 1690(4) belgische ZPO die Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Vorfrage nicht unmittelbar überprüft werden kann, es sei denn das Schiedsgericht verneint seine Zuständigkeit.70 Das ursprüngliche Schiedsrecht Belgiens basierte im Ausgangspunkt noch auf dem Straßburger Übereinkommen, welches einzig durch Belgien ratifiziert wurde und daher gerade

64

Vgl. Sect. 4a(1) Arbitration Act 2019: „A court may not, over the objections of a party, try the issue of the arbitrators’ jurisdiction in a certain arbitration […]“. 65 Goldsmith/Nettlau, The Revised Swedish Arbitration Act: Some Noteworthy Developments, Kluwer Arbitration Blog, 19. 5. 2019, verfügbar unter http://arbitrationblog.kluwerarbi tration.com/2019/05/19/the-revised-swedish-arbitration-act-some-noteworthy-developments/, zuletzt aufgerufen am 14. 6. 2019; Shaughnessy, Sweden Adopts Revisions to Modernize its Arbitration Act, Kluwer Arbitration Blog, 1. 12. 2018, verfügbar unter http://arbitrationblog.klu werarbitration.com/2018/12/01/sweden-adopts-revisions-to-modernize-its-arbitration-act/, zuletzt aufgerufen am 14. 6. 2019. 66 Vgl. Sect. 2(2) S. 3 Arbitration Act 2019: „The arbitrators may continue the arbitration pending the court’s determination.“ 67 Eine deutsche Version des Gesetzes findet sich in Bassiri/Draye, Arbitration in Belgium, S. 573 ff. 68 Gesetzesbegründung des Belgischen Parlaments zum Gesetz zur Abänderung des sechsten Teils des Gerichtsgesetzbuches über Schiedsverfahren vom 11. 4. 2013, DOC 53 2743/ 001, S. 3, abrufbar unter http://www.lachambre.be/FLWB/pdf/53/2743/53K2743001.pdf, zuletzt aufgerufen am 14. 9. 2017. 69 Gesetzesbegründung des Belgischen Parlaments zum Gesetz zur Abänderung des sechsten Teils des Gerichtsgesetzbuches über Schiedsverfahren vom 11. 4. 2013, DOC 53 2743/ 001, S. 5; für einen Überblick siehe Demeyere/Verbist 6 SchiedsVZ (2013), 310 ff. 70 Vgl. Art. 1690(4) belgische ZPO: „La décision par laquelle le tribunal arbitral s’est déclaré compétent ne peut faire l’objet d’un recours en annulation qu’en même temps que la sentence au fond et par la même voie. Le tribunal de première instance peut également, à la demande d’une des parties, se prononcer sur le bien fondé de la décision d’incompétence du tribunal arbitral.“

178

F. Die Rezeption des Modellgesetzes in den Mitgliedstaaten der EU

nicht zu der gewünschten Vereinheitlichung führte.71 Aufgrund zahlreicher Möglichkeiten, die belgischen Gerichte in das Schiedsverfahren einzubeziehen und dadurch das Verfahren zu verzögern, galt das Gesetz als wenig schiedsfreundlich.72 Die geographische Lage Belgiens sowie die Vielzahl von EU-Einrichtungen in Brüssel und der damit einhergehend ohnehin international ausgerichtete Rechtsmarkt samt zugehöriger Infrastruktur gaben eigentlich Anlass zur Hoffung.73 Die Zahl der von CEPANI durchgeführten internationalen Schiedsverfahren in Belgien bleibt jedoch relativ niedrig.74 Auch sonst bleibt der Schiedsstandort Belgien trotz der Reform erstaunlich unterentwickelt.75 Möglicherweise könnte hier eine noch weitergehende Vereinheitlichung durch die EU Abhilfe schaffen. Im Ergebnis ist in den Mitgliedstaaten also de lege lata ein uneinheitlicher Rechtsrahmen für Schiedsverfahren festzustellen. Die Regelungstechnik ist zwar häufig in Grundzügen vergleichbar. Doch in Detailfragen weicht das Schiedsverfahrensrecht aller Mitgliedstaaten voneinander ab. Die größte Ähnlichkeit besteht hier noch zwischen Irland, Malta und Zypern, die das Modellgesetz zumindest hinsichtlich der untersuchten Regelungsgegenstände unverändert übernommen haben. Auch wenn das Modellgesetz die Regelungen in den rezipierenden Staaten bereits einander angenähert hat, ist zur Vermeidung von Parallelverfahren in der EU also eine weitere Rechtsvereinheitlichung nötig.

71 Matray, Belgium adopts a New Law on Arbitration, Kluwer Arbitration Blog, 4. 7. 2013, verfügbar unter http://kluwerarbitrationblog.com/2013/07/04/belgium-adopts-a-new-law-on-ar bitration/, zuletzt aufgerufen am 14. 9. 2017. 72 Hernickx IBA Arb. News, 55. 73 Cole et al., Legal Instruments and Practice of Arbitration in the EU, S. 58. 74 Die belgische Institution für Schiedsverfahrensrecht CEPANI hat im Jahr 2016 insgesamt 33 Schiedsverfahren unter Beteiligung mindestens einer nichtbelgischen Partei durchgeführt (was einer Steigerung von ca. 5 % gegenüber dem Vorjahr entspricht), CEPANI, Annual Report 2016, S. 38, verfügbar unter http://www.cepani.be/sites/default/files/images/2016_annual_re port.pdf, zuletzt aufgerufen am 25. 10. 2017. 75 Cole et al., Legal Instruments and Practice of Arbitration in the EU, S. 59.

G. Rechtsanwendungsvergleich der Mitgliedstaaten Irland, Deutschland und Frankreich Wegen des nur überblicksartigen Charakters der vorstehenden Darstellung untersucht das folgende Kapitel die Möglichkeit einer Harmonisierung des Rechts der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit auf Grundlage des Modellgesetzes in Form eines Rechtsanwendungsvergleichs der Mitgliedstaaten Irland, Deutschland und Frankreich. Zu diesem Zweck werden die relevanten Vorschriften der Schiedsverfahrensrechte dieser drei Staaten mit den zuvor diskutierten Regelungen des Modellgesetzes verglichen,1 um anhand dieser Beispiele darzulegen, wie sich die unterschiedlichen Vorschriften in der Praxis auswirken können. Dabei geht es im Sinne einer Rechtsprechungsauswertung primär um die Identifikation möglicher Probleme bei der Rechtsanwendung.2 In diesem Zusammenhang wird – soweit vorhanden – auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung in der jeweiligen Jurisdiktion rekuriert; ist diese zu einem relevanten Themenkreis nicht vorhanden, werden auch instanzgerichtliche Entscheidungen mit in die Darstellung einbezogen. Das Schiedsverfahrensrecht Irlands bietet sich für eine derartige Untersuchung an, da Irland das Modellgesetz zunächst 1998 und zuletzt 2010 durch einen Verweis ohne weitere Abänderungen in nationales Recht inkorporiert hat, sodass an diesem Beispiel am besten mögliche Vorteile beziehungsweise Probleme bei der unmittelbaren Rechtsanwendung im Bereich des Modellgesetzes aufgezeigt werden können (unten 1.). Das deutsche Schiedsverfahrensrecht wird stellvertretend für diejenigen Mitgliedstaaten untersucht, die das Modellgesetz zwar rezipiert haben, von den Vorgaben jedoch teilweise abweichen (unten 2.). Das Schiedsverfahrensrecht Frankreichs soll schließlich representativ für Staaten untersucht werden, deren Schiedsverfahrensrecht nicht auf der Grundlage des Modellgesetzes beruht (unten 3.). 1 Im Unterschied dazu vergleicht Hauberg Wilhelmsen vor einem ähnlichen Hintergrund die Vorschriften Schwedens, Deutschlands, Englands und Frankreichs wegen deren stellvertretender Funktion im Hinblick auf die unterschiedlichen Rechtstraditionen in der EU, vgl. Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 1.104; für eine tabellarische Übersicht u. a. der Schiedsverfahrensrechte der in dieser Arbeit untersuchten Länder siehe bereits Bunni 61 Arbitration (1995) 176, 180 ff. 2 Die Schwerpunktsetzung auf die Rechtsprechung dient mitunter dem Zweck, die Probleme bei der Rechtsanwendung für die Erarbeitung des Vorschlags eines harmonisierenden Rechtsaktes berücksichtigen zu können, um derart einen Gesetzesvorschlag unterbreiten zu können, der insbesondere den Bedürfnissen der Rechtsprechung gerecht wird; grundlegend zu den möglichen Adressaten der Rechtsvergleichung und der besonderen Bedeutung der Berücksichtigung des Richters als letztlich entscheidendem Anwender des Rechts siehe Markesinis, Comparative Law in the Courtroom and Classroom, S. 35 ff.

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G. Rechtsanwendungsvergleich Irland, Deutschland und Frankreich

I. Vollständige Rezeption des Modellgesetzes – Irland 1. Einleitung Irland hat sein Schiedsverfahrensrecht, das zuvor auf das Jahr 1954 zurückging, mit dem Arbitration (International Commercial) Act 1998 (AA 1998) erstmals vollständig auf Grundlage des Modellgesetzes reformiert.3 Der AA 1998 verlieh dem Modellgesetz in Sect. 4 Gesetzeskraft4 und galt – wie in Art. 1(1) ModG grundsätzlich vorgesehen – ausschließlich für den Bereich der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit.5 Damit war der Grundstein für die spätere Erweiterung dieses Ansatzes in Form des Arbitration Act 20106 (AA 2010) gelegt, der den Anwendungsbereich des Modellgesetzes dann auf sämtliche Schiedsverfahren erweiterte.7 Sect. 6 AA 2010 inkorporiert das Modellgesetz in das aktuell gültige irische Schiedsverfahrensrecht,8 wobei nach Sect. 2(1)(8) AA 2010 nun das Modellgesetz in der Fassung von 2006 Anwendung findet.9 Schon der Erlass des AA 1998 war von dem Willen getragen, durch die Angleichung an internationale Standards mit aktuellen Entwicklungen im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit Schritt zu halten.10 So war es auch bei Verabschiedung des AA 2010 eines der Hauptanliegen des irischen Parlaments, dem Modellgesetz Gesetzeskraft zu verleihen.11 Dieser ohnehin schon sehr harmonisierungsfreundliche Ansatz wird zusätzlich durch Sect. 8(1), (2) AA 2010 verstärkt, der für die Auslegung des Modellgesetzes explizit auf die travaux préparatoires von UNCITRAL 3 Arbitration (International Commercial) Act 1998, No. 14 of 1998; für einen Überblick über die Entwicklung des Rechts der Schiedsgerichtsbarkeit in Irland siehe Wade 79 Arbitration (2013) 37, 38 ff. 4 Vgl. Sect. 4 AA 1998: „[…] the Model Law shall apply in the State.“; nach Sect. 3(1)(4) AA 1998 ist mit „Model Law“ dem Zeitpunkt des Gesetzerlasses entsprechend das Modellgesetz i. d. F. von 1985 gemeint. 5 Sect. 4, 3(1)(3) AA 1998 i. V. m. Art. 1(1) ModG. 6 Arbitration Act 2010, No. 1 of 2010. 7 Sect. 2(1)(b) AA 2010. 8 Vgl. Sect. 6 AA 2010: „[…] the Model Law shall have the force of law in the State […]“. 9 Eine vergleichbare Umsetzung des Modellgesetzes findet sich in der EU sonst nur in Malta (vgl. Sect. 55(1) Maltese Arbitration Act 1996); außerhalb der EU haben insbesondere Bahrain (vgl. Art. 1(1) Bahrain Arbitration Law No. 9/2015) und Südafrika (vgl. Sect. 6 Act No. 15 of 2017: International Arbitration Act, 2017) das Modellgesetz in vergleichbarer Weise rezipiert; siehe dazu auch Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 17 f. 10 Arbitration (International Commercial) Bill 1997, Explanatory Memorandum, Rn. 1, verfügbar unter https://data.oireachtas.ie/ie/oireachtas/act/1998/14/eng/enacted/a1498.pdf, zuletzt aufgerufen am 16. 5. 2018. 11 Vgl. Präambel zum AA 2010: „AN ACT […] TO GIVE THE FORCE OF LAW TO THE UNCITRAL MODEL LAW ON INTERNATIONAL COMMERCIAL ARBITRATION (AS AMENDED BY THE UNITED NATIONS COMMISSION ON INTERNATIONAL TRADE LAW ON 7 JULY 2006) IN RESPECT OF BOTH INTERNATIONAL ARBITRATION AND OTHER ARBITRATION […]“.

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verweist.12 Eine derartige Vorschrift ist typisch für eine Umsetzung des Modellgesetzes durch direkten Verweis.13 Dieser Ansatz dürfte wohl den weitestgehenden Versuch in der EU darstellen, das nationale Schiedsverfahrensrecht an internationale Standards anzupassen.14 Dennoch bleibt die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in Irland im Hinblick auf Umfang und Bedeutung im Vergleich hinter anderen Mitgliedstaaten zurück, wenngleich die rechtlichen Rahmenbedingungen in Anbetracht der unmittelbaren Rezeption des Modellgesetzes eine positive Entwicklung begünstigen.15 Wie die folgende Untersuchung zeigt, wird diese Einschätzung auch durch die zum AA 1998 bzw. zum AA 2010 ergangene Rechtsprechung des High Court of Ireland im Bereich der Schiedsvereinbarung und der Zuständigkeitsallokation bestätigt.

2. Gültigkeit der Schiedsvereinbarung a) Das Schiedsvereinbarungsstatut Eine explizite kollisionsrechtliche Regelung des Schiedsvereinbarungsstatuts findet sich im irischen Recht nicht. Auch das Modellgesetz enthält keine Vorschrift, die sich ausschließlich mit dem auf die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung anwendbaren Recht befasst. Jedoch lassen sich aus dem Modellgesetz – insbesondere in Verbindung mit den travaux préparatoires – zu den meisten Problemkreisen Regelungen ableiten.16 Rechtsprechung des High Court of Ireland oder sonstiger irischer Gerichte,17 welche das Schiedsvereinbarungsstatut thematisiert, ist bislang jedoch nicht ergangen. 12 Vgl. Sect. 8(1), (2) AA 2010: „Judicial notice shall be taken of the travaux préparatoires of the United Nations Commission on International Trade Law and its working group relating to the preparation of the Model Law. The travaux préparatoires referred to in subsection (1) may be considered when interpreting the meaning of any provision of the Model Law and shall be given such weight as is appropriate in the circumstances.“; für eine Anwendung dieser Vorschrift durch die irischen Gerichte siehe IEHC 24. 6. 2015, Delargy v. Hickey & anor, [2015] IEHC 436; IEHC 19. 6. 2013, Snoddy & ors v. Mavroudis & anor, [2013] IEHC 285; IEHC 19. 6. 2013, Mount Juliet Properties Ltd v. Melcarne Develoments Ltd & Ors, [2013] IEHC 286; vgl. auch Dowling-Hussey/Dunne, Arbitration Law, S. 56 f.; zur Anwendung der Vorgängervorschrift (Sect. 5(2) AA 1998) siehe Simms, Schiedsgerichtsbarkeit in Irland, S. 83 f. 13 Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 17 f. 14 Cole et al., Legal Instruments and Practice of Arbitration in the EU, S. 115. 15 Cole et al., Legal Instruments and Practice of Arbitration in the EU, S. 115 f. 16 Siehe oben Kapitel E. III. 1. a). 17 Nach Sect. 9 AA 2010 ist der High Court of Ireland für die meisten staatlichen Gerichtsverfahren nach dem Modellgesetz ausschließlich zuständig; in Betracht kämen die Entscheidungen anderer Gerichte nur bei Erhebung der Schiedseinrede nach Art. 8(1) ModG; in beiden Fällen sind die Entscheidungen endgültig (vgl. Sect. 11 AA 2010).

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Da der AA 2010 das Modellgesetz in Sect. 6 in das irische Recht inkorporiert und Sect. 8(1), (2) AA 2010 die travaux préparatoires als vom Gesetz vorgesehenen Auslegungsmaßstab festlegt, wäre es naheliegend, dass die irischen Gerichte das anwendbare Recht wie im Rahmen der Ausführungen zu den relevanten Vorschriften des Modellgesetzes dargelegt ermitteln würden.18 Jedoch trifft das Modellgesetz insbesondere zum subjektiven Schiedsfähigkeitsstatut bewusst keine Regelung.19 Zumindest für dieses müsste also auf sonstiges irisches Recht zurückgegriffen werden. Dieses behandelt kollisionsrechtliche Fragen traditionell nach den Grundsätzen des common law.20 Daher könnten die irischen Gerichte grundsätzlich auch geneigt sein, die sonstigen Fragen des auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren Rechts nach diesen Grundsätzen zu beurteilen.21 Wo das europäische IPR Regelungen trifft, gehen diese dem common law vor.22 Folglich könnte auch eine Anwendung der Rom I-VO nicht ausgeschlossen werden.23 Jedoch wird in Art. 15(2) S. 1 der irischen Verfassung die alleinige und ausschließliche Gesetzgebungskompetenz dem irischen Parlament zugeordnet.24 Das common law als vor Inkrafttreten der irischen Verfassung gültiges Recht ist nach Art. 50(1) der irischen Verfassung hingegen lediglich weiterhin gültig, sofern es mit der Verfassung vereinbar ist.25 Daher kann es nur Geltung beanspruchen, sofern es nicht von der positiven Gesetzgebung beeinflusst worden ist.26 Das Modellgesetz ist infolge von Sect. 6 AA 2010 Teil des positiven Rechts Irlands, sodass dieses den 18

Ebd. Ebd.; unter Geltung des AA 1998 ebenso Simms, Schiedsgerichtsbarkeit in Irland, S. 85 f. 20 Binchy, Ireland, in: Encyclopedia of Private International Law, S. 2183 f.; Hickey 42 RabelsZ (1978) 268, 268 f. 21 Einen solchen Ansatz scheinen auch Dowling-Hussey/Dunne, Arbitration Law, S. 124 ff. zu verfolgen. 22 Binchy, Ireland, in: Encyclopedia of Private International Law, S. 2183; kurz nach dem Beitritt Irlands in die EWG wurde hingegen noch vorhergesagt, dass lediglich die Entscheidungen anderer europäischer Gerichte, die nicht dem Rechtskreis des common law angehören, zunehmend Einfluss auf die irischen Gerichte bei der Ermittlung des anwendbaren Rechts nehmen werden, vgl. Hickey 42 RabelsZ (1978) 268, 269. 23 Die Regelungen der Rom I-VO werden in manchen Mitgliedstaaten trotz des Ausschlusses der Anwendbarkeit auf Schiedsvereinbarungen in Art. 1(2)(e) Rom I-VO für die Ermittlung des Schiedsvereinbarungsstatuts herangezogen, siehe z. B. für Deutschland unten Kapitel G. II. 2. a) cc). 24 Vgl. Art. 15(2) S. 1 der irischen Verfassung: „The sole and exclusive power of making laws for the State is hereby vested in the Oireacht as: no other legislative authority has power to make laws for the State.“ 25 Art. 50(1) der irischen Verfassung: „Subject to this Constitution and to the extent to which they are not inconsistent therewith, the laws in force in Saorstát Éireann immediately prior to the date of the coming into operation of this Constitution shall continue to be of full force and effect until the same or any of them shall have been repealed or amended by enactment of the Oireachtas.“ 26 Byrne/McCutcheon, The Irish Legal System, S. 6; Simms, Schiedsgerichtsbarkeit in Irland, S. 26. 19

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Grundsätzen des common law vorgeht und letzteres höchstens ergänzend herangezogen werden kann.27 Da nach Sect. 8(1), (2) AA 2010 die travaux préparatoires für die Auslegung des Modellgesetzes heranzuziehen sind, ist davon auszugehen, dass die irischen Gerichte das Schiedsvereinbarungsstatut anhand der für dieses maßgeblichen Grundsätze ermitteln.28 Lediglich für das subjektive Schiedsvereinbarungsstatut käme dann ein ausschließlicher Rückgriff auf Fallrecht in Betracht.29 Wie die irischen Gerichte das Schiedsvereinbarungsstatut tatsächlich ermitteln, bleibt abzuwarten, bis ihnen ein entsprechender Fall vorliegt. b) Definition und Form der Schiedsvereinbarung Definition und Form der Schiedsvereinbarung richten sich im irischen Schiedsverfahrensrecht nach Variante I des Art. 7 ModG.30 Dies folgt aus Sect. 2(1)(2) in Verbindung mit Sect. 6 AA 2010.31 Eine Auseinandersetzung mit der durch das Modellgesetz 2006 eröffneten Wahlmöglichkeit zwischen zwei verschiedenen Optionen hat während des Gesetzgebungsprozesses im Parlament nicht stattgefunden.32 Jedoch wurden die Veränderungen des Art. 7 ModG bei der Vorstellung des Gesetzesvorhabens positiv hervorgehoben.33 Die Entwicklung der Vorschrift wurde später auch vom High Court of Ireland thematisiert.34 27

Dies spiegelt auch die gängige Praxis der irischen Gerichte in anderen Bereichen des Schiedsverfahrensrechts wider, vgl. z. B. IEHC 19. 6. 2013, Mount Juliet Properties Ltd v. Melcarne Developments Ltd & Ors [2013] IEHC 286; IEHC 11. 11. 2010, Barnmore Demolition and Civil Engineering Ltd. v. Alandale Logistics Ltd., Pynest Ltd., Dublin Airport Authority Plc and Barry Donohue (as liquidator of Pynest), [2010] 5910P [Rn. 2, 7, 11]; IEHC 12. 1. 2015, The Lisheen Mine v. Mullock And Sons (Shipbrokers) Limited And Vertom Shipping And Trading Bv, High Court [2015] IEHC 50 [Rn. 115 ff., 165 ff.]; IEHC 28. 8. 2012, P. Elliot & Co Ltd v. FCC Elliot Construction Ltd [2012] IEHC 361 [Rn. 49 ff.]; anderenfalls wäre das Urteil „per incuriam“ getroffen, da es gegen geltendes Recht verstoßen würde, vgl. Byrne/McCutcheon, The Irish Legal System, S. 406; Kenneally/Tully, The Irish Legal System, S. 121. 28 Siehe oben Kapitel E. III. 1. a). 29 Dies könnte beispielsweise zu einer Anwendung des auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren Rechts führen, vgl. EWCA 13. 11. 2006, Svenska Petroleum Exploration AB v. Lithuania & Anor [2006] EWCA Civ 1529. 30 Für Ausführungen zu Variante I des Art. 7 ModG siehe oben Kapitel E. III. 1. e) bb). 31 Vgl. Sect. 2(1)(2) AA 2010: „[…] ,arbitration agreement‘ shall be construed in accordance with Option 1 of Article 7 […]“. 32 Vgl. Protokolle des Gesetzgebungsprozesses, verfügbar unter https://www.oireachtas.ie/ en/bills/bill/2008/33/?tab=debates, zuletzt aufgerufen am 17. 5. 2018. 33 Justizminister Dermot Ahern bei der „Dáil Éireann debate“ zum Arbitration Bill 2008 am 19. 11. 2008: „Another important definition is that of ,arbitration agreement‘. This definition reflects changes introduced into the Model Law in 2006 which include clear provisions concerning the recognition of agreements in electronic form.“, verfügbar unter https://www.oireach tas.ie/en/debates/debate/dail/2008-11-19/25/, zuletzt aufgerufen am 17. 5. 2018.

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Die irischen Gerichte haben sich bislang nicht mit allen Problemen und Fragen im Zusammenhang mit Variante I des Art. 7 ModG befassen müssen. Klar herausgestellt wurde jedoch bereits, dass das Schriftlichkeitserfordernis nach Art. 7(2), (3) ModG lediglich den Nachweis des Inhalts der Schiedsvereinbarung erfordert.35 Zu Art. 7(6) ModG hat der High Court of Ireland unter Berücksichtigung der travaux préparatoires zu Art. 7(2) S. 3 ModG 1985 entschieden, dass der formgültige Abschluss einer Schiedsvereinbarung auch durch Inbezugnahme von AGB möglich ist, ohne dass diese explizit auf die enthaltene Schiedsvereinbarung hinweisen müsste.36 Der in einem Konnossement enthaltene Verweis auf einen Chartervertrag, der eine Schiedsklausel enthält, führt aber nur zu einer gültigen Schiedsvereinbarung, wenn das Konnossement zwischen den Parteien übergeben wurde, die auch den Chartervertrag abgeschlossen haben.37 Sollte eine der Vertragsbeziehungen mit einer dritten oder zwischen zwei gänzlich unterschiedlichen Parteien bestehen, kommt unter Anwendung des irischen allgemeinen Vertragsrechts, das weitgehend auf common law basiert,38 in materieller Hinsicht keine wirksame Schiedsvereinbarung zustande.39 Diese Entscheidungen zeigen eine konsequente Anwendung der zu Variante I des Art. 7 ModG dargestellten Grundsätze,40 teilweise unter Bezugnahme auf die travaux préparatoires. Dies lässt darauf schließen, dass die irischen Gerichte auch sonstige Fragen der formellen Gültigkeit der Schiedsvereinbarung unter Anwendung dieser Grundsätze lösen würden.

3. Zuständigkeitsallokation Durch die Verweisung auf das Modellgesetz in Sect. 6 AA 2010 ist die Zuständigkeitsverteilung zwischen Schiedsgericht und staatlichen Gerichten in Irland wie im Modellgesetz geregelt. Die Regelungen der Art. 8, 16 ModG waren Gegenstand mehrerer Gerichtsentscheidungen des High Court of Ireland. 34 Im Hinblick auf die Unterschiede zwischen Art. 7(2) S. 3 ModG 1985 und Art. 7(6) ModG 2006, vgl. IEHC 19. 6. 2013, Mount Juliet Properties Ltd v. Melcarne Developments Ltd & Ors [2013] IEHC 286 Rn. 33 ff. 35 IEHC 11. 11. 2010, Barnmore Demolition and Civil Engineering Ltd. v. Alandale Logistics Ltd., Pynest Ltd., Dublin Airport Authority Plc and Barry Donohue (as liquidator of Pynest), [2010] 5910P [Rn. 4, 11 ff.]; in dem Fall reichte der Verweis in einem Vorvertrag auf einen eine Schiedsvereinbarung enthaltenden Vertragsentwurf nicht aus, um eine wirksame Schiedsvereinbarung zu begründen. 36 IEHC 19. 6. 2013, Mount Juliet Properties Ltd v. Melcarne Developments Ltd & Ors [2013] IEHC 286 [Rn. 38 ff.]. 37 IEHC 12. 1. 2015, The Lisheen Mine v. Mullock And Sons (Shipbrokers) Limited And Vertom Shipping And Trading Bv [2015] IEHC 50 [Rn. 168]. 38 Simms, Schiedsgerichtsbarkeit in Irland, S. 26. 39 IEHC 12. 1. 2015, The Lisheen Mine v. Mullock And Sons (Shipbrokers) Limited And Vertom Shipping And Trading Bv [2015] IEHC 50 [Rn. 107 ff.]. 40 Siehe oben Kapitel E. III. 1. e) bb).

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a) Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts Gemäß Sect. 6 AA 2010 i. V. m. Art. 16(1) S. 1 ModG verfügt das Schiedsgericht über die Befugnis, eine Entscheidung über die eigene Zuständigkeit einschließlich der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung zu treffen. Der High Court of Ireland erkennt dementsprechend den positiven Effekt des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz an.41 Daraus folgt jedoch nicht die ausschließliche Zuständigkeit des Schiedsgerichts.42 Die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung kann nämlich parallel immer noch im Rahmen des Art. 8 ModG durch ein staatliches Gericht überprüft werden.43 Im Ergebnis entspricht die Anwendung des Art. 16(1) S. 1 ModG durch die irischen Gerichte damit den zuvor zu Art. 16(1) S. 1 ModG dargelegten Ausführungen.44 b) Isolierte Überprüfung der Schiedsvereinbarung Über Sect. 6 AA 2010 i. V. m. Art. 8(1) ModG können irische Gerichte eine Überprüfung der Schiedsvereinbarung unabhängig von der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts vornehmen, wenn eine der Parteien in einem Verfahren vor einem staatlichen Gericht die Schiedseinrede erhebt.45 Den Sinn und Zweck von Art. 8 ModG hat der High Court of Ireland folgendermaßen beschrieben: „Article 8 of the Model Law directs courts to respect the arbitral process and stay court proceedings not out of deference to arbitration per se but rather as an expression of the most basic concept in the law of contract – i. e., that parties who have mutually exchanged promises for value may, at the suit of each other, be kept to their promises. Where parties

41 Der High Court of Ireland ist terminologisch dbzgl. ungenau, wenn er (nur) von „doctrine of ,Kompetenz-Kompetenz‘ which is given effect in Article 16“ spricht; vgl. IEHC 11. 11. 2010, Barnmore Demolition and Civil Engineering Ltd. v. Alandale Logistics Ltd., Pynest Ltd., Dublin Airport Authority Plc and Barry Donohue (as liquidator of Pynest), [2010] 5910P [Rn. 5]; später zitiert in IEHC 12. 1. 2015, The Lisheen Mine v Mullock And Sons (Shipbrokers) Limited And Vertom Shipping And Trading Bv [2015] IEHC 50 [Rn. 118]; ebenso IEHC 31. 7. 2015, Mayo County Council v. Joe Reilly Plant Hire Limited [2015] IEHC 544 [Rn. 11]: „This gives effect to the competence-competence doctrine.“ 42 IEHC 11. 11. 2010, Barnmore Demolition and Civil Engineering Ltd. v. Alandale Logistics Ltd., Pynest Ltd., Dublin Airport Authority Plc and Barry Donohue (as liquidator of Pynest), [2010] 5910P [Rn. 5]; später zitiert in IEHC 12. 1. 2015, The Lisheen Mine v. Mullock And Sons (Shipbrokers) Limited And Vertom Shipping And Trading Bv [2015] IEHC 50 [Rn. 118]. 43 Ebd. 44 Vgl. oben Kapitel E. III. 2. c) aa). 45 Das Gerichtsverfahren in Fällen mit Bezug zur Schiedsgerichtsbarkeit richtet sich nach Order 56 of the rules of the superior courts 1986, im Fall eines Antrags nach Art. 8(1) ModG nach Order 56, rule 4(1).

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promise to arbitrate their disputes, courts should stay their proceedings in favour of arbitration if that promise is proved.“46

Das Gericht unterstreicht also, dass Art. 8 ModG nicht Ausdruck einer Rücksichtnahme der staatlichen Gerichte gegenüber der Schiedsgerichtsbarkeit ist, sondern im Sinne des Grundsatzes pacta sunt servanda das grundlegendste Prinzip des Vertragsrechts enthält und zu dessen Durchsetzung beiträgt. Dem entspricht, dass die Parteien der Schiedsvereinbarung sich von dieser wieder lösen können, wenn die Schiedseinrede nicht erhoben wird.47 Umgekehrt kann gegen die Durchführbarkeit der Schiedsvereinbarung nicht nachträglich vorgebracht werden, der Streit sei für ein Schiedsverfahren ungeeignet.48 Die Schiedseinrede kann durch eine der Vertragsparteien bis zur ersten Einlassung zur Hauptsache erhoben werden.49 Der über den Antrag nach Art. 8(1) ModG entscheidende Richter hat dabei keinen Ermessensspielraum – liegt eine gültige Schiedsvereinbarung vor, muss er die Parteien auf das Schiedsverfahren verweisen.50 Welchen Prüfungsmaßstab ein irisches Gericht bei der Überprüfung der Schiedsvereinbarung im Rahmen des Art. 8(1) ModG anzuwenden hat, war über einen längeren Zeitraum hinweg unklar.51 Erst über eine Serie von Entscheidungen des High Court of Ireland entwickelte sich in der irischen Rechtsprechung eine diesbezügliche Linie. In der Entscheidung Barnmore Demolition and Civil Engineering Ltd. v. Alandale Logistics Ltd. setzte sich das Gericht erstmals ausführlich mit der Frage des Prüfungsmaßstabs auseinander, ließ die Antwort aber offen, da in dem Fall selbst unter Anwendung eines prima facie Standards keine Schiedsvereinbarung zwischen den Parteien anzunehmen war.52 Das Gericht gab jedoch als obiter dictum zu erkennen, dass es eher zu einer umfassenden Prüfung tendieren würde: 46 IEHC 28. 8. 2012, P. Elliot & Co Ltd v. FCC Elliot Construction Ltd [2012] IEHC 361 [Rn. 68]. 47 IEHC 1. 4. 2014, Creedon Construction Limited v. Kenny & Anor [2014] IEHC 188 [Rn. 3]. 48 IEHC 4. 6. 2014, Feanmer Developments Ltd v. L&M Keating Ltd & Ors, [2014] IEHC 295 [Rn. 19 ff.]. 49 IEHC 30. 6. 2010, Osmond Ireland On Farm Business v. Mc Farland [2010] IEHC 295 [Rn. 4.1]; IEHC 19. 6. 2013, Mount Juliet Properties Ltd v. Melcarne Develoments Ltd & Ors [2013] IEHC 286 [Rn. 53 ff.]. 50 IEHC 28. 8. 2012, P. Elliot & Co Ltd v. FCC Elliot Construction Ltd [2012] IEHC 361 [Rn. 56], später zitiert in IEHC 27. 10. 2015, Go Code Limited v. Capita Business Services Limited [2015] IEHC 673 [Rn. 4]; IEHC 19. 6. 2013, Mount Juliet Properties Ltd v. Melcarne Develoments Ltd & Ors [2013] IEHC 286 [Rn. 51]. 51 Vgl. Mansfield, Arbitration Act 2010 and Model Law, S. 28; Dowling-Hussey/Dunne, Arbitration Law, S. 100 f.; Hutchinson 80 Arbitration (2014) 73, 77 ff. 52 IEHC 11. 11. 2010, Barnmore Demolition and Civil Engineering Ltd. v. Alandale Logistics Ltd., Pynest Ltd., Dublin Airport Authority Plc and Barry Donohue (as liquidator of Pynest), [2010] 5910P [Rn. 6 ff.].

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„Given the terms of Article 8(1) of the Model Law which refers to the matter being the subject of an arbitratioin agreement, there appears to be a particularly strong case for the argument that any review as to the very existence of the arbitration agreement should be on the basis of full judicial consideration […]“53

Dieses Urteil scheint in der nächsten Entscheidung des Gerichts, P. Elliot & Co Ltd v. FCC Elliot Construction Ltd, keine Berücksichtigung gefunden zu haben.54 Justice McEochaidh führt in dieser Entscheidung folgende Grundsätze aus: „The test formulated is that a stay of proceedings should be ordered where: (i) it is arguable that the subject dispute falls within the terms of the arbitration agreement; and (bb) where it is arguable that a party to the legal proceedings is a party to the arbitration agreement.“55

Aus dieser Passage könnte man schließen, die Prüfung der Schiedsvereinbarung müsse nur summarisch erfolgen.56 Dies würde im Gegensatz zu der zuvor ergangenen Entscheidung in Barnmore stehen. Der potenzielle Widerspruch zwischen den beiden Entscheidungen scheint durch den Rückgriff auf kanadisches Fallrecht durch Justice McEochaidh entstanden zu sein.57 Denn in Teilen Kanadas wird bei Erhebung der Schiedseinrede nach Art. 8 ModG tatsächlich lediglich eine prima facie Prüfung der Schiedsvereinbarung vorgenommen.58 Im Ergebnis legt die Entscheidung jedoch eher nahe, dass Fälle, in denen eindeutig keine gültige Schiedsvereinbarung gegeben ist, auch auf Grundlage einer lediglich summarischen Prüfung entschieden werden können, ohne dabei die Frage des in Zweifelsfällen anzuwendenden Prüfungsmaßstabes entscheiden zu müssen.59 Die Entscheidung ergänzt das Urteil in Barnmore bei dieser Lesart und setzt sich nicht in einen Widerspruch zu diesem.60 Hinsichtlich des Prüfungsumfangs lässt sich dem ersten Teilsatz der zitierten Passage als 53 IEHC 11. 11. 2010, Barnmore Demolition and Civil Engineering Ltd. v. Alandale Logistics Ltd., Pynest Ltd., Dublin Airport Authority Plc and Barry Donohue (as liquidator of Pynest), [2010] 5910P [Rn. 8]. 54 IEHC 28. 8. 2012, P. Elliot & Co Ltd v. FCC Elliot Construction Ltd [2012] IEHC 361 [Rn. 48]: „I have not been directed to any Irish decision dealing with the interpretation of Article 8 of the Model Law […]“; zu diesem Schluss kommt auch Justice Cregan in IEHC 12. 1. 2015, The Lisheen Mine v. Mullock And Sons (Shipbrokers) Limited And Vertom Shipping And Trading Bv [2015] IEHC 50 [Rn. 123]. 55 IEHC 28. 8. 2012, P. Elliot & Co Ltd v. FCC Elliot Construction Ltd [2012] IEHC 361 [Rn. 49]. 56 So scheinbar IEHC 27. 1. 2017, Sterimed Technologies International & Anor v. Schivo Precision Limited & Ors [2017] IEHC 35 [Rn. 14]. 57 Justice McEochaidh hat die genannte Passage zitiert aus British Columbia Court of Appeal 10. 3. 1992, Gulf Canada Resources Ltd. v. Arochen International Ltd. [1992] BCJ 500. 58 Darunter British Columbia, vgl. Born, International Commercial Arbitration, S. 1088 [Fn. 238] m. w. N. 59 IEHC 28. 8. 2012, P. Elliot & Co Ltd v. FCC Elliot Construction Ltd [2012] IEHC 361 [Rn. 53]: „Therefore, I conclude that this dispute is one which is capable of summary determination and it does not require a trial to determine the existence or otherwise of an arbitration agreement.“ 60 Hutchinson 80 Arbitration (2014) 73, 79; a. A. IEHC 27. 1. 2017, Sterimed Technologies International & Anor v. Schivo Precision Limited & Ors [2017] IEHC 35 [Rn. 13 ff.].

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obiter dictum entnehmen, dass die irischen Gerichte im Zweifel auch prüfen würden, ob der Streitgegenstand von der Schiedsvereinbarung erfasst wird.61 In der dritten Entscheidung des High Court of Ireland zum Prüfungsmaßstab bedurfte es ebenfalls noch keiner diesbezüglichen Entscheidung.62 Erst in The Lisheen Mine v. Mullock And Sons (Shipbrokers) Limited traf der High Court of Ireland eine verbindliche Aussage zum anzuwendenden Prüfungsumfang.63 Justice Cregan erörtert in der Entscheidung unter anderem ausführlich die früheren Urteile des Gerichts und schließt sich diesen im Ergebnis an: „[…] I am of the view that the more appropriate approach for a court to follow is to give full judicial consideration to the issue as to whether there is an arbitration agreement between the parties.“64

Er begründet seine Meinung im Wesentlichen mit deren prozessökonomischen Vorteilen, da die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung anderenfalls bis zu drei Mal verhandelt werden müsse, sowie der Geeignetheit der staatlichen Gerichte zur Vornahme dieser Überprüfung.65 Das Urteil wurde später wiederholt bestätigt.66 Auch wenn das Ergebnis der irischen Rechtsprechung im Umgang mit dem im Rahmen des Art. 8(1) ModG anzuwendenden Prüfungsumfang damit im Einklang mit den zuvor dargelegten Ausführungen steht,67 überrascht die angeführte Begründung auf den ersten Blick. Zumindest für kontinentaleuropäische Beobachter hätte es in Anbetracht der Regelung in Sect. 8 AA 2010 nahegelegen, den Prüfungsumfang anhand der travaux préparatoires zu ermitteln.68 Dadurch hätte auch 61 Ebenso implizit IEHC 28. 8. 2012, P. Elliot & Co Ltd v. FCC Elliot Construction Ltd [2012] IEHC 361 [Rn. 63]: „[…] the construction of an arbitration clause should start from the assumption that the parties, as rational businessmen, are likely to have intended any dispute arising out of the relationship into which they have entered or purported to enter to be decided by the same Tribunal. The clause should be construed in accordance with this presumption unless the language makes it clear that certain questions were intended to be excluded from the arbitrator’s jurisdiction.“, zitiert aus EWCA 24. 1. 2007, Fiona Trust & Holding Corp v. Privalov [2007] EWCA Civ 20 [Rn. 13]; eine Entscheidung irischer Gerichte, in welcher der Prüfungsumfang des Art. 8(1) ModG entscheidungsrelevant gewesen wäre, ist nicht ersichtlich. 62 IEHC 19. 6. 2013, Mount Juliet Properties Ltd v. Melcarne Develoments Ltd & Ors [2013] IEHC 286 [Rn. 37]; unter Verweis auf die beiden vorherigen Entscheidungen. 63 IEHC 12. 1. 2015, The Lisheen Mine v. Mullock And Sons (Shipbrokers) Limited And Vertom Shipping And Trading Bv [2015] IEHC 50 [Rn. 114 ff.]. 64 IEHC 12. 1. 2015, The Lisheen Mine v. Mullock And Sons (Shipbrokers) Limited And Vertom Shipping And Trading Bv [2015] IEHC 50 [Rn. 135]. 65 Ebd. 66 IEHC 27. 1. 2017, Sterimed Technologies International & Anor v. Schivo Precision Limited & Ors [2017] IEHC 35 [Rn. 15]; IEHC 1. 6. 2017; Kellys of Fantane Limited v. Bowen Construction Limited & anor [2017] IEHC 357 [Rn. 17]. 67 Vgl. oben Kapitel E. III. 2. b) cc). 68 Dies hätte – wie auch in dieser Arbeit gezeigt – im Ergebnis keinen Unterschied gemacht, vgl. Born, Irish High Court on Full Versus Prima Facie Judicial Consideration of Whether an Arbitration Agreement Exists, Kluwer Arbitration Blog, 13. 12. 2010, verfügbar unter http://arbi

I. Vollständige Rezeption des Modellgesetzes – Irland

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die in der irischen Rechtsprechung zeitweise aufgetretene Verunsicherung vermieden werden können. Ein solches Vorgehen hätte aber wohl der Rechtstradition des common law widersprochen, welche der Rechtsprechung eine große Bedeutung beimisst.69 Im Einklang damit hat der High Court of Ireland es vorgezogen, den im Rahmen von Art. 8(1) ModG anzuwendenden Prüfungsmaßstab unter Zuhilfenahme von Fallrecht, zum Teil aus anderen common law-Jurisdiktionen, zu ermitteln. Dies erscheint rechtsdogmatisch konsequent, schwächt aber die Bedeutung der Auslegungsvorschrift in Sect. 8 AA 2010 und kann zu Verunsicherung bei der Rechtsanwendung führen. c) Überprüfung der Schiedsvereinbarung nach Erlass des Schiedsgerichts Die Überprüfung der Schiedsvereinbarung nach der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts erfolgt in Irland nach Sect. 6 AA 2010 i. V. m. Art. 16(3) ModG. Eine vergleichbare Vorschrift gab es (zumindest für die nationale Schiedsgerichtsbarkeit) vor Inkrafttreten des AA 2010 noch nicht.70 Die Vorschrift war bereits Gegenstand mehrerer Entscheidungen des High Court of Ireland, die ebenfalls insbesondere den vom Gericht bei der Überprüfung anzuwendenden Maßstab zum Gegenstand haben. Zum Umgang mit einer negativen Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts sowie einer möglichen Präklusionswirkung eines unterlassenen Antrags nach Art. 16(3) ModG ist hingegen soweit ersichtlich noch keine Rechtsprechung ergangen.71 Im Hinblick auf die rechtliche Qualifikation der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts ist zumindest ein Urteil ergangen, welches diesbezügliche Rückschlüsse zulässt. Ob die Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Vorfrage nach Art. 16(3) S. 1 Alt. 1 ModG als rein prozessuale Entscheidung einzuordnen ist, und daher nicht wie ein Schiedsspruch anerkannt und vollstreckt sowie auf Verfahrensfehler überprüft werden kann, wurde in der irischen Rechtsprechung soweit ersichtlich noch nicht thematisiert. Einen ersten Anhaltspunkt könnte jedoch Sect. 2(1)(3) AA 2010 bieten, demzufolge unter einem Schiedsspruch auch ein Teilschiedsspruch zu verstehen ist,72 was zunächst auf eine Qualifikation der Entscheidung als Schiedsspruch hinweisen könnte.

trationblog.kluwerarbitration.com/2010/12/13/irish-high-court-on-full-versus-prima-facie-judi cial-consideration-of-whether-an-arbitration-agreement-exists/, zuletzt aufgerufen am 23. 5. 2018. 69 Byrne/McCutcheon, The Irish Legal System, S. 403 f.; Kenneally/Tully, The Irish Legal System, S. 115. 70 IEHC 22. 6. 2011, Winthrop Engineering & Contracting Ltd v. Cleary & Doyle Contracing Ltd [2011] IEHC 249 [Rn. 3.3]. 71 Für einen möglichen Umgang der irischen Gerichte mit diesen Fragestellungen siehe oben Kapitel E. III. 2. c) cc) und Kapitel E. III. 2. c) dd). 72 Vgl. Sect. 2(1)(3) AA 2010: „In this Act […] ,award‘ includes a partial award“.

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G. Rechtsanwendungsvergleich Irland, Deutschland und Frankreich

Zudem kann möglicherweise aus der Entscheidung FBD Insurance Public Ltd Company v. Samwari Ltd t/a Munster Air Compressors eine Tendenz der irischen Gerichte hergeleitet werden.73 In der Entscheidung wurde ein Aufhebungsantrag nach Art. 34(2)(b)(ii) ModG gegen einen vorläufigen Schiedsspruch gestellt, der den Rechtsstatus und die damit einhergehende Aktivlegitimation einer insolventen Gesellschaft zum Gegenstand hatte. Justice McGovern erörtert zunächst, ob der angegriffene vorläufige Schiedsspruch einen Schiedsspruch im Sinne des Art. 34 ModG darstellt. Zu diesem Zweck greift er vornehmlich auf das UNCITRAL 2012 Digest of Case Law zurück und kommt schließlich zu folgendem Ergebnis: „For the court to have jurisdiction under Article 34 to set aside a decision of an arbitral tribunal, the decision must be one which has been made on the merits of the case and meet the formal requirements of Article 31. It seems to me that this must include a partial award if it meets those criteria. Procedural orders or rulings made in the course of an arbitration are not amenable to challenge under Article 34.“74

Überträgt man diese Begründung auf die Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Vorfrage nach Art. 16(3) S. 1 Alt. 1 ModG liegt der Schluss nahe, dass die irischen Gerichte diese als Prozessschiedsspruch einordnen würden, der einem Aufhebungsverfahren nach Art. 34 ModG nicht zugänglich ist. Denn selbst wenn die Entscheidung des Schiedsgerichts die Anforderungen des Art. 31 ModG erfüllen würde, wäre sie nicht als Sachentscheidung im genannten Sinne zu qualifizieren. Dann würde nämlich gerade keine Entscheidung als Vorfrage, sondern eine Entscheidung als Schiedsspruch zur Sache nach Art. 16(3) S. 1 Alt. 2 ModG vorliegen. Eine Überprüfung der formellen Korrektheit der Zuständigkeitsentscheidung als Vorfrage nach Maßgabe des Art. 34 ModG erscheint daher eher unwahrscheinlich. Allerdings könnten die im vorherigen Abschnitt dargelegten Argumente die irischen Gerichte eventuell zu einer abweichenden Bewertung veranlassen, sollten diese sich mit der rechtlichen Qualifikation der Entscheidung im Sinne des Art. 16(3) S. 1 Alt. 1 ModG befassen müssen.75 Hinsichtlich des Prüfungsmaßstabes, den das Gericht im Rahmen des Art. 16(3) ModG anzulegen hat, hat der High Court of Ireland hingegen bereits mehrere eindeutige Urteile gefällt. In der ersten diesbezüglichen Entscheidung führte Justice Laffoy direkt in klaren Worten aus: „[…] in deciding a matter under Article 16(3), the standard to be applied by the Court is the normal standard in determining matters in civil cases, on the balance of probabilities, but without definitively deciding that issue. It is appropriate to record, however, […] that the Court’s jurisdiction is ,to decide the matter‘, acknowledging that the process is not an appeal from the decision of [the abritrator]. […] the Court may consider such evidence as it sees fit 73

IEHC 20. 1. 2016, FBD Insurance Public Ltd Company v. Samwari Ltd t/a Munster Air Compressors [2016] IEHC 32 [Rn. 8 ff.]. 74 IEHC 20. 1. 2016, FBD Insurance Public Ltd Company v. Samwari Ltd t/a Munster Air Compressors [2016] IEHC 32 [Rn. 11]. 75 Siehe dazu oben Kapitel E. III. 2. c) bb).

I. Vollständige Rezeption des Modellgesetzes – Irland

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and is not bound by the submissions made to [the arbitrator]. In other words, the Court has untrammelled jurisdiction to consider de novo the issue whether there is an arbitration agreement which binds the parties.“76

Folglich beurteilen die irischen Gerichte die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung unabhängig von der Entscheidung des Schiedsgerichts auf Grundlage einer umfassenden Prüfung. Dieses Ergebnis wurde vom High Court of Irleand später wiederholt bestätigt.77

4. Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung Gemäß Sect. 6 AA 2010 i. V. m. Art. 34(2)(i)(a) ModG besteht in Irland auf Antrag die Möglichkeit der Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung. Eine Entscheidung des High Court of Ireland zu dieser Vorschrift ist soweit ersichtlich leider noch nicht ergangen. Jedoch hat das Gericht in Kastrup Trae-Aluvinduet A/S v. Aluwood Concepts Ltd. schon vor Inkrafttreten des AA 2010 zu erkennen gegeben, dass es die Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs auf Grundlage des UNÜ (Art. V(1)(a)) versagen würde, wenn dieser nicht auf einer gültigen Schiedsvereinbarung beruhen würde.78 Es ist folglich nicht anzunehmen, dass das Gericht im Fall eines Aufhebungsantrages nach Art. 34(2)(i)(a) ModG anders verfahren würde.

5. Zwischenergebnis Leider ist noch längst nicht zu allen vorliegend relevanten Vorschriften des Modellgesetzes Rechtsprechung durch den High Court of Ireland ergangen, sodass nicht von einem wirklich repräsentativen Ergebnis gesprochen werden kann. In den untersuchten Bereichen zeigen die bestehenden Urteile jedoch, dass der irische Ansatz der vollständigen Rezeption des Modellgesetzes durch einen direkten Verweis auf die Gesetzesvorlage viele Vorteile birgt. Die Anwendung der Vorschriften hat zunächst nicht zu nennenswerten Problemen geführt; insbesondere ist es nicht zu Parallelverfahren vor staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten gekommen. Dies unterstreicht die Funktionsfähigkeit des Modellgesetzes im Bereich der Zuständigkeitsverteilung zwischen den beiden Spruchkörpern. Durch die unveränderte 76 IEHC 19. 6. 2013, John G. Byrnes Limited v. Grange Construction and Roofing Co. Limited [2013] IEHC 284 [Rn. 24]. 77 IEHC 31. 7. 2015, Mayo County Council v. Joe Reilly Plant Hire Limited [2015] IEHC 544 [Rn. 11]; IEHC 12. 1. 2018, Achill Sheltered Housing Association CLG v. Dooniver Plant Hire Limited [2018] IEHC 6 [Rn. 22]. 78 IEHC 13. 11. 2009, Kastrup Trae-Aluvinduet A/S v. Aluwood Concepts Ltd. [2009] IEHC 577 [Rn. 19 ff.]; noch zum Arbitration Act 1980.

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G. Rechtsanwendungsvergleich Irland, Deutschland und Frankreich

Übernahme des Modellgesetzes wird die Berücksichtigung von einschlägiger Rechtsprechung auch anderer Jurisdiktionen zusätzlich begünstigt, auch wenn dies in common law-Jurisdiktionen im Allgemeinen nicht unüblich ist. Die Auslegungsregel in Sect. 8 AA 2010 wird in der irischen Rechtsprechung hingegen bisher oft durch die Berücksichtigung von Fallrecht verdrängt. Würde man beide Vorgehensweisen – die Berücksichtigung einschlägigen Fallrechts und der travaux préparatoires – miteinander kombinieren, wäre dem internationalen Entscheidungseinklang noch weitreichender Rechnung getragen. Fände eine solche Vorgehensweise die Zustimmung vieler Staaten, könnte sich eine international einheitliche Rechtsprechung zum Modellgesetz entwickeln, die grenzüberschreitend berücksichtigt werden könnte, da im Ausgangspunkt anhand der travaux préparatoires einheitlich bestimmt würde, welche Auslegung des Modellgesetzes von den Gesetzesvätern beabsichtigt war und infolge der vollständigen Rezeption des Modellgesetzes zumindest die nationalen Vorschriften des Schiedsverfahrensrechts international wirklich einheitlich wären. Ohne die Verbindung mit der Auslegung anhand der travaux préparatoires entsteht bei einem Rückgriff auf das Fallrecht anderer Jurisdiktionen – wie im Rahmen des Prüfungsmaßstabs bei Art. 8(1) ModG gezeigt – hingegen die Gefahr, dass sich unterschiedliche nationale Auslegungsansätze vermengen und so zu einer Verunsicherung der rechtsanwendenden Gerichte beitragen können. Der Verweis in Sect. 6 AA 2010 auf das Modellgesetz in seiner Gesamtheit macht die sonst zumeist anzutreffende Rezeption des Modellgesetzes durch Erlass eines Rechtsaktes, dessen Vorschriften denen des Modellgesetzes mehr oder weniger ähneln und diese darüber hinaus ergänzen, entbehrlich. Es handelt sich somit um eine umgekehrte Gesetzeskonzeption, die dem eigentlich als Vorlage gedachten Modellgesetz unmittelbare Rechtskraft verleiht und dieses anhand der weiteren Vorschriften des Rechtsaktes lediglich ergänzt. Dies stellt von der Herangehensweise her den originalgetreueren Ansatz dar. Er ist daher grundsätzlich dazu geeignet, zu einer möglichst weitreichenden Harmonisierung zu führen. Vor diesem Hintergrund stellt sich der AA 2010 als sehr fortschrittliches Schiedsverfahrensrecht dar, das dem Gedanken der internationalen Harmonisierung in diesem Bereich umfassend Rechnung trägt.

II. Teilweise Rezeption des Modellgesetzes – Deutschland 1. Einleitung Deutschland hat sein Schiedsverfahrensrecht mit Wirkung zum 1. Januar 1998 auf Grundlage des Modellgesetzes reformiert,79 nachdem das alte Schiedsverfahrens79 Schiedsverfahrens-Neuregelungs-Gesetz – SchiedsVfG vom 22. 12. 1997, abgedruckt im BGBl. 1997 I, S. 3224 ff.

II. Teilweise Rezeption des Modellgesetzes – Deutschland

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recht der Bundesrepublik noch der ursprünglichen Fassung der dZPO von 1879 entstammte.80 Das Gesetz basiert zwar an vielen Stellen auf den Vorschriften des Modellgesetzes, da man sich einig war, dass „[d]em Anliegen des Modellgesetzes, zur Rechtsvereinheitlichung beizutragen, […] nur Rechnung getragen werden [kann], wenn man bereit ist, sowohl bei der Struktur des Gesetzes als auch hinsichtlich der Terminologie und des Inhalts von Einzelregelungen die rein nationale Sichtweise zugunsten des Ziels der Rechtsvereinheitlichung zuru¨ ckzustellen“.81

Dennoch weicht das deutsche Schiedsverfahrensrecht an einigen Stellen von den Vorschriften des Modellgesetzes ab, da insbesondere hinsichtlich der Zulässigkeitskontrolle und der Rechtskraftwirkung des Schiedsspruches die bereits vor der Rezeption bestehenden Regelungen als sinnvoll erachtet und daher beibehalten wurden.82 Zudem ist der Anwendungsbereich der §§ 1025 ff. ZPO nicht auf internationale Schiedsverfahren begrenzt und geht insoweit über den Anwendungsbereich der Gesetzesvorlage hinaus.83 Inhaltlich deckungsgleich, aber in der Regelungssystematik unterschiedlich ist schließlich die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, die sich unmittelbar nach dem UNÜ richtet.84 Diese teilweise Umsetzung des Modellgesetzes ist häufig von Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung geprägt.85 So führte der eingeschlagene Mittelweg Deutschland in der europäischen Schiedsrechtlandschaft seither zwar aus seiner vormaligen Außenseiterrolle heraus, vermochte jedoch auch nicht die Lücke zu den diesbezüglich führenden europäischen Staaten England, Frankreich, Schweden und Schweiz zu schließen.86 Die nationale Schiedsverfahrensorganisation DIS (Deutsche Institution für Schiedsgerichtbarkeit e. V.) registrierte zwischen 2007 und 2017 im Schnitt 39,6 Schiedsverfahren unter Beteiligung mindestens einer internationalen Partei.87 Dieser Befund wird dadurch bestätigt, dass die Fallzahlen im Allgemeinen zuletzt leicht rückläufig gewesen sind.88 In Anbetracht dessen liegt es nahe, die 80

BT-Drs. 13/9124. BT-Drs. 13/5274, S. 28. 82 Siehe zu dieser Art der Rezeption grundsätzlich Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 18; für eine Übersicht der Abweichungen und Übereinstimmungen siehe Begr. RegE, BT-Drs. 13/5274, S. 26 ff.; scheinbar a. A. was die nur teilweise Rezeption betrifft Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 1.116, die von einer wörtlichen Übernahme spricht: „The German legislature chose to adopt the Model Law verbatim […]“. 83 Begr. RegE, BT-Drs. 13/5274, S. 25. 84 Begr. RegE, BT-Drs. 13/5274, S. 27. 85 Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 18. 86 Cole et al., Legal Instruments and Practice of Arbitration in the EU, S. 101 f.; teilweise wurde zuletzt sogar von einem Zurückfallen gesprochen, vgl. Wernicke NJW (2017) 3038, 3041. 87 Eigene Berechnung unter Zugrundelegung der jährlichen Statistiken der DIS, verfügbar unter http://www.disarb.org/de/39/content/statistik-id70, zuletzt aufgerufen am 17. 11. 2017. 88 Vgl. Wilske/Markert/Bräuninger, SchiedsVZ 2019, 101, 104. 81

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derzeitige Gesetzeslage erneut auf den Prüfstand zu stellen – ein Vorhaben, dem sich eine Arbeitsgruppe im Bundesjustizministerium angenommen hat.89 Wie im folgenden Abschnitt dargestellt, spiegelt sich der beschriebene Ansatz auch in den für die vorliegende Arbeit besonders relevanten Bereichen der Schiedsvereinbarung und der Zuständigkeitsallokation wider.

2. Gültigkeit der Schiedsvereinbarung a) Das Schiedsvereinbarungsstatut aa) Einleitung Wie auch das Modellgesetz enthält das deutsche Schiedsverfahrensrecht keine ausdrückliche, allgemeine Kollisionsregel für die Entscheidung über die Wirksamkeit und das Zustandekommen der Schiedsvereinbarung.90 Mit § 1059(2)(1)(a) dZPO und § 1061(1) dZPO i. V. m. Art. V(1)(a) UNÜ finden sich zwar den Art. 34(2)(a)(i), 36(1)(a)(i) ModG vergleichbare Vorschriften,91 deren Kollisionsregeln nach der Gesetzesbegründung auch für die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung gelten sollten.92 Das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung in den §§ 1025 ff. dZPO, unterstützt durch dogmatische Entwicklungen bei der rechtlichen Einordnung der Schiedsvereinbarung sowie die fortschreitende Harmonisierung des IPRs in der EU, führen jedoch zu abweichenden Ergebnissen bei der Ermittlung des für die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung maßgeblichen Rechts durch deutsche Gerichte. bb) Reichweite des Schiedsvereinbarungsstatuts In Deutschland betrifft das Schiedsvereinbarungsstatut sowohl die allgemeinen vertragsrechtlichen Fragen wie das Zustandekommen, die inhaltliche Wirksamkeit und die Auslegung der Schiedsvereinbarung, als auch die spezifisch schiedsrechtlichen Fragestellungen wie die Kündigung und die Zulässigkeit bestimmter Varianten der Schiedsvereinbarung.93 Ebenso beurteilen deutsche Gerichte die Schiedsbindung eines Dritten, der am Abschluss der Schiedsvereinbarung mitge89

Wolff 6 SchiedsVZ (2016) 293 ff. Epping, Schiedsvereinbarung, S. 45. 91 § 1059 dZPO entspricht seiner Struktur nach (§ 1061(1) dZPO i. V. m.) Art. V UNÜ; aus Gründen einer verständlicheren Darstellung wird im Folgenden ausschließlich auf § 1059 dZPO rekuriert. 92 Zwar im Zusammenhang mit § 1040(1) dZPO, aber unter Verweis auf die Notwendigkeit des diesbezüglich einheitlichen Maßstabs im staatlichen Gerichtsverfahren und im Schiedsverfahren BT-Drs. 13/5274, 43. 93 OLG Hamm, SchiedsVZ 2014, 38, 41; Schmidt-Ahrendts/Ho¨ ttler 5 SchiedsVZ (2011) 267, 272; Epping, Schiedsvereinbarung, S. 39; Geimer, in: Zöller, ZPO, § 1029 Rn. 108. 90

II. Teilweise Rezeption des Modellgesetzes – Deutschland

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wirkt hat, sowie die Bindung des Zessionars an die vom Zedenten abgeschlossene Schiedsvereinbarung anhand des Schiedsvereinbarungsstatuts.94 Die Form der Schiedsvereinbarung ist hingegen gesondert anhand des Formstatuts anzuknüpfen.95 cc) Bestimmung des Schiedsvereinbarungsstatuts Bei der konkreten Bestimmung des Schiedsvereinbarungsstatuts durch deutsche Gerichte hat sich infolge der rechtlichen Einordnung der Schiedsvereinbarung einerseits und der fortschreitenden Harmonisierung des IPRs in der EU andererseits ein Widerspruch ergeben, der eine Unsicherheit bei der Ermittlung des auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren Rechts zur Folge hat. Da die Unsicherheiten bei der Rechtsanwendung im Bereich des Schiedsvereinbarungsstatuts unmittelbar mit der rechtlichen Einordnung der Schiedsvereinbarung durch die deutschen Gerichte verknüpft ist, gilt es in einem ersten Schritt zunächst die diesbezügliche Entwicklung der Rechtsprechung darzustellen, ehe in einem zweiten Schritt die Auswirkungen dieser Einordnung auf die Ermittlung des Schiedsvereinbarungsstatuts erörtert werden können. In der Rechtsprechung hat sich die Ansicht über die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung im Laufe der Zeit von einer Einordnung als materiell-rechtlicher Vertrag über einen prozessualen Gegenstand zur Kategorisierung als Unterfall des Prozessvertrages gewandelt. Obgleich die vorliegende Untersuchung die Anwendung der §§ 1025 ff. dZPO durch die deutschen Gerichte seit der teilweisen Anpassung der Vorschriften an das Modellgesetz im Jahr 1998 zum Gegenstand hat, ist dabei für eine verständliche Darlegung der gegenwärtigen Einordnung der Schiedsvereinbarung ein Rückgriff auf weitaus früher ergangene Entscheidungen der deutschen Gerichte nötig. Denn bereits zu Zeiten des Reichsgerichts wurde von deutschen Gerichten im Ausgangspunkt entschieden, der Schiedsvertrag sei als materiell-rechtlicher Vertrag über einen prozessualen Gegenstand einzuordnen.96 Diese Einordnung scheint auf Adolf Baumbach zurückzugehen.97 Er berief sich als Begründung auf die damals gültige Fassung des § 1027 dZPO,98 welcher hinsichtlich der Form der Schiedsvereinbarung auf die Vorschriften des Bürgerlichen Rechts verwies.99 Daraus wurde geschlossen, dass sich die Zulässigkeit und prozessuale Wirksamkeit des Schieds94 BGH 8. 5. 2014 SchiedsVZ 2014, 151, 152 f.; OLG Saarbrücken 23. 11. 2017, BeckRS 2017, 135945 [Rn. 49]. 95 Siehe unten Kapitel G. II. 2. c). 96 RG 09. 3. 1934, RGZ 144, 96, 98; RG 2. 11. 1937, RGZ 156, 101, 104. 97 Münch, in: MüKo ZPO, § 1029 Rn. 12; Stürner/Wendelstein IPRax (2014) 473, 474 Fn. 5, m. w. N. 98 Baumbach, Das privatrechtliche Schiedsgerichtsverfahren, S. 37. 99 § 1027 dZPO i. d. F. vor 1933 lautete: „Ist nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes ein mündlich geschlossener Schiedsvertrag gültig, so kann jede Partei die Errichtung einer schriftlichen Urkunde über den Vertrag verlangen.“

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vertrags (wie bei einem prozess-rechtlichen Vertrag) nach der dZPO richten müsse, da diese dort geregelt seien. Hingegen seien andere Wirksamkeitsvoraussetzungen wie zum Beispiel die Freiheit von Willensmängeln (wie bei einem materiellrechtlichen Vertrag) am BGB zu messen.100 Die Rechtsprechung des Reichgerichts wurde später vom BGH auch schon vor der teilweisen Rezeption des Modellgesetzes fortgeführt;101 in diesem Zeitraum erstmals auch im Zusammenhang mit der Ermittlung des auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren Rechts.102 Ein Verweis auf die Vorschriften des BGB fand sich in der entsprechenden Vorschrift des § 1027 dZPO i. d. F. von 1950 hingegen nicht mehr.103 Möglicherweise auch deshalb legte sich die Judikatur später nicht mehr auf die bisherige Determination fest und ließ die Einordnung offen,104 bis sie schließlich dazu überging den Schiedsvertrag als Unterfall des Prozessvertrages zu kategorisieren.105 Auch nach der teilweisen Rezeption des Modellgesetzes hielt der BGH an der Einordnung als Prozessvertrag fest.106 Dieser Wandel in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung wird dadurch bestätigt, dass sich in den die Schiedsvereinbarung betreffenden §§ 1029 – 1031 dZPO kein allgemeiner Verweis auf die Vorschriften des bürgerlichen Rechts findet,107 wie dies im Ausgangspunkt bei der Kategorisierung als materiell-rechtlicher Vertrag über einen prozessualen Gegenstand noch der Fall war.108 Es stellt sich jedoch die Frage, inwiefern sich diese Kategorisierung auf die Bestimmung des Schiedsvereinbarungsstatuts in Deutschland auswirkt. Grenzüberschreitende materiell-rechtliche Verträge bedürfen in Deutschland zunächst einer Anknüpfung nach den Regeln des deutschen internationalen Vertragsrechts, wohingegen sich das auf Prozessverträge anwendbare Recht grundsätzlich nach dem Prozessrecht der lex fori bestimmt.109 Im Bereich der Schiedsvereinbarung kämen im Bereich des internationalen Vertragsrechts die Art. 27 ff. EGBGB a. F. beziehungs-

100 101 102

386. 103

Baumbach, Das privatrechtliche Schiedsgerichtsverfahren, S. 37. BGH 30. 1. 1957, BGHZ 23, 198, 200; BGH 22. 5. 1967, BGHZ 48, 35, 46. BGH 28. 11. 1963, BGHZ 40, 320, 323; fortgeführt in BGH 29. 2. 1968, BGHZ 49, 384,

Siehe BGBl. 1950 I, S. 624. BGH 10. 12. 1970, WM 1971, 308, 310. 105 BGH 3. 12. 1986, BGHZ 99, 143, 147. 106 BGH 6. 4. 2009, BGHZ 180, 221, 228. 107 Verweise auf einzelne Vorschriften des dBGB finden sich zwar in §§ 1030(2), 1031(5) dZPO, diese lassen jedoch keinen so allgemein gefassten Rückschluss zu, wie dies noch anhand des § 1027 dZPO i. d. F. vor 1933 möglich gewesen sein mag. 108 Zum Rechtscharakter der Schiedsvereinbarung eingehend siehe auch Wagner, Prozeßverträge, S. 578 ff., der zu einer Qualifikation als Prozessvertrag kommt (S. 582). 109 In diesem Sinne z. B. LG München I 26. 2. 2014, SchiedsVZ 2014, 100, 104. 104

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weise seit Inkrafttreten der Rom I-VO110 die Art. 3 ff. Rom I-VO zur Anwendung. Im deutschen Prozessrecht ergibt sich das anwendbare Recht aus §§ 1059(2)(1)(a) dZPO. Primär würde sowohl nach den Vorschriften des internationalen Vertragsrechts über Art. 3(1) S. 1 Rom I-VO111 als auch nach dem deutschen Prozessrecht über §§ 1059(2)(1)(a) Alt. 2 Var. 1 dZPO einer Rechtswahl der Parteien Rechnung getragen. Ist eine solche nicht getroffen worden, kommt über die verschiedenen Anknüpfungsmomente der jeweiligen Vorschriften ebenfalls die gleiche Rechtsordnung zur Anwendung: Während die Schiedsvereinbarung im Bereich des internationalen Vertragsrechts nach Art. 4(4) Rom I-VO112 mangels einschlägiger Sonderanknüpfungen anhand des Merkmals der engsten Verbindung anzuknüpfen wäre, stellt § 1059(2)(1)(a) Alt. 2 Var. 2 dZPO in diesem Fall auf deutsches Recht – also das Recht am Sitz des Schiedsgerichts – ab. Bei Anwendung des internationalen Vertragsrechts wird das Recht des Staates, mit dem die Schiedsvereinbarung die engste Verbindung aufweist dabei ebenfalls anhand des Schiedsortes ermittelt,113 sodass die beiden Ansätze bei bereits feststehendem Schiedsort bei fehlender Rechtswahl subsidiär ebenfalls zur Anwendung der gleichen Rechtsordnung führen. Für den Fall, dass der Schiedsort noch nicht bestimmt wurde, kommen die beiden Ansichten auf dritter Stufe schließlich erneut zu einer einheitlichen Anknüpfung: das Prozessrecht ist mangels einer Generalklausel in Anlehnung an Art. VI(2)(d) EuÜ auf einen Rückgriff auf das Kollisionsrecht der lex fori angewiesen, sodass dann wie im Rahmen des Art. 4(4) Rom I-VO das Recht des Staates zur Anwendung zu bringen wäre, mit dem die Schiedsvereinbarung die engste Verbindung aufweist. Der Rückgriff auf Art. VI(2)(d) EuÜ vereint hier also das Prozessrecht mit der Anknüpfung nach dem internationalen Vertragsrecht. Bei noch nicht feststehendem Schiedsort weist die Schiedsvereinbarung in der Regel die engste Verbindung mit dem in der Hauptsache anwendbaren Recht auf.114 Es handelt sich somit im Ergebnis um eine rein dogmatische Unterscheidung, die letztlich zu einem Gleichlauf in der Rechtsanwendung führt. Um die Ermittlung des Schiedsvereinbarungsstatuts durch die deutschen Gerichte darzustellen bedarf es indes zunächst erneut eines Rückgriffs auf den Ursprung der Rechtsprechung des BGHs noch vor Inkrafttreten des aktuellen deutschen Schiedsverfahrensrechts. In der ersten Entscheidung des BGH, in welcher dieser einen Zusammenhang zwischen der rechtlichen Einordnung des Schiedsvertrages und dem auf diesen anwendbaren Recht herstellte, ordnete der BGH den Schieds110 Verordnung (EG) Nr. 593/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates über das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom I), 17. 6. 2008, ABl. EU vom 4. 7. 2008 Nr. L 177, S. 6 ff. 111 Früher Art. 27(1) S. 1 EGBGB a. F. 112 Früher Art. 28(1) S. 1 EGBGB a. F. 113 BGH 7. 6. 2016, BGHZ 210, 292, 319. 114 Münch, in: MüKo ZPO, § 1029 Rn. 38; Schmidt-Ahrendts/Ho¨ ttler 5 SchiedsVZ (2011) 267, 274; noch zur Rechtslage unter Geltung der Art. 27 ff. EGBGB Epping, Schiedsvereinbarung, S. 46.

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vertrag noch als materiell-rechtlichen Vertrag über einen prozessualen Gegenstand ein. Daher entschied das Gericht, der Schiedsvertrag unterstehe als materiellrechtlicher Vertrag den Grundsätzen, die auch sonst für vertragliche Abmachungen maßgebend sind. Dementsprechend würden im Kollisionsfall die Regeln des deutschen internationalen Privatrechts gelten.115 Seinerzeit scheint der BGH dabei jedoch noch eher auf allgemeine Grundsätze zurückgegriffen zu haben.116 Die einzig explizit vom BGH herangezogene Norm ist Art. V(1)(a) UNÜ, die zumindest damals – als lediglich in einem internationalen Übereinkommen enthaltene Norm – keinen originären Bestandteil des deutschen internationalen Privatrechts darzustellen vermochte.117 Erst später zog der BGH dann für die Ermittlung des anwendbaren Rechts konkrete Normen des deutschen internationalen Privatrechts heran, namentlich die Art. 27 ff. EGBGB a. F.118 Diese Vorschriften sind jedoch mittlerweile außer Kraft gesetzt, da das auf vertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht seit Inkrafttreten der Rom I-VO auf Ebene der EU einheitlich geregelt ist und die Art. 27 ff. EGBGB somit durch die Verordnung ersetzt werden. Zur seither geltenden Rechtslage ist noch keine höchstgerichtliche Rechtsprechung ergangen. Würde der BGH den bisher eingeschlagenen Weg weiter verfolgen, sähe er sich nahezu unüberwindbaren Problemen ausgesetzt. Denn Art. 1(2)(e) Rom I-VO nimmt Schiedsvereinbarungen ausdrücklich vom Anwendungsbereich der Verordnung aus, sodass eine Anwendung der Art. 3 ff. Rom I-VO zur Ermittlung des Schiedsvereinbarungstatuts höchstens hilfsweise in Ermangelung anderweitiger Anknüpfungsmöglichkeiten in Betracht kommen könnte.119 In einem Fall, in dem es unter anderem um die Bindung des Zessionars an die vom Zedenten abgeschlossene Schiedsvereinbarung ging, hat sich der BGH indes tatsächlich eines solchen hilfsweisen Rückgriffs auf die Grundsätze zeitlich nicht mehr anwendbaren Rechts (Art. 33(2) EGBGB a. F.) und für Schiedsvereinbarungen explizit nicht anwendbarer Normen (Art. 14(2) Rom I-VO) 115

BGH 28. 11. 1963, BGHZ 40, 320, 323. Ebd.: „Nach diesen Regeln […][Anm.: gemeint sind die Regeln des deutschen internationalen Privatrechts]“; diese zurückhaltende Anwendung konkreter Rechtsnormen im Bereich des Internationalen Privatrechts steht im Einklang mit der allgemeinen Entwicklung des nationalen Kollisionsrechts in Deutschland, siehe dazu von Hein, in: MüKo BGB, Einleitung zum Internationalen Privatrecht, Rn. 22 ff. 117 Infolge der Inkorporierung des UNÜ in § 1061(1) S. 1 dZPO in seiner aktuellen Fassung ließe sich diese Qualifikation heutzutage eher begründen. 118 Zunächst nur im Hinblick auf die Formerfordernisse auf Art. 11 EGBGB abstellend BGH 9. 3. 1978, BGHZ 71, 131, 137; etwas allgemeiner auf das EGBGB verweisend BGH 21. 9. 2005, NJW 2005, 3499, 3500 f.; eindeutig BGH 8. 6. 2010, NJW-RR 2011, 548, 550, BGH 8. 6. 2010, WM 2010, 2032, 2034; BGH 25. 1. 2011, SchiedsVZ 2011, 157, 159; BGH 3. 5. 2011, NJW-RR 2011, 1350, 1353; BGH 7. 6. 2016, BGHZ 210, 292, 308 f. 119 So die h. M. in der deutschen Literatur: Magnus IPRax (2016) 521, 530; Münch, in: MüKo ZPO, § 1029 Rn. 31; Hausmann, in: Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, Rn. 8.246; Voit, in: Musielak/Voit ZPO § 1029 Rn. 28; König 3 SchiedsVZ (2012) 129, 133; Schmidt-Ahrendts/Ho¨ ttler 5 SchiedsVZ (2011) 267, 272 f. 116

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bedient.120 Zuletzt ermittelte der BGH jedoch das anwendbare Recht im Rahmen eines Rechtsstreits um die persönliche Reichweite der Schiedsvereinbarung ohne weitere Begründung anhand des § 1059(2)(1)(a) dZPO,121 und setzt sich damit in Widerspruch zur Begründung seiner früheren Entscheidungen. Auch in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung hat sich Unsicherheit über die aktuelle Rechtslage breit gemacht. So wurde teilweise ebenfalls auf § 1059(2)(1)(a) dZPO abgestellt, ohne dabei weiter auf die Rechtsnatur der Schiedsvereinbarung einzugehen.122 Durch andere Gerichte wurde hingegen die sich aus dieser Vorschrift ergebende Anknüpfungsleiter zur Anwendung gebracht, ohne dabei auf eine konkrete Norm abzustellen.123 Wieder andere Instanzgerichte haben das entstandene Problem erörtert und offengelassen,124 wobei eine der gültigen Gesetzeslage entsprechende Vorschrift mitunter ebenfalls nicht genannt wird.125 Bedenkt man, dass diese missliche Situation auf die ursprüngliche Einordnung der Schiedsvereinbarung als materiell-rechtlicher Vertrag u¨ ber einen prozessualen Gegenstand zurückzuführen ist, welche wiederum auf einer längst nicht mehr existenten Vorschrift beruht, liegt die Lösung des Problems eigentlich nahe. Zunächst hat sich auch die Rechtsprechung schon von der ursächlichen Kategorisierung gelöst, ohne jedoch die logische Konsequenz der Einordnung der Schiedsvereinbarung als Unterfall des Prozessvertrages im Hinblick auf das Schiedsvereinbarungsstatut zu ziehen. Als Unterfall des Prozessvertrages wäre die Schiedsvereinbarung bei Auslandsberührung nämlich eigentlich anhand des Prozessrechts anzuknüpfen;126 namentlich dann nach der auf Art. 34(2)(a)(i) ModG basierenden Vorschrift des § 1059(2)(1)(a) Alt. 2 dZPO. Diese Auslegung scheint auch vom deutschen Gesetzgeber bei der teilweisen Rezeption des Modellgesetzes so intendiert gewesen zu sein.127 Der explizite Ausschluss von Schiedsvereinbarungen vom Anwendungsbereich der Rom I-VO in Art. 1(2)(e) Rom I-VO ist folglich lediglich in der Lage, dieses ohnehin zutreffende Ergebnis zu unterstreichen. Die Grundsätze des internationalen Vertragsrechts wären demnach lediglich dann zu bemühen, wenn der Schiedsort noch nicht feststeht, wobei die objektive Anknüpfung anhand der engsten Verbindung als allgemein anerkanntes Prinzip des internationalen Privatrechts 120

BGH 8. 5. 2014 SchiedsVZ 2014, 151, 153. BGH, 8. 11. 2018 MDR 2019, 631 [Rn. 12]. 122 OLG Braunschweig 31. 10. 2012, BeckRS 2014, 11052 [II.1.b)aa)]. 123 Jedoch die Anwendbarkeit der Rom I-VO verneinend LG Köln 28. 3. 2017, BeckRS 2017, 107711 [Rn. 65]; OLG München 7. 7. 2014, SchiedsVZ 2014, 262, 264. 124 OLG Hamburg 19. 12. 2012, BeckRS 2014, 06734 [II.2.a)]; OLG Hamburg 11. 10. 2016, BeckRS 2016, 115222 [Rn. 15 ff.]; OLG Saarbrücken 23. 11. 2017, BeckRS 2017, 135945 [Rn. 46 ff.]. 125 OLG Saarbrücken 23. 11. 2017, BeckRS 2017, 135945 [Rn. 46 ff]. 126 So auch schon zur alten Rechtslage, in der die Art. 27 ff. EGBGB noch Geltung beanspruchen konnten LG München I 26. 2. 2014, SchiedsVZ 2014, 100, 104. 127 BT-Drs. 13/5274, S. 43. 121

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herangezogen werden kann und es insoweit keines Rückgriffs auf Art. 4(4) Rom IVO128 bedarf.129 Nichtsdestotrotz herrscht in der deutschen Rechtsprechung derzeit ersichtlich Unsicherheit bezüglich der Ermittlung des Schiedsvereinbarungsstatuts. Dies ist vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BGH verständlich, die auf Zeiten weit vor der teilweisen Rezeption des Modellgesetzes in Deutschland zurückgeht. Es handelt sich somit nicht um ein Problem, das originär auf die lediglich teilweise Rezeption des Modellgesetzes zurückzuführen ist,130 sondern eher um eine historisch erklärbare Fehlentwicklung. Konsequent wäre es indes, die deutsche Rechtsprechung im Einklang mit dem deutschen Schiedsverfahrensrecht auf eine Linie mit den sich aus dem Modellgesetz ergebenden internationalen Standards im Bereich des Schiedsvereinbarungsstatus zu bringen.

b) Das subjektive Schiedsfähigkeitsstatut Vor dem Hintergrund der fehlenden Regelung des subjektiven Schiedsfähigkeitsstatuts im Modellgesetz131 erscheint es auf den ersten Blick konsequent, dass der deutsche Gesetzgeber bei der teilweisen Rezeption des Modellgesetzes die Vorlage des Art. 34(2)(a)(i) ModG ergänzt hat. § 1059(2)(1)(a) dZPO sieht vor, dass sich die subjektive Schiedsfähigkeit „nach dem Recht, das für sie [die in Frage stehende Partei] persönlich maßgebend ist“, richtet. Damit wurde bewusst erneut der Wortlaut des UNÜ übernommen,132 von dem sich das Modellgesetz aufgrund seiner Unklarheit im Hinblick auf den genauen Anknüpfungsmoment noch gelöst hatte.133 Die damals festgestellte Unklarheit der im Zuge der teilweisen Rezeption des Modellgesetzes wiederbelebten Regelung des Art. V(1)(a) UNÜ spiegelt sich auch in der Rechtsprechung des BGH zum subjektiven Schiedsfähigkeitsstatut wider.134 In dem einzigen Urteil des BGH zu diesem Themenkomplex führt der erkennende Senat aus, dass sich die subjektive Schiedsfähigkeit sowohl nach dem Personalstatut des Art. 7 EGBGB und damit nach der Staatsangehörigkeit der den Schiedsvertrag ab128

Früher Art. 28(1) EGBGB a. F. Schmidt-Ahrendts/Ho¨ ttler 5 SchiedsVZ (2011) 267, 274. 130 Wenngleich eine vollumfängliche Übernahme im Stile Irlands möglicherweise der Fortführung der Rechtsprechung durch den BGH hätte entgegenwirken können. Dies wäre zum Beispiel aufgrund einer mit Sect. 8 AA 2010 vergleichbaren Vorschrift möglich gewesen, welche die Gesetzgebungsmaterialien zum Modellgesetz explizit für die Auslegung des Gesetzes heranzieht. 131 Siehe dazu oben in Kapitel E. III. 1. b). 132 BT-Drs. 13/5274, 59. 133 Der Wortlaut des UNÜ ist nach Ansicht der Arbeitsgruppe zum Modellgesetz unklar, da er eine Anknüpfung an die Staatsangehörigkeit, den Wohnsitz oder den gewöhnlichen Aufenthalt zulässt; siehe dazu oben in Kapitel E. III. 1. b) unter Verweis auf UNCITRAL, A/40/17, Rn. 280. 134 BGH 9. 3. 2010, BGHZ 184, 365, 371 f. 129

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schließenden Partei richten könnte, als auch nach dem Recht des gewöhnlichen Aufenthalts. Da im zur Entscheidung stehenden Fall beide Anknüpfungen zur Anwendbarkeit deutschen Rechts führten, ließ der BGH die Möglichkeit, hier zur Klärung der Rechtslage beizutragen, leider ungenutzt verstreichen.135 Das in der Vorinstanz zur Entscheidung berufene OLG Düsseldorf hatte noch ohne Umschweife auf das Personalstatut abgestellt.136 Diese Ansicht ist Teil der ständigen Rechtsprechung des Gerichts.137 Das LG München I entschied später ebenso.138 Trotz der eher selten auftretenden Frage nach dem subjektiven Schiedsfähigkeitsstatut ist in der deutschen Rechtsprechung also eine Tendenz zur Anknüpfung an das Personalstatut erkennbar. Dennoch lässt sich bei genauerer Untersuchung feststellen, dass das Abweichen von den noch weniger aussagekräftigen Regelungen des Modellgesetzes nicht zu einer Klärung der Rechtslage beigetragen hat. Im Ergebnis würde im Anwendungsbereich des deutschen Schiedsverfahrensrechts damit ebenso wie im Anwendungsbereich des Modellgesetzes ausschließlich eine höchstrichterliche Klärung der Rechtslage zu mehr Rechtssicherheit führen. Als Fazit kann daher festgehalten werden, dass ein teilweises Abweichen vom Modellgesetz in Bereichen, in welchen dieses nicht hinreichend bestimmt formuliert ist, nur dann als sinnvoll zu erachten ist, wenn durch dieses Abweichen so klare Regelungen geschaffen werden, dass diese tatsächlich zu mehr Rechtssicherheit führen. Anderenfalls wäre es vor dem Hintergrund eines international einheitlichen Normensystems besser, das Modellgesetz unverändert zu übernehmen. c) Das Formstatut Im Hinblick auf das Formstatut ist aufgrund des § 1061(1) dZPO danach zu unterscheiden, ob der Sitz des Schiedsgerichts in Deutschland oder im Ausland liegt.139 Schon daraus ergibt sich eine Abweichung zu den Vorschriften des Modellgesetzes. Während im letztgenannten Fall über § 1061(1) dZPO die Grundsätze des UNÜ gelten,140 ist die Rechtslage bei deutschem Sitz des Schiedsgerichts bisher lediglich Gegenstand einer instanzgerichtlichen Entscheidung gewesen, der im 135

Ebd. OLG Düsseldorf 9. 3. 2009, BeckRS 2011, 14728 [II.1.b)]. 137 OLG Düsseldorf 20. 12. 2007, BeckRS 2008, 03762 [II.1.b)aa)]; 6. 3. 2008, BeckRS 2011, 18578 [II.1.b)aa)]; 29. 1. 2009, BeckRS 2011, 06513 [II.1.b)aa)aaa)]; 19. 2. 2009, BeckRS 2011, 06515 [II.1.b)aa)aaa)]; 19. 2. 2009, BeckRS 2011, 06517 [II.1.b)aa)]; 7. 5. 2009, BeckRS 2011, 06811 [II.1.b)aa)]. 138 LG München I 26. 2. 2014, SchiedsVZ 2014, 100, 109. 139 Grundsätzlich besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass die formelle Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung bereits vor Festlegung des Sitzes des Schiedsverfahrens durch ein deutsches Gericht überprüft werden muss, vgl. §§ 1025(2) Alt. 2, 1032(1), (2) dZPO; zu diesem Fall ist jedoch soweit ersichtlich noch keine Entscheidung deutscher Gerichte ergangen. 140 BGH 25. 9. 2003, SchiedsVZ 2003, 281, 282; BGH 21. 9. 2005, NJW 2005, 3499, 3500; BGH 30. 9. 2010, BGHZ 187, 126, 126 f.; BGH 12. 4. 2011, NJW-RR 2011, 1287, 1288. 136

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Ausgangspunkt die auf Art. 34(2)(a)(i) ModG beruhende141 Vorschrift des § 1059(2)(1)(a) dZPO zugrunde liegt. aa) Ausländischer Schiedsort Befindet sich der Sitz des Schiedsgerichts im Ausland ist nach deutschem Recht auf der nächsten Stufe nochmals danach zu unterscheiden, ob das Gericht die formelle Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung in der Einredesituation oder aus der Anerkennungs- und Vollstreckungsperspektive zu beurteilen hat. Diese weitere Differenzierung beruht auf der Verweisung des § 1061(1) dZPO, die zunächst nur für die nachträgliche Kontrolle des Schiedsspruches gilt. Befindet sich der Sitz des Schiedsgerichts im Ausland, bestimmen deutsche Gerichte die formelle Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung für die Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs anhand der Grundsätze des UNÜ. Folglich ist die Schiedsvereinbarung in diesen Fällen jedenfalls gültig, wenn die vergleichsweise strengen Anforderungen der Sachvorschrift des Art. II(1), (2) UNÜ erfüllt sind.142 Ob hingegen über eine Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes auch das Einhalten liberalerer nationaler Formvorschriften, wie zum Beispiel des § 1031(2)(4) dZPO ausreichend ist, war in der Rechtsprechung aufgrund des Verweises auf das UNÜ in § 1061(1) dZPO nach der teilweisen Rezeption des Modellgesetzes durch Deutschland zunächst nicht geklärt.143 In einer Grundsatzentscheidung urteilte der BGH jedoch später, dass der Meistbegünstigungsgrundsatz nach dem Sinn und Zweck des UNÜ, des deutschen Schiedsverfahrensrechts und auch des Modellgesetzes trotz des Verweises auf die Vorschriften des UNÜ im deutschen Recht Anwendung findet.144 Dabei erklärte der entscheidende Senat, die Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes führe auch zur Anwendung des nationalen Kollisionsrecht, sofern dieses zur Anwendung noch liberalerer Formvorschriften eines anderen Staates führt.145 Folglich ermitteln deutsche Gerichte das Formstatut für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche anhand des UNÜ. Dieses bringt neben der Sachvorschrift des Art. II(1), (2) UNÜ über den Meistbegünstigungsgrundsatz des Art. VII(1) UNÜ auch liberaleres nationales Sachrecht zur Anwendung, welches auch anhand des deutschen Kollisionsrechts zu ermitteln sein kann. In der Einredesituation nach § 1032(1) dZPO sind die Vorschriften des UNÜ hingegen nicht unmittelbar aufgrund der Verweisung in § 1061(1) dZPO anwendbar, 141

BT-Drs. 13/5274, 59. BGH 25. 9. 2003, SchiedsVZ 2003, 281, 282; BGH 21. 9. 2005, NJW 2005, 3499, 3500; BGH 30. 9. 2010, BGHZ 187, 126, 126 f. 143 Zwar mit Tendenz zur Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes, aber noch offengelassen in BGH 21. 9. 2005, NJW 2005, 3499, 3500. 144 BGH 30. 9. 2010, BGHZ 187, 126, 126 f. 145 BGH 30. 9. 2010, BGHZ 187, 126, 127. 142

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da diese ihrem Wortlaut zufolge nur für „[d]ie Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche“ gilt. Ist jedoch der Anwendungsbereich des UNÜ eröffnet,146 gilt auch unabhängig von § 1061(1) dZPO der Vorrang des UNÜ, welches sich in Art. II(3) UNÜ auf die Einredesituation bezieht. Daher wendet der BGH in ständiger Rechtsprechung auch im Fall des § 1032(1) dZPO die aus den Vorschriften des UNÜ resultierenden Grundsätze an, sofern die Schiedsabrede zu einem ausländischen Schiedsspruch im Sinne von Art. I(1) UNÜ führen kann.147 Auch hier gilt, dass es nicht auf eine Einhaltung der Anforderungen der Sachvorschrift des Art. II(1), (2) UNÜ ankommt; vielmehr findet auch in der Einredesituation der Meistbegünstigungsgrundsatz des Art. VII(1) UNÜ Anwendung.148 Die Auswirkungen der Anwendung des Meistbegünstigungsgrundsatzes auf das Formstatut wurden dabei allerdings nicht immer einheitlich beurteilt. In einem Urteil, das noch zum alten Schiedsverfahrensrecht erging, hatte der BGH Art. 11(1) EGBGB 1986 herangezogen, um die maßgeblichen Formvorschriften zu ermitteln.149 Nach der teilweisen Anpassung der §§ 1025 ff. dZPO an das Modellgesetz ließ der BGH dann zunächst offen, ob als Folge des Meistbegünstigungsgrundsatzes eine unmittelbare Anwendung des § 1031 dZPO als zurückhaltendere nationale Formvorschriften der lex fori anzunehmen sei oder die Ermittlung der anwendbaren Formvorschriften doch anhand des Schiedsvereinbarungsstatuts zu erfolgen habe.150 Die letztgenannte Variante setzte sich schließlich durch, wobei der BGH im Einklang mit seiner Rechtsprechung zum Schiedsvereinbarungsstatut151 Art. 29(3) EGBGB a. F. heranzog, da an dem Streit Verbraucher beteiligt waren, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatten, sodass nicht Art. 11 EGBGB, sondern § 1031(5) dZPO zur Anwendung kam.152 Für Fälle mit Verbraucherbeteiligung ergibt sich aus der Rechtsprechung des BGH somit für das Formstatut in der Einredesituation bei ausländischem Schiedsort

146

Dies ist seit der Aufhebung des Vertragsstaatsvorbehalts nach Art. I(3) S. 1 UNÜ durch Deutschland mit der teilweisen Rezeption des Modellgesetz (BGBl. 1999 II, S. 7) der Fall, wenn die Möglichkeit des Erlasses eines ausländischen Schiedsspruches besteht. 147 Noch zum alten Schiedsverfahrensrecht BGH 15. 6. 1987, NJW 1987, 3193, 3195; BGH 21. 9. 1993, NJW-RR 1993, 1519, 1520; zur neuen Fassung der §§ 1025 ff. dZPO BGH 8. 6. 2010, BeckRS 2010, 24791 [Rn. 19]; BGH 8. 6. 2010, SchiedsVZ 2011, 46, 48; die beiden letzten Urteile werden diesbezüglich referenziert in BGH 25. 1. 2011, SchiedsVZ 2011, 157, 159; BGH 12. 4. 2011, NJW-RR 2011, 1287, 1288. 148 Noch ohne die Meistbegünstigungsklausel zu zitieren und zum alten Schiedsverfahrensrecht BGH 21. 9. 1993, NJW-RR 1993, 1519, 1520; zur neuen Fassung der §§ 1025 ff. dZPO BGH 8. 6. 2010, BeckRS 2010, 24791 [Rn. 23 ff.]; BGH 8. 6. 2010, SchiedsVZ 2011, 46, 48; BGH 25. 1. 2011, SchiedsVZ 2011, 157, 159. 149 BGH 21. 9. 1993, NJW-RR 1993, 1519, 1520. 150 BGH 8. 6. 2010, BeckRS 2010, 24791 [Rn. 23 ff.]. 151 Siehe dazu oben Kapitel G. II. 2. a) cc). 152 BGH 8. 6. 2010, SchiedsVZ 2011, 46, 48 f.; BGH 25. 1. 2011, SchiedsVZ 2011, 157, 159; BGH 12. 4. 2011, NJW-RR 2011, 1287, 1288.

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derzeit dieselbe Situation wie im Bereich des Schiedsvereinbarungsstatuts.153 Denn Art. 29 EGBGB a. F. wurde durch Art. 6, 11(4) Rom I-VO ersetzt, welche jedoch gemäß Art. 1(2)(e) Rom I-VO auf Schiedsvereinbarungen ebenfalls keine Anwendung finden. Somit bliebe lediglich eine Anwendung des Art. 11 EGBGB übrig, welcher keinen Verbraucherschutz vorsieht, sondern mit seiner alternativen Anknüpfung vielmehr als recht liberal zu erachten ist. Brächte man hingegen die Vorschriften der lex fori auch zur Anwendung – wie dies für die Ermittlung des Schiedsvereinbarungsstatuts richtigerweise ebenfalls vorgeschlagen wird154 – wenn ein Verbraucher an der Schiedsvereinbarung beteiligt ist, wäre dieser ebenfalls schutzlos gestellt. Denn die deutsche lex fori enthält keine dem Schutz des Verbauchers dienende Vorschrift. Das Formstatut würde dann vielmehr nach § 1059(2)(1)(a) dZPO angeknüpft, welcher eine Schiedsvereinbarung unter Beteiligung eines Verbrauchers auch einer weniger strengen Form als der des § 1031(5) dZPO unterwerfen kann. Während das Formstatut in der Einredesituation bei ausländischem Schiedsverfahrenssitz im Modellgesetz nicht geregelt ist,155 ermittelt die deutsche Rechtsprechung das Formstatut in dieser Situation im Ergebnis also anhand des Schiedsvereinbarungsstatuts unter Zuhilfenahme des nationalen Kollisionsrechts, also unter Anwendung des Art. 11 EGBGB. Daraus folgt ein lückenhafter Rechtsschutz für Verbraucher, wie er auch aus einer Anwendung der lex fori resultieren würde. Dies belegt, dass die Erweiterung des Anwendungsbereiches des für die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit konzipierten Modellgesetzes problembehaftet ist. bb) Deutscher Schiedsort Wurde Deutschland als Sitz des Schiedsgerichts festgelegt, richtet sich die Form der Schiedsvereinbarung wegen § 1025(1) dZPO grundsätzlich nach § 1031 dZPO. Wegen der Formulierung „Schiedsvereinbarung nach den §§ 1029, 1031“ in § 1059(2)(1)(a) dZPO ist dieser Befund weiteren kollisionsrechtlichen Erwägungen eigentlich nicht zugänglich. Das OLG Hamburg hat jedoch in der einzigen Entscheidung deutscher Gerichte, die sich mit dem Formstatut bei inländischem Schiedsverfahrenssitz befasst, in seinem Urteil ausgeführt, dass die Form der Schiedsvereinbarung durchaus einer Rechtswahl zugänglich sein könne.156 Dies sei möglicherweise der Fall, wenn das Schiedsvereinbarungsstatut im Übrigen zur Anwendung einer anderen Rechtsordnung führe, die strengere Anforderungen an

153 154 155 156

Siehe oben Kapitel G. II. 2. a) cc). Ebd. Siehe oben Kapitel E. III. 1. d). OLG Hamburg 11. 10. 2016, BeckRS 2016, 115222 [Rn. 17].

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eine wirksame Schiedsvereinbarung stellt als § 1031 dZPO, sofern die Mindeststandards des § 1031 dZPO erfüllt sind.157 Folgt man diesem Ansatz, richtet sich das Formstatut gemäß § 1059(2)(1)(a) dZPO zwar als Mindeststandard zwingend nach § 1031 dZPO. Darüber hinaus schlägt eine insoweit erfolgte Rechtswahl jedoch auf das Formstatut durch, sofern das aufgrund dessen zur Anwendung kommende Recht strengere Anforderungen an eine formwirksame Schiedsvereinbarung stellt als das deutsche Recht. Eine solche Interpretation scheint beim Erlass des Modellgesetzes nicht intendiert gewesen zu sein.158 Jedoch wäre eine entsprechende Auslegung des Modellgesetzes ebenso möglich, da die Vorschriften sich in dieser Hinsicht nicht unterscheiden.159 Ratsam erscheint dies indes nicht. Denn es gilt zu bedenken, dass so der Günstigkeitsgrundsatz übergangen wird und entgegen der eindeutigen Anordnung der lex fori eine Rechtswahl ermöglicht wird. d) Definition und Form der Schiedsvereinbarung Die sachlich zu erfüllenden Anforderungen an eine Schiedsvereinbarung finden sich im deutschen Schiedsverfahrensrecht in den §§ 1029, 1031 dZPO. Da die teilweise Rezeption des Modellgesetzes in Deutschland vor 2006 erfolgte, konnte als Anhaltspunkt der Reform für die sachliche Bestimmung noch nicht Art. 7 ModG 2006 dienen, sondern lediglich Art. 7 ModG 1985. aa) Legaldefinition der Schiedsvereinbarung, § 1029 dZPO § 1029(1) dZPO gibt zunächst eine Legaldefinition der Schiedsvereinbarung, welche in § 1029(2) dZPO in die Definitionen von Schiedsabrede und -klausel weiter aufgegliedert wird. Die Vorschrift übernimmt nahezu identisch Art. 7(1) ModG 1985; der größte Unterschied besteht in der Übertragung eines einzelnen Absatzes mit zwei Sätzen (Art. 7(1) ModG 1985) in eine eigene Vorschrift mit zwei Absätzen, die jeweils aus einem Satz bestehen (§ 1029 dZPO).160 Der BGH entnimmt dieser Definition naheliegenderweise zunächst, dass die Schiedsvereinbarung nur zwischen den Parteien Wirkung entfaltet, die an ihr beteiligt sind.161 Das zentrale Element der Legaldefinition ist der Rechtsprechung des BGH zufolge indessen, dass die Parteien vereinbaren, Rechtsstreitigkeiten unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges der Entscheidung durch eine unabhängige 157 Ohne aber im Ergebnis klar Position für oder gegen die Möglichkeit einer Rechtswahl zu beziehen; OLG Hamburg 11. 10. 2016, BeckRS 2016, 115222 [Rn. 20]. 158 Siehe oben Kapitel E. III. 1. d). 159 BT-Drs. 13/5274, 59. 160 BT-Drs. 13/5274, 33. 161 BGH 10. 2. 2011, BeckRS 2011, 05517 [Rn. 14].

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und unparteiliche Instanz zu unterwerfen.162 Anderenfalls fehle es an einem „Schiedsgericht“ im Sinne der Vorschrift.163 Die bloße Bezeichnung einer Entscheidungsinstanz als Schiedsgericht, die aber eigentlich nur eine den ordentlichen Gerichten vorgeschaltete Schlichtungsstelle ist, ändere daran folglich nichts.164 Die Schiedsvereinbarung übertrage dabei dem Schiedsrichter eine Tätigkeit, die im ordentlichen Rechtsweg sonst der staatlich bestellte Richter wahrrnehme.165 Der Ausschluss der staatlichen Gerichtsbarkeit müsse jedoch nicht umfassend gelten, vielmehr könne der Abschluss einer Schiedsvereinbarung auch mit einer auflösenden oder aufschiebenden Bedingung versehen werden.166 Die Rechtsprechung entnimmt der in § 1029 dZPO enthaltenen Legaldefinition der Schiedsvereinbarung folglich vor allem, dass diese den Ausschluss der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugunsten eines Schiedsgerichts bezweckt. bb) Form der Schiedsvereinbarung, § 1031 dZPO Die formellen Anforderungen, die an eine wirksame Schiedsvereinbarung zu stellen sind, listet das deutsche Schiedsverfahrensrecht im Gegensatz zum Modellgesetz getrennt von der Legaldefinition in § 1031 dZPO auf. Die Vorschrift stellt ein Paradebeispiel für die teilweise Rezeption des Modellgesetzes dar: Teilweise wurden die in Art. 7(2) ModG 1985 enthaltenen Vorschläge übernommen, teilweise jedoch auch um alternative formelle Anforderungen ergänzt.167 Zudem enthält § 1031(5) dZPO eine Sondervorschrift für Schiedsvereinbarungen mit Verbraucherbeteiligung – eine Abweichung vom Modellgesetz, die darauf beruht, dass der Anwendungsbereich über Handelsstreitigkeiten hinausgeht. § 1031(1) Alt. 1 dZPO statuiert im Ausgangspunkt zunächst ein Schriftformgebot, das in den folgenden Absätzen zahlreiche Erleichterungen erfährt. Damit ist – wie sich schon aus dem Wortlaut ergibt168 – der obergerichtlichen Rechtsprechung in Deutschland zufolge wie in Art. II UNÜ doppelte Schriftlichkeit gemeint.169 Dies stimmt mit der Vorlage des Art. 7(2) S. 2 Alt. 1 ModG 1985 überein.170 § 1031(1) 162

BGH 25. 1. 2007, SchiedsVZ 2007, 273, 275. BGH 27. 5. 2004, BGHZ 159, 207, 208. 164 BGH 29. 10. 2008, NJW-RR 2009, 637, 637. 165 In Abgrenzung zum Schiedsgutachtenvertrag BGH 18. 12. 2013, FamRZ, 653, 654. 166 Für eine Schiedsvereinbarung, die unter der auflösenden Bedingung steht, dass eine der Parteien den Schiedsspruch innerhalb einer bestimmten Frist nicht anerkennt, indem sie den ordentlichen Rechtsweg beschreitet BGH 1. 3. 2007, BGHZ 171, 245, 247. 167 BT-Drs. 13/5274, 36. 168 Vgl. § 1031(1) Alt. 1 dZPO: „[…] in einem von den Parteien unterzeichneten Dokument […]“. 169 Zu § 1031(5) dZPO, der insoweit aber wortgleich lautet BGH 3. 5. 2011, NJW-RR 2011, 1350, 1353. 170 Vgl. Art. 7(2) S. 2 Alt. 1 ModG 1985: „An agreement is in writing if it is contained in a document signed by the parties […]“. 163

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Alt. 2 dZPO relativiert diese scheinbare Strenge jedoch, indem im Ergebnis sämtliche Formen der wechselseitigen Nachrichtenübermittlung akzeptiert werden, sofern sie einen Nachweis der Vereinbarung sicherstellen. Dies ist dem BGH zufolge auch dann der Fall, wenn die Dokumente nicht unterschrieben sind; wesentlich sei lediglich die Wechselseitigkeit der Dokumente.171 Damit wird § 1031(1) Alt. 2 dZPO in Deutschland im Ergebnis wie von den Urhebern der Vorbildnorm des Art. 7(2) S. 2 Alt. 2 ModG 1985 vorgesehen ausgelegt.172 Die beiden Varianten des Art. 7 ModG 2006 würden die in § 1031(1) dZPO vorhergesehene Form ebenfalls als formgültige Schiedsvereinbarung anerkennen, wenngleich auch geringere Anforderungen als ausreichend erachtet würden.173 In § 1031(2) dZPO hat der deutsche Gesetzgeber einen Vorschlag umgesetzt, der schon während der Beratungen zum Modellgesetz zur Diskussion stand, letztlich aber nicht in Art. 7 ModG 1985 aufgenommen wurde.174 Die Vorschrift ist – wie zuvor bereits der abgelehnte Vorschlag für Art. 7 ModG 1985 – an die Regelung der Gerichtsstandsvereinbarung in Art. 17 EuGVÜ175 angelehnt und soll insbesondere das Schweigen auf ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben erfassen.176 Eine wirksame Schiedsvereinbarung liegt nach der Rechtsprechung des BGH in diesem Zusammenhang jedoch nicht vor, wenn in Rechnungen oder Auftragsbestätigungen auf AGB verwiesen wird, die eine Schiedsklausel enthalten, sofern die Rechnung oder Auftragsbestätigung nur dem Zweck dient, den Vertragsschluss und den Inhalt der getroffenen Vereinbarungen verbindlich festzulegen.177 Liegt hingegen ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben vor, das auf eine Schiedsklausel verweist, ist nach § 1031(2) dZPO in Abweichung von Art. 7(2) ModG 1985 eine wirksame Schiedsvereinbarung gegeben. Ob das kaufmännische Bestätigungsschreiben nach der Überarbeitung des Modellgesetzes von einer der beiden Versionen des Art. 7 ModG 2006 erfasst wäre, ist fraglich, da die in den Beratungen zum Modellgesetz 1985 vorgeschlagene und in § 1031(2) dZPO enthaltene Sprachfassung in keinem der beiden Vorschläge zu finden ist. In der ersten Version ist zwar nach dem dritten Absatz ein Nachweis über den Inhalt der Schiedsvereinbarung ausreichend, wobei die Schiedsvereinbarung auch „mündlich, durch schlüssiges Handeln, oder auf sonstige Weise“ geschlossen werden kann. Der Nachweis bezieht sich jedoch primär auf den Inhalt der Schiedsvereinbarung, während die Regelung des Abschlusses der Schiedsvereinbarung dem nationalen Recht des umsetzenden Staates überlassen bleiben sollte.178 171 172 173 174 175 176 177 178

BGH 21. 9. 2005, NJW 2005, 3499, 3500. Siehe oben Kapitel E. III. 1. e). Ebd. UNCITRAL, A/40/17, Rn. 85; Broches, Commentary Model Law, Art. 7 Rn. 12. Jetzt Art. 25(1) EuGVVO. BT-Drs. 13/5274, 36 f. BGH 21. 9. 2005, NJW 2005, 3499, 3500. UNCITRAL, A/61/17, Rn. 153.

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Würde die explizite Regelung des § 1031(2) dZPO durch Variante I des Art. 7 ModG 2006 ersetzt, ließe sich daher argumentieren, dass der Wegfall zur Folge hätte, dass ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben zum Abschluss einer Schiedsvereinbarung nicht ausreichend wäre. Für die zweite Version des Art. 7 ModG 2006 würde diese Argumentation gleichermaßen Geltung beanspruchen. Insofern stellt § 1031(2) dZPO eine genuin deutsche Regelung dar, die sich durch die großzügige Regelung des § 1027(2) dZPO a. F. erklärt, welche selbst den Abschluss einer Schiedsvereinbarung durch Handelsbrauch ermöglichte.179 § 1031(3) dZPO ist Art. 7(2) S. 3 ModG 1985 nachempfunden und bezweckt die Sicherstellung der Möglichkeit, eine gültige Schiedsvereinbarung auch durch Inbezugnahme von AGB abschließen zu können.180 Ein spezieller Hinweis auf die Schiedsklausel ist dafür der höchstgerichtlichen Rechtsprechung in Deutschland zufolge nicht erforderlich.181 Ebenso wenig bedarf es der Kenntnis der AGB des Vertragspartners, sofern eine zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme gegeben ist.182 Nichts anderes würde auch im Anwendungsbereich des Art. 7 ModG 2006 gelten, der die Verwendung von AGB in Absatz 6 der Variante I ausdrücklich erfasst und in Variante II ohnehin nur auf den Abschluss der Schiedsvereinbarung an sich abstellt. § 1031(4) dZPO a. F. regelte früher als Sondererregelung für die seerechtliche Praxis die Vereinbarung eines Schiedsverfahrens durch Begebung eines Konnossements.183 Die Vorschrift wurde jedoch mit Wirkung zum 25. April 2014 aufgehoben und durch § 522(1) HGB ersetzt, woraus sich insbesondere die Änderung ergibt, dass Schiedsvereinbarungen, auf die im Konnosement lediglich verwiesen wird, keine Bindungswirkung zwischen den Parteien mehr zeitigen.184 § 1031(4) dZPO a. F. hatte bei seinem Erlass kein Pendant im Modellgesetz 1985. Inhaltlich hat sich dies jedoch mit der Änderung des Art. 7 ModG 2006 geändert, da Variante I nun wegen Absatz 3 auch Konnossemente erfassen kann185 und die zweite Variante auf formelle Anforderungen gänzlich verzichtet. § 1031(5) dZPO wurde als Sonderregelung für Schiedsvereinbarungen mit Verbraucherbeteiligung erlassen und findet aufgrund der Beschränkung des Modellgesetzes auf die Handelsschiedsgerichtsbarkeit keine Vorbildvorschrift in der Gesetzesvorlage.186 Die Norm statuiert ein besonderes Schriftformerfordernis zum Schutz des Verbrauchers, das durch alternative Einhaltung der Form des § 126(2) 179

BGH 6. 4. 2017, NJW-RR 2017, 1531, 1532. BT-Drs. 13/5274, 37. 181 BGH 25. 1. 2007, NJW-RR 2007, 1719, 1720. 182 BGH 31. 10. 2001, BGHZ 149, 113, 118. 183 BT-Drs. 13/5274, 37. 184 BT-Drs. 17/10309, 143. 185 Holtzmann/Neuhaus/Kristjánsdóttir/Walsh, Commentary Model Law 2006, S. 35; siehe auch oben Kapitel E. III. 1. e) bb). 186 BT-Drs. 13/5274, 37. 180

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BGB, des § 126a BGB oder des § 128 BGB gewahrt werden kann. Somit ist die Vorschrift des § 1031(5) dZPO Gegenstand der Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit, mit der sich das Modellgesetz weder vor noch nach der Reform befasst.187 § 1031(6) dZPO entspricht dann wieder Art. 7(2) S. 2 ModG 1985 und dient dem Zweck, Unklarheiten über die formelle Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung möglichst frühzeitig auszuräumen.188 Daher hat die rügelose Einlassung zur Hauptsache im Schiedsverfahren in Deutschland zur Folge, dass der Mangel der Form der Schiedsvereinbarung geheilt wird. Dabei liegt eine rügelose Einlassung schon dann vor, wenn der Schiedsbeklagte vor dem Schiedsgericht zur Hauptsache verhandelt, ohne gerade wegen des Formmangels einen Vorbehalt zu erklären.189 Das Modellgesetz 2006 enthält mit Art. 7(5) ModG 2006 (Variante I) eine parallele Vorschrift, im Rahmen der Variante II dürfte von einem konkludenten Abschluss einer Schiedsvereinbarung auszugehen sein. Im Ergebnis ist die Regelung der formellen Anforderungen an eine Schiedsvereinbarung in § 1031 dZPO somit ein gutes Beispiel für die teilweise Rezeption des Modellgesetzes, die inzwischen bei Zugrundelegen des Modellgesetzes 2006 jedoch mit Ausnahme des Abschlusses einer Schiedsvereinbarung durch ein kaufmännisches Bestätigungsschreiben von beiden Varianten des Art. 7 ModG 2006 abgedeckt wäre.

3. Zuständigkeitsallokation Die Zuständigkeitsallokation zwischen Schiedsgericht und staatlichem Gericht ist im deutschen Schiedsverfahrensrecht weitgehend wie im Modellgesetz geregelt. § 1040(1) dZPO begründet den positiven Effekt des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz, § 1032(1) dZPO legt den grundsätzlichen Vorrang des Schiedsverfahrens fest und § 1040(3) dZPO sieht parallel zu Art. 16(3) ModG Möglichkeiten der gerichtlichen Überprüfung der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts vor. Ausdruck der lediglich teilweisen Rezeption des Modellgesetzes ist vornehmlich die Vorschrift des § 1032(2) dZPO, welche eine Zulässigkeitskontrolle durch das staatliche Gericht im Wege der Feststellungklage vorsieht.

187

sehen. 188 189

Von einer weiteren Analyse der Rechtsprechung zu § 1031(5) dZPO wird daher abgeBT-Drs. 13/5274, 37. BGH 29. 6. 2005, NJW-RR 2005, 1659, 1659 f.

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a) Vorläufige Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts § 1040 dZPO regelt die Frage der Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts und entspricht im Wesentlichen Art. 16 ModG.190 § 1040(1) S. 1 dZPO bestimmt, dass „[d]as Schiedsgericht […] über die eigene Zuständigkeit und im Zusammenhang hiermit über das Bestehen oder die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung entscheiden“ kann. Vor der teilweisen Rezeption des Modellgesetzes durch Deutschland gab es in der dZPO keine vergleichbare Regelung, was dazu führte, dass der BGH die Befugnis des Schiedsgerichts, über die eigene Zuständigkeit zu entscheiden, anhand der Schiedsvereinbarung beurteilte: Grundsätzlich wurde aus § 1037 i. V. m. § 1041(1)(1) dZPO a. F. gefolgert, dass eine Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts keine Bindungswirkung für staatliche Gerichte entfalten kann.191 Wenn die Schiedsvereinbarung jedoch eine sogenannte „Kompetenz-KompetenzKlausel“ enthielt – also eine explizite Anordnung, dass das Schiedsgericht über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung entscheiden soll – wurde die diesbezügliche Zuständigkeit der staatlichen Gerichte gänzlich derogiert, sodass sich die Prüfungskompetenz des staatlichen Gerichts dann auf die Wirksamkeit der „KompetenzKompetenz-Klausel“ beschränkte.192 Die Gesetzesnovelle führte jedoch bewusst eine Abkehr von dieser Rechtsprechung herbei,193 sodass der BGH § 1040(1) S. 1 dZPO n. F. als zwingende Vorschrift des deutschen Schiedsverfahrensrechts anerkennt.194 Da die Letztentscheidungsbefugnis jetzt bei den staatlichen Gerichten liegt,195 hat der Bundesgerichtshof die aus § 1040(1) dZPO folgende Zuweisung auch als „vorläufige Kompetenz-Kompetenz“ des Schiedsgerichts bezeichnet196 – im Gegensatz zur „(Letzt-) Kompetenz-Kompetenz“ des staatlichen Gerichts.197 Damit entspricht die Anwendung des § 1040(1) dZPO durch deutsche Gerichte dem Regelungsgehalt des Art. 16(1) ModG. b) Isolierte Überprüfung der Schiedsvereinbarung § 1032 dZPO befasst sich mit der Überprüfung der Schiedsvereinbarung durch ein staatliches Gericht unabhängig von einer Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts. § 1032(1) dZPO regelt dabei die Situation der Schiedseinrede, § 1032(2) 190

BT-Drs. 13/5274, 43. BGH 3. 3. 1955, KTS 1961, 26, 27; BGH 5. 5. 1977, BGHZ 68, 356, 358; BGH 13. 1. 2005, BGHZ 162, 9, 12 f. 192 BGH 3. 3. 1955, KTS 1961, 26, 27; BGH 5. 5. 1977, BGHZ 68, 356, 365 ff.; BGH 26. 5. 1988, NJW-RR 1988, 1526, 1527; BGH 6. 6. 1991, NJW 1991, 2215, 2215; BGH 13. 1. 2005, BGHZ 162, 9, 12 f. 193 BT-Drs. 13/5274, 26, 44. 194 BGH 13. 1. 2005, BGHZ 162, 9, 12 f. 195 § 1040(3) dZPO. 196 BGH 6. 6. 2002, BGHZ 151, 79, 81. 197 BGH 13. 1. 2005, BGHZ 162, 9, 14. 191

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dZPO den Kontrollantrag. Gemäß § 1032(3) dZPO hindern diese Verfahren jedoch – ebenso wie nach Art. 8(2) ModG – nicht die Fortsetzung des schiedsrichterlichen Verfahrens. Die auf dieser Regelung beruhende Möglichkeit der Entstehung von Parallelverfahren hat der deutsche Gesetzgeber bei Erlass der Vorschrift gesehen, die Wahrscheinlichkeit des Eintritts dieser Situation jedoch ganz im Sinne der Konzeption des Modellgesetzes als gering eingeschätzt, da ein Aussetzen des Schiedsverfahrens in dieser Situation wahrscheinlich sei und anderenfalls lediglich der Vermeidung von Verzögerungstaktiken diene.198 Tatsächlich sind im Anwendungsbereich des deutschen Schiedsverfahrensrecht keine Verfahrensverzögerungen durch Parallelverfahren bekannt geworden.199 aa) Schiedseinrede, § 1032(1) dZPO § 1032(1) dZPO regelt den Fall der Schiedseinrede und basiert auf Art. 8(1) ModG, konkretisiert jedoch den Wortlaut der Vorschrift dahingehend, dass die Verweisung der Parteien auf das Schiedsverfahren für den Fall einer nichtigen, unwirksamen oder undurchführbaren Schiedsvereinbarung in Form einer Klageabweisung erfolgt.200 In erster Instanz wird in der Regel ein Landgericht über die Einrede entscheiden, da sich die Zuständigkeit im Fall der Klageerhebung zur Hauptsache nach den allgemeinen Vorschriften richtet.201 Die Vorschrift wird vom BGH dahingehend ausgelegt, dass die Einrede grundsätzlich formfrei erhoben werden kann, jedoch muss die zugrundeliegende Schiedsvereinbarung durch den Beklagten konkret und fristgemäß bezeichnet werden.202 Die Einrede wird fristgemäß erhoben, wenn sie – unter Ausschluss der Anwendbarkeit der allgemeinen Präklusionsvorschriften, da § 1032(1) dZPO insoweit als Spezialvorschrift zu verstehen ist – bis zum Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache geltend gemacht wurde.203 Dies hat für jede Instanz gesondert zu erfolgen.204 Wird die Schiedseinrede nicht fristgemäß erhoben, folgt

198

BT-Drs. 13/5274, 38. Vgl. die empirische Erhebung bei Schlosser SchiedsVZ (2009) 129, 135. 200 Als mögliche Alternativen wurden eine Verweisung nach § 281 dZPO (analog) und eine Aussetzung des Verfahrens nach § 148 dZPO (analog) in Betracht gezogen; BT-Drs. 13/5274, 37 f. 201 §§ 71(1), 23 GVG. 202 BGH 13. 1. 2009, NJW-RR 2009, 790, 792; BGH 15. 12. 2010, BeckRS 2010, 31036 [Rn. 4]; BGH 8. 2. 2011, NJW-RR 2011, 1188, 1190. 203 So z. B. keine Präklusion wegen mangelnder Geltendmachung der Schiedseinrede innerhalb der Klageerwiderungsfrist nach § 276(1) S. 2 i. V. m. §§ 282(3) S. 2, 296(3) dZPO: BGH 10. 5. 2001, BGHZ 147, 394, 396 f. 204 BGH 13. 1. 2009, NJW-RR 2009, 790, 792; wohl auch BGH 8. 2. 2011, NJW-RR 2011, 1188, 1190. 199

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daraus nur, dass die Bindung der Parteien an den Schiedsvertrag im Umfang des betreffenden Streitgegenstandes aufgehoben ist.205 Für das wirksame Zustandekommen der Schiedsvereinbarung ist der Beklagte darlegungs- und beweisbelastet.206 Dabei hat das staatliche Gericht bei der Auslegung der Schiedsvereinbarung zumindest auch die Begleitumstände des Vertragsabschlusses zu berücksichtigen.207 Der BGH geht im Einklang damit von einem umfassenden Prüfungsumfang aus, sodass deutsche Gerichte auch prüfen, ob der Streitgegenstand von der Schiedsvereinbarung erfasst wird.208 Ebenso umfassend ist in der Einredesituation der Prüfungsmaßstab im Hinblick auf die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung, weswegen in Deutschland von einer bloßen prima facie Prüfung keine Rede sein kann.209 Dies steht im Einklang mit den zuvor vertretenen Lösungsansätzen im Bereich des Art. 8(1) ModG.210 Liegt eine wirksame Schiedsvereinbarung vor, entfaltet das Urteil des staatlichen Gerichts nach der Rechtsprechung des BGH sowohl für ein möglicherweise später eröffnetes Anerkennungsverfahren nach § 1059 dZPO als auch für das nachfolgende Schiedsverfahren Bindungswirkung.211 Die Schiedseinrede wird damit in Deutschland ganz im Sinne der Gesetzesväter des Art. 8(1) ModG gehandhabt – auch wenn die Vorschrift des § 1032(1) dZPO minimale Veränderungen gegenüber der Gesetzesvorlage aufweist. bb) Zulässigkeitskontrolle, § 1032(2) dZPO Die zusätzliche Zulässigkeitskontrolle nach § 1032(2) dZPO, derzufolge bis zur Bildung des Schiedsgerichts ein getrennter Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit oder Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens gestellt werden kann, stellt im Gegensatz dazu einen national entwickelten Ansatz dar, der seinen Ursprung nicht im Modellgesetz, sondern im früheren deutschen Schiedsverfahrensrecht hat.212 Im Un-

205

BGH 7. 7. 2017, NJW 2017, 892, 892 f. BGH 9. 3. 2010, BGHZ 184, 365, 372. 207 BGH 4. 10. 2001, NJW-RR 2002, 387, 387; BGH 13. 1. 2009, NJW-RR 2009, 790, 792. 208 Dies steht – wie auch in Art. 8(1) ModG (siehe dazu oben Kapitel E. III. 2. b) bb)) – im Einklang mit dem Wortlaut des § 1032(1) dZPO: „[…] Klage in einer Angelegenheit erhoben, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist […]“; siehe z. B. BGH 4. 10. 2001, NJW-RR 2002, 387. 209 BGH 8. 6. 2010, NJW-RR 2011, 548, 550; BGH 8. 6. 2010, WM 2010, 2032, 2034; BGH 25. 1. 2011, SchiedsVZ 2011, 157, 159; BGH 3. 5. 2011, NJW-RR 2011, 1350, 1353; BGH 7. 6. 2016, BGHZ 210, 292, 308 f. 210 Siehe oben Kapitel E. III. 2. b) bb). 211 BGH 18. 6. 2014, NJW 2014, 3655, 3657. 212 BT-Drs. 13/5274, 38. 206

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terschied zu einem Verfahren nach § 1032(1) dZPO ist für den Zulässigkeitsantrag in erster Instanz bereits das Oberlandesgericht zuständig.213 (1) Verhältnis der Zulässigkeitskontrolle zur Schiedseinrede Der Regelungsgegenstand der Vorschrift betrifft ebenfalls die nach § 1032(1) dZPO zu klärende Vorfrage der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung im Fall der Klageerhebung zur Hauptsache. Eine den §§ 1032(3), 1040(3) S. 3 dZPO vergleichbare Regelung,214 die das Verhältnis zwischen Schiedseinrede und Zulässigkeitskontrolle regelt, findet sich jedoch nicht. Eine höchstgerichtliche Entscheidung zum Verhältnis der beiden Überprüfungsmöglichkeiten zueinander ist erst jüngst ergangen.215 Zuvor kam es in der instanzgerichtlichen Rechtsprechung über einen langen Zeitraum zu divergierenden Entscheidungen. Das OLG Hamm ging bald nach Inkrafttreten der §§ 1025 ff. dZPO zunächst ohne Weiteres davon aus, ein Feststellungsantrag nach § 1032(2) dZPO sei auch statthaft, wenn die in Rede stehende Streitigkeit schon Gegenstand eines Hauptsacheverfahrens vor einem staatlichen Gericht ist.216 Andere Instanzgerichte hatten im Gegensatz dazu geurteilt, das Feststellungsinteresse im Rahmen des Antrags nach § 1032(2) dZPO fehle, wenn bereits ein Hauptsacheverfahren vor einem staatlichen Gericht rechtshängig ist und dort die Schiedseinrede nach § 1032(1) dZPO erhoben wurde, da anderenfalls ein Verstoß gegen den Grundsatz der Prozessökonomie, den das Schiedsverfahrensrecht beherrschenden Grundsatz der Beschleunigung und das Gebot der Vermeidung der Gefahr widersprüchlicher Entscheidungendrohe.217 Dem trat das OLG Bremen zumindest für den Fall entgegen, dass weitere Streitigkeiten zwischen den Parteien zu erwarten sind, bei denen die Schiedseinrede erneut von Relevanz sein wird, da bei der Inzidentprüfung nach § 1032(1) dZPO die Feststellungen zur Wirksamkeit des Schiedsvertrages nicht in Rechtskraft erwachsen wür-

213 Bei deutschem Schiedsort nach § 1062(1)(2) Alt. 1 i. V. m. § 1025(1) dZPO (Vereinbarung oder Schiedsort), bei noch unbestimmtem Schiedsort oder Schiedsort im Ausland nach § 1062(3) Alt. 2 i. V. m. § 1025(2) dZPO (Wohnsitz des Antragsgegners oder Ort der Belegenheit). 214 §§ 1032(3), 1040(3) S. 3 dZPO regeln das Verhältnis zwischen dem staatlichen Gerichtsverfahren zur Überprüfung der Schiedsvereinbarung und dem Schiedsverfahren. 215 BGH 9. 5. 2018, NJW-RR 2018, 1402; zuvor hatte der BGH lediglich ausgeführt, dass beide Verfahren gleichermaßen dem Zweck dienen, die Frage der Gültigkeit und Durchführbarkeit einer Schiedsvereinbarung (möglichst frühzeitig) zu klären, ohne dass sich daraus eine Folge für das Verhältnis der beiden Vorschriften untereinander herleiten ließe, BGH 19. 7. 2012, SchiedsVZ 2012, 281, 282. 216 Völlig ohne auf die Konkurrenz einzugehen OLG Hamm 10. 2. 1999, BB Beilage 1999, Nr. 11, 10, 11; etwas differenzierter dann OLG Hamm 14. 1. 2003, AuR 2003, 379, 380. 217 OLG Koblenz 4. 6. 1999, OLGR Koblenz 2000, 48, 49; BayObLG 7. 10. 2002, NJW-RR 2003, 354, 355; OLG München 10. 1. 2007, OLGR München 2007, 188, 188; OLG Koblenz 12. 6. 2008, SchiedsVZ 2008, 262, 263; OLG München 22. 6. 2011, SchiedsVZ 2011, 340, 341 f.

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den.218 Damit übereinstimmend hat auch das OLG Frankfurt/Main ein gleichberechtigtes Nebeneinander der Vorschriften vertreten.219 Der BGH hat sich nun in einer Leitentscheidung für ein Vorrangverhältnis des § 1032(2) dZPO gegenüber der Schiedseinrede nach § 1032(1) dZPO ausgesprochen.220 Im Anschluss an die Entscheidung des OLG Hamm führt der erste Zivilsenat zur Begründung dieses Ergebnisses aus, das OLG sei „nach der gesetzgeberischen Wertung das zur Entscheidung über die Zulässigkeit des schiedsgerichtlichen Verfahrens berufene Gericht“.221 Die frühzeitige Befassung des OLG gewährleiste, „dass Fragen der Zulässigkeit des schiedsrichterlichen Verfahrens vor diesem Gericht nicht erst in einem späteren Verfahren auf Aufhebung oder Vollstreckbarerklärung des Schiedsspruchs behandelt werden können und dien[e] damit der Prozessökonomie“.222 Der aus den parallelen Verfahren nach § 1032(1) dZPO und § 1032(2) dZPO resultierenden Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen sei durch Aussetzung des ordentlichen Verfahrens nach § 148 ZPO zu begegnen.223 Damit hat der BGH zumindest Klarheit hinsichtlich des Verhältnisses der Vorschriften zueinander geschaffen. Im Ergebnis überzeugt die angeführte Argumentation indes nicht. Das OLG ist zwar grundsätzlich der zuständige Spruchkörper für Unterstützungsverfahren.224 Diese setzen jedoch im Allgemeinen eine gültige Schiedsvereinbarung voraus. Dient das fragliche Verfahren aber einzig dem Zweck festzustellen, ob überhaupt eine gültige Schiedsvereinbarung vorliegt, sollte im Ausgangspunkt der in der Hauptsache zuständige gesetzliche Richter über diese Frage entscheiden. Diese Wertung liegt § 1032(1) dZPO zugrunde und entspricht damit der eigentlichen gesetzgeberischen Intention des Modellgesetzes. Anderenfalls würde die gerichtliche Zuständigkeit bereits unter der Annahme begründet, dass eine gültige Schiedsvereinbarung vorliegt. Diese Annahme des Vorliegens einer prima facie gültigen Schiedsvereinbarung entspricht allerdings gerade nicht der gesetzgeberischen Wertung, wie auch der umfassende Prüfungsmaßstab bei Vornahme der Zulässigkeitskontrolle zeigt. Ebenso greift das Argument der Prozessökonomie nur, wenn im Ergebnis eine gültige Schiedsvereinbarung vorliegt. Ist dies nicht der Fall, wird das ordentliche Verfahren unnötig ausgesetzt und ein zweites Gericht mit einem ihm fremden Sachverhalt befasst. Nicht zuletzt verbleibt nach der Entscheidung des BGH auch kein wirklicher Anwendungsbereich für § 1032(1) dZPO, da das Hauptsacheverfahren auf Antrag stets nach § 148 dZPO auszusetzen 218 Hanseatisches OLG Bremen 2. 5. 2008, DIS-Rechtsprechungs-Datenbank [II.1], verfügbar unter http://www.dis-arb.de/de/47/datenbanken/rspr/hanseat-olg-bremen-az-2-sch-0108-datum-2008-05-02-id1308; zuletzt aufgerufen am 2. 2. 2018. 219 OLG Frankfurt a. M. 21. 6. 2013, BeckRS 2014, 00888 [II. a. E.]. 220 BGH 9. 5. 2018, NJW-RR 2018, 1402. 221 BGH 9. 5. 2018, NJW-RR 2018, 1402 [Rn. 9]. 222 Ebd. 223 Ebd. 224 Vgl. § 1062(1) dZPO.

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ist, sobald der Zulässigkeitsantrag nach § 1032(2) dZPO beim zuständigen OLG gestellt wurde. Damit überlagert im Ergebnis die der Systematik des Modellgesetzes fremde Zulässigkeitskontrolle des § 1032(2) dZPO die ursprünglich dem Art. 8(1) ModG immanente Wertung bei der Überprüfung der Schiedsvereinbarung. Das Urteil des BGH und die bereits zuvor unterschiedliche Rechtsanwendung des § 1032(2) dZPO durch deutsche Instanzgerichte machen deutlich, dass die geringfügige Abweichung vom Modellgesetz in Form der zusätzlichen Zulässigkeitskontrolle im deutschen Schiedsverfahrensrecht mehr Verwirrung geschaffen hat, als Mehrwert zu erzeugen. Denn wie auch die Mehrzahl der deutschen Instanzgerichte ausgeführt hatte, ermöglicht bereits § 1032(1) dZPO eine Überprüfung der Schiedsvereinbarung durch das staatliche Gericht.225 Ist die Schiedsvereinbarung tatsächlich ungültig, wäre eine Klageerhebung in der Hauptsache vor einem staatlichen Gericht ohnehin die logische Konsequenz zur Anspruchsdurchsetzung. Da das Schiedsverfahren nach § 1032(3) dZPO ungeachtet dessen fortgeführt werden kann, besteht jedoch auch für den umgekehrten Fall einer gültigen Schiedsvereinbarung kein Bedarf für eine gesonderte Überprüfung, da das Schiedsverfahren durch die gerichtliche Überprüfung nicht verzögert wird. Art. 8 ModG stellt insoweit ein in sich schlüssiges System dar, das keiner Ergänzung bedarf. § 1032(2) dZPO veranschaulicht daher gut, wie leicht sich ein Abweichen vom Originaltext des Modellgesetzes aufgrund althergebrachter nationaler Regelungen eher zu einem Unsicherheitsfaktor als zu einem Wettbewerbsvorteil um internationale Schiedsverfahren entwickeln kann. (2) Gegenstand der Zulässigkeitskontrolle Unabhängig vom Verhältnis des § 1032(2) dZPO zu § 1032(1) dZPO ist der Prüfungsumfang der Zulässigkeitskontrolle dem BGH zufolge darauf beschränkt, „ob eine wirksame Schiedsvereinbarung besteht, diese durchführbar ist und der Gegenstand des Schiedsverfahrens der Schiedsvereinbarung unterfällt“.226 Darüber hinausgehende Feststellungsziele werden dementsprechend nicht Gegenstand des Verfahrens; es geht einzig darum, die Zulässigkeit des Schiedsverfahrens zu überprüfen. Auch eine angebliche Verletzung von Verfahrensgrundrechten ist insoweit unbeachtlich.227 Ist bereits ein Schiedsverfahren in die Wege geleitet, so gilt, dass das Rechtsschutzbedürfnis für einen Zulässigkeitsantrag nach § 1032(2) dZPO nicht dadurch entfällt, dass im Schiedsverfahren ein Teil- oder Endschiedsspruch erlassen wird.228 Dies fußt insbesondere auf der Erwägung, dass es dem Antragsteller aus 225 OLG Koblenz 4. 6. 1999, OLGR Koblenz 2000, 48, 49; BayObLG 7. 10. 2002, NJW-RR 2003, 354, 355; OLG München 10. 1. 2007, OLGR München 2007, 188, 188; OLG Koblenz 12. 6. 2008, SchiedsVZ 2008, 262, 263; OLG München 22. 6. 2011, SchiedsVZ 2011, 340, 341 f. 226 BGH 19. 7. 2012, SchiedsVZ 2012, 281, 282. 227 BGH 7. 5. 2015, SchiedsVZ 2016, 42, 42 f. 228 BGH 11. 5. 2017, NJW 2017, 3723, 3723 f.; unter Verweis auf BGH 9. 8. 2016, NJW 2017, 488, 489 (zu § 1040(3) dZPO).

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Gründen der Prozessökonomie erlaubt sein muss, ein bereits anhängiges Verfahren nach § 1032(2) dZPO zu Ende zu führen, um so schneller ein klärendes Urteil durch ein staatliches Gericht erhalten zu können, als dies durch spätere Einleitung eines Aufhebungsverfahrens nach § 1059 dZPO der Fall wäre.229 Verzögerungen zulasten des Schiedsklägers seien in Anbetracht der Regelung des § 1032(3) dZPO hingegen nicht zu befürchten.230 Vor dem Hintergrund der Letztentscheidungsbefugnis der staatlichen Gerichte über die Zulässigkeit des Schiedsverfahrens erscheint die Möglichkeit eines Zulässigkeitsantrags auch während des laufenden Schiedsverfahrens als sinnvoll, da auf diese Weise Ressourcen geschont werden. Spätestens im Aufhebungsverfahren würde anderenfalls ohnehin eine Überprüfung durch eine staatliche Instanz erfolgen. Jedoch muss auch im Fall der parallelen Einleitung eines Schiedsverfahrens der Zuständigkeitsantrag beim staatlichen Gericht gemäß § 1032(2) dZPO bis zur Bildung des Schiedsgerichts gestellt worden sein. Bei ständigen Schiedsgerichten kommt es in diesem Zusammenhang darauf an, ob sich das Schiedsgericht bereits mit der Sache befasst hat.231 Der maßgebliche Zeitpunkt ist dabei der Eingang des Antrags bei Gericht, nicht die Zustellung des Antrags an die Gegenseite, was der verfahrensrechtlichen Ausgestaltung des § 1032 dZPO als Antragsverfahren entspricht.232 Hat der Antragsteller bereits zuvor ein Schiedsgericht angerufen, das aber noch nicht konstituiert wurde, steht dies der Zulässigkeit nicht entgegen.233 Wurde die Schiedseinrede im Hauptsacheverfahren schon erhoben, ist ein späterer Antrag nach § 1032(2) dZPO auf Feststellung der Unzulässigkeit des Schiedsverfahrens durch die gleiche Partei nach dem Grundsatz von Treu und Glauben jedoch ausgeschlossen, da die andere Partei sonst faktisch rechtlos gestellt werden könnte.234 Dies gilt generell, wenn der Antragsteller versucht den Zuständigkeitsstreit durch widersprüchliches Verhalten zu beeinflussen.235 Im Ergebnis stellt der Zulässigkeitsantrag nach § 1032(2) dZPO eine zusätzliche Möglichkeit zur frühzeitigen Klärung der Zulässigkeit des Schiedsverfahrens dar. Gegenüber einem Verfahren nach § 1032(1) dZPO weist sie lediglich den Vorteil auf, dass sie direkt den Weg zum Oberlandesgericht eröffnet. Jedoch wird auch über die Schiedseinrede in zweiter Instanz in der Regel das Oberlandesgericht entscheiden, sodass die Zulässigkeitskontrolle allenfalls eine Zeitersparnis zur Folge hat. Da nach § 1032(3) dZPO das Schiedsverfahren durch das staatliche Verfahren nicht behindert wird, ist dieser Vorteil jedoch begrenzt. 229 230 231 232 233 234 235

288.

BGH 11. 5. 2017, NJW 2017, 3723, 3724. Ebd. BGH 9. 5. 2018, NJW-RR 2018, 1402 [Rn. 8]. BGH 30. 6. 2011, Schiedsvz 2011, 281, 282 f. BGH 8. 11. 2018, NJW 2019, 857, 858 [Rn. 18]. BGH 30. 4. 2009, SchiedsVZ 2009, 287, 288. BGH 8. 11. 2018, NJW 2019, 857, 858 [Rn. 16]; BGH 30. 4. 2009, SchiedsVZ 2009, 287,

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Probleme aufgrund des parallelen Fortgangs der Verfahren sowohl vor den staatlichen Gerichten (§ 1032(1), (2) dZPO) als auch vor dem Schiedsgericht (§ 1032(3) dZPO) sind in Deutschland indes nicht bekannt geworden. Dies spricht für eine sorgfältige Ausübung der Ermessensentscheidung der Schiedsrichter im Rahmen des § 1032(3) dZPO.236 c) Überprüfung der Schiedsvereinbarung nach Erlass des Schiedsgerichts Die Überprüfung der Schiedsvereinbarung durch ein staatliches Gericht nach einer Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts ist in § 1040(3) dZPO geregelt. Hat eine der Parteien im Schiedsverfahren die Rüge der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts nach § 1040(2) dZPO erhoben, so bestimmt § 1040(3) dZPO in Anlehnung an Art. 16(3) ModG, dass das Schiedsgericht über diese Rüge „in der Regel durch Zwischenentscheid“ entscheidet. Er ist auf Antrag Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung, ohne dass das Schiedsverfahren dadurch unterbrochen werden muss. Die so hergestellte Letztentscheidungsbefugnis der staatlichen Gerichte stellt eine zwingende Regelung dar.237 Eine geringfügige Abweichung gegenüber dem Modellgesetz ergibt sich dabei insbesondere aus der Wortwahl des § 1040(3) S. 1 dZPO.238 So eröffnet das deutsche Schiedsverfahrensrecht dem Schiedsgericht keine Wahlmöglichkeit hinsichtlich der Form seiner Zuständigkeitsentscheidung und enthält eine Regelvorgabe hinsichtlich des Entscheidungszeitpunkts.239 So soll die Kompetenzfrage möglichst früh geklärt werden.240 Zwingend ist dies aber nicht; in Ausnahmefällen kann das Schiedsgericht – wie auch in Art. 16(3) ModG vorgesehen – erst im Schiedsspruch zur Sache positiv über seine Kompetenz entscheiden.241 aa) Rechtliche Qualifikation der Entscheidung des Schiedsgerichts nach § 1040(3) dZPO Die rechtliche Qualifikation der Entscheidung des Schiedsgerichts nach § 1040(3) S. 1 dZPO wurde bereits in der Gesetzesbegründung zur Neuregelung des

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Im Anwendungsbereich des EuÜ kann dazu auch Art. VI(3) EuÜ beitragen, der zur Aussetzung der Zulässigkeitskontrolle führt, vgl. OLG München 24. 11. 2016, BeckRS 2016, 20281 [Rn. 14 ff.]. 237 BGH 13. 1. 2005, BGHZ 162, 9, 14. 238 Art. 16(3) S. 1 ModG sieht vor, dass das Schiedsgericht über eine solche Einrede „als Vorfrage oder in einem Schiedsspruch zur Sache“ entscheidet. 239 Damit wurde das für das Modellgesetz intendierte Überwiegen der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts „als Vorfrage“ in Deutschland in den Gesetzeswortlaut aufgenommen; vgl. Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 486. 240 BT-Drs. 13/5274, 44. 241 BGH 23. 2. 2006, SchiedsVZ 2006, 161, 164, unter Verweis auf BT-Drs. 13/5274, 44.

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deutschen Schiedsverfahrensrechts erörtert.242 Dieser zufolge kommt eine Einordnung der Zuständigkeitsentscheidung als Zwischenschiedsspruch nicht in Betracht, da es sich nicht um eine Entscheidung in der Sache handelt.243 Dementsprechend unterscheidet die Gesetzesbegründung hinsichtlich der einzuhaltenden Frist auch zwischen einer (Letzt-) Entscheidung über die Zuständigkeit durch die staatlichen Gerichte nach § 1040(3) S. 2 dZPO oder § 1059(3) dZPO.244 Bereits daraus wird ersichtlich, dass eine Entscheidung nach § 1040(3) S. 2 dZPO nach dem Willen des Gesetzgebers nicht nach §§ 1059, 1060 dZPO anerkannt und vollstreckt werden soll. Im Einklang damit entscheidet auch die deutsche Rechtsprechung im Rahmen der staatsgerichtlichen Überprüfung nach § 1040(3) S. 2 dZPO lediglich über die materielle Korrektheit der Zuständigkeitsentscheidung, ohne dabei die §§ 1059, 1060 dZPO zu berücksichtigen.245 Es handelt sich folglich um eine rein materielle Überprüfung des Zwischenentscheides, der insofern der „Entscheidung als Vorfrage“ in Art. 16(3) ModG gleichgestellt werden kann.246 Zwar sind in der deutschen Rechtsprechung soweit ersichtlich bisher kaum Fälle aufgetreten, in denen eine Anwendung der prozessualen Mängel nach § 1059(2)(1)(b), (d) dZPO auf die Zuständigkeitsentscheidung angezeigt gewesen wäre,247 jedoch erscheint ein derartiges Vorgehen vor dem Hintergrund der Begründungen der bisherigen Entscheidungen deutscher Gerichte nach § 1040(3) S. 2 dZPO auch nicht als wahrscheinlich, da der BGH explizit auf den umfassenderen Prüfungsumfang des Aufhebungsverfahrens nach § 1059 dZPO gegenüber der Überprüfung nach § 1040(3) S. 2 dZPO hingewiesen hat.248 Dennoch entfaltet die Entscheidung des Oberlandesgerichtes nach § 1040(3) S. 2 dZPO dem BGH zufolge Bindungswirkung für ein nachfolgendes Aufhebungs- oder Vollstreckungsverfah242

BT-Drs. 13/5274, 44. Ebd. 244 Ebd. 245 BGH 24. 7. 2014, BGHZ 202, 168, 174 ff. und zuvor OLG München 18. 12. 2014, BeckRS 2015, 02545 [Rn. 66]; OLG München 29. 2. 2012, SchiedsVZ 2012, 96, 99 f.; einzig eine Entscheidung des BayObLG verweist vor dem Hintergrund des § 1059(2)(1)(c) dZPO auf die Präklusionswirkung des § 1040(3) S. 2 dZPO, wobei Buchstabe c jedoch in den Bereich der materiellen Korrektheit der Zuständigkeitsentschiedung zu zählen sein dürfte, vgl. BayObLG 13. 11. 2003, SchiedsVZ 2004, 45, 45. 246 Siehe dazu oben Kapitel E. III. 2. c) bb). 247 In einem Verfahren, in dem der Antragsteller die fehlende Zuständigkeit des Schiedsgerichts wegen der Nichtdurchführung eines der Schiedsklage vorgeschalteten Streitbeilegungsverfahrens geltend gemacht hatte, verwies der BGH darauf, dass dies bereits zu einer mangelnden Zulässigkeit der Schiedsklage führe, ohne dass dadurch die Frage der Zuständigkeit des Schiedsgerichts betroffen wäre. Denkbar wäre hier möglicherweise auch, auf einen Prozessmangel nach § 1059(2)(1)(d) dZPO abzustellen, da das vorgeschaltete Streitbeilegungsverfahren eine Vereinbarung der Parteien darstellte, was der BGH (im Einklang mit seiner Rechtsprechung) jedoch unterließ, vgl. BGH 9. 8. 2016, SchiedsVZ 2017, 103, 105. 248 BGH 19. 9. 2013, SchiedsVZ 2013, 333, 334; die Entscheidung wurde zwar zwischenzeitlich aufgegeben, aus der Begründung ergeben sich diesbezüglich jedoch keine Änderungen, vgl. BGH 9. 8. 2016, SchiedsVZ 2017, 103, 104. 243

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ren.249 Bei konsequenter Fortführung der bloßen Überprüfung der materiellen Korrektheit der Zuständigkeitsentscheidung ergäbe sich daher ein Widerspruch, sofern die Entscheidung bereits an einem prozessualen Mangel (wie zum Beispiel einem Verstoß gegen das rechtliche Gehör des Antragstellers durch das Schiedsgericht bei Erlass des Zwischenentscheids)250 leidet. Zusammenfassend lässt sich damit festhalten, dass die leichte Abweichung von Art. 16(3) ModG durch den deutschen Gesetzgeber in § 1040(3) dZPO in der Rechtsanwendung keine Änderungen zur Vorbildvorschrift bewirkt hat; vielmehr veranschaulicht die Auswertung der Rechtsprechung in Deutschland ebenfalls die – wenn bisher auch nur hypothetischen – Probleme, die infolge der Nichtanwendung der Aufhebungsgründe des § 1059 dZPO auf den Zwischenentscheid des Schiedsgerichts entstehen können. bb) Negative Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts Auch die Möglichkeit einer negativen Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts wurde bereits in den Gesetzgebungsmaterialien des deutschen Schiedsverfahrensrechts berücksichtigt.251 Dort wird ausgeführt, dass § 1040(3) dZPO auf eine die eigene Zuständigkeit negierende Entscheidung des Schiedsgerichts keine Anwendung findet, da eine solche Entscheidung nur in einem Prozessschiedsspruch getroffen werden könne, sodass dieser in der Regel lediglich im Aufhebungsverfahren anfechtbar sei.252 Dem entspricht auch der Wortlaut des § 1040(3) dZPO, der insoweit mit Art. 16(3) ModG übereinstimmt.253 Der BGH hat diese Begründung dahingehend interpretiert, dass ein solcher Prozessschiedsspruch als Schiedsspruch im Sinne des § 1059 dZPO anzusehen ist, sodass er unter den Vorraussetzungen des § 1059(2) dZPO aufgehoben werden kann.254 In einer ausführlich begründeten Entscheidung führt der erkennende Senat aus, dass eine Überprüfung der Entscheidung außerhalb dieser Voraussetzungen nicht möglich sei und anderenfalls ein Verstoß gegen das Verbot der révision au fond drohe. Das führe im Ergebnis aber lediglich dazu, dass „der Rechtsstreit vor den zuständigen staatlichen und damit den gesetzlichen Richter gebracht werden kann“.255 Insbesondere § 1059(2)(1)(a) dZPO sei nach Ansicht der Richter nicht 249

BGH 21. 4. 2016, SchiedsVZ 2016, 339, 340. Vgl. § 1059(2)(1)(b) dZPO; einen Verstoß gegen Verfahrens(grund)rechte hat der BGH bisher lediglich im Hinblick auf das Verfahren vor den staatlichen Gerichten überprüft, BGH 24. 7. 2014, BGHZ 202, 168, 169 ff. 251 BT-Drs. 13/5274, 44. 252 Ebd. 253 § 1040(3) S. 1 dZPO: „Hält das Schiedsgericht sich für zuständig […]“; Art. 16(3) S. 2 ModG: „If the arbitral tribunal rules as a preliminary question that it has jurisdiction […]“. 254 BGH 6. 6. 2002, BGHZ 151, 79, 80 ff.; BGH 24. 7. 2014, BGHZ 202, 168, 174 f. 255 BGH 6. 6. 2002, BGHZ 151, 79, 82 f. 250

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einschlägig, da die Vorschrift sich gerade auf die Aufhebung des Schiedsspruchs wegen der Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung beziehe, welche das Schiedsgericht eben festgestellt habe.256 Die schlichte Konsequenz der Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung nach einer negativen Zuständigkeitsentscheidung hat der BGH später bestätigt.257 Dem Wortlaut der Vorschrift nach ist dies zutreffend, und auch die Gesetzesbegründung deutet auf die normale Anwendung der Aufhebungsgründe hin.258 Allerdings ist § 1059(2)(1)(a) dZPO auf einen Schiedsspruch in der Sache zugeschnitten, der ergangen ist, nachdem das Schiedsgericht seine eigene Zuständigkeit angenommen hat. In diesem Fall liegt der Sinn und Zweck des § 1059(2)(1)(a) dZPO darin, die finale Kontrolle der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung und damit der Kompetenz des Schiedsgerichts zum Erlass des Schiedsspruchs den staatlichen Gerichten zu überlassen. Liegt der Fall nun umgekehrt – geht das Schiedsgericht also gerade nicht von der eigenen Zuständigkeit aus und erlässt einen dementsprechenden Prozessschiedsspruch – würde es der Konzeption des deutschen Schiedsverfahrensrechts259 entsprechen, das staatliche Gericht dennoch die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung entsprechend § 1059(2)(1)(a) dZPO überprüfen zu lassen. Denn das Ergebnis des BGH, dass „der Rechtsstreit vor den zuständigen staatlichen und damit den gesetzlichen Richter gebracht“ wird,260 ist nur zutreffend, sofern auch tatsächlich eine unwirksame Schiedsvereinbarung vorliegt. Unterlässt das staatliche Gericht im Aufhebungsverfahren jedoch eine Überprüfung der Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung, da dies für einen zuständigkeitsverneinenden Prozessschiedsspruch in § 1059 dZPO nicht vorgesehen ist, führt dies zu dem der Gesetzeskonzeption widersprechenden Ergebnis, dass das Schiedsgericht abschließend über seine eigene (Un-)Zuständigkeit entscheidet. Es bleibt dem Schiedskläger zwar der Weg zum zuständigen staatlichen Gericht, welches grundsätzlich im Rahmen des § 1032 dZPO über die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung entscheiden könnte. Jedoch entfaltet der Prozessschiedsspruch nach § 1055 dZPO Rechtskraft, sodass das staatliche Gericht an den Inhalt des Prozessschiedsspruch gebunden und eine abweichende Beurteilung der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung nicht mehr möglich ist. Folglich führt die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu negativen Zuständigkeitsentscheidungen zu einer Umkehr des dem deutschen Schiedsverfahrensrecht inhärenten Grundsatzes, dass die Kompetenz des Schiedsgerichts in jedem Fall immer Gegenstand einer (Letzt-)Entscheidung durch ein staatliches Gericht ist. Dieses Problem ist jedoch nicht aus Abweichungen vom Originaltext des Modell256

BGH 6. 6. 2002, BGHZ 151, 79, 82. BGH, 6. 4. 2017 SchiedsVZ 2017, 197, 198 [Rn. 11]. 258 BT-Drs. 13/5274, 44. 259 Ebd.: „Über die Kompetenz des Schiedsgerichts entscheidet also in jedem Fall letztlich das staatliche Gericht […]“. 260 BGH 6. 6. 2002, BGHZ 151, 79, 82 f. 257

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gesetzes entstanden, sondern scheint eher auf die Gesetzesbegründung des deutschen Schiedsverfahrensrechts zurückzugehen, die sich zwar ausdrücklich mit dem Problem beschäftigt hat, scheinbar jedoch ohne die Einordnung der negativen Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Prozessschiedsspruch konsequent zu Ende zu denken. cc) Präklusionswirkung eines unterlassenen Antrags nach § 1040(3) dZPO Wie die Vorbildvorschrift des Art. 16(3) ModG sieht auch § 1040(3) S. 2 dZPO keine explizite Rechtsfolge vor, falls die Antragstellung unterbleibt. Jedoch wurde bereits in der Gesetzesbegründung erklärt, dass die Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts nicht mehr im Aufhebungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren zur Prüfung gestellt werden kann, wenn zuvor kein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt wurde.261 Diese Ausführungen macht sich auch der BGH in seiner diesbezüglichen Entscheidung zu eigen. In dieser urteilten die Richter folgerichtig, dass § 1040 dZPO Präklusionswirkung entfaltet und dementsprechend die Entscheidung des Schiedsgerichts im Aufhebungs- oder Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht mehr zur Prüfung gestellt werden kann, wenn ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 1040(3) S. 2 dZPO nicht gestellt worden ist.262 Wurde der Antrag gestellt, jedoch durch das staatliche Gericht zurückgewiesen, so entfaltet auch diese Entscheidung Bindungswirkung für ein nachfolgendes Verfahren auf Aufhebung oder Vollstreckbarerklärung.263 § 1040(3) dZPO hat also Präklusionswirkung für ein nachfolgendes Aufhebungs- oder Vollstreckungsverfahren, und zwar unabhängig davon, ob der Antrag gestellt wurde und das staatliche Gericht eine Entscheidung getroffen hat oder nicht. Dem entspricht auch der umfassende Prüfungsmaßstab, den die staatlichen Gerichte bei der Überprüfung der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts anwenden.264 Anderenfalls würde die Letztentscheidungsbefugnis der staatlichen Gerichte in Form einer prima-facie-Entscheidung ausgeübt werden. Für den Fall, dass das Schiedsverfahren während der Anhängigkeit eines Antragsverfahrens nach § 1040(3) S. 2 dZPO fortgesetzt und durch Erlass eines Schiedsspruches beendet wird,265 hatte der BGH ursprünglich entschieden, dass der Erlass des Schiedsspruches das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag nach § 1040(3) S. 2 dZPO entfallen lassen würde, da ab diesem Zeitpunkt eine Entscheidung über § 1059(2)(1)(a) dZPO herbeigeführt werden könne, der insoweit einen umfassenderen Gegenstand habe und daher prozessökonomische Erwägungen 261

Ebd. BGH 27. 3. 2003, SchiedsVZ 2003, 133, 134; BGH 29. 1. 2009, BGHZ 179, 304, 313. 263 BGH 21. 4. 2016, SchiedsVZ 2016, 339, 340. 264 Siehe z. B. BGH 18. 6. 2014, SchiedsVZ 2014, 254, 255; BGH 24. 7. 2014, BGHZ 202, 168, 176 ff.; BGH 9. 8. 2016, SchiedsVZ 2017, 103, 104 f.; BGH 6. 4. 2017, SchiedsVZ 2017, 194, 195 f. 265 Vgl. § 1040(3) S. 3 dZPO. 262

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zurücktreten lasse.266 Zudem werde anderenfalls die der Rechtssicherheit dienende Frist in § 1059(3) dZPO unterlaufen, da das Verfahren nach § 1040(3) S. 2 dZPO vielfach bis zum Ablauf der Dreimonatsfrist noch nicht abgeschlossen wäre.267 Diese Rechtsprechung hat der BGH jedoch mittlerweile aufgegeben, sodass nun das Verfahren nach § 1040(3) S. 2 dZPO auch bei zwischenzeitlichem Erlass eines Schiedsspruches zu Ende zu bringen ist und die Frist des § 1059(3) dZPO erst mit dem Tag beginnt, an dem der Antragsteller die Entscheidung im Verfahren nach § 1040(3) S. 2 dZPO empfangen hat.268 Bei konsequenter Fortführung der Rechtsprechung zur Bindungswirkung des § 1040(3) S. 2 dZPO269 hat die Überprüfung des Zwischenentscheids durch das staatliche Gericht auch in dieser Situation Präklusionswirkung für das Aufhebungsverfahren nach § 1059 dZPO, sodass eine Berufung auf § 1059(2)(1)(a) dZPO im Aufhebungsverfahren nur in Betracht kommt, wenn das nach §§ 1025(1), 1062(1)(2), (5) dZPO zuständige Gericht den Zwischenentscheid nicht bestätigt hat. Wurde die Überprüfung des Zwischenentscheids nicht beantragt, stellt sich das Problem schon im Ausgangspunkt nicht, da das Verfahren nach § 1040(3) S. 2 dZPO nur auf Betreiben einer der Parteien eingeleitet wird. Ebenso wie Art. 16(3) S. 2 ModG entfaltet § 1040(3) S. 2 dZPO vor dem Hintergrund möglichst frühzeitiger Sicherheit über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung also Präklusionswirkung.

4. Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung Im Aufhebungsverfahren kann der Schiedsspruch in Deutschland nach § 1059(2)(1)(a) Alt. 2 dZPO wegen Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung aufgehoben werden. Die Vorschrift entspricht Art. 34(2)(a)(i) Alt. 2 ModG.270 Wie zuvor ausgeführt hat eine Entscheidung nach § 1040(3) S. 2 insoweit Präklusionswirkung,271 sodass eine Überprüfung der Schiedsvereinbarung im Aufhebungsverfahren nur in Betracht kommt, wenn das Schiedsgericht entgegen der Regelvorschrift des § 1040(3) S. 1 dZPO erst mit dem abschließenden Schiedsspruch über seine eigene 266 BGH 19. 9. 2013, SchiedsVZ 2013, 333, 334; BGH 30. 4. 2014, SchiedsVZ 2014, 200, 201 und BGH 3. 3. 2016, SchiedsVZ 2016, 328, 335; dies galt jedoch auch unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung nicht, wenn in dem Schiedsspruch lediglich über Teile des Streitgegenstandes entschieden wurde, vgl. BGH 18. 6. 2014, SchiedsVZ 2014, 254, 254 f. 267 BGH 19. 9. 2013, SchiedsVZ 2013, 333, 334. 268 BGH 9. 8. 2016, SchiedsVZ 2017, 103, 104. 269 BGH 27. 3. 2003, SchiedsVZ 2003, 133, 134; BGH 29. 1. 2009, BGHZ 179, 304, 313; BGH 21. 4. 2016, SchiedsVZ 2016, 339, 340. 270 BT-Drs. 13/5274, 58 f. 271 Siehe oben Kapitel G. II. 3. c) cc).

II. Teilweise Rezeption des Modellgesetzes – Deutschland

223

Zuständigkeit entscheidet.272 Aufhebungsverfahren, in denen die Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung erst im Rahmen des 1059(2)(1)(a) Alt. 2 dZPO geltend gemacht worden wäre, sind infolgedessen nicht ersichtlich. Dessen ungeachtet hält das deutsche Schiedsverfahrensrecht diese Option als letztmöglichen Zeitpunkt für die Überprüfung der Schiedsvereinbarung durch ein staatliches Gericht zumindest theoretisch bereit. Somit ergeben sich für das deutsche Schiedsverfahrensrecht für die Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung nach 1059(2)(1)(a) Alt. 2 dZPO keine Abweichungen vom Modellgesetz. Dies überrascht in Anbetracht der insoweit identischen Vorschrift nicht.

5. Zwischenergebnis Die Untersuchung hat gezeigt, dass die teilweise Rezeption des Modellgesetzes in Deutschland in diesem Bereich grundsätzlich zu einem funktionierenden System geführt hat. Etwas anderes gilt jedoch für die Vorschriften, die nicht auf dem Modellgesetz beruhen oder von früheren Rechtsprechungsentwicklungen geprägt werden. Diese haben teilweise zu Unsicherheiten in der Rechtsanwendung geführt. Exemplarisch sei die Ermittlung des Schiedsvereinbarungsstatuts genannt, welche vor allem dadurch unnötig verkompliziert wird, dass historisch bedingt anstelle des Prozessrechts der lex fori das internationale Vertragsrecht zur Anwendung gebracht wird. Die zusätzlich zu den Kontrollmöglichkeiten des Modellgesetzes vorgesehene Zulässigkeitskontrolle nach § 1032(2) dZPO hat sich in der deutschen Rechtsprechung ebenfalls vornehmlich dadurch hervorgetan, dass ihr Verhältnis zur Schiedseinrede nach § 1032(1) dZPO ungeklärt war, ohne dabei einen erheblichen Vorteil gegenüber dieser mit sich zu bringen. Wo das deutsche Schiedsverfahrensrecht hingegen die Regelungen des Modellgesetzes ohne größere Änderungen übernommen hat, begrenzen sich die Probleme im Wesentlichen auf die dort bereits angelegten Konflikte. Sie werden durch die deutschen Gerichte teils mehr, teils weniger zufriedenstellend gelöst, wie insbesondere die Vorschrift des § 1040(3) dZPO veranschaulicht. Bemerkenswert ist zudem, dass es trotz der im deutschen Schiedsverfahrensrecht nach dem Vorbild des Modellgesetzes vorgesehenen Möglichkeit eines Nebeneinanders von Schiedsverfahren und staatlichem Gerichtsverfahren soweit ersichtlich weder zu Verfahrensverzögerungen noch zu widersprüchlichen Entscheidungen der beiden Spruchkörper kommt. Dies spricht dafür, dass der diesbezügliche Kompromiss des Modellgesetzes die widerstreitenden Interessen in ein ausgewogenes Gleichgewicht zu bringen vermag.

272

BGH 27. 3. 2003, SchiedsVZ 2003, 133, 134; BGH 29. 1. 2009, BGHZ 179, 304, 313.

224

G. Rechtsanwendungsvergleich Irland, Deutschland und Frankreich

III. Keine Rezeption des Modellgesetzes – Frankreich 1. Einleitung Als drittes Beispiel für den Rechtsanwendungsvergleich werden die für die Entstehung von Parallelverfahren relevanten Vorschriften des französischen Schiedsverfahrensrechts sowie deren Anwendung durch die französischen Gerichte untersucht. Dies bietet sich dabei zum einen an, da Frankreich als einer der etabliertesten und anerkanntesten Schiedsverfahrensstandorte weltweit gilt.273 Zum anderen basiert das französische Schiedsverfahrensrecht nicht auf dem Modellgesetz, sondern verfolgt einen sehr eigenständigen Ansatz, sodass es stellvertretend für diejenigen EU-Mitgliedstaaten untersucht werden kann, die das Modellgesetz nicht rezipiert haben. Frankreich hat sein Schiedsverfahrensrecht zuletzt im Jahr 2011 reformiert,274 nachdem eine erste weitreichende Liberalisierung bereits in den Jahren 1980 und 1981 vollzogen wurde.275 Die Reform war dabei vor allem von dem Wunsch getragen, das über die Jahre zunehmend schiedsfreundliche Richterrecht zu kodifizieren.276 Dadurch sollte das französische Schiedsverfahrensrecht zugleich insbesondere ausländischen Rechtsanwendern besser zugänglich gemacht werden.277 Obwohl dieses Ziel durch international einheitliche Standards sicherlich am besten realisiert werden könnte, fand das Modellgesetz bei der Überarbeitung keine Berücksichtigung, da der französische Gesetzgeber insbesondere den sehr liberalen Charakter sowie die weitreichende Unabhängigkeit des Schiedsverfahrens im französischen Recht beibehalten wollte.278 Die relevanten Vorschriften finden sich in der Zivilprozessordnung (NCPC). Sie unterscheiden grundsätzlich zwischen inländischen (Art. 1442 ff. NCPC) und internationalen Schiedsverfahren (Art. 1504 ff. NCPC), wobei Art. 1506 NCPC zahlreiche Vorschriften der nationalen Schiedsgerichtsbarkeit für internationale Schiedsverfahren in Bezug nimmt. Das französische Schiedsverfahrensrecht unterscheidet sich in vielfältiger Weise vom Modellgesetz.279 Der Eigenweg Frankreichs scheint indes zu fruchten, da kein Mitgliedstaat der EU öfter Sitz internationaler Schiedsverfahren ist.280 Insbesondere vor dem Hintergrund seines weitreichenden Erfolges drängt sich das französische Schiedsverfahrensrecht für die nachfolgende Analyse geradezu auf, da ein EU273

Cole et al., Legal Instruments and Practice of Arbitration in the EU, S. 93. Décret n8 2011 – 48 vom 13. 1. 2011, JORF n8 0011 vom 14. 1. 2011, S. 777 ff. 275 Décret n8 81 – 500 vom 12. 5. 1981, JORF vom 14. 5. 1981, S. 1380 ff.; für eine kurze Übersicht über die verschiedenen Reformen siehe Carducci 28(1) Arb Int’l (2012) 125, 128. 276 Bericht an den Premierminister zu Décret n8 2011 – 48 vom 13. 1. 2011, JORF n8 0011 vom 14. 1. 2011, S. 773. 277 Gaillard/de Lapasse 2 Cah. arb. (2011) 263, Rn. 2. 278 Racine, Droit de l’arbitrage, Rn. 76. 279 Niggemann, Methodologische Unterschiede, S. 367. 280 Born, International Commercial Arbitration, S. 141 f. mit Fn. 950. 274

III. Keine Rezeption des Modellgesetzes – Frankreich

225

Rechtsakt sich an den etablierten Rechtsordnungen, die ebenfalls beeinträchtigt würden, messen lassen muss.281

2. Methodologische Grundlage der Schiedsgerichtsbarkeit nach französischem Recht – Lehre vom transnationalen Schiedsverfahren Um die Konzeption des französischen Schiedsverfahrensrechts besser zu verstehen, empfiehlt sich vor dessen Analyse eine Erörterung der methodologischen Grundlagen der Rechtsvorschriften.282 Im Unterschied zum Modellgesetz, das ebenso wie die meisten anderen nationalen Schiedsverfahrensrechte auf einer jurisdiktionellen Konzeption beruht, liegt dem französischen Schiedsverfahrensrecht im Ausgangspunkt die Lehre vom transnationalen Schiedsverfahren zugrunde.283 Die jurisdiktionelle Theorie beruht auf der Annahme, dass auch das private Schiedsverfahren nur auf Grundlage nationaler Rechtsordnungen und völkerrechtlicher Verträge effektiv Wirksamkeit entfalten kann. Die Schiedsvereinbarung ist demnach zwar Grundlage des Schiedsverfahrens, findet ihre Daseinsberechtigung jedoch in der staatlich geregelten Zulässigkeit der Durchführung eines Schiedsverfahrens.284 Die Lehre vom transnationalen Schiedsverfahren basiert auf der Annahme, dass der Wille der autonom handelnden Parteien sowie die hieraus resultierende Schiedsvereinbarung alleinige Grundlage des Schiedsverfahrens sind. Nachdem die vertragliche Natur der Schiedsgerichtsbarkeit in Frankreich bereits lange etabliert war,285 stellte zunächst Goldmann die These auf, dass die internationale Schiedsgerichtsbarkeit ein eigenes System des Kollisionsrechts habe, welches ausschließlich

281 Der größte Widerstand gegen die Reformbestrebungen des Heidelberg Report hatte seinen Ursprung ebenfalls in Frankreich, vgl. Schlosser SchiedsVZ (2009) 129 ff. 282 Zu den Unterschieden bezüglich der Rechtsnatur der Schiedsgerichtsbarkeit siehe z. B. Born, International Commercial Arbitration, S. 214 ff.; Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 112 ff.; Gaillard/Savage, International Commercial Arbitration, Rn. 420 ff.; Schlosser, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 40 ff.; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 41 Rn. 21; Niggemann, Methodologische Unterschiede, S. 367. 283 Anstatt zwischen „jurisdiktioneller“ und „transnationaler“ Schiedsgerichtsbarkeit wird mitunter auch zwischen „lokalisierter“ und „delokalisierter“ Schiedsgerichtsbarkeit (vgl. z. B. Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 112 ff.) oder „nationaler“ und „anationaler“ Schiedsgerichtsbarkeit (vgl. z. B. Park 5(3) Arb Int’l (1989) 230, 243 – 245) unterschieden. 284 Vgl. z. B. Mann, Lex Facit Arbitrum, S. 157 ff.; Schwab/Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 41 Rn. 21; zumeist legt sich die Literatur heute nicht mehr eindeutig auf eine einzelne Theorie fest, so z. B. Schlosser, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 50 ff.; Born, International Commercial Arbitration, S. 214 ff. 285 Siehe zur Entwicklung der zunächst nur als privatrechtlich qualifizierten Natur der Schiedsgerichtsbarkeit in Frankreich Schlosser, Internationale Schiedsgerichtsbarkeit, Rn. 41.

226

G. Rechtsanwendungsvergleich Irland, Deutschland und Frankreich

auf der Parteiautonomie beruhe.286 Fouchard entwickelte diesen Ansatz dahingehend fort, dass die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung im Allgemeinen nur auf Grundlage des Parteiwillens und nicht anhand des Rechts am Sitz des Schiedsgerichts zu beurteilen sei.287 Auf diesen Gedanken aufbauend prägte Gaillard später den Begriff des „transnationalen Schiedsverfahrens“.288 Da die Grundlage des Schiedsverfahrens dieser Lehre zufolge in der Parteiautonomie zu erblicken ist, bedarf es nach Auffassung ihrer Befürworter im Rahmen eines Schiedsverfahrens keiner Anwendung kollisionsrechtlicher Regelungen; vielmehr folgt aus der Schiedsvereinbarung der Wille der Parteien, ihren Rechtsstreit den eigenständigen Regeln der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit („l’ordre juridique arbitrale“) zu unterwerfen.289 Vor Erlass des französischen internationalen Schiedsverfahrensrechts i. d. F. von 1981 hatte der transnationale Ansatz im französischen Schiedsverfahrensrecht noch keine Berücksichtigung gefunden.290 Dennoch hatte die Cour de Cassation ihre Rechtsprechung im Laufe der Zeit bereits immer stärker an die oben genannten Stimmen in der Literatur angepasst und die Loslösung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit von der französischen Rechtsordnung im Hinblick auf verschiedene Rechtsfragen adaptiert.291 Da auch schon die damalige Reform eine Kodifizierung der Rechtsprechungsentwicklungen der vorangegangenen Jahre bezweckte,292 fand sich in Art. 1493 – 1496 NCPC i. d. F. von 1981 erstmals eine gesetzlich verankerte Andeutung der Lehre vom transnationalen Schiedsverfahren.293 In der Dalico Entscheidung der Cour de Cassation vertrat das höchste französische Zivilgericht dann erstmals, dass die internationale Schiedsgerichtsbarkeit über ein eigenständiges materielles Recht verfüge, das seine Grenzen lediglich in den zwingenden Vorschriften des französischen Rechts sowie dem internationalen ordre public finde.294 Später beschränkte das Gericht den Maßstab teilweise auch auf den ordre public international, ohne dass die zwingenden Vorschriften des französischen Rechts berücksichtigt wurden.295 Die Cour de Cassation wiederholte die Ausfüh286

Goldmann 109 Rec. Cours (1963) 347, 363 f. Fouchard, L’arbitrage commercial international, S. 69 f. 288 Gaillard 329 Rec. Cours (2007) 71, 103 f.; siehe zur Entwicklung eingehend auch Niggemann, Methodologische Unterschiede, S. 375 ff. 289 Gaillard 329 Rec. Cours (2007) 71, 121 ff.; Gaillard/Savage, International Commercial Arbitration, Rn. 51 f., 435 ff.; 1172 ff.; 1443 ff.; Racine, Droit de l’arbitrage, Rn. 131 f. 290 Gaillard/Savage, International Commercial Arbitration, Rn. 136 ff. 291 Noch sehr allgemein gehalten Cour de Cassation 7. 5. 1963, Rev. crit DIP (1963) 615; im Hinblick auf die Schiedsvereinbarung Cour de Cassation 4. 7. 1972, 98 J.D.I. (1972) 843; im Hinblick auf das Schiedsverfahrensrecht Cour de Cassation 16. 6. 1976, 104 J.D.I. (1977) 671; Cour de Cassation 30. 6. 1976 104 J.D.I. (1977) 114; im Hinblick auf das anwendbare materielle Recht Cour de Cassation 9. 12. 1981, Rev. arb. (1982) 182. 292 Fouchard Rev. arb. (1981) 449, 451 ff. 293 Gaillard/Savage, International Commercial Arbitration, Rn. 139. 294 Cour de Cassation 20. 12. 1993, 121 J.D.I. (1994) 432. 295 Cour de Cassation 21. 5. 1997, Rev. arb. (1997) 537. 287

III. Keine Rezeption des Modellgesetzes – Frankreich

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rungen der Dalico Entscheidung jedoch auch später noch nahezu identisch.296 Stellte dies bereits eine sehr umfassende Interpretation des ordre juridique arbitrale dar, ging die Cour de Cassation in ihrer Putrabali Entscheidung noch weiter. In dieser Entscheidung führt das Gericht aus, auch der Schiedsspruch stehe mit keiner nationalen Rechtsordnung in Verbindung, sondern sei als autonome internationale Rechtsentscheidung zu verstehen, die lediglich anhand der Regeln des jeweiligen Vollstreckungstaates zu messen sei.297 Diese Entwicklung wurde von zahlreichen weiteren Entscheidungen der Cour de Cassation begleitet, die das transnationale Verständnis der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in Frankreich geprägt haben.298 Im Einklang damit wurde auch die Reform des französischen Schiedsverfahrensrechts im Jahr 2011 von dem Verständnis getragen, dass „ein internationaler Schiedsspruch mit keinerlei staatlichem Rechtssystem verknüpft ist“,299 ohne dass dies in einer der neuen Vorschriften Niederschlag gefunden hätte. Auch der auf Art. 1496 NCPC i. d. F. von 1981 aufbauende Art. 1511 NCPC wurde vor dem Hintergrund erlassen, dass der französische Gesetzgeber eine autonome Rechtsordnung im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit anerkennt.300 Dementsprechend legt die Cour de Cassation ihren Entscheidungen auch weiterhin erkennbar die Lehre vom transnationalen Schiedsverfahren zugrunde.301 Das französische Verständnis des Rechts der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit steht damit im krassen Gegensatz zum Modellgesetz, da es anstelle einer zwingend erforderlichen Verknüpfung des Schiedsverfahrens mit einer nationalen Rechtsordnung, nämlich dem Recht am Sitz des Schiedsgerichts, von einem autonomen, transnationalen Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit ausgeht. Dieser ordre juridique arbitrale findet seine Grundlage ausschließlich im Willen der beteiligten Parteien und kann höchstens durch den internationalen ordre public oder das Recht des Vollstreckungsstaates begrenzt werden.

296

Cour de Cassation 30. 3. 2004, Rev. arb. (2004) 723, 724. Cour de Cassation 29. 6. 2007, Rev. arb. (2007) 507, 509 ff. 298 Eingehend Gaillard Rev. arb.(2007) 697 ff. 299 Bericht an den Premierminister zu Décret n8 2011 – 48 vom 13. 1. 2011, JORF n8 0011 vom 14. 1. 2011, S. 777. 300 Bericht an den Premierminister zu Décret n8 2011 – 48 vom 13. 1. 2011, JORF n8 0011 vom 14. 1. 2011, S. 778; Gaillard/de Lapasse 2 Cah. arb. (2011) 263, Rn. 6. 301 Cour de Cassation 26. 6. 2013, Rev. arb. (2013) 1022; Cour de Cassation 8. 7. 2015, Rev. arb. (2015) 1131. 297

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G. Rechtsanwendungsvergleich Irland, Deutschland und Frankreich

3. Gültigkeit der Schiedsvereinbarung a) Kollisionsrecht Das französische Recht hält keine Regelung zur Ermittlung des auf die Schiedsvereinbarung und deren Zustandekommen anwendbaren Rechts bereit. Dies lässt sich vor dem Hintergrund der methodologischen Grundlage leicht erklären, da die Anerkennung eines eigenen ordre juridique arbitrale die Anwendung jeglichen Kollisionsrechts zur Feststellung der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung entbehrlich macht. Denn wenn bereits das Vorliegen einer Schiedsvereinbarung mit internationalem Bezug zur Anwendung eines von nationalen Rechtsordnungen losgelösten Regelungssystems führt, kann es auch nicht zu einer Kollision nationaler Rechtsordnungen kommen. Der ordre juridique arbitrale erhebt sich sozusagen über das staatlich verankerte IPR. Die Cour de Cassation bringt dies erstmals in ihrer Dalico Entscheidung zum Ausdruck, in welcher sie die Existenz und Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung ausschließlich „nach den materiell-rechtlichen Regeln des Rechts der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit […] würdigt, […] die auf den gemeinsamen Willen der Parteien [abstellen], ohne dass es dabei nötig wäre auf ein nationales Recht zurückzugreifen“.302

Spätere Entscheidungen wiederholen diese Ausführungen.303 Aus dieser ständigen Rechtsprechung entwickelte das oberste französische Zivilgericht in seiner Zanzi Entscheidung später den Wirksamkeitsgrundsatz.304 Dieser ist Teil der materiellen Regeln der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit und und besagt, dass von der Rechtmäßigkeit der Schiedsvereinbarung auszugehen ist, es sei denn diese ist offensichtlich nichtig oder unanwendbar.305 Getreu der Dalico Rechtsprechung soll dies der Fall sein, wenn die Schiedsvereinbarung gegen den internationalen ordre public verstößt.306 Dieser stellt demgemäß unabhängig vom Verfahrensstadium (Einrede307, Unterstützung des Schiedsverfahrens308, Aufhebung309 oder Anerken302

Cour de Cassation 20. 12. 1993, 121 J.D.I. (1994) 432: „[…]qu’en vertu d’une règle matérielle du droit international de l’arbitrage, la clause compromissoire […] s’apprécient, […] d’après la commune volonté des parties, sans qu’il soit nécessaire de se référer à une loi étatique“. 303 Cour de Cassation 30. 3. 2004, Rev. arb. (2004) 723, 724 (wörtlich); Cour de Cassation 16. 3. 2016, 3 Bull. civ. (2016) 60: „[…] qu’en vertu d’une règle matérielle du droit de l’arbitrage international, l’existence et la validité d’une clause compromissoire sont appréciées, sans référence à une loi nationale, mais uniquement au regard de la volonté des parties de recourir à l’arbitrage […]“. 304 „Principe de validité“, Cour de Cassation 5. 1. 1999, Rev. arb. (1999) 260. 305 Cour de Cassation 7. 6. 2006, 1 Bull. civ. (2006) 251. 306 Racine, Droit de l’arbitrage, Rn. 136, 194. 307 Zumindest implizit: Cour de Cassation 21. 5. 1997, Rev. arb. (1997) 537; Cour de Cassation 30. 3. 2004, Rev. arb. (2005) 115. 308 TGI Paris 13. 7. 1999, Rev. arb. (1999) 625, 626.

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nung/Vollstreckung310 des Schiedsspruchs) den einzigen Prüfungsmaßstab für die materielle Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung dar.311 Dies gilt selbst bei Beteiligung von Verbrauchern, welche daher bei Rechtsgeschäften mit ausländischen Verkäufern ohne Weiteres einer Schiedsvereinbarung zugunsten eines Schiedsgerichts am Sitz des Verkäufers unterworfen werden können.312 Vor dem Hintergrund der Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Centro Movil und Eco Swiss erscheint diese Praxis jedoch je nach Gestaltung des Einzelfalls europarechtlich angreifbar.313 Der Schutz französischer Verbraucher vor ungerechtfertigter Benachteiligung wie in Art. 3(2) i. V. m. Nr. 1(q) des Anhangs der Richtlinie 93/13/EWG314 vorgesehen, könnte nämlich gegebenenfalls umgangen werden, wenn diesen gegenüber AGB-mäßig vereinbarte Schiedsklauseln zur Verwendung kommen. Dies wäre nach der französischen Rechtsprechung indes nicht weiter zu beanstanden, da die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung in internationalen Schiedsverfahren unabhängig von der persönlichen Schutzbedürftigkeit der beteiligten Parteien ausschließlich an den zuvor dargestellten Maßstäben des ordre juridique arbitrale zu messen ist, der unabhängig von staatlichem Recht besteht. Setzt man die Unabhängigkeit dieser Rechtsordnung von jeglichen nationalen Rechtssystemen auf europäischer Ebene fort, führt die zugrundeliegende Auffassung auch zur Unabhängigkeit von den supranationalen Regelungen des Europarechts.315 Es überrascht, dass dieser aus der Lehre vom transnationalen Schiedsverfahren folgende Widerspruch mit dem Unionsrecht noch nicht Gegenstand eines Vorabentscheidungsverfahrens beim EuGH wurde.316 309

Cour de Cassation 20. 12. 1993, 121 J.D.I. (1994) 432. Cour de Cassation 30. 3. 2004, Rev. arb. (2004) 723, 724. 311 Racine, Droit de l’arbitrage, Rn. 144. 312 Dänische Gesellschaft verwendet Schiedsklausel zugunsten eines Schiedsgerichts mit Sitz in Dänemark: Cour de Cassation 12. 5. 2010, Rev. arb. (2010) 391; US-Bank verwendet Schiedsklausel zugunsten eines Schiedsgerichts mit Sitz in den USA: Cour de Cassation 30. 3. 2004, Rev. arb. (2005) 115; Britischer Verkäufer verwendet Schiedsklausel zugunsten eines Schiedsgerichts mit Sitz in London: Cour de Cassation 21. 5. 1997, Rev. arb. (1997) 537. 313 EuGH 26. 10. 2006, Rs. 168/05 – Elisa María Mostaza Claro/Centro Móvil Milenium SL, Slg. 2006 675; EuGH 1. 6. 1999, Rs. 126/97 – Eco Swiss/Benetton, Slg. 1999 3055. 314 Richtlinie 93/13/EWG des Rates vom 5. 4. 1993 über mißbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen, Abl. EG Nr. L 095, S. 29 ff. 315 Insofern von einem Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör ausgehend Clavel, Le déni de justice économique dans l’arbitrage international – L’éffet négatif de compétence-compétence, S. 102 ff. 316 Dass die französischen Gerichte in Rechtsfragen an der Schnittstelle zwischen Schiedsverfahren und Unionsrecht grundsätzlich Gebrauch von der Vorlagemöglichkeit nach Art. 267 AEUV machen, zeigt die Entscheidung des EuGH in der Rechtssache Genentech Inc/ Hoechst GmbH ua, in der ein potenzieller Verstoß eines Schiedsspruches in einer Lizenzgebührstreitigkeit gegen den ordre publique nach Art. 1520(5) NCPC wegen Missachtung von Art. 101 AEUV zur Frage stand; vgl. EuGH 7. 7. 2016, Rs. 567/14 – Genentech Inc/Hoechst 310

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Der Wirksamkeitsgrundsatz hat darüber hinaus auch Auswirkungen auf die subjektive Schiedsfähigkeit, welche mangels gegenteiliger Anhaltspunkte unterstellt wird, um so treuwidrige Verhaltensweisen zu unterbinden.317 Bei natürlichen Personen soll die subjektive Schiedsfähigkeit im Anwendungsbereich des ordre juridique arbitrale gegeben sein, wenn die Person zum Abschluss von Rechtsgeschäften mit Handelsbezug fähig ist.318 Aus dem Wirksamkeitsgrundsatz folgt zudem, dass sich die Frage des Formstatuts nicht stellt, da die französische Rechtsprechung aus diesem Prinzip auch abgeleitet hat, dass die Schiedsvereinbarung in internationalen Schiedsverfahren keinen Formerfordernissen unterliegt.319 Da weniger strenge Formerfordernisse schwerlich vorstellbar sind, kommt wegen des Meistbegünstigungsgrundsatzes nach Art. VII UNÜ auch im Rahmen der Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche in der Regel keine Anwendung ausländischer Formvorschriften in Betracht.320 Folglich erübrigt sich eine kollisionsrechtliche Analyse der Schiedsvereinbarung nach der Konzeption des französischen Rechts der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. Handelt es sich um ein internationales Schiedsverfahren, findet automatisch das materielle Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit Anwendung. Ein internationales Schiedsverfahren liegt nach Art. 1504 NCPC vor, wenn das Verfahren die Interessen des internationalen Handels betrifft. Die Cour de Cassation legt dieses Kriterium äußerst weit aus und lässt jegliche Auslandsberührung des Sachverhalts oder des Verfahrens (z. B. Wohnsitz oder Nationalität der Parteien, anwendbares Recht, Sitz des Schiedsgerichts) für eine entprechende Qualifikation ausreichen.321 In all diesen Fällen richtet sich die Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung nach dem ordre juridique arbitrale, der sich lediglich am gemeinsamen Willen der Parteien orientiert und seine Grenze allenfalls im internationalen ordre public findet. Die Unterschiede dieses Ansatzes zum Modellgesetz sind infolge der unterschiedlichen konzeptionellen Grundlage entsprechend weitreichend: während das GmbH ua, ECLI:EU:C:2016:526 und die Anmerkung von McGuire/Ackermann 9 GRUR (2017) 917, 919 f. 317 Cour de Cassation 8. 7. 2009, 7 Bull. civ. (2009) 146, 147; Cour d’appel de Paris 24. 2. 2005, Rev. arb. (2006) 210. 318 Racine, Droit de l’arbitrage, Rn. 160; Gaillard/Savage, International Commercial Arbitration, Rn. 467, in Anlehnung an Cour d’appel de Paris 4. 1. 1980, Rev. arb. (1981) 160, 162. 319 Zur Rechtslage noch vor der Reform von 2011 Cour d’appel de Paris 24. 2. 2005, Rev. arb. (2006) 210, 215; zuvor noch widersprüchlich (und entgegen Art. VII UNÜ) auf die Formerfordernisse des Art. II UNÜ abstellend Cour d’appel de Paris 20. 1. 1987, Rev. arb. (1987) 482, 485; zur aktuellen Rechtslage Cour d’appel de Paris 28. 10. 2014, Réc. Dal. (2014) 2543, 2547, 2554; siehe auch unten Kapitel G. III. 3. b). 320 Cour de Cassation 7. 6. 2006, Rev. arb. (2006) 945. 321 Cour de Cassation 26. 1. 2011, Rev. crit. DIP (2011) 704; Cour de Cassation 12. 5. 2010, Rev. arb. (2010) 391.

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französische Recht auf eine Anwendung kollisionsrechtlicher Vorschriften gänzlich verzichtet und eine eigene, von staatlichen Gesetzen unabhängige Rechtsordnung der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit anerkennt, ermittelt das Modellgesetz zunächst auf Ebene des Kollisionsrechts das anwendbare Sachrecht, das schließlich die materiellen Wirksamkeitsvoraussetzungen stipuliert. b) Definition und Form der Schiedsvereinbarung Die einzige Definition der Schiedsvereinbarung im französischen Schiedsverfahrensrecht findet sich in Art. 1442 NCPC. Ähnlich dem Modellgesetz unterscheidet die Vorschrift zwischen Schiedsabreden (compromis) und Schiedsklauseln (clause compromissoire). Jedoch zielt Art. 1442 NCPC mit dieser Differenzierung nicht wie im Modellgesetz auf die räumliche Verortung der Schiedsvereinbarung ab,322 sondern auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses.323 Während der compromis Streitigkeiten betrifft, die vor Abschluss des Schiedsvertrages entstanden sind, betrifft die clause compromissoire die Vereinbarung, alle möglicherweise nach Abschluss der Schiedsvereinbarung im Rahmen eines oder mehrerer Rechtsverhältnisse aufkommende Streitigkeiten durch ein Schiedsverfahren beilegen zu lassen. Diese zweite Form der Schiedsvereinbarung war in Frankreich bis Beginn des 20. Jahrhunderts zunächst gänzlich unzulässig324 und ist bis heute insbesondere nur im unternehmerischen Rechtsverkehr erlaubt,325 wodurch sich die explizite Unterscheidung in Art. 1442 NCPC erklärt. Jedoch ist Art. 1442 NCPC aufgrund seiner Verortung im Bereich der für inländische Schiedsverfahren geltenden Vorschriften nicht auf im Sinne des Art. 1504 NCPC internationale Schiedsverfahren326 anwendbar. Zwar verweist Art. 1506(1) NCPC für die Regelung der Schiedsvereinbarung im Anwendungsbereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit auf verschiedene Vorschriften der nationalen Schiedsgerichtsbarkeit,327 jedoch nicht auf Art. 1442 NCPC. Ebensowenig findet sich eine eigene Definition der Schiedsvereinbarung in den Art. 1504 ff. NCPC. 322 Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 258 ff.; Broches, Commentary Model Law, Art. 7 Rn. 5; zur deutschen Umsetzung in § 1029 dZPO siehe auch Münch, in: MüKo ZPO, § 1029 Rn. 9. 323 Dieser ist in Art. 7 ModG zwar ebenfalls adressiert („[…] which have arisen or which may arise […]“), jedoch nicht durch die terminologische Differenzierung; vgl. zum Ganzen auch Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 150; Carducci 28(1) Arb. Int’l (2012) 125, 130. 324 Eingehend Racine, Droit de l’arbitrage, Rn. 174 ff. 325 Vgl. Art. 2061(2) Code Civil: „Lorsque l’une des parties n’a pas contracté dans le cadre de son activité professionnelle, la clause [compromissoire] ne peut lui être opposée.“; Racine, Droit de l’arbitrage, Rn. 191 bis; zur Zulässigkeit der clause compromissoire in der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit auch bei Verbraucherbeteiligung siehe Cour de Cassation 21. 5. 1997, Rev. arb. (1997) 537; Cour de Cassation 30. 3. 2004, Rev. arb. (2005) 115. 326 Siehe oben Kapitel G. III. 3. a). 327 Art. 1446, 1447, 1448(1), (2), 1449 NCPC.

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Dabei handelt es sich keineswegs um ein Redaktionsversehen, sondern um eine bewusste Entscheidung, die auf die anderenfalls möglicherweise zu befürchtende Ausgrenzung der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit zurückzuführen ist.328 Bei dieser Form des Schiedsverfahrens findet das Angebot des beteiligten Staates zur Durchführung eines Schiedsverfahrens seinen Ursprung regelmäßig in einem bi- oder multilateralen Staatsvertrag und wird daher vor Entstehung der Streitigkeit abgegeben, wohingegen der Investor auf dieses Angebot naturgemäß erst dann zurückkommen wird, wenn die Streitigkeit bereits entstanden ist. Daher wäre weder die Definition des compromis noch der clause compromissoire erfüllt.329 Zwar soll die Zulässigkeit der beiden Formen von Schiedsvereinbarungen durch den fehlenden Verweis selbstverständlich nicht ausgeschlossen werden,330 jedoch mangelt es aus diesem Grund an einer kodifizierten Definition der Schiedsvereinbarung im französischen Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit. In Anbetracht des liberalen Grundverständnisses der Materie ist dies jedoch hinzunehmen. Wie erörtert wendet die Cour de Cassation auf das Zustandekommen einer wirksamen Schiedsvereinbarung die materiellen Regeln der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit an, welche nur auf den übereinstimmenden Willen der Parteien abstellen und im Grundsatz von der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung ausgehen.331 Dementsprechend spielt weder der Zeitpunkt des Abschlusses noch die räumliche Fixierung der Schiedsvereinbarung eine Rolle, entscheidend ist nach der Rechtsprechung einzig der übereinstimmende Wille der beteiligten Parteien.332 Folglich bedarf das französische Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit infolge seines liberalen Grundverständnisses keiner gesetzlich determinierten Definition der Schiedsvereinbarung. Die an eine internationale Schiedsvereinbarung zu stellenden Formerfordernisse werden in Art. 1507 NCPC geregelt, welcher im Einklang mit den bisherigen Befunden den denkbar großzügigsten Ansatz verfolgt. Anstatt die Form der Schiedsvereinbarung im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit einfach nicht zu thematisieren und bereits dadurch den formfreien Abschluss zu ermöglichen,333 beschreibt das französische Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit positiv, dass die Schiedsvereinbarung keinerlei Formzwang unterworfen ist.334 Die Vorschrift wurde mit der Reform 2011 neu eingeführt und diente ebenfalls der Kodifizierung von Entwicklungen der französischen Rechtsprechung, welche die Formfreiheit der 328

Gaillard/de Lapasse 2 Cah. arb. (2011) 263, Rn. 80. Ebd. 330 Ebd. 331 Siehe oben Kapitel G. III. 3. a). 332 Cour de Cassation 20. 12. 1993, 121 J.D.I. (1994) 432; Cour de Cassation 30. 3. 2004, Rev. arb. (2004) 723, 724; Cour de Cassation 16. 3. 2016, 3 Bull. civ. (2016) 60. 333 Dies war vor der Reform von 2011 der Fall; vgl. Gaillard/Savage, International Commercial Arbitration, Rn. 608. 334 Vgl. Art. 1507 NCPC: „La convention d’arbitrage n’est soumise à aucune condition de forme.“ 329

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Schiedsvereinbarung im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit bereits zuvor anerkannt hatte.335 Hintergrund der Regelung ist vor allem die Beseitigung möglicher Hindernisse bei der Durchsetzung der Schiedsvereinbarung, da sich eine dem Schiedsverfahren abtrünnige Partei derart nicht auf die Formunwirksamkeit der Schiedsvereinbarung berufen kann, um sich dem Schiedsverfahren zu entziehen.336 Theoretisch wären nach Art. 1507 NCPC also auch nur mündlich abgeschlossene Schiedsvereinbarungen formgültig. Jedoch wird dieser Fall in der Praxis kaum vorkommen, da der Nachweis der Existenz einer Schiedsvereinbarung dann schwerfallen dürfte.337 Die französische Rechtsprechung muss sich dementsprechend selten mit Fragen der formellen Wirksamkeit befassen – wenn derartige Fragen aufkommen, wird die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung aber regelmäßig bestätigt.338 Einzig in Konnossementen enthaltene Schiedsvereinbarungen können wegen des fehlenden Nachweises des übereinstimmenden Willens der klagenden Parteien in Einzelfällen unwirksam sein.339 Im Ergebnis geht das französische Schiedsverfahrensrecht damit noch über Variante II des Art. 7 ModG hinaus, da es nicht nur von formellen Anforderungen an eine gültige Schiedsvereinbarung absieht, sondern die Formfreiheit in Art. 1507 NCPC sogar positiv festlegt.

4. Zuständigkeitsallokation Im Unterschied zum Modellgesetz sieht das französische Schiedsverfahrensrecht eine klare Zuständigkeitsverteilung zugunsten des Schiedsgerichts vor.340 Art. 1465 NCPC statuiert zwar zunächst – zumindest vergleichbar mit Art. 16(1) ModG – den positiven Effekt des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz. Indem das französische Recht in Art. 1448 NCPC den negativen Effekt des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz gesetzlich verankert, geht es jedoch im Hinblick auf den Vorrang der Entscheidungskompetenz des Schiedsgerichts weit über das Modellgesetz hinaus. Faktisch spielen die staatlichen Gerichte infolgedessen fast ausschließlich erst im Aufhebungsstadium eine Rolle bei der Zuständigkeitsüberprüfung. Einzig die 335 Insbesondere der Wirksamkeitsgrundsatz führte bereits zuvor faktisch zur Formfreiheit der Schiedsvereinbarung im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit; vgl. explizit Cour d’appel de Paris 24. 2. 2005, Rev. arb. (2006) 210; sowie implizit Cour de Cassation 7. 6. 2006, 1 Bull. civ. (2006) 251. 336 Gaillard/de Lapasse 2 Cah. arb. (2011) 263, Rn. 81. 337 Ebd. 338 Für eine in einem Konnossement enthaltenen Schiedsvereinbarung siehe z. B. Cour de Cassation 6. 11. 2013, 9 Bull. civ. (2013) 209; für eine infolge vorheriger Handelsverträge, die Schiesdverträge beinhalteten, für wirksam erklärte Schiedsvereinbarung siehe Cour d’appel de Paris 24. 2. 2004, JCP G (2005) 179. 339 Cour de Cassation 8. 10. 2003, Rev. arb. (2004) 77. 340 Eingehend Boucaron-Nardetto, Le principe compétence-compétence, S. 7 ff.

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Möglichkeit der unmittelbaren Überprüfung eines Zwischenschiedsspruchs über die Zuständigkeit durchbricht dieses Dogma. a) Kompetenz-Kompetenz des Schiedsgerichts Die Befugnis des Schiedsgerichts über die eigene Zuständigkeit zu entscheiden ergibt sich aus Art. 1465 NCPC, der wegen Art. 1506(3) NCPC auch in internationalen Schiedsverfahren Anwendung findet. Schon in dieser Regelung kommt zum Ausdruck, dass das französische Recht es nicht bloß beim positiven Effekt des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz belässt, da sie dem Schiedsgericht die ausschließliche Zuständigkeit zur Entscheidung über die Einrede der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts zuweist.341 Insofern geht die Vorschrift über Art. 16(1) ModG hinaus, welcher lediglich die Möglichkeit der Entscheidung des Schiedsgerichts über die eigene Zuständigkeit vorsieht. Die Vorgängervorschrift des Art. 1466 NCPC i. d. F. von 1981 war diesbezüglich noch nicht gleichermaßen entschieden und regelte lediglich, dass der Schiedsrichter im Falle der Einrede der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts selbst über seine Zuständigkeit entscheiden soll.342 Die Cour de Cassation hatte jedoch auch aus dieser Vorschrift bereits abgeleitet, dass sich das staatliche Gericht für die Zuständigkeitsentscheidung für unzuständig zu erklären hat.343 Daher scheint die explizite Nennung der Ausschließlichkeit, wie sie sich nun in Art. 1465 NCPC findet, wiederum das Ergebnis der konsequenten Übernahme der ständigen Rechtsprechung in den aktuellen Gesetzestext zu sein. Es überrascht also nicht, dass die Cour de Cassation ihre Linie seither beibehalten hat und auch Art. 1465 NCPC die vorrangige und ausschließliche Befugnis des Schiedsgerichts entnimmt, über die Einrede der eigenen Unzuständigkeit zu entscheiden.344 Folglich verknüpft das französische Recht die Befugnis der Schiedsrichter über die eigene Zuständigkeit zu entscheiden bereits eng mit dem negativen Effekt des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz. 341

Vgl. Art. 1465 NCPC: „Le tribunal arbitral est seul compétent pour statuer sur les contestations relatives à son pouvoir juridictionnel.“ 342 Vgl. Art. 1466 NCPC i. d. F. vom 14. 5. 1981: „Si, devant l’arbitre, l’une des parties conteste dans son principe ou son étendue le pouvoir juridictionnel de l’arbitre, il appartient à celui-ci de statuer sur la validité ou les limites de son investiture.“ 343 Für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit unter Bezug auf den Wirksamkeitsgrundsatz Cour de Cassation 5. 1. 1999, Rev. arb. (1999) 260; für die französische Schiedsgerichtsbarkeit Cour de Cassation 10. 5. 1995, Rev. arb. (1995) 617; sowie unter Bezugnahme auf Art. 1458 NCPC in der Fassung vom 14. 5. 1981 (negativer Effekt des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz) Cour de Cassation 14. 5. 1997, Rev. arb. (1998) 409. 344 Cour de Cassation 19. 12. 2018, pourvoi n8 17 – 28.951 und 17 – 28.233 (unveröffentlicht); für die französische Schiedsgerichtsbarkeit sowie unter Bezugnahme auf Art. 1448 NCPC (negativer Effekt des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz) Cour de Cassation 29. 1. 2014, pourvoi n8 12 – 29.086 (unveröffentlicht).

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b) Isolierte Überprüfung der Schiedsvereinbarung Eine umfassende Überprüfung der Schiedsvereinbarung durch ein staatliches Gericht unabhängig von einer Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts nach Art. 1465 NCPC (i. V. m. Art. 1506(3) NCPC) findet gemäß dem französischen Schiedsverfahrensrecht nicht statt. Dies beruht auf der Regelung des Art. 1448 NCPC, welche – wie zuvor schon in Art. 1458 NCPC a. F.345 – explizit den negativen Effekt des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz statuiert.346 Zusammen mit Art. 1465 NCPC bringt die Vorschrift den Grundsatz des Vertrauens in das Schiedsverfahren zum Ausdruck. Aus diesen folgt, dass dem Schiedsgericht nicht von Vorneherein die Fähigkeit abgesprochen werden soll, eine rechtmäßige Zuständigkeitsentscheidung zu treffen.347 Zudem werden durch die Regeln Verzögerungstaktiken ausgeschlossen.348 Im Grundsatz folgt aus Art. 1448 NCPC, dass sich ein staatliches Gericht bei Klageerhebung in einem Rechtsstreit, der Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist, für unzuständig erklären soll.349 Dieser „absolute Vorrang“ der Entscheidungshoheit des Schiedsgerichts wird von der französischen Rechtsprechung jedoch durch eine kursorische Prüfung der Schiedsvereinbarung oft unterlaufen350 und mitunter sogar übersehen.351 Grund hierfür ist der zweite Teilsatz des Art. 1448(1) NCPC, demzufolge die Erklärung der eigenen Unzuständigkeit durch das staatliche Gericht erfolgt, es sei denn das Schiedsgericht wurde noch nicht konstituiert und die Schiedsvereinbarung ist offensichtlich nichtig oder offensichtlich unanwendbar.352 Insofern relativiert sich der Vorrang der Entscheidungshoheit des Schiedsgerichts, da die staatlichen Gerichte vor Bildung des Schiedsgerichts zu einer Überprüfung der 345

Art. 1448 NCPC findet seit seinem Inkrafttreten jedoch auch bei Vorliegen einer Schiedsvereinbarung Anwendung, die vor dem 14. Mai 2011 abgeschlossen wurde: Cour de Cassation 26. 6. 2013, pouvoir n8 12 – 22.203 (unveröffentlicht). 346 Bericht an den Premierminister zu Décret n8 2011 – 48 vom 13. 1. 2011, JORF n8 0011 vom 14. 1. 2011, S. 778. 347 Gaillard/de Lapasse 2 Cah. arb. (2011) 263, Rn. 84. 348 Gaillard, L’effet négatif de la compétence-compétence, S. 399; Boucaron-Nardetto, Le principe compétence-compétence, S. 138 ff.; Born, International commercial arbitration, S. 1111. 349 Vgl. Art. 1448(1) Ts. 1 NCPC: „Lorsqu’un litige relevant d’une convention d’arbitrage est porté devant une juridiction de l’Etat, celle-ci se déclare incompétente […]“; die Vorschrift ist über Art. 1506(1) NCPC auch im Rahmen internationaler Schiedsverfahren anwendbar; der elementare Charakter der Vorschrift kommt auch in Art. 1448 S. 3 NCPC zum Ausdruck, demzufolge gegenteilige Vereinbarungen unwirksam sind, was für internationale Schiedsverfahren wegen der ausschließlichen Verweisung nur auf Art. 1448(1), (2) NCPC in Art. 1506(1) jedoch nicht gilt, vgl. Niggemann, Methodologische Unterschiede, S. 370 Fn. 20. 350 Boucaron-Nardetto, Le principe compétence-compétence, S. 231; Racine, Droit de l’arbitrage, Rn. 355. 351 Cour de Cassation 4. 7. 2006, 7 Bull. civ. (2006) 291. 352 Vgl. Art. 1448 S. 1 Ts. 2 NCPC: „[…]sauf si le tribunal arbitral n’est pas encore saisi et si la convention d’arbitrage est manifestement nulle ou manifestement inapplicable.“

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Schiedsvereinbarung befugt sind. Der Prüfungsmaßstab ist jedoch auf eine primafacie Prüfung beschränkt, sodass die Cour de Cassation regelmäßig lediglich eine summarische Überprüfung der Schiedsvereinbarung vornimmt.353 Die materielle Wirksamkeitsprüfung obliegt nach der französischen Rechtsprechung einzig den Schiedsrichtern.354 Da die oberflächliche Prüfung durch die staatlichen Gerichte fast immer zu einer prima-facie wirksamen Schiedsvereinbarung führt, werden die Parteien regelmäßig auf das Schiedsverfahren verwiesen, wenn im Verfahren zur Hauptsache die Schiedseinrede erhoben wurde.355 Ausnahmen bestätigen diese Regel.356 Einziger Fall der Nichtanwendung der Vorschriften der Art. 1448, 1465 und damit des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz sind inländische Schiedsverfahren unter Beteiligung eines Arbeitnehmers, in welchen eine umfassende Überprüfung der Schiedsvereinbarung durch ein staatliches Gericht erfolgt, um den Arbeitnehmer zu schützen.357 Abgesehen davon gilt selbst für unterstützende Maßnahmen durch staatliche Gerichte (z. B. bei der Bildung des Schiedsgerichts) infolge von Art. 1455 NCPC der summarische Prüfungsmaßstab.358 Daraus resultiert ein in sich schlüssiges System: bis zur Bildung des Schiedsgerichts nimmt das staatliche Gericht eine summarische Überprüfung der Schiedsvereinbarung vor. Im Fall einer sich dem Schiedsverfahren widersetzenden Partei gilt dies auch für den juge d’appui. Sobald das Schiedsgericht konstituiert wurde – gegebenenfalls mit Hilfe eines staatlichen Gerichts – verweist der in der Hauptsache angerufene Richter die Sache ohne jegliche Prüfung der Schiedsvereinbarung an das 353 Zur Vorgängervorschrift des Art. 1458 NCPC a. F. siehe z. B. Cour de Cassation 25. 4. 2006, 4 Bull. civ. (2013) 179; Cour de Cassation 26. 10. 2011, 8 Bull. civ. (2011) 169, 170; Cour de Cassation 7. 6. 2006, 1 Bull. civ. (2006) 251; Cour de Cassation 25. 8. 2006, Rev. arb. (2006) 299; Cour de Cassation 8. 4. 2004, Rev. arb. (2004) 849; Cour de Cassation 16. 11. 2004, Rev. arb. (2005) 673; für weitere Rechtsprechungsnachweise siehe Cachard Rev. arb. (2006) 893 ff., Gaillard Rev. arb. (2007) 697, 702 und Schlosser SchiedsVZ (2009) 129, 136. 354 Cour de Cassation 12. 2. 2014, 2 Bull. civ. (2014) 22, 23. 355 Siehe z. B. Cour de Cassation 24. 2. 2016, 2 Bull. civ. (2016) 46, 47; Cour de Cassation 12. 2. 2014, 2 Bull. civ. (2014) 22, 23; Cour de Cassation 6. 11. 2013, 9 Bull. civ. (2013) 209; Cour de Cassation 27. 2. 2013, pourvoi n8 12 – 16.328 (unveröffentlicht); Cour de Cassation 15. 5. 2013, Rev. arb. (2014) 76; Cour de Cassation 23. 4. 2013, 4 Bull. civ. (2013) 78, 80; Cour de Cassation 6. 11. 2013, pourvoi n8 12 – 22.370 (unveröffentlicht). 356 Für einen anderen Vertrag abgeschlossene Schiedsvereinbarung ist offensichtlich unanwendbar: Cour de Cassation 12. 2. 2014, pourvoi n8 13 – 18.059 (unveröffentlicht); zu Art. 1458 NCPC a. F. Cour de Cassation 8. 12. 2009, pouvoir n8 09 – 11.117 (unveröffentlicht); in einem vertraulichen Vertrag enthaltene Schiedsklausel ist gegenüber unbeteiligten Dritten offensichtlich unanwendbar: Cour d’appel de Paris 23. 10. 2012, Rev. arb. (2012) 872; Schiedsvereinbarung in AGB, die im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nur eine Gerichtsstandsklausel enthielt und erst später durch eine Schiedsklausel ersetzt wurde: Cour de Cassation 27. 4. 2004, Rev. arb. (2004) 851. 357 Cour de Cassation 30. 11. 2011, Rev. arb. (2012) 333, 336. 358 Vgl. Art. 1455 NCPC: „Si la convention d’arbitrage est manifestement nulle ou manifestement inapplicable, le juge d’appui déclare n’y avoir lieu à désignation.“

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Schiedsgericht, welches dann seine eigene Zuständigkeit auf Grundlage einer materiellen Prüfung der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung bestimmt. Im Ergebnis findet nach der Konzeption des französischen Schiedsverfahrensrechts also höchstens eine summarische Überprüfung der Schiedsvereinbarung statt – jedoch auch nur bis das Schiedsgericht gebildet wurde. Der dadurch zum Ausdruck kommende negative Effekt des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz hat für die französischen Gerichte einen derart hohen Stellenwert, dass sie auch ausländischen Gerichtsentscheidungen, die unter Missachtung dieses Prinzips gefällt wurden, die Anerkennung verweigern.359 Als Fallbeispiel ist hier die Fincanteri Entscheidung der Cour d’appel de Paris zu nennen.360 Diese veranschaulicht hervorragend, wie die nationalen Schiedsverfahrensrechte Frankreichs und Italiens kollidieren und in Anbetracht des Ausschlusses der Schiedsgerichtsbarkeit in Art. 1(4) EuGVÜ361 auch das insoweit unverändert fortbestehende Anerkennungsregime nicht in der Lage ist, einen Entscheidungseinklang innerhalb der EU herbeizuführen: Nachdem ein italienisches Gericht die Schiedsvereinbarung zugunsten eines ICC-Schiedsgerichts in Frankreich nach umfassender Prüfung für ungültig erklärt hatte,362 beantragte die obsiegende italienische Partei die Anerkennung des italienischen Urteils in Frankreich, um so die Durchführung des Schiedsverfahrens zu verhindern. Die Cour d’appel de Paris lehnte dieses Begehren jedoch ab, da eine Anerkennung nach dem EuGVÜ wegen dessen Art. 1(4) nicht in Betracht käme und eine Anerkennung nach dem französisch-italienischen Abkommen über die Anerkennung von Gerichtsentscheidungen vom 3. Juni 1930363 ebenfalls ausscheide. Da anstelle des Schiedsgerichtes das italienische Gericht über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung entschieden habe und dessen Entscheidung daher nach Art. 1 des genannten Übereinkommens364 nicht anerkannt werden müsse, sei das Urteil von einem unzuständigen Spruchkörper ausgesprochen worden. Somit läge zugleich ein Verstoß gegen den negativen Effekt

359 Cour de Cassation 7. 6. 2006, Rev. arb. (2006) 945; Cour d’appel de Paris 11. 6. 2006, Rev. arb. (2007) 87. 360 Cour d’appel de Paris 11. 6. 2006, Rev. arb. (2007) 87; für eine kritische Anmerkung siehe Boucaron-Nardetto, Le principe compétence-compétence, S. 84 ff. 361 Heute Art. 1(2)(d) EuGVVO. 362 Corte d’appello di Genova 7. 5. 1994, Riv. arb. (1994) 505 ff. 363 Französisch-italienisches Abkommen über die Anerkennung von Gerichtsentscheidungen vom 3. 6. 1930, J.D.I. (1931) 1278 ff. 364 Vgl. Art. 1 des Französisch-italienisches Abkommen über die Anerkennung von Gerichtsentscheidungen vom 3. 6. 1930: „Les décisions rendues en matière civile et commerciale par les juridictions de l’une des hautes parties contractantes ont de plein droit l’autorité de la chose jugée sur le territoire de l’autre partie, si elles réunissent les conditions suivantes: 1) Que la décision émane d’une juridiction compétente […] 2) Que la décision ne contienne rien de contraire à l’ordre publico u aux principes de droit public du pays où elle est invoquée […]“.

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des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz vor.365 Das Beispiel zeigt gut auf, dass der Kompetenzkonflikt hier durch einen gemeinsamen Rechtsrahmen der französischen und italienischen Gerichte im Bereich des Schiedsverfahrens – und hier insbesondere im Bereich der Schiedsvereinbarung und der Kompetenzverteilung – problemlos verhindert werden könnte. Im Ergebnis unterscheidet sich das französische Schiedsverfahrensrecht im Hinblick auf die isolierte Überprüfung der Schiedsvereinbarung durch ein staatliches Gericht also stark vom Modellgesetz. Denn das Letztgenannte sieht in Art. 8(1) ModG über Art. 1448 NCPC hinausgehend auch die Undurchführbarkeit der Schiedsvereinbarung als Grund für eine Abweisung der Schiedseinrede vor. Zudem ist die Prüfung im Anwendungsbereich des Modellgesetzes nicht auf eine bloß summarische Prüfung beschränkt und findet nach Art. 8(2) ModG auch parallel zum Schiedsverfahren statt, während Art. 1448 NCPC ab Bildung des Schiedsgerichts einen absoluten Entscheidungsvorrang der Schiedsrichter vorschreibt.366 c) Überprüfung der Schiedsvereinbarung nach Erlass des Schiedsgerichts aa) Einleitung Grundsätzlich sieht das französische Schiedsverfahrensrecht erst nach Abschluss des Schiedsverfahrens im Rahmen des Aufhebungsverfahrens nach Art. 1520(1) NCPC eine Überprüfung der Schiedsvereinbarung vor.367 Eine gesetzliche Regelung der Überprüfung der Schiedsvereinbarung unmittelbar nach der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts findet sich im französischen Schiedsverfahrensrecht hingegen nicht.368 Wenn die Parteien keine gegenteilige Vereinbarung getroffen haben, steht es jedoch im Ermessen der Schiedsrichter eine separate Zwischenentscheidung über die Zuständigkeitsfrage zu erlassen.369 In Anbetracht der fehlenden gesetzlichen Regelung stellt sich die Frage, ob und wie diese Zwischenentscheidung von staatlichen Gerichten überprüft werden kann.

365 Daraus leitet Niggemann ab, dass der negative Effekt des Prinzips der KompetenzKompetenz Teil des französischen internationalen ordre public sei, vgl. Niggemann, Methodologische Unterschiede, S. 372. 366 Dies hat in Frankreich eine Diskussion über die Vereinbarkeit des negativen Effekts des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör entfacht, vgl. Clavel, Le déni de justice économique dans l’arbitrage international – L’éffet négatif de compétence-compétence, S. 459 ff.; Loquin, Arbitrabilité et protection des parties faibles, S. 136. 367 Vgl. Art. 1520 Nr. 1 NCPC: „Le recours en annulation n’est ouvert que si: 18 Le tribunal arbitral s’est déclaré à tort compétent ou incompétent […]“. 368 Racine, Droit de l’arbitrage, Rn. 395; Gaillard/Savage, International Commercial Arbitration, Rn. 1360; Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 479. 369 Gaillard/Savage, International Commercial Arbitration, Rn. 1360.

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bb) Rechtliche Qualifikation der Zwischenentscheidung des Schiedsgerichts Die Antwort auf diese Frage hängt wiederum maßgeblich von der rechtlichen Qualifikation der Zwischenentscheidung des Schiedsgerichts ab. Nur wenn diese als sentence i. S. d. Art. 1518 NCPC einzuordnen wäre, käme ein Überprüfung in einem gesonderten Aufhebungsverfahren nach Art. 1520(1) NCPC in Betracht. In der Tat sieht die französische Rechtsprechung die Zwischenentscheidung des Schiedsgerichts über die Zuständigkeitsfrage als Schiedsspruch nach Art. 1518, 1520 NCPC an,370 da diese die Zuständigkeitsfrage für das Schiedsverfahren endgültig entscheidet.371 Französische Gerichte haben daher im Ergebnis auf Antrag einer der Parteien trotz der fehlenden gesetzlichen Regelung die Möglichkeit zur unmittelbaren Überprüfung der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts.372 Aus der rechtlichen Qualifikation als sentence folgt auch, dass die Gerichte einen umfassenden Prüfungsmaßstab bei der Überprüfung der Entscheidung des Schiedsgerichts anwenden und an die rechtlichen und tatsächlichen Feststellungen der Schiedsrichter nicht gebunden sind.373 Der Rechtsprechung zufolge wird die Fortsetzung des Schiedsverfahrens durch die Überprüfung nicht gehindert,374 sodass Verzögerungen des Schiedsverfahrens durch das Aufhebungsverfahren nicht zu befürchten sind. Soweit ersichtlich führen die dann parallel geführten Verfahren vor dem Schiedsgericht und dem staatlichen Gericht dennoch nicht zu divergierenden Entscheidungen der beiden Spruchkörper, da sich auch insoweit spätestens im Aufhebungsverfahren gegen den finalen Schiedsspruch die Auffassung des staatlichen Gerichts durchsetzen würde. Damit hat die französische Rechtsprechung trotz der fehlenden gesetzlichen Regelung einen der Vorschrift des Art. 16(3) ModG vergleichbaren Weg zur Überprüfung der Entscheidung des Schiedsgerichts geschaffen. Das Schiedsgericht kann nach eigenem Ermessen eine Zuständigkeitsentscheidung in einem Teilschiedsspruch erlassen oder erst mit dem finalen Schiedsspruch.375 Wenn es den erstgenannten Weg wählt, ist dieser Teilschiedsspruch Gegenstand einer gerichtli370 Racine, Droit de l’arbitrage, Rn. 394; noch zur Vorgängervorschrift des Art. 1504 NCPC a. F. Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 479; Gaillard/Savage, International Commercial Arbitration, Rn. 1357. 371 Cour d’appel de Paris 25. 3. 1994, Rev. arb. (1994) 391, 393; Cour d’appel de Paris 10. 11. 1997, Rev. arb. (1997) 596. 372 Cour d’appel de Paris 7. 6. 1984, Rev. arb. (1984) 504, 507; Cour d’appel de Paris 25. 3. 1994, Rev. arb. (1994) 391, 393; Cour d’appel de Paris 10. 11. 1997, Rev. arb. (1997) 596; Cour d’appel de Paris 4. 3. 2004, Rev. arb. (2005) 143, 146. 373 Cour d’appel de Paris 19. 3. 2013, Rev. arb. (2013) 449; Cour d’appel de Paris 28. 10. 2014, Réc. Dal. (2014) 2543, 2547, 2554; noch zu Art. 1502 NCPC a. F. Cour de Cassation 6. 10. 2010, 8 Bull. civ. (2010) 174, 175; Cour de Cassation 6. 1. 1987, Rev. arb. (1987) 469. 374 Cour de Cassation 19. 3. 2002, 3 Bull. civ. (2002) 73; Cour d’appel de Paris 17. 12. 1991, Rev. arb. (1993) 281, 286; Cour d’appel de Paris 9. 7. 1992, Rev. arb. (1993) 303, 307; Cour d’appel de Paris 4. 3. 2004, Rev. arb. (2005) 143, 145. 375 Vgl. Art. 16(3) S. 1 ModG.

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chen Kontrolle,376 die – wie auch bei Art. 16(3) ModG377 – im Rahmen des Aufhebungsverfahrens erfolgt, sodass alle Aufhebungsgründe des Art. 1520 NCPC geprüft werden können.378 Die Fortsetzung des Schiedsverfahrens wird dadurch ebenfalls nicht gehindert.379 cc) Negative Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts In Anbetracht der liberalen Anforderungen an eine gültige Schiedsvereinbarung nach dem französischen Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit380 scheint die Möglichkeit einer negativen Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts zunächst eine eher theoretische Problematik zu betreffen. Tatsächlich ist die Ablehnung der eigenen Zuständigkeit durch Schiedsgerichte aber auch im Kontext des französischen Schiedsverfahrensrechts bereits mehrfach aufgetreten.381 Gesetzlich geregelt war sie vor der Reform des französischen Schiedsverfahrensrechts dennoch nicht. So folgte zunächst aus dem Prinzip der Kompetenz-Kompetenz, dass die Entscheidung über die eigene Unzuständigkeit ebenfalls dem Schiedsgericht obliegt.382 Die Möglichkeit der Aufhebung dieser Entscheidung durch ein staatliches Gericht wurde dann aus Art. 1502(3) NCPC a. F. hergeleitet,383 ohne dass die negative Zuständigkeitsentscheidung dort explizit genannt gewesen wäre.384 Seit 2011 verweist Art. 1520(1) NCPC ausdrücklich auf die Möglichkeit der Aufhebung des Schiedsspruchs, wenn das Schiedsgericht sich in diesem fälschlicherweise für unzuständig erklärt hat.385 Die Neuregelung bezweckt nun eine logischere und unmittelbarere Herleitung der Überprüfungsmöglichkeit.386 Inhaltlich ändert sie an der bisherigen Rechtsprechung jedoch nichts.387

376

Vgl. Art. 16(3) S. 2 Ts. 1 ModG. Siehe dazu oben Kapitel E. III. 2. c) bb). 378 Für ein anschauliches Beispiel dieser umfassenden Prüfung siehe Cour d’appel de Paris 4. 3. 2004, Rev. arb. (2005) 143, 145 ff. 379 Vgl. Art. 16(3) S. 2 Ts. 2 ModG. 380 Siehe dazu oben Kapitel G. III. 3. b). 381 Für eine Übersicht von Fällen unter der Ägide der ICC siehe Jolivet 2 Gaz. Pal. (2006) 956 ff. 382 Racine Rev. arb. (2010) 729, 733 m. w. N. 383 Cour de Cassation 6. 10. 2010, 8 Bull. civ. (2010) 174, 175. 384 Vgl. Art. 1502(3) NCPC a. F.: „L’appel de la décision qui accorde la reconnaissance ou l’exécution n’est ouvert que dans les cas suivants : […] 38 Si l’arbitre a statué sans se conformer à la mission qui lui avait été conférée […]“; Gaillard/de Lapasse 2 Cah. arb. (2011) 263, Rn. 113. 385 Vgl. Art. 1520(1) NCPC: „Le recours en annulation n’est ouvert que si: 18 Le tribunal arbitral s’est déclaré à tort compétent ou incompétent […]“. 386 Gaillard/de Lapasse 2 Cah. arb. (2011) 263, Rn. 113. 387 Cour d’appel de Paris 17. 12. 2013, Cah. arb. (2014) 579. 377

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Folglich kontrollieren französische Schiedsgerichte negative Zuständigkeitsentscheidungen des Schiedsgerichts im Aufhebungsverfahren nach Art. 1520(1) NCPC. Damit unterscheidet sich das französische Schiedsverfahrensrecht vom Modellgesetz, welches nach der hier vertretenen Ansicht keine Überprüfung einer negativen Zuständigkeitsentscheidung zulässt.388 dd) Präklusionswirkung eines unterlassenen Antrags nach Art. 1520 NCPC gegen die Zwischenentscheidung des Schiedsgerichts Das französische Schiedsverfahrensrecht statuiert in Art. 1466 NCPC die Präklusionswirkung des Unterlassens einer Handlung durch eine Partei im Schiedsverfahren.389 Daraus folgt jedoch nur, dass die negative Zuständigkeitseinrede zu Beginn des Schiedsverfahrens vor dem Schiedsgericht geltend gemacht werden muss,390 nicht hingegen, dass auch im Falle einer auf diese Einrede folgenden Zwischenentscheidung des Schiedsgerichts zugunsten der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung umgehend ein entsprechendes Aufhebungsverfahren angestrengt werden muss. Diesbezüglich findet sich im französischen Schiedsverfahrensrecht keine Regelung. Die französische Rechtsprechung sieht indes keine Verpflichtung zur unverzüglichen Anstrengung eines Aufhebungsverfahrens gegen den Teilschiedsspruch; dieser kann auch erst gemeinsam mit dem finalen Schiedsspruch am Ende des gesamten Schiedsverfahrens angegriffen werden.391 Folglich unterscheidet sich das französische Schiedsverfahrensrecht in Anbetracht dieser Rechtsprechung auch insofern vom Modellgesetz.392

5. Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung a) Einleitung Die Aufhebung des Schiedsspruchs wegen der Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung richtet sich wie zuvor bereits angedeutet nach Art. 1520(1) NCPC, der seinem Wortlaut nach auf die fehlerhafte (Un-)Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts abstellt.393 Da diese Entscheidung nur anhand der Beurteilung der Gültigkeit 388

Siehe oben Kapitel E. III. 2. c) cc). Vgl. Art. 1466 NCPC: „La partie qui, en connaissance de cause et sans motif légitime, s’abstient d’invoquer en temps utile une irrégularité devant le tribunal arbitral est réputée avoir renoncé à s’en prévaloir.“ 390 Cour d’appel de Paris 28. 10. 2014, Réc. Dal. (2014) 2543, 2547, 2554. 391 Cour de Cassation 7. 1. 1998, Rev. arb. (1998) 801; Cour d’appel de Paris 4. 3. 2004, Rev. arb. (2005) 143, 145; Cour d’appel de Paris 1. 6. 1999, Rev. arb. (2000) 493. 392 Siehe oben Kapitel E. III. 2. c) dd). 393 Siehe dazu auch oben Kapitel G. III. 4. c) cc). 389

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der Schiedsvereinbarung getroffen werden kann, folgt aus Art. 1520(1) NCPC die Möglichkeit der Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung. Die französischen Gerichte sind bei der Anwendung der Vorschrift nicht an die Feststellungen des Schiedsgerichts gebunden und untersuchen alle für die Überprüfung der Schiedsvereinbarung erheblichen rechtlichen oder tatsächlichen Sachverhalte.394 Die Letztentscheidungsbefugnis über die Zulässigkeit des Schiedsverfahrens steht folglich nach der Konzeption des französischen Schiedsverfahrensrechts – wie auch im Modellgesetz395 – den staatlichen Gerichten zu. b) Vollstreckung im Ausland aufgehobener Schiedssprüche Die Letztentscheidungsbefugnis der staatlichen Gerichte im Ursprungsland des Schiedsspruches wird jedoch durch eine Eigenheit des französischen Rechts der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit kompromittiert. Das nach Art. V(1)(e) UNÜ vorgesehene Vollstreckungshindernis der Aufhebung des Schiedsspruchs im Ursprungsland findet nach der französischen Rechtsprechung bei der Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche in Frankreich keine Berücksichtigung, da das französische Schiedsverfahrensrecht eine solche Möglichkeit in Art. 1525(3) NCPC i. V. m. Art. 1520 NCPC nicht vorsieht. Darin liegt eine für die Anerkennung und Vollstreckung internationaler Schiedssprüche günstigere Regel im Sinne des Art. VII(1) UNÜ.396 Hintergrund dieser Besonderheit ist erneut die Anerkennung eines eigenen und von nationalen Rechtsordnungen losgelösten ordre juridique arbitrale. Auf Basis der Annahme, dass der Schiedsspruch eben nicht Teil der nationalen Rechtsordnung am Sitz des Schiedsgerichts ist, sondern unabhängig von dieser existiert, kann die Aufhebung des Schiedsspruchs auch nur im Ursprungsstaat Wirkung entfalten.397 Rechtsdogmatisch überzeugt diese Herleitung, da sie dem liberalen Grundansatz des französischen Schiedsverfahrensrechts durch konsequente Anwendung der Meistbegünstigungsklausel des Art. VII(1) UNÜ bei der Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche zur Geltung verhilft. Jedoch tritt die Kollision der grundverschiedenen Auffassungen des Rechts der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in dieser Situation besonders eklatant zutage. Während die Aufhebung des Schieds394

Cour d’appel de Paris 19. 3. 2013, Rev. arb. (2013) 449; Cour d’appel de Paris 11. 2. 2014, Réc. Dal. (2014) 2544; Cour d’appel de Paris 28. 10. 2014, Rec. Dal. (2014) 2543, 2547, 2554; noch zu Art. 1502 NCPC a. F. Cour de Cassation 6. 10. 2010, Rev. arb. (2010) 813; Cour de Cassation 6. 1. 1987, Rev. arb. (1987) 469. 395 Siehe oben Kapitel E. III. 3. 396 Cour de Cassation 9. 10. 1984, Rev. arb. (1985) 431; Cour de Cassation 10. 3. 1993, Rev. arb. (1993) 255; Cour de Cassation 23. 3. 1994, Rev. arb. (1994) 327; Cour de Cassation 29. 6. 2007, Rev. arb. (2007) 512, 514; Cour d’appel de Paris 14. 1. 1997, Rev. arb. (1997) 395; Cour d’appel de Paris 29. 9. 2005, Rev. arb. (2006) 695; Cour d’appel de Paris 20. 11. 2012, Rev. arb. (2012) 882; Cour d’appel de Paris 4. 12. 2012, Rev. arb. (2013) 411. 397 Cour de Cassation 23. 3. 1994, Rev. arb. (1994) 327.

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spruchs im Ursprungsstaat in der Regel zu einem erneuten Verfahren in der Hauptsache führen wird – sei es vor einem staatlichen Gericht oder vor einem Schiedsgericht – behalten sich die französischen Gerichte die Anerkennung und Vollstreckung des aufgehobenen Schiedsspruchs vor, der sich so später auch gegen die neuerliche Entscheidung des zweiten Hauptsacheverfahrens durchsetzt.398 In Kombination mit den geringen Anforderungen des ordre juridique arbitrale an eine gültige Schiedsvereinbarung399 würde diese Praxis auch anderenorts einheitlich geregelte Gültigkeitsanforderungen an die Schiedsvereinbarung bei Vollstreckung des Schiedsspruches in Frankreich aushebeln. Dieser internationale Alleingang untergräbt die Grundkonzeption der Mehrheit der nationalen Schiedsverfahrensrechte und stellt die Wirksamkeit des Systems der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit damit in Frage. Die Verteidigung der Lehre vom transnationalen Schiedsverfahren im Rahmen der Vollstreckung von im Ursprungsstaat aufgehobenen Schiedssprüchen in Frankreich veranschaulicht somit besonders gut, wie wichtig eine möglichst umfassende Harmonisierung des Rechts der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit für ein reibungsloses Funktionieren des Systems wäre.

6. Zwischenergebnis Die Analyse der französischen Rechtsprechung zur Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung und der Zuständigkeitsallokation im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit zeigt, dass die Konzeption des französischen Rechts in einem starken Kontrast zum Ansatz des Modellgesetzes steht. Ursprung der Unterschiede ist die Anerkennung eines autonomen ordre juridique arbitrale durch die französischen Gerichte, welcher losgelöst von jeglichen nationalen Rechtsordnungen existiert und ausschließlich auf dem Willen der Parteien basieren soll. Von diesem Ansatz ausgehend erübrigt sich eine kollisionsrechtliche Ermittlung des auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren Rechts; der ordre juridique arbitrale geht im Grundsatz von der Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung aus, welche nur vom in398

Vgl. z. B. die Hilmarton-Entscheidung, in welcher das schweizerische Bundesgericht den ersten Schiedsspruch aufgehoben hatte (Schweizerisches Bundesgericht 17. 4. 1990, Rev. arb. (1993) 315, 322), die Cour de Cassation der Anerkennung dieses ersten Schiedsspruches jedoch trotzdem statt gab (Cour de Cassation 23. 3. 1994, Rev. arb. (1994) 327) und wegen der Rechtskraft dieser Entscheidung den zweiten Schiedsspruch nicht mehr anerkannte (Cour de Cassation 10. 6. 1997, Rev. arb. (1997) 376); sowie die Putrabali-Entscheidung, in welcher der High Court London einen englischen Schiedsspruch teilweise aufgehoben und zur erneuten Entscheidung an das gleiche Schiedsgericht zurückverwiesen hatte (High Court London 19. 5. 2003, [2003] EWHC 3089 (Comm)), die Cour de Cassation den teilweise aufgehobenen Schiedsspruch dennoch anerkannte und dem zweiten Schiedsspruch des gleichen Schiedsgerichts, der nicht aufgehoben wurde, wegen der bereits erfolgten Anerkennung des ersten Schiedsspruches die Anerkennung und Vollstreckung versagte (Cour de Cassation 29. 6. 2007, Rev. arb. (2007) 512, 514). 399 Siehe oben Kapitel G. III. 3. a).

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ternationalen ordre public beeinträchtigt werden kann. Die Folge dessen ist ein zwar wesentlich einfacheres System als das des Modellgesetzes, welches jedoch die Gefahr der Ausnutzung wirtschaftlich unerfahrener Parteien birgt. Seine Fortsetzung findet dieser liberale Ansatz in der Anerkennung des negativen Effekts des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz, der dem Schiedsgericht die Erstentscheidungsbefugnis bezüglich der Zuständigkeitsfrage zuspricht. So wird die Entstehung von Parallelverfahren zwar zunächst im Keim erstickt, jedoch lebt diese bei Erlass eines Teilschiedsspruches über die Zuständigkeitsfrage wieder auf, da die französische Rechtsprechung eine Überprüfung dieser Entscheidung durch staatliche Gerichte parallel zum Schiedsverfahren erlaubt. Derart beraubt sich das französische Recht des eigentlich größten Vorteils der Anerkennung des negativen Effekts des Prinzips der Kompetenz-Kompetenz und gleicht bei der Zuständigkeitsverteilung insofern doch wieder dem Kompromiss des Modellgesetzes. Am deutlichsten wird die Unvereinbarkeit des französischen Verständnisses der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit mit dem Konzept des Modellgesetzes bei der Vollstreckung von im Ursprungsstaat aufgehobenen Schiedssprüchen. Zwar sieht das französische Schiedsverfahrensrecht eine Aufhebung des Schiedsspruchs bei Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung vor, jedoch setzen sich französische Gerichte im Rahmen des Exequaturverfahrens über die Aufhebungsentscheidungen der Gerichte am Ort des Schiedsgerichts hinweg und vollstrecken auch Schiedssprüche, die von diesen – beispielsweise wegen der Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung – zuvor aufgehoben wurden, wenn kein Vollstreckungshindernis nach französischem Recht vorliegt. Dadurch wird das System des Modellgesetzes unterlaufen, welches den staatlichen Gerichten am Sitz des Schiedsgerichts in Art. 34(2)(a)(i), 36(1)(a)(v) ModG die Befugnis zuspricht, über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung auch mit Wirkung für darauf folgende Exequaturverfahren zu entscheiden. Das französische Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit stellt folglich ein zwar in sich schlüssiges und gut funktionierendes System dar, das sich aber schon in seinen fundamentalsten Grundlagen stark vom Modellgesetz unterscheidet.

IV. Ergebnis Der Rechtsanwendungsvergleich der nationalen Schiedsverfahrensrechte Irlands, Deutschlands und Frankreichs hat gezeigt, dass die einzelnen Regelungen für sich betrachtet gut funktionieren. In keinem der untersuchten Staaten kommt es bei isolierter Betrachtung nur aufgrund des nationalen Schiedsverfahrensrechts zu Parallelverfahren zwischen staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten. In den Staaten, die das Modellgesetz rezipiert haben, treten am ehesten Schwierigkeiten auf, wenn das Modellgesetz durch nationale Einflüsse beeinträchtigt wird. In Irland zeigt sich dies bei der Anwendung der Grundsätze des

IV. Ergebnis

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common law anstelle der Auslegung des Modellgesetzes anhand der travaux préparatoires nach Sect. 8 AA 2010. In Deutschland führen Rechtsprechungsentwicklungen aus Zeiten vor der teilweisen Rezeption des Modellgesetzes zu Unsicherheiten im Bereich des Schiedsvereinbarungsstatuts. Zudem ist die Ergänzung des Art. 8 ModG durch § 1032(2) dZPO eher ein Unsicherheitsfaktor als eine Hilfe für die Parteien. Frankreichs Schiedsverfahrensrecht funktioniert bei der Anwendung durch die französischen Gerichte weitestgehend reibungslos, was auf die sehr schiedsfreundliche Konzeption zurückzuführen ist. Wo schon die einmalige Erklärung eines übereinstimmenden Willens zugunsten der Streitbeilegung durch ein Schiedsgericht genügt, um dieses bis zum Erlass eines verbindlichen Schiedsspruchs ohne Prüfungsmöglichkeit durch die staatlichen Gerichte zu prorogieren, ist wenig Raum für potenzielle Kompetenzkonflikte zwischen den Spruchkörpern. Dies geht jedoch zulasten von Parteien, die mit der Materie des Schiedsverfahrensrechts weniger vertraut sind, da diese sehr schnell an ein komplexes Streitbeilegungssystem gebunden werden, ohne sich diesem wieder entziehen zu können. Die größten Probleme treten aber auf, wenn die verschiedenen Konzepte miteinander in Berührung kommen, wie insbesondere die Vollstreckung eines im Ursprungsstaat aufgehobenen Schiedsspruches durch die französischen Gerichte zeigt. Ein Nebeneinander des transnationalen Ansatzes des französischen Schiedsverfahrensrechts mit der jurisdiktionellen Konzeption des Modellgesetzes führt im Ergebnis zu erheblicher Rechtsunsicherheit, weil die verschiedenen Rechtssysteme in den untersuchten Bereichen zu erheblich voneinander abweichenden Ergebnissen führen. Ein Mittelweg zwischen beiden Systemen erscheint in Anbetracht der elementar voneinander abweichenden Gesetzeskonzeptionen weder sinnvoll noch möglich.

H. Lösungsvorschlag zur Vermeidung von Parallelverfahren in der EU I. Einleitung – Meinungsstand zur Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts auf Ebene der EU In den vorangegangenen Kapiteln wurde erörtert, dass Parallelverfahren zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten in der EU unter anderem wegen des Ausschlusses der Schiedsgerichtsbarkeit vom Anwendungsbereich der EuGVVO möglich sind, welche Regelungsbereiche des Schiedsverfahrensrechts in diesem Zusammenhang relevant sind und wie diese Bereiche aktuell insbesondere in den Mitgliedstaaten Irland, Deutschland und Frankreich ausgestaltet sind. Dabei wurde bereits – gewissermaßen mit Blick auf das folgende Kapitel – ein Fokus auf das UNCITRAL Modellgesetz gelegt, gerade weil dieses bislang den erfolgreichsten Ansatz einer Harmonisierung des internationalen Schiedsverfahrensrechts darstellt. Im Folgenden wird auf dieser Grundlage erörtert, wie ein Rechtsakt der EU konkret ausgestaltet werden könnte, um eine ausgewogene Rechtsvereinheitlichung im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit auf Ebene der EU zu verwirklichen (unten II.). Anschließend werden die wesentlichen Vorteile des unterbreiteten Vorschlags dargestellt (unten III.) und insbesondere die positiven Auswirkungen des Brexits auf das Vorhaben erörtert (unten IV.). Zunächst wird jedoch ein Überblick über den Meinungsstand zur Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts auf Ebene der EU gegeben. Das Modellgesetz fand in den anhaltenden Diskussionen um eine Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts in der EU nach seiner Verabschiedung zwar gelegentlich indirekt Berücksichtigung,1 ein Vorschlag zur Harmonisierung durch die EU unmittelbar auf Grundlage des Modellgesetzes ist hingegen bislang nicht ersichtlich.2 Die bisherigen Ansätze, die neben den tatsächlich unternommenen Versuchen des Straßburger Übereinkommens und der Erstreckung des Anwendungsbereichs der EuGVVO auf die Schiedsgerichtsbarkeit erörtert wurden, sind vielfältig. Manche Autoren beschränken sich dabei von vornherein auf eher pauschale Aussagen. Böckstiegel sprach sich zunächst 1

Siehe Weigand 61(2) Arbitration (1995) 125, 128, 131; Bunni 61(2) Arbitration (1995) 176, 179; Kessedjian 4 Rev. arb. (2009) 699, 703 ff.; Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 1033; Gaffney 33 Arb. Int’l (2017) 81, 94. 2 Andeutungsweise Weigand 61(2) Arbitration (1995) 125, 131: „The most probable solution as to potential EU-legislation might be an initiative to impose the adoption of the UNCITRAL Model Law in the EU Member States.“

I. Einleitung – Meinungsstand zur Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts

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ganz allgemein für eine weiterreichende Harmonisierung aus.3 Bunni konkretisierte dieses Anliegen dahingehend, dass ein einheitlicher Rechtsakt der Nutzung durch Anwender verschiedener Jurisdiktionen zugänglich und daher möglichst leicht verständlich sowie in sich geschlossen sein sollte.4 Zunächst Nourissat und später, während der Überarbeitung der EuGVVO, auch Radicati di Brozolo sowie Illmer thematisierten dann erneut die Möglichkeit eines europäischen Schiedsverfahrensrechts.5 Auch seit dem Abschluss des Reformprozesses finden sich in der Literatur immer wieder Stimmen, die einen solchen Vorstoß befürworten.6 Die Diskussion wurde immer wieder um mögliche Regelungsgegenstände ergänzt, die harmonisiert werden sollten.7 Schack sieht insbesondere die Form der 3 Böckstiegel 61(2) Arbitration (1995) 191, 195: „I hope and expect that national laws applicable to the procedure and substance of international arbitration will become less parochial and more internationally harmonized.“ 4 Bunni 61(2) Arbitration (1995) 176, 179: „An act to be used by nationals of different jurisdictions should be easily accessible and comprehensible to foreign users of widely different and divergent legal and professional traditions. It should be written in simple, clear and logical language. It should be self contained.“ 5 Nourissat 7 RDAI (2003) 761, 775: „The first – extreme – suggestion involves promoting the adoption of specific legal instruments to form a European arbitration law.“; Radicati Di Brozolo 7(3) J. Priv. Int’l L. (2011) 423, 434 f.: „Some have suggested that the only solution to tackle the problem would be through a comprehensive regulation of arbitration, which would have to be introduced by way of harmonisation.“; Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 59: „During the reform process of the Brussels I Regulation, it was repeatedly put forward whether it would be a good idea to create a European act of legislation building upon the New York Convention but adding additional elements to it […]“. 6 Alavi/Khamichonak 6 Jurid. Trib. (2016) 7, 24: „Perhaps, it is time for arbitration to be included in the EU legal landscape, either as part of the Brussels Regulation or as a separate instrument, adopting some of the ambitious ideas proposed in the Commission Green Paper.“; Gaffney 33 Arb. Int’l (2017) 81, 95: „Thus, it is suggested that regulation should be confined at most to achieving uniformity and consistency within the EU in relation to: i. The existence of concurrent arbitration and judicial proceedings. ii. The circulation of arbitral awards and arbitration-related judgments, including the issue of the conclusive and preclusive effects of prior arbitral awards in relation to conflicting judgments.“ 7 Poudret, Conflits entre juridictions étatiques en matière d’arbitrage international, S. 780: „Il conviendra donc d’introduire au moins une règle de compétence en faveur de la juridiction du siège, de manière à éviter les conflits évoqués ci-dessus et à permettre une reconnaissance facilitée des jugements en matière d’arbitrage.“; van Houtte 21 Arb. Int’l (2005) 509, 516: „[…] this validity [of the arbitration agreement] is governed by the law of the seat of arbitration and by the law of the contract; not by the law of the court to which the dispute is submitted in spite of the arbitration agreement. […] Furthermore, it could exclude enforcement of an award that has been set aside by or is being challenged before a court of another Member State.“; Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 1008 ff. (Zuständigkeitsverteilung, Anerkennung und Vollstreckung); Benedettelli 27(4) Arb. Int’l (2011) 583, 614 ff. (objektive Schiedsfähigkeit, Zuständigkeitsverteilung, Anerkennung und Vollstreckung); Moses 35 Nw. J. Int’l L. & Bus. (2014) 1, 44: „One approach toward harmonization could be to give more deference to the court of the seat. […]“; Botta 48(2) IIC (2017) 235, 244: „[…] the EU institutions should consider the possibility of adopting a Directive to harmonize national rules concerning the grounds to exclude the recognition of an arbitral award under Art. 5 New York Convention.“; Schack, IZPR, Rn. 1303: „Wünschenswert wäre eine EU-einheitliche Regelung zumindest für die Form von

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H. Lösungsvorschlag zur Vermeidung von Parallelverfahren in der EU

Schiedsvereinbarung als möglichen Gegenstand einer Vereinheitlichung.8 Benedettelli, van Houtte und Hauberg Wilhelmsen sprechen sich auf vorgelagerter Ebene für eine gemeinsame Regelung des Schiedsvereinbarungsstatuts aus.9 Daneben unterstützt Benedettelli ebenso wie Poudret und Moses eine Harmonisierung der Zuständigkeitsverteilung.10 Schließlich wurde auch der Bereich der Anerkennung und Vollstreckung mehrfach in die Diskussion miteinbezogen.11 Verschiedene Autoren erörtern auch die Form, die ein Rechtsakt der EU annehmen könnte.12 Der Erlass eines eigenen Unionsrechtsaktes, der die Schiedsgerichtsbarkeit unabhängig von der EuGVVO regelt, wird dabei schon länger thematisiert.13 Hinsichtlich der konkreten Form hatte van Houtte zunächst die Idee eines Europäischen Protokolls zum UNÜ,14 vergleichbar den damaligen, über das Straßburger Übereinkommen hinausgehenden Plänen des Europarats.15 Moses brachte die Möglichkeit eines fakultativen Rechtsaktes in die Diskussion ein, der den Rechtsanwendern wie das CESL16 die Wahl gibt, ob er zur Anwendung kommen soll.17 Schiedsvereinbarungen und für das Vollstreckbarerklärungsverfahren.“; Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 8.28 ff. (Schiedsvereinbarungsstatut, objektive Schiedsfähigkeit, subjektive Schiedsfähigkeit). 8 Schack, IZPR, Rn. 1303. 9 van Houtte 21 Arb. Int’l (2005) 509, 516; Benedettelli 27(4) Arb. Int’l (2011) 583, 614 (beschränkt auf die objektive Schiedsfähigkeit); Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 8.28 ff. 10 Poudret, Conflits entre juridictions étatiques en matière d’arbitrage international, S. 780; Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 1009 ff.; Benedettelli 27(4) Arb. Int’l (2011) 583, 616; Moses 35 Nw. J. Int’l L. & Bus. (2014) 1, 44. 11 van Houtte 21 Arb. Int’l (2005) 509, 516; Poudret/Besson, Comparative Law of International Arbitration, Rn. 1012 ff.; Botta 48(2) IIC (2017) 235, 244; Benedettelli 27(4) Arb. Int’l (2011) 583, 617 ff.; Schack, IZPR, Rn. 1303. 12 Poudret, Conflits entre juridictions étatiques en matière d’arbitrage international, S. 780; van Houtte 21 Arb. Int’l (2005) 509, 516: „[…] all Member States should specify in a European Protocol to the New York Convention that […]“; Moses 35 Nw. J. Int’l L. & Bus. (2014) 1, 46 f.: „If a similar concept to CESL were developed for arbitration law, it would permit parties a choice between two laws: either the Member State’s law at the seat or the regional arbitration regime.“; Gaffney 33 Arb. Int’l (2017) 81, 96: „As regards the form of any additional regulation of arbitration, which would be intended to introduce uniform rules across the EU, it would appear appropriate to adopt a supra-national measure with direct effect in all EU Member States, that is to say, a Regulation akin to the Brussels I Regulation.“; Botta 48(2) IIC (2017) 235, 244: „[…] the EU institutions should consider the possibility of adopting a Directive to harmonize national rules concerning the grounds to exclude the recognition of an arbitral award under Art. 5 New York Convention.“ 13 Nourissat 7 RDAI (2003) 761, 775; Illmer, The Arbitration Interface with the Brussels I Recast, S. 59. 14 van Houtte 21 Arb. Int’l (2005) 509, 516. 15 Siehe oben Kapitel E. I. 16 Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht, KOM(2011) 635 endg. 17 Moses 35 Nw. J. Int’l L. & Bus. (2014) 1, 46 f.

II. Lösungsvorschlag

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Gaffney zog daneben die Möglichkeit des Erlasses einer eigenen Verordnung in Erwägung,18 während Botta der Rechtsform der Richtlinie den Vorzug geben würde.19 Allumfassende Ansätze, die sich sowohl mit der Handlungsform als auch mit der Regelungsweite und -tiefe befassen, finden sich jedoch kaum. Der einzige konkrete Harmonisierungsvorschlag seit dem Inkrafttreten der EuGVVO n. F. von Dickler zeigt jedoch, dass dieses Anliegen weiterhin aktuell ist. Dickler schlägt den Erlass einer Verordnung vor und legt deren Regelungsschwerpunkt auf die Durchsetzungsfähigkeit der Schiedsvereinbarung sowie das Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren.20 Das Schiedsvereinbarungsstatut findet hingegen keine Berücksichtigung.21 Würde man diese Bereiche in einem Rechtsakt miteinander verzahnen, könnte dieser bereits positiv zu bewertende Vorstoß weiter optimiert werden. Dicklers Ansatz begründet zudem ein gänzlich neues Regelungssystem, das von bestehenden internationalen Standards abweicht, sodass eine Harmonisierung nur innerhalb der EU erreicht würde, während sich im Verhältnis zu Drittstaaten neue Unterschiede ergeben würden.22 Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden versucht, eine noch präziser in das bestehende Rechtssystem der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit eingebettete Lösung zu erarbeiten.

II. Lösungsvorschlag Ein differenziertes EU-Schiedsverfahrensrecht erfordert zunächst eine Erörterung der geeigneten Handlungsform für die Maßnahme (unten 1.). Erst auf dieser Grundlage kann ein konkreter Vorschlag unterbreitet werden (unten 2.). Schließlich bedarf es, wie bereits dargestellt,23 einer Erörterung der europarechtlichen Verhältnismäßigkeit der konkret vorgeschlagenen Maßnahme (unten 3.).

1. Die geeignete Handlungsform – Verordnung oder Richtlinie? a) Einleitung Bevor ein eigener Lösungsvorschlag für die Vermeidung von Parallelverfahren zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten in der EU unterbreitet werden 18

Gaffney 33 Arb. Int’l (2017) 81, 96. Botta 48(2) IIC (2017) 235, 244. 20 Dickler, Schiedsgerichtsbarkeit und Reform der EuGVVO, S. 180 ff. 21 Dickler, Schiedsgerichtsbarkeit und Reform der EuGVVO, S. 222 ff. 22 Gegenüber einer solchen Lösung grundsätzlich kritisch Moses 35 Nw. J. Int’l L. & Bus. (2014) 1, 45: „[…] further attempts at harmonization of arbitration laws and rules in the European Union should not stray far from existing international standards […]“. 23 Siehe oben Kapitel C. II. 5. 19

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H. Lösungsvorschlag zur Vermeidung von Parallelverfahren in der EU

kann, stellt sich die Frage der allgemeinen Handlungskompetenz des europäischen Gesetzgebers24 sowie der geeigneten Handlungsform für eine derartige Maßnahme. Art. 288(1) AEUV sieht in diesem Zusammenhang einen nicht abschließenden Katalog vor, der die wichtigsten Maßnahmen des Unionshandelns aufzählt:25 „Für die Ausübung der Zuständigkeiten der Union nehmen die Organe Verordnungen, Richtlinien, Beschlüsse, Empfehlungen und Stellungnahmen an.“

Die im Einzelfall zu wählende Handlungsform richtet sich dabei grundsätzlich nach der Kompetenzgrundlage des Rechtsaktes.26 Schreibt diese keine eindeutige Handlungsform vor, steht die Wahl der Art des zu erlassenden Rechtsaktes nach Art. 296(1) AEUV im Ermessen der handelnden Organe.27 Auch in diesem Fall ist aber der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren, sodass stets nur derjenige Rechtsakt erlassen werden darf, der zur Erreichung des mit der Maßnahme verfolgten Ziels erforderlich ist.28 Um die Entstehung von Parallelverfahren zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten in der EU zu verhindern, ist es im Rahmen der Ermessensausübung zunächst erforderlich, einen verbindlichen Rechtsakt zu erlassen. Die unterbliebene Ratifikation des Straßburger Übereinkommens durch nahezu alle beteiligten Vertragsparteien zeigt, dass freiwillige Maßnahmen für eine Vereinheitlichung des Schiedsverfahrensrechts in der EU nicht zielführend sind. Eine Harmonisierung aufgrund einer Empfehlung oder Stellungnahme nach Art. 288(5) AEUV scheidet daher aus. Beschlüsse nach Art. 288(4) AEUV sind zwar verbindlich, können sich aber selbst als adressatenlose Beschlüsse nur an die Union und ihre Einrichtungen richten.29 Aus dem Maßnahmenkatalog des Art. 288 AEUV verbleiben damit als mögliche Handlungsformen nur noch die Verordnung und die Richtlinie, welche in den beiden nachfolgenden Abschnitten genauer auf ihre Geeignetheit untersucht werden. Nicht in Art. 288 AEUV genannte Maßnahmen betreffen hingegen vor24

Siehe dazu oben Kapitel C. Ruffert, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 288 Rn. 98; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, AEUV Art. 288 Rn. 1, 75 ff.; Schroeder, in: Streinz, AEUV Art. 288 Rn. 2; i. E. auch Biervert, in: Schwarze, AEUV Art. 288 Rn. 4: „[…] von einigen Ausnahmen abgesehen abschließender Natur.“ 26 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 288 Rn. 74; Hetmeier, in: Lenz/ Borchardt, AEUV Art. 288 Rn. 2. 27 Vgl. Art. 296(1) AEUV: „Wird die Art des zu erlassenden Rechtsakts von den Verträgen nicht vorgegeben, so entscheiden die Organe darüber von Fall zu Fall unter Einhaltung der geltenden Verfahren und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit.“; Rossi, in: Calliess/Ruffert, AEUV Art. 81 Rn. 16. 28 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 288 Rn. 81; Hetmeier, in: Lenz/ Borchardt, AEUV Art. 296 Rn. 2; Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur, AEUV Art. 296 Rn. 1; Calliess, in: Calliess/Ruffert, AEUVArt. 296 Rn. 5 f.; Gellermann, in: Streinz, AEUVArt. 296 Rn. 2 f. 29 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUVArt. 288 Rn. 195; Schroeder, in: Streinz, AEUV Art. 288 Rn. 134; a. A. Ruffert, in: Calliess/Rufert, AEUV Art. 288 Rn. 89, der für die Kennzeichnung eines Rechtsaktes lediglich auf die Bezeichnung abstellt. 25

II. Lösungsvorschlag

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nehmlich unionsinterne Rechtsakte30 und können daher ebenfalls unberücksichtigt bleiben. b) Verordnung, Art. 288(2) AEUV aa) Einleitung Rechtsgrundlage der Verordnung ist Art. 288(2) AEUV. Sie umschreibt die kennzeichnenden Merkmale der Handlungsform folgendermaßen: „Die Verordnung hat allgemeine Geltung. Sie ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.“

Damit wirkt die Verordnung wie ein „europäisches Gesetz“.31 Da sie den Erlass einheitlich geltenden Rechts in der EU ermöglicht, hat sie große Bedeutung für die europäische Integration32 und dient vor allem der Rechtsvereinheitlichung in der EU.33 Gegebenenfalls kann zwischen Grund- und Durchführungsverordnungen zu unterscheiden sein, wenn eine Verordnung mit materiellem Regelungscharakter (Grundverordnung) den Erlass formeller Verwaltungsmaßnahmen für die Umsetzung vorsieht (Durchführungsverordnung).34 Das Merkmal der Verbindlichkeit in allen ihren Teilen grenzt die Verordnung von der Richtlinie35 sowie von Empfehlungen und Stellungnahmen ab.36 Wegen ihrer unmittelbaren Geltung bedürfen Verordnungen keiner weiteren Maßnahme durch die Mitgliedstaaten,37 sondern können unmittelbar Rechte verleihen und Pflichten auferlegen.38 Aus ihr folgt auch, dass die Mitgliedstaaten nach Inkrafttreten einer be30 Vgl. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 288 Rn. 209 ff.; Ruffert, in: Calliess/Rufert, AEUV Art. 288 Rn. 100 ff.; Biervert, in: Schwarze, AEUV Art. 288 Rn. 4. 31 Biervert, in: Schwarze, AEUV Art. 288 Rn. 18; Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur, AEUV Art. 288 Rn. 6; einschränkend Schroeder, in: Streinz, AEUV Art. 288 Rn. 54, der nur von Gesetz in materiellem Sinn spricht; die Begrifflichkeit des „europäischen Gesetzes“ war im geplanten Verfassungsvertrag als Ersatz für die Verordnung vorgesehen, vgl. Geismann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUV Art. 288 Rn. 32; Ruffert, in: Calliess/Rufert, AEUV Art. 288 Rn. 16. 32 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 288 Rn. 89. 33 Biervert, in: Schwarze, AEUV Art. 288 Rn. 18. 34 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 288 Rn. 94; teilweise auch „hinkende Verordnung“ genannt, vgl. Ruffert, in: Calliess/Rufert, AEUV Art. 288 Rn. 21; Schroeder, in: Streinz, AEUV Art. 288 Rn. 61. 35 Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur, AEUV Art. 288 Rn. 9; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, AEUV Art. 288 Rn. 100; siehe dazu unten Kapitel G. II. 1. c). 36 Ruffert, in: Calliess/Rufert, AEUV Art. 288 Rn. 19; Biervert, in: Schwarze, AEUV Art. 288 Rn. 20; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUVArt. 288 Rn. 100; Schroeder, in: Streinz, AEUV Art. 288 Rn. 56. 37 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 288 Rn. 101. 38 Ruffert, in: Calliess/Rufert, AEUV Art. 288 Rn. 20; Biervert, in: Schwarze, AEUV Art. 288 Rn. 21.

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H. Lösungsvorschlag zur Vermeidung von Parallelverfahren in der EU

stimmten Verordnung keine Gesetze mehr erlassen dürfen, die deren Tragweite berühren oder eine Ergänzung ihrer Vorschriften zum Gegenstand haben.39 Vielmehr müssen die Mitgliedstaaten widersprechende nationale Regelungen anpassen oder aufheben.40 bb) Möglichkeit einer Begrenzung des räumlichen Anwendungsbereichs In Anbetracht der national teilweise sehr unterschiedlich ausgestalteten Schiedsverfahrensrechte innerhalb der EU könnte eine Begrenzung des räumlichen Anwendungsbereichs eines harmonisierenden Rechtsaktes die Erfolgsaussichten der Maßnahme erhöhen. Ob aus der unmittelbaren Geltung in jedem Mitgliedstaat nach Art. 288(2) S. 2 AEUV folgt, dass eine Begrenzung des räumlichen Anwendungsbereichs einer Verordnung ausgeschlossen ist, wird unterschiedlich beurteilt. Teilweise wird vertreten, eine Begrenzung des Geltungsanspruchs der Verordnung auf einzelne Mitgliedstaaten sei unabhängig von inhaltlichen Einschränkungen wegen des Wortlautes der Vorschrift nicht möglich.41 Demgegenüber wird von anderen Autoren vertreten, dem Wortlaut zum Trotz sei der Erlass von Verordnungen mit eingeschränktem räumlichen Geltungsbereich als zulässig zu erachten, da auch eine Einschränkung die implizite Anordnung der Fortgeltung des bisherigen Rechts in den ausgeschlossenen Mitgliedstaaten beinhalte.42 Diese Argumentation scheint indes ergebnisorientiert und überzeugt nicht. Der eindeutige Wortlaut des Art. 288 Abs. 2 AEUV wird durch einen Umkehrschluss aus Art. 288(3) AEUV unterstützt, welcher die Verbindlichkeit von Richtlinien nur für diejenigen Mitgliedstaaten anordnet, „an den sie gerichtet wird“. Wie die jeweiligen Art. 2 der Protokolle 21 und 22 zum AEUV über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands bzw. Dänemarks zeigen, sehen die Verträge aber zumindest an anderer Stelle Einschränkungen des räumlichen Anwendungsbereichs von europäischen Rechtsakten in bestimmten Bereichen vor. Diese gelten jedoch nur für die dort genannten Staaten; Einschränkungen des räumlichen Anwendungsbereichs von Verordnungen zugunsten anderer Mitgliedstaaten sind hingegen nicht möglich. Eine abweichende Beurteilung ergäbe sich nur im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit einzelner Mitgliedstaaten nach Art. 20 EUV, Art. 326 – 334 AEUV,43 wie sie zum Beispiel im Rahmen der EuPartVO erfolgt ist.44 Gerade vor 39

Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 288 Rn. 101. Schroeder, in: Streinz, AEUV Art. 288 Rn. 62 ff. 41 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 288 Rn. 99; Hetmeier, in: Lenz/ Borchardt, AEUV Art. 288 Rn. 9. 42 Ruffert, in: Calliess/Rufert, AEUV Art. 288 Rn. 22; Geismann, in: von der Groeben/ Schwarze/Hatje, AEUV Art. 288 Rn. 37; Biervert, in: Schwarze, AEUV Art. 288 Rn. 22. 43 Vgl. Art. 20(4) S. 1 EUV: „An die im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit erlassenen Rechtsakte sind nur die an dieser Zusammenarbeit beteiligten Mitgliedstaaten gebunden.“; dazu Blanke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV Art. 20 Rn. 56. 40

II. Lösungsvorschlag

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dem Hintergrund der gescheiterten Regelung des Schiedsverfahrensrechts im Rahmen der EuGVVO könnte die ultima ratio-Schwelle für die Einleitung einer Verstärkten Zusammenarbeit interessierter Mitgliedstaaten bereits überschritten sein.45 Die Effektivität der Harmonisierung bei Verfolgung eines solchen Ansatzes wäre jedoch erheblich gemindert. c) Richtlinie, Art. 288(3) AEUV aa) Einleitung Die Handlungsform der Richtlinie findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 288(3) AEUV. Dort wird sie wie folgt beschrieben: „Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel.“

Damit zeichnet sich die Richtlinie durch einen zweistufigen Rechtsetzungsprozess aus.46 Die Richtlinie selbst gibt nur das Regelungsziel vor, während die Wahl der Form und Mittel zur Erreichung dieses Ziels den Mitgliedstaaten überlassen bleiben. Es handelt sich um eine originär europarechtliche Handlungsform, die in den nationalen Rechtsordnungen keine Entsprechung findet.47 Sie ermöglicht eine souveränitätsschonende Rechtssetzung durch die Union, die einen Kompromiss zwischen der Verwirklichung eines einheitlichen Rechtsraums und der Aufrechterhaltung von Rechtstraditionen in den Mitgliedstaaten darstellt.48 Ihr Zweck ist daher im Ge-

44 Verordnung (EU) 2016/1104 des Rates zur Durchführung der Verstärkten Zusammenarbeit im Bereich der Zuständigkeit, des anzuwendenden Rechts und der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Fragen güterrechtlicher Wirkungen eingetragener Partnerschaften, 24. 6. 2016, ABl. EU vom 8. 7. 2016 Nr. L 183, S. 30 ff. 45 Vgl. Art. 20(2) S. 1 EUV: „Der Beschluss über die Ermächtigung zu einer Verstärkten Zusammenarbeit wird vom Rat als letztes Mittel erlassen, wenn dieser feststellt, dass die mit dieser Zusammenarbeit angestrebten Ziele von der Union in ihrer Gesamtheit nicht innerhalb eines vertretbaren Zeitraums verwirklicht werden können, und sofern an der Zusammenarbeit mindestens neun Mitgliedstaaten beteiligt sind.“; dazu Blanke, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, EUV Art. 20 Rn. 43 ff. 46 Ruffert, in: Calliess/Rufert, AEUV Art. 288 Rn. 23; Biervert, in: Schwarze, AEUV Art. 288 Rn. 22; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUVArt. 288 Rn. 104; Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur, AEUV Art. 288 Rn. 10. 47 Hetmeier, in: Lenz/Borchardt, AEUV Art. 288 Rn. 10; Geismann, in: von der Groeben/ Schwarze/Hatje, AEUV Art. 288 Rn. 39; im Verfassungsvertrag war für sie die Bezeichnung des „europäischen Rahmengesetzes“ vorgesehen, vgl. ebd. 48 Biervert, in: Schwarze, AEUVArt. 288 Rn. 23; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 288 Rn. 104.

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gensatz zur Verordnung nicht in der Rechtsvereinheitlichung sondern in der Rechtsangleichung zu sehen.49 bb) Regelungsdichte Jedoch haben auch Richtlinien zunehmend eine hohe Regelungsdichte.50 Dies führt dazu, dass den Mitgliedstaaten bei der Wahl der Form und Mittel zur Erreichung des vorgegebenen Ziels unter Umständen kein Entscheidungsspielraum mehr verbleibt.51 Daher kann den Mitgliedstaaten in einer Richtlinie auch die Verwirklichung eines ausformulierten „Modellgesetzes“ (loi uniforme) auferlegt werden.52 Wie groß der Umsetzungsspielraum zugunsten der Mitgliedstaaten ist – beziehungsweise wo die Grenze bezüglich der Regelungsdichte einer Richtlinie verläuft – ergibt sich aus dem Regelungsgegenstand der Richtlinie.53 Dabei ist die mögliche Regelungsdichte umso höher, je technischer der Regelungsgegenstand ist. Die Mitgliedstaaten müssen in diesem Zusammenhang auch dem Grundsatz des effet utile Rechnung tragen, sodass sie Form und Mittel derart wählen müssen, dass dem Regelungsziel bestmöglich zur Geltung verholfen wird.54 Sofern dies auch ohne eine wörtliche Umsetzung der Richtlinie der Fall ist, kann den Mitgliedstaaten eine unveränderte Übernahme der Regelungen jedoch nicht auferlegt werden.55

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Geismann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUV Art. 288 Rn. 39; Biervert, in: Schwarze, AEUV Art. 288 Rn. 23; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 288 Rn. 104. 50 Ruffert, in: Calliess/Rufert, AEUV Art. 288 Rn. 15; Biervert, in: Schwarze, AEUV Art. 288 Rn. 25 f.; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 288 Rn. 113; daher gegenüber der Unterteilung in Rechtsvereinheitlichung durch Verordnungen einerseits und Rechtsangleichung durch Richtlinien andererseits kritisch Schroeder, in: Streinz, AEUV Art. 288 Rn. 69. 51 Biervert, in: Schwarze, AEUV Art. 288 Rn. 26; Ruffert, in: Calliess/Rufert, AEUV Art. 288 Rn. 25; Hetmeier, in: Lenz/Borchardt, AEUV Art. 288 Rn. 11; dieser Entwicklung gegenüber kritisch Kotzur, in: Geiger/Khan/Kotzur, AEUV Art. 288 Rn. 12. 52 Nicolaysen, Europarecht I, S. 332; Biervert, in: Schwarze, AEUV Art. 288 Rn. 26. 53 Ruffert, in: Calliess/Rufert, AEUV Art. 288 Rn. 25; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/ Nettesheim, AEUV Art. 288 Rn. 112 f., 120; Nicolaysen, Europarecht I, S. 332; Biervert, in: Schwarze, AEUV Art. 288 Rn. 26. 54 Ruffert, in: Calliess/Rufert, AEUV Art. 288 Rn. 26; Schroeder, in: Streinz, AEUV Art. 288 Rn. 90; a. A. Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 288 Rn. 132. 55 Schroeder, in: Streinz, AEUV Art. 288 Rn. 89; Ruffert, in: Calliess/Rufert, AEUV Art. 288 Rn. 32; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUVArt. 288 Rn. 120; umgekehrt reicht jedoch auch die wörtliche Übernahme nicht aus, wenn sie z. B. wegen einer entgegenstehenden Verwaltungspraxis nicht zur Erreichung des Ziels der Richtlinie führt, vgl. Biervert, in: Schwarze, AEUV Art. 288 Rn. 28.

II. Lösungsvorschlag

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cc) Umsetzungspflicht Entspricht die Rechtslage in einem Mitgliedsstaat bereits dem von der Richtlinie verfolgten Rechtszustand, braucht dieser nicht tätig zu werden.56 Anderenfalls müssen die Umsetzungsmaßnahmen mindestens einen mit der vorherigen Rechtslage formell gleichrangigen Rechtszustand herbeiführen;57 die bloße Nichtanwendung entgegenstehenden Rechts oder dessen richtlinienkonforme Auslegung genügt hingegen nicht.58 Nach Ablauf der Umsetzungsfrist ist es den Mitgliedstaaten zudem nicht mehr möglich, von der Richtlinie unabhängige Gesetze in deren Regelungsbereich zu erlassen.59 Für den Fall, dass bis zu diesem Zeitpunkt noch keine Umsetzung der Richtlinie erfolgt ist, hat der EuGH die Rechtsinstitute der unmittelbaren Wirkung60, des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs61 und der richtlinienkonformen Auslegung des nationalen Rechts62 geschaffen. Sie dienen dazu der Handlungsform auch in säumigen Mitgliedstaaten effektive Wirkung zu verleihen.63 56 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUVArt. 288 Rn. 119; Schroeder, in: Streinz, AEUV Art. 288 Rn. 92. 57 Ruffert, in: Calliess/Rufert, AEUV Art. 288 Rn. 26; 58 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 288 Rn. 121. 59 Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 288 Rn. 130. 60 Vgl. z. B. EuGH 4. 12. 1974, Rs. 41/74 – van Duyn/Home Office, Slg. 1974 1337; EuGH 1. 2. 1977, Rs. 51/76 – Nederlandse Ondernemingen, Slg. 1977 113; EuGH 23. 11. 1977, Rs. 38/77 – Enka, Slg. 1977 2203; EuGH 29. 11. 1978, Rs. 21/78 – Delkvist, Slg. 1978 2327; EuGH 5. 4. 19979, Rs. 148/78 – Ratti, Slg. 1979 1629; EuGH 19. 1. 1982, Rs. 8/81 – Becker, Slg. 1982 53; EuGH 10. 6. 1982, Rs. 255/81 – Grendel, Slg. 1982 2301; EuGH 22. 2. 1984, Rs. 70/83 – Kloppenburg/Finanzamt Leer, Slg. 1984 1075; EuGH 26. 2. 1986, Rs. 152/84 – Marshall I, Slg. 1986 723; EuGH 4. 12. 1986, Rs. 71/85 – Federatie Nederlandse Vakbeweging, Slg. 1986 3855; EuGH 24. 3. 1987, Rs. 286/85 – McDermott und Cotter, Slg. 1987 1453; EuGH 8. 10. 1987, Rs. 80/86 – Kolpinghuis Nijmegen, Slg. 1987 3969; EuGH 22. 2. 1990, Rs. 221/88 – Busseni, Slg. 1990 495; EuGH 12. 7. 1990, Rs. 188/89 – Foster/British Gas, Slg. 1990 3313; EuGH 14. 7. 1994, Rs. C-91/92 – Paola Faccini Dori, Slg. 1994 3325. 61 Vgl. z. B. EuGH 19. 11. 1991, Verb. Rs. 6/90 und 9/90 – Francovich, Slg. 1991 5357; EuGH 5. 3. 1996, Verb. Rs. 46/93 und 48/93 – Brasserie du Pêcheur und Factortame, Slg. 1996 1029; EuGH 26. 3. 1993, Rs. 392/93 – British Telecommunications, Slg. 1996 1631; EuGH 23. 5. 1996, Rs. 5/94 – Hedley Lomas, Slg. 1996 2553; EuGH 8. 10. 1996, Verb. Rs. 178/ 94, 179/94, 188/94, 189/94 und 190/94 – Dillenkofer, Slg. 1996 4845; EuGH 17. 10. 1996, Verb. Rs. 283/94, 291/94 und 292/94 – Denkavit, Slg. 1996 5063; EuGH 10. 7. 1997, Rs. 373/ 95 – Maso/INPS, Slg. 1997 4051; EuGH 10. 7. 1997, Verb. Rs. 94/95 und 95/95 – Bonifaci/ INPS, Slg. 1997 3969; EuGH 10. 7. 1997, Rs. 261/95 – Palmisani/INPS, Slg. 1997 4025; EuGH 2. 4. 1998, Rs. 127/95 – Norbrook Laboratories/MAFF, Slg. 1998 1531; EuGH 24. 9. 1998, Rs. 319/96 – Brinkmann/Skatteministeriet, Slg. 1998 5255; EuGH 4. 7. 2000, Rs. 424/97 – Haim, EuGH 30. 9. 2003, Rs. 224/01 – Köbler, Slg. 2003 10 239; EuGH 4. 12. 2003, Rs. 63/01 – Evans, Slg. 2003 14 447. 62 Vgl. z. B. EuGH 16. 12. 1993, Rs. 334/92 – Wagner Miret/Fondo de garantía salarial, Slg. 1993 6911; EuGH 11. 7. 1996, Verb. Rs. 71/94, 72/94 und 73/94 – Eurim-Pharm Arzneimittel/Beiersdorf e. a., Slg. 1996 3603; EuGH 16. 7. 1998, Rs. 355/96 – Silhouette International Schmied/Hartlauer Handelsgesellschaft, Slg. 1998 4799; EuGH 22. 9. 1998, Rs. 185/97 – Coote/Granada Hospitality, Slg. 1998 5199.

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H. Lösungsvorschlag zur Vermeidung von Parallelverfahren in der EU

dd) Möglichkeit einer Begrenzung des räumlichen Anwendungsbereichs Die Möglichkeit einer Beschränkung des räumlichen Anwendungsbereichs ist für die Handlungsform der Richtlinie im Gegensatz zur Verordnung nahezu unumstritten.64 Neben dem im Vergleich zur Verordnung eindeutigeren Wortlaut des Art. 288(3) AEUV65 streitet für diese Möglichkeit auch hier die in den Protokollen zum AEUV vorgesehene Anwendungsbeschränkung hinsichtlich bestimmter Unionsrechtsakte für einzelne Mitgliedstaaten.66 Eines Rückgriffs auf das Institut der Verstärkten Zusammenarbeit bedürfte es hierfür demnach nicht. d) Stellungnahme – Verhältnismäßigkeit der Wahl der geeigneten Handlungsform aa) Einleitung Damit lässt sich zusammenfassen, dass die Harmonisierung durch eine Richtlinie grundsätzlich die souveränitässchonendere Handlungsform ist. Während die Verordnung bisheriges nationales Recht unmittelbar ersetzt und ohne Zutun der Mitgliedstaaten an dessen Stelle tritt, ermöglicht die Richtlinie den Mitgliedstaaten im Rahmen ihrer Zielvorgabe eigene Wege zu beschreiten. Daraus folgt grundsätzlich, dass die Richtlinie nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsprinzips die gegenüber der Verordnung vorzugswürdige Handlungsform darstellt, wenn sie mindestens genauso gut zur Erreichung des mit der Maßnahme verfolgten Regelungsziels geeignet ist. Sie greift weniger stark in die Regelungshoheit der Mitgliedstaaten ein und ist folglich das im Vergleich mildere Mittel. Demnach kommt es für die Wahl der geeigneten Handlungsform für eine Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts in der EU darauf an, ob das vorrangige Ziel der Vermeidung von Parallelverfahren zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten durch den Erlass einer Richtlinie mindestens genauso effektiv erreicht werden kann, wie durch den Erlass einer Verordnung. Um dies beurteilen zu können, gilt es vorab zwei Faktoren zu berücksichtigen.

63 Siehe zum Ganzen Ruffert, in: Calliess/Rufert, AEUV Art. 288 Rn. 46 ff.; Geismann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUV Art. 288 Rn. 46 ff.; Biervert, in: Schwarze, AEUV Art. 288 Rn. 29 ff.; Hetmeier, in: Lenz/Borchardt, AEUV Art. 288 Rn. 13 ff.; Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 288 Rn. 133 ff. 64 Zustimmend Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, AEUV Art. 288 Rn. 110; Geismann, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUV Art. 288 Rn. 40; Schroeder, in: Streinz, AEUV Art. 288 Rn. 74; ablehnend einzig Biervert, in: Schwarze, AEUV Art. 288 Rn. 24. 65 Vgl. Art. 288(3) AEUV: „Die Richtlinie ist für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird […]“. 66 Siehe schon oben Kapitel H. II. 1. b) bb).

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bb) Harmonisierung auch gegenüber Drittstaaten durch Verwendung des Modellgesetzes In einem ersten Schritt ist es zunächst nötig, sich die geeignete Grundlage für ein EU-Schiedsverfahrensrecht zu vergegenwärtigen. Primäres Ziel des Rechtsaktes sollte die Stärkung des Rechtsschutzes und der rechtlichen Infrastruktur in der EU sein. Diesem Anliegen kann das Modellgesetz – wie in dieser Arbeit dargelegt – grundsätzlich gerecht werden. Es hat sich in einer Vielzahl von Jurisdiktionen bewährt und kann auf umfangreiche Gesetzgebungsmaterialien sowie in seinem Kontext ergangene Rechtsprechung zurückgreifen, welche die Rechtssicherheit bei der Anwendung des Modellgesetzes stärken. Damit verbessert sich auch der Rechtsschutz im Vergleich zu einem gänzlich neuen Regelungswerk. Die Infrastruktur des durch das Modellgesetz vorgegebenen Rechtsrahmens ist wie in der Literatur bereits früh gefordert einfach verständlich und insbesondere für Rechtsanwender aus verschiedenen Jurisdiktionen zugänglich. Denn während die meisten europäischen Rechtsakte auf Sachverhalte abzielen, die vornehmlich den Binnenmarkt betreffen, soll das EU-Schiedsverfahrensrecht auch den Rechtsschutz in den Mitgliedstaaten für Parteien außerhalb der EU steigern. Auch deswegen eignet sich das Modellgesetz, welches den Konsens des internationalen Forums der Vereinten Nationen darstellt, besonders gut als Grundlage. Der Gleichlauf des europäischen Schiedsverfahrensrechts mit möglichst vielen Rechtsordnungen nichteuropäischer Staaten wäre ein zusätzlicher Vorteil, da ein einheitlicher Rechtsrahmen für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit nicht nur in der EU, sondern nach Möglichkeit weltweit, die Infrastruktur über die bloße Rechtsvereinheiltichung innerhalb des Binnenmarktes hinaus stärken würde. Hiervon würden die Mitgliedstaaten bei weitem mehr profitieren, als von einer rein innereuropäischen Lösung. Daher ist das schon in vielen Teilen der Welt rezipierte Modellgesetz die geeignete Grundlage eines harmonisierenden Rechtsaktes in der EU.67 cc) Direkte Rezeption des Modellgesetzes als Idealfall der Harmonisierung Auf einer zweiten Stufe gilt es zu berücksichtigen, in welcher Form das Modellgesetz als Grundlage dienen soll, da dieses als reine Gesetzesvorlage auf unterschiedliche Weise rezipiert werden kann. Wie der Rechtsvergleich der Schiedsverfahrensrechte Irlands und Deutschlands gezeigt hat,68 ist dies entweder durch direkten Verweis auf den Originaltext des Modellgesetzes ohne semantische Veränderungen möglich oder aber durch Verwendung des Modellgesetzes als teilweise Grundlage des neu zu schaffenden Rechtsaktes, der Ergänzungen und Abänderungen des Originals enthält. Die erstgenannte Alternative ist dabei aus Sicht von UNCITRAL sowie der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit im Allgemeinen vorzugs67 68

Siehe auch schon oben Kapitel E. II. Siehe oben Kapitel G. I. und G. II.

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H. Lösungsvorschlag zur Vermeidung von Parallelverfahren in der EU

würdig,69 da sie international zu einer noch homogeneren Rechtslage führt. Dieser Effekt könnte durch einen Verweis auf die travaux préparatoires für die Auslegung verstärkt werden. Zudem hat der hier durchgeführte Rechtsvergleich zu dem Ergebnis geführt, dass Abweichungen vom Originaltext des Modellgesetzes eher Verwirrung stiften, als dass sie einen Mehrwert schaffen.70 Vor diesem Hintergrund empfiehlt sich eine wörtliche Übernahme des Modellgesetzes, nach Möglichkeit durch direkten Verweis auf den Originaltext sowie die travaux préparatoires zu dessen Auslegung. dd) Die Verordnung als verhältnismäßige Handlungsform Für den Erlass einer Richtlinie spräche vor diesem Hintergrund, dass den Mitgliedstaaten die Möglichkeit verbliebe, die Traditionen ihrer nationalen Schiedsverfahrensrechte im Rahmen des Regelungsziels der Richtlinie zu wahren. Dies könnte beispielsweise durch Verwendung abweichender Begrifflichkeiten erfolgen, die sich am nationalen Prozessrecht orientieren. Wo erforderlich, könnte die Richtlinie so detailliert ausgestaltet werden, dass auch diese Möglichkeit beschränkt wird und das Modellgesetz unverändert verwirklicht werden muss. Zudem könnte die Richtlinie die Mitgliedstaaten zu einer überschießenden Umsetzung anregen, sodass das Modellgesetz auch in Bereichen rezipiert würde, die nicht für die Vermeidung von Parallelverfahren notwendig sind. Dies würde die Schiedsgerichtsbarkeit in Europa über den Kompetenzbereich der EU hinaus stärken. Schließlich würde die Möglichkeit, schon den räumlichen Anwendungsbereich einer Richtlinie zu beschränken, den erfolgreichen Abschluss des europäischen Gesetzgebungsverfahrens ohne den Umweg über die Verstärkte Zusammenarbeit begünstigen, da unkooperative Mitgliedstaaten die Regelung nicht verhindern könnten und das Vorhaben gleich zum Scheitern verurteilt wäre. Diese Möglichkeit begründet aber zugleich einen Nachteil der Richtlinie. Der flexible räumliche Anwendungsbereich könnte dazu führen, dass sich einzelne Mitgliedstaaten, die wie zum Beispiel Frankreich bereits eine starke Position in der internationalen Schiedsrechtslandschaft inne haben, der Richtlinie während des Gesetzgebungsprozesses zu entziehen versuchen. Eine räumlich auf im Wettbewerb um internationale Schiedsverfahren bisher schwächere Mitgliedstaaten beschränkte Richtlinie wäre indes ein erheblich unwirksameres Rechtsinstrument, das auch mit dem Ziel der Vermeidung von Parallelverfahren in der ganzen EU nicht vereinbar wäre. Bei einer engen Formulierung des aufgrund der Richtlinie zu erreichenden Ziels, die zu einer unveränderten Übernahme des Modellgesetzes verpflichten würde, wäre zudem eine Verordnung die wirksamere Handlungsform, da den Mitgliedstaaten in diesem Fall ohnehin kein Umsetzungsspielraum verbliebe, sie aber dennoch gesetzgeberisch tätig werden müssten. Ist das Regelungsziel der Richtlinie 69 70

Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 12. Siehe oben Kapitel F. III. 2. e).

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hingegen weit formuliert, bleibt den Mitgliedstaaten nicht nur die Möglichkeit einer abweichenden Wortwahl bei der Umsetzung, sondern gegebenenfalls auch die Beibehaltung zusätzlicher Regelungsmechanismen. Zu denken wäre hier zum Beispiel an die Feststellungsklage nach § 1032(2) dZPO, die das Zuständigkeitsregime der Art. 8 und 16 ModG in diesem Fall (weiterhin) zulässigerweise ergänzen könnte. Solche nationalen Alleingänge sollen aber gerade verhindert werden. Im Bereich des Schiedsvereinbarungsstatuts könnte eine weit formulierte Richtlinie darüber hinaus in einzelnen Mitgliedstaaten in Anbetracht der rechtstechnisch anspruchsvollen Regelungsmaterie zu einer verworrenen Rechtslage führen. Dadurch würde ein zentraler Punkt für die einheitliche Beurteilung der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung untergraben und daher die Wirksamkeit des Rechtsaktes insgesamt infrage gestellt. Parallelverfahren zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten könnten derart also nicht effektiv verhindert werden. Dies ginge nur, wenn das Modellgesetz wörtlich übernommen wird und von den Gerichten der Mitgliedstaaten anhand der travaux préparatoires einheitlich ausgelegt würde. Dann verfolgt der Rechtsakt aber keine bloße Rechtsangleichung mehr, sondern eine Rechtsvereinheitlichung. Für diese ist die Richtlinie aber nicht die richtige Handlungsform. Die Verordnung stellt demgegenüber zwar einen vergleichsweise starken Eingriff in die Regelungshoheit der Mitgliedstaaten dar. Als „europäisches Gesetz“ ist sie aber als einzige der in Art. 288 AEUV vorgesehenen Rechtsformen für eine Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts in der EU auf Grundlage des Modellgesetzes geeignet, da nur sie dem Modellgesetz zu unmittelbarer Geltung verhelfen kann. Damit kommt die Verordnung dem Anliegen von UNCITRAL, international eine möglichst weitgehende Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts zu erreichen, am nächsten. Noch wichtiger ist aber, dass wie dargelegt nur eine unmittelbare Umsetzung des Modellgesetzes effektiv in der Lage ist, die Entstehung von Parallelverfahren zu verhindern. Die fehlende Möglichkeit einer Beschränkung des räumlichen Anwendungsbereichs der Verordnung unterstützt dieses Ergebnis ebenfalls, da Parallelverfahren in der gesamten EU nur verhindert werden können, wenn die diesbezüglich relevanten Regelungsbereiche auch in allen Mitgliedstaaten einheitlich geregelt werden. Sollte dies scheitern, bliebe immer noch der Weg der gestuften Integration im Rahmen einer Verstärkten Zusammenarbeit. Im Ergebnis ist also die Verordnung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes die geeigneteste Handlungsform für ein EU-Schiedsverfahrensrecht. Dies gilt jedenfalls für eine Harmonisierung auf Grundlage des Modellgesetzes, welche, wie dargelegt, wiederum der wirksamste Weg einer Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts in der EU ist. Dem Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz kann zudem auch im Rahmen einer Verordung durch die Auswahl der Regelungsgegenstände Rechnung getragen werden.

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H. Lösungsvorschlag zur Vermeidung von Parallelverfahren in der EU

2. Eine Verordnung zur Umsetzung von Teilen des Modellgesetzes a) Gesetzgebungsvorschlag Auf Grundlage der bisherigen Befunde dieser Arbeit könnte eine Verordnung zur Umsetzung von Teilen des Modellgesetzes (im Folgenden VO-Entwurf) zum Beispiel folgende Gestalt annehmen: Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Anwendung des UNCITRAL Modellgesetzes für die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit Kapitel I. Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen Art. 1 Anwendungsbereich 1. Diese Verordnung ist auf die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit* anzuwenden; Verträge, die zwischen Mitgliedstaaten der EU sowie zwischen diesen und einem oder mehreren anderen Staaten in Kraft sind, bleiben unberührt. 2. Mit Ausnahme von Artikel 8 des Modellgesetzes sind die in Artikel 3 dieser Verordnung genannten Bestimmungen des Modellgesetzes nur anzuwenden, wenn der Ort des Schiedsgerichts im Hoheitsgebiet eines der Mitgliedstaaten der EU liegt. 3. Ein Schiedsverfahren ist international, wenn a) die Parteien der Schiedsvereinbarung im Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung ihre Niederlassung in verschiedenen Staaten haben, oder b) einer der folgenden Orte außerhalb des Staates liegt, in dem die Parteien ihre Niederlassung haben: i) der Ort des Schiedsgerichts, sofern dieser in der Schiedsvereinbarung bestimmt oder anhand der Schiedsvereinbarung bestimmbar ist; ii) jeder Ort, an dem ein wesentlicher Teil der Pflichten aus der Handelsbeziehung zu erfüllen ist, oder der Ort, mit dem der Gegenstand des Streites die engste Verbindung aufweist, oder c) die Parteien ausdrücklich vereinbart haben, dass der Gegenstand der Schiedsvereinbarung Beziehungen zu mehr als einem Land aufweist. 4. Für die Anwendung des Absatzes 3 ist, a) sofern eine Partei mehr als eine Niederlassung hat, die Niederlassung maßgebend, die mit der Schiedsvereinbarung die engste Verbindung aufweist, b) sofern eine Partei keine Niederlassung hat, an ihren gewöhnlichen Aufenthalt anzuknüpfen. 5. Diese Verordnung berührt nicht andere Gesetze der Mitgliedstaaten, wonach bestimmte Streitigkeiten einem Schiedsverfahren nicht oder nur nach anderen Bestimmungen als denen des Modellgesetzes unterworfen werden dürfen. * Der Begriff „Handel“ sollte weit ausgelegt werden, so dass er Angelegenheiten umfasst, die sich aus Handelsbeziehungen jeder Art ergeben, gleichviel, ob sie auf Vertrag beruhen oder nicht. Handelsbeziehungen schließen die folgenden Rechtsgeschäfte ein, ohne auf diese beschränkt zu sein: Handelsgeschäfte über die Lieferung oder den Austausch von Waren oder Dienstleistungen; Vertriebsvereinbarungen; Handelsvertretungen oder -agenturen; Factoring; Leasing; Errichtung von Anlagen; Consulting, Engineering; Li-

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zenzverträge; Investitionen, Finanzierungen; Bankgeschäfte; Versicherungen; Rohstoffgewinnung oder Konzessionen; Konsortialverträge (Joint Ventures) und andere Formen industrieller oder wirtschaftlicher Zusammenarbeit; Personen- oder Güterbeförderung auf dem Luft-, Wasser-, Schienen- oder Straßenweg. Art. 2 Begriffsbestimmungen 1. Für die Zwecke dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck „Modellgesetz“ das UNCITRAL Modellgesetz für die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit, das von der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht am 21. Juni 1985 verabschieded wurde, in der am 4. Dezember 2006 verabschiedeten überarbeiteten Fassung. 2. Im Sinne des Modellgesetzes a) bedeutet „Schiedsverfahren“ jedes Verfahren der Schiedsgerichtsbarkeit, unabhängig davon, ob es von einer ständigen Schiedsinstitution durchgeführt wird oder nicht; b) bedeutet „Schiedsgericht“ einen Einzelschiedsrichter oder ein Schiedsrichterkollegium; c) bedeutet „Gericht“ eine Behörde oder ein Organ der Gerichtsbarkeit eines Staates; d) bedeutet „in Artikel 6 bezeichnetes Gericht“ ein nach den nationalen Zuständigkeitsvorschriften des Mitgliedsstaats, in dem der Ort des Schiedsgerichts liegt, zuständiges Gericht; e) bedeutet „Schiedsspruch“ auch eine Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Vorfrage nach Artikel 16(3) S. 1 Alt. 1 ModG; f) schließt Artikel 34(2)(a)(i) ModG auch das Recht ein, einen Dritten einschließlich einer Einrichtung zur Entscheidung des auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren Rechts zu ermächtigen; g) ist Artikel 16(2) S. 1 ModG auch auf die Beantwortung einer Widerklage anzuwenden. Kapitel II. Anwendbarkeit des Modellgesetzes und Auslegung Art. 3 Anwendbarkeit des Modellgesetzes In den Mitgliedstaaten finden die Artikel 7 (Variante II), 8, 16(1) S. 1, (2), (3), 34(2)(a)(i) des Modellgesetzes unmittelbare Anwendung. Art. 4 Auslegung Für die Auslegung der Artikel 1, 2(2) dieser Verordnung sowie der in Artikel 3 dieser Verordnung genannten Vorschriften des Modellgesetzes sind die travaux préparatoires der Kommission der Vereinten Nationen für internationales Handelsrecht heranzuziehen. Anhang – in Art. 3 genannte Vorschriften des Modellgesetzes Artikel 7 (Variante II). Begriffsbestimmung der Schiedsvereinbarung „Schiedsvereinbarung“ ist eine Vereinbarung der Parteien, alle oder einzelne Streitigkeiten, die zwischen ihnen in Bezug auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis vertraglicher oder nichtvertraglicher Art entstanden sind oder künftig entstehen, der Entscheidung durch ein Schiedsgericht zu unterwerfen.

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Artikel 8 Schiedsvereinbarung und Klage vor Gericht 1. Wird vor einem Gericht Klage in einer Angelegenheit erhoben, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist, so hat das Gericht die Parteien auf das Schiedsverfahren zu verweisen, sofern eine Partei dies spätestens bei ihrer ersten Einlassung zur Sache beantragt, es sei denn, das Gericht stellt fest, dass die Schiedsvereinbarung nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist. 2. Ist eine Klage im Sinne des Absatzes 1 erhoben worden, kann ein Schiedsverfahren gleichwohl eingeleitet oder fortgesetzt werden und ein Schiedsspruch ergehen, während die Sache bei Gericht anhängig ist. Artikel 16(1) S. 1, (2), (3). Befugnis des Schiedsgerichts zur Entscheidung über die eigene Zuständigkeit 1. Das Schiedsgericht kann über die eigene Zuständigkeit und im Zusammenhang hiermit über das Bestehen oder die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung entscheiden. 2. Die Rüge der Unzuständigkeit des Schiedsgerichts ist spätestens mit der Klagebeantwortung vorzubringen. Von der Erhebung einer solchen Rüge ist eine Partei nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie einen Schiedsrichter bestellt oder an der Bestellung eines Schiedsrichters mitgewirkt hat. Die Rüge, das Schiedsgericht überschreite seine Befugnisse, ist zu erheben, sobald die Angelegenheit, von der dies behauptet wird, im Schiedsverfahren zur Erörterung kommt. Das Schiedsgericht kann in beiden Fällen eine spätere Rüge zulassen, wenn es die Verspätung für gerechtfertigt hält. 3. Das Schiedsgericht kann über eine Rüge nach Absatz 2 als Vorfrage oder in einem Schiedsspruch zur Sache entscheiden. Entscheidet das Schiedsgericht zugunsten seiner Zuständigkeit als Vorfrage, kann jede Partei binnen dreißig Tagen, nachdem sie von dem Beschluß Kenntnis erlangt hat, bei dem in Artikel 6 bezeichneten Gericht eine Entscheidung beantragen; gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel zulässig. Während ein solcher Antrag anhängig ist, kann das Schiedsgericht das Schiedsverfahren fortsetzen und einen Schiedsspruch fällen. Artikel 34(2)(a)(i). Aufhebungsantrag wegen Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung Ein Schiedsspruch kann durch das in Artikel 6 bezeichnete Gericht aufgehoben werden, wenn die klagende Partei den Beweis erbringt, dass eine der Parteien, die eine Schiedsvereinbarung im Sinne des Artikels 7 geschlossen haben, in irgendeiner Hinsicht hierzu nicht fähig war, oder dass die Schiedsvereinbarung nach dem Recht, dem die Parteien sie unterstellt haben, oder, falls die Parteien hierüber nichts bestimmt haben, nach dem Recht am Ort des Schiedsgerichts ungültig ist.

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b) Erläuterung Kapitel I. Der Gesetzgebungsvorschlag ist in zwei Kapitel unterteilt. Das erste Kapitel befasst sich mit dem Anwendungsbereich und den Begriffsbestimmungen des VOEntwurfs sowie des Modellgesetzes. Der Regelungsmechanismus des direkten Verweises auf die Vorschriften des Modellgesetzes in der Verordnung verleiht diesem Teil gewissermaßen eine Zwitterstellung: Einerseits müssen Anwendungsbereich und Begriffsbestimmungen für die Verordnung festgelegt werden, andererseits aber auch für die Vorschriften des Modellgesetzes, auf die im zweiten Kapitel des VO-Entwurfs verwiesen wird. Der Anwendungsbereich der Verordnung stimmt grundsätzlich mit dem in Art. 1 ModG definierten Anwendungsbereich des Modellgesetzes überein, um auch insoweit eine möglichst weitgehende Harmonisierung zu erreichen. Die Begrenzung des Anwendungsbereichs auf die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit in Art. 1(1) Ts. 1 VO-Entwurf stimmt zunächst mit dem Anwendungsbereich des Art. 1(1) Ts. 1 ModG überein. Für eine Regelung der Binnenschiedsgerichtsbarkeit würde der EU wegen des fehlenden grenzüberschreitenden Bezuges schon die Regelungskompetenz fehlen. Die Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit könnte grundsätzlich ebenfalls durch die EU geregelt werden, bedarf in Anbetracht der gegenüber der Handelsschiedsgerichtsbarkeit grundlegend unterschiedlichen Bedürfnisse jedoch eines eigenen Regelungsinstruments, das dem Machtgefälle zwischen den Parteien gerecht wird. Zwar könnte durch die Aufnahme der Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit ein Gleichlauf mit der EuGVVO und Rom I-VO erreicht werden, jedoch ist das Modellgesetz in seiner Grundkonzeption auf die Bedürfnisse der Handelsschiedsgerichtsbarkeit zugeschnitten. Eine adäquate Regelung der Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit bedürfte daher zahlreicher Ergänzungen,71 die einer umfassenden und eindeutigen Vereinheitlichung der im Vergleich wichtigeren Handelsschiedsgerichtsbarkeit entgegenstehen würden.72 Ein bloßer Verweis auf die unmittelbare Anwendbarkeit des Art. 1 ModG in Art. 3 VO-Entwurf wäre dennoch nicht zielführend, da zum einen der Anwendungsbereich der Verordnung selbst nicht definiert wäre, und zum anderen die Übertragung der Vorschrift auf die Verordnungen kleinere Anpassungen im Wortlaut erforderlich macht. So folgt aus der Supranationalität des europäischen Staatenverbundes, dass in Art. 1(1) Ts. 2 VO-Entwurf bezüglich bestehender internationaler Verträge nicht nur die EU selbst, sondern auch ihre einzelnen Mitgliedstaaten berücksichtigt werden müssen.73 Art. 1(2) ModG verweist für den räumlichen Anwendungsbereich zudem 71 So z. B. einer gesonderten Regelung der formellen Wirksamkeit der Schiedsvereinbarung, da die beiden Varianten des Art. 7 ModG der gegenüber einem Verbraucher ganz besonders erforderlichen Warnfunktion nicht gerecht werden würden. 72 Der Erlass eines europäischen Rechtsaktes, der eigens die Verbraucherschiedsgerichtsbarkeit betrifft, sollte daher Gegenstand einer eigenständigen Untersuchung sein. 73 Vgl. Art. 1(1) der VO: „[…] Verträge, die zwischen Mitgliedstaaten der EU sowie zwischen diesen und einem oder mehreren anderen Staaten in Kraft sind, bleiben unberührt.“

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auf zahlreiche Vorschriften des Modellgesetzes, die in der Verordnung keine Berücksichtigung finden, sodass diese gestrichen werden mussten. Die Definitionen in Art. 1(3), (4) ModG können hingegen unverändert übernommen werden. Der Regelungsausschluss der objektiven Schiedsfähigkeit vom Anwendungsbereich der Verordnung entspricht inhaltlich ebenfalls Art. 1(5) ModG,74 musste im Wortlaut aber auch auf den Erlass eines EU-Rechtsaktes angepasst werden.75 Schließlich ergibt der Hinweis zur Funktion der Artikelüberschriften76 nur einen Sinn, wenn alle Vorschriften des Modellgesetzes übernommen werden, und findet daher für den vorliegenden Zweck keine Berücksichtigung. All diese Abweichungen hätten bei einem unmittelbaren Verweis auf die Anwendbarkeit von Art. 1 ModG keine Berücksichtigung finden können. Dies rechtfertigt die Aufnahme der Vorschrift in Kapitel I VO-Entwurf. Bezüglich der Begriffsbestimmungen in Art. 2 VO-Entwurf wirkt sich die eingangs dargestellte Rechtsnatur der Verordnung noch stärker aus. In Art. 2(1) VOEntwurf wird die einzige für die Verordnung selbst notwendige Begriffsbestimmung des „Modellgesetzes“ vorgenommen, wie dies zum Beispiel auch in Art. 1(1) AA 2010 der Fall ist. Demgegenüber dient Art. 1(2) VO-Entwurf der Definition von Begrifflichkeiten, die für die nach Art. 3 VO-Entwurf anzuwendenden Vorschriften des Modellgesetzes notwendig sind. Art. 1(2) VO-Entwurf greift daher auf Art. 2 ModG zurück, modifiziert und ergänzt diesen aber, wo dies nötig ist. Die Buchstaben (a) – (c) können insoweit unverändert aus Art. 2 ModG übernommen werden und gewährleisten ein einheitliches Verständnis der in Art. 7, 8, 16 und 34 ModG verwendeten Begrifflichkeiten. Art. 1(2)(d) VO-Entwurf bestimmt, dass das „in Artikel 6 bezeichnete Gericht“77 ein nach den nationalen Zuständigkeitsvorschriften des Mitgliedsstaats, in dem der Ort des Schiedsgerichts liegt, zuständiges Gericht ist. Art. 6 ModG kann nicht gemeinsam mit den anderen in Art. 3 VO-Entwurf genannten Vorschriften des Modellgesetzes in die Verordnung inkorporiert werden, da die Vorschrift auf Normen des Modellgesetzes verweist, die keinen unmittelbaren Einfluss auf die Entstehung von Parallelverfahren haben und daher vor dem Hintergrund des Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzips nicht Teil des Rechtsaktes sind. Art. 6 ModG überlässt die Bestimmung des zuständigen Gerichts den umsetzenden Staaten.78 Da die nationalen Schiedsverfahrensrechte der Mitgliedstaaten neben der Verordnung grundsätzlich fortbestehen, kann die örtliche Zuständigkeit auch nach nationalem Recht bestimmt werden. Ob die einzelnen Mitgliedstaaten dafür bei Inkrafttreten 74

Siehe dazu oben Kapitel E. III. 1. c). Vgl. Art. 1(5) der VO: „Diese Verordnung berührt nicht andere Gesetze der Mitgliedstaaten, wonach bestimmte Streitigkeiten einem schiedsrichterlichen Verfahren nicht oder nur nach anderen Bestimmungen als denen des Modellgesetzes unterworfen werden dürfen.“ 76 Vgl. Fn. 1 zu Art. 1 ModG: „Die Überschriften der Artikel sollen das bessere Auffinden erleichtern und sind nicht als Auslegungshilfe gedacht.“ 77 Vgl. von den in Art. 3 der VO genannten Vorschriften Art. 16(3) S. 2, 34(2) ModG. 78 UNCITRAL, A/40/17, Rn. 67; Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 240. 75

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eines einheitlichen Rechtsaktes eine neue Vorschrift erlassen, oder ob das bisherige nationale Schiedsverfahrensrecht eine Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts ermöglicht, hängt von der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen Rechtsordnung ab. Da der VO-Entwurf nach Art. 1(2) Anwendung findet, wenn der Ort des Schiedsgerichts im Hoheitsgebiet irgend eines Mitgliedstaats liegt, über die entsprechenden Anträge aber immer nur ein Gericht des Mitgliedsstaats entscheiden soll, in dem der Ort des jeweiligen Schiedsgerichts liegt, wurde die Definition in Art. 1(2)(d) VO-Entwurf entsprechend ergänzt. Art. 2(2)(e) VO-Entwurf dient der Behebung des bereits erörterten Problems der rechtlichen Qualifikation der Zuständigkeitsentscheidung des Schiedsgerichts als Vorfrage nach Art. 16(3) S. 1 Alt. 1 ModG.79 Indem Art. 2(2)(e) VO-Entwurf bestimmt, dass diese Entscheidung entgegen ihrem Wortlaut als Schiedsspruch zu qualifizieren ist, wird eine vollumfängliche Überprüfung der Zwischenentscheidung ermöglicht, die dem Sinn und Zweck des Art. 16 ModG entspricht.80 Eine vergleichbare Regelung im Rahmen des Art. 2 ModG war bereits bei Verabschiedung des Modellgesetzes diskutiert worden.81 Die in Art. 2(d), (f) ModG enthaltenen Auslegungsregeln wurden in Art. 2(2)(f), (g) VO-Entwurf auf den beschränkten Anwendungsbereich des Rechtsaktes angepasst,82 wohingegen für eine Aufnahme des Art. 2(e) ModG wegen des dem Regelungsgegenstand der Verordnung fernen Inhalts keine Veranlassung besteht. c) Erläuterung Kapitel II. Das zweite Kapitel der Verordnung ordnet in Art. 3 VO-Entwurf zunächst die unmittelbare Anwendbarkeit der Art. 7 (Variante II), 8, 16(1) S. 1, (2), (3), 34(2)(a)(i) ModG in der EU an und verleiht diesen somit die Wirkung eines „europäischen Gesetzes“. Die Auswahl der Vorschriften ergibt sich dabei aus dem Regelungsziel der Verordnung, also der Vermeidung von Parallelverfahren zwischen

79

Siehe oben Kapitel E. III. 2. c) bb). Siehe oben Kapitel E. III. 2. c) bb); die Klärung weiterer in Kapitel E. erörterter Probleme im Anwendungsbereich der umgesetzten Vorschriften des Modellgesetzes durch Aufnahme von Begriffsbestimmungen erscheint leider nicht möglich. 81 UNCITRAL, A/CN.9/246, Rn. 192 ff.; Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 153. 82 Vgl. Art. 2(2)(f) VO-Entwurf: „[…] schließt Art. 34(2)(a)(i) auch das Recht ein, einen Dritten einschließlich einer Einrichtung zur Entscheidung des auf die Schiedsvereinbarung anwendbaren Rechts zu ermächtigen“ (Art. 34 ist die einzige Vorschrift, die durch die VO übernommen wird und den Parteien ein Wahlrecht einräumt); Art. 2(2)(f) VO-Entwurf: „[…] ist Art. 16(2) S. 1 auch auf die Beantwortung einer Widerklage anzuwenden.“; Art. 16 ModG ist die einzige Vorschrift, die durch den VO-Entwurf übernommen wird und Bezug auf eine Klage oder Klagebeantwortung nimmt; zudem war Art. 16 ModG schon ursprünglich Anlass der Aufnahme des Art. 2(f) ModG, welcher diesen präzisiert, vgl. Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 153. 80

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H. Lösungsvorschlag zur Vermeidung von Parallelverfahren in der EU

Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten in der EU.83 Daher ist auch der in Art. 16(1) S. 2 ModG verortete Trennungsgrundsatz ausgeschlossen, da dieser keinen unmittelbaren Zusammenhang mit dem Regelungsziel aufweist und die EU folglich diesbezüglich keine Regelungskompetenz innehat. Ein Verweis auf Art. 5 ModG, der ein ausuferndes Einschreiten staatlicher Gerichte verhindern soll,84 ist nicht nötig, da der Erlass einer Verordnung ohnehin bewirkt, dass die Mitgliedstaaten in den geregelten Bereichen keine Regelungshoheit mehr haben. Dies gilt folglich auch für die Zuständigkeitsallokation zwischen Schiedsgericht und staatlichem Gericht, sodass neben den im Modellgesetz vorgesehenen Vorschriften keine weiteren nationalen Normen zur Regelung dieses Bereiches mehr möglich sind. Die Wahl zugunsten der liberaleren Formvorschrift in Art. 7 Variante II ModG beruht auf der Erwägung, dass der Anwendungsbereich der Verordnung auf die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit beschränkt ist, sodass auf die Warnfunktion der ohnehin stark abgeschwächten Schriftform in Art. 7 Variante I ModG verzichtet werden kann. Der Rechtsanwendungsvergleich hat gezeigt, dass es diesbezüglich auch im noch liberaleren französischen Schiedsverfahrensrecht zumindest im Bereich der Handelsschiedsgerichtsbarkeit zu keinen Problemen kommt. Dies liegt auch daran, dass in der Rechtspraxis jedenfalls ein Nachweis der Schiedsvereinbarung erbracht werden muss, sodass die Parteien in der Regel schon im eigenen Interesse für einen solchen Sorge tragen werden. Durch die Begrenzung des Anwendungsbereichs auf die Handelsschiedsgerichtsbarkeit ist ihnen diese Sorgfalt im eigenen Interesse auch ohne Bedenken abzuverlangen. Art. 4 VO-Entwurf soll schließlich bereits im Ausgangspunkt eine möglichst einheitliche Anwendung der Vorschriften des Modellgesetzes in allen Mitgliedstaaten gewährleisten. Durch die Anordnung der Berücksichtigung der travaux préparatoires für die Auslegung der Vorschriften wird nationalen Alleingängen insoweit ein Riegel vorgeschoben. Im Rahmen des Rechtsanwendungsvergleichs hat sich die irische Auslegungspraxis auf dieser Grundlage als Erfolgsmodell dargestellt, das gerade auch in der EU mit ihren vielen verschiedenen Rechtstraditionen zu einer einheitlicheren Anwendung des nur teilweise vereinheitlichten Schiedsverfahrensrechts führen würde. Zudem können durch einen Rückgriff auf die Gesetzgebungsunterlagen die auch im Anwendungsbereich des Modellgesetzes bestehenden Unklarheiten aufgelöst werden,85 soweit dies nicht bereits durch Aufnahme einer Begriffsbestimmung (wie z. B. in Art. 2(2)(e) VO-Entwurf) möglich ist. Die teilweise Übernahme von Art. 1, 2 ModG in Art. 1, 2(2) VO-Entwurf einerseits sowie die Anordnung der direkten Anwendbarkeit der Art. 7 (Variante II), 8, 16(1) S. 1, (2), (3), 34(2)(a)(i) ModG in Art. 3 VO-Entwurf andererseits macht es 83

Siehe ausführlich oben Kapitel D. und Kapitel E. Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 216; Broches, UNCITRAL Model Law, in: Handbook Commercial Arbitration, S. 32. 85 Für die existierenden Unklarheiten im Anwendungsbereich des Modellgesetzes siehe ausführlich oben Kapitel E. III. 84

II. Lösungsvorschlag

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dabei erforderlich, die Auslegungsvorschrift des Art. 4 VO-Entwurf sowohl auf die Verordnung selbst – in ihren relevanten Teilen –, als auch auf die durch Verweis inkorporierten Vorschriften des Modellgesetzes zuzuschneiden. Nur so kann eine möglichst umfassende Vereinheitlichung der heranzuziehenden Auslegungsgrundsätze sichergestellt werden. Insbesondere das Zusammenwirken des Verweises auf die Vorschriften des Modellgesetzes in Art. 3 VO-Entwurf mit der Auslegungsvorschrift des Art. 4 VOEntwurf macht den Charakter des Gesetzgebungsvorschlages aus. So folgt zum Beispiel die Regelung des Schiedsvereinbarungsstatuts aus der kombinierten Anwendung beider Vorschriften: Art. 34(2)(a)(i) ModG regelt unmittelbar nur die – für die Regelungssystematik der Verordnung ebenfalls relevante86 – Aufhebung des Schiedsspruchs wegen der Ungültigkeit der Schiedsvereinbarung. Nur weil die Beurteilung der Gültigkeit der Schiedsvereinbarung die Ermittlung des Schiedsvereinbarungsstatuts erfordert, ist diese für das Aufhebungsverfahren indirekt mitgeregelt. Dass die so statuierte primäre Geltung der Rechtswahl und sekundäre Anknüpfung an das Recht des Schiedsortes aber auch in früheren Verfahrensstadien, wie zum Beispiel der Schiedseinrede, zur Anwendung kommen soll, ergibt sich erst aus einer Auslegung der Vorschrift anhand der travaux préparatoires. Im Ergebnis ergibt sich also gerade aus dem Zusammenspiel der Art. 3, 4 VOEntwurf ein stimmiger Regelungsmechanismus. d) Verknüpfung mit der EuGVVO Eine Verknüpfung des VO-Entwurfs mit der EuGVVO ist nach Inkrafttreten des unterbreiteten Vorschlags eigentlich nicht mehr notwendig. Auch wenn es bei der Bereichsausnahme für die Schiedsgerichtsbarkeit im Rahmen der EuGVVO bleibt, würden die Gerichte der Mitgliedstaaten die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung und die Zuständigkeitsallokation in der EU einheitlich beurteilen. Eine Gefahr divergierender Entscheidungen bestünde daher wie gezeigt nicht mehr, da die Anwendung des VO-Entwurfs im Ergebnis zu nur einem zuständigen Spruchkörper führen würde. Hierfür bedürfte es also keiner weiteren Regelung in der EuGVVO. Einzig eine abweichend von Art. 8(2), 16(3) S. 3 ModG eindeutig zugunsten eines Spruchkörpers ausgestaltete Regelung der Rechtshängigkeit zwischen Schiedsverfahren und Gerichtsverfahren nach Art der Art. 29 ff. EuGVVO könnte die rechtliche Infrastruktur und den Rechtsschutz im Binnenmarkt möglicherweise noch weitergehend verbessern, da derart Parallelverfahren bereits von vornherein ausgeschlossen werden könnten. Dies wäre grundsätzlich auch gerechtfertigt, da die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung und darauf aufbauend die Zuständigkeit des Schiedsgerichts oder ordentlichen Gerichts unabhängig vom entscheidenden Spruchkörper anhand des VO-Entwurfs in der ganzen EU einheitlich zu bestimmen 86

Siehe oben Kapitel E. III. 3.

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H. Lösungsvorschlag zur Vermeidung von Parallelverfahren in der EU

wäre. In diesem Zusammenhang wäre entweder eine Implementierung des allgemeinen Prioritätsprinzips nach Art. 29(1) EuGVVO möglich, oder eine Übertragung der Regelung für Gerichtsstandsvereinbarungen in Art. 32(2) EuGVVO. Durch das Prioritätsprinzip würde jedoch der frühzeitigen Sicherheit über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung der uneingeschränkte Vorzug gegenüber der Vermeidung von Verzögerungstaktiken eingeräumt. Umgekehrt würde nach dem Ansatz des Art. 32(2) EuGVVO bereits eine prima facie gültige Schiedsvereinbarung zur Derogation der ordentlichen Gerichte führen und damit zwar taktische Verfahrensverzögerungen verhindern, aber die endgültige Entscheidung über die Gültigkeit der Schiedsvereinbarung in ein spätes Verfahrensstadium verlagern. Genau diese divergierenden Positionen bringen aber die Regelungen der Art. 8(2), 16(3) S. 3 ModG in ein ausgeglichenes Gleichgewicht, das nach der Konzeption des Modellgesetzes die Vorteile der zuvor erörterten Ansätze überwiegt. Diese Kompromisslösung führt nach der vorliegenden Untersuchung zudem nicht zur Entstehung problematischer Parallelverfahren. Insbesondere verhindern die Regeln ein „race to the courthouse“ ebenso wie ein „race to the arbitral tribunal“, da die Verfahen ohnehin unabhängig voneinander fortgesetzt werden können. Letztlich erscheinen die Art. 8(2), 16(3) S. 3 ModG daher gegenüber einer Regelung der Rechtshängigkeit nach dem Vorbild der Art. 29 ff. EuGVVO vorzugswürdig. Der Umsetzung des VO-Entwurfs könnte damit im Ergebnis ausschließlich zur Klarstellung bei nächster Gelegenheit eine Änderung des Art. 1(2)(d) EuGVVO nachfolgen, welche für den Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit die Anwendung des EU-Schiedsverfahrensrechts sicherstellt. Zwingend notwendig wäre dies indes nicht.

3. Verhältnismäßigkeit des Vorschlags, Art. 5(4) EUV Nachdem nun ein konkreter Gesetzgebungsvorschlag unterbreitet wurde, kann dessen primärrechtliche Zulässigkeit nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes erörtert werden, wie dies zuvor bereits für die Auswahl der geeigneten Handlungsform erfolgt ist. Im Folgenden geht es also lediglich um die Verhältnismäßigkeit der Regelungsweite und -tiefe des Verordnungsentwurfs. Die Geeignetheit des Vorschlags, das von ihr verfolgte Ziel, nämlich die Vermeidung von Parallelverfahren zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten in der EU, zu erreichen, ergibt sich vornehmlich aus der Auswahl der in Art. 3 VOEntwurf genannten Vorschriften des Modellgesetzes. Durch die Vereinheitlichung der Anforderungen an eine gültige Schiedsvereinbarung sowie der Zuständigkeitsallokation zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten wird die Möglichkeit der Entstehung von Parallelverfahren eingedämmt. Die Differenzen der nationalen Rechtsordnungen in diesen Regelungsbereichen werden durch die Verordnung beseitigt, sodass eine unterschiedliche Beurteilung der schieds- oder ge-

II. Lösungsvorschlag

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richtlichen Zuständigkeit ausgeschlossen wird.87 Zudem unterstützt die Beschränkung des Anwendungsbereichs in Art. 1 VO-Entwurf auf die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit die Geeignetheit der Maßnahme. Eine Regelung auch der Binnenschiedsgerichtsbarkeit wäre nicht geeignet, das verfolgte Ziel zu erreichen. Denn die Entstehung von Parallelverfahren resultiert gerade aus den Unterschieden zwischen den Rechtsordnungen mehrerer Staaten, wohingegen sich die Binnenschiedsgerichtsbarkeit im Allgemeinen durch die Beschränkung auf eine Jurisdiktion auszeichnet. Die Erforderlichkeit der Maßnahme folgt ebenfalls aus dem stark eingeschränkten Anwendungsbereich der Verordnung. Ein milderes, aber gleichermaßen effektives Mittel zur Vermeidung von Parallelverfahren ist nicht erkennbar. Durch die Beschränkung auf die Harmonisierung der Anforderungen an eine gültige Schiedsvereinbarung und der Zuständigkeitsverteilung setzt das Regelungsziel der Verordnung im frühestmöglichen Stadium des Schiedsverfahrens ein, sodass bereits die Entstehung von Parallelverfahren vermieden wird. Dies macht die Regelung des Umgangs mit widersprüchlichen Schiedssprüchen und Gerichtsurteilen entbehrlich und ist daher dieser gegenüber als milderes Mittel zu erachten. Zudem ist dieser Ansatz auch effektiver, da unnötige Verfahrenskosten vermieden werden. Eine vollumfängliche Rezeption des Modellgesetzes auf Ebene der EU wäre im Unterschied dazu zwar effektiver, da beispielsweise kein „Flickenteppich“ aus nationalen Schiedsgesetzen und Verordnungs-Regelungen auf Ebene der EU entstehen würde. Dies würde jedoch auch einen erheblich stärkeren Eingriff in die Regelungshoheit der Mitgliedstaaten darstellen, sodass der unterbreitete Vorschlag als milderes Mittel zu erachten ist. Sofern einzelne Mitgliedstaaten die Entstehung eines zwischen nationalem und europäischem Recht unterteilten Schiedsverfahrensrechts in ihrem Hoheitsgebiet vermeiden wollen, können sie ihre Gesetze eigenverantwortlich an die von der Verordnung nicht erfassten Vorschriften des Modellgesetzes anpassen. Die Anordnung der unmittelbaren Anwendbarkeit jeder einzelnen der in Art. 3 VO-Entwurf genannten Vorschriften ist hingegen nötig, um die Entstehung von Parallelverfahren effektiv zu vermeiden. Würden einzelne Vorschriften weggelassen, wäre ein mitursächlicher Regelungsbereich des Schiedsverfahrensrecht nicht einheitlich geregelt, sodass ein entsprechender Harmonisierungsansatz weniger effektiv wäre. Der unterbreitete Gesetzgebungsvorschlag stellt auch eine angemessene Maßnahme dar. Der Anspruch auf effektiven Rechtsschutz88 wird durch die Vermeidung von Parallelverfahren erheblich gestärkt. Ein Eingriff in Rechtspositionen der Unionsbürger ist hingegen nicht ersichtlich. Lediglich die Regelungshoheit der Mitgliedstaaten wird eingeschränkt – eine Einschränkung, die diese jedoch bereits mit Unterzeichnung der Europäischen Verträge wissentlich gebilligt haben. 87 88

Siehe eingehend oben Kapitel D. I. Art. 6, 13 EMRK; Art. 47 GRCh.

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H. Lösungsvorschlag zur Vermeidung von Parallelverfahren in der EU

Im Ergebnis genügt der unterbreitete Regelungsvorschlag daher den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nach Art. 5(4) EUV. Insbesondere stellt er das mildeste Mittel zur effektiven Erreichung des verfolgten Regelungsziels der Vermeidung von Parallelverfahren zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten dar.

III. Weitere Vorteile eines einheitlichen Schiedsverfahrensrechts auf Grundlage des Modellgesetzes Der vorgeschlagene Rechtsakt zur teilweisen Umsetzung des UNCITRAL Modellgesetzes auf europäischer Ebene hätte neben der Vermeidung von Parallelverfahren zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten – sozusagen beiläufig – noch einige weitere Vorteile, die im Folgenden erörtert werden.

1. Umfassende Vereinheitlichung über die Grenzen der EU hinaus Eine Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts in der EU auf Grundlage des Modellgesetzes hätte zunächst den Vorteil, dass nicht nur innerhalb der EU einheitliche Maßstäbe für die erfassten Regelungsbereiche gelten würden. Vielmehr würde über die Grenzen der EU hinaus eine Angleichung auch gegenüber all denjenigen Drittstaaten erfolgen, die ihr Schiedsverfahrensrecht ebenfalls auf Grundlage des Modellgesetzes erlassen haben. Dadurch würde das übergeordnete Ziel unterstützt, die Attraktivität der Mitgliedstaaten als Schiedsort für internationale Parteien zu steigern – ein Vorteil, der dem Modellgesetz ganz allgemein zugeschrieben wird.89 Der Erlass einer Verordnung zur teilweisen Umsetzung des Modellgesetzes in der EU könnte die Mitgliedstaaten zudem dazu anregen, ihre nationalen Schiedsverfahrensrechte über den Anwendungsbereich der Verordnung hinaus auf Grundlage des Modellgesetzes zu reformieren, sofern dies noch nicht der Fall sein sollte. Eine umfassende Rezeption des gesamten Modellgesetzes durch die EU ist vor dem Hintergrund der Schranken des Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsprinzips wie dargelegt nicht möglich, würde aber zugleich einen schiedsrechtlichen Idealzustand darstellen. Wenn die EU in den Regelungsbereichen, die sie zulässigerweise regulieren darf, das Modellgesetz umsetzt, würde dies für die Legislativen der Mitgliedstaaten einen weiteren guten Grund für die Rezeption des Modellgesetzes darstellen, da sie so die Geltung eines vollkommen aufeinander abgestimmten Schiedsverfahrensrechts in ihrem Hoheitsgebiet für sich in Anspruch nehmen könnten. Eine Vereinbarkeit von nationalem und europäischem (Schiedsverfahrens-) Recht ließe sich wegen der klar begrenzten Regelungsbereiche der Verordnung zwar 89

Binder, Arbitration in Model Law Jurisdictions, S. 13.

III. Weitere Vorteile eines einheitlichen Schiedsverfahrensrechts

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auch ohne eine Anpassung erreichen, die Übernahme auch der verbleibenden Teile des Modellgesetzes würde die Attraktivität des Mitgliedstaates als Schiedsort wegen des anwendungsfreundlicheren Rechtsrahmens aber weiter steigern. Ergebnis des unterbreiteten Gesetzgebungsvorschlages wäre im Optimalfall also, dass zahlreiche Mitgliedstaaten das Modellgesetz vollständig rezipieren würden, und so eine noch über die Verordnung hinausgehende Vereinheitlichung des Schiedsverfahrensrechts in der EU, aber auch im Verhältnis zu Drittstaaten eintritt.

2. Wertungskonsistenz durch EuGH Ein weiterer Vorteil eines europäischen Rechtsaktes ist darin zu sehen, dass dieser durch den EuGH einheitlich ausgelegt werden könnte.90 Die Verordnung wäre im Ausgangspunkt von den nationalen Gerichten der Mitgliedstaaten anzuwenden, deren örtliche und sachliche Zuständigkeit sich weiterhin aus dem nationalen Prozessrecht ergäbe. Auch Schiedsgerichte mit Sitz in der EU täten gut daran, die in der Verordnung niedergelegten Rechtssätze zur Anwendung zu bringen, da sie anderenfalls Gefahr laufen würden, dass ihr Schiedsspruch nach Art. 3 VO-Entwurf i. V. m. Art. 34(2)(a)(i) ModG aufgehoben wird. In beiden Fällen würde im Ergebnis also ein staatliches Gericht über die korrekte Anwendung der Verordnung und damit des Modellgesetzes entscheiden. Bei Zweifelsfragen im Rahmen der Anwendung der Vorschriften des Modellgesetzes verweist Art. 4 VO-Entwurf für die Auslegung auf die travaux préparatoires. Sollte dem Gericht eines Mitgliedstaates bei dieser, oder gar schon im vorgelagerten Stadium der Gesetzesanwendung ein Fehler unterlaufen, wäre spätestens in der letzten Instanz eine Vorlage der Rechtsfrage an den EuGH nach Art. 267 AEUV verpflichtend. Der adressatenoffene Wortlaut des Art. 4 VOEntwurf gebietet Rückgriff auf die travaux préparatoires unabhängig von Verfahrensstadium oder -art, also auch im Vorlageverfahren beim EuGH. Zweifelsfragen bei der Anwendung des unterbreiteten Gesetzgebungsvorschlags würden in letzter Instanz also stets durch den EuGH entschieden werden, sodass im europäischen Rechtsraum eine Wertungskonsistenz im Anwendungsbereich der Verordnung gesichert wäre. So könnten auch Regelungsbereiche, die grundsätzlich in den Anwendungsbereich der in Art. 3 VO-Entwurf in Bezug genommenen Vorschriften des Modellgesetzes fallen, dort aber nur unzureichend geregelt sind, einer einheitlichen Rechtsanwendung zugeführt werden.91 Dies wäre im Vergleich zur Rechtslage de lege lata ein erheblicher Fortschritt, welcher die rechtliche Infra90

So für eine einheitliche Regelung der objektiven Schiedsfähigkeit durch die EU auch schon Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 8.35. 91 So z. B. das Personalstatut im Zusammenhang mit dem subjektiven Schiedsfähigkeitsstatut (siehe oben Kapitel E. III. 1. b)) oder das Formstatut in der Einredesituation (siehe oben Kapitel E. III. 1. d)).

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H. Lösungsvorschlag zur Vermeidung von Parallelverfahren in der EU

struktur in der EU verbessern und die Attraktivität der Mitgliedstaaten für die Austragung von Schiedsverfahren deutlich steigern würde. Diese Wertungskonsistenz würde durch die zwangsweise Entstehung eines europäischen Fallrechts im Bereich der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit noch verstärkt. Die Gerichte der Mitgliedstaaten könnten zunächst gegenseitig auf ihre im Anwendungsbereich der Verordnung ergangenen Entscheidungen zurückgreifen, später auch auf einschlägige Entscheidungen des EuGH, sodass keine weitere Vorlage mehr nötig wird und die Effizienz von internationalen Schiedsverfahren in der EU weiter optimiert würde. In Anbetracht der Vielzahl an internationalen Schiedsverfahren in der EU könnte dieses europäische Fallrecht bald auch für die Anwendung des Modellgesetzes in Drittstaaten prägend werden, sodass die EU und ihre Mitgliedstaaten eine Vorreiterrolle und somit einen weiteren Wettbewerbsvorteil für sich in Anspruch nehmen könnten.

3. Aufbau auf bestehenden multilateralen Staatsverträgen Schließlich hätte der unterbreitete Gesetzgebungsvorschlag auf Grundlage des Modellgesetzes den Vorteil, dass er mit dem bestehenden multilateralen Regelungswerk nicht nur vereinbar wäre, sondern auf diesem aufbauen würde.92 Die bloße Vereinbarkeit folgt zunächst aus Art. 1(1) Ts. 2 VO-Entwurf, der Art. 1(1) Ts. 2 ModG nachempfunden ist. Art. 1(1) Ts. 2 ModG ist rein deklaratorischer Natur und ordnet vom Zeitpunkt des Inkrafttretens unabhängig an, dass internationale Verträge Vorrang vor dem Modellgesetz haben.93 Zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Modellgesetzes war dies insbesondere im Hinblick auf das UNÜ, das EuÜ, das Weltbankübereinkommen von 196594 und die Interamerikanische Konvention über die Internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit von 197595 von Bedeutung.96 Da seither keine nennenswerten internationalen Übereinkommen im Bereich der Schiedsgerichtsbarkeit verabschiedet wurden, gilt dies für Art. 1(1) Ts. 2 VO-Entwurf unverändert fort. Aus dem auf den Erlass eines europäischen Rechtsaktes zu-

92

So für das Modellgesetz im Allgemeinen auch UNCITRAL, A/CN.9/309, Rn. 9. UNCITRAL, A/CN.9/264, Art. 1 Rn. 9; Broches, UNCITRAL Model Law, in: Handbook Commercial Arbitration, S. 7; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 24. 94 Convention on the settlement of investment disputes between States and nationals of other States, Washington, 18. 3. 1965, BGBl. 1969 II, S. 369 ff. 95 Inter-American Convention on International Commercial Arbitration, Panama City, 30. 1. 1975, 1438 U.N.T.S. 245. 96 UNCITRAL, A/CN.9/264, Art. 1 Rn. 10; Broches, UNCITRAL Model Law, in: Handbook Commercial Arbitration, S. 8; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 4, 24; außerdem können weitere Übereinkommen, die sich nicht ausschließlich mit der Schiedsgerichtsbarkeit befassen, teilweise vorrangig anzuwenden sein, vgl. UNCITRAL, A/CN.9/264, Art. 1 Rn. 11 mit entsprechenden Beispielen. 93

IV. Der richtige Zeitpunkt – die Auswirkungen des Brexit

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geschnittenen Wortlaut97 der Vorschrift folgt zudem, dass auch bilaterale Übereinkommen, die die Mitgliedstaaten untereinander oder mit Drittstaaten abgeschlossen haben, vorrangig anzuwenden wären.98 Dies hindert selbstverständlich nicht die Anwendung der in Art. 4 VO-Entwurf genannten Vorschriften des Modellgesetzes oder sonstiger nationaler Regelungen, sofern diese von der Meistbegünstigungsklausel des Art. VII(1) UNÜ erfasst werden.99 Daneben begünstigt aber vor allem die Tatsache, dass das Modellgesetz auf Grundlage des UNÜ verfasst wurde,100 ein reibungsloses Nebeneinander der Rechtsinstrumente. Die Verordnung würde daher nicht die Gefahr mit sich bringen, das weitestgehend gut funktionierende System bestehender Regelungswerke ins Wanken zu bringen. Gerade in einem so vielschichtig geregelten Rechtsbereich wie der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit stellt dies nicht nur einen nicht zu unterschätzenden Vorteil dar, sondern ist vielmehr als Grundvoraussetzung jeglicher Harmonisierung anzusehen.

IV. Der richtige Zeitpunkt – die Auswirkungen des Brexit Neben den zuvor genannten Vorteilen des unterbreiteten Vorschlags stehen auch die Zeichen der Zeit für einen erneuten Vorstoß zur Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts in der EU gut. Obwohl der Versuch, die Schnittstelle zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten in der EuGVVO zu regeln, erst vor Kurzem gescheitert ist, ist jetzt der richtige Zeitpunkt um eine Regelung auf europäischer Ebene zu finden. Die EU befindet sich im Umbruch. Nach Jahrzehnten der immer weiter fortschreitenden europäischen Integration hat mit dem Votum des britischen Volkes für einen Austritt aus der EU ein neues Kapitel in der Geschichte des supranationalen Staatenverbundes begonnen. Die scheinbar unaufhaltsame Entwicklung hin zu immer mehr Mitgliedstaaten hat ein jähes Ende gefunden, und auch die immer weiterreichenden Kompetenzen der EU werden in den verbleibenden 97 Vgl. Art. 1(1) Ts. 2 VO-Entwurf: „[…]Verträge, die zwischen Mitgliedstaaten der EU sowie zwischen diesen und einem oder mehreren anderen Staaten in Kraft sind, bleiben unberührt.“ 98 So z. B. das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien über die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen, Schiedssprüchen und öffentlichen Urkunden in Zivil- und Handelssachen vom 30. 6. 1958 (BGBl. 1959 II, S. 766) oder das Deutsch-italienische Abkommen über die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 9. 3. 1936 (RGBl. 1937 II, S. 145). 99 Art. VII(1) UNÜ kommt z. B. auch im Anwendungsbereich des EuÜ meistens über Art. X(7) EuÜ zur Anwendung, vgl. Adolphsen, in: MüKo ZPO, Art. X EuÜ Rn. 1; Schwab/ Walter, Schiedsgerichtsbarkeit, Kap. 42 Rn. 34 ff. 100 UNCITRAL, A/34/17, Rn. 81; Holtzmann/Neuhaus, Commentary Model Law, S. 9; Hußlein-Stich, Das UNCITRAL-Modellgesetz, S. 3; Jaeger, Umsetzung des UNCITRALModellgesetzes, S. 35.

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H. Lösungsvorschlag zur Vermeidung von Parallelverfahren in der EU

Mitgliedstaaten zunehmend in Frage gestellt. Gerade vor diesem Hintergrund sollte die EU mehr denn zuvor darauf achten, die ihr übertragenen Kompetenzen maßvoll auszuüben. Die aktuellen Herausforderungen geben dem Staatenverbund aber auch die Möglichkeit, sich neu zu beweisen. Der unterbreitete Gesetzgebungsvorschlag könnte für den Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in diesem Zusammenhang ein Schritt in die richtige Richtung sein. Die aus dem Brexit folgenden rechtlichen Unsicherheiten, die im Bereich des europäischen IZPR eintreten werden, sind bereits erörtert worden.101 Ebenso werden die möglichen Folgen des Austritts Großbritanniens aus der EU für den Schiedsstandort London seit dem Votum breit diskutiert.102 Derzeit gilt London jedenfalls noch als weltweit beliebtester Schiedsort.103 Im Hinblick auf die Erfolgsaussichten eines EU-Schiedsverfahrensrechts könnte der Brexit jedoch auch umgekehrt den Rechtsmarkt in der EU beeinflussen, indem er neue Gesetzesvorhaben ermöglicht, denen sich Großbritannien in der Vergangenheit widersetzt hat. Im Folgenden soll daher dargestellt werden, welche Position das Vereinigte Königreich bei den vergangenen Vorstößen der Vereinheitlichung des Schiedsverfahrensrechts in der EU eingenommen hat. Auf dieser Grundlage wird sodann erörtert, ob der Austritt Großbritanniens die Erfolgsaussichten des unterbreiteten Gesetzgebungsvorschlages positiv beeinflusst. Schon während des ersten Versuchs der Vereinheitlichung des Schiedsverfahrensrechts auf europäischer Ebene im Rahmen des Straßburger Übereinkommens zeigte sich, dass Großbritannien an derartigen Vorstößen kein allzu großes Interesse hat. Das Vereinigte Königreich beteiligte sich zwar an den Vorarbeiten, sprach sich 101 Siehe insb. Sonnentag, Die Konsequenzen des Brexits für das IPR/IZVR; Ungerer, Brexit von Bru¨ ssel und den anderen IZVR-/IPR-Verordnungen. 102 Siehe z. B. Wilske/Markert/Bräuninger 3 SchiedsVZ (2018) 134, 136 f.; Andrews 21(2) ZZP (2016) 3 ff.; Bar Council of England and Wales, The Brexit Papers, S. 15 ff., verfügbar unter https://www.barcouncil.org.uk/media/557778/170316_brexit_papers_second_edition_fi nal_version.pdf, zuletzt aufgerufen am 8. 8. 2018; Sabharwal/Wright, Brexit and Beyond: Will London Still Wear its Arbitration Crown?, Kluwer Arbitration Blog, 24. 5. 2018, verfügbar unter http://arbitrationblog.kluwerarbitration.com/2018/05/24/qm-survey-results/, zuletzt aufgerufen am 3. 8. 2018; Croisant, Towards the Uncertainties of a Hard Brexit: An Opportunity for International Arbitration, Kluwer Arbitration Blog, 27. 1. 2017, verfügbar unter http://arbitrati onblog.kluwerarbitration.com/2017/01/27/towards-the-uncertainties-of-a-hard-brexit-an-oppor tunity-for-international-arbitration/, zuletzt aufgrufen am 3. 8. 2018; Oakley/Sattler, A Price of Independence: Brexit and International Arbitration, Global Arbitration News, 18. 7. 2016, verfügbar unter https://globalarbitrationnews.com/price-independence-brexit-international-arbi tration-20160718/, zuletzt aufgerufen am 3. 8. 2018; Hess/Requejo Isidro, Brexit – Immediate Consequences on the London Judicial Market, Kluwer Arbitration Blog, 29. 6. 2016, verfügbar unter http://kluwerarbitrationblog.com/2016/06/29/brexit-immediate-consequences-on-the-lon don-judicial-market/, zuletzt aufgerufen am 2. 7. 2016. 103 Queen Mary University of London, 2018 International Arbitration Survey: The Evolution of International Arbitration, S. 9, verfügbar unter http://www.arbitration.qmul.ac.uk/me dia/arbitration/docs/2018-International-Arbitration-Survey–The-Evolution-of-International-Ar bitration-(2).PDF, zuletzt aufgerufen am 14. 6. 2019.

IV. Der richtige Zeitpunkt – die Auswirkungen des Brexit

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währenddessen aber bereits für die Einräumung zusätzlicher Vorbehaltsmöglichkeiten aus.104 Letzten Endes mündete diese Forderung im Austritt Großbritanniens aus dem Expertenausschuss zur Entwicklung des einheitlichen Schiedsverfahrensrechts, nachdem keine Klausel aufgenommen wurde, die es den Vertragsparteien ermöglicht hätte, die Anwendbarkeit auf Sachverhalte mit Bezug zu den anderen Vertragsparteien zu beschränken.105 Wie von der britischen Delegation angekündigt106 ratifizierte das Vereinigte Königreich das Übereinkommen daraufhin nicht. Nach seinem Beitritt zur EWG nahm Großbritannien auch im supranationalen Staatenverbund stets eine Sonderrolle ein.107 Dies wird schon aus der Privilegierung bei Rechtsakten ersichtlich, die den Dritten Teil des Titel V AEUV betreffen – also zum Beispiel auf Grundlage des Art. 81 AEUV ergehen.108 Bei der Ausübung des Großbritannien insoweit gewährten Opt-In-Rechts spielt häufig auch die abweichende Rechtstradition des common laws eine Rolle,109 welche ebenfalls als ein Faktor in den Diskussionen um die Reform der EuGVVO a. F. gesehen wurde.110 Die britische Regierung hatte sich von Anbeginn gegen eine Regelung der Schiedsgerichtsbarkeit im Rahmen der EuGVVO ausgesprochen111 und gilt zudem als Urheber 104

Herment Revue Belge de Droit International (1966) 370, 381. European Convention providing a Uniform Law on Arbitration, Explanatory Report, 2 COETSER (1966) 1, 5. 106 Ebd. 107 Ungerer, Brexit von Bru¨ ssel und den anderen IZVR-/IPR-Verordnungen, S. 297, m. w. N. zum „Europa der zwei Geschwindigkeiten“. 108 Großbritannien hat sich für Maßnahmen nach dem Dritten Teil Titel V des AEUV ein Opt-In-Recht vorbehalten, nimmt also an solchen Maßnahmen nur nach ausdrücklicher Zustimmung teil (vgl. Art. 1, 3 Protokoll 21 zum Vertrag von Lissabon); Ungerer, Brexit von Bru¨ ssel und den anderen IZVR-/IPR-Verordnungen, S. 297 f.; für eine Übersicht über die Ausübung dieses Rechts durch das Vereinigte Königreich siehe Sonnentag, Die Konsequenzen des Brexits für das IPR/IZVR, S. 21 ff.; Lenzing, in: von der Groeben/Schwarze/Hatje, AEUV Art. 81 Rn. 20 f. 109 Sonnentag, Die Konsequenzen des Brexits für das IPR/IZVR, S. 21 macht in diesem Zusammenhang auf den grundlegend unterschiedlichen kollisionsrechtlichen Ansatz bei der Ermittlung des anzuwendenden Sachrechts aufmerksam. 110 Alavi/Khamichonak 6 Jurid. Trib. (2016) 7, 24: „However, with the expansion of the EU and the accession of not only continental but common law states, […] the exclusion of arbitration has grown into a matter of heated debate.“ 111 Siehe die Stellungnahme der britischen Regierung zum Green Paper; die Stellungnahmen der Mitgliedstaaten sowie weiterer Stakeholder wurden auf der Homepage der Kommission veröffentlicht: http://ec.europa.eu/justice/newsroom/civil/opinion/090630_en.htm (zuletzt aufgerufen am 3. 1. 2017); die Position des Vereinigten Königreichs ergibt sich zudem aus Ministry of Justice of the United Kingdom, Revision of the Brussels I Regulation – How should the UK approach the negotiations?, CP(R) 18/10, 12. 12. 2011, Rn. 83; das House of Lords nahm in seiner Stellungnahme hingegen zunächst eine differenziertere Position ein, vgl. United Kingdom House of Lords (European Union Committee), 21st Report of Session 2008 – 09, HL Paper 148, Rn. 95 f.: „The underlying approach to the Regulation, excluding arbitration from the rules applicable to courts in the interests of the autonomy of arbitration proceedings remains, in our view, the right one. […] We believe that the idea of giving exclusive jurisdiction to the courts of the Member State of the seat of the proposed arbitration to determine 105

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H. Lösungsvorschlag zur Vermeidung von Parallelverfahren in der EU

der Erklärung des Ausschlusses in ErwGr. 12 EuGVVO.112 In dieser Auffassung wurde sie von zahlreichen Stakeholdern der britischen Schiedsverfahrensszene unterstützt.113 Im Ergebnis hat sich diese Position bekanntlich durchgesetzt, und weitere Bestrebungen in diesem Bereich gab es seither ebenfalls nicht. Das Vereinigte Königreich stand in der Vergangenheit also stets in Opposition zur Vereinheitlichung des Schiedsverfahrensrechts auf europäischer Ebene. Der Grund hierfür bedarf keiner langen Suche: Als traditionell starker Standort für die Austragung internationaler Schiedsverfahren fehlte Großbritannien jeglicher Anreiz für eine Änderung des status quo. Bestenfalls hätte sich aus Sicht des Vereinigten Königreichs nichts verändert, schlechtestenfalls hätte man die eigene Vorrangstellung eingebüßt. Inwiefern sich an dieser Stellung nun infolge des Brexits etwas ändern wird, ist kaum abzuschätzen.114 Sicher ist hingegen, dass sich die Mitgliedstaaten der EU mit dem Austritt Großbritanniens im Wettbewerb um die Austragung internationaler Schiedsverfahren einem weiteren starken Gegenspieler außerhalb ihrer Reihen gegenüber sehen. Um hier den Anschluss nicht zu verlieren, sollte die EU ihre Vorteile ausnutzen, indem sie ihre Kompetenz zur Harmonisierung grundlegender Rechtsbereiche an der Schnittstelle zwischen Schiedsgerichten und staatlichen Gerichten ausübt. Dies würde den Raum des Rechts stärken und die Mitgliedstaaten im internationalen Wettbewerb um die Austragung von Schiedsverfahren attraktiver machen. Nach dem Austritt Großbritanniens gilt dies umso mehr.

issues relating to the existence (including validity), scope and applicability of an arbitration agreement is a promising one.“; für weitere Nachweise siehe Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 1.25. 112 Hess, Conflict of Laws Blog, 14. 10. 2010 [IV.2.]. 113 Siehe die bei der Kommission eingereichten Stellungnahmen der International Bar Association, des Bar Council of England and Wales, des Civil Justice Council (England and Wales), der Allen & Overy LLP (vereinzelt publiziert, z. B. International Bar Association 10(3) BLI (2009) 302 ff.); für weitere Nachweise siehe Hauberg Wilhelmsen, International Commercial Arbitration and the Brussels I Regulation, Rn. 1.26; Benedettelli 27(4) Arb. Int’l (2011) 583, 585; Radicati Di Brozolo 7(3) J. Priv. Int’l L. (2011) 423, 430. 114 Siehe dazu bereits oben in diesem Kapitel Fn. 102.

I. Ergebnis und Ausblick I. Ergebnis Wie die Untersuchung gezeigt hat, führt die Bereichsausnahme nach Art. 1(2)(d) EuGVVO de lege lata zur Möglichkeit der Entstehung von Parallelverfahren zwischen staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten, ohne dass angemessene Regelungen für den Umgang mit widersprüchlichen Rechtstiteln zur Verfügung gestellt würden. Ursache der Problematik ist jedoch nicht die Bereichsausnahme, sondern die Abweichung der nationalen Schiedsverfahrensrechte untereinander. Diese wurden nicht, wie einst geplant, über die Regelungen des UNÜ hinaus durch das Straßburger Übereinkommen von 1966 vereinheitlicht, sondern bestehen weiterhin nebeneinander fort. Die weitestgehende Harmonisierung des Rechts der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit konnte seither das Modellgesetz erzielen. Dennoch weichen auch diejenigen nationalen Schiedsverfahrensrechte erheblich voneinander ab, welche auf der Gesetzesvorlage von UNCITRAL beruhen. Die EU wäre grundsätzlich befugt, das Schiedsverfahrensrecht auf Grundlage von Art. 81 AEUV zu vereinheitlichen. Dabei gebieten jedoch die europarechtlichen Grundsätze der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit nach Art. 5(3), (4) EUV eine souveränitätsschonende Harmonisierung. Demnach darf der europäische Gesetzgeber das Recht der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit in den Mitgliedstaaten nur insoweit regeln, als diese dazu selbst nicht besser in der Lage wären. Dies betrifft vornehmlich diejenigen Regelungsbereiche, welche für die Möglichkeit der Entstehung von Parallelverfahren zwischen staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten verantwortlich sind. Denn die Möglichkeit der Entstehung von Parallelverfahren beruht auf den Unterschieden zwischen den nationalen Rechtsordnungen im Bereich der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit, deren Vereinheitlichung durch einen übergeordneten Legislativakt der EU einfacher und effektiver erreicht werden könnte, als durch eine Anpassung der relevanten Vorschriften in Eigenregie der Mitgliedsstaaten. Die relevanten Regelungsbereiche umfassen dabei zunächst insbesondere die Anforderungen an eine gültige Schiedsvereinbarung und im Rahmen dieser vor allem das Schiedsvereinbarungsstatut. Daneben wäre eine Harmonisierung der Regelungen zur Zuständigkeitsallokation zwischen staatlichen Gerichten und Schiedsgerichten nötig. Um einheitlichen Vorschriften in diesen Bereichen effektiv zur Wirksamkeit zu verhelfen wäre es schließlich erforderlich, einen einheitlichen Aufhebungsgrund für Schiedssprüche zu erlassen, die auf einer ungültigen Schiedsvereinbarung beruhen.

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I. Ergebnis und Ausblick

Das UNCITRAL Modellgesetz wäre de lege ferenda aufgrund seiner bereits großen Verbreitung ein vielversprechendes Fundament für ein EU-Schiedsverfahrensrecht. Die einer Harmonisierung auf europäischer Ebene zugänglichen Bereiche sind im Modellgesetz in Art. 7, 8, 16(1) S. 1, (2), (3), 34(2)(a)(i) geregelt. Der Regelungsmechanismus dieser Vorschriften stellt insgesamt einen ausgewogenen Kompromiss dar, ist jedoch nicht unfehlbar. Mit Hilfe der travaux préparatoires lassen sich Schwierigkeiten bei der Auslegung der Vorschriften im Ergebnis dennoch wirksam bewältigen. Die effizienteste Weise, das UNCITRAL Modellgesetz zu rezipieren, stellt eine Übernahme der Vorschriften mittels eines direkten Verweises auf die Vorschriften des Modellgesetzes dar. Die in der vorliegenden Arbeit untersuchten Abweichungen von der Gesetzesvorlage haben eher zu Verwirrung bei der Rechtsanwendung durch staatliche Gerichte geführt, als dass ihnen ein ernsthafter Mehrwert zugesprochen werden könnte. Auch die im Gesetz verankerte Anordnung, die travaux préparatoires für die Auslegung der Vorschriften zu verwenden, hat im Rahmen des Rechtsanwendungsvergleichs nur Vorteile aufgezeigt. Probleme bei der isolierten Anwendung der Vorschriften des Modellgesetzes konnten hingegen nicht festgestellt werden. Daher stellt sich das UNCITRAL Modellgesetz grundsätzlich als geeignete Grundlage einer Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts in der EU dar. Diese sollte durch einen direkten Verweis auf die Vorschriften des Modellgesetzes erfolgen und die Auslegung anhand der travaux préparatoires anordnen. Nur so kann ein wirksamer Regelungsmechanismus geschaffen werden, der einen supranationalen Mehrwert begründet und damit mit dem Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vereinbar wäre. Der Rechtsakt sollte nach dem Befund dieser Arbeit die Handlungsform der Verordnung annehmen. So würde dem übergeordneten Ziel einer möglichst weitreichenden Harmonisierung des Rechts der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit bestmöglich Rechnung getragen, und zwar sowohl im Verhältnis der Mitgliedsstaaten untereinander als auch gegenüber Drittstaaten. Zudem würde die einheitliche Auslegung des Rechtsaktes durch den EuGH zu einer Wertungskonsistenz innerhalb der EU führen, die auch über deren Grenzen hinaus Strahlwirkung auf die Anwendung der Vorschriften des Modellgesetzes in Drittstaaten entfalten könnten. Außerdem wäre das auf der Grundlage des Modellgesetzes harmonisierte Recht der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit mit bestehenden internationalen Übereinkommen vereinbar.

II. Ausblick Ob diese Vorteile einer teilweisen Harmonisierung des Rechts der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit sich tatsächlich realisieren lassen, ist indes ungewiss. Der Zeitpunkt scheint in Anbetracht des Brexits grundsätzlich geeignet, um dieses kritische Unterfangen erneut anzugehen. Großbritannien hat die zurückliegenden Vorstöße auf europäischer Ebene eher sabotiert als unterstützt und wird nach seinem

II. Ausblick

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Austritt aus der EU einen weiteren starken Standort für die Austragung internationaler Schiedsverfahren in einem Drittstaat darstellen. Ein besser an die internationalen Standards angepasster Rechtsrahmen auf Ebene der EU könnte hier einen Vorteil für die Mitgliedsstaaten begründen. Jedoch finden sich auch unter den in der EU verbleibenden Mitgliedsstaaten traditionell starke Schiedsverfahrensstandorte. In vielen Fällen baut das Schiedsverfahrensrecht gerade in diesen Staaten nicht auf dem UNCITRAL Modellgesetz auf. In diesem Zusammenhang ist insbesondere Frankreich zu nennen. Die vorliegende Arbeit hat gezeigt, dass der dort zur Anwendung kommende ordre juridique arbitrale ein in sich schlüssiges System darstellt, dessen Regelungsmechanismen für sich genommen gut funktionieren. Jedoch konnte im Rahmen der Untersuchung auch festgestellt werden, dass das französische Schiedsverfahrensrecht mit den abweichenden Ansätzen anderer Rechtsordnungen kollidiert. Es stellt sich daher die Frage, inwieweit die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit in der EU dem Gedanken der europäischen Integration zugänglich ist. Etablierte Schiedsverfahrensstandorte müssten ihre bewährten Schiedsrechtssysteme zugunsten eines supranationalen Mehrwertes aufbrechen. Dies könnte die Befürchtung kurzfristiger Wettbewerbsnachteile in einzelnen Mitgliedsstaaten nähren. Mittelfristig birgt ein EU-Schiedsverfahrensrecht jedoch die Chance, einen echten Wettbewerbsvorteil gegenüber Drittstaaten zu begründen, ohne sich von diesen zu isolieren. Das UNCITRAL Modellgesetz wäre für dieses Unterfangen die aussichtsreichste Grundlage. Die Realisierung des hier unterbreiteten Harmonisierungsvorschlages – ebenso wie eine anderweitige Harmonisierung des Rechts der internationalen Handelsschiedsgerichtsbarkeit auf Ebene der EU – bedürfte indes einer über die Möglichkeiten dieser Arbeit hinausgehenden Evaluation der Auswirkungen auf die Rechtssysteme in jedem einzelnen Mitgliedsstaat. Das fragile Regelungssystem der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit reagiert empfindlich auf Veränderungen. Aus der Angst heraus, die bereits erzielten Erfolge zu gefährden, scheinen auch frühere Versuche einer weiterreichenden Harmonisierung gescheitert zu sein. Doch Angst war noch nie ein guter Ratgeber.

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Sachwortverzeichnis Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren 57 f., 101 ff., 111 – Miteinander unvereinbare Titel 60 ff. Anti-suit injunction siehe Prozessführungsverbot Aufhebungsverfahren – Bedeutung für Parallelverfahren 116 f. – Deutschland 222 f. – EuÜ 123 f. – EuGVVO 57 – Frankreich 241 ff. – Gesetzgebungsvorschlag 262, 267 – Irland 191 – Straßburger Übereinkommen 127 f. – Übersicht Mitgliedstaaten 162 ff. – UNCITRAL Modellgesetz159 f. – UNÜ 120 Brexit – Auswirkungen auf Prozessführungsverbote 47 – Auswirkungen auf Gesetzgebungsvorschlag 273 ff. Einstweilige Maßnahmen – Durch Schiedsgerichte 52 ff. – Durch Staatliche Gerichte 56 Entwicklung des EZPR – EuGVÜ 26 – EuGVVO 27 – EuGVVO a.F. 24 – Lugano Übereinkommen 28 EuGVVO – Anerkennung und Vollstreckung des Schiedsspruchs 57 – Aufhebung des Schiedsspruchs 57 – Ausschluss der Schiedsgerichtsbarkeit 24 – Einstweilige Maßnahmen 52 ff. – Maßnahmen zur Unterstützung des Schiedsverfahrens 51

– Parallelverfahren 59 – Prozessführungsverbote 39 ff. – Überprüfung der Schiedsvereinbarung 31 ff. EuÜ 121 ff., 197, 272 – Aufhebung des Schiedsspruchs 123 – Definition und Form der Schiedsvereinbarung 122 – Schiedsvereinbarungsstatut 121 – Zuständigkeitsallokation 122 Formstatut – Deutschland 201 ff. – Frankreich 230 – UNCITRAL Modellgesetz

140

Genfer Europäisches Übereinkommen über die internationale Handelsschiedsgerichtsbarkeit siehe EuÜ Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung 90 ff. Harmonisierung des Schiedsverfahrensrechts – Hintergrund 19 ff. – Meinungsstand 246 ff. – Rechtsgrundlage 96 ff. – Straßburger Übereinkommen 125 ff. – UNCITRAL Modellgesetz 130 ff. – Vorteile 257, 270 ff. Justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen 19, 27, 96 ff. Kompetenz-Kompetenz 114 f. – Deutschland 210 – EuÜ 123 – Frankreich 234 ff. – Irland 185 – Straßburger Übereinkommen 127 f. – Übersicht Mitgliedstaaten 162 ff. – UNCITRAL Modellgesetz 145 f.

Sachwortverzeichnis Lehre vom transnationalen Schiedsverfahren 225 ff., 245 Modellgesetz gesetz

siehe UNCITRAL Modell-

New York Convention

siehe UNÜ

Parallelverfahren – Möglichkeit der Entstehung i. R. d. EuGVVO 59 – Relevante Regelungsbereiche 111 f. – Deutschland 192 ff. – EuÜ 121 ff. – Frankreich 224 ff. – Irland 180 ff. – Übersicht Mitgliedstaaten 162 ff. – UNCITRAL Modellgesetz 133 ff. – UNÜ 118 ff. Prozessführungsverbote 39 ff. – Durch Schiedsgerichte 48 ff. – Durch Staatliche Gerichte 41 ff. Rechtsetzungskompetenz der EU 81 ff. Richtlinie 249, 253 ff., 258 f.

26,

Schiedseinrede 115 f. – Deutschland 211 ff. – Frankreich 235 ff. – Irland 185 ff. – UNCITRAL Modellgesetz 147 ff. Schiedsvereinbarung – EuGVVO 31 ff. – Form und Gültigkeit 112 ff. – Deutschland 194 ff. – EuÜ 121 ff. – Frankreich 228 ff. – Irland 181 ff. – UNCITRAL Modellgesetz 134 ff. – UNÜ 118 ff. – Überprüfung 115 f. – Deutschland 210 ff. – EuÜ 122 f. – Frankreich 235 ff. – Irland 185 ff. – UNCITRAL Modellgesetz 147 ff. – UNÜ 120

297

Schiedsvereinbarungsstatut 112 f. – Deutschland 194 ff. – EuÜ 121 f. – Frankreich 228 ff. – Irland 181 f. – UNCITRAL Modellgesetz 134 ff. – UNÜ 118 f. – Straßburger Übereinkommen 24 f., 81, 82, 125 ff., 274 – Gründe des Scheiterns 129 ff. – Inhalt 126 ff. Subsidiaritätsprinzip 92 ff., 259, 264, 270, 277 f. UNCITRAL Modellgesetz 125 ff. – Eignung für EU-Rechtsakt 132 f. – Gültigkeit der Schiedsvereinbarung 134 ff. – Hintergrund 130 f. – Rezeption in den Mitgliedstaaten 161 ff. – Überprüfung der Schiedsvereinbarung 147 ff. – Zuständigkeitsallokation 145 ff. UNÜ 20 f., 30, 34, 118 ff. – Aufhebung des Schiedsspruchs 120 – Definition und Form der Schiedsvereinbarung 119 – Schiedsvereinbarungsstatut 118 – Verhältnis zur EuGVVO 30, 38, 50, 57, 76 ff. – Vollstreckungshindernisse 60 ff. – Zuständigkeitsallokation 120 Verhältnismäßigkeitsgrundsatz 94 ff., 256 ff., 268 ff. Verordnung 251 ff., 258 Vollstreckungshindernissse 60 ff., 242 ff. Zulässigkeitskontrolle 212 ff. Zuständigkeitsentscheidung – Negative – Deutschland 219 ff. – EuÜ 123 – Frankreich 240 f. – Irland 189 – UNCITRAL Modellgesetz – Positive – Deutschland 217 ff.

154 ff.

298 – EuÜ 123 – Frankreich

Sachwortverzeichnis

239 f.

– Irland 189 ff. – UNCITRAL Modellgesetz

150 ff.