Das Stakeholder-Banking im europäischen Kontext: Ein theoretischer und empirischer Vergleich des deutschen und italienischen Bankenmarktes [1 ed.] 9783896447081, 9783896737083

Italien und Deutschland sind zwei europäische Länder, welche im gemeinsamen Bankenmarkt und Währungsraum sehr unterschie

113 43 4MB

German Pages 388 [389] Year 2015

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Recommend Papers

Das Stakeholder-Banking im europäischen Kontext: Ein theoretischer und empirischer Vergleich des deutschen und italienischen Bankenmarktes [1 ed.]
 9783896447081, 9783896737083

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

SCHRIFTENREIHE FINANZIERUNG UND BANKEN Herausgeber: Prof. Dr. Detlev Hummel

Marco Pedrotti

Das Stakeholder-Banking im europäischen Kontext Ein theoretischer und empirischer Vergleich des deutschen und italienischen Bankenmarktes

Verlag Wissenschaft & Praxis

Das Stakeholder-Banking im europäischen Kontext

                                               

SCHRIFTENREIHE FINANZIERUNG UND BANKEN herausgegeben von Prof. Dr. Detlev Hummel

Band 26                                        

Marco Pedrotti

Das Stakeholder-Banking im europäischen Kontext Ein theoretischer und empirischer Vergleich des deutschen und italienischen Bankenmarktes            

     

Verlag Wissenschaft & Praxis

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-89673-708-3 © Verlag Wissenschaft & Praxis Dr. Brauner GmbH 2015 D-75447 Sternenfels, Nußbaumweg 6 Tel. +49 7045 93 00 93 Fax +49 7045 93 00 94 [email protected] www.verlagwp.de

Alle Rechte vorbehalten Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Druck und Bindung: Esser printSolutions GmbH, Bretten

VORWORT DES HERAUSGEBERS

5

Vorwort des Herausgebers Der vorliegende neue Band der Schriftenreihe möchte einmal mehr im „Überdenkungs- und Neubewertungsprozess“ nach der Finanzmarktkrise 2008 einen Beitrag leisten. Herr Pedrotti widmet sich dafür dem neu definierten „Stakeholder Banking“ und kann aus Sicht des deutschen und italienischen Bankensystems anhand empirischer Studien spezifische Erfahrungen und Strukturen qualitativ und quantitativ bewerten. Pedrotti will aber nicht nur die Existenz öffentlicher Banken erklären und unterschiedliche Ausprägungen diskutieren, sondern deren „Gemeinwohlorientierung“ unter Stakeholder-Perspektive neu bestimmen. Vor allem sollen der soziale Auftrag italienischer Bankstiftungen mit dem öffentlichen Auftrag deutscher Sparkassen verglichen und bewertet werden. Das Ganze wird schließlich fokussiert auf die Preispolitik der Banken und insbesondere werden besondere Ausprägungen in der Zinspolitik empirisch nachgewiesen. Die Sparkassen - resp. die Sparkassenfinanzgruppen - sind in Europa teilweise sehr unterschiedliche Wege gegangen. Manche Reformen der 90er Jahre stehen auf dem Prüfstand. Das deutsche Modell wird einerseits als sehr erfolgreich dargestellt und bewertet, andererseits gibt es auch kritische Stimmen gerade aus Brüssel sowie auch innerhalb Deutschlands. Pedrotti analysiert die Folgen der Tätigkeit von Shareholder- und StakeholderBanken in Deutschland und Italien und diskutiert die Erfüllung der Ansprüche verschiedener Stakeholder aus volkswirtschaftlicher, mikroökonomischer und bankbetrieblicher Sicht. Dabei gelingt es, einschlägige Modelle der Bestimmung einer optimalen Zinsmarge um die Messung sozialer Komponenten zu erweitern. Zugleich entwickelt er eigenständige Messmethoden zur Operationalisierung und empirischen Überprüfung selbst aufgestellter Hypothesen. Insbesondere leistet Pedrotti einen Beitrag zur Diskussion um Alternativen zur neoklassischen Kapitalmarkt- und Bankentheorie. Pedrotti zeigt, dass es nicht nur um die Notwendigkeit einer angemessenen Finanzintermediation geht, sondern, dass die Zielsysteme und Wertvorstellungen des Bankmanagements eine positive Wirkung für das Gemeinwohl leisten können.

6

VORWORT DES HERAUSGEBERS

Der Herausgeber wünscht dem geneigten Leser und kritischen Beobachter der Veränderungen im europäischen Bankenmarkt, insbesondere der Entwicklungen in Deutschland und Italien, eine informative sowie anregende Lektüre und ist für Anregungen und Hinweise zur Fortsetzung der Forschungen dankbar. Potsdam, im Mai 2015 Prof. Dr. Detlev Hummel

VORWORT DES VERFASSERS

7

Vorwort des Verfassers Diese Arbeit entstand während meiner Einstellung als wissenschaftlicher Mitarbeiter an dem Lehrstuhl für Banken und Finanzierung der Universität Potsdam von meinem Doktorvater, Herr Prof. Detlev Hummel. Für diese Gelegenheit sowie für die ständige Betreuung, Unterstützung und Förderung bin ich ihm sehr dankbar. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, wie spannend und gleichzeitig aufwendig eine Doktorarbeit sein kann. Außerdem möchte ich mich bei meinen ehemaligen Lehrstuhlkollegen für ihre Hinweise und ihre Hilfe bei der Entwicklung meiner Dissertation bedanken. Insbesondere ist hierbei die Geduld von Herrn Dr. Nicolas Edling zu nennen. Zusätzlich zu der fachlichen Unterstützung konnte ich in diesen Jahren mit dem Rückhalt meiner Familie und meiner Freunden rechnen. Trotz ihrem Alter hat meine Tochter Lara mir immer geholfen, der wissenschaftliche Aufwand durch väterlichen und entspannenden Aufgaben zu ergänzen. Ein letzter Dank geht an meine Freundin, Guayent. Auch in den schwierigsten Phasen dieser Arbeit war sie immer an meiner Seite. Deswegen möchte ich ihr als kleines Zeichen diese Arbeit widmen. Berlin, 16. Juni 2015 Marco Pedrotti

8

INHALTSVERZEICHNIS

Inhaltsverzeichnis _ Abbildungsverzeichnis .......................................................................................... 12 Tabellenverzeichnis ............................................................................................... 14 Abkürzungsverzeichnis ......................................................................................... 16 I.

Einleitung ....................................................................................................... 19 1.1. Problemstellung und Motivation ............................................................................ 19 1.2 Aufbau – Gang der Untersuchung .......................................................................... 22

II. Das deutsche und das italienische Bankensystem ......................................... 27 2.1 Einführung .................................................................................................................... 27 2.2 Der deutsche und der italienische Finanzmarkt im Vergleich ....................... 27 2.3 Der deutsche Bankenmarkt ...................................................................................... 33 2.3.1 Die drei Säulen – Entwicklung und heutige Merkmale........................... 34 2.3.2 Die drei Säulen – Vergleich der Bilanz- und der GuV-Struktur ........... 40 2.4 Der italienische Bankenmarkt ................................................................................. 48 2.4.1 Historische Entwicklung des italienischen Bankenmarktes ................... 48 2.4.2 Die heutige Struktur des italienischen Bankenmarktes ........................... 57 2.5 Zwischenfazit .............................................................................................................. 65 III. Theoretische Ansätze zur Rechtfertigung von öffentlichen Banken .............. 67 3.1 Der „Social View“ ...................................................................................................... 72 3.2 Der „Development View“ ........................................................................................ 82 3.3 Der „Macroeconomic View“ ................................................................................... 85

INHALTSVERZEICHNIS

9

3.4 Der „Political View“ .................................................................................................. 91 3.5 Der „Agency View“ ................................................................................................... 97 3.6 Zwischenfazit ............................................................................................................ 100 IV. Die Regelung der gemeinwohlorientierten Funktion bei deutschen und italienischen Sparkassen: Ein Vergleich des öffentlichen mit dem sozialen Auftrag ............................................................................................ 103 4.1 Sparkassen als Stakeholder Banks ....................................................................... 104 4.2 Der öffentliche Auftrag der deutschen Sparkassen .......................................... 110 4.2.1 Historische Entwicklung des Aufgabenbereichs ..................................... 110 4.2.2 Die gesetzliche Regulierung des öffentlichen Auftrags ........................ 113 4.2.3 Eine zeitgemäße Darstellung des öffentlichen Auftrags unter Stakeholder-Perspektive ................................................................................ 121 4.2.4 Exkurs: Vergleich mit dem Förderungsauftrag der Genossenschaftsbanken ................................................................................. 140 4.2.5. Zwischenfazit ................................................................................................... 151 4.3 Der soziale Auftrag innerhalb des italienischen Stiftungsmodells .............. 154 4.3.1 Historische Entwicklung der italienischen Sparkassen ......................... 157 4.3.2 Die gesetzliche Regulierung des sozialen Auftrags – Die „Social Responsibility“ der italienischen Bankstiftungen ................................... 163 4.3.3 Eine zeitgemäße Darstellung des sozialen Auftrags unter Stakeholder-Perspektive ..................................................................... 167 4.3.4 Zwischenfazit ................................................................................................... 173 V. Bankwirtschaftliche Kennzahlenanalyse im deutschen und italienischen Bankenmarkt ................................................................................................. 177 5.1 Einführung .................................................................................................................. 177 5.2 Untersuchungsmethodik ......................................................................................... 179 5.3 Gruppenanalyse des deutschen Bankenmarktes ............................................... 195

10

INHALTSVERZEICHNIS

5.3.1 Kredit- und Einlagenanteil ............................................................................ 195 5.3.2 Zweigstellenintensität .................................................................................... 201 5.3.3 Liquiditätssicherung ....................................................................................... 204 5.3.4 Mitarbeiterintensität ....................................................................................... 206 5.3.5 Ausmaß und Anteil an der Finanzierung lokaler Gemeinden.............. 209 5.3.6 Geographisches Absatzgebiet ...................................................................... 213 5.3.7 Interbankenmarktinvestitionen und -refinanzierung, Z-Score ............. 215 5.3.8 Zyklizität der Kreditvergabe, abnormales Wachstum der Kredite (AWK) und Angebotsreaktivität ........................................... 220 5.3.9 Zwischenfazit ................................................................................................... 229 5.4 Analyse der historischen und aktuellen Entwicklungen des italienischen Bankenmarktes .......................................................................................................... 232 5.4.1 Kredit- und Einlagenanteil ............................................................................ 232 5.4.2 Zweigstellenintensität .................................................................................... 235 5.4.3 Liquiditätssicherung ....................................................................................... 238 5.4.4 Mitarbeiterintensität ....................................................................................... 240 5.4.5 Ausmaß und Anteil an der Finanzierung lokaler Gemeinden.............. 242 5.4.6 Geographisches Absatzgebiet ...................................................................... 245 5.4.7 Interbankenmarktinvestitionen und -refinanzierung, Z-Score ............. 247 5.4.8 Zyklizität der Kreditvergabe, abnormales Wachstum der Kredite (AWK) und Angebotsreaktivität ................................................................. 252 5.4.9 Zwischenfazit ................................................................................................... 259 VI. Der Einfluss der Stakeholder-Orientierung auf die Zinsmarge deutscher und italienischer Banken ..................................................................... 261 6.1 Theoretische Modellierung .................................................................................... 261 6.1.1 Die Modellierung der Zinsmarge in der Literatur................................... 262

INHALTSVERZEICHNIS

11

6.1.2 Ein theoretisches Modell für die Zinsmarge einer risikoneutralen Bank – Die Rolle der Eigentumsart ....................................................................... 268 6.2 Empirische Untersuchung ...................................................................................... 285 6.2.1 Definition der Zinsmarge .............................................................................. 286 6.2.2 Zielsetzung und Verlauf der empirischen Untersuchung ...................... 288 6.2.3 Datenbasis und deren systematische Bereinigung .................................. 289 6.2.4 Erklärungsvariablen der Zinsmarge ........................................................... 294 6.2.5 Aggregation ausgewählter Kennziffern beider Bankenmärkte ........... 314 6.2.6 Empirische Methodik und Hypothesen ..................................................... 320 6.2.7 Ergebnisse der empirischen Untersuchung............................................... 331 6.2.8 Zwischenfazit ................................................................................................... 345 VII. Zusammenfassung und Ausblick.................................................................. 351 7.1 Zusammenfassung und zentrale Ergebnisse ...................................................... 351 7.1.1 Vergleichende Analyse .................................................................................. 351 7.1.2 Theoretisch-deduktive Analyse ................................................................... 353 7.1.3 Theoretisch-induktive Analyse .................................................................... 355 7.1.4 Qualitative Kennzahlenanalyse ................................................................... 358 7.1.5 Theoretische Modellierung ........................................................................... 360 7.1.6 Empirische Untersuchung ............................................................................. 361 7.2 Forschungsausblick .................................................................................................. 364 Literaturverzeichnis ............................................................................................. 367 Quellenverzeichnis .............................................................................................. 385

12

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildungsverzeichnis Seite Abbildung I.1 – Gliederung und Struktur der Arbeit ............................................. 26   Abbildung II.1 – Aufteilung der Netto Zins- und nicht zinsbezogenen Bankerträge ................................................................................ 33   Abbildung II.2 – Zusammensetzung der Kreditbanken – Anzahl der Institute und Bilanzsumme ...................................... 35   Abbildung II.3 – Wichtige Aktiva der deutschen Banken nach Bankengruppen .................................................................. 43   Abbildung II.4 – Wichtige Passiva der deutschen Banken nach Bankengruppen .................................................................. 43   Abbildung II.5 – Wichtige GuV Kennzahlen deutscher Banken – nach Bankengruppen .......................................................................... 45   Abbildung II.6 – Zusammensetzung des italienischen Bankenmarktes – 1870 bis 1920 ............................................................................. 49   Abbildung II.7 – Zusammensetzung des italienischen Bankenmarktes – 1938 bis 1970 ............................................................................. 52   Abbildung II.8 – Wichtige Aktiva der italienischen Banken nach Bankenkategorie ........................................................................ 61   Abbildung II.9 – Wichtige Passiva der italienischen Banken nach Bankenkategorie ........................................................................ 61   Abbildung II.10 – Zins-, Provisions- und Jahresüberschuss italienischer Banken – nach Bankenkategorien ......................... 63   Abbildung II.11 – GuV Kennzahlen italienischer Banken – nach Bankenkategorien ...................................................................... 63   Abbildung III.1 – Theoretische Ansätze zur Begründung der Existenz von öffentlichen Banken ................................................................... 71   Abbildung III.2 – Kooperationsprobleme aus der asymmetrischen Information... 75   Abbildung III.3 – Die Problematik der Kreditrationierung.................................... 77   Abbildung III.4 – Die Rolle der Banken als Geldschöpfungsmultiplikator ........... 88   Abbildung III.5 – Das Kooperationsproblem bei öffentlichen Banken ................. 98  

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

13

Abbildung IV.1 – Zielsystematik der Sparkassen ................................................ 121   Abbildung IV.2 – Vom öffentlichen Auftrag betroffene Stakeholder ................. 124   Abbildung V.1 – Bank Lending und Balance Sheet Channel .............................. 193   Abbildung V.2 – Zeitlicher Verlauf des Kredit- und Einlagenanteils – Deutschland ............................................................................. 199   Abbildung V.3 – Mittelwert der Zweigstellenintensität in zehnjährigen Abständen – Deutschland .............................. 202   Abbildung V.4 – Anteil an der Finanzierung lokaler Gemeinden – Deutschland ............................................................................. 211   Abbildung V.5 – Geographische Verteilung des Absatzes – Deutschland .......... 213   Abbildung V.6 – Verlauf der Z-Score – Deutschland .......................................... 219   Abbildung V.7 – BIP und Kreditwachstumsraten nach Bankengruppen – Deutschland ............................................................................. 221   Abbildung V.8 – Zweigstellenintensität – Verlauf und Wachstumsraten ihrer Komponenten – Italien ............................................................. 236   Abbildung V.9 – Ausmaß und Anteil an der Finanzierung lokaler Gemeinden –Italien ...................................................... 243   Abbildung V.10 – Aufteilung der Kreditlinie nach ihrem Ausmaß – Italien ....... 246   Abbildung V.11 – Verlauf der Kredit- und BIP-Wachstumsraten – Italien......... 253   Abbildung VI.1 – Zeitlicher Verlauf der Zinsmarge (Durchschnittswerte) ......... 319  

14

TABELLENVERZEICHNIS

Tabellenverzeichnis Tabelle II.1 – Finanzmarktkennzahlen – Aufteilung in Haushalte und Unternehmen .................................................................................... 29   Tabelle II.2 – Bilanzzusammensetzung der monetären Finanzinstitute in Deutschland und Italien ................................................................... 31   Tabelle II.3 – Die Zielstellung innerhalb des Drei-Säulensystems ........................ 34   Tabelle II.4 – Zusammensetzung des deutschen Bankensystems .......................... 41   Tabelle II.5 – Zusammensetzung des italienischen Bankenmarktes ...................... 58   Tabelle III.1 – Ansätze zur Erklärung der Funktion von öffentlichen Banken .... 101   Tabelle IV.1 – Unterscheidungsmerkmale zwischen einer Shareholder- und einer Stakeholder-Bank ........................................................................... 107   Tabelle IV.2 – Die Komponenten des öffentlichen Auftrages innerhalb der Sparkassengesetze .......................................................................... 118   Tabelle IV.3 – Die Regelung der geschäftspolitischen Steuerung innerhalb der Sparkassengesetze .......................................................................... 119   Tabelle V.1 – Kennzahlen des Stakeholder-Managements .................................. 181   Tabelle V.2 – Kredit- und Einlagenanteil nach Bankengruppe – Deutschland................................................................................ 196   Tabelle V.3 – Liquiditätssicherung – Erwartete Änderung des Kreditbetrages bei einer Bonitätsverschlechterung des Kreditnehmers – Deutschland................................................................................. 205   Tabelle V.4 – Entwicklung der Mitarbeiterintensität und der Mitarbeiterzahl – Deutschland................................................................................ 207   Tabelle V.5 – Ausmaß der Finanzierung lokaler Gemeinden – Deutschland................................................................................ 209 Tabelle V.6 – Interbankenmarktinvestitionen und -refinanzierung – Deutschland................................................................................. 215   Tabelle V.7 – Standardabweichung der Kreditwachstumsrate und ihre Korrelation mit dem BIP – Deutschland ........................................................... 223   Tabelle V.8 – Abnormales Wachstum der Kredite (AWK) – Deutschland ......... 226   Tabelle V.9 – Angebotsreaktivität – Deutschland ............................................... 228  

TABELLENVERZEICHNIS

15

Tabelle V.10 – Kredit- und Einlagenanteil – Italien ............................................ 233   Tabelle V.11 – Die Mitarbeiterintensität und ihre Komponenten – Italien ......... 241   Tabelle V.12 – Aufteilung der Kreditlinie nach ihrer Größe – Italien ................. 245   Tabelle V.13 – Interbankenmarktinvestitionen und -refinanzierung – Italien ..... 249   Tabelle V.14 – Z-Score und ihre Komponente – Italien ...................................... 251   Tabelle V.15 – Abnormales Wachstum der Kredite (AWK) – Italien ................. 256   Tabelle V.16 – Angebotsreaktivität – Italien ....................................................... 257   Tabelle VI.1 – Voraussetzungen für eine positive Wohlfahrtswirkung der sozialen Komponente ................................................................................... 282   Tabelle VI.2 – Länderübergreifende Aufteilung .................................................. 291   Tabelle VI.3 – Aufteilung der Stichprobe nach Bankengruppe ........................... 292   Tabelle VI.4 – Zusammensetzung der Stichprobe – Anzahl der Beobachtungen ......................................................... 294   Tabelle VI.5 – Empirische Variablen ................................................................... 296   Tabelle VI.6 – Berechnungsverfahren der zeitgewichteten Zahlungsströme ...... 305   Tabelle VI.7 – Deskriptive Statistiken von makroökonomischen Variablen und Geldmarktzinssatz .................................................. 315   Tabelle VI.8 – Deskriptive Statistiken von mikroökonomischen Variablen ....... 318   Tabelle VI.9 – Aufteilung der Variablen im Hausman-Taylor-Modell ............... 324   Tabelle VI.10 – Regressionsergebnisse der gruppengetrennten Untersuchung ................................................................................ 333   Tabelle VI.11 – Regressionsergebnisse – Analyse der sozialen Komponente .................................................................................. 336   Tabelle VI.12 – Regressionsergebnisse – Vertiefende Tests ............................... 342   Tabelle VI.13 – Übersicht der empirischen Hypothesen und ihrer Ergebnisse ............................................................................. 347  

16

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

Abkürzungsverzeichnis AG

Aktiengesellschaft

art.

Artikel (articolo)

AWK

Abnormales Wachstum der Kredite

BbgSpkG

Brandenburgisches Sparkassengesetz

BIP

Bruttoinlandsprodukt

c.

Absatz (comma)

CIR

Cost-Income-Ratio

d. lgs.

Rechtsverordnung (decreto legislativo)

FE

Fixed Effects

GenG

Genossenschaftsgesetz

GuV

Gewinn- und Verlustrechnung

HT

Hausman-Taylor

IMI

Istituto Mobiliare Italiano

IRI

Istituto per la Ricostruzione Industriale

KWG

Kreditwesengesetz

lg.

Gesetz (legge)

MFI

Monetäre Finanzinstitute

NSpkG

Niedersächsisches Sparkassengesetz

OLS

ordinary least squares

r.d.l.

Königliche Gesetzverordnung (regio decreto legge)

SpG BW

Sparkassengesetz für Baden-Württemberg

SpkG BE

Berliner Sparkassengesetz

SpkG BY

Gesetz über die öffentlichen Sparkassen – Sparkassengesetz Bayern

SpkG HB

Sparkassengesetz für öffentlich-rechtliche Sparkassen im Lande Bremen

SpkG HE

Hessisches Sparkassengesetz

SpkG MV

Sparkassengesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

17

SpkG NW

Sparkassengesetz Nordrhein-Westfalen

SpkG RP

Sparkassengesetz Rheinland-Pfalz

SpkG SH

Sparkassengesetz für das Land Schleswig-Holstein

SpkG SN

Gesetz über die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute im Freistaat Sachsen und die Sachsen-Finanzgruppe

SpkG-LSA

Sparkassengesetz des Landes Sachsen-Anhalt

SSpG

Saarländisches Sparkassengesetz

ThürSpkG

Sparkassengesetz Thüringen

I.

EINLEITUNG

19

I. Einleitung 1.1. Problemstellung und Motivation Seit dem Ende der 80er Jahre dominierten zwei Schlagworte die politische und akademische Diskussion über den Finanzmarkt: „Liberalisierung“ und „Privatisierung“. Nur ein privater, gewinnorientierter und liberalisierter Finanzmarkt könne, laut damals verbreitetem Ansatz, die notwendigen Wettbewerbsimpulse für seine Fortentwicklung und für die Förderung des Wirtschaftswachstums sichern.1 Staatliches Eigentum von Finanzinstituten wurde dagegen für die Entstehung eines entwickelten liberalen und wettbewerblichen Finanzmarktes als hinderlich angesehen, da Anreize zur Gewinnerzielung fehlten.2 Mit der Verbreitung dieses Ansatzes und steigenden Finanzierungsproblemen wurden in vielen Ländern umfangreiche Privatisierungsprogramme umgesetzt, der öffentliche Anteil am Finanzsektor wurde stark reduziert. Damit trugen die Privatisierungen einerseits zur Haushaltssanierung von verschuldeten Staaten bei und sie ermöglichten andererseits die Entstehung von großen Bankengruppen, welche durch steigende Skalenerträge und Effizienzsteigerungen hohe Rentabilitäten erreichten.3 Mehrere Autoren bestätigten aufgrund dieser Ergebnisse die Überlegenheit des privaten und gewinnorientierten Geschäftsmodells gegenüber dem öffentlichen Eigentum.4 Die Lage änderte sich ab 2007/2008 mit Beginn der weltweiten Finanzmarktkrise und infolge sinkender Gewinne sowie Liquiditätsproblemen führender Finanzinstitute. Verdeckte Risiken im Finanzsektor traten plötzlich zutage; die daraus entstehenden, zum Teil dramatischen Folgen für die reale Wirtschaft erforderten in vielen Ländern staatliche Eingriffe. Mehrere, bis dahin als erfolgreich geltende Großbanken wurden von der Krise am härtesten getroffen; sie mussten mit erheblichen Verlusten und Liquiditätsproblemen kämpfen.5 Deutlich geringere Auswirkungen hatte die Finanzkrise dagegen auf kleinere Banken, diese blieben aufgrund ihres traditionellen Geschäftsmodells von den Entwicklungen auf dem internationalen Finanzmarkt relativ unbeeinflusst.6 Die Finanzmarktkrise erschütterte dabei nicht 1

Dieser Ansatz stellte den Mainstream für viele internationalen Institutionen dar. Vgl. bspw. World Bank (2001), S. 2 ff. 2 Vgl. LaPorta (2000), S. 4 f. 3 Vgl. Megginson (2005), S. 1336 ff. 4 Vgl. bspw. Farabullini (2001), 9 f. und Fiorentino (2009), S. 4 ff. 5 Exemplarisch hierfür ist die Pleite der Bank Lehman Brothers zu nennen. Ihr Konkurs setzte eine Kettenreaktion auf dem Interbankenmarkt in Gang und führte weltweit bei mehreren Großbanken zu erheblichen Finanzierungs- und Liquiditätsproblemen. Vgl. Gambacorta/Mistrulli (2011), S. 8 ff. 6 In Deutschland galten beispielsweise Sparkassen und Genossenschaftsbanken als fast unbetroffen von der Krise. Vgl. Gropp et al. (2012), S. 1.

20

I.

EINLEITUNG

nur die Weltwirtschaft, sie stellte auch die dominierende liberale Orthodoxie infrage. Wissenschaftler, Politiker und Bankenvereine forderten angesichts der großen Instabilität auf den Finanzmärkten, den internationalen Regulierungsrahmen sowie die Rolle des Staates im Finanzsektor zu überdenken.7 Die Finanzkrise hatte die enormen Risiken aus den exzessiven Gewinnerzielungsabsichten verdeutlicht und dadurch eine breitere Diskussion über geltende Wachstumskonzepte in Gang gesetzt. Von mehreren Wissenschaftlern wurde das undifferenzierte Wachstum als Maßstab für den sozialen Fortschritt einer Gesellschaft nun infrage gestellt.8 Diese Wandlung führte zu einer Neuinterpretation der Funktion der Finanzmärkte, welche nicht mehr nur als Instrument zur Wachstumsförderung, sondern auch als Instrument für die Beteiligung der Bevölkerung am Wirtschaftsleben betrachtet wurden.9 Während vor der Finanzkrise der Erfolg eines Finanzmarktes in erster Linie an seiner Rentabilität und Wettbewerbsfähigkeit gemessen wurde, gewannen in den letzten Jahren Begriffe wie Stabilität und Vielfalt zunehmend an Aktualität und Bedeutung. Die vorliegende Arbeit folgt diesem Ansatz und beschäftigt sich mit der Thematik des Stakeholder-Banking aus heutiger Sicht. Insbesondere vor dem Hintergrund der dramatischen Ereignisse der Finanzkrise und der Neuinterpretation der Rolle von Finanzmärkten ist es aktuell wichtig, die Ansprüche der verschiedenen Stakeholder-Gruppen an das Bankgeschäft sowie deren Erfüllung genauer zu betrachten. Innerhalb der neueren Literatur über das Bankwesen wurde diesbezüglich eine Unterscheidung zwischen Shareholder- und Stakeholder-Banken eingeführt, welche sich auf die unterschiedliche Zielstellung des Bankgeschäftes bezieht. Laut dieser Definition ist bei Shareholder-Banken die Gewinnerzielung das Hauptziel ihrer Geschäftstätigkeit, bei Stakeholder-Banken die Erfüllung der Interessen ihrer verschiedenen Stakeholder.10 Aufgrund der Aktualität dieser Thematik befindet sich die Forschung hierzu in einer ständigen Fortentwicklung.11 Obwohl der Stakeholder-Ansatz erst in den letzten Jahren entwickelt wurde, existieren viele Ge7

Körner/Schnabel (2011) bestreiten beispielsweise die Schlussfolgerungen aus LaPorta et al. (2002) über die negative Verbindung zwischen Wirtschaftswachstum und dem staatlichen Anteil am Finanzsektor. Durch ihre Studie beweisen sie dagegen eine positive Korrelation für entwickelte Länder. Vgl. Körner/Schnabel (2011), S. 434 f. 8 Der Nobelpreisträger Armatya Sen kritisiert seit mehreren Jahren den Wachstumsansatz und ist der Befürworter des „Freedom approach“. Demzufolge wird der Fortschritt einer Gesellschaft nicht mehr anhand ihres ökonomischen Wohlstandes bewertet, sondern anhand der Chancen und Freiheiten ihrer Individuen. Vgl. Sen (1999), S. 3 ff. 9 Die veränderte Rolle der Finanzmärkte betraf weltweit führende Finanzorganisationen wie den Internationalen Währungsfond und die Weltbank. Letztere veröffentlichte im Jahr 2008 das Buch „Finance for All?“, welches das Ausmaß der Problematik der finanziellen Eingliederung in armen und in reichen Ländern hervorhebt. Vgl. World Bank (2008), S. 4 ff. 10 Diese Unterscheidung wurde von Christen et al. (2007) eingeführt. Vgl. Christen et al. (2007), S. 2 und Ferri (2010), S. 38 f. 11 Vgl. bspw. Alexopoulos/Goglio (2013) und Ferri et al. (2012).

I.

EINLEITUNG

21

meinsamkeiten zu den Untersuchungen der verschiedenen Geschäftsmodelle von Banken und ihrer Eigentümerstruktur aus dem vergangenen Jahrhundert. Im Bereich öffentlicher Banken wurden beispielsweise mehrere Studien veröffentlicht, welche sich aus theoretischer Sicht mit der Rechtfertigung ihrer Existenz beschäftigen oder ihr Geschäftsmodell empirisch untersuchen.12 Dies gilt innerhalb der deutschsprachigen Literatur insbesondere für Sparkassen, deren öffentlicher Auftrag durch mehrere Beiträge analysiert wird.13 Die vorliegende Arbeit interpretiert die Funktion öffentlicher Banken unter Stakeholder-Perspektive neu und verbindet somit den Stakeholder-Ansatz mit der existierenden Literatur über öffentliche Banken.14 Aufgrund ihrer historischen Rolle und ihrer gemeinsamen Wurzeln auf internationalem Niveau sind öffentliche Sparkassen ideal für eine Untersuchung von öffentlichen Banken, da sie eine Erweiterung der nationalen Perspektive auf andere europäische Länder ermöglichen.15 Außerdem haben Sparkassen ab den 90er Jahren in mehreren Ländern eine Umwandlung in gewinnorientierte Banken erlebt, was zulässt, die Auswirkungen der Privatisierung für die StakeholderAnsprüche zu betrachten. Das Ziel dieser Arbeit ist es, die heutige Rolle von Stakeholder-Banken, und hier insbesondere von öffentlichen Sparkassen, durch eine theoretische und empirische Untersuchung am Beispiel des deutschen und des italienischen Bankenmarktes darzustellen. Daraus lassen sich zwei zentrale Untersuchungsbereiche ableiten: Der erste bezieht sich auf die soziale Rolle der Stakeholder-Banken und enthält folgende Fragen:

12



Welche theoretischen Ansätze können die Existenz von öffentlichen Banken rechtfertigen und ihre Besonderheiten erklären?



Wie können Sparkassen und die Regelung ihrer Gemeinwohlorientierung unter einer Stakeholder-Perspektive neu interpretiert werden?



Wie unterscheidet sich der soziale Auftrag italienischer Bankstiftungen, welcher sich auf die Trennung zwischen Bankgeschäft und sozialen Aufgaben stützt, von dem öffentlichen Auftrag deutscher Sparkassen bezüglich der Stakeholder-Ansprüche? Ermöglicht das öffentliche Bankeigentum und die damit verbundene öffentliche Regelung der Ausübung des Bankgeschäftes eine bessere Erfüllung der Gemeinnützigkeit?

Vgl. bspw. Stiglitz et al. (1993), S. 1 ff., Gerschenkron (1965), S. 20 ff. und Barros/Modesto (1999), S. 869 ff. Vgl. bspw. Menkhoff (1997), S. 549 ff. und Brümmerhoff/Lehmann (2000), S. 131 ff. 14 Im Rahmen ihrer theoretischer Studie verwenden Brämer et al. (2010) für deutsche Sparkassen einen ähnlichen Ansatz. Vgl. Brämer et al. (2010), S. 311 ff. 15 Vgl. Revell (1989), S. 1 ff. 13

22



I.

EINLEITUNG

Wie werden die vergleichbaren Ansprüche von dem Förderungsauftrag der Kreditgenossenschaften berücksichtigt?

Der zweite Bereich bezieht sich auf eine qualitative und quantitative Analyse der Leistung von Stakeholder-Banken und beschäftigt sich mit folgenden Fragen: •

Unterscheidet sich die Leistung von Stakeholder-Banken (Sparkassen und Kreditgenossenschaften) von der Leistung der Shareholder-Banken (Privatbanken) in Bezug auf die Erfüllung der verschiedenen StakeholderAnsprüche?



Welche Auswirkungen haben Privatisierungsprozesse auf die Befriedigung der Stakeholder-Ansprüche?



Inwiefern beeinflusst eine Stakeholder-Orientierung die Preispolitik dieser Banken und führt zu einer Abweichung ihrer Zinssätze von denen der Shareholder-Banken? Unter welchen Bedingungen reduziert eine StakeholderOrientierung die Intermediationskosten des Bankgeschäftes und trägt dadurch zur Steigerung der sozialen Wohlfahrt bei?

1.2 Aufbau – Gang der Untersuchung Forschungsbedarf zum Thema Stakeholder-Banking besteht insbesondere im Bereich der empirischen Analyse. Mit der vorliegenden Arbeit finden die bisherigen Untersuchungen hierzu eine Erweiterung - sowohl unter theoretischen als auch empirischen Gesichtspunkten. Als Ausgangspunkt enthält das Kapitel 2 eine einführende und vergleichende Analyse des deutschen und des italienischen Bankenmarktes, welche in der Arbeit den empirischen Untersuchungsgegenstand darstellen. Für jeden dieser beiden Märkte besteht die Analyse aus zwei Teilen: Der historische Teil fasst die historischen Entwicklungen zusammen und erklärt die wichtigsten Reformen sowie ihre Folgen für das Bankensystem. Im strukturell-analytischen Teil wird, basierend auf dem Vergleich von Bilanzdaten und Ertragszusammensetzung, eine Analyse der heutigen Struktur und der verschiedenen Akteure in beiden Märkten vorgenommen. Dieses Kapitel dient der Darstellung notwendiger Grundlagen über die wichtigsten Merkmale des italienischen und des deutschen Bankenmarktes. Ab Kapitel 3 wird nicht mehr der gesamte Markt betrachtet, sondern erfolgt eine Einschränkung der Analyse auf öffentliche Banken. Es werden die verschiedenen Erklärungsansätze aus der Literatur vorgestellt, die gleichzeitig die Existenz von öffentlichen Banken rechtfertigen. Die jeweils den öffentlichen Banken zugeord-

I.

EINLEITUNG

23

neten Funktionen sowie der Bezug zur ökonomischen Theorie werden herausgearbeitet, auf ökonomische Begriffe und Modelle wird verwiesen und der zugehörige theoretische Hintergrund geschildert. Das Kapitel schließt mit einer komparativen Analyse der verschiedenen Ansätze durch eine Gegenüberstellung ihrer zentralen Aussagen. Kapitel 4 widmet sich dem Stakeholder-Ansatz und verbindet diesen mit den Erklärungsansätzen aus Kapitel 3. Die verschiedenen Funktionen werden in Bezug auf die verschiedenen Stakeholder neu interpretiert, der allgemeine Begriff der Gemeinnützigkeit wird in Verbindung mit den Stakeholder-Ansprüchen konkretisiert. Um eine detaillierte Analyse zu ermöglichen, wird der Untersuchungsgegenstand auf öffentliche Sparkassen und deren Regulierung eingeschränkt. In 4.1 erfolgt zunächst eine länderübergreifende Definition von Sparkassen und eine Begründung ihrer Einordnung als Stakeholder-Banken. Daran schließen sich Ausführungen zum öffentlichen Auftrag für deutsche und zum sozialen Auftrag für italienische Sparkassen an. Obwohl in beiden Fällen die Gemeinnützigkeit und eine Gemeinwohlorientierung im Mittelpunkt stehen, unterscheiden sich diese im Hinblick auf die Umsetzung dieses Auftrages. Während beim öffentlichen Auftrag die Ausübung des Bankgeschäftes als Instrument zur Erfüllung der Gemeinnützigkeit betrachtet wird,16 ist beim sozialen Auftrag eine starke Trennung zwischen Bankgeschäft und Umsetzung des sozialen Auftrages vorhanden. Letztere wird nicht mehr durch die Ausübung des Bankgeschäftes umgesetzt, sondern durch eine gemeinwohlorientierte Investitionstätigkeit von Bankenstiftungen.17 Aufgrund dieses grundlegenden Unterschiedes eignet sich der Vergleich ihrer Regelung für die Beantwortung der Frage, ob ein gesetzlich reguliertes Bankgeschäft durch öffentliche Banken eine bessere Bedienung der Gemeinnützigkeit ermöglicht. Für beide Länder werden zunächst die historische Entwicklung der Aufgaben von Sparkassen sowie ihre heutige gesetzliche Regulierung erläutert, anschließend erfolgt eine Darstellung und Bewertung des öffentlichen und des sozialen Auftrages unter Stakeholder-Perspektive. Um die Bewertung zu vervollständigen, wird mit dem gleichen Verfahren eine weitere Kategorie von Stakeholder-Banken analysiert: die Kreditgenossenschaften. Diese haben keine externe gesetzliche Verpflichtung, somit bezieht sich die Analyse auf den Zusammenhang zwischen den Elementen des Förderungsauftrags und der Erfüllung der Gemeinnützigkeit.18 Das darauffolgende Kapitel 5 führt in die empirische Analyse ein. Die Rolle öffentlicher Banken wird hier unter Stakeholder-Perspektive deskriptiv untersucht. Dabei dienen die Schlussfolgerungen aus Kapitel 3 und 4 als Ausgangspunkt für 16 17 18

Vgl. Dehe (1982), S. 211 f. Vgl. Zagrebelski (2011), S. 233 Die Gemeinnützigkeit ist innerhalb des Förderungsauftrages zulässig, aber nicht zwingend. Vgl. Dagott (2003), S. 52.

24

I.

EINLEITUNG

eine empirische Überprüfung ihrer Operationalisierung innerhalb des deutschen und des italienischen Bankenmarktes. Für einzelne Stakeholder werden deskriptive Kennzahlen entwickelt, welche die Erfüllung der verschiedenen Ansprüche quantifizieren und dadurch einen Vergleich der Leistung von Stakeholder- und von Shareholder-Banken ermöglichen. Für den deutschen Bankenmarkt wird die Analyse auf Gruppenebene durchgeführt; die berechneten Kennzahlen von Privatbanken, Kreditgenossenschaften und Sparkassen werden miteinander verglichen. Das heißt, es wird nicht das Verhalten einer einzelnen Bank, sondern die Leistung jeder Gruppe in ihrer Gesamtheit bewertet. Vom italienischen Bankenmarkt waren nach dem Privatisierungsprozess ab den 90er Jahren öffentliche Banken und Sparkassen nahezu verschwunden, die Bedeutung von Kreditgenossenschaften nahm ebenfalls deutlich ab. Aus diesem Grund eignet sich für italienische Banken die Gruppenanalyse nicht, hier bietet sich vielmehr eine Analyse der historischen und aktuellen Entwicklungen an. Um den Einfluss der Privatisierung hervorzuheben, wird der betrachtete Zeitraum in drei Perioden aufgeteilt: Die Periode vor der Privatisierung, die Periode während der Privatisierung und die Periode nach der Privatisierung. Mit dem Vergleich der für den gesamten Bankenmarkt berechneten Kennzahlen dieser Perioden sollen die Auswirkungen der Privatisierung und der damit verbundenen Trennung zwischen Bankgeschäft und Gemeinnützigkeit auf die Befriedigung der Stakeholder-Ansprüche analysiert werden. Gegenstand von Kapitel 6 ist der Einfluss der Stakeholder-Orientierung auf die Zinsmarge, welche als Maßstab für die Schätzung der Preispolitik der Banken verwendet wird. Während sich die vorigen Kapitel 3 bis 5 auf die verschiedenen Stakeholder beziehen und die Leistung der Banken aus Stakeholder-Sicht betrachten, erfolgt die Analyse im Kapitel 6 aus Perspektive des Bankmanagements. Hierfür wird ein mikroökonomischer Ansatz verwendet. Es soll untersucht werden, wie eine Stakeholder-Orientierung auf die Preispolitik einer Bank wirkt und wie sich dieser Einfluss auf die Zinsmarge auswirkt. Die Ansprüche des Stakeholders „Kundschaft“ konzentrieren sich auf möglichst günstige Konditionen für Kreditund Einlagenprodukte, wobei die übrigen Stakeholder und deren Ansprüche an dieser Stelle unberücksichtigt bleiben. Im Unterschied zum Kapitel 5 besteht die Analyse hier aus einem modelltheoretischen und einem empirischen Teil. Zunächst wird ein theoretisches Modell für die Bestimmung der optimalen Zinsmarge einer Bank in Abhängigkeit ihrer Nutzenfunktion entwickelt, welche wiederum von der Shareholder- oder Stakeholder-Orientierung abhängt. Während für Shareholder-Banken ausschließlich die Gewinnmaximierung im Vordergrund steht, wird der Nutzen einer Stakeholder-Bank ebenfalls von einer sozialen Komponente beeinflusst, welche die Erfüllung der Ansprüche der Kundschaft berücksichtigt. Basierend auf der Modellösung für Stakeholder-Banken wird folglich der Einfluss der sozialen Komponente unter Einsatz der komparativen Statik näher untersucht,

I.

EINLEITUNG

25

indem die Voraussetzungen für eine reduzierende Wirkung derselben auf die Zinsmarge hergeleitet und interpretiert werden. Die Ergebnisse aus dem theoretischen Modell werden im zweiten Abschnitt von Kapitel 6 empirisch untersucht. Auf der Grundlage individueller Bilanz- und GuVDaten deutscher und italienischer Banken aus der Bankscope-Datenbank wird für jede Variable aus dem theoretischen Modell ein empirisches Äquivalent gebildet und es wird sein erwarteter Einfluss sowie sein ökonomischer Hintergrund ausführlich erläutert. Im Anschluss daran werden sechs verschiedene Hypothesen aufgestellt, welche im Rahmen verschiedener Untersuchungen getestet werden; hierbei erfolgt im Unterschied zu Kapitel 5 keine getrennte Analyse auf nationaler Ebene.19 Die erste Untersuchung führt eine gruppengetrennte Schätzung der Zinsmarge durch und vergleicht die Ausprägung der Bestimmungsfaktoren von Stakeholder- und Shareholder-Banken. Bei der zweiten Untersuchung stehen die empirische Ausprägung der sozialen Komponente auf die Zinsmarge und ihre Abhängigkeit von externen Rahmenbedingungen im Fokus. Hierbei wird getestet, inwieweit und unter welchen Bedingungen eine Stakeholder-Orientierung die Zinsmarge reduziert. Letztendlich befasst sich die letzte Untersuchung mit der Überprüfung der modelltheoretischen Ergebnisse und mit vertiefenden Fragestellungen über spezifische Aspekte des Stakeholder-Banking. Die Arbeit schließt im Kapitel 7 mit einer Zusammenfassung der wichtigsten Forschungsergebnisse. Auf deren Grundlage werden mögliche Handlungsempfehlungen erarbeitet und der zukünftige Forschungsbedarf in diesem Bereich aufgezeigt. Die Abbildung 1.1 illustriert den Aufbau der Arbeit durch die Wiedergabe der wichtigsten Gliederungspunkte.

19

Beim Aufbau der Datenbasis für die Schätzung der Zinsmarge werden deutsche und italienische Banken in einem gemeinsamen Pool zusammengeführt.

26

I.

EINLEITUNG

1. Einleitung • •

Problemstellung und Motivation Aufbau – Gang der Untersuchung 2. Das deutsche und das italienische Bankensystem

• • •

Der deutsche und der italienische Finanzmarkt im Vergleich Der deutsche Bankenmarkt Der italienische Bankenmarkt 3. Theoretische Ansätze zur Rechtfertigung von öffentlichen Banken

• • • • •

Der „Social View“ Der „Development View“ Der „Macroeconomic View“ Der „Political View“ Der „Agency View“

4. Die Regelung der gemeinwohlorientierten Funktion bei deutschen und italienischen Sparkassen: Ein Vergleich des öffentlichen mit dem sozialen Auftrag • Sparkassen als Stakeholder Banks • Der öffentliche Auftrag der deutschen Sparkassen • Der soziale Auftrag innerhalb des italienischen Stiftungsmodells 5. Bankwirtschaftliche Kennzahlenanalyse im deutschen und italienischen Bankenmarkt • •

Gruppenanalyse des deutschen Bankenmarktes Analyse der historischen und aktuellen Entwicklungen des italienischen Bankenmarktes

• •

6. Der Einfluss der Stakeholder-Orientierung auf die Zinsmarge deutscher und italienischer Banken Theoretische Modellierung Empirische Untersuchung 7. Zusammenfassung und Ausblick

• •

Zusammenfassung und zentrale Ergebnisse Forschungsausblick Abbildung I.1 – Gliederung und Struktur der Arbeit

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

27

II. Das deutsche und das italienische Bankensystem 2.1 Einführung Der europäische Kapitalmarkt erlebte in den vergangenen Jahrzehnten eine starke Umstrukturierung infolge des technologischen Wandels und härterer Wettbewerbsverhältnisse; im Ergebnis führte dies zu einem ausgeprägten Konsolidierungsprozess im Bankensektor.20 Von dieser Entwicklung waren jedoch nicht alle europäischen Länder gleichermaßen betroffen – bis heute bestehen zum Teil beträchtliche Unterschiede zwischen den Bankensystemen der Mitgliedsländer, trotz Zugehörigkeit zu einem gemeinsamen europäischen Bankenmarkt.21 Im vorliegenden Kapitel werden einleitend zunächst die historischen Entwicklungen kurz beschrieben sowie die Struktur des derzeitigen deutschen und italienischen Bankensystems. Dies ermöglicht einen ersten Vergleich von Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen beiden Ländern. Im weiteren Verlauf erfolgt die Fokussierung auf die Forschungsfrage – sowohl theoretisch als auch empirisch. Insbesondere in Bezug auf die Kennzahlenanalyse (Kapitel 5) und die empirische Untersuchung der Zinsmarge (Kapitel 6.2) liefern die Ergebnisse dieses Abschnitts die notwendigen Erklärungen zur Begründung der Untersuchungsmethodik. Der Abschnitt 2.2 beschäftigt sich mit einem Vergleich auf nationaler Ebene. Hier werden verschiedene Finanzmarktkennzahlen und die Bilanzstruktur deutscher und italienischer Banken in ihrer Gesamtheit untersucht. In 2.3 und 2.4 wird die nationale Ebene verlassen und werden die historischen und strukturellen Merkmale beider Bankenmärkte analysiert. Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung der wichtigsten Erkenntnisse aus diesem Vergleich.

2.2 Der deutsche und der italienische Finanzmarkt im Vergleich Eine Beschreibung der Struktur beider Finanzmärkte erfolgt zunächst über den Vergleich verschiedener Kennzahlen zur Rolle der Finanzmärkte aus Sicht der Haushalte und aus Sicht der Unternehmen in beiden Ländern und in der EuroZone. Die hierfür herangezogenen Daten stammen aus einer Studie der ECB und 20 21

Vgl. Hummel (2001), S. 82 f. Eine ausführliche Darstellung der unterschiedlichen Entwicklungen innerhalb der Euro-Zone ist in ECB (2002) zu finden. Vgl. ECB (2002), S. 13 ff.

28

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

behandeln verschiedene Aspekte der Finanzintermediation.22 In einem nächsten Schritt werden deutsche und italienische Finanzinstitute in Auswertung ihrer Bilanz- und Ertragszusammensetzung näher betrachtet. Die erste Kategorie von Kennzahlen betrifft die Summe der durch den Finanzmarkt vermittelten Aktiva und Passiva im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt. In Bezug auf die Aktiva unterscheidet sich das Ausmaß der vermittelten und nicht vermittelten Aktiva für die Euro-Zone von denen in Deutschland kaum. Der italienische Finanzmarkt stellt dagegen eine Ausnahme dar, weil das Ausmaß der vermittelten Aktiva im Vergleich zu den nicht vermittelten Aktiva deutlich geringer ausfällt. Diese geringe Rolle der Finanzmärkte in Italien wird von Kennzahlen über die Passiva ebenfalls bestätigt; bei denen fällt der Abstand sogar noch größer aus, insbesondere bei den Unternehmen.23 Diese refinanzieren sich deutlich weniger über den Finanzmarkt als über alternative Wege; das trifft ebenso auf die Euro-Zone zu. Auffällig ist dagegen für Deutschland die Ähnlichkeit zwischen dem Ausmaß der nicht vermittelten und der vermittelten Passiva, sowohl in ihrer Gesamtheit als auch in Bezug auf Unternehmen und Haushalte. Damit ergibt sich für Deutschland das Bild einer starken Finanzintermediation für Investitions- und auch Refinanzierungszwecke.24 Die Finanzintermediation für italienische Haushalte und Unternehmen fällt dagegen deutlich geringer aus. In der Euro-Zone insgesamt ist die Rolle der Intermediäre für Investitionszwecke als stärker einzustufen; gleichzeitig gibt es eine deutlich größere Desintermediation für die Beschaffung von Refinanzierungsmitteln. Die zweite Kategorie von Kennzahlen fokussiert auf die vermittelten Aktiva und betrachtet die Funktion der Finanzmärkte für Haushalte und Unternehmen. Die Nettoposition im Verhältnis zum BIP ist positiv für alle Haushalte, wobei sie einen deutlich geringeren Wert für Deutschland als für Italien und für die Euro-Zone annimmt. Berücksichtigt man noch dazu den höheren Verschuldungsgrad deutscher Haushalte, weisen beide Werte auf eine stärkere Nutzung des Finanzmarktes durch Haushalte in Deutschland hin – sowohl für Investitions- als auch für Refinanzierungszwecke. Dies ist in Italien deutlich weniger ausgeprägt, hier liegt der Verschuldungsgrad bei 0.23. Bei den Unternehmen dagegen fallen die Unterschiede deutlich geringer aus: In beiden Ländern und in der Euro-Zone verwenden Unternehmen den Finanzmarkt hauptsächlich für Refinanzierungszwecke und weisen damit eine negative Nettoposition auf. Die Gegenüberstellung der Nettoposition von Haushalten und Unternehmen verdeutlicht die Rolle der Finanzmärkte als 22 23 24

Vgl. ECB (2002), S. 7 ff. Man bezieht sich hierbei auf Unternehmen ohne Berücksichtigung von monetären Finanzinstituten. Die zentrale Rolle der deutschen Finanzintermediäre für die Befriedigung aller Finanzbedürfnisse wird in der Literatur oft unter dem Begriff „Hausbank“ untersucht. Vgl. dazu Elsas/Krahnen (2004), S. 197 ff.

II.

29

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

Vermittler zwischen dem Geldangebot von Haushalten und der Geldnachfrage von Unternehmen.25 Tabelle II.1 – Finanzmarktkennzahlen – Aufteilung in Haushalte und Unternehmen

Gesamtwirtschaft EuroDE Zone Nicht vermittelte Aktiva* Vermittelte Aktiva* Nicht vermittelte Passiva* Vermittelte Passiva* Netto Finanzaktiva* Verschuldungsgrad Kurzfristige Finanzierung / Gesamtfinanzierung Außenfinanzierung / Innenfinanzierung

1.69 1.75

IT

Haushalte EuroZone

DE

IT

Unternehmen (Nicht MFI) EuroDE IT Zone

2.4

0.74

0.46

1.08

0.83 0.59 0.62

1.62 1.96 1.27

1.34

1.18

0.96

0.2 0.18 0.11

2.18 1.95 2.82 1.32 1.81 0.95

1.6 0.85 1.05 0.51

0.73

0.23

0.66 0.62 0.55

2.12

1.06

2.02

-1.1

0.41

0.73

0.23

0.66 0.56

0.09

0.08

n.a.

0.36 0.29 0.58

0.41

0.28

0.16

1.34 1.31 0.51

0.66 0.87

* Angabe als Verhältnis zum jeweiligen Bruttoinlandprodukt MFI entspricht den monetären Finanzinstituten

Quelle: ECB (2002), S. 326 ff.26

Die beiden letzten Kennzahlen widmen sich den Eigenschaften der in Anspruch genommenen Finanzierungen. Die erste Kennzahl untersucht die Frist der Finan25

26

Die Rolle der Finanzinstitute als effiziente Vermittler zwischen Kapitalgebern und Kapitalnehmern stellt einen der berühmtesten Erklärungsansätze für die Existenz von Finanzintermediären dar. Dieser begründet die Existenz von Finanzintermediären durch die Verringerung der Transaktionskosten aus der niedrigeren Anzahl von Vertragsbeziehungen. Vgl. Hartmann-Wendels et al. (2007), S. 112 ff. Seit dem Jahr 2002 hat die Europäische Zentralbank keinen neuen Bericht über die Finanzierungsstruktur in Europa veröffentlicht. Aus diesem Grund werden die Werte aus dem Jahr 2002 verwendet. Ein Vergleich der beschriebenen Struktur mit älteren Studien zeigt diesbezüglich, dass sich grundlegende Merkmale der Finanzierungsstruktur langsam über die Zeit entwickeln. Vgl. bspw. Demirgüc-Kunt/Levine (1999), S. 14 ff.

30

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

zierung, indem der Anteil der kurzfristigen Finanzierung an der Gesamtfinanzierung berechnet wird. Innerhalb der Euro-Zone besteht die Unternehmensfinanzierung zu 38 % aus kurzfristigen Produkten, wogegen der Wert für Deutschland bei 29 % und für Italien bei 51 % liegt. Demnach bevorzugen italienische Unternehmen eine kurzfristige Finanzierung, deutschen Unternehmen werden von den Finanzinstituten hauptsächlich mittel- und langfristige Finanzierungen gewährt. In Bezug auf die Haushalte in Italien liegen diese Daten leider nicht vor. Die Werte für die Euro-Zone und für Deutschland fallen sehr niedrig aus und liegen zwischen 8 % und 9 %. Dementsprechend besteht die Haushaltfinanzierung fast vollständig aus mittel- und langfristigen Krediten, kurzfristige Kredite spielen kaum eine Rolle.27 Die zweite Kennzahl drückt das Verhältnis zwischen Außen- und Innenfinanzierung aus. Bei den Unternehmen in Deutschland und der Euro-Zone sind die Werte dieser Kennzahl ähnlich ausgeprägt und weisen auf eine dominante Rolle der Außenfinanzierung hin. In Italien dagegen ist die Innenfinanzierung stärker vertreten, sodass erneut die niedrigere Inanspruchnahme von Finanzintermediären bestätigt wird. Diese Tatsache, zusammen mit der Dominanz von kurzfristigen Finanzierungen, verdeutlicht die residuale Rolle von Finanzintermediären bei der Deckung des langfristigen Finanzierungsbedarfs für italienische Unternehmen.28 Bei Haushalten sind die Unterschiede deutlich kleiner, und die Kennzahl verweist auf eine eindeutige Dominanz der Innenfinanzierung in beiden Ländern und in der EuroZone. Während die bisher vorgestellten Kennzahlen die Rolle der Finanzintermediation für Haushalte und Unternehmen untersuchen, stehen nachfolgend die Bilanzstruktur von Finanzintermediären sowie die Zusammensetzung ihrer Erträge im Fokus. Die prozentuale Aufteilung der Aktiva und Passiva wird in der Tabelle 2.2 angegeben. Die Abbildung 2.1 enthält die prozentuale Aufteilung zwischen zins- und nicht zinsbezogenen Erträgen sowie die relative Gewichtung der operativen Aufwendungen und des Nettoergebnisses vor Rücklagen.29 Fast die Hälfte der Aktiva deutscher Banken besteht aus Krediten an Nichtbanken, wohingegen der Anteil von Krediten an Banken 20 % und von Wertpapieren 20 % beträgt. Dies bestätigt die zentrale Rolle der Banken für die Finanzierung der deutschen Wirtschaft, welche hauptsächlich durch langfristige Kredite erfolgt.30 Kredite an Nichtbanken stellen auch bei den italienischen Banken mit 43 % den Hauptanteil dar, wobei

27

Vgl. ECB (2002), S. 74 f. Vgl. ECB (2002), S. 187 ff. Die Werte werden im Verhältnis zur Summe aus zins- und nicht zinsbezogenen Nettoerträgen berechnet. 30 Vgl. Brunner et al. (2004), S. 7 f. 28 29

II.

31

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

diese vermehrt aus kurzfristigen Krediten bestehen.31 Der Anteil von Wertpapieren liegt hingegen nur bei 10 %. Sonstige Aktivpositionen, darunter Beteiligungen und Derivate, haben mit 29 % der Aktiva einen deutlich höheren Stellenwert. Vergleicht man die Zusammensetzung der Passiva, werden größere Unterschiede zwischen beiden Ländern deutlich: Während die Hälfte der Passiva von deutschen Banken aus Einlagen von Nichtbanken besteht, beträgt ihr Anteil in Italien lediglich 29 %. Dieser Unterschied wird durch eine stärkere Verwendung von Schuldverschreibungen und sonstigen Passivapositionen kompensiert. Deutsche Banken verwenden für ihre Refinanzierung häufiger den Interbankenmarkt als italienische Banken; letztendlich ist in Italien der Anteil an Kapital und Rücklagen deutlich höher als in Deutschland. Tabelle II.2 – Bilanzzusammensetzung der monetären Finanzinstitute in Deutschland und Italien

AKTIVA Deutschland Kassenbestand und Guthaben bei Zentralnotenbanken Kredite an Banken Kredite an Nichtbanken Wertpapiere Sonstige Aktivpositionen PASSIVA Kapital und Rücklagen Kredite von Zentralnotenbanken Einlagen von Banken Einlagen von Nichtbanken Schuldverschreibungen Sonstige Passivpositionen

Italien

1.71 20.31 47.58 26.20 4.20

1.25 15.61 43.36 10.47 29.31

Deutschland 4.97 2.26 22.18 48.67 15.26 6.66

Italien 8.28 0.83 15.69 29.12 23.56 22.50

Alle Werte werden als Prozentsatz der Bilanzsumme angegeben

Quelle: Eigene Berechnung basierend auf der OECD Bank Profitability Database

Die gemeinsame Betrachtung der Aktiva und Passiva deutscher Banken hebt die zentrale Rolle des Kredit- und Einlagengeschäftes mit Nichtbanken hervor. Die Verfügbarkeit einer großen Einlagenbasis ermöglicht ein stabiles Kreditangebot in Deutschland, was sich auch während der letzten Finanzkrise bewiesen hat.32 Die 31 32

Ebda. Vgl. IMF (2011b), S. 14.

32

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

Zentralität des Zinsgeschäftes spiegelt sich in der Ertragslage wider, wie Abbildung 2.1 verdeutlicht. Der Überschuss aus dem Zinsgeschäft stellt mit einem Anteil von 80 % die wichtigste Ertragsquelle dar, wogegen der Anteil aus den nicht zinsbezogenen Geschäften nur 20 % der Nettoerträge beträgt. Trotz eines relativen Gewichtsverlustes in den letzten Jahren zugunsten von Provisions- und Kommissionserträgen sind Zinserträge heutzutage fundamental für die Ertragserzielung.33 Die Umschichtung der Bankerträge von den klassischen zinsbezogenen zu mehr kapitalmarktorientierten Geschäften erfolgte in Italien deutlich ausgeprägter. 34 Der Anteil der nicht zinsbezogenen Erträge beträgt 36 %, sodass weniger als zwei Drittel der Nettoerträge aus Zinsgeschäften resultiert. Dies bestätigt die im Vergleich zu Deutschland niedrigere Rolle des klassischen Bankgeschäftes und ihren Ersatz durch alternative Finanzprodukte.35 Der zweite Teil der Abbildung gibt an, welcher Anteil der Nettoerträge für die Deckung von operativen Aufwendungen verwendet wird, der übrige Anteil stellt das Nettoergebnis vor Rückstellungen und Steuern dar. Hierin unterscheiden sich beide Länder deutlich voneinander, wobei die operativen Kosten von deutschen Banken deutlich höher als die der italienischen Banken ausfallen. Der Abstand von 12 Prozentpunkten deutet darauf hin, dass deutsche Banken kaum in der Lage waren, ihre operativen Kosten zu reduzieren und ihre Ertragskraft zu erhöhen.36 Als Folge dieses höheren Kostenanteils ergibt sich ein deutlich niedrigeres Nettoergebnis vor Rückstellungen und Steuern in Deutschland (24 %) als in Italien (37 %). Innerhalb der Literatur wird die niedrige Rentabilität der deutschen Banken dadurch begründet, dass das klassische Bankgeschäft kostenintensiver ist als das nicht zinsbezogene Geschäft und deswegen nur eine niedrigere Gewinnmarge ermöglicht.37 Zusammenfassend zeigt die untere Darstellung für beide Länder die Rolle der Finanzmärkte als Vermittler zwischen dem Geldangebot von Haushalten und der Geldnachfrage von Unternehmen. Es bestehen allerdings einige Unterschiede zwischen Deutschland und Italien in Bezug auf die Rolle der Finanzintermediation und auf die Geschäftsausrichtung der monetären Finanzinstitute. Insgesamt fällt der Grad der Finanzintermediation in Italien deutlich niedriger aus als in Deutschland. Italienische Unternehmen und Haushalte refinanzieren sich hauptsächlich intern ohne Einbezug der Finanzintermediäre. Dagegen ist bei den deutschen Unternehmen die Außenfinanzierung vorherrschend; diese erfolgt hauptsächlich durch langfristige Kredite. Nehmen italienische Haushalte und Unternehmen den33

Vgl. Bauer/Domanski (2009), S. 214. Vgl. Hackethal (2004), S. 89 f. Vgl. IMF (2002), S. 177 ff. 36 Vgl. Brunner et al. (2004), S. 15. 37 Brunner et al. (2004) beweisen in ihrer Untersuchung die positive Beziehung zwischen der Gewinnerzielung der Bank und dem Anteil an nicht zinsbezogenen Geschäften. Vgl. Brunner et al. (2004), S. 16 f. 34 35

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

33

noch die Außenfinanzierung in Anspruch, so in der Regel über kurzfristige Kredite. Aus diesem Grund haben sich italienische Banken sukzessive auf den Verkauf von Kommission- und Provisionsgeschäften fokussiert, was die operativen Kosten reduziert hat und höhere Nettoergebnisse im Vergleich zu deutschen Banken ermöglicht hat.38 Letztere sind dagegen von einer dominanten Rolle des Zinsgeschäftes sowohl bei den Aktiva als auch bei den Passiva geprägt, weswegen ihre Nettoerträge zu 80 % aus Zinserträgen bestehen. Dies hat laut Brunner et al. (2004) hohe operative Kosten zu Folge, welche letztendlich zu einer niedrigen Rentabilität führen.39 Nach dieser länderübergreifenden Analyse erfolgt im nächsten Abschnitt eine kurze, nach Ländern getrennte Darstellung der Struktur und der jüngsten Entwicklungen in den Bankenmärkten.

Abbildung II.1 – Aufteilung der Netto Zins- und nicht zinsbezogenen Bankerträge Quelle: Eigene Berechnung basierend auf der OECD Bank Profitability Database

2.3 Der deutsche Bankenmarkt Im ersten Teil werden die drei Säulen des deutschen Bankensystems hinsichtlich ihrer historischen Entwicklung und ihrer aktuellen Struktur beschrieben. An38 39

Vgl. Brunner et al. (2004), S. 16 f. Ebda.

34

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

schließend werden die Säulen miteinander verglichen und werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede herausgearbeitet. 2.3.1 Die drei Säulen – Entwicklung und heutige Merkmale Das deutsche Bankensystem wird in der Literatur aufgrund ihrer Struktur als DreiSäulensystems bezeichnet, wobei die drei Säulen die Kreditbanken, öffentlichrechtliche Banken und Genossenschaftsbanken sind.40 Obwohl diese fast alle als Universalbanken auftreten, unterscheiden sie sich deutlich in ihren Zielen voneinander.41 Tabelle II.3 – Die Zielstellung innerhalb des Drei-Säulensystems

Säule

Ziel

Kreditbanken

Gewinnmaximierung

Öffentlich-rechtliche Institute

Bedienung des Gemeinwohls durch die Umsetzung des öffentlichen Auftrags Wirtschaftliche Unterstützung der Mitglieder durch die Umsetzung des Förderungsauftrags

Genossenschaftsbanken

Quelle: In enger Anlehnung an Schrooten (2008), S. 510

Wie aus Tabelle 2.3 ersichtlich ist, sind Kreditbanken die einzigen mit einer eindeutigen Gewinnorientierung. Öffentlich-rechtliche Institute verfolgen den öffentlichen Auftrag und Genossenschaftsbanken unterstützen und fördern ihre eigenen Mitglieder.42 Die ersten deutschen Kreditbanken stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts.43 Weil die damals tätigen privaten Bankiers nicht mehr in der Lage waren, den wachsenden Finanzierungsbedarf für industrielle Unternehmen und Infrastrukturprojekte zu versorgen, waren Kreditinstitute mit einer größeren Kapitalbasis notwendig geworden. Während der Finanzkrise der 1930er Jahre führte eine starke Konsolidierung zur Entstehung von drei Großbanken: der Dresdener Bank, der Deutschen Bank und der Commerzbank.44 Obwohl diese nach dem zweiten Welt40

Vgl. Brunner et al. (2004), S. 1. Vgl. Schrooten (2008), S. 510. Vgl. Hackethal (2004), S. 74 ff. Eine ausführliche Darstellung der Inhalte des öffentlichen und des Förderungsauftrags ist Gegenstand des Kapitels 3. 43 Vgl. Tilly (1994), S. 301 f. 44 Vgl. Hackethal (2004), S. 75 f. 41 42

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

35

krieg zunächst aufgelöst wurden, agierten sie ab Ende der 50er Jahre wieder als Hauptakteure auf dem Bankenmarkt. Ab den 90er Jahren kamen die Bayerische Hypo-Vereinsbank (HVB) und die Postbank zu den Großbanken hinzu. Nachdem die italienische Unicredit die HVB übernahm und im Jahr 2009 die Dresdner Bank mit der Commerzbank fusionierte, existierten noch vier Großbanken: Deutsche Bank, Unicredit (HVB), Commerzbank und Postbank.45 Heutzutage befindet sich die Postbank mehrheitlich im Besitz der Deutschen Bank, sodass faktisch nur drei Großbanken existieren. Neben den Großbanken gehören Regionalbanken, Direktbanken, Privatbankier, Auslandsbanken und Realkreditinstitute zu den Kreditbanken.46 Die folgende Abbildung vergleicht die Bilanzsummen und die Zahl der Institute von Großbanken, ausländischen Banken und Regionalbanken auf Basis des Monatsberichtes der Deutschen Bundesbank. 100% 90% 80%

Ausländische   Banken

70%

60% Regionalbanken   und  sonstige   Kreditbanken

50%

40% 30%

Großbanken

20% 10%

0% Bilanzsumme

Anzahl

Abbildung II.2 – Zusammensetzung der Kreditbanken – Anzahl der Institute und Bilanzsumme47 Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, September 2013

Mit nur vier Instituten dominieren die Großbanken die Säule der Bilanzsumme (> 60 % der gesamten Bilanzsumme). Die Anzahl von Regionalbanken (163) und ausländischen Banken (108) ist dagegen groß. Trotz der großen Anzahl beträgt der Anteil ausländischer Banken an der Bilanzsumme weniger als 10 %.

45 46 47

Vgl. Eilenberger (2012), S. 113 ff. Vgl. IMF (2011b), S. 4. Die Klassifizierung bezieht sich auf die sektorale Untergliederung der Deutschen Bundesbank, wobei innerhalb der Abbildung die Kategorie „Zweigstellen ausländischer Banken“ durch die Bezeichnung „Auslandsbanken“ ersetzt wird.

36

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

Zur Säule der öffentlich-rechtlichen Banken gehören Sparkassen und Landesbanken. Seit ihrer Gründung im Jahr 1801 in Göttingen verbreiteten sich öffentliche Sparkassen in allen deutschen Ländern und ihre Zahl stieg bis zum Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts stetig.48 Gemäß ihrer seit Gründung gültigen Satzung stellen sie als kommunale Einrichtungen gemeinnützige Institute dar und haben einen öffentlichen Auftrag zu erfüllen. Der öffentliche Auftrag und seine Bestandteile werden in Kapitel 4 ausführlich behandelt; beispielhaft werden an dieser Stelle lediglich die Förderung des Sparsinns und der Vermögensbildung sowie die Finanzierung von öffentlichen Aufgaben genannt.49 Sparkassen sind darüber hinaus dem Regional- und dem Enumerationsprinzip unterstellt. Das Regionalprinzip sieht eine Einschränkung des Geschäftsgebietes jeder Sparkasse für das Aktivgeschäft in der Region ihres kommunalen Trägers vor und schließt damit den Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Sparkassen aus.50 Das Enumerationsprinzip betrifft inhaltliche Restriktionen und schränkt die Geschäftstätigkeit der Sparkassen auf die im Kreditwesengesetz und im Sparkassenrecht zulässig definierten Geschäfte ein.51 Die kommunale Trägerschaft der Sparkassen war historisch mit der Gewährträgerhaftung und mit der Anstaltslast verbunden. Die Anstaltslast sah eine Verpflichtung für den Träger zur Gewährleistung der Fortführung der Geschäfte der Anstalt und zum Ausgleich der Verluste vor. Dafür musste der Träger das notwendige Kapital und die notwendige Liquidität im Fall von Insolvenzgefahr besorgen.52 Die Gewährträgerhaftung verpflichtete den Träger im Fall einer eingetretenen Insolvenz eines öffentlichen-rechtlichen Instituts, die Ansprüche seiner Gläubiger zu befriedigen. Laut Europäischer Kommission stellten beide Haftungsgarantien einen unberechtigten Wettbewerbsvorteil für Sparkassen gegenüber anderen Banken dar, sie wurden deswegen im Jahr 2005 abgeschafft.53 Sparkassen sind in einer Verbundstruktur organisiert, welche aus drei Ebenen besteht: die Sparkassen stellen die Primärebene, Landesbanken/Girozentralen die Sekundärebene und die Deutsche Girozentrale-Deka Bank die Tertiärebene dar.54 Gemäß des Subsidiaritätsprinzips übernehmen die Mitglieder der zweiten und dritten Ebene die Aufgaben, welche von der unteren Ebene aufgrund deren Größe o48

Vgl. Hackethal (2004), S. 78. Vgl. Hoppenstedt (2001), S. 1951 ff. 50 Vgl. Schlierbach (2003), S. 136 ff. 51 In einigen Bundesländern wird das Enumerationsprinzip durch das gegenteilige Verbotsprinzip ersetzt. Demnach ist ein Geschäft erlaubt, sofern dieses vom Gesetzt nicht explizit verboten wird. Vgl. Blume (2000), S. 23 f. 52 Vgl. Hackethal (2004), S. 78. 53 Es wurde bei der Abschaffung eine Übergangsfrist eingeräumt, sodass alle bis zum 18. Juli 2005 abgeschlossenen Verbindlichkeiten mit einer Laufzeit bis Ende 2015 durch die Gewährträgerhaftung weiterhin gedeckt sind. Vgl. Schrooten (2008), S. 511. 54 Vgl. Ayadi et al. (2009), S. 115 ff. 49

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

37

der Komplexität nicht oder nur ineffizient abgewickelt werden können.55 Landesbanken/Girozentralen erfüllen dabei zwei Hauptfunktionen: Die erste ist die Geschäftsbankfunktion, sie zielt auf die Versorgung des Landes mit Kommunalkrediten, auf die Durchführung des Cash-Managements und auf die Durchführung von Anleiheemissionen.56 Die zweite Funktion bezieht sich auf ihre Rolle als ClearingInstitution und Zentralbank für die einzelnen Sparkassen, indem sie die notwendige Liquidität innerhalb des Verbundes steuern oder auf dem Kapitalmarkt beschaffen. Außerdem unterstützen Landesbanken die einzelnen Sparkassen bei der Bereitstellung von komplexen Finanzprodukten für ihre Kunden.57 Nach dem zweiten Weltkrieg entfernten sich Landesbanken jedoch von ihrer ursprünglichen Rolle als Girozentrale und transformierten sich immer mehr in internationale Investment-Banken, mit einer breiten Palette an komplexen und oft risikoreichen Finanzprodukten.58 Die Entwicklung der Landesbanken hat dazu geführt, dass heutzutage die ursprüngliche Funktion der Tertiärebene als Zentralbank der Landesbanken nur noch formal besteht. Außerdem erfolgte durch die Fusion der Deutsche Girozentrale mit der DeKa-Bank eine Konzentration ihres Geschäftes auf das Investmentfondsgeschäft.59 Im 20. Jahrhundert erfolgte bei den Sparkassen (analog zu den Kreditbanken) eine Konsolidierungsphase, welche die Anzahl der Institute deutlich reduzierte. Obwohl in Deutschland heute 422 Sparkassen und nur 9 Landesbanken tätig sind, übersteigt das Geschäftsvolumen der Landesbanken das der Sparkassen.60 Zusätzlich zu den Mitgliedern der drei Ebenen gehören zur Sparkassen-Gruppe einige Spezialunternehmen, welche für die zentralisierte Herstellung von speziellen Finanzdienstleistungen gegründet wurden.61 So zählen zur zweiten Säule auch öffentlich-rechtliche Entwicklungsbanken mit Sonderaufgaben, wie beispielsweise die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW). Solche Institute üben nicht das klassische Retail-Einlagengeschäft aus, sondern unterstützten die Bundesregierung oder die Landesregierungen bei der Umsetzung von Förderungsprogrammen.62

55

Vgl. Lütke-Uhlenbrock (2006), S. 12 ff. Vgl. Dagott (2003), S. 59. Vgl. Hackethal (2004), S. 80. 58 Ebda. 59 Vgl. Dagott (2003), S. 59 f. 60 Die Angabe bezieht sich auf Juli 2013. Vgl. Deutsche Bundesbank (2013), S. 108. 61 Diese sind beispielsweise Factoring-, Immobilien- und Versicherungsgesellschaften. Vgl. DSGV (2013), S. 9. 62 Aufgrund von Besonderheiten ihres Geschäftsmodells ist ihre Zugehörigkeit zur zweiten Säule in der Literatur jedoch umstritten. Während Brunner et al. solche Banken zur zweiten Säule zählen, werden sie bei Hackethal (2004) nicht genannt. Vgl. Brunner et al. (2004), S. 4 und Hackethal (2004), S. 81 ff. 56 57

38

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

Genossenschaftsbanken stellen die dritte Säule des deutschen Bankensystems dar, sie haben ihren Ursprung in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Kreditbanken bedienten damals fast ausschließlich die Großindustrie, private Bankiers finanzierten den Außenhandel und Sparkassen verlangten große Sicherheiten für die Kreditgewährung.63 Aus diesem Grund fehlten den Händlern, den Bauern und den kleinen Gewerbetreibenden die finanziellen Mittel für die notwendigen Investitionen. Um den Finanzierungsbedarf zu decken, entstanden die ersten Genossenschaftsbanken als Instrument zur Selbsthilfe.64 Während bei Sparkassen der öffentliche Auftrag als Geschäftsziel festgelegt war, stand bei Genossenschaftsbanken der Förderungsauftrag im Vordergrund. Dieser verpflichtet die Genossenschaftsbanken zur Förderung des Erwerbes und der Wirtschaft ihrer eigenen Mitglieder.65 Im Laufe der Zeit bildeten sich zwei unterschiedliche Arten von Genossenschaftsbanken heraus: In ländlichen Gebieten waren hauptsächlich Raiffeisen-Banken tätig, welche den Fokus zusätzlich zur Selbsthilfe auf die soziale Verantwortung der Genossenschaft setzten und ebenfalls Warengeschäfte betrieben. Demgegenüber betrieben städtische Genossenschaftsbanken nur das Bankgeschäft und konzentrierten sich auf das individuelle Erwerbsstreben.66 Trotz dieser Trennung wurden bei allen Genossenschaftsbanken die gesammelten Einlagen der Mitglieder für die Kreditfinanzierung derselben verwendet und der erzielte Überschuss wurde jährlich in die Förderung der Mitglieder investiert. Genossenschaftsbanken waren nach dem Prinzip der Selbstverwaltung und der Selbstverantwortung organisiert. Entsprechend der Selbstverwaltung konnten nur Mitglieder nach demokratischen Mechanismen die Führung und die Kontrolle der Genossenschaftsbank übernehmen. Die Selbstverantwortung sah dagegen eine unbeschränkte Haftung der Mitglieder vor, sodass im Insolvenzfall oder beim Ausscheiden eines Mitgliedes die anderen Mitglieder zur Leistung von notwendigen Einzahlungen verpflichtet waren.67 Die doppelte Rolle der Mitglieder als Einleger und als Kreditnehmer erlaubte eine Verfügbarkeit von detaillierten und kostenlosen Informationen über jeden Kreditnehmer und trug maßgeblich zur Reduktion der Überwachungskosten bei. Aus der Selbstverantwortung und der demokratischen Struktur ergab sich eine enge gegenseitige Kontrolle, welche Täuschungen und Kreditausfälle deutlich einschränkte.68 Genossenschaftsbanken sind ähnlich wie Sparkassen in einer Verbundstruktur organisiert, diese besteht aus zwei unterschiedlichen Ebenen. Auf der Primärebene befinden sich nach einer langen Konsolidierungswelle im letzten Jahrhundert 1099 63

Vgl. Tilly (1994), S. 305 f. Vgl. Hackethal (2004), S. 83. Vgl. Brunner et al. (2004), S. 5. Eine detaillierte Darstellung der Inhalte des Förderungsauftrages enthält Kapitel 4.2.4. 66 Vgl. Dagott (2003), S. 44. 67 Vgl. Dagott (2003), S. 54. 68 Vgl. Dagott (2003), S. 44 f. 64 65

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

39

einzelne Genossenschaftsbanken, die das Kundengeschäft betreiben.69 Obwohl sie nicht dem Regionalprinzip unterworfen sind, bedienen sie normalerweise den lokalen Markt. Dadurch wird der Wettbewerb zwischen unterschiedlichen Genossenschaftsbanken vermieden.70 Auf der Sekundärebene befinden sich zwei genossenschaftliche Zentralbanken: die DZ-Bank und die WGZ Bank.71 Beide erfüllen die Funktionen einer Zentralbank für die Primärinstitute, weil sie als ClearingInstitutionen die Liquidität innerhalb der Gruppe steuern und Schuldverschreibungen emittieren. Indem sie den Zugang zu den nationalen und internationalen Kapitalmärkten ermöglichen, tragen sie zusätzlich zur Erweiterung des Produktangebotes für die Kunden der Genossenschaftsbanken bei. Aufgrund dessen können Genossenschaftsbanken im Bereich des Investment Banking heute auch mit Großbanken konkurrieren.72 Dennoch ist im Gegensatz zu den Sparkassen die Bilanzsumme der Sekundärebene mit einem Wert von 278.6 Mrd. Euro deutlich niedriger als die der Primärinstitute (748.6 Mrd. Euro).73 Zusätzlich zu diesen zwei Ebenen gehören zur Genossenschaftsgruppe auch einige Spezialinstitute wie Hypothekenbanken, Leasinginstitute, Versicherungs- und Investmentgesellschaften.74 Im nächsten Abschnitt wird die Bilanzzusammensetzung der jeweiligen Säulen sowie deren Ertragsstruktur miteinander verglichen. Dies dient vornehmlich dazu, den Einfluss der unterschiedlichen Ziele und historischen Entwicklung auf die Bankgeschäfte hervorzuheben.

69

Die Angabe bezieht sich auf Juli 2013. Vgl. Deutsche Bundesbank (2013), S. 108. Vgl. Brunner et al. (2004), S. 4. Die DZ-Bank ist die genossenschaftliche Zentralbank für alle Bundesländer außer Rheinland und Westfalen, wofür die WGZ Bank zuständig ist. Vgl. Eilenberger (2012), S. 113 ff. 72 Vgl. Dagott (2003), S. 60. 73 Vgl. Deutsche Bundesbank (2013), S. 108. 74 Vgl. Hackethal (2004), S. 83. 70 71

40

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

2.3.2 Die drei Säulen – Vergleich der Bilanz- und der GuV-Struktur Alle drei Säulen des Bankensystems erlebten in den letzten zwei Jahrzehnten eine Konsolidierungswelle, im Zuge derer die Zahl der Institute drastisch reduziert wurde.75 Im Zeitraum 1990-2013 verringerte sich die Gesamtzahl der Institute um ca. 60 % (vgl. Tabelle 2.1), wobei dies nicht alle Säulen gleichermaßen betraf. Am stärksten waren von der Konsolidierung die Sparkassen und Kreditgenossenschaften betroffen, hier sank die Zahl um 27 % bzw. 67 %. Die Anzahl von Kreditbanken ging nur um 15 % zurück. Laut IMF (2011b) stellt eine solche Abnahme zu einem großen Teil nicht das Ergebnis einer geplanten Strategie zur Effizienzsteigerung durch größere Skalenerträge dar, sondern sie sei häufig das Resultat von Notlösungen in Stresssituationen einzelner Institute.76 Hackethal (2004) vertritt dagegen die These, dass die Zusammenführung von mehreren Instituten hauptsächlich das strategische Ziel einer größeren Diversifikation des Kreditportfolios verfolgte.77 Parallel zur Konsolidierungswelle nahm die gesamte Bilanzsumme deutlich zu, sie wuchs von 5465 Mrd. Euro auf 7834 Mrd. Euro.78 Dieses Wachstum erfolgte ebenfalls nicht homogen und gleichermaßen bei den Banken der verschiedenen Säulen. So erweiterten die Kreditbanken ihr Geschäft am stärksten, ihr Anteil an der gesamten Bilanzsumme stieg von 25 % auf 38 %. Der relative Anteil von Sparkassen und Kreditgenossenschaften sank dagegen um 8 bzw. 3 Prozentpunkte. Eine schwankende Entwicklung ist bei Landesbanken zu verzeichnen, deren Anteil in den Jahren 1990-2000 zunächst um 4 % wächst und in den folgenden Jahren 2000-2013 um 5 % abnimmt. Mit nur 9 Instituten decken Landesbanken im Jahr 2013 15 % des gesamten Bankenmarktes und ihre Bilanzsumme übersteigt die der Sparkassen. Diese Entwicklung verdeutlicht die wachsende Rolle der Landesbanken innerhalb der Sparkassen-Gruppe. Im Unterschied dazu sind bei der dritten Säule die genossenschaftlichen Zentralinstitute mit einem Anteil von 3 % bezüglich ihrer Bilanzsumme deutlich weniger relevant.

75

Vgl. Hackethal (2004), S. 87 f. Vgl. IMF (2001b), S. 7. Vgl. Hackethal (2004), S. 84. 78 Vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, Juli 2013. 76 77

II.

41

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

Tabelle II.4 – Zusammensetzung des deutschen Bankensystems

Kreditbanken

Anzahl 1990

Bilanzsumme* Kredite* Einlagen* Anzahl

2000

Bilanzsumme* Kredite* Einlagen* Anzahl

2013

Bilanzsumme* Kredite* Einlagen*

Landesbanken

Sparkassen

Genossenschaftliche Zentralbanken

Kreditgenossenschaften

Sonstige

323

11

582

4

3221

68

25%

16%

21%

4%

12%

22%

26% 22%

14% 7%

23% 33%

2% 1%

12% 20%

24% 18%

290

13

567

4

2035

78

26%

20%

16%

4%

9%

26%

24% 25%

15% 12%

19% 27%

2% 1%

11% 17%

28% 17%

273

9

423

2

1102

58

38%

15%

13%

3%

9%

20%

28% 36%

15% 10%

20% 23%

2% 1%

13% 16%

21% 12%

"* Prozentualer Anteil des gesamten Bankenmarktes Kredite/Einlagen an/von Nichtbanken. Die Gruppe ""Sonstige"" enthält Realkreditinsitute, Bausparkassen und Banken mit Sonderaufgaben. Angaben in Milliarden Euro aus dem Monat Januar des jeweiligen Jahres."

Quelle: Deutsche Bundesbank

Von einer Dominanz der Kreditbanken auch innerhalb des Kreditmarktes für Nichtbanken kann generell nicht gesprochen werden. Ihr Anteil steigt um nur 2 Prozentpunkte auf 28 % im Jahr 2013. Beim Kreditgeschäft dominiert über den gesamten Zeitraum die Sparkassen-Gruppe; 2013 beträgt ihr Anteil 20 % und der der Landesbanken 15 %, sodass die Sparkassen-Gruppe insgesamt 35 % des Kreditmarktes deckt. Trotz ihrer großen Anzahl decken dagegen Kreditgenossenschaften nur 13 % des gesamten Kreditmarktes für Nichtbanken. Die stabile Entwicklung des Kreditmarktes im Verlauf der untersuchten Jahre lässt sich so nicht auf den Einlagenmarkt von Nichtbanken übertragen. Innerhalb dieses

42

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

Marktes ist dagegen eine deutliche Zunahme des Anteils von Kreditbanken zu erkennen; ihr Wert steigt von 22 % im Jahr 1990 bis auf 36 % im Jahr 2013, wobei die größte Steigerung in der letzten Periode stattfindet. Laut IMF (2011) war während der Finanzkrise der Interbankenmarkt als Refinanzierungsquelle hauptverantwortlich für die großen Liquiditätsprobleme von Kreditbanken.79 Um dies zukünftig zu verhindern, haben Kreditbanken ihre Refinanzierungsstrategie geändert: Jetzt muss die Refinanzierung durch Kundeneinlagen zunehmen und die Interbankenmarktrefinanzierung teilweise ersetzen.80 Dieser Strategiewechsel führte zu einem steigenden Wettbewerb auf dem Markt, im Zuge dessen der Kreditbankenanteil von 2000 bis 2013 um 14 Prozentpunkte stieg – zum Schaden der Kreditgenossenschaften und Sparkassen.81 Dennoch beträgt der Anteil der Sparkassengruppe heute insgesamt noch 33 %.82 Im Vergleich zum Kreditmarkt sind die Unterschiede zwischen Landesbanken und Sparkassen ausgeprägter. Aufgrund ihrer Zentralbankfunktion refinanzieren sich Landesbanken über den internen Interbankenmarkt, ihr Anteil an der Einlagensammlung aus Nichtbanken liegt bei nur 10 %.83 Nachfolgend zeigt die Tabelle 2.4 die Zusammensetzung des gesamten Bankenmarktes und ihre zeitliche Entwicklung, Abbildung 2.3 und die Abbildung 2.4 zielen auf die Struktur der Bilanz jeder einzelnen Bankengruppe ab. Ein Vergleich der Werte liefert Informationen über die relative Bedeutung eines Geschäfts in Bezug auf die betroffene Bankengruppe und ergänzt somit die obere Analyse.84 Zwischen dem Kreditgeschäft auf dem Interbankenmarkt (29 %), dem Kreditgeschäft mit Nichtbanken (30 %) und anderen Aktiva (31 %) besteht bezüglich der Aktiva von Kreditbanken eine homogene Aufteilung.85 Die von Bauer/Domanski (1999) für diese Gruppe beschriebene Dominanz des Interbankenmarktes ist allerdings heute nicht mehr zu finden, denn dieses Geschäft wurde zunehmend durch Handelsprodukte und zugehörige derivative Finanzinstrumente ersetzt.86

79

Vgl. IMF (2011a), S. 5. Vor 1990 wurde eine gegenteilige Strategie durchgeführt, welche zu einer starken Reduzierung des Einlagengeschäftes führte. Vgl. Hackethal (2004), S. 78. 81 Vgl. IMF (2011b), S. 14 und Bauer/Domanski (1999), S. 213. 82 Ebenfalls IMF(2011a) bestätigen die Wichtigkeit der Kundeneinlagen als stabile Refinanzierungsbasis für Sparkassen. Vgl. IMF(2011a), S. 20. 83 Vgl. Hackethal (2004), S. 80. 84 Weil die zeitliche Entwicklung des Kredit- und Einlagenmarktes schon im Rahmen der Interpretation der Tabelle 2.4 beschrieben wurde, verzichtet man auf die Angabe von mehreren Jahreswerten. 85 Die Kategorie „Andere Aktiva“ enthält Beteiligungen und Handelbestände sowie Finanzderivate. 86 Vgl. Bauer/Domanski (1000), S. 211. 80

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20%

10% 0%

Kreditbanken

Landesbanken

Sparkassen

Kredite  an  Banken Kredite  an  Nichtbanken  bis  1  Jahr Wertpapiere  von  Nichtbanken

Genoss.   Kreditgenossen-­‐ Zentralbanken schaften Wertpapiere  von  Banken Kredite  an  Nichtbanken  über  1  Jahr Andere  Aktiva

Abbildung II.3 – Wichtige Aktiva der deutschen Banken nach Bankengruppen Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, September 2013 100% 90% 80% 70% 60% 50%

40% 30% 20% 10% 0%

Kreditbanken Einlagen  von  Banken Eigenkapital

Landesbanken

Sparkassen

Einlagen  von  Nichtbanken Andere  Passiva

Genoss.   Zentralbanken

Kreditgenossen-­‐ schaften

Schuldverschreibungen

Abbildung II.4 – Wichtige Passiva der deutschen Banken nach Bankengruppen Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, September 2013

43

44

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

Aufgrund ihrer Zentralbankfunktion bestehen die Aktiva (45 %) und die Passiva (47 %) von genossenschaftlichen Zentralbanken hauptsächlich aus Interbankenmarktgeschäften.87 Die Primärinstitute der Sparkassen und der Kreditgenossenschaften ähneln sich hinsichtlich ihrer Bilanzstruktur, für beide ist das klassische Bankgeschäft fundamental. Die Aktiva bestehen hauptsächlich aus mittel- und langfristigen Krediten an Nichtbanken, wohingegen das Wertpapier- und das Interbankenmarktgeschäft eine residuale Rolle einnehmen.88 Bei den Passiva ist das klassische Kundengeschäft noch ausgeprägter, hier liegt der Anteil der Einlagen von Nichtbanken bei beiden Gruppen über 70 %. Landesbanken refinanzieren sich gleichmäßig aus dem Interbank-, dem Geschäft mit Nichtbanken und der Emission von Schuldverschreibungen. Bei ihren Aktiva stellt das Geschäft mit Nichtbanken mit einem Anteil von 41 % die größte Bilanzposition dar. Zusätzlich zur Bilanzstruktur liefern die Ertragszusammensetzung und die CostIncome-Ratio (CIR) wichtige Hinweise über die heutigen Merkmale deutscher Banken. Abbildung 2.5 verdeutlicht für jede Bankengruppe das Ausmaß der Nettozins- und Provisionserträge als prozentualen Wert der Bilanzsumme sowie das Verhältnis zwischen beiden Ertragsarten.89 Insgesamt spiegelt sich die Dominanz des Zinsgeschäftes in der Ertragslage wider, die Zinserträge sind die Hauptertragsquelle im deutschen Bankenmarkt.90 Nichtsdestotrotz sanken diese in den letzten Jahrzehnten stetig, was zu einer wachsenden Bedeutung der Provisionserträge führte.91 Die Profitabilität im Zinsgeschäft wurde mit der Deregulierung und aufgrund des steigenden Wettbewerbsdrucks von neuen Finanzintermediären wie Online-Banken immer eingeschränkter.92 Diese beiden Faktoren wirkten sich mit unterschiedlicher Intensität auch auf die Ertragsstruktur der verschiedenen Bankengruppen aus. Im Vergleich zu den beiden anderen Säulen weisen die Zinserträge von Kreditbanken eine niedrige Volatilität auf, ihr Zinsüberschuss bewegte sich in den letzten 30 Jahren immer im eher unteren Bereich.93

87

Vgl. Hackethal (2004), S. 84. Diese Struktur der Bilanz für Sparkassen und Kreditgenossenschaften ist über Jahrzehnte stabil geblieben. Vgl. Hackethal (2004), S. 82. 89 Alle Angaben beziehen sich auf das Geschäftsjahr 2012. 90 Ebenfalls im letzten Jahrhundert haben Zinserträge in Deutschland eine dominante Rolle gespielt. Vgl. Bauer/Domanski (1999), S. 214. 91 Ebda. 92 Vgl. Brunner et al. (2004), S. 13. 93 Vgl. Hackethal (2004), S. 78. Für eine Darstellung des zeitlichen Verlaufs im letzten Jahrzehnt s. Abbildung 6.1 im Kap. 6.2.5.2. 88

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

2.5

45

1

Prozentwert  der  Bilanzsumme  

0.9 2

0.8 0.7

Verhältniswert

1.5

1

0.5

0.6 0.5 0.4 0.3 0.2 0.1

0 Zinsüberschuss

Provisionsüberschuss

Kreditbanken Sparkassen Kreditgenossenschaften

Jahresüberschüss  vor   Steuern

0 Provisionsüberschuss   Cost-­‐Income-­‐Ratio /  Zinsüberschuss

Landesbanken Genoss.  Zentralbanken

Abbildung II.5 – Wichtige GuV Kennzahlen deutscher Banken – nach Bankengruppen Zins-, Provisions- und Jahresüberschuss werden als Prozentwert der Bilanzsumme angegeben. Die Angaben beziehen sich auf das Geschäftsjahr 2012. Quelle: Deutsche Bundesbank, Monatsbericht, September 2013

Der Zinsüberschuss von Sparkassen und Kreditgenossenschaften ist höher als der von Kreditbanken. Dank ihrer latenten Einlagenbasis und ihrer Überlegenheit im Retail-Geschäft konnten sie bis Ende der 90er Jahre ihre Einlagenzinssätze niedrig halten und dadurch einen ausreichenden Zinsüberschuss sichern.94 Mit dem Auftreten neuer Wettbewerber Anfang des 21. Jahrhunderts wurde diese vorteilhafte Marktstellung allerdings etwas geschwächt, sodass die Sparkassen und Kreditgenossenschaften ihr Angebot verbessern mussten, um ihre Kundschaft zu halten. Im Ergebnis dessen wurde der Zinsüberschuss beträchtlich gesenkt;95 dennoch betrug er im Jahr 2012 mehr als 2 % der Bilanzsumme und überstieg damit deutlich den Wert von Kreditbanken. Wenngleich in Deutschland das Provisionsgeschäft in den letzten Jahren ausgebaut wurde, spielt es im Vergleich zu den anderen europäischen Ländern eine untergeordnete Rolle.96 Für Kreditbanken liegt ihr Wert bei 0.37 % der Bilanzsumme, für Sparkassen und Kreditgenossenschaften bei 0.56 %. Obwohl sich diese Werte nicht wesentlich voneinander unterscheiden, deutet das Verhältnis zwischen Provisions- und Zinsüberschuss auf große Unterschiede zwischen den Banken94 95 96

Vgl. Hackethal (2004), S. 82. Ebda. Vgl. Brunner et al. (2004), S. 14.

46

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

gruppen hin, was die relative Gewichtung beider Geschäfte innerhalb der operativen Nettoerträge angeht. Bei Kreditbanken erreicht diese Kennzahl einen Wert von 0.435 und bestätigt damit die Wichtigkeit des Provisionsgeschäftes für die Ertragslage dieser Banken; bei Sparkassen und Kreditgenossenschaften hingegen beläuft sich die Kennzahl auf einen Wert von nur 0.26 bzw. 0.25. Bei den Landesbanken ist das Zinsgeschäft noch zentraler als bei den Primärinstituten und der Zinsüberschuss stellt mit großem Abstand die wichtigste Ertragsgröße dar.97 Trotz eines niedrigen absoluten Wertes (0.63 % der Bilanzsumme) weist das Verhältnis zwischen Provisions- und Zinsüberschuss auf seine zentrale Bedeutung hin. Der Wert der Kennzahl beträgt lediglich 0.09, was bedeutet, dass faktisch fast alle operativen Nettoerträge von Landesbanken aus dem Zinsgeschäft stammen.98 Einen solchen Unterschied innerhalb der Mitglieder der gleichen Säule gibt es bei den Genossenschaftsbanken nicht. Der Wert der Kennzahl in der Abbildung für genossenschaftliche Zentralbanken beträgt 0.25 und ähnelt dem der Kreditgenossenschaften (0.253). Zusätzlich zur Ertragszusammensetzung enthält die Abbildung 2.5 die Werte des Jahresüberschusses vor Steuern nach Bankengruppen als Prozentsatz der Bilanzsumme und liefert damit Informationen über die Rentabilität der jeweiligen Gruppe. Im Rahmen von länderübergreifenden Untersuchungen wird das deutsche Bankensystem oft aufgrund seiner niedrigen Rentabilität kritisiert.99 Eine empirische Untersuchung von Brunner et al. (2004) zeigt, dass diese Schwäche ein strukturelles Merkmal deutscher Banken ist und nicht auf Entwicklungen des Wirtschaftszyklus beruht.100 Dies gilt insbesondere für Kreditbanken, welche im Jahr 2012 einen entsprechend niedrigen Wert aufweisen.101 Dank ihres hohen Zinsüberschusses verbessert sich das Bild für Sparkassen und Kreditgenossenschaften, für die im Jahr 2012 ein Jahresüberschuss vor Steuern i. H. v. 0.87 % bzw. 1.00 % zu verzeichnen war. Die Kennzahl „Cost-Income-Ratio“ (CIR) umschreibt die Aufwand/ErtragRelation und wird durch das Verhältnis zwischen allgemeinen Verwaltungsaufwendungen und Rohertrag berechnet.102 Die Kennzahl spiegelt „den zur Generie97

Vgl. Deutsche Bundesbank (2012), S. 19. Obwohl zu den operativen Nettoerträgen auch das Nettoergebnis des Handelbestandes zählt, wird aufgrund des niedrigen Wertes bei Landesbanken (0.9 % der Bilanzsumme) auf seine explizite Berücksichtigung verzichtet. 99 Vgl. bspw. IMF (2011b), S. 14. 100 Laut den Autoren ist die niedrige Rentabilität des deutschen Bankenmarktes der strukturell schwachen Ertragskraft geschuldet, wohingegen die Kosten im europäischen Durchschnitt liegen. Vgl. Brunner et al (2004), S. 10 f. 101 Ebda. 102 Der Rohertrag entspricht der Summe aus Zins- und Provisionsüberschuss. Vgl. Deutsche Bundesbank (2013), S. 25. 98

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

47

rung einer Geldeinheit an Ertrag notwendigen Aufwand wider. Dieses Maß liefert mithin eine Aussage über die Profitabilität, sprich den finanziellen Erfolg eines Kreditinstitutes.“ (Gischer/Richter, 2009, S. 565). Laut IMF (2011b) liegt die CIR für den deutschen Bankenmarkt auf einem hohen Niveau im Vergleich zu den anderen Ländern der Europäischen Union, wobei der hohe Wert den hohen operativen Kosten geschuldet ist.103 Während in vielen europäischen Ländern ab Ende der 90er Jahre die operativen Kosten infolge erfolgreicher Reformen zur Effizienzsteigerung gesenkt wurden, geschah dies in Deutschland nur mäßig.104 Allerdings ist zur genaueren Beurteilung hier eine nach Bankengruppen getrennte Analyse erforderlich, denn Bilanzstruktur und Ertragszusammensetzung haben gezeigt, dass deutsche Banken keine homogene Einheit darstellen. Die Werte des CIR bestätigen diese Erkenntnis: zwischen Kreditbanken einerseits und Sparkassen und Kreditgenossenschaften andererseits gibt es beträchtliche Unterschiede. Kreditbanken erzielen eine relativ schwache Performance, sie benötigen für eine Ertragseinheit 0.75 Einheiten an Verwaltungsaufwand. Laut Hackethal (2004) liegt die Ursache darin, dass sie keinen ausreichenden Marktanteil im RetailGeschäft für die Deckung der hohen Fixkosten erreichen.105 Sparkassen und Kreditgenossenschaften sowie ihre Zentralinstitute weisen dagegen dank ihrer Marktdominanz im Retail-Banking deutlich niedrigere Werte auf, sie liegen im Bereich 0.62-0.67. Die Darstellung der Bilanzzusammensetzung und der Ertragsstruktur nach Bankengruppen verdeutlicht die Vielfältigkeit des deutschen Bankensystems. Kennzeichen der Kreditbanken sind ihre große Bilanzsumme, eine ausgeglichene Aufteilung der Aktiva zwischen Kunden-, Interbankenmarkt- und Handelsgeschäft sowie eine zunehmende Inanspruchnahme von Kundeneinlagen für ihre Refinanzierung. Obwohl die Zinsüberschüsse dominieren, stammt ein im Vergleich zu den anderen Säulen relativ hoher Anteil ihrer Überschüsse aus dem Provisionsgeschäft. Insgesamt verweisen die CIR sowie der Jahresüberschuss auf eine niedrige Profitabilität dieser Bankengruppe. Sparkassen und Kreditgenossenschaften unterscheiden sich von Kreditbanken bezüglich ihrer Bilanz- und Ertragsstruktur. Bei beiden Bankengruppen dominiert das Zinsgeschäft sowohl innerhalb der Aktiva als auch innerhalb der Passiva. Der daraus resultierende Zinsüberschuss spiegelt sich in einem hohen Jahresüberschuss und in einer niedrigen CIR wider. Das Provisionsgeschäft spielt eine eher residuale Rolle und die Überschüsse hier sind eher niedrig.

103 104 105

Vgl. IMF (2011b), S. 16. Vgl. Brunner et al. (2004), S. 14. Vgl. Hackethal (2004), S. 78 f.

48

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

2.4 Der italienische Bankenmarkt Die Darstellung des italienischen Bankenmarktes liefert die notwendigen Grundkenntnisse für die Untersuchung des Stakeholder-Banking in den folgenden Kapiteln. Zunächst erfolgt hierfür ein historischer Abriss der Entwicklungen ab Ende des 19. Jahrhunderts. Anschließend beschäftigt sich der zweite Abschnitt (analog zu Kapitel 2.3.2) mit der Darstellung der aktuellen Bilanzzusammensetzung italienischer Banken sowie ihrer Ertragsstruktur. 2.4.1 Historische Entwicklung des italienischen Bankenmarktes Die Zersplitterung Italiens im 19. Jahrhundert führte dazu, dass auch nach Vereinigung des Landes noch fünf verschiedene Notenbanken tätig waren.106 Diese Banken konnten nicht nur Banknoten emittieren, sondern operierten auch als Geschäftsbanken. Mit fast 70 % des gesamten Bankenmarktes dominierten sie im Jahr 1870 das italienische Bankgeschäft, andere Kreditinstitute wie Kreditbanken, Sparkassen und Volksbanken spielten dagegen eine untergeordnete Rolle. In den folgenden Jahrzehnten wurde mit der Gründung von zwei großen Investmentbanken („Credito Mobiliare“ und „Banca Generale“) versucht, die Tätigkeit der Zentralbanken im Unternehmensgeschäft einzuschränken.107 Beide Institute gerieten jedoch Ende des 19. Jahrhunderts in eine Insolvenzkrise und mussten liquidiert werden. Wenn somit einerseits die Entwicklung von Kreditbanken erschwert wurde, profitierten andererseits Sparkassen und die staatliche Postbank von dieser Krise und viele Anleger wechselten zu diesen Instituten. Die Volksbanken erweiterten ebenfalls ihr Geschäft und spezialisierten sich auf das Kreditgeschäft mit kleinen und mittleren Unternehmen sowie mit Händlern und kleinen Gewerbetreibenden.108 In den Jahren 1894 und 1895 wurden zwei neue Kreditbanken gegründet: „Banca Commerciale Italiana“ und „Credito Mobiliare“. Anfang des 20. Jahrhunderts betrug der Anteil von Kreditbanken am gesamten Markt nur 14.9 %, er lag damit im Vergleich zu anderen Industrieländern auf einem sehr niedrigen Niveau. Laut Hertner (1994) war dies das Ergebnis zweier besonderer Merkmale des italienischen Bankensystems: den Folgen der Insolvenzkrise vom Ende des 19. Jahrhunderts und dem harten Wettbewerb mit fünf verschiedenen Notenbanken.109 Wäh106

Diese waren „Banca Nazionale del Regno d’Italia“, „Banca Romana“, „Banco di Napoli“, „Banco di Sicilia“ und zwei Banken aus der Toskana. Vgl. Hertner (1994), S. 563. Vgl. Hertner (1994), S. 564. 108 Ebda. 109 Im Jahr 1894 entstand die „Banca d’Italia“ aus der Zusammenführung der „Banca Nazionale del Regno d’Italia“, der „Banca Nazionale Toscana“, der „Banca Toscana di Credito per le Industrie e il Commercio d’Italia“ und der „Banca Romana“. Vgl. Hertner (1994), S. 565. 107

II.

49

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

rend die Insolvenzkrise somit zu einem Wachsen der Sparkassen führte, wurde die Entwicklung der Kreditbanken infolge des Eingriffs der Notenbanken ins Kreditgeschäft stark eingeschränkt.110 Nach dem ersten Weltkrieg blieb das Geschäft der Sparkassen stabil, während das starke Wirtschaftswachstum und die folgende steigende Kapitalnachfrage von Unternehmen zu einem vermehrten Geschäftsvolumen bei den Kreditbanken führte. So stieg der Anteil der Kreditbanken an der gesamten Bilanzsumme, er lag im Jahr 1920 bei 31.3 %. Gleichzeitig sank der Anteil der Sparkassen auf 11.3 %. 100%

80%

60%

40%

20%

0% 1870

1880 Notenbanken

1890 Gewöhnliche  Kreditinstitute

1900 Sparkassen

1910 Volksbanken

1920 Andere

Abbildung II.6 – Zusammensetzung des italienischen Bankenmarktes – 1870 bis 1920 Quelle: In Anlehnung an Hertner (1994), S. 574

Mit dem Ankauf von Unternehmensbeteiligungen erweiterten die Kreditbanken ihren Einfluss auf den Industriesektor.111 Dabei verloren sie ihre Funktion als Investmentbanken und konnten dank der Finanzierung über Kundeneinlagen die Haupteigentümer der meisten italienischen Großunternehmen werden. Die daraus resultierende Verschmelzung von Industrie- und Bankensektor zeigte allerdings ihre Schwäche während der Wirtschaftskrise in den Jahren 1930-1931. Durch die Beteiligungen und den hohen Anteil an Unternehmensanleihen im Portfolio wurden die finanziellen Schwierigkeiten des produzierenden Sektors insbesondere auf die zwei größten Kreditbanken „Banca Commerciale Italiana“ und „Credito Italia110 111

Vgl. Hertner (1994), S. 566. Vgl. Hertner (1994), S. 569 f.

50

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

no“ übertragen.112 Diese gerieten in eine schwere Liquiditäts- und Insolvenzkrise und konnten aufgrund der Stagnation auf den Kapitalmärkten ihre Wertpapiere nicht weiterverkaufen. Dies wiederum hatte negative Auswirkungen auf den gesamten italienischen Bankenmarkt. Um ein Zusammenbrechen des Bank- und Finanzsystems zu verhindern, wurden alle Unternehmenswertpapiere beider Banken auf zwei neu gegründete Beteiligungsunternehmen übertragen, welche sich unter Kontrolle des italienischen Staates und der Notenbanken befanden.113 Die Krise des Bankensystems erforderte entsprechende Notmaßnahmen. So wurden 1926 die Notenbanken reformiert, indem den Banken „Banco di Napoli“ und „Banco di Sicilia“ die Berechtigung zur Emission von Banknoten entzogen wurde. Ab diesem Zeitpunkt operierte nun die „Banca d’Italia“ als Zentralbank. Im Jahr 1931 wurde die „Istituto Mobiliare Italiano“ (IMI) gegründet, welche als Ansprechpartner für die mittel- und langfristige Unternehmensfinanzierung diente. Da jedoch ihre Mittelverfügbarkeit für die Deckung des Industriebedarfs nicht ausreichte, bekamen Unternehmen wachsende Finanzierungsschwierigkeiten. Zur Lösung dieser Problematik wurde im Jahr 1933 das staatliche „Istituto per la Ricostruzione Industriale“ (IRI) gegründet, welches alle Unternehmenswertpapiere, die sich im Besitz der Beteiligungsgesellschaften befanden, übernahm. Für seine Refinanzierung konnte das IRI langfristige Wertpapiere emittieren, deren Solvabilität durch den italienischen Staat garantiert wurde und die faktisch als Staatsanleihen bewertet wurden. Dank dieser Ermächtigung war es dem IRI möglich, den Industrieunternehmen die notwendige Finanzierung zur Verfügung zu stellen. Im Rahmen dieser Reform wurden die „Banca Commerciale Italiana“ und die „Credito Italiano“ zum Abschluss eines Abkommens mit der „Banca d’Italia“ gezwungen. Dieses Abkommen verbot beiden Banken den Ankauf von Unternehmensbeteiligungen im Industriesektor und verpflichtete sie zur ausschließlichen Durchführung kurzfristiger Bankgeschäfte.114 Als Lehre aus der Finanzkrise wurde im Jahr 1936 ein neues Bankgesetz erlassen, welches das Bankensystem weitreichend reformierte.115 Diese Reform betraf alle italienischen Institute und führte folgende Regelungen ein: •

Umwandlung der „Banca d’Italia“ in eine Anstalt des öffentlichen Rechts und Deklarierung derselben als einzige italienische Notenbank.



Klare funktionale Aufteilung der Kreditinstitute nach ihrer Geschäftsart (Unterscheidung zwischen kurzfristiger und mittel-/langfristiger Finanzierung).

112

Vgl. Giordano (2007), S. 21 ff. Vgl. Hertner (1994), S. 570. Vgl. Hertner (1994), S. 571 f. 115 Es handelt sich um die königliche Gesetzverordnung r.d.l. 375/1936, welche dann in das Gesetz 141/1938 umgewandelt wurde. Vgl. Losanna (2011), S. 98. 113 114

II.



DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

51

Geographische Aufteilung des Bankenmarktes und Bestimmung des Geschäftsgebietes jeder Bank (jede zukünftige Neueröffnung einer Geschäftsstelle unterliegt der Genehmigung der „Banca d’Italia“).116

Mit Aufteilung der Kreditinstitute wurden die „Banco di Roma“, die „Banca Commerciale Italiana“ und die „Credito Italiano“ als Banken von nationalstaatlichem Interesse deklariert. Sie durften auf nationaler Ebene operieren und kurzfristige Kredit- und Handelsgeschäfte abschließen. Aufgrund ihrer Nähe zum faschistischen Regime wurde auch dem Zentralinstitut der Volksbanken „Banca Nazionale del Lavoro“ eine landesweite Geschäftstätigkeit erlaubt. Zusätzlich zu den Banken von nationalstaatlichem Interesse wurde einigen öffentlich-rechtlichen Instituten, welche der direkten Kontrolle des Finanzministeriums unterlagen, die Durchführung kurzfristiger Bankgeschäfte auf regionaler Ebene erlaubt.117 Für alle übrigen Banken, wie beispielsweise Sparkassen und Volksbanken, wurde das Geschäftsgebiet auf die jeweilige Provinz oder Gemeinde eingeschränkt. Letztendlich durfte das mittel- und langfristige Geschäft ausschließlich von Spezialinstituten durchgeführt werden.118 Nach dem zweiten Weltkrieg erforderte die Rekonstruktion Italiens immer mehr eine langfristige Unternehmensfinanzierung, welche nicht mehr allein von IMI geleistet werden konnte. Deswegen wurde im Jahr 1947 die „Mediobanca“ gegründet, welche unter anderem als Instrument für die Umsetzung von regionalen Förderungsprogrammen durch die Vergabe von Sonderkonditionen fungierte.119 In den 50er Jahren wurde von der „Banca d’Italia“ die Ausdehnung der Geschäftstätigkeit von Sparkassen und Volksbanken gefordert; die Eröffnung neuer Geschäftsstellen wurde bevorzugt genehmigt. Diese Förderung diente der Erfüllung von zwei wirtschaftspolitischen Zwecken. Einerseits zielte man auf eine Zunahme der Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen. Andererseits musste vermieden werden, dass der Marktanteil von Großbanken für die Unternehmensfinanzierung wieder zu groß wird. Hierfür wurden ebenfalls öffentliche Regionalinstitute gefördert.120

116

Vgl. Giordano (2007), S. 50 ff. Dieser Gruppe gehören beispielsweise die ehemaligen Notenbanken „Banco di Napoli“ und „Banco di Sicilia“ sowie die „Istituto San Paolo di Torino“ und die „Monte die Paschi di Siena“. Vgl. Hertner (1994), S. 573. 118 Ebda. 119 Vgl. Hertner (2004), S. 573. 120 Vgl. Giordano (2007), S. 69 ff. 117

52

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% 1938

1950

1960

Gewöhnliche  Kreditinstitute

Öffentlich-­‐rechtliche  Banken

Banken  von  nationalstaatlichem  Interesse

Sparkassen

Volksbanken

Andere

1970

Abbildung II.7 – Zusammensetzung des italienischen Bankenmarktes – 1938 bis 1970 Quelle: In Anlehnung an Hertner (1994), S. 574

Als Folge dieser Maßnahmen ergab sich am Ende der 50er Jahre eine neue Struktur innerhalb des italienischen Bankenmarktes, welche bis zum Anfang der 90er Jahre beibehalten wurde. Diese Struktur unterschied die Banken in: •

gewöhnliche Kreditinstitute,



öffentlich-rechtliche Banken (Banco di Napoli, Banca Nazionale del Lavoro, Istituto Bancario San Paolo di Torino, Banco di Sicilia, Monte die Paschi di Siena und Banco di Sardegna),



Banken von nationalstaatlichem Interesse (Banca Commerciale Italiana, Credito Italiano, Banco di Roma) unter staatlicher Kontrolle durch das IRI,



Sparkassen,



Volksbanken,

II.



DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

53

andere Privatbanken (Pfandhäuser und Kassen für die Landwirtschaft und das Handwerk).121

Wie aus Abbildung 2.7 ersichtlich ist, dominierte zu dieser Zeit keine bestimmte Bankenart den Markt. Die Marktanteile der öffentlich-rechtlichen Banken, der Banken von nationalstaatlichem Interesse und der Sparkassen ähnelten sich, im Gegensatz dazu blieb der Anteil der Volksbanken niedrig.122 Insgesamt waren die Kreditinstitute jeweils stark spezialisiert, mit einer dominanten Präsenz des öffentlichen Sektors.123 Durch die Vorgaben der Bankenaufsicht und die Aufteilung der Kompetenzgebiete waren der Einlage- und der Kreditmarkt sehr segmentiert und auf den lokalen Märkten konzentrierte sich das Bankgeschäft auf wenige Institute. Der Bankenmarkt besaß die Struktur eines durch die „Banca d’Italia“ administrierten Oligopols mit institutionellen Markteintrittsschranken und Zinskartellen. Von der „Banca d’Italia“ wurde auf Kosten der Kunden vorrangig das Ziel verfolgt, einen stabilen Bankenmarktes aufrecht zu halten, die Effizienzvorteile aus einem wettbewerblichen Markt blieben dagegen weitgehend unberücksichtigt. Da die Spezialinstitute zudem die Unternehmensfinanzierung zu stark dominierten und Angebote an Kapitalmarktprodukten für die Bevölkerung weitgehend fehlten, wurde eine Weiterentwicklung des Aktienmarktes verhindert.124 In den 50er Jahren konnten das Wirtschaftswachstum und eine konservative Fiskalpolitik der Regierung den Einsatz der Zentralbank für geldpolitische Maßnahmen vermeiden. Dies änderte sich in den 60er Jahre mit Verlangsamung des Wirtschaftswachstums und steigenden Staatsausgaben, welche hauptsächlich durch den Ankauf von Staatsanleihen durch die Zentralbank finanziert wurden.125 Als Folge des wachsenden Geldangebots ergab sich ein steigendes Inflationsniveau. Zusammen mit außernationalen Faktoren führte das wachsende Geldangebot zur Inflationskrise der 70er Jahre.126 Zu den Auswirkungen dieser Krise gehörte, dass viele Unternehmen ihren Rückzahlungen nicht mehr nachkamen. Da die Banken in der Regel nicht ohne größere Verluste aus dem Geschäft aussteigen konnten, finanzierten sie die Unternehmen weiterhin.127 Dies führte zu wachsenden Schwierigkeiten und schließlich zur Insolvenz vieler Banken, so zum Beispiel zur Insolvenz 121

Vgl. Körnert/Nolte (2005), S. 80 und Romagnoli (2010), S. 11 In der Kategorie „Andere“ sind die Spezialinstitute für das mittel- und langfristige Geschäft enthalten. 123 Zu dem öffentlichen Sektor gehörten Banken von nationalstaatlichem Interesse, öffentlich-rechtliche Banken und Sparkassen. Vgl. Romagnoli (2010), S. 12. 124 Vgl. Giordano (2007), S. 61 ff. 125 Vgl. Giordano (2007), S. 105 f. 126 Als internationale inflationstreibende Ereignisse sind die Auflösung des Bretton-Woods-Systems und die Ölkrisen der Jahre 1973 und 1979 zu nennen. Vgl. hierzu Giordano (2007), S. 98 ff. und Hertner (2004), S. 573. 127 Vgl. Giordano (2007), S. 109 ff. 122

54

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

des „Banco Ambrosiano“ im Jahr 1982.128 Darauf folgten weitreichende Reformen im Bankensektor, welche sowohl die Zentralbank als auch die Geschäftsbanken betrafen. Im Jahr 1981 wurden Zentralbank und Finanzministerium voneinander getrennt und die Zentralbank wurde von der Verpflichtung zur Übernahme von Staatsanleihen befreit.129 Die Bankenaufsicht wurde ebenfalls reformiert, sie wandelte sich von einer ex-ante in eine ex-post Aufsicht um. Die Zentralbank hatte somit keine arbiträre Macht mehr gegenüber den Geschäftsbanken, sondern diente als neutraler Aufseher und war für die Einhaltung von Gesetzesbestimmungen zuständig, welche sich nicht mehr nur an Stabilität, sondern eher an Kriterien wie Ertragskraft, Effizienz und Solvabilität orientierten. Der Kern dieser Reform zielte auf eine Erweiterung der Flexibilität des Managements bei ihren Entscheidungen und betraf vier zentrale Aspekte: •

die Öffnung des Eigenkapitals der Banken an private Investoren,



die Abschaffung der administrativen Genehmigungen der „Banca d’Italia“ und der funktionalen Aufteilung der Kreditinstitute,



die Einführung einer Governance-Struktur mit der typischen Aufteilung der Aufgaben einer Kapitalgesellschaft,130



die Umwandlung der Bankentätigkeit von einer öffentlichen zu einer privaten Tätigkeit, welche von gewinnorientierten Unternehmen ausgeübt wird.131

Obwohl sich die wirtschaftliche Lage verbesserte Anfang der 80er Jahre und sich das Inflationsniveau normalisierte, wuchs die öffentliche Verschuldung kontinuierlich. Aufgrund besserer Refinanzierungsbedingungen wurden die Effizienzkriterien bei öffentlichen Unternehmen vernachlässigt, sie wurden immer mehr als politisches Instrument zur Konsensbildung verwendet.132 Die wachsende Staatsverschuldung und die vertragliche Indexbindung der Löhne an das Preisniveau mündeten ab Mitte der 80er Jahre wieder in einer Inflationsspirale. Weil ein Großteil der öffentlichen Verschuldung in den Händen internationaler Investoren lag und Italien durch seine inflationäre Politik immer mehr an Glaubwürdigkeit verlor, 128

Andreatta (2002) beschreibt den Skandal des „Banco Ambrosiano“ als beispielhafte Darstellung der italienischen Machtbeziehungen der 70er und 80er Jahre. Die enge Verwicklung der Mächte aus Politik und Unternehmenswelt führte zu Änderungen des Managements dieser Bank von den herrschenden Regeln des Bankgeschäftes und letztendlich zu ihrer Insolvenz. Vgl. Andreatta (2002), S. 37 f. 129 Vgl. Hertner (2004), S. 573. 130 Man bezieht sich insbesondere auf die Aufteilung der Macht zwischen einem Leistungs- und einem Aufsichtsorgan. Vgl. Giordano (2007), S. 157. 131 Vgl. Giordano (2007), S. 139 ff. 132 Vgl. Giordano (2007), S. 178.

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

55

wurde die öffentliche Refinanzierung zunehmend erschwert und öffentliche Unternehmen gerieten immer mehr in eine Liquiditätskrise. Die Vermischung zwischen öffentlichem Sektor und der Politik bewirkte, dass die Krise bei den öffentlichen Unternehmen ebenfalls zu einer Vertrauenskrise gegenüber der Politik führte. Um die notwendigen Reformmaßnahmen des öffentlichen Sektors umzusetzen und dadurch wieder an internationaler Glaubwürdigkeit zu gewinnen, wurde unter der Leitung des Zentralbankgouverneurs Ciampi eine Expertenregierung gebildet.133 Bis Anfang der 90er Jahre wurde der Markt von Banken im öffentlichen Besitz beherrscht, fast 80 % des Bankenmarktes waren unter direkter oder indirekter Kontrolle des Staates.134 Die Lage änderte sich ab 1990 mit dem Erlass mehrerer Bankgesetze, welche die Struktur grundsätzlich modifizierten. Die Reformen zielten auf eine Modernisierung des Bankenmarktes durch den Wegfall der Spezialisierung, die Konsolidierung der Institute, die Öffnung des Übernahme-marktes für privates Kapital und die Verbesserung der qualitativen Kontrolle. Das Gesetz Amato förderte die Umwandlung der Banken in Kapitalgesellschaften durch steuerliche Vergünstigungen und schaffte die institutionelle, zeitliche und operative Spezialisierung der Kreditinstitute ab.135 Dadurch entfiel sowohl die starke Trennung zwischen kurzfristigem und mittel-/langfristigem Bankgeschäft als auch die regionale Einschränkung bezüglich des Geschäftsgebietes jeder einzelnen Bank. Im Jahr 1992 wurde die direkte Beteiligung der Banken an Unternehmen erlaubt. Banken wurden zugleich zur Umwandlung in eine Kapitalgesellschaft oder eine Genossenschaftskapitalgesellschaft verpflichtet.136 Europäische Wettbewerber bekamen Zugang zum italienischen Bankenmarkt und das Privatisierungsverfahren wurde durch die Übertragung der Aktien von öffentlichen Banken auf neu gegründete Stiftungen des öffentlichen Rechtes eingeleitet.137 In den folgenden Jahren wurde ein Großteil der Beteiligungen der Stiftungen an private Investoren weiterverkauft und der gesamte Bankenmarkt erlebte eine grundlegende Transformation.138 Die Privatisierung gab ebenfalls in den Jahren 1993-2002 Anlass zur ersten Konsolidierungswelle, bei der insgesamt 566 Zusammenschlüsse stattfanden.139 Als Ergebnis entstanden innerhalb des italienischen Bankenmarktes vier verschieden große Bankengruppen: 133

Vgl. Giordano (2007), S. 177 ff. Vgl. Romagnoli (2010), S. 11. 135 Gesetz Nr. 218/1990. Vgl. Giordano (2007), S. 198 f. 136 Gesetz Nr. 481/1992. 137 Gesetz Nr. 385/1993 und Gesetz Nr. 474/1994. 138 Im Rahmen der Analyse des sozialen Auftrages im Kapitel 4.3.1 werden der Verlauf des Privatisierungsprozesses und dessen gesetzliche Regelung ausführlich dargestellt, sodass auf eine zusätzliche Beschreibung in diesem Kapitel verzichtet wird. S. Kap. 4.3.1. 139 Vgl. Romagnoli (2010), S. 13. 134

56

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM



Unicredito (aus dem Zusammenschluss von Credito Italiano und mehreren Sparkassen),



Banca Intesa (aus dem Zusammenschluss von Banca Commerciale Italiana, Cariplo und Banco Ambrosiano Veneto),



Sanpaolo IMI (aus dem Zusammenschluss von Istituto Bancario Sanpaolo di Torino und IMI) und



Capitalia (aus dem Zusammenschluss von Banca di Roma, Banco di Sicilia und der Banca Popolare di Brescia).140

Der erste Konsolidierungsprozess betraf hauptsächlich Banken von nationalstaatlichem Interesse, öffentlich-rechtliche Banken und Spezialinstitute. Obwohl sich die Privatisierung nicht an die Volksbanken wandte, wurden ebenfalls Volksbanken in die Konsolidierungswelle einbezogen. Ihre Geschäftspolitik löste sich von den ursprünglichen Wurzeln und die genossenschaftliche Leitidee wurde der Gewinnerzielung unterworfen, sodass der Zusammenschluss mit Privatbanken möglich wurde. Die ländlichen Kreditgenossenschaften blieben dagegen ihrem ursprünglichen genossenschaftlichen Charakters treu und behielten eine enge Kooperation mit dem genossenschaftlichen Verbund.141 Die zweite Konsolidierungswelle begann im Jahr 2005, als sich der Bankenmarkt dank des Eingriffes der „Banca d’Italia“ für zwei Jahre stabilisierte. Im Unterschied zu den vorigen Zusammenschlüssen, welche auf nationaler Ebene stattfanden, spielten hier ausländische Banken eine bedeutende Rolle. Im Jahr 2006 übernahm beispielsweise „ABN Amro“ die „Banca Antonveneta“ und die „BNP Paribas“ fusionierte mit der „Banca Nazionale del Lavoro“.142 Auf der anderen Seite fanden zwei große Fusionen italienischer Banken statt. Im Jahr 2006 entstand aus der Zusammenführung von „Banca Intesa“ und „Sanpaolo IMI“ die größte italienische Bankengruppe „Intesa Sanpaolo“ und im folgenden Jahr übernahm „Unicredit“ die Bank „Capitalia“. Um ausreichende Skalenerträge zu erzielen und

140 141 142

Ebda. Vgl. Körnert/Nolte, S. 82. Die Übernahme der „Banca Antonveneta“ durch die „ABN Amro“ wurde nach einem Urteil des Mailänder Gerichtes erlaubt, nachdem aufgrund eines strafrechtlichen Verhaltens (Agiogeschäft) die Übernahme derselben durch die „Banca Popolare Italiana“ als rechtwidrig erklärt wurde. Im Rahmen des gleichen Verfahrens blockierte ebenfalls die „Banca d’Italia“ die Übernahme der „Banca Nazionale del Lavoro“ durch die Versicherungsgruppe „Unipol“ und ermöglichte damit die Übernahme durch die „BNP Paribas“. Vgl. Romagnoli (2010), S. 14.

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

57

im Wettbewerb mit den anderen Gruppen zu bleiben, erfolgten bei Volksbanken ebenfalls mehrere Fusionen.143 Die historischen Entwicklungen führten zu einer Zweiteilung des italienischen Bankenmarktes: Auf der einen Seite existieren mehrere kleine selbstständige lokale Institute und auf der anderen Seite gibt es wenige nationale Großbanken. Zur ersten Gruppe gehören italienische Aktiengesellschaften („Unicredit“, „Intesa Sanpaolo“ und „Monte dei Paschi di Siena“), nationale Volksbanken und ausländische Bankengruppen (u. a. „BNP Paribas“ und „Credit Agricole“). Diese Banken bieten eine breite Produktpalette an und erweiterten in den letzten Jahren ihr Geschäftsgebiet. Bis zur Finanzkrise 2007/2008 nahm dank des steigenden Provisionsüberschusses ihre Rentabilität deutlich zu und sie erwiesen sich als Gewinner der Privatisierung.144 Zur zweiten Gruppe gehören mittelgroße Volksbanken, wenige lokale Sparkassen und eine große Anzahl von Kreditgenossenschaften,145 welche nur auf regionaler Ebene tätig sind und deren Rentabilität auf einem niedrigen Niveau liegt.146 Zusammenfassend erlebte der italienische Bankenmarkt im letzten Jahrhundert eine Vielzahl von Krisen und darauffolgenden Reformen; dadurch änderten sich im Laufe der Zeit auch immer wieder Struktur und Merkmale des Bankenmarktes. Nachdem dem Staat jahrzehntelang ein Großteil des Bankensektors gehörte und die Banken jeweils sehr spezialisiert waren, führte die Privatisierung der 90er Jahre zur Entstehung großer privater Universalbanken. Nachfolgend wird die Darstellung der historischen Entwicklung durch die Darstellung der Bilanzzusammensetzung und der Ertragsstruktur der italienischen Banken ergänzt. 2.4.2 Die heutige Struktur des italienischen Bankenmarktes Die oben beschriebenen Konsolidierungswellen führten zur Entstehung von wenigen großen Bankengruppen mit der Rechtsform einer Aktiengesellschaft, welche heute den italienischen Bankenmarkt maßgeblich kennzeichnen.147 Tabelle 2.5 schlüsselt den italienischen Bankenmarkt entsprechend der italienischen Zentralbank in Aktiengesellschaften, Volksbanken, Kreditgenossenschaften und Auslandsbanken auf.148 Bilanzsumme, Kredit- und sowie Einlagenmarkt verteilen sich 143

Es ist beispielsweise die Fusion zwischen der „Banca Popolare di Verona“ und der „Banca Popolare Italiana“ im Jahr 2007 zu nennen. Vgl. Romagnoli (2010), S. 15. Vgl. Polster (2004), S. 12 f. und Brunner et al. (2004), S. 40. 145 Im Jahr 2010 waren 426 unterschiedliche Kreditgenossenschaften tätig. Vgl. Romagnoli (2010), S. 16. 146 Vgl. Polster (2004), S. 9. 147 Vgl. Polster (2004), S. 9 f. 148 Weil sich die Bezeichnung Bankengruppe im Unterschied zu dem deutschen Bankenmarkt in Italien auf die verschiedenen privaten Unternehmensgruppen bezieht (u. a. Unicredit und Intesa Sanpaolo), 144

58

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

zwischen den verschiedenen Bankenkategorien homogen. Die Aktiengesellschaften dominieren den Gesamtmarkt mit 73 % und den Kredit- und Einlagenmarkt mit Nichtbanken mit 74 %. Volksbanken haben einen Marktanteil von 15 %, Kreditgenossenschaften und Auslandsbanken einen Marktanteil von 5 % und 7 %. Tabelle II.5 – Zusammensetzung des italienischen Bankenmarktes

Geschäftsstellen Bilanzsumme

Kredite

Einlagen

Aktiengesellschaften

69 %

73 %

74 %

74 %

Volksbanken

17 %

15 %

14 %

15 %

Kreditgenossenschaften

13 %

6%

7%

7%

1%

6%

5%

4%

Auslandsbanken

Alle Werte entsprechen dem prozentualen Anteil des gesamten Bankenmarktes zum 31.12.2012. Kredite/Einlagen an/von Nichtbanken.

Quelle: Banca d'Italia, Relazione Annuale - Appendice, 2013

Die Lage ändert sich, wenn man die Anzahl der Geschäftsstellen näher betrachtet. Trotz der Dominanz der Aktiengesellschaften (Anteil 69 %) besitzen Kreditgenossenschaften ein dichtes Filialnetz auf regionaler Ebene, und obwohl ihre Bilanzsumme nur 6 % des Gesamtmarktes ausmacht, beträgt ihr Anteil an den Geschäftsstellen 13 %. Demnach verwalten genossenschaftliche Geschäftsstellen im Durchschnitt weniger Aktiva als Geschäftsstellen von Aktiengesellschaften. Dieses Verhältnis bestätigt den engen Kontakt der Kreditgenossenschaften zu ihren Kunden, welcher hauptsächlich durch ein dichtes Filialnetz ermöglicht wird.149 Im Gegensatz dazu konzentrieren Auslandsbanken ihre Geschäfte auf wenige Geschäftsstellen, sodass sie mit nur 325 Geschäftsstellen einen Marktanteil von 6 % erreichen können. Abbildungen 2.8 und 2.9 verdeutlichen die Zusammensetzung der Aktiva und der Passiva. Hier wird nicht mehr die Aufteilung des gesamten Bankenmarktes zwischen den verschiedenen Bankenkategorien untersucht, sondern es wird die Bilanzstruktur jeder einzelnen Kategorie miteinander verglichen. Mit Ausnahme der Auslandsbanken ist allgemein das Geschäft mit Nichtbanken vorherrschend, des-

149

wird in Anlehnung an die Definition der „Banca d’Italia“ der Begriff Bankenkategorie verwendet. Vgl. Banca d’Italia (2013), S. 259. Körnert/Nolte (2005) verweisen ebenfalls auf die Verbreitung der Zweigstellen bei Kreditgenossenschaften. Vgl. Körnert/Nolte (2005), S. 83.

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

59

sen Anteil sowohl innerhalb der Aktiva als auch innerhalb der Passiva mehr als 40 % der Bilanzsumme ausmacht. Die Wichtigkeit des Wertpapier- und des Interbankbankgeschäftes schwankt zwischen den Bankenkategorien und ändert sich in Abhängigkeit der betrachteten Bilanzseite. In Bezug auf die Aktiva spielt das Interbankenmarktgeschäft nur eine unbedeutende Rolle für Volksbanken (5.19 %) und für Kreditgenossenschaften (5.85 %), dagegen liegen die Anteile für Aktiengesellschaften (10.14 %) und für Auslandsbanken (8.41 %) deutlich höher. Einen bedeutenden Anteil nimmt das Wertpapiergeschäft bei den Volksbanken ein, sein Anteil an der Bilanzsumme beträgt 39.38 % und übersteigt somit die entsprechenden Werte aller anderen Bankenkategorien. Außerdem unterscheiden sich bei Volksbanken die Anteile des Kreditgeschäftes mit Nichtbanken und des Wertpapiergeschäftes nur um 11 Prozentpunkte, was auf eine ausgeglichene Bilanzstruktur zwischen Kredit- und Kapitalmarktgeschäft hinweist. Das ursprüngliche Geschäftsmodell der Volksbanken, welches hauptsächlich auf das klassische Bankgeschäft gerichtet war, wurde im Laufe der Jahre durch eine ausgeprägtere Kapitalmarktorientierung ersetzt und immer mehr auf die Gewinnerzielung gerichtet.150 Im Ergebnis ähnelt ihr Portfolio heute mehr dem einer Aktiengesellschaft als dem einer Kreditgenossenschaft. Im Gegensatz dazu sind Kreditgenossenschaften ihrem ursprünglichen Geschäftsmodell treu geblieben, ihre Aktiva bestehen zu 62.72 % aus Krediten an Nichtbanken.151 Letztendlich sind Auslandsbanken von einer überdurchschnittlichen Gewichtung der Bilanzposition „Andere Aktiva“ (31.76 %) geprägt. Weil die Bilanzposition „Andere Aktiva“ hauptsächlich das Aktivgeschäft mit ausländischen Subjekten enthält, ist ihr hoher Anteil vielmehr der Vernetzung der Auslandsbanken mit ihrer Muttergesellschaft als dem Ergebnis einer besonderen Strategie geschuldet.152 Einlagen von Nichtbanken sind auch auf der Passivseite der Bilanz aller Bankenkategorien die größte Position, obwohl ihre Werte niedriger als bei den Aktiva sind. Analog zur Aktivseite besitzen Kreditgenossenschaften mit 47.09 % den höchsten Anteil des Nichtbankgeschäftes. Trotz ihrer Dominanz ist allerdings die Aufteilung der Einlagensammlung zwischen dem Nichtbanken- und dem Interbankgeschäft bei allen Bankenkategorien im Vergleich zu den Aktiva ausgeglichener. Dies deutet auf eine ausgeprägtere Diversifizierungsstrategie der Refinanzierungsquellen hin. Die Finanzierung des Kreditgeschäfts mit Nichtbanken erfolgt demnach durch das Sammeln von Kunden- und Interbankeinlagen. Im Gegensatz dazu liegen die prozentualen Werte der Schuldverschreibungen für Aktiengesellschaften, Volksbanken und Kreditgenossenschaften im Bereich 25 % bis 34 %. Sie unterscheiden sich nicht wesentlich von denen des Wertpapiergeschäfts, 150 151 152

Vgl. Körnert/Nolte (2005), S. 82. Vgl. Körnert/Nolte (2005), S. 83. Für eine Darstellung der Kategorisierung der Bilanzposten vgl. Banca d’Italia (2013), S. 255 ff.

60

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

welche im Bereich 26 % bis 39 % liegen. Dies weist darauf hin, dass die Geschäftsstrategie aller Bankenkategorien auf eine ausgeglichene Gewichtung des Kapitalmarktgeschäftes zwischen Investition- und Refinanzierungsquellen zielt. Eine Ausnahme stellen Auslandsbanken dar, deren Passiva zu 61.5 % aus der Kategorie "Andere Passiva" bestehen. Diese Kategorie unterscheidet sich grundlegend von AG-Banken, von Volksbanken und von Kreditgenossenschaften, da ihre Refinanzierungsquellen hauptsächlich außerhalb Italiens liegen.153

153

Die Kategorie „Andere Passiva“ besteht hauptsächlich aus der Bilanzposition „Verbindlichkeiten gegenüber ausländischen Subjekten“. Vgl. Banca d’Italia (2013), S. 255 ff.

II.

100% 90%

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

6.73% 10.29%

0.17%

3.62% 9.35%

10.77%

80% 70%

25.56%

61

28.40%

33.65%

61.50%

60% 50% 40%

39.88%

30%

47.09%

38.84%

20% 10%

5.25%

0.66%

27.05% 17.54%

14.54%

Aktiengesellschaften

Volksbanken

13.57%

0%

5.54%

Kreditgenossenschaften Auslandsbanken

Einlagen  von  Banken

Einlagen  von  Nichtbanken

Eigenkapital

Andere  Passiva

Schuldverschreibungen

Abbildung II.8 – Wichtige Aktiva der italienischen Banken nach Bankenkategorie Die Kategorie „Andere Aktiva“ enthält Forderungen gegenüber ausländischen Kunden. Die Angaben beziehen sich auf das Geschäftsjahr 2012. Quelle: Banca d'Italia, Relazione Annuale - Appendice, 2013 100% 90%

6.73% 10.29%

0.17%

3.62% 9.35%

10.77%

80% 70%

25.56%

28.40%

33.65%

61.50%

60% 50% 40%

39.88%

30%

47.09%

38.84%

20% 10%

5.25%

0.66%

27.05% 17.54%

14.54%

Aktiengesellschaften

Volksbanken

13.57%

0%

5.54%

Kreditgenossenschaften Auslandsbanken

Einlagen  von  Banken

Einlagen  von  Nichtbanken

Eigenkapital

Andere  Passiva

Schuldverschreibungen

Abbildung II.9 – Wichtige Passiva der italienischen Banken nach Bankenkategorie Die Kategorie „Andere Passiva“ enthält Verbindlichkeiten gegenüber ausländischen Kunden. Die Angaben beziehen sich auf das Geschäftsjahr 2012. Quelle: Banca d'Italia, Relazione Annuale - Appendice, 2013

62

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

In Anlehnung an Kapitel 2.3.2 werden in den Abbildungen 2.10 und 2.11 zusätzlich zur Bilanzstruktur die Zusammensetzung der Erträge und die Aufwand/Ertrag Relation (CIR) für das Jahr 2012 betrachtet.154 In den letzten Jahrzehnten hat der gestiegene Wettbewerb innerhalb des italienischen Kredit- und Einlagenmarktes zu einer deutlichen Senkung der Margen im Zinsgeschäft geführt, sodass der Zinsüberschuss für Aktiengesellschaften, Volksbanken und Auslandsbanken derzeit auf einem sehr niedrigen Niveau liegt.155 Eine Ausnahme hiervon sind die Kreditgenossenschaften, deren Zinsüberschuss 1.95 % beträgt, damit übersteigt der Wert die der anderen Bankenkategorien deutlich. Trotz harter Konkurrenz und einer schwierigen wirtschaftlichen Lage Italiens erzielten die Kreditgenossenschaften im Jahr 2012 aus der Durchführung ihres Zinsgeschäftes somit ausreichende Erträge. Verantwortlich hierfür ist wahrscheinlich ihr dichtes Filialnetz und ihr meist langjähriges und enges Verhältnis zu den Kunden, welche einerseits eine kostengünstige und stabile Einlagenbasis sichern und andererseits dank einer guten Information auch eine bessere Kontrolle des Kreditrisikos ermöglichen.156 Während zurückliegend die Senkung des Zinsüberschusses im italienischen Bankenmarkt durch steigende Erträge aus dem Provisionsgeschäft kompensiert wurde, wurden im Jahr 2012 nur niedrige Provisionsüberschüsse erzielt.157 Der Wert hierfür liegt für alle Kategorien im Bereich 0.43 %-0.62 %, sodass innerhalb dieses Geschäftes die Unterschiede zwischen den Kategorien eher gering ausfallen. Im Gegensatz dazu sind deutliche Unterschiede im Vergleich von Kreditgenossenschaften und den anderen Kategorien zu erkennen: Der Wert liegt hier bei Aktiengesellschaften, bei Volksbanken und bei Auslandsbanken bei über 58 % und unterstreicht die Wichtigkeit des Provisionsgeschäftes als Überschussquelle für die Gewinnbildung. Für Kreditgenossenschaften hingegen beläuft sich diese Kennzahl auf nur 30 % und bestätigt hier die Priorität des Zinsgeschäftes gegenüber dem Provisionsgeschäft.

154

Im Unterschied zur Analyse des deutschen Bankenmarktes werden aufgrund der sehr ausgeprägten Unterschiede in den Wertbereichen die GUV-Kennzahlen und die CIR bzw. das Provisions/Zinsüberschuss-Verhältnis auf zwei verschiedenen Abbildungen dargestellt. 155 Der Zinsüberschuss von Aktiengesellschaften, von Volksbanken und von Auslandsbanken liegt im Bereich 0.7 %-1 %. Für eine Darstellung der Entwicklungen im italienischen Bankenmarkt vgl. Polster (2004), S. 11 und Brunner et al. (2004), S. 13 ff. 156 Vgl. Stappel (2005), S. 135 ff. 157 Die Entwicklung der Ertragsstruktur italienischer Banken seit dem Ende der 90er Jahre wird in Polster (2004) dargestellt. Vgl. Polster (2004), S. 9 ff.

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

63

Prozentwert  der  Bilanzsumme

2.5 2

1.5 1

0.5 0

-­‐0.5 -­‐1 Zinsüberschuss Aktiengesellschaften

Provisionsüberschuss Volksbanken

Jahresüberschuss  vor  Steuern

Kreditgenossenschaften

Auslandsbanken

Abbildung II.10 – Zins-, Provisions- und Jahresüberschuss italienischer Banken – nach Bankenkategorien Alle Angaben werden als Prozentwert der Bilanzsumme angegeben und beziehen sich auf das Geschäftsjahr 2012. Quelle: Banca d'Italia, Relazione Annuale - Appendice, 2013 1 0.9 0.8

Verhältniswert

0.7

0.6 0.5 0.4 0.3 0.2

0.1 0

Provisionsüberschuss  /  Zinsüberschuss Aktiengesellschaften

Volksbanken

Cost-­‐Income-­‐Ratio Kreditgenossenschaften

Auslandsbanken

Abbildung II.11 – GuV Kennzahlen italienischer Banken – nach Bankenkategorien Alle Angaben beziehen sich auf das Geschäftsjahr 2012. Quelle: Banca d'Italia, Relazione Annuale - Appendice, 2013

64

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

Die Werte des Jahresüberschusses vor Steuern spiegeln die schwierige Lage der italienischen Wirtschaft im Jahr 2012 wider. Vor der Finanzkrise konnten Aktiengesellschaften und Volksbanken überdurchschnittliche Gewinne erzielen und wurden von mehreren Beobachtern als Gewinner der Privatisierung gefeiert, wohingegen Kreditgenossenschaften aufgrund ihres obsoleten Geschäftsmodells und ihrer Kleinteiligkeit nur eine unterdurchschnittliche Rentabilität erreichten.158 Während der aktuellen Finanzkrise erwies sich das Geschäftsmodell der Kreditgenossenschaften jedoch als Stabilitätsfaktor, in dem die Zinserträge stabil blieben und damit ein positiver Jahresüberschuss vor Steuern erzielt werden konnte. Aktiengesellschaften und Volksbanken, deren Erträge stärker vom Provisionsüberschuss abhängen, erlitten dagegen eine starke Reduzierung ihrer Überschüsse und verzeichnen für das Jahr 2012 einen Nettoverlust. Die letzte Kennzahl CostIncome-Ratio aus Abbildung 2.11 setzt die operativen Kosten ins Verhältnis zu den Nettoerträgen und liefert damit einen zusätzlichen Maßstab für die Rentabilität.159 Insgesamt verzeichnet diese Kennzahl höhere Werte für Aktiengesellschaften, für Volksbanken und für Auslandsbanken im Vergleich zu den Kreditgenossenschaften und bestätigt für 2012 die bessere Rentabilität dieser Kategorie.160 Die Darstellung der Bilanzzusammensetzung und der Ertragsstruktur italienischer Banken verdeutlicht die Unterschiede zwischen den Bankenkategorien, die aus der Entwicklung des Bankensektors seit Ende der 90er Jahre resultieren. Die großen Konsolidierungswellen innerhalb der Aktiengesellschaften und der Volksbanken und die Herausbildung großer Bankengruppen haben zu Änderungen in den Geschäftsstrategien geführt; das Provisions- und Kommissionsgeschäft hat damit an Wichtigkeit gewonnen.161 Kreditgenossenschaften blieben dagegen meistens vom Konsolidierungsprozess ausgeschlossen und behielten ihre eher kleinteilige Struktur und ein dichtes Filialnetz. Während die Großbanken vor der Finanzkrise hohe Rentabilitäten erzielen konnten, verschlechterte sich ihre Ertragslage in den letzten Jahren. Kritik an den Kreditgenossenschaften musste dagegen zu einem großen Teil revidiert werden, weil diese sich letztlich als Stabilitätsfaktor des italienischen Bankensystems erwiesen haben. Im Jahr 2012 waren sie die einzige Bankenkategorie, welche dank des hohen Zinsüberschusses ein positives Ergebnis und eine niedrige CIR beibehalten konnte.

158

Vgl. Polster (2004), S. 12. Die Nettoerträge werden als Summe des Provisions- und Zinsüberschusses berechnet. Ebenfalls bei Brunner et al. (2004) wird ein höheres Effizienzgrad für Kreditgenossenschaften festgestellt. Vgl. Brunner et al. (2004), S. 21. 161 Vgl. Polster (2004), S. 12 f. 159 160

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

65

2.5 Zwischenfazit In den letzten Jahrzehnten erlebten die europäischen Kapitalmärkte im Zuge der technologischen Entwicklung und der zunehmenden Integration eine grundlegende Umwandlung.162 Darüber hinaus erfuhr der Finanzsektor umfassende Privatisierungsprogramme durch die Regierungen verschiedener Länder, was zur Folge hatte, dass der öffentliche Anteil am Finanzsektor in mehreren Ländern stark zurückging.163 Obwohl der europäische Integrationsprozess zum Ziel hatte, die Unterschiede zwischen den Mitgliedsländern zu verringern, stellt der europäische Finanzmarkt bis heute keine homogene Einheit dar.164 Der Vergleich des deutschen und des italienischen Finanzmarktes im Kapitel 2.2 machte deutlich, dass die Struktur der Finanzmärkte und die Geschäftspolitik der Finanzintermediäre trotz vieler Gemeinsamkeiten stark durch nationale Merkmale geprägt ist. Diese sind das Ergebnis von jeweils unterschiedlichen politischen Entscheidungen in den beiden Ländern. Die Abschnitte 2.3 und 2.4 begrenzen die Analyse auf den Bankenmarkt und beinhalten sowohl eine kurze historische Darstellung als auch die aktuelle Struktur beider Märkte. Deutschland ist bis heute gekennzeichnet durch das Drei-Säulen-Modell, welches über Jahre erhalten blieb und heute als Alleinstellungsmerkmal Deutschlands angesehen werden kann.165 Die drei Säulen unterscheiden sich dabei nicht nur hinsichtlich ihrer jeweiligen historischen Entwicklungen und ihrer Ziele, sondern auch hinsichtlich ihres Geschäftsmodells und ihrer Ertragsstruktur.166 Eine solche Aufteilung findet sich dagegen im italienischen Bankenmarkt heute nicht mehr. Während im 20. Jahrhundert öffentliche Banken den Markt dominierten, hat die große Privatisierungswelle der 90er Jahre zu einem fast vollständigen Verschwinden öffentlich-rechtlicher Banken und zur Entstehung großer Aktiengesellschaften geführt. Der Konsolidierungsprozess betraf dabei nicht nur öffentliche Banken und Sparkassen, sondern wirkte ebenfalls auf Volksbanken und veränderte deren Geschäftsmodell grundlegend.167 Im Ergebnis dieser Entwicklung überwiegen jetzt gewinnorientierte Banken mit 94 % der gesamten Bilanzsumme den italienischen Bankenmarkt. Lediglich die Kreditgenossenschaften hielten sich aus dem Konsolidierungsprozess in der Regel heraus und behielten ihre ursprüngliche mitgliedsorientierte Zielstellung sowie ihre kleinteilige Struktur.168

162

Vgl. Hummel (2001), S. 82 f. Vgl. Megginson (2005), S. 1336 ff. Vgl. Brunner et al. (2004), S. 7 ff. 165 Vgl. Brunner et al. (2004), S. 16 f. 166 Vgl. Schrooten (2008), S. 510 ff. 167 Vgl. Romagnoli (2010), S. 15. 168 Vgl. Stappel (2000), S.130 ff. 163 164

66

II.

DAS DEUTSCHE UND DAS ITALIENISCHE BANKENSYSTEM

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass trotz der Dominanz von Aktiengesellschaften im italienischen Bankenmarkt in beiden Märkten – dem italienischen und dem deutschen – nicht nur gewinnorientierte Banken tätig sind. Es bestehen insbesondere Gemeinsamkeiten zwischen beiden Märkten auf der Gruppenebene in der Bilanz- und Ertragsstruktur deutscher und italienischer Banken; dies ist eine Folge der unterschiedlichen Ziele von gewinnorientierten und nicht gewinnorientierten Banken. Nachdem in diesem Kapitel die verschiedensten Geschäftsmodelle in beiden Märkten vorgestellt wurden, gilt das Hauptaugenmerk in den nächsten Kapiteln der Analyse öffentlicher Banken. Im folgenden Kapitel 3 wird der empirische durch einen theoretischen Ansatz ersetzt, in dem die theoretischen Grundlagen für die Rechtfertigung der Existenz von öffentlichen Banken durch eine Darstellung der existierenden Erklärungsansätze aus der Literatur diskutiert werden.

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

67

III. Theoretische Ansätze zur Rechtfertigung von öffentlichen Banken Die Beziehung zwischen Staat und Bankensektor hat eine lange Geschichte, sie hat sich im Laufe des letzten Jahrhunderts ständig gewandelt.169 Grundsätzlich kann zwischen einem direkten und einem indirekten Staatsinterventionismus zur Erreichung der im allgemeinen Interesse bestehenden Ziele unterschieden werden. Die indirekte Art des Interventionismus versucht, durch Regulierung und Förderungsmaßnahmen das Verhalten der Marktteilnehmer zu beeinflussen, um bestimmte Marktversagen zu korrigieren. Bei der Bankenregulierung ist beispielsweise eins der primären Ziele, die Funktionsfähigkeit des Finanzsektors zu garantieren und die Gläubiger der Banken vor Verlusten zu schützen.170 Die direkte Art des Interventionismus verwendet dagegen die aktive Teilnahme am Markt als Instrument zur Zielerreichung. Dabei tritt der Staat als eigener Marktteilnehmer auf und beeinflusst so die Funktionsfähigkeit und die Prozesse des Marktes. Im vorliegenden Kapitel erfolgt nun eine Einschränkung des Untersuchungsgegenstandes auf öffentliche Banken. Hierbei liegt der Schwerpunkt auf dem direkten Interventionismus innerhalb des Bankenmarktes, die indirekte Art bleibt unberücksichtigt.171 Deswegen werden Förderungsinstrumente und die Bankenregulierung in der Analyse nicht weiter untersucht. Obwohl in vielen Ländern die direkte Teilnahme des Staates am Bankenmarkt reduziert und durch eine Rolle als passive Regulierungsbehörde ersetzt wurde, erreicht der öffentliche Anteil im weltweiten Bankensektor auch heute noch ein beträchtliches Ausmaß. Nach der empirischen Forschung von LaPorta (2000) betrug der öffentliche Anteil am weltweiten Bankensystem trotz Privatisierungswelle noch 41,6 % .172 Aber auch aus der jüngsten weltweiten Finanzkrise hat die internationale Debatte zur Rolle von öffentlichen Banken wieder an Aktualität gewonnen. Die übermäßige Risikoexposition privater Banken führte auch moderne Finanzmärkte fast zum Kollaps und machte ein Eingreifen des Staates erforderlich.173 Dadurch wurde die bislang verbreitete Meinung, dass staatliche Eingriffe 169

Vgl. LaPorta (2000), S. 4 ff. Vgl. Eilenberger (2012), 69. 171 Für eine vollständige Darstellung der Entwicklung der Bankenregulierung und der Funktionsweise des indirekten Interventionismus durch die Bankenregulierung vgl. Gischer (2005), S. 181 ff. 172 Vgl. LaPorta (2000), S. 11. 173 In Großbritannien wurde beispielsweise im Jahr 2009 die Royal Bank of Scotland, eine der weltweiten größten Institute, fast vollständig vom britischen Staat übernommen. In den USA wurde unter Anderem die größte nationale Versicherungsgesellschaft AIG im Jahr 2008 verstaatlicht. Vgl. o.A. (2009) und vgl. Kuls (2008). 170

68

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

in den privaten Bankenmarkt die Funktionsweise des Marktes eher beeinträchtigen als unterstützen, sowohl auf akademischer als auch auf politischer Ebene wieder neu diskutiert.174 In der fachspezifischen Literatur175 werden folgende vier Bereiche angeführt, im Rahmen derer die Rolle öffentlicher Banken betrachtet und analysiert werden: 1. Die Unterstützung der Stabilität und der Sicherheit des Bankensystems. 2. Die Verminderung von Marktfehlern, welche aus der kostenintensiven und asymmetrischen Information entstehen. 3. Die Finanzierung von Projekten, welche sich als sozial wertvoll, aber finanziell unrentabel aufweisen. 4. Die Förderung der finanziellen Entwicklung und die Verbreitung des Zugangs zu konkurrenzfähigen Finanzdienstleistungen für ausgeschlossene Haushalte. Dem ersten Aspekt liegt die Tatsache zugrunde, dass sich aus der Tätigkeit von Banken eine inhärente Fragilität ergibt. Die Intermediationsfunktion bringt Liquiditätsprobleme und Bankenkrisen mit sich, da in der Regel die Passiva aus kurzfristigen liquiden Einlagen und die Aktiva aus weniger liquiden und langfristigen Krediten bestehen, wie das Beispiel der Savings & Loans Krise der 80er Jahre zeigt.176 Die alleinige Betrachtung solcher Liquiditätsprobleme wäre jedoch keine ausreichende Begründung für die Rechtfertigung eines direkten Staatseingriffs, wenn der Bankensektor keine besondere Rolle annehmen würde. Dennoch führt die Bedeutung eines funktionierenden Finanz- und Bankensektors für die reale Wirtschaft dazu, dass von einem Kollaps derselben nicht nur die Markteilnehmer betroffen wären. Aus einem Kollaps würde sich eine Reihe von negativen Auswirkungen auf andere Subjekte außerhalb des Marktes ergeben, welche als Externalitäten definiert werden.177 Insbesondere wären die Transmissionsmechanismen der Geldpolitik außer Kraft gesetzt, was die Liquiditätsversorgung des realen Unternehmenssektors gefährden und damit auch die reale Wirtschaft beeinträchtigen würde.178 Gemäß dieser Erklärung kann das Risiko solch negativer Auswirkungen durch eine staatliche Intervention reduziert werden. Bei einer direkten Intervention 174

Vgl. bspw. Andrianova et al. (2010). Vgl. Yeyati et al. (2004), S. 6 f. für eine Darstellung der unterschiedlichen Literaturbeiträge. 176 Während der Saving & Loans Krise gingen 747 von 6.234 nordamerikanischen Savings and Loans Association in Konkurs. Dabei wurden insbesondere die Risiken aus der Fristentransformation und die daraus folgende Instabilität vieler Banken ersichtlich. Vgl. English (2002), S. 67. 177 Externalitäten werden als Kosten oder Vorteile aus der Tätigkeit von Agenten definiert, welche im Marktpreis nicht enthalten sind. Vgl. dazu Pindyck/Rubinfeld (2009), S. 415. 178 Für eine Beschreibung der Rolle der Banken für den Transmissionsmechanismus der Geldpolitik vgl. Fender (2012), S. 99 ff. 175

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

69

ergänzt die Finanzkraft von öffentlichen Banken die fehlende Tätigkeit von privaten Banken und kann diese im Notfall ersetzen.179 Der zweite Bereich beschäftigt sich mit der Korrektur von Marktfehlern aus kostenintensiver und asymmetrischer Information. Ein Eingreifen des Staates kann laut dieser Erklärung als wirtschaftspolitische Maßnahme betrachtet werden, welche darauf abzielt, eine höhere Effizienz der Finanzmärkte durch das Beseitigen informationsbasierter Marktfehler zu erreichen. Die besonderen Ziele öffentlicher Banken erlauben ihnen, notwendige Informationen, die die negativen Auswirkungen aus der Informationsasymmetrie mindern können, ggf. auch entsprechend kostenintensiv zu erarbeiten.180 Diese Erklärung ist eng mit dem vorigen Bereich verbunden, da der negative Einfluss der asymmetrischen Information in Krisensituationen zunimmt.181 Der dritte Bereich betrachtet die Unterschiede zwischen finanzwirtschaftlichen und sozialen Zielen. In einem vollständig privaten Bankenmarkt werden Banken ihre Geschäftstätigkeit so steuern, dass sie dadurch einige festgesetzte finanzwirtschaftliche Ziele, worunter die Gewinnmaximierung fällt, erreichen können. Dabei bleiben zusätzliche Ziele häufig außer Betracht, was dazu führen kann, dass soziale Projekte abgelehnt werden. Hier kann der Staat sowohl mit indirekten Mitteln (Fördermaßnahmen) als auch mit direkten Mitteln eingreifen. Bei einer direkten Intervention kann eine öffentliche Bank soziale Kriterien in ihr Zielsystem mit einbeziehen; ihre Leistung und die Investition wird dann nicht nur an der Gewinnerreichung gemessen. Ein typisches Beispiel sind neugegründete kleine und mittlere Unternehmen. Ihre Finanzierung beinhaltet normalerweise ein hohes Risiko in der Anfangsphase, auf lange Sicht aber existiert ein großes Potenzial sowohl für das Unternehmen als auch für die Wirtschaft. Die langfristige Perspektive ist jedoch häufig mit dem Ziel der kurzfristigen Gewinnmaximierung schwer vereinbar, was nicht selten zu einer Unterfinanzierung solcher Projekte durch Privatbanken führt. Im Gegensatz dazu können öffentliche Banken aufgrund ihres gewählten Zielsystems eine langfristige Strategie umsetzen und diese Finanzierungslücke ausfüllen.182 Der vierte und letzte Bereich betrifft die Versorgung mit Finanzdienstleistungen für die Bevölkerung. Diese Begründung basiert auf zwei Annahmen: 179

Zusätzlich zur direkten Intervention kann der Staat auch mit indirekten Maßnahmen wie Regulierung eingreifen. Diese Art der Intervention ist jedoch nicht Untersuchungsgegenstand dieses Kapitels und wird deswegen hier nicht weiterhin behandelt. 180 Vgl. Stiglitz et al. (1993), S. 19 ff. 181 Vgl. Andrianova et al. (2010), S. 16 ff. 182 Vgl. Gischer et al. (2005), S. 38. Diese Erklärung wird von den Vertretern des „Political View“ und des „Agency View“ kritisiert, in dem die Verzerrungen aus einem staatlichen Eingriff behandelt werden. S. Kap. 3.4 und 3.5.

70

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN



Eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Finanzprodukten stellt eine grundlegende Voraussetzung für die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung dar.183



Der Zugang zu Finanzdienstleistungen ist in der heutigen Gesellschaft ein Recht der Bürger; daraus entsteht für den Staat die Verpflichtung, geeignete Instrumente zur Sicherung dieses Rechtes einzusetzen.184

Die Gewinnorientierung der Banken kann in vielen Fällen dazu führen, dass Regionen mit geringerer Bevölkerungsdichte aus Rentabilitätsgründen vernachlässigt werden. Hierbei wird ein Eingreifen der öffentlichen Hand notwendig, um sowohl die regionale Entwicklung zu fördern als auch die Versorgung mit Finanzprodukten zu garantieren.185 Oft wird angenommen, dass unzureichender Zugang zu Finanzdienstleistungen heute nur noch ein Problem in Entwicklungsländern ist und in entwickelten Ländern nicht mehr auftritt. Einige Studien beweisen aber das Gegenteil.186 Insbesondere Gebiete mit niedriger Bevölkerungsdichte sind häufig unterversorgt, da ein umfassendes Zweigstellennetz den Privatbanken zu unrentabel erscheint. Dabei wirkt sich ein unzureichendes Angebot an Finanzdienstleistungen auch negativ auf die lokale Wirtschaft aus und dämpft deren Entwicklung. Ein Eingreifen des Staates kann hier durch direkte Präsenz von öffentlichen Banken, welche eben nicht nur Rentabilitätskriterien berücksichtigen, sowohl die Rechtssicherung gewährleisten als auch die Wirtschaft fördern.187 Die vier dargestellten Bereiche liefern somit einen ersten Überblick über mögliche Rechtfertigungen für einen direkten Staatseingriff mit öffentlichen Banken. In den folgenden Kapiteln wird diese Thematik näher untersucht; die oben dargestellten Begründungen werden ausführlich diskutiert und mit zusätzlichen und teilweise kontrastierenden Erklärungen erweitert. Abbildung 3.1 zeigt fünf verschiedene Ansätze zur Begründung der Existenz öffentlicher Banken; diese werden in Abhängigkeit ihres Nettobeitrags zur sozialen Wohlfahrt in positive und negative Ansätze unterteilt.

183

Hierzu zählen beispielsweise die Möglichkeit der Eröffnung eines Girokontos oder der Geldanlage. Vgl. Yeyati et al. (2004), S. 9 f. Vgl. Körner/Schnabel (2011), S. 409 ff. 186 Für eine weltweite Analyse über die finanzielle Ausgrenzung vgl. World Bank (2008). Im gleichen Jahr wurde ein Bericht zum gleichen Thema auch von der Europäischen Kommission veröffentlicht. Vgl. European Commission (2008). 187 Vgl. Körner/Schnabel (2011), S. 435 f. Es können ebenfalls Förder- und Subventionsinstrumente eingesetzt werden. Diese sind aber nicht Gegenstand dieser Untersuchung. 184 185

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

Positive Ansätze

71

Negative Ansätze

Social View Development View

Political View

Macroeconomic View Agency View Abbildung III.1 – Theoretische Ansätze zur Begründung der Existenz von öffentlichen Banken Quelle: Eigene Darstellung

Die positiven Ansätze betrachten öffentliche Banken als funktionierendes Instrument zur Steigerung der sozialen Wohlfahrt. Sie begründen den direkten Staatseingriff mit der Beseitigung von Marktunvollkommenheiten. Laut den Vertretern dieses Ansatzes können öffentliche Banken durch ihre Tätigkeit die Erreichung von im allgemeinen Interesse bestehenden Zielen fördern, welche von sozialer („Social View“), wirtschaftspolitischer- („Development View“) oder makroökonomischer Natur („Macroeconomic View“) sind.188 Dagegen hat ein direkter Eingriff des Staates nach dem negativen Ansatz („Political View“) keine wohlfahrtssteigende Wirkung. Das Interesse der Allgemeinheit steht nicht mehr im Fokus, sondern das Interesse der regierenden politischen Partei ist entscheidend: Öffentliche Banken dienen als Instrument zur Maximierung ihres Eigennutzes. Während bei den positiven Ansätzen öffentliche Banken als Instrument für die Beseitigung von Marktversagen betrachtet werden, stellen sie nach dem negativen Ansatz ein Beispiel für Staatsversagen dar. Demnach ist das Ergebnis ihres Eingriffes eine Reduzierung der sozialen Wohlfahrt.189 In Abbildung 3.1 ist ein zusätzlicher Ansatz enthalten: der „Agency View“. Dieser beinhaltet sowohl Elemente aus den positiven als auch aus dem negativen Ansatz. Es wird dabei nicht mehr die Zielsetzung von öffentlichen Banken betrachtet, sondern die Funktionsweise der Kooperation zwischen den verschiedenen Akteuren: Wähler, Politik und öffentliche Bank. Es wird untersucht, inwieweit aus der Ko188 189

Vgl. Yeyati (2004), S. 5 f. Vgl. Sapienza (2004), S. 358 ff.

72

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

operation dieser drei Subjekte Prinzipal-Agent Konflikte190 entstehen können und welche Folgen diese mit sich bringen.191

3.1 Der „Social View“ Der „Social View“ hat seinen Ursprung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. In seinem Buch über die Zukunft der Sparkassen im europäischen Raum erklärt beispielsweise Revell (1989), dass sich ein Ziel solcher Institutionen auf die Durchführung von sozialen Projekten in der Region bezieht.192 Der ehemalige Bundespräsident Horst Köhler bezeichnet als grundlegendes Prinzip der Deutschen Sparkassen „eine wirtschaftliche Geschäftsführung mit sozialer Verantwortung“.193 Die soziale Dimension der finanzierten Projekte stellt der Fokus des „Social View“ dar, welcher nicht nur auf Sparkassen begrenzt ist, sondern sich auf alle öffentliche Banken bezieht.194 Eine Einordnung des sozialen Ansatzes in die Theorie der Finanzmärkte erfolgt durch die Betrachtung der Rolle von Informationen und des damit verbundenen Marktversagens. Die Finanzmärkte und insbesondere der Bankenmarkt sind durch besondere Eigenschaften gegenüber anderen Märkten – sowohl bezüglich der Produkte als auch der Teilnehmer – gekennzeichnet. Dabei spielt die Funktion der Banken als Erwerber und Vermittler von Informationen eine grundlegende Rolle.195 Einerseits versuchen Banken durch ihre Tätigkeit innerhalb des Kreditmarktes, möglichst genaue Informationen über die Eigenschaften der zu finanzierenden Projekte zu erwerben. Andererseits agieren sie als Verkäufer von Finanzprodukten, deren Eigenschaften den Kunden vermittelt werden. Bankprodukte besitzen deswegen im Vergleich zu anderen Gütern und Dienstleistungen eine große Informationsintensität, sodass die Vollständigkeit der Informationen eine zwingende Voraussetzung für das Erreichen einer effizienten Allokation darstellt.196 Um vollständig zu sein, muss die Informationsbasis weder von Marktbeobachtungen noch 190

Die Prinzipal-Agent Theorie wird im Kapitel 3.4 dargestellt. Für eine theoretische Modellierung der Kooperationsprobleme vgl. Jensen/Meckling (1976). Vgl. Sapienza (2004), S. 358 f. 192 Vgl. Revell (1989), S. 43. 193 Köhler (1998), S. 13. 194 Es ist wichtig zu betrachten, dass sich Sparkassen weltweit sowohl in öffentlichem als auch in privatem Besitz befinden. Dementsprechend kann man nicht in allen Ländern Sparkassen als öffentliche Banken bezeichnen, wobei in dieser Arbeit der Fokus auf den Deutschen Sparkassen liegt. Vgl. Ayadi (2009), S. 8 ff. 195 Vgl. Fabozzi et al. (2012), S. 123 ff. 196 Eine Pareto-effiziente Allokation ist eine „Güterverteilung, bei der niemand besser gestellt werden kann, ohne dass ein anderer dadurch schlechter gestellt wird“ (Pindyck/Rubinfeld (2009), S. 766). 191

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

73

von anderen Handlungen beeinflussbar sein.197 Allerdings stellt laut Stiglitz et al. (1993) Information kein konventionelles Gut dar: „Information differs from conventional commodities in several important ways. Information is, in a fundamental sense, a public good.“ (Stiglitz et al. (1993), S. 3) Öffentliche Güter besitzen zwei wichtige Merkmale: •

Sie sind nicht rivalisierend (Aus der Bereitstellung von einer zusätzlichen Menge an einem anderen Subjekt entstehen keine zusätzliche Grenzkosten).



Sie sind nicht ausschließbar (Es ist sehr kostenintensiv, andere Subjekte aus dem Verbrauch des öffentlichen Gutes auszuschließen, sodass die Berechnung eines Preises für die Nutzung fast unmöglich wird).198

Dazu ein Beispiel: Wenn das Subjekt A dem Subjekt B eine Information vermittelt, wird seine Informationsbasis nicht beeinflusst; die Vermittlung ist für das Subjekt A meistens kostenlos und das Subjekt B kann die Information an Dritte auch ohne die Zustimmung vom Subjekt A auf einfache Weise weiterleiten.199 Die Nicht-Rivalität und die Nicht-Ausschließbarkeit von Informationen führen dazu, dass viele Subjekte als „Free Rider“ von Informationen profitieren. Sie sind nicht bereit, Kosten für die Beschaffung von Informationen zu tragen, da sie erwarten, dass andere Subjekte diese Beschaffung in Anspruch nehmen. Aufgrund der Nicht-Ausschließbarkeit und der Nicht-Rivalität können sie dann ohne Kosten die Informationsbasis nutzen. Die Existenz von „Free Rider“ macht die Belohnung der Informationsbeschaffung sehr schwierig, daraus entsteht in der Regel ein ineffizientes und unzureichendes Angebot von Informationen auf dem Markt.200 Laut Stiglitz et al. (1993) ergibt die Kombination aus der fundamentalen Rolle der Information für die Finanzmärkte und aus ihren beschriebenen Merkmalen als öffentliches Gut ergeben sich sieben endemische Marktversagen. Diese betreffen: •

Monitoring als öffentliches Gut,



Externalitäten von Monitoring, Selektion und Kreditvergabe,

197

„...the information held by individuals or firms is not affected by what they observe in the market and cannot be altered by any action they can undertake, including acquiring more information.“ (Stiglitz et al. (1993), S. 3). 198 Vgl. Pindyck/Rubinfeld (2009), S. 872 ff. 199 Ebda. 200 Ebda.

74

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN



Externalitäten von einem finanziellen Zusammenbruch,



fehlende und unvollständige Finanzmärkte,



unvollständiger Wettbewerb,



Pareto-Ineffizienz von wettbewerblichen Märkten,



uninformierte Investoren.201

Von dieser Liste werden nachfolgend jene vier Punkte näher diskutiert, welche dem „Social View“ zugeordnet werden können. Das erste Marktversagen betrifft die unvollständige Überwachung der Banken durch die anderen Marktteilnehmer, insbesondere bezüglich ihrer Solvabilität und des Managementverhaltens. Da diese Information nicht ausschließbar und nicht rivalisierend ist, existieren für die anderen Subjekte keine Anreize, solche Information zu beschaffen. Wenn beispielsweise ein Anleger das Verhalten und die Entscheidungen des Managements überprüft und dadurch das Ausfallrisiko der Bank reduziert, muss er allein die Kosten ertragen, wohingegen von den Vorteilen alle anderen Anleger und Investoren profitieren. Dementsprechend wird die Überwachung unvollständig umgesetzt, was entweder zu einer Erhöhung der Risikoneigung des Managements oder zu einem Missbrauch der Ressourcen führen kann. Letztendlich wird durch das abnehmende Vertrauen in den Bankenmarkt die Allokationsfunktion der Finanzmärkte beeinträchtigt. Dagegen kann der Staat durch Regulierung und Überwachung oder durch eine direkte Beteiligung eingreifen. Beide Maßnahmen tragen zur Vervollständigung der Informationsbasis bei und wirken damit positiv auf die Allokationsfunktion der Bankenmärkte ein.202 Das zweite Marktversagen wechselt die Perspektive und betrifft die Asymmetrie zwischen den Kunden und der Bank bezüglich der Informationsbasis über das Investitionsprojekt, woraus sich ein fehlendes oder unzureichendes Angebot an Finanzdienstleistungen ergibt. Die asymmetrische Verteilung der Informationen zwischen den Vertragsparteien kann zu Kooperationsproblemen führen. Asymmetrische Information herrscht, wenn „ein Spieler über die Spielzüge (Ausprägungen) der Natur und seine eigenen Spielzüge (Handlungen) und/oder die eigenen Charakteristika besser informiert als der Gegenspieler ist.“ (Neuberger (1998), S. 13) 201 202

Vgl. Stiglitz et al. (1993), S. 4 ff. Vgl. Stiglitz et al. (1993), S. 4 ff.

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

75

Aufgrund seiner schlechteren Stellung wird ein Vertragspartner darin benachteiligt, relevante Entscheidungen zu treffen.203 Ein Kriterium zur Ordnung der Kooperationsprobleme aus der Informationsasymmetrie bezieht sich auf den Zeitpunkt der Kooperationsbeziehung, in dem diese auftreten.204 Die folgende Abbildung stellt diese Ordnung grafisch dar. Asymmetrische Information

Ex ante Unsicherheit

interim Unsicherheit

Ex post Unsicherheit

Qualitätsunsicherheit

Verhaltensunsicherheit

Keine Verifizierbarkeit

− Adverse Selektion

− Moral Hazard

− Costly State Verification

Abbildung III.2 – Kooperationsprobleme aus der asymmetrischen Information Quelle: Eigene Darstellung in enger Anlehnung an Hartmann-Wendels et al. (2007), S. 99

Die erste Kategorie „Ex ante Unsicherheit“ betrifft den Zeitpunkt vor Vertragsabschluss: In diesem Fall hat ein Vertragspartner vor Kooperationsbeginn einen Informationsvorteil bezüglich des Vertragsgegenstandes, sodass nur ihm alle seine relevanten Charakteristika bekannt sind. Es herrscht Unsicherheit über die Qualität des Projektes.205 Bei Kreditbeziehungen ist Qualitätsunsicherheit vorhanden, wenn die Bank keine ausreichenden Informationen über ein zu finanzierendes Projekt und damit über die Solvabilität eines möglichen Kreditnehmers besitzt. Sie kann nicht zwischen risikoarmen und risikoreichen Bewerbern unterscheiden und wird allen Bewerbern den gleichen Zinssatz anbieten. Für risikoarme Bewerber ist aber dieser Zinssatz zu hoch, sodass sie ihre Bewerbung zurückziehen und letztlich nur risikoreiche Bewerber bereit sind, das Angebot der Bank anzunehmen. So werden nur an diese risikoreichen Bewerber Kredite zu einem – bezüglich ihres Risikos zu niedrigem – Zinssatz vergeben; risikoarme Kreditnehmer werden nicht finanziert.

203 204 205

Vgl. Mishkin (2013), S. 208. Vgl. Hartmann-Wendels et al. (2007), S. 99 ff. Diese Situation wird als versteckte Information („Hidden Information“) bezeichnet. Vgl. Neuberger (1998), S. 13.

76

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

Diese Verzerrung des Allokationsprozesses aus Qualitätsunsicherheit heraus wird in der Literatur „adverse Selektion“ genannt.206 Die Kategorie „interim Unsicherheit“ betrifft die Zeitspanne, in dem die vereinbarte Leistung beeinflusst werden kann.207 Sie wird als versteckte Aktion („Hidden Action“) bezeichnet208 und entsteht, wenn ein Vertragspartner die Handlung des Gegenpartners nicht beobachten kann. Diese Art von Informationsasymmetrie ist eine Verhaltensunsicherheit; sie ist nur dann problematisch, wenn die negativen Auswirkungen aus dem Verhalten des Vertragspartners schwer von den Folgen exogener Risiken zu trennen sind.209 Ein Beispiel dazu aus den Kreditbeziehungen: Wenn eine Bank das Verhalten eines Kreditnehmers nicht beobachten kann und im Vertrag keine geeignete Anreizkomponente festgelegt hat, kann ein Kreditnehmer nach Erhalt der Finanzierung größere Risiken eingehen und damit die Wahrscheinlichkeit auf einen größeren Gewinn erhöhen. Für ihn ist es ein rationales Verhalten, da er das Geld der Bank investiert und bei einem schlechten Ergebnis die Bank den Verlust trägt. So reduziert sich die Rückzahlungswahrscheinlichkeit, was dazu führen kann, dass die Bank entweder einen zu hohen Zinssatz nachfragt oder nur einen Anteil der Investitionssumme finanziert.210 Dieses Marktversagen wird als moralisches Risiko („Moral Hazard“) bezeichnet.211 Die letzte Kategorie „ex post Unsicherheit“ betrifft die Verifizierbarkeit der Ergebnisse („costly state verification“). Bei einer Kreditbeziehung z. B. wird erwartet, dass im Fall eines Projekterfolges aus den Überschüssen die Rückzahlung an die Bank erbracht werden kann; bei einem Misserfolg dagegen erfolgt keine Gegenleistung. Wenn die Bank das Projektergebnis nicht direkt beobachten kann, besteht für den Kreditnehmer bei einem Projekterfolg kein Anreiz, das wahre Ergebnis mitzuteilen. Er wird dagegen immer von einem Misserfolg berichten und damit die Rückzahlung minimieren.212 Diese Problematik reduziert die Bereitschaft der Bank, Projekte zu finanzieren und führt damit zu einem suboptimalen Kreditangebot.213

206

Das Kooperationsproblem der adversen Selektion wurde ursprünglich von Akerlof (1970) dargestellt. Es herrscht Unklarheit in der Literatur über die Zuordnung des Problems der versteckten Information. Während Hartmann-Wendels et al. (2007) die versteckte Information der „interim Unsicherheit“ zuordnen, subsumieren z. B. Neuberger (1998) und Mishkin diese unter „ex-post Unsicherheit“. In dieser Arbeit wird die Aufteilung nach Hartmann-Wendels et al. (2007) verwendet. 208 Vgl. Neuberger (1998), S. 13. 209 Vgl. Hartmann-Wendels et al. (2007), S. 102. 210 Vgl. Mishkin (2013), S. 215 ff. 211 Vgl. Neuberger (1998), S. 14. 212 Dieses Kooperationsproblem bei Kreditverträgen und einen Ansatz zu seiner Lösung werden in der Arbeit von Gale/Hellwig (1985) dargestellt. 213 Vgl. Hartmann-Wendels et al. (2007), S. 105 f. 207

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

77

Die Darstellung der Kooperationsprobleme verdeutlicht, dass bei asymmetrischer Information Marktversagen und damit ein Pareto-ineffizientes Gleichgewicht entstehen kann. Insbesondere im Fall von Qualitäts- und Verhaltensunsicherheit ist das Phänomen der Kreditrationierung zu nennen. Diese beschreibt „die pauschale Ablehnung einiger Kreditanträge, obwohl es darunter auch potenzielle Kreditnehmer guter Qualität gibt, und obwohl diese bereit wären, höhere Zinsen zu zahlen und alle sonstigen Forderungen der Kreditgeber zu erfüllen“.214 Die Abbildung 3.3 verdeutlicht die Problematik der Kreditrationierung.215 Zinssatz Kreditangebot

Markträumender Zinssatz

Tatsächlicher Zinssatz Kreditnachfrage Tatsächliches Kreditangebot

Markträumende Kreditmenge

Gewünschte Finanzierungssumme

Kreditmenge

Kreditrationierung 1 Kreditrationierung 2

Abbildung III.3 – Die Problematik der Kreditrationierung Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Neuberger (1998), S. 106 ff.

In einem vollständigen Markt mit symmetrischer Information würde der Zinssatz das Kreditangebot und die Kreditnachfrage in Übereinstimmung bringen, indem die markträumende Kreditmenge zum markträumenden Kreditzinssatz ausgetauscht wird. Ein höheres Risiko wird durch einen höheren Zinssatz kompensiert. Aufgrund der Asymmetrie wird aber von der Bank nur das tatsächliche Kreditan214 215

Hartmann-Wendels et al. (2007), S. 139. In dieser Arbeit wird aufgrund der Schwerpunktfestlegung auf eine Darstellung von Kreditrationierungsmodellen verzichtet. Für eine Darstellung solcher Modelle vgl. Stiglitz/Weiss (1981) und Bester/Hellwig (1987).

78

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

gebot zu einem niedrigeren Zinssatz angeboten. Daraus entstehen zwei unterschiedliche Kreditrationierungsfälle: Einerseits werden einige riskante Kreditbewerber keinen Kredit erhalten, auch wenn sie bereit wären, höhere Zinsen (Markträumender Zinssatz) zu zahlen (Kreditrationierung 1). Das liegt an der Problematik der adversen Selektion: Wenn die Bank den Zinssatz erhöht und nicht zwischen risikoreichen und risikoarmen Bewerbern unterscheiden kann, werden am Ende nur die risikoreicheren Bewerber das Angebot annehmen und dadurch die erwarteten Krediterträge der Bank senken. Dabei ist es für die Bank optimaler, die Kreditnachfrage nicht zu befriedigen und weniger Kredite zum niedrigeren tatsächlichen Zinssatz zu vergeben. Andererseits werden risikoarme Kreditbewerber zum tatsächlichen Zinssatz bedient, aber nur für einen Teil der gewünschten Finanzierungssumme (Kreditrationierung 2). Hier ist der Einfluss des Moral Hazard zu beobachten: Je größer der Kreditanteil der Investition ist, desto kleiner wird der Eigenkapitalverlust für den Kreditnehmer im Fall eines Misserfolgs. Die Vorteile für den Kreditnehmer aus einem risikoreichen Verhalten stehen damit im direkten Zusammenhang zum Ausmaß des Kredites. Dementsprechend ist es im Fall einer Nicht-Beobachtbarkeit des Kreditnehmers für die Bank optimal, wenn sie nur einen Anteil des Projektes finanziert und damit die Anreize zu einem risikoreichen Verhalten reduziert.216 Die Problematik der Kreditrationierung tritt auch bei einkommensschwächeren Teilen der Bevölkerung auf. Aus den geringeren Sicherheiten und einem niedrigen Einkommensniveau heraus ergibt sich ein relativ hohes Ausfallrisiko für diese Kategorie, welches bei gewinnorientierten Banken mit höhen Zinssätzen verbunden ist. Gleichzeitig aber machen unvollständige Information und die damit verbundenen Probleme der adversen Selektion und des Moral Hazard höhere Zinssätze für die Bank unprofitabel, sodass diese Geschäfte auch bei einer angemessenen Vergütung nicht mehr stattfinden. Innerhalb eines privaten Bankenmarktes würde aufgrund der Kreditrationierung ein unzureichendes Angebot an Finanzdienstleistungen für diesen Marktanteil entstehen, sodass dieser Teil der Bevölkerungsgruppe von der Bankenfinanzierung und dem Zugang zu grundlegenden Finanzprodukten ausgeschlossen werden würde. Der Staat kann dagegen mit einer direkten Beteiligung oder Regulierungsmaßnahme eingreifen und so die Probleme der adversen Selektion und Moral Hazard vermindern. Wenn öffentliche Banken nicht auf die Ertragsmaximierung zielen, können sie ihre Finanzdienstleistungen allen Bevölkerungsgruppen anbieten und dadurch die adverse Selektion reduzieren; innerhalb der Kundschaft wären sowohl risikoarme als auch risikoreiche Kunden.217 Mit der Regulierung könnte dagegen das Moral Hazard bekämpft werden, da der 216 217

Vgl. Mishkin (2013), S. 284 f. Vgl. Allen (2005), S. 9 f.

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

79

Staat Zugang zu zusätzlichen Informationsquellen bekommen würde.218 Im Ergebnis könnte die Kreditlücke gedeckt werden, einkommensschwache Bevölkerungsschichten könnten besser gesichert und es könnte ein effizienteres Marktergebnis erzielt werden.219 Das dritte Marktversagen betrifft die Art der Kosten für die Beschaffung von Informationen, welche Fixkosten sind. Diese stehen nicht in direktem Verhältnis zur Menge der verkauften Produkte, weswegen informationsintensive Märkte trotz großer Präsenz von Anbietern zu einem unvollständigen Wettbewerb mit Marktmacht neigen. Innerhalb des Bankenmarktes betrifft diese Problematik das Kreditgeschäft. Eine Bank muss spezielle Informationen über die Solvabilität eines Kreditnehmers sammeln und dafür die Kosten tragen, wobei die gewonnenen Informationen dann auch für weitere Geschäfte mit dem gleichen Vertragspartner verwendet werden können. Das verschafft der Bank einen komparativen Vorteil und erlaubt ihr die Ausnutzung ihrer gewonnenen Markmacht: Obwohl am Markt auch andere Anbieter tätig sind, wird für den Kreditnehmer der Wechsel zu einer anderen Bank aufgrund der beträchtlichen Kosten für eine Informationsneubeschaffung schwierig. Die Existenz mehrerer Anbieter am Markt impliziert bei Kreditprodukten nicht gleichzeitig die Möglichkeit, zwischen den Anbietern frei wählen zu können: Obwohl mehrere Banken am Markt tätig sind, sind nur wenige davon bereit, den Kredit zu vergeben. Eine direkte Beteiligung des Staates am Bankenmarkt kann bewirken, dass eine solche Marktmacht nicht entsteht, und zwar, indem öffentliche Banken das Wettbewerbsniveau erhöhen und das Angebotsspektrum erweitern.220 Das vierte Marktversagen verlässt die Eigenschaften der Informationen als öffentliches Gut und betrifft die Unterscheidung zwischen sozialen und privaten Renditen. Auch im Fall von perfektem Wettbewerb kann diese Unterscheidung zu einem suboptimalen Marktergebnis führen. Stiglitz et al. (1993) verweisen dabei auf die Notwendigkeit, für eine vollständige Bewertung nach sozialen Kriterien sowohl die Rendite des Kreditgebers als auch die des Kreditnehmers und der positiven Externalitäten zu betrachten.221 Während die Kreditgeber nur ihren eigenen Gewinn berücksichtigen, besteht die Gesamtrendite für die Gesellschaft aus dem durch das Projekt entstehenden Gesamtgewinn für alle betroffenen Subjekte. Die Tatsache, dass diese Kategorie nicht nur auf die Vertragsparteien begrenzt ist, erhöht unter sozialen Aspekten die Attraktivität von Projekten, welche ansonsten durch eine reine Kosten-Rendite-Betrachtung von privaten Banken nicht finan218

Arnott/Stiglitz (1986) schlagen beispielsweise die Nutzung der Information aus dem Steuersystem vor. Vgl. Arnott/Stiglitz (1986), S. 2 ff. Vgl. Ayadi et al. (2009), S. 17 f. 220 Für eine vollständige Darstellung dieser Problematik vgl. Stiglitz/Weiss. (1983), S. 912 ff. 221 Vgl. Stiglitz et al. (1993), S. 7 f. und vgl. Allen (2005), S. 9 219

80

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

zierbar wären. Die Projekte mit der höchsten Gesamtrendite für die Gesellschaft können sich deswegen von den Projekten mit der höchsten privaten Rendite unterscheiden.222 Diese Differenz zwischen sozialer und privater Rendite kann dazu führen, dass sozial wertvolle Projekte nicht finanziert werden und somit zu einer Pareto-ineffizienten Lösung führen. Ein Beispiel betrifft die Finanzierung von Investitionen in schwachen Regionen: Privatbanken neigen aus Effizienzgründen zu einer Konzentration ihrer Geschäfte in wenigen einkommensreichen Gebieten und verzichten auf Investitionen in schwachen Regionen, da ihre Finanzierung nicht zur Renditemaximierung beiträgt. Das hat oft zu Folge, dass ein Kapitalabfluss aus diesen Regionen stattfindet, wodurch ihre wirtschaftliche Lage sich verschlechtert und die Bevölkerung in stärkere Gebiete auswandert. Wenn man in das Renditekalkül auch positive Externalitäten aus einer wirtschaftlichen Förderung solcher Regionen einbezieht, kann die Finanzierung für öffentliche Banken lohnenswert werden. Die Gesamtrendite begrenzt sich nicht auf die Rendite der Bank aus dem Projekt, sondern enthält auch positive Nebeneffekte wie die Erhöhung der Attraktivität des Standortes, die Förderung der Arbeitsplätze und die Vermeidung hoher sozialer Kosten.223 Die Externalitäten können so Effizienzverluste überkompensieren, zu einem effizienteren Marktergebnis führen und dadurch die soziale Wohlfahrt steigern.224 Die intertemporale Glättung der Rendite und des Risikos sind ein anderes Beispiel: Ein möglichst kurzfristiger hoher Gewinn aus der Finanzierung eines Projektes gehört zu den Zielen privater Banken, welche die Interessen ihrer Aktionäre vertreten müssen. Dementsprechend werden Investitionen mit einer kurzfristigen hohen Rendite häufig vorgezogen, wohingegen langfristige Projekte unterfinanziert bleiben. Öffentliche Banken können aufgrund ihrer zur Gewinnmaximierung alternativen Orientierung auch langfristige Ziele berücksichtigen und die Renditeerzielung damit zeitlich verschieben.225 Für die Gesellschaft hat das den Vorteil, dass auch solche Projekte finanziert werden, die zwar kurzfristig unrentabel sind, aber langfristig eine hohe Gesamtrendite versprechen.226 Die oben dargestellte Analyse zeigt, dass ein privater Bankenmarkt aufgrund seiner Unvollkommenheiten in Bezug auf die Informationslage ein Pareto-effizientes Gleichgewichts nicht sichern kann. Erstens führen die Eigenschaften der Information als öffentliches Gut zu einer Unterproduktion derselben, insbesondere in Bezug auf die Überwachung des Managements, und damit zu einer suboptimalen Erfüllung der Allokationsfunktion durch den Bankenmarkt. Zweitens verursachen die Kooperationsprobleme der adversen Selektion und des Moral Hazard aus der 222

Vgl. Ayadi (2009), S. 21. Vgl. Ayadi (2009), S. 23 f. Vgl. Sapienza (2004), S. 360. 225 Vgl. Allen (2005), S. 10. 226 Vgl. Allen/Gale (1995), S. 197. Andere Beispiele für positive Externalitäten werden ebenfalls in Cornett (2010), S. 77 und Körner/Schnabel (2011), S. 410 f. erläutert. 223 224

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

81

asymmetrischen Informationsverteilung einen Kreditrationierungsprozess, was sich in einem knappen Kreditangebot ausdrückt. Drittens ermöglichen die Fixkosten für die Informationsbeschaffung die Entstehung von Marktmacht, welche mit nicht wettbewerblichen Preisen verbunden ist. Viertens ergibt sich aus der Existenz von positiven Externalitäten und aus der damit verbundenen Unterscheidung zwischen sozialer und privater Rendite eine Finanzierungslücke für sozial wertvolle Projekte. Wenn der Markt aus reinen privaten Akteuren die Beseitigung dieser Marktversagen nicht garantiert, wird ein Gleichgewicht erreicht, welches sich vom sozialen Optimum unterscheidet.227 Ein geeigneter Eingriff von öffentlichen Banken ins Bankensystem kann Wohlfahrtsgewinne generieren und dadurch ein effizienteres Marktgleichgewichts fördern.228 Hier spielen insbesondere die unterschiedlichen Ziele öffentlicher Banken eine Rolle: Da öffentliche Banken nicht nur rein am ökonomischen Gewinn orientiert sind, können sie ihre Angebotsmenge und Preisbedingungen so steuern, dass sie sowohl wirtschaftliche als auch soziale Faktoren berücksichtigen. Öffentliche Banken ergänzen damit das Angebot des privaten Sektors und wirken bei der Beseitigung der Marktversagen mit. Eine bessere Allokationsfunktion durch den Bankenmarkt unterstützt auch wirtschaftspolitische Ziele, so beispielsweise die Reduzierung der exzessiven Ungleichheit, die Steigerung der Produktqualität oder die Stimulation des Wirtschaftswachstums.229 Allein die Präsenz öffentlicher Banken stellt jedoch keine Garantie für eine Steigerung der sozialen Wohlfahrt dar. Damit der Eingriff von öffentlichen Banken erfolgreich wird und ein Missbrauch vermieden werden kann, ist eine geeignete gesetzliche Regulierung ihrer Struktur und Geschäftsfeldern notwendig. Dabei sind nach Yeyati et al. (2004) insbesondere folgende Bedingungen einzuhalten: •

Der öffentliche Auftrag (public mission) von öffentlichen Banken muss deutlich und detailliert ihre Aufgaben und Ziele beschreiben.



Das Ausmaß der gewährten Förderung an bestimmten Subjekte muss transparent und ausführlich berichtet werden, damit eine konstante Bewertung der Erfüllung des öffentlichen Auftrages und damit des Managements von öffentlichen Banken stattfinden kann.

227

Vgl. Ayadi et al. (1009), S. 20 f. Ein effizienteres Gleichgewicht ist ein Gleichgewicht, in dem ein höheres Niveau an sozialer Wohlfahrt erreicht wird. Innerhalb der mikroökonomischen Theorie wird die soziale Wohlfahrt als Summe der Konsumenten- und Produzentenrente definiert, wobei auch die Rente der durch Externalitäten betroffenen Individuen zugerechnet werden muss. Für eine Definition der sozialen Wohlfahrt als gesamte Wohlfahrt vgl. Pindyck/Rubinfeld (2009), S. 408 f. 229 Vgl. Shirley/Walsh (2001), S. 15. 228

82



III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

Die Gestaltung der Governance-Struktur muss die Anreize eines parteipolitischen Einflusses reduzieren,230 sodass die Gefahr eines Missbrauchs durch beispielsweise überschüssige und wahlbedingte Begünstigungen einiger Kategorien begrenzt wird.231

Wenn solche Bedingungen nicht eingehalten werden, kann das Eingreifen öffentlicher Banken im Grenzfall auch zu einer Senkung der sozialen Wohlfahrt führen. In der empirischen Arbeit von Körner/Schnabel (2011) wird die Verbindung zwischen der Regulierung öffentlicher Banken und ihrem Beitrag zum Wirtschaftswachstum untersucht. Demnach hängen die Auswirkungen eines öffentlichen Eingriffes vom Entwicklungsgrad der politischen Institutionen ab: Wenn dieser unzureichend ist und der Spielraum für einen politischen Missbrauch solcher Banken groß ist, ergibt sich ein negatives Verhältnis von öffentlichen Banken und dem Wirtschaftswachstum. Wenn dagegen das Management von öffentlichen Banken ausreichend reguliert und kontrolliert wird, kann ihre Tätigkeit das Wirtschaftswachstum fördern und positiv zur sozialen Wohlfahrt beitragen.232 Zusammenfassend liefert der „Social View“ auf Basis der existierenden Marktversagen eine ausführliche Begründung für den öffentlichen Eingriff im Bankensektor durch eine aktive Teilnahme am Markt. Für einen erfolgreichen Eingriff und für ein effizientes Gleichgewicht sind jedoch geeignete institutionelle Rahmenbedingungen vonnöten, welche einen politischen Missbrauch öffentlicher Banken verhindern können.

3.2 Der „Development View“ Während der „Social View“ den Eingriff öffentlicher Banken mit der Beseitigung von Marktversagen begründet, fokussiert sich der „Development View“ auf die Rolle der Banken in der wirtschaftlichen Entwicklung. Bei diesem Ansatz steht die Förderung von wirtschaftspolitischen Zielen in Vordergrund, insbesondere des Wirtschaftswachstums.233 Der bedeutende Beitrag von Gerschenkron (1965) legte den Grundstein für diesen Ansatz. Demnach wird den Banken eine Schlüsselrolle im Rahmen der unterschiedlichen Entwicklungen in den einzelnen Industrieländern eingeräumt: 230

Der parteipolitische Einfluss ist Untersuchungsgegenstand des Political View und wird im Kapitel 3.4 ausführlich erklärt. Vgl. Yeyati et al. (2004), S. 25. 232 Vgl. Körner/Schnabel (2011), S. 434 ff. 233 Vgl. Sapienza (2004), S. 360. 231

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

83

„The continental practices in the field of industrial investment banking must be conceived as specific instruments of industrialization in a backward country. It is here essentially that lies the historical and geographic locus of theories of economic development that assign a central role to processes of forced saving by the money-creating activities of banks.“ (Gerschenkron, 1965, S. 14). Der Bankensektor übernimmt die Erfüllung der Transformations- und Allokationsfunktion und stellt so einen schwer zu ersetzenden Wachstumsfaktor dar. Dabei wird insbesondere auf die Losgrößen- und Fristentransformation verwiesen.234 Während die Losgrößentransformation die Betragsunterschiede betrifft, beschäftigt sich die Fristentransformation mit der zeitlichen Perspektive. Kreditnehmer sind normalerweise an einer langfristigen und kapitalintensiven Finanzierung interessiert, Anleger möchten kurzfristig eher kleine Beiträge anlegen.235 Wenn Banken als Intermediäre eine zentralisierte Einlagensammlung und Kreditvergabe durchführen, können sie die Bedürfnisse beider Kategorien befriedigen und dadurch beide Transformationsfunktionen erfüllen. Die Kapitalakkumulation wird gefördert, woraus sich entscheidende Impulse für die Industrialisierung einer Wirtschaft ergeben. Als historische Beispiele dafür werden bei Gerschenkron (1965) die erfolgreiche industrielle Entwicklung in Deutschland und auch in Österreich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angeführt.236 Damit der Bankensektor beide Funktionen erfolgreich erfüllen kann, muss eine wichtige Voraussetzung eingehalten werden: funktionierende Aufsichtsinstitutionen innerhalb des Finanzsektors. Ineffiziente und korrupte Institutionen wirken sich negativ auf das Vertrauen der Bevölkerung in den Bankensektor aus; bei ihr reduziert sich die Bereitschaft, ihre Ersparnisse bei einer Bank anzulegen. Das hat wiederum zur Folge, dass die Investitionsfinanzierung durch Bankkredite eingeschränkt wird; insbesondere die Finanzierung von langfristigen Projekten, welche das größte Wirtschaftswachstumspotenzial haben.237 Das fehlende Vertrauen verhindert so eine effiziente Erfüllung der Allokations- und Transformationsfunktion. Wenn die wirtschaftliche Entwicklung durch den privaten Sektor ungenügend unterstützt wird, bekommt der Staat für die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung eine besondere Verantwortung zugewiesen, welche einen direkten staatlichen 234

Eine zusätzliche Transformationsfunktion betrifft die Risikotransformation. Hierbei können Banken durch die Diversifizierung ihres Portfolios unterschiedliche Risikoeinstellungen der Anleger und der Kreditnehmer miteinander kombinieren. So können risikoreiche Projekte durch risikoarme Einlagen finanziert werden. Vgl. Matthews/Thompson (2009), S. 36 f. 235 Vgl. Hartmann-Wendels et al. (2007), S. 6 ff. 236 Vgl. Gerschenkron (1965), S. 20 ff. 237 Vgl. Yeyati et al. (2004), S. 6.

84

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

Eingriff rechtfertigt.238 Unter der Voraussetzung, dass die Bevölkerung dem Staat und dem politischen System vertraut, kann ein Eingreifen öffentlicher Banken das verlorene Vertrauen der Bevölkerung in den Bankensektor zurückbringen. Damit werden die Einlagensammlung, die Kapitalakkumulation und die Investitionstätigkeit wieder gefördert, sodass auch langfristige Projekte finanziert werden. Öffentliche Banken können einerseits direkt durch ihre Finanzierungstätigkeit und andererseits indirekt durch Abschwächung der institutionellen Hindernisse auf dem Finanzmarkt positive Impulse für das Wirtschaftswachstum generieren. Die empirische Studie von LaPorta (2000) belegt, dass öffentliche Banken besonders stark sind in Ländern mit einer niedrigen finanzwirtschaftlichen Entwicklungsgrad: Somit stehen öffentliche Banken in einer inversen Beziehung zum Entwicklungsgrad des Finanzsektors.239 Eine Rechtfertigung für öffentliche Banken beschränkt sich jedoch nicht nur auf unterentwickelte Finanzmärkte.240 Laut Ayadi et al. (2009) können auch innerhalb entwickelter Finanzmärkte Situationen entstehen, in denen Privatbanken die Allokations- und Transformationsfunktion nicht ausreichend sichern. Das ist der Fall in wirtschaftlich schwachen Regionen, aus denen sich Privatbanken aus Effizienzgründen oft zurückziehen und deswegen die Nachfrage nach Finanzdienstleistungen zum großen Teil nicht befriedigen.241 Während der „Social View“ den öffentlichen Eingriff in solchen Fällen mit der Unterscheidung in soziale und private Rendite begründet, bezieht sich der „Development View“ auf die unzureichende Erfüllung der Transformations- und Allokationsfunktion durch einen rein privaten Bankensektor. Die unzureichende Befriedigung der Nachfrage nach Finanzdienstleistungen verhindert die notwendige Finanzierung von lokalen Projekten und kann zu einer Abwärtsspirale der lokalen Wirtschaft führen. Öffentliche Banken müssen in diesen Situationen mit ihrem Eingreifen die finanzielle Versorgung sichern und damit die notwendigen Impulse für eine wirtschaftliche Entwicklung generieren.242 Andrianova et al. (2010) befürworten eine innovative Interpretation des „Development View“ für entwickelte Finanzmärkte.243 Sie begründen den Eingriff von 238

Vgl. Revell (1989), S. 45. Vgl. LaPorta (2000), S. 3 f. Obwohl in der Literatur der „Development View“ oft nur mit Ländern mit unterentwickelten Finanzmärkten verbunden wird (vgl. Körner/Schnabel (2011), S. 410), zeigen Hanekes/Schnabel (2006), dass eine Unterversorgung des privaten Bankensektors auch bei entwickelten Finanzmärkten entstehen kann. Diese betrifft nicht mehr das gesamte Land, sondern seine wirtschaftlich schwachen Regionen. Vgl. Hakenes/Schnabel (2006), S. 1 ff. 241 Die negativen Auswirkungen aus einer Unterversorgung von wirtschaftlich schwachen Regionen auf die lokale Wirtschaft wurden im Kapitel 3.1 erläutert. 242 Vgl. Ayadi et al. (2009), S. 23. 243 Während beim „Development View“ die Arbeit von Andrianova et al. (2010) kurz zusammengefasst wird, erfolgt im Kapitel 3.4 eine ausführliche Darstellung ihres Inhaltes. 239 240

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

85

öffentlichen Banken basiert nicht mehr mit einer unzureichenden Erfüllung der Allokations- und Transformationsfunktion des Kapitals aufgrund der Gewinnmaximierung, sondern mit der Beseitigung des Moral-Hazard-Verhaltens der Banken.244 Wenn das Management von Privatbanken unzureichend beaufsichtigt wird, neigt es dazu, exzessive Risiken in Anspruch zu nehmen und wichtiges Humankapital für spekulative Geschäfte einzusetzen. Das führt zu einer Misallokation der verfügbaren Ressourcen sowohl bezüglich des Humankapitals als auch des Finanzkapitals, wie es die letzte Finanzkrise gezeigt hat. Laut Andrianova et al. (2010) können öffentliche Banken aufgrund ihrer Besonderheiten solchen Problemen entgegenwirken. Das Management-Vergütungssystem von öffentlichen Banken enthält im Vergleich zu dem System von Privatbanken schwächere Anreize, um hohe Risiken einzugehen. Zudem beschränkt die in der Regel strengere Regulierung ihrer Tätigkeit die Investitionsmöglichkeiten in innovativen und meistens riskanten Finanzprodukten. Dementsprechend leidet das Management öffentlicher Banken weniger unter Moral-Hazard-Problemen, was die Verzerrung der Ressourcennutzung reduziert. Letztendlich erreicht der Staat mit einem direkten Eingreifen eine bessere Leistung des Bankenmarktes und kann so die wirtschaftliche Entwicklung fördern.245 Zusammenfassend weist der „Development View“ den öffentlichen Banken eine positive Rolle zu, welche mit ihrer Tätigkeit die wirtschaftliche Entwicklung fördern. Die Rechtfertigung unterscheidet sich von derjenigen aus dem „Social View“, da die Rolle der Information nicht mehr im Fokus steht. Aufgrund ihres öffentlichen Charakters können öffentliche Banken das Vertrauen der Bevölkerung in den Bankenmarkt erhöhen, wegen ihrer besonderen Anreizstruktur neigt das Management solcher Banken im Vergleich zu Privatbanken weniger zu einem Moral-Hazard-Verhalten. Im Ergebnis liefern sie einen positiven Beitrag zur Erfüllung der Allokations- und Transformationsfunktion, verbessern den Prozess der Kapitalakkumulation und generieren die notwendigen Impulse für ein Wirtschaftswachstum.

3.3 Der „Macroeconomic View“ Der „Macroeconomic View“ liefert eine Rechtfertigung für den direkten öffentlichen Eingriff im Bankensektor im Zuge der Erfüllung von makroökonomischen Zielen, welche weder von dem „Social-“, noch vom dem „Development View“ beschrieben werden. Innerhalb dieses Ansatzes werden den öffentlichen Banken 244 245

Für eine Definition von Moral Hazard s. Kapitel 3.1. Vgl. Andrianova et al. (2010), S. 18 ff.

86

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

zwei Funktionen zugewiesen: die erste Funktion betrifft ihre Rolle als Stabilisierungsfaktor für die Wirtschaft, die zweite ihre Eignung als Instrument zur Unterstützung der Geldpolitik. Öffentliche Banken unterscheiden sich von gewinnorientierten Banken nicht nur hinsichtlich der Ziele, sondern auch hinsichtlich ihrer Geschäftsausrichtung, welche eine langfristige Perspektive beinhaltet.246 So zeigt beispielsweise Revell (1989) für europäische Sparkassen, dass sich ihr Geschäftsmodell auf das klassische Bankgeschäft fokussiert.247 Dieses Modell orientiert sich, bezogen auf die durchgeführten Investitionen, an der Finanzierung von realwirtschaftlichen Unternehmen durch Kreditgewährung, wohingegen die Refinanzierung hauptsächlich über Kundeneinlagen erfolgt. Weil Kundeneinlagen eine im Vergleich zu anderen Refinanzierungsquellen gemäßigte Zyklizität aufweisen und die Kreditgewährung eine vom Markt relativ unabhängige Rendite erbringt, ermöglicht die besondere Zusammenstellung des Kredit- und Einlagenportfolios von Sparkassen eine relative Unabhängigkeit ihrer Erträge vom Interbankenmarkt und von seinen kurzfristigen Entwicklungen. Dementsprechend weisen Sparkassen eine stabile Bilanzstruktur auf. Das führt dazu, dass die negativen Auswirkungen aus der Volatilität des Interbankenmarktes durch die Präsenz der Sparkassen gedämpft werden können, sodass sie letztendlich stabilisierend auf den gesamten Bankenmarkt wirken.248 Ebenfalls Allen (2005) sieht in den öffentlichen Banken ein Instrument gegen die intrinsische Instabilität der Finanzmärkte; er bewertet jedoch den positiven Einfluss der öffentlichen Banken anders: Laut seiner Erklärung ergibt sich die intrinsische Instabilität der Finanzmärkte u. a. aus der engen Vernetzung des Bankensystems, welche das Ansteckungsrisiko erhöht. Wenn Banken den Interbankenmarkt stark in Anspruch nehmen, können sich die Liquiditätsprobleme eines Institutes schnell auf andere Institute übertragen, was zu einer Kettenreaktion führen kann. Der positive Einfluss von öffentlichen Banken ergibt sich nach Allen (2005) nicht mehr aus ihrer unterschiedlichen Bilanzstruktur, sondern aus dem in der Regel niedrig bewerteten Risiko eines Staates. Durch den öffentlichen Besitz überträgt sich das gute Rating des Staates auch auf öffentliche Banken, sodass diese auch im Fall von Liquiditätsengpässen auf dem Interbankenmarkt auf den Kapitalmarkt ausweichen können und so das Liquiditätsproblem vermindern können. Die Refinanzierung bleibt damit günstig, das Ansteckungsrisiko wird reduziert.

246 247 248

Vgl. Allen (2005), S. 10. Vgl. Revell (1989), S. 45. Vgl. Brämer et al. (2010), S. 320.

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

87

Dies hat zu Folge, dass das Finanzsystem auch im Fall einer Austrocknung des Interbankenmarktes stabilisiert werden kann.249 Stiglitz et al. (1993) liefern mit der Beschreibung eines Marktversagens eine zusätzliche Rechtfertigung für den Eingriff öffentlicher Banken, welcher sich auf die negativen Auswirkungen eines finanziellen Zusammenbruches stützt. Die Insolvenz einer Bank ist mit direkten und indirekten negativen Auswirkungen verknüpft. Zu den direkten Auswirkungen zählt der Verlust des Informationskapitals über die bestehenden Kunden, was aufgrund der Nicht-Übertragbarkeit auf andere Banken zu einer Unterbrechung der finanziellen Versorgung dieser Kunden führen kann. Solche Unterbrechungen führen wiederum zu Liquiditätsproblemen der Kunden, welche dann nicht mehr in der Lage sind, ihre eigene Kunden oder Zulieferer zu bezahlen. Daraus entsteht eine Kettenreaktion mit Auswirkungen auch auf andere Wirtschaftsbereiche, was zur Insolvenz von Unternehmen führen kann. Von der Insolvenz einer Bank sind dann aber nicht nur realwirtschaftliche Unternehmen und ihre Kunden betroffen, sondern auch andere Banken. Dabei steht das Vertrauen der Anleger in den Bankenmarkt im Fokus: Wenn Anleger spüren, dass durch die Insolvenz einer Bank auch das Ausfallrisiko anderer Institute aufgrund der inneren Bankenvernetzung steigt, werden sie ihre Einlagen aus solchen Institute möglichst schnell abziehen. Das verursacht bei den Banken erhebliche Liquiditätsprobleme, weil dadurch die Refinanzierungsquelle für ihr Kreditgeschäft verschwindet und nicht sofort ersetzt werden kann. Zahlungsschwierigkeiten können sich so von einer einzelnen Bank auf das gesamte Bankensystem ausbreiten, was schließlich zu seinem Kollaps führen kann.250 Um den zu vermeiden, greift der Staat im Notfall als Versicherer ein, indem er die Kundeneinlagen durch eine Einlagensicherung deckt und die sich in Insolvenzgefahr befindenden Banken rettet. Gleichzeitig schafft dies jedoch Anreize für ein Moral-Hazard-Verhalten der Banken, welche aufgrund dieser impliziten Versicherung ihre Risikoneigung erhöhen.251 Während für die Bekämpfung des Moral-Hazard-Verhaltens die Einführung von Regulierungsmaßnahmen notwendig ist, kann der Vertrauensverlust der Anleger auch durch eine direkte Teilnahme am Bankenmarkt vermieden werden. Aufgrund der Gewährträgerhaftung des Staates für öffentliche Banken werden die Anleger dieser Banken das Insolvenzrisiko als niedrig einschätzen, was ein panisches Abheben der Einlagen unwahrscheinlich macht. Dadurch wirken öffentliche Banken als Stabilisierungsfaktor. 249

Vgl. Allen (2005), S. 11. Für eine Darstellung des Ansteckungsrisikos durch den Interbankenmarkt vgl. Allen/Gale (2003), S. 1 ff. Das ist eine kurze Darstellung des sogenannten Bank Run. Bei einem Bank Run heben aufgrund einer panischen Reaktion viele Anleger zeitnah ihre Einlagen von den Banken ab. Eine theoretische Modellierung des Bank Run findet in Diamond/Dybvig (1983) statt. 251 Vgl. Stiglitz et al. (1993), S. 6 f. 250

88

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

Neben der Stabilisierungsfunktion unterstützen öffentliche Banken laut dem „Macroeconomic View“ die Umsetzung geldpolitischer Ziele und ergänzen das Instrumentarium der Geldpolitik. Als Einführung in die Erklärung dieser Funktion ist zunächst eine kurze Darstellung der Rolle der Banken als Multiplikatoren notwendig: Die Geldnachfrage der Bevölkerung besteht aus der Summe aus Bargeld und Kundenkrediten. Während das Bargeld direkt von der Zentralbank angeboten wird, erfolgt das Angebot an Kundenkrediten durch die Geschäftsbanken. Hierbei ist die Rolle der Banken als Vermittler von besonderer Bedeutung. Während die Geldbasis für das Bargeld vollkommen durch Zentralbankgeld gedeckt werden muss, kann die Nachfrage nach Krediten durch eine Geldbasis in der Höhe der Kundeneinlagen abzüglich der Bankreserven gedeckt werden. Wenn der Reservekoeffizient niedriger als eins ist,252 können Geschäftsbanken mehr Kundenkredite anbieten als die Reserven, die sie bei der Zentralbank anlegen. Dementsprechend kann die Zentralbank mit der Geldbasis bestehend aus Bargeld und Reserven ein größeres Geldangebot generieren und damit eine größere Geldnachfrage befriedigen. Dieser Prozess wird in der Literatur Geldschöpfungsmultiplikator genannt.253

Bargeld

Bevölkerung

Einlagen

Kredite

Zentralbank

Bargeld

Reserven

Geschäftsbanken

Abbildung III.4 – Die Rolle der Banken als Geldschöpfungsmultiplikator Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Blanchard/Illing (2009). S. 130 ff. 252

Der Reservekoeffizient ist der prozentuale Anteil der Einlagen, welcher als Reserve bei der Zentralbank hinterlegt werden muss. Ein Reservekoeffizient von 1 impliziert eine vollständige Deckung der Einlagen mit Reserven. Vgl. Fender (2012), S. 43. 253 Vgl. Fender (2012), S. 43 ff.

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

89

Das folgende Beispiel aus Blanchard/Illing (2009) erläutert diesen Zusammenhang. Wenn die Zentralbank einer Geschäftsbank 100 Euro als Bargeld zur Verfügung stellt, kann diese Bank dem Kreditnehmer A einen Kredit von 100 Euro gewähren. Kreditnehmer A wird durch den Kredit seine Rechnung an Lieferant B bezahlen, welcher die gleiche Summe bei der Bank anlegt. Von diesen Einlagen muss die Bank Reserven i. H. v. 2 % (2 Euro) bei der Zentralbank anlegen und kann den verbleibenden Betrag (98 Euro) dem Kreditnehmer C gewähren. Kreditnehmer C wird wiederum den Lieferanten D bezahlen, welcher dann die 98 Euro bei der Bank anlegt. Durch diese Einlagen kann die Bank weitere Kredite vergeben und den Prozess weiter fortsetzen. Als Ergebnis hat die Zentralbank durch die Beschaffung von 100 Euro als Bargeld ein Geldangebot i. H. v. der Summe aller Einlagen generiert (100 Euro + 98 Euro + …). Der Anstieg des Geldangebots durch den Geldschöpfungsmultiplikator führt durch die Vermittlerrolle der Geschäftsbanken zu einer überproportionalen Erhöhung des Kreditangebots.254 Dem dargestellten Prozess kommt in Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs eine besondere Bedeutung zu. In solchen Zeiten versucht die Zentralbank häufig, eine expansive Geldpolitik umzusetzen und stellt den Geschäftsbanken eine zusätzliche Zentralbankgeldmenge zur Verfügung. Auf diese Weise wird erwartet, dass durch den Geldschöpfungsmultiplikator der Wirtschaft eine größere Kreditsumme von den Geschäftsbanken zur Verfügung gestellt wird. Durch die zusätzliche Liquidität können neue Investitionen finanziert und Zahlungsschwierigkeiten des realen Sektors vermindert werden. Die Wirtschaft bekommt so neue Wachstumsimpulse, ihre Ankurbelung wird wahrscheinlicher. Dies beeinflusst direkt die Auswirkungen der Geldpolitik, da die Banken als Vermittler zwischen realer Wirtschaft und Zentralbank agieren. Ihre Bereitschaft, durch das Zentralbankgeld die Kreditvergabe zu erhöhen, wird jedoch von den Erwartungen über den Erfolg der zu finanzierenden Projekten beeinflusst. Eine schlechte konjunkturelle Lage beeinflusst auch solche Perspektiven negativ, sodass die Bereitschaft der Bank zu einer Krediterhöhung abnimmt. Es kann dadurch vorkommen, dass die Banken ihrer Rolle als Multiplikatoren der Geldmenge nur unzureichend gerecht werden und dass das Zentralbankgeld nicht mehr für die Finanzierung von realwirtschaftlichen Investitionen verwendet wird, sondern für spekulative Produkte. Damit wird eine wirtschaftliche Erholung infolge einer expansiven Geldpolitik von den Geschäftsbanken verhindert. Ein aktuelles Beispiel liefert die jüngste Finanz- und Staatschuldenkrise: Die Europäische Zentralbank versuchte, durch unkonventionelle Maßnahmen wie Senkung der Zinssätze für die Einlagefazilität als auch des Refinanzierungszinssatzes die Kreditvergabe auf einem sehr niedrigen Niveau zu fördern. Die Erwartungen wurden jedoch laut Meinung vieler Ökonomen nicht ein254

Vgl. Blanchard/Illing (2009), S. 138 f.

90

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

gehalten: „Die Zurückhaltung der Banken bei der Kreditvergabe dürfte auch durch eine weitere Senkung des Einlagensatzes in den negativen Bereich nicht signifikant belebt werden“.255 Aus der fehlenden Unterstützung der Geldpolitik in Abschwungphasen kann man die Ausprägung der Unterschiede zwischen einem optimalen Verhalten für die gesamte Wirtschaft und einem optimalen Verhalten für eine gewinnorientierte Bank erkennen. Während für die gesamte Wirtschaft eine steigende Kreditvergabe notwendig wäre, steht für das Management von gewinnorientierten Banken die Bedienung der finanziellen Ansprüche der Eigentümer im Mittelpunkt. Diese Fokussierung kann dazu führen, dass Privatbanken in Abschwungphasen ihre Kreditvergabe einschränken. Um dieses Koordinierungsproblem zu vermeiden, kann laut Yeyati et al. (2004) der Staat sowohl auf indirekte als auch auf direkte Instrumente zugreifen. Förderungen oder öffentliche Garantien könnten das Verhalten von Privatbanken in die gewünschte Richtung steuern, wobei mit zeitverzögerten Auswirkungen, da zunächst entsprechende gesetzliche Maßnahmen notwendig wären. Ein direkter Eingriff durch eine öffentliche Bank könnte dagegen im Notfall rascher und wirksamer sein. Deren Management kann die Unterstützung geldpolitischer Maßnahmen als Teil der erweiterten Zielstellung betrachten, so kann eine antizyklische Steuerung der Kreditvergabe verfolgen.256 Ayadi et al. (2009) liefern eine alternative Rechtfertigung für den Eingriff von öffentlichen Banken, welche sich auf das undiversifizierbare intertemporale Risiko stützt. Dieses ist das systematische und makroökonomische Risiko der Alternanz von konjunkturellen Aufschwung- und Abschwungphasen, in denen sich die gesamte Wirtschaft in eine unerwartete Richtung entwickeln kann.257 Eine Dämpfung von starken konjunkturellen Schwankungen wird aufgrund seiner negativen Auswirkungen unter sozialen Gesichtspunkten notwendig. Banken können durch den Aufbau von Reserven in guten Phasen und ihrer Verwendung für die Kreditvergabe in schlechten Phasen das Ausmaß solcher Schwankungen glätten und damit das intertemporale Risiko reduzieren. Eine Glättung der konjunkturellen Schwankungen entspricht aber nicht unbedingt dem Ziel der Gewinnmaximierung. Da das Kapital einen höheren Verkaufswert in Aufschwungphasen aufweist, wird dieses lieber in Aufschwungphasen investiert. Damit wird auf den Reserveaufbau verzichtet, was zu fehlendem Kapital in Abschwungphasen führt. Der Gewinndruck ist bei öffentlichen Banken nicht vorhanden, da ihre Anteile aufgrund ihrer institutionellen und gesetzlichen Gestaltung nicht auf dem Kapitalmarkt verkauft werden können. Ihr Management verfolgt deswegen kein reines Gewinnziel, so255 256 257

Interview Reichert (2012), vgl. Kühnlenz (2012). Vgl. Yeyati et al. (2004), S. 8. Vgl. Ayadi et al. (2009), S. 24 f.

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

91

dass öffentliche Banken in Aufschwungphasen ausreichende Reserven aufbauen und die sozial wünschenswerte Glättung des intertemporalen Risikos vornehmen können.258 Die zusätzlichen Reserven dienen als Instrument für die Unterstützung einer expansiven Geldpolitik in Abschwungphasen, da sie eine Ausweitung der Kreditvergabe ermöglichen. Die empirische Arbeit von Behr et al. (2012) zeigt diesbezüglich die positiven Auswirkungen aus der Präsenz von öffentlichen Banken, welche mit ihrer Tätigkeit die Dämpfung zyklischer Schwankungen unterstützen. Dank ihrer besonderen Geschäftspolitik sind sie in der Lage, eine im Vergleich zu Privatbanken weniger prozyklische Kreditvergabe umzusetzen und eine stabile Finanzierung von Unternehmen zu leisten. Dadurch tragen sie zur Reduzierung der Volatilität der Wirtschaft bei.259 Zusammenfassend gehört auch der „Macroeconomic View“ zu den positiven Erklärungen eines direkten staatlichen Eingriffes im Bankensektor. Im Unterschied zu dem „Development View“ werden bei diesem Ansatz öffentliche Banken nicht mehr als Instrument zur Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung betrachtet, sondern als Instrument zur Erhaltung der Stabilität des Finanzsystems und zur Unterstützung der Geldpolitik. Bezogen auf das Finanzsystem können öffentliche Banken aufgrund ihrer Eigentümerstruktur und ihrer konservativen Geschäftspolitik die negativen Auswirkungen aus einer Austrocknung des Interbankenmarktes dämpfen, die Gefahr einer Kettenreaktion im Form eines Bankruns reduzieren und dadurch in Krisenfällen das Finanzsystem stabilisieren. Andererseits können sie auch durch die Unterstützung einer expansiven Geldpolitik in Abschwungphasen eine stabilisierende Wirkung auf die Wirtschaft ausüben und exzessiven zyklischen Schwankungen entgegenwirken. Ihre erweiterte Zielstellung ermöglicht dem Management den Aufbau von Reserven, welche in Abschwungphasen für eine Erweiterung der Kreditvergabe verwendet werden können. Letztendlich rechtfertigt der „Macroeconomic View“ den Eingriff von öffentlichen Banken durch ihre Rolle als Stabilisierungsfaktor sowohl für das Finanzsystem als auch für die reale Wirtschaft.

3.4 Der „Political View“ Der „Social View“, der „Development View“ und der „Macroeconomic View“ rechtfertigen einen direkten staatlichen Eingriff in den Bankensektor in Form einer aktiven Teilnahme durch unterschiedliche Erklärungsansätze. Alle drei Ansätze weisen den öffentlichen Banken eine positive Rolle zu, da aus ihrer Tätigkeit posi258 259

Vgl. Ayadi et al. (2009), S. 24 f. und für die Originalquelle Allen/Gale (1997), S. 253 ff. Behr et al. (2012), S. 1 ff.

92

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

tive Beiträge zur sozialen Wohlfahrt, zum Wirtschaftswachstum oder zur Stabilität entstehen. Im Gegensatz dazu kritisiert der „Political View“ die anderen Ansätze in verschiedener Hinsicht und begreift öffentliche Banken als politischen Eingriff in das Bankensystem, der aus ökonomischer Sicht nicht gerechtfertigt werden kann. Öffentliche Banken dienen weder zur Erreichung von sozialen noch von wirtschaftspolitischen Zielen, sondern nur zur Maximierung vom Eigennutzen der regierenden politischen Partei.260 Die Kritik des „Social View“ bezieht sich auf die Grundlagen und insbesondere auf die Annahme, dass sich das Bankgeschäft aufgrund verschiedener Marktversagen des Finanzmarktes grundlegend von anderen Güter- und Dienstleistungsmärkten unterscheidet. Diese Unterscheidung würde übertrieben, da die Informationen auch bei den anderen Märkten eine große Bedeutung haben. Die sich daraus ergebenden Marktversagen stellen keine Besonderheit der Finanzmärkte dar und können aus diesem Grund keinen direkten Eingriff rechtfertigen. Vielmehr können existierende Marktversagen durch einen indirekten Eingriff in Form von einer gezielten Regulierungs- und Förderungspolitik besser adressiert werden. 261 Beim „Political View“ beabsichtigt der Staat die Steuerung der Finanzierung von Investitionen, analog zum „Development View“. Der Development begründet die Steuerung der Investitionen mit einer besseren Umsetzung der Transformationsund Intermediationsfunktion, welche auf eine effizientere Kapitalakkumulation und dadurch auf eine Förderung des Wirtschaftswachstums zielt. Der „Political View“ kritisiert diese Begründung, da das Ziel des staatlichen Eingriffs nicht die wirtschaftliche Entwicklung betrifft. Politiker zielen durch die Steuerung der Investitionen auf die Maximierung ihres Eigennutzens, welche zu einer Förderung der Wirtschaft nur unter Betrachtung der eigenen politischen Karriere führt. Die Investitionen werden nicht mehr nach ökonomischen oder wirtschaftspolitischen Kriterien ausgewählt, sondern nach ihrem Beitrag für die eigene politische Karriere.262 Ebenso wird vom „Political View“ der Beitrag öffentlicher Banken zum Erhalt der Stabilität aus dem „Macroeconomic View“ kritisiert. Dass die Besonderheiten des Bankenmarktes zu einer inhärenten Fragilität desselben führen, stellt keine ausreichende Rechtfertigung für einen direkten Eingriff dar. Vielmehr kann eine geeignete Regulierung und Aufsicht diese Instabilität reduzieren, ohne dass dafür die Präsenz öffentlicher Banken notwendig wird. Regulierungsmaßnahmen können gleichzeitig die Stabilität des Finanzsystems gewährleisten und die Anreize aus

260 261 262

Vgl. Cornett et al. (2010), S. 77. Vgl. Yeyati et al. (2004), S. 6. Vgl. LaPorta (2000), S. 2.

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

93

einem strengen Wettbewerb unter privaten Banken, wie eine höhere Effizienz und eine stärkere Innovationskraft, behalten.263 Wie oben dargestellt, betrifft ein grundlegender Aspekt des „Political View“ die Zielfunktion von öffentlichen Banken. Nach dem „Political View“ beinhaltet diese Funktion nicht mehr die Maximierung vom Gewinn, sondern die Maximierung der persönlichen, politischen und wirtschaftlichen Ziele der regierenden Partei. Als Beispiele können die Erhöhung der Wahrscheinlichkeit einer Wiederwahl durch Erhalt und Pflege der eigenen Wählerschaft, die Annahme von ausreichendem Bestechungsgeld oder die Aneignung der Rendite aus dem Bankgeschäft angeführt werden. Für das Erreichen solcher Ziele werden verschiedene Maßnahmen von öffentlichen Banken ergriffen, welche nicht mehr nach sozialen oder wirtschaftspolitischen Kriterien, sondern nur nach politischen Kriterien bewertet werden. So werden beispielsweise Beschäftigungsmaßnahmen für Parteianhänger implementiert oder Finanzierungen nach Parteizugehörigkeit oder Freundschaftsverhältnissen vergeben, was zu einer Verzerrung in der Ressourcennutzung führt. Der direkte staatliche Eingriff spielt aus diesem Grund nicht mehr eine Förderrolle, sondern führt zu negativen Allokationseffekten und behindert die Etablierung eines effizienten Finanzmarktes.264 Die Verbindung zwischen öffentlichen Banken und Politik hat ihren Ursprung nicht in der Wirtschaftswissenschaft, sondern stammt nach der neuen utilitaristischen Theorie aus der Wirtschaftssoziologie und insbesondere aus der politischen Ökonomie („Political Economy“). Innerhalb dieses Fachgebiets erfolgt eine Analyse der Wirtschaftspolitik und der industriellen Beziehungen in den 70er Jahren, um die steigende Inflation dieser Periode erklären zu können. Dabei wird gezeigt, wie der politische Zyklus die Durchführung wirtschaftspolitischer Maßnahmen beeinflusst. So konnte bewiesen werden, dass kurz vor Wahlterminen die öffentlichen Ausgaben erhöht und die Steuern gesenkt wurden. Diese Anpassungen in der Wirtschaftspolitik könnten dazu beitragen, dass sich die Wahrscheinlichkeit einer Wiederwahl für die regierende Partei erhöhen würde. Obwohl diese Erklärung dem „Political View“ ähnelt, erweitert sich die angewandte Perspektive. Diese betrifft nicht mehr nur die Politiker und ihren Nutzen, sondern auch die Eigenschaften der Wähler. Es wird angenommen, dass die Wähler mit ihrer Stimme auf die Maximierung ihres eigenen Nutzens zielen und deswegen die Partei wählen, welche die beste Wirtschaftspolitik umsetzt. Normalerweise besteht eine Zeitverzögerung zwischen den expansiven Auswirkungen öffentlicher Investitionen auf die Wirtschaft und der Offenbarung der sich daraus ergebenden steigenden Inflation. Es ist für die Wähler unmöglich, eine ausgewogene Bewertung der politischen 263 264

Vgl. Yeyati et al. (2004), S. 11. Vgl. Sapienza (2004), S. 360 und Yeyati et al. (2004), S. 6.

94

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

Maßnahmen vorzunehmen, bei der Wahl selbst werden nur die kurzfristigen Vorteile berücksichtigt. Die Politiker können deswegen expansive Maßnahmen vor dem Wahltermin ergreifen und ihre Kosten auf die Zeit nach der Wahl verschieben, weil die Wähler keine oder nur unzureichende Instrumente für eine vollständige Überprüfung besitzen. Dies führt dazu, dass sich die Wähler in der Maximierung ihres eigenen Nutzens täuschen und die Partei wählen, die am meistens eine Verzerrung der öffentlichen Ressourcen umsetzt und die Kosten auf die zukünftigen Generationen verschieben. Letztendlich kann die regierende Partei ihren Stimmenanteil auf Kosten der Allgemeinheit erhöhen.265 Eine Strukturierung des „Political View“ findet in Shirley/Walsh (2001) statt. Es werden die wichtigsten Faktoren aufgelistet, welche das Ausmaß des politischen und verzerrenden Einflusses bestimmen: •

der Entwicklungsgrad in den politischen Märkten,



die Kontrolle über die Manipulation des öffentlichen Haushaltes und der Umsetzung von Regulierungsmaßnahmen,



die Regelung der Eigentumsverhältnisse zwischen der Regierung und dem öffentlichen Unternehmen,



die Verbreitung und die Toleranz von Korruptionsverhältnissen in der Gesellschaft.266

Der Entwicklungsgrad von politischen Märkten und die damit verbundene Transparenz in der Kommunikation spielen eine entscheidende Rolle. Wenn zum Beispiel Oppositionspolitiker oder die Presse in der Lage sind, sich kritisch gegenüber der Regierung auszudrücken, können Verzerrungen in der Verfolgung von sozialen Zielen öffentlich gemacht und damit begrenzt werden. Andererseits – wenn der politische Markt unterentwickelt ist, besteht für die Regierung mehr Spielraum für eine Eigennutzung des öffentlichen Unternehmens, da die Kontrolle der Gesellschaft schwächer wird. Eng verbunden mit diesem Aspekt ist auch die Kontrolle über die Manipulation der Haushalte und der Umsetzung von Regulierungsmaßnahmen. Hierbei ist ein unabhängige institutionelle Rahmen notwendig, der transparente und funktionierende Kontrollmechanismen festlegen muss. Als dritter Faktor werden die Eigentumsverhältnisse zwischen Regierung und Unternehmen untersucht. Wenn das Unternehmen als Unterabteilung eines Ministeriums geführt wird, ist die Implementierung politischer Zielen einfacher umzusetzen und ist eine 265 266

Vgl. Trigilia, S. 110. Vgl. Shirley/Walsh (2001), S. 27.

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

95

Verzerrung in der Ressourcennutzung wahrscheinlicher. Im Gegensatz dazu ermöglicht eine Regierung als Mehrheitsaktionär eine größere Transparenz. Die Kontrolle der Minderheitsaktionäre kann das Verfolgen parteipolitischer Zielen aufgedeckt und bekämpft werden. Der letzte Faktor betrifft die Toleranz und die Verbreitung von Korruptionsfällen in der Gesellschaft; diese beeinflussen direkt die Beziehung von Politik und Management öffentlicher Banken. Eine weit verbreitete und häufig als normal empfundene Bestechung vermindert den positiven Einfluss anderer Kontrollmechanismen und trägt zu einer Verzerrung der verfolgten Ziele bei. Wenn dagegen die Korruptionsbekämpfung als wichtige Aufgabe empfunden wird, die eine wichtige Rolle innerhalb der Gesellschaft wahrnimmt, kann sie die anderen Kontrollmechanismen fördern und dadurch zu einer besseren Nutzung der politischen Instrumente führen.267 Die Bedeutung dieser Faktoren in Abhängigkeit der politischen Ziele wurde auch in empirischen Forschungen nachgewiesen.268 Die Studien von LaPorta (2000) und von Sapienza (2004) zeigen, dass Länder mit einem unterentwickelten politischen System und einem schwachen institutionellen Rahmen dazu neigen, öffentliche Banken als Mittel für die Verfolgung politischer Zwecke anzuwenden. Im Ergebnis ergibt sich eine inverse Beziehung zwischen öffentlichen Banken und Wirtschaftswachstum: Je höher der Anteil öffentlicher Banken ist, desto niedriger ist das erzielte Wirtschaftswachstum.269 Körnet und Schnabel (2010) zeigen dagegen, dass im Fall von ausreichenden institutionellen Kontrollmechanismen und von entwickelten politischen Institutionen keine inverse Beziehung mehr vorhanden ist. In diesen Fällen erzeugen öffentliche Banken entweder einen nicht signifikanten oder einen positiven Beitrag zum Wirtschaftswachstum, aber nie einen negativen Beitrag.270 Während die Vertreter des „Political View“ in der Regel nur die Verbindung zwischen Politik und öffentlichen Banken betrachten, setzen sich Andrianova et al. (2010) mit den Schlussfolgerungen aus LaPorta (2000) kritisch auseinander und kommen zu einem gegenteiligen Ergebnis: Das öffentliche Eigentum von Banken stellt sich laut Andrianova et al. (2010) als Zeichen einer institutionellen Schwäche und nicht als Ergebnis von politischen Faktoren dar. Dabei werden die Einleger eine öffentliche Bank vorziehen, wenn sich Privatbanken opportunistisch verhalten und ihr Management hohe Risiken eingeht. Opportunistische Politiker stellen die Quelle einer verzerrten Nutzung finanzieller Ressourcen dar, welche zu einer suboptimalen Funktionsweise des Bankenmarktes führt. Die Verzerrung erfolgt dabei nicht durch den Missbrauch öffentlicher Banken, sondern durch eine 267

Ebda. Für eine Darstellung der empirischen Forschungen vgl. Körnet/Schnabel (2011), S. 412 ff. Vgl. LaPorta (2000), S. 17 und vgl. Sapienza (2004), S. 1 ff. 270 Vgl Körnert/Schnabel (2011), S. 435. 268 269

96

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

unzureichende Aufsicht und Kontrolle von Privatbanken. Daraus ergibt sich eine schwache Corporate Governance, welche die Wahrscheinlichkeit eines MoralHazard-Verhaltens des Managements und das Eingehen größerer Risiken erhöht. Wie die letzte Finanzkrise gezeigt hat, kann ein solches Verhalten zu einem Kollaps des Finanzsystems und zu einer Rezession führen.271 Aufgrund der erzielbaren Rente aus der engen Zusammenarbeit mit den Privatbanken haben Politiker nicht genügend Anreize, eine erfolgreiche und strenge Regulierung umzusetzen. Sie werden sogar versuchen, ein Privatsystem mit schwacher Regulierung zu fördern. Das liegt daran, dass in einer solchen Umgebung Privatbanken herangezogen werden, um eigene oder parteibezogene Ziele zu erreichen. Als Beispiele können Aufsichtsratposten, lukrative Beratungen oder Parteispenden genannt werden. Andrianova et al. (2010) sprechen dabei von einer „capture of regulators by the regulated”.272 Sie diskutieren drei Erklärungen für einen Eingriff öffentlicher Banken als Lösung dieser Verzerrung. Die erste betrifft das Vergütungssystem: Da der variable Anteil der Vergütung in öffentlichen Banken niedrig ausfällt und die Verbindung zur Rendite weniger ausgeprägt ist als bei Privatbanken, gibt es für das Management öffentlicher Banken unzureichende Anreize für ein Moral-Hazard-Verhalten. Zweitens werden innerhalb eines demokratischen Systems Missbrauch und Korruption von öffentlichen Banken aus einer verzerrenden Beeinflussung des Managements mit dem Ende der politischen Karriere bestraft. Die Härte dieser Strafe zusammen mit der niedrigen Belohnung macht ein Moral-Hazard-Verhalten für das Management oft unprofitabel, da der Vergleich zwischen Vor- und Nachteilen unausgeglichen ausfällt. Drittens ist das Geschäftsfeld der öffentlichen Banken und somit auch die Möglichkeit für risikoreiche und spekulative Geschäfte eingeschränkt, da der Bereich ihrer Investitionen in der Regel gesetzlich reguliert ist. Aus diesen drei Gründen ist es für das Management öffentlicher Banken weniger einträglich oder sogar unmöglich, zu riskante Investitionen zu tätigen. Politiker können aus einem Missbrauch von öffentlichen Banken eine niedrigere Rente als bei Privatbanken erzielen, sodass sie sich für einen privaten Markt mit einer schwachen Regulierung einsetzen werden.273 Es existiert auch ein neuer Erklärungsansatz innerhalb der „Political View“, welcher den öffentlichen Banken eine positive Rolle zuweist und die Regulierung in den Fokus setzt. Gemäß diesem Ansatz kann eine schwache Regulierung zu einem Moral-Hazard-Verhalten des Bankmanagements führen, wo große Risiken eingegangen werden und was sich negativ auf die Wirtschaft auswirkt. Aufgrund der hohen Entlohnung durch wichtige Aufträge und Einstellungen im Bankensektor 271 272 273

Vgl. Andrianova et al. (2010), S. 1 ff. Andrianova et al. (2010), S. 16. Die vollständige Darstellung erfolgt in Andrianova et al. (2010), S. 1 ff.

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

97

entstehen für opportunistische Politiker Anreize für die Umsetzung einer schwachen Regulierung. Die strengere Kontrolle und das Vergütungsmodell von öffentlichen Banken macht dagegen ein solches Verhalten unwahrscheinlicher.274 Zusammenfassend stuft der „Political View“ das Eingreifen des Staates in das Finanzsystems durch öffentliche Banken als negativ ein und stuft die Beziehung zwischen dem Ausmaß der Intervention und dem Wirtschaftswachstum eher negativ ein: Je stärker öffentliche Banken sind, desto weniger wächst die Wirtschaft. Das liegt daran, dass Politiker öffentliche Banken als Instrument zur Erreichung eigennütziger Ziele verwenden und damit eine verzerrte Nutzung der Ressourcen stattfindet. Nur durch entwickelte politische Strukturen, eine strenge Regulierung, eine Kontrolle des öffentlichen Haushaltes und eine Miteinbeziehung von privaten Aktionären in die öffentlichen Banken kann diese Verzerrung gedämpft werden. Es erfolgte allerdings nach der letzten Finanzkrise eine partielle Revision dieses Ansatzes, wodurch die negative Bewertung von öffentlichen Banken relativiert wurde. Diese Entwicklung lässt erwarten, dass zukünftige Beiträge ebenfalls die Beziehung zwischen Privatbanken und Politik innerhalb ihrer Analyse mit einbeziehen werden.

3.5 Der „Agency View“ Als letzter theoretischer Ansatz wird der „Agency View“ erläutert. Innerhalb dieses Ansatzes befinden sich sowohl Elemente aus dem „Social View“ als auch aus dem „Political View“, wobei eine Trennung zwischen dem verfolgten Zweck und seiner Umsetzung stattfindet. Der verfolgte Zweck stammt aus dem „Social View“, da laut diesem Ansatz öffentliche Banken die Erhöhung der sozialen Wohlfahrt anstreben. Es entsteht aber eine Spaltung zwischen Zielverfolgung und tatsächlicher Umsetzung. Aus der institutionellen Struktur von öffentlichen Banken entstehen schwerwiegende Kooperationsprobleme zwischen Wählern, Politikern und Management. Diese Probleme führen dazu, dass trotz gemeinnütziger Zweckverfolgung die Politiker öffentliche Banken wie beim „Political View“ zu ihren Gunsten missbrauchen. Zur Einführung in diese Problematik wird im folgenden Abschnitt das Kooperationsproblem aus der Prinzipal-Agenten-Theorie kurz dargestellt. Der Aufsatz von Jensen/Meckling (1976) stellt die Kooperationsprobleme für Aktiengesellschaften aus der Trennung zwischen einer zerstreuten Gruppe von Aktionären, welche Prinzipal genannt werden, und einem konzentrierten Management, 274

Vgl. Andrianova et al (2010), S. 15 ff.

98

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

definiert als Agent, dar.275 Der Entscheidungsträger, in diesem Fall der Agent, steht vor der Wahl zwischen verschiedenen Investitionen der verfügbaren Ressourcen. Im Hintergrund dieser Wahl können verschiedene Kriterien verfolgt werden: die Maximierung des Unternehmenswertes, was das tatsächliche Ziel des Prinzipals wäre, oder das Erreichen persönlicher Ziele des Agenten, welche sich vom Unternehmenswert unterscheiden. Weil in der Regel der Agent keinen oder nur einen geringeren Anteil an dem Unternehmen besitzt, gibt es für ihn nur unzureichende Anreize, die Maximierung des Unternehmenswertes persönlichen Zielen vorzuziehen. Auf der anderen Seite reduziert die breite Besitzstreuung für die Aktionäre den Anreiz, eine aufwendige und ausführliche Kontrolle über das Management auszuüben. Als Folge dieses Konfliktes wird der Agent einen Teil seiner Investitionen für die Maximierung seines Nutzens verwenden und dabei die Interessen des Prinzipals außer Betracht lassen. Damit findet eine Verzerrung in der Ressourcennutzung statt und für den Prinzipal wird eine suboptimale Lösung erzielt.276 Die Abbildung 3.5 zeigt die Übertragung des Prinzipal-Agent-Konfliktes von privaten Unternehmen auf öffentliche Banken. Regierende Partei (Agent) Politische Ziele

Asymmetrische Information

leitet beauftragt

Öffentliche Bank

besitzt

berichtet

Steuerzahler (Prinzipal) Soziale Ziele

Abbildung III.5 – Das Kooperationsproblem bei öffentlichen Banken Quelle: Eigene Darstellung

275 276

Die ursprüngliche Darstellung dieses Konfliktes ist in Jensen/Meckling (1976), S. 305 ff. zu finden. Vgl. Padgett (2012), S. 23 f.

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

99

Während die Steuerzahler die Bank besitzen, wird die regierende Partei mit der Leitung der Bank beauftragt. Über die Performance und die Förderung der sozialen Ziele informiert dann die regierende Partei die Steuerzahler. Hierbei können der Prinzipal mit den Steuerzahlern und der Agent mit der regierenden Partei gleichgestellt werden. Der Prinzipal verfolgt die Maximierung der sozialen Wohlfahrt und der Agent zielt hauptsächlich darauf, seine persönlichen Vorteile zu erreichen. Der Informationsvorsprung aus dem direkten Kontakt mit der Bank ermöglicht dem Agenten die praktische Umsetzung der Kontrolle über die Führung des Unternehmens. Der Agent profitiert nur geringfügig aus der Steigerung der Wohlfahrt; deswegen sind für ihn die Anreize, soziale Ziele zu verfolgen und eine treue Berichterstattung zu leisten, im Vergleich zur Verfolgung eigener Ziele sehr niedrig. Andererseits ist die Zerstreuung der Steuerzahler sehr breit, sodass für den Prinzipal kaum Anreize bestehen, eine strenge und aufwendige Kontrolle des Agenten umzusetzen. Eine zusätzliche Begründung für eine unzureichende Kontrolle des Agenten betrifft die sozialen Ziele. Die Messung der sozialen Wohlfahrt und insbesondere der Leistung der öffentlichen Banken in diesem Bereich ist sehr schwierig, was die Haftbarkeit des Managements stark eingrenzt.277 Dementsprechend werden die Politiker öffentliche Banken auch für die Verfolgung ihrer eigenen Ziele verwenden, sodass Ressourcen im Vergleich zu einer privaten Bank ineffizienter genutzt werden. Obwohl auch bei einer Privatbank Prinzipal-AgentKonflikte auftreten, sind die betriebswirtschaftlichen Ziele und ihr Erreichen eindeutiger zu messen. Das ermöglicht dem Prinzipal eine strengere Bewertung der Managementleistung und führt zu einem höheren Effizienzgrad. 278 Man kann aus der Darstellung dieses Konflikts ableiten, dass für die Gesellschaft ein Trade-Off zwischen der allokativen und der betriebswirtschaftlichen Effizienz besteht. Während die allokative Effizienz aus der Verfolgung sozialer Ziele und durch die Korrektur von Marktversagen gesteigert wird, entsteht aufgrund eines starken Prinzipal-Agent-Konfliktes eine verzerrte Nutzung der Politik öffentlicher Banken, was zu betriebswirtschaftlichen Effizienzverlusten führt. Laut dem „Agency View“ ist ein Vergleich des Ausmaßes beider Effizienzarten notwendig, um die Tätigkeit öffentlicher Banken bewerten zu können. Wenn die Effizienzverluste die allokativen Effizienzgewinne übersteigen, wirken öffentliche Banken trotz der wohlwollenden Ziele wie im Fall des „Political View“ wohlfahrtsmindernd. Wenn dagegen die Effizienzgewinne die Verluste übersteigen, ist ihr Eingriff durch eine Wohlfahrtssteigerung gerechtfertigt.279

277 278 279

Vgl. Körner/Schnabel (2011), S. 411. Vgl. Shleifer/Vishny (1997), S. 768 f. Vgl. Sapienza (2004), S. 358.

100 III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

Zusammenfassend nimmt der „Agency View“ nicht eindeutig Stellung bezüglich eines positiven oder negativen Beitrages von öffentlichen Banken zur sozialen Wohlfahrt. Der Vergleich der Effizienzgewinne und -verluste aus ihrem Eingriff unterstreicht die Bedeutung, dass wichtige Voraussetzungen für einen wohlfahrtssteigenden Einfluss erfüllt sein müssen, welche die Prinzipal-Agenten-Konflikte einschränken und dadurch die betriebswirtschaftlichen Effizienzverluste reduzieren.

3.6 Zwischenfazit Die Thematik des öffentlichen Eigentums im Bankensektor ist von vielfältigen Standpunkten geprägt. Ein Vergleich der verschiedenen Erklärungsansätze verdeutlicht, dass innerhalb der Literatur konfligierende Beurteilungen ihrer Existenz und ihres Beitrages zur sozialen Wohlfahrt existieren. Während „Social-“, „Development-“ und „Macroeconomic View“ den öffentlichen Banken eine wohlwollende Rolle zuweisen, widerspricht der „Political View“ dem und ersetzt diese durch das Verfolgen opportunistischer Zielen. Der „Agency View“ entnimmt letztlich Elemente aus beiden Bereichen und liefert eine neutrale Bewertung. Tabelle 3.1 gibt einen Überblick zu den unterschiedlichen Ansätzen, deren Funktionszuweisungen und ihrer Bewertung der öffentlichen Banken.

III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN 101

Tabelle III.1 – Ansätze zur Erklärung der Funktion von öffentlichen Banken

Ansatz

Funktion von öffentlichen Banken

Bewertung

„Social View“

Instrument zur Steigerung der sozialen Wohlfahrt durch die Korrektur von Marktversagen

+

„Development View“

Instrument für das Erreichen einer ausreichenden Kapitalakkumulation und damit für die Finanzierung von Investitionen

+

„Macroeconomic Instrument der Geldpolitik und StabilisieView“ rungsfaktor

+

„Political View“

Instrument zur Erreichung parteipolitischer Ziele

-

„Agency View“

Instrument zur Steigerung der sozialen Wohlfahrt, nur wenn die allokative Effizienzgewinne die betriebswirtschaftlichen Effizienzverluste übersteigen

+/-

Quelle: Eigene Darstellung

Der Grund für diese kontrastierenden Ansätze liegt in der historischen Performance vieler öffentlicher Banken, welche die Erwartungen an die Erfüllung ihrer Funktion häufig nicht einhalten konnten. Die empirischen Ergebnisse von LaPorta (2000) aus der weltweiten Performance-Untersuchung deuten beispielsweise auf einen negativen Einfluss starker staatlicher Eingriffe auf die Entwicklung des Finanzsystems und der Wirtschaft hin. Es wird gezeigt, dass eine starke Präsenz öffentlicher Banken dazu führt, dass niedrige Wachstumsraten des GDP und der Produktivität erreicht und die Entwicklung eines effizienten Finanzsystems verhindert werden.280 Körner/Schnabel (2011) kritisieren die Ergebnisse von LaPorta (2000) und verweisen darauf, dass eine direkte Beziehung zwischen den Auswirkungen öffentlicher Banken auf das Wirtschaftswachstum und dem Entwicklungsgrad der politischen Institutionen und des Finanzmarktes besteht. Die Kombination aus unterentwickelten Institutionen und unterentwickelten Finanzmärkten führt zu einem Missbrauch von öffentlichen Banken und dadurch zu einem negativen 280

Vgl. LaPorta (2000), S. 26.

102 III.

THEORETISCHE ANSÄTZE ZUR RECHTFERTIGUNG VON ÖFFENTLICHEN BANKEN

Beitrag derselben zum Wirtschaftswachstum. Wenn Institutionen und Finanzmärkte dagegen ausreichend entwickelt sind, wird der Einfluss von öffentlichen Banken auf das Wirtschaftswachstum entweder neutral oder sogar positiv.281 Auch die Studie von Micco et al. (2007) liefert empirische Beweise für eine aktive und positive Rolle der öffentlichen Banken im Entwicklungsprozess von nicht industrialisierten Ländern.282 Die Schlussfolgerungen von Körner/Schnabel (2011) und eine umfassende Betrachtung der fünf theoretischen Ansätze deuten darauf hin, dass die unterschiedliche Performance öffentlicher Banken der Existenz unterschiedlicher institutioneller Rahmenbedingungen geschuldet ist.283 Solche Rahmenbedingungen können dazu führen, dass öffentliche Banken trotz einer ursprünglich gleichen gemeinnützigen Absicht bei ihrer Gründung in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Leistungen erbringen. Sowohl innerhalb des „Social View“ als auch des „Political View“ werden einige Vorbedingungen für eine effektive Leistung von öffentlichen Banken aufgelistet.284 Dementsprechend kann ein Missbrauch öffentlicher Banken nur vermieden werden, wenn bestimmte Rahmenbedingungen sowohl bezüglich der Regelung von öffentlichen Banken als auch bezüglich der allgemeinen gesellschaftlichen Beziehungen eingehalten werden und eine ausreichende Transparenz vorhanden ist. Eine transparente Regelung des öffentlichen Auftrages, des Berichtwesens und der Governance-Struktur von öffentlichen Banken auf einer Seite und der Kontrolle des öffentlichen Haushaltes auf der anderen Seite stellen die Vorbedingungen dafür dar, dass sich die Tätigkeit solcher Institute in die gewünschte Richtung entwickelt und zu einer Steigerung der sozialen Wohlfahrt beiträgt. Zusätzlich müssen auch innerhalb der Gesellschaft und der demokratischen Ordnung ausreichend Kontrollmechanismen der Regierungstätigkeit vorhanden sein – entweder durch die Presse, durch juristische Institutionen oder durch Oppositionsparteien. Werden alle diese Rahmenbedingungen erfolgreich umgesetzt, kann ein politischer Missbrauch von öffentlichen Banken bekämpft und verhindert werden.

281

Vgl. Körner/Schnabel (2011), S. 435 ff. Vgl. Micco et al. (2007), S. 227. Vgl. Körner/Schnabel (2011), S. 434 ff. 284 Für eine detaillierte Darstellung vgl. Kap. 3.1 und Kap. 3.4. 282 283

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

103

IV. Die Regelung der gemeinwohlorientierten Funktion bei deutschen und italienischen Sparkassen: Ein Vergleich des öffentlichen mit dem sozialen Auftrag Die Darstellung der theoretischen Ansätze zur Rechtfertigung von öffentlichen Banken im vorigen Kapitel hat verdeutlicht, dass der öffentliche Auftrag eine der wichtigsten Vorbedingungen für eine effektive und unverzerrte Leistung öffentlicher Banken ist. Im vorliegenden Kapitel wird die theoretische Analyse durch eine empirische Studie am Beispiel deutscher und italienischer Sparkassen untersetzt; dabei liegt der Fokus auf der Regelung des öffentlichen Auftrags.285 Die Fokussierung auf eine Komponente und der Ausschluss der restlichen Rahmenbedingungen aus der Analyse werden durch die grundlegende Rolle des öffentlichen Auftrages und seinen exklusiven Bezug zu den öffentlichen Banken begründet. Während sich andere Rahmenbedingungen (Kontrolle des öffentlichen Haushalts und Existenz von Kontrollmechanismen der regierenden Partei) auf externe Subjekte beziehen oder sich mit einer nachfolgenden Überprüfung der Ergebnisse beschäftigen (Governance-Mechanismen und Berichtswesen), stellt der öffentliche Auftrag die Grundlage für die Steuerung öffentlicher Banken dar. Innerhalb dieses Auftrages werden die verfolgten Ziele und deren Instrumente festgelegt, welche vom Anfang an die Geschäftstätigkeit solcher Banken grundlegend prägen. Untersuchungsgegenstand der Analyse sind deutsche und italienische Sparkassen, andere Arten von öffentlichen Banken werden ausgegrenzt. Da Sparkassen sich auf das klassische Bankgeschäft konzentrieren und wenig spezialisiert sind, kann die Analyse ihres sozialen Auftrages ein breites Spektrum an Stakeholder berücksichtigen und damit die Interessen mehrerer Individuen einbeziehen. Zusätzlich ermöglicht das klassische Geschäftsmodell von Sparkassen einen Vergleich ihrer Leistung mit anderen Geschäftsbanken (Privatbanken und Kreditgenossenschaften), welcher Gegenstand des Kapitels 5 ist. Andere öffentliche Banken wie Entwicklungs- oder Förderungsbanken sind von einem besonderen Geschäftsmodell und einem hohen Spezialisierungsgrad gekennzeichnet, was einen sinnvollen Vergleich mit nicht öffentlichen Banken erschwert. Letztendlich existieren heutzutage 285

Während sich der öffentliche Auftrag auf öffentliche Sparkassen bezieht, gilt der soziale Auftrag für private Sparkassen. In dieser Arbeit wird der soziale Auftrag dem öffentlichen Auftrag gleichgesetzt.

104

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

sowohl öffentliche als auch private Sparkassen, wobei beide Arten einen sozialen Auftrag verfolgen. Die Gegenüberstellung des sozialen Auftrags von beiden Sparkassen-Arten kann die Unterschiede in Bezug auf ihre Regulierung und damit den Einfluss der unterschiedlichen Eigentumsart auf seine Umsetzung hervorheben.

4.1 Sparkassen als Stakeholder Banks Historisch wurden Sparkassen sowohl von öffentlichen Behörden als auch von wohlmeinenden und sozial engagierten Bürgern gegründet, worunter auch kirchliche Einrichtungen zählten. Während im ersten Fall die Sparkassen als Anstalt des öffentlichen Rechts auftraten, besaßen die privat gegründeten Sparkassen die Form einer Stiftung oder eines Vereins mit einem nicht gewinnorientierten Auftrag.286 Unabhängig von ihrer unterschiedlichen Gründungsform hatten Sparkassen jedoch weltweit gemeinsame Gründungsziele, welche die Förderung der Ersparnisse in der Bevölkerung, die Entwicklung der lokalen Wirtschaft und die Durchführung von sozialen Projekten in ihrem Gebiet betrafen.287 Ihre Geschäftstätigkeit konzentrierte sich normalerweise auf ein kleines geographisches Gebiet, welches entweder durch eine gesetzliche Bestimmung oder durch eine Verpflichtung der Gründungseinrichtung bestimmt wurde. Daraus hat sich eine enge Verbindung zur lokalen Gemeinde ergeben, was sowohl Vor- als auch Nachteile mit sich brachte. Einerseits hat die enge Beziehung zur lokalen Politik eine bessere Befriedigung der Finanzbedürfnisse der Gemeinde und ihrer Mitglieder ermöglicht, andererseits waren Sparkassen häufig auch einem starken Einfluss der lokalen Politik ausgesetzt. Die Eigentümer der Sparkassen waren entweder die lokale Gemeinde oder die privaten Gründungseinrichtungen, wobei man das Eigentumskonzept relativieren muss. Im Vergleich zu den Eigentumsrechten von Geschäftspartnern oder Aktionären einer Geschäftsbank waren die Rechte der Sparkassengründer deutlich schwächer, da ihre Möglichkeiten des Verkaufs und der Gewinnbeteiligung stark eingeschränkt waren. Sparkassen unterschieden sich historisch gesehen von den Geschäftsbanken nicht nur bezüglich ihrer Eigentümer, sondern auch bezüglich ihrer Ziele. Die Renditeorientierung war nie das Hauptziel solcher Institute und wurde immer nur als Mittel zur Erreichung der Gründungsziele betrachtet.288 Zur Einführung in die Analyse des öffentlichen Auftrages ist es notwendig, eine länderübergreifende Kategorisierung der Sparkassen vorzunehmen. Die Satzung der spanischen Sparkassen aus dem Jahr 1933 liefert einen ersten Überblick über 286 287 288

Vgl. Losana (2007), S. 51 ff. Vgl. Revell (1989), S. 43. Vgl. Ayadi et al. (2009), S. 8 ff.

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

105

die sozialen Merkmale der Geschäftstätigkeit von Sparkassen und über ihre Ziele. Diese werden definiert als „a group of institutions… that operate with the purpose of investing what profits there may be… in the carrying out of social works“.289 Zusätzlich zu diesen institutionellen Eigenschaften waren Sparkassen immer auch durch strukturelle und operationelle Gemeinsamkeiten gekennzeichnet. Erstens haben sich Sparkassen hauptsächlich auf das Kleinkundengeschäft fokussiert und dadurch auch für die finanzielle Versorgung von einkommensschwachen Privatpersonen und kleinen Unternehmen gesorgt. Zweitens war ihre Risikoeinstellung von einer beträchtlichen Risikoaversion und konservativen Investitionspolitik geprägt, da nur dieser Ansatz das Erreichen langfristiger sozialer Zielen ermöglichen konnte. Drittens haben Sparkassen in der Regel auf nationaler und auf internationaler Ebene mit anderen Sparkassen kooperiert und zusammengearbeitet, was oft zu einer Gruppenstruktur mit mehreren Ebenen geführt hat. Diese Struktur diente in der Vergangenheit auch als Schutz gegenüber feindlichen Übernahmen, in dem Sparkassen in wirtschaftlichen Schwierigkeiten von den Mitgliedern ihrer Gruppe unterstützt und gerettet wurden290 und so in vielen Ländern unabhängig bleiben könnten. Ab den 70er Jahren erlebten viele nationale Sparkassen-Systeme eine tiefe Transformationswelle; diese führte zu einer Reduzierung der Gemeinsamkeiten zwischen den Sparkassen der verschiedenen Länder. Laut Ayadi et al. (2009) besitzen Sparkassen heute noch vier wichtige gemeinsame Eigenschaften: •

Sie sind Eigentum einer öffentlichen Körperschaft, einer genossenschaftlichen Einrichtung oder einer Stiftung und die Eigentumsrechte sind mit einigen Einschränkungen verknüpft.



Sie sind in der Regel mit anderen Sparkassen und mit zentralen Institutionen durch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder durch ein gemeinsames Netzwerk verbunden.



Sie sind Kreditinstitute mit einer komplexen Zielstellung, welche die Gewinnorientierung mit anderen sozialen Zielen ergänzt.



Sie oder die juristische Person mit den Eigentumsrechten verfolgen einen sozialen Auftrag, besitzen eine regionale Bindung und unterstehen der Verpflichtung eines Beitrages zum Gemeinwohl.291

289 290 291

Revell (1989), S. 44. Vgl. Revell (1989), S. 44. Vgl. Ayadi et al. (2009), S. 9 ff.

106

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

Die letzten zwei Eigenschaften prägen die Geschäftstätigkeit von Sparkassen und sind Gegenstand der Untersuchung dieses Kapitels, sie stellen eine Verbindung zum Kapitel 3 dar. Die unterschiedlichen Ansätze zur Rechtfertigung von öffentlichen Banken sind alle durch das gemeinsame Merkmal einer erweiterten Zielstellung für öffentliche Banken gekennzeichnet, welche die Verfolgung von zur Gewinnorientierung alternativen Zielen vorschreibt.292 Aufgrund ihrer unterschiedlichen Eigentumsart können Sparkassen nicht den öffentlichen Banken gleichgesetzt werden, sodass in der Literatur alternative Begriffe verwendet werden. Zur Beschreibung dieser kombinierten Zielsetzung verwenden beispielsweise Christen et al. (2007) den Begriff „Double-bottom line institutions“: “in addition to a financial objective, they also have a developmental or social objective. If their managers were asked which of the objectives is primary, most of them would say that the non-financial objective— extending outreach to people not normally served by banks—is the crucial one, and that solid financial performance is a means to that end rather than an end in and of itself.” (Christen et al., 2007, S. 2). „Double-bottom line“-Kreditinstitute verfolgen eine komplexe Zielsystematik, welche sich einerseits aus den positiven Auswirkungen ihrer Tätigkeit auf von den Aktionären unterschiedlichen Subjekten und andererseits aus der Renditeerzielung zusammensetzt. Unter einer langfristigen Perspektive stellt das erste Element das dominante Ziel für das Management solcher Institute dar, wobei in einer kurz- bis mittelfristigen Perspektive die Renditeerzielung an Wichtigkeit gewinnt. Die Renditeerzielung ist kein eigenständiges Ziel, sondern ein Mittel zur Erreichung des langfristigen nichtfinanziellen Zieles: Diese Kreditinstitute müssen ausreichend Gewinne erwirtschaften, um ihr Bestehen und ihren Erfolg in der Verfolgung des Hauptzwecks zu sichern.293 Aus der Beschreibung der Zielsystematik der „Double-bottom line“Kreditinstitute wird ersichtlich, dass die Aktionäre nur einen Teil ihrer Zielgruppe darstellen. Dieses Merkmal stellt eines der Unterscheidungskriterien für eine in der wissenschaftlichen Literatur verbreitete Kategorisierung von Banken dar. In Abhängigkeit der Zielgruppe, welche von der Bankentätigkeit profitiert und deren Wohlfahrt die Entscheidungen des Managements beeinflusst, wird zwischen Shareholder und Stakeholder Banken unterschieden. Die folgende Tabelle veranschaulicht die Haupteigenschaften beider Arten. 292

In Abhängigkeit des Erklärungsansatzes verfolgen öffentliche Banken soziale („Social View“), wirtschaftspolitische („Development View“), makroökonomische („Macroeconomic View“) oder politische Ziele. S. Kap. 3. 293 Vgl. Ayadi (2009), S. 19 ff.

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

107

Tabelle IV.1 – Unterscheidungsmerkmale zwischen einer Shareholder- und einer StakeholderBank

ShareholderBank

StakeholderBank Fokus auf die Maximierung der Interessen einer breiteren Kategorie von Subjekten (Stakeholder) als nur die Eigentümer

Geschäftsausrichtung

Fokus auf die Maximierung der Shareholder Interessen

Zielstellung

Das Management muss den Unternehmenswert maximieren

Rolle der Gewinnerzielung

Die Gewinnerzielung stellt Die Gewinnerzielung wird das Hauptziel der Geschäfts- mit anderen Zwecken abgetätigkeit wogen

Das Management verfolgt einen „Double-bottom line“ Ansatz, welcher eine mehrstufige Zielsystematik vorschreibt

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung Ayadi et al. (2009), S. 8 und Ferri (2010), S. 38 f.

108

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

Eine Shareholder Bank wird definiert als eine Bank, deren Geschäft auf die Maximierung der Interessen der Shareholder fokussiert. Das Management verfolgt das Ziel, den Unternehmenswert zu maximieren und ihn zwischen den Shareholdern durch Gewinnausschüttungen oder Marktwertsteigerungen aufzuteilen. Demnach stellt die Gewinnorientierung das Hauptziel des Bankgeschäftes dar.294 Die Zielgruppe einer Stakeholder-Bank betrifft dagegen ein breiteres Spektrum von Subjekten; diese werden als Stakeholder bezeichnet. Ihre Definition ist in der Literatur umstritten, insbesondere bezüglich des angewandten Ansatzes. Während der normative Ansatz die Stakeholder als diejenigen Subjekte definiert, welche die Unternehmenstätigkeit beeinflussen und deren Interessenverfolgung das Ziel eines Unternehmens darstellt, verfolgt der instrumentale Ansatz eine andere Perspektive. Bei diesem Ansatz werden die Stakeholder als die von der Unternehmenstätigkeit beeinflussten Subjekten beschrieben, deren Interessenverfolgung keine Verpflichtung für das Unternehmen darstellt und somit vom Management außer Acht gelassen werden kann.295 Der instrumentale Ansatz umfasst eine größere Gruppe an Subjekten als der normative Ansatz und relativiert die Rolle der Stakeholder-Interessen bei den Entscheidungen des Managements. Dagegen liefert der normative Ansatz und insbesondere die strikte Definition nach Phillips (2003) eine zu den „Double-bottom line“-Instituten passende Beschreibung.296 Demnach stellen die normativen Stakeholder die Gruppe von Individuen dar, für die das Unternehmen eine moralische Verpflichtung hat.297 Auf Basis dieser Verpflichtung müssen Stakeholder-Banken eine „Double-bottom line“-Zielstellung verfolgen, welche im Unterschied zu den Shareholder-Banken auch die Maximierung der Stakeholder-Interessen berücksichtigt. Andererseits üben die Stakeholder durch ihre Mitwirkung in den Führungsgremien keinen Druck auf das Management aus, was die Gewinnerzielung angeht, da sie nicht nur von der Gewinnerzielung direkt profitieren.298 Sie sorgen dafür, dass die finanziellen Ziele der Eigentümer mit ihren Zielen abgewogen werden: „Stakeholder banks need to generate profit in order to survive and expand, but profit is not the sole … objective” (Ayadi et al., 2010, S. 8). Während Privatbanken den Shareholder-Banken zugeordnet werden, beinhaltet der Begriff der Stakeholder-Banken auch die Kreditgenossenschaften. Neben den Sparkassen verfolgen auch Kreditgenossenschaften einen „Double-bottom line“Ansatz: Zusätzlich zur Gewinnerzielung besteht für ihre Führung eine Verpflich294

Vgl. Ferri (2010), S. 38 f. Vgl. Benessia (2010), S. 415 f. Vgl. Padgett (2012), S. 72 ff. 297 Vgl. Phillips (2003), S. 30. 298 Vgl. Ferri et al. (2012), S. 4 ff. 295 296

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

109

tung zur Förderung der eigenen Mitglieder, welche sich aus dem Förderungsauftrag ergibt.299 Dennoch unterscheiden sich Kreditgenossenschaften von Sparkassen sowohl bezüglich ihres Auftrages als auch in Bezug auf das Eigentum. Die Mitglieder der Kreditgenossenschaften sind private Individuen, deren Interessen innerhalb der Führungsgremien vertreten werden und deren Rechte umfangreich sind. Dagegen wird bei Sparkassen der Eigentümer durch den Träger ersetzt, was bei öffentlichen Sparkassen einer öffentlichen Körperschaft und bei privaten Sparkassen der errichtenden Stiftung oder dem errichtenden Verein entspricht. Dieser Träger ist für die allgemeine Betriebsaufsicht zuständig; seine Rechte sind im Vergleich zu den Eigentumsrechten der Genossenschaftsmitglieder durch die Satzung eingeschränkt.300 In Bezug auf den Auftrag beider Stakeholder-Banken sind unterschiedliche Dimensionen der betroffenen Individuen zu erkennen: Während der Förderungsauftrag sich hauptsächlich auf die Mitglieder bezieht, betrifft der soziale Auftrag von Sparkassen die Allgemeinheit – ohne Unterscheidung zwischen Mitgliedern und Nichtmitgliedern. Dementsprechend muss das Management von Sparkassen im Vergleich zu dem von Kreditgenossenschaften die Interessen eines breiteren Spektrums von Stakeholdern berücksichtigen.301 Zusammenfassend gehören Sparkassen zu den Stakeholder-Banken, verfolgen einen „Double-bottom line“-Ansatz und ihre Geschäftstätigkeit ist an die Verpflichtungen aus dem öffentlichen Auftrag gebunden. Die obige Darstellung zeigt, dass der öffentliche Auftrag das wichtigste Unterscheidungsmerkmal der öffentlichen Sparkassen ist und als Instrument dazu dient, die Beziehung zu den Stakeholdern zu regeln. Aus diesem Grund erfolgt in den nächsten Kapiteln die Herleitung der Definition der verschiedenen Stakeholder-Gruppen und deren Ansprüche. Im Rahmen der Analyse des öffentlichen Auftrages wird auch die Regelung der Gewinnerzielung – als Komplementär der Zielstellung – berücksichtigt. Beide Aspekte von Sparkassen werden sowohl für Deutschland als auch für Italien untersucht, um die Unterschiede in Abhängigkeit der organisatorischen Form hervorheben zu können. Die deutschen Sparkassen stellen dabei das Musterbeispiel einer öffentlichen Sparkasse dar, deren Träger eine öffentliche Körperschaft ist.302 Dagegen gehören italienische Sparkassen nach einem Privatisierungsprozess heute zu einem Stiftungsmodell, sodass aufgrund ihrer privaten Rechtsform vom sozialen Auftrag die Rede ist.303 Aus dem theoretischen Vergleich sollten sich Ansatzpunkte für das Kapitel 5 ergeben, in welchem dann eine empirische 299

Der Förderungsauftrag ist Gegenstand des Unterkapitels 4.2.4. Vgl. Ayadi et al. (2009), S. 10. Im Kapitel 4.2.3 erfolgt eine ausführliche Darstellung der Stakeholder von Sparkassen und deren Interessen. 302 Für eine Beschreibung der Rolle des öffentlichen Trägers bei den deutschen Sparkassen vgl. Dehe (1982), S. 210 f. 303 Vgl. Marcenó (2011), S. 101 f. 300 301

110

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

Untersuchung der Ausprägung des öffentlichen Auftrags in beiden Ländern vorgenommen wird.

4.2 Der öffentliche Auftrag der deutschen Sparkassen Untersuchungsgegenstand dieses Abschnitts ist der öffentliche Auftrag der deutschen Sparkassen, welcher ein fundamentales Element zur Rechtfertigung der Existenz von öffentlichen Banken darstellt.304 Eine transparente und detaillierte Regelung des öffentlichen Auftrags ist die wichtigste Voraussetzung, um einen Missbrauch von öffentlichen Banken zu vermeiden. Mangelnde Transparenz erhöht die Wahrscheinlichkeit eines verzerrenden Einflusses der Politik.305 Für eine möglichst vollständige Analyse des öffentlichen Auftrags werden verschiedene Aspekte behandelt: Zunächst wird der öffentliche Auftrags in seiner historischer Entwicklung dargestellt; dabei werden die verschiedenen Aufgaben der Sparkassen in Verbindung mit der wirtschaftlichen Lage und den historischen Ereignissen der jeweiligen Periode aufgezeigt. Danach erfolgt ein Vergleich der gesetzlichen Bestimmungen über den öffentlichen Auftrag zwischen den unterschiedlichen Sparkassengesetzen der deutschen Bundesländer, um Schlussfolgerungen über die Transparenz und über den Detaillierungsgrad der heutigen Regelung zu ziehen. Im Kapitel 4.2.3 wird der öffentliche Auftrag zeitgemäß interpretiert, und zwar durch eine Analyse der Interessenbedienung verschiedener Stakeholder.. Dabei werden sowohl die gesetzlichen Bestandteile als auch Elemente aus der geschäftspolitischen Ausrichtung herangezogen. Um Ähnlichkeiten und Unterschiede in der Erfüllung der Interessen der gleichen Stakeholder herleiten zu können, wird das Gleiche für Kreditgenossenschaften gemacht. Abschließend werden die wichtigsten Schlussfolgerungen zusammengefasst und Ansatzpunkte für die deskriptive Analyse abgeleitet. 4.2.1 Historische Entwicklung des Aufgabenbereichs Die Herausbildung der ersten Sparkassen erfolgte zwischen dem Ende des 18. Jahrhunderts und Mitte des 19. Jahrhunderts in fast allen Ländern des europäischen Raums.306 Dabei entwickelten sich hinsichtlich ihrer Rechtsform unterschiedliche Modelle. Trotz dieser Unterschiede weisen die europäischen Sparkassen eine Vielzahl Gemeinsamkeiten auf, dazu gehören beispielsweise die Erfül304 305 306

Vgl. Kap. 3.6. Vgl. Yeyati et al. (2004), S. 25. Während die ersten Sparkassen im Jahr 1778 in Deutschland gegründet worden sind, wurden solche Institute beispielsweise in Portugal erst im Jahr 1844 tätig. Vgl. Revell (1989), S.7.

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

111

lung der finanziellen Bedürfnisse der lokalen Haushalte und Unternehmen und die Förderung des lokalen Sparens.307 Obwohl sich dieser Abschnitt auf den deutschen Sparkassen widmet, können aus der Darstellung des öffentlichen Auftrags allgemeine Schlussfolgerungen für alle öffentlichen Sparkassen gezogen werden. Schon im 17. Jahrhundert entstanden die ersten Ideen bezüglich der Notwendigkeit von Banken, welche durch eine staatliche Unterstützung auf die Befriedigung der Bedürfnisse schwacher Bevölkerungsschichten zielen können. Privatbanken hatten kein Interesse an der Bedienung dieser Kundschaft, sodass wichtige Finanzdienstleistungen nur dem wohlhabenden Teil der Bevölkerung zur Verfügung standen.308 Komplementär dazu galt es, das Ziel der Sparförderung zu verfolgen, um die Selbstverantwortung solcher Bevölkerungsschichten zu stärken und um so eine aufwendige Versorgung durch den Staat möglichst zu begrenzen.309 Obwohl private und auch öffentliche Sparkassen entstanden, weiteten sich schon Mitte des 19. Jahrhunderts in Deutschland die öffentlichen Institute eindeutig aus. Bereits zu Beginn des 19. Jahrhunderts enthielten die Gründungsstatuten von 85 preußischen öffentlichen Sparkassen die Verpflichtung zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben, wie beispielsweise die Sparförderung oder die Förderung des Sparsinns. Der gemeinsame Nenner solcher Aufgaben war die Unterstützung der Gemeindeverwaltung bei der Erfüllung ihrer sozial- und kommunalpolitischen Funktionen. Im Jahr 1838 wurden in Preußen durch den Erlass eines Sparkassenreglements und eines Musterstatuts Aufgaben gesetzlich festgelegt, die als erste Sparkassengesetze gelten und welche in den folgenden Jahren zu einer relativen Homogenität der Gründungsziele preußischer Sparkassen führten.310 Seitdem hat sich das Aufgabenfeld dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt ständig angepasst. Schon im 19. Jahrhundert wurde die Zielgruppe der Sparkassen von den vormals ausschließlich ärmeren Bevölkerungsschichten auch auf Handwerker und kleine Unternehmer erweitert, immer unter dem Aspekt, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu fördern. Auch wurden die angebotenen Dienstleistungen erweitert. Die gesetzlichen Änderungen zu Beginn des 20. Jahrhunderts bezüglich der Verleihung der passiven Scheckfähigkeit (1908) und der Möglichkeit zur Aufnahme des bargeldlosen Zahlungsverkehrs (1909) ermöglichten eine Wandlung der deutschen Sparkassen in Richtung Universalbanken. Ergänzend zum Einlagengeschäft wurden damit auch neue Finanzierungs- und Dienstleistungsangebote geschaffen, was zu einer zusätzlichen Erweiterung der Kundschaft führte. Dazu gehörte zum Beispiel die Abwicklung des überregionalen 307

Vgl. Revell (1989), S. 44 und Rehmer/Weber (2011), S. 38 f. Vgl. Gann et al. (2011), S. 147 sowie die dort angegebene Literatur. Vgl. Wagner-Braun (2010), S. 31 ff. 310 Vgl. Dehe (1982), S. 210 f. 308 309

112

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

Giroverkehrs, welche über die im Jahr 1918 gegründete „Deutsche Girozentrale“ erfolgte.311 Die geschäftliche Ausdehnung betraf auch die Beziehung zu den öffentlichen Körperschaften und insbesondere zum Staat. Der Ausbruch des ersten Weltkriegs führte dazu, dass Sparkassen bei der Kriegsfinanzierung sowohl als Käufer als auch als Vermittler von Anleihen auftraten. Damit wurden den Sparkassen auch das Wertpapiergeschäft und die Unterstützung der öffentlichen Finanzierung als Aufgaben zugewiesen, was ihre Umwandlung in Universalbanken fortsetzte und die Unterschiede zu anderen Banken reduzierte. Trotz dieser Annäherung der Geschäftsfelder waren Sparkassen immer von einem Alleinstellungsmerkmal geprägt: dem öffentlichen Eigentum und der Verfolgung sozialer Ziele.312 Die Bankenkrise im Jahr 1931 brachte auch für Sparkassen Konsequenzen mit sich. Liquiditätsprobleme und Zahlungsschwierigkeiten führten einerseits zu einer rechtlichen Lösung von den Gemeinden durch ihre Umwandlung in eigenen Rechtspersönlichkeiten und andererseits zu einer Eingrenzung der Geschäftspolitik. Der Grundgedanke dieser Maßnahmen war die Wiederherstellung des Vertrauens der Bevölkerung, welches unter der Bankenkrise gelitten hatte. Die rechtliche Selbstständigkeit sollte einerseits die Unabhängigkeit von den finanziellen Bedürfnissen der kommunalen Träger ermöglichen und andererseits die Haftung des Gewährverbandes beibehalten. Zusätzlich zielten die Begrenzung der Kommunal- und Personalkreditvergabe und die Einführung einer strengeren Liquiditätsregelung auf die Steigerung der Solvabilität. Die Mischung aus der Zahlungskrise und den dargestellten getroffenen Maßnahmen reduzierten aber die Geschäfte der Sparkassen in einem solchen Ausmaß, dass die Privat- und die öffentliche Kreditvergabe fast zum Stillstand kamen. Dementsprechend gerieten auch die öffentliche Ziele immer mehr in den Hintergrund.313 Während des Nationalsozialismus setzte sich dieser Prozess fort. Das Vorherrschen rüstungsrelevanter Überlegungen unterband die Durchführung einer eigenständigen Geschäftspolitik der Sparkassen und ersetzte diese mit der Verfolgung des „Staatsinteresses“. Sparkassen wurden damit in ein Instrument zur Finanzierung des Reichshaushaltes umgewandelt, wobei die gesammelten Einlagen fast vollständig in Wertpapiere des Reichs einflossen und die übrigen Aktivgeschäfte stillgelegt wurden.314 Erst nach dem zweiten Weltkrieg kam das „normale“ Sparkassengeschäft wieder zustande. Die schwierigen Nachkriegsverhältnisse brachten das ursprüngliche Ziel der Sparförderung wieder in den Fokus. Zusätzlich bewirkten der zunehmende 311

Vgl. Tischer (2011), S. 112. Vgl. Wagner-Braun (2010), S. 42 f. Vgl. Ashauer/Mura (1982), S. 262 f. 314 Vgl. Wagen-Braun (2010), S. 49 f. 312 313

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

113

wirtschaftliche Fortschritt und die damit verbundene Zunahme der Finanzierungsbedürfnisse eine zeitgemäße Interpretation des öffentlichen Auftrags. Die steigende Vielfältigkeit der nachgefragten Dienstleistungen führte zurück zu einer Ausdehnung der Aktivgeschäfte, womit die Umwandlung der Sparkassen in moderne Universalbanken fortgesetzt wurde.315 Auf der anderen Seite verschärfte sich der Wettbewerb mit den Privat- und Genossenschaftsbanken innerhalb des klassischen Mengengeschäftes, welches bis dahin als typischer Sparkassenbereich gegolten hatte. Der steigende Kostendruck zusammen mit dem Verlust von steuerrechtlichen Privilegien und der Zinsliberalisierung ließen bei Sparkassen den Rentabilitäts- und Marktorientierungsgedanken immer mehr in den Vordergrund treten, sodass neben der Umsetzung des öffentlichen Auftrags auch betriebswirtschaftliche Kriterien an Wichtigkeit gewannen.316 In einem Aufsatz von Wagner-Braun (2010) ist eine Aussage enthalten, welche die damaligen Herausforderungen innerhalb der Sparkassen-Geschäftspolitik zusammenfasst: „Sie gestalteten ihre Geschäftspolitik im Spannungsfeld zwischen öffentlicher Aufgabenstellung einerseits und bankwirtschaftlicher Marktorientierung andererseits.“ (Wagner-Braun, 2010, S. 57) Einen Kompromiss zwischen zwei grundsätzlich konfligierenden Orientierungen zu finden, impliziert eine schwierige Strategie der Abwägung und erfordert eine komplexe Umsetzung. Während einerseits der öffentliche Auftrag das Erbringen unrentabler Leistungen vorschreibt, müssen die erzielten Erträge zusätzlich zur Deckung der Betriebskosten eine angemessene Rücklagenbildung für die Erfüllung der Eigenkapitalanforderungen ermöglichen.317 Um diese Herausforderungen aus dem härteren Wettbewerbsumfeld zu bewältigen, wurden auch die rechtlichen Rahmenbedingungen angepasst.318 Der nächste Abschnitt befasst sich mit einem Vergleich der gesetzlichen Bestimmungen des öffentlichen Auftrages und der Berücksichtigung von betriebswirtschaftlichen Kriterien, insbesondere der Rentabilität, in den verschiedenen Bundesländern. 4.2.2 Die gesetzliche Regulierung des öffentlichen Auftrags Deutsche Sparkassen haben in der Regel die Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts und sind Teil der öffentlichen Verwaltung; Träger sind die kommunalen Gebietskörperschaften (Städte, Gemeinde oder Landkreise).319 Zur Festle315

Vgl. Ashauer/Mura (1982), S. 263. Ebda. Vgl. Wagner-Braun (2010), S. 57. 318 Vgl. Wagner-Braun (2010), S. 58. 319 Zusätzlich zu den öffentlichen Sparkassen existieren in Deutschland sieben freie Sparkassen in Rechtsform einer Aktiengesellschaft. Trotz ihres privaten Charakters verfolgen auch die freien 316 317

114

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

gung der Aufgaben aus dem öffentlichen Auftrag äußern sich hauptsächlich die Sparkassengesetze der Bundesländer.320 Sofern diese nicht alle Aspekte der öffentlichen Aufgaben behandeln, wird ergänzend auf die Satzungen der kommunalen Gewährträger verwiesen, welche detaillierte Vorschriften über die Organisation und die Verfahren der Geschäftsdurchführung enthalten.321 Da die kommunalen Satzungen sehr zahlreich und detailliert sind und sich an den Mustersatzungen der Länder orientieren, wird an dieser Stelle auf eine Analyse derselben verzichtet und es erfolgt eine Fokussierung auf die Sparkassengesetze. Innerhalb der Untersuchung der Sparkassengesetze werden die folgenden zwei Aspekte gesetzlich festgelegt: der öffentliche Auftrag und die geschäftspolitische Steuerung. Dabei wird der Inhalt der Bestimmungen in unterschiedliche Komponenten aufgeteilt und es wird geprüft, inwieweit die jeweiligen Sparkassengesetze diese Komponenten enthalten. Zur Veranschaulichung fassen die Tabellen 4.2 und 4.3 die Ergebnisse beider Untersuchungen zusammen. Die gesetzliche Festlegung des öffentlichen Auftrags unterscheidet sich innerhalb der gesetzlichen Bestimmungen in ihrer Ausführlichkeit. Als allgemeiner Zweck wird die Bedienung des Gemeinwohls nur bei den Sparkassengesetzen in Rheinland-Pfalz, Saarland und Thüringen angegeben.322 Diese allgemeine Festlegung wird dann in ausführlicheren und detaillierteren Vorgaben konkretisiert. So wird beispielsweise die Funktion der Wettbewerbsstärkung in zwölf von fünfzehn untersuchten Bundesländern genannt, was ihre Wichtigkeit verdeutlicht. Sparkassen sollten dementsprechend dazu dienen, ein wettbewerbsfähiges Angebot an Finanzdienstleistungen zu garantieren und die Entstehung von wettbewerblichen Preisen zu fördern.323 Komplementär zu dieser Funktion erscheint in fast allen Sparkassengesetzen die Pflicht, „eine angemessene und ausreichende Versorgung aller Bevölkerungskreise und insbesondere der mittelständischen Wirtschaft mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen auch in der Fläche sicherzustellen.“ (§2 Abs. 1 SpkG SH).324 Hierbei wird die finanzielle Versorgung auf alle Bevölkerungsschichten Sparkassen gemäß ihrer Satzung die „Förderung des Spargedankens und des Sparkassenwesens im Allgemeinen“ (Verband der Deutschen Freien Öffentlichen Sparkassen e.V.). Obwohl sich die Analyse des öffentlichen Auftrags auf öffentliche Sparkassen bezieht, können die Schlussfolgerungen auch auf freie Sparkassen übertragen werden, denn die Geschäftsmodelle sind ähnlich. 320 Zusätzlich zu den Sparkassengesetzen verweist auch das Kreditwesengesetz auf den öffentlichen Auftrag als kennzeichnendes Merkmal von Sparkassen: „...besondere Merkmale, insbesondere eine am Gemeinwohl orientierte Aufgabenstellung...“ (§40 Abs. 1 KWG). 321 Vgl. Dehe (1982), S. 211 f. 322 Vgl. §2 Abs. 2 SpkG RP, §2 Abs. 1 SSpG und §2 Abs. 1 ThürSpkG. 323 Vgl. bspw. §6 Abs. 1 SpG BW. 324 Nur in Bayern wird auf die Festlegung einer Versorgungspflicht für Sparkassen verzichtet. (Vgl. SpkG BY)

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

115

ausgedehnt, was aus der historischen Darstellung im vorherigen Abschnitt auch zu erwarten war. Die zeitgemäße Erweiterung der öffentlichen Aufgaben stellt die Folge des wirtschaftlichen Fortschritts und der Umwandlung der Sparkassen in Universalbanken dar. In allen Ländern gleichermaßen wird die geographische Dimension berücksichtigt, welche sich insbesondere auf die von anderen Banken nicht bedienten Gebiete konzentriert. Daneben erfolgt aufgrund seiner zentralen Rolle innerhalb der deutschen Wirtschaft eine Schwerpunktsetzung auf den Mittelstand.325 Eine explizite Berücksichtigung öffentlich-rechtlicher Körperschaften innerhalb der Versorgungspflicht wird nur in neun Bundesländern vorgenommen.326 Diese unterschiedliche Herangehensweise in Bezug auf die Zielgruppen der finanziellen Versorgungspflicht zeigt, wie unterschiedlich die Rolle von Sparkassen interpretiert werden kann; dies reicht von einer selbstständigen Bank mit sozialen Zielen gegenüber der Allgemeinheit bis hin zu einer öffentlichen Bank, die auch der Finanzierung der öffentlichen Hand dienen muss. Das bayerische Sparkassengesetz ist das einzige Gesetz, welches keine Vorgaben in Bezug auf eine allgemeine Verpflichtung zur finanziellen Versorgung enthält. Die bayerische Gesetzgebung verweist nicht auf die Pflicht einer angemessenen und ausreichenden Versorgung, sondern weist den Sparkassen die Funktion der Beschaffung einer sicheren und verzinslichen Anlagemöglichkeit und der Förderung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs zu.327 Die Gesetzgebung dieses Bundeslandes unterscheidet sich damit von den restlichen Bundesländern in Bezug auf die Befriedigung der finanziellen Bedürfnisse der Bevölkerung. Es findet keine direkte Benennung bestimmter Zielgruppen statt, sondern man versucht durch die Verpflichtung zur Vervollständigung des Marktangebots eine ausreichende finanzielle Versorgung für die Allgemeinheit zu erzielen. Neben der Versorgungspflicht gibt es in zehn Bundesländern eine weitere Funktion: „Die Sparkassen fördern den Sparsinn und die Vermögensbildung breiter Bevölkerungskreise“ (§6 Abs. 1 SpkG BW). Diese Pflicht sollte dazu dienen, dass auch in schwierigen Zeiten ein möglichst großer Teil der Bevölkerung selbstverantwortlich handelt und durch Ersparnisse seinen finanziellen Unterhalt sichern kann. Sparkassen dienen als Instrument zur Entlastung des Staates, da sie durch bessere finanzielle Kenntnisse zur Entlastung der staatlichen Versorgungspflicht beitragen. Eine besondere Aufmerksamkeit bekommt die Wirtschaftserziehung der Jugend, welche in vier Bundesländern als wichtige Zielgruppe betrachtet wird.328 325

Zur Rolle des Mittelstandes als Wachstumsmotor der deutschen Wirtschaft äußert sich beispielsweise Keudell, S. (2007): „ Der Mittelstand gilt als treibende Kraft der deutschen Wirtschaft – und das mit Grund.“ (Keudell, S. (2007)). 326 Vgl. beispielhaft §6 Abs. 1 SpG BW. 327 Vgl. §2 Abs. 1 SpkG BY. 328 Vgl. beispielhaft §2 Abs. 1 ThürSpkG.

116

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

Überraschenderweise ist eine explizite und getrennte Verpflichtung zur Unterstützung der kommunalen Aufgabenerfüllung im wirtschaftlichen, regionalpolitischen, sozialen und kulturellen Bereich in nur fünf Sparkassengesetzen zu finden.329 Dies ist wahrscheinlich das Ergebnis einer immer ausgeprägteren betriebswirtschaftlichen Geschäftsführung, welche zur gesetzlichen Versorgungspflicht des Trägers beigetragen hat. Der Wegfall dieser Vorgabe bedeutet nach Meinung des Autors dabei nicht, dass Sparkassen ein solches Geschäft nicht mehr betreiben, sondern dass sie diese Leistungen unter Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Kriterien freiwillig erbringen können. Während sich die obige Darstellung auf die Vorgaben bezieht, die den Sparkassen das Erfüllen grundlegender Aufgaben vorschreiben, erfolgt innerhalb der Sparkassengesetze auch eine Konkretisierung dieser Aufgaben in verschiedene Leistungen. In den jeweiligen gesetzlichen Bestimmungen geschieht dies unterschiedlich ausführlich und betrifft verschiedene Zielgruppen, in Abhängigkeit der zeitlichen Entwicklung und auch der damit verbundenen Ausdehnung der SparkassenAufgaben. Während die Sparkassen in ihrer ursprünglichen Form allgemeine Vorschriften einhalten mussten, erfolgte mit ihrer Umwandlung in Universalbanken und mit steigenden finanziellen Bedürfnissen der Bevölkerung die detaillierte Festlegung einiger Aspekte: In Bezug auf die Gesamtbevölkerung werden der Beitrag zur Finanzierung der Schuldnerberatung, die Verpflichtung zur Einrichtung eines Girokontos jedem Einwohner/in und die Verpflichtung zur Annahme von Spareinlagen von jedem festgelegt.330 Dies entspricht den grundlegenden finanziellen Leistungen einer modernen Gesellschaft, die für eine finanzielle Sicherung notwendig erscheinen. Auf der anderen Seite spielen die Wirtschaftssubjekte innerhalb der deutschen Wirtschaft eine wichtige Rolle. So sind die Beratung jedes Existenzgründers und die Verbesserung der Eigenkapitalausstattung junger und mittelständischer Unternehmen zwei wichtige Leistungen, welche die grundlegenden Voraussetzungen für eine erfolgreiche Performance dieser Subjekte schaffen und damit das Wirtschaftswachstum fördern.331 Wie man der Tabelle 4.2 entnehmen kann, wird das Geschäftsgebiet von Sparkassen in verschiedener Weise durch die Gesetzgebung beeinflusst. Sowohl bezüglich der allgemeinen Funktionen als auch der konkreten Leistungen existieren innerhalb der deutschen Bundesländer differierende Ansätze, welche sich letztendlich auf die Tätigkeit von Sparkassen direkt auswirken. Es fehlt eine feststehende Definition und Konkretisierung des öffentlichen Auftrages, sodass dieser als „Sammelbegriff für die vom Gesetzgeber und ergänzend von den Gewährträgern den 329 330 331

Vgl. beispielhaft §2 Abs. 1 SpkG HE. Vgl. beispielhaft §2 Abs.2 SpkG NW. Vgl. §2 Abs. 2 SpkG RP und §2 Abs. 5 SpkG HE.

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

117

kommunalen Sparkassen gestellten oder übertragenen öffentlichen Aufgaben“332 definiert werden kann. Der gemeinsame Nenner aller Komponenten ist die Versorgung mit Finanzdienstleistungen und die Förderung des Sparsinns. Zusammenfassend verdeutlicht der Vergleich der Sparkassengesetze, dass die Unterwerfung der Sparkassen unter einen öffentlichen Auftrag trotz Unterschieden im Detaillierungsgrad ein kennzeichnendes Merkmal dieser Institute darstellt. Dieses Merkmal unterscheidet Sparkassen von anderen Kreditinstituten und ermöglicht eine enge Beziehung zwischen ihnen und den finanziellen Bedürfnissen der Allgemeinheit. Die oben beschriebenen öffentlichen Aufgaben betreffen nicht nur Gegenstand und Ausrichtung der Geschäfte, sondern wirken auch auf die betriebswirtschaftliche Orientierung und insbesondere auf das Gewinnziel. Dieser Einfluss spiegelt sich auch in den gesetzlichen Bestimmungen über die geschäftspolitische Steuerung wieder, welche in der Tabelle 4.3 dargestellt werden.

332

Dehe (1982), S. 210.

118

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

Tabelle IV.2 – Die Komponenten des öffentlichen Auftrages innerhalb der Sparkassengesetze Komponente

BW

BY

BE

BB

HB

HE

Bundesland** MV NI NW

Bedienung des Gemeinwohls Wettbewerbsstärkung

X

Angemessene und ausreichende Versorgung aller Bevölkerungskreise, der Wirtschaft, insbesondere des Mittelstands und der öffentlichen Hand mit geld- und kreditwirtschaftlichen Leistungen auch in der Fläche

X

X*

Sicherung der Gelegenheit zur sicheren und verzinslichen Anlegung

X

Förderung des bargeldlosen Zahlungsverkehrs

X

Förderung der wirtschaftlich schwächeren Bevölkerungskreise mit Krediten

X

X

X

X

X

RP

SL

X

X

SN

ST

SH

TH

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X*

X*

X

X

X*

X

X

X*

X

X

X

X

Beitrag zur Finanzierung der Schuldnerberatung

X

X

Einrichtung eines Girokontos jedem Einwohner/in

X

Verpflichtung zur Beratung jedes/r Existenzgründers/in

X

X X

Verbesserung der Eigenkapitalausstattung junger und mittelständischer Unternehmen

X

Verpflichtung zur Annahme von Spareinlagen von jedem

X

Unterstützung der Aufgabenerfüllung der Kommunen im wirtschaftlichen, regionalpolitischen, sozialen und kulturellen Bereich

X

Förderung des Sparsinns und der Vermögensbildung breiter Bevölkerungskreise

X

Wirtschaftserziehung der Jugend

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

Länderabkürzungen: BW=Baden-Württemberg, BY=Bayern, BE=Berlin, BB=Brandenburg, HB=Bremen, HE=Hessen, MV=Mecklenburg-Vorpommern, NI=Niedersachsen, NW=Nordrhein-Westfalen, RP=Rheinland-Pfalz, SL=Saarland, SN=Sachsen, ST=Sachsen-Anhalt, SH=Schleswig-Holstein, TH=Thüringen. * Das Gesetz enthält keine Aussage zur Versorgung der öffentlichen Hand ** Das Bundesland Hamburg wurde nicht berücksichtigt, da die Hamburger Sparkasse die Rechtsform einer privaten Aktiengesellschaft besitzt.

Quelle: Eigene Darstellung aus den Vorgaben der Sparkassengesetze der jeweiligen Bundesländer

X X

IV.

119

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

Tabelle IV.3 – Die Regelung der geschäftspolitischen Steuerung innerhalb der Sparkassengesetze Komponente Führung nach kaufmännischen Grundsätzen unter Beachtung / Wahrung des öffentlichen Auftrags Führung nach kaufmännischen Grundsätzen unter Beachtung allgemeinwirtschaftlicher Gesichtspunkte

Bundesland** BW BY BE BB HB HE MV NI NW RP SL SN X

X

X

X

X

X

X

X

X

Gewinn ist nicht Hauptzweck ...unter Berücksichtigung der Markt- und Wettbewerbserfordernisse

X

ST SH TH

X

X

...nach wirtschaftlichen Grundsätzen und den Anforderungen des Marktes

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

X

Länderabkürzungen: BW=Baden-Württemberg, BY=Bayern, BE=Berlin, BB=Brandenburg, HB=Bremen, HE=Hessen, MV=Mecklenburg-Vorpommern, NI=Niedersachsen, NW=Nordrhein-Westfalen, RP=Rheinland-Pfalz, SL=Saarland, SN=Sachsen, ST=Sachsen-Anhalt, SH=Schleswig-Holstein, TH=Thüringen. * Das Gesetz enthält keine Aussage zur Versorgung der öffentlichen Hand ** Das Bundesland Hamburg wurde nicht berücksichtigt, da die Hamburger Sparkasse die Rechtsform einer Aktiengesellschaft besitzt.

Quelle: Eigene Darstellung aus den Vorgaben der Sparkassengesetze der jeweiligen Bundesländer

Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass in Bezug auf die geschäftspolitische Steuerung zwei unterschiedliche Ansätze verwendet werden: Im ersten verweist der Gesetzgeber auf eine Verpflichtung zur „Führung nach kaufmännischen Grundsätzen“, welche aber „unter Beachtung des öffentlichen Auftrags“ erfolgt (§2 Abs. 3 SpkG MV). Dies ist der Fall in acht Bundesländern und zeigt den Kompromiss zwischen öffentlichen Aufgaben und betriebswirtschaftlichen Zielen.333 Wenn Sparkassen nur nach kaufmännischen Grundsätzen agieren würden, würde der Unterschied zu den privaten Banken sehr gering ausfallen und beide Bankenarten würden eine ähnliche Geschäftspolitik verfolgen. Dementsprechend ist die direkte Einbeziehung des öffentlichen Auftrages innerhalb der Festlegung der geschäftspolitischen Steuerung notwendig, um die betriebswirtschaftlichen Ziele durch eine soziale Komponente zu ergänzen. Allerdings verbleibt die gesetzliche Bestimmung auf einer allgemeineren Ebene, was den einzelnen Sparkassen einen großen Spielraum überlässt. Eine Variante dessen stellt die Regelung in Berlin dar: Hier wird nicht mehr explizit auf den öffentlichen Auftrag verwiesen, sondern auf „allgemeinwirtschaftliche Gesichtspunkte“ (§4 Abs. 1 SpkG BE). Eine genauere Beschreibung der Gesichtspunkte und ihrer Kriterien findet allerdings nach wie vor 333

Vgl. beispielhaft §2 Abs. 3 BbgSpkG.

120

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

nicht statt. Dieses Vorgehen birgt jedoch die Gefahr, dass sich die geschäftspolitische Steuerung der Sparkassen in Richtung einer immer stärkeren Marktorientierung entwickelt und dadurch ihre wichtige Rolle für die Allgemeinheit vernachlässigt. Der zweite Ansatz verzichtet auf die Bezugnahme zu den kaufmännischen Grundsätzen und ersetzt diese mit dem Ausdruck „unter Berücksichtigung der Markt- und Wettbewerbserfordernisse“ (§4 Abs. 1 SpkG NI). Sparkassen werden hier als Marktteilnehmer betrachtet; die damit verbundenen Herausforderungen müssen in die Geschäftssteuerung miteinbezogen werden. Diese wettbewerbliche Stellung der Sparkassen führt dazu, dass ihre Tätigkeiten den am Markt herrschenden Kriterien und Abläufen angepasst werden müssen. Ziel ist die Vermeidung einer getrennten Sparkassenwelt, welche nur nach sozialen Kriterien arbeitet und aufgrund fehlender Berücksichtigung des Marktes erhebliche Kosten für die öffentliche Hand verursachen kann.334 Beide Ansätze finden eine Vereinigung im Sparkassengesetz von Rheinland-Pfalz, welches den Sparkassen vorschreibt, Leistungen „nach wirtschaftlichen Grundsätzen und den Anforderungen des Marktes“ zu erbringen (§2 Abs. 2 RP). Konkrete Aussagen zur Gewinnorientierung der Sparkassen sind in den Sparkassengesetzen von lediglich vier Ländern enthalten; der verwendete Ausdruck lautet hier: „Die Gewinnerzielung ist nicht Hauptzweck des Geschäftsbetriebs“ (§2 Abs. 3 SpkG TH). Der zunehmende Wettbewerb seit dem letzten Jahrhundert und die Überschneidung mit Kundengruppen anderer Banken haben dazu geführt, dass auch bei Sparkassen der Gewinn eine Rolle spielt. Die gesetzlichen Regelungen schließen die Gewinnerzielung nicht aus, behandeln diese aber als zweitrangig. Der Gewinn sollte dazu dienen, eine wirtschaftliche und selbstständige Existenz der Sparkassen zu ermöglichen und so die Umsetzung des öffentlichen Auftrags sicherzustellen. Dies kennzeichnet Sparkassen als Stakeholder-Banken, welche einem „Double-bottom line“-Ansatz verfolgen.335 Zusammenfassend ist zu sagen, dass Sparkassengesetze mit betriebswirtschaftlicher Orientierung insgesamt einheitlicher wirken als die mit öffentlichem Auftrag. Die Marktbezogenheit und die Berücksichtigung betriebswirtschaftlicher Kriterien unter Beachtung der öffentlichen Aufgaben bestimmen die Grundrichtung der geschäftspolitischen Steuerung.336 Im nächsten Abschnitt erfolgt eine Konzentration auf die Darstellung der verschiedenen Teilaufgaben des öffentlichen Auftrags, bei dem sowohl soziale als auch betriebswirtschaftliche Kriterien eine Rolle spielen.

334 335 336

Vgl. Dehe (1982), S. 210 f. Vgl. Ayadi et al. (2010), S. 8. Vgl. Güde (1982), S. 229 ff.

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

121

4.2.3 Eine zeitgemäße Darstellung des öffentlichen Auftrags unter Stakeholder-Perspektive Aus der Darstellung der historischen Entwicklung und der gesetzlichen Regelung des öffentlichen Auftrags wird deutlich, dass dieser öffentliche Auftrag ein Sammelbegriff für unterschiedliche Teilaufgaben darstellt. Bevor die einzelnen Teilaufgaben analysiert werden, erfolgt zur Einordnung des öffentlichen Auftrags in die Sparkassen-Geschäftspolitik eine Beschreibung ihrer Zielsystematik. Wie dem vorigen Abschnitt zu entnehmen war, muss die Erfüllung der im öffentlichen Interesse liegenden Aufgaben auch die Existenzsicherung durch eine betriebswirtschaftliche und kostendeckende Führung mit einbeziehen. Dementsprechend kommen zu den Auftrags- auch Sicherungsziele als zusätzliche Komponente der Zielsystematik hinzu. Diese Koexistenz wird in der Abbildung 4.1 dargestellt.

Zielsystematik   der   Sparkassen  

Auftragsziel e:

Sicherungsziel e:

Gemeinnützigkeit   Öffentlicher  Auftrag  

Rentabilität   Liquidität   Sicherheit  

Abbildung IV.1 – Zielsystematik der Sparkassen Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Güde (1982), S. 233

Grundsätzlich betreffen Sicherungsziele wie Rentabilität, Liquidität und Sicherheit das gesamte Bankensystem. Eine ausreichende Liquidität und die Begrenzung der verschiedenen Risikoarten werden innerhalb der klassischen Bankbetriebslehre ausführlich diskutiert, aus diesem Grund wird an dieser Stelle auf ihre allgemeine Darstellung verzichtet.337 Mit Blick auf die Sparkassen kommt den Sicherungszielen eine besondere Bedeutung zu, da ihre Erfüllung eine Voraussetzung für die Erfüllung des öffentlichen Auftrags bildet: 337

In Hartmann-Wendels et al. (2007) werden beispielsweise alle diese Thematiken detailliert vorgestellt.

122

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

„Sparkassen haben durch ihre Geschäftstätigkeit ihren öffentlichen Auftrag zu erfüllen, in ihrer Geschäftstätigkeit aber sind sie nach wirtschaftlichen Grundsätzen zu führen. Auftrags- und Sicherungsziele sind daher nur gedanklich, nicht aber in der praktischen Geschäftspolitik der Sparkassen voneinander zu trennen.“ (Güde, 1982, S. 233). Die Geschäftspolitik muss dementsprechend sowohl die Auftragsziele als auch die Sicherungsziele berücksichtigen, wobei sich beide Elemente gegenseitig beeinflussen. Das Orientieren der Geschäftstätigkeit am öffentlichen Auftrag spiegelt sich deswegen auch in der Verfolgung der Sicherungsziele, insbesondere der Rentabilität wider. Letztere wird dabei nicht als eigenständiges Ziel der Gewinnmaximierung interpretiert, sondern eher als Mittel zum Erreichen der Auftragsziele.338 Mit wachsender Bedeutung des Eigenkapitals als relevanter Größe innerhalb der bankaufsichtlichen Vorgaben hat das Erreichen eines angemessenen Gewinns für Sparkassen eine größere Priorität bekommen. Aufgrund des fehlenden Zugangs zu alternativen Versorgungsquellen stellt die Gewinnrückstellung für Sparkassen die einzige Möglichkeit dar, zusätzliches und ausreichendes Eigenkapital zu bilden.339 Zu den Auftragszielen gehören der öffentliche Auftrag und die Gemeinnützigkeit, welche eng miteinander verbunden sind. Das Gemeinnützigkeitsprinzip ist „die Verpflichtung, den öffentlichen Auftrag in Leistungserstellung und Geschäftspolitik der Sparkassen so auszufüllen, dass damit dem allgemeinen Wohl gedient wird.“340 Die Verpflichtung zur Gemeinnützigkeit schreibt damit den Sparkassen vor, durch die Erfüllung des öffentlichen Auftrags dem Gemeinwohl zur Verfügung zu stehen. Dieser etwas abstrakte Auftrag wird dann innerhalb des öffentlichen Auftrags mit der Beschreibung seines Inhaltes und den damit verbundenen Teilaufgaben näher konkretisiert. Beiden Auftragszielen kann das gleiche wohlwollende Vorhaben unterstellt werden, welcher nur durch die Erfüllung der Aufgaben aus dem öffentlichen Auftrag mit Hinblick auf die Bedienung der Gemeinnützigkeit erreicht werden kann. Damit existiert eine wechselnde Beziehung zwischen diesen zwei Auftragszielen: Einerseits benötigt die Umsetzung des Gemeinnützigkeitsprinzips die Erfüllung des öffentlichen Auftrages und andererseits bestimmt die Gemeinnützigkeit die Ausrichtung der Aufgaben aus dem öffentlichen Auftrag. Aus diesem Grund können beide Auftragsziele nicht getrennt betrachtet werden, sondern die inhaltliche Ausrichtung und die Analyse der Bestandteile des

338

Die Rolle des Gewinns als Mittel zur Erreichung des Hauptzieles ist das kennzeichnende Merkmal von Stakeholder-Banken, wozu Deutsche Sparkassen gehören. S. Kap. 4.1. Vgl. Gann et al. (2011), S. 148. 340 Kessler (1982), S. 180. 339

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

123

öffentlichen Auftrags sollen unter Berücksichtigung der Gemeinnützigkeit erfolgen.341 Diese wechselnde Beziehung zwischen den beiden Auftragszielen wird auch bei Dehle (1982) beschrieben. Laut Dehle (1982) stellt die Gemeinnützigkeit kein zusätzliches Ziel dar, sondern sie gehört zusammen mit der Aufgabenorientierung, der Absolutheit und der Regionalität zu den vier Merkmalen des öffentlichen Auftrags. Während die Aufgabenorientierung die schon oben dargestellte Zweitrangigkeit der Gewinnerzielung gegenüber der öffentlichen Aufgabenerfüllung festlegt, bezieht sich die Absolutheit auf die Verweigerung des Subsidiaritätsprinzips gegenüber anderen Bankengruppen. Gemäß Subsidiaritätsprinzip kommt den Sparkassen eine reine Ergänzungsrolle zu, in dem sie durch ihre Tätigkeit das Angebot an Dienstleistungen innerhalb des Bankenmarktes vervollständigen. Ihre Präsenz ist nur gerechtfertigt, wenn andere Anbieter die Bedürfnisse der Allgemeinheit nicht befriedigen. Ein subsidiäres Angebot würde aber nach Dehle (1982) die Wahrnehmung des öffentlichen Auftrags und die Möglichkeit zu seiner Erfüllung durch ein ausreichendes Produktangebot sehr stark einschränken. Als letzte Komponente bezieht sich die Regionalität auf die Verflechtung zwischen der Region und der Sparkasse. Diese wird durch die Anwendung des Regionalprinzips gefördert, welches die Tätigkeit von Sparkassen auf das Gebiet des Gewährträgers beschränkt und den Wettbewerb zwischen den Sparkassen vermeidet.342 Der öffentliche Auftrag bekommt neben der Aufgabenorientierung, der Gemeinnützigkeit und der Absolutheit auch einen regionalen Charakter zugewiesen, sodass sich seine Umsetzung hauptsächlich auf das Wohl der regionalen Gemeinde fokussiert.343 Die obige Darstellung verdeutlicht den hohen Grad an Komplexität, welcher die Einordnung und die Ausrichtung des öffentlichen Auftrags kennzeichnet. Einerseits muss die gesamte Zielsystematik bestehend aus Auftrags- und Sicherungszielen berücksichtigt werden und andererseits beeinflussen auch die beschriebenen vier Merkmale die Ausrichtung der Aufgaben. Um zu einer klaren Darstellung der Aufgaben aus dem öffentlichen Auftrag zu gelangen, erfolgt in den nächsten Abschnitten in Anlehnung an Brämer et al. (2010) eine Untersuchung der verschiedenen Bestandteile des öffentlichen Auftrags.344 Innerhalb der Analyse werden sowohl die Aufgaben aus der gesetzlichen Regulierung als auch diejenigen, die sich aus der Selbstdarstellung der Sparkassen ergeben, betrachtet. Für jede Aufga-

341

Vgl. Kessler (1982), S. 181 f. Vgl. Köhler (1998), S. 376. Vgl. Dahle (1982), S. 212 f. 344 Vgl. Brämer et al., S. 311 ff. 342 343

124

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

be wird eine Verbindung zu den im Kapitel 3 beschriebenen Ansätzen zur Rechtfertigung öffentlicher Banken hergestellt. Weil Sparkassen einen „Double-bottom line“-Ansatz verfolgen und dadurch den Stakeholder-Banken zugeordnet werden, verwendet die Analyse eine StakeholderPerspektive.345 Es werden nur die normativen Stakeholder berücksichtigt, definiert als die Individuen, denen gegenüber das Unternehmen eine moralische Verpflichtung hat.346 Aus dieser moralischen Verpflichtung ergibt sich die Notwendigkeit, bei der Umsetzung der Geschäftstätigkeit auch die Bedürfnisse der verschiedenen Stakeholder in Betracht zu ziehen. Die Analyse konzentriert sich auf die in der folgenden Abbildung dargestellten Stakeholder, welche sich aus der Zielgruppeanalyse der unterschiedlichen Teilaufgaben aus dem öffentlichen Auftrag ergeben.347 Bevölkerung

(insbesondere wirtschaftlich schwächere und jugendliche Privatpersonen) Kundschaft

Finanzsystem

Öffentlichrechtliche Körperschaften

SPARKASSE

Regionale Wirtschaft

Mitarbeiter

Abbildung IV.2 – Vom öffentlichen Auftrag betroffene Stakeholder Quelle: Eigene Darstellung

Nachfolgend werden die Stakeholder gegeneinander abgegrenzt und es werden die jeweiligen Ansprüche und ihre Verbindung zu den Teilfunktionen der Sparkassen eingehend beschrieben. Die „Bevölkerung“ stellt den ersten betroffenen Stakeholder; sie wird als die Gesamtheit aller Bevölkerungsschichten definiert. Es erfolgt hierbei eine Schwerpunktsetzung auf wirtschaftlich schwächere und junge Bevölkerungsgruppen.348 Danach wird der Stakeholder „Kundschaft“ betrachtet. Dieser 345

Für eine Definition der Stakeholder-Banken s. Kap.4.1. S. Kap. 4.1. Ebenfalls in Grapentin et al. (2007) wird ein ähnlicher Ansatz verwendet. Vgl. Grapentin et al. (2007), S. 399 ff. 348 Vgl. Brämer et al. (2010), S. 313 f. 346 347

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

125

bezieht sich auf die Gesamtheit der Privatpersonen und der Unternehmen, die aufgrund einer bestehenden Geschäftsbeziehung als Bankkunden auftreten. Der dritte Stakeholder „Mitarbeiter“ betrifft sowohl die aktiven Mitarbeiter der Bank als auch externe Privatpersonen, welche an der Bereitstellung von qualifizierten Arbeits- und Ausbildungsplätzen im Bankbereich Interesse haben. Nach den privaten Interessengruppen folgt der Stakeholder „Öffentlich-rechtliche Körperschaften“. Dieser fokussiert sich auf die öffentlichen Gebietskörperschaften, insbesondere auf die lokalen Gemeinden und die durch diese gebildeten Gemeindeverbände.349 Während die ersten vier Stakeholder durch die Gruppierung von Individuen mit einem gemeinsamen Interesse gekennzeichnet sind und sich damit auf einer mikroökonomischen Ebene bewegen, unterliegen die letzten zwei Stakeholder einer makroökonomischen Perspektive. Diese betrifft nicht mehr die konkreten Interessen einzelner Subjekte, sondern sie betrachtet die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen des Bankgeschäftes. Dabei wird der Zusammenhang zwischen Bankenmarkt und Gesamtwirtschaft betrachtet. Der Stakeholder „Regionale Wirtschaft“ wird als die Gesamtheit aller Wirtschaftssubjekte einer Region und ihrer Handlungen definiert; der Fokus hier liegt auf den Auswirkungen der Bankentätigkeit auf die regionale wirtschaftliche Entwicklung. Letztendlich bezieht sich der Stakeholder „Finanzsystem“ auf den Komplex der finanzwirtschaftlichen Einrichtungen eines Staates, wozu auch die Zentralbank gehört. Dabei werden die Auswirkungen des Bankgeschäftes auf die Funktionsweise des Finanzsystems in seiner Gesamtheit berücksichtigt.350 Die folgende Analyse versucht, jedem angegebenen Stakeholder die entsprechenden Bestandteile des öffentlichen Auftrags zuzuweisen und diese in Verbindung mit den theoretischen Ansätzen aus dem Kapitel 3 zu setzen. Dabei werden in Übereinstimmung mit der dominierenden wissenschaftlichen Meinung folgende Teilfunktionen in Betracht gezogen:351 •

die Gewährleistungsfunktion,



die Förderfunktion,



die Hausbankfunktion,



die Struktursicherungsfunktion,



die Wettbewerbssicherungsfunktion,

349 350 351

Vgl. Grapentin et al. (2007), S. 402. Vgl. Brämer et al., S. 313 f. Die Beschreibung jeder einzelnen Funktion erfolgt in den Unterkapiteln.

126

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG



die Sparerziehungsfunktion,



sonstige Funktionen aus der Selbstdarstellung der Sparkassen und aus ihrer Kommunikation mit der Öffentlichkeit.352

4.2.3.1

Die Bevölkerung

Die Darstellung des „Social View“ im Kapitel 3.1 verdeutlicht, dass man in der Bewertung von Bankgeschäften von einer Unterscheidung zwischen sozialen und betriebswirtschaftlichen Aspekten ausgehen sollte. Die Unterschiede betreffen sowohl Investitionen in Bezug auf die verwendeten Kriterien in der Projektbewertung als auch die Bereitstellung von Anlageprodukten. Insgesamt kann die Berücksichtigung rein betriebswirtschaftlicher Gesichtspunkte dazu führen, dass Banken solche Finanzdienstleistungen nur bei ausreichend großer Rentabilität anbieten. Dementsprechend wäre der Zugang zu solchen Dienstleistungen für ärmere und wenig ertragsversprechende Bevölkerungsschichten erschwert, da diese Geschäfte durchschnittlich von einem kleinen Transaktionsvolumen und einem hohen Ausfallrisiko gekennzeichnet sind. Im Ergebnis würde die Teilnahme dieser Gruppen am wirtschaftlichen Leben behindert.353 Gegen diese negativen Auswirkungen zielt die sogenannte Gewährleistungsfunktion, welche die „kreditwirtschaftliche Versorgung aller Bevölkerungskreise, auch im ländlichen Raum, sicherstellt.“354 Aus dieser Funktion ergibt sich die gesetzliche Verpflichtung für Sparkassen, mit einer angemessenen und ausreichenden Versorgung das Angebot privater Banken zu vervollständigen. Sparkassen können damit den Interessen des Stakeholders „Bevölkerung“, und hier insbesondere den ärmeren Schichten, entgegenkommen.355 Dass solche Überlegungen auch in einer modernen Gesellschaft relevant sind, zeigt das Beispiel Großbritanniens Ende des vergangenen Jahrhunderts. Die Dominanz gewinnorientierter Banken führte hier zu einer paradoxen Situation, in der die Gesellschaft zweigespalten wurde. Einerseits standen den ertragsreichen Bevölkerungsgruppen die modernsten finanziellen Leistungen zur Verfügung, während ärmeren Bürgern andererseits der Zugang zu Basisprodukten wie dem Girokonto verweigert wurde. Dies führte zu großen Schwierigkeiten in dieser Gruppe, zum Teil konnten finanzielle Grundbedürfnisse wie die Mietzahlung nicht mehr befriedigt werden. Als Folge des fehlenden Zugangs zu Finanzdienstleistungen 352

Vgl. beispielhaft dazu Wagner-Braun (2010), S. 29 f. und Grapentin et al. (2007), S. 400. Die sonstigen Funktionen beziehen sich auf Brämer et al. (2010), S. 318 ff. Vgl. Brümmerhoff/Lehmann (2000), S. 136 f. 354 Dehe (1982), S. 214. 355 Ein alternativer Begriff für diese Funktion ist „Ergänzungsfunktion“. Vgl. dazu Tischer (2011), S. 124. 353

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

127

wurden ärmere Leute immer mehr aus dem wirtschaftlichen Leben ausgeschlossen. Obwohl der britische Staat über eins der modernsten Finanzsysteme verfügt, muss er aufgrund einer unvollständigen finanziellen Versorgung nicht unerhebliche Kosten an Transfer- und Sozialleistungen ertragen.356 Ein Bericht der Europäischen Kommission vom Jahr 2008 über die Erbringung von Finanzdienstleistungen und die finanzielle Ausgrenzung kommt ebenfalls zu dem Ergebnis, dass die Sicherstellung einer ausreichenden finanziellen Versorgung heute ein politisches Anliegen in vielen Mitgliedsländern ist, dessen Umsetzung politischer Maßnahmen bedarf.357 In Deutschland spricht man diesbezüglich von einem „Overbanked“Finanzsystem, welches durch ein sehr dichtes Filialnetz gekennzeichnet ist. Dieses „overbanking“ wird von Sparkassenkritikern häufig als Nachteil des deutschen Bankensystems im internationalen Kontext angegeben und als eine der Ursachen für eine schwache Rentabilität verantwortlich gemacht.358 Allerdings sind die Filialen bundesweit sehr unterschiedlicher verteilt: Es bestehen beträchtliche Unterschiede zwischen Städten und strukturschwachen Gebieten, letztere werden in der Regel nur durch Filialen von Sparkassen und Genossenschaftsbanken versorgt. Mit ihrer lokalen Präsenz und ihrem „inklusiven Charakter“ können diese zwei Bankengruppen eine flächendeckende finanzielle Versorgung für alle Bevölkerungskreise und in allen Gebieten gewährleisten.359 Zusätzlich zur Gewährleistungsfunktion betrifft die Förderung der Vermögensbildung zusammen mit der Sparerziehungsfunktion der Jugend den gleichen Stakeholder. Demnach sollten Sparkassen der Förderung des Sparsinns innerhalb der Bevölkerung dienen, wodurch auch der wirtschaftliche und der soziale Fortschritt in der Region unterstützt werden.360 Bei dieser Funktion ist die zeitliche Perspektive gegenüber der Gewährleistungsfunktion eine andere. Sparkassen müssen sich nicht nur für die Erreichung eines gegenwärtigen sozialen Zieles einsetzen, sondern auch für eine Förderung der privaten Vermögensbildung und der zukünftigen Selbstversorgung. Dazu gehören beispielsweise die Beseitigung von Informationsmängeln bezüglich der zukünftigen Finanz-bedürfnisse der Haushalte sowie das Bereitstellen einer Schuldnerberatung.361 Nach Neuberger/Schindler (2001) ist das Thema der Altersvorsorge heute von besonderer Bedeutung. Die immer älter werdende Gesellschaft wird eine private Altersvorsorge im Rentenalter wichtiger werden lassen, sodass der Bedarf einer vollständigen Information und eines ent356

Vgl. Brämer et al. (2010), S. 321 f. sowie die dort angegebene Literatur. Vgl. European Commission (2008), S. 116 ff. Vgl. Baas/Schrooten (2005), S. 4 f. 359 Vgl. Neuberger/Schindler (2001), S. 92 f. 360 Vgl. Wagner-Braun (2010), S. 29 f. 361 Vgl. beispielhaft §2 Abs. 2 BbgSpkG. 357 358

128

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

sprechenden Produktangebots auch für die weniger lukrativen Bevölkerungskreise an Bedeutung zunimmt. Dabei besteht für den Staat ein doppeltes Interesse: einerseits die Bedienung der Bevölkerungs-bedürfnisse und andererseits die Senkung der Wahrscheinlichkeit, dass der Staat zukünftig die gesamte finanzielle Versorgung von Rentnern tragen muss.362 4.2.3.2

Die Kundschaft

Abgesehen von den finanziellen Bedürfnissen der Bevölkerung und ihrem Anspruch auf die Bereitstellung von Finanzdienstleistungen besteht für den Stakeholder „Kundschaft“ ein Interesse an einem wettbewerblichen Markt.363 Nach der ökonomischen Theorie vermeidet ein strenger Wettbewerb am Markt die Existenz von Marktmacht und garantiert damit die Entstehung von wettbewerblichen Preisen, welche dem Unternehmen nur einen geringen Gewinn ermöglichen.364 Wie bereits im Kapitel 3.1 in Verbindung mit dem „Social View“ erläutert, können Besonderheiten des Bankenmarktes und insbesondere die wichtige Rolle von Informationen dazu führen, dass wettbewerbliche Verhältnissen verhindert werden und es zur Entstehung von Marktmacht kommt.365 Obwohl die Marktmacht auch entstehen kann, wenn viele Anbieter auf dem Markt sind, so führt eine steigende Anzahl von Marktteilnehmern in der Regel zu strengeren Wettbewerbsbedingungen.366 Unter Berücksichtigung des Interesses dieses Stakeholders ergibt sich somit die Aufgabe für Sparkassen, die sogenannte Wettbewerbssicherungs- oder Wettbewerbskorrekturfunktion zu erfüllen.367 Entsprechend dieser Funktion müssen Sparkassen zur Belebung des Wettbewerbs beitragen.368 Dies wirkt der Entstehung eines oligopolähnlichen Marktes entgegen, was sich als natürliche Folge des in den letzten Jahrzehnten umgesetzten Konzentrationsprozesses innerhalb der Kreditwirtschaft ergibt. Dafür stellt die regionale Fokussierung und die Ortsverbundenheit der Sparkassen ein wichtiges Instrument dar, um eine ausreichende Anzahl an Marktteilnehmern sicherzustellen.369 Wie beim Stakeholder „Bevölkerung“ schon erläutert wurde, betrifft diese Problematik weniger das Marktangebot in großen Städten als das in ländlichen Gebieten. Aus solchen Gebieten ziehen sich Privatbanken häufig aus Konzentrations- und Effizi362

Vgl. Neuberger/Schindler (2001), S. 98. Die Kundschaft unterscheidet sich vom Stakeholder „Bevölkerung“, in dem sie sich nicht mehr nur auf Privatpersonen bezieht, sondern auch Unternehmen einschließt. 364 Für eine allgemeine Darstellung der Wettbewerbstheorie vgl. Pindyck/Rubinfeld (2009), S. 360 ff. 365 Vgl. Stiglitz et al. (1981), S. 33 ff. 366 Das ist auch Gegenstand der Structure-Conduct-Performance-Paradigmas. Vgl. dazu Neuberger (1998), S. 44 ff. 367 Vgl. Wagner-Braun (2010), S. 29 f. 368 Vgl. Wagner/Braun (2010), S. 29 f. 369 Vgl. Keßler (1982), S. 186 f. 363

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

129

enzgründen zurück und überlassen den Markt einer kleinen Anzahl an Instituten. Diese besondere Stellung verschafft den verbleibenden Banken eine relativ große monopolistische Marktmacht, welche die Preise zugunsten des Anbieters verzerrt. Daraus ergibt sich aus Wohlfahrtsgesichtspunkten ein Verlust gegenüber der wettbewerblichen Situation, da von den anwesenden Banken ein überproportionaler Rentenanteil angeeignet wird.370 Sparkassen können in solchen Fällen mit ihrer Präsenz die Pluralität der Anbieter erhöhen. Die daraus resultierende Vertretung von gewinnorientierten, genossenschaftlichen und öffentlichen Interessen auch in ländlichen Gebieten trägt zu einer ausreichenden Wettbewerbsintensität bei.371 Neben der Wettbewerbssicherungsfunktion kommt innerhalb dieses Stakeholders die Funktion der Hausbankbeziehung in Bezug auf die kleinen und mittelständischen Unternehmen in Betracht. Eine Hausbankbeziehung wird als „eine Form der Bank-Unternehmensbeziehung verstanden, die durch die Kriterien Langfristigkeit, Exklusivität, partnerschaftliche Ausrichtung der Geschäftsbeziehungen, sowie von Informationsvorteilen gegenüber anderen Banken gekennzeichnet ist.“372 Diese Funktion kann als zusätzliche Komponente zu den gesetzlichen Vorgaben des öffentlichen Auftrags verstanden werden, welche insbesondere innerhalb der Kommunikation der Sparkassen mit der Öffentlichkeit erläutert wird und deswegen als Selbstdarstellung gilt.373 Schon im Vergleich der gesetzlichen Regelung (Kapitel 4.2.2) hat sich herausgestellt, dass die Beratung und die finanzielle Versorgung von Existenzgründern und Mittelstand einen wichtigen Bestandteil des öffentlichen Auftrags darstellen. Die Tätigkeit der Sparkassen kennzeichnet sich hierbei insbesondere hinsichtlich der Ausgestaltung der Kreditbeziehung, welche nach Köhler (1998) die langfristigen Interessen der Kunden vor ein kurzfristiges Ertragsziel stellt.374 Die Berücksichtigung der langfristigen Interessen erfordert eine dauerhafte und nachhaltige Bank-Kunde-Beziehung, wobei eine vollständige und konstante Betreuung eine besondere Rolle spielen. Aus dieser langfristigen Perspektive entstehen Vorteile sowohl für die Kundschaft als auch für die soziale Wohlfahrt. Eine enge und langfristige Beziehung reduziert die Informationsasymmetrie und damit kann die Intermediationsfunktion der Banken vollständiger umgesetzt werden.375 Einerseits trägt der langfristige Charakter der Bankbeziehung zur Beseitigung der nach Stiglitz et al. (1993) bedeutenden Marktfehler bei: des Moral Hazard und der adversen Selektion.376 Die Unsicherheit über das Er370

Vgl. Brämer et al. (2010), S 325 f. Vgl. Köhler (1994), S. 1092 ff. Richter (2012), S. 269. 373 Vgl. Brämer et al. (2010), S. 318. 374 Vgl. Köhler (1998), S. 379. 375 S. Kap. 3.1. 376 Durch die Reduzierung der adversen Selektion wird auch die Kreditrationierung reduziert. Vgl. Stiglitz et al. (1993), S. 3 f. 371 372

130

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

gebnis zukünftiger Projekte lässt sich durch tiefere Kenntnisse über das vergangene Verhalten des Kreditnehmers und seine wirtschaftliche Leistung vermindern, was zu einem steigenden Vertrauen zwischen den Vertragspartnern führt. Zusätzlich ergibt sich aus der gegenseitigen Abhängigkeit bezüglich mehrerer Kreditverhältnisse ein zusätzlicher Anreiz für die Gewährleistung eines vollständigen Informationsaustausches. Dies erhöht die Bereitschaft der Bank, zusätzliche Projekte zu finanzieren. Durch das Beziehungsbanking werden letztendlich zwei Interessen verfolgt: Einerseits wird eine bessere Erfüllung der Allokationsfunktion durch das Bankensystem erreicht, andererseits wird die wirtschaftliche Sicherung und Förderung der klein- und mittelständischen Unternehmen gesichert.377 Andererseits ergeben sich auch für die Unternehmen viele Vorteile aus einer langfristigen Beziehung. Die empirische Untersuchung von Neuberger/Schindler (2001) weist nach, dass Hausbankbeziehungen in Deutschland besonders stark bei Sparkassen ausgeprägt sind. In solchen Beziehungen wird im Vergleich zu einer Nicht-Hausbank seitens der Hausbank dem Kreditnehmer das Liquiditätsrisiko durch eine implizite Versicherung abgenommen.378 Insbesondere bei einer wirtschaftlich schwierigen Lage des Kreditnehmers würde eine Verschlechterung seiner Bonität normalerweise dazu führen, dass die für die Überwindung der Liquiditätsengpässe die notwendige Erweiterung des Kreditvolumens nicht gewährt wird. Im Gegensatz dazu versucht die Nicht-Hausbank durch Einschränkung des verfügbaren Kreditvolumens die Verluste aus der Geschäftsbeziehung zu minimieren. Dabei unterscheidet sich die Hausbankbeziehung von einer normalen Kreditbeziehung dadurch, dass die größere Informationsbasis eine von kurzfristigen Schwankungen unabhängige Bewertung der Bonität ermöglicht: Indem die Daten aus der Kunde-Bank-Beziehung berücksichtigt werden, kann der Rating-Prozess fundierter und stabiler erfolgen.379 So kommt es bei Hausbankbeziehungen oft vor, dass trotz einer vorläufigen Verschlechterung der Bonität zusätzliche Kredite zu Verfügung gestellt werden. Das erlaubt dem Unternehmen, vorübergehende Liquiditätsprobleme zu überbrücken.380 Die Gewährung einer solchen Versicherung wird innerhalb der Literatur sehr kontrovers diskutiert: So zeigt die Analyse von Stein (2011) beispielsweise, dass die finanziellen Kosten für das Unternehmen im direkten Verhältnis zur Dauer der Kreditbeziehung und im inversen Verhältnis zur Intensität der Kreditbeziehung stehen. Während die Intensität die Kreditfinanzierung einer Bank ins Verhältnis zur gesamten Bankenfinanzierung eines Unternehmens 377

Vgl. Keßler (1982), S. 184. Für eine vollständige Analyse der Merkmale und der Auswirkungen der Hausbankbeziehung vgl. Elsas (2001), S. 1 ff. Die implizite Versicherung gegen das Liquiditätsrisiko aus einer Hausbankbeziehung wird innerhalb der englischsprachigen Literatur als „Intertemporal smoothing“ bezeichnet. Vgl. dazu Elsas (2005), S. 34 f. 379 Vgl. Börner/Ruwwe (2007), S. 60. 380 Vgl. Neuberger/Schindler (2001), S. 95 f. 378

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

131

setzt, bezieht sich die Dauer auf die Länge der Geschäftsbeziehung mit einer Bank. Dies hat gegenläufige Auswirkungen: Einerseits steigen die finanziellen Kosten bei einer langfristigen Beziehung, andererseits werden die Kosten reduziert, wenn sich das Unternehmen hauptsächlich über eine einzelne Bank finanziert. Theoretisch wird der Preissetzungsspielraum für die Bank durch die Entstehung von Austrittsbarrieren begründet, welche die Opportunitätskosten für den Kreditnehmer bei einem Wechsel der Hausbank berücksichtigen.381 Aufgrund der fehlenden Informationsbasis ist für eine externe Bank die Bewertung der Projekte deutlich aufwendiger als für die Hausbank, was sich im Endeffekt in höheren Preisen niederschlägt. Dementsprechend kann die Hausbank höhere Zinsen nachfragen, ohne dass sich das Unternehmen von der Kreditbeziehung zurückzieht.382 Dagegen zeigen andere empirische Arbeiten, dass Hausbanken keine höheren Zinsen verlangen, sondern die Kompensation der impliziten Versicherung über andere Mechanismen erfolgt. Die Förderung von mehreren Sicherheiten stellt ein Beispiel alternativer Kompensationsmechanismen dar. Obwohl aus ihrer Unterlegung für das Unternehmen keine direkten Kosten entstehen, müssen die indirekten Opportunitätskosten bei der Bewertung der Finanzierung berücksichtigt werden.383 Andererseits kann eine indirekte Kompensation über die Quersubventionierung anderer Geschäfte oder durch positive Diversifikationseffekte für das Gesamtportfolio der Bank stattfinden.384 Ein alternativer Ansatz wird von Baas/Schrooten (2005) verwendet. Dieser basiert nicht mehr auf Sicherheiten oder indirekten Kompensationsmechanismen, sondern auf dem Kostenverlauf der Informationssammlung. Weil die Grenzkosten der Informationssammlung mit zunehmender Länge der Kreditbeziehung abnehmen, erhöht sich die Vorteilhaftigkeit einer langfristigen Kreditbeziehung für die Hausbank. Dementsprechend wird es für die Gewährung einer impliziten Versicherung für die Bank lohnend, auch wenn sie keinen Preisaufschlag dafür erfordert. Zusammenfassend kann man behaupten, dass das Beziehungsbanking den Interessen des Unternehmens durch Gewährung einer impliziten Versicherung gegen Liquiditätsengpässe entgegenkommt. Dadurch, dass Sparkassen in verstärkter Form Hausbankbeziehungen mit ihrer Kundschaft eingehen, können Sparkassenkunden mit einer stabilen finanziellen Versorgung rechnen. Innerhalb der Forschung ist

381

Vgl. Börner/Ruwwe (2007), S. 58. Vgl. Stein (2011), S. 1 ff. Die Förderung von Sicherheiten verpflichtet das Unternehmen dazu, auf deren Verkauf zu verzichten. Dementsprechend müssen die Opportunitätskosten aus einer alternativen Nutzung der Sicherheiten mit einkalkuliert werden. 384 Vgl. beispielhaft Elsas (2001), S. 243 ff. 382 383

132

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

allerdings noch nicht abschließend geklärt, ob diese Vorteile zusätzliche finanzielle Kosten für das Unternehmen mit sich bringen.385 4.2.3.3

Die Mitarbeiter

Nach den Stakeholdern „Bevölkerung“ und „Kundschaft“ widmet sich dieser Abschnitt auf den Stakeholder „Mitarbeiter“. Die Bedienung der Interessen dieser Gruppe wird innerhalb des „Social View“ eingeordnet, wobei eine hohe Beschäftigungsquote das wirtschaftspolitische Ziel ist. Die Bereitstellung qualifizierter Ausbildungs- und Arbeitsplätzen in großem Umfang wird von den Sparkassen als eigener und von der gesetzlichen Verpflichtung unabhängiger Bestandteil des öffentlichen Auftrags gesehen.386 Köhler (1998) unterscheidet dabei zwischen einer direkten und einer indirekten Umsetzung dieses Zieles. Indirekt fördern Sparkassenstiftungen durch ihre Initiativen das soziale und kulturelle Leben innerhalb ihres Geschäftsgebiets, in dem sie die immer mehr eingeschränkten Finanzierungsmöglichkeiten der Kommunen unterstützen und damit zur Erhaltung wichtiger Arbeitsplätze in diesen Bereichen beitragen.387 Durch das direkte Angebot der Sparkassen bekommen sowohl Jugendliche als auch Erwachsene einen wichtigen Ansprechpartner. Auf die erste Gruppe bezieht sich die Bereitstellung einer überdurchschnittlichen Quote an Ausbildungsplätzen, welche als wichtige Voraussetzung für eine angemessene wirtschaftliche Entwicklung der Region bezeichnet werden kann.388 Nicht weniger bedeutend ist das Einstellen qualifizierter Mitarbeiter durch die Sparkassen. Wenngleich anzumerken ist, dass trotz einer ausgeprägten Kommunikation mit der Öffentlichkeit die Erfüllung dieser Funktion angesichts der neuerlichen Entwicklungen fraglich bleibt. Das Einhalten der Sicherungsziele und die Berücksichtigung des wettbewerblichen Umfeldes führten bei den Sparkassen zu einem drastischen Beschäftigungsabbau.389 Insofern ist es schwierig zu beurteilen, inwieweit sich die Einstellungspolitik der Sparkassen von der anderer Institute unterscheidet und so die Interessen des Stakeholders „Mitarbeiter“ berücksichtigt werden. Zusammenfassend kann behauptet werden, dass die Förderung einer höheren Beschäftigungs- und Ausbildungsquote eine Rechtfertigung für die Existenz von öffentlichen Banken darstellt. Die Ansprüche des Stakeholders „Mitarbeiter“ auf ein ausreichendes Angebot in diesem Bereich werden heute jedoch von den Sparkassen nur unzureichend berücksichtigt. Die zunehmende Orientierung der Geschäftspolitik an betriebswirtschaftlichen Kriterien und die Berücksichtigung stei385

Vgl. Baas/Schrooten (2005), S. 3 ff. Vgl. Brümmerhoff (2010), S. 319. Vgl. Köhler (1998), S. 378. 388 Vgl. Krämer (2002), S. 60. 389 Vgl. Köhler (1998), S. 378. 386 387

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

133

gender Wettbewerbserfordernisse hat dazu geführt, dass dieser Bestandteil des öffentlichen Auftrags an Wichtigkeit verloren hat. 4.2.3.4

Öffentlich-rechtliche Körperschaften

Die Rolle der Sparkassen als Hausbanken wendet sich nicht nur an private Unternehmen, sondern auch an den Stakeholder „Öffentlich-rechtliche Körperschaften“. Bevor die Interessen dieser Gruppe geschildert werden, erfolgt eine theoretische Einordnung der Hausbankfunktion der öffentlichen Hand. Die theoretische Begründung der kommunalpolitischen Hausbankfunktion kann sowohl dem „Social View“ als auch dem „Development View“ zugeordnet werden.390 Bezüglich des „Social View“ trägt die Hausbankfunktion zur Lösung von zwei Problemen bei: Einerseits unterstützt sie die Beseitigung der bestehenden Informationsasymmetrie für öffentliche Körperschaften beim Abschluss von Finanzkontrakten, sodass adverse Selektion und Moral-Hazard-Verhalten unwahrscheinlicher werden. Andererseits kann die langfristige Perspektive der Hausbankbeziehung auch die Finanzierung von Projekten ermöglichen, welche kurzfristig wenig ertragsreich sind, aber langfristig soziale Vorteile mit sich bringen. Die Begründung aus dem „Development View“ dagegen definiert die Hausbankfunktion als notwendige Verbindung zwischen den öffentlichen Körperschaften und den Banken, um eine direkte Steuerung der Finanzierung von Investitionen zu erreichen. Dabei wird die Geschäftstätigkeit privater Banken durch den Eingriff von öffentlichen Banken ergänzt, welche auf eine Wirtschaftsförderung zielen.391 Der Stakeholder „Öffentlich-rechtliche Körperschaften“ hat ein Interesse an der Sicherung und Verbesserung seiner Funktionsfähigkeit im Rahmen der Umsetzung seiner gesetzlichen Verpflichtungen. Deshalb ist es notwendig, sich für die eigene finanzielle Versorgung und die Durchführung von Bankgeschäften auf einen stabilen Ansprechpartner innerhalb des Finanzsystems stützen zu können. Innerhalb der benötigten Bankdienstleistungen ist neben dem allgemeinen Geldverkehr und der Möglichkeit zur Geldanlage auch die Bereitstellung langfristiger Kredite für die Finanzierung von Investitionsvorhaben von großer Bedeutung. Dabei ist die Ausprägung des öffentlichen Auftrages bei der Bereitschaft zur Finanzierung von Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen und wirtschaftlichen Lage eines Gebiets zu finden. Solche Finanzierungen sind häufig durch ein großes Kreditvolumen gekennzeichnet und implizieren niedrige Gewinne, was ihre Rentabilität für gewinnorientierte Banken deutlich reduziert.392 Ein konkretes Beispiel wird von der Infrastrukturfinanzierung geliefert: Wie bei dem Stakeholder „Bevölke390 391 392

S. Kap. 3.1 und 3.2. Für eine ausführlichere Darstellung des „Development View“ s. Kap. 3.2. Vgl. Keßler (1982), S. 185.

134

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

rung“ würde ein gewinnmaximierendes Optimierungskalkül dazu führen, dass nur Projekte mit einer hohen erwarteten Rendite finanziert werden. Innerhalb dieses Kalküls bleiben aber die positiven Externalitäten für die lokale Wirtschaft aus der Errichtung einer neuen Infrastruktur außer Betracht, sodass ihre Finanzierung erschwert wird. Eine regionale Orientierung und die Berücksichtigung des öffentlichen Auftrags können dagegen die Attraktivität solcher Projekte für Sparkassen erhöhen und damit ihre Finanzierung ermöglichen.393 Sind Kenntnisse über lokale Standortvorteile und –nachteile vorhanden, so stellt dies nach Brämer et al. (2010) einen zusätzlichen Vorteil aus der Hausbankfunktion und der engen Verbindung der Sparkassen mit der Region dar. Daraus ergibt sich nicht nur eine größere Bereitschaft zur Finanzierung sozialrelevanter Projekte, sondern auch eine qualifiziertere Fähigkeit zur Vermittlung wichtiger kommunaler Förderprogramme. Das Wissen um die Bedürfnisse der lokalen Wirtschaft ermöglicht eine bestmögliche Verwendung von öffentlichen Förderungen.394 Die Notwendigkeit des öffentlichen Auftrags für das Angebot der kommunalpolitischen Hausbankfunktion ist sehr umstritten. Weil sich die Finanzierung von öffentlich-rechtlichen Körperschaften durch öffentliche Banken an den Marktkonditionen orientiert, könnte diese Funktion mit den gleichen Kosten auch innerhalb eines reinen privaten Marktes umgesetzt werden. Schon heute sind private Banken in diesem Feld aktiv, insbesondere wegen des relativ geringen Bonitätsrisikos dieses Stakeholders.395 Dennoch bleibt die Frage offen, ob private Banken ohne Unterwerfung zum öffentlichen Auftrag auch Projekte finanzieren würden, die keine angemessene Rendite versprechen und gleichzeitig große positive Externalitäten verursachen. Dagegen müssen Sparkassen entsprechend ihrer Hausbankfunktion als stabile Vertragspartner von öffentlich-rechtlichen Körperschaften sowohl rentable als auch weniger ertragsreiche Projekte finanzieren.396 Unabhängig von den Bestandteilen des öffentlichen Auftrags und der damit verbundenen Hausbankfunktion beziehen sich die Interessen des Stakeholders „öffentliche-rechtliche Körperschaften“ und insbesondere des Gewährträgers auch auf das finanzwirtschaftliche Ziel von Gewinnausschüttungen. Obwohl die Gewinne bei Sparkassen hauptsächlich für die Bildung vom Eigenkapital verwendet werden, kann die Ausschüttung des übrigen Anteils die Finanzierung von Kommunen erhöhen und damit gemeinnützige Zwecke direkt unterstützen.397

393

Vgl. Neuberger/Schindler (2001), S. 100 f. Vgl. Brämer et al. (2010)., S. 323. Vgl. Neuberger/Schindler (2001), S. 100 f. 396 Die Verpflichtung zur Erfüllung der Hausbankfunktion ist nicht innerhalb aller Sparkassengesetze enthalten. S. Kap. 4.2.2. 397 Vgl. Keßler (1982), S. 186. 394 395

IV.

4.2.3.5

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

135

Die Regionale Wirtschaft

Die Interessen der regionalen Wirtschaft sind zweigeteilt, sie werden von den Bestandteilen des öffentlichen Auftrags sowohl indirekt als auch direkt bedient. Die indirekte Bedienung bezieht sich auf die Förderfunktion, da auf diese Weise sowohl Ersparnisse als auch finanzielle Vorsorge gefördert werden. Diese beiden Elemente sind nicht nur im Interesse des Stakeholders „Bevölkerung“, sie können auch positive makroökonomische Auswirkungen für die regionale Wirtschaft produzieren. Eine größere Kenntnis über finanzielle Zusammenhänge innerhalb der Bevölkerung und die Bildung von Ersparnissen können sowohl das Ausmaß des in der Region zur Verfügung stehenden Kapitals erhöhen als auch seine Verwendung optimieren. Dementsprechend generieren sich aus der Umsetzung der Förderfunktion wichtige Impulse für die Verbesserung der regionalen Wirtschaft.398 Diese indirekte Bedienung kann mit dem „Development View“ in Verbindung gesetzt werden, nach dem Banken als Instrument zur Förderung der Wirtschaft betrachtet werden.399 Dagegen erfolgt die direkte Bedienung der Interessen der regionalen Wirtschaft durch einen anderen Teil des öffentlichen Auftrages, nämlich durch die Umsetzung der Struktursicherungsfunktion. Diese verweist auf eine geographische und makroökonomische Perspektive und nicht mehr wie bei der Gewährleistungsfunktion auf die Bedürfnisse einzelner Individuen. Gegenstand der Struktursicherungsfunktion ist es, eine ausgeglichene räumliche Wirtschaftsstruktur zu erreichen.400 Wie beim Stakeholder „Kundschaft“ steht auch bei der „Regionalen Wirtschaft“ die Tendenz zur Konzentration des Bankgeschäftes im Fokus. Das betrifft nicht nur den Zugang zu Bankdienstleistungen für die Bevölkerung, sondern wirkt sich auch auf die Finanzierungsmöglichkeiten von Unternehmen aus. Aus dem Grund, dass ländliche Gebiete tendenziell vernachlässigt werden, besteht die Gefahr eines Kapitalabflusses aus solchen Gebieten.401 Dabei werden Ersparnisse flächendeckend gesammelt, aber nur in besonders wirtschaftsstarke Gebiete investiert. Das führt zu einer selbstverstärkenden Dynamik: Es fehlt an Finanzierungsmöglichkeiten für Investitionen in wirtschaftsschwachen Gebieten, was einer Erholung der Wirtschaft entgegensteht und zu einer Verstärkung des Kapitalabflusses führt. Dagegen kann die Struktursicherungsfunktion wirken. Aus der engen Verflechtung der Sparkassen mit der Region und der Abhängigkeit ihres Erfolges von der lokalen Wirtschaft ergibt sich für diese Institute ein starkes Interesse an der Unterstüt398

Vgl. Brämer et al. (2010), S. 322. S. Kap. 3.2. Vgl. Dehe (1982), S. 214. 401 Dieser Prozess wird innerhalb der englischsprachlichen Literatur als „capital drain“ bezeichnet und bezieht sich auf die Situation, in dem „a capital market directs capital from the poorer to the richer region even if the production technologies are identical.“ (Hakenes/Schnabel (2006), S. 2). 399 400

136

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

zung und der Förderung ihres kommunalen Geschäftsraumes. 402 Dies führt dazu, dass das in der Region gesammelte Kapital in die Finanzierung lokaler Projekte investiert wird und somit dem Kapitalabfluss entgegenwirken kann. Letztendlich kann so eine effizientere Kapitalverwendung und ein höheres regionales Wirtschaftswachstum erreicht werden.403 Empirische Ansatzpunkte dazu liefert die schriftliche Bankenbefragung von Neuberger/Schindler (2001), welche eine stärkere Finanzierung der lokalen Kreditnehmer von Sparkassen als von privaten Banken belegt.404 Sparkassenkritiker verweisen dabei auf die Entscheidungskriterien aus der volkswirtschaftlichen Theorie. Demnach erfolgt in privaten Märkten eine Auswahl der Investitionen nach wirtschaftlichen Kriterien, wobei die optimale Verwendung des Kapitals nur bei der besten Rendite stattfinden kann. Wenn daraus ein Konzentrations- und Kapitalabflussprozess entsteht, ist dieser die natürliche Folge einer rationalen Entscheidung. Dagegen kann aber angeführt werden, dass eine ausgeglichene Wirtschaftsstruktur auch positive Externalitäten mit sich bringt, welche in das Optimierungskalkül von privaten Banken nicht mit einbezogen werden. Dementsprechend kann die optimale Verwendung des Kapitals nach der Renditebetrachtung zu einem Wohlfahrtsverlust führen. Es handelt sich hierbei um ein Trade-Off zwischen optimaler Kapitalallokation nach Rentabilitätsgesichtspunkten und den Wohlfahrtsgewinnen aus der Produktion von positiven Externalitäten.405 Zusammenfassend kann von einer engen Verflechtung zwischen Sparkassen und regionaler Wirtschaft ausgegangen werden, welche sich in einem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis widerspiegelt. Die Förderung der Vermögensbildung innerhalb der Bevölkerung und die Finanzierung regionaler Investitionen generieren trotz einer teilweise ineffizienten Kapitalallokation positive Wohlfahrtsgewinne. Dies liegt an der Produktion von positiven Externalitäten für den Stakeholder „Regionale Wirtschaft“, insbesondere durch die Förderung seines Wirtschaftswachstums. Ohne Berücksichtigung dieses Bestandteils des öffentlichen Auftrages und nur unter Bezugnahme von Rentabilitätskriterien wäre das Erreichen einer ausgewogenen Wirtschaftsstruktur gefährdet. 4.2.3.6

Das Finanzsystem

Als letzte Interessengruppe wird der Stakeholder „Finanzsystem“ betrachtet. Bei diesem werden die Erhaltung der Stabilität und die Unterstützung der Geldpolitik als Hauptansprüche definiert. Beide Interessen können nicht direkt aus der Aus402

Vgl. Köhler (1998), S. 376. Für eine modelltheoretische Darstellung der Sparkassenrolle bei der Verhinderung des Kapitalabflusses vgl. Hakenes/Schnabel (2006), S. 5 ff. 404 Vgl. Neuberger/Schindler (2001), S. 93 f. 405 Vgl. Brümmerhoff (2000), S. 138 ff. 403

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

137

übung der Teilfunktionen des öffentlichen Auftrags hergeleitet werden, sondern sie wirken sich indirekt aus der Geschäftspolitik von Sparkassen aus. Analog zum Stakeholder „Mitarbeiter“ ergibt sich diese Aufgabe aus der SparkassenSelbstdarstellung.406 Vor einer detaillierten Darstellung dieser Aufgaben ist es wichtig, ihre Kollokation in den verschiedenen Ansätzen zur Rechtfertigung von öffentlichen Banken zu untersuchen. Der „Macroeconomic View“ stellt hierbei den passenden Ansatz dar. Nach ihm werden von den öffentlichen Banken nicht mehr soziale Ziele, sondern makroökonomische und geldpolitische Ziele verfolgt,407 insbesondere Ziele der Stabilitätserhaltung und der Unterstützung der Geldpolitik bei der Bekämpfung zyklischer Schwankungen.408 Inwieweit Sparkassen aufgrund ihrer Unterwerfung zum öffentlichen Auftrag diese Funktionen erfüllen können, soll nachfolgend diskutiert werden. Die Geschäftspolitik von Sparkassen zeichnet sich nach Köhler (1998) durch eine langfristige Perspektive und kein kurzfristiges Ertragsdenken aus.409 Auf kurzfristige Gewinnmöglichkeiten wird verzichtet, wenn diese langfristige Ziele gefährden können. Eine typische Ausprägung dieser Herangehensweise ist das schon beim Stakeholder „Kundschaft“ dargestellte Beziehungsbanking, welches auf einen langfristigen Horizont ausgerichtet ist. Das notwendige Vertrauen und der gegenseitige und zuverlässige Informationsaustausch können nur entstehen, wenn beide Vertragspartner Interesse an einer langfristigen Beziehung haben. Die besondere Geschäftspolitik spiegelt nicht nur die Berücksichtigung der Ansprüche der „Kundschaft“ wider, sondern produziert durch eine langfristorientierte Bilanzstruktur auch positive Externalitäten auf das Finanzsystem. Diese Bilanzstruktur fokussiert einerseits auf die Refinanzierung über Einlagen und andererseits auf eine langfristige und regionalgebundene Kreditvergabe. Die empirische Untersuchung von Norden/Weber (2010) zeigt diesbezüglich, dass sich Sparkassen, trotz einer Tendenz zur stärkeren Inanspruchnahme des Interbankenmarktes, auch heute hauptsächlich über Einlagen refinanzieren.410 Diese besondere Struktur ermöglicht nach Brämer et al. (2010) eine relative Unabhängigkeit von Entwicklungen am Geld- und Kapitalmarkt.411 Daraus ergeben sich für Sparkassen sowohl Vor- als auch Nachteile: Einerseits kann die geringe Ausnutzung solcher Märkte unter Opportunitätskostensicht den Verzicht auf ertragsreichere Investitionsmöglichkeiten oder kostengünstigere Refinanzierungen bedeuten; andererseits können solche Ge406

Vgl. Brämer et al. (2010), S. 319 f. S. Kap. 3.3. Vgl. Yeyati et al. (2004), S. 8 f. 409 Vgl. Köhler (1998), S. 379. 410 Vgl. Norden/Weber (2010), S. 78. 411 Vgl. Brämer et al. (2010), S. 320. 407 408

138

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

schäfte im Fall des Austrocknens des Interbankenmarktes eine stabile Liquiditätsbasis liefern. Ein interessantes Beispiel dazu war die Finanzkrise 2007-2008, während der der europäische Interbankenmarkt fast komplett zum Stillstand kam412 und insbesondere diejenigen Banken mit großen Liquiditätsproblemen zu kämpfen hatten, die sich überwiegend über den Interbankenmarkt refinanzierten.413 Die mit Liquiditätsproblemen verbundenen Zahlungsschwierigkeiten können sich sehr schnell über die gegenseitige Abhängigkeit auch auf die andere Marktteilnehmer übertragen, sodass die daraus entstehenden Domino-Effekte die Gefahr einer Systemkrise erhöhen. Sparkassen können jedoch durch ihre Bilanzstruktur und ihrer Ertragsstabilität solchen Liquiditätsproblemen entgegenwirken und damit zum Erhalt der Stabilität des Bankensystems beitragen.414 Kritiker dieser Stellungnahme verweisen auf die Auswirkungen aus der engen Verflechtung der Eigentümerstruktur von Sparkassen und Landesbanken. Landesbanken wenden sich für die Durchführung ihrer Geschäfte besonders an den Geld- und Kapitalmarkt, sodass aufgrund der Zugehörigkeit zu der gleichen Gruppe die Verbindung dieser Banken mit dem Interbankenmarkt auch auf Sparkassen übertragen werden kann.415 Neben dieser Funktion der Stabilitätserhaltung ist die Unterstützung der Geldpolitik zu nennen: Öffentliche Banken können als zusätzliches geldpolitisches Instrument dienen. Dies ergibt sich aus der intrinsischen zyklischen Natur des Kreditgeschäftes. Demnach folgt das Ausmaß der Kreditvergabe und die Konditionsfestlegung der Entwicklung des Wirtschaftszyklus: In Aufschwungphasen werden aufgrund der steigenden Erfolgsperspektiven mehrere Projekte zu relativ niedrigeren Zinssätzen finanziert, während in Abschwungphasen die Kreditvergabe eher reduziert und die nachgefragten Zinssätze erhöht werden.416 Dieses Verhalten ist aus betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten im Hinblick auf die Gewinnmaximierung rational, wirkt sich aber aus makroökonomischer Sicht negativ auf die Wirtschaft aus. In schwierigen Zeiten kann eine exzessive Zyklizität zur Entstehung einer Kreditklemme für Unternehmen führen, was dazu führt, dass aufgrund fehlender und teurer Finanzierung nur wenige Investitionen realisiert werden. Auf diese Weise können jedoch nicht die notwendigen positiven Impulse für die wirtschaftliche Erholung generiert werden. Die zyklischen Eigenschaften der Kreditvergabe betreffen damit nur indirekt die Geldpolitik, da sie sich mehr auf die Be-

412

Vgl. De La Motte/Clemens (2010), S. 1 ff. Vgl. IMF (2011a), S. 20. Die Ertragsstabilität und ihre Auswirkung auf das Ausfallrisiko sind Gegenstand der Kennzahl ZScore (s. Kap. 5.2). Für eine Darstellung des Beitrages der Sparkassen zur Erhaltung eines stabilen Finanzsystems aufgrund ihres niedrigen Ausfallrisikos vgl. Ayadi et al. (2009), S. 64 ff. 415 Eine ausführliche Darstellung dieser Kritik ist in Brämer et al. (2010), S. 320 zu finden. 416 Für eine theoretische Darstellung der Zyklizität der Kreditvergabe s. Kap.3.3. 413 414

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

139

ziehung zwischen Kreditvergabe und gesamtwirtschaftlicher Entwicklung fokussieren.417 Da Banken auch als Geldschöpfungsmultiplikator fungieren und so auch geldpolitische Ziele beeinflussen, existiert eine direkte Beziehung zwischen der Kreditvergabe und der Geldpolitik.418 Beispielsweise kann eine ausgeprägte prozyklische Kreditvergabe den Auswirkungen einer expansiven Geldpolitik in Rezessionszeiten entgegenwirken. Während die Zentralbank durch Reduzierung der Refinanzierungszinssätze auf eine Erhöhung der Geldmenge zielt, schränkt eine restriktive Kreditvergabe seitens der Banken die verfügbare Geldmenge ein. Sparkassen können aufgrund ihrer institutionellen und gesetzlichen Gestaltung das Ausmaß dieser Problematik reduzieren. Insbesondere ermöglicht ihre erweiterte Zielstellung eine Internalisierung von geld- und wirtschaftspolitischen Zielen, wodurch eine Glättung des intertemporalen Risikos für ihre Kunden erfolgen kann.419 Empirische Beweise für dieses Verhalten liefert die Arbeit von Foos (2009). In dieser Untersuchung wird gezeigt, dass das Kreditvolumina und die Preise bei Sparkassen weniger an den wirtschaftlichen Zyklus angepasst werden und damit über die Zeit stabiler sind.420 Abschließend kann behauptet werden, dass öffentliche Banken aufgrund ihres „Double-bottom line“-Ansatzes den Interessen des Stakeholders „Finanzsystem“ dienen können. Ihre besondere Zielstellung und ihre Geschäftspolitik prägen mit ihrem langfristigen Charakter sowohl die Bilanzstruktur als auch das Ausmaß und die Konditionen der Kreditvergabe. So können die negativen Auswirkungen für das Finanzsystem, zum einen aus kurzfristigen Liquiditätsproblemen innerhalb des Geld- und Kapitalmarktes und zum anderen diejenigen aus einer ausgeprägten Prozyklizität der Kreditvergabe reduziert werden. Insgesamt fördern Sparkassen die Erhaltung eines stabilen Finanzsystems und die Umsetzung der Geldpolitik. Die Darstellung der Interessen verschiedener Stakeholder und ihre Berücksichtigung innerhalb der Strategie von Sparkassen verdeutlicht, wie sich die Bestandteile des öffentlichen Auftrags heute auf die Geschäftspolitik von Sparkassen auswirken. Eine zeitgemäße Interpretation des öffentlichen Auftrages erweitert die gesetzlichen Vorgaben durch Miteinbeziehung zusätzlicher Komponenten, welche sich aus der Anpassung an die Eigenheiten eines sich entwickelnden Wirtschaftssystems ergeben. Gemäß dem öffentlichen Auftrag und seiner Bestandteile sollten Sparkassen der Erfüllung der Ansprüche von verschiedenen Stakeholdern dienen. Die Erweiterung des Aufgabenspektrums und die Neuorientierung der Funktionen 417

Vgl. Sygusch (2010), S. 1 ff. Für eine Darstellung der Funktion des Geldmultiplikators s. Kap. 3.3. Vgl. Yeyati et al. (2004), S. 8 und Ayadi et al. (2009), S. 24 f. 420 Vgl. Foos (2009), S. 21 ff. 418 419

140

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

von Sparkassen liefern aktuelle Ansatzpunkte für die Rechtfertigung ihrer Sonderstellung, welche mit unterschiedlichen Ansätzen aus dem Kapitel 3 verbunden werden. Insbesondere besteht eine enge Beziehung zwischen den Vorgaben aus dem öffentlichen Auftrag und Elementen aus dem „Social-“, dem „Development-“ und dem „Macroeconomic View“. Sparkassenkritiker verweisen darauf, dass zu den Stakeholder-Banken zusätzlich zu Sparkassen auch Genossenschaftsbanken gehören. Weil Genossenschaftsbanken zur Erfüllung eines Förderungsauftrags verpflichtet sind, können aus dessen praktischer Umsetzung Gemeinsamkeiten mit Sparkassen in der Erfüllung der Stakeholder Ansprüche bestehen.421 Nach dieser Kritik stellt die öffentliche Natur von Sparkassen keine Voraussetzung für die Zufriedenstellung der Stakeholder dar. Um sich damit auseinanderzusetzen und um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in Bezug auf die Ansprüche der verschiedenen Stakeholder herauszuarbeiten, werden im nächsten Abschnitt die Bestandteile des Förderungsauftrags und die des öffentlichen Auftrags miteinander verglichen. 4.2.4 Exkurs: Vergleich mit dem Förderungsauftrag der Genossenschaftsbanken Sowohl den Kreditgenossenschaften als auch den Sparkassen kann eine erweiterte Zielfunktion unterstellt werden, welche sich von der reinen Gewinnmaximierung unterscheidet und auf die Maximierung der aggregierten Rente und des Mehrwerts zielt.422 Diese Gemeinsamkeit kennzeichnet beide Bankengruppen als Stakeholder-Banken, welche durch den „Double-bottom line“-Ansatz die StakeholderAnsprüche befriedigen.423 Eine erweiterte Zielfunktion ermöglicht dem Management, ein von reinen Gewinnkalkülen unabhängiges Angebot an Finanzdienstleistungen umzusetzen. Wenn dieses Angebot die unterschiedlichen Stakeholderinteressen bedient, kann eine Steigerung der sozialen Wohlfahrt durch Verbesserung des Allokationsprozesses erreicht werden. Dementsprechend verfolgen auch die Genossenschaftsbanken eine komplexe Zielsystematik bei ihrer Geschäftspolitik, welche nicht nur den Förderungsauftrag sondern auch den Markterfolg sichern muss. Ausreichende Gewinne stellen dementsprechend kein übergeordnetes Ziel dar, sondern dienen als Mittel zur Erfüllung des Hauptzwecks.424 Trotz dieser Ähnlichkeiten existieren zwischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken deutliche Unterschiede, insbesondere im Hinblick auf die jeweiligen Zielgruppen ihrer Geschäftstätigkeit, auf die im folgenden Absatz näher eingegangen wird. 421

Vgl. Brümmerhoff/Lehmann, S. 131 ff. Vgl. IMF (2011b), S. 13. Vgl. Ferri et al. (2012), S. 4 f. 424 Vgl. Reichel (2011), S. 961. 422 423

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

141

Das Genossenschaftsrecht definiert Genossenschaften als „Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die Wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern (Genossenschaften)“.425 Während sich diese Definition auf alle Genossenschaften bezieht, konzentrieren Genossenschaftsbanken ihren Geschäftsbetrieb auf Bankgeschäfte. Das Oberziel der Tätigkeit von Genossenschaftsbanken besteht hauptsächlich in der wirtschaftlichen Mitgliederförderung, welche sich durch vorteilhafte Leistungsbeziehungen für die Mitglieder auszeichnet. Der Fokus liegt damit auf den Mitgliedern, wobei gemeinwirtschaftliche Zielsetzungen zulässig, aber nicht zwingend sind.426 Nach Münkner (1990) ist diese Fokussierung das Unterscheidungsmerkmal von Genossenschaften gegenüber gemein-wirtschaftlichen Unternehmen: Während gemeinwirtschaftliche Unternehmen auf die Förderung einer unbestimmten Allgemeinheit bzw. einiger Teilgruppe derselben ausgerichtet sind, beschränkt sich die genossenschaftliche Förderung auf die Gruppe ihrer Träger und ihrer Mitglieder.427 Obwohl sich die Definition des Förderungsauftrages nur auf die Mitglieder bezieht, zeigt die Befragung von Genossenschaftsleitern durch Münkner (1990) ein anderes empirisches Bild: Die Ergebnisse deuten auf eine fehlende und allgemeingültige Interpretation des Förderungsauftrages in der Praxis hin, sodass das Management oft keine Unterscheidung zwischen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern vornimmt und somit die Interessen mehrerer Interessengruppen berücksichtigt werden.428 Daraus ergeben sich Ansatzpunkte für einen Vergleich der Bestandteile des Förderungsauftrages mit den Bestandteilen des öffentlichen Auftrages unter Stakeholder-Perspektive. In der folgenden Analyse werden die gleichen Stakeholder und die gleichen Ansprüche wie im vorigen Abschnitt 4.2.3 zugrunde gelegt. In Übereinstimmung mit der Analyse des öffentlichen Auftrags erfolgt bei Kreditgenossenschaften eine zeitgemäße Interpretation des Förderungsauftrages, welche zusätzlich zu den klassischen Bestandteilen die Besonderheiten der Geschäftspolitik dieser Banken berücksichtigt. 4.2.4.1

Die Bevölkerung

Innerhalb des öffentlichen Auftrags werden die Interessen der Bevölkerung durch die Umsetzung der Gewährleistungsfunktion und die Förderung der Vermögensbildung berücksichtigt. Die Gewährleistungsfunktion, und damit die flächendeckende Versorgung aller Bevölkerungsschichten mit Finanzdienstleistungen, wird nach Pleister (2006) auch von Genossenschaftsbanken verfolgt und ist eine Kon425

§1 Abs. 1 GenG. Vgl. Dagott (2003), S. 52. Vgl. Münkner (1990), S. 23. 428 Vgl. Münkner (1990), S. 54 ff. 426 427

142

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

sequenz ihrer Organisationsform und ihrer Eigentümerstruktur. Die Ortsverbundenheit der lokalen Institute und die engen Beziehungen mit der lokalen Bevölkerung aus der demokratischen Entscheidungsstruktur ermöglichen eine gezielte Befriedigung der lokalen Finanzbedürfnisse.429 Grosskopf (1990) konstatiert in einer Darstellung einer zeitgemäßen Erfüllung des Förderungsauftrags, dass Genossenschaftsbanken „aus der Notgemeinschaft der Gründerzeit eine Bank für jedermann geworden“430 sind. Die am Markt angebotenen Leistungen betreffen nicht nur die Mitglieder, sondern alle Kunden, also auch die Nichtmitglieder. Eine ausreichende finanzielle Versorgung gehört zu den sogenannten Basisvorteilen aus der Umsetzung des Förderungsauftrags, wovon die gesamte Bevölkerung profitieren kann.431 Diese beiden Aspekte verdeutlichen, dass man auch bei den Genossenschaftsbanken von einer ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Finanzdienstleistungen sprechen kann. Zu berücksichtigen ist, dass bei diesen Banken kein Kontrahierungszwang aus einer gesetzlichen Vorgabe besteht und dass ihr Angebot deswegen auf freiwilliger Basis erfolgt. Die Bedienung des Stakeholders „Bevölkerung“ durch die Erfüllung der Gewährleistungsfunktion gehört nicht zu den ursprünglichen Bestandteilen des Förderungsauftrags, sondern resultiert aus Elementen ihrer Selbstdarstellung. Bezüglich der Förderung der Vermögensbildung und der Sparerziehungsfunktion konzentrieren sich Genossenschaftsbanken auf die Mitglieder. Die Beratung und die Betreuung der Mitglieder in Finanzierungsentscheidungen sowie das Angebot passender Produkte stellen einen wichtigen Bestandteil der leistungsmäßigen Förderung der Mitglieder dar.432 Abgesehen vom Förderungsauftrag trägt auch die demokratische Struktur zur Erfüllung dieser beiden Aufgaben bei. Die Möglichkeit für die Mitglieder, an dem Entscheidungsprozess teilzunehmen, impliziert eine direkte Auseinandersetzung mit finanzwirtschaftlichen Thematiken. Dies fördert die nötigen Kenntnisse, um eine eigenständige finanzielle Versorgung zu unterstützen. Da sowohl der Förderungsauftrag als auch die Selbstverwaltung einen Mitgliedsstatus voraussetzen, wird die Unterscheidung zwischen Mitgliedern und normalen Kunden hinsichtlich der Förderung der Vermögensbildung und der Sparerziehungsfunktion deutlich. Bei dieser Funktion sind Unterschiede zwischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken zu erkennen, denn Sparkassen richten sich an die gesamte Bevölkerung und insbesondere an die schwachen Bevölkerungsschichten.433 Da Letztgenannte aufgrund ihrer schwachen Einkommenslage eher selten Mitglied bei einer Genossenschaftsbank sind, ist das finanzielle Bera429

Vgl. Pleister (2006), S. 65. Grosskopf (1990), S. 59. Vgl. Grosskopf (1990), S. 62. 432 Vgl. Dagott (2003), S. 53. 433 Vgl. Dehe (1982), S. 214. 430 431

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

143

tungs- und Betreuungsangebot der gemeinorientierten Sparkassen für diese Gruppen nahezu unverzichtbar. Zusammenfassend ist demnach festzuhalten, dass die Interessen des Stakeholders „Bevölkerung“ bei Genossenschaftsbanken nur in Bezug auf die Gewährleitungsfunktion bedient werden; dagegen richtet sich die Förderfunktion hauptsächlich an die Mitglieder und lässt die restlichen Bevölkerungsteile überwiegend unberücksichtigt. 4.2.4.2

Die Kundschaft

Eine wichtige Funktion aus dem öffentlichen Auftrag ist die Wettbewerbssicherungsfunktion, woraus sich die Aufgabe der Erhaltung eines ausreichend konkurrenzfähigen Marktes ergibt. Obwohl innerhalb des Förderungsauftrags kein expliziter Bezug zur Wettbewerbssicherung vorhanden ist, kann man von einer indirekten Erfüllung dieser Aufgabe seitens der Genossenschaftsbanken ausgehen. Die bundesweite und flächendeckende Präsenz von Genossenschaftsbanken innerhalb des deutschen Bankensystems leistet einen positiven Beitrag zur Erhaltung eines wettbewerblichen Umfeldes. Die mit den Sparkassen sich deckenden Eigenschaften, nämlich die durchschnittlich kleine Dimension, die hohe Anzahl von Filialen und die regionale Begrenzung des Geschäftsgebietes, wirken der Entstehung von Marktmacht entgegen. Das gilt insbesondere in ländlichen Gebieten, aus denen Privatbanken sich oft zurückziehen und so das Bankgeschäft den verbleibenden Banken überlassen. Die Wettbewerbssicherung stellt damit eine zusätzliche und indirekte Komponente des Förderungsauftrags aus dem genossenschaftlichen Geschäftsmodell dar, welche der Wettbewerbssicherungsfunktion der Sparkassen ähnelt.434 Das Beziehungsbanking wurde im vorigen Abschnitt als ein Merkmal des Sparkassengeschäfts eingestuft, welches einer stabilen und langfristigen Beziehung zu den Kunden dient.435 Bei Genossenschaftsbanken kann man ebenfalls von einer überwiegend langfristigen Ausrichtung ihrer Geschäftspolitik ausgehen.436 Grosskopf (1990) zählt zu den Vorteilen für die Kunden einer Genossenschaftsbank neben den objektiven Vorteilen wie niedrige Sollzinsen und günstige Gebühren auch subjektiv bewertbare Vorteile. Dazu zählen einerseits eine umfassende Beratung und Betreuung, andererseits die Senkung der Transaktionskosten aus der asymmetrischen Information. Der langfristige Charakter der typischen Bankbeziehung von Genossenschaftsbanken ermöglicht die Herausbildung einer ausreichenden Informationsbasis, worauf das Vertrauen zwischen Bank und Kunden basiert. Ein 434 435 436

Vgl. Hahn (1996), S. 173-174. S. Kap.4.2.3.2. Vgl. Reichel (2011), S. 961.

144

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

langjähriger Kunde kann zusätzliche Transaktionskosten beim Abschluss neuer Geschäfte sparen. Im Vergleich dazu würde der Geschäftsabschluss mit einer neuen Bank teurer ausfallen, da Such- und Informationssammlungskosten vom Kunden zu tragen wären. Mitglieder der Genossenschaftsbanken können hier jedoch, im Gegensatz zu normalen Kunden, mit zusätzlichen „Exklusivvorteilen“ rechnen, die aus ihrem Mitgliedstatus resultieren. Die Mitwirkungs- und Einflussmöglichkeiten, welche anhängig sind von der demokratischen Struktur der Genossenschaftsbanken, sowie die materiellen Anreize aus der Rückvergütung stellen die Basis für das im Vergleich zu normalen Kunden engere Vertrauen dar. Dieses Vertrauen sowie die Tatsache, dass man die Verhaltensweise des jeweils anderen gut kennt und in gewisser Weise voneinander abhängig ist, ist der Garant dafür, dass bestehende Informationsdefizite nicht zum Schaden der Bank ausgenutzt werden. Dieses engere Vertrauen, auch Systemvertrauen genannt, führt zu einer ausgeprägten Senkung der Transaktionskosten, welche sich sowohl in der Gewährung von Vorzugskonditionen als auch in der gegenseitigen Hilfestellung in Krisensituationen niederschlägt.437 Diese Theorie wird in der Arbeit von Angelini et al. (1998) über den italienischen Bankenmarkt empirisch bewiesen. Ihre Ergebnisse belegen günstigere Konditionen für Mitglieder der Genossenschaftsbanken gegenüber normalen Kunden innerhalb einer langfristigen Geschäftsbeziehung. Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal der Genossenschaftsbanken zu den Privatbanken ist ihre genossenschaftliche Struktur; dagegen können Ortsverbundenheit und eine langfristige Ausrichtung auch die Geschäftstätigkeit von Privatbanken kennzeichnen.438 Zusammenfassend kann man bezüglich der Interessen des Stakeholders „Kundschaft“ an einer stabilen und langfristigen Beziehung feststellen, dass diese bei Genossenschaftsbanken und Sparkassen unterschiedlich berücksichtigt werden. Die Unterschiede ergeben sich aus den verschiedenen Zielgruppen des jeweiligen Auftrages: Während sich der öffentliche Auftrag auf die Allgemeinheit bezieht, fokussiert der Förderungsauftrag auf die Mitglieder. Dementsprechend findet innerhalb der Bank-Kunde-Beziehung eine Unterscheidung zwischen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern zum Vorteil der Mitglieder statt. Bei der Wettbewerbssicherungsfunktion sind solche Unterscheidungen nicht zu beobachten, denn ihr Beitrag zur Belebung des Wettbewerbs schlägt sich infolge ihres dichten Zweigstellennetzwerks positiv auf die gesamte Kundschaft nieder.

437 438

Vgl. Grosskopf (1990), S. 63 ff. Vgl. Angelini et al. (1998), S. 949 f.

IV.

4.2.4.3

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

145

Die Mitarbeiter

In der Darstellung des öffentlichen Auftrags wurden die Interessen des Stakeholders „Mitarbeiter“ an einem Angebot von qualifizierten Arbeits- und Ausbildungsplätzen gezeigt. Für Sparkassen belegte die Analyse des öffentlichen Auftrags, dass trotz einer Kommunikation darüber die Berücksichtigung der Interessen dieses Stakeholders mit steigendem Wettbewerb abgenommen hat. Münkner (1990) definiert die Aus- und Weiterbildung der Mitarbeiter als soziale Komponente der Genossenschaften. Diese ergibt sich nicht direkt aus dem Förderungsauftrag, sondern ist eher den zusätzlichen und freiwilligen Komponenten zuzurechnen.439 Eine größere Konkurrenz untereinander und die Führung der Genossenschaften nach betriebswirtschaftlichen Prinzipien haben dazu geführt, dass bei der Einstellungspolitik dieser Institute jetzt strengere Effizienzkriterien gelten und die sozialen Aspekten vernachlässigt werden. Es kann deswegen davon ausgegangen werden, dass Arbeits- und Ausbildungsplätze nur angeboten werden, wenn diese aus Rentabilitätssicht einen Mehrwert für die Bank produzieren. Neben dem direkten Angebot ist auch das indirekte Angebot zu betrachten, welches sich auf die Förderung von Arbeitsplätzen außerhalb des Bankensektors bezieht. Laut Pleister (2006) gehört die Übernahme von wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Verantwortung zum Selbstverständnis der Genossenschaftsbanken. Die sich daraus ergebende Finanzierung von sozialen und kulturellen Projekten erfolgt über Stiftungen und unterstützt die Beschaffung von Arbeit- und Ausbildungsplätzen in solchen Bereichen.440 Diese Funktion hat ihren Ursprung in einer erweiterten Interpretation des Förderungsauftrages. Demnach ist Gegenstand dieses Auftrages nicht nur die Befriedigung der Mitgliederbedürfnisse materieller Natur, sondern auch die Befriedigung von Bedürfnissen, die im sozialen und kulturellen Bereich liegen. Das heißt, die Finanzierung von Stiftungen gehört ebenso zu den Bestandteilen des Förderungsauftrags, womit die Bedürfnisse der Gesellschaft innerhalb des genossenschaftlichen Aufgabenspektrums ihren Platz finden.441 Sowohl die direkte als auch die indirekte Berücksichtigung des Stakeholders „Mitarbeiter“ bei den Genossenschaftsbanken ist vergleichbar mit der von Sparkassen. Während in den letzten Jahren die direkte Berücksichtigung bei beiden Bankengruppen an Bedeutung verloren hat, ist dieser Trend bei der Stiftungsfinanzierung nicht zu beobachten.442 Eine klare Unterscheidung zwischen Sparkas439

Vgl. Münkner (1990), S. 23. Vgl. Pleister (2006), S. 65. Vgl. Grosskopf (1990), S. 30 und die dort angegebene Literatur. 442 Vgl. Pleister (2006), S. 65 in Bezug auf Kreditgenossenschaften, für Sparkassen vgl. IMF (2001), S. 18 ff. 440 441

146

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

sen und Genossenschaftsbanken hinsichtlich der Erfüllung der Interessen des Stakeholders „Mitarbeiter“ ist nicht zu erkennen. 4.2.4.4

Öffentlich-rechtliche Körperschaften

Die Hausbankfunktion als Bestandteil des öffentlichen Auftrages und die Rechtsform von Sparkassen als Anstalt des öffentlichen Rechts rechtfertigt die besondere Berücksichtigung des Stakeholders „Öffentlich-rechtliche Körperschaften“. Dagegen unterliegen Genossenschaftsbanken einer privaten Rechtsform und sind somit nicht zur Erfüllung eines öffentlichen Auftrags verpflichtet. Dementsprechend gehört die finanzielle Versorgung der öffentlichen Hand nicht zu ihren Kernaufgaben, sondern ist Bestandteil des normalen Bankgeschäftes, es wird diesem Stakeholder keine Sonderbetrachtung zugewiesen.443 Die Durchführung von Basisdienstleistungen wie Geldverkehr erfolgt in der Regel über Sparkassen; Genossenschaftsbanken spielen eine größere Rolle bei der Bereitstellung von langfristigen Krediten für die Finanzierung von öffentlichen Projekten. Wie im vorigen Abschnitt erläutert wurde, muss die Finanzierung solcher Projekte möglichst kostengünstig sein, sodass bei Auswahl des Kapitalgebers mehrere Banken und ihre Angebote berücksichtigt werden können. Während bei Sparkassen gemeinnützige Kriterien bei der Projektbewertung und der Konditionenfestlegung aus dem öffentlichen Auftrag resultieren, bleiben gemeinnützige Aspekte aus dem Förderungsauftrag ausgeschlossen. Demnach werden nur Projekte mit ausreichender Rendite finanziert. Obwohl in dieser Hinsicht Genossenschaftsbanken den Privatbanken ähneln, sind bei genossenschaftlichen Instituten einige komparative Vorteile gegenüber Privatbanken, insbesondere in Bezug auf lokale öffentliche Körperschaften, vorhanden. Dies können in ein gezielteres Angebot und eine fundiertere Bewertung münden. Die regionale Ausrichtung ihrer Geschäftsorientierung ermöglicht beispielsweise umfassendere Kenntnisse über die lokale Wirtschaft, deren Mechanismen und die Marktteilnehmer. Dank dieser Vorteile können Genossenschaftsbanken den Wettbewerbsdruck bei solchen Finanzierungen erhöhen und somit zur Reduzierung der Finanzierungskosten der öffentlichen Hand beitragen. Die Verfügbarkeit mehrerer Anbieter kommt letztendlich dem Stakeholder „Öffentlich-rechtliche Körperschaften“ zugute, sodass sein Interesse an einer möglichst günstigen Finanzierung auch von der Geschäftstätigkeit der Genossenschaftsbanken indirekt unterstützt wird.444 Klare Unterschiede bei der Bedienung der Interessen dieses Stakeholders sind zweifellos bei den Gewinnausschüttungen zu finden. Während Sparkassen einen Anteil ihrer Gewinne an öffentliche Gewährträger ausschütten und damit direkt 443 444

Vgl. Münkner (1990), S. 69 ff. Vgl. Pleister (2006), S. 65.

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

147

zur Verbesserung deren finanzieller Lage beitragen, kann die Gewinnaufteilung bei Genossenschaftsbanken nur durch Rückvergütungen an ihre Mitglieder erfolgen. Es ist allerdings zu beachten, dass sowohl bei Sparkassen als auch bei Genossenschaftsbanken der Großteil der Gewinne nicht für die Dividende, sondern in die Bildung von Rücklagen fließt. Somit hat die Ausschüttungspolitik sowohl der Genossenschaftsbanken als auch der Sparkassen nur wenig Auswirkungen auf die finanzielle Lage der öffentlichen Hand.445 Zusammenfassend kann man feststellen, dass, obwohl eine explizite Berücksichtigung innerhalb des Förderungsauftrages fehlt, die Bedienung der Interessen öffentlich-rechtlicher Körperschaften durch die Geschäftspolitik von Genossenschaftsbanken ermöglicht wird. Dennoch verbleiben deutliche Unterschiede bezüglich des Einbezugs gemeinnütziger Kriterien in die Projektbewertung und bei der Gewinnausschüttung, sodass für eine breite Unterstützung des Stakeholders „Öffentlich-rechtliche Körperschaften“ die Sparkassen unersetzlich erscheinen. 4.2.4.5

Die regionale Wirtschaft

In der Untersuchung des öffentlichen Auftrags unter einer StakeholderPerspektive wird zwischen indirekter und direkter Unterstützung der Interessen der regionalen Wirtschaft unterschieden: Die indirekte Unterstützung bezieht sich auf die Förderfunktion, die direkte Unterstützung verweist auf die Abwicklung der Struktursicherungsfunktion.446 Auf Übertragung dieser Unterschiede auf die Genossenschaftsbanken wird verzichtet, da diese Funktionen innerhalb des Förderungsauftrags nicht benannt werden; Schlussfolgerungen über ihre indirekte Erfüllung aus dem genossenschaftlichen Geschäftsmodell werden dagegen gezogen. Reichel (2011) beschreibt das Geschäftsmodell von Genossenschaftsbanken als regional, konservativ und langfristorientiert.447 Während die Auswirkungen der langfristigen Orientierung schon in den vorigen Abschnitten untersucht wurden, sind bezüglich des Stakeholders „Regionale Wirtschaft“ die Regionalität und die daraus entstehenden Externalitäten besonders relevant. Die Fokussierung der genossenschaftlichen Geschäftstätigkeit auf die lokale Umgebung wirkt sich positiv auf die regionale Wirtschaft aus, weil die Genossenschaftsbanken sowohl als Anbieter von Finanzprodukten als auch als Nachfrager von Produktionsfaktoren auftreten. Auf der einen Seite befriedigt das Angebot an Finanzdienstleistungen die Bedürfnisse der Bevölkerung und der Unternehmen, wodurch sowohl lokale Investitionen als auch der lokale Konsum unterstützt werden. Auf der anderen Seite treten Genossenschaftsbanken auch als Nachfrager von Gütern und von Arbeits445 446 447

Vgl. Münkner (1990), S. 69 ff. S. Kap. 4.2.3. Vgl. Reichel (2011), S. 959.

148

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

kräften auf, woraus sich positive Beschäftigungs-, Einkommens- und Umsatzeffekte ergeben.448 Beide Rollen generieren positive Impulse für die regionale Wirtschaft und wirken einem Kapitalabflussprozess, insbesondere aus ländlichen Gebieten, entgegen. Weil die Förderung einer ausgeglichenen Wirtschaftsstruktur und die Vermeidung eines Kapitalabflusses dem Ziel der Struktursicherungsfunktion entsprechen, kann man behaupten, dass hinsichtlich dieser Funktion auch Genossenschaftsbanken den Interessen der lokalen Wirtschaft dienen. Ein wichtiger und bei Sparkassen fehlender Aspekt kommt aus dem genossenschaftlichen Charakter und ihrer Ausprägung. Erstens stellt die gegenseitige Unterstützung der Mitglieder einen fundamentalen Bestandteil des Förderungsauftrages dar. Demnach ist die Genossenschaftsbank zur Verbesserung der wirtschaftlichen und sozialen Lage ihrer Mitglieder verpflichtet. Aufgrund der engen Verbindung zwischen dem Wohnort der Genossenschaftsbankmitglieder und ihrem Geschäftsgebiet besteht auch eine enge Verbindung zwischen den Interessen der Mitglieder und den der regionalen Wirtschaft. Dementsprechend fördert die Unterstützung der Mitglieder auch direkt die regionale Wirtschaft, sodass eine Verbesserung ihrer wirtschaftlichen und sozialen Lage auch eine Verbesserung der regionalen Wirtschaft mit sich bringt. Zusätzlich sind die demokratische Struktur von Genossenschaftsbanken und die doppelte Rolle ihrer Mitglieder als Kunden und als Eigentümer der Bank zu beachten. Aus der aktiven Teilnahme am Entscheidungsprozess der Bank generiert sich eine intensive Auseinandersetzung mit den Bedürfnissen und den Problemen der Region in wirtschaftlichen Angelegenheiten, was vorteilhaft sowohl für die Mitglieder als auch, durch Verbesserung ihrer Informationslage, für die Bank ist. Besser informierte Mitglieder treffen fundiertere finanzielle Entscheidungen im wirtschaftlichen Bereich; gleichzeitig kann die Bank ihr Angebot an Finanzdienstleistungen besser auf die lokalen Bedürfnisse anpassen. Beide Elemente tragen damit zur wirtschaftlichen Entwicklung der Region bei.449 Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass auch im Fall der Genossenschaftsbanken das Interesse des Stakeholders „Regionale Wirtschaft“ bedient wird. Im Vergleich zu den Sparkassen treten hierbei sowohl Gemeinsamkeiten als auch Besonderheiten auf, welche der genossenschaftlichen Form geschuldet sind. Die Gemeinsamkeiten ergeben sich aus der regionalen Orientierung und aus ihrem Beitrag zum Erhalt einer ausgeglichenen Wirtschaftsstruktur. Dagegen stellen die demokratische Struktur und die Verpflichtung zur Mitgliedsförderung aus dem Förderungsauftrag besondere Merkmale der Genossenschaftsbanken dar, welche einen engen Informationsaustausch zwischen Kunden und Eigentümer und 448 449

Ebda. Vgl. Münkner (1990), S. 21 ff.

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

149

dadurch eine gezieltere Bedienung der Interessen der regionalen Wirtschaft ermöglichen. Die Existenz von Genossenschaftsbanken ist für die Interessen der regionalen Wirtschaft von großer Bedeutung; die Tätigkeit von Sparkassen kann in diesem Bereich ergänzt werden. 4.2.4.6

Das Finanzsystem

Der Förderungsauftrag enthält wie beim Stakeholder „Regionale Wirtschaft“ keine expliziten Angaben zum Stakeholder „Finanzsystem“. Die Berücksichtigung seiner Ansprüche erfolgt vielmehr indirekt aufgrund des besonderen Geschäftsmodells und der Zielstellung von Genossenschaftsbanken. Die Geschäftspolitik der Genossenschaftsbanken ist dadurch geprägt, dass die Gewinnerzielung nur an zweiter Stelle steht und es bei ihnen um eine langfristige Erfüllung des Förderungsauftrags geht.450 Dementsprechend besteht bei diesen Banken kein Anreiz, für kurzfristige Gewinne hohe Risiken einzugehen und dadurch die Stabilität der Bank zu gefährden. Genossenschaftsbanken liefern so einen positiven Beitrag zur Stabilitätserhaltung. Diese grundlegende Risikoaversion der Genossenschaftsbanken und das Ziel einer stabilen Ertragslage spiegeln sich auch in der Fokussierung der Geschäfte auf den Retail Banking wieder. Daraus ergibt sich eine zu den Sparkassen ähnliche Bilanzstruktur, welche von einer Dominanz der Kundeneinlagen auf der Passivseite und von Krediten auf der Aktivseite gekennzeichnet ist. Obwohl diese Struktur aufgrund der starken Fristentransformation eine große Abhängigkeit von der Zinsstrukturkurve und dadurch eine große Exposition zum Zinsänderungsrisiko bewirkt, sind Einlagen- und Kreditgeschäfte im Vergleich zu Finanzmarkttransaktionen und Interbankenmarktgeschäften weniger von der Volatilität der Märkte betroffen. Dieser Erklärung liegt die Beobachtung zugrunde, dass Kundeneinlagen im Vergleich zu alternativen Geschäften einen stabileren Verlauf haben.451 Der konservative Charakter der genossenschaftlichen Geschäftspolitik reduziert damit die Abhängigkeit vom Interbankenmarkt, welche im Fall einer schwierigen Liquiditätslage auf einem solchem Markt zu einem steigenden Liquiditätsrisiko für die Bank führen könnte. Diese relative Unabhängigkeit kann in Krisenzeiten, wie bei den Sparkassen, Domino-Effekte verhindern und wirkt deswegen stabilisierend auf das gesamte Finanzsystem. Neben der Stabilitätserhaltung betreffen die Interessen des Stakeholders „Finanzsystem“ auch eine Unterstützung der Geldpolitik. Die Analyse dieser Funktion bei Sparkassen hat hervorgehoben, dass ihre institutionelle und gesetzliche Gestaltung eine Internalisierung von wirtschafts- und geldpolitischen Zielen ermöglicht. Eine 450 451

Vgl. IMF (2011b), S. 13. Vgl. Norden/Weber (2010), S. 69 ff.

150

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

solche Internalisierung ist bei Genossenschaftsbanken aufgrund ihrer privaten Rechtsform nicht möglich. Dies führt dazu, dass die Unterstützung der Geldpolitik in Abhängigkeit von Rentabilitätskalkülen erfolgt und deswegen das Verfolgen solcher Ziele außer Betracht lässt. In dieser Hinsicht ähneln Genossenschaftsbanken den privaten Banken und man könnte von einem ähnlichen Verhalten dieser Bankengruppen ausgehen. Reichel (2011) widerspricht aber dieser Vermutung und zeigt, dass im Zeitraum 2006-2011 trotz Finanzkrise und negativem Wirtschaftswachstum die Kreditvergabe von Kreditgenossenschaften stärker gewachsen ist als bei Sparkassen und Privatbanken. Reichel begründet dies mit der langfristigen Orientierung der Geschäfte, der soliden Refinanzierungsbasis und der Notwendigkeit einer stabilen Ertragslage. Insgesamt führen diese drei Merkmale dazu, dass auch Genossenschaftsbanken Anreize für eine Unterstützung der Geldpolitik besitzen und deswegen in einer reduzierten Form den Interessen des Stakeholders „Finanzsystem“ entgegenkommen.452 Insgesamt kann man auch bei Genossenschaftsbanken davon ausgehen, dass die Interessen an einem stabilen Finanzsystem berücksichtigt werden; dies ergibt sich sowohl aus einer Fokussierung auf langfristige Ertragsziele und aus einer ausgeprägten Risikoaversion. Gleichzeitig unterscheiden sich die Genossenschaftsbanken deutlich von Sparkassen, was die Unterstützung von wirtschafts- und geldpolitischen Zielen angeht, wobei das von Reichel (2001) beschriebene Verhalten von Genossenschaftsbanken während der letzten Finanzkrise diesen Unterschieden widerspricht.453 Die ursprünglichen Gründungsmotive von Genossenschaftsbanken und ihre reine Ausrichtung auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse ihrer Mitglieder haben sich der zeitlichen Entwicklung der Gesellschaft angepasst.454 Obwohl einige Autoren sich grundsätzlich gegen die Gemeinnützigkeit von diesen Instituten aussprechen und dem privatwirtschaftlichen Charakter gegenüber wohlwollenden Absichten den Vorrang geben,455 hat die obige Analyse zusätzliche Aspekte hervorgehoben. Heute werden bei der genossenschaftlichen Geschäftspolitik auch andere Stakeholder berücksichtigt. Das eigennützige Streben nach wirtschaftlicher Sicherheit und Wohlstand erfolgt daher nicht aus rein privaten Interessen, sondern kann auch dem Gemeinwohl dienen. In der oben durchgeführten Untersuchung erfolgt eine Umwandlung des allgemeinen Begriffs „Bedienung des Gemeinwohls“ in die Befriedigung von konkreten Stakeholder-Ansprüchen, um damit einen Vergleich der Gemeinwohlorientierung des Förderungs- und des öffentlichen Auftrags zu ermöglichen. Die Ergebnisse zeigen ein gemischtes Bild. Auf der einen Seite gibt es 452

Vgl. Reichel (2011), S. 960f. Ebda. Vgl. Gleber (2006), S. 5. 455 Vgl. beispielhaft Jäger (2000), S. 78 ff. 453 454

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

151

Überschneidungen zwischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken in der Erfüllung der Interessen der Stakeholder „Bevölkerung“, „Kundschaft“, „Mitarbeiter“, „Regionale Wirtschaft“ und „Finanzsystem“. Insbesondere bei der Gewährleistungs-, der Wettbewerbs-sicherungs- und der Struktursicherungsfunktion erbringen Genossenschaftsbanken Sparkassen-ähnliche Leistungen. Auf der anderen Seite sind die Auswirkungen der Fokussierung des Förderungsauftrages auf die Mitglieder ersichtlich, sie garantieren, dass einige Leistungen nur für diese Gruppe erbracht werden – insbesondere bei der Beziehung mit öffentlichen-rechtlichen Körperschaften und bei der Unterstützung der Geldpolitik. Mit Bezug auf beide Stakeholder dominiert das Streben nach Eigennutzen die Erfüllung gemeinnütziger Zwecke. Insgesamt aber kann man davon ausgehen, dass die genossenschaftliche Struktur im Vergleich zu den rein gewinnorientierten Banken die unterschiedlichen Stakeholder-Ansprüche besser berücksichtigt. Dies liegt sowohl an ihrem Förderungsauftrag als auch an ihrer genossenschaftlichen Struktur.456 4.2.5. Zwischenfazit Die Analyse des öffentlichen Auftrags der deutschen Sparkassen stellt einen ersten Schritt dar, eine Verbindung zwischen den theoretischen Ansätzen zur Rechtfertigung öffentlicher Banken und der tatsächlich praktizierten Regelung am Beispiel Deutschlands herzustellen. Die Untersuchung der Elemente des öffentlichen Auftrags unter historischen und gesetzlichen Aspekten verdeutlicht, dass der öffentliche Auftrag einen zum gewinnmaximierenden alternativen Ansatz für die Durchführung von Bankgeschäften verkörpert. Diesem Ansatz gemäß sollten Bankgeschäfte nicht mehr der Maximierung des Eigentümergewinns dienen, sondern wichtige gemeinnützige Funktionen in der heutigen Gesellschaft unterstützen.457 Die Aufgaben der Sparkassen haben sich im Lauf der Geschichte an die sich ständig entwickelnden Anforderungen der Wirtschaft und der Gesellschaft angepasst. Ihrer ursprünglichen Ausrichtung auf die finanzielle Versorgung der öffentlichen Hand und der ärmsten Bevölkerungsschichten wurden ständig neue Elemente hinzugefügt, was das Aufgabenspektrum deutlich vergrößert und dadurch Sparkassen in Universalbanken umgewandelt hat. Heutzutage konkurrieren Sparkassen in vielen Bereichen mit anderen Banken und bieten eine komplette Palette an Finanzprodukten an, welche sich auf dem ersten Blick kaum von dem Angebot anderer Banken unterscheidet.458 Das Alleinstellungsmerkmal der Sparkassen besteht da456

Ebenfalls in der weltweiten Untersuchung von Shleifer/Vishny (1997) wird gezeigt, dass die besondere Struktur von Genossenschaften zu einer besseren Bedienung der Stakeholder gegenüber gewinnmaximierenden Unternehmen führt. Vgl. Shleifer/Vishny (1997), S. 767. 457 Vgl. Dehe (1982), S. 210 und Keßler (1982), S. 180. 458 Vgl. Wagner-Braun (2010), S. 31 ff.

152

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

her nicht mehr in ihren Produkten oder in einer besonderen Kundschaft, sondern in der Ausprägung ihrer Verpflichtung zur Erfüllung des öffentlichen Auftrags auf ihre Geschäftspolitik. Eine zeitgemäße Interpretation dieser Verpflichtung und eine Analyse ihrer Bestandteile werden daher notwendig, um die Besonderheiten dieser Institute hervorzuheben. Ein wichtiger Schritt der Analyse des öffentlichen Auftrags betrifft seine gesetzliche Regulierung. Dafür erfolgte ein Vergleich der Vorgaben aus den Sparkassengesetzen der verschiedenen Bundesländer mit Fokus auf die verschiedenen Bestandteile dieses Auftrages. Es zeigt sich, dass, obwohl alle untersuchten Gesetze Sparkassen zur Erfüllung des öffentlichen Auftrags verpflichten, bemerkbare Unterschiede sowohl bezüglich der betroffenen Subjekte als auch bezüglich der Konkretisierung der Aufgaben bestehen. Bei den deutschen Sparkassen kann deswegen nur teilweise von einer einheitlichen Regelung des öffentlichen Auftrags auf Bundesebene gesprochen werden. Dies hat einerseits den Vorteil, dass jede einzelne Sparkasse flexibler auf die Bedürfnisse ihrer Umgebung reagieren kann. Andererseits entsteht aber auch der Nachteil, dass die Einheitlichkeit abnimmt. Die Notwendigkeit einer transparenten Regelung des öffentlichen Auftrags hat sich im Kapitel 3 als Voraussetzung dafür profiliert, eine politische Nutzung öffentlichen Banken zu vermeiden, sodass sich jetzt die Frage stellt, ob die aktuelle Regelung des öffentlichen Auftrags in Deutschland noch eine ausreichende Transparenz gewährleistet. Eine größere Transparenz würde wahrscheinlich das Ergebnis einer einheitlichen Gesetzgebung auf Bundesebene sein. Insbesondere sollte neben den allgemeinen gesetzlichen Verpflichtungen auch eine stärkere Konkretisierung der Vorgaben erfolgen, welche ständig den Marktentwicklungen anzupassen sind. Dies würde es erleichtern, die Erfüllung solcher Vorgaben zu bewerten und Missbrauch zu bekämpfen. Nicht nur die gesetzlichen Vorgaben über die Bestandteile des öffentlichen Auftrags beeinflussen die Verfolgung gemeinnütziger Ziele, sondern auch die über ihre Stellung innerhalb des Bankenmarktes. Innerhalb der Sparkassengesetze wird diesbezüglich die Verpflichtung zur Berücksichtigung der Markt- und Wettbewerbserfordernisse festgelegt, welche im Laufe der Zeit an Bedeutung gewonnen hat. Der steigende Wettbewerbsdruck führte dazu, dass Sicherungsziele wie die Rentabilität für das Überleben der Sparkassen wesentlich geworden sind und zusammen mit den Auftragszielen eine wichtige Rolle einnehmen.459 Dementsprechend befindet sich die Geschäftspolitik der Sparkassen in einer komplexen Lage, da betriebswirtschaftliche und auch gemeinnützige Kriterien gleichzeitig eingehalten werden müssen.

459

Vgl. Güde (1982), S. 229.

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

153

Um dieser Komplexität gerecht zu werden, muss eine zeitgemäße Interpretation der Aufgaben aus dem öffentlichen Auftrag erfolgen. Dabei werden sowohl die aus der gesetzlichen Regulierung herleitbaren Funktionen als auch die tatsächliche Umsetzung der Geschäftspolitik berücksichtigt. Weil beide Aspekte schwer voneinander trennbar sind, erfolgt keine Analyse der einzelnen Funktionen. Es werden dagegen in Anlehnung an Brämer et al. (2010) die Ansprüche der unterschiedlichen Sparkassen-Stakeholder definiert und jeweils ihre Berücksichtigung untersucht.460 Die Ergebnisse der Analyse zeigen, dass die Existenz von Sparkassen den Interessen mehrerer Stakeholder nachkommt. Die finanzielle Versorgung der unterschiedlichen Bevölkerungsschichten, aber auch die Flächendeckung wird durch ein bundesweites Angebot konkurrenzfähiger Produkte gewährleistet. Zusätzlich wird dadurch eine ausgeglichene Wirtschaftsstruktur und ein wettbewerblicher Bankenmarkt gefördert, was Kunden und regionaler Wirtschaft entgegenkommt. Die enge Verflechtung mit den lokalen Interessen, welche sich aus dem regionalen und beziehungsbasierten Geschäftsmodell ergibt, hat stabilisierende Auswirkungen für die lokalen Unternehmen und indirekt auch für das Finanzsystem. Auch die Rolle als finanzieller Partner von öffentlich-rechtlichen Körperschaften erlaubt die Realisierung von unter sozialen Gesichtspunkten wichtigen öffentlichen Projekten, welche ansonsten aufgrund ihrer meist schwachen Rentabilität von privaten Banken keine Finanzierung bekommen würden. Zusammenfassend ist festzustellen, dass Sparkassen heute trotz zunehmender betriebswirtschaftlicher Orientierung gemeinnützliche Aufgaben leisten und damit dem Gemeinwohl dienen. Diese Aufgaben würden dagegen von den privatrechtlichen und rein gewinnorientierten Kreditinstituten nicht gewährleistet, da ihr Ziel der Gewinnmaximierung inkompatibel zur Wahrnehmung vieler gemeinnütziger Vorteile ist.461 Um der Frage nachzugehen, ob die Bedienung der Interessen der betrachteten Stakeholder nur durch Sparkassen oder auch durch Genossenschaftsbanken erfolgen kann, wurde die gleiche Analyse für Genossenschaftsbanken durchgeführt. Diese unterscheiden sich von Privatbanken dahingehend, dass sie ihre Geschäftspolitik nicht auf die Gewinnmaximierung, sondern auf die Mitgliederförderung ausrichten. Trotz dieser unterschiedlichen Zielstellung sind Genossenschaftsbanken privatrechtliche Kreditinstitute, welche nicht gemeinnützlichen Aufgaben verpflichtet sind und keinen Förderungsauftrag erfüllen müssen. Dennoch werden einige gemeinnützliche Aufgaben als indirekte Konsequenz der Mitgliederförderung, des regionalen Charakters und der Eigentümerstruktur erledigt. Damit ergeben sich an einigen Stellen Überschneidungen zwischen Genossenschaftsbanken und Sparkassen, was dazu führen kann, dass das öffentliche Eigentum von Sparkassen infrage 460 461

Vgl. Brämer et al. (2010), S. 311. Ebenfalls Tischer (2011) kommt in seiner Analyse zu einer ähnlichen Schlussfolgerung und rechtfertigt damit den öffentlichen-rechtlichen Status von Sparkassen. Vgl. Tischer (2011), S. 133 f.

154

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

gestellt wird. Die Überschneidungen betreffen aber nicht alle Bereiche und manche Stakeholder-Ansprüche werden ausschließlich durch Sparkassen befriedigt. Insbesondere die Versorgung schwacher Bevölkerungsgruppen und die Finanzierung öffentlicher und wenig rentabler Projekte können nur dank der Existenz von Sparkassen erfolgen.462 Genossenschaftliche Institute würden aufgrund ihrer geschäftspolitischen Orientierung solche Aufgaben nicht übernehmen, sodass die sozialen Vorteile aus ihrer Umsetzung verschwinden würden. Insgesamt kann bezogen auf die deutschen Sparkassen behauptet werden, dass ihre Geschäftstätigkeit viele gemeinsame Elemente mit den verschiedenen Ansätzen zur Rechtfertigung von öffentlichen Banken aufweist. Die Funktionen von öffentlichen Banken, welche sich aus dem „Social View“, aus dem „Development View“ und aus dem „Macroeconomic View“ ergeben, finden durch die Erfüllung des öffentlichen Auftrags und das Verfolgen einer besonderen Geschäftspolitik ihre praktische Umsetzung innerhalb des deutschen Bankenmarktes. Das öffentliche Eigentum der Sparkassen ermöglicht damit, soziale und makroökonomische Aufgaben zu erfüllen, welche von den privaten Banken nicht oder von Genossenschaftsbanken nur teilweise erfüllt worden wären. Der nächste Abschnitt befasst sich mit dem italienischen Bankenmarkt und hier insbesondere mit der Regelung der sozialen Aufgaben von italienischen Sparkassen und ihren Stiftungen. Aufgrund der vollzogenen Privatisierung kann man bei italienischen Sparkassen nicht mehr von einem öffentlichen Auftrag sprechen, sondern vielmehr von einem sozialen Auftrag. Der Verlauf der Analyse ähnelt dem dieses Kapitels. Zunächst erfolgt eine Darstellung der historischen Entwicklung in Bezug auf die soziale Dimension des Sparkassengeschäftes, anschließend wird die aktuelle Gesetzgebung geschildert. Letztlich wird untersucht, inwieweit die Ansprüche unterschiedlicher Stakeholder heute im Geschäftsfeld der Sparkassen und ihren Stiftungen berücksichtigt werden.

4.3 Der soziale Auftrag innerhalb des italienischen Stiftungsmodells Die Notwendigkeit eines Stiftungsmodells zur Regelung der Eigentumsverhältnisse italienischer Sparkassen resultierte daraus, dass in den 80er Jahren der politische Einfluss auf das Management italienischer Banken immer größer wurde. Es war die Rede von einer Kolonisation des Bankensystems, in dem öffentliche Ban462

Vgl. Gischer (2005), S. 38.

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

155

ken immer mehr für die Unterstützung politischer Ziele missbraucht wurden.463 Mehr als zwei Drittel des Kreditmarktes war in öffentlichem Besitz, wobei hier zwischen nationalen und lokalen Kreditinstituten unterschieden werden muss. Die Mehrheit der nationalen Kreditinstitute besaß entweder die Rechtsform einer öffentlichen Wirtschaftskörperschaft oder einer privaten Gesellschaft unter indirekter staatlicher Kontrolle. Auf lokaler Ebene traten Sparkassen fast als Monopolisten ihres Kompetenzgebietes auf und waren ebenfalls als öffentliche Wirtschaftskörperschaft tätig. Die starke Verbreitung des öffentlichen Eigentums hatte zur Entstehung eines oligopolähnlichen Bankenmarktes geführt, in dem nahezu kein Wettbewerbsdruck mehr herrschte. Der Markt war stark segmentiert, was eine große Spanne zwischen Aktiva- und Passivazinssätzen und somit einen überproportionalen Gewinn ermöglichte.464 In den 80er Jahren geriet dieses System jedoch ins Wanken, einerseits durch den Reformdruck aus der Europäischen Gemeinschaft, andererseits durch politische Skandale. Der daraus entstehende Privatisierungsprozess führte zur Entstehung von sogenannten Bankstiftungen, auf die das Eigentum ehemaliger öffentlichen Banken übertragen wurde.465 Den Privatisierungsplänen entsprechend sollten neugegründete Bankstiftungen schnellstmöglich von den Bankbeteiligungen befreit werden. In der Realität dagegen zog sich der Verkaufsprozess lange hin und ist zum Teil heute noch nicht vollständig abgeschlossen. Aufgrund des beträchtlichen Ausmaßes der Bankbeteiligungen waren dabei wichtige Kriterien zu berücksichtigen, so zum Beispiel das Interesse an der Aufrechterhaltung des Bankensektors in italienischen und nicht in internationalen Händen sowie die Schwierigkeiten des Verkaufs an private Investoren zu angemessenen Preisen. Zusätzlich war zur Sicherung einer langfristigen Stabilität notwendig, dass ausreichende institutionelle Anleger daran teilgenommen hätten.466 Dieser Aspekt hat innerhalb der letzten internationalen Finanzkrise an Bedeutung zugenommen, da viele Banken aufgrund der erheblichen Verluste und zunehmender Eigenkapitalanforderungen einen neuen Kapitalzufluss benötigten. Dieser Zufluss wurde meistens von den Bankstiftungen geleistet und hat deren Rolle in den Entscheidungsprozessen der größten italienischen Banken gefestigt. Auf diese Weise wurde die Absicht, sich aus dem Bankgeschäft zurückzuziehen, praktisch aufgegeben.467 Die italienischen Bankstiftungen befinden sich heute in einem Konflikt zwischen ihrer gemeinwohlorientierten und ihrer bankbetriebswirtschaftlichen Orientierung. 463

Vgl. Zagrebelski (2011), S. 232. Der Missbrauch von öffentlichen Banken für das Erreichen politischer Ziele ist Gegenstand des Political View. S. dazu Kap. 3.4. Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 10. 465 Ebda. 466 Vgl. Zagrebelski (2011), S. 233. 467 Vgl. Zagrebelski (2011), S. 245. 464

156

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

Einerseits erfolgte die Konkretisierung ihrer gemeinnützigen Ziele erst im Nachhinein, auf gesetzlichen Druck und mit vielen Schwierigkeiten und Unsicherheiten. Andererseits ist die zunehmende Beteiligung am italienischen Bankensektor ein Indiz dafür, dass diese enge Beziehung keine Übergangslösung darstellt, sondern die Investitionspolitik italienischer Bankstiftungen beträchtlich prägt.468 Diese Entwicklung ist nicht nur der Suche nach zuverlässigen und langfristorientierten Anlegern geschuldet, sondern auch dem Willen der Politik, Einfluss auf die Großbanken zu nehmen. Der Versuch, mit der Privatisierung und den Stiftungsmodellen den politischen Einfluss zu beseitigen, ist teilweise gescheitert. Die Kontrolle und die Aufteilung nach parteipolitischer Zugehörigkeit wichtiger Führungspositionen innerhalb des Bankensektors erfolgt nicht mehr direkt, sondern indirekt durch Anwendung von Bankstiftungen als Übertragungsinstrument der politischen Kontrolle auf den Bankensektor.469 Obwohl sie formell als privates Rechtssubjekt auftreten, sind Bankstiftungen praktisch eine Mischform zwischen privatem und öffentlichem Subjekt, was unter einem großen politischen Einfluss leidet und einen unklaren sozialen Auftrag erfüllen muss.470 Die Intransparenz darüber, dass Bankstiftungen für politische Zwecke missbraucht werden, spricht ihnen die Unabhängigkeit und die Rechtfertigung für die Verwaltung großer Geldvermögen ab. Die Umsetzung ihrer Ziele erfolgt in verzerrter Form, sodass sie nicht mehr als Träger einer sozialen Verantwortung in Bezug auf die Mitglieder ihrer Gemeinschaft dienen und somit weit entfernt von einer wirklichen Stiftung sind. Letztendlich befinden sich italienische Bankstiftungen in einem imperfekten und unklaren Zustand, was den Institutionen mit eigennützigen Absichten zugute kommt.471 Nachfolgend wird die historische Entwicklung der italienischen Sparkassen mit Schwerpunkt auf deren Eigentumsverhältnissen geschildert. Danach werden die aktuellen gesetzlichen Bestimmungen des sozialen Auftrages analysiert, unter Berücksichtigung der Selbstgesetzgebung. Im dritten Teil erfolgt eine zeitgemäße Interpretation des sozialen Auftrages; dafür wird untersucht, inwieweit die Interessen verschiedener Stakeholder berücksichtigt werden. Um einen Vergleich mit den deutschen Sparkassen zu ermöglichen, werden die gleichen Stakeholder wie im Kapitel 4.2.3 herangezogen.

468

Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 13. Vgl. Zagrebelski (2001), S. 254 f. Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 13. 471 Vgl. Zagrebelski (2001), S. 256 f. 469 470

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

157

4.3.1 Historische Entwicklung der italienischen Sparkassen Die Gründung der ersten italienischen Sparkassen erfolgte auf Initiative des österreichischen Innenministeriums ca. um das Jahr 1820, wodurch in den heutigen Regionen Veneto und Lombardei die ersten Sparkassen entstanden.472 In den folgenden Jahrzehnten kamen dank der Initiative von verdienstvollen Bürgern oder von kirchlichen Einrichtungen auch privat gegründete Sparkassen hinzu, in Form eines Vereins oder in Form einer Stiftung. Die Vereinsform betraf ausschließlich die privat gegründeten Sparkassen: Bürger zahlten einen eigenen Anteil bei der Gründung ein und nahmen danach aktiv an den Betriebsentscheidungen durch die Mitgliederversammlung teil. Dieses Modell – auch französisches Modell genannt – wurde hauptsächlich in Zentralitalien verwendet. In Norditalien war dagegen die Stiftungsform verbreitet, wobei öffentliche oder kirchliche Einrichtungen die notwendige Vermögensausstattung einzahlten und die Mitglieder des Verwaltungsrates beriefen.473 Die Gründe für die Schaffung von Sparkassen waren kultureller, wirtschaftlicher und politischer Natur. Die wohlhabendsten Bevölkerungsschichten waren über die zunehmende Armut besorgt und orientierten sich an philanthropischen Idealen aus der aufklärerischen Tradition. Die Ersparnis wurde nach dem Mittelalter ideologisch rehabilitiert und als notwendiger Faktor für den sozialen Fortschritt angesehen. In wirtschaftlicher Hinsicht wurde die Gründung von Sparkassen als zusätzliches Instrument für die Kapitalsammlung betrachtet. Die ständige und fortlaufende Wandlung von Gesellschaft und Wirtschaft im Rahmen der industriellen Revolution ließen das Bedürfnis nach Kapital zur Finanzierung der ständig steigenden Investitionen anwachsen. Ersparnisse privater Personen konnten hier einen Teil der notwendigen finanziellen Investitionen vornehmen und so die Entwicklung der Industrie fördern. Politische Gründe spielten auch eine Rolle: Die Förderung des Sparsinns wurde als Instrument für die Verbindung von unterschiedlichen Gesellschaftsschichten und dadurch zur Reduzierung sozialer Spannungen angesehen.474 Ende des 19. Jahrhunderts, nach Abschluss des italienischen Einigungsprozesses, reformierte der ehemalige Ministerpräsident Francesco Crispi durch den Erlass des Sparkassen-Sondergesetzes 5546/1888 den Bankensektor. Sein Ziel bestand in der Zentralisierung der Kontrolle über private Tätigkeiten, welche mit der Ausübung einer öffentlichen Aufgabe verbunden waren. Dabei wurden sowohl die Organisation als auch das Aufgabenspektrum der Sparkassen definiert und es wurde eine Trennung von der ursprünglichen gemeinnützigen Zielsetzung vorgenommen. Die Geschäftsführung der Sparkassen wurde dem Einfluss der Gründer und anderer 472 473 474

Vgl. Losana (2011), S. 53. Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 20 f. und Losana (2011), S. 59. Vgl Losana (2011), S. 54 ff.

158

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

privaten Interesse entzogen und alle Sparkassen bekamen den Status einer unabhängigen juristischen Person. Die Geschäftsführer konnten nicht mehr belohnt werden, es wurden neue Kontrollmechanismen eingeführt und die Wohltätigkeit rückte in den Hintergrund. Damit wurden die notwendigen Vorbedingungen für die Verstaatlichung geschaffen.475 In der Ära des Faschismus erlebte der italienische Bankensektor eine neue Regulierungswelle. Die königlichen Gesetzverordnungen r.d.l. 1830/1926 und r.d.l. 269/1927 betonten sowohl die bankwirtschaftliche als auch die autoritäre Komponente der existierenden Sparkassenregelung. Sparkassen wurden als Banken zur Bedienung der lokalen Gemeinschaft definiert, das Wirtschaftsministerium bekam die Macht zur Modifizierung der Satzung und zur Einstellung des Verwaltungsrates.476 Die Ereignisse der Bankenkrise aus dem Jahr 1929 gaben Anlass zu einer sehr umfangreichen Reform des italienischen Bankensystems, welche sich in der königlichen Gesetzverordnung r.d.l. 375/1936 konkretisierte. Diese Reform zielte auf die Einführung einer Governance-Struktur, welche die Unabhängigkeit der Kreditallokation von dem Einfluss großer Unternehmen sichern könnte. Mit dieser neuen Verordnung wurden viele Aufgaben vom privaten Sektor auf den Staat übertragen und die Prinzipien des Korporativismus eingeführt. Die öffentlichen Kontrollen auf die Banken wurden verstärkt und das Betreiben des Bankgeschäftes als Staatsinteresse definiert. Zusätzlich wurde das Spezialisierungsprinzip eingeführt, welches zwischen kurzfristigen und mittel-/langfristigen Kreditinstituten trennte und die Entstehung eines verwalteten Oligopols förderte.477 Sparkassen wurden als Kreditinstitute erfasst und der allgemeinen Bankregelung unterworfen, wodurch sie als öffentlich-rechtliche Kreditinstitute bestätigt und endgültig von ihrem Ursprung als exklusive wohltätige Institution getrennt wurden.478 Einerseits wurde der Schutz der ärmeren Bevölkerungsschichten durch die Aufnahme innerhalb der allgemeingültigen Bankenregelung allen Banken verschrieben, andererseits wurde durch die Erlaubnis zur Verwendung der gesammelten Ersparnisse für die Kreditvergabe eine vollständige Umwandlung der Sparkassen in Kreditinstitute umgesetzt.479 Die oben dargestellte Bankregelung blieb vom Sturz des faschistischen Regimes und von der folgenden Einführung eines demokratischen Grundgesetzes unbeeinflusst, sodass öffentliche Banken bis in die 80er Jahre hinein eine dominierende Stellung innerhalb des italienischen Finanzsystems innehatten. Die ursprüngliche gemeinwohlorientierte Zielorientierung der Sparkassen war Ende der 80er Jahre 475

Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 22 f. Vgl. Losana (2011), S. 96. Vgl. Losana (2011), S. 98. 478 Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 30 f. 479 Vgl. Merusi (2004), S. 470. 476 477

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

159

nahezu vollständig verschwunden. Den gesetzlichen Regelungen gemäß könnten Sparkassen maximal 10 % ihres Gewinnes für Wohltätigkeitsprojekte einsetzen; diese Möglichkeit wurde in einer unternehmerischen Logik als Marketinginstrument für die Verstärkung der Kundenbindung angewandt.480 Das italienische Bankensystem geriet sowohl aufgrund interner finanzieller Probleme als auch aufgrund des von der europäischen Gemeinschaft initiierten Liberalisierungsprozesses in eine Krise, in der öffentliche Banken ihre praktische Monopolstellung zusammen mit der ausgeprägten Renditeerzielung aus der Marktsegmentierung verloren. Der Wegfall dieser kompetitiven Vorteile, wozu auch die zentralisierte Kontrolle der Schaltereröffnung gehörte, machte die Schwächen italienischer Banken deutlich. Insbesondere wurden die operativen Einschränkungen aus der gleichzeitigen Ausübung von Bankgeschäften und anderen öffentlichen Aufgaben und die fehlende Möglichkeit zur Fusionierung als beträchtliches Hindernis erkannt.481 Um diesen Schwächen entgegenzuwirken und das Bankensystem zu reformieren, unternahm die italienische Aufsichtsinstitution Banca d´Italia einen „Moral suasion“-Ansatz; dieser ergab sich aus ihrem guten Ansehen und aus der Inspektionskontrolle. Die Banca d´Italia veröffentlichte 1981 und 1988 zwei Weißbücher mit Reformvorschlägen für eine Umgestaltung der Entscheidungsmechanismen öffentlicher Banken. Das erste Weißbuch schlug Banken die Trennung in ein beschließendes und ein leitendes Organ nach dem Modell der deutschen Aktiengesellschaft sowie die Emission von atypischen Wertpapieren vor, um ein Eingreifen privater Subjekte in die Geschäftsführung zu ermöglichen. Das zweite Buch erweiterte perspektivisch die Reichweite der Selbstreform bis hin zur Gründung einer unabhängigen Aktiengesellschaft aus der Ausgliederung des Bankbetriebs. Laut den Empfehlungen sollte der Bankbetrieb einer für diesen Zweck neu zu gründenden Aktiengesellschaft übergeben werden, wobei deren Anteile fast vollständig im Besitz der öffentlichen Körperschaft bleiben würden. Die Körperschaft würde damit eine reine Holding werden und nicht mehr das Bankgeschäft ausüben. Trotz der Attraktivität dieser Lösung für die betroffenen Banken existierten steuerliche Hindernisse für die Umsetzung, welche sich hauptsächlich aus der Bewertung und Besteuerung von Wertsteigerungen ergaben.482 Die fehlenden Auswirkungen des „Moral suasion“ und des wachsenden Drucks aus der Europäischen Gemeinschaft machten eine gesetzliche Intervention für die Umsetzung der Empfehlungen aus dem zweiten weißen Buch notwendig. Das Gesetz Amato/Carli (lg. 218/1990) setzte die sogenannte „Kalte Privatisierung“ 480 481 482

Vgl. Merusi (2004), S. 471. Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 32 ff. Vgl. Merusi (2004), S. 474 f.

160

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

um.483 Damit sollte erreicht werden: eine Anpassung des italienischen Bankensystems an die europäische Gesetzgebung, eine Modernisierung des Bankensystems mit Einführung einer ausgeprägteren unternehmerischen Orientierung, die Förderung einer Rekapitalisierung und die Bildung von Wettbewerbsbedingungen innerhalb des Kreditmarktes.484 Die „kalte Privatisierung“ sah zwei unterschiedliche Möglichkeiten für die rechtliche Umwandlung öffentlicher Körperschaft in eine Aktiengesellschaft vor: Sparkassen mit einer Vereinsstruktur wurde eine direkte Umwandlung der Körperschaft in eine Aktiengesellschaft vorgeschrieben. Bei Sparkassen mit einer Stiftungsform wurde der Umwandlungsprozess unterschiedlich ausgestaltet. In diesem Fall wurde der Bankbetrieb einer neu gegründeten Aktiengesellschaft zugewiesen und ihr Besitz der existierenden öffentlichen Körperschaft zugeordnet. Trotz Abspaltung des Bankbetriebs von der öffentlichen Körperschaft und der Qualifikation der Körperschaften als private juristische Personen ohne Gewinnerzielungsabsicht wurde die Verbindung zwischen der Bank und der Stiftung nicht gebrochen. Es blieb bei einer strengen Regelung der Beteiligung, welche sich von den Nominierungsrechten des Verwaltungsrates bis hin zu den Geschäftsbereichen und der Auszahlung von Beitragen zur Förderung von wohltätigen oder sozialen Projekten erstreckte.485 Zusätzlich verpflichtete das Gesetz die Regierung zur Aufrechterhaltung der Kontrolle über die neu gegründeten Aktiengesellschaften und sah nur in Ausnahmefällen die Möglichkeit einer Abweichung vor.486 Mit dem Ziel der Vorbereitung auf eine „warme Privatisierung“ erfolgte während der Reformumsetzung eine Änderung in der Zweckfestlegung. Ziel war nicht mehr die Erschaffung einer renditeorientierten öffentlichen Holding, sondern die Verwendung dieser Holding für gemeinwohlorientierte Zwecke. Die besitzende Körperschaft besaß die Form einer Stiftung, welche sich an der ursprünglichen fürsorglichen und wohltätigen Funktion der Sparkassen orientierte.487 Der Besitz einer Beteiligung an der Bankgesellschaft sollte nach dieser neuen Interpretation nur dem Zweck einer Renditeerzielung für die Finanzierung gemeinnütziger Projekte dienen, sodass die Stiftung die ursprünglichen Aufgaben der Sparkassen im sozialen Bereich übernehmen könnte. Stiftungen sollten demnach hauptsächlich im Wirtschafts-, Ausbildungs-, Kunst- und Gesundheitsbereich tätig sein und gleichzeitig die einkommensschwachen Bevölkerungsschichten fördern, wobei die jeweilige Satzung die Konkretisierung der Interventionsfelder näher definieren musste. Die Übernahme dieser Aufgaben könnte die Banken von Funktionen befreien, welche in keiner direkten Verbindung zum Bankgeschäft standen.488 483

Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 38 f. Vgl. Postigliola (2007), S. 145 ff. Vgl. Marcenó (2011), S. 101 f. Für eine Darstellung der Social Responsibility s. Kap. 4.3.2. 486 Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 42 f. 487 Vgl. Merusi (2004), S. 476. 488 Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 47. 484 485

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

161

Es bestand allerdings Unklarheit über die Ausrichtung und die Ausgestaltung der Bankstiftungen, da diese ex novo gegründet worden waren. Obwohl auch die konferierenden Körperschaften vor der Privatisierung im begrenzten Ausmaß eine fürsorgliche und wohltätige Funktion erfüllt hatten, betraf diese die Ersparnissammlung oder die Kreditvergabe. Aus diesem Grund war laut einiger Autoren die Stiftung nicht das geeignete Modell für die Privatisierung.489 So hatten alle Stiftungen alle möglichen Einsatzbereiche in ihre Satzung aufgenommen und damit die bestehenden Sponsoring-Projekte fortgeführt. Zusätzlich war bis zum Erlass einer neuen Bankverordnung im Jahr 1993 nicht genau festgelegt, ob die neuen Sparkassen privater oder öffentlich-rechtlicher Natur waren.490 Letztendlich konnte man zwischen zwei Stiftungsarten in Bezug auf ihren Ursprung unterscheiden: Die erste Art beinhaltete diejenigen Bankstiftungen, welche diese Form schon vor der Verstaatlichung besaßen und hauptsächlich an den Sparkassen beteiligt waren. Die zweite Art dagegen betraf neu gegründete Stiftungen, welche an den großen italienischen Banken beteiligt waren und in der Vergangenheit noch nie wohltätige Zwecke verfolgt hatten.491 Die Ereignisse der Finanzkrise im Jahr 1992 und die folgenden Maßnahmen zur Reform der Staatsfinanzen erzwangen eine Beschleunigung des Privatisierungsprozesses.492 Dabei übersprang die Regierung die Einschränkungen aus der Verordnungsermächtigung und schrieb den Bankstiftungen eine Diversifikation ihrer Investitionen innerhalb von fünf Jahren vor, welche notwendigerweise zum Verlust der Mehrheit in der Bankgesellschaft geführt hätte. Die Trennung sollte sowohl die Bank-Stiftung als auch die Staat-Stiftung-Beziehung betreffen. Problematisch war jedoch die Festlegung der Einsatzbereiche der Stiftungen, welche einen hohen Grad an Uneinheitlichkeit aufwiesen. Es wurde dabei deutlich, dass die Regierung unsicher über die konkrete Rolle der Stiftungen war: Diese sollten gleichzeitig den Sozialstaat bei der Erfüllung seiner Aufgabe unterstützen, die Rolle der institutionellen Anleger annehmen und Non-Profit-Funktionen erledigen. Es war deswegen eine weitreichende Reform der Bankstiftungen notwendig, um die Reorganisations- und Konzentrationsprozesse innerhalb des Bankensystems zu fördern. Dabei sollten auch der soziale Auftrag und die Struktur der Bankstiftungen besser definiert werden, sodass sowohl eine klare private Rechtsform

489

Vgl. Merusi (2004), S. 471 ff. Vgl. d.lgs. 285/1993. Vgl. Merusi (2004), S. 462. 492 Im September 1992 fiel die italienische Währung im Rahmen einer spekulativen Attacke, was zum Ausschluss der Lira aus dem europäischen Währungssystem und ihrer Abwertung um 25 % führte. Die Staatsverschuldung wurde dadurch unerträglich und machte die Umsetzung einer Reform der Staatsfinanzen für die Vermeidung einer Staatspleite dringend notwendig. Vgl. Onado (2004), S. 448 ff. 490 491

162

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

als auch eine größere Unabhängigkeit von der Politik gewährleistet werden können.493 Diese Reform wurde durch das Gesetz Ciampi (lg. 461/1998) umgesetzt. Die Stiftungen wurden als juristische Privatpersonen ohne Gewinnerzielungsabsicht definiert, welche über eine vollständige statutarische Autonomie verfügten. Ihre Tätigkeit sollte gemeinnützigen Zielen dienen und den wirtschaftlichen Fortschritt fördern. Die neue Regulierung zielte auch auf die Trennung der Verbindung zwischen den Stiftungen und dem Bankensektor: Der Verkauf der Kontrollbeteiligungen wurde durch Steuererleichterungen mit einem vierjährigen Zeitfenster gefördert. Trotz der Vergabe einer privatrechtlichen Rechtsform verblieb eine öffentliche Kontrolle in Bezug auf die Organisation, auf die Struktur und auf die Tätigkeit der Stiftungen. Insbesondere die Gewinnverwendung und die Vermögensinvestitionen wurden streng geregelt. Demnach durften sich Stiftungen nur an Unternehmen beteiligen, deren Tätigkeit zweckdienlich für die Erreichung des sozialen Auftrags war.494 Auch die Teilnahme der lokalen Gemeinschaft an der Geschäftsführung wurde durch die Bestimmung der lokalen Gemeinde als Interessenvertreter erweitert, sodass eine direkte Verbindung zwischen dem Stiftungsvermögen und der lokalen Gemeinschaft entstand.495 Die Tendenz zu wachsender öffentlicher Kontrolle von Bankstiftungen zeigte sich auch in der letzten Reform, dem Gesetz Tremonti (lg. 448/2001). Hiermit wurde den Stiftungen eine Rolle als Mittel zur Unterstützung und zum Ersatz der öffentlichen Verwaltung zugewiesen, indem die Einsatzbereiche streng eingeschränkt werden, die Mitglieder der Führungsgremien von öffentlichen Körperschaften nominiert werden und die Tätigkeit unter direkter Aufsicht des Finanzministeriums erfolgen musste. Dies stellte einen Versuch zu einer Entprivatisierung dar und wurde deswegen ein Jahr nach seinem Erlass von dem Verfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt.496 Insgesamt zeigt die historische Entwicklung der italienischen Sparkassen, dass das heutige Stiftungsmodell nicht neu ist, sondern eng mit den mittelalterlichen wohltätigen Stiftungen verwandt ist. Bankstiftungen stellen laut Benessia (2010) kein Ergebnis der Privatisierung von öffentlichen Banken dar, sondern sind eine Rückkehr zu den ursprünglichen Wurzeln der Sparkassen.497 Trotz der privaten Rechtsform ist der Einfluss der öffentlichen Verwaltung auf die Geschäftsführung der Bankstiftungen und dadurch auf die Geschäftsführung der Banken beträchtlich. Die geforderte völlige Unabhängigkeit der Stiftungen von politischen Akteuren ist 493

Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 49 ff. Vgl. Marcenó (2001), S. 103 ff. Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 81 f. 496 Vgl. Marcenó (2001), S. 105 ff. 497 Vgl. Benessia (2010), S. 403 ff. 494 495

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

163

noch immer nicht erreicht; so kann die Politik das Bankgeschäft durch den Besitz großer Beteiligungen an den italienischen Großbanken bis heute steuern. Bis heute besteht die Notwendigkeit einer gesetzlichen Intervention für die Einführung zusätzlicher Instrumente, welche die Transparenz der geleisteten Auszahlungen erhöhen. Nur so kann die Öffentlichkeit die Geschäftstätigkeit der größten Stiftungsvermögen besser bewerten und ihre Existenz dadurch rechtfertigen. 4.3.2 Die gesetzliche Regulierung des sozialen Auftrags – Die „Social Responsibility“ der italienischen Bankstiftungen Der soziale Auftrag der italienischen Bankstiftungen wird innerhalb der italienischen Gesetzgebung durch die Regulierung ihrer „Social Responsibility“ definiert. Der gesetzlichen Normierung gemäß dürfen Stiftungen ausschließlich für gemeinnützige Zwecke und zur Förderung des wirtschaftlichen Fortschritts tätig werden. Das heißt, eigennützige Tätigkeiten, welche sich insbesondere zum Vorteil von Stiftungsmitgliedern und -mitarbeitern auswirken können, sind untersagt.498 Es können zwei Stiftungsarten unterschieden werden: solche, die ausschließlich gemeinnützige Ziele verfolgen, und solche, die auch den wirtschaftlichen Fortschritt fördern. Eine andere Unterscheidung bezieht sich auf die angewandten Methoden zur Erreichung dieser Ziele, hier wird zwischen „Grant making“- (auszahlungsbasierten) und „Operating“-Stiftungen unterschieden.499 Die „Operating“-Stiftungen sind direkt beteiligt an zweckdienlichen Unternehmen, ihre Tätigkeit umfasst die Bereiche: Forschung, Bildung, Kunst, Bewahrung von Kultur- und Umweltgütern, Gesundheitswesen und Fürsorge der schwächsten Bevölkerungsschichten.500 Sie sind vor allem auf die lokale Gemeinschaft ausgerichtet und konzentrieren ihre Anstrengungen auf die wichtigsten Bereiche unter sozialen Gesichtspunkten. Zur Überprüfung ihrer Tätigkeit sind sie verpflichtet, einmal jährlich einen Geschäftsbericht zu erstellen, in welchem sowohl die Ziele als auch die Ergebnisse der jeweiligen Auszahlungen erläutert werden. Da keine Gewinnerzielungsabsichten vorliegen, stehen bei ihnen soziale Bereiche und eine von Gewinnkriterien unabhängige Abwägung des Kosten-Ertrag-Verhältnisses im Mittelpunkt.501 Andere Autoren kritisieren die fehlende Gewinnorientierung, sie könne zu Effizienzverlusten im Vermögensmanagement führen.502 Der soziale Auftrag kennzeichnet auch die gesetzliche Regelung: Obwohl die Bankstiftungen der Rechtsform normaler Privatstiftungen gleichgesetzt werden, unterliegen sie einer Sonderregelung, 498

Vgl. Allena (2011), S. 138 f. Vgl. Sessa (2011), S. 179 f. Ebda. 501 Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 113 f. 502 Vgl. Postigliola (2007), S. 154. 499 500

164

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

welche ihre Einsatzbereiche deutlich einschränkt und ihre Zweckverfolgung festlegt.503 Durch diese Sonderregelung unterscheiden sich die Bankstiftungen sowohl von den ursprünglichen wohltätigen Sparkassenstiftungen, als auch von den öffentlichen Banken. Die Gesetzgebung schreibt den Stiftungen vor, alle 3 Jahre 5 Geschäftsbereiche aus einer Liste von 21 zugelassenen Bereichen auszuwählen und in diesen Bereichen mindestens 50 % des Nettoertrages zu investieren. Ferner werden die Ausübung von Kreditgeschäften und die Auszahlungen an gewinnorientierte Unternehmen verboten. Eine Kontrollbeteiligung an Unternehmen ist nur zugelassen, wenn der Hauptzweck der Zielgesellschaft ausschließlich die Förderung eines der ausgewählten Einsatzsektoren betrifft.504 Trotz der strengen Regulierung legen die verschiedenen Gesetze und insbesondere das Gesetz 153/1999 eine starke Autonomie der Stiftung fest, in dem der Stiftung die Verantwortung zur Bestimmung der erforderlichen Instrumente und Mittel für das Erreichen der ausgewählten gemeinnützlichen Ziele überlassen wird.505 Diese Autonomie unterliegt verschiedenen Einschränkungen, die Transparenz und die Tätigkeiten betreffend. In Bezug auf die Transparenz werden sowohl die Methoden als auch die Kriterien für die Vergabe von Auszahlungen und für die Beteiligung an Unternehmen festgelegt. Diese müssen innerhalb der Satzung ausreichend erläutert und von der Aufsichtsbehörde genehmigt werden. Behandelt die Satzung diese Elemente nicht explizit, muss sie auf interne Vorschriften verweisen und deren Erlass regeln. Dieses Vorgehen kann allerdings dazu führen, dass die Tätigkeit der Stiftungen undurchsichtiger wird, sie ist von Externen weniger kontrollierbar und überprüfbar. Die Innovationskraft der Reform wurde dadurch deutlich geschwächt und die Verbindlichkeit der Satzung stark reduziert.506 In Bezug auf die Tätigkeiten der Stiftungen wirkt der soziale Auftrag durch Berücksichtigung der gemeinnützigen Ziele und definiert ausdrücklich die Möglichkeiten der Stiftung, diese zu erreichen. Wie oben bereits beschrieben, wird bei diesen Möglichkeiten in „Grant making“ (auszahlungsbasierte) und „Operating“ unterschieden. Viele Bankstiftungen benutzen heute beide Instrumente, wobei in der letzten Zeit ein Trend zu einer vermehrten Nutzung der Vermögensinvestitionen zu erkennen ist.507 Das Zurückziehen aus dem Bankgeschäft hatte eine Aktualisierung der Satzungsziele und damit der Geschäftsbereiche zur Folge, wobei die Mehrheit der Geschäfte die Finanzierung externer Projekte betrifft.508 Unabhängig 503

Vgl. Postigliola (2007), S. 182. Vgl. Sessa (2011), S. 184 und Allena (2011), S. 140. Vgl. ACRI (2012a), S. 73. 506 Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 91 ff. 507 Vgl. ACRI (2012a), S. 74 ff. 508 Vgl. Anolli/Locatelli (1998), S. 482 f. 504 505

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

165

von der angewandten Methodik dürfen Bankstiftungen nach dem Gesetz ausschließlich in folgenden Bereichen tätig sein: •

Erziehung und Ausbildung der Jugend,



Bildungswesen im Allgemeinen (darunter auch die Anschaffung von Büchern und Schulmitteln),



Freiwilligendienst, Philanthropie und Wohltätigkeit,



Religion und geistliche Entwicklung,



Prävention der Kriminalität und öffentliche Sicherheit,



Kontrolle der Lebensmittel und Qualitätslandwirtschaft,



Lokaler Fortschritt und sozialer Wohnungsbau,



Konsumentenschutz,



Katastrophenschutz,



Volksgesundheit, wissenschaftliche und rehabilitative Medizin,



Sport,



Prävention der Drogenabhängigkeit und Wiedereingliederung ihrer Opfer,



Krankheiten, psychische und geistige Störungen,



Wissenschaftliche und technologische Forschung,



Umweltschutz,



Kunst und Kulturgüter,



Realisierung von öffentlichen oder gemeinnützigen Projekten,



Altersbetreuung,



Zivilrechte,



Infrastrukturprojekte.509

509

Vgl. ACRI (2012a), S. 78.

166

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

Die obige Aufzählung enthält ein breites Spektrum an Tätigkeiten und viele verschiedene Bereiche, welche im Einzelnen nicht näher definiert werden. Sie sind alle auf irgendeine Weise mit sozialen Aspekten verbunden; ihre Eingrenzung und genaue Bestimmung ist jedoch schwierig.510 Obwohl vom Gesetzgeber eine strenge und deutliche Regulierung beabsichtigt ist, sind die zugelassenen Bereiche relativ uneinheitlich, was den Stiftungen einen großen Spielraum ermöglicht. Da die Aufsicht fehlt, nimmt auch die Transparenz deutlich ab. Dementsprechend werden Verzerrungen in der Ressourcennutzung wahrscheinlicher und der Wirkungsgrad vom Einsatz der Stiftungen nimmt deutlich ab. Weil Bankstiftungen ein riesiges Vermögen verwalten, gelten in diesem Bereich einige spezifische gesetzliche Bestimmungen. Demnach bestimmt das Vermögen sowohl die Identität als auch den Auftrag der Stiftungen und seine Verwaltung muss Vorsichts-, Effizienz-, Wertaufbewahrungs- und Rentabilitätskriterien einhalten.511 Zusätzlich müssen Stiftungen Pflichtrücklagen bilden und so das verfügbare Vermögen erweitern. Ziel des Vermögenseinsatzes ist die Gewährleistung eines konstanten Geldstroms für die Umsetzung des sozialen Auftrags, ohne dass dafür eine direkte Vermögensverwendung notwendig wird. Damit herrschen zwei wichtige Prinzipien für das Vermögensmanagement: die Zweckdienlichkeit für die Erledigung des sozialen Auftrags und die Bewahrung des ökonomischen Wertes. Die Umsetzung beider Prinzipien birgt ein großes Konfliktpotenzial, weil in einer mittel-/langfristigen Betrachtung die Volatilität der Rendite einen konstanten Auszahlungsfluss ohne direkte Vermögensverwendung erschwert.512 Diese Problematik wurde vom Gesetzgeber erkannt, den Bankstiftungen wurde die Möglichkeit zur direkten Vermögensverwendung für Aufgaben aus dem sozialen Auftrag eingeräumt, sodass sie geeignete Investitionen selbstständig vornehmen können.513 Der Ertragsverwendung kommt eine wichtige Rolle für die Umsetzung des sozialen Auftrags zu. Sie wird über eine Rangfolge ausführlich geregelt. Mindestens ein Fünfzehntel der Erträge muss für die Bildung von Freiwilligenzentren verwendet werden. Die restliche Summe wird folgendermaßen aufgeteilt: 1. Deckung der operativen und steuerlichen Kosten, 2. Bildung von Pflichtrücklagen (der genaue Anteil wird von der Aufsichtsbehörde festgelegt), 3. Auszahlungen an die Geschäftsbereichen gemäß Satzung (der genaue Anteil wird von der Aufsichtsbehörde festgelegt, jedoch kann dieser nicht weniger als 50 % des verbleibenden Ertrags betragen), 510

Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 91 ff. Vgl. Sessa (2011), S. 201. Vgl. Anolli/Locatelli (1998), S. 463 ff. 513 Vgl. ACRI (2012b), S. 11. 511 512

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

167

4. Reinvestition oder Bildung von freiwilligen Rücklagen, 5. Beschaffung von Schulmaterialien für öffentliche oder private Schulen.514 Eine empirische Studie von Clarich/Pisaneschi (2001) zur tatsächlichen Auswahl der Stiftungen aus den verfügbaren Möglichkeiten, die inhaltliche Ausgestaltung der Satzung betreffend, zeigt, dass sich alle Stiftungen für eine Nichtspezialisierung und für den Einbezug verschiedenster Geschäftsbereiche entschieden haben. Immer wurde die enge Verbindung zum Herkunftsort durch die Anerkennung der lokalen Gebietskörperschaften hervorgehoben und wurde dem „Grant making“Modell der Vorrang gegeben, nach dem die Satzungsziele durch Finanzierung externer Projekte erreicht werden sollen. Diese letzte Entscheidung wird jedoch in der wissenschaftlichen Literatur eher negativ beurteilt, da sie einer kurzfristigen Perspektive unterliegt und Auswahlkriterien sowie Finanzierungsarten der Projekte nur mangelhaft konkretisiert.515 Insgesamt herrscht in der wissenschaftlichen Literatur die Meinung vor, dass der Gesetzgeber seine neue Rolle als Stiftungsgründer nur teilweise wahrgenommen hat. Er hat keine konkrete und klare Definition der Ziele zur Vermögens- und Ertragsverwaltung veranlasst. Die Tatsache, dass der soziale Auftrag heute aus einem Mix von gemeinnützigen Zielen und der Förderung des wirtschaftlichen Fortschritts besteht, ist das Ergebnis des Einflusses mehrerer externer Interessenvertreter. Dies spiegelt sich in der Festlegung sehr zahlreicher und unterschiedlicher Geschäftsbereiche wider, welche mit einem dreijährigen Abstand geändert werden können. Insgesamt ist die Regelung somit unübersichtlicher geworden. Daneben haben die wachsende Staatsverschuldung und die damit verbundene Einschränkung der Verfügbarkeit finanzieller Ressourcen für lokale Gemeinden dazu geführt, dass der politische Druck auf die Stiftungen zugenommen hat. Infolgedessen besteht trotz der vielen existierenden Gesetze die dringende Notwendigkeit einer neuen und konkreteren Regulierung des sozialen Auftrags italienischer Bankstiftungen, welche die Transparenz und die Unabhängigkeit reformiert.516 4.3.3 Eine zeitgemäße Darstellung des sozialen Auftrags unter StakeholderPerspektive Heute verfolgen alle italienischen Sparkassen eine gewinnorientierte Geschäftspolitik und die Umsetzung des sozialen Auftrags wird den Bankstiftungen überlas514 515 516

Vgl. Sessa (2011), S. 206 und Clarich/Pisaneschi (2001), S. 82 ff. Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 123 ff. Vgl. Merusi (2004), S. 487 ff.

168

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

sen,517 sodass in diesem Absatz eine Analyse der Berücksichtigung der Interessen von verschiedenen Stakeholdern innerhalb der Elemente des sozialen Auftrags von Bankstiftungen erfolgt. Nur dadurch ist eine mit den deutschen Sparkassen vergleichbare Analyse möglich. In Bezug auf die Stiftungen wird ein Stakeholder als ein einzelnes oder kollektives Subjekt definiert, welches von der Zielverfolgung der Gesellschaft beeinflusst wird oder selber beeinflussen kann. Die Stiftungen handeln deswegen als Vertreter einer Mehrzahl von lokalen Interessengruppen und dienen dem Schutz des Gemeinwohls, wobei sie sich dabei sowohl von einer Aktiengesellschaft als auch von einer normalen Stiftung unterscheiden.518 Aus der Stakeholder-Definition ist die Identifikation eines Großaktionärs, demgegenüber sich die Stiftung verantworten muss, schwierig. Die Leistungsempfänger der Geschäftstätigkeit und die lokale Gemeinschaft werden vom Gesetz als getrennte Gruppe behandelt, sodass beiden Gruppen eine Rolle innerhalb der Stiftungsführung zugeordnet wird.519 Bei den italienischen Bankstiftungen fehlt die Definition eines Gründers, welcher die institutionellen Ziele sowie die Instrumente für deren operative Umsetzung eindeutig festlegt und im Nachhinein die Ergebnisse bewertet. Diese Rolle kann von den Sparkassen nicht übernommen werden, weil sie – im Unterschied zu den Stiftungen – seit ihrer Gründung das Bankgeschäft immer nach gemeinnützigen Zielen ausgerichtet haben.520 Die Lücken der gesetzlichen Regulierung wurden im Jahr 2012 durch den Erlass der Selbstregelung „Carta delle fondazioni“521 zum Teil geschlossen.522 Darin wird die Stellung der Stiftungen gegenüber dem Bankensektor erläutert: Die Rolle der Stiftungen als Aktionär sorgt dafür, dass Banken mittel- bis langfristig zum wirtschaftlichen Fortschritt beitragen. Das Verhältnis zu den Stakeholdern ist transparent: die Stiftungen selbst identifizieren die eigenen Stakeholder und informieren diese ausreichend über die Auswahlprozesse der Leistungsempfänger.523 Dementsprechend wird auf eine konkrete Festlegung der Stakeholder verzichtet und es erfolgt lediglich eine vage Bezugnahme auf die lokale Gemeinschaft und eine Festlegung von Auswahlkriterien der zu finanzierenden Projekte auf Basis rein betriebswirtschaftlicher Kriterien. Es fehlt eine klare und einheitliche Definition der Kriterien für die Bewertung des „Social Impact“ von Projekten, wodurch Unklarheit über die tatsächliche Zielverfolgung herrscht. 517

Vgl. Marcenó (2011), S. 101 f. Vgl. Benessia (2010), S. 415 f. Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 99. 520 Vgl. Anolli/Locatelli (1998), S. 474. 521 Deutsche Übersetzung: Stiftungcharta. 522 Vgl. ACRI (2012b), S. 3 ff. 523 Vgl. ACRI (2012b), S. 7 ff. 518 519

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

169

Die Verteilung der Auszahlungen von Bankstiftungen im Jahr 2011 zeigt einen allgemeinen Rückgang der Volumina; dieser ist jedoch in den verschiedenen Bereichen unterschiedlich ausprägt und betrifft den sozialen Sektor am wenigstens. Insbesondere der Kunst- und Kulturbereich wurde 2011 am stärksten gefördert, daneben der Freiwilligendienst und die Wohltätigkeit. Die verbleibenden Bereiche, wie das Bildungs-, das Gesundheitswesen, die Forschung und die soziale Fürsorge werden in geringerem Ausmaß weiterhin unterstützt.524 Diese Entwicklung kann als Ergebnis der jeweiligen Satzungen interpretiert werden, welche allgemeine Formulierungen enthalten, grundsätzlich den gesetzlichen Inhalt wiedergeben und für eine genauere Definition auf ein internes programmatisches Dokument verweisen. Die Satzung verliert damit ihre Rolle als Instrument zur Festlegung des Stiftungszweckes und trägt nicht zu einer Erhöhung der Transparenz bei. Insgesamt zeigen die verschiedenen Satzungen eine ausgeprägte Übermacht der öffentlichen Körperschaften bei der Nominierung der Stiftungsorgane, wobei die notwendigen Qualifikationsvoraussetzungen nicht näher definiert werden. Hinzu kommt eine Missachtung des beschließenden Organs, was zu einer Machtkonzentration bei dem leitenden Organ führt. Diese Verzerrungen in der Funktionsweise der Bankstiftungen sind laut den Experten heute nicht mehr zu tolerieren, da seit einigen Jahren eine stabile Gesetzgebung vorhanden ist.525 Die Bevölkerung Die Orientierung an den Bedürfnissen des Stakeholders „Bevölkerung“ war von jeher ein wichtiger Teil der Sparkassenziele. Insbesondere bei den kirchlichen Sparkassen waren die Unterstützung der Armen und ein Zurückdrängen des Protestantismus Hauptgründe für ihre Gründung. Spuren dessen sind bis heute in der Mustersatzung einer Stiftung zu lesen: Gewährleistung eines möglichst großen wirtschaftlichen und sozialen Fortschritts in ihrem Kompetenzgebiet, mit Schwerpunkt auf öffentlichen Projekten und der Landwirtschaft. Dieser Teil des sozialen Auftrags stellt eine Verbindung zwischen den heutigen Stiftungen und den ursprünglichen Sparkassenzielen dar.526 Nichtsdestotrotz ist keine explizite Verpflichtung zur besonderen Berücksichtigung ärmerer Bevölkerungsgruppen oder deren Versorgung vorhanden, das heißt, die Ansprüche der „Bevölkerung“ werden nicht mehr umfassend und ausreichend berücksichtigt.527

524

Vgl. ACRI (2012a), S. 78 f. und Clarich/Pisaneschi (2001), S. 171 f. Vgl. u. a. Allena (2011), S. 142 ff. Vgl. Benessia (2010), S. 404 ff. 527 Vgl. Onado (1999), S. 485. Für eine Darstellung der Ansprüche des Stakeholders „Bevölkerung“ s. Kap. 4.2.3.1. 525 526

170

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

Die Kundschaft Während die Bedürfnisse des Stakeholders „Bevölkerung“ Erwähnung innerhalb des sozialen Auftrags finden, ist dies bei der „Kundschaft“ nicht der Fall. Einer Umfrage von Postigliola (2007) gemäß zeigt sich lediglich ein schwaches Interesse an der Beziehung zur Kundschaft, wohingegen die Renditemaximierung in den Vordergrund rückt. Im Jahr 2007 hatten 45 % der Bankstiftungen keine Beteiligung an der konferierenden Bank, aber eine Beteiligung an der sich aus dem Fusionsprozess ergebenden Bankholding. Zweck dieser Beteiligung war nicht eine langfristige Gestaltung der Bankgeschäfte oder die Durchführung eines Hausbankmodells, sondern einfach die zu erwartende hohe Renditeerzielung aus dem Finanzsektor.528 Weil auf das Bankgeschäft kein Einfluss genommen wurde, kann auch keine Rede von einer strategischen oder sozialmotivierten Investition sein.529 Die Mitarbeiter Auch die Ansprüche des Stakeholders „Mitarbeiter“ werden bei der Stiftungsregelung nicht erwähnt. Es wird nur darauf verwiesen, dass aus einer effizienten Durchführung der Bankgeschäfte positive Effekte für die Beschäftigung entstehen können.530 Insbesondere aus der Standortwahl für den operativen oder leitenden Sitz einer Bank können qualifizierte Arbeitsplätze entstehen und kann eine Zuwanderung von Kompetenzen erfolgen, was sich positiv auf den Ausbildungsprozess lokaler Jugendlicher auswirken kann. Öffentlich-rechtliche Körperschaften Die Befriedigung der Ansprüche des Stakeholders „Öffentlich-rechtliche Körperschaften“ ist bei den italienischen Stiftungen ein kontroverses Thema. Einerseits muss die Unabhängigkeit der Stiftungen vom politischen Einfluss gewährleistet werden, um Missbrauch des beträchtlichen Stiftungsvermögens zu vermeiden. Andererseits stellt die Mitarbeit bei der Erfüllung öffentlicher Aufgaben einen grundlegenden Bestandteil ihrer Gründungsziele dar. Diese Problematik spiegelt sich auch in der Literatur wider. Clarich/Pisaneschi (2001) und Merusi (2004) heben die Wichtigkeit einer unabhängigen Stiftungswelt hervor. Die Tätigkeit dieser Institutionen muss sich von einem reinen Ersatz der öffentlich-rechtlichen Körperschaften unterscheiden, was durch die Umwandlung der ehemaligen Körperschaften in privaten Stiftungen gesichert wird. Das vermeidet jede juristische Verbindung zur öffentlichen Verwaltung und trägt damit dazu bei, die Präsenz der öffent-

528

Die langfristige Orientierung der Bankgeschäfte und die Hausbankbeziehung sind Beispiele der Ansprüche des Stakeholders „Kundschaft“. S. Kap. 4.2.3.2. Vgl. Postigliola (2007), S. 149 ff. 530 Vgl. Benessia (2010), S. 420. 529

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

171

lichen Hand in der Wirtschaft zu verringern.531 Obwohl auch Postigliola (2007) die Notwendigkeit einer stärkeren Unabhängigkeit der Stiftungen von den lokalen Gemeinden anerkennt, bezeichnet er die Rolle der Stiftungen als Zusatzinstrument der öffentlichen Verwaltung als eine objektive Neigung und eine natürliche Folge ihres Ursprungs. Demnach ist es wichtig, dass Stiftungen kohärent mit den lokalen sozialen und politischen Mächten zusammenarbeiten.532 Die regionale Wirtschaft Die Interessen des Stakeholders „Regionale Wirtschaft“ werden innerhalb der „Carta delle fondazioni“ explizit herausgestellt. Laut dieser herrscht für Stiftungen das Verantwortungsprinzip. Demnach müssen Stiftungen im exklusiven Interesse der Allgemeinheit ihres Kompetenzgebietes handeln und sind für ihre Tätigkeiten gegenüber deren Vertretern verantwortlich. Sie müssen die Bedürfnisse der regionalen Wirtschaft interpretieren und befriedigen, indem sie mit den lokalen Vertretern unterschiedlicher Sektoren zusammenarbeiten.533 Das Ziel der Förderung des wirtschaftlichen Fortschritts ist laut Clarich/Pisaneschi (2001) das schwierigste denkbare Ziel einer Institution. Es erfordert die Schaffung der notwendigen Voraussetzungen, um private Investoren anzulocken. Dabei müssen öffentliche Projekte gefördert werden, wie beispielsweise die Infrastrukturbildung oder die Requalifizierung von Krisengebieten. Zusätzliche Möglichkeiten bestehen in der Minderheitsbeteiligung an einem Public-Private-PartnershipProjekt und in der Finanzierung lokaler Marketing Projekte.534 Das Interesse zur Bekämpfung des Kapitalabflussprozesses, welches innerhalb des öffentlichen Auftrags durch die Struktursicherungsfunktion zusammengefasst wird,535 wird in den Stiftungssatzungen und Stiftungsgesetzen nicht erwähnt. Empirische Forschungen zeigen, dass die Mehrheit der Sparkassenstiftungen ihren Sitz in Nord- und Zentralitalien haben und auch dass in diesen Gebieten der Großteil ihrer Geschäfte ausgeübt wird. Mehr als 90 % der mehrjährigen und mehr als drei Viertel der gesamten Auszahlungen betreffen die Provinz, in der die Stiftung ihren Sitz hat. Die territoriale Verteilung der Stiftungen ist damit sehr unausgeglichen, sodass ihre Tätigkeit zu einer Verstärkung des Kapitalabflusses von Südnach Norditalien beiträgt.536

531

Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 109 und Merusi (2004), S. 449. Vgl. Postigliola (2007), S. 155. Vgl. ACRI (2012b), S. 2 f. 534 Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 109. 535 S. Kap. 4.2.3.5. 536 Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 162 ff. und Postigliola (2007), S. 149 ff. 532 533

172

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

Das Finanzsystem Innerhalb der „Carta delle Fondazioni“ wird auch die Beziehung zum Bankensektor und damit zum Stakeholder „Finanzsystem“ geregelt. Demnach bezieht sich die Förderung des wirtschaftlichen Fortschritts auch auf die Unterstützung einer soliden und in der lokalen Umgebung gut verankerten Bank. Nur eine solche Bank kann als Wachstums- und Stabilitätsfaktor des lokalen und nationalen Finanzsystems dienen. Die Stiftungen beeinflussen das operative Geschäft der Banken nicht direkt, üben aber durch ihre Rolle als Aktionär eine Überwachung der Einhaltung dieser Funktionen aus.537 Als stabile und langfristorientierte Aktionäre tragen sie zur Stabilisierung des Finanzsystems und der Governance-Strukturen bei. Trotz der Konzentrationsprozesse und der gesetzlichen Maßnahmen konnten sie im letzten Jahrzehnt ihre Macht verteidigen. Ihre Rolle bei den Kapitalerhöhungen infolge der letzten Finanzkrise und ihre Stetigkeit haben ihre Wichtigkeit, vor allem aus kurzfristiger Sicht, unterstrichen. Es bleibt jedoch notwendig, ein Gleichgewicht zwischen ihrer Rolle als Bankaktionäre und ihrer Rolle bei der Erledigung gemeinwohlorientierter Aufgaben zu finden.538 Insgesamt zeigt sich für italienische Stiftungen ein komplexes Bild in Bezug auf die Berücksichtigung der verschiedenen Stakeholder-Ansprüche. Einige Stakeholder wie „Regionale Wirtschaft“, „Öffentlich-rechtliche Körperschaften“ oder „Finanzsystem“ finden eine explizite Berücksichtigung in den heutigen Regelungen des sozialen Auftrages. Anders sieht es aus bei den Ansprüchen der Stakeholder „Mitarbeiter“ und „Kundschaft“ – diese werden nicht benannt und auch eine indirekte Herleitung ihrer Berücksichtigung erweist sich als schwierig. Vergleicht man die Ergebnisse mit der Stakeholder-Analyse für deutsche Sparkassen, wird eine ausgeprägtere Tendenz zur Trennung zwischen sozialem Auftrag und Bankgeschäft deutlich. Folglich werden alle mit der Durchführung der Bankgeschäfte verbundenen Ansprüche außer Acht gelassen, da laut diesem Ansatz finanzbezogene Bedürfnisse am besten durch einen privaten und effizienteren Bankenmarkt befriedigt werden können. Dieser Ansatz wird dadurch begründet, dass eine Unabhängigkeit des Bankenmarktes von der Politik nur durch Trennung dieser beiden Funktionen erfolgen kann. Die Befriedigung der Stakeholder-Interessen wird der Erhaltung einer ausreichenden politischen Unabhängigkeit unterworfen.539

537 538 539

Vgl. ACRI (2012b), S. 11. Vgl. Benessia (2010), S. 414 und Postigiola (2007), S. 147 ff. Vgl. Costi (2011), S. 8.

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

173

Trotz dieser Vorsätze besteht bei italienischen Stiftungen ein verbreiteter Einfluss anderer Stakeholder, welche einen deutlichen Druck auf das Management ausüben. Dazu zählen unter anderem öffentlich-rechtliche Körperschaften, politische Parteien, unabhängige Vereine und andere Subjekte, welche auf der Suche nach Stiftungsauszahlungen sind.540 Insgesamt kann heute noch nicht die Rede von einer unabhängigen Stiftungswelt sein, welche sich der exklusiven Erfüllung des sozialen Auftrags widmet. 4.3.4 Zwischenfazit Die Legitimierung der Stiftungsform und die Übertragung des riesigen Vermögens auf diese Subjekte ergeben sich aus der Verpflichtung zur Verfolgung des sozialen Auftrags und aus ihrer besonderen Einigung für die Erfüllung der sich daraus ergebenden praktischen Aufgaben. Sie vereinen solidarische sowie wirtschaftliche und politische Elemente, indem sie eine soziale Verantwortung gegenüber der Gesellschaft tragen. Ihr Erkennungsmerkmal ist die Kombination zwischen sozialem Auftrag und privater Rechtsform. Daraus ergeben sich im Vergleich zu anderen Organisationsformen einige komparative Vorteile: •

Im Vergleich zu einer öffentlich-rechtlichen Einrichtung sind sie den Regeln der repräsentativen Demokratie entzogen und müssen deswegen nicht unbedingt Entscheidungen treffen, welche kurzfristig einen großen Wählerkonsens bringen.541 Deswegen tragen sie zur Beseitigung von Marktfehlern nach dem „Political View“ bei.



Im Vergleich zu einer privaten Rechtsform und zu einer Shareholderorientierten Organisationsform benötigen sie keine hohe Renditeerzielung, da sie keine Renditeansprüche der Eigentümer befriedigen müssen und dem Druck des Kapitalmarktes entzogen sind. Dementsprechend können sie auch langfristige und wenig profitable Projekte durchführen.542



Im Vergleich zu einer NPO (Non Profit Organisation) haben sie keine Verpflichtung, die Interessen der Mitglieder zu befriedigen. Deswegen können sie ihre Tätigkeit nach den Bedürfnissen der Allgemeinheit ausrichten.543

540

Vgl. Merusi (2004), S. 478. Die Verbindung zwischen Wahlen und Investitionsentscheidungen ist Gegenstand des „Political View“. Vgl. Kap. 3.4 sowie Sapienza (2004), S. 360 ff. 542 Der Entzug vom Renditendruck ist ein wichtiger Teil der Begründungen des „Social View“. S. Kap.3.1. 543 Vgl. Allena (2011), S. 185 ff. 541

174

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

Trotz dieser theoretischen komparativen Vorteile existieren viele Kritikpunkte über die praktische Tätigkeit italienischer Bankstiftungen. So ist eine faktische Unterordnung der Stakeholder-Interessen gegenüber den Shareholder-Ansprüchen vorhanden. Ihre private Rechtsform zwingt das Management dazu, den Shareholdern Vorrang einzuräumen und dabei die Interessen externer Subjekte außer Acht zu lassen. Ein zusätzlicher Interessenkonflikt besteht zwischen ihrer Rolle als institutioneller Investor innerhalb des Bankensektors und der Notwendigkeit einer ausreichenden Risikodiversifizierung.544 Letztere kann nur erreicht werden, wenn die Beteiligung am Bankenmarkt reduziert wird und stärker in andere Bereichen investiert wird. Im Jahr 2010 bestand jedoch noch eine sehr starke Verflechtung mit dem Bankensektor, wie die empirische Forschung von Benessia (2010) zeigt. Von 88 Bankstiftungen hatten nur 18 ihre Beteiligung komplett verkauft, 15 besaßen eine Mehrheits- und 55 eine Minderheitsbeteiligung an einer Bank oder an einer Bankengruppe.545 Die Bedienung der Interessen der Stakeholder im finanziellen Bereich wird auch von der Literatur teilweise ausgeschlossen. Laut Benessia (2010) gehört beispielsweise die Versorgung mit Finanzdienstleistungen nicht zu den Kernaufgaben der Bankstiftung. Es ergibt sich kein Vorteil für das lokale Gebiet aus der Durchführung der typischen Bankgeschäfte, da die Bank keine Unterscheidung zwischen den Regionen machen kann.546 Abgesehen von den Ergebnissen der Stakeholder-Analyse verbleibt ein wichtiger Kritikpunkt in Bezug auf die Agency-Konflikte. Es wird weder gesetzlich noch intern die Durchführung einer qualitativen Überprüfung zur Übereinstimmung zwischen Zielen und erreichten Ergebnissen von den Stiftungen vorgeschrieben. Demnach wird dem Stiftungsmanagement für seine Entscheidungen die Kontrolle eines unabhängigen Organs entzogen.547 Das Fehlen eines Prinzipals, welcher die potenziellen Stakeholder der Stiftung vertritt, verstärkt die innerhalb des „Agency View“ für öffentliche Banken dargestellten betriebswirtschaftlichen Effizienzverluste.548 Viele Mitglieder der leitenden und des beschließenden Organs werden dank einer politischen Intervention nominiert, deshalb sind diese faktisch einem politischen Einfluss unterworfen. Wie der „Political View“ zeigt, existiert oft keine oder nur eine anteilige Übereinstimmung zwischen dem Inhalt des sozialen Auftrages und den Zielen der dominierenden Partei.549 Diese Lücke in der Gesetzgebung ergibt sich aus der schwierigen Natur des Stiftungsvermögens: Einerseits wird dieses vom Gesetz als privates Eigentum definiert, andererseits ist es das Er544

Vgl. d.lgs. 153/1999, art. 7 c. 1. Vgl. Benessia (2010), S. 417 ff. Vgl. Benessia (2010), S. 420. 547 Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 106. 548 Für eine vollständige Darstellung des Agency View s. Kap. 3.5. 549 S. Kap. 3.4. 545 546

IV.

EIN VERGLEICH DES ÖFFENTLICHEN MIT DEM SOZIALEN AUFTRAG

175

gebnis einer langjährigen Tätigkeit von öffentlichen Banken und behält deswegen trotz der formellen Bezeichnung einen öffentlichen Charakter.550 Zusätzlich ergeben sich auch aus der Trennung zwischen Eigentum und Kontrolle potenzielle Agency-Konflikte. Die Beteiligung der Stiftungen an gewinnorientierten Unternehmen, insbesondere am Bankensektor, macht die Vereinbarung zwischen dem Gewinnziel des Unternehmens und dem sozialen Auftrag der Stiftung schwierig. Es besteht die Gefahr, dass sich die Gewinnorientierung des beteiligten Unternehmens auf die Stiftung überträgt und so die Tätigkeit der Stiftung das ursprüngliche Ziel verlässt. Die Stiftungen werden damit Gefangene des beteiligten Unternehmens, wie das Beispiel der letzten Finanzkrise zeigt. Obwohl aus sozialen Gesichtspunkten die Kapitalerhöhung der angeschlagenen Banken nicht optimal war, haben italienische Bankstiftungen daran teilgenommen.551 Die langfristige Orientierung der Vermögensinvestitionen von Bankstiftungen stellt keine Umsetzung des sozialen Auftrags dar, sondern ist ein Ausdruck des Gewinnzieles. Wenn sich die Rechtfertigung der Bankstiftungen aus der Verfolgung sozialer Ziele ergeben muss, stellt die angestrebte Wertsteigerung ihres Vermögens eine Verzerrung dar. Auf der anderen Seite ist laut Costi (2011) die Einführung von sozialen Zwecken in die Zielsystematik von gewinnorientierten Unternehmen unmöglich, da sich die Verfolgung von mit den anderen Aktionären unvereinbaren Zielen als sehr schwierig erweist.552

550

Vgl. Clarich/Pisaneschi (2001), S. 118 ff. Auch der ehemalige Gouverneur der Banca d´Italia Mario Draghi hebt die wichtige Rolle der Bankstiftungen als institutionelle Investoren bei der letzten Finanzkrise hervor. Vgl. Draghi (2009), S. 14. 552 Vgl. Costi (2011), S. 6. 551

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

177

V. Bankwirtschaftliche Kennzahlenanalyse im deutschen und italienischen Bankenmarkt 5.1 Einführung Nach der theoretischen Darstellung der Ansätze zur Rechtfertigung von öffentlichen Banken sowie des öffentlichen und sozialen Auftrags erfolgt in diesem Kapitel eine deskriptive Untersuchung der Rolle öffentlicher Banken unter einer Stakeholder-Perspektive, wobei die tatsächliche Berücksichtigung der Interessen verschiedener Stakeholder untersucht wird. Die theoretischen Schlussfolgerungen und ihre Implikationen aus dem Kapitel 3 sowie die Ergebnisse der Analyse des öffentlichen Auftrags in Deutschland und des sozialen Auftrags in Italien dienen als Ausgangspunkt für eine empirische Überprüfung ihrer tatsächlichen Operationalisierung innerhalb des Bankenmarktes.553 Es wird versucht, anhand von Kennzahlen die Erfüllung der Interessen der unterschiedlichen Stakeholder zu quantifizieren und die Besonderheiten von öffentlichen Banken in diesem Bereich herzuleiten. Diese Analyse zielt auf die Vervollständigung einer zeitgemäßen Darstellung der heutigen Rolle von öffentlichen Banken ab, in dem sie die theoretische Analyse durch eine empirische Untersuchung der Ausprägung ihrer Rolle ergänzt. In dem Beitrag von Grapentin et al. (2007) wird diese Thematik behandelt, wobei der Fokus auf dem Stakeholder-Management innerhalb der Geschäftsberichte von Sparkassen liegt. Nach Vorschlag der Autoren sollten die verschiedenen Geschäftsberichte der Sparkassen möglichst einheitliche Kennzahlen zum Thema Stakeholder-Management beinhalten, um die einzelnen Institute bezüglich der Berücksichtigung der Interessen verschiedener Stakeholder vergleichen und bewerten zu können. Dafür entwickeln sie geeignete Kriterien und überprüfen ihre Umsetzung innerhalb ausgewählter Geschäftsberichte. Ihre Ergebnisse zeigen, dass jedes Institut seine eigene Definition der Gemeinwohlorientierung vertritt und diese unterschiedlich in der Öffentlichkeit kommuniziert. Diese Unterschiede erschweren eine vollständige Bewertung der Erfüllung des öffentlichen Auftrags und machen deswegen einen objektiven Vergleich des Managements der Stakeholder-

553

In der Analyse von Brämer et al. (2010) über den öffentlichen Auftrag der deutschen Sparkassen kommt man zu dem Fazit, dass für eine vollständige Bewertung von öffentlichen Banken neben einer zeitgemäßen Definition auch eine Studie ihrer Quantifizierung notwendig ist. Vgl. Brämer et al. (2010), S. 329.

178

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

Ansprüche unmöglich.554 Trotz einer ähnlichen Zielstellung unterscheidet sich der in dieser Arbeit verwendete Ansatz von dem Beitrag von Grapentin et al. (2007) in mehreren Aspekten. Die Analyse ist nicht nur auf die deutschen Sparkassen begrenzt, sondern sie wird auf den deutschen und auf den italienischen Bankenmarkt ausgeweitet. Es wird sich demnach von einer spezifischen Bankengruppe hin zu einer Systemebene bewegt, um damit die Leistung der verschiedenen Bankengruppen vergleichen und bewerten zu können. Darüber hinaus untersuchen die Kennzahlen nicht den Inhalt der Geschäftsberichte, sondern basieren auf Bilanzund GuV-Daten. Der erste Schritt der Untersuchung beinhaltet die Erarbeitung möglichst aussagekräftiger Kennzahlen, welche die Erfüllung der verschiedenen StakeholderAnsprüche aus dem vorigen Kapitel abbilden können. Diese Kennzahlen finden danach bei zwei Untersuchungen Anwendung: Die erste betrifft das deutsche Bankensystem und vergleicht das Ausmaß solcher Kennzahlen für Kreditbanken, Genossenschaftsbanken und Sparkassen.555 Aus dem Vergleich sollte sich dann ergeben, inwieweit sich diese Bankengruppen bezüglich ihrer Leistung tatsächlich voneinander unterscheiden. Bei der zweiten Untersuchung findet hingegen kein Gruppenvergleich statt, sondern es wird die zeitliche Entwicklung der verschiedenen Kennzahlen für das italienische Bankensystem in seiner Gesamtheit verglichen. Weil das italienische Bankensystem in dem untersuchten Zeitraum (19842009) einen beträchtlichen Privatisierungs- und Konsolidierungsprozess durchlebt hat und dadurch die Präsenz von öffentlichen Banken für Retail-Geschäfte praktisch verschwunden ist, kann ein historischer Vergleich seiner Leistung die Rolle der öffentlichen Banken hervorheben. Aus den Ergebnissen beider Untersuchungen ergibt sich eine erste Bewertung über die Auswirkungen der Tätigkeit von öffentlichen Banken auf die Erfüllung der Ansprüche der verschiedenen Stakeholder.

554 555

Vgl. Grapentin et. Al. (2007), S. 399 ff. Andere deutsche öffentliche Banken werden aus dem Vergleich ausgeschlossen. Aufgrund ihres besonderen Geschäftsmodells und ihrer Schwerpunktsetzung auf zum Retail-Banking alternative Bereiche werden sie hier nicht herangezogen.

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

179

5.2 Untersuchungsmethodik Die verwendeten Daten stammen hauptsächlich aus der OECD Bank Profitability Statistic Database. Diese basieren auf nationalen Erhebungen der jeweiligen Zentralbanken und werden von der OECD Working Party on Financial Statistics durch eine homogene Klassifizierung und eine angepasste Darstellung für den internationalen Vergleich aufbereitet. Sie beinhalten Angaben über relevante Bilanz- und GUV-Größen im Zeitraum 1979 bis 2009 für Deutschland und im Zeitraum 1984 bis 2009 für Italien. Für das deutsche Bankensystem erfolgt zusätzlich eine Unterteilung in vier verschiedene Bankengruppen: (1) Kreditbanken, (2) Sparkassen, (3) Kreditgenossenschaften und (4) andere Banken. Die Gruppe der Sparkassen beinhaltet auch Landesbanken und Girozentralen, während die Genossenschaftsbanken ihre Zentralinstitutionen mitberücksichtigen. Für Italien wird keine Unterteilung in der Database verwendet, sodass sich die Angaben hier auf das gesamte Bankensystem beziehen. Um die Auswirkungen der Privatisierung hervorzuheben, wird der Zeitraum in drei Perioden geteilt: die Jahre vor der Privatisierung (1984-1991), die Jahre der Privatisierung (1992-1998) und die Jahre nach der Privatisierung (1999-2009).556 Weil die Daten aus der OECD Bank Profitability Statistic Database nur einen Teil der Kennzahlen decken, werden sie in einem zweiten Schritt für jedes Land mit zusätzlichen Daten aus der Database der jeweiligen Zentralbank zusammengeführt.557 Daneben wird für die Berechnung einiger spezifischen Kennzahlen auf die Ergebnisse von empirischen Studien verwiesen.558 Die folgende Tabelle fasst die Kennzahlen mit der Formelangabe, der Zuordnung zu dem jeweiligen Stakeholder und der verwendeten Datenquelle zusammen. Der Index t beschreibt das Jahr, der Index i das Individuum. Für die Analyse Deutschlands wird jede Bankengruppe als einzelnes Individuum betrachtet. Dagegen erfolgt in der Untersuchung des italienischen Bankensystems eine Betrachtung jeder Unterperiode als einzelnes Individuum.559 Die ersten beiden verwendeten Kennzahlen Kreditanteil und Einlagenanteil (Tabelle 5.1 – Nr. 1 und 2) betreffen das Bankgeschäft im klassischen Sinne und die556

Der größte Anteil des Privatisierungsprozesses erfolgte zwischen 1992 und 1998. In diesem Zeitraum wurden sowohl große öffentliche Banken (Banche di Interesse Nazionale) als auch der Großteil von Sparkassen privatisiert. Vgl. Farabullini/Hester (2001), S. 2 und Kap. 2.4.1. 557 Für Deutschland werden die statistischen Erhebungen der Deutschen Bundesbank verwendet, während für Italien die der Banca d´Italia in Anspruch genommen werden. 558 Das ist der Fall bei den Stakeholdern „Kundschaft“ und „Regionale Wirtschaft“. 559 Die Gleichsetzung Unterperiode = Individuum ermöglicht die Hervorhebung der Auswirkungen aus der Privatisierung. Dabei wird die Existenz von drei unterschiedlichen Bankenmärkten simuliert: ein Bankenmarkt hauptsächlich bestehend aus öffentlichen Banken, ein Bankenmarkt in einer Privatisierungsphase und ein privater Bankenmarkt.

180

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

nen zur Messung der Leistung in Bezug auf den Stakeholder „Bevölkerung“. Aus der theoretischen Analyse hat sich ergeben, dass im Rahmen der Gewährleistungsfunktion die finanzielle Versorgung ein grundlegendes Interesse der Bevölkerung ist. Basierend auf der Annahme, dass die finanziellen Basisbedürfnisse der Bevölkerung hauptsächlich über Kreditvergabe und Einlagen befriedigt werden können, kann die Untersuchung der zeitlichen Entwicklung und der unterschiedlichen Gewichtungen vom Kredit- und Einlagengeschäft einige Hinweise zu dieser Thematik liefern. Eine dominante Rolle der Kredite und der Einlagen innerhalb der Bankbilanz verbindet das Bankgeschäft mit der realen Wirtschaft und trägt zur Finanzierung von Investitions- und Konsum-entscheidungen bei. Die Bevölkerung bekommt so Zugang zu notwendigen und grundlegenden Finanzdienstleistungen und kann ihre finanziellen Bedürfnisse befriedigen. Wenn dagegen eine Fokussierung auf andere Geschäfte wie Vermögensverwaltung oder Provisionsgeschäfte stattfindet, kommt die Bankentätigkeit weniger den Interessen des Großteils der Bevölkerung nach. Dies liegt daran, dass eine direkte Beziehung zwischen dem Vermögen und der Art der benötigten Finanzgeschäfte besteht.560 Demnach verliert für wohlhabende Privatkunden mit einem großen Vermögen das klassische Einlagen- und Kreditgeschäft an Bedeutung, wohingegen der Zugang zu ergänzenden Dienstleistungen wie der Vermögensverwaltung eine wichtigere Rolle spielt. Die Fokussierung auf solche Geschäfte stellt normalerweise für die Bank eine ertragsversprechende und dadurch bevorzugte Alternative gegenüber dem klassischen Bankgeschäft dar, welche aber im Grenzfall zu einem Ausschluss des vermögensschwächeren Anteils der Bevölkerung führen kann und damit den Interessen des Stakeholders „Bevölkerung“ weniger gerecht wird. Beide Kennzahlen müssen sowohl einzeln als auch gemeinsam betrachtet werden, um ein Gesamtbild zu bekommen. Wenn sich beispielsweise eine Bank über Kundeneinlagen refinanziert und die gesammelten Einlagen hauptsächlich in Finanzmarktprodukte auf Kosten der Kreditvergabe investiert, kann man nur teilweise von einer Berücksichtigung der Stakeholder-Ansprüche sprechen.

560

Für eine Darstellung der Beziehung zwischen dem Kundenvermögen und den nachgefragten Finanzprodukten vgl. Büschgen (2002), S. 74.

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

181

Tabelle V.1 – Kennzahlen des Stakeholder-Managements

Nr.

Kennzahl

Formel

1 Kreditanteil

Kreditsummei,t / Durchschnittliche Bilanzsummei,t

2

Einlagenanteil

Kundeneinlageni,t / Durchschnittliche Bilanzsummei,t

3

Zweigstellenintensität

Zweigstelleni,t / Bilanzsummei,t

4

Liquiditätssicherung

Erwartete Änderung der Kreditbetrages bei einer Bonitätsverschlechterung561

5

Mitarbeiterintensität

Mitarbeiteri,t / Bilanzsummei,t

Ausmaß der Finanzierung Kredite an Gemeinden und Gemein6 deverbändei,t / Bilanzsummei,t lokaler Gemeinden Anteil an der Finanzierung 7 lokaler Gemeinden

561 562

Kredite an Gemeinden und Gemeindeverbändei,t / Summe der Kredite an Gemeinden und Gemeindeverbändet

Betroffener Stakeholder

Datenquelle OECD Bank ProBevölkerung fitability Database OECD Bank ProBevölkerung fitability Database OECD BevölkeBank Prorung, Kundfitability schaft Database SimulatiKundschaft on562 / Literatur OECD Bank ProMitarbeiter fitability Database ÖffentlichDeutsche rechtliche BundesKörperschafbank / ten, RegioBanca nale Wirtd´Italia schaft ÖffentlichDeutsche rechtliche BundesKörperschafbank / ten, RegioBanca nale Wirtd´Italia schaft

Siehe Tabelle 5.3 für eine Beschreibung des Rechenverfahrens. Diese Kennzahl stellt eine Ausnahme dar, da dafür keine historischen Daten verwendet werden. Es erfolgt eine Simulation der Änderung der Kreditvergabe auf Basis der empirischen Schätzungen von Elsas/Krahnen (1998) und von Neuberger/Schindler (2001).

182

V.

Nr.

Kennzahl

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

Formel

Betroffener Stakeholder

Geographi8 sches Absatzgebiet

Verteilung der Kreditvergabe nach geographischer Dimension / Verteilung der Kreditlinie nach ihrem Volumina

Regionale Wirtschaft

Interbankenmarkt9 refinanzierung

Interbankenmarktkreditei,t / Bilanzsummei,t

Finanzsystem

InterbanInterbankenmarkteinlageni,t / Bilanz10 kenmarktsummei,t investitionen 11 Z-Score

Zyklizität 12 der Kreditvergabe Abnormales Wachstum 13 der Krediten (AWK)564

14

Angebotsreaktivität

Z i,t =

! Eigenkapitali,t $ + ROAi #" Bilanzsummei,t &%

'

ROA i

" Kreditsummei ,t ! Kreditsummei ,t !1 % ;' $ Kreditsummei ,t !1 ' $ Corr ' $ BIP ! BIP t t !1 ' $ BIPt !1 & #

564

Finanzsystem

Finanzsystem

OECD Bank Profitability Database

Finanzsystem

OECD Bank Profitability Database

Finanzsystem

Deutsche Bundesbank / Banca d´Italia

Kreditsummei ,t ! Kreditsummei ,t !1 Kreditsummei ,t !1 " Kreditsummet ! Kreditsummet !1 % ! Median $ ' Kreditsummet !1 # & " Kreditsummei ,t +1 ! Kreditsummei ,t % ;' $ Kreditsummei ,t Correlation $ ' #$ Kurz .Zinssatz t ! Kurz .Zinssatz t !1 &'

und Häufigkeitsanalyse

563

Finanzsystem

Datenquelle Literatur563 / Banca d´Italia OECD Bank Profitability Database OECD Bank Profitability Database OECD Bank Profitability Database

Die Berechnungen für den deutschen Bankenmarkt basieren auf der Studie von Brümmerhoff/Lehmann (2000). In Anlehnung an Foos et al. (2010).

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

183

Dies liegt daran, dass dabei nur die Anlagebedürfnisse der Bevölkerung bedient werden, während die Finanzierungsbedürfnisse vernachlässigt bleiben. Die Analyse des deutschen Marktes vergleicht die Entwicklung dieser beiden Kennzahlen zwischen den verschiedenen Bankengruppen und ermöglicht eine erste Bewertung ihrer relativen Leistung. Dagegen zielt die historische Analyse des italienischen Bankenmarktes auf die Darstellung der Auswirkungen der Privatisierung auf die Ansprüche dieses Stakeholders. Zusätzlich zur Betrachtung des Kredit- und Einlagengeschäfts kann auch die Kennzahl Zweigstellenintensität (Tabelle 5.1 – Nr. 3) wichtige Informationen bezüglich des Stakeholders „Bevölkerung“ liefern. Diese Kennzahl wird durch das Verhältnis zwischen der Anzahl an Zweigstellen und der Bilanzsumme berechnet und stellt einen Indikator für den Grad der Zentralisierung der Bank dar. Ein niedriger Wert der Zweigstellenintensität verweist dabei auf eine große durchschnittliche Bilanzsumme pro Zweigstelle und entspricht einem hohen Zentralisierungsgrad. Diese Kennzahl betrifft den flächendeckenden Charakter der finanziellen Versorgung, welcher sich innerhalb der theoretischen Analyse des „Social View“ und der Gewährleistungsfunktion als ein bedeutendes Interesse der Bevölkerung ergeben hat.565 Um ihre finanzielle Versorgung zu gewährleisten, muss neben einem geeigneten Angebot an Finanzdienstleitungen auch der tatsächliche Zugang zu solchen Produkten gesichert werden, insbesondere in ländlichen Gebieten. Obwohl heute die Flächendeckung auch über alternative Kanäle wie das Onlinebanking erreicht werden kann, besitzt die direkte Präsenz durch Zweigstellen ein unersetzlich hohes Betreuungspotenzial.566 Insbesondere bei den informationsintensiven Geschäften spielt der direkte Kontakt Bank-Kunde für die Entstehung des notwendigen Vertrauens eine entscheidende Rolle. Die Bank-Kunde-Beziehung erlaubt einen ausführlichen Austausch über die gegenseitigen Anforderungen, sodass ein vollständiges Angebot an Finanzprodukten und eine gezielte Betreuung erfolgen können. In dieser Analyse werden eine hohe Zweigstellenintensität und ein niedriger Zentralisierungsgrad als Zeichen einer flächendeckenden Versorgung interpretiert, da die Geschäftssumme auf mehrere Zweigstellen verteilt wird. Sowohl der Gruppen- als auch der historische Vergleich sollte hinsichtlich dieses Aspektes zeigen, inwieweit sich die Leistung der öffentlichen Banken von anderen Banken unterscheidet. Die gleiche Kennzahl Zweigstellenintensität betrifft auch die Berücksichtigung der Interessen des Stakeholders „Kundschaft“, insbesondere sein Interesse an einem ausreichenden Wettbewerbsniveau und an einem kostengünstigen Angebot an Fi565 566

S. Kap. 3.1. Ebenfalls Neuberger/Schindler (2001) verweisen auf die Notwendigkeit eines ausgedehnten Zweigstellennetzes für eine ausreichende finanzielle Versorgung an Bankdienstleistungen. Vgl. Neuberger/Schindler (2001), S. 92 f.

184

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

nanzdienstleistungen. Weil der Bankenmarkt in der Regel wegen der besonderen Rolle von Informationen zu einem Oligopol und dadurch zur Herausbildung einer ausgeprägten Marktmacht neigt, wird nach dem „Social View“ für einen hohen Wettbewerbsgrad ein Eingreifen von öffentlichen Banken notwendig.567 Neben dieser theoretischen Begründung ist auch innerhalb der gesetzlichen Regelung des öffentlichen Auftrags die Wettbewerbssicherungsfunktion als Aufgabe für Sparkassen zu finden. In dieser Arbeit wird die Auffassung vertreten, dass die Präsenz mehrerer Zweigstellen einer Markmacht entgegenwirkt und dadurch zu einem höheren Wettbewerb beiträgt. Diese Erklärung folgt dem Structure-ConductPerformance Paradigma, welches den Grad an Wettbewerb in ein positives Verhältnis zur Verfügbarkeit mehrerer Anbieter am Markt stellt.568 Ein niedriger Wert der Zweigstellenintensität impliziert damit die Existenz von kleinen Zweigstellen, welche durch ihre Präsenz am Markt den Wettbewerbsgrad erhöhen. Neben dem Anspruch auf eine flächendeckende Versorgung und auf Wettbewerbssicherung wurde in der theoretischen Untersuchung der Interessen des Stakeholders „Kundschaft“ auch die Rolle des Beziehungsbankings hervorgehoben. Dieses bezieht sich u. a. auf den langfristigen Charakter der Bankbeziehung und wird als „eine Verhaltensweise von Banken und Kunden verstanden, bei der die Inanspruchnahme einzelner Bankleistungen in eine enge, auf Dauer angelegte Geschäftsbeziehung eingebunden wird“569 definiert. Aus dieser Definition ergeben sich die Merkmale der Stabilität, der Stärke und der Langfristigkeit der Geschäftsbeziehung für beide Vertragspartner. Nur dadurch entstehen die notwendigen Voraussetzungen für ein vertrauensbasiertes Verhältnis, welches die informationsasymmetrischen Probleme der Bankbeziehung verringern kann.570 Deshalb kommt eine langfristige Perspektive der Geschäfte den Interessen sowohl der Kundschaft als auch der sozialen Wohlfahrt entgegen. Mit einer besseren Intermeditationsfunktion der Banken infolge eines vollständigeren Informationsaustausches steigt die soziale Wohlfahrt,571 während die Kundschaft sich auf einen stabilen Kreditversorger verlassen kann.572 Diesbezüglich fokussiert die deskriptive Analyse 567

Vgl. Kap. 3.1 und die dort angegebene Literatur. Eine ausführliche Beschreibung des Verhältnisses zwischen Marktstruktur und Markmacht findet in Peltzmann (1977) statt. Vgl. Peltzmann (1977), S. 229 ff. 569 Börner/Ruwwe (2007), S. 49. 570 Während in dieser Arbeit nur die Perspektive der „Kundschaft“ berücksichtigt wird, untersuchen Börner/Ruwwe (2007) auch die Sicht der Bank. Sie beschreiben das besondere Vertrauensverhältnis und den verbesserten Informationsstand der Bank als Vorteile für die Bank, wogegen die höhere Bereitschaft zur Begleitung von Krisensituationen des Kunden einen Nachteil darstellt. Vgl. Börner/Ruwwe (2007), S. 58. 571 Eine bessere Durchführung der Intermediationsfunktion verbessert die Allokation der Ressourcen und trägt damit positiv zur sozialen Wohlfahrt bei. Für eine ausführliche Darstellung der Hausbankbeziehung und ihres ökonomischen Nutzens vgl. Elsas (2001), S. 11 ff. 572 Das Kapitel 4.2.3.2 enthält eine ausführliche Erläuterung dieser beiden Aspekte. 568

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

185

durch die Kennzahl Liquiditätssicherung (Tabelle 5.1 – Nr. 4) auf die Berücksichtigung der Interessen der „Kundschaft“ an einer stabilen Bankbeziehung, während man auf die Untersuchung der sozialen Wohlfahrt verzichtet.573 Es wird untersucht, inwieweit die unterschiedlichen Bankengruppen aufgrund ihrer langfristigen Beziehung mit ihren Kunden die Funktion der Liquiditätssicherung in schwierigen Wirtschaftsphasen des Kreditnehmers erfüllen.574 Aus dem Grund, dass die Daten aus der OECD Database keine zeitliche Unterteilung der Kreditbeziehungen und keine anderen verwertbaren Angaben zu diesem Thema enthalten, wird für die Kennzahl Liquiditätssicherung in Bezug auf den deutschen Bankenmarkt eine Simulation durchgeführt. Für die Analyse des italienischen Bankenmarktes wird aufgrund deren historischer Entwicklung auf eine ähnliche Simulation verzichtet, hier erfolgt hingegen eine Darstellung von Studien über die Existenz und Präsenz von Hausbankbeziehungen. Die Simulation liefert ein Gesamtbild über die Auswirkungen der unterschiedlichen Eigentümerstruktur auf die Gestaltung der Bankbeziehungen. Diese berechnet die Änderung der Kreditvergabe für eine Hausbank und eine Nicht-Hausbank nach einer Bonitätsverschlechterung bei einem Anfangsniveau von 100 Einheiten, wobei man zwischen einer moderaten und einer starken Verschlechterung unterscheidet.575 Die verwendeten Parameter stammen aus den Ergebnissen der empirischen Schätzungen für den deutschen Bankenmarkt von Elsas/Krahnen (1998).576 Die Ergebnisse sollten zeigen, inwieweit sich die Art der Bankbeziehung auf die Änderung der Kreditvergabe bei einer Verschlechterung der Kundenqualität auswirkt. Wenn Hausbanken im Fall einer Bonitätsverschlechterung bereit sind, zusätzlichen Kredit zu gewähren, können sie damit ihren Kunden die notwendige Liquidität bieten und ihnen bei der wirtschaftlichen Erholung helfen. Wenn dagegen die verfügbare Kreditsumme reduziert wird, entstehen für die betroffenen Kunden Liquiditätsengpässe und die Wahrscheinlichkeit einer wirtschaftlichen Erholung reduziert sich.577 Es bleibt aber die Verbindung zwischen der Hausbankbeziehung und den verschiedenen Bankengruppen bestehen. In der Literatur wird oft behauptet, dass innerhalb des deutschen Bankensektors Sparkassen und Genossenschaftsbanken besonders oft als Hausbank für ihre Kunden dienen.578 Für eine 573

Der Beitrag zur sozialen Wohlfahrt kann nicht direkt gemessen werden, sondern indirekt aus der besseren Allokation durch das Beziehungsbanking hergeleitet werden. 574 Auch die Untersuchung von Elsas (2001) zeigt theoretisch und empirisch, dass Hausbanken sich von Normalbanken bezüglich des Kreditmanagements unterscheiden. Vgl. Elsas (2001), S. 271. 575 Hierbei wird die Hausbankbeziehung als Vertreter für das Beziehungsbanking angenommen. 576 Vgl. Elsas/Krahnen (1998), S. 1311 577 Diese Unterscheidung zwischen Hausbanken und normalen Banken bei der Liquiditätssicherung wird ebenfalls von Neuberger/Schindler (2001) beschrieben. Vgl. dazu Neuberger/Schindler (2001), S. 95 f. 578 Beispielhaft zeigen Baas/Schrooten (2005), dass der Anteil der Kredite an Nichtbanken bei Sparkassen und Genossenschaftsbanken deutlich höher als bei Privatbanken ausfällt. Daraus ist laut ihrer

186

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

empirische Quantifizierung der Gewichtung dieser Beziehungsart werden die Ergebnisse aus dem Beitrag von Neuberger/Schindler (2001) verwendet, welche solche Gewichtung für die deutsche Bankengruppen schätzen; sie dienen in dieser Arbeit als Wahrscheinlichkeit einer Hausbankbeziehung.579 Um die erwartete Änderung eines Kredites im Fall einer Bonitätsverschlechterung bei jeder Bankengruppe zu schätzen, wird die geschätzte Änderung des Kreditbetrages bei einer Hausbank- und bei einer Nicht-Hausbankbeziehung mit der jeweiligen Wahrscheinlichkeit multipliziert und dann für jede Bankengruppe aufsummiert. Durch dieses Verfahren wird für jede Bankengruppe simuliert, inwieweit ein Kreditnehmer von jeder Gruppe auf eine zusätzliche Liquiditätsversorgung im Fall einer Verschlechterung seiner wirtschaftlichen Lage rechnen kann. Hohe und positive Werte verweisen dabei auf eine positive Leistung in Bezug auf das Interesse des Stakeholders „Kundschaft“. Das Interesse des Stakeholders „Mitarbeiter“ bezieht sich auf das Angebot an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen. Innerhalb des Kapitels 4.2.3.3 wird zwischen der direkten und der indirekten Beschaffung von Arbeitsplätzen unterschieden. Während sich die direkte Beschaffung auf die Bereitstellung von Arbeitsplätzen innerhalb der Bank bezieht, betrifft die indirekte Beschaffung die Förderung von Arbeitsplätzen durch die Finanzierung von sozialen und kulturellen Vereinen. In dieser Analyse wird die direkte Beschaffung durch die Kennzahl Mitarbeiterintensität (Tabelle 5.1 - Nr. 5) untersucht, welche die Anzahl der Mitarbeiter ins Verhältnis zur Bilanzsumme setzt. Ein hoher Wert dieser Kennzahl weist auf eine Geschäftspolitik hin, welche den Mitarbeitern eine wichtige Rolle bei der Durchführung der Geschäfte zuweist und dementsprechend ein großes Bedürfnis an qualifiziertem Personal hat. Ein niedriger Wert der Mitarbeiterintensität weist dagegen auf eine intensivere Nutzung der Technologie und auf die Konzentration der Geschäfte in den Händen weniger Mitarbeiter hin. Obwohl beide Geschäftsmodelle aus betriebswirtschaftlicher Sicht Vor- und Nachteile haben, ist hinsichtlich der Bereitstellung von Arbeitsplätzen die erste Alternative zu bevorzugen. Zusätzlich zu einem Vergleich der verschiedenen Bankengruppen ist bei dieser Kennzahl für den deutschen Markt auch die zeitliche Perspektive zu betrachten, da in den letzten Jahren die Verstärkung des Wettbewerbs innerhalb des Bankenmarktes zu einem massiven Abbau von Arbeitsplätzen und insbesondere bei Sparkassen zu einer Änderung der Einstellungspolitik geführt hat.580

579 580

Meinung ein großes Engagement dieser Gruppen in dem Retailbanking und auch in dem Relationship-Banking zu schließen. Vgl. Baas/Schrooten (2005), S. 7 ff. Der Anteil von Hausbankbeziehungen wird für Sparkassen auf 80 %, für Kreditgenossenschaften auf 78 % und für Privatbanken auf 58 % geschätzt. Vgl. Neuberger/Schindler (2001), S. 96. Der Einfluss des Wettbewerbs auf die Mitarbeiter wird ebenfalls von Köhler (1998), S. 378 beschrieben.

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

187

Die nächsten Stakeholder-Kategorien betreffen die „Regionale Wirtschaft“ und die „Öffentlich-rechtlichen Körperschaften“, deren Ansprüche in der deskriptiven Analyse teilweise zusammen untersucht werden. Weil die Thematik der Finanzierung von öffentlich-rechtlichen Körperschaften sehr breit ist und ihre ausführliche Analyse den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde, erfolgt in diesem deskriptiven Teil eine Fokussierung auf die Finanzierung lokaler Gemeinden und Gemeindeverbände. Die Verbindung zwischen deren Finanzierung und dem Bankgeschäft findet ihre Begründung in dem „Social View“.581 Diesem Ansatz gemäß sind in der Regel öffentliche Projekte durch eine niedrige Rendite im betriebswirtschaftlichen Sinne gekennzeichnet, aus sozialer Sicht ist die Rendite dagegen sehr hoch.582 Das führt dazu, dass gewinnorientierte Banken kaum bereits sind, solche Projekte zu finanzieren und nur die Projekte aussuchen, welche die beste Rendite versprechen. Dementsprechend können nur öffentliche Banken eine ausreichende Finanzierung garantieren. Zusätzlich zur Berücksichtigung der Interessen „Öffentlich-rechtlicher Körperschaften“ erfüllt die Finanzierung lokaler Gemeinden auf indirekte Weise auch die Ansprüche der lokalen Wirtschaft. Die getätigten Investitionen bewirken positive Impulse für die lokale Wirtschaft, da dadurch sowohl lokale Unternehmen als auch neue Arbeitsplätze gefördert werden.583 Die Analyse bezüglich beider Stakeholder erfolgt durch die Auswahl von zwei Kennzahlen, anhand derer für jede Bankengruppe die vergebenen Kredite an lokale Gemeinden und Gemeindeverbände ins Verhältnis zu unterschiedlichen Referenzgrößen gesetzt werden. Die Kennzahl Ausmaß der Finanzierung lokaler Gemeinden (Tabelle 5.1 - Nr. 6) dividiert das Kreditvolumen durch die Bilanzsumme, um die Wichtigkeit dieses Geschäftes für die Bankengruppe zu ermitteln. Die Kennzahl Anteil an der Finanzierung lokaler Gemeinden (Tabelle 5.1 - Nr. 7) setzt dagegen das Kreditvolumen ins Verhältnis zur Summe der von den Gemeinden erhaltenen Kredite. Je höher der Anteil einer Gruppe ist, desto wichtiger ist ihre Rolle bei der Finanzierung der Gemeinde. In der Analyse des italienischen Bankenmarktes werden beide Kennzahlen nicht für jede Bankengruppe gerechnet, sondern für den gesamten Markt. Die zeitliche Entwicklung beider Kennzahlen in Abhängigkeit der jeweiligen zeitlichen Periode sollte zeigen, inwieweit sich die Bereitschaft der Banken zur Finanzierung lokaler Gemeinde durch ihre Umwandlung geändert hat. Neben der Finanzierung der örtlichen Gemeinde bezieht sich auch die Kennzahl geographisches Absatzgebiet (Tabelle 5.1 - Nr. 8) auf die Ansprüche des Stakeholders „Regionale Wirtschaft“. Weil das Kapital einen der wichtigsten Faktoren für die wirtschaftliche Entwicklung darstellt, ist eine flächendeckende und ausreichende Verfügbarkeit von Finanzierungsmöglichkeiten eine grundlegende Vo581 582 583

S. Kap. 3.1. Vgl. Sapienza (2004), S. 360. Für eine ausführliche Beschreibung der Interessen beider Stakeholder s. Kap. 4.2.3.4 und 4.2.3.5.

188

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

raussetzung für den Erhalt einer ausgeglichenen Wirtschaftsstruktur. Die Kennzahl unterscheidet für den deutschen Bankenmarkt zwischen einer regionalen, einer nationalen und einer internationalen Ausrichtung des Absatzes. Je mehr sich der Absatz auf die Region konzentriert, desto größer werden sowohl die Finanzierungsmöglichkeiten lokaler Unternehmen als auch die positiven Auswirkungen für die regionale Wirtschaft. Banken können durch die Konzentration ihrer Geschäftstätigkeit in einer Region einem Kapital-abflussprozess entgegenwirken, da sie die in der Region gesammelten Einlagen hauptsächlich für die Finanzierung regional orientierter Kreditnehmer verwenden können. Die Erhöhung der regionalen Finanzierung bringt sowohl für die einzelnen Unternehmen als auch für die gesamte Region Vorteile mit. Durch den Zugang zu einer ausreichenden Kreditbasis werden lokale Unternehmen bei der Umsetzung ihrer Investitionen unterstützt und können so ihren Umsatz erweitern. Das fördert die Entstehung zusätzlicher Arbeitsplätze und einen Zuwachs des regionalen Einkommens, was wiederum den lokalen Konsum fördert. Dieser Prozess wirkt sich somit positiv auf alle Wirtschaftssubjekte einer Region aus. Dagegen führt ein Kapitalabfluss in Richtung starker Wirtschaftsgebiete zu einer wirtschaftlichen Verschlechterung strukturschwacher Regionen, da nicht nur das Kapital sondern auch Unternehmer und Arbeitnehmer solche Regionen verlassen.584 Aus dem Vergleich dieser Kennzahl kann man herleiten, inwieweit die verschiedenen Bankengruppen durch das Kreditangebot die regionale Wirtschaft fördern. Für den italienischen Bankenmarkt bezieht sich die Kennzahl nicht mehr auf die geographische Verteilung des Absatzes, sondern auf die Verteilung der gewährten Kreditlinie nach ihrer Volumina. Es wird untersucht, inwieweit Banken bereit sind, für die Liquidität und die Finanzierung regionaler Unternehmen durch die Gewährung von Kreditlinien zu sorgen. Sind große Kreditlinien vorhanden, wird das als negatives Zeichen für die Berücksichtigung der Interessen der “Regionalen Wirtschaft“ interpretiert. Dies basiert auf der Annahme, dass regionale Unternehmen in der Regel kleine bzw. mittlere Kreditlinien benötigen und dass sie aufgrund ihrer Größe die Bankenfinanzierung nicht durch den Zugang zum Kapitalmarkt ersetzen können.585 Dementsprechend vernachlässigen die Banken dadurch die kleinen und mittleren Unternehmen, so die Annahme, welche ihre Investitionen meistens nur durch die Eigenfinanzierung umsetzen können. Als Ergebnis werden das Wachstums- und das Entwicklungspotenzial einer Region eingeschränkt.

584 585

Für eine formale Modellierung der Auswirkungen eines Kapitalabflusses und der Rolle von öffentlichen Banken vgl. Hakenes/Schnabel (2006), S. 1 ff. Der Zugang zum Kapitalmarkt als Refinanzierungsquelle ist für solche Unternehmen aufgrund ihrer Größe und der institutionellen Rahmenbedingungen sehr schwierig. Vgl. Gambacorta/Mistrulli (2001), S. 7.

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

189

Als letzter Stakeholder wird das „Finanzsystem“ untersucht, und hier insbesondere sein Interesse an der Erhaltung seiner Stabilität, deren Bedienung sich als Aufgabe für die Banken aus dem „Macroeconomic View“ ergibt.586 Als Ausgangspunkt für die deskriptive Analyse dieser Thematik werden die Schlussfolgerungen aus dem Beitrag von Norden/Weber (2010) verwendet. Ihre empirische Untersuchung zeigt, dass innerhalb des deutschen Bankensystems die Tendenz besteht, die Einlagensammlung durch Interbankenmarktkredite zu substituieren: Kundeneinlagen verlieren als Refinanzierungsquelle an Bedeutung und ihr relativer Anteil reduziert sich bei allen Bankengruppen. Laut den Autoren führt diese Entwicklung einerseits zu einer Ausdehnung der Intermediationskette und andererseits zu einer niedrigeren Stabilität des Finanzsystems. Die Reduzierung der Stabilität kommt aus der engen Vernetzung zwischen den Banken durch ihre stärkere Nutzung des Interbankenmarktes: Wenn ein Marktteilnehmer schwerwiegende Liquiditätsprobleme aufweist und seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen kann, erhöht diese Vernetzung das systemische Risiko einer Ansteckung auf andere Banken, was die Stabilität des ganzen Finanzsystems gefährdet.587 Diese Erkenntnisse heben die Risiken einer ausgeprägten Nutzung des Interbankenmarktes hervor: Sie führt zu einer engen Vernetzung der Banken und kann damit die Stabilität des gesamten Marktes gefährden. Aus diesem Grund untersucht diese Analyse die Entwicklung der Inanspruchnahme des Interbankenmarktes durch zwei Kennzahlen. Die erste Kennzahl Interbankenmarktrefinanzierung (Tabelle 5.1 - Nr. 9) setzt den Betrag der in Anspruch genommenen Interbankenmarktkredite in Relation zur Bilanzsumme, um einen Vergleich in der Verwendung dieses Marktes als Refinanzierungsquelle zu ermöglichen. Die Kennzahl Interbankenmarktinvestitionen (Tabelle 5.1 - Nr. 10) betrifft dagegen die Verwendung des Interbankenmarktes als Anlagemöglichkeit und wird durch das Verhältnis zwischen der Summe der Einlagen am Interbankenmarkt und der Bilanzsumme berechnet. Hohe Werte dieser Kennzahlen symbolisieren eine starke Abhängigkeit einer Bank vom Interbankenmarkt und dadurch einen negativen Beitrag zur Stabilität des Finanzsystems. Dagegen bedeuten niedrige Werte eine vom Interbankenmarkt unabhängige Refinanzierungs- und Investitionspolitik, wodurch das systemische Risiko innerhalb des Bankenmarktes reduziert wird.588

586 587 588

S. Kap. 3.3. Vgl. Norden/Weber, S. 89 f. Das systemische Risiko wird als Risiko von dem aus dem Zusammenbruch einer Bank entstehenden Dominoeffekt definiert, welcher das gesamte Bankensystems erfasst und zu seinem Kollaps führen kann. Vgl. Hartmann-Wendels et al. (2007), S. 357 f.

190

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

Zusätzlich zum Interbankenmarkt betrifft auch die Kennzahl Z-Score (Tabelle 5.1 - Nr. 11) das Interesse des „Finanzsystems“ an der Erhaltung der Stabilität.589 Hierbei wird nicht mehr die Vernetzung des Bankensystems betrachtet, sondern das Ausfallrisiko innerhalb des Bankensystems und ihre Auswirkung auf die Stabilität. Die Kennzahl Z-Score steht in direkter Verbindung zur Wahrscheinlichkeit einer Insolvenz und schätzt die Fähigkeit einer Bank, negative Änderungen ihrer Erträge auszuhalten. Sie wird durch das Verhältnis der Summe aus Eigenkapitalquote und durchschnittlichem ROA (Gesamtkapitalrentabilität) und der ROAStandardabweichung berechnet. Unter der Annahme von normalverteilten Renditen misst sie, wie viele negative Standardabweichungen vom durchschnittlichen ROA notwendig sind, um den Wert des Eigenkapitals aufzubrauchen und dadurch die Bank zur Insolvenz zu bringen. Hohe Z-Score entsprechen einer niedrigen Obergrenze der Ausfallwahrscheinlichkeit und damit einer niedrigen Insolvenzwahrscheinlichkeit.590 Diese Kennzahl betrachtet das Risiko einer Bank; daraus lässt sich der Beitrag zur Stabilität des Finanzsystems herleiten: Niedrige Ausfallwahrscheinlichkeiten wirken stabilisierend auf das Finanzsystem, wohingegen ein hoher Wert destabilisierende Auswirkungen mit sich bringt. In Bezug auf europäische Genossenschaftsbanken zeigen beispielsweise Cihák/Hesse (2007), dass diese Banken aufgrund ihrer durchschnittlich höheren Z-Score positiv zur Stabilität des Finanzsystems beitragen. Für den deutschen Bankenmarkt werden in dieser Analyse die Z-Score jeder Bankengruppe miteinander verglichen, bei dem italienischen Bankensystem wird die zeitliche Entwicklung der Z-Score in Verbindung mit dem Privatisierungsprozess gesetzt. Aus dem „Macroeconomic View“ wird neben der Erhaltung der Stabilität auch die Funktion der Banken bei der Unterstützung der Geldpolitik hergeleitet.591 Die Tätigkeit der Banken als Instrument zur Erreichung geldpolitischer Ziele ist von besonderer Bedeutung in Zeiten wirtschaftlichen Abschwungs, wenn die Geldpolitik auf die Versorgung der Wirtschaft mit der notwendigen Liquidität durch antizyklische Maßnahmen zielt. Banken dienen dabei als Intermediäre zwischen der Zentralbank und der realen Wirtschaft, sodass die Reaktivität der Kreditvergabe auf den Wirtschaftszyklus den Erfolg solcher Maßnahmen direkt beeinflusst. Um die verschiedenen Aspekte der Beziehung von Kreditvergabe und Geldpolitik zu untersuchen, werden drei unterschiedliche Kennzahlen entwickelt. Die erste Kennzahl Zyklizität der Kreditvergabe (Tabelle 5.1 - Nr. 12) zielt auf die Ermittlung 589

Im Unterschied zu den anderen Kennzahlen, welche durch den Autor entwickelt worden sind, hat die Z-Score ihren Ursprung in verschiedenen Literaturbeiträgen. Vgl. bspw. Ayadi et al. (2009), S. 52 ff. 590 Die Z-Score für Banken wurde zum ersten Mal von Boyd/Runkle (1993) eingeführt und wurde in den folgenden Jahren ein verbreitetes Risikomaßstab für Banken innerhalb empirischer Studie (vgl. Laeven/Levine (2006), Cihák/Hesse (2007) und Beck et al. (2009)). 591 S. Kap. 3.3 und Yeyati et al. (2004), S. 8.

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

191

zyklischer Eigenschaften der Kreditvergabe und stellt die Korrelation zwischen der Änderung der Kreditvergabe und der Änderung des Bruttoinlandprodukts dar. Positive Korrelationswerte weisen auf eine Vergrößerung der Kreditvergabe in Zeiten von Wirtschaftswachstum und auf ihre Reduzierung bei einem wirtschaftlichen Abschwung hin. Dagegen weisen negative Korrelationswerte auf eine gegenseitige Reaktivität hin. Während in Wachstumszeiten eine prozyklische Kreditvergabe die Wirtschaft fördert, kann die Reduzierung derselben in Rezessionen schwere Folgen haben592 und trägt in diesen Fällen zu einer Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Kreditnehmer bei. Letztere können sowohl Liquiditätsprobleme bekommen als auch neue Anschaffungen oder Projekte nicht mehr finanzieren können. Eine Reduzierung der Finanzierungsmittel erhöht dadurch die Gefahr einer Rezessionsverstärkung für die ganze Wirtschaft.593 Dagegen kann eine antizyklische Kreditvergabe durch Bereitstellung zusätzlicher Liquidität der Rezession entgegenwirken. Dieser Ansatz ähnelt der Analyse des Anspruchs der „Kundschaft“ auf ein zuverlässiges Beziehungsbanking, dessen Erfüllung durch die Kennzahl Liquiditätssicherung bewertet wird. Der Unterschied zum Stakeholder „Finanzsystem“ liegt in den betrachteten Auswirkungen, welche sich nicht mehr auf einzelne Kreditnehmer, sondern auf die gesamte Wirtschaft beziehen.594 Als zweiter Indikator bezüglich der Zyklizität wird eine angepasste Version einer Kennzahl aus dem Beitrag von Foos et al. (2010) verwendet.595 Diese wird als abnormales Wachstum der Kredite (AWK) (Tabelle 5.1 - Nr. 13) bezeichnet und für das deutsche Bankensystem über die Differenz zwischen der Kreditwachstumsrate einer Bankengruppe und dem Median der Wachstumsrate aller Banken im gleichen Jahr berechnet.596 Dadurch wird nicht mehr die absolute Wachstumsrate der Kredite untersucht, sondern diese zur Entwicklung des gesamten Bankensystems ins Verhältnis gesetzt. Die erhaltene Kennzahl ist damit von den allgemeinen makroökonomischen Entwicklungen innerhalb des Landes unabhängig und stellt die Besonderheiten des Verhaltens jeder Bankengruppe deutlich dar. Ein positiver Wert von AWK weist auf ein ausgeprägteres Wachstum der Kreditvergabe gegen592

Eine theoretische Erklärung der Zyklizität der Kreditvergabe wird in dem Beitrag von Ruckes (2004) ausführlich dargestellt. Vgl. Ruckes (2004), S. 1073 ff. Für eine vollständige Darstellung der zyklischen Eigenschaften der Kreditvergabe und ihrer Auswirkungen auf die reale Wirtschaft vgl. Sygusch (2010). 594 Ebenfalls der neue Regulierungsrahmen „Basel III“ befasst sich mit der Problematik der Zyklizität der Kreditvergabe und ihren Folgen für die reale Wirtschaft, wohingegen der antizyklische Puffer als zusätzliches Eigenkapital eingeführt wird. Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2009), S. 71. 595 Während Foos et al. (2010) die Differenz zwischen der Wachstumsrate der Kredite jeder einzelnen Bank und dem Medianwert der Wachstumsrate aller Banken berechnen, wird bei der angepassten Version dieser Kennzahl der Medianwert von der Kreditwachstumsrate jeder Bankengruppe für Deutschland und jeder Unterperiode für Italien abgezogen. 596 Vgl. Foos et al. (2010), S. 2929 f. 593

192

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

über dem allgemeinen Trend im jeweiligen Land hin. Die Verbindung der Werte von AWK mit den Wachstumsraten des Bruttoinlandsprodukts vervollständigt die Analyse der Unterschiede zwischen den Bankengruppen bezüglich der Zyklizität. Wenn eine Bankengruppe positive Werte von AWK im Fall von negativen BIPWachstumsraten aufweist, deutet dies auf eine stärkere antizyklische Kreditvergabe, verglichen mit dem allgemeinen Trend in dem Land, hin. Diese Verbindung ermöglicht einen direkten Vergleich zwischen den unterschiedlichen Bankengruppen in Abhängigkeit der Wirtschaftsphase. Für das italienische Bankensystem wird die Kennzahl AWK nicht mehr in Bezug auf jede Bankengruppe berechnet, sondern in Bezug auf die drei betrachteten zeitlichen Perioden vor, während und nach der Privatisierung. Dabei wird dabei die Differenz zwischen der Kreditwachstumsrate in einem Jahr und dem Median der Kreditwachstumsrate für den gesamten Zeitraum berechnet. Aus dem daraus resultierenden Wert kann für jede Periode ein Mittelwert kalkuliert werden, welcher die durchschnittliche AWK ausdrückt. Auch in diesem Fall ermöglicht die Verbindung der durchschnittlichen AWK mit der Entwicklung des Bruttoinlandproduktes die Vervollständigung der Analyse von der Zyklizität der Kreditvergabe. Die letzte Kennzahl Angebotsreaktivität (Tabelle 5.1 - Nr. 14) untersucht die Beziehung zwischen der Kreditvergabe und dem kurzfristigen Zinssatz durch Messen der Korrelation. Während die Kennzahlen Zyklizität der Kreditvergabe und ZScore auf den Zusammenhang zwischen dem Wirtschaftszyklus und der Kreditvergabe abzielen und nur indirekt die Unterstützung der Geldpolitik berücksichtigen, untersucht diese Kennzahl direkt die Verbindung zwischen der Geldpolitik und der Kreditvergabe und damit die Rolle der Banken bei der Unterstützung der Geldpolitik. Wenn die Kreditvergabe einer Bank sich einheitlich mit den Zielen der Geldpolitik entwickelt, sollte die Korrelation negative Werte aufweisen. Zusätzlich zu den Korrelationswerten wird durch diese Kennzahl auch eine Häufigkeitsanalyse durchgeführt. Diese trennt zwischen positiven und negativen Änderungen des Zinssatzes und untersucht, wie oft eine inverse Beziehung zwischen einer Änderung des Kreditangebots und dem kurzfristigen Zinssatz vorhanden ist. Je höher der Anteil ist, desto stärker wird die Geldpolitik von der Bank unterstützt. Diese Interpretation basiert einerseits auf der Funktion der Banken als Multiplikatoren der Geldmenge: Die Banken agieren als Vermittler zwischen der Zentralbank und der realen Wirtschaft, wodurch sie Einfluss auf die Effektivität der geldpolitischen Maßnahmen nehmen.597 Auf der anderen Seite stellt der kurzfristige Zinssatz ein klassisches Instrument der Zentralbank für die Umsetzung der Geldpolitik dar und besitzt einen negativen Einfluss auf die Entwicklung der Geldmen597

Für eine ausführliche Darstellung Matthews/Thompson (2009), S. 78.

der

Rolle

der

Banken

als

Geldmultiplikator

vgl.

V.

193

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

ge.598 Eine Erhöhung des kurzfristigen Zinssatzes durch die Zentralbank zielt deswegen auf die Reduzierung des Geldmengenwachstums und dies kann durch eine Reduzierung des Kreditwachstums unterstützt werden. Dagegen verfolgt eine Reduzierung des kurzfristigen Zinssatzes das Ziel, die Geldmenge zu vergrößern, was wiederum durch ein starkes Kreditwachstum gefördert wird.599 Zwischen dem Interesse an der Unterstützung der Geldpolitik und dem Wirtschaftszyklus besteht eine enge Verbindung, da die Geldpolitik als Instrument zur Bekämpfung exzessiver zyklischen Schwankungen dient. Insbesondere in Rezessionszeiten kann eine Reduzierung des Zinssatzes zu einer Erhöhung der Liquidität führen und dadurch die reale Wirtschaft fördern. In diesem Fall beeinflusst die Bankentätigkeit durch ihre Kreditentscheidungen wesentlich den Erfolg solcher Maßnahmen und kann diesen durch eine zum Zinssatz entgegengesetzte Entwicklung der Kreditvergabe fördern. In der folgenden Abbildung werden zwei Erklärungen dieses Prozesses dargestellt, welche in der Literatur als „Bank Lending Channel“ und „Balance Sheet Channel“ beschrieben werden. BANK  LENDING  CHANNEL Refinanzierungszinssatz  ↓   Bankreserven  ↑  

Bankeinlagen  ↑

Bankkredite  ↑

Aggregierte   Nachfrage  ↑  

Investitionen  ↑

Output  ↑

BANK  CAPITAL  CHANNEL Refinanzierungs-­‐ zinssatz ↓

Aktienpreise  ↑

Unternehmens-­‐ wert  ↑

Adverse Selektion   und  Moral  Hazard   Konflikte  ↓

Output  ↑

Aggregierte   Nachfrage  ↑  

Investitionen  ↑

Bankkredite  ↑

Abbildung V.1 – Bank Lending und Balance Sheet Channel Quelle: Eigene Darstellung, in enger Anlehnung an Mishkin (2013), S. 666 f.

Der „Bank Lending Channel“-Erklärung gemäß werden als Instrumente einer expansiven Geldpolitik sowohl die Reduzierung des Refinanzierungszinssatzes als 598 599

Für eine Darstellung der geldpolitische Instrumente und ihrer Zielsetzung vgl. White (1999). Vgl. Fender (2012), S. 174 ff.

194

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

auch die Reduzierung des Mindestreservesatzes verwendet. Beide Maßnahmen erhöhen die Liquiditätsbasis der Banken und ermöglichen damit eine Erweiterung der Kreditvergabe. Weil viele Unternehmer und Konsumenten ihre Investitionen und Anschaffungen in der Regel nur durch Bankkredite finanzieren können, wirkt die Erhöhung der Kreditsumme positiv auf die Investitionen und auf den Konsum. Diese zwei Effekte fördern die aggregierte Nachfrage, woraus sich positive Impulse für ein Wirtschaftswachstum ergeben. 600 Dagegen basiert die „Balance Sheet Channel“-Erklärung auf einem anderen Mechanismus: Die Reduzierung des Refinanzierungszinssatzes erhöht die Aktienpreise und dadurch den Unternehmenswert. Der höhere Unternehmenswert verringert die adverse Selektion und Moral Hazard Konflikte, sodass Banken dazu bereit sind, zusätzliche Investitionen durch Kredite zu finanzieren. Die erhöhte Kreditfinanzierung fördert wiederum eine aggregierte Nachfrage, weshalb die wirtschaftliche Leistung wächst.601 Aus diesen beiden Erklärungen resultiert die wichtige Rolle der Geldpolitik für die Förderung des wirtschaftlichen Wachstums, sodass in der Analyse der Kennzahl ein Schwerpunkt auf der Reaktivität der Kreditvergabe zu negativen Änderungen des Zinssatzes liegt. In der Beziehung von Geldpolitik und Reaktivität der Banken ist es wichtig, einen kurzen Abstand zwischen der Änderung des Zinssatzes und der Änderung der Kreditvergabe in der Folgeperiode zu betrachten. Demzufolge wurden bei der Berechnung dieses Indikators die Jahreswerte der OECD Bank Profitability Database durch Monatswerte aus der Database der jeweiligen Zentralbank ersetzt. Insgesamt bekommt der Stakeholder „Finanzsystem“ durch Verwendung von sechs Kennzahlen ein besonderes Gewicht, denn bei ihm werden zwei wesentliche und messbare Interessen für die Wirtschaft untersucht: die Stabilität und die Unterstützung der Geldpolitik. In dem folgenden Abschnitt wird die deskriptive Analyse sowohl für den deutschen als auch für den italienischen Bankenmarkt dargestellt. Für jedes der beiden Länder werden die einzelnen Kennzahlen entsprechend dem untersuchten Anspruch gruppiert und anschließend zusammen betrachtet.

600 601

Vgl. Mishkin (2013), S. 666 f. Ebda.

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

195

5.3 Gruppenanalyse des deutschen Bankenmarktes 5.3.1 Kredit- und Einlagenanteil Die Analyse des Kredit- und Einlagenanteils (Tabelle 5.1 - Nr. 1 und Nr. 2) umfasst die Beschreibung von vier statistischen Merkmalen beider Kennzahlen: den Durchschnittswert, die Standardabweichung, die Wachstumsrate und ihre gegenseitige Korrelation. Diese Merkmale werden zusammengefasst in Tabelle 5.2 angegeben. Jedes Merkmal wird für Privatbanken, Kreditgenossenschaften und Sparkassen separat berechnet. Weil die Werte der Kredite und der Kundeneinlagen in Relation zur Bilanzsumme gesetzt und damit standardisiert werden, können aus ihrer Analyse keine Informationen über ihren absoluten Verlauf hergeleitet werden, sondern es erfolgt ein Vergleich ihres relativen Gewichtes mit den verbleibenden Bilanzposten. Der Vorteil dieser Kennzahlen liegt darin, dass die darauf basierenden Aussagen unabhängig von der Inflationsrate sowie dem Bilanzwachstum der Bank sind.602

602

Vgl. Norden/Weber (2010), S. 75.

196

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

Tabelle V.2 – Kredit- und Einlagenanteil nach Bankengruppe – Deutschland

Privatbanken KreditgenosKreditsenschaften anteil Sparkassen Alle Privatbanken Einla- Kreditgenosgen- senschaften anteil Sparkassen Alle

Durchschnittliche WachstumsStandardrate Durchschnitt abweichung Korrelation 0,561 0,065 -31,21 % 0,779 0,633 0,645 0,552 0,479

0,070 0,035 0,030 0,056

-18,92 % -12,15 % -28,12 % -15,81 %

0,625 0,879 0,930 0,779

0,791 0,742 0,508

0,046 0,056 0,079

-18,62 % -22,14 % -20,81 %

0,625 0,879 0,930

Quelle: Eigene Berechnung basierend auf der OECD Bank Profitability Database

Der Vergleich der Durchschnittswerte für den Kreditanteil zeigt, dass die Mehrheit der Aktiva deutscher Banken aus Krediten besteht. Die Erkenntnis, dass bei allen drei Bankengruppen dieser Anteil über 50 % liegt, unterstreicht die Wichtigkeit des Kreditgeschäftes. Es bestehen aber deutliche Unterschiede zwischen den Bankengruppen: Während bei Sparkassen die Kredite 64,5 % und bei Kreditgenossenschaften 63,3 % der Aktiva ausmachen, reduziert sich ihr Anteil bei den Privatbanken auf 56,1 %. Der Unterschied von ca. 8 % suggeriert, dass Privatbanken sich weniger auf dieses Geschäft konzentrieren und eher in andere Aktiva investieren. Diese Schlussfolgerung gilt nicht nur für die Durchschnittswerte, sondern auch für den Trend, welcher durch die Wachstumsrate ausgedrückt wird. Für das deutsche Bankensystem beträgt die Wachstumsrate -15,8 % und drückt einen relativen Verlust der Wichtigkeit des Kreditgeschäftes über die Zeit und seinen Ersatz durch alternative Investitionen aus. Obwohl dieser Negativtrend alle Bankengruppen betrifft, zeichnen sich auch hier Privatbanken als diejenigen aus, die mit einer Reduzierung von 31,2 % ihr Kreditgeschäft am stärksten verringert hat. Die Änderung für die Sparkassen ist dagegen mit -12,1 % viel kleiner, und bestätigt trotz dieser Abnahme eine Fokussierung auf dieses Geschäft. Die Betrachtung der Standardabweichung liefert zusätzliche Hinweise zur Breite der Verteilung, wobei hohe Werte auf große Schwankungen vom Mittelwert über die Zeit hinweisen. Während die Wachstumsrate den Wert der Anfangsperiode mit dem Wert der Endperiode vergleicht, drückt die Standardabweichung die Abweichung innerhalb des Zeitraums vom Mittelwert aus.603 Diesbezüglich weist der niedrige Wert der 603

Für eine mathematische Darstellung der Standardabweichung und der Wachstumsrate vgl. Hippmann (2007), S. 80 ff.

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

197

Sparkassen auf einen relativ stabilen Verlauf des Kreditanteils. Dagegen bedeuten höhere Werte für Privatbanken und Kreditgenossenschaften bessere Anpassungen in der Anlagepolitik. Insgesamt kann bezüglich des Kreditgeschäftes behauptet werden, dass in Deutschland die Tendenz besteht, das Ausmaß zu reduzieren. Diese Tatsache trifft jedoch nicht für alle Bankengruppen gleichermaßen zu, so ein Vergleich der Werte. Während sich Privatbanken im Laufe der Zeit auf andere Aktiva fokussieren und ihr Kreditgeschäft um fast ein Drittel reduzieren, bleibt das Kreditgeschäft bei Sparkassen und Kreditgenossenschaften mit einem Durchschnittswert über 60 % dominant. Der Einlagenanteil untersucht nicht mehr die Aktivseite der Bilanz, sondern er bezieht sich auf die Aufteilung der Passiva und damit auf die Verwendung unterschiedlicher Refinanzierungsquellen. Der Durchschnittswert des Einlagenanteils für das deutsche Bankensystem liegt wie beim Kreditanteil bei über 50 %, was seine Hauptrolle in den Refinanzierungsquellen unterstreicht. Die Unterschiede zwischen den Bankengruppen sind aber bei dieser Kennzahl im Vergleich zum Kreditanteil ausgeprägter: Der Abstand zwischen dem Wert der Kreditgenossenschaften (79,1 %) und dem Wert der Privatbanken (47,9 %) beträgt fast 32 Prozentpunkte, während sich die Differenz mit den Sparkassen auf 4,9 % reduziert. Dies verdeutlicht, dass auch bezüglich der Refinanzierungsquelle Gemeinsamkeiten zwischen Sparkassen und Kreditgenossenschaften bestehen, während Privatbanken als eigenständige Gruppe auftreten. Die Analyse der Wachstumsraten verweist auch für das Kundeneinlagengeschäft auf eine Tendenz zur Reduzierung, der Wert für das gesamte Bankensystem beträgt -20,8 %. Das bedeutet nicht, dass das Gesamtvolumina der Kundeneinlagen gesunken ist, sondern dass der Einlagenanteil an der Bilanzsumme reduziert wurde. Die Tendenz wird ebenfalls in der Analyse von Norden/Weber (2010) bestätigt, welche zu dem Fazit kommt, dass deutsche Banken immer weniger auf Kundeneinlagen für ihre Refinanzierung zurückgreifen.604 Der Verlust an Wichtigkeit ist bei dieser Kennzahl stärker bei Sparkassen (-22,1 %) und Kreditgenossenschaften (-18,6 %) als bei Privatbanken (-15,6 %). Wenn man die Mittelwerte mit den Wachstumsraten verbindet, kommt man zu der Schlussfolgerung, dass Privatbanken in der Geschichte weniger Wert auf Kundeneinlagen für ihre Refinanzierung gelegt haben und diese Strategie stabil umgesetzt haben. Bei den anderen zwei Bankengruppen wird dagegen eine Tendenz zu einer vermehrten Inanspruchnahme von alternativen Refinanzierungsquellen deutlich, wenngleich deren Bedeutung noch gering ist. In der Beschreibung der Kennzahlen wurde auf die Notwendigkeit verwiesen, die Entwicklung beider Kennzahlen, ihre Aktiva und Passiva, auch gemeinsam zu be604

Vgl. Norden/Weber (2010), S. 75 f.

198

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

trachten. Die Bedeutung dessen wird auch von Memmel/Schertler (2010) unterstrichen. Durch eine Korrelationsanalyse untersuchen sie in ihrem Beitrag die gegenseitige Abhängigkeit zwischen den Refinanzierungsquellen und deren Verwendung. Sie kommen zu dem Ergebnis, dass die Abhängigkeit über die Zeit, insbesondere für langfristige Kredite und kurzfristige Einlagen zurückgegangen ist und dass damit das Ausmaß der durchgeführten Fristentransformation reduziert wurde.605 Während ihre Arbeit auf den Einfluss von Derivaten und anderen außerbilanziellen Geschäften ausgerichtet war, zielt die Analyse in vorliegendem Kapitel auf die Berücksichtigung der Interessen der Bevölkerung und lässt die Nutzung derivativer Geschäfte außer Betracht. Die getrennte Analyse von Kreditanteil und Einlagenanteil weist auf gemeinsame Eigenschaften bezüglich der zeitlichen Entwicklung als auch bezüglich der Unterschiede zwischen den Bankengruppen hin. Um diese Gemeinsamkeiten mit einem statistischen Maßstab zu untersuchen, werden die Korrelationswerte berechnet. Diese berücksichtigen die Gleichläufigkeit zwischen zwei Größen und liefern Aussagen über deren Richtung und Stärke. Ein Korrelationswert nahe +1 bedeutet einen nahezu gleichen Verlauf der Kennzahlen; ein Wert von 0 weist auf eine voneinander unabhängige Entwicklung hin. Eine entgegengesetzte Entwicklung wird durch negative Korrelationswerte ausgedrückt.606 Aus Tabelle 5.2 kann man ableiten, dass sowohl für das ganze Bankensystem als auch für alle Bankengruppen die Korrelationswerte positiv und relativ groß sind.607 Der Wert von 0,93 für Deutschland zeigt eine enge Vernetzung zwischen dem Einlagen- und dem Kreditgeschäft und verweist auf einen gemeinsamen Verlauf der zeitlichen Entwicklungen beider Geschäfte. Auch bei der Korrelation bestehen deutliche Unterschiede zwischen den Werten der verschiedenen Bankengruppen. Sparkassen zeichnen sich dabei mit einem Wert von 0,88 als diejenige Gruppe aus, bei der der positive Zusammenhang von Kredit- und Einlagenanteil am stärksten ausgeprägt ist. Dementsprechend kann behauptet werden, dass trotz einer Tendenz zu einer stärkeren Inanspruchnahme alternativer Refinanzierungsquellen die Fokussierung auf Kundeneinlagen für die Finanzierung von Krediten bei Sparkassen erhalten geblieben ist. Eine solche Schlussfolgerung gilt dagegen nicht für die Gruppe der Kreditgenossenschaften, deren Korrelationswert 0,63 beträgt und somit auf eine unterschiedliche Entwicklung beider Kennzahlen hinweist. Insgesamt kann eine hohe Korrelation von Kredit- und Einlagenanteil bei allen Bankengruppen bestätigt werden. Allerdings ist es auch in diesem Fall so, dass Sparkassen über die Zeit am stärksten eine konstante Geschäftspolitik umgesetzt haben.

605 606 607

Vgl. Memmel/Schertler (2010), S. 1 ff. Vgl. Laux (2005), S. 134 ff. Alle Korrelationswerte liegen bei über 0,6.

V.

199

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

Deutlich wird aus der Analyse der statistischen Größen, dass sowohl das Kreditals auch das Einlagengeschäft bei allen Bankengruppen sinkt. Weil die verwendeten statistischen Größen den Zeitraum in ihrer Gesamtheit erfassen und somit die Gesamttendenz zusammenfassen, ist zusätzlich eine getrennte Betrachtung der verschiedenen Zeitspannen für eine vollständige Analyse sinnvoll. Dadurch können Unterschiede zwischen den einzelnen Phasen hervorgehoben werden und die betroffenen Schlussfolgerungen überprüft und entsprechend angepasst werden. Für diesen Teil der Analyse wird auf eine neue Berechnung des Mittelwertes, der Standardabweichung, der Wachstumsrate und der Korrelation verzichtet, sondern es findet in der Abbildung 5.2 eine graphische Darstellung des Verlaufes des Kredit- und Einlagenanteils jeder Bankengruppe statt. Durch die Beobachtung des Verlaufs beider Kennzahlen kann der Gesamttrend in kleinere Zeiträume unterteilt werden. 1

Kredit-­‐ und  Einlagenanteil

0,9 0,8 0,7 0,6 0,5 0,4 1979

1984

1989

1994

1999

2004

Kreditanteil  (Privatbanken)

Einlagenanteil  (Privatbanken)

Kreditanteil  (Kreditgenossenschaften)

Einlagenanteil  (Kreditgenossenschaften)

Kreditanteil  (Sparkassen)

Einlagenanteil  (Sparkassen)

2009

Abbildung V.2 – Zeitlicher Verlauf des Kredit- und Einlagenanteils – Deutschland Quelle: Eigene Berechnung basierend auf der OECD Bank Profitability Database

Der Verlauf des Einlagenanteils weist eine vergleichbare Entwicklung für alle Bankengruppen auf. Insgesamt erfolgt eine allgemeine Reduzierung dieses Geschäftes, hauptsächlich bis Ende der neunziger Jahre, mit Werten zwischen 15,8 % und -22,1 %. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist eine Inversion in dieser Tendenz zu beobachten: Bei Privatbanken und bei Sparkassen nimmt der Anteil

200

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

der Kundeneinlagen deutlich zu, wohingegen bei Kreditgenossenschaften eine Stabilisierung der Werte erfolgt. Das zeigt, dass die negative Entwicklung in zwei Phasen vonstatten geht: eine Phase der Umstellung auf andere Geschäfte und eine Phase der Wiederentdeckung der Kundeneinlagen. Der Anteil an Kundeneinlagen nimmt insbesondere in Zeiten von Finanzkrisen zu.608 Im Jahr 2009 haben beispielsweise Sparkassen und Privatbanken als Reaktion auf die steigende Instabilität der Märkte ihren relativen Anteil von Kundeneinlagen deutlich erhöht. Das ist ein Zeichen, dass innerhalb des Bankgeschäftes die Kundeneinlagen als stabile und sichere Refinanzierungsquelle wiederentdeckt wurden und wahrscheinlich auch weiterhin werden. Während auch der relative Anteil des Kreditgeschäftes über den gesamten Zeitraum abnimmt, ist eine eindeutige Aufspaltung in zwei unterschiedliche Trends für alle Bankengruppen nicht zu beobachten; hier gibt es Unterschiede zwischen Privatbanken und den anderen Bankengruppen. Privatbanken verzeichnen bei dem Kreditanteil zunächst eine Phase der Stabilität bis zum Jahr 1995, danach nimmt der Wert stark ab: um fast 20 Prozentpunkte zwischen 1995 und 2009. Bei Sparkassen und Kreditgenossenschaften findet dagegen die Reduzierung hauptsächlich bis 1987 statt, während ihr Wert danach stabil über 60 % bleibt. Diese Beobachtung zeigt, dass innerhalb des ganzen Zeitraums eine unterschiedliche Geschäftspolitik der verschiedenen Bankengruppen die Anlagepolitik stark beeinflusst. Privatbanken verzichten immer mehr auf das Kreditgeschäft und konzentrieren sich auf andere Investitionen. Dagegen bleiben Sparkassen und Kreditgenossenschaften dem klassischen Bankgeschäft treu und versorgen die Wirtschaft mit Krediten. Beide Kennzahlen lassen einige erste Hinweise zu den Unterschieden zwischen den Bankengruppen bezüglich der Berücksichtigung der Interessen des Stakeholders „Bevölkerung“ zu. Wie aus der theoretischen Analyse zu erwarten war, fokussiert sich das Bankgeschäft von Sparkassen und Kreditgenossenschaften auf die klassischen Bankprodukte wie Kreditvergabe und Einlagensammlung. Aus diesem Grund treten diese Institute als stabile Anbieter von Finanzdienstleistungen auf, welche auch vom Großteil der Bevölkerung in Anspruch genommen werden. Zu den Finanzdienstleistungen zählt beispielsweise das Angebot an Kundeneinlagen und an Kreditfinanzierungen. Von Privatbanken dagegen werden solche Ansprüche weniger berücksichtigt; diese konzentrieren sich sowohl auf der Aktiv- als auch auf der Passivseite auf alternative Geschäfte wie das Provision- und Investmentgeschäft.609 Dies gilt insbesondere für die Kreditvergabe, deren Wert in den 608 609

Damit werden insbesondere die Dotcom-Krise vom Anfang des 21. Jahrhunderts und die jüngste Finanzkrise (ab dem Jahr 2007) gemeint. Ebenfalls Ayadi et al. (2009) stellen fest, dass in Deutschland aufgrund der Präsenz von Sparkassen und Kreditgenossenschaften ein ausreichender Zugang zu grundlegenden Finanzdienstleistungen für die Bevölkerung vorhanden ist. Vgl. Ayadi et al. (2009), S. 132 ff.

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

201

untersuchten Jahren am stärksten abgenommen hat. Insgesamt kann behauptet werden, dass für die Berücksichtigung der Interessen der Bevölkerung die Gewinnorientierung von Privatbanken ungeeignet ist.610 Die Ähnlichkeiten der Kennzahlen und ihrer Entwicklung bei Kreditgenossenschaften und Sparkassen lassen aber nicht eindeutig feststellen, ob dafür das öffentliche Eigentum notwendig ist oder das gleiche Ergebnis durch eine genossenschaftliche Struktur erreicht werden kann. 5.3.2 Zweigstellenintensität Die Kennzahl Zweigstellenintensität (Tabelle 5.1 - Nr. 3) dient zur Überprüfung der Erfüllung der Ansprüche von zwei unterschiedlichen Stakeholdern: der „Bevölkerung“ und der „Kundschaft“. Auf einer Seite ermöglicht eine hohe Zweigstellenintensität einen flächendeckenden Zugang zu Finanzdienstleistungen für die Bevölkerung und trägt damit zu der Verbesserung deren finanzieller Versorgung bei. Auf der anderen Seite hat die Kundschaft Interesse an der Erhaltung eines ausreichenden Wettbewerbsniveaus, welches durch die Anzahl der am Markt tätigen Banken beeinflusst wird. Eine hohe Zweigstellenintensität verweist auf eine Aufteilung der durchgeführten Geschäfte auf mehrere Filialen und damit auf einen positiven Beitrag zum Wettbewerb. Der Analyse dieser Kennzahl dient die Abbildung 5.3, welche ein Balkendiagramm mit den Mittelwerten jeder Bankengruppe in zehnjährigen Abständen enthält.611

610

611

Die wichtige Rolle der Sparkasse für die Gewährleistung eines verbreiteten Zugangs zu grundlegenden Finanzprodukten wird ebenfalls in der weltweiten Studie von Peachey/Roe (2006) bewiesen. Vgl. Peachey/Roe (2006), S. 99 ff. Die Unterteilung des gesamten Zeitraumes in drei Zeitabschnitte ermöglicht eine übersichtliche Darstellung unterschiedlicher Trends der Zweigstellenintensität.

202

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

12% 9,62%

Zweigstellenintensität

10%

8%

5,47%

6%

4,78% 4%

3,06% 2,36%

2%

1,67%

1,52% 0,77%

0,38%

0% 1979-­‐1988

Privatbanken

1989-­‐1998

Kreditgenossenschaften

1999-­‐2009

Sparkassen

Abbildung V.3 – Mittelwert der Zweigstellenintensität in zehnjährigen Abständen – Deutschland Quelle: Eigene Berechnung basierend auf der OECD Bank Profitability Database

Ihren größten Wert erreicht die Zweigstellenintensität bei den Kreditgenossenschaften im Zeitraum 1979-1988 mit 9,62 %. Das heißt, dass in diesen zehn Jahren eine genossenschaftliche Filiale für Geschäfte im Wert von durchschnittlich 10 Millionen Euro zuständig war.612 Dagegen betrug das durchschnittliche Geschäftsvolumen der Filialen von Privatbanken fast das Sechsfache davon. Sparkassen differenzieren sich stark von den Kreditgenossenschaften mit einem Wert von 5,47 %, was den Erwartungen aus der Analyse des öffentlichen und des Förderungsauftrages widerspricht.613 Der Vorstellung, dass Sparkassen durch kleine und den Kreditgenossenschaften ähnliche Filialen gekennzeichnet sind, wird durch diese Kennzahl widersprochen.614 Das könnte an den unterschiedlichen Instituten innerhalb dieser Gruppe liegen, welche sowohl Sparkassen als auch Landesbanken enthalten. Weil Landesbanken als Dienstleister für Sparkassen fungieren und in der Regel kein Mengengeschäft mit der Kundschaft durchführen, konzentrieren sie ihre Tätigkeit auf wenige Geschäftsstellen. Dies wirkt direkt auf den Durchschnittswert der gesamten Gruppe der Sparkassen, in dem die Zweigstellenintensi-

612

Das durchschnittliche Geschäftsvolumen pro Zweigstelle entspricht der Inverse der Zweigstellenintensität und drückt das Verhältnis zwischen der Bilanzsumme und der Anzahl an Zweigstellen aus. Vgl. Kap. 4.2.4. 614 Diese Vorstellung wird beispielsweise von Ayadi et al. (2009) geteilt. Vgl. Ayadi et al. (2009), S. 134. 613

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

203

tät aufgrund der relativ großen Bilanzsumme von Landesbanken reduziert wird. Leider ist es aus den verfügbaren Daten unmöglich, diesen Effekt zu bereinigen. Die Werte der Zweigstellenintensität zeigen sinkende Werte für alle Bankengruppen, was auf eine steigende Konzentration der Geschäfte hinweist. Der deutlichste Rückgang ist in dem zweiten untersuchten Zeitraum zu verzeichnen, hier sind die Werte im Durchschnitt um die Hälfte zurückgegangen. Da genau in diesem Zeitraum auch der Einlagenanteil zurückgegangen ist, lässt dies eine enge Beziehung zwischen der Zweigstellenintensität und dem Einlagenanteil vermuten. Eine Geschäftspolitik, die den Schwerpunkt ihrer Refinanzierung auf Kundeneinlagen setzt, benötigt dafür eine hohe Anzahl an Zweigstellen. Dies liegt daran, dass insbesondere im ländlichen Raum der Kontakt zur Kundschaft hauptsächlich durch die direkte Präsenz von Zweigstellen hergestellt werden konnte. Somit ist die Reduzierung der Zweigstellenintensität mit einer Reduzierung des Einlagenanteils und mit der Anwendung anderer Refinanzierungsquellen unmittelbar verbunden. Diese Verbindung wird aber durch die Entwicklung neuer Technologien im letzten betrachteten Zeitraum geschwächt, da hier ein weiterer Rückgang der Zweigstellenintensität zusammen mit einer Stabilisierung des Einlagenanteils zu beobachten ist. Die Möglichkeit, einen Zugang zu den Bankdienstleistungen auch über Internet zu bekommen, kann den persönlichen Kontakt mit der Kundschaft und die Notwendigkeit der Präsenz von Filialen teilweise ersetzen. Die Sammlung von Kundeneinlagen wird damit von der Reduzierung der Zweigstellenintensität weniger beeinträchtigt, wohingegen die Kosten kleiner Filialen gespart werden können. Diese Entwicklung führte auch dazu, dass sich in den letzten Jahren die Abstände der Zweigstellenintensität zwischen den Bankengruppen deutlich reduziert haben. Sowohl Kreditgenossenschaften als auch Sparkassen hatten dadurch die Möglichkeit, ihre Zweigstellenintensität zu reduzieren, ohne auf eine flächendeckende Versorgung und ein ausreichendes Wettbewerbsniveaus verzichten zu müssen. Dennoch sind Privatbanken auch in der letzten Periode diejenigen, die den Konzentrationsprozess am stärksten umgesetzt haben. Im Zeitraum 1999-2009 beträgt ihr Wert 0,38 %, was einem durchschnittlichen Geschäftsvolumen pro Filiale in Höhe von 263 Millionen Euro entspricht. Die Analyse der Entwicklung der Zweigstellenintensität zeigt, dass innerhalb des untersuchten Zeitraums eine Tendenz zu einem steigenden Geschäftsvolumen pro Filiale vorhanden ist. Es bleibt aber zu klären, ob diese Tendenz einer Steigerung der Bilanzsumme oder der Reduzierung der Zweigstellenanzahl zuzuschreiben. Vergleicht man den Verlauf dieser beiden Größen, wird deutlich, dass diese Entwicklung mehr dem Wachstum der Bilanzsumme geschuldet ist. Während die gesamte Bilanzsumme zwischen 1979 und 2009 um ca. das Siebenfache gewachsen ist, ist die Anzahl an Zweigstellen für alle Gruppe fast konstant geblieben.

204

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

Insgesamt sind in Bezug auf die Zweigstellenintensität Kreditgenossenschaften die Gruppe, bei der davon ausgegangen werden kann, dass sie die Ansprüche der „Bevölkerung“ an eine flächendeckende Versorgung und die der „Kundschaft“ an ein ausreichendes Wettbewerbsniveau am besten erfüllen. Sparkassen befinden sich hier im Mittelfeld; dies deutet auf einen positiven Einfluss ihres regionalen und lokalen Charakters im Vergleich zu den privaten Banken hin. 5.3.3 Liquiditätssicherung Neben der Zweigstellenintensität bezieht sich auch die Kennzahl Liquiditätssicherung (Tabelle 5.1 - Nr. 4) auf den Stakeholder „Kundschaft“ und zielt auf die Darstellung der Erfüllung ihrer Ansprüche, insbesondere in Bezug auf eine langfristige und zuverlässige Kreditbeziehung. Der Schwerpunkt der folgenden Analyse ist die Versorgung mit Liquidität im Falle einer Bonitätsverschlechterung des Kreditnehmers. Es wird geschätzt, inwieweit und in welchen Fällen die verschiedenen Bankengruppen die notwendige Liquidität durch eine Vergrößerung der Kreditvolumina bereitstellen. Tabelle 5.3 enthält die Ergebnisse der Simulation. In der Tabelle werden die Extreme und die Medianwerte der Verteilung jeder Bankengruppe für den Fall einer moderaten und einer starken Bonitätsverschlechterung angegeben.615 Eine moderate Verschlechterung kann mit der Entstehung von zeitweiligen Liquiditätsproblemen assoziiert werden, während eine starke Verschlechterung ein Zeichen für langfristige Schwierigkeiten ist. Der Kreditbetrag wurde auf 100 Euro standardisiert, sodass die Werte der Tabelle auch als prozentuale Werte interpretiert werden können.

615

Als „moderat“ wird eine Bonitätsverschlechterung um eine Ratingstufe definiert, als „stark“ eine Verschlechterung um zwei Ratingstufen.

V.

205

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

Tabelle V.3 – Liquiditätssicherung – Erwartete Änderung des Kreditbetrages bei einer Bonitätsverschlechterung des Kreditnehmers – Deutschland

Minimum Median Maximum Minimum Starke Bonitätsverschlechte- Median Maxirung mum Moderate Bonitätsverschlechterung

Privatbanken 0,82 6,09

Kreditgenossenschaften 3,72 8,98

Sparkassen 4,01 9,27

11,37 -24,94 -19,68

14,26 -24,44 -19,17

14,55 -24,39 -19,12

-14,40

-13,89

-13,84

Hinweise zur Berechnung: Die Simulation erfolgt durch die Wiederholung der Berechnung für 1.000 Fälle unter der Annahme einer normalverteilten Zufallskomponente und eines Kreditbetrages am Anfang der Periode von 100 Euro. Die erwartete Änderung (EA) wird folgendermaßen berechnet: EA = p (Hausbankbeziehung bei Gruppe i)*(Änderung der Kreditgewährung bei einer Hausbankbeziehung) + (1- p) (Hausbankbeziehung bei Gruppe i)* (Änderung der Kreditgewährung bei einer Nicht-Hausbankbeziehung) wobei p die Wahrscheinlichkeit einer Hausbankbeziehung bezeichnet.

Quelle: Eigene Schätzungen aus Elsas/Krahnen (1998) und Neuberger/Schindler (2001)

Beginnend mit einer moderaten Verschlechterung schwanken die Werte von Privatbanken zwischen 0,82 und 11,37, wobei der Medianwert bei 6,09 liegt. Das heißt, dass man im Fall einer moderaten Bonitätsverschlechterung des Kreditnehmers im schlechtesten Fall eine Erhöhung des Kreditbetrages von 0,82 % erwarten kann. Diese niedrige Krediterhöhung würde dem Kreditnehmer bei der Beseitigung seiner Liquiditätsprobleme wenig helfen. Dagegen können Sparkassen eine stärkere Rolle einnehmen. Alle Werte ihrer Verteilung sind um ca. 3 Punkte höher und schwanken zwischen 4,01 und 14,55. Der Medianwert von 9,27 bedeutet, dass in 50 % der Fälle ein Kreditnehmer auf einer Erhöhung des Kreditbetrages größer/gleich 9,27 % hoffen kann. Auch Kreditgenossenschaften können die gleiche Funktion annehmen, da der Unterschied zwischen ihren Werten und denen der Sparkassen 0,29 Punkte beträgt und somit vernachlässigbar ist.616 Für den Fall einer starken Bonitätsverschlechterung ändert sich die Reaktion aller Bankengruppen. Privatbanken, Kreditgenossenschaften und Sparkassen verhalten 616

Die Ähnlichkeiten zwischen dem Kreditverhalten von Sparkassen und Kreditgenossenschaften im Fall von langfristigen Kreditbeziehungen werden ebenfalls von den Ergebnissen von Baas/Schrooten (2005) bestätigt. Der Fokus ihrer Analyse liegt nicht auf den Vorteilen für die Kundschaft, sondern auf den Kosten- und Informationsvorteilen für die Bank aus einer langfristigen Kreditbeziehung. Vgl. Baas/Schrooten (2005), S. 16 f.

206

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

sich in ähnlicher Weise und die Unterschiede zwischen ihren Werten sind minimal. Der verfügbare Kreditrahmen wird überall stark eingeschränkt und die Reduzierung weist Werte zwischen -24,94 und -13,84 auf. Diese Ergebnisse verdeutlichen, dass, wenn das Ausfallrisiko stark steigt, die Reaktion aller Bankengruppen einheitlich ist. Eine sich stark verschlechternde Lage des Kreditnehmers zwingt die Banken dazu, die Liquiditätsversorgung einzustellen und das Ausfallrisiko einzugrenzen. Insgesamt werden also auch beim Stakeholder „Kundschaft“ die Auswirkungen einer unterschiedlichen Geschäftspolitik bei den jeweiligen Banken deutlich: Sparkassen und Kreditgenossenschaften berücksichtigen stärker als Privatbanken die Ansprüche der „Kundschaft“ auf eine stabile Kreditversorgung. Sie versorgen ihre Kreditnehmer mit zusätzlichen Krediten bei zeitweiligen Problemen, nicht jedoch bei starken Liquiditätsproblemen. In diesem Fall reduzieren alle Banken ihre gewährte Kreditlinie und versuchen so, die Verluste zu minimieren. 5.3.4 Mitarbeiterintensität Mit der Kennzahl Mitarbeiterintensität (Tabelle 5.1 - Nr. 5) wird die Berücksichtigung der Interessen des Stakeholders „Mitarbeiter“ untersucht; sie wird durch das Verhältnis zwischen der Mitarbeiteranzahl und der Bilanzsumme berechnet. Die Tabelle 5.4 enthält für jede Bankengruppe und für drei Zeitspannen die Durchschnittswerte dieser Kennzahl, zusammen mit den Änderungsraten innerhalb der einzelnen Perioden. Zusätzlich wird die absolute Anzahl der Mitarbeiter und die jeweilige Änderungsrate angegeben. Die Entwicklung der Mitarbeiterintensität weist beträchtliche Unterschiede in den Mittelwerten zwischen Privatbanken einerseits und Kreditgenossenschaften und Sparkassen andererseits auf. Der Wert von Privatbanken beträgt im Zeitraum 1979-1988 durchschnittlich 0,52, was einem Geschäftsvolumen von 1,9 Millionen Euro pro Mitarbeiter entspricht.617 Über die Zeit verringert sich die Intensität und weist negative Änderungsraten in allen drei Zeitperioden zwischen -40 % und 61 % auf. Der Durchschnittswert der letzten Periode beträgt 0,08 und verweist damit auf eine hohe Konzentration der Geschäftsvolumina auf wenige Mitarbeiter (ca. 12,5 Mil. Euro pro Mitarbeiter).

617

Das durchschnittliche Geschäftsvolumen pro Mitarbeiter entspricht der Inverse der Mitarbeiterintensität und drückt das Verhältnis zwischen der Bilanzsumme und der Mitarbeiterzahl aus.

V.

207

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

Tabelle V.4 – Entwicklung der Mitarbeiterintensität und der Mitarbeiterzahl – Deutschland

Privatbanken Mittelwert 19791988 Mitarbei1989ter1998 intensität 19992009 19791988 Mitarbei1989ter1998 zahl 19992009

Kreditgenossenschaften

ÄnderungsMittelrate in der wert Periode

Sparkassen

ÄnderungsMittelrate in der wert Periode

Änderungsrate in der Periode

0,52

- 40,42 %

0,68

- 51,91 %

0,66

- 33,75 %

0,25

- 60,73 %

0,44

- 28,21 %

0,45

- 37,52 %

0,08

- 46,16 %

0,29

- 28,30 %

0,27

- 25,23 %

178.510

13,72 % 112.565

7,46 % 208.175

21,73 %

214.485

13,78 % 162.545

42,72 % 279.905

23,14 %

200.009

- 17,93 % 165.027

- 7,40 % 267.005

- 11,54 %

Quelle: Eigene Berechnung basierend auf der OECD Bank Profitability Database

In Bezug auf die Kreditgenossenschaften ist ebenfalls ein negativer Trend zu beobachten. Die Änderungsraten sind immer negativ und schwanken zwischen 52 % und -28 %. Trotz dieser Entwicklung sind die Durchschnittswerte jeder der drei Zeitspannen im Vergleich zu den Privatbanken deutlich höher. So ergibt sich beispielsweise im Zeitraum 1999-2009 ein Geschäftsvolumen von 3,44 Millionen Euro pro Mitarbeiter, was sich von den 12,5 Millionen bei den Privatbanken stark unterscheidet. Auch bei dieser Kennzahl sind die Durchschnittswerte von Sparkassen den Werten der Kreditgenossenschaften sehr ähnlich. Der Unterschied in allen Phasen beträgt nicht mehr als 0,01 und deutet damit auf eine ähnliche Geschäftspolitik über den gesamten Zeitraum hin. Die Änderungsraten schwanken bei den Sparkassen zwischen -38 % und -25 %.618 Diese enge Verteilung deutet darauf hin, dass sich bei Kreditgenossenschaften das Geschäftsvolumen pro Mitarbeiter hauptsächlich in der ersten Periode erhöht hat, wohingegen sich dieser Prozess bei den Sparkassen homogener über den gesamten Zeitraum verteilt.

618

Die Breite der Verteilung entspricht der Differenz zwischen dem maximalen und dem minimalen Wert einer Verteilung.

208

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

Insgesamt ist eine Tendenz zur Geschäftskonzentration zu beobachten. Es bleibt aber zu klären, ob die Senkung der Mitarbeiterintensität einer Reduzierung der Mitarbeiterzahl oder einer Steigerung des Geschäftsvolumens geschuldet ist. Dafür wird in der Tabelle 5.4 auch die absolute Anzahl der Mitarbeiter angegeben, deren Analyse interessante Hinweise liefert. Bei allen Bankengruppen steigt die durchschnittliche Zahl der Mitarbeiter zwischen 1979 und 2009. Sparkassen sind der größte Arbeitgeber im deutschen Bankensektor mit einem Durchschnittswert von 267.005 Mitarbeitern, bezogen auf den Zeitraum 1999-2009. Die Änderungsraten zeigen hingegen, dass das Gesamtwachstum das Ergebnis unterschiedlicher Trends innerhalb der zeitlichen Perioden darstellt. Positive Änderungsraten sind nur in den ersten beiden Phasen vorhanden, in den letzten zehn Jahren werden diese negativ. Die Ursache dafür liegt darin, dass im letzten Zeitraum die Verstärkung des Wettbewerbs und die Entwicklung neuer Technologien zu einer Verringerung von Arbeitsplätzen bei allen Bankengruppen geführt haben. Dieser Trendwechsel ist mit einem Wert von -18 % ausgeprägter bei Privatbanken als bei den anderen Gruppen, was als Zeichen eines stärkeren Mitarbeiterersatzes infolge von Technologien interpretiert werden kann. Dagegen wird bei Kreditgenossenschaften und Sparkassen versucht, trotz der Notwendigkeit einer Effizienzerhöhung die existierenden Arbeitsplätze möglichst zu behalten. Schließlich kann behauptet werden, dass die sinkende Mitarbeiterintensität einem überproportionalen Wachstum des Geschäftsvolumens im Vergleich zum Wachstum der Mitarbeiterzahl geschuldet ist. Das heißt, dass man bis zum Jahr 1998 trotz Senkung der Mitarbeiterintensität eine Berücksichtigung der Interessen des Stakeholders „Mitarbeiter“ an der Bereitstellung von qualifizierten Arbeitsplätzen bei allen Bankengruppen beobachten kann. Ab dem Jahr 1999 ändert sich jedoch die Einstellung der Institute, welche mehrere Geschäfte auf weniger Mitarbeitern konzentrieren. Die Verstärkung des Wettbewerbs führte hier teilweise zu einer Annäherung der Einstellungspolitik der Sparkassen und der Kreditgenossenschaften an die der Privatbanken. Effizienzkriterien spielten eine zunehmende Rolle bei der Einstellungspolitik, sodass die operativen Kosten durch Verringerung der Mitarbeiterzahl und technologische Neuerungen reduziert werden konnten.619 Trotz dieser Entwicklungen lässt sich auch heute noch sowohl bei Sparkassen als auch bei Kreditgenossenschaften aus den höheren Werten der Mitarbeiterintensität eine

619

Auch Köhler (1998) beschreibt den Einfluss des Wettbewerbsumfeldes auf die Bereitstellung von Arbeitsplätzen. Er behauptet, dass jeder Arbeitsplatz nach den stärkeren Wettbewerbsbedingungen neu bewertet werden muss und keine Bestandsgarantie für die Zukunft mehr gegeben werden kann. Vgl. Köhler (1998), S. 378.

V.

209

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

stärkere Berücksichtigung der Ansprüche der „Mitarbeiter“ als bei Privatbanken ableiten.620 5.3.5 Ausmaß und Anteil an der Finanzierung lokaler Gemeinden Um die Finanzierung lokaler Gemeinden zu untersuchen, werden zwei Kennzahlen angewandt. Beide verbinden die Interessen der Stakeholder „Öffentlichrechtliche Körperschaften“ und „Regionale Wirtschaft“. Es werden die Zeitreihen aus den Statistiken der Deutschen Bundesbank verwendet, da innerhalb der OECD Database zu diesem Thema keine Angaben verfügbar sind. Diese umfassen den Zeitraum 1999 bis 2009 und verwenden die gleiche Unterteilung nach Bankengruppen wie die OECD Database, nämlich: Privatbanken, Kreditgenossenschaften und Sparkassen. Die Kennzahl Ausmaß der Finanzierung lokaler Gemeinden (Tabelle 5.1 - Nr. 6) wird durch das Verhältnis zwischen dem von einer Gruppe an lokalen Gemeinden gewährten Kreditbetrag und ihrer Bilanzsumme berechnet. Damit kann die Wichtigkeit dieses Geschäftes für eine Bankengruppe abgeschätzt werden. Je größer der Wert dieser Kennzahl ist, desto wichtiger ist die Finanzierung der lokalen Gemeinde für die jeweilige Bankengruppe. Die Tabelle 5.5 fasst die Verteilung der Werte dieser Kennzahl für alle drei Bankengruppen zusammen und enthält dafür die Medianwerte, zusammen mit dem Minimum und dem Maximum. Tabelle V.5 – Ausmaß der Finanzierung lokaler Gemeinden – Deutschland Minimum

Median

Maximum

Privatbanken

0,79 %

1,00 %

1,12 %

Kreditgenossenschaften

0,35 %

0,39 %

0,43 %

Sparkassen

6,72 %

7,98 %

8,83 %

Quelle: Eigene Berechnung basierend auf Daten der Deutschen Bundesbank

Besonders auffällig ist auf den ersten Blick die Kennzahl für die Kreditgenossenschaften. Ihre Werte sind von einer engen Verteilung gekennzeichnet und schwanken zwischen 0,35 % und 0,43 %.621 Das heißt, in dem angegebenen Zeitraum hatte dieses Geschäft immer eine geringe Bedeutung für diese Gruppe und betrug 620 621

Das große Angebot an qualifizierten Arbeitsplätzen von Sparkassen wird ebenfalls von Ayadi et al. (2009) als Beitrag zum sozialen Wohlstand dargestellt. Vgl. Ayadi et al. (2009), S. 135. Vgl. Fußnote 618.

210

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

maximal 0,35 % der gesamten Bilanzsumme. Für Kreditgenossenschaften bleibt die Finanzierung lokaler Gemeinden ein vernachlässigbares Geschäft, was sich zukünftig aufgrund ihrer Kleinheit und Mitgliedsorientierung wahrscheinlich nicht ändern wird. Privatbanken befinden sich mit der Kennzahl Ausmaß der Finanzierung lokaler Gemeinden im Mittelfeld. Ihr Medianwert beträgt 1 % und schwankt zwischen 0,79 % und 1,12 %. In mehr als fünf Jahren ist mindestens ein Prozent der Bilanzsumme in die Finanzierung lokaler Gemeinden investiert worden, was auf eine stärkere Berücksichtigung dieses Geschäftes gegenüber den Kreditgenossenschaften hinweist. Dennoch sind diese Werte im Vergleich zu denen der Sparkassen fast unbedeutend. Der Medianwert von Sparkassen ist mit 7,98 % fast achtmal so groß wie der von Privatbanken und mehr als sechszehnmal so groß wie der kreditgenossenschaftliche Wert. Ähnlich die Extrema der Verteilung, sodass dieses Geschäft für Sparkassen eine größere Bedeutung im Vergleich zu den anderen Bankengruppen im gesamten Zeitraum hat. Bezüglich der Berücksichtigung der Ansprüche des Stakeholders „Öffentlich-rechtliche Körperschaften“ ist der Einfluss des öffentlichen Eigentums stärker ausgeprägt als bei den anderen Stakeholdern. Die Betrachtung sozialer Kriterien und die Gemeinwohlorientierung von Sparkassen führen dazu, dass diese Gruppe vorrangig als Ansprechpartner für die Finanzierung der Investitionen lokaler Gemeinden auftritt. Zur Überprüfung dieser Aussage wird eine zweite Kennzahl analysiert: Der Anteil an der Finanzierung lokaler Gemeinden (Tabelle 5.1 - Nr. 7). Diese Kennzahl verwendet die gegensätzliche Perspektive und rückt die Interessen der lokalen Gemeinde stärker in den Fokus. Die untersuchte Frage ist nicht mehr, wie wichtig dieses Geschäft für eine Bankengruppe ist, sondern wie wichtig eine Bankengruppe für die finanzielle Versorgung der lokalen Gemeinde ist. Dafür wird der gewährte Kreditbetrag nicht mehr in Bezug zur Bilanzsumme gesetzt, sondern in Bezug zu dem vom gesamten Bankensektor zur Verfügung gestellten Kreditbetrag. Die Darstellung der Verteilung der Finanzierung auf die drei Bankengruppen ermöglicht das Erstellen einer Rangordnung: Je höher der Anteil einer Bankengruppe ist, desto wichtiger ist die Gruppe für die Finanzierung von lokalen öffentlichen Projekten. Abbildung 5.4 stellt die Verteilung der Anteile über die Zeit dar. Die Grafik verdeutlicht die Rolle der Sparkassen als Hauptansprechpartner für die finanzielle Versorgung lokaler Gemeinden. Ihr Anteil übersteigt im Durchschnitt 50 % und bestätigt damit, dass die Mehrzahl der Kredite über die Sparkassen erfolgen. Allerdings ist hierbei eine sinkende Tendenz zu beobachten, der Anteil von 58,6 % im Jahr 1999 verringerte sich auf 44,56 % im Jahr 2009. Bei Privatbanken ist die Tendenz dagegen steigend, ihr Wert erreicht 16,3 % im Jahr 2009. Dass diese Steigerung im besonderen Maße ab 2007 stattfindet, wird mit dem Ausbruch

V.

211

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

!"#$%&'("')$*'+%"(",%$*-".'&/0(&$*'1$2$%")$"'

der Finanzkrise verbunden. In Zeiten steigender Instabilität und steigendem Risiko suchen Privatbanken nach relativ sicheren Investitionsmöglichkeiten, um ihr Gesamtrisiko zu reduzieren und die Diversifikation ihres Anlageportfolios zu erhöhen. Das niedrige Ausfallrisiko der öffentlich-rechtlichen Körperschaften in Deutschland hat dazu geführt, dass Privatbanken aufgrund fehlender und rentabler Alternativen vermehrt dieses Geschäft als Anlagemöglichkeit in Betracht gezogen haben. $!!"# ,!"# +!"# *!"# )!"# (!"# '!"# &!"# %!"# $!"# !"# $,,,#

%!!!#

%!!$#

%!!%#

%!!&#

-./0123/4566/46789:/4#

%!!'#

%!!(#

;.1?92@94=/4#

Abbildung V.4 – Anteil an der Finanzierung lokaler Gemeinden – Deutschland 622 Quelle: Eigene Berechnung basierend auf Daten der Deutschen Bundesbank

Der Zusammenhang zwischen gestiegenen Krediten und wirtschaftlichem Abschwung verdeutlicht, dass dies nicht dem Stakeholder „Öffentlich-rechtliche Körperschaften“ und der Berücksichtigung seiner Ansprüche geschuldet ist. Man kann erwarten, dass, sobald sich die anderen Märkte wieder stabilisiert haben, der Anteil an der Finanzierung lokaler Gemeinden wieder sinken wird. Zu beachten ist in letzter Zeit auch die sich verschlechternde Bonität von lokalen öffentlichrechtlichen Körperschaften, was deren Rolle als „sicherer Hafen“ in Frage stellen kann und Privatbanken hinsichtlich ihrer Finanzierung negativ beeinflussen kann.

622

Da zusätzlich zu den drei Bankengruppen auch andere Banken an der Finanzierung teilnehmen, beträgt die Summe der Anteile von Privatbanken, Kreditgenossenschaften und Sparkassen weniger als 100 %.

212

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

Eine ähnliche Strategie ist bei den Kreditgenossenschaften nicht zu beobachten; ihre Werte bleiben auch ab 2007 entsprechend niedrig. Im gesamten Zeitraum beträgt ihr Anteil weniger als 2 % und der zeitliche Verlauf zeigt keine besondere Entwicklung. Das bestätigt die Schlussfolgerung, dass für diese Gruppe die Finanzierung lokaler Gemeinden grundsätzlich keine Bedeutung hat. Das Geschäftsfeld von Kreditgenossenschaften konzentriert sich auf andere Bereiche, welche mit der Verfolgung des Förderungsauftrages kompatibel sind. Durch die Analyse beider Kennzahlen kommt man zu dem Fazit, dass bei der Erfüllung der Ansprüche „Öffentlich-rechtlicher Körperschaften“ auf lokaler Ebene eine Zweiteilung innerhalb des deutschen Bankensystems existiert. Einerseits werden die Ansprüche an die Verfügbarkeit eines stabilen und zuverlässigen Versorgers von Finanzdienstleistungen entweder außer Betracht gelassen oder als Diversifikationsmöglichkeit gesehen. Das ist der Fall bei Kreditgenossenschaften und bei Privatbanken. Andererseits stellen solche Ansprüche einen wichtigen Bestandteil der Geschäftspolitik von Sparkassen dar. Sowohl bei dem Ausmaß als auch bei dem Anteil an der Finanzierung lokaler Gemeinden sind sie durch die mit Abstand größten Werte gekennzeichnet. Da in diesem Bereich der Einfluss des öffentlichen Eigentums am deutlichsten ist, kann man feststellen, dass ohne die Existenz von Sparkassen die Finanzierung lokaler Gemeinden gefährdet wäre. Die Fokussierung der Kreditgenossenschaften und der Privatbanken auf andere Bereiche könnte dazu führen, dass wichtige öffentliche Projekte auf lokaler Ebene unterfinanziert bleiben. Die Finanzierung von öffentlichen Projekten auf lokaler Ebene stellt eine grundlegende Voraussetzung für die Förderung der regionalen Wirtschaft dar. Eine ausreichende und moderne Infrastruktur sowie das Angebot an entwickelten Dienstleistungen können die Attraktivität des Standortes und auch seine Wettbewerbsfähigkeit verbessern und damit die Wahrscheinlichkeit eines positiven wirtschaftlichen Fortschritts erhöhen.623 Zusätzlich entstehen aus den Investitionen auch auf indirekte Weise positive Impulse für die lokale Wirtschaft: Die vermehrte Tätigkeit der lokalen Unternehmen führen einerseits zu einer Steigerung des lokalen Einkommens und andererseits auch zur Entstehung neuer Arbeitsplätze; somit kann auf regionaler Ebene ein positiver Zyklus stattfinden. Durch ihre Rolle als Hauptpartner für die Finanzierung lokaler Gemeinden fördern Sparkassen die wirtschaftliche Entwicklung der Region und kommen dadurch auch den Interessen der “Regionalen Wirtschaft“ entgegen. Eine ähnliche Aussage kann für Privatbanken und für Kreditgenossenschaft nicht getroffen werden, da diese sich entweder aus der Finanzierung solcher Projekte zurückziehen oder nur in Rezessionszeiten eine solche Möglichkeit in Betracht ziehen. 623

Vgl. Brämer et al. (2010)., S. 323.

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

213

Es ist aber nötig, neben der Finanzierung lokaler Gemeinden auch die Kennzahl geographisches Absatzgebiet zu untersuchen, um ein möglichst vollständiges Bild der Berücksichtigung der Ansprüche des Stakeholders „Regionale Wirtschaft“ zu bekommen. 5.3.6 Geographisches Absatzgebiet Die Kennzahl geographisches Absatzgebiet (Tabelle 5.1 - Nr. 8) vergleicht die Bankengruppen hinsichtlich der Ausdehnung ihres Geschäftsgebietes und verwendet dafür die Angaben aus dem Beitrag von Brümmerhoff/Lehmann (2000). Diese Angaben basieren auf einer Bankenbefragung über die Kreditvergabe an kleinund mittelständische Unternehmen und unterscheiden zwischen drei geographischen Dimensionen: regional, national und international.624 Die Ergebnisse werden in der Abbildung 5.5 zusammengefasst. Geographische  Verteilung  des  Absatzes

100% 90% 80%

70% 60% 50% 40% 30%

20% 10% 0% Privatbanken Regional

Kreditgenossenschaften National

Sparkassen

International

Abbildung V.5 – Geographische Verteilung des Absatzes – Deutschland Quelle: Eigene Darstellung in enger Anlehnung an Brümmerhoff/Lehmann (2000), S. 144

Sparkassen und Kreditgenossenschaften beschreiben ihre Geschäftstätigkeit häufig als vorwiegend regionalorientiert und werben damit, dass sie dadurch die finanzi-

624

Für eine ausführliche Beschreibung der Befragung vgl. Brümmerhoff/Lehmann (2000), S. 143 und Lindner-Lehmann et al. (1998), S. 1 ff.

214

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

ellen Bedürfnisse regionaler Unternehmen am besten befriedigen können.625 Deswegen wäre zu erwarten, dass diese zwei Gruppen im Vergleich zu Privatbanken eine dominante Rolle bei der Finanzierung regional orientierter Kreditnehmer annehmen.626 Die Werte in der Abbildung 5.5 widersprechen dieser Erwartung und zeigen, dass keine große Unterschiede zwischen den Bankengruppen bezüglich der regionalen Finanzierung bestehen. Der Wert für Privatbanken beträgt 26,1 % und unterscheidet sich nur geringfügig von dem Wert der Kreditgenossenschaften (28,4 %) und der Sparkassen (29,11 %). Regionale Kreditnehmer werden in ähnlicher Weise von allen Bankengruppen versorgt, deren Absatz zu einem Drittel aus regionalen Geschäften besteht. Wenn man die regionale Ebene verlässt und einen Vergleich zwischen nationalen und internationalen Kreditnehmern führt, werden die Unterschiede zwischen den Bankengruppen deutlicher. Der Absatz von Sparkassen und Genossenschaftsbanken besteht für die Hälfte aus der Versorgung von nationalen Unternehmen, während der Anteil von Privatbanken 41,6 % beträgt. Dagegen nimmt die internationale Ausrichtung bei Privatbanken stark zu: Der Anteil der Finanzierung internationaler Unternehmen dieser Gruppe (32,5 %) übersteigt deutlich den internationalen Anteil von Sparkassen (21,9 %) und Kreditgenossenschaften (13,8 %).627 Die Untersuchung der geographischen Ausrichtung des Absatzes ermöglicht keine eindeutige Aussage über die Erfüllung der Ansprüche der “Regionalen Wirtschaft“ an eine ausgeglichene Wirtschaftsstruktur. Weil Privatbanken, Kreditgenossenschaften und Sparkassen ähnliche Werte bezüglich der Kreditversorgung regionaler Unternehmen aufweisen, kann behauptet werden, dass alle drei Gruppen auf ähnliche Weise diesen Ansprüchen entgegenkommen. Das widerspricht teilweise der Aussage aus der Analyse der Finanzierung lokaler Gemeinden, welche den Sparkassen bei der indirekten Förderung der regionalen Wirtschaft eine führende Rolle zusprechen. Schließlich ist es aus der deskriptiven Analyse für den Stakeholder „Regionale Wirtschaft“ nicht möglich, eine deutliche Unterscheidung zwischen den Bankengruppen herzuleiten.628

625 626 627

628

Für. Sparkassen vgl. Brämer et al. (2010), S. 314. Für Kreditgenossenschaften vgl. Pleister (2006), S. 64. Die Fokussierung von Sparkassen auf die Finanzierung von KMU wird auch in dem Beitrag von Ayadi et al. (2009) dargestellt. Vgl. Ayadi et al. (2009), S. 133 f. Aus der Analyse von Berger/Udell (1996) für den nordamerikanischen Bankenmarkt ergibt sich eine inverse Beziehung zwischen der Bankgröße und der Finanzierung von kleinen und mittleren Unternehmen. Vgl. Berger/Udell (1996), S. 558 ff. Zu einem gegenteiligen Ergebnis kommen Ayadi et al. (2009), welche die Rolle der deutschen Sparkassen bei der Bekämpfung regionaler Unterschiede beweisen. Vgl. Ayadi et al. (2009), S. 134.

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

215

5.3.7 Interbankenmarktinvestitionen und -refinanzierung, Z-Score Die Ansprüche des Stakeholders „Finanzsystem“ betreffen verschiedene Aspekte und werden in dieser Arbeit durch mehrere Kennzahlen untersucht: zunächst das Interesse an der Erhaltung der Stabilität, welche durch eine deskriptive Analyse von zwei Kennzahlen über die Nutzung des Interbankenmarktes erfolgt. Die Tabelle 5.6 enthält für jede Kennzahl den Durchschnitt, die Standardabweichung und die absolute Wachstumsrate. Um die Beziehung und die Existenz von Substitutionsprozessen zwischen dem Interbankenmarkt und dem klassischen Bankgeschäft zu untersuchen, werden für jede Bankengruppe zwei Korrelationswerte angegeben. Für die Aktiva wird die Korrelation zwischen der Interbankenmarktinvestitionen (Tabelle 5.1 - Nr. 10) und dem Kreditanteil berechnet, während sich für die Passiva die Korrelation auf die Interbankenmarktrefinanzierung (Tabelle 5.1 - Nr. 9) und den Einlagenanteil bezieht. Ein negativer Wert der Korrelation weist auf eine negative Beziehung hin: Wenn der Interbankenmarkt stärker in Anspruch genommen wird, sinkt der Anteil des klassischen Bankgeschäftes und umgekehrt. Beide Geschäfte stellen damit für die Bank Substitute dar. Dagegen weisen positive Korrelationswerte auf eine gemeinsame Entwicklung beider Geschäfte hin, sodass keine Substitution der Geschäfte untereinander stattfindet. Tabelle V.6 – Interbankenmarktinvestitionen und -refinanzierung – Deutschland Durchschnitt Privatbanken InterbankenmarktKreditgenossenschaften investitionen Sparkassen Interbanken- Privatbanken marktKreditgenossenschaften refinanzierung Sparkassen

Standardabweichung

0,239

2,41 %

0,146

2,24 %

0,093

1,23 %

0,293 0,113

2,94 % 1,82 %

0,149

4,84 %

Korrelation Wachs- mit Kundenktumsrate rediten / Kundeneinlagen* 25,49 % 0,28 27,42 % -0,31 -0,26 1,18 % 42,12 % -0,11 1,83 % -0,45 95,24 -0,53 %

* Um die Abhängigkeit in der Entwicklung der Geschäfte zu untersuchen, wurde die Korrelation zwischen den einjährigen Wachstumsraten der verschiedenen Geschäfte berechnet.

Quelle: Eigene Berechnung basierend auf der OECD Bank Profitability Database

Die Kennzahl Interbankenmarktinvestitionen stellt den Anteil der Interbankenmarkteinlagen an der Bilanzsumme dar. Je höher der Wert dieser Kennzahl ist,

216

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

desto mehr legt eine Bankengruppe ihr Geld am Interbankenmarkt an. Aus dem Vergleich der Durchschnittswerte zeigt sich, dass Privatbanken im untersuchten Zeitraum am stärksten am Interbankenmarkt investiert haben. Während die Aktiva von Privatbanken zu fast ein Viertel aus Interbankenmarktkrediten bestehen, fällt der Anteil für Kreditgenossenschaften (14,6 %) und für Sparkassen (9,3 %) deutlich geringer aus. Da aber der Durchschnittswert keine Information über die Schwankungen und den Trend liefert, müssen für eine vollständige Abbildung der Kennzahlen sowohl die Standardabweichung als auch die absolute Wachstumsrate mitberücksichtigt werden. Die niedrigen Werte der Standardabweichung und der Wachstumsrate für Sparkassen weisen auf kleine Schwankungen und damit auf eine stabile Entwicklung hin. Für diese Gruppe ist der Interbankenmarkt stets eine residuale Anlagemöglichkeit gewesen; sein Anteil hat immer Werte nah an 9 % angenommen. Bei Privatbanken und bei Kreditgenossenschaften ist Gegenteiliges zu beobachten: Der Anteil an diesem Geschäft hat sich mit der Zeit insgesamt um fast ein Viertel reduziert; die Schwankungen sind deutlich größer. Das heißt, dass dieses Geschäft in unterschiedlichen Jahren eine stark schwankende Bedeutung gehabt hat. Als letzter statistischer Maßstab kommt die Korrelation zwischen den Interbankenmarktinvestitionen und den Kundenkrediten in Betracht. Die negativen Werte für Sparkassen und Kreditgenossenschaften weisen auf eine partielle Substitution der Anlage am Interbankenmarkt mit der Vergabe von Krediten hin. Für Privatbanken zeigt sich keine solche Substitution, sondern eine Entwicklung beider Anlagen in die gleiche Richtung. Das heißt, dass die Reduzierung der Interbankenmarktinvestitionen nicht zu einer Steigerung des Kreditanteils geführt hat, sondern durch eine intensivere Nutzung andere Anlagemöglichkeiten (z. B. Aktien oder Bondsinvestitionen) kompensiert wurde. Die zweite Kennzahl Interbankenmarktrefinanzierung untersucht die Verwendung des Interbankenmarktes als Refinanzierungsquelle und setzt dafür den Betrag der Interbankenmarktkredite ins Verhältnis zur Bilanzsumme. Die Durchschnittswerte dieser Kennzahl sind deutlich höher als die der Interbankenmarktinvestitionen und zeigen, dass der Interbankenmarkt für die Liquiditätsbeschaffung sehr wichtig ist. Der Wert von 29,3 % für Privatbanken bedeutet beispielsweise, dass fast ein Drittel ihrer Passiva aus dem Interbankenmarkt stammt. Einzige Ausnahme stellen die Kreditgenossenschaften dar, deren Durchschnittswert nur 11,3 % beträgt. Während die Durchschnittswerte eine ähnliche Aussage für Privatbanken und für Sparkassen ermöglichen, zeigen die Werte der Standardabweichung, der Korrelation und vor allem der Wachstumsraten ausgeprägte Unterschiede zwischen den Gruppen. Sparkassen haben zwischen 1979 und 2009 den Anteil der Interbankenmarktkredite fast verdoppelt (+95,2 %), wobei dieses Wachstum großen Schwan-

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

217

kungen unterworfen ist. Die Ursache ist mit dem Korrelationswert zu erklären. Dieser beträgt -0,55 und verweist damit auf eine gegenseitige Entwicklung der Interbankenmarkt- und der Kundeneinlagen. Die steigende Refinanzierung über den Interbankenmarkt kompensiert die sinkenden Kundeneinlagen und führt damit zu einer Substitution der Kunden- mit den Interbankenmarkteinlagen.629 Die Werte von Privatbanken schwanken auch stark über die Zeit, jedoch ist der Trend der Entwicklung bei dieser Gruppe negativ. Die Wachstumsrate beträgt 42,1 %, was auf eine fast hälftige Reduzierung der Rolle dieses Geschäftes hinweist. Der Korrelationswert ist auch bei dieser Gruppe negativ, fällt aber im Vergleich zu den Sparkassen viel geringer aus. Das bedeutet, dass die Kompensation der sinkenden Interbankenmarktrefinanzierung weniger über Kundeneinlagen und mehr durch andere Quellen (z. B. Anleihen) erfolgt ist. Kreditgenossenschaften sind mit einer Wachstumsrate von 1,8 % und einer niedrigen Standardabweichung die stabilste Gruppe, bei der die Nutzung des Interbankenmarktes für die Refinanzierung fast konstant geblieben ist. Die kleinen Änderungen werden hauptsächlich für die Kompensation der Kundeneinlagen genutzt, was der Korrelationswert von -0,45 bestätigt. So wie es für Sparkassen bei den Aktiva der Fall gewesen ist, stellt der Interbankenmarkt bezüglich der Refinanzierung für Kreditgenossenschaften eine residuale Quelle dar. Die Analyse der Nutzung des Interbankenmarktes liefert ein zweiteiliges Bild: Während dieser als Investitionsmöglichkeit bei allen Gruppen über die Zeit weniger genutzt wird, ist die Refinanzierung in den letzten Jahren stärker von Interbankenmarktkrediten geprägt. Der Wechsel der Funktion des Interbankenmarktes ist insbesondere bei Sparkassen zu beobachten, deren Kundeneinlagen durch Interbankenmarktprodukte ersetzt werden. Dieser Prozess verstärkt die Abhängigkeit der Refinanzierungskosten und der Refinanzierungsvolumen vom Interbankenmarkt, was im Fall von Liquiditätsproblemen zu Ansteckungseffekten führen und damit die Stabilität des Finanzsystems gefährden kann.630 Dies liegt daran, dass die Liquiditätsprobleme einiger Institute direkter auf die andere Marktteilnehmer übertragen werden und damit ihre Refinanzierung gefährden können.631 Privat-

629 630

631

Der Trend zur Senkung der Bedeutung von Kundeneinlagen wird ebenfalls von Norden/Weber (2010), S. 83 beschrieben. Ayadi et al. (2009) kommen in ihrer Analyse zu einem ähnlichen Ergebnis. Laut ihrer Meinung erlaubt die konservative und stabile Nutzung von Kundeneinlagen als Refinanzierungsquelle den deutschen Sparkassen eine hohe Stabilität, obwohl diese in den letzten Jahren durch eine verstärkte Nutzung anderer Produkte gefährdet wurde. Vgl. Ayadi et al. (2009), S. 127 ff. Die verstärkte Refinanzierung über den Interbankenmarkt wirkt sich nicht nur auf die Stabilität des Finanzsystems aus, sondern auch auf die reale Wirtschaft durch den Einfluss auf die Kreditvergabe. Diese Wirkungen wurden während der aktuellen Finanzkrise ersichtlich „…das Kreditgeschäft mit KMU stärker von Kreditinstituten betrieben wird, die sich weniger auf den Geld- und Kapitalmärk-

218

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

banken nutzten im gesamten Zeitraum den Interbankenmarkt am stärksten; Sparkassen zeigen eine Entwicklung in diese Richtung.632 Einzige Ausnahme stellt die Gruppe der Kreditgenossenschaften dar, deren Werte der Interbankenmarktkredite am niedrigsten sind. Schließlich kann behauptet werden, dass in den letzten Jahren das Interesse des Stakeholders „Finanzsystem“ an der Erhaltung der Stabilität immer weniger von Sparkassen berücksichtigt wurde. Die Kreditgenossenschaften erfüllten diesen Anspruch am ehesten.633 Zusätzlich zur Nutzung des Interbankenmarktes lässt auch die Kennzahl Z-Score (Tabelle 5.1 - Nr. 11) Aussagen zur Stabilität des Finanzsystems zu. Mit ihr wird untersucht, inwieweit sich die verschiedenen Bankengruppen bezüglich der Werte dieser Kennzahl unterscheiden. Höhere Werte implizieren eine niedrigere Ausfallwahrscheinlichkeit und damit einen positiven Beitrag zur Stabilität des Finanzsystems. Dagegen werden niedrige Werte als Zeichen eines negativen Beitrags zur Stabilität interpretiert. Im Vergleich zu anderen empirischen Studien wird nicht eine bankindividuelle Analyse durchgeführt, sondern es werden die Werte jeder Bankengruppe in ihrer Gesamtheit verglichen.634 Die Abbildung 5.6 stellt den zeitlichen Verlauf der Z-Score für den Zeitraum 1979-2009 dar. Die Darstellung der Z-Score für die verschiedenen Bankengruppen liefert folgende Ergebnisse: Die Werte von Privatbanken sind am niedrigsten und weisen einen schwankenden Verlauf auf. Von einem Wert i. H. v. 13 im Jahr 1979 wird das Maximum im Jahr 1994 mit 17,4 erreicht, um in den folgenden Jahren wieder unter die Marke von 15 zu sinken. Kreditgenossenschaften weisen dagegen hohe Werte aus und eine entsprechend steigende positive Entwicklung. Innerhalb des untersuchten Zeitraums wächst die Z-Score dieser Gruppe um 50 % und erreicht im Jahr 2009 den Wert von 32. Zwischen diesen beiden Gruppen befinden sich die Sparkassen, welche auch einen stark steigenden Verlauf aufweisen. Diese Reihenfolge stimmt mit derjenigen aus der vorigen Analyse des Interbankenmarktes überein und bestätigt, dass Kreditgenossenschaften den größten und Privatbanken

632

633

634

ten, als vielmehr über Einlagen refinanzieren und daher in geringerem Maße von Refinanzierungsproblemen durch die Finanzmarktkrise betroffen sind.“ (Deutsche Bundesbank, 2009, S. 21). Trotz eines anderen Untersuchungsansatzes führt ebenfalls die empirische Analyse von Norden/Weber (2010) zu dieser Schlussfolgerung. Ihre Untersuchung zeigt den negativen Einfluss einer steigenden Nutzung des Interbankenmarktes auf das Nettozinsergebnis der Banken, wodurch die Funktionalität und die Stabilität des Finanzsystems gefährdet werden. Bezüglich des Beitrages zur Stabilität von Kreditgenossenschaften äußern sich ebenfalls Hesse/Cihák (2007). In ihrer Arbeit wird gezeigt, dass ein hoher Marktanteil der Kreditgenossenschaften ein höheres Niveau an Stabilität des Finanzsystems mit sich bringt. Dies liegt nach Hesse/Cihák (2007) daran, dass Kreditgenossenschaften über stabile Ertragsquellen aus dem klassischen Bankgeschäft verfügen. Vgl. Hesse/Cihák (2007) (2007), S. 18. Die Studie von Ayadi et al. (2009) enthält eine Gruppenanalyse des deutschen Bankenmarktes über die Z-Score, wobei diese auf bankindividuellen Bilanzdaten basiert.

V.

219

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

den niedrigsten Beitrag zur Stabilität des Finanzsystems liefern.635 Dies liegt daran, dass in allen Jahren das Ausfallrisiko bei Privatbanken deutlich höher ist als bei Kreditgenossenschaften. Die mittlere Position der Sparkassen deutet darauf hin, dass die Existenz von öffentlichen Banken in Deutschland keine zwingende Voraussetzung für die Berücksichtigung der Ansprüche des Stakeholders „Finanzsystem“ ist.636 Andere Stakeholder-Banken wie Kreditgenossenschaften können aufgrund ihres Geschäftsmodells und ihrer Risikoeinstellung diese Funktion erfüllen.637 35

30

Z-­‐Score

25 20 15 10 5

0 1979

1983 Privatbanken

1987

1991 Sparkassen

1995

1999

2003

2007

Kreditgenossenschaften

Abbildung V.6 – Verlauf der Z-Score – Deutschland Quelle: Eigene Berechnung basierend auf der OECD Bank Profitability Database

Es bleibt allerdings offen, ob die hier dargestellte Reihenfolge auch für die Unterstützung der Geldpolitik existiert. Diesbezüglich untersucht der nächste Abschnitt das Verhältnis zwischen der Kreditvergabe, dem Wirtschaftszyklus und dem Zentralbankzinssatz und vervollständigt damit die Analyse des Stakeholders „Finanzsystem“. 635

Die gleiche Reihenfolge ergibt sich auch aus der Gruppenanalyse von Beck et al. (2009). Sie begründen dabei das niedrige Risiko von Sparkassen und Kreditgenossenschaften durch die niedrige Volatilität der Gewinne, welche die Nachteile bei der Kapitalisierung überkompensiert. Vgl. Beck et al. (2009), S. 3 ff. 636 Dennoch ist ihre Präsenz wichtig für die Stabilisierung des deutschen Finanzsystems. Vgl. Ayadi et al. (2009), S. 136 f. 637 Die Rolle der Kreditgenossenschaften als stabilste Bankengruppe und ihr positiver Beitrag zur Stabilität des Finanzsystems wird ebenfalls in Cihák/Hesse (2007) für neun europäische Länder bewiesen.

220

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

5.3.8 Zyklizität der Kreditvergabe, abnormales Wachstum der Kredite (AWK) und Angebotsreaktivität Die Zyklizität untersucht das Verhältnis zwischen der Kreditvergabe und dem Bruttoinlandsprodukt - und zwar nicht durch den Vergleich absoluter Niveaus, sondern durch den Vergleich der jeweiligen Wachstumsraten. Durch einen solchen Vergleich wird die Abhängigkeit in den Entwicklungen beider Größen untersucht und man kann Ansatzpunkte für die Beziehung zwischen Kreditvergabe und Wirtschaftszyklus herleiten. Die letzte Finanzkrise unterstrich die Wichtigkeit dieser Thematik, wie das Basel Committee feststellt: “As witnessed during the financial crisis, losses incurred in the banking sector during a downturn preceded by a period of excess credit growth can be extremely large. These can destabilise the banking sector, which in turn can bring about or exacerbate a downturn in the real economy, which can further destabilise the banking sector.“ (Basel Committee on Banking Supervision (2009), s. 71). Die Beziehung zwischen der Kreditvergabe und dem Wirtschaftszyklus dient in diesem Kapitel dazu, die Berücksichtigung der Ansprüche des „Finanzsystems“ an der Erhaltung der Stabilität zu überprüfen. Eine stabile und moderate antizyklische Kreditvergabe trägt positiv zur Stabilität des Finanzsystems bei, wohingegen eine starke prozyklische Kreditvergabe das Risiko der Entstehung von Wirtschaftsblasen erhöht.638 Abbildung 5.7 zeigt zunächst den zeitlichen Verlauf der BIP-Wachstumsrate und der Kreditwachstumsrate jeder Bankengruppe. Die Schlussfolgerungen aus dem graphischen Vergleich müssen auch statistisch überprüft werden, sodass in einem zweiten Schritt die Untersuchung der Zyklizität durch die Kennzahl Zyklizität der Kreditvergabe (Tabelle 5.1 - Nr. 12) erfolgt. Diese enthält die Korrelationswerte zwischen beiden Größen und gibt Auskunft über die Intensität und die Richtung der Beziehung zwischen den Wachstumsraten.

638

Vgl. Behr et al. (2012), S. 30 ff.

V.

0,25

0,06

0,20

0,04

0,15 0,02

0,10 0,05

0,00

0,00

-­‐0,02

BIP  Wachstumrate

Kreditwachstumrate

221

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

-­‐0,05 -­‐0,04

-­‐0,10 -­‐0,15

-­‐0,06 1980

1985

1990

Kreditwachstumsrate  (Privatbanken) Kreditwachstumsrate  (Sparkassen)

1995

2000

2005

Kreditwachstumsrate  (Kreditgenossenschaften) BIP  Wachstumsrate  (rechte  Achse)

Abbildung V.7 – BIP und Kreditwachstumsraten nach Bankengruppen – Deutschland Quelle: Eigene Berechnung basierend auf der OECD Bank Profitability Database

Auf den ersten Blick wird eine Tendenz zu einem prozyklischen Verhalten der Kreditvergabe deutlich. Sowohl in Wachstums- als auch in Abschwungphasen passt sich das Wachstum der Kreditvergabe der Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts bei allen Bankengruppen an. Steigende Wachstumsraten bringen ein steigendes Kreditangebot mit sich, sinkende Werte auch eine sinkende Kreditvergabe. Es bestehen allerdings deutliche Unterschiede über das Ausmaß der Anpassung. Privatbanken ändern ihre Kreditvergabe am stärksten, insbesondere wenn die Wirtschaft stagniert. So haben sie zum Beispiel zwischen 2001 und 2002 bei einer Reduzierung der BIP-Wachstumsrate von 1,5 % die Wachstumsrate ihrer Kreditvergabe von +5,72 % auf -6,08 % reduziert. Dagegen sind die Anpassungen der Kreditvergabe bei Kreditgenossenschaften durchschnittlich kleiner, wobei man den gesamten Zeitraum in zwei Perioden aufteilen muss: Bis zum Jahr 1999 gilt diese Aussage in begrenztem Maß, da auch die Werte für Kreditgenossenschaften relativ stark schwanken. Ab 1999 erfolgt bei dieser Gruppe eine Stabilisierung der Kreditvergabe, deren Wachstumsrate immer unter der Marke von 5 % bleibt und sich stark von den Werten der Privatbanken unterscheidet. Die gleiche Unterteilung des Zeitraums gilt auch für Sparkassen, deren Kreditvergabe auch bis zum Jahr 1999 große Schwankungen aufweist und ab 1999 stabilisiert wird. Innerhalb dieser Aufteilung stellt das Jahr 1993 für die Sparkassen eine Ausnahme dar. Ihre Kreditvergabe verliert in diesem Jahr die Eigenschaft der Prozyklizität und verhält

222

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

sich in einer zum Bruttoinlandsprodukt entgegengesetzten Richtung. Die antizyklische Kreditvergabe von Sparkassen versorgte die deutsche Wirtschaft mit zusätzlicher Liquidität (+16,8 %), womit neue Investitionen finanziert und die schlechte Konjunkturlage überwunden werden konnte. Ein ähnliches Verhalten ist mit geringerer Ausprägung auch während der letzten Finanzkrise zu beobachten, insbesondere in den Jahren 2008 und 2009. In diesem Zeitraum sinkt die BIP Wachstumsrate um insgesamt fast acht Prozentpunkte und die Kreditvergabe der verschiedenen Bankengruppen verläuft sehr unterschiedlich. Während Privatbanken dem Zyklus stark folgen und ihre Kreditvergabe um fast 20 % reduzieren, weisen Sparkassen und Kreditgenossenschaften mäßige, aber positive Wachstumsraten auf. Das zeigt, dass diese beiden Gruppen bereit sind, die Wirtschaft auch im Fall einer Rezession durch zusätzliche Kredite zu unterstützen. Allgemein sind in Rezessionszeiten deutliche Unterschiede in der Stärke der Prozyklizität und auch in der Reaktion zwischen Privatbanken auf der einen Seite und Kreditgenossenschaften und Sparkassen auf der anderen Seite zu erkennen. Diese aus dem zeitlichen Verlauf abgeleitete Schlussfolgerung gilt es anhand der Kennzahl Korrelation zu überprüfen. Um nicht nur die Richtung, sondern auch das Ausmaß der Abweichungen zu messen, werden die Werte der Standardabweichung verwendet. Die Tabelle 5.7 enthält die Werte beider Größen für jeden Bankentyp. Neben dem Gesamtzeitraum erfolgt eine Betrachtung getrennt in zwei Gruppen nach der Entwicklung des BIPs, um so die Zyklizität der Kreditvergabe in Abhängigkeit der wirtschaftlichen Lage näher untersuchen zu können. Die erste Gruppe beinhaltet die Jahre, in denen eine positive Änderung der BIPWachstumsrate vorhanden ist, was als Zeichen einer Wachstumsphase interpretiert wird. Die zweite Gruppe enthält die Jahre, in denen die Wachstumsrate des BIPs abnimmt, was als Zeichen eines wirtschaftlichen Abschwungs gilt. Eine starke Änderung der Korrelation und der Standardabweichung zwischen den verschiedenen Gruppen deutet auf eine Zyklizität hin, welche dem aktuellen Trend der Wirtschaft angepasst wird. Wenn die Werte beider Gruppen dagegen in beiden Fällen ähnlich verbleiben, ist das ein Zeichen einer konstanten Ausprägung der Zyklizität.

V.

223

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

Tabelle V.7 – Standardabweichung der Kreditwachstumsrate und ihre Korrelation mit dem BIP – Deutschland Korrelation Kreditwachstumsrate - BIP Wachstumsrate Privatbanken Gesamter Zeitraum (19792009) Wachstumsjahre Abschwungjahre

Kreditgenossenschaften

0,625 0,467 0,603

Sparkassen

0,102 - 0,043 0,152

0,060 0,044 0,055

Standardabweichung der Kreditwachstumsrate Privatbanken Gesamter Zeitraum (1979-2009) Wachstumsjahre Abschwungjahre

Kreditgenossenschaften

0,068 0,041 0,080

Sparkassen

0,041 0,035 0,046

0,037 0,033 0,041  

Als Wachstumsjahre gelten die Jahre, in denen die Änderung der BIP-Wachstumsrate positiv ist; die Abschwungjahre sind von einer negativen Änderung derselben gekennzeichnet.

 

 

 

 

Quelle: Eigene Berechnung basierend auf der OECD Bank Profitability Database

Die positiven Werte der Korrelation639 für den gesamten Zeitraum bestätigen die Prozyklizität der Kreditvergabe für alle Bankengruppen, welche sich in der Regel in die gleiche Richtung wie das Bruttoinlandsprodukt entwickelt. Die Stärke der Anpassung variiert von Gruppe zu Gruppe, dies zeigt das unterschiedliche Ausmaß der Korrelationswerte. Privatbanken weisen mit 0,625 den höchsten Korrelationswert auf und passen damit am stärksten ihre Kreditvergabe der Entwicklung des BIPs an.640 Für Kreditgenossenschaften und Sparkassen ist die Korrelation immer positiv, aber ihre Werte fallen deutlich niedriger aus. Die gleiche Aussage lässt sich hinsichtlich der Stärke der Änderungen treffen, welche durch die Standardabweichung gemessen wird. Diese beträgt für Privatbanken 0,068 und übersteigt deutlich die Werte der anderen zwei Gruppen. Insgesamt weisen Privatbanken die größten prozyklischen Änderungen auf. Die Kreditvergabe von Sparkassen und Kreditgenossenschaften ist dagegen trotz einer mäßigen Prozyklizität am stabilsten über den gesamten Zeitraum. 639 640

Für die Berechnung der Korrelation siehe die Beschreibung der Kennzahl Zyklizität der Kreditvergabe in der Tabelle 5.1. Die Untersuchung von Foos (2009) kommt ebenfalls zu dem Fazit, dass am stärksten Privatbanken ihre Kreditvergabe dem Wirtschaftszyklus anpassen. Vgl. Foos (2009), S. 9.

224

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

Die Unterteilung in Wachstums- und Abschwungjahre bestätigt nur teilweise die Schlussfolgerungen aus der Beschreibung des zeitlichen Verlaufs. Die Korrelationswerte verbleiben bei Privatbanken in beiden Gruppen negativ, obwohl sie sich bezüglich ihrer Größe unterscheiden. Weil sowohl die Korrelations- als auch die Standardabweichungswerte in Abschwungjahren höher als in Wachstumsjahren sind, kann man eine stärkere Prozyklizität der Kreditvergabe im Fall von einem rückläufigen Wirtschaftswachstum beobachten. Das heißt, dass Privatbanken die Kreditvergabe in solchen Jahren am drastischsten reduzieren und damit das Risiko einer Rezessionsverstärkung erhöhen. Dagegen ist bei Kreditgenossenschaften eine deutliche Unterscheidung der Korrelation zwischen Wachstums- und Abschwungjahren zu erkennen: In Wachstumsjahren ist sie sehr nahe bei null und negativ, was zusammen mit einer niedrigen Standardabweichung auf eine Unabhängigkeit der Kreditvergabe vom Wirtschaftszyklus hinweist. In Abschwungjahren dagegen sind sowohl die Korrelationswerte als auch die Standardabweichungswerte deutlich größer und positiv, was als Zeichen einer starken Prozyklizität gilt. Hierbei unterscheiden sich Kreditgenossenschaften von Sparkassen. Letztere weisen geringe Werte sowohl bei der Korrelation als auch bei der Standardabweichung für beide Gruppen und damit die niedrigste Prozyklizität auf. Das zeigt, dass trotz einer moderaten Prozyklizität die Kredit-vergabe von Sparkassen am wenigstens dem Wirtschaftszyklus angepasst wird. Diese Analyse widerspricht teilweise den Schlussfolgerungen über die antizyklische Kreditvergabe von Sparkassen und Kreditgenossenschaften in Abschwungjahren, was im Rahmen der Analyse der Abbildung 5.7 beschrieben wurde. Man kann nicht mehr behaupten, dass beide Gruppe in allen Abschwungjahren ihre Kreditvergabe erhöhen und damit die Wirtschaft unterstützen. Dagegen verzeichnet die Kreditvergabe in fast allen Perioden einen prozyklischen Verlauf, mit Ausnahme der Jahre mit einer stark negativen BIP-Wachstumsrate. Nur in solchen Fällen findet eine gegenseitige Entwicklung statt. Obwohl eine Antizyklizität bei einer schlechten wirtschaftlichen Entwicklung bei keiner Gruppe nachweisbar ist, kann man feststellen, dass Sparkassen den Ansprüchen des „Finanzsystems“ auf eine Unterstützung der Geldpolitik am besten nachkommen. Sie weisen die niedrigste Prozyklizität und die kleinsten Anpassungen der Kreditvergabe auf. Sie versorgen die Wirtschaft mit einer stabilen Kreditvergabe und sind bereit, ihre Kreditvergabe in Notfällen durch antizyklische Maßnahmen zu erhöhen. Privatbanken dagegen berücksichtigen das Interesse dieses Stakeholders am wenigsten. Ihre Kreditvergabe ist durch eine große Prozyklizität und durch große Schwankungen geprägt, welche in Abschwungjahren an Stärke zunehmen. Die gemäßigte Prozyklizität der Kreditvergabe von Sparkassen hat verschiedene Ursachen. Eine weltweite Untersuchung von Micco/Panizza (2006) über das Kre-

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

225

ditvergabeverhalten von Banken kommt zu dem Ergebnis, dass Privatbanken stärker als öffentliche Banken auf makroökonomische Entwicklungen reagieren. Sie liefern dafür vier verschiedene Erklärungen, welche unterschiedlichen theoretischen Ansätzen zugeordnet werden können.641 Die erste Erklärung ist dem „Macroeconomic View“ zuzurechnen und basiert auf der Annahme, dass der Staat als Eigentümer die Vorteile aus einem stabileren Wachstum internalisiert.642 Damit stellen die Stabilität der Kreditvergabe und die Unterstützung der Geldpolitik Bestandteile der Zielfunktion öffentlicher Banken dar, sodass eine niedrige Zyklizität der Kreditvergabe den Nutzen aus der Bankentätigkeit erhöht. Die zweite Erklärung bezieht sich auf die Auswirkungen der stabileren Refinanzierungsbasis, welche auch in schwierigen Zeiten eine stabile Kreditvergabe ermöglichen. Nach Meinung des Autors ist diese Erklärung für den deutschen Bankenmarkt jedoch nicht zutreffend. Die Analyse der Refinanzierungsquelle im vorigen Abschnitt hat verdeutlicht, dass eine größere Depositenbasis eine stärkere Stabilität der Bank ermöglicht. Dabei haben sich Kreditgenossenschaften als diejenige Gruppe gezeigt, die sich am meisten über stabile Quellen refinanzieren. Wenn daraus ein direkter positiver Einfluss auf die Kreditvergabe resultieren würde, sollte man auch bezüglich der Prozyklizität eine dominante Rolle von Kreditgenossenschaften beobachten, dem aber in der Analyse der Korrelation widersprochen wird. Die dritte Erklärung bezieht sich auf den „Agency View“ und verweist auf die fehlenden Anreize für die Geschäftsführer öffentlicher Banken.643 Wenn sie nicht zur Maximierung des Gewinns gezwungen sind, haben sie auch keinen Anreiz, den Gewinn der Bank durch Anpassung der Kreditvergabe an den Wirtschaftszyklus zu optimieren. Die Stabilität der Kreditvergabe ist damit eine reine Auswirkung eines nachlässigen Verhaltens der Geschäftsführer und verfolgt keinen makroökonomischen Zweck. Die hohe Wettbewerbsintensität innerhalb des deutschen Bankenmarktes lässt aber an dieser Erklärung zweifeln. Sparkassen sind heute aufgrund der fehlenden Gewährträgerhaftung dem Wettbewerb stark ausgesetzt, sodass für ihre Geschäftsführer genügend Anreize für eine optimale Führung bestehen. Auf dem „Political View“ basiert die letzte Erklärung.644 Diese verbindet die Kreditvergabe öffentlicher Banken mit dem Wahlprozess: Eine höhere Kreditvergabe kann die Wahrscheinlichkeit einer Wiederwahl begünstigen. Es ist allerdings zweifelhaft, ob das zu einer niedrigen Prozyklizität der Kreditvergabe führen würde, da dafür die Rezessionszeiten mit den Wahljahren übereinstimmen müssten.

641

Vgl. Micco/Panizza (2006), S. 248 f. S. Kap. 3.3. S. Kap. 3.5. 644 S. Kap. 3.4. 642 643

226

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

Zusammenfassend stellt die Argumentation aus dem „Macroeconomic View“ die überzeugendste Erklärung für das besondere Verhalten von Sparkassen dar.645 Da aufgrund des öffentlichen Eigentums das Interesse dieser Bankengruppe an einer makroökonomischen Stabilität mit dem Interesse der Geldpolitik übereinstimmt, unterstützen Sparkassen durch eine niedrige Prozyklizität der Kreditvergabe die Umsetzung geldpolitischer Ziele. Während in normalen Zeiten diese Gemeinsamkeit wenig auffällig ist, ist sie dies in Zeiten starker Rezessionen um so mehr. Als zweite Kennzahl für die Zyklizität wird nach Foos (2009) die Kennzahl abnormales Wachstum der Kredite (AWK) (Tabelle 5.1 - Nr. 13) untersucht. Sie ist die Differenz zwischen der Wachstumsrate der Kreditvergabe einer Bankengruppe und dem Medianwert der Wachstumsrate im Bankensektor. Durch diese Berechnung ist es möglich, die Besonderheiten der Kreditvergabe jeder Bankengruppe von dem Einfluss anderer makroökonomischen Faktoren zu bereinigen und damit die Merkmale der Beziehung zum Bruttoinlandsprodukt besser zu identifizieren.646 Die Tabelle 5.8 enthält die Werte der Kennzahl, aufgeteilt nach Bankengruppen. Tabelle V.8 – Abnormales Wachstum der Kredite (AWK) – Deutschland Privatbanken

Kreditgenossenschaften

Sparkassen

1,81 %

0,44 %

- 0,37 %

Abschwungjahre

- 3,90 %

0,57 %

1,07 %

Wachstumsjahre

2,69 %

0,42 %

- 0,59 %

Alle Jahre

Quelle: Eigene Berechnung basierend auf der OECD Bank Profitability Database

Auch bei dieser Kennzahl sind Unterschiede zwischen den Bankengruppen deutlich zu sehen. Bei den Privatbanken wächst die Kreditsumme im Durchschnitt um 1,81 Prozentpunkte mehr als der Medianwert; der Wert für Sparkassen liegt hier hingegen im negativen Bereich. Man könnte vermuten, dass Privatbanken die Wirtschaft in allen Wirtschaftsphasen mit Krediten versorgen. Eine getrennte Betrachtung der Abschwung- und Wachstumsjahre liefert jedoch andere Hinweise. Während der Wert von AWK für Privatbanken in Wachstumsjahren besonders hoch ausfällt, ist hier für die Abschwungjahre ein negativer Wert zu beobachten. Das ist in Bezug auf die Unterstützung der Wirtschaft besonders aussagekräftig, da in Abschwungphasen eine ausreichende Finanzierung in der Regel die Voraussetzung für eine wirtschaftliche Erholung darstellt. Der negative Wert ist Indiz da645 646

S. Kap. 3.3. Durch die Subtraktion des Medianwertes des gesamten Bankensektors wird der Einfluss all jener Faktoren abgezogen, welche nicht gruppenspezifisch sind und sich auf alle Banken beziehen.

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

227

für, dass sich Privatbanken bei negativen BIP-Wachstumsraten aus der Kreditgewährung eher zurückziehen. Demgegenüber liegt der Wert für Sparkassen nur in Abschwungjahren im positiven Bereich. Das heißt, diese Bankengruppe verfolgt in Rezessionszeiten eine antizyklische Kreditvergabepolitik und fördert so die Wirtschaft. Kreditgenossenschaften sind durch einen positiven Wert dieser Kennzahl in allen Perioden gekennzeichnet, wobei die Werte nahe Null liegen. Dementsprechend kann man bei dieser Gruppe keine ausgeprägte Berücksichtigung der Interessen des „Finanzsystems“ herleiten; die Entwicklung der Kreditvergabe ist kaum mit dem Wirtschaftszyklus verbunden. Diese Ergebnisse stimmen mit denen von Foos (2009) überein. Auch in seiner Studie wird gezeigt, dass insbesondere Privatbanken ihr Kreditangebot sehr dem Wirtschaftszyklus anpassen, was bei Sparkassen weniger der Fall ist.647 Die Kennzahl AWK bestätigt damit die Schlussfolgerungen aus der Analyse der Zyklizität der Kreditvergabe, welche die Sparkassen als Hauptunterstützer der Geldpolitik bewiesen haben. Die Kennzahl Zyklizität der Kreditvergabe und AWK untersuchen die Verbindung zwischen der Kreditvergabe und dem Bruttoinlandsprodukt und ermöglichen damit nur indirekte Schlussfolgerungen über das Verhältnis zwischen der Kreditvergabe und der Geldpolitik. Ein direkter Ansatz zur Untersuchung dieses Verhältnisses stellt die Kennzahl Angebotsreaktivität (Tabelle 5.1 - Nr. 14) dar, welche die Beziehung zwischen der Wachstumsrate der Kreditvergabe und Änderung des kurzfristigen Zentralbankzinssatzes untersucht. Wenn eine Bank die Geldpolitik unterstützt, sollte die Beziehung zwischen der Wachstumsrate der Kreditvergabe und der Änderung des Zentralbankzinssatzes invers sein. Das gilt insbesondere in Abschwungzeiten, wenn die Zentralbank durch eine Reduzierung des Zinssatzes versucht, die wirtschaftliche Erholung zu fördern. In solchen Fällen ist es besonders wichtig, dass der Bankensektor die Kreditvergabe ausweitet und damit die Finanzierung von Investitionen ermöglicht. Zusätzlich zu den Korrelationswerten nach Bankengruppen enthält die Tabelle 5.9 auch eine Fallanalyse, um die Unterstützung der Geldpolitik näher zu betrachten. Die Häufigkeitsanalyse unterteilt zwischen positiven und negativen Änderungen des Zinssatzes und untersucht, wie oft eine inverse Beziehung zwischen einer Änderung des Kreditangebots und des kurzfristigen Zinssatzes vorhanden ist. Je höher der Anteil, desto stärker wird die Geldpolitik von der jeweiligen Bankengruppe unterstützt.

647

Vgl. Foos (2009), S. 1 ff.

228

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

Tabelle V.9 – Angebotsreaktivität – Deutschland

Korrelation zwischen dem Zentralbankzinssatz und der Kreditsumme

Häufigkeit einer inversen Beziehung Negative Änderung des Zinssatzes

Positive Änderung des Zinssatzes

Privatbanken

0,10

61 %

29 %

Kreditgenossenschaften

0,03

83 %

15 %

-0,11

94 %

12 %

Sparkassen

Quelle: Eigene Berechnung basierend auf Daten der Deutschen Bundesbank

Die Korrelationswerte der einzelnen Bankengruppen unterscheiden sich deutlich voneinander. Für einen Hinweis auf die Unterstützung der Geldpolitik sind negative Korrelationswerte zu erwarten, da dafür die Beziehung zwischen der Kreditvergabe und dem Refinanzierungszinssatz invers sein muss. Während die Korrelation bei den Sparkassen -0,11 beträgt, liegt sie sowohl bei Kreditgenossenschaften als auch bei Privatbanken im positiven Bereich. Das zeigt, dass in der Regel Sparkassen bei negativen Änderungen des Zinssatzes ihr Kreditangebot ausweiten, bei positiven Änderungen wird dieses reduziert. Dies hat folgende Gründe: Einerseits spielt ihre Verbundstruktur eine wichtige Rolle. Sparkassen mit Liquiditätsengpässen können meistens innerhalb der Sparkassen-Gruppe notwendige Finanzmittel erhalten und damit eine vom Interbankenmarkt unabhängige Geschäftspolitik umsetzen.648 Andererseits ermöglicht der öffentliche Charakter von Sparkassen eine direktere Übertragung der Ziele der Geldpolitik auf das Bankgeschäft und beschleunigt so die Umsetzung solcher Ziele. Damit werden die Ziele der Geldpolitik von Sparkassen gefördert, was aus der „Macroeconomic View“ zu erwarten ist.649 Bei den Privatbanken dagegen findet diese Übertragung nicht statt, denn sie steuern ihr Geschäft nach den Gewinnzielen ihrer Eigentümer und lassen damit die Ziele der Geldpolitik außer Betracht. Obwohl die Korrelation von Kreditgenossenschaften im positiven Bereich liegt, ist ihr Wert sehr nahe bei Null; dementsprechend kann man bei dieser Gruppe keine eindeutige Beziehung zwischen Geldpolitik und Kreditvergabe herstellen. Die Häufigkeitsanalyse unterscheidet zwischen positiven und negativen Änderungen des Zinssatzes. Hierbei wird nicht mehr das Ausmaß der Beziehung zwischen 648 649

Ehrmann /Worms (2004) verweisen auf den Einfluss der Verbundstruktur von Sparkassen auf die Übertragungsmechanismen der Geldpolitik. Vgl. Ehrmann/Worms (2004), S. 1148 ff. S. Kap. 3.3.

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

229

der Geldpolitik und der Kreditvergabe betrachtet, sondern es wird geprüft, ob und wie oft sich die Kreditvergabe im betroffenen Zeitraum entgegengesetzt zur Änderung des Zentralbankzinssatzes entwickelt hat. Der angegebene Prozentsatz verdeutlicht somit, wie oft ein solch negativer Zusammenhang im untersuchten Zeitraum auftritt. Die Aufspaltung in positive und negative Änderungen des Zinssatzes ermöglicht eine tiefergehende Untersuchung dieses Zusammenhanges. Ändert sich der Zinssatz negativ, sind insgesamt sehr hohe Prozentwerte zu betrachten; dabei bestehen deutliche Unterschiede zwischen den Bankengruppen. Während Privatbanken in 61 % der Fälle ihr Kreditangebot bei einer Reduzierung des Zentralbankzinssatzes ausgeweitet haben, beträgt die Prozentzahl bei den Sparkassen 94 %. Das heißt, dass in fast allen untersuchten Fällen die Sparkassen bereit waren, ihr Kreditangebot zu vergrößern. Ein anderes Bild zeigt sich bei positiven Änderungen des Zentralbankzinssatzes, da die Prozentwerte deutlich niedriger ausfallen. Wenn die Geldpolitik durch eine positive Änderung des Zinssatzes auf eine Reduzierung der verfügbaren Geldmenge zielt, wäre dabei eine Reduzierung der Kreditvergabe zu erwarten. Für alle Bankengruppen ist eine solche Beziehung in weniger als 30 % der untersuchten Fälle zu erkennen, was der Existenz eines negativen Zusammenhanges widerspricht. Die Ergebnisse zeigen dagegen, dass in der Regel alle Bankengruppen mit einer Vergrößerung der Kreditsumme auf eine Erhöhung des Zinssatzes reagieren. Aus diesem Grund können die Schlussfolgerungen bezüglich der Unterstützung der Geldpolitik präzisiert werden. Der aus dem Korrelationswert hergeleitete negative Zusammenhang für die Sparkassen ist zu relativieren. Dieser gilt in der Regel bei einer Senkung des Zentralbankzinssatzes, wohingegen bei einer Steigerung desselben der Zusammenhang positiv wird. Die Übertragung der Ziele der Geldpolitik auf das Management dieser Banken findet meistens in Abschwungphasen statt, dies belegt die sehr hohe Prozentzahl. In solchen Fällen sind Sparkassen bereit, das Kreditangebot zu erweitern und damit die Finanzierung neuer Investitionen zu ermöglichen. Zusammenfassend kann man bezüglich der Sparkassen feststellen, dass die aus der „Macroeconomic View“ hergeleitete Aufgabe der Unterstützung der Geldpolitik meistens in Rezessionszeiten erfüllt wird.650 Das gleiche Verhalten wurde auch aus der Analyse der Kennzahl Zyklizität der Kreditvergabe ermittelt, sodass die Bereitschaft der Sparkassen zur Unterstützung der Wirtschaft von beiden Kennzahlen bestätigt wird. 5.3.9 Zwischenfazit Die deskriptive Analyse ermöglicht eine empirische Überprüfung der Aussagen über die Berücksichtigung der Ansprüche verschiedener Stakeholder aus der theo650

S. Kap. 3.3.

230

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

retischen Analyse. Aus der Untersuchung repräsentativer Kennzahlen ergibt sich ein gemischtes Bild, welches die Erwartungen nur teilweise bestätigt. Nachfolgend werden die Ergebnisse für jede Bankengruppe zusammengefasst. Aus der theoretischen Analyse ist zu erwarten, dass sich die Geschäftspolitik der Privatbanken hauptsächlich an ihren Shareholdern und der Gewinnmaximierung orientiert. Dementsprechend sollten die Ansprüche anderer Stakeholder nur berücksichtigt werden, wenn diese der Maximierung des Gewinns dienen. Für fast alle Stakeholder wurde diese Ansicht bestätigt; so haben sich Privatbanken von den anderen Gruppen deutlich distanziert. Die Interessen der Stakeholder „Bevölkerung“, „Mitarbeiter“ oder „Finanzsystem“ werden von Privatbanken über den gesamten Zeitraum weniger als bei Sparkassen und Kreditgenossenschaften berücksichtigt. Die Tendenz einer verstärkten Berücksichtigung zeigt sich bei öffentlich-rechtlichen Körperschaften. Eine Zunahme der Finanzierung durch Privatbanken weist darauf hin, dass dieses Geschäft in letzter Zeit an Bedeutung zugenommen hat. Allerdings ist aus der Analyse nicht ableitbar, ob diese Entwicklung nur eine zeitbegrenzte Folge der Finanzkrise ist oder dies bereits eine endgültige Änderung darstellt. Einziger Stakeholder, bei dem kein deutlicher Unterscheid zu bemerken ist, ist die „Regionale Wirtschaft“. Die Untersuchung der Kreditversorgung regionaler Unternehmen hat gezeigt, dass die Beteiligung von Privatbanken an dieser Finanzierung der Beteiligung anderer Gruppen ähnelt. Der Vergleich zwischen Sparkassen und Kreditgenossenschaften liefert ein vielfältigeres Bild mit geringeren Unterschieden. Die Tatsache, dass beide Gruppen entweder einen öffentlichen Auftrag oder einen Förderungsauftrag erfüllen müssen, beeinflusst die Ausrichtung ihrer Geschäfte. Im Ergebnis der theoretischen Analyse beider Aufträge wurde konstatiert, dass bei der Interessenwahrnehmung einiger Stakeholder eine Überschneidung zwischen Sparkassen und Kreditgenossenschaften existiert – dies wird von der deskriptiven Analyse bestätigt. Eine solche Überschneidung existiert bei den Ansprüchen der „Bevölkerung“ auf eine Versorgung mit grundlegenden Finanzdienstleistungen, bei den Ansprüchen der „Kundschaft“ auf eine stabile und langfristige Kreditbeziehung und bei den Ansprüchen der „Mitarbeiter“ auf eine Bereitstellung von qualifizierten Arbeitsplätzen. Hierbei bringen die ähnlichen Werte der verschiedenen Kennzahlen zum Ausdruck, dass die Interessen dieser Stakeholder auch von einer genossenschaftlichen Bank bedient werden. Bei der Zweigstellenintensität (Tabelle 5.1 - Nr. 3) wird zusätzlich erkennbar, dass Kreditgenossenschaften durch zahlreiche Zweigstellen eine flächendeckende Versorgung sichern und einen wichtigen Beitrag für einen ausreichenden Wettbewerb auch im ländlichen Gebiet leisten. Trotz ihres privatrechtlichen Charakters können Kreditgenossenschaften, indem sie den Förderungsauftrages verfolgen, auch auf indirekte Weise gemeinnützliche Aufgaben

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

231

erfüllen und die Notwendigkeit der Existenz eines öffentlichen Bankensektors in Frage stellen. Eine unterschiedliche Berücksichtigung von Sparkassen und Kreditgenossenschaften zeigt sich in Bezug auf die Ansprüche der „Öffentlich-rechtlichen Körperschaften“. Die Untersuchung der Finanzierung lokaler Gemeinden verdeutlicht, dass sich Kreditgenossenschaften grundsätzlich aus solchen Geschäften zurückhalten. Die Erwartung, dass umfassende Kenntnisse über die lokale Wirtschaft zu einer verstärkten Teilnahme dieser Gruppe an der Finanzierung lokaler Gemeinden geführt hätten, wird von der Kennzahl widerlegt. Sparkassen sind hingegen der Hauptansprechpartner lokaler Gemeinden; sie übernehmen im gesamten Zeitraum den größten Teil der Finanzierung und sichern damit die Versorgung von gemeinnützigen Projekten. Indem lokale Gemeinden hauptsächlich von Sparkassen finanziert werden, wird der Einfluss des öffentlichen Auftrags bei diesem Stakeholder sehr deutlich. Die Vorgaben aus dem öffentlichen Auftrag stellen damit eine wichtige Voraussetzung für eine ausreichende Finanzierung öffentlicher Projekte dar. Für den Stakeholder „Finanzsystem“ ist keine eindeutige Aussage möglich. Während einerseits die Tendenz von Sparkassen zu einer vermehrten Nutzung vom Interbankenmarkt und ihre Z-Score (Tabelle 5.1 - Nr. 11) auf einen immer niedrigeren Beitrag dieser Gruppe zur Stabilitätserhaltung gegenüber Kreditgenossenschaften hinweisen, ist bei der Untersuchung der Zyklizität der Kreditvergabe (Tabelle 5.1 - Nr. 12) und bei der Angebotsreaktivität (Tabelle 5.1 - Nr. 14) ein entgegengesetzter Beitrag zu verzeichnen. Sparkassen weisen die niedrigste Prozyklizität der Kreditvergabe auf, unterstützen die Geldpolitik und versorgen die Wirtschaft mit zusätzlichen Krediten in Rezessionszeiten. Das erhöht die Stabilität des Finanzsystems und trägt zur Vermeidung von starken zyklischen Schwankungen des Finanzsystems bei. Es bleibt aber die Frage offen, ob die verstärkte Abhängigkeit vom Interbankenmarkt zukünftig solche Eigenschaften die Kreditvergabe von Sparkassen beeinträchtigen wird. Die Ansprüche der untersuchten Stakeholder werden somit insgesamt auf unterschiedlichste Weise von den diversen Bankengruppen bedient. Wenn gewinnorientierte Banken sich eher daraus zurückziehen, werden alternative Strategien bei Sparkassen und Kreditgenossenschaften erkennbar. Eine solche Strategie berücksichtigt nicht nur die Shareholder-Ansprüche, sondern sie verweist auch auf die Bedürfnisse anderer Subjekte. Die Tatsache, dass bei den meisten Stakeholdern sowohl Kreditgenossenschaften als auch Sparkassen einen ähnlichen Beitrag leisten, verdeutlicht, dass auch der Förderungsauftrag von Kreditgenossenschaften die Erfüllung ihrer Ansprüche indirekt berücksichtigt. Von dieser Berücksichtigung bleiben aber die Stakeholder „Öffentlich-rechtliche Körperschaften“ und „Finanzsystem“ in Bezug auf die Unterstützung der Geldpolitik ausgeschlossen. Hier ist

232

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

der Einfluss des öffentlichen Eigentums ersichtlich, da sich die Leistung der Sparkassen von der Leistung der Kreditgenossenschaften insbesondere unterscheidet. Der folgende Abschnitt richtet den Fokus auf die Gruppenunterschiede innerhalb des italienischen Bankenmarktes und analysiert die Kennzahlen dafür.

5.4 Analyse der historischen und aktuellen Entwicklungen des italienischen Bankenmarktes Dieser Abschnitt untersucht mithilfe einer Kennzahlenanalyse die Auswirkungen des Privatisierungsprozesses auf die Erfüllung der Stakeholder Ansprüche innerhalb des italienischen Bankenmarktes. Die vorangegangene Gruppenanalyse des deutschen Marktes hat gezeigt, dass sich Privatbanken eher auf die Gewinnmaximierung konzentrieren und dadurch hauptsächlich die Interessen ihrer eigenen Shareholder bedienen. Demzufolge ist zu erwarten, dass die Privatisierung des italienischen Bankensektors in den 90er Jahren zu einer Verstärkung der Gewinnund Shareholderorientierung und gleichzeitig zu einer niedrigeren Erfüllung der Ansprüche anderer Stakeholder geführt hat. Die ausgewählten Daten beziehen sich auf den Zeitraum 1984 bis 2009. Die Berechnung der Kennzahl Liquiditätssicherung (Tabelle 5.1 - Nr. 4) wird durch eine Literaturanalyse ersetzt und der Gesamtzeitraum in drei Perioden aufgeteilt, um die Auswirkungen aus der Privatisierung hervorzuheben: die Jahre vor der Privatisierung (1984-1991), die Jahre der Privatisierung (1992-1998) und die Jahre nach der Privatisierung (1999-2009).651 5.4.1 Kredit- und Einlagenanteil Die beiden ersten Kennzahlen untersuchen die Bedeutung des Kredit- und Einlagengeschäfts durch die Kennzahlen Kredit- und Einlagenanteil (Tabelle 5.1 - Nr. 1 und Nr. 2). Diese Kennzahlen setzen die Werte des Kredit- und Einlagengeschäfts ins Verhältnis zur Bilanzsumme und ermöglichen damit eine von der allgemeinen Entwicklung des Geschäftsvolumens unabhängige Betrachtung. Die Analyse zielt auf die Untersuchung der Ansprüche des Stakeholders „Bevölkerung“ in Bezug auf eine ausreichende Versorgung mit grundlegenden Finanzprodukten und fokussiert auf das Kredit- und Einlagengeschäft. Die Tabelle 5.10 enthält die Mittelwerte, die Wachstumsraten und die Korrelation beider Kennzahlen. 651

Der größte Anteil des Privatisierungsprozesses erfolgte zwischen 1992 und 1998. In diesem Zeitraum wurden sowohl große öffentliche Banken (Banche di Interesse Nazionale) als auch der Großteil von Sparkassen privatisiert. Vgl. Farabullini/Hester (2001), S. 2 und Kap. 2.4.1.

V.

233

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

Tabelle V.10 – Kredit- und Einlagenanteil – Italien Italien 1984-1991 Kreditanteil Einlagenanteil

Mittelwert Wachstumsrate Mittelwert Wachstumsrate

Korrelation Kredit- / Einlagenanteil

1992-1998

1999-2009

Deutschland

0,451

0,441

0,469

0,537

18,47 %

-9,87 %

-6,00 %

-27,81 %

0,501

0,381

0,275

0,497

- 8,38 %

- 26,72 %

- 5,86 %

- 17,96 %

- 0,667

0,665

- 0,076

0,913

Quelle: Eigene Berechnung basierend auf der OECD Bank Profitability Database

Der Mittelwert des Kreditanteils liegt in allen drei Perioden bei ca. 45 % und weist nur geringe Schwankungen auf. Der Wert nimmt während des Privatisierungsprozesses geringfügig ab, danach tritt ein moderates Wachstum ein. Größere Änderungen sind bei den Wachstumsraten festzustellen. Während in der ersten Periode der Kreditanteil um 18 % wächst, werden die Wachstumsraten in beiden folgenden Perioden negativ. Insbesondere im Zeitraum 1993-1998 weist die negative Wachstumsrate auf eine Änderung in der Geschäftspolitik hin – weg vom Kreditgeschäft hin in Richtung alternativer Produkte.652 Da jedoch in Deutschland eine ähnliche Entwicklung zu verzeichnen war, kann von einer besonderen Ausprägung des italienischen Bankenmarktes keine Rede sein. Der Trend zu einer Abschwächung des Kreditgeschäftes und einer verstärkten Nutzung anderer Produkte ist somit nicht eindeutig zu den Auswirkungen der Privatisierung zu zählen, sondern entspricht einer länderübergreifenden Entwicklung des Bankgeschäftes. Beim Einlagengeschäft dagegen sind die Konsequenzen der Privatisierung deutlich bemerkbar. Insgesamt reduziert sich der Durchschnittswert des Kreditanteils von 50,1 % auf 27,5 %, was auf eine unverkennbare Anpassung der Refinanzierungspolitik hinweist. Die größte Reduzierung findet auch beim Einlagenanteil in der zweiten Periode statt und ist das Ergebnis der durch den Privatisierungsprozess hervorgerufenen Umbrüche. Im Gegensatz zum Kreditgeschäft setzt sich diese Negativentwicklung auch in der letzten Periode fort und bestätigt den negativen Trend. Die geänderte Eigentümerstruktur wirkt insbesondere auf die Refinanzierungspolitik, in dem die klassische Refinanzierung über die Sammlung von Kun652

Ebenfalls in der Studie von Farabullini/Hester (2001) wird die Neuausrichtung der Geschäftspolitik als Folge der Privatisierung dargestellt, in dem die neu privatisierten Banken sich stärker auf das Provisionsgeschäft konzentrieren. Vgl. Farabullini/Hester (2001), S. 14 und Ayadi et al. (2009), S. 163.

234

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

deneinlagen durch Kapitalmarkt- und Interbankenmarktprodukte ersetzt wird. Ein ähnlicher Trend zeigt sich auch in Deutschland, wobei das Ausmaß hier deutlich geringer ausfällt. Während insgesamt der Einlagenanteil in Italien um ca. 45 % reduziert wird, beträgt die Änderungsrate in Deutschland -18 %. Daraus ist zu erkennen, dass trotz einer verbreiteten Tendenz zur Abnahme des Einlagengeschäftes die Privatisierung zu einer Verstärkung dieser Tendenz beigetragen hat. Folglich kann man in diesem Fall behaupten, dass die Umstellung eines Großteils des Bankenmarktes auf eine private Rechtsform zur Beeinträchtigung der Interessen des Stakeholders „Bevölkerung“ geführt hat. Letztlich wird die Korrelation zwischen beiden Kennzahlen berücksichtigt; diese untersucht, inwieweit das Einlagen- und das Kreditgeschäft eine gemeinsame Entwicklung aufweisen. Die Korrelation ist negativ in der ersten Periode und wird in der zweiten Periode positiv. Verbindet man diese Entwicklung mit den Wachstumsraten beider Kennzahlen, wird ersichtlich, dass in dieser zweiten Periode eine grundlegende Neuausrichtung der Geschäftspolitik stattgefunden hat. In diesem Zeitraum wird das klassische Bankgeschäft sowohl auf der Passiva- als auch auf der Aktivseite eingeschränkt, was der hohe positive Wert der Korrelation widerspiegelt. Dagegen geht in der letzten Periode die Korrelation fast gegen Null; dies weist auf die getrennte Entwicklung beider Geschäfte hin. Das bestätigt auch die Aussagen aus der Analyse der einzelnen Kennzahlen, welche einerseits auf eine Refokussierung auf das Kreditgeschäft und andererseits auf die Reduzierung des Einlagenanteils hinweisen. Insgesamt zeigt sich, dass die Privatisierung einen größeren Einfluss auf die Refinanzierungspolitik der italienischen Banken hat als auf die Investitionspolitik. Die Refinanzierungspolitik wurde neu ausgerichtet, in dem ein Großteil der Kundeneinlagen durch die Verwendung alternativer Refinanzierungsquellen ersetzt wurde. Das Kreditgeschäft hat dagegen an Bedeutung zugenommen, obwohl bis Ende der 90er Jahre auch dieses Geschäft reduziert wurde. Schließlich ist nur in Bezug auf die Kundeneinlagen ein eindeutiger Einfluss der Privatisierung in den letzten zwei Perioden bemerkbar. Innerhalb des gesamten Bankensektors haben diese abgenommen und so die Interessen der Bevölkerung auf eine grundlegende Versorgung mit Finanzdienstleistungen beeinträchtigt.653 Im nächsten Abschnitt wird die Analyse fortgesetzt. Der Anspruch der „Bevölkerung“ auf eine ausreichende Verfügbarkeit von Finanzdienstleistungen wird durch die Kennzahl Zweigstellenintensität untersucht. 653

Innerhalb der englischen Literatur wird die fehlende Möglichkeit des Zugangs zu Finanzprodukten für die Bevölkerung als „financial exclusion“ definiert. Diesbezüglich zeigen Ayadi et al. (2009) und andere empirische Arbeiten, dass in Italien der Grad an „financial exclusion“ im Vergleich zu anderen europäischen Ländern hoch ist. Vgl. Ayadi et al. (2009), S. 168 ff. und European Commission (2008), S. 7 ff.

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

235

5.4.2 Zweigstellenintensität Die Zweigstellenintensität (Tabelle 5.1 - Nr. 3) setzt die Anzahl der Zweigstellen ins Verhältnis zur Bilanzsumme und ermöglicht damit die Berechnung des durchschnittlichen Geschäftsvolumens pro Zweigstelle. Die betroffenen Stakeholder bei dieser Kennzahl sind sowohl die „Bevölkerung“ als auch die „Kundschaft“. Für die „Bevölkerung“ wird untersucht, inwieweit die Banken einen ausreichenden Zugang zu Finanzdienstleistungen und eine vollständige Betreuung durch ihre Zweigstellen anbieten. Ein hoher Wert der Zweigstellenintensität entspricht einem durchschnittlich niedrigen Geschäftsvolumen für jede Zweigstelle und weist damit auf eine verbreitete Präsenz und intensive Betreuung hin. Für die „Kundschaft“ werden dagegen die Ansprüche auf ein hohes Wettbewerbsniveau untersucht. Die Anzahl der Zweigstellen trägt positiv zum Wettbewerbsniveau bei, da die Präsenz von mehreren Banken auf dem gleichen Markt den Wettbewerbsdruck für die Marktteilnehmer erhöht.654 Hohe Werte der Zweigstellenintensität symbolisieren damit eine bessere Erfüllung solcher Ansprüche. In der folgenden Abbildung werden zusätzlich zu den Werten der Zweigstellenintensität auch die Wachstumsraten der Bilanzsumme und der Anzahl an Zweigstellen dargestellt, was eine Aufspaltung der Entwicklung dieser Kennzahl in ihre Komponenten ermöglicht. Insgesamt weist die Zweigstellenintensität einen sinkenden Verlauf über den gesamten Zeitraum auf. Von einem Wert über 2 % im Jahr 1984 sinkt die Intensität auf einen Wert von 1 % im Jahr 2009. Die Abnahme ist in den untersuchten Jahren jedoch nicht homogen verteilt, sondern kann in drei Phasen aufgeteilt werden. Für jede dieser Phasen werden zusätzlich zur Zweigstellenintensität auch die Wachstumsraten ihrer Komponenten in Betracht gezogen.

654

Für eine vollständige Darstellung über das Verhältnis zwischen Konzentration und Wettbewerb vgl. Alegria/Schaek (2008), S. 61 f. und Cetorelli (1999), S. 2 ff.

236

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

25,0%

2,5% 2,0%

15,0%

1,5%

10,0% 1,0%

5,0%

0,5%

0,0%

-­‐5,0%

Zweigstellenintensität

Wachstumsraten

20,0%

0,0% 1984

1987

1990

1993

1996

Wachstumsrate  der  Zweigstellen

1999

2002

2005

2008

Wachstumsrate  der  Bilanzsumme

Zweigstellenintensität  (rechte  Achse)

Abbildung V.8 – Zweigstellenintensität – Verlauf und Wachstumsraten ihrer Komponenten – Italien Quelle: Eigene Berechnung basierend auf der OECD Bank Profitability Database

Die erste Phase betrifft die Jahre vor der Privatisierung (1984-1991), hier schwankt die Zweigstellenintensität. Dies ist einer Abhängigkeit der Entwicklung der Bilanzsumme von der Zweigstellenanzahl geschuldet: Einer hohen Wachstumsrate der Zweigstellen folgt in den Jahren danach ein deutliches Wachstum der Bilanzsumme. Als Beispiel sind die Jahre 1987 und 1988 zu nennen. Im Jahr 1987 wächst die Anzahl der Zweigstellen um ca. 14 %, wohingegen die Bilanzsumme nur um 6 % zunimmt. Eine höhere Zweigstellenanzahl verstärkt den Kontakt zur Bevölkerung und unterstützt damit die Erweiterung der Geschäfte im Folgejahr. Dementsprechend wächst die Bilanzsumme im Jahr 1988 um 10 %, dagegen bleibt die Anzahl der Zweigstellen konstant. Diese Beziehung wird kurz vor Beginn der Privatisierung unterbrochen: Aufgrund der fallenden Restriktionen aus der Einführung des neuen Bankgesetzes findet in den Jahren 1990 und 1991 eine starke Zunahme der Zweigstellenanzahl mit Wachstumsraten zwischen 10 % und 21 % statt sowie ein starkes Wachstum der Bilanzsumme.655 Das zeigt, dass die Banken die

655

Im Jahr 1990 wurde die sogenannte „Legge Amato“ (Lg. 218/1990) eingeführt, welche den Privatisierungsprozess veranlasste. Zusätzlich zu neuen Vorgaben über die Umwandlung in Aktiengesell-

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

237

Möglichkeit nutzten, sich durch die Ausbreitung ihrer Geschäfte und ihres Filialnetzwerkes auf die kommende Privatisierung vorzubereiten. In der zweiten Phase (1992-1998), der Phase der Privatisierung, findet eine Stabilisierung der Zweigstellenintensität statt. Die Werte liegen hier zwischen 1,6 % und 1,7 %. Ursachen sind die geringeren Wachstumsraten von Bilanzsumme und Zweigstellen, welche in fast allen Jahren unter der Marke von 5 % liegen. Insgesamt zeigt sich, dass die italienischen Banken in diesen Jahren ihren expansiven Trend gestoppt haben. Die Unsicherheit über die Folgen aus dem Eigentumswechsel und die Notwendigkeit einer Neuorientierung der Geschäftspolitik haben dazu geführt, dass in dieser Übergangszeit sowohl das Geschäftsvolumina als auch die Anzahl an Filialen quasi konstant geblieben sind. In der dritten Phase, nach dem Privatisierungsprozess (1999-2009), werden die Folgen der Neuausrichtung der Geschäftspolitik auf die Zweigstellenintensität ersichtlich: Diese zeigt einen sinkenden Verlauf über alle zehn Jahre, ihr Wert reduziert sich von 1,6 % auf 0,9 %. Diese Entwicklung unterscheidet sich deutlich von der ersten und auch der zweiten Periode und ist ein Ergebnis der Rationalisierungspolitik.656 Der Eigentumswechsel von öffentlich zu privat wirkt direkt auf die Nutzung der verfügbaren Ressourcen, in dem strengere Effizienzkriterien angewendet werden. Als Folge wird die Expansion der Zweigstellen deutlich begrenzt, wobei im letzten Jahr die Änderungsrate negativ wird. Andererseits steigt die Bilanzsumme jährlich um durchschnittlich 7,3 %. Die Rationalisierungspolitik und die Notwendigkeit eines höheren Effizienzgrades führen zu einer Konzentration mehrerer Geschäfte auf die verfügbare Zweigstelle, wodurch die Zweigstellenintensität abnimmt. Vergleicht man den Verlauf der Zweigstellenintensität für das italienische Bankensystem mit dem des deutschen Bankensystems, wird der Einfluss der unterschiedlichen Ereignisse deutlich. In Deutschland ist die Tendenz zu einer Verringerung der Werte konstant über die Zeit verteilt, ohne besondere Verstärkung in der letzten Periode. In Deutschland bestand nicht die Notwendigkeit, als Folge einer Umstrukturierung des Bankensystems die Geschäftspolitik neu zu gestalten. Rationalisierung und die Berücksichtigung von Effizienzkriterien erfolgen über alle Jahre hinweg relativ konstant ohne stärkere Umbrüche. Die Analyse der Zweigstellenintensität hat die Auswirkungen des Privatisierungsprozesses auf einige Elemente der Geschäftspolitik italienischer Banken verdeutlicht. Die unterschiedliche Entwicklung dieser Kennzahl in den drei Perioden und insbesondere die starke Reduzierung der letzten Unterperiode sind Indiz für einen

656

schaften wurden dadurch auch die regionalen Restriktionen für die Öffnung von Zweigstellen aufgegeben. Vgl. Kap. 4.3. Vgl. Farabullini/Hester (2001), S. 6.

238

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

starken Einfluss der Privatisierung.657 Die Erfüllung der Ansprüche der „Bevölkerung“ auf eine flächendeckende Versorgung und der „Kundschaft“ auf ein ausreichendes Wettbewerbsniveau verlieren anderen Zielen gegenüber an Bedeutung, was zu einer intensiveren Ausnutzung der verfügbaren Ressourcen führt. Diese Schlussfolgerung wird auch von Giorgino/Tasca (1999) bestätigt. In ihrem Beitrag untersuchen sie die strategischen und organisatorischen Auswirkungen aus der Änderung der Zielfunktion von neu privatisierten Banken. Bei öffentlichen Banken konzentriert sich die Zielfunktion auf die Wirksamkeit der Ressourcenallokation in Bezug auf die betroffenen Stakeholder und die Effizienzaspekte rücken in den Hintergrund. Dagegen führt bei Privatbanken die Abhängigkeit der Managementvergütung von Rentabilitätskriterien zu einer stärkeren Gewichtung der Effizienzaspekte, sodass einem wirksamen Ressourceneinsatz eine effiziente Allokation derselben vorgezogen wird. Die Organisationsstruktur, wozu auch das Management vom Zweigstellennetzwerk gehört, wird bei privatisierten Banken zum Zweck der Gewinnmaximierung den strengeren Effizienzkriterien angepasst.658 5.4.3 Liquiditätssicherung In diesem Abschnitt wird der Anspruch des Stakeholders „Kundschaft“ auf eine langfristige und zuverlässige Kreditbeziehung betrachtet, welche das Entstehen einer gegenseitigen Vertrauensbasis ermöglicht. Dies resultiert aus einer umfassenden Kenntnis der Bank über die Bonität und die Zuverlässigkeit des Kreditnehmers, was in einer kurzfristigen und transaktionsbasierten Beziehung nicht der Fall ist. Insofern steigt bei vorläufigen Liquiditätsengpässen des Kreditnehmers die Bereitschaft der Bank, dem Kunden in solchen Fällen durch eine Ausweiterung der Kreditlinie entgegenzukommen. Für den deutschen Bankenmarkt wurde die Kennzahl Liquiditätssicherung (Tabelle 5.1 - Nr. 4) simuliert, welche die Anpassung des Kreditvolumens im Fall einer Bonitätsverschlechterung des Kreditnehmers simuliert und die Ergebnisse der einzelnen Bankengruppen miteinander vergleicht. Die Analyse des italienischen Bankenmarktes erfolgt nicht durch eine Gruppenperspektive, sondern durch eine historische Perspektive, sodass eine Berechnung dieser Kennzahl für Italien nicht sinnvoll erscheint. Die Analyse basiert daher auf Studien, welche die Auswirkungen der Privatisierung auf die Gestaltung der Kreditbeziehungen untersuchen. Messori (1998) untersucht in seinem Aufsatz die Entwicklung des italienischen Bankensystems in den 90er Jahren. Dabei konzentriert er sich insbesondere auf die Auswirkungen der neuen Eigentümerstruktur auf Organisation und Strategie itali657 658

Auch Ayadi et al. (2009) kommen zu diesem Ergebnis für das italienische Bankensystem. Vgl. Ayadi et al. (2009), S. 169. Vgl. Giorgino/Tasca (1999), S. 104 ff.

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

239

enischer Banken. Die Privatisierungswelle führte zu einem ausgeprägten Konzentrationsprozess, bei dem eine Vielzahl kleiner Institute miteinander fusionierte. Die sich daraus ergebenden neuen Großbanken haben danach sowohl ihre Strategie als auch ihre Organisation geändert und den Großteil ihrer Geschäfte zentralisiert, was die vorhandene enge Beziehung mit der lokalen Kundschaft beeinträchtigt hat. Im Gegenzug verstärkten die vom Konzentrationsprozess ausgeschlossenen Genossenschaftsbanken ihre Verbindung mit der lokalen Kundschaft. So dienten Ende der 90er Jahren vorwiegend diese Banken als Hauptpartner für die finanzielle Versorgung von mittleren und kleineren Unternehmen mit regionalen Absatzmärkten; ihre Kreditbeziehung ähnelt dem Modell einer Hausbank.659 Pezzetti (2004) fokussiert auf die Jahre nach der Privatisierung und ergänzt damit die Untersuchung von Messori (1998). Laut dieser Analyse führt der verstärkte Wettbewerbsdruck dazu, dass private Großbanken ihre Strategie nach den geänderten Marktbedingungen neu gestalten. Dabei zielten die neuen privaten Großbanken mit einer kurzfristigen Perspektive auf eine möglichst hohe Marge aus der Geschäftsbeziehung. Die neuen strengeren Wettbewerbsbedingungen haben in den folgenden Jahren dazu geführt, dass sich die Profitabilität solcher Geschäfte deutlich verringerte. Dementsprechend wurde die Suche nach profitableren Ertragsquellen notwendig, was zu einer Neubewertung der Vor- und Nachteile aus einer beziehungsbasierten Gestaltung der Bankgeschäfte führte. Insbesondere wurden die kompetitiven Vorteile solcher Bank-Kunde-Beziehungen ersichtlich, da die enge Beziehung eine Marktnische fördert und den Schutz gegen mögliche Wettbewerber ermöglicht. Dadurch kann der Wettbewerbsdruck reduziert werden und die Bank kann langfristig profitablere Konditionen erzielen.660 Dieser Strategiewechsel führte dazu, dass in den letzten Jahren auch private Großbanken in die bis dahin von Regional- und Lokalbanken besetzte Marktnische eingetreten sind.661 Indem den regionalen Geschäftsstellen eine größere Unabhängigkeit in der Gestaltung der Kreditpolitik überlassen wurde, erfolgte eine Dezentralisierung ihrer Entscheidungsstruktur. Letztendlich dienen heutzutage auch private Großbanken als Hausbank für mittlere und kleine Unternehmen, sodass die Ansprüche des Stakeholders „Kundschaft“ wieder berücksichtigt werden. Die gemeinsame Betrachtung beider Beiträge liefert ein interessantes Bild über die Entwicklung der Ansprüche der „Kundschaft“ auf eine langfristige und zuverläs659

Vgl. Messori (1998), S. 122 ff. Die relative Marktmacht einer Bank aus einer Hausbankbeziehung wird in Elsas (2001) ausführlich dargestellt: „Der Informationsvorsprung einer Hausbank kann einen monopolistischen Preissetzungsspielraum bewirken, wodurch intertemporale Konditionengestaltung auch bei Wettbewerb in jedem Zeitpunkt ermöglicht und die Kapitalverfügbarkeit für Unternehmen erhöht werden können.“ (Elsas (2001), S. 246). 661 Vgl. Pezzetti (2004), S. 5 ff. 660

240

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

sige Beziehung. Es zeigt sich, dass auch eine gewinnorientierte Geschäftspolitik mit solchen Ansprüchen kompatibel ist. Dies liegt daran, dass aus einer langfristigen Beziehung nicht nur Vorteile für den Kunden, sondern auch Vorteile für die Bank resultieren können: Wenn das Wettbewerbsniveau zwischen den Anbietern hoch genug ist, verlieren transaktionsorientierte Geschäfte an Rentabilität, was die relative Vorteilhaftigkeit einer beziehungsbasierten Strategie deutlich erhöht. Zusammenfassend kann man für das italienische Bankensystem die Aussage treffen, dass nach einer Umstellungsperiode, in der der Fokus auf transaktionsbasierten Geschäften lag, die Ansprüche des Stakeholders „Kundschaft“ heute wieder bedient werden.662 5.4.4 Mitarbeiterintensität Die Kennzahl Mitarbeiterintensität (Tabelle 5.1 - Nr. 5) ist das Verhältnis von Mitarbeiterzahl und Bilanzsumme; sie ist Ausdruck für die Erfüllung der Ansprüche des Stakeholders „Mitarbeiter“, welche sich auf die Bereitstellung von qualifizierten Arbeits- und Ausbildungsplätzen beziehen. Ein hoher Wert der Mitarbeiterintensität ist ein Indiz für eine Verteilung der Geschäfte auf viele Mitarbeiter und damit auch ein Indiz für die wichtige Rolle des Personals innerhalb des Bankgeschäftes. Dagegen bedeutet ein niedriger Wert der Kennzahl eine Konzentration der Geschäfte auf wenige Mitarbeiter; die Bedeutung des Personals gegenüber anderen Produktionsfaktoren ist verringert. Die Tabelle 5.11 enthält für die drei Perioden (vor, während und nach der Privatisierung) die Mittelwerte und die durchschnittlichen jährlichen Änderungsraten der Mitarbeiterintensität und ihrer Komponenten.

662

Goglio (2007) beschreibt die Neigung italienischer Privatbanken, sich auf beziehungsbasierte Bankgeschäfte zu fokussieren, was die Beziehung zur lokalen Gemeinschaft stärkt. Vgl. Goglio (2007), S. 33.

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

241

Tabelle V.11 – Die Mitarbeiterintensität und ihre Komponenten – Italien Mitarbeiterintensität Mittelwert 19841991 19921998 19992009

Jährliche Änderungsrate

Mitarbeiterzahl Mittelwert

0,54

-8,91 %

327.875

0,27

-7,66 %

0,15

-7,23 %

Jährliche Änderungsrate 2,02 %

Bilanzsumme MittelJährliche Änwert derungsrate (Mio. Euro) 642.550

12,06 %

353.857

-0,48 % 1.334.455

8,00 %

338.878

-0,38 % 2.458.763

7,43 %

Quelle: Eigene Berechnung basierend auf der OECD Bank Profitability Database

Die absolute Entwicklung der Mitarbeiterintensität zeigt eine deutliche Abnahme über den gesamten Zeitraum: Von einem durchschnittlichen Wert von 0,54 im ersten Zeitraum (1984-1991) sinkt diese Kennzahl auf einen Wert von 0,147 im letzten Zeitraum (1999-2009). Das entspricht einer negativen Änderungsrate von 60 % und verweist damit auf ein steigendes Geschäftsvolumen pro Mitarbeiter. Während in den Jahren von 1984 bis 1991 ein Mitarbeiter im Durchschnitt für 1,856 Mio. Euro zuständig war, stieg diese Summe in den Jahren nach der Privatisierung auf 6,803 Mio. Euro. Alle drei jährlichen durchschnittlichen Änderungsraten weisen Werte zwischen -7,2 % und -8,9 % auf. Da diese Entwicklung über alle drei Perioden ähnlich verläuft, ist der Einfluss der Privatisierung hier nicht eindeutig erkennbar. Die untersuchte Kennzahl wird sowohl vom Trend als auch vom Verlauf der Bilanzsumme und der Mitarbeiterzahl beeinflusst. Es ist dementsprechend wichtig, auch die Entwicklung der Mitarbeiterintensität in ihre zwei Komponenten aufzuspalten. Diesbezüglich zeigen Farabullini/Hester (2006), dass die Personalpolitik der Banken von der Privatisierung drastisch beeinflusst wird. Aus ihrer Studie ergibt sich deutlich, dass der Trend zur Vergrößerung der Mitarbeiterzahl in den 80er Jahren bei den neu privatisierten Banken umgekehrt wird. Dieser Prozess, welcher 1992 beginnt, setzt sich auch nach der Privatisierungsphase fort.663 Ein ähnliches Bild liefert auch Tabelle 5.11: Im Zeitraum 1984-1991 betrug die durchschnittliche positive Wachstumsrate der Mitarbeiterzahl 2 %; die Anzahl der Mitarbeiter wuchs von 304.000 auf 355.000. Ab dem Jahr 1992 werden die ersten Auswirkungen der Privatisierung ersichtlich, welche sich in den folgenden Jahren verstärken und zu einer negativen durchschnittlichen Änderungsrate der Mitarbei663

Vgl. Farabullini/Hester (2001), S. 5 f.

242

V.

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

terzahl führen. Diese Tendenz setzt sich auch im letzten Zeitraum fort und zeigt damit, dass die Einführung neuer Effizienzkriterien durch die neue Eigentümerstruktur auch eine Rationalisierungspolitik im Personalbereich mit sich bringt.664 Eine ausschließliche Betrachtung der Mitarbeiterzahl würde auf eine im Vergleich mit dem Zeitraum vor der Privatisierung stärker sinkende Entwicklung der Mitarbeiterintensität hinweisen. Dem wird jedoch von den Werten der Tabelle 5.11 widersprochen. Dies liegt daran, dass die Privatisierung auch die Entwicklung der Bilanzsumme beeinflusst hat, wie schon bei der Kennzahl Zweigstellenintensität dargestellt wurde. Die expansive Geschäftspolitik der Jahre vor der Privatisierung wird ab dem Jahr 1992 deutlich begrenzt, die jährliche Wachstumsrate sinkt von 12,1 % auf 8 %. Die Kombination aus sinkender Mitarbeiterzahl und niedrigerem Wachstum der Bilanzsumme führt dazu, dass die Änderungsraten der Mitarbeiterintensität in den Jahren während und nach der Privatisierung der Änderungsrate vor der Privatisierung ähneln. Die Auswirkungen der Privatisierung zeigen sich auch bei dem Stakeholder „Mitarbeiter“ sowie bei der Zweigstellenintensität, wofür jedoch eine gemeinsame Betrachtung der Kennzahl Mitarbeiterintensität mit ihren Komponenten notwendig ist. Insgesamt ist ab 1992 eine Änderung der Personal- und der Geschäftspolitik als Folge strengerer Effizienzsteigerungsmaßnahmen zu beobachten. Das zeigt sich dadurch, dass die Privatisierung teilweise zu einer schwächeren Berücksichtigung der Ansprüche der Stakeholder „Mitarbeiter“ bei der Bereitstellung qualifizierter Arbeitsplätze geführt hat. Eine steigende Anzahl von Geschäften wird mit der Zeit auf immer weniger Mitarbeiter konzentriert. Obwohl eine ähnliche Tendenz auch für das deutsche Bankensystem und insbesondere für deutsche Privatbanken zu verzeichnen war, sind die Unterschiede zwischen den drei betrachteten Perioden innerhalb des italienischen Bankenmarktes geringer.

5.4.5 Ausmaß und Anteil an der Finanzierung lokaler Gemeinden Die Analyse der Ansprüche des Stakeholders „Öffentlich-rechtliche Körperschaften“ zusammen mit denen der “Regionalen Wirtschaft“ erfolgt für das italienische Bankensystem durch zwei Kennzahlen (Tabelle 5.1 – Nr. 6 und Nr. 7), welche die Finanzierung lokaler Gemeinden betrachten. Für Italien sind, wie auch für Deutschland, keine Daten aus der OECD Database verfügbar, sodass die verwendete Zeitreihe aus der Database der italienischen Zentralbank stammt und sich auf den Zeitraum 1998-2009 begrenzt.

664

Der Einfluss der Einführung von neuen Effizienzkriterien wurde auch bei der Kennzahl der Zweigstellenintensität erkannt.

V.

243

BANKWIRTSCHAFTLICHE KENNZAHLENANALYSE

,#+

%$(&#"

%$,#*$% ("#"

%$,#)$% ,#"

%$'&#"

%$"#'$% '"#"

%$"#+$% "#*

%$!&#"

%$"#)$% "#"

%$!"#"$% ,(('% ,(((% )"""% )"",% )"")% )""-% )""*% )""&% )""+% )""!% )""'% )""(%

!"#$%&'("')$*'+%"(",%$*-".'&/0(&$*'1$2$%")$"'

!-32(4')$*'+%"(",%$*-".'&/0(&$*'1$2$%")$"'

Der Unterschied zwischen beiden Kennzahlen liegt in der angewandten Bezugsgröße und damit in der untersuchten Perspektive. Das Ausmaß der Finanzierung lokaler Gemeinden (Tabelle 5.1 - Nr. 6) dividiert die Kreditfinanzierung durch die Bilanzsumme und zielt auf die Darstellung der Bedeutung dieses Geschäftes für den Bankensektor. Dagegen wird die Kreditfinanzierung bei der zweiten Kennzahl Anteil an der Finanzierung lokaler Gemeinden (Tabelle 5.1 - Nr. 7) ins Verhältnis zum gesamten Finanzierungsvolumen der Gemeinden gesetzt und zeigt die Wichtigkeit des Bankensektors für die finanzielle Versorgung der Gemeinden. Im Unterschied zur Gruppenanalyse des deutschen Bankensektors erfolgt in diesem Abschnitt eine gemeinsame Untersuchung beider Kennzahlen, deren Verlauf die Abbildung 5.9 darstellt.

./0123%456%78929:856/9;%20, l3 >0

(1.2)

Die Nachfrage nach Krediten hängt negativ von dem Kreditzinssatz rl ab, sodass eine Erhöhung des Kreditzinssatzes zu sinkenden Volumina führt (l00).726 Auch das Preisniveau (p) hat eine positive Wirkung auf die Kreditnach723

724

725

726

Die Annahme der Exogenität des Eigenkapitals widerspricht teilweise der aktuellen Definition des Eigenkapitals. Man sollte aber zwischen aufsichtlich gefordertem und tatsächlichem Eigenkapital unterscheiden. In der Regel behält die Bank mehr Eigenkapital als das aufsichtlich geforderte. Damit können mögliche Reputationskosten vermieden und zukünftige Investitionsmöglichkeiten ausgenutzt werden. Der zusätzliche Anteil reduziert die Abhängigkeit des gesamten Eigenkapitals von der Summe der risikogewichteten Aktiva, sodass die Exogenität als realistische Annahme gilt. Vgl. dazu Dewatripont and Tirole (1994) und Van den Heuvel (2001). Die Standardannahme der negativen Abhängigkeit der Kreditnachfrage vom Kreditzinssatz wird auch in dem Monti/Klein-Modell beschrieben, vgl. Matthews/Thompson (2009), S. 82 f. und Klein (1971), S. 205 ff. Auch die empirische Arbeit von Drakos (2002) diskutiert die Auswirkungen des Wirtschaftswachstums auf die Zinsmarge. Dabei werden sowohl die Hypothese eines positiven Einflusses wie auch die eines negativen Einflusses aus einer zunehmenden Selbstfinanzierung diskutiert. Vgl. Drakos (2002), S. 96. Nach Friedman (1957) besteht das Gesamteinkommen aus der Summe des dauerhaften und des vorübergehenden Einkommens. Während letzteres als „a totally fortuitous change in income which the individual cannot expect to recur regularly” bezeichnet wird, bezieht sich das dauerhafte Einkommen auf „change in income reflecting some basic improvement or deterioration in his production prospects” (Melitz/Pardue (1983), S. 672). Für eine ausführliche Erklärung der Auswirkungen auf die Kreditnachfrage vgl. Melitz and Pardue (1983), S. 669 ff.

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

271

frage, da verteuerte Preise ein größeres Bedürfnis nach Kreditfinanzierung mit sich bringen. Als letzte Variable wird der Marktzinssatz (rm) eingeführt. Weil dieser die Opportunitätskosten anderer Finanzierungsformen, wie z. B. Bonds, darstellt, wirkt er positiv auf die Kreditnachfrage aus (l3>0). Höhere Marktzinssätze führen zu einer Erhöhung der Vorteilhaftigkeit von Bankkrediten gegenüber der Eigenfinanzierung und damit zu einer höheren Nachfrage nach Krediten.727 Bei der Einlagennachfrage wird eine Standard-Funktion verwendet, welche positiv vom Einlagenzinssatz (rd), vom dauerhaften Einkommen (yp) und vom Preisniveau (p) abhängt.728 Außerdem hat der Marktzinssatz aufgrund des Opportunitätskostengedankens einen negativen Einfluss auf die Nachfrage. Je höher die Renditen alternativer Investitionen sind, desto niedriger wird die relative Vorteilhaftigkeit einer Bankeinlage. D d = d0 rd + d1 y p + d2 p + d3rm

wobei d0 >0, d1 >0, d2 >0, d3 0

CF

% ( ' " CF( Ai ,0 # tCF ) $ " CF(Liabi ,0 # tCF )* & Ai ) Liabi

(1 + r (t ))

(tCF +1)

m

"A

CF

i

(1.5)

i

732

Diese Gleichung verwendet das Konzept der modifizierten Duration für ein Portfolio.733 Für jedes Laufband (0→tCF) werden die Nettocashflows aus der Differenz von Cashflows aus Aktiva (Ai) und Cashflows aus Passiva (Liabi) ermittelt, welche dann mit dem bezüglich der Fristigkeit entsprechenden Marktzinssatz (rm(tCF)) diskontiert und mit der Laufzeit (tCF) gewichtet werden. Das Ergebnis wird durch die Summe der verzinslichen Aktiva dividiert. Damit werden die Kosten im Sinne von Marktwertverlusten aus einer einprozentigen Änderung des Marktzinssatzes pro Einheit an Aktiva ermittelt. Aufgrund der meistens durchgeführten positiven Fristentransformation bei einer typischen Bank kann man von positiven Werten für δ und TT ausgehen.734 Das negative Vorzeichen für TT in der

730

Es wird der verzögerte Wert von δ berücksichtigt, da die Wirkung aus der Änderung des Marktzinssatzes von der Bilanzzusammensetzung am Ende der Vorperiode abhängt. Vgl. dazu Gambacorta (2004), S. 12. 731 Für eine ausführliche Darstellung der Schätzung des Zinsänderungsrisikos vgl. Entrop et al. (2009), S. 7 ff. 732 Die modifizierte Duration wird als „ein approximatives Maß für die relative Kursänderung bei absoluter Zinsänderung“ (Albrecht/Maurer (2008), S. 444) definiert. Damit ähnelt die modifizierte Duration dem Term -δ, welcher einen negativen Einfluss auf den Gewinn ausübt. Auch schätzt dieser Term eine Wertänderung der Bilanzsumme bei einer absoluten Zinsänderung. Vgl. Bessis (2010), S. 344 ff. 733 Vgl. Albrecht/Maurer (2008), S. 449 f. 734 Die positive Fristentransformation ergibt sich aus der Annahme, dass die Bank die Gewährung langfristiger Kredite durch Sammlung kurzfristiger Einlagen finanziert. Dementsprechend übersteigt die durchschnittliche Fristigkeit der Aktiva die durchschnittliche Fristigkeit der Passiva, sodass die gesamte Duration der Bilanzsumme positiv ausfällt.

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

273

Gewinngleichung (1.8) führt dazu, dass eine Erhöhung des Marktzinssatzes zu einer Gewinnreduzierung führt.735 Bei der Ausübung der Bankentätigkeit durch die Kreditvergabe und die Einlagensammlung entstehen auch operative Kosten (C), wie z. B. Kosten aus den Screening- und Monitoring-Prozessen oder für die Erhaltung des Filialnetzes. Zur Vereinfachung der Modellierung wird angenommen, dass die Kostenfunktion linear und proportional zu den Kredit- (L) und Einlagenvolumina (D) verläuft. C = c1 L + c2 D

wobei c1 > 0,c2 > 0

(1.6)

Zur Berücksichtigung des Kreditrisikos wird die Variable w eingeführt. Weil Wertberichtigungen die Nettorendite der Kreditvergabe reduzieren, muss dieses Element in der Gewinngleichung durch einen negativen Einfluss berücksichtigt werden.736 (rl ! w)L

wobei w > 0

(1.7)

Die Zusammenführung aller oben dargestellten Komponenten (Gl. (1.1) bis (1.8)) ergibt die Gleichung für die Bestimmung der Bankgewinne, welche als Funktion der Menge, der Refinanzierungs- und der operativen Kosten, des Marktzinssatzes, des Zinsänderungs- und des Kreditrisikos modelliert werden. ! = (rl " w)L + rm S " rd D " TT " C

6.1.2.2

(1.8)

Die Nutzenfunktion: Shareholder vs. Stakeholder Banks

In Übereinstimmung mit Smith et al. (1981) wird die Nutzenfunktion der Bank als lineare Kombination einer Gewinn- (Π) und einer sozialen Komponente (θ) modelliert und wird demnach direkt von dem Kredit- und dem Einlagenzinssatz beeinflusst. U (rl ,rd ) = !(rl ,rd ) " # (rl ,rd )

(1.9)

Während die Gewinnkomponente für eine langfristige Kostendeckung und die damit verbundene Bildung von Reserven notwendig ist, stellt die soziale Komponente einen Kostenfaktor in Bezug auf die Stakeholder dar.737 Sie misst die Opportunitätskosten einer Banktransaktion für die Kunden und berücksichtigt sowohl 735

Die angenommene positive Duration der Bilanzsumme impliziert, dass eine Änderung des Marktzinssatzes zu einem gegenüber der Passiva-Wertsteigerung größeren Wertverlust der Aktiva führt. Damit liegt der Nettoeffekt einer Marktzinssatzsteigerung für die Bank im negativen Bereich. 736 Die Variable w kann als Zinsabschlag für Wertberichtigungen auf das Kreditportfolio interpretiert werden. Vgl. dazu Gambacorta (2004), S. 24. 737 Im Kapitel 4 wird die Rolle der Gewinnerzielung für Stakeholder-Banken ausführlich geschildert.

274

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

Kreditnehmer als auch Einleger. Anders als bei Smith et al. (1981) werden die Opportunitätskosten für den einzelnen Kreditnehmer (OCL) durch die Differenz zwischen dem Kreditzinssatz und der kostengünstigsten Marktalternative, nämlich dem Geldmarktzinssatz, berechnet.738 Auch Barros/Modesto (1999) erweitern die Nutzenfunktion der Bank durch eine Berücksichtigung der Kredit- und Einlagenvolumina seitens der Eigentümer. In ihrer Arbeit werden beide Volumina mit dem Marktzinssatz und dem jeweiligen Gewichtungsfaktor multipliziert. Während der Marktzinssatz eine Bewertung zu den Opportunitätskosten widerspiegelt, deuten die Gewichtungsfaktoren auf eine explizite Rolle der Kredit- und Einlagenvolumina im Optimierungskalkül der Eigentümer hin. Positive Werte der sozialen Komponente implizieren eine positive Berücksichtigung von Stakeholder-Ansprüchen, welche sich von der reinen Gewinnerzielung unterscheiden.739 In der vorliegenden Arbeit wird die Bank als Mittel für den Zugang zum Geldmarkt angesehen, welche durch ihre Tätigkeit diese Refinanzierungsmöglichkeit für die Kunden ermöglicht. Das heißt, die Bank refinanziert sich auf dem Geldmarkt, sodass sich ihr Mehrwert aus der Differenz zwischen dem Kredit- und dem Geldmarktzinssatz ergibt. Dieser Mehrwert entspricht den Intermediationskosten für die Kunden. Sowohl aus einer Kostenminimierungs- als auch aus einer Wohlfahrtmaximierungsperspektive stellt der Geldmarktzinssatz die beste Wahl für die Messung der Opportunitätskosten dar. OCL = rl ! rm

(1.10)

Ein ähnlicher Ansatz definiert die Opportunitätskosten für den einzelnen Einleger (OCD), welche durch die Differenz zwischen der profitabelsten Marktalternative und dem Einlagenzinssatz berechnet werden. OCD = rm ! rd

(1.11)

In Abhängigkeit von der Eigentümer-Struktur und von der Satzung können Banken verschiedene Orientierungen aufweisen, welche durch die Gewichtungsfaktoren θ l und θ d modelliert werden. Beispielsweise drückt ein positiver Wert von θ l eine Kreditnehmerorientierung aus, sodass die Bank die Ansprüche dieser Stakeholder-Gruppe innerhalb ihrer Optimierungskalküle berücksichtigt. Ebenso symbolisiert ein positiver Wert von θ d die Existenz einer Einlegerorientierung. Die gesamten Opportunitätskosten, welche als Summe der Opportunitätskosten beider

738

Smith et al. (1981) verwenden dagegen den Begriff „Net Gain on Loans“, definiert als „the difference between the CU loan rate and the best alternative market rate times the level of loan activity“ (Smith et al. (1981), S. 520). Dementsprechend vergleichen sie den Kreditzinssatz mit dem am Markt kostengünstigsten Kreditzinssatz. 739 Vgl. Barros/Modesto (1999), S. 872 f.

VI.

275

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

Kundengruppen jeweils multipliziert mit der jeweiligen Menge und mit der Orientierung ausgedrückt werden, entsprechen der sozialen Komponente.

! = ! l " OCL " L + ! d " OCD " D with 0 # ! l ,! d # 1 and ! l + ! d # 1

(1.12)

Die Bank zielt auf die Maximierung ihres Nutzens durch Festlegung der optimalen Kredit- und Einlagenzinssätze, in dem sie sowohl die Gewinn- als auch die soziale Komponente gleichzeitig berücksichtigt. Max U = Max (! " # ) = Max $ (rl ,rd ) + Min # (rl ,rd ) rl ,rd

(1.13)

rl ,rd

Der Vorteil dieses Ansatzes liegt darin, dass die Nutzenfunktion eine Differenzierung zwischen Shareholder und Stakeholder Banks erlaubt. Shareholder Banks zielen auf die Gewinnmaximierung, sodass die Gewichtung ihrer sozialen Komponente bei Null liegt und ihre Nutzenfunktion nur von den erzielten Gewinnen abhängt. Dagegen verwenden Stakeholder Banks einen „Double-bottom line“Ansatz, in dem sie sowohl die Gewinn- als auch die soziale Komponente innerhalb ihrer Nutzenfunktion berücksichtigen. Stakeholder Banks benötigen den Gewinn aus zwei Gründen: Einerseits ist dieser nötig, um die Zukunft des Unternehmens zu versichern und andererseits, um eine Wachstumspolitik umzusetzen und damit den sozialen Auftrag besser zu erfüllen. Die Maximierung des Nutzens erfolgt erstmals durch das Einsetzen der Gleichung (1.10) und (1.11) in Gleichung (1.12) und das Einsetzen der Gleichung (1.8) und (1.12) in Gleichung (1.9). Die vollständige Nutzenfunktion lautet:

)(

(

)

(

) ( ) ( ) (

)

* r ! w l r + l yp + l p + l r + r " d r + d yp + d p + d r ! r d r + d yp + d p + d r 0 l 1 2 3 m m 0 d 1 2 3 m d 0 d 1 2 3 m , l , Max U = Max +!# t !1$rm %& l0 rl + l1 y p + l2 p + l3rm + " d0 rd + d1 y p + d2 p + d3rm '( ! c1l0 rl + l1 y p + l2 p + l3rm rl ,rd rl ,rd , p p p ,-!c2 d0 rd + d1 y + d2 p + d3rm ! ) l rl ! rm l0 rl + l1 y + l2 p + l3rm ! ) d rm ! rd d0 rd + d1 y + d2 p + d3rm

(

) (

(

)(

)(

)

)

. , , / , ,0

(1.14) Für die Maximierung werden die Bedingungen erster Ordnung sowohl für den Kredit- als auch für den Einlagen-Zinssatz hergeleitet. ! ( !U ! = 0 " 2l0 rl + l1 y p + l2 p + l3rm # l0 w # l0$ t #1%rm # l0 c1 # & l (2l0 rl + l1 y p + l2 p + l3rm # l0 rm ) = 0 * !r * l ) ! ! * !U = 0 " d ' r # (2d r + d y p + d p + d r ) # d '$ %r # c d + & (2d r + d y p + d p + d r # d r ) = 0 0 m 0 d 1 2 3 m 0 t #1 m 2 0 d 0 d 1 2 3 m 0 m *+ !rd

(1.15) Zur Überprüfung der Bedingungen zweiter Ordnung wird die Hesse-Matrix berechnet, welche die zweite partiellen Ableitungen zusammenfasst.

276

VI.

" ! 2U $ 2 !r H = $$ l2 !U $ $# !rl !rd

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

! 2U % ' !rl !rd ' " 2l0 (1-( l ) =$ ! 2U ' #$0 ' !rd2 '&

% ' 2d0 (( d -1) '& 0

(1.16)

Aus den Gleichungen (1.2) und (1.3) ist bekannt, dass l00 sind. Dementsprechend ist es möglich, das Vorzeichen der Hauptminoren zu bestimmen. H1 = 2l0 (1-! l ) < 0 wenn ! l < 1 H 2 = "# 2l0 (1-! l ) $% "# 2d0 (! d -1) $% >0 wenn ! l ,! d < 1

(1.17)

Die Hesse-Matrix ist im Fall einer nicht reinen Kreditnehmer- bzw. Einlegerorientierung negativ definiert, was auf ein lokales Maximum der Nutzenfunktion hinweist. Eine Umformulierung der Gleichung (1.15) führt zu einem optimalen Kredit- und Einlagenzinssatz. & * "l 1 1 (l1 y p + l2 p + l3rm ) + (w + # t !1$rm + c1 ) ! r (rl = ! 2l 2(1 ! " ) 2(1 ! "l ) m ( 0 l ' % ! "d 1 (r * = ! 1 (d y p + d p + d r ) ! (# t !1%$rm + c2 ) ! r 1 2 3 m (d 2d 2(1 ! " ) 2(1 ! "d ) m 0 d )

(1.18)

Weil die optimalen Zinssätze voneinander unabhängig sind, wird die optimale Zinsmarge als Differenz von rl* und rd* bestimmt. Dafür werden folgende Annahmen getroffen: •

Die Reaktivität der Einlagennachfrage zum Einlagen- und Marktzinssatz ist symmetrisch zur Reaktivität der Kreditnachfrage zum Kredit- und Marktzinssatz (d0=-l0; d3=-l3)



Die Reaktivität der Einlagennachfrage zu den Änderungen des realen Einkommens und des Preisniveaus entspricht der Reaktivität der Kreditnachfrage bezüglich der gleichen Faktoren (d1=l1; d2=l2).740

Unter Berücksichtigung dieser Annahme lautet die optimale Zinsmarge:

740

Der lineare und symmetrische Verlauf beider Nachfragen in Bezug auf die Zinssätze ist eine übliche Annahme innerhalb der Modellierung der Zinsmarge. Vgl. dazu Ho/Saunders (1981), S. 586.

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

277

" IM * = rl* ! rd* $ $ d0 = !l0 , 1) 'l ( ! 'd , 1 1 1 ) 1 + ( ! ' d ! (' l , 1) 1 1 $ & IM * = ! (l1 y p + l2 p) + w+ + / 0r + c + c + ! + r # d3 = !l3 l0 2(1 ! ' l ) 2 * (1 ! ' d )(1 ! ' l ) .- t !1 m 2 +* (1 ! ' l ) 1 (1 ! ' d ) 2 .- 2 +* (1 ! ' l ) (1 ! ' d ) .- m $d = l $ 1 1 $ d2 = l2 %

(1.19) Die optimale Zinsmarge wird nach dem Ergebnis dieses Modells durch verschiedene Faktoren beeinflusst, welche in zwei Klassen unterteilt werden können: eine von der Eigentümerstruktur unabhängige Klasse und eine abhängige. Zur ersten Klasse gehören der Marktzinssatz, sowie makroökonomische Faktoren. Es besteht eine positive Abhängigkeit der Zinsmarge vom realen Einkommen, welche durch !

l1 l0

den Term bestimmt wird.741 Positive Änderungen im dauerhaften Einkommen erhöhen die Nachfrage nach Krediten und nach Einlagen, was einerseits zu steigenden Kreditzinssätzen und andererseits zu sinkenden Einlagenzinssätzen führt. Diese Wirkung wird allerdings von l0 teilweise verringert, da höhere (niedrigere) Kredit(Einlagen-)zinssätze auch eine sinkende Nachfrage implizieren. Insgesamt kann man von einem prozyklischen Verhalten der Zinsmarge ausgehen.742 Auch !

l2

das Preisniveau wirkt durch den Term l positiv auf die Zinsmarge. So wie beim Einkommen liegt die Ursache dieser Ausprägung an der erhöhten Nachfrage nach Bankprodukten.743 Als letzter Faktor dieser Klasse beeinflusst der Marktzinssatz, welcher die Rolle der Geldpolitik zusammenfasst, die Zinsmarge durch den Term 1 ! " negativ. Wenn der Marktzinssatz steigt, erhöht sich für die Bank die Rendite 0

2

der risikolosen Investition am Kapitalmarkt, welche dem Anteil α der Einlagen entspricht. Andererseits reduziert sich aufgrund der Opportunitätskosten die Nachfrage nach Einlagen, was zu Liquiditätsengpässen führen kann. Um diese Engpässe zu vermeiden, kann sich die Bank aus der erhöhten risikolosen Rendite eine Erhöhung des Einlagenzinssatzes und damit eine Verringerung der Zinsmarge leisten, ohne den Gewinn zu reduzieren.744 741

Da aus der Nachfragefunktion l00 sind, ergibt das Verhältnis einen positiven Wert. In der Literatur herrschen unterschiedliche Stellungnahmen bezüglich des Einflusses des Wirtschaftswachstums auf die Zinsmarge. Während Ruckes (2004) von einem negativen Einfluss ausgeht, beweisen einige empirische Arbeiten einen positiven Einfluss (vgl. Albertazzi/Gambacorta (2006) und Burgstaller (2007)). 743 Die positive Auswirkung des Preisniveaus wird auch in der empirischen Arbeit von ECB(2000) über den europäischen Bankenmarkt bestätigt. Es wird gezeigt, dass während der 90er Jahre die Verringerung der Inflationsrate in vielen südeuropäischen Ländern zu einer Verringerung der Zinsmarge beigetragen hat. Vgl. ECB (2000), S. 14 f. 744 Die Ergebnisse aus dem Modell von Gambacorta (2004) unterscheiden die Auswirkung des Marktzinssatzes in zwei Kategorien: „the Bank lending channel“ und „the opportunity cost effect“. 742

278

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

Zur zweiten Klasse gehören bankspezifische Faktoren, nämlich das Kreditrisiko, das Zinsänderungsrisiko und die operativen Kosten. Das Kreditrisiko übt durch den Term ½ einen positiven Einfluss auf die Zinsmarge aus. Das liegt daran, dass eine Erhöhung des Kreditrisikos w eine Verminderung des Gewinns verursacht. Um dieser Reduzierung entgegenzuwirken und den maximalen Gewinn zu erzielen, ist die Bank gezwungen, eine höhere Zinsmarge nachzufragen. Der positive Einfluss des Kreditrisikos wird in der Literatur häufig durch die Anwendung eines risikoadjustierten Pricing begründet: Ein hohes Kreditrisiko muss durch einen hohen Kreditzinssatz kompensiert werden, damit die Nettorendite konstant bleibt.745 Der Term stellt einen positiven Einfluss des Zinsänderungsrisikos auf die Zinsmarge dar, welcher in Gambacorta (2004) durch die „Bank capital channel“Begründung erklärt wird.746 Als Vorbedingung für diese Erklärung müssen folgende Annahmen gelten: 1. Existenz eines imperfekten Marktes für das Eigenkapital. 2. Durchführung einer positiven Fristentransformation (Die Fristigkeit der Aktiva übersteigt die Fristigkeit der Passiva). 3. Aufsichtliche Bindung der Kreditvergabe am Eigenkapital. Dem „Bank capital channel“ gemäß kann die Bank nach einer Erhöhung des Marktzinssatzes aufgrund ihrer längeren Bindung nur einen geringeren Anteil an Krediten im Vergleich zu den Einlagen neu verhandeln, sodass der Gesamtgewinn sinkt. Wenn sich die Bank nicht aus anderen Quellen refinanzieren kann (das Eigenkapital wird hier als exogen modelliert), reduziert sie ihre Kreditvergabe, indem sie den Kreditzinssatz und damit die Zinsmarge überproportional erhöht.747 Der Gesamteffekt hängt zusätzlich vom Ausmaß der Exposure aus der Fristentransformation ab, was durch den Term δt-1 berücksichtigt wird: Je größer die Fristentransformation ist, desto größer ist das Risiko und damit auch die Ausweitung der Zinsmarge. Als letzte bankspezifische Komponente werden die operativen In dem hier dargestellten Modell vereinfachen sich aufgrund der Annahmen über die Nachfragefunktionen die Elemente beider Kategorien durch die entgegengesetzte Wirkung des Kredit- und Einlagenzinssatzes innerhalb der Zinsmarge. Weil der Fokus dieser Arbeit nicht auf der Geldpolitik liegt, ist ihr Ausschluss für die Interpretation nicht relevant. Für eine Erklärung des „Bank lending channel“ s. Kap. 5.2 und vgl. Matthews/Thompson (2009), S. 258. 745 Vgl. Schwaiger/Liebeg (2007), Wong (1997) und Maudos/De Guevara (2004). Ebenfalls das Modell von Merton (1974) weist auf einen positiven Einfluss des Kreditrisikos auf die Zinsmarge auf. Vgl. Freixas/Rochet (2009), S. 267 ff. 746 S. Kap. 5.2. 747 Vgl. Gambacorta (2004), S. 10 f. und Matthews/Thompson (2009), S. 258.

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

Kosten in Betracht gezogen, welche durch den Term

279

3 ( e3 + e4 ) die Zinsmarge posi4

tiv beeinflussen.748 Lerner (1981) verweist auf die Notwendigkeit ihrer Betrachtung in der Modellierung der Zinsmarge, weil die Marge mindestens ausreichend sein muss, um die Kosten decken zu können.749 Da die Kosten proportional zur Kredit- und Einlagenmenge sind, führt eine Erhöhung der operativen Kosten pro Einheit zu einem höheren Spread zwischen Kredit- und Einlagenzinssätzen, um den Gewinn konstant zu halten. Die Abhängigkeit des Einflusses dieser Faktoren wird durch die Präsenz der sozialen Komponente (θ) innerhalb ihrer Koeffizienten beeinträchtigt. Diese verzerrt ihren Einfluss für Stakeholder-Banken, in dem ein positiver Wert der sozialen Komponente letztendlich die optimale Zinsmarge beeinflusst. Eine vertiefende Untersuchung zum Einfluss dieser Komponente auf die Zinsmarge ist Gegenstand des folgenden Abschnitts, welcher dafür das Instrument der komparativen Statik verwendet. 6.1.2.3

Der Einfluss der sozialen Komponente

Die Untersuchung des Einflusses der sozialen Komponente erfolgt durch die Ableitung der optimalen Zinsmarge (Gl. (1.19)) nach der Gewichtung der Opportunitätskosten des Kredit- (θl) und des Einlagengeschäfts (θd) und eine Analyse der Voraussetzungen für eine reduzierende Auswirkung auf die Zinsmarge. Damit werden in der vertiefenden Analyse nur die Fälle in Betracht gezogen, bei denen die soziale Komponente zur Erhöhung der sozialen Wohlfahrt durch eine Verminderung der Zinsmarge beiträgt und damit die Stakeholder-Ansprüche befriedigt. !IM * !" l

=

1 w + # t $1%rm + c1 $ rm 2 2 1$ "

(

l

)

dIM * 1 (& $ 1)rm + &# t $1%rm + c2 = 2 d" d 2 1$ "

(

d

)

(1.20)

Die partiellen Ableitungen liefern die ersten Hinweise auf den Einfluss der sozialen Komponente. In Bezug auf die Kreditnehmerorientierung (θl) ist eine Erhöhung der Sensitivität der Zinsmarge zum Kredit- und Zinsänderungsrisiko als auch zu den operativen Kosten des Kreditgeschäftes zu berücksichtigen. Dagegen besitzt der Geldmarktzinssatz ein negatives Kennzeichen. Ebenfalls bei der Einle748 749

In der Gleichung werden c1 und c2 als positiv angenommen. „The spread between the cost of money and price at which it is lent out must be high enough to cover the costs of operating the bank, i.e., to cover the cost of the heat, the light, and the wages as well as providing a return to equity. In short, there is a production function in banking that concerns itself with purchasing money and transforming it into a loan.” (Lerner, 1981, S. 601)

280

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

gerorientierung (θd) wird der Einfluss des Zinsänderungsrisikos und der operativen Kosten des Einlagengeschäftes verstärkt; der Geldmarktzinssatz wird durch den Term (α-1) multipliziert. Weil in der Regel dieser Term negativ ausfällt, kann man auch in diesem Fall von einer negativen Wirkung des Geldmarktzinssatzes ausgehen. Insgesamt ist es anhand der partiellen Ableitungen nicht möglich, einen eindeutigen Einfluss der sozialen Komponente für beide Märkte zu bestimmen. Durch die Verwendung der komparativen Statik werden in den nächsten Absätzen nur die Fälle untersucht, bei denen die soziale Komponente reduzierend auf die Zinsmarge wirkt. In Bezug auf die Kreditnehmerorientierung (θl) lautet die Ungleichung: !IM * 1 w + # t $1%rm + c1 $ rm )'r > c + w + # t $1%rm if " l < 1 < 0 if

< 0 if U1>U*>C1,C2,C*. Vgl. Bureau Van Dijk (2013). 778 Dieses Verfahren basiert auf Micco et al. (2007), S. 238. 779 Dies ist eine übliche Anpassung bei der Datenaufarbeitung, welche realitätsferne Ausreißer innerhalb des Datensatzes entfernt. Vgl. Memmel/Schertler (2011), S. 9.

294

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

probe ausgeschlossen. Nach dem dargestellten Anpassungsprozess besteht die endgültige Datenbasis aus den in der Tabelle 6.4 angegebenen Beobachtungen. Die verwendete Stichprobe enthält 27.334 Beobachtungen, wovon ca. 75 % den deutschen Markt betreffen. Die Aufteilung nach Bankengruppen pro Land spiegelt die Erkenntnisse aus dem Kapitel 5 wider, insbesondere in Bezug auf Privatbanken und Sparkassen. Während Privatbanken eine stärkere Rolle in Italien einnehmen, beträgt ihr Beobachtungsanteil in Deutschland nur 8 %. Ein gegenteiliges Bild ergibt sich bei den Sparkassen, welche ein Drittel der Beobachtungen in Deutschland und nur 8 % der italienischen Beobachtungen ausmachen. Ähnlichkeiten zwischen beiden Bankenmärkten sind bei den Kreditgenossenschaften vorhanden, sie haben in beiden Ländern die meisten Beobachtungen. Tabelle VI.4 – Zusammensetzung der Stichprobe – Anzahl der Beobachtungen

Gruppe

Deutschland

Privatbanken Sparkassen

1.597

Italien

Summe

1.161

2.758

6.306

603

6.909

Kreditgenossenschaften

12.225

5.442

17.667

Summe

20.128

7.206

27.334

Quelle: Bankscope-Datenbank, Bureau van Dijk Electronic Publishing

6.2.4 Erklärungsvariablen der Zinsmarge Innerhalb der Untersuchung werden unterschiedliche Variablen verwendet, wovon ein Anteil das empirische Äquivalent der Zinsmarge-Bestimmungsfaktoren aus dem theoretischen Modell im Kapitel 6.1.2 schätzt und ein Anteil als Kontrollvariablen dient. Die Tabelle 6.5 fasst die verwendeten Variablen zusammen, wobei folgende Informationen angegeben werden: •

Name der empirischen Variable,



Kategorie mit Unterscheidung zwischen makroökonomischen Faktoren M, bankindividuellen Faktoren I, Finanzmarkt-Abhängige Faktoren Q, orientierungsabhängige Faktoren S / R und Kontrollfaktoren Z,



Symbol sowie erwarteter Einfluss aus dem theoretischen Modell der Zinsmarge,

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE



kurze Bezeichnung der Variable,



Erklärung des Berechnungsverfahrens,



verwendete Datenquelle.

295

Tabelle 6.5 enthält nur eine begrenzte Übersicht der Variablen; das Berechnungsverfahren und die Interpretation jeder einzelnen Variablen werden in den nächsten Abschnitten näher erläutert.

296

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

Tabelle VI.5 – Empirische Variablen

Name

Kategorie

Symbol

Erw. Einfluss

Bezeichnung

Berechnung

income

M

yp

+

Dauerhaftes Einkommen

inflation

M

p

+

Inflation

credit_risk

I

w

+

Kreditrisiko

Verhältnis zwischen Zinsergebnis und durchschnittlichen zinstragenden Aktiva Trendabweichung des BIPs Änderung des Preisniveaus (HVPI) Verhältnis zwischen wertberichtigten Krediten vor Absetzung von Einzelwertberichtigungen und Krediten an Nichtbanken Verhältnis zwischen operativen Aufwendungen und verzinslichen Aktiva

nim

IM

Zinsmarge

Datenquelle

Bankscope GENESIS / I.Stat GENESIS / I.Stat

Bankscope

efficiency

I

c1 + c2

+

Operative Kosten des Kredit- und Einlagengeschäftes

market_ rate

Q

rm

-

Geldmarktzinssatz

Kurzfristiger Marktzinssatz

Eurostat

mod_ dur

Q

TT

+

Zinsänderungsrisiko

Bilanzsensitivität zum Marktzinssatz

Bankscope / Eurostat

social

S

θ

-

Sozialer Faktor

coop

S

Förderungsauftrag

Dummy-Variable für StakeholderBanken Dummy-Variable für Kreditgenossenschaften

Bankscope

Bankscope Bankscope

VI.

Name

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

Kategorie

regulation

R

tot_ass

Z

herfindahl

Z

equity

Z

services

Z

off_bal ance

Z

interbank

Z

loans

Z

growth _loans

Z

Symbol

Erw. Einfluss

-

Bezeichnung

Berechnung

Indikator für den Regulierungs- Regulierungsstand von Stakeholderstand Banken Logarithmierter Bilanzsumme Wert der Bilanzsumme Summe der quaWettbedrierten Marktanwerbsindikateile pro Land und tor pro Jahr Verhältnis zwiEigenkapitalschen Eigenkapital quote und Bilanzsumme Verhältnis zwiNicht zinstra- schen nichtgendes Gezinsabhängigen schäft Erträgen und Gesamterträgen Verhältnis zwiAußerbilanzi- schen außerbilanelle Geschäfte ziellen Geschäften und Bilanzsumme Verhältnis zwiNutzung des schen InterbanInterbankenkenmarkteinlagen marktes und -krediten Verhältnis zwischen KreditsumKreditanteil me und Bilanzsumme Jährliche ÄndeWachstumsrarung des logarithte der Kreditmierten Wertes der gewährung Kreditsumme

Datenquelle

Eigene Ermittlung Bankscope

Bankscope

Bankscope

Bankscope

Bankscope

Bankscope

Bankscope

Bankscope

297

298

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

Name

Kategorie

election

Z

euro

Z

country

Z

gew_ haft

Z

privat

6.2.4.1

Symbol

Erw. Einfluss

Bezeichnung

Berechnung

Dummy-Variable für Jahre mit Wahlen Dummy-Variable Eurofür die EuroWährung Einführung Unterscheidung zwischen Italien Land und Deutschland Dummy-Variable Gewährträgerhaftung für für die GewährträSparkassen gerhaftung Dummy-Variable für Sparkassen und Kreditgenossenschaften der Rechtsform einer Aktiengesellschaft Wahlen

Datenquelle

Eigene Ermittlung Eigene Ermittlung Bankscope Eigene Ermittlung

Bankscope

Makroökonomische Faktoren

Die Variable „income“ zielt auf die Schätzung des dauerhaften Einkommenanteils, welcher laut theoretischem Modell einen positiven Einfluss auf die Zinsmarge ausübt.780 Dafür werden Daten über die Entwicklung des nationalen Bruttoinlandsproduktes für die Berechnung der jährlichen Wachstumsrate verwendet, wobei aufgrund der Vergleichbarkeit die Entscheidung auf saison- und kalenderbereinigte Daten fällt.781 Trotz solcher Bereinigung enthalten die BIPWachstumsraten sowohl den dauerhaften als auch den transitorischen Anteil des Einkommens, sodass eine zusätzliche Anpassung notwendig ist. Für diesen Zweck wird auf ein innerhalb der Literatur sehr verbreitetes Glättungsverfahren zurückgegriffen: den Hodrick-Prescott Filter.782 Dieser ermöglicht eine Aufspaltung der 780

Für eine Erklärung der Unterscheidung zwischen dauerhaftem und transitorischem Einkommen vgl. Duesenberry (1965), S. 464 ff. Das angewandte empirische Verfahren für die Saison- und Kalenderbereinigung basiert auf dem x12ARIMA-Modell. 782 Vgl. Foos (2009), S. 13 sowie Hodrick/Prescott (1997), S. 1 ff. 781

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

299

BIP-Wachstumsraten zwischen einer zyklischen und einer langfristigen TrendKomponente.783 Während die zyklische Komponente dem transitorischen Anteil des Einkommens gleichgestellt wird, schätzt die Trend-Komponente das Wachstum des dauerhaften Einkommenanteils. Dementsprechend wird die aus der Glättung resultierende Trendkomponente als Variable „income“ definiert. Aus dem theoretischen Modell wird erwartet, dass ein steigendes Einkommen zu einer steigenden Nachfrage nach Bankprodukten führt.784 Um diese Steigerung auszunutzen, wird die Bank die Kreditzinssätze erhöhen und die Einlagenzinssätze verringern, was zu einer größeren Zinsmarge führt.785 Die zweite makroökonomische Variable “inflation” betrifft die Ermittlung der Inflationsrate. Diese wird durch die jährliche Änderung des harmonisierten Verbraucherpreisindexes geschätzt, welcher von der Datenbank Eurostat berechnet wird.786 Auch bei dieser Variablen wird ein positiver Einfluss auf die Zinsmarge erwartet; die Erklärung basiert wieder auf der Entwicklung der Nachfrage. Eine Preissteigerung, welche von einer steigenden Inflationsrate ausgedrückt wird, führt zu einer Erhöhung der notwendigen Geldmenge für die Anschaffung von Gütern. Diese spiegelt sich in einer Erhöhung der Kreditnachfrage wieder, woraus bei einem gleichbleibenden Kreditangebot ein neues Gleichgewicht mit höheren Kreditzinssätzen entsteht.787 Innerhalb der Literatur ist allerdings die Begründung des positiven Einflusses makroökonomischer Faktoren auf die Kreditzinssätze umstritten. Ruckes (2004) erklärt in seinem Aufsatz, dass die Einschränkung der Kreditvergabe in Abschwungphasen und die damit verbundenen strengeren Auswahlkriterien den Wettbewerb auf dem Bankenmarkt reduzieren. Dementsprechend können Banken einen höheren Aufschlag erreichen, welcher sich in einer höheren Zinsmarge widerspiegelt.788 Einige Autoren beziehen sich auf andere Aspekte des Bankgeschäftes. Albertazzi/Gambacorta (2006) verweisen beispielsweise auf die Auswirkung der strukturellen Unterschiede zwischen verschiedenen Bankbeziehungsarten bei der Anpassung der Zinssätze, wobei eine beziehungsbasierte Durchführung der Bankgeschäfte einen impliziten Schutz von zyklischen Anpassungen bietet und damit die Reaktivität der Erträge zur gesamtwirtschaftlichen Entwicklung

783

In Übereinstimmung mit Köhler (2013) wird ein Glättungsparameter von 6.25 verwendet. Vgl. Köhler (2013), S. 12. S. Kap. 6.1.2. 785 Vgl. Gambacorta (2004), S. 24 f. 786 Als Basisjahr für die Berechnung des Preisindexes wird das Jahr 2005 verwendet. Vgl. Eurostat (2013b) 787 Vgl. ECB (2000), S. 14 f. 788 Vgl. Ruckes (2004), S. 1075. 784

300

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

dämpft.789 Micco/Panizza (2006) dagegen verweisen auf die weniger prozyklischen Anpassungen der Zinssätze bei öffentlichen Banken aufgrund ihrer unterschiedlichen Zielfunktion.790 Um die verschiedenen Stellungnahmen zu berücksichtigen, wird sich die empirische Untersuchung ebenfalls mit der unterschiedlichen Reaktivität der Zinsmarge zwischen verschiedenen Bankengruppen beschäftigen. 6.2.4.2

Bankspezifische Faktoren

Das Kreditrisiko wird durch die Variable “credit_risk” dargestellt, wobei das Verfahren von Porath (2004) für die Ermittlung der Qualität des Kreditportfolios angewandt wird.791 Demnach wird das Kreditrisiko als Verhältnis zwischen wertberichtigten Krediten vor Absetzung von Einzelwertberichtigungen zur Summe der Kredite an Nichtbanken berechnet. Aufgrund der Unterstellung einer risikogerichteten Bepreisung von Krediten ist auch bei “credit_risk” der erwartete Einfluss auf die Zinsmarge positiv. Eine höhere Risikoübernahme der Bank wird vom Kunden durch einen höheren Kreditzinssatz entlohnt, womit die Zinserträge und die Zinsmarge erhöht werden.792 Als zweiter bankspezifischer Faktor wird die Effizienz betrachtet. Innerhalb des theoretischen Modells der Zinsmarge im Kapitel 6.1.2 wird die Kostenfunktion als lineare Funktion des Kredit- und Einlagengeschäftes modelliert. Für jedes Geschäft ist eine getrennte Komponente vorgesehen, welche den jeweiligen Effizienzgrad abbildet. Aufgrund der unmöglichen empirischen Aufspaltung der operativen Kosten zwischen beiden Geschäften wird das empirische Äquivalent beider Komponenten durch die Variable “efficiency” berechnet, welche sowohl das Einlagen- als auch das Kreditgeschäft einbezieht. Die Variable “efficiency” setzt die operativen Aufwendungen ins Verhältnis zu den verzinslichen Aktiva. Der resultierende Indikator drückt den prozentualen Anteil an operativen Kosten pro Einheit an Aktiva aus. Je höher der Wert von “efficiency” ausfällt, desto mehr Kosten für die Durchführung eines verzinslichen Geschäftes sind notwendig. Der erwarte-

789

Vgl. Albertazzi/Gambacorta (2006), S. 22. Auch die empirische Untersuchung von Burgstaller (2007) unterstreicht die Wichtigkeit der impliziten Zinsglättung über den Wirtschaftszyklus für die moderate Zyklizität der Zinsspanne. Vgl. Burgstaller (2007), S. 294 ff. 790 Vgl. Micco/Panizza (2007), S. 250. 791 Vgl. Porath (2004), S. 12. 792 Eine positive Beziehung zwischen dem Risiko und dem Kreditzinssatz ist eine sehr verbreitete Stellung innerhalb der Literatur, auch innerhalb der theoretischen Modellierung. Vgl. u.a. Merton (1974), S. 449 ff.

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

301

te Einfluss auf die Zinsmarge ist positiv, da höhere operative Kosten durch höhere Erträge gedeckt werden müssen.793 Obwohl diese Interpretation in der Literatur am meisten anzutreffen ist und eine hohe Zinsmarge normalerweise als Zeichen eines ineffizienten Bankenmarktes betrachtet wird,794 zeigen Claeys/Vennet (2008) in ihrem Aufsatz einen alternativen Erklärungsansatz. Demnach ist eine hohe Zinsmarge nicht unbedingt eine Folge von Ineffizienz, sondern eher eine Auswirkung von schwachen regulatorischen Rahmenbedingungen.795 Einerseits ermöglicht eine schwache Regulierung die Entstehung von Marktmacht, andererseits erschwert diese die Beseitigung der Informationsasymmetrie innerhalb des Bankenmarktes. Beide Elemente führen unabhängig von einer Änderung des Effizienzniveaus zu einer höheren Zinsmarge. Weil innerhalb der empirischen Untersuchung in diesem Kapitel der Einfluss der regulatorischen Rahmenbedingungen kontrolliert wird, wird der Ansatz von Gambacorta (2004) verwendet, welcher eine positive Beziehung zwischen der Zinsmarge und “efficiency” vorsieht.796 6.2.4.3

Finanzmarktabhängige Faktoren

Diese Einflussfaktoren sind von den Entwicklungen am Finanzmarkt abhängig. Während das theoretische Modell den Einfluss von drei unterschiedlichen Variablen dieser Kategorie vorsieht,797 werden dafür nur zwei empirische Äquivalente verwendet und wird der Reservekoeffizient außer Acht gelassen. Weil innerhalb der verwendeten Stichprobe der Reservekoeffizient sowohl über die Zeit als auch zwischen den verschiedenen Banken und Ländern nicht ausreichend variiert,798 ist eine getrennte Schätzung seiner Auswirkung auf die Zinsmarge unmöglich. Vielmehr wird sein Einfluss vom Wert der Konstante ausgedrückt, welcher aber gleichzeitig den Einfluss zusätzlicher zeit- und individuumskonstanter Elemente enthält. Die erste geschätzte Variable dieser Gruppe „market_rate“ betrifft den Geldmarktzinssatz. Für die Banken beider Länder wird der jährliche Durchschnitt des dreimonatigen Interbankenmarktzinssatzes EURIBOR gebildet, welcher aus der

793

Vgl. Maudos/De Guevara (2004), S. 2269. Vgl. Saunders/Schumacher (2000), S. 814 f. Vgl. Clays/Vennet (2008), S. 198. 796 Vgl. Gambacorta (2004), S. 24. 797 S. Kap. 6.1.2.2. 798 Der Reservekoeffizient wird von der Europäischen Zentralbank für alle Banken der Eurozone auf das gleiche Niveau festgelegt, sein Wert betrug im Zeitraum 1999-2011 2 % der kurzfristigen Einlagen. Vgl. ECB (2013a). 794 795

302

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

Datenbank Eurostat stammt.799 Im Unterschied zu den dargestellten makroökonomischen und bankspezifischen Faktoren wird bei „market_rate“ ein negativer Einfluss auf die Zinsmarge erwartet, welcher sich aus dem Opportunitätsgedanken der Einleger ergibt. Demnach vergleichen Einleger bei ihrer Anlageentscheidung den Einlagenzinssatz der Bank mit der am Geldmarkt erreichbaren Rendite. Wenn die Rentabilität des Geldmarktes steigt, dann sinkt die Nachfrage nach Bankeneinlagen. Um Schwierigkeiten bei der Refinanzierung zu vermeiden, ist die Bank bereit, durch einen höheren Einlagenzinssatz der Nachfragesenkung entgegenzuwirken.800 Das hat aber zu Folge, dass die Zinsmarge reduziert wird. Die zweite empirische Variable „mod_dur“ befasst sich mit der Bestimmung des Zinsänderungsrisikos, welches nach Schierenbeck et al. (2008) folgendermaßen definiert wird: „Unter dem Zinsrisiko wird die Gefahr der von Marktzinsänderungen herbeigeführten Verringerung einer geplanten oder erwarteten Zinsergebnisgröße verstanden. Es tritt als Zinsspannenrisiko auf, wenn Marktzinsänderungen zu Lasten der Zinsspanne gehen oder als Marktwertrisiko, wenn Änderungen des Zinsniveaus zu negativen Marktwerteffekten von Aktiv- oder Passivpositionen führen.“ (Schierenbeck et al,.2008, B. II, S. 6). Während der Einfluss des Zinsspannenrisikos durch die Variable „market_rate“ untersucht wird, fokussiert die Variable “mod_dur” auf das Marktwertrisiko und schätzt die Änderungen des Marktwertes von verzinslichen Bilanzposten als Folge einer Marktzinssatzänderung ab. Nach dem „Bank capital channel“-Erklärungsansatz existiert eine positive Beziehung zwischen dem Marktwertrisiko und der Zinsmarge, da ein größeres Risiko mit einem höheren Kreditzinssatz belohnt werden muss.801 In Bezug auf die empirische Schätzung des Zinsänderungsrisikos werden in der Literatur verschiedene Verfahren diskutiert. Einige Autoren verwenden die Volatilität des kurzfristigen Zinssatzes als Maßstab für die Reaktivität der Aktiva und der Passiva auf Marktzinsänderungen. Hanweck/Lyu (2005) unterstellen beispielsweise einen positiven Einfluss dieser Variable, weil in der Regel verzinsliche Aktiva eine niedrigere Elastizität zum Marktzinssatz im Vergleich zu den verzins799

Die Datenbank Eurostat enthält monatliche Angaben der Geldmarktzinssätze für verschiedene Ländergruppen. Weil sowohl Italien als auch Deutschland Mitglieder des Euroraums sind, werden die Werte des dreimonatigen Euribor für die „Euro Area 11“ ausgewählt. Für eine detaillierte Darstellung des Berechnungsverfahrens vgl. Eurostat (2013c). 800 Vgl. Freixas/Rochet (2009), S. 277 ff. 801 Für eine detaillierte Erklärung des „Bank capital channel“ s. Kap. 5.2.

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

303

lichen Passiva aufweisen.802 Dementsprechend werden bei Schwankungen des Marktzinssatzes Einlagenzinssätze häufiger als Kreditzinssätze angepasst, was zu einer sinkenden Zinsmarge führt. Ein weit verbreiteter alternativer Maßstab für das Zinsänderungsrisiko bezieht sich auf die Steigung der Zinsstrukturkurve, welche durch die Differenz zwischen langfristigem und kurzfristigem Zinssatz berechnet wird.803 Im Gegensatz zu dem vorigen Verfahren wird hierbei keine Annahme über die Elastizität der verschiedenen Bilanzposten getroffen, sondern man bezieht sich auf die durchschnittliche Bindungsdauer von Einlagen- und Kreditprodukten und ihre Abhängigkeit von unterschiedlichen Marktzinssätzen. Einlagenprodukte weisen in der Regel eine kürzere Bindungsdauer als Kreditprodukte auf, sodass sich Einlagenzinssätze am kurzfristigen Marktzinssatz und Kreditzinssätze am langfristigen Marktzinssatz orientieren. Aus diesem Grund beeinflusst eine Änderung der Steigung der Zinsstrukturkurve auch die Nettozinserträge der Bank: Eine größere Steigung entspricht einer größeren Spanne zwischen beiden Zinssätzen und letztendlich einer höheren Zinsmarge. Umgekehrt, wenn die Zinsstrukturkurve glatter wird, verringert sich die Spanne zwischen Einlagen- und Kreditzinssatz und damit auch die Nettoerträge der Bank.804 Nachteilig bei diesen Verfahren ist, dass sie den gleichen Wert der Variable allen Banken innerhalb eines Geldmarktes zuweisen und dementsprechend nur eine ungenaue Einschätzung des Zinsänderungsrisikos ermöglichen. Aus diesem Grund wird innerhalb der empirischen Untersuchung versucht, die Bilanzsensitivität jeder Bank zum Marktzinssatz durch Schätzung der modifizierten Duration einer Bankbilanz in Anlehnung an das Verfahren von Entrop et al. (2009) zu bestimmen.805 Das Begriff der modifizierten Duration hat seinen Ursprung in der Risikobewertung von festverzinslichen Wertpapieren und wird definiert als „approximatives Maß für die relative Kursänderung bei einer absoluten Zinsänderung“ (Albrecht/Maurer, 2008, S. 444). Die modifizierte Duration wird als Verhältnis zwischen der zeitgewichteten Summe der diskontierten Cashflows multipliziert mit dem Diskontierungssatz und dem Barwert der Anleihe berechnet.806 Dementsprechend wird durch die Multiplikation der modifizierten Duration mit der Marktzinssatzänderung die prozentuale Preisänderung in Folge einer Marktzinssatzänderung geschätzt. Unter Annahme einer festen Verzinsung kann dieser Risikomaßstab auch für die Bestimmung der relati802

Vgl. Hanweck/Lyu (2005), S. 39 ff. und Maudos (2004), S. 2264. Vgl. u. a. English (2002), S. 68 ff. und ECB (2000), S. 16. Für eine Erläuterung der Abhängigkeit der Zinserträge von der Zinsstrukturkurve vgl. Schierenbeck (2008), S. 71 ff. 805 Vgl. Entrop et al. (2009), S. 9 ff. 806 Vgl. Albercht/Maurer (2008), S. 444. 803 804

304

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

ven Preisänderung des verzinslichen Anteils der Bilanz einer Bank verwendet werden, indem diese als Portfolio von festverzinslichen Kredit- und Einlagenprodukten betrachtet wird.807 In den folgenden Abschnitten wird das angewandte Verfahren näher erläutert. Der verzinsliche Anteil der Aktiva und der Passiva jeder Bank wird in Abhängigkeit von ihrer Laufzeit in vier Laufzeitbänder aufgeteilt. Bei Datenlücken innerhalb der Zeitreihe einer Bank werden die fehlenden Werte durch lineare Interpolation geschätzt.808 Weil innerhalb der Bankscope-Datenbank einige Kredite bzw. Einlagen keine Angabe über ihre Laufzeit enthalten, wird ein Anpassungsprozess vorgenommen.809 Es erfolgt dabei eine Aufteilung dieser Bilanzposten auf Basis der relativen Gewichtung der anderen Laufzeitbänder. Wenn beispielsweise ein Kredit-Laufzeitband 30 % der verzinslichen Aktiva ausmacht, wird angenommen, dass ebenfalls 30 % der nicht aufgeteilten diesem Band gehören. Letztendlich wird für jedes Laufzeitband die Nettoposition als Differenz zwischen Krediten und Einlagen berechnet. Für die Berechnung der Zahlungsströme jeder Nettoposition werden in Anlehnung an Entrop et al. (2009) folgende Annahmen getroffen: •

Die Kredit- und Einlagenverträge werden kontinuierlich über das Jahr zum Zinssatz i.H.v. 5 % abgeschlossen, wobei Zinseszinsen berücksichtigt werden.



Die residuale Frist jeder Nettoposition konzentriert sich in der Mitte des Laufzeitbandes.



Das Laufzeitband größer 5 Jahre besitzt eine residuale Frist von 6 Jahren, wohingegen die Sicht- bzw. Spareinlagen eine residuale Frist von 3 bzw. 9 Monaten haben.810

807

Ebda. Die lineare Interpolation ist ein einfaches und häufig benutztes Näherungsverfahren, welches einen linearen Verlauf zwischen dem zeitlichen Abstand und der Entwicklung der abhängigen Variable annimmt. Für fehlende Werte am Anfang oder am Ende der Zeitreihe werden konstante Werte angenommen. Für eine mathematische Erläuterung der linearen Interpolation vgl. Schwarze (2011), S. 98 ff., B. 1. 809 Diese Bilanzposten werden von Bankscope als „no split available“ genannt. 810 Vgl. Entrop et al. (2009), S. 19 f. 808

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

Tabelle VI.6 – Berechnungsverfahren der zeitgewichteten Zahlungsströme Laufzeitband

Beschreibung aus Bankscope

Angenommene Frist (Monate)

Berechnungsverfahren

− Demand Deposits 0 bis 3 − Deposits / Monate Loans sub

1,5 Monate

3 months − Saving Deposits 6 Monate bis 1 Jahr

− Deposits / Loans 6

9 Monate

months-1 year − Deposits / 1 bis Jahre

5

Loans 1-5 years − Deposits /

Mehr als 5 Jahre

Loans 5 years +

2,5 Jahre (30 Monate) 6 Jahre (72 Monate)

− Deposits / Keine Zeitangabe

Loans (No split

Proportionale Aufteilung

available) Net entspricht der Differenz zwischen dem Kredit- und Einlagenwert des jeweiligen Laufzeitbandes

Quelle: Bankscope-Datenbank, Bureau van Dijk Electronic Publishing

305

306

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

Die ermittelten Zahlungsströme jedes Bandes werden folglich durch den zeitlich entsprechenden Geldmarktzinssatz diskontiert und aufsummiert. In einem zweiten Schritt werden die Werte von allen vier Bändern zusammengerechnet und durch den Wert der verzinslichen Aktiva dividiert.811 Letztendlich wird dieser Wert mit 1 % multipliziert, um die Änderung des Bilanzwertes im Fall einer einprozentigen Marktzinssatzänderung zu erhalten. Die Tabelle 6.6 erklärt die verwendeten Formeln für das Berechnungsverfahren der Zahlungsströme jedes Laufzeitbandes. In Übereinstimmung mit der vorliegenden Literatur und zusätzlich zu dem schon dargestellten „Bank capital channel“-Ansatz,812 wird bei der Variable „mod_dur“ ein empirisch positiver Einfluss auf die Zinsmarge erwartet.813 Dieser Risikofaktor wird durch die risikoorientierte Preispolitik der Bank begründet. Wenn die Bank eine größere Fristentransformation eingeht und dadurch ihre Reaktivität zum Geldmarktzinssatz erhöht,814 muss sie größere Reserven für die Risikodeckung bilden.815 Diese werden durch die Nachfrage nach höheren Zinssätzen finanziert, welche letztendlich zu einer größeren Zinsmarge führen. Entrop et al. (2012) unterscheiden in ihrer Studie des deutschen Bankenmarktes zwischen einer makround einer mikroökonomischen Komponente des Zinsänderungsrisikos. Während die makroökonomische Komponente alle untersuchten Banken unabhängig von ihrem Geschäftsmodell betrifft, ist laut ihrer Schätzung die mikroökonomische Komponente nur für kleine Sparkassen und Kreditgenossenschaften relevant.816 Die Variable „mod_dur“ innerhalb dieser Arbeit fokussiert auf die mikroökonomische Komponente, sodass ebenfalls bei der Schätzung ihres Einflusses Unterschiede zwischen den Bankengruppen bezüglich ihrer Signifikanz zu erwarten sind. 6.2.4.4

Orientierungsabhängige Faktoren

Die oben dargestellten Variablen werden als Bestimmungsfaktoren der Zinsmarge verwendet, wobei sie für alle Banken unabhängig von ihrer Orientierung von Be811

Die festverzinslichen Aktiva werden als Schätzung für den Barwert der verzinslichen Aktiva einer Bank betrachtet. Vgl. Basel Committee on Banking Supervision (2004b), S. 28 f. Vgl. Gambacorta (2008), S. 799. 813 Eine ausführliche Untersuchung der positiven Beziehung zwischen der Änderung des Bilanzbarwertes einer Bank und der Zinsmarge ist in Memmel/Schertler (2011) zu finden. Vgl. Memmel/Schertler (2011), S. 1 ff. 814 Flannery/James (1984) beweisen in ihrer Studie über die Zinssensitivität von Aktienerträgen eine positive Beziehung zwischen dem Zinsänderungsrisiko und der durchgeführten Fristentransformation. Je größer der Unterschied zwischen der Fristigkeit von Aktiva und der Fristigkeit von Passiva ausfällt, desto größer ist die Zinssensitivität der Erträge. Vgl. Flannery/James (1984), S. 1142 ff. 815 Die Berücksichtigung der Fristentransformation wird ebenfalls innerhalb der neuen Liquiditätsstandards von Basel III diskutiert. Vgl. Eilenberger S. 109 f. 816 Vgl. Entrop et al. (2012), S. 22. 812

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

307

deutung sind und ihre Interpretation sich auf die existierende Literatur richtet. In diesem Absatz werden zwei zusätzliche Variablen eingeführt, welche den innovativen Teil dieses empirischen Ansatzes darstellen. Durch die orientierungsabhängigen Faktoren wird eine empirische Untersuchung des Einflusses der Bankenorientierung und der regulatorischen Rahmenbedingungen vorgenommen. Damit erfolgt eine Überprüfung der Ergebnisse des theoretischen Modells in Bezug auf die Auswirkung einer Stakeholder-Orientierung. Die erste Dummy-Variable „social“ fügt eine Unterscheidung zwischen Stakeholder- und Shareholder-Banken hinzu.817 Dabei weist sie den Stakeholder-Banken einen Wert von 1 zu, den Shareholder-Banken den Wert 0. Stakeholder-Banken werden sowohl auf Basis der Bankscope-länderspezifischen Katalogisierung als auch der im Abschnitt 6.2.3. dargestellten Gruppenaufteilung identifiziert. In einem ersten Schritt werden Privatbanken als Shareholder-Banken und Sparkassen bzw. Kreditgenossenschaften als Stakeholder-Banken eingestuft. In einem zweiten Schritt wird durch die länderspezifische Katalogisierung nach der nationalen Rechtsform kontrolliert, wobei Sparkassen und Kreditgenossenschaften, die die Form einer Aktiengesellschaft haben, aufgrund ihrer Verpflichtung den Shareholdern gegenüber den Shareholder-Banken zugewiesen werden. Die Aufspaltung der Stichprobe in zwei Kategorien durch „social“ untersucht nach dem allgemeinen Einfluss der unterschiedlichen Orientierung auf die Zinsmarge. Das theoretische Zinsmarge-Modell hat auf eine unterschiedliche Reaktivität der Zinsmarge auf den Geldmarktzinssatz und auf bankindividuelle Faktoren in Abhängigkeit der Zielfunktion verwiesen. Demnach spiegelt sich die Berücksichtigung der Ansprüche der Stakeholder „Kundschaft“ auf möglichst vorteilhafte Zinskonditionen in der Zinsmarge wider, indem nach der Kontrolle von makroökonomischen sowie von Risiko-Faktoren die Stakeholder-Orientierung aufgrund der Zweitrangigkeit der Gewinnerzielung zu einer niedrigen Zinsmarge führt.818 Wenn der Koeffizient der Variable „social“ negativ ausfällt, wird er als erster Hinweis auf eine orientierungsabhängige Preispolitik zum Vorteil der Stakeholder „Kundschaft“ interpretiert.819 817

818

819

Eine Dummy-Variable ist eine binäre ja-nein Variable. Wenn die Variable den Wert 1 annimmt, liegt die untersuchte Ausprägung vor. Wenn dagegen die Variable den Wert 0 annimmt, ist die untersuchte Ausprägung nicht vorhanden. Für ein Beispiel über die Verwendung von Dummy-Variablen s. Verbeek (2012), S. 10 f. Auch Drakos (2002) unterstellt eine niedrige Zinsmarge für öffentliche Banken, welche in dieser Arbeit als Stakeholder-Banken eingestuft werden: „state-owned banks would follow a pricing policy based not only on profit maximising considerations but rather on more flexible notions of social welfare and as a result, set (to a certain extent) narrower margins” (Drakos, 2002, S. 92). An der Stelle von „social“ wird im Rahmen des ersten vertiefenden Tests die Dummy-Variable „coop“ eingeführt, welche den Wert 1 für Kreditgenossenschaften und den Wert 0 für andere Banken annimmt. Für eine Erklärung ihres Einflusses sowie für die Darstellung ihrer Begründung s. Kap. 6.2.6.3.

308

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

Weil die Verwendung der Variablen „social“ nur eine allgemeine Untersuchung des Einflusses einer Stakeholder-Orientierung ermöglicht und nicht deren Einfluss auf die Reaktivität der bankindividuellen Bestimmungsfaktoren abbildet, werden in einem zweiten Schritt vier Interaktionsterme eingeführt. Die Ergebnisse des theoretischen Modells der Zinsmarge weisen darauf hin, dass die soziale Komponente den Einfluss des Marktzinssatzes, des Kreditrisikos, der operativen Kosten, sowie des Zinsänderungsrisikos verzerrt.820 Die Interaktionsterme werden dementsprechend zwischen „social“ und „market_rate“, „credit_risk“, „efficiency“ und „mod_dur“ gebildet; dies erfolgt durch Multiplikation von „social“ mit dem jeweiligen Bestimmungsfaktor. Das gleichzeitige Vorliegen in der Schätzung der jeweiligen Variablen und seiner Interaktionsterme trennt den Einfluss des Faktors zwischen einer gemeinsamen und einer orientierungsabhängigen Komponente. Während die gemeinsame Komponente den allgemeinen Einfluss des Bestimmungsfaktors angibt, hebt der Interaktionsterm die Modifizierung der Reaktivität als Folge der unterschiedlichen Orientierung auf. Damit wird der allgemeine Einfluss von „social“ auf seine verschiedenen Komponenten aufgeteilt, was eine detailliertere Untersuchung und eine größere Aussagekraft der Ergebnisse ermöglicht. Neben der Untersuchung zur Ausprägung einer Stakeholder-Orientierung auf die Zinsmarge durch „social“ und ihre Interaktionsterme wird der Einfluss der regulatorischen Rahmenbedingungen überprüft. Aus dem Abschnitt 6.1.2.3 wird ersichtlich, dass eine ausführliche Regulierung eine wichtige Voraussetzung für eine unverzerrte soziale Komponente darstellt, in dem sie einerseits das Management der Bank zur Erfüllung von konkreten Aufgaben verpflichtet und andererseits ihre Unabhängigkeit von externen Einflüssen sicherstellt;821 dafür werden sowohl interne als auch externe Aufsichtsorgane benötigt. Zu diesem Zweck wird die Variable „regulation“ entwickelt, welche folgende zwei Kriterien untersucht: Das erste Kriterium betrifft die Festlegung konkreter Aufgaben innerhalb des sozialen Auftrages und ihre Verpflichtung zur Berichterstattung über das Erreichen der vorgenommenen Ziele. Das zweite Kriterium bewertet dagegen die Regulierung der Unabhängigkeit des Managements von externen Einflüssen und der Existenz interner Aufsichtsorgane.822 Für die Bewertung werden die dargestellten Erkenntnisse aus der Untersuchung des sozialen Auftrages im Kapitel 4 verwendet und es wird nach Länderebene unterschieden. Im Jahr 1999 wurde die Regulierung von Stakeholder-Banken in Italien stark verändert, sodass eine zusätzliche Aufspaltung 820 821 822

S. Kap. 6.1.2.3. Ebda. Eine externe Aufsichtsinstitution ist in beiden Ländern über den ganzen Zeitraum vorhanden und orientiert sich auf ähnliche Weise an den internationalen Regulierungsstandards. Dementsprechend wird auf ihre Berücksichtigung bei der Variablen „regulation“ verzichtet. Vgl. dazu für Deutschland Hartmann-Wendels et al. (2007), S. 371 ff. und für Italien Forestieri/Mottura (2005), S. 73 ff.

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

309

zwischen dem Zeitraum 1997 bis 1998 und 1999 bis 2009 erfolgt.823 Bei einer vollständigen Erfüllung eines Kriteriums wird ein Punkt vergeben, bei einer anteiligen Erfüllung 0.5 Punkte, womit bei einer vollkommenen Erfüllung beider Kriterien der Wert 2 erreicht wird. Weil sich die untersuchten Regulierungskriterien nur auf Stakeholder-Banken beziehen, wird in einem zweiten Schritt der Wert der Regulierungsbewertung mit der Variablen „social“ multipliziert. Damit wird der Einfluss von „regulation“ nur auf Stakeholder-Banken beschränkt, während Shareholder-Banken dabei unberücksichtigt bleiben. Der erwartete Einfluss dieser Variablen ist negativ, da eine enge Regulierung von Stakeholder-Banken eine effizientere Durchführung des sozialen Auftrages ermöglicht.824 Dementsprechend wirkt sich die Berücksichtigung der Ansprüche der Kundschaft auf vorteilhafte Kredit- und Einlagenprodukte vermindernd auf die Zinsmarge aus. Die Einführung der Variablen „regulation“ in die Schätzung der Zinsmarge modifiziert die Interpretation der Variablen „social“: Letztere misst nicht mehr den allgemeinen Einfluss einer Stakeholder-Orientierung, sondern bildet den von den regulatorischen Rahmenbedingungen unabhängigen Einfluss solcher Orientierung ab. Dementsprechend entspricht nur der Wert von „social“ dem Einfluss einer Stakeholder-Orientierung im Fall von einem schwachen Regulierungsstand („regulation“ = 0). Die gemeinsame Betrachtung beider Koeffizienten ergibt dagegen den Nettoeinfluss beider Komponenten. 6.2.4.5

Kontrollfaktoren

Die letzte Kategorie von Bestimmungsfaktoren der Zinsmarge betrifft die Kontrollfaktoren. Im Unterschied zu den vorigen Faktoren ist ihre Einführung in die empirische Schätzung nicht dem theoretischen Modell und der Untersuchung seiner Aussagekraft geschuldet, sondern sie haben lediglich eine Kontrollfunktion inne. Ihre ökonomische Fundierung basiert auf der vorliegenden Literatur; sie dienen einer empirisch effizienteren Hervorhebung der oben dargestellten Faktoren. Die erste Variable dieser Kategorie – „tot_ass“ – misst die Größe des Bankgeschäftes. Um eine Vergleichbarkeit zwischen den stark variierenden Bilanzgrößen innerhalb der Stichprobe zu ermöglichen, wird „tot_ass“ als logarithmierter Wert der Bilanzsumme berechnet. Nach Stettler (2011) existiert eine negative Beziehung zwischen der Bilanzgröße und der Zinsmarge, welche nicht auf Gruppenun823 824

Die Entwicklung der Regulierung in Italien wird im Kapitel 4.3.2 dargestellt. Die Rolle von regulatorischen Rahmenbedingungen bei der Effizienz von Stakeholder-Banken wird innerhalb der Literatur über Stakeholder-Banken ausführlich behandelt. Vgl. dazu Yeyati et al. (2004), S. 25 f.

310

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

terschiede, sondern auf eine unterschiedliche Steuerung der Zinskonditionen zurückzuführen ist. Aufgrund der Verteilung der Funktionen Konditionenfestlegung und Ergebnisverantwortung in kleinen Banken auf nur wenige Mitarbeiter ergibt sich ein großer Anreiz für eine präzise Preispolitik ohne Vergabe von Sonderkonditionen. Dagegen führt die Zentralisierung der Konditionenfestlegung bei großen Instituten zu einer Aufspaltung beider Funktionen zwischen einer zentralen und einer lokalen Ebene. Weil dadurch die Ergebnisverantwortung der Filialmitarbeiter sinkt, bestehen für diese schwächere Anreize gegen die Vergabe von Sonderkonditionen. Daraus ergibt sich eine niedrigere Kontrolle der Preispolitik, sodass die Zinsmarge niedriger ausfällt.825 Die Variable „herfindahl“ untersucht den Einfluss des Wettbewerbsniveaus in einem Land durch den Herfindahl-Index, welcher die Konzentration in einem Land misst. Seine Berechnung erfolgt für jedes Land durch die Summe der quadrierten jährlichen Marktanteile jeder Bank, wobei seine Werte im Bereich (1/Anzahl der Institute) bei gleichen Marktanteilen bis 1 bei perfektem Monopol liegen. Dementsprechend weist ein steigender Wert von „herfindahl“ auf eine steigende Marktkonzentration hin.826 Ihr Einfluss auf die Zinsmarge ist innerhalb der Literatur umstritten. Tan (2012) begründet einen positiven Einfluss durch die positive Beziehung zwischen der Marktstruktur und der Marktmacht nach dem StructureConduct-Performance Paradigma. Demzufolge führt eine größere Konzentration zu einem ausgeprägteren oligopolistischen Verhalten und damit zu einer höheren Zinsmarge.827 Gambacorta (2008) argumentiert entgegengesetzt und stützt sich auf das Efficiency-Structure Paradigma. Nach diesem Ansatz ist eine hohe Konzentration eine Folge der Übernahme von ineffizienten Banken durch effizientere Wettbewerber. Wegen der negativen Beziehung von Effizienzniveau und Zinsmarge führt die Effizienzsteigerung zu einer sinkenden Zinsmarge.828 Ein sehr verbreiteter Kontrollfaktor ist das Verhältnis von Eigenkapital und Bilanzsumme, welches durch die Variable „equity“ Eingang findet. Diese dient der Kontrolle nach dem Insolvenzrisiko einer Bank, wonach aufgrund der regulatorischen Vorgaben eine größere Eigenkapitalquote als Zeichen eines größeres Insolvenzrisikos angesehen wird.829 Weil das Eigenkapital in der Regel eine höhere Rendite als alternative Refinanzierungsformen verspricht und diese im klassischen

825

Vgl. Stettler (2011), S. 435. Vgl. Cetorelli (1999), S. 2 f. Vgl. Tan (2012), S. 15. 828 Vgl. Gambacorta (2008), S. 799. 829 Die Beziehung zwischen dem Eigenkapital und dem Risiko einer Bank ist ein grundlegender Bestandteil der heutigen Bankenregulierung. Vgl. dazu Eilenberger (2012), S. 88 ff. 826 827

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

311

Bankgeschäft durch eine größere Zinsspanne erwirtschaftet wird, wird innerhalb der Literatur eine positive Beziehung zur Zinsmarge unterstellt.830 Zusätzlich zum Einlagen- und Kreditgeschäft bietet die Bank Anlage-, Zahlungsverkehrs-, sowie Beratungsleistungen an.831 Obwohl diese Geschäfte keinen direkten Zusammenhang mit der Zinsmarge besitzen, können sie durch das Angebot eines vollständigen Leistungsportfolios für die Kundschaft die Zinskonditionen indirekt beeinflussen. Dieses Verhalten wird innerhalb der Literatur als Quersubventionierung beschrieben. Dabei senken Banken ihre Kreditzinssätze, um ihr Kundenportfolio zu erweitern und zukünftig profitable Provisionsgeschäfte mit einer großen Marge verkaufen zu können. Diese Anpassung geht zu Lasten der Zinsmarge, welche bei einem gleichbleibenden Risiko niedriger ausfällt.832 Um den Einfluss dieser Variable zu kontrollieren, wird der Anteil der nichtzinsabhängigen Erträge in Bezug zu den Gesamterträgen als Variable „services“ eingeführt. Obwohl ihr Einfluss in den ersten Modellierungen der Zinsmarge nicht berücksichtigt wurde, wurde sie in den letzten Jahren immer wichtiger. Viele theoretische und empirische Untersuchungen beweisen ihre reduzierende Auswirkung auf die Zinsmarge.833 Auch die Durchführung von außerbilanziellen Geschäften kann die Kreditpolitik der Banken beeinflussen, wodurch die Unterinvestitionshypothese begründet wird. Demnach zielen insbesondere Großbanken durch die Verbriefung von Krediten auf eine Reduzierung ihres Eigenkapitals, da nach den aktuellen regulatorischen Vorgaben sie eine im Vergleich zu Kreditprodukten niedrigere Eigenkapitalunterlegung benötigen. Durch diese Maßnahme können sie einen höheren Verschuldungsgrad erreichen und ihren Eigentümern eine höhere Rendite versprechen.834 In Bezug auf die Zinsmarge beweist beispielsweise die Studie von Angbazo (1997) ihren positiven Einfluss: Die Verbriefung ermöglicht eine größere Inanspruchnahme von Risiken, welche mit profitablen Kreditzinssätzen entlohnt wer-

830

Vgl. Drakos (2002), S. 81. Eine Übersicht der angebotenen Bankleistungen ist in Eilenberger (2012), S. 171 ff. zu finden. Salas/Saurina (2002) verweisen auf dieses verbreitete Verhalten innerhalb des Bankgeschäftes: „The bank supervisor should verify that the risk premium that the bank charges in each loan operation corresponds to the level of risk assumed, which is not always the case (strong competition or crosssubsidization)” (Salas/Saurina (2002), S. 19). 833 Für empirische Beweise vgl. u. a. Lepetit (2008), S. 2325 ff. und Busch/Kick (2009), S. 1 ff. Eine theoretische Modellierung ihres Einflusses auf die Zinsmarge findet in Maudos (2009), S. 1920 ff. statt. 834 Die Nutzung der außerbilanziellen Geschäfte von Großbanken für eine Steigerung des Verschuldungsgrades wird von Köhler (2013) diskutiert; „Larger banks may also be more likely to engage in more risky off-balance sheet activities such as securitization than small banks. Because these activities require little or low regulatory capital, they can employ a higher financial leverage than small banks.” (Köhler, 2013, S. 4). 831 832

312

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

den und dadurch zu einer höheren Zinsmarge führen.835 Weil die unterschiedliche Bankengröße eine Normierung erfordert, wird der Wert der außerbilanziellen Geschäfte als Verhältnis zur Bilanzsumme berechnet. Der resultierende Indikator ist in der Variablen „off_balance“ enthalten. Neben dem Kundengeschäft haben Banken auch die Möglichkeit, den Interbankenmarkt als Refinanzierungsquelle und Investitionsalternative zu nutzen, wobei dieses Geschäft die Zinsaufwendungen und Zinserträge direkt beeinflusst. Für die Berücksichtigung dieses Aspektes wird die Variable „interbank“ eingeführt. Ihr Wert drückt das Verhältnis zwischen Interbankenmarkteinlagen und -krediten aus und wird von Bankscope für jede Bank berechnet. Ein Wert von „interbank“ größer als 1 entspricht einer Nutzung des Interbankenmarktes hauptsächlich als Anlage, ein Wert kleiner als 1 weist auf eine Nutzung für Refinanzierungszwecke hin. Nach Bauer (1999) impliziert eine Nutzung des Interbankenmarktes für Investitionszwecke eine niedrigere Zinsmarge, da dieses Geschäft aufgrund des niedrigeren Risikos im Vergleich zu Kundenkrediten eine niedrigere Rendite verspricht.836 Die Variable „loans“ wird als Verhältnis zwischen den vergebenen Krediten und der Bilanzsumme berechnet. Sie gibt damit den Anteil der Aktiva an, welcher in Krediten investiert wird und kann als Schätzung für die Liquidität der Bank interpretiert werden. In der Regel besitzen Kredite eine längere Laufzeit im Vergleich zu anderen Investitionen, sodass ein hoher Wert von „loans“ auf ein niedriges Liquiditätsniveau der Bank hinweist. Claeys/Vennet (2008) begründen durch das daraus entstehende Liquiditätsrisiko und eine risikoabhängige Preispolitik eine positive Beziehung dieser Variablen zur Zinsmarge.837 Maudos (2004) erwartet ebenfalls einen positiven Einfluss, wobei in seiner Arbeit die Variable „loans“ als Indikator für das Kreditrisiko verwendet wird.838 Neben dem absoluten Wert der vergebenen Kredite ist die Berücksichtigung ihrer Wachstumsrate für die Bestimmung der Zinsmarge ebenfalls von Bedeutung.839 Zu diesem Zweck wird die Variable „growth_loans“ eingeführt, welche als jährliche Änderung des logarithmierten Wertes der vergebenen Kredite berechnet wird. Die erwartete Beziehung zur Zinsmarge ist negativ und ihre Begründung basiert auf dem „Winner’s Curse“.840 Um ihr Kundenportfolio zu erweitern und zukünftig 835

Vgl. Angbazo (1997), S. 78 ff. Vgl. Bauer (1999), S. 216. 837 Vgl. Claeys/Vennet (2008), S. 203 f. 838 Vgl. Maudos (2004), S. 2269. 839 Vgl. beispielsweise Tan (2012), S. 9. 840 Dieser Begriff wurde von Thaler (1998) im Rahmen seiner Studie des ökonomischen Verhaltens bei Versteigerungen eingeführt. Dabei wurde modelltheoretisch ein irrationales Verhalten der Versteigerungsteilnehmer gezeigt. Nur um sich das versteigerte Objekt zu sichern, bieten sie einen Preis an, welcher den diskontierten Erwartungswert der Rendite übersteigt, und nehmen damit einen Verlust in Kauf. Vgl. Thaler (1998), S. 192 f. 836

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

313

höhere Erträge durch größere Marktmacht zu erzielen, ist eine Bank bereit, zumindest teilweise von einer risikoabhängigen Preispolitik abzuweichen und ihre Auswahlkriterien zu lockern. Aus diesem Grund kann sie neue risikoreiche Kreditnehmer durch günstige Kreditzinssätze anziehen, wofür sie einen „Preis“ in Form eines Abschlages auf den risikoadjustierten Zinssatz bezahlt.841 Diese Thematik wird von Foos et al. (2010) empirisch untersucht. Sie führen ausführliche Tests über den Einfluss der Kreditwachstumsrate auf die Zinserträge durch; ihre Ergebnisse beweisen die negative Beziehung zwischen beiden Größen.842 Zusätzlich werden vier Kontrollvariablen eingeführt, welche die Einflüsse externer Ereignisse innerhalb des untersuchten Zeitraums sowie länderspezifische Merkmale entfernen und welche nicht aus der Literatur über die Zinsmarge stammen. Die erste Variable „election“ berücksichtigt die Auswirkung von Wahlen auf die Zinsmarge und nimmt den Wert 1 in Wahljahren an.843 Innerhalb der Arbeit von Sapienza (2004) wird auf den verzerrenden Einfluss der Politik auf das Management öffentlicher Banken hingewiesen, welcher insbesondere in den Wahljahren stattfindet.844 Um die Chance einer Wiederwahl zu erhöhen, üben die Mitglieder der regierenden Partei in Wahljahren Druck auf das Management von öffentlichen Banken aus, damit sie die Auswahlkriterien der Kreditvergabe lockern und billigere Kreditzinsätze anbieten. Durch die Erweiterung der Kreditvergabe zu günstigen Konditionen wird versucht, die regierende Partei als wirtschaftspolitischen Akteur zu stärken. Weil die negativen Folgen dieser Lockerung erst nach der Wahl ersichtlich werden, werden die Kosten solcher Maßnahmen in die Zukunft verschoben.845 Die zweite Variable „euro“ berücksichtigt die Auswirkungen aus der EuroEinführung.846 Die Einführung einer gemeinsamen Währung könnte in beiden Ländern eine rasche Anpassung der Bankzinssätze verursacht haben. Durch den daraus entstehenden europäischen Bankenmarkt wurde das Wettbewerbsniveau zwischen den europäischen Banken erhöht, was zu einer günstigen Kreditpolitik der Banken geführt hat. Außerdem könnte die Verschiebung der Zuständigkeiten für geldpolitische Entscheidungen von der nationalen hin zur europäischen Ebene

841

Eine theoretische Übertragung des Winner’s Curse vom Bereich der Versteigerungen auf die Festlegung der Bankenzinssätze erfolgt mit unterschiedlichen Ansätzen im Modell von Shaffer (1998) und im Modell von Von Thadden (2004). Vgl. dazu Shaffer (1998), S. 361 ff. und Von Thadden (2004), S. 12 ff. 842 Vgl. Foos et al. (2010), S. 2929 ff. 843 Für jedes Land werden Bundestagswahlen sowie Landtagswahlen in Deutschland bzw. Regionalwahlen in Italien berücksichtigt. In Bezug auf Landtags- und Regionalwahlen werden nur die Jahre betrachtet, in denen in zumindest fünf Bundesländern/Regionen Wahlen stattgefunden haben. 844 Vgl. Sapienza (2004), S. 375 ff. 845 Diese Interpretation ist Gegenstand des „Political View“. S. Kap. 3.4. 846 „euro“ ist eine Dummy-Variable, welche ab dem Jahr der Euro-Einführung (1999) den Wert 1 annimmt.

314

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

zu einer Annäherung der Refinanzierungskonditionen der Banken beider Länder geführt haben.847 Die dritte Variable „country“ berücksichtigt länderspezifische Merkmale,848 welche von den anderen Variablen unberücksichtigt blieben, die Zinsmarge jedoch ebenfalls beeinflussen. Dies sind strukturelle oder historische Merkmale, die zwischen italienischem und deutschem Bankenmarkt unterscheiden.849 Als Beispiel kann die Einordnung der Bankbeziehung genannt werden. Während in Deutschland langfristige und oft exklusive Beziehungen zwischen Unternehmen und Bank sehr verbreitet sind,850 ist dies in Italien eher seltener zu finden. Italienische Unternehmen wenden sich für Finanzdienstleistungen oft gleichzeitig an mehrere Banken.851 Die Unterschiede in der Art der Bankbeziehung beeinflussen die Zinspolitik der Banken und können dadurch auf die Zinsmarge wirken. Als letzte Variable „gew_haft“ wird der Wegfall der Gewährträgerhaftung des kommunalen Trägers für deutsche Sparkassen berücksichtigt.852 Nach einer Übergangsphase bis zum Juli 2005 unterliegen gemäß der sogenannten „Brüsseler Konkordanz“, abgeschlossen am 28. Februar 2002, die Verbindlichkeiten der deutschen Sparkassen nicht mehr der Gewährträgerhaftung.853 Der Wegfall der Gewährträgerhaftung könnte aufgrund der Bonität des kommunalen Trägers einen Einfluss auf die Refinanzierungskosten solcher Institute ausüben, indem die Investoren steigende Risiken annehmen und deswegen höhere Zinssätze für den Ankauf von Anleihen verlangen können.854 Obwohl die Erhöhung der Anleihenzinssätze keinen direkten Bezug zur Zinspolitik besitzt, müssen steigende Refinanzierungskosten auch durch das Zinsgeschäft gedeckt werden. 6.2.5 Aggregation ausgewählter Kennziffern beider Bankenmärkte In diesem Absatz werden die deskriptiven Statistiken der verwendeten Variablen für die gesamte Stichprobe dargestellt, wobei zwischen zwei Kategorien unter-

847

Vgl. ECB (2000), S. 20 ff. „country“ nimmt den Wert 1 für deutsche Beobachtungen und 0 für italienische Beobachtungen an. 849 Ebenfalls Kasman et al. (2010) führen die Variable „country" ein, um die Auswirkung von strukturellen Faktoren wie unterschiedliche Rechnungslegungsstandards und Steuersysteme zu entfernen. Vgl. Kasman et al. (2010), S. 650. 850 Vgl. Elsas/Krahnen (1998), S. 1284 ff. 851 Vgl. D´Auria et al. (1999), S. 1072. 852 Die Variable „gew_haft“ berücksichtigt nur deutsche Sparkassen und nimmt für diese Institute den Wert 1 ab dem Jahr 2006 an. 853 Vgl. Krämer (2002), S. 49 ff. 854 Ebda. 848

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

315

schieden wird:855 Die erste Gruppe enthält die makroökonomischen Variablen „income“, und „inflation“, sowie die finanzmarktabhängige Variable „market_rate“. Die gemeinsame Eigenschaft dieser Variablen ist die, dass sie die gleichen Werte für alle Banken in einem Land annehmen und die Analyse für die Stichprobe deswegen in ihrer Gesamtheit erfolgt. Die zweite Kategorie befasst sich mit mikroökonomischen Variablen, welche aus den einzelnen Bilanz- und GuV-Posten hergeleitet werden und somit für jede Bank verschiedene Werte aufweisen. Für diese Kategorie werden die deskriptiven Statistiken sowohl für die gesamte Stichprobe als auch für die drei verschiedenen Bankengruppen angegeben. Die Variablen dieser Kategorie sind „nim“, „credit_risk“, „efficiency“ und „mod_dur“. Als Indikatoren werden die Anzahl der Beobachtungen, der Medianwert, die Standardabweichung, sowie das 10te und das 90te Perzentil verwendet.856 Ein Vergleich dieser Werte sollte erste Hinweise auf die Entwicklung der Variablen liefern und für die mikroökonomischen Variablen Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen den untersuchten Gruppen hervorheben. Die Hinweise aus der deskriptiven Analyse werden folglich durch die empirische Schätzung eingehender untersucht. 6.2.5.1

Makroökonomische Variablen und Geldmarktzinssatz

Die Tabelle 6.7 enthält die deskriptiven Statistiken für „income“, „inflation“ und „market_rate“. Tabelle VI.7 – Deskriptive Statistiken von makroökonomischen Variablen und Geldmarktzinssatz

Anzahl Medianwert Kennzahl Standardabweichung p90 p10

income 27334 0.0153 0.0133 0.0194 -0.0031

inflation 27334 0.0180 0.0075 0.0265 0.0056

market_rate 27334 0.0332 0.0104 0.0439 0.0211

Quelle: Bankscope-Datenbank, Bureau van Dijk Electronic Publishing

855

856

Innerhalb der deskriptiven Statistiken werden nur die Variablen aus dem theoretischen Modell der Zinsmarge untersucht, wobei orientierungsabhängige Faktoren wegen ihres Dummy-Charakters und der Kontrollfaktoren wegen ihrer zweitrangigen Rolle außer Acht gelassen werden. Statt dem Minimum und dem Maximum jeder Variable werden das 10te und das 90te Perzentil angegeben, weil letztere weniger von Ausreißern beeinflusst werden.

316

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

Die Variable „income“ beschreibt die Entwicklung des dauerhaften Einkommens, welches dem Bruttoinlandprodukt abzüglich einer transitorischen Komponente entspricht. Der Medianwert liegt bei 1.53 % und ist damit deutlich niedriger als die absolute BIP-Wachstumsrate. Die Standardabweichung in Höhe von 0.0133 deutet darauf hin, dass die Werte im Vergleich zu den anderen Variablen dieser Kategorie am stärksten über die Zeit und zwischen beiden untersuchten Ländern schwanken. Dies wird auch von den Perzentilen bestätigt, wobei das 10te Perzentil einen negativen Wert von −0.31 % und das 90te Perzentil einen positiven Wert von +1.94 % annehmen. Trotz Entfernung der transitorischen Komponente spiegelt die Entwicklung des dauerhaften Einkommens die unterschiedliche wirtschaftliche Entwicklung innerhalb des untersuchten Zeitraums wider, in welchem sowohl Wachstums- als auch Abschwungjahre enthalten sind. Die Variable „inflation“ ist dagegen von einer deutlich niedrigeren Standardabweichung gekennzeichnet. Die Inflationsrate weist eine stabile Entwicklung auf, ohne relevante Unterschiede zwischen Italien und Deutschland. Ihr Medianwert liegt bei 1.8 %, die Werte schwanken zwischen 0.5 % und 2.64 %. Daraus ist der Einfluss einer einheitlichen Geldpolitik der Europäischen Zentralbank ersichtlich, welche eine Preisstabilität mit einer mittelfristigen Inflationsrate von 2 % zum Hauptziel hat.857 Der Geldmarktzinssatz, gemessen durch die Variable „market_rate“, weist einen Medianwert von 3.32 % auf, der Wert seiner Standardabweichung steht zwischen denen der anderen zwei Variablen dieser Kategorie. Zwischen dem 90ten und dem 10ten Perzentil besteht einen Abstand von über zwei Prozentpunkten; dies deutet zusammen mit einer Standardabweichung von 0.0104 auf eine relativ instabile Entwicklung. Insbesondere während der Finanzkrise 2008/2009 entstand zwischen den verschiedenen Marktteilnehmern eine Vertrauenskrise im Interbankenmarkthandel, die zu einer raschen Erhöhung des Geldmarktzinssatzes geführt hat.858 6.2.5.2

Mikroökonomische Variablen

In diesem Absatz werden die deskriptiven Statistiken der mikroökonomischen Variablen beschrieben, wobei neben dem Wert für die gesamte Stichprobe auch getrennte Werte für Privatbanken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften in der Tabelle 6.8 angegeben werden. Die Beschreibung fokussiert auf die Unterschiede 857

Auf der offiziellen Webseite der Europäischen Zentralbank wird das erstrangige Ziel der Geldpolitik angegeben: „The primary objective of the ECB’s monetary policy is to maintain price stability. The ECB aims at inflation rates of below, but close to, 2 % over the medium term.” (ECB, 2013b). 858 Vgl. De La Motte et al. (2010), S. 63 ff.

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

317

zwischen den Bankengruppen, um einige Hinweise über mögliche Ursachen unterschiedlicher Zinsmargen herzuleiten. Die Zahl der Beobachtungen und die Aufteilung zwischen den drei Bankengruppen sind konstant über alle Variablen, bis auf „mod_dur“, welche aufgrund fehlender Angaben innerhalb der verwendeten Datenbank einen niedrigeren Deckungsgrad besitzt. Dennoch nimmt bei dieser Variablen die Abweichung des prozentualen Gewichtes jeder Bankengruppe einen unbedeutenden Wert an. Die Medianwerte von der Zinsmarge (nim) schwanken zwischen 2.33 % bei Privatbanken und 2.89 % bei Kreditgenossenschaften; Sparkassen befinden sich mit einem Wert von 2.58 % in einer mittleren Position. Auch in Bezug auf die Verteilung der Werte sind deutliche Unterschiede zwischen den Bankengruppen ersichtlich. Privatbanken weisen die größte Standardabweichung und den größten Abstand zwischen dem 10ten und dem 90ten Perzentil auf. Dies zeigt die Unterschiede zwischen den Mitgliedern dieser Gruppe, welche gleichzeitig kleine und große Institute enthält, und bestätigt die Notwendigkeit, die Bilanzsumme bei der Untersuchung der Zinsmarge zu betrachten. Dagegen sind die Werte von Sparkassen und Kreditgenossenschaften trotz einer größeren Beobachtungsanzahl homogener verteilt und von einer ähnlichen Zinspolitik gekennzeichnet. Da die große Standardabweichung die Aussagekraft des Medianwertes verringert, erfolgt für die Zinsmarge eine genauere Darstellung ihres zeitlichen Verlaufs in Abbildung 6.1.

318

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

Tabelle VI.8 – Deskriptive Statistiken von mikroökonomischen Variablen

Alle Privatbanken Anzahl 27334 2758 Medianwert 0.0278 0.0233 nim Standardabw. 0.0095 0.0222 p90 0.0367 0.0428 p10 0.0210 0.0062 Anzahl 27334 2758 Medianwert 0.0041 0.0032 credit_risk Standardabw. 0.0052 0.0095 p90 0.0092 0.0141 p10 0.0010 0.0004 Anzahl 27334 2758 Medianwert 0.0311 0.0318 efficiency Standardabw. 0.0197 0.0554 p90 0.0427 0.0775 p10 0.0227 0.0068 Anzahl 23439 2076 Medianwert 0.000045 0.000078 mod_dur Standardabw. 0.0029 0.0096 p90 0.0003 0.0005 p10 0.0001 0.0000

Sparkassen Kreditgen. 6909 17667 0.0258 0.0289 0.0050 0.0069 0.0324 0.0377 0.0208 0.0231 6909 17667 0.0047 0.0040 0.0033 0.0047 0.0089 0.0090 0.0016 0.0011 6909 17667 0.0282 0.0325 0.0062 0.0093 0.0354 0.0427 0.0221 0.0246 6547 14816 0.000045 0.000036 0.0003 0.0004 0.0002 0.0003 0.0001 0.0001

Quelle: Bankscope-Datenbank, Bureau van Dijk Electronic Publishing

Der Vergleich der Medianwerte hatte auf eine niedrigere Zinsmarge bei Privatbanken hingewiesen. Berücksichtigt man jedoch ihren zeitlichen Verlauf, wird dieser Schlussfolgerung teilweise widersprochen. Mit Ausnahme des Zeitraumes 2002-2005 nähern sich die Werte von Sparkassen den Werten von Privatbanken. Kreditgenossenschaften dagegen weisen über den gesamten Zeitraum eine höhere Zinsmarge auf. Insgesamt sinkt die Zinsmarge bei allen Bankengruppen; die Entwertung ist bei Kreditgenossenschaften jedoch am stärksten. Bei Privatbanken ist die Standardabweichung am größten; dort schwanken die Werte in beide Richtungen erheblich. Dagegen verläuft die Entwicklung bei Sparkassen und Kreditgenossenschaften stabiler. Insgesamt verringert sich der Abstand zwischen den Bankengruppen mit der Zeit. Ein auffälliger Unterschied betrifft den Zeitraum 2006-2008, als die Finanzkrise ausbrach: Während dieser Zeit sinkt die Zinsmarge bei Sparkassen und Kreditgenossenschaften weiter, bei Privatbanken wird diese Entwicklung hingegen unterbrochen. Dies kann als Hinweis auf eine unterschiedliche Re-

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

319

aktivität der Zinspolitik von Privatbanken gelten, welche bei sich verschlechternden Marktkonditionen ihre Zinssätze stärker anpassen. Letztendlich ermöglicht der Vergleich der Werte der Zinsmarge keine endgültige Aussage, daher wird eine empirische Schätzung durchgeführt.

Privatbanken  

Sparkassen  

Kreditgenossenscha5en  

Abbildung VI.1 – Zeitlicher Verlauf der Zinsmarge (Durchschnittswerte) Quelle: Bankscope-Datenbank, Bureau van Dijk Electronic Publishing

Tabelle 6.8 enthält die deskriptiven Statistiken für die mikroökonomisch erklärenden Variablen. Bei „credit_risk“ verändert sich die Reihenfolge der Bankengruppen; hier fällt der größere Medianwert von Sparkassen und Kreditgenossenschaften auf. Anders ist es bei „efficiency“, wo sich Kreditgenossenschaften und Privatbanken durch höhere Medianwerte deutlich von den Sparkassen unterscheiden. Die letzte erklärende Variable, „mod_dur“, ist von einem niedrigen Medianwert bei allen Gruppen gekennzeichnet. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass diese Variable die prozentuale Änderung der Bilanzsumme als Folge einer einprozentigen Zinssatzerhöhung ausdrückt und deswegen ihr Koeffizient niedrig ausfällt. Dennoch könnten die Medianwerte darauf hinweisen, dass Privatbanken von einer starken Exposition zum Zinsänderungsrisiko geprägt sind. Eine solche Schlussfolgerung allein auf Basis der Medianwerte würde jedoch ein verzerrtes Bild liefern, weil dabei die Unterschiede innerhalb der Gruppe außer Acht gelassen werden. Diese sind innerhalb der Standardabweichung und in beiden Perzentilen enthalten. Anders als bei den anderen Variablen übersteigt die Standardabweichung von „mod_dur“ bei Privatbanken am deutlichsten die Werte der anderen Gruppen; sie beträgt ca. 300 % des Sparkassenwertes und lässt keine Aussage für die gesamte Gruppe zu. Auch müssen bei „mod_dur“ die individuellen Merkmale der einzel-

320

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

nen Banken durch Kontrollfaktoren berücksichtigt werden, um den tatsächlichen Einfluss des Zinsänderungsrisikos auf die Zinsmarge herleiten zu können. Die deskriptiven Statistiken liefern erste Hinweise über die Zinsmarge und über ihre Beziehung zu den erklärenden Variablen. Insgesamt sind die Werte der Zinsmarge am höchsten bei Kreditgenossenschaften, was höheren operativen Kosten („efficiency“) geschuldet sein könnte. Trotz eines größeren Kreditrisikos bei Sparkassen zeigt der zeitliche Verlauf von nim ähnliche Werte für Privatbanken und Sparkassen. Außerdem bestätigen die Werte der Standardabweichung aller Variablen die Homogenität der Sparkassen und Kreditgenossenschaften, wohingegen sich die einzelnen Privatbanken stark voneinander unterscheiden. Weil die Schlussfolgerungen basierend auf den deskriptiven Statistiken nur eine schwache Aussagekraft haben, werden diese innerhalb der empirischen Analyse durch statistisch fundiertere Methoden untersucht. Der nächste Abschnitt beschreibt die empirische Methodik sowie die verwendeten Modelle und die zu testenden Hypothesen. 6.2.6 Empirische Methodik und Hypothesen Die empirische Untersuchung besteht aus drei Teilen: Der erste Teil dient als Einführung in die Untersuchung der Zinsmarge. Dabei wird auf eine Unterscheidung zwischen Shareholder- und Stakeholder-Banken verzichtet, sodass der Einfluss der verschiedenen Bestimmungsfaktoren überprüft wird. Ziel dieser Untersuchung ist die Überprüfung der Gültigkeit des Modells und seiner Aussagekraft. Um die Unterschiede zwischen den Bankengruppen hervorzuheben, erfolgt zusätzlich zur Schätzung für die Gesamtstichprobe eine getrennte Schätzung für jede Bankengruppe (Privatbanken, Sparkassen und Genossenschaftsbanken). Im zweiten Teil wird die soziale Komponente einbezogen, welche zwischen Stakeholder- und Shareholder-Banken trennt. Ihr Einfluss auf die Zinsmarge wird durch drei verschiedene Schätzungen untersucht. Hier wird auch die Abhängigkeit der sozialen Komponente von den regulatorischen Rahmenbedingungen analysiert. Der dritte Teil führt zwei vertiefende Tests durch, wobei die Stichprobe eingeschränkt wird. Der erste Test untersucht nur Stakeholder-Banken; hier wird zwischen Sparkassen und Kreditgenossenschaften unterschieden. Weil der Förderungsauftrag sich auf die Mitglieder als Stakeholder „Kundschaft“ konzentriert, wogegen sich der soziale Auftrag auf die lokale Bevölkerung bezieht, wird durch diesen Test der Einfluss der verschiedenen Stakeholder untersucht.859 Bei dem zweiten Test erfolgt eine Fokussierung auf Sparkassen und Kreditgenossenschaften mit Rechtsform einer 859

S. Kap. 4.2 für einen Vergleich des öffentlichen Auftrags mit dem Förderungsauftrag.

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

321

Aktiengesellschaft, wobei der Einfluss der Rechtsform auf die Zinsmarge untersucht wird. 6.2.6.1

Untersuchung der Zinsmarge in einzelnen Bankengruppen

Der erste Teil der empirischen Untersuchung beschäftigt sich mit der Schätzung der Zinsmarge, wofür das Fixed Effects Modell (FE) verwendet wird. Dieses Modell findet seine Anwendung bei Paneldaten, welche durch die Verfügbarkeit von mehreren Beobachtungen für verschiedene Individuen über längere Zeit bestimmt werden.860 Für jedes Individuum wird innerhalb des Modells eine zu den Erklärungsvariablen zusätzliche Komponente vorgesehen, welche den Einfluss der unbeobachtbaren Eigenschaften von jedem Individuum zusammenfasst. Ihre Ausprägung ist zeitkonstant und individuumspezifisch, sodass sie den gleichen Wert für ein Individuum über die gesamte Zeitreihe aufweist. Innerhalb der verwendeten Stichprobe wird jede Bank als einzelnes Individuum betrachtet und deswegen weist diese Komponente jeder Bank einen zeitkonstanten Wert zu.861 Weil die Schätzung auf die Bestimmung eines für alle Individuen gemeinsamen Verhältnisses zwischen den abhängigen und den unabhängigen Variablen zielt, erweist sich die Unbeobachtbarkeit der zeitkonstanten Komponente und ihres individuumspezifischen Wertes als problematisch. Aus diesem Grund erfolgt durch eine Transformation innerhalb des FE-Verfahrens eine Entfernung der individuumspezifischen Komponente, welche als Vorbereitung für die Durchführung einer normalen OLS- (ordinary least squares) Schätzung dient.862 Als erster Schritt wird für jede abhängige und unabhängige Variable der Durchschnittswert für jede Bank berechnet. In einem zweiten Schritt wird für jede Periode und für jede Variable die Abweichung vom Durchschnittswert berechnet. Weil die individuumspezifische Komponente zeitkonstant ist, wird diese durch die vorgenommene Transformation entfernt. Letztendlich erfolgt die Regression durch eine OLS-Schätzung.863 Im Gegensatz zu einer normalen OLS-Schätzung erlaubt das Fixed Effect-Modell eine Korrelation zwischen den Erklärungsvariablen und der individuumspezifischen Komponente, welche in der Realität oft vorhanden ist. Es ist aber zu berücksichtigen, dass für unverzerrte Ergebnisse eine strenge Exogenität angenommen werden muss. Diese sieht vor, dass zwischen dem Fehlerterm und den 860

Vgl. Hill et al. (2008), S. 383. Die zeitkonstante und individuumspezifische Komponente kann beispielsweise als numerischer Indikator für die historische Stellung einer Bank interpretiert werden, welche die Art der Kundschaft, den Ruf und die Strategie der Bank kennzeichnet. 862 OLS bezieht sich auf die Methode der kleinsten Quadrate. Für eine Erklärung dieser Methode vgl. Verbeek (2012), S. 14 ff. 863 Die Entfernung der zeitkonstanten Komponente ermöglicht eine unverzerrte Schätzung durch das OLS-Verfahren. Vgl. Cameron/Trivedi (2009), S. 251 ff. 861

322

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

Erklärungsvariablen sowie der individuumspezifischen Komponente keine Korrelation besteht.864 Zusätzlich zur strengen Exogenität muss für die Produktion von effizienten Ergebnissen durch das Standard FE-Modell ebenfalls die Annahme von homoskedastischen865 sowie nicht autokorrelierten Fehlertermen getroffen werden. Weil diese Annahme oft verletzt wird, ist eine Anpassung der Varianz notwendig. Die normale Varianzmatrix wird dabei durch eine robuste Varianzmatrix ersetzt. Im Fall von unausgeglichenen Paneldaten mit vielen Individuen und einer kurzen Zeitreihe führt die Verwendung der robusten Varianzmatrix auch bei Heteroskedastizität und Autokorrelation zu einer effizienten Schätzung.866 Die Schätzung der Zinsmarge erfolgt durch das FE-Modell mit einer robusten Varianzmatrix, wobei die verwendete Gleichung lautet: !IM i (t) = " + #!M (t) + $!I i (t) + %!Qi (t) + &!Zi (t) + !ui (t) t = 1997,1998,....,2009 und i = 1,2,...,2692 mit ui (t) = vi + ei (t) ' !ui (t) = !ei (t) T

und

!yi (t) = yi (t) (

) yi (t) t =1

Ti

(2.2)

In der Gleichung sind IMi(t) die Zinsmarge, M(t) der Vektor der makroökonomischen Faktoren („income“, „inflation“), Ii(t) der Vektor der bankspezifischen Faktoren („credit_risk“, „efficiency“), Qi(t) der Vektor der finanzmarktabhängigen Faktoren („market_rate“, „mod_dur“) und Zi(t) der Vektor der Kontrollvariablen.867 Außerdem bezieht sich (t) auf den Zeitpunkt und i auf eine einzelne Bank. Der griechische Buchstabe Δ vor jeder Variablen fasst die vorgenommene Transformation zusammen und entspricht der Differenz zwischen dem jährlichen Wert und seinem Durchschnitt. Letztendlich stellt ui(t)) den Fehlerterm dar, welcher aus der Summe der residualen Komponente ei(t)) und der zeitkonstanten bankindividuellen Komponente (vi) besteht. Die Schätzung durch das FE Modell erfolgt sowohl für die gesamte Stichprobe als auch für jede einzelne Bankengruppe. Die erste Schätzung ist einführend und dient der Überprüfung der Gültigkeit des theoretischen Modells, indem die Richtung des 864

Vgl. Wooldridge (2002), S. 246 ff. Homoskedastizität liegt vor, wenn „die Störgröße hat für alle Beobachtungen eine konstante Varianz“ (Von Auer, 2007, S. 38). Das heißt die Varianz der Fehlerterme ist unabhängig von der Auswahl des Individuum oder des Zeitpunkts. Vgl. Hill et al. (2008), S. 172. 866 Vgl. Wooldridge (2002), S. 246 ff. 867 Die Kontrollvariablen sind „tot_ass“, „herfindahl“, „equity“, „services“, „off_balance“, „interbank“, „loans“, „growth_loans“, „election“, „euro“ und „country“. 865

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

323

Einflusses sowie die Signifikanz jedes einzelnen Faktors mit der Erwartung aus der Theorie verglichen wird.868 Der Vergleich der Werte der gruppengetrennten Schätzungen zielt dagegen auf die Überprüfung der Existenz von Unterschieden zwischen Privatbanken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften in Bezug auf die Einflussfaktoren, wie aus dem theoretischen Modell der Zinsmarge zu erwarten ist. Insbesondere wird folgende Hypothese getestet: H1: „Stakeholder-Banken unterscheiden sich von Shareholder-Banken bezüglich der Reaktivität der Zinsmarge auf das Kreditrisiko, das Zinsänderungsrisiko, die operativen Kosten und den Geldmarktzinssatz.“869 Da Sparkassen und Kreditgenossenschaften zu den Stakeholder-Banken gehören, unterstellt diese Hypothese für die vier genannten Faktoren zwei unterschiedliche Ausprägungen: •

eine unterschiedliche Reaktivität zwischen Privatbanken einerseits und Sparkassen und Kreditgenossenschaften andererseits,



eine ähnliche Reaktivität für Kreditgenossenschaften und Sparkassen.

Die Überprüfung dieser Hypothese stellt eine Einführung in die nachfolgende Untersuchung der sozialen Komponente dar, weil für eine genaue Analyse dieser Komponente und ihres Einflusses der Vergleich der Koeffizienten nicht ausreichend wäre. Ihre Bestätigung würde aber einen ersten Beweis der Existenz eines ähnlichen Verhaltens innerhalb von Stakeholder-Banken liefern.

868

Der erwartete Einfluss jeder einzelnen Variablen auf die Zinsmarge wird in Tabelle 6.5 zusammengefasst und im Kapitel 6.2.4 ausführlich dargestellt. Weil die Kontrollfaktoren keinen direkten Bezug zu dem angewandten theoretischen Modell besitzen und nur als Instrumente für die Verbesserung der Schätzung betrachtet werden, wird auf ihre Analyse verzichtet. 869 S. Kap. 6.1.2.3

324

VI.

6.2.6.2

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

Analyse der sozialen Komponente

Der Einfluss der sozialen Komponente erfolgt in erster Linie durch die Einführung der Dummy-Variable „social“. Diese nimmt den Wert von 1 für StakeholderBanken und 0 für Shareholder-Banken an.870 Im vorigen Abschnitt wurde die Arbeitsweise des FE-Modells dargestellt, welche die Werte der unabhängigen und der abhängigen Variablen durch eine Differenzierung transformiert und dadurch die zeitkonstante und bankindividuelle Komponente (vi) entfernt. Weil diese Transformation auch die zeitkonstante Variable „social“ entfernen würde und dadurch die Herleitung ihres Koeffizienten unmöglich wäre, ist das FE-Modell für diese Analyse ungeeignet.871 Aus diesem Grund wird das Hausman-Taylor-Modell (HT) eingeführt, welches eine Schätzung der Koeffizienten von zeitkonstanten Variablen ermöglicht.872 Dieses Modell unterscheidet die Erklärungsvariablen auf der Basis ihrer zeitlichen Entwicklung und ihrer Beziehung zu vi in vier Kategorien, welche von der folgenden Matrix zusammengefasst werden. Tabelle VI.9 – Aufteilung der Variablen im Hausman-Taylor-Modell

Keine Korrelation mit vi (exogen) Korrelation mit vi (endogen)

Zeitvariant

Zeitkonstant

X1

Z1

X2

Z2

Quelle: In Anlehnung an Baltagi (2009), S. 134

Außerdem erfordert das HT-Modell für die Konsistenz der Ergebnisse das Einhalten folgender Bedingungen: •

Es besteht keine Korrelation zwischen dem Fehlerterm und den Erklärungsvariablen (strenge Exogenität).



Eine Untergruppe von Erklärungsvariablen (X1 und Z1) wird als exogen eingestuft, weil ihre Elemente keine Korrelation mit der zeitkonstanten und individuumspezifischen Komponente vi aufweisen.

870

S. Kap. 6.2.4.4. Eine Privatisierung oder eine Änderung der Eigentümerstruktur könnte eine Verschiebung der Banken von der Stakeholder-Gruppe zur Shareholder-Gruppe oder umgekehrt verursachen. Innerhalb der untersuchten Stichprobe bestehen allerdings keine zeitlichen Änderungen der Variable „social“, was ihr zeitkonstantes Merkmal bestätigt. 872 Dieses Modell wurde im Jahr 1981 im Rahmen der Untersuchung der Bestimmungsfaktoren vom Lohnniveau in den USA dargestellt. Vgl. Hausman/Taylor (1981), S. 1377 ff. 871

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

325



Innerhalb der exogenen Variablen (X1 und Z1) sind zumindest eine zeitkonstante (Z1) und eine zeitvariante Variable vorhanden (X1).



Die Anzahl der zeitvarianten und exogenen Variablen ist mindestens so groß wie die Anzahl der zeitkonstanten und endogenen Variablen (X1>=Z2). 873

Das HT-Modell transformiert die Variablen durch die Random-EffectsTransformation, wobei für die Schätzung der endogenen Variablen (X2 und Z2) die exogenen Variablen (X1 und Z1) als Instrumente verwendet werden. Die Neuigkeit dieses Modells betrifft die Schätzung der Koeffizienten von zeitkonstanten endogenen Variablen (Z2), welche durch ein zweistufiges Verfahren ermittelt werden. Zuerst erfolgt eine Regression des Durchschnittswertes der zeitvarianten exogenen Variablen (X1) auf die Werte der zeitkonstanten endogenen Variablen (Z2). Die geschätzten Werte werden dann als Instrument an der Stelle von Z2 in der HTGleichung verwendet. Durch dieses Verfahren ist eine Schätzung der Koeffizienten von zeitkonstanten endogenen Variablen möglich.874 In Bezug auf die Analyse der sozialen Komponente wird folgende Gleichung verwendet:

(2.3) Während IMi(t) und die Vektoren M(t), Ii(t), Qi(t) und Zi(t) den gleichen Vektoren der Gleichung (2.2) entsprechen, ist beim HT-Modell der zusätzliche Vektor Si(t) vorhanden.875 Dieser Vektor enthält die Variable „social“ und untersucht den Einfluss einer nicht reinen Gewinnorientierung auf die Zinsmarge. Darüber hinaus erfolgt die Transformation jeder Variablen durch die Differenz zwischen ihrem Wert im Zeitpunkt t und ihrem Durchschnittswert. Dabei werden nach dem Random-Effects-Verfahren die Durchschnittswerte mit dem Faktor ξ gewichtet.876

873

Vgl. Baltagi (2010), S. 133 ff. Für eine detaillierte Darstellung des Hausman-Taylor-Modells vgl. Cameron/Trivedi (2009), S. 284 f. und Baltagi (2009), S. 134 f. 875 Bei den Kontrollfaktoren wird die zeitkonstante Variable „country“ und die Variable „gew_haft“ zusätzlich eingeführt. 876 Für die Bestimmung des Gewichtungsfaktors ξ vgl. Cameron/Trivedi (2009), S. 285. 874

326

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

Als endogene Variablen werden die Kontrollfaktoren „tot_ass“, „herfindahl“ und „growth_loans“ gewählt, wofür eine Korrelation mit vi angenommen wird.877 Diese Auswahl wird durch die Annahme eines starken Einflusses der Marktmacht auf die Zinsmarge begründet, welche aufgrund der Einschränkung der verfügbaren Daten nicht direkt beobachtbar ist.878 Aus diesem Grund ist es plausibel anzunehmen, dass der Einfluss der Marktmacht auf die Zinsmarge bei der zeitkonstanten und individuumspezifischen Komponente vi verbleibt. Trotz ihrer schwierigen Messbarkeit werden innerhalb der Literatur über die Zinsmarge verschiedene Indikatoren für die indirekte Schätzung der Marktmacht diskutiert.879 Innerhalb der unabhängigen Variablen des dargestellten Modells werden die Bilanzsumme „tot_ass“, die Wachstumsrate der vergebenen Kredite „growth_loans“ und der Konzentrationsindex „herfindahl“ als indirekte Schätzer für die Marktmacht verwendet.880 Eine größere Bilanzsumme, sowie eine steigende Wachstumsrate der vergebenen Kredite werden als mögliches Zeichen einer steigenden Marktmacht interpretiert, weil beide auf eine wachsende Bank hinweisen.881 Ebenfalls kann der Herfindahl-Index als Indikator für das Wettbewerbsniveau innerhalb eines Marktes interpretiert werden, wobei dieser nur Werte auf Länderebene und keine bankindividuellen Werte enthält. Dementsprechend kann diese Variable nicht als direkte Schätzung der Marktmacht einer einzelnen Bank verwendet werden, sondern nur als Indikator für die vorherrschenden Marktbedingungen.882 Die Beziehung zwischen der Marktmacht und den dargestellten Variablen lässt vermuten, dass eine positive Korrelation zwischen diesen drei Variablen und der Marktmacht besteht und diese als endogene Variablen betrachtet werden können. Die Gleichung (2.3) wird für die Überprüfung der zweiten Hypothese verwendet: H2: „Eine Stakeholder-Orientierung führt zu einer Verringerung der Intermediationskosten im Bankgeschäft durch die Erreichung einer niedrigeren Zinsmarge.“

877

Diese Variablen sind zeitvariant und endogen (X2 laut der Einstufung des HT Modells). Eine direkte Messung der Markmacht könnte durch Schätzung des Lerner-Index erfolgen, wofür jedoch Angaben über Grenzkosten und über den Preis der verschiedenen Produkte notwendig sind. Maudos/De Guevara (2007) erklären in ihrer Studie ein mögliches Verfahren für die Schätzung dieses Index. Vgl. Maudos/De Guevara (2007), S. 2103 ff. 879 Vgl. bspw. Maudos/De Guevara (2004), S. 2266 ff. und Carbó/Rodriguez (2007), S. 2048 ff. 880 Ebenfalls Tan (2012) verwendet den Herfindahl-Index als indirekte Schätzung der Marktmacht. Vgl. Tan (2012), S. 15. 881 Wenn das Wachstum der Bilanzsumme und des Kreditgeschäftes zu einem wachsenden Marktanteil führt, erlaubt dieser der Bank eine größere Marktmacht durch die Beeinflussung der Marktkonditionen. Vgl. Claeys/Vennet (2008), S. 200 f. 882 Eine detailliertere Erklärung der Beziehung zwischen „herfindahl“ und der Marktmacht findet sich in Kap. 6.2.4. 878

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

327

Während die Hypothese H1 nur auf die Unterschiede zwischen Stakeholder- und Shareholder-Banken bezüglich der Einflussfaktoren der Zinsmarge zielt, beschäftigt sich die Hypothese H2 mit der Auswirkung einer unterschiedlichen Orientierung auf die Intermediationskosten des Bankgeschäftes. Die Hypothese H2 wäre dann bestätigt, wenn die Ergebnisse der Schätzung einen negativen und signifikanten Koeffizient von „social“ ergeben würden. Dies würde darauf hinweisen, dass Stakeholder-Banken bei gleichen Vorbedingungen eine niedrigere Zinsmarge im Vergleich zu Shareholder-Banken nachfragen.883 Demnach würde eine Stakeholder-Bank im gleichen Land mit der gleichen Ausprägung der bankspezifischen, der finanzmarktabhängigen und der Kontrollfaktoren einer Shareholder-Bank einen höheren Einlagenzinssatz anbieten und/oder einen niedrigeren Kreditzinssatz verlangen. Nachdem der allgemeine Einfluss einer Stakeholder-Orientierung durch die Variable „social“ untersucht wird, erfolgt in Anlehnung an die Schlussfolgerungen aus dem theoretischen Modell der Zinsmarge eine detailliertere Analyse ihres Einflusses.884 Demnach modifiziert die Stakeholder-Orientierung die Reaktivität der Zinsmarge auf das Kreditrisiko, auf das Zinsänderungsrisiko, auf die operativen Kosten und auf den Geldmarktzinssatz. Um diese Verzerrung vom allgemeinen Einfluss des jeweiligen Faktors zu isolieren, wird die Variable „social“ durch vier verschiedene Interaktionsterme ersetzt: „stake_credit_risk“, „stake_mod_dur“, „stake_efficiency“ und „stake_market_rate“.885 Der Vektor St innerhalb des Modells (2.3) enthält demnach bei dieser Fassung alle vier Interaktionsterme, sodass der durch die Hypothese H2 untersuchte allgemeine Einfluss der StakeholderOrientierung auf die vier genannten Bestimmungsfaktoren aufgeteilt wird. Die Schätzung dieses angepassten Modells durch das HT-Verfahren ermöglicht die Verifizierung der Hypothese H3: H3: „Die Stakeholder-Orientierung verringert die Zinsmarge durch die Reduzierung des Einflusses des Kreditrisikos, des Zinsänderungsrisikos, der operativen Kosten und des Geldmarktzinssatzes.“ Wenn sich aus der Schätzung negative und signifikante Koeffizienten der Interaktionsterme ergeben, wird die Hypothese H3 bestätigt. In diesem Fall würde die soziale Komponente durch eine Verringerung des Einflusses von Risiko-, Finanz-

883

Die Vektoren M(t), Ii(t), Qi(t) und Zi(t) innerhalb des Modells dienen der Berücksichtigung der makroökonomischen, bankspezifischen und finanzmarktabhängigen Vorbedingungen, welche unabhängig von ihrer Orientierung sind. Dank dieser Vektoren ist es möglich, den Einfluss der Orientierung durch die Variable „social“ zu isolieren. 884 S. Kap. 6.1.2. 885 Ein Interaktionsterm wird durch die Multiplikation von „social“ mit der jeweiligen Variable gebildet.

328

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

markt- und Effizienzfaktoren zu einer niedrigeren Zinsmarge im Vergleich zu den Shareholder-Banken führen. Der letzte Teil der Analyse der sozialen Komponente beschäftigt sich mit der Rolle der regulatorischen Rahmenbedingungen für die Wirkung der sozialen Komponente. Laut Kapitel 6.1.2.3 stellt eine ausreichende Regulierung des sozialen Auftrages und der Unabhängigkeitskriterien sowie der internen und externen Kontrollmechanismen eine wichtige Voraussetzung für die Vermeidung eines Missbrauches von Stakeholder-Banken dar. Aus diesem Grund wird die Variable „regulation“ eingeführt, welche den Regulierungsstand für Stakeholder-Banken innerhalb eines Landes misst.886 Die folgende Gleichung enthält das verwendete Modell, welches durch das HTVerfahren geschätzt wird:

(2.4) Weil das Modell (2.4) auf das allgemeine Verhältnis zwischen Regulierung und sozialer Komponente zielt, enthält der Vektor St die Variable „social“ und der Vektor Rt die Variable „regulation“. Die gleichzeitige Berücksichtigung beider Variablen ermöglicht es, die Rolle der Regulierung hervorzuheben. Wenn man nur den Koeffizient von „social“ betrachtet, drückt dieser den Einfluss einer Stakeholder-Orientierung auf die Zinsmarge im Fall einer fehlenden Regulierung der obengenannten Aspekte aus. Der Koeffizient von „regulation“ dagegen untersucht die Auswirkung eines steigenden Regulierungsniveaus von Stakeholder-Banken auf die Zinsmarge. Durch dieses Verfahren lässt sich folgende Hypothese H4 testen: H4: „Eine Stakeholder-Orientierung des Bankgeschäftes führt nur im Fall einer ausreichenden Regulierung von Stakeholder-Banken zu einer Reduzierung der Intermediationskosten.“ Für die Bestätigung der Hypothese H4 müssen aus der Schätzung des Modells (2.4) folgende Ergebnisse vorliegen: 886

S. Kap. 6.2.4.4.

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

329



ein positiver und signifikanter Koeffizient von „social“ ist vorhanden,



ein negativer und signifikanter Koeffizient von „regulation“ ist vorhanden,



im Fall einer vollständigen Erfüllung der Regulierungskriterien ergibt sich insgesamt eine reduzierende Wirkung der Stakeholder-Orientierung auf die Zinsmarge.887

Der positive Koeffizient von „social“ würde auf einen Missbrauch von Stakeholder-Banken hinweisen, deren Management dank der fehlenden Regulierung nicht mehr die Ansprüche der Stakeholder „Kundschaft“ auf eine niedrigere Zinsmarge berücksichtigt. Der negative Koeffizient von „regulation“ würde dagegen die Rolle der regulatorischen Rahmenbedingungen als Voraussetzung für die Festlegung und für die Kontrolle der Tätigkeit von Stakeholder-Banken hervorheben. Dadurch wird das Management zur Erfüllung des sozialen Auftrags verpflichtet und dies würde von externen und internen Organen beaufsichtigt, was letztendlich zu besseren Zinskonditionen für das Stakeholder "Kundschaft" führt. Die gleichzeitige Berücksichtigung beider Koeffizienten in Abhängigkeit der Regulierungsniveaus untersucht den Nettoeffekt der sozialen Komponente, welche im Fall einer vollständigen Erfüllung der Regulierungskriterien aufgrund der Ansprüche der Stakeholder „Kundschaft“ als negativ erwartet wird. 6.2.6.3

Vertiefende Tests

Der vorige Abschnitt widmete sich der empirischen Analyse der sozialen Komponente und untersuchte die Wirkung der sozialen Komponente in Bezug auf die Zinsmarge und auf ihre Bestimmungsfaktoren. Während diese Analyse die Unterschiede zwischen Stakeholder- und Shareholder-Banken betraf und die gesamte Stichprobe einbezog, wird nachfolgend eine eingeschränkte Stichprobe verwendet und die Analyse konzentriert sich auf zwei für Stakeholder-Banken relevante Fragestellungen. Bei der ersten wird die Stichprobe auf Stakeholder-Banken eingeschränkt und Shareholder-Banken werden außer Acht gelassen. Die verbleibenden Banken werden dann durch die Einführung der Dummy-Variable „coop“ zwischen Sparkassen und Kreditgenossenschaften aufgeteilt.888 Das Kapitel 4.2 hat die Unterschiede 887

888

Bei einer vollständigen Erfüllung der Regulierungskriterien nimmt die Variable „regulation“ den Wert 2 an. In diesem Fall wird der Nettoeinfluss der Stakeholder-Orientierung folgendermaßen berechnet: ßsocial+2*ßregulation. Die Variable „coop“ nimmt den Wert 1 für Kreditgenossenschaften und den Wert 0 für Sparkassen an.

330

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

zwischen dem öffentlichen Auftrag und dem Förderungsauftrag ausführlich dargestellt: Kreditgenossenschaften verfolgen den Förderungsauftrag, welcher sich auf die Mitglieder konzentriert;889 der öffentliche Auftrag der Sparkassen bezieht sich dagegen auf die Allgemeinheit und macht keine Unterscheidung zwischen Mitgliedern und Nicht-Mitgliedern.890 Es stellt sich deswegen die Frage, ob und in welchem Ausmaß sich diese Unterschiede hinsichtlich der betrachteten Stakeholder auf die Zinsmarge widerspiegeln. Einerseits könnte die Beschränkung der Förderung auf die Mitglieder durch die Gewährung vorteilhafterer Zinskonditionen bei Kreditgenossenschaften zu einer niedrigeren Zinsmarge führen. Andererseits besteht das Kundenportfolio von Kreditgenossenschaften ebenfalls aus NichtMitgliedern, deren Ansprüche durch den Förderungsauftrag nicht gedeckt werden. Das könnte wiederum zu einer höheren Zinsmarge führen, weil die Förderung der Mitglieder durch das Verlangen höherer Zinskonditionen für Nicht-Mitglieder erfolgen könnte.891 Die letzte Vermutung wird durch folgende Hypothese getestet: H5: „Die Einschränkung des Förderungsauftrags auf die Mitglieder bei Kreditgenossenschaften führt im Vergleich zu Sparkassen zu teureren Zinskonditionen und damit zu einer höheren Zinsmarge.“ Für die Überprüfung dieser Hypothese wird das Modell (2.3) durch das HTVerfahren geschätzt. Die Variable „social“ wird nicht einbezogen und der Vektor St enthält lediglich die Variable „coop“, weil die Stichprobe nur aus StakeholderBanken besteht. Die Hypothese H5 wird dann bestätigt, wenn als Ergebnis ein positiver und signifikanter Koeffizient von „coop“ vorliegt. Die zweite Fragestellung beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen der Rechtsform und der sozialen Komponente. Im Kapitel 6.2.3 wurden Sparkassen und Kreditgenossenschaften den Stakeholder-Banken zugewiesen, mit Ausnahme der Banken, die die Rechtsform einer Aktiengesellschaft haben. Letztere wurden als Shareholder-Banken identifiziert, denn das vorrangige Ziel einer Aktiengesellschaft ist die Bedienung ihrer Shareholder.892 Trotz Zugehörigkeit zu den Sparkassen oder zu den Kreditgenossenschaften ist bei solchen Banken eine lediglich zweitrangige Bedienung der Stakeholder „Kundschaft“ zu erwarten.893 Um den Einfluss der Rechtsform in Bezug auf die Zinsmarge besser zu identifizieren, be889

Vgl. Münkner (1990), S. 23. Vgl. Kessler (1982), S. 180. Vgl. Angelini et al. (1998), S. 949 f. 892 S. Kap. 4.1. 893 Diesbezüglich zeigt die Umfrage von Postigliola (2007) die Erstrangigkeit der Gewinnmaximierung für italienische Privatbanken, worunter auch Sparkassen und Genossenschaftsbanken zu finden sind. Vgl. Postigliola (2007), S. 149 ff. 890 891

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

331

steht die verwendete Stichprobe nur aus Sparkassen und Kreditgenossenschaften. Innerhalb dieser Stichprobe werden dann diejenigen Banken mit einer AGRechtsform durch die Dummy-Variable „privat“ identifiziert. Die zu testende Hypothese lautet: H6: „Die Rechtsform einer „Aktiengesellschaft“ für Sparkassen und Kreditgenossenschaften führt zu einer schlechteren Bedienung des Stakeholder „Kundschaft“ durch das Verlangen einer höheren Zinsmarge.“ Auch die Überprüfung der Hypothese H6 erfolgt durch Schätzung der Zinsmarge mittels HT-Verfahren und durch die Verwendung des Modells (2.3). Dabei wird die Variable „social“ durch die Variable „privat“ ersetzt. Die Hypothese wird bestätigt, wenn ein positiver und signifikanter Koeffizient von „privat“ vorliegt. Insgesamt betrifft die empirische Untersuchung die Überprüfung von sechs unterschiedlichen Hypothesen. Während die gruppengetrennte Untersuchung als Einleitung dient, beziehen sich die Hypothesen H2, H3 und H4 auf die Schlussfolgerungen aus dem theoretischen Modell: der reduzierende Einfluss einer StakeholderOrientierung auf die Zinsmarge und seine Abhängigkeit von den regulatorischen Rahmenbedingungen. Beide Aspekte stellen den Schwerpunkt der empirischen Analyse dar und vergleichen Stakeholder- mit Shareholder-Banken. Letztendlich beschäftigen sich die Hypothesen H5 und H6 mit zwei Fragestellungen, welche sich nur auf Sparkassen und auf Kreditgenossenschaften beziehen.

6.2.7 Ergebnisse der empirischen Untersuchung Dieser Abschnitt stellt die Ergebnisse der empirischen Untersuchung dar und diskutiert ihre Bedeutung für die Verifizierung der aufgestellten Hypothesen. Um eine Verbindung zu Kapitel 6.2.6 zu ermöglichen, wird die Aufteilung der Unterkapitel beibehalten. 6.2.7.1

Untersuchung der Zinsmarge in einzelnen Bankengruppen

Die Tabelle 6.10 enthält die Ergebnisse der Schätzung der Zinsmarge mit dem Fixed Effects-Modell sowohl für die gesamte Stichprobe als auch für jede der drei Bankengruppen. In Bezug auf die gesamte Stichprobe ist das Modell aufgrund der resultierenden Determinationskoeffizienten von einer hohen Erklärungskraft gekennzeichnet. Der Determinationskoeffizient R2 within beträgt 0.43. Das heißt, dass durch die unabhängigen Variablen 43 % der Differenzen zwischen der Zins-

332

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

marge von den unterschiedlichen Banken erklärt werden. Ebenfalls in Bezug auf die zeitliche Entwicklung der Zinsmarge erklärt das Modell 32 % der Werte, was durch R2 overall bewiesen wird. Die Schätzung für die gesamte Stichprobe ermöglicht die Überprüfung des erwarteten Einflusses der Bestimmungsfaktoren, welcher innerhalb des theoretischen Modells diskutiert wird.894 Die Koeffizienten von „income”, „credit_risk“, „efficiency“ und „mod_dur“ zeigen das erwartete positive Vorzeichen: Eine Steigerung des dauerhaften Einkommens, des Kredit- und Zinsänderungsrisikos sowie der operativen Kosten führt zu einer Steigerung der Zinsmarge.895 Der Geldmarktzinssatz beeinflusst dagegen wie erwartet negativ die Zinsmarge. Die Betrachtung der Geldmarktinvestitionen als Alternative zu Bankeinlagen für die Einleger zwingt die Bank, im Fall einer steigenden Geldmarktrendite zu einer Steigerung des Einlagenzinssatzes und dadurch zu einer Reduzierung der Zinsmarge.896 Der einzige von den Erwartungen abweichende Koeffizient betrifft die Variable „inflation“. Laut der Theorie impliziert eine steigende Inflationsrate eine steigende Zinsmarge, weil die Preissteigerung zu einer Erhöhung der Kreditnachfrage und dadurch zu steigenden Kreditzinssätzen führt.897 Ein negativer Koeffizient verweist dagegen auf einen negativen Einfluss der Inflation auf die Zinsmarge. Deshalb ist zu vermuten, dass steigende Preise hauptsächlich auf die Einlagen und nicht wie erwartet auf die Kredite wirken.

894

Eine Übersicht des erwarteten Einflusses ist in der Tabelle 6.5 enthalten. Die einzelnen Faktoren werden im Kapitel 6.1.2.1 ausführlich diskutiert. Es muss berücksichtigt werden, dass der Koeffizient von „credit_risk“ für die gesamte Stichprobe nicht signifikant ist. Das ist den Unterschieden zwischen den Bankengruppen geschuldet, da der Koeffizient von „credit_risk“ für Privatbanken positiv und für Sparkassen und Kreditgenossenschaften negativ ist. 896 Vgl. Freixas/Rochet (2009), S. 277 ff. 897 Vgl. ECB (2000), S. 14 f. 895

VI.

333

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

Tabelle VI.10 – Regressionsergebnisse der gruppengetrennten Untersuchung Gesamte StichproPrivatbanken be KoeffiKoeffizient S.E. zient S.E. income 0.0597 *** 0.005 -0.0060 0.035 inflation -0.0474 *** 0.008 -0.0824 * 0.049 credit_risk 0.0877 0.065 0.2946 *** 0.056 efficiency 0.1060 ** 0.048 0.0591 ** 0.026 market_rate -0.0306 *** 0.004 0.0326 * 0.020 mod_dur 0.0166 * 0.010 0.0213 0.018 tot_ass -0.0032 *** 0.000 -0.0039 *** 0.001 herfindahl -0.0029 ** 0.001 0.0114 * 0.007 equity 0.0385 *** 0.008 0.0120 0.008 services -0.0243 *** 0.002 -0.0292 *** 0.004 off_ -0.0004 0.000 0.0000 0.000 balance interbank -0.0001 * 0.000 -0.0001 0.000 loans 0.0018 * 0.001 0.0047 * 0.003 growth_ loans -0.0001 ** 0.000 -0.0001 0.000 election 0.0001 * 0.000 0.0003 0.000 euro -0.0014 *** 0.000 -0.0004 0.001 Konstante 0.0488 *** 0.003 0.0560 *** 0.009 Beobachtungen R2 within R2 overall Hausman Test (p-Wert)

KreditgenossenSparkassen schaften KoeffiKoeffizient zient S.E. S.E. 0.0495 *** 0.005 0.0488 *** 0.004 -0.0449 *** 0.008 -0.0432 *** 0.008 -0.1679 *** 0.030 -0.3742 *** 0.042 0.4204 *** 0.021 0.4571 *** 0.019 -0.0417 -0.5439 -0.0028 -0.0067 0.0600 -0.0287

*** *** *** *** *** ***

0.005 0.114 0.000 0.001 0.008 0.002

0.0004 ** 0.000 0.0001 0.000 0.0035 *** 0.001 -0.0002 -0.0002 -0.0016 0.0399

0.000 0.000 *** 0.000 *** 0.004 *** ***

-0.0310 -0.0493 -0.0018 -0.0029 0.0574 -0.0234

0.004 0.084 *** 0.000 ** 0.001 *** 0.009 *** 0.001 ***

-0.0012 * 0.001 -0.0001 *** 0.000 0.0014 * 0.001 -0.0002 0.0003 -0.0016 0.0298

22091 0.43 0.32

1948 0.35 0.29

6532 0.68 0.55

13611 0.61 0.62

0.00

0.00

0.00

0.00

0.000 0.000 *** 0.000 *** 0.001 *** ***

Abhängige Variable: Zinsmarge (nim) Das Modell wird durch das Fixed Effects-Verfahren geschätzt. Standardfehler (S.E.) sind robust zur Heteroskedastizität und Autokorrelation. Der Hausman-Test vergleicht die Konsistenz eines FE-Schätzers gegen einen RE-Schätzer. Eine Ablehnung der Nullhypothese verweist auf eine bessere Konsistenz des FE-Schätzers. R2 within entspricht dem Determinationskoeffizient für die Differenzen zwischen den Individuen. R2 overall entspricht dem allgemeinen Determinationskoeffizient. *=signifikant zu einem 10 % Niveau, **=signifikant zu einem 5 % Niveau, *=signifikant zu einem 1 % Niveau

Quelle: Eigene Bearbeitung auf Basis der Daten aus der Bankscope-Datenbank, Bureau van Dijk Electronic Publishing

Um die verteuerten Güter kaufen zu können, müssen die Einleger vermehrt auf ihre Bankeinlagen zugreifen. Dies erschwert die Refinanzierung einer Bank, wogegen sie durch die Steigerung der Einlagenzinssätze entgegenzuwirken versucht.

334

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

Diese Anpassung erhöht die Refinanzierungskosten und führt zu einer niedrigeren Zinsmarge. Mit Ausnahme der Variablen „off_balance“ ergeben sich alle Kontrollfaktoren als signifikant. Schon bei dem Vergleich der Determinationskoeffizienten sind deutliche Unterschiede zwischen den Bankengruppen zu erkennen: Während R2 within und R2 overall bei Privatbanken sehr niedrig sind (0.35 bzw. 0.29), sind die Werte bei Sparkassen und Kreditgenossenschaften fast doppelt so hoch. Dies weist auf eine höhere Erklärungskraft des Modells für Stakeholder-Banken hin, wogegen für Shareholder-Banken andere, nicht im Modell enthaltene Faktoren relevant sind. Diese Vermutung wird auch von der Signifikanz der erklärenden Variablen bestätigt, weil nur 7 von 16 unabhängigen Variablen bei Privatbanken signifikant sind. Bei Sparkassen und Kreditgenossenschaften ist die Performance des Modells deutlich besser und nur eine Erklärungsvariable ist nicht signifikant. Für die Verifizierung der Hypothese H1 werden die Koeffizienten von „credit_risk“, „efficiency“, „market_rate“ und „mod_dur“ für die verschiedenen Bankengruppen miteinander verglichen. Die Hypothese H1 sieht vor, dass sich Stakeholder-Banken von Shareholder-Banken bezüglich dieser Faktoren unterscheiden. Wenn man die Koeffizienten innerhalb der Tabelle 6.10 betrachtet, wird diese Hypothese für drei von vier Faktoren bestätigt. Der Koeffizient von „credit_risk“ ist bei Privatbanken positiv, hochsignifikant und beträgt 0.29. Bei Sparkassen und Kreditgenossenschaften liegt dieser dagegen im negativen Bereich und ist signifikant. Die Koeffizienten von „mod_dur“ zeigen ein ähnliches Muster, wobei der Koeffizient nur bei Sparkassen signifikant ist. Das stimmt mit der Vermutung überein, dass Stakeholder-Banken aufgrund ihres sozialen Auftrags ein größeres Kreditund Zinsänderungsrisiko ohne eine höhere Zinsmarge in Kauf nehmen.898 Umgekehrt verhält es sich bei der Variablen „market_rate“: Ihr Koeffizient ist positiv bei Privatbanken und negativ bei den anderen Bankengruppen. Die einzige Variable mit dem gleichen Vorzeichen für alle Gruppen ist „efficiency“, deren Koeffizient immer hochsignifikant ist und ähnliche Werte für alle Gruppen annimmt. Höhere operative Kosten spiegeln sich sowohl bei Stakeholder- als auch bei Shareholder-Banken in einer höheren Zinsmarge wider. Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse der FE-Schätzung eine gute Erklärungskraft des verwendeten Modells. Die Koeffizienten derjenigen Variablen, welche den empirischen Äquivalent der Bestimmungsfaktoren aus dem theoretischen Modell schätzen, zeigen mit Ausnahme der Inflationsrate das erwartete Vorzeichen 898

Claeys/Vannet (2008) vertreten die Meinung, dass bei Stakeholder-Banken eine schwache Korrelation zwischen dem Preis und dem in Anspruch genommenen Risiko besteht. Vgl. Claeys/Vannet (2008), S. 211 ff.

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

335

für die gesamte Stichprobe. Die Überprüfung der Hypothese H1 wird für das Kredit- und Zinsänderungsrisiko und für den Geldmarktzinssatz bestätigt. Für die operativen Kosten wird dagegen die Hypothese abgelehnt. 6.2.7.2

Analyse der sozialen Komponente

Nachdem das Modell auf seine Allgemeingültigkeit hin überprüft wurde, liegt das Augenmerk nachfolgend auf der Wirkung der sozialen Komponente. Weil die FE-Schätzung einen empirischen Unterschied zwischen Stakeholder- und Shareholder-Banken in Bezug auf den Einfluss der Erklärungsvariablen der Zinsmarge nur auf allgemeiner Ebene bewiesen hat, sind für eine genauere Untersuchung der sozialen Komponente die Anwendung der Modelle (2.3) und (2.4) notwendig. Beide verwenden das HT-Verfahren und führen die Variable „social“ ein, welche eine Dummy-Variable ist und Stakeholder-Banken identifiziert. In Tabelle 6.11 sind die Ergebnisse der Regressionen enthalten. Diese wird nach den verschiedenen Hypothesen aufgeteilt. Die Einführung der Variablen „social“ für die Verifizierung der Hypothese H2 ergibt keine grundlegende Änderung der Koeffizienten der Erklärungsvariablen. Wenn man die Koeffizienten in der ersten Spalte der Tabelle 6.11 mit den Koeffizienten der FE-Schätzung vergleicht, ist keine große Abweichung beim Vorzeichen und hinsichtlich des Betrages ersichtlich. Dagegen wird die Signifikanz der einzelnen Faktoren deutlich verbessert, indem die Variablen „credit_risk“, „off_balance“ und „interbank“ signifikant werden und die Signifikanz von „mod_dur“ und „efficiency“ zunimmt. Speziell in Bezug auf das Kreditrisiko ist die Verbesserung deutlich, da der Koeffizient positiv und auf einem einprozentigen Niveau signifikant wird. Dies bestätigt die Vermutung, dass die NichtSignifikanz des Kreditrisikos für die gesamte Stichprobe innerhalb der FESchätzung hauptsächlich der Wirkung der sozialen Komponente geschuldet ist. Die gleichzeitige Berücksichtigung von „social“ und „credit_risk“ ermöglicht deswegen eine erste Trennung zwischen der risiko- und der orientierungsabhängigen Komponente.

336

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

Tabelle VI.11 – Regressionsergebnisse – Analyse der sozialen Komponente Hypothese TVexogenous income inflation credit_risk efficiency market_rate mod_dur equity services off_balance interbank loans election euro gew_haft stake_market_rate stake_credit_risk stake_efficiency stake_mod_dur regulation TVendogenous tot_ass herfindahl growth_loans TIexogenous country social Konstante

H2 Koeffizient 0.0592 -0.0504 0.0879 0.1120 -0.0268 0.0174 0.0361 -0.0240 -0.0004 -0.0001 0.0022 0.0001 -0.0015 0.0004

H3 S.E.

*** *** *** *** *** ** *** *** *** *** *** ** *** ***

0.003 0.005 0.006 0.003 0.003 0.008 0.002 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000

Koeffizient 0.0417 -0.0397 0.3126 0.0668 0.0563 0.0281 0.0339 -0.0251 0.0000 -0.0001 0.0024 0.0002 -0.0016 0.0004 -0.0886 -0.6366 0.3708 -0.1644

H4 S.E.

*** *** *** *** *** *** *** *** *** *** *** *** *** *** *** *** **

0.003 0.004 0.010 0.003 0.006 0.007 0.002 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000 0.006 0.014 0.007 0.072

Koeffizient 0.0596 -0.0467 0.0845 0.1082 -0.0235 0.0154 0.0355 -0.0248 -0.0001 -0.0001 0.0047 0.0003 -0.0009 0.0005

S.E. *** *** *** *** *** ** *** *** *** *** *** *** ***

0.003 0.005 0.006 0.003 0.003 0.007 0.002 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000

-0.0026 *** 0.000 -0.0026 *** -0.0026 ** -0.0002 ***

0.000 0.001 0.000

-0.0016 *** 0.000 -0.0011 0.001 -0.0002 *** 0.000

-0.0047 *** -0.0013 ***

0.000 0.000

-0.0053

0.0495 ***

0.001

-0.0026 *** 0.000 -0.0014 0.001 -0.0001 *** 0.000

0.000

-0.0039 *** 0.000 0.003057 *** 0.000

0.0354196 *** 0.001

0.0472368 *** 0.001

Abhängige Variable: Zinsmarge (nim) Alle drei Schätzungen verwenden das Hausman-Taylor-Verfahren und enthalten 22091 Beobachtungen. TVexogenous gruppiert die zeitvarianten exogenen Variablen und TIexogenous die zeitkonstanten exogenen Variablen. TVendogenous enthält die zeitvarianten endogenen Variablen, welche eine Korrelation mit der individuumspezifischen Komponente aufweisen. *=signifikant zu einem 10 % Niveau, **=signifikant zu einem 5 % Niveau, *=signifikant zu einem 1 % Niveau Quelle: Eigene Bearbeitung auf Basis der Daten aus der Bankscope-Datenbank, Bureau van Dijk Electronic Publishing

Im Rahmen der Überprüfung der Hypothese H3 erfolgt eine genauere Aufspaltung durch die Einführung des Interaktionsterms „stake_credit_risk“. Die Hypothese

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

337

H2 nimmt eine Reduzierung der Intermediationskosten durch die Wirkung der sozialen Komponente an, wofür innerhalb des Modells ein negativer Koeffizient der Variable „social“ vorhanden sein müsste. Diese Annahme wird in Tabelle 6.11 bestätigt: Der Koeffizient beträgt -0.0013 und ist hochsignifikant. StakeholderBanken erreichen bei gleicher Ausprägung der anderen Erklärungsvariablen eine niedrigere Zinsmarge im Vergleich zu Shareholder-Banken; die Differenz beträgt durchschnittlich 0.13 Prozentpunkte. Die Bestätigung der Hypothese H2 beweist den reduzierenden Einfluss der Stakeholder-Orientierung auf die Zinsmarge.899 Während sich die Hypothese H2 mit dem allgemeinen Einfluss der sozialen Komponente beschäftigt, erfolgt in der zweiten Spalte der Tabelle 6.11 durch die Einführung von vier Interaktionstermen eine Aufspaltung ihrer Wirkung auf vier verschiedene Variablen: Der erste Interaktionsterm „stake_market_rate“ untersucht den Unterschied zwischen Stakeholder- und Shareholder-Banken bezüglich des Einflusses des Geldmarktzinssatzes auf die Zinsmarge. Der Koeffizient von „market_rate“ ist positiv, hochsignifikant und beträgt 0.0563. Dies bestätigt die positive Beziehung zwischen der Zinsmarge und dem Geldmarktzinssatz für Shareholder-Banken, welche auch in Bezug auf die FE-Schätzung für Privatbanken relevant ist. Der Wert vom Koeffizient von „stake_market_rate“ beträgt dagegen 0.0886 und ist zu 1 % signifikant, was die reduzierende Wirkung der sozialen Komponente auf den Einfluss des Geldmarktzinssatzes beweist. Seine hohe Signifikanz bestätigt die Gemeinsamkeiten zwischen Sparkassen und Kreditgenossenschaften, welche trotz der unterschiedlichen Eigentümerstruktur eine ähnliche Stakeholder-Orientierung aufweisen.900 Der Nettoeinfluss des Geldmarktzinssatzes wird durch die Summe beider Koeffizienten berechnet und ergibt den Wert von 0.0323.901 Bei Stakeholder-Banken wirkt demnach der Geldmarktzinssatz negativ auf die Zinsmarge, sodass eine Erhöhung desselben zu einer Reduzierung der Zinsmarge führt. Der zweite Interaktionsterm „stake_credit_risk“ beschäftigt sich mit der Auswirkung der sozialen Komponente auf das Kreditrisiko. Die Aufspaltung seines Ein899

900

901

Drakos (2002) beweist für öffentliche Banken eine durchschnittlich niedrigere Zinsmarge: „...stateowned banks would follow a pricing policy based not only on profit maximising considerations but rather on more flexible notions of social welfare and as a result, set (to a certain extent) narrower margins.“ (Drakos, 2002, S. 92). Die Koeffizienten von „market_rate“ für Sparkassen und Kreditgenossenschaften innerhalb der FESchätzung sind beide negativ, wobei ihr Betrag unterschiedlich ausfällt. Die Signifikanz des Koeffizienten von „stake_market_rate“ in der Tabelle 6.11 beweist aber, dass der Unterschied zwischen beiden Koeffizienten unbedeutend ist. Dementsprechend ist die Gruppierung von Sparkassen und Kreditgenossenschaften unter Stakeholder-Banken in Bezug auf den Geldmarktzinssatz positiv verifiziert. Die Summe beider Koeffizienten ist aufgrund der Dummy-Variablen „stake_market_rate“ möglich. Weil diese Variable den Wert 1 für Stakeholder- und 0 für Shareholder-Banken annimmt, ergibt ihre Summe den Nettoeinfluss des Geldmarktzinssatzes nur für Stakeholder-Banken.

338

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

flusses in die zwei Komponenten „credit_risk“ und „stake_credit_risk“ führt wie im Fall der Hypothese H2 zu einem deutlichen Anstieg seiner Signifikanz; diese liegt bei beiden Variablen bei 1 %. Der Koeffizient von „credit_risk“ beträgt 0.3126 und zeigt damit den positiven Einfluss des Kreditrisikos auf die Zinsmarge für Shareholder-Banken. Die soziale Komponente reduziert seinen Einfluss für Stakeholder-Banken durch „stake_credit_risk“ um 0.6366. Dieses Ergebnis betont die unterschiedliche Preispolitik der Stakeholder-Banken, welche aufgrund der Zweitrangigkeit der Gewinnerzielung ihre Zinskonditionen dem aktuellen Kreditrisiko weniger anpassen. Dies könnte eine Folge der beziehungsbasierten Durchführung der Bankgeschäfte sein. Das aus einer langfristigen Beziehung entstandene Vertrauen veranlasst die Bank in schwierigen wirtschaftlichen Lagen, ihren Kunden durch eine Verringerung der Kreditzinssätze entgegenzukommen. Die Banken gewähren den Kunden mehr Zeit für die Rückzahlung und fördern so deren wirtschaftliche Erholung. Wenn sich die Lage verbessert hat und das Risiko abnimmt, kann die Bank ohne Gefährdung der Bankbeziehung die Kreditzinssätze wieder erhöhen.902 Die operativen Kosten stellen den einzigen Einflussfaktor dar, bei dem der Interaktionsterm einen positiven Wert aufweist. Der Koeffizient von „stake_efficiency“ beträgt 0.3708 und ist hochsignifikant. Eine solche Ausprägung bedeutet, dass bezüglich dieses Faktors die Zinsmarge von Stakeholder-Banken viel sensitiver als die von Shareholder-Banken ist. Dieses Ergebnis könnte mit der eingeschränkten Durchführung alternativer Geschäfte zu Kredit- und Einlagenprodukten für solche Banken begründet werden.903 Während Shareholder-Banken beispielsweise steigende operative Kosten durch eine Steigerung der Provisionen kompensieren können, sind Stakeholder-Banken aufgrund ihrer Spezialisierung auf das klassische Bankgeschäft mehr zu einer Steigerung der Zinsmarge gezwungen. Als letzter Interaktionsterm betrachtet „stake_mod_dur“ die Beziehung zwischen der Stakeholder-Orientierung und dem Einfluss des Zinsänderungsrisikos auf die Zinsmarge. Der Koeffizient beträgt -0.1644 und ist auf einem fünfprozentigen Niveau signifikant. Auf der anderen Seite gewinnt der Koeffizient von „mod_dur“ im Vergleich zu der FE-Schätzung deutlich an Signifikanz. Insbesondere für Shareholder-Banken ist die Verbesserung ersichtlich, da der Koeffizient hochsignifikant wird.904 Die deutliche Verbesserung der Ergebnisse bestätigt die Wichtig902 903

904

Die Hausbankbeziehung und ihre Verbindung zu den Ansprüchen des Stakeholder „Kundschaft“ werden im Kapitel 4.2.3.2 ausführlich dargestellt. Die empirische Untersuchung von Busch/Kick (2009) beweist das unterschiedliche Ausmaß der Erträge aus Zins- und Provisionsgeschäften für deutsche Privatbanken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften. Vgl. Busch/Kick (2009), S. 1 f. Innerhalb der FE-Schätzung ist „mod_dur“ nur zu 25 % signifikant. Dagegen ist der Koeffizient bei der Hypothese H3 zu 1 % signifikant.

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

339

keit, den Einfluss der sozialen Komponente zu betrachten. Die soziale Komponente wirkt deutlich auf die Sensitivität der Zinsmarge zum Zinsänderungsrisiko und reduziert diese für Stakeholder-Banken. Die Hypothese H3 impliziert eine Verringerung der Zinsmarge aus einer Stakeholder-Orientierung infolge der Verringerung des Einflusses des Kreditrisikos, des Zinsänderungsrisikos, der operativen Kosten und des Geldmarktzinssatzes. Die Darstellung der empirischen Ergebnisse für die vier Interaktionsterme bestätigt diese Hypothese für das Kredit- und das Zinsänderungsrisiko sowie für den Geldmarktzinssatz, wogegen in Bezug auf die operativen Kosten die Hypothese abgelehnt wird. Insgesamt kann von einer lediglich anteiligen Bestätigung der Hypothese ausgegangen werden. Die Analyse der sozialen Komponente wird fortgeführt, indem ihre Abhängigkeit von den regulatorischen Rahmenbedingungen im Rahmen der Überprüfung der Hypothese H4 untersucht wird; die Ergebnisse sind in der dritten Spalte der Tabelle 6.11 enthalten. In Bezug auf die Bestimmungsfaktoren der Zinsmarge ohne Berücksichtigung der sozialen Komponente sind keine großen Abweichungen von den Ergebnissen der Hypothese H2 vorhanden.905 Die Berücksichtigung der sozialen Komponente und die Überprüfung von H4 erfolgen durch die gemeinsame Einführung als Erklärungsvariable von „regulation“ und „social“. Der Koeffizient von „social“ beträgt 0.003057 und ist zu 1 % signifikant. Dies verweist auf eine höhere Zinsmarge für Stakeholder-Banken im Vergleich zu Shareholder-Banken, wenn Erstere einer sehr schwachen Regulierung unterliegen.906 Demzufolge führt die fehlende Regulierung zu einem Missbrauch von Stakeholder-Banken und damit zu einer Vernachlässigung der Ansprüche des Stakeholders „Kundschaft“. Die Variable „regulation“, deren Werte zwischen 0 und 2 liegen, untersucht dagegen den Einfluss der Regulierung auf die Wirkung der sozialen Komponente. Ihr Koeffizient beträgt -0.0026 und ist ebenfalls auf einem 1 %-Niveau signifikant. Dies zeigt, dass ein steigendes Regulierungsniveau von Stakeholder-Banken einen reduzierenden Einfluss auf die Zinsmarge ausübt. Da beide Koeffizienten ein entgegengesetztes Vorzeichen aufweisen, ist die Berechnung des Gesamteinflusses durch die Summe aus beiden Effekten sowie sein Vorzeichen von Interesse. Die folgende Ungleichung enthält die Bedingung für einen reduzierenden Einfluss der Stakeholder-Orientierung auf die Zinsmarge in Abhängigkeit des Wertes von „regulation“.907

905

Nur die Koeffizienten der Variablen „herfindahl“ und „off_balance“ verlieren ihre Signifikanz. In diesem Fall würde die Variable „regulation“ den Wert 0 annehmen, sodass sich die Gesamtwirkung einer Stakeholder-Orientierung nur aus dem Einfluss der Variable „social“ (+0.003057) ergibt. 907 Weil „social“ bei Stakeholder-Banken immer den Wert 1 annimmt, ist ihr Einfluss schon im Koeffizient enthalten. 906

340

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

0.003057 ! 0.0026 * regulation < 0 " regulation > 1.1758

(2.5)

Die Lösung der Ungleichung zeigt, dass der Gesamteffekt der StakeholderOrientierung nur bei einem Wert von „regulation“ größer als 1.1758 negativ ausfällt. Die Variable „regulation“ enthält die Bewertung der Erfüllung zweier unterschiedlicher Kriterien der Regulierung, wobei die vollständige Erfüllung jedes Kriteriums mit einem Punkt bewertet wird. Der Wert von 1.1758 bedeutet, dass für eine reduzierende Wirkung der Stakeholder-Orientierung auf die Zinsmarge jedes Kriterium zumindest anteilig erfüllt werden muss. Demnach wäre beispielsweise nur das erste Kriterium, welches konkrete Aufgaben innerhalb des sozialen Auftrages betrifft, ohne Erfüllung des zweiten Kriteriums über die Bestimmung von Unabhängigkeitskriterien des Managements nicht ausreichend für die Reduzierung der Zinsmarge. Dies bestätigt die Schlussfolgerungen aus dem „Political View“, welcher bei fehlender Regulierung einen Missbrauch von öffentlichen Banken für politische Zwecke beschreibt.908 Auf der anderen Seite würde eine fehlende Beschreibung von konkreten Aufgaben bezüglich des sozialen Auftrags dem Management die Möglichkeit einräumen, von den Ansprüchen der Stakeholder abzusehen und die Bank für ihre eigenen Zwecke zu missbrauchen. Aus der Hypothese H4 wird im Fall einer vollständigen Erfüllung der Regulierungskriterien eine reduzierende Wirkung der Stakeholder-Orientierung auf die Zinsmarge erwartet. Diese Erwartung wird erfüllt, weil der Gesamteinfluss einer StakeholderOrientierung -0.0021 beträgt.909 Demnach führt eine ausführliche Regulierung des sozialen Auftrages sowie der Unabhängigkeit des Managements vom externen Einfluss zu einer Reduzierung der Zinsmarge bei Stakeholder-Banken im Vergleich zu Shareholder-Banken um 0.21 Prozentpunkte. Alle drei Erwartungen der Hypothese H4 werden von den Ergebnissen bestätigt.910 Die Verfügbarkeit einer klaren und ausführlichen Regulierung von Stakeholder-Banken stellt eine notwendige Voraussetzung für die Befriedigung der Ansprüche des Stakeholders „Kundschaft“ auf eine niedrigere Zinsmarge dar. Insgesamt bestätigt die Verifizierung der Hypothesen H2, H3 und H4 in diesem Abschnitt die Existenz und den vermindernden Einfluss der sozialen Komponente. Es wurde durch die positive Überprüfung von H2 ein reduzierender Einfluss der sozialen Komponente auf die Zinsmarge bewiesen. H3 verweist auf einen vermindernden Einfluss der Stakeholder-Orientierung auf die Sensitivität der Zinsmarge zum Geldmarktzinssatz, zum Kreditrisiko und zum Zinsänderungsrisiko. Letztendlich wird im Rahmen der Überprüfung von H4 die fundamentale Rolle der Regu908 909 910

Vgl. Sapienza (2004), S. 380 f. Bei vollständiger Erfüllung beider Kriterien nimmt „regulation“ den Wert 2 an. Aus H4 werden ein positiver Wert von „social“, ein negativer Wert von „regulation“ und ein negativer Gesamteinfluss bei vollständiger Kriterienerfüllung erwartet.

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

341

lierung von Stakeholder-Banken als Voraussetzung für die Erfüllung der Stakeholder Ansprüche hervorgehoben. 6.2.7.3

Vertiefende Tests

Nachdem die soziale Komponente durch Überprüfung der Hypothesen H2 bis H4 die Unterschiede zwischen Stakeholder- und Shareholder-Banken untersucht und die Existenz der sozialen Komponente bewiesen wurde, erfolgt in diesem Abschnitt eine Erweiterung auf zwei ergänzende Fragestellungen. Die erste Frage betrifft nur Stakeholder-Banken und untersucht die Unterschiede zwischen Kreditgenossenschaften und Sparkassen in Bezug auf die soziale Komponente. Diese können aus der unterschiedlichen Ausgestaltung des Förderungsund des öffentlichen Auftrags entstehen: Während sich der öffentliche Auftrag auf die Allgemeinheit bezieht, fokussiert sich der Förderungsauftrag auf die Mitglieder der Genossenschaft.911 Entsprechend der Hypothese H5 führt die unterschiedliche Fokussierung zu einer höheren Zinsmarge bei Kreditgenossenschaften im Vergleich zu Sparkassen. Demnach wird die Förderung der Genossenschaftsmitglieder mit günstigen Zinskonditionen durch Erreichen einer höheren Marge bei Nicht-Mitgliedern finanziert, was sich letztendlich in einer höheren durchschnittlichen Zinsmarge widerspiegelt.912 Der öffentliche Auftrag bezieht sich dagegen unabhängig vom Mitgliedsstatus auf die Allgemeinheit, sodass für seine Erfüllung günstigere Zinskonditionen für alle Kunden und damit eine niedrige Zinsmarge vorhanden sein muss.913 Für die Verifizierung dieser Hypothese wird das Hausman-Taylor-Modell wie in Gleichung (2.2) geschätzt, wobei die Variable „social“ durch die DummyVariable „coop“ ersetzt und die Stichprobe auf Stakeholder-Banken eingeschränkt wird. Die Ergebnisse dieser Schätzung sind in der zweiten Spalte der Tabelle 6.12 enthalten. Aus einem ersten Vergleich der Koeffizientwerte mit den entsprechenden Werten aus der Tabelle 6.12 sind Unterschiede bei „credit_risk“ und „mod_dur“ zu beobachten, welche negativ und hochsignifikant werden.

911

S. Kap. 4.2. Die empirische Untersuchung von Angelini et al. beweist die Unterschiede zwischen den Zinskonditionen für Mitglieder und Nicht-Mitglieder bei italienischen Genossenschaftsbanken. Vgl. Angelini et al. (1998), S. 926 ff. 913 Für eine detaillierte Darstellung der Inhalte des öffentlichen Auftrags s. Kap. 4.2.2. 912

342

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

Tabelle VI.12 – Regressionsergebnisse – Vertiefende Tests Hypothese TVexogenous income inflation credit_risk efficiency market_rate mod_dur equity services off_balance interbank loans election euro gew_haft TVendogenous tot_ass herfindahl growth_loans TIexogenous country coop privat

H5 Koeffizient

S.E.

H6 Koeffizient

S.E.

0.0500 *** -0.0451 *** -0.3445 *** 0.4636 *** -0.0329 *** -0.1495 *** 0.0593 *** -0.0246 *** -0.0001 -0.0001 *** 0.0011 *** 0.0001 ** -0.0017 *** 0.0004 ***

0.002 0.004 0.007 0.005 0.002 0.052 0.002 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000

0.0498 *** -0.0456 *** -0.3459 *** 0.4665 *** -0.0295 *** -0.1182 ** 0.0592 *** -0.0249 *** 0.0000 -0.0001 *** 0.0014 *** 0.0001 *** -0.0017 *** 0.0005 ***

0.002 0.003 0.007 0.005 0.002 0.052 0.002 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000 0.000

-0.0015 *** -0.0038 *** -0.0002 ***

0.000 0.001 0.000

-0.0012 *** -0.0034 *** -0.0002 ***

0.000 0.001 0.000

-0.0008 *** -0.0020 ***

0.000 0.000

-0.0004

0.000

0.00445 ***

0.001

0.02645 ***

0.001

Konstante

0.0304 ***

Beobachtungen

19768

0.001

20143

Abhängige Variable: Zinsmarge (nim) Beide Schätzungen verwenden das Hausman-Taylor-Verfahren. TVexogenous gruppiert die zeitvarianten exogenen Variablen und TIexogenous die zeitkonstanten exogenen Variablen. TVendogenous enthält die zeitvarianten endogenen Variablen, welche eine Korrelation mit der individuumspezifischen Komponente aufweisen. *=signifikant zu einem 10 % Niveau, **=signifikant zu einem 5 % Niveau, *=signifikant zu einem 1 % Niveau Quelle: Eigene Bearbeitung auf Basis der Daten aus der Bankscope-Datenbank, Bureau van Dijk Electronic Publishing

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

343

Die Koeffizienten aller anderen Einflussfaktoren und ihre Signifikanz weichen dagegen wenig ab.914 Berücksichtigt man die Einschränkung der Stichprobe, bestätigt diese Änderung die Schlussfolgerungen aus der Hypothese H3: Die soziale Komponente wirkt sich hauptsächlich auf den Einfluss des Kredit- und des Zinsänderungsrisikos auf die Zinsmarge aus, während die üblichen Faktoren von ihrem Einfluss nicht betroffen sind. Laut H5 wäre ein positiver und signifikanter Koeffizient von „coop“ zu erwarten, welcher auf eine höhere Zinsmarge bei Kreditgenossenschaften hinweisen würde. Die Ergebnisse widersprechen jedoch dieser Erwartung, weil der Koeffizient 0.0019 beträgt und hochsignifikant ist. Dementsprechend führt die Verifizierung von H5 zu ihrer Ablehnung. Die Fokussierung der Kreditgenossenschaften auf die Förderung ihrer eigenen Mitglieder führt nicht wie erwartet zu einer höheren Zinsmarge. Die Fokussierung ermöglicht laut den Ergebnissen die Gewährung von günstigeren Konditionen an die Kundschaft, welche sich in einer niedrigeren Zinsmarge widerspiegeln. Auf Basis der verfügbaren Daten sind allerdings genauere Aussagen über die Erfüllung des sozialen Auftrags von Kreditgenossenschaften im Vergleich zu Sparkassen nicht möglich. Da der Stakeholder „Kundschaft“ sowohl aus Mitgliedern als auch aus Nicht-Mitgliedern besteht, sollten wie in der Untersuchung von Angelini et al. (1998) detaillierte Daten mit einer Unterscheidung zwischen Zinskonditionen für Mitglieder und für Nicht Mitglieder vorliegen. Dadurch könnten die Zinskonditionen beider Gruppen miteinander verglichen und auf deren Basis die Erfüllung der Ansprüche dieses Stakeholders bewertet werden. Die zweite Untersuchung dieses Abschnitts beschäftigt sich mit der Frage, ob die Rechtsform einer Sparkasse oder einer Genossenschaftsbank einen Einfluss auf die soziale Komponente ausübt. Dies betrifft insbesondere Sparkassen bzw. Genossenschaftsbanken mit der Rechtsform einer Aktiengesellschaft, welche einerseits den sozialen Auftrag erfüllen müssen und andererseits ihre Shareholder entlohnen müssen.915 Laut Hypothese H6 führt die Teilung ihrer Zielstellung und die Notwendigkeit der Gewinnerzielung zu einer zweitrangigen Bedienung des Stakeholders „Kundschaft“, welche sich in einer im Vergleich zu den anderen Sparkassen und Genossenschaftsbanken höheren Zinsmarge zeigt. Die Überprüfung von H6 erfolgt wie bei H5 durch das Hausman-Taylor-Modell. Die Stichprobe wird auf Sparkassen und Genossenschaftsbanken eingeschränkt und die Institute mit der Rechtsform einer AG werden durch die Dummy-Variable „privat“ identifi-

914 915

Ein zusätzlicher Unterschied betrifft „off_balance“, deren Koeffizient nicht signifikant ist. Postigliola (2007) beschäftigt sich ebenfalls mit der Frage, inwieweit die Privatisierung die Zielsetzung einer Bank umwandelt und zu einer Priorisierung der Renditeerzielung führt. Vgl. Postigliola (2007), S. 145 ff.

344

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

ziert.916 Eine Bestätigung von H6 ergibt sich dann bei einem positiven und signifikanten Koeffizient von „privat“. Die Ergebnisse in Tabelle 6.12 unterscheiden sich in Bezug auf die endogenen Variablen kaum von den Ergebnissen aus der Verifizierung von H5. Ebenfalls bei H6 üben „credit_risk“ und „mod_dur“ einen negativen Einfluss auf die Zinsmarge aus und „off_balance“ verliert an Signifikanz. In Bezug auf die exogenen Variablen verliert der Koeffizient der Variable „country“ an Signifikanz. Dies ist wahrscheinlich der Kollinearität mit der Variablen „privat“ geschuldet, weil alle Sparkassen und Genossenschaftsbanken mit der Rechtsform einer AG in Italien angesiedelt sind.917 Die Nicht-Signifikanz von „country“ zeigt demnach, dass der Einfluss der länderspezifischen Merkmale schon durch die Variable „privat” berücksichtigt wird und dass dieser besonders ausgeprägt für AG-Institute ist. Für alle anderen Banken in der eingeschränkten Stichprobe verlieren dagegen solche Merkmale an Bedeutung, was die starke Ähnlichkeit zwischen deutschen und italienischen Sparkassen bzw. Genossenschaften ohne AG-Rechtsform zum Ausdruck bringt. Die Variable „privat“ hat einen positiven Koeffizient und ist zu einem einprozentigen Niveau signifikant, womit H6 bestätigt wird. Die AGRechtsform einer Sparkasse oder einer Genossenschaftsbank reduziert demnach den Einfluss der sozialen Komponente, weil aufgrund der Notwendigkeit einer Gewinnerzielung eine höhere Zinsmarge erreicht werden muss. Insgesamt zeigen sich sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede zwischen Sparkassen und Kreditgenossenschaften mit und ohne einer AG-Rechtsform bezüglich der Einflussfaktoren der Zinsmarge. Einerseits bestätigt der negative und signifikante Einfluss des Zinsänderungsrisikos und des Kreditrisikos auch für AGInstitute die Wirkung der sozialen Komponente und unterscheidet letztere von den Privatbanken. Andererseits führt die Berücksichtigung der Ansprüche der Shareholder zu einer Dämpfung der Wirkung der sozialen Komponente und damit zu einer schlechteren Bedienung des Stakeholders „Kundschaft“. Zusammenfassend werden in diesem Abschnitt zwei Hypothesen getestet. Die erste beschäftigt sich mit den Unterschieden zwischen Sparkassen und Kreditgenossenschaften in Bezug auf die durch den sozialen Auftrag zu berücksichtigen Stakeholder und ihre Auswirkungen auf die Zinsmarge. Die Annahme der Hypothese H5, dass die Einschränkung des Förderungsauftrages von Kreditgenossenschaften auf ihre Mitglieder zu einer höheren Zinsmarge führt, wird durch die empirische Analyse abgelehnt. Die Hypothese H6 vergleicht Sparkassen und Kreditgenossen916 917

Innerhalb der Stichprobe sind 604 Beobachtungen enthalten, bei denen Sparkassen bzw. Genossenschaftsbanken in Form einer AG auftreten. Man spricht von Kollinearität, wenn „zwischen zwei exogenen Variablen eine lineare Beziehung besteht“ (Von Auer, 2007, S. 143). In solchem Fall ist eine Abhängigkeit zwischen der Entwicklung beider Variablen vorhanden. Vgl. Verbeek (2012), S. 43 f.

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

345

schaften mit und ohne eine aktiengesellschaftliche Rechtsform und zielt dadurch auf die Untersuchung der Auswirkungen einer Gewinnorientierung auf die Umsetzung des sozialen Auftrags. Die Erwartung eines positiven Einflusses auf die Zinsmarge aus H6 wird von den Ergebnissen bestätigt: Eine aktiengesellschaftliche Rechtsform führt bei Sparkassen und Kreditgenossenschaften zu einer höheren Zinsmarge und schränkt die Umsetzung des sozialen Auftrags ein. 6.2.8 Zwischenfazit Die empirische Untersuchung der Zinsmarge erfolgt in diesem Kapitel durch die Entwicklung von drei empirischen Modellen unter Verwendung von Bilanz- und GuV-Kennzahlen aus der Bankscope-Datenbank, Bureau van Dijk Electronic Publishing. Um eine Vergleichbarkeit mit dem vorigen Kapitel zu ermöglichen, wird für jede Variable des theoretischen Modells ein empirisches Äquivalent generiert und wird der zu erwartende Einfluss sowie der zugrunde liegende ökonomischer Hintergrund dargestellt. Die generierten Faktoren werden dabei in vier Kategorien aufgeteilt: •

Makroökonomische Faktoren (das dauerhafte Einkommen „income“ und die Inflationsrate „inflation“)



Bankspezifische Faktoren (das Kreditrisiko „credit_risk“ und die operativen Kosten „efficiency“)



Finanzmarktabhängige Faktoren (der Geldmarktzinssatz „market_rate“ und das Zinsänderungsrisiko „mod_dur“)



Orientierungsabhängige Faktoren (die Identifikationsvariable für StakeholderBanken „social” und ihre Interaktionsterme, die Regulierungsvariable „regulation“)

In Anlehnung an die empirische Literatur über die Zinsmarge wird zusätzlich zu den aufgelisteten vier Kategorien die Kategorie der Kontrollfaktoren hinzugefügt.918 Diese enthält empirische Variablen, deren Rolle für die Bestimmung der Zinsmarge innerhalb mehrerer empirischer Untersuchungen bewiesen wurde, und ermöglicht durch die Berücksichtigung und Entfernung ihres Einflusses eine bessere Hervorhebung der Wirkung theoretisch fundierter Faktoren.919 Nachfolgend 918 919

Eine Übersicht der Literatur über die Zinsmarge ist im Kapitel 6.1.1 zu finden. Vgl. bspw. Entrop et al. (2012), S. 3 f. Im Kap. 6.2.4.5 werden für jeden Kontrollfaktor die zugehörige Literaturquelle sowie die Erklärung seines Einflusses ausführlich dargestellt.

346

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

werden die deskriptiven Statistiken der verwendeten Variablen durch eine Beschreibung ihres Medianwertes, ihrer Standardabweichung und des 10ten sowie des 90ten Perzentilwertes dargestellt. Für die mikroökonomischen Variablen werden zusätzlich zu den Werten für die gesamte Stichprobe ebenfalls die einzelnen Werte für Privatbanken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften angegeben. Ihr Vergleich ermöglicht eine erste Untersuchung der Gruppenunterschiede in Bezug auf die Ausprägung der Bestimmungsfaktoren und ihre Beziehung zur Zinsmarge. Nach der Darstellung der Variablen und ihrer deskriptiven Statistiken werden im Abschnitt 6.2.6 die empirische Methodik und die verwendeten Verfahren und deren Eigenschaften ausführlich beschrieben. Dabei wird das Fixed Effects und das Hausman-Taylor-Verfahren behandelt, welche dann in der Entwicklung von drei unterschiedlichen empirischen Modellen Anwendung finden.920 Der Kern der empirischen Untersuchung besteht aus der Verifizierung von sechs aufgestellten Hypothesen (H1 bis H6), deren Gültigkeit durch die Schätzung der verschiedenen Modelle überprüft wird. Wie aus der Tabelle 6.13 ersichtlich ist, beschäftigen sich die sechs Hypothesen mit unterschiedlichen Fragestellungen bezüglich der Wirkung einer Stakeholder-Orientierung. Ihre theoretische Fundierung stammt aus den Erkenntnissen der theoretischen Modellierung der Zinsmarge, sodass ihre Untersuchung ebenfalls eine Überprüfung der Gültigkeit dieser Modellierung und ihrer Schlussfolgerungen ermöglicht.

920

Man bezieht sich auf die Gleichungen (2.2) bis (2.4).

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

347

Tabelle VI.13 – Übersicht der empirischen Hypothesen und ihrer Ergebnisse

Hypothese

Beschreibung

Ergebnis

H1

Stakeholder-Banken unterscheiden sich von Shareholder-Banken bezüglich der Reaktivität der Zinsmarge auf das Kreditrisiko, das Zinsänderungsrisiko, die operativen Kosten und den Geldmarktzinssatz

Teilweise bestätigt

H2

Eine Stakeholder-Orientierung führt zu einer Verringerung der Intermediationskosten im Bankgeschäft durch die Erreichung einer niedrigeren Zinsmarge

Bestätigt

H3

Die Stakeholder-Orientierung verringert die Zinsmarge durch die Reduzierung des Einflusses des Kreditrisikos, des Zinsänderungsrisikos, der operativen Kosten und des Geldmarktzinssatzes

Teilweise bestätigt

H4

Eine Stakeholder-Orientierung des Bankgeschäftes führt nur im Fall einer ausreichenden Regulierung von Stakeholder-Banken zu einer Reduzierung der Intermediationskosten

Bestätigt

H5

Die Einschränkung des Förderungsauftrags auf die Mitglieder bei Kreditgenossenschaften führt im VerAbgelehnt gleich zu Sparkassen zu teureren Zinskonditionen und damit zu einer höheren Zinsmarge

H6

Die Rechtsform einer „Aktiengesellschaft“ für Sparkassen und Kreditgenossenschaften führt zu einer schlechteren Bedienung des Stakeholder „Kundschaft“ durch das Verlangen einer höheren Zinsmarge

Bestätigt

348

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

Im Rahmen der Überprüfung der ersten Hypothese H1 erfolgt eine Schätzung des Modells (2.2) mittels FE-Verfahren sowohl für die gesamte Stichprobe als auch für jede der drei Bankengruppen. Die Schätzung für die gesamte Stichprobe dient dabei als einleitend und zielt auf eine allgemeine Verifizierung der Gültigkeit des Modells und des Einflusses aller theoretisch fundierten Einflussfaktoren. Das Modell erweist sich dabei als valide, weil es eine hohe Erklärungskraft besitzt und fast alle Variablen das erwartete Vorzeichen aufweisen. Im Unterschied zu den nachfolgenden Hypothesen, bei denen der Einfluss einer Stakeholder-Orientierung auf die Zinsmarge durch die Einführung von orientierungsabhängigen Faktoren untersucht wird, erfolgt die Verifizierung von H1 durch den Vergleich der Koeffizienten jeder Bankengruppe. Die Ergebnisse deuten auf Unterschiede bezüglich des Zinsänderungsrisikos, des Kreditrisikos und des Geldmarktzinssatzes zwischen Sparkassen bzw. Genossenschaftsbanken und Privatbanken. Dagegen bestehen keine bedeutenden Unterschiede bezüglich der operativen Kosten, sodass H1 nur teilweise bestätigt wird. Eine explizite Analyse der sozialen Komponente wird im Rahmen der Überprüfung der Hypothesen H2-H4 durch das HT-Verfahren durchgeführt. Es wird in Übereinstimmung mit dem theoretischen Modell eine reduzierende Wirkung der sozialen Komponente aus einer Stakeholder-Orientierung durch die Bestätigung von H2 bewiesen. Demnach erzielen Stakeholder-Banken im Vergleich zu Shareholder-Banken bei gleicher Ausprägung der makroökonomischen Bedingungen und der Risikofaktoren eine niedrigere Zinsmarge. Dieses Ergebnis stimmt mit den Erwartungen überein, weil sich die Berücksichtigung der Ansprüche des Stakeholders „Kundschaft“ auf günstige Zinskonditionen innerhalb der Zielstellung von Stakeholder-Banken in einer niedrigeren Zinsmarge widerspiegeln müsste.921 Während H2 sich mit der Überprüfung des allgemeinen Einflusses der sozialen Komponente beschäftigt, setzt H3 die im Rahmen von H1 begonnene Untersuchung der Unterschiede bezüglich vier wichtiger Einflussfaktoren fort. Die Hypothese H3 wird teilweise bestätigt und die Ergebnisse weisen auf einen negativen Einfluss der sozialen Komponente auf alle Faktoren außer den operativen Kosten hin. Demnach reduziert die Stakeholder-Orientierung die Reaktivität der Zinsmarge zum Kreditrisiko, zum Zinsänderungsrisiko und zum Geldmarktzinssatz. Die erfolgreiche Verifizierung von H4 bestätigt die unentbehrliche Rolle der Regulierung für eine reduzierende Wirkung der sozialen Komponente, wie aus dem theoretischen Modell zu erwarten war. Nur wenn die Inhalte des sozialen Auftrags und die Unabhängigkeit des Managements vom externen politischen Einfluss aus921

Barros/Modesto (1999) beweisen ebenfalls für öffentliche Banken das Gewähren günstiger Zinskonditionen als Folge ihrer von der Gewinnerzielung unterschiedlichen Zielsetzung. Vgl. Barros/Modesto (1999), S. 871.

VI.

DER EINFLUSS DER STAKEHOLDER-ORIENTIERUNG AUF DIE ZINSMARGE

349

führlich reguliert werden, reduziert die Stakeholder-Orientierung die Zinsmarge und trägt somit zur Reduzierung der Intermediationskosten und zur Steigerung der sozialen Wohlfahrt bei. Wenn dagegen einer der beiden Aspekte nicht oder wenig reguliert wird, führt die Stakeholder-Orientierung zu einer höheren Zinsmarge. Diese Erkenntnis stimmt mit dem „Agency View“ überein, welcher in Bezug auf öffentliche Banken eine ausführliche Regulierung als Voraussetzung für die Vermeidung eines Missbrauches solcher Banken und für einen positiven Einfluss auf die soziale Wohlfahrt festlegt.922 Nach der Analyse der sozialen Komponente beschäftigt sich die Hypothese H5 mit den Unterschieden zwischen den Stakeholder-Banken und vergleicht die Zinsmarge von Sparkassen und Kreditgenossenschaften. Die Erwartung einer höheren durchschnittlichen Zinsmarge bei Kreditgenossenschaften als Folge der Subventionierung der Mitgliedsförderung durch teurere Zinskonditionen für NichtMitglieder wird im Rahmen der Überprüfung abgelehnt. Dies deutet darauf hin, dass bei gleicher Ausprägung der anderen Bestimmungsfaktoren Kreditgenossenschaften eine niedrigere Zinsmarge im Vergleich zu Sparkassen erzielen.923 Um die Gültigkeit dieser Erkenntnis zu verifizieren, müssten die Zinskonditionen für Mitglieder und für Nicht-Mitglieder im Rahmen einer zusätzlichen Untersuchung mit detaillierteren Daten analysiert werden. Nur damit könnte man überprüfen, ob trotz der Einschränkung des Förderungsauftrages die Ansprüche des Stakeholders „Kundschaft“ in ihrer Gesamtheit erfüllt werden. Die erfolgreiche Überprüfung der letzten Hypothese H6 bestätigt die Wichtigkeit der Rechtsform für die Durchführung des sozialen Auftrags. Die Einführung einer AG-Rechtsform für Sparkassen oder für Kreditgenossenschaften führt zur Notwendigkeit einer Gewinnerzielung, welche auch durch eine höhere Zinsmarge erreicht wird. Zusammenfassend beweist die empirische Untersuchung die Existenz einer sozialen Komponente bei Stakeholder-Banken und einen negativen Einfluss auf die Zinsmarge und bestätigt damit die Erwartungen aus dem theoretischen Modell.924 Die soziale Komponente reduziert den Einfluss des Kreditrisikos, des Zinsänderungsrisikos und des Geldmarktzinssatzes auf die Zinsmarge. Es müssen allerdings für eine erfolgreiche Umsetzung des sozialen Auftrags geeignete regulatorische Rahmenbedingungen vorliegen, welche konkrete Aufgaben festlegen und die Unabhängigkeit des Managements garantieren.925 Unter Einbehaltung dieser Voraussetzung werden die Ansprüche des Stakeholders „Kundschaft“ auf günstige Zinskonditionen durch die Tätigkeit von Stakeholder-Banken befriedigt. 922

Der Agency View ist Gegenstand des Kapitels 3.5. Vgl. bspw. Yeyati et al. (2004), S. 25 f. Ferri et al. (2012) beweisen die Existenz von bedeutenden Unterschieden zwischen StakeholderBanken. Vgl. Ferri et al. (2012), S. 18 ff. 924 Man bezieht sich auf den Inhalt des Kapitels 6.1.2.4. 925 Beide Aspekte werden innerhalb des „Agency View“ diskutiert. Vgl. bspw. Yeyati et al., S. 25. 923

VII.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

351

VII. Zusammenfassung und Ausblick 7.1 Zusammenfassung und zentrale Ergebnisse Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist eine zeitgemäße theoretische und empirische Untersuchung der Rolle von Stakeholder-Banken im europäischen Kontext und ihrer Wirkung auf die soziale Wohlfahrt durch die Erfüllung der StakeholderAnsprüche. Schwerpunkte bilden die theoretische Fundierung, die gesetzliche Regelung und die empirische Umsetzung ihrer sozialen Funktion am Beispiel von zwei europäischen Ländern: Deutschland und Italien. Die Analyse der letzten beiden Aspekte erfolgt für das deutsche Bankensystem durch den Vergleich der Berücksichtigung der Stakeholder-Ansprüche bei Sparkassen und bei Kreditgenossenschaften in der heutigen Zeit. Für das italienische Bankensystem wird hingegen die historische Entwicklung analysiert, um die Auswirkungen des Privatisierungsprozesses der 90er Jahre öffentlicher Banken für die verschiedenen Stakeholder zu verdeutlichen. Die Ausprägung der Stakeholder-Orientierung auf die Zinsmarge wird untersucht. Der Forschungsschwerpunkt liegt dabei auf der „Kundschaft“ als analysierter Stakeholder-Gruppe. Es werden sowohl ein modelltheoretischer als auch ein regressions-basierter Ansatz verwendet. Im Folgenden werden die wichtigsten Ergebnisse aus der Arbeit zusammengefasst.

7.1.1 Vergleichende Analyse Ausgangspunkt der Arbeit ist eine Darstellung der historischen Entwicklung und der heutigen Struktur des deutschen und des italienischen Bankensystems, um die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den Elementen beider Systeme herauszuarbeiten. Der erste Teil der Darstellung untersucht die Ausprägung der Finanzintermediation in beiden Ländern durch den Vergleich von Kennzahlen über die Rolle von Finanzintermediären und die Art der Finanzierung (Außen- vs. Innenfinanzierung) von Haushalten und Unternehmen. Italienische Unternehmen und Haushalte sind von einer deutlichen Dominanz der Innenfinanzierung geprägt, wogegen der Anteil der Außenfinanzierung im Vergleich zu deutschen Unternehmen und Haushalten deutlich geringer ausfällt. Im Fall einer Inanspruchnahme der Außenfinanzierung werden in Italien kurzfristige Finanzierungsformen bevorzugt. In Deutschland herrscht dagegen die Außenfinanzierung vor, welche hauptsächlich durch langfristige Kredite erfolgt. Diese Unterschiede spiegeln sich in der Art der intermedierten Geschäfte wider. Während in den letzten Jahren das Provisionsund Kommissionsgeschäft in Italien deutlich an Bedeutung zunahm, verteidigte

352

VII.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

das Zinsgeschäft in Deutschland seinen dominanten Platz. Der zweite Teil der Darstellung fokussiert auf die Zusammensetzung des jeweiligen Bankenmarktes durch Untersuchung der Bilanz- und Ertragsstruktur. Die Zugehörigkeit der Banken beider Länder zu einem gemeinsamen europäischen Bankenmarkt hat in den letzten Jahren zu einem steigenden Wettbewerbsniveau und zu einer zunehmenden Integration zwischen den Instituten geführt. Dennoch prägen nationale Merkmale die heutige Struktur und insbesondere die Aufteilung des Bankenmarktes zwischen den verschiedenen Gruppen, was eine Folge der unterschiedlichen historischen Ereignisse darstellt. Deutschland ist durch das Drei-Säulen-Modell gekennzeichnet, das über die Jahre erhalten blieb und deren Mitglieder Kreditbanken, Sparkassen und Kreditgenossenschaften sind. Die Säulen unterscheiden sich voneinander hinsichtlich ihrer historischen Entwicklung, ihrer Gründungsziele sowie ihrer Kundschaft. Kreditbanken besitzen eine größere Bilanzsumme, eine ausgeglichene Aufteilung der Aktiva zwischen Kunden-, Interbankenmarkt- und Handelsgeschäft sowie eine zunehmende Inanspruchnahme von Kundeneinlagen für ihre Refinanzierung. Trotz eines dominanten Zinsüberschusses stammt ein im Vergleich zu den anderen Säulen hoher Anteil ihres Überschusses aus dem Provisionsgeschäft. Außerdem weisen die Indikatoren auf eine niedrige Rentabilität dieser Bankengruppe hin. Dagegen ist bei den Sparkassen und den Kreditgenossenschaften das Zinsgeschäft sowohl innerhalb der Aktiva als auch innerhalb der Passiva vorherrschend. Ihre starke Marktpräsenz in diesem Bereich ermöglicht ihnen einen hohen Zinsüberschuss, der sich in einem hohen Jahresüberschuss und in einer niedrigen Kosten/Ertrags-Ratio widerspiegelt. Das Provisionsgeschäft spielt eine residuale Rolle und liefert einen residualen Beitrag zum Jahresüberschuss. Insgesamt sind alle drei Bankengruppen innerhalb des Bankenmarktes von Bedeutung, wobei insbesondere im Kredit- und Einlagengeschäft eine ausgeglichene Aufteilung des Marktes herrscht. Eine ausgeglichene Aufteilung ist dagegen innerhalb des italienischen Bankenmarktes aktuell nicht mehr zu finden. Während im 20. Jahrhundert öffentliche Banken den Markt dominierten und die Institute bezüglich Zielkundschaft und Geschäftsart hochgradig spezialisiert waren, hat die Privatisierungswelle der 90er Jahre zu einem fast vollständigen Verschwinden der öffentlich-rechtlichen Banken und zur Entstehung gewinnorientierter Bank-Holdings geführt. Der Konsolidierungsprozess wirkte ebenfalls auf Volksbanken, welche durch die Umwandlung in Aktiengesellschaften und die Fusion mit Privatbanken die ursprüngliche genossenschaftliche Leitidee verließen. Als Folge dieser Ereignisse dominieren gegenwärtig gewinnorientierte Banken mit einem Anteil von 94 % den italienischen Bankenmarkt, wogegen Kreditgenossenschaften nur noch eine geringe Rolle spielen. Außerdem verlor bei Großbanken das klassische Kredit- und Einlagengeschäft an Bedeutung und wurde zunehmend durch das Provisionsgeschäft ersetzt, wel-

VII.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

353

ches bis zum Zeitpunkt der Finanzkrise ein hohes Rentabilitätsniveau ermöglichte. Dagegen blieben Kreditgenossenschaften ihrem klassischen Geschäft treu und wurden oft wegen ihrer mäßigen Ergebnisse kritisiert. Nach der Finanzkrise verschlechterte sich die Ertragslage von Großbanken, wogegen die Entwicklung von Kreditgenossenschaften stabil blieb. Deswegen wurde die Kritik an den Kreditgenossenschaften revidiert. Insgesamt verdeutlicht die Darstellung, dass heute in beiden Ländern sowohl Shareholder- als auch Stakeholder-Banken mit einer unterschiedlichen Geschäftsausrichtung tätig sind. Für beide Bankenarten besteht eine ausgeprägte Ähnlichkeit zwischen Deutschland und Italien bezüglich der Bilanz- und Ertragsstruktur. 7.1.2 Theoretisch-deduktive Analyse Des Weiteren beschränkt sich der theoretische Teil auf die Analyse öffentlicher Banken als Vertreter von Stakeholder-Banken. Die verschiedenen Ansätze zur Rechtfertigung ihrer Existenz werden dargestellt. Daraus werden die Funktionen von öffentlichen Banken für das Erreichen der sozialen, wirtschaftspolitischen und makroökonomischen Ziele hergeleitet. Der Vergleich der fünf verschiedenen Ansätze verdeutlicht, dass ihr Eingriff und ihr Beitrag zur sozialen Wohlfahrt innerhalb der Literatur sowohl positiv als auch negativ beurteilt wird. Der „Social View“ verweist auf die Rolle von öffentlichen Banken für die Korrektur von sieben endemischen Marktversagen, welche sich aus der fundamentalen Rolle von Informationen innerhalb des Finanzmarktes ergeben. Die Eigenschaften der NichtAusschließbarkeit und der Nicht-Rivalität von Informationen, welche als öffentliches Gut beschrieben werden können, führen in einem privaten Markt aufgrund der entstehenden asymmetrischen Information zu einer suboptimalen Produktion von Informationen und zu einem Angebot von Finanzprodukten, was wiederum letztendlich in einem pareto-ineffizienten Gleichgewicht mündet. Aus sozialer Sicht ist insbesondere die Berücksichtigung positiver Externalitäten entscheidend, welche zu einer Unterscheidung zwischen sozialer und privater Rendite führen. Externalitäten stellen die positiven Nebeneffekte aus der Finanzierung sozialer Projekten dar; sie werden innerhalb des Optimierungskalküls eines gewinnorientierten Marktteilnehmers nicht mit einbezogen, was zu einer Unterfinanzierung dieser Projekte führen kann. Dieser Finanzierungsbedarf kann von öffentlichen Banken gedeckt werden, weil diese nicht zur Gewinnerzielung verpflichtet sind und die positiven Externalitäten solcher Projekten berücksichtigen können. Bei dem „Development View“ wird die historische Rolle von öffentlichen Banken für die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung hervorgehoben, insbesondere in Ländern mit einem unterentwickelten Finanzmarkt und wenig Vertrauen in die privaten Marktakteure. Aufgrund ihres öffentlichen Charakters und ihrer besonde-

354

VII.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

ren Anreizstruktur neigt das Management öffentlicher Banken im Vergleich zu Privatbanken weniger zu einem Moral-Hazard-Verhalten, sodass sich das notwendige Vertrauen der Bevölkerung in den Bankenmarkt entwickeln kann. Im Ergebnis wird der Prozess der Kapitalakkumulation durch eine bessere Umsetzung der Allokations- und Transformationsfunktion verbessert und dadurch die wirtschaftliche Entwicklung gefördert. Der „Macroeconomic View“ liefert eine Rechtfertigung von öffentlichen Banken, basierend auf der Erfüllung von zwei makroökonomischen Funktionen. Die erste Funktion betrifft die Rolle als Instrument zur Stabilitätserhaltung der Finanzmärkte. Dank der Bonität des öffentlichen Eigentümers und ihrem vom Interbankenmarkt unabhängigen Refinanzierungsmodell können öffentliche Banken auch in Krisenzeiten über die notwendige Liquidität verfügen und durch ihr Kreditangebot zur Stabilisierung des Finanzmarktes positiv beitragen. Die zweite Funktion betrachtet öffentliche Banken als Instrument zur Umsetzung von geldpolitischen Maßnahmen und verweist auf ihre Eignung als Geldschöpfungsmultiplikator, insbesondere wenn Geschäftsbanken ihr Kreditangebot stark einschränken und die Kreditversorgung der Wirtschaft gefährdet wird. In solchen Fällen kann der Staat durch das öffentliche Bankeigentum die Effektivität von geldpolitischen Maßnahmen verbessern und exzessive zyklische Schwankungen im Geldangebot vermeiden. Während diese drei Ansätze die Existenz öffentlicher Banken mit den Korrekturund Förderungsfunktionen rechtfertigen, widerspricht der „Political View“ diesen positiven Sichtweisen. Diesem Ansatz gemäß werden von öffentlichen Banken weder soziale noch wirtschafts- oder geldpolitische Ziele verfolgt. Öffentliche Banken stellen in erster Linie vielmehr ein Instrument der regierenden Partei zur Erreichung politischer und persönlicher Ziele dar. Diese Verzerrung der Zielverfolgung ergibt sich aus dem Konflikt zwischen den sozialen Zielen der Bürger (Eigentümer) und den politischen Zielen der Regierung, welche für die Leitung der Bank zuständig ist. In Bezug auf die soziale Wohlfahrt führt dieser Konflikt zu einer suboptimalen Verwendung der Bankressourcen, sodass die Leistung von öffentlichen Banken negativ beurteilt wird. Der „Agency View“ fasst die Elemente aus beiden Literatursträngen zusammen und liefert eine Bewertung von öffentlichen Banken, welche sich auf den Vergleich zwischen allokativen Effizienzgewinnen und betriebswirtschaftlichen Effizienzverlusten stützt. Demnach besteht ein Trade-Off zwischen der Steigerung der allokativen Effizienz aus der Verfolgung sozialer, wirtschafts- und geldpolitischer Ziele und aus der Korrektur von Marktversagen einerseits und der sinkenden betriebswirtschaftlichen Effizienz aus dem Missbrauch öffentlicher Banken für die Verfolgung politischer Ziele andererseits. Ein positiver Nettoeffekt des Eingriffes öffentlicher Banken auf die soziale Wohlfahrt ist daher nur möglich, wenn die allokativen Effizienzgewinne die Effizienzverluste übersteigen. In Anlehnung an den „Political View“ wird auf die

VII.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

355

Trennung zwischen dem Eigentum der Steuerzahler (Prinzipal) und der Leitung bzw. Kontrolle von öffentlichen Banken durch die regierende Partei (Agent) verwiesen, wobei Raum für steigende Informationsasymmetrie und schwache Transparenz entsteht. Die Regierung hat aus diesem Grund eine doppelte Rolle inne: einerseits als Agent für die Steuerzahler und andererseits als Prinzipal des Bankmanagements. Hierdurch setzen sich öffentliche Banken sowohl mit dem AgencyKonflikt zwischen Management und Regierung als auch mit dem Agency-Konflikt zwischen Regierung und Steuerzahlern auseinander. Nur durch eine transparente Regelung des Auftrages von öffentlichen Banken und eine stetige Kontrolle ihrer Leistung kann eine ausreichende Transparenz erreicht werden, welche eine Einschränkung der Effizienzverluste, die Erreichung von allokativen Effizienzgewinnen und letztendlich eine Steigerung der sozialen Wohlfahrt fördert.

7.1.3 Theoretisch-induktive Analyse Die eben skizzierten theoretischen Erkenntnisse werden anhand der deutschen Sparkassen und der italienischen Sparkassen-Stiftungen durch eine theoretischinduktive Analyse untersucht. Dafür erfolgt zunächst die Einordnung von Sparkassen in die Gruppe der Stakeholder-Banken, welche sich auf ihre mehrstufige Zielsystematik und insbesondere auf die Zweitrangigkeit der Gewinnerzielung gegenüber der Verfolgung des sozialen Auftrags bezieht. In der Literatur werden Stakeholder-Banken als Banken definiert, die aufgrund ihrer besonderen Geschäftsausrichtung auf die Maximierung der Interessen verschiedener Stakeholder ausgerichtet sind. Dieser Begriff wird sowohl für Sparkassen als auch für Genossenschaftsbanken verwendet. Das Management dieser Banken verfolgt einen „Double-bottom line“-Ansatz, welcher die Renditeerzielung als Instrument zur Verfolgung nicht finanzieller Ziele definiert. In einer Fallstudie werden Untersuchungen zur Regelung des öffentlichen Auftrages in Deutschland und des sozialen Auftrages in Italien vorgenommen. Dies erfolgt aus historischer sowie heutiger Sicht. Letztere wird in einem zweiten Schritt neu interpretiert, indem aus jeder im Kapitel 3 dargestellten sozialen, wirtschaftspolitischen und makroökonomischen Funktion öffentlicher Banken die verschiedenen Ansprüche der unterschiedlichen Stakeholder hergeleitet werden. Jeder Teil des öffentlichen/sozialen Auftrages und der sich daraus ergebenden Geschäftspolitik wird einer Bewertung unterzogen, bei der ein Abgleich zwischen den Ansprüchen verschiedener Stakeholder und ihrer tatsächlichen Berücksichtigung innerhalb der verschiedenen Teile stattfindet. Die historische Darstellung des Aufgabenbereiches deutscher Sparkassen hebt die ständige Erweiterung ihrer Aufgabenfelder hervor. War das Geschäft ursprünglich auf die Kreditversorgung ärmerer Bevölkerungsschichten beschränkt, so wurde es

356

VII.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

entsprechend dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Fortschritt ständig angepasst, sodass Sparkassen sukzessive in moderne Universalbanken mit einer öffentlichen Aufgabenstellung umgewandelt wurden. Diese öffentliche Aufgabenstellung wird innerhalb der Sparkassengesetze der jeweiligen Bundesländer unterschiedlich ausführlich definiert. In fast allen Bundesländern werden Sparkassen zu einer flächendeckenden, angemessenen und ausreichenden Versorgung der Bevölkerung, der Wirtschaft und der öffentlichen Hand mit Finanzprodukten sowie zur Förderung der Vermögensbildung verpflichtet. Außerdem muss die Führung deutscher Sparkassen nicht nur den öffentlichen Auftrag erfüllen, sondern sich auch an den Markt- und Wettbewerbserfordernissen sowie an betriebswirtschaftlichen Kriterien orientieren. Aus der Interpretation des öffentlichen Auftrages unter einer Stakeholder-Perspektive ergibt sich für deutsche Sparkassen ein positives Bild, weil sie die aus dem „Social View“, dem „Development View“ und dem „Macroeconomic View“ hergeleiteten Aufgaben erfüllt und dadurch den Interessen der meisten Stakeholder gerecht wird. Das flächendeckende Angebot an konkurrenzfähigen Produkten für die unterschiedliche Bevölkerungsschichten bedient die Interessen des Stakeholders „Bevölkerung“ an einer ausreichenden finanziellen Versorgung und des Stakeholders „Regionale Wirtschaft“ und „Kundschaft“ an einer ausgeglichenen Wirtschaftsstruktur und an einem wettbewerblichen Bankenmarkt. Außerdem ergibt sich aus ihrem regionalen und beziehungsbasierten Geschäftsmodell eine enge Verflechtung mit den lokalen Marktakteuren, was eine langfristige und zyklusunabhängige Gestaltung der Geschäftsbeziehung ermöglicht und dadurch stabilisierend auf die regionale Wirtschaft und letztendlich auch auf das Finanzsystem wirkt. Ihre Rolle als stabiler Finanzpartner vom Stakeholder „Öffentlich-rechtliche Körperschaften“ erlaubt zudem die Realisierung von wichtigen sozialen öffentlichen Projekten, deren Finanzierung aufgrund ihrer meist schwachen Rentabilität ohne die Sparkassen gefährdet wäre. Um die Bewertung des öffentlichen Auftrages zu vervollständigen und einen Vergleichsmaßstab zu schaffen, wird die Analyse für den Förderungsauftrag von Genossenschaftsbanken, welche ebenfalls den Stakeholder-Banken zuzurechnen sind, wiederholt. Dieser verpflichtet Genossenschaftsbanken zur Mitgliederförderung; die Gemeinnützigkeit spielt eine untergeordnete Rolle. Die Ergebnisse zeigen, dass, obwohl die Genossenschaftsbanken privatrechtlicher Natur sind, einige gemeinnützliche Aufgaben als indirekte Konsequenz aus der Mitgliederförderung, aus dem regionalen Charakter und der Eigentümerstruktur hergeleitet werden können. Das heißt, für die Ansprüche der meisten Stakeholder erbringen Sparkassen und Genossenschaftsbanken eine ähnliche Leistung. Dennoch wird der Anspruch der „Bevölkerung“ auf die Versorgung schwacher Bevölkerungsgruppen sowie derjenige von „Öffentlich-rechtlichen Körperschaften“ auf die Finanzierung gemeinnütziger Projekte vom Förderungsauftrag nicht erfüllt.

VII.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

357

Der zweite Teil der Analyse betrifft den sozialen Auftrag von italienischen Sparkassen-Stiftungen. Italienische Sparkassen entstanden ebenfalls im 19. Jahrhundert und verfolgten gemeinnützige Ziele; allerdings befanden sie sich im Unterschied zu den deutschen Sparkassen ursprünglich nicht im öffentlichen Besitz, sondern waren als private Stiftungen organisiert. Erst ab Anfang des 20ten Jahrhunderts erfolgte im Rahmen einer neuen Regulierungswelle des Bankensektors eine grundsätzliche Reform ihrer gesetzlichen Struktur und auch ihre Verstaatlichung. Diese Maßnahmen transformierten die ursprüngliche Zielstellung von Sparkassen grundlegend und wandelten sie in normale öffentliche Kreditinstitute um. Das gesamte italienische System geriet aber in den 80er Jahren in eine Krise. Ursachen dafür waren die zunehmende Korruption, eine allgemeine finanzielle Schwäche der Banken sowie der europäischen Liberalisierungsprozesses. Als Reaktion darauf wurde ein mehrstufiger Privatisierungsplan umgesetzt, welcher für die existierenden öffentlichen Kreditinstitute die Rückkehr zum ursprünglichen Stiftungsmodell vorsah. Öffentliche Banken wurden in Aktiengesellschaften umgewandelt und ihr Eigentum wurde neugegründeten selbstständigen Bankstiftungen übertragen. Allerdings erfolgte im Unterschied zum ursprünglichen Stiftungsmodell eine klare Trennung zwischen dem Bankgeschäft und der Verfolgung gemeinnütziger Ziele, indem die Ausübung desselben nicht mehr als Instrument zur Bedienung solcher Ziele verwendet werden sollte und sich nur an betriebswirtschaftlichen Kriterien orientierte. Die Geschäftstätigkeit von Bankstiftungen wurde trotz der privaten Rechtsform sowie der statutarischen Autonomie durch die gesetzliche Festlegung ihres sozialen Auftrages reguliert und gemeinnützigen Zielen und der Förderung wirtschaftlichen Fortschritts unterworfen. Es fehlte allerdings innerhalb der gesetzlichen Regulierung eine klare Definition der Ziele der Vermögens- und Ertragsverwaltung von Bankstiftungen, weil sich die Regelung des sozialen Auftrages auf viele unterschiedliche, allgemein formulierte Bereiche bezieht und keine Konkretisierung der Aufgaben vornimmt. Außerdem führten die letzte Finanzkrise und der sich daraus ergebende Finanzbedarf des Bankensektors dazu, dass durch den politischen Druck Bankstiftungen auf soziale Ziele verzichteten, dadurch von der Verfolgung des sozialen Auftrags abwichen und die kriselnden Banken mit neuem Geld stützten. Insgesamt kommt die Analyse des sozialen Auftrages bezüglich der Bedienung der verschiedenen Stakeholder-Ansprüche zu einer überwiegend negativen Bewertung ihrer Leistung. Einige Stakeholder wie „Regionale Wirtschaft“, „Öffentlich-rechtliche Körperschaften“ oder „Finanzsystem“ werden explizit berücksichtigt, während die Stakeholder „Mitarbeiter“ und „Kundschaft“ keine Beachtung finden. Im Vergleich zu den deutschen Sparkassen hat die Trennung zwischen sozialem Auftrag und Bankgeschäft deutliche Auswirkungen. Sie führt dazu, dass alle mit der Durchführung der Bankgeschäfte verbundenen Ansprüche der „Bevölkerung“ nicht betrachtet werden. Dem Ansatz gemäß

358

VII.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

können finanzbezogene Bedürfnisse am besten durch einen privaten und effizienten Bankenmarkt befriedigt werden und benötigen deshalb keine Einbeziehung des sozialen Auftrags. Die Kombination zwischen sozialem Auftrag und privater Rechtsform, welche das Erkennungsmerkmal ist, besitzt gegenüber öffentlichen, privaten oder gemeinnützigen Organisationen einige komparative strukturelle Vorteile: die Unabhängigkeit ihrer Entscheidungsfindung vom Wahlkonsens, von Renditeansprüchen und von der Bedienung ihrer Mitglieder. Unter theoretischem Gesichtspunkt verzerrende Anreize sollen so vermieden und eine bessere und transparentere Erfüllung der sozialen Aufgaben ermöglicht werden. Die praktische Umsetzung in Italien widerspricht allerdings dieser Überlegung. Aufgrund der schwachen Regulierung ihres sozialen Auftrages ist heute eine faktische Unterordnung der Stakeholder-Interessen unter die Interessen der Shareholder und eine sehr niedrige Transparenz zu verzeichnen. Weder gesetzlich noch intern wird eine qualitative Überprüfung der Stiftungen auf Übereinstimmung zwischen Zielsetzung und erreichten Ergebnissen vorgeschrieben. Ferner zwingt die private Rechtsform das Management dazu, den Shareholdern Vorrang einzuräumen und dabei die Interessen der Stakeholder außer Acht zu lassen. Das Fehlen eines Prinzipals, welcher die potenziellen Stakeholder der Stiftung vertritt, verstärkt die innerhalb des „Agency View“ für öffentliche Banken dargestellten AgencyKonflikte, indem viele Mitglieder des leitenden und beschließenden Organs faktisch einem politischen und verzerrenden Einfluss unterworfen sind. Zusätzlich wurde die ursprüngliche Vorgabe der Risikodiversifizierung der Investitionen außerhalb des Bankensektors bei vielen Stiftungen nicht umgesetzt, sodass diese noch eine fundamentale Rolle als institutioneller Investor innerhalb eines privaten gewinnorientierten Bankenmarktes spielen und nicht zur Erfüllung finanzbezogener Stakeholder-Ansprüche verpflichtet sind.

7.1.4 Qualitative Kennzahlenanalyse Um die Analyse zur Berücksichtigung von Stakeholder-Ansprüchen in beiden Bankenmärkten zu vervollständigen, wird eine qualitative Kennzahlenanalyse durchgeführt. Dafür werden zunächst vierzehn unterschiedliche Kennzahlen entwickelt, welche die verschiedenen Stakeholder-Ansprüche abbilden. Die ersten drei Kennzahlen untersuchen die Verfügbarkeit grundlegender Finanzprodukte und den flächendeckenden Zugang dazu für die Stakeholder „Bevölkerung“ und „Kundschaft“. Danach werden die Ansprüche des Stakeholders „Mitarbeiter“ sowie der Stakeholder „Öffentlich-rechtliche Körperschaften“ und „Regionale Wirtschaft“ berücksichtigt, wobei für Letztere die Beziehung zu den lokalen Gemeinden und zu den regionalen Wirtschaftssubjekten untersucht wird. Die letzten sechs Kennzahlen beschäftigen sich mit verschiedenen Aspekten der Ansprüche des

VII.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

359

Stakeholders „Finanzsystem“ auf Stabilität und Unterstützung der Geldpolitik. Es werden dabei die Abhängigkeit vom Interbankenmarkt, das Ausfallrisiko sowie die zyklischen Eigenschaften der Kreditvergabe und ihre Beziehung zum Refinanzierungszinssatz untersucht. In Anlehnung an Kapitel 4 werden im Weiteren die entwickelten Kennzahlen bei zwei getrennten Untersuchungen verwendet. Die erste Untersuchung betrifft eine Gruppenanalyse des deutschen Bankensystems. Sie vergleicht die Werte der verschiedenen Kennzahlen für Kreditbanken, Genossenschaftsbanken und Sparkassen. Die Ergebnisse für Kreditbanken zeigen, dass diese sich aufgrund ihrer Gewinnorientierung eher aus der Bedienung der Stakeholder-Ansprüche zurückziehen. Dies gilt insbesondere für die Stakeholder „Bevölkerung“, „Mitarbeiter“ und „Finanzsystem“. Im Gegensatz dazu ist der Einfluss der Stakeholder-Orientierung bei Sparkassen und Kreditgenossenschaften stark erkennbar, da die verschiedenen Kennzahlen auf eine ausgeprägte Berücksichtigung der Stakeholder-Bedürfnisse im Bankgeschäft hinweisen. Allerdings sind im Vergleich zu den Ergebnissen des Kapitels 4 in Bezug zum öffentlichen Auftrag und zum Förderungsauftrag kleinere Unterschiede zwischen beiden Gruppen zu erkennen, weil für fast alle Stakeholder Kreditgenossenschaften und Sparkassen ähnliche Werte auftreten.926 Sowohl Sparkassen als auch Kreditgenossenschaften sind damit als lokale Banken einzustufen, die die regionale Wirtschaft durch ein flächendeckendes Filialnetz und ein breites Angebot mit Finanzprodukten stabil versorgen, den Zugang zu Finanzprodukten sichern und eine enge und zuverlässige Verbindung zu ihrer Kundschaft besitzen. Eine signifikant bessere Leistung von Sparkassen zeigt sich nur bezüglich der Kennzahlen für die Stakeholder „Öffentlich-rechtliche Körperschaften“ und „Finanzsystem“. Die Überlegenheit der Sparkassen, welche durch die höheren Werte abgebildet wird, bestätigt den positiven und schwer ersetzbaren Einfluss des öffentlichen Charakters von Sparkassen auf die Finanzierung sozial wertvoller öffentlicher Projekte und auf die Stabilisierung des Finanzmarktes in Krisensituationen. Die Untersuchung des italienischen Bankenmarktes erfolgt aufgrund der vollzogenen Privatisierung aus einer historischen Perspektive heraus; hier wird die zeitliche Entwicklung der verschiedenen Kennzahlen für das italienische Bankensystem in seiner Gesamtheit analysiert. Fast alle Kennzahlen weisen darauf hin, dass der Transformations- und Konzentrationsprozess zu einer immer stärkeren Berücksichtigung des Rentabilitätszieles bei der Durchführung des Bankgeschäftes geführt hat. Diese Anpassung erfolgte zu Lasten der Stakeholder, deren Ansprüche heute nur einen residualen Platz innerhalb der Bankstrategie finden. Der Fokus der Bankentätigkeit wurde vom klassischen Einlagen- und Kreditgeschäften auf 926

Dies gilt insbesondere für die Ansprüche des Stakeholders „Bevölkerung“, „Kundschaft“ und „Mitarbeiter“. S. Kap. 5.3.9.

360

VII.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Kommissions- und Provisionsgeschäfte verschoben und es wurden strengere und rentabilitätsorientierte Effizienzkriterien eingeführt. Obwohl dadurch die Profitabilität des Bankensektors stieg und sich die wirtschaftliche Lage des Bankensektors verbesserte, wurde die Erfüllung der Ansprüche der „Bevölkerung“ auf ein ausreichendes Angebot an grundlegenden Finanzdienstleistungen, der „Kundschaft“ auf eine intensive Betreuung und der „Mitarbeiter“ auf die Bereitstellung von qualifizierten Arbeitsplätzen deutlich beeinträchtigt. Noch stärker sind die Auswirkungen bei den Stakeholdern „Öffentlich-rechtliche Körperschaften“, „Regionale Wirtschaft“ und „Finanzsystem“. Einzige Ausnahme zeigt sich beim Stakeholder „Kundschaft“, dessen Anspruch auf eine langfristige Beziehung trotz Umwandlung des Bankensektors weiterhin erfüllt wird. Dies ist wahrscheinlich eine Folge des zunehmenden Wettbewerbsniveaus innerhalb des Bankenmarktes, woraus sich die Notwendigkeit einer engen und festen Beziehung zur Kundschaft für die langfristige Ertragssicherung und für die Bildung einer stabilen Kundenbasis ergibt.927 Insgesamt bestätigen die Analysen zum öffentlichen und sozialen Auftrag sowie die qualitative Kennzahlenanalyse über die Erfüllung der verschiedenen Ansprüche die enge Verflechtung zwischen Stakeholder-Banken und ihrer Stakeholder; dies ist ein Unterscheidungsmerkmal zu den Shareholder-Banken. Sparkassen und Kreditgenossenschaften treten eher als lokale Banken mit einer ausgeprägten regionalen Fokussierung auf und besitzen deswegen eine enge und langfristorientierte Beziehung zu den regionalen Wirtschaftssubjekten. Dank ihrer flächendeckenden Präsenz und ihres stabilen Angebotes an Finanzdienstleistungen stellen sie für viele Kunden in wirtschaftsschwachen oder bevölkerungsarmen Gebieten oft einen unersetzbaren Ansprechpartner für finanzielle Belange dar. Daraus ergibt sich ein gegenseitiges Abhängigkeitsverhältnis, welches vielmehr durch strukturelle und geographische Faktoren als durch den Preiswettbewerb bedingt ist. Dennoch stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Stakeholder-Orientierung einen Einfluss auf die Preispolitik der Banken hat. Da dieses Thema eine große Bedeutung hat, wird es in einer separaten Untersuchung im Kapitel 6 durch einen modelltheoretischen und empirischen Ansatz gesondert bearbeitet. 7.1.5 Theoretische Modellierung Im Kapitel 6 wird der Untersuchungsgegenstand auf das Einlagen- und Kreditgeschäft und auf den Anspruch des Stakeholders „Kundschaft“ auf möglichst günstige Preiskonditionen eingeschränkt. Als Kennzahl für die Untersuchung der Preispolitik wird die Zinsmarge ausgewählt, da diese gleichzeitig die Preisbedingungen 927

Vgl. Ferri (2010), S. 37 f.

VII.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

361

sowohl für die Kreditnehmer als auch für die Einleger zusammenfasst. Zur Einführung in die theoretische Modellierung der Zinsmarge erfolgt zunächst eine Darstellung der üblichen mikroökonomischen Modellierung des Bankenwesens, der spezifischen Literatur über die Zinsmarge und ein Vergleich der unterschiedlichen verwendeten modelltheoretischen Ansätze für ihre Zusammensetzung. Danach wird ein theoretisches Modell für die Herleitung der optimalen Zinsmarge einer risikoneutralen Bank erarbeitet, welches durch die Einführung einer sozialen Komponente in die Nutzenfunktion von Stakeholder-Banken den Einfluss einer Stakeholder-Orientierung auf die Zinsmarge hervorhebt. Nachdem durch die Maximierung der unterschiedlichen Nutzenfunktionen für Shareholder- und Stakeholder-Banken die Gleichung der optimalen Zinsmarge bestimmt wird, erfolgt eine vertiefende Analyse der Wirkung der sozialen Komponente. Durch die Verwendung der komparativen Statik wird untersucht, ob und unter welchen Bedingungen sich die soziale Komponente reduzierend auf die Zinsmarge auswirkt und zur Reduzierung der Intermediationskosten des Bankgeschäftes und zur Steigerung der sozialen Wohlfahrt beiträgt. Die Ergebnisse zeigen, dass für das Erreichen dieses Zieles eine ausreichende Regulierung entscheidend ist. Diese betrifft unter anderem bankinterne Aspekte wie die Festlegung der Inhalte des öffentlichen/sozialen Auftrages innerhalb der Satzung oder die Definition von Kontrollmechanismen sowie externe Faktoren wie die strikte Festlegung von Unabhängigkeitskriterien vom verzerrenden politischen Einfluss oder die Überwachung der Risikolage durch eine Aufsichtsinstitution. Die Wichtigkeit der Regulierung für eine positive Auswirkung der sozialen Komponente ermöglicht den Aufbau einer Verbindung zwischen dem entwickelten Modell und dem „Agency View“ aus dem Kapitel 2.

7.1.6 Empirische Untersuchung Im empirischen Teil des Kapitels 6 wird anschließend in Übereinstimmung mit dem modelltheoretischen Ansatz der Frage nachgegangen, inwiefern sich Stakeholder-Banken aufgrund ihrer Orientierung von den Shareholder-Banken bei der Zinssatzfestlegung unterscheiden. Außerdem wird die Rolle des regulatorischen Umfeldes als Voraussetzung für eine wohlfahrtssteigernde Wirkung der Stakeholder-Orientierung untersucht. Ziel ist die empirische Überprüfung der Schlussfolgerungen aus dem theoretischen Modell, wofür das deutsche und italienische Bankensystem als Stichprobe ausgewählt werden. Zu diesem Zweck wird auf Bilanzund GuV-Daten deutscher und italienischer Banken für den Zeitraum 1997-2009 aus der Bankscope-Datenbank, Bureau van Dijk Electronic Publishing und für makroökonomische Zeitreihen auf unterschiedliche Datenbanken von nationalen und europäischen statistischen Ämtern zugegriffen. Aufgrund der fundamentalen

362

VII.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Rolle einer einheitlichen übernationalen Kategorisierung in Stakeholder- und Shareholder-Banken erfolgt hier zusätzlich zu einer Ausreißer-Entfernung eine Datenaufarbeitung der zusammengesetzten Datenbasis nach dem Verfahren von Micco et al. (2007).928 Letztendlich werden 27.334 Beobachtungen verwendet, wovon ca. 75 % den deutschen Markt betreffen. Diese sind in Privatbanken als Shareholder-Banken sowie Sparkassen und Kreditgenossenschaften als Stakeholder-Banken aufgeteilt. In einem zweiten Schritt wird für jede Variable des theoretischen Modells ein empirisches Äquivalent generiert und ihr erwarteter Einfluss sowie der zugrunde liegende ökonomische Hintergrund dargestellt. Die ermittelten Variablen werden anschließend in makroökonomische, bankspezifische, finanzmarktabhängige und orientierungsabhängige Faktoren aufgeteilt. Um den Einfluss von modelltheoretischen Faktoren besser herausarbeiten zu können, werden zusätzlich zu den obigen vier Kategorien einige Kontrollfaktoren eingeführt, deren Bedeutung innerhalb der existierenden empirischen Literatur über die Zinsmarge bewiesen wurde.929 Danach werden für jede Variable die deskriptiven Statistiken durch Angabe des Medianwertes, der Standardabweichung und des 10ten sowie des 90ten Perzentils dargestellt, wobei für mikroökonomische Variablen zusätzlich zu den Angaben für die gesamte Stichprobe ebenfalls die Werte jeder der drei Bankengruppen berechnet werden. Hierbei sind die Privatbanken trotz ihrer relativ niedrigen Anzahl durch eine hohe Standardabweichung bezüglich der Zinsmarge gekennzeichnet, welche die großen Unterschiede zwischen den Mitgliedern dieser Gruppe sowie die Schwankungen innerhalb des untersuchten Zeitraumes widerspiegeln. Das Herzstück der empirischen Analyse bilden sechs verschiedene Hypothesen, die für ihre Überprüfung angewandte empirische Methodik sowie die Darstellung und Interpretation der Ergebnisse. Alle sechs Hypothesen basieren auf den Schlussfolgerungen aus dem im Unterkapitel 6.1 entwickelten theoretischen Modell. Die erste Hypothese zielt auf eine erste Hervorhebung der Unterschiede zwischen den zwei Bankenkategorien und nimmt an, dass sich Stakeholder-Banken von Shareholder-Banken bezüglich der Reaktivität der Zinsmarge auf das Kreditrisiko, das Zinsänderungsrisiko, die operativen Kosten und den Geldmarktzinssatz unterscheiden. Aufgrund der Heterogenität der Stichprobe sowie der Zeitvarianz aller verwendeten Variablen wird eine Schätzung sowohl für die gesamte Stichprobe als auch für jede der drei Bankengruppen mittels FE-Verfahren durchgeführt. Die ermittelten Koeffizienten jeder Gruppe werden danach untereinander und mit dem erwarteten Koeffizienten verglichen. Die Ergebnisse bestätigen fast vollständig die erste Hy928 929

Vgl. Micco et al. (2007), S. 237 f. Es wurden unter anderem die Variablen „herfindahl“ als Indikator für das Wettbewerbsniveau, „equity“ für das Eigenkapital und „off_balance“ für die außenbilanziellen Geschäfte verwendet.

VII.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

363

pothese, da nur bezüglich der operativen Kosten keine bedeutenden Unterschiede zwischen den drei Bankengruppen bestehen. Im Rahmen der Überprüfung der zweiten, der dritten und der vierten Hypothese erfolgt eine explizite Analyse der sozialen Komponente, wofür das HT-Verfahren verwendet wird. Im Gegensatz zu anderen Regressionsmodellen besitzt dieses Verfahren die Eigenschaft, dass ebenfalls die Wirkung von zeitkonstanten Variablen, wie die soziale Komponente oder die Variable regulation, hergeleitet werden kann. Die zweite Hypothese untersucht den allgemeinen Einfluss der sozialen Komponente und nimmt eine reduzierende Wirkung auf die Zinsmarge an. Ihre erfolgreiche Überprüfung weist darauf hin, dass Stakeholder-Banken im Vergleich zu Shareholder-Banken aufgrund der Berücksichtigung der Ansprüche des Stakeholders „Kundschaft“ bei gleicher Ausprägung der makroökonomischen Bedingungen und der Risikofaktoren eine niedrigere Zinsmarge erzielen. Durch die Überprüfung der dritten Hypothese, welche die ersten beiden Hypothesen zusammenführt, wird die reduzierende Wirkung der sozialen Komponente auf die Reaktivität der Zinsmarge zum Kreditrisiko, zum Zinsänderungsrisiko und zum Geldmarktzinssatz bewiesen. Die vierte Hypothese beschäftigt sich mit der Rolle der Regulierung für den Erfolg der sozialen Komponente und testet deren Abhängigkeit vom Regulierungsgrad durch Erarbeitung eines spezifischen Indikators. Die Ergebnisse bestätigen die Erwartungen und schließen sich den Inhalten des „Agency View“ an: Nur wenn die Inhalte des sozialen Auftrags sowie die Unabhängigkeit des Managements vom externen politischen Einfluss ausführlich reguliert werden, reduziert die StakeholderOrientierung die Zinsmarge und trägt somit zur Reduzierung der Intermediationskosten und zur Steigerung der sozialen Wohlfahrt bei. Während für die Überprüfung der ersten vier Hypothesen die gesamte Stichprobe einbezogen wird, konzentrieren sich die fünfte und die sechste Hypothese auf zwei, nur für StakeholderBanken relevante Aussagen. Die fünfte Hypothese untersucht die Unterschiede innerhalb von Stakeholder-Banken und vergleicht die Zinsmarge von Kreditgenossenschaften und Sparkassen. Aufgrund der Einschränkung des Förderungsauftrages von Kreditgenossenschaften auf ihre Mitglieder und der nur anteiligen Zugehörigkeit ihrer Kundschaft zu dieser Kategorie, werden teurere durchschnittliche Zinskonditionen bei dieser Gruppe im Vergleich zu den Sparkassen erwartet. Die Überprüfung führt zur Ablehnung dieser Hypothese. Im Rahmen der Überprüfung der letzten Hypothese wird die Stichprobe auf Sparkassen eingeschränkt und es wird die Zinsmarge von Sparkassen bzw. Kreditgenossenschaften mit einer AGRechtsform mit der von öffentlichen Sparkassen und genossenschaftlichorganisierten Kreditgenossenschaften verglichen. Angesichts der Ergebnisse führt die AG-Rechtsform zur Notwendigkeit einer Gewinnerzielung, die auch durch eine höhere Zinsmarge erreicht wird. Sie verringert deswegen die positive Wirkung der sozialen Komponente.

364

VII.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

Zusammenfassend können Stakeholder–Banken dank ihrer besonderen Orientierung, ihrer Eigentümerstruktur und ihrer relativen Unabhängigkeit vom Druck der Finanzmärkte zur Gewinnerzielung wichtige finanzbezogene Bedürfnisse verschiedener Stakeholder befriedigen. Diese erstrecken sich vom Stakeholder „Bevölkerung“, „Kundschaft“, „Mitarbeiter“, „Finanzmarkt“ hin bis zu „Öffentlichrechtliche Körperschaften“ und der „Regionalen Wirtschaft“. Entsprechend ihren Ansprüchen sind Stakeholder-Banken in der Regel klein, besitzen eine enge Beziehung zur lokalen Gemeinschaft und zielen auf den Aufbau langfristiger Geschäftsbeziehungen mit einem hohen Grad an gegenseitigem Vertrauen. Aus diesem Grund stellen sie oft einen unersetzlichen Ansprechpartner für die Lieferung von grundlegenden Finanzprodukten dar und tragen zur Bekämpfung von Ungleichgewichten und Marktunvollkommenheiten bei, die aus den Besonderheiten des Finanzmarktes und insbesondere aus dem hohen Grad an asymmetrischer Information entstehen. Außerdem zeigt das italienische Beispiel, dass ein Privatisierungsprozess und die Trennung zwischen der Durchführung des Bankgeschäftes und der Verfolgung sozialer Ziele zu einer Vernachlässigung wichtiger finanzbezogener Bedürfnisse von unterschiedlichen Stakeholder führen können. Letztendlich bestätigen sowohl die theoretische als auch die empirische Analyse der Zinsmarge den positiven Beitrag zur sozialen Wohlfahrt einer StakeholderOrientierung. Dennoch wird die fundamentale Rolle des regulatorischen Umfeldes hervorgehoben, welches sich mit dem Gegenstand des öffentlichen/sozialen Auftrags und auch mit den Kontrollmechanismen befassen muss. Nur wenn diese Aspekte ausreichend reguliert sind, kann eine verzerrende Abweichung der Nutzung von Stakeholder-Banken vom ursprünglichen Ziel vermieden und eine erfolgreiche und effiziente Bedienung der Stakeholder-Interessen ermöglicht werden.

7.2 Forschungsausblick Diese Arbeit stellt einen ersten Versuch dar, die Rolle von Stakeholder-Banken in der heutigen Gesellschaft mit einem theoretischen, historisch-deskriptiven, qualitativen und quantitativen Ansatz zu analysieren. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen die Bewertung des sozialen Faktors im Bankgeschäft und seines Einflusses auf die Preispolitik. Die empirische Überprüfung des sozialen Faktors unternimmt erstmalig den Versuch, die Auswirkungen des sozialen Faktors auf Stakeholder-Banken zu quantifizieren.930 Die Auswahl zweier wichtiger europäischer Länder als Stichprobe sowie die tiefgreifende Analyse ihrer eng miteinander verbundenen Bankensektoren ermöglicht es, noch existierende Unterschiede und 930

Vgl. Brämer et al. (2010), S. 329.

VII.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

365

Ähnlichkeiten als Folge eines integrierten Bankenmarktes insbesondere in Bezug auf das Stakeholder-Banking herauszuarbeiten. Diese Thematik umfasst allerdings ein sehr breites Spektrum von Aspekten, die nicht alle in dieser Arbeit ausführlich behandelt werden konnten, sodass es weiterhin Forschungsbedarf in diesem Bereich besteht. Nachfolgend werden deshalb einige Ansätze für die zukünftige Forschung zusammengefasst, die nach Auffassung des Autors eine große Relevanz besitzen und die hier dargestellte Analyse vervollständigen können. Innerhalb dieser Arbeit wurden, aufgrund ihrer gemeinsamen Wurzeln sowie ihrer unterschiedlichen Entwicklungen in den letzten Jahren, das deutsche und das italienische Bankensystem als Stichprobe ausgewählt. Weil beide Systeme Teil von entwickelten Finanzmärkten sind, wäre es von Interesse, die Leistung und die Eigenschaften von Stakeholder-Banken in Entwicklungsländern zu untersuchen. Die Studien von LaPorta et al. (2000) und Yeyati et al. (2004) beweisen eine inverse Beziehung zwischen dem Entwicklungsgrad der Finanzmärkte und der Wirkung von öffentlichen Banken: Je weniger entwickelt die Finanzmärkte sind, desto negativer ist die Wirkung von öffentlichen Banken auf die soziale Wohlfahrt.931 Aufgrund des in dieser Arbeit verwendeten innovativen Forschungsansatzes könnte die Analyse abweichende Ergebnisse von denen von LaPorta et al. (2000) und Yeyati et al. (2004) ergeben und dadurch einen wichtigen neuen Beitrag in diesem Literaturstrang liefern. Als Vertreter von Stakeholder-Banken wurden Sparkassen und Kreditgenossenschaften in die vorgestellte Untersuchung einbezogen. Obwohl beide Gruppen bezüglich der Bilanzsumme und auch bezüglich der regionalen Präsenz auf diesem Gebiet den Großteil der Stakeholder-Banken ausmachen, existieren innerhalb dieser Kategorie ebenfalls alternative Bankarten wie ethische Banken oder Mikrokredit-Banken. Ein Vergleich ihrer Gemeinsamkeiten und Unterschiede mit den klassischen Stakeholder-Banken könnte interessante Ergebnisse liefern und das Gesamtbild von Stakeholder-Banken vervollständigen. Die Verwendung eines modelltheoretischen Ansatzes und einer regressionsbasierten empirischen Analyse im vorletzten Kapitel fokussiert auf den Stakeholder „Kundschaft“ und auf seinem Anspruch auf möglichst günstige Zinskonditionen bei Einlagen- und Kreditprodukten. Aufgrund der eingeschränkten Datenverfügbarkeit wird als Indikator die Zinsmarge ausgewählt, welche nur eine indirekte Messung der Zinssätze ermöglicht. Eine Datenbasis mit Angaben über die tatsächlich am Markt angesetzten Zinssätze könnte die Genauigkeit der Untersuchung verbessern und eine getrennte Analyse des Einlagen- und des Kreditmarktes er931

Vgl. LaPorta et al. (2000), S. 5 f. und Yeyati et al. (2004), S. 23.

366

VII.

ZUSAMMENFASSUNG UND AUSBLICK

möglichen. Dadurch könnte man in Anlehnung an das theoretische Modell der Zinsmarge zwischen einleger- und kreditnehmerorientierten Stakeholder-Banken unterscheiden und die Wirkung einer Stakeholder-Orientierung besser hervorheben. In Bezug auf Kreditgenossenschaften würde eine zuverlässige Datenbasis mit Unterscheidung zwischen Zinskonditionen für Mitglieder und Nicht-Mitglieder eine gezieltere Analyse der Umsetzung des Förderungsauftrages für die Mitglieder ermöglichen. Abgesehen von diesen datenbezogenen Erweiterungen könnte die zukünftige Forschung von der Fokussierung auf den Anspruch des Stakeholders „Kundschaft“ abweichen und die Analyse auf andere Stakeholder sowie auf ihre Bedürfnisse erweitern. So könnte beispielsweise die Beziehung von StakeholderBanken zum Stakeholder „Regionale Wirtschaft“ berücksichtigt werden und die Auswirkung ihrer Leistung auf die Region geschätzt werden. Nur eine ausreichende Forschung in diesem Bereich kann die Rolle von Stakeholder-Banken in der heutigen Gesellschaft und ihren Beitrag zur sozialen Wohlfahrt verdeutlichen und so die Heterogenität des Bankenmarktes bewahren. Aus den Erkenntnissen dieser Arbeit ergeben sich Implikationen nicht nur für die Forschung, sondern auch für die Bankenaufsicht und für das Management. Die Ergebnisse deuten auf markante Unterschiede innerhalb der Geschäftsmodelle von Shareholder- und Stakeholder-Banken hin, was gegen eine pauschale und homogene Regulierung des gesamten Bankenmarktes spricht. Der Rolle von Sparkassen und Genossenschaftsbanken für ihre Stakeholder und insbesondere ihrem Beitrag zur Bekämpfung der Marktunvollkommenheiten muss ausreichend Rechnung getragen werden. Es ergibt sich daher in Hinblick auf die Stabilitätserhaltung die Notwendigkeit, die wichtigen Leistungen von Stakeholder-Banken stärker zu berücksichtigen, um eine unerwünschte Umwandlung dieser Institute in reine gewinnorientierte Unternehmen zu vermeiden. In Bezug auf das Management von Stakeholder-Banken wird die Notwendigkeit einer besseren und vollständigeren Offenlegung ihrer Leistungen für die Stakeholder und ihres Beitrages zur sozialen Wohlfahrt hervorgehoben. Nur eine ausreichende Kommunikation in der Gesellschaft ermöglicht der Kundschaft, die Tätigkeiten solcher Banken besser einzuschätzen und so zu fundierteren Entscheidungen zu kommen. Eine Strategie, welche sich nur am Wettbewerb bezüglich der angebotenen Zinssätze orientiert und zu einer stärkeren Gewichtung der Gewinnerzielung führt, würde die Erfüllung der Stakeholder-Ansprüche beeinträchtigen. Stakeholder-Banken müssen ein modernes Banking anbieten, ohne ihre Wurzeln und ihre enge Verbindung zur Kundschaft zu leugnen.

LITERATURVERZEICHNIS

367

Literaturverzeichnis Bücher und Zeitschriftenartikel ACRI, 2012a: Diciassettesimo Rapporto Sulle Fondazioni Di Origine Bancaria, 2012, http://www.acri.it/17_ann/default.asp, 20.11.2012, online. ACRI, 2012b: Carta Delle Fondazioni, http://www.acri.it/3_fond/3_fond0049.asp, online. Akerlof, G. A., 1970: The Market for „Lemons“: Quality Uncertainty and the Market Mechanism, in: Quarterly Journal of Economics, Vol. 84, Nr. 3, S. 488-500. Albertazzi, U.; Gambacorta, L., 2006: Bank Profitability and the Business Cycle, in: SSRN eLibrary, http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=935026, 20.11.2012, online. Albrecht, P.; Maurer, R., 2008: Investment- und Risikomanagement, 3. Aufl., Stuttgart : Schäffer Poeschel. Alegria, C.; Schaeck, K., 2008: On measuring concentration in banking systems, in: Finance Research Letters, Vol. 5, S. 59-67. Alexoupolos, Y.; Goglio, S., 2013: Financial Cooperatives and Local Development, London: Routledge. Allen, F., 2005: The Role of Public Ownership in Banking, gehalten auf dem “CMS-IMF Open forum on Germany’s Banking System”, Frankfurt am Main, 07.03.2005, https://www.ifkcfs.de/fileadmin/downloads/publications/other/CR_OpenForumBanking.pd f, online. Allen, F.; Gale, D., 1995: A welfare comparison of intermediaries and financial markets in Germany and the US, in: European Economic Review, Vol. 39, Nr. 2, S. 179-209. Allen, F.; Gale, D., 1997: Financial Markets, Intermediaries, and Intertemporal Smoothing, in: Journal of Political Economy, Vol. 105, S. 523-546. Allen, F.; Gale, D., 2000: Financial Contagion, in: Journal of Political Economy, Vol. 108, Nr. 1, S. 1-33. Allen, L., 1988: The Determinants of Bank Interest Margins: A Note, in: Journal of Financial and Quantitative Analysis, Vol. 23, Nr. 2, S. 231-235.

368

LITERATURVERZEICHNIS

Allena, M., 2011: Organizzazione e funzionamento delle fondazioni di origine bancaria, in: Pastori, Giorgio; Zagrebelsky, Gustavo (Hrsg.): Fondazioni bancarie: una grande riforma da consolidare. Bologna: Il Mulino, S. 131172. Andreatta, N., 2002: Per un‘Italia moderna. Questioni di politica e di economia, 1. Aufl., Bologna: Il Mulino. Andrianova, S.; Demetriades, P.; Shortland, A., 2010: Is Government Ownership of Banks Really Harmful to Growth?, in: DIW Discussion Papers, Nr. 987. Angbazo, L., 1997: Commercial bank net interest margins, default risk, interestrate risk and off-balance sheet banking, in: Journal of Banking & Finance, Vol. 21, S. 55-87. Angelini, P.; Di Salvo, R.; Ferri, G., 1998: Availability and cost of credit for small businesses: Customer relationships and credit cooperatives, in: Journal of Banking & Finance, Vol. 22, S. 925-954. Anolli. M.; Locatelli, R., 1998: Obiettivi e vincoli nella gestione dell’attivo delle fondazioni bancarie, in: Banca, Impresa, Società, Nr. 3, S. 453-486. Arnott, R. J.; Stiglitz, J. E., 1986: Moral Hazard and Optimal Commodity Taxation, in: Journal of Public Economics, Vol. 29, S. 1-24. Ashauer, G.; Mura, J., 1982: Geschichte der Sparkassen, in: Flemming, Günther (Hrsg.): Handwörterbuch der Sparkassen, Bd. 2, Stuttgart: Deutsche Sparkassenverlag, S. 251-256. Ayadi, R.; Schmidt, R. H.; Valverde, S. C.; Arbak, E.; Rodríguez-Fernández, F., 2009: Investigating Diversity in the Banking Sector in Europe: The Performance and Role of Savings Banks, in: SSRN eLibrary, http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1427753, online. Ayadi, R.; Llewellyn, D. T.; Schmidt, R. H.; Arbak, E.; De Groen, W. P., 2010: Investigating Diversity in the Banking Sector in Europe: Key Developments, Performance and Role of Cooperative Banks, in: SSRN eLibrary, http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1677335, online. Baas, T.; Schrooten, M., 2005: Theoretische Analyse der Gewinnsituation im deutschen Bankensektor, in: DIW Discussion Papers, Nr. 502. Baltagi, B. H., 2010: Econometric Analysis of Panel Data, 3. Aufl., West Sussex: Wiley. Banca d’Italia, 2013: Relazione Annuale – Appendice. Barros, F.; Modesto, L., 1999: Portuguese banking sector: a mixed oligopoly?, in: International Journal of Industrial Organization, Vol. 17, Nr. 6, S. 869-886.

LITERATURVERZEICHNIS

369

Basel Committee on Banking Supervision, 2004a: International convergence of capital measurement and capital standards - a revised framework, Bank for International Settlements. Basel Committee on Banking Supervision, 2004b: Principles for the management and supervision of interest rate risk, Bank for International Settlements. Basel Committee on Banking Supervision, 2009: Strengthening the Resilience of the Banking Sector, Consultative Document, Bank for International Settlements. Bauer, H.; Domanski, D., 1999: The changing German banking industry: Where do we come from and where are we heading to?, in: Bank for International Settlements, Monetary and Economic Department (Hrsg.): The Monetary and Regulatory Implications of Changes in the Banking Industry, 7. Aufl., Basel: The Bank, S. 208–225. Beck, T.; Hesse, H.; von Westernhagen, N., 2009: Bank Ownership and Stability: Evidence from Germany, https://www.fdicconnect.gov/bank/analytical/ CFR/2009/june/CFR_SS_2009_beck.pdf, online. Behr, P.; Norden, L.; Noth, F., 2012: Financial Constraints of Private Firms and Bank Lending Behavior, in: SSRN eLibrary, http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1713129, 21.11.2012, online. Benessia, A., 2010: Le fondazioni di origine bancaria fra etica e politica. Divagazioni in tema di ‚stakeholder value‘, in: Banca, Impresa, Società, Nr. 3, S. 403-420. Berger, A. N.; Udell, G. F., 1996: Universal Banking and the Future of Small Business Lending, in: Saunders, Anthony; Walter, Ingo: Universal Banking: Financial System Design Reconsidered, Chicago: Irwin, S. 558-627. Bessis, J., 2010: Risk Management in Banking, West Sussex: Wiley. Bester, H.; Hellwig, M., 1987: Moral Hazard and equilibrium credit rationing: an overview of the issues, in: Agency Theory, Information, and Incentives, in: Bamberg, Günter; Spremann, Klaus, (Hrsg.): Berlin-Heidelberg: Springer, S. 1365-1366. Blanchard, O.; Illing, G., 2009: Makroökonomie, 5. erw. Aufl., München: Pearson. Blume, H. H., 2000: Sparkassen im Spannungsfeld zwischen öffentlichem Auftrag und kreditwirtwirtschaftlichem Wettbewerb, Baden-Baden: Nomos Verlag.

370

LITERATURVERZEICHNIS

Börner, C. J.; Ruwwe, T., 2007: Rating in der Kunde-Bank-Beziehung, in: Hans E. Büschgen, Oliver Everling (Hrsg.): Handbuch Rating, Wiesbaden: Gabler, S. 47-66. Boyd, J. H.; Runkle, D. E.(1993: Size and performance of banking firms: Testing the predictions of theory, in: Journal of Monetary Economics, Vol. 31, Nr. 1, S. 47-67. Brämer, P.; Gischer, H.; Pfingsten, A.; Richter, T., 2010: Der öffentliche Auftrag der deutschen Sparkassen aus der Perspektive des StakeholderManagements, in: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen: ZögU, Vol. 33, Nr. 4, S. 313-334. Brock, P. L.; Franken, H., 2003: Measuring the Determinants of Average and Marginal Bank Interest Rate Spreads in Chile, 1994-2001, University of Washington – Faculty of economics. Brock, P. L.; Rojas-Suarez, L., 2000: Understanding the Behavior of Bank Spreads in Latin America, in: Journal of Development Economics, Vol. 63, S. 113-34. Brümmerhoff, D.; Lehmann, E., 2000: Öffentlich-rechtliche Sparkassen oder wie gemeinnützig ist der öffentliche Auftrag?, in: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen: ZögU, Vol. 23, Nr. 2, S. 131-148. Brunner, A.; Decressin, J.; Hardy, D.; Kudela, B., 2004: Germany’s Three-Pillar Banking System, in: IMF Occasional Paper, N. 233. Burgstaller, J., 2007: Das zyklische Verhalten der Zinsspannen österreichischer Banken: Evidenz für einen bankbasierten Stabilisierungseffekt?, in: Österreichisches Bankarchiv, Nr. 4, S. 294-302. Busch, R.; Kick, T., 2009: Income diversification in the German banking industry, in: Discussion Paper, Series 2: Banking and Financial Studies, Nr. 09/2009, Frankfurt am Main: Deutsche Bundesbank. Büschgen, H. E.; Büschgen, A., 2002: Bankmarketing, 2. Aufl., Düsseldorf: Wirtschaft und Finanzen. Cameron, C. A.; Trivedi, P. K., 2009: Microeconometrics using Stata, 1. Aufl., Texas: Stata Press. Carletti, E.; Hakenes, H.; Schnabel, I., 2005: The Privatization of Italian Savings Banks – A Role Model for Germany?, in: Vierteljahrshefte zur Wirtschaftsforschung, Vol. 74, Nr. 4, S. 32-50.

LITERATURVERZEICHNIS

371

Cetorelli, N., 1999: Competitive Analysis in Banking: Appraisal of the Methodologies, in: Economic Perspectives, Federal Reserve Bank of Chicago, Vol. 23, S. 2-15. Christen, R.; Rosenberg, R.; Jayadeva, V., 2007: Financial Institutions with a ‚Double Bottom Line‘, in: CGAP Occasional Paper, Nr. 8, http://www.cgap.org/publications/financial-institutions-double-bottomline, online. Čihák, M.; Hesse, H., 2007: Cooperative banks and financial stability, in: IMF Working Paper, Nr. WP/07/2. Claeys, S.; Vennet, R. V., 2008: Determinants of bank interest margins in Central and Eastern Europe: A comparison with the West, in: Economic Systems, Vol. 32, Nr. 2, S. 197-216. Clarich, M.; Pisaneschi, A., 2001: Le fondazioni bancarie: dalla holding creditizia all’ente non-profit, Bologna: Il Mulino. Cornett, M. M.; Guo, L.; Khaksari, S.; Tehranian, H., 2010: The impact of state ownership on performance differences in privately-owned versus stateowned banks: An international comparison, in: Journal of Financial Intermediation, Vol. 19, Nr. 1, S. 74-94. Costi, R., 2011: Le fondazioni bancarie: un nuovo governo dell’economia?, in: Banca, Impresa, Società, Nr. 1, S. 3-8. D’Auria, C.; Foglia, A.; Marullo, P. R.: Bank Interest Rates and Credit Relationships in Italy, in: Journal of Banking & Finance, Vol. 23, Nr. 7, S. 1067– 1093. Dagott, M., 2003: Transsektorale Unternehmensverbindungen zwischen Sparkassen und Genossenschaftsbanken, Lüneburg. De La Motte; Czernomoriez, J.; Clemens, M., 2010: Zur Vertrauensökonomik Der Interbankenmarkt in der Krise von 2007-2009, in: MPRA Paper, No. 20357. Dehe, H. G., 1982: Öffentlicher Auftrag, in: Flemming, Günther (Hrsg.): Handwörterbuch der Sparkassen, Bd. 3, Stuttgart: Deutsche Sparkassenverlag, S. 210-218. Demirgüc-Kunt, A.; Levine, R., 1999: Bank-Based and Market-Based Financial Systems: Cross-Country Comparisons, World Bank Policy Working Paper, No. 2143.

372

LITERATURVERZEICHNIS

DePrince, A. E.; D. Morris, P., 2007: A longitudinal study of net interest margin by bank asset size: 1992-2005, in: Journal of Economics and Finance, Vol. 31, Nr. 1, S. 20-32. Deutsche Bundesbank, 2009: Monatsbericht, Januar 2009, Frankfurt am Main. Deutsche Bundesbank, 2012: Monatsbericht, September 2012, Frankfurt am Main. Deutsche Bundesbank, 2013: Monatsbericht, September 2013, Frankfurt am Main. Dewatripont, M.; Tirole, J., 1994: The Prudential Regulation of Banks, Cambridge: MIT Press. Diamond, D. W., 1984: Financial Intermediation as Delegated Monitoring, Review of Economic Studies, Vol. 51, S. 393-414. Diamond, D. W.; Dybvig, P. H., 1983: Bank Runs, Deposit Insurance, and Liquidity, in: Journal of Political Economy, Vol. 91, S. 401-410. Draghi, M., 2009: Invervento del Governatore della Banca d’Italia, gehalten auf der “Giornata Mondiale del Risparmio del 2009”, Rom, 29.10.2009, http://www.acri.it/7_even/7_even_files/85_GMR_Draghi.pdf, online. Drakos, K., 2002: The Dealership Model for Interest Margins: The Case of the Greek Banking Industry, in: Journal of Emerging Market Finance, Vol. 1, Nr. 1 S. 75-98. Drakos, K., 2003: Assessing the success of reform in transition banking 10 years later: an interest margins analysis, in: Journal of Policy Modeling, Vol. 25, S. 309-317. Drukker, D. M., 2003: Testing for serial correlation in linear panel-data models, in: The Stata Journal, Vol. 3, Nr. 2, S. 168-177. DSGV, 2013: Der Finanzbericht 2012, Berlin: Deutscher Sparkassen- und Giroverband. Duesenberry, J. S., 1965: The Brookings Quarterly Econometric Model of the United States, 1. Aufl., Chicago: Rand McNally. ECB, 2000: EU Banks´ Margins and Credit Standards. ECB, 2002: Report on financial structures. Ehrmann, M.; Worms, A., 2004: Bank networks and monetary policy transmission, in: Journal of the European Economic Association, Vol. 2, Nr. 6, S. 1148-1171. Eilenberger, G., 2012: Bankbetriebswirtschaftslehre, 8. Aufl., München: Oldenbourg.

LITERATURVERZEICHNIS

373

Elsas, R., 2001: Die Bedeutung der Hausbank: eine ökonomische Analyse, Dissertation: Goethe-Universität Frankfurt, Wiesbaden: Dt. Univ.-Verlag. Elsas, R., 2005: Empirical determinants of relationship lending, in: Journal of Financial Intermediation, Vol. 14, S. 32-57. Elsas, R.; Krahnen, J. P., 1998: Is Relationship Lending Special? Evidence from Credit-file Data in Germany, in: Journal of Banking & Finance, Vol. 22, Nr. 10, S. 1283-1316. Elsas, R.; Krahnen, J. P., 2004: Universal Banks and Relationships with Firms, in: Krahnen, Jan P.; Schmidt, Reinhard H. (Hrsg.): The German Financial System, Oxford: University Press, S. 196-232. English, W. B., 2002: Interest rate risk and bank net interest margins, in: BIS Quarterly Review, S. 67-80. Entrop, O.; Memmel, C.; Ruprecht, B.; Wilkens, M., 2012: Determinants of bank interest margins: impact of maturity transformation, in: Discussion Paper, Series 2: Banking and Financial Studies, Nr. 17/2012, Frankfurt am Main: Deutsche Bundesbank. Entrop, O.; Memmel, C.; Wilkens, M.; Zeisler, A., 2009: Estimating the Interest Rate Risk of Banks Using Time Series of Accounting-Based Data, in: SSRN eLibrary, http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=982070, online. European Commision, 2008: Financial Services Provision and Prevention of Financial Exclusion. Fabozzi, F. J.; Neave, E. H.; Zhou, G., 2012: Financial Economics, West Sussex: Wiley. Farabullini, F.; Hester, D. D., 2001: The performance of some recently privatized Italian banks, in: Social System Research Institute Working Paper, Nr. 2001/10, University of Winsconsin-Madison. Fender, J., 2012: Monetary Policy, West Sussex: Wiley. Ferri, G., 2010: Il rapporto tra banche e territori dopo la Grande Crisi del 20072009, in: Horizon Bancaires, Nr. 340, S. 37-43. Ferri, G.; Kalmi, P.; Kerola, E., 2012: Organizational Structure and Performance in European Banks: A Reassessment, Working Paper. Flannery, M. J.; James, C.M., 1984: The Effect of Interest Rate Changes on the Common Stock Returns of Financial Institutions, in: Journal of Finance, Vol. 39, Nr. 4, S. 1141-1153.

374

LITERATURVERZEICHNIS

Foos, D., 2009: Lending Conditions, Macroeconomic Fluctuations and the Impact of Bank Ownership, in: Working Paper, University of Mannheim. Foos, D.; Norden, L.; Weber, M., 2010: Loan growth and riskiness of banks, in: Journal of Banking & Finance, 34, Nr. 12, S. 2929-2940. Forestieri, G.; Mottura, P., 2005: Il sistema finanziario, 4. Aufl., Milano: Egea. Freixas, X.; Rochet, J., 1999: Microeconomics of Banking, 4. Aufl., Cambridge: The MIT Press. Friedman, M., 1957: A Theory of the Consumption Function, in: Working Paper, National Bureau of economic research, Nr. 63. Gale, D.; Hellwig, M., 1985: Incentive-Compatible Debt Contracts: The OnePeriod Problem, in The Review of Economic Studies, Vol. 52, Nr. 4, S. 647-663. Gambacorta, L., 2004: How do banks set interest rates?, in: Working Paper, National Bureau of economic research, Nr. 10295, http://www.nber.org/papers/w10295, 21.11.2012, online. Gambacorta, L., 2008: How do banks set interest rates?, in: European Economic Review, Vol. 52, Nr. 5, S. 792-819. Gambacorta, L.; Marquez-Ibanez, D., 2011: The bank lending channel: lessons from the crisis, in: ECB Working Papers, Nr. 1335. Gambacorta, L.; Mistrulli, P. E., 2011b: Bank heterogeneity and interest rate setting: what lessons have we learned since Lehman Brothers?, in: Temi di discussion, Banca d’Italia, Nr. 829. Gann, P.; Kretschmar, A.; Rudolph, B., 2011: Determinanten der Eigenkapitalrendite von Sparkassen, in: Österreichisches Bankarchiv, Vol. 11, Nr. 3, S. 145-165. Gerschenkron, A., 1965: Economic backwardness in historical perspective: a book of essays, Praeger university series, New York: Praeger. Giordano, F., 2007: Storia del sistema bancario italiano, 1. Aufl., Roma: Donzelli. Giorgino, M.; Tasca, R., 1999: The strategic and organisational effects of bank privatisation, in: Roberto Ruozi (Hrsg.): Banking privatisation in Europe: the process and the consequences on strategies and organisational structures, Berlin-Heidelberg, S. 93-117. Gischer, H.; Herz, B.; Menkhoff, L., 2005: Geld, Kredit und Banken: Eine Einführung, 2. Aufl., Wiesbaden: Gabler Wissenschaftsverlage.

LITERATURVERZEICHNIS

375

Gischer, H.; Herz, B.; Menkhoff, L., 2012: Geld, Kredit und Banken: Eine Einführung, 3. Aufl., Wiesbaden: Gabler Wissenschaftsverlage. Gischer, H.; Richter, T., 2009: Performancemessung von Banken im internationalen Vergleich, in: Wirtschaftswissenschaftliches Studium, Vol. 38, Nr. 11, S. 565-572. Goglio, S., 2007: Local Credit and Territorial Development: General Aspects and the Italian Experience, in: Department of Economics Working Paper, University of Trento, Nr. 0727. Grapentin, T.; Berg, C.; Pfingsten, A., 2007: Stakeholder-Management von Sparkassen im Spiegel der Geschäftsberichte: theoretische Anforderungen, Bestandsaufnahme und kritische Bewertung, in: Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft: ZBB, Vol. 19, Nr. 5, S. 399-413. Greco, L.; Davide I., 2004: Decentramento e mercato del debito pubblico locale, in: Moneta e Credito, Vol. 57, Nr. 228, S. 1-32. Gropp, R.; Schröder, M.; Trela, K., 2012: Risikoübernahme im Bankensektor: Unterscheiden sich Sparkassen und Genossenschaftsbanken von Geschäftsbanken?, Untersuchung für die Wissenschaftsförderung der Sparkassen Finanzgruppe e.V., ZEW. Güde, U., 1982: Geschäftspolitik der Sparkassen, in: Flemming, Günther (Hrsg.): Handwörterbuch der Sparkassen, Bd. 2, Stuttgart: Deutsche Sparkassenverlag, S. 229-246. Hackethal, A., 2004: German Banks and Banking Structure, in: Krahnen, J. P.; Schmidt, R. H.: The German Financial System, Oxford: University Press, S. 71-100. Hahn, O., 1996: Die genossenschaftliche Bankwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Vol. 46, S. 164-178. Hakenes, H.; Schnabel, I., 2006: The Threat of Capital Drain: A Rationale for Public Banks?, in: Working Paper Series of the Max Planck Institute for Research on Collective Goods, Nr. 2006/11. Hanweck, G.; Lyu, L., 2005: The Sensitivity of Bank Net Interest Margins and Profitability to Credit, Interest-Rate, and Term-Structure Shocks Across Bank Product Specializations, in: Working Paper, Vol. 2005-02, Federal Deposit Insurance Corporation. Hartmann-Wendels, T.; Pfingsten, A.; Weber, M., 2007: Bankbetriebslehre, 4. überarb. Aufl., Berlin-Heidelberg: Springer.

376

LITERATURVERZEICHNIS

Hausman, J. A.; Taylor, W. E.: Panel Data and Unobservable Individual Effects, in: Econometrica, Vol. 49, Nr. 6, S. 1377-1398. Hertner, P., 1994: Modern banking in Italy, in: Pohl, M.; Freitag, S. (Hrsg.): Handbook on the History of European Banks, Aldershot: Edgar, S. 561-576. Hill, C. R.; Griffiths, W. E.; Lim, G. C., 2008: Principles of Econometrics, 3. Aufl., U.S.A.: RR Donnelley Hippmann, H.: Statistik, 4. Aufl., Stuttgart: Schäffer-Poeschl. Ho, T. S. Y.; Saunders, A., 1981: The determinants of bank interest margins: Theory and empirical evidence, in: Journal of Financial and Quantitative analysis, Vol. XVI, Nr. 4, S. 581-600. Hodrick, R. J.; Prescott, E.. C., 1997: Postwar U.S. Business Cycles: An Empirical Investigation, in Journal of Money, Credit and Banking , Vol. 29, Nr. 1, S. 1-16. Hoppenstedt, D. M., 2001: Sparkassen, Sparkassen-Finanzgruppe, in: Gerke, Wolfgang; Steiner, Manfred (Hrsg.): Handwörterbuch des Bank- und Finanzwesens, 3. Aufl. Stuttgart: Schäffer-Poeschel, S. 1951-1966. Hummel, D., 2001: Integration und struktureller Wandel des Europäischen Kapitalmarktes, in: Hummel, D.; Breuer, R. (Hrsg.): Handbuch Europäischer Kapitalmarkt, 1. Aufl., Wiesbaden: Gabler, S. 67-84. Iannotta, G.; Nocera, G.; Sironi, A., 2007: Ownership Structure, Risk and Performance in the European Banking Industry, in: Journal of Banking & Finance, Vol. 31, Nr. 7, S. 2127-2149. IMF, 2011a: Germany: Financial Sector Stability Assessment, in: IMF Country Report, Nr. 11/169, http://www.imf.org/external/pubs/cat/longres.aspx?sk=25031.0, online. IMF, 2011b: Germany: Technical Note on Banking Sector Structure, in: IMF Country Report, Nr. 11/370, http://www.imf.org/external/pubs/ft/scr/2011/cr11370.pdf, online. Jäger, W., 2000: Der gemeinnützige Gedanke bei der Gründung von Genossenschaften, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Vol. 50, S. 77-83. Jensen, M. C.; Meckling, W. H., 1976: Theory of the Firm: Managerial Behavior, Agency Costs and Ownership Structure, in: Journal of Financial Economics, Vol. 3, Nr. 4, S. 305-360. Kasman, A.; Tunc, G.; Vardar, G.; Okan, B., 2010: Consolidation and commercial bank net interest margins: Evidence from the old and new European Union

LITERATURVERZEICHNIS

377

members and candidate countries, in: Economic Modelling, Vol. 27, S. 648-655. Keßler, H., 1982: Gemeinnützigkeit, in: Flemming, G. (Hrsg.): Handwörterbuch der Sparkassen, Bd. 2, Stuttgart: Deutsche Sparkassenverlag, S. 180-191. Klein, M. A., 1971, A theory of banking firm, in: Journal of Money, Credit and Banking, Vol. 3, S. 205-218. Köhler, H., 1994: Der Staat hätte ohne öffentlich-rechtliche Sparkassen und Landesbanken mehr Verantwortung und Aufgaben, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Vol. 47, Nr. 22, S. 1092-1096. Köhler, H., 1998: Die Sparkassenprinzipien, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Vol. 8, S. 378-379. Köhler, M., 2013: Does Non-interest Income Make Banks More Risky? RetailVersus Investment-oriented Banks, in: Discussion Paper, Series 2: Banking and Financial Studies, Nr. 17/2013, Frankfurt am Main: Deutsche Bundesbank . Körner, T.; Schnabel, I., 2011: Public Ownership of Banks and Economic Growth, in: Economics of Transition, Vol. 19, Nr. 3, S. 407-441. Körnert, J.; Nolte, B., 2005: Italiens Bankensystem im Umbruch, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Vol. 58, Nr. 2, S. 79–84. Krämer, H., 2002: Erfordert der Wegfall der Gewährträgerhaftung eine Neuausrichtung gemeinwohlorientierter Sparkassen?, in: Oelgarth, A.: Die Zukunft der Sparkassen; Stuttgart: Deutsche Sparkassen, S. 49-66. Laeven, L.; Levine, R., 2006: Corporate Governance, Regulation, and Bank Risk Taking, Washington: World Bank. LaPorta, R., 2000: Government ownership of banks. Cambridge: National Bureau of economic research. Laux, H.: Entscheidungstheorie, 6. Aufl., Berlin: Springer, 2005. LePetit, L.; Nys, E.; Rous, P.; Tarazi, A., 2008: The expansion of services in European banking: Implications for loan pricing and interest margins, in: Journal of Banking & Finance, Vol. 32, S. 2325-2335. Lerner, E. M., 1981: Discussion: The determinants of banks interest margins: Theory and empirical evidence, in: Journal of Financial and Quantitative Analysis, Vol. XVI, Nr. 4, S. 601-602.

378

LITERATURVERZEICHNIS

Lindner-Lehman, M.; Lehmann, E.; Neuberger, D., 1998: Kreditvergabe der Banken an Klein- und Mittelständische Unternehmen: Ergebnisse einer schriftlichen Befragung deutscher Banken, Rostock: Univ.-Bibliothek. Losana, M., 2011: Le Casse di risparmio e l’origine dell’attuale dibattito intorno alla “natura giuridica” delle “fondazioni di origine bancaria”, in: Pastori, G.; Zagrebelsky, G. (Hrsg.): Fondazioni bancarie: una grande riforma da consolidare, Bologna: Il Mulino, S. 51-98. Lütke-Uhlenbrock, C., 2006: Bewertung öffentlichen-rechtlichen Sparkassen, München: Oldenbourg. Marcenó, V., 2011: La qualificazione della natura giuridica delle fondazioni di origine bancaria: alla ricerca della coerenza, in: Pastori, G.; Zagrebelsky, G. (Hrsg.): Fondazioni bancarie: una grande riforma da consolidare. Bologna: Il Mulino, S. 99-130. Matthews, K.; Thompson, J. L., 2009: The economics of Banking, 2. Aufl., West Suxxes: Wiley. Maudos, J.; De Guevara, J. F., 2004: Factors explaining the interest margin in the banking sectors of the European Union, in: Journal of Banking & Finance, Vol. 28, S. 2259-2281. Maudos, J.; De Guevara, J. F., 2007: The cost of market power in banking: social welfare loss vs. cost inefficiency, in: Journal of Banking and Finance, Vol. 31, Nr. 7, S. 2103-2125. Maudos, J.; Solís, L., 2009: The determinants of net interest income in the Mexican banking system: An integrated model, in: Journal of Banking & Finance, Vol. 33, S. 1920-1931. Mays, E., 1999: A Statistical Analysis of the Factors Affecting S&Ls’ Net Interest Margins, in: Risk Management Series, Office of Thrift Supervision. Megginson, W. L., 2005: The Economics of Bank Privatization, in: Journal of Banking & Finance, Vol. 29, Nr. 8–9, S. 1931–1980. Melitz, J.; Pardue, M., 1973: The Demand and Supply of Commercial Bank Loans, in: Journal of Money, Credit and Banking, Vol. 5, Nr. 2, S. 669-92. Memmel, C.; Schertler, A., 2010: The Dependency of the Banks’ Assets and Liabilities: Evidence from Germany, in: European Financial Management, Vol. 18, Nr. 4, S. 602-619. Memmel, C.; Schertler, A., 2011: Banks’ management of the net interest margin: evidence from Germany, in: Discussion Paper, Series 2: Banking and Financial Studies, Nr. 13/2011, Frankfurt am Main: Deutsche Bundesbank.

LITERATURVERZEICHNIS

379

Menkhoff, L., 1997: Öffentliche Banken: Nutzlos Und Teuer?, in: Zeitschrift für Empirische Wirtschaftsforschung, Vol. 43, Nr. 4, S. 549–575. Merton, R. C., 1974: On the Pricing of Corporate Debt: The Risk Structure of Interest Rates, in: Journal of Finance, Vol. 29, Nr. 2, S. 449-470. Merusi, F., 2004: La privatizzazione per fondazioni tra pubblico e privato, in: Diritto Amministrativo, Nr. 3, S. 447-512. Messori, M., 1998: Banche, riassetti proprietari e privatizzazioni, in: Stato e mercato, Vol. 52, S. 93-126. Micco, A.; Panizza, U., 2006: Bank ownership and lending behavior, in: Economics Letters, Vol. 93, Nr. 2, S. 248-254. Micco, A.; Panizza, U.; Yanez, M., 2007: Bank ownership and performance. Does politics matter?, in: Journal of Banking & Finance, Vol. 31, Nr. 1, S. 219-241. Mishkin, F. S., 2013: The Economics of Money, Banking, and Financial Markets, Essex: Pearson. Monti, M., 1972: Deposit, credit and interest rate determination under alternative bank objective functions, in: Shell, Karl; Szegö, Giorgio P. (Hrsg.): Mathematical methods in investment and finance, Amsterdam: North-Holland, S. 431-454. Münkner, H., 1990: Genossenschaftliche Identität und Identifikation der Mitglieder mit ihrer Genossenschaft, in: Veröffentlichungen der DG-Bank, Deutsche Genossenschaftsbank, Frankfurt am Main: Knapp. Neuberger, D., 1998: Mikroökonomik der Bank, München: Vahlen. Neuberger, D.; Schindler, M., 2001: Nutzen und Kosten des öffentlichen Auftrags bei Sparkassen und Landesbanken, in: Zeitschrift für öffentliche und gemeinwirtschaftliche Unternehmen: ZögU, Vol. 27, Beiheft, S. 86-117. Norden, L.; Weber, M., 2010: Funding Modes of German Banks: Structural Changes and their Implications, in: Journal of Financial Services Research, Vol. 38, Nr. 2-3, S. 69-93. Onado, M., 1999: Assetti di controllo del sistema bancario. Prime riflessioni, in: Banca, Impresa, Societá, Nr. 3, S. 485-486. Onado, M., 2004: La lunga rincorsa: la costruzione del sistema finanziario, in: Cocca, Pierluigi; Toniolo, Gianni (Hrsg.): Storia Economica d’Italia, Vol. 4, S. 381-454.

380

LITERATURVERZEICHNIS

Padgett, C., 2012: Corporate Governance – theory and practice, Hampshire: Palgrave Macmillian. Peachey, S.; Roe, A., 2006: Access to Finance – What Does it Mean and How Do Savings Banks Foster Access, in: Perspectives, Nr. 49. Peltzmann, S., 1977: The gains and losses from industrial concentration, in: Journal of Law and Economics, Vol. 20, Nr. 2, S. 229-263. Pezzetti, R., 2004: Bank-Firm Customer Relations in the New Competitive Environment: Prospects for Relationship Banking, in: Quaderno di ricerca, Nr. 7, Universitá di Pavia. Phillips, R., 2003: Stakeholder Legitimacy, in: Business Ethics Quarterly, Vol. 13, Nr. 1, S. 25-41. Pindick, R.; Rubinfeld, D., 2009: Mikroökonomie, 7. Aufl., München: Pearson. Pleister, C., 2006: Gelebte Identität - Regionalität und Dezentralität ist den Genossenschaftsbanken inhärent, in: Bankinformation, Vol. 7/2006, S. 64-65. Polster, A., 2004: Erste Schritte bei der Reform des Sparkassensektors in Italien: Bildung von großen Universalbanken mit weiterem Potenzial, in: Deutsche Bank Research - EU - Monitor, Nr. 17. Porath, D., 2004: Estimating probabilities of default for German savings banks and credit cooperatives, in: Discussion Paper, Series 2: Banking and Financial Studies, Nr. 06/2004, Frankfurt am Main: Deutsche Bundesbank. Postigliola, M., 2007: Le fondazioni bancarie: natura e funzionamento, in: Rassegna economica: rivista internazionale di economia e territorio, Vol. 70, Nr. 1, S. 145-161. Rehmen, S.; Weber, O., 2011: Social Banks and the Future of Sustainable Finance, London: Routledge. Reichel, R., 2011: Der Beitrag der Kreditgenossenschaften zur Finanzstabilität, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Vol. 18, S. 959-962. Revell, J., 1989: The Future of savings banks: a study of Spain and the rest of Europe, Bangor: Inst. of European Finance. Richter, A., 2012: Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen – eine theoretische und empirische Analyse sowie Besonderheiten in Ostdeutschland, in: Schriftenreihe Finanzierung und Banken, Sternenfels: Verlag Wissenschaft & Praxis. Romagnoli, I., 2010: Il Consolidamento Del Mercato Bancario Italiano: Evoluzioni e Prospettive, in: Horizon Bancaires, Nr. 340, S. 11–19.

LITERATURVERZEICHNIS

381

Ruckes, M., 2004: Bank Competition and Credit Standards, in: The Review of Financial Studies, Vol. 17, Nr. 4, S. 1073-1102. Salas, V.; Saurina, J., 2002: Credit risk in two institutional regimes: Spanish commercial and savings banks, in: Journal of Financial Services Research, Vol. 22, S. 203–224. Samuelson, P. A., 1945: The Effect of Interest Rate Increases on the Banking System, in: The American Economic Review, Vol. 35, Nr. 1, S. 16-27. Sapienza, P., 2004: The effects of government ownership on bank lending, in: Journal of Financial Economics, Vol. 72, Nr. 2, S. 357-384. Saunders, A.; Schumacher, L., 2000: The determinants of bank interest rate margins: an international study, in: Journal of International Money and Finance, Vol. 19, S. 813-832. Schierenbeck, H., 2008: Ertragsorientiertes Bankmanagement, Band 1: Grundlagen, Marktzinsmethode und Rentabilitäts-Controlling, 9. Aufl., Wiesbaden: Gabler. Schierenbeck, H.; Lister, M.; Kirmße, S., 2008: Ertragsorientiertes Bankmanagement, Band 2: Risiko-Controlling und integrierte Rendite/Risikosteuerung, 9. Aufl., Wiesbaden: Gabler. Schlierbach, H.; Püttner, G., 2003: Das Sparkassenrecht in der Bundesrepublik Deutschland, Deutscher Sparkassenverlag, 5. Auflage, Stuttgart. Schöler, K., 2005: Raumwirtschaftstheorie, München: Vahlen. Schrooten, M., 2008: Internationale Finanzkrise – Konsequenzen für das deutsche Finanzsystem, in: Wirtschaftsdienst, Vol. 88, Nr. 8, S. 508-513. Schwaiger, M. S.; Liebeg, D., 2007: Determinanten der Zinsspannen zentral und osteuropäischer Banken, in: Finanzmarktstabilitätsbericht, Vol. 14, Österreichische Nationalbank, S. 74-93. Schwarze, J., 2011: Mathematik für Wirtschaftswissenschaftler, 13. Aufl., Herne: NWB. Sen, A., 1999: Development as Freedom, New York: Knopf. Sessa, V. M., 2011: Coordinamento delle attivitá, controllo e responsabilitá sociale delle fondazioni di origine bancaria, in: Pastori, G.; Zagrebelsky, G. (Hrsg.): Fondazioni bancarie: una grande riforma da consolidare. Bologna: Il Mulino, S. 173-230. Shaffer, S., 1998: The Winner’s Curse in Banking, in: Journal of Financial Intermediation, Vol. 7, Nr. 4, S. 359–392.

382

LITERATURVERZEICHNIS

Shirley, M. M.; Walsh, P., 2000: Public versus private ownership: the current state of the debate, in: World Bank Policy Research Working Paper, Nr. 2420. Shleifer, A.; Vishny, R. W., 1997: A Survey of Corporate Governance, in: Journal of Finance, Vol. 52, Nr. 2, S. 737-783. Smith, D. J.; Cargill, T. F.; Meyer, R. A., 1981: An Economic Theory of a Credit Union., in: Journal of Finance, Vol. 36, Nr. 2, S. 519–528. Stappel, M., 2005: Italienischer Genossenschaftssektor im Umbruch, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Vol. 53, Nr. 3, S. 130–137. Stein, I., 2011: The price impact of lending relationships, in: Discussion Paper, Series 2: Banking and Financial Studies, Nr. 04/2011, Frankfurt am Main: Deutsche Bundesbank. Stettler, R., 2011: Margen im Zinsgeschäft - Einflussfaktoren auf die Zinsspanne Am Beispiel Schweiz, in: Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen, Vol. 9, S. 432-436. Stiglitz, J. E.; Jaramillo-Vallejo, J.; Park, J. C., 1993: The role of the state in financial markets, gehalten auf der “Conference on Development Economics N. 5”, Washington, DC, 1993, S. 19-52. Stiglitz, J. E.; Weiss, A., 1981a: Credit Rationing and Markets with Imperfect Information, in: American Economic Review, Vol. 71, S. 393-410. Stiglitz, J. E.; Weiss, A., 1981b: Incentive Effects of Termination: Applications to the Credit and Labor Markets, in: American Economic Review, Vol. 73, S. 912-27. Sygusch, V., 2010: Risk-Sensitive Capital Requirements and Pro-Cyclicality in Lending, Dissertation Universität Mannheim, Mannheim: Universitätsverlag. Tan, T. B. P., 2012: Determinants of Credit Growth and Interest Margins in the Philippines and Asia, in: IMF Working Paper, No. WP/12/123. Taylor, R. A., 1971: The Credit Union as A Cooperative Institution, in: Review of Social Economy, Vol. 2, Nr. 29, S. 207–217. Thaler, R. H.: Anomalies: The Winner’s Curse, in: The Journal of Economic Perspectives, Vol. 2, Nr. 1, S. 191–202. Tilly, R., 1994: A short history of the German banking system, in: Pohl, M.; Freitag, S. (Hrsg.): Handbook on the History of European Banks, Aldershot: Edgar, S. 299-311.

LITERATURVERZEICHNIS

383

Tischer, M., 2011: Effizienzmessung im Sparkassensektor am Beispiel regionaler Cluster, in: Schriftenreihe Finanzierung und Banken, Sternenfels: Verlag Wissenschaft & Praxis. Trigilia, C., 2002: Sociologia economica, 2. Aufl., Bologna: Il Mulino. Valverde, S. C.; Fernández, F. R., 2007: The determinants of bank margins in European banking, in: Journal of Banking & Finance, Vol. 31, Nr. 7, S. 20432063. Van den Heuvel, S. J., 2001: The Bank Capital Channel of Monetary Policy, University of Pennsylvania, https://notendur.hi.is/ajonsson/kennsla2005/Bank_channel.pdf, online. Verbeek, M., 2012: A Guide to Modern Econometrics, 4. Aufl., West Sussex: Wiley. Von Auer, L., 2007: Ökonometrie, Eine Einführung, Berlin-Heidelberg: Springer. Von Thadden, E., 2004: Asymmetric information, bank lending and implicit contracts: The Winner’s Curse, in: Finance Research Letters, Vol. 1, Nr. 1, S. 11–23. Wagner-Braun, M., 2010: Die unternehmerische Zielsetzung von Sparkassen im historischen Vergleich, in: Sparkassen-Finanzgruppe (Hrsg.): Geschäftspolitische Steuerung: die Sparkassen zwischen Renditeorientierung und Gemeinwohl, Paderborn, S. 29-61. White, L., 1999: The Theory of Monetary Institutions; Oxford: Blackwell Publishers. Wong, K. P., 1997: On the determinants of bank interest margins under credit and interest rate risks, in: Journal of Banking & Finance, Vol. 21, S. 251-271. Wooldridge, J. M., 2002: Econometric Analysis of Cross Section and Panel Data, Cambridge: The MIT Press. World Bank, 2001: Finance for Growth: Policies Choices in a volatile world, Washington, D.C. World Bank, 2008: Finance for All? Policies and Pitfalls in Expanding Access, Washington, D.C. Yeyati, E. L.; Micco, A.; Panizza, U., 2004: Should the Government Be in the Banking Business? The Role of State-Owned and Development Banks, in: IDB Working Paper, Nr. 517.

384

LITERATURVERZEICHNIS

Zagrebelsky, G., 2011: Fondazioni bancarie: una grande riforma da consolidare, in: Pastori, G.; Zagrebelsky, G. (Hrsg.): Fondazioni bancarie: una grande riforma da consolidare. Bologna: Il Mulino, S.231-258. Zarruk, E. R., 1989: Bank Spread with uncertain deposit level and risk aversion, in: Journal of Banking & Finance, Vol. 13, S. 797-810. Zarruk, E. R.; Madura, J., 1992: Optimal Bank Interest Margin under Capital Regulation and Deposit Insurance, in: Journal of Financial and Quantitative Analysis, Vol. 27, Nr. 1, S. 143-149.

Zeitungsartikel Gleber, P., 2006: Die Eigene Kraft zählt - Zur Geschichte der Genossenschaften, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung für Deutschland, September 28, 2006, S. 5. Keudell, S., 2007: Mittelstand - Jobmotor der deutschen Wirtschaft, in: Handelsblatt, http://www.handelsblatt.com/unternehmen/mittelstand/mittelstandjobmotor-der-deutschen-wirtschaft/2866650.html, abgerufen am 26.11.2012. Kühnlenz, A., 2012: Volkswirte zweifeln am Nullzins, in: Financial Times Deutschland, http://www.ftd.de/politik/konjunktur/:ftd-umfragevolkswirte-zweifeln-am-nullzins/70069922.html, abgerufen am 8.11.2012. Kuls, N., 2008: Katastrophe verhindert, in: http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/aig-rettung-katastrophe-verhindert1695647.html, abgerufen am 02.11.2012. O.A., 2009: EU erlaubt Rekord-Staatshilfe, in: http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/rettung-der-royal-bank-ofscotland-eu-erlaubt-rekord-staatshilfe-a-667012.html, abgerufen am 02.11.2012.

QUELLENVERZEICHNIS

385

Quellenverzeichnis Internetquellen Bureau van Dijk, 2013, http://www.bvdinfo.com/Products/CompanyInformation/International/BANKSCOPE.aspx, abgerufen am 03.07.2013. ECB, 2013a, http://www.ecb.int/mopo/implement/mr/html/calc.en.html, abgerufen am 05.07.2013. ECB, 2013b, http://www.ecb.int/mopo/html/index.en.html, abgerufen am 12.07.2013. Eurostat, 2013a, http://epp.eurostat.ec.europa.eu/portal/page/portal/about_eurostat/introduct ion, abgerufen am 03.07.2013. Eurostat, 2013b, http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_SDDS/EN/prc_hicp_esms.htm, abgerufen am 04.07.2013. Eurostat, 2013c, http://epp.eurostat.ec.europa.eu/cache/ITY_SDDS/EN/irt_st_esms.htm, abgerufen am 05.07.2013. Istat, 2013, http://dati.istat.it/ModalHelp/Istat/WBOS%20User%20Guide%20(EN).PD F, abgerufen am 03.07.2013. Statistisches Bundesamt, 2013), https://www.gensis.destatis.de/genesis/online;jsessionid=C387FB8209FA BC61F00C905560C6BB37.tomcat_GO_1_2?Menu=Hilfe, abgerufen am 03.07.2013. Verband der Deutschen Freien Öffentlichen Sparkassen E.V. (2012), http://www.verband-freier-sparkassen.de/, abgerufen am 26.11.2012.

386

QUELLENVERZEICHNIS

Datenquellen OECD Bank Profitability Database, OECD Publishing, http://dx.doi.org/10.1787/bank-data-en. Bankscope-Datenbank, Bureau van Dijk Electronic Publishing, Hanauer Landstrasse 175-179, 60314 Frankfurt am Main. Eurostat-Datenbank, Europäische Union, Luxembourg. GENESIS-Datenbank, Statistisches Bundesamt, Gustav-Stresemann-Ring 11, 65189 Wiesbaden. I.Stat-Datenbank, Istat - Istituto nazionale di statistica, Via Cesare Balbo 16, 00184 Roma.

Schriftenreihe Finanzierung und Banken Herausgeber: Prof. Dr. Detlev Hummel Band 1: Roland Hübner: Terminbörsliche Immobilienderivate für Deutschland, 2002. Band 2: Philip Steden: Marktorientierte Bankenregulierung. Eine ökonomische Analyse unter besonderer Berücksichtigung der Einlagensicherung, 2002. Band 3: Marc Brüning: Corporate Finance als europäische Option im mittelstandsorientierten Bankgeschäft, 2002. Band 4: Peter Claudy: Projektfinanzierungen in Emerging Markets. Eine institutionenökonomische Analyse, 2002. Band 5: Sven Deglow: Vertriebs-Controlling in Bausparkassen. Aufgaben und Instrumente einer Controlling-Konzeption zur Koordination der Vertriebswege, 2003. Band 6: David Mbonimana: Internationalisierungsstrategien von Banken – Kooperation versus Akquisition. Eine historische und vergleichende Analyse am Beispiel deutscher Großbanken, 2005. Band 7: Julia Plakitkina: Bankenstrukturen und Systemrisiken – eine ökonomische Analyse Russlands im internationalen Vergleich, 2005. Band 8: Florian Bolte: Auswirkungen des Schuldenmanagements auf Renditedifferenzen zwischen Anleihen öffentlicher Emittenten des Euro-Währungsgebietes, 2005. Band 9: Annett Ullrich: Finanzplatz Berlin – Entstehung und Entwicklung, 2005. Band 10: Holger Blisse: Stärkung der Kreditgenossenschaften durch verbundbezogenes Eigenkapital der Mitglieder. Ein Beitrag zur Corporate Governance-Diskussion, 2006. Band 11: Tobias Hofmann: Asset Management mit Immobilienaktien, 2006. Band 12: Bert Helwing: Qualitative Bewertung von Kapitalbeteiligungsgesellschaften – Eine empirische Analyse ausgewählter Bewertungskriterien und ihr Einfluss auf die Rendite und das Beteiligungsvolumen, 2008. Band 13: Michael Behrens: Turnaround Finance – eine Analyse der Kapitalzufuhr im Krisenfall des Mittelstandes, 2008. Band 14: Jana Gersch: Studienfinanzierung durch Kreditinstitute, 2009. Band 15: Christian Wildmann: Portfolioinvestitionen in Emerging Capital Markets. Portfolioinvestitionen im Kontext von Entwicklungsaspekten aufstrebender Kapitalmärkte, 2011. Band 16: Rolf-Peter Mikolayczyk: Veränderungen des US-Bankensystems als Wurzel der Bankenkrise von 2008, 2011. Band 17: Holger Seidel: Innovative Venture Capital-Investments über Dachfonds, 2011. Band 18: Markus Tischer: Effizienzmessung im Sparkassensektor am Beispiel regionaler Cluster, 2011. Band 19: Peter Brodehser: Internationale Projektfinanzierung – Strukturen und Instrumente der Bankintermediation, 2012. Band 20: Arno Richter: Finanzierung kleiner und mittlerer Unternehmen – eine theoretische und empirische Analyse sowie Besonderheiten in Ostdeutschland, 2012. Band 21: Nick Dimler: Anlagepolitik öffentlicher Versorgungsrücklagen deutscher Bundesländer und kapitalmarktfundierte Strategieentwicklung, 2013. Band 22: Robert Mülhaupt: Einflussfaktoren der Informationseffizienz von Aktienmärkten. Eine Analyse der Rolle von Transparenzanforderungen und Aktien-Analysten in den CEE-3, 2014. Band 23: Thomas Schneider: Analyse europäischer Finanzverbünde und Perspektiven der deutschen Sparkassen-Finanzgruppe – Zentralisation: Notwendigkeit oder Fiktion? Entwicklungsaspekte in der Sparkassenorganisation im europäischen Vergleich, 2015. Band 24: Nicolas Edling: Treasury-Management Internationaler Unternehmen, 2015.

Band 25: Boris Karcher: Finanzierung und Förderung innovativer KMU in Deutschland, 2015. Band 26: Marco Pedrotti: Das Stakeholder-Banking im europäischen Kontext. Ein theoretischer und empirischer Vergleich des deutschen und italienischen Bankenmarktes, 2015.