Das Pferd in der Antike: Von Troja bis Olympia 9783534450107, 9783534450114, 3534450108

Am Beginn der europäischen Literaturgeschichte steht das Trojanische Pferd, und schon in der Antike war Reiten eine olym

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German Pages 176 [177] Year 2022

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Table of contents :
Cover
Impressum
Inhalt
Sybill Ebers, Achim Lichtenberger und H.-Helge Nieswandt: Das Pferd in der Antike – eine Annäherung
Weiterführende Literatur
Abbildungsnachweis
Valeska Becker: Pferde: vom Wild- zum Haustier
Wildpferde der eiszeitlichen Kaltsteppen
Erste Kunst: Wildpferde sind dabei!
Siegeszug vom Kaukasus in die Welt
Weiterführende Literatur
Abbildungsnachweis
Kristin Kleber und Janoscha Kreppner: Pferdestärken für den Kampf. Pferdezucht und Pferdehaltung im Alten Orient
Züchtung
Nutzung und Einsatz von Pferden
Ausrüstung
Pferdehaltung und Pflege
Weiterführende Literatur
Abbildungsnachweis
Angelika Lohwasser: „Seine Majestät erscheint auf dem Gespann wie Month in seiner Kraft.“ – Das Pferd im Alten Ägypten
Das Pferd kommt
Königliche Pferde
Die Streitwagenarmee des Pharao
Pferde in Nubien
Weiterführende Literatur
Abbildungsnachweis
Katharina Martin: Von fleißigen Pferdeknechten und gutem Futter – Pferdezucht und Pferdehaltung in der Antike
„Schön anzusehen und durch leichte Zügel einfach zu führen&gv;…“
„Stuten weideten da&gv;…, von fröhlichen Fohlen umsprungen“
„Rossenährende Heimat, Thessalien&gv;…“
„… manche sind Vielfraße“
Weiterführende Literatur
Abbildungsnachweis
Oliwia A. Ullrich: Bella figura. Pferdedressur auf Münzen
Dressurpferde
Paradetrab
Levade und Courbette
Weiterführende Literatur
Abbildungsnachweis
Sophia Nomicos: Prestigegut Pferd – das Pferd als Fortbewegungsmittel
Pferd in der Jagd: Privileg des Adels
Pferd in Prozession und Reise: das bessere Maultier
Pferd in der Landwirtschaft: eine Seltenheit
E-Mail der Antike
Weiterführende Literatur
Abbildungsnachweis
Hans Beck: Zwischen Schlachtfeld und Schauparade. Pferd und Krieg im antiken Griechenland
Pferde vor Troja
Die ersten Ritter
Die Kavallerie kommt!
Schauparaden
Hellenistische Kriegspferde
Pferd und Kriegerideal
Weiterführende Literatur
Abbildungsnachweis
Sebastian Scharff: „Sie stürmten durch die Rennbahn ungestümen Laufs“. Pferdesport in der griechisch-römischen Antike
Griechischer Pferdesport
Römische Wagenrennen
Wettkampf und Entertainment
Weiterführende Literatur
Abbildungsnachweis
Achim Lichtenberger und H.-Helge Nieswandt: Geadelt, geheiligt, göttlich.
Pferde bei Homer
Poseidon, Athena und das Pferd
Weitere Gottheiten mit Pferden
Pferdeopfer
Das Pferd und Mythen der Gründung von Städten
Pferde und Olympia
Göttliche Pferde
Weiterführende Literatur
Abbildungsnachweis
Sybill Ebers: Dämonisch, mythisch, wundersam – (Pferde-)Mischwesen
Kentauren – halb Pferd, halb Mensch
Zwischen Rausch und Lüsternheit: Satyrn und Silene
Hippokampos – das Ross der Meere
Hippalektryon – der kurzlebige Exot
Pegasos – der Star unter den Mischwesen
Weiterführende Literatur
Abbildungsnachweis
Achim Lichtenberger – H.-Helge Nieswandt: „Ein Pferd, ein Pferd, ein Königreich für ein Pferd“ – das Pferd als Statussymbol in der griechisch-römischen Antike
Homerische Ideale
Frühgriechische Pferde und Adelsethik
Demokratische Pferde
Die Pferde des Königs
Römische Reiterstatuen
Weiterführende Literatur
Abbildungsnachweis
Jonas Derichs: Von Pferdefreunden und Gäulen: Pferde als Bestandteile griechischer und lateinischer Namen
Abbildungsnachweis
Valeska Becker: Pferd und Mensch: eine komplizierte Freundschaft
Black is beautiful: Alexander der Große und sein Pferd Bukephalos
Amazonen und Reiterkrieger der Steppen
Zu Gast bei einem Pferd: Caligula und Incitatus
Weiterführende Literatur
Abbildungsnachweis
Katalog
Kat. 1: Pferd
Kat. 2: Geflügeltes Pferdetier (Onager?)
Kat. 3: Streitwagendarstellung
Kat. 4: Riemenverteiler mit Kopf eines ziegenartigen Tieres (Capride)
Kat. 5: Anhänger mit zwei Pferdeprotomen
Kat. 6: Streitwagendarstellung
Kat. 7: Mythologische Jagd zu Pferde
Kat. 8: Reiter- und Bogenschütze
Kat. 9: Löwengreifen oder geflügelte Pferde
Kat. 10: Pferd oder Rind vor Lebensbaum
Kat. 11: Bronzeglöckchen mit geometrischem Dekor
Kat. 12–13: Bronzeglöckchen mit figürlich gestalteter Öse
Kat. 14–15: Bronzeglöckchen mit Öse in Form eines Pferdetieres (Equiden)
Kat. 16: Schreitendes Pferd auf Schutzamulett
Kat. 17: Pferd und Teil der Titulatur des Ramses II
Kat. 18: Pferdetrensen
Kat. 19: Drei Pferde und zwei Nubier
Kat. 20: Pferd
Kat. 21: Pferd
Kat. 22: Pferd
Kat. 23: Grasendes Pferd
Kat. 24: Grasendes Pferd
Kat. 25: Grasendes Pferd
Kat. 26: Grasendes Pferd
Kat. 27: Grasen in der freien Natur
Kat. 28: Pferdevielfalt in Larissa
Kat. 29: Grasen in Arkadien
Kat. 30: Wildpferde in Spanien
Kat. 31: Berühmtes Pferdegestüt im Iran
Kat. 32: Berühmtes Pferdegestüt im Iran
Kat. 33: Berühmtes Pferdegestüt im Iran
Kat. 34: Berühmtes Pferdegestüt im Iran
Kat. 35: Dressurfigur Courbette
Kat. 36: Variationen des Pegasos
Kat. 37: Keltisches Pferd mit Reiter im Paradeschritt
Kat. 38: Paradeschritt in Makedonien
Kat. 39: Reiten im Paradeschritt
Kat. 40: Sprung mit losen Zügeln
Kat. 41: Paradeschritt bei der Prozession
Kat. 42: Die Göttin Nike bekränzt siegreichen Wagenfahrer
Kat. 43: Eine vierfache Courbette
Kat. 44: Gespannpferde
Kat. 45: Pferd
Kat. 46: Pferd
Kat. 47: Pferd und Reiter
Kat. 48: Pferd und Reiter
Kat. 49: Hochzeitszug
Kat. 50: Frontal dargestelltes Pferdegespann
Kat. 51: Festumzug mit Viergespann
Kat. 52: Prozession mit Pferdegespann
Kat. 53: Viergespann mit vier Frauen
Kat. 54: Reiten und Absteigen vom Pferd
Kat. 55: Wie beim Voltigieren
Kat. 56: Der ‚Makedonische Reiter‘ bei den Kelten
Kat. 57: Das Viergespann als Paradewagen
Kat. 58: Heros Androklos bei der Keilerjagd zu Pferde
Kat. 59: Ein Kultwagen in Ephesos
Kat. 60: Der Kaiser Philippus Arabs bei der Löwenjagd
Kat. 61: Der Herrscher als reitender Löwentöter
Kat. 62: Das Viergespann als Rennwagen
Kat. 63: Pferdekopf
Kat. 64: Zweigespanne im kriegerischen Zusammenhang
Kat. 65: Fußsoldat und Kavalleristen
Kat. 66: Reiter
Kat. 67: Pferdestirnschutz
Kat. 68: Reiter
Kat. 69: Viergespann und Gerüsteter
Kat. 70: Viergespann und Gerüsteter
Kat. 71: Relief mit Reiterkampf
Kat. 72: Die pharsalische Kavallerie
Kat. 73: Militärische Auseinandersetzung
Kat. 74: Ein junger Kavallerist
Kat. 75: Das Reitermotiv bei König Hieron&gv;II.
Kat. 76: Ein Pferd für den Krieg
Kat. 77: Ein Reiter aus Larinum
Kat. 78: Der Kriegsgott im Viergespann
Kat. 79: Grabrelief für den Reiter Nikandros
Kat. 80: Zwei Reiter im Kampf
Kat. 81: Bewaffneter Kelte zu Pferde
Kat. 82: Bewaffneter Kelte zu Pferde
Kat. 83: Kavallerist
Kat. 84: Die Göttin Victoria im Zweigespann als Symbol der Sieghaftigkeit
Kat. 85: Der reitende Kaiser Caracalla als Sieger
Kat. 86: Der gepanzerte Reiter
Kat. 87: Bewaffneter Reiter vor Pferd
Kat. 88–90: Die Reiterei des römischen Weltreichs
Kat. 88: Bestandteile von römischem Zaumzeug
Kat. 89: Zaumzeugteile
Kat. 90: Ausrüstungsbestandteile für ein römisches Kavallerie-Pferd
Kat. 91: Wettlauf sowie Siegespreise
Kat. 92: Viergespann in Wagenrennen
Kat. 93: Reiterkavalkade
Kat. 94: Training eines Reiters und zweier Speerwerfer
Kat. 95: Reiterwettkampf
Kat. 96: Wagenrennen
Kat. 97: Ein Maultiergespann aus Messana
Kat. 98. 101. 103–105. 115: TSt
Kat. 98: Die Göttin Nike bekränzt das siegreiche Pferdegespann
Kat. 101: Die Göttin Nike bekränzt den siegreichen Wagenlenker
Kat. 103: Die Göttin Nike lenkt eine siegreiche Quadriga
Kat. 104: Victoria bekränzt Pferde in einer Quadriga
Kat. 105: Ein siegreicher Reiter
Kat. 115: Siegreicher Kaiser im Wagenrennen
Kat. 99: Wagenlenker
Kat. 100: Reitsport / Kampf der Götter gegen die Giganten
Kat. 101
Kat. 102: Reiter
Kat. 103–105
Kat. 106–108: Reiterheros
Kat. 109: Zweigespann
Kat. 110: Zweigespann
Kat. 111: Siegreicher Wagenlenker
Kat. 112: Siegreiches Pferd
Kat. 113: Wagenlenker
Kat. 114: Wagenlenker
Kat. 115
Kat. 116: Teil eines Pferdes
Kat. 116A: Pferd
Kat. 117: Grasende Pferde
Kat. 118: Achilleus am Grabe des Patroklos / Götterversammlung
Kat. 119: Wagenfahrt des Dionysos
Kat. 120: Wagenfahrender Weingott Dionysos
Kat. 121: Skyphios, ein Pferd springt aus dem Felsen
Kat. 122: Skyphios, ein Pferd springt aus dem Felsen
Kat. 123: Reiterkavalkade in Prozession
Kat. 124: Kopf eines Gespannpferdes
Kat. 125: Lanzenträger vor seinem Pferd
Kat. 126: Berittener Arimasp gegen Greifen
Kat. 127: Köpfe eines Pferdes und einer Göttin sowie Vorderteil eines Greifen
Kat. 128: Kampf eines Griechen (Achilleus?) gegen berittenes Frauenvolk (Amazonen)
Kat. 129: Amazonenkönigin im Viergespann
Kat. 130: Toter mit seinem Pferd in einer Tempelarchitektur / der Seher Amphiaraos mit seinem Viergespann im Palast des Unterweltsgottes Hades / Frauenraub mithilfe eines Viergespannes
Kat. 131: Pferde
Kat. 132: Pferd vor Dattelpalme
Kat. 133: Pferdekopf mit Dattelpalme und Blitzbündel
Kat. 134: Das gehörnte Pferd des Seleukos&gv;I. Nikator
Kat. 135: Pferd
Kat. 136: Pferd mit Gefäß
Kat. 137: Pferdeprotome und Gefäß
Kat. 138: Reitende Schutzgötter
Kat. 139: Siegesgöttin Victoria im Zweigespann
Kat. 140: Sonnengott Helios in Zweigespann
Kat. 141: Reiterheros
Kat. 142: Berittene Amazone
Kat. 143: Artemis/Diana
Kat. 144: Epona
Kat. 145: Reiter
Kat. 146: Prozessionspferd
Kat. 147: Reiterheros
Kat. 148: Reiterheros
Kat. 149: Sonnengott auf Viergespann
Kat. 150: Grasen oder suchen&gv;& finden?
Kat. 151: Eine göttliche Erscheinung
Kat. 152: Der Tempel des alten Gottes
Kat. 153: Göttin und Donauländischer Reiter
Kat. 154: Von Donauländischen Reitern gerahmte Große Göttin
Kat. 155: Von Donauländischen Reitern gerahmte Große Göttin
Kat. 156–157: Sonnengott Sol im Viergespann – Große Göttin zwischen Donauländischen Reitern – Bankettszene
Kat. 158: Reiter
Kat. 159: Ein ‚Dreamteam‘&ga;: Bellerophon auf dem Pegasos bekämpft die Chimaira
Kat. 160–161: Die ‚Pferdestadt‘&ga;: ein ‚sprechendes‘ Bild
Kat. 162: Sonnengott Helios im Viergespann
Kat. 163: Athena im Viergespann
Kat. 164: Reiter
Kat. 165: Drachentöter St. Georg
Kat. 166: Trojanisches Pferd
Kat. 167: Herakles gegen den Kentauren Pholos
Kat. 168: Kentaur
Kat. 169: Geburt des Pegasos durch die Tötung der Gorgo Medusa
Kat. 170: Zwei nach rechts eilende Kentauren
Kat. 171: Reiter auf Mischwesen aus Pferd und Hahn (hippalektryon)
Kat. 172: Reiter auf Hippokamp
Kat. 173: Satyr
Kat. 174: Flügelpferd – Pegasos
Kat. 175: Hippokamp – das geflügelte Pferd mit Fischschwanz
Kat. 176: Satyr und Trinkhorn
Kat. 177–179: Kampf von Kentauren gegen Lapithin bzw. Lapithen
Kat. 180: Kentaur
Kat. 181: Pegasos in Korinth
Kat. 182: Hippokamp – ein mythisches Seewesen
Kat. 183: Pegasos in Syrakus
Kat. 184: Stadtgottheit auf Hippokamp
Kat. 185: Cheiron, der Lehrer
Kat. 186: Hippokampenförmiger Ring
Kat. 187: Flügelpferd
Kat. 188: Flügelpferd
Kat. 189: Kentaur und Bacchantin mit einem Faun
Kat. 190: Pferde
Kat. 191: Pferdeprotome
Kat. 192: Reiterstatue – der sog. Reiter Rampin
Kat. 193: Ein kleines Pferd
Kat. 194: Pferdevorderteil im Sprung
Kat. 195: Reiter in Bronze
Kat. 196: Der makedonische Reiter
Kat. 197: Der Makedonische Reiter
Kat. 198: Jüngling und Pferd in Grabtempelchen (naiskos)
Kat. 199: Springendes Pferd
Kat. 200: Das Pferd des unbekannten Königs
Kat. 201: Springendes Pferd
Kat. 202: Statuette des Sokrates
Kat. 203: Kopf des Chrysippos
Kat. 204: Ein ideales Paar
Kat. 205: Der Heros und sein Pferd
Kat. 206: Alexander&gv;III. der Große
Kat. 207: Reiter und Stadtgott in Alexandreia Troas
Kat. 208: Alexander III. der Große zähmt Bukephalos
Kat. 209: Bildnis des Caligula
Abbildungsnachweis
Bibliographie
Autoren
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Das Pferd in der Antike: Von Troja bis Olympia
 9783534450107, 9783534450114, 3534450108

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Der Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in Münster greift zentrale kulturgeschichtliche Aspekte des Pferdes auf, sucht immer wieder auch Bezüge zur Gegenwart und zeigt den Beginn einer äußerst erfolgreichen Beziehung zwischen Mensch und Tier.

Sybill Ebers · Achim Lichtenberger · H.-Helge Nieswandt Das Pferd in der Antike

Am Beginn der europäischen Literaturgeschichte steht das Trojanische Pferd und schon in der Antike war Reiten eine olympische Disziplin: Pferde waren in der antiken Welt allgegenwärtig. Wo immer sie auftraten, ob in Religion, Politik, Kriegswesen, Sport oder Wirtschaft, stets nahmen sie eine herausragende Stellung ein.

DAS PFERD IN DER ANTIKE Von Troja bis Olympia

www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-45010-7

Sybill Ebers Achim Lichtenberger H.-Helge Nieswandt (Hrsg.)

Sybill Ebers, Achim Lichtenberger, H.-Helge Nieswandt (Hrsg.) Das Pferd in der Antike

Diese Publikation erscheint anlässlich der Ausstellung „Das Pferd in der Antike – Von Troja bis Olympia“, vom 15. Juni bis 18. September 2022 im Westfälischen Pferdemuseum im Allwetterzoo Münster und vom 23. Oktober 2022 bis 12. Februar 2023 im Winckelmann-Museum Stendal.

Sybill Ebers, Achim Lichtenberger, H.-Helge Nieswandt (Hrsg.)

Das Pferd in der Antike Von Troja bis Olympia

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar

wbg Academic ist ein Imprint der wbg © 2022 by wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt Die Herausgabe des Werkes wurde durch die Vereinsmitglieder der wbg ermöglicht. Satz und eBook: SatzWeise, Bad Wünnenberg Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem Papier Printed in Germany Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-45010-7 Elektronisch ist folgende Ausgabe erhältlich: eBook (PDF): 978-3-534-45011-4

Inhalt

Das Pferd in der Antike – eine Annäherung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Sybill Ebers, Achim Lichtenberger und H.-Helge Nieswandt Das Pferd: vom Wild- zum Haustier . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Valeska Becker Pferdestärken für den Kampf. Pferdezucht und Pferdehaltung im Alten Orient . . . . . .

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Kristin Kleber und Janoscha Kreppner „Seine Majestät erscheint auf dem Gespann wie Month in seiner Kraft.“ – Das Pferd im Alten Ägypten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20

Angelika Lohwasser Von fleißigen Pferdeknechten und gutem Futter – Pferdezucht und Pferdehaltung in der Antike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

Katharina Martin Bella figura. Pferdedressur auf Münzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

31

Oliwia A. Ullrich Prestigegut Pferd – das Pferd als Fortbewegungsmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

35

Sophia Nomicos Zwischen Schlachtfeld und Schauparade. Pferd und Krieg im antiken Griechenland

. . .

39

„Sie stürmten durch die Rennbahn ungestümen Laufs“. Pferdesport in der griechisch-römischen Antike . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Hans Beck

Sebastian Scharff Geadelt, geheiligt, göttlich. Das Pferd im antiken Kult und Mythos . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Achim Lichtenberger und H.-Helge Nieswandt Dämonisch, mythisch, wundersam – (Pferde-)Mischwesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

58

Sybill Ebers „Ein Pferd, ein Pferd, ein Königreich für ein Pferd“ – das Pferd als Statussymbol in der griechisch-römischen Antike . . . . . . . . . . . . . . .

64

Achim Lichtenberger – H.-Helge Nieswandt

5

Inhalt

Von Pferdefreunden und Gäulen: Pferde als Bestandteile griechischer und lateinischer Namen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Jonas Derichs Pferd und Mensch: eine komplizierte Freundschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

Valeska Becker

Katalog . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Das Pferd in der Antike – eine Annäherung Sybill Ebers, Achim Lichtenberger und H.-Helge Nieswandt Das Pferd ist ein steter Begleiter des Menschen. Wildpferde werden zunächst als Rohstoffquelle, also vor allem als Fleischlieferant von den Jägern Eurasiens und Afrikas in prähistorischer Zeit erlegt. Doch die Domestikation des Pferdes in Zentralasien im 4. Jahrtausend v. Chr. ändert alles und ist der Beginn einer intensiven Tier-Mensch-Beziehung, die sich bis zum Ende des ‚Pferdezeitalters‘ im 20. Jahrhundert erstreckt. Auch wenn das Pferd bis heute auf dem Speiseplan der Menschen steht (Abb. 1), ermöglicht doch die Domestikation eine Nutzung des Pferdes und weiterer Equiden wie Esel und Maultiere. Die Zug- und Reittiere vereinfachen in vielfältiger Weise die Fortbewegung und den Lastentransport. Diese Erleichterung und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten haben tiefgreifende Auswirkungen auf die menschliche Kulturgeschichte, welche sich in Wirtschaft, Militär, Religion und Gesellschaft manifestieren.

Bereits in den frühesten literarischen Zeugnissen der griechischen Kultur, bei Homer, der um 750 v. Chr. die Epen „Ilias“ und „Odyssee“ verfasst, spielt das Pferd eine wichtige Rolle als Zugtier von Streitwagen und gelegentlich auch als Reittier. Pferde bekommen Namen und es wird deutlich, dass die Menschen eine intensive Beziehung zu den Tieren aufbauen, die sich nicht nur darin zeigt, dass die Pferde den Tod eines Helden beweinen, sondern auch, dass sie wie Menschen Wein zu trinken bekommen und sprechen können. Die Wertschätzung der Pferde wird auch darin deutlich, dass der Held Erichthonios vor Troja lieber seine Pferde im Stall lässt und zu Fuß in den Kampf zieht, als sie den Gefahren des Schlachtfelds auszusetzen. Dabei sind die Pferde nützliche Kriegshelfer, die, zunächst aus dem Orient als Streitwagengespanne übernommen, später auch eine hochmobile Reiterei ermöglichen, die oft schlachtentscheidend ist. Für einen solchen

Abb. 1: Pferdemetzgerei in der Rue Glacière in Paris

7

Sybill Ebers, Achim Lichtenberger und H.-Helge Nieswandt

Abb. 2: Aktuelle autokratische Herrscher wie Wladimir Putin und Kim Jong Un inszenieren sich als Reiter

Einsatz wird eine Militärtechnik entwickelt, welche nicht nur ausgeklügelte konstruierte Gespanne nutzt, sondern auch das Pferd mit Ausrüstungsgegenständen versieht, welche der Handhabung und dem Schutz dienen. Trensen sind bereits aus dem Alten Orient bekannt, doch bemerkenswerterweise werden die so praktischen Steigbügel wohl zunächst von den Skythen nördlich des Schwarzen Meeres in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr. als Schlaufen erfunden, und verbreiten sich erst im frühen Mittelalter in metallener Form. Pferde werden auch in Sport und auf der Jagd eingesetzt, beides Bereiche, die zunächst mit einem hohen Sozialstatus und Macht verbunden sind. In Olympia sind die Pferdewettkämpfe – hippische Agone – die bedeutendsten, und antike Herrscher behalten sich Jagdreviere vor, in denen sie zu Pferde oder von Pferden gezogen jagen. Pferde sind wertvoll und werden zu exklusiven Statussymbolen, welche die Gesellschaften auf vielfältige Weise sowohl an der Spitze als auch im Adel prägen und bis heute in die Repräsentation autokratischer Herrscher wirken (Abb. 2). Dabei ist das Pferd nicht nur ein machtvolles Hoheitssymbol, sondern die Herrscher entwickeln tatsächlich enge Beziehungen zu den Pferden, wie etwa Alexander der Große zu seinem Pferd Bukephalos oder der römische Kaiser Caligula, der das Pferd Incitatus in höchsten Ehren hält und sogar daran gedacht haben soll, es zum Konsul zu machen und mit einem Sitz im Senat zu versehen. Auch zahlreiche griechische Personennamen wie etwa Philipp („der Pferdefreund“) zeugen von der hohen Wertschätzung des Pferdes durch die Menschen der Antike. 8

Das Pferd ist auch in antiker Religion allgegenwärtig. Gottheiten wie Poseidon, Athena und Hera sind besondere Pferdefreunde und Schützer dieser Reittiere und deren Zucht. Die Götter nutzen Pferde als Gespanntiere, und Pferdedarstellungen dienen für einige Gottheiten als Weihgeschenke, darunter auch das berühmte Trojanische Pferd, welches Athena zugedacht ist. Doch auch in lokalen Mythen begegnet das Pferd gerne und insbesondere dann, wenn es in der lokalen Wirtschaft, zum Beispiel der Pferdezucht, eine Rolle spielt. Eine phantasievolle geistige Auseinandersetzung mit dem Pferd findet in den zahlreichen gesamtgriechischen Mythen statt, in denen das Pferd in Mischwesen aufgeht, seien es der geflügelte Pegasos, die Kentauren – eine Kombination von Mensch und Pferd – oder die wilden Satyrn mit Pferdeschweif. Bis heute sind solche Mischwesen wie das Einhorn, das es in der Antike in dieser Form nicht gibt, Gegenstand der modernen Popkultur und Fantasyliteratur (Abb. 3).

Abb. 3: Einhörner als Spielzeugtiere

Das Pferd in der Antike – eine Annäherung

In der Antike gibt es aber auch eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Pferd, die auf empirischer Beobachtung beruht. Denn zur Nutzung und Zucht von Pferden ist eine sehr genaue Kenntnis ihrer Physis und Verhaltensweisen notwendig. Die Grundlagen der Zoologie des Pferdes werden von dem griechischen Universalgelehrten Aristoteles (384–322 v. Chr.) (Abb. 4) erarbeitet. Ihm folgen später Autoren wie die römischen Schriftsteller Varro (116–27 v. Chr.) und Plinius der Ältere (23/24–79 n. Chr.). Aristoteles, der für einen klassifizierenden Blick auf die Welt bekannt ist, hat Pferde zusammen mit Eseln und Mauleseln der Gruppe der einhufigen, schweifschwänzigen Lebewesen zugewiesen. Er beschreibt zudem das Gebiss und den Zahnwechsel der Pferde sehr genau, da das Alter eines Pferdes so zu bestimmen sei. Am Gebiss macht er auch die Fruchtbarkeit des Pferdes fest, die nach dem letzten Zahnwechsel nach viereinhalb Jahren am besten sei. Der römische Autor Plinius beschreibt, dass Hengste zwar bereits im zweiten Lebensjahr geschlechtsreif seien, doch sei dies selten und die gezeugten Fohlen klein und schwächlich. In der Regel paaren sich Pferde erst ab dem dritten Lebensjahr und die Abkömmlinge würden mit dem Alter immer besser. Aristoteles und Plinius wissen, dass die Stute elf Monate trägt und im zwölften Monat fohlt, dass sie stehend fohlt und dass Stuten erst wieder nach einem Jahr gedeckt werden können. Und auch einige Beobachtungen zur Anatomie des Pferdes verdanken wir Aristoteles, etwa das Fehlen einer Gallenblase, der sogenannte Herzknochen und die Lage des Uterus. Sie unterstreichen das Bemühen, den Körper des Pferdes zu verstehen, und daher gibt es in der Antike auch mehrere literarische Werke, die sich mit Pferdekrankheiten und deren Behandlung befassen. Über die Lebenserwartung der Pferde existieren unterschiedliche Vorstellungen: Während Aristoteles das Durchschnittsalter von 18 bis 20 Jahren und ein recht selten vorkommendes Höchstalter von 50 Jahren angibt, nennt Plinius für Hengste ein Alter von 35 und für Stuten von 40 Jahren, wobei seiner Ansicht nach Pferde bis zu 75 Jahre alt werden können. Plinius berichtet auch von einem Volksglauben, wonach die Stuten nach dem Geschlechtsakt, je nachdem, ob sie ein männliches oder ein weibliches Fohlen empfangen, nach Norden oder Süden weglaufen. Weiterhin soll sich nach der Empfängnis die Haarfarbe der Stuten ändern. Auch weitere Vor-

stellungen wie etwa, dass Stuten, denen man die Haare schert, ruhiger und weniger stürmisch werden, unterstreichen das menschliche Bemühen, Pferde zu verstehen und ihre Haltung zu kontrollieren.

Abb. 4: Porträt des Philosophen Aristoteles, Abguss einer römischen Kopie eines griechischen Originals um 320 v. Chr.

In der Ausstellung „Das Pferd in der Antike – Von Troja bis Olympia“, die von dem Archäologischen Museum der Universität Münster und dem Westfälischen Pferdemuseum im Allwetterzoo Münster gemeinsam im Westfälischen Pferdemuseum veranstaltet wird, befassen wir uns eingehend mit kulturgeschichtlichen Aspekten des Pferdes in der Antike. Die Mehrzahl der Exponate der Ausstellung stammt aus dem Archäologischen Museum der Universität Münster. Weitere Leihgaben verdanken wir Dr. Dietmar Jordan, Bad Driburg (zahlreiche Tongefäße), dem Münzkabinett der Staatlichen Museen, Berlin (zahlreiche Münzen), dem LVR Landesmuseum, Bonn (Amulett Kat. 16), dem 9

Sybill Ebers, Achim Lichtenberger und H.-Helge Nieswandt

Roemer-und-Pelizaeus-Museum, Hildesheim (Grabungsfunde aus den Ställen des Ramses II. in Piramesse Kat. 17–18), dem Badischen Landesmuseum, Karlsruhe (Pferde-Stirnschutz Kat. 67), dem Ägyptischen Museum der Universität Leipzig (Räucherensemble Kat. 19), dem Bischöflichen Diözesanmuseum, Münster (Alabasterstatuette des Heiligen Georg Kat. 165), dem Kunstmuseum Pablo Picasso, Münster (Kentauren-Graphik Kat. 189), und dem Archäologischen Landesmuseum BadenWürttemberg/Römerkeller Oberriexingen (EponaRelief Kat. 144). Allen Leihgebern sei herzlichst gedankt. Weiterer Dank ergeht an die Fotografin Lianna Hecht sowie die Autorinnen und Autoren des Begleitkatalogs. Wir freuen uns darüber, nicht nur namhafte Kolleginnen und Kollegen gewonnen zu haben, sondern auch über zahlreiche Beiträge von Studierenden für den Katalog. Bei Monika Nieswandt (Münster) bedanken wir uns für das sorgfältige Lektorat der Katalogbeiträge. An Silas Pott (Münster) und Maximilian Wielepp (Ahlen) ergeht Dank für Hilfe bei der Katalogredaktion. Den Teams des Archäologischen Museums und des Westfälischen Pferdemuseums gilt Dank für die Unterstützung bei der Realisation der Ausstellung. Für die Gestaltung der Druckerzeugnisse danken wir Ines Hahn (Steinfurt). Ebenso danken wir folgenden Institutionen, die als finanzielle Unterstützer gewonnen werden konnten: Sparkasse Münsterland Ost, Gesellschaft zur Förderung des Archäologischen Museums der Universität Münster, Kerykeionstiftung für Archäologische Museen sowie dem Verein zur Förderung des Westfälischen Pferdemuseums Münster e. V. Ohne diese Unterstützung hätte die Ausstellung nicht realisiert werden können. Es ist uns eine Freude, dass die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Universität Münster und dem Westfälischen Pferdemuseum im Allwetterzoo Münster in einer Ausstellung der Öffentlichkeit präsentiert werden kann. Das Ziel ist es, die außergewöhnliche Bedeutung der Mensch-Pferd-Beziehungen in der griechisch-römischen Antike herauszuarbeiten. Es ist eine exklusive Freundschaft, die bis in die Gegenwart andauert und nicht nur etwas über die Beziehung von Mensch und Tier aussagt, sondern zugleich auch etwas über den Menschen in seinem sozialen und politischen Gefüge.

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Weiterführende Literatur U. Raulff, Das letzte Jahrhundert der Pferde. Geschichte einer Trennung (München 2015).

Abbildungsnachweis Abb. 1: https://fr.wikipedia.org/wiki/Boucherie_chevaline#/media/Fichier:Boucherie_hippophagique.JPG Abb. 2: links https://www.imago-images.de/st/ 0074884972 Abb. 2: rechts https://www.imago-images.de/st/ 0094152168 Abb. 3: https://de.wikipedia.org/wiki/Einhorn#/media/ Datei:2013–365–352_All_Unicorn_All_The_Time_ (11446352464).jpg Abb. 4: Archäologisches Museum der WWU, Inv. A 18, Foto Lianna Hecht

Das Pferd: vom Wild- zum Haustier Valeska Becker Pferden begegnen wir heute vor allem im Sport und im Freizeitreiten. Ihr ursprüngliches Nutzungsspektrum ist jedoch breiter: Neben ihrer Bedeutung als Reit- und Zugtiere sind es auch Fleisch, Leder und Milch, die sie liefern. Sie revolutionieren den Krieg als Reittiere bewaffneter Soldaten und Zugtiere vor dem Streitwagen. Die gemeinsame Geschichte von Mensch und Pferd reicht bis ins 4. Jahrtausend v. Chr. zurück.

Wildpferde der eiszeitlichen Kaltsteppen Zur Gattung der Pferde (equus) gehören die Wildund Hauspferde, die Wild- und Hausesel und die Zebras. Noch immer ist die Abstammung unserer Hauspferde Gegenstand von Diskussionen. Sie lassen sich wohl auf eine Wildpferdart zurückführen, die jedoch ausgestorben ist. Enge genetische Verwandtschaft besteht mit den auch heute noch existierenden Przewalskipferden (Abb. 1).

Abb. 1: Przewalski-Stute und Fohlen

Diese gedrungenen, kleinen Pferde (Hengste: bis 1,45 m Stockmaß, Stuten: bis 1,40 m) mit graugelbem bis dunkelbraunem Fell, einem Aalstrich auf dem Rücken, Stehmähne, bisweilen Streifen an den Beinen und Ramsnase waren in freier Wildbahn bereits ausgerottet, konnten jedoch durch gezielte Zucht von Zootieren vor dem Aussterben bewahrt werden. Heute leben wieder mehrere ausgewilderte 1

Herden in den Steppengebieten der Mongolei. Als östliche Unterart des Wildpferdes sind sie aber nicht der direkte Ursprung unserer Hauspferde. Ähnliches gilt für den Tarpan, eine Pferdeart, die im 19. Jahrhundert ausgerottet wurde. Tarpane hatten ein graues oder braungraues Fell, eine Stehoder Hängemähne und bisweilen einen Aalstrich. Genetisch scheinen sie Mischungen aus Haus- und Wildpferden darzustellen und sind daher ebenfalls nicht Stammväter und -mütter unserer Hauspferde. Wichtig zu wissen ist auch, dass vermeintliche Wildpferde wie Dülmener oder Camargue-Pferde, die Mustangs Nordamerikas oder Koniks keine echten Wildpferde sind. Es handelt sich bei ihnen entweder um verwilderte Hauspferde (Mustangs) oder aber um wild oder halbwild gehaltene Hauspferde (Dülmener, Koniks, Camargue-Pferde).

Erste Kunst: Wildpferde sind dabei! Wie hat aber nun das ursprüngliche Wildpferd ausgesehen? Dazu liegen uns bildliche Darstellungen aus der altsteinzeitlichen Höhlenkunst und in Form von Figurinen und Ritzungen vor, aber auch Knochen und sogar Eismumien aus dem Permafrost Sibiriens; zusätzlich gibt es genetische Analysen 1. Es handelte sich wohl um Tiere mit einem Stockmaß von 1,3 bis 1,4 m, mit überwiegend braunem Fell und oft mit hellerem Bauch. Auch falbe Tiere und sogar Tigerschecken kommen vor (Abb. 2). Ursprünglich sind Wildpferde weit verbreitet. Sie sind typische Tiere der Kaltsteppe, die von Europa bis nach Sibirien vorkommen. Als um etwa 9600 v. Chr. die letzte Eiszeit zu Ende geht, wird es wärmer und feuchter, und mit der damit einhergehenden Wiederbewaldung verkleinert sich der Lebensraum der Wildpferde stark. Größere Populationen sind nur noch auf der Iberischen Halbinsel und in den eurasischen Steppengebieten zu finden. Es liegt nahe, hier nach frühen Domestikationszentren zu suchen (Abb. 3).

Pruvost et al. 2011.

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Valeska Becker

Abb. 2: Zwei gepunktete Pferde und Handabdrücke: Malerei aus Pech Merle, Département Lot, Südfrankreich, ca. 25 000 v. Chr.

Von Fleisch und Milch zum Reiten Erste Hinweise auf die Domestikation – also den sich über viele Tiergenerationen erstreckenden Vorgang der Zähmung, Haltung und Zucht in Gefangenschaft, bis aus einem Wild- ein Haustier geworden ist – von Wildpferden finden sich in den Steppen Zentralkasachstans. In den Siedlungen der Botai-Kultur des 4. Jahrtausends v. Chr. stammen bis zu 99 % aller Tierknochen von Pferden 2. Sie sind so häufig, dass sie sogar als Baumaterial in den Hauswänden Verwendung finden. Neben Häusern konnten auch Zäune entdeckt werden, die auf eine zumindest zeitweise Haltung von Pferden innerhalb der Siedlungen sprechen. Interessant ist, dass die meisten Pferde damals im Alter zwischen vier und acht Jahren getötet werden. Sie werden aber offenbar noch nicht geritten, denn ein Pferd sollte erst ab vier Jahren an einen Reiter oder eine Reiterin ge2 3

Levine 1999. Outram et al. 2009.

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wöhnt werden und ist dann mit etwa fünf Jahren entsprechend ausgebildet; es wäre unsinnig, ein solches Reitpferd dann so schnell wieder zu schlachten. Stattdessen geht es beim Halten der Pferde offenbar zunächst einmal um Fleisch. Das belegen auch Nachweise von Pferdefett in Keramik. Nichtsdestotrotz zeigt die große Anzahl der Pferde in den Siedlungen ein enges Zusammenleben zwischen Mensch und Tier und eine beginnende Domestikation. Viel spricht dafür, dass die Menschen der BotaiKultur im Lauf der Zeit weitere Nutzungsmöglichkeiten für Pferde entdecken. So können in manchen Gefäßen auch Fette aus Milch nachgewiesen werden 3. Offenbar werden also Stuten gemolken, was bereits große Vertrautheit zwischen Mensch und Tier voraussetzt. Es ist zu vermuten, dass die Menschen der Botai-Kultur schließlich auch das Reiten lernen. Ein Beleg dafür könnten einige Pferdezähne

Das Pferd: vom Wild- zum Haustier

Abb. 3: Frühe Domestikationszentren des Pferdes Lila: Nordschwarzmeerraum. Orange: zentralasiatische Steppengebiete. Grün: nordöstlicher Schwarzmeerraum und Nordkaukasus, das Ursprungsgebiet unserer heutigen Hauspferde

sein, die Abnutzungserscheinungen zeigen. Sie ähneln dabei Zähnen von heutigen Pferden, die gezäumt geritten werden. Alle Indizien weisen also darauf hin, dass es im 4. Jahrtausend v. Chr. in Zentralkasachstan ein Domestikationszentrum für Pferde gibt. Ein weiteres Gebiet dürfte im Nordschwarzmeerraum gelegen haben. Auch hier gibt es weite Steppenlandschaften, und in den Siedlungen des 4. Jahrtausends v. Chr. finden sich ebenfalls große Mengen von Pferdeknochen. Auch hier wird zunächst Pferdefleisch gegessen, später dann zudem Milch verwertet, wie naturwissenschaftliche Analysen von Keramik belegen 4. Für den Nordschwarzmeerraum lässt sich damit ebenfalls ein Domestikationszentrum ausmachen. Neben den Funden von Pferdeknochen und tierischen Fetten in Keramik zeugen bildliche Darstellungen im Nordschwarzmeerraum von der zunehmenden Bedeutung des Pferdes. In reich ausgestatteten Gräbern der Steppe findet sich aus Knochen geschnitzter Kleiderschmuck in Pferdeform. Selten gibt es aus Stein gefertigte Pferdeköpfe, die 4 5 6

wohl auf hölzernen Stäben befestigt waren und die Funktion von Szeptern haben 5. Diese Funde weisen auf die Wertschätzung und die große Bedeutung hin, die Pferde in diesen Gesellschaften haben.

Siegeszug vom Kaukasus in die Welt Neueste DNA-Analysen der frühen domestizierten Pferde haben interessante Ergebnisse erbracht 6: Wenngleich im Nordschwarzmeerraum und in Zentralasien bereits im 4. Jahrtausend v. Chr. Pferde domestiziert werden, sind sie nicht mit unseren heutigen Hauspferden genetisch verwandt. Auch frühe Hauspferde anderer Regionen wie etwa der Iberischen Halbinsel bilden nicht den Genpool, aus dem die Pferde unserer Zeit stammen. Stattdessen entsteht etwa zwischen 2200 und 2000 v. Chr. eine Pferdepopulation in den westeurasischen Steppen des Nordschwarzmeerraums und des Nordkaukasus, die sich nach und nach über ganz Eurasien ausbreitete und die genetische Basis der heutigen

Mileto et al. 2017. Govedarica 2004. Librado et al. 2021.

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Valeska Becker

Hauspferde ist. Warum sich diese und nicht andere früher domestizierte Pferde in Europa durchsetzen, ist noch Gegenstand von Diskussionen. Es kann aber sein, dass der Erfolg der westeurasischen Hauspferde in verschiedenen genetischen Mutationen liegt, die sie begehrenswert machen: Ihre DNA lässt darauf schließen, dass sie besonders umgänglich und friedlich waren, daneben aber auch ausdauernd und stressresilient. Außerdem hatten sie eine starke, kräftige Wirbelsäule, die das Reiten begünstigte. Wir können uns vorstellen, dass diese Pferde durch Handel, als Beute oder Tribut oder mit migrierenden Menschen nach Europa und in den Vorderen Orient gelangen. Rasch erkennt man, wie wertvoll die Schnelligkeit der Tiere, ihre Wendigkeit und ihre Fähigkeit, auch leichte Streitwagen zu ziehen, für den Kampf und Krieg sind. Damit nehmen Pferde eine besondere Stellung unter den Haustieren ein und stehen den Menschen näher als die Hauptwirtschaftstiere Schaf, Ziege, Rind und Schwein; sie werden auch häufiger abgebildet, wie man am Beispiel der attisch-geometrischen Kanne mit einem Hauspferd am Zügel auf dem Halsbereich in der Ausstellung sehen kann (Kat. 1).

Weiterführende Literatur B. Govedarica, Zepterträger – Herrscher der Steppen. Die frühen Ockergräber des älteren Äneolithikums im karpatenbalkanischen Gebiet und im Steppenraum Südost- und Osteuropas (Mainz 2004). P. Librado et al., The Origins and Spread of Domestic Horses from the Western Eurasian Steppes, Nature, 2021, 598, 634–640; https://doi.org/10.1038/s41586– 021–04018–9. M. A. Levine, Botai and the Origins of Horse Domestication, JAnthrA 18, 1999, 29–78. S. Mileto – E. Kaiser – Y. Rassamakin – R. P. Evershed, New Insights into the Subsistence Economy of the Eneolithic Dereivka Culture of the Ukrainian NorthPontic Region Through Lipid Residues Analysis of Pottery Vessels, JASc Reports 13, 2017, 67–74. A. K. Outram – N. A. Stear – R. Bendrey – S. Olsen – A. Kasparov – V. Zaibert – N. Thorpe – R. P. Evershed, The Earliest Horse Harnessing and Milking, Science 323, 2009, 1332–1335. M. Pruvost – R. Bellone – N. Benecke – E. SandovalCastellanos – M. Cieslak – T. Kuznetsova – A. Morales-Muñiz – T. O’Connor – M. Reissmann – M. Hofreiter – A. Ludwig, Genotypes of Predomestic Horses Match Phenotypes Painted in Paleolithic Works of

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Cave Art, PNAS 108, 46, 2011, 18626–18630; https:// doi.org/10.1073/pnas.1108982108.

Abbildungsnachweis Abb. 1: akg-images / B. von HOFFMANN Abb. 2: Patrick Cabrol / Centre de Préhistoire du Pech Merle / akg-images Abb. 3: Kartengrundlage: Schweizer Weltatlas, verändert durch Valeska Becker

Pferdestärken für den Kampf. Pferdezucht und Pferdehaltung im Alten Orient Kristin Kleber und Janoscha Kreppner

Wildpferde waren wahrscheinlich bereits im 4. Jahrtausend v. Chr. in den Hochebenen des Iran und in Zentralanatolien verbreitet, aber in Mesopotamien ist das Pferd nicht ursprünglich heimisch. Die klimatischen Bedingungen, insbesondere im heißen und trockenen Südmesopotamien, sind für Pferdehaltung ungünstig, da es kaum natürliche Weideflächen gibt. Die frühesten textlichen Überlieferungen – in Keilschrift auf Tontafeln geschrieben – stammen aber aus diesem Gebiet. Sie datieren in das späte 4. und das 3. Jahrtausend v. Chr. Die frühen Texte nennen daher nur selten Pferde; die geläufigsten Equiden waren vielmehr der domestizierte Esel, der Onager (syrischer Wildesel oder Halbesel) sowie Kungas. Letztere sind unfruchtbare Mischlinge aus domestizierten weiblichen Eseln und männlichen Onagern. Die Kungas sind kräftiger und schneller als Esel, aber anders als Onager zähmbar. Im 3. Jahrtausend v. Chr. dienen sie vor

der Einführung des domestizierten Pferdes als Zugtiere für Streitwagen (Abb. 1). Sisi, das Wort für „Pferd“ im Sumerischen und Akkadischen (sisiʾ um) ist ein Wander- bzw. Kulturwort, das mit dem Tier gekommen ist und daher in verschiedene Sprachen des alten Vorderen Orients Eingang gefunden hat. Im Sumerischen wird es in der Taxonomie für Esel (anše, vielleicht auch allgemein „Equide“) aufgenommen, und daraus anše.kur.ra gebildet, was „Bergesel“ bedeutet. Es gibt vereinzelte textliche Belege für Pferde aus der Mitte des 3. Jahrtausends v. Chr., aber die Belege werden erst in der Ur III-Zeit, das heißt im letzten Jahrhundert dieses Jahrtausends, häufiger. Aus dieser Zeit stammt auch die erste Darstellung eines Pferdes mit Reiter. Pferde werden damals noch nicht in Babylonien gezüchtet, sondern aus den Hochebenen des Zagros, dem kurdischen Hochland und aus Anatolien importiert. Im 1. Jahrtausend

Abb. 1: Detailaufnahme eines Streitwagens, gezogen von Kungas, auf der Standarte von Ur, Südirak (2600 v. Chr.).

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Kristin Kleber und Janoscha Kreppner

Abb. 2: Assyrischer Streitwagen, Orthostatenrelief aus dem Palast des Assurbanipal in Ninive, Nordirak, neuassyrische Zeit, ca. 650 v. Chr. Wagenpferde, in der Regel Hengste, werden speziell für ihren Einsatz in der Schlacht trainiert. Sie müssen verschiedene Gangarten vor dem Wagen lernen, sie lernen einen Ausfall, die Wende und eine komplette Drehung um 360°.

v. Chr. kommen Militärpferde für die assyrische Armee auch aus Ägypten. Zu allen Zeiten der altorientalischen Geschichte sind Pferde teure Prestigeobjekte. Im 1. Jahrtausend v. Chr. kostet ein Pferd zwischen 95 und 230 Schekel (792–1917 Gramm) Silber. Das entspricht ungefähr dem 20- bis 60-Fachem des Monatslohns eines Bauarbeiters. Privatpersonen besitzen daher nur selten eins; Pferde werden vor allem für das Militär gezüchtet und gehalten.

Züchtung Seit der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. werden Pferde auch in Mesopotamien gezüchtet. Die Kassiten, ein wahrscheinlich aus dem östlichen Bergland stammendes Volk, die im 2. Jahrtausend in die me16

sopotamische Tiefebene einwandern, bringen Wissen über Pferdezucht mit. Unsere Quellen zur altorientalischen Pferdezucht kommen außerdem aus Anatolien, wo im 2. Jahrtausend v. Chr. die Hethiter herrschen. In Nordsyrien ist es vor allem das Reich der Mittanni (15. bis 13. Jahrhundert v. Chr.), das sich vom Mittelmeer über Ostanatolien bis zum westlichen Zagros erstreckt, das mit Pferden verbunden wird. Dort gibt es eine militärische Elite, die sogenannten mariannu, die Streitwagenkämpfer sind. Die am weitesten verbreitete Sprache im MittanniReich heißt Hurritisch. Viele Wörter in akkadischen Texten, die mit Pferdezucht, Pferdetraining, der Ausrüstung (Pferdegeschirr) und Streitwagen zu tun haben, sind kassitischen oder hurritischen Ursprungs. Texte stammen aber auch aus dem mittelassyrischen Reich, das im Laufe des 13. Jahrhunderts v. Chr. das Mitanni-Reich in Nordsyrien ablöst.

Pferdestärken für den Kampf

Abb. 3: Assyrische Kavallerie, Orthostatenrelief aus dem Palast des Sanherib, Ninive, Nordirak, ca. 700 v. Chr.

In den Texten werden Pferde oft nach Farben unterschieden: altorientalische Pferde sind weiß, rot/rotbraun, schwarz, gescheckt oder mit Blässe. Weiße Pferde sind als Prunkpferde, auch als Zugtiere für Götterwagen besonders beliebt und offenbar selten. Auffällig ist, dass in den Texten keine Pferderassen unterschieden werden, doch manchmal wird die Herkunft angegeben, was insbesondere bei weit entfernten Herkunftsgebieten (z. B. Ägypten und Kusch im heutigen Sudan) einer Unterscheidung der Rasse wahrscheinlich gleichkommt. Besonders spannend ist die Überlieferung von Pferdenamen – kein anderes Tier erhält im Alten Orient einen Eigennamen, zumindest nicht in administrativen Texten. Aus der Kassitenzeit stammen auch die ältesten Nachweise für Pferdestammbäume: So werden zwei Pferde eines Gespanns als „Söhne des Sambi, des Sohnes des Armi“ bezeichnet, und es gibt ein Wort für Pferde ohne Stammbaum.

Nutzung und Einsatz von Pferden Das Haupteinsatzgebiet der Pferde war das Militär. Im 2. Jahrtausend v. Chr. zog die Erfindung des Speichenrades die Entwicklung des leichten, zweirädrigen Streitwagens nach sich, der schnell und wendig ist. Diese neue Kampftechnik ist eng mit dem Aufkommen der Pferdezucht in Mesopotamien verbunden. Das Joch des Streitwagens liegt vor dem Widerrist auf, an dem eine Deichsel befestigt ist. Im frühen 1. Jahrtausend kommt ein Bauchgurt hinzu, der die Pferde vor dem Aufschlagen des Joches schützt (Abb. 2, vgl. Kat. 6) Der Einsatz von Pferden als Reittier spielt noch im 2. Jahrtausend eine untergeordnete Rolle. Reiter werden als Kuriere und in Spähtrupps sowie in kleinerer Anzahl im Heer eingesetzt. Ab dem frühen 1. Jahrtausend v. Chr. wird die Kavallerie jedoch für den Krieg immer bedeutender; sie löst die Streitwagen in der Feldschlacht ab (Abb. 3, vgl. Kat. 8).

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Kristin Kleber und Janoscha Kreppner

Abb. 4: Stallung in einer privaten Eliteresidenz in der neuassyrischen Provinzstadt Dūr-Katlimmu

Ausrüstung Archäologisch und textlich reich bezeugt sind Teile der Ausrüstung. Ab dem 2. Jahrtausend v. Chr. gibt es Pferdetrensen, u. a. aus Metall, die mit einer Sperre gegen das Verschieben des Mundstücks ausgerüstet sind. Das Mundstück kann stangenförmig sein oder aber wie heutige Mundstücke aus zwei Hälften bestehen, die mit einer Öse aneinander befestigt sind. Die Seitenteile sind größere Trensenringe, die entweder Zügelringe oder direkt die Zügel halten. Das Zaumzeug wird oftmals mit Bronzeschmuck verziert (vgl. Kat. 4 und 11–15). Zum Schutz der Pferdeaugen gibt es Scheuklappen; auf Darstellungen sieht man außerdem Stirnschutzstücke mit schönen Verzierungen (Abb. 2, Abb. 3).

Pferdehaltung und Pflege Wenn Pferde nicht im Freien auf der Weide leben, sind sie in Hürden oder Ställen untergebracht. Ställe können einfache Schilfhütten sein oder aber feste, gemauerte Gebäude mit steinernen Pferdetränken. Die meisten Belege für Pferdeställe kommen aus Texten, nur wenige wurden ausgegraben. In der neuassyrischen Provinzstadt Dūr-Katlimmu wurde in einer privaten Eliteresidenz ein Befund freigelegt, 18

der als Stallung gedeutet wird. Der Fußboden des am Eingangshof gelegenen Raumes ist mit Bruchsteinplatten befestigt. An der Nordmauer sind an Futtertröge erinnernde Becken angebracht. Ein unter dem Fußboden bestattetes Pferd untermauert die Vermutung (Abb. 4). In Assyrien muss es aber in militärischen Kontexten auch viel größere Ställe gegeben haben. Außer dem Grünfutter der Weide erhalten Pferde Zusatzfutter. Das Hauptnahrungsgetreide in Mesopotamien ist die Gerste. Weizen und Emmer sind weniger salzresistent, und Hafer gedeiht im trockenen Süden nicht gut. Daher verwundert es nicht, dass auch Pferde Gerste bekommen, obwohl man heute weiß, dass dieses Getreide für Pferde nicht ideal ist. Bei einigen Texten kann man die Mengen ausrechnen: ein Pferd erhält 2 bis 5 Liter Gerste pro Tag, manchmal gar 10 Liter. Als Pferdefutter sind außerdem Emmer, Stroh, Wicke, Luzernen und Heu von Luzernen und Esparsetten bezeugt. Nach den Pferdetrainingstexten aus der mittelassyrischen Zeit wird das Futter teilweise speziell für die Pferde aufbereitet: Heu wird eingeweicht und Gerste in Form von Röstkorn oder Malz verfüttert. Die Texte berichten auch über die Pflege: Die Tiere werden gewaschen, ihr Fell mit Öl oder Fett eingerieben und mit einem Striegel gebürstet. Auch ein Kamm ist für Pferde erwähnt. Der wohl be-

Pferdestärken für den Kampf

rühmteste altorientalische Text über Pferde ist ein hethitischer Text, der einem Mittannier namens Kikkuli zugeschrieben wird. Es handelt sich um eine Serie von fünf Keilschrifttafeln, die das Training und die Pflege von Wagenpferden beschreiben. Das Trainingsbuch umfasst 184 Tage, also etwa ein halbes Jahr. Der Pferdetrainer steigert langsam die Dauer und den Anspruch in insgesamt 123 Übungen. Unter anderem lässt man die Pferde gehen, traben und galoppieren und zwischen den Gangarten wechseln. Es gibt Wettrennen mit oder ohne angespannten Wagen. Nach dem Training werden die Tiere mit warmem Wasser gewaschen, frottiert und gefüttert. Da Pferde in ihrer Haltung sehr anspruchsvoll sind, ist es nicht verwunderlich, dass mesopotamische Texte auch von Pferdekrankheiten berichten. Neben allgemeinen („Seuche“, „Böses“) oder unklaren Krankheitsbezeichnungen („Kopfkrankheit“, „Zorn der Götter“) sind für Pferde Fieber und Koliken bezeugt. Man versucht, Koliken mit einem Einlauf zu behandeln, der aus 23 verschiedenen Pflanzen, abgekochtem Bier, Honig und Öl besteht und der vor der Darreichung gefiltert wird.

Abbildungsnachweis Abb. 1: akg-images / Bible Land Pictures / Jerusalem Photo by: Z. Radovan Abb. 2: akg-images / Science Source Abb. 3: akg-images / Bible Land Pictures / Jerusalem Photo by: Z. Radovan Abb. 4: Tall Šēḫ Ḥamad Archiv, Berlin

Weiterführende Literatur J. Curtis – N. Tallis, The Horse from Arabia to Royal Ascot (London 2012). V. Horn, Das Pferd im Alten Orient. Das Streitwagenpferd der Frühzeit in seiner Umwelt, im Training und im Vergleich zum neuzeitlichen Distanz-, Reit- und Fahrpferd (Hildesheim – Zürich – New York 1995). F. J. Kreppner, Neuassyrische palatiale Architektur urbaner Eliten: Das Rote Haus von Dūr-Katlimmu, in: D. Wicke (Hrsg.), Der Palast im antiken und islamischen Orient (Wiesbaden 2019) 91–108. A. Salonen, Hippologica Akkadica (Helsinki 1955). G. Selz, Reflections on the Pivotal Role of Animals in Early Mesopotamia, in: R. Mattila – S. Ito – S. Fink (Hrsg.), Animals and their Relation to Gods, Humans and Things in the Ancient World (Wiesbaden 2019) 23–56. Reallexikon der Assyriologie und Vorderasiatischen Archäologie 10 (Berlin – New York 2004) 469–481 s. v. Pferd. A.I. in Mesopotamien (M. Weszeli).

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„Seine Majestät erscheint auf dem Gespann wie Month in seiner Kraft.“ – Das Pferd im Alten Ägypten Angelika Lohwasser Das Pferd spielt in Ägypten vor allem als Gespann vor einem Streitwagen eine bedeutende Rolle im Militär. Es wird nur in Ausnahmefällen geritten, und doch ist die Verbindung zwischen Mensch und Pferd eine sehr enge, wie wir in vielen Quellen lesen.

Das Pferd kommt In der so genannten 2. Zwischenzeit (ca. 1650–1550 v. Chr.) dominieren im östlichen Nildelta die Hyksos. Ihren Ursprung hat diese Volksgruppe im syropalästinischen Raum, von wo sie seit der 12. Dynastie nach Ägypten einwandern und sich im Delta niederlassen. Mit ihnen kommt ebenso das domestizierte Pferd nach Ägypten, das vor allem als Zugpferd vor den Wagen gespannt wird. Auch der Wagen – als Streitwagen beim Militär im Einsatz oder als Transportkutsche in friedlichen Zeiten – wird in Vorderasien entwickelt (s. Beitrag Kristin Kleber – Janoscha Kreppner S. 15–17) und als Innovation durch die Hyksos nach Ägypten gebracht. Auf einer Achse mit zwei Rädern ist der Wagenkorb befestigt, eine Deichsel mit Joch dient zum Einspannen zweier Zugpferde. Damit lassen sich schnell größere Distanzen auf dem Landweg überbrücken, und für die Kriegsführung ist der Streitwagen als Podium für Bogenschützen ebenfalls ein wichtiger Fortschritt. Trotzdem bildet sich keine Kavallerie heraus: Das Pferd wird lediglich als Zugpferd vor dem Wagen eingesetzt. Auf dem Pferd sitzend kennen wir nur schnelle Boten und Kundschafter, doch das Reiten wird nicht als angemessene Fortbewegungsart der Ägypter empfunden. Als Gespannpferde werden junge Hengste aus allen Teilen des Landes rekrutiert, die dann in den königlichen Ställen eine Ausbildung erhalten. Aus Texten erfahren wir Näheres zum Pferdetraining: 1 2

Sethe 1906, 1280. Sethe 1906, 1281.

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Wesentlich ist, dass die Pferde gut versorgt werden und ihre physische Leistung durch regelmäßiges Laufen trainiert wird. Wichtig ist aber auch, dass der Fahrer von ihnen als Herr anerkannt wird: Den Widerspenstigkeiten soll fachgerecht begegnet werden, was die Kenntnis ihrer Natur voraussetzt. Auf der Sphinxstele von Amenophis II. heißt es dazu: „Als er noch ein junger Prinz war, liebte er seine Pferde und freute sich über sie. Er war beharrlich dabei, mit ihnen zu arbeiten, ihre Art kennenzulernen, erfahren zu werden in ihrem Training und einzudringen in ihre Gewohnheiten.“ 1

Königliche Pferde Der König auf dem Streitwagen ist vor allem durch die komplexen Schlachtendarstellungen bekannt. (Abb. 1). Er wird in der Regel alleine auf dem Wagen gezeigt, lenkt und schießt also zugleich – für normale Menschen unmöglich. Sein Gespann dominiert das Geschehen durch die Größe, sowohl die Feinde als auch die ägyptischen Truppen sind deutlich kleiner dargestellt. In den Texten wird der Pharao auf dem Streitwagen oft mit einem Gott verglichen: „Seine Majestät erscheint auf dem Gespann wie Month in seiner Kraft.“ 2 Das galoppierende Pferdegespann ist das Zentrum und zugleich gliedernde Element in den Schlachtendarstellungen: Vor und unter dem Gespann ein Chaos der gefallenen Feinde, weiter entfernt sind die Reihen strukturierter und über dem König steht in Kolumnen geordneter Text – der königliche Bereich ist damit klar vom Kampfgetümmel abgegrenzt, obwohl sich sein Gespann mittendrin befindet.

„Seine Majestät erscheint auf dem Gespann wie Month in seiner Kraft.“

Abb. 1: Tutanchamun auf dem Streitwagen beim Kampf gegen Nubier, vor 1323 v. Chr.

Die Streitwagenarmee des Pharao Ab der Mitte der 18. Dynastie gehört eine Streitwagentruppe zur Armee. Jeder Wagen ist mit einem Lenker, der das Gespann durch schwieriges Gelände und Schlachtgetümmel manövrieren muss, sowie einem Bogenschützen besetzt. Damit ist der schnelle Distanzkampf möglich und der militärtechnologische Vorsprung des Vorderen Orients aufgeholt. Wagen und Pferde gehören folglich nach dem Ende der Schlacht zu hoch geschätzter Beute. Auch als Tributabgaben und diplomatische Geschenke wechseln Pferd und Wagen ihre Besitzer (Abb. 2). Riesige Stallanlagen sind vor allem aus der Ramsesstadt Piramesse bekannt. Neben den Ställen ist auch ein Streitwagenübungsplatz sowie eine Werkstatt gefunden worden, hier liegt das Hauptquartier der Streitwagentruppe. Das Areal kann über 200 Streitwagen beherbergen, die Ställe bieten Raum für 460 Pferde. Viele Funde von Teilen der Wagen geben Einblick in die Streitwagentechnologie. Die Ställe bestehen aus mehreren langrechteckigen Boxen, die für sechs Pferde geeignet sind.

Jeweils zwei Anbindesteine und eine Setzung von Kalksteinplatten markieren den Platz für ein Zugtier. Außerdem ist jeweils ein Urinbecken dokumentiert, das einerseits dafür sorgt, dass der Stellplatz leicht sauber zu halten ist, andererseits kann der so gesammelte Urin in den Werkstätten zum Gerben und Färben verwendet werden. Oberhalb der Stalltüren waren Türstürze angebracht, die mit Pferden dekoriert sind (Kat. 17). Zwischen den Ställen gibt es Auslaufhöfe und der Kanal direkt vor der weitläufigen Stallanlage diente wegen seines seichten Ufers sicher auch als Pferdeschwemme. Die Ställe von Piramesse sind eine außergewöhnliche Informationsquelle bezüglich der Pferdehaltung in Ägypten. Darüber hinaus kann auch in Amarna ein Pferdestall identifiziert werden. Dass gerade in Amarna Pferd und Wagen eine bedeutende Rolle gespielt haben, wissen wir aus Abbildungen in Gräbern und der Tempeldekoration: Aus der Waffe wird das bevorzugte Fortbewegungsmittel. Denn neben dem Einsatz im Krieg dient der vom Pferd gezogene Wagen nun auch zu Ausfahrten der Elite. So wird allen voran der König – in der Amarnazeit mit seiner Familie – gezeigt, wie er mit 21

Angelika Lohwasser

Abb. 2: Tributbringer mit Pferd im Grab des Nebamun, 18. Dynastie (1580–1314 v. Chr.)

Abb. 3: Ausfahrt der königlichen Familie in Amarna, 18. Dynastie (1580–1314 v. Chr.)

seinem Wagen, vor dem mit Federn geschmückte Pferde gespannt sind, eine Ausfahrt unternimmt (Abb. 3). Doch auch hohe Beamte pflegen mit dem Wagen zu reisen, wie mehrere Darstellungen in thebanischen Gräbern vermitteln. Die Mobilität und sicher auch die hohen Kosten für die Versorgung der Pferde machen sie zu einem Prestigegut. Bei manchen Villen in Amarna ist neben dem Eingang ein Unterstand für den Wagen dokumentiert. Sicherlich wird auch der „Erste Streitwagenlenker Seiner Majestät“, der zudem den Titel „Vorsteher der Pferdegespanne des gesamten Pferdestalles“ trägt, vor allem mit Pferd und Wagen unterwegs gewesen sein. Diese Titel verdeutlichen auch, dass 22

ein neuer Zweig in der Administration eingeführt wird, nämlich Beamte, die für den Komplex der Rekrutierung, Versorgung und des Einsatzes der Pferde zuständig sind (Abb. 4).

Pferde in Nubien Eine besondere Liebe zu Pferden wird den nubischen Königen, die zwischen 716 und 663 v. Chr. als 25. Dynastie auch Ägypten beherrschen, nachgesagt. Eindrückliches Beispiel ist die Schilderung auf der Triumphstele des Königs Pi(anch)y, der von Nubien aus nach Ägypten aufgebrochen ist,

„Seine Majestät erscheint auf dem Gespann wie Month in seiner Kraft.“

Abb. 4: Vorführen der Pferde vor Haremhab, der auch den Titel „Vorsteher der Pferde“ trägt, 1327–1295 v. Chr.

um die großen Städte nördlich von Theben – Oberägypten bis zumindest Theben steht bereits unter seiner Kontrolle – einzunehmen (Abb. 5). Der längste Abschnitt ist dabei der Belagerung von Hermopolis gewidmet. Nachdem sich der Stadtfürst Nimlot letztendlich unterworfen hat, besichtigt Pi(anch)y das fürstliche Anwesen. Nach dem Besuch von Haus, Schatzkammer und Magazinen geht der König weiter zu den „Ställen der Pferde und Boxen der Fohlen: als er sah, dass sie abgemagert waren, sagte er: ‚Ich schwöre bei Re… es ist schmerzlicher für mein Herz, dass meine Pferde abgemagert sind, als alle Verbrechen, die du aus Geiz gemacht hast, den ich bei dir festgestellt habe und den deine Nachbarn fürchten!‘“ 3 Am Friedhof von El Kurru, der Begräbnisstätte der Pharaonen der 25. Dynastie im Sudan, wurden 3

die Bestattungen der königlichen Pferdegespanne gefunden: Mehrere Könige lassen ihre Pferde aufrecht stehend und geschmückt begraben. Es sind vier bzw. acht Gruben jeweils in Reihen nebeneinander dokumentiert, was dafür spricht, dass hier vollständige Gespanne der königlichen Wägen ihren jeweiligen Herrscher in das Jenseits begleiten. Auch in der Spätantike werden die nubischen Herrscher in Ballana mit mehreren geopferten Tieren begraben, darunter auch viele Pferde. Gefunden wurde auch reich verziertes Zaumzeug sowie Sättel: Während wir für die früheren Epochen nicht wissen, ob Pferde wie in Ägypten nur als Zugtiere dienen oder auch geritten werden, ist die Nutzung als Reittier mit Schmuck aus Glöckchen, Plättchen und Anhänger aus Silber sowie Muschelketten gesichert.

Triumphstele Z. 64–66: Grimal 1981; Übersetzung nach Goedicke 1998, 67.

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Angelika Lohwasser

Abb. 5 Giebelfeld der Triumphstele des Königs Pi(anch)y: Der unterlegene Stadtfürst Nimlot führt ein Pferd vor den König, um 725 v. Chr.

Es ist anzunehmen, dass auch die nubischen Könige das Pferd vor den Streitwagen gespannt haben. Einen Hinweis haben wir jedoch auf tatsächliches Reiten: Auf der „Laufstele“ des Königs Taharqo (690–664 v. Chr.) wird ein Übungslauf der Elitetruppe beschrieben. Der König begleitet die Truppe zu Pferde – explizit ist hier geschrieben, dass sich der König „auf dem Pferd“ befindet. In assyrischen Quellen werden ebenfalls Pferde aus Nubien sowie Spezialisten genannt, was dafür spricht, dass die Nubier Pferde gezüchtet und trainiert haben, die auch nach Ägypten und Assyrien geliefert werden. Pferd und Wagen sind im pharaonischen Ägypten untrennbar miteinander verbunden und tragen entscheidend zur Ausweitung des Reiches im 2. Jahrtausend v. Chr. bei. Die ebenfalls damit verbundenen Innovationen in der Technologie strahlen dabei auch in andere Bereiche und führen zu einer Hochblüte im Kunsthandwerk.

Weiterführende Literatur U. Hofmann, Fuhrwesen und Pferdehaltung im Alten Ägypten (Bonn 1989). E. B. Pusch – M. Bietak (Hrsg.), Die Grabungen des Pelizaeus-Museums Hildesheim in Qantir-Pi-Ramesse. Ein Gemeinschaftsprojekt des Pelizaeus-Museums Hildesheim und des Österreichischen Archäologischen Instituts Kairo 1–5 (Mainz 1998–2007). S. Turner, The Horse in New Kingdom Egypt. Its Introduction, Nature, Role and Impact (Wallasey 2021).

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Abbildungsnachweis Abb. 1: akg-images / Science Source Abb. 2: Nach: N. M. Davies, The Tombs of two Officials of Tuthmosis the Fourth (London 1923) Taf. 29 Abb. 3: Nach N. de G. Davies – G. Th. Martin, Rock Tombs of Amarna 4. Tombs of Penthu, Mahu and others (London 1906) Taf. 22 Abb. 4: Nach A. und A. Brack, Das Grab des Haremhab. Theben Nr. 78, Archäologische Veröffentlichungen 35 (Mainz 1980) Taf. 9 Abb. 5: Nach N. Chr. Grimal, La stèle triomphale de Pi(ʿ ankh)y au Musée du Caire, Mémoires / Institut Français d’Archéologie Orientale du Caire 105. Etudes sur la propagande royale égyptienne 1 (Kairo 1981) Taf. V

Von fleißigen Pferdeknechten und gutem Futter – Pferdezucht und Pferdehaltung in der Antike Katharina Martin

„Wer sich mit Pferdezucht abgeben will, der muss sich vor allem einen fleißigen Pferdeknecht und viel Futter besorgen, was beides für andere Tierarten in geringerer Qualität genügt. Denn Pferde verlangen sehr viel Mühe und reichliche Ernährung.“

So beginnt der römische Autor Columella (4–70 n. Chr.) in seinen „12 Büchern über die Landwirtschaft“ den Abschnitt über die Pferdezucht (Colum. 6,27,1). Er gehört zu den antiken sogenannten Agrarschriftstellern, die detaillierte Arbeiten über das Führen eines landwirtschaftlichen Betriebs, über Anbaumethoden, Weiterverarbeitung der Produkte, über Tierhaltung und -pflege publizieren. Er besitzt ein Landgut in der Nähe von Rom und weiß, wovon er schreibt. Pferde sind wichtige Begleiter der Menschen in der griechisch-römischen Welt, kein Circusrennen (s. Beitrag Sebastian Scharff S. 47–49), kein Kriegszug (s. Beitrag Hans Beck S. 39–44), kein Kurierdienst funktioniert ohne sie. Ganz abgesehen davon dienen sie als Reittiere und sind nicht nur prestigeträchtige Statusobjekte einer pferdebegeisterten Elite (s. Beitrag Achim Lichtenberger – Helge Nieswandt S. 64–70), sondern Freunde und Partner, denn es bestehen oftmals enge emotionale Bindungen zwischen Reiter und Pferd (s. Beitrag Valeska Becker S. 75–80). In allen Bereichen des öffentlichen wie privaten Lebens werden daher Pferde unterschiedlicher Größe, Statur, Charaktere und Temperamente gebraucht. Kleine und große Gestüte in den verschiedensten Regionen der antiken Welt versorgen die jeweiligen Bedürfnisse. Man definiert Pferde ihrer Herkunft nach, die sich in äußeren Merkmalen (Körperbau, Stockmaß, eventuell auch der Fellfarbe) und Brandzeichen äußert. Der spätantike Autor Vegetius charakterisiert einige in seinem „maultiermedizinischen Handbuch“ (Veg. mulom. 3,6,2):

1

„Zum Krieg scheint mir das hunnische Pferd wegen seiner Geduld und seiner Abhärtung gegenüber Strapazen, Kälte und Hunger am weitaus geeignetsten […]. Bei den Wagenrennen ist der edlen und ruhmreichen Rasse aus Kappadokien die Palme zuzuerkennen, gleich nach ihr der spanischen. Kaum weniger gut sind im Circus die Tiere aus Sizilien, wie auch afrikanische Pferde spanischer Abstammung sehr schnell zu sein pflegen. Als Reitpferde sind die aus Persien denen aller anderen Provinzen vorzuziehen“ 1.

Im kaiserzeitlichen Rom, über Jahrhunderte das Zentrum der Welt, kommen für die verschiedenen Zwecke die besten Pferde zusammen; in der Regel werden sie importiert, die berühmten Gestüte liegen anderswo.

„Schön anzusehen und durch leichte Zügel einfach zu führen …“ Besonders begehrt als Reittiere sind die sogenannten medischen, persischen oder nisäischen Pferde; schon der Geschichtsschreiber Herodot bezeichnet sie (Hdt. 3,106) im 5. Jahrhundert v. Chr. als die kostbarsten Pferde. Im iranischen Hochland hat man jahrhundertelange Erfahrung in Zucht und Pflege. Die Hochebenen, die wohl zum Gebiet von Ekbatana (heute Hamadan) gehören, bieten idealen Weidegrund für weiträumig angelegte Gestüte. Der Geograph Strabon berichtet um die Zeitenwende von 50 000 Stuten, die hier zur Zeit der Perser für die Zucht der begehrten Pferde geweidet haben sollen (Strab. 11,13,7 [p. 525]). Wenn diese Zahl auch übertrieben und zu hoch gegriffen sein wird, so können wir dennoch von Tausenden von Pferden ausgehen. „An Schönheit ragt unter allen ganz besonders das Nisaische Pferd heraus, welches reiche Könige führen. Schön anzusehen und durch leichte Zügel einfach zu

Vegetius (Digesta artis mulomedicina), Übersetzung nach Junkelmann 2008, 33 f.

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Katharina Martin

führen, mit zierlichem Kopf und langem, dichtbehaartem Hals rühmt es sich seiner beiderseits honiggolden wallenden Mähne“,

so beschreibt Oppian im frühen 3. Jahrhundert n. Chr. in einem Werk über die Jagd (Opp. kyn. 1,311–315) die durch alle Zeiten so hochgelobten Pferde. Das riesige Zuchtzentrum wird stets unter königlicher Aufsicht geführt, die „reichen Könige“ sind zunächst die Perser, dann, als Nachfolger Alexanders des Großen, die Seleukiden und zu Oppians Zeit die Arsakidenherrscher. Die erfolgreiche Zucht ist ganz klar ein bedeutender Wirtschaftsfaktor. Dass die Könige sie stolz nach außen präsentieren, verwundert nicht. Auch in der Münzprägung finden wir einen unmittelbaren Reflex: Auf einer Reihe von Bronzemünzen, die der seleukidische König Antiochos III. (regiert 223–187 v. Chr.) in der Münzstätte Ekbatana prägen lässt, begegnen uns Reiter, grasende Pferde und Stuten, die ihre Fohlen säugen (Kat. 31–34). Sonst werden üblicherweise ganz andere Themen auf den königlichen Münzen gezeigt (meist Götter und ihre Attribute), doch Antiochos entscheidet sich in diesem Fall dafür, auf den regionalen Standortfaktor Bezug zu nehmen. Es handelt sich zwar ‚nur‘ um Kleingeld, doch sind es gleich mehrere Serien in verschiedenen Wertstufen, die sich mit den Pferden beschäftigen. Speziell die beiden Motive, die die Pferde allein, ohne Menschen/Reiter zeigen, beschreiben die Natur sehr lebensnah und weisen damit ganz konkret auf die hier so erfolgreiche Zucht hin.

„Stuten weideten da …, von fröhlichen Fohlen umsprungen“ Das außergewöhnliche Bild der säugenden Pferdestute finden wir außer auf den Münzen des Antiochos sonst nur noch auf seltenen Kleinbronzen im zyprischen Kourion, grasende Pferde gibt es dagegen vielerorts (Kat. 24–30). Immer ist der Bezug zu bekannten Pferdezuchtzentren vor Ort gegeben, so beispielsweise in der Troas, einer Landschaft im nordwestlichen Kleinasien (in der heutigen Türkei), dem Schauplatz des Trojanischen Krieges. In der „Ilias“, dem berühmten Gesang über diesen Krieg, berichtet Homer an vielen Stellen von Pferden und Pferdeherden in der Troas, er spricht von den „rossebändigenden Troern“ (Hom. Il. 4,352) und ihrer 26

Affinität zum Pferd, sodass es letztlich nicht überrascht, dass die Griechen ein Pferd als vermeintliches Göttergeschenk vor den Toren der Stadt abstellen (s. Kat. 166, s. Beitrag Achim Lichtenberger – Helge Nieswandt S. 50–51, Abb. 1). Dass es letztlich ein Pferd ist, welches für das Ende von Troja verantwortlich ist, ist daher besonders bitter. Zwei Städte in der Troas, erst Neandreia und dann Alexandreia Troas (Kat. 24–27 und 150), belegen – lange nach dem Trojanischen Krieg – mit ihren Münzen, auf denen ein grasendes Pferd abgebildet wird, die nach wie vor große Bedeutung des Pferdes für diese Landschaft. Dass Neandreia dieses Münzmotiv einführt, spricht dafür, dass die Stadt bedeutende Weidegründe besitzt. Die Stadt selbst liegt auf einem Berg, sie ist gut befestigt und schwer zugänglich für Mensch und Tier. Pferde lassen sich hier nicht gut halten. Wir gehen daher davon aus, dass die zur Stadt gehörenden Weiden im Hinterland liegen, „am Fuß des quellenrauschen Ida“, wie Homer (Hom. Il. 20,218) schreibt, also in der Ebene, durch die sich der Fluss Skamander zieht und die er bewässert. Das ist wichtig, denn viele Pferde brauchen nicht nur ausgedehnte Weideflächen, sondern auch viel Wasser. Und von vielen Pferden hier spricht nicht nur Homer (Hom. Il. 20,221– 222): „Stuten weideten da, dreitausend an Zahl, auf den Triften, Mütter alle voll Stolz, von fröhlichen Fohlen umsprungen“, sondern auch viel später Plutarch in seiner Biographie des Diadochen Eumenes (Plut. Eumenes 8,5), der hier aus den „am Idagebirge gehaltenen königlichen Gestüten“ so viele Pferde abzieht, wie er für seine Kavallerie braucht. Die Bewohner von Neandreia müssen wie die anderer Städte der Region im späten 4. Jahrhundert v. Chr. ihre Siedlung verlassen und in das neugegründete Alexandreia umziehen. Sie nehmen ihre Götter und Geschichten genauso mit wie ihre Ländereien. Mit Neandreia geht so das „grasende Pferd“ auf Alexandreia über und wird dort schließlich zum städtischen Wappen, das nicht nur Münzen, sondern auch andere Objekte wie Amphoren oder städtische Marktgewichte siegelt (Kat. 23). Der ursprüngliche Indikator für Pferdewirtschaft wird hier zudem eingebunden in die Lokalsage um den Gott Apollon Smintheus, bei der es um die Entdeckung des Kultbildes geht (s. Kat. 151 und Beitrag Achim Lichtenberger – Helge Nieswandt S. 55). In der Bildsprache der Münzen lässt sich dies ideal kombinieren: Die Haltung des Pferdes

Abb. 1: Landschaft in Thessalien

mit dem gesenkten Kopf, zunächst als Chiffre für natürliche Nahrungsaufnahme gedacht, kann nun auch im übertragenen Sinn für ‚Suchen & Finden‘ verstanden werden.

„Rossenährende Heimat, Thessalien …“ Ideale naturräumliche Bedingungen finden sich auch in Thessalien in Griechenland. Götter, Mythen und Naturbeschreibung vermischen sich hier. So wird Poseidon als Hippios verehrt, als „Pferde-Poseidon“, der nicht nur selbst in Pferdegestalt auftritt und das erste Pferd erschafft (Kat. 121–122), sondern auch eine für Pferdehaltung optimale Landschaft gestaltet, indem er mit seinem Dreizack Berge spaltet und Flüsse umlenkt. Wie in der Troas rahmen in Thessalien Berge schützend eine fruchtbare und wasserreiche Ebene (Abb. 1). Es verwundert nicht, dass Pferde hier in jeder Stadt präsent und die lokalen Mythen voller Geschichten mit Pferdeerzählungen sind und die Münzen eine Vielzahl von Pferdemotiven abbilden (z. B. Kat. 28 oder 204). Simon von Athen, der im 5. Jahrhundert v. Chr. das älteste, uns zumindest in Teilen erhaltene Buch über Pferde verfasst, lobt Thessalien als das beste Herkunftsland für Pferde im griechischen

Raum (Simon, De re equestri 2–3); ein unbekannter Autor lässt ein ehemaliges Rennpferd von seiner rossenährenden Heimat Thessalien sprechen (Anth. Gr. 9,21). Bukephalos, das Lieblingspferd Alexanders des Großen (Kat. 201; s. Beitrag Valeska Becker S. 75–77), ist ein Thessalier, und die Römer überlassen die Pferdepflege auf ihren Gutshöfen gerne erfahrenen thessalischen Spezialisten, wenn sie etwas auf sich halten.

„… manche sind Vielfraße“ Man muss unterscheiden zwischen Pferden für den ‚Alltagsgebrauch‘ (und auch Maultieren, die meist als Transport- und Zugtiere eingesetzt werden) und den herausragenden Spitzenpferden mit Stammbaum. Die antiken Agrarschriftsteller, die meist aus der Praxis kommen, selbst Gutshöfe besitzen und Pferde züchten, überliefern viele Details über die Pflege und Aufzucht von Pferden. Das beginnt bei der Anlage und Ausstattung der Ställe, d. h. wie die Bauten auszurichten sind, damit genug Licht und auch Frischluft, im Winter nicht zu viel Kälte eindringen können. Es werden die Materialien diskutiert, die zu verwenden sind, wie der Boden beschaffen sein soll, welche Einstreu ideal ist, 27

Katharina Martin

wie und wo Tröge, Tränken und Heuraufen anzubringen sind. Schon Vegetius pocht darauf, dass sie weder zu hoch noch zu niedrig angebracht werden sollen und dass jedes Tier seinen eigenen abgetrennten Bereich haben muss, „damit die Tiere ihre Gerste ganz auffressen können, ohne dass sie ihnen ein anderer wegschnappt. Denn manche sind Vielfraße, die, nachdem sie ihren Teil schnell heruntergeschlungen haben, sich über den des Nachbarn hermachen“ (Veg. mulom. 1,56,4) 2. Überhaupt: Es wird diskutiert, was, wieviel und wie oft gefüttert wird, wenn die Tiere nicht auf der Weide stehen können, dass sie im Winter auf dem Paddock bewegt werden, dass sie einen Wälzplatz haben sollten und man die Hufpflege nicht vernachlässigen darf sowie viele weitere Details, die sich seit der Antike wenig geändert haben. Sehr konkret schreibt auch Varro (116–27 v. Chr.) in seinen „Drei Büchern über die Landwirtschaft“, die als Leitfaden für seine Frau Fundania gedacht sind, die ein Landgut gekauft hat und es nun verwaltet. Varros Ratschläge beruhen auf der Lektüre älterer landwirtschaftlicher Lehrbücher (wie dem berühmten, in der Antike vielzitierten, aber heute nicht erhaltenen Buch über die Landwirtschaft des Pferdezüchters Mago aus Karthago) und auch bei ihm auf eigener Erfahrung. Sein zweites Buch behandelt die Viehzucht; der Pferdezucht ist ein ausführliches Kapitel gewidmet.

Abb. 2: Silbermünze (Drachme) aus Larissa: Nymphenkopf / Stute mit Fohlen

Stuten und Hengste sollen nach Varro (Varro rust. 7,1) im Verhältnis 10 zu 1 gehalten werden, bei Columella sind es 15 bis maximal 20 Stuten auf einen Deckhengst, der „für Zuchtzwecke gewöhnlich vom 3. bis zum 20. Jahr verwendbar“ ist (Colum. 6,27,9). Wenn Edelstuten zur Frühlings-Tagundnachtgleiche gedeckt werden („damit das Abfohlen in die 2

passende Jahreszeit fällt; am zehnten Tag des zwölften Monats kämen nämlich, behauptet man, die Fohlen zur Welt“, Varro rust. 7,7), sind witterungstechnisch die Startbedingungen für das junge Fohlen ideal. Neben ausführlichen veterinärmedizinischen Anweisungen geben Varro (Varro rust. 7,8–14) und Columella (Colum. 6,27,3–13) praktische Tipps und Tricks für eine erfolgreiche Deckung („wenn die Stute den Hengst nicht dulden will, streicht man ihr die Geschlechtsteile mit verriebener Meerzwiebel ein, wodurch ihr Geschlechtstrieb angeregt wird“, Colum. 6,27,10) und Empfehlungen, wie die trächtigen Stuten zu behandeln sind und wie die frisch geborenen Fohlen. Schon bald nach der Geburt lässt man das Fohlen mit der Mutter auf die Weide, „damit die Stute sich nicht vor Sehnsucht nach ihrem Jungen verzehrt; denn gerade diese Tierart erleidet durch Kindesliebe besonderen Schaden, wenn man die Jungen nicht zu den Müttern lässt“ (Colum. 6,27,12 f.). Natürlich bleibt das Fohlen die erste Zeit sicher an der Seite seiner Mutter. Diese enge Bindung zwischen Stute und ihrem Fohlen wird auf Silbermünzen aus dem thessalischen Larissa (Abb. 2), dem Zentrum der Pferdezucht in Griechenland, thematisiert. Auf silbernen Drachmen aus dem 4. Jahrhundert v. Chr. stehen beide hintereinander gestaffelt. Es zeigt sich die gute Naturbeobachtung des Stempelschneiders, der das Moment immer wieder in kleinen Details variiert. So steht das Fohlen im Hintergrund zwar meist in ähnlicher Haltung wie seine Mutter, es kann aber übermütig springen oder mit dem Huf aufstampfen. Eine einzigartige Prägung aus dem südlichen Kleinasien (heute Türkei) zeigt Stute und Fohlen grasend, beide stehen zwar nahe beieinander (was schon der eng begrenzte Platz auf der Münze erfordert), sie sind aber gegensätzlich orientiert, ein Tier grast links, das andere rechts (Abb. 3). Auf der anderen Münzseite sind zwei steigende Hengste im Konkurrenzkampf miteinander zu sehen; der überlegene wird seine Gene weitergeben. Alle Beteiligten der erfolgreichen (allerdings in diesem Fall einer nicht von Züchterhand gelenkten, sondern natürlichen) Begattung sind hier auf einer Münze wiedergegeben.

Vegetius (Digesta artis mulomedicina), Übersetzung nach Junkelmann 2008, 33 f.

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Von fleißigen Pferdeknechten und gutem Futter

Abb. 4: Mosaik aus dem großen Palast in Konstantinopel, zweite Hälfte 5. Jahrhundert n. Chr.

Die Münzbeispiele im Katalog belegen, dass Pferden in fast allen Bereichen des öffentlichen Lebens eine wichtige Rolle zukommt. Dass Pferde im Militär, auf der Rennbahn oder der Jagd, im Kurierdienst und auch in der Landwirtschaft eingesetzt werden können, setzt voraus, dass es ausreichend Pferde verschiedenster Qualitäten und Temperamente gibt. Dafür braucht es große Gestüte und kleine Höfe, über deren Führung wir durch die antiken Autoren gut unterrichtet sind.

Abb. 3: Silbermünze (Stater) aus Kilikien: Stute und Fohlen / Hengstkampf

Einige Münzen illustrieren alltägliches Leben auf dem Pferdehof recht anschaulich. Es ist interessant,

dass scheinbar häusliche Szenen auch auf offiziellen staatlichen Dokumenten wie Münzen thematisiert werden. Das geschieht dann, wenn sie von öffentlichem Interesse sind, wenn Pferdehaltung und -zucht über individuelle Angelegenheiten hinausgehen. Im persönlichen Bereich, im Wohnumfeld, würde man solche Genrebilder eher erwarten. Auch hier, auf Vasen, Mosaiken oder in der Wandmalerei haben sich deutlich mehr Pferde als Rennpferde, in Kampfszenen oder bei der Jagd erhalten, unspektakulär grasende Pferde oder Stuten mit ihren Fohlen sind die Ausnahme. Doch es gibt sie: Einige geometrische Vasen zeigen Beispiele von Pferden in natürlicher Umgebung und ohne sie in Beziehung zum Menschen zu setzen (Kat. 20 oder 117). Aus späteren Zeiten lassen sich einige römische Mosaiken anführen, so in der Villa des Sorothus im nordafrikanischen Hadrumetum (heute Sousse, Tunesien) oder im spätantiken Kaiserpalast in Konstantinopel (Abb. 4). Hier umgeben sich die wohlhabenden Besitzer mit einem Ausblick auf ihr Hobby, in das sie viel Geld investieren – ein bisschen Verklärung des idyllischen, vermeintlich einfachen Landlebens ist immer dabei. 29

Katharina Martin

Weiterführende Literatur A. Ellis-Evans, The Kingdom of Priam. Lesbos and the Troad between Anatolia and the Aegean (Oxford 2019) bes. S. 109–153 (zu Pferdehaltung und königlichen Herden in der Troas). A. Hyland, Equus: The Horse in the Roman World (London 1990) bes. S. 5–48 (zu Pferdezucht und Gestütsorganisation). M. Junkelmann, Die Reiter Roms I. Reise, Jagd, Triumph und Circusrennen 4(Mainz 2008) bes. S. 3–61 (zu Pferden, Pferdehaltung, Zucht und Pflege). K. Martin, Zwischen Landwirtschaft und Mythos. Motivgeschichtliche Überlegungen zu Münzen mit dem ‚grasenden Pferd‘, in: H. Beck – B. Eckhardt – Ch. Michels – S. Richter (Hrsg.), Von Magna Graecia nach Asia Minor. Festschrift Linda-Marie Günther (Wiesbaden 2017) 157–182 (zu Pferden in Thessalien und der Troas sowie grasenden Pferden und ähnlichen Genreszenen auf Münzen).

Abbildungsnachweis Abb. 1: akg-images / Rainer Hackenberg Abb. 2: Foto: Gorny & Mosch, Auktion 244 (06. 03. 2017) Nr. 228 Abb. 3: Foto: Gorny & Mosch, Auktion 224 (13. 10. 2014) Nr. 267 Abb. 4: akg-images / Album / Prisma

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Bella figura. Pferdedressur auf Münzen Oliwia A. Ullrich Schritt, Trab, Galopp. Das sind die geläufigsten Gangarten des Pferdes. Tatsächlich sind diese schnellen Bewegungen nicht so einfach in einem bestimmten Schlüsselmoment darzustellen. Erst

durch die Fotoserie „The Horse in Motion“ von Eadweard Muybridge, die im Juni 1878 aufgenommen wurden, konnten die Schrittabläufe der Pferde im Galopp abgebildet werden (Abb. 1).

Abb. 1: Fotoserie „The Horse in motion“ von Eadweard Muybridge, 1878

Dressurpferde Wie können nun antike Stempelschneider Pferde in Bewegung darstellen? Mit der richtigen Expertise und Ausbildung ist es den Reitern möglich, die Pferde in Paraden mit verlangsamten, eleganten Bewegungen zu präsentieren, die man bis heute in sogenannten Dressurlektionen ausübt. Xenophon (430–354 v. Chr.), der unter anderem Reitkommandant war, beschreibt in seinem Handbuch „Über die Reitkunst“ (Xen. equ.) die Wirkung der Paradepferde auf das antike Publikum (zu Schauparaden s. Beitrag Hans Beck S. 41–42):

1

„Etwas so Schönes, Gewaltiges, Reizvolles, Bewundernswertes ist ein sich hebendes Pferd, dass es die Augen aller Zuschauer fesselt, ob sie nun jung oder schon älter sind; kein einziger wird weggehen oder müde werden zuzuschauen, solange es nur seine Pracht entfaltet.“ (Xen. equ. 11,9, Übersetzung Widdra 2007).

Unter der Reitkunst versteht man in der Antike, und auch heutzutage, die Präsentation eines Pferdes, das sich, durch minimale Signale (‚Hilfen‘) seiner/s Reiters/in, in geistiger und körperlicher Anmut zeigt 1. Bereits Xenophon (Xen. equ. 10,1–2) beschreibt die zwei wichtigsten Grundsätze des Reitens: eine gewaltfreie Ausbildung und die Bereitwilligkeit des Pferdes (Xen. equ. 10,4) zu diesen Übungen.

Schulen und Touren der barocken Reitkunst, Fürstliche Hofreitschule Bückeburg 2011.

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Oliwia A. Ullrich

Doch nicht nur die ‚gute Figur‘ beim Publikum spielt eine wichtige Rolle; durch diese gymnastischen Übungen werden die Muskeln des Pferdes gestärkt, so dass sie den Reiter auf ihrem Rücken ohne gesundheitliche Folgen tragen können. Denn die Anatomie des Pferdes ist nicht darauf ausgerichtet, zusätzliches Gewicht zu tragen 2. Dazu werden durch diese ‚Lektionen‘ die natürlichen Bewegungen des Pferdes gefördert und verfeinert. Auch auf den repräsentativen Münzen verschiedener Städte werden die beeindruckenden Haltungen der Tiere abgebildet, die in diesem Artikel anhand von Beispielen beschrieben und erklärt werden.

Paradetrab

Abb. 2: Keltische Tetradrachme (Vorbild ist eine Tetradrachme des paionischen Königs Audoleon), Pferd im Paradetrab, 150–50 v. Chr., Kat. 37

Diese keltische Tetradrachme (Abb. 2) sowie die Didrachme aus Tarent (Kat. 38), der Tetrobol aus Makedonien (Kat. 37) und die Münze aus Buntmetall aus Syrakus (Kat. 40) zeigen auf ihrer Rückseite ein Pferd bzw. ein Viergespann im ‚Paradetrab‘ im Vordergrund. Der Kopf ist stolz erhoben und gewölbt. Es hebt seinen rechten Vorderhuf sowie den linken Hinterhuf schwungvoll diagonal über der Standlinie, zudem wird sein Schweif vor Aufregung nach oben geschlagen. Jene dargestellte Haltung des Pferdes findet sich in freier Wildbahn bei Hengsten wieder, die Stuten imponieren wollen: „[…] Gibt man dem entflammten Pferd den Zügel hin, so trägt es aus Freude darüber, dass es auf Grund der weichen Zügelführung glaubt, vom Gebiss befreit worden zu sein, in stolzer Haltung, mit geschmeidigen Schenkeln prunkend, und ahmt in jeder Hinsicht das Gepräge gegenüber anderen Pferden nach“ (Xen. equ. 10,15–16, Übers. Widdra 2007, 83).

2

Jung 2007, 14–25.

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Dieses natürliche Hengstverhalten kann sich, wie Xenophon schreibt, auch der Reiter zunutze machen. Die ‚Schwungtritte‘ sind Veredelungen und gleichzeitig eine Verlangsamung der Gangart Trab; wenn die Bewegung auf der Stelle ausgeführt wird, nennt man sie in der heutigen Dressur Piaffe, in der Vorwärtsbewegung Passage. Diese Übungen werden erreicht, indem man die Schubkraft des Pferdes einschränkt, sodass es zu einem Beugen von Hüftund Kniegelenk kommt. Dadurch wird die Federkraft der Muskulatur und auch die Beweglichkeit des Pferdes gestärkt. Xenophon erklärt in seinem zweiten Werk „Hipparchikos“ (Xen. hipp.), übersetzt „der Reiterbefehlshaber“ (Xen. hipp. 1,18,18 vgl. Xen. equ. 1,2), dass ein (Kriegs-)Pferd im offenen, vielseitigen oft steinigen Gelände einen sicheren Tritt braucht, damit es leichter manövriert werden kann. In der Münzprägung werden oft die starken Gelenke, muskulösen Beine und Schenkel des Pferdes betont. Der Soldat mit Helm in Abb. 2 sitzt in dieser Abbildung nicht auf dem Pferd, sondern läuft neben ihm her. Auch das ist eine Übung bei der Kavallerie, denn bei einem Erkundungsmarsch muss ein Reiter teils zu Fuß gehen, damit das Pferd und er sich selbst von einem langen Ritt erholen können (Xen. hipp. 4,1), denn die griechischen Reiter reiten ohne Hose und ohne Sattel, höchstens mit einer Decke auf dem Pferderücken.

Levade und Courbette

Abb. 3: Stater aus Maroneia, Pferd mit losen Zügeln in Courbette, ca. 386/385–348/347 v. Chr., Kat. 34

Eine weitere Münze aus Thrakien zeigt, dass bei der Ausbildung eines Pferds der Reiter nicht unbedingt auf dem Rücken sitzen muss, um eine Lektion auszuführen (Abb. 3). Der abgebildete Stater kommt aus der Stadt Maroneia (Kat. 34), welche für die Pferdezucht und den Weinbau berühmt ist. Dementsprechend finden sich diese Handelswaren in

Bella figura. Pferdedressur auf Münzen

den gewählten Motiven der Münzprägung wieder. Das Pferd zeigt sich hier in einer neuen Haltung, die bei Xenophon als Anforderung für ein (Parade-) Pferd ebenfalls beschrieben wird:

der Erde. Deren Disziplinanforderung wird von Xen. equ. 11,1 als μετέωρος bezeichnet, was wortwörtlich „in der Höhe schwebend“ bedeutet.

„Gibt man nun dem Pferd, wenn es untersetzt, eine (halbe) Parade, so senkt es die Hinterhand, in den Sprunggelenken und hebt den Vorderleib, so dass man vorne den Bauch und die Genitalien sehen kann […]“ (Xen. equ. 11,3, Übers. Widdra 2007, 85)

Dann folgt, wie man das bereits steigende Pferd zum Springen bringt: „Befindet sich nun ein Pferd an der Spitze – wie man am meisten derartige Pferde lobt –, das seinen Körper ganz hoch und ganz oft aufrichtet und nur ein wenig vorrückt […]“ (Xen. equ. 11,11, Übers. Widdra 2007, 85).

Das abgebildete Pferd wird oft als ‚springend‘ beschrieben, allerdings spielt die Richtung dabei eine entscheidende Rolle. Die Bewegung wird in die Höhe ausgeführt, nicht in die Weite. Das steigende Pferd scheint in dieser Abbildung die Hinterhufe von der Standlinie zu heben. Diese Lektionen müssen bei unerfahrenen Pferden zunächst nicht vom Rücken, sondern von Boden aus geübt werden. Dazu wird laut Xen. equ. 8,4 ein sogenanntes Leitseil verwendet, mit dem man die „Sprünge in die Höhe und in die Weite“ übt (Xen. equ. 8,5). Das lange Leitseil, heute Longe genannt, wird auf dieser Prägung deutlich gezeigt, es wird schwungvoll über den Rücken geworfen. Der Reiter ist kein Teil der Darstellung, allerdings reicht das Leitseil als Symbol des domestizierten Pferdes, um zu veranschaulichen, dass das Steigen von einem nicht sichtbaren Menschen herbeigeführt wird. Bei dieser Präsentation der Pferde auf maroneischen Münzen wäre eine ‚Hengstschau‘ für den Verkauf der Tiere vorstellbar. Auch heute werden diese Dressurlektionen noch ausgeübt; das Steigen nennt man Levade und das in die Höhe springende Steigen Courbette, sie gehören zu den höchsten Anforderungen der sogenannten Hohen Schule über

Abb. 4: Diobol aus Korinth, Pegasos in einer Courbette bzw. im Paradeschritt, ca. 400–315 v. Chr., Kat. 35

Dazu passend wird auch der in der Luft schwebende Pegasos auf korinthischen Münzen abgebildet (Abb. 4). Auf der einen Seite ist der Pegasos in einer Courbette abgebildet, während er auf der Rückseite im Paradeschritt posiert. Dabei wird der rechte Vorderhuf hoch in die Luft gestreckt. Diese Dressurlektion wird heutzutage als ‚Spanischer Schritt‘ bezeichnet. Da die Schrittfolge des rechten Vorderund Hinterhufes parallel erfolgt, befindet sich das Pferd in der Gangart ‚Schritt‘. Dieses ‚Aufstampfen‘ findet sich ebenfalls beim natürlichen Imponiergehabe wieder. Auch wenn es sich um ein mythologisches Mischwesen handelt, führt er die oben genannten Lektionen eines Dressurpferdes aus. Literarisch ist ein hippischer Kult 3 der Athena Chalinitis von χαλινός („Zügel“) in Korinth überliefert (Paus. 2,4,1. 5). Denn sie soll dem korinthischen Helden Bellerophon das goldene Zaumzeug gegeben haben, damit dieser den Pegasos bändigt (s. Beitrag Sybill Ebers S. 62 sowie Beitrag Achim Lichtenberger – Helge Nieswandt S. 52).

Abb. 5: Tetradrachme aus Thermai Himeraiai, Quadriga in Courbette, 4. Jahrhundert v. Chr., Kat. 41

Paus. 2,4,1: Der dazugehörige Tempel für Athena Hippia, neben dem Theater und nicht weit entfernt vom Grab der Kinder der Medeia; zum Kult der Athena Hippia: Yalouris 1950, 19–30; Altar der Athena Chalinitis: Pind. O. 13, 63–90; weitere Altäre der Athena Hippia sind bezeugt für: Kolonos in Attika (Paus. 1,31,6), Acharnai (Paus. 1,31,6), Olympia (Paus. 5,15,5–6), Lebadeia (Paus. 1,30,4).

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Oliwia A. Ullrich

Bis heute noch sind Zügel und Zaumzeug das gängigste Hilfsmittel, um ein Pferd zu kontrollieren, wie auch bei der Tetradrachme aus Thermai Himeraiai (Abb. 5) sichtbar wird. Die Pferde im Viergespann (quadriga) befinden sich, wie der fliegende Pegasos, in einer Courbette, bei denen die Hufe der meisten Pferde hoch über der Standlinie schweben, während sich die Hufe des zweiten Pferds von links vom Boden abstoßen. Zwischen den Hufen befindet sich ein zerbrochenes Wagenrad. Über dem Viergespann fliegt eine Nike mit Kranz zum Wagenlenker, der leider auf dem Schrötling keinen Platz gefunden hat. Insgesamt lassen sich vier Dressurlektionen, der Paradeschritt sowie -trab, das Steigen mit der Levade und Courbette, mithilfe von Xenophons Reitkunst auf Münzprägungen nachvollziehen, obwohl sie an unterschiedlichen Orten geprägt sind und sie das Pferd in verschiedenen Funktionen wie beim Wettkampf, im Militär oder beim Verkauf zeigen.

Weiterführende Literatur K. Brodersen, Xenophon. Ross und Reiter, griechischdeutsch (Berlin – Boston 2018). K. Jung, Reiten anatomisch und pferdegerecht. Der Weg zum gelösten und durchlässigen Pferd (Stuttgart 2007). G. M. Neugebauer – J. K. Neugebauer, Lexikon der Pferdesprache. Neue Wege zur artgerechten Kommunikation (Stuttgart 2020). K. Widdra, Xenophons Reitkunst 2(Waal 2007). N. Yalouris, Athena als Herrin der Pferde, Museum Helveticum 7,1, 1950, 19–64.

Abbildungsnachweis Abb. 1: akg-images Abb. 2: Kat. 37 Abb. 3: Kat. 34 Abb. 4: Kat. 35 Abb. 5: Kat. 41

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Prestigegut Pferd – das Pferd als Fortbewegungsmittel Sophia Nomicos Wie der Reitsport und die Pferdekutsche in der Moderne ist das Pferd in der Antike hauptsächlich den höheren sozialen Schichten vorbehalten. Neben seiner Verwendung im Sport (s. Beitrag Sebastian Scharff S. 45–49), im Krieg (s. Beitrag Hans Beck S. 39–44) und als Gefährt der Götter ist es als Statussymbol der Eliten Bestandteil der Jagd und feierlicher Festzüge. Für die Pferdezucht waren große Ländereien die Voraussetzung und in der Landwirtschaft spielen Pferde nur eine untergeordnete Rolle. Mit den Worten des Altertumsforschers Mark Griffith: „Pferde dienten dem Krieg, der Jagd, zum Spiel und zur Schau. Nur selten nutzte man sie für die Arbeit“ 1. Pferde allein oder als Gespann – wie auf einer geometrischen Pyxis (Kat. 44) und zwei korinthischen Salbölgefäßen (aryballoi; Kat. 45–46) im Archäologischen Museum der WWU Münster – spielen in der Kunst der reif- und spätgeometrischen und archaischen Zeit eine zentrale Rolle. Sie sind als Hinweis auf den hohen sozialen Status von Pferdebesitzern in jener Epoche zu verstehen (s. Beitrag Achim Lichtenberger – Helge Nieswandt S. 64–70). Die Voraussetzung für den Besitz von Pferden und die Pferdezucht ist ein gewisser Reichtum, der sich später auch in der politischen Organisation der athenischen Polis widerspiegelt: Die Klasse der hippeis steht nach den sogenannten pentakosioimedimnoi (diejenigen, die so viel Land besitzen, dass sie 500 Einheiten Getreide produzieren können) an zweiter Stelle der nach Vermögen gestaffelten Bürgerhierarchie. Diese antiken Rancher verfügen nicht nur über ausreichend Landbesitz, um die Pferde zu unterhalten, sondern stellen auch die hoch angesehenen Kavalleristen für die Polis. Die Welt der Pferde ist fest in der Lebenswelt der Männer verankert. Reitende Frauen kennen die Athener nur aus dem göttlich-mythischen Bereich und neben Göttinnen sind es insbesondere die Amazonen, die Eingang in die Bilderwelt der Athener finden (so zum Beispiel auf einer Halsamphora in Berlin Abb. 1). In anderen Gegenden der 1 2

griechischen Welt sieht es anders aus: So dürfen Frauen in Sparta beispielsweise an den Wagenrennen bei den Festspielen zu Ehren des Hyakinthos teilnehmen 2. Die Darstellung von Frauen mit einem Gespann auf der Lekythos Kat. 53 aus Athen ist etwas Besonderes und verweist wohl auf eine Prozession im Götterkult.

Pferd in der Jagd: Privileg des Adels Die Jagd als zentrales Motiv der Elitenrepräsentation lässt sich im griechischen Bereich bis in die mykenische Zeit zurückverfolgen. Jagdszenen zu Fuß oder zu Pferd finden sich auf den Grabstelen, in den Wandmalereien der Paläste und in der Kleinkunst wie goldenen Fingerringen und Gemmen. Gejagt wird am Boden und, wie in den altorientalischen Kulturen, vom Pferdewagen aus (so zum Beispiel dargestellt auf einem goldenen Fingerring aus Mykene Abb. 2). Pferdegespanne treten zwar auch in der späteren griechischen Kunst auf, ihre Rolle als Fortbewegungsmittel in Krieg und Jagd haben sie allerdings abgelegt; sie sind nun das primäre Gefährt der Götter und werden für Wagenrennen und Prozessionen verwendet.

Abb. 2: Goldring mit Jagdszene Mykene, aus Schachtgrab IV, 16. Jahrhundert v. Chr.

In der archaischen Zeit findet die Jagd zu Pferd statt und ist das Betätigungsfeld des Adels, aus dem auch die athenische Reiterei rekrutiert wird. Obwohl die

„Horses were for war, for hunting, for play, for show. Rarely were they used to do work“, Griffith 2006, 203. Anderson 1961, 114 f.

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Sophia Nomicos

Abb. 1: Attisch-rotfigurige Amphora mit Amazonendarstellung, um 420 v. Chr., München, Staatliche Antikensammlungen, Inv. 2342

Pferdejagd als „Adelssport“ wohl im Zuge der Demokratisierung 3 aus dem klassischen Athen weitgehend verbannt ist, weist der griechische Historiker Xenophon in zwei seiner Schriften (Xen. equ. 8,10; Xen. kyn. 1,80) noch darauf hin, dass die Pferdejagd ein geeignetes Training für den Einsatz zu Pferd im Krieg sei. Auf Münzen aus Kelenderis in Kilikien (Türkei, s. Kat. 54) und Motya auf Sizilien (s. Kat. 55) ist ein absteigender Reiter dargestellt, wobei ein Detail auffällt: Es fehlen Steigbügel. Dies ist kein Versäumnis des Künstlers, sondern gibt die tatsächliche Situation wieder. Weder im griechischen noch im römischen Kulturraum existieren Steigbügel und das Aufsitzen ist eine entsprechend hohe Kunst. Der eben genannte Autor Xenophon nennt drei ver3 4

Anderson 1985, 25 f. Hyland 1990, 232.

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schiedene Möglichkeiten des Aufsitzens: 1) das Aufschwingen, 2) das Aufschwingen unter Zuhilfenahme einer Lanze (Xen. hipp. 7,1) und 3) die ‚persische Art‘, d. h. eine zweite Person dient als Aufstieghilfe (ebenda 6,12). Im 2. Jahrhundert n. Chr. finden sich häufig Aufstiegsblöcke bei den Landgütern der Wohlhabenden, die eben diesem Zweck dienen 4. Im antiken Königreich Makedonien hat die Jagd zu Pferd eine lange Tradition und ist auch dort fester Bestandteil des Repräsentationskanons der Eliten. Dies zeigt sich eindrücklich in dem Jagdgemälde auf der Fassade des Grabes II in Vergina, bei dem es sich vielleicht um das Grab des Königs Philipp II. handelt, dem Vater von Alexander dem Großen. Auch die römischen Kaiser betätigen sich als Jäger; Kaiser Hadrian soll sogar ein Gedicht für sein

Prestigegut Pferd – das Pferd als Fortbewegungsmittel

Lieblingsreitpferd Borysthenes verfasst haben. Auf Sarkophagen der römischen Kaiserzeit sind Jagdszenen mit Reitern ein beliebtes Motiv und die antike Literatur überliefert detailliert, welche Beute mit welchen Waffen und Hilfsmitteln zu Pferd zu jagen ist 5.

Pferd in Prozession und Reise: das bessere Maultier Der Einsatz von Pferden bei rituellen Prozessionen ist ein Thema, das sich ebenfalls über einen langen Zeitraum hinweg in Literatur und Kunst verfolgen lässt. In der geometrischen Vasenmalerei ist das Motiv der ekphora, der rituellen Beförderung eines Verstorbenen auf einem gespanngezogenen Wagen, mehrfach bezeugt. Neben den Darstellungen der prothesis, der Aufbahrung des Leichnams, gehört das Motiv zu den frühesten figürlichen Darstellungen der griechischen Kunst nach dem Niedergang der mykenischen Palastkultur. Nicht nur bei den Begräbnisritualen, sondern auch bei der Hochzeit, einem zweiten zentralen Ereignis im Leben der Menschen der Antike, kommen Pferdegespanne zum Einsatz. Die Hochzeit in der griechischen Antike erstreckt sich über mehrere Tage und gliedert sich in vorbereitende Arbeiten, der rituellen Prozession der Braut zum Haus des Bräutigams sowie Ritualen nach der Hochzeit. Die Prozession ist auf zahlreichen spätarchaischen schwarzfigurigen Vasenbildern dargestellt, zu denen der Kolonettenkrater Kat. 49 zu zählen ist. Auf dem Krater sind Braut und Bräutigam auf einem Pferdegespann zu sehen. Mehrere nicht eindeutig identifizierbare Figuren wohnen der Szene bei. Unter den Vergleichsbeispielen finden sich auch Darstellungen von Pferdegespannen mit göttlichen Paaren, die eindeutig als solche durch Namensbeischriften oder entsprechende Attribute gekennzeichnet sind. Daneben existieren Bilder von nicht identifizierbaren Paaren in Maultierkarren, die in den tatsächlichen Prozessionen wahrscheinlich

hauptsächlich zum Einsatz kamen. Denn Pferdegespanne erscheinen auch in der Literatur nur in Zusammenhang mit mythologischen Hochzeiten, wie zum Beispiel der von Peleus und Thetis, den Eltern des mythischen Helden Achilleus. Daraus lässt sich aber nicht schließen, dass alle Pferdegespanne in Hochzeitsszenen mythische und alle Maultierkarren weltliche Paare zeigen. Eine solche strikte Trennung ist den Bildern nicht eindeutig zu entnehmen, vielmehr verschwimmen hier absichtlich die weltliche und die göttliche Sphäre, wie es auch von archaischen Vasenbildern mit anderen Thematiken bekannt ist. Unstrittig ist, dass die Darstellung von Pferden im Kontext weltlicher Hochzeiten nicht die Realität widerspiegelt, sondern der Szene einen heroisierenden Charakter verleihen soll 6. Ungefähr mit dem Beginn der Klassik und damit dem Ende der Tyrannis verschwinden diese Abbildungen von den Vasen, weshalb auch hier ein Zusammenhang mit dem Wechsel des politischen Systems im Sinne der Abkehr von der adeligen Lebensweise angenommen wird 7. Auch in der römischen Zeit sind Pferdegespanne kein Bestandteil des Alltags. Meist als Viergespanne (die Darstellung eines Viergespanns aus der griechischen Antike findet sich auf mehreren Gefäßen, z. B. Kat. 49–53), Quadrigen, bilden sie einen Teil des römischen Triumphzuges sowie feierlicher Aufzüge von Konsuln und Kaisern. Für die Reise spielen Pferde und Pferdefuhrwerke in der Regel eine untergeordnete Rolle. Bildliche Darstellungen von Pferdefuhrwerken sind selten und Erwähnungen in der antiken Literatur weisen sie als Besonderheit aus. Überlandreisen werden entweder zu Fuß unternommen, mit Saumtieren oder auf Maultierkarren. Reiter, obwohl sich viele Abbildungen finden lassen (s. z. B. die Reiterstatuetten aus Böotien, Kat. 47–48), sind seltener, bei ihnen handelt es sich meist um Soldaten oder reiche Gutsbesitzer. Der Gütertransport über Land 8 erfolgt mit Lasttieren, Menschen und Karren. Wegen des stark gegliederten Reliefs in Griechenland setzt man dort eher Gespanne als Fuhrwerke ein.

s. hierzu Hyland 1990, 244. Jurriaans-Helle 2021, 195: „The paintings on Athenian pottery represent the world of the elite and the idealised heroic world that was perceived as their model“. 7 Jurriaans-Helle 2021, 122. 8 Als Besonderheit des Seetransports sind die sogenannten Hippoi-Schiffe der Phönizier zu nennen, die mit einem Pferdekopf verziert sind. Der ganze Bedeutungsraum dieser Dekorationsform ist noch nicht entschlüsselt, sicher soll damit aber die große Geschwindigkeit dieser Schiffe zum Ausdruck gebracht werden, Edrey 2019, 124 f. 5

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Sophia Nomicos

Pferd in der Landwirtschaft: eine Seltenheit Die Pferdezucht ist in der griechischen wie in der römischen Antike in denjenigen Gegenden verbreitet, die weite Ebenen und gute Wasserquellen, also zu diesem Zweck geeignete naturräumliche Voraussetzungen bieten (s. Beitrag Katharina Martin S. 25–30). Berühmt für die Pferdezucht sind in Griechenland die Peloponnes und Thessalien, im italischen Raum Apulien und Sizilien sowie Gallien. In der Spätantike sind in diesem Zusammenhang auch die eurasische Steppe und Nordafrika bedeutsam. Da für die Pferdezucht ein großer Grundbesitz die Voraussetzung bildet, ist diese Art der landwirtschaftlichen Betätigung mit hohem sozialen Prestige verbunden. Darüber hinaus spielen Pferde als landwirtschaftliches Produkt keine Rolle. Überliefert ist bei Varro (Varro rust. 1,38,1–3) neben der Nutzung von Geflügel-, Schaf-, Menschen- u. a. der Einsatz von Pferdedung. Als Nahrungsquelle werden Pferde nicht gehalten, da Pferdefleisch zu essen (sog. Hippophagie) sehr unüblich ist und höchstens in Notsituationen vorkommt. Schwere landwirtschaftliche Arbeit ist in der Antike zwar in der Regel Eseln und Maultieren vorbehalten, aber auch Pferde werden verschiedentlich eingesetzt. Als Arbeitspferde nutzt man ihre Kraft im Ackerbau und zum Dreschen von Korn – Letzteres empfiehlt der römische Agrarschriftsteller Columella ausdrücklich (Colum. 2,20,4). Ein zweites Einsatzgebiet ist der Antrieb von Mühlen und in Pressen. Diese besonders schwere Arbeit müssen normalerweise Esel und Maultiere 9 (dargestellt zum Beispiel auf dem gallorömischen Grabstein Abb. 3), aber auch solche Pferde verrichten, die nicht (mehr) kriegs- oder wettkampftauglich sind.

E-Mail der Antike Eine tragende Rolle spielt schließlich das Pferd in der antiken Telekommunikation. Das Pferd bietet die schnellste Möglichkeit, auf dem Landweg Informationen zu transportieren. Im Römischen Reich existiert eine eigens für den Transport wichtiger

Botschaften und Personen eingerichtete Institution – der cursus publicus. Dieser antike Postdienst unterhält Reiter und Pferde, die an festgelegten Stationen ausgetauscht werden können. Die Nutzung dieses Dienstes ist allerdings einem ausgewählten Personenkreis vorbehalten, sodass auch die Rolle des Pferdes als Transportmittel von Informationen exklusiven Charakter hat.

Abb. 3: Gallorömischer Grabstein mit Mühlendarstellung, aus der Nekropole von Narbo Martius (Narbonne/ Frankreich), 1. Jahrhundert n. Chr.

Weiterführende Literatur J. K. Anderson, Ancient Greek Horsemanship (Berkeley 1961). J. K. Anderson, Hunting in the Ancient World (Berkeley 1985). A. Hyland, Equus: The Horse in the Roman World (London 1990). G. Juriaans-Helle, Composition in Athenian Black-Figure Vase-Painting. The ‚Chariot in Profile‘ Type Scene. Babesch Suppl. 41 (Leuven 2021).

Abbildungsnachweis Abb. 1: Amazone Staatliche Antikensammlungen 2342 full – File:Amazone Staatliche Antikensammlungen 2342.jpg – Wikimedia Commons Abb. 2: akg-images / Album / Prisma Abb. 3: akg-images / Catherine Bibollet

Dies spiegelt sich auch in der Benennung eines römischen Mühlentyps, der bei dem römischen Agrarschriftsteller Cato überlieferten mola asinaria wider.

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Zwischen Schlachtfeld und Schauparade. Pferd und Krieg im antiken Griechenland Hans Beck

Pferde vor Troja In der Geschichte des antiken Griechenlands ist das Pferd zu allen Zeiten mit der Kriegsführung verbunden. Gleich am Anfang, in der Dichtung Homers, steht das berühmteste Kriegspferd des Altertums – ohne dass es einen Namen gehabt oder an einer Schlacht teilgenommen hätte! In der „Odyssee“ ist einfach nur vom „hölzernen Pferd“ (Hom. Od. 8,512) die Rede, das die Griechen vor den Toren Trojas abgestellt haben, um damit angeblich die Göttin Athene zu besänftigen; so der listige Plan, der gegen die Bewohner der Stadt ausgeheckt wird. Ansonsten greifen Pferde bei Homer überall und auch sehr direkt in den wechselhaften Ereignislauf des Trojanischen Krieges ein. Sie sind nicht nur Element der Erzählung, sondern verleihen der Geschichte auch emotionale Tiefe. Für das Publikum ergeben sich durch sie lebendige Identifikationsmuster mit dem Erzählstoff. Gleich mehrere homerische Helden haben Beinamen, die sich von den Pferden herleiten: Nestor, „der Pferdeherr“, oder Pelops, „Gebieter der Rosse“, sind nur zwei davon

(s. Beitrag von Jonas Derichs S. 71–74). Die Männer aus Argos, Theben und Troja werden für ihren Reichtum an Pferden gerühmt: Erfolg in der Pferdezucht und militärische Macht gehen Hand in Hand. Vor allem gibt Homer den Tieren aber ihr eigenes Empfinden im Getöse der Schlacht. Die Rosse Hektors verweigern im 12. Gesang der „Ilias“ (Hom. Il. 50–58) im entscheidenden Moment ihren Dienst, „denn es schreckte sie die Breite des Grabens, der zum Sprung nicht geeignet und kaum zu überqueren war. Überhängende Ränder machten ihn schwer zugänglich und oben war er mit spitzigen Pfählen bestückt, die die Söhne Achaias zur Schutzwehr gegen die feindlichen Männer aufgestellt hatten. Schwerlich hätte sich ein Pferd dort hinüber getraut.“ Der Dichter verrät eigenwillige Vorstellungen davon, wie mit Pferden gekämpft wird. Denn Wagen und Rosse sind bei ihm vor allem Transportmittel, mit denen die Helden in die Schlacht fahren. An der Front angekommen, steigen sie ab, um dem Feind Mann gegen Mann zu begegnen. Diese Bedeutung von Wagen und Gespann ist eine

Abb. 1: Detail von einem Relief mit Streitwagenfahrer von Grab V im Gräberrund A von Mykene, 16. Jahrhundert v. Chr.

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Hans Beck

Reminiszenz der mykenischen Streitwagenkultur, wie sie in vielen Wandmalereien und Grabstelen der späten Bronzezeit begegnet und von der natürlich auch Homer weiß (Abb. 1; s. auch Beitrag Achim Lichtenberger – Helge Nieswandt S. 64). In der Narration eines Krieges zwischen monumentalen Palästen und ihren legendären Anführern können Streitwagen und Gespanne nicht fehlen, sie sind ein wesentliches Merkmal der Kriegsführung dieser Zeit. Nur werden die damit verbundenen Kampftaktiken von Homer nicht mehr richtig verstanden. Wenn seine Dichtung vom Ideal des heroischen Einzelkämpfers bestimmt ist – Männer mit prachtvoller Hoplitenrüstung und Schild sowie funkelnden Angriffswaffen –, dann ist dies ein Reflex der Kriegsführung, wie sie sich seit dem 8. Jahrhundert v. Chr., der Zeit Homers, entwickelt hat. In den vielen Klein- und Grenzkriegen zwischen den griechischen Städten bricht sich immer mehr die Hoplitenphalanx als effektive Kampftechnik Bahn. Mit ihr verbindet sich eine neue Durchschlagskraft. Und dieser Erfolg inspiriert seinerseits neue politische Diskurswelten, die um Ideen von Kommunalität und Gleichheit der männlichen wehrfähigen Bürger kreisen. In der Bildsprache späterer Zeiten lebt die Vermengung von Streitwagenkultur und Hoplitenideal als beliebtes Thema der Vasenmalerei fort (Kat. 69–70).

Die ersten Ritter Eine regelrechte Kavallerie entwickelt sich dagegen nur langsam. Kosten und Aufwand machen die Pferdezucht zur Sache privilegierter lokaler Führungsschichten, für die ihre Pferde vor allem auch Ausdruck aristokratischer Distinktion sind, im Krieg ebenso wie bei ihrer Teilnahme an sportlichen Wettkämpfen, etwa den berühmten Wagenrennen von Olympia (s. Beitrag Sebastian Scharff S. 46). Die Kriegsführung zu Pferde systematisch und koordiniert in Kampfelemente einzubinden, die vom Gedanken der Gleichheit der Bürger bestimmt wird, ist insofern nicht nur eine militärische, sondern eine politische und soziale Herausforderung. In Athen wird die Einrichtung einer eigenen Zensusklasse von „Reitern“ (hippeis) auf den Gesetzgeber Solon im frühen 6. Jahrhundert v. Chr. zurückgeführt. Mit dieser zweithöchsten Klasse der athenischen Bürgerschaft tritt erstmals eine formale 40

Statusgruppe auf, deren ökonomische Möglichkeiten über den Besitz eines Pferdes bzw. die dafür notwendige Wirtschaftskraft definiert wird; für die Hippeis sind dies mindestens ca. 15 000 Einheiten fester oder flüssiger Ertrag pro Jahr vom eigenen Land. Bei der Vergabe der öffentlichen Ämter und militärischen Aufgaben kommen den Hippeis besondere Privilegien zu, die im Einklang mit der Bürgerschaft wahrgenommen werden. Die große Leistung der solonischen Reformen liegt demnach darin, dass sie einen Ausgleich zwischen dem Bedürfnis nach sozialer Distinktion und einer Nutzbarmachung aristokratischer Ressourcen für die Stadt herbeiführen – in Anbetracht des steilen Sozialgefälles archaischer Stadtgesellschaften kein leichtes Unterfangen (s. auch Beitrag Achim Lichtenberger – Helge Nieswandt S. 65–66). In anderen Städten, zum Beispiel in Korinth und Megara, kommt es zu vergleichbaren Entwicklungen. Auf der Insel Euboia begegnet in Chalkis mit den hippobotai („Pferdehüter“) eine besonders prägnante Elite, auf die die ganze Polis ausgerichtet gewesen sein soll (Aristot. pol. 1289b 36–40). Die hippobotai begründen ihren Führungsanspruch mit den militärischen Erfolgen, die sie mit ihren Pferden seit alters für die Gemeinde erbracht haben. In ihrer Selbstdarstellung treten sie, wie aristokratische peers andernorts auch, als stolze Reiter auf, deren vornehmer Lebensstil in Form eines hoch ästhetisierten Kriegerideals zum Ausdruck kommt (Kat. 66 und 93). Als die Athener im Jahr 506 v. Chr. Chalkis im Krieg besiegen, nehmen sie den hippobotai ihre Ländereien, um sie mit athenischen Bürgern zu besiedeln. Der chalkidischen Pferdezucht wird damit auf einen Schlag die Grundlage entzogen, was im Folgenden auch den sozialen Niedergang der „Pferdehüter“ einläutet (Hdt. 5,77).

Die Kavallerie kommt! Es ist kein Zufall, dass mit der Überlieferung zu den epochalen Feldschlachten der Perserkriege auch eine neue Phase in der Kavalleriekriegsführung einsetzt. Die persischen Reiter sind ihrem Gegner schon rein zahlenmäßig überlegen. Bei Marathon (490 v. Chr.) hat die Kavallerie der Perser dem griechischen Heer schwer zugesetzt. Elf Jahre später, in der Entscheidungsschlacht bei Plataiai (479 v. Chr.), ist die griechische Strategie denn auch davon be-

Zwischen Schlachtfeld und Schauparade

stimmt, zunächst der Kavallerie der Perser aus dem Weg zu gehen. Der persische Reiteroberst Masistios, der vor der Schlacht gebieterisch über das offene Feld zwischen den Kriegsparteien reitet, das Pferd in goldenem Zaumzeug und auch sonst reich bedeckt, erfüllt die Griechen mit Furcht und Schrecken. Zunächst gilt es daher, so lange wie möglich die Anhöhen zu halten, wo die feindliche Reiterei kaum zur Entfaltung kommt. Erst als der Angriff dort abgewendet ist, erlangen die Griechen in der Ebene die Oberhand. Gegen Ende der Schlacht wird das Geschehen aber erneut von den Reitern bestimmt. Die Thebaner, mit den Persern verbündet, reiten in zersprengte Militär-Kontingente der Städte Megara und Phlious hinein und trampeln 600 Männer zu Tode (Hdt. 9,69). Was sich bei Plataiai am schnellen Changieren der Reiter zeigt – der Möglichkeit also, sie rasch von einem Ort des Schlachtgeschehens zu einem anderen zu verlegen –, gilt insgesamt für die Dynamik, die die Kavallerie in die Kriegsführung bringt. Ähnlich wie die technisch ausgereiften Flottenverbände einzelner Städte in kürzester Zeit beinahe jeden beliebigen Ort der Ägäiswelt erreichen können, erlauben gut trainierte Reitereinheiten einen schnellen Eingriff in den Krieg. Die Kleinräumigkeit der griechischen Welt trägt das ihre dazu bei, dass beinahe jeder Kriegsschauplatz in zwei oder drei Tagesritten erreichbar ist. Bei Koroneia in Boiotien werden athenische Verbände, die sich auf einer solchen schnell anberaumten Mission befinden, im Jahr 447 v. Chr. in einer Reiterschlacht völlig aufgerieben (Thuk. 1,113). In der offenen Feldschlacht von Tanagra zehn Jahre zuvor haben die thessalischen Reiterverbände kurzerhand die Seiten gewechselt, was den Athenern ebenfalls empfindliche Verluste eingebracht hat (Thuk. 1,107–108). Diese Beispiele verdeutlichen zunächst einmal den quantitativen Anstieg im Einsatz von Kavallerien, wobei die Einheiten selbst immer größer werden. In Athen befehligen zwei hipparchoi („Reiterführer“) im 5. Jahrhundert v. Chr. bis zu 1000 Reiter, im benachbarten Boiotien sind es ungefähr 1100. In Thessalien, das für seine Pferdezucht besonders bekannt ist, gibt es bis zu 6000 Reiter. Die Relation zur Infanterie beträgt dort 1:2, auf einen Reiter kommen also zwei Infanteristen. Das Bundesheer der Thessaler verfügt damit über die größte Reiterschar seiner Zeit. Den Phokern, die in der Mitte des 4. Jahrhunderts v. Chr. den sogenannten

3. Heiligen Krieg angezettelt haben, wird im anschließenden Friedensvertrag untersagt, eine Kavallerie zu unterhalten (Diod. 16,60). Durch die Auflösung des Reiterheeres hoffen die Sieger, künftigen Attacken der Phoker auf das Heiligtum in Delphi dauerhaft die Spitze zu nehmen. Jenseits der politisch-militärischen Erwägungen lassen diese Zahlen erahnen, dass mit der ausgreifenden Kavalleriekriegsführung nicht nur die logistischen Planungen immer größeren Aufwands bedürfen. Zur bloßen Verpflegung und dem, was Sattler und Hufschmiede zu leisten haben, kommt eine eigene Ausrüstung der Pferde hinzu, die die Tiere kampftauglich macht, angefangen vom Geschirr und Zaumzeug bis hin zu Schutzrüstungen für Kopf und Brust. Die lebendigen Abbildungen auf Vasen und archäologischen Hinterlassenschaften verweisen auf eine sichtbare Militarisierung des Pferdekörpers. Die Gewalt, der die Tiere ausgesetzt sind, muss entsetzlich gewesen sein (Kat. 67).

Schauparaden Beim Training im zivilen Raum der Stadt nimmt sich dies alles viel ansehnlicher aus. Der hohe Schauwert von geordneten Reiterabteilungen bei Paraden rückt die Tiere ins Zentrum öffentlicher Feste. Hinzu kommt der hohe Status, den das Pferd weiterhin symbolisiert: In Athen kostet ein Pferd um das Jahr 400 v. Chr. ungefähr 1200 Drachmen – ein Vielfaches von dem, was ein Handwerker in einem Jahr verdient. Besonders stolz sind die privilegierten Familien deshalb auf ihre Jungmänner, die sogenannten Epheben, deren Einheiten bei gegebenen Anlässen zum Schauritt antreten (Kat. 68). Der athenische Historiker Xenophon, der auch eine eigene Schrift über die Pferdezucht verfasste, berichtet (Xen. equ. 3), dass die Epheben bei Militärparaden Manöver in vollem Galopp vorführen, welche das Publikum sehr beeindrucken. In den Inschriften der hellenistischen Zeit ist davon die Rede, dass die Jungmänner auch im Kavalleriewesen unterrichtet werden. Berittene Epheben werden oft zum Patrouillendienst in den Grenzregionen der Polis eingesetzt. Auf einer Vielzahl von Reliefdarstellungen, etwa auf dem berühmten Parthenonfries von der Akropolis und von der Agora in Athen, ist die Bewegung von Reiterzügen kunstvoll abgebildet (Kat. 123; s. Beitrag Achim Lichtenberger – Helge 41

Hans Beck

Abb. 2: Alexander III., der Große reitet auf Bukephalos gegen den persischen Großkönig Dareios III., sog. Alexandermosaik, Ende 2. Jahrhundert v. Chr. nach einem griechischen Original vom Ende des 4. Jahrhunderts v. Chr.

Nieswandt S. 52–53). Die ungestüme Natur der Pferde wird dabei durch die Synchronizität in der Gangart eingefangen, was eine geordnete Kontrolle über die Dynamik und Kraft der Tiere suggeriert.

Hellenistische Kriegspferde Der große Sprung hin zu einer straff durchorganisierten Kavalleriekriegsführung erfolgt indes erst in hellenistischer Zeit. Alexander der Große liefert selbst beredte Beispiele für diese Entwicklung. Obwohl die spätere Überlieferung weithin ausgeschmückt ist, bleibt doch die Beobachtung stehen, dass der Erfolg der Makedonen auch auf ihrer hervorragend ausgerüsteten Kavallerie gründet – und der Fähigkeit ihrer Feldherren, sie in der Schlacht zu befehligen. Der junge Alexander zeichnet sich militärisch zuerst in der Schlacht bei Chaironeia aus (338 v. Chr.), indem er mit seinen makedonischen und thessalischen Reitern vom linken Flügel ins Zentrum des Geschehens stößt, wo sich eine Lücke in der griechischen Schlachtordnung aufgetan hat. Die nachrückende Phalanx besiegelt daraufhin das Schicksal der Hellenen. Bei Gauga42

mela (331 v. Chr.) im Nordirak wiederholt Alexander die Strategie. Erneut hat sich im Zentrum der Feinde eine Lücke aufgetan, in die er, diesmal vom rechten Flügel kommend, seine Reiterei mit voller Wucht hineinlenkt. Als der Perserkönig Dareios in Reichweite der Wurfgeschosse ist, packt ihn die nackte Angst und er flüchtet (Arr., an. 3,9–15). Alexander soll bei beiden Schlachten auf seinem berühmten Pferd Bukephalos geritten sein (Abb. 2; s. Beitrag Valeska Becker S. 75–77).

Pferd und Kriegerideal Die Traditionen, die sich um ein derart exemplarisches Heldentum ranken, generieren rasch neue Bilder männlichen Draufgängertums. Das Ethos des berittenen Kriegers, über Ross und Feind gebietend, hat seit jeher dazu geführt, dass Grabstätten, Weihungen und Siegesdenkmäler darauf Bezug nehmen. Der archäologische Sensationsfund im Heroon von Lefkandi auf Euboia, wo die Grabstätte eines lokalen Anführers aus dem 9. Jahrhundert v. Chr. freigelegt wurde, zeigt, dass Pferde manchmal sogar zusammen mit ihrem verstorbenen Besit-

Zwischen Schlachtfeld und Schauparade

zer begraben werden. In Lefkandi sind es gleich vier Tiere und übrigens auch eine Frau. Ein junger athenischer Reiter namens Dexileos, der 394 v. Chr. gefallen ist, wird im Relief seiner berühmten Grabstele vom Kerameikos und in der begleitenden Inschrift (IG II2 5222) als Krieger erinnert, der furchtlos in die Reihe der Feinde hineinsprengt (Abb. 3; vgl. Kat. 71). Auf dem prunkvollen marmornen Alexandersarkophag aus Sidon im Libanon aus den 320er Jahren v. Chr. erreicht die lebendige Dynamik solcher Schlachtdarstellungen völlig neue künstlerische Dimensionen. Die polychrome Ausgestaltung des Relieffrieses, die bis heute noch wenigstens ansatzweise zu erkennen ist, hat die Dramaturgie der Darstellung ihrerseits eindrucksvoll verstärkt (Abb. 4). In der Schlacht von Pydna in Thessalien (168 v. Chr.) setzen die Römer der Herrschaft der makedonischen Könige in Griechenland ein Ende. Der befehlshabende Konsul Lucius Aemilius Paullus lässt im Anschluss ein Säulenmonument in Delphi umwidmen, das ursprünglich als Ehrung für seinen Gegner, König Perseus von Makedonien, errichtet werden soll. Nun allerdings kündet es von der Sieghaftigkeit des römischen Feldherrn und derjenigen der Römer. Die Bildsprache ist eng an die Darstellung von integrierten Reiter- und Infanterie-

Abb. 3: Grabrelief des Dexileos im Kerameikos von Athen. Der im Korinthischen Krieg gefallene Athener lässt sich als siegreicher Krieger darstellen, 394 v. Chr.

Abb. 4: Langseite vom sog. Alexandersarkophag mit Schlachtdarstellung

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Abb. 5: Ausschnitt aus dem Fries vom Lucius Aemilius Paullus Denkmal in Delphi

schlachten in der hellenistischen Reliefkunst angelehnt. Vielleicht zeigt das Monument sogar den konkreten Moment in der Schlacht, an dem die römische Kavallerie den entscheidenden Stich gesetzt hat. Vor allem aber macht das den Sehgewohnheiten der Griechen angepasste Bildprogramm jedem und jeder deutlich, dass von nun an neue Kriegsherren durch Griechenland reiten (Abb. 5).

Weiterführende Literatur P. Krentz, The Battle of Marathon (New Haven 2010). H. W. Pleket, Ephebes and Horses, Mnemosyne 65, 2012, 324–328. P. Schertz – N. Stribling (Hrsg.), The Horse in Ancient Greek Art (Middleburg 2017). M. J. Taylor, The Battle Scene on Aemilius Paullus’s Pydna Monument: A Reevaluation. Hesperia 85, 2016, 559–576. C. G. Thomas – C. Conant, Citadel to City-State: The Transformation of Greece, 1200 to 700 BCE (Bloomington 1999).

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C. Willekes, The Horse in the Ancient World. From Bucephalus to the Hippodrome (London 2016). L. J. Worley, Hippeis: The Cavalry of Ancient Greece (Boulder 1994).

Abbildungsnachweis Abb. 1: akg-images / Album / Prisma Abb. 2: Neapel, Museo Nazionale ArcheologicoFile:Alexander (Battle of Issus) Mosaic.jpg–WikimediaCommons Abb. 3: akg-images / De Agostini Picture Lib. / G. Nimatallah Abb. 4: akg-images Abb. 5: akg-images / De Agostini Picture Lib. / G. Dagli Orti

„Sie stürmten durch die Rennbahn ungestümen Laufs“. Pferdesport in der griechisch-römischen Antike Sebastian Scharff

Griechischer Pferdesport Griechische Pferderennen sind für die Teilnehmer am Wettkampfgeschehen alles andere als ungefährlich. Es ist sicher nicht aus der Luft gegriffen, wenn der Dichter Sophokles ein mythisches Wagenrennen in Delphi mit den Worten beschreibt: „In einer Reihe liefen alle Wagen erst. Dann aber gehn des Ainianers Schimmel durch, hartmäulige Fohlen, biegen fälschlich aus nach rechts. erfüllend ihren sechsten, siebenten Umlauf schon, und stießen mit der Stirn aufs libysche Gefährt. Und nach des einen Mißgeschick zerschmettert’ eins das andre, stürzte, und das Feld von Krisa war mit Trümmern aus dem Wagenschiffbruch rings bedeckt.“

Eine Passage im Werk Diodors zeigt, dass solche Karambolagen auch in der historischen Realität griechischer Wagenrennen durchaus ihren Platz haben: So seien im olympischen Viergespannrennen des Jahres 388 v. Chr. mehrere Gespanne des Tyrannen Dionysios I. von Syrakus kollidiert – sehr zur Freude und Belustigung der anwesenden Polisgriechen. Solche Unfälle kommen in der Realität so häufig vor, dass man für die Gefahren des Rennens nicht allein technische Fehler, sondern einen Pferdeschreck namens taraxippos verantwortlich macht, dem Reiter und Wagenlenker in Olympia und Isthmia auf einem eigenen Altar opfern. Anders verhält es sich dagegen mit den Besitzern der Pferde, die zwar im Erfolgsfall als Sieger ausgerufen werden, am Rennen aber nicht aktiv teilnehmen und sich daher keiner Gefahr aussetzen. Das einzige Risiko für die Pferdebesitzer besteht darin, eine Niederlage zu erleiden, eine Gefahr, der sich durch den Einsatz entsprechender finanzieller Mittel für die besten Pferde begegnen lässt. Für griechische Alleinherrscher und Aristokraten stellen Siege in den hippischen Agonen während der gesamten Antike ein sehr attraktives Ziel dar, das sich im Erfolgsfall durch agonistische Selbstdarstel-

lung in soziales Prestige ummünzen lässt. Zu diesem Zweck beauftragt man die besten Dichter der Zeit, Poeten wie Pindar, Bakchylides, Poseidipp oder Kallimachos, und lässt am Siegesort und/oder in der eigenen Heimatstadt prachtvolle Weihgeschenke wie den berühmten Delphischen Wagenlenker (vgl. Kat. 99) als Siegesmonument errichten. Die frühesten Anlässe für Pferderennen im antiken Griechenland sind in Leichenfeiern zu sehen. Berühmt sind v. a. die Patroklosspiele, die im vorletzten Gesang der „Ilias“ beschrieben werden: Fünf Teilnehmer aus der höchsten sozialen Schicht des Griechenheeres treten gegeneinander an (s. auch Beitrag Achim Lichtenberger – Helge Nieswandt S. 50). Achilles selbst fungiert als Wettkampfleiter, der auch die Siegespreise stiftet. Die Rennstrecke wird als äußerst schlicht beschrieben: Es wird allein darauf geachtet, ein ebenes Gelände bereitzustellen. Zuschauertribünen werden nicht erwähnt. Als einziges Merkmal der Strecke wird eine Wendemarke aus Holz genannt, die an den Seiten durch zwei weiße Steine gerahmt ist. Bei dieser schlichten Architektur der Rennbahn handelt es sich durchaus um eine realistische Beschreibung. Im Gegensatz zur monumentalen Architektur römischer Circusbauten sind griechische Hippodrome sehr einfach konstruiert: Man wählt schlicht ein ebenes Terrain, beseitigt alle Pflanzen, stellt Wendemarken auf und umzäunt das Gebiet. Die Zuschauer sitzen oder stehen auf dem Boden hinter den Absperrungsseilen, oft auf Hügeln oder Erdwällen. Manchmal mögen auch tribünenartige Holzkonstruktionen errichtet worden sein, wie das berühmte Fragment der Sophilosvase nahelegt, auf dem die Zuschauer die Arme vor Begeisterung in die Höhe reißen (Abb. 1). Andere Elemente der homerischen Darstellung unterscheiden sich dagegen noch deutlich von dem, was später im griechischen Wettkampfsport ganz selbstverständlich ist: Die homerischen Helden lenken ihre Pferde selbst und jeder Teilnehmer erhält bei Homer einen Preis, z. B. ein Pferd (vgl. Kat. 91). Dies war im griechischen Wettkampfsport, dem kaum ein Gedanke hätte ferner stehen können als 45

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Abb. 1: Fragment eines Kessels (dinos) des Malers Sophilos mit Zuschauern, die dem Wagenrennen anlässlich der Grabspiele für Patroklos zusehen

das moderne olympische Motto des ‚Dabeisein ist alles‘, eigentlich nicht vorgesehen. Schon der zweite Sieger geht in der Regel leer aus. Zweifellos stellt das Wagenrennen unter den bei Homer geschilderten Wettkämpfen die wichtigste Disziplin dar, da es der Dichter als Erstes und sehr viel ausführlicher beschreibt als alle anderen Disziplinen. Es lässt sich daher von einer Dominanz des Pferderennens unter den homerischen Wettbewerben sprechen. Anders verhält sich dies zunächst bei den historischen Wettkämpfen, für die es mit Leichenspielen, Feldzugsagonen und den Wettbewerben im Rahmen der großen, periodisch wiederkehrenden religiösen Feste drei Hauptanlässe gibt. Bei dem ältesten und wichtigsten dieser Agone, den Olympischen Spielen, gehören die Pferderennen nicht von Anfang an zum Wettkampfprogramm. In Olympia finden nach antiker Chronologie bereits seit 776 v. Chr., tatsächlich aber wohl erst seit ca. 700 v. Chr. sportliche Wettkämpfe statt, zunächst allerdings nur der Stadionlauf (s. auch Beitrag Achim Lichtenberger – Helge Nieswandt S. 65). Zu Beginn des 6. Jahrhunderts v. Chr. haben sich dann die vier großen panhellenischen Spiele als eine Art antiker ‚Grand Slam‘ herausgebildet. Sie sind allerdings bei weitem nicht die einzigen Sportfeste in der griechischen Welt. Schon für die archaische und klassische Zeit sind 155 Agone bekannt. In der römischen Kaiserzeit sind dann nicht weniger als 500

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große und kleine Festspiele griechischen Typs bezeugt. Neben den gymnischen und musischen Disziplinen gehören die hippischen Wettbewerbe zum Standardprogramm solcher Agone. Von all’ den Disziplinen der griechischen Agonistik stellt das olympische Viergespannrennen den prestigeträchtigsten Wettbewerb dar: Pferde fungieren hier als erlesene Statussymbole. Wer materiell dazu in der Lage ist, längerfristig für Versorgung und Training (vgl. Kat. 100) eines Viergespanns aufzukommen und es im Wettkampf antreten zu lassen, der stellt demonstrativ seinen Reichtum zur Schau. Dies gilt in besonderem Maße, wenn jemand wie der berühmte athenische Politiker und Lebemann Alkibiades mehrere Gespanne gleichzeitig an den Start schickt (s. Beitrag Achim Lichtenberger – Helge Nieswandt S. 67). Der dritte Tag der Olympischen Spiele, an dem regelmäßig die hippischen Wettbewerbe ausgetragen werden, bildet daher zugleich den Höhepunkt des Festes. Das Wettkampfprogramm in Olympia variiert im Laufe der Jahrhunderte: Eine Disziplin wie das Maultierrennen ist offensichtlich nicht dauerhaft dazu geeignet, die Repräsentationsbedürfnisse griechischer Aristokraten zu befriedigen – der Dichter Simonides soll sich jedenfalls einmal geweigert haben, für diese Disziplin ein Siegeslied zu verfassen. Sie wird folglich schnell wieder abgeschafft. Grundsätzlich besteht das hippische Wettkampfprogramm griechischer Agone aus den drei Typen des Einzel- (vgl. Kat. 93 und 95), des Zweigespannund des Viergespannrennens (vgl. Kat. 92 und die drei syrakusanischen Silbertetradrachmen Kat. 98. 101 und 103). Dabei werden Wettrennen mit ausgewachsenen Pferden von solchen, die mit Fohlen durchgeführt werden, unterschieden. Aus Olympia ist bekannt, dass Tiere wie Athleten am ersten Tag der Spiele in Altersklassen eingeteilt werden. Die Distanzen, die dann beim Rennen von den Pferden zurückzulegen sind, variieren: Ausgewachsene Pferde im Viergespannrennen müssen mehr als zehnmal länger laufen als Fohlen im Einzelrennen. Neben diesen Standardwettbewerben existiert aber auch eine überaus bemerkenswerte lokale Vielfalt in den Disziplinen: So sind von den Agonen im hellenistischen Athen 38 verschiedene Pferdewettkämpfe bekannt – zum Vergleich: In Olympia sind es sechs. Insgesamt fällt auf, dass griechische Pferderennen primär auf die reichen Pferdebesitzer aus-

„Sie stürmten durch die Rennbahn ungestümen Laufs“.

gerichtet sind, die in den Pferde- und Wagenrennen viel Geld investieren, um ihr Sozialprestige zu erhöhen.

Römische Wagenrennen Auch in Rom sind Wagenrennen für die Aktiven hochriskant (Abb. 2). Durch die Besonderheit, dass

römische Wagenlenker die Zügel beim Rennen nicht in der Hand halten, sondern fest um den Arm wickeln, um sich einen besseren Halt zu verschaffen, ist die Gefahr dramatisch verlaufender Unfälle noch größer als bei griechischen Wagenrennen. Um nicht mitgeschleift zu werden und sich im Notfall losschneiden zu können, tragen römische Wagenlenker (aurigae) daher ein Messer bei sich.

Abb. 2: Pferde– und Wagenrennen im Hippodrom auf einem Fußbodenmosaik, das in Ainay (Lyon) 1806 gefunden wurde

Römische Wagenrennen sind aber nicht nur gefährlicher als griechische, sondern auch ein noch größeres Spektakel. Bedenkt man etwa das Fassungsvermögen des Circus Maximus von 150 000 Plätzen, das selbst von modernen Fußballarenen nur in absoluten Ausnahmefällen wie dem alten Maracanã übertroffen wird, stellen Wagenrennen noch vor den Gladiatorenspielen in Rom das größte Massenspektakel dar. Dem Satiriker Juvenal zufolge trifft sich buchstäblich ganz Rom im Circus. Nicht nur für die Angehörigen der hauptstädtischen Plebs gilt, dass der Circus Maximus „ihren Tempel, ihre Wohnung, ihren Versammlungsort und den Höhe-

punkt all ihrer Hoffnungen“ bedeutete, wie es bei Ammianus Marcellinus heißt. Als Bautyp stellt der Circus Maximus (Abb. 3) eine langgestreckte Arena in der Form eines Rechteckes dar, dessen eine Seite durch einen Halbkreis ersetzt ist und in dessen Mitte sich eine markante, mit Säulen und Skulpturen dekorierte Wand befindet, auf der zwei Apparaturen zur Anzeige der Runden stehen. In seiner klassischen Form misst der Circus Maximus mit den Tribünen 600 � 150 m. Er fungiert in der Kaiserzeit als Vorbild für weitere Anlagen im gesamten Reich. Da es sich allerdings im Vergleich zu Theatern oder Amphitheatern – 47

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Abb. 3: Die archäologische Stätte des Circus Maximus in Rom

erst recht aber im Vergleich zu den schlichten griechischen Hippodromen – um sehr aufwändige und teure Bauwerke handelt, sind aus dem Imperium Romanum bezeichnenderweise nur ca. 50 Circusbauten bezeugt. Was die Zuschauer im Circus zu sehen bekommen, sind Zwei- (vgl. Kat. 109–110) und Viergespannrennen (vgl. Kat. 104 und 111) wie im griechischen Pferdesport, in der Kaiserzeit bis zu 24 Rennen an einem Tag. Es gibt allerdings keine Galopprennen mit dem Einzelpferd. Überhaupt besteht ein wichtiger struktureller Unterschied zu den griechischen Rennen darin, dass den römischen Festspielen (munera) stärker der Charakter eines Teamwettbewerbs zukommt, bei dem die einzelnen Gespanne jeweils als Teil einzelner Circusparteien – der Grünen, Blauen, Weißen und Roten – gegeneinander antreten. Diese Rennställe, die nicht nur in Rom selbst existieren, verfügen über ein breites Personal an Mitarbeitern, wie z. B. Handwerker. Es drängt sich förmlich das Bild einer antiken Formel 1 auf, auch weil die Circusparteien ein hohes Budget besitzen und von frenetischen Anhängern unterstützt werden. Diese schrecken nicht einmal 48

davor zurück, die Pferde eines anderen Rennstalls mit einem Fluch zu belegen und einen Dämon darum zu bitten, den gegnerischen Wagenlenker verunglücken zu lassen, wie wir aus Fluchtäfelchen wissen. Als Fanartikel fungieren Öllampen aus Ton (vgl. Kat. 109–110), Statuetten von Wagenlenkern (vgl. Kat. 113–114) oder Klappmesser mit Knochengriff, auf dem sich das Bild und der Name der Stars des jeweiligen Rennstalls befinden. Anders als in Griechenland sind für Fans und Zuschauer auch Pferdewetten Teil des Spektakels. Römische Wagenrennen sind aber nicht nur die beliebteste Bühne des römischen Spektakelwesens, sie stellen auch das älteste und langlebigste Massenentertainment in der Stadt (urbs) dar: Während die Gladiatorenspiele im Jahre 264 v. Chr. eingeführt und Tierhetzen erst im 2. Jahrhundert v. Chr. Teil des Spieleprogramms werden, gelten die ludi circenses mit ihren Wagenrennen als deutlich älter und werden, glaubt man Livius, bereits seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. im Murciatal zwischen Palatin und Aventin durchgeführt. Sie bleiben in Rom mindestens bis ins 6. nachchristliche Jahrhundert beliebt. Wie die hippischen Agone der Griechen finden

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auch römische Wagenrennen zumeist im Rahmen von Götterfesten statt. Ein wichtiger Unterschied besteht allerdings in der Rolle der Teilnehmer und Sponsoren. Während in Griechenland Reiter und Wagenlenker völlig in den Hintergrund treten – wir kennen bezeichnenderweise mehr Pferdenamen als solche des ‚hippischen Personals‘ – und ausschließlich die Pferdebesitzer geehrt werden, ist die Rolle der römischen Wagenlenker ambivalent: Während sie einerseits von den Massen verehrt werden und durch Preisgelder zu großem Reichtum gelangen können, ist ihnen ein sozialer Aufstieg doch nur begrenzt möglich. Auch wenn sie, wie neue Untersuchungen nahelegen, vielleicht nicht dem Verlust der sozialen und rechtlichen Stellung (infamia) befürchten müssen, bleibt ihre soziale Stellung als Sklaven und Freigelassene zumeist prekär.

Wettkampf und Entertainment Ein Vergleich des griechischen Pferdesports mit römischen Wagenrennen bringt Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den beiden hippischen Wettkampfkulturen zum Vorschein: In Griechenland und Rom herrschen grundsätzlich verschiedene Sichtweisen auf Pferde- und Wagenrennen. Während in Rom das Entertainment für die Zuschauer im Mittelpunkt steht, reiche Aristokraten die Gespanne aber nicht sponsern, werden die Rennen in Griechenland v. a. für die Pferdebesitzer selbst organisiert, die ihr gesellschaftliches Prestige durch Siege in den hippischen Agonen zu steigern suchen. Dieser Unterschied spiegelt sich auch in der Architektur der Rennbahn wider: Während wir es in Rom mit komplexen Bauwerken mit Tausenden von Sitzen zu tun haben, sind griechische Hippodrome so schlicht gestaltet, dass Pferderennen auch auf Feldzügen problemlos abgehalten werden können, da eine freie, ebene Fläche genügt. Aber auch wenn in Rom also das Spektakel größer, die Infrastruktur und Inszenierung der Rennen wichtiger sind, kommt den griechischen Wettbewerben doch ebenfalls Eventcharakter zu. So verweist ein Siegerepigramm des 3. Jahrhunderts v. Chr. auf die „Zehntausende von Hellenen“, die dem olympischen Fohlenviergespannrennen beiwohnen und offenbar dieselbe Begeisterung für den Wettkampf der Gespanne hegen, die von der römischen Bür-

gerschaft geteilt wird. Für sie alle geht es im Kern um die Faszination eines Rennverlaufs, die der Epigrammdichter in die Worte kleidet: „Sie (sc. die Pferde im Viergespannrennen) stürmten durch die Rennbahn ungestümen Laufs, die einen diese, die anderen jene Wagen verfolgend“.

Weiterführende Literatur S. W. Bell, Horse Racing in Imperial Rome: Athletic Competition, Equine Performance, and Urban Spectacle, IJHS 37, 2020, 183–232 (erneut in: S. W. Bell. – C. Jaser – C. Mann [Hrsg.], The Running Centaur. Horse-Racing in Global-Historical Perspective [Abingdon – New York 2022] 28–77). J. H. Humphrey, Roman Circuses: Arenas for ChariotRacing (Berkeley, CA, 1986). C. Mann – S. Scharff, Horse Races and Chariot Races in Ancient Greece: Struggling for Eternal Glory, IJHS 37, 2020, 163–182 (erneut in S. W. Bell. – C. Jaser – C. Mann [Hrsg.], The Running Centaur. Horse-Racing in Global-Historical Perspective [Abingdon – New York 2022] 8–27). J.-C. Moretti, – P. Valavanis (Hrsg.), Les hippodromes et les concours hippiques dans la Grèce antique, BCH Suppl. 62 (Athen 2019). J.-P. Thuillier, Allez les rouges! Les jeux du cirque en Étrurie et à Rome (Paris 2018).

Abbildungsnachweis Abb. 1: akg-images / De Agostini Picture Lib. Abb. 2: akg-images / De Agostini Picture Lib. / G. Dagli Orti Abb. 3: Eric Vandeville / akg-images

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Geadelt, geheiligt, göttlich. Das Pferd im antiken Kult und Mythos Achim Lichtenberger und H.-Helge Nieswandt

Pferde bei Homer Bereits in den ältesten Schriften der griechischen Kulturgeschichte, den homerischen Epen „Ilias“ und „Odyssee“ tritt das Pferd um 750 v. Chr. prominent auf. Am bekanntesten ist natürlich das Trojanische Pferd, mit dessen Hilfe die Griechen Troja durch eine List erobern (Kat. 166). Sie täuschen nach zehnjähriger, erfolgloser Belagerung der Stadt ihre Abreise vor und lassen ein hölzernes Pferd am Strand zurück. In diesem – vermeintlich ein Weihgeschenk an die Göttin Athena – verbergen sich Griechen, die, nachdem das Pferd von den Trojanern in die Stadt gebracht worden ist, nachts aus dem Pferd herauskriechen. Sie lassen dann die anderen Griechen in die Stadt und die Zerstörung Trojas nimmt ihren Lauf (s. auch Beitrag Hans Beck S. 39). In den homerischen Epen spielt das Trojanische Pferd erstaunlicherweise nur eine untergeordnete Rolle und wird nur in der „Odyssee“ erwähnt (Hom. Od. 8,493. 512). Allerdings zeigt eine bereits um 670 v. Chr. entstandene Reliefamphora von der Insel Mykonos den Mythos und die im Holzpferd verborgenen Griechen (Abb. 1). Erst spätere antike Autoren schmücken die Geschichte aus. Gleichwohl sind Pferde im Kriegsgeschehen bei Homer präsent. Sie treten vor allem als Gespannpferde auf, denn homerische Helden nutzen Streitwagen, um auf das Schlachtfeld zu gelangen. Geritten wurden Pferde nur in Ausnahmefällen, etwa auf der Flucht. Gespanne werden als vornehmer empfunden. Pferdegespanne sind auch bei Leichenspielen belegt, so bei den von dem griechischen Helden Achilleus für seinen Freund Patroklos gegebenen, die auf einer Hydria des späten 6. Jahrhunderts v. Chr. gezeigt werden (Kat. 118). Solche sportlichen Wettkämpfe fanden sowohl im Götter- wie im Totenkult statt. Im Zusammenhang mit dem Tod des Patroklos ist bei Homer eine bemerkenswerte Vermenschlichung von Pferden zu beobachten. Homer beschreibt, dass die Pferde des Achilleus, die von Patroklos versorgt wurden, dessen Tod beweinen 50

(Hom. Il. 17,426–428). Die beiden Pferde tragen die Namen Xanthos („der Blonde“) und Balios („der Gescheckte“) und sie sind ursprünglich von dem griechischen Gott Poseidon, dem Herrn der Pferde, an Peleus, den Vater des Achilleus geschenkt worden. Die Pferde bekommen Weizen zu fressen und Wein zu trinken (Hom. Il. 8,188–189), können sogar sprechen, und nachdem Xanthos verraten hat, dass eigentlich der Gott Apollon für den Tod des Patroklos verantwortlich ist und auch Achilleus sterben würde, nehmen die Rachegöttinnen Erinyen ihm die Fähigkeit zu sprechen (Hom. Il. 19,408–420). Mit Homer hat das Pferd seinen ersten Auftritt in der griechischen Kulturgeschichte und es sind bereits vielfältige Aspekte voll entwickelt, die auch in der Folgezeit der griechisch-römischen Antike relevant sind. Pferde können in einer besonderen Beziehung zu Göttern stehen, Pferde werden als Weihgeschenke genutzt, Pferde werden bei sportlichen Wettkämpfen in kultischen Zusammenhängen eingesetzt und schließlich können Pferde auch als eigenständige Akteure auftreten. Alle diese Aspekte sollen im Folgenden betrachtet werden.

Poseidon, Athena und das Pferd Der wichtigste griechische Pferdegott ist der Meeresgott Poseidon, der aber zugleich auch als Erderschütterer angesprochen wird. Ihm ist das Pferd heilig und er schafft nicht nur das Urpferd Skyphios (Kat. 120–122) aus einem Felsen in Thessalien, sondern er ist auch der Vater des Pegasos, des wohl berühmtesten Pferdes mit Flügeln. Zu dieser Verbindung von Meeresgott und Pferd kommt es durch seine weitere Zuständigkeit für die Felsen. Demzufolge werden Quellen häufig mit Pferden verbunden, die durch Poseidon befähigt sind, mithilfe eines Hufschlages den Felsen zu öffnen und das Wasser fließen zu lassen. Der frühgriechische Schriftsteller Hesiod berichtet (Hes. theog. 282), dass der Name Pegasos sogar von griechisch pege,

Geadelt, geheiligt, göttlich

Abb. 1: Das Trojanische Pferd mit griechischen Kriegern auf dem Hals einer Reliefamphora von Mykonos

Quellen des Okeanos, abzuleiten sei, und viele Quellen tragen das Wort Pferd in sich, so etwa die hippokrene, der „Pferdebrunnen“, oder die Aganippe, „die Pferdefreundliche“. Beide sind Quellen am Musenberg Helikon, und beide seien durch einen Tritt des Pegasos entstanden. Poseidon trägt entsprechend den Beinamen Hippios und Pferde werden ihm als Weihgeschenke gegeben. Wenn er mit Pferden dargestellt wird, so sind es aber zumeist die Hippokampen, Seepferde, die seinen Wagen ziehen. Allerdings gibt es auch Darstellungen des Gottes als Reiter, wie etwa auf dem lukanisch-rotfigurigen Vorratsgefäß (pelike) aus Herakleia (Abb. 2) des späten 5. Jahrhundert v. Chr. Er wird von einem nicht benennbaren Jüngling begleitet. In Athen wurde Poseidon gemeinsam mit der Göttin Athena auf dem Kolonos Hippios, dem „Pferdehügel“, verehrt. Eine weitere wichtige Pferdegottheit ist nämlich Athena, in der Antike eine Göttin der Wissenschaf-

ten und der Fertigkeiten, die ja auch per Traumbotschaft die Idee der List mit dem Trojanischen Pferd an Odysseus übermittelt und der dieses dann als Weihgeschenk zugedacht ist. Der frühgriechische Dichter Pindar berichtet (Pind. O. 13,64– 86), dass der Held Bellerophon vergeblich versucht, den Pegasos zu zähmen, und es gelingt ihm erst, nachdem er am Altar der Athena in Korinth geschlafen hat, ihm in einer göttlichen Traumvision die Göttin erscheint und goldenes Zaumzeug zeigt. Im Anschluss daran zähmt Bellerophon den Pegasos und er opfert der Athena am Altar des Poseidon in Korinth. Nachdem der Held das Flügelpferd unter Kontrolle gebracht hat, schwingt er sich auf zu ruhmreichen Taten, bekämpft das monsterhafte Mischwesen Chimaira (Kat. 159) und zieht gegen die Amazonen in den Krieg. Insbesondere im Kampf gegen die Amazonen bewährt sich Bellerophons neues Reittier, denn das kriegerische Frauenvolk ist bekannt für ihre Beherrschung der Pferde, 51

Achim Lichtenberger und H.-Helge Nieswandt

Abb. 2: Poseidon und Jüngling reiten in einen Kampf, spätes 5. Jahrhundert v. Chr.

sowohl als Reit- (Kat. 128) wie als Gespanntier (Kat. 129). So eröffnet sich im Mythos in der Folge der Zähmung des Pegasos eine ganze Welt der Pferde. Die Tradition, die Athena und die Zähmung des Pegasos verbindet, zeigt sich auch auf Münzen der Stadt Korinth, die auf der Vorderseite das geflügelte Pferd und auf der Rückseite den Kopf der Göttin Athena mit Helm zeigen (Kat. 181). Dabei ist zu beachten, dass der Pegasos auf den Münzen in der Regel explizit gezügelt gezeigt wird. Später, in der römischen Kaiserzeit löst sich diese Tradition von dem Pegasos und Athena wird allgemein dafür berühmt, die Erfinderin des Zaumzeugs zu sein. Der kaiserzeitliche Autor Pausanias erwähnt und beschreibt ein Heiligtum der Athena Chalinitis in Korinth. Dieser Beiname bedeutet „die Zügelnde“ und verweist wiederum auf die große Bedeutung der Tradition und kultischen Verehrung der Athena als Erfinderin des Zaumzeugs und damit überhaupt der Nutzung des Pferdes als Reit- und Zugtier. Aus der Antike sind wiederholt Weihungen von Zaumzeug für die Göttin Athena in Heiligtümer belegt. Doch auch Poseidon ist in Korinth ein Gott der Pferde. Denn Bellerophon ist ein Sohn des Posei52

don, ebenso wie der Pegasos auf Poseidon zurückgeht und es auch antike Traditionen gibt, nach denen Poseidon Bellerophon bei der Zähmung des Pegasos hilft. In Korinth gibt es einen historischen Kern für die Tradition der Erfindung des Zaumzeugs, gelten doch korinthische Trensen in der Antike als besonders qualitätvoll. Doch auch in Athen ist die Tradition der Athena und des Pegasos lebendig. Bei der berühmtesten Statue der Göttin auf der Akropolis, der Athena Parthenos des Phidias, trägt sie zwei Flügelpferde am Helm, die auf die zähmenden Fähigkeiten und technischen Fertigkeiten der Göttin verweisen. Die Verbindung der Athena zu Pferden muss auch im Zusammenhang mit einem der bekanntesten Monumente der griechischen Antike berücksichtigt werden, dem Parthenonfries, der im 5. Jahrhundert v. Chr. den Tempel der Athena Parthenos auf der Athener Akropolis zierte (Kat. 123; s. auch Beitrag Beck S. 41–42). Der Fries zeigt unterschiedliche Etappen einer religiösen Prozession, die anlässlich des Athenafestes der Panathenäen veranstaltet werden. Unter den Prozessionsteilnehmern ist auch ausgiebig die athenische Reiterei dargestellt sowie der Wettkampf der sogenannten Apo-

Geadelt, geheiligt, göttlich

baten, bei denen Bewaffnete von fahrenden Streitwagen ab- und aufspringen. Sportliche Wettkämpfe mit Pferden (s. Beitrag Sebastian Scharff S. 45–49) sind zunächst einmal nicht exklusiv für eine Pferdegottheit und auch die Reiterei muss nicht primär auf eine solche gedeutet werden. Allerdings ist die massive Präsenz von Pferden auf dem Parthenonfries auffällig und im Kontext einer Göttin, die mit Pferden zu verbinden ist, sicher nicht zufällig. Die vielen Pferde werden bei Betrachterinnen und Betrachtern auch an die Erfinderin des Zaumzeugs denken lassen.

Weitere Gottheiten mit Pferden Doch es sind nicht nur der Gott Poseidon und die Göttin Athena, denen Pferde zugeordnet sind. Auch Hera, die Gemahlin des Zeus, wird als Hera Hippia verehrt und es ist sicher kein Zufall, dass ein bedeutendes Heiligtum der Hera, jenes in Argos auf der Peloponnes, in einem Gebiet mit traditionsreicher Pferdezucht liegt. In der „Ilias“ wird Argos als das „rossenährende“ bezeichnet, womit unterstrichen wird, dass die Stadt weithin berühmt für die Pferde ist. Die Darstellung eines Pferdehalters auf einer argivischen Gefäß, geschaffen ca. 730–690 v. Chr., unterstreicht die Bedeutung des Pferdes für Argos (Kat. 21). Dort sollen bis in die Zeit Alexanders des Großen auch Pferde gehalten worden sein, die von den berühmten Rossen des Thrakerkönigs Diomedes abstammen. Diese Rosse sind menschenfressende Pferde, die von Herakles gebändigt und dann der Hera geweiht werden (Abb. 3). In den homerischen Epen wird Hera immer wieder beschrieben, wie sie ein Gespann mit Pferden lenkt und aus dem Olymp ausfährt. Auch die bereits erwähnte Fähigkeit des Pferdes des Achilleus, Xanthos, zu sprechen, geht auf Hera zurück, womit die gute Beziehung der Hera zu Pferden deutlich wird. Verschiedene griechische Gottheiten nutzen Pferde für hoheitsvolle Gespanne. Neben den bereits erwähnten Poseidon, Hera und Athena (Kat. 163) sind es auch Zeus, Nike/Victoria (Kat. 83. 103–104 und 139) und Dionysos (Kat. 119–120), die gerne ein Pferdegespann nehmen, um auszufahren. Mit dem Pferdegespann auf das engste verbunden, ist der Sonnengott Helios/ Sol, der mit dem Pferdegespann aufsteigt und den

Abb. 3: Herakles tötet die menschenfressenden Pferde des Thrakerkönigs Diomedes, römisches Mosaik, ca. 200–250 n. Chr.

Himmel durchfährt. Auf antiken Bildzeugnissen wird sein von Pferden gezogener Sonnenwagen sehr häufig dargestellt, da diese Tiere ihn charakterisieren (Kat. 140. 149 und 162). Eine künstlerisch herausragende Darstellung findet sich im Ostgiebel des Parthenon von Athen, in dem im Zentrum die Geburt der Göttin Athena dargestellt wird. Die Geburt findet im Olymp statt und es sind weitere Gottheiten anwesend. Gerahmt wird die Szene links von dem aus dem Ozean aufsteigenden Sonnengott Helios mit seinem Pferdegespann und rechts von seinem weiblichen Pendant, der Mondgöttin Selene (oder in einer anderen Deutung Nyx, der Göttin der Nacht), die mit einem Pferdegespann in den Ozean absteigt. Auch wenn die Skulpturen des Giebels stark zerstört sind, so sind doch einige der Pferdeköpfe gut erhalten, darunter jener berühmte Pferdekopf im Britischen Museum in London (Kat. 124), der aufgrund seiner außerordentlichen Qualität, Lebendigkeit und Kraft von Johann Wolfgang von Goethe als das „Urpferd“ bezeichnet wurde und das zusammen mit den anderen Pferden des 53

Achim Lichtenberger und H.-Helge Nieswandt

Parthenon den Klassischen Archäologen Ernst Buschor zu dem Satz hinreißen lässt: „Das Pferd ist durch den Parthenon geadelt, ja geheiligt.“ 1 Auch weitere griechische und römische Götter sind auf das engste mit Pferden verbunden. Dabei ist bemerkenswert, dass die nicht-olympischen Gottheiten nun auch als Reiter dargestellt werden und ihnen nicht ausschließlich das vornehme Wagenfahren vorbehalten ist. Die beiden Zwillinge Kastor und Polydeukes, oder auf lateinisch Castor und Pollux, sind Reitergottheiten par excellence. Sie werden als Dioskuren bezeichnet und sind Schutzgottheiten der Seefahrt und der Reiterei und werden so oft zu Pferde abgebildet (Kat. 136). Diese zeigen an, dass die beiden Helfer plötzlich und schnell erscheinen und sowohl in Kriegsnot wie in Seenot helfend eingreifend können. Sie sind Schlachtenhelfer und werden beritten mit Helmen und Speeren dargestellt. In ihrer Funktion als Schlachtenhelfer werden sie insbesondere in Rom und Italien verehrt, wo sie siegreichen Armeen in größter Not erscheinen, so zum Beispiel den Römern im ersten Latinerkrieg bei der Schlacht am See Regillus 496 v. Chr. In dessen Folge wird der Dioskurentempel auf dem Forum Romanum in Rom gebaut, und zwar an einer Stelle, an der das Brüderpaar an der Quelle der Iuturna seine Pferde getränkt haben sollen. Diese Tradition unterstreicht die enge Beziehung von Quellen und Pferden in sakralen Kontexten. Die Dioskuren sind ein beliebtes Motiv der republikanischen Münzprägung (Kat. 138), zieren aber auch Tongeschirr (Kat. 164). Göttliche Reiter eignen sich in ganz besonderer Weise, eine schützende Rolle einzunehmen. So finden sich in der griechischen und römischen Welt verschiedene weitere Reiterheroen und Reitergötter, die insbesondere von individuellen Schutzsuchenden angerufen werden und von denen zahlreiche Reliefs und Weihungen überliefert sind, wie etwa das hellenistische Relief mit Reiter und einer um einen Baum gewundenen Schlange (Kat. 141). Eine vergleichbare Form der Überhöhung durch Pferde findet sich auch im Privatbereich, wenn heroisierte Verstorbene mit einem Pferd dargestellt und in einer Tempelarchitektur gezeigt werden, wie bereits auf unteritalischen Grabvasen des späten 4. Jahrhunderts v. Chr. (Kat. 130 und 198). Unter den be1 2

Buschor 1948, 7. Schäfer 2001, 49–54.

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rittenen Schutzgöttern ist in der römischen Kaiserzeit der sogenannte Danubische Reiter gut bekannt. Er genießt eine weite Verbreitung im Balkanraum und bei ihm trägt sicher auch der Aspekt der potentiellen Schnelligkeit der erscheinenden Hilfe zu seiner Popularität bei (Kat. 145–148 und 153–157). Solche göttlichen Helfergestalten zu Pferde leben auch in christlicher Zeit fort, wie Reiterheilige wie etwa St. Georg eindrücklich belegen (Kat. 165). Der Danubische Reitergott war eine von der vorgriechischen und vorrömischen Bevölkerung verehrte Gottheit auf dem Balkan, die unter griechisch-römischem Einfluss hellenisiert wurde. Eine weitere Gottheit der Pferde ist die ursprünglich in den römischen Nordwestprovinzen verehrte Göttin Epona, die eine keltische Göttin der Fruchtbarkeit ist und sich im römischen Reich verbreitet (Kat. 144). Sie wird auf zahlreichen Weihreliefs als sitzende Göttin flankiert von Pferden oder sogar im Damensitz auf einem Pferd reitend gezeigt. Die Popularität dieser Göttin, die auch von römischen Soldaten verehrt wird, unterstreicht die enge Verbindung weiblicher Gottheiten zu Pferden, die im alten Griechenland bereits im Zusammenhang mit Athena und Hera beobachtet werden konnte.

Pferdeopfer In Griechenland wurden Pferde nur ausnahmsweise geopfert. Belegt sind Pferdeopfer für Poseidon, für den man in Argos Pferde ertränkt hat. Solche Pferdeopfer werden auch von Seeleuten für eine sichere Schifffahrt durchgeführt. Doch insgesamt waren Pferde, anders als etwa Schweine, Schafe und Rinder keine geläufigen Opfertiere griechischer Religionspraxis. Vor Troja opfern die Trojaner Pferde, was von den Griechen als barbarisch angesehen wird. Wenn Pferde geopfert werden, dann hat dies oft mit Totenkult oder Riten im Zusammenhang mit Schwüren zu tun. Neben dem Heroon von Lefkandi (s. Beitrag Hans Beck S. 42–43) ist die Bestattung der Gespannpferde des Atheners Kimon bemerkenswert (s. Beitrag Achim Lichtenberger – Helge Nieswandt S. 65) 2. In Rom gibt es allerdings ein blutiges Pferdeopfer für den Kriegsgott Mars. Es handelt sich um

Geadelt, geheiligt, göttlich

den sogenannten Equus October, also das Oktoberpferd. Dazu werden an den Iden des Oktober, also dem 15. Oktober, Wagenrennen mit Zweigespannen auf dem Marsfeld außerhalb von Rom abgehalten. Das rechte Pferd des Siegergespannes wird danach geopfert, indem es von dem Oberpriester des Mars mit einem Speer getötet wird. Man schneidet dann Kopf und Schweif ab. Um den Pferdekopf, der mit Broten geschmückt wird, kämpfen dann die Bewohner zweier Stadtteile von Rom. Der noch Blut tropfende Schweif wird in der Regia auf dem Forum Romanum über das Feuer gehalten. Ursprung und Funktion dieses altertümlichen und befremdlichen Rituals sind unbekannt. Vielleicht hängt es mit Fruchtbarkeitsriten zusammen.

Das Pferd und Mythen der Gründung von Städten Ein Pferdekopf spielt auch im Zusammenhang mit der Stadtgründung der gefährlichsten Rivalin Roms, Karthago, eine Rolle. Der römische Autor Vergil berichtet, dass die Kolonisten beim Ausheben von Baugruben einen Pferdekopf finden, der als gutes Omen für die spätere Macht Karthagos gedeutet wird. Ob dieser Pferdekopf jener ist, den Karthago und andere punische Städte später auf ihre Münzen setzen (Abb. 3 und Kat. 133), ist nicht sicher, unterstreicht aber die Hoheit des Tieres.

Abb. 4: Münze aus Buntmetall, aus Karthago, mit Kopf der Göttin Tanit und Pferdekopf, ca. 300–260 v. Chr.

Im Mythos ist Troja in ganz besonderer Weise mit Pferden verbunden. Nicht nur das Trojanische Pferd verweist darauf, auch weitere Mythen unterstreichen das: Nachdem der Göttervater Zeus sich in den schönen trojanischen Prinzen Ganymed verliebt hat und als Lustknaben und Mundschenk auf den Olymp entführt, gibt er zum Ausgleich an Ganymeds Vater Tros zwei Pferde, die so schnell sind,

dass sie über Wasser laufen können. Diese Pferde, die nach einem Nachfahren des Tros auch Pferde des Laomedon genannt werden, versucht der griechische Held Herakles zu stehlen und erobert Troja dafür. Diese erste Eroberung von Troja geschieht also der Pferde wegen, die zweite Eroberung erfolgt mithilfe eines Pferdes. Die enge mythologische Verbindung von Troja mit Pferden hat ihren historischen Kern in der Pferdezucht, die in den Ebenen der Troas und im unteren Bergland des quellenreichen Idagebirges betrieben wird. Auch noch viele Jahrhunderte später prägt dies die lokalen Mythen der Region: In der hellenistischen und römischen Stadt Alexandreia Troas werden Münzen geprägt, auf denen ein Mythos der Stadtgründung dargestellt wird. Dabei spielt ein Pferd eine ganz besondere Rolle. Dieses wird auf den Münzen als grasendes Pferd gezeigt (Kat. 24–27), doch gibt es auch Münzbilder, die es mit einem Hirten zeigen (Kat. 150). Beide verweisen auf einen lokalen Mythos: In der Antike wird die Ehrwürdigkeit und Autorität von Götterkulten meist durch ein besonderes göttliches Einwirken gesichert. Oft manifestiert sich das göttliche Wirken in Tieren, und so wird in Alexandreia Troas die Ursprungsgeschichte des Kultes des weithin berühmten Apollon Smintheus („Mäusetöter“) so erzählt, dass ein Pferd einen Hirten zu der Kultstatue führt und diese Auffindung die Einrichtung des Kultes begründet (Kat. 151). Das Pferd wird so zum göttlich inspirierten Akteur und es ist sicher kein Zufall, dass dies gerade in der Landschaft Troas passiert, wo Pferdezucht ein bedeutender Wirtschaftszweig ist. Auch anderenorts gibt es solche Gründungslegenden mit Tieren und wir können annehmen, dass auch dort Pferde eine solche Funktion als Geleittiere oder andere Akteure übernehmen. Allerdings liegen zumeist nur wenige explizite schriftliche Quellen vor, die für eine solche Rekonstruktion von Gründungslegenden notwendig sind. So können wir manchmal nur spekulieren. Im heutigen Israel liegt auf der Ostseite des See Genezareth eine Stadt namens Hippos. In jüdischen Quellen wird sie als Sussita bezeichnet, was ebenfalls Pferd bedeutet. In der Region gibt es mehrere Orte, die semitische Tiernamen tragen, so etwa Gamla („Kamel“) oder Sepphoris („Vogel“) und daher verwundert der Name von Hippos zunächst einmal nicht. Als die Stadt unter römischer Herrschaft Münzen prägt, ist das Pferd das beherrschende Münzmotiv. 55

Achim Lichtenberger und H.-Helge Nieswandt

So wird nicht nur ein einzelnes Pferd gezeigt, sondern auch die Stadtgöttin Tyche, die ein Pferd führt (Kat. 161 oder eine kleine Statuette des Pferdes in der Hand hält Kat. 160). Einige Münzen zeigen auch den Pegasos (Abb. 5), was ein Hinweis darauf ist, dass hier in Hippos der griechische Mythos um den Pegasos in die Stadtgeschichte integriert ist und wohl als Erklärung für den Namen der Stadt dient. Die fern von Griechenland gelegene Stadt kann auf diese Weise unterstreichen, dass sie eine griechische Stadt ist.

Abb. 5: Pegasos auf einer Buntmetall-Münze aus Hippos, geprägt 218–222 n. Chr.

liert, wird getötet. Erst der Held Pelops, nach dem die Peloponnes benannt ist, gewinnt in dem Rennen und wird so selbst König und Gatte der Hippodameia. Er wird im Heiligtum von Olympia an einem prominenten Ort in einem Heroon verehrt und der Mythos wird im Ostgiebel des Zeustempels verewigt und zu einem sinnstiftenden Gründungsmythos des Heiligtums und seiner sportlichen Wettkämpfe (Abb. 6). In Olympia werden Zeus und Hera verehrt und unter den reichen Weihgeschenken, die bei den Ausgrabungen im Heiligtum gefunden wurden, sind zahlreiche Bronzestatuetten von Pferden, die in das 9. bis 7. Jahrhundert v. Chr. datiert werden (Kat. 116 und 116A). Möglicherweise sind diese Weihgeschenke an Hera adressiert, die als Schützerin der Pferde wirkt. Im Hippodrom von Olympia hat Hera Hippia ebenso wie Poseidon Hippios einen Altar in der Mitte der Startanlagen und schützt so Tier und Mensch bei den gefährlichen Rennen.

Pferde und Olympia

Göttliche Pferde

Das Zeusheiligtum von Olympia auf der Peloponnes ist Ort sportlicher Wettkämpfe, darunter auch sogenannter hippischer Agone, also Pferderennen (s. Beitrag Sebastian Scharff S. 46). Diese Wettkämpfe, bei denen sowohl um die Wette geritten als auch Gespann gefahren wird, finden in der Pferderennbahn, dem Hippodrom statt. Aus heutiger Perspektive werden solche olympischen Wettkämpfe gerne auf eine sportliche Dimension reduziert, doch sind sie in der Antike zunächst einmal kultische, also religiöse Feiern. Als solche sind sie durchaus mit den Leichenfestspielen für den homerischen Helden Patroklos oder den jüngeren Apobaten-Wettkämpfen bei den Panathenäen in Athen vergleichbar. In Olympia ist das Pferd aber darüber hinaus in einen größeren mythologisch-religiösen Sinnzusammenhang integriert. Die hippischen Agone werden nämlich zurückgeführt auf ein Wagenrennen, das der mythische König Oinomaos, der über das Gebiet von Olympia herrscht, gegen die Freier seiner Tochter Hippodameia (die „Rossezähmerin“) fährt. Seine schnellen Pferde hat Oinomaos von seinem Vater, dem Kriegsgott Ares erhalten, der in Olympia auch als Ares Hippios verehrt wird. Wer gegen Oinomaos im Pferderennen ver-

In der griechischen und römischen Antike sind Pferde vielfältig und wie keine anderen Tiere in Kulte und Mythen integriert. Mehrere Gottheiten widmen sich ihrem Schutz und ihre Wertschätzung zeigt sich auch darin, dass Pferde als Opfertiere nur in Ausnahmefällen bekannt sind. Bemerkenswert ist auch, dass die Tiere sich immer wieder in Grenzbereiche zum Göttlichen begeben, sei es als Mischwesen, sei es als Akteure göttlichen Willens. Einige dieser besonderen Pferde verfügen über übertriebene oder unnatürliche Eigenschaften: sehr hohe Geschwindigkeit, Fliegen, Sprechen, Weinen oder Menschenfressen und Weintrinken. Diese Pferde waren den Göttern nahe und manche Pferde werden sogar selbst göttlich, wie die in hellenistischer Zeit immer wieder mit Königen assoziierten Pferde, die Hörner als Zeichen ihrer Göttlichkeit aufweisen (Kat. 134). Diese sakrale Überhöhung ist religiöser Ausdruck der Faszination Pferd.

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Geadelt, geheiligt, göttlich

Abb. 6: Ostgiebel des Zeustempels von Olympia, vor 456 v. Chr.

Weiterführende Literatur E. Simon, Pferde in Mythos und Kunst der Antike (Ruhpolding – Mainz 2006). P. Weiß, Alexandria Troas. Griechische Traditionen und Mythen in einer römischen Colonia, in: E. Schwertheim – H. Wiegartz (Hrsg.), Die Troas. Neue Forschungen zu Neandria und Alexandria Troas II, AMS 22 (Bonn 1996) 157–173. C. Willekes, The Horse in the Ancient World. From Bucephalus to the Hippodrome (London 2016). N. Yalouris, Athena als Herrin der Pferde, Museum Helveticum 7.1, 1950, 19–64; 7.2, 1950, 65–101.

Abbildungsnachweis Abb. 1: akg-images / De Agostini Picture Lib. / G. Dagli Orti Abb. 2: akg-images / Andrea Baguzzi Abb. 3: im Museo ArqueológicoNacional, MadridFile: Mosaico Trabajos Hércules (M.A.N. Madrid) 08.jpgWikimedia Commons Abb. 4: image00483.jpg (1600 � 787) (coinarchives. com) Abb. 5: image03197.jpg (2000 � 880) (coinarchives. com) Abb. 6: akg-images / jh-Lightbox_Ltd. / John Hios

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Dämonisch, mythisch, wundersam – (Pferde-)Mischwesen Sybill Ebers

Mischwesen – das sind Geschöpfe, die aus zwei oder mehreren Tieren oder aus Menschen und Tieren zusammengesetzt sind. Sie sind in der Kunst des Alten Orients und Ägyptens zahlreich vertreten. Eines der bekanntesten Beispiele ist die Sphinx, eine Gestalt mit Löwenkörper und Menschenkopf. In der griechischen Antike sind Mischwesen auf Vasen und Münzen oder als Skulpturen häufig belegt. Die meisten Darstellungen stammen aus der Zeit zwischen dem 8. und 6. Jahrhundert v. Chr. Eine herausragende Rolle nimmt dabei das Pferd ein, das in verschiedenen Formen und mythologischen Kontexten in der griechischen Kunst vertreten ist. Seit seiner Domestikation vor ca. 6000 Jahren stehen Mensch und Pferd in einer engen Beziehung. Das Pferd ist seitdem in der Kunstgeschichte präsent. In der griechischen Mythologie hat es einen besonderen Stellenwert. Lange Zeit werden Pferde hier als Begleiter von Göttern und Heroen angesehen. Diese Sichtweise ändert sich im 5. und 4. Jahrhundert v. Chr., als der Staat beginnt, den Einsatz von Reitern zu reglementieren. Zahlreiche Darstellungen von Pferden, Reitern, Gespannen – und die ‚Erschaffung‘ von Pferde-Mischwesen – zeugen von der großen Bedeutung des Pferdes in dieser Zeit. Die Kombination von Mensch und Pferd wie der Kentaur oder der Silen bzw. Satyr zählt zu den beliebtesten Darstellungsformen in der Antike. Zu finden sind auch Mischungen aus Pferd und anderen Tieren wie der Hippokampos – Pferd und Fisch – oder der seltene Hippalektryon, ein Hybride aus Pferd und Hahn. Das bekannteste Pferde-Mischwesen ist das geflügelte Pferd Pegasos. Allen gemeinsam ist, dass sie die Attribute des Pferdes – vorrangig seine Kraft und Schnelligkeit – mit neuen Eigenschaften kombinieren und hierdurch Wesen mit übernatürlichen Fähigkeiten entstehen.

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Kentauren – halb Pferd, halb Mensch Kentauren sind vierbeinige Mischwesen aus Mensch und Pferd. Üblicherweise werden sie mit menschlichem Oberkörper und Pferdeleib dargestellt. In seltenen Fällen hat der Kentaur auch menschliche Vorderbeine und manchmal Pferdeoder Eselsohren. Sie sind eine Schöpfung, die erstmalig im antiken Griechenland des frühen 1. Jahrtausends v. Chr. auftauchen, in einer Zeit, in der sich das Reiten allmählich durchsetzt. Als Heimat der Kentauren gilt das griechische Festland. Hier treten sie als aggressive Gruppen auf, die durch Frauenraub provozieren und sowohl Heroen als auch Menschen in Kämpfe verwickeln. In den Auseinandersetzungen unterliegen sie in den meisten Fällen. Ihr Stammvater ist Kentauros, Sohn des Ixion und der pferdegestaltigen Nephele. Einer Erzählung nach verliebt sich der Frevler Ixion in die Göttin Hera, die Herrin der Pferde, und stellt ihr nach. Als Heras Gemahl Zeus davon erfährt, erschafft er ein Nebelbild seiner Gattin. Auf diese Weise von Zeus getäuscht, vereinigt sich Ixion nicht wie geplant mit Hera, sondern nur mit ihrem Trugbild, der Nephele. Aus dieser Verbindung entsteht Kentauros, der Stammvater der Kentauren. Kentauren vereinigen die Wildheit eines Tieres mit dem Verstand eines Menschen, werden aber schon von Homer vom Menschen abgegrenzt. Aggressivität, Lüsternheit und Weingier zählen zu ihren Haupteigenschaften. Heroengeschichten, in denen Kentauren vorkommen, folgen meist dem gleichen Schema: ein Fest, der Genuss von Alkohol, ungehobeltes Verhalten sowie ein Kampf, bei dem mindestens ein Held die wilden Kreaturen vertreibt, um wieder eine friedvolle Ordnung zu schaffen. Eine der diesbezüglich wichtigsten Sagen handelt von der Hochzeit des Lapithen-Königs Peirithoos mit Hippodameia, der Tochter des Königs Adrastos von Argos, ein Ereignis, das in einem heftigen Kampf zwischen den Kentauren und den Lapithen endet: Peirithoos, ein Sohn des Ixion, streitet lange Zeit mit seinen Halbbrüdern, den Kentauren,

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da diese einen Teil des väterlichen Erbes beanspruchen. Erst nach langem Kampf ziehen sie sich zurück. In der Annahme, dass die Kentauren mittlerweile seine Freunde sind, lädt Peirithoos sie zu seiner Hochzeit ein. Die Kentauren betrinken sich hier maßlos. Als sie in diesem Zustand die Braut und andere Lapithen-Mädchen und -Jünglinge entführen wollen, kommt es zu einer gewaltigen Schlacht. Mit Hilfe des Heroen Theseus aus Athen siegen die Lapithen und vertreiben die Kentauren (s. Kat. 177–179). Eine andere Geschichte beschreibt, wie der für seine Stärke bekannte Zeus-Sohn Herakles zwölf schwere Aufgaben erledigen muss. Eine besteht darin, den riesigen erymanthischen Eber, der die Gegend um Psophis heimsucht, lebend zu fangen. Während seiner Suche wird Herakles vom Kentaur Pholos bewirtet, der ihm zu Ehren ein großes Weinfass öffnet. Die übrigen Kentauren werden vom Weingeruch angelockt, betrinken sich und fallen über Herakles her. Der Held vertreibt die Kentauren unter anderem mit Giftpfeilen. Einer der Pfeile verletzt den Kentauren Chiron am Knie. Seine Wunde ist schmerzhaft und unheilbar; aber er ist unsterblich. Um von seinen Qualen befreit zu werden, verzichtet Chiron auf seine Unsterblichkeit. Nach seinem Tod wird er von Zeus als Sternbild Kentaur in den Nachthimmel versetzt. Auch wenn Chiron körperlich den wilden, von Ixion und Nephele abstammenden Kentauren gleicht, stammt er aus einer anderen Verbindung und hat ein gutes Wesen. Chiron steht für Weisheit, Gerechtigkeit und Bildung. Er ist der Erzieher griechischer Helden, denen er das Lesen, medizinische Kenntnisse, musische Künste und Kriegstüchtigkeit vermittelt. Einer der frühesten Nachweise eines Kentauren ist eine Tonstatuette aus dem 10. Jahrhundert v. Chr.: „Der Kentaur von Lefkandi“ (Abb. 1). Die Statuette wurde in dem Dorf Lefkandi auf der Insel Euböa gefunden. Einige Wissenschaftler deuten eine Stelle am Knie dieser Figur als Wunde und ordnen sie daher dem Kentauren Chiron zu. Hiermit würde dieser frühe Kentaur in einem erkennbaren mythologischen Kontext mit Bezug zu Homers „Ilias“ stehen, bevor diese verschriftlicht wird. Das Bild der Kentauren, als Symbol für die Verschmelzung von Ross und Reiter, bleibt lange Zeit ein großes Thema in der antiken Kunst. Es zieht sich durch verschiedene Epochen der Kunst-

Abb. 1: Der Kentaur aus Lefkandi auf Euböa, Griechenland, ca. 10. Jahrhundert v. Chr.

geschichte bis hin zur Moderne, meist als Symbol für das heidnisch Wilde und Sündige. Auch Picassos Arbeiten sind durch diese Schöpfungen geprägt. Sein Werk umfasst Lithografien mit Darstellungen von Mischwesen, darunter die Lithografie „Kentaur und Bacchantin mit einem Faun“ aus dem Jahr 1947 (Kat. 189).

Zwischen Rausch und Lüsternheit: Satyrn und Silene Satyrn oder Silene (Satyrwesen) sind wie die Kentauren Mischwesen aus einem Menschen und einem Pferd. Im Unterschied zu diesen sind sie jedoch zweibeinig. Satyrwesen besitzen bisweilen Pferdehufe und -ohren, immer aber einen Pferdeschweif. Der Rest ihres Körpers sieht mehr oder 59

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Abb. 2: Detail vom Kleitias-Krater: Dem Hephaistos, dem Gott des Feuers, auf einem Maultier sitzend, folgt Silenos mit Weinschlauch, 570–560 v. Chr.

weniger menschlich aus, wenn sie auch stupsnasig, mit starkem Haarwuchs, großen Augen, und oftmals einem großen erigierten Glied in Erscheinung treten. Sie gelten als Inbegriff der Wildheit und Triebhaftigkeit und sind häufig in wilder Verfolgung von Mänaden, ihren weiblichen Pendants, oder Nymphen anzutreffen. Satyrn erscheinen vor allem in der attischen Kunst und Kultur im Gefolge des Weingotts Dionysos, der zudem in der griechischen Götterwelt auch der Gott des Wahnsinns und der Ekstase ist. Dies erklärt nicht nur das Aussehen seiner wollüstigen, dem Wein zugewandten Begleiter, sondern auch den Umstand, dass insbesondere ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. Trinkgefäße wie Kratere, Amphoren und Trinkschalen mit Darstellungen von Satyrn verziert sind (s. Kat. 173 und 176). Eine der ersten bekannten Abbildungen dieser Mischwesen sind auf dem prachtvollen Kleitias-Krater (ca. 570–560 v. Chr.) dargestellt (Abb. 2). In der griechischen Mythologie spielen Satyrn nur eine untergeordnete Rolle. Einer Geschichte nach ist es ein Silen, der dem König Midas die Gabe verschafft, durch Berührung alles in Gold zu ver60

wandeln. Der alte Satyr Silenos, der weise Erzieher des Dionysos, hat sich betrunken verlaufen. Bauern führen ihn zum König Midas. Dieser bringt Silenos zurück zu Dionysos und bekommt dafür einen Wunsch frei. Midas bittet darum, dass alles, was er berühre, zu Gold werden solle. Als sich auch seine Nahrung in Gold verwandelt, will Midas seinen Wunsch rückgängig machen. Um ihn zu erlösen, weist Dionysos ihn an, sich im Fluss Paktolos zu waschen, der seither Goldstaub mit sich führt. Sowohl in der griechischen Kunst als auch in der antiken Literatur sind die Begriffe Satyr und Silen in der Regel gleich besetzt. Grundsätzlich kann man jedoch zwei Bereiche unterscheiden, in denen Satyrn/Silene in Erscheinung treten: zum einen als wilde Naturdämonen, die im Gefolge von Dionysos in der griechischen Mythologie auftreten, zum anderen die Satyrn und Silene, die seit dem 6. Jahrhundert v. Chr. im griechischen Theater als Figurengruppe ein fester Bestandteil des sogenannten Satyrspiels sind. Dieses, eine Erfindung griechischer Theaterdichter, dient nach den üblichen drei aufgeführten schweren Stücken bzw. Tragödien als ‚aufhellendes‘ Schlussspiel. Das tragende Ele-

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ment bildet eine Gruppe von Satyrn, die über einen Mittelsmann mit den einzelnen Schauspielern Dialoge führen. Der Mittler ist ein anderer Satyr, der Silen genannt wird. Hier geht die Bezeichnung auf Silenos zurück, ein älterer, dickbäuchiger und meist betrunkener Satyr, der im Satyrspiel als Vater-Silen den jungen Satyrn gegenübersteht. Anders als in der Mythologie teilt also das Satyrspiel den VaterSilen und die jungen Satyrn in zwei ‚Gattungen‘. Die Darstellung des ‚Theater-Silens‘ als betagten, glatzköpfigen und rundlichen Vater der Satyrn ohne sittliche Reife taucht in der attischen Vasenmalerei erst Anfang des 5. Jahrhunderts v. Chr. auf.

Hippokampos – das Ross der Meere Der Hippokamp oder Hippokampos bezeichnet ein Mischwesen mit einem Pferdekörper und einem schlangenartigen Fischschwanz. Der Name setzt sich zusammen aus hippos („Ross, Pferd“) und kampos („Seeungeheuer, Wurm“). Der griechische Reiseschriftsteller Pausanias beschreibt es als „ein Pferd, das unterhalb der Brust einem Seeungeheuer gleicht“. Ungewiss ist, ob die Entwicklung des Hippokamp von Sichtungen echter Seepferdchen mit ihrem exotischen Aussehen inspiriert ist. Die ersten Darstellungen aus dem 7.–6. Jahrhundert v. Chr. lassen vielmehr vermuten, dass das Wesen eine rein

künstlerische Erfindung ist (s. Kat. 172, 175, 182, 184 und 186). Hippokampen sind wahrscheinlich ein Sinnbild für die wilde, ungestüme Kraft des Meeres. Möglicherweise entsprechen sie der Vorstellung, dass die Meereswellen vorauseilenden, stürmischen Pferden gleichen. Häufig erscheinen sie daher als Reit- oder Zugtiere sowie Gefährten von Meeresgöttern. Während der Hippokamp in der Mythologie nur eine geringe Rolle spielt, ist er ein beliebtes Motiv in der antiken Kunst. In der archaischen Zeit (ca. 700–490/80 v. Chr.) wird er oft als geflügeltes Reittier für Poseidon dargestellt. Der Sage nach begleiten Hippokampen den Hochzeitszug von Poseidon und Amphitrite. Die Faszination, die der Hippokampos seit der Antike auf den Menschen ausübt, zieht sich auch durch spätere Epochen: Er verziert venezianische Gondeln, ist Bestandteil des Trevi-Brunnens in Rom (1732–1762) und war sogar das ehemalige Logo der Air France.

Hippalektryon – der kurzlebige Exot Der Hippalektryon ist ein Mischwesen aus Pferd und Hahn. Sein Name heißt übersetzt „Rosshahn“ (hippos = Ross, alektryon = Hahn). Auf archäologischen Funden wie Keramikgefäßen, Bronzeobjek-

Abb. 3: Reiter auf einem Hippalektryon auf einem Trinkbecher aus Athen, ca. 520 v. Chr.

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ten, Münzen und als Skulptur ist es stets mit dem Vorderteil eines Pferdes mit Kopf und zwei Beinen und dem Hinterteil eines Hahns mit zwei Beinen und Federschwanz dargestellt. Der Hahn gilt als Symbol für Kampflust. Bereits in der Antike finden zu besonderen Anlässen tödlich endende Hahnenkämpfe statt. Es liegt nahe, dass der Hippalektryon die Schnelligkeit eines Pferdes mit der Kampfbereitschaft eines Hahns vereinen soll. Häufig wird dieses Mischwesen als Reittier dargestellt. Der Reiter ist meist ein Jüngling, der nackt, manchmal mit einem Mantel (s. Abb. 3, Kat. 171) oder als Krieger mit Helm und Speer, abgebildet wird. Woher das eigenartige Wesen stammt und welche Bedeutung es hat, ist nicht eindeutig geklärt. Man vermutet, dass der Hippalektryon ähnlich wie der Kentaur eine ‚Erfindung‘ der Griechen ist und in erster Linie dekorative Zwecke hat. Nachweise von diesem Mischwesen gibt es in der attischen Kunst nur in einem sehr begrenzten Zeitraum zwischen 560 und 470 v. Chr. Es ist unklar, warum der Hippalektryon nur für so kurze Zeit ‚in Mode‘ ist. Möglicherweise entspricht es nicht den gesteigerten ästhetischen Ansprüchen dieser Zeit, so dass ihm kein dauerhafter Platz in der griechischen Kunst vergönnt ist.

Pegasos – der Star unter den Mischwesen Geflügelte Mischwesen sind schon in der Kunst des Alten Orients und Ägyptens belegt. Pegasos, das sagenhafte fliegende Pferd, die Muse der Dichter und Denker, ist vermutlich auf orientalische Vorbilder zurückzuführen. Es ist eines der seltsamsten und schönsten Geschöpfe der griechischen Geschichtenerzähler. Der Sage nach ist Pegasos der Sohn des Meeresgottes Poseidon und der sterblichen Gorgo Medusa, einer gefürchteten Schreckgestalt (s. Beitrag Achim Lichtenberger – Helge Nieswandt S. 50–52). Als der Zeus-Sohn Perseus dem Ungeheuer Medusa den Kopf abschlägt, entspringt aus ihrem Blut das Flügelpferd Pegasos. Warum das hübsche Flügelpferd ausgerechnet aus der Verbindung eines Meeresgottes mit einem Ungeheuer entstammt, erklärt der mythologische Kontext: Der vielgestaltige Poseidon ist der Gott, der für die Griechen am stärksten mit dem Pferd verbunden ist. Nach verschiedenen Er62

zählungen hat er das erste Pferd gezeugt, nimmt selbst Pferdegestalt an und ist unter dem Kultnamen Hippios als Herr der Pferde bekannt (s. Beitrag Achim Lichtenberger – Helge Nieswandt S. 50–51). Die schlangenhaarige, furchteinflößende Medusa ist ursprünglich kein Ungeheuer, sondern eine weise, schöne Frau und Vertraute der Göttin Athene. Als sie in einem Tempel der Athene von Poseidon vergewaltigt wird, zieht sie sich den Zorn der Göttin zu. Diese verwandelt Medusa in eine Schreckgestalt mit Schlangenhaaren, die jeden, der sie anblickt, zu Stein erstarren lässt. Doch da trägt sie schon Pegasos in sich, der erst mit ihrem Tod zum Leben erweckt wird. Unnahbar und wild zieht Pegasos seitdem durch das Land. Er soll mit seinen Hufen zumindest drei Quellen frei geschlagen haben: die Quelle Peirene bei Korinth, die Hippokrene, der „Pferdebrunnen“ und die Aganippe, „die Pferdefreundliche“ am Musenberg Helikon. Hierdurch avanciert Pegasos zum „Musenross“. Gezähmt wird er erst durch Bellerophon. Der Sage nach ist der Held Opfer eines Komplotts, in dessen Zuge er drei vermeintlich unlösbare und tödliche Aufgaben erfüllen muss, darunter die Tötung der gefährlichen Chimära, ein feuerspeiendes, dreiköpfiges Mischwesen (Abb. 4). Ein Seher verkündet Bellerophon, dass er für diese Aufgabe Pegasos benötigt. Um an dieses Flügelpferd zu gelangen, soll er auf dem Altar der Athena schlafen. Im Traum erscheint ihm die Göttin und schenkt ihm ein goldenes Zaumzeug. Als er aufwacht, liegt das Zaumzeug neben dem Altar. Bellerophon sucht Pegasos auf, legt ihm das Zaumzeug an und erhebt sich mit ihm in die Lüfte. Mit Hilfe des geflügelten Pferdes gelingt es dem Helden, die Chimära zu jagen und zu töten. Bei weiteren Ruhmestaten dient ihm Pegasos als Reittier. Dann trennen sich ihre Wege: Aufgrund seiner Selbstüberschätzung endet Bellerophon als herumirrender Krüppel auf der Erde, derweil Pegasos in die himmlischen Krippen der unsterblichen Rosse aufgenommen wird. Er gilt bis heute als Symbol für die Unsterblichkeit der Seele.

Dämonisch, mythisch, wundersam – (Pferde-)Mischwesen

Abb. 4: Bellerophon auf Pegasos die Chimära bekämpfend, Fußbodenmosaik in Olynth, Griechenland, ca. 350 v. Chr.

Weiterführende Literatur A. Heinemann, Der Gott des Gelages. Dionysos, Satyrn und Mänaden auf attischem Trinkgeschirr des 5. Jahrhunderts v. Chr., Image & Context 15 (Berlin 2016). V. Masciadri, Das Problem der Kentauren. Die Griechen und das Wunderbare, in: P. Michel (Hrsg.), Spinnenfuß und Krötenbauch. Genese und Symbolik von Kompositwesen (Zürich 2013) 65–91. U. Reinhardt, Der antike Mythos. Ein systemisches Handbuch (Rombach 2011). L. Winkler-Horaček, Monster in der frühgriechischen Kunst. Die Überwindung des Unfassbaren, Image & Context 4 (Berlin 2015). N. Yalouris, Pegasus. Ein Mythos in der Kunst (Mainz 1987).

Abbildungsnachweis Abb. 1: akg-images / De Agostini Picture Lib Abb. 2: Heritage Images / CM Dixon / akg-images Abb. 3: Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 856, Foto Robert Dylka Abb. 4: akg-images / Rainer Hackenberg

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„Ein Pferd, ein Pferd, ein Königreich für ein Pferd“ – das Pferd als Statussymbol in der griechisch-römischen Antike Achim Lichtenberger – H.-Helge Nieswandt Pferde spielen in der griechisch-römischen Kulturgeschichte nicht nur eine lebendige Rolle in Mythologie, im Kriegs- und Jagdwesen ebenso wie im sportlichen Wettstreit. Sie sind darüber hinaus auch Ausweis für sozialen Status und repräsentieren Adel, Stärke, Macht und Schönheit. Die Verbreitung und Vielfalt von Bildern von Pferden in allen Epochen der griechischen Kunst zeigt ihren außerordentlichen Prestigewert für die Eliten.

überlieferter Zeremonien, indem nicht nur ein Krieger und seine Frau als Bestattete mit reichen Beigaben ausgestattet sind. Vier geopferte Pferde sind in einem eigenen Bereich des Grabes als Verweis auf seinen aristokratischen Status niedergelegt. Über allem erhebt sich ein riesiger Grabhügel. Bis auf die mitbestattete Frau darf man sich an die Bestattung des Patroklos durch Achilleus erinnert fühlen.

Homerische Ideale In der mykenischen Epoche in der späten Bronzezeit (ca. 1600–1100 v. Chr.) werden erstmalig in der griechischen Kulturgeschichte Pferde in Kunstwerken dargestellt. In der älteren minoischen Zeit auf Kreta sucht man vergebens nach derartigen Bildern. In der Siedlung Mykene selbst bilden innerhalb der Stadtmauer Gräberrund A und B den königlichen Friedhof in der Zeit von 1650–1510 v. Chr. Die dort gefundenen Grabstelen führen uns vor Augen, dass die königlichen Herrscher, die im frühen 2. Jahrtausend v. Chr. im Vorderen Orient eingeführten Gespanne in der Löwen- und Hirschjagd ebenso zu nutzen wissen wie im Krieg (s. Beitrag Hans Beck S. 39–40 und Abb. 1). Im militärisch genutzten Gespann auf den Steinreliefs spiegeln sich die späteren literarischen Nachrichten des Homer, die die Könige Griechenlands im Kampf um Troja als Wagenfahrer in die Schlacht ziehend darstellen. Diese Stelen sind klarer Hinweis auf den hohen Status der Bestatteten, Symbol für eine mächtige und vermögende Elite. Nach dem Ende der mykenischen Königreiche erlebt Griechenland eine Übergangsphase, in der trotz eines Niedergangs spätbronzezeitliche Kultur fortlebt. Lefkandi auf Euböa ist neben Athen ein wichtiges Zentrum mit archäologischer Überlieferung (s. Beitrag Hans Beck S. 42–43). Hier bezeugt das sogenannte Heroon in dem Toumbafriedhof im 9. Jahrhundert v. Chr. das Fortleben homerisch 64

Abb. 1: Geometrische Statuette eines Pferdes, 8. Jahrhundert v. Chr.

Frühgriechische Pferde und Adelsethik Während des 1. Jahrtausends v. Chr. entwickelt sich die antike griechische Staatenwelt in Form von Stadtstaaten (poleis) im griechischen Kernland und in den Kolonien Süditaliens, Siziliens, Nordafrikas, der Westküste der Türkei sowie an den Küsten des Schwarzen Meeres. Die berühmteste dieser poleis ist Athen. Für diese Stadt liefert uns Aristoteles eine

„Ein Pferd, ein Pferd, ein Königreich für ein Pferd“

wesentliche Aussage für die Zeit nach dem Königtum (Aristot. pol. 4,10). Er berichtet, dass die Reiterei durch ihr militärisches Übergewicht gegenüber den noch ungeordnet kämpfenden Infanteristen die Staatsführung an sich reißen kann. Von ca. 900–700 v. Chr. ist das Pferd in der Kunst in den unzähligen kleinformatigen Weihgeschenken aus Bronze (Abb. 1, Kat. 116 und 116A) oder Ton in Olympia und zahlreichen anderen Heiligtümern prominent vertreten. Diese mögen von der breiten Masse der Besucher geweiht sein, von der Elite kommen die großen, kunstvoll ausgestatteten Bronzekessel, deren Ringhenkel gern mit Pferden, Vögeln und Stierköpfen – und von ca. 800–725 v. Chr. überwiegend mit Pferden und am Ende dieser Zeit auch mit Kriegern verziert werden. Pferdedarstellungen auf geometrischen Gefäßen Athens können verschiedene Ausdeutungen erfahren, weil dem Pferd im Zusammenhang mit dem Totenkult eine hohe Bedeutung zukommt. Während grasende und ruhig stehende Pferde in Gemeinschaft mit Wasservögeln ein trostreiches Bild sind, das über das Gleichnis der in der Natur gefährdeten Tiere das plötzliche Ableben einer oder eines Angehörigen widerspiegeln 1, können andere Bilder als Hinweis auf den Stolz eines Pferdebesitzers gewertet werden: einzelne Pferde, die angebunden sind (Kat. 1), oder Pferde an einem Trog. Als Analogie zur Bestattung des Patroklos und das Umfahren und Umlaufen seines Grabhügels finden sich auf den Gefäßen Darstellungen von Reiter- und Kriegerumzügen (Kat. 64), die den Verstorbenen gleichsam in den Rang eines Heroen erheben. Dies ist umso bemerkenswerter, weil in dieser Zeit gar keine Gespanne mehr im kriegerischen Zusammenhang genutzt werden. Denn seit dem Beginn des 1. Jahrtausend v. Chr. übernimmt die Reiterei diese Aufgabe. Schließlich ist auch auffällig, dass die häufig in Frauengräbern gefundenen Büchsen auf ihren Deckeln Pferdestatuetten – vom Einzelpferd bis zu einer Vierergruppe – als Griffe aufweisen (Kat. 44). Die Pferde sind als angeschirrt charakterisiert, so dass die Bestattete sich ganz offensichtlich als zur städtischen Elite zugehörig betrachtet wissen will. Dies lässt sich vergleichen mit dem berühmten protogeometrischen Frauengrab auf der Agora von Athen, der als Beigabe u. a. ein 1 2

Tongebilde ins Grab gelegt wurde, welches als Getreidelager gedeutet wird, das aus fünf Behältern besteht, die somit verdeutlichen, dass die Tote zur Klasse der 500-Scheffler gehört. Das Prestige der pferdebesitzenden Elite betonen auch Pferdeführer als Bildthema auf Mischgefäßen aus Argos (Kat. 21) in der Zeit von 730–690 v. Chr. Wir sehen also, dass bereits zu Beginn des 1. Jahrtausends v. Chr. die Pferde, sei es als Gespanne, sei es als Einzelpferd eine symbolische Bedeutung als Statussymbol erlangen, welche über die eigentliche Nutzung hinausweist. In griechischen Heiligtümern – zuerst in Olympia um 680 v. Chr. – werden Wagenrennen eingeführt und entwickeln sich zu den prestigeträchtigsten sportlichen Events des Heiligtums (s. Beitrag Sebastian Scharff S. 46). Gespanne gehören nur den reichsten Herren, die sich die Kosten für ihre Pferde samt Personal für Pflege, Training und Wettkampf sowie Stallungen leisten können. Die Eigentümer der Pferde und Gespanne werden als Sieger gepriesen, nicht die Reiter oder Wagenfahrer. Ist man in Olympia erfolgreich, so nutzt man dies für das eigene Prestige in der Heimatstadt. Dies gelingt auch dem Athener Kimon d. Ä., indem er – bereits einmal mit seinem Viergespann in Olympia siegreich – den folgenden zweiten Sieg seinem Widersacher und Tyrannen Peisistratos widmet, der sich daraufhin mit ihm versöhnt. Der Dank hält aber offensichtlich nicht lang, denn nach dem dritten Erfolg in Olympia wird Kimon von den Peisistratiden ermordet. Seine erfolgreichen Stuten erhalten ein Grab gegenüber dem ihres Besitzers 2. In der zweiten Hälfte des 7. Jahrhunderts v. Chr. kommt es zu einer Neuerung in der Kampftaktik. Nun wird die neue Schlachtordnung der Fußsoldaten in der sog. Phalanx schlachtentscheidend und verdrängt die Reiter in ihrer primären Bedeutung im Kriegswesen (Abb. 2). Entsprechend werden Zensusklassen einer neuen wirtschaftlich-politischen Verfassung entgegen der ursprünglichen Stellung der militärischen Geburtsaristokratie geschaffen, die die Ritter (hippeis) in die zweite Vermögensklasse einstuft. Diese zweithöchste pferdebesitzende Klasse der hippeis ist reich genug, um Pferde zu besitzen sowie das Land, um sie zu pflegen. Sie sind weiterhin ausgewählt, in die Reiterei

Stähler 1983c, 51–60. Hdt. 6,103; Plut. Vitae, Cato maior 5,4.

65

Achim Lichtenberger – H.-Helge Nieswandt

Abb. 2: Schwerbewaffnete Krieger kämpfen in der militärischen Formation der Phalanx, sog. Chigi-Kanne, um 640 v. Chr.

aufgenommen zu werden, ein Symbol des Elitestatus und ab dem 5. Jahrhundert ein immer wichtigerer Bestandteil der militärischen Macht. Bereits in der archaischen Zeit entstehen lebensgroße Bildwerke von Menschen und auch Pferden. Besonders berühmt sind Reiterbildnisse von der Akropolis von Athen, die den Stolz der Führungsschicht verdeutlichen. Der sog. Reiter Rampin (Abb. 3, Kat. 192) ist das bedeutendste dieser stolzen Selbstdarstellungen. Weil man ihn mit einem in früherer Forschung angenommenen Pendant kombiniert hat, wurden beide Skulpturen lange Zeit als Bildnisse der Söhne des athenischen Tyrannen Peisistratos angesehen – beide sind bezeichnenderweise benannt mit Hippias („Reiter“) und Hipparchos („Pferdeherrscher“). Inzwischen ist diese These aufgegeben worden, weil zum einen das aus anderen Marmorfragmenten von Reiterstandbildern der Akropolis erschlossene hypothetische Parallelbild zum Reiter Rampin nicht existierte und zum anderen, weil die Datierung dieses Bildwerkes – ca. 560– 550 v. Chr. – nicht recht zu den jungen Tyrannensöhnen passt, welche wegen ihres Alters in der Entstehungszeit nicht bärtig hätten dargestellt werden 66

können. Somit wird dieses Reiterbildnis als Ausdruck des Stolzes eines uns unbekannten Aristokraten begriffen, der möglicherweise wegen des Kranzes aus Selleriestauden auf einen Sieg bei dem panhellenischen Pferdewettkampf in Nemea anspielt, wo derartige Kränze als Siegespreise bezeugt sind. Ist dieses bedeutende Monument wohl der Familie der Peisistratiden entzogen, so führt uns doch eine literarische Überlieferung vor Augen, wie der Tyrann sich ein Pferdegespann zunutze machen will: Nachdem er aus Athen vertrieben worden ist, lässt er eine als Athena verkleidete, besonders hoch gewachsene Frau im Wagengespann nach Athen fahren, um sich selbst als von der Göttin legitimiert zu inszenieren (Hdt. 1,60,4–5). Pferde bleiben in allen künstlerischen Ausdrucksformen der archaischen Zeit von ca. 700– 490 v. Chr. sehr präsent. In dieser Zeit dominiert die Adelsethik durch Themen wie Symposion, Mythos, Jagd und Krieg. Adelsherrschaft und Tyrannis prägen die Bilderwelt. In der Vasenmalerei werden typische Themen wie Jagd zu Pferde, Reiterkampf im Mythos wie Amazonomachie und in zeitgenössischen Bildern innergriechische Konflikte themati-

„Ein Pferd, ein Pferd, ein Königreich für ein Pferd“

siert. Reiterkavalkaden (Kat. 66 und 93) sind ebenso prominent vertreten wie sportliche Reit- und Gespannwettbewerbe (Kat. 92, 95–99, 101–103, 106– 108) sowie deren Trainingsvorbereitungen (Kat. 94 und 100).

Demokratische Pferde Die Einführung der Demokratie in Athen durch Kleisthenes im Jahre 515 v. Chr. ändert zunächst hinsichtlich der von Aristokraten geführten Staatsgeschäfte nichts. Dennoch sind markante Unterschiede zur Adelsherrschaft greifbar. Zum einen gibt es keine neuen Reiterbildnisse auf der Akropolis, weil die neue Staatsverfassung sich zum zentralen Thema der Gleichstellung der Bürger vor dem Gesetz (isonomia) bekennt und keine herausragende Selbstdarstellung mehr zulässt. Das schlägt sich unmittelbar in der elitär geprägten Bilderwelt der Vasen nieder. Die ehemals zahlreichen Jagdbilder der Aristokratie werden nun eingeschränkt auf diejenigen von mythischen Heroen – die Demokratie ändert die Themen. In der Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. verhelfen zwei Ausdrucksformen des Pferdebildes zu seiner deutlichen Aufwertung in Athen. Zum einen betont der berühmte Reiterprozessionsfries (Kat. 123), ergänzt um Apobatenbilder, am Parthenon von Athen die weiterhin wichtige Rolle der hippeis, die hier der auch für die Pferde wesentlichen Göttin ihren Ehrendienst erweisen. Auch werden bald durch die Aufhebung des Gräberluxusgesetzes seit ca. 440 v. Chr. wieder Grabreliefs zugelassen, die sehr schnell ebenfalls dem Pferdeführer und dem siegreichen Kavalleristen besonderen Raum geben. Erinnert man sich an die frühe Demokratie, deren politische Anführer anlässlich des großen Schlachtgemäldes in der Stoa Poikile um 470 v. Chr. dem Miltiades als Strategen die Benennung im Gemälde verweigert haben, weil er sich sonst über die gemeinsam siegreichen Athener erhoben hätte, so erstaunt es, dass im letzten Viertel des 5. Jahrhunderts v. Chr. für die Staatsgrabmäler das hochwertige Bild des erfolgreichen Kavalleristen gewählt wird (Kat. 71). Dies ist umso bemerkenswerter, als nach der Niederlage der Athener im Peloponnesischen Krieg mithilfe der Spartaner eine Tyrannis der 300 eingeführt wird, in der die hippeis von zentraler Bedeutung agieren. Der heldenhafte Einsatz für die

Abb. 3: Statue des sog. Reiters Rampin im Akropolismuseum von Athen, ca. 560–550 v. Chr.

Stadt Athen scheint im Bild des siegreichen Reiters so prominent besetzt zu sein, dass es nicht nur für die Staatsgrabmäler gewählt wird, sondern auch in den privaten Grabreliefs – besonders berühmt ist das Grabrelief des Dexilos (s. Beitrag Hans Beck S. 43 mit Abb. 3) – vertreten ist. Hinsichtlich der Ausnutzung der panhellenischen Heiligtümer für die Selbstdarstellung der griechischen Führungskräfte kommt Alkibiades von Athen eine besondere Rolle zu. Nicht nur, dass er sich in Olympia ein von kleinasiatischen Griechenstädten initiiertes Festzelt in der Art des persischen Großkönigs aufbauen lässt, ist bemerkenswert, sondern auch seine Beteiligung mit sieben Viergespannen im nobelsten Reiterwettkampf des Zeusheiligtums im Jahre 416 v. Chr. Sein Triumph ist wahrhaft spektakulär, er belegt die Plätze 1, 2 und 4. Da im Reitsport die Eigentümer der Pferde und Gespanne als Sieger gefeiert werden, bietet sich in Olympia so auch für Frauen die Möglichkeit, 67

Achim Lichtenberger – H.-Helge Nieswandt

gefeiert zu werden. Kyniska, die Schwester des Spartanerkönigs Agesilaos II., ist die erste, die im Jahre 396 und 392 v. Chr. als Siegerin im Viergespann feiern kann. Ihr folgen dann im Hellenismus die Frauen ptolemäischer Könige, die sich ebenso erfolgreich in Siegerlisten eintragen können.

Pfeilermonumente für den Übergang zur römischen Vorherrschaft im Mittelmeergebiet. Der makedonische König Perseus lässt es dort errichten, eine Weihung, die allerdings vom Verlauf der Geschehnisse überholt wird, indem er endgültig sein Reich und Griechenland den Römern überlassen muss. Der siegreiche römische Feldherr Lucius Aemilius Paullus widmet dieses Weihgeschenk zu seinem Ruhme um (s. Beitrag Hans Beck S. 43–44 mit Abb. 5).

Römische Reiterstatuen

Abb. 4: Goldstater des Philipp II. mit Darstellung eines Zweigespannes auf der Rückseite, welches auf seinen Sieg im Jahr 352 v. Chr. in Olympia hindeuten soll

Die Pferde des Königs In der Spätklassik wird von Makedonien an der Peripherie Griechenlands aus durch militärtechnische Neuerungen die griechische Welt erschüttert und erobert. Die Reiterei wird im militärtaktischen Gefüge entscheidender als in der Zeit zuvor. Doch es geht nicht nur um die Eroberung Griechenlands, sondern auch darum zu zeigen, dass Makedonien Teil der griechischen Welt ist. Das Königshaus der Makedonen in Person von Philipp II. präsentiert sich in griechischen Heiligtümern und nimmt an hippischen Agonen teil. So zeigen ihn Münzprägungen als siegreichen Pferde- und Zweigespannbesitzer (Abb. 4). Die Darstellung eines Reiters auf seinen Münzen (Kat. 195–197) ist bis heute in der Identifikation unsicher: Ist es ein idealer makedonischer Reiter oder ist es der König selbst? Im Hellenismus (ca. 323–31 v. Chr.) befinden sich die konkurrierenden Königreiche in permanenten militärischen Auseinandersetzungen. Parallel dazu betätigen sich die Könige als Stifter zahlreicher Bau- und Bildwerke in den panhellenischen Heiligtümern und den bedeutenden Städten. Dort werden neben den königlichen Stiftungen auch Reiterbilder der städtischen Eliten aufgestellt. Neu und herausragend sind nun insbesondere die hohen Pfeiler mit Reiter- oder Viergespannbildnissen, die Pferde zur überhöhten Selbstdarstellung des Königs instrumentalisieren. In Delphi steht eines dieser 68

Im Römischen Reich hält sich der Gebrauch der Streitwagenfahrer in der Frühgeschichte länger als in Griechenland, doch dann übernimmt die Reiterei die führende Rolle: getrennt in Zweipferdereiter (equites priores/primi) und Einpferdreiter (equites posterioris/secundi). Die Neuordnung der Vermögensklassen Mitte des 5. Jahrhunderts v. Chr. lassen die equites supra classem über allen Klassen rangieren. So werden die Ritter zur Volksversammlung nicht per Trompetensignal geladen, sondern persönlich durch Herolde. Im 2. Jahrhundert v. Chr. ist das Forum in Rom insbesondere durch Privatstatuen derart zugestellt, dass die Beamten alle nicht auf öffentlichen Beschluss errichteten Statuen abräumen lassen. Interessanterweise wird zunächst durch die Konkurrenzsituation innerhalb der Nobilität keine Ehrung einer Einzelperson durch eine öffentliche Statue auf dem Forum zugelassen, weiterhin aber in den Heiligtümern gepflegt. Eine außerordentliche Möglichkeit der Selbstdarstellung für einen siegreichen Feldherrn stellt allerdings der Triumphzug dar, indem in dieser Prozession der Triumphator nach Vorführung der Beute und der Gefangenen im Viergespann die Krönung bildet. Auch zahlreiche Reiterstatuen für die Siegreichen und Erfolgreichen der römischen Republik stehen auf dem Forum und künden von dem hohen Prestige, welches dem Reiter zukommt. In der Kaiserzeit ändert sich dann allerdings die Selbstdarstellungsmöglichkeit in Rom. Triumphzüge und Reiterstatuen auf dem Forum in Rom sind nun nur noch dem Kaiser und seiner Familie zugänglich. In den Städten Italiens zeigt sich eine analoge Entwicklung: Dem Kaiser und seinem Haus sind die besten Aufstellungsorte vorbehalten, es folgen gemäß der Standeszugehörigkeit die Senatoren,

„Ein Pferd, ein Pferd, ein Königreich für ein Pferd“

Abb. 5: Reiterstandbild des Kaisers Mark Aurel auf der Piazza del Campidoglio, Kapitol, nach 165 n. Chr.

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Achim Lichtenberger – H.-Helge Nieswandt

Ritter und lokalen Honoratioren. Auch hinsichtlich der Möglichkeit der Selbstdarstellung im sportlichen Umfeld entwickelt die römische Kaiserzeit neue Formate. Da nun im Sinne der vom Kaiser angestrebten Festspiel-Events für die breite Bevölkerung kein Raum mehr für die anderen Führungskräfte besteht, feiern sie die Besitzer von Pferden und Viergespannen eher im privatem Umfeld, während der Kaiser als Hauptveranstalter sich öffentlich zelebrieren lässt. Die berühmte bronzene Reiterstatue des Kaisers Mark Aurel, die heute auf dem Kapitol in Rom steht, ist ein eindrückliches Zeugnis der Verbindung von Kaiser und Pferd (Abb. 5). Aufgrund einer Fehlzuschreibung als Konstantin der Große bleibt die Statue in der christlichen Spätantike erhalten, steht zunächst vor dem päpstlichen Lateranspalast und wird in Ehren gehalten. Als man in der Renaissance erkennt, dass es sich um den Kaiser Mark Aurel handelt, kommt die Statue auf den neu von Michelangelo geschaffenen Kapitolsplatz und wird dort zum Vorbild für zahlreiche herrscherliche Reiterstandbilder der Neuzeit. So trägt das Pferd das Herrscherbild durch die Jahrhunderte und bleibt lebendiges Zeichen herrscherlicher Macht und königlichen Status.

Weiterführende Literatur A. Alföldy, Die Herrschaft der Reiterei in Griechenland und Rom nach dem Sturz der Könige, in: M. RohdeLiegle – H. A. Cahn – H. Ackermann (Hrsg.), Gestalt und Geschichte. Festschrift Karl Schefold zu seinem sechzigsten Geburtstag am 26. Januar 1965, 4. Beih. AntK (Bern 1967) 13–200. J. Bergemann, Virtus. Antike Reiterstatuen als politische und gesellschaftliche Monumente, in: J. Poeschke – T. Weigel – Britta Kusch-Arnhold (Hrsg.), Praemium Virtutis III. Reiterstandbilder von der Antike bis zum Klassizismus (Münster 2008) 13–30. P. Schertz – N. Stribling (Hrsg.), The Horse in Ancient Greek Art (Middleburg 2017). C. Willekes, The Horse in the Ancient World. From Bucephalus to the Hippodrome (London 2016).

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Abbildungsnachweis Abb. 1: akg-images / De Agostini Picture Lib. Abb. 2: akg-images / Nimatallah Abb. 3: akg-images / Album / Oronoz Abb. 4: NumisBids: The New York Sale Auction 42, Lot 66: Macedonian Kingdom. Philip II. Gold Stater (8.47 g), 359–336 BC. Abb. 5: akg-images / André Held

Von Pferdefreunden und Gäulen: Pferde als Bestandteile griechischer und lateinischer Namen Jonas Derichs

Die Verbindung von Pferden und Namen dürfte in der deutschen Sprache fremdartig anmuten. Einige Nachnamen (z. B. Rossmann) sind in ihrem Bezug zwar eindeutig – aber Vornamen? In der Antike hat das Pferd (gr. ἵππος [hippos]) dagegen häufiger seine Spuren in der Namensgebung hinterlassen, was berühmte Persönlichkeiten der Ausstellung wie der „Pferdefreund“ Philipp II. von Makedonien, Hippokrates mit „mächtigem Pferd“ oder die „helle Stute“ Xanthippe eindrücklich zeigen. Unter dem Begriff Onomastik (gr. ὄνομα [onoma] – Name) wird die wissenschaftliche Beschäftigung mit der Struktur, Herkunft und Bedeutung von Namen verstanden. In den Altertumswissenschaften praktiziert man diesen Ansatz seit dem späten 18. Jahrhundert und als Referenzwerk gilt das ab 1972 von der British Academy finanzierte Lexicon of Greek Personal Names (LGPN), das alle griechischen Namen mit Belegstellen aus der vor allem inschriftlichen Überlieferung nach Regionen sortiert auflistet. In Abb. 1 sind die fünfzehn häufigsten griechischen ‚Pferdenamen‘ der insgesamt 661 angezeigten Ergebnisse einer Suche nach dem Stamm des griechischen Wortes für Pferd in der Datenbank des LGPN aufgeführt. Sieht man von den einstämmigen Namen Hippias und Hippon ab, können insbesondere die zweistämmigen Namen, d. h. Kom-

binationen aus zwei mehr oder weniger zueinander passenden Wörtern, Hinweise darauf liefern, welche Assoziationen durch sie hervorgerufen wurden. Es dominieren Wortfelder der Macht und Stärke (Menippos – „starkes Pferd“, Hippokrates – „kräftiges Pferd“) sowie der Vorrangstellung (Archippos / Hipparchos – „herrschendes Pferd“, Aristippos – „bestes Pferd“, Hipponikos – „siegreiches Pferd“). Außerdem waren äußerliche Eigenschaften eines Pferdes (Kallippos – „schönes Pferd“, Chrysippos – „goldenes Pferd“, Melanippos – „schwarzes Pferd“) beliebt. All diesen Kombinationen ist wohl gemein, dass sie in der Namensgebung possessiv gedacht waren, d. h. dass eine Person „das beste Pferd“ besaß bzw. besitzen sollte. Hieraus ließen sich in der Folge unter Umständen Forderungen nach sozialem Prestige stellen. In den religiösen Kontext gehören Hermippos – „Pferd des Hermes“ – und Poseidippos – „Pferd des Poseidon“. Einen Hinweis auf die Arbeit mit Pferden liefert ferner Lysippos – „Pferdelöser“: Das „Lösen“ von Pferden bezeichnete nach Hom. Od. 4, 39–41 in der Antike die gesamte nach einem Ritt notwendige Pflege und Versorgung. Schließlich legt der mit Abstand häufigste Name Philippos – „Pferdefreund“ eine positive Beziehung zum Pferd nahe. Neben diesem auf den Namen selbst fokussierten Zugang können mithilfe statistischer Methoden

1200 1000 800 600 400 200 0

Abb. 1: Die fünfzehn häufigsten ‚Pferdenamen‘ im Griechischen (y-Achse: Anzahl nachweisbarer Individuen)

71

Jonas Derichs

100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

LGPN Vb (Südwestliches und Südliches Kleinasien) LGPN Va (Nördliches und Westliches Kleinasien) LGPN IV (Makedonien, Thrakien, Nordküste des Schwarzen Meeres) LGPN IIIb (Zentrales Griechenland) LGPN IIIa (Peloponnes, Westgriechenland, Magna Graecia) LGPN II (Attika) LGPN I (Ägäische Inseln, Zypern, Kyrenaika)

Abb. 2: Die regionale Verteilung der ‚Pferdenamen‘ im Griechischen

auch regionale und chronologische Verteilungsmuster untersucht werden. So könnte beispielsweise vermutet werden, dass der Name Philippos vor allem in Makedonien, dem Königreich Philipps II., verbreitet gewesen wäre – und tatsächlich sind im nördlichen Griechenland (LGPN IV) die meisten Belege für „Pferdefreunde“ vorhanden. In relativer Hinsicht (Abb. 2) fällt jedoch auf, dass der Name regional ziemlich gleichmäßig verteilt war. Bemerkenswerte Abweichungen (� 20 Prozentpunkte) gegenüber dem durchschnittlichen Anteil der geographischen Regionen an den fünfzehn ‚Pferdenamen‘ ergeben sich stattdessen bei Hermippos (LGPN Va), Lysippos (LGPN IIIa), Hippon (LGPN IIIb) und Melanippos (LGPN I). In all diesen Fällen bleibt Philippos nichtsdestotrotz der absolut häufigste ‚Pferdename‘ der jeweiligen Regionen. Die einzige Ausnahme diesbezüglich liefert Menippos: Im südwestlichen und südlichen Kleinasien (LGPN Vb) steht er sowohl in relativer als auch in absoluter Hinsicht an der Spitze der ‚Pferdenamen‘. Anstelle 72

der üblichen abstrakten Herleitung von Stärke (gr. μένος [menos]) lässt sich diese Besonderheit wohl auf die dortige Prominenz des Gottes Men und somit auf eine bestimmte religiöse Tradition Kleinasiens zurückführen, wo theophore (d. h. von Gottheiten abgeleitete) Namen ohnehin ein besonders beliebtes Element der Namensgebung darstellten (vgl. hierzu auch Hermippos’ regionale Häufung in LGPN Va). Die diachrone Entwicklung griechischer ‚Pferdenamen‘ wird in Abb. 3 thematisiert. Hierbei zeigt sich, dass für alle Namen in prozentualer Hinsicht ein Anstieg bis in die hellenistische Zeit zu beobachten ist. Während allerdings die meisten Namen in dieser Epoche ihren Höhepunkt erreicht hatten und in der Folge mit differierender Geschwindigkeit ausstarben, ergab sich für Philippos während des Hellenismus und der römischen Kaiserzeit ein Plateau, das sich höchstwahrscheinlich durch die Berühmtheit des bereits öfter genannten Vorbildes erklären lässt. Hiervon abweichend er-

Von Pferdefreunden und Gäulen

80 70 60 50 40 30 20 10 0 Archaik

Klassik

Hellenismus

Röm. Kaiserzeit

Spätantike

Philippos

Menippos

Kallippos

Archippos

Hippokrates

Hermippos

Poseidippos

Aristippos

Hippias

Chrysippos

Hipparchos

Lysippos

Hippon

Melanippos

Hipponikos

Abb. 3: Die chronologische Verteilung der ‚Pferdenamen‘ im Griechischen (in %)

reichten Hermippos und Chrysippos ihren Höhepunkt erst in der römischen Kaiserzeit. Waren ‚Pferdenamen‘ also vor allem ein spätes Phänomen im Laufe der griechischen Geschichte, wie es die Kurvenverläufe zu suggerieren scheinen? Dieser Schlussfolgerung steht zumindest die zu Vorsicht mahnende Tatsache entgegen, dass die Verfügbarkeit der der Datenbank zugrundeliegenden Quellen bis in den Hellenismus vergleichbar ansteigt. Die zu beobachtende Häufung kann also ebenso gut auf einer verbesserten Quellenlage und weniger auf einer veränderten Benennungspraxis basieren. Das überwiegende Aussterben der griechischen ‚Pferdenamen‘ in der mit einer zum Hellenismus vergleichbaren Quellenlage ausgestatteten römischen Kaiserzeit bedarf jedoch einer Erklärung. Außerdem gerät an dieser Stelle mit dem Lateinischen zwangsläufig eine weitere Sprache in das Blickfeld dieses Beitrags. Auch in der römischen Gesellschaft gab es erstens Namen mit persönlichen Elementen und zweitens waren Pferde von nicht geringerer Bedeutung – beispielsweise stellte die Zensusklasse der equites (oft übersetzt als „Ritter“; von lat. equus – Pferd) eine Konstante der römischen Verwaltung dar. Von einer vergleichbaren Vielfältigkeit lateinischer ‚Pferdenamen‘ kann allerdings nicht gesprochen werden. Das innerhalb 1 2

einer Familie vererbbare nomen gentilicium Equinius lässt sich in der epigraphischen Datenbank Clauss-Slaby (EDCS) nur in drei Inschriften finden und auch innerhalb der lateinischen cognomina stellte das Pferd keinen bedeutenden Faktor dar. In der Liste der von Tieren abgeleiteten Namen des Standardwerks zu jenen wird mit Blick auf den Stamm equ- lediglich auf eine Frau namens Equina – „die Pferdische“ sowie auf den in Varro rust. 2, 7, 1 belegten Q. Modius Equiculus – „das kleine Pferdchen“ verwiesen 1. Zudem entsteht der Eindruck, dass das ‚edlere‘ Ross im Bereich der lateinischen cognomina von ‚unedleren‘ Vertretern wie Gäulen (lat. caballus), aber auch Eseln (lat. asinus / asellus) oder Maulpferden bzw. Maultieren (lat. burdo / hinnus / mulus) dominiert wurde. Ein Abgleich mit dem LGPN zeigt, dass diese in den griechischen Namen – von wenigen Ausnahmen abgesehen – hingegen keine Verwendung fanden 2. Am Beispiel der ‚Pferdenamen‘ in der griechisch-römischen Antike zeigt sich das große Potential der Onomastik. Die Benennung von Personen ist und war nämlich stets sinnhaftes Handeln, weshalb die historische Beschäftigung mit Namen Rückschlüsse über die in den Blick genommene Gesellschaft auch in entfernten Zeiten und Kulturen ermöglichen kann. Für die griechische

I. Kajanto, The Latin Cognomina, Societas Scientiarum Fennica. Commentationes Humanarum Litterarum 36.2 (Helsinki 1965; Nachdr. Rom 1982). Vgl. M. Griffith, Horsepower and Donkeywork: Equids and the Ancient Greek Imagination, Classical Philology 101, 2006, 225 Anm. 118.

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Jonas Derichs

Antike hat Laurent Dubois in seinem einschlägigen Aufsatz 3 die plausible These aufgestellt, dass die hohe symbolische Bedeutung des Pferdes und eine Ausweitung der Pferdezucht seit den sog. Dunklen Jahrhunderten den Beginn dafür darstellten, dass Aristokraten ihren Kindern zunehmend ‚Pferdenamen‘ verliehen. Sie dienten seiner Meinung nach als Markierung ihres sozial höheren Status, was sich mit der oben gezeigten dominanten Semantik der zweistämmigen Namen gut vereinen lässt, und wurden im Rahmen von Familientraditionen weitervererbt. Ob die später zu beobachtende Häufung in hellenistischer Zeit lediglich auf dem Zufall der Überlieferung basiert oder zumindest zum Teil auch auf die zunehmende Bedeutung von Pferden sowohl im Militär als auch im Sport zurückzuführen ist, lässt sich nicht mehr abschließend entscheiden. Weiterführende Untersuchungen mit feineren Analysekategorien könnten in Zukunft jedoch beleuchten, inwiefern diese Namen von kontemporären Moden beeinflusst waren, regionale Besonderheiten oder pan-hellenisches Kulturgut darstellten oder – insofern sie Stammbäume von Familien über mehrere Generationen hinweg zu rekonstruieren vermögen – ob sozialer Aufstieg mit veränderter Namensgebung, etwa der Nutzung von ‚Pferdenamen‘, einherging bzw. das Aussterben der griechischen ‚Pferdenamen‘ im Laufe der römischen Kaiserzeit auf eine stärkere Orientierung der griechischen Eliten an der lateinischen Benennungspraxis zurückzuführen ist, in der das Pferd eben keine ausgeprägte Rolle spielte. In jedem Fall lässt sich festhalten, dass das Ende der ‚Pferdenamen‘ keineswegs mit einer sinkenden Bedeutung von Pferden insgesamt gleichbedeutend war.

Abbildungsnachweis Abb. 1–3: Jonas Derichs

L. Dubois, Hippolytos and Lysippos: Remarks on some Compounds in Ἱππο-, -ιππος, in: E. Matthews – S. Hornblower (Hrsg.), Greek Personal Names. Their Value as Evidence, Proceedings of the British Academy 104 (London 2000) 41–52.

3

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Pferd und Mensch: eine komplizierte Freundschaft Valeska Becker Pferde unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht von den Hauptwirtschaftstieren Schaf, Ziege, Rind und Schwein. Wenngleich auch bei Pferden zu Beginn ihrer Haustierwerdung die Gewinnung von Fleisch, seltener Milch, Hauptaspekte ihrer Nutzung sein können, verlagert sich das Interesse jedoch bald auf das Fahren und Reiten. Damit verschiebt sich das Verhältnis zwischen Mensch und Tier: Ein Umgang, der enger und intensiver ist als bei Wirtschaftstieren, ist nötig, um Vertrauen aufzubauen und die oft langwierige und schwierige Ausbildung zu ermöglichen. Es ist keine geringe Leistung, ein Fluchttier wie ein Pferd dazu zu bewegen, in gefährlichen Situationen, in Konfrontation mit Feuer, Geschrei und Bewaffneten, nicht panikartig zu fliehen. Gerade in Konfliktsituationen wie Kampf und Krieg kann die umfassende Ausbildung über Leben und Tod beider Seiten entscheiden. Voraussetzung für blindes Verständnis und gegenseitiges Vertrauen ist eine gute Kommunikation zwischen Reiter und Pferd, ein Lesen und Verstehen der Körpersprache, die die Artgrenze überwinden muss. Pferde kommunizieren mit der Mimik, dem Körper, dem Schweif, besonders auch den Ohren und mit Lauten, und nur durch gute Beobachtung und die Entwicklung eines Verständnisses für arttypische Verhaltensweisen kann Annäherung und schließlich Freundschaft gelingen.

Black is beautiful: Alexander der Große und sein Pferd Bukephalos Solche Freundschaften zwischen Menschen und Pferden sind aus der griechischen und römischen Antike überliefert. Bekannt ist sicherlich die innige Beziehung, die zwischen Alexander dem Großen und seinem Pferd Bukephalos bestand. Zwei antike Autoren berichten über die bemerkenswerten Eigenschaften von Bukephalos und der Wertschätzung, die er erfährt: Plutarch (ca. 45–125 n. Chr., „Parallelbiographien – Alexander und Caesar“) und Arrian (ca. 85/90 bis nach 145/146 n. Chr., 1

„Alexanderzug“). Die Angaben ergänzen sich zum Teil, sind aber auch bisweilen widersprüchlich. Für den Namen des Pferdes, „Bukephalos“, übersetzt „Rinderkopf“ oder „Ochsenkopf“, gibt es verschiedene Deutungsmöglichkeiten 1. Eine Überlegung geht dahin, dass das Pferd aus einer Zucht aus Thessalien stammt, deren Tiere mit einem Brandzeichen in Form eines Rinderkopfes gekennzeichnet werden. Sollte dies der Wahrheit entsprechen, wäre es ein interessanter Hinweis einerseits darauf, dass es bereits Bestrebungen gibt, verschiedene Pferdetypen zu züchten, und andererseits, sie auch entsprechend zu kennzeichnen. Von einer echten Rassezucht, wie sie heute existiert, kann man jedoch vermutlich noch nicht sprechen. Vielmehr wird es so gewesen sein, dass bestimmte Pferdetypen für spezifische Aufgaben gezüchtet werden, ohne dass jedoch alle Einzelheiten und Details des Exterieurs (Körperbau, Erscheinungsbild) und des Interieurs (Verhalten, Eigenschaften) genau festgehalten sind (Abb. 1; vgl. Beitrag Hans Beck S. 42 mit Abb. 2). Eine andere Deutung spricht sich dafür aus, dass Bukephalos ein Abzeichen in Form eines Rinderkopfes auf der Stirn trägt. Schließlich findet sich noch die allerdings recht unwahrscheinliche Vermutung, dass das Pferd hornartige Auswüchse im Kopfbereich aufweist. Manche Autoren gehen davon aus, dass Bukephalos einen besonders breiten, ochsenartigen Kopf hat; vielleicht findet sich hier auch eine Verhaltensweise beschrieben, wie sie bei manchen Pferden beobachtet werden kann, nämlich, dass der Kopf auch als Waffe eingesetzt wird und unliebsame Menschen oder Artgenossen mit dem Kopf zur Seite gestoßen werden. Ferner lesen wir, dass Bukephalos sehr groß und schwarz ist, feurig auch und schwierig im Umgang. Allein Alexander gelingt es, das Pferd zu beruhigen und zu reiten, und in der Folge sind die beiden unzertrennlich (Abb. 2). Bukephalos kommt Philipp II., den Vater Alexanders, sehr teuer: Angeblich zahlt er 13 Talente (!). Die antiken Quellen berichten ferner viel Wider-

Anderson 1930, 3–7.

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Valeska Becker

Abb. 1: Alexander auf seinem Pferd Bukephalos, Ausschnitt aus dem sog. Alexandermosaik aus der Casa del Fauno, Pompeji, Ende 2. Jahrhundert v. Chr.

sprüchliches: etwa, dass Bukephalos zu Beginn Angst vor seinem eigenen Schatten hat und sich daher nicht reiten lässt, ein Verhalten, das kaum der Realität entsprechen dürfte. Auch das hohe Alter von 30 Jahren, mit dem das Pferd angeblich gestorben ist, scheint zu hoch gegriffen; bei guter Pflege dürften Pferde damals höchstens um die 20 Jahre alt geworden sein. An anderer Stelle ist zu lesen, dass Bukephalos in der Schlacht am Hydaspes verletzt wird und an seinen Wunden stirbt, ein Schicksal, das viele in Kämpfen eingesetzte Pferde teilen. In jedem Fall ist Alexanders Zuneigung zu seinem Pferd so groß, dass er die nach ihm benannte Stadt Alexandreia Bukephalos (heute Jhelam, Pakistan) gründet, das Tier hier bestattet und das Grab mit einem Denkmal krönt. Zahlreiche Münzbilder zeigen den jungen König und sein Pferd als unzertrennlich (s. Kat. 207–208). Gleich, was nun auf der Wahrheit beruht und was Fiktion ist: Als sicher darf gelten, dass zwischen Alexander und seinem Pferd eine enge Beziehung besteht, die weit über den reinen Nutzen hinausgeht. Abgesehen von der Schönheit und dem Cha76

rakter des Pferdes beruht dies sicherlich auch darauf, dass Alexander, wie jeder Reiter, in Konflikten und Kämpfen auf sein Pferd angewiesen ist und ihrer beider Leben und Tod von ihrem harmonischen Miteinander abhängt.

Amazonen und Reiterkrieger der Steppen Zeitgenossen Alexanders, die besonders viel von Pferden verstehen, sind in den Steppenlandschaften des Nordschwarzmeerraums zu finden. An den Küsten des Schwarzen Meeres entstehen spätestens ab dem 7. Jahrhundert v. Chr. griechische Kolonien. Hier kommt die antike Welt in Kontakt mit reiternomadischen Bevölkerungsgruppen, die wir heute der Einfachheit halber unter der Bezeichnung Skythen zusammenfassen. Sie sind gekennzeichnet durch eine überwiegend nomadische Lebensweise, die Anlage von Großgrabhügeln (sog. Kurganen), oft mit reich ausgestatteten Verstorbenen, und cha-

Pferd und Mensch: eine komplizierte Freundschaft

Abb. 2: Reiterstatuette von Alexander dem Großen auf Bukephalos, römische Kopie des 1. Jahrhunderts n. Chr. möglicherweise nach einem Original des Lysipp aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts v. Chr.

rakteristischer materieller Kultur, die im sog. Tierstil verziert ist. Pferde haben bei den Skythen eine enorme Bedeutung. Sie dienen als Reittiere, liefern aber auch Milch, die zu Kumys vergoren werden kann, Fleisch, Fell und andere Rohstoffe. Außerdem stellen sie das Haupttransportmittel und dienen im Kampf darüber hinaus als Waffe, indem sie mit Hufen und Zähnen für ihre Reiter kämpfen (Abb. 3). Zwischen skythischen Männern und Frauen und ihren Pferden besteht eine so enge Bindung, dass die Tiere ihnen häufig in den Tod folgen müssen. In manchen der Großgrabhügel sind weit über hundert Pferde bestattet, oft sorgsam auf Reisig und Sträucher gebettet, liegend mit an die Seite geboge2 3

nem Kopf. Die bei Herodot und anderen antiken Autoren erwähnten Amazonen, die auch auf griechischen Gefäßen abgebildet sind (s. Kat. 128–129), gab es tatsächlich 2: Auf Friedhöfen werden immer wieder bewaffnete Frauen und ihre Pferde gefunden, sodass sicher ist, dass Frauen und Männer zu Pferd in den Kampf gezogen sind. Die vielen Pferdebestattungen liefern eine ausgezeichnete Datenbasis, um die skythischen Pferde, ihr Aussehen und den Umgang der Menschen mit ihnen zu rekonstruieren. Besonders hilfreich sind Eismumien von Pferden in Gräbern des Altai-Gebirges in Sibirien, wo die Tiere mit Haut und Haaren konserviert sind 3. Mit Widerristhöhen bis um die 150 cm sind die Pferde für ihre Zeit bereits

Busse 2010. Rudenko 1970.

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Valeska Becker

Abb. 3: Kämpfende Skythen, goldener Kamm aus dem Kurgan von Solocha, Dneprgebiet, erste Hälfte 4. Jahrhundert v. Chr.

relativ groß. Offenbar bevorzugt man rötliche Farben, also Braune und Füchse – sonnen- oder feuerfarbene Tiere – mit dunkelrot-brauner oder schwarzer Mähne, die, wie auch der Schweif, sorgfältig frisiert wird. Viele der Pferde sind gut gepflegt und können ein Alter von über 20 Jahren erreichen. Verletzungen, die sie im Lauf ihres Lebens erleiden, sind oft gut verheilt und ein Indiz für liebevolle Pflege, und die Hufe zeigen, dass vor allem die persönlichen Reittiere nie Hunger leiden müssen (Abb. 4). Skythische Pferde, die in der Schlacht geritten werden, erhalten eine spezielle Ausbildung, wie sie auf manchen Metallgegenständen abgebildet ist 4. So werden sie wohl abgerichtet, auf Kommando niederzuknien, um dem oft schwer gepanzerten Reiter das Aufsteigen zu erleichtern, denn Steigbügel sollten – nachdem von den Skythen erste Prototypen in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts entwickelt 4 5

Galanina – Gratsch 1986. Benecke et al. 2010.

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werden – sich erst langsam ab der Völkerwanderungszeit in Europa durchsetzen. Eventuell lehrt man sie sogar, sich ganz niederzulegen, um sie als Deckung zu nutzen. Sicherlich ist man auch bedacht, die Pferde an alles zu gewöhnen, worauf sie in einer Schlacht treffen können: Berührungen durch Feinde, Verletzungen, den Geruch von Blut, Feuer und Rauch, Lärm und Geräusche nah am Ohr wie das Schwirren einer Bogensehne. Nur so können Pferd und Reiter einander vertrauen, und sicher schätzt man Tiere, die gleichzeitig gehorsam sind, aber auch Eigenständigkeit und Selbstvertrauen wahren. Die Ausbildungsmethoden dürften heute wohl nicht mehr angewendet werden und sind sicherlich hart. Auch hierzu gibt es aus dem skythischen Raum bildliche Darstellungen, wo Ausbilder Pferde zum Niederknien zwingen und auch Stricke um den Hals einsetzen, um dem Tier die Luft zu nehmen und es gefügig zu machen. Hinzu kommen Verletzungen, die die Tiere in Kampfhandlungen erhalten, und Verschleißerscheinungen sowie Brüche im Bereich der Brust- und Lendenwirbel bis hin zur Bildung von Knochenbrücken, die sich durch Überlastung oder eine schlechte Sattellage bilden und einzelne Wirbel miteinander fest verbinden, was zu großen Schmerzen und Lahmheit führen kann 5.

Zu Gast bei einem Pferd: Caligula und Incitatus Weniger kriegerisch, aber nicht unbedingt ungefährlicher ist der Einsatz von Pferden im Sport, zum Beispiel bei Wagenrennen (s. Beitrag Sebastian Scharff S. 45–49). Erfolgreiche Pferde können in der Antike eine richtiggehende ‚Fanbase‘ haben und sind wie moderne Sportlerinnen und Sportler beliebt und umschwärmt. Eine solche Begeisterung lässt sich auch am Beispiel des Kaisers Caligula (Kaiser von 37–41 n. Chr.) und dem Pferd Incitatus beschreiben. Zwei antike Autoren berichten über die etwas ungewöhnliche Freundschaft zwischen dem Kaiser und dem Pferd: Sueton (ca. 70 – nach 122 n. Chr., „Acht Bücher über das Leben der Kaiser“, hier: Suet. Cal. 8,55) und Cassius Dio (um 163 – um 235 n. Chr., „Römische Geschichte“, hier: Cass. Dio 59,14).

Pferd und Mensch: eine komplizierte Freundschaft

Abb. 4: Rastende Reiter unter einem Baum; beachtenswert sind die Darstellungen von Sattel und Zaumzeug der Pferde, skythische Gürtelplatte aus Gold, aus Sibirien, 4. Jahrhundert v. Chr.

Incitatus („schnell, in vollem Galopp, leidenschaftlich“) ist ein erfolgreiches Sportpferd der Viergespanngemeinschaft (factio) der ‚Grünen‘, also in einem der Zusammenschlüsse, die bei Spielen im Circus gegeneinander antreten. Caligula ist so angetan von Incitatus, dass er am Tag vor den Rennen seine Soldaten beordert, für Ruhe in der Nachbarschaft zu sorgen, damit Incitatus nicht gestört wird. Vieles an dieser Beziehung zwischen Kaiser und Pferd wirkt recht kurios. So lässt Caligula Incitatus ein eigenes Haus mit Möblierung errichten und weist ihm Diener zu, und im Namen des Pferdes werden Gäste eingeladen. Auch Caligula selbst lädt Incitatus zu sich ein, reicht dem Pferd beim Gastmahl goldene Gerste und trinkt auf sein Wohl. Incitatus besitzt einen Stall aus Marmor, eine Krippe aus Elfenbein, mit Purpur gefärbte Decken und ein Halsband, das mit edlen Steinen besetzt ist. Auch besondere Ehren und Würden lässt Caligula ihm zukommen: Er plant, das Pferd zum Konsul zu ernennen – ein Vorhaben, das er sicher durchgesetzt hätte, wenn er länger gelebt hätte, wie Cassius Dio schreibt. Eventuell ist auch Incitatus an einer anderen Stelle bei Cassius Dio gemeint, an

der er schreibt, dass Caligula sein Pferd zum MitPriester gemacht habe (Cass. Dio 59,28). Man kann darüber streiten, was bei diesen Schilderungen der Wahrheit entspricht, zumal beide antiken Autoren keine Zeitgenossen Caligulas sind. Dass Caligula dem Pferd zugetan ist, ist realistisch, und dass seine Begeisterung vielleicht manchmal etwas ins Extreme geht, gut vorstellbar. Vielleicht will Caligula den Senat beleidigen und lächerlich machen, indem er Incitatus den anderen Senatoren gleichstellt (Abb. 5). Dem Kaiser ist die Einflussnahme auf Senatoren untersagt; andererseits ist es nicht ausdrücklich verboten, Pferde zu Senatoren zu machen. Die ausufernden Feste, die im Namen von Incitatus veranstaltet werden, sind Caligula aus Rücksichtnahme auf die Senatoren ebenfalls nicht gestattet, durch den Umweg über das Pferd kann er sie jedoch trotzdem feiern. Die Frage bleibt, ob in Fällen wie den geschilderten wirklich von echter Freundschaft gesprochen werden kann, die ja eigentlich uneigennützig sein und den anderen vor Schaden bewahren sollte. Die Bedeutung und der Wert mancher Pferde für ihre Besitzerinnen und Besitzer, die Freude, die sie an ihnen hatten, ist jedoch unstrittig. 79

Valeska Becker

Abb. 5: „Kaiser Caligula lässt seinem Pferde durch den römischen Senat Ehrenbezeugungen erweisen“. – Sammelbildchen in Form einer Farblithographie der Compagnie Liebig’s Fleisch-Extract von 1904

Weiterführende Literatur

Abbildungsnachweis

A. R. Anderson, Bucephalas and His Legend, AJA 51, 1930, 1–21. N. Benecke – M. Pruvost – Ch. Weber, Die Pferdeskelette – Archäozoologie und Molekulargenetik, in: K. V. Čugunov – H. Parzinger – A. Nagler, Der skythenzeitliche Kurgan von Aržan 2 in Tuva, Archäologie in Eurasien 26 (Mainz 2010) 249–256. S. Busse (Red.), Amazonen. Geheimnisvolle Kriegerinnen. Katalog zur Ausstellung des Historischen Museums der Pfalz in Speyer, 05. September 2010 – 13. Februar 2011 (München 2010). L. Galanina – N. Gratsch, Skythische Kunst. Altertümer der skythischen Welt. Mitte des 7. bis zum 3. Jahrhundert v. u. Z. (Leningrad 1986). S. I. Rudenko, Frozen Tombs of Siberia. The Pazyryk Burials of Iron Age Horsemen (London 1970).

Abb. 1: akg-images / Bildarchiv Steffens Abb. 2: akg-images / Nimatallah Abb. 3: akg-images / MPortfolio / Electa Abb. 4: akg-images / MPortfolio / Electa Abb. 5: akg-images

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Detail von Kat. 95

Katalog

Katalog

Das im sog. Murghab-Stil geschnittene Siegelbild zeigt auf einer Seite einen schematisch ausgeführten, wohl geflügelten Equiden (Onager?). GeN

Kat. 1

Pferd

Kanne, Ton, attisch-geometrisch spätgeometrisch I b/II a, ca. 750–725 v. Chr. H 40,8 cm, H ohne Griff 36,0 cm, Dm 21,0 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 836 Literatur: Korzus 1984, 237 f. Kat. 95 mit Abb. (R. Stupperich); Stupperich 1990, 30–32 Kat. 19 Taf. 5,4–5 und 6,1

Die große Kanne ist gänzlich mit geometrischen Mustern bedeckt. Auf dem Hals ist ein Bildfeld ausgespart, welches ein gedrungenes, nach rechts gerichtetes Pferd mit herunterhängendem Zügel und Zickzackornamenten im Feld enthält. Auf der Schulter des Gefäßes befindet sich ein Bildfeld, das mit sieben nach rechts laufenden Tieren mit langen Schwänzen und Ohren bemalt ist. Obwohl diese nur sehr summarisch gestaltet sind, kann man eine Hundemeute erkennen, die einen Hasen hetzt. Das Pferd stellt das in der Vorstellung der adeligen Welt dieser Zeit das vornehmste, für die Führungsschicht der Vermögenden wichtigste Tier dar. LaS

Kat. 2

Kat. 3

Streitwagendarstellung

Rollsiegel, beiger Kalkstein, mittelsyrisch 2. Hälfte 2. Jahrtausend v. Chr. H 3,6 cm, Dm 1,1 cm, 8,61 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 3611 Literatur: Neumann 2016a, 146 Nr. 172

Das Siegelbild zeigt eine Jagd mit dem Streitwagen. Die Besatzung des Wagens besteht aus einem Bogenschützen sowie einem Wagenlenker. Auf der Freifläche über den Pferden ist ein fliehendes ziegenartiges Tier (Capride) abgebildet. Vergleichbare Jagdszenen sind seit der Spätbronzezeit sowohl für Vorderasien als auch für Ägypten belegt. GeN

Geflügeltes Pferdetier (Onager?)

Stempelsiegel, Steatit, baktrisch 3. Jahrtausend v. Chr. H 2,8 cm, B 4 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 2268 Literatur: Cremer 2003, 154–155 Kat.-Nr. 9 Taf. 33,7–8

85

Katalog

Der Anhänger, der wahrscheinlich am Zaumzeug eines Pferdes befestigt wurde, besteht aus zwei antithetisch angeordneten Pferdeprotomen, die im Hals- und Gelenkbereich mit Riefen verziert sind. GeN

Kat. 6

Streitwagendarstellung

Rollsiegel, brauner Kalkstein, neuassyrisch 9.–7. Jh. v. Chr. H 2,0 cm, Dm 0,8 cm, 2,30 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 3678 Literatur: Neumann 2016a, 114 Nr. 126

Kat. 4

Riemenverteiler mit Kopf eines ziegenartigen Tieres (Capride)

Riemenverteiler, Bronze, Luristan Eisenzeit II, ca. 1000–800 v. Chr. H 4,5 cm, B 2,4 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 2860 Literatur: unpubliziert, vgl.: Engel 2008, 124 Nr. 91 (Doppelring); Zahlhaas 2002, 57 Nr. 107–108 (vollplastischer Capridenkopf)

Diese ringförmigen Objekte dienten dazu, die einzelnen Riemen des Halfters eines Pferdezaumzeugs zu fixieren bzw. in die gewünschte Richtung zu führen. Das Bronzeobjekt besteht aus einem Doppelring, auf dessen Mitte ein Capridenkopf appliziert wurde. Die langen Hörner sind kunstvoll nach hinten geschwungen und mit dem hinter dem Kopf befindlichen Ring verbunden. GeN

Kat. 5

Das Siegelbild zeigt einen Streitwagen mit Wagenlenker sowie einer weiteren Person. Über dem Pferd befindet sich eine sog. Deichsel-Joch-Zierde, wie sie auch auf neuassyrischen Orthostatenreliefs abgebildet ist. Eine stehende Figur im assyrischen Schalgewand und eine darüber liegende Mondsichel fungieren als Szenentrenner. Über dem Streitwagen ist ein Stern zu erkennen; weitere Füllelemente oder Göttersymbole sind nur noch schwach zu sehen und nicht mehr zu deuten. GeN

Anhänger mit zwei Pferdeprotomen

Anhänger, Bronze, Luristan (?) Eisenzeit IB bis III, ca. 1150–700 v. Chr. H 5,2 cm, B 6,1 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 2830 Literatur: unpubliziert, vgl. Vanden Berghe 1983, 192 Nr. 249; Zahlhaas 2002, 83 Nr. 175

Kat. 7

Mythologische Jagd zu Pferde

Rollsiegel, roter Kalkstein, neuassyrisch 9.–7. Jh. v. Chr. H 2,1 cm, Dm 1,0 cm, 4,21 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 3647 Literatur: Neumann 2016a, 101–102 Nr. 106

Das Siegelbild zeigt einen Bogenschützen auf einem gehörnten, vogelköpfigen Mischwesen im fliegenden Galopp reitend. Im Schulterbereich des Reittieres scheinen durch Schraffuren Flügel angedeutet zu sein.

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Katalog

Der göttliche (?) Reiter wendet sich mit gespanntem Bogen nach hinten, um ein heranstürmendes gehörntes Tier (Bovide) zu erlegen, das über eine palmettenförmige Pflanze springt, zu erlegen. Der kopflose Körper eines Feindes liegt unter den Hufen des Mischwesens. Über der Szene schweben Mondsichel und ein achtstrahliger Stern. Ein rautenförmiges ‚Auge‘ füllt den Freiraum zwischen Reiter und Stier. GeN

Kat. 8

Kat. 9

Löwengreifen oder geflügelte Pferde

Roll-Stempelsiegel (mit Öse), grauer Kalkstein, urartäisch 9.–7. Jh. v. Chr. H 1,6 cm, Dm 1,2 cm, Hgesamt 2,3 cm, 3,80 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 3658 Literatur: Neumann 2016a, 115 Nr. 127

Das schematisch geschnittene Siegelbild der Abrollung zeigt zwei nach links gewandte geflügelte Löwengreifen oder Flügelpferde (?). Eine speerspitzenförmige Pflanze unterteilt das Siegelbild. Über den beiden Mischwesen befinden sich drei Mondsicheln, die mit schrägen Schraffurlinien ausgeführt sind. Der Abdruck des Stempelsiegels zeigt ebenfalls ein geflügeltes Mischwesen, über dem sich eine ähnlich gestaltete Mondsichel dargestellt ist. GeN

Reiter- und Bogenschütze

Rollsiegel, Serpentinit, neuassyrisch 9.–7. Jh. v. Chr. H 3,8 cm, Dm 1,2 cm, 10,65 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 3648 Literatur: Neumann 2016a, 102 Nr. 107

Das Siegelbild zeigt links einen Reiter auf einem Vierbeiner (Pferd?). Ein nach links gewandter Bogenschütze im Knielauf scheint auf den Reiter zu zielen. Ein Stern und eine Mondsichel schweben über der Szene. Sieben Kugelbohrungen zwischen den beiden Figuren symbolisieren die „Siebengötter“ (Sibittu). Unter dem angewinkelten Bein des Schützen befindet sich ein nicht mehr zu identifizierendes Objekt. Ein ornamentales Band, bestehend aus einer dreigliedrigen Zickzacklinie, schließt das Siegelbild nach oben ab. GeN

Kat. 10

Pferd oder Rind vor Lebensbaum

Rollsiegel, blaue Fritte, spätmittelassyrisch-neuassyrisch 11.–10. Jh. v. Chr. H 3,137 cm, Dm 1,101 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 2966 Literatur: Neumann 2016b, 913 Nr. 8 Taf. 109.

Das linear geschnittene Siegelbild zeigt ein nach links schreitendes Pferd (Equide) oder Rind (Bovide) vor einem stilisierten Lebensbaum. Das Siegelbild ist oben und unten durch eine einfache Linie begrenzt. GeN

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Katalog

als die hier besprochenen Stücke. Einzig ein Fund aus Noruzmahale besitzt eine ähnliche Größe und datiert in sasanidische Zeit (3.–7. Jh. n. Chr.). GeN

Kat. 12–13

Bronzeglöckchen mit figürlich gestalteter Öse

Glöckchen (links), Bronze, aus Deylaman, Nord-Iran sasanidisch, 3.–7. Jh. n. Chr. (?) H 3,9 cm, Dm 2,7 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. L UFG 8

Kat. 11

Bronzeglöckchen mit geometrischem Dekor

Glöckchen, Bronze, aus Deylaman, Nord-Iran sasanidisch, 3.–7. Jh. n. Chr. (?) H 4,15 cm, Dm 3,15 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. L UFG 7 Literatur: unpubliziert, vgl. Egami – Fukai – Masuda 1966, Taf. XLIX,34 (Noruzmahale, Grab D-IV) Glöckchen (rechts), Bronze, aus Deylaman, Nord-Iran sasanidisch, 3.–7. Jh. n. Chr. (?) H 3,0 cm, Dm 2,25 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. L UFG 10 Literatur: unpubliziert, vgl. Cattelain – Bozet 2007, 69 Kat. 38 mit Abb. (dort als parthisch – 3.–1. Jh. v. Chr. – eingeordnet); Van den Boorn 1984, 83 Abb. 116 (oben Mitte, Amlash [?])

Stark korrodiertes Bronzeglöckchen mit figürlich gestalteter Öse, zur Verwendung und Datierung vgl. Kat. 11. GeN

Kat. 14–15

Konisches Bronzeglöckchen mit Befestigungsring und geometrischem Ritzdekor. Kleine Glocken und Schellen konnten zur Zierde am Zaumzeug befestigt werden, wie Darstellungen auf neuassyrischen Orthostatenreliefs (1. Hälfte 1. Jahrtausend v. Chr.) belegen. Die wenigen gesichert aus dieser Zeit stammenden Objekte sind mit ca. 10 cm Höhe wesentlich größer

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Bronzeglöckchen mit Öse in Form eines Pferdetieres (Equiden)

Glöckchen (links), Bronze, aus Deylaman, Nord-Iran sasanidisch, 3.–7. Jh. n. Chr. (?) H 3,2 cm, Dm 2,9 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. L UFG 9 Glöckchen (rechts), Bronze, aus Deylaman, Nord-Iran sasanidisch, 3.–7. Jh. n. Chr. (?) H 3,35 cm, Dm 2,22 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. L UFG 11

Katalog

Kat. 17

Pferd und Teil der Titulatur des Ramses II

reliefierter Architrav, aus Kalkstein, vermutlich aus Piramesse/Qantir 13. Jh. v. Chr. H 49 cm; B 67 cm; T 8,5 cm Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim, Inv. F 0007 Literatur: Falck – Petschel 2004, 102 f. Kat. 91a (A. Herold)

Literatur: unpubliziert, vgl. Cattelain – Bozet 2007, 69 Kat. 38 mit Abb. (dort als parthisch – 3.–1. Jh. v. Chr. – eingeordnet); Van den Boorn 1984, 83 Abb. 116 (oben Mitte, Amlash [?])

Leicht korrodiertes Bronzeglöckchen mit figürlich gestalteter Öse in Form eines Pferdes, zur Verwendung und Datierung vgl. Kat. 11. GeN

Kat. 16

Schreitendes Pferd auf Schutzamulett

Plättchen aus weißem Glasfluss, gefunden in der Nähe eines Legionslagers in Bonn ptolemäisch oder römisch, 4. Jh. v. – 2. Jh. n. Chr. H 1,2 cm, B 1,5 cm, T 0,4 cm LVR-LandesMuseum Bonn, Inv. 30825 Literatur: Noack – Graña-Behrens 2019, 213 Kat. 1.3.6

Das längs durchbohrte Plättchen zeigt auf der Vorderseite ein in feinem erhabenen Relief ausgearbeitetes Udjat-Auge, ein typisches Schutzamulett in Ägypten. Auf der Rückseite ist ein etwas ungelenk schreitendes Pferd eingraviert, vor dem eine kleine Vase steht, die Hieroglyphe für „loben, preisen“. Über der Darstellung befinden sich drei weitere schwer zu interpretierende Zeichen. Das Pferd (ohne Streitwagen) ist eher selten auf Skarabäen oder Plättchen zu finden, dann aber meist mit einem regenerierenden oder schützenden Motiv vergesellschaftet – wie bei unserem Beispiel. Der Fundort liegt in der Nähe eines römischen Lagers in Bonn: Ein mit einem Pferd dekoriertes Amulett deutet auf einen römischen Legionär hin, der Vertrauen in ägyptische magische Praktiken hat. AnL

In der von Ramses II. groß ausgebauten Hauptstadt Piramesse befinden sich die königlichen Ställe, in denen die Pferde für die Streitwagengarnison untergebracht sind. Die Eingänge in die Boxen tragen mit Relief dekorierte Architrave, die Inschriften und Pferde zeigen. Auf dem vorliegenden Block ist ein Teil der Titulatur von Ramses II. zu sehen, wobei die Namenskartusche auf einem „Gold“-zeichen platziert ist. Ähnlich, wie sich sonst Personen anbetend dem Königsnamen zuwenden, ist hier ein Pferd eingraviert. Das Tier ist mit leicht erhobenen Hufen, vielleicht im Trab, und mit hoch aufgerichtetem Kopf gezeigt, wobei der Körper sehr schlank wirkt. Zaumzeug und jeglicher Schmuck fehlen. AnL

Kat. 18

Pferdetrensen

Zwei Trensen, aus Bronze, aus Piramesse/Qantir 13. Jh. v. Chr. H 3,6 cm; B 15,3 cm; T 22,5 cm Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim, Inv. 6478 und 6479 Literatur: Falck – Petschel 2004, 107 Kat. 98a (A. Herold)

Die Ausgrabungen in Piramesse haben neben den königlichen Ställen auch Werkstätten zur Produktion von Gegenständen, die Teile von Streitwagen bzw. Pferdegeschirren sind, ans Licht gebracht. Steinerne Jochgabelknäufe und Trensen aus Bronze sind erhaltene Hinweise auf Zugpferde von Streitwagen. Die Trensen

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Katalog

Der doppelkonische filigrane Ständer für eine Schale zeigt drei Bildstreifen in durchbrochener Arbeit: Zuoberst ist ein Papyrusdickicht mit auffliegenden Vögeln wiedergegen, in der Mitte befinden sich Papyruspflanzen mit hockenden Vögeln und unten drei Pferde, zwei davon gehen im Schritt und werden von Männern am Zügel geführt, das dritte galoppiert ohne Führung mit herunterhängenden Zügeln. Bei den Pferden ist die durch Innenzeichnung angegebene Mähne hervorzuheben. Die Männer sind Nubier, erkennbar am krausen Haar. Sie wenden sich den Tieren, deren aufgerichtete Ohren auf Nervosität weisen, beruhigend zu. Pferde sind über Ägypten auch nach Nubien eingeführt worden, und gerade Nubier gelten als Spezialisten im Umgang mit diesen Tieren. AnL

Kat. 20 sind der Teil des Zaumzeuges, an dem die Zügel festgeschnallt sind. Die mit zwei Querstäben jeweils am Ende des Mundstückes typischen Knebeltrensen verhindern ein Verrutschen des Mundstückes und schützen damit die Mundwinkel, insbesondere beim ruckartigen Zügelgebrauch – wie es in der Schlacht anzunehmen ist. Die Mittelstange ist aus zwei in sich gedrehten starken Bronzedrähten gefertigt, in deren Mitte zwei Ringe ineinandergreifen. AnL

Kat. 19

Pferd

Vorratsgefäß (amphora), aus Ton, attisch-spätgeometrisch II b 4. Viertel des 8. Jh. v. Chr., Werkstatt des Malers von Athen 897 H 32,9 cm, H Halsansatz 21,0 cm, max. Dm 18 cm, am Fuß 8,7 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 835 Literatur: Stupperich 1990, 34 f. Kat. 22 Taf. 5,6; 6,4

Drei Pferde und zwei Nubier

Ständer mit einer Schale, aus Bronze, aus Aniba (Nubien), 15. Jh. v. Chr. H 16,6 cm; Dm Schale 16 cm Replik aus Bronze, Ägyptisches Museum der Universität Leipzig, Inv. 4804 + 4807 Literatur: Fitzenreiter 2014, 353 Kat. V.7

Der eiförmige Gefäßkörper erhebt sich über einem flach eingezogenen Fußring. Der Hals öffnet sich trapezförmig zu einem runden Mündungsrand. Auf halber Höhe setzen zwei steile Bandhenkel an. Die Dekoration ist flüchtig, den größten Teil des Bauches zieren konzentrische Ringe über einem breiten Grundstreifen. Ein gepunktetes Rautenband unter den Henkeln wiederholt sich darüber am oberen Halsrand. Am Hals

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Katalog

rahmen M-Zickzackbalken, umgeben von senkrechten Parallelstrichen, das figürliches Hauptbild: ein nach rechts gewandtes Pferd im Profil, mit aufrecht stehender Mähne. Das Bildfeld ist durch weitere M-Zickzackbalken und Ornamente gefüllt. ChS

Kat. 21

Rückseite: Rad mit sechs Speichen, dazwischen vier Wertpunkte

Pferd

Scherbe von einem großen Mischgefäß (Krater), Ton, argivisch-geometrisch argivisch-spätgeometrisch II, ca. 730–690 v. Chr., Maler von Athen 877 H 12 cm, B 15 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 3185 Literatur: unpubliziert, vgl. Coldstream 1968, 138 Taf. 29 f

Das frühe römische Geld zeichnet sich durch ein differenziertes System verschiedener sehr großer und schwerer Bronzewerte (sog. Schwergeld, lat. aes grave) aus. Es handelt sich um Vielfache und Teilstücke des römischen As. Im Rahmen der sog. Rad-Serie werden den verschiedenen kleineren Nominalen Vorderseitenmotive zugewiesen, die aus dem Bereich der Landwirtschaft stammen und Tiere (Stier, Pferd, Hund) zeigen. Der stets bei den Römern hochgehaltene (und später verklärte) Charakter einer ursprünglich bäuerlichen Gesellschaft mag sich hierin spiegeln. KaM

Kat. 23

Auf der großen Scherbe eines Grabgefäßes, das in Argos bzw. seinem Umland hergestellt worden ist, ist neben vielen geometrischen Ornamenten und einem Fisch ein nach links wiedergegebenes Pferd abgebildet. Unterhalb seines stark beriebenen Kopfes kann man noch eine Hand erkennen und links oben, direkt an der Bruchkante, einen Kopf. Somit kann das Bild rekonstruiert werden: Ein Pferdedompteur hält zwei zu seinen Seiten stehende Pferde. Dies ist für die Argolis, eine ebene Landschaft um Argos auf der Peloponnes, kein überraschendes Thema, da doch hier auch eine für seine Pferdezucht berühmte Region zu verorten ist. HeN

Kat. 22

Grasendes Pferd

Marktgewicht, Blei, aus Alexandreia Troas (Nordwesttürkei) 3.–1. Jh. v. Chr. H 7,6/7,8 cm, B 8,3/8,5 cm, T 0,8/0,9 cm, 622 g (schwere Mina) Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 2266 Literatur: Killen 2012, 215 Nr. 2 Taf. 20,2; Weiß 2008, 719 Nr. 1 Taf. 87,1; 721 f.

Pferd

Triens, Buntmetall, Münzstätte: Rom (Italien) geprägt ca. 265–242 v. Chr. Dm 44,5 mm, 77,70 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 1884 Literatur: Dorotheum 2, 1956, 25 Nr. 2659 Taf. 11; RRC Nr. 24/5; Rutter 2001, 49 Nr. 328 Vorderseite: springendes Pferd nach links, oben und unten je zwei Wertpunkte

Das grasende Pferd ist ein offizielles Symbol (parasemon) der Stadt Alexandreia Troas. Neben der Abbildung auf Münzen ist es unter anderem auch auf Marktgewichten wie diesem zu finden. Über dem Pferd befindet sich eine Legende, die als ΑΛΕ(ΞΑΝΔΡΕΩΝ) gelesen werden kann und sich auf die Bürger

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Katalog

der Stadt bezieht. In der oberen rechten Ecke des Gewichts ist vermutlich eine Traube dargestellt und zwischen den Läufen des Pferdes ein Monogramm. Die Verbindungen zwischen Alexandreia Troas und dem Pferd besteht zum einen in der Pferdezucht, zum anderen aber auch in dem Gründungsmythos, in dem ein Pferd bei dem Auffinden des Kultbildes des Gottes Apollon Smintheus aktiv ist, dessen Heiligtum im Umland dieser Stadt gelegen ist (vgl. Kat. 150). SaE

Kat. 24

Grasendes Pferd

Halbsiglos, Silber, Münzstätte: Alexandreia Troas (Nordwesttürkei) geprägt ca. 301–281 v. Chr. Dm 15 mm, 2,46 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 4535

Literatur: unpubliziert, vgl. Bellinger 1961, 91 Nr. A124; Meadows 2004, 53 Nr. 2 und 58 Nr. 3 Vorderseite: Kopf des Apollon nach rechts, mit Lorbeerkranz Rückseite: AΛEΞA[N]//ΔPEΩN. Grasendes Pferd auf einer Standlinie nach rechts, ein Getreidekorn und die Buchstaben ΣΙ zwischen den Beinen KaM

Kat. 25

Grasendes Pferd

Buntmetall, Münzstätte: Alexandreia Troas (Nordwesttürkei) geprägt ca. 281–261 v. Chr. Dm 20,1 mm, 8,21 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 5348

Literatur: unpubliziert, vgl. Bellinger 1961, 83 Nr. A28e; BMC Troas 9 Nr. 4; SNG Kopenhagen Heft 20 Nr. 66–67 Vorderseite: Kopf des Apollon nach rechts, mit Lorbeerkranz Rückseite: AΛEΞAN//ΔΡΕΩN. Grasendes Pferd auf einer Standlinie nach rechts, ein Getreidekorn zwischen den

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Hinterbeinen; Monogramm unterhalb des Körpers, rechts im Feld, vor dem Pferd ein Palmzweig KaM

Kat. 26

Grasendes Pferd

Buntmetall, Münzstätte: Alexandreia Troas (Nordwesttürkei) geprägt unter Valerianus (reg. 253–260 n. Chr.) Dm 21,1 mm, 5,93 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 5378 Literatur: unpubliziert, vgl. Bellinger 1958, Typus 39; Bellinger 1961, 141 Nr. A436; BMC Troas 29 Nr. 157; Filges 2015, Kat.-Nr. 1317; SNG von Aulock Nr. 7573; SNG Kopenhagen Heft 20 Nr. 191; SNG München Heft 19 Nr. 127

Vorderseite: IMP LIC VALERIANVS A. Drapierte Panzerbüste des Valerianus nach rechts, mit Lorbeerkranz Rückseite: COL AVGO // TRO. Grasendes Pferd nach rechts auf einer Standlinie

Alexandreia Troas geht aus einem Zusammenschluss mehrerer kleiner Städte aus dem Hinterland hervor. Die Bürger der verlassenen Städte nehmen ihre Götter und Traditionen, aber auch Wirtschaftsstrukturen und ihren Landbesitz mit in die neue Stadt. Dazu gehören Gestüte und umfangreiche Weidegründe im Skamandertal, die die Vorgängersiedlung Neandreia mit in das neue Territorium einbringt. Das macht sich sogar in der Münzprägung bemerkbar: Alexandreia übernimmt von Neandreia das Motiv des grasenden Pferdes, das uns dann auf den allerersten Prägungen der jungen Stadt (Kat. 24) vom Ende des 4. Jh. v. Chr. bis zu den allerletzten (s. Kat. 26) um die Mitte des 3. Jh. n. Chr. begegnet. Es wird zum lokalen parasemon in Alexandreia, zum Wappen der Stadt, mit dem nicht nur die Münzen, sondern auch Marktgewichte (s. Kat. 23) und andere offizielle Dokumente versehen werden. KaM

Katalog

Kat. 27

Grasen in der freien Natur

Buntmetall, Münzstätte: Alexandreia Troas (Nordwesttürkei) geprägt ca. 214–260 n. Chr. Dm 22,3 mm, 5,94 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 5383 Literatur: unpubliziert, vgl. Bellinger 1958, Typus 40; Bellinger 1961, 149 Nr. A487; Filges 2015, Kat.-Nr. 61

Vorderseite: AL-EXAND. Gewandbüste der Fortuna/ Tyche der Stadt nach rechts mit Mauerkrone, links dahinter ein militärisches Feldzeichen (vexillum), darauf die Aufschrift CO / AV Rückseite: COL AL // TRO. Grasendes Pferd nach rechts auf Standlinie, links dahinter ein Baum, dessen Zweige über dem Pferd hängen

Wie bei den Stücken zuvor steht das grasende Pferd auch hier im Mittelpunkt. Der Baum links, dessen Wuchs sich an die Form der Münze anzupassen scheint und dessen Zweige über dem Pferd herabhängen, ergänzt das Motiv und verdeutlicht, dass sich das Tier nicht im neutralen Raum, sondern in der freien Natur, in einer fruchtbaren Landschaft befindet (s. auch Kat. 150 mit einem Hirten). KaM

Kat. 28

fließt) und schafft damit die naturräumlichen Voraussetzungen für ideale Weidegründe. Bukephalos, das Lieblingspferd Alexanders des Großen (vgl. Kat. 208),

stammt wohl aus Thessalien, überhaupt sind die thessalischen Pferde in der Alten Welt weithin berühmt. Solche mythischen und viehwirtschaftlichen Aspekte finden Widerhall in der Münzprägung: Die Städte der Landschaft weisen eine große Vielfalt an Pferdemotiven auf Münzen auf, besonders die Stadt Larissa, die stolz ist auf ihre Zucht ist und ihre Weidegründe und daher wie Alexandreia Troas u. a. auch das grasende Pferd zeigt. KaM

Kat. 29

Grasen in Arkadien

Buntmetall, Münzstätte: Pheneos (Griechenland) geprägt ca. 300–240 v. Chr. Dm 15 mm, 3,24 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 898 Literatur: unpubliziert, vgl. BCD Peloponnesos ΙΙ Nr. 2712; BMC Peloponnes 195 Nr. 24; Hoover 2011, 251 Nr. 988; SNG Kopenhagen Band 17 Nr. 274

Pferdevielfalt in Larissa

Drachme, Silber, Münzstätte: Larissa (Griechenland) geprägt ca. 370–363 v. Chr. Dm 18 mm, 5,81 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 739 Literatur: unpubliziert, vgl. Herrmann 1925, 45 f. Taf. VII, 9–10 (Gruppe 7, 3. Reihe M1); Lorber 1992, 268 Nr. 32.3 (Abb. S. 278) (Gruppe 2) Vorderseite: Gewandbüste der Nymphe Larissa in Dreiviertelansicht nach vorne links, im Haar trägt sie eine Binde Rückseite: ΛΑΡΙΣ[AI]. Grasendes Pferd nach links

Eine der bekanntesten Pferdelandschaften der Antike ist Thessalien mit seinen weiten Ebenen. Hier erschafft der Gott Poseidon Skyphios, das ‚Urpferd‘ (vgl. Kat. 121–122). In Pferdegestalt lässt er als ‚Erderschütterer‘ selbst Quellen sprießen (überliefert ist, dass er mit dem Huf aufstampft und infolgedessen Wasser

Vorderseite: Kopf der Artemis Heurippa nach rechts, mit Kranz und Halskette, hinter der li. Schulter trägt sie einen Bogen und Köcher Rückseite: [Φ]ΕΝΕΩΝ. Grasendes Pferd nach rechts, im Feld und im Abschnitt befindet sich jeweils ein Monogramm

Die Münzprägung von Pheneos in Arkadien ist durch und durch landwirtschaftlich geprägt: Wir finden Hermes, den Gott der Hirten, daneben Stier, Widder, Hund und – wie hier – ein grasendes Pferd. Die Motive zeugen von der Bedeutung einer kleinräumigen Landwirtschaft. Pausanias berichtet (Paus. 8,14,5), dass Odysseus zum Dank dafür, dass er dort seine verlorenen Pferde wiedergefunden hat, der Artemis Heurippa (der „Pferdefinderin“, hier auf der Vorderseite) in

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Katalog

Pheneos ein Heiligtum einrichtet und ein bronzenes Kultbild des Poseidon Hippios weiht. KaM

Kat. 30

Wildpferde in Spanien

Münze, Buntmetall, Münzstätte: (Kese-)Tarraco (Spanien) geprägt ca. 120–20 v. Chr. Dm 16 mm, 3,73 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 125 Literatur: Pau Ripollès 2005, 152 Nr. 873–874; Villaronga 1994, 165 Nr. 52

Vorderseite: Kopf des Antiochos III. mit Diadem nach rechts Rückseite: [B]AΣIΛEΩΣ // [A]NTIOX[OY]. Stute steht nach links und säugt ihr Fohlen, dem sie ihren Kopf zuwendet. Links im Feld ein Monogramm aus den Buchstaben Π, A, P und T KaM

Kat. 32

Berühmtes Pferdegestüt im Iran

Vierfachstück, Buntmetall, Münzstätte: Ekbatana (Iran) geprägt etwa 211–208 v. Chr. unter Antiochos III. (reg. 223–187 v. Chr.) Dm 24 mm, 10,93 g Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett, Objektnr. 18289635 Literatur: Newell 1978, Nr. 623 α (ca. 209–205 v. Chr.); vgl. Houghton – Lorber 2002, Nr. 1269 (ca. 211–209/208 v. Chr.)

Vorderseite: jugendlicher männlicher Kopf nach rechts, links im Feld dahinter ein Beizeichen, vermutlich ein Botenstab (caduceus) Rückseite: kese (in iberischer Schrift, unten im Abschnitt); grasendes Pferd nach rechts

Spanien zeichnet sich in der Antike dadurch aus, dass es hier noch wildlebende Pferdeherden gibt, insbesondere im Südwesten, in Lusitanien. Pferde- und Reitmotive sind in der vorrömischen Münzprägung häufig und zeugen von der Wertschätzung der Pferde durch die Keltiberer. Das Motiv des grasenden Pferdes kommt nur in Tarraco (heute Tarragona) vor. KaM

Kat. 31

Berühmtes Pferdegestüt im Iran

Achtfachstück, Buntmetall, Münzstätte: Ekbatana (Iran) geprägt 211–208 v. Chr. unter Antiochos III. (reg. 223– 187 n. Chr.) Dm 30 mm, 28,61 g Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett, Objektnr. 18289626 Literatur: Newell 1978, 214 Nr. 622 ϝ (ca. 209–205 v. Chr.); vgl. Houghton – Lorber 2002, Nr. 1268 (ca. 211– 209/208 v. Chr.)

Vorderseite: Kopf des Antiochos III. nach rechts mit Diadem Rückseite: [B]AΣIΛE[ΩΣ] // [A]NTIOX[OY]. Stute steht nach links und säugt ihr Fohlen, dem sie ihren Kopf zuwendet. Links im Feld ein Monogramm aus den Buchstaben Π, A, P und T KaM

Kat. 33

Berühmtes Pferdegestüt im Iran

Doppelstück, Buntmetall, Münzstätte: Ekbatana (Iran) geprägt etwa 211–208 v. Chr. unter Antiochos III. (reg. 223–187 v. Chr.) Dm 19 mm, 6,51 g Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett, Objektnr. 18289637 Literatur: Newell 1978, Nr. 624 k (ca. 209–205 v. Chr.); vgl. Houghton – Lorber 2002, Nr. 1270 (ca. 211–209/208 v. Chr.)

Vorderseite: Kopf des Antiochos III. nach rechts mit Diadem

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Katalog

Rückseite: [BA]ΣIΛEΩ[Σ] // ANTIOXOY. Stute steht nach links und säugt ihr Fohlen, dem sie ihren Kopf zuwendet. Links im Feld ein Monogramm aus den Buchstaben Π, A, P und T KaM

Kat. 34

Berühmtes Pferdegestüt im Iran

Einheit, Buntmetall, Münzstätte: Ekbatana (Iran) geprägt 211–208 v. Chr. unter Antiochos III. (reg. 223– 187 v. Chr.) Dm 16 mm, 2,87 g Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett, Objektnr. 18289640 Literatur: Newell 1978, Nr. 625 k (ca. 209–205 v. Chr.); Houghton – Lorber 2002, Nr. 1271 (ca. 211–209/208 v. Chr.)

Vorderseite: Kopf des Antiochos III. nach rechts mit Diadem Rückseite: BAΣIΛE[ΩΣ] // ANTIOX[OY]. Stute steht nach links und säugt ihr Fohlen, dem sie ihren Kopf zuwendet. Links im Feld ein Monogramm aus den Buchstaben Π, A, P und T

Seit Jahrhunderten ist die Ebene um Ekbatana in Medien (heute Iran) in der ganzen antiken Welt für seine Pferdezucht bekannt und berühmt. Das Vorderteil (protome) eines grasenden Pferdes dient als Prägestättenzeichen auf den hier ausgegebenen königlichen Münzen. Normalerweise zeigen diese Münzen Bilder und Themen aus der griechischen Götterwelt wie in vielen anderen Münzstätten des seleukidischen Reichs auch; eine Ausnahme stellt eine Serie des Königs Antiochos III. dar, der in einer kurzen Zeitspanne (211– 208 v. Chr.) Kleingeld ausgeben lässt, das den lokalen Standortfaktor der Pferdezucht ins Zentrum rückt. So finden sich auf Bronzemünzen verschiedener Wertstufen das grasende Pferd als alleiniges Motiv und – ganz besonders und singulär – eine säugende Stute mit ihrem Fohlen. KaM

Kat. 35

Literatur: Schönert-Geiss 1987, 39; 156 Nr. 428,2; West 1929, 140 Nr. 102 e

Vorderseite: Ein gezäumtes Pferd mit losen Zügeln nach links zeigt die Dressurfigur Courbette Rückseite: ΕΠΙ – ΑΠΕ-ΛΛ-ΕΩ. Weinstock mit fünf Trauben in einem Quadrat, darum herum ein Beamtenname, alles in einem eingetieften Quadrat (quadratum incusum)

Das thrakische Maroneia ist in der Antike von Homer bis in die Kaiserzeit nicht nur für seinen hervorragenden Wein bekannt, sondern spielt auch eine bedeutende Rolle in der Pferdezucht. Auf ihre beiden wichtigsten Wirtschaftsfaktoren verweist die Polis auch in ihrer Münzprägung. Das Pferd auf der Vorderseite erhebt dynamisch seine Vorderhufe, während es auf seinen Hinterbeinen steht. Diese Figur wird in der heutigen Dressurfigur Courbette genannt und ist Teil der Hohen Schule. Schon die Zügel lassen erkennen, dass es sich hierbei nicht um ein Wildtier, sondern um ein gezähmtes Ross handelt. Die Körperform des Pferdes ist auffällig gedrungen, womöglich wird hier eine in Maroneia gezüchtete gezeigt. JeS

Kat. 36

Variationen des Pegasos

Diobol, Silber, Münzstätte: Korinth (Griechenland) geprägt ca. 400–315 v. Chr. Dm 10 mm, 0,81 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 831 Literatur: unpubliziert, vgl. Hoover 2014, 535 Nr. 1889 var. und SNG Kopenhagen Part 15 Nr. 78 var. (jeweils andere Buchstaben im Feld. Datierung der „ΙΔ-Serie“ bzw. der meisten anderen mit Buchstaben gekennzeichneten Serien allgemein in das 4. Jh. v. Chr.)

Dressurfigur Courbette

Stater, Silber, Münzstätte: Maroneia (Griechenland) geprägt ca. 386/385–348/347 v. Chr. Dm 25 mm, 10,94 g Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett, Objektnr. 18243366

Vorderseite: Fliegender Pegasos nach links, darunter der Buchstabe Koppa (Ϙ) Rückseite: IΔ (oben im Feld). Tänzelnder Pegasos nach links

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Katalog

Ganz unterschiedliche Dressurfiguren können wir auf dieser Kleinmünze entdecken: Auf beiden Seiten begegnen wir dem geflügelten Pegasos, die Wirkung unterschiedlicher Gangarten ist jedoch bemerkenswert. Abgesehen von den verschiedenen Flügelformen sehen wir auf der Vorderseite einen schwungvoll bewegten Pegasos in einem Sprungmotiv, das an die Courbette erinnert, auf der Rückseite geht Pegasos in ruhigem Schritt, hebt sein rechtes Vorderbein hoch und das Hinterbein leicht an und wirft den Kopf stolz in die Höhe. KaM

Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 581 Literatur: unpubliziert, vgl. Draganov 2000, 132 Nr. 71; Gaebler 1935, 151 Nr. 22–23 (unter Alexander I.); Hoover 2016, 284 Nr. 783; SNG Alpha Bank (Greece II) Nr. 98– 102; SNG München Heft 10 Nr. 13

Kat. 37

Vorderseite: Pferd geht nach re., den linken Vorderhuf angehoben Rückseite: chalkidischer Helm mit Helmbusch nach re. in einem vertieften Bildfeld (quadratum incusum)

Keltisches Pferd mit Reiter im Paradeschritt

Tetradrachme, Silber, Münzstätte in Bulgarien Dm 24,1 mm, 13,27 g geprägt ca. 150–50 v. Chr. Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 655 Literatur: unpubliziert; vgl. Dembski 1998, 190 Nr. 1320– 1327; Gaebler 1935, 205 Nr. 13 („barbarisierte Nachprägung“); SNG Oxford Nr. 3379

Der makedonische König Perdikkas II. lässt umfangreiche Serien von Kleinsilbermünzen (meist Vier-Obolen-Stücke) ausgeben, die Pferde- oder Reitermotive zeigen. Die mit Helm auf der Rückseite kombinierten Münzen zeigen ein kräftiges Pferd unterschiedlich bewegt in verschiedenen Gangarten, im Galopp oder – wie hier – imponierend im Paradeschritt. KaM

Kat. 39

Vorderseite: Kopf des Zeus nach rechts, mit Lorbeerkranz Rückseite: ΑVΔΩΛΕΟΝ-ΤΟΣ. Stilisierter Reiter mit Helm auf einem Pferd nach rechts; zwischen den Vorderbeinen des Pferdes eine Kugel; unter dem Bauch des Pferdes eine nachträglich angebrachte Punze

Vorbild für diese keltische Prägung sind die Tetradrachmen des makedonischen Königs Philipp II. mit dem ‚makedonischen Reiter‘, genannt ist hier jedoch Audoleon, ein König (reg. 315–285 v. Chr.) von Paeonien, einer Region auf dem Balkan zwischen Makedonien und Thrakien. Die Münze zeigt den Reiter deutlich reduziert auf Oberkörper und Kopf mit überdimensioniertem Helm. Der Blick richtet sich vielmehr auf das Pferd, das im Paradeschritt nach rechts geht. KaM

Kat. 38

Paradeschritt in Makedonien

Tetrobol, Silber, unbestimmte makedonische Münzstätte (Griechenland) geprägt ca. 446/445–438/437 v. Chr. unter König Perdikkas II. von Makedonien (reg. 448–413 n. Chr.) Dm 14,2 mm, 1,81 g

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Reiten im Paradeschritt

Didrachme, Silber, Münzstätte: Tarent (Süditalien) geprägt ca. 280–272 v. Chr. Dm 21,1 mm, 6,42 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 230 Literatur: unpubliziert, vgl. Evans 1889, 158 Nr. VII Type C2

Vorderseite: ZΩ / ΝΕΥ / ΜΗ. Nackter männlicher Reiter auf einem Pferd, das im Schritt nach rechts geht, der re. Vorderhuf ist erhoben; der Reiter hält in der li. Hand die Zügel, die re. Hand erhoben; abgekürzte Magistratsnamen befinden sich im Feld oben und unter dem Pferdebauch Rückseite: ΤΑΡΑΣ / ΑΡ[ΙΣ]. Nackter männlicher Delfinreiter nach links, die re. Hand hält er vorgestreckt, mit der li. stützt er sich auf dem Rücken des Delfins ab; links und rechts im Feld je ein vielstrahliger Stern

Wie auf Kat. 74 werden auf dieser Münze aus Tarent „Reiter auf einem Pferd / Delfinreiter“ kombiniert. Erheblich stärker geht es hier um das Pferd und erst auf

Katalog

den zweiten Blick um den Reiter, der deutlich kleiner abgebildet ist. Das Pferd wird in einer ruhigen Schrittbewegung gezeigt, der rechte Vorderfuß ist angehoben: Es paradiert. KaM

Kat. 40

Sprung mit losen Zügeln

Münze, Buntmetall, Münzstätte auf Sizilien (Italien) geprägt ca. 365 v. Chr. Dm 22 mm, 9,20 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 3860 Literatur: CNS I 249 f. Nr. 1 (ca. 365 v. Chr.); SNG ANS Part 3 Nr. 1169; SNG Morcom Nr. 881

Vorderseite: Greif springt nach links Rückseite: [K]AINON (im Abschnitt). Pferd mit losen Zügeln springt nach links

Wer diese Münze ausgegeben hat (und wo genau und für wen), ist in der Forschung umstritten, denn es ist kein eindeutiger Münzherr genannt; das KAINON unter dem Pferd bezeichnet keine bekannte Stadt oder Bürgerschaft und kann unterschiedlich gedeutet werden. Möglicherweise handelt es sich um Geld von Söldnern oder für Söldner aus Thrakien, die auf Sizilien im 4. Jh. eingesetzt werden. Die Pferdedarstellung scheint ein Element der Dressur (Courbette) mit freiem Bewegungsdrang zu kombinieren. Denn die lose nach hinten flatternden Zügel machen deutlich, dass das Pferd zwar aufgezäumt ist, sich aber ohne Reiter frei bewegt. KaM

Kat. 41

Die Quadriga als (siegreicher) Rennwagen ist in Syrakus ein seit Jahrhunderten gängiges Münzbild. Es weist auf sportliche Aktivitäten und Erfolge der Aristokratie hin. Hier wird ein anderes Vierergespann gezeigt: ein Wagen, der in ruhigem Schritt gezogen wird. Hier wird kein Sieg gefeiert, sondern ein Kultbild in einer feierlichen Prozession durch die Straßen gezogen (s. auch in Ephesos, Kat. 59). Die aufrechte Haltung der Pferde, die im Paradeschritt das jeweils linke Vorderbein anheben, betont den feierlichen Charakter des Zuges. KaM

Kat. 42

Die Göttin Nike bekränzt siegreichen Wagenfahrer

Tetradrachme, Silber, Münzstätte: Thermai Himeraiai (Sizilien, Italien) geprägt im 4. Jh. v. Chr. unter den Sikulo-Puniern (also Karthagern, die auf Sizilien siedeln) Dm 26,4 mm, 16,52 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 421 Literatur: unpubliziert, vgl. Jenkins 1978, 72 Nr. 4 mit Taf. 22,4

Paradeschritt bei der Prozession

Münze, Buntmetall, Münzstätte: Syrakus (Italien) geprägt ab 212 n. Chr. Dm 26 mm, 11,91 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 3987 Literatur: CNS 428 f. Nr. 230 (214–212 v. Chr.); SNG Morcom Nr. 835 (nach 212 v. Chr., unter römischer Herrschaft) Vorderseite: Kopf des Zeus nach rechts, mit Lorbeerkranz Rückseite: L [ΣΥΡΑΚΟ]//ΣΙΩΝ. Kultbild (simulacrum) steht in einer Quadriga, die Pferde gehen in ruhigem Schritt nach rechts

Vorderseite: Viergespann (quadriga) im ‚fliegenden‘ Galopp nach links; oben im Bildfeld fliegt Nike nach rechts und bekränzt den siegreichen Wagenlenker; im Abschnitt ein Altar Rückseite: Kopf einer Quellnymphe nach links, bekränzt mit Schilf im Haar; gerahmt von vier Delfinen; hinter dem Kopf oben rechts ein Schiffsbug (prora)

Vorbild für diese Münze sind die berühmten Prägungen aus Syrakus mit dem Münztyp „Quadriga / Arethusa“ (s. Kat. 43). Diese ‚Kopie‘ wird von Sikulo-Puniern, also Karthagern, die auf Sizilien siedeln, vermutlich in Thermai Himeraiai an der Nordküste Siziliens ausgegeben. Sie übernehmen nicht allein das Motiv der Quadriga, sondern auch die konkrete

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Katalog

Ausführung, bei der die Pferde in ‚fliegendem‘ Galopp gezeigt werden und ihre Bewegung dabei der Courbette entspricht. KaM

Kat. 43

Eine vierfache Courbette

Tetradrachme, Silber, Münzstätte: Syrakus (Italien) geprägt ca. 413–399 v. Chr. Dm 25 mm, 17,30 g Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett, Objektnr. 18211916 Literatur: Tudeer 1913, Nr. 73 b

Vorderseite: Viergespann (quadriga) im ‚fliegenden‘ Galopp nach links, unter den Pferdehinterhufen ein zerbrochenes Wagenrad. Oben im Bildfeld fliegt Nike nach rechts und bekränzt den siegreichen Wagenlenker (außerhalb des Schrötlings). Unter der Bodenlinie im Abschnitt eine Ähre Rückseite: ΣYPΑ[ΚΟΣΙOΝ]. Kopf der Quellnymphe Arethusa nach links mit Halsband und Ohrschmuck; die Haare sind hochgesteckt und werden von Stirnreif (ampyx) und Haartuch (sphendone) gehalten, gerahmt wird das Bild von vier Delfinen

Das siegreiche Wagengespann ist auf dieser Münze nur teilweise zu erkennen, denn der Schrötling ist etwas zu klein, zumindest für den Vorderseiten-Stempel, so dass der Wagenlenker abgeschnitten ist. Die Syrakusaner verwenden die Motivkombination „Quadriga / Arethusa“ über lange Zeit und variieren sowohl das Bild der Quellnymphe als auch die Gangart der Pferde bzw. nutzen bis heute gängige Dressurfiguren. Hier kombinieren sie ‚fliegende‘ Pferde, die mit allen Hufen den Boden verlassen haben, mit einer Courbette, einem aus dem Galopp entwickelten Sprung, der die Tiere (und damit auch den Wagen) eigentlich gar nicht voranbringt. KaM

Kat. 44

Gespannpferde

Büchse (sog. Pferdepyxis), Ton, attisch-geometrisch spätgeomertrisch I a, Filla-Werkstatt, ca. 775–750 v. Chr. H mit Deckel einschließlich der Pferde 18,5 cm; Dm 21,0 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 829 Literatur: Rohde 1955, 94–102 Abb. 1–4; Stupperich 1990, 23–25 Kat. 13 Taf. 4,1. 4–5

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Auf dem Deckel sind zentral zwei rundplastische geometrische Pferdefiguren nebeneinander angebracht. Die handlichen Pferdekörper könnten als Griff gedient haben. Sie sind bis auf die plastisch ausgearbeiteten Augen mit Glanzton bemalt. Durch kurze Striche sind zudem Mähne und Schweif gekennzeichnet. Auch lassen sich Angaben von einem Geschirr an der Brust und um den Körper herum sowie von Trensen an den Mäulern erkennen. Obwohl ein Wagen fehlt, kann man davon ausgehen, dass hier Gespann-Pferde gemeint sind. Diese Pyxiden sind Bestandteil von Grabbeigaben für weibliche Verstorbene. Es ist wohl die Zugehörigkeit zur oberen Gesellschaftsschicht ausschlaggebend für die Wahl der Gespannpferde, da lediglich die Vermögenden sich Pferde leisten können. Die Familie macht durch dieses Statussymbol deutlich, dass die Bestattete zur Führungsschicht der Adeligen gehört. LaS

Kat. 45

Pferd

Salbölgefäß (aryballos), Ton, korinthisch-schwarzfigurig spätkorinthisch I, Pony-Maler, 570–550 v. Chr. H 5,9 cm, Dm 5,9 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 582 Literatur: unpubliziert, zum Motiv: vgl. Dehl- von Kaenel 1995, 66 Kat. 104 Taf. 72; Delos X Taf. 24,272; Pelagatti 1955–56, 17 Abb. 10 obere Reihe, Mitte; CVA Cambridge 1 Taf. 5,8; CVA Heidelberg 1 Taf. 12,13; zur Werkstatt Amyx 1991, 248 (Pegasus-Maler); Neeft 1991, 74 (PonyMaler)

Der Aryballos ist auf der Mündungsplatte mit drei konzentrischen Kreisen und auf seiner Außenseite mit einer breiten umlaufenden Linie verziert. Vom Hals zur Schulter sind radiale Zungenmuster aufgemalt. Die figürlich verzierte Vorderseite ist von je

Katalog

Kat. 47

Pferd und Reiter

Statuette, Ton, aus Böotien ca. 600–550 v. Chr. H 13 cm, L 11,1 cm Archäologisches Museum der WWU, Inv. 878 Lit. unpubliziert, vgl. Hamdorf 2014, 50 Kat. C 67 mit Abb. und weiteren Vergleichen; Schertz – Stribling 2017, 85 Kat. 7 mit Farbabb.

zwei waagerechten umlaufenden Linien gerahmt. Wiedergegeben ist ein nach links springendes gezäumtes Pferd. Bräunlich-schwarzer Glanzton ist für den größten Teil der Darstellung verwendet. Zusätzliche rote Farbe ist auf einigen anderen Partien (im Bereich des Kopfes, Halses und Rumpfs) aufgetragen. Einige Rosetten und Punkte sind in die Fläche eingestreut. Auf der Unterseite ist eine zentrale Kreisfläche von drei Kreisen begleitet aufgemalt. HeN

Kat. 46

Pferd

Salbölgefäß (aryballos), Ton, korinthisch-schwarzfigurig spätkorinthisch I, Pony-Maler, 570–550 v. Chr. H 5,9 cm, Dm 6,1 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 884 Literatur: unpubliziert. Zu Vergleichen siehe zuvor besprochenes Exemplar.

Das Pferd hat einen kräftigen zylindrischen Rumpf mit leicht schräg gestellten Läufen. Der massige Hals ist im Bereich der Mähne stark aufgebogen und geht unmerklich in einen kurzen Kopf mit Stirnhaar und Ohren über. Der Schwanz ist abgebrochen. Der Reiter ist in der Mitte des Rumpfes als Halbfigur anmodelliert. Er hat vorgestreckte Armstümpfe sowie einen ‚vogelgesichtigen‘ Kopf mit großer Nase. Leider sind sämtliche Farbgebungen verloren. In Böotien – nördlich von Athen/Attika gelegen und als Agrarland geltend – sind in der ersten Hälfte des 6. Jh. v. Chr. zahlreiche Terrakotten produziert worden, unter denen auch derartige Pferde mit Reiter häufig vorkommen. HeN

Kat. 48

Der Aryballos unterscheidet sich hinsichtlich der Bemalung nur marginal von dem zuvor besprochenen Exemplar. HeN

Pferd und Reiter

Statuette, Ton, aus Böotien ca. 575–550 v. Chr. H 10,3 cm, L 12,07 cm Archäologisches Museum der WWU, Inv. MW 108 Lit. unpubliziert, vgl. Hamdorf 2014, 49 Kat. C 65 mit Abb. und weiteren Vergleichen; Hornbostl u. a. 1977, 119 Kat. 90 mit Abb. und weiteren Vergleichen (W. Hornbostl)

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Katalog

Das Pferd hat einen kräftigen zylindrischen Rumpf mit schräg gestellten Läufen. Der schlanke Hals ist im Bereich der Mähne aufgebogen und geht unmerklich in einen kurzen Kopf mit Stirnhaar über. Der kräftige Schwanz ist nach einem Viertel seiner Länge abgebrochen. Der Reiter ist direkt hinter dem Hals als Halbfigur anmodelliert. Er hat vorgestreckte Arme, mit denen er in die Mähne / an den Hals fasst. An den kugeligen Kopf ist eine Nase unterhalb einer Kerbe angefügt. Das Pferd und der Reiter sind mit einer rotbraunen Strichdekoration überzogen. HeN

Kat. 49

Hochzeitszug

Mischgefäß (Kolonettenkrater), Ton, attisch-schwarzfigurig um 500 v. Chr. H 39,6 cm; Dm (Mündung mit Henkeln) 37,1 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 894 Literatur: Korzus 1984, 95–97 Kat. 29 mit Abb. (G. Gudrian – E. Peiffer); zur Hochzeitsausfahrt auf attischschwarzfigurigen Gefäßen s. Jurriaans-Helle 2021, 93–131

Auf der Oberseite der Kratermündung befinden sich Löwen und Hirsche. Auf beiden Seiten des Kraters ist jeweils Raum für eine Bildfläche ausgespart: eine mit einem Boxkampf und eine mit einem Hochzeitszug. Vier Pferde, deren Mähnen noch rote Farbreste aufweisen, ziehen einen Wagen nach rechts. Dieser besteht aus einem vierspeichigen Rad, hochgezogener Brüstung und einem geschweiften Seitengeländer. Ein Mann hält die Zügel des Gespanns und neben ihm steht eine verschleierte Frau, die dadurch als Braut hervorgehoben wird. Hinter dem Gespann befinden sich noch eine männliche Gestalt im Mantel mit einem Musikinstrument (kithara) sowie eine Frau. Die Szene wird rechts von einer Frau in Leibgewand (chiton) und Mantel (himation) begrenzt. Weil es zahlreiche Darstellungen eines göttlichen Hochzeitszuges mit beigeschriebenen Namen – am bekanntesten ist der Zug anlässlich der Hochzeit von Peleus und Thetis – in der Vasenmalerei gibt, kann dieses Bild als Hochzeitszug in Athen aufgefasst werden, der die Fahrt der frisch vermählten Frau in ihr neues Heim thematisiert. AmS

Kat. 50

Frontal dargestelltes Pferdegespann

Trinkbecher (flacher skyphos), Ton, attisch-schwarzfigurig ca. 500–475 v. Chr., Art des Haimon-Malers H 5,2 cm, max. Dm (m. Henkeln) 18,5 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 304 Literatur: unpubliziert, vgl. zum Thema Viergespann (allerdings in einer Prozession) auf derartigen Gefäßen Bensch u. a. 2015, 115 f. Kat. 53 (M. Bensch); CVA Mainz RGZM 1, Taf. 35,1–3; CVA Moskau, Puschkin Museum 1, Taf. 52,5.

Das Trinkgefäß ist im Innern mit Glanzton bedeckt, der wulstförmige Standring, ein breites Band unterhalb der Lippe sowie die Henkelsaußenseiten ebenfalls. Die Unterseite des Bechers ist tongrundig belassen; lediglich um einen zentralen Glanztonpunkt sind zwei konzentrische Kreise gezogen sowie in größerem Abstand ein dritter. Die beiden Bildfelder zeigen gerahmt von zwei stehenden Palmetten ein frontal wiedergegebenes Viergespann auf einer Standlinie. Die äußeren Pferde schauen nach außen und die inneren nach innen, so

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Katalog

dass kein Wagenlenker auszumachen ist. Sehr flüchtig, aber dennoch präzise sind durch Ritzlinien Außenkonturen sowie die Mähne, das Zaumzeug und der Brustgurt angegeben. Mähne und Brustgurt sind zudem mit roter Farbe betont. Da dem Bild keinerlei Angaben über den Wagenlenker entnommen werden können, entzieht sich die Bedeutung dieses Viergespannes unserer Erkenntnis. HeN

Kat. 51

Festumzug mit Viergespann

Trinkgefäß (skyphos), Ton, attisch-schwarzfigurig um 490/480 v. Chr., Art des Haimon-Malers H 6,4 cm; Dm Fuß 9,1 cm; max. Dm/Mündung 13,2 cm Privatbesitz, Inv. J 20 Literatur: Bensch u. a. 2015, 115–116 Kat. 53 (M. Bensch)

Dieses Trinkgefäß kann als Erzeugnis einer Massenanfertigung angesehen werden. Zwischen zwei stehenden Palmetten ist eine Szene mit nach rechts gerichtetem Viergespann wiedergegeben. Eine in einen Mantel gehüllte Frau besteigt den Wagenkasten, vor dem eine ebenso gewandete Frau nach rechts steht. Sie hält eine Leier (lyra). Den beiden entgegengerichtet ist eine wohl männliche Figur, die hinter den Pferden nach links schreitet. Zur Interpretation dieses Bildes s. folgende Kat. 52. MaR

Kat. 52

Prozession mit Pferdegespann

Schale, Ton, attisch-schwarzfigurig ca. 500–475 v. Chr., Art des Haimon-Malers H 6,1 cm, max. Dm (M. Henkeln) 23 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 303 Literatur: unpubliziert, vgl. CVA Frankfurt Taf. 28,1–3

Die Schale ist im Innern mit Glanzton bedeckt, nur das zentrale Medaillon mit Bild eines stehenden Satyrn im Silhouettestil mit geritzten Brustmuskeln ist freigelassen; es ist von drei konzentrischen Kreisen umgeben.

Die Schalenunterseite und der Fuß sind bis auf die Außenseite der Standplatte mit Glanzton bedeckt, ebenso wie die Außenseiten der Henkel. Die beiden Bildfelder sind oben und unten von umlaufenden Linien gerahmt und zeigen einen feierlichen Aufzug. Im Zentrum steht ein Viergespann, hinter dessen nur geritzt angegebenen Wagenkasten sich zwei Frauen befinden, von denen die vordere ein Saiteninstrument (kithara oder lyra) hält. Eine weitere Frau (?) steht hinter den Pferden, hat allerdings einen sehr ungewöhnlichen breitrechteckigen Kopf. Gerahmt wird die Szene links von einem Satyrn und rechts von einem Mann, der sich wohl gerade seinen Mantel (himation) anzieht; er trägt Stiefel, deren Laschen nach vorn im Bogen herabhängen. Die andere Seite zeigt das gleiche Figurenensemble, das allerdings noch weniger präzise ausgeführt ist. Der Mann rechts hat nun den Mantel über beide Schultern gelegt; er blickt sich zum Gespann um. Von den Henkeln aus füllen Weinranken den Bildhintergrund. Festumzüge mit Musizierenden werden gern im Zusammenhang mit Hochzeiten dargestellt. Der schönste Tag der Frau wird vornehm beendet, indem die Braut im Viergespann nun zum Haus des Bräutigams gebracht wird. In dieses Umfeld kann dieses Bild nicht gehören, da kein Bräutigam auszumachen ist. Außerdem wäre ein Satyr hier auch fehl am Platze. Da aber auch der Weingott Dionysos nicht im Bild vertreten ist, kann dieses Prozessionsbild nicht eindeutig interpretiert werden. Eine Hypothese mag geäußert werden: Anlässlich der Festivität der thesmoriaphoria waren nur Frauen zugelassen. Da anlässlich dieser Feiern auch Umzüge veranstaltet werden, ist es allzu verlockend, unsere Schalenbilder als Widerspiegelung derartiger Kultumzüge anlässlich der thesmoriaphoria aufzufassen. HeN

Kat. 53

Viergespann mit vier Frauen

Salbölgefäß (lekythos), Ton, attisch-schwarzfigurig 1. Hälfte 5. Jh. v. Chr. H 13,2 cm, max. Dm 4,1 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 306 Literatur: Bensch u. a. 2012, 128 f. Nr. 9 Taf. 32,9 a. b (J. Wonne)

Auf diesem Salbölgefäß (lekythos) ist ein Gespann mit vier Pferden gemeinsam mit vier Frauen zu sehen. Während diejenige im Wagen die Zügel hält, stehen sich zwei andere im Bildhintergrund hinter den Pferden gegenüber. Die rechts wiedergegebene Frau hält ein Saiteninstrument (lyra). Die Szene wird rechts abgeschlossen von einer

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Katalog

auf einem Hocker sitzenden Frau, die nach links ausgerichtet ist. Uneindeutig bleibt die Interpretation dieser Szene, da keine der abgebildeten Frauen klar einer mythischen Person zugeordnet werden kann. Möglicherweise besteht ein Zusammenhang mit einer Prozession zu einem Heiligtum (s. Kat. 52). SaE

Kat. 54

Reiten und Absteigen vom Pferd

Stater, Silber, Münzstätte: Kelenderis (Türkei) geprägt ca. 440–400 v. Chr. Dm 21 mm, 10,66 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 6391 Literatur: unpubliziert, vgl. BMC Cilicia Nr. 22; Babelon 1910, Nr. 1475; Kraay 1962, 6 Nr. 24–25 var. (Serie IV, aber dort ohne Monogramm).

Vorderseite: jugendlicher nackter Reiter nach rechts lässt sich seitlich von seinem Pferd herabgleiten, die li. Hand am Zügel, in der re. Hand eine Peitsche Rückseite: [Κ]ΕΛΕΝ. Ziegenbock kniet nach rechts und wendet Kopf zurück nach links, auf einer gepunkteten Linie, oben im Feld ein Monogramm aus A in O

Die Bürger der kilikischen Stadt Kelenderis prägen extrem seltene Münzen der Antike, auf denen ein praktisch-technisches Detail deutlich wird: Sie zeigen einen Reiter, der von seinem Pferd absteigt. Bei den antiken Griechen ist es üblich, ohne Sattel und somit auch ohne Steigbügel zu reiten. Der Reiter muss sich demzufolge, wie auf der Münzvorderseite abgebildet, seitlich vom Rücken des Pferdes herabgleiten lassen. Das Pferdemotiv ist darüber hinaus ein Wortspiel auf den Namen der Stadt, denn gr. kelés bedeutet Rennpferd. Das eigentliche Wappentier der Stadt, ein Ziegenbock, ist auf der Rückseite zu sehen. JeS

Kat. 55

Ganz ähnlich wie in Kelenderis (Kat. 54), aber am anderen Ende des Mittelmeers geprägt, zeigen auch Münzen aus Motya, einer kleinen, Sizilien vorgelagerten Insel, einen vom Pferd absteigenden Reiter. Auch er lässt sich von einem bewegt springenden Pferd herabgleiten. Die Stadt Motya nimmt mit ihren Münzbildern oft Bezug auf regionale sizilische Motive beziehungsweise übernimmt Bilder anderer Städte: hier auf der Rückseite beispielsweise den aus Syrakus bekannten Nymphenkopf. Ein ‚abspringender Reiter‘ ist in Sizilien sonst von Himera bekannt. Da das Pferd nicht stillsteht, sondern in Bewegung ist, ist vermutlich kein alltäglicher Vorgang gemeint, sondern man mag eher an eine sportlich akrobatische Vorführung denken – ähnlich dem Voltigieren heute. Wettkämpfe, bei denen junge Männer zwischen galoppierenden Pferden hinund herwechseln, von Pferden oder Pferdewagen aufund absteigen, sind uns aus der Antike bekannt. KaM

Kat. 56

Der ‚Makedonische Reiter‘ bei den Kelten

Tetradrachme, Silber, Münzstätte in Noricum (Österreich) geprägt ca. 150–50 v. Chr. Dm 23,7 mm, 12,33 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 175 Literatur: Dembski 1998, 112 Nr. 1391; Dorotheum 2, 1956, 46 Nr. 3116 Taf. 19

Wie beim Voltigieren

Didrachme, Silber, Münzstätte: Motya (Sizilen, Italien) geprägt ca. 425–410 v. Chr. Dm 22,9 mm, 8,13 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 6242 Literatur: unpubliziert; vgl. Jenkins 1971, 34 Nr. 6–7 var. (unser Stück O2 / R4).

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Vorderseite: Pferd springt nach links, darauf ein Reiter, der sich seitlich vom Pferd herabgleiten lässt Rückseite: weiblicher Kopf einer Nymphe nach rechts, die Haare hochgesteckt, gerahmt von Delfinen

Vorderseite: stilisierter männlicher Kopf nach rechts, mit einem dreireihigen Perlband im Haar und Halsschmuck Rückseite: Pferd galoppiert nach links, darauf ein stilisierter Reiter in Form eines Kopfes mit Helm und eines abstrahierten Oberkörpers mit flatterndem Mantel, im Abschnitt ein Δ

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Im 3.–1. Jh. v. Chr. stehen die keltischen Stämme in regem Kontakt mit dem griechisch-römischen Kulturraum. Die Kelten werden dabei vor allem als Händler, Söldner oder militärische Gegner angesehen. Im Laufe der Zeit beginnen die einzelnen Fürsten eigene Münzen zu prägen, die sich in der Motivik oftmals stark an Prägungen der Makedonenkönige Philipp II. (reg. 359–336 v. Chr.) und Alexander der Große (reg. 336– 323 v. Chr.) orientieren (s. Kat. 195–197). Der sogenannte Makedonische Reiter auf der Rückseite wird dabei teilweise stark abstrahiert und wie bei diesem Exemplar auf einen Oberkörper mit behelmtem Kopf reduziert. Um wen es sich bei der Darstellung auf der Münzvorderseite handelt, ist nicht abschließend geklärt. JeS

Kat. 57

gespanne sind die gängigen Paradewagen der römischen Kaiserzeit (1.–3. Jh. n. Chr.). JeS

Kat. 58

Heros Androklos bei der Keilerjagd zu Pferde

Münze, Buntmetall, Münzstätte: Ephesos (Türkei) geprägt unter Septimius Severus (reg. 193–211 n. Chr.) Dm 35 mm, 20,62 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 1095 Literatur: unpubliziert

Das Viergespann als Paradewagen

Sesterz, Buntmetall, Münzstätte: Rom (Italien) geprägt 72 n. Chr. unter Kaiser Vespasian (reg. 69–79 n. Chr.) Dm 34,1 mm, 24,59 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 2062 Literatur: Dorotheum 1, 1955, Nr. 428; Regling 1929, 111; RIC II,12 90 (Vespasian) Nr. 462

Vorderseite: T CAESAR VESPASIAN IMP PON TR POT COS II. Kopf des Titus nach rechts mit Lorbeerkranz Rückseite: S C. Titus auf einem von vier Pferden nach rechts gezogenen einachsigen Wagen (quadriga), er hält einen Zweig und ein Zepter in der Hand

Auf diesem Sesterz des Vespasian (reg. 69–79 n. Chr.) ist auf der Rückseite sein Sohn Titus (reg. 79–81 n. Chr.) dargestellt. Diese Bronzemünze wird während des zweiten Konsulats des Titus 72 n. Chr. herausgegeben, nachdem dieser zwei Jahre zuvor mit seinem Vater den Jüdischen Aufstand (66–70 n. Chr.) in Judäa unterdrückte. Der Zweig in seiner Hand symbolisiert den dadurch entstandenen Frieden, wohingegen das Zepter auf seine Nachfolge Vespasians und somit die Fortsetzung der flavischen Dynastie verweist. Die Darstellung des Titus in einer quadriga geht auf den Triumphzug zurück, den er zusammen mit Vespasian 71 n. Chr. in Rom abhält. Von Pferden gezogene Vier-

Vorderseite: Λ CΕΠ CΕ[ ]. Drapierte Panzerbüste des Septimius Severus nach rechts, lorbeerbekränzt Rückseite: ΕΦΕ-CΙΩΝ Β – NEΩ-[ΚΟΡΩN]. Der Heros Androklos in Panzer und mit wehendem Mantel reitet nach rechts, hält in der erhobenen rechten Hand eine Lanze, unter dem Pferd läuft ein Keiler nach rechts

Anders als im Mythos der Kalydonischen Eberjagd werden Wildschweine ebenfalls vom Pferd aus bejagt. Dies dient vor allem dem Schutze der Siedlungen und insbesondere ihrer landwirtschaftlichen Flächen. Häufig werden Aristokraten und mythische Helden bei dieser Tätigkeit dargestellt. So auch bei dieser Prägung aus Ephesos, welche den Heros Androklos bei der Erlegung eines Keilers zeigt. Der Legende nach ist er Anführer eines Kolonistenzuges aus Athen, der die Westküste Kleinasiens besiedeln soll. Auf der Suche nach einem geeigneten Siedlungsplatz trifft dieser auf ein Wildschwein, welches er um den Hügel Panayırdağ hetzt, bevor er es erlegen kann und dort die Stadt gründet. JeS

Kat. 59

Ein Kultwagen in Ephesos

Münze, Buntmetall, Münzstätte: Ephesos (Türkei) geprägt 217–218 n. Chr. unter Kaiser Macrinus (reg. 217– 218 n. Chr.) Dm 30 mm, 14,16 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 1106 Literatur: unpubliziert, vgl. Karwiese 2012, 135 Nr. 605

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Katalog

Vorderseite: ΑΥΤ Κ Μ ΟΠΕΛ CΕΟΥΗ ΜΑΚΡΕΙΝΟC CΕΒ. Drapierte Panzerbüste des Macrinus nach rechts, lorbeerbekränzt Rückseite: ΠΡΩΤΩΝ ACIAC // ΕΦΕCΙΩΝ. Wagen wird von zwei Pferden nach rechts gezogen

In der kaiserzeitlichen Münzprägung der Ephesier ist eines der seit der Mitte des 2. Jh. n. Chr. regelmäßig verwendeten Motive ein zweiachsiger Wagen mit einem baldachinartigen Aufbau und vereinzelt auch einem Kutscher. Das Gefährt wird von zwei oder vier Pferden oder Maultieren nach rechts gezogen, mal im ruhigen Schritt, mal bewegt. Dieser Wagen wird in religiösen Umzügen der Stadt verwendet, wobei der genaue liturgische Kontext nicht bekannt ist. JeS

Kat. 60

Als schnelle und wendige Reittiere waren Pferde nicht nur für Fortbewegung im Allgemeinen beliebt, sondern wurden bereits in der Antike gern für die Jagd eingesetzt. Beispielsweise zeigt diese Münze aus Tarsos den gepanzerten römischen Kaiser Philippus Arabs (reg. 244–249 n. Chr.) bei der Löwenjagd zu Ross. Die Jagd auf Löwen ist seit den assyrischen Königen um 3000 v. Chr. ein den Herrschern vorbehaltener Zeitvertreib, bei welchem diese ihren Mut und ihr Können unter Beweis stellen und ihr Volk vor Bedrohungen durch wilde Tiere schützen können. Bis in die römische Kaiserzeit wird dieses Motiv in der Herrscherrepräsentation genutzt. JeS

Kat. 61

Der Herrscher als reitender Löwentöter

Kontorniat, Buntmetall, Münzstätte: Rom? (Italien) geprägt ca. 356–395 n. Chr. Dm 37,9 mm, 25,05 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 2651 Literatur: Alföldi – Alföldi 1976, 7 Nr. 23, 8 Taf. 7,11; Dorotheum 2, 1956, 22 Nr. 2612 Taf. 6; Wegener 2005, 38 f. Taf. 10,1–2

Der Kaiser Philippus Arabs bei der Löwenjagd

Münze, Buntmetall, Münzstätte: Tarsos (Türkei) geprägt unter Kaiser Philippus Arabs (reg. 244–249 n. Chr.) Dm 36 mm, 22,84 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 1337 Literatur: RPC VIII (online) ID 3382 (unassigned); SNG Levante Nr. 1154 Vorderseite: ALEXXAN-DER MAG. Büste Alexanders des Großen nach rechts mit Löwenskalp, die Tatzen sind vor der Brust verknotet Rückseite: Kaiser reitet auf einem nach rechts springendem Pferd, darunter liegt ein erlegter Löwe

Vorderseite: ΑVΤ ΚΑΙ ΙΟV ΦΙΛΙΠΠΟΝ EVΤ EV E / Π – Π. Drapierte Panzerbüste des Philippus Arabs nach rechts mit Strahlenkrone Rückseite: ΤΑΡΟV TH-C ΜΗΤΡΟΠ-Ο-ΛE-Ω / Α Μ Κ Γ Β. Philippus Arabs galoppiert auf einem Pferd nach rechts, in der erhobenen rechten Hand eine Lanze, unter ihm flüchtet ein Löwe, der den Kopf zurückwendet, nach rechts

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Dieser spätantike Kontorniat trägt auf der Vorderseite die Büste Alexanders des Großen mit einem Löwenskalp und auf der Rückseite einen Kaiser zu Pferde, der mit wehendem Mantel nach rechts über einen erlegten Löwen hinwegspringt. Wie schon auf der tarsischen Bronzeprägung unter Philippus Arabs (Kat. 60) wird hier erneut das Thema der kaiserlichen Löwenjagd aufgegriffen. Der unbestimmte Herrscher wird als Reiter in das Zentrum des Bildfeldes gerückt, wo er die rechte Hand triumphierend erhebend dynamisch in Szene gesetzt wird. Unter ihm liegt der in sich zusammengesunkene, durch den Kaiser erlegte Löwe, der die Bedrohungen symbolisiert, denen die römische Bevölkerung ausgesetzt ist.

Katalog

Das Motiv der Löwenjagd ist somit als Allegorie auf den Schutz durch einen fähigen Kaiser zu verstehen, nach dem sich die Stadtrömer des 4. Jh. n. Chr. sehnen. Zur Herkunft der Kontorniaten s. Kat. 62. JeS

Kat. 62

Das Viergespann als Rennwagen

Kontorniat, Buntmetall, Prägestätte: Rom? (Italien) geprägt ca. 395–410 n. Chr. Dm 36 mm, 20,6 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 2650 Literatur: Alföldi – Alföldi 1976, 43 Nr. 150,4 Taf. 50,11; Dorotheum 2, 1956, 23 Nr. 2625 Taf. 7; Wegener 2005, 38 Taf. 9,3–4

Kat. 63

Pferdekopf

Lampe; Ton; aus El Djem, Tunesien Typ Atalante XI A; Hayes IIA (mit geflügelter Schnauze); ca. 450–500 n. Chr. L 12,4 cm, Dm 7,8 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. Wi 2022–3 Literatur: unpubliziert, vgl. gleiche Form: Bussière – Lindros Wohl 2017, Kat. 503, zur Schulterdekoration vgl. Bussière – Rivel 2012, 250 f. Kat. 299 mit Abb.

Vorderseite: [NERO CLAV][D CAESAR AVG GER P M] TR P IMP P P. Kopf des Nero nach rechts mit Lorbeerkranz Rückseite: OLYM-PIN-IKA. Männliche Figur (Kaiser) steht nach rechts in einem Viergespann (quadriga), in der erhobenen rechten Hand hält er einen Gegenstand (einen Krummstab oder eine Peitsche)

Spätantike Kontorniaten werden trotz ihrer Ähnlichkeit zu Münzen nicht als Zahlungsmittel verwendet und zählen somit zu den sogenannten Pseudomoneta. Der aufgehämmerte Rand (ital. contorno) verleiht ihnen ihren Namen. In der Regel handelt es sich bei diesen Stücken um private Prägungen, deren Zweck bis heute nicht abschließend geklärt ist. Als Verwendungsmöglichkeiten werden unter anderem Geschenke zum Neujahrsfest, Los- oder Spielmarken oder heidnische Propagandamittel diskutiert. Sie zeigen häufig Motive, welche die Nostalgie nichtchristlicher (paganer) Stadtrömer im 4. und 5. Jh. n. Chr. beflügelten. So auch auf diesem Stück, welches auf der Vorderseite den Kopf des Nero zeigt. Auf der Rückseite ist ein Wagenlenker mit einer Peitsche in einem Viergespann (quadriga) zu sehen. Die quadriga ist der typische Rennwagen der Antike, weswegen das Motiv als Szene eines Pferderennens zu verstehen ist: Gefeiert wird der Kaiser als Olympionike. Aus Sicht der spätrömischen paganen Stadtbevölkerung gilt Nero als ehrenwerter Kaiser, der sich vor allem durch die Austragung derartiger Wettrennen und anderer Spektakel beim Volk beliebt macht. JeS

Selbst im Alltag gebräuchliche Gegenstände wie Öllampen können die Schönheit von Pferden preisen: Der im Relief im Dreiviertelprofil angegebene Pferdekopf überzeugt durch seine Detailfreude und gute Plastizität. Die Schulterdekoration besteht aus alternierenden Tressenwinkeln. HeN

Kat. 64

Zweigespanne im kriegerischen Zusammenhang

Vorratsgefäß (amphora), Ton, attisch-geometrisch spätgeometrisch, 730–720 v. Chr. max. Höhe 46,7 cm Archäologisches Museum der WWU, Inv. 272 Literatur: Stähler 1980, 9 f. Kat. 1; 57 Abb. 1 (nur zum Halsbild); Wegner 1969, 172–180 Taf. 29,1–2

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Katalog

Der Umriss des schlanken Gefäßkörpers besteht aus einer fließenden Linie ohne ausladende Schultern. Nur der Hals setzt sich in einem stumpfen Winkel ab. Von der Schulter steigen zwei Henkel auf, die am oberen Hals angesetzt sind. An der Lippe der Amphore weist die plastisch aufgelegte Schlange auf ihre Verwendung im Totenkult hin. Die figürliche Gestaltung wird gerahmt von ornamentalen Streifen. Auf dem Hals zeigen zwei rechteckige Bildfelder je sieben schreitende Menschen. Der am Bauch der Amphore umlaufende Bildfries ist mit fünf Streitwagen mit je einem Wagenlenker und zwei angespannten Pferden sowie einem laufenden, voll gerüsteten Krieger dekoriert. Die in gestaffelter Formation dargestellten Tiere haben je einen langen Rumpf, schmalen Hals und kleinen Kopf, die lange Mähne steht aufrecht. ChS

Kat. 65

Fußsoldat und Kavalleristen

Miniaturvorratsgefäß (amphoriskos), Ton, korinthischschwarzfigurig mittelkorinthisch, ca. 580–570 v. Chr. H 9,0 cm, max. Dm 6,9 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 51 Literatur: unpubliziert, vgl. zu extrem seltenen Amphoriskoi mit Darstellungen von Menschen CVA Norwegen 1, III C Taf. 4, 13; Seeberg 1965, 103 Taf. 24; zur Darstellung des weit ausgreifend Laufenden Seeberg 1965, 103 Taf. 23 b

Das mit mehreren unbeabsichtigt beigefügten Dellen versehene Duftölgefäß ist auf dem Körper mit einem Figurenfries verziert, der ober- und unterhalb von umlaufenden Linien gerahmt ist. Auf der Schulter sind radial Striche aufgemalt. Der Fuß sowie die nach einer kleinen Lücke oberhalb anschließende umlaufende Linie sind ebenfalls mit Glanzton aufgetragen. Auf der Vorderseite ist ein in ein kurzes Gewand gekleideter Krieger im Ausfallschritt nach rechts wiedergegeben; er hält mit beiden vorgestreckten Händen einen wohl als Standarte aufzufassenden Stab. Der Fußsoldat wird von zwei auf ihn zureitenden Kriegern gerahmt; auch sie tragen jeweils eine Lanze. Die Rück-

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seite zieren ein weiterer Reiter mit Lanze, ein Wasservogel mit erhobenem Flügel sowie zwei Füllrosetten. Die Ritzungen betonen sehr gekonnt wesentliche Körperteile der Tiere wie der Menschen; besonders die Pferde sind durch Ritzlinien reich geschmückt, vor allem die Pferdeköpfe, bei denen Mähne, Ohren, Augen und Zaumzeug angegeben sind. Obschon ein Wasservogel abgebildet ist, haben wir es bei diesem für derartige kleine korinthische Gefäße ungewöhnlich mit menschlichen Figuren gefüllten Fries nicht mit einer Jagdszene zu tun. Der Vogel ist eher als Überbleibsel der sonst für diese Gefäße gewählten Tierfriese anzusehen. Seit der Einführung der Kampfweise mit geschlossenen SchwerbewaffnetenKontingenten (phalanx) sind im 7. und 6. Jh. v. Chr. die Reiter nicht mehr so prominent im kriegerischen Ringen vertreten. Da auch keinerlei Konfliktsituation dargestellt ist, kann man annehmen, dass mit diesem Bild eine militärische Trainingseinheit gemeint sein wird. HeN

Kat. 66

Reiter

Vorratsgefäß (amphora), Ton, korinthisch-schwarzfigurig spätkorinthisch, um 550 v. Chr., Ton H 29,8 cm; Dm 21 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 782 Literatur: Korzus 1984, 90 f. Kat. 25 mit Abb. (K. Stähler); Stähler 1979, 191–193 Nr. 2 Taf. 19,2–3; 20,1–4

Auf dieser Halsamphora sind zwischen zwei Ornamentleisten drei Reiter zu sehen. Ihre Reittiere sind nach rechts gerichtet und im Schritt dargestellt. Die beiden äußeren Tiere sind Rappen, in der Mitte läuft ein Schimmel. Die Mähnen sind jeweils farbig abgesetzt, den Glanz des Felles zeigen bei den Rappen rote Bemalung auf Vorder- und Hinterhand. Das Zaumzeug besteht lediglich aus einem Halfter. Die jugendlichen Reiter tragen rote Gewänder. Sie halten jeweils eine Lanze in der einen und die Zügel in der anderen Hand. Die Reiterkavalkade gehört nicht in einen kriegerischen Zusammenhang, sondern betont durch die Zugabe der Lanzen den hohen sozialen Rang der Jünglinge. KiZ

Katalog

Kat. 67

Pferdestirnschutz

Stirnschutz für ein Pferd, Bronze, aus Kampanien (Italien) 2. Hälfte 6. Jh. v. Chr. Karlsruhe, Badisches Landesmuseum, Inv. F 462 Literatur: Jurgeit – Riederer 1999, 152 f.

Dieser Teil einer Pferderüstung wurde dem Tier auf der Vorderseite des Kopfes aufgelegt, um es zu schützen. Er besteht aus Bronze und ist mit figürlicher Verzierung versehen. Am oberen Teil des Schutzes sind gut die Konturen eines Kopfes zu erkennen, der mit einem korinthischem Helm gerüstet ist. Die beiden deutlich hervortretenden Augenbrauen sind in der Mitte mit einer stark beriebenen achtblättrigen Palmette verziert. Auch unter dem Kinn findet sich eine Palmette, diesmal vierblättrig, die auf zwei Voluten thront, die unterhalb des Helms nach außen führen. Der Nasenrücken scheint gänzlich unverziert zu sein. Erst über den Nüstern des Pferdes ist wieder eine Palmette zu erkennen. Auffällig sind ebenfalls die Löcherpaare, die sich an den Seiten befinden, je zwei oben an den Augen und unten an den Nüstern. Diese waren wohl für Stirnund Nasenriemen vorgesehen. SiP

Kat. 68

Reiter

Wassergefäß (kalpis), Ton, attisch-schwarzfigurig ca. 510/500 v. Chr. H 35 cm; Dm 28 cm; Fuß Dm 13,5 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 863 Literatur: Rohde 1955, 119—121 Nr. 5 Abb. 17–18; Stupperich 1990, 52 f. Kat. 37 Taf. 11,4–5 und Umschlag hinten

Diese schwarzfigurige Kalpis ist bis auf ein trapezförmiges, relativ kleines Bildfeld, welches von einfachen Linien gerahmt ist, auf der Vorderseite in der Mitte der Schulter und ein Mäanderband in Höhe der Henkel vollständig mit Glanzton bedeckt. Abgebildet ist ein großes, schwarzes Pferd mit einem jungen, nackten Reiter nach links. Die Mähne des Pferdes und die Haare des Jünglings sind dunkelrot akzentuiert. Auf vergleichbaren Vasenbildern führt der Reiter auch ein Beipferd mit sich, so dass man sagen kann, dass die Szene wahrscheinlich das Reittraining der jugend-

lichen athenischen Epheben und das Einüben des Herbeiführens eines Ersatzpferdes im Kampf zeigt. Da unser Vasenbild kein Beipferd wiedergibt, kann nicht entschieden werden, in welchem Kontext unser Reiter abgebildet ist: Neben dem Reittraining im militärischen oder sportlichen Zusammenhang könnte auch ein jugendlicher Reiter von hohem sozialem Rang gemeint sein. KiZ

Kat. 69

Viergespann und Gerüsteter

Salbölgefäß (lekythos), Ton, attischschwarzfigurig 490–480 v. Chr. H 15,6 cm, max. Dm 4,6 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 3191 Literatur: Bensch u. a. 2012, 127 Nr. 8 Taf. 31, 8 a–c (T. Schreiber)

Diese lekythos – ein Salbölgefäß – ist mit einer Darstellung eines Wagengespanns mit vier Pferden mitsamt Wagenlenker und einer weiteren Person dekoriert. Zum Bild vgl. die im Anschluss behandelte lekythos (Kat. 70) SaE

Kat. 70

Viergespann und Gerüsteter

Salbölgefäß (lekythos), Ton, attisch-schwarzfigurig 480–470 v. Chr. H 16 cm, max. Dm 5 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 889 Literatur: Bensch u. a. 2012, 115–138 Nr. 7 Taf. 31, 7 a–c (T. Schreiber)

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Katalog

Dieses Salbölgefäß – eine lekythos – zeigt ein Viergespann mitsamt Wagenlenker und sogenanntem Apobaten – einem in diesem Fall mit Schild und Speer bewaffneten sowie gerüsteten Mann, der während der Fahrt vom Wagen herunter- und wieder hinaufspringt. Die Pferde sind im sog. gestreckten Galopp dargestellt, indem nur ihre Hinterläufe den Boden berühren. Mit roter Farbe hervorgehoben sind sowohl ihre Mähnen als auch der Brustgurt. Der Wagenlenker trägt ein langes weißes Gewand und auf den Rücken geschnallt einen Schild. Apobaten-Rennen sind von sportlichen Wettkämpfen anlässlich der Panathenäen – ein Fest zu Ehren der Athena – bekannt. SaE

Kat. 71

Relief mit Reiterkampf

Staatsgrabmal, Gipsabguss, Original aus Marmor, Sammlung Albani, Rom, Inv. 985, aus Athen um 425 v. Chr. H 182,5 cm, B 227 cm, T 20 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. A 219 Literatur: unpubliziert, vgl. zum Original Bol 1989, 246– 251 Kat. 80 Taf. 140–146; Raeck 2007, 247–254 Abb. 1

Das Relief zeigt einen Reiter neben seinem sich aufbäumenden Pferd. Er hebt seinen rechten Arm mit einem – nicht erhaltenen – Schwert, während er mit der Linken die Zügel des Pferdes festhält. Er ist kurz davor, den Todeshieb gegen den vor ihm am Boden liegenden Gegner auszuführen, welcher zur Verteidigung lediglich seinen in einen Mantel gewickelten Arm hebt. Es gilt als sicher, dass es ein Staatsgrab in

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Athen geschmückt hat. Es ist ein Beispiel der Wiedereinführung des Reiters als Bürger Athens, nachdem das Reiterbildnis mit Einsetzen der Demokratie zunächst als Zeichen für die Aristokratie von der Akropolis verschwindet. SaE

Kat. 72

Die pharsalische Kavallerie

Trihemiobol, Silber, Münzstätte: Pharsalos (Griechenland) geprägt ca. 424–404 v. Chr. Dm 12,7 mm, 1,21 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 740 Literatur: unpubliziert, vgl. Lavva 2001, 209–210 Nr. 263

Vorderseite: Kopf der Athena mit einem korinthischen Helm mit Helmbusch in Dreiviertelansicht nach links Rückseite: [ΦΑΡ//ΣΑ//Λ]. Männliche Figur mit böotischem Helm galoppiert nach rechts, er hält in der erhobenen rechten Hand ein Wurfholz (lagobolon)

Der römische Autor Varro (ca. 116–27 v. Chr.) berichtet uns, dass bereits in der Antike Pferde für spezielle Aufgaben gezüchtet wurden (Varro rust. 2,7,15). So werden sie nicht nur für den Personen- und Warentransport und als Rennpferde eingesetzt, sondern sind als Teil der Kavallerieeinheiten unerlässlich für die antike Kriegsführung. Jedoch werden die Pferde sowie die nötige militärische Ausstattung nicht von städtischer oder staatlicher Seite gestellt, sondern müssen von den Privatpersonen selbst finanziert werden. Der griechische Autor Xenophon (ca. 430–345 v. Chr.) widmete der Zucht und Haltung von Streitrössern das Werk „Über die Reitkunst“ (Perí hippikes). Auf den Münzen der thessalischen Polis Pharsalos ist nicht nur ihre Schutzgöttin Athena omnipräsent, sondern ebenso ihre Reiter, denn die Rückseite dieses Trihemiobols zeigt einen galoppierenden Reiter nach rechts, der mit seinem rechten Arm ein Wurfholz (lagobolon) schwingt. Pharsalos ist berühmt für die berittenen Krieger, die als Hilfskontingente auf Seiten Athens im Peloponnesischen Krieg (431–404 v. Chr.) mitwirken und bei der Schlacht von Gaugamela (331 v. Chr.) Alexander dem Großen zum Sieg gegen den Perserkönig Dareios III. verhelfen. JeS

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Kat. 73

Militärische Auseinandersetzung

Mischgefäß (Volutenkrater), aus Ton, aus Apulien (Italien) canosinisch-polychrom, Anfang 3. Jh. v. Chr. H 38 (mit Volutenhenkeln 47 cm), Dm Bauch 22,3 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 801 Literatur: Stähler 1983b, 259–264 Taf. 32–34

Vorderseite: ΤΑΡΑΣ / ΕΥ / ΦΙΝΤΥ[…]. Nackte männliche Figur reitet nach links auf einem Delphin, auf der vorgestreckten rechten Hand eine Nike, die ihn bekränzt, im linken Arm Dreizack, im Abschnitt Schiffsbug Rückseite: [ΤΑ]-ΡΑΣ / ΠΟΛΥ. Nackter Reiter mit Helm auf einem galoppierenden Pferd nach rechts, in der erhobenen rechten Hand ein Speer, in der linken Hand einen Rundschild und zwei weitere Speere

Das Rückseitenmotiv dieser tarentinischen Didrachme unterscheidet sich von anderen gängigen Reiterdarstellungen insofern, als dass der Reiter hier nackt gezeigt wird. Seine Bewaffnung mit einem Helm, drei Speeren und einem Rundschild zeichnet ihn als Teil der Kavallerie aus. Die Nacktheit ist in diesem Fall als Verweis auf seine Jugendlichkeit zu verstehen: Hier wird ein junger Bürger (ephebos) gezeigt, der seine obligatorische Ausbildung im Militär ablegt. Der Delphinreiter auf der Vorderseite wird mit einem der mythischen Stadtgründer, Taras oder Phalantos, identifiziert. JeS

Kat. 75

Das Reitermotiv bei König Hieron II.

Auf diesem Krater finden sich auf den Seiten des Gefäßes sowohl die Darstellung zweier gegeneinander kämpfenden Fußsoldaten als auch die eines Reiters, der gegen einen am Boden kauernden Kriegers kämpft. Eine solche Konfrontation von Kavallerist und Infanterist ist gängiges Thema in der griechischen Bilderwelt. Beachtenswert ist die in die Zeit der Herstellung passende Bewaffnung (das Schild entspricht samnitischen Parallelstücken; der Helm ist typisch für die 2. Hälfte des 4. Jh. v. Chr.), so dass sich eine historische Konfrontation darin widerspiegelt. Derartige Gefäße werden im Grabkontext genutzt, da die Bemalung mittels Eitempera einer täglichen Nutzung nicht standhalten würde. Dies wird auch dadurch bestätigt, dass der Boden des Gefäßes offen ist. HeN

Münze, Buntmetall, Münzstätte: Syrakus (Italien) geprägt ca. 275–216 v. Chr. unter König Hieron II. (reg. 269–216 v. Chr.) Dm 27 mm, 16,42 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 3980 Literatur: unpubliziert, vgl. CNS II 381 Nr. 195 Rl 19; SNG Morcom Nr. 820–826 var.; SNG München Heft 6 Nr. 1381

Kat. 74

Vorderseite: Kopf des Königs Hieron II. mit Diadem nach links Rückseite: ΙΕΡΩΝΟΣ. Reiter mit Helm und wehendem Mantel galoppiert auf einem Pferd nach rechts, in der rechten Hand hält er einen Speer, unter den Vorderhufen Buchstaben MI

Ein junger Kavallerist

Didrachme, Silber, Münzstätte: Tarent (Italien) geprägt ca. 280–272 v. Chr. Dm 21,1 mm, 6,29 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 229 Literatur: unpubliziert, vgl. Evans 1889, 157 Nr. 4 Taf. VIII,3; Hoover 2018, 292–293

König Hieron II. von Syrakus (reg. 269–216 v. Chr.) ist vor allem durch seine militärischen Kampagnen auf

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Sizilien sowie seine Treue zu Rom im Ersten und Zweiten Punischen Krieg (264–241 und 218–201 v. Chr.) bekannt. Dementsprechend ist auch die Kavallerie Teil seiner Münzprogrammatik, indem er auf der Rückseite eines Bronzenominals einen voll ausgerüsteten Reiter im Sprung zeigt. Die Haltung des Pferdes erinnert an die Courbette – einen Kunstsprung, welcher heutzutage in der Dressur Teil der Hohen Schule ist (s. Kat. 35). JeS

Kat. 76

Ein Pferd für den Krieg

Didrachme, Silber, Münzstätte: Rom (Italien) geprägt ca. 230–226 v. Chr. Dm 20,2 mm, 6,45 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 1887 Literatur: RRC 143 Nr. 27/1; Rutter 2001, 49 Nr. 314

Vorderseite: Kopf des Mars nach rechts mit korinthischem Helm; dahinter im Feld eine Keule Rückseite: ROMA. Pferd springt nach rechts; darüber im Feld eine Keule

Die Münze gehört zu den frühen Prägungen der römischen Republik, die sich an griechischen Vorbildern orientieren, aber bereits in Rom ausgegeben werden. Die Bilder nehmen Bezug auf den möglicherweise militärischen Charakter der Münzen als Soldatensold: Auf der Vorderseite ist der Kriegsgott Mars zu sehen, das Pferd auf der Rückseite mag in Beziehung dazu stehen. Wir wissen von der engen Verbindung zwischen Mars und Pferden, u. a. durch die Feier zum ‚Oktoberpferd‘, bei dem Pferdegespanne zu Ehren von Mars im Wettkampf gegeneinander antreten und das Handpferd des siegreichen Gespanns schließlich dem Mars geopfert wird. KaM

Kat. 77

Ein Reiter aus Larinum

Quincunx, Buntmetall, Münzstätte: Larinum (Italien) geprägt ca. 210–175 v. Chr. Dm 28 mm, 10,90 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 181 Literatur: unpubliziert, vgl. Rutter 2001, 75 Nr. 625

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Vorderseite: Kopf des Mars mit einem korinthischen Helm nach rechts Rückseite: LADINOD. Reiter mit spitzem Helm auf einem galoppierenden Pferd nach links, in der rechten Hand hält er einen Speer, in der linken einen verzierten Rundschild, im Abschnitt fünf Wertkugeln

Die Reiterdarstellung auf der Rückseite dieser Münze der samnischen Stadt Larinum mit einem nach links galoppierenden Kavalleristen mit Speer und einem verzierten Rundschild ist insofern ungewöhnlich, als dass dieser nach links reitet. Dadurch ist seine Defensivseite zu sehen und das Motiv auf seinem Schild wird sichtbar. Die im unteren Abschnitt gezeigten fünf Punkte sind Zeichen, welche den Wert der Münze angeben und sie als sogenannten quincunx auszeichnen. JeS

Kat. 78

Der Kriegsgott im Viergespann

Denar, Silber, Münzstätte: Rom (Italien) geprägt 134 v. Chr. unter dem Münzmeister Gaius Aburius Geminus Dm 19,2 mm, 3,94 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 1944 Literatur: Dorotheum 2, 1956, Nr. 3001; RRC Nr. 244/1.

Vorderseite: GEM. Kopf der behelmten Roma nach rechts mit Ohrring und Halsschmuck, davor das Wertzeichen XVI Rückseite: C ABVRI // ROMA. Mars in einem Viergespann (quadriga) nach rechts, in seiner linken Hand ein Schild, ein Speer und die Zügel, in seiner rechten Hand eine Trophäe (tropaeum)

Dieser Denar des Münzmeisters C. Aburius zeigt auf der Rückseite den Kriegsgott Mars, welcher mit Schild und Speer bewaffnet ist, in einem Viergespann (qua-

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driga) nach rechts. Dieser Wagen ist nicht als Streit-, sondern als Triumphwagen zu verstehen. Zum einen werden Viergespanne in den homerischen Epen (um 750 v. Chr.) im militärischen Kontext erwähnt und zum anderen wird Mars durch die Trophäe (tropaeum) in seiner rechten Hand bereits als Sieger ausgewiesen. In der Antike wird unter Trophäe üblicherweise die geplünderte Rüstung des Gegners verstanden, die am Ort seiner Flucht und somit am Wendepunkt einer Schlacht an einem Pfahl aufgestellt und in der Folge als Attribut von siegbringenden Göttern oder siegreichen Herrschern für die herrscherliche Selbstdarstellung militärischer Qualitäten genutzt wird. JeS

Kat. 79

Grabrelief für den Reiter Nikandros

Grabrelief, Stein, aus der Region Elis (Griechenland) hellenistisch, spätes 2. Jh. v. Chr. erh. H 97,8 cm, max. B 44,5 cm, max. T 12,7 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. A 28 Inschrift: ΝΙΚΑΝΔΡΕ ΧΑΙΡΕ („Nikandros, sei gegrüßt“) Literatur: Kranz 2000/2001, 101–104 Taf. 10

derläufe; die Hinterläufe sind kaum erhalten. Der Kavallerist ist nahezu vollständig von einem Rundschild verdeckt, so dass darunter lediglich die Füße und darüber die Schulterpartie, der Hals und der Kopf zu sehen sind. Der Reiter ist bartlos und langhaarig wiedergegeben, den Kopf schützt ein Helm mit Krempe, aufgebogenem Nackenschutz und spitzer Halterung für die Helmzier; Wangenklappen sind ebenfalls angedeutet. HeN

Kat. 80

Zwei Reiter im Kampf

Denar, Silber, Münzstätte: Rom (Italien) geprägt 127 v. Chr. unter dem Münzmeister Gaius Servilius Vatia Dm 12,5 mm, 3,95 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 1961 Literatur: Dorotheum 2, 1956, Nr. 3007; RRC Nr. 364/1

Vorderseite: ROMA. Kopf der behelmten Roma nach rechts, dahinter der Stab des Auguren (lituus) Rückseite: C SERVEIL. Zwei Reiter, die einander mit Schwert und Lanze bekämpfen. Auf dem Schild eines Kriegers steht ein M

Der Münzmeister C. Servilius Vatia prägt auf den Rückseiten seiner Denare zwei sich mit Schwert und Lanze bekämpfende Reiter. Das M auf dem Schild des rechten Reiters steht vermutlich für ‚Marcus‘ und verweist somit auf seinen Vorfahren Marcus Servilius Pulex Geminus (Konsul 202 v. Chr.). C. Servilius Vatia ehrt mit dem Münzbild zum einen seinen Ahnen und dessen militärische Erfolge im Zweikampf und kann dadurch zum anderen das Ansehen seiner Familie und sein eigenes Prestige vor der römischen Aristokratie und der Stadtbevölkerung steigern. JeS

Kat. 81

Das fragmentarisch erhaltene Grabrelief zeigt in dem eingetieften Bildfeld einen militärischen Reiter nach links. Das sich aufbäumende Pferd erhebt beide Vor-

Bewaffneter Kelte zu Pferde

Lampe; Ton; aus Gallien Typ Loeschke I B, Bailey Gruppe III; ca. 1–75 n. Chr. L 10,5 cm, Dm 7,6 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 3161 Literatur: unpubliziert, vgl. Dejean 2012, 58 Kat. L 753 Taf. 35; Goethert-Polaschek 1985, 131 Kat. 560; 232 Kat. M. 116 Taf. 33, 64; Leibundgut 1977, 230 Kat. (250) Taf. 44

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Zur Darstellung siehe die zuvor beschriebene Lampe HeN

Kat. 83

Kavallerist

Fragment eines Beschlagblechs, Bronze, aus Ostia (Italien) ca. 100–300 n. Chr. H 2 cm; B 2,3 cm, T 0,1 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 2244a Literatur: unpubliziert, vgl. Menzel 1960, 52 Nr. 90 Taf. 56

Dargestellt ist ein nach rechts Reitender, der sich umblickt und in seiner Rechten ein Schwert und seiner Linken einen Schild hält. Die langen Hosen, der Halsring (torques), das wilde Haupthaar und die Art des Schildes erlauben, ihn als Kelten zu benennen. Bewaffnete keltische Reiter sind ein beliebtes Motiv in Gallien ungefähr vom Moselgebiet bis in die Nordwestschweiz. Ganz offensichtlich waren die Einwohner dieser Gegenden als Kavalleristen sehr anerkannt. HeN

Kat. 82

Bewaffneter Kelte zu Pferde

Lampe; Ton; aus Gallien Typ Loeschke I B, Bailey Gruppe III; ca. 1–75 n. Chr. L 11,6 cm, Dm 7,8 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 3162 Literatur: unpubliziert, siehe die zuvor beschriebene Lampe

Ein viereckiges Bronzeblech mit beschädigtem Rand und einer nicht mehr vollständig erhaltenen Eierstabverzierung zeigt einen berittenen Krieger. Die zwei nach vorn gestreckten Vorderbeine stellen dar, dass das Pferd energievoll nach vorausprescht. Er hält die Lanze sowie Schild und konzentriert sich auf den bevorstehenden Kampf. Solche getriebenen Bronzebleche gehören zur Vorderseite eines Schmuckkästchens oder auf einen Gürtel. KdD

Kat. 84

Die Göttin Victoria im Zweigespann als Symbol der Sieghaftigkeit

Aureus, Gold, Münzstätte: Rom (Italien) geprägt 202–210 n. Chr. unter Kaiser Septimius Severus (reg. 193–211 n. Chr.) Dm 21 mm, 7,06 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 2310 Literatur: Dorotheum 1, 1955, 89 Nr. 1450 Taf. 23; RIC IV (Septimius Severus) Nr. 299

Vorderseite: SEVERVS – PIVS AVG. Kopf des Septimius Severus nach rechts mit Lorbeerkranz Rückseite: VICTORIAE // AVGG. Victoria steht in einem Zweigespann (biga) nach rechts, in der linken Hand hält sie die Zügel, in der rechten eine Peitsche

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Mit diesem Aureus propagiert Septimius Severus (reg. 193–211 n. Chr.) die Sieghaftigkeit der amtierenden Kaiser. Dass er das Münzbild nicht nur auf sich bezieht, ist an dem zweiten G in VICTORIAE AVGG (die Pluralform steht für … AVG[ustorum], „dem Sieg der Augusti gewidmet“) zu erkennen. Neben Septimius selbst haben auch zeitweise seine Söhne Caracalla (reg. 198–217 n. Chr.) und Geta (reg. 209–211 n. Chr.) den Herrschertitel inne. Zur Verbildlichung der Sieghaftigkeit wird die Siegesgöttin Victoria ausgewählt, die in einem Zweigespann (biga) nach rechts fährt und die Pferde mit einer Peitsche in ihrer rechten Hand antreibt. Die Münze ist gelocht, was auf eine sekundäre Umnutzung, eventuell als Anhänger, schließen lässt. JeS

Kat. 85

len Pose, die den Imperator als Sieger ausweist. Denn es dominiert nicht nur das Zentrum des Münzbildes, sondern ist auch im Begriff, den um Gnade flehenden Gegner des Herrschers niederzureiten. JeS

Kat. 86

Der gepanzerte Reiter

Münze, Buntmetall, Münzstätte in Makedonien (Griechenland) geprägt unter Kaiser Elagabalus (reg. 218–222 n. Chr.) Dm 24,4 mm, 9,19 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 651 Literatur: unpubliziert, vgl. Gaebler 1906, 123 Nr. 482,1

Der reitende Kaiser Caracalla als Sieger

Protokontorniat, Buntmetall, Münzstätte: Rom (Italien) geprägt 215 n. Chr. unter Kaiser Marcus Aurelius Antoninus (Caracalla) (reg. 197–217 n. Chr.) Dm 29 mm, 20,75 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 2339 Literatur: Dorotheum 1, 1955, Nr. 1558; RIC IV,1 (Caracalla) 303 Nr. 547

Vorderseite: M AVR ANTONINVS – PIVS AVG GERM MAX. Drapierte Panzerbüste des Caracalla nach rechts mit Lorbeerkranz Rückseite: P M TR P XVIII [IMP III COS] IIII P P // S C. Kaiser in Panzer und Mantel reitet auf einem springenden Pferd nach rechts, hält in der erhobenen rechten Hand einen Speer, darunter rechts ein um Gnade flehender Gegner auf den Knien

Bereits in der römischen Antike sind Pferde nicht nur in der Schlachtordnung von entscheidender Bedeutung, sondern sind auch repräsentatives Statussymbol der Elite (s. Beitrag Lichtenberger – Nieswandt S. 64– 70). Der Kaiser zu Pferd, wie er beispielsweise auf der Rückseite dieses Protokontorniats des Caracalla (reg. 197–217) zu sehen ist, wird gern in dynamischem Galopp beim Schleudern eines Speeres gezeigt. Das Pferd ist dabei von zentraler Bedeutung in dieser machtvol-

Vorderseite: ΑΛΕΞΑΝ[ΔΡΟΥ]. Kopf des Alexander des Großen nach rechts im Löwenfell Rückseite: ΚΟΙ ΜΑΚΕΔ-ΟΝΩΝ Β Ν-ΕΩ. Reiter in Panzer, mit Stiefeln, flatterndem Mantel und eingelegter Lanze auf einem Pferd sprengt nach rechts

Eine der häufigsten Darstellungsformen des Pferdes auf Münzen ist wohl die des Reittieres – und das zu Recht. Seit seiner Domestikation ist es auch in der Zeit der griechischen und römischen Antike eines der beliebtesten Fortbewegungsmittel und wird vor allem von der Aristokratie hochgeschätzt. Oft werden die Reiter, die teilweise mit Vertretern der Herrscherfamilie identifiziert werden können, in militärischer Tracht dargestellt. So auch bei diesem Exemplar, auf dessen Rückseite der Reiter mit einem Brustpanzer, Stiefeln, einem Mantel und einer Lanze dargestellt ist. JeS

Kat. 87

Bewaffneter Reiter vor Pferd

Lampe, Ton; aus Nordafrika (südliches Byzacena) Typ Ennabli 14 / Bonifay 21; ca. 200–300 n. Chr. L 12,1 cm, Dm 8,7 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. Wi 2022–4 Literatur: unpubliziert, vgl. Bonifay 2004, 340 f. Typ Ennabli 14 / Bonifay 21 mit Abb.; Ennabli u. a. 1973, Taf. 27, 292. 257. 282. 169; Mahjoubi u. a. 1970, 107 (zum Typ). 134 f. Kat. 169. 282. 257. 292. 407 Taf. 27

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Katalog

Wegen der starken Beeinträchtigung der Oberfläche ist das Reliefbild nur sehr schwer zu erkennen. Im Bildhintergrund steht ein nach rechts gerichtetes Pferd, dessen Mähne oberhalb der Stirn aufgebunden ist (Ennabli in Mahjoubi u. a. 1970, 134 sieht einen Stier hinter dem Bewaffneten. M. E. spricht der Schweif klar dagegen). Im Gegensatz zu dessen ruhigem Stand ist der vor ihm stehende Krieger stärker bewegt. Er ist frontal dargestellt und macht einen Ausfallschritt nach rechts. Sein rechter Arm ist nach links oben ausgestreckt und hält eine Lanze und einen Schild. Seine linke Hand scheint in das Zaumzeug des Pferdes zu greifen. Auf der Schulter ist ein Zungenmotiv wiedergegeben. HeN

Kat. 88–90

Die Reiterei des römischen Weltreichs

Hermann Klinkhammer Ähnlich wie in Griechenland sind die ersten Reiter Roms Adelige, die sich den Unterhalt eines Pferdes leisten können. Der Historiker Livius berichtet, dass im frühen Rom ursprünglich zunächst 300 Adlige Reiter sind und diese bilden den sogenannten Ritterstand (ordo equester). Schon bald wird diese Gruppe erweitert, zunächst um Adelige sodann um Hilfstruppen und gegen Ende des 3. Jh. v. Chr. verfügt jede Legion über 300 Reiter. Diese Einheiten sind zunächst die verbündeten italischen Völker und Städte, später greift man mehr und mehr auf die Truppen verbündeter Reitervölker wie Numidier, Spanier, Gallier, Germanen, Thessaler und Thraker zurück. Mit der beginnenden Kaiserzeit werden die Reitereinheiten, alae genannt, ein fester Bestandteil der römischen Truppen. Eine ala bestand in der Regel aus 500 Reitern (ala quingenaria), in seltenen Fällen aus 1000 Reitern (ala milliaria).

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Wegen ihrer hohen Beweglichkeit werden sie vor allem zur Sicherung der Grenzen eingesetzt. Im Kampf auf dem Feld haben sie durch ihre hoch aufragende Erscheinung und die schiere Kraft der Tiere zweifellos eine einschüchternde Wirkung auf den Feind. Um die jeweiligen Rüstungsteile des römischen Militärs richtig zuzuordnen, ist es von Vorteil, auf erhaltene Bildquellen zurückgreifen zu können. Für die Rhein-Provinzen sind es insbesondere die Darstellungen auf Reitergrabsteinen, die bei der Rekonstruktion des Pferdegeschirrs helfen. Das Pferdegeschirr der römischen Reitereinheiten besteht aus einem ledernen Sattel (Hörnchensattel), einer Zäumung mit Gebiss (Trense) sowie allerlei Zierrat. Diese kleineren, meist aus Buntmetall gefertigten Teile gehören zu den häufigsten Militaria-Kleinfunden. Neben Anhängern unterschiedlichen Typs gibt es verschiedenste Verschlussteile, Riemenabschlüsse und -verteiler. Halfter und Zügel bestehen üblicherweise aus Leder, weshalb sie sich nicht im archäologischen Fundbild erhalten haben. Ihr Aufbau ist durch bildliche Überlieferung jedoch gut rekonstruierbar. Die Zusammensetzung aus Backen- und Genickstück sowie Stirnund Kehlriemen ähnelt den heute üblichen Halftern stark. phalerae sind metallene Zierscheiben, die mehrere Lederriemen miteinander verbinden. Insbesondere die kleineren Exemplare sind häufig aus Buntmetall gefertigt, die Schauseite kann zusätzlich versilbert und aufwendig verziert sein. Ein beliebtes Motiv sind konzentrisch umlaufende Ringwulste mit einem zentralen Buckel. Aufschluss über ihre Funktion gibt die Rückseite: Dort befinden sich Ösen oder Laschen, die mit den Riemenschlaufen verbunden werden. Auch zusätzliche Anhänger können daran befestigt werden. phalerae können auch als militärische Orden dienen. Dann werden sie mithilfe eines Gerüsts aus Gurten am Oberkörper getragen oder – bei der Auszeichnung ganzer Einheiten – an der Standarte befestigt. Zur Unterscheidung hilft eine genauere Betrachtung der Befestigungsteile – rundliche, in verschiedene Richtungen deutende Ösen weisen auf eine Funktion als Riemenverteiler an einem Pferdegeschirr hin. Als Anhänger werden dekorative kleine Schmuckteile am Pferdegeschirr bezeichnet. Sie sind meist aus Buntmetall gegossen und häufig zusätzlich verzinnt oder versilbert. Beliebte Verzierungstechniken sind Ritz- und Punzmuster sowie Niellodekor und alle Arten von Ziselierung. Üblicherweise sind die Anhänger über einen integrierten Haken an einer Aufhängeöse angebracht, die mit einem Niet am Lederriemen befestigt ist. Anhänger können auch mit weiteren Elementen verziert sein. Besonders große Exemplare und re-

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gelrechte Gebilde aus einzelnen Anhängern werden üblicherweise dem Brustgurt zugeordnet, da sich hier genug Fläche bietet. Ein etwas seltenerer ovaler Anhängertyp ist durch ein Scharnier an einer Phalera angebracht. Darüber hinaus ist das Typenspektrum groß: Insbesondere Lunula- und Phallusanhänger sind ab spätaugusteischer Zeit im ganzen Imperium verbreitet. Aber auch geflügelte, lanzettförmige und Dreiblattanhänger sind häufige Funde des frühen 1. Jh. n. Chr. Ab claudisch-neronischer Zeit kommen dann auch blatt-, pelta- und tropfenförmige Typen in Umlauf und bleiben bis ins 2. Jh. n. Chr. in Gebrauch. Manche Motive, wie die Lunula, halten sich bis ins Frühmittelalter. Schutzfunktion Besonders vielfältig ist die Fundgattung der Anhänger. Sie können an sämtlichen Bestandteilen des Pferdegeschirrs angebracht sein. Häufig stellen sie stilisierte Tiere, Phallen oder weibliche Symbole (Kaurimuscheln, manu fica) dar, ihnen wird eine glücksbringende Wirkung zugeschrieben. Dadurch soll das Pferd geschützt werden, das gegenüber Verletzungen und Krankheiten anfälliger als die meisten Nutztiere ist. Ein Sturz auf unebenem Gelände oder eine Kolik durch falsche Fütterung können tödlich enden. Davor sowie vor Kampfverletzungen will der Kavallerist sein Ross möglichst bewahren, denn neben dem hohen finanziellen Wert der Tiere sind sie wichtigste ‚Waffe‘ und Schlagkraft der militärischen Gattung im Einsatz. Eine weitere Funktion ist die repräsentative Wirkung des aufwendig verzierten Geschirrs. Es demonstriert dem Gegenüber, dass er es hier mit einem offenkundig wohlhabenden Angehörigen des römischen Militärs zu tun hat, der sich eine hochwertige Ausrüstung leisten kann und sie auch selbstbewusst präsentiert.

Kat. 88

des Amulett diente und vermutlich am Hals oder der Flanke des Pferdes getragen wurde. Objekte befinden sich im Bestand des LVR-Archäologischen Parks Xanten / LVR-RömerMuseum. Literatur: Bridger, 2012, 12; 2006 StQ

Kat. 89

Zaumzeugteile

Jede Lehrsammlung Archäologischer Museen besitzt in seinen Beständen Kleinfunde aus dem Alltagsleben griechisch-römischer Reiterei. Neben kleinen Schmuckanhängern sind es Glückssymbole wie phallus und vulva, Trensenzierrat oder Riemenverteiler. Insbesondere Glöckchen zieren das Zaumzeug, wie schon für den Raum Vorderasien nachzuweisen ist (s. Kat. 11–15). Die hier zusammengestellten Stücke im Bestand des Archäologischen Museums der WWU Münster sind sämtlich unpubliziert. HeN

Bestandteile von römischem Zaumzeug

An der nordwestlichen Grenze des Römischen Reiches erfüllen Pferde als Nutz- und Arbeitstiere nicht nur im zivilen Bereich vielfältige Aufgaben. Kavallerieeinheiten, die auch Späher oder Patrouillenreiter stellen, spielen als Hilfstruppen der römischen Armee eine bedeutende Rolle. Die aufwendig verzierten Pferdegeschirre sind ein wesentlicher Teil ihrer Ausrüstung. Durch Ausgrabungen wurden auf dem Gelände der ehemaligen Colonia Ulpia Traiana (Xanten) mehrere Kleinfunde, darunter Geweihscheiben aus Bein, Melonenperlen aus opakem Glas sowie ein gegossener, detailreich verzierter Riemenverteiler mit einem LunulaAnhänger zutage gefördert, der als Unheil abwehren-

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Katalog

Kat. 90

Ausrüstungsbestandteile für ein römisches Kavallerie-Pferd

Rekonstruierte Elemente der Ausstattung eines Pferdes der römischen Reiterei Leihgabe Hermann Klinkhammer

Kat. 91

Wettlauf sowie Siegespreise

Kleeblattkanne (oinochoe), Ton, korinthisch-schwarzfigurig frühkorinthisch, um 610/600 v. Chr. H 25,5 cm, Dm Fuß 12,35 cm, max. Dm 19,4 cm Privatbesitz, Inv. J 100 Literatur: Bensch u. a. 2015, 50 f. Kat. 18 mit Farbabb. (M. Bensch)

Die besondere Form der Mündung gibt diesen Gefäßen den treffenden Namen Kleeblattkanne. Sie gehören zu den in Korinth sehr beliebten Oinochoen (Kannen). Dieses Exemplar kann durch die auffällig bauchige Form in die frühkorinthische Zeit datiert werden. Das zentrale Motiv der Kanne zeigt den Wettlauf von sechs bärtigen und im sportlichen Wettkampf

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traditionell nackten Männern. Sie sind in einer nach rechts gerichteten Bewegung festgehalten und laufen auf einen weiteren Mann zu, der in einen Mantel gekleidet und mit Stab ausgestattet als Schiedsrichter identifiziert werden kann. Die hinter dem Schiedsrichter aufgestellten Dreifüße sind ebenso Siegespreise für das Rennen wie die rechts folgenden Tiere – Ochse und Pferd. Die weiteren Personen rechts – drei reich gewandete Männer – können als Priesterkollegium für die Festspiele interpretiert werden. Als weitere Deutungsmöglichkeit für diese Figuren und den rechts anschließenden Reiter käme auch eine Prozession in Frage, die im Rahmen der Festspiele stattfindet. SiP

Kat. 92

Viergespann in Wagenrennen

Vorratsgefäß, Ton, korinthisch-schwarzfigurig spätkorinthisch, um 560 v. Chr. H 37,5 cm; Dm Fuß 12,5; max. Dm 25,8; Dm Mündung 14,4 Privatbesitz, Inv. J 71 Literatur: Amyx 1988, 493 Nr. 13; Bensch u. a. 2015, 57– 59 Kat. 25 mit Abb. und älterer Lit. (M. Bensch); Stähler 1983a, 16–19 Kat. 8 Taf. 8–9

Diese vermutlich korinthische Bauchamphore ist nahezu komplett mit Glanzton bedeckt. Lediglich die Bildfelder, die Fußunterseite und das Innere unterhalb der Mündung sind davon ausgenommen. Dünne tongrundige Bänder umlaufen das Gefäß im unteren Bereich. Das Hauptmotiv zeigt hier einen Wagenlenker mit einem Viergespann. Die Geschwindigkeit wird durch das Anheben der Vorderbeine der Pferde dargestellt, wobei die Hufe der beiden vorderen aus dem

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Bildfeld hinausragen. Drei der Reittiere sind schwarz, das vorderste jedoch weiß wiedergegeben. Beim rechten Pferd ist an Hals, Rumpf und Hinterlauf eine rote Fellfarbe zu erkennen. Die Mähne wird bei allen durch kurze parallele Linien in Ritzung angegeben. Der einachsige Wagen ist ein für die Zeit in Griechenland typisches Modell und die Schrägstellung der Speichen soll auch die hohe Geschwindigkeit anzeigen. Der Reiter selbst hat lange Haare, einen Bart und ist in ein langes gegürtetes weißes Gewand gehüllt. In seiner rechten Hand hält er einen dornigen Stab (kentron) zum Dirigieren der Pferde. SiP

Kat. 93

Reiterkavalkade

Schale, Ton, attisch-schwarzfigurig um 560 v. Chr., Werkstatt des C-Malers H 12,7 cm; Dm 26,3 cm, 35,4 cm mit Henkeln Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 579 Literatur: Korzus 1984, 104 f. Kat. 32 mit Farbabb. (K. Stähler)

Die Schale mit geschweiftem Fuß und scharfem Absatz oberhalb der Henkel (sog. Sianaschale) zeigt neben einem linksläufigen Krieger im Innenfeld zwei weitere über den scharfen Knick hinweg gemalte Bildfelder auf der Außenseite. Unterhalb der äußeren Bildfelder befindet sich ein durchgehender Stabfries mit einer breiten Leiste. Auf einem der zwischen den Henkeln verlaufenden Bilder sieht man vier Symposiasten auf Ruheliegen (sog. Klinen). Das uns hier interessierende Bildfeld zeigt eine Reihe von vier nach links galoppierenden Reitern. Die auf den edlen, rot gefleckten Pferden sitzenden Jünglinge sind allesamt unbekleidet und daher nicht in einem kriegerischen Kontext zu verstehen. Vielmehr sind sie, wie auch das Symposion auf der anderen Seite der Schale hervorhebt, mit einer hohen sozialen Stellung in Verbindung zu bringen, die hier durch Pferdezucht und Pferdesport gekennzeichnet ist. AdW

Kat. 94

Privatbesitz, Inv. J 47 Literatur: Bensch u. a. 2015, 90–92 Kat. 39 (M. Bensch); Stähler 1983a, 29–31 Kat. 16 Taf. 21

Diese Trinkschale ist der sogenannten FP-Klasse (Flower-Palmette-Class) zuzuordnen, für die stark stilisierte Palmetten an beiden Seiten der Henkel namensgebend sind. Charakteristisch für dieses Exemplar ist eine hohe Standplatte, ein kurzer breiter Stiel mit Wulst am Übergang zum Schalenkörper und ein regelmäßig geschwungenes Schalenbecken mit emporgerichteten Horizontalhenkeln. Auf einer Seite ist zentral ein jugendlicher Reiter mit weißer Binde im Haar abgebildet. Er sitzt auf einem nach rechts gewandten, schwarzen Pferd und trägt einen kurzen weißen Chiton. Er hält die Zügel des Pferdes und eine Lanze, wobei erstere, genauso wie die Binnenstrukturen des Pferdes, hell abgesetzt sind. Seitlich wird er gerahmt von zwei nackten Jünglingen mit Lanzen. Zwischen linker Figur und Reiter fliegt ein Vogel nach links. Die nackten Jünglinge deuten an, dass diese Szene in den Kontext Sport einzugliedern ist, so dass der Reiter sich ebenfalls in einer Übungseinheit befindet. MaR

Kat. 95

Reiterwettkampf

Schale, sog. Kleinmeisterschale, Ton, attisch-schwarzfigurig um 510 v. Chr. H 8,5 cm; Dm 12,5 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 297 Literatur: Korzus 1984, 87–89 Kat. 24 mit Abb. und älterer Lit. (K. Stähler), Nieswandt – Salzmann 2015, 102 f. mit Abb.

Training eines Reiters und zweier Speerwerfer

Trinkschale, Ton, attisch-schwarzfigurig um 530/20 v. Chr., FP-Klasse; Gruppe von Rhodos 11941 H 10,7 cm, max. Dm Mündung 22,5 cm

Die filigrane Bemalung ist typisch für die Gruppe der Kleinmeisterschalen. Unter der Schalenlippe mittig galoppiert ein Reiter nach rechts. Dieser hat eine gebeugte

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Katalog

Armhaltung und scheint das Pferd mit Zügeln im Griff zu haben. Es ist ausschließlich die Silhouette des Reiters abgebildet. Er schaut sich nach einem ebenfalls galoppierenden Reiter auf der gegenüberliegenden Seite um. Somit ist klar, dass die beiden Personen aufeinander bezogen sind. Diese Szene ist sehr gut im sportlichen Wettstreit vorstellbar und spiegelt die Beliebtheit des Pferdesports im antiken Griechenland wider. MaH

Kat. 96

Wagenrennen

Halsamphore, Ton, attisch-schwarzfigurig ca. 520–510 v. Chr. H 15 cm (ergänzt); Dm 19 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 721 Literatur: Korzus 1984, 44 f. Kat. 3 mit Abb. (K. Stähler); Stähler 1980, 19 f. Kat. 9 Taf. 9; Stähler 1978, 186 Nr. 12 Taf. 29

Viergespannrennen in Athen galt als der vornehmste aller Wettbewerbe, so dass auch die höchste Anzahl an Preisamphoren zu erringen war: 40 Amphoren gefüllt mit dem Olivenöl aus den heiligen Hainen der Athena. KiZ

Kat. 97

Ein Maultiergespann aus Messana

Tetradrachme, Silber, Münzstätte: Messana (Italien) geprägt ca. 488–461 v. Chr. unter dem Tyrann Anaxilas von Rhegion (reg. 494–476 v. Chr.) und seinen Söhnen (reg. bis 461 v. Chr.) Dm 27,6 mm, 17,44 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 6230

Vorderseite: Wagenlenker hockt nach rechts auf einem Zweigespann (biga), das von zwei Maultieren gezogen wird, im Abschnitt ein Lorbeerblatt mit Beere Rückseite: MESSΕ-Ν-ΙΟΝ. Hase springt nach rechts Literatur: unpubliziert, vgl. Kraay 1976, 213 f. Nr. 772; SNG ANS Part 4 Sizilien II Nr. 314–320; SNG München Heft 5 Nr. 628–631

Es ist nur wenig von dieser Halsamphore erhalten. Auf der Vorderseite ist Athena als Vorkämpferin (promachos) zwischen zwei von Hähnen bekrönten Säulen abgebildet, so dass dieses Gefäß als Imitation der Siegespreise anlässlich der gesamtathenischen Sportwettkämpfe (Panathenäen) angesehen werden kann. Auf der Rückseite wird dementsprechend die Sportart abgebildet, in der der Sieg errungen worden ist. Es ist ein nach rechts galoppierendes Viergespann zu erkennen, was einen Triumph im Wagenrennen nahelegt. Die Pferde weisen lange Tränenkarunkeln, Einsenkungen oberhalb des Auges und ein gelapptes Maul auf. Sowohl die Brustriemen als auch der Schweif des vordersten Pferdes sind rot gefärbt. Der Mantelrest des Wagenlenkers war wohl einst weiß überzogen. Das

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Eines der wichtigsten Fortbewegungs- und Transportmittel der Antike ist der Wagen, der von einem, zwei (biga) oder vier (quadriga) Zugtieren gezogen wird und seit dem späten 4. Jahrtausend v. Chr. in Keilschrifttexten aus Uruk (Irak) belegt ist. Dabei kommen neben Pferden und Ochsen auch, wie hier dargestellt, Maultiere zum Einsatz. Im 5. Jh. v. Chr. wird auf Münzen des sizilischen Messana (ehem. Zankle) und des gegenüber auf dem italischen Festland liegenden Rhegion vom Tyrannen Anaxilas von Rhegion (reg. 494–476 v. Chr.) das Münzmotiv einer einachsigen Maultierbiga eingeführt. Auffällig ist, dass der Wagenlenker meist sitzt oder hockt, nur selten steht. Anaxilas nimmt mit den Münzen Bezug auf seinen Sieg bei den Olympischen Spielen (484 oder 480 v. Chr.), wie uns im „Onomastikon“ des Pollux 5,75 überliefert wird: „er war auch Sieger im Wagenrennen bei den Olympischen Spielen und so prägte er die Münzen der Leute von Rhegion mit einem Wagen und einem Hasen“. Etwa 50 Jahre lang wird in Olympia das Wagenrennen mit zwei Maultieren praktiziert; die Disziplin gilt jedoch als nicht allzu angesehen und wird daher 444 v. Chr. wieder aus dem Programm genommen. JeS

Katalog

Kat. 98. 101. 103–105. 115 Als Partner im Sport wird das Pferd in der Antike auf vielen Münzen griechischer Städte, in der Römischen Republik und im Römischen Kaiserreich, aber auch in der Spätantike abgebildet. Vor allem das Wagenrennen in einer Quadriga, einem von vier Pferden gezogenen Wagen mit zwei Rädern, ist ein beliebter und prestigeträchtiger Sport und gilt als Betätigungsfeld der Aristokratie. Ab 680 v. Chr. ist das Wagenrennen als Disziplin bei den Olympischen Spielen vertreten und wird als Highlight des sportlichen Wettkampfs angesehen (s. auch Kat. 97). Die Darstellung der Quadriga nach einem siegreichen Wagenrennen wird durch die Siegesgöttin der Griechen Nike oder deren römisches Äquivalent Victoria verbildlicht. Dabei bekränzt die fliegende Siegesgöttin die vier Pferde (Kat. 98) oder den Wagenlenker (Kat. 101). Ähnliche Darstellungen der siegreichen Pferde sind mit Nike, die die Quadriga eigenhändig lenkt (Kat. 103) oder ihnen stehend aus dem Wagen den Kranz aufsetzt (Kat. 104), bekannt. Doch auch als siegreiches Zweier-Team mit Reiter und Pferd sind Athleten und ihre tierischen Sportpartner auf Münzen abgebildet. Dabei steht der Palmzweig, den der Reiter in der Hand hält, als Zeichen für den errungenen Sieg (Kat. 105). Neben nicht namentlich bekannten Reitern gibt es auch bei Wettrennen Darstellungen von erfolgreichen Kaisern, die ebenfalls einen Palmzweig in der Hand halten, der als Attribut der Victoria stellvertretend abgebildet ist (Kat. 115). TrS

Rückseite: ΣΥΡΑΚ-ΟΣΙ-Ο-Ν. Kopf der Arethusa nach rechts mit Perlkranz im Haar, gerahmt von vier Delphinen TrS

Kat. 101

Tetradrachme, Silber, Münzstätte: Syrakus (Italien) geprägt ca. 420–415 v. Chr. Dm 24,0 mm, 17,01 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 6306

Vorderseite: männliche Figur im langen Gewand steht in einem Viergespann (quadriga) im ruhigen Schritt nach rechts, darüber fliegt die Siegesgöttin Nike nach links und bekränzt den siegreichen Wagenlenker Rückseite: ΣΥΡΑΚΟΣΙΟΝ. Kopf der Arethusa nach rechts mit Bändern im hochgesteckten Haar und einem schmalen Halsband, gerahmt von vier Delphinen Literatur: unpubliziert, vgl. Boehringer 1929, 250 Nr. 723–724 TrS

Kat. 103 Kat. 98

Die Göttin Nike bekränzt das siegreiche Pferdegespann

Tetradrachme, Silber, Münzstätte: Syrakus (Italien) geprägt nach 480 v. Chr. Dm 24,1 mm, 17,15 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 6293 Literatur: unpubliziert, vgl. Boehringer 1929, Nr. 112; Hoover 2012a, Nr. 2, Nr. 1306; SNG München Heft 6 Nr. 935

Vorderseite: Wagenlenker in einem Viergespann (quadriga) im ruhigen Schritt nach rechts, darüber fliegt die Siegesgöttin Nike nach rechts und bekränzt die siegreichen Pferde

Die Göttin Nike bekränzt den siegreichen Wagenlenker

Die Göttin Nike lenkt eine siegreiche Quadriga

16-Litren-Stück, Silber, Münzstätte: Syrakus (Italien) geprägt ca. 218–215 v. Chr. unter Hieron II., König von Syrakus (reg. 269–216 v. Chr.) Dm 29,2 mm, 13,51 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 6357 Literatur: unpubliziert, vgl. Caccamo Caltabiano u. a. 1997, 154 Nr. 76 (218–215 v. Chr., sog. königliche Serie); SNG München Heft 6 Nr. 1350

Vorderseite: Kopf der Philistis nach links mit Diadem und Schleier; dahinter rechts im Feld eine Fackel

119

Katalog

Rückseite: ΒΑΣΙΛΙΣΣΑΣ / ΦΙΛΙΣΤΙΔΟΣ. Nike fährt in einem Viergespann (quadriga) nach rechts, oben eine Mondsichel, unten eine Ähre, rechts im Feld ΚΙΣ TrS

Kat. 104

Victoria bekränzt Pferde in einer Quadriga

Denar, Silber, Münzstätte: Rom (Italien) geprägt 132 v. Chr. unter dem Münzmeister Publius Maenius Antias Dm 19,9 mm, 3,88 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 1942 Literatur: Dorotheum 2, 1956, Nr. 3001; RRC Nr. 249/1

Vorderseite: behelmter Kopf der Roma nach rechts mit Ohrschmuck, dahinter Wertzeichen XVI (in Ligatur) Rückseite: P MAE ANT [in Ligatur] // ROMA. Victoria in einem Viergespann (quadriga) nach rechts, in ihrer Linken hält sie die Zügel, in der Rechten einen Kranz TrS

Kat. 115

Kontorniat, Bronze, Münzstätte: Rom (Italien) geprägt ca. 356–395 n. Chr. Dm 36,5 mm, 21,07 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 2649 Literatur: Alföldi – Alföldi 1976, 68 Nr. 207,6 Taf. 81,10; Dorotheum 2, 1956, 22 Nr. 2613 Taf. 6; Wegener 2005, 38 Taf. 9,1

Vorderseite: [IM]P NERO CAESAR AVG P MAX. Kopf des Nero nach rechts mit Lorbeerkranz Rückseite: Wagenlenker (Kaiser?) steht in einem Viergespann (quadriga) nach rechts, in der linken Hand hält er einen Palmzweig, in der rechten ein Zepter; unten zwei Faustkämpfer TrS

Kat. 99 Kat. 105

Ein siegreicher Reiter

Denar, Silber, Münzstätte: Rom geprägt 90 v. Chr. unter dem Münzmeister Lucius Calpurnius Piso Frugi Dm 19,4 mm, 4,01 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 1905 Literatur: unpubliziert, vgl. RRC 340 Nr. 340/1.

Vorderseite: Kopf des Apollon nach rechts mit Lorbeerkranz, dahinter Kontrollzeichen S Rückseite: L · PISO FRVG. Reiter auf einem Pferd im Sprung nach rechts, in der Rechten die Zügel, in der Linken ein Palmzweig, oben im Feld Kontrollzeichen O TrS

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Siegreicher Kaiser im Wagenrennen

Wagenlenker

kolorierter Gipsabguss, Original aus Bronze, im Delphi-Museum, Inv.-Nr. 3484, 3520, 3540, 478 oder 474 v. Chr. H 180 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. A 27 Literatur: Bol 2004, 10 f. Abb. 10; Chamoux 1991, 180–186 Nr. 51 Abb. E und 51 a–f

Der Wagenlenker von Delphi ist im Original die Bronzestatue eines im Wagenkasten stehenden Mannes, der seinen rechten Arm – der linke ist nicht erhalten – nach vorne streckt und noch die Reste der Zügel hält. Der dazugehörige Wagen mit Pferden ist nicht erhalten. Grund hierfür, aber auch für den guten Erhaltungszustand der Bronze war ein Erdbeben 373 n. Chr., infolgedessen sie verschüttet wurde. Gestiftet wurde die Statue von einem Sieger im Wagenrennen bei den Pythischen Spielen in Delphi, der inschriftlich als einer der Söhne des sizilischen Tyrannen Deinomenes überliefert ist und so die Datierung liefert. Bei Wagenrennen gewann

Katalog

der Besitzer des Gespannes und nicht der Fahrer des Wagens den Wettkampf. SaE

Kat. 100

Reitsport / Kampf der Götter gegen die Giganten

Mischgefäß (Kolonettenkrater), Ton, attisch-schwarzund -rotfigurig um 470/460 v. Chr., Gruppe der frühen Manieristen H 25,3 cm, Dm Lippe: 21,3 cm Privatbesitz, Inv. J 43 Literatur: Bensch u. a. 2015, 135–137 mit Abb. und älterer Lit. (N. Theißing-Innemann – H.-H. Nieswandt); Korzus 1984, 92 f. Kat. 27 mit Abb. (E. Peiffer); Stähler 1983a, 52 Kat. 30 Taf. 38b. 39

Auf dem Gefäßhals ist ein tongrundiger Streifen für die schwarzfigurige Bemalung ausgespart. Zwei Glanztonlinien oben und eine unten rahmen dieses Bildband. Auf diesem ist in der Mitte ein mit einem Mantel (himation) bekleideter Mann zu erkennen, der sich auf einen Knotenstock stützt. Er streckt seine Hand zu einer kleineren, ebenfalls manteltragenden Figur rechts neben ihm aus. Die beiden werden von auf sie ausgerichteten Reitern gerahmt. An den Friesenden befinden sich links eine Säule und rechts ein Felsbrocken. Es handelt sich hierbei um eine Darstellung von einer Trainingseinheit für Pferdewettkämpfe, denn die Säule links entspricht den Wendemalen, wie sie in der Pferderennbahn (hippodromos) überliefert sind. Das Hauptbild zeigt eine weibliche Gestalt nach rechts gegen einen zusammenbrechenden Krieger. Sie ist in einen Chiton gekleidet und hält in ihrer Rechten eine Lanze und in ihrer vorgestreckten linken Hand eine Schlange. Bewaffnet ist der in Rückansicht wie-

dergegebene Unterlegene mit einem Schild am linken Arm und einem gesenkten Speer in der rechten Hand. Die Szene ist dem Kampf der Göttinnen und Götter gegen die Giganten zuzuordnen, auch wenn die siegreiche Kämpferin nicht sicher als Göttin aufzufassen ist, da auch die Mänaden aus dem Umfeld des Dionysos mit Schlangen kämpfend abgebildet werden. MaH

Kat. 101 s. Kat. 98

Kat. 102

Reiter

Statuette, Bronze um 350 v. Chr. H 6,6 cm, L 5,5 cm, B 1,7 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 126 Literatur: unpubliziert, vgl. Vassilev 1994, 429–434 Abb. 1

Die Statuette einer nackten männlichen Gestalt ist in ihrer charakteristischen Reiterposition – auf dem Rücken eines Pferdes sitzend – zu rekonstruieren. Ihre hoch erhobene rechte Hand hält eine Peitsche, die gesenkte linke einen ledernen Sack – üblicherweise mit Blei gefüllt als Kampfwaffe. Der Reiter trägt einen Kranz auf dem Kopf. Die Gesichtszüge zeigen stark betonte Augenhöhlen sowie eine Stupsnase und wulstige Lippen, was auf eine schwarzafrikanische Herkunft hinweist. KdD

Kat. 103–105 s. Kat. 98

121

Katalog

Kat. 106–108

Reiterheros

Weihetäfelchen, Ton, aus Kleinasien (Türkei) ca. 310–250 v. Chr.

dass Reiter und Pferd nach links ausgerichtet sind, dass die Pferde sich aufbäumen und dass die Gewandung differiert; zu einer weiteren Gruppe – allerdings aufwendiger dekorierter Tontäfelchen aus Troja s. Barr 1996, 133–157

Weihetäfelchen (pinakes) wie diese werden in griechischen Heiligtümern nicht nur an Wänden aufgehängt, sondern auch an Bäumen, um von den Göttern etwas zu erbitten oder ihnen gegenüber Dank zu bezeugen. Diese z. T. fragmentarisch erhaltenen Tonreliefs zeigen einen Reiter auf einem paradierenden Pferd nach rechts. Er sitzt auf einer Reitdecke und ist in ein Gewand gehüllt, er trägt eine Kopfbedeckung, die an die makedonische kausia (flacher Hut) erinnert. Geschultert hat er einen Zweig, der zusammen mit dem rechts im Relief angegebenen Kranz in dieser Gattung bisher nicht nachzuweisen ist. Unter dem Pferd auf Inv. 2877 sind noch Symbole bzw. Buchstaben auszumachen, deren Deutung sich nicht erschließt. HeN

Kat. 109

Zweigespann

Lampe; Ton; aus Tunesien Typ Löschke V, Bailey C Gruppe IV; ca. 70–120 n. Chr. L 11,2 cm, Dm 7,2 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. Wi 2022–1 Literatur: unpubliziert. Vgl. Bussière – Lindros Wohl 2017, Kat. 255; zum Motiv Bémont 2007, 179 Kat. IT 12 (aus Italien)

H 12,6 cm (Inv. 2876), 12,2 cm (Inv. 2877), 15,4 cm (2878) Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 2876. 2877. 2878 Literatur: unpubliziert, vgl. Besques 1972, 112–114 Kat. D 723–732 Taf. 140–141 – diese pinakes stammen aus Orta Köy in der Aiolis (Türkei) und sind Weihgeschenke für einen Reiterheros. Sie unterscheiden sich u. a. dadurch,

122

Das Reliefbild dieser Lampe bezeugt die Beliebtheit des Pferdesports im Römischen Reich. Dargestellt ist ein im Galopp nach rechts preschendes Zweigespann (biga), das von einem Wagenlenker mithilfe seiner

Katalog

Peitsche angetrieben wird. Durch die Schutzgewandung, die durch Wülste und den breiten Gürtel besonders deutlich angegeben ist, wird klar, dass der Wagenfahrer in der Pferderennbahn (circus) aktiv ist. Unter der Standfläche ist eine plastisch aufgesetzte Wellenlinie als Zeichen des Produzenten (CCLOSVC auf anderen Lampen neben der Linie) angefügt. HeN

Kat. 110

Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 56 Literatur: Fischer 1969, 68. 101 f. Taf. 13 Nr. 81b; Rudnick 1988, 254 Abb. 3 f.; 255 f. Nr. 10 Taf. 19,6

Zweigespann

Lampe; Ton; aus Nordafrika Typ Loeschke VIII, Bussière Form D II 1; ca. 70–120 n. Chr. L 10,1 cm, Dm 7,1 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. Wi 2022–2 Literatur: unpubliziert. Vgl. stilistisch Bussière 2000, 320 Nr. 2286 Taf. 63 (allerdings Dreigespann)

Derartige Formschüsseln werden zur Herstellung des römischen Tongeschirrs (terra sigillata) verwendet (dieses Fragment für eine Schüssel vom Typ Dragendorf 37 ist auf einen Durchmesser von 30 cm zu ergänzen). Dargestellt ist eine erotische Gruppe in einem arkadenartigen Gebäude sowie links daneben ein Viergespann (quadriga) mit Wagenlenker, der einen Siegeskranz hält. HeN

Kat. 112

Siegreiches Pferd

Geschnittener Stein (Gemme), rot-orangener Jaspis ca. 100–200 n. Chr. H 1,1 cm, B 1,0 cm, T 0,2 cm Archäologisches Museum der WWU, Inv. L GV 77 Literatur: Alvarez Bendezu 2014–15, 315 Kat. 49 Taf. 36,49 mit weiterführender Lit.

Zum Reliefbild siehe zuvor beschriebene Lampe. Ein wesentlicher Unterschied neben der Formgebung der Lampe selbst ist die verminderte Qualität der Darstellung. Alle Bildelemente sind deutlich gröber wiedergegeben. Auf der Standfläche ist der Name des Produzenten eingestempelt: M NOVIVSI. HeN

Kat. 111

Siegreicher Wagenlenker

Formschüssel, Ton, wahrscheinlich aus Sinzig kurz vor 150 n. Chr. erh. H 8,48 cm, erh. B 13,0 cm

Dargestellt ist auf einer Grundlinie ein Pferd nach rechts, das seinen linken Vorderhuf erhoben hat. Von diesem geht ein Palmzweig schräg nach links aus, so dass das Pferd als siegreich charakterisiert ist. In Anbetracht der Beliebtheit des Pferdesports im Römischen Reich kann es nicht verwundern, dass für einen geschnittenen Stein für einen Fingerring das Motiv des Sieg-Pferdes gewählt wird. HeN

123

Katalog

Kat. 113

Wagenlenker

Statuette, Ton, aus dem Fayum 1. Viertel 3. Jh. n. Chr. H 17,5 cm, B 9,2 cm, T 6,0 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 375 Literatur: Schäfer 1998, 16. 40 f. 99 Kat. 39 Taf. 20; vgl. entfernt zum Motiv Besques 1972, 296 Kat. E 225 Taf. 368d; Goldman 1950, 360 Nr. 424; 425 Taf. 244

Auf einer hohen, einfach profilierten Basis steht ein Wagenlenker in Siegespose. Bekleidet ist er in eine tunika, die bis zur Mitte der Oberschenkel reicht und in Höhe der Taille mit einem breiten geschnürten Lederkorsett versehen ist. Die Beine sind mit einem speziellen Schutz bis zu den Zehen umwickelt. Im linken Arm hält er eine etwa brusthohe, auf der Basis aufgestellte Fackel. Wie die Fackel, die vom Wagenfahrer gehalten wird, zu interpretieren ist, erweist sich als schwierig. Sie begegnet sonst als Attribut der Göttinnen AthenaNeith und Demeter. Dass der Wagenlenker nun in einem Pferdegespannrennen anlässlich eines Festes für eine dieser Göttinnen gesiegt hat, kann nur vermutet werden. HeN

Kat. 114

Wagenlenker

Statuette, Ton, aus dem Fayum 1. Viertel 3. Jh. n. Chr. H 6,5 cm, B 3,3 cm, T ca. 4,0 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 374 Literatur: Schäfer 1998, 40 f. 99 f. Kat. 40 Taf. 20; vgl. Bayer-Niemeier 1988, 219 f. Kat. 501 Taf. 90,4

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Die Statuette eines in den Knien gebeugten Wagenlenkers mit nach links gewendeten Kopf ist nicht vollständig erhalten: Es fehlen Teile der Unterschenkel, die Füße und der linke Arm. Die für diese Athleten typische Tracht ist angegeben: ein Untergewand, um das in Höhe der Taille ein breites Korsett geschnürt ist, kombiniert mit ledernen Schutzbändern, die um die Beine gewickelt sind. Die Kniescheibe ist mit einer Panzerung besonders geschützt. Auf dem Kopf trägt er eine Art Kappe mit deutlich abgesetztem Stirnrand und Nackenschutz. Die linke Hand ist nach vorne gestreckt und umklammert wohl die Reste der Zügel. Der zugehörige Wagen ist leider verloren. Die zu einem Wagenlenker im Wagenkasten seines Gespannes zu rekonstruierende Statuette weist auf die Beliebtheit des Pferderennsports in der römischen Antike hin. HeN

Kat. 115 s. Kat. 98

Kat. 116

Teil eines Pferdes

Statuette, Bronze, aus Olympia (aus dem Kladeos), streng- bis reifgeometrisch, ca. 810–790 v. Chr. H 4,1 cm, L 3,9 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 121 Literatur: Hofmann 2016/17, 107 Taf. 23,3–4

Das Pferd ist direkt nach dem Vorderkörper (Bug) gebrochen, so dass Rumpf, Hinterläufe und Schwanz fehlen. Erhalten sind der schmale lange Kopf mit Ohren, der breite am Widerrist ansetzende Hals, der Ansatz des Rumpfes sowie der Bug mit vorgestreckten Vorderläufen.

Katalog

Zahlreiche geometrische Bronze- und Terrakottapferdchen sind als Weihgeschenke in Olympia gefunden worden. Sie werden gern mit der Göttin Hera in Verbindung gebracht, da sie in manchen griechischen Regionen als Pferdegöttin verehrt wird. HeN

Kat. 116A

Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 849 Literatur: Stupperich 1990, 32 f. Kat. 20 Taf. 5,1–3 und 6,2 mit älterer Lit.

Pferd

Kunststoffkopie einer Statuette, Original aus Bronze, aus Olympia, Leipzig, Antikenmuseum der Universität Leipzig, Inv. M 2 lakonisch, ca. 750–700 v. Chr. H 9,1 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. A 286 Literatur: Herrmann 1964, 14–16 Taf. 2; Kat. Leipzig 1994, 21 Nr. 39 mit Farbabb. (H.-P. Müller)

Das Pferd steht auf einer durchbrochen gearbeiteten Grundplatte und hat hohe, schlanke Läufe, deren vordere erst zum Körper hin an Volumen zunehmen. Die hinteren schwellen oberhalb eines das Gelenk markierenden Dornes stark an und gehen in den schlanken, zylindrischen Rumpf über; der Schweif hängt senkrecht herab. Brustpartie und Hals sind ebenso voluminös ausgearbeitet wie das Hinterteil. Der sich verjüngende zylindrische Kopf ist vom Hals durch eine geschwungene Kante abgesetzt, er hat am höchsten Punkt zwei Ohren. Die in Olympia sehr zahlreich gefundenen Pferdestatuetten aus Bronze bzw. Ton könnten auf den Kult der Zeusgattin Hera zu beziehen sein (vgl. Beitrag Lichtenberger – Nieswandt S. 53). HeN

Kat. 117

Grasende Pferde

Kanne, Ton, aus Athen attisch-spätgeometrisch I b/II a, 750–725 v. Chr. H 29 cm, mit Henkel 33 cm, max. Dm 20 cm, Deckel: H 5 cm, Dm 14,0 cm

Die Kanne besteht aus einem ovoiden Körper und einem zylindrischen, sich zur halben Höhe hin einziehenden Hals. Der Henkel setzt auf der Schulter an, erhebt sich senkrecht über die Mündung hinaus, um dann – nachdem er scharf umbiegt – auf der Lippe zu enden. Der eingesenkte Deckel passt sich der Lippe an; als Knauf dient ein Miniaturgefäß. Geometrische Ornamentstreifen überziehen das gesamte Gefäß. Die Schulter ist mit einem in Bildfelder untergliederten, figürlich verzierten Fries dekoriert: rechts vom Henkel zwei Bildfelder mit antithetisch gegeneinander ausgerichteten Wasservögeln; drei Bildfelder mit grasendem Pferd nach rechts, unter dem ein Vogel mit hohen Beinen steht – zwei antithetisch wiedergegebene Wasservögel – ein nach links positioniertes grasendes Pferd, unter dem sich ebenfalls ein Vogel mit langen Stelzbeinen befindet. Die Außenseite des Henkels zieren drei übereinander gestaffelte Wasservögel nach links. Das Pferd und die Wasservögel stehen metaphorisch für die Verletzbarkeit und Vergänglichkeit des Lebens. MaW

125

Katalog

Kat. 118

Achilleus am Grabe des Patroklos / Götterversammlung

Wassergefäß (hydria), Ton, attisch-schwarzfigurig um 510 v. Chr. H 33,3 cm, max. Dm 32,0 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 565 Literatur: Korzus 1984, 185–188 Kat. 71 mit Abb. (K. Stähler); Stähler 1980, 20–22 Kat. 10 Taf. 10; Stähler 1967 passim.

chisch-ionischen Legende als Seele ΦΣΥΧΗ bezeichnet– eilt über dem Gespann nach links. Auch in Hinsicht des Gespannes zeigt das Vasenbild eine Variante gegenüber der „Ilias“: Dort fährt Achilleus auf einem Zweigespann. Das hier dargestellte Viergespann entspricht aber ebensowenig einer militärischen Nutzung von Pferden in der Zeit der Erschaffung der Hydria, da im 6. Jh. v. Chr. neben den Fußsoldaten nur Reiter kämpfen. Folglich muss der hohe Rang des Viergespannrennens anlässlich der großen Sportwettkämpfe das Gefährt des Achilleus initiiert haben. NiL

Kat. 119

Wagenfahrt des Dionysos

Duftölgefäß (lekythos), Ton; attisch-schwarzfigurig 510/500 v. Chr., Leagros-Gruppe H 25,5 cm, Dm 10 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 892 Literatur: Korzus 1984, 166. 168 f. Kat. 60 mit Abb. (S. Fischer)

Unter der mit einer Götterversammlung bemalten Schulter der Hydria zeigt ihr Bauchbild eine Szene aus der „Ilias“ des Homer: Die Bestattung des Patroklos, welcher vor Troja gefallen ist, wird durch seinen Freund Achilleus aufwendig zelebriert. Nach den sportlichen Leichenspielen enden die Totenkulthandlungen. Anschließend will Achilleus seinen gefallenen Freund ehren, indem er dreimal den Grabhügel mit einem Viergespann umrundet, an das die Leiche des Hektor gebunden ist. Auf unserem Vasenbild fehlt die Schleifung des toten Trojaners. Der schnelle Achilleus (erhalten sind der Brustpanzer und das vorgestreckte Schild sowie sein linker Unterschenkel und sein rechter Fuß) läuft dabei neben seinem Pferdegespann. Dieses hervorstechende Motiv des ‚fliegenden Galopps‘ der Pferde ist eine zentrale Metapher, die die Schnelligkeit der Pferde und des mitlaufenden Helden verdeutlicht. Die Pferdeköpfe sind paarweise gruppiert, wie es der Anschirrungsweise von Gespannpferden entspricht: Die Mittelpferde ziehen über das Joch, die Seitenpferde über einen Brustriemen. Anders als in der „Ilias“ zeigt unser Vasenbild, dass die Ehrung den Toten erreicht hat, denn dessen Geist – mit der altgrie-

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Die Lekythos zeigt ein nach rechts ausgerichtetes Viergespann. Der Gott Dionysos ist im Begriff, den Wagen zu besteigen. Er wird von zwei mythischen Wesen begleitet: einer vor ihm tanzenden Mänade und einem flötespielenden Satyr, der das Gespann anführt. Im Hintergrund der Szene sind Weinranken wiedergegeben, die in der linken Hand des Gottes gebündelt sind. Dabei stehen die Reben für die Fruchtbarkeit und die Verbundenheit mit dem Wein, da Dionysos als Überbringer des Weines gilt. Das Wagenfahrtmotiv ist im ausgehenden 6. Jh. v. Chr. sehr beliebt, weswegen die Fahrt des Dionysos häufig – vornehmlich auf Gefäßen für Wein oder Feste – dargestellt ist. Die außerordentliche hohe Bedeutung des Dionysos zeigt sich darin, dass ihm auf diesem Vasenbild ein Viergespann zugeordnet ist. KiZ

Kat. 120

Wagenfahrender Weingott Dionysos

Salbölgefäß (lekythos), Ton, attisch-schwarzfigurig um 500/490 v. Chr., Gela-Maler H 22,4 cm, Dm Fuß 6,7 cm, max. Dm 8,5 cm, Dm Mündung 6 cm Privatbesitz; Inv. J 28 Literatur: Bensch u. a. 2015, 110–111 Kat. 49 mit Abb. (M. Bensch); Stähler 1983a, 39 f. Kat. 21 Taf. 29

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Diese lekythos aus der späten Schaffensphase des Gela-Malers zeigt den nach rechts wagenfahrenden Wein- und Vegetationsgott Dionysos. Er trägt einen langen Mantel sowie eine Binde im hochgesteckten Haar und besteigt einen Wagen, der von einem Viergespann gezogen wird. In den Händen hält er ein zweihenkliges Trinkgefäß (kantharos) – persönliches Attribut des Gottes – ferner eine Peitsche zum Antreiben der Pferde (kentron). Diese Szene wird durch eine hinter dem Gespann nach rechts gewandte weibliche Mantelfigur, welche sich zu Dionysos umblickend ihren Arm in dessen Richtung erhebt. Dem Gespann geht ein Silen (Fabelwesen mit menschlichem Oberkörper und Pferdeschweif und -ohren) voran, der sich ebenfalls zum Gott umwendet. Weinranken bilden den Hintergrund dieses dionysischen Aufzuges. MaR

Kat. 121

Skyphios, ein Pferd springt aus dem Felsen

Drachme, Silber, geprägt in Thessalien (Griechenland) geprägt 470–450 v. Chr. Dm 19 mm, 5,82 g Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett, Objektnr. 18213231 Literatur: Franke 1970, 86–93; 87 Nr. 1; vgl. Herrmann 1922, 33–43; Moustaka 1983, 21–23

Vorderseite: Pferd springt nach rechts aus einem Felsen hervor Rückseite: ΦΕ-ΘΑ. Verzierter Dreizack mit Voluten, zwischen den Zacken die Legende, alles in einem eingetieften Bildfeld (quadratum incusum)

Der griechischen Mythologie zufolge geht die Schöpfung des Pferdes auf den Gott Poseidon zurück, der nicht nur Gott des Meeres und ‚Erderschütterer‘, sondern auch Gott der Pferde ist. Dieser stößt mit seinem Dreizack in der Nähe der Quelle Hypereia bei Pherai (Thessalien) in einen Felsen, dem daraufhin das ‚Ur-

pferd‘ Skyphios entspringt. In der Landschaft Thessalien, die für ihre Pferdezucht berühmt ist, wird diese Szene in klassischer und hellenistischer Zeit (ca. 490– 31 v. Chr.) ein beliebtes Motiv auf Münzen. Bei dieser thessalischen Prägung ist das Vorderteil des Skyphios beim Sprung aus dem Felsen nach rechts gezeigt, während die Rückseite mit dem Dreizack, dem Hauptattribut des Poseidon, verziert ist. JeS

Kat. 122

Skyphios, ein Pferd springt aus dem Felsen

Münze, Buntmetall, Münzstätte: Orthe (Griechenland) geprägt ca. 344–200 v. Chr. Dm 23 mm, 7,88 g Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett, Objektnr. 18237806 Literatur: unpubliziert, vgl. Babelon 1926, 335 Nr. 595 Taf. 293,16; Moustaka 1983, 21–23; 102 Nr. 30; Rogers 1932, 138–139 Nr. 421; SNG Kopenhagen Heft 11 Nr. 183; SNG Schweden II,2, Nr. 1232

Vorderseite: Kopf der Athena nach rechts mit einem korinthischen Helm Rückseite: [ΟΡ]Θ[Ι]ΕΙΩΝ. Pferd springt nach rechts aus einem Felsen, aus dem ein Olivenzweig wächst, alles in einem Olivenkranz

Auch auf dieser Münze des thessalischen Orthe wird die mythische Schöpfung des Urpferdes Skyphios thematisiert. Wie auf der Vorderseite des vorangegangenen Exemplars wird hier ebenfalls das Pferd im Sprung aus dem Felsen nach rechts dargestellt. Zusätzlich wird das Motiv um einen aus dem Felsen wachsenden Olivenzweig sowie um einen alles umschließenden Olivenkranz erweitert. Darin ist ein Verweis auf Athena zu sehen, welche eine Schutzgöttin der Stadt Orthe ist und den Olivenzweig zu ihren Attributen zählen kann. JeS

Kat. 123

Reiterkavalkade in Prozession

Relief, Gipsabguss, Original vom Parthenon in Athen, aus Marmor, Nordfries Platten XXXII–XXXVIII 442–438 v. Chr. H 102 cm; L 122 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. A L KR 32–38 Literatur: Bol 2004, 163–167. 174 f. Abb. 63 c; Brommer 1977, 52–62 Abb. 9–20 Taf. 93–102

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Katalog

Sieben Platten vom Nordfries des Parthenon zeigen mehrere Männer auf galoppierenden Pferden. Bewundernswert ist die variantenreiche Ausgestaltung der Gefühlslagen nicht nur der Menschen, sondern insbesondere der Pferde. Die Geschirre waren ursprünglich durch Metallapplikationen angegeben und sind nicht erhalten. Die Reiterformation ist Teil der Prozession, die auf dem gesamten Fries dargestellt ist. Der Festzug beginnt am Kerameikos und macht sich von dort auf den Weg hoch zur Akropolis, um dort Athena zu Ehren ein Opfer darzubringen. Die Anwesenheit der Reiter bei diesem Ereignis könnte aufgrund ihrer energischen Darstellung ein Verweis auf die Wettkämpfe der panathenäischen Spiele sein, bei denen sie ebenso Teil der kultischen Handlungen sind. SaE

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Katalog

Kat. 124

Kopf eines Gespannpferdes

Giebelfigur, Gipsabguss, Original vom Parthenon-Ostgiebel in Athen, aus Marmor, London, Britisches Museum 438–432 v. Chr. H 51,5 cm; L 82 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. A 58 Literatur: Bol 2004, 174 Abb. 109 i; Brommer 1963, 23 f. Taf. 56–58

Auffällig sind die Ähnlichkeiten zwischen der Darstellung des Mannes auf dem Relief mit der berühmten Statue des Doryphoros des Polyklet (um 440 v. Chr.). HeN Der Ostgiebel des Parthenon auf der Akropolis von Athen zeigt die Geburt der Athena. Die Giebelzwickel sind jeweils von im Viergespann auf- bzw. absteigenden Gottheiten eingenommen. Links ist es der Sonnengott Helios und rechts versinkt das Gespann der Mondgöttin Selene (andere Meinungen sehen hier Nyx, die Göttin der Nacht). Von diesem Viergespann schauen die Pferdeköpfe zum Teil weit über den Giebelrahmen hinaus. Dieser Pferdekopf ist der berühmteste, Goethe spricht in diesem Zusammenhang vom Urpferd (s. Beitrag Lichtenberger – Nieswandt S. 53– 54). HeN

Kat. 125

Kat. 126

Berittener Arimasp gegen Greifen

Vorratsgefäß (pelike), attisch-rotfigurig (Kerčer Keramik) um Mitte des 4. Jh. v. Chr., Ton; H 27,7 cm; Dm 16,3 cm; Fuß Dm 10,3 cm; Lippe Dm 16,1 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 723 Literatur: Stähler 1978, 190 f. Nr. 16 Taf. 33,1–2

Lanzenträger vor seinem Pferd

Weihrelief, Gipsabguss, Marmororiginal aus Argos, Nationalmuseum von Athen, Inv. 3153 frühes 4. Jh. v. Chr. H 51 cm, B 41 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. A 128 Literatur: unpubliziert, vgl. zum Original Kaltsas 2002, 115 Kat. 203 mit Abb.; Machaira 1992, 1025 Nr. 5 Taf. 673; Vollmer 2014/2015, 126 Anm. 6; 127. 141–144 (interpretiert den Dargestellten als Demos von Argos)

Das Relief zeigt einen nackten Lanzenträger (doryphoros) vor seinem nach rechts paradierenden Pferd. Während der Unterkörper des Dargestellten im Profil abgebildet ist, wenden sich der Oberkörper und der Kopf ins Dreiviertelprofil. In seiner linken Hand hält er die Zügel des Pferdes und die lange Lanze diagonal vor der Schulter.

Auf dem Hauptbild der Pelike ist eine eindrucksvolle Szene zu sehen: Ein einäugiger Mann – ein Arimasp – treibt von links ein steigendes Pferd gegen ein sich aufbäumendes Mischwesen aus Löwe und Adler – einen Greifen. Der Arimasp trägt eine gepunktete Hose, ein

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Katalog

kurzes Leibgewand (chiton) zusammen mit einem Brustpanzer und einer sog. phrygischen Kappe. Mit der linken Hand zügelt er das aufgeregte Pferd. Die Deckweißzeichnung der Pelike ist über die Jahrhunderte verloren gegangen, weswegen der Greif fast nur noch in den tonfarbigen Aussparungen zu erkennen ist. Einzig die Flügel sind sichtbar, da sie in rotfiguriger Technik angegeben sind. Laut der griechischen literarischen Zeugnisse behüten die Greifen im hohen Norden Goldvorkommen, welche die südlich von ihnen lebenden Arimaspen rauben wollen. Zwischen diesen und dem Schwarzen Meer siedeln die Issedonen und die Skythen. Die Reitertracht des Arimaspen entspricht der der berittenen Steppennomaden. KiZ

Kat. 127

Köpfe eines Pferdes und einer Göttin sowie Vorderteil eines Greifen

Vorratsgefäß (pelike), Ton, attisch-rotfigurig (Kerčer Keramik) um 350 v. Chr. H 22,5 cm, max Dm 14 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 737 Literatur: Stähler 1980, 42–43 Kat. 27 Taf. 27; Stähler 1978, 191 Nr. 17 Taf. 33,3–4

Die Bildmitte der kaum gebrochenen Pelike wird von einem großen weiblichen Kopf eingenommen. Er ist nach rechts gewandt und weiß gefärbt. Die gepunktete Haube steht mit ihrer tongrundigen Farbe dazu im Kontrast. Rechts von dem Frauenkopf befinden sich Hals und Kopf eines gezäumten Pferdes, welches sich in die gleiche Richtung wendet. Das Pferd hat dieselbe tongrundige Farbe wie das Tuch der Frau. Die Mähne ist kurz und aufgestellt. Links von der Frau befindet sich ein weißer Greif. Sein langer Hals wächst aus

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einem Flügel heraus. Pferde und Greifen sind über griechische Sagen insbesondere mit dem nördlichen Küstenraum des Schwarzen Meeres verbunden (s. Kat. 126). Dies spricht dafür, den Frauenkopf als Hinweis auf eine skythische Göttin des Totenreiches zu verstehen. Das ist umso wahrscheinlicher, weil die sog. Kerčer Keramik gern von Athen in den Bereich nördlich des Schwarzen Meeres exportiert wurde. AmS

Kat. 128

Kampf eines Griechen (Achilleus?) gegen berittenes Frauenvolk (Amazonen)

Kanne (oinochoe), Ton, apulisch-rotfigurig um 320/310 v. Chr., Nachfolge des Baltimore-Malers H mit Henkel 40,8 cm; Dm Fuß 8,8 cm Privatbesitz; Inv. J 78; Literatur: Bensch u. a. 2015, 183–185 Kat. 89 (N. Theißing-Innemann – H. Nieswandt); Korzus 1984, 228–230 Kat. 94 mit Abb. (K. Stähler); Trendall – Cambitoglou 1992, 340 Nr. 117b

Diese Kanne mit Kleeblattmündung und vierrippigem Henkel ist im Boden nicht geschlossen, was sie dem Totenkult zuweisen lässt. Dargestellt ist eine berittene Person auf einem weißen Pferd, vermutlich eine kämpferische Tochter des Kriegsgottes Ares (Amazone), mit Axt in der Hand und in typischer Tracht, welche aus

Katalog

kurzem Chiton mit Gürtung, Ärmelgewand, Hosen, Mantel, Stiefeln und Kopfbedeckung (sog. phrygische Kappe) besteht. Rechts daneben befindet sich eine kniende Amazone in ähnlicher Tracht, mit erhobenem Rundschild an ihrem linken Arm und gelb-roter Axt in ihrer rechten Hand. Sie blickt in Richtung eines bärtigen Mannes, der in seiner erhobenen rechten Hand ein Schwert hält, um damit zum Schlag gegen die knieende Amazone ausholt. Über dem Chiton schützt den Oberkörper ein Muskelpanzer. Er trägt am zurückgenommenem linken Arm einen Rundschild. Ergänzt wird diese Szene am rechten Bildrand von einem davoneilenden weißen Pferd in gestrecktem Galopp. Die ob ihrer Reitkunst berühmten Amazonen sind auch Verbündete der Trojaner und kommen somit in einen Konflikt mit den Griechen. Der berühmteste Zweikampf ist der der Amazonenkönigin Penthesilea gegen Achilleus, den dieser zwar als Sieger bestreitet, sich aber im Moment des Todes der Amazone in sie verliebt. MaR

Kat. 129

Amazonenkönigin im Viergespann

Knopfhenkelschüssel (lekanis), Ton, aus Apulien (Süditalien) 320–310 v. Chr., White-Saccos-Maler, Chariot Group H 24,5 cm, Dm 62 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 911 Literatur: Stähler 1985, 68 Kat. 44 Taf. 23. 26 b–c und Cover; Trendall – Cambitoglou 1983, 188 Nr. 194 a

fell-Schultermantel und eine Haube. An ihrer linken Seite schützt sie sich mit einem halbmondartigen Schild (pelta) mit einem Gorgoneion im Zentrum. In ihrer vorgestreckten Rechten hält sie wie ein Szepter aufrecht eine Streitaxt. Die vier Gespannpferde sind im vollen Galopp dargestellt und scheinen durch die Zügel stark zurückgehalten werden zu müssen. Die Deichsel ist zwischen den mittleren Pferden zu sehen, die Mähnen der Pferde sind geflochten und hochgebunden. Dieses Grabgefäß zeigt eine mythische Wagenfahrerin als Hoffnungsbild im Jenseits. Die übernatürliche Pflanze links vor dem Gespann und die Kultobjekte über der Szene heben die Szene aus dem Diesseits ab. KaH/MaW

Kat. 130

Toter mit seinem Pferd in einer Tempelarchitektur / der Seher Amphiaraos mit seinem Viergespann im Palast des Unterweltsgottes Hades / Frauenraub mithilfe eines Viergespannes

Mischgefäß (Volutenkrater), Ton, aus Apulien (Süditalien) um 320 v. Chr., Baltimore-Maler H 118 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 817 Literatur: Korzus 1984, 208–212 Kat. 85 mit Abb. (K. Stähler); Lohmann 1986, 65–82, bes. 77–82 Taf. 12– 13; Schauenburg 1984, 368–370. 378 f. 381 Taf. 116

Die große Knopfhenkelschüssel ruht lose auf einem separat getöpferten Fuß. Nur das Innere ist bemalt. Zwei Ornamentbänder – außen Weinranken, innen Blütenband – umrunden das zentrale Tondo. In dessen unteren Segment ist eine geflügelte Frauenbüste nach links abgebildet. Das große obere Segment zeigt eine Amazonenkönigin im von vier Schimmeln gezogenen Wagen nach links. Sie trägt über ihrem mit Kreuzgürtung gesicherten Leibgewand einen geknoteten Tier-

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Katalog

Dass dieses Gefäß nicht zum Gebrauch im Haus bestimmt ist, erkennt man sowohl an seiner Größe, als auch an dem separat getöpferten Fuß. Es handelt sich um eine Grabgabe, wie sie zahlreich für unterirdische Grabkomplexe in Apulien bezeugt sind. Dementsprechend ist das Hauptbild der kleine Tempel (naiskos), in dem der Tote vor seinem Pferd mit seiner Frau in einer Opferszene dargestellt ist. Nackt mit Reisemantel und -hut sowie mit Lanze zeigt er sich jugendlich heroisch. In diese Richtung deutet auch das Trankopfer, das ihm seine Frau darbietet. Nicht nur das Pferd charakterisiert den Toten als zur städtischen Elite zugehörig, sondern auch die vielen Gabenbringer, die weitere Geschenke zum naiskos bringen. Die Rückseite ist allerdings vom Töpfermeister und vom Maler als wichtigere Seite behandelt worden, indem das Bild über die Fläche hinausgreift, die das andere Bild einnimmt. Hierfür wurden die Henkel leicht zur Vorderseite verschoben.

Hades. Der Sterbliche ist mit der Fähigkeit ausgestattet, in die Zukunft zu schauen, und deshalb ein von den Göttern – insbesondere Apollon und Zeus – sehr beachteter Held. Deshalb hat ihn auch Zeus in höchster Gefahr vor dem Tode auf dem Schlachtfeld gerettet, indem er ihn mitsamt seinem Viergespann und Wagenlenker durch einen Erdspalt in die Unterwelt fahren lässt. Hier wird er dann einer der Totenrichter und wird deshalb von Hades im Palast empfangen. Um diese Szene gibt es weitere Helden und Göttinnen im oberen Register und drei Bestrafungsszenen. Auf dem Halsbild ist ein weiteres Viergespann zu sehen, das für einen Frauenraub genutzt wird. Frauenraub durch Götter ist ein beliebtes Thema in der Vasenmalerei. Wenn auch der unbärtige Wagenfahrer die junge Frau, die sich schutzflehend von ihm abwendet, mit Gewalt ergreift, so deuten doch der über dem Gespann fliegende Liebesgott Eros und die vorwegschreitende Göttin Athena an, dass alles seine Richtigkeit hat. Zudem fliegt ein Vogel mit einem Stoffband (tainia) zu dem Paar, was andeutet, dass diese beiden demnächst in Verbundenheit miteinander leben werden. HeN

Kat. 131

Pferde

Figurenaskos, Ton, aus Apulien (Süditalien) canosinisch-polychrom, ca. 300–250 v. Chr. H 63,9 cm, Dm 59 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 996 Literatur: Stähler 1985, 114 f. Kat. 112 Taf. 52–53

Auf dem Bauchbild erscheint eine figurenreiche Unterweltsszene, in deren Zentrum der Hadespalast abgebildet ist. Darin thront rechts der Unterweltsgott – reich gewandet und mit Szepter versehen – und ist im Handschlaggestus (dexiosis) mit einem links stehenden gerüsteten Krieger verbunden. Diese Verbundenheit verdeutlicht die Sonderstellung, die dem Neuankömmling zukommt. Dies wird umso deutlicher, wenn man auch das vom Gott Hermes – dem Seelenbegleiter (psychopompos) – angehaltene Viergespann mit Wagenlenker in die Überlegungen mit einbezieht. Es handelt sich um die Ankunft des Amphiaraos bei

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Katalog

Das runde Weinschlauchgefäß (askos) verfügt über eine breite Mündung, einen bandartigen Bügelhenkel und eine abgeplattete Standfläche. Ursprünglich war dieses Gefäß bunt bemalt, erhalten ist davon bis auf die weiße Grundierung nichts. Es ist mit zahlreichen Figuren – die z. T. nicht ursprünglich mit ihm zusammengehören – verziert: Drei geflügelte Göttinnen dominieren den oberen Bereich. In der Mitte des Bauches ist eine geflügelte Gorgo-Medusa angebracht, die als übelabwehrendes Zeichen dient. Zwei spiegelsymmetrische angeordnete Pferdevorderteile sprengen aus der Gefäßwandung heraus. Beim rechten ist das Bein angesetzt, beim linken fehlt der rechte Huf. Vor der Stirn, an Schläfen, oberhalb der Nüstern und seitlich der Mundwinkel sind Schmuckscheiben plastisch angegeben und zeugen von dem ursprünglich aufgemalten Zaumzeug. Die Mähne ist über der Stirn gescheitelt und zwischen den Ohren aufgebunden. Pferde waren beliebte Motive für Protomen. Ein gutes Pferd war nicht nur teuer und somit ein Zeichen für Wohlstand und sozialen Stand, sondern auch die natürliche Schönheit der Tiere wurde in der Antike geschätzt und gern zur Schau gestellt. Wie diese beiden Pferdeprotomen zu interpretieren sind, erschließt sich nicht. KaH/MaW

Kat. 132

Pferd vor Dattelpalme

Münze, Buntmetall, Münzstätte auf Sizilien (Italien) geprägt ca. 4./3. Jh. v. Chr. Dm 18 mm, 2,65 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 1841 Literatur: unpubliziert, vgl. Alexandropoulos 2007, Nr. I/18 m; SNG Kopenhagen Heft 42, Nr. 118; SNG Mailand Heft 14, Nr. 401

Vorderseite: Kopf der Tanit/Kore nach links mit einer Kornähre im Haar und einem Ohrring, rechts im Feld ein Punkt Rückseite: Pferd steht nach rechts, dahinter eine Dattelpalme, rechts im Feld drei Punkte in einem Dreieck angeordnet und ein Punkt rechts der Vorderhufe

Die Vorderseite der Münze zeigt den Kopf der phönizischen Fruchtbarkeitsgöttin Tanit, welche mit der griechischen Kore bzw. Persephone gleichgesetzt wird und durch die Kornähre in ihrem Haar identifiziert werden kann. Auf der Rückseite steht ein Pferd nach rechts vor einer Dattelpalme. Die Bedeutung der Punkte ist nicht geklärt. JeS

Kat. 133

Pferdekopf mit Dattelpalme und Blitzbündel

Tetradrachme, Silber, Münzstätte auf Sizilien (Italien) geprägt ca. 300 v. Chr. Dm 25,2 mm, 17,01 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 6282 Literatur: unpubliziert, vgl. Jenkins 1978, 23 Nr. 276

Vorderseite: Kopf des jugendlichen Melqart nach rechts mit Löwenskalp, dessen Tatzen um seinen Hals gebunden sind Rückseite: ʿ MMHNT [punisch: „Leute aus dem Militärlager“]. Pferdekopf nach links, davor links im Feld ein Blitzbündel, dahinter rechts im Feld eine Dattelpalme, darunter eine punische Legende

Sizilien ist aufgrund seiner strategisch günstigen Lage und seines reichen Getreidevorkommens eine der attraktivsten Mittelmeerinseln der Antike. Deshalb versuchen neben den Athenern auch die Karthager (auch Punier genannt), ihren Einflussbereich auf die Insel zu erweitern, und unternehmen ab ca. 410 v. Chr. militärische Kampagnen. Eine vollständige Einnahme gelingt den Puniern nicht, jedoch richten sie Münzstätten auf Sizilien ein, um ihre Soldaten und Söldner vor Ort bezahlen zu können. Stilistisch orientieren sich die Münzen an den sizilischen Prägungen und auch an denen Alexanders des Großen. Die Pferdedarstellungen der sikulo-punischen Exemplare sind jedoch karthagischen Ursprunges und als Symboltiere des Sonnen- oder Kriegsgottes der Punier zu deuten, welcher später mit der obersten Gottheit Ba’al Hammon gleichgesetzt wird. Auch ist uns eine Gründungslegende überliefert (Verg. Aen. 1,442–445), nach der die in Tyros aufgebrochenen Seefahrer die Siedlung Karthago an der Stelle gründen, an der sie einen Pferdekopf am Strand gefunden haben. Die Dattelpalme, griechisch phoinix, ist entweder ein Wortspiel auf die phönizische Herkunft der Karthager oder ein Fruchtbarkeitssymbol. Der Kopf auf der Münzvorderseite weist eine starke Ähnlichkeit auf zu dem auf den Heraklesprägungen Alexanders des Großen, jedoch zeigen sie den phönizischen Gott Melqart, der häufig mit Herakles gleichgesetzt wird und dieselben Attribute besitzt. Auf den Rückseiten ist ein Pferdekopf nach links zu sehen, der von einem Blitzbündel links und einer Dattelpalme

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Katalog

rechts flankiert wird. Die punische Legende unter dem Pferdekopf weist auf den militärischen Kontext (für Ursprung und Funktion) dieser Prägung. JeS

Kat. 134

Das gehörnte Pferd des Seleukos I. Nikator

Tetradrachme, Silber, Münzstätte: Pergamon (Türkei) geprägt 281–280 v. Chr. unter König Antiochos I. Soter (reg. 281–261 v. Chr.) Dm 30 mm, 16,57 g Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett, Objektnr. 18203077 Literatur: Dressel 1898, 230 Taf. 6,6; Houghton – Lorber 2002, Nr. 1,1; Newell 1977, Nr. 1528 β

Vorderseite: Kopf eines gehörnten und aufgezäumten Pferdes nach rechts Rückseite: BAΣIΛEΩΣ // ΣEΛEYKOY. Elephant steht nach rechts, oben im Feld eine Biene, unten der seleukidische Anker

Auf dieser Münze, die Philetairos (reg. 281–261 v. Chr.) in Pergamon ausgeben lässt, nimmt er Bezug auf den gerade verstorbenen Seleukos I. Nikator (reg. 312–281 v. Chr.), den Begründer der Seleukidendynastie, indem er auf der Vorderseite einen Pferdekopf mit Hörnern und Zaumzeug abbildet. Dieses gehörnte Pferd, das wiederholt auch auf seleukidischen Münzen auftaucht, hat zu verschiedenen Interpretationen geführt: Einer früheren Deutung nach ist darin Bukephalos („der Ochsenköpfige“), das Pferd Alexanders des Großen, zu sehen (vgl. Kat. 208). Mittlerweile wird jedoch davon ausgegangen, dass es sich, wenn ein konkretes Pferd gemeint ist, eher um das Ross handelt, welches Seleukos I. 315 v. Chr. die Flucht aus Babylon vor Antigonos Monophtalmos ermöglicht. In jedem Fall weisen solche Hörner auf übernatürliche Kräfte. Auf posthumen Porträts des vergöttlichten Seleukos I. wird dieser gehörnt dargestellt, da er der Überlieferung nach einen entlaufenen Stier, der für ein Opfer an Alexander bestimmt ist, mit bloßen Händen einfangen kann. Alternativ beziehen sich die Hörner des Pferdes auf einen dionysischen Heros, mit dem Seleukos I. sich gleichsetzt, oder sind als allgemeine östliche Symbole für königliche Macht und Göttlichkeit anzusehen. JeS

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Kat. 135

Pferd

Statuette, Ton, aus Apulien (Süditalien) ca. Ende 4. – Anfang 3. Jh. v. Chr. H 11 cm, L 9.8 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 1037 Literatur: unpubliziert, vgl. Schürmann 1989, 250 f. Kat. 946–949 Taf. 155 (3.–2. Jh. v. Chr.); Ventrelli 2004, 103–105 Kat. 72–74 (Ende 4.–Anfang 3. Jh. v. Chr.)

Die Tonstatuette eines auf einer rechteckigen Basis stehenden Pferdes zeigt seine Formen in fließenden, weichen Konturen. Die Räume zwischen den Läufen und zwischen dem Schweif und den Hinterläufen sind mit Ton geschlossen. Während auch der Kopf, die Mähne und die Ohren mit sanften Umrissen dargestellt sind, zieren je eine erhaben geformte runde Schmuckscheibe die Stirn und die Brust. HeN

Kat. 136

Pferd mit Gefäß

Münze, Buntmetall, Münzstätte: Kyme (Türkei) geprägt ca. 250–190 v. Chr. Dm 23,8 mm, 9,05 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 4359 Literatur: BMC Aeolis 110–111 Nr. 66–69; SNG Aulock Nr. 1635; SNG Özkan Arıkantürk Collection (= Türkei 9,2) Nr. 241–245

Katalog

Vorderseite: Kopf der Amazone Kyme nach rechts mit einem Diadem (stephané) oder einer schmalen Binde im Haar Rückseite: ΚΥΜΑΙ/ΩΝ // ΠΥΘΑΣ. Pferd steht nach rechts, den linken Vorderfuß erhoben, darunter ein einhenkliges Gefäß

Bereits auf den frühesten Münzen aus dem aeolischen Kyme, die sich in das 5. Jh. v. Chr. datieren lassen, ist das Pferd neben dem Adler und einem einhenkligen Gefäß eines der gängigsten Motive und wird bis in die späte Kaiserzeit (Mitte 3. Jh. n. Chr.) geprägt. Sein konkreter Bezug zu der Stadt ist ungeklärt, da wenig über die Gründungslegende und die Kultlandschaft der Polis bekannt ist. Möglicherweise steht das Pferd in Verbindung zu einem lokalen Heros oder zum Gott Poseidon, der während der Kaiserzeit (ca. 1.–3. Jh. n. Chr.) auf Münzen Kymes auftritt. Eine ähnliche Ungewissheit herrscht bezüglich des Gefäßes. Es wird vermutet, dass es sich dabei um eine lokale Gefäßform handelt, die im (Apollon-)Kult Verwendung findet oder in einem seiner Mythen vorkommt. Pferd und Gefäß werden in Kyme üblicherweise kombiniert. Die Vorderseite der Münze aus Kyme zeigt den Kopf der gleichnamigen Amazone nach rechts. Auf der Rückseite steht ein Pferd nach rechts, das sein linkes Vorderbein über ein einhenkliges Gefäß erhebt. Darüber befindet sich der Stadtname und im Abschnitt darunter ist der Beamtenname Pythas zu lesen. JeS

Kat. 137

Pferdeprotome und Gefäß

Münze, Buntmetall, Münzstätte: Kyme (Türkei) geprägt ca. 350–250 v. Chr. Dm 21,5 mm, 3,88 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 4360 Literatur: unpubliziert, vgl. BMC Aeolis 108–109 Nr. 40– 52; SNG Aulock Nr. 1628–1629; SNG Özkan Arıkantürk Collection (= Türkei 9,2), Nr. 224–234; SNG Selçuk Tanrıkulu (= Türkei 4), Nr. 395–405 (jeweils mit anderen Magistratsnamen)

Vorderseite: KY // [Π]ΥΘΑΓΟΡΑΣ. Vorderteil (Protome) eines nach rechts springenden Pferdes mit Zaumzeug Rückseite: Einhenkliges Gefäß, links im Feld ein Monogramm

Die Vorderseite dieses Exemplars zeigt das Vorderteil (Protome) eines gezäumten Pferdes, das nach rechts

springt. Zu sehen ist oberhalb des Pferdes das Kürzel KY für „Kyme“ sowie unter ihm der Beamtenname Pythagoras. Ein einhenkliges Gefäß und ein Monogramm zieren die Rückseite. JeS

Kat. 138

Reitende Schutzgötter

Denar, Silber, Münzstätte: Rom (Italien) geprägt 211 v. Chr. Dm 19,5 mm, 3,83 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 1922 Literatur: unpubliziert, vgl. RRC Nr. 44/5

Vorderseite: Kopf der behelmten Roma nach rechts, links dahinter Zahlzeichen X Rückseite: ROMA (in gerahmtem Feld). Reitende Dioskuren mit angelegten Speeren nach rechts; über ihren Köpfen je ein Stern

Das reitende Dioskurenpaar Castor und Pollux ziert die frühen Denare der Römischen Republik. Die Schutzgötter der Pferde und Reiter sind zu Schutzgöttern Roms geworden, als diese, so die legendenhafte Erzählung, bei der Schlacht am See Regillus im 5. Jh. v. Chr. die ‚Seite wechseln‘, die Römer unterstützen und ihnen den Sieg gegen die Latiner ermöglichen. KaM

Kat. 139

Siegesgöttin Victoria im Zweigespann

Denar, Silber, Münzstätte: Rom (Italien) geprägt 157–156 v. Chr. Dm 17,8 mm, 3,71 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 1927 Literatur: unpubliziert, vgl. RRC Nr. 197/1a

Vorderseite: Kopf der behelmten Roma nach rechts, links im Feld das Zahlzeichen X Rückseite: ROMA. Geflügelte Victoria in einem Zweigespann (biga) nach rechts, in der rechten Hand hält sie ein Zepter, in der linken die Zügel

135

Katalog

Pferdegespanne sind in der griechischen und römischen Antike als funktionale Fortbewegungs- und Transportmittel nicht nur den Menschen vorbehalten, sondern werden in der Bildkunst in ihrer repräsentativen Funktion häufig auch als Fahrzeuge von Gottheiten dargestellt. Insbesondere solche mit kriegerischen Aspekten werden in Zwei- und Viergespannen (bigae und quadrigae) gezeigt, die teilweise als Streit- und häufiger als Triumphwagen zu verstehen sind. Eine der Gottheiten, die am häufigsten ein Pferdegespann lenkend dargestellt wird, ist die geflügelte Siegesgöttin Nike/Victoria. Auf diesem republikanischen Denar eines anonymen Münzmeisters wird sie in einem Zweigespann (biga) nach rechts gezeigt und hält in ihrer erhobenen rechten Hand ein Zepter. JeS

Kat. 140

Kat. 141

Reiterheros

Weihrelief, Marmor, aus Kleinasien 3. Viertel des 2. Jh. v. Chr. H 28,5 cm, B 37,5 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 787 Literatur: Stähler 1980, 52 f. Kat. 36 Taf. 36; vgl. Pfuhl – Möbius 1979, 310 f.

Sonnengott Helios in Zweigespann

Fragment einer Schale, Ton, aus Rhodos hellenistisch, ca. 323–31 v. Chr. H 1,93 cm, max. Dm 5,47 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. MW 66 Literatur: unpubliziert, typologisch gehört unser Fragment zu den Medaillonschalen, vgl. Hübner 1993a, 341– 344; Hübner 1993b, 186 Kat. 2–4; 190 f. Kat. 75–76. 97; 197 Kat. 179; 199 Kat. 209 Abb. 22–23 Taf. 1,2–4; 9,75– 76; 15,97; 36,179; 44,209; Kotitsa 1998, 100–107 Kat. 82– 84 Taf. 47–48; Mitsopoulos-Leon 1991, 55–57 Taf. 64–66; zu Helios auf Medaillonschalen der sog. calenischen Reliefkeramik s. Pagenstecher 1909, 22 f. Kat. 1–2 Abb. 5 und Taf. 6 (motivisch nicht vergleichbar), vgl. zur Rose als offiziellem Symbol der Stadt Rhodos Killen 2017, 260–262 Taf. 34,5–35,4 (allerdings nie in Aufsicht abgebildet, sondern in Seitenansicht).

Diese Reliefverzierung des Bodens eines mit braunem Glanzton bedeckten Gefäßes zeigt den Kopf des Sonnengottes Helios mit Strahlenkranz über einer Blüte – die wohl das sprechende Symbol der Stadt Rhodos darstellt – sowie zwei klappsymmetrisch nach außen gerichtete Gespannpferde. Die wappenartig angeordneten Bildelemente sind von einem Perlkreis eingefasst. Diese abstrahierte Darstellung ist dem Hauptgott

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der Stadt Rhodos gewidmet, der anders als üblich lediglich in einem Zweigespann (biga) gefahren kommt. Um zu verdeutlichen, dass es sich um den Schutzgott der Stadt handelt, ist deren offizielles Zeichen – die Rosenblüte – ebenfalls wiedergegeben. HeN

Das Relief zeigt einen bärtigen Krieger, der auf einen Baum mit Schlange zureitet. Er sitzt auf der auf dem Rücken des Reittieres ausgebreiteten Tierfellschabracke. Über dem kurzen Untergewand (chiton) trägt er einen Brustpanzer mit Lederlaschen. Von den Schultern flattert einen kurzen Mantel (chlamys) nach rechts. Den Kopf schützt ein Helm mit Helmbusch. Das Pferd bäumt sich auf und der wehende Pferdeschweif sowie der flatternde Mantel des Kriegers verdeutlichen die große Bewegungsenergie von Pferd und Reiter. Bei diesem Stück fällt auf, dass es – anders als die über 200 erhaltenen Reiterheroen-Reliefs – gegen die Leserichtung von links nach rechts ausgearbeitet wurde. Das Relief kann auch als Grabrelief interpretiert werden. Der Verstorbene wird als berittener Krieger in Kontakt mit der Schlange als Heros wiedergegeben. Andere Reliefs zeigen, dass der Reiter die Schlange aus einer Opferschale tränkt. Pferd und Schlange dienen hier als ursprüngliche Unterweltsdämonen zur Aufwertung des Verstorbenen. NiL

Katalog

Kat. 142

Berittene Amazone

Lampe, Ton, aus Nordafrika Typ Loeschke VIII; Bussière Form D X 1c; ca. 140–210 n. Chr. L 12,0 cm, Dm 8,2 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. Wi 2022–5 Literatur: unpubliziert, vgl. zur Form und Schulterdekoration vgl. Bussière – Lindros Wohl 2017, Kat. 368

lässt, dass sie sich auf dem Rücken eines Pferdes befindet. Am erhobenen rechten Arm fehlt die Hand. Vermutlich hält die linke Hand die um das Handgelenk gewickelten Falten des chiton. Auf dem Kopf der Reiterin erhebt sich über dem gewellten Haar eine Mondscheibe, vor der sich Kuhhörner befinden. Dies könnte auf die Göttin Selene/Luna hinweisen, der auf dem Rücken fixierte Köcher spricht aber für Artemis/Diana, die Aspekte der Mondgöttin in sich aufnehmen kann. KdD

Kat. 144

Im versammelten Galopp sprengt ein Pferd nach links, wobei der Kopf leicht aus dem Hintergrund in ein Dreiviertelprofil gewendet ist. Geritten wird es von einer Person in kurzem, gegürtetem Gewand (chiton), die mit ihrer linken Hand die Zügel hält und ihren rechten Arm zu einem Grußgestus ausgestreckt hat. Da die Lederkappe auf ihrem Kopf als phrygische Kappe bezeichnet werden kann, wird es sich bei der Dargestellten wohl um eine Amazone handeln. Diese in Kleinasien – vor allem gilt Ephesos als eine unter ihnen gegründete Stadt – und im Bereich der Skythen verbreiteten mythischen Frauen der Frühzeit waren berühmt für ihre Kampf- und insbesondere Reitkunst. Die Schulter ziert ein sog. Eierstab. HeN

Kat. 143

Epona

Weihrelief, Sandstein, aus Öhringen, Hohenlohekreis 200–250 n. Chr. H 43 cm, B 35,5 cm, T 11,5 cm Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Inv.-Nr. 1986–80–86–1 Inschrift: In h(onorem) d(omus) d(ivinae) h(oc) Eponae / signum P(ublius) Iunius Ins?/idus (oder Flor?/idus) v(otum) l(aetus) l(ibens) m(erito) – Zu Ehren des göttlichen (Kaiser-)Hauses hat Publius Iunius Insidus (oder Floridus) dieses Bildwerk der Epona (gestiftet) und das Gelübde froh, freudig und nach Gebühr (erfüllt). Literatur: Olshausen 1987; Fellendorf-Börner – Olshausen 1989; AE 1990, 764; Kemkes – Willburger 2004, 30 Abb. 20; Kakoschke 2015, 183–185; online: HD024702; EDCS-05200530, Ubi erat lupa 22000.

Artemis/Diana

Statuette, Bronze, aus Alanya (Türkei) kaiserzeitlich H 5,9 cm, B 4 cm, T 2,2 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 2542 Literatur: Stupperich 1989, 231 f. Nr. 1 Taf. 41,1–2 (dort als Apollo gedeutet)

Die mit einem kurzen gegürteten Leibgewand (chiton) bekleidete weibliche Gestalt hat die nicht mehr vollständig erhaltenen Beine gespreizt, was erschließen

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Katalog

Das Relief wurde 1986 bei der Ausgrabung eines Brunnens in der römischen Zivilsiedlung von Öhringen entdeckt. Anhand der Beifunde lassen sich die Brunnenverfüllung und damit das Relief in die erste Hälfte des 3. Jh. n. Chr. datieren. Die Köpfe der Figuren wurden bereits in der Antike bewusst abgeschlagen, ein Teil der Inschrift bei der Auffindung zerstört. Die mit einem langen Gewand bekleidete Göttin Epona thront übergroß in der Mitte auf einem Sessel und hält auf dem Schoß eine gefüllte Obstschale. Zu ihrer Rechten steht ein Pferd, das ihr wohl ursprünglich den Kopf zuwandte und an dessen Hals noch Reste des Pferdegeschirrs zu erkennen sind. Links von Epona ist ein Mann zu sehen, der mit einem Untergewand, einem Mantel und Stiefeln bekleidet ist. In seiner Linken hält er eine Schale mit Früchten und eine Kanne. Mit der Rechten vollzieht er, wohl mit Hilfe einer Schale, über einem Altar ein Trankopfer. Wahrscheinlich handelt es sich um den in der Inschrift genannten Stifter. Nähere Angaben zu seinem Beruf oder zu seinen Beweggründen werden leider nicht gemacht. Die keltische Göttin Epona wird als Schutzgöttin der Pferde vor allem von den Reitersoldaten, aber auch von Fuhrleuten und Stallknechten verehrt und ihre oft recht einfach gehaltenen Darstellungen hingen wohl nicht selten in den Pferdeställen. Das qualitätvolle Beispiel aus Öhringen zeigt eindrücklich die Verbindung von keltischen und römischen religiösen Traditionen, nämlich die Verehrung einer einheimisch keltischen Gottheit mittels römischer Kultpraktiken, wie hier der Weihung eines Götterbildes und der Opferung an einem Altar. MaK

Kat. 145

Reiter

Statuette, Bronze, aus dem Balkangebiet 3.–4. Jh. n. Chr. H 4,8 cm, B 3,2 cm, T 1,8 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 3814 Literatur: unpubliziert, vgl. Kanceva 1986, 411–412 Abb. 1–3; Vassilev 1994, 429 f. Abb. 1

Die Statuette bildet einen reitenden Mann ab. Der Kopf ist im Verhältnis zum Körper sehr groß. Er ist mit einer kappenartigen Haarkalotte versehen; das Gesicht hat Bart und Schnurrbart. Er trägt ein gefaltetes Tuch um den Hals und einen Mantel auf der Brust sowie ein kurzes Gewand, das die Oberschenkel bedeckt. Der angehobene linke Arm ist gebrochen genauso wie der rechte. Die Ausarbeitung ist sehr oberflächlich, viele Details fehlen. KdD

138

Kat. 146

Prozessionspferd

Statuette, Bronze, aus dem Balkangebiet 3.–4. Jh. n. Chr. H 4,6 cm, L 4,6 cm, B 1 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 3903 Literatur: unpubliziert, vgl. Cattelain – Bozet 2007, 137. 143 Abb. 3 Kat. 86a. 86b; Kalcev 1986, 404–410 Abb. 21; Kanceva 1986, 411 f. Abb. 4–6

Die Statuette aus Bronze hat eine hellgrüne Patina mit Erdresten; alle vier Glieder und der Schweif sind unten gebrochen, die Hufe fehlen. Das Reitpferd ist mit Pferdegeschirr am Halsansatz versehen, welches auffällig ist, da der breite Gurt mit runden Platten (phalerae) verziert ist. Das Pferd zeigt die Haltung eines Prozessionspferdes mit hoch erhobenem Kopf. Es hat einen gut proportionierten Körper mit einem kräftig ausgeprägten Hals. Das linke Bein ist ausgestreckt, das rechte Vorderbein erhoben. KdD

Kat. 147

Reiterheros

Statuette, grobkörniger weißer Marmor, Balkanraum 2.–3. Jh. n. Chr. H 10,5 cm, B 10,6 cm, T 3,8 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. L GV 395 Literatur: unpubliziert, vgl. LIMC VI, 1992, s. v. Heros Equitans 1035 Nr. 201; 1041 Nr. 307; 1052 Nr. 451 (Cermanović-Kuzmanović u. a.); Oppermann 2006, Typus A

Das Fragment einer kleinformatigen Statuette aus Marmor zeigt einen nach rechts reitenden Mann auf einem Pferd. Er trägt einen Chiton und hält mit seiner

Katalog

rechten Hand die Zügel des Pferdes. Das Stück ist nur an der Hauptseite vollständig ausgearbeitet, die Rückseite ist grob gepickt. Unter dem Pferdeleib ist der Ansatz einer massiven Stütze sichtbar; sie gewährleistete die Stabilität und ist ein Hinweis darauf, dass die Statuette auf einer Basis aufgestellt war. Vergleichbare Figürchen wurden im heutigen Bulgarien gefunden und zeigen einen Reiterheros – den sogenannten Thrakischen Reiter. Diese Objekte dienen als Weihgeschenke an die Gottheit und sind in den meisten Fällen als Reliefs gestaltet. Die Statuettenform ist eine seltene Besonderheit. Die Plastizität des Pferdes und des Reiters einerseits und die schematisierte Angabe von Gewandfalten und Konturen andererseits sind typisch für römische Kleinplastik des 2.–3. Jh. n. Chr. AcL

Kat. 148

Reiterheros

Fragment eines Reliefblechs, Blei 3–4. Jh. n. Chr. H 7,1 cm; B 5,6 cm, T 0,3 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 3388 Literatur: unpubliziert

Literatur: Alvarez Bendezu 2014–15, 327 Kat. 85 Taf. 38,85 mit weiterführender Lit.

Glaspasten sind neuzeitliche Kopien nach antiken Gemmen, die zumeist im 18. und 19. Jh. gefertigt sind. Der Sonnengott Helios/Sol ist mit seinem Viergespann frontal wiedergegeben. Die Pferde sind paarweise ebenso nach außen geklappt wie die Räder. Oberhalb des nicht angegebenen Wagenkastens steht der Gott in Dreiviertelansicht nach rechts, in diese Richtung ist auch sein Kopf gewendet. Helios/Sol hat seinen linken Arm zum Gruß erhoben und hält mit seiner Rechten die Peitsche, an diesem Arm sind Stoffpartien des Schultermantels auszumachen. In der griechisch-römischen Kulturgeschichte ist es üblich, den Sonnengott mit dem vornehmsten aller Gefährte – dem Viergespann – auszustatten, muss er doch tagein, tagaus das gesamte Himmelgewölbe durchreisen. HeN

Kat. 150

Grasen oder suchen & finden?

Münze, Buntmetall, Münzstätte: Alexandreia Troas (Türkei) geprägt ca. 210–213 n. Chr. unter Caracalla (reg. 197–217 n. Chr.) Dm 23,1 mm, 5,43 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 1045 Literatur: Boßmann 2004, 281 Nr. 18 Taf. 36, 3; vgl. Bellinger 1958, Typ 44; Bellinger 1961, 120 Nr. A 284; Filges 2015, Kat.-Nr. 694

Das fragmentiert erhaltene Bleirelief zeigt an der linken und unteren Seite Randleisten von der ehemaligen Rahmung. In der Mitte sieht man einen auf einem Pferd nach rechts reitenden behelmten Krieger. Die Hinterläufe des Pferdes stehen auf der Rahmenleiste. Der Reiter sitzt aufrecht auf der Satteldecke und hält die Zügel mit beiden Händen. KdD

Kat. 149

Sonnengott auf Viergespann

Glaspaste, blau Motiv ca. 100–300 n. Chr. H 1,9 cm, B 1,0 cm, T 0,3 cm Archäologisches Museum der WWU, Inv. L GV 62

Vorderseite: ANTONINVS – [P]IVS AVGV. Drapierte Panzerbüste des jugendlichen Caracalla nach rechts mit Lorbeerkranz Rückseite: COL AVG // TROAD. Pferd mit gesenktem Kopf steht nach rechts auf einer Standlinie; links dahinter ein Baum; im Bildhintergrund steht ein Hirte mit seinem Hirtenstab (pedum) in der rechten Hand

Das bereits bekannte grasende Pferd, das seit Jahrhunderten das Wappen der Stadt ausmacht, wird hier von einem Hirten namens Ordes begleitet; dadurch erhält die natürliche Szenerie idyllischen Charakter, der lenkende Eingriff des Menschen wird deutlich. Zugleich werden verschiedene Aspekte miteinander kombiniert:

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Katalog

der Wirtschaftsfaktor Pferdezucht und der Lokalmythos um Apollon Smintheus, bei dem der Hirte eine vermittelnde Rolle zwischen Göttern und Menschen spielt. Das zunächst ‚nur‘ grasende Pferd mag hier eingebunden sein in das Moment der Auffindung des Kultbildes (vgl. Kat. 151). KaM

Kat. 151

Eine göttliche Erscheinung

Münze, Buntmetall, Münzstätte: Alexandreia Troas (Türkei) geprägt 251–253 n. Chr. unter Volusianus (reg. 251–253 n. Chr.) Dm 21,7 mm, 4,48 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 2909 Literatur: RPC IX Nr. 444/1; Boßmann 2004, 279 Nr. 6 Taf. 35, 6

Vorderseite: IMP C VIBI A[FINI] OLVSSIANV. Drapierte Panzerbüste des Volusianus nach rechts mit Lorbeerkranz Rückseite: COL – AV-G // [TROA]. Auffindung des Kultbildes: Der Hirte Ordes geht nach links, er erhebt die rechte Hand und hält im linken Arm einen Hirtenstab (pedum); links befindet sich eine Grotte, auf der eine Statuette des Gottes Apollon Smintheus steht, er hält Köcher, Bogen und Opferschale. In der Grotte – dies spiegelt eine zeitlich davor liegende Situation wider – liegt das Kultbild. Rechts springt ein Stier nach rechts und wendet seinen Blick zurück nach links

Auf dieser Prägung aus Alexandreia Troas werden zwei Momente der Auffindung des Kultbildes gezeigt: Der Gott Apollon Smintheus (der „Mäuse-Apollon“) steht mit seinen üblichen Attributen auf einer Grotte und offenbart sich dem Hirten Ordes, der – erschrocken oder ehrfurchtsvoll vor der Präsenz des Gottes – die rechte Hand hebt. In der Grotte liegt das Kultbild des Gottes, das der Hirte gleich finden wird. Durch seine Erscheinung weist der Gott dem Hirten den Weg. Interessant ist, dass rechts ein Rind (die gespaltenen Hufe sind eindeutig) davonspringt und nicht das Pferd, das den Mann auf Kat. 150 bei der Suche begleitet. KaM

140

Kat. 152

Der Tempel des alten Gottes

Münze, Buntmetall, Münzstätte: Alexandreia Troas (Türkei) geprägt ca. 211–217 n. Chr. unter Caracalla (reg. 197–217 n. Chr.) Dm 23 mm, 6,09 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 2910 Literatur: Boßmann 2004, 279 Nr. 5 Taf. 35; vgl. Bellinger 1958, Typus 13; Filges 2015, Kat. 777

Vorderseite: M AVR[EL] AN-TO[NINVS AVG]. Drapierte Panzerbüste des Caracalla nach rechts mit Lorbeerkranz Rückseite: COL A-[V]-G TR//OAD. Tempel auf einem Stufenunterbau, in leicht verzerrter perspektivischer Ansicht, so sind sowohl die Seite als auch die Eingangsfront von vorne sichtbar: Seitlich ist die gemauerte Cellawand erkennbar, an der offenen Front stehen vier Säulen. Im Tempelinneren befindet sich das Kultbild des Apollon Smintheus auf einer Basis nach rechts vor einem Dreifuß

Abgebildet ist das Heiligtum des Gottes Apollon Smintheus (des „Mäuse-Apollon“), des Hauptgottes von Alexandreia Troas. Um ihn, den Hirten Ordes und die Auffindung des Kultbildes rankt sich eine lokale Kultlegende (Kat. 150–151). Der Tempel befindet sich nicht in der Stadt selbst, sondern etwas außerhalb in Chryse (heute Gülpınar). Gott, Kult und Tempel gehören ursprünglich zu Hamaxitos, einer der Vorgängersiedlungen von Alexandreia Troas, und sie werden – wie das grasende Pferd – in Alexandreia Troas übernommen. KaM

Kat. 153

Göttin und Donauländischer Reiter

Weiheplakette, Bronze (?), aus dem Balkangebiet 2.–3. Jh. n. Chr. H 8,8 cm, B 7,55 cm, T 0,2 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. CP 54 Literatur: unpubliziert, vgl. Popović 1992, 1044 Nr. 353; Tudor 1969, 47 f. Nr. 77 Taf. 40 (Tonmodel aus Montana, Bulgarien)

Diese rechteckige Votivtafel mit aufgesetztem Dreiecksgiebel ist oben rechts leicht beschädigt. Hauptmotiv sind die frontal stehende Göttin links und der auf sie zureitende Krieger rechts, der von einer von links auf ihn zufliegenden Siegesgöttin Victoria be-

Katalog

kränzt wird. Die stehende Göttin trägt ein doppelt gegürtetes Gewand und eine aufwendige Halskette. Ihr rechter Arm hängt herab, während ihr linker zum Maul des Pferdes weist. Der bärtige Reiter trägt ein kurzes, gegürtetes Gewand (tunica) und einen Schultermantel (paludamentum). Seine linke Hand hält die Zügel, seine rechte ist zum Gruß erhoben. Das Pferd steht in paradierender Haltung und vom Zaumzeug ist der Halsgurt zu erkennen. Unter dem Pferd liegt ein besiegter Krieger, auf dem ein vierköpfiger Löwe nach links wiedergegeben ist. Links folgen sechs Kugeln, darüber ein Tisch, auf dem ein Fisch liegt und ein nicht identifizierbares Objekt, links daneben ein weiterer Tisch, darauf ein Fisch und darüber abermals zwei nicht identifizierbare Objekte. Eingerahmt wird die Szene von zahlreichen weiteren Symbolen: unten links, neben der Göttin ein vielstrahliger Stern, über deren Schulter ein Hahn nach rechts, dann ein omegaartiges Zeichen, ein Stern und eine liegende Mondsichel, zwischen Göttin und Pferd ein Speer (nach Tudor ein Thyrsosstab) mit Schlaufe auf halber Höhe, rechts vom Reiterkopf ein Rabe nach links und rechts neben dem Pferd ein Knappe.

Dieses Weihetäfelchen stellt die Große Göttin und den einzelnen Donauländischen Reiter in den Mittelpunkt. KdD/HeN

Kat. 154

Von Donauländischen Reitern gerahmte Große Göttin

Reliefscheibe, Blei, aus dem Balkangebiet ca. 250 n. Chr. Dm 8,0 cm, T 0,2 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 3389 Literatur: unpubliziert, vgl. Popović 1992, 1048 Nr. 418 Taf. 701; 1079 f.; zur Interpretation von Weihegaben an die Große Göttin und die Donauländischen Reiter zu-

sammenfassend Popocić 1992, 1079–1081; Tudor 1976, 277–288

In einem Doppelrahmen – außen ein Ring aus Tressenwinkeln, innen eine stilisierte Schlange, die oben in zwei sich anschauenden Köpfen endet – sind die Hauptkomponenten der Darstellung in vier Register eingeteilt: oben antithetische Büsten der Mondgöttin Luna mit Mondsichel links und des Sonnengottes Sol mit Strahlenkranz rechts; zwischen beiden sechs Sterne. Im Register darunter nähern sich zwei Reiter einer im Mittelpunkt stehenden frontal wiedergegebenen Göttin in knöchellangem Gewand, sie haben ihren rechten Arm ausgestreckt erhoben, um die Göttin zu grüßen. Sie tragen ein kurzes Leibgewand (tunica), einen Schultermantel (padulamentum) und eine sog. phrygische Kappe. Unter den Pferden liegt je ein besiegter nackter Feind in Richtung des zentralen Punktes der Scheibe. Links neben dem linken Reiter befindet sich ein Gefäß (?), rechts vom rechten Reiter ein Knappe (?). Die dritte Bildfolge befindet sich nur im rechten Bereich: direkt unter dem erhabenen Mittelpunkt ein dreibeiniger Tisch, auf dem aus Kreisen gebildete Nahrungsmittel liegen. Es folgt rechts ein nach links gerichteter Hahn, dahinter ein Vierbeiner (Hund?). Die untere Zone zeigt links einen Kandelaber, auf dem eine Lampe steht, daneben einen Mann, der einen am Baum hängenden Widder häutet, darauf ein nach links gerichteter Löwe und abschließend ein Fisch. Während sich die obere Hälfte des Weihetäfelchens – bekrönt von den Symbolen für die himmlische Natur des Kultes – dem Mythos um die Göttin und ihre beiden siegreichen Reiter widmet, werden in der unteren Hälfte Riten im Zusammenhang mit den Mysterienfeiern wiedergegeben. KdD/HeN

141

Katalog

Kat. 155

Von Donauländischen Reitern gerahmte Große Göttin

Reliefscheibe, Blei, aus dem Balkangebiet 3. Jh. n. Chr. Dm 8,0 cm, T 0,2 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. CP 59 Literatur: unpubliziert, vgl. Ertl 2013–2014, 128 f. Abb. 19–20; Popović 1992, 1048 Nr. 413 Taf. 701; Tudor 1969, 82 Nr. 140 Taf. 66

In einem dreifachen Rahmen – außen ein Eierstab, dann ein Perlstab, zum Abschluss ein erhabener Kreis – nähern sich zwei Reiter einer im Mittelpunkt hinter einem Tisch mit Fisch stehenden frontal wiedergegebenen Göttin in stark gefältetem Leibgewand. Sie tragen ein kurzes Leibgewand (tunica), einen Schultermantel (padulamentum) und eine sog. phrygische Kappe. Unter den Pferden kriecht je ein besiegter ebenso bekleideter Feind nach innen. Außen um diese Szene herum sind zahlreiche Symbole platziert: oben je eine Schlange mit Stern rechts und links des Kopfes der Göttin; darunter rechts die Büste des Sonnengottes Sol mit Strahlenkranz und links die Büste der Mondgöttin Luna mit Mondsichel auf ihren Schultern; rechts des rechten Reiters eine Büste eines Mannes mit flatterndem Schultermantel und sog. phrygischer Kappe; unten ein Trinkgefäß (kantharos) im Zentrum flankiert, von einem Hahn und einem Widder, darunter drei Ringe (Brotlaibe?). Zur Interpretation s. Kat. 154. KdD/HeN

142

Kat. 156–157

Sonnengott Sol im Viergespann – Große Göttin zwischen Donauländischen Reitern – Bankettszene

Weiheplakette, Blei, aus dem Balkangebiet 3. Jh. n. Chr. H 9,9 cm, B 7,81 cm, T 0,3 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. CP 57 Weiheplakette, Blei, aus dem Balkangebiet 3. Jh. n. Chr. H 7,8 cm, B 7,68 cm, T 0,28 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. CP 58 Literatur: unpubliziert, vgl. Ertl 2013–2014, 118–120 Abb. 3–6; Popović 1992, 1048 Nr. 411–412 Taf. 701; Tudor 1969, 76 f. Nr. 132 Taf. 63,1 (vgl. Nr. 68–69. 133–134. 141–145. 163. 168. 180 und 185)

Die rechteckige Votivtafel ist an der rechten Seite leicht beschädigt. In einem mit Schraffuren dekorierten Architekturrahmen, der aus zwei Säulen und einem Rundbogen besteht (Basen und Kapitelle sind grob angedeutet), sind in vier Registern Darstellungen übereinander gestaffelt. Im Zwickel oberhalb des Bogens befindet sich je eine geringelte Schlange. Im Bogen ist der Sonnengott Sol mit Strahlenkrone im Viergespann dargestellt. Er trägt ein kurzes Leibgewand und einen wegflatternden Schultermantel, der an der linken Schulter mit einer Fibel befestigt ist. Die linke Hand ist zum Gruß erhoben, die rechte hält Globus und Peitsche. Rechts und links des Kopfes befinden sich zwei Sterne. Die Pferde sind spiegelsymmetrisch nach außen geklappt, jeweils zwei Köpfe ebenso. Die Mittelzone zeigt die Göttin im Zentrum, auf die von rechts und links jeweils ein Donauländischer Reiter ausgerichtet sind. Sie trägt ein knöchellanges Leibgewand

Katalog

und einen Mantel darüber; sie hält mit beiden Händen ein Tuch, worin sie wohl Futter für die Pferde bereithält. Die Reiter dagegen sind mit einem kurzes Leibgewand (tunica) und einem Schultermantel (padulamentum) gewandet; nur der linke trägt eine sog. phrygische Kappe, der rechte ist barhäuptig. Beide halten ihre grüßende Hand in Richtung der Göttin. Unter dem linken Pferd befindet sich ein großer Fisch (Delphin?) nach rechts, unter dem rechten ein auf dem Bauch liegender, besiegter nackter Mann nach links. Rechts dieses Pferdes steht eine Frau im Profil nach links, die ihre rechte Hand zum Mund führt, so dass sie als Rachegöttin Nemesis gedeutet werden kann. Links vom zweiten Pferd ist ein gerüsteter (Helm, Brustpanzer, Schild und Speer) Mann nach rechts dargestellt. Im unteren Register ist zentral eine Bankettszene wiedergegeben: drei Männer auf einer u-förmigen Lagerstätte (triclinium), davor ein runder, mit einem Tuch bedeckter Tisch, darauf ein Fisch. Alle Männer greifen in dessen Richtung, der mittlere führt mit seiner Rechten ein Trinkgefäß zum Mund. Rechts dieser Szene junge nackte Männer. Der vordere weist mit seiner Rechten zum Bankett und hält mit seiner Linken die Rechte des folgenden Jünglings. Links vom Bankett ist ein kopfloser Widder an einem Baum aufgehängt, den ein Opferdiener – lediglich mit einem Schurz bekleidet – häutet. Links daneben steht frontal ein Mann, der den mit einer Widdermaske bedeckten Kopf nach rechts wendet. Unter diesem Register schließt das vierte an: im Zentrum ein Trinkgefäß (kantharos), flankiert links von einer Schlange und rechts von einem Löwen; daneben ein nach links gerichteter Hahn, ganz links ein dreibeiniger Tisch, auf dem ein Fisch liegt.

Kat. 158

Reiter

Statuette, Blei, aus Leptis Magna (Nordafrika) römisch, kaiserzeitlich H 2,58 cm, L 3,3 cm, T 0,78 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. L GV 290 Literatur: unpubliziert, bisher konnten noch keine Parallelstücke ausfindig gemacht werden

Diese stark fragmentierte Statuette zeigt einen reitenden Mann. Leider ist der Kopf nicht mehr vorhanden. Der Reiter sitzt auf dem Rücken des Pferdes, dessen Läufe auch nicht erhalten sind. Ein langarmiges Gewand, das bis zum halben Oberschenkel reicht und ein kurzer Übermantel bilden die Kleidung. Der Oberkörper des Reiters ist frontal herausgedreht. KdD

Kat. 159

Ein ‚Dreamteam‘ : Bellerophon auf dem Pegasos bekämpft die Chimaira

Münze, Buntmetall, Münzstätte: Korinth (Griechenland) geprägt 128–138 n. Chr. Dm 22,1 mm, 5,60 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 841 Literatur: unpubliziert, vgl. RPC III Nr. 249; SNG Kopenhagen Heft 15 Nr. 298

Vorderseite: Kopf der Aphrodite nach rechts Rückseite: CO-L L IV[L COR]. Bellerophon reitet auf dem Pegasos nach rechts und greift mit einem Speer die unter ihm nach links gewandte Chimaira an

Die Darstellung auf dem kleineren Täfelchen (Inv. CP 58) weicht geringfügig von dieser Beschreibung ab. Zur Interpretation s. Kat. 155. KdD/HeN

Das berühmteste Pferd der griechischen Mythologie ist wohl der geflügelte Pegasos. Dieser wird vom korinthischen Heros Bellerophon durch die Hilfe von Poseidon und Athena gezähmt und begleitet ihn auf seinen Heldentaten. Eine solche Episode ist auf dieser Münze aus Korinth zu sehen. Es wird dabei der Kampf mit der feuerspeienden Chimaira, einem furchterregenden

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Katalog

Mischwesen aus Löwe, Schlange und Ziege, gezeigt, aus dem Bellerophon siegreich hervorgehen wird. Die Befreiung der Welt von diesem Ungeheuer trägt maßgeblich zu dessen Ruhm bei, und die erfolgreiche Partnerschaft der beiden wird vor allem von den Korinthern numismatisch genutzt (vgl. Kat. 36 und 181). JeS

Kat. 160–161

Die ‚Pferdestadt‘ : ein ‚sprechendes‘ Bild

Münze, Buntmetall, Münzstätte: Hippos/Antiochia ad Hippum (Israel) geprägt 165/166 n. Chr. Dm 24 mm, 7,55 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 5926 Literatur: RPC IV (online) Temp. Nr. 6573/7, vgl. Meshorer 2013, Nr. 18; SNG ANS Part 6 Nr. 1142–1143; Spijkerman 1978, 172 f. Nr. 16

Vorderseite: AVT KAIC Λ – [AVP OVHPO]. Drapierte Panzerbüste des Lucius Verus nach rechts mit Lorbeerkranz Rückseite: ANT [ΠΡ Ι]Π ΙΕ[Ρ] ΑCY /ΘΚ-C. [= Jahr 229, das heißt 165/166 n. Chr.]. Tyche nach links, auf der rechten Hand ein kleines Pferd, im linken Arm ein Füllhorn (cornucopiae) Münze, Buntmetall, Münzstätte: Hippos/Antiochia ad Hippum (Israel) geprägt 184/185 n. Chr. Dm 23 mm, 9,37 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 5931 Literatur: RPC IV,3 (online) Temp. Nr. 6583/9, vgl. Spijkerman 1978, 176 f. Nr. 25; SNG ANS Part 6 Nr. 1145; Meshorer 2013, Nr. 24–25 var.

Vorderseite: ΑΥΤ Κ Μ ΑΥΡ – [ΚΟΜ ΑΝΤΩ]. Kopf des Commodus nach rechts mit Lorbeerkranz Rückseite: ΑΝΤΙΟΧ [ΠΡ – Ι]ΠΠ ΙΕΡ ΑCΥ // HMC.

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[= Jahr 248, das heißt 184/185 n. Chr.]. Tyche nach links, in der rechten Hand die Zügel eines Pferdes, das hinter ihr steht, im linken Arm ein Füllhorn (cornucopiae)

Die Münzen der Stadt setzen ihren Namen im Bild um: Antiochia ad Hippum („Antiochia beim Pferd“), Hippos (griech. für „Pferd“) oder Sussita (aramäisch „Pferd“). Die auf der Rückseite abgebildete Figur mit Mauerkrone und Füllhorn ist zunächst eine Verkörperung und Schutzgottheit der Stadt, wie wir sie auch in vielen anderen Orten kennen. Doch die Kombination und enge Bindung an das Pferd, ob in großer Gestalt ihr zugewandt (Kat. 161) oder in Miniatur in ihrer Hand (Kat. 160), macht sie zu einer ganz spezifischen Tyche, nämlich der von Hippos. KaM

Kat. 162

Sonnengott Helios im Viergespann

Münze, Buntmetall, Münzstätte: Madaba (Jordanien) geprägt unter Kaiser Septimius Severus (reg. 193–211 n. Chr.) Dm 27 mm, 14,22 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 5932 Literatur: unpubliziert, vgl. Meshorer 2013, Nr. 1; Spijkerman 1978, Nr. 2

Vorderseite: [Α]ΥΤ Κ[ΑΙC] – CΕΟ[ΥΗΡΟC]. Drapierte Panzerbüste des Septimius Severus nach rechts mit Lorbeerkranz Rückseite: ΑΓ-ΙΟC [ΗΛΙΟC] // [Μ]ΗΔΑ. Helios steht frontal mit Blick nach links auf einem von vorn gezeigten Viergespann (quadriga), in der erhobenen rechten Hand hält er die Zügel, in der linken eine Fackel

Ein gängiges Münzmotiv der Stadt Madaba unter Kaiser Septimius Severus (193–211 n. Chr.) ist Helios in einem Viergespann (quadriga) mit einer Fackel. In der griechischen und römischen Antike wird der Sonnengott Helios/Sol als Lichtbringer charakterisiert, der mit seinem Wagen die Sonnenscheibe über den Himmel zieht. In der späten Kaiserzeit (Mitte 3. Jh. bis Anfang 4. Jh. n. Chr.) erfreut sich der Siegbringer Sol Invictus („der unbesiegte Sonnengott“) als Schutzgottheit im Kult der römischen Kaiser großer Beliebtheit. JeS

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Kat. 163

Athena im Viergespann

Münze, Buntmetall, Münzstätte: Tarsos (Türkei) geprägt 235–238 n. Chr. unter Kaiser Maximinus Thrax (reg. 235–238 n. Chr.) Dm 28,43 mm, 40,5 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 1331 Literatur: Bieder 1906, Sp. 3465 Nr. 7; RPC VI (online) Temp. Nr. 7121/17; vgl. SNG Levante Nr. 1094

Vorderseite: [ΑV]Τ Κ Γ ΙΟV ΟVΗ ΜΑΞΙΜEΙΝΟC [C] / Π – Π. Drapierte Panzerbüste des Maximinus Thrax nach rechts mit Lorbeerkranz Rückseite: ΤΑ-Ρ-CΟV Μ-ΗΤΡ-ΟΠ // Α Μ Κ Γ Β. Athena mit korinthischem Helm steht frontal mit Blick nach links in einem von vorn gezeigten Viergespann (quadriga), in der rechten Hand hält sie eine Lanze, in der linken einen Schild

Die Göttin Athena wird sehr selten in einem Pferdegespann dargestellt. Eine der wenigen Ausnahmen sind Münzen aus Tarsos, die sie in einem Viergespann (quadriga) zeigen. Auf dieser Bronzeprägung ist sie durch ihre charakteristischen Attribute zu erkennen: den korinthischen Helm, eine Lanze und einen Schild. Die frontale Darstellungskonvention, bei der jeweils zwei Pferde nach links und nach rechts gerichtet sind, erinnert an Darstellungen des Sonnengottes Helios, welcher häufiger auf diese Weise in seinem Sonnenwagen wiedergegeben wird (vgl. Kat. 157). JeS

Kat. 164

Reiter

Fragment einer Schale, Ton, aus Nordafrika sog. appliken- und reliefverzierte Sigillata C3/C4, ca. 350– 400 n. Chr. H 14,2 cm, B 9,2 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 2522 Literatur: Liesen 1987, 168 f. Nr. 5 Abb. 5 Taf. 20,9 (es hat sich inzwischen herausgestellt, dass die gesamte Schale eine Zusammensetzung aus verschiedenen Fragmenten ist, die nicht zusammengehören können, so dass hier nur das Fragment mit dem Reiter präsentiert wird.)

Dargestellt ist ein nach links gerichtetes, ruhig stehendes Pferd mit erhobenem rechten Vorderlauf. Der detailfreudig mit Zaumzeug ausgestattete Kopf dreht sich leicht aus dem Schalenhintergrund in ein Dreiviertel-

profil. Vor dem Pferd steht frontal wiedergegeben ein unbärtiger Mann, der mit seiner Rechten in das Zaumzeug greift. In der Linken hält er eine schräg gestellte Lanze. Bekleidet ist er mit einer Hose, einem gegürteten Leibgewand (tunika) und einem Reitermantel (chlamys), der auf der Schulter mit einer runden Fiebel fixiert ist; den Kopf bedeckt eine sog. phrygische Kappe.

Da unsere Reiterfigur mangels weiterer Figuren nicht einer der beiden überlieferten Zusammenhänge für diesen Figurentypus – Tierhatz bzw. Darstellung der Dioskuren – zuzuordnen ist, muss eine Interpretation ausbleiben. HeN

Kat. 165

Drachentöter St. Georg

Statuette, Alabaster, gefasst und teilweise vergoldet um 1700 H 35,2 cm, B 18,5 cm, T 4,3 cm Bischöfliches Diözesanmuseum, Münster, Inv. BM 1814 Literatur: Angenendt 1993, 88; Braunfels 1974, 366–390; Kempkens 2005, 119; Pieper 1981, 1

Beinahe unbekümmert ersticht ein schöner Ritter von seinem Pferd aus einen Drachen. Das geflügelte Untier ist bereits auf die Vorderbeine gefallen und wirft sein Haupt über die rechte Schulter, sodass die Lanze in das geöffnete Maul trifft. Eine Chance sich zu wehren hat der Drache nicht mehr, da die Vorderbeine des Pferdes, welche hier verloren sind, ihn am Boden fixieren. Die fest stehenden Hinterbeine und der herabfallende Schweif des Pferdes zeugen von der Sicherheit des Reiters. Die Kraft des Untieres wird lediglich verdeutlicht, da Georg mit beiden Händen die Lanze zum Todesstoß halten muss. Diese Dynamik zeigt sich auch in der aufwühlenden, goldenen Mähne des Pferdes, die verdeutlicht, dass das Reittier in großer Schnelligkeit heranstürmt.

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Der mit Federn geschmückte Ritter gilt als überlegen, so dass der Mensch proportional am größten ist. Dieses versinnbildlicht den göttlichen Beistand.

Troja und das Trojanische Pferd nehmen bis heute einen wichtigen Platz in der Populärkultur und modernen Mythenrezeption ein. Der Trick der Griechen gilt als das historische Täuschungsmanöver par excellence und ist jedermann bekannt. Daher verwundert es nicht, dass bei einem Fasnet-Umzug 2016 in Gütenbach in Baden-Württemberg das selbstgebaute Modell eines Trojanischen Pferdes mit verkleideten Kindern im Hohlraum mitgefahren ist. Bei solchen Umzügen vor der Fastenzeit, die im Rheinland und Westfalen anlässlich des Karnevals stattfinden, verkleiden sich die Närrinnen und Narren. Unter den zahlreichen Fantasiekostümen finden sich immer wieder gerne auch historische Kostümierungen, etwa als Wikinger, Römer oder eben listenreiche Griechen. AcL

Kat. 167

Nach der Heiligenlegende bat Georg Gott um Hilfe, als eine Königstochter einem Drachen geopfert werden sollte. Georg rettet das Königreich, worauf sich zahlreiche taufen ließen. Die Figur war mit einem gleichen Gegenstück auf dem barocken Altar des St.-PaulusDomes aufgestellt. Im Kirchenraum wurde an den Drachentöter als Sieg des Guten über das Böse gedacht. ChM

Kat. 166

Trojanisches Pferd

Modell des Trojanischen Pferdes, Holz, aus Gütenbach (Baden-Württemberg) 2016 für den Fasnet-Umzug gebaut von Michael Eschle, Toni Hug, Christoph Seng und Timo Tiefer L 350 cm, H 270 cm, T 104 cm Westfälisches Pferdemuseum Münster Literatur: unpubliziert

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Herakles gegen den Kentauren Pholos

Gipsabguss, Original: samisches Dreifußbein-Bronzeblech aus Olympia, Athen, Nationalmuseum, Inv. 6444 um 600 v. Chr. H 86 cm, max. B 35 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. A 153 Literatur: Brize 1985, 76–81. 83 Kat. OL 1 Taf. 23,2; Floren 1987, 368 Anm. 159

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Das Bronzerelief eines Dreifußbeines aus Olympia zeigt in vier durch Stege getrennte Registern von oben nach unten: drei Vögel, antithetische Mischwesen aus Löwe und Greifvogel (Greif), Herakles gegen den Kentauren Pholos, Tiere bändigende geflügelte Göttin (potnia theron). Herakles wird vom Kentauren Pholos zum Weintrinken eingeladen, währenddessen es zu kämpferischen Auseinandersetzungen zwischen dem Helden und den eingeladenen Kentauren kommt. Seine Giftpfeile töten viele Gegner und verletzen seinen unsterblichen Freund Cheiron. Der Gastgeber Pholos verletzt sich selbst an einem der Giftpfeile und stirbt. HeN

Kat. 168

Kentaur

malerei bezeugt. Möglicherweise soll dies das Leben in der unzivilisierten wilden Natur widerspiegeln. HeN

Kat. 169

Geburt des Pegasos durch die Tötung der Gorgo Medusa

Architekturrelief (metope), Gipsabguss, Marmororiginal Ostmetope VII vom Tempel C in Selinunt, Museo Archeologico Regionale „A. Salinas“, Palermo, Inv. 3920 B um 510 v. Chr. (Marconi), 530–520 v. Chr. (Floren) H 145 cm, B 111,5 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. A L KR 7 Literatur: unpubliziert, vgl. zum Original Floren 1987, 423 f. Anm. 69 Taf. 38,2; Marconi 2007, 142–150 Abb. 71; 236 f. Kat. C2 Abb. 71. 107

Duftölgefäß (aryballos), Ton, aus Korinth mittelkorinthisch, 595/590–570 v. Chr. H 6,5 cm, Dm 6,3 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. MW 23 Literatur: unpubliziert

Dieses Salbölgefäß (aryballos) weist mit bräunlichem Glanzton aufgemalte Ornamente auf: auf der Mündungsplatte ein von konzentrischen Kreisen gerahmtes Band von radialen, kurzen Strichen; auf den Seiten der Henkelplatte je ein hängendes Band, die in Schwalbenschwänzen enden; auf der Schulter ein Band von radialen Strichen; auf der Unterseite ein aus fünf Sicheln gebildeter Wirbel. Der Gefäßkörper ist tongrundig belassen. Auf der Vorderseite ist ein nach rechts eilender Kentaur aufgemalt. Während seine Linke vorgestreckt ist, hält er in seiner Rechten einen Baum parallel zum Rücken des Pferdeleibes. Einige Details wie langer Bart, die Brustmuskeln und –warze, die unteren Zweige des Baumes und der Pferdeschweif sind durch Ritzung betont. Der Baum ist häufig als Waffe von Kentauren in der Vasen-

Das Relief zeigt die Tötung der Gorgo Medusa durch Perseus, der von seiner Schutzgöttin Athena begleitet wird. Der Held – Unterkörper im Profil, Oberkörper und Kopf frontal – trägt ein kurzes, gegürtetes Leibgewand (chiton) und Flügelschuhe. Sein Opfer – ebenfalls im seitenansichtigen Unterkörper sowie frontalen Oberkörper und Kopf – ist im sog. Knielaufschema nach rechts wiedergegeben. Als Resultat ihrer Tötung – sein Schwert trennt ihren Kopf vom Körper – hält sie in ihrer rechten Armbeuge das Flügelpferd Pegasos. HeN

Kat. 170

Zwei nach rechts eilende Kentauren

Architekturrelief, Gipsabguss, Trachytoriginal vom Athena-Tempel in Assos ca. 550–525 v. Chr. H 80 cm, B 83 cm, T 15 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. A 417 Literatur: unpubliziert, vgl. zum Original Stupperich 1996, 36 f. Nr. 1 Abb. 1 Taf. 13,1–2; zur Datierung Floren 1987, 402

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bärtiger Mann, der mit einem kurzen Gewand und flatterndem Mantel bekleidet ist. Es sind keinerlei Sagen über dieses legendäre Tier überliefert, weswegen nicht viel über es bekannt ist. Durch das 6. und 5. Jh. v. Chr. hinweg wurde das Wesen als dekoratives Einzelmotiv geschätzt. Bei dem Komödiendichter Aristophanes wird es gegen Ende des 5. Jh. v. Chr. als abstruses, beeindruckend schillerndes, aber wirkungsloses Wesen beschrieben, sozusagen ein aufgeblasenes Nichts. Eventuell diente es zur Erheiterung und Überraschung für Zuschauer besonderer Tänze, die dem Gott Dionysos gewidmet waren. Ihm kommt jedoch keine tiefere religiöse Bedeutung zu. KiZ

Kat. 172 Dargestellt sind zwei nach rechts eilende Kentauren. Der linke hat in seiner Fluchtbewegung beide Arme waagerecht vom Körper ausgestreckt. Der rechte trägt ein nicht zu identifizierendes Objekt in seiner Linken und scheint frontal aus dem Relief herauszuschauen. Auch diese beiden Kentauren gehören wohl zu den Gegnern des Herakles, die dieser anlässlich seiner Bewirtung bei Pholos (s. Kat. 167) durch seine vergifteten Pfeile tötet. HeN

Kat. 171

Reiter auf Mischwesen aus Pferd und Hahn (hippalektryon)

Reiter auf Hippokamp

Trinkschale (sog. Augenschale vom Typus A), Ton, attisch-schwarzfigurig spätarchaisch, ca. 525–500 v. Chr. H 10,9 cm, Dm mit Henkeln 30,5 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. L GV 251 Literatur: unpubliziert, vgl. den Triton auf einer Augenschale in Heidelberg (CVA Heidelberg Universität 4 Taf. 161,3–4), üblicherweise reitet Poseidon oder Nereus den Hippokampen, vgl. Augenschale im Britischen Museum, London (CVA London, British Museum 2, III H. e Taf. 20,1a–b); allgemein zu Augenschalen CVA München 13, S. 13 und Jordan 1988

Trinkbecher (skyphos), Ton, attisch-schwarzfigurig um 530 v. Chr. H 12,2 cm; Dm 18,0–18,3 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 856 Literatur: Korzus 1984, 244 f. Kat. 102 mit älterer Lit. und Abb. (R. Stupperich); Stupperich 1990, 46—48 Kat. 33 Taf. 9,4; 10,1; 11,1 und Umschlag vorn

Von den Griffansätzen des Trinkgefäßes gehen seitlich große Palmetten aus. Zwischen diesen ist das Hauptmotiv zu sehen: ein nach rechts springendes Mischwesen – der hippalektryon –, das aus dem Rumpf eines Hahnes und dem Vorderkörper eines Pferdes zusammengesetzt ist. So finden sich auch im Namen die griechischen Bezeichnungen für Pferd (hippos) und Hahn (alektryonos) wieder. Auf dem Wesen reitet ein kleiner,

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Diese Trinkschale steigt über einem hohen Fuß sich stark weitend auf; die nach oben weisenden Henkel setzen in der Mitte der Wandung an. Glanzton bedeckt den Fuß, dessen Standplattenprofil tongrundig belassen ist, und den Schalenboden sowie ein Band darüber, getrennt durch einen tongrundigen Streifen, ebenso die Lippe und die Henkelaußenseiten. Das Schaleninnere ist bis auf eine tongrundige Linie unter der Lippe und ein nicht erhaltenes Tondo im Zentrum mit Glanzton überzogen. Beide Seiten zeigen ein Augenpaar – Kontur und Augenbrauen sowie ein äußerer Ring der Pupillen sind mit Glanzton bemalt. In den Pupillen folgen ein weißer und ein roter Ring, während das Zentrum um einen tongrundigen Mittelpunkt wieder schwarz gefasst ist. Zwischen den Augen ist jeweils ein nach rechts gerichtetes Meerwesen dargestellt: Triton, der Sohn des Poseidon und der Amphitrite, be-

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steht aus einem mit Schuppen übersäten Seeschlangenunterkörper nebst Fischschwanz und einem menschlichen nackten Oberkörper. Die Arme sind affektiert vom Körper weggehalten, der Kopf ist im Profil nach links mit rotem langen Bart und Haupthaar sowie Tierohren wiedergegeben. Das Meereswesen auf der anderen Seite ist ähnlich gestaltet, nur ist statt eines menschlichen Oberkörpers ein Pferdevorderteil angefügt. Dieses Pferde-Ungeheuer (hippokampos) wird von einem bärtigen Mann mit rotem Schultermantel (chlamys) mit gepunkteter Borte und einem Reisehut (petasos) geritten. Er hält die Zügel in seiner rechten Hand, diese und das Zaumzeug sind durch Ritzung angegeben. Die Henkelzonen sind mit je einem aus zwei sich dreimal kreuzenden Strängen bestehenden Weinstock mit -ranken verziert. HeN

Kat. 173

Satyr

Trinkbecher (skyphos), Ton, attisch-schwarzfigurig ca. 520 v. Chr., Ure Klasse A 1 H 11,3 cm, Dm mit Griffen 24,9 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 862 Literatur: Rohde 1955, 111 f. Nr. 3 Abb. 10–11; Stupperich 1990, 49 Kat. 34 Taf. 9,6 und 10,3

Literatur: unpubliziert, vgl. Six-Technik-Lekythos der gleichen Form CVA Athen 6, Taf. 83,6; gestauchter CVA Bochum 1, Taf. 42,3–4

Dieses Duftölgefäß ist nahezu vollständig mit Glanzton bedeckt den Fuß, tongrundig belassen sind das Außenprofil der Standplatte, das Innere des Henkels und Schulter sowie Hals. Die Schulter zieren innen umlaufende radiale Striche und außen Lanzettblätter. Einziges Motiv ist ein mit erhobenen Vorderläufen nach rechts galoppierendes Flügelpferd, wohl Pegasos, dessen sämtliche Konturen geritzt sind. HeN

Kat. 175

Dieser Trinkbecher steigt über einem profilierten Standring sich stark weitend auf; die nach oben weisenden Henkel setzen im oberen Drittel der Wandung an. Glanzton bedeckt den Standring und einen Streifen darüber sowie einen weiteren Streifen nach einer tongrundigen Trennung, dazu Henkel und Lippe sowie eine Linie darunter. Zwischen zwei waagerechten großen Palmetten ist auf jeder Seite ein nackter Satyr wiedergegeben. Die Körperhaltung mit eingestemmten Händen lässt an eine tänzerische Aktion denken. Das Mischwesen aus Mensch und Pferd ist klar durch Pferdeohren und -schweif angegeben. HeN

Kat. 174

Flügelpferd – Pegasos

Duftölgefäß (lekythos), Ton, attisch-schwarzfigurig Six-Technik, ca. 490–470 v. Chr. H 10,9 cm, Dm mit Henkeln 30,5 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. MW 45

Hippokamp – das geflügelte Pferd mit Fischschwanz

Stater oder Didrachme, Silber; Münzstätte: Tarent (Italien) geprägt ca. 500–490 v. Chr. Dm 20 mm, 7,72 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 227 Literatur: unpubliziert, vgl. Fischer-Bossert 1999, 50 Nr. 23, V10 / R18 (Gruppe 2); Rutter 2001, 93 Nr. 827

Vorderseite: [ΤΑΡΑΣ] unten im Feld. Der Delphinreiter Phalanthos nach rechts, er hält den linken Arm vorgestreckt, den rechten zurückgenommen, in der Hand einen Oktopus; außen ein Flechtband als Rahmung Rückseite: ΤΑ[Ρ]ΑΣ. [retrograd]. Ein geflügeltes Seepferd (Hippokamp) nach rechts, darunter eine Muschel; außen eine vertieft gerippte Rahmung

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Katalog

Der Delphinreiter Phalanthos gilt als mythologischer Gründer der Stadt Tarent, dem diese Tat durch das Orakel von Delphi vorhergesagt worden ist. Einer anderen mythischen Erzählung nach soll Phalantos vor Italien Schiffbruch erlitten haben und von einem Delphin gerettet und ans Ufer gebracht worden sein, wo er die Stadt Tarent gründet. Der Gründungsmythos von Tarent auf der Vorderseite verbindet sich nun mit der Darstellung eines Mischwesens aus Pferd und Fisch, dem sogenannten Hippokampen (vgl. Kat. 172. 182. 184 und 186), der häufig zusätzlich noch mit Flügeln abgebildet wird. Ab dem 5. Jh. v. Chr. erscheinen Hippokampen erstmals auf Münzen, sie werden auch als Reittiere für Meeresgötter wie Poseidon dargestellt. TrS

Kat. 176

Satyr und Trinkhorn

Schöpfbecher, Ton, attisch-rotfigurig um 460–450 v. Chr. H 10,6 cm; Dm 9,7 cm Archäologisches Museum der WWU, Inv. 899 Literatur: Korzus 1984, 110 f. Kat. 38 mit Abb. (J. Harnecker)

Das zentrale Bild gibt einen nach rechts springenden, nackten Satyrn mit kräftigen Rumpfmuskeln wieder. Er ist in Profilansicht mit gespreizter Bein- sowie Armhaltung dargestellt. Gemäß des üblichen Bildschemas ist der Satyr mit Halbglatze, kräftigem Bart, Knollennase, Tierohren, struppigem Haar und einem Pferdeschweif versehen. Vor ihm befindet sich ein Trinkhorn auf dem Boden. Das tänzerische, aber unsichere Standmotiv ist typisch für die Darstellung eines vom Weingenuss benebelten Satyrs. Dieser – als Gefolgschaftsmitglied des griechischen Weingottes Dionysos – eignet sich deshalb zur Dekoration eines Gefäßes, das zum Weinschöpfen dient. MaH

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Kat. 177–179

Kampf von Kentauren gegen Lapithin bzw. Lapithen

Abgüsse von drei Metopen des Parthenon, Marmor, Südmetope 1. 27 und 29 448–442 v. Chr. H 133–137 cm, B 133 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv.-Nr. A L KR 8–10 Literatur: Brommer 1967, 71–76. 117–119. 122 f. Taf. 155–163. 216–220. 224–228; Bol 2004, 167–170

Katalog

Auf den Metopen der Südseite des Parthenon ist die Kentauromachie dargestellt. Hintergrund des Kampfes der Kentauren – mythische Wesen, die halb Mensch, halb Pferd sind – ist die Hochzeit des Peirithoos, König der Lapithen, und der Hippodameia. Auf dieser Feier sind die Kentauren so betrunken, dass sie Frauen und Jünglinge rauben wollen. Der Kampf wogt hin und her, so dass auf den Metopen zum einen die Kentauren und zum anderen die Lapithen als siegreich wiedergegeben sind. Letzten Endes besiegen die Lapithen – von Peirithoos und dem Athener König Theseus angeführt – die Kentauren; somit siegt die zivilisierte Welt über die Wildheit der Natur. SaE

Kat. 180

Kentaur

Trinkschale, Ton, attisch-rotfigurig Anfang 4. Jh. v. Chr., Meleager-Maler H 8,2 cm; Dm 33,8 cm mit Henkeln; Dm 25,4 cm ohne Henkel Privatbesitz, Inv. J 77 Literatur: Bensch u. a. 2015, 149–151 mit Farbabb. und älterer Lit. (N. Theißing-Innemann – H.-H. Nieswandt); Korzus 1984, 227 f. Kat. 93 mit Abb. (S. Fischer)

die Darstellung der Kentauromachie am Hofe des Peirithoos zuzuweisen (s. Kat. 177–179). König Peirithoos hat seine Verwandten und Nachbarn zu seiner Hochzeit mit Hippodameia (oder Deidameia) eingeladen. Obwohl er den Kentauren aus Angst vor der Wirkung des an alle anderen ausgeschenkten Weines Milch kredenzt, machen diese sich über den Wein her und verlieren die Kontrolle. AmS/SiP

Kat. 181

Pegasos in Korinth

Stater, Silber; Münzstätte: Korinth (Griechenland) geprägt ca. 405–345 v. Chr. Dm 21,8 mm, 8,27 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 833 Literatur: unpubliziert, vgl. Hoover 2014, 528 Nr. 1835; Ravel 1948, 237 Nr. 915 (P374 / T522, sog. 14. Serie); SNG Kopenhagen Heft 15 Nr. 105

Vorderseite: Pegasos fliegt nach rechts, darunter der griechische Buchstabe Koppa (Ϙ) Rückseite: Σ [retrograd]. Kopf der Athena mit korinthischem Helm nach rechts, rechts im Feld ein Delphin

Diese Schale ist an den Henkelaußenseiten, der Fußoberseite, dem Außenring und auf der Innenseite mit Ausnahme des Bildfeldes mit Glanzton überzogen, der Rest ist tongrundig belassen. Auf der Schaleninnenseite ist in einem Tondo ein Kentaur wiedergegeben. Das Mischwesen befindet sich gerade im Sprung und ist nach links gewandt. Mit seinen Hinterläufen ragt er in das ihn umgebende Mäanderband hinein, während seine Vorderläufe erhoben sind. Er wendet den Kopf über seine Schulter zurück. Die langen Haare und sein Bart zeigen, dass es sich um einen Kentauren in fortgeschrittenem Alter handelt. In seiner rechten Hand befindet sich ein Trinkhorn und über seinen anderen Arm ist das Fell einer Raubkatze gelegt. Die umgestürzte Hydria unter dem Kentauren soll sein ungestümes Handeln deutlich machen und legt zudem nahe,

Das mythische geflügelte Pferd Pegasos ist ein Sohn der Medusa und des griechischen Gottes Poseidon. Zusammen mit seinem Bruder Chrysaor entspringt er der Medusa, als ihr vom Heros Perseus der gefährliche schlangenumwundene Kopf mit seinem versteinernden Blick abgeschlagen wird. Gemeinsam mit dem Helden Bellerophon (vgl. Kat. 159) steht Pegasos in enger Verbindung zur Stadt Korinth, da der Held den Pegasos an der dortigen Quelle Peirene einfangen, zäumen und reiten kann. Das Flügelpferd als Münzzeichen, kombiniert mit Athena auf der anderen Seite, erscheint erstmals auf Münzen aus Korinth um 640 v. Chr., später wird derselbe Münztyp auch von anderen griechischen Städten verwendet, die mit Korinth eine Münzunion bilden. Das Koppa, der griechische Buchstabe K, gilt als Münzzeichen für die Stadt Korinth. TrS

151

Katalog

Kat. 182

Hippokamp – ein mythisches Seewesen

Litra, Bronze; Münzstätte: Syrakus (Italien) geprägt ca. 344–336 v. Chr. Dm 19,9 mm, 7,76 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 6328 Literatur: unpubliziert, vgl. CNS II 86 Nr. 41; SNG ANS Heft 5 Nr. 434–446; SNG Kopenhagen Heft 5 Nr. 721– 722

Vorderseite: ΣΥ[ΡΑ]. Kopf der Athena nach links mit korinthischem Helm Rückseite: Geflügelter Hippokamp nach links

Das geflügelte Seepferd wird vom griechischen Schriftsteller Pausanias (Paus. 2,1,9) als „Pferd, welches von der Brust ab einem Seeungeheuer gleicht“, beschrieben. Es ist eines der zahlreichen mythischen Wesen, die in der griechischen Welt das Meer beleben und vor allem für die Seefahrt eine Gefahr darstellen. Für Städte wie die sizilische Kolonie Syrakus bedeutet die Existenz solcher Ungeheuer für die Seefahrt ein erhebliches Risiko. Die Zähmung eines derartigen Tieres durch einen Helden oder eine Stadtgottheit verspricht Wohlstand und eine sichere Fahrt über das Mittelmeer. Auf Münzen ist der Hippokamp in Städten mit intensivem Seehandel wie Poseidonia, Syrakus oder Tarent (vgl. Kat. 175) oder auch dem fernen Tyros (vgl. Kat. 184) zu finden, insgesamt bleibt die Darstellung allerdings eine Seltenheit. TrS

Kat. 183

Pegasos in Syrakus

Stater, Silber; Münzstätte: Syrakus (Italien) geprägt ca. 317–310 v. Chr. Dm 21,2 mm, 8,25 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 6332

Vorderseite: Kopf der Athena nach rechts, mit korinthischem Helm, der mit einem nach rechts springenden Greif verziert ist

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Rückseite: ΣΥΡ-ΑΚ-ΟΣΙΩ-Ν. Pegasos fliegt nach links, darunter ein Triskeles (ein aus drei gebeugten Beinen gebildeter Wirbel) Literatur: unpubliziert, vgl. Calciati 1990, 611 Nr. 9; SNG ANS Heft 5 Nr. 554–557; SNG München Heft 6 Nr. 1197–1198

Syrakus wurde als korinthische Kolonie um 734/733 v. Chr. auf der Insel Sizilien gegründet. Mit der Mutterstadt Korinth bleibt sie eng verbunden, was sich ikonografisch auch an den Münzen zeigt. Die Kombination Pegasos und Athena findet sich nicht nur auf korinthischen (vgl. Kat. 181), sondern auch auf Prägungen aus Syrakus. Das Triskeles, das unter dem Pegasos abgebildet ist, hat drei menschliche Beine, die in einem Kreis umlaufend angeordnet sind. Es gilt als ein eigenes Zeichen der Stadt Syrakus, das auf „Trinakria“, den alten griechischen Namen Siziliens, zurückzuführen ist. TrS

Kat. 184

Stadtgottheit auf Hippokamp

Didrachme, Silber, Münzstätte: Tyros (Libanon) geprägt ca. 309/308 v. Chr. Dm 22 mm, 9,09 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 1515 Literatur: unpubliziert, vgl. BMC Phoenicia 232 Nr. 32; Elayi – Elayi 2009, 114–118 Nr. 887–916

Vorderseite: Der Gott Melqart auf einem geflügelten Seepferd (hippokampos) nach rechts, in der linken Hand ein Bogen, darunter zwei Wellenlinien Rückseite: IIIO [= Jahr 23, das heißt 309/308 v. Chr.]. Eule mit angelegten Flügeln steht nach rechts, blickt nach vorne, dahinter ägyptischer Krummstab und Dreschflegel

Die maritime Lage der phönizischen Stadt Tyros wird ab der Mitte des 5. Jh. v. Chr. auf den Münzen durch einen Delphin und Wellen im Abschnitt verewigt. Etwas später tritt der Stadtgott Melqart auf den Prägungen in den Vordergrund. Er reitet auf einem geflügelten Seewesen, einem Hippokampen (vgl. Kat. 172. 175. 182 und 186), und wird dann zum Hauptmotiv der Münzen aus Tyros. Durch seine Verbindung mit dem Hippokampen wird einmal mehr die Bedeutung des Meeres für Tyros und zugleich die Rolle von Tyros als bedeutende Hafenstadt betont. Ein anderer wichtiger Aspekt der Stadtrepräsentation, die traditionell engen Verbindungen zum pharaonischen Ägypten,

Katalog

werden durch die (ägyptische) Eule auf der Rückseite deutlich, die Krummstab und Dreschflegel, altägyptische Königsattribute, unter dem Flügel hält. TrS

Kat. 185

Cheiron, der Lehrer

Münze, Bronze, Münzstätte in Bithynien (Türkei) geprägt ca. 180–149 v. Chr. unter Prusias II., König von Bithynien (reg. 182–149 v. Chr.) Dm 22 mm, 5,91 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 987 Literatur: unpubliziert, vgl. Hoover 2012b, 218 Nr. 629; SNG von Aulock Nr. 255; SNG Kopenhagen Heft 18 Nr. 635; Waddington 1925, 225 Nr. 26

Vorderseite: Kopf des Dionysos nach rechts mit einem Efeukranz Rückseite: ΒΑΣΙΛΕ[ΩΣ] ΠΡΟΥΣ[ΙΟΥ]. Der Kentaur Cheiron Leier (lyra) spielend nach rechts

Der Kentaur ist ein bis in die Moderne bekanntes mythisches Mischwesen. Er besitzt einen Pferdekörper, -beine sowie -schweif und hat anstelle eines Pferdehalses einen menschlichen Oberkörper mit Armen und Kopf. Cheiron, der bekannteste Kentaur der Antike, ist der Sohn des Titanen Kronos und der Nymphe Philyra. Im Gegensatz zu den anderen Kentauren der griechischen Mythologie gilt Cheiron als gebildeter, zivilisierter und gerechter Kentaur, der viele Helden unterrichtet hat, unter anderem Achilleus oder Odysseus. Der mit einer Leier (lyra) musizierende Cheiron kann als Lehrer interpretiert werden, der seinen Schülern neben Heilkunde, Jagd- und Kriegskunst auch Musik vermittelt. TrS

Kat. 186

Hippokampenförmiger Ring

Ring, Bronze hellenistisch-römisch Ringdurchmesser: 1,8 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. L GV 647 Literatur: unpubliziert, vgl. Henkel 1913, 76 f.

Der Fingerring ist spiralförmig gearbeitet. Die Enden der einfachen Spirale sind ein hohl gegossener Pferdekopf und ein Fischschwanz. Dargestellt ist also ein Hippokamp. Der Körper des Mischwesens aus Pferd

und Seeungeheuer ist nicht ausgearbeitet, doch hat der wild und lebendig dargestellte Pferdekopf eine zottelige Mähne und am Fischschwanz ist eine Flossenmuster angegeben, so dass vielleicht davon auszugehen ist, dass der Ring zusätzlich in Edelmetall gefasst war. Vergleichbare Ringe in Schlangenform und mit Schlangenköpfen sind seit dem 3. Jh. v. Chr. bis in die römische Kaiserzeit gut belegt. Die Ringgestaltung als Hippokamp ist aber von großer Seltenheit. AcL

Kat. 187

Flügelpferd

Ringstein, Amethyst sasanidisch, 3.–7. Jh. n. Chr. H 1,39 cm, B 1,79 cm, T 0,2 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. L GV 48 Literatur: unpubliziert, vgl. Bivar 1969, Taf. 11 (Löwen/ geflügelte Löwen). 12 (Flügelpferde); Göbl 1973, Taf. 25, Nr. 69a–f (Flügellöwe); Taf. 26, Nr. 70a–m (Flügelpferde)

Der ursprünglich in einen Fingerring eingelegte Siegelstein zeigt einen Vierbeiner mit angewinkelten Beinen, bei dem es sich entweder um einen geflügelten Löwen oder ein geflügeltes Pferd handelt. Beide Mischwesen sind in der sasanidischen Miniaturkunst beliebt und können bei stark vereinfachten Darstellungen, wie hier, oft nur schwer voneinander unterschieden werden. Die Schraffurlinien im Bauchbereich des Tieres sind daher entweder als Federn oder Fell zu interpretieren. Eine Pahlavi-Inschrift (mittelpersisch) ist über dem Fabelwesen eingraviert. GeN

Kat. 188

Flügelpferd

Fibel, Bronze byzantinisch, ca. 600–700 n. Chr. H 4,32 cm, B 5,39 cm Archäologisches Museum der WWU, Inv. 3765 Literatur: unpubliziert, vgl. Wamser – Zahlhaas 2000, 74 Kat. 66 mit Abb. (G. Zahlhaas)

Die Fibelplatte zeigt ein auf einer Grundlinie stehendes Flügelpferd. Die summarische Darstellung des Pferdes fügt sich aus folgenden Elementen zusammen: voreinander gestaffelte Läufe (der vierte nebst gebogen herabhängenden Schwanz ist abgebrochen), sichelförmig nach links gekrümmter, sich verjüngender Flügel mit dem Gegenpart des nach rechts gebogenen Halses, der unmerklich in den Kopf übergeht, der im

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geöffneten Maul endet und große Ohren aufweist. Das Fabeltier ist mit eingetieften Kreisaugen verziert.

Kat. 190

Pferde

Wassergefäß (hydria), aus Athen protoattisch, um 700 v. Chr., Analatos-Maler H 34,2 cm, max. Dm 16,2, Dm Mündung 12,35 cm Privatbesitz, Inv. J 97 Literatur: Bensch u. a. 2015, 19 f. Kat. 5 mit Farbabb. (N. Theißing-Innemann – H.-H. Nieswandt)

Die Wirkungsmacht des Flügelpferdes ist nicht nur in allen Kulturen vom Alten Orient bis zu den Kelten zu Hause, sondern überspannt auch einen sehr weiten Zeitbogen. Ob im Byzantinischen Reich die Ausdeutung dieses Wesens als Pegasos noch Bestand hat, kann leider nicht bewiesen werden. HeN

Kat. 189

Kentaur und Bacchantin mit einem Faun

Lithografie von Pablo Picasso 2. Februar 1947 H 49,8 cm, B 65,8 cm Kunstmuseum Pablo Picasso Münster

Auf Einladung von Romuald Dor de la Souchère verbrachte Picasso die zweite Hälfte des Jahres 1946 im mittelalterlichen Château Grimaldi in Antibes. Die durch die griechisch-römische Antike geprägte Hafenstadt inspirierte Picasso zu zahlreichen Werken, die ein von mythologischen Mischwesen bevölkertes Arkadien evozieren. Die kurz nach Picassos Rückkehr nach Paris erschaffene Lithografie zeugt von der durch Lebensfreude und Harmonie geprägten mediterranen Atmosphäre, die die Bildwelten des spanischen Künstlers nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges kennzeichnen. AlG

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Der untere Bereich dieses Gefäßes ist mit umlaufenden Linien, Rautenfriesen und Wellenstäben bemalt. Im zentralen Motiv auf der Vorder- und der Rückseite des Gefäßes sind je zwei Pferde dargestellt, die nach rechts schreiten. Diese befinden sich vor einem Hintergrund aus Zickzacklinien bzw. -abschnitten. Der Bereich unter den Körpern der Pferde wird von je einer großen Raute mit spitzen Elementen an den Außenseiten eingenommen, die wiederum von vier kleineren Rauten und einem Kreis im Zentrum gefüllt sind. Die bildlichen Darstellungen unter den Henkeln zeigen links ein äsendes Reh und rechts vermutlich einen Hund. Das Motiv auf dem Hals besteht aus Reigentänzerinnen, die sich an den Händen halten. SiP

Katalog

Kat. 191

Pferdeprotome

Vorratsgefäß (amphora), Ton, attisch-schwarzfigurig hocharchaisch, ca. 560–550 v. Chr., Maler D H 31 cm, max. Dm 23 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 64 Literatur: Birchall 1972, 50 Kat. A III,7 Taf. 16c (falsch angegeben als 11c); Picozzi 1972, 378 f. Anm. 4; 381 f. Anm. 21; zum Maler Picozzi 1971, 58; zur Interpretation Kreuzer 1998, 114

Diese Amphore ist nahezu vollständig mit schwarzem Glanzton bedeckt – zwei violette Linien laufen unterhalb der Mündung um. Auf jeder Seite ist lediglich ein trapezoides Bildfeld ausgespart, welches im Innern eine umlaufende parallele rote Linie zum Rahmen aufweist. Darin ist jeweils eine Pferdeprotome – Pferdekopf und -hals – nach rechts wiedergegeben. Die Mähne ist durch lange mithilfe von Ritzungen und roter Farbe betonte Strähnen angegeben. Ritzlinien kennzeichnen Auge, Maul und Zaumzeug. Neben den durch sich im Riemenverteiler kreuzenden Doppellinien wiedergegebenen Riemen findet sich ein weiterer Gurt oberhalb – dies ist sehr selten bei vergleichbaren Amphoren nachzuweisen. Interpretiert werden die Pferdeprotomen als Tiere der Athena Hippia bzw. des Poseidon Hippios (zu diesen Göttern s. Beitrag Lichtenberger – Nieswandt S. 50–53) und als Hinweis auf die gehobene Stellung der adeligen Elite Athens. HeN

Kat. 192

Reiterstatue – der sog. Reiter Rampin

Gipsabguss, Original aus Marmor, von der Akropolis von Athen, Kopf in Paris, Louvre Inv. Ma 3104 hocharchaisch, ca. 560–550 v. Chr. H 27 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. A 79 Literatur: unpubliziert, vgl. Karanastassis 2002, 203–205 Abb. 282a. b; Floren 1987, 278 Anm. 9 Taf. 22,2

Der leicht nach links gewandte Kopf ist nach vorn geneigt. Die plastisch angegebenen mandelförmigen Augen sind durch die gratige Lieder begrenzt, Iris und Pupillen waren aufgemalt, wie rote und schwarze Farbreste am Original bezeugen. Die Nase sowie der linke Wangenknochen sind bestoßen. Der fein konturierte Mund zeigt das für die archaische Zeit typische Lächeln. Einmalig ist die Behandlung des in Perlschnüren ausgearbeiteten Haupthaares und des Bartes. Ein Blätterkranz – wohl zusammengesetzt aus Sellerieblätter – schmückt das Haar. Derartige Kränze werden den Siegern bei den allgriechischen Wettkämpfen im Zeusheiligtum von Nemea verliehen. Demzufolge interpretiert man dieses Reiterbildnis eines Aristokraten als Weihung anlässlich eines Sieges im Reiterwettkampf. HeN

Kat. 193

Ein kleines Pferd

Trihemiobol (?), Silber, Münzstätte in Makedonien (Griechenland) geprägt ca. 495–454 v. Chr. unter Alexander I., König von Makedonien (reg. 498–454 n. Chr.) Dm 11,5 mm, 0,83 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 3523 Literatur: unpubliziert, vgl. SNG Alpha Bank Nr. 77

155

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Vorderseite: Pferd geht nach rechts Rückseite: Viergeteiltes quadratum incusum

Alexander I. ist der erste König der Makedonen, der Münzen prägen lässt; er orientiert sich an den bereits etablierten Prägungen der thrakischen Nachbarn. Seine großen Silbernominale zeigen Reiter oder Pferdeführer, die kleinen – wie hier – ein Pferd. Die Bedeutung von Pferden und Reiterei für den makedonischen Adel, der den König stellt, spiegelt sich auch hier im makedonischen Münzrepertoire. KaM

Kat. 194

Pferdevorderteil im Sprung

Diobol, Silber, Münzstätte: Olynth (?) (Griechenland) geprägt ca. 445–435 v. Chr. unter Sparadokos, König der Odrysen (reg. im 5. Jh. v. Chr.) Dm 11,6 mm, 1,28 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 577 Literatur: unpubliziert, vgl. Peter 1997, 63 mit Nachweisen in Anm. 253; Youroukova 1976, 69 Nr. 20–22

Vorderseite: jugendlich unbärtiger männlicher Kopf nach links mit einer schmalen Binde im Haar Rückseite: ΦΙΛΙΠΠΟ[Υ]. Reiter auf einem nach links galoppierenden Pferd; unter dem Pferd der Buchstabe Π

Der ‚makedonische Reiter‘, eingeführt von Philipp zunächst im Silbergeld, wird auch für das bronzene Kleingeld übernommen. Er wird zum makedonischen Münzbild par excellence, das weit über den Tod von Philipp hinaus weitergeprägt (in seinem Namen und in dem seiner Nachfolger) und auch beispielsweise von vielen keltischen Herrschern imitiert wird. KaM

Kat. 196

Der makedonische Reiter

Tetradrachme, Silber, Münzstätte: Amphipolis (Griechenland) geprägt 357–348 v. Chr. unter König Philipp II. (reg. 359– 336 v. Chr.) Dm 27 mm, 14,30 g Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett, Objektnr. 18258885 Literatur: Le Rider 1977, 73 Nr. 1a Taf. 23

Vorderseite: [Σ]ΠΑ. Vorderteil (Protome) eines nach links springenden Pferdes Rückseite: Adler mit ausgebreiteten Schwingen, den Kopf nach links gewandt, im Schnabel eine Schlange

Im 5. Jh. v. Chr. spaltet sich in Thrakien ein neues Teilreich der Odrysen ab und eine eigene Dynastie etabliert sich. Sparadokos gibt als erster Herrscher in diesem Teilreich (Klein-)Silbermünzen aus. Bei den meisten handelt es sich um Zwei-Obolen-Stücke, die eine dynamische Pferdeprotome im Sprung zeigen. Die Wahl des Pferdes als Hauptmotiv der (wenn auch kleinen) Münzen belegt die große Bedeutung des Pferdes für die Repräsentation von Herrschaft. KaM

Kat. 195

Reiter in Bronze

Münze, Buntmetall, Münzstätte in Makedonien (Griechenland) geprägt unter König Philipp II. (reg. 359–336 v. Chr.) Dm 18 mm, 6,87 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 3996 Literatur: unpubliziert, vgl. SNG ANS Part 8 (Macedonia 2) Nr. 947; SNG München Heft 10 Nr. 212

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Vorderseite: Kopf des Zeus mit Lorbeerkranz nach rechts Rückseite: ΦΙΛΙΠΠOY // ΔΗ. Ein Mann mit einem breitkrempigen Filzhut (kausia) und Mantel reitet nach links und erhebt grüßend den rechten Arm, unter dem Pferd ein Blitzbündel

Wie diese Prägung des makedonischen Königs Philipp II., des Vaters von Alexander dem Großen (reg. 336– 323 v. Chr.), zeigt, wird im antiken Makedonien auf Pferde als Statussymbol der Elite zurückgegriffen. Der Name des Königs heißt wörtlich übersetzt „Pferdefreund“ (s. auch Beitrag Jonas Derichs S. 71). Auf der Rückseite dieser Münze ist ein Reiter nach links abgebildet, der durch seinen breitkrempigen Filzhut (kausia) und seinen Mantel als Mitglied des Adels gekennzeichnet ist. Eine Identifizierung des Mannes als König Philipp II. selbst wird gelegentlich in Betracht gezogen,

Katalog

jedoch ist dies in der heutigen Forschung umstritten. JeS

Kat. 197

Der Makedonische Reiter

Tetradrachme, Silber, Münzstätte: Amphipolis (Griechenland) geprägt 342/341–329/328 v. Chr. unter König Philipp II. (reg. 359–336 v. Chr.) Dm 24 mm, 13,84 g Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett, Objektnr. 18238517 Literatur: Le Rider 1977, 115 Nr. 452a Taf. 41

Vorderseite: Kopf des Zeus mit Lorbeerkranz nach rechts Rückseite: ΦΙΛΙΠ-ΠOY. Nackter Jüngling reitet nach rechts. In der rechten Hand hält er einen Zweig, in der linken die Zügel. Unter dem erhobenen Vorderfuß des Pferdes ein Kopf mit Polos, unter dem Pferd eine Biene

Während uns auf den früheren Münzen Philipps II. (Kat. 196) ein älterer bärtiger Reiter mit Kopfbedeckung begegnet, zeigen die späteren Münzen (Kat. 197) einen jugendlich unbärtigen Reiter, der einen Palmzweig hält und eine Siegerbinde auf dem Kopf trägt. Viele Adlige besitzen Rennställe und lassen ihre Pferde bei den großen sportlichen Wettkämpfen antreten. Man hat das Siegermotiv daher mit einem konkreten olympischen Sieg Philipps (eins seiner Pferde gewinnt 356 v. Chr. den Siegerkranz) in Verbindung gebracht, wenngleich auch bei diesem Typ nicht eindeutig ist, wer mit dem Reiter gemeint ist oder ob der Reiter überhaupt mit einer historischen Person identifiziert werden kann. KaM

Kat. 198

Jüngling und Pferd in Grabtempelchen (naiskos)

Kanne (oinochoe), Ton, apulisch-rotfigurig und polychrom um 310 v. Chr., Maler der Virginia-Ausstellung H 47,0 cm, Dm 17,3, Dm Fuß 10,9 cm Privatbesitz, Inv. J 88 Literatur: Bensch u. a. 2015, 185–188 Kat. 90 mit Abb. (N. Theißing-Innemann – H. Nieswandt)

Diese Kanne (oinochoe) mit plastisch modelliertem Kopf, Kleeblattmündung und vierrippigem Henkel war ursprünglich an Schulter, Hals und Mündung bunt bemalt, wovon sich jedoch nur noch die weiße Grundierung für den Farbauftrag sowie einige rote Linien und Farbspuren erhalten haben. Als zentrales Motiv im Zentrum der Vorderseite fungiert ein Grabtempelchen (naiskos), in dem ein Jüngling mit seinem Pferd nach links ausgerichtet stehen. Der Jüngling ist nackt, trägt allerdings Beinschienen. Er stützt sich mit seiner erhobenen Linken auf eine Lanze und greift mit seiner vorgestreckten Rechten in das Zaumzeug des Reittieres. Flankiert wird das Grabtempelchen rechts und links von je einem sitzenden Eroten auf zweischichtigem Felsen. Krieger mit Pferd im naiskos ist in der apulischen Vasenmalerei sehr häufig zu finden, da der Verstorbene durch das Pferd als zur Führungsschicht gehörig charakterisiert ist. Mit dieser Wiedergabe wird der hohe Status in der Gesellschaft verdeutlicht und darüber hinaus die Erhöhung zum Helden (heros). MaR

Kat. 199

Springendes Pferd

Fingerring, Silber seleukidisch, 4.–2. Jh. v. Chr. H 1,05 cm, Dm 2,4 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 2285 Literatur: unpubliziert, vgl. Mitchell – Searight 2008, 301, dort exemplarisch Nr. 705 (235 v. Chr.). 711 (230/229 v. Chr.). 717 (222 v. Chr.). 754 (seleukidisch undatiert); Wallenfels 1994, Pl. 46–47, Nr. 809–831 (Löwen)

Der aus einem Stück gefertigte metallene Siegelring zeigt einen stark vereinfacht dargestellten laufenden Vierbeiner, bei dem es sich entweder um ein Pferd oder um einen Löwen handeln könnte. Der nach oben aufgedrehte Schwanz und die Seltenheit von Pferdedarstellungen auf seleukidischen Siegeln könnten auf letzteren hindeuten. Eine Mondsichel schwebt über dem Tier. GeN

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Kat. 200

Das Pferd des unbekannten Königs

Münze, Buntmetall, Münzstätte in Thrakien (Bulgarien) geprägt ca. 185–86 v. Chr. unter Mostis, König von Thrakien (reg. ca. 130–100 v. Chr.) Dm 19 mm, 2,96 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 4167 Literatur: unpubliziert, vgl. SNG London (Black Sea) Nr. 310; Youroukova 1976, Nr. 139

Die Pferdegestalt weist an den Vorderläufen Ösen auf, die dazu dienten, die Statuette mit einem Gefäß/Gerät zu verbinden. Das Pferd ist im Absprunggalopp wiedergegeben. Der große Kopf blickt nach vorn. Die Augenhöhlen sind mit Linien gezeichnet. Die Pferdeohren sind ganz grob modelliert. Die Mähne ist in natürlicher Weise angegeben, wie die Körperbewegung überhaupt lebhaft und naturgetreu anmutet. Der Schweif berührt eine dreieckige Platte, die zu den Hinterläufen reicht. Es ist anzunehmen, dass dieses Objekt zu einer Wagenverzierung gehört. KdD

Kat. 202

Vorderseite: Kopf des Apollon nach rechts mit Lorbeerkranz Rückseite: ΒΑΣΙΛΕΩΣ // ΜΟΣΤΙΔΟΣ. Pferd steht nach links auf einer Standlinie, die nach rechts in einem Palmzweig ausläuft, das rechte Vorderbein erhoben

Statuette des Sokrates

Gipsabguss, Original: Marmor, London, British Museum Inv. 1925,1118.1, aus Alexandria hellenistisches Original des 2. Jh. v. Chr. oder römische Kopie H (ohne Basis) 27,5 cm Privatsammlung Münster Literatur: Richter 1 1965, 116 Nr. II a Abb. 560–562

Über Mostis als König von Thrakien wissen wir nur wenig, er ist hauptsächlich durch seine Münzen bekannt. Wie in Thrakien häufig finden sich auch auf seinen königlichen Münzen Pferde. Interessant ist, dass das Pferd auf unserem Stück nicht auf einer neutralen Standlinie steht, sondern auf einem Palmzweig. Möglicherweise wird damit Bezug genommen auf einen siegreichen Charakter (von Pferd und/oder König) wie schon auf den Siegesreiter-Münzen Philipps II. (vgl. Kat. 196–197). KaM

Kat. 201

Springendes Pferd

Gerätzubehör, Bronze ca. 200–400 n. Chr. H 5,2 cm, L 9,8 cm, T 2,9 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. 2722 Literatur: unpubliziert, vgl. Boube-Piccot 1980, 45–46 Taf. 7; Edgar 1904, 25 Nr. 27730 Taf. 6

Die Statuette zeigt einen gelassen stehenden Mann, der in einen Mantel gekleidet ist, der seinen Oberkörper weitgehend frei lässt. Er trägt einen langen Bart und hat eine knubbelige, aufgeworfene Nase sowie eine kahle hohe Stirn. Dieses Bildnis ist durch mehrere Kopien bekannt und kann als Porträt des Philosophen Sokrates (469–399 v. Chr.) identifiziert werden. Der bedeutende Denker ist uns insbesondere durch die

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von Platon überlieferten Dialoge bekannt, in denen er bohrende Nachfragen im Dienste der Erkenntnis stellt. Bis heute sprichwörtlich ist seine Frau Xanthippe, die der Inbegriff der nörgelnden, streitsüchtigen und launenhaften (Ehe-)frau ist. Wie so viele Griechinnen und Griechen trägt auch sie einen Namen mit Pferdebestandteil: Xanthippe „das blonde Pferd“. AcL

Kat. 203

Kopf des Chrysippos

Gipsabguss, Original aus Marmor, Paris, Louvre, Inv. Ma 326 ca. 220–200 v. Chr. H des Kopfes 26,3 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. L A KR 6 Literatur: Richter 1965, 192 Nr. 11 Abb. 1131–1132

Vorderseite: jugendlicher Kopf (des Heros Gyrton?) nach rechts; dahinter gestaffelt ein Pferdekopf Rückseite: ΓΥ[ΡΤΩΝΙOΝ]. Weiblicher Kopf (der Nymphe Gyrtona?) nach rechts, die aufgesteckten Haare werden mit einem Haarband gehalten

Die Form der Staffelbüste drückt stets eine enge Bindung der Dargestellten aus und zeigt zwei Partner, die sich ergänzen. Das Beispiel aus Gyrton ist außergewöhnlich, denn hier werden ein Mensch und ein Tier als eine ideale Einheit dargestellt. Wir wissen wenig über die Stadt und die ihr eigenen Traditionen und Geschichten; um Figuren oder um ein Moment aus einem solchen Lokalmythos wird es sich hier handeln. KaM

Kat. 205

Der Heros und sein Pferd

Münze, Buntmetall (Pentonkion), Münzstätte: Messana (Italien) Dm 27,2 mm, 11,78 g geprägt ca. 220–200 v. Chr. Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 6239 Literatur: unpubliziert, vgl. SNG München Heft 5 Nr. 699–700

Chrysippos („Gold-Pferd“) kommt aus Soloi in Kilikien (Türkei) nach Athen und wird dort Leiter der Philosophenschule der Stoiker. Als Philosoph ist er sehr einflussreich und gilt als Vielschreiber. Er äußert sich über Logik, Ethik und Physik. Berühmt ist er für seine Dialektik (Kunst der Unterredung) und die Feinheit seiner Argumentation. HeN

Kat. 204

Ein ideales Paar

Münze, Buntmetall, Münzstätte: Gyrton (Griechenland) Dm 16 mm, 3,45 g geprägt ca. 350–307 v. Chr. Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett, Objektnr. 18289647 Literatur: unpubliziert, vgl. BMC Thessaly 20 Nr. 1; Moustaka 1983, 125 Nr 130 a; Rogers 1932, 80 Nr. 227; SNG Kopenhagen Nr. 55–56

Vorderseite: jugendlich männlicher Kopf (des Ares?) nach links, mit Lorbeerkranz Rückseite: [ΜΑ]ΜΕΡΤΙΝΩΝ. Nackter Heros steht frontal mit leichter Wendung nach links mit Kurzschwert, Speer und Schild, Chlamys über der Schulter, hinter ihm steht ein Pferd nach links. Der Heros streicht ihm vertraut über die Mähne oder klopft ihm an den Hals; davor links im Feld das Wertzeichen Π

Die Mamertiner kommen als Söldner nach Sizilien und kämpfen im 3. Jh. v. Chr. für verschiedene Kriegsherren. Auf ihren Münzen stehen daher wenig überraschend militärische Themen im Vordergrund, so vermutlich auch hier. Doch das harmonische Miteinander von Mensch und Tier ist zugleich Ausdruck

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einer tief verwurzelten Bindung zwischen Mensch und speziell dem Pferd. Auch (im Krieg) jung verstorbene und als Heroen verehrte Männer sind uns oft mit dem Pferd an ihrer Seite überliefert. KaM

Kat. 206

Alexander III. der Große

Gipsabguss, Original aus Marmor, Paris, Louvre, Inv. Ma 436 spätklassisch, um 330 v. Chr. H 68,1 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. A 127 Literatur: unpubliziert, vgl. Himmelmann 1989, 94 mit Abb. 30 S. 89; Stewart 1993, 423 Abb. 45–46

Kat. 207

Reiter und Stadtgott in Alexandreia Troas

Münze, Buntmetall, Münzstätte: Alexandreia Troas (Türkei) geprägt 198–210 n. Chr. unter Kaiser Septimius Severus (reg. 193–211 n. Chr.) Dm 24,4 mm, 8,26 g Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. M 5363 Literatur: unpubliziert, vgl. Bellinger 1958, Nr. 12; Bellinger 1961, 117 Nr. A 257; Filges 2015, Nr. 673; SNG Aulock Nr. 1472; SNG Çanakkale (= Türkei 3) Nr. 330; SNG Leypold 1, Nr. 449

Vorderseite: ANTONINO-S PIVS AVG. Drapierte Panzerbüste des Caracalla nach rechts mit Lorbeerkranz Rückseite: COL AV-G // TROA. Kultbild des Apollon Smintheus nach rechts auf einer Säule, es hält in der vorgestreckten rechten Hand eine Schale (patera), in der linken Hand einen Bogen und trägt auf dem Rücken einen Köcher; rechts ein Reiter auf einem sich aufbäumenden Pferd nach links, die rechte Hand erhebend

Die kaiserzeitlichen Städteprägungen aus Alexandreia Troas zeigen auf ihren Rückseiten häufig das Kultbild ihres Stadtgottes Apollon Smintheus (vgl. Kat. 152). Der Beiname des Gottes bezieht sich auf das Wort „Maus“ im lokalen Dialekt des Altgriechischen. Ob Apollon die Bewohner der Stadt jedoch vor einer Mäuseplage schützt oder ihre Gegner mit einer solchen straft, ist aufgrund der uneinheitlichen Überlieferung unklar. Auf dieser Münze ist neben dem Kultbild ein Reiter mit erhobener rechter Hand auf einem sich aufbäumenden Pferd gezeigt. Es handelt sich dabei entweder um Alexander den Großen (reg. 336–323 v. Chr.) oder den Kaiser Septimius Severus (reg. 193– 211 n. Chr.) bzw. seinen Sohn Caracalla (reg. 197–217 n. Chr.), der dem Apollon Verehrung entgegenbringt. JeS Der auf einem Hermenabschnitt ruhende Kopf stellt nach der Inschrift Alexander den Großen dar. Ganz typisch für den Welteroberer ist die Bartlosigkeit und die über der Stirn aufstrebenden Haarbüschel (anastole). Die dieser römischen Kopie zugrunde liegende Statue soll von seinem Hofbildhauer Lysipp geschaffen sein. HeN

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Kat. 208

Alexander III. der Große zähmt Bukephalos

Münze, Buntmetall, Münzstätte: Beroia (Griechenland) Dm 26 mm, 13,63 g geprägt unter Elagabal (reg. 218–222 n. Chr.)

Katalog

Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett, Objektnr. 18214411 Literatur: Demandt 2013, 30 mit Abb.; 218 Kat. 43 (E. Rehm); Gaebler 1935, Nr. 463,1

Vorderseite: ΑΛΕΞΑΝΔΡΟΥ. Kopf Alexanders des Großen nach rechts mit Diadem Rückseite: ΚΟΙ ΜΑΚΕΔΟΝΩΝ B N[EΩKO-PΩN]. Alexander der Große zähmt den sich aufbäumenden Hengst Bukephalos

Auf den kaiserzeitlichen Prägungen des Makedonischen Koinon, der Heimat Alexanders des Großen (reg. 336–323 v. Chr.), werden im 3. Jh. n. Chr., also gut 600 Jahre später, vermehrt lokalpatriotische Darstellungen mit seinem Abbild auf der Vorderseite und Szenen seines Lebens auf der Rückseite gezeigt. Eine dieser Episoden ist die Zähmung des Streitrosses Bukephalos („der Ochsenköpfige“), den er als Knabe geschenkt bekommt. Der Legende nach ist es nur Alexander möglich, den unbändigen Hengst zu reiten. Das Ross bleibt ihm bis zu seinem Tod in der Schlacht am Hydaspes (heute Jhelum, Pakistan) 326 v. Chr. treu und wird von Alexander durch die Gründung der Stadt Bukephala geehrt. JeS

Kat. 209

Bildnis des Caligula

Gipsabguss, Original: Marmor, Malibu, J. Paul Getty Museum Inv. 72 AA 155 37–41 n. Chr. H 43 cm Archäologisches Museum der WWU Münster, Inv. A 251 Literatur: Boschung 1989, 110 Nr. 12

Das Bildnis zeigt einen jungen Mann mit idealisierten und ruhigen Gesichtszügen. Die Frisur weist über der Stirnmitte eine Gabelung der in kurzen Strähnen gelegten Haare auf. Durch den Vergleich mit Münzbildern kann dieses Bildnis als ein Porträt des römischen Kaisers Caligula (37–41 n. Chr.) im sogenannten Haupttypus identifiziert werden. Die nur kurze Herrschaft des jungen Kaisers ist laut antiken Schriftstellern von wüsten Exzessen gekennzeichnet. Bekannt ist Caligula auch für sein Schwärmen für das Rennpferd Incitatus, dem er einen Stall aus Marmor, eine Krippe aus Elfenbein, purpurne Decken und edelsteinbesetzen Schmuck geschenkt haben soll. Er soll ihn mit Dienern bestallt und soll sogar vorgehabt haben, sein Lieblingspferd zum Konsul zu machen und mit einem Platz im Senat zu versehen. AcL

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Anhang

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Wir danken folgenden Leihgebern Staatliche Museen zu Berlin, Münzkabinett LVR Landesmuseum Bonn Römer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim Badisches Landesmuseum Karlsruhe Ägyptisches Museum der Universität Leipzig Bischöfliches Diözesanmuseum, Münster Kunstmuseum Pablo Picasso Münster Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg / Römerkeller Oberriexingen LVR-Archäologischer Park Xanten / LVR-RömerMuseum Privatsammlung Dr. Dietmar Jordan Privatsammlung Hermann Klinkhammer

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Abbildungsnachweis Kat. 1, 2, 4, 5, 11–15, 48, 63, 71, 79, 87, 89, 99, 109, 110, 116, 116A, 123–125, 140, 142, 143, 145, 153–156, 160–164, 167, 169, 170, 177–179, 192, 202, 203, 206, 207, 209 Archäologisches Museum der WWU Münster, Foto: Lianna Hecht Kat. 3, 6–10, 20–30, 36–42, 44–47, 49–53, 56–62, 64–66, 68–70, 72–78, 80–86, 91–96, 100, 102, 104–108, 111–115, 117–120, 122, 126–132, 135–139, 141, 146–152, 157–159, 168, 171– 176, 180, 181, 184–188, 190, 191, 193–195, 198–205 Archäologisches Museum der WWU Münster, Foto: Robert Dylka Kat. 16 LVR Landesmuseum Bonn, Foto: Jürgen Vogel Kat. 17, 18 Roemer- und Pelizaeus-Museum Hildesheim, Foto: Archivfotos Kat. 19 Ägyptisches Museum der Universität Leipzig, Foto: Kat. 31–34, 204 Staatliche Museen Berlin – Münzkabinett, Foto: Bernhard Weisser Kat. 35, 121 Staatliche Museen Berlin – Münzkabinett, Foto: Lutz-Jürgen Lübke (Lübke und Wiedemann) Kat. 43, 122, 197, 208 Staatliche Museen Berlin – Münzkabinett, Foto: Reinhard Saczewski

Kat. 54, 55, 97, 98, 101, 103, 133, 182, 183, 205 Archäologisches Museum der WWU Münster, Foto: Katharina Martin Kat. 67 Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Foto: BLM Kat. 88 LVR-Archäologischer Park Xanten, Foto: Olaf Ostermann Kat. 90 Hermann Klinkhammer, Foto: Hermann Klinkhammer Kat. 134 Staatliche Museen Berlin – Münzkabinett, Foto: Dirk Sonnenwald Kat. 144 Archäologisches Landesmuseum Baden-Württemberg, Foto: Matthias Hofmann Kat. 165 Bischöfliches Diözesanmuseum, Münster, Foto: Lianna Hecht Kat. 166 Westfälisches Pferdemuseum im Allwetterzoo Münster, Foto: Julia Hammerschmidt Kat. 196 Staatliche Museen Berlin – Münzkabinett, Foto: Karsten Dahmen Kat. 189 Kunstmuseum Pablo Picasso Münster ©Succession Picasso / VG Bild-Kunst, Bonn 2022

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Hom. Od. – Homer, Odyssee, griechisch – deutsch, übertragen von A. Weiher 7(München 1982) Opp. kyn. – Oppianos, Kynegetika Ps.-Oppian. Kynegetika, griechisch-deutsch, hrsg. und übers. von S. Renker (Berlin – Boston 2021) Paus. – Pausanias, Reisen in Griechenland Pausanias, Reisen in Griechenland, Gesamtausgabe in drei Bänden aufgrund der kommentierten Übersetzung von Ernst Meyer, hrsg. von F. Eckstein 3(Zürich – München 1986) Pind. O. – Pindar, Olympische Oden Pindar, Siegeslieder, griechisch – deutsch, hrsg., übersetzt und mit einer Einführung versehen von D. Bremer 2(2013 – ND 2014) Plut. vitae Cato Maior – Plutarchos, Leben des Cato MaiorPlutarch, Fünf Doppelbiographien 1: Alexandros und Caesar, Aristeides und Cato, Perikles und Fabius Maximus, griechisch – deutsch, übersetzt von K. K Ziegler und W. Wuhrmann (Zürich 1994) Simon, De re equestri – Simon, über die Reiterei Xenophon. Ross und Reiter, griechisch-deutsch, hrsg. und übersetzt von K. Brodersen (Berlin – Boston 2018) [darin: Hipparchikós / „Der Reiterbefehlshaber“ und Peri Hippikés / „Über die Reitkunst“ sowie das überlieferte Textfragment des Simon von Athen]

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Strab. – Strabon Strabo, Geographica, in der Übersetzung und mit Anmerkungen von A. Forbiger (1855–1898, 32017) Suet. Cal. – Sueton, Caligula C. Suetonius Tranquillus, Sämtliche Biographien. Kaiserviten und Fragmente, neu übersetzt von L. Möller (Wiesbaden 2014) Thuk. – Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges Thukydides, Geschichte des Peloponnesischen Krieges I–II, griechisch – deutsch, übersetzt und mit einer Einführung und Erläuterung versehen von G. P. Landmann (München 1993) Varro rust. – Varro, res rusticae

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Marcus Terentius Varro. Gespräche über die Landwirtschaft 2, hrsg. und übers. von D. Flach (Darmstadt 1977) Veg. mulom. – Vegetius, Veterinär-Medizin Vegecio, Medicina Veterinaria, introducción, traducción y notas de J. M. Robles Gómez (Madrid 1999) Xen. hipp. – Xenophon, Der Reiteroberst Xenophon. Ross und Reiter, griechisch – deutsch, hrsg. und übersetzt von K. Brodersen (Berlin – Boston 2018) Xen. equ.– Xenophon, Über die Reitkunst K. Widdra, Xenophon, Reitkunst 2 (Waal 2007) Xen. kyn. – Xenophon, Zur Jagd Xenophon, Jagd und Jagdhunde, griechisch – deutsch, hrsg. und übersetzt von K. Brodersen (Berlin – Boston 2018)

Autoren Katalog Saskia Erhardt Klara de Decker Alexander Gaude André de Wall Ann-Kathrin Hönerloh Marla Homburg Martin Kemkes Achim Lichtenberger Angelika Lohwasser Jan Niklas Lührmann Katharina Martin Charlotte Müller

SaE KdD AlG AdW KaH MaH MaK AcL AnL NiL KaM ChM

Georg Neumann H.-Helge Nieswandt Silas Pott Stephan Quick Max Römelt Jessica Schellig Ammalina Schöler Charlotte Seide Laura Squar Trixi Steil Maximilian Wielepp Kira Zöller

GeN HeN SiP StQ MaR JeS AmS ChS LaS TrS MaW KiZ

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Der Katalog zur gleichnamigen Ausstellung in Münster greift zentrale kulturgeschichtliche Aspekte des Pferdes auf, sucht immer wieder auch Bezüge zur Gegenwart und zeigt den Beginn einer äußerst erfolgreichen Beziehung zwischen Mensch und Tier.

Sybill Ebers · Achim Lichtenberger · H.-Helge Nieswandt Das Pferd in der Antike

Am Beginn der europäischen Literaturgeschichte steht das Trojanische Pferd und schon in der Antike war Reiten eine olympische Disziplin: Pferde waren in der antiken Welt allgegenwärtig. Wo immer sie auftraten, ob in Religion, Politik, Kriegswesen, Sport oder Wirtschaft, stets nahmen sie eine herausragende Stellung ein.

DAS PFERD IN DER ANTIKE Von Troja bis Olympia

www.wbg-wissenverbindet.de ISBN 978-3-534-45010-7

Sybill Ebers Achim Lichtenberger H.-Helge Nieswandt (Hrsg.)