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German Pages [162] Year 2012
Das Museum als Lern- und Erfahrungsraum
Schriften des Deutschen Hygiene-Museums Dresden herausgegeben von Gisela Staupe Band 10
Das Museum als Lern- und Erfahrungsraum Herausgegeben von Gisela Staupe
Grundlagen und Praxisbeispiele
2012 BÖHLAU VERLAG WIEN KÖLN WEIMAR
Die Publikation entstand im Rahmen des Projekts „Kulturelle Bildung – Lernen im Museum, ein Modellprojekt des Deutschen Hygiene-Museums zur Intensivierung der kulturellen Vermittlungsarbeit“, gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Umschlagabbildung: kallejipp / photocase.com
© 2012 by Böhlau Verlag GmbH & Cie, Wien Köln Weimar Ursulaplatz 1, D-50668 Köln, www.boehlau-verlag.com. Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulässig. Bearbeitung der Texte: Annette Wunschel, Berlin Editorialdesign: büro quer kommunikationsdesign, Dresden Druck und Bindung: Drukkerij Wilco, NL-Amersfoort Gedruckt auf chlor- und säurefreiem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-412-20954-4
inhalt
Gisela Staupe
Einführung: Museen – Orte des sehens und des Lernens, der Musse und der Bildung Bild-Exposé – junge lebenswelten
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Wozu Museen? Interview mit Klaus Vogel
Das Museum als Reflexionsort der Moderne Interview mit Wolfgang Holler
Das Museum als Speicherort des kulturellen erbes Interview mit udo gösswald
Das Museum als identitätsstifter
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Teil I: Lernen in der dritten dimension Eckart Liebau
ich-bildung und welt-bildung von Kindern und Jugendlichen im museum
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stephan schwan
lernpsychologische grundlagen zum wissenserwerb im museum
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thomas thiemeyer
die sprache der dinge – museumsobjekte zwischen zeichen und erscheinung nicola lepp
Ungewissheiten – Wissens(v)ermittlung im Medium Ausstellung
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Teil II: kinder und jugendliche im museum susanne keuchel
das museumspublikum von morgen – analyse einer empirischen bestandsaufnahme
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EINFÜHRUNG carola marx
einführung: frühkindliche bildung im museum
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Interview mit Mila Ruempler-Wenk
museen und kindergärten – möglichkeiten der gemeinsamen frühkindlichen bildungsarbeit 80
Interview mit Peggy Kuttner
»Für Kinder muss immer etwas praktisches dabei sein« Birgit Richard
Inter-Cooler Style – jugend und museum carola marx
einführung: schule und museum – eine partnerschaft im wandel Interview mit Ralf Seifert
das curriculum – hindernis oder chance?
86 89 96 102
Interview mit Jens Reichel
potentiale der zusammenarbeit zwischen schulen und museen Interview mit Alfons Kenkmann
kompetenzförderung im museum? Interview mit Doris Lewalter
Anstiftung zum Lernen durch museumsbesuche? valentin steinhäuser
was erwarten Lehrerinnen und lehrer von museumsbesuchen?
105 111 117 120
Teil III: Praxisbeispiele »und heute ins museum« – 9 empfehlungen für den museumsbesuch mit kindern und jugendlichen carola marx
Einführung: Praxisbeispiele 1 Museen entdecken – Vor- und Nachbereitung von Museumsbesuchen in Schule oder Kita 2 Objekte befragen – Forschendes Lernen im Museum 3 Wie wollen wir leben? Kompetenzförderung und Wertevermittlung
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anhang autorinnen und autoren literatur bildnachweis
156 160 168
EINFÜHRUNG
Museen – orte des Sehens und des Lernens, der Musse und der Bildung Gisela Staupe
Die Zahl der Museen ist in Deutschland in den letzten 40 Jahren fast unüberschaubar geworden. 1969 gab es 679, 1988 schon ca. 2.400, heute sind es über 6.200. In einer Fülle von unterschiedlichsten Museumstypen wird das kulturelle Erbe aufbewahrt und vermittelt, auch zunehmend in Häusern, die sich der Musealisierung des Alltäglichen widmen. Die Spannbreite reicht vom Spargelmuseum und Zuckermuseum bis zum Migrationsmuseum, das für einen möglicherweise neuen Museumstypus steht. Auch lässt sich eine Tendenz zur Musealisierung der Gegenwart beobachten: Museum und Gegenwart bilden keinen Gegensatz mehr. Das zeigt sich auch in schon existierenden Museen, etwa am Historischen Museum in Frankfurt, in dessen neuer Dauerausstellung sich eine Abteilung dem Thema „Frankfurt heute“ widmen wird. Nicht zuletzt vergewissert sich auch das Deutsche Hygiene-Museum Dresden in seinen Ausstellungen der Vergangenheit mit der Absicht, die Gegenwart zu beleuchten und die Zukunft zu perspektivieren. Museen haben einen Bildungsauftrag, der seit langem zu ihrem Selbstverständnis gehört.1 Museen verfügen zur Erfüllung ihres Bildungsauftrags über eine besondere Fähigkeit – über Wahrnehmung von Dingen Wissen zu vermitteln. Dieses Vermögen muss, wie das im Museum vermittelte Wissen, stets aktualisiert und einem sich wandelnden Rezeptionsverhalten auf intelligente Weise angepasst werden – das heißt aber gewiss nicht durch ein Überangebot reduktionistischer Vermittlungshilfen. Museen dienen als Orte der gesellschaftlichen Selbstreflexion und als unverzichtbares kulturelles Gedächtnis;2 das Museum ist nicht bestrebt, den Betrachtern seiner Ausstellungsstücke etwas Bestimmtes beizubringen, es vermittelt vielmehr eher einen „Akkord von Wissen, Identität und Aufklärung“.3 Wenn „museal“ nicht rückwärtsgewandt heißen soll, muss das Museum sein Selbstverständnis und seine Rolle in der Gesellschaft immer wieder neu definieren. Schon 1974 verwies der Präsident der Deutschen Forschungsgesellschaft in der „Denkschrift zur Lage
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der Museen“ darauf: „Museen sollen keine statischen Gebilde sein. Sie sollen sich in ständiger Entwicklung, in ständigem Bezug auf die Gegenwart befinden und ihre Aufgaben – in Forschung, Lehre und sinnvoller Freizeitgestaltung wie auch in der Erhaltung wertvollsten Kulturgutes – aus dieser Gegenwart und mit dem Blick in die Zukunft herleiten.“4 Die Frage, wie die heutige Gegenwart neuen Generationen die Bedeutung des Bewahrens und des Repräsentierens ausgewählter Dinge überhaupt vermitteln kann, beschäftigt seitdem immer wieder neu und heute immer drängender alle herkömmlichen Kultureinrichtungen, zumal deren Erfolg öffentlich häufig an ihrer kurzfristigen Wirtschaftsleistung, sprich Besucherquote gemessen wird; es beschäftigt sie umso mehr, als es heute viele neue, vor allem virtuelle Gelegenheiten der Teilhabe an abrufbarem Wissen, an Informationen, zur gegenseitigen Ortung und Erkennung gibt. Wer nur solche Informationen, solche Vernetzung sucht, braucht das Museum buchstäblich nicht mehr und empfindet dies auch so. Auch aus diesem Grund hat das Thema „kulturelle Bildung“ Konjunktur und sind Kinder und Jugendliche zu einer der wichtigsten Zielgruppen der Museen geworden. Sie sprechen zwar besonders häufig auf die eher inhaltsfernen „social media“ an, sind aber auch besonders empfänglich für unmittelbare und neue Dingerfahrungen. Wie die hier folgenden Beiträge mehrfach hervorheben, besuchen Kinder und Jugendliche kaum je aus eigenem Antrieb ein Museum. Das Elternhaus oder die Schule sorgt – oder sorgt nicht – für den Erstkontakt. Ein Großteil der in Museen geleisteten Bildungsarbeit richtet sich mittlerweile an Schulklassen und an Gruppen aus Kitas und übernimmt damit auch einen Teil der gewaltigen Aufgabe, soziale Ungleichheit durch Bildung auszugleichen. Das war nicht immer so.
Kulturelle Bildung – Rückblick Noch bis in die 70er Jahre wandten sich museumspädagogische Dienstleistungen primär an höhere Lehranstalten und erreichten nur sozial privilegierte Schichten.5 Es bedurfte eines Paradigmenwechsels, um den Stand der heutigen Museumspolitik vorzubereiten – nicht nur, dass Museen heute breitere Besucherschichten anzusprechen suchen, sondern dass sie dazu vor allem Kinder und Jugendliche aus möglichst allen sozialen Schichten und aus unterschiedlichsten pädagogischen Einrichtungen adressieren – aus Vor- und Grundschulen, Förderschulen, Mittelschulen, Gymnasien, Berufsschulen, Kindergärten bis hin zu Freizeitgruppen; dass sie die Kinder möglichst früh ins Museum holen und darum bemüht sind, sie möglichst „nachhaltig“ zu interessieren und zu begeistern. Diesen Paradigmenwechsel beeinflusste unter anderem die hier schon zitierte Denkschrift „Zur Lage der Museen in der Bundesrepublik und Berlin (West)“, die 1974 im Auftrag der Deutschen Forschungsgemeinschaft erarbeitet wurde und eine große öffentliche
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Wirkung erzielte. Dieses bis heute aktuell gebliebene Werk bedeutete eine Wende, die die Museumsarbeit generell und die kulturelle pädagogische Vermittlungsarbeit im Besonderen stetig und entscheidend verändern sollte. Es forderte beispielweise im Rahmen der damaligen Bildungsreformbewegung, dass das Museum sich aktiv vom Ruf einer elitären Einrichtung verabschieden, sich der „gesamten Gesellschaft“ öffnen und „seine klassischen Bildungs- und Forschungsaufgaben im Sinn einer education permanente aus[weiten]“ müsse.6 Gerade als kulturtragende Einrichtung sollte sich das Museum als Bildungs- und Freizeitstätte für alle Gesellschaftsschichten verstehen lernen. Nicht mehr und nicht weniger war das Ziel. Menschen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten sollten als wichtige Kulturproduzenten und Kulturkonsumenten am Traditionsbestand ebenso wie am laufenden kulturellen Geschehen partizipieren. Ein Ziel, das übrigens bis heute nichts von seiner Attraktivität und Aktualität verloren hat. Schon 1971 hatte ein „Appell zur Soforthilfe“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft die Museen sehr konkret aufgefordert: „Den Museen fällt in der Bildungspolitik die doppelte Aufgabe zu, ihre Bestände für die Wissensbildung in den Schulen aller Art zu erschließen und sie zugleich auch für immer dringender notwendige Freizeitgestaltung breitester Bevölkerungsschichten nutzbar zu machen. Die dafür erforderlichen didaktischen und technischen Methoden müssen vom Museum in interdisziplinärer Zusammenarbeit entwickelt und laufend überprüft werden.“ 7 Im gleichen Kontext wurde die Errichtung eines zentralen Forschungsinstituts für Museumsmethodik gefordert und statuiert, dass „die optimale und nachhaltige Wirkung – von der Gesamtatmosphäre und der architektonischen Gestaltung bis zur Präsentation der Einzelobjekte – auf den Museumsbesucher der Anwendung und Adaptierung pädagogischer, psychologischer und soziologischer Erkenntnisse bedarf. Die dafür erforderlichen experimentellen Untersuchungen fehlen aber in der Bundesrepublik noch fast völlig.“ 8 Die Entwicklung und Notwendigkeit einer museumsspezifischen Didaktik, die es ermöglichen soll, das Bildungspotenzial der Museen möglichst wirksam an die Besucher heranzutragen, wird seither immer wieder (neu) diskutiert. Dieser Diskurs führte seit den 70er Jahren dazu, dass die klassischen Museumsaufgaben des Sammelns, Bewahrens, Forschens, Konservierens und Restaurierens deutlich zu Gunsten der Präsentations- und Vermittlungsfunktion des Museums verschoben wurden. Auch ein neuer gesellschaftlicher Auftrag der Museen wurde in dieser Zeit formuliert. Das Konzept des Museums als Lernort contra Musentempel9 kam auf und rief, teilweise zu Recht, heftige Kontroversen hervor. Durch diese Neuorientierung etablierte sich auch eine neue Vermittlungstätigkeit der Museen, die Museumspädagogik, deren Begriff bis heute nicht unumstritten ist. 1978 erschien das erste, bis heute noch wichtige „Handbuch der Museumspädagogik“, in dem es heißt: „Das Museum hat als Ort der Aneignung und Erfahrung für Kinder und Jugendliche (und nicht nur in ihrer Eigenschaft als
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Schüler!) viel zu bieten, z. B. aufgrund seiner Offenheit und der Gegenständlichkeit und Authentizität seiner Inhalte.“10 Die Museumspädagogik sollte die Vermittlungsbrücke zwischen dem Museum und der Öffentlichkeit, im Besonderen dem jungen Publikum sein und dazu beitragen, dass Museen ihrem Bildungsauftrag gegenüber der nachwachsenden Generation gerecht wurden. Den seither in immer größerer Fülle entwickelten Lern- und Bildungsangeboten für Kinder und Jugendliche in den Museen lag und liegt jedoch immer auch deren Sorge um den Verlust des künftigen Kulturpublikums bzw. um den eigenen Geltungsanspruch zugrunde. In der Ausstellungspraxis der Museen veränderte sich jedoch in den 70er Jahren bis weit in die 80er Jahre wenig: Ausstellungen wurden weiterhin überwiegend nach fachlichen Kriterien konzipiert. Auch wenn in den 80er Jahren die Ära der großen publikumsorientierten Themenausstellungen begann11, die nicht mehr nur nach fachwissenschaftlichen Systematiken gegliedert waren, und wenn im Ganzen eine neue Ausstellungssprache erfunden wurde, so vermittelte die Mehrzahl der Ausstellungen ihre Inhalte doch weiterhin von der Kanzel und schloss fast alle Fragen – an die Gegenwart, aber auch an die Art der Repräsentation der Dinge – aus. Eine Dechiffrierung der wissenschaftlichen Inhalte einer Ausstellung sollte nun allerdings mit Unterstützung von museumspädagogischen Führungen und Materialien dem Publikum ermöglicht werden. Der Museumspädagogik wurde es damit überlassen, die fachlich konzipierten Ausstellungen dem Laienpublikum „verständlich“ zu übersetzen, wodurch dieses zumeist nur erneut „entmündigt“ wurde, da weder die Interessen und Bedürfnisse eines tatsächlich mündigen Publikums noch die tatsächlichen Möglichkeiten der pädagogischen Vermittlung von Ausstellungsinhalten zu dieser Zeit wirklich reflektiert wurden. Es entstand auch erst allmählich eine Vorstellung davon, dass unterschiedliche Besucher, und besonders unterschiedliche junge Menschen, individuell auf sie oder ihre Gruppe zugeschnittene materielle, psychologische oder andere Vermittlungshilfen benötigten. In den 80er Jahren rückte dann mehr und mehr die empirische Besucherforschung in den Vordergrund, die über die besonderen Lernvoraussetzungen im Museum und Besucherinteressen Aufschlüsse geben sollte und mit ihren Erkenntnissen dazu beitrug, die museumspädagogische Arbeit allmählich zu professionalisieren.12 Ihr – oft allerdings sehr holzschnittartiger – Diskurs über das Verhältnis des Museums zu seiner Öffentlichkeit mündete 2000 in dem Leitziel „Besucherorientierung“.13 Der Museumsbesucher ist nun nicht mehr (nur) Empfänger von Wissen und Bildung, sondern muss als Nutzer mit eigenen Interessen, Wünschen, Blockaden und Erwartungen ernst genommen, erreicht und interessiert werden.
Museen – orte des Sehens und des Lernens, der Musse und der Bildung
Heute ist das Museum mehr als ein Lernort und zugleich mehr als ein Gedächtnisort. Das Museum von heute ist vielfach ein Freiraum, ein Erfahrungsraum, ein Denkraum, ein Ort für Gespräche und gemeinsame Erlebnisse; ein Ort der sinnlichen Erfahrung und ein öffentlicher Ort, an dem Werbebotschaften keine (alles überlagernde) Rolle spielen, und (häufig) ein Ort, in dem die Gegenwart gesucht wird.
Kulturelle Bildung heute Vor diesem Hintergrund, doch auch im Kontext eines weit umfassenderen kulturellen und gesellschaftlichen Wandels entstand seit 2000 die kulturpolitische Forderung nach mehr kultureller Bildung: kein Zauberwort, wie von etlichen Museumsleuten behauptet, sondern ein einfacher Begriff für den Bildungsauftrag der Museen heute, die illusionsloser, pragmatischer als in der Vergangenheit mit daran arbeiten sollen, die Bedeutung des kulturellen Erbes in einer sich ständig wandelnden Gesellschaft zu bewahren und zu vermitteln. Dieser Begriff lenkt den Blick auf ein in seinem Kulturbezug äußerst heterogenes potenzielles Publikum: auf Kinder, Jugendliche, junge, ältere und alte Erwachsene, Singles, Migranten, Touristen, Einzelbesucher, Familien, Schulkassen oder Kitagruppen, alle mit ihren spezifischen Interessen – oder auch auf Nichtbesucher, deren Desinteresse am Museum ebenfalls beforscht wird. Die Pragmatik der kulturellen Bildung hat auch zur Folge, dass Lernprozesse im Museum transparenter gemacht werden, dass immer genauer dokumentierte Erkenntnisse über die Bedürfnisse und Wünsche des Publikums an das Museum vorhanden sind, auf die sich die professionelle museumspädagogische Praxis bezieht. Die kulturpolitische Forderung nach mehr kultureller Bildung hat viel erreicht. Auf Kongressen14 wurde das Thema mit großer öffentlicher Wirkung diskutiert. Die Kulturpolitik – auf Seiten des Bundes neben dem Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend insbesondere der Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien – unterstützt modellhafte Vermittlungsprojekte mit Preisen und Fördermitteln15; Stiftungen wie die Stiftung Mercator oder die Kulturstiftung des Bundes haben eigene kulturelle Bildungsprogramme16 vorgelegt; in zahlreichen beispielhaften Initiativen zur Förderung der kulturellen Bildung wurden großartige museale Bildungsprojekte, auch viele Kooperationen zwischen Schule und Museum17 entwickelt und umgesetzt. Es gibt Forschungsprojekte18 zum Wissenserwerb in Museen und Ausstellungen sowie überaus gute Handbücher und Empfehlungen für die Praxis19 der kulturellen Vermittlungsarbeit. Diese vielfältigen Aktivitäten haben wesentlich dazu beigetragen, dass die Qualität der praktischen museumspädagogischen Vermittlungsarbeit wesentlich verbessert wurde.20
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Dass über kulturelle Bildung wirklich nicht nur geredet wird, verdeutlicht eine Datenerhebung aus dem Jahr 2010 21: In Form einer Infrastrukturerhebung über Bildungsangebote klassischer Kultureinrichtungen wurde ermittelt, dass die einzelnen Museen in Deutschland durchschnittlich im Jahr 346 Bildungsveranstaltungen, darunter vor allem Sonderführungen realisieren, die zu 71 Prozent ausschließlich für Schulklassen angelegt sind. Diese doch sehr beachtliche Anzahl der durchgeführten Bildungsangebote belegt, dass die Forderung der Kulturpolitik nach mehr kultureller Bildung in der heutigen Praxis angekommen ist. Doch auch nach dieser erfolgreichen Implementierung kultureller Bildung in den Museumsalltag bestehen entscheidende Fragen fort. So bleibt immer wieder nachzufragen, in welchem Verhältnis die Quantität und die Qualität bzw. auch die Reichweite und Nachhaltigkeit der so zahlreichen Lernangebote im Museum stehen, denn die Zahl der abgerufenen Module sagt darüber wenig aus. Hat die Fülle der Bildungsangebote das Interesse verschiedenster Bevölkerungsgruppen, besonders junger, wenig privilegierter Menschen, für Museen und Ausstellungen als zugängliche und attraktive Lernorte wirklich stärken können?22 All die pädagogischen Forderungen, Ideen und Projekte sollten darin ihr wesentliches Ziel erblicken. In diesem Zusammenhang muss auch klar bleiben, wodurch Museen sich eigentlich als Bildungsorte auszeichnen: nicht primär durch ihre pädagogischen Vermittlungsangebote, sondern als Speicher und eigensinnige Laboratorien von Erfahrung und Wissen, als Orte, an denen Menschen spontane, subjektive, unvorhersehbare und oft unvergessliche Entdeckungen machen – über Dinge und über sich selbst. Das Museum besitzt ein hohes Potenzial, entdeckendes Lernen zu fördern. Eine viel stärkere Beachtung der subjektiven Seiten des Lernprozesses muss künftig als Folie für die Zusammenarbeit von Museum und Schule dienen; vor diesem Hintergrund muss sich das Museum immer wieder neu definieren.
Zum Buch Diese Publikation gibt dem Nachdenken über die Bedingungen des Lernens im Museum Raum. Sie entstand im Rahmen des Projekts „Kulturelle Bildung – Lernen im Museum, ein Modellprojekt des Deutschen Hygiene-Museums zur Intensivierung der kulturellen Vermittlungsarbeit“, gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus. Am Beginn des Projektes stand die Vorstellung, standardisierte Kriterien für die Planung, Vorbereitung und Umsetzung von museumspädagogischer Vermittlungsarbeit zu entwickeln. In der intensiven Auseinandersetzung mit der vielfältigen Museumslandschaft, mit Experten, mit der museumspädagogischen Praxis des Deutschen Hygiene-Museums sowie einem erweiterten Begriff vor kultureller Bildung selbst wurde das Projektziel den Wün-
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schen der Beteiligten und Adressaten entsprechend neu gefasst. Wichtige und gute Handbücher 23 zur Museumspädagogik, zum Teil Klassiker, liegen bereits vor. Zumeist wenden sich diese Veröffentlichungen primär an die Zielgruppe der pädagogisch Tätigen im Museum. Heute muss aber unter kultureller Bildung im Museum mehr verstanden werden als nur die Entwicklung und Umsetzung von pädagogischen Begleitprogrammen zu Ausstellungen, die quasi kulturelle Übersetzungsarbeit für die jungen Besucherinnen und Besucher leisten. Kulturelle Bildung beginnt heute bereits mit einem Kerngeschäft des Museums, mit der Entwicklung und Umsetzung von Ausstellungen, konkret mit der Erfindung von neuen wissenschaftlichen und ästhetischen Strategien im Zeigen und Präsentieren von Dingen im Raum. In vielen Gesprächen während der Projektdurchführung kristallisierte sich heraus, dass ein in diesem Maße nicht bekannter, großer Bedarf nach einem interdisziplinären Dialog primär zwischen Kuratoren, Museumspädagogen und pädagogisch arbeitenden Menschen in Schulen und Kitas besteht. Auf allen Seiten besteht ein großes Bedürfnis, mehr über Rahmenbedingungen, Probleme, Chancen und Grenzen des Lernens im Museum zu wissen. Dem will die Publikation gerecht werden. Sie wendet sich an Kuratoren und Museumspädagogen und kann als Fortbildungslektüre und Argumentationshilfe von Lehrern und Erziehern genutzt werden. Ziel ist es, die Perspektiven der beteiligten Akteure miteinander in Dialog zu bringen. Es ist auch als ein Buch für Menschen aus der Praxis gedacht, die vielleicht erstmals aus unterschiedlichen Perspektiven über das Thema „Lernen im Museum“ informieren wollen. Teil 1 präsentiert wissenschaftliche Erkenntnisse und empirische Daten zu den verschiedensten Rahmenbedingungen und Voraussetzungen des Lernens im Museum, Teil 2 beleuchtet in kurzen Interviews Leitgedanken der aktuellen Bildungspolitik und Arbeitswirklichkeiten in Kitas, Schulen und Museen, Teil 3 bringt Praxisbeispiele aus großen und kleinen Museen im gesamten Bundesgebiet. Mein besonderer Dank gilt dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus, die das Projekt großzügig gefördert haben. Ebenso danken möchte ich Dr. Carola Marx und Valentin Steinhäuser, die dieses Projekt am Deutschen Hygiene-Museum betreut und an diesem Buch mitgearbeitet haben sowie allen Autorinnen und Autoren, Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern. Den Mitgliedern des Beirates – Anka Bolduan, Übersee-Museum Bremen; Dr. Sabine Dengel, Bundeszentrale für Politische Bildung; Dr. Ernst Wagner, Staatsinstitut für Schulqualität und Bildungsforschung München und Prof. Dr. Gisela Weiß, Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig – sowie Dr. Sebastian Saad und Ralf Seifert als Vertreter der beiden Förderinstitutionen danke ich für die sachkundige Begleitung des Projekts, ihre vielfältigen Anregungen und ihre stets konstruktive Kritik. Viele weitere Expertinnen und Experten sowie Akteure aus der Praxis haben in zahlreichen Gesprächen an der Entstehung dieses Buches mitgewirkt, auch ihnen sei an dieser Stelle herzlich gedankt. Last but not least gilt meine besondere Anerkennung und mein Dank Annette Wunschel für die stets kluge, kreative, kritische und sorgfältige Bearbeitung der Texte.
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1 Vgl. z. B. Lichtwark, Alfred: Museen als Bildungsstätten. Vortrag auf dem Mannheimer Museumstag, 21./ 22. September 1903, in: Mannhard, Wolf (Hg.): Alfred Lichtwark. Eine Auswahl seiner Schriften, Band 2, Berlin 1917, S. 43: „Die Museen, die dem ganzen Volk offen stehen, die allen zu Dienste sind und keinen Unterschied kennen, sind ein Ausdruck demokratischen Geistes.“ 2 Der Begriff des kulturellen Gedächtnisses ist u.a. dem Ägyptologen Jan Assmann und der Anglistin Aleida Assmann zuzuschreiben, die seit dem Ende der 1980er Jahre im deutschsprachigen Raum an einer sehr wirkungsmächtigen Erinnerungstheorie arbeiten. Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis, München 1992, sowie: Assmann, Aleida: Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München 1999. 3 Borsdorf, Ulrich: Sammlung und Vermittlung. Der Beitrag des Museums im gesellschaftlichen Diskurs, in: Deutscher Museumsbund e. V. (Hg.): Museumskunde, Band 74 (2), 2009, S. 37 – 41, hier S. 39. 4 Denkschrift Museen. Zur Lage der Museen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West), verfasst von Hermann Auer u.a., (= Deutsche Forschungsgemeinschaft), Boppard 1974, S. 9. 5 Noch 1974 verwies Heiner Treinen auf den Symbolwert von Museen für Angehörige von Bildungsoberschichten und stellt die These auf: „Entsprechend bedeutungslos bleiben die Schausammlungen z. B. der Kunstmuseen für Angehörige derjenigen sozialen Schichten, die nicht am höheren Bildungswesen partizipieren […].“, in: Treinen, Heiner: Museum und Öffentlichkeit, in: Denkschrift Museen. Zur Lage der Museen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West), verfasst von Hermann Auer u.a., (= Deutsche Forschungsgemeinschaft), Boppard 1974, S. 21 –38, hier S. 37. 6 Deutsche UNESCO-Kommission (Hg.): Museologie. Bericht über ein internationales Symposium. Veranstaltet vom deutschen Nationalkomitee des Internationalen Museumsrates in Zusammenarbeit mit der UNESCO-Kommission, Pullach, München 1973, S. 5. 7 Appell zur Soforthilfe für deutsche Museen, 1971, abgedruckt in: Denkschrift Museen. Zur Lage der Museen in der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West), verfasst von Hermann Auer u.a., (= Deutsche Forschungsgemeinschaft), Boppard 1974, S. 185 – 197, hier S. 187. 8 ebd. S. 188. 9 Vgl. Spickernagel, Ellen / Walbe, Birgit (Hg.): Das Museum. Lernort contra Musentempel, Gießen 1976. 10 Zacharias, Wolfgang / Weschenfelder, Klaus (Hg.): Handbuch der Museumspädagogik. Orientierungen und Methoden für die Praxis, 3. überarb. Neuaufla-
ge, Düsseldorf 1992, S. 2. Das Buch war der Versuch, eine museumspädagogische Didaktik zu entwickeln. Die damaligen typischen museumspädagogischen Ziele und Ansätze der 70er Jahre sind bis heute aktuell. Vgl. zur Geschichte der Museumspädagogik: Weiß, Gisela: Warum ins Museum? Chancen und Möglichkeiten der Museen als außerschulischer Lernort, Vortrag gehalten am 17. September 2008 in Oberhausen. (www.medienberatung.schulministerium.nrw.de/dokumentationen/2008), ab S. 2 (letzter Zugriff: 16.07.2012). 11 Hier sei verwiesen auf die erfolgreiche Ausstellung „Die Zeit der Stauffer“ 1977 in Stuttgart sowie auf die Ausstellung „Preußen. Versuch einer Bilanz“ im Martin-Gropius-Bau, Berlin 1981. Mit diesen Ausstellungen begann eine neue Ära im Ausstellungswesen: Nicht Fachwissenschaftlern, sondern Ausstellungsmachern wurde die Realisierung der Ausstellungen übergeben. 12 u.a.: Treinen, Heiner: Museumspädagogik und Besucherverhalten – Eine empirische Untersuchung zur Benutzung und Wirkung von Ausstellungen, in: Sozialwissenschaftliche Informationen für Unterricht und Studium, Band 10, 1981, S. 213–219; aktuell Treinen, Heiner: Perspektiven der Besucherforschung, in: Graf, Bernhard / Rodekamp, Volker (Hg.), Museen zwischen Qualität und Relevanz. Denkschrift zur Lage der Museen, Band 30, Berlin 2012, S. 183–193; Klein, Hans-Joachim / Bachmayer, Monika: Museum und Öffentlichkeit. Fakten und Daten – Motive und Barrieren, Berlin 1981; Schäfer, Hermann: Anlocken-Fesseln-Vermitteln. Was Besucherforschung uns lehr(t)e: Ein Plädoyer für die Grundrechte der Besucher, in: Noschka-Roos, Annette (Hg.): Besucherforschung in Museen. Instrumentarien zur Verbesserung der Ausstellungskommunikation, Deutsches Museum, München 2003, S. 83 –109. 13 Graf, Bernhard: Besucherorientierung als Leitziel der Museumsarbeit in der Bundesrepublik Deutschland, in: Tagungsbericht des 10. Bayerischen Museumstags, München 2000, S. 21 – 29; vgl. dazu auch: Commandeur, Beatrix / Dennert, Dorothee (Hg.): Event zieht – Inhalt bindet. Besucherorientierung auf neuen Wegen, Bielefeld 2004. 14 Exemplarisch sei hier auf folgende Kongresse und Projekte verwiesen: Im Herbst 2003 startete die Kulturstiftung der Länder die Bildungsinitative „Kinder zum Olymp“. Durch die Dokumentationen der fünf überaus erfolgreichen Kongresse „Kinder zum Olymp“, der Wettbewerb „Schulen kooperieren mit Kultur“, eine umfassende Internet-Datenbank „Praxisbeispiele“, die über 2.000 Projekte aus Deutschland erfasst und zum Entwickeln eigner Projekte inspiriert, ist es der Kulturstiftung gelungen, die Öf-
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fentlichkeit neu für das Thema Kulturelle Bildung zu aktivieren (www.kinderzumolymp.de). Auch der Deutsche Museumsbund hat auf zwei Tagungen „Kulturelle Bildung“ zum zentralen Thema gemacht: „Museen gestalten Zukunft – Perspektiven der Museen im 21. Jahrhundert“, Leipzig 2006, und „Chefsache Bildung“, Stralsund 2009. 15 Um die Bedeutung der Projekte im Bereich der kulturellen Bildung noch stärker zu fördern, hat der Staatsminister für Kultur und Medien Bernd Neumann 2009 den Preis „Kulturelle Bildung“ ins Leben gerufen. 16 Beide Stiftungen starteten im Schuljahr 2011 / 2012 das Projekt „Kulturagenten für kreative Schulen“, das sie mit je 10 Mio. Euro finanzieren. 17 Aus der Vielzahl der Projekte einige Beispiele: Die Initiative „schule@museum“ des Deutschen Museumsbundes, des Bundesverbandes Museumspädagogik und des BDK e. V. Fachverband für Kunstpädagogik führt bereits seit 2004 verschiedene Projekte zwischen Schule und Museum durch. Die Bildungsinitiative „Kinder zum Olymp“ der Kulturstiftung der Länder startete im Juni 2012 in Sachsen-Anhalt das Projekt „Marktplatz Kultur und Schule“. 18 S. dazu u.a. die Projekte und Publikationen von Prof. Dr. Stephan Schwan, stellvertretender Direktor des Instituts für Wissensmedien, Tübingen, insbesondere das Projekt „Wissen und Museum“; außerdem die Projekte und Publikationen von Prof. Dr. Annette Noschka-Roos, Leiterin Fachgebiet für Museumspädagogik an der TUM School of Education, München. Auch die Publikation von: Prof. Dr. Liebau, Eckart: Erfahrung und Verantwortung. Werteerziehung als Pädagogik der Teilhabe, Weinheim, München 1999. – Liebau, Eckart / Zirfas, Jörg (Hg.): Die Sinne und die Künste. Perspektiven ästhetischer Bildung, Bielefeld 2008. – Liebau, Eckart / Klepacki, Leopold / Zirfas, Jörg: Theatrale Bildung. Theaterpädagogische Grundlagen und kulturpädagogische Perspektiven für die Schule, Weinheim, München 2009. – Liebau, Eckart / Zirfas, Jörg (Hg.): Die Kunst der Schule. Über die Kultivierung der Schule durch die Künste, Bielefeld 2009. 19 Qualitätskriterien für Museen. Bildungs- und Vermittlungsarbeit, Berlin 2008, Hg. vom Bundesverband Museumspädagogik e. V. - in Zusammenarbeit mit dem Österreichischen Verband der Kulturvermittlerinnen im Museums- und Ausstellungswesen und Mediamus, Schweizerischer Verband für Bildung und Vermittlung im Museum, Berlin 2008. In dieser Empfehlung werden Grundlagen und Kriterien für eine besucherorientierte Vermittlungsarbeit aus museumspädagogischer Sicht formuliert. John, Hartmut / Thinesse-Demel, Jutta (Hg.): Lernort Museum – neu verortet. Ressourcen für soziale Integration und indi-
viduelle Entwicklung. Ein europäisches Handbuch (= Publikationen der Abteilung Museumsberatung Nr. 21, Landschaftsverband Rheinland), Bielefeld 2004. Ernst Wagner, Monika Dreykorn (Hg.): Museum Schule Bildung, Aktuelle Diskurse – Innovative Modelle – Erprobte Methoden, München 2008. 20 Zu dieser Qualitätsverbesserung haben sicherlich auch vielfältige museumspädagogische Fortbildungen beigetragen. U.a. bietet das Zentralinstitut für Weiterbildung an der Universität Berlin (Berlin Career College) zum zweiten Mal eine qualifizierte berufsbegleitende Fortbildung „Besucherorientierte Kunstvermittlung – modulare Weiterbildung mit Hochschulzertifikat“ an. www.udk-berlin.de/ziw (letzter Zugriff 16.07.2012). 21 Keuchel, Susanne / Weil, Benjamin: Lernorte oder Kulturtempel. Infrastrukturerhebung: Bildungsangebote in klassischen Kultureinrichtungen, Köln 2010. 22 Vgl. dazu den Beitrag „Das Museumspublikum von Morgen“ von Susanne Keuchel in diesem Buch. Sie schreibt u.a. in diesem Beitrag: „Das Kulturpublikum von morgen konnte nach den vorliegenden Zeitvergleichen des Jugend-KulturBarometers zwischen 2004 und 2010 / 2011 nicht weiter ausgebaut werden. Das Interesse am Kulturgeschehen hat bei den 14bis 24-Jährigen (23 Prozent) 2010 / 2011 punktuell sogar leicht abgenommen im Vergleich zu 2004 (25 Prozent) […]. Ein Rückgang des Interesses konnte vor allem bei der jüngeren Bevölkerung mit niedriger Schulbildung beobachtet werden. Damit hat sich die Bildungsschere noch weiter geöffnet: Der Anteil der wenig oder gar nicht an Kultur Interessierten unter den 14- bis 24-Jährigen mit niedriger Schulbildung ist seit 2004 um 16 Prozentpunkte gestiegen.“ 23 s. dazu Anmerkung 19; Ganz aktuell: Bockhorst, Hildegard / Reinwand, Vanessa-Isabelle / Zacharias, Wolfgang (Hg.): Handbuch Kulturelle Bildung, Schriftenreihe Kulturelle Bildung, Vol. 30, München, 1100 Seiten, s. besonders ab 2.7: Museum.
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Das Museum als Reflexionsort der Moderne Klaus Vogel
Interview mit dem Direktor des Deutschen Hygiene-Museums Dresden
Zum Museum Das Deutsche Hygiene-Museum Dresden setzt sich mit gesellschaftlich relevanten Fragestellungen aus Wissenschaft, Gesellschaft, Kunst und Kultur auseinander. Es versteht sich als offenes Diskussionsforum für alle, die an den Umwälzungen unserer Gesellschaft am Beginn des 21. Jahrhunderts interessiert sind. Die Sonderausstellungen des Museums greifen aktuelle Themen aus den genannten Bereichen auf. Im Mittelpunkt der populärwissenschaftlichen Dauerausstellung „Abenteuer Mensch“ steht das Themenfeld Körper und Gesundheit, dessen Wandel anhand von Exponaten, Medieninstallationen und vielen interaktiven Stationen erkundet werden kann. Die Dauerausstellung nutzt dazu auch zahlreiche Objekte aus der umfangreichen Sammlung des Museums, prominent etwa den „Gläsernen Menschen“. Das ständige Ausstellungsangebot wird durch das erlebnisorientierte Kinder-Museum „Unsere fünf Sinne“ erweitert. Die gegenwartsbezogene Vermittlung wissenschaftlicher Fragestellungen und deren Einbettung in längerfristige kulturelle Kontexte sind traditionell die Eckpfeiler des Deutschen Hygiene-Museums. Neben seiner Ausstellungstätigkeit organisiert es zu diesem Zweck ein differenziertes Führungs- und Bildungsangebot für alle Besucherschichten, das durch ein gefächertes Veranstaltungsprogramm aus Vorträgen, Tagungen, Lesungen und Konzerten ergänzt und abgerundet wird. Das Museum besuchen knapp 300.000 Besucher im Jahr, davon über 50 Prozent Kinder und Jugendliche.
Welche gesellschaftliche Bedeutung hat das Deutsche Hygiene-Museum heute? Ich denke, unser Haus kommt seinem Publikum in besonderer Weise entgegen. Die Themen, mit denen wir arbeiten, hängen zum Beispiel stets eng
wozu museen?
mit dem Lebensalltag zusammen. Dort – und in der Gegenwart – suchen wir unsere Ansatzpunkte, denn dort entstehen auch die neuen Fragestellungen, die die Künste, Forschung, Technik etc. beschäftigen – manchmal allerdings in so eingefahrenen Gleisen, dass die Menschen ihre eigenen Fragen kaum mehr wiedererkennen. Damit zusammenhängend nenne ich ein zweites Kennzeichen dieses Hauses, die Vielfalt und die Verknüpfung von Perspektiven, sprich seine Multi- und Transdisziplinarität. Von einseitiger Faktenhuberei wollen wir nichts wissen. Naturwissenschaftlichen „objektiven“ Sichtweisen und Ergebnissen wird ebenso Platz eingeräumt wie kunst-, kultur- und wissenshistorischen, soziologischen, gesellschaftswissenschaftlichen oder anderen Perspektiven und ihren Produkten. Einzigartig ist vielleicht die zentrale Bezugnahme unserer Ausstellungen auf den Menschen im umfassenden Sinn: Auch in unseren sehr heterogenen Sonderausstellungen wollen wir kein Spezialmuseum, sondern ein Universalmuseum sein. Der Mensch im Museum ist natürlich Subjekt – und entdeckt sich als Objekt einer Vielzahl von stets im Wandel begriffenen Menschenbildern, die uns, zum Guten oder Schlechten, geformt haben und noch formen (werden). Hinter jedem unserer Ausstellungskonzepte steht daher auch die direkte Frage, wie wir als Menschen leben wollen. Das heißt, dass die Ausstellungen nicht auf die Fabrikation eindeutiger Antworten zielen. Viel wichtiger ist es uns, kreative und kritische Denkprozesse gezielt in Gang zu setzen und dazu vielfältiges Material anzubieten.
Aus welchen Gründen sollten speziell Kinder und Jugendliche dieses Museum besuchen? Ganz allgemein finden junge Menschen im Museum etwas anderes als in der Schule oder auch im Internet allein, nämlich die Möglichkeit, Gegenstände des Wissens nicht als Abbild und Kopie, sondern „in echt“ zu sehen. Der Gedanke, dass direkte Anschauung das eigenständige Lernen, Denken und aktive Hinterfragen – die Kreativität – befördert, ist, denke ich, nicht nur ein Wunschtraum von Museumsmenschen, er kommt aber heute vielfach zu kurz. Natürlich sehe ich Jugendliche oder Gruppen von Jugendlichen auch im Museum oft vor einem Bildschirm sitzen. Auch wir nutzen selbstverständlich die Speicher- und Vernetzungskapazitäten elektronischer Medien, die gerade bei der Kontextualisierung von Wissen einen erheblichen Beitrag leisten können. Es wäre auch unsinnig, die Sehgewohnheiten und Lernpraktiken junger Menschen zu ignorieren, die ein wesentlicher Faktor des gegenwärtigen kulturellen Wandels sind. Gleichwohl bieten gegenständliche Exponate eigentlich unverzichtbare,
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unmittelbare Vermittlungschancen. Wir geben der Möglichkeit, Dinge nicht nur mit dem Auge zu betrachten, sondern sie auch in die Hand zu nehmen, auszuprobieren, zu betätigen, viel Raum. Bei diesen Hands-on-Elementen steht das Spiel im Vordergrund, das, wie oft vergessen wird, nebenbei eine der elementarsten Lerntechniken ist. Sinneserfahrungen machen Spaß und werden jahrzehntelang erinnert. Auch deshalb versuchen wir, bei jeder Sonderausstellung eine andere, jeweils sehr lebendige und abwechslungsreiche Ausstellungssprache zu finden. Das ist manchmal aufwändig, dient aber einer Gestaltung, die alte und neue Besucher und Besucherinnen und, so denke ich, auch speziell junge Menschen potenziell ansprechen kann.
Worin liegen für Sie die Herausforderungen für die Zukunft? Die größte Herausforderung ist es, nicht nur die richtigen Themen zu finden, sondern zugleich auch immer neue Gestaltungsansätze, die für unser Haus praktikabel und repräsentativ sind. Es gibt jeweils unterschiedliche Faktoren, die den Spielraum eines Museums bestimmen – und innerhalb dieser Grenzen besteht eine latente Wiederholungsgefahr. Es ist auch nicht alles ausstellbar. Je mehr große Themenfelder wir in Form von Ausstellungen bearbeitet haben, umso schärfer sehen wir, welches von den sich anbietenden neuen, spannenden Themen womöglich besser in einer Publikation, in einem Film oder vielleicht nur in einem Gedicht behandelt werden kann. Sehr spürbar ist leider auch der Druck, der seitens der Aufsichtsgremien auf uns lastet. Was in anderen Medien Einschaltzahlen sind, sind bei uns die Besucherzahlen: nicht das einzige, aber das simpelste Erfolgskriterium. Für uns heißt das, neue Themen müssen beides können – sie müssen relevant sein und interessant und dazu auch ausstellbar, aber zugleich und vor allem müssen sie „Quote bringen“. Was ich mir also wünschen würde, ist ohne Quotendruck ein paar kleinere, herausfordernde Ausstellungen zu wagen. Vielleicht würden wir überraschenderweise erleben, dass sogar mehr interessierte Leute kommen.
Das Interview führten Carola Marx und Valentin Steinhäuser
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Das museum als speicherort des kulturellen erbes Wolfgang Holler
Interview mit dem Generaldirektor der Stiftung Klassik Weimar
Über die Stiftung Die Klassik Stiftung Weimar bildet ein einzigartiges Ensemble von Kulturdenkmalen. Mit ihren mehr als zwanzig Museen, Schlössern, historischen Häusern und Parks sowie den Sammlungen der Literatur und Kunst zählt sie zu den größten und bedeutendsten Kultureinrichtungen Deutschlands. Elf Liegenschaften des Ensembles sind als Teil des „Klassischen Weimar“ in der Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgeführt. Mit dem Masterplan „Kosmos Weimar“ hat die Stiftung 2008 ein zukunftweisendes Konzept beschlossen, das die großartige Museumslandschaft in und um Weimar für Besucher neu erschließen wird. Wichtigste Maßnahmen sind die Entwicklung des Stadtschlosses zum Zentrum der Klassik Stiftung Weimar und die Errichtung eines neuen Bauhaus-Museums.
Wie verstehen Sie den gesellschaftlichen Auftrag Ihrer Stiftung? An der Stiftung in Weimar ist besonders die ungewöhnliche Komposition der Museen interessant. Wir unterscheiden drei Schwerpunkte unserer Tätigkeit: Das sind zum einen die klassischen Dichterstätten und die Zeit um 1800. Zu diesem sehr literaturbezogenen Schwerpunkt gehören unter anderem Goethe und Schiller. Daneben haben wir einen zweiten Schwerpunkt entwickelt, die Residenzkultur. Dazu gehören zusätzlich zu den klassischen Beständen der herzoglichen Kunstsammlungen, der Graphischen Sammlungen und des Kunstgewerbes auch die Schlösser. Dort sind die Dinge zum Teil noch an ihrem ursprünglichen Ort ausgestellt. Dieser lebendige Kontext ist wichtig für das museale Verständnis. Bauhaus und Moderne stellen den dritten großen Themenschwerpunkt dar. Aus diesen drei unterschiedlichen Arbeitsfeldern leitet sich unser gesellschaftlicher Auftrag ab. Das heißt, dass wir nach den klassischen ICOM-Gesichtspunkten (ICOM = International Council of Museums, Internationaler Museumsrat) versuchen, die gesamte Breite des kulturellen Erbes zu erhalten und zu bewahren.
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Ein zweiter Ansatz liegt in der Erschließung der Vergangenheit für die Gegenwart und die Zukunft. Ein Museum muss sich in das, was laufend in der Gesellschaft vorgeht, einschalten. Geschichte ist vergangen, aber selten vorbei – sie ist ein riesiger Fundus von Fragestellungen und Teilantworten, die in der Gegenwart fortwirken und auch die Zukunft mitbestimmen. Nehmen wir als Beispiel die neue Ausstellung des Goethe-Museums. Dort wird das Publikum in Goethes Werk, seine Persönlichkeit, sein Schaffen eingeführt. Unser Ansatz ist aber nicht retrospektiv, wir versuchen Goethe nicht von unserer Warte aus zu erklären, sondern wir möchten es den Besuchern tendenziell ermöglichen, mit seinen Augen in seine Zeit und deren noch offene Zukunft zu blicken. Was sah er, was fiel ihm in seiner Zeit auf? Und wie reden wir heute über Liebe oder über Gewalt, was heißt für uns Natur, Kunst und Welt oder Erinnerung? Wo liegen Brüche, wo kulturelle Anknüpfungspunkte? Um Goethe „von innen“ zu zeigen, überdenken wir seine lange und wechselhafte Rezeptionsgeschichte von außen. Heute kennt man den Namen Goethe zwar fast überall auf der Welt, dabei denkt man aber fast ausschließlich an den Großdichter. Das verdeckt, dass er auch Forscher war, und außerdem ein hoher Minister. Er unterschrieb auch ein Todesurteil. Als Mensch unterlag er der Macht seines Fürsten, in seinem Amt übte er sie aber auch selbst aus. Es gab also in seiner Persönlichkeit Brüche, die es bis heute zu verstehen, nicht zu ignorieren gilt. Eine weitere wichtige Aufgabe sehe ich darin, Orientierung zu stiften. In einer globalisierten und von Massenmedien dominierten Realität gibt es stündlich wechselnde Identitätsangebote. Gerade Jugendliche und Kinder sind dem Druck ebenso banaler wie unerreichbarer Vorbilder ausgesetzt – sie setzen alles daran, genauso dünn, genauso cool, genauso begehrt zu sein wie diese. Und auch ihre Stars selbst jagen immer verzweifelter ihrem eigenen Bild in den Augen der anderen nach. Ein Teil unserer Arbeit zielt tatsächlich darauf, klarzumachen, dass es auch Anker gibt, Formen der Selbstreflexion, die aus dieser Verwirrung und Selbstbegrenzung herausführen, und die etwa in der kulturellen Identität des Landes, im Weltverständnis liegen. Mit Goethe könnte man sagen, um ein von Zwängen freier Mensch zu sein, muss ich mein Eigenes schätzen, das, was in meinem Land, meiner Gegend, meinem Haus hervorgebracht wird, und zugleich muss ich bereit sein, das Andere, nicht mit mir Identische aufzunehmen.
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In diesem Zusammenhang ist es, glaube ich, entscheidend, dass Museen ihre Inhalte nicht an eine Zeitströmung anpassen, um zu gefallen. Die Werte kommen hier von den Dingen. Die Dinge, die wir für wert halten, weitergetragen zu werden, müssen aber neu kontextualisiert und interpretiert und auch ohne Scheu „neu verpackt“ werden: Interaktive Angebote, etwa das Projekt Weimarpedia (vgl. S. 138/139), sind heute wichtig und beugen der passiven Berieselung vor. Diese Hilfsmittel bedeuten keinesfalls das Aus für die kompetente Museumsführung, sondern variieren und vertiefen, was durch sie aufgenommen wird.
Aus welchen Gründen ist es wünschenswert, dass Kinder und Jugendliche die Museen in Weimar besuchen? Die Tätigkeit in Weimar hat mir bewusst gemacht, dass das historische Interesse von Kindern und Jugendlichen durch „echte“ Dinge geweckt wird – wenn sie sehen können, mit welchen Dingen, Kleidern, Sesseln, Reisekoffern und Kutschen Menschen früher hantierten. Tatsächlich ist Kultur, auch „hohe“, weder damals noch heute von materiellen Gegenständen trennbar. Diese Dinge bieten nun über alle Unterschiede hinweg eine gemeinsame Ebene. Von dort ausgehend, erscheinen auch kompliziertere Inhalte lebensnäher und für die eigene Existenz bedeutender. Nicht nur für junge Menschen ist es wichtig, Dauer im persönlichen Umkreis, aber auch in der Welt zu erfahren: zu begreifen, dass es schon lange vor ihnen etwas gab, das sie womöglich mehr bestimmt als ihnen bewusst ist, und das zu erkunden sich lohnt. Ein anderes Beispiel der inhaltlichen Vermittlungstätigkeit unserer Stiftung: das Bauhaus, eine Einrichtung, die aus gesellschaftlichem Umbruch und einer permanenten Krisensituation entstanden ist. Sie konnte dennoch so produktiv wirken, dass sie noch heute eine der international erfolgreichsten Schulen für Gestaltung ist. An ihrem Beispiel wird erkennbar, wie eng Kunst- und Kulturgeschichte mit Politik- und Wirtschaftsgeschichte verwoben sind.
Wo liegen aus Ihrer Sicht die groSSen Herausforderungen bei der weiteren Entwicklung der Häuser? Das Schwierigste ist es wahrscheinlich, Weimar jenseits des Kulturklischees von der Weimarer Klassik – und vom Bauhaus – zu profilieren. In Weimar standen Moderne und Antimoderne eigentlich immer in einem dialektischen Verhältnis. Das war durchaus kreativ, und diese spezifische Verbindung soll herausgearbeitet werden, ohne die Gegensätze zu nivellieren.
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Das könnte unter anderem über das neue Bauhaus-Museum Weimar geschehen, das 2015 eröffnet werden soll: Es wird die Haltung hinter dem Stil zeigen, denn „Bauhaus“ bedeutet primär eine Verbindung von Industrie, Handwerk, Kunst, Ökologie und Experiment, geleitet vom Gedanken einer Schule. Die Verbindung von Schaffen und Lehren scheint mir nach wie vor elementar. Der Fluchtpunkt all unserer Aktivitäten muss es sein zu zeigen, dass Weimar mehr war und ist als ein Fixpunkt der klassischen deutschen Literatur. Diese Vereinnahmung kann wunderbar durch die Einbindung von Musik, bildender Kunst, Design und Gestaltung korrigiert werden.
Das Interview führte Carola Marx
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Das Museum als Identitätsstifter Udo Gösswald
Interview mit dem Leiter des Museums Neukölln, Berlin
Zum Museum Das Museum Neukölln in Berlin versteht sich als modernes Regionalmuseum, in dem ein lebendiger Austausch für alle Bevölkerungsgruppen möglich ist. Auf dem ehemaligen Gutshof Britz beschreitet das Museum mit der Dauerausstellung „99 × Neukölln“ einen neuen Weg. Die Ausstellung eröffnet den Besuchern und Besucherinnen mit 99 heterogenen Einzelobjekten Zugänge zur Geschichte und zu den Geschichten der Region, in der sie leben. Besonderen Stellenwert hat die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Für diese Gruppen bietet das Museum spezielle Führungen und Workshops an. Zudem werden Wechselausstellungen (Fotografie und Kunst) zu historischen und aktuellen Themen gezeigt. Das Mobile Museum Neukölln ist an unterschiedlichen Orten des Bezirks präsent. Im Mittelpunkt der gesamten Ausstellungstätigkeit stehen die Bewohnerinnen und Bewohner des Bezirks.
Welche Bedeutung hat der Begriff Heimat für das Museum Neukölln? Der Begriff Heimat hat nach wie vor eine hohe Bedeutung für unser Haus. Ich bin überzeugt, dass er sehr viele Aspekte von dem beinhaltet, was unsere Gäste suchen, wenn sie über die Schwelle dieses Hauses treten. Viele kommen aus dem primären Bedürfnis hierher, bestimmte Dinge wiederzufinden. Dinge, die sie mit einem für sie bedeutsamen Lebensabschnitt verknüpfen können: das kann die eigene Kindheit sein, die Zeit mit ihrer Familie, oder es kann mit ihrem Beruf zu tun haben. Andere haben den Ort Neukölln verlassen, haben aber früher einmal hier gewohnt. Die Begegnung mit Dingen, die fremd sind, und deren Erkundung sind natürlich ebenfalls sehr wichtig. Als Kulturinstitution möchte das Museum dazu beitragen, dass Besucher und Besucherinnen eine andere, weitere Perspektive auf ihre eigenen, unmittelbaren Lebensbezüge bekommen. Es gibt immer Menschen, die in Neukölln ihre Heimat erleben
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und mit dem Stadtteil „verwachsen“ sind. Umgekehrt gibt es auch immer Menschen, die sich in der Region als Fremde fühlen. Für beides gibt es viele mögliche Gründe. Wenn Menschen sich fremd fühlen, liegt das allerdings meistens daran, dass sie in der Gesellschaft ausgegrenzt werden: aus politischen, ethnischen, sozialen oder kulturellen Gründen oder einfach aufgrund von Vorurteilen. Insofern sind Heimat und Fremdheit zwei polare Begriffe, die große Relevanz für unser Museum haben.
Aus welchen Gründen sollten Kinder und Jugendliche das Museum Neukölln besuchen? Zunächst bedeutet der Museumsbesuch für Jugendliche wie für Erwachsene eine besondere, aufmerksame Wahrnehmung und Erfahrung von Dingen, unabhängig davon, ob sie ihnen bekannt oder unbekannt sind. Die Dinge in einer Ausstellung werden nicht nur gesehen und registriert, sondern betrachtet: Sie können eine Weile auf uns wirken. Wenn nun Kinder oder Jugendliche im Museum ein ihnen bekanntes Objekt entdecken, nehmen sie die Situation oft zum Anlass, ihr schon vorhandenes Wissen über dieses Ding, über seine Funktion, seine übliche Anwendung etc. zu reproduzieren, zu erneuern oder zu erweitern. Zum Beispiel können sie sich auch Gedanken machen, die über die einzelnen Dinge hinaus gehen. Sie können nach der Verwandtschaft der Dinge fragen oder ihrem Wert: Warum wird dieses Ding eigentlich ausgestellt? Die Konfrontation mit einem unbekannten ausgestellten Ding kann zumindest Neugierde wecken: Was ist das? Und mit Hilfe einer guten Ausstellungsdidaktik erhält das Kind oder erhalten die Jugendlichen die Chance, etwas über dieses Objekt und seinen regionalen oder historischen Kontext zu erfahren, die im „Wissensspeicher“ unseres Museums in hervorragender Weise nachzuverfolgen sind. Ich bin der Überzeugung, dass Dinge und Gegenstände Kindern und Jugendlichen entscheidend helfen: nicht nur zum Lernen bestimmter vorgegebener informationeller Inhalte, sondern Objekte im weitesten Sinne verhelfen ihnen zu einer eigenen Ding- und Welterfahrung. Die brauchen sie, wenn sie später je den Mut haben sollen, mit einer eigenen Leistung, eigenen Gedanken hervorzutreten. Was das Museum dazu beitragen kann, hängt von der Systematik und Vielfalt seines jeweiligen Vermittlungskonzepts ab. Werden reizvolle Mittel und Wege angeboten, die es im Sinne des „forschenden Lernens“ ermöglichen, eine individuelle Aneignung zu wagen? Es sind nicht nur die vielbesprochenen hochbegabten Kinder, die auf bloße Dateneinspeisung und -abfrage mit nacktem
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Desinteresse und „Versagen“ reagieren. In diesem Sinne kann das Museum Kindern und Jugendlichen mehr Horizonte eröffnen, als das häufig allein im schulischen Unterricht und im Alltag möglich ist.
Worin besteht für Sie die gröSSte Herausforderung für Ihr Museum? Sie besteht für unser Museum immer wieder darin, im Interesse unserer Besucher und Besucherinnen mit den vorhandenen Mitteln das Beste zu erreichen. Das ist die Managementaufgabe, vor der ich täglich stehe. Es geht dabei auch darum, unsere Gäste auf immer neue Pfade mitzunehmen. Unsere Gesellschaft und unsere materielle Umgebung sind nicht statisch. Wir möchten Aufmerksamkeit erzeugen für die verschiedensten Dinge im Haus und damit Interesse für unsere Region. Darum heißt es beständig weiter zu forschen. Auch mit Personen „im Feld“, also mit den Bewohnern des Bezirks. Auch hier ist ein hohes Maß an Sensibilität und Aufmerksamkeit für die spezifischen Geschichten und die Persönlichkeit Einzelner notwendig. Wenn es uns gelingt, erstens historische und kulturwissenschaftliche Forschung mit biografischem Wissen zu verbinden und zweitens eine entsprechende Ausstellungsarchitektur, -ästhetik und -didaktik zu konzipieren – dann bin ich im Wesentlichen zufrieden.
Das Interview führten Carola Marx und Valentin Steinhäuser
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Ich-Bildung und Welt-Bildung Von Kindern und Jugendlichen im Museum Eckart Liebau
Wie gestaltet sich der Zusammenhang von Ich-Bildung und Welt-Bildung im Museum? Wie kann der fruchtbare Moment im Bildungsprozess unterstützt werden? Welche kulturellen Kontakte kann und muss ein Museum eröffnen, das zugleich an die gegebenen Ausgangslagen seiner Besucher anknüpfen und neue Horizonte eröffnen will? Um diese Fragen beantworten zu können, ist eine sowohl lern- wie museumstheoretische Annäherung nötig.
Die Individualität des Lernens Nach langen pädagogischen, anthropologischen und psychologischen Debatten hat es sich schließlich durchgesetzt, das Lernen von Menschen für einen sehr individuellen, nur begrenzt durch Lehren steuerbaren, hochgradig entwicklungsoffenen Vorgang der Selbstentwicklung und Selbstgestaltung zu halten. Die Aneignungs- und Entwicklungstätigkeit des lernenden Subjekts gilt als unverfügbar – der Konstruktivismus hat es mit seinen psychologischen und sozialwissenschaftlichen Zugängen gelehrt und damit diese Perspektive geadelt. Die traditionellen, insbesondere die behavioristischen Lerntheorien erscheinen heute als geradezu rührend altmodisch und überholt. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, hätte freilich schon eine oberflächliche Auseinandersetzung mit der klassischen Bildungstheorie genügt: Sie wusste immer schon, dass Lernen und Bildung unverfügbare subjektive Vorgänge sind, die zwar gestützt und unterstützt, aber nicht vollständig fremdgesteuert werden können: Lernen muss jedes Kind, jeder Mensch selber; es gibt keine Möglichkeit einer Substitution. Aber da Psychologie und Sozialwissenschaften sich mit den geistes- und kulturwissenschaftlichen Traditionen und Erkenntnissen nach wie vor schwer tun, mussten sie auf ihren schwierigen und päda-
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gogisch nicht immer fruchtbaren Umwegen erst selbst darauf kommen und auch dieses Rad mit ihren Mitteln neu erfinden.1 Jeder Mensch lernt also auf seine Weise, in einer je eigentümlichen, je besonderen Mischung aus individuellen Anlagen und individuell verarbeiteten Kontexten. Die biografische Mischung aus Genen und Umwelten, Zeiten und Räumen, Strukturen und Ereignissen, Wahrnehmungen und Urteilen, Fantasien und Handlungen ist in jedem einzelnen Fall neu und anders; jedes Kind, jeder Mensch lebt seine absolut einmalige Lebensgeschichte und Biografie als biologisch-kulturelles Doppelwesen, indem es seine Umwelt und dabei zugleich sich selbst gestaltet. Das gilt auch im Museum. Dass der Mensch sowohl bildsam als auch bildungsbedürftig ist, ist keine neue Einsicht. Dass seine Bildung aber nur im Zusammenspiel von Ich-Bildung und Welt-Bildung zustande kommen kann, ist weit weniger bekannt und anerkannt. Aber dieses bereits von Wilhelm von Humboldt fokussierte Zusammenspiel ist das Entscheidende. Bildung ist ein dialektischer, ein offener Prozess – der sich durch Lernen bildende Mensch wirkt auf die Welt ein, er bewirkt dort etwas, und das, was er da bewirkt, wirkt auf oft überraschende und nicht vorhersehbare Weise auf ihn zurück.2 Damit muss er dann wieder etwas anfangen. Dieser Prozess zieht sich durch das gesamte Leben, durch Kindheit, Jugend, Erwachsenheit bis ins Senioren- und Greisenalter. Bildung ist ein auf Lernen fußender lebenslanger, lebensbegleitender und unabschließbarer Prozess immer neuer Gestaltung, selbstverständlich auf der Grundlage der biologischen Entwicklungstatsache. Wenn das Kind zum ersten Mal ein Menschenbild malt, begibt es sich nicht nur objektiv, sondern auch subjektiv in eine strukturell neue Situation, die eine Umstrukturierung der Wahrnehmungs-, Denk-, Urteils- und Handlungsmuster erfordert. Wenn es zu schreiben, zu rechnen lernt, eröffnen sich nicht nur neue Fähigkeiten, sondern auch neue Welten. Es wird buchstäblich ein anderes, indem es eine andere Welt herstellt. Und wenn es zum ersten Mal ins Museum kommt, wird es etwas Ungesehenes, Ungefühltes und Unerhörtes erleben, das nicht nur zu neuen Weltwahrnehmungen, sondern mit Sicherheit auch zu neuen Weltgestaltungen, zu Bildern, Spielen, Erzählungen, Klängen, Gesprächen führen wird. Freilich ändern sich im Laufe des Lebens die Lern- und Bildungsvoraussetzungen fundamental. Nicht immer lernt man etwas zum ersten Mal, auch wenn alles Lernen ein Element davon enthält. Das Lernen führt zu Fähigkeiten und Fertigkeiten, Gewohnheiten und Routinen, die als selbstverständliche Kompetenzen und Haltungen die Grundlagen des alltäglichen Wahrnehmens, Denkens, Urteilens und Handelns in den verschiedenen Lebensbereichen darstellen. Das übliche Lernen stellt dementsprechend meist kei-
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ne grundlegende Umstrukturierung, sondern eine bloße Erweiterung der erworbenen Kompetenzen dar. Seine Hauptform ist das Üben. Selbstverständlich ist das auch im Blick auf das Museum notwendig – auch hier macht regelmäßige Übung, also regelmäßiger Besuch, den Meister. Denn es ist nicht so einfach, ein neues System von Selbstverständlichkeiten und Gewohnheiten zu etablieren und zu sichern. Aber es gibt eben auch jenes andere, für die Qualität von Bildungsprozessen entscheidende Lernen, das – häufig über den Moment der ersten Begegnung – als neue Erfahrung, neue Einsicht, Initialmoment im Bildungsprozess zur Reorganisation der erworbenen Haltungen führen kann, manchmal im Verbund mit psychosozialen Reifungs- und Entwicklungsprozessen, oft aber auch davon völlig unabhängig. Auf diese Bildungsprozesse und ihre Ermöglichung kommt es im ersten Schritt an. Denn ohne sie nutzt alle Übung nichts.
Die Sozialität des Lernens Jedes individuelle Lernen, jede Bildungsbiografie steht in sozialen Kontexten. Im Wechselspiel von Ich und Welt kommen immer die spezifischen Bedingungen, spezifischen Lagen zur Geltung, in die ein Mensch hineingeboren wurde und auf die er seine Bildungsprozesse beziehen muss. Individuelle Bildung findet immer im Rahmen und im Kontext von Sozialisation statt; sie hat immer kollektive kulturelle Voraussetzungen, in die Menschen sich hinein bilden müssen. Die dauerhafte Aneignung der kulturspezifischen Wahrnehmungs-, Denk-, Urteils- und Handlungsmuster gehört daher zu den zentralen Entwicklungsaufgaben eines jeden Menschen. Die aus diesen Lernprozessen resultierenden Selbstverständlichkeiten und Gewohnheiten, Haltungen und Praktiken machen nicht nur einen wesentlichen Teil der individuellen, sondern zugleich der sozialen Kompetenzen aus. Sie sind Teil kollektiver Habitusformen, die im Rahmen der jeweiligen Teilkultur nicht nur selbstverständliche Geltung beanspruchen können, sondern als tacit knowledge die jeweiligen Teilkulturen strukturieren; primäre und sekundäre Sozialisation tragen dazu bei, dass die Kinder im Durchschnitt genau jene Habitusformen erwerben, die für ihre mit ihrer sozialen Herkunft gegebene Lebenslage passen. Dieser Habitus wird dann auch in jedem Fall der Ausgangspunkt aller künftigen Bildungsprozesse sein. Der in primärer und sekundärer Sozialisation im Rahmen der informellen Bildung erworbene Habitus bildet die Grundlage, auf der alle folgenden Erfahrungen und Praktiken aufbauen. Aber er stellt kein Verhängnis dar; mit dem Anfang ist nicht alles Weitere festgelegt. Der Weg durch den sozialen Raum, den ein Mensch im Laufe seines Lebens geht, ist nicht „determiniert“ und ist auch nicht prognostizierbar, auch wenn die Wahrscheinlichkeiten sich radikal unterscheiden.
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In der individuellen Lebensgeschichte kann die Veränderung des Ursprungshabitus aus kulturellen Kontakten hervorgehen, aus Erfahrungen also mit anderen Systemen von Selbstverständlichkeiten, mit anderen Denk-, Urteils-, Wahrnehmungs- und Handlungsmustern. Diese können im Bereich der informellen, der non-formalen und der formalen Bildung liegen. Die informellen Gelegenheitsstrukturen ergeben sich aus dem Alltagsleben in der Familie und ihrem jeweiligen sozialkulturellen Umfeld, das auch unter Bedingungen der Globalisierung und damit zugleich wachsender Heterogenität in das Gesamtsystem der „feinen Unterschiede“ 3 eingebettet bleibt. In den kulturorientierten Teilen der Mittel- und Oberschichten bildet der Museums- und/ oder Ausstellungsbesuch da häufig einen völlig selbstverständlichen Teil der Lebenspraxis, in den auch die Kinder von Anfang an einbezogen werden. In anderen Bevölkerungsgruppen ist diese Praxis eher ungewöhnlich. Aber kulturelle Kontakte über den familialen Herkunftskontext hinaus gibt es heute in jedem Fall, wenn auch in höchst unterschiedlichen Qualitäten; sie sind inzwischen ein gar nicht zu vermeidender Teil des Alltagslebens schon von kleinen Kindern und bieten unterschiedlichste Gelegenheiten informellen Lernens. Im non-formalen und formalen Bereich beginnen diese Prozesse heutzutage keineswegs erst in der Schule, sondern bereits in den verschiedenen Formen der vorschulischen Erziehung, bei der Tagesmutter, in der Krippe; spätestens im Kindergarten werden nahezu alle Kinder erreicht. Ist die Schule der systematischste Ort, in dem solche Erfahrungen gemacht werden können, so ist sie doch nicht der einzige. Gerade dem Museum als dem institutionalisierten Ort des Anderen des Alltags kann dabei hohe Bedeutung zukommen. Gewiss haben solche kulturellen Kontakte nicht automatisch die Folge einer Veränderung von Haltungen; aber sie bieten doch die objektive Möglichkeit dazu. Lernen muss also immer im sozialkulturellen Kontext betrachtet werden; immer kommt es auf den Zusammenhang zwischen Habitus und Feld, Performanz und Kontext an. Lebensstile korrespondieren, alles in allem, nach wie vor mit gesellschaftlichen Positionen: auch und gerade unter Bedingungen von Pluralisierung, Individualisierung, Migration und Transkulturalität. Trotz allen Wahlzwangs und aller Flexibilisierung herrscht in dieser Hinsicht alles andere als Beliebigkeit. Und Museumsbesuche sind Teil von Lebensstilen.
Das Museum als Ort kulturellen Lernens Was bedeutet diese Ausgangslage für das Lernen im Museum? Um Antworten auf diese Frage finden zu können, ist nun zunächst eine etwas nähere Auseinandersetzung mit dem Phänomen Museum nötig. Dabei bildet die These der vollständigen Gleichzeitigkeit und Untrennbarkeit von Individualität und Sozialität des Lernens und aller Bildungsprozesse auch für die Frage nach kulturellem Lernen im Museum den entscheidenden Ausgangspunkt.
Ich-Bildung und Welt-Bildung von kindern und jugendlichen im Museum
Nach der Definition des International Council of Museums sind Museen „eine gemeinnützige, ständige, der Öffentlichkeit zugängliche Einrichtung im Dienst der Gesellschaft und ihrer Entwicklung, die zu Studien-, Bildungs- und Unterhaltungszwecken materielle Zeugnisse von Menschen und ihrer Umwelt beschafft, bewahrt, erforscht, bekannt macht und ausstellt.“ 4 Sammlung, Bewahrung, Forschung und Ausstellung bilden hier die komplexe Grundlage der pädagogischen Vermittlung. Die Bildungsaufgaben sind also, strukturell betrachtet, konstitutiv für das Museum. Wichtig ist dabei, dass das Museum als Ausstellungsort insofern von vornherein strukturell pädagogisch verfasst ist, als Ausstellungen immer auf Vermittlung und Aneignung zielen. Als Teil der non-formalen Bildung richtet sich das Museum institutionell in der Regel als freiwilliges Angebot an die Allgemeinheit und damit an jeden Einzelnen, der dieses Angebot nutzen kann, wie er will. Dass Kultureinrichtungen generell, Museen aber insbesondere auch für ganz andere Zwecke als die der Bildung, also etwa als Orte sozialer Kommunikation und sozialer Distinktion, als Orte der Unterhaltung und des Amüsements, aber auch als Orte des Rückzugs und der Kontemplation genutzt werden können und genutzt werden, ändert nichts daran, dass sie strukturell als Bildungseinrichtungen verfasst sind. Aus der Besucherforschung und auch aus der Alltagserfahrung ist indessen längst hinlänglich bekannt, dass Museen keineswegs von allen Bevölkerungsgruppen als besonders attraktive Orte ihrer individuellen Bildung oder ihrer Freizeitgestaltung geschätzt und aufgesucht werden – da wiederholen sich die kritischen kultursoziologischen Befunde seit Jahrzehnten.5 Und ebenso wiederholt sich seit Jahrzehnten die reformpädagogische Antwort auf das Defizit: Man dürfe nicht nur die rezeptive Weltaneignung, man müsse auch die produktive Weltaneignung im Museum fördern, wo immer möglich auch durch Hands-on! Auch wenn solche die Rezeption begleitenden aktiven Vermittlungs- und Aneignungsformen sicher überall denkbar und inzwischen auch verbreitete Praxis sind, so können sie doch die Rezeption als Zentrum musealer Bildung nicht ersetzen.6 Auch ist die Verwandlung des Museums in eine Werkstatt weder überall möglich noch überall sinnvoll. Das Geheimnis musealer Vermittlung ist daher in der Kultivierung der Rezeption zu suchen; nur so kann die spezifische Aura des Museums zur Geltung kommen. Das gilt auch für die begleitende Museumspädagogik. Im Blick auf die Ich-Bildung entsteht hier offensichtlich kein Problem; im Blick auf die Welt-Bildung ist das nicht ganz so offensichtlich. Aber der zweite Blick zeigt schnell, dass hier die mehr oder minder reflexiven sprachlichen und medialen Dimensionen der Weltgestaltung in den Mittelpunkt rücken. Während und nach dem Museumsbesuch kann man nicht nur still schauen und die eigenen Vorstellungen und inneren Bilder als Teil der Ich-Bildung weiterentwickeln, sondern man kann auch etwas zur Welt-Bildung beitragen: mit anderen kommunizieren, etwas zu dem Wahrgenommenen erzählen und/oder auch eigene Bilder – meist Fotos – kre-
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ieren und mitbringen (und dadurch nicht zuletzt neue kommunikative Welten schaffen: „Mona Lisa und ich“). Und man kann durchaus auch gelegentlich „sein Leben ändern“. Glücklicherweise entspricht die zentrale pädagogische Vermittlungsform des Museums genau dieser Struktur. Denn für Museen bildet das Arrangieren, also die indirekte Vermittlung durch die Schöpfung und Inszenierung kultureller Gegenstände oder Ereignisse, den wichtigsten Ansatz. Die direkten Vermittlungsformen, wie sie in den personalen oder medialen Führungen oder auch in den vielfältigen anderen Formen der Museumspädagogik gepflegt werden, dienen in der Regel lediglich dazu, eine bessere Wirkung der indirekten Formen zu ermöglichen: Man lässt sich im Museum oder der Ausstellung führen oder benutzt den Audio-Guide, um das kulturelle Gegenüber aus Kunst, Technik, Natur oder Geschichte besser zu verstehen. Die direkte pädagogische Vermittlung etwa in den Ausstellungsführungen, die man auch als „Unterricht“ verstehen kann, bildet daher im Museum strukturell eine ergänzende pädagogische Aufgabe, die jedoch den eigentlichen Bildungskern des Geschehens, nämlich die individuelle „Begegnung“ des Besuchers mit den kulturellen und/oder künstlerischen Gegenständen oder Ereignissen (gleich welcher Art) und den rahmenden Umgebungen selbst, nicht ersetzen kann. Eine entscheidende museumspädagogische Aufgabe liegt daher in der Gestaltung der rezeptiven Erstbegegnungen, die zwar einerseits auf die sozialkulturellen Kontexte und Ausgangslagen der lernenden Besucher abgestimmt sein müssen, die aber andererseits zugleich offen für die je individuellen Aneignungsformen bleiben müssen. Narrative Formen bieten da vielfältigste Möglichkeiten – das Museum ist nicht nur ein Ort wissenschaftlicher Aufklärung und Information, sondern auch ein höchst geeigneter Ort, Geschichten zu den Musealien zu erzählen und damit auch fantastische Welten aufleuchten zu lassen. Aber auch im Museum bleibt der fruchtbare Moment im Bildungsprozess, so er denn eintritt, hochgradig individuell und so unverfügbar wie in allen anderen Bildungskontexten auch – man muss den Besuchern allerdings Zeit, Ruhe und Muße lassen und ihnen die Möglichkeit geben, sich zu informieren, wenn sie das wollen; da bieten die modernen elektronischen Medien inzwischen ja wunderbare Möglichkeiten. In der je individuellen Besonderheit der Begegnung mit dem Museum und den Museumsgegenständen liegt somit auch die vermutlich einzige pädagogische Chance für das Museum, zugleich an die Vorerfahrungen anknüpfen und neue Horizonte öffnen zu können. Dem nun zu erwartenden Vorwurf, dass das im Effekt ein elitäres Konzept sei, lässt sich leicht begegnen: Natürlich müssen alle Menschen in Kindheit und Jugend das Museum als Lern- und Bildungsort und als Teil der ihnen zur Aneignung offenen kulturellen Infrastruktur intensiv kennenlernen; das Museum ist insofern auch als solches ein notwendiger und nicht zu unterschätzender Bestandteil des schulischen Curriculums und somit verbindlich im Rahmen der formalen Bildung zu verankern. Dazu können dann auch
Ich-Bildung und Welt-Bildung von kindern und jugendlichen im Museum
Kooperationen zwischen Museen und Schulen sehr hilfreich sein. Das sind rein pragmatische bildungs- und kulturpolitische und alltäglich-praktische Fragen. Nach der Schulzeit muss es indessen den Menschen freistehen, die mit dem Museum verbundenen Bildungschancen wahrzunehmen oder auszuschlagen. Wer sie ausschlägt, muss aber vorher erfahren haben, was ihm dann fehlt. Diejenigen, die die Chancen wahrnehmen, werden es dann sein, die die Kultivierung der Gesellschaft voranbringen.
1 Vgl. Pongratz, Ludwig: Untiefen im Mainstream. Zur Kritik konstruktivistisch-systemtheoretischer Pädagogik, Wetzlar 2004. 2 Vgl. Liebau, Eckart / Klepacki, Leopold / Zirfas, Jörg: Theatrale Bildung. Theaterpädagogische Grundlagen und kulturpädagogische Perspektiven für die Schule, Weinheim und München 2009. 3 Vgl. Bourdieu, Pierre: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt am Main 1982. 4 ”A museum is a non-profit, permanent institution in
the service of society and its development, open to the public, which acquires, conserves, researches, communicates and exhibits the tangible and intangible heritage of humanity and its environment for the purposes of education, study and enjoyment.” http://archives.icom. museum/definition.html, letzter Zugriff: 13.7.2012. 5 Vgl. zuletzt Keuchel, Susanne / Larue, Dominic: Das 2. Jugend-KulturBarometer, Köln 2012. 6 Vgl. Wagner, Ernst / Dreykorn, Monika: Museum Schule Bildung. Aktuelle Diskurse, Innovative Modelle, Erprobte Methoden, München 2007.
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Lernpsychologische Grundlagen zum wissenserwerb im museum Stephan Schwan
Museen als Erfahrungsräume – dieses Konzept markiert den Abschied von einer überkommenen Vorstellung: Der Hauptzweck von Ausstellungen bestehe darin, klassische Formen des schulischen Lehrens und Lernens in die Freizeit und ins Erwachsenenalter hinein zu verlängern. Zwar kann ein Museumsbesuch dazu beitragen, Sachkenntnisse zu erweitern und zu vertiefen. Er lässt sich jedoch nicht darauf reduzieren, denn er befriedigt noch eine Vielzahl weiterer Bedürfnisse. In einer breit angelegten Studie wurden Besucher befragt, welche Erfahrungen sie in einer Ausstellung als besonders befriedigend empfunden hätten.1 Im breiten Spektrum der Antworten spielte der Erwerb von Wissen und das vertiefte Verständnis durchaus eine wesentliche Rolle. Daneben wurden aber auch die Betrachtung des Ausstellungsstückes selbst, das Vergegenwärtigen seiner Authentizität, Schönheit, Bedeutsamkeit und Seltenheit hervorgehoben. Ebenso sei der Museumsbesuch Anlass zur „Innenschau“, zum Nachdenken über sich selbst, zum Imaginieren, zum Rückerinnern an persönliche Erlebnisse und Erfahrungen. Auch den sozialen Charakter von Museen, die Möglichkeit, gemeinsam mit Freunden, den Kindern oder der Familie eine anregende Zeit zu verbringen, empfinden Besucher als befriedigend. Der Erfahrungsraum Museum bietet also mehr als nur Wissenserwerb, wobei sich die verschiedenen Facetten natürlich nicht ausschließen. Beispielsweise können Besucher unterhaltsame Stunden im Museum verbringen und gleichzeitig neues Wissen über das Thema der Ausstellung erwerben2 – gerade die Vielfalt möglicher Erfahrungen macht den Reiz aus. Nicht nur in der Vielfalt möglicher Erfahrungen, auch in den Bedingungen unterscheiden sich Museen von Klassenzimmern, so dass sich eine einfache Übertragung schuldidaktischer Prinzipien verbietet.3 Ausstellungen vermitteln ihre Inhalte typischerweise anhand authentischer Gegenstände, die von einer Palette weiterer Informationsmedien flankiert werden – begleitende Texte, Bilder und Grafiken, Computerterminals, Modelle und Dioramen (bühnenähnliche Darstellungen). All diese Ausstellungselemente werden nach einer kuratorischen Logik im Raum arrangiert und inszeniert, so dass die Besucher
Lernpsychologische Grundlagen zum wissenserwerb im museum
sich durch eine komplexe, großräumige Szenerie bewegen. Unter solchen Bedingungen transformieren sich Lernen und Wissenserwerb: Ausstellungsräume sind reichhaltiger und potenziell anregender als Klassenzimmer dies sein können, gleichzeitig steigt aber die Notwendigkeit des Auswählens und Fokussierens und damit der eigenverantwortlichen Auseinandersetzung mit dem Präsentierten.4 Und schließlich: Durch die Bewegung der Besucher im Raum,5 durch ihre Auseinandersetzung mit authentischen Objekten und den Umgang mit Hands-on-Exponaten6 wird das Lernen in besonderer Weise verkörperlicht und versinnlicht. Mit dieser besonderen Konstellation von Merkmalen hebt sich das Museum deutlich von anderen Wissensorten ab. Der damit verbundenen Chance besonderer Erkenntnisse und Erfahrungen, die sich von der alltäglichen Routine des schulischen Lernens unterscheiden, stehen Risiken gegenüber, die sich aus der Konfrontation mit einer unvertrauten und komplexen Situation ergeben. In einer empirischen Studie wurden Schulklassen verglichen, die vor einem Museumsbesuch entweder eine Einführung in das Thema der Ausstellung, eine Erläuterung, wie man Ausstellungsexponate aufmerksam betrachtet und exploriert oder eine genaue Beschreibung des Museums und des Tagesprogramms des Schulausflugs bekommen hatten. Es fand sich, dass die Schülerinnen und Schüler, die ganz praktisch mit dem Museum und dem Tagesprogramm vertraut gemacht worden waren, den anderen in einem nachfolgenden Wissenstest überlegen waren.7 Die Ergebnisse zeigen, dass sich die Unvertrautheit mit einem Museum negativ auf den Wissenserwerb auswirken kann. Denn die Schülerinnen und Schüler sind stark damit beschäftigt, die Struktur der neuen Umgebung zu erkunden und zu verstehen, und konzentrieren sich nicht in genügendem Umfang auf die Inhalte der Ausstellung und das begleitende didaktische Programm.8 Die Vorbereitung auf den Museumsbesuch sollte sich allerdings nicht auf die Erläuterung der praktischen Aspekte des Ausflugs beschränken. Ein zentrales lernpsychologisches Prinzip besagt, dass Lernende mit hohem Vorwissen weitere Informationen zu einem Thema besser verstehen und behalten als solche, die nur über ein geringes Vorwissen verfügen. Dementsprechend ist eine angemessene inhaltliche Vorbereitung auf das Ausstellungsthema ebenfalls förderlich für das Lernen und Verstehen.9 Welche lernbezogenen Erfahrungen in einer Ausstellung gemacht werden, hängt nicht nur von vorbereitenden Aktivitäten, sondern von einer Vielzahl weiterer Faktoren ab. Ausstellungen unterscheiden sich darin, welchen Stellenwert sie dem Wissenserwerb beimessen und welche Formen des Lernens sie nahelegen. Sie können strukturiert oder assoziativ, solitär oder partizipativ, rezeptiv oder aktiv und experimentierend gestaltet sein. Kuratoren und Ausstellungsgestalter haben eine Vielzahl von Instrumenten an der Hand, mit denen sie das Verhalten und Erleben der Besucher beeinflussen und kanali-
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sieren. Durch die Anordnung der Exponate und Vitrinen, durch Sichtachsen und landmark-Exponate können Laufwege subtil gelenkt werden.10 Mit Ausnahme von kleineren Ausstellungen gehen Besucher dabei nicht systematisch von Exponat zu Exponat, sondern wenden sich Exponaten zu, die einen hohen Aufmerksamkeitswert besitzen, Neugier wecken oder einen besonderen Erkenntnis- oder Unterhaltungswert signalisieren.11 Typische Beispiele sind große Ausstellungsstücke, aufwändig inszenierte Exponate und interaktive Stationen mit innovativen technischen oder digitalen Elementen.12 Wissenserwerb im Museum erfolgt somit nicht kontinuierlich, sondern konzentriert in einzelnen Lernepisoden. In mehreren Studien konnte zudem gezeigt werden, dass Besucher besonders solche Ausstellungsstücke schätzen, die ihnen die Möglichkeit einer multisensorischen Erfahrung und einer interaktiven Explorierbarkeit eröffnen und die von konkret-anschaulichen (statt abstrakten) Erläuterungen begleitet werden.13 Aktuelle Untersuchungen zeigen zudem, dass reale Objekte Lernvorteile gegenüber fotografischen Abbildungen bieten. Reale Objekte werden aufmerksamer betrachtet und besser erinnert als ihre fotografischen Gegenstücke. Auswahl, Gestaltung und Anordnung von Exponaten und der ihnen beigegebenen Informationsmedien beeinflussen die Zuwendung der Besucher zu bestimmten Ausstellungsabschnitten und -stücken (attraction power), ihre Verweildauer vor dem Exponat (holding power), die Anzahl der betrachteten Ausstellungsstücke sowie die Gesamtverweildauer in der Ausstellung.14 Im Rahmen von Schulklassenbesuchen erschließen sich Ausstellungen natürlich nicht von selbst, sondern sind eingebettet in ein (museums-)pädagogisches Programm. Diese pädagogische Begleitung durch den Lehrer oder das Museumspersonal eröffnet eine Reihe weiterer Freiheitsgrade. In Beobachtungsstudien hat sich gezeigt, dass Lehrende ihren Schülerinnen und Schülern mehr oder weniger große Entscheidungsfreiheit bei der Aufenthaltsdauer, der Wahl des Themas, Raums und Exponats, aber auch der Interaktionen untereinander und mit der Lehrerin oder dem Lehrer einräumen.15 Im Vergleich zu Museumsbesuchen ohne Wahlfreiheit (bei Inanspruchnahme einer Führung) oder Museumsbesuchen mit uneingeschränkter Wahlfreiheit, bei denen die Schülerinnen und Schüler das Museum ohne räumliche Beschränkung und ohne spezifische Aufgabe erkunden, haben sich Museumsbesuche mit eingeschränkter Wahlfreiheit, bei denen sich die Schülerinnen und Schüler auf einen Bereich beschränken und eine Aufgabe erhalten, die sie selbstständig bearbeiten müssen, als besonders motivations- und lernförderlich herausgestellt.16 Von zentraler Bedeutung ist dabei auch die Art der Aufgabe: Entgegen landläufiger Meinung haben sich Arbeitsblätter mit klar definierten Aufgaben mit eindeutigen Lösungen gegenüber unspezifischen und offen formulierten Aufgaben mit einem breiten Spektrum an möglichen Antworten als vorteilhafter für den Wissenserwerb herausgestellt.17 Generell sollten Arbeitsblätter zum Beobachten anregen, genügend Zeit zur Exploration lassen, die Aufmerksamkeit auf die Ausstellungsstücke und weniger auf die Beschriftungen lenken, deutlich anzeigen, wo die relevanten Informationen in der Ausstellung zu finden sind und Gespräche mit den Mitschülerinnen und Mitschülern fördern.18
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Das erfolgreiche Wechselspiel der unterrichtlichen Vorbereitung, der adressatengerechten Ausstellungsgestaltung und der begleitenden pädagogischen Maßnahmen ist keine Selbstverständlichkeit. Sind die Schülerinnen und Schüler durch mangelndes Vorwissen, schiere Exponatmenge, zu komplexe und abstrakte Erläuterungen oder suboptimale Interaktionsmöglichkeiten überfordert oder desorientiert, werden sie sich mit der Ausstellung nur kurz und oberflächlich beschäftigen und nicht zu einer elaborierten und reflektierten Verarbeitung der Themen gelangen.19 Gleiches gilt für Präsentationsformen, denen es nicht gelingt, Neugier zu wecken und einen Bezug zum Alltagsleben und zum eigenen Selbst zu vermitteln, so dass die Schülerinnen und Schüler mit Desinteresse und Langeweile reagieren.20 Umgekehrt kann der Besuch eines Museums eine nachhaltige Wirkung entfalten, die sich in einem verstärkten persönlichen Interesse, dauerhaften Erinnerungen an bestimmte Exponate und – im besten Fall – einem vertieften Verständnis für das Thema der Ausstellung manifestiert.21 Förderlich wirkt es sich hierbei aus, wenn die Ausstellung in Gesprächen wieder aufgegriffen oder im Unterricht gezielt nachbereitet wird. Innovative Formen digitaler Medien, insbesondere mobile Medien und internet-basierte Web-2.0-Angebote, bei denen – neben ergänzenden und vertiefenden Informationen durch das Museum – die Schülerinnen und Schüler ihre Erfahrungen und Eindrücke in der Ausstellung mit Text, Bild oder Ton dokumentieren und dann im Unterricht weiter bearbeiten, bieten neuartige Möglichkeiten der Verknüpfung von Museum und Schule.22 Damit verbinden sich auch fortgeschrittene Formen der Interaktion und Partizipation (zum Beispiel Erstellung eines Webauftritts oder das tagging von Exponaten), die über die mittlerweile klassischen Hands-on-Aktivitäten in einer Ausstellung weit hinaus gehen.23 Die genannten Untersuchungen der letzten Jahre haben die Vielschichtigkeit des Besuchs von Museen und Ausstellungen immer wieder bestätigt. Ausgerüstet mit modernen sozialwissenschaftlichen Methoden24 – von differenzierten Fragebögen zu Motivation und Lernen über die physiologische Messung affektiver Zustände bis zur sekundengenauen Aufschlüsselung von Aufmerksamkeitsprozessen mit mobilen Blickbewegungskameras – erschließt sich durch die Verknüpfung museologischer und kognitionswissenschaftlicher Ansätze der Reichtum an Anregungen und Eindrücken, den Museen Besuchern im Allgemeinen und Schülerinnen und Schülern im Besonderen zu bieten haben. Handlungsleitend sollte dabei das Ideal einer „konsistenten Vielfalt“ sein, bei der ein roter Faden klar erkennbar ist, das Thema aber in unterschiedlichen Variationen durchgespielt wird. Damit wird der Unterschiedlichkeit der Besucher Rechnung getragen. Zudem weckt Abwechslungsreichtum Interesse und vermeidet Langeweile, Konsistenz und Transparenz verhindern Desorientierung und kognitive Überforderung.
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1 Vgl. Pekarik, Andrew J. / Doering, Zahava D. / Karns, David: Exploring Satisfying Experiences in Museums, in: Curator, 42 (2), 1999, S. 152 – 173; vgl. auch: Packer, Jan: Beyond learning: Exploring visitors’ perceptions of the value and benefits of museum experiences, in: Curator, 51 (1), 2008, S. 33 – 54. 2 Vgl. Falk, John H. / Moussouri, Theanno / Coulson, D.: The effect of visitors’ agendas on museum learning, in: Curator 41, 1998, S. 107-120; vgl. auch: Packer, Jan / Ballantyne, Roy: Is educational leisure a contradiction in terms? Exploring the synergy of education and entertainment. Annals of Leisure Research, 7 (1), 2004, S. 54 – 71. 3 Vgl. Schwan, Stephan: Lernen und Wissenserwerb in Museen, in: Kunz-Ott, Hannelore / Kudorfer, Susanne / Weber, Traudel (Hg.): Kulturelle Bildung im Museum. Aneignungsprozesse – Vermittlungsformen – Praxisbeispiele, Bielefeld 2009, S. 33 – 43. 4 Vgl. Falk, John H. / Dierking, Lynn D.: The museum experience, Washington D.C. 1992. 5 Vgl. Peponis, John / Dalton, Ruth / Wineman, Jean / Dalton, Nick: Measuring the effects of layout upon visitors’ spatial behaviors in open plan exhibition settings. Environment and Planning B: Planning and Design, 31, 2004, S. 453 – 473. 6 Vgl. Paris, Scott G. (Hg.): Perspectives on ObjectCentered Learning in Museums, London 2002. 7 Vgl. Bitgood, Stephen: School field trips: An overview, Visitor Behavior, 4 (2), 1989, S. 3 – 6. 8 Vgl. Falk, John H. / Martin, Wade W. / Balling, John D.: The novel field trip phenomenon: Adjustment to novel settings interferes with task learning, in: Journal of Research in Science Teaching, 15, 1987, S. 127 – 134. 9 Vgl. Wilde, Matthias / Bätz, Katrin: Einfluss unterrichtlicher Vorbereitung auf das Lernen im Naturkundemuseum, in: Zeitschrift für Didaktik der Naturwissenschaften, 12, 2006, S. 77 – 88. 10 Vgl. Bitgood, Stephen: An analysis of visitor circulation: Movement patterns and the general value principle, in: Curator, 49, 2006, S. 463 – 475. 11 Vgl. Rounds, Jay: Strategies for the curiosity-driven museum visitor, in: Curator, 47, 2004, S. 389 – 412. 12 Vgl. Sandifer, Cody: Technological novelty and open-endedness: Two characteristics of interactive exhibits that contribute to the holding of visitor attention in a science museum, in: Journal of Research in Science Teaching, 40, 2003, S. 121 – 137. 13 Vgl. Lozowski Boisvert, Dorothy / Jochums Slez,
Brenda: The relationship between exhibit characteristics and learning-associated behaviors in a science museum discovery space, in: Science Education, 79 (5), 1995, S. 503 – 518. 14 Vgl. Serrell, Beverly: Paying attention: Visitors and museum exhibitions, Washington D.C. 1998. 15 Vgl. Bamberger, Yael / Tal, Tali: Learning in a personal context: Levels of choice in a free choice learning environment in science and natural history museums, in: Science Education, 91 (1), 2006, S. 75 – 95. 16 Vgl. Storksdieck, Martin / DeWitt, Jennifer: A Short Review of School Field Trips. Key Findings from the Past and Implications for the Future, in: Visitor Studies, 11, 2008, S. 181 – 197. 17 Vgl. Krombaß, Angela / Harms, Ute: Acquiring knowledge about biodiversity in a museum – are worksheets effective?, in: Journal of Biological Education, 42 (4), 2008, S. 157 – 163; vgl. auch: Wilde, Matthias / Urhahne, Detlef: Museum learning: A study of motivation and learning achievement, in: Journal of Biological Education, 42 (2), 2008, S. 78 – 83. 18 Vgl. McManus, Michael P.: Worksheet-induced behaviour in the British Museum (Natural History), in: Journal of Biological Education, 19, 1985. 19 Vgl. Allen, Sue / Gutwill, Joshua: Designing with multiple interactives: Five common pitfalls, in: Curator, 47 (2), 2004, S. 199 – 212. 20 Vgl. Lewalter, Doris / Geyer, Claudia: Motivationale Aspekte von schulischen Besuchen in naturwissenschaftlich-technischen Museen, in: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 12, 2009, S. 28 – 44. 21 Vgl. Falk, John H. / Dierking, Lynn D.: School field trips: Assessing their long-term impact, in: Curator, 40, 1997, S. 211 – 218. 22 Vgl. Schwan, Stephan / Zahn, Carmen / Wessel, Daniel / Huff, Markus / Herrmann, Nadine / Reussner, Eva: Lernen in Museen und Ausstellungen – die Rolle digitaler Medien, in: Unterrichtswissenschaft, 36(2), 2008, S. 117 – 135. 23 Vgl. Knipfer, Kristin / Mayr, Eva / Zahn, Carmen / Schwan, Stephan / Hesse, Friedrich: Computer Support for Knowledge Communication in Science Exhibitions: Novel Perspectives from Research on Collaborative Learning, in: Educational Research Review, 4, 2009, S. 196 – 209. 24 Vgl. Yalowitz, Steven S. / Bronnenkant, Kerry: Timing and tracking: Unlocking visitor behavior, in: Visitor Studies, 12 (1), 2009, S. 47 – 64.
die sprache der dinge museumsobjekte zwischen zeichen und erscheinung thomas thiemeyer
Wer von „der Sprache der Dinge“ redet, meint nicht ihr verbales Äußerungsvermögen, sondern ihre Fähigkeit, Signale aussenden zu können. Denn recht besehen sprechen Dinge nicht, sie zeigen sich.1 Wie dieses Zeigen funktioniert, wie geplant es abläuft oder wie unbeabsichtigt es passiert, diese Frage ist für das Museum fundamental und Anlass zahlreicher Theorien. Insbesondere Kunstwissenschaft und Volkskunde haben früh und ausdauernd den Status der Werke und Objekte im Museum (und außerhalb des Museums) untersucht und Anleihen bei der Philosophie genommen.2 Welche Sprache die Dinge heute noch im Museum sprechen (können) und welche Ideen von den Dingen die museale Praxis der Gegenwart bestimmen, danach fragt der folgende Beitrag. Kern ist die Analyse von drei Konfliktlinien, entlang derer die Ansichten über die Wirkung der Museumsdinge, der Exponate, auseinander gehen können (Der Status der Dinge). Zuvor erfolgt eine knappe Verortung der Dinge in Philosophie und heutiger Museumstheorie (Die Sprache der Dinge), bevor im dritten Teil nach der Relevanz der Dinge für das Museum heute gefragt wird. Die Argumentation läuft auf die These hinaus, dass die vielfältigen Veränderungen, die Museen durch den Einsatz multimedialer Mittel und wachsende Erlebnisorientierung erfahren, das originale Objekt als Mittelpunkt des kulturhistorischen Museums infrage stellen und es heute nicht mehr selbstverständlich ist, die Ausstellung vom Objekt her zu denken.
Die Sprache der Dinge Es gab eine Zeit, in der die Dinge sprachen. Lange, bis ins 17. Jahrhundert, waren die Menschen überzeugt, dass Gott die Zeichen, also die Bedeutungen, in die Dinge eingeschrieben habe, damit die Menschen durch sie die Welt erkennen. Die Dinge hatten also die Fähigkeit, selbst zu sprechen. Die Frage war nur, ob der Mensch sie verstand. Im 17. Jahrhundert kamen dann Zweifel auf, ob die Dinge wirklich von sich aus sprechen oder vielmehr dem Betrachter nur antworten können. Als einer der Ersten hat
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René Descartes erkannt, dass es die menschliche Wahrnehmung ist, die die Zeichen der Dinge erst erzeugt. „Das Zeichen wartet nicht schweigsam das Kommen desjenigen ab, der es erkennen kann: es bildet sich stets nur durch den Akt der Erkenntnis.“ 3 Die Bedeutung der Dinge offenbart sich nicht länger, sie wird vom Rezipienten erst erzeugt. Der Glaube an eine göttliche Sprache in allen Dingen wurde zugunsten einer rationalen Erkenntnistheorie verabschiedet, die in der radikalen Ausprägung des mathematischen Naturbegriffs, den Descartes erfand, alles Sinnliche am Ding für trügerisch hielt und statt der Sinne allein den Geist als für die Erkenntnis zuständig erklärte. Die res cogitans (also die Ideen) benutzten die res extensa (die Dinge) nur noch.4 Erst einige Jahrhunderte nach Descartes erkannten die Philosophen – allen voran die Phänomenologen –, dass die Sprache der Dinge eben nicht restlos ein intellektuelles Konstrukt ist, sondern dass die Dinge durchaus einen sinnlichen Überschuss besitzen, der sich nur wahrnehmen, nicht aber intellektuell herleiten lässt.5 Nach dieser kurzen Vorbemerkung verlassen wir die Vergangenheit und kommen in die Gegenwart. Zweck des kurzen Rückblicks war es, zwei Wendepunkte zu benennen, die unser Verständnis von den Dingen bis heute prägen und insbesondere für das Museum relevant sind: die Erkenntnis, dass die Botschaft der Dinge wesentlich vom Rezipienten erzeugt wird und dass die Dinge dennoch eine ganz eigene Ausstrahlung besitzen, die unnachahmlich und deshalb für die menschliche Erkenntnis fundamental ist. Diese beiden Annahmen sind grundlegend für unsere Idee des kulturhistorischen Museums als einem Ort, an dem Wissen durch die Ordnung der Dinge in einem räumlichen Arrangement entsteht und verstehbar wird. Dieser Erkenntnisort zeichnet sich dadurch aus, dass er den Status der Dinge verändert, weil er sie in neue Kontexte einbettet. Aus Archivalien werden Quellen und Anschauungsobjekte.6 Die Ausstellung macht Objekte einzigartig, die einst nur eine Sache unter vielen waren, enthebt die Dinge ihrer Gebrauchsfunktion, um sie als Gegenstände der Reflexion zu nutzen, und überführt die Objekte vom privaten, kommunikativen ins öffentliche, kulturelle Gedächtnis.7 Im Zusammenhang mit dem Museum hat es eine Reihe von Theorien zur Wirkung der Dinge gegeben.8 Eine in Deutschland lange Zeit einflussreiche Theorie zum Museum und seinen Dingen hat der Philosoph Hermann Lübbe 1981 formuliert. Sein Kompensationsmodell sieht im Museum „eine Rettungsanstalt kultureller Reste aus Zerstörungsprozessen“. Der Museumsboom ist für Lübbe eine Folge der erhöhten kulturellen Zerstörungsrate der Gegenwart. Je mehr Vertrautes aus dem direkten Lebensumfeld verschwinde, desto stärker erodiere das eigene Selbstbild. Diesen Erosionsprozess, den er „Vertrautheitsschwund“ nennt, könne historisches Bewusstsein in Teilen kompensieren, indem es Vertrautes aufbewahrt und damit stabile Orientierung biete.9 Die Kritik an dieser Theorie ließ nicht lange auf sich warten.10 Das Anliegen vieler Museen, so lautet der
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wichtigste Einwand, sei seit jeher zukunftsgerichtet und nicht rückwärtsgewandt gewesen, mehr politisch denn psychologisch.11 So versuchte beispielsweise das Germanische Nationalmuseum in Nürnberg nach der gescheiterten Revolution von 1848 die Bildung eines deutschen Nationalstaats vorzubereiten, indem es eine Sammlung zusammentrug, die das Gemeinsame der deutschen Kulturnation betonte. Einflussreicher als Lübbes Kompensationstheorie ist in der aktuellen Diskussion um das Museumsding Krzysztof Pomians Semiophorentheorie. Semiophor bedeutet Zeichenträger. Das sind Objekte ohne Gebrauchswert (Nützlichkeit), die allein symbolisch von Bedeutung sind. Semiophoren verbinden die sichtbare Welt der Gegenwart mit der unsichtbaren Welt der Vergangenheit und ermöglichen die Kommunikation zwischen beiden Welten. Sie sind räumlich nah und zeitlich fern und haben eine semiotische und materielle Kommunikationsebene, also Bedeutung und Anmutungsqualität.12 Diese Dualität des Dings zwischen Sinnstifter und „Reizobjekt“ (Gottfried Korff) ist nicht unproblematisch und führt mich zu einer ersten Konfliktlinie.
Der Status der Dinge Dokument und Reizobjekt Museumsdinge haben eine rationale und eine emotionale Seite: Sie speichern Wissen und berühren die Sinne. Die Dinge sind also nicht allein Dokumente, Informationsträger, sondern besitzen eine spezifische Anmutungsqualität. Stephen Greenblatt hat diese doppelte Potenz der Museumdinge „resonance and wonder“ genannt. „Wonder“ bezeichnet das Staunen des Rezipienten und bezieht sich auf die emotionale Wirkung eines Objekts. „Resonance“ kennzeichnet das Objekt als Repräsentanten einer fernen Kultur oder Zeit, als Spur in die Fremde oder Vergangenheit, in die es den Besucher hineinzieht und ihm so neue Erkenntnisse ermöglicht.13 Museumsdinge sind also mehr als bloß materielle Belege eines vergangenen Zustands. In einer Ausstellung repräsentieren sie nicht nur Vergangenheit, sondern produzieren ein bestimmtes Verhältnis der Besucher zur Vergangenheit. Sie wirken performativ, machen etwas durch ihre bloße Anwesenheit. Der Philosoph Gernot Böhme spricht in diesem Zusammenhang von „Ekstasen der Dinge“ und bezeichnet damit ihre raumgreifende Wirkung. Dinge, so Böhme, erzeugten durch ihre wahrnehmbaren materiellen Eigenschaften Atmosphären, wirkten in den Raum und seien nicht auf sich selbst beschränkt. Atmosphären definiert er als „etwas räumlich Ergossenes“, „räumliche Träger von Stimmungen“.14 Folgerichtig erzeugen Dinge für Böhme Erlebnisse, statt nur Informationen zu transportieren. Dieser Ansatz wendet sich gegen ein semiotisches Verständnis von Kultur, das die Wirkung der Dinge auf die Kategorien „Sinn“ und
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„Bedeutung“ beschränkt.15 Hier scheint nicht nur die alte Dichotomie zwischen res cogitans und res extensa – zwischen Ideen und Objekten – durch, die seit Descartes besteht, die Konfliktlinie zwischen dem Ding als Dokument und Reizobjekt hält sich vielmehr bis heute.16 Um den Kern dieser Auseinandersetzung zu verstehen, scheint mir eine Anleihe bei dem Kunsthistoriker Dagobert Frey nützlich, der in den 70er Jahren einen Konflikt zwischen wissenschaftlicher Formalisierung und Autonomie der Kunst konstatiert hat. Verwissenschaftlichung, so Frey, bedeute die Übersetzung von Formen (also sinnlich wahrnehmbaren Attributen) in Gesetze (ins Begrifflich-Logische). Bei dieser Transformation nehmen die Wissenschaften den Verlust an Sinnlichkeit zugunsten der Exaktheit ihrer Aussagen in Kauf. Für die Kunst hingegen gelte, dass sie das Sinnliche immer mitdenken muss und sich nicht in ein System pressen lässt, weil jedes Kunstwerk „sein eigenes Ordnungssystem in sich“ trage, autonom sei.17 Das kulturhistorische Museum als Ort wissenschaftlicher Erkenntnis mit ästhetischen Mitteln kombiniert beide Seiten – die sinnliche und die wissenschaftliche – zu einer einzigartigen Erfahrungswelt, kann aber umgekehrt keiner Seite vollständig gerecht werden. Auf der einen Seite verändert es den Prozess der Verwissenschaftlichung, weil es als sinnliches Medium wissenschaftliche Aussagen nicht (primär) in der diskursiven Logik der Begründung weitergibt, sondern im visuellen Modus der Evidenz, der sichtbaren Einsicht.18 Es lässt immer einen mehr oder weniger großen Interpretationsspielraum, weil es auf ästhetischer Wirkung seiner Objekte aufbaut und so die Kontrolle über seinen Gegenstand mit dem Betrachter teilt. Das mehrdeutige Bild ersetzt den vermeintlich eindeutigen Text.19 Auf der anderen Seite lässt kaum eine kulturhistorische Ausstellung die Dinge autonom wirken, weil sie sie mit anderen Dingen in Beziehung setzt oder als Beleg für eine Geschichte nutzt. Kunst und Kontext Damit sind wir bei einer zweiten Konfliktlinie, die sich in der Kurzformel „Kunst oder Kontext“ ausdrückt. Diese Alternative, die vor allem ethnologische Museen umtreibt, markiert unterschiedliche Erkenntnisinteressen und einen je anders gelagerten Status der Objekte. Wer historische, wissenschaftliche oder gesellschaftliche Kontexte darstellen will, benötigt Dinge als Verweise, das heißt als Stellvertreter für etwas Abwesendes. Diese kann er zu neuen Raumbildern kombinieren, um einen Zusammenhang sichtbar bzw. sinnlich wahrnehmbar zu machen.20 Wer Objekte hingegen als Kunstwerke begreift, hat mit der freizügigen Rekontextualisierung der Dinge ein Problem – zumindest dann, wenn diese nur als Versatzstücke für neue Bilder (für Raumbilder) und zur Illustration von Informationen genutzt werden: „Disziplinierung der Objekte durch ihre Musealisierung“, nennt das der Kunsthistoriker Michael Fehr und fürchtet die „Reduktion ihres jeweiligen Charakters auf einen bestimmten Reizwert“.21
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Diese Kritik ist aus der Annahme formuliert, dass Kunstwerke einen sinnlichen Überschuss besitzen. Dieser sinnliche Überschuss ist nicht kontrollierbar – genau darin besteht sein Sinn als Fantasie- und Gefühlsanreger. „Läßt man sich auf Kunstwerke ein“, schreibt der Philosoph Günter Figal, „wird man nicht informiert, sondern auf ursprüngliche Weise angerührt und in den Zustand einer elementaren Offenheit versetzt: Die Kunst läßt erstaunen [...] Mit jedem Werk erfährt man etwas, das man so vorher nicht kannte und das so, wie es mit diesem Werk erfahrbar wird, nicht antizipierbar war; ein Kunstwerk ist unerwartbar, und zwar nicht nur bei der ersten Erfahrung, sondern immer wieder aufs neue.“ 22 Durch Inszenierungen aber, die das einzelne Werk mit anderen zu einem vorab definierten Erkenntniszweck zusammenspannen, würde diese „wilde Semiose“ 23, wie Aleida Assmann das genannt hat, gezähmt und damit ihrer wichtigsten Funktion beraubt. Dann ist nicht mehr das einzelne Exponat das Werk, das ein in sich geschlossenes Rezeptionsangebot enthält und seine einzigartige Wirkung entfaltet, sondern die Ausstellung als neues Gesamtbild. Man könnte noch weitergehen und sagen, dass Kunstwerke einen didaktischen Schutzraum benötigen, damit nichts von ihrer Erscheinung ablenkt und sie nicht von vornherein auf inhaltliche Informationen festgelegt werden. Der wesentliche Unterschied liegt hier im Status der Objekte: Werke der bildenden Kunst, die für die Betrachtung gemacht wurden, und andere Objekte. Ob sich die Kunstwerk-Theorie deshalb auf lebensweltliche Dinge übertragen lässt, wie es im Rekurs auf Walter Benjamin und seinen Begriff der Aura geschehen ist, darüber wird bis heute gestritten. Es geht, schlicht gesagt, um die Frage, ob Dinge, die nicht wie Gemälde oder Skulpturen für die Rezeption gemacht wurden, als Reizobjekte im Museum aus sich heraus funktionieren, oder ob ihr einziger Daseinszweck in ihrer historischen Zeugenschaft, also in ihrer Funktion als Verweis oder Beleg, besteht. Das heißt, ob diese Dinge für sich alleine etwas ausstrahlen können, oder ob sie überhaupt erst durch museale Inszenierung und Kontextualisierung bedeutsam und attraktiv werden? 24 Ding und Raum Die zweite Frage nach der Wirkung des Objekts im Raum und danach, wo diese Wirkung entsteht, markiert eine dritte Konfliktlinie. Die deutsche Sachkultur-Forschung und die angloamerikanische Forschung zur materiellen Kultur, die Material Culture Studies, haben darauf lange Zeit unterschiedliche Antworten gegeben. Die Sachkulturforschung ging traditionell von den Objekten, „ihrer Materialität, Funktion und Temporalität, d. h. ihrer physikalischen Präsenz in Raum und Zeit“ aus und vernachlässigte darüber lange Zeit die Beziehung zu Mensch und Umwelt, bevor sie unter dem Stichwort „Umgang mit Sachen“ diese Relation seit den 70er Jahren stärker berücksichtigte.25 Die Material Culture Studies hingegen, die der britischen und amerikanischen Anthropologie verhaftet sind, analysierten Artefakte seit jeher als Teil einer Kultur, schauen primär auf die Wech-
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selwirkung zwischen Objekt und Kontext. Die Aura des Exponats resultiert in dieser Wahrnehmung nicht aus einer Qualität des Objekts, die im Ding selbst zu finden ist (selbstreferenziell), sondern sie ist ein performativer Akt, für den primär die Umgebung, man könnte sagen, die Inszenierung des Objekts, verantwortlich ist. Nicht das Objekt, sondern die Rezeptionssituation ist auratisch.26 Der museale Raum und seine Atmosphäre machen die Dinge erst besonders, und nicht umgekehrt die Dinge den musealen Raum. Exemplarisch für eine solche Einschätzung ist die Definition von Szenographie, die Heiner Wilharm und Ralf Bohn formuliert haben (allerdings allgemein und nicht speziell für das Museum): „Die Artikulation als ‚Szenografie‘ signalisiert dabei den Wunsch nach einer integrativen, von der Bindung an überkommene Gattungsgrenzen relativ freien Design- und Gestaltungshandlung rund um die Produktion von Ereignissen und Erlebnissen im öffentlichen Raum. Welche Veränderungen und Erweiterungen finden statt, wenn man sich dem Raum nicht mehr auf der Ebene von Dingen und Objekten nähert, sondern auf der Ebene von Ereignissen?“ 27
Die Relevanz der Dinge Es stellt sich die Frage, ob das Museum so gesehen seine Dinge noch braucht? Einerseits ja, denn der Raum und die Dinge sind die Alleinstellungsmerkmale des Museums. Ohne Dinge verliert es seinen Status als Ort der materiellen Begegnung mit dem Fremden und zeitlich Fernen und beraubt sich seiner ureigenen Attraktion. Für das Museum als Institution, die sich über das Sammeln, Bewahren, Erforschen und Ausstellen seiner Objekte definiert, bleiben die Originale die raison d’être. In dem Maße freilich, wie das Erlebnis in Ausstellungen die Evokation von Wissen und von Präsenzeffekten mithilfe materieller Relikte zurückdrängt, wird das Objekt entbehrlich. Versteht sich das Museum zunehmend als „manufacturer of experience“, als Erlebnisfabrik, die durch suggestive Arrangements historische Ereignisse als Erlebnis oder Erfahrung vermitteln will,28 dann kann es auf die „Erinnerungsveranlassungsleistung“29 der Dinge vertrauen, ihre Fähigkeit also, Erinnerungen an längst vergangene Ereignisse und damit verbundene Gefühle auszulösen. Allerdings, und das ist das Entscheidende, ist das Objekt für ein Museum, das dem Besucher vor allem ein Erlebnis bzw. eine besondere Erfahrung bieten will, entbehrlich. Die Perspektive ändert sich vom Objekt zum Subjekt, von den echten Dingen zu den authentischen subjektiven Erlebnissen.30 Nicht die Originalität, also die Einzigartigkeit und ursprüngliche materielle Substanz des Objekts ist dann entscheidend, sondern seine Fähigkeit, als „authentisch“ wahrgenommene Erlebnisse zu erzeugen – mit oder ohne Exponate. Entsprechend ist es nicht mehr erste Aufgabe, möglichst viele materielle Überreste der Geschichte vor dem Betrachter auszubreiten, wenn diese keinen Wert an sich darstellen. War es einst einziger Zweck des Museums, Objekte
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zu sammeln und auszustellen, so ist das Exponat heute bestenfalls eines von mehreren Mitteln, mit denen ein Museum sein Publikum erreichen kann.31 Mehr noch: Ausstellungen, die sich weitgehend von den Depotbeständen der Museen freispielen, vereinzeln ihre Objekte, statt diese in der historisch begründeten Systematik der Sammlungen auszustellen. Mit dieser Verschiebung weg vom Sammlungszusammenhang hin zum Einzelstück (zum Highlight) wird das einzelne Exemplar illustrativ und erklärungsbedürftig, weil es sich nicht mehr aus dem Sammlungskontext erklärt, sondern inszenatorisch eingebettet werden muss, um verständlich zu bleiben.32 Steht es um die Dinge also wirklich so schlimm? Bei aller Skepsis glaube ich das nicht. Denn das emotionale und epistemische Potenzial der originalen Dinge ist vielfach verbürgt. Das Museum als Ort der Begegnung mit dem materiellen kulturellen Erbe tut gut daran, sich auf die Sammlung als seinen Kern zu besinnen. In dem Maße, in dem das Primat der Dinge infrage steht, ist eine neue Hinwendung zahlreicher Museen zu den Objekten und Sammlungen bemerkbar, wie sie Schaudepots oder jene Ausstellungen kennzeichnet, die ganz bewusst das Entdecken am Objekt einfordern.33 Diese Haltung ist heute allerdings nicht mehr selbstverständlich und benötigt mehr denn je gute Argumente, die die Wirkung der Originale plausibel machen. Die Krux liegt nur darin, dass wir diese Wirkung, das Ungezähmte und Unkontrollierbare, die „Aura“ des Originals, wenn man so will, nicht auf den Begriff bringen können, weil wir uns „am Rande des Sagbaren auf[halten], in einem Gebiet, das nurmehr Andeutungen, Metaphern und Katachresen zulässt [...]“.34 Argumentativ lässt sich über die Ausstrahlung der Objekte, der Originale zumal, kaum streiten. Aber darin liegt zugleich die große Chance des Museums: Von der Wirkung seiner Dinge kann man schlecht berichten, man muss sie selbst erleben – und sich deshalb an jenen Ort begeben, an dem die Dinge noch sprechen dürfen.
Zitierhinweis: Dieser Text ist zuerst online erschienen in: Museen für Geschichte (Hg.): Online-Publikation der Konferenz „Geschichtsbilder im Museum“ im Deutschen Historischen Museum Berlin 2011. URL: http://www. museenfuergeschichte.de/downloads/news/Thomas_ Thiemeyer-Die_Sprache_der_Dinge.pdf. Dieser Text entstand im Rahmen des Forschungsprojekts wissen&museum: Archiv – Exponat – Evidenz, das mit
Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unter dem Kennzeichen 01UB0909 gefördert wird. Die Verantwortung für den Inhalt der Veröffentlichung liegt beim Autor. URL: www.wissen-und-museum.de. Für Anregungen danke ich Kira Eghbal-Azar, Felicitas Hartmann, Anke te Heesen, Gottfried Korff und Yvonne Schweizer.
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1 Vgl. dazu ausführlich Mersch, Dieter: Was sich zeigt. Materialität, Präsenz, Ereignis, München 2002. 2 Vgl. u. a. Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, in: Ders.: Gesammelte Schriften I.2. Frankfurt 1974, S. 471– 508; Korff, Gottfried: Museumsdinge. Deponieren – exponieren, hg. v. Eberspächer, Martina / König , Gudrun Marlene / Tschofen, Bernhard: Köln, Weimar, Wien 2. Auflage 2007; Figal, Günter: Erscheinungsdinge. Ästhetik als Phänomenologie, Tübingen 2010; Soentgen, Jens: Das Ding in der Philosophie der Neuzeit, in: Scheidewege. Jahresschrift für skeptisches Denken 2002/2003, Baiersbronn 2002, S. 357 – 376. 3 Foucault, Michel: Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, Frankfurt 1974, S. 93. 4 So schon die Kritik von Friedrich Jacobi (1743 –1819) an Kants Dingtheorie 1799; vgl. Soentgen, Das Ding in der Philosophie der Neuzeit, S. 366. Diese Fixierung auf den Logos geht auf Platon zurück. Vgl. dazu Platon, Der Staat, Stuttgart 1973, S. 325 – 357 (Zehntes Buch). 5 Soentgen, Das Ding in der Philosophie der Neuzeit, S. 357– 371. Zu den frühen volkskundlichen Theorien zum Ding vgl. König, Gudrun: Dinge. Stacheldraht: Die Analyse materieller Kultur und das Prinzip der Dingbedeutsamkeit (2004), in: Johler, Reinhard / Tschofen, Bernhard (Hg.): Empirische Kulturwissenschaft. Eine Tübinger Enzyklopädie, Tübingen 2008, S. 117 – 138. 6 In der Archivalie ist Vergangenheit präsent, aber stumm. Erst wenn sie durch Befragung zu Quellen werden, beginnen Archivalien zu sprechen. Ihre materielle Substanz bleibt davon aber unberührt. „Durch keinen Gebrauch kann sie [die Quelle, TT] [...] verunreinigt werden. Obwohl also Archiv und Quelle in ihrem materiellen Substrat dasselbe sind, ändert sich wissenschaftstheoretisch ihr Status, je nachdem ob es mit allen Künsten der Erhaltung im Regal oder im Kasten oder im Panzerschrank gelagert wird – oder ob es herausgeholt, auf den Tisch gelegt, in die Hand genommen, untersucht und befragt wird.“ Zit. nach Koselleck, Reinhart: Vom Sinn und Unsinn der Geschichte. Aufsätze und Vorträge aus vier Jahrzehnten. Herausgegeben und mit einem Nachwort von Carsten Dutt, Berlin 2010, S. 74. 7 Hein, Hilde: The museum in transition. A philosophical perspective, London, New York 2000, S. 55; Korff, Museumsdinge, S. 146 – 154; Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1992, S. 51ff.
8 Vgl. dazu Korff, Gottfried: Vom Verlangen, Bedeutung zu sehen, in: Borsdorf u. a. (Hg.): Die Aneignung der Vergangenheit. Musealisierung und Geschichte. Bielefeld 2004, S. 81 – 104, S. 90 ff. Korff legt hier vier Interpretationsansätze frei, die Dinge als Kompensatoren, Mediatoren, Semiophoren oder Generatoren betrachten. Vgl. auch Heesen, Anke te/ Lutz, Petra (Hg.): Dingwelten. Das Museum als Erkenntnisort, Köln, Weimar, Wien 2005. 9 Lübbe, Hermann: Der Fortschritt und das Museum. Über den Grund unseres Vergnügens an historischen Gegenständen. The 1981 Bithell Memorial Lecture, Leeds 1982, Zitate S. 14 und S. 18. 10 Vgl. u. a. Grütter, Theo: Die Präsentation der Vergangenheit. Zur Darstellung von Geschichte in historischen Museen und Ausstellungen, in: Füßmann, Klaus u. a. (Hg.): Historische Faszination. Geschichtskultur heute, Weimar, Köln, Wien 1994, S. 173 – 187, hier S. 175f. 11 Vgl. Hartung, Olaf: Kleine deutsche Museumsgeschichte. Von der Aufklärung bis zum frühen 20. Jahrhundert, Köln, Weimar, Wien 2010, S. 3ff. 12 Pomian, Krzysztof: Der Ursprung des Museums. Vom Sammeln, Berlin 1998, insb. S. 38 – 54, S. 84. Der Begriff des Semiophors ist griffig und viel gebraucht, verengt die Dinge aber semantisch auf ihre Zeichenfunktion („Zeichenträger“) und unterschlägt ihre materielle, räumliche Wirkung, obwohl Pomian diese explizit mit im Blick hat. 13 Greenblatt, Stephen: Resonance and wonder, in: Carbonell, Bettina (Hg.): Museum studies. An anthology of contexts, Oxford 2004, S. 541 – 555. 14 Böhme, Gernot: Atmosphäre. Essays zur neuen Ästhetik, Frankfurt 1995, S. 27 – 32, Zitate S. 27, 29. 15 Dies in Abgrenzung von der „verstehenden Soziologie“ (Peter Berger und Thomas Luckmann), die alle soziale Wirklichkeit als gesellschaftliche Konstruktion ansieht, ergo als bedeutungsgeladen bei jeder Handlung. Dies auch gegen Clifford Geertz Methode der dichten Beschreibung, die den Menschen als Wesen versteht, das in „selbstgesponnene Bedeutungsgewebe verstrickt ist“. Vgl. auch Lenk, Carsten: Kultur als Text. Überlegungen zu einer Interpretationsfigur, in: Glaser , Renate / Luserke, Matthias (Hg.): Literaturwissenschaft, Kulturwissenschaft. Positionen, Themen, Perspektiven, Opladen 1996, S. 116 – 128, hier S. 117f. 16 In den 70er und 80er Jahren wurde sie erregt im Zuge der Neueröffnung des Historischen Museums Frankfurt (1972), des Römisch-Germanischen Museums Köln (1974) und der Gründungsideen für das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn (1994) sowie für das Deutsche Histo-
die sprache der dinge museumsobjekte zwischen zeichen und erscheinung
rische Museum in Berlin (Eröffnung der Dauerausstellung 2006) geführt, und Historiker, Pädagogen, Kunst- und Kulturwissenschaftler diskutierten in der Folge intensiv über den Lehr-, Bildungs- und Bebilderungsauftrag des Museums. Vgl. dazu Spickernagel, Ellen / Walbe, Brigitte (Hg.): Das Museum. Lernort contra Musentempel, Gießen 1976; Korff, Gottfried: Bildwelt Ausstellung. Die Darstellung von Geschichte im Museum, in: Ulrich Borsdorf u. a. (Hg.): Orte der Erinnerung. Denkmal, Gedenkstätte, Museum, Frankfurt, New York 1999, S. 319 – 335. 17 Frey Dagobert / Frey, Gerhard (Hg.): Bausteine zu einer Philosophie der Kunst, Darmstadt 1976, S. 236 – 238, hier S. 238. 18 Dazu ausführlich Mersch, Dieter: Das Bild als Argument. Visualisierungsstrategien in der Naturwissenschaft, URL: http://www.dieter-mersch.de/download/mersch.bild.als.argument. pdf. 19 Zur Kritik an der vermeintlichen Eindeutigkeit des Textes vgl. v. a. Derrida, Jacques: Grammatologie, Frankfurt 1983. 20 Wiesing, Lambert: Zeigen, Verweisen und Präsentieren, in: van den Berg, Karen / Gumbrecht, Hans Ulrich (Hg.): Politik des Zeigens, München 2010, S. 17– 28. 21 Fehr, Michael: Das Museum als Ort der Beobachtung zweiter Ordnung, in: Beier, Rosmarie (Hg.): Geschichtskultur in der Zweiten Moderne, Frankfurt, New York 2000, S. 149 – 166, hier S. 151. 22 Figal, Erscheinungsdinge, S. 10. Der Kunstgenuss muss dabei freilich dem Erkenntnisgewinn nicht entgegenstehen, sondern kann diesen ermöglichen. Er kann aber mit ihm konkurrieren, wenn das eine zulasten des anderen unterdrückt oder exponiert wird. 23 Assmann, Aleida: Die Sprache der Dinge. Der lange Blick und die wilde Semiose, in: Gumbrecht , Hans Ulrich / Pfeiffer, Ludwig: Materialität der Kommunikation, Frankfurt 1988, S. 237 – 251. 24 Dies zumal, da die Wahrnehmung der Dinge entscheidend von der Kenntnis kultureller Codes abhängt, die etwa ein Material als wertvoll, unkonventionell oder neu einstufen. 25 Vgl. dazu Köstlin, Konrad / Bausinger, Hermann (Hg.): Umgang mit Sachen. Zur Kulturgeschichte des Dinggebrauchs, Regensburg 1983. 26 Hauser, Andrea: Sachkultur oder materielle Kultur? Resümee und Ausblick, in: König, Gudrun (Hg.): Alltagsdinge. Erkundungen der materiellen Kultur, Tübingen 2005, S. 139 – 150, hier S. 148; Korff, Museumsdinge, S. XVIIf. Vgl. exemplarisch für die amerikanische Position Hein, Hilde: „Existentially and as subsistent mental entities, objects inhabit systematic frameworks that relate them both to subjects
that construct meanings and to other objects that are part of meaning systems.” Nicht die Objekte per se seien authentisch, sondern das historische Konzept, für das sie stehen. Das gelte insbesondere für Massenprodukte, die nie einzigartig waren und deshalb v. a. als Repräsentanten einer fernen Wirklichkeit interessant seien. „Their truth is embodied in the general rather than in idiopathic instances.” Zit. nach Hein: The museum in transition, S. 55 – 62. 27 Zit. nach Wilharm, Heiner / Bohn, Ralf: Einführung, in: Dies. (Hg.): Inszenierung und Ereignis. Beiträge zur Theorie und Praxis der Szenografie, Bielefeld 2009, S. 9 – 43, hier S. 9. Vgl. zum Begriff der Szenografie Thiemeyer, Thomas: Inszenierung und Szenografie. Auf den Spuren eines musealen Grundbegriffs und seines Herausforderers, in: Zeitschrift für Volkskunde 2, 2012, S. 199 – 214. 28 Hein, The museum in transition, S. 63 – 66, hier S. 65. 29 Korff, Museumsdinge, S. 143. 30 Hein, The museum in transition, S. 79. 31 Weil, Stephen: Collecting then, collecting today. What’s the difference?, in: Anderson, Gail (Hg.): Reinventing the Museum. Historical and Contemporary Perspectives on the Paradigm Shift, Oxford, New York u. a. 2004, S. 284 – 291. 32 Vgl. dazu Fehr, Michael: Wissenschaftliche und künstlerische Taxonomien. Überlegungen zum Verhältnis von Schausammlung und Schaudepot, in: Natter, Tobias / Fehr, Michael / Habsburg-Lothringen, Bettina (Hg.): Das Schaudepot. Zwischen offenem Magazin und Inszenierung, Bielefeld 2010, S. 13 – 30, hier S. 20 – 22. 33 Vgl. Heesen, Anke te / Lutz, Petra: Einleitung, in: Dies. (Hg.): Dingwelten. Das Museum als Erkenntnisort, Köln, Weimar, Wien 2005, S. 11 – 24, hier 14f. 34 Mersch, Was sich zeigt, S. 9.
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Ungewissheiten – Wissens(v)ermittlung im Medium Ausstellung Ich bin gebeten worden, zum Kontext der Wissensvermittlung in Ausstellungen einen Beitrag aus der Perspektive einer Kuratorin von thematischen Ausstellungen1 zu schreiben. Die Anfrage hat mich gefreut – umso mehr, als im Feld der Vermittlung selten von kuratorischem Arbeiten die Rede ist. Die in kulturgeschichtlichen Museen (auf die ich mich hier vorrangig beziehen möchte) geleistete Wissensvermittlung wird trotz eines mittlerweile differenzierten wissenschaftlichen Diskurses2 noch immer einzig im Bereich der Museumspädagogik verortet. Die institutionelle Praxis folgt einem engen Vermittlungsbegriff, nach dem die Kuratoren der Wissenschaft verpflichtet sind, während die Pädagogen sich als Anwälte der Besucher verstehen.3 Den Kuratoren fällt es zu, Ausstellungsthemen theoretisch zu konzipieren und sie mit einer disziplinär abgesicherten Auswahl an Objekten zu untermauern, die den Besuchern in einem zweiten Schritt von pädagogischer Seite nahegebracht werden sollen. Dieses Setting aus einer zentral auf wissenschaftliches Wissen gegründeten ausstellerischen Arbeit und einer nachgeschalteten auf den Besucher bezogenen didaktischen Pädagogik wurde in der letzten Dekade um eine dritte Instanz ergänzt, die „szenografische“, räumliche Ausstellungsgestaltung.4 Ähnlich wie die personale museumspädagogische Vermittlung erfüllt diese meist eine kompensatorische Funktion, indem sie für das Publikum die Verständnisbrücken zu dem ausgestellten Fachwissen schlagen soll. Die Folge sind häufig gestalterische Gesten, die ohne jede konzeptuelle und argumentative Rückbindung ins Leere laufen. Dieses Verständnis von Vermittlung als einer separaten und nachgeordneten Expertise, die in die Hände der Museumspädagogik gehört, ist zwar hierzulande nach wie vor verbreitet,5 im sich wandelnden musealen Feld mit veränderten Partizipationsbedürfnissen des Publikums jedoch längst nicht mehr zeitgemäß. Angesichts der gegenwärtigen bildungspolitischen Redefinition des Museums als „außerschulischer Lernort“, den es für die Zwecke „lebenslangen Lernens“ zu erschließen gelte,6 erscheint es umso dringlicher, einen museums- und ausstellungsspezifischen Vermittlungsbegriff zu gewinnen, mit dem sich die Bildungspotenziale der Institution in ihrer Eigenart fassen lassen. Das Festhalten
Ungewissheiten – Wissens(v)ermittlung im Medium Ausstellung
an dem engen museumspädagogischen Begriff verstellt nicht nur den Blick auf das Besondere der unterschiedlichen Vermittlungsmethoden und -formen, aus dem fruchtbare Anhaltspunkte für eine andere Praxis zu gewinnen wären; es lässt uns viel grundsätzlicher über die Stelle oder die Position im Unklaren, von der jedes Ausstellen (und somit alles Vermitteln) seinen Ausgang nimmt. Ohne die Besetzung dieser Stelle, ohne die Kenntlichmachung, wer da zu wem und in wessen Namen spricht oder sprechen will, muss Vermittlung (sei sie kuratorischer, szenografischer oder museumspädagogischer Art) auf der Ebene einer bloß affirmativen Weitergabe von Fakten und Informationen stehenbleiben, für die das Medium Ausstellung, so vermute ich, in seiner vorrangig visuellen Verfasstheit gar nicht spezifisch geeignet ist. Im Gegenteil, womöglich liegen die Potenziale des Mediums gerade im Verfehlen jeder gesicherten Erkenntnis, in etwas, dass sich einer bloßen Weitergabe von Wissen und bereits Gewusstem versperrt.
I. Wissens(v)ermittlung Wenn Ausstellungen als Medien der Wissensvermittlung7 aufgerufen werden, wie es in den gegenwärtigen Bemühungen, das Museum in den erweiterten Bildungskontext zu integrieren, üblich geworden ist, verbindet sich dies meist mit der unhinterfragten Übereinkunft, dass sie geeignet seien, ein vorgängiges, überprüfbares, weitgehend gesichertes Wissen an ein Gegenüber weiterzugeben. Diese Grundannahme einer einfachen Übertragbarkeit von sprachlich-textuell codiertem Wissen in das vornehmlich visuell verfasste Medium der Ausstellung ist weiterhin prägend für das kulturhistorische Museum, wenngleich solche Konzepte in der neueren kulturgeschichtlichen Forschung längst in Frage gestellt worden sind.8 Ein materielles Objekt, eine Inszenierung, eine Medieninstallation, ein Modell ist dabei gedacht als ein Zeichen für etwas anderes, das es repräsentiert. Die Objekte stehen für etwas anderes als sich selbst, sie sind bloße Zeichenträger und fungieren als Zeugen und Belegstücke historischer Konstellationen.9 Ihre Präsentation folgt dabei der wortsprachlichen Logik vorgängiger wissenschaftlicher Diskurse, welche sich, je umfassender ihr Wahrheitsanspruch, desto vereinnahmender zu den Dingen verhalten. Auffallend ist in solchen Präsentationen, dass die Objekte in einem bloßen Nebeneinander verharren, ohne untereinander in Beziehung zu treten. Selten wird hier der Versuch unternommen, durch Komposition und das Zueinander-in-Stellung-Bringen von Objekten eine visuelle Argumentation zu entwickeln. Charakteristisch für viele kulturhistorische Dauerausstellungen ist so auch die bevorzugte Installation oder Aneinanderreihung der Exponate in sich ebenso aneinander reihenden Wandvitrinen, die, weil nur frontal einsehbar, noch aus jedem dreidimensionalen Gegenstand eine „Flachware“ machen. Frei im Raum positionierte Objekte, deren ästhetische Konstellation Aufmerksamkeit auf sich zieht und zu denken gibt, findet man hier höchst selten. Ihr Bezugsfeld ist immer zu allererst der Text, das Schild, auf dem geschrieben steht, was hier und wie es zu sehen ist. Die-
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se objektivierenden Zuschreibungen, die jedes Ding im Museum begleiten, übernehmen als Repräsentanz der wissenschaftlichen Diskurse eine entscheidende Rolle.10 Im kulturgeschichtlichen Museum dienen nicht, wie man spontan vermuten würde, die Schilder den Objekten, sondern die Objekte den Schildern: Das Wissen geht den Dingen immer schon voraus und hat die Autorität über die Darstellung. Der kuratorische Vermittlungsakt beschränkt sich dann auf die vermeintliche Weitergabe von Wissen qua Text, das sich irgendwie in den Objekten abbilden soll. Aber die Objekte bleiben stumm. Als bloße Äquivalente oder Funktionen der Sprache geraten sie buchstäblich aus den Augen. Entgegen allem Anschein haben wir es im kulturgeschichtlichen Museum mit einer kaum zu überschätzenden Marginalisierung des Dinglichen zugunsten eines vorgängigen Wissens und damit einer extremen Beschränkung seines eigentümlichen Potenzials zu tun, das zum einen in seiner Vieldeutigkeit, seiner Polysemie liegt und zum anderen in einer praktisch wie theoretisch völlig unterschätzten materiellen Anwesenheit im Raum. Und obwohl in der Funktionalisierung der Dinge als Belege oder Illustrationen für ihnen äußerliche Wissenszusammenhänge ein hochintentionaler Akt der Bedeutungszuweisung liegt, kommt diese Art historischer Ausstellung scheinbar neutral daher, indem die Macher hinter einer vorausgesetzten wissenschaftlichen Wahrheit unkenntlich bleiben. Eine kuratorische Position wird nicht offenbar beziehungsweise sie wird (scheinbar) nicht eingenommen, und folglich gibt es auch nur eine richtige Sichtweise. Was gewusst werden soll oder wie zu sehen ist, wird nicht zur Disposition gestellt. Eben dieser „affirmative“ und „reproduktive“11 Modus des Ausstellens ist aber gemeint, wenn Ausstellungen als Medien der Wissensvermittlung aufgewertet werden sollen. Mittels lehrend-erklärender Eingriffe und im Sinne einer 1:1-Weitergabe von Informationen soll hier aus dem unwissenden Publikum von heute das wissende von morgen werden.
II. Wissens()ermittlung Traut man seinen Augen, sieht man, wenn man eine kulturhistorische Ausstellung betritt, sprachlose Objekte, Bilder, Texte, manchmal auch neue Medien, die sich in einer jeweils bestimmten Ordnung zueinander verhalten und gestalterisch im Raum in bestimmter Weise in Position gebracht worden sind. Ausstellungen sind Medien, deren Besonderheit zunächst einmal darin liegt, dass in einem mehr oder weniger intentionalen Akt aus unterschiedlichen Medien eine je eigene Ordnung und ein neues Ganzes gebildet wird, das immer einen Dritten adressiert und diesen auf eine bestimmte Weise imaginiert: als Unwissenden oder Wissenden, als aktiv oder passiv, als Lernenden, Suchenden, Fragenden und Antwortenden. Dieser Dritte erst vervollständigt die Ordnung, indem er in sie eintritt. Im Ausstellungsraum stehen dabei die anwesenden Dinge, Werke oder Installationen
Ungewissheiten – Wissens(v)ermittlung im Medium Ausstellung
dem, was gewusst wird und sich in Form von Texten artikuliert, um das Zeichenhafte an ihnen geltend zu machen, zuerst einmal gegenüber. Denn die Exponate in einer Ausstellung sind immer auf zwei Ebenen vorhanden: als Zeichenträger auf der Ebene der Bedeutung und gleichzeitig als materielle Entitäten, die dem Zeichen seine Präsenz verleihen. Sie nehmen Raum ein. Man könnte auch sagen, sie sind Objekte und Dinge zugleich. Diese beiden Formen ihrer Anwesenheit im Ausstellungsraum fallen nicht zusammen. Zwischen Bedeutung und Materialität besteht eine Differenz, die unauflösbar ist. Und hier, in diesem Zwischenraum zwischen der Sprachlosigkeit und Bedeutungsoffenheit der Dinge und der Bezeichnungsmacht der Worte liegt – so meine These – das besondere Erkenntnispotenzial des Mediums Ausstellung begründet. Kuratorisches Arbeiten bedeutet, diesen Zwischenraum als Möglichkeitsraum zu begreifen, in dem Erkenntnisse erst generiert werden, neues Wissen allererst ermittelt wird. Kuratoren und Kuratorinnen sind im besten Fall diejenigen, die diesen Raum kenntlich machen und offen halten, die zwischen den Worten und den Dingen moderieren; die Thesen vertreten, sich angreifbar machen, Objekte in Stellung bringen und mögliche Verstehensweisen evozieren, ohne diese als einzig denkbare zu postulieren und ohne die Mehrdeutigkeit der Dinge selbst zu negieren. Dafür ist es unabdingbar, die verbale Argumentation durch das ästhetische Arrangement, das Argumentieren mit den Dingen zu ergänzen oder zu konterkarieren. Zwischen dem „Bestücken“ einer Vitrine und ihrem „Einräumen [...] als ernsthaftem Versuch, mit den Dingen etwas mitzuteilen“12, besteht, wie es Michael Fehr in seinen Überlegungen zu den bildhaften Erzählstrukturen von Ausstellungen jüngst dargelegt hat, ein himmelweiter Unterschied. Eine Ausstellung zu kuratieren beinhaltet nicht nur die Entwicklung von Themen, Fragestellungen und Thesen, sondern – damit aufs Engste verwoben – eine Interaktion mit den Dingen, die deren Auswahl, Ordnung, Kombination und schließlich Positionierung im Raum umfasst.13 Das Ausloten ihrer möglichen Bedeutungen ist dabei nicht von ihrer „Präsentifikation“ zu trennen. Diesen (unmöglichen) Begriff entlehne ich Hans Ulrich Gumbrecht. Er hat den Begriff der Präsenz vor einiger Zeit zum Ausgangspunkt seiner Kritik an der Dominanz des Interpretationsparadigmas gemacht, das nicht hinreichend beschreibt, wie Menschen die Welt verstehen und aneignen.14 Das Nicht-Hermeneutische ist nach Gumbrecht das, was sich durch Interpretation, also die Zuschreibung von Bedeutung, nicht einlösen lässt, was uns vielmehr präsent ist, sich in unserer Reichweite befindet und damit nicht begrifflich, sondern räumlich, sinnlich-körperlich erfahren werden kann. Diese sinnliche Erfahrung von Präsenz verringert den Abstand zu den Dingen der Welt und bringt so die Dimension der subjektiven Erfahrung wieder ins Spiel, die in der konventionellen Auffassung von Wissensvermittlung nicht vorgesehen ist. Als Bildungsort empfiehlt sich dann das Museum gerade deswegen, weil seine elaborierten Techniken des Zeigens und der Präsentifikation es vermögen, unser Lernen durch Begriffe, das die Dinge zugleich distanziert,
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zu durchkreuzen und die tatsächliche Interrelation zwischen den Dingen und uns wieder fühlbar und vorstellbar zu machen. Bedeutungserfahrungen auf der einen und Präsenzerfahrungen auf der anderen Seite gehen dabei ebenso wenig wie Worte und Dinge ineinander auf: Es ist im Gegenteil die Spannung zwischen dem Bedeuten der Dinge und ihrer materiellen Anwesenheit im Raum, die die besonderen Erkenntnismöglichkeiten in Ausstellungen begründet. Kuratieren meint also neben der wissenschaftlich-thematischen Auseinandersetzung immer auch die Herstellung von Präsenz als Bedingung und Ausgangspunkt eines je individuellen Erkenntnisprozesses – einem Amalgam aus vielfältigen Sinneserfahrungen und intellektuellem Begreifen. Es erstattet dem Publikum das Recht zurück, seinen Augen zu trauen und damit den Berührungen und Irritationen durch die Dinge als einer eigenen Dimension der Erfahrung Platz einzuräumen. Wissensermittlung ist dann nicht mehr das Darstellen einer vorgängigen Wahrheit, sondern ein den Besucher involvierender performativer Akt der Befragung und des Auslotens von Wissen in und mit den Dingen, der sich je und je im Konkreten des Ausstellungsraums ereignet.15 Wissensermittlung heißt, eine Position zwischen dem Thema / der Fragestellung, dem Betrachtenden und den Objekten herzustellen. Sie steht also nicht mehr in einem dienenden Verhältnis zur Wissenschaft und zu den von ihr vereinnahmten Dingen, sondern erkundet Schnittmengen, Verschiebungen und Widersprüche zwischen dem Wissen und den Dingen. Eine Erweiterung der musealen Bildungsfunktion – von der Vermittlung gegebenen zur Ermittlung neuen Wissens16 – hätte spürbare Folgen auch für das wechselseitige Verhältnis von Ausstellungskuratoren, -gestaltern und -besuchern und Dingen im Ausstellungsraum. Nicht nur könnten die Dinge, die bisher auf ihren Zeugnis- und Belegcharakter reduziert wurden, ihre Handlungsmacht zurückgewinnen;17 auch die Besucher könnten auf diese Weise verlorene aktive Deutungsmacht über das, was ihre Augen sehen, zurückgewinnen, könnten angeregt sein, es „auf ihre jeweils eigene Weise […] zu übersetzen“.18 Und die unterschiedlichen Arten der Expertise von Szenografen, Museumspädagogen und Kuratoren würden als vermittelnde Gesten in Bezug auf einen Inhalt sichtbar und bildeten zusammen das Vermittlungsgefüge einer Ausstellung. Bildung, wie ich sie hier meine, versteht sich nicht als verlängerter Arm der Schule, sie ist weder funktional im Sinne bildungspolitischer Zielsetzungen noch effektiv, kompetenzsteigernd oder qualifizierend für den Arbeitsmarkt. Sie zielt auf Mündigkeit und Selbstermächtigung, wird nicht instruiert, sondern kann sich ereignen – oder auch nicht; sie geht das Risiko des Scheiterns ein. Wir alle, die wir im Museum vermittelnd tätig sind, haben letztlich, auch wenn gelegentlich anderes behauptet wird, keine Kontrolle darüber, welche Erkenntnisse die einzelnen Ausstellungsbesucher gewinnen, wie sich dieses neue Wissen in ihren besonderen Wissenshorizont und Wahrnehmungsraum einfügen mag, welche neuen Verknüpfungen
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dadurch entstehen und ob und wie es produktiv werden kann. Wir können nur, wie es der Erziehungswissenschaftler und Psychoanalytiker Karl-Josef Pazzini ausgedrückt hat, die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Bildungsprozesse stattfinden.19 Jede Vermittlung wird also immer von dieser grundlegenden Ungewissheit begleitet, die nicht eine lästige Begleiterscheinung, sondern überhaupt ihre Bedingung ist.
1 Wie z. B. Der Neue Mensch. Obsessionen des 20. Jahrhunderts, Deutsches Hygiene-Museum Dresden 1999; PSYCHOanalyse. Sigmund Freud zum 150. Geburtstag, Jüdisches Museum Berlin 2006; Arbeit. Sinn und Sorge, Deutsches Hygiene-Museum Dresden 2009/2010, s. auch www.prauth.de. 2 Dieser bleibt allerdings im Wesentlichen auf die Kunstvermittlung beschränkt. Stellvertretend Maset, Pierangelo: Praxis, Kunst, Pädagogik, Lüneburg 2001; Mörsch, Carmen: Am Kreuzungspunkt von vier Diskursen, in: Dies. (Hg.): Kunstvermittlung 2. Zwischen kritischer Praxis und Dienstleistung auf der documenta 12. Ergebnisse eines Forschungsprojekts, Berlin, Zürich 2010, S. 9 – 33; Zum Zusammenhang der Konjunktur des Wissensbegriffs und des Mediums Ausstellung vgl. Heesen, Anke te: Objekte der Wissenschaft. Eine wissenschaftshistorische Perspektive auf das Museum, in: Baur, Joachim (Hg.): Museumanalyse, Bielefeld 2010, S. 212 – 230. 3 Vgl. Kunz-Ott, Hannelore: Im Interesse des Besuchers. Die Rolle der Museumspädagogik, in: Kirchhoff, Heike / Schmidt, Martin (Hg.): Das magische Dreieck. Die Museumsausstellung als Zusammenspiel von Kuratoren, Museumspädagogen und Gestaltern, Bielefeld 2007, S. 119 – 128. 4 Weiterhin bleibt das Kuratorische als Vermittlungsinstanz ausgespart. Vgl. dazu etwa Osses, Dietmar: Kreative Spannungen. Zur Gestaltung von Bildung, Unterhaltung und Vermittlung in historischen Ausstellungen, in: Kirchhoff / Schmidt, a. a. O., S. 75 – 88, hier S. 77. Zu einer avancierteren Position, die den Raum als Medium der Vermittlung begreift, vgl. Habsburg-Lothringen, Bettina / Gillmann, Ursula: Was lange währt, soll gut sein. Gespräch mit der Schweizer Ausstellungsgestalterin Ursula Gillmann, in: Natter, Tobias G. u.a. (Hg.): Die Praxis der Ausstellung. Über museale Konzepte auf Zeit und auf Dauer, Bielefeld 2012, S. 241 – 249. 5 Dies ist etwa in England mit seiner frühen Tradition der gallery education ganz anders. Für „content“ oder „education“ sind dort verschiedene Arten von Kuratoren zuständig. 6 Aktuelle gesellschaftliche Standortbestimmungen des
Museums sehen seine Funktion fast ausnahmslos in der Bereitstellung eines Potenzials für kulturelle Bildung und lebenslanges Lernen, vgl. Treinen, Heiner: Das Museumswesen. Fundus für den Zeitgeist, in: Kirchhoff / Schmidt, a. a. O., S. 27 – 40, hier S. 27. 7 Stellvertretend Graf, Bernhard: Ausstellungen als Instrument der Wissensvermittlung, in: Museumskunde 68, 2003, S. 73 – 81. 8 Vgl. dazu etwa Bal, Mieke: Kulturanalyse, Frankfurt am Main 2006, S. 224f. sowie den aufschlussreichen Text von Fayet, Roger: „Ob ich nun spreche oder schweige“. Wie das Museum die Dinge mit Bedeutung versieht, in: Ders.: Im Land der Dinge. Museologische Erkundungen, Baden 2005, S. 11– 27, hier S. 13. 10 Zur Rolle von Texten in Ausstellungen stellvertretend Jaschke, Beatrice: Einleitung, in: Dies. u.a. (Hg.): Wer spricht. Autorität und Autorschaft in Ausstellungen, Wien 2005, S. 10. 11 Mörsch, Carmen, a. a. O., S. 9f. 12 Fehr, Michael: Erzählstrukturen in der bildenden Kunst. Modelle für museale Erzählformen, in: Natter, a. a. O., S. 121-146, hier S. 121ff. 13 Vgl. dazu Fayet, a. a. O., S. 18f. 14 Gumbrecht, Hans-Ulrich: Jenseits der Hermeneutik. Die Produktion von Präsenz, Frankfurt am Main 2004. 15 Zum Ausstellen als eigener Erkenntnisform, in der die Exponate „zur erhöhten Gegenwart und dinglichen Erscheinung gebracht werden“, vgl. Gfrereis, Heike: Didaktik des Schweigens. Das Literaturmuseum der Moderne des Deutschen Literaturarchivs Marbach, in: Der Deutschunterricht, 6, 2008, S. 17. 16 Vgl. Heesen, Anke te, a. a. O. 17 Vgl. die Umsetzung der Actor-Network-Theorie von Bruno Latour in der Studie von Harasser, Doris u.a. (Hg.): Wissen spielen. Untersuchungen zur Wissensaneignung von Kindern im Museum, Bielefeld 2011, bes. S. 40ff. 18 Rancière, Jacques: The emanicipated spectator. Ein Vortrag zur Zuschauerperspektive, in: Texte zur Kunst, 15, 58, 2005, S. 34 – 51, hier S. 47. 19 Pazzini, Karl-Josef: Ästhetische Bildung stört Einbildungen, 2004, S. 2, http://mms.uni-hamburg.de/ blogs/pazzini/?p=78 (abgerufen am 26.8.2012)
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Das Museumspublikum von morgen – analyse einer empirischen bestandsaufnahme Susanne Keuchel
Die folgende Darstellung stützt sich primär auf Daten des 2. Jugend-KulturBarometers, das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und vom Zentrum für Kulturforschung (ZfKf) 2010/2011 durchgeführt wurde. Insgesamt wurden bundesweit repräsentativ 2.560 junge Leute zu ihren außerhäuslichen kulturellen Interessen und Besuchen sowie ihren künstlerisch-kreativen Freizeitaktivitäten befragt. Ergänzend wird im Folgenden auch auf andere Bevölkerungsumfragen des ZfKf zurückgegriffen, um Entwicklungen aufzuzeigen, so unter anderem auf das KulturBarometer 50+1 und das InterKulturBarometer 2, das vom Bundesbeauftragen für Kultur und Medien, den Ländern Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen gefördert wurde.
Aktuelles Interesse an Museen und Museumsbesuche der 14- bis 24-Jährigen Über das Museum und sein Publikum lässt sich eigentlich nicht im Singular sprechen, so vielfältig ist die Museumslandschaft aufgestellt. Das Spektrum umfasst so unterschiedliche Häuser wie Kunstmuseen, kulturgeschichtliche Museen, Technik-, Naturkunde-, Völkerkundemuseen und viele weitere Museumsarten. Und so vielfältig wie die Museumslandschaft ist auch das Publikum. 32 Prozent der Gesamtbevölkerung geben an, sich allgemein für Museen zu interessieren, unter den 50-Jährigen und Älteren liegt der Anteil bei 38 Prozent.3 Deutlich geringer ist hier das aktuelle Interesse der 14- bis 24-Jährigen mit 13 Prozent nach dem 2. Jugend-KulturBarometer 2010/2011, das im Zeitvergleich zu 2004 sogar noch um drei Prozentpunkte4 abgenommen hat. Eine Distanz der Jugend zu klassischen Kulturangeboten, wie Theater oder Oper, kann allgemein beobachtet werden. Wesentlich beliebter sind bei jungen Leuten populäre Kulturangebote, wie Popmusik oder Film, die auch in den Medien sehr präsent sind. Entsprechend zeigen sich auch bei den Ausstellungspräferenzen der 14- bis 24-Jährigen deutliche Unterschiede: Ausstellungsformen, die mediale Kunstformen thematisieren, wie Fotografie (31 Prozent) oder
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Medien- und Videokunst (27 Prozent), oder auch aktuelle Themen, wie Zeitgeschichte (21 Prozent) oder technisch-naturwissenschaftliche Themen (21 Prozent), sind bei den 14- bis 24-Jährigen teils sogar noch beliebter als bei älteren Bevölkerungsgruppen. Wenig Interesse zeigen junge Leute dagegen für Kunst aus vergangenen Jahrhunderten. Übersicht 1: Interesse an verschiedenen Ausstellungsthemen bei den 14- bis 24-Jährigen (2010/2011) und bei der Generation „50+“ (2007)
ZfKf/GfK 2007; ZfKf/GfK 2011
Das Interesse der Jugend korrespondiert aber nicht mit dem tatsächlichen Besuch von Museen und Ausstellungen, wie dies allgemein auch bei anderen Spartenfeldern und Zielgruppen in der Kulturpraxis beobachtet werden kann: So haben bisher 70 Prozent der 14- bis 24-Jährigen nach eigenen Angaben schon mindestens einmal ein Museum oder eine Ausstellung besucht. Diese Diskrepanz zwischen eher geringem Interesse und tatsächlichem Besuch ist bei jungen Bevölkerungsgruppen vor allem auf eine Vielzahl von Multiplikatoren zurückzuführen, hier vor allem auf das Elternhaus (57 Prozent) und die Schule (69 Prozent), die gemeinsam mit jungen Menschen Kulturveranstaltungen besuchen, um ihr Interesse für klassische Kultur zu fördern.
Das Museumspublikum von Morgen – Analyse einer empirischen bestandsaufnahme
Ansprache bildungsferner Zielgruppen wird immer schwieriger Das Kulturpublikum von morgen konnte nach den vorliegenden Zeitvergleichen des Jugend-KulturBarometers zwischen 2004 und 2010/2011 nicht weiter ausgebaut werden. Das Interesse am Kulturgeschehen hat bei den 14- bis 24-Jährigen (23 Prozent) 2010/2011 punktuell sogar leicht abgenommen im Vergleich zu 2004 (25 Prozent) und steht im Gegensatz zu der leichten Zunahme in der älteren Bevölkerung im gleichen Zeitraum. Ein Rückgang des Interesses konnte vor allem bei der jüngeren Bevölkerung mit niedriger Schulbildung beobachtet werden. Damit hat sich die Bildungsschere noch weiter geöffnet: Der Anteil der wenig oder gar nicht an Kultur Interessierten unter den 14- bis 24-Jährigen mit niedriger Schulbildung ist seit 2004 um 16 Prozentpunkte gestiegen. Bei der Analyse der Faktoren, die kulturelle Teilhabe junger Leute mit niedriger Schulbildung verhindern bzw. erschweren, nehmen, wie schon nach den Ergebnissen des 1. Jugend-KulturBarometers, das soziale Umfeld und vor allem das Elternhaus Schlüsselfunktionen ein. Junge Leute aus bildungsfernen Milieus haben deutlich seltener Zugriff auf formelle außerschulische und informelle Multiplikatoren. Eltern mit hoher Schulbildung sorgen anteilig wesentlich öfter für einen frühen und kontinuierlichen Zugang ihrer Kinder zu kulturellen Angeboten. Haben beispielsweise 78 Prozent der Eltern mit hoher Schulbildung schon mindestens einmal ein Kulturangebot mit ihren Kindern besucht, sind es bei Eltern mit einer niedrigen Schulbildung 45 Prozent.
Exkurs: Migration – ein Einflussfaktor für kulturelle Teilhabe? In der aktuellen kulturpolitischen Diskussion wird inzwischen auch intensiv über die kulturelle Teilhabe migrantischer Mitbürger/-innen gesprochen. So war beispielsweise die Jahrestagung des Deutschen Museumsbunds 2012 in Stuttgart dem Thema „Museen in der pluralen Gesellschaft“5 gewidmet. Dabei stellen sich grundsätzlich zwei Fragen: Gestaltet sich kulturelle Teilhabe bei Bevölkerungsgruppen mit Migration anders als bei nichtmigrantischen Gruppen? Und müssen hier andere Vermittlungskonzepte zum Tragen kommen? Im 2. Jugend-KulturBarometer wurde erstmals eine Stichprobenerhebung bei jungen Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund durchgeführt, um detaillierte Aussagen über diese Bevölkerungsgruppen gewinnen zu können. Auch das InterKulturBarometer hat hier erstmals im Detail kulturelle Teilhabe untersucht. Nach dem InterKulturBarometer 6 erreichen zurzeit weder Museen noch andere klassische Kultureinrichtungen, noch die freie Kulturszene Bevölkerungsgruppen mit Migrationshintergrund in gleichem Maße wie Bevölkerungsgruppen ohne Migrationshintergrund. Dabei gilt es zu beachten, dass es keine auffälligen Bildungsunterschiede zwischen den migrantischen und nicht migrantischen Bevölkerungsgruppen gibt.7
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Gründe für mangelnde, aber auch für eine überdurchschnittliche kulturelle Teilhabe im Kontext von Migration liegen primär in der räumlichen Distanz der Herkunft einzelner Bevölkerungsgruppen zum europäischen Kulturraum, der Sprachkompetenz und Unterschieden in der kulturellen Infrastruktur von Aufnahme- und Herkunftsland. Migrantische Bevölkerungsgruppen aus der Türkei (57 Prozent) interessieren sich beispielsweise im Vergleich zu anderen migrantischen Bevölkerungsgruppen (79 Prozent) deutlich seltener für Kunst aus dem europäischen Kulturraum, aber häufiger für Kunst aus dem arabisch geprägten Kulturraum (64 Prozent). Migrantische Bevölkerungsgruppen aus ehemals kommunistisch geprägten Ländern, aus Osteuropa und vor allem Russland, wo die gewerkschaftliche Kulturarbeit gezielt gefördert wurde,8 zeigen sich dagegen deutlich stärker an klassischen Kulturangeboten interessiert. Grundsätzlich spielen auch spezifische kulturelle Praktiken, Seh- und Hörgewohnheiten eine Rolle. So ist zum Beispiel der Anteil der Menschen, die keine Kunstausstellungen besuchen, in der Bevölkerungsgruppe mit islamischer Religionszugehörigkeit relativ hoch. Die Kunst des arabischen Kulturraums zeichnet sich etwa im Gegensatz zu der des europäischen Kulturraums bis in die Neuzeit durch eine tendenzielle Vermeidung bildlicher Darstellungen aus, was zu einer Betonung kalligrafischer und ornamentaler Elemente geführt hat.9 Es bedarf hier also Formen kultureller Bildung, die auf diese spezifischen kulturellen Hör- und Sehgewohnheiten reagieren. Eine Betrachtung der Entwicklung der Museumsbesuche von der ersten bis zur dritten Migranten/-innengeneration veranschaulicht eine stetige Zunahme der Museumsbesuche in diesen Gruppen. Die dritte Migranten/-innengeneration, die sich laut Analyse des InterKulturBarometers durch ein starkes Interesse an außerhäuslichen Kulturangeboten auszeichnet, besucht etwa ebenso häufig Museen wie die deutschstämmige Bevölkerung. Bei der Frage, wie migrantische Zielgruppen noch besser erreicht werden können, wird von migrantischen wie von nicht migrantischen Bevölkerungsgruppen der hohe Stellenwert der kulturellen Bildung hervorgehoben. Die dritte Migranten/-innengeneration interessiert sich zudem wieder sehr stark – stärker noch als die erste – für die Kulturgeschichte des familiären Herkunftslandes, was man als eine verstärkte Suche nach eigener kultureller Identität deuten kann. Allgemein lassen die Ergebnisse des InterKulturBarometers erahnen, dass den Museen, und unter diesen vielleicht vor allem den kulturhistorischen Häusern, eine wichtige Rolle auch im weiteren Integrationsprozess zukommen kann. So erlebt die migrantische Bevölkerung die eigene Migrationserfahrung dann besonders positiv, wenn sie sowohl die Kulturgeschichte ihres Herkunfts- als auch des Aufnahmelands wertschätzt.
Das Museumspublikum von Morgen – Analyse einer empirischen bestandsaufnahme
Übersicht 2: Häufigkeit von Ausstellungsbesuchen in der Bevölkerung 2011 differenziert nach Migrationshintergrund, islamischer Religionszugehörigkeit und Migrant/innengeneration
ZfKf/Ipsos 2011
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Kooperationen der Museen mit Schulen – eine sinnvolle Alternative? Können Kooperationen der Museen mit Schulen fehlendes Engagement der Eltern bei der kulturellen Vermittlung ersetzen? Nach den Ergebnissen des 2. Jugend-KulturBarometers 2010/2011 haben es die Kultureinrichtungen geschafft, ihre Kooperationsaktivitäten mit Schulen (hier Besuche kultureller Einrichtungen mit Schulklassen) um 9 Prozentpunkte seit 2004 zu erhöhen und damit den Anteil an Personen, die keine kulturellen Einrichtungen besuchen, unter den 14- bis 24-Jährigen (12 Prozent) im Vergleich zu 2004 um fünf Prozentpunkte zu verkleinern. So hat sich der Anteil der Hauptschüler bzw. Hauptschulabsolventen, die mit der weiterführenden Schule mindestens ein Kulturangebot besuchten, von 15 Prozent 2004 auf aktuell 27 Prozent nahezu verdoppelt. In Form einer Infrastrukturerhebung über Bildungsangebote klassischer Kultureinrichtungen wurde auch ermittelt, dass die ca. 6.200 Museen in Deutschland im Jahr durchschnittlich 346 Bildungsangebote, darunter vor allem Sonderführungen, realisieren, die zu 71 Prozent von Schulklassen besucht werden. Sicherlich haben diese Vielzahl und die Vielfalt der kulturellen Vermittlungsangebote wesentlich dazu beigetragen, dass 27 Prozent der 14- bis 24-Jährigen an Bildungsangeboten in Museen, wie Führungen, kreativen Workshops, Projekten etc. teilgenommen haben. Diese positiven Ergebnisse bestätigen eine bundesweite Infrastrukturerhebung für Bildungsangebote in klassischen Kultureinrichtungen.10 Dennoch konnte mit diesen gesteigerten Angeboten und der Zielgruppenansprache, wie vorausgehend ausgeführt, die kulturelle Teilhabe junger bildungsferner Zielgruppen nicht wesentlich verbessert werden. Die Schere ist hier sogar noch weiter auseinandergegangen – möglicherweise ein Indiz für die Problematik, junge Leute ausschließlich über schulische Aktivitäten an Kunst und Kultur heranzuführen. Auch konnte festgestellt werden, dass junge Menschen, die ausschließlich mit ihren Schulen entsprechende kulturelle Vermittlungsangebote besucht haben (11 Prozent), sich in ihrem Interesse für Museen kaum von denen unterscheiden, die bisher noch gar kein Bildungsangebot in Museen besucht haben (8 Prozent). Dagegen ist das Interesse der jungen Menschen, die dies schon einmal privat, z.B. im Rahmen eines Familienbesuches oder mit Freunden getan haben, mit 28 Prozent mehr als doppelt so hoch, während die „Ausschöpfungsrate“ noch höher ist, wenn schulische und private Zugänge zur Kultur erfolgten.
Das Museumspublikum von Morgen – Analyse einer empirischen bestandsaufnahme
Übersicht 3: Bisheriger Besuch von Bildungsangeboten in Museen bei den 14- bis 24-Jährigen differenziert nach Interesse an Museen und Ausstellungen11 und nach Schulbildung
ZfKf/GfK 2011
Ein Grund, warum kulturelle Bildung über schulische Vermittlung weniger erfolgreich nachhaltiges Interesse an Kultur ermöglicht, liegt vermutlich darin, dass ausschließlich in schulischen Kontexten gewonnene Kulturerfahrungen eine negative Wahrnehmung der 14- bis 24-Jährigen von Kultureinrichtungen als Bildungsanstalten und von Kunst und Kultur als Lernstoff begründen oder verstärken können. Die Übersicht 3 verdeutlicht jedoch auch, dass es wichtig ist, Schule in Kulturvermittlungsprozesse einzubinden, aus dem einfachen Grund, weil junge bildungsferne Zielgruppen sonst kaum erreicht werden. Das bedeutet aber, dass es zukünftig mehr kulturelle Vermittlungskonzepte und -angebote bedarf, die informelle ebenso wie formelle Partner einbeziehen.
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Schlüsselfaktoren, die kulturelle Interessen bei Kindern und Jugendlichen nachhaltiger stärken können Wie kann man das Interesse für Kunst, Museen und Ausstellungen bei jungen Menschen nachhaltiger stärken? Im 2. Jugend-KulturBarometer von 2010/2011 konnten erneut Hinweise zur Angebotsgestaltung ermittelt werden, die die 14- bis 24-Jährigen besonders ansprechend fanden. Eine zunehmend wichtige Rolle bei der Ansprache junger Zielgruppen nehmen soziale Netzwerke und das Internet ein, das mittlerweile alle anderen bisher genutzten Informationskanäle für Kulturveranstaltungen ablöst. Die aktuellen Ergebnisse von 2010/2011 verdeutlichen jedoch noch stärker als die von 2004, dass eine „bloße“ Umgestaltung der Angebotsstruktur nicht ausreicht, um junge Leute für Museen und Ausstellungen zu interessieren. Seit 2004 wurden neue Angebotsstrukturen in Kultureinrichtungen geschaffen, die konkret jugendliche Bedürfnisse und Wünsche aufgreifen, ohne dass sich der Zuspruch hier aber verbessert hat. Die entscheidendere Barriere ist vermutlich die, dass die 14- bis 24-Jährigen diese Angebote immer noch für ihre alltägliche Erlebniswelt nicht als relevant erachten. Dies verdeutlicht die scharfe Grenzziehung der 14- bis 24-Jährigen zwischen traditionellen Kulturangeboten, die negativ als „Lernstoff“, und jenen kulturellen Angeboten und Kunstrichtungen, die nicht als unerwünschte „Pädagogisierung“, sondern als Freizeit- bzw. Unterhaltungsangebot betrachtet werden. Die 14- bis 24-Jährigen erwarten im Jahr 2010/2011 von Besuchen kultureller Einrichtungen einen noch höheren Anteil unerwünschter „Lehreffekte“ anstelle von Freude und Unterhaltung. Dabei wird als Hauptgrund der Jugendlichen, warum sie Kulturangebote im Museum kaum selbstständig wahrnehmen, – neben fehlendem persönlichen Interesse (45 Prozent) bzw. dem Überwiegen anderer Interessengebiete (29 Prozent) – fehlendes Interesse im Freundeskreis (37 Prozent) genannt. Angebote, für die sich der Freundeskreis bzw. die Peergroup nicht interessiert, bieten keinen zusätzlichen sozialen Anreiz, diese wahrzunehmen. Dass alternative Strukturen die Angebote für Jugendliche aber durchaus attraktiver gestalten können (dies gelingt jedoch nur, wenn diese sowohl in der sie umgebenden Lebenswelt als auch für die eigene Altersgruppe relevant erscheinen), kann am Beispiel des Düsseldorfer Jugend-Kulturkonzeptes 12 aufgezeigt werden – einem empirischen Experiment, in dem Jugendliche für klassische Kulturangebote eigene Vermittlungs- und Marketingkonzepte entwickelten (und dem auch eine Besucherumfrage in den zehn beteiligten Kultureinrichtungen vorangestellt wurde). Hier konnte beobachtet werden, dass jugendliche Besucher eine vergleichsweise wesentlich stärkere Bindung zum Museum aufbauten („Hier fühle ich mich wohl“), wenn sie dieses mit Eltern, Freunden oder einem Verein (55 Prozent) besuchten als mit der Schule (36 Prozent). Bei der Analyse der Konzepte, die die jungen Leute entwickelten, konnten neben einer
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stärkeren Berücksichtigung eigener neuer Lebenswelten und einer stärkeren Betonung des Lustfaktors von Kultur der sehr deutliche Wunsch nach mehr Partizipationsmöglichkeiten beobachtet werden.
Fazit Wie kann sich das Museum generell und die (Museums-)Pädagogik im Besonderen in ihrer Praxis der kulturellen Vermittlungsarbeit den neuen Lebenswelten, Themen und Medien junger Zielgruppen gegenüber mehr öffnen? Für partizipative Ansätze gibt es bereits konkrete Beispiele, wie die „Kunst:Dialoge“ des Museum Ludwig in Köln13, wo junge Kunstgeschichtsstudenten zu Kunstvermittlern ausgebildet werden, um gezielt Fragen eines jungen Publikums zu beantworten, oder die „Junge Nacht“ des Museum Kunstpalast Düsseldorf, ein Event im Museum, das gemeinsam mit jungen Leuten konzipiert wird. Für eine erfolgreiche Ansprache junger Zielgruppen bleibt sicherlich auch der Ausbau von speziell auf Kinder und Jugendliche zugeschnittenen Lern- und Erfahrungsangeboten weiterhin wichtig, die in einer Zusammenarbeit von Schulen und Kultureinrichtungen neu konzipiert werden; ebenso und nicht zuletzt – im Sinne der Chancengleichheit – der weitere Ausbau von Kooperationen zwischen Museen mit Haupt- und Grundschulen in sozialen Brennpunkten.
1 Keuchel, Susanne / Wiesand, Andreas J.: Das KulturBarometer 50+, Bonn 2008. 2 Keuchel, Susanne: Das InterKulturBarometer, in: Kulturpolitische Mitteilungen, 137 II, 2012, S. 56. 3 Zentrum für Kulturforschung (Hg.): 8. KulturBarometer – Tabellenband, Bonn 2005. S. 13 – 18. 4 Vgl. Keuchel, Susanne / Wiesand, Andreas J.: Das 1. Jugend-KulturBarometer, Bonn 2006. 5 Die Jahrestagung des Deutschen Museumsbundes „Alle Welt im Museum? Museen in der pluralen Gesellschaft“ vom 6.– 9. Mai 2012 in Stuttgart fokussierte zum einen die Frage einer möglichen Repräsentation „aller Welt im Museum“, zum anderen die einer möglichen Öffnung der Museen für „alle Welt“. 6 Vgl. Keuchel, Susanne: Das InterKulturBarometer, in: Kulturpolitische Mitteilungen, 137 II, 2012, S. 56. 7 Statistisches Bundesamt: Bevölkerung und Erwerbstätigkeit. Bevölkerung mit Migrationshintergund – Er-
gebnisse des Mikrozensus 2009, http://www.destatis.de (letzter Zugriff: 29.02.2012). 8 Vgl. Brenner, Christiane / Heumos, Peter (Hg.): Sozialgeschichtliche Kommunismusforschung. Tschechoslowakei, Polen, Ungarn und DDR 1948–1968, München 2005, S. 205 – 242. 9 Enderlein, Volkmar: Islamische Kunst, Dresden 1990. 10 Vgl. Keuchel, Susanne / Weil, Benjamin: Lernorte oder Kulturtempel. Infrastrukturerhebung: Bildungsangebote in klassischen Kultureinrichtungen, Köln 2010. 11 Keuchel, Susanne / Larue, Dominic: Das 2. JugendKulturBarometer, Köln 2012. 12 Keuchel, Susanne / Weber-Witzel, Markus: Culture to be. Das Düsseldorfer Jugend-Kulturkonzept, Bonn 2009. 13 Junge Experten erklären Jugendlichen die im Museum Ludwig ausgestellten Werke. Siehe dazu: http://www. kunstdialoge.de (letzter Zugriff: 11.05.2012).
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Einführung
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frühkindliche bildung im museum Die Bedeutung frühkindlicher Bildung für die Persönlichkeitsentwicklung ist unbestritten: Auf die ersten Lebensjahre kommt es an. Entsprechend gelten die Kindertageseinrichtungen des Elementarbereichs heute als unentbehrlicher Teil des öffentlichen Bildungswesens. Bildung und Förderung, die über eine bloße Betreuung hinausgehen, werden verstärkt in den Blick genommen. Im Zuge dieser Debatte haben die Bundesländer Bildungs- und Erziehungspläne vorgelegt, die sich explizit mit der Förderung frühkindlicher Bildung beschäftigen.1 Diese Curricula bieten Museen die Chance, ihre Potenziale für die frühkindliche Bildung neu zu definieren und sollten bei der Entwicklung neuer Bildungsangebote deutlich berücksichtigt werden. Die zentrale Bedeutung von Bildung in der frühen Kindheit wird durch Ergebnisse der Bildungsforschung belegt: Gerade die Förderung, die Kinder in den ersten Lebensjahren erfahren, ist grundlegend für alle künftigen Bildungserfolge. Sie entscheidet maßgeblich über persönliche Entwicklungsmöglichkeiten sowie über soziale Teilhabe- und Aufstiegschancen. Entscheidend für eine erfolgreiche frühe Förderung sind auf der einen Seite hochwertige Bildungsangebote, auf der anderen die Gewähr, dass alle Kinder Zugang zu vielfältigen Lernerfahrungen erhalten. Frühkindliche Bildung und Erziehung kann gut gelingen, wenn die professionellen Akteure im Umfeld der Kinder ihre Arbeit aufeinander abstimmen – und zugleich die Eltern als aktive Partner betrachten und einbeziehen.2 Die Bildungspläne der Länder beschreiben frühkindliche Bildung einhellig als einen eigenständigen Selbstbildungsprozess der Kinder. Für die pädagogische Praxis bedeutet dies, dass Kinder im Vorschulalter in ihrer Individualität anzuerkennen und in ihren Stärken zu fördern sind. „Der Schwerpunkt des Bildungsauftrags der Kindertageseinrichtungen liegt in der frühzeitigen Stärkung individueller Kompetenzen und Lerndispositionen, der Erweiterung, Unterstützung sowie Herausforderung des kindlichen Forscherdranges, in der Werteerziehung“, der Vermittlung von Lerntechniken und in der Förderung einer lebendigen Welterfahrung in sozialen Bezügen.3 Im Einzelnen definieren die Pläne Grundkompetenzen, die Kinder vor dem Schuleintritt erwerben sollen; die Kultusministerkonferenz und die Jugendministerkonferenz haben sich diesbezüglich auf die folgenden Bereiche frühkindlicher Bildung verständigt:
frühkindliche bildung im museum
1. Sprache, Schrift, Kommunikation | 2. Personale und soziale Entwicklung, Werteerziehung / religiöse Bildung | 3. Mathematik, Naturwissenschaften, (Informations-)Technik| 4. Musische Bildung / Umgang mit Medien | 5. Körper, Bewegung, Gesundheit | 6. Natur und kulturelle Umwelten Der kulturellen Bildung als Querschnittsaufgabe wird in den Bildungsplänen eine wichtige Funktion zugemessen, doch fehlen oft konkrete Empfehlungen und Anregungen für die Praxis.4 Auf Museen wird zum Beispiel nur an wenigen Stellen hingewiesen, und wenn, so findet man kaum mehr als eine sehr allgemeine Empfehlung, sie als Lern- und Erfahrungsorte zu nutzen. Weiterführende Formulierungen konkreter Empfehlungen und Anregungen für die Zusammenarbeit mit Museen stehen bislang aus – obwohl diese prinzipiell besonders geeignet erscheinen, Kindern in ganz unterschiedlichen Bereichen unmittelbare und ganzheitliche Erfahrungen zu ermöglichen. Eben dieses Potenzial näher zu bestimmen, war das Ziel des Pilotprojekts „Museen und Kindergärten“, das der Bundesverband Museumspädagogik e.V. 2010 durchgeführt hat.5 Anhand von zahlreichen Beispielen aus ganz unterschiedlichen Museen wurden hier in einer Methodenkartei über 70 übertragbare Methoden und Übungsformen beschrieben, die für die Arbeit mit Kindern in Museen eingesetzt werden können. Dabei wurde jeweils reflektiert, welche besonderen Kompetenzen und Fähigkeiten sich durch die einzelnen Aktivitäten fördern lassen. Die Ergebnisse des Projekts – neben der Methodenkartei auch grundlegende Texte zur pädagogischen Arbeit mit Kindern im Museum sowie eine Literaturliste – sind eine gute Arbeitsgrundlage für Museen, die beabsichtigen, neue Angebote für junge und ältere Kinder zu entwickeln. Viele Kindertageseinrichtungen in Deutschland erarbeiten derzeit noch Strategien für die Umsetzung des jeweiligen Bildungsplans und suchen Partner, die sie dabei unterstützen. Museen können in diesem laufenden Prozess eine wichtige Funktion erhalten, wenn sie zum einen ihre spezifischen Kompetenzen und Ressourcen für die kulturelle Bildung einbringen, zum anderen aber im Austausch mit den Kindertageseinrichtungen Angebote entwickeln, die den jeweiligen lokalen Möglichkeiten und Bedürfnissen gerecht werden. 1 Ein Überblick über die Bildungspläne der einzelnen Bundesländer (Inhalte, Strukturen, Umfang der Maßnahmen und Implementierungsmodalitäten) ist zu finden unter: www.mbjs.brandenburg.de/media/lbm1.a.1234. de/synopse_bildungsplaene.pdf, Stand April 2012. 2 Vgl. www.bmbf.de/de/15467.php, Stand April 2012. 3 Gemeinsamer Rahmen der Länder für die frühe Bildung in Kindertageseinrichtungen. Beschluss der Jugendministerkonferenz vom 13./14.05.2004, Beschluss der Kultusministerkonferenz vom 03./04.2004.,
Quelle: http://www.kmk.org/fileadmin/veroeffentlichungen_beschluesse/2004/2004_06_03-Fruehe-Bildung-Kindertageseinrichtungen.pdf, Stand April 2012. 4 So auch die Einschätzung des Deutschen Kulturrates. Vgl. Frühkindliche kulturelle Bildung: Potentiale für unsere Gesellschaft – Stellungnahme des Deutschen Kulturrates, 05.06.2008. Quelle: www.kulturrat.de/ detail.php?detail=1363&rubrik=4, Stand April 2012. 5 Die Projektergebnisse sind online abrufbar unter www. museen-und-kindergaerten.de, Stand April 2012.
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Interview
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Museen und Kindergärten – Möglichkeiten der gemeinsamen frühkindlichen Bildungsarbeit Interview mit der Diplom-Erziehungswissenschaftlerin und Museumspädagogin, Mitautorin der Publikation des Bundesverbandes für Museumspädagogik e. V. (Hg.): Museen und Kindergärten – Gemeinsam für frühkindliche kulturelle Bildung in Museen, Hamburg 2011
Ist es eigentlich sinnvoll, mit Kindergartengruppen, d.h. mit Kindern im Alter von drei bis sechs Jahren, ins Museum zu gehen?
Auf jeden Fall. Museen sind Teil der kulturellen Umwelt der Kinder, und sie erfüllen Aufgaben, für die auch jüngere Kinder durchaus einen Sinn haben: Sammeln, Forschen, Bewahren und Erzählen. Das sind Aktivitäten, mit denen die Kinder auch von sich aus beschäftigt sind. Mädchen und Jungen sammeln gerne alle möglichen Dinge, etwa Steine, Muscheln, Aufkleber. Sie hüten und bewahren ihre Sammlungen an bestimmten Orten („Ich stelle mein Kästchen hier ins Regal“). Sie bilden Hypothesen darüber, wie ein Ding richtig funktioniert, wie man es richtig benutzt, woher es kommt etc. Oft wollen sie sich über ihre Konstruktionen mit anderen Kindern und auch mit Erwachsenen austauschen und ihr Wissen auf diese Weise überprüfen. Das Museum bietet Kindern zum einen eine Fülle nicht-alltäglicher und ästhetisch ansprechender Gegenstände zur Entdeckung (teilweise auch zum Anfassen). Zum anderen sehen und erleben sie im nicht-alltäglichen Raum des Museums selbst den gemeinschaftlichen, teilweise auch rituellen Aspekt des Sammelns, Bewahrens, Betrachtens, Überdenkens und – besonders wichtig für das Selbst- und Weltverhältnis – des Wertschätzens von Dingen.
Was ist für Sie der primäre Bildungszweck eines Museumsbesuchs mit Kindern?
So informativ manche Ausstellungen auch sind – Museen sind keine Nürnberger Trichter, die Kindern in kurzer Zeit fertiges Wissen einflößen. Das wäre übrigens auch ein sehr einseitiges Bildungsziel für Schulen. Als sinnvoll würde ich es bezeichnen, wenn die Kinder während des Museumsbesuchs Zeit und Raum bekommen, um sich aufgrund ihrer eigenen kognitiven Verfahren mit mal mehr, mal weniger bekannten Dingen zu beschäftigen.
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Welchen Bildungsansatz verfolgt die frühpädagogik?
In der Frühpädagogik wird heute nicht zufällig ein konstruktivistisch geprägter Bildungsansatz diskutiert und genutzt. Wissen, Bildung ist erstens variabel, und zweitens ist Information heute massenhaft verfügbar. Das bedeutet, dass Kinder (wie Erwachsene) in erster Linie als aktive Konstrukteure ihres Weltwissens gesehen und ermutigt werden müssen. Am Ende müssen sie mit bestehendem Wissen umzugehen lernen, um mithalten und vielleicht sogar neues erzeugen zu können.
Bietet das Museum hier besondere Möglichkeiten? Und was genau leistet Museumspädagogik?
Bildung ist ein unabschließbarer, aktiver und im günstigen Fall auch lustvoller Prozess, ein Selbstbildungsprozess, der von außen nicht gesteuert, jedoch beeinflusst, begleitet und unterstützt werden kann und soll. Die Aufgabe von Museumspädagoginnen und -pädagogen besteht darin, die Tätigkeiten der Kinder zu beobachten, zu unterstützen und herauszufordern. Das Ziel ist es, ihre individuellen Lernprozesse zu begleiten und zu beobachten. Unbekanntes, neu aufzunehmendes Wissen knüpft jeweils an älteres an und erweitert oder modifiziert es. Genau an diesen Anknüpfungsstellen und bei der Implementierung des Neuen können Pädagoginnen und Pädagogen Hilfe und Orientierung bieten. Ich verweise hier auf bestehende Überlegungen, beispielsweise von Gerd Schäfer. Er unterscheidet als Grundlage für Bildungsansätze und pädagogisches Handeln den Selbstbildungsaspekt einerseits – Bildungsziele werden ausgehend vom Kind gedacht – und die soziale Verständigung andererseits, d. h. durch bestimmte Instruktionsprozesse sollen vorgegebene Ziele erreicht werden. Bei der Bildungs- und Vermittlungsarbeit im Museum werden den Kindern in der Regel Themen zugemutet, etwa in Form von thematisch vorstrukturierten und umgrenzten Ausstellungsinhalten. Ich sehe diese Zumutung dann als positiv an, wenn sie einen Rahmen abgibt, innerhalb dessen sich die Kinder sicher bewegen können und der ihnen genügend Freiraum zum eigenen Forschen, zur selbstständigen Auseinandersetzung, zur Entwicklung eigener Gedanken über Dinge anregt, die ihnen sonst verborgen blieben.
Wo steht das Museum in den Bildungsplänen des Bundes?
Die Bildungspläne für Kindertagesstätten der einzelnen Bundesländer sind nicht alle identisch. Aber alle diese Pläne – die eine wichtige Rolle für die Bildungsund Erziehungsarbeit von Erzieherinnen und Erziehern spielen – setzen sich mit kindlichen Bildungs- und Entwicklungsprozessen auseinander und formulieren Bildungs- und Erziehungsbereiche wie Sprache/Kommunikation, Mathematik,
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Naturwissenschaft, Technik, aber auch Ästhetisches Gestalten, Rhythmik, Musik, Körper, Bewegung, Gesundheit, soziale Beziehungen, Umwelt, Religion, Werteorientierung, kulturelle und interkulturelle Aspekte etc. Dass diese Bereiche allesamt auch in Museen und Ausstellungen repräsentiert werden, liegt auf der Hand. In einigen Bildungsplänen wird der Museumsbesuch explizit aufgeführt, zum Beispiel als Exkursionsziel und als Bestandteil von Projektarbeit.
Was leisten Kooperationen zwischen Museen und Kindergärten konkret?
Museen wie Kindergärten übernehmen einen Teilbildungsauftrag, dessen Konturen zumindest im frühkindlichen Bereich noch unscharf und keinesfalls ausdiskutiert sind. Es geht um Selbstbildung, Persönlichkeitsbildung, das Hineinwachsen in eine Gesellschaft, um kulturelle Bildung, um Anforderungen an Kinder und Erzieher/-innen, um die Frage der Qualität, um Professionalisierung, um nur einige Stichworte zu nennen. In der frühkindlichen Bildung können beide Einrichtungen sich gegenseitig bereichern und voneinander lernen. Die Erzieherinnen und Erzieher sind Expertinnen und Experten für die Fragen, Interessen und Fähigkeiten der Kinder in ihren Einrichtungen. Das Museum als besonderer Raum bietet die Möglichkeit, kulturell besondere Dinge mit eigenen Sinnen zu erleben. Das schafft gute Voraussetzungen für forschendes Lernen. Im Einzelnen kann die Zusammenarbeit über den gegenseitigen Informationsaustausch hinaus zum Beispiel die Initiierung museumspädagogischer Programme (die nicht nur im Museum stattfinden müssen) sowie transdisziplinäre Fortbildungen beinhalten.
Welche Voraussetzungen müssen Museen erfüllen, um attraktive Angebote für Kindergärten machen zu können?
Für die Umsetzung ausgereifter museumspädagogischer Konzepte sind prinzipiell keine besonderen räumlichen Vorkehrungen notwendig. Ähnlich wie bei der museumspädagogischen Arbeit mit älteren Kindern werden aber bestimmte praktische Hilfsmittel benötigt, vor allem Sitzhocker und Nischen für Ruhepausen und leise Gespräche sowie ein Ort, an dem die Kinder gestalterisch und handwerklich tätig werden können. Das ist, da jüngere Kinder die Texte und Legenden zu den Exponaten noch nicht selbst lesen können, eine wichtige Art, sich das Gesehene anzueignen. Umgekehrt sollen die Ausstellungstexte und Legenden keineswegs „ausgeblendet“ werden – Erläuterungen, Querverweise, Erklärungen gehören ganz klar mit zu dem, was das Museum
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als kulturellen Wissensspeicher ausmacht. Man kann Texte sehr gut vorlesen oder zusammenfassen, die Kinder auf das Verweisverhältnis zwischen Text und Bild, Text und Objekt aufmerksam machen etc. Ganz allgemein müssen Museumspädagogen und -pädagoginnen sich auf die kognitiven Strukturen jüngerer Kinder einstellen. Betrachtet man neurowissenschaftliche und entwicklungspsychologische Erkenntnisse über die kognitive Entwicklung von Kindern, so lassen sich bestimmte „Lernbedürfnisse“ jüngerer Kinder herausschälen, also das, was sie – und nicht nur sie – brauchen, um besonders aufnahmefähig zu sein und sich Neues zu merken. Wichtig ist zum Beispiel die Verknüpfung von Erfahrung und Emotion, denn das Gehirn speichert Gesamteindrücke ab, die Aufnahme- und Merkfähigkeit wird also durch sinnliche und emotionale Reize verstärkt. Ein anderes kindliches Lernbedürfnis, dem das Museum hervorragend entgegenkommt, ist genügend bekannter Kontext als Anknüpfungspunkt für neue Erfahrungen. Ein drittes hat damit zu tun, dass die Wahrnehmungsfähigkeiten von Kindern noch nicht in feste Denkstrukturen gefügt sind, diese müssen sich also erst aufbauen. Dabei wirken vielfältige Möglichkeiten der Wahrnehmung und Wahrnehmungsdifferenzierung unterstützend. Und ein viertes besonderes Lernbedürfnis von Kindern ist das spielerische und handlungsbezogene Lernen, bei dem sinnliche Anschauung und Ausprobieren wichtig sind. Diese kurze Liste ließe sich noch erweitern und vertiefen, gerade was die Bedeutung des kindlichen Spielens und auch von Bewegung angeht. Zusammenfassend würde ich aber sagen, dass Museen und eine qualitativ hochstehende museumspädagogische Arbeit in besonderer Weise produktiv auf alle diese Lernbedürfnisse reagieren können.
Gibt es methodisch-didaktische Elemente, die Sie für Kindergartenkinder zwischen drei und sechs Jahren besonders empfehlen?
Museumspädagogen und -pädagoginnen müssen vor allen Dingen respektieren, dass für die meisten jüngeren Kinder nicht nur die Exponate und die Ausstellung, sondern die Gesamterfahrung des Museumsbesuchs einen neuen und komplexen Lerninhalt darstellt. Bei einer meiner eigenen frühen Aktionen mit einer Kindergartengruppe im Museum unterlief mir so ein Fehler, als jedes Kind einzeln seinen Eintritt bezahlen und die Eintrittskarte einstecken sollte. Ich sah nur den Verlust an verfügbarer Zeit für das Wesentliche, die Ausstellung, aber das Wesentliche hatte für die Kinder schon höchst spannend an der Eingangspforte begonnen.
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Von den einzelnen didaktischen Verfahren möchte ich drei grundlegende nennen: Erstens, Führungen von Kindern sollten immer die Form eines Gesprächs haben, bei dem Selbst- und Lebenserfahrungen der Kinder die Anknüpfungspunkte liefern. Ausgangspunkte sind also jeweils Erfahrungen, die die Kinder bereits selbst gemacht haben und die sie ausdrücken können. Zweitens, es sollte Gelegenheit geben, die Objekte und Inhalte einer Ausstellung selbstständig zu erforschen und mit ihnen umzugehen. Drittens, es sollten Möglichkeiten zum eigenen ästhetischen Gestalten bereitgestellt werden, denn dadurch kann die innere Beschäftigung mit den neuen Erfahrungen und Eindrücken nach außen gewandt werden – die Kinder können sie also kreativ verarbeiten.
Lassen sich einzelne, konkrete Bildungsziele für jüngere Kinder benennen?
Ziel aller Bildungs- und Vermittlungsarbeit ist es bei jüngeren Kindern grundsätzlich, individuelle Bildungsprozesse zu begleiten, die ganzheitlich ablaufen und nur theoretisch getrennt voneinander betrachtet werden. So sind wir bei dem BVMP-Projekt und der Entwicklung der Methodenkarten von unterschiedlichen Kompetenzbereichen ausgegangen, um Arbeitsbegriffe zu haben, die für Entwicklerinnen und Nutzer nachvollziehbar sind: kulturelle und interkulturelle Kompetenz, historische Kompetenz, ästhetische Kompetenz, Wahrnehmungsfähigkeit, Sprachkompetenz, Medienkompetenz, Fachkompetenz, Urteilskompetenz, Orientierungsfähigkeit in Raum und Zeit, Selbstkompetenz, soziale Kompetenz, (fein-)motorische, kreativ-künstlerische, technische und allgemein praktische Fertigkeiten. Es wurde dann jeweils formuliert, welche Methoden welche Kompetenzbereiche besonders ansprechen.
Ein Beispiel?
Nehmen wir das Thema Zeit, das Kinder fasziniert und das in Museen allgegenwärtig ist. Viele Museumsobjekte bieten jüngeren Kindern Anhaltspunkte, um über die eigene Gegenwart hinauszudenken. Auch wenn Kinder generell noch einen unsicheren Begriff von Zeit haben, gehen sie bereits mit eigenen Vorstellungen von „früher“ um. Zum einen gibt es ein biografisches Früher („früher, als ich noch ein Baby war“), zum anderen eines, das durch Medien vermittelt wird. Wenn ich Kinder im Museum begleite und es geht dort um das Mittelalter, dann kennen die meisten Ritter aus dem Fernsehen oder vielleicht aus Kinderbüchern, wissen aber auch, dass es heute keine Ritter in Rüstungen mehr gibt (allenfalls die verkleideten im Fasching). Kinder bauen sich ein mehr oder weniger kohärentes Geschichtsbild sukzessive auf. Wie Rita
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Rohrbach hervorhebt, ist dieser Prozess Teil ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Aus Rohrbachs Sicht ist die Fähigkeit, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft zu betrachten, ein zentraler Aspekt unseres Geschichtsbewusstseins. Um diese analytische Fähigkeit zu erlangen, brauchen Kinder Gelegenheiten, wie sie ihnen vor allem das Museum bietet. Übrigens ist unter den unterschiedlichen Themen, die Kinder interessieren, auch das Museum selbst: Woher kommen die Exponate? Wem gehören sie? Bleiben sie für immer hier? Ein Beispiel aus meiner praktischen Arbeit: bei einer Kindergartenaktion konnten die Kinder sich in die Arbeit von Archäologen versetzen und aus Kisten, die mit Erde gefüllt waren, Objekte für eine Ausstellung bergen. Diese „Buddelkisten“ begeisterten die Kinder und boten viele Erfahrungsmöglichkeiten, von der Grabung selbst bis zu der Erkenntnis, dass man die Fundstücke identifizieren muss – zu Anfang weiß ja keiner, was für eine Scherbe das eigentlich ist. Damit der Besuch im Museum zu einem noch stärker nachwirkenden Erlebnis werden kann, finde ich auch eine Vor- und Nachbereitung im Kindergarten wichtig, bei der die Kinder die Erzähler sind. Sie kann mit verschiedenen gestalterischen Mitteln bestritten werden, etwa auch in Form von Gesprächen oder Dokumentationen, die auf natürliche Weise auch die Eltern einbeziehen.
Das Interview führte Carola Marx
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»Für Kinder muss immer etwas Praktisches dabei sein« Interview mit der Leiterin der Kita Sonnenland in Großschönau, einem Ort mit ca. 6.000 Einwohnern in der Oberlausitz. Die Region ist seit Beginn des 16. Jahrhunderts von der Textilherstellung geprägt. Sie hat im Rahmen des Programms „LernStadtMuseum in Sachsen – Schüler entdecken Museen“ langfristige Kooperationsprojekte mit dem Deutschen Damast- und Frottiermuseum in Ihrem Ort entwickelt.
Welche Aktivitäten bieten Sie den Kindern im Rahmen des programms »Lernstadtmuseum« an?
Die Gruppen der Vorschulkinder gehen einmal im Monat ins Deutsche Damast- und Frottiermuseum, dort lernen sie zum Beispiel die unterschiedlichen Webtechniken kennen, erproben die Arbeit an den Webstühlen oder entwerfen eigene Muster. Für die Kinder, die ja oft mit Informationen überfrachtet sind, ist es ganz wichtig, dass sie selbst tätig sein und bestenfalls auch etwas mitnehmen können, um in der Kita und zu Hause zu zeigen, was sie gemacht und gelernt haben. Nur wenn sie selbst etwas erforschen können und es Raum gibt für ihre Fragen, bleibt ihre Neugier erhalten. Doch die Kinder lernen nicht nur etwas über Webtechniken und Mustergestaltung, sie erleben im Museum in ihrer eigenen Tätigkeit, was für Lebensumstände früher in den Familien herrschten, dadurch können sie Vergleiche ziehen zu unserem Leben heute. Da einige Kinder Eltern oder Großeltern haben, die in der Textilbranche oder auch im Museum tätig waren oder sind, haben sie einen direkten Bezug zum Museum, es ist Teil ihrer Lebenswirklichkeit.
Was sind die Ziele dieser Zusammenarbeit?
Wir als Kindertageseinrichtung wollten durch die Zusammenarbeit mit dem Museum vor allem die Kooperation mit der Grundschule vertiefen, die auch mit dem Museum kooperiert. Die Vorschulkinder sollen in der Kita Erfahrungen machen, auf die sie dann in der Schule, im fächerverbindenden Unterricht oder auch im Rahmen der Ganztagsangebote aufbauen können. Denn eines unserer wichtigsten Ziele ist die Herstellung der Schulfähigkeit. Indem wir uns solche professionellen Kompetenzen, wie sie im Museum zusammenkommen, mit ins Boot holen, um die Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten, gewinnen diese an Erfahrungen und an Wissen. Sie lernen etwas über ihre Region und über ihr eigenes Lebensumfeld. Darüber hinaus kommen sie mit Menschen mehrerer Generationen und Berufe ins Gespräch und erleben dadurch unterschiedliche Perspektiven.
frühkindliche bildung im museum
Das Museum, das die Kooperation initiiert hat, wollte einen weiteren Schritt auf die jüngere Generation zugehen, um sie auch langfristig für das Museum zu gewinnen. Insbesondere in einem so kleinen Ort ist es für das Museum wichtig, direkten Kontakt mit Kitas und Schulen aufzunehmen, um die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen kennenzulernen und sich auf diese einzustellen.
Welche unterschiedlichen Aufgaben übernehmen Museum und Kita im Rahmen der Kooperation?
Aus unserer Perspektive übernimmt das Museum die Wissens- und Wertevermittlung. Dazu stehen Experten als Ansprechpartner zur Verfügung, sie erklären Dinge und leiten die Kinder an, selbst etwas zu tun. Die Kita ist verantwortlich für die Vor- und Nachbereitung der Aktivitäten im Museum. Wir führen mit den Kindern Gespräche, in denen sie ihre Erlebnisse reflektieren und in einen Kontext stellen können. Es ist wichtig, dafür genügend Zeit einzuplanen und die Kinder ernst zu nehmen, denn in diesen Gesprächen entstehen wieder viele neue Fragen, die weitere Aktivitäten motivieren.
Welche Voraussetzungen sollte ein Museum Ihrer Erfahrung nach mitbringen für die Kooperation mit einer Kita?
Es bedarf in erster Linie Personen, die sich auf Kinder einlassen wollen. Die Inhalte und Exponate sind dann beinahe zweitrangig, denn Kinder interessieren sich für sehr viele Dinge, wenn sie sie selbst erforschen können. Die Museumsmitarbeiter/-innen müssen keine Pädagogen sein, aber sie müssen sich mit den Bedürfnissen der Kinder auseinandersetzen, zum Beispiel im Hinblick auf deren Konzentrationsvermögen, das ja viel geringer ist als das erwachsener Besucher. Darüber hinaus sollte ein Raum zur Verfügung stehen für praktisches Arbeiten, für Gespräche über das Erlebte oder einfach nur für Pausen. In unserer Wahrnehmung wirkt es sich auch sehr positiv aus, dass unser Museum regelmäßig Kinderfeste organisiert. Dadurch kennen viele Kinder die Institution schon durch Unternehmungen mit der Familie oder Freunden. An diese Erfahrungen können wir anknüpfen, so entsteht Nachhaltigkeit.
In welchen Bereichen ermöglicht die Kooperation mit dem Museum den Kindern Entwicklungsmöglichkeiten?
Im sächsischen Bildungsplan werden sechs Bildungsbereiche benannt, die ineinandergreifen. Dazu gehören die somatische Bildung, die die körperliche Wahrnehmung, Bewegung, Ernährung und Gesundheit in den Mittelpunkt
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stellt, und die soziale Bildung, die die Kontakte der Kinder zu anderen Personen über das Elternhaus hinaus betrifft. Dazu kommen die kommunikative, die ästhetische, die naturwissenschaftliche sowie die mathematische Bildung. Erst nach und nach wird für uns erkennbar, wie komplex die Möglichkeiten in einem solchen Projekt sind. Durch die Aktivitäten im Rahmen dieser Kooperation werden Entwicklungen in mehreren Bereichen gefördert, längst nicht nur auf dem Gebiet der ästhetischen Bildung, dem man Museumsprojekte vielleicht zuerst zuordnen würde. Ein wichtiger Aspekt ist für uns die Werteerziehung. Dazu gehört in diesem Fall vor allem die Auseinandersetzung mit der Bedeutung von Arbeit und Familie in Vergangenheit und Gegenwart. Durch die handwerklichen Tätigkeiten im Museum lernen die Kinder jedoch gleichzeitig ihre Feinmotorik besser zu koordinieren, und durch die Auseinandersetzung mit der Herstellung von Mustern für Webtextilien können sie auch ihre mathematischen und gestalterischen ebenso wie sozialen und begrifflichen Fähigkeiten weiter entwickeln.
Wo liegen Schwierigkeiten oder Herausforderungen?
Die Organisation ist eine große Herausforderung in Anbetracht des uns zur Verfügung stehenden Personalschlüssels. Wenn solche zusätzlichen Aktivitäten nicht zu Lasten der anderen Kinder gehen sollen, sind zusätzliche Personalressourcen notwendig, die wir leider nicht einplanen können. Das Interview führte Carola Marx
INTER-COOLer STYLE – Jugend und Museum Birgit Richard
Jugend wird in jedem Jahrzehnt immer wieder neu hergestellt; ganz im Sinne von Doing youth ist sie „Artefakt“ auf der Grundlage bestimmter, immer wiederkehrender Gegenstände, Techniken und Strategien. Will man kulturelle Interessen von Jugendlichen adäquat einschätzen, dann erweist sich eine direkte Befragung der jugendlichen Zielgruppe als unumgänglich. Diese muss zwingend mit Kenntnis und Einblick in die adoleszente Lebenswelt erfolgen. Wenig hilfreich sind schablonierte Fragebögen zum Ankreuzen, zumal in Kombination mit einem Belohnungssystem, das Köder in Form von Süßigkeiten auslegt. Wie Jugendliche authentisches Interesse honorieren, so entlarven sie die Leblosigkeit von statistischen Erhebungen und verweigern diesen ihre Mitarbeit. Sie müssen den Eindruck eines aufrichtigen Interesses an ihrem Leben und einer Kommunikation auf Augenhöhe haben, die ihnen Gelegenheit gibt, nach den eigenen Spielregeln von sich berichten zu können. Einen solchen Zugang eröffnet die 2010 durchgeführte Befragung im Rahmen des Ausstellungsprojekts Inter-Cool 3.0. Jugend Bild Medien.1 Die nachfolgend aufgeführten Ergebnisse dieser Besucherbefragung sind ein kleiner Baustein für die Entwicklung des Konstrukts Jugend auf der Grundlage jugendlicher Bild- und Objektstrategien. Anlässlich der Ausstellung Inter-Cool 3.0. wurden Jugendliche 2010 zu Objekten und Gegenständen, ihrem (Mode-)Stil sowie zu ihren Konsum- und Mediengewohnheiten interviewt. Ziel dieser Umfrage war es, zu ergründen, welche medialen und ästhetischen Strategien Jugendliche anwenden, um das visuelle Konstrukt ihrer spezifischen materiellen Kultur, sprich ein zeitgenössisches Bild von Jugend zu generieren. Zu diesem Zweck wurde eine große, zufällig anfallende Stichprobe (503 Proband/-innen) erhoben. 82 Prozent der interviewten Besucher/-innen entsprachen mit 13–24 Jahren der primären Zielgruppe. Insgesamt lag der Altersdurchschnitt bei 19 Jahren. Von den Befragten waren 58 Prozent weiblich und 42 Prozent männlich, der Großteil stammte aus Dortmund und Umgebung, ging dort zur Schule oder studierte (die Gesamtschule besuchten 27,8 Prozent, das Gymnasium 23,5 Prozent, eine Realschule 0,8 Prozent, eine Hauptschule 1,6 Prozent, die Universität 26,8 Prozent und 19,7 Prozent machten hierzu keine Angaben).
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Die Inter-Cool-3.0-Studie dient als eine Erweiterung der 2005 vom Archiv der europäischen Jugendkulturen an der Goethe-Universität Frankfurt unter meiner Leitung durchgeführten coolhunters:style-Studie. Wesentliche Neuerungen betreffen Fragen zu Web-2.0-Plattformen, die teilweise erst 2005 online gingen,2 aber in den letzten Jahren im Alltag von Jugendlichen höchste Bedeutsamkeit erlangt haben. Heute prägen Plattformen wie YouTube, Facebook und Twitter – aber auch Blogs, Wikis oder Instant Messaging – nahezu alle alltäglichen Kontexte. Im Vergleich zu früheren Jahrzehnten schaffen Digitalisierung und globale Netzwerke völlig neue Sozialisationsbedingungen für Jugendliche.3 Die Fragen zum Web 2.0 und seinen Anwendungen stellen somit elementare wie unumgängliche Ergänzungen zu den Ergebnissen der coolhunters:style-Studie dar. Der Fragebogen der Inter-Cool-Studie 2010 umfasst insgesamt zehn Fragen, die für die Auswertung in die Themenblöcke „Mode, Style und Marken“, „Musik“, „Serien, Filme und Games“, „Party“ und „Web 2.0“ eingeteilt wurden.4 Bei allen Fragen handelt es sich um offene, ungestützte Fragen, die Mehrfachnennungen ermöglichen.5 Eine Ausnahme hierzu stellte die erste Frage zum eigenen Style dar: Sie erfordert eine interpretative Auswertung und systematische Einteilung der Antworten. Dabei werden die Antworten immer nur einer Kategorie zugeteilt (zum Beispiel „sportlich-locker“). Zu Design bzw. Form der 2010 erhobenen Befragung wurde bereits im Rahmen der coolhunters:styleAuswertung angemerkt, „[…] dass die Fragebögen bewusst nur offene Fragen enthalten. Diese sind zwar schwieriger auszuwerten, damit werden aber die Kategorien von den Jugendlichen selbst entwickelt: Sie nennen die relevanten Gegenstände und sie schreiben in ihrer Sprache, das Ergebnis der Untersuchung ist lebendig und nimmt sie ernst, was auch die gute Resonanz der Befragung erklärt. Zudem sind Einzelfallanalysen potentiell anschließbar.“6 Grundsätzlich standen die befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen sowohl der vergangenen als auch der aktuellen Studie sehr positiv und interessiert gegenüber und nahmen sich in den meisten Fällen viel Zeit, um die Fragen ausführlich zu beantworten. Die letzte Frage auf dem Inter-Cool-Style-Fragebogen ermöglichte Feedback und Kommentare zur Ausstellung. 80,5 Prozent der Befragten äußerten sich 2010 positiv über die besuchte Ausstellung und gaben unter anderem folgende Kommentare ab: „Ich finde es richtig cool & kreativ!“, „Es gibt viele tolle Bilder, die sehr verständlich sind. Großes Lob! :-)“ oder auch „Lebendig, zeitgenössisch im 21. Jahrhundert“. 16,9 Prozent der Befragten machten keine Angabe und nur 2,6 Prozent äußerten sich negativ. Die meisten Besucher/-innen zeigten sich angetan von der Ausstellung und lobten den guten Überblick über die heutigen Jugendkulturen (Beispiel: „Ich finde diese Ausstellung interessant, da sie sämtliche Jugendbewegungen visualisiert. Sie zeigt, wie die Jugend von heute tickt“) sowie die ungewöhnlich innovativen Ausstellungsstrategien („außergewöhnlich, ungewohnt, abstrakt“; „Eine unglaublich innovative Zusammenstellung von
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Kunst, Jugendkultur und Werken des Nachwuchses. Spannend für jede Generation!“). In den Antworten wird das Ausstellungskonzept – das bereits renommierte und jugendliche Künstler/-innen zusammenbringt – zudem positiv kommentiert („Toll, dass es eine Plattform für junge Künstler gibt“; „schon ganz interessant zu sehen, was junge Künstler hervorbringen und dass Medien miteinbezogen werden [TV, Musik]“).
FILME, TV-SERIEN, Computerspiele Die Jugendlichen und jungen Erwachsenen nennen auf die Frage „Dein Lieblingsfilm/ TV-Serie-Soap/Game?“ meistens nicht eine Serie, einen Film und ein Game, sondern entweder Serien oder Games, je nachdem, welches Medium sie bevorzugen. Die Antworten fokussieren dabei oft, aber nicht immer auf konkrete Titel, daneben werden auch bestimmte Film- oder Gamegenres favorisiert. Die hohe Anzahl an Einzelnennungen dokumentiert vielfältige Interessen der Jugendlichen, weist aber auch auf das enorme Medienangebot hin. 6,7 Prozent der Interviewten ließen die Frage unbeantwortet. Laut der JIM-Studie von 2010 hat das Fernsehen unter Jugendlichen nach wie vor eine hohe Relevanz: 61 Prozent sehen täglich fern und verbringen im Durchschnitt etwa 2 Stunden pro Tag vor dem Fernsehgerät. Dabei nehmen Serien offensichtlich eine wichtige Rolle ein: „Aus früheren JIM-Studien und der AGF-Fernsehforschung ist bekannt, dass serielle Formate seit Jahren die Liste beliebtester Fernsehsendungen bei Jugendlichen anführen.“7 In der Befragung zur Inter-Cool-Studie 2010 geben 58,3 Prozent der Jugendlichen eine oder mehrere Lieblingsserien an. Die Serien, die am häufigsten genannt werden, sind „Two and a half men“ (10 Prozent), „Die Simpsons“ (8 Prozent), „Scrubs – die Anfänger“ (7 Prozent), „How I met your mother“ (4,9 Prozent) und „Desperate Housewives“ (4,3 Prozent). Diese US-amerikanischen Serien werden auf dem unter deutschen Jugendlichen beliebtesten Privatsender Pro Sieben ausgestrahlt.8 „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ (GZSZ) ist mit 3,9 Prozent die am häufigsten genannte klassische deutsche Daily-Soap und ein Format, das nicht auf Pro Sieben, sondern auf RTL ausgestrahlt wird. Es folgen weitere US-Serien: die den Simpsons ähnliche Serie „Family Guy“ (3,3 Prozent), die Arztserien „Dr. House” (2,5 Prozent) und „Grey’s Anatomy“ (2,3 Prozent), die Vampirserie „Vampire Diaries“ (2,3 Prozent), gefolgt von der offensichtlich immer noch beliebten Serie „Sex and the City“ (2,1 Prozent). Von den aufgeführten Serien ist „Sex and the City“ die einzige, für die keine aktuellen Staffeln mehr produziert werden.9 Auch diese Ergebnisse sind mit denen der JIM-Studie 2010 vergleichbar: Als beliebteste Serien werden dort Comedy-Formate bzw. Sitcoms, vor allem auch die Serie „Two and a
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Half Men“, Cartoons und Zeichentrickserien wie „Die Simpsons“ und Daily-Soaps bzw. Telenovelas wie GZSZ aufgeführt. Der mit 2,3 Prozent am häufigsten erwähnte Kinofilm ist „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ (2010). Es ist der erste 3D-Film unter der Regie von James Cameron, der weltweit die Ära des 3D-Kinos initiierte; er scheint bei den Jugendlichen einen besonderen Status zu bekleiden. Die französische Produktion „Die Fabelhafte Welt der Amélie“ (2001; Regie: Jean-Pierre Jeunet) kann mit 2,1 Prozent ebenfalls viele Nennungen verbuchen. Das Genre „Thriller/Horror“, das auch unter Erwachsenen populär ist, nimmt bei den erwähnten Filmen eine besondere Rolle ein und wird explizit von 1,9 Prozent der Jugendlichen und jungen Erwachsenen angegeben. Insbesondere Horrorfilme haben unter Jugendlichen eine Fangemeinde und sind spätestens seit den Slasherfilmen der späten 1970er Jahre, in denen Teenager die Hauptrollen spielen (wie zum Beispiel „Halloween“), ein explizit jugendorientiertes Genre: „Die gemeinschaftliche Rezeption dient der Erfahrung von Grenzen, schafft eine bewusste Abgrenzung von der regulativen Erwachsenenwelt und ermöglicht in der Interessengemeinschaft auch die Reintegration in den Alltag. Wie Märchen bei Kindern bieten Horrorfilme Jugendlichen eine Möglichkeit, sich mit ihren altersspezifischen Ängsten und Problemen stellvertretend auseinanderzusetzen und eine eigene Identität auszuprägen, die gesellschaftlichen Diktaten wie Schönheitskult und Todesflüchtigkeit trotzt.“10 Bei den Games gibt es besonders viele Einzelnennungen, und es zeichnen sich keine deutlichen Favoriten ab. Mehrfach genannt werden nur „Sims“(ca. 1 Prozent), “Wii“ (Konsole) (1 Prozent), „Call of Duty“ (CoD) (unter 1 Prozent) und „Counterstrike Source“ (unter 1 Prozent). Es hebt sich kein Genre besonders ab – Shooter, Simulationen, Adventures und Rollenspiele sind gleichermaßen in den Antworten zu finden.
Internet: Soziale Netzwerke und Bilder Der Bereich „Web 2.0“ der Inter-Cool-Studie 2010 umfasst die Fragen „Auf welcher Plattform hast du ein Profil?“11 und „Machst du selber Fotos/Videos und stellst sie im Internet aus? Wo?“. Laut der JIM-Studie von 2010 verbringen Jugendliche durchschnittlich 138 Minuten pro Tag im Internet und nutzen diese Zeit überwiegend in „Sozialen Netzwerken“: „Jeder Zweite zwischen 12 und 19 Jahren loggt sich täglich in seiner Online-Community ein, die meisten von ihnen sogar mehrmals täglich […].“12 Weltweit ist Facebook die meist genutzte Plattform im Web 2.0, sodass es zunächst verwundert, dass sie mit 273 Nennungen nur auf Platz 2 landet. Platz 1 belegt die Platt-
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form SchülerVZ mit 305 Nennungen und damit 60 Prozent. Betrachtet man den Altersdurchschnitt der Befragten von 19 Jahren, ist dieses Ergebnis jedoch nachvollziehbar. Ein Großteil besucht noch die Schule oder hat diese gerade beendet. Aufgrund strengerer Datenschutzrichtlinien bietet SchülerVZ zudem eine sichere Einstiegsmöglichkeit in die sozialen Netzwerke und ist unter Schüler/-innen sehr beliebt und verbreitet. Ein Vergleich der Ergebnisse der JIM-Studien 2009 und 2010 zeigte jedoch, dass obwohl sich die Plattform SchülerVZ noch als Marktführer behaupten kann, die Anzahl der aktiven Nutzer/-innen innerhalb eines Jahres von 59 Prozent (2009) auf 53 Prozent (2010) gesunken ist. Einen „kometenhaften Anstieg“ verzeichnet hingegen Facebook: „Gaben 2009 gerade einmal sechs Prozent der Jugendlichen an, dieses Angebot zu nutzen, hat sich dieser Anteil 2010 auf 37 Prozent erhöht.“13 Als international ausgerichtete Plattform scheint Facebook von allen Altersgruppen genutzt zu werden, somit also eine hohe Anziehungskraft auszuüben. Das Videoportal YouTube folgt mit 18 Prozent, MySpace, das stetig Nutzer/-innen verliert, nennen nur noch 16 Prozent der Befragten. Die dritte VZ-Plattform für Berufstätige, MeinVZ, wird in 10 Prozent der Antworten angegeben. Weiterhin mehrfach genannt werden das Kommunikationsprogramm ICQ (6 Prozent) und die eher kleineren deutschen sozialen Netzwerke wie wer-kennt-wen (WKW) (6 Prozent) und Lokalisten (3 Prozent) sowie die Fotoplattform flickr (3 Prozent), das Microsoft Programm MSN und die primär geschäftlich genutzte Plattform XING (mit jeweils 2 Prozent). Die Frage „Machst du selber Fotos/Videos und stellst sie im Internet aus?“ zielt direkt darauf ab, dass das Web 2.0 Nutzern einen Rahmen für Selbstinszenierungen und für die Veröffentlichung eigener medialer Produkte bietet. 327 Personen oder 65 Prozent der Befragten antworten hier mit „Nein“. 126 Prozent der Jugendlichen geben an, dass sie Bilder und Videos produzieren und auf den in Frage 8 genannten Plattformen veröffentlichen. Auffällig ist allerdings, dass 10 Prozent keine Angabe zu eigenen Veröffentlichungen im Web 2.0 machten. Alle Befragten kennen die Risiken des Hochladens14 von eigenen Bildern bzw. Werken auf Web-2.0-Plattformen und antworten mit Äußerungen wie: „Ein paar Fotos lade ich bei MySpace hoch. Doch die meisten Fotos (und das sind viele) bleiben ausgedruckt auf einem Stapel oder im Ordner auf dem PC. Bevorzuge: Einwegkamera“, „Ich mache sehr viele Fotos aber ich stelle sie nicht ins Netz“, „Ja, nur Fotos, die kein negatives Licht auf mich werfen, ich vermeide Alkohol etc. auf Bildern“ oder auch „Ja manchmal, aber nicht immer, es ist auch gefährlich“. Die befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen scheinen verantwortungsbewusst mit Veröffentlichungen im Netz umzugehen; dabei muss allerdings berücksichtigt werden, dass viele der Jugendlichen bezüglich ihrer Web-2.0-Aktivitäten sozial erwünschte Antworten geben und durch Diskussionen in den
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Medien (beispielsweise über online- und spielsüchtige Risikojugendliche) gut darüber informiert sind, was sie dürfen bzw. was Erwachsenen missfallen könnte.15
Jugendkulturen 2010: Nur cool und wenig Kultur? Die Ergebnisse der Befragung weisen auf visuelle Konzepte und Konstrukte zeitgenössischer Jugend hin; diese zeigen sich in medialen Repräsentationen im Zeitalter des Web 2.0 (etwa auf flickr oder YouTube), aber auch in Computerspielen, FanArt oder in der digitalen Musikkultur; besonders einheitlich treten sie allerdings in der Mode hervor. Der besondere Umgang mit Mode, Musik und Raum eröffnet Nischen, mit denen sich Jugendliche von Dekade zu Dekade beinahe unbemerkt einen erheblichen audiovisuellen Wissensvorsprung gegenüber der älteren Generation erarbeitet haben. Jugendliche verfügen heute über neue mediale Werkzeuge – wie die digitale Bildproduktion –, mit denen sie sich bestimmte Aspekte der sie umgebenden Kultur aneignen und diese transformieren, ohne hierfür institutioneller Unterweisungen zu bedürfen. Um zu ergründen, welche Bedeutung Kultur für Jugendliche im Allgemeinen hat, muss man zunächst Kultur von Hochkultur abgrenzen: Sehr viele Jugendliche interessieren sich heute – wie in der Vergangenheit – nicht unmittelbar für „fertiges“, kanonisiertes oder gar museales Text- und Bildwissen. Jugendliche sind per se stark verwurzelt in den populären Kulturen des Alltags und deren unterschiedlichen Stilen und Strömungen. Diesen Alltagskulturen bringen sie großes Interesse entgegen: Hier arbeiten sie kreativästhetisch und bilden sich ohne Anleitung von Erwachsenen zielstrebig weiter.16 Mit selbst gemachter und über ihren Stil weiter transportierter „Common Culture“17 haben Jugendliche folglich längst ihren Platz in „der“ Kultur gefunden. In den so entwickelten eigenen jugendlichen Kulturen spielt das Museum normalerweise eine marginale Rolle; der museale Raum wird vielmehr als fremdbestimmt wahrgenommen und negativ mit „vorgesetzten“ Erwachsenen und mit Institutionen, wie z.B. Schulen und deren Zwängen in Verbindung gebracht. Das Vorangegangene hat gezeigt, dass Jugendliche als Gruppe und als Individuen eigene, heute zunehmend von neuen technischen Möglichkeiten geprägte kulturelle Verhaltensweisen aneignen und ausüben. Das Museum betreten Kinder und Jugendliche in der Regel bisher zuerst im Rahmen des elterlichen „Kulturkonsums“ – natürlich geschieht dies primär nur in bürgerlichen Schichten – und/oder im Rahmen der Lehrpläne. Das Museum im traditionellen Sinn ist für sie demnach ein fremder Ort; je stärker die Museen jedoch den Wandel der Vermittlungs- und Repräsentationstechniken in ihre Ausstellungspraxis integrieren, umso fruchtbarer für beide Seiten ist die mögliche Interaktion. Der entscheidende Vorteil des musealen Raumes ist hierbei, dass in ihm Wissen anders,
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gesellschaftlich durchlässiger vermittelt wird als in der klassischen Bildungsinstitution Schule. So verhandeln zum Beispiel Künstler/-innen in ihren Arbeiten nicht erst heute selbstverständlich relevante Themen der (jugendlichen) Alltagspraxis; und gerade diese Kunst findet heute Zugang in die Museen. Spannend sind solche Arbeiten insbesondere dann, wenn sie adoleszente Lebenswelten nicht nur dokumentieren, sondern neue, den Jugendlichen selbst unbekannte Zugänge dazu herstellen, so wie exemplarisch der französische Fotograf Denis Darzacq mit seinem Parcours im Supermarkt oder die chinesische Medienkünstlerin Cao Fei mit der Filmcollage Cosplayer.18 Einer besonderen „jugendgerechten“ Aufbereitung bedarf Kunst umso weniger, je verwurzelter sie in der lebendigen Gegenwartskultur ist.
1 Realisiert wurde die Befragung wie die anschließende Studie von Anna Lena Heidrich und Alexander Tilgner. Die Ausstellung fand vom 17. September bis 28. November 2010 im Kontext von Ruhr 2010 (Kulturhauptstadt Europas) im Dortmunder U-Turm unter kuratorischer Leitung von Prof. Dr. Birgit Richard (Jugendkulturarchiv Frankfurt) und dem HMKV statt. 2 Das Online-Videoportal YouTube existiert beispielsweise seit 2005. 3 Vgl. Schmidt, Jan-Hinrik / Paus-Hasebrink, Ingrid / Hasebrink, Uwe (Hg.): Heranwachsen mit dem Social Web. Zur Rolle von Web 2.0-Angeboten im Alltag von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, Berlin 2009. 4 Nachfolgend werden ausschließlich die Ergebnisse aus den Bereichen „Filme, Serien, Games“ und „Web 2.0“ skizziert. 5 Lediglich Frage 8 („Auf welcher Plattform hast du ein Profil?“) stellt die bekanntesten Plattformen zum Ankreuzen zur Auswahl, lässt darüber hinaus aber Raum für individuelle Ergänzungen. 6 Richard, Birgit: Jugendliche Bild- und Medienwelten im Museum: coolhunters und intercool 3.0. Bildung durch Kunst und Alltag, In: Melzer, Wolfgang / Tippelt, Rudolf: Kulturen der Bildung. Beiträge zum 21. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft, Opladen 2009, S. 201f. 7 JIM-Studie 2010: Jugend, Information, (Multi-)Media. Basisuntersuchung zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland, hrsg. vom medienpädagogischen Forschungsverbund Südwest, Stuttgart, S. 20, abrufbar im Internet unter http://www.mpfs.de/fileadmin/ JIM-pdf10/JIM2010.pdf, letzter Zugriff: 13.07.2012. 8 Dieses Ergebnis stimmt mit dem der JIM-Studie 2010 überein; als beliebtestes Fernsehprogramm erreicht Pro Sieben dort 44 Prozent der Befragten (vgl. JIM-Studie 2010, S. 20).
9 Allerdings gab es in den letzten Jahren zwei Kinofilme unter dem gleichen Namen, daher bleibt unklar, ob das Serien- oder das Spielfilmformat mit den Nennungen gemeint ist. Da die Filme bezüglich der Themen wie der Aufmachung auf der Serie basieren, macht das letztlich jedoch keinen relevanten Unterschied. 10 Stiglegger, Marcus: Die Bedeutung des Horrorfilms für Jugendliche, mediamanual 15, hrsg. vom Österreichischen Bundesministerium für Unterricht, Kunst und Kultur, 2011, S. 10, abrufbar im Internet unter http://www2.mediamanual.at/themen/vermittlung/ mmt11_15_horrorfilm_print.pdf, letzter Zugriff: 13.07.2012. 11 Angekreuzt werden konnten flickr, YouTube, MySpace, StudiVZ, MeinVZ, SchülerVZ, WKW, Facebook und Lokalisten; unter „Sonstige“ konnten weitere Plattformen angegeben werden. 12 JIM-Studie 2010, a. a. O., S. 41. 13 Ebd., S. 42. 14 Beispielsweise die Gefahr, dass mögliche Arbeitgeber die sozialen Netzwerke nach potenziellen Bewerber/-innen durchsuchen. Zudem lassen sich hochgeladene Bilder und Videos sehr schwer vollständig aus dem Netz entfernen. 15 Vgl. Schmidt, Jan-Hinrik, a. a. O. 16 Vgl. zum Beispiel die Bereiche J-Pop Manga und Anime Cosplay, die mittlerweile natürlich auch „museumsreif“ sind; siehe hierzu die Ausstellung „Anime! High Art-Pop Culture“ 2011/2012 in der Bundeskunsthalle Bonn. 17 Willis, Paul: Common culture. Symbolic work and play in the everyday cultures of the young, Boulder 1990. 18 Vgl. hierzu das Ausstellungskonzept von MEGACOOL 4.0 – Jugend und Kunst, aktuell zu sehen im Künstlerhaus in Wien (15. Juni – 7. Oktober 2012), sowie den gleichnamigen Katalog zur Ausstellung.
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schule und museum – eine partnerschaft im wandel Museen in Deutschland versuchen seit langem – mit teilweise sehr unterschiedlichen Mitteln – Kinder und Jugendliche anzusprechen, sie zu begeistern und ihnen neben einzelnen Objekten die besonderen sinnlich-intellektuellen Erfahrungsmöglichkeiten des Museums nahezubringen: Wie Zahlen des Instituts für Museumsforschung belegen, gehören junge Menschen und Kinder zu den Hauptzielgruppen von Museen.1 Notwendig und sinnvoll sind diese Bemühungen aus einer Reihe von Gründen:
Veränderte Lebenswelten Aus Sicht der Museen ist Handeln erforderlich, da in unseren rasant sich verändernden Lebenswelten traditionelle Kulturinstitutionen nicht mehr selbstverständlich besucht und genutzt werden; die Faszination der Museumsräume, -objekte und -arrangements muss teilweise hart mit den technischen und sozialen Vermittlungsmöglichkeiten der neuen Medien (besonders des Internets) konkurrieren, die in den letzten beiden Jahrzehnten einen vorher unvorstellbaren Siegeszug gerade auch unter Kindern angetreten haben. Zugleich darf aber das Bestreben, die Wahrnehmungs- und Rezeptionsgewohnheiten von Kindern und Jugendlichen gezielt anzusprechen, nicht zu einer pädagogisch-didaktischen Überformung von Museen und Ausstellungen führen. Um Kinder und Jugendliche nachhaltig und positiv mit den Möglichkeiten von Museen vertraut zu machen, entwickeln Museen heute ein breites Spektrum zielgruppenorientierter Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche.2 Diese Bandbreite teilt sich in Einheiten für Schulklassen, die mit ihren Lehrer/-innen ins Museum gehen (Schüler/-innen sind bis heute die Hauptzielgruppe aller Bildungsarbeit in Museen)3, sowie Einheiten für die Kinder individueller Besucher/-innen des Museums, d. h. in diesem Fall kommen die Kinder in Begleitung von Eltern oder Verwandten. In beiden Fällen sind Erwachsene – Lehrende, Eltern – die Hauptadressaten der Angebote.
Schule und Museum – eine Partnerschaft im Wandel
Im Einzelnen werden heute in Museen und Ausstellungen „für Erwachsene“ nicht selten Formate für Kinder integriert. Diese reichen von eigens für Kinder konzipierten Themenausstellungen über besonders gestaltete Teilbereiche und interaktive/spielerische Ausstattungselemente der Ausstellung (wie Audioguides, sogenannte Hands-on-Elemente etc.) bis hin zur Durchführung von Lernprogrammen und -projekten unterschiedlicher Art, Dauer und Komplexität (wie Führungen, Workshops etc.). Dass eine Ausstellung für Kinder und Jugendliche geeignet ist und diese begeistern kann, hängt jedoch mitnichten allein vom Vorhandensein von Hands-on-Elementen ab. Diese ermöglichen zwar hier und da ein sinnliches Begreifen von Gegenständen und werden von Kindern (und Erwachsenen) durchaus angenommen, doch sind spannende Arrangements, überzeugende Vermittlungskonzepte zumindest ebenso wichtig, so das Ergebnis einer Befragung 4 von Grundschüler/-innen in der Kinderausstellung „WeltSpielZeug“ im Ethnologischen Museum in Berlin.
Vernetzung verschiedener Lernorte Aus Sicht von (Bildungs-)Politikern erfordert es strukturelle Maßnahmen, da, obwohl Daten und Informationen heute für wesentlich mehr Menschen zugänglich sind als zur Zeit der Einführung der allgemeinen Schulpflicht, die Gleichverteilung von Bildung als Chance auf beruflichen Aufstieg und soziale Teilhabe für alle nicht gesichert ist. Heute scheint im Gegenteil klar, dass Schule allein nicht genügt und dass wichtiger als das eine oder andere abfragbare Pensum eine bildungspolitisch organisierte, flankierte und geförderte Aneignung von lebenslang abrufbaren und flexibel erweiterbaren Kompetenzen zum selbstständigen Umgang mit den verfügbaren Daten ist. Die bundesdeutsche Bildungspolitik hat es sich länderübergreifend zur Aufgabe gemacht, durch eine entsprechende Veränderung der Schulcurricula dieser – programmatisch über die Schulen hinaus reichenden gesellschaftlichen – Notwendigkeit Rechnung zu tragen. Die erwünschten Kompetenzen für lebenslanges Lernen, die es zu einem kleinen Teil bereits vor, zum größten Teil aber während sowie fortlaufend auch nach der eigentlichen Schulzeit zu erwerben gilt, sind, so die bildungspolitische Erkenntnis, partiell gerade nicht oder nicht allein am Lernort Schule vermittelbar, auch nicht einzig und allein durch das auf den Unterricht zugeschnittene Know-how von Lehrer/-innen. Die Vernetzung der verschiedenen Lernorte ist daher heute eine Forderung bildungspolitischer Leitprogramme. Das Lernen auch an Lernorten neben und außerhalb der Schulen, wie zum Beispiel in Museen, soll von allen beteiligten Akteuren programmatisch als untrennbar von schulischer Bildung verstanden werden. Nach der Überarbeitung der Lehrpläne in allen Bundesländern im vergangenen Jahrzehnt definieren die neuen Curricula Fähigkeiten und Kompetenzen, die Kinder und Jugendliche in festgelegten Zeiträumen
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erwerben sollen. In der Wahl der einzelnen Themen und Stoffe, durch deren Behandlung diese Fähigkeiten und Kompetenzen vermittelt werden sollen, sind die Lehrer/-innen freier geworden als früher. Diese Verschiebung, die höhere Gewichtung der Vermittlung von Kompetenzen gegenüber dem früheren Pensum, soll Kinder und Jugendliche in ihrem weiteren Leben zur effektiven Anwendung und selbstständigen Anpassung erworbener Kenntnisse und Fertigkeiten in veränderlichen Situationen befähigen. Aus Sicht von Schulen, Schulleiter/-innen und Lehrenden, die die Lehrpläne mit ihren Schüler/-innen umsetzen müssen, kommen an dieser Stelle die Museen – neben anderen mitten in der Gesellschaft agierenden kulturellen Institutionen – als wichtige außerschulische Lernorte ins Spiel, die in einem durchaus klassischen Sinn kulturell geformtes Wissen durch unmittelbare Anschauung vermitteln können. Dabei liegt der entscheidende Wert dieser außerschulischen Lern- und Erfahrungsräume – darunter Museen, Archive, Bibliotheken, aber auch Universitäten, Laboratorien etc. – für die nachhaltige Bildung der Kinder und Jugendlichen gerade auch in deren primär nicht-pädagogischen Prämissen und Arbeitsweisen. Da jedoch zugleich die schulischen Lernziele im Rhythmus der Schuljahre rigoros erreicht werden müssen, ist hier eine erhebliche Bereitschaft zum Umdenken, vor allem eine Relativierung des exklusiven Status von Schulen für die Bildung der Kinder und Jugendlichen verlangt. Der einfache Verweis auf die straffen Lehrpläne sollte heute jedenfalls nicht mehr als Argument dazu dienen, um nicht mit Klassen ins Museum zu gehen. Doch die Lehrenden müssen bei dieser tendenziell umfassenden Reorganisation des schulischen Lernens unterstützt werden und es müssen die notwendigen personellen Ressourcen zur Verfügung gestellt werden: Der organisatorische Aufwand erscheint nicht nur, sondern er ist auch häufig groß, nach wie vor müssen Unterrichtsstunden verlegt und teilweise Kosten für den Eintritt und die Fahrt ins Museum berechnet werden. Und schließlich sehen sich aufgeschlossene Lehrende nicht selten in der Situation, einen Museumsbesuch gegenüber der Schulleitung mit den falschen Argumenten rechtfertigen zu müssen.
Museum ist nicht Schule Die von vielerlei Interessen bestimmte und teilweise ideologische Debatte über das Verhältnis zwischen dem Lernen in der Schule und dem Lernen im Museum läuft nicht zufällig bereits seit den Anfängen der Museumspädagogik zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Es wurde immer neu thematisiert, analysiert, und dabei wurden unterschiedliche Ebenen für Synergien der so anders sich begründenden Institutionen hervorgehoben. Insbesondere in den 1960er und in den 1970er Jahren, als Museen durch ihre verstärkte Vermittlungstätigkeit (Ausstellungen, Führungen und andere Veranstaltungen) ein breiteres Publikum als bisher zu erreichen suchten, wandten sich Pädagog/-innen sowohl
Schule und Museum – eine Partnerschaft im Wandel
im Osten als auch im Westen Deutschlands dem konkreten Nutzen von Museen für die schulische Bildung und Erziehung zu.5 In der Bundesrepublik traf dies in die sogenannte „Entschulungsdiskussion“, in der etwa Ivan Illich und Hartmut von Hentig, anknüpfend an die Reformbewegung zu Beginn des 20. Jahrhunderts, die Abschaffung des Lehrmonopols der Schule forderten, um den Partizipationsanforderungen der demokratischen Gesellschaft mit einem Netzwerk offener Kulturinstitutionen als Lernorte zu entsprechen.6 In den 1980er Jahren begann man dann, die Vermittlungsformen in Schule und Museum auf ihre Divergenzen hin zu betrachten. Zeittypische Forderungen danach, dass „Lernprozesse als Aktivitäten des ganzen Körpers zu begreifen“ seien, dass die „verlorene Sinnlichkeit“ in Lernprozessen wiederentdeckt oder ein „Lernen mit allen Sinnen“ kultiviert werden müsse, schienen in Museen umsetzbar 7 und prägen bis heute Teile der Diskussion. Vor über einem Jahrzehnt rückte das Thema Schule und Museum erneut in den Fokus der Öffentlichkeit. Zum einen im Kontext der Forderung nach mehr Besucherorientierung in Museen. Schlagworte wie Infotainment und erlebnisorientiertes Lernen fanden nicht nur Eingang in die museologischen Diskurse, sondern bestimmen bis heute auch die Debatte zum Potenzial der Zusammenarbeit von Schulen und Museen.8 Vor dem Hintergrund der Ergebnisse der ersten PISA Studie der OECD im Jahr 2000 sowie der darauf folgenden bundesweiten Einführung von Ganztagsschulen bzw. Schulen mit ganztägigen Angeboten wurde die Bedeutung von kultureller Bildung neu diskutiert. Schulen und Kultureinrichtungen wurden sowohl von Kultur- als auch von Bildungspolitikern zu einer stärkeren Zusammenarbeit aufgefordert, um allen Kindern und Jugendlichen, unabhängig von ihren sozialen Voraussetzungen, Teilhabe zu ermöglichen. Die kulturpolitische Forderung nach mehr kultureller Bildung führte zu einer deutlichen Aufwertung der Vermittlungsarbeit in Kulturinstitutionen sowie zur Etablierung einer Reihe von bundes- oder landesweiten Förderprogrammen, die von Stiftungen, Ministerien, Verbänden oder Vereinen eingerichtet wurden,9 um gemeinsame Projekte von Schulen und Kultureinrichtungen zu unterstützen. Zeitgleich entstanden im vergangenen Jahrzehnt auch eine Reihe theoretisch oder praktisch fundierter Publikationen und Handreichungen, die Kooperationswege und -möglichkeiten zwischen Museen und Schulen aufzeigen.10 Sie zielen insgesamt auf eine professionellere Implementierung von museumspädagogischem Know-how und eine verbesserte Koordination der Akteure mit ihren jeweiligen Arbeitsschwerpunkten. Lehrenden soll beispielsweise vermittelt werden, wo die genuinen (Bildungs-)Potenziale des Museums liegen und wie diese bestmöglich zu nutzen sind, Museumsleiter/-innen und Kurator/-innen, wie sie an den heute erweiterten Bildungsbegriff von Schulen anknüpfen und ihn zum langfristigen Nutzen aller Beteiligten befördern können. Die (mittelgeförderte) Realisierung all dieser Kooperationsvorhaben ist vor dem Hintergrund der heutigen gesellschaftlichen und medialen Umbrüche wichtig, bleibt aber
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wohl in näherer Zukunft eine Gratwanderung. Eine dauerhafte Zusammenarbeit mit planbaren Ergebnissen setzt grundsätzlich voraus, dass sich beide Partner als „lernende Institutionen“ verstehen und sich auf einen Arbeitsmodus verständigen, der ihren unterschiedlichen Strukturen Rechnung trägt und es allen Partnern gestattet, ihre Kompetenzen unvermindert einzubringen. Für die Museen, die mit Schulen kooperieren (wollen), stellt sich immer wieder die Frage, wie viel Nähe zu den Curricula eigentlich notwendig oder gewünscht ist. Denn zum einen müssen Museen, die sich aktiv um die Zielgruppe der Schüler/-innen bemühen, die Relevanz ihrer Ausstellungen und pädagogischen Angebote für den Unterricht erkennbar machen. Das heißt jedoch nicht, dass sie als „verlängerter Arm“ der Schule dienen sollen. Zu reflektieren bleiben weiterhin folgende Fragen:11 Wie weit sollen Museen also auf die Wünsche und Bedürfnisse von Lehrer/-innen eingehen? Sollen Museumsleiter/-innen und Kunstschaffende sich, zugespitzt gesagt, bei der Ausstellungsplanung an Schulcurricula und Prüfungsterminen in Lehranstalten orientieren? Oder wie können sie das stärken, was das Lernen im Museum einzigartig macht? Wie können Schulen von einer kontinuierlichen Zusammenarbeit mit Museen profitieren? Ist Kompetenzorientierung in Museen möglich und sinnvoll? Können Museen zum Lernen anstiften?
1 Statistische Gesamterhebung an den Museen der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2007. Materialien aus dem Institut für Museumsforschung, Heft 62, 2008, S. 53. 2 „Das Wissen über die Zielgruppen, ihren jeweiligen kulturellen Hintergrund, ihre Interessen und Erwartungen, den Grund ihres Besuchs, die emotionalen und physischen Bedürfnisse sowie ihre Vorkenntnisse ist Grundlage für jede qualitätvolle Vermittlungsarbeit.“ Deutscher Museumsbund e. V. und Bundesverband für Museumspädagogik e. V. (Hg.): Qualitätskriterien für Museen. Bildungs- und Vermittlungsarbeit, Berlin 2008, S. 12. 3 Sie gehören seit vielen Jahren bei fast 70 Prozent aller befragten Museen zur Hauptzielgruppe der museumspädagogischen Vermittlungsarbeit. Vgl. Museumspädagogik in Zahlen, Erhebungsjahr 1993, Materialien aus dem Institut für Museumskunde, Heft 41, 1994, S. 48, sowie Statistische Gesamterhebung an den Museen der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2007. Materialien aus dem Institut für Museumsforschung, Heft 62, 2008, S. 53.
4 Donecker, Alexandra: Untersuchung der Besucherresonanz zur Sonderausstellung „WeltSpielZeug“ im Ethnologischen Museum Berlin. Eine Konzeptbetrachtung und Besucherbefragung, in: Mitteilungen und Berichte aus dem Institut für Museumsforschung, Nr. 36, Berlin 2007. 5 Vgl. für die DDR: Zentrale Fachstelle für Museen beim Ministerium für Kultur der DDR (Hg.): Museen und Schule in der DDR, Berlin 1966, sowie Patzwall, Kurt / Ehrlich, Willi (Hg.): Wir besuchen ein Museum. Handreichungen zur Bildung und Erziehung im Museum für Leiter von Gruppen, Berlin 1976. Für die BRD: Spickernagel, Ellen / Walbe, Bettina (Hg.): Das Museum. Lernort contra Musentempel, Gießen 1976. 6 Vgl. Hentig, Hartmut von: Cuernavaca oder: Alternativen zur Schule, München 1971; Illich, Ivan D.: Entschulung der Gesellschaft, München 1972. 7 Vgl. z.B. Otto, Gunter / Bevensen, Bad: Schule und Museum. Unterschiede und Gemeinsamkeiten an zwei Lernorten, in: Kunst und Unterricht, 218, 1997, S. 12 – 15; Rumpf, Horst: Die übergangene Sinn-
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lichkeit, München 1981; Staudte, Adelheid: Mit allen Sinnen lernen, in: Kunst und Unterricht 87, 1984, S. 8 – 15. 8 Vgl. z. B. Commandeur, Beatrix / Dennert, Dorothee (Hg.): Event zieht – Inhalt bindet. Besucherorientierung von Museen auf neuen Wegen, Bielefeld 2004. 9 Dazu gehören zum Beispiel Kinder zum Olymp!, schule@museum oder Kultur.Forscher! auf Bundesebene und Programme wie Kultur und Schule in Nordrhein-Westfalen, ZOOM: Berliner Patenschaften Künste & Schule in Berlin oder LernStadtMuseum in Sachsen – Schüler entdecken Museen. Ihr Ziel ist es, Schulen und Museen zu einer langfristigen Zusammenarbeit anzuregen, um u. a. Schüler/innen unterschiedlicher sozialer Herkunft Zugänge zu kultureller Bildung zu öffnen. Zudem sollen neue Lernformen erprobt werden, die die spezifischen Bedingungen im Museum nutzen und zugleich den Anforderungen der Lehrpläne genügen. 10 Deutscher Museumsbund e. V. (Hg.): Museen und lebenslanges Lernen. Ein europäisches Handbuch, Berlin 2010; Deutscher Museumsbund e. V. (Hg.):
Schule und Museum – Eine Handreichung für die Zusammenarbeit, Berlin 2011; Dücker, Burckhard / Schmidt, Thomas (Hg.): Lernort Literatur-Museum. Beiträge zur kulturellen Bildung, Göttingen 2011; Keuchel, Susanne: Kulturelle Bildung in der Ganztagsschule. Eine aktuelle empirische Bestandsaufnahme in der Ganztagsschule, Bonn 2007; Kunz-Ott, Hannelore / Kudorfer, Susanne / Weber, Traudel (Hg.): Kulturelle Bildung im Museum. Aneignungsprozesse – Vermittlungsformen – Praxisbeispiele, Bielefeld 2009; Leuschner, Christina / Knoke, Andreas (Hg.): Selbst entdecken ist die Kunst. Ästhetische Forschung in der Schule, München 2012; Liebau, Eckart / Zirfas, Jörg: Die Sinne und die Künste. Perspektiven ästhetischer Bildung, Bielefeld 2008; Wagner, Ernst / Dreykorn, Monika (Hg.): Museum, Schule, Bildung, aktuelle Diskurse, innovative Modelle, erprobte Methoden, München 2007; Zeitschrift für Erziehungswissenschaft. Schwerpunkt: Lernen im Museum, Heft 1, 2009. 11 vgl. dazu die Interviews in diesem Buch mit Jens Reichel und Ralf Seifert.
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ralf seifert
Das Curriculum – Hindernis oder Chance? Interview mit dem Lehrer und Referent für kulturelle Bildung am Sächsischen Staatsministerium für Kultus, Mitarbeit am Programm „LernStadtMuseum in Sachsen – Schüler entdecken Museen“ am Sächsischen Staatsministerium für Kultus.
an welchen pädagogischen Leitlinien orientieren sich die Lehrpläne der Schulen in Sachsen?
Das sächsische Bildungssystem benennt drei Säulen des Lernens: den Wissenserwerb, die Orientierung an Werten und die Entwicklung von Kompetenzen. Nach dieser Dreiteilung wurden in den letzten Jahren die sächsischen Lehrpläne aufbereitet. Zunächst wurden die Lehrstoffe gegenüber den älteren Lehrplänen reduziert, um für die einzelnen Fachlehrer und Fachlehrerinnen mehr didaktischen und pädagogischen Freiraum zu schaffen. Dann hat man sich darum bemüht, in den Lehrplänen geeignete Ziele zu formulieren und hat diese mit den genannten Entwicklungsebenen „Wissen, Werte und Kompetenzen“ in Einklang gebracht. Unser primäres Bildungsziel sind mündigere Schüler und Schülerinnen, die mit dem heute zugänglichen Wissen und den neuen Möglichkeiten der Informationsverarbeitung aktiv und sinnvoll umgehen können.
Welche Chancen ergeben sich aus diesen Neuerungen für die Kooperation von Schulen und Museen?
Wir gehen prinzipiell davon aus, dass Kinder und Jugendliche nicht nur in der Schule lernen können und sollen. Neben ihren Familien geben viele außerschulische, informelle Lernorte Impulse beim Lernen. Ein wesentliches Kriterium für eine „gute“ Schule ist darum eine klare Strategie für die Kooperation mit diesen externen Lernorten. Es geht darum, die individuelle Expertise, die Schüler und Schülerinnen im sozialen und kulturellen Raum erwerben, in die Schule zu holen. Die neuen Lehrpläne lassen dies zu, und das Museum gehört sowohl als Institution als auch mit seinen Exponaten und Ausstellungskonzepten zu den primären außerschulischen Lernorten, die auch im Klassenverbund besucht und genutzt werden können.
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Was sind zentrale Anliegen einer solchen Zusammenarbeit?
Zentral ist, dass es gelingt, für die Vermittlung von Wissen, Werten und Kompetenzen ganz unterschiedliche Ressourcen, unterschiedliche Formate zu nutzen, ohne sie einander anzugleichen. Museen und ihr Publikum sind anders, freier aufeinander bezogen als Schulen und ihre Schüler und Schülerinnen. Externe Ressourcen wie Museen sind in jedem Fall heterogen und sollen im Zuge der Kooperation nicht in verstreute Ableger von Schulen verwandelt werden, sondern im Gegenteil ihre Andersartigkeit und Besonderheit zur Geltung bringen, kurz: Museen als außerschulische Lernorte sollen bei dieser Kooperation nicht verschult werden. Wir wollen ja, das ist ein Aspekt solcher Kooperationen, weg vom einseitig „schulischen“ Lernverhalten. Als Lernorte müssen sich die Museen in ihren museumspädagogischen Angeboten jedoch auch auf bestimmte schulspezifische Standards einlassen. Gemeinsam vereinbarten Lernzielen kommen wir nur näher, wenn die Kompetenzen beider Seiten, der Schule und des Museums, unvermindert zum Zug kommen.
Welcher Voraussetzungen bedarf es dazu?
Dazu bedarf es in erster Linie der gegenseitigen Kenntnis, der Vernetzung der Kooperationspartner. So banal das klingen mag, so wichtig ist es doch. Wo gibt es zum Beispiel Expertise zu einem bestimmten Themenbereich, mit welchem anderen Angebot lässt sich das sinnvoll kombinieren? Noch fehlen Instrumente, die es den Lehrenden erlauben, mit überschaubarem Aufwand schnell eine effektive Kommunikation aufzubauen. In der Regel ist es für die Lehrenden nicht möglich, alle einzelnen Lernorte „auszuprobieren“, um sie mit ihren Schülerinnen und Schülern nutzen zu können. Seitens der Bildungsadministration werden deshalb entsprechende Datenbanken und Hilfen entwickelt. Komplizierter sind die vielen einzelnen Schritte, die zurückgelegt werden müssen, um den Lehrbetrieb ohne Verluste zu modifizieren. Bisher wird er von drei beteiligten Gruppen bestimmt – das sind Lehrer, Schüler und Eltern (die Eltern haben ein sehr konkretes Mitspracherecht und Entscheidungsmandat). Nun geht es darum, durch Kooperationen einem veränderten und in Veränderung begriffenen Bildungsverständnis gerecht zu werden: Wie schon angedeutet, können Schulen in Sachsen nur dann als gute Schulen evaluiert werden, wenn sie verlässliche Partner und Strukturen darstellen können, mit denen und an denen sie kontinuierlich arbeiten. Kooperationspartner sollen künftig als feste Größe der Schulentwicklung begriffen werden. In vielen Schulen geht der Weg hin zur Zusammenarbeit mit verlässlichen, entwicklungsfähigen, entwicklungswilligen Institutionen
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wie Museen, Musikschulen, Theatern, wissenschaftlichen Einrichtungen, aber auch freischaffenden Künstlern etc. Wir werden übrigens allein schon aufgrund der demografischen Entwicklung relativ bald nach Möglichkeiten suchen müssen, den Unterricht in vielen Fächern umzustrukturieren und anders zu denken als bisher. Es ist auf jeden Fall wichtig, dass man sich vermehrt langfristigen Kooperationen zuwendet, die die kontinuierliche Fortentwicklung eines gemeinschaftlichen Bildungsverständnisses ermöglichen. Solche partnerschaftlichen Kooperationen führen bei den Schulen weg von der Haltung: Wir sind die, die Bildung definiert haben – nämlich letztlich durch Lehrplaninhalte und schulstrukturelle Notwendigkeiten –, und ihr seid die, die uns temporär bei der Umsetzung helfen können. Der ganze, notwendige Prozess erfordert auch bei vielen Lehrern und Lehrerinnen ein Umdenken.
Wie kann das Kultusministerium die Lehrerinnen und Lehrer bei diesem Prozess unterstützen?
Den Lehrerinnen und Lehrern müssen noch mehr Möglichkeiten des Austauschs geboten werden, um künftige Partner/-innen kennen zu lernen. Das betrifft die jeweiligen Kompetenzen, die Bildungsverständnisse und die methodischen Überzeugtheiten beider Seiten. Solche auf Dialog ausgerichteten Plattformen gibt es ja bereits heute in einigen Regionen, meist orientiert an den Strukturen der Ganztagsangebote. Neben diesen Treffen, die immer auch einzuplanende Zeit kosten werden, braucht es Instrumente für die Koordination und Organisation von Kooperationen. Wenn man die von Hartmut von Hentig in den 1990er Jahren geprägte Formel der Schule „als Polis“ bemüht, wäre also ein „Außenminister“ notwendig, der die Beziehungen zu den auf Handel und Wandel orientierten Externen entwickelt und in das profilbildende, schulprogrammatische Geflecht integriert. Auch hier gibt es mit den Prozessmoderator/-innen, das sind qualifizierte Lehrer/-innen mit für diese Sonderfunktion bereitgestellten Ressourcen, bereits ein strukturelles Unterstützungsangebot der Sächsischen Bildungsagentur, das Einzelschulen auf diesem schwierigen Weg begleitet. Nicht zuletzt ist aber auch ein Blick auf die Aus- und Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer zu werfen, um stärker denn je Formen des Teamteachings, der Kleingruppenarbeit, des Werkstattlernens und des individuellen Lernens in den pädagogischen Alltag zu verorten.
Das Interview führte Valentin Steinhäuser
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Jens Reichel
Potenziale der Zusammenarbeit zwischen Schulen und Museen Interview mit dem Schulleiter des Gymnasiums Bürgerwiese in Dresden. Das Gymnasium Bürgerwiese Dresden wurde im Schuljahr 2008/2009 als städtische Schule neu gegründet. Im Stadtzentrum von Dresden ist ein moderner Schulcampus entstanden. Das Schulprofil spiegelt das sportliche, kulturelle und wissenschaftliche Leben der Stadt wieder. Im Schulentwicklungsprozess der ersten Jahre entstanden die prägenden Leitideen: Bildung für nachhaltige Entwicklung, gesunde Schule, Kooperationen mit Partnern der Umgebung, vielfältige Nutzung außerschulischer Lernorte. Umfangreiche Projekte entstanden gemeinsam mit Museen, Theatern und Einrichtungen der Stadt.
wie würden Sie Ihr wichtigstes pädagogisches Ziel beschreiben? Was sollen Ihre Schüler und Schülerinnen aus ihrer Schulzeit mitnehmen?
Am Gymnasium Bürgerwiese in Dresden wollen wir den Kindern und Jugendlichen vor allem eins mit auf den Weg geben: die Bereitschaft – und natürlich einige dazu notwendige Fähigkeiten und Fertigkeiten –, ihre Umwelt und ihre Gesellschaft aktiv mitzugestalten. Im schulischen Rahmen fördern wir deshalb besonders die individuelle Gestaltungskompetenz. Die Jugendlichen sollen ihre Fähigkeiten aber primär außerhalb der Schule, nämlich in sozialer und kultureller Teilhabe, im Beruf etc. anwenden können und mehr noch, sie sollen in der Lage sein, ihre Kompetenzen lebenslang zu erweitern – was zweifellos heißt, dass wir unser eigenstes pädagogisches Ziel nicht ohne außerschulische Partner realisieren können. Die Schule muss sich also öffnen, um – mit Hilfe externer Partner, die ihre jeweilige fachliche und methodische Kompetenz und darüber hinaus auch notwendige Ressourcen einbringen – Methoden des lebenslangen und des selbstorientierten Lernens Einlass zu verschaffen. Die Vorstellung, dass nur Lehrer/-innen allein die Schüler/-innen hinreichend bilden können, stimmt so nicht mehr. Kinder und Jugendliche lernen von unterschiedlichsten Menschen an unterschiedlichsten Orten – von Wissenschaftlern/-innen und Künstlern/-innen, von Politikern/-innen oder auch von motivierten Museumspädagogen/-innen. Bildung für eine nachhaltige Entwicklung bedeutet aber auch im engeren wirtschaftlichen Sinne, dass wir die Ressourcen, die Lernmittel, die an anderen Orten angeboten werden, effizient nutzen. Wenn ich eine ordentliche Stadtbibliothek zu Fuß in wenigen Minuten erreichen kann, muss ich dann eine eigene Schulbibliothek führen? Um solche Bildungsorte weiter aufzuwerten, müssen wir allerdings allen Beteiligten, d.h. Eltern, Schülern/-innen, Lehrern/-innen, Bibliotheksangestellten und auch einer breiten Öffentlichkeit verdeutlichen, dass diese
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kulturellen Institutionen für das geforderte lebenslange Lernen essenziell sind. Bei der vielfältigen und schnellen Veränderung innerhalb der Wissensgesellschaft ist es notwendig, dass die Kinder diese Orte früh kennen und wissen, wie sie sich durch informierte Nutzung der dort angebotenen Mittel schnell neues Wissen aneignen und auch, wie sie es vertiefen und hinterfragen können. Das sind intellektuelle Kernkompetenzen, die Kinder und Jugendliche nicht erst heute, aber heute mehr denn je erwerben sollten.
Wo sehen Sie weitere pädagogische Vorzüge von auSSerschulischen Lernorten?
Ein enormer Vorzug, über die genannten hinaus, besteht in den unterschiedlichen Herangehensweisen und in der Vielfalt der Kompetenzen der Menschen, mit denen wir dort zusammenarbeiten können. Natur- oder Geisteswissenschaftler/-innen an Universitäten und Forschungsinstituten, politisch oder in der Verwaltung tätige Menschen, Studierende verschiedener Fächer, Bibliothekare/-innen oder Museumsleute gehen jeweils ganz anders auf die gleichen Themen zu. Das verschafft den Jugendlichen aus pädagogischer Sicht eine elementare Einsicht in die real existierende Vielfalt der möglichen – aber keineswegs beliebigen – Arbeits- und Herangehensweisen. Das scheint gerade jene Kinder besonders zu motivieren, denen das herkömmliche schulische Lernen schwerfällt. Wir beobachten aber, dass die Techniken, mit denen sich Kinder und Jugendliche Wissen und Fähigkeiten aneignen, vielfältiger geworden sind, und versuchen das in unseren Konzepten zu berücksichtigen. Methoden der Waldorf- oder Montessori-Pädagogik sind zum Beispiel für manche Kinder sehr gut geeignet – aber keineswegs für alle. Da wir als staatliche Schule jedoch selbstverständlich für alle da sein müssen und wollen, brauchen wir ein sehr vielfältiges Angebot, in dem idealerweise alle Kinder den für sie geeigneten Zugang finden. Diese Breite ohne inhaltliche Verflachung anzubieten, ist für Lehrkräfte an Schulen sehr schwierig – deshalb ist der hier skizzierte Weg, nämlich externe Leute aus ganz unterschiedlichen Fachgebieten einzubinden, sicherlich richtig und notwendig. Die außerschulischen Lernorte fördern das entdeckende, forschende und selbstorganisierte Lernen ganz erheblich. Und sie bieten den Kindern, die etwas anfassen oder sehen müssen, eine deutlich höhere Motivation. Als Beispiel möchte ich hier das Projekt „Schüler führen Schüler“ im Deutschen Hygiene-Museum erwähnen, dessen Idee ebenso einfach wie einleuchtend ist: Ein Kind erarbeitet sich mit behutsamer Unterstützung eines schulexternen Vermittlers oder Experten selbstständig einen Wissensgegenstand in einer Ausstellung, um ihn anschließend anderen Kindern in der Ausstellung zu erklären.
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Das ist im Museum mit viel weniger zusätzlichem Aufwand machbar als in der Schule. Dazu kommt, dass wir als Schule immer auch die verfügbare Zeit der Kinder beachten müssen. Ich kann zwar ein Thema als umfangreiche Hausaufgabe geben. Aber zum einen wird dann oft eine „Elternhausaufgabe“ daraus, und zum anderen ist es für die Kinder oft gar nicht möglich, sich das für echte geistige Arbeit benötigte Wissen ohne institutionelle Hilfsmittel zu beschaffen – wie sie uns durch Kooperationen mit den externen Partnern zur Verfügung stehen.
Auf was muss bei der Zusammenarbeit zwischen Schule und auSSerschulischen Lernorten besonders geachtet werden?
Wichtig ist eine gute und frühzeitige Vernetzung der Lehrkräfte mit den Akteuren an externen Lernorten, also Wissenschaftler/-innen, Filmemachern/-innen, Ausstellungskuratoren/-innen etc. Aber natürlich müssen schon vorher auf beiden Seiten die nötigen personellen Mittel – sprich verlässliche, für diese Aufgabe geschulte und möglichst feste Ansprechpartner – da sein. Wir haben in unserer Schule eine Koordinatorin, die sich ausschließlich damit beschäftigt, solche Netzwerke aufzubauen, um die Ressourcen der Lehrkräfte und verschiedenster außerschulischer Wissensvermittler zweckmäßig zu bündeln. Dabei hat sie genug eigenen Entscheidungsspielraum, um Vereinbarungen schnell und direkt zu treffen, was es wiederum uns erlaubt, schnell und effektiv agierende Partnerschaften aufzubauen. Wir machen die Erfahrung, dass diese direkte Kommunikation für die Zusammenarbeit mit Museen, Forschungszentren, Kunstakademien etc. wesentlich mehr bringt als die Bewerbung der Angebote über die Schulämter oder durch teure Werbekampagnen.
Welchen Hindernissen begegnen Schulen auf dem Weg zur Kooperation mit Externen Partnern?
Haupthindernisse liegen trotz allem im organisatorischen und zeitlichen Aufwand. Der Zeitaufwand relativiert sich aber, wenn man die Idee der Ganztagsschule so auffasst, dass für die Ausgestaltung des Unterrichts von 8 bis 16 Uhr Zeit ist. Dann ist es auch besser zu vermitteln, wenn man hier und da eine halbe Stunde unterwegs ist. Ein weiteres, sehr ernst zu nehmendes Hindernis für eine intensive Zusammenarbeit ist mangelnde Akzeptanz, nicht nur bei den Eltern, sondern auch – immer noch – bei vielen Lehrkräften und nicht zuletzt in der breiten Öffentlichkeit. Lernprojekte an nicht-schulischen Lernorten werden oft nicht als vollwertige Bildungsdienstleistung angesehen. Sie werden als Ausnahmen, etwa wie Schul-
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ausflüge dargestellt, d.h. man rechnet sie heute noch nicht selbstverständlich zum Kernunterricht. Der Lehrer hat gefälligst vorn an der Tafel zu stehen und zu unterrichten – das ist seine Arbeit. Wenn er aber mit Schulkindern in einem Landschaftspark, einer Musikhochschule oder in einem Stadtmuseum unterwegs ist, dann wird das als Wandertag oder Freizeitvergnügen weichgespült.
Wie kann man mehr Akzeptanz für das Lernen an auSSerschulischen Bildungsorten gewinnen?
Die Akzeptanz hängt in der Regel davon ab, dass wir nachweisen können, dass Lernerfolg und Kompetenzgewinn durch die Projekte wirklich erhöht oder zumindest nicht gesenkt werden. Das ist jedoch ein langwieriger Prozess, da man nicht sofort – mit der nächsten Leistungskontrolle – feststellen kann, ob das Kind etwas deshalb weiß bzw. gelernt hat, weil es im Museum war. Andere, bekanntere Maßnahmen, wie zum Beispiel Förderunterricht oder Nachhilfe, haben es da leichter, da ihr Erfolg oder Misserfolg schneller messbar ist. An unserer Schule arbeitet unter anderem deshalb ein Team an einem Kriterienkatalog, der beschreibt, woran sich die Qualität des extern durchgeführten Unterrichts festmachen lässt, und der uns eine rasche und effektive Evaluation erlaubt. Ich erhoffe mir davon auch, dass es für die Lehrenden leichter wird, außerschulische Lernerfolge zu beobachten und auch auszuweisen, wenn sie dafür klare Kriterien an der Hand haben.
Was können Ganztagsangebote leisten?
Ich habe zu Ganztagsangeboten in der Schule ein ambivalentes Verhältnis. Einerseits bieten sie Schulen, in deren näherer Umgebung es wenig außerschulische Kulturangebote gibt, gute Möglichkeiten. Andererseits kann eine unsinnige Konkurrenz zwischen verschiedenen Sozialräumen entstehen. In Dresden gibt es zum Beispiel eine gewachsene Landschaft an außerschulischen Angeboten, etwa Arbeitsgemeinschaften in den Museen, Theatern und anderen Einrichtungen wie dem Zoo. Da kann es passieren, dass wir für unsere Angebote an den Schulen nicht genügend Teilnehmer/-innen finden, weil die schon in die Museen oder in ihre Vereine gehen. Umgekehrt gilt das Gleiche: Die Vereine oder Einrichtungen können beklagen, dass ihre Bildungsangebote nicht wahrgenommen werden, da die Mädchen und Jungen in den Schulen ganztägig beschäftigt sind. Auch dieser Gefahr kann man nur durch sinnvolle und regelmäßige Kooperationen begegnen. Schon existierende Lernangebote braucht man in der Schule nicht unter dem Titel „Ganztagsangebote“ neu erfinden.
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Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass die Fördermittelvergabe für Ganztagsangebote die bereits bestehenden Angebote in der Umgebung der Schulen nicht berücksichtigen. Das schon erwähnte Projekt „Kinder führen Kinder“ zum Beispiel, das wir zusammen mit dem Deutschen Hygiene-Museum durchführen, kostet unsere Schule im Moment gar nichts, da es finanziell allein vom Museum getragen wird. Für die Schule eine wichtige Ressource, die aber bei der Antragsbewilligung keine Rolle spielt.
Welche Erwartungen richten die Schulen besonders auf Museen?
Bei der Ausstellungsplanung und besonders bei Sonderausstellungen sollte aus Sicht der Schulen danach gefragt werden, welche für unser gesellschaftliches Zusammenleben bedeutenden Themen aufgegriffen werden können. Die Jugendlichen leben in einer Zeit gewaltiger sozialer Umwälzungen, in der unter anderem ethische Grundwerte neu verhandelt werden. Intelligent gemachte Ausstellungen können Kindern und jungen Leuten ein Gefühl für die Historizität und Plastizität von Dingen, Technologien, Wahrnehmungen und Sichtweisen vermitteln, das heißt auch ein Gefühl der Verantwortung – und der Freiheit. Natürlich sollte das Ganze ansprechend und spannend gestaltet werden. Dann können auch sehr anspruchsvolle Vermittlungsangebote junge Besucher/-innen zu einer fruchtbaren Auseinandersetzung anregen. Die Verantwortung für konkrete Lernziele liegt allerdings meiner Meinung nach eindeutig nicht beim museumspädagogischen Personal oder anderen schulexternen Vermittlern, sondern ausschließlich bei den Lehrenden an den Schulen. Die Museumsmitarbeiter/-innen tragen aber sehr wohl Verantwortung dafür, dass Ausstellungen Jugendliche durch ihr Design nicht ausschließen. Übrigens zeigen Beispiele, dass dies auch in Kunstmuseen bestens funktionieren kann.
Wo könnten die Museen ihre Angebote für Schulen verbessern?
Viele Museen versuchen vollständige, auch in didaktischer Hinsicht hervorragend aufbereitete Lerneinheiten anzubieten. Zum Beispiel wird für eine fünfte Klasse eine durchstrukturierte Einheit mit Einführung, Arbeitsblättern, Durchführung und einer Auswertung angeboten. Die komplette Durchführung übernimmt die Vermittlerin am Museum, das mit einem solchen Angebot relativ leicht Lehrer findet, die das Programm dankend am nächsten Wandertag einbauen. Und sicher führt auch das zu einem Lernerfolg.
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Ich halte dieses Verfahren trotzdem für problematisch, da es eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit Lernorten wie Museen und anderen kulturellen Einrichtungen eher verhindert. Nach meiner Vorstellung sind und bleiben die Lehrer/-innen an den Schulen die Experten für die Didaktik und Methodik; dann treten die Museumspädagogen/-innen mit ihrer Expertise für die Präsentation der am Museum angebotenen Gegenstände des Wissens auf den Plan und fungieren als Vermittler zwischen den Experten am Museum (wie Kuratoren/-innen, Kunstwissenschaftlern/-innen, Historikern/-innen, Restauratoren/-innen, die ja nicht immer greifbar sind) auf der einen und den schulischen Lehrkräften auf der anderen Seite. Hinzu kommen günstigenfalls eben diese Experten am Museum mit ihrer jeweiligen hohen fachlichen Qualifikation und ihrem primär gar nicht pädagogischen Interesse. Die synergetische Arbeit dieser unterschiedlichen Akteure stellt dann eine Hauptqualität der Wissensvermittlung im Museum dar. Allerdings müssen die Grenzen zwischen den verschiedenen Professionen dabei immer bestehen bleiben, denn sonst geht der Synergie-Effekt verloren: Die Lehrenden bleiben also auch im Museum die Experten für den Unterricht, nicht aber für die Aufstellung von Objekten, und die Museumspädagogen/ -innen sollten nicht versuchen, die besseren Lehrer/-innen zu sein. Das kann auch deshalb nicht funktionieren, weil Letztere die Ziele formulieren und verfolgen, die sie mit ihren Klassen erreichen wollen. Diese umfassende Funktion können Museumspädagogen/-innen nicht übernehmen und sollen es auch nicht. Sie können aber mit ihren eigensten Mitteln Angebote machen, die Lehrer/-innen und Schüler/-innen ihren Zielen manchmal näher bringen als alles Lehren und Lernen im Klassenzimmer.
Das Interview führte Valentin Steinhäuser
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Alfons Kenkmann
Kompetenzförderung im Museum? Interview mit dem Professor für Geschichtsdidaktik an der Universität Leipzig
in der Bildungspolitik wird heute viel von „Kompetenzentwicklung“ gesprochen, die unter anderem auch im Museum geleistet werden soll …
Um es gleich vorwegzunehmen: Mein größtes Problem ist es, diesen Hype um die Kompetenzorientierung zu verstehen, meint das Wort doch im Grunde nur die Ausstattung des heranwachsenden Individuums mit bestimmten Grundfertigkeiten und Grundfähigkeiten, die es braucht, um mit Situationen, Debatten und Kontroversen in Gegenwart und Zukunft umgehen zu können. Für diesen Aneignungsprozess haben wir aber in der geschichtsdidaktischen Disziplin bewährte Diskursmodelle, die auch unter den Bedingungen zunehmend absurder Evaluationen noch große Akzeptanz besitzen. Daher denke ich, dass wir die von der Kultusministerkonferenz ohne Diskussion vorgegebenen Modelle zur Kompetenzentwicklung zwar wahrnehmen, aber nicht in vorauseilendem Gehorsam eins zu eins umsetzen sollten. Die Fokussierung auf zentrale Kompetenzen soll – so das Begehren der universitären Erziehungswissenschaften im Schulterschluss mit den Kultusadministrationen – Schüler und Schülerinnen von einer zu starken Orientierung an den wissenschaftlichen Einzeldisziplinen „emanzipieren“. Dadurch erwächst aber die Gefahr, dass sowohl Fachwissen als auch fachwissenschaftliche und fachdidaktische Methoden an den Rand gedrängt werden. Ich denke zum Beispiel an bewährte geschichtsdidaktische Grundkonzeptionen, wie sie von Karl-Ernst Jeismann und Jörn Rüsen kategorial unter den Begriffen des Geschichtsbewusstseins und der Geschichtskultur entwickelt worden sind. Beide Begriffe sind auf das historische Lernen im Museum anwendbar. Jeismann zielt auf ein individuell reflektiertes Geschichtsbewusstsein, Rüsen schließt uns die Dimensionen der Geschichtskultur auf und sensibilisiert für die vom Individuum abstrahierende kollektive Artikulation von „Geschichte in der Öffentlichkeit“, um hier die englische Wortschöpfung „public history“ zu vermeiden. In beiden geschichtsdidaktischen Ansätzen werden die aktuell formulierten Standards, die in den Kompetenzmodellen thematisiert sind, bereits integriert.
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Jeismann hat bereits Mitte der 1970er Jahre ein geschichtsdidaktisches Modell entwickelt, dessen Ziel es ist, Vergangenheitsdeutung, Gegenwartsgestaltung und Zukunftsperspektive im Prozess historischen Lernens zu verankern. Diese Trias soll, heruntergebrochen auf die Ebene der Operationen Analyse, Sachurteil, Wertung, zu einem reflektierten Geschichtsbewusstsein führen.
Wie kann man sich das konkret im Museum vorstellen?
Für das konkrete Lernen im Museum bedeutet dies: Ich habe ein Artefakt, mit dem ich mich nach einer ersten sinnlichen Kontaktaufnahme analytisch auseinandersetze. In einem zweiten Schritt widme ich mich der vorhandenen Kommentierung. Diese hilft mir eine Beurteilung vorzunehmen, welcher Lebenswelt das Artefakt vor 1.000 oder vor 500 Jahren entrissen wurde. Als letztes folgt der Blick auf die Inszenierung, die Bewertung des gesamten Gestaltungsensembles, der musealen Teilnarration etc. Jörn Rüsen hat ein anderes Modell entworfen, das unter dem Begriff Geschichtskultur firmiert. Er nimmt die kognitiven, ästhetischen und politischen Dimensionen der Repräsentation von Geschichte in unserer Gesellschaft in den Blick. Auch dies lässt sich an der historischen Ausstellung verdeutlichen. So kann zum Beispiel untersucht werden, ob das ausgestellte Artefakt im Lauf der Geschichte unterschiedliche Wertschätzungen erfahren hat. Dies wird über den Prozess der kognitiven Aneignung geleistet. Die ästhetische Dimension berührt uns nicht nur über die Anmutung des Artefakts, sondern ebenso über die zu erschließenden Narrations- und Inszenierungspraktiken der Ausstellungskuratoren. Und dass große museale Häuser nicht im geschichtspolitisch freien Raum agieren, belegen die unterschiedlichsten historischen Landesausstellungen. Sie sehen also, die weithin akzeptierten geschichtsdidaktischen Konzepte stehen den Anforderungs- und Anknüpfungsofferten seitens der Museumsdidaktik sehr offen gegenüber.
Das klingt, als konstruiert die Museumsdidaktik gegenwärtig einen Bedarf, weil sie die spezifische pädagogische Leistung des Museums nicht genau bestimmen kann. Können sie das ein wenig konkretisieren?
Sachkompetenz erlange und beweise ich über die Erschließung eines Artefakts in seiner historischen Dimension. Über die Sezierung von Inszenierungspraktiken gelange ich zu der geforderten Methoden- oder Medienkompetenz. Und drittens wird auch das Feld der Handlungskompetenz abgedeckt. Dieser nähere ich mich an, wenn der Staff einer kompetenten Museumspädagogik am musealen Ort installiert ist. Dessen Angehörige müssen spezifische Formen der Begegnung mit den
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ausgestellten Artefakten anbieten, die Zugänge zu den Objekten aufschließen und zugleich subjektive Imagination im Prozess des Schauens gewährleisten. Auch sie leistet ihren Beitrag bei der Hinführung zum reflektierten Geschichtsbewusstsein.
Welche Vorstellungen der Geschichtsdidaktik können aus Ihrer Sicht für das Verständnis des Lernens im Museum leitend sein?
Ich denke, aus geschichtsdidaktischer Perspektive ist ein Instrument zentral für alle Offerten historischen Lernens im Museum: Es ist die Hinführung zur ikonologischen Alphabetisierung. Die ikonologische Alphabetisierung (nach Mollenhauer) meint, dass ich das Vermögen entwickle, das Artefakt, das mir im Museum präsentiert wird, aufzufassen, dass ich ebenso die Kommentierung durch die Kuratoren/-innen auffassen kann, die mich zu der Vergangenheit, aus der das Objekt entrissen worden ist, hinführt. Darüber hinaus sollte ich lernen, Artefakt, Kommentar und Gesamtinszenierung zu „lesen“. Die ikonologische Alphabetisierung bedeutet im Grunde nichts anderes, als das Rüstzeug zu erhalten, museal zu lernen. Davon losgelöst ist für mein Verständnis die Imagination, die das Objekt bei mir selbst in meiner geschichtlichen, kulturellen und sozialen Situation auslöst, bedeutsam, insofern und weil sie sich verschränken lässt mit den möglichen historischen Zugängen. Solange der Mensch nicht zum Alien wird, hat er drei Formen geistiger Vergegenwärtigung, die er als Möglichkeit der Erkenntnis in sich trägt. Das ist zum einen der symbolische Zugang, das heißt die Annäherung an die Ausstellung über die Sprache und über die Texte. Zum anderen der ikonologische Zugang, also der über das Bild, über die Betrachtung. Und als letztes das enaktive Moment, die spielerischen, performativen Formen des Lernens, die bei der Aneignung von Themen zum Tragen kommen, zum Beispiel Dramatisierung oder Rollenspiel. Solange diese drei Formen geistiger Vergegenwärtigung die zentralen bleiben, brauche ich nicht „neue“ kompetenzorientierte didaktische Zugänge entwickeln.
Auf welches Kompetenzmodell sollte man sich denn am besten beziehen?
Welches Kompetenzmodell könnte noch am ehesten tragen? Am ehesten wohl jenes, das sich dadurch auszeichnet, dass es nahe an den geschichtsdidaktischen Theoriemodellen entwickelt ist. Dem Kompetenzmodell von Hans-Jürgen Pandel zufolge brauchen wir zentrale Kompetenzen im Prozess historischen Lernens. Die erste ist die Gattungskompetenz, d.h. auf das jeweilige Objekt bezogen muss ich wissen: Ist das jetzt ein Artefakt? War
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dieser Überrest einmal ein alltäglicher Gebrauchsgegenstand oder war er ein Produkt künstlerischer Aneignung von Welt, mit dem kein Tauschwert verbunden war? Darüber hinaus brauche ich die Interpretationskompetenz, um die Kommentierung des Artefakts in einer musealen Ausstellung, also die Kontextualisierung nachzuvollziehen. Und ich brauche die narrative Kompetenz, um das im Museum Erschlossene kommunizieren zu können. Und ich brauche als letztes die geschichtskulturelle Kompetenz, die zentral ist, weil das Museum als Institution der Geschichtskultur den Schülern ans Herz gelegt werden soll. Hinter der Vorgabe von Kompetenzmodellen kann sich der Hang zur Verselbstständigung von Kultusbürokratien verbergen. In jeder Dekade entsteht eine andere bildungspolitische Idee. Ich bin jetzt schon neugierig auf die nächste. Der aktuelle Masterplan soll Schüler/-innen emanzipieren von der Orientierung an den jeweiligen Fachwissenschaften. Aber ohne den Kompass der fachwissenschaftlichen Erkenntnisse werden sie anders in die Zukunft gehen, wird sich ihr Vermögen, Artefakte aufnehmend und kreativ zu erschließen, verringern. Das werden nicht nur die Mitarbeiter/-innen von Forschungsmuseen bestätigen können.
Welchen Stellenwert geben Sie Museen für den Geschichtsunterricht?
Nicht wenige Museen haben einen exzellenten Ruf in der Bildungslandschaft. Das rührt aus der Natur der musealen Stätten selbst, da sie eine spezifische Form der Begegnung mit Geschichte anbieten. Wo begegnen Schüler sonst ganz direkt dem Wandel anthropologischer Sichtweisen, wo sehen sie ihn sonst verkörpert in zentralen Themen der menschlichen Entwicklung wie Sicherheit, Gewalt, Angst, Jugend etc., die uns der Historiker Wolfgang Reinhard so sehr ans Herz legt. Der Lernort Museum offeriert die große Chance, mit seinen ihm eigenen Mitteln der Verschränkung von Narration, Inszenierung und Objektpräsentation in die Geschichte vorzudringen – einen Steinbruch, der einem so weder im Archivregal noch auf Bühnenbrettern oder im Kino oder am Bildschirm oder Display gegenübertritt. Das Museum liefert damit gegenüber der Schule ein Mehr an Deutungsangeboten auch für die jüngere Generation. Denn die Lehrpläne sind auch heute noch – trotz zahlreicher alltags- und kulturgeschichtlicher Ansätze seit den 1980er Jahren – stark der Politikgeschichte verhaftet.
Schule und Museum – eine Partnerschaft im Wandel
Hinzu kommt, dass Jugendliche heute zugeschüttet werden mit Momenten von public history, mit historischen Entlehnungen. Sie haben die im ZDF nicht wegzudenkenden Guido-Knopp-Dokumentationen, vom deutschen Geschichtslehrerverband in einem gezielten Merchandising gesponsert. Bar jeder Vernunft wird hier als Vergangenheit verkauft, was ein an den Schneidetischen der Redakteure und Cutter des ZDF entstandenes Konstrukt von Geschichte ist. Ein eindrückliches Beispiel bietet hierfür die Serie „Die Deutschen: Teil 1 und 2“. Sie haben die historischen Spielfilme, sie haben die historischen Geschichtspfade, die Rituale der Gedenkpolitik usw.: ein Riesendickicht, ein Riesengeflecht von Möglichkeiten historischer Begegnungen, die in der Alltagswelt über die Kinder und Jugendlichen kommen. Zum Museum müssen diese jedoch erst hingeführt werden. Oder in der Sprache des Erziehungswissenschaftlers: Aus dem Intrinsischen erwächst kein Gang in das Museum; er muss extrinsisch auf den Weg gebracht werden. Ein jeder 50-Jähriger kann das im Rückblick an sich selbst überprüfen. Zu von Stauffenbergs Offiziershandschuhen und den Transparenten der Leipziger Oktoberdemonstration oder Käthe Kollwitz‘ „Die Trauernde“ und Gerhard Richters „Onkel Rudi“ gelangen Kinder und Jugendliche wenn nicht über die Familie, dann über den Lehrer bzw. den eingebundenen Museumspädagogen. Die Schul- und Museumspädagogen/-innen schaffen die Impulse und damit den Raum für die Begegnung mit dem Artefakt; sie bereiten das Entree in die Welt der Imagination. Jedes Museum tut aus diesen Gründen mehr als gut daran, die Kooperation mit den Schulen zu suchen, wenn nicht diese für die museumspädagogische Abteilung verpflichtend zu machen. Während man sich im Fernsehen, im Internet zwangsläufig im geschichtskulturellen Dickicht der Straßenwidmungsakte, der archäologischen Funde vor der Haustür, der Dokumentationen und der historischen Spielfilme verliert, braucht der Museumsbesuch den aktiven Schritt. Das Museum ist in der Regel ein Ort außerhalb der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen. Deshalb ist die Museumspädagogik wichtig: Sie integriert die museale Welt in die Lebenswelt der Schüler/-innen und verdeutlicht, dass die präsentierten Ausstellungen Teil ihrer Lebenswelt sein können. Hier müssen die Angebote der Museumspädagogik ansetzen.
Sollte die Museumspädagogik also auf die Ausbildung einer Museumskompetenz zielen?
Was kann denn eine Museumskompetenz sein? Unterstellt, es gibt diese singuläre Fähigkeit, dann handelt es sich bei ihr um eine geschichtskulturelle Kompetenz, eine Kompetenz der Aneignung der geschichtskulturellen Arena
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‚Museum‘. Man braucht einen ganzen Strauß von Kompetenzen, um zu einem reflektierten Geschichtsbewusstsein zu kommen. Und diese sind in den bewährten geschichtsdidaktischen Konzeptionen enthalten. Die Kompetenzorientierung bietet uns hier keine neuen Zugänge, sondern sie verhindert eher die Differenzerfahrung des Individuums und damit eine ästhetische Erfahrung der Dingwelten. Die vorhandenen museumspädagogischen und geschichtsdidaktischen Konzeptionen, die Lernarrangements an den Orten der geschichtskulturellen Vermittlung kommen auch gut ohne den Kompetenzbegriff aus.
Das Interview führte Valentin Steinhäuser
Schule und Museum – eine Partnerschaft im Wandel
Doris Lewalter
Anstiftung zum Lernen durch Museumsbesuche? Interview mit der Professorin für Gymnasialpädagogik an der School of Education der Technischen Universität München. Einer ihrer Forschungsschwerpunkte ist das Lernen in naturwissenschaftlichen Museen und Science Centern.
was haben ihre zahlreichen empirischen untersuchungen über die motivierende wirkung von museumsbesuchen auf schülerinnen und schüler ergeben?
Im Rahmen der Museumsbesuche erfahren Schülerinnen und Schüler die (Alltags-)Relevanz und gesellschaftliche Bedeutung von Themengebieten aus dem Schulunterricht. Anhand technischer Geräte und durch die Veranschaulichung von naturwissenschaftlichen Vorgehensweisen in Museen und Science Centern wird für die Lernenden direkt erlebbar, wie die Inhalte, die sie in der Schule meist nur in abstrakter Form und anhand fertiger Ergebnisse lernen, generiert werden und welchen Zwecken sie dienen. Museumsbesuche machen den Entwicklungsprozess gesellschaftlichen Wissens transparent. In der Praxis erlauben sie heute zunehmend individuelle und selbstgesteuerte Lernwege, sie stellen zum Beispiel vielfältige methodische sowie mediale Zugänge (Originalobjekte, Hands-on-Installationen, Multimedia-Systeme etc.) zu einer Thematik zur Verfügung. So können die Schülerinnen und Schüler auf vielfältige Weise angesprochen und für ein Thema interessiert, sprich motiviert werden. Das schafft eine gute Voraussetzung für verständnisorientiertes Lernen, was wiederum den Transfer von neu erworbenem Wissen auf andere Bereiche begünstigt. Damit diese Potenziale tatsächlich genutzt werden können, kommt der Gestaltung des Schulklassenbesuchs allerdings eine große Bedeutung zu.
Warum ist Motivation wichtig für erfolgreiches Lernen?
Motivation ist eine grundlegende Bedingung für das Lernen. Ohne ein Mindestmaß an (Lern-)Motivation kann überhaupt kein intentionales, also bewusstes und gezieltes Lernen stattfinden. Allerdings kann man zwischen verschiedenen Motivationsqualitäten differenzieren, die sich in unterschiedlicher Weise auf den Lernprozess auswirken. Eine stärker extrinsische Motivation, die in erster Linie auf Anreizen beruht, die außerhalb der eigentlichen Lernhandlung liegen – eine Belohnung oder in der Schule eine gute Note –, wird von einer stärker intrinsischen Lernmotivation unterschieden, die in erster Linie auf dem
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positiven Erleben während der Lernhandlung basiert. Extrinsische und intrinsische Motivationsfaktoren lassen sich jedoch oft nicht so genau trennen. Sehr viele Befunde lassen annehmen, dass eine stärker extrinsische Motivation eher eine oberflächliche Beschäftigung mit den Lerninhalten stimuliert, während die intrinsische Lernmotivation eher mit einer fragenden, verstehenden, kritischen Beschäftigung zusammenwirkt. Mit anderen Worten: das Vorhandensein eines Erkenntnisinteresses fördert die Lernleistung, und die erfolgreiche Lernleistung weckt wieder ein neues, weiterführendes Erkenntnisinteresse.
wie können museumsbesuche gestaltet werden, um möglicherweise bessere lernerfolge zu erzielen?
Es gibt natürlich nicht DIE optimale Gestaltung für einen Schulklassenbesuch im Museum. Es geht jedoch darum, eine möglichst gute Passung zu erreichen zwischen a) den angestrebten Lernzielen, b) den kognitiven und motivationalen Voraussetzungen bei den Lernenden und c) der aktuellen Lernumgebung, hier also der Ausstellung und dem bereitgestellten museumspädagogischen Angebot. Ist das Lernziel der Erwerb von reinem Faktenwissen, dann kann eine gut gemachte zielgruppenspezifische Führung durchaus effektiv sein; ist sie zudem noch motivationsfördernd gestaltet, indem sie Eigenaktivität und Handlungsspielräume eröffnet, dann kann sie auch die individuelle Wissbegierde wecken und fördern. Zielt der Besuch im Museum dagegen in erster Linie darauf ab, eine intrinsische Lernmotivation zu unterstützen, dann kann ein freies, selbstständiges Erkunden der Räume und der Installationen und Objekte der Ausstellung eher angezeigt sein. Der klassische Schulunterricht kann diese „Gesamterfahrung“ kultureller Zusammenhänge an einzelnen Exponaten oder am ästhetischen Konzept einer Ausstellung nicht bieten und auch nicht ersetzen.
Was können Lehrkräfte tun, damit der Besuch eines Museums oder Science Centers zum (schulischen) Lernerfolg beitragen kann?
Lehrerinnen und Lehrer übernehmen hier eine große Verantwortung. Wesentlich ist, dass sie sich vor dem Besuch Klarheit darüber verschaffen, welche Funktion der Besuch für ihren Unterricht primär erfüllen soll. Dient er der Einführung in ein Thema und soll Interesse wecken, oder sollen bestimmte Inhalte gelernt oder vertieft werden, oder soll ein Thema in einem weiteren Kontext erlebt werden? Die Lehrkräfte sollten sich natürlich auch genau über die Ausstellung informieren und gegebenenfalls Kontakt zum museumspädagogischen Personal vor Ort aufnehmen. So kann erreicht werden, dass der Besuch im Unterrichtsablauf seinen logischen Platz findet. Die potenziell mo-
Schule und Museum – eine Partnerschaft im Wandel
tivierende Wirkung der Exkursion ins Museum wird durch deren gezielte und jeweils altersgerechte Vor- und Nachbereitung in der Schule erhöht. Bleibt sie aus, dann stellt auch ein gelungener Museumsbesuch aus Schülersicht meist nur eine nette, aber folgenlose Abwechslung zum herkömmlichen Unterricht dar. Besonders bei der Nachbereitung sollten die Lehrkräfte darauf achten, dass die Schülerinnen und Schüler einen aktiven Part im Unterricht übernehmen, zum Beispiel indem sie ihre individuellen Erfahrungen dokumentieren, weitere Recherchen zu Exponaten präsentieren aber auch offene Fragen aufwerfen. So wird der Wert des Museumsbesuchs und des neu erworbenen Wissens für die Lernenden unmittelbar einsichtig.
Das Interview führte Carola Marx
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Was erwarten Lehrerinnen und Lehrer von Museumsbesuchen? Valentin Steinhäuser
Die Anforderungen an die Schule haben sich in den letzten Jahren vielfach und entscheidend geändert. Lehrende an Schulen sollen u.a. die Schule öffnen und ihre Klassen verstärkt in kulturelle Institutionen einführen, die als außerschulische Bildungsorte aufgefasst werden. Kulturelle Bildung, also der versierte Umgang mit Einrichtungen, die kulturelles Wissen speichern, aufbereiten, erzeugen oder künstlerisch transformieren, spielt eine wichtige Rolle. Museen erscheinen hierfür besonders geeignet zu sein: Sie sind leicht zugänglich und prinzipiell auf Besucher/-innen eingerichtet; sie bringen verschiedenste Themen und Gegenstände in transparente Ordnungen; sie bieten Ungewöhnliches, Spannendes, inhaltlich Forderndes und Schönes und sie kommentieren dies alles mit bündig aufbereitetem Wissen; sie stiften Links und Verweise, präsentieren kontextualisierte Themen und Objekte. Um einen Eindruck davon zu geben, wie Lehrer/-innen das Potenzial des Museums für den Unterricht in der Schule individuell einschätzen und wann und wie sie Museen tatsächlich nutzen, werden im Folgenden einige ausgewählte Befragungen vorgestellt: Eilean Hooper-Greenhill1 hat 3.113 Lehrende in England befragt und gibt Einblick in die dortige Situation der Zusammenarbeit von Schulen und Museen; Claudia Geyer und Doris Lewalter sowie Silke Traub liefern detaillierte Ergebnisse aus Deutschland.2 Susanne Keuchel beleuchtet den Stellenwert und die Möglichkeiten von pädagogischen Ganztagsangeboten für die kulturelle Bildung.3 Die Evaluationen der Projekte LernStadtMuseum in Sachsen4 sowie Kultur.Forscher! 5 werden mit Bezug auf längerfristige Kooperationsprojekte von Schulen und Trägern kultureller Bildung herangezogen.
Curriculum und Museum Wie Hooper-Greenhill festgestellt hat, wird heute kaum noch ein museumspädagogisches Angebot für Schulklassen ohne expliziten Bezug zu den Lehrplänen konzipiert und
Was erwarten lehrerinnen und lehrer von museumsbesuchen?
veröffentlicht. Für die Mehrzahl der britischen Lehrer/-innen stellt dies einen wichtigen Grund für mit Schulklassen durchgeführte Museumsbesuche dar.6 Pragmatische Gründe liegen auf der Hand: Lehrende an Schulen stehen unter dem Druck, die Unterbrechung des regulären Unterrichts und den damit verbundenen organisatorischen und nicht selten finanziellen Mehraufwand zu rechtfertigen. Sie müssen nicht nur die Zustimmung der Schulleitung einholen, sondern auch ihre Kollegen/-innen überzeugen; auch manchen Eltern muss vermittelt werden, dass der Ausflug durchaus etwas mit Lernen zu tun hat.7 Eine klare curriculare Anbindung von Lernangeboten im Museum leistet hier gute Dienste. Aber ist die im Einzelfall sicherlich nützliche Überschneidung des schulischen Lernstoffs mit Themen, die im Museum vermittelt werden, tatsächlich das treibende Motiv für Lehrer/-innen, um mit ihren Klassen ein Museum zu besuchen?
Welche positiven Effekte erwarten Lehrer/-innen von Museumsbesuchen mit Schulklassen? Wie Traub aufgrund ihrer Befragungen konstatiert hat, „bereichert [der Besuch] nach Aussagen der Lehrerinnen und Lehrer eindeutig schulisches Lernen. Er trägt bei zu einem handlungsorientierten, erfahrungsorientierten Unterricht. Ein Museumsbesuch schafft einen Lernzuwachs, der im herkömmlichen Unterricht nicht erreicht werden kann, durch eigene Anschauung, originale Begegnung, höhere Motivation und andere wichtige Aspekte des Lernens.“ 8 In Hooper-Greenhills Auswertung der Frage, welche Aspekte eines Schulklassenbesuchs im Museum Lehrende als wichtig oder weniger wichtig einschätzen, geben 76 Prozent der Befragten an, dass sie das Erlebnis selbst, den inspirierten, kreativen Umgang mit Inhalten und Objekten im Museum für sehr wichtig, und weitere 18 Prozent, dass sie diese Aspekte für wichtig halten. Inhaltliche Wissensvermittlung und Verstehen von Zusammenhängen bewerten 68 Prozent der Befragten als sehr wichtig, 27 Prozent als wichtig.9 Im Vergleich der Jahrgangsstufen belegt Hooper-Greenhill weiterhin, dass Lehrkräfte der Primarstufe (Grundschule) die erlebnisorientierten Faktoren deutlich wichtiger einschätzen als Lehrende der Sekundarstufen.10 Insgesamt erreichen hier also das Erlebnis des Besuchs und der Einblick in andere Denk- und Arbeitsweisen den höchsten Wert. Zum Vergleich: In Traubs Auswertung der Frage, welche Aspekte des Museumsbesuchs die Lehrer/-innen als wichtig erachten, erreicht die Erweiterung des Wissens der Schüler/-innen mit 76,5 Prozent den höchsten Wert, der Zuwachs an Lernmotivation folgt mit 65,9 Prozent nach.11 Im Einzelnen dominiert in Hooper-Greenhills Auswertung zwar vor dem Museumsbesuch das Interesse an der inhaltlichen Nähe zu festgelegten Lerninhalten, doch in der Post-Befragung ordnen die Lehrenden aller Jahrgangsstufen den reinen Wissenserwerb der Erlebnisqualität und der positiv motivationalen Wirkung des Besuchs nach;12 diese wecken in den Schüler/-innen eine stärkere Motivation, sich
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valentin steinhäuser
mit den Unterrichtsthemen und -gegenständen selbst auseinanderzusetzen, führen aber zugleich auch zu einem Interesse an neuen Inhalten.13 Eine hohe Motivationswirkung schreiben die Lehrenden in diesem Zusammenhang besonders der unmittelbaren Anschauung von Originalen bzw. von als authentisch wahrgenommenen Objekten zu. Daneben wird die Begegnung mit Experten/-innen und Vermittlern/-innen im Museum als wünschenswerte Erweiterung des Schulunterrichts gesehen. Hinzu kommen als wertvoll eingeschätzte soziale Effekte des Museumsbesuchs mit der Schulklasse und die Einübung kommunikativer Kompetenzen.14
Wann bzw. bei welchen Gelegenheiten nutzen Lehrende das Museum als auSSerschulischen Lernort? Zwar erleichtert, wie oben ausgeführt, ein thematischer Bezug zum Lehrplan die Entscheidung der einzelnen Lehrer/-innen für einen Museumsbesuch, doch wie Traub in ihrer Studie feststellt, führen in der Praxis oft Abläufe im Schulalltag dazu, dass Wandertage und Schulausflüge in Museumsbesuche umgewandelt werden. Dabei werden häufig mit besonderen Angeboten des Museums verbundene Sonderausstellungen gewählt.15 Oft wird kulturelle Bildung im Museum also nicht effizient und regelmäßig genutzt, sondern es ist eher ein zufälliges und singuläres Zusammentreffen von Umständen und Anlässen ausschlaggebend für einen Besuch.
Welche Gestaltungsmöglichkeiten nutzen Lehrende bei Museumsbesuchen mit Schulklassen? In der Untersuchung von Geyer/Lewalter 16 wurden die Lehrer/-innen gefragt, welche Arten der Besuchsgestaltung sie nutzen. Zur Auswahl standen Kleingruppenarbeit, Einzelarbeit, freies Erkunden, Führung durch das Museumspersonal, Führung durch die Lehrkraft, vom Museum bereitgestellte Arbeitsmaterialien, Arbeitsblätter der Lehrkraft, Teilnahme an einem Schulklassenprogramm. Im Ergebnis entfielen auf Kleingruppenarbeit fast 70 Prozent der Nennungen, mit Abstand gefolgt von einer Führung durch Museumspersonal (42 Prozent). Fast ein Viertel der Lehrkräfte führt die Klassen selbst. Nimmt man jedoch beide Arten der Führung (durch Museumsmitarbeiter/-in oder Lehrkraft) zusammen, so bildet die Führung die am häufigsten gewählte Form der Gestaltung von Museumsbesuchen. Ebenfalls gern genutzt werden Arbeitsmaterialien des Museums (46 Prozent) oder Arbeitsblätter der Lehrer/-innen (34,5 Prozent). Fasst man die Gestaltungsarten Führung durch Museumspersonal und Arbeitsmaterialien des Museums zur Gestaltungsart Nutzung von Angeboten des Museums zusammen, so korreliert der Wert ungefähr mit den Ergebnissen der Befragung von Traub, wonach
Was erwarten lehrerinnen und lehrer von museumsbesuchen?
ca. 75 Prozent der Schulklassen personell oder methodisch durch das Museum unterstützt werden.17 In der Analyse ihrer Befragungsergebnisse haben Geyer/Lewalter untersucht, welche Methoden-“Kombinationen“ Lehrkräfte typischerweise nutzen. Im Ergebnis nehmen rund die Hälfte der Lehrer/-innen Angebote des Museums in Anspruch, während die andere Hälfte eigene Zugänge sucht: Aber eine Kombination beider Herangehensweisen „und somit eine Kooperation der Lehrkräfte mit den Museen fand eher selten statt.“18 Eine weitere Frage von Geyer/Lewalter lautete, ob unterschiedliche – motivationale, kognitive oder soziale – Ziele, die die befragten Lehrer/-innen an Museumsbesuche mit Schüler/-innen knüpfen, tatsächlich Einfluss auf ihre Gestaltung des Besuchs üben. Hier würde man erwarten, dass Lehrende, die vor allem die Lernmotivation ihrer Schüler/ -innen erhöhen wollen, Methoden nutzen, die diesen Aspekt stärker fördern als andere, zum Beispiel das freie Erkunden. Doch die Auswertung der Antworten machte deutlich, dass die spezifische Zielsetzung keinen signifikanten Einfluss auf die Wahl einer adäquaten Gestaltungsmethode bzw. auch darauf hat, ob eher vom Museum oder von der Lehrkraft konzipierte Einheiten durchgeführt werden.
Welche für Lehrer/-innen persönlich motivierenden Faktoren sind wirksam und wie können sie verstärkt werden? Abgesehen von ihrem Anliegen, den Schüler/-innen eine positive Lernerfahrung zu bieten, zeigen die hier zugrunde gelegten Studien zwei individuelle Faktoren auf, die Lehrer/-innen mit Bezug auf den Besuch von Museen und Ausstellungen beeinflussen können. Wie Geyer/Lewalter feststellen, haben „Lehrkräfte, die Museumsbesuche durchführen, […] in ihrer Freizeit signifikant häufiger Museen besucht und tendenziell häufiger an Weiterbildungsmaßnahmen zum Thema Schulexkursionen teilgenommen. Zudem nahmen Lehrkräfte, die keine Museumsbesuche durchgeführt haben, die Schwierigkeiten in Bezug auf die Institutionen und tendenziell durch externe Rahmenbedingungen als gravierender wahr als diejenigen, die im Rahmen des Unterrichts Museen besucht haben.“19 Die Autor/-innen untersuchen, ob dieser Umstand mit der Selbstwirksamkeitserwartung der Lehrkräfte erklärt werden kann: Dafür spricht zunächst einiges, denn wenn die Lehrer/-innen ihre eigenen Kompetenzen – ihre persönliche Effektivität – bei der Planung, Durchführung und Gestaltung von Exkursionen ins Museum hoch einschätzen, könnte vermutet werden, dass sie diese auch zielstrebiger unternehmen. Ihre Analyse ergibt jedoch, dass die „[…] exkursionsspezifische Selbstwirksamkeitserwartung nur eine untergeordnete Rolle für die Wahrscheinlichkeit schulischer Museumsbesuche“ spielt.20
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Es ist dennoch davon auszugehen, dass Lehrer/-innen, die mit den Abläufen und Strukturen eines Museums besser vertraut sind als andere und die sich persönlich in der Lage fühlen, eine solche Exkursion erfolgreich durchzuführen, diese Möglichkeit des Lehrens eher in Anspruch nehmen als Kollegen/-innen ohne diese Kompetenzen. Darauf weisen Geyer/Lewalter in der Diskussion ihrer Ergebnisse hin, wenn sie anmerken, dass eine Verbesserung der Kommunikation zwischen Schule und Museum zum einen und das Angebot spezifischer Informationsmaterialien seitens der Museen zum anderen eine effektive Zusammenarbeit zu befördern vermögen. Gezielte Fortbildungsangebote in Museen können Lehrer/-innen den individuellen Zugang zu kultureller Bildung in Museen erleichtern und tendenziell ihre Motivation erhöhen, diese Erfahrung an Schüler/-innen weiterzugeben. Zu vermuten steht, dass Lehrende die Steigerung der eigenen fachlichen und methodischen Kompetenzen generell begrüßen. Hooper-Greenhills Studie befragt deshalb die teilnehmenden Lehrer/-innen dazu, ob die bisherige Zusammenarbeit mit Museen ihre persönliche Lehrkompetenz erhöht hat.21 Dies wird von mehr als 75 Prozent der Befragten bejaht. Bestätigt wird eine Zunahme und Aktualisierung persönlicher fachlicher Kompetenz, eine Erweiterung des eigenen Methodenspektrums, eine Verbesserung und Bestätigung der eigenen Fähigkeit, mit der Klasse außerschulische Veranstaltungen zu organisieren und durchzuführen, sowie eine verbesserte Fähigkeit, mit außerschulischen Partnern zusammenzuarbeiten.
Wer nutzt die Bildungsangebote im Museum? Der Ausbau von Ganztagsschulen, der in den letzten Jahren auch als Reaktion auf die PISA-Vergleichsstudie initiiert wurde, wird in den Bundesländern mit unterschiedlicher Kraft vorangetrieben. Aus bildungspolitischer Sicht sind sich die beteiligten Partner aber darüber einig, dass diese Weiterentwicklung der Schulen notwendig ist.22 „Vielerorts haben Konzepte der ‚Öffnung von Schule‘ oder der gemeinwesenorientierten Schule an Bedeutung gewonnen. Diese Konzepte haben ihren Ursprung in britischen und amerikanischen Formen der ‚community education‘. Die ganztägige Schullebensgestaltung erfährt durch eine Öffnung der Schule nach innen und nach außen eine beträchtliche Erweiterung.“ 23 Unter den Ganztagsschulen werden zwei Formate unterschieden: offene und gebundene Ganztagsschulen. Das offene Konzept erweitert ein garantiertes Vormittagsangebot durch zusätzliche Förderungs- und Betreuungszeiten am Nachmittag. Die gebundene Ganztagsschule bietet ein pädagogisches Gesamtprogramm, an dem alle Schüler/-innen in der Zeit von 8.00 bis 16.00 Uhr teilnehmen.
Was erwarten lehrerinnen und lehrer von museumsbesuchen?
Im durchstrukturierten Schulalltag können Ganztagsangebote Freiräume für Kooperationen mit außerschulischen Bildungspartnern schaffen. Da die Lehrkräfte im hohen Maße in die Ganztagsangebote einbezogen sind,24 verändert sich auch ihre Rolle im Lernprozess: „Lehrerinnen und Lehrer, deren Schulen in Ganztagsschulen umgewandelt werden, sehen sich vielfach einer völlig neuen Situation gegenüber, mit neuen Verpflichtungen, aber auch neuen Erfahrungen in der über den Nachmittag ausgedehnten Zusammenarbeit mit den Schülern. Viele Lehrer betonen nach einem solchen Umwandlungsprozess, dass sie ein ganz neues Verhältnis zu den Schülern aufbauen konnten, da sie diesen nunmehr nicht nur in der Unterrichtssituation gegenüberstehen, sondern losgelöst vom Leistungs- und Notendruck in der außerschulischen Situation einen neuen Menschen kennen lernen.“ 25 Ganztagsschulen nutzen als außerschulische Lernorte häufiger Museen als beispielsweise Theater oder Orchester. Betrachtet man aber die Häufigkeit langfristiger Kooperationen, denen das größte und eigentliche Potenzial für kulturelle Bildung und nachhaltiges Lernen zugeschrieben wird, so relativiert sich dieser Wert. 33 Prozent der in der Untersuchung von Keuchel befragten Schulen kooperieren zwar mit einem Museum, doch nur 6 Prozent nutzen die Chance einer kontinuierlichen Zusammenarbeit. Gebundene Ganztagsschulen nutzen diese Gelegenheit deutlich häufiger mit Museen als die offenen Ganztagsschulen. Differenziert man die Nutzung weiter nach Schulformen, so zeigen die Untersuchungen, dass die Gymnasien sehr viel häufiger eine langfristige Zusammenarbeit anstreben als Sonder- und Förderschulen sowie Hauptschulen.26 Eine Paradoxie, auf die die Studie hinweist, ist dann auch die Tatsache, dass gerade Hauptschulen Angebote kultureller Bildung kaum annehmen. Dass Museen bei den Kooperationen trotzdem einen guten Wert erreichen, liegt nach Keuchel daran, dass die „Einbeziehung des Publikums in die Angebotsgestaltung im Kontext von Service und begleitenden Angeboten […] in den Museen im Vergleich zu den anderen Kultureinrichtungen in Deutschland eine lange und besondere Tradition [hat].“ 27 Nicht überraschend ist der Umstand, dass Schulen der ländlichen Regionen aufgrund der organisatorischen Schwierigkeiten weniger oft mit Museen kooperieren. Hier empfiehlt Keuchel die Nutzung von Online-Angeboten der Museen, die den Lehrer/ -innen möglichst detaillierte Informationen zu den einzelnen Angeboten und der Organisation geben sollten. Eine weitere Möglichkeit sind Outreach-Angebote. Ein übergreifendes Problem bei der Zusammenarbeit von Schulen und Museen auf der Grundlage von Ganztagsangeboten stellt nicht zuletzt die Frage der Finanzierung und Mittelbereitstellung dar: Schule und Museum müssen gerade bei langfristigen Kooperationen eine Einigung über die Kosten erzielen; die außerschulischen Partner müssen darüber hinaus notwendige personelle Ressourcen bereitstellen.28
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Welche persönlich demotivierenden Faktoren sind bei Lehrer/-innen wirksam und wie können sie abgeschwächt werden? Traub hat in ihrer Untersuchung einzelne Faktoren ermittelt, die Lehrer/-innen davon abhalten, mit ihren Schulklassen ein Museum bzw. einen außerschulischen Lernort zu besuchen. Die Befragten hoben folgende Faktoren hervor: räumliche Distanz zu Museen, Kostengründe, organisatorischer und zeitlicher Aufwand. Weniger häufig wurde angeführt, dass sich Museumsbesuche mit Schulklassen zwingend mit dem Unterrichtsfach verbinden lassen müssen, oder gar, dass sie prinzipiell für Schulklassen ungeeignet seien.29
Wie schätzen Lehrer/-innen langfristige Kooperationsprojekte zwischen Schule und Museum ein? Noch sind Kooperationen zwischen Schule und Museum über längere Zeiträume die Ausnahme. Allerdings gibt es Initiativen, die speziell auf diese Form der Zusammenarbeit zielen. Im Folgenden werden Auswertungen der Programme „LernStadtMuseum in Sachsen – Schüler entdecken Museen“ und „Kultur.Forscher!“ betrachtet. Das Programm „LernStadtMuseum“ fördert Zusammenarbeit zwischen Schulen und Museen im Rahmen des regulären Unterrichts durch finanzielle und organisatorische Unterstützung sowohl in der Planungs- als auch in der Durchführungsphase. Es schafft somit gezielt jene Grundbedingungen einer Zusammenarbeit dieser Bildungspartner, die häufig eingefordert werden. Umso erhellender ist es, die persönlichen Erfahrungen der Lehrer/-innen mit diesem Projekt zu beleuchten. Ein methodischer Vorzug der Evaluation des Programms „LernStadtMuseum“ besteht in einer Prä- und Postbefragung, die es ermöglicht, Änderungen der Einschätzungen und Bewertungen zu verfolgen. Die teilnehmenden Lehrkräfte schätzten die einzelnen Projekte generell als positive Ergänzungen des regulären schulischen Unterrichts ein. Rund zwei Drittel gaben einen hohen bzw. sehr hohen Stellenwert an. Die Einschätzungen vor und nach dem Projekt unterscheiden sich hier nur geringfügig. Anders sieht das Ergebnis bei der Frage aus, wie hoch die einzelnen Lehrer/-innen den persönlichen Nutzen bewerten, den sie aus der Teilnahme an den Kooperationsprojekten ziehen konnten: Vor der Durchführungsphase gingen zwei Drittel der Befragten davon aus, dass sie selbst deutlich von der Projektarbeit profitieren würden. Nach der Durchführung glaubte jedoch nur noch ein Drittel an einen persönlichen Gewinn. Dagegen waren die Befragten sowohl vor als auch nach der Durchführung überzeugt, dass die Schüler/innen einen Nutzen von der gemeinsamen Arbeit im Museum davontragen würden.30 Ablesbar ist das besonders an der Beantwortung der Frage nach dem spezifischen Wert des Projekts. Hier zeigte sich
Was erwarten lehrerinnen und lehrer von museumsbesuchen?
ein hoher Anstieg des Zustimmungswerts bezogen auf die Bereicherung des Lernalltags der Schüler/-innen.31 Die Befragung macht aber auch deutlich, wo die Schwierigkeiten dieses Projekts lagen. Mit seiner dreijährigen Laufzeit erforderte es seitens der Lehrenden einen hohen organisatorischen und zeitlichen Einsatz. Zwei Drittel der Befragten gaben an, dass sie die Laufzeit als zu lang empfunden haben.32 Dass außerdem nur die Hälfte der Lehrkräfte ein vergleichbares Projekt nochmals durchführen würde33, ist angesichts der guten Ausgangsbedingungen und vor dem Hintergrund, dass gerade geförderte und langfristige Projekte oft als erstrebenswert dargestellt werden, ein bedenkliches Ergebnis.
Wie schätzen Lehrende längerfristige Kooperationen mit Akteuren kultureller Bildung ein? Auch das Programm „Kultur.Forscher!“ führte eine längerfristige Zusammenarbeit von Schule und Museum durch. Im Fokus der Einzelprojekte stand und steht hier die Methode des forschenden Lernens, die Schüler/-innen an eine intensive, sehr selbstständige Beschäftigung mit Kultur heranführen will. Erprobt werden sollte die Zusammenarbeit von Schule und Akteuren der kulturellen Bildung an außerschulischen Lernorten in Form einer längerfristigen projektbezogenen Kooperation. Dabei bestand die Rolle der Lehrkräfte und der außerschulischen Akteure wesentlich darin, Forschungsprozesse der Schüler/-innen zu begleiten, eine lernförderliche Umgebung zu schaffen, Lernende zu beraten und zu motivieren und den Fortgang der einzelnen Arbeitsprojekte gemeinsam mit den Schüler/-innen zu reflektieren. An diesem Programm nahmen in der evaluierten ersten Projektphase bundesweit 24 Schulen und 65 außerschulische Partner unterschiedlicher Sparten teil. Das Programm wurde dabei intensiv durch Netzwerktreffen und Fortbildungen unterstützt. Die Lehrer/-innen geben in der Befragung an, dass das Projekt ihr Methodenrepertoire erweitert und dass dies auch Einfluss auf den regulären Unterricht hat. Weiter heben die Lehrenden hervor, dass sie ihre Schüler/-innen positiver und differenzierter erleben. „Die Lehrkräfte nahmen neue Stärken und Talente ihrer Schüler/innen wahr, sie erlebten die Schüler/innen als Expert/innen für ihre eigene Lebenswelt und hatten Gelegenheit, fächerübergreifende Kompetenzen wie die Kommunikations- und Sozialkompetenz zu beobachten. Auch das Vertrauen in die Eigenverantwortung und Eigeninitiative der Schüler/innen stieg.“
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Durch die Zusammenarbeit mit externen Partnern aus dem Kulturbereich über einen Zeitraum von über zwei Jahren konnten die Lehrer/-innen zudem umfangreiche Erfahrungen in der Organisation projektbezogener Kooperationen mit kulturellen Akteuren sammeln. Neben der Vermittlung rein organisatorischer Fähigkeiten ermöglichte die Zusammenarbeit teilweise auch Einblicke in die strukturell andere Sichtweise dieser Partner. „Die Erfahrung, dass sich das System Schule vom System Kunst und Kultur unterscheidet, war deshalb auch für ein Lehrkräfte-Team eine der zentralen Lernerfahrungen.“ 34
Fazit Betrachtet man die hier zusammengefassten Ergebnisse, so wird zunächst deutlich, dass sich die Einschätzungen Lehrender hinsichtlich des motivationalen Potenzials des Lernorts Museum im Vergleich der Ergebnisse der Befragung von Hooper-Greenhill in England und der deutschen Befragungen kaum unterscheiden: Schätzen Lehrkräfte in beiden Schulsystemen die inhaltliche Anknüpfung kultureller Bildung an das Curriculum, so erblicken sie doch den primären Wert des Museums für Lernprozesse in seinen spezifischen Möglichkeiten, Erfahrung zu vermitteln, darunter der erlebnisorientierten Begegnung mit Objekten. Bildungsangebote der Museen, von denen die Lehrkräfte auch einen persönlichen Gewinn im Sinne einer Erweiterung ihrer methodischen und fachlichen Kompetenzen erwarten dürfen, können zu einer zusätzlichen Motivation von Besuchen mit Schulklassen führen: Obgleich mit Bezug auf die Selbstwirksamkeitserwartung von Lehrenden in der Befragung von Geyer/Lewalter keine eindeutigen Ergebnisse herausgearbeitet werden konnten, so ist doch festzuhalten, dass Lehrkräfte, die persönliche Erfahrungen mit Abläufen im Museum besitzen, diese häufiger mit ihren Schulklassen besuchen. Wenig genutzt werden bisher Formen der kontinuierlichen Zusammenarbeit. Dadurch bleiben erwartbare Lern- und Erfahrungspotenziale solcher Kooperationen unausgelotet. Denn die Befragungen verdeutlichen einhellig, dass Schüler/-innen nach Einschätzung der Lehrkräfte von Kooperationen der Schulen mit Museen profitieren. Die Museen können vermutlich ihre Attraktivität noch verbessern, indem sie zeitlich und organisatorisch überschaubare Angebote für Lehrende vorlegen. Um nachhaltige und kontinuierliche Zusammenarbeit zu ermöglichen, sollten Museen Lehrende stärker als eine eigene Zielgruppe begreifen und ansprechen. Ein Feld, in dem sich die Museumspädagogik in diesem Zusammenhang engagieren kann, ist die Entwicklung von Kooperationen insbesondere mit Ganztagsschulen. Deren Angebote werden in den nächsten Jahren weiter ausgebaut werden, und die Frage nach ihrer Qualität wird in den Fokus rücken. Erfahrungen der Museen im Bereich der kul-
Was erwarten lehrerinnen und lehrer von museumsbesuchen?
turellen Bildung können hier nutzbar gemacht werden. Befragte Lehrende an Schulen bewerten das Museum und seine Chancen für Lernen und Bildung generell positiv, und sie befürworten die Eigenständigkeit dieses Lernorts. In der bewussten Organisation der Zusammenarbeit und der sinnvollen Abstimmung der prinzipiell ganz unterschiedlichen Ziele und Methoden beider Institutionen ist jedoch noch viel zu tun.
1 Hooper-Greenhill, Eilean: Inspiration, Identity, Learning: The Value of Museums, Second Study, Leicester: Research Centre for Museums and Galleries RCMG 2007; Dies.: Museums and Education, Oxon 2007. 2 Geyer, Claudia / Lewalter, Doris: Die Nutzung schulischer Museumsbesuche aus Sicht von Lehrkräften, in: Unterrichtswissenschaft, Zeitschrift für Lernforschung, 36. Jahrgang, 2008, Heft 2, S. 136 – 149. 3 Keuchel, Susanne: Kulturelle Bildung in der Ganztagsschule, Bonn: ARCult 2007; Dies.: Museen als Akteure und neue Partner von Ganztagsschulen, in: Wagner, Ernst / Dreykorn, Monika: Museum, Schule, Bildung, München 2007, S. 44 – 52. Zum möglichen Nutzen kultureller Partnerschaften bei Ganztagsschulen liegen keine Befragungen von Lehrenden vor; Keuchel befragte Schulen. 4 „LernStadtMuseum in Sachsen – Schüler entdecken Museen“ ist ein Programm des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus, das 2007–2010 von der Robert Bosch Stiftung gefördert wurde. Schönert, Volker / Vorst, Silke (Agentur VisitorChoice): LernStadtMuseum in Sachsen – Schüler entdecken Museen. Unveröff. Evaluation der ersten Projektphase, Berlin 2010. 5 Wimmer, Michael / Nagel, Tanja / Schad, Anke (EDUCULT – Denken und Handeln im Kulturbereich 2011): Programmevaluation Kultur.Forscher! Kinder und Jugendliche auf Entdeckungsreise, Abschlussbericht zur ersten Projektphase 2008 – 2011, Wien 2011. Kultur.Forscher! ist ein gemeinsames Programm der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung und der PwC-Stiftung Jugend – Bildung – Kultur, das seit 2008 durchgeführt wird. 6 „[…] 90 per cent of participating teachers reported that a connection to the curriculum was an important reason for the visit“. Hooper-Greenhill: Museums, a. a. O., S. 103. 7 Ebd., S. 99; vgl. auch: Storksdieck, Martin / DeWitt, Jennifer: A Short Review of School Field Trips. Key Findings from the Past and Implications for the Future, in: Visitor Studies, Heft 11, 2008, S. 189. 8 Traub, Silke: Das Museum als Lernort für Schulklas-
sen, Hamburg, 2003, S. 109. Hervorhebung V. S. 9 Hooper-Greenhill, Museums, a. a. O., S. 107. 10 Ebd., S. 109. 11 Traub, a. a. O., S. 138. 12 „Teachers (99%) expect their pupils to enjoy their museum visits and from this enjoyment to develop increased motivation to learn, increased confidence in their abilities, and to be inspired to find new interests.“ Hooper-Greenhill, Inspiration, a. a. O., S. 31. 13 Ebd., S. 31. 14 Ebd., S. 27. 15 Traub, a. a. O., S. 136. 16 Geyer / Lewalter, a. a. O., S. 143. 17 Traub, a. a. O., S. 126. 18 Geyer / Lewalter, a. a. O., S. 144. Vgl. auch Traub, a. a. O., S. 143: „Selten arbeiten Lehrerinnen und Lehrer mit dem Museum/dem Lernort im Team zusammen, wobei dies ja gerade einer echten Zusammenarbeit entsprechen würde. Hier liegen wichtige Bereiche einer zukünftigen Kooperation.“ 19 Geyer / Lewalter, a. a. O., S. 142. 20 Ebd., S. 142. 21 Hooper-Greenhill, a. a. O., S. 24. 22 Vogel, Brigitte: Stichwort „Ganztagsschule“, in: Wagner / Dreykorn, a. a. O., S. 42. 23 Holtappels, Heinz Günter: Ganztagsschulen entwickeln und gestalten, in: Höhmann, Katrin / Holtappels, Heinz Günter / Kamski, Ilse / Schnetzer, Thomas (Hgg.): Entwicklung und Organisation von Ganztagsschulen. Anregungen, Konzepte, Praxisbeispiele, Dortmund 2005, S. 18. 24 Keuchel, Kulturelle Bildung, a. a. O., S. 85. 25 Ebd., S. 87. 26 Keuchel, Museen, a. a. O., S. 45ff. 27 Ebd., S. 45. 28 Ebd., S. 47. 29 Traub, a. a. O., S. 155. 30 Schönert / Vorst, a. a. O., S. 49. 31 Ebd., S. 51. 32 Ebd., S. 46. 33 Ebd., S. 45. 34 Wimmer / Nagel / Schad, a. a. O., S. 66 ff.
T
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»Und heute ins Museum« 9 Empfehlungen für den Museumsbesuch mit Kindern und Jugendlichen
Voneinander lernen – Plattformen für Austausch schaffen Kitas, Schulen und Museen können ihren Dialog intensivieren, um die jeweiligen Möglichkeiten und Bedürfnisse besser kennenzulernen. Geeignet sind z. B. Fortbildungen, in denen Lehrer/-innen oder Erzieher/-innen und Museumspädagogen/-innen gemeinsam Projekte planen, die dann in Schule und Museum stattfinden. Befragungen haben auch ergeben: Je größer das persönliche Interesse der Lehrenden am Museum ist, je genauer sie das Potential des Museums als Lern- und Bildungsort kennen und selbst über „Museumskompetenz“ verfügen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie das Museum auch mit einer Schulklasse besuchen.
„Was geht mich das an?“ Interessen von Kindern und Jugendlichen in Ausstellungen und bei der Entwicklung von Bildungsangeboten berücksichtigen Museen müssen neue Wege finden, um sich an den Lebenswelten von Kindern und Jugendlichen, an ihren Rezeptionsgewohnheiten, Themen und Fragen zu orientieren – nicht erst bei der Konzeption von Bildungsangeboten, sondern schon bei der Planung und Gestaltung von Ausstellungen. Eine Möglichkeit ist der Einsatz vielfältiger Medien: Neben Objekten, Inszenierungen von Objektgruppen, gestalteten Räumen und Texten sollten auch interaktive Stationen, Hands-on-Elemente, Hörstationen oder Filme zum Thema angeboten werden.
»Und heute ins Museum« 9 Empfehlungen für den Museumsbesuch mit Kindern und Jugendlichen
„Wo bin ich hier eigentlich?“ Schüler zur selbstständigen Orientierung befähigen Kinder und Jugendliche sollten vor einem Museumsbesuch zur selbstständigen Orientierung befähigt werden. Dazu gehört es, ihnen im Voraus Informationen über das Museum sowie über Intention und Ablauf des Besuchs zu vermitteln und ihnen vor Ort Hinweise zur räumlichen Orientierung zu geben. In mehreren Untersuchungen wurde ein für das Lernen negativer novelty-effect nachgewiesen, der oft unterschätzt wird. Er entsteht, wenn Lernsituationen desorientierend und verunsichernd erlebt werden.
„Und was denkst du?“ Wahrnehmungen und Sichtweisen von Kindern und Jugendlichen wertschätzen Kinder und Jugendliche schätzen das Museum u. a., weil dort keine schulspezifische Kommunikation stattfindet. Als solche nehmen sie etwa das Unterbrechen ihrer Redebeiträge durch Lehrkräfte wahr. Als schulspezifische Kommunikation gilt zudem, wenn Aussagen von Schülern/-innen bewertet („sehr gut“) und nicht wertgeschätzt („Danke“) werden. Wenn Beiträge von Schülern/-innen in Museen beurteilt werden, sollten alternative Bewertungsformen eingesetzt werden, deren Kriterien für die Schüler/-innen transparent und nachvollziehbar sind.
„Hast du das gesehen?“ Kommunikationsbedürfnis von Schülern/-innen konstruktiv nutzen Wie bei Führungen oft zu erleben ist, tauschen sich Lernende gern über ihre Beobachtungen aus. Dieses Bedürfnis sollte konstruktiv in die Gestaltung von Museumsbesuchen einbezogen werden, etwa durch Bildung kleiner Arbeitsgruppen. Untersuchungsergebnisse legen nahe, dass soziale Interaktionen sowohl affektive als auch kognitive Lernprozesse unterstützen können. Lernangebote, die Gruppenarbeit und die gemeinschaftliche Präsentation von Lernergebnissen beinhalten, wurden in evaluierten Kooperationsprojekten besonders geschätzt.
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Museum ist nicht Schule! Die Frage, wie stark Museumsbesuche für Schulklassen strukturiert werden sollen, wird kontrovers diskutiert. Man nimmt an, dass strukturierte Angebote, etwa Führungen oder konkrete Aufgabenstellungen, kognitive Lernprozesse unterstützen, jedoch möglicherweise eigenes positives Interesse schmälern. Nach heutiger Wissenslage sollten Schüler/-innen sowohl einzelne Arbeitsaufträge als auch Zeit für eine selbstbestimmte Erkundung der Ausstellung bekommen. Solche kombinierten Angebote entsprechen den Bedürfnissen von Kindern und Jugendlichen und führen zu intensiveren Lernerfahrungen als die entweder sehr oder gar nicht strukturierten Formate.
Ausstellungsbesuch mit Arbeitsblatt? Neben Lehrenden benutzen auch Museumspädagogen/-innen häufig Arbeitsblätter, um Erkundungen von Schulklassen anzuleiten. Untersuchungen haben den Einsatz dieses (besonders schulspezifischen) Instruments zwar in Frage gestellt, im Einzelfall und durch entsprechende Konzeption und Gestaltung kann er jedoch sinnvoll sein: wenn Arbeitsblätter kurze, wichtige Informationen für die eigenständigen Erkundungen geben und zur ausführlichen eigenen Beobachtung und Artikulation anregen. Dafür sollten sich die Fragen stets auf Objekte (und nicht auf das, was in Bild- oder Objektunterschriften steht) beziehen und Gespräche innerhalb der Gruppe ausdrücklich anregen, zudem sollte eindeutig angegeben werden, wo die nachgefragten Informationen zu finden sind.
„Das interessiert mich!“ Forschendes Lernen im Museum unterstützen Bei längerfristigen Projekten ist es für Kinder und Jugendliche wichtig, dass sie im Umgang mit einem Thema eigene Fragen entwickeln und eigene Schwerpunkte setzen können. Museumspädagogische Angebote, die nach dem Konzept des forschenden Lernens entwickelt werden, ermöglichen dies in besonderer Weise. Darüber hinaus eignen sich Schüler/-innen gerne fachliche oder soziale Fähigkeiten und Kompetenzen an (z. B. Teamfähigkeit, Sicherheit im Argumentieren oder Präsentieren oder im Umgang mit Bild- und Textbearbeitungsprogrammen), die sie auch für Tätigkeiten außerhalb des jeweiligen Projekts qualifizieren.
»Und heute ins Museum« 9 Empfehlungen für den Museumsbesuch mit Kindern und Jugendlichen
Was bleibt? Materialien für die Vor- und Nachbereitung Museumsbesuche mit Kindern und Jugendlichen entfalten besonders dann eine nachhaltige Wirksamkeit, wenn sie nicht losgelöst von Schule oder Kita stattfinden. Wichtig sind deshalb Aktivitäten, die einem Museumsbesuch vorausgehen, und solche, die ihm folgen. In der Praxis bleibt dafür oft nur wenig Zeit, deshalb sollten Museen die Vor- und Nachbereitung durch die Bereitstellung von speziellen Materialien unterstützen.
Diese Empfehlungen entwickelte Carola Marx auf der Grundlage von wissenschaftlichen Untersuchungen zu Lernprozessen in Museen sowie in Gesprächen mit Experten, Museumspädagoginnen und Museumspädagogen, Kindern und Jugendlichen
einführung
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Praxisbeispiele Carola marx
In den Lebenswelten Heranwachsender spielen Museen kaum eine Rolle. Kinder und Jugendliche kommen zumeist über die formalen Bildungseinrichtungen (Schulen, Kitas) zum ersten Mal in Kontakt mit einem Museum. Ob Museumsbesuche im Rahmen eines Schulbesuches allein dazu geeignet sind, ein nachhaltiges Interesse an der Institution zu wecken, wird aufgrund von Datenerhebungen inzwischen kritisch hinterfragt.1 Wie kann es den Museen also zukünftig dennoch gelingen, Kinder und Jugendliche, besonders wenn sie im Klassenverband ins Museum kommen, für diese Kultureinrichtung zu interessieren, vielleicht sogar nachhaltig zu begeistern? Natürlich gibt es nicht das Erfolgsrezept, aber jedes Museum hat ganz spezifische Potenziale, die auf vielfältige Weise Bildung und Lernen im Museum für Kinder und Jugendliche ermöglichen können. Im Folgenden werden einige beispielhafte Bildungsangebote vorgestellt, die Entwicklungsfelder für die Bildungs- und Vermittlungsarbeit in Museen im Kontext von Schule und Kitas sichtbar machen und Museen Impulse für die Entwicklung eigener Projekte geben können. Die Projekte sind nach folgenden inhaltlichen Schwerpunkten ausgewählt:
1 Museen entdecken – Vor- und Nachbereitung von Museumsbesuchen in Schule oder Kita Wissenschaftliche Studien haben wiederholt bestätigt, was auch die Praxis zeigt: Museumsbesuche für Kinder und Jugendliche entfalten besonders dann eine Wirksamkeit, wenn sie nicht losgelöst von Schule und Unterricht (oder anderen institutionellen Lernkontexten) stattfinden, sondern damit inhaltlich und thematisch verknüpft werden; beispielsweise indem Schüler/-innen im Vorfeld selbst Einfluss nehmen können auf die Gestaltung und/ oder das Thema eines Museumsbesuchs oder wenn sie erfahren, dass sie bereits erworbenes Wissen im Museum sinnvoll anwenden können; oder auch, wenn sie die Möglichkeit haben, ihre individuellen Erfahrungen kreativ zu dokumentieren. Museumspädagogen/ -innen können hierbei Lehrer/-innen mit entsprechenden Informationen und Materialien in der Vor- und Nachbereitung der Ausstellungsbesuche unterstützen.
Praxisbeispiele
2 Objekte befragen – Forschendes Lernen im Museum Ausgangspunkt für alle Aktivitäten forschenden Lernens im Museum sind die Interessen und Fragen der Kinder und Jugendlichen. Ziel ist es, sie dazu anzuleiten, möglichst selbstständig Fragen und Problemstellungen zu einem Phänomen zu formulieren und Wege und Mittel zur Beantwortung zu suchen. Lehrende, Museumspädagogen/-innen oder andere Experten haben die Aufgabe, die Forschungsprozesse der Kinder und Jugendlichen zu begleiten und zu unterstützen. Einen besonderen Stellenwert nimmt in vielen Projekten zum forschenden Lernen im Museum die ästhetische Forschung 2 ein. „In ästhetischen Forschungsprozessen sind die individuellen Wahrnehmungen und Alltagserfahrungen ebenso wichtig wie das ästhetische und das wissenschaftliche Wissen. Kinder und Jugendliche, die ästhetisch forschen, bedienen sich neben wissenschaftlichen Methoden gleichermaßen unterschiedlicher Verfahren und Erkenntnisweisen des Alltags und der Kunst, insbesondere der Gegenwartskunst.“3
3 Wie wollen wir leben? Kompetenzförderung und Wertevermittlung Bildungsangebote, die die Vermittlung von Kompetenzen oder Werten in den Vordergrund stellen, haben das Ziel, Kinder und Jugendliche zu einem selbstständigen Umgang mit zugänglichem Wissen und zum Formulieren eigener Meinungen und Standpunkte zu befähigen. Ausgangspunkt hierfür kann die Auseinandersetzung mit einzelnen Themen oder Objekten in einer Ausstellung sein. Mit methodisch sehr unterschiedlichen Ansätzen werden einzelne Fähigkeiten wie zum Beispiel Diskursfähigkeit oder ästhetische, sprachliche und interkulturelle Kompetenz gefördert. Darüber hinaus kann auch die Förderung allgemeiner Kompetenzen angestrebt werden, zum Beispiel ein Allgemeinverständnis für die Institution Museum sowie die Befähigung zu seiner selbstständigen Nutzung.
1 Vgl. Beitrag Susanne Keuchel im Buch, S. 75. 2 Der Begriff der ästhetischen Forschung wurde von Christine Heil und Manfred Blohm definiert. Vgl. Heil, Christine / Blohm, Manfred: Was ist Ästhetische Forschung?, in: Leuschner, Christina / Knoke Andreas (Hg.): Selbst entdecken ist die Kunst. Ästhetische For-
schung in der Schule, München 2012, S. 6 – 10. Die Publikation wurde im Programm Kultur.Forscher! herausgegeben, sie ist wie ein Arbeitsheft zu nutzen und gibt Tipps für die Praxis. 3 Ebd., S. 6.
Museen entdecken – Vor- und Nachbereitung von Museumsbesuchen in Schule oder Kita
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Praxisbeispiel 1.1 Institution Klassik Stiftung Weimar
Weimarpedia.de
Partner Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung und dem Thüringer Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur gefördert und in Kooperation mit der BauhausUniversität, Fakultät Medien, Professur Interface Design durchgeführt.
Zielgruppe Schulklassen von der 8. bis 13. Klasse, insbesondere Regelschulen
Format Weimarpedia ist ein mehrtägiges Bildungsprojekt für Schülerinnen und Schüler der 8. bis 13. Klasse. Diese können
Beschreibung
Die Internetseite Weimarpedia.de funktioniert als digitale Plattform: Schüler/-innen bereiten sich inhaltlich mit Unterstützung der dort vorhandenen Informationen anderer Schüler auf ihren Besuch in Weimar vor. Den Lehrkräften steht auf der Internetplattform methodisch aufbereitetes Unterrichtsmaterial zur Verfügung. In Weimar erkunden die Schüler zunächst im Rahmen angebotener Aufgabenstellungen historische Orte. Mobile Geräte (Smartphones, Tablet PCs) ermöglichen es ihnen, Informationen zu bestimmten Objekten, Häusern oder Gärten der Klassik Stiftung direkt vor Ort abzurufen und selbst Informationen zu sammeln. Mit Hilfe von entsprechender Literatur sollen die Schüler/-innen eigene Fragestellungen zur Geschichte von Weimar entwickeln. Die Ergebnisse ihrer Recherchen werden auf der Internetseite Weimarpedia.de hinterlegt: In einem Text zu einem Objekt, einer Objektgruppe oder einem Raum bzw. einer Architektur und in Form eines kreativen Produktes (z.B. Text, Video, Collage, Bildergeschichte, Hörspiel). Diese Produkte stehen so anderen Lernenden zur Verfügung. Mobiles Lernen an einem historisch vielschichtigen Ort wie Weimar kann so in neuen Formen realisiert werden.
über eine digitale Plattform nicht nur Weimar mit seinen historischen Dichterhäusern, Gärten und Parkanlagen selbsttätig erschließen, sondern die Exkursion auch vor- und nachbereiten. Diese Plattform wird dann auch entsprechend von den Lehrern für die Vorbereitung der Exkursion, die Erkundung vor Ort sowie für die Nachbereitung des Besuches genutzt.
Ziel
Weimarpedia ermöglicht den Schülern mit Unterstützung einer digitalen Plattform, sich selbständig, kreativ und partizipatorisch mit dem Welterbe Weimars auseinanderzusetzen. Lehrkräften bietet sie sich für eine entsprechende Nachbereitung am Heimatort an. Den Teilnehmenden soll so eine eigenständige und kritische Aneignung signifikanter Epochen der deutschen Kulturgeschichte ermöglicht werden.
Praxisbeispiele
Lehrplanbezug
Vor- und Nachbereitung von Museumsbesuchen in der Schule
Variabel. Lehrende und
Die Vorbereitung in der Schule verschafft den Schüler/-innen einen ersten Überblick über die möglichen Themen ihrer Exkursion. Durch ihre Recherchen auf Weimarpedia.de können sie bereits Ideen zu eigenen Texten und anderen kreativen Produkten entwickeln. Abrufbare Arbeiten anderer Schüler helfen ihnen dabei. Den Lehrenden steht ein (analoges) Planspiel zur Verfügung, mit dem die wichtigsten Grundlagen der Weimarer Kulturgeschichte vorab erarbeitet werden können. Außerdem erhalten sie ausführliche Informationen zu medienrechtlichen Fragen und diesbezügliche Vordrucke zur Gegenzeichnung durch die Eltern zugesandt. Dieser zusätzliche Kommunikationsaufwand kann für eine Vermittlung der Exkursion und ihres speziellen Profils gegenüber den Eltern konstruktiv genutzt werden. Die Eltern können durch die Betrachtung der Arbeiten ihrer Kinder auf Weimarpedia.de in neuer Weise an der Exkursion partizipieren. Die Nachbereitung in der Schule hängt von den zeitlichen Möglichkeiten der Lehrenden ab. Die Schüler/-innen können zum Beispiel über ein Passwort ihren Beitrag auf Weimarpedia.de weiter bearbeiten. Anknüpfend an die Exkursion können sie auch in einer der verschiedenen neuen Unterrichtsformen (etwa Seminarfach, P-Seminar) eine Seminararbeit verfassen.
Schüler/-innen können die einzelnen Projektinhalte in Absprache mit der Klassik Stiftung festlegen. Themenbeispiele: Weimarer Klassik, Moderne um 1900, Bauhaus, Weimar im Nationalsozialismus
Weitere informationen www.weimarpedia.de www.klassik-stiftung.de
Folker Metzger, Leiter der Abteilung Bildung und Forschung der Klassik Stiftung Weimar:
„Durch das Projekt Weimarpedia erschließen Schüler/-innen in Zukunft die Welterbestätten der Weimarer Klassik weitgehend selbstständig. Zugleich wird das von den Teilnehmern im Projekt aufbereitete Wissen anderen Lernenden dauerhaft auf der Webseite Weimarpedia zur Verfügung (Partizipation) gestellt. Entscheidend für das Gelingen scheint die optimale Abstimmung mit den Lehrenden zu sein. Diese müssen ihre Schüler/-innen mit dem Projekt vertraut machen und auch deren Zustimmung zu dieser Exkursionsform einholen. Die Methoden des selbstgesteuerten Lernens setzen das Interesse der Jugendlichen voraus. Durch die Arbeit in kleinen Gruppen vor Ort ist die Begleitperson zudem sowohl als Aufsichtsperson als auch, soweit möglich, als Berater für die eigene Klasse im Einsatz.“
Museen entdecken – Vor- und Nachbereitung von Museumsbesuchen in Schule oder Kita
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Praxisbeispiel 1.2 Institution Museumsverbund RhönSaale, vertreten durch das Fränkische Freilandmuseum Fladungen
Partner FranKonzept, Würzburg und Hans Joachim Gach, Osnabrück, Förderung durch das Leader + Programms der Europäischen Union, der Kulturstiftung des Bezirks Unterfranken und der Sparkassenstiftung Bad Neustadt a. d. Saale.
Zielgruppe Lehrende in Schulen und Betreuer schulnaher Einrichtungen (zum Beispiel Landschulheime) der Landkreise Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld sowie die Museen des Museumsverbundes Rhön-Saale.
Format Der „Entdeckerkoffer Rhön“ ist Bestandteil des Gesamtprojekts „Region im Koffer“. In einer Auflage von 120 Stück wurde er an alle Schulen der Landkreise Bad Kissingen und Rhön-Grabfeld verteilt, wo er den Schülerinnen und Schülern neue spielerische
Entdeckerkoffer Rhön Beschreibung
Jeder „Entdeckerkoffer Rhön“ (Größe 50cm x 50cm x 10cm) enthält zahlreiche Einzelelemente. Als didaktisch aufbereitete, transportable Materialsammlung vermittelt er altersgerechte Informationen zu den vier Kernbereichen Natur, Geschichte, Kultur und Menschen in der Region Rhön sowie zu den sechs Museen des Museumsverbundes Rhön-Saale: - Ein Karteikartensystem erschließt zusammen mit einem Handbuch alle Angebote des Koffers. Es enthält Themenvorschläge und didaktische Anregungen zu den vier Kernbereichen, die jeweils mit einer Farbe markiert sind. - Eine Landkarte zeigt die Rhön in physischer und politischer Hinsicht und verzeichnet die sechs Museen des Museumsverbundes Rhön-Saale. - Reale Objekte, verpackt in Leinensäckchen, repräsentieren die Museen des Museumsverbundes Rhön-Saale, zentrale Aspekte der Rhön und das Thema Schule. - Ein Kartensatz „Blickrichtungskarten“ kann spielerisch zu Perspektivwechseln anleiten. Mit Hilfe der Karten wird der Blick von der Vergangenheit über das Jetzt hinaus in die Zukunft der Region gerichtet. - Ein Kartensatz „Geheimnisse der Rhön“ beinhaltet Fragen zu Besonderheiten der Region. - Eine CD-ROM „Bilderschau Rhön“ versammelt Fotos zu den vier Kernbereichen des Koffers. - Ein „Rhön-Memory-Spiel“ präsentiert die Bildmotive der CD-ROM in anderer Form. - Ein „Museums-Quartett“ stellt die sechs Museen des Museumsverbundes Rhön-Saale vor. - Ein Begleitbuch enthält themenbezogene Texte verschiedener Genres (von Erlebnisberichten über Erzählungen bis hin zu Geschichten in Mundart).
Praxisbeispiele
und interaktive Zugänge zu Natur, Geschichte, Kultur und Menschen der Rhön ermöglichen soll. Insbesondere Museumsbesuche
Ziel
Der „Entdeckerkoffer Rhön“ soll Kinder und Jugendliche zu einer kritisch-konstruktiven Auseinandersetzung mit der regionalen Umwelt, ihrer Geschichte und ihren Bewohnern anregen.
können so gemeinsam mit den Schulkindern vor- und nachbereitet werden.
Lehrplanbezug Variabel. Besonders gute Anknüpfungspunkte bietet der Koffer für den Heimatund Sachkunde-Unterricht der 4. Jahrgangsstufe der Grundschule sowie für Projektarbeit der 9. Klassen der
Vor- und Nachbereitung von Museumsbesuchen in der Schule
Die Angebote des Entdeckerkoffers sind durch Piktogramme nach Jahrgangsstufen unterschieden. Der Koffer gestattet grundsätzlich einen handlungs- und erlebnisorientierten Unterricht, der Zugänge zu einer Vielzahl regional relevanter Forschungsperspektiven eröffnet. Die Materialien können sowohl punktuell als auch im Rahmen einer Unterrichtsreihe eingesetzt werden. Der Entdeckerkoffer wird darüber hinaus bei den jährlichen Lehrerfortbildungen des Museumsverbundes genutzt.
Hauptschule und der 11. Klassen des Gymnasiums.
Dr. Jochen Ramming, Hans Joachim Gach und Susanne Orf, Konzeptionsteam Entdeckerkoffer Rhön:
Weitere Informationen Der Entdeckerkoffer Rhön kann gegen eine Kaution von 50 Euro im Fränkischen Freilandmuseum Fladungen entliehen werden (Versand gegen Gebühr). www.freilandmuseumfladungen.de/museumspaedagogik.php
„Für die Konzeption des Koffers waren vor allem die partizipativen Vorbereitungsprojekte wichtig. Sie waren eine grundlegende Voraussetzung dafür, dass die Interessen der zukünftigen Nutzer umfassend berücksichtigt werden konnten. Diese Zusammenarbeit erforderte jedoch von den Beteiligten aus den unterschiedlichen Institutionen mit ihren jeweiligen Bedürfnissen hinsichtlich Haushalt, Schuljahresplanung, Freilichtsaisonplanung etc. ein großes Maß an Flexibilität und Offenheit.“
Museen entdecken – Vor- und Nachbereitung von Museumsbesuchen in Schule oder Kita
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Praxisbeispiel 1.3 Institution Stiftung Jüdisches Museum Berlin
Partner Gesellschaft der Freunde und Förderer der Stiftung Jüdi-
handreichungen aus dem museum Für die schule
sches Museum Berlin e. V. Beschreibung
Zielgruppe Lehrende (Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien), die unterschiedliche Fächer ab Jahrgangsstufe 5 bis 13 unterrichten, weitere außerschulische Multiplikatoren
Format Lehrerhandreichungen zur Vor- und Nachbereitung
Didaktisch aufbereitetes Quellenmaterial als Arbeitshilfe zu Themen der deutsch-jüdischen Geschichte. Die Dokumente werden durch detaillierte Hintergrundinformationen erläutert; dazu gehören eine Einführung ins Thema, Kurzbiografien, zusätzliche Sekundärquellen, Aufgabenvorschläge sowie Hinweise auf weiterführende Literatur und Medien. Besonderes qualitatives Merkmal ist der grafische Umgang mit den Dokumenten: Sie werden weitestgehend in Farbe und Originalgröße wiedergegeben. Mit dieser Veröffentlichung macht das Museum einen Teil seiner Bestände für Unterricht und Schule zugänglich.
von Museumsbesuchen. Didaktisch aufbereitete Quellensammlung; drei thematische Bände, jeweils erhältlich als Ringbuchordner oder als Loseblattsammlung
Lehrplanbezug Band 1 – Kommentierte Quellen und Materialien zur Geschichte der Juden im Nationalsozialismus, ab Klasse 6 bis 13 (Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien), für die Fächer Religion, Deutsch, Geschichte, Lebenskunde, 2004, 207 Seiten.
Ziel
Ziel des Materials ist es, Pädagoginnen und Pädagogen Anregungen für die Vor- und Nachbereitung eines handlungsorientierten Museumsbesuches zu geben; es kann aber auch unabhängig vom Museumsbesuch im Unterricht und in der außerschulischen Bildung eingesetzt werden. Die Reihe möchte außerdem einen Beitrag zur kritischen und demokratischen Bildungsarbeit leisten. Lehrende und Lernende sollen dazu angeregt werden, sich die vielfältige jüdische Geschichte entlang biografischer Dokumente aus der Sammlung des Jüdischen Museums zu erschließen.
Praxisbeispiele
Band 2 – Kommentierte
Vor- und Nachbereitung von Museumsbesuchen in der Schule
Quellen zur Jüdischen Le-
Die Arbeit mit den Quellen kann durch den Besuch des Museums und die damit verbundene Betrachtung und Analyse von Exponaten zu den jeweiligen Themen in der Ausstellung ergänzt werden. Aufgrund regelmäßiger Veränderungen in der Dauerausstellung sind jedoch nicht alle für die Lehrerhandreichungen ausgewählten Exponate ständig ausgestellt. Die Materialien können Schülerinnen und Schülern für die selbstständige Erarbeitung eines Themas zur Verfügung gestellt werden. Das inhaltliche Spektrum eignet sich dabei auch für aktuelle Querschnittthemen wie zum Beispiel „Migration in Vergangenheit und Gegenwart“. Gute Erfahrungen gibt es bereits mit Programmen des „Peer-teaching“ in der Methode „Schüler führen Schüler“. Hierbei lassen sich Quellen und zusätzliche vertiefende Informationen im Unterricht vor dem Museumsbesuch an Einzelne oder an Gruppen von Schülern verteilen. Beim anschließenden Besuch agieren Schüler/ -innen als „Guide oder Museumsmoderator“ und präsentieren ihren Mitschülern in der Ausstellung die Quelle bzw. die Geschichte hinter der Quelle. Darüber hinaus werden die Materialien im Museum in Archivworkshops genutzt, in denen kleine Schülergruppen Fotos und Dokumente erforschen und interpretieren. Viele dieser Dokumente sind auch in den Handreichungen abgebildet und kommentiert. Auf diese Weise kann dieses pädagogische Programm mit Hilfe der Materialien nachbereitet werden. Das Museum setzt die Handreichungen auch regelmäßig in der Lehrerfort- und Weiterbildung ein.
benswelt, ab Klasse 5 bis 13 (Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien), für die Fächer Geschichte, Politik, Religion, Gesellschaftswissenschaften, 2006, 102 Seiten. Band 3 – Kommentierte Dokumente zur Geschichte der Juden im 19. Jahrhundert. Deutsche und Juden zugleich, ab Klasse 5 bis 13 (Hauptschulen, Realschulen, Gymnasien), für die Fächer Geschichte, Politik, Religion, Gesellschaftswissenschaften, 2009, 146 Seiten.
Weitere Informationen Alle Angebote für Kinder, Schüler, Lehrer auf der Website http://www. jmberlin.de/ksl/was_gibts/ was_gibts_DE.php
Tanja Petersen, Leiterin der Abteilung Bildung, Jüdisches Museum Berlin
„Eine besondere Chance der Lehrermaterialien besteht darin, die kulturhistorischen Exponate der Sammlung mit vielfältigen Gegenwartsbezügen zu verknüpfen und darüber hinaus besonders im zweiten Band zur jüdischen Lebenswelt den Exkurs in christliche und islamische Traditionen anzuregen. Hier geben farbenfrohe zeitgenössische Objekte sowie Interviews mit Jugendlichen der Jüdischen Oberschule Einblicke in die Alltagswelt jüdischer Jugendlicher heute.“
Objekte befragen – Forschendes Lernen im Museum
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Praxisbeispiel 2.1 Institution Elementarium & Sammelsurium, Museum der Westlausitz, Kamenz
Partner Integrationskinderhaus –
KULTURPIRATEN ... BRINGEN ALLES IN FLUSS!
Elterninitiative „Langes Gässchen“ e. V. und Grundschule „Am Gickelsberg“, Kamenz. Gefördert von der Robert Bosch Stiftung im Rahmen des Programms „Kultur(t)räume – Frühkindliche Bildung kreativ“ des Sächsischen Staatsministeriums für Kultus
Zielgruppe Vorschüler und Schüler der ersten Grundschulklasse
Format
Beschreibung
Das Projekt ist ein Kooperationsprojekt zwischen Kindergarten, Grundschule und Museum. Ziel ist die Entwicklung eines interdisziplinären Jahreskreises an kulturellen Bildungsangeboten im frühkindlichen Bereich, der dauerhaft in den Lernalltag der Einrichtungen einfließen soll. In der Gruppe Kulturpiraten erkunden Vorschulkinder und Erstklässler regelmäßig gemeinsam alle zwei Wochen am Vormittag regionale Themen und Besonderheiten der Kulturlandschaft in Kamenz. Dafür wurden zwei interdisziplinäre thematische Jahreskreise entwickelt: Erstes Jahr: „Die vier Elemente“ – Erde, Feuer, Wasser, Luft. Zweites Jahr: „Die vier Jahreszeiten“ – Herbst, Winter, Frühling, Sommer. Begleitet von einem Pädagogenteam im Museum schlagen die Projekte der „Kulturpiraten“ eine Brücke von der Vorschule zur ersten Klasse.
Zweiwöchentliche, im Lernalltag verankerte ge-
Ziel
meinsame Treffen (Dauer
„Entdecke deine Welt“, so lautet die Botschaft der kulturellen Bildungsprojekte für Kinder am Elementarium des Museums der Westlausitz in Kamenz. Das Projekt Kulturpiraten soll insbesondere dazu beitragen, durch kulturelle Bildungsprojekte den Übergang von der Vorschule zur ersten Klasse zu erleichtern. Kita und Grundschule entwickeln ihr kulturelles Profil fort, damit die Ansätze kultureller Bildung nachhaltig wirken können. Das Museum nutzt in diesem Projekt die Chance, die Bildungsarbeit in Hinblick auf die Bedürfnisse von Kita und Grundschule zu professionalisieren.
je ein bis zwei Stunden) von Vorschulkindern und Erstklässlern, die sich dann „Kulturpiraten“ nennen, über einen Zeitraum von zwei Jahren.
Praxisbeispiele
Lehrplanbezug Möglich in den Fächern Sachkunde, Deutsch, Mathematik, Werken, Kunst und Musik
Weitere Informationen www.museum-westlausitz.de www.sachsen-macht-schule.de
Forschendes Lernen
Kinder im Vor- und Grundschulalter benötigen einen klaren Rahmen, der ihnen Freiräume für forschendes Lernen, die Präsentation eigener Ergebnisse und den Austausch über gewonnene Erkenntnisse eröffnet. Trotz klarer Zielsetzungen sollten die Veranstaltungen prozessoffen sein und den Kindern die Möglichkeit bieten, vorgegebene Aufgaben zu verändern oder weiterzuentwickeln. Kinder und Erwachsene stehen so im steten Austausch und passen Lernziele und Erwartungen an die tatsächlichen Möglichkeiten an. Folgende Aktivitäten werden u.a. eingesetzt, um den Kindern selbstständige Aktivitäten und forschendes Lernen zu ermöglichen: Anleitung zur selbstständigen Planung von Aktivitäten (Prozesse erfassen und strukturieren; Arbeitsabläufe wiederholen und vertiefen); Arbeit in Kleingruppen (Soziale Prozesse selbst mitbestimmen); Diskussionsrunden (Kommunikationsfähigkeit fördern); Erkundungsaufträge in der Ausstellung/Stadt (Eigene Entdeckungen dokumentieren, Orientierungsvermögen schulen); Freies Gestalten und Musizieren (Kreatives Ausdrucksvermögen entfalten, eigene Persönlichkeit entwickeln); Fotodokumentation durch Kinder (Genaues Hinschauen lernen, Konzentrationsfähigkeit stärken, Bilder kreativ gestalten, Computerkenntnisse erwerben); Schülerexperimente (Experimente verstehen und steuern, Lernen durch Handeln). Hauke Schiek, Museumspädagoge, Museum der Westlausitz, Kamenz
„Kinder sind schnell für die Entdeckung ihres Lebensumfeldes zu begeistern. Dafür brauchen sie Pädagogen, die ihren Forscherdrang unterstützen und begleiten. 5- bis 6-Jährigen fehlt noch die soziale und kommunikative Fähigkeit zur Steuerung von Lernprozessen in größeren Gruppen. Rituale zu Beginn und Ende der Treffen geben ihnen Sicherheit. Das rechte Maß von Freiheit und Anleitung muss von Pädagogen und Kindern gemeinsam ausbalanciert werden. Je länger sich dieser gruppendynamische Prozess fortsetzt, umso leichter entsteht eine gute Lernatmosphäre. Stolz sind alle, wenn am Ende Eltern, Großeltern und Freunden eigene Leistungen präsentiert werden können.“
Objekte befragen – Forschendes Lernen im Museum
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Praxisbeispiel 2.2 Institution Übersee-Museum Bremen
Zielgruppe Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund zwischen 14 und 20 Jahren, in Schulklassen, -kursen oder AGs, in Gruppen aus Jugendeinrichtungen oder freien Gruppen
Format
SPUREN SUCHEN – IDENTITÄT FINDEN JUGENDLICHE FORSCHEN IN EIGENER SACHE (FIES)
Ein interkulturelles Projekt, das 30 Stunden umfasst, die
Beschreibung
individuell geplant werden.
Das Projekt verknüpft spezifische Arbeitsformen des Museums (Sammeln, Bewahren, Forschen, Vermitteln) mit der Methode der künstlerischen Feldforschung: Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund bringen sich als Experten ihrer eigenen Kultur ein und erweitern ihr Wissen über andere Kulturen. Das Museum sowie Orte des Alltags dienen als Raum für ästhetische Feldforschungen. Museumsmitarbeiter/-innen und Künstler/innen unterschiedlicher Sparten (u.a. Choreografie, Mediengestaltung, Bühnenbild) unterstützen die Jugendlichen auf drei Handlungsebenen: - Feldbegegnung (Auseinandersetzung mit dem Thema/Material) - Aufarbeitung des im Feld erhobenen Materials/ Herstellung künstlerischer Produkte - Präsentation der Forschungsergebnisse/künstlerischen Produkte (Bild/Theater/Website/Film)
Die Projektstunden finden innerhalb eines Schulhalbjahres im Übersee-Museum statt und werden von einer Museumspädagogin und einem Künstler betreut. Zum Ende eines Schulhalbjahres präsentieren sechs Projektgruppen die künstlerischen Ergebnisse der Öffentlichkeit. Eine Jury bewertet sie nach einem Kriterienkatalog, alle Gruppen erhalten Preise von jeweils 200,- Euro.
Ziel
Das Projekt ermöglicht es, Jugendliche – darunter auch eher „kulturferne“ Gruppen und insbesondere junge Menschen mit Migrationshintergrund – für kulturelle und künstlerische Bildung im Kontext des Museums zu gewinnen. Es fördert den interkulturellen Dialog, indem sich Jugendliche im Medium
Praxisbeispiele
Lehrplanbezug Variabel, zum Beispiel Geografie, Politik, Biologie, Geschichte, Kunst, Musik. Das Projekt ist geeignet für Schulen, insbesondere für Ganztagsschulen, die ihren Schülern/-innen in Arbeits-
der Ausstellungsgegenstände mit Kunst und Kultur auseinander setzen können. Durch die Verknüpfung von wissenschaftlicher Methodik und künstlerisch-kreativen Prozessen (Bildende Kunst, Theater, Musik, Medien) mit ihrem unmittelbaren Erfahrungshintergrund sollen die Jugendlichen zu einer aktiven, eigenverantwortlichen Auseinandersetzung mit ihrer Geschichte, ihrer Herkunft und den Entwicklungen in einer globalisierten Welt motiviert werden.
gemeinschaften oder im Fachunterricht die Projekt-
Ästhetisch forschendes Lernen
arbeit ermöglichen wollen.
Auf den drei genannten Handlungsebenen Feldbegegnung, Aufarbeitung des im Feld erhobenen Materials und Präsentation der Forschungsergebnisse/künstlerischen Produkte werden folgende Aktivitäten angeboten: Bestimmung des Themas (Kennenlernen von Methoden zur Themenfindung durch Erforschung der Sammlungen von Objekten außereuropäischer und heimischer Alltagskultur sowie eigener Fundstücke; Entwickeln von Fähigkeiten zur Projektplanung); Recherchieren (Informationssuche in Museen, Bibliotheken, Internet; Befragung von Experten/Eltern einüben); Sammeln (Quellen für die Informationsbeschaffung, Systematisieren von Informationen, Entwickeln eigener Fragestellungen); Kreative Umsetzung (Formen künstlerischen Arbeitens kennenlernen und anwenden: Filmen, Fotografieren, Gestaltung von Zeitschriften/ Websites, Tanzen, Musik machen, Installationen, Modenschau etc.); Präsentieren (Entwickeln von Präsentationskompetenz, Förderung von Selbstvertrauen und gegenseitiger Akzeptanz).
Weitere Informationen www.uebersee-museum.de/fies
Anka Bolduan, Leiterin der Abteilung Bildung und Vermittlung, Übersee-Museum Bremen
„Schwierig ist für Jugendliche das Festlegen eines in 30 Stunden zu bearbeitenden Themas, da sie noch keine Erfahrung im wissenschaftlichen Arbeiten haben und zudem die Sozialkompetenz, besonders die Teamfähigkeit, wenig ausgebildet ist oder ganz fehlt. Wichtig ist, den Jugendlichen zuzutrauen, dass sie am Ende des Prozessverlaufs der Öffentlichkeit ein künstlerisches Ergebnis präsentieren werden. Dieses ergebnisorientierte Arbeiten, sowie die Möglichkeit, das eigene Thema /die eigenen Arbeiten in der Öffentlichkeit des Museums zeigen zu können, schafft die größtmögliche Motivation.“
Objekte befragen – Forschendes Lernen im Museum
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Praxisbeispiel 2.3 Institution Städel Museum, Frankfurt am Main
Partner
KULTUREXPEDITIONEN
Schillerschule. Ein Projekt im Rahmen des Programms Kultur.Forscher! der PwC-Stiftung sowie der Deutschen Kinderund Jugendstiftung
Zielgruppe Schüler und Schülerinnen der Sekundarstufe I und II
Format Die Projektdauer variiert von einer Doppelstunde bis zu einem Jahr. Das Projekt Kultur.Forscher! ist an der Schillerschule im Wahl- und Regelunterricht sowie in der
Beschreibung
Die Schillerschule Frankfurt hat sich mit dem Städel Museum, der Liebighaus Skulpturensammlung und der Schirn Kunsthalle Frankfurt vernetzt. Die Museen ermöglichen Schülerinnen und Schülern in der Auseinandersetzung mit thematisch passenden Kunstwerken ihre Fragestellungen zu interdisziplinären Themen aus den Fachbereichen Sprachen, Musik und Kunst, Gesellschaftswissenschaften und Naturwissenschaften zu bearbeiten und in neue Zusammenhänge zu stellen, z.B. „Warum ist pink eine Mädchenfarbe?“ oder „Was wird aus uns, wenn wir verliebt sind?“ Das Museum begleitet und unterstützt die thematische Auseinandersetzung theoretisch und praktisch, beispielsweise durch Begegnungen und die Arbeit mit Künstlern oder Kunsthistorikern in den Ateliers oder im Bildhauergarten. Neben Kooperationen zwischen Schule und Museum werden auch schuleigene Kunst- oder Forschungsprojekte durchgeführt.
Projektwoche verankert. Ziel
Lehrplanbezug Variabel. Ab der 5. Klasse möglich, zum Beispiel in den Fächern Physik, Chemie, Geschichte, Latein, Ethik, Kunst und Englisch
Im Zentrum des Programms steht der Wunsch, junge Menschen mit Methoden des entdeckenden Lernens für die Welt der Kunst zu interessieren, indem Schüler/-innen eigene Fragestellungen entwickeln und individuelle und eigenverantwortliche Lernwege verfolgen. Das Programm Kultur.Forscher! will die jungen Menschen für den Lernort Museum nachhaltiger begeistern, als es beim gewöhnlichen (meist einmaligen) Schulklassenbesuch möglich ist. Ziel ist es, Formen des „ästhetisch forschenden Lernens“ für die Arbeit in der Schule zu entwickeln und zu erproben. Die verschiedenen Aktivitäten zielen besonders auf Möglichkeiten der Individualisierung von Lernprozessen und auf die Stärkung auch überfachlicher Kompetenzen bei Lehrenden und Lernenden.
Praxisbeispiele
Weitere Informationen www.kultur-forscher.de www.schillerschule.de www.staedelmuseum.de
Ästhetisch forschendes Lernen
Ausgangspunkt des Projektes ist die kulturelle und soziale Lebenswelt der Lernenden. Indem die Schüler/-innen eigene Fragestellungen entwickeln und individuellen Lernwegen folgen, lernen sie die reichhaltigen Kunstbestände als Wissensspeicher zu nutzen. Bei der Planung ihrer Projekte können sie im Städel Museum mittlerweile auf bewährte Strukturen zurückgreifen. Sie untersuchen, vergleichen, sammeln, ordnen, beobachten, experimentieren, befragen, zeichnen, bauen, entwickeln, filmen, fotografieren und interviewen im Museum tätige Experten, zum Beispiel zu Themen wie Mode oder Architektur oder zu Lebensgewohnheiten von Menschen vergangener Zeiten. Die Ergebnisse werden in Form von Präsentationen, Ausstellungen oder Konzerten vorgestellt. Den Lehrenden stehen im Städel Museum feste Ansprechpartner beratend zur Seite. Gemeinsam arbeiten sie daran, die Methode der ästhetischen Forschung nicht nur im Kunstunterricht, sondern in einem fächervernetzenden Lernangebot für die ganze Schule weiterzuentwickeln. Grundlage dafür ist eine strukturelle Verankerung der Projekte im Kollegium sowie ein umfangreiches projektbegleitendes Fortbildungsprogramm. Im Kontext des Museums oder am Beispiel von Sonderausstellungen werden folgende Inhalte vermittelt: Möglichkeiten des interdisziplinären Arbeitens im Städel (in Ateliers, mit Restauratoren, Kunsthistorikern etc.), Unterrichtszugänge für alle Fächer; forschendes Lernen anhand ausgewählter Beispiele, etwa aus Biologie, Physik, Geografie. Dr. Chantal Eschenfelder, Leiterin der Abteilung Bildung
Literatur Eschenfelder, Chantal / Kammler, Christian: Lernbereich Kulturelle Praxis. Kooperationen mit außerschulischen Partnern – Lernort Museum, in: Schulverwaltung. Ausgabe Hessen-Rheinland-Pfalz, Heft 5/2011.
und Vermittlung, Städel Museum Frankfurt
„Kultur.Forscher!-Projekte zeichnen sich durch ein forschendes, selbstbestimmtes Lernen aus, das anfangs bei den Schülern zu Überforderungserscheinungen führen kann. Das Mehr an Freiheit und Weniger an Führung bringt es mit sich, dass die Schülerinnen und Schüler erst lernen müssen mit der neuen Freiheit umzugehen. Gerade diese Erfahrung ist Ziel und Anspruch von Kultur.Forscher! und trägt wesentlich zu einer Kompetenzförderung in selbstbestimmtem Wissenserwerb bei.“
Wie wollen wir leben? Kompetenzförderung und Wertevermittlung
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Praxisbeispiel 3.1 Institution Deutsches Hygiene-Museum Dresden
Partner Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung
Zielgruppe Schülerinnen und Schüler von Jahrgangsstufe 9 bis 13 (Mittelschulen, Berufsschulen, Gymnasien)
Format Fünf (einzeln buchbare) Projekte, Zeitumfang zwei bis fünf Stunden
Lehrplanbezug Ethik, Religion, Gemeinschaftskunde, Recht, Wirtschaft, Biologie, Geschichte, Deutsch
WIE WOLLEN WIR LEBEN? ETHISCHE DEBATTEN IM MUSEUM Beschreibung
Es werden fünf Module zu den folgenden Themen angeboten: 1. Mensch, Gesellschaft, Ethik – Wie wollen wir leben? 2. Ethik und Medizin – Unser Umgang mit Grenzsituationen des Lebens 3. Schönheit und Perfektionierung – Wer bestimmt, wer ich bin? 4. Sterbehilfe. Sterben in Würde – Wie sieht „gutes Sterben“ aus? 5. Künstliche Fortpflanzung – Wie verändert die Medizin den Sex? Nach einer Einführung in die jeweilige Thematik erkunden die Teilnehmer in Kleingruppen mit einem Aufgabenkatalog die Dauerausstellung „Abenteuer Mensch“. Über die Beschäftigung mit ausgewählten Objekten, Medienstationen, Ausstellungstexten und Filmen bearbeiten sie ihre Fragen. So erschließen sie sich Informationen zu ethischen Fragestellungen, die anschließend im Plenum diskutiert werden. Sie üben dabei die Fähigkeit, sich über das Medium Ausstellung selbstständig ein Thema zu erarbeiten. Sie werden außerdem angeleitet, ein ethisches Problem nicht nur zu erkennen und auf Basis von recherchiertem Wissen zu analysieren, sondern es auch aus unterschiedlichen Perspektiven zu diskutieren. Ziel
Das Projekt „Wie wollen wir leben?“ will junge Menschen an ethische Fragestellungen und Debatten heranführen sowie ihre Reflexions- und Diskursfähigkeit und die Entwicklung ihrer individuellen Wert- und Normvorstellungen fördern.
Praxisbeispiele
Weitere Informationen http://dhmd.de/index. php?id=1511 www.dhmd.de
Beispielhaft für eine Wertediskussion ist die sogenannte Bioethikdebatte, in der – u.a. aus Anlass jüngerer Entwicklungen in der Genforschung – grundsätzliche Fragen von Leben und Tod neu verhandelt werden. Wann beginnt, wann endet Leben? Wie gehen wir mit Krankheit und Sterben um? Wer entscheidet über Lebensqualität? Das Projekt verdeutlicht, dass das Spezifische des Museums – die Worte treten zurück und Gegenständliches kommt zum Vorschein – Einsichten erlauben, die in diesen wichtigen und komplexen Debatten oft eher randständig bleiben. Fokus Kompetenzförderung und Wertevermittlung
Die persönlichen Perspektiven, aus denen die Projektteilnehmer/-innen das jeweilige Thema bearbeiten, spielen eine wichtige Rolle. Werte wie Toleranz, Achtung und Verantwortung sollen als unverzichtbare Grundlagen unseres Zusammenlebens verständlich gemacht werden. Die Projekte sind so konzipiert, dass Schülerinnen und Schüler sich über bestimmte Methoden zur Erkundung der Ausstellung das notwendige Wissen aneignen. Methodisch gehört das Besprechen und Analysieren von Fallgeschichten ebenso zum Repertoire wie die Arbeit in Kleingruppen, das Rollenspiel, das Präsentieren von Arbeitsergebnissen vor anderen oder die Durchführung einer Podiumsdiskussion. Durch die Methodenauswahl werden verschiedene Kompetenzen gefördert: Recherche und Auswahl relevanter Informationen anhand von Exponaten und Medienstationen; Entwicklung von Verständnis und Empathie für unterschiedliche Standpunkte und Perspektiven; Diskursfähigkeit; selbstständiger Wissenserwerb zu einem Thema; Anwendung des Wissens in der Beurteilung einer Situation; Einnahme unterschiedlicher Perspektiven; Schulung der Reflexions- und Argumentationsfähigkeit. Literatur Deutsches Hygiene-Museum (Hg.): Lernort Museum – wie wollen wir leben? Ethische Debatten im Museum. Texte und Materialien für Schulen, Dresden 2010.
Dr. Pia Ritter, Projektleiterin „Wie wollen wir leben?“ am Deutschen Hygiene-Museum
„Da die Themen, zum Beispiel Pränataldiagnostik oder Sterbehilfe, nur bedingt in der eigenen Erfahrungswelt von Jugendlichen vorkommen, ist es besonders wichtig, dass die Einführung in das Thema einen Bezug zur Lebenswelt der Jugendlichen herstellt.“
Wie wollen wir leben? Kompetenzförderung und Wertevermittlung
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Praxisbeispiel 3.2 Institution Kunstmuseum Bonn in Zusammenarbeit mit LVRLandesMuseum Bonn sowie Stadtmuseum Bonn, Forschungsmuseum Alexander Koenig, Beethovenhaus Bonn, Haus der Geschichte und Deutsches
BONNER MUSEUMSCURRICULUM FÜR GRUNDSCHÜLER/ -INNEN
Museum Bonn Beschreibung
Zielgruppe Schülerinnen und Schüler der Grundschule
Format Vier Module für vier Grundschuljahre (je ein Museumsbesuch), die auf der Grundlage eines für alle sieben Museen verbindlichen Basiscurriculums entwickelt wurden. Es gibt Kooperationsvereinbarungen mit bisher 13 Grundschulen, abgeschlossen durch das Regionale Bildungsbüro der Stadt Bonn, und eine Internetseite mit Informationen.
Lehrplanbezug Das ‚Basiscurriculum’ wurde entwickelt in Anbindung an den Lehrplan für
Museen schließen mit Grundschulen eine Kooperationsvereinbarung. Sie verpflichten sich damit, mindestens einmal pro Schuljahr eine museumspädagogisch betreute Veranstaltung zu besuchen. Den Schulen stehen Materialordner aller beteiligten Museen zur Vor- und Nachbereitung der Museumsbesuche zur Verfügung. Jedes Kind dokumentiert in einem MUSEUMS(S)PASS die vier Museumsbesuche. Das Projekt soll mit einer Präsentation in der Schule abgeschlossen werden. Es wurden vier Jahrgangsmodule entwickelt: Klasse 1: Das Museum kennenlernen – Sammlungen, Ausstellungen, Angebote (Erkunden und Staunen, Sehen und Vergleichen, Beschreiben und Gestalten) Klasse 2: Originalobjekte erleben: Herangehensweisen und Methoden I (Sehen und Betrachten, Wahrnehmen mit vielen Sinnen, Erschließen von Exponaten) Klasse 3: Originalobjekte erleben: Herangehensweisen und Methoden II (Sehen und Betrachten, Verbalisieren und Interpretieren, Verstehen zeitlich-historischer und inhaltlicher Zusammenhänge) Klasse 4: Selbstständig mit Objekten arbeiten und diese präsentieren (Erkunden musealer Repräsentationsformen, Bündelung der bisherigen Erfahrungen, selbstständiges „Erforschen“ von Exponaten, Vorstellung von Ergebnissen)
Grundschulen in NRW. Ziel
Das Bonner Museumscurriculum versteht sich als ein Beitrag der Museen zu einer umfassenden kulturellen Grundbildung
Praxisbeispiele
Weitere Informationen Das ‚Basiscurriculum‘ wurde
für alle Schüler/-innen der Primarstufe. Ziel ist die Vermittlung der „Kompetenz Museumsbesuch“ sowie von „Handwerkszeug“ zur selbstständigen Nutzung in Museen.
erarbeitet von Karin Schad ([email protected]) und
Fokus Kompetenzorientierung
Dr. Sabina Leßmann (sabina.
Schon früh sollen Kinder den Umgang mit Museen erlernen und als einen anregenden Ort für sich entdecken. Das Museumscurriculum möchte über seine Angebote dazu beitragen, die Museumskompetenz der Kinder zu fördern. In den vier Modulen, die auf der Grundlage des Basiscurriculums in den unterschiedlichen Museen entwickelt wurden, wird ein breites museumspädagogisches Methodenspektrum angewendet, das auch schuldidaktische Ansätze berücksichtigt. Ausgewählte Beispiele: Klasse 1: Kennenlernen des Museums und seiner Funktionen; Exponate und Kunstwerke gemeinsam erleben und erschließen durch Sehübungen; Farb- und Materialvergleiche, Kunstwerke beschreiben, erklären, vergleichen. Klasse 2: Synästhetische Erfahrungen und multiperspektivische Wahrnehmungsübungen. Klasse 3: Medien künstlerischen Schaffens kennenlernen, unterschiedliche Medien und Techniken; Auseinandersetzung mit Begriffen und Werten: Kunstmarkt, Geschmack, Kulturgüter, Moden erproben; bereits bekannte Museen/Sammlungen vergleichen. Klasse 4: Exponate/Ausstellungen/konservatorische Bedingungen kennenlernen, verstehen und vergleichen; Museumsberufe kennenlernen; in Museen selbstständig und mit Neugier Zugänge zu Exponaten finden.
[email protected]). Die Publikation und weitere Informationen finden sich unter www.kunstmuseumbonn.de/schule und http:// www.regionale.bildungsnetzwerke.nrw.de/materialien/ akb_bonner_museumscurriculum.pdf
Dr. Sabina LeSSmann, Kuratorin Bildung und Vermittlung, Kunstmuseum Bonn
„Mit dem ‚Bonner Museumscurriculum‘ für Grundschüler/ -innen gehen das Kunstmuseum Bonn und das LVR-LandesMuseum Bonn neue Wege der Zusammenarbeit mit Schulen. Sie legen den Grundstein für nachhaltige kulturelle Bildung in Form der ‚Museumskompetenz‘ und einer Vielzahl übergreifender Kompetenzen. Sie ermöglichen es allen Kindern, sich zukünftig selbständig (Museums-)Dingen zu nähern und sich diese zu erschließen.“
Wie wollen wir leben? Kompetenzförderung und Wertevermittlung
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Praxisbeispiel 3.3 Institution Museumsdienst Köln im Museum Schnütgen
Zielgruppe Die Publikation ist in der Grundschule im bilingualen oder deutschsprachigen Unterricht sowie
SCHLÜSSEL ZUM MITTELALTER – Sechssprachiges Begleitmaterial
als Familienhandreichung für den individuellen Museumsbesuch mit Kindern ab 6 Jahren verwendbar.
Format Interaktives, sechssprachiges museumspädagogisches Begleitheft zum Thema
Beschreibung
Die Publikation „Schlüssel zum Mittelalter“ wurde 2011 in einem Projekt mit vier bilingualen Grundschulen (deutschtürkisch, deutsch-italienisch, deutsch-spanisch, deutsch-französisch) aus Köln erarbeitet. Das Heft enthält spielerische Aufgaben zu acht Objekten in sechs Sprachen: auf Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch und Türkisch. Dabei können folgende Themen bearbeitet werden:
Mittelalter für Kinder und Familien.
Lehrplanbezug Bilingualer Fachunterricht, Ethik, Religion, Sprachunterricht
weitere informationen Das Heft „Schlüssel zum Mittelalter“ kann von Mul-
1. Brauchtum um die Christkindwiege 2. Kristallreliquiar und Reliquienverehrung 3. Verehrung der Heiligen Ursula in Köln 4. Legende des Heiligen Georg 5. Symbol des Einhorns 6. Kennzeichen der thronenden Madonnen in der christlichen Kunst 7. Seifenblasen als Symbol der Vergänglichkeit auf einem Glasfenster 8. Darstellung der zehn Gebote auf einem spätmittelalterlichen Glasfenster
tiplikatoren beim Museumsdienst bestellt werden:
Ziel
Museumsdienst Köln,
Anhand des Begleitheftes lernen Kinder Grundelemente der mittelalterlichen Kunst kennen und reflektieren sie spielerisch im Hinblick auf interreligiöse und interkulturelle Fragestellungen.
Leonhard-Tietz-Str. 10, 50676 Köln
Praxisbeispiele
Links und Literatur http://blog.museenkoeln. de/museumsdienst/ Rottmann, Karin: Ein spannendes Arbeitsfeld: Mehrsprachigkeit in der Vermittlungsarbeit des Museumsdienstes Köln, in: zmi-Magazin Heft 3, 2011, S. 20 – 22.
Andere Projekte zum Thema Mehrsprachigkeit:
Fokus Kompetenzorientierung
Die im „Schlüssel zum Mittelalter“ zu lösenden Aufgaben ermöglichen den Kindern mit Unterstützung ihrer Lehrer/ -innen oder ihrer Familie einen Zugang zu den Kunstwerken unter bestimmten Fragestellungen. Die gewonnenen Erkenntnisse können kreativ umgesetzt werden. Dafür werden folgende Methoden und Übungen eingesetzt: - Theaterpädagogische Übungen, z. B. Rollenspiel mit Liedern, Kunstwerk nachstellen. - Assoziationsübungen, z.B. Clustern, Wörterlisten, Lieder assoziieren. - Kreative Schreibübungen, z.B. Akrostichon, zweisprachig; Elfchen, zweisprachig; Parallelgedicht. - Sprachübungen, z.B. Wörterkarten zwei- oder mehrsprachig anlegen. - Bildnerisch-praktische Aufgaben, z.B. Zeichnen, Muster konstruieren, Kolorieren, Collagieren, Textiles Gestalten.
http://www.museenkoeln. de/museumsdienst/default.as
Karin Rottmann, Museumsdienst Köln, Leitung Schulpro-
p?kontrast=&s=2952&schrift
gramme und Museum Kreativ
=&tid=419 http://www.zmi-koeln. de/images/stories/ ZMI_2009web.pdf Projektpartner des Museumsdienstes in Köln http://www.zmi-koeln.de/ component/remository/
„Der ‚Schlüssel zum Mittelalter‘ war ein erster Versuch, die Mehrsprachigkeit einer globalisierten Gesellschaft sichtbar zu machen und über ein derartiges Material im Museum anzubieten. Neben der methodischen Herausforderung, mittelalterliche Kunst niederschwellig und spannend für Kinder aufzubereiten und alle Materialien in sechs Sprachen zu übersetzen, war vor allem das Layout entscheidend für das Gelingen des Projekts. Natürlich haben sich neue Fragestellungen ergeben, die bei zukünftigen Projekten berücksichtigt werden müssen, zum Beispiel gilt es 11 wichtige Sprachen in Köln zu berücksichtigen, Kriterien für die Qualität der Übersetzungen sowie die Verständlichkeit der Texte müssen genau formuliert werden.“
anhang
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Autorinnen und Autoren Dr. phil. Udo GöSSwald, seit 1985 Leiter des Museums Neukölln in Berlin. Studium der Politischen Wissenschaften und Europäischen Ethnologie. Schwerpunkte seiner Arbeit am Museum Neukölln: Regionale Sozial- und Kulturgeschichte, Migration und Stadtkultur im europäischen Vergleich. Von 2003 bis 2007 im Vorstand von ICOM Deutschland und von 2005 bis 2010 Präsident von ICOM Europe. 2008 Promotion zum Thema „Die Erbschaft der Dinge. Eine Studie zur subjektiven Bedeutung von Dingen der materiellen Kultur“. Lehrbeauftragter am Institut für Europäische Ethnologie der Humboldt Universität zu Berlin und im Masterstudiengang „Museum und Ausstellung“ der Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg.
Prof. Dr. Wolfgang Holler, seit 2009 Generaldirektor der Museen Klassik Stiftung Weimar. Studium der Kunstgeschichte, Geschichte, Philosophie und Publizistik in Münster/Westf., München und Florenz. 1983 Promotion im Fach Kunstgeschichte. 1984 bis 1991 Konservator an der Staatlichen Graphischen Sammlung in München. 1991 Direktor des Kupferstich-Kabinetts Dresden und seit 2002 zugleich stellv. Generaldirektor der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Seit 1986 Lehrtätigkeit an der Ludwig-MaximiliansUniversität München und der Technischen Universität Dresden, 2004 Honorarprofessor.
Prof. Dr. Alfons Kenkmann, seit 2003 Professor für Geschichtsdidaktik am Historischen Seminar der Universität Leipzig. 2005 bis 2010 (Mit-)Gründungsdirektor des Zentrums für Lehrerbildung und Schulforschung an der Universität Leipzig. Leiter mehrerer Ausstellungsprojekte. Herausgeber der Villa ten Hompel-Schriften und der Reihe „Didaktische Bausteine“ sowie des Jahrbuchs und der Editionsreihe des Archivs der deutschen Jugendbewegung.
Peggy Kuttner, Leiterin der Kita Sonnenland in Großschönau, einem Ort mit ca. 6.000 Einwohnern in der Oberlausitz. Die Region ist seit Beginn des 16. Jahrhunderts von der Textilherstellung geprägt. Sie hat im Rahmen des Programms „LernStadtMuseum in Sachsen – Schüler entdecken Museen“ für ihre Kita langfristige Kooperationsprojekte mit dem Deutschen Damast- und Frottiermuseum in Ihrem Ort entwickelt.
Prof. Nicola Lepp, Kulturwissenschaftlerin und Ausstellungsmacherin. Kuratorin verschiedener Ausstellungen, u.a.: Das Kasseler MuseumsABC, Staatliche Museen Kassel, 2005; PSYCHOanalyse. Sigmund Freud zum 150. Geburtstag, Jüdisches Museum Ber-
Autorinnen und Autoren
lin, 2006; Arbeit. Sinn und Sorge, Deutsches Hygiene-Museum, Dresden 2009/10. Ausstellungsregie u. a. für die Ausstellungen Wunder. Kunst, Wissenschaft, Religion, Alltag, Deichtorhallen Hamburg 2011/12, und 100 Jahre Max Frisch, Museum Strauhof Zürich 2011 / Akademie der Künste Berlin 2012. Zahlreiche Lehraufträge; u.a. 2001 bis 2007 Vertretung der Professur „Kultureller und sozialer Wandel“ an der Fachhochschule Potsdam im Studiengang Kulturarbeit zur Kulturgeschichte und Kulturtheorie der Moderne sowie zur Museums- und Ausstellungstheorie. Vorträge und Publikationen zur Geschichte und Theorie der Dinge sowie zur Museums- und Ausstellungstheorie.
Prof. Dr. Doris Lewalter, seit 2006 Professur für Gymnasialpädagogik an der Technischen Universität München und School of Education. Studium und Promotion in Pädagogik mit den Nebenfächern Psychologie und Kunstgeschichte; 2003 Habilitation; 2004 bis 2006 Professur für Erziehungswissenschaft an der RWTH Aachen. Arbeitsschwerpunkte: Bedingungen, Prozesse und Ergebnisse des Lernens und Lehrens im Schulunterricht und in außerschulischen Lernumgebungen (Museen, Science Center, Schülerlabore), Bildungsforschung und Evaluation in informellen Lernsettings.
Prof. Dr. Eckart Liebau, seit 1992 Inhaber des Lehrstuhls für Pädagogik II und Vorstand am Institut für Pädagogik der Philosophischen Fakultät I der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Studium der Soziologie, Pädagogik, Politik und Geschichte in Göttingen und München. Von 1973 bis 1988 wissenschaftlicher Mitarbeiter in bildungssoziologischen und (schul-)pädagogischen Projekten an den Universitäten Göttingen, Kassel und Tübingen. 1979 Promotion im Fach Pädagogik an der Universität Göttingen. 1987 Habilitation in Erziehungswissenschaft an der Universität Hamburg. Von 1988 bis 1992 Heisenberg-Stipendiat der Deutschen Forschungsgemeinschaft am Institut für Erziehungswissenschaft I der Universität Tübingen.
Dr. Carola Marx, seit August 2012 Leiterin der Abteilung Bildung und Vermittlung am Deutschen Hygiene-Museum Dresden. Studium der Germanistik, Romanistik und Deutsch als Fremdsprache; 2006 Promotion in den Fächern Fremdsprachendidaktik und Museumspädagogik zum Thema „Fremdsprachendidaktik und Museumspädagogik. Empirische Untersuchungen am Beispiel von Kunstmuseen“ an der Freien Universität Berlin; Auszeichnung mit dem Arnold-Vogt-Preis für Museumspädagogik der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig (FH). 2007 bis 2010 Projektleiterin des Programms „LernStadtMuseum in Sachsen – Schüler entdecken Museen“ am Sächsischen Staatsministerium für Kultus. Von 2010 bis 2012 Mitarbeiterin im Modellprojekt „Kulturelle Bildung – Lernen im Museum“ am Deutschen Hygiene-Museum, gefördert vom Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien und dem Sächsischen Staatsministerium für Kultus.
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anhang
Prof. Dr. Birgit Richard, seit 1997/1998 Professur für Neue Medien in Theorie und Praxis an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main. Forschungs- und Lehrbereiche: Bildkulturen (Jugend-Kunst-Gender), insbesondere im Web 2.0 (YouTube, flickr, MySpace, Facebook); Neue Medien, Materielle und Visuelle Kulturen, Medien- und Netzkulturen, Medientheorie und Kulturwissenschaften und Intersectional Visual Gender Studies (Visual Construction of Gender); Ästhetik aktueller und historischer Jugendkulturen (Jugendkulturarchiv: Jugendkultursammlung mit Techno- und House Archiv & Techno-Kit am Bereich Neue Medien der Universität Frankfurt). Kuratorin von Ausstellungen zur Jugendkultur: Coolhunters. Jugendkulturen zwischen Medien und Markt, Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe 2004/2005; Inter-cool 3.0, HMKV im Dortmunder U – Zentrum für Kunst und Kreativität 2010. Jens Reichel, Schulleiter des Gymnasiums Bürgerweise in Dresden. Lehramtsstudium Mathematik und Physik an der Friedrich Schiller Universität Jena. Seit 1989 im Schuldienst in Dresdner Gymnasien tätig. 2008 Gründungsdirektor des Gymnasiums Bürgerwiese. Seit 2003 ehrenamtlich als Landeswettbewerbsleiter bei „Jugend forscht“ tätig.
Mila Ruempler-Wenk, Diplom-Erziehungswissenschaftlerin und Museumspädagogin. Als Museumspädagogin tätig mit dem Schwerpunkt „Frühkindliche Bildung im Museum“. Mitautorin der Publikation des Bundesverbandes für Museumspädagogik e. V. (Hg.): Museen und Kindergärten – Gemeinsam für frühkindliche kulturelle Bildung in Museen, Hamburg 2011. Sie gibt Fortbildungen für Museumspädagogen/-innen und Erzieher/innen. Seit 2010 im Vorstand des Regionalverbands Museumspädagogik Nord.
Prof. Dr. Stephan Schwan, seit 2004 stellvertretender Direktor des Instituts für Wissensmedien (IWM), Tübingen, und Professor für Lehr- und Lernforschung. Studium der Psychologie. 1992 Promotion und 2000 Habilitation an der Universität Tübingen. 2002 Universitätsprofessor für E-Learning an der Universität Linz, wo er bis 2004 Leiter der Abteilung für Sozial- und Wirtschaftspsychologie war. Mit seiner Arbeitsgruppe „Wissenserwerb mit Cybermedien“ befasst er sich mit perzeptuellen und kognitiven Prozessen bei der wissensbezogenen Nutzung von dreidimensionalen und interaktiven Bildmedien. Einen weiteren Forschungsschwerpunkt bilden Aneignungs- und Verstehensprozesse in Museen und deren Unterstützung durch digitale Medien. Hierzu kooperiert die Arbeitsgruppe unter anderem mit dem Deutschen Museum in München, dem Literaturmuseum der Moderne in Marbach und dem Herzog Anton Ulrich Museum in Braunschweig. Seit 2009 Projektpartner im BMBF-Projekt „wissen&museum“. Ralf Seifert, seit 2007 Referent für Demokratieerziehung und kulturelle Bildung am Sächsischen Staatsministerium für Kultus. Studium an der Technischen Universität Dresden und Referendariat in Dresden. Gymnasiallehrer für Deutsch und Kunst am Leon-Fou-
Autorinnen und Autoren
cault-Gymnasium in Hoyerswerda und am Sorbischen Gymnasium Bautzen. 2001 bis 2007 Fachreferent Kunst am Comenius-Institut und Projektleiter in mehren Modellprojekten. Dozent an der TU Dresden, Fakultät Erziehungswissenschaften.
Gisela Staupe, seit 1999 Museums- und Ausstellungsleiterin sowie stellvertretende Direktorin der Stiftung Deutsches Hygiene-Museum Dresden. Studium der Geschichte, Kunstgeschichte und Germanistik in Münster und Berlin. Seit 1985 als Ausstellungskuratorin tätig. Seit 1991 am Deutschen Hygiene-Museum Dresden als Leiterin des Forschungskollegs (bis 1993) sowie als Kuratorin und wissenschaftliche Leiterin von Sonderausstellungen (bis 1999). Veröffentlichungen und Publikationen zu den Schwerpunkten Szenographie in Ausstellungen, Kulturelle Bildung, Zukunft der Museen. Seit 2008 Lehrtätigkeiten an verschiedenen Hochschulen.
Prof. Dr. Thomas Thiemeyer, seit Oktober 2011 Juniorprofessor am Ludwig-UhlandInstitut für Empirische Sozialwissenschaften an der Universität Tübingen. Studium der Geschichte, Wirtschafts- und Sozialgeschichte und der Politikwissenschaft. Von 2003 bis 2006 Mitarbeiter bei dem Architekten und Museumsgestalter HG Merz; dort Mitarbeit an der Konzeption des neuen Mercedes-Benz-Museums (Stuttgart 2006). 2002 bis 2008 freier Autor für das Feuilleton der Süddeutschen Zeitung. 2006 bis 2009 Promotion am LudwigUhland-Institut für Empirische Sozialwissenschaften Tübingen zum Thema „Fortsetzung mit anderen Mitteln. Die beiden Weltkriege im Museum“. Seit 2009 Koordinator des BMBF-Projektes „wissen&museum“. Valentin Steinhäuser, 2008 bis 2012 Museumspädagoge am Deutschen HygieneMuseum Dresden. Studium der Musikwissenschaft und evangelischen Theologie in Kassel. Lehrer in Hamburg und Berlin, Kultur- und Bildungsmanager in Dresden und Leiter zahlreicher Bildungs- und Kulturprojekte mit dem Schwerpunkt Kommunikation.
Prof. Klaus Vogel, seit 1999 Direktor des Deutschen Hygiene-Museums Dresden. Studium der Empirischen Kulturwissenschaft und Erziehungswissenschaft in Tübingen. Als Freiberufler in verschiedenen Museen tätig. Nach einer Position im Verbandsmanagement wurde er 1991 stellvertretender Direktor des Deutschen Hygiene-Museums. Das Museum profilierte sich seit der deutschen Wiedervereinigung durch seine großen Sonderausstellungen, aber auch durch seine seit 2005 fertig gestellte neue Dauerausstellung sowie ein breites Programm wissenschaftlicher und kultureller Veranstaltungen. Seit 2007 Honorarprofessor an der Hochschule für Bildende Künste Dresden. Mitglied in verschiedenen wissenschaftlichen Beiräten und Kuratorien (Auswahl): Stiftung Schlesisches Museum zu Görlitz, Stiftung Sächsische Gedenkstätten, Stiftung Landesmuseum für Technik und Arbeit Mannheim, Dresdner Stiftung Kunst und Kultur der Ostsächsischen Sparkasse Dresden.
anhang
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Literatur (auswahl) A Anderson, David / Lucas, Keith B.: The effectiveness of orienting students to the physical features of a science museum prior to visitation, in: Research in Science Education, 27, 1997. Assmann, Aleida: Die Sprache der Dinge. Der lange Blick und die wilde Semiose, in: Gumbrecht, Hans Ulrich / Pfeiffer, Ludwig: Materialität der Kommunikation, Frankfurt 1988, S. 237–251. Assmann, Jan: Das kulturelle Gedächtnis. Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen, München 1992.
B Bal, Mieke: Kulturanalyse, Frankfurt am Main 2006, S. 224f. Bamford, Anne: Der Wow-Faktor. Eine weltweite Analyse der Qualität künstlerischer Bildung, Münster, New York, München, Berlin 2010. Basu, Paul / MacDonald, Sharon: Introduction: Experiments in Exhibition, Ethnography, Art and Science, in: Dies. (Hg.): Exhibitions Experiments, Blackwell 2007, S. 1–24. Baur, Joachim (Hg.): Museumsanalyse, Methoden und Konturen eines neuen Forschungsfeldes, Bielefeld 2010. Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, in: Ders.: Gesammelte Schriften I.2, Frankfurt 1974, S. 471–508. Boehm, Gottfried / Bredekamp, Horst (Hg): Ikonologie der Gegenwart, München 2009.
Böhme, Gernot: Atmosphäre. Essays zur neuen Ästhetik, Frankfurt 1995. Bourdieu, Pierre: Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft, Frankfurt am Main 1982. Brenner, Christiane / Heumos, Peter (Hg.): Sozialgeschichtliche Kommunismusforschung. Tschechoslowakei, Polen, Ungarn und DDR 1948 –1968, München 2005, S. 205–242. Bude, Heinz: Bildungspanik. Was unsere Gesellschaft spaltet, München 2011. Bundesverband Museumspädagogik (Hg.): Museen und Kindergärten. Online-Publikation zum BVMP-Projekt 2010. http://www.museenund-kindergaerten.de (15.12.2011).
C Claxton, Guy: Wise up. The Challenge of Lifelong Learning, London 1999. Commandeur, Beatrix / Dennert, Dorothee (Hg.): Event zieht – Inhalt bindet. Besucherorientierung von Museen auf neuen Wegen, Bielefeld 2004.
D Dech, Uwe C.: Sehen lernen im Museum: ein Konzept zur Wahrnehmung und Präsentation von Exponaten, Berlin 2003. Derrida, Jacques: Grammatologie, Frankfurt 1983. Donecker, Alexandra: Untersuchung der Besucherresonanz zur Sonderausstellung „WeltSpielZeug“ im Ethnologischen Museum Berlin. Eine Konzeptbetrachtung und Besucherbefragung, in: Mitteilungen und Berichte aus dem Institut für Museumsforschung, Nr. 36, Berlin 2007.
Literatur
Deutscher Museumsbund e.V. (Hg.): Museen und lebenslanges Lernen. Ein europäisches Handbuch, Berlin 2010. Deutscher Museumsbund e.V. (Hg.): Schule und Museum – Eine Handreichung für die Zusammenarbeit, Berlin 2011. Deutscher Museumsbund e.V. und Bundesverband für Museumspädagogik e.V. (Hg.): Qualitätskriterien für Museen. Bildungs- und Vermittlungsarbeit, Berlin 2008. Dannemann, Sandra: Aktivblätter auf dem Prüfstand, in: Standbein-Spielbein. Museumspädagogik aktuell, 92, 2012, S. 46–50. Dücker, Burckhard / Schmidt, Thomas (Hg.): Lernort Literatur-Museum. Beiträge zur kulturellen Bildung, Göttingen 2011.
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