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German Pages [284] Year 1964
Günther Gaßmann Das historische Bischofsamt und die Einheit der Kirche
GÜNTHER GASSMANN
Das historische Bischofsamt und die Einheit der Kirche in der neueren anglikanischen Theologie
VANDENHOECK & RUPRECHT IN GÖTTINGEN
Forschungen 2ur systematischen und ökumenischen Theologie Herausgegeben von Edmund Schlink Band 15
©Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1964 Printed in Germany. Ohne ausdrückliche Genehmigung des Verlages ist es nicht gestattet, das Buch oder Teile daraus auf foto- oder akustomechanischem Wege zu vervielfältigen. Gesamtherstellung: Hubert & Co., Göttingen 8220
M E I N E N ELTERN
Vorwort Die anglikanische Kirchengemeinschaft gehört zu den tragenden Kräften der ökumenischen Bewegung. Sie hat deutlicher und nachdrücklicher als alle anderen Kirchen, die dem ökumenischen Rat der Kirchen angehören, immer wieder den eigenen, besonderen Beitrag im Ringen der getrennten Kirchen um die Einheit herausgestellt: das historische Bischofsamt. Die beharrliche, oft nicht ausreichend theologisch begründete und auch unter Hintansetzung anderer wichtiger theologischer Fragen vorgebrachte Forderung auf Übernahme des in der Apostolischen Sukzession stehenden Bischofsamtes wurde von den Kirchen, die dieses Amt nicht besitzen, in den ersten Jahrzehnten der ökumenischen Bewegung zwar zur Kenntnis genommen, aber nur selten als eine theologische Herausforderung verstanden. Die neuen Entwicklungen, die das ökumenische Denken und Handeln seit dem 2. Weltkrieg bestimmen, schufen auch hier einen Wandel. Ein verbindlicher Dialog zwischen den Kirchen trat an die Stelle der bislang vorherrschenden vergleichenden Kirchenkunde. In allen Teilen der Welt nahmen Kirchen Unionsverhandlungen auf. Damit erhielt auch die anglikanische Forderung auf Übernahme des historischen Bischofsamtes ein neues Gewicht. Kirchen, die mit anglikanischen Kirchen Unionsgespräche führen, müssen sich mit den Voraussetzungen und Konsequenzen dieser Forderung auseinandersetzen und sich um Lösungen bemühen, die der erstrebten Einheit dienen und von allen beteiligten Kirchen ohne Einschränkungen bejaht werden können. Aber auch die Reformationskirchen in Deutschland können um der Redlichkeit des ökumenischen Gesprächs willen und aus der Verpflichtung gegenüber den lutherischen und reformierten Kirchen heraus, die heute in Asien, Afrika, Australien, Nordamerika und Großbritannien mit der Kirche von Südindien und den verschiedenen anglikanischen Kirchen Unionsgespräche führen oder vor der Aufnahme solcher Gespräche stehen, die Frage des historischen Bischofsamtes nicht mehr länger als irrelevant oder als erledigt betrachten. Die vorliegende Arbeit, die im Wintersemester 1961/62 von der Theologischen Fakultät der Universität Heidelberg als Dissertation angenommen wurde, möchte einige Voraussetzungen für das Gespräch mit der anglikanischen Kirche und Theologie über das Bischofsamt klären. Herrn Professor D. Dr. E. Schlink D . D . , Heidelberg, bin ich für viele Anregungen, sein stetes Interesse am Fortgang der Arbeit und für seine 7
Geduld und freundlichen Ermunterungen zu ganz besonderem Dank verpflichtet. Ohne den einjährigen Studienaufenthalt in Ripon Hall Theological College, Oxford, der mir durch ein Stipendium des ökumenischen Rates der Kirchen ermöglicht wurde, hätte ich diese Arbeit kaum schreiben können. Ein· Zugang zum Wesen anglikanischen theologischen Denkens läßt sich wohl nur über die Erfahrung der geistlichen Wirklichkeit dieser Kirche finden. Danken möchte ich auch dem früheren Principal von Ripon Hall und jetzigen Bischof von Derby, Dr. G. F. Allen, und Herrn Bischof Dr. S. C. Neill, z. 2 t . Hamburg, neben anderen anglikanischen Theologen, deren Namen hier nicht genannt werden können, für die vielen wertvollen Ratschläge und Hinweise. Mein Dank gilt schließlich Herrn Kirchenpräsident D.Martin Niemöller für den Druckkostenzuschuß aus der „Martin-Niemöller-Stiftung" zur Förderung ökumenischer Arbeiten. Die Arbeit wurde im Herbst 1961 abgeschlossen. Die inzwischen neu erschienene Literatur zum Thema 1 enthält im wesentlichen Aussagen, die mit den Ergebnissen dieser Arbeit übereinstimmen und sie bestätigen. Abgesehen von der Bedeutung und weitreichenden Wirkung, die der von 32 führenden anglikanischen Theologen verfaßte „Offene Brief" zur Frage der Abendmahlsgemeinschaft und der Abschlußbericht der anglikanischmethodistischen Unionsverhandlungen gehabt haben und noch haben, findet sich in den erwähnten Veröffentlichungen nur ein Gedankengang, der in Ergänzung zu den Ausführungen dieser Arbeit erwähnt werden sollte. Viele nicht-anglokatholische Theologen haben aus der Anerkennung der nicht-bischöflichen Ämter inzwischen die Konsequenz gezogen, daß es im Zusammenhang einer anzustrebenden gegenseitigen offenen Kommunion zwischen Kirchen, die miteinander die Einheit suchen, keinen Grund für die Aufrechterhaltung der Forderung auf Annahme des historischen Bischofsamtes gibt 2 . Heidelberg, im Juli 1963
Günther Gaßmann
1 J. Α. T. Robinson, On Being the Church in the World, London 1961; Intercommunion—An Open Letter to The Archbishop of Canterbury and The Ardibishop of York, London 1961; G.Simon ed., Bishops, London 1961; J.E.Fison ed., On the Move to Unity, London 1962; W.Telfer, The Office of a Bishop, London 1962; A. G. Hebert, Apostle and Bishop, London 1963; Conversations between The Churdi of England and The Methodist Churdi, London 1963. 2 Intercommunion, a.a.O.; J. A.T.Robinson, a.a.O. S. lOlff.; G. W.H.Lampe in: J. E. Fison ed., a.a.O. S. 35 ff.
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Inhalt Vorwort
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I. Einleitung
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a) Das Problem b) Die Aufgabe c) Abgrenzungen d) Die Einordnung der verschiedenen anglikanischen Theologen . . . . e) Terminologische Anmerkungen II. Das geistliche Amt in der anglikanischen Theologie unter besonderer Berücksichtigung des historischen und der apostolischen Sukzession
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und Kirche, Bischofsamtes
1 . D a s A m t in d e n „ B e k e n n t n i s s c h r i f t e n " d e r Kirche v o n E n g l a n d u n d in d e n h a l b o f f i z i e l l e n V e r l a u t b a r u n g e n d e r a n g l i kanischen Kirchen
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26
A. Das Amt in den „Bekenntnisschriften" der Kirche von England . . . a) Das „Ordinal" b) Die 39 Artikel
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B. Das Amt in den Verlautbarungen der Lambethkonferenzen und im Bericht „Doctrine in the Church of England" a) Die Lambethkonferenzen b) Der Bericht „Doctrine in the Church of England"
39 39 45
2. D a s A m t s v e r s t ä n d n i s der n i c h t - a n g l o k a t h o l i s c h e n T h e o l o g e n A. Das Amt im Neuen Testament a) Einleitung b) Die Apostel c) Die Weitergabe des Apostelamtes d) Die Apostel im Verhältnis zur Kirche und zum Amt der Kirche . e) Die Funktionen der Apostel f) Die Apostel und das örtliche Amt g) Das örtliche Amt h) Die „freien Ämter"
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Β . Die Ausbildung des monarchischen Bischofsamtes
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a) D i e Entwicklung zum monarchischen Bischofsamt
65
b) Die Funktionen des monarchischen Bischofsamtes
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c) Interpretation der Ausbildung des monarchischen Bischofsamtes .
.
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C. Die Apostolische Sukzession in den ersten Jahrhunderten
74
a) Einleitung
74
b) D i e Apostolische Sukzession in den ersten Jahrhunderten . . . .
74
D . Das Verständnis der apostolischen Sukzession und des historischen Bischofsamtes
79
a) Einleitung
79
b) D i e Begriffe „apostolische Sukzession" und „historisches Bischofsamt"
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c) D i e apostolische Sukzession und die Kontinuität der Kirche . . .
81
d) Die apostolische Sukzession und die Einheit der Kirche . . . .
85
e) Das historische Bischofsamt und die Kontinuität der Kirche . . .
86
f) Das historische Bischofsamt und die Einheit der Kirche
87
g) G e h ö r t das historische Bischofsamt zum „bene esse" der Kirche? .
91
E. Das Verhältnis von' A m t und Kirdie
93
a) Einleitung
93
b) D e r doppelte Aspekt des Verhältnisses von A m t und Kirche . . .
94
3. Die „plene esse"-Theorie verschiedener nicht-anglokatholischer Theologen
97
a) Einleitung und Abgrenzung
97
b) Das Neue Testament und das historische Bischofsamt
98
c) Das A m t in den ersten Jahrhunderten
103
d) Das historische Bischofsamt in der anglikanischen Theologie seit dem 16. Jahrhundert
104
e) D e r historische Episkopat
105
^Zusammenfassung
110
4. Das Amtsverständnis der anglokatholischen Theologen · ·
·
A. Das A m t im Neuen Testament
111
a) Einleitung
111
b) Die Apostel
112
c) Die Ausweitung des Apostelkreises
115
d) D i e Funktionen der Apostel
116
e) Der Status der Apostel
118
f) Die Apostel und das örtliche A m t
119
g) Das örtliche Amt
122
h) D i e „freien Ä m t e r "
126
B. Die Weitergabe des Apostelamtes a) Einleitung
10
m
.
.
127 127
b) Die shaliach-Theorie c) Der Ubergang vom Apostelamt zum monarchischen Bischofsamt .
.
C. Die apostolische Sukzession in den ersten Jahrhunderten
142
a) Vor Augustin b) Das durdi Augustin bewirkte neue Verständnis der apostolischen Sukzession D. Die anglokatholische Lehre von der apostolischen Sukzession . . . . a) Zusammenfassender Überblick b) Die Aussagen anglokatholischer Theologen zur apostolischen Sukzession c) Die apostolische Sukzession und die Einheit und Kontinuität der Kirche d) Die apostolische Sukzession und die Autorität e) Apostolische Sukzession und apostolische Lehre f) Das Bischofsamt E. Das Verhältnis von Amt und Kirche
1. Einleitung
142 145 147 147 149 156 160 160 161 166
a) Einleitung b) Die Oberordnung des Amtes c) Das Bischofsamt gehört zum „esse" der Kirche
III. Das historische Bischofsamt und die Wiedervereinigung chen in der anglikanischen Theologie und Praxis
129 134
166 166 170
der Kir175 · · 175
2. Die Beurteilung der nicht-bischöflichen Ämter und Kirchen · A. Zur Terminologie a) Einleitung b) „Validity", „regularity" und „efficacy", in den halboffiziellen Dokumenten c) Die Terminologie der nicht-anglokatholischen Theologen . . . . d) Die Terminologie der anglokatholischen Theologen B. Der Status der nicht-bischöflichen Ämter und Kirchen a) Einleitung b) Die nicht-bischöflidien Ämter und Kirchen im Urteil der anglikanischen „Bekenntnisse" und der Geschichte der anglikanischen Theologie c) Die Beurteilung der nicht-bischöflichen Ämter und Kirchen in den Verlautbarungen der anglikanischen Kirchen d) Die Aussagen der nicht-anglokatholischen Theologen über die nichtbischöflichen Ämter und Kirchen e) Die Beurteilung der nicht-bischöflichen Ämter und Kirchen durch die anglokatholischen Theologen
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178 178 178 180 183 186 186
188 190 198 204
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3. Das historische Bischofsamt und die Wiedervereinigung der Kirchen 213 A. Die halboffiziellen Aussagen der anglikanischen Kirchen
213
a) Einleitung b) Die Verlautbarungen aus den Jahren 1920—1930 c) Die Verlautbarungen aus den Jahren 1930—1946 d)Die Verlautbarungen aus den Jahren 1946—1958 e) Zusammenfassung
213 214 219 223 242
B. Die Aussagen der nidit-anglokatholischen Theologen
244
a) Einleitung b) Die Begründungen für die Annahme des Bischofsamtes c) Die mit der Forderung auf Annahme des Bischofsamtes verbundenen Fragen C. Die Aussagen der anglokatholisdien Theologen a) Einleitung b) Die Begründung für die Annahme des Bischofsamtes c) Die anglokatholische Forderung auf Annahme einer bestimmten Lehre vom Bischofsamt d) Die mit der Forderung auf Annahme des Bischofsamtes verbundenen praktischen Fragen e) Zusammenfassung
IV. Zusammenfassung Literatur
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244 244 247 252 252 252 254 258 261
263 277
I. Einleitung a) Das Problem Die Zerrissenheit der nicht römisch-katholischen Christenheit ist in keinem Lande Europas so augenscheinlich und sdimerzlich spürbar wie in Großbritannien. Hier stehen sich, abgesehen von der römisch-katholischen Kirche und kleineren Gemeinschaften, fünf in ihrer Größe sehr verschiedene christliche Kirchen gegenüber, die aber alle über eine beträchtliche Anzahl von Mitgliedern verfügen 1 , so daß keine von ihnen im kirchlichen Leben des Landes eine bloße Randstellung innehat. Diese Aufspaltung in die drei anglikanischen Kirchen einerseits (Kirche von England, Bischöfliche Kirche in Schottland, Kirche in Wales) und in die Methodistische Kirche, die presbyterianischen Kirchen (Kirche von Schottland, Presbyterianisdie Kirche von Wales), die baptistische Kirche (Baptistische Union von Großbritannien und Irland) und die kongregationalistischen Kirchen (Kongregationalistische Union von England und Wales, Kongregationalistische Union von Schottland) andererseits erweist sich zudem noch als besonders verhängnisvoll dadurch, daß diese Kirchen zugleich die Mutterkirchen der weltweiten anglikanischen Gemeinschaft (Anglican Communion), der methodistischen, presbyterianischen, kongregationalistischen und vieler baptistischer Kirchen in aller Welt sind. Durch ihre überaus aktive Missionsarbeit und durch erzwungene oder freiwillige Auswanderung haben diese Kirchen Großbritanniens ihre Zerrissenheit in der Heimat auf viele Länder Afrikas, Asiens, Amerikas und auf Australien übertragen. Auch tragen diese Kirchen noch immer an der Last einer Vergangenheit, durch die ihr Verhältnis zueinander auf tragische Weise belastet ist. Die Entstehung der englischen Freikirchen — die Methodisten ausgenommen — und der völlige Bruch zwischen der schottischen (presbyterianischen) „Kirk" und der Kirche von England fallen in eine Periode blutiger Auseinandersetzungen, in denen oft politische und kirchlichtheologische Streitigkeiten unlösbar miteinander verbunden waren und 1 In England selbst hat keine der hier erwähnten fünf Kirchen weniger als 350000 feste Kirdienmitglieder, vgl. The Oxford Dictionary of the Christian Church, hrsg. v.F.L.Cross, London 1957, S . 1 2 7 f . , 329f., 893f., 1101.
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jeweils in Verbindung mit der herrschenden Macht im Lande zeitweilig die Anglikaner, zeitweilig die Nonkonformisten unterdrückt wurden. Im Mittelpunkt dieser Auseinandersetzungen aber stand in den meisten Fällen das Bischofsamt und die bischöfliche Kirchenverfassung. Im Anschluß an diese Ereignisse im 17. Jahrhundert mußten die Nonkonformisten noch zwei Jahrhunderte lang viele Nachteile, fehlende Rechte und den Status der Ungleichheit ertragen. Die Trennung der Nonkonformisten von der Kirche von England und die Ausbildung ihrer Freikirchen wie auch der scharfe Bruch zwischen der Kirche von Schottland und der Kirche von England geschahen äußerlich durch die Aufgabe und Ablehnung des Bischofsamtes und der bischöflichen Kirchenverfassung, auch wenn andere theologische und außertheologische Gründe mitbestimmend waren 2 . „ N o bishops" wurde neben dem „no popery" zum Schlachtruf der presbyterianischen Schotten und der englischen Nonkonformisten. Diesen Ruf konnte man vor einigen Jahren während der Gespräche zwischen der Kirche von England und der Kirche von Schottland wieder hören. Die Nonkonformisten wurden bei ihrer Ablehnung des Bischofsamtes nicht nur von theologischen Gedanken und Bedenken geleitet, sondern es war vor allem audi die Art und Weise, in der die Träger dieses Amtes ihr Leben führten und ihr Amt ausübten, die zur heftigen Ablehnung dieses Amtes beitrug. Der aufwandreiche, feudale Lebensstil und die zuweilen völlige Vernachlässigung ihrer geistlichen Pflichten zugunsten intensiver politischer und gesellschaftlicher Betätigung in der Hauptstadt des Landes wie auch das Bündnis mit der herrschenden Gesellschaftsschicht und einer bestimmten politischen Richtung kompromittierte viele Bischöfe und ihr Amt in den Augen der Bevölkerung bis ins 19. Jahrhundert hinein. So wurde das Bischofsamt in historischer Sukzession sowohl für die Anglikaner als auch für die Nonkonformisten und die schottischen Presbyterianer zum wichtigsten Unterscheidungsmerkmal zwischen den anglikanischen Kirchen und der Kirche von Schottland sowie den Freikirchen in Großbritannien. Auf diesem Hintergrund ist es verständlich, daß mit dem Aufkommen der ökumenischen Bewegung das Bemühen um die Wiedervereinigung der getrennten Kirchen in Großbritannien soviel intensiver und umfassender einsetzte als in anderen Ländern 3 . Dasselbe geschah auch in solchen Ländern, in die durch Mission und Auswanderung die Zerrissenheit der nichtrömischen Christenheit Großbritanniens übertragen worden war. D a man die diesen Spaltungen zugrunde liegende unheilvolle Profan- undKirchen2 A b e r audi im Zusammenhang der Trennung der Methodisten von der Kirdie v o n England spielte das Bischofsamt eine wesentliche Rolle. 3 Natürlich hatte es audi in den Jahrhunderten zuvor nicht an einzelnen Versuchen gefehlt, die Spaltungen zu überwinden.
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geschichte Großbritanniens nicht mit allen ihren Folgen und Nachwirkungen nach diesen Ländern exportieren konnte, ist es nicht verwunderlich, daß die anglikanischen, methodistischen, presbyterianischen, kongregationalistischen und zum Teil auch baptistischen Kirchen dieser Länder auf dem Wege zur Wiedervereinigung viel weiter fortgeschritten sind als ihre Mutterkirchen 4 . In all diesen Bestrebungen um die Wiedervereinigung der getrennten Kirchen, sei es nun in Großbritannien selbst oder in Afrika, Asien, Australien und Nordamerika, nehmen die Kirche von England als die größte Kirche Großbritanniens und — ihrem Selbstverständnis gemäß — als die Nationalkirche dieses Landes seit dessen Christianisierung und die anderen anglikanischen Kirchen eine führende Rolle ein. Da das Bischofsamt in historischer Sukzession als wichtigstes Unterscheidungsmerkmal zwischen den anglikanischen Kirchen und der Kirche von Schottland, den Freikirchen und analog dazu auch den sogenannten „niditbischöfliehen" Kirchen in aller Welt, zu denen auch die europäischen Reformationskirchen mit Ausnahme der Kirche von Schweden gezählt werden, von anglikanischer Seite besonders herausgestellt worden war, so wurde es nun von den anglikanischen Kirchen zum entscheidenden Thema der in unserem Jahrhundert intensiv einsetzenden Gespräche und Verhandlungen mit anderen Kirchen gemacht. Seine Annahme wurde zur Bedingung für eine Kirchenunion oder für die Herstellung der Interkommunion, an der sich anglikanische Kirchen beteiligen sollen (und wollen), erhoben. Seit dieser Zeit wird von anglikanischen Theologen bei allen Gesprächen, Konferenzen, Verhandlungen und in allen Veröffentlichungen und Erklärungen, in denen es konkret oder grundsätzlich um Fragen und Pläne zur Wiedervereinigung der Kirchen geht, mit einer schon fast peinlichen Regelmäßigkeit die Forderung nach Annahme des historischen Bischofsamtes vorgetragen. Durch seine Aufnahme in das einflußreiche „Lambeth-Quadrilateral" trat diese Forderung formal gleichberechtigt neben die Forderung nach Annahme der Heiligen Schrift, der altkirchlichen Glaubensbekenntnisse und der beiden Schriftsakramente als Voraussetzung einer Kirchenunion mit anglikanischer Beteiligung. Die vollzogene Kirchenunion in Südindien und die Unionspläne für Nordindien/Pakistan, Ceylon und Nigeria/Kamerun zeichnen sich alle durch die vollzogene bzw. vorgesehene Übernahme des historischen Bischofs4 Andere Faktoren kommen selbstverständlich hinzu: Die schwächende Zersplitterung der christlichen Minderheit in einer erdrückenden und oft militanten nicht-christlichen Umwelt; die Unglaubwürdigkeit der christlichen Verkündigung angesidits der Uneinigkeit der christlichen Kirchen; das Zurücktreten der Theologie gegenüber der missionarischen und diakonischen Praxis in diesen Ländern.
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amtes und der bischöflichen Ordination aus und sind somit die ersten konkreten Ergebnisse der anglikanischen Forderung. Eine Folge dieser Herausstellung des historischen Bischofsamtes im Rahmen der ökumenischen Aktivität der anglikanischen Kirche war, daß vor allem innerhalb der Kirche von England seit etwa 1920 eine rege Diskussion über das geistliche Amt und in besonderer Weise über das Bischofsamt und die apostolische Sukzession aufkam, die bis zum heutigen Tage andauert und die viele größere und kleinere Veröffentlichungen zur Folge hatte und noch hat. Aber neu ist diese Hervorhebung des historischen Bischofsamtes in der Kirche von England nicht. Es wurde bereits erwähnt, daß von den Anglikanern seit dem Aufkommen der ersten englischen Freikirchen das historische Bischofsamt als das wesentliche Unterscheidungsmerkmal gegenüber diesen Kirchen, aber sodann auch gegenüber den meisten Reformationskirchen auf dem europäischen Kontinent angesehen und hervorgehoben wurde. Dies geschah wohl vor allem deshalb, weil die anglikanischen Väter in der Beibehaltung dieses Amtes über die Reformation hinweg den greifbarsten Beleg für ihren Anspruch sahen, die einzige katholische und nationale Kirche des Landes seit der Christianisierung der britischen Inseln zu sein. Die Nonkonformisten konnten diesen Anspruch nicht erheben. Aber auch angesichts der langsam wieder erstarkenden römisch-katholischen Kirche unterstrichen die Anglikaner die Gültigkeit und Regularität ihrer apostolischen Sukzession, um so ihren Anspruch, die katholische Kirche des Landes zu sein, zu untermauern. Diese Gründe sind auch heute noch für die besondere Hervorhebung des historischen Bischofsamtes mitbestimmend. Der Gedanke der Kontinuität der Kirche nimmt im heutigen anglikanischen Denken eine beherrschende Stellung ein; immer wieder wird betont, daß durch die Beibehaltung der apostolischen Sukzession die Kirche von England in der Kontinuität mit der Alten Kirche steht. Durch die Oxfordbewegung, die die anglikanische Theologie nachhaltig beeinflußt hat und die der Frage des Amtes und der apostolischen Sukzession bevorzugte Aufmerksamkeit schenkte (vgl. bereits Tract 1), ist seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts der Besitz des historischen Bischofsamtes von einem Teil der anglikanischen Theologen zur nota ecclesiae erhoben worden, ohne die eine christliche Gemeinschaft nicht im vollen Sinne an der einen Kirche Christi teilhaben kann. Dieser Anspruch führte eine theologische Diskussion innerhalb der Kirche von England herauf, die — trotz mancher Änderungen im einzelnen — heute noch nicht abgeschlossen ist. Sie hat vielmehr seit etwa 1920 durch die aktive Teilnahme der Kirche von England und der anglikanischen Gemeinschaft an der ökumenischen Bewegung neuen Auftrieb und große Aktualität erhalten und eine Fülle an verschiedenen Thesen, Interpretationen und Auffassungen hervorgebracht. 16
b) Die Aufgabe Diese Diskussion über das Amt und vor allem über das historische Bischofsamt innerhalb der Kirche von England und die entscheidende Bedeutung, die dem Bischofsamt als Unterscheidungsmerkmal und als Bedingung für Interkommunion und Wiedervereinigung heute in der anglikanischen Kirche und Theologie zukommt, waren Anlaß zu der vorliegenden Arbeit. Um eine Vorstellung von den offiziellen und halboffiziellen Aussagen der anglikanischen Kirche zur Frage des Amtes und den damit zusammenhängenden Fragen zu bekommen, um aus der Fülle der verschiedenen Publikationen einmal die wichtigsten Linien des Amtsverständnisses in der neueren anglikanischen Theologie herauszuschälen und zugleich zu einer Beurteilung der verschiedenen theologischen Gruppen in ihrer unterschiedlichen Bedeutsamkeit für das ökumenische Denken und Handeln der Kirche von England zu gelangen, um die anglikanische Haltung mit ihrer beständigen Forderung nach Annahme des historischen Episkopats recht zu verstehen und zu beurteilen und vor allem, um auch selbst ein fruchtbares ökumenisches Gespräch mit der Kirche von England führen zu können, bedarf es einer Darstellung des anglikanischen Amtsverständnisses. Da die offiziellen „Bekenntnisschriften" der Kirche von England nur wenige Aussagen über das Amt enthalten und diese Schriften selbst über eine beschränkte Autorität verfügen, kommt den halboffiziellen Verlautbarungen und den theologischen Gruppen innerhalb der Kirche von England eine besondere Bedeutung zu, da sie die Entwicklung und die Entscheidungen der Kirche in hohem Maße mitbestimmen. Abgesehen von kürzeren Referaten und Berichten fehlt bisher eine umfassendere Darstellung des anglikanischen Amtsverständnisses in der hier beschriebenen Form und Zielsetzung. Sie fehlt vor allem auch auf anglikanischer Seite. Das ist verständlich, denn wer immer als Anglikaner über das Amt schreibt, der tritt selbst in die Debatte mit ein, er muß seine Seite wählen, die Auseinandersetzung kann ihn nicht unbeteiligt lassen. Es kann daher von Vorteil sein, wenn ein Nicht-Anglikaner und auch ein NichtEngländer — denn auch die Glieder der englischen Freikirchen und der Kirche von Schottland sind ja indirekt und oft direkt an der inneranglikanischen Debatte beteiligt — gleichsam als Zuschauer von außen her sich mit diesen Fragen befaßt. Bei dieser Arbeit mußte die Eigenart anglikanischen theologischen Denkens und Redens berücksichtigt werden. Wenn man auch dem Urteil van de Pols, der Anglikanismus sei im Prinzip diejenige Form des Christentums, die am wenigsten an der Theologie interessiert und daher auch am wenigsten in der Theologie gebildet ist 5 , so nicht zustimmen kann, so muß doch auf das fast völlige Fehlen einer intensiven wie auch exten5
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W . H . van de Pol, The Christian Dilemma, London 1952, S. 187 f.
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Gaßmann, Bischofsamt
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siven systematisch-theologischen Arbeit in dieser Kirche hingewiesen werden, wenn man einen Vergleich mit der lutherischen oder reformierten Theologie anstellt. Neben dem besonderen geistesgeschichtlichen Hintergrund ist zu bedenken, daß die Universitätstheologie in der Kirche von England längst nicht die Stellung einnimmt und die Bedeutung besitzt wie in einigen Ländern auf dem europäischen Kontinent. Es gibt nur wenige theologische Fakultäten in England, die zudem interdenominationell zusammengesetzt sind, während die Ausbildung der anglikanischen Geistlichen an besonderen theologischen Colleges geschieht. Sehr häufig werden Professoren und Dozenten in kirchliche Ämter, vor allem auch in das Bischofsamt, berufen. Viele Professoren sind zugleich Träger eines kirchlichen Amtes, wie zum Beispiel Kanonikus an einer Kathedrale. So wird also ein großer Teil, wenn nicht gar der größte Teil der theologischen Arbeit von Theologen geleistet, die in einem kirchlichen Amt stehen. Das hat zur Folge, daß in der theologischen Literatur vor allem Fragen behandelt werden, die für die Arbeit und die Entscheidungen der Kirche eine besondere Bedeutung besitzen. Die Veröffentlichungen zur Frage des geistlichen Amtes und die ungerechtfertigte Vorrangstellung, die das historische Bischofsamt in ihnen einnimmt, sind das beste Beispiel hierfür, da sie alle Ergebnis und Ausdruck sowohl der inneranglikanischen Debatte als auch der Einbeziehung des Amtes in die ökumenische Diskussion durch die anglikanische Kirche — beides steht ja in einem unlösbaren Zusammenhang — sind. Darum ist es besonders wichtig, die lebendige kirchliche Wirklichkeit hinter den theologischen Aussagen niemals aus dem Auge zu verlieren. Neben den sehr wenigen vorhandenen größeren Werken mit umfangreicheren Ausführungen zu diesen Fragen mußte ich eine ganze Reihe von kleineren Schriften, Aufsätzen, Buchkapiteln und verstreuten Aussagen heranziehen. Diese Schriften mit ihrer wechselnden Terminologie, ihrer lückenhaften, einseitigen und oft gänzlich fehlenden Beweisführung und ihrer häufigen Beschränkung auf nur einen Aspekt des gesamten Fragenkomplexes mußten im Rahmen der Gesamtkonzeption der jeweiligen theologischen Richtung, der die betreffenden Verfasser zuzurechnen sind, und im Zusammenhang mit den jeweiligen Zwecken, für die sie geschrieben sind, gesehen und verstanden werden. Es wäre sicherlich falsch, in jedem Falle sogleich mit den Maßstäben unseres systematisch-theologischen Denkens an diese Texte heranzugehen, Fehlurteile wären die unvermeidliche Folge®. 9 Das gilt für die anglikanische Kirdie und Theologie auch ganz allgemein. Vgl. hierzu van de Pol: "One will never come to understand the nature and significance of Anglicanism if one starts from the Catholic Church or from the Reformation and judges it by their principles, for thus it would appear as if Anglicanism were only a deformed, halfhearted, and inconsistent sort of Christianity, the product of un-
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Die vorliegende Arbeit kann keine umfassende, kritische Auseinandersetzung mit den Amtsverständnissen in der Kirche von England bieten, dazu würde sie den doppelten Umfang benötigen. Zuerst mußte einmal der Versuch einer umfassenderen Darstellung und Beurteilung der verschiedenen Auffassungen und Aussagen innerhalb der anglikanischen Theologie und Kirche unternommen werden. Doch wurden an einer Reihe von Stellen, wo es besonders notwendig erschien, bereits kritische Anmerkungen gemacht. Einige Aspekte des anglikanischen Amtsverständnisses, die die in den letzten Jahren begonnene Neubesinnung über das geistliche Amt in der lutherischen Kirche vielleicht befruchten könnten, wurden besonders unterstrichen. c)
Abgrenzungen
In der vorliegenden Arbeit werden neben den „Bekenntnisschriften" die halboffiziellen Erklärungen und Verhandlungsberichte der Kirche von England und die Berichte der Lambethkonferenzen seit 1920 herangezogen. Audi die theologische Literatur wird von diesem Zeitpunkt an behandelt; das Jahr 1920 ist hierfür ein guter Ausgangspunkt: 1920 fand eine Lambethkonferenz statt, deren „Appeal to All Christian People" von dem großen Interesse der anglikanischen Kirche an der Frage der Wiedervereinigung der getrennten Kirchen zeugt. Diese Konferenz hatte wichtige Gespräche zwischen der Kirche von England und den englischen Freikirchen zur Folge, bei denen die Frage des historischen Bischofsamtes eine zentrale Stellung einnahm. Weiterhin nahm die ökumenische Bewegung in den 20er Jahren konkretere Formen an, wobei vor allem an die erste Weltkonferenz für Faith and Order zu denken ist, die 1927 in Lausanne stattfand. Nicht zuletzt als Folge all dieser Aktivität wurde nun in der anglikanischen Theologie die Frage des Amtes und besonders des historischen Bischofsamtes seit den 20er Jahren mit erneuter Intensität behandelt, so daß auch von hier aus ein Einsatz bei der Literatur seit etwa 1920 als sinnvoll erscheint. Daß vieles, was seit 1920 über das Amt geschrieben worden ist, den Einfluß einiger bedeutender Werke der Vergangenheit (Gore, Swete, Lightfoot) spüren läßt, ist allerdings unverkennbar. Es wurden in erster Linie die offiziellen „Bekenntnisschriften", die halboffiziellen Verlautbarungen und die theologische Literatur der Kirche von England herangezogen. Die Kirche von England als Mutterkirche der principled compromise, devised and imposed from above for the purpose of maintaining tranquility and uniformity. We should try to understand Anglicanism by means of its own principles which are not primarily of a theological character" (van de Pol, a.a.O. S.187). 2*
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anglikanischen Gemeinschaft ist innerhalb dieser Gemeinschaft immer noch theologisch führend und bestimmend. Natürlich gibt es in den anderen anglikanischen Kirchen der Welt einzelne bedeutendere Theologen, in vielen Fällen sind dies jedoch Glieder der Kirche von England, die nun in diesen Kirchen Dienst tun. Lediglich durch die Heranziehung von wenigen Theologen, die heute außerhalb Englands wirken (ζ. B. Fairweather und Hickinbotham), und im Blick auf die Lambethkonferenzen, auf denen die gesamte anglikanische Gemeinschaft durch ihre Bischöfe vertreten ist, wurde diese Beschränkung auf die Kirche von England überschritten. Wie sehr aber auch die Lambethkonferenzen von den in der Kirche von England herrschenden theologischen Strömungen beeinflußt werden, geht schon daraus hervor, daß die englischen Bischöfe zusammen mit ehemaligen Gliedern der Kirche von England, die auf einen Bischofssitz in einer anderen anglikanischen Kirchenprovinz oder Kirche berufen worden sind, die absolute Mehrheit bilden. Nicht alle Fragen, die zur Lehre vom geistlichen Amt gehören, konnten ausführlich behandelt werden7. Das historische Bischofsamt und die damit zusammenhängenden Fragen stehen im Mittelpunkt dieser Arbeit, sie stehen auch im Mittelpunkt aller anglikanischen Verlautbarungen und Veröffentlichungen zum Amt und zur Ordnung der Kirche aus den letzten Jahrzehnten. So soll die vorliegende Arbeit nur die tatsächliche Gewichtsverteilung in der anglikanischen Theologie und Kirche widerspiegeln. Auch wurde bewußt vermieden, vom Aufbau und von einzelnen Punkten eines lutherischen Amtsverständnisses auszugehen und dann die anglikanischen Aussagen danach zusammenzustellen und zu kritisieren. Für einen eingehenden Vergleich beider Amtsverständnisse bedarf es einer besonderen Arbeit. d) Die Einordnung der verschiedenen
anglikanischen
Theologen
Die Kirche von England bietet dem Nicht-Anglikaner ein so verwirrendes Bild, weil es in ihr eine Reihe von nicht klar abgegrenzten Richtungen und Parteien gibt, die sich in ihrer Theologie, ökumenischen Ausrichtung, praktischen Arbeit und vor allem auch in ihrer gottesdienstlichen Praxis beträchtlich voneinander unterscheiden. Das auf diese Situation angewandte alte Einteilungsschema High Church, Broad Church, Low Church stimmt in dieser Weise längst nicht mehr, auch wenn es in der nicht-anglikanischen Literatur immer noch herumgeistert. Die liberale 7 Z . B . das Verständnis der Ordination; das Verhältnis zwischen dem Priestertum aller Gläubigen und dem besonderen Amt der Kirche; das Verständnis des Begriffs „dreifaches A m t " ; die mit den verschiedenen Ämtern zusammenhängenden kirchenreditlichen Fragen.
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Broad-Church-Bewegung ist fast verschwunden, der Name taucht kaum noch auf, allerdings sind manche ihrer Gedanken und Anregungen weiter wirksam. An ihre Stelle als „Mittelpartei" ist die immer größer werdende — nicht organisierte — Gruppe jener Theologen und Laien getreten, die der Extreme und Parteiungen überdrüssig sind und die sich um eine mittlere und vermittelnde Stellung zwischen den Extremen bemühen, wobei sie sowohl Elemente und Einflüsse der evangelikalen als auch (und vielleicht in noch stärkerem Maße) der hochkirchlichen Richtung übernehmen. Das Zentrum dieser Mittelgruppe bilden Theologen und Laien, die sich als „Central Churchmen" bezeichnen. Die frühere High-ChurchBewegung setzt heute ihre Tradition in der Gruppe der Anglokatholiken fort. Eine ganze Reihe der früheren High-Church-Bestrebungen und Auffassungen haben in abgewandelter Form auch in der Mittelgruppe Eingang gefunden, und es gibt heute Theologen, die sich als „High Churchmen" bezeichnen8, die aber im Blick auf den Gesamtbereich der anglikanischen Theologie ihren Platz eher auf dem rechten Flügel der Mittelgruppe haben, während sie mit den Anglokatholiken oft in heftigem Streit liegen. In gleicher Weise sind viele Theologen, die von der auf die Low-Church-Bewegung folgenden evangelikalen Richtung herkommen, heute eher der Mittelgruppe der „Central Churchmen" zuzurechnen. Aber auch die eigentliche Gruppe der Evangelikalen, die sich heute in Unterscheidung zu den fundamentalistischen Evangelikalen als „Liberal Evangelicals" bezeichnet, hat in den letzten Jahren einen „Rechtsruck" erfahren 9 . Dies geschah nicht zuletzt aus Gründen der Abgrenzung gegenüber einer beachtlichen und sehr aktiven Gruppe von Fundamentalisten, die sich auf dem linken Flügel der Evangelikalen gebildet hat und die sich, im Unterschied zu den „Liberal Evangelicals", als „Conservative Evangelicals" bezeichnet. Nimmt man noch die Gruppe der liberalen „Modern Churchmen" hinzu, dann ergibt sich für die theologischen Gruppen innerhalb der Kirche von England folgendes Bild: 1. Anglokatholiken; 2. die Mittelgruppe, bestehend aus den gemäßigteren „High Churchmen", den „Central Churchmen" und mit ihnen den vielen Theologen, die einen „Parteinamen" ablehnen, die aber faktisch zwischen den Extremen stehen, und den vielen „Evangelicals", die sich dieser Gruppe angenähert haben; 3. die liberalen „Modern Churchmen"; 4. die „Liberal Evangelicals"; die die evangelikale Tradition fortführen; 5. die „Conservative Evangelicals", die fundamentalistisch eingestellt sind. 8 Das tun z.B. die Mitarbeiter des von K.Carey herausgegebenen Sammelbandes The Historie Episcopate, London 1954, S. 5. 9 Bezeichnend hierfür ist die auf der „Islington Conference 1960" ausgesprochene Warnung vor einer Hinwendung zu einer Theologie calvinistischer Prägung, vgl. Church Times, London, 15. Januar 1960, S. 13.
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Die hier unter 2. aufgeführte Mittelgruppe ist am wenigsten einheitlich. Auch wird diese Gruppe in der Kirche von England nicht immer als so umfassend betrachtet — man räumt den nicht-anglokatholischen „High Churchmen" häufig noch eine besondere Stellung ein. Trotz der theologischen Unterschiede, die zwischen den einzelnen Theologen bestehen, wurde diese Mittelgruppe in dieser Arbeit so weit gefaßt, weil die ihr zuzuzählenden Theologen Gemeinsamkeiten aufweisen, die gerade auch im Blick auf die weitere Entwicklung der anglikanischen Theologie und Kirche wohl bedeutsamer sind als ihre theologischen Unterschiede. Zu diesen Gemeinsamkeiten gehört der entschiedene Wille, einen Mittelweg zwischen den extremeren Gruppen zu gehen und nach anglikanischer Tradition in gleicher Weise „catholic and reformed" zu sein. Weiterhin verbindet diese Theologen ein aktives Interesse an ökumenischen Problemen, wobei gerade auch die damit verbundenen theologischen Fragen nicht in den Hintergrund gestellt werden. Vor allem waren es auch diese Theologen, und das ist eines der Ergebnisse dieser Arbeit, die die Aussagen, Entscheidungen und das Handeln der Kirche von England überall da am stärksten bestimmen, wo es um die Frage des historischen Bischofsamtes und die Wiedervereinigung der Kirchen geht. Schließlich, und das war vom Thema dieser Arbeit her bestimmend, weisen diese Theologen in ihrem Amtsverständnis und dessen Anwendung auf die Bemühungen um die Einheit der Kirchen gegenüber den Anglokatholiken, den „Modern Churchmen", den Fundamentalisten und den traditionell Evangelikaien weitgehende grundsätzliche Gemeinsamkeiten auf. Bei der großen Rolle, die das geistliche Amt in der anglikanischen Theologie spielt, kann man das Amtsverständnis sicher als ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zwischen den verschiedenen theologischen Gruppen ansehen. Diese Überlegungen und die Tatsache, daß die „Conservative Evangelicals", die traditionell Evangelikaien und die liberalen „Modern Churchmen" heute keinen bemerkenswerten und noch weniger einen bestimmenden Beitrag zum Amtsverständnis und besonders zum Verständnis des historischen Bischofsamtes in der Kirche von England leisten — sie haben auch kaum nennenswerte Literatur zu diesen Fragen hervorgebracht —, haben dazu geführt, daß in dieser Arbeit neben den offiziellen und halboffiziellen Aussagen nur die Auffassungen zweier theologischer Gruppen behandelt werden: die der Anglokatholiken und die der erwähnten Mittelgruppe. Sie allein kommen für die Untersuchung des Amtsverständnisses in der neueren anglikanischen Theologie in Frage. Die fundamentalistischen, streng evangelikalen und liberalen Theologen stehen mit ihrer Gleichsetzung des episkopalen Systems mit anderen Amtssystemen, wobei sie dem historischen Bischofsamt höchstens praktische und organisatorische Vorzüge einräumen, es aber keineswegs als eine Vorbedingung 22
für die Interkommunion und die Wiedervereinigung ansehen, heute am Rande der theologischen Entwicklung der Kirche von England 1 0 . Diese Theologen dürften bei einer Darstellung der heutigen anglikanischen Theologie sicher nicht übersehen werden, doch sind sie m.E. f ü r das Verständnis des geistlichen Amtes im gegenwärtigen anglikanischen Denken so wenig typisch, daß man sie bei einer solchen Darstellung außer acht lassen kann. Gegenüber der aus nicht-anglokatholischen Theologen bestehenden Mittelgruppe stellen die Anglokatholiken eine geschlossenere und einheitliche Gruppe dar, wenngleich es unter ihnen einige bedeutende Theologen gibt, die eine weniger extreme Position einnehmen, die die Bemühungen um die Wiedervereinigung mit anderen nicht römisch-katholischen Kirchen aktiv unterstützen und sich um eine Annäherung an die nicht-anglokatholischen Theologen bemühen — dies trifft vor allem auf den Erzbischof von Canterbury, Dr. Ramsey, zu. Audi haben die Anglokatholiken eine größere Anzahl von Aufsätzen, Resolutionen und Büchern zur Lehre vom Amt und den damit zusammenhängenden Fragen veröffentlicht als die Mittelgruppe. Das führt Außenstehende oft zu der irrigen Meinung, die Anglokatholiken seien f ü r die Lehre und Praxis der heutigen Kirche von England repräsentativ. Sie sind theologisch sehr aktiv und produktiv, und gerade der Frage des Amtes haben sie seit dem Erscheinen von Tract 1 — gemäß ihrer theologischen Gesamthaltung — ihr besonderes Interesse gewidmet. Jedoch sind sie zahlenmäßig keineswegs die größte Gruppe und wie wenig sie für die theologische und ökumenische Haltung der Kirche von England als ganzer repräsentativ sind, soll diese Arbeit zeigen. Immerhin sind sie einflußreich genug, um zu verhindern, daß die Kirche von England oder auch die anglikanische Gemeinschaft Entscheidungen treffen, die den anglokatholischen Auffassungen zuwiderlaufen. Die letzten Lambethkonferenzen mit ihrer Behandlung der mit der Kirche von Südindien zusammenhängenden Probleme sind das beste Beispiel hierfür. e) Terminologische
Anmerkungen
Als Bezeichnung f ü r die eine Gruppe von Theologen, die in dieser Arbeit behandelt wird, wird die heute gebräuchliche Bezeichnung „anglokatholisch" bzw. „Anglokatholiken" übernommen. Für die andere 10 Beispiele hierfür sind auf streng evangelikaler-fundamentalistischer Seite A . M . Stibbs, The Church— Universal and Local, London 1948; G. T. Manley, Christian Unity, London 1945. Auf der extrem liberalen Seite der frühere langjährige Führer der „Modern Churchmen", Η. D. Α. Major, vgl. sein English Modernism: Its Origin, Methods, Aims, Oxford 1927, und seine Aufsätze in der Zeitschrift „The Modern Churchman".
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Gruppe, die zwischen den Extremen steht und die Theologen umfaßt, die sich selbst als ,,Central-Churchmen", „Liberal Evangelicals", „High Churchmen", „Prayer Book Catholics" 1 1 , „Moderate Catholics", aber audi als „Liberal High Churchmen" 12 oder „High Evangelicals" 1 3 bezeichnen, die aber in ihrer Lehre vom historischen Bischofsamt gegenüber den Anglokatholiken vieles gemeinsam haben, konnte keine der gebräuchlichen Bezeichnungen benutzt werden, da diese heute zum Teil verschieden verstanden werden und keine von ihnen eine so umfassende Gruppe kennzeichnet. Die Erfindung eines neuen spezifischen „Parteinamens" würde die verwirrende Vielfalt der Bezeichnungen nur unnötig vergrößern. So wird diese Gruppe einfach als „Mittelgruppe" und die ihr zugehörigen Theologen werden als „nicht-anglokatholische Theologen" 1 4 bezeichnet. Die Bezeichnung „nicht-anglokatholische Theologen" soll in dieser Arbeit die streng evangelikalen und eine Reihe von liberalen Theologen nicht mit einbeschließen, wenngleich man es im allgemeinen Sprachgebrauch so verstehen müßte. Es gibt weiterhin einige Begriffe in der anglikanischen Theologie, die übernommen wurden, um die Terminologie nicht unnötig zu komplizieren. Diese sollen im folgenden erklärt werden. Wenn immer Anglikaner vom Bischofsamt oder Episkopat sprechen, dann meinen sie das in apostolischer Sukzession stehende Bischofsamt, das sie oft, um jede Verwechslung mit einem Bischofsamt ohne apostolische Sukzession zu vermeiden, auch „historisches Bischofsamt" bzw. „historischer Episkopat" (historic episcopate) nennen. Um dieser für die anglikanische Theologie grundlegenden Unterscheidung willen wird hier ebenfalls die Bezeichnung „historisches Bischofsamt" bzw. „historischer Episkopat" verwendet. Die lutherischen und reformierten Reformationskirchen auf dem europäischen Kontinent werden von den Anglikanern pauschal als „Reformed Churches" bezeichnet. D a die Anglikaner nicht zwischen „Reformationskirche" und „Reformierte Kirche" unterscheiden, obgleich sie es sprachlich könnten, ist die Bezeichnung „Reformed Churches" für uns zweideutig. Noch häufiger werden die Reformationskirchen als „Protestant Churches" bezeichnet und dann mit den englischen Freikirchen unterschiedslos unter diese Bezeichnung gestellt. Das hat natürlich seinen Grund darin, daß die Anglikaner den Besitz des historischen Bischofsamtes zum 1 1 Ein großer Teil jener Theologen, die sich seit einigen Jahren als „Prayer Book Catholics" bezeichnen, ist wohl hierher zu zählen. 12 Bischof G. F. Allen, im Gespräch. 1 3 Bischof Stephen Neill, im Gespräch. 14 Moorman spricht bereits im Zusammenhang mit der Reformationszeit von einer „middle party" anglikanischer Theologen, die für die Kirche von England einen Platz zwischen Rom und Genf anstrebte. J . R . H . Moorman, A History of the Church in England, 2. Aufl., London 1954, S.200.
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bestimmenden Unterscheidungsmerkmal erhoben haben. In den vergangenen Jahrhunderten haben anglikanische Theologen nur insofern zwischen den kontinentalen Reformationskirchen und den englischen Freikirchen sowie auch der Kirche von Schottland unterschieden, als nach ihrer Ansicht die kontinentalen Kirchen das historische Bischofsamt ohne ihre eigene Schuld verloren haben, während die englischen Freikirchen und die Kirche von Schottland dieses bewußt abgelehnt haben. Heute wird auch diese Unterscheidung nicht mehr gemacht. Allerdings scheint man auf anglikanischer Seite bereit zu sein, neben der Kirche von Schweden auch den anderen skandinavischen lutherischen Kirchen auf Grund ihrer „relativen N ä h e " zum historischen Bischofsamt eine besondere Stellung einzuräumen. Vom Besitz oder Nichtbesitz des historischen Bischofsamtes aus gesehen gehören die englischen Freikirchen, die Kirche von Schottland und die kontinentalen Reformationskirchen natürlich in eine Kategorie, sie sind — um auf eine andere gebräuchliche Bezeichnung hinzuweisen — „nicht-bischöfliche" Kirchen (non-episcopal churches), zu denen also auch solche Kirchen gezählt werden, die zwar über ein Bischofsamt verfügen, das aber nicht in der apostolischen Sukzession steht. Diesen „nicht-bischöflichen" Kirchen stehen die „bischöflichen" Kirchen (episcopal churches) gegenüber, die ein Bischofsamt in apostolischer Sukzession besitzen und zu denen neben der römisch-katholischen, der orthodoxen, der altkatholischen und der anglikanischen Kirche auch die lutherische Kirche von Schweden gerechnet wird. Da das Fehlen des historischen Bischofsamtes eine Gemeinsamkeit der europäischen Reformationskirchen und der englischen Freikirchen ist, was allerdings von vielen Anglikanern irrtümlicherweise als das entscheidende gemeinsame Merkmal dieser Kirchen angesehen wird, werden f ü r unseren Zweck die Bezeichnungen „nicht-bischöfliche" Kirchen und „bischöfliche" Kirchen jeweils in dem Sinne, wie sie in der anglikanischen Theologie und Kirche verstanden werden, übernommen.
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II. Das geistliche Amt in der anglikanischen Theologie und Kirche, unter besonderer Berücksichtigung des historischen Bischofsamtes und der apostolischen Sukzession1 1. D a s A m t in d e n „ B e k e n n t n i s s c h r i f t e n " d e r K i r c h e v o n E n g l a n d u n d in d e n h a l b o f f i z i e l l e n V e r l a u t b a r u n g e n d e r anglikanischen Kirchen A. Das Amt in den „Bekenntnisschriften"
der Kirche von
England
Die „Bekenntnisschriften" der Kirche von England sind die 39 Artikel (Articles of Religions), das Book of Common Prayer mit dem „Ordinal" und dem Katechismus und die „Canons Ecclesiastical". Die Kirche von England kann man auf Grund des von ihr vertretenen Schriftprinzips als eine Reformationskirche bezeichnen, aber sie ist keine Konfessionskirche in dem Sinne, wie es etwa die lutherischen Kirchen sind. Außenstehende, zumal wenn sie selbst einer Konfessionskirche angehören, sehen oft in den 39 Artikeln der Kirche von England die entscheidende und bestimmende Grundlage für die Lehre dieser Kirche. Wollte man von den 39 Artikeln ausgehend die Lehre der Kirche von England beschreiben, so entstünde ein Zerrbild der theologischen Stellung dieser Kirche wie sie sich heute tatsächlich darbietet. Denn heute nehmen die 39 Artikel in der Kirche von England keine für ihr theologisches Denken richtungweisende Stellung mehr ein. Einzelne Artikel üben sicher noch einen Einfluß auf anglikanisches Denken aus 2 , aber als Ganzes werden die Artikel 1 Hammerstein hat in der Internationalen Kirchlichen Zeitschrift, Jahrgang 1958, Heft 2 (bes. S. 111—124) und Heft 3 (bes. S. 157—163), die anglikanische Auffassung vom Amt dargestellt („Die anglikanischen Auffassungen von der Kirche und dem Amt und ihr Verhältnis zu den Altkatholiken"). Leider zieht Hammerstein zur Erläuterung der anglikanischen „Bekenntnisschriften" fast ausschließlich Werke anglokatholischer Autoren heran (Bicknell, Stone, Gore, Kirk, Dix, Mackenzie, Circot). Wenn Hammerstein am Ende seines Aufsatzes eine Obereinstimmung der anglikanischen mit der altkatholischen Lehre von der Kirche und vom Amt feststellen zu können glaubt, so handelt es sich vielmehr um eine Übereinstimmung der anglokatholischen mit der altkatholischen Lehre. 2 Besonders die Art. VI (Schriftprinzip) und X I X (der dem Art. VII der Confessio Augustana entspricht) werden noch häufig erwähnt. Natürlich sind es vor allem evan-
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nicht mehr als das entscheidende anglikanische Lehrkorpus angesehen. In der theologischen Literatur werden sie nur noch selten erwähnt, und bei der Ausbildung des Pfarrernachwuchses spielen sie kaum eine Rolle. Stimmen, die in neuester Zeit eine Revision der Artikel fordern, finden starke Beachtung3. Die 39 Artikel haben aber auch nie dieselbe Autorität besessen wie etwa die Confessio Augustana in den lutherischen Kirchen. Sie werden heute als das Produkt und als Ausdruck einer bestimmten historischen Situation, einer weitgehend überholten theologischen Auseinandersetzung und Abwehrstellung bezeichnet4. Als sehr weitgefaßte „Einigungsartikel" war es ihre eigentliche Bestimmung, eine Reihe von Einzelfragen abzuschließen5. Doch sind sie, wie Erzbischof Garbett schreibt, sowohl durch die historische als auch theologische Entwicklung überholt und dadurch veraltet®. Es wird betont, daß die 39 Artikel (und mit ihnen auch das Book of Common Prayer) kein anglikanisches Lehrkorpus, keine Bekenntnisschriften darstellen 7 , und diese Tatsache kommt sprachlich darin zum Ausdruck, daß man im allgemeinen von „Official Formularies" oder „Official Documents" spricht, nie aber von „Confessions" oder „Confessional Statements" usw. Darum ist unsere deutsche Bezeichnung „Bekenntnisschriften" nur ein Notbehelf. Die eigentümliche Stellung, die die 39 Artikel heute in der Kirche von England einnehmen — sie sind einerseits kein Glaubensbekenntnis in unserem Sinne, andererseits zählen sie formal zu den „offiziellen Formularen" der Kirche, gelikale Theologen, die in ihrer theologischen Arbeit die 39 Artikel heranziehen. Immerhin ist es bemerkenswert, daß J . H . N e w m a n im berühmten Tract 90 von 1841 — gleichsam um die Artikel zu „retten" — eine extrem anglokatholisdie Interpretation der 39 Artikel versucht hat, die ihm allerdings Hohn und Spott eingetragen hat (Auszüge aus Tract 90 sind in Documents of the Christian Church, hrsg. von H.Bettenson, Oxford 1943, S.435—440, abgedruckt). Auch das Standardwerk über die 39 Artikel ist von einem Anglokatholiken geschrieben worden (E. J. Bicknell, A Theological Introduction to the Thirty-Nine Articles of the Church of England, 3. Aufl., London 1955), wenn audi das Buch keinen ausgesprochen anglokatholischen Charakter trägt. 3 Diese Forderung erhob kürzlich der Dekan der St. Paul's-Kathedrale, W. R. Matthews, in der Konvokation von Canterbury; vgl. Church Times, London, 22. Januar 1960, S . l . 4 Vgl. hierzu E. J. Bicknell, a.a.O. S. 7—21; Doctrine in the Church of England, The Report of the Commission on Christian Doctrine appointed by the Ardibishops of Canterbury and York in 1922, London 1938, S.9 und S.36f. G.K.A.Bell, Die Kirdie von England, Sammlung Ekklesia, Band 1, Gotha 1934, S.46; L.Hodgson, The Doctrine of the Church as Held and Taught in the Church of England, Oxford 1946, S.7f. 5 G.K.A.Bell, a.a.O. S.46. β C. Garbett, The Claims of the Church of England, London 1947, S.35. 7 L.Hodgson, a.a.O. S.7: "The official formularies of the Church of England—the Articles of Religion, the Book of Common Prayer, and the Canons Ecclesiastical—are not 'confessions' or 'foundation documents', setting out a specifically Anglican corpus of Doctrine to be the starting—point of all later Anglican teaching." J. R. H . Moorman, a.a.O. S. 214: "These articles, which are still the official platform of the Church of England . . . are not meant to be a formulary of the Christian faith."
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und praktisch haben sie keine große Bedeutung mehr — kommt auch darin zum Ausdruck, daß seit 1865 eine Verpflichtung der Ordinationskandidaten auf die 39 Artikel nicht mehr gefordert wird und man sich mit einer allgemeinen „Zustimmung" der Kandidaten zu den Artikeln begnügt 8 . Die Gründe für diese distanzierte Stellung den 39 Artikeln gegenüber liegen einmal in deren ausgesprochen „protestantischem", vornehmlich kalvinistischem Charakter, der Zeitbedingtheit vieler Artikel und in dem für ein Lehrkorpus zu fragmentarischen Charakter des Ganzen, sodann aber auch — und das ist wohl das Entscheidendere — im besonderen Selbstverständnis der Kirche von England. Diese Kirche will eine Kirche auf dem Grunde der Apostel und der Alten Kirche sein, die sich in der Reformation „ihr Gesicht gewaschen hat" 0 und die keines neuformulierten, umfassenden Lehrkorpus bedarf. Hierher gehört auch die Feststellung anglikanischer Theologen, daß es keine besonderen anglikanischen Lehren, keinen anglikanischen Glauben im engeren Sinne, kein spezifisches System anglikanischer Theologie gibt, weil diese Kirche die Lehren des „katholischen" Glaubens vertritt, wie sie in der Heiligen Schrift zu finden sind, in den drei altkirchlichen Symbolen zusammengefaßt wurden und in den Entscheidungen der vier ersten Konzile der ungeteilten Kirche zum Ausdruck gekommen sind 10 . Der besondere Charakter der Kirche von England als einer zugleich „reformierten" und „katholischen" Kirche kommt nun nach Meinung der meisten anglikanischen Theologen im Book of Common Prayer viel adäquater zum Ausdruck als in den 39 Artikeln 11 . Für diese Vorrangstellung 8
Der Kanon N r . 3 6 von 1865 beginnt mit folgenden Worten: "I A.B. do solemnly make the following declaration: I assent to the Thirty-Nine Articles of Religion, and to the Book of Common Prayer, and of Ordering of Bishops, Priests, and D e a c o n s . . . " (vollständig abgedruckt in Corpus Confessionum, hrsg. von C. Fabricius, Abteilung 17, Band 1, Die Kirche von England, Berlin 1937, S.490f.). Auch wäre nodi anzumerken, daß in einigen Kirchen der anglikanischen Gemeinschaft nicht alle 39 Artikel in Geltung sind. β Hodgson gebraucht, indirekt, dieses Bild, a.a.O. S. 7. Erzbisdiof Bramhall (1594 bis 1663) drückte diese Uberzeugung so aus: "Our religion is the same as it was, our Church the same it was, our H o l y Orders the same they were, in substance; differing only from what they were formerly, as a garden weeded from a garden unweeded" (zit.bei K.Carey ed., The Historic Episcopate, S.63). 10 S. Neill, Anglicanism, Harmondsworth 1958, S. 417 f. Im Bericht „Doctrine in the Church of England" heißt es auf S. 25: "But there is not and the majority of us do not desire that there should be, a system of destinctively Anglican Theology. The Anglican Churches have received and hold the faith of Catholic Christendom . . . " , vgl. auch: The Lambeth Conference 1948, London 1948, S . I I . 8 5 ; C . M . A d y , The English Church, London 1944, S.153. 11 Vgl. C. Garbett, a.a.O. S.33; Doctrine in the Church of England, S.9; Neill kann sagen: "But the faith of the Church is to be found in the Bible and in the Prayer B o o k ; . . . " (a.a.O. S. 417). 28
lassen sich mehrere Gründe anführen. Das Book of Common Prayer wird, trotz mancher Kritik an gewissen zeitbedingten Formen und Unzulänglichkeiten, als ein wahrer Schatz und Reichtum, als ein Band der Einheit betrachtet, in dem und durch das sich die Kirche von England in ihrem eigentlichen Wesen als Kirche Englands, die auf dem Boden der Heiligen Schrift, der Schriftsakramente, der altkirchlichen Glaubensbekenntnisse und des Apostolischen Amtes steht, entfaltet. Der Glaube dieser Kirche findet in den verschiedenen gottesdienstlichen Formen seinen Ausdruck, nicht in formulierten Lehrsätzen. Die lex orandi ist zugleich die lex credendi 12 . Als einigendes Band der weltweiten anglikanischen Gemeinschaft hat das Book of Common Prayer vor allem durch die Lambethkonferenzen seit 1920 ein immer stärkeres Gewicht erhalten. So sieht die Lambethkonferenz von 1930 im Festhalten am katholischen und apostolischen Glauben und an der Kirchenverfassung, wie diese im Book of Common Prayer enthalten sind, ein gemeinsames Merkmal der anglikanischen Kirchen 13 . Die Lambethkonferenz von 1948 bezeichnet das Book of Common Prayer als ein starkes Band der Einheit für die anglikanische Gemeinschaft 14 , zugleich unterstreicht sie auch dessen theologische Bedeutung. So heißt es von den anglikanischen Kirchen: "They are Catholic but reformed; they are reformed but Catholic. The embodiment of this character is the Book of Common Prayer. It is not only an important source of Anglican teaching, it is also the means by which the Anglican tradition has been sustained. The English Reformers were not trying to make a new Church. It continued to be the Church of England, the Ecclesia Anglicana, as Magna Carta described it in 1215." 15 Im Abschlußbericht des „Anglican Congress" aus dem Jahre 1954 wird diese zweifadie Bedeutung des Book of Common Prayer — nämlich als Band der Einheit und als Quelle der Lehre und Verkörperung des besonderen Charakters der anglikanischen Kirche — klar herausgestellt: "The Book of Common Prayer is a principal bond of unity between and within the Anglican Churches, and is of high importance in interpreting our worship 12 So begründet die repräsentative Theologenkommission, die den Bericht „Doctrine in the Church of England" zusammengestellt hat, die minimale Rolle, die die 39 Artikel in ihrem Bericht spielen, mit dem Satz: "Moreover, the Articles are, in their influence upon the life and thought of the Church, inevitably far less formative than the PrayerBook; for the constant worship of any group of Christians must exercise upon them a far more pervasive and penetrating influence than that of any formula to which the worshipping congregation has no frequent occasion to refer, especially when that formula is found to be largely concerned with questions no longer foremost in our minds" (a.a.O. S. 9). Vgl. audi C.Garbett, a.a.O. S. 33; D. E. W . Harrison, The Book of Common Prayer, London 1946, S. 125. 1 3 V g l . W . A . V i s s e r 't Hooft und J . H . O l d h a m , Die Kirche und ihr Dienst in der Welt, Berlin 1937, S . 3 1 . 14 The Lambeth Conference 1948, S . I . 4 6 . 15 E b d . S . I I . 8 3 .
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and doctrine to other Communions." 1 6 Auch im Bericht der Lambethkonferenz von 1958 nimmt das Book of Common Prayer einen beträchtlichen Raum ein, wobei allerdings vor allem audi Fragen der Revision des Gebetbuches behandelt werden 17 . Von den 39 Artikeln ist in keinem dieser wichtigen Dokumente die Rede. Es könnte allerdings sein, daß auf Grund der häufigen Lehrgespräche, die die Kirche von England in den letzten Jahren mit anderen Kirchen geführt hat, der Wunsch nach einer kurzen, angemessenen und autoritativen Darstellung der wesentlichen Glaubenssätze, wie sie in der Kirche von England gelehrt werden, in dieser Kirche selbst laut wird. In diesem Zusammenhang ist es bemerkenswert, daß der Dekan der St. Paul's-Kathedrale in einer Rede vor der Convocation von Canterbury in den ersten Tagen des Jahres 1960 seine stark beachtete Forderung nach einer Revision der 39 Artikel in der hier angedeuteten Weise begründet: " I believe it would be hard to overestimate the value of a short, plain and authoritative statement on the outlines of Anglican belief, and I refuse to accept the pessimistic objection that it would not be possible to produce such a statement." 1 8 a) Das „Ordinal" Auch über das Amt finden sich die entscheidenden Aussagen im Book of Common Prayer, und zwar in dem ihm beigegebenen „Ordinal", das die Gottesdienstordnungen für die Ordination zum Diakon und Priester und für die Konsekration zum Bischof enthält 1 9 . Die Vorrede (Preface) zum „Ordinal" wird besonders häufig herangezogen, da sie eine Reihe von grundlegenden Aussagen enthält. Der wichtigste Teil der Vorrede lautet: „Allen, welche die Heilige Schrift und die Kirchenväter (ancient authors) sorgfältig lesen, ist es eine bekannte Tatsache, daß es seit der Zeit der Apostel (from the Apostles' time) folgende Ordnungen des geistlichen Amtes (Orders of Ministers) in der Kirche Christi gegeben hat: Bischöfe, Priester und Diakonen. Diese Ämter wurden von jeher für so ehrwürdig geachtet, daß sich niemand vermessen durfte, irgendeins von ihnen zu verwalten, ohne daß er zuvor berufen (called), erprobt (tried), geprüft (examined) und als ein solcher anerkannt worden wäre, welcher die dazu erforderlichen Eigenschaften besäße, und ohne daß er zugleich öffentlich unter Gebet mit Handauflegung durch rechtmäßige Amtsgewalt (lawful authority) bestätigt und ins Amt eingesetzt wäre. Und damit nun diese Ordnungen in der Kirche von England weiter dauernd Report of the Anglican Congress 1954, Greenwich 1954, S. 197. The Lambeth Conference 1958, London 1958, S . I . 4 7 und 11.78—94. 1 8 Church Times, London, 22. Januar I960, S. 1. 1 9 Der volle Titel lautet: The Form and Manner of Making, Ordaining, and Consecrating Bishops, Priests, and Deacons, According to the Order of the Church of England. 16 17
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erhalten und ehrerbietig gebraucht und geachtet werden mögen, soll niemand als rechtmäßiger Bischof, Priester oder Diakon in der Kirche von England angesehen oder anerkannt werden oder bevollmächtigt sein, irgendeins der genannten Ämter zu verwalten, wenn er nicht der nachstehenden Form gemäß berufen, erprobt, geprüft und ins Amt eingesetzt (admitted) worden ist oder schon früher bischöfliche Konsekration oder Ordination erhalten hat." 2 0 Zwei Aspekte, die für das anglikanische Amtsverständnis von grundlegender Bedeutung sind, finden sich in der Vorrede: 1. die Hinwendung zur Heiligen Schrift und zur Tradition (besonders der Alten Kirche); 2. die Kirche von England wollte kein neues Amt schaffen, sondern das bestehende dreifache Amt der Kirche fortführen. Als einzige Begründung für die Beibehaltung dieses dreifachen Amtes wird der Hinweis auf dessen lange Geschichte („seit der Zeit der Apostel") und die große Wertschätzung, deren es sich in der Geschichte der Kirche erfreut hat, angeführt. Diese allgemeine historische Begründung taucht auch in der modernen anglikanischen Theologie immer wieder auf. Mit dem ersten Satz der Vorrede ist allerdings auch implizit gesagt, daß das dreifache Amt nicht nur in der Alten Kirche, sondern auch schon in der Heiligen Schrift bezeugt ist ("It is evident unto all men diligently reading holy Scripture and ancient Authors, that from the Apostles' time there have been these Orders of Ministers in Christ's C h u r c h ; . . . " ) . Doch diese Formulierung der Vorrede ist so vage, daß sie von den verschiedenen Theologen verschieden interpretiert werden kann, wobei die Anglokatholiken die wenigsten Schwierigkeiten haben, während die nicht-anglokatholischen Theologen den Satz „seit der Zeit der Apostel" sinngemäß umformen in „bald nach der Zeit der Apostel" und zudem darauf verweisen, daß die Anfänge der Ausbildung des monarchischen Bischofsamtes und damit des dreifachen Amtes tatsächlich noch in die neutestamentliche Zeit fallen, und sie daher der Formulierung der Vorrede grundsätzlich doch zustimmen können 21 . 2 0 Diese deutsche Übersetzung der Vorrede findet sich im Corpus Confessionum, S . 3 2 1 ; der englische T e x t ist ebenfalls auf dieser Seite abgedruckt. 2 1 So schreibt z . B . D . E . W . H a r r i s o n , a.a.O. S. 117, daß nach dem T o d e der Apostel und apostolischen Delegaten (wie Timotheus und Titus) die entstandene Lücke durch eine Differenzierung zwischen dem präsidierenden Ältesten oder Bischof und seinem Presbyterkollegium ausgefüllt wurde. D a r a u s folgt für ihn: " T h e P r e f a c e to the English Ordinal is, therefore, not f a r wrong when it says that 'it is evident unto all men . . . ' . " Bei Rawlinson ist dagegen ein kritischer Unterton unverkennbar, wenn er zur Stelle schreibt: " — a Statement which may be perhaps broadly justified, but whidi, taken rigorously au pied de la lettre, might be held to reflect the results of a somewhat facile reading of h i s t o r y — " ( A . E . J . R a w l i n s o n , Problems of Reunion, L o n d o n 1950, S . 5 2 ) . D . L . E d w a r d s , N o t Angels but Anglicans, L o n d o n 1958, S . 2 7 , lehnt die Formulierung der Vorrede sogar kategorisch ab: "When the 1662 Prayer B o o k states that the existence
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Die Vorrede läßt also keinen Zweifel daran, daß alle Amtsträger in der Kirche von England bischöflich ordiniert sein müssen. Uber andere, nicht-bischöfliche Kirchen wird kein Urteil gefällt und deren Ämtern nicht die Rechtmäßigkeit abgesprochen. Die Anordnungen der Vorrede und des gesamten Ordinals gelten ausdrücklich der Kirche von England 22 . Nur sollte man das Fehlen von Aussagen über die nicht-bischöflichen Kirchen und deren Ämter — wie im übrigen audi die Tatsache, daß die Weiterführung des Bischofsamtes und damit des dreifachen Amtes von der Kirchenordnung und nicht von einer besonderen theologischen Lehre her bestimmt wird — nicht als argumentum e silentio überbewerten, denn grundsätzlich sehen die meisten anglikanischen Theologen in der Beibehaltung des historischen Bischofsamtes gerade nichts spezifisch Anglikanisches, sondern etwas so Wichtiges für die Kirche Christi, daß sie — trotz aller unterschiedlichen Beurteilung des historischen Bischofsamtes — eine Übernahme dieses Amtes durch nicht-bischöfliche Kirchen zu einer unerläßlichen Voraussetzung für eine Vereinigung oder Abendmahlsgemeinschaft mit diesen Kirchen erhoben haben. Der Vorrede zum Ordinal folgen die drei Gottesdienstordnungen für die Ordination zum Diakon und zum Priester und für die Konsekration zum Bischof. Der wesentliche Teil der Gottesdienstordnung für die Ordination zum Diakon23 besteht in der Handauflegung des Bischofs mit den Worten: "Take thou authority to execute the office of a Deacon in the Church of God committed unto thee; In the Name of the Father, and of the Son, and of the Holy Ghost. Amen." Im Unterschied zu den Ordnungen für die Ordination zum Priester und die Konsekration zum Bischof ist hier von einer Verleihung des Heiligen Geistes keine Rede, wie auch das Veni Creator Spiritus in dieser Ordnung fehlt. Nach der Handauflegung überreicht der Bischof dem Ordinanden das Neue Testament mit den Worten: "Take thou authority to read the Gospel in the Church of God, and to preach the same, if thou be thereto licensed by the Bishop himself." Diese Ubergabe des Neuen Testamentes bringt die Übertragung der Vollmacht of the three orders of bishops, priests and deacons since the apostles' time is 'evident unto all men' who are diligent students of the matter, it is stating an untruth." 22 Vgl. hierzu Η . W. Montefiore in: The Historic Episcopate, S. 109, und A.C. Headlam in: Report of the Committee Appointed by the Ardibishops of Canterbury and Y o r k to consider the Findings of the Lausanne Conference on Faith and Order, London 1930, Appendix 10, S. 113. 2 3 Der „deacon" in der Kirche von England entspricht etwa dem Vikar in der evangelischen Kirche in Deutschland, nicht aber dem Diakon. "The present-day diaconate bears no resemblance to the early ministry of the same name; and we are faced in this instance with the phenomenon of a new thing being given an old name in order to claim the identity of the t w o " (A. Ehrhardt, The Apostolic Ministry, Scottish Journal of Theology Occasional Papers N o . 7, Edinburgh 1958, S. 55).
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zum Ausdruck, das „diakonische" Amt zu verwalten. Weitere Funktionen des Diakons werden in den Fragen des Bischofs an den Ordinanden erwähnt: Assistenz des Priesters im Gottesdienst und besonders bei der Austeilung des Abendmahls; Katechismusunterricht der Jugend; Verwaltung der Taufe, wenn der Gemeindepfarrer abwesend ist, und karitative Arbeit in der Gemeinde. Während des langen Ordinationsgottesdienstes — dem das „Morning Prayer" vorausgeht und dem die Litanei wie auch die Feier des Heiligen Abendmahls eingefügt sind — werden folgende Schriftstellen verlesen: l.Tim.3,8—13 oder Act 6,2—7 (Epistel) und Lk. 12,35—38 (Evangelium). Wenn es in den Vorbemerkungen zu den Gottesdienstordnungen für die Ordination zum Diakon und zum Priester heißt, eine Predigt oder Ermahnung solle darüber gehalten werden, wie „notwendig" (necessary) das Amt des Diakons bzw. Priesters in der Kirche Christi sei, so könnte man diese wiederum vage Formulierung in der Weise verstehen, daß diese „bischöflichen" Ämter für die Existenz der Kirche unerläßlich sind. Demgegenüber weist Montefiore darauf hin, daß dem Oxford English Dictionary gemäß „necessary" im 16. und 17. Jahrhundert nicht immer als „indispensable" (unerläßlich), sondern auch als „useful" (nützlich) verstanden wurde. Auch müsse die erwähnte Formulierung im Zusammenhang mit den Artikeln XIX, XX und XXIII gesehen werden, von woher eine Interpretation im Sinne von „notwendig für die Existenz der Kirche" nicht möglich sei24. Auch in der Gottesdienstordnung für die Ordination zum Priester25 steht die bischöfliche Handauflegung im Mittelpunkt, sie bildet zusammen mit dem vorausgehenden Gebet den wesentlichen Teil der Ordination und wird von den Worten begleitet: "Receive the Holy Ghost for the office and work of a Priest in the Church of God, now committed unto thee by the imposition of our hands. Whose sins thou dost forgive, they are forgiven; and whose sins thou dost retain, they are retained. And be thou a faithful dispenser of the Word of God, and of his holy Sacraments; in the Name of the Father, and of the Son, and of the Holy Ghost. Amen." Das vorausgehende Gebet ("Almighty God and heavenly Father, who of thine infinite love and goodness towards us hast given to us thy only and most dearly beloved Son Jesus C h r i s t , . . . " ) gehört mit zum wesentlichen Ordinationsakt hinzu, doch ich kann Hammerstein H . W . M o n t e f i o r e , a.a.O. S. 109. Die meisten Anglikaner verstehen das W o r t „Priester" nicht im römisch-katholischen Sinne, zuweilen w i r d auch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß das W o r t „Priester" im Sinne v o n „Presbyter" zu verstehen sei; vgl. D . E . W . H a r r i s o n , a.a.O. S. 1 1 7 ; Doctrine in the Church of England, S. 124. Dieses Verständnis findet sich bereits bei Whitgift und Hooker, vgl. die Zitate bei N. Sykes, O l d Priest and N e w Presbyter, Cambridge 1 9 5 7 , S . 4 3 . 24
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Gaßmann, Bisdiofsamt
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nicht beistimmen, der meint, in diesem Gebet würde die Weihegnade erfleht, die in der Handauflegung dann dem Ordinanden zugewendet wird 2e . Das Gebet ist vielmehr ein Dankgebet für die göttliche Berufung des Ordinanden zum Amt, und es schließt die Bitte ein, auch weiterhin in der Dankbarkeit für diese und andere Gnadentaten Gottes zu bleiben. Von der Erflehung einer Weihegnade ist hier keine Rede — allerdings geht diesem Gebet ein gesungenes oder gesprochenes Veni Creator Spiritus voraus. Auf die Handauflegung folgt die Überreichung der gesamten Heiligen Schrift durch den Bischof, der dabei folgende Worte spricht: "Take thou authority to preach the Word of God, and to minister the holy Sacraments in the Congregation, where thou shall be lawfully appointed thereunto." In dieser Handlung kommt die Übertragung von Autorität, d.h. das jurisdiktioneile Element der Ordination, zum Ausdruck. Aus den Worten und Fragen des Bischofs an den Ordinanden ergeben sich die Funktionen des Priesters: der Verkündigungsauftrag; die Verwaltung der Sakramente; die Absolutionsvollmacht; die Aufrechterhaltung der Kirchenzucht und der reinen Lehre in der Gemeinde; der Unterricht und die Seelsorge. Während dieses Ordinationsgottesdienstes werden folgende Schriftstellen verlesen: Eph.4,7—13 (Epistel) und Mt. 9,36 f. oder Joh. 10,1—16 (Evangelium). Die Gottesdienstordnung für die Konsekration zum Bischof ist in ihrer äußeren Form der Ordnung für die Ordination zum Priester sehr ähnlich. Das der Handauflegung unmittelbar vorausgehende Gebet, dem wiederum — wie bei der Ordination zum Priester — das Veni Creator Spiritus vorangestellt ist, enthält hier allerdings die Bitte um die Verleihung der für die Ausübung dieses Amtes nötigen Gnade: "Almighty God and most merciful F a t h e r , . . . Grant, we beseech thee, to this thy servant such grace, that he may evermore be ready to spread abroad thy Gospel, the glad tidings of reconciliation with thee; and use the authority given him, not to destruction, but to salvation; not to hurt, but to h e l p : . . . " Darauf folgt die Handauflegung durch den Erzbischof und die Bischöfe mit den Worten: "Receive the Holy Ghost for the office and work of a Bishop in the Church of God, now committed unto thee by the imposition of our hands; In the Name of the Father, and of the Son, and of the Holy Ghost. Amen. And remember that thou stir up the grace of God which is given thee by this imposition of our hands: for God hath not given us the spirit of fear, but of power, and love, and soberness." Anschließend wird dem gewählten Bischof als jurisdiktionelles Komplement, 2 i Internationale Kirchliche Zeitschrift, Heft 2, S. 112 f. Allerdings ist in dem 1928 vom Parlament abgelehnten revidierten Prayer Book eine entsprechende Bitte in das der Handauflegung vorausgehende Gebet eingesdioben worden. Der Einschub lautet: "and we humbly beseech thee, by the same thy blessed Son, to endue them with all grace needful for their calling" (Corpus Confessionum, S. 334).
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wie bei der Ordination zum Priester, eine Bibel überreicht mit den Worten: "Give heed unto reading, exhortation, and doctrine. Think upon the things contained in this Book. Be diligent in them, that the increase coming thereby may be manifest unto all men. Take heed unto thyself, and to doctrine, and be diligent in doing them: for by so doing thou shalt both save thyself and them that hear thee. Be to the flock of Christ a shepherd, not a wolf; feed them, devour them not. Hold up the weak, heal the sick, bind up the broken, bring again the outcasts, seek the lost. Be so merciful, that ye be not too remiss; so minister discipline, that you forget not mercy: that when the chief Shepherd shall appear ye may receive the never-fading crown of glory; through Jesus Christ our Lord. Amen." Gemäß diesen Worten und den Fragen, die während des Gottesdienstes an den gewählten Bischof gestellt werden, erhält er folgende Funktionen übertragen: die pastorale Oberaufsicht über die ihm anvertraute Herde; die JurisdiktionsVollmacht; das Lehr- und Wächteramt über die Lehre; die Auferbauung und Leitung der Kirche und die Ordinationsvollmacht. Während dieses Konsekrationsgottesdienstes werden folgende Schriftstellen verlesen: l.Tim. 3,1—7 oder Act 20,17—35 (Epistel) und Joh. 21,15—17 oderjoh. 20,19—23 oder Mt. 28,18—20 (Evangelium). Zum Ordinal als Ganzem seien noch einige Schlußbemerkungen hinzugefügt. 1. In allen drei Gottesdienstordnungen wird der Ordinand bzw. der neue Bischof als erstes gefragt, ob er sich innerlich, gemäß dem Willen Jesu Christi, zu diesem Amt berufen weiß. 2. Die Handauflegung bei der Ordination zum Priester und bei der Konsekration zum Bischof wird ausdrücklich als Verleihung des Heiligen Geistes für das betreffende Amt verstanden. Bei der Ordination zum Diakon sprechen die die Handauflegung begleitenden Worte nicht von einer Geistmitteilung, sondern nur von einer Amtsbeauftragung. In Entsprechung dazu findet sich in diesem Ordinationsgottesdienst auch kein Veni Creator Spiritus. Offensichtlich sollte auf diese Weise eine Unterscheidung zwischen der Ordination zum Diakon und der Ordination zum Priester gemacht werden, die im Zusammenhang mit dem Verständnis eines dreifachen Amtes zu sehen ist. In der anglikanischen Literatur wird diese Unterscheidung kaum erwähnt und die Handauflegung in jedem Falle als Verleihung des Heiligen Geistes verstanden 27 . 3. Die Schriftlesungen in den drei Gottesdiensten bringen die Uberzeugung der Kompilatoren des Ordinals zum Ausdruck, daß das dreifache 27 Im Prayer Book von 1928 sollte dieser Unterschied offensichtlich beseitigt werden, denn in Analogie zur Ordination zum Priester und zur Konsekration zum Bischof ist hier vor die Handauflegung ein Ordinationsgebet eingeschoben worden, das ebenfalls die Birtf um die Gabe des Heiligen Geistes enthält; vgl. Corpus Confessionum, S.325.
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Amt — Diakon, Priester, Bischof — bereits in neutestamentlicher Zeit bestanden hat. Diese Auffassung wird auch im Vorwort zum Ordinal vertreten. Nur wenige Anglikaner halten heute noch an dieser Auffassung fest. 4. Die Ordinationen und Konsekrationen geschehen zum Amt in der „Kirche Gottes" und nicht nur zum Amt in der „Kirche von England". 5. Bemerkenswert ist das Fehlen aller Hinweise auf ein „priesterliches" Verständnis des Amtes. Dagegen fällt auf, wie stark der Verkündigungscharakter des Amtes in den Worten beim Ordinations- bzw. Konsekrationsakt und in den anderen Teilen der Ordinations- und Konsekrationsordnungen unterstrichen wird. Darum kann Hammersteins allgemeiner Folgerung, nach der das Ordinal keinen Zweifel daran läßt, daß die Kirche von England die Intention hatte, die Weihen und Ämter so zu verwalten, wie es vor der Reformation üblich war 28 , so nicht zugestimmt werden. Gewiß wollte die Kirche von England das aus Bischöfen, Priestern und Diakonen bestehende dreifache Amt fortsetzen, das geht auch aus dem Vorwort zum Ordinal hervor. Damit verbunden war die Beibehaltung bischöflicher Konsekration und Ordination. Aber vom speziellen und wesentlichen Opfercharakter des römisch-katholischen Amtes ist im Wortlaut der Ordinationsgottesdienste keine Rede. Der reformatorische Aspekt der Wortverkündigung nimmt in diesen einen wichtigen Platz ein, und vor allem ist bedeutsam, daß an die Stelle, wo im römischkatholischen Ordinationsgottesdienst Kelch, Paten und Elemente als Zeichen für die Verleihung der Opfervollmacht übergeben werden, im anglikanischen Ordinationsgottesdienst die Überreichung der Heiligen Schrift getreten ist. Augenscheinlicher und sinnfälliger hätte der durch die Reformation bestimmte Wandel im Verständnis des Amtes nicht zum Ausdruck kommen können. Und wenn römisch-katholische Theologen den Anglikanern vorhalten, die Intention des Ordinals habe sich gegenüber der Intention des vorreformatorischen römischen Ordinals gewandelt, so haben sie von hier aus gesehen gewiß recht29. Die Kirche von England hatte die Intention, das dreifache Amt der Kirche in apostolischer Sukzession fortzuführen, aber sie hat die römische Lehre von der priesterlichen Opfervollmacht bewußt aufgegeben und aus den Ordinationstexten entfernt. 6. Im Ordinal wird das historische Bischofsamt in apostolischer Sukzession und mit ihm das dreifache Amt und die Notwendigkeit bischöflicher Ordination als ein Faktum übernommen, für das im Vorwort des Ordinals aber nur eine allgemeine historische, aber keine theologische Begründung gegeben wird. Das Ordinal ist für das Amtsverständnis der 28 29
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Internationale Kirchliche Zeitschrift, 2. Heft, S. 113. So auch D . E . W.Harrison, a.a.O. S. 1 2 2 f .
Kirche von England gewiß von Bedeutung, aber zum historischen Bischofsamt und den damit zusammenhängenden Fragen, die seit jeher und ganz besonders heute im Mittelpunkt des anglikanischen Amtsverständnisses und der Gespräche und Verhandlungen anderer Kirchen mit den anglikanischen Kirchen stehen, enthält es keine Aussagen von besonderer theologischer Bedeutung. b) Die 39
Artikel30
Nicht nur auf Grund der grundsätzlichen Vorrangstellung des Book of Common Prayer, sondern auch im Hinblick auf ihren Gehalt müssen die Aussagen der 39 Artikel über das Amt im Zusammenhang mit dem Book of Common Prayer gesehen und verstanden werden. Folgende Artikel handeln vom Amt der Kirche: XXIII, XXVI, X X X I I und XXXVI. Artikel X X I I I (Of Ministering in the Congregation) verbietet, daß jemand ohne den rechtmäßigen Ruf und die Beauftragung der dazu autorisierten Männer predigt und die Sakramente spendet. Dieselbe Forderung ist auch im Vorwort zum Ordinal enthalten. Artikel XXVI (Of the Unworthiness of Ministers) handelt von der Unwürdigkeit eines Pfarrers, die keinen Einfluß auf die von ihm verwalteten Sakramente hat. Artikel X X X I I (Of the Marriage of Priests) erlaubt die Ehe für die Geistlichen. Der wichtigste Artikel ist Art. XXXVI (Of Consecrating of Ministers) 31. Dieser Artikel ist nichts anderes als ein ausdrücklicher Hinweis auf das sogenannte „Edwardische Ordinal", das während der Regierungszeit Edwards VI. im Jahre 1550 offiziell in der Kirche von England eingeführt worden war. Nach dem Artikel enthält dieses Ordinal alles Nötige, und alle Ordinationen und Konsekrationen sind nach ihm vorzunehmen. "The Book of Consecration of Archbishops and Bishops, and Ordering of Priests and Deacons, lately set forth in the time of Edward the Sixth, and confirmed at the same time by authority of Parliament, doth contain all things necessary to such Consecration and Ordering: neither hath it anything, that of itself is superstitious and ungodly. And therefore whosoever are consecrated or ordered according to the Rites of that Book, since the second year of the forenamed King Edward unto this time, or hereafter shall be consecrated or ordered according to the 30
Für die „Articles of Religion" ist sowohl der englische wie audi der lateinische Text maßgeblich. 31 Im Zusammenhang mit diesem Artikel behandelt z.B. Bicknell alle Fragen des geistlichen Amtes, a.a.O. S. 321—350.
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same Rites;. . H i e r wird also die Vorrangstellung des Book of Common Prayer von einem Artikel selbst bestätigt. Mit seinen Aussagen, daß dieses „Edwardische Ordinal" alles Notwendige für eine Ordination oder Konsekration enthält und in ihm nichts Abergläubisches und Gottloses zu finden ist, wendet sich der Artikel sowohl gegen puritanische als auch gegen römische Auffassungen und Einwände jener Zeit 3 2 . Allerdings bezieht sich dieser Artikel X X X V I auf ein Ordinal, das überhaupt nicht mehr in Geltung ist, da das heutige Ordinal aus dem Jahre 1661/62 stammt. Abgesehen von der Tatsache, daß das Ordinal von 1661/62 die Notwendigkeit bischöflicher Ordination und die dreifache Gliederung des Amtes gegenüber den Ordinals von 1550 bzw. 1553 klarer herausstellt, besteht zwischen ihnen kein grundsätzlicher Unterschied. Aus diesem Grunde wird man wohl auch diesen Artikel stehengelassen haben. Schließlich müssen noch die Artikel X X V und X I X erwähnt werden. In Art. X X V (Of the Sacraments) werden den zwei Herrensakramenten „jene fünf sogenannten Sakramente" (Those five commonly called Sacraments) gegenübergestellt und von diesen klar unterschieden. Zu diesen fünf „Sakramenten" wird auch die Priesterweihe gezählt. Die Anglokatholiken interpretieren diese Stelle so, daß sie die Ordination im Grunde doch als ein Sakrament bezeichnen können 33 , während die meisten nicht-anglokatholischen Theologen die Ordination als eine „sakramentale Handlung" ansehen34. Artikel X I X (Of the Church) erwähnt das Amt nicht. Dort ist, wie in Artikel 7 der Confessio Augustana, nur von der Predigt des reinen Wortes Gottes und der rechten Verwaltung der Sakramente, der Einsetzung Christi gemäß, die Rede. "The visible Church of Christ is a congregation of faithful men, in the which the pure Word of God is preached, and the Sacraments be duly ministered according to Christ's ordinance in all those things that of necessity are requisite to the same." 3 5 Von diesem Artikel aus kann der anglokatholische Standpunkt, wonach das historische Bischofsamt zum esse der Kirche gehört, keineswegs begründet werden, auch wenn man daran festhält, daß die Predigt des Evangeliums und die rechte Verwaltung der Sakramente ein besonderes Amt implizieren. E . J. Bicknell, a.a.O. S. 322. In diesem Zusammenhang schreibt Bicknell: "The difference between ourselves and the Church of Rome in the number of sacraments is mainly a matter of words" (a.a.O. S. 369). 3 4 Greenslade schreibt über die Ordination, daß sie „like a sacrament or a kind of sacrament" ist (Ordo, Scottish Journal of Theology, Vol. 9, N r . 2, S. 166). 3 5 Die Anglokatholiken sehen allerdings im Wortlaut dieses Artikels einen Hinweis auf das bischöflich ordinierte Amt, vgl. E. J.Bicknell, a.a.O. S . 2 3 4 ; C . H . S m y t h in: A . G . Hebert ed., The Parish Communion, London 1937, S.293. 32
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Abgesehen von dieser Folgerung aus Artikel X I X bieten die 39 Artikel keine wichtigeren Aussagen zur anglikanischen Lehre vom Amt. Gerade auch im Blick auf das Bischofsamt bestätigen sie zusammen mit den Aussagen des Ordinals nur die Feststellung Sykes', die Kirche von England habe nirgendwo eine offizielle theologische Lehre vom Bischofsamt niedergelegt36.
B. Das Amt in den Verlautbarungen der Lambethkonferenzen Bericht „Doctrine in the Church of England"
und im
Nicht nur wegen ihrer begrenzten Geltung in der Kirche, sondern vor allem audi auf Grund ihres Inhalts lassen das Ordinal und die 39 Artikel viel Raum für Ergänzungen, Neuinterpretierungen und Neuformulierungen der anglikanischen Lehre vom geistlichen Amt und besonders vom historischen Bischofsamt. Damit kommen halboffiziellen Verlautbarungen und für die Gedankengänge der neueren anglikanischen Theologie repräsentative Aussagen zum Amt eine besondere Bedeutung zu, da sie die Stellung der Mehrheit der anglikanischen Theologen zur Frage des Amtes im wesentlichen widerspiegeln. a) Die
Lambethkonferenzen
Die seit 1867 in Abständen von jeweils zehn Jahren im Londoner Lambethpalast — dem Sitz des Erzbischofs von Canterbury — stattfindenden Konferenzen aller Bischöfe der anglikanischen Gemeinschaft haben vor allem seit der Konferenz von 1920 eine immer größere Bedeutung erlangt. Sind die Beschlüsse und Verlautbarungen der Konferenzen auch nicht für die einzelnen anglikanischen Kirchen verbindlich, so üben sie als Ausdruck des Konsensus der Bischöfe der anglikanischen Gemeinschaft doch mehr und mehr einen indirekten wie auch direkten Einfluß auf das Leben, Handeln, das theologische Denken und die Entscheidungen der anglikanischen Kirchen aus. Die verbindlichen Entscheidungen werden zwar in den Konvokationen der einzelnen Provinzen getroffen, aber gerade auf den letzten Lambethkonferenzen wurden in Fragen der Kircheneinheit grundlegende und bestimmende Beschlüsse gefaßt. Das sogenannte „Lambeth Quadrilateral" (1886 von der „General Convention" der Protestantischen Episkopalkirche in Chicago verabschiedet und 1888 von der Lambethkonferenz angenommen, 1920 neu formuliert) ist von den anglikanischen Kirchen zur Basis aller ökumenischen Gespräche und Verhandlungen gemacht worden; der berühmte Aufruf zur " N. Sykes, a.a.O. S. 259. 39
Einheit („Appeal to all Christian People") der Konferenz von 1920 brachte neue Gespräche mit den englischen Freikirchen zustande und bestärkte und beeinflußte die langsam Gestalt gewinnende ökumenische Bewegung; in den Verhandlungen mit der Altkatholischen Kirche, den orthodoxen Kirchen, den schwedischen Lutheranern usw. und vor allem in den Diskussionen um die Kirche von Südindien und über neue Wiedervereinigungspläne mit anderen Kirchen in Asien und Afrika haben die Lambethkonferenzen bis heute eine entscheidenden Rolle gespielt. Die auf den Konferenzen gemachten Aussagen über das Amt sind sicher der Beachtung wert, da sie eine Ergänzung zu den Aussagen des Ordinals und der 39 Artikel darstellen und sie zudem ganz von dem ökumenischen Charakter der Abschnitte her bestimmt sind, in denen sie stehen — was zugleich zur Folge hat, daß sie sich auf einige Hauptfragen (d. h. im Grunde auf das historische Bischofsamt) beschränken. Im folgenden wird auf die grundlegenden Ausführungen, soweit sie nicht im Zusammenhang mit einem konkreten Unionsplan oder dergleichen gemacht worden sind, verwiesen 37 . Lambethkonferenz 1920. — Die letzten vier Konferenzen — 1920, 1930, 1938 und 1958 — gehen in ihren Ausführungen über das Amt jeweils vom Lambeth Quadrilateral aus. Danach schließt die sichtbare Einheit der Kirche die Annahme 1. der Heiligen Schrift, 2. des Nicaenums und des Apostolicums, 3. der beiden Herrensakramente und 4. eines allgemein anerkannten Amtes ein 38 . Vor 1920 wurde im Wortlaut des Quadrilaterals deutlich ausgesprochen, daß mit dem Punkt 4 nur das historische Bischofsamt gemeint war 39 , während die entsprechende Formulierung von 1920 unbestimmter erscheint: "A ministry acknowledged by every part of the Church as possessing not only the inward call of the Spirit, but also the commission of Christ and the authority of the whole body." 40 Daß mit diesem so beschriebenen Amt nur das historische Bischofsamt gemeint ist, geht aus der sich anschließenden Erläuterung expressis verbis hervor. Dort heißt es: „Historische Überlegungen und gegenwärtige Erfahrungen rechtfertigen den Anspruch, daß das Bischofsamt ein solches Amt, wie es hier 37 Auf die Aussagen der Lambethkonferenzen werde ich nodi einmal in Teil III zurückkommen. 38 The Lambeth Conferences (1867—1930), London 1930, S.39. 39 Im Quadrilateral von 1888 heißt es: "The Historie Episcopate, locally adapted in the methods of its administration to the varying needs of the nations and peoples called of God into the Unity of His Church" (zit. in E. R. Fairweather und R. F. Hettlinger, Episcopacy and Reunion, London 1953, S. 106). 40 The Lambeth Conferences (1867—1930), S.39.
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gefordert wird, darstellt. Darüber hinaus ist es das beste Instrument zur Aufrechterhaltung der Einheit und Kontinuität der Kirche und wird dies auch in Zukunft unter Beweis stellen. Allerdings sollte das Bischofsamt in einem konstitutionellen Rahmen ausgeübt werden." 41 Zugunsten des historischen Bischofsamtes werden in dieser Erläuterung also drei Begründungen angeführt: 1. Der Hinweis auf die Geschichte und 2. auf die gegenwärtige Erfahrung; 3. die Bedeutung des historischen Bischofsamtes für die Einheit und Kontinuität der Kirche. Gerade diese dritte Begründung ist seither in der anglikanischen Theologie und Kirche in den Vordergrund getreten. Lambethkonferenz 1930. — Der Abschlußbericht der Lambethkonferenz von 1930 über die „Einheit der Kirche" verweist wieder auf das Quadrilateral, in dessen 4. Punkt es mit den Worten des Berichts um den „historischen Episkopat" geht, der in einer oft zitierten Erläuterung 42 näher beschrieben wird: "When we speak of the Historic Episcopate, we mean the Episcopate as it emerged in the clear light of history from the time when definite evidence begins to be available." 43 Der Bericht fährt fort: Obwohl es über den Ursprung des Bischofsamtes verschiedene Auffassungen gibt, besteht doch kein Grund, die Aussage des Vorworts zum Ordinal anzuzweifeln: " . . . from the Apostles' time there have been these Orders of Ministers in Christ's Church: Bishops, Priests and Deacons." Welche zusätzliche Verschiedenheit auch immer in der ersten Zeit bestanden haben mag, so stimmt man überall doch darin überein, daß das Bischofsamt gegen Ende des 2. Jahrhunderts allgemein angenommen und auch in den Streitigkeiten des 4. und 5. Jahrhunderts niemals umstritten war. Kein anderes Amt kann in diesem Sinne als „historisch" bezeichnet werden. Dazu kommt: "The Episcopate occupies a position which is, in point of historic development, analogous to that of the Canon of Scripture and the Creeds." Wie der Kanon und die Glaubensbekenntnisse sich allmählich formten, so ist auch das Bischofsamt das Ergebnis eines ähnlichen Prozesses im Organismus der Kirche, wobei der in der Kirche wirkende Heilige Geist im Bischofsamt das geeignetste Organ für die Ausübung ihrer Funktionen gefunden hatte. Das historische Bischofsamt, wie es hier verstanden wird, geht hinter die späteren Entartungen dieses Amtes auf das ursprüngliche Verständnis des apostolischen Amtes zurück 44 . 4 1 Ebd., audi abgedruckt in: G . K . A . B e i l ed., Documents on Christian Unity, A Selection from the First and Second Series 1920—1930, O x f o r d 1955, S. 4. 42 Z.B. in: G . K . A . B e l l ed., Documents on Christian Unity, Third Series 1930— 1948, O x f o r d 1948, S . 7 — 1 0 ; N.Sykes, a.a.O. S . 2 4 6 ; G . K . A.Bell, Christian Unity: The Anglican Position, London 1948, S. 181 f.; etc. 4 3 The Lambeth Conferences (1867—1930), S . 2 1 8 . 4 4 Ebd.; Documents on Christian Unity, Third Series, S . 7 f .
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Das Bischofsamt wird noch näher erläutert: Der historische Episkopat — als eine Institution — wird durch Sukzession auf zweierlei Weise charakterisiert: Sukzession im Amt und Sukzession durch Konsekration. Die Funktionen des Bischofsamtes sind: Oberaufsicht über die Kirche und besonders über die Geistlichkeit, Aufrechterhaltung der Einheit in der einen Eucharistie, Ordination zum Amt, Schutz des Glaubens und Ausübung der Disziplinargewalt der Kirche. Wenn die anglikanische Kirche auf der Annahme des historischen Bischofsamtes besteht, nicht aber auf einer bestimmten Interpretation oder Theorie desselben, so bedeutet das doch nicht, daß sie auf der Annahme des Amtes losgelöst von seinen Funktionen besteht. "What we uphold is the Episcopate, maintained in successive generations by continuity of succession and consecration, as it has been throughout the history of the Church from the earliest times, and discharging those functions which from the earliest times it has discharged." 45 Mit Aussagen über das Verhältnis des historischen Bischofsamtes zur Wiedervereinigung schließt diese Erläuterung ab. Mit dem Begriff „historischer Episkopat" wird in der Erläuterung dieser Konferenz ein Bischofsamt näher qualifiziert, das gegen Ende des 2. Jahrhunderts allgemein angenommen worden war, das durch Sukzession im Amt und Sukzession in der Konsekration bis zum heutigen Tage weitergeführt wird und das dieselben Funktionen ausübt, die diesem Amt seit frühester Zeit zukommen. Der Begriff „historischer Episkopat", der mit dem Wort „Episkopat" synonym gebraucht wird, ist in der anglikanischen Theologie zum terminus technicus geworden, obwohl ihm die Mehrheit der anglokatholischen Theologen ablehnend gegenübersteht. Die Abneigung der Anglokatholiken gegen diesen Terminus kommt wohl daher, daß mit ihm im allgemeinen eine Begründung des Bischofsamtes verbunden wird, die nicht der anglokatholischen entspricht. Wie ja auch die Erläuterung dieser Lambethkonferenz für die anglokatholischen Theologen sicher nicht ausreichend war. Wie im Vorwort zum Ordinal und im Lambethbericht von 1920 steht der Hinweis auf die Geschichte auch in der Erläuterung dieser Lambethkonferenz an erster Stelle in der Begründung des historischen Bischofsamtes. Bemerkenswert ist, daß nach einigen unklaren Kompromißformulierungen der bekannte Satz im Vorwort des Ordinals ("It is evident unto all men diligently rading holy Scripture and ancient A u t h o r s , . . . " ) dahingehend interpretiert wird, daß man allgemein darin übereinstimmt, daß nach einer Zeit der Entwicklung das Bischofsamt gegen Ende des 2. Jahrhunderts allgemein angenommen worden war. Daß darum das historische Bischofsamt in einer Weise „historisch" ist, wie es kein anderes 4 5 The Lambeth Conferences (1867—1930), S.219, vgl. audi S . 2 2 2 ; Documents on Christian Unity, Third Series, S. 8 f.
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Amt sein kann, ist eine äußerst ungenaue Aussage, denn das Presbyteramt ist vom Standpunkt seines „Alters" aus gesehen gewiß noch „historischer", zumal ja auch die nicht-anglokatholischen Theologen die Auffassung vertreten, daß sich das Bischofsamt aus dem neutestamentlichen Presbyterat heraus entwickelt hat. Die formale Analogie, die zwischen der historischen Entwicklung und Annahme des Bischofsamtes und der historischen Entwicklung und Annahme des Schriftkanons und der altkirchlichen Glaubensbekenntnisse konstatiert wird, sollte sicher beachtet werden. Aber selbst wenn diese Analogie im allgemeinen zutreffend ist — aber auch das höchstens in formaler Hinsicht, da es inhaltlich um sehr verschiedene Größen geht —, so kann man doch auf Grund dieser Tatsache allein keine besondere Autorität f ü r das historische Bischofsamt beanspruchen, wie auch die Autorität und Bedeutung des Schriftkanons und der altkirchlichen Glaubensbekenntnisse nach evangelischem Verständnis nicht in erster Linie auf Grund ihrer Entwicklung und ihrer Annahme durch die Alte Kirche begründet wird, sondern durch ihren Inhalt. Erst wenn man nachweisen kann, daß das historische Bischofsamt als solches f ü r die Kirche eine besondere Bedeutung besitzt und in seiner Form und seinen Funktionen nicht im Widerspruch zur Heiligen Schrift und den aus ihr gewonnenen theologischen Einsichten steht, könnte die (formale) historische Analogie ein Gewicht haben. Auf jeden Fall wäre es sinnvoll, dieser Frage weiter nachzugehen. Lambethkonferenz 1948. — Audi im Bericht der Lambethkonferenz von 1948 wird dem Lambeth Quadrilateral und der ihm 1920 beigefügten Erläuterung zugestimmt 46 . Es wird darauf verwiesen, daß alle anglikanischen Kirchen mit dem Vorwort zum Ordinal die bischöfliche Ordination f ü r eine notwendige Bedingung f ü r die Ausübung des Amtes in der Kirche halten. Diese Einheit in der Praxis schließt aber nicht die Möglichkeit verschiedener Interpretationen aus. Danach sind eine Reihe von Anglikanern der Auffassung, das Bischofsamt gehöre zum esse der Kirche; sie können daher nicht-bischöfliche Ämter nicht als Ämter der Kirche anerkennen. Andere vertreten die Auffassung, der Episkopat sei Voraussetzung für die Übertragung der Amtsautorität, doch sehen sie die nicht-bischöflichen Ämter — da diese sichtbar von Gott gesegnet worden sind — als wahre Ämter und deren Sakramente als wahre Sakramente an. Zwischen diesen beiden Auffassungen liegen noch andere. Jedoch ist für alle Anglikaner die Annahme des Bischofsamtes als Teil des Lebens der Kirche und die Annahme der bischöflichen Ordination als einer Regel der Kirche eine Vorbedingung für die Beteiligung oder für die Einführung der Abendmahlsgemeinschaft. Doch muß Raum gelassen werden für verschiedene Interpretationen des Bischofsamtes, vorausgesetzt, daß die historische 49
The Lambeth Conference 1948, S. II. 50. 43
Sukzession aufrechterhalten wird und die traditonellen Funktionen beibehalten werden 47 . ' In den Aussagen dieser Lambethkonferenz wird das historische Bischofsamt als gegeben vorausgesetzt. Die Möglichkeit verschiedener Interpretationen dieser Tatsache wird eingeräumt, wobei man als Gegenstück zur esse-Interpretation des historischen Bischofsamtes offensichtlich nicht die sogenannte bene ewe-Interpretation im Auge hatte, sondern eine mehr in der Mitte zwischen den Extremen stehende Position. Darüber hinaus tauchen keine grundlegenden neuen Gedanken auf. Lambethkonferenz 1958. — Schließlich geht auch die Lambethkonferenz von 1958 in ihren Aussagen über das Amt wieder auf das Quadrilateral von 1920 zurück und macht zu dessen Erläuterung fast dieselben Aussagen wie die Konferenz in jenem Jahre 48 . Zusätzlich wird über das historische Bischofsamt noch folgendes gesagt: Die Loyalität zur langen Tradition der Kirche und zur eigenen Erfahrung führen zu der Uberzeugung, daß das geforderte, von allen Teilen der Kirche anerkannte Amt nur durch den historischen Episkopat erlangt werden kann. Zugleich ist der historische Episkopat Zeichen (mark) für die Einheit der Kirche. Hinzu kommt der Hinweis, daß das Bischofsamt nicht notwendigerweise in der Form, wie es zur Zeit in einer der anglikanischen Kirchen besteht, angenommen zu werden braucht. Ein schon bekannter Gedanke wird aufgenommen, wenn es heißt, daß das historische Bischofsamt mit seinen tratitionellen Funktionen seit ältester Zeit der Kirche durch die göttliche Vorsehung gegeben worden ist 49 . So ist das in der neueren anglikanischen Theologie zu beobachtende Bemühen, dem historischen Argument zugunsten des Bischofsamtes ein theologisches Gewicht zu verleihen, auch hier deutlich. Der Bericht auch dieser Lambethkonferenz enthält im Blick auf das historische Bischofsamt nichts, was über die Aussagen der vorangegangenen Konferenzen hinausginge. Zu den hier herangezogenen vier Lambethkonferenzen wäre zusammenfassend zu sagen, daß die grundsätzlichen Aussagen zur Begründung des historischen Bischofsamtes sich gemäß dem Einleitungssatz des Vorworts zum Ordinal vor allem auf den Hinweis auf die Geschichte stützen. Das Bischofsamt ist darum historisch, weil es nach einer Zeit der Entwicklung, die mit derjenigen des neutestamentlichen Kanons und der altkirchlichen Glaubensbekenntnisse verglichen wird, gegen Ende des zweiten Jahrhunderts allgemein angenommen worden war. Diese Entwicklung und Annahme des historischen Bischofsamtes wird im Bericht der Konferenz von 1958 als etwas Gottgewolltes interpretiert. Neben der Loyalität zu dieser langen Tradition der Kirche werden als weitere Begründungen die 47 48 48
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Ebd.S.II.50. The Lambeth Conference 1958, S.U.22. Ebd.
allgemeine Erfahrung und die Funktionen des Bischofsamtes angeführt. Das besondere Verhältnis dieses Amtes zur Einheit und Kontinuität der Kirche wird zwar erwähnt, aber nicht näher erläutert. Die Verteilung der •verschiedenen Begründungen auf die einzelnen Konferenzen beweist, daß niemals eine umfassende, systematische Begründung des historischen Bischofsamtes angestrebt wurde. Die Ausführungen über das historische Bischofsamt stehen jeweils im Zusammenhang mit dem Lambeth Quadrilateral, d.h. im Rahmen des Bemühens um die Einheit der Kirche. Es wird betont, daß f ü r die Errichtung einer vereinigten Kirche, an der Anglikaner mitbeteiligt sein sollen, die Annahme des historischen Bischofsamtes zusammen mit seinen traditionellen Funktionen und in einem konstitutiven Rahmen, nicht aber mit einer bestimmten theologischen Interpretation, eine Vorbedingung ist. Diese Bedingung wird aber weder mit der sogenannten esse-Theorie des Bischofsamtes noch mit der bene esse-Theorie (wonach das historische Bischofsamt lediglich praktische Vorzüge hat und im Grunde mit anderen Amtsformen gleichgestellt werden kann) begründet. Vielmehr entsprechen die auf den verschiedenen Konferenzen vorgetragenen Begründungen in ihrer Gesamtheit am ehesten den Auffassungen jener anglikanischen Theologen, die zwischen den Extremen von esse und bene esse stehen. Wenngleich die Lambethkonferenzen die das Amt betreffenden Fragen nur streifen, bieten sie doch gegenüber dem Ordinal und den 39 Artikeln eine ganze Reihe neuer Gesichtspunkte, die helfen können, das heutige Verständnis des Amtes und besonders des Bischofsamtes in der anglikanischen Theologie und Kirche etwas klarer zu sehen. Der eigentliche Sinn der hier behandelten Aussagen scheint darin zu liegen, daß sie auf eine Reihe von Aspekten hinweisen, die von anglikanischer Seite in Gesprächen oder Verhandlungen mit anderen Kirchen im Zusammenhang mit der anglikanischen Forderung nach Annahme des historischen Bischofsamtes und seiner traditionellen Funktionen zur Begründung und Erläuterung dieses Amtes vorgebracht werden. Für eine eingehendere Behandlung der betreffenden Fragen ist auf diese Weise der Rahmen abgesteckt und die Richtung gewiesen.
b) Der Bericht „Doctrine in the Church of
England"
Im Jahre 1922 ernannte der Erzbischof von Canterbury eine aus bedeutenden anglikanischen Theologen aller Richtungen zusammengesetzte Kommission 50 und beauftragte sie, einen Bericht über die Lehre in der 50
Ihr gehörten u.a. an: Erzbischof William Temple (Vorsitzender), E.J.Bicknell, Dean W.R.Matthews, P r o f . W . H . M o b e r l y , Canon J.K.Mozley, Prof. O.C.Quick, Bischof Α. E. J. Rawlinson, Dean E. G. Selwyn, Canon Β. H. Streeter, Prof. L. S. Thornton.
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Kirche von England (nicht:Lehre der KirchevonEngland!) auszuarbeiten. Im Jahre 1938 wurde der Bericht nach langer, intensiver Gruppenarbeit im Druck vorgelegt 51 . Dieser Bericht ist kein verbindliches Lehrdokument, er enthält auch eine ganze Reihe vager Kompromißformeln und theologischer Fragestellungen, die heute schon weitgehend der Vergangenheit angehören, dennoch bietet er eine repräsentative Darstellung der Grundzüge anglikanischer Theologie. Was die Bedeutung des gesamten Berichts angeht, so dürfte wohl eine Äußerung Bischof Beils zutreffend sein: "The Report is one of the most important Anglican documents of the last 50 years and has been far too little regarded." Er verweist hierbei auf die Mitarbeit bedeutender Theologen der verschiedenen theologischen Richtungen 52 . Aber auch kritische Urteile sind über den Bericht abgegeben worden 53 . Der Abschnitt über das Amt aus dem Bericht „Doctrine in the Church of England" unterscheidet sich von den Aussagen der anglikanischen „Bekenntnisse" und der Lambethkonferenzen sowohl in seinem äußeren Umfang als auch sachlich in der Art seiner Gedankenführung. Gegenüber den nur sehr kurzen, einige wenige Punkte ohne nähere Begründung berührenden Ausführungen der „Bekenntnisse" und der Lambethberichte bietet er eine umfassendere, theologisch aufgebaute Zusammenstellung einer ganzen Reihe wichtiger Aussagen zum Amt. Bemerkenswerter aber ist der Unterschied in der Art der Gedankenführung. Waren die „Bekenntnisse" und die Lambethberichte ausdrücklich vom Besitz des historischen Bischofsamtes ausgegangen, dessen Beibehaltung und Annahme dann vor allem mit Hinweisen auf die frühe, allgemeine Annahme durch die Kirche begründet wurden, so setzt der Abschnitt aus „Doctrine . . . " mit allgemeinen, grundlegenden Ausführungen über das Amt ein, um 51 Doctrine in the Church of England, The Report of the Commission on Christian Doctrine appointed by the Archbishops of Canterbury and York in 1922, London 1938. 52 G . K . A . B e l l in: Cambridge Sermons, Cambridge o.J., S.60. Man kann nicht sagen, daß der Bericht einen bestimmenden Einfluß auf die neuere anglikanische Theologie ausgeübt hat, aber er wird von vielen Theologen doch immer wieder erwähnt und z.T. auch zitiert (z.B. bei E.R.Fairweather und R.F.Hettlinger, a.a.O. S.79 und 109; Α. Τ. P. Williams, The Anglican Tradition in the Life of England, London 1947, S. 113; K.L.Carrick Smith, The Church and the Churches, London 1948, S. 103f.; A . E . J . Rawlinson, a.a.O. S. 38; etc.). 33 Algermissen schreibt über den Bericht: er „atmet den Geist indifferenter Toleranz in Glaubensdingen" (K.Algermissen, Konfessionskunde, 7.Aufl., Celle 1957, S.701). Seit der Reformation will die Kirche von England „reformiert und katholisch" sein, und in diesem Bemühen vereinigt sie in sich sehr verschiedene Elemente, die zwar keine theologische Einheit, aber eine spannungsvolle und zugleich gegenseitig befruchtende Einheit im Leben der Kirche ergeben. Die Gefahr, daß man als „kontinentaler" Katholik oder Protestant diese „Comprehensiveness" (ein Wort, für das es bezeichnenderweise kein deutsches Äquivalent gibt) als bloße Indifferenz oder kompromißfreudige Toleranz vorschnell abtut, liegt nahe.
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dann eine Reihe von theologischen Prinzipien herauszustellen, die der Begründung des historischen Bischofsamtes dienen sollen, an die sich dann erst direkte Ausführungen über das historische Bischofsamt anschließen. (Wenngleich natürlich indirekt die Tatsache des Besitzes des historischen Bischofsamtes die Art und Richtung der Argumentation dieses Abschnittes mitbestimmt haben wird.) Das historische Argument der frühen, allgemeinen Annahme des Bischofsamtes hat keine selbständige Bedeutung mehr, sondern tritt als notwendige Ergänzung zu den theologischen Aussagen hinzu. Dieses Schema findet sich bereits in den ersten grundlegenden Ausführungen des Abschnitts. Dort wird von Christi Wirken in seinem Leib, der Kirche, her gefolgert, daß die Kirche ein offizielles Amt braucht, das die Beauftragung besitzt, im Namen der ganzen Kirche zu handeln 54 . Hier schließt sich sogleich die „historische" Aussage an, daß das Neue Testament ein besonderes Amt als ein ursprüngliches und wesentliches Element im Leben der Kirche bezeugt. In gleicher Weise wird audi die Begründung für das historische Bischofsamt aufgebaut: Die Ermöglichung pastoraler Oberaufsicht in der Kirche und ein Amt, das — von der ganzen Kirche anerkannt — ein Symbol und wirksames Instrument der Einheit der Kirche ist und das — durch die Kontinuität der Amtsbeauftragung — Verkörperung der Apostolizität im Sinne einer ständigen Aussendung durch Christus wie auch Ausdruck der Kontinuität der Kirche ist, sind wesentliche Elemente im Leben der Kirche. Die historische Ergänzung hierzu lautet dann: Diese Prinzipien der Oberaufsicht und Kontinuität sind historisch mit der Institution des Episkopats verbunden worden. In diesem Zusammenhang wird darauf verwiesen, daß das historische Bischofsamt als Organ der Kontinuität eine Stellung innehat wie kein anderes Amt, da es schon sehr früh allgemein angenommen worden ist. Neben der großen Bedeutung, die in diesem Abschnitt dem Bischofsamt zugesprochen wird, werden auch eine Reihe der bischöflichen Funktionen als Begründung für dieses Amt angeführt. Doch wird für das Bischofsamt keineswegs ein Absolutheitsanspruch erhoben oder Aussagen gemacht, wonach dieses Amt zum esse der Kirche gehört. Es wäre audi zu fragen, ob die theologischen Aussagen, die hier das historische Bischofsamt begründen sollen, mit nicht-anglikanischen Augen gesehen, ausschließlich auf das historische Bischofsamt hinweisen. Die Ermöglichung und Ausübung der Oberaufsicht wie auch die Kontinuität der Amtsbeauftragung sind nicht nur an das historische Bischofsamt gebunden und ein „allgemein anerkanntes Amt" muß nicht gleichbedeutend sein mit einem „einheitlichen" Amt. Aber im Blick auf die in dem behandelten Abschnitt angeführten Prinzipien der Oberaufsicht, der Einheit und der Kontinuität 5 4 Hier könnte man allerdings fragen, ob die Ermöglidiung des Wirkens Christi in seiner Kirche bereits ein auf einzelne Personen beschränktes offizielles Amt fordert.
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könnte es wohl sein, daß hier das historische Bischofsamt eine besondere Bedeutung besitzt, die aber noch keinen grundsätzlichen theologischen Unterschied zu den nicht-bischöflichen Ämtern beinhaltet. Die apostolische Sukzession wird in dem vorliegenden Abschnitt vor allem mit dem Hinweis auf die Kontinuität der Amtsbeauftragung erläutert. Diese bringt die Einheit der Kirche heute mit der Kirche aller Zeiten zum Ausdruck und verkörpert in der Ordnung der Kirche das Prinzip der Apostolizität im Sinne einer ständigen Aussendung durch Christus. Durch die Kontinuität der Amtsbeauftragung sind die Amtsträger audi Nachfolger der Apostel und besitzen so eine besondere Autorität, während nicht-bischöfliche Ämter auf Grund des Bruchs der Kontinuität der vollen äußeren Autorisation ermangeln. Doch die Kontinuität der Amtsbeauftragung ist nicht linear auf die Sukzession beschränkt, vielmehr kommt die jeweilige Beauftragung zum Amt der Kirche vom auferstandenen Herrn selbst. So wird der apostolischen Sukzession eine bestimmte theologische Bedeutsamkeit zugesprochen. Diese ist aber keineswegs mit den Ansprüchen identisch, die von anglokatholischen Theologen in ihrer Lehre von der apostolischen Sukzession vorgetragen werden. Nur an einer Stelle ist in diesem Zusammenhang in unserem Text ein anglokatholischer Gedanke zum Durchbruch gekommen. Auf Seite 120 heißt es, die Amtssukzession sei das Unterpfand (pledge) für die Amtsbeauftragung durch Christus selbst. Mit anderen Worten: Christus habe sich in seinem gnädigen Handeln gleichsam an die apostolische Sukzession gebunden. Auf die Bedeutung, die die zerbrochene Einheit der Kirche für das historische Bischofsamt hat, das ja Symbol und wirksames Instrument der Einheit sein soll, wird nicht eingegangen. Im Unterschied zu den meisten anglikanischen Schriften und Aussagen zum Amt behandelt unser Abschnitt die Frage des Amtes nicht im Zusammenhang mit dem Problem der Wiedervereinigung der Kirchen und den damit verbundenen Fragen. Die dreifache Gliederung des Amtes wird vorausgesetzt. Danach besitzt der Bischof die Fülle des geistlichen Amtes zusammen mit einigen besonderen Funktionen, die ihm allein zukommen, während der Priester einen Teil des bischöflichen Amtes ausübt. Einige wichtige Abgrenzungen sind erwähnenswert. So wird der Versuch, dem Neuen Testament eine bestimmte Kirchenordnung zu entnehmen, abgelehnt. Audi wenden sich die Ausführungen des Abschnitts gegen ein in anglokatholischen Kreisen anzutreffendes Verständnis der Amtssukzession und des Amtes wie auch gegen ein streng evangelikales und in den Freikirchen verbreitetes Amtsverständnis 55 . Sodann wird unterstrichen, daß die Kontinuität des Amtes durch die Amtssukzession nicht 55
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Doctrine in the Churdi of England, S. 121.
das einzige Unterpfand für Einheit und Kontinuität der Kirche sei 58 , sondern nur zusammen mit der Schrift, den Glaubensbekenntnissen und den Sakramenten 57 . Der Gehorsam dem Herrn gegenüber kann einen Bruch der Kontinuität und die Errichtung eines neuen Amtes notwendig machen 58 . Schließlich können nach Ansicht des hier behandelten Abschnitts das historische Bischofsamt und das episkopale System verschiedene äußere Formen annehmen 59 . Die Errichtung nicht-bischöflicher Ämter in bestimmten Notsituationen wird für vertretbar gehalten, ihr sollte aber die Rückkehr in die Kontinuität des historischen Amtes folgen, sobald dies möglich ist. Von den nicht-bischöflichen Ämtern heißt es, daß sie von Gott angenommen und in Dienst genommen worden sind 60 . Diese Aussage entspricht — obwohl sie sich nicht eindeutig über die Rechtmäßigkeit (Validität) der nicht-bischöflichen Ämter äußert — keineswegs der anglokatholischen Auffassung, nach der nicht-bischöfliche Ämter nicht als wahre Ämter der Kirche Christi anzusehen sind. Abschließend sollen noch die Aussagen zusammengefaßt werden, die unser Abschnitt über das Verhältnis von Amt und Kirche macht. Der Abschnitt beginnt mit dem Hinweis auf das Heilswerk Jesu Christi und Christi ständige Gegenwart und Wirksamkeit in seinem Leibe, der Kirche, deren Haupt er ist. Von diesem Einsatz her ist es dann auch möglich, Aussagen über das Verhältnis von Amt und Kirche, d.h. über die Beauftragung zum Amt zu machen, die die Extreme auf Seiten der Anglokatholiken und der Evangelikaien überwinden: Das Amt ist Organ der Kirche, darum ist die Kirche aber nicht einfach dem Amt vorgeordnet, noch ist das Amt der Kirche übergeordnet. Die Kirche als Leib Christi ist der Bereich Seines Wirkens und die Ämter der Kirche sind Mittel für dieses Wirken, d. h. sie sind zugleich Organe Christi. Wenn also ein Mann ordiniert wird, so geschieht dies in der Kirche und durch die Amtsträger der Kirche, doch damit zugleich durch Christus selbst, der in der Kirche und durch die Träger des geistlichen Amtes wirkt. Das Amt leitet inmitten der Kirche seine Beauftragung vom auferstandenen und gegenwärtigen Herrn der Kirche her 61 . Der Abschnitt als ganzer vertritt eine theologische Mittelstellung zwischen anglokatholischen und evangelikalen Auffassungen. Es ist kaum anzunehmen, daß diese Mittelstellung lediglich Ergebnis eines abgerungenen Kompromisses ist, die Lektüre des Textes läßt diesen Eindruck kaum aufkommen. So ist der Abschnitt über das Amt im Bericht „Doctrine in the Church of England" als ein konstruktiver Versuch zu werten, eine theologische Begründung für das Amt und besonders für das Bischofsamt vorzulegen. 58 58 60
4
Ebd. Ebd. S. 1 2 0 . Ebd.
8220
Gaßmann, Bischofsamt
" Ebd. S. 1 1 9 . Ebd. S. 1 2 2 . 6 1 Ebd. S. 1 2 1 und 1 1 5 £. 59
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2. D a s A m t s v e r s t ä n d n i s der n i c h t - a n g l o k a t h o l i s c h e n Theologen A. Das Amt im Neuen a)
Testament
Einleitung
Am Anfang aller Aussagen der nicht-anglokatholischen Theologen über das Amt der Kirche steht fast ausnahmslos eine Befragung und Untersuchung des neutestamentlichen Befundes, wie einseitig und flüchtig diese zuweilen auch ausfallen mag. Das entspricht dem von der Kirche von England vertretenen Schriftprinzip, demgemäß die Heilige Schrift oberste Autorität für Lehre und Leben der Kirche ist 1 . Diese Befragung und Untersuchung des neutestamentlichen Befundes geschieht nun unter zwei Gesichtspunkten, die in den Darstellungen zumeist eng ineinander verwoben sind: 1. Was ist dem Text des Neuen Testaments positiv über das Amt in der Urkirche zu entnehmen, und welche Folgerungen sind daraus möglich? 2. Was ist von hier aus gegen die anglokatholische Interpretation des neutestamentlichen Befundes und den darauf aufbauenden weitgehenden Folgerungen zu sagen? Oft ist es gerade dieser zweite Gesichtspunkt, der eine Beschäftigung nicht-anglokatholischer Theologen mit diesen Fragen in Form einer Kritik der anglokatholischen Thesen und des Versuches einer eigenen, positiven Darstellung provoziert 2 . Man kann darüber hinaus ganz allgemein sagen, daß die Beschäftigung der nicht-anglokatholischen Theologen mit dem Problem des Amtes bisher allzusehr unter dem Eindruck der anglokatholischen Auffassungen geschehen ist. Auf diese Weise sind sie in eine defensive Haltung hineingedrängt worden, aus der sie sich erst langsam lösen. So fehlt z.B. immer noch ein Gegenstück zum großen anglokatholischen Sammelband „The Apostolic Ministry" 3 , obwohl es auf nicht-anglokatholischer Seite genügend hervorragende Theologen gäbe, die zu einem solchen Werk beitragen könnten 4 . Es ist zu hoffen, daß der mit dem von Carey herausgegebenen Band 5 begonnene Weg einer umfassenderen Behandlung des Amtsproblems weiter fortgeführt wird. 1 Vgl. Art. 6 der 39 Artikel und die Stellung der Heiligen Schrift im Allgemeinen Gebetsbuch. 2 Dies gilt für S.Neill ed., The Ministry of the Church, London 1 9 4 7 ; G.W.Η. Lampe, Some Aspects of the New Testament Ministry, London 1947 (abgek. Some Aspects); A . E . J . R a w l i n s o n , Problems of Reunion, b e s . S . 3 8 — 5 4 ; E. R. Fairweather and R. F. Hettlinger, bes. S. 6 3 — 8 1 , und viele Aufsätze in Zeitungen und Zeitschriften. 3 Κ . Ε. Kirk ed., The Apostolic Ministry, London 1946. 4 Um nur einige Namen zu nennen: Prof. G . W . H . L a m p e , Prof. Ch.Moule, Bischof J. Α. T. Robinson (Neues Testament); Prof. H . Chadwick, Prof S. L. Greenslade (Patristik und Kirchengeschichte); Prof. L.Hodgson, Dean H.Montefiore, Dean A . R . Vidier (Dogmatik). 3 K. Carey ed., The Historie Episcopate, London 1954.
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Auf die inneranglikanischen Auseinandersetzungen über die sich aus dem Neuen Testament für das Amt der Kirche ergebenden Folgerungen kann in Einzelheiten nicht eingegangen werden, doch werden die Hauptpunkte, an denen sich beide Seiten scheiden, aus der Darstellung leicht zu ersehen sein. Bei einer allgemeinen Charakterisierung der neutestamentlichen Aussagen zum Amt stimmen die nicht-anglokatholischen Theologen darin überein, daß das Neue Testament noch keine bestimmte, ausgebildete Kirchen- und Ämterordnung enthält 6 . Auch ist es nach Η ettlinger nie anglikanische Tradition gewesen, absolute Schriftautorität für eine bestimmte Form der kirchlichen Ordnung zu beanspruchen 7 . Das dreifache Amt der Kirche findet sich noch nicht in der Urkirche, es ist nicht von Jesus Christus eingesetzt worden, noch hat dieser Anweisungen für die weitere Entwicklung der Ordnung gegeben 8 . Edwards meint sogar, daß das Vorwort zum Ordinal eine „Unwahrheit" sagt, wenn es davon spricht, daß seit der „Zeit der Apostel" die drei Ämter der Bischöfe, Priester und Diakone in der Kirche Christi bestanden haben 9 . Der Kirche ging es in der ersten Zeit noch gar nicht darum, eine bleibende Ordnung zu schaffen. Sie lebte noch ganz in der Erwartung der nahen Wiederkunft des Herrn 1 0 . Außerdem hat vor allem Streeter ausführlich auf die Tatsache hingewiesen, daß in der Urkirche die Form der Ordnung in den Kirchen von Ort zu Ort variierte und so noch ganz ungefestigt war und Wandlungen und Entwicklungen unterlag 11 . Auf diese Tatsache sowie « E. R. Fairweather and R. F. Hettlinger, a.a.O. S. 68; N. Sykes, a.a.O. S. 238; G. W . H. Lampe, The Early Churdi and the Ministry, in: The Modern Churdiman, V o l . X L I , O x f o r d 1951, S . 1 8 6 (abgek. The Early Churdi); J.S.Bezzant, Episcopacy and Reunion, in: The Modern Churchman, Vol. X I X , O x f o r d 1929/30, S . 2 4 6 ; A . J . Tait, The Origin of Orders in Relation to Later Developments and Present Day Claims, in: The Call for Christian Unity, London 1930, S.56, 61 und 63. 7 E. R. Fairweather and R. F. Hettlinger, a.a.O. S. 68. Die Anglokatholiken sind anderer Meinung, sie verweisen auf „anglikanische Väter", nach deren Auffassung das episkopale System von den Aposteln eingesetzt worden sei. Vgl. z.B. A.L.Peck, Anglicanism and Episcopacy, London 1958, S. 63. 8 L.Hodgson, Essays in Christian Philosophy, London 1930, S. 145; O.C.Quick, Doctrines of the Creed, London 1938, S . 3 2 8 ; G. W . H. Lampe, Some Aspects, S . l f f . ; etc. 9 D.L.Edwards, a.a.O.S.27. 10 L.Hodgson, Essays, S . 1 4 5 ; G. W . H . L a m p e , Some Aspects, S . 7 und I f f . ; ders., The Early Church, S. 1 6 9 — 1 7 2 ; G . F . A l l e n , Episcopacy, in: Friends of Reunion Bulletin No. 47, Leominster, Sept. 1953, S. 5 f. 1 1 Β. H. Streeter, The Primitive Church, London 1930, Zusammenfassung auf S . 2 6 1 f . Headlam kritisiert allerdings an Streeters Darstellung, daß sie die Schnelligkeit, mit der sich eine einheitliche Ordnung der Kirche durchsetzte, nicht in den Blick bekommen habe. Vgl. A. C. Headlam, The Doctrine of the Church and Christian Reunion, 3. Aufl., London 1928, S . X I X . 4*
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auf die vielen vom Text unbeantworteten Fragen weisen auch andere Theologen hin 12 . Diese abgrenzenden Feststellungen werden ergänzt durch eine Reihe positiver Aussagen, die ebenfalls im Blick auf den gesamten Text gemacht werden. Danach war die Kirche in neutestamentlicher Zeit keineswegs ohne jede Ordnung oder gar anarchisch. Sie war, wie Quick schreibt, nicht „eine rein geistliche Gemeinschaft" (a purely spiritual society) — wenn darunter zu verstehen ist, daß alle äußeren Formen freigestellt waren oder daß die Leitung der Kirche nicht einem Amt zugeordnet, sondern eine Angelegenheit gelegentlicher Inspiration war. Die Urkirche war tatsächlich schon eine geordnete Gemeinschaft, wenn deren Organisation auch erst in ihren Anfängen stand 13 . Rawlinson sieht dies bereits in Jesu Wahl der zwölf Apostel begründet, deren Zahl mit der Anzahl der israelitischen Stämme übereinstimmt und die nach seiner Ansicht zum Ausdruck bringt, daß Jesus die Kirche nicht als strukturlose Einheit, sondern als ein geordnetes Volk (organized people) neu konstituierte 14 . Die weitere Formung der Kirche geschah dann im Rahmen der sich anschließenden Entwicklung, für die der inkarnierte Herr keine direkten Anweisungen gegeben hat 15 . Der Kirche waren demnach vom Anfang an die Grundelemente einer Ordnung mitgegeben, einer Ordnung allerdings, die noch wenig ausgeformt und noch sehr uneinheitlich war. b) Die Apostel Erst nach Ostern werden die Zwölf zu „Aposteln" im eigentlichen Sinne. Worauf gründet sich dieser neue Status und die damit verbundenen neuen Funktionen? Als Antwort hierauf führen die nicht-anglokatholischen Theologen die Augenzeugenschaft des Auferstandenen und die Aussendung und Beauftragung durch den Auferstandenen an. Einige Theologen16 legen hierbei die Betonung vor allem auf die Augenzeugenschaft als Grund des besonderen Apostelamtes, ohne natürlich damit die Beauftragung und Aussendung durch den Auferstandenen für unerheblich zu erklären; während andererseits Rawlinson vor allem im „Gesandtsein" durch den Auferstandenen die „Definition" des Apostels sieht 17 . Auftrag 12 L.Hodgson, Essays, S. 145f.; R.R.Williams, Authority in the Apostolic Age, London 1950, S. 74; S. Neill in: S. Neill ed., The Ministry of the Church, S. 11; A.Ehrhardt, The Apostolic Ministry, S.36; etc. 13 O . C . Quick, a.a.O. S . 3 2 9 f . 14 A . E . J.Rawlinson, a.a.O. S.38; vgl. auch L.Hodgson, Apostolic Succession and Christian Unity, Leominster 1947, S.7; O.C.Quick, a.a.O. S . 3 2 7 f . 15 O. C. Quick, a.a.O. S. 327 f. 16 Z.B. R.R.Williams, a.a.O. S.59; J.G.Davies, The Spirit, the Churdi and the Sacraments, London 1954, S. 166. 17 A. E. J. Rawlinson, a.a.O. S. 40.
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und Ziel der Sendung sind in Mt. 28,19 und Joh.20,21 enthalten: es ist eine evangelistische Sendung in die Welt, die von der Sendung des neuen Israels nicht getrennt werden kann 18 . Auch Erhardt betont besonders die Beauftragung durch den Auferstandenen, er schließt aber die Augenzeugenschaft mit ein: Ein Apostel ist " . . . a man who was commissioned by the risen Lord to be His witness" 19 . Und: "It has to be realized that the Apostles did not belong to this category [d.h. zu den nicht-regulären Ämtern], being men who had received their commission to preach the Gospel by the risen Lord Himself." 20 Und an anderer Stelle: " . . . an Apostle is a person who has experienced a visitation by the risen Lord, . . . " 2 1 Andere Theologen wie Hickinbotham, Edwards22 und Nicholls23 bringen die Einheit von Augenzeugenschaft und der Beauftragung durch den auferstandenen Herrn als Grund des Apostelamtes nun auch expressiv verbis zum Ausdruck. So schreibt Hickinbotham: "The primary function of the apostles was to bear witness of the things they had seen and heard, and they had an authority from which there was no appeal because they hat been the Lord's chosen eye-witnesses and had been directly commissioned by Him to proclaim what they had seen and its implications. Their authority was not something inherent in them but was due to their unique opportunity of seeing the drama of redemption." 24 Lampe verweist auf die Augenzeugenschaft als Grund des Apostelamtes nach Ostern 25 . Eine neue Beauftragung nach Ostern ist seiner Ansicht nach nicht unbedingt notwendig, da die Nachwahl des Matthias zeige, daß die Apostel als die engen persönlichen Gefährten des Herrn die Gründungsglieder und Repräsentanten der Kirche waren 2e . Doch geht Lampe über diese Einschränkung hinaus, indem er an anderer Stelle als weiteren wesentlichen Grund für das Apostelamt die Aussendung und Beauftragung durch den Auferstandenen anführt: " . . . to have seen the risen Lord was a necessary qualification for apostleship; but something more seems to have been required. As Holl remarks, the distinguishing 18
Ebd. A.Ehrhardt, The Apostolic Succession, S.13; ders., The Apostolic Ministry, S.5. 20 A.Ehrhardt, The Apostolic Succession, S.94; ders., The Apostolic Ministry, S.52. 21 Ders., The Apostolic Ministry, S.5. 22 D.L.Edwards, a.a.O.S.26. Er schreibt über Andronikus und Junias: "Perhaps these were men who, like the Twelve and St. Paul, had 'seen the Lord* in his risen glory, and had been commissioned by him to spread the news of his Resurrection; perhaps this was their one, and sufficient, title to the apostleship." 23 W. Nicholls, The Church and the Historical Jesus, World Council of Churches, Commission on Faith and Order, Genf 1957, S. 4. 24 J. P. Hickinbotham in: S.Neill ed., The Ministry of the Church, S.36. 25 G . W . H . L a m p e , Some Aspects, S. 10: "They [die Apostel] now become the chief witnesses to the truth of the resurrection, and as witnesses, the chief evangelists and the founders and directors, of the Church whidi arose on the foundation of that truth." 26 Ders., Some Aspects, S.10; Ders., The Early Church, S. 177. 19
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characteristic of an apostle is being sent, not seeing."27 Die 500 Zeugen von l.Kor. 15,6 wurden eben nicht als Apostel angesehen. Vielmehr wurden alle, die im Neuen Testament als „Apostel" bezeichnet werden, von Christus nach der Auferstehung besonders beauftragt 28 . c) Die Weitergabe des
Apostelamtes
Nach Pfingsten weitet sich der ursprüngliche Apostelkreis aus, nachdem zuvor schon Matthias an die Stelle des Judas getreten war. Neben Paulus zählen die nicht-anglokatholischen Theologen noch Barnabas (Act 14,14) und dann auch Andronikus und Junias (Rom. 16,7) zum erweiterten Apostelkreis 29 . Nach Lampe stellen auch die Abgesandten der Kirchen, die „Apostel der Kirchen" (2. Kor. 8,23) und Epaphroditus (Phil. 2,25) eine Ausweitung des ursprünglichen Zwölferkreises dar 80 . Doch diese Einzelheiten sind nicht weiter wichtig. Nach Ansicht der nichtanglokatholischen Theologen sind jedenfalls nur sehr wenige Männer zum ursprünglichen Apostelkreis hinzugetreten. Vor allem wird der Ausweitung des Apostelkreises keine besondere Bedeutung beigemessen, während von den anglokatholischen Theologen im Rahmen ihrer Interpretation des neutestamentlichen Befundes die Tatsache, daß nach Pfingsten noch einige Männer zum ursprünglichen Apostelkreis hinzutraten, hervorgehoben wird. Sie steht dort im Zusammenhang mit der entscheidenden Frage: Hatten die Apostel Nachfolger? Die Beantwortung dieser Frage ist nun auch für die nicht-anglokatholischen Theologen von höchster Bedeutung, sowohl grundsätzlich als auch als Antwort auf die anglokatholische Auffassung. Die nicht-anglokatholischen Theologen stimmen darin überein, daß die Apostel keine direkten Nachfolger haben konnten und hatten. Das m. E. gewichtigste Argument gegen die Thesen von einer direkten Nachfolge der Apostel ist das Verständnis des Apostelamtes, über das in Abschnitt b) referiert worden ist. Wenn das Apostelamt auf der Augenzeugenschaft und der Sendung und Beauftragung durch den Auferstandenen beruht und damit eine Autorität erhalten hatte, die — wie Edwards schreibt — personal und nicht institutionell war 31 , dann folgt daraus, daß nach der Himmelfahrt Christi niemand — außer Paulus — mehr auf diese Weise 27
Ders., Some Aspects, S. 13. Ebd. Das gilt natürlich nicht für die „Abgesandten der Kirchen". 29 G . W . H . L a m p e , Some Aspects, S. 13; Α.Ε.J.Rawlinson, a.a.O.S.43 (er zählt auch noch Silvanus hinzu); A.Ehrhardt, The Apostolic Succession, S. 13, 14 und 26; S. Neill, The Christian Society, London 1952, S. 29 (nur Paulus und Barnabas gehören zu den Aposteln im engeren Sinne). 30 G . W . H . L a m p e , Some Aspects, S. 12 und 11; vgl. auch Α.E. J.Rawlinson, a.a.O. S. 48. 31 D.L.Edwards, a.a.O. S.26. 28
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zum Apostel werden konnte. Eine ganze Reihe nicht-anglokatholischer Theologen trägt dieses Argument vor 3 2 . Im Zusammenhang mit der Frage nach den Nachfolgern der Apostel wendet sich Erhardt auch gegen die Identifizierung von „Apostelamt" und „apostolischem Amt" der Kirche, da das Apostelamt nicht tradierbar ist: "The Apostolic ministry of the Church, therefore, comes from or of the Apostles, but does not make its holder identical with the Apostles. This should be evident from the fact that an Apostle is a person who has experienced a visitation by the risen Lord, and that to grant this is not within the power of the Church." 3 3 Nicholls verweist ebenfalls auf die einzigartige Stellung der Apostel, die er zusätzlich noch darin begründet sieht, daß sie der Grund sind, auf dem die Kirche erbaut ist, daß sie dem Hause des Herrn Gestalt und Ordnung gegeben haben, und daß sie einen Grund gelegt haben, auf dem die anderen bauen müssen, denn ein neuer Grund kann nicht gelegt werden. Auch von hier aus gesehen ist der Apostolat einmalig und nicht übertragbar 3 4 . Als ein weiteres Gegenargument gegen die anglokatholische Behauptung einer direkten Nachfolge der Apostel führen die nicht-anglokatholischen Theologen die Tatsache an, daß sich im Neuen Testament keine Beweise für die Ernennung und Existenz von Nachfolgern der Apostel (d. h. von neuen Aposteln) finden35. In der Tat ist dies das am weitesten verbreitete Argument gegen die anglokatholisdie Auffassung. In den anglokatholischen Darstellungen spielen die sogenannten „Apostolischen Männer" als „Begleiter, Schüler und Erben der Apostel" 3 0 eine große Rolle 3 7 . Dagegen machen die nicht-anglokatholischen Theologen geltend, daß einmal ungewiß ist, wer außer Timotheus und Titus diese Apostolischen Männer waren 3 8 und daß wir gar nicht wissen, ob diese Männer in Sukzession ordiniert worden sind, was für eine Beauftragung sie empfangen haben, ob sie eine Sukzession weiter aufrechterhalten haben, und ob Presbyter nur von solchen Männern ordiniert worden sind 36 . Die sogenannten Apostolischen Männer können also keineswegs als ein Beweisstück für die These von einer direkten Nachfolge der Apostel gelten. 32 A.Ehrhardt, The Apostolic Succession, S . 8 4 ; G . W . Η . L a m p e , Some Aspects, S. 1 1 ; D . Ε . W . H a r r i s o n , a.a.O. S. 1 1 7 ; L.Hodgson, Apostolic Succession, S. 13; A. J. Tait in: The Call for Christian Unity, S.57. 3 3 A. Ehrhardt, The Apostolic Ministry, S. 5 f. 34 W . Nicholls, a.a.O. S.3 und 4. 35 R.R.Williams, a.a.O. S . 7 3 ; G . W . H . L a m p e , Some Aspects, S . 1 2 ; A.Ehrhardt, The Apostolic Succession, S. 14; A. C. Headlam, a.a.O. S . 4 4 ; etc. 36 Vgl. A. Farrer in: K . E . K i r k ed., The Apostolic Ministry, S. 170. 37 Ebd.S. 168—170. 38 Α . E . J.Rawlinson, a.a.O. S . 4 7 ; D.L.Edwards, a.a.O. S.28. 3 9 S. L. Greenslade, The Apostolic Ministry, in: Theology, March 1947, S. 83; G . W . H . L a m p e , The Early Church, S. 1 8 1 ; D.L.Edwards, a.a.O. S.28.
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Andererseits wird aber auch eingeräumt, daß die pastoralen und missionarischen Funktionen der Apostel weitergegeben werden konnten und daß die späteren Formen des Amtes in der Kirche vom Amt der Apostel hergeleitet werden 40 . Damit ist die Frage der Bedeutsamkeit der Apostel für die Kirche und für das Amt der Kirche angeschnitten. d) Die Apostel im Verhältnis zur Kirche und zum Amt der Kirche Als die Augenzeugen der Auferstehung Jesu Christi und als die von ihm Beauftragten sind die Apostel der Grund der Kirche41. Nicholls schreibt hierzu: Die Apostel sind — nach Christus — der Grund (foundation) der Kirche, auf dem die gesamte Struktur der Kirche errichtet ist 42 . Sie sind selbst Teil des Heilsgeschehens, sie waren die Baumeister, die dem Hause des Herrn Form und Ordnung gaben (l.Kor. 3,10), sie legten den Grund, auf dem alle anderen bauen müssen, denn ein neuer Grund kann nicht gelegt werden. Mit Nicholls verstehen die nicht-anglokatholischen Theologen die grundlegende Bedeutung der Apostel für die Kirche vor allem im historischen Sinne. Gerade aber die bleibende Bedeutung, die die Apostel auf Grund des Apostolischen Christuszeugnisses als normativer Grund und autoritatives Gegenüber der Kirche aller Zeiten und des kirchlichen Amtes haben, wird nur von wenigen Theologen herausgestellt 43 . Auf diese Weise wird die grundlegende Bedeutung der Apostel nicht nur unvollständig beschrieben, sondern ein wichtiges Argument zugunsten der Einzigartigkeit des Apostelamtes bleibt unerwähnt. Vor allem kann die Lehre von der apostolischen Sukzession und von der Apostolizität der Kirche nur in Verbindung mit dem grundlegenden, einmaligen und bleibenden Dienst der Apostel, dem die Kirche das apostolische Evangelium verdankt, umfassend entwickelt werden. Es ist deutlich, daß die Uberbetonung der Amtssukzession in den Avissagen über die apostolische Sukzession auch durch viele nichtanglokatholische Theologen in dem Versäumnis, die Bedeutung der Apostel 40 Vgl. W.Nicholls, a.a.O. S.4; G . W . H . L a m p e , The Early Church, S.186; A . E . J . Rawlinson, a.a.O. S. 51. 41 O.C.Quick, a . a . O . S.328; G . W . H . L a m p e , Some Aspects, S.10; ders., The Early Church, S. 174; A.Ehrhardt, The Apostolic Ministry, S. 1. 42 W. Nicholls, a.a.O. S.3 und 4. 43 R. F. Hettlinger und J. P. Hickinbotham gehören zu den Ausnahmen. Hettlinger schreibt a.a.O. S. 78: "There is a sense in which the ministry as well as the Church stands under the judgement of historic apostolicity as preserved in the Canon and the Ecumenical Creeds." Und auf S. 79: "There is a 'once-for-all' character about the apostolic testimony which must remain historically determinitative of the future." Hickinbotham schreibt in: S.Neill ed., The Ministry of the Church, S.37 über das Bischofsamt: "It is a dependent ministry subject to appeal to the apostolic authority now crystallized in the Bible."
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als Grund der Kirche nicht nur nach einer Seite hin zu durchdenken, ihren Grund hat. Das Apostelamt wird nun auch als Grund des apostolischen Amtes der Kirche beschrieben. Nicholls tut dies ebenfalls historisch, indem er auf die Entwicklung vom Apostolat zum monarchischen Bischofsamt hinweist. Er stellt diese Entwicklung neben die Entwicklungen, die zur Ausbildung des neutestamentlichen Kanons und der altkirchlichen Glaubensbekenntnisse führten 44 . Hiervon wird später noch zu reden sein45. Erhardt beschreibt das Verhältnis von Apostelamt und apostolischem Amt ebenfalls in Verbindung mit der Ausbildung des neutestamentlichen Kanons und der Glaubensbekenntnisse, wobei sein Grundgedanke der ist, daß das apostolische Amt der Kirche auf dem Apostelamt gründet, bzw. daß dieses Amt von den Aposteln hergeleitet ist4®. Er setzt mit der bereits angeführten (hier S. 55) Unterscheidung der Begriffe „apostolisch" und „Apostel" ein. In welcher Weise kommt das apostolische Amt der Kirche von den Aposteln her? Erhardt geht von den Funktionen des apostolischen Amtes aus. Dieses ist in besonderer Weise bevollmächtigt, Christi Verwaltung seiner drei Ämter zu repräsentieren: nämlich Christi munus regium, indem es die Ordnung der Kirche aufrechterhält, die Jurisdiktionsvollmacht besitzt, die Ordination und Konsekration ausübt und über die Schlüsselgewalt verfügt; es repräsentiert Christi munus propheticum, indem es predigt, lehrt, forscht und die Tradition der Kirche bewahrt und Christi munus sacerdotale, indem es den Gotesdienst der Kirche leitet. Die Verbindungslinie zu den Aposteln wird mit der Feststellung gezogen, daß diese in der Urkirche zuerst diese drei „Ämter" ausgeübt haben 47 . Während die Anglokatholiken aus der Identität von bestimmten Funktionen der Apostel und der späteren Bischöfe auch eine Identität im Status beider folgern, sieht Erhardt in dieser Identität der Funktionen den Beweis dafür, daß das apostolische Amt auf dem Apostelamt gründet 48 . Allerdings beweist diese Überlegung keineswegs eine besondere geistliche Vorrangstellung des historischen Bischofsamtes, denn die festgestellte Identität der Funktionen ist nicht an eine bestimmte Amtsform gebunden. Die Ausführungen von Erhardt und Nicholls unterscheiden sich zwar im einzelnen, aber ihre Gemeinsamkeit besteht darin, daß sie das Verhältnis von Apostelamt und apostolischem Amt historisch betrachten. Auch in dieser Frage hat man es versäumt, die grundlegende 44
W. Nicholls, a.a.O. S.4. « Vgl. hier S.72. A.Ehrhardt, The Apostolic Ministry, S. 5. Ober den Begriff „apostolisch": "It signifies rather that we claim that the Apostolic ministry is derived from the Apostles, and through them from Jesus Christ, but not directly from Him." Und auf S. 10: ". . . the Apostles, upon whom the Apostolic ministry of the Church is founded in particular." 46
47
Ebd. S. 9 f.
48
Ebd. S. 10.
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Bedeutung des apostolisdien Christuszeugnisses für das Verhältnis von Apostelamt und apostolischem Amt zu entfalten. Die Apostel werden als Träger eines Amtes in der Kirche bezeichnet49, doch sie haben ihr Amt nicht „von der Kirche", wie sie auch selbst nicht von der Kirche sind, sondern Gaben, die Gott in seiner Gnade der Kirche geschenkt hat 50 . Mit folgendem Satz wird die Stellung der Apostel in der Kirche kurz und treffend umschrieben: "The Apostles are in the Church, but not of the Church; the bishops are of the Church, and may or may not be in the Church." 51 Die nicht-anglokatholischen Theologen beschreiben die Apostel als Grund sowohl der Kirche als audi des apostolischen Amtes der Kirche. Doch sie sehen beides zu sehr unter einem nur historischen Gesichtspunkt, während die bleibende Bedeutung der Apostel für die Kirche aller Zeiten und für deren Amt auf Grund des apostolischen Kerygmas, das als Norm über allem Denken und Handeln der Kirche steht, kaum in den Blick kommt. e) Die Funktionen der Apostel Die Apostel hatten Teil an den drei „Ämtern" Christi, sie verwalteten diese in der Urkirdhe. Diese These Erhardts gibt uns eine Gliederung für die Funktionen der Apostel an die Hand. 1. Die Apostel verwalteten das „munus regium" in der Verdammung von Ananias und Saphira im Namen des Heiligen Geistes, in der Exkommunikation des Simon Magus, vor allem auch in der Ordination der Sieben, der Konfirmation der Samaritaner und in der Gründung und Organisierung vieler Kirchen unter den Juden und Heiden 52 . Die Apostel besaßen eine besondere Autorität über die ganze Kirche, ohne damit zu beanspruchen, das Wirken des Heiligen Geistes zu kontrollieren. Sie forderten, daß man ihnen gehorchte (1.Kor. 4,14—21), und die Kirche scheint diese Forderung anerkannt zu haben (vgl. Act 15) M . 2. Die Apostel verwalteten das „munus propheticum", indem sie predigten 54 ; sie waren wesentlich Träger des Wortes, denn in ihrem Fall und nur allein hier war das Evangelium von der Existenz eines bestimmten Amtes abhängig 55 . 49 W.Nicholls, a.a.O. S.3: " . . . the Apostles were in fact the first Christian ministers." Vgl. audi J. E.Fison, The Faith of the Bible, Harmondsworth 1957, S. 172. 50 A.Ehrhardt, The Apostolic Ministry, S.3. 51 52 Ebd. Ebd. S. 10. 53 R. F. Hettlinger, a.a.O. S. 71; vgl. audi A. E. J. Rawlinson, a.a.O. S. 41 und 44; L.Hodgson, Apostolic Succession, S. 13; A . C . H e a d l a m , a.a.O. S.30 und 63; etc. 54 A.Ehrhardt, The Apostolic Ministry, S. 10; A . C . H e a d l a m , a.a.O. S.30. 55 G . W . H . L a m p e , The Early Church, S. 173f.
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3. Das „munus sacerdotale" der Apostel bestand in der Verwaltung des Abendmahls und der Taufe, in Gebet, Lobpreis und Dank 5 6 . Die besondere Autorität, die die Apostel in der Urkirche besessen und ausgeübt haben, wie audi das ihnen wesentlich zukommende munus propheticum werden nicht in Frage gestellt. Aber zu den anderen hier aufgezählten Funktionen machen die nicht-anglokatholischen Theologen doch einschränkende Bemerkungen. D a ß die Apostel die alleinigen Verwalter der Ordination waren, wird bezweifelt 5 7 . Gerade in der späteren Teilnahme der Presbyter an den Ordinationen sieht Neill einen Beweis dafür, daß am Anfang nicht nur die Apostel ordiniert haben 58 . Audi hält es Hettlinger für unwahrscheinlich, daß man bei der Gründung von Kirchen durch unbekannte Evangelisten oder nach dem Tode von Ältesten oder deren Wegzug aus der Gemeinde jedesmal bis zum Besuch eines Apostels wartete, um dann Amtsträger zu ernennen oder die entstandenen Lücken zu füllen 5 9 . Auch die Konfirmation wird nach Meinung niditanglokatholischer Theologen nicht ausschließlich von den Aposteln verwaltet worden sein. Man wird kaum annehmen können, schreibt Lampe, daß Paulus jene Konvertiten konfirmiert hat, die er — und darüber ist er ja froh — nicht getauft hatte ( l . K o r . 1,14) e o . Weiterhin wird geltend gemacht, daß nach Pfingsten längst nicht alle Kirchen von Aposteln gegründet worden sind, wie zum Beispiel die großen Kirchen von Antiochia, Rom und Alexandria. "Such churches would naturally be 'founded' by pilgrims to Jerusalem, who . . . returned home with the 'good news'." Diese Kirchen mußten auch in ihrer Organisation sehr verschieden sein 01 . 36
A.Ehrhardt, The Apostolic Ministry, S. 10. « R.R.Williams, a.a.O. S.59; G . W . H . L a m p e , Some Aspects, S.14; A . C . H e a d l a m , a.a.O. S. 85; S. L. Greenslade, Ordo, a.a.O. S. 171. 38 S.Neill in: S. Neill ed., The Ministry of the Church, S. 16. 59 R.F.Hettlinger, a.a.O. S.72; vgl. auch A.Ehrhardt, The Apostolic Succession, S. 13; J.E.Fison, a.a.O. S. 171. 60 G . W . H . L a m p e , Some Aspects, S.14; ders., The Early Church, S. 180: Die Konfirmationen der Samaritaner und in Ephesus sind Ausnahmen und weisen auf keinen ständigen Brauch hin. Dem wäre noch hinzuzufügen, daß die oben als „Konfirmation" beschriebene Handauflegung der Apostel (Act 8,17) in der deutschen evangelischen Theologie als ein regulärer Bestandteil der Taufe bezeichnet wird (RGG, 3. Aufl., Band III, Tübingen 1959, Sp. 54; Evangelisches Kirchenlexikon, Band II, Göttingen 1958, Sp. 14; E.Haendien, Die Apostelgeschichte, Göttingen 1956, S.254, 256 bis 258; R.Bultmann, Theologie des Neuen Testamentes, 2.Aufl., Tübingen 1954, S.133 und 138; E.Lohse, Die Ordination im Spätjudentum und im Neuen Testament, Göttingen 1951, S.71). Erst später wurde die Handauflegung von der Taufe getrennt und lebte als „confirmatio" weiter (vgl. E.Haenchen, a.a.O. S.254). Dagegen schreibt das Oxford Dictionary of the Christian Church, S. 607, über die Handauflegung: "The Apostles and the Primitive Church employed it in Confirmation (Acts 8 and 19) and in O r d i n a t i o n . . . " " J.S.Bezzant, a.a.O. S . 2 3 7 f . ; G . W . H . L a m p e , The Early Churdi, S.179; A.Ehrhardt, The Apostolic Succession, S.24; J.E.Fison, a.a.O. S. 171.
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Schließlich wird auch bezweifelt, daß die Apostel die alleinigen Verwalter des Abendmahles waren 62 . Belege aus dieser Zeit fehlen, doch man nimmt an, daß sich an vielen Orten die Christen auch in Abwesenheit von Aposteln zum Abendmahl versammelt haben und die Feiern dann von Presbytern geleitet wurden 63 . Alle diese Einschränkungen sollen deutlich machen, daß die Apostel zwar diese verschiedenen Funktionen ausgeübt haben, ohne daß diese aber bereits in einer „amtlichen" und ausschließlichen Weise mit ihrer Person verbunden waren, wie das später — trotz mancher Ausnahmen — beim Bischofsamt der Fall war. Man hätte allerdings noch darlegen können, wie alle diese Funktionen im Zusammenhang mit der besonderen und einmaligen Stellung der Apostel gesehen werden müssen 64 . Die von den Anglokatholiken behauptete Identität der exklusiven Verwaltung bestimmter Funktionen zwischen Aposteln und Bischöfen trifft also in nur sehr beschränktem Maße zu. Doch sollte diese Feststellung in der Auseinandersetzung mit den anglokatholischen Argumenten an zweiter Stelle stehen, da die wesentliche Entscheidung mit der Beantwortung der Frage gefällt wird, ob die Apostel Nachfolger, die den gleichen Status wie sie selbst besaßen, d. h. neue Apostel, ernennen konnten und ernannt haben. f) Die Apostel und das örtliche Amt Die von Headlam gemachte Unterscheidung zwischen einem örtlichen und einem missionarischen Amt — das örtliche Amt aus Presbytern und Diakonen und das missionarische Amt aus Aposteln, Propheten, Evangelisten und Lehrern bestehend — wird von anderen nicht-anglokatholischen Theologen, wenn auch in etwas anderer Form, übernommen 65 . Die Apostel, deren besondere Funktionen die Mission und die Predigt waren, werden den von ihnen gegründeten Gemeinden eine Ordnung und Leitung gegeben haben. Uberall, wo im Neuen Testament die Ernennung von Ältesten berichtet wird, geschieht dies durch Apostel oder deren Abgesandte 66 . Während Lampe der Ansicht ist, daß wir nichts über das „wie" der Ubergabe von Ordnung und Leitung an die Ortsgemeinden wissen 67 und er deren Ausformung und Leitung als eine Aufgabe der Presbyter ansieht 68 , deutet Η ettlinger auf die Möglichkeit hin, daß bei A.Ehrhardt, The Apostolic Ministry, S.21. S.Neill in: S.Neill ed., The Ministry of the Church, S . l l f . ; A . C . H e a d l a m , a.a.O. S. 81: man kann dies aus Paulus, der Didache und Clemens schließen. 64 G . W . Η . Lampe, The Early Church, S. 173 f., denkt in diese Richtung, wenn er sagt, daß die Apostel die „wesentlichen" (essential) Träger des Wortes waren, da in ihrem Fall das Evangelium von der Existenz eines bestimmten Amtes abhängig war. 6 5 A . C . H e a d l a m , a.a.O. S . 6 0 f . ; W.Nidiolls, The Church, S . 8 ; und andere. β β R. F. Hettlinger, a.a.O. S.71. 67 G . W . H . L a m p e , The Early Church, S. 179. 88 Ebd. S. 172. 62 63
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Pauli Einsetzung von Presbytern in jeder Kirche (Act 14,23) die Ordination der Sieben (Act 6) die Praxis bei diesen Gelegenheiten illustriert haben mag 64 . Allgemein sieht man in der Ordination der Sieben das Vorbild aller späteren Ordinationen 70 . Erhardt nimmt an, daß die Organisation der Jerusalemer Gemeinde — die er als eine konstituierte Körperschaft beschreibt71 — auf die Form der von Paulus und Barnabas gegründeten Kirchen Einfluß gehabt hat 72 . Es herrscht Ubereinstimmung darüber, daß die örtlichen Ämter und die Ortsgemeinden den Aposteln untergeordnet waren 73 . Eine Gegenüberstellung von einem freien, charismatischen und einem geordneten, institutionellen örtlichen Amt wird ausdrücklich abgelehnt74. Es waren zwei Ämter oder besser Ämtergruppen, die sich in der Urkirche gegenüberstanden, wobei das ortsungebundene Amt der Apostel dem örtlichen Amt der Presbyter/Episkopen übergeordnet war, wenngleich nicht alle mit dieser Überordnung zusammenhängenden Einzelheiten bekannt sind und von einer festgelegten, amtlichen Zuordnung beider Ämter noch keine Rede sein kann, da sich die Urkirche noch keine feste Ordnung gegeben hatte. g) Das örtliche Amt Nach dem endgültigen Bruch zwischen Synagoge und Kirche mußten die Christen ihre eigenen Gemeinden formen. So entstand ein örtliches Amt, und christliche Presbyter wurden eingesetzt. Sie wurden sowohl als „Presbyter" als auch als „Bischöfe" bezeichnet. In apostolischer Zeit übten sie ein normales und reguläres Amt aus 75 . Seit Lightfoots Kommentar zum Philipperbrief wird von den nicht-anglokatholischen Theologen, ja selbst von älteren Hochkirchlern76, allgemein die Auffassung vertreten, daß die beiden Bezeichnungen „Presbyteros" und „Episkopos" ·» R . F. Hettlinger, a.a.O. S . 7 1 . 7 0 A . E h r h a r d t , The Apostolic Ministry, S . 2 1 : "The Ordination of the Seven is meant by St. Luke to establish precedent for all ordinations in the Catholic Church." 7 1 A . E h r h a r d t , The Apostolic Succession, S . 2 2 . 7 2 Ebd. S. 26. 7 3 A. E. J. Rawlinson, a.a.O. S.41 und 4 4 ; vgl. audi S.Neill, The Christian Society, S. 2 9 ; etc. 7 4 Vgl. z . B . A.Ehrhardt, The Apostolic Succession, S. 100ff.; A . C . H e a d l a m , a.a.O. S.61, Anm. 1. 7 5 A . C . H e a d l a m , a.a.O. S . 6 4 ; vgl. ders. audi in: R.Dunkerley ed., The Ministry and the Sacraments, London 1937, S. 330. 7 6 Z . B . bei A.Robinson in: H . B . S w e t e ed., The Early History of the Church and the Ministry, London 1918, S. 83 f.; Ch.Gore, The Church and the Ministry, N e w Edition, London 1949, S . 2 3 5 ; K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, London 1929, S. 25.
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in der Urkirche keine verschiedenen Ämter bezeichneten77. Zu den beiden Bezeichnungen selbst finden sich einmal Untersuchungen, die deren (verschiedene) Herkunft zu erhellen suchen78 — die aber für unseren Zweck nicht von Bedeutung sind — wie auch eine allgemeine Charakterisierung, die aber nur da zutrifft, wo beide Bezeichnungen nebeneinander gebraucht werden (z.B. in Act 20,17—28): "Some, like presbyteros denote status, others such as episcopos and diakonos denote function; they do not describe formal rank of office." 70 Die beiden Termini bezeichnen demnach jeweils den Status und eine bestimmte Funktion desselben Amtes. Uber die Presbyter/Episkopen selbst schreibt Lampe: "Presbyters are evidently people who, for various reasons are men of high standing in the community. In Jerusalem in the early days this may have been due chiefly to actual seniority; the older men may well have occupied a position of leadership, . . . " Paulus und Barnabas haben die von ihnen ernannten Ältesten sicher auf Grund von deren Alter und Stellung ausgesucht. Diese Ältesten schlossen Männer mit besonderen Charismen, liturgische Amtsträger, die Verwalter der praktischen Gemeindeangelegenheiten und würdige und verehrte Männer aller Art (die „hegoumenoi" von Hebr. 13,7) mit ein. Dies ist nach Ansicht Lampes der „Status" eines Presbyters. Daran anknüpfend fährt er fort: „Eine besondere Funktion, die von Presbytern ausgeübt werden konnte, war die Oberaufsicht — episcope — über eine Gemeinde." 80 Im Zusammenhang mit den Funktionen der Apostel wurde bereits erwähnt, daß die Presbyter nach Ansicht der nichtanglokatholischen Theologen von den Aposteln eingesetzt bzw. ordiniert wurden — wenn wohl auch nicht in allen Fällen — und diesen weiterhin untergeordnet waren. Zugleich haben die Presbyter aber audi selbst ordiniert, konfirmiert und das Abendmahl gespendet, wenn ein Apostel nicht anwesend sein konnte 81 . Sie waren außerdem Leiter, Hirten, Hüter, Verwalter und oft audi Lehrer der Kirchen 82 . Später sollte dann das örtliche Amt alle jene geistlichen Funktionen erhalten, die es im Anfang in nur beschränktem Maße besessen hatte 83 . Obwohl die nicht-anglokatholischen Theologen die Unterordnung des örtlichen Amtes unter die Apostel er7 7 J. B. Lightfoot, St. Paul's Epistle to the Philippians, N e w Edition, London 1879, S . 9 6 — 9 8 ; W.Nicholls, The Church, S . 4 : " . . . the apparent equivalence of bishops and presbyters in the New T e s t a m e n t . . . " ; A . C . H e a d l a m , a.a.O. S . 6 5 ; D . L . E d w a r d s , a.a.O. S . 2 7 ; B . H . S t r e e t e r , a.a.O. S . 6 8 ; D . E . W . H a r r i s o n , a.a.O. S . 1 1 7 ; etc. 7 8 Ehrhardt geht dieser Frage nach, vgl. A. Ehrhardt, The Apostolic Ministry, S. 12 f.; ders., The Apostolic Succession, S . 2 6 — 2 8 . 79 G . W . H . L a m p e , Some Aspects, S. 17; vgl. R . F . H e t t l i n g e r , a.a.O. S . 7 2 : "The leadership of the local congregation in the New Testament Church was in the hands of a group of 'appointed elders', who, on account of the oversight which they exercised, were also often called episcopoi." 8 0 G . W . H . L a m p e , Some Aspects, S . 1 7 . 8 1 Vgl. hier S. 59 f. 8 2 A. C. Headlam, a.a.O. S. 68 f. 8 3 Ebd. S. 60 f.
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wähnen, findet sich bei ihnen doch nie der Gedanke, daß das örtliche Amt von den Aposteln gänzlich abhängig wäre, vielmehr wird dieser mit dem Hinweis zurückgewiesen, daß das örtliche Amt in bestimmten Fällen auch selber ordinieren, konfirmieren und das Abendmahl spenden konnte. Dieser Punkt ist für die Auseinandersetzung mit den Anglokatholiken nicht ganz unwichtig. h) Die „freien
Ämter"
Die sogenannten „freien Ämter" nehmen in der anglikanischen Literatur, die sich mit dem Amt im Neuen Testament beschäftigt, eine Randstellung ein 84 . Audi die meisten nicht-anglokatholischen Theologen vermögen ihnen in der noch nicht festgelegten, noch fließenden, noch örtlich verschiedenen, aber immerhin schon vorhandenen Ordnung der Kirche, die nach ihrer Auffassung wesentlich durch den ortsungebundenen, autoritativen Apostolat und das ortsgebundene örtliche Amt konstituiert wird, einen Platz einzuräumen oder ihnen eine theologische Bedeutung für das Amt der Kirche überhaupt zuzusprechen. Dazu kommt, daß fast alle Ausführungen zum Amt im Neuen Testament letztlich bereits im Blick auf die Streitfrage nach der Ausbildung des monarchischen Bischofsamtes gemacht werden und man auch von dieser Fragestellung aus den „freien Ämtern" keine Bedeutung beizumessen vermag. Auf einige Gedankengänge Erhardts, der sich um eine eingehendere Würdigung der „freien Ämter" bemüht, soll im folgenden eingegangen werden. Erhardt beschreibt die „außer-regulären" (extra-regular) Ämter unter dem Gesichtspunkt ihrer späteren Einbeziehung in das Bischofsamt. Er teilt diese Ämter in drei Kategorien ein: 1. „Ubergangsämter" (transi t i o n a l ministries), 2. „Notämter" (emergency-ministries) und 3. die ••Ämter der Märtyrer, Gnostiker und Jungfrauen in der Alten Kirche. Für unseren Zusammenhang sind nur die beiden ersten Kategorien von Interesse. Von allen diesen Ämtern gilt, daß sie mit der Zeit in den Rahmen der kirchlichen Hierarchie eingefügt wurden und in dem regulären Amt aufgingen 8 3 . Dem „Ubergangsamt" sind die Propheten und die Lehrer zuzurechnen. Beide Ämter verschwinden im Laufe der ersten zwei Jahrhunderte 86 . Die Propheten, die im Neuen Testament mit besonderen Botschaften des Heiligen Geistes beauftragt waren (Act 13,Iff.; 11,28; 21, 10) und den allgemeinen Auftrag erhalten hatten, die christliche Botschaft für alle Zeiten zu verkündigen 87 , nahmen in der Alten Kirche zu Beginn 84 Eine Ausnahme bildet A.Ehrhardt, der in: The Apostolic Succession, S . 8 3 — 1 0 6 , diese „Ämter" näher behandelt. 85 A.Ehrhardt, The Apostolic Succession, S.83. 8 β Ebd. S. 84. Ehrhardt meint, daß audi die Apostel in gewisser Weise hierher zu zählen sind. 87 Ebd. S. 85 f.
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eine herausgehobene Stellung ein. Doch glichen sie sich nach und nach dem inzwischen aufgestiegenen örtlichen Amt der Kirche an, indem sie entweder selber Aufgaben in den Ortskirchen übernahmen oder indem das prophetische Amt mit dem Bischofsamt verbunden wurde88. Schließlich kam das prophetische Amt in der montanistischen Krisis in der zweiten Hälfte des zweiten Jahrhunderts zu einem gewaltsamen Ende. Damit war das prophetische Amt in der Kirche verschwunden, nicht aber die Prophetie! Diese wunderhafte Manifestation des Heiligen Geistes hat zu keiner Zeit in der Kirche Christi gefehlt 89 . In einer anderen Schrift zieht Erhardt noch zwei bemerkenswerte Folgerungen aus der Existenz von Propheten in neutestamentlicher Zeit: 1. Ihre Anwesenheit warnt uns davor, das apostolische Amt als eine geschlossene Gruppe, als das Monopol irgendeiner Gruppe von Amtsträgern anzusehen90; 2. Gott kann jederzeit ein neues Amt der Kirche entstehen lassen. Die Kirche hat aber dann die Aufgabe, den Status von Amtsträgern zu regularisieren, die (direkt) vom Heiligen Geist berufen worden sind91. Die anderen „Ubergangsämter" — reisende Missionare, Evangelisten, Lehrer — gründeten Gemeinden und leiteten diese solange, bis diese Gemeinden ein reguläres Amt erhielten. Falls nicht von einer anderen Kirche ausgesandt, waren diese Männer von keiner Gemeinde und von keinem Bischof ernannt worden, ihre Autorität beruhte auf einer Berufung durch den Heiligen Geist, die jedoch zeitlich begrenzt war 92 . Ähnliche Entwicklungen können heute noch auf dem Missionsfeld beobachtet werden93. Die „Notämter" haben ihr Recht in außergewöhnlichen Situationen, in denen kein reguläres Amt zur Verfügung steht. Erhardt verweist auf Beispiele aus der Alten Kirche und auf einen Fall aus unserer Zeit, wo in einem Konzentrationslager ein lutherischer Laie die Leitung der Gemeinde übernahm und die Sakramente spendete04. Erhardt wendet sich dagegen, diese außer-regulären Ämter als Teile des „charismatischen Amtes" zu bezeichnen, das dem institutionellen Amt gegenübersteht. Für diese Gegenüberstellung gibt es im Neuen Testament keine Anhaltspunkte, und bei den wenigen Stellen, wo „charisma" im Zusammenhang mit der Ernennung zu einem Amt gesehen werden kann (1.Tim.4,14; 2.Tim. 1,6; evtl. 2.Kor. 1,11), geht es um das „institutionelle" Amt 95 . 8 9 Ebd. S. 9 2 — 9 5 ; vgl. ebd. S. 84 f. Ebd. S. 8 9 — 9 1 . A.Ehrhardt, The Apostolic Ministry, S. 10. 9 1 Ebd. S . l l . 9 2 A. Ehrhardt, The Apostolic Succession, S. 95 f. 8 3 Ebd. S. 95. Μ Ebd. S. 96 f. 9 5 Ebd. S. 101 f. Headlam lehnt ebenfalls die Bezeichnung „charismatisches A m t " ab, da jedes A m t in der Kirche seine Gabe vom Heiligen Geist habe (a.a.O. S . 6 1 , Anm. 1). 88
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In seiner Darstellung und Interpretation der Entwicklung der kirchlichen Ordnung in den ersten zwei Jahrhunderten bringt Erhardt bei der Behandlung der „freien Ämter" zum Ausdruck, daß, wie in neutestamentlicher Zeit, so auch heute Gott durch den Heiligen Geist Menschen ohne die Mitwirkung der Kirche direkt in ein Amt berufen und zu dessen Ausübung bevollmächtigen kann. Doch handelt es sich hier zumeist um Ausnahmen für besondere Situationen. Die Kirche hat dann die Aufgabe, diese „außer-regulären Ämter" zu regularisieren und sie dem ordentlichen Amt der Kirche anzugleichen oder einzufügen. Die „außer-regulären Ämter" besitzen also keinen unabhängigen und bleibenden Status, sie stellen vielmehr eine Ausnahme, einen Ubergang dar. Man kann wohl mit Recht annehmen, daß die meisten nicht-anglokatholischen Theologen diese Sicht der „freien Ämter" teilen.
B. Die Ausbildung des monarchischen Bischofsamtes a) Die Entwicklung zum monarchischen Bischofsamt Die für die inneranglikanische Debatte um das Bischofsamt wohl entscheidendste Frage ist, ob das Bischofsamt das Apostelamt fortsetzt und so zum „esse" der Kirche, d.h. wesentlich zum Sein der Kirche gehört oder nicht. Die Antwort der nicht-anglokatholischen Theologen auf diese Frage besteht in der Ablehnung der anglokatholischen These — diese Ablehnung wurde mit der Einmaligkeit des Apostelamtes und dem Fehlen von Belegen begründet 96 — und in dem Versuch, eine Beschreibung und Erklärung der Ausbildung des monarchischen Bischofsamtes zu geben. Von diesem Versuch soll nun die Rede sein. Die nicht-anglokatholischen Theologen hatten für die apostolische Zeit festgestellt, daß die Termini „Presbyter" und „Bischof" keine verschiedenen Ämter bezeichnen97. In der Mitte des zweiten Jahrhunderts hat die Ordnung der Kirche eine neue Gestalt angenommen: die Bischöfe sind von den Presbytern unterschieden, als Leiter der Gemeinden stehen sie an der Spitze des dreifachen Amtes, umgeben von Presbytern und Diakonen. Man stimmt darin überein, daß sich die Entwicklung zum monarchischen Bischofsamt nicht genau beschreiben läßt und daß deren einzelne Stufen im Dunkel liegen, da es für diese Entwicklung zwischen dem Ende der apostolischen Zeit und der ersten Hälfte des zweiten Jahrhunderts nur fragmentarische und unsichere Belege gibt und die Entwicklung auch nicht einheitlich, sondern von Ort zu Ort verschieden und verschieden schnell verlaufen ist 08 . Dennoch ist nach Auffassung der nicht-anglo20; und viele andere. 96 87 Vgl. hier S. 54 f. Vgl. hier S. 61 f. 88 S.Neill, The Christian Society, S.29; G . W . H . L a m p e , Some Aspects, S.18 und 5
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G a ß m a n n , Bischofsamt
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katholischen Theologen eine allgemeine und zugleich wesentliche Charakterisierung der Entwicklung zum monarchischen Bischofsamt möglich. Diese wird der anglokatholischen These gegenübergestellt. Sie findet sich in einer schon klassisch gewordenen Formulierung bei Lightfoot: " I f bishop was at first used as a synonym for presbyter and afterwards came to designate the higher office under whom the presbyters served, the episcopate properly so called would seem to have been developed from the subordinate office. In other words, the episcopate was formed, not out of the apostolic order by localisation but out of the presbyteral by elevation: and the title, which originally was common to all, came at length to be appropriated to the chief among them." 99 Die nicht-anglokatholischen Theologen stimmen dieser These Lightfoots, nach der sich das monarchische Bischofsamt aus dem örtlichen, presbyteralen Amt heraus entwickelt hat, grundsätzlich zu 10°. Daneben wird die Möglichkeit, daß zuweilen auch wandernde Apostel oder apostolische Männer und Delegaten, die aber nicht direkte Nachfolger der Apostel waren, sich in Ortsgemeinden niedergelassen und so die Entwicklung hin zum monarchischen Bischofsamt beeinflußt und beschleunigt haben, nicht ausgeschlossen, zumal die Entwicklung keineswegs an allen Orten einheitlich verlaufen ist 101 . Die Apostel hatten noch einen weiteren — wenn auch nur indirekten — Anteil an der Ausbildung des monarchischen Bischofsamtes, indem nämlich eine Reihe von Funktionen, die in apostolischer Zeit wesentlich, doch nicht ausschließlich von den Aposteln ausgeübt worden waren, nun vom Bischofsamt verwaltet wurden102. Die These Lightfoots erfährt demnach eine gewisse Einschränkung, die sich aber nur auf die historische Entwicklung bezieht und keineswegs die Grundthese einschränkt, daß nämlich die Apostel keine Nachfolger hatten und haben konnten und daß daher das monarchische Bischofsamt in der Nachfolge der Presbyter/Bischöfe steht. Trotz der kaum vorhandenen Quellen versuchen die nicht-anglokatholischen Theologen den Obergang zum monarchischen Bischofsamt wenigstens in seinen Umrissen zu skizzieren, um so der eigenen These eine Begründung zu geben. Headlam tut dies auf folgende Weise: In apostolischer Zeit und zu Beginn der nachapostolischen Zeit wurden die Kirchen von Presbyterkollegien geleitet. Die Presbyter konnten auch „Bischof" genannt werden. Zur Zeit des Ignatius aber stand ein einziger Bischof an der Spitze einer Ortsgemeinde, von Presbytern und Diakonen unterstützt. J. B. Lightfoot, a.a.O. S. 196 (die Hervorhebung ist von mir). R. F. Hettlinger, a.a.O. S . 7 3 ; S.Neill in: S.Neill ed., The Ministry of the Church, S. 12; L.Hodgson, Apostolic Succession and Christian Unity, S. 10; etc. 1 0 1 L.Hodgson, Apostolic Succession and Christian Unity, S. 16; R. F. Hettlinger, a.a.O. S . 7 3 ; S.Neill in: S.Neill ed., The Ministry of the Churdi, S. 12. 1 0 2 Vgl. hier S . 5 4 f f . und S . 5 8 f f . 99
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Ignatius selbst kannte schon keine Kirche mehr, die ohne Bischof war 103 . Bei Irenaus wird der Bischof zuweilen noch als Presbyter bezeichnet und mit in die Zahl der Presbyter einbezogen, obwohl er von diesen klar unterschieden ist. Das bedeutet, daß er zugleich Glied als auch Präsident des Presbyterkollegiums war 104 . Damit ist ein Hinweis auf die Art und Weise des Übergangs gegeben. Die Presbyterkollegien der apostolischen Zeit werden sich einen ständigen Vorsitzenden gewählt haben, der aber noch keine große Bedeutung besaß. Mit dem Verschwinden der Apostel und dem Wachsen der Gemeinden rückte das örtliche Amt in eine wichtigere Stellung auf. Der Vorsitzende des Presbyterkollegiums wurde zum Repräsentanten der Gemeinde nach außen. Der bisher allgemeiner gebrauchte Titel „Bischof" wurde nun spezifiziert. Wir haben es also mit einer natürlichen Entwicklung, und nicht etwa mit dem direkten Ergebnis apostolischen Handelns zu tun 105 . In ähnlicher Weise geht auch Lampe davon aus, daß die Ortskirchen dazu neigten, einem einzelnen Ältesten die Verantwortung für die Oberaufsicht zu übergeben106. Zusammen mit anderen Theologen erwähnt er auch, daß die Notwendigkeit, einen Vorsitzenden bei der Abendmahlsfeier zu haben, diese Entwicklung beeinflußt haben wird 107 . Hickinbotham vermutet außerdem in der Beschränkung der Ordinationsfunktion auf ein Glied des Presbyterkollegiums eine wichtige Ursache für die Ausbildung des monarchischen Bischofsamtes108. Diese Entwicklung über den Präsidenten des Presbyterkollegiums hin zum monarchischen Bischofsamt war nicht nur eine Antwort auf die Verhältnisse und Erfordernisse in den Gemeinden, sondern zugleich auch eine Reaktion auf die wachsende Gefahr durch Schismen und Häresien. Diese machte eine Festigung der Organisation und die Übertragung besonderer Autorität auf einzelne Männer und damit die Schaffung eines universalen und einheitlichen Amtes erforderlich109. Auch wurde durch die Verfolgungen, denen die christlichen Gemeinden in der ersten Zeit ausgesetzt waren, eine kräftige, wirksame und zusammenhaltende Leitung zu einer Notwendigkeit 110 . Die Entwicklung zum monarchischen BischofsA. C. Headlam, a.a.O. S . 9 5 — 9 7 . 1 0 3 Ebd. S. 99. 4 Ebd. S. 98. 1 0 8 G . W . H . L a m p e , Some Aspects, S. 18. 1 0 7 Ders., The Early Church, S . 1 8 1 ; S.Neill in: S.Neill ed., The Ministry of the Church, S. 12; R. F. Hettlinger, a.a.O. S. 73. 1 0 8 J . P. Hickinbotham, a.a.O. S. 39. 109 Z . B . A . E h r h a r d t , The Apostolic Ministry, S . 3 6 f f . ; S. L. Greenslade, Monepiscopacy: Its General Acceptance, Friends of Reunion Bulletin No. 48, Leominster 1954, S. 13; J . B . L i g h t f o o t , a.a.O. S . 2 0 6 : " T o the dissensions of J e w and Gentile converts, and to the disputes of Gnostic false teachers, the development of episcopacy may be mainly ascribed." 1 1 0 D . L . E d w a r d s , a.a.O. S.27. 103 10
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amt hat also ihren Grund wesentlich in den veränderten inneren und äußeren Einflüssen, denen sich die Kirche ausgesetzt sah111. Im Rahmen der Entwicklung zum monarchischen Bischofsamt kommt nach allgemeiner Ansicht auch der Stellung des Herrenbruders Jakobus in Jerusalem ein bestimmender Einfluß zu, da er als erster eine dem monarchischen Bischofsamt sehr nahekommende Stellung einnahm 112 . Im Anschluß an Lightfoot weisen einige Theologen außerdem noch auf die alte Tradition hin, die die Entstehung des monarchischen Bischofsamtes mit dem Wirken des Apostels Johannes in Ephesus verbindet 11S . b) Die Funktionen des monarchischen Bischofsamtes Die Funktionen des monarchischen Bischofsamtes, die von den nichtanglokatholischen Theologen genannt werden, könnte man entsprechend den beiden wichtigsten Aspekten der Entwicklung zum Bischofsamt — 1. Ernennung eines Gliedes des Presbyterkollegiums zu dessen Präsidenten und 2. die Notwendigkeit, ein einzelnes und autoritatives Amt auszubilden, um der Gefahr von Schismen und Häresien zu begegnen — gleichfalls in zwei zusammengehörige Gruppen fassen: 1. Die Bischöfe standen an der Spitze der Ortskirchen und übten Funktionen aus, die zuvor vor allem in der Hand der Apostel konzentriert waren. Sie leiteten die Kirchen, übten Disziplin aus, waren die obersten Lehrer der Kirche, bewahrten deren Lehre, verwalteten die Sakramente und legten vor allem die Hände auf in Ordination, Absolution und Konfirmation 114 . Das Bischofsamt hat also solche Elemente des Apostelamtes geerbt und in der Kirche fortgeführt, die weitergegeben werden konnten. Das Amt des Wortes und des Sakramentes wurde angesichts der sich ausweitenden Kirche mit der Zeit auch den Presbytern übertragen, doch blieben Ordination und im Westen auch Konfirmation ausschließlich in den Händen der Bischöfe115. Der Bischof hatte 2. die Aufgabe, durch seine Gemeinschaft mit den anderen Trägern des bischöflichen Amtes die Einheit der Kirche aufrechtzuerhalten wie auch die Kontinuität der Kirche mit ihrem Grund durch Bewahrung der apostolischen Lehre zu erhalten 116 . G. W . H. Lampe, Some Aspects, S. 20, vgl. audi J. P. Hidkinbotham, a.a.O. S. 39. A.Ehrhardt, The Apostolic Ministry, S . 3 3 ; R.F.Hettlinger, a.a.O. S . 7 2 ; S.Neill, The Christian Society, S . 2 6 ; G . F . A l l e n , Episcopacy, S.5. 1 1 3 J.B.Lightfoot, a.a.O. S . 2 0 6 f . ; S.Neill, The Christian Society, S . 2 9 ; R . F . H e t t linger, a.a.O. S . 7 2 ; G . W . H . L a m p e , Some Aspects, S. 1 8 f . ; A . C . H e a d l a m , a.a.O.S.99. 1 1 4 A . E . J . R a w l i n s o n , a.a.O. S . 4 5 und 5 1 ; G . W . H . L a m p e , The Early Church, S. 182; D. L. Edwards, a.a.O. S. 2 7 ; A. C. Headlam, a.a.O. S. 1 2 6 f f . ; S. Neill, The Christian Society, S . 2 9 f. 1 1 3 W.Nicholls, The Church, S . 4 ; G . W . Η . L a m p e , The Early Church, S. 186; A . E . J . Rawlinson, a.a.O. S . 5 1 . 1 1 6 S.Neill, The Christian Society, S . 2 9 ; S.L.Greenslade, Monepiscopacy, S. 13; und andere. 111
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Der Bischof des zweiten Jahrhunderts war der Geistliche einer Ortsgemeinde. Nach Hippolyt übte er ein reguläres Sonntagsamt aus. Die Worte des Ignatius, man solle den Bischof wie den Herrn selbst ansehen, beziehen sich also auf den Geistlichen einer kleinen Gemeinde, nicht auf einen Diözesanbischof im heutigen Sinne. Natürlich nahmen die Kirchen der großen Städte — Jerusalem, Ephesus, Alexandria, Rom — eine gewisse Vorrangstellung ein, ihre Bischöfe übten eine Kontrolle über kleine Kirchen der Umgebung aus. Aber erst nach geraumer Zeit und mit dem Wachsen der Kirche wurde ein Bischof für mehrere Gemeinden verantwortlich, die von Presbytern geleitet wurden. Doch der Bischof blieb auch weiterhin der Geistliche seiner ursprünglichen Gemeinde. Erst nach der Konversion Konstantins trat ein Wandel zugunsten einer gesteigerten Machtfülle der Bischöfe ein 117 . c) Interpretation
der Ausbildung
des monarchischen
Bischofsamtes
Es gehört nicht nur zur Sache, auch über die Beurteilungen zu referieren, die die Ausbildung des monarchischen Bischofsamtes in der nichtanglokatholischen Theologie erfährt, sondern diese Beurteilungen und Folgerungen sind auch für die gegenwärtige Diskussion — auf die hin sie ja zumeist gemacht worden sind — von so großer Bedeutung, daß ihnen besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muß. Eine grundsätzliche Folgerung Headlams lautet: Das monarchische Bischofsamt hat seinen Ursprung in apostolischer Zeit, aber es war nicht das direkte Ergebnis apostolischen Handelns, sondern eine Schöpfung der Kirche, welche die von den Aposteln ererbten Amtsprinzipien weiterentwickelt hat 118 . Das monarchische Bischofsamt ist weder vom Herrn Jesus Christus noch von den Aposteln eingesetzt worden, darum kann auch nicht gesagt werden, daß es für die Kirche wesentlich (essential) ist 119 . Die meisten nicht-anglokatholischen Theologen würden dem zustimmen 12°, wenn auch einige sicher zögern würden, das Bischofsamt ohne weiteres als eine „Schöpfung der Kirche" zu bezeichnen. Die Ausbildung des monarchischen Bischofsamtes wird an keiner Stelle als eine Fehlentwicklung, als eine Erstarrung und Verinstitutionalisierung gegenüber der geisterfüllten und vom Heiligen Geist geleiteten Urkirche beschrieben, sie wird im Gegenteil ausdrücklich bejaht: " . . . I can but say that from the point of view of utility I think the development of monepiscopacy was beneficial, . . . " 1 2 1 Doch nicht nur die „Nützlichkeit" (utility), sondern vor 118 A . C . H e a d l a m , a.a.O. S . 9 9 und 105 f. R. F. Hettlinger, a.a.O. S.67. Ebd. S. 105 f. 120 Vgl. L. Hodgson, Essays in Christian Philosophy, S. 145; O . C . Q u i d c , Doctrines of the Creed, S . 3 2 8 ; G . W . Η . L a m p e , Some Aspects, S. I f f . ; und andere. 121 S.L.Greenslade, Monepiscopacy, S. 13; G . E v e r y , The Historic Episcopate, in: Theology L V , No. 381, London 1952, S. 8 4 : Die Ausbildung des monarchischen Episko117
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allem audi die theologische Bedeutung der Ausbildung des monarchischen Bischofsamtes wird von einer ganzen Reihe nicht-anglokatholischer Theologen unterstrichen, die auf diese Weise über die grundsätzlichen Feststellungen Headlams hinausgehen möchten. Wir haben es hier vor allem mit zwei Gedankengängen zu tun: 1. Die Kirche wurde bei der Ausbildung des monarchischen Bischofsamtes und bei dessen Annahme vom Heiligen Geist geleitet. 2. Die Ausbildung des monarchischen Bischofsamtes steht in einer gewissen Analogie zur Ausbildung des neutestamentlichen Kanons und der altkirchlichen Glaubensbekenntnisse. 1. Die Auffassung, daß die Kirche bei der Ausbildung und Annahme des monarchischen Bischofsamtes vom Heiligen Geist geleitet worden ist, wird von einer ganzen Reihe nicht-anglokatholischer Theologen vertreten 122. Der oben zitierte Satz von Greenslade bringt in seiner Fortsetzung diese Auffassung zum Ausdruck: " . . . I can but say that from the point of view of utility I think the development of monepiscopacy was beneficial, and I am prepared to see in it the guidance of the Holy Spirit, at the time and for the t i m e , . . . " 1 2 3 Ein Satz von Hodgson möge als ein weiteres Beispiel für diese Auffassung angeführt werden: "The Anglican sees no reason to doubt that in adopting this order the Church was guided by the Spirit of Christ according to His promise, and thinks that the burden of proof lies on those who would deny this rather on those who accept it." 124 . Nach Ansicht dieser Theologen war die Ausbildung und Annahme des Bischofsamtes nicht nur das Ergebnis bestimmter Verhältnisse und Einflüsse, sondern zugleich auch Ausdruck und Auswirkung des fortdauernden Wirkens des Heiligen Geistes. In diesem Zusammenhang kann dann Bischof Allen sogar sagen, das dreifache Amt stelle eine von Gott gegebene Ordnung dar 125 . Der Unterschied zu Headlams Feststellung, das Bischofsamt sei eine Schöpfung der Kirche, ist offenkundig. Eine logische Weiterführung und notwendige Ergänzung des angeführten Satzes von der Geistesleitung der Kirche bei der Ausbildung und Annahme des Bischofsamtes findet sich, soweit ich sehe, nur bei Greenslade und Allen. Beide geben zu bedenken, daß Gott in einer anderen Zeit und pats ist nicht ein Symptom des Verfalls der Kirche in einen Semipaganismus. Vgl. audi Κ. L. Carrick Smith, a.a.O. S. 36. 122 C. K. Sansbury, Episcope in the Anglican Communion, Friends of Reunion Bulletin N o . 48, Leominster 1954, S.27; außerdem findet sich diese Auffassung bei Hodgson, Lampe, Greenslade, Allen, Neill, Fison, Hettlinger und Carrick Smith. 123 S. L. Greenslade, Monepiscopacy, S. 13. 124 L. Hodgson, Essays in Christian Philosophy, S. 146. 123 G.F.Alien, a.a.O. S . 5 f : "The order of bishops, priests and deacons may have been a gradual, though early development. If that should be the case, it would not in the least affect the belief that this was the God-given order, since God did not cease to act with the first generation of Christians, but continued through the H o l y Spirit to guide His Church through the early stages of its growth."
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unter anderen Umständen die Kirche durch seinen Heiligen Geist audi anders führen kann 1 2 e . Man wird zu Recht annehmen können, daß diese Ergänzung nicht zuletzt im Blick auf die in der Reformationszeit und danach entstandenen nicht-bischöflichen Ämter gemacht worden ist. Mit dem Satz „Die Ausbildung und Annahme des monarchischen Bischofsamtes geschah unter der Führung des Heiligen Geistes" soll der Tatsache der Ausbildung des monarchischen Bischofsamtes ein besonderes theologisches Gewicht verliehen werden, ohne daß damit aber exklusive Ansprüche verbunden werden. Greenslade und Allen, die dem Satz von der Geistesleitung der Kirche zustimmen, haben erkannt, daß man diese Geistesleitung nicht einfach für eine bestimmte Entwicklung und Entscheidung in der Kirche konstatieren kann. Man wird Allen voll und ganz zustimmen müssen, wenn er schreibt: " O n the other hand, even if this was the pattern of Church order in the early Church [d.h. Leitung der Kirche durch den Heiligen Geist bei der Annahme des dreifachen Amtes], it does not necessarily mean that the same pattern is regulative and binding for evermore. To suppose this would be to deny that God is sovereign, living, free and Lord of history. God did not act for one brief period of history, and then depart into a deist isolation, leaving His Church static, lifeless and godless." 127 Es ist audi zu fragen, an Hand welcher Kriterien die nicht-anglokatholischen Theologen nun gerade von der Ausbildung des monarchischen Bischofsamtes sagen können, sie sei unter der Führung des Heiligen Geistes geschehen. Kann man so nicht jede beliebige Entwicklung oder Entscheidung in der Geschichte der Kirche mit dem Prädikat der Geistesführung ausstatten und ihr einen besonderen Glanz verleihen? Der Heilige Geist ist, gemäß der Verheißung Jesu Christi, ganz gewiß in der Kirche wirksam, aber es ist auch gewiß, daß bei vielen Entwicklungen und Entscheidungen in der Geschichte der Kirche es nicht immer der Heilige Geist war, der die Kirche leitete. In dieser Frage wären eingehendere Ausführungen unbedingt notwendig. Es genügt nicht, wenn Hodgson meint, die Beweislast liege bei denjenigen, die eine Leitung des Heiligen Geistes verneinen 128. Der Satz von der Geistesleitung bei der Ausbildung und Annahme des Bischofsamtes soll damit nicht grundsätzlich abgelehnt werden, ΐ2β £ ) e r b e r e ; t s zweimal zitierte Satz Greenslades lautet bis zum Ende: " . . . I can but say that from the point of view of utility I think the development of monepiscopacy was beneficial, and I am prepared to see in it the guidance of the Holy Spirit, at the time and for the time, leaving open the possibility of different guidance in different circumstances" (Hervorhebung von mir). S. L. Greenslade, Monepiscopacy, S. 13; G.F.Allen, a.a.O. S.6. 1 2 7 G.F.Allen, a.a.O. S . 6 128 L.Hodgson, Essays in Christian Philosophy, S. 146; ders., Apostolic Succession and Christian Unity, S. 9.
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wir denken heute anders als Harnack und Sobm12e, er muß aber zumindest in dem umfassenderen Sinne wie bei Greenslade und Allen verstanden und darüber hinaus im Zusammenhang mit der grundlegenden Frage nach der Bedeutung der Tradition beurteilt werden. Wir müssen uns nun 2. dem anderen Gedanken zuwenden, dessen Ziel es gleichfalls ist, der Ausbildung des Bischofsamtes eine besondere theologische Bedeutung zuzusprechen. Einige nicht-anglokatholische Theologen stellen — ähnlich wie die Lambethkonferenz 1930 — die Entwicklung zum monarchischen Bischofsamt neben die Entwicklungen zum neutestamentlichen Kanon und zu den Glaubensbekenntnissen130. Sie machen auf eine hier vorliegende formale Analogie aufmerksam und implizieren daraus folgernd zugleich eine gewisse Gleichheit in der Autorität dieser drei Entwicklungen und ihrer „Endprodukte": Schriftkanon, Glaubensbekenntnisse und monarchisches Bischofsamt. Dieser Gedanke kommt wohl am deutlichsten bei Nicholls zum Ausdruck. Er schreibt: Das apostolische Kerygma ist der Vorläufer der Glaubensregel und somit der späteren Glaubensbekenntnisse. Die umfassende Tradition der Apostel hat in jenen Schriften ihren Niederschlag gefunden, die den neutestamentlichenKanon ausmachen. Daraus folgt: "Christ's institution of theApostolate thus develops speedily into the episcopate, with its succession in office and ultimately also consecration, and into the Creed and the Canon, the double safeguard of the Apostolic Faith. As John Knox has remarked in his book, The Early Church and the Coming Great Church, the authority for all three of these developments is the same, that of the Second Century Church. There is no conceivable ground on which one can accept one of these, say the Canon, and reject the other two." 131 Bischofsamt, neutestamentlicher Kanon und die Vorläufer der altkirchlichen Glaubensbekenntnisse kommen alle von den Aposteln her und besitzen alle die Autorität der Kirche des zweiten Jahrhunderts. Es besteht daher kein Grund, eines von diesen anzunehmen und die anderen abzulehnen. Gegen diese enge Verbindung von monarchischem Bischofsamt, neutestamentlichem Kanon und Glaubensbekenntnissen muß gesagt werden, daß Nicholls hier ganz verschiedene Größen auf eine Stufe stellt. Er geht von einer gewissen Analogie in der Entwicklung dieser drei Größen aus und übersieht, daß sie dennoch nicht die gleiche Bedeutsamkeit besitzen, sondern im Blick auf ihren materialen Gehalt ein verschiedenes Gewicht haben. Der Kanon hat für die Kirche eine normative Geltung auf Grund 129
Vgl. K. D. Schmidt, Grundriß der Kirchengeschichte, 3. Aufl., Göttingen
1959,
S. 85. 130 W . Nicholls, The Church and the Historical Jesus, S . 4 ; Κ. L. Carrick Smitn, a.a.O. S . 3 6 ; C.K.Sansbury, a.a.O. S . 2 7 ; vgl. auch den Lambethbericht von 1930, in: G. K. A. Bell, Documents on Christian Unity, Third Series, S. 8. 131 W . Nicholls, The Church and the Historical Jesus, S.4.
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der in ihm enthaltenen apostolischen Botschaft. Hettlinger weist darum zu Recht darauf hin, daß auch das Amt dieser normativen apostolischen Botschaft untergeordnet ist 132 . Das Amt hat gegenüber der apostolischen Botschaft, wie wir sie im Schriftkanon finden, eine dienende Funktion. Dazu kommt, daß der neutestamentliche Kanon seine normative Geltung für die Kirche aller Zeiten nicht auf Grund seiner Ausbildung und Annahme durch die Alte Kirche besitzt wie Nicholls meint, sondern auf Grund der in ihm enthaltenen Botschaft, die damals wie heute Norm allen Redens und Handelns der Kirche ist. Noch weniger kann eine bestimmte Form des kirchlichen Amtes schon allein deshalb Geltung für alle Zeiten beanspruchen, weil sie einmal von der Kirche des zweiten Jahrhunderts allgemein angenommen worden war. Weiterhin ist zu bedenken, daß zwischen der Ausbildung des monarchischen Bischofsamtes und der Ausbildung des neutestamentlichen Kanons erhebliche Unterschiede zu konstatieren sind. Während zwischen dem ursprünglichen apostolischen Kerygma und dem neutestamentlichen Kanon kein inhaltlicher Unterschied — es ist dieselbe Botschaft — besteht, ist ein solcher zwischen den Aposteln und dem Bischofsamt des zweiten Jahrhunderts vorhanden. Das ist auch die Auffassung der nicht-anglokatholischen Theologen. Die Apostel besaßen einen einmaligen, für die Kirche grundlegenden Status. Das monarchische Bischofsamt hat bestimmte Funktionen der Apostel übernommen, aber deren einmalige, auf der Augenzeugenschaft des Auferstandenen und der direkten Beauftragung durch den Auferstandenen beruhende Stellung konnte es nicht erben. So ist es gegenüber dem Apostelamt etwas wesentlich anderes, Abgeleitetes geworden, auch wenn es von ihm herkommt. Die Ausbildung des monarchischen Bischofsamtes ist unter dem Einfluß der Erfordernisse der Kirche und der inneren und äußeren Gefahren, in denen sich die Kirche damals befand, geschehen. Die Form der Ordnung der Kirche war also zeitbedingt. Auch dieser Tatbestand läßt es nicht zu, die Forderung nach Annahme des monarchischen Bischofsamtes — zumal sich das Bischofsamt in seiner heutigen Form vom Bischofsamt des zweiten Jahrhunderts nicht unwesentlich unterscheidet — mit der Annahme des neutestamentlichen Kanons und der Glaubensbekenntnisse zu koppeln. Die beiden hier erwähnten Versuche, der Ausbildung und Annahme des monarchischen Bischofsamtes ein besonderes theologisches Gewicht zu verleihen, sind nicht überzeugend. Damit soll aber noch nicht die Frage entschieden sein, ob dem historischen Bischofsamt nicht doch eine Bedeutung für die Kirche heute zukommt. Diese Frage soll uns noch weiterhin beschäftigen. 1 3 2 R. F. Hettlinger, a.a.O. S. 78 f.: "There is a sense in which the ministry as well as the Church stands under the judgment of historic apostolicity as preserved in the Canon and the Ecumenical Creeds."
73
C. Die apostolische α)
Sukzession in den ersten
Jahrhunderten
Einleitung
Die apostolische Sukzession steht im Mittelpunkt der inneranglikanischen theologischen Auseinandersetzung. Das jeweilige Verständnis der apostolischen Sukzession hat weitgehende Folgerungen, es bestimmt den Kirchenbegriff, die Beurteilung der Validität des Abendmahls und der Ämter und damit die Bewertung der nichtbischöflichen Ämter und Kirchen und formt so die Stellung der theologischen Gruppen innerhalb der Kirche von England zu den jeweiligen Unionsplänen mit nicht-bischöflichen Kirchen und zur Frage der Wiedervereinigung der Kirche überhaupt. Die Beschäftigung der nicht-anglokatholischen Theologen mit der apostolischen Sukzession in den ersten Jahrhunderten geschieht zweifellos in der Absicht, nachzuweisen, daß die anglokatholische Interpretation der apostolischen Sukzession als einer Transmission der Amtsgnade nicht mit der Bedeutung übereinstimmt, welche der apostolischen Sukzession in der Alten Kirche ursprünglich zukam. Zugleich soll natürlich der Nachweis erbracht werden, daß das Verständnis der apostolischen Sukzession bei den nicht-anglokatholischen Theologen, aber audi bei den bedeutendsten anglikanischen Theologen des 16. Jahrhunderts und der darauf folgenden Jahrhunderte mit dem ursprünglichen Verständnis übereinstimmt, während die vor allem seit der Oxfordbewegung verbreitete anglokatholische Interpretation auf einer späteren Entwicklung — einer Fehlentwicklung — beruht. b) Die apostolische
Sukzession in den ersten
Jahrhunderten
Im Rahmen der erwähnten Zielsetzung wird die Bedeutung der apostolischen Sukzession in den ersten Jahrhunderten in ihren Grundlinien von den nicht-anglokatholischen Theologen auf folgende Weise dargestellt: Im 2. und 3. Jahrhundert wurden die Bischöfe allgemein als Nachfolger der Apostel angesehen, die apostolische Sukzession der großen Bischofssitze wurde dabei besonders betont. Doch die theologische Bedeutung dieser Sukzession war in der ersten Zeit noch nicht eingehender entfaltet worden 133 . In der gnostischen Kontroverse des 2. Jahrhunderts beriefen sich die gnostischen Häretiker auf eine geheime Tradition. Als Antwort hierauf verwiesen die Theologen der Kirche auf die offenbare, wahre Tradition der Kirche. Der Anspruch der Kirche auf den alleinigen 133 A. C. Headlam, a.a.O. S. 124; O . C . Quick, Doctrines of the Creed, S.326; S.L. Greenslade, Monepiscopacy, S. 14; A . E . J . Rawlinson, a.a.O. S.31; A.J.Tait, a.a.O. S.72.
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Besitz der wahren christlichen Tradition wurde mit dem Hinweis auf das apostolische Glaubensbekenntnis, die apostolische Schrift und das apostolische Amt begründet. Das entscheidende Argument auf Seiten der Kirche war hierbei der Hinweis auf die apostolische Sukzession. Diese wurde so beschrieben: Die Kirchen vieler Städte wurden von Aposteln gegründet, und seit dieser Zeit besteht an diesen Orten eine ununterbrochene Sukzession von Bischöfen, die öffentlich zu ihrem Amt ernannt worden sind. Man versuchte, diese These durch sogenannte Bischofslisten zu stützen. Diese Bischöfe haben die wahre Tradition des christlichen Glaubens, dessen Heilige Schrift, dessen Glauben, dessen Lebensordnung und Kirchenordnung weitergegeben. Bischof ist auf Bischof im Amt gefolgt, jeder hat die Lehre seines Vorgängers übernommen und weitergetragen 134. Die apostolische Sukzession war das Kennzeichen der Orthodoxie gegenüber den häretischen Sekten, sie war eine Garantie f ü r die Echtheit der apostolischen Schriften und für die Lehre, die die Bischöfe lehrten. Hettlinger beschreibt dieses Verständnis ganz unter dem Gesichtspunkt der Lehre: " I n the first instance succession meant the historic continuity of apostolic teaching represented by the official teachers of the Church." 135 Es war vor allem Irenaus, der apostolische Tradition und Sukzession miteinander verband. Er lehrte, daß das apostolische Wort nicht allein dasteht, sondern von der apostolischen Sukzession gestützt und wirksam gemacht wird. Apostolische Sukzession und apostolische Tradition können nicht voneinander getrennt werden. Die Bischöfe in der Sukzession haben die wahre Tradition der Kirche geschützt, sie sind ein Zeichen und Instrument der Kontinuität mit den Aposteln. Bei dieser Sukzession handelt es sich um eine Sukzession im Amt, in der Autorität und in der Verantwortung 1 3 6 . Die apostolische Sukzession war zum Beweis für die Katholizität und Apostolizität der Kirche geworden 137 , es ging sowohl Irenaus als auch Tertullian in ihren Gedanken über die apostolische Sukzession in erster Linie um die Reinheit der Lehre 138 . Die apostolische Sukzession war jedoch nicht nur Schutz der apostolischen Tradition, sondern zugleich auch ein wesentlicher Faktor für die Einheit der Kirche in Raum und Zeit 139 . Als ein Beispiel hierfür erwähnt Erhardt die verschiedenartigen Traditionen, die in der ersten Zeit bestanden haben. In Rom war der Bischofstitel noch nicht offiziell eingeführt; in Gallien existierte bereits eine Art Diözesanschema: einem Bischof unter134 A . C . H e a d l a m , a.a.O. S.125; H. F. Woodhouse, What is meant by Succession?, in: Theology LV, N o . 3 8 8 , London 1952, S.376; O.C.Quick, Doctrines of the Creed, S. 326. 133 R. F. Hettlinger, a.a.O. S. 74. 139 S.Neill, The Christian Society, S.41; S. L. Greenslade, Schism in the Early Church, London 1953, S. 169; N.Sykes, a.a.O. S.240. 137 S.L. Greenslade, a.a.O. S. 169. 138 Ebd.S.215. S.Neill, The Christian Society, S.41.
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stand ein ganzes Gebiet; in Afrika übten die Laien noch einen großen Einfluß im kirchlichen Leben aus, sogar bei der Gestaltung des Gottesdienstes. Diese verschiedenen Formen hätten zu Spaltungen führen können, wäre nicht die Autorität des Bischofsamtes und des gesamten kirchlichen Amtes durch den Gedanken der apostolischen Sukzession verstärkt worden. "Irenaus, who was the first to teach this as a doctrine, may therefore be regarded as the Father who laid the foundation of constitutional unity within the Western Church." 140 Keinesfalls aber findet sich zur Zeit des Irenäus ein Verständnis der apostolischen Sukzession als einer Sukzession durch Konsekration, als einer sakramentalen Sukzession, bei der durch die Handauflegung in der Konsekration die Amtsgnade weitergegeben wurde. Die Validität der Konsekration hing nicht von dieser Sukzession ab 141 . Auch konnte ein häretischer oder schismatischer Bischof seinen Platz in der apostolischen Sukzession und damit auch seine Autorität als Bischof verlieren 142 . Hippolyt stellt den Ubergang zum sakramentalen Verständnis der apostolischen Sukzession dar. Einige nicht-anglokatholische Theologen sehen ihn noch auf der Seite der irenäischen Auffassung. Danach habe Hypolyt zwar direkter von den Bischöfen als den Nachfolgern der Apostel, die an deren Stelle stehen und dieselben Funktionen ausüben wie diese, gesprochen — während nach Hettlinger der Bischof im ursprünglichen Verständnis der apostolischen Sukzession nicht als persönlicher Nachfolger der Apostel, sondern als offizieller Nachfolger des jeweiligen ersten, von den Aposteln ernannten Bischofs betrachtet wurde 143 — andererseits aber habe er in jeder Ordination einen neuen göttlichen Akt gesehen und somit die göttliche Handlung und nicht die Weitergabe der Gabe betont 144 . Andere Theologen bezeichnen Hippolyt bereits als Vertreter der neuen, sakramentalen Auffassung 145 oder sehen in ihm jedenfalls deren Wegbereiter, denn: ein Faktor, der das ursprüngliche Verständnis der apostolischen Sukzession umwandeln half, war nach Lampe die Identifikation des neutestamentlichen Amtes mit dem alttestamentlichen Priestertum. In dieser Entwicklung spielte Hippolyt eine große Rolle, indem er den Bischof mit dem Hohenpriester gleichsetzte146. Zugleich förderten auch Augustins Aussagen darüber, was später „character indelebilis" genannt 140
A. Ehrhardt, The Apostolic Succession, S. 130 f. A . C . H e a d l a m , a.a.O. S.126; H. F. Woodhouse, a.a.O. S.376; N.Sykes, a.a.O. S. 239 f.; S. L. Greenslade, Monepiscopacy, S. 14; R. F.Hettlinger, a.a.O. S. 73 f. 142 S.Neill in: S.Neill ed., The Ministry of the Church, S.17; S.L. Greenslade, Monepiscopacy, S. 14. 143 R . F . Hettlinger, a.a.O. S.74. 144 A . C . H e a d l a m , a.a.O. S.126 f.; Η . F . Woodhouse, a.a.O. S.377; S.L.Greenslade, Monepiscopacy, S. 14. 145 Z.B. N.Sykes, a.a.O. S.240. 148 G . W . Η . L a m p e , The Early Church, S. 185. 141
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wurde, die Ausbildung eines sacerdotalen Verständnisses des Amtes und der sakramentalen Auffassung der apostolischen Sukzession147. Augustin selbst hat nach Auffassung der nicht-anglokatholischen Theologen dieses Verständnis noch nicht vertreten, er versteht unter apostolischer Sukzession eine Sukzession von Amtsträger auf Amtsträger und nicht von Konsekrator auf Konsekrierten 148 . Wenngleich sich der Zeitpunkt nicht genau feststellen läßt, zu dem das neue Verständnis der apostolischen Sukzession aufkam 149 , so geben die beiden Namen Hippolyt und Augustin doch einen gewissen Anhaltspunkt. Dieses neue Verständnis wird folgendermaßen beschrieben: " I t is believed that those spiritual gifts with which the Church has always considered that its ministers are endowed came from the Apostles by a direct succession or channel." Die Apostel hatten den ersten Bischöfen diese geistlichen Gaben durch die Handauflegung übergeben, die Bischöfe wiederum gaben diese an ihre Nachfolger weiter. Die Verleihung dieser Gaben des Heiligen Geistes ist von der Sukzession abhängig. Für ein valides Amt und die rechtmäßige Verwaltung der Sakramente ist diese Sukzession und Transmission durch die Konsekration notwendig150. Daraus folgte, daß der Bischof auf Grund der Konsekration im Besitz der geistlichen Autorität war, nidit aber auf Grund seiner Treue zum apostolischen Glauben. "The way was laid open for the Roman Catholic dogma which denies the possibility of appeal from the apostolic ministry to the apostolic Word." 1 5 1 Diesem Verständnis der apostolischen Sukzession gemäß konnte es audi außerhalb der einen Kirche ein valides Amt geben, wenn dieses durch Konsekration und Ordination in der apostolischen Sukzession stand. Diese Konsequenz aus der sakramentalen Interpretation der apostolischen Sukzession bezeichnet Greenslade als „grotesk" 152 . Wie zu erwarten ist und wie auch in der Darstellung angedeutet wurde, lehnen die nicht-anglokatholischen Theologen das spätere, sakramentale Verständnis der apostolischen Sukzession ab. Diese Ablehnung geschieht nicht in erster Linie durch eine umfassende Kritik dieses Verständnisses, sondern mehr indirekt durch die Ablehnung der anglokatholischen Interpretation der apostolischen Sukzession und die gleichzeitige Zustimmung zum ursprünglichen Verständnis der Sukzession. Die Ablehnung liegt auch bereits in dem Hinweis mit einbeschlossen, daß das sakramentale Verständnis gerade nicht das ursprüngliche war. Hinzu kommt, daß eine 1 4 7 A. C.Headlam, a.a.O. S. 162 f.; vgl. auch S. L. Greenslade, Schism in the Early Church, S. 168. 1 4 8 O . C . Q u i c k , Doctrines of the Creed, S . 3 3 7 ; A . C . H e a d l a m , a.a.O. S.160. 1 4 6 R . F . H e t t l i n g e r , a.a.O. S . 7 4 ; A . C . H e a d l a m , a.a.O. S . 1 2 8 . 1 5 0 A . C . H e a d l a m , a.a.O. S . 1 2 7 ; H. F. Woodhouse, a.a.O. S . 3 7 7 . 1 5 1 R. F. Hettlinger, a.a.O. S. 74. 1 5 2 S. L. Greenslade, Schism in the Early Church, S. 177.
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wesentliche Voraussetzung für das sakramentale Verständnis der apostolischen Sukzession, nämlich die These, wonach die Apostel ihren besonderen Status und die damit verbundene vom Herrn direkt empfangene Autorität und Gnadengabe entweder direkt oder über sogenannte „apostolische Männer" an die ersten Bischöfe weitergegeben haben, nach Ansich der nicht-anglokatholischen Theologen vom Neuen Testament her nicht begründet werden kann, sondern daß vielmehr theologische und historische Folgerungen aus dem neutestamentlichen Befund keinen Zweifel daran lassen, daß die Apostel keine Nachfolger hatten, denen sie ihren besonderen Status übertragen konnten 153 . Damit wird dem sakramentalen Verständnis der apostolischen Sukzession der Grund entzogen, von dem alles abhängt, denn hier wäre bereits der entscheidende Bruch in der Sukzessionskette vorhanden, den es im Rahmen des sakramentalen Verständnisses nicht geben darf. An welchen Punkten dieses Verständnis selbst zu kritisieren und warum es als ganzes abzulehnen ist, ist ganz deutlich, und einige nicht-anglokatholische Theologen machen auch auf diese Punkte aufmerksam: die apostolische Sukzession des Amtes wird vom apostolischen Glauben getrennt 154 — gerade auf der Zusammengehörigkeit beider beruht das ursprüngliche Verständnis —, sie wird zudem auch von der Kirche und damit dem Wirkungsbereich des auferstandenen Herren losgelöst. Hinzu kommt noch ein Gnadenverständnis, das offensichtlich die Gnade dinghaft und nicht als die gnädige Gegenwart des Herrn versteht 155 . Dem ursprünglichen Verständnis der apostolischen Sukzession, wie es sich vor allem bei Irenaus findet, stimmen die nicht-anglokatholischen Theologen zu. Auch dies geschieht nicht sosehr ausdrücklich als vielmehr durch die Art der Darstellung, aus der man ohne Schwierigkeit die Zustimmung herauslesen kann. Dieser Eindruck wird durch die Hinweise gestützt, daß die sakramentale Interpretation der Sukzession eine spätere Entwicklung ist und nicht zum ursprünglichen Verständnis hinzugehört. Die Zustimmung kommt aber auch darin zum Ausdruck, daß die nichtanglokatholischen Theologen das ursprüngliche Verständnis der apostolischen Sukzession mit in ihre eigenen Aussagen über die Bedeutung der Sukzession übernehmen. Wie können die nicht-anglokatholischen Theologen überhaupt von „apostolischer Sukzession" im Sinne einer bischöflichen Sukzession sprechen und ihr sogar zustimmen, wo sie doch die These ablehnen, daß die Bischöfe die direkten Nachfolger der Apostel sind? Ihre Antwort lautet: Auch wenn ein Wechsel in der Form des Amtes stattgefunden hat, so gibt 153 155
the
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154 Vgl. hier S.54—56. R. F. Hettlinger, a.a.O. S.74. S.L. Greenslade, Schism in the Early Church, S. 178 f.; Ο. C. Quick, Doctrines of Creed, S. 339 f.
es doch eine Sukzession von Amtsträgern seit den Tagen der Apostel l ä 6 . Konsequenterweise sprechen daher einige nicht-anglokatholische Theologen nur von „Amtssukzession" oder „bischöflicher Sukzession" 1δ7 . Die apostolische Sukzession des Amtes bestand allgemein in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts, sie fand sich aber noch nicht in apostolischer Zeit. Darum kann, wie Hettlinger schreibt, ihre Annahme auch nicht zu einer absoluten Forderung erhoben werden 158 . Diese Einschränkung entspricht gewiß der Auffassung aller nicht-anglokatholischen Theologen. Sie findet aber zugleich ein Gegengewicht in einer positiven Beurteilung der apostolischen Sukzession, die zur Folge hat, daß auch diese Theologen bei einem Unionsplan zwischen einer anglikanischen und einer oder mehreren nicht-bischöflichen Kirchen die Annahme des in der apostolischen Sukzession stehenden Bischofsamtes als Voraussetzung fordern.
D. Das Verständnis a)
der apostolischen Sukzession Bischofsamtes
und des
historischen
Einleitung
Ein besonderes Merkmal der anglikanischen Tradition ist das Wissen um die Kontinuität der Kirche — um die Kontinuität der Kirche von England mit der Kirche der Apostel. In diesem Zusammenhang muß die herausgehobene Stellung, die die apostolische Sukzession und das Bischofsamt in der anglikanischen Theologie und Kirche einnehmen, gesehen und beurteilt werden. Der Nicht-Anglikaner neigt dazu, bei der Nennung des Begriffs „apostolische Sukzession" — wenn es um die anglikanische Theologie geht — fast automatisch an die anglokatholische Lehre der apostolischen Sukzession zu denken. Das kommt wohl daher, daß mit der Oxfordbewegung die apostolische Sukzession der Kirche von England zu einem beherrschenden Thema der anglokatholischen Theologie wurde und es bis zum heutigen Tage geblieben ist. Die Fülle der anglokatholischen Arbeiten und der Umfang einzelner Darstellungen zu diesem Thema lassen den NichtAnglikaner leicht zu dem Schluß kommen, die anglokatholische Lehre sei die bestimmende Lehre der apostolischen Sukzession innerhalb der Kirche 156
S. 59.
A . C . H e a d l a m , a.a.O. S. 126; J.P.Hickinbotham, a.a.O. S . 3 9 ; A . J . T a i t , a.a.O.
157 U m nur einige Beispiele zu nennen: R. F.Hettlinger, a.a.O. S . 6 6 (ministerial succession); ebenso L . H o d g s o n in: R . N e w t o n Flew ed., The Nature of the Church, London 1952, S. 146; The Fulness of Christ, being a Report presented to His Grace the Archbishop of Canterbury, London 1950, S.66 (episcopal succession); O. C. Quick, Doctrines of the Creed, S.333 (succession of bishops); etc. 138 R. F. Hettlinger, a.a.O. S. 69.
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von England. Wenn Theologen anderer Kirchen über die apostolische Sukzession in der anglikanischen Theologie schreiben, beschäftigen sie sich fast ohne Ausnahme nur mit der anglokatholischen Lehre, auch wenn sie einräumen, daß diese von der Mehrheit der anglikanischen Theologen nicht vertreten wird 1 5 9 . Für die nicht-anglokatholischen Theologen hat das Problem der apostolischen Sukzession niemals im Vordergrund ihres theologischen Denkens gestanden, und wo sie sich um eine Interpretation der apostolischen Sukzession bemüht haben, da geschah es nie in solch umfassender Weise wie bei den Anglokatholiken. Aus diesem Grunde ist es auch so schwierig, das nicht-anglokatholische Verständnis der apostolischen Sukzession eingehender zu beschreiben. Hinzu kommt, daß ihre Interpretation dem Nicht-Anglikaner natürlich nicht die Angriffsflächen bietet und damit so direkt zur Beschäftigung und Auseinandersetzung herausfordert wie die der Anglokatholiken. Die häufige Verbindung des Begriffs „apostolische Sukzession" mit der anglokatholischen Interpretation hat sicher auch dazu geführt, daß manche nicht-anglokatholischen Theologen diesen Begriff im Wechsel mit verschiedenen anderen oder überhaupt nicht verwenden. Man bemühte sich auch bei den Verhandlungen, die zur Bildung der Kirche von Südindien führten, wie auch in den Berichten der Lambethkonferenzen und im Bericht der erzbischöflichen Kommission „Doctrine in the Church of England" 1 β 0 , diesen Begriff nicht zu verwenden. Andererseits wird er aber auch von nichtanglokatholischen Theologen benutzt, deren Verständnis der apostolischen Sukzession hier beschrieben werden soll 1 β 1 . b) Die Begriffe „apostolische Sukzession" und „historisches
Bischofsamt"
Der Begriff „apostolische Sukzession" gilt in der anglikanischen Theogie immer für die Sukzession von Bischöfen; in welcher Weise diese Sukzession in ihrer Bedeutsamkeit für die Kirche interpretiert wird, darin unterscheiden sich anglokatholische und nicht-anglokatholische Theologen. Wie wir sehen werden, machen die nicht-anglokatholischen Theologen sowohl über die apostolische Sukzession als auch über das historische Bischofsamt (historic episcopate) bzw. das „Bischofsamt" gleichlautende Aussagen. Der Begriff „historic episcopate" wird sehr häufig von den nicht-anglokatholischen Theologen, aber auch in den halboffiziellen Doku1 5 9 Beispiele hierfür sind J . L i n e , The Doctrine of the Christian Ministry, London 1959; J . R . Nelson, The Realm of Redemption, London 1951, bes. S. 1 5 0 — 1 5 6 ; G . D . Henderson, Church and Ministry, London 1951, bes. S. 136—164. 1 6 0 Doctrine in the Church of England, The Report of the Commission on Christian Doctrine appointed by the Archbishops of Canterbury and Y o r k in 1922, London 1938. 1 8 1 Im folgenden werden nicht nur die Aussagen über die „apostolische Sukzession", sondern auch über die im Wechsel hiermit verwandten Begriffe wie „bischöfliche Sukzession", „Amtssukzession" usw. behandelt.
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menten der Kirche von England verwendet, dagegen nur selten von den Anglokatholiken, so daß er analog zur anglokatholischen „Färbung" des Begriffs „apostolische Sukzession" vor allem als Kennzeichnung des nichtanglokatholischen Verständnisses des in der Sukzession stehenden Bischofsamtes erscheint. In den Diskussionen um die Bildung der Kirche von Südindien spielte der Begriff „historic episcopate" eine große Rolle. In diesem Zusammenhang hat ihn Bischof Neill auf folgende Weise erläutert: Einige Kirchen besitzen ein Bischofsamt — wie zum Beispiel lutherische Kirchen und die Methodisten in den USA —, das neu geschaffen worden ist und so ohne Kontinuität mit dem bestehenden Episkopat ist. Wer die historische Kontinuität für wichtig hält, kann diese neugeschaffenen Ämter nicht als regulär ansehen. Die in Südindien miteinander verhandelnden Kirchen wollten kein neues Bischofsamt schaffen, sondern dasjenige fortsetzen, das in der Kirche seit ältester Zeit geehrt wird. Darum soll die Sukzession bewahrt werden. Dieses Element der Kontinuität soll durch den Begriff „historic episcopate" zum Ausdruck gebracht werden 182 . Das Bischofsamt wird durch den Begriff „historic episcopate" insofern näher qualifiziert, als es hier um ein in der apostolischen Sukzession stehendes Bischofsamt geht. Das wäre eine formale Bestimmung, auf die inhaltliche soll noch eingegangen werden. Formal könnte man m.E. auch eine Unterscheidung zwischen „apostolischer Sukzession" und „historischem Bischofsamt" vornehmen. Danach wäre mit dem „historischen Bischofsamt" ein Bischofsamt bezeichnet, das seinen Platz in der Kette der bischöflichen Konsekrationen einnimmt, während mit „apostolischer Sukzession" der geschichtliche Vorgang selbst, durch den und in dem das Bischofsamt weitergegeben wird, gekennzeichnet wird. Dagegen werden über die inhaltliche Bedeutung dieser beiden Begriffe gleichlautende Aussagen gemacht. Zwischen den beiden Begriffen „historic episcopate" und „episcopate" wird nicht weiter differenziert, d. h. der Begriff „episcopate" 103 wird in der anglikanischen Theologie sowohl formal als auch seiner Bedeutung nach im Sinne von „historic episcopate" verstanden, er bezeichnet niemals ein Bischofsamt, das nicht in der apostolischen Sukzession steht. c) Die apostolische Sukzession und die Kontinuität
der Kirche
Die nicht-anglokatholischen Theologen setzen die apostolische Sukzession zur Einheit und Kontinuität der Kirche in Beziehung. Wenngleich Einheit und Kontinuität dabei zumeist gemeinsam erwähnt werden, so sollen sie hier um größerer Klarheit willen nacheinander in ihrer Beziehung zur apostolischen Sukzession behandelt werden. In den Aussagen 162
S.Neill in: S.Neill ed., The Ministry of the Church, S. 18 f. ιβ3 Dasselbe gilt auch für „episcopacy" und „episcopal".
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Gaßmann, Bisdiofsamt
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über die apostolische Sukzession nimmt die Frage der Kontinuität der Kirche den Vorrang ein. Sie ist für das Selbstverständnis der anglikanischen Theologen und Kirche von entscheidender Bedeutung. Dazu kommt, daß in der Sicht der nicht-anglokatholischen Theologen die Kontinuität der Kirche nicht in so augenscheinlicher Weise beeinträchtigt ist wie deren Einheit, und daß von hier aus die Bedeutung der apostolischen Sukzession für die Kontinuität der Kirche geradliniger und eindrucksvoller herausgearbeitet werden kann als das Verhältnis von apostolischer Sukzession und Einheit der Kirche, mit dessen Darstellung auf Grund der Gespaltenheit der Kirche bestimmte Einschränkungen verbunden werden müßten. Die nicht-anglokatholischen Theologen sehen einmal die Bedeutung der apostolischen Sukzession darin, daß diese ein äußeres, sichtbares Zeichen (sign, mark) oder ein Ausdruck (expression) der Kontinuität der Kirche ist: "As an external sign of the unity and continuity of the Church the fact of Apostolic Succession has been of supreme value." 164 Sie bringt zugleich die Kontinuität des Amtes in der Zeit und dessen Einheit innerhalb der Kirche auf bedeutsame Weise zum Ausdruck1β5, sie ist selbst ein wesentlicher Teil der kontinuierlichen Einheit der kirchlichen Ordnung1ββ. Darüber hinaus wird die apostolische Sukzession in ihrem Verhältnis zur Kirche und deren Kontinuität als ein bewirkendes Element verstanden. Sie bezeugt nicht nur die Kontinuität der Kirche, sondern sie ist selbst ein Baustein, der die Kontinuität der Kirche mit konstituiert und erhält. Dementsprechend schreiben die nicht-anglokatholischen Theologen, daß durch die apostolische Sukzession der Bischöfe die Kirche heute mit der Kirche des Neuen Testamentes und damit mit dem Heilsgeschehen, auf dem sie gründet, verbunden167, ja identisch ist 168 . Die Notwendigkeit der Kontinuität und Identität mit der Kirche des Neuen Testamentes wird unterstrichen, die Kontinuität der Kirche ist von ihrem Herrn gewollt 169 . Durch sie ist die Kirche mit den Ereignissen verbunden, die ihren Grund ausmachen und die auch heute für ihr Leben wesentlich sind, sie bewahrt auf diese Weise ihre Identität. Da es um eine Gemeinschaft geht, ist nach Davies für deren Kontinuität eine Sukzession in der Lehre nicht ausreichend, eine Sukzession von Personen muß hinzukommen170. 1 6 4 A . C . H e a d l a m , a.a.O. S . 2 6 8 , auch S . 2 9 2 (external mark); S.L.Greenslade in: S. Neill ed., The Ministry of the Churdi, S . 6 1 (valuable visible expression); W.Nicholls, The Church and the Historical Jesus, S. 6 (outward sign). 1 6 5 The Fulness of Christ, S. 65 und 66. 1β ° Ο. C. Quids;, Doctrines of the Creed, S . 3 3 3 . 1 9 7 L.Hodgson, Apostolic Succession, S . 1 4 ; ders. in: R . N . F l e w ed., The Nature of the Churdi, S. 146; W. Nicholls, Some Marginal Notes, Friends of Reunion Bulletin No. 49, Leominster 1954, S . 1 0 ; J . G.Davies, a.a.O. S. 166 f. 1 6 8 L.Hodgson, Apostolic Succession, S. 16; J . G . D a v i e s , a.a.O. S. 1 6 6 f . lee v g l . L.Hodgson, Apostolic Succession, S . 7 und 14. 1 7 0 J . G . D a v i e s , a.a.O. S. 1 6 6 f . ; ebenso D . E . T a y l o r , In Search of Unity, London 1949, S. 37.
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Damit ist bereits die Frage angeschnitten, wie die nicht-anglokatholischen Theologen die apostolische Sukzession den anderen Elementen, die für die Kontinuität der Kirche von Bedeutung sind, zuordnen. Sie weisen darauf hin, daß die apostolische Sukzession nur ein Aspekt der Kontinuität der Kirche mit dem Heilsgeschehen Gottes in Christus ist. "The due and orderly succession of the ministry is one aspect of the continuity of the Church with the saving acts of God in Christ." 171 Oder: "Among the many strands which link us to, which make us one with the church of the New Testament, there is our ministry, united with that of the apostles, by a continuous series of consecrations from generation to generation."172 Einige Theologen sehen in der Sukzession des apostolischen Glaubens und in der Sukzession der Bischöfe zwei Aspekte in der Kontinuität der Kirche, ohne daß sie einen dem anderen überordnen. So heißt es bei Hodgson: "By the grace and mercy of God it has been given to us, throughout our chequered history, to be linked with the apostolic church both by holding fast to the faith revealed in Christ and expressed in the creeds, and by a ministry which can trace its continous life through successive episcopal consecrations as far back as can be traced by the ministry of any church in Christendom." 173 Im Blick auf die Kontinuität im Glauben und die Kontinuität durch die Amtssukzession besteht die Auffassung der Kirche von England nicht in einem „Entweder-Oder", sondern in einem „Sowohlals-Auch" 174 . Greenslade und Nicholls stellen die Kontinuität des Amtes in einen noch umfassenderen Zusammenhang hinein. Das kommt bei Greenslade deutlich zum Ausdruck, wenn er schreibt: "Apostolic succession of ministry is one of several instruments of continuity, among the others being continuity of credal doctrines, the use of Scripture, the preaching of the Word, the practice of the Gospel Sacraments, evangelism and Christian morality." 175 Nach Nicholls Auffassung gibt es in der Kirche eine dreifache Kontinuität: An erster Stelle steht eine Kontinuität der Lehre, d. h. die Aufrechterhaltung der authentischen apostolischen Tradition; sodann besteht eine sakramentale Kontinuität, in der Menschen durch die Taufe zu Gliedern am einen Leib werden und in ihm durch das Abendmahl bewahrt werden; schließlich gibt es eine Kontinuität des Amtes. Alle drei gehören zusammen und wirken zusammen. Sie machen erst die apostolische Sukzession aus. Wo eine Form der Kontinuität fehlt oder beeinträchtigt ist, da ist die apostolische Sukzession in diesem Maße 171
W. Nidiolls, Episcopacy, S. 10; ders., Ecumenism and Catholicity, London 1952,
S. 59. L. Hodgson, Apostolic Succession, S. 16. Ebd.S. 14; vgl. audi J . G . D a v i e s , a.a.O. S. 1 6 6 f . ; G . F . A l i e n , a.a.O. S.6. 1 7 4 L. Hodgson, The Doctrine of the Church as Held and Taught in the Churdi of England, S. 25, Anm. 1. 175 S . L . Greenslade in: D.Baillie and J . M a r s h ed., Intercommunion, London 1952, S. 232. 172
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verloren oder eingeschränkt; wo eine Form beibehalten ist, da ist die Kontinuität der Kirche in dem entsprechenden Maße erhalten 176 . Andere nichtanglokatholische Theologen, die ausdrücklicher als Nicholls die Kontinuität im Glauben der Kontinuität des Amtes überordnen, würden im Fehlen der apostolischen Sukzession des Amtes sicher noch nicht eine Einschränkung der Kontinuität überhaupt sehen, aber sie würden sicher die apostolische Sukzession des Amtes als zur „Fülle" der Kontinuität der Kirche gehörig bezeichnen. Von den meisten Theologen wird die Kontinuität im apostolischen Glauben der Kontinuität des Amtes ausdrücklich übergeordnet. Das tut wohl auch Nicholls, der in seinen eben erwähnten Ausführungen die Kontinuität der Lehre an die erste Stelle setzt und auf derselben Seite die Kontinuität im Glauben als „grundlegend" (fundamental) bezeichnet177. Hettlinger schreibt, daß das Amt wie auch die Kirche unter dem Urteil des im Schriftkanon und in den ökumenischen Glaubensbekenntnissen niedergelegten apostolischen Zeugnisses stehen. Es kann der Fall eintreten, wo der apostolische Glaube und die Amtssukzession in einen Gegensatz zueinander geraten und wo der Gehorsam den Aposteln gegenüber die Trennung vom Bischofsamt fordert 178 . In dem wichtigen Bericht „The Fulness of Christ", der von siebzehn bekannten nicht-anglokatholischen Theologen verfaßt worden ist 17e , wird die Predigt des Wortes und die Verwaltung der Sakramente als das wesentliche Element der Kontinuität bezeichnet, während der Wert des in der Sukzession stehenden Amtes in der Bezeugung und Festigung der Kontinuität der Kirche gesehen wird 180 . In ähnlicher Weise beschreiben audi andere Theologen die Sukzession der Bischöfe als ein sichtbares Zeichen für die Kontinuität der christlichen Lehre 181 und als ein Mittel, die Kontinuität des apostolischen Glaubens aufrechtzuerhalten und diesen selbst zu bewahren 182 . Dies alles besagt nun, daß die apostolische Sukzession ein Element innerhalb der Apostolizität der Kirche ist, oder daß sie wie Rawlinson schreibt, ein Ausdruck (expression) — im 176 W. Nicholls, The Church and the Historical Jesus, S. 7; vgl. auch: Ders., Ecumenism, S. 59; "We need all the different forms of continuity with the Apostolic past which the separated Christian bodies possess." 177 W. Nicholls, The Church and the Historical Jesus, S. 7. 178 R.F.Hettlinger, a.a.O. S . 7 8 f . ; vgl. auch J.P.Hickinbotham in: S.Neill ed., The Ministry of the Church, S. 37: der biblische Glaube, und nicht die Bischöfe, sichert die organische und kontinuierliche Einheit der Kirche. 179 The Fulness of Christ, a.a.O. Zu den Mitarbeitern an diesem Bericht gehörten u. a. die Professoren S. L. Greenslade, O. Chadwick, J. P. Hickinbotham, G. W. H . Lampe, C. F. D . Moule, R. R. Williams, Bischof S. Neill und der jetzige Erzbischof von York, F. D. Coggan. 180 Ebd. S. 81 f. 181 A. C. Headlam, a.a.O. S.172. 182 O . C . Quick, Doctrines of the Creed, S.333; R. F. Hettlinger, a.a.O. S.66; K.L. Carrick Smith, a.a.O. S.90.
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Rahmen der Ordnung der Kirche — für deren Apostolizität ist 183 , wobei für ihn die Apostolizität der Kirche vor allem darin besteht, daß die Kirche von ihrem Herrn in die Welt gesandt worden ist und daß sie den apostolischen Glauben aufrechterhält und das apostolische Evangelium verkündigt184. Die nicht-anglokatholischen Theologen beschreiben also die apostolische Sukzession als ein wichtiges und wertvolles Element im Rahmen der umfassenderen Kontinuität der Kirche, als ein Zeichen, als einen Ausdruck und als ein mitwirkendes Glied dieser Kontinuität. Aber nur zusammen mit der Kontinuität im Glauben, der sie untergeordnet ist, besitzt sie diese Bedeutung. Daß die Kontinuität der Kirche vor allem in der ständigen Gegenwart ihres Herrn und Hauptes in Wort und Sakrament besteht, wird von einigen Theologen implizit mit dem Hinweis auf die Predigt des Wortes und die Verwaltung der Sakramente als den wesentlichen Aspekten der Kontinuität angedeutet185. Bei den anderen fehlt dieser grundlegende Gedanke. d) Die apostolische
Sukzession und die Einheit der Kirche
Über das Verhältnis zwischen apostolischer Sukzession und Einheit der Kirche finden sich in Analogie zum vorausgehenden Abschnitt einmal Aussagen, die die apostolische Sukzession als ein äußeres Zeichen, als einen sichtbaren Ausdruck der Einheit der Kirche bezeichnen18e, während andere ihr eine mehr aktive Bedeutung für die Einheit der Kirche zusprechen und sie entsprechend als Schutz und Mittler der Einheit der Kirche bezeichnen 187 . Man kann Quieks Feststellung, die Sukzession der Bischöfe sei vom 2. Jahrhundert bis zur Reformation äußeres Zeichen und eine Garantie der Einheit der Kirche gewesen188, kaum oder nur mit Einschränkungen gelten lassen, allein die große Trennung zwischen Ost und West spricht gegen diese pauschale Feststellung. Und wenn Taylor schreibt, nach der 183
Α. E. J. Rawlinson, The Anglican Communion in Christendom, London
1960,
S. 45. Ebd. S. 42 f. The Fulness of Christ, S.81 f.; vgl. auch W.Nicholls, The Churdi and the Historical Jesus, S . 6 : "Its [d.h. der Kirche] continuity is indeed precisely the continuity of its King and H e a d . " 1 8 6 A . C . H e a d l a m , a.a.O. S.268 (external sign); ders., ebd. S . 2 9 2 (external mark); S.L.Greenslade in: S.Neill ed., The Ministry of the Church, S.61 (visible expression); O . C . Quick, Doctrines of the Creed, S. 333 (outward sign). 1 8 7 D. E. Taylor, a.a.O. S. 37 (to guarantee the unbroken fellowship of the Church); A. J. Tait, a.a.O. S. 72 (safeguarding); E . J . Palmer in: R. Dunkerley ed., The Ministry and the Sacraments, S . 3 8 6 (secures); vgl. aber auch: The Fulness of Christ, S . 6 6 ; A . C Headlam, a.a.O. S . 2 6 8 ; O.C.Quick, a.a.O. S.333. 1 8 8 O . C . Q u i c k , a.a.O. S.333. 184
185
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Reformation habe die apostolische Sukzession und der Episkopat tatsächlich die Einheit der Kirche von England bewahrt 189 , so muß man dem entgegenhalten, daß die Abspaltung der Methodisten dennoch nicht verhindert werden konnte. Damit soll noch nicht die Frage beantwortet sein, ob das Bischofsamt nicht in höherem Maße als die anderen Ämter geeignet ist, die Einheit einer Kirche und schließlich auch die Einheit der Kirche Christi zu bewahren. Nur sehr wenige nicht-anglokatholische Theologen erwähnen die Diskrepanz zwischen der allgemeinen theologischen Aussage, die apostolische Sukzession sei ein Zeichen und eine Sicherung der Einheit der Kirche — und zwar der sichtbaren Einheit der Kirche — und der tatsächlichen Gespaltenheit der Christenheit, bei der auch diejenigen Kirchen voneinander getrennt sind, die die apostolische Sukzession des Amtes bewahrt haben. Die Verfasser des Berichtes „The Fulness of Christ" denken immerhin in diese Richtung, wenn sie schreiben: die bischöfliehe Sukzession wird in einer wiedervereinigten Kirche ein wichtiges Element in jener äußeren Einheit sein, die die innere Einheit der Kirche zum Ausdruck bringt 190 . Allerdings sollten die sehr allgemeinen Bemerkungen über das Verhältnis von apostolischer Sukzession und Einheit der Kirche im Zusammenhang mit den Aussagen über das Verhältnis von Bischofsamt und Einheit der Kirche gesehen werden. e) Das historische Bischofsamt und die Kontinuität
der Kirche
Es wurde bereits erwähnt, daß die nicht-anglokatholischen Theologen sowohl über die Bedeutung der apostolischen Sukzession als audi über die des historischen Bischofsamtes gleichlautende Aussagen machen. Wie die apostolische Sukzesion so wird auch das historische Bischofsamt unter dem Gesichtspunkt seines besonderen Verhältnisses zur Kontinuität und Einheit der Kirche beschrieben. So heißt es audi hier entsprechend, daß das Bischofsamt die Kontinuität der Kirche zum Ausdruck bringt, sie bezeugt, daß es ein Zeichen, ein Symbol der Kontinuität ist191. Zugleich wird es — zumeist von denselben Theologen — ebenfalls in einem bewirkenden Verhältnis zur Kontinuität der Kirche gesehen und als ein Zentrum, Mittel, Schutz, als eine Sicherung und Zusicherung der Kontinuität, als ein Mittel zu deren Be189 D.E.Taylor, a.a.O. S.37. Bemerkenswert ist, daß Taylor hier die apostolische Sukzession auf eine einzelne Kirche und deren Einheit bezieht. 190 The Fulness of Christ, S. 66, ebenso S.82. Hervorhebung von mir. 191 R.R.Williams, a.a.O. S. 140 (symbolizes and expresses); Κ.Sansbury, a.a.O. S.30 (symbol); D.L.Edwards, a.a.O. S.41 (precious sign); S.Neill, Anglicanism, S.419 (expression); J. P. Hickinbotham in: S. Neill ed., The Ministry of the Church, S. 34 (witness); W.Temple, Thoughts on Reunion, Dublin 1935, S.20 (represents the continuity); vgl. audi T. S. Garret, The Ministry, in: Theology LII, N o . 343, London 1949, S.28; The Fulness of Christ, S.82.
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Währung und als ein Verbindungsglied mit der Kirche vergangener Zeiten beschrieben192. Die nicht-anglokatholischen Theologen beschränken sich auf diese allgemeineren Aussagen. Wenn sie das Bischofsamt auch nicht als unerläßlich (essential) für die Kontinuität der Kirche betrachten193, so ist doch deutlich, daß sie eine enge Beziehung zwischen beiden sehen. f ) Das historische Bischofsamt
und die Einheit der Kirche
Über das Verhältnis von Bischofsamt und Einheit der Kirche schreibt Hickinbotham: Das historische Bischofsamt ist " . . . a valuable witness to and safeguard of the Church's unity and continuity." 194 Damit sind zwei Aspekte erwähnt, unter denen in Analogie zu den Aussagen über das Verhältnis von Bischofsamt und Kontinuität der Kirche audi andere nichtanglokatholische Theologen das Verhältnis von Bischofsamt und Einheit darstellen: Das Bischofsamt ist ein besonderes Zeugnis für die Einheit der Kirche195, die es zugleich bewahrt, festigt und erhält 196 . Als Beispiele dafür, wie dieses Verhältnis noch etwas näher beschrieben wird, sollen zwei Hinweise bei Temple und Williams angeführt werden. Temple schreibt, daß der Bischof, wenn er ordiniert, im Namen der ganzen Kirche handelt und daß so die eigentliche Bedeutung seines Amtes darin besteht, daß er die Kirche Christi in seiner Diözese und zugleich sein Gebiet in der Kirche Christi vertritt 197 . Ganz ähnlidi, wenn auch noch mehr von den praktischen Gegebenheiten ausgehend, schreibt Williams: "Further, the very idea of a bishop supervising and shepherding a relatively wide area, does vividly impress on Church members the fact of the Church's unity from 102 W.Nicholls, Ecumenism, S. 104 (die Bischöfe sind „centres, foci, media"); J . P . Hickinbotham, a.a.O. S . 3 4 (safeguard); G . E v e r y , a.a.O. S . 8 5 (a means of grace for the preservation of the unity of the Body of Christ through centuries of history); A. E. J. Rawlinson, The Church of England and the Church of Christ, London 1930, S . 9 0 (link); D . E . T a y l o r , a.a.O. S.37 (an assurance of continuity). 193 So schreibt z . B . R . R . Williams, a.a.O. S. 140, über das Bischofsamt: " I t is not essential to a sense of continuity in time, for any system or ordination by existing ministers preserves this idea, but the 'Catholic' custom of having every bishop consecrated by three bishops, and every priest ordained by a bishop, does preserve dramatically, and to some extent actually, the idea of historic continuity." J.P.Hickinbotham in: S.Neill ed., The Ministry of the Church, S . 3 4 . J.P.Hickinbotham, a.a.O. S . 3 4 (valuable witness); R.R.Williams, a.a.O. S. 140 (symbolizes and expresses); G . K . A . B e l l , Christian Unity, S. 179 (embodiment); W . Temple, Christus Veritas, London 1924, S. 163 (represents); D . L . E d w a r d s , a.a.O. S.41 (precious sign). 186 D . L . E d w a r d s , a.a.O. S . 4 0 (advocate and agent of unity); T . S . G a r r e t , a.a.O. S . 2 8 (safeguard); D . E . T a y l o r , a.a.O. S . 3 7 (assurance); A . C . H e a d l a m , a.a.O. S . 2 6 9 (secure); K.Sansbury, a.a.O. S . 3 0 (focal point); G . K . A . B e l l , Christian Unity, S. 182 (effective instrument). 197 W . Temple, Christus Veritas, S. 163. 194
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town to town, and village to village." 198 Der Gedanke, daß der Bischof die Einheit der Kirche in seiner Diözese zum Ausdruck bringt und vermittelt, findet sich auch bei anderen Theologen 199 . In diesem Sinne sind die Bischöfe Zentrum und Brennpunkt der Einheit der Kirche 20°. Bischof Bell erhebt, trotz aller Einschränkungen, die er macht, einen sehr weitgehenden Anspruch zugunsten des Bischofsamtes: 1. es habe sich stets das Bewußtsein bewahrt, die gemäße Verkörperung der Einheit zu sein; 2. es sei in der Praxis das bei weitem wirkungsvollste Band tatsächlicher Einheit in der ganzen Kirche gewesen; 3. die Einheit der Kirche werde in der Einheit des Episkopats gefunden. Letztere Behauptung fordert zum Widerspruch heraus. Auch wenn Bell die ganze innere und äußere Einheit der Kirche in noch etwas anderem begründet sieht als allein im Bischofsamt und er hier wohl nur die äußere, „organisatorische" Einheit meint 201 , so könnte doch dieser Satz in der Tat als eine grundlegende Aussage über die Einheit der Kirche angesehen werden und müßte mit der Feststellung, daß die Einheit der Kirche ihren Grund in dem einen Herrn der Kirche, Jesus Christus, hat, zurückgewiesen werden. Ob sodann das Bischofsamt tatsächlich das wirkungsvollste Band der Einheit in der Kirche gewesen ist, wie Bell meint, müßte durch eine eingehendere Befragung der Kirchengeschichte überprüft werden 202 . Es ist nun zu fragen, ob und wie die hier behandelten Theologen das Bischofsamt mit der Tatsache konfrontieren, daß die Kirche Christi gespalten ist. Eine bemerkenswerte Antwort auf diese Frage findet sich bei Nicholls: "The unity of the episcopate safeguards the unity of the Church on its basis in the one revelation, whose guardian the episcopate corporately is." 203 Dieser Satz gilt nach Nicholls aber nur für die eine Kirche. Er schreibt weiter: "Since the episcopate is divided into different churches, it can hardly be discharging its function of keeping the unity of the Church. Yet that is one of its real functions. In a divided church, even episcopal ministries have something of the cad hoc' about them. For the united Church, we aim at the restoration of the fulness of the original ministry, not the watering down of all ministries to a level of expediency." 204 In einer zertrennten Christenheit kann der Episkopat seine Funktion, die Einheit der Kirche zu bewahren, nicht ausüben. Erst in einer wiedervereinigten Kirche wird das möglich sein, dann wird auch die Fülle 108
R . R . W i l l i a m s , a.a.O. S. 140. K.Sansbury, a.a.O. S . 3 0 ; D . L . E d w a r d s , a.a.O. S.40. 200 W. Nicholls, Ecumenism and Catholicity, S. 104. 201 G. K. A. Bell, Christian Unity, S. 179. Drei Seiten weiter bezeichnet Bell dann auch das Bischofsamt als „the effective instrument of the visible unity of the Church" (ebd. S. 182). 202 In der Geschichte des Anglikanismus hat sich das Bischofsamt in dieser Hinsidit nicht immer bewährt. 203 204 W. Nicholls, Episcopacy, S. 10 . Ebd. S. 10. 198
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des ursprünglichen Amtes wiederhergestellt werden. Garret sieht im Bischofsamt das Symbol und den Schutz der Einheit der Kirche — wenn diese Einheit verwirklicht ist. Zugleich ist es seiner Meinung nach ein von Gott gegebenes Mittel, um die Einheit der Kirche wiederherzustellen205. Auch der Bericht „The Fulness of Christ" gehört hierher. Dort heißt es: "Acceptance of the historic episcopate would thus give to the church not only a generally recognized ministry but a ministry which in a unique way would witness to the unity of the Church through time as well as to its unity throughout the contemporary world." 206 Danach würde durch die Annahme des historischen Bischofsamtes die Kirche ein allgemein anerkanntes Amt erhalten, und damit — so ist zu folgern — wäre in der Sicht der anglikanischen Theologen ein wesentliches Hindernis für die Einheit der Kirche beseitigt. In diesem Sinne würde das Bischofsamt dazu beitragen, die Einheit der Kirche wiederherzustellen. Gerade weil nun andere Kirchen in diesem Punkt nicht das entscheidende Tor zur Wiedervereinigung sehen, ist das Unionsgespräch zwischen anglikanischen und nicht-bischöflichen Kirchen bereits von seinem Ausgangspunkt an belastet. Nach Ansicht der Berichtes würde dann in einer wiedervereinigten Kirche207 das Bischofsamt in einer „einzigartigen Weise" die Einheit der Kirche durch die Zeit und in der Welt bezeugen. Diese einschränkenden Ausführungen werden an keiner Stelle ausdrücklich zu den positiven Aussagen über das Verhältnis von Bischofsamt und Einheit der Kirche in Beziehung gesetzt. Zugleich muß man aber annehmen, daß alle Theologen, die wir hier angeführt haben, bei ihren Aussagen an die Tatsache der Gespaltenheit der Kirche Christi gedacht haben. Nimmt man die Aussagen, die die Gespaltenheit der Kirche Christi nicht erwähnen und diejenigen, die diese in ihrer Wirkung auf das Verhältnis von Bischofsamt und Kirche miteinbeziehen, zusammen, dann könnte man die Ausführungen der nicht-anglokatholischen Theologen über das Bischofsamt und die Einheit der Kirche in ihrer Intention vielleicht folgendermaßen charakterisieren: Das Bischofsamt hat für die äußere Einheit der Kirche die Bedeutung, daß es diese in besonderer Weise bezeugt und dazu beiträgt, sie zu schützen und zu erhalten. Auch in einer zerteilten Christenheit hat das Bischofsamt diese Bedeutung und übt sie in beschränktem Maße auch schon aus, indem es die vorhandene Einheit bewahren hilft, in den einzelnen Diözesen das Prinzip der Einheit verkörpert und ein Mittel zur Erlangung einer umfassenden Einheit der Kirche ist. Aber erst in einer wiedervereinigten Kirche wird es diese Bedeutung im vollen Maße besitzen. Wenngleich an keiner Stelle die Bedeutung des Bischofsamtes für die Einheit der Kirche als wesentlich und die Zusammengehörigkeit beider 205 207
208 T. S. Garret, a.a.O. S. 28. The Fulness of Christ, S. 82. So ist dieser Satz in seiner Konsequenz zu verstehen.
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als unerläßlich beschrieben wird 208 , wenn außerdem die nicht-anglokatholischen Theologen dem „Lambeth Quadrilateral" zustimmen, nach dem die sichtbare Einheit der Kirche die Annahme der Heiligen Schrift, des Nicaenischen und Apostolischen Glaubensbekenntnisses, der beiden vom Herrn eingesetzten Sakramente und des Bischofsamtes einbeschließt, so kann es dennoch zu Mißverständnissen führen, wenn diese Theologen das Verhältnis von Bischofsamt und Einheit der Kirche, abgesehen von diesen anderen Elementen der Einheit der Kirche — zu denen wohl auch noch die Ubereinstimmung in den wichtigsten Fragen des Glaubens hinzukommen müßte — darstellen. Das Verhältnis von Bischofsamt und Einheit der Kirche kann nur innerhalb dieses weiteren Zusammenhanges zutreffend beschrieben werden. Die Tatsache, daß die Aussagen über die apostolische Sukzession vor allem der Kontinuität der Kirche gewidmet sind, während die Aussagen über das Bischofsamt stärker auf die Einheit der Kirche bezogen sind, erweist sich m. E. als eine Folge des oben (S. 81) angedeuteten formalen Unterschieds zwischen den Begriffen „apostolische Sukzession" und „historischer Episkopat" bzw. „Episkopat". Obwohl über die Bedeutung der apostolischen Sukzession für die Kirche wie auch über die des Bischofsamtes gleichlautende Aussagen gemacht werden, so hat doch die apostolische Sukzession als eine durch die Geschichte laufende kontinuierliche Kette der Bischofskonsekrationen eine stärkere Beziehung zur vertikalen Einheit der Kirche, während der historische Episkopat, die Gemeinschaft der in der apostolischen Sukzession stehenden Bischöfe, in einem besonderen Verhältnis zur horizontalen Einheit der Kirche steht. Da sich beide Linien im Bischofsamt treffen, das sowohl Glied in der Kette der apostolischen Sukzession als auch Glied in der Gemeinschaft des Episkopats ist, so ist es nicht nur vom Kirchenbegriff, sondern auch von hier aus ganz folgerichtig, wenn die meisten nicht-anglokatholischen Theologen ihre Aussagen über die Kontinuität und Einheit der Kirche im selben Zusammenhang und oft im selben Satz machen. Wenn die nicht-anglokatholischen Theologen das in der apostolischen Sukzession stehende Bischofsamt in ein so enges Verhältnis zur Einheit der Kirche setzen, dann gehen sie damit in gewisser Weise auf die Ursprünge dieses Amtes zurück, denn es war in der Alten Kirche nicht zuletzt die Gefahr von Schismen und Häresien und die Notwendigkeit, der sich ausbreitenden Kirche einen Zusammenhalt und eine feste Ordnung zu geben, die die Ausbildung und die allgemeine Annahme des monarchischen 208 Im Gegenteil, vgl. W.Temple, Christus Veritas, S. 163: " N o doubt this [d.h. das Verhältnis von Amt und Einheit] may be experienced by Christians who have dispensed with the historic Ministry. But in fact it is at least less prominent among them."
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Bischofsamtes mitbewirkten 209 . So hat das Bischofsamt schon von seinem Ursprung her eine besondere Bedeutung für die Einheit und Kontinuität der Kirche erhalten, und man kann mit Recht fragen, ob es diese Bedeutung nicht auch heute noch hat, auch wenn sich die Lage der Christenheit in vieler Hinsicht geändert hat. Die hier behandelten Theologen haben diese Frage — wenn auch in der ihnen eigenen unsystematischen Weise — positiv beantwortet. Zudem beweisen aber ihre Ausführungen über die apostolische Sukzession und das historische Bischofsamt, daß sie im Bischofsamt keineswegs nur eine durch eine lange Tradition ausgezeichnete und mit einer Reihe praktisch-organisatorischer Vorzüge ausgestattete Form der kirchlichen Ordnung sehen, sondern ein Amt, das durch seine enge Verbindung zur Einheit und Kontinuität der Kirche über alle praktischen Fragen hinaus — die natürlich auch hier eine Rolle spielen — eine ganz bestimmte theologische Bedeutung besitzt 210 . Diese wird von einer ganzen Reihe nicht-anglokatholischer Theologen mit dem Satz umschrieben, daß das historische Bischofsamt zur Fülle, zum plene esse der Kirche gehört 211 . g) Gehört das historische Bischofsamt zum „bene esse" der Kirche? Es gehört in den Zusammenhang dieses Abschnitts, nachdem das Verhältnis von Bischofsamt und Kirche mit im Mittelpunkt der Ausführungen gestanden hat, danach zu fragen, ob und wie die nicht-anglokatholischen Theologen die Bedeutung des Bischofsamtes für die Kirche mit einer der in der inneranglikanischen theologischen Auseinandersetzung gebräuchlichen Formeln kennzeichnen. Diese Frage ist vor allem auch deshalb zu stellen, weil häufig die der anglokatholischen Lehre gegenüberstehende Auffassung vom Bischofsamt mit der Formel umschrieben wird: das Bischofsamt gehört zum bene esse der Kirche. Wie wird dieses bene esse verstanden? Die vorherrschende Interpretation ist, daß durch diesen Terminus die Auffassung zum Ausdruck gebracht werden soll, das historische Bischofsamt sei auf Grund seiner langen Geschichte und seiner praktischen, organisatorischen Vorzüge zwar die am besten geeignete Form der Kirchenleitung, andererseits aber stehe es doch mit anderen Formen des Amtes und der kirchlichen Ordnung auf einer Stufe 212 . Im Rahmen dieser Auf209 Vgl. in dieser Arbeit besonders S. 68 und S.69. Die nicht-anglokatholischen Theologen sind sich natürlich audi dieses Zusammenhanges bewußt. 210 Vgl. A.E.J.Rawlinson, The Church of England, S.90: "It [d.h. das Bischofsamt] is certainly more than merely a convenient form of Church government. It is a vital link with the Christian Church of past a g e s . . . " 211 Vgl. hier S. 92 f. 212 In dieser Weise wird die bene esse-Theorie bei Montefiore in: K.M.Carey ed., The Historie Episcopate, S. 106, beschrieben. Ähnlich audi bei O. C. Quick, Doctrines of the Creed, S. 331 f.
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fassung besitzt das Bischofsamt jedenfalls keine besondere theologische Bedeutung. Es gibt ohne Zweifel streng evangelikale und auch liberale Anglikaner, die das historische Bischofsamt unter diesem Gesichtspunkt seiner praktischen Vorzüge sehen und die man daher als Vertreter der bene esse-Theorie bezeichnen kann. Doch spielt diese Gruppe in der gegenwärtigen anglikanischen Theologie und auch in den Wiedervereinigungsgesprächen mit anderen Kirchen keine bestimmende Rolle, sie wurde daher in dieser Arbeit auch nicht behandelt. Der Kreis der zur Mitte zwischen den Extremen hin tendierenden nicht-anglokatholischen Theologen, mit dem wir uns hier befassen, sieht im historischen Bischofsamt mehr als nur eine Form der Kirchenordnung, die schon seit ältester Zeit besteht und die bestimmte praktische, organisatorische Vorteile besitzt. So ist es verständlich, daß diese Theologen den Terminus bene esse nicht gebrauchen oder ihn sogar — wie Edwards — ausdrücklich ablehnen. Edwards wendet sich gegen das in den Begriffen esse — bene esse zum Ausdruck kommende Entweder-Oder, indem er sagt, daß die Bischöfe weder zum esse noch zum bene esse der Kirche gehören213. Neill begründet die Ablehnung dieses Begriffes mit dem Hinweis, daß dieser zweideutig und mißverständlich sei214. Ein Beispiel für die Richtigkeit dieses Einwandes bietet Hettlinger, der als einer der ganz wenigen nichtanglokatholischen Theologen schreibt, die bischöfliche Sukzession gehöre zum bene esse der Kirche, dabei das bene esse aber offensichtlich nicht in dem oben beschriebenen Sinne versteht. Das ist, abgesehen von seiner allgemeinen Auffassung, schon daraus zu ersehen, daß er zur Begründung die von den nicht-anglokatholischen Theologen oft zitierte Unterscheidung Bramhalls (1594—1663) zwischen der „true nature" und der „integrity or perfection" einer Kirche — wobei das historische Bischofsamt zur „perfection" gehört — anführt 215 . Abgesehen von diesem anderen Verständnis des bene esse kann behauptet werden, daß die bene esse-Formel heute nur auf die Lehre der streng evangelikalen und mancher liberalen Theologen angewandt werden kann. So hat auch der Ausschußbericht der Lambethkonferenz 1948, der dem Problem der Einheit der Kirche gewidmet ist, zwar die esse-Formel als Kennzeichen für die anglokatholische Lehre erwähnt, aber die dieser Lehre gegenüberstehende Auffassung nichtanglokatholischer Theologen gerade nicht als bene ewe-Theorie bezeichnet 216 . Lediglich die Anglokatholiken scheinen in ihrem bewußten Entweder-oder-Denken an der Alternative esse — bene esse festzuhalten 217 . 213
D.L.Edwards, a.a.O. S.38. S.Neill in: Theology LH, N o . 3 4 5 , London 1949, S. 106f. 215 R. F. Hettlinger, a.a.O. S. 86. 216 The Lambeth Conference 1948, S.II.50. 217 Z.B. E.Graham in: K.D.Mackenzie ed., Truth, Unity and Concord, London 1948, S.75; A.G.Hebert, The Form of the Church, Rev.Edition, London 1954, S. 116; 214
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In diesem Zusammenhang ist der Wunsch einer Gruppe jüngerer nichtanglokatholischer Theologen zu sehen, ihre Lehre des historischen Bischofsamtes, die zwischen der esse und bene esse-Alternative steht, durch eine dritte Formel — daß nämlich das historische Bischofsamt zum plene esse der Kirche gehöre — zu kennzeichnen. Da die Vertreter dieser plene esseLehre, die ihre Aufsätze in dem Sammelband „The Historie Episcopate" 218 vereinigt haben, sich nicht grundsätzlich von den anderen in dieser Arbeit behandelten nicht-anglokatholischen Theologen unterscheiden, stimmen auch andere Theologen dem Terminus plene esse direkt 218 oder doch implizit 220 zu. Doch ist dieser Terminus bisher noch nicht zum Kennzeichen für die Auffassung der großen Gruppe nicht-anglokatholischer Theologen geworden, zumal viele von ihnen grundsätzlich gegen Formeln („labels") dieser Art eingestellt sind.
E. Das Verhältnis a)
von Amt und Kirche
Einleitung
Nachdem bereits im vorausgehenden Abschnitt über die apostolische Sukzession und das historische Bischofsamt das Verhältnis von Amt und Kirche im Vordergrund gestanden hat, gilt es nun, dieses Verhältnis noch von einem anderen Gesichtspunkt aus darzustellen, der bei einer ganzen Reihe nicht-anglokatholischer Theologen zu finden ist. Die Interpretationen des Amtes und besonders des Bischofsamtes innerhalb der anglikanischen Theologie führen zu den verschiedensten Auffassungen über das Verhältnis von Amt und Kirche, die schließlich audi verschiedene Beurteilungen der nicht-bischöflichen Kirchen zur Folge haben. Die einfache Alternative: das Amt ist von der Kirche abhängig — die Kirche ist vom Amt abhängig, würde dabei die Grundthesen der anglokatholischen Gruppe und der Mittelgruppe nicht zutreffend kennzeichnen. Die anglokatholischen Aussagen über das Amt lassen sich zwar auf den Grundnenner „die Kirche ist vom Amt abhängig, das Amt ist der Kirche vorgeordnet", zurückführen, doch würde die Auffassung der der The Church of England and the Free Churches, Α Report of the Theological and Liturgical Committee of the Church Union, London 1951, S. 15; vgl. auch E . G . K n a p p Fisher, The Churchman's Heritage, London 1952, S.46. 2 1 8 Κ. M. Carey ed., The Historic Episcopate. 2 1 9 So H . E . W . T u r n e r in: Theology L V I I I , N o . 4 2 0 , London 1955. Auch Sykes gebraucht diesen Begriff einige Male, a.a.O. S . 8 4 und 245. Peck äußert sogar die Vermutung, daß die Verfasser des „Historie Episcopate" die plene esse-Formel auf Anregung von Prof. Sykes übernommen haben (A. L.Pedt, a.a.O. S . 2 5 f . , A n m . 2 ) . 2 2 0 Z . B . D . L . E d w a r d s , a.a.O. S . 4 1 : "Episcopacy is essential to the Churdh's fulness."
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Mittelgruppe angehörenden Theologen mit der Alternative hierzu „das Amt ist von der Kirche abhängig" zumindest nur sehr unvollständig umschrieben sein. b) Der doppelte Aspekt des Verhältnisses von Amt und Kirche Eine Grundvoraussetzung für die Interpretation des Verhältnisses von Amt und Kirche durch die nicht-anglokatholischen Theologen ist der Satz, daß Amt und Kirche wesentlich zusammengehören. Vom Anfang an besaß die Kirche des Neuen Bundes ein Amt 221 . Um als Leib Christi auf der Erde in rechter Weise wirken zu können, braucht die Kirche ein Amt 222 . Lampe versucht, vom Neuen Testament aus das Verhältnis von Amt und Kirche näher zu bestimmen. Ihm liegt dabei vor allem daran, den Nachweis für die Unhaltbarkeit der anglokatholischen Oberordnung des Amtes über die Kirche vom Neuen Testament her zu erbringen. Er weist nach, daß in apostolischer Zeit die Kirche in keiner Hinsicht als vom Amt abhängig angesehen wurde. Vielmehr gilt für die Kirche im Neuen Testament, die als Leib Christi und als Tempel des Heiligen Geistes beschrieben wird: "Christ, mediating His saving work and His continuing presence through the Holy Spirit, was the ground of the Church's existence and the source of authority." Die Urkirche war jedoch nicht anarchisch, sie bildete wirksame Formen des Amtes und der Organisation aus. Damit will Lampe aber nicht sagen, die Kirche habe das Amt geschaffen, denn er weist darauf hin, daß die verschiedenen Ämter, die die Urkirche besaß, Gaben des Auferstandenen für seine Kirche (Eph.) und Stiftungen des Heiligen Geistes zum Zwecke des Wachstums und der Auferbauung der geisterfüllten Gemeinschaft waren. Sie sind von dem im Leibe Christi, der Kirche, wirksamen Geist abhängig 223 . Lampe sieht im Neuen Testament zweifellos eine Vorordnung der Kirche, ohne daß damit das Amt eine Schöpfung der Kirche wäre und seinen alleinigen Grund in der Kirche hätte. Dieser doppelte Aspekt des Verhältnisses von Amt und Kirche, der hier angedeutet ist, bildet gleichsam die Grundstruktur für die weiteren Aussagen der nicht-anglokatholischen Theologen. In diesem Zusammenhang ist vor allem auf Quick hinzuweisen. Er geht von der Ordination aus, die nach seiner Ansicht eine doppelte Intention hat: in ihr wird sowohl eine göttlidie Gabe der Vollmacht (divine gift of power) sozusagen direkt (as it were directly) von Gott verliehen, als auch eine bestimmte feierliche Autorisierung, im Auftrage der Kirche zu han221 G . W . H . L a m p e , The Early Church, S. 171; L.Hodgson, The Apostolic Succession, S. 87. 222 v g l . L.Hodgson, The Apostolic Succession, S. 13; G . W . H . L a m p e , The Early Church, S. 172. 223 G . W . H . L a m p e , a.a.O. S . 1 7 0 f .
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dein (a certain solemn authorisation to act in the Church's behalf) durch die Kirche, den Leib Christi, übertragen — wenngleich audi diese Autorisierung ihren letzten Ursprung in Gott hat 224 . Beides, die Gabe der Vollmacht und die Übertragung der Autorität, gehört untrennbar zusammen 225 . Daß Quick diese Übertragung der Autorität vor allem als einen Akt der Kirche ansieht, macht ein weiterer Gedankengang deutlich: Wenn die Autorität, im Namen der ganzen Kirche zu handeln, übertragen wird, so muß diese Autorisierung durch den ganzen Leib Christi, wie er vom ordinierenden Bischof und der bei der Ordination anwesenden und betenden Gemeinde repräsentiert wird, geschehen226. Das Amt empfängt seine geistliche Vollmacht in der Ordination gleichsam direkt von Gott, aber im Blick auf seine Autorität ist es von der Kirche in gewisser Weise abhängig. Bell und Hickinbotham weisen wie Quick227 darauf hin, daß auf Grund der Gespaltenheit des Leibes Christi kein Amt die Ernennung und Beauftragung des gesamten Leibes besitzt und daher die Validität jedes Amtes beeinträchtigt ist228. In dieser Hinsicht ordnen sie das Amt ebenfalls der Kirche unter. Diesen doppelten Aspekt des Verhältnisses von Amt und Kirche überträgt Quick nun auch auf die Funktion des Amtes, indem er über den Amtsträger schreibt: "On the one hand he is a man of God ministering gifts of spiritual life to his fellows; on the other hand he is 'persona ecclesia', and the true representative of those to whom he ministers, and of whom the ecclesia is composed." 229 Der Zusammenhang ist deutlich: Der Träger des geistlichen Amtes steht einerseits in einem Verhältnis zu Gott, indem er 1. von ihm in der Ordination der Kirche eine geistliche Vollmacht empfangen hat und 2. als „Mann Gottes" der Kirche handelnd gegenübersteht; andererseits steht er in einem Verhältnis und zugleich in einer gewissen Abhängigkeit zur Kirche, indem er 1. seine Autorität von ihr und durch sie empfängt und 2. Repräsentant der Kirche Gott gegenüber ist. Fast alle nicht-anglokatholischen Theologen machen ihre Aussagen in diesem Rahmen, auch wenn sie zuweilen nur den einen dieser beiden Aspekte des Verhältnisses Amt — Kirche besonders behandeln. Rawlinson lehnt sich eng an Quick an, wenn er sagt, daß in der Ordination oder Konsekration Gott durch die Handauflegung in Antwort auf die Gebete der Kirche eine für das geistliche Amt notwendige Gnade und Beauftragung verleiht 230 . Das Amt ist eine Gabe Christi an seine Kirche231. 224
O . C . Quick, The Christian Sacraments, London 1932, S. 141. 228 Ebd. S. 142 f. Ebd. S. 145, Anm. 1. 227 Ebd. S. 143 und 145. 228 G . K . A . B e l l , Christian Unity, S.143; J.P.Hickinbotham in: S.Neill ed., The Ministry of the Church, S. 38 f. 229 O.C.Quick, The Christian Sacraments, S. 142. 230 A. E. J. Rawlinson, Problems of Reunion, S.50 und 68. 231 Ebd. S.50. 225
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Zugleich geschieht in der Ordination eine Beauftragung und Autorisierung durch die Kirche. Beides ist für ein Amt, das rechtmäßig (valid) sein soll, unerläßlich 232 . Aber auf Grund der Spaltungen in der Kirche ist die Autorisierung durch die Kirche beeinträchtigt 233 . Rawlinson setzt ebenfalls diese beiden Aspekte der Ordination in ein direktes Verhältnis zur Funktion des Amtes: Der Amtsträger soll für bestimmte Zwecke im Auftrage und im Namen der Kirche handeln. Darum braucht er eine Autorisierung im Namen und im Auftrage der ganzen Kirche234. Aber er ist nicht nur der Kirche, sondern auch Christi Amtsträger: " . . . the Christian minister is in a true sense the minister not simply of the Church, but of Christ" 235. Nach Greenslade ist es offizielle Lehre der Kirche von England, daß das Amt eine Gabe des Herrn an seine Kirche ist: "It may surely be assumed, without further evidence or discussion, that the Church of England officially holds that the ministry is given to the Church by its Lord, and is not simply the creation of the Church." 236 An anderer Stelle schreibt er, daß der Amtsträger sowohl die Autorität Christi als audi die der Kirche braucht und fährt fort: "Ordination is an act both of Christ and the Church, of Christ in and through His Church." 237 Entsprechend wird dann von der Funktion des Amtes gesagt, daß es sowohl Amt Christi der Kirche gegenüber als audi Amt der Kirche für die Kirche ist 238 . Auch Hodgson und Williams machen Ausführungen, die in diesen Zusammenhang hineingehören23e. Die Mehrheit der nicht-anglokatholischen Theologen lehrt über das Verhältnis von Amt und Kirche, daß auf der einen Seite das Amt seinen Ursprung und Grund nicht in der Kirche hat, es ist Gabe Gottes an die Kirche, es empfängt in der Ordination seine Beauftragung, Autorität und Amtsgnade von Gott, daß es aber auf der anderen Seite von der Kirche abhängig ist, indem 'es von der Kirche und durch die Kirche eine Autorität und Beauftragung empfängt, die aber auf Grund der Gespaltenheit der Kirche Christi nur eine unvollkommene sein kann. In gleicher Weise und im direkten Zusammenhang hiermit wird auch die Grundfunktion des Amtes beschrieben: Es ist sowohl Amt Christi der Kirche gegenüber als 2 3 3 Ebd. S. 67. Ebd. S. 65 f. 2 3 5 Ebd. S. 68. Ebd. S. 66. 236 S.L. Greenslade, Ordo, S . 1 6 6 . 2 3 7 S.L.Greenslade, Schism in the Early Church, S . 2 1 8 ; ders., Ordo, S . 1 7 2 : "Therefore the ordained minister receives his primary and essential authority f r o m Christ and through the Church though in some matters he no doubt receives an authority directly from the Church." 238 S.L.Greenslade in: S.Neill ed., The Ministry of the Church, S . 6 0 . 239 L.Hodgson, Essays in Christian Philosophy, S. 146. Hier geht Hodgson sogar von dem Satz aus: " . . . the Church-as-a-whole is prior to the ministry." R.R.Williams, a.a.O. S. 138 f. 232
234
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auch Amt der Kirche, indem es die Kirche ihrem Herrn gegenüber vertritt. Das Amt — und in all den hier erwähnten Aussagen ging es nicht speziell um das bischöfliche Amt — kommt der Kirche von ihrem Herrn als Gabe zu und zugleich geht es von der Kirche aus.
3. D i e „plene
a) Einleitung
und
esse"-Theorie verschiedener katholischer Theologen
nicht-anglo-
Abgrenzung
Im Jahre 1954 erschien ein Sammelband, an dem sieben jüngere, zum Teil schon sehr bekannte anglikanische Theologen mitgearbeitet hatten: The Historie Episcopate 1 . Äußerer Anlaß für die Entstehung dieses Buches waren die Konvokationen von Canterbury und York, die sich bei ihren Zusammenkünften im Jahre 1950 nicht entschließen konnten, mit der Kirche von Südindien in volle Abendmahlsgemeinschaft einzutreten und die Entscheidung in dieser Frage um fünf Jahre zurückstellten 2 . Die Verfasser des Historie Episcopate sind der Auffassung, daß dieser Beschluß der Konvokationen Ausdruck der Sackgasse war, in die die Kirche von England nicht zuletzt auf Grund der alten, unfruchtbaren esse — bene esse-Debatte geraten war. Gegenüber der „irrigen" (erroneus) esseTheorie und der „unzureichenden" (inadequate) bene-esse-Theonc halten sie es daher für notwendig, die Frage des Amtes und besonders des Bischofsamtes von einem neuen Ausgangspunkt aus und unter neuen theologischen Gesichtspunkten zu behandeln 3 . Dieser Versuch wird hier gemacht, indem die sogenannte plene-esse-Theorie entwickelt wird. Im Blick auf die Kirche von Südindien treten die Verfasser, die sich selbst als „High Churchmen" bezeichnen 4 , f ü r eine volle organische Union (full organic union) mit dieser Kirche zum frühest möglichen Zeitpunkt ein 5 . Gegen diesen Ausgangspunkt muß der Einwand erhoben werden, daß die bene esse-Theorie in der neueren anglikanischen Theologie nicht mehr die einzige, von vielen Anglikanern vertretene Alternative zur anglokatholischen Lehre ist. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß der Terminus bene esse auf seiten der nicht-anglokatholischen Theologen fast nicht mehr gebraucht wird und wenn überhaupt, dann nicht im Sinne praktisch organisatorischer Vorzüge des Bischofsamtes. D a ß in neuerer Zeit eine ganze Reihe bedeutender Theologen in ihren Aussagen über das Bischofsamt eine Stellung zwischen der esse- und der bene «ie-Theorieein1 2 s
7
K.M.Carey ed., The Historie Episcopate, London 1954. 3 4 Ebd. S. 5. Ebd. S. 5—7. Ebd.S.5. Vgl. den Aufsatz von Carey, The N e x t Step, S. 128—138.
8220
Gaßmann, Bischofsamt
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nehmen, ohne allerdings in jedem Falle ihre Auffassungen durch eine bestimmte Formel zu kennzeichnen, daß sie also genau das tun, was mit diesem Buch neu getan werden soll, scheint Montefiore in dem Bemühen, einen dunklen Hintergrund zu zeichnen, auf dem sich die neue plene esseTheorie um so klarer abheben kann, zu übersehen. Grundsätzlich tun die Verfasser des Historie Episcopate also nichts Neues, wenn sie sich bemühen, die alten Extreme zu überwinden. In vielen Aussagen und Gedankengängen stimmen sie auch sachlich — wie wir noch sehen werden — mit anderen nicht-anglokatholischen Theologen überein. Darum sind sie auch der ständig größer werdenden Gruppe von Theologen zuzuordnen, die eine Mittelstellung zwischen den streng evangelikalen und den anglokatholischen Theologen einnehmen. Daß die Verfasser des Historie Episcopate darüber hinaus eine ganze Reihe neuer Gedanken und Ansätze entwickeln, kann nur eine Bereicherung dieser Mittelgruppe bedeuten. b) Das Neue Testament und das historische Bischofsamt Bemerkenswert an dem Sammelband The Historie Episcopate ist, daß die im Blick auf das historische Bischofsamt bei vielen anglikanischen Theologen im Vordergrund stehende historische Argumentation zugunsten einer theologischen zurückgedrängt wird e . Das kommt schon in den beiden Kapiteln zum Ausdruck, die das Bischofsamt im Zusammenhang der neutestamentlichen Aussagen behandeln. Robinson geht es in seinem Aufsatz „Kingdom, Church and Ministry" um zweierlei: 1. um den Nachweis, daß das historische Bischofsamt entgegen der herrschenden anglokatholischen Interpretation nicht der Kirche vorgeordnet ist, sondern von dieser abhängig ist, und 2. um die theologische Begründung dafür, daß der Besitz des historischen Bischofsamtes ein notwendiges Zeichen (mark) der Fülle der Kirche ist. Robinsons Gedankengang entwickelt sich folgendermaßen: Das Amt ist das Amt Christi (2.Kor.3,6; 5,18.20; Lk.10,16) nur insofern, als es Amt der Kirche ist. Alles, was im Neuen Testament über das Amt gesagt wird, wird vom ganzen Leib gesagt. Alles gehört allen — der Geist, das neue Leben, die Priesterschaft. Jedes Amt in der Kirche, das im Auftrage Christi existiert (2. Kor. 5,20), existiert zugleich um des Leibes willen ( E p h . 4 , l l f . ; vgl. Kol.1,24). So gilt: "Its authority and validity derive from Christ-in-His-Body. The only valid ministry is that of the Totus-Christus."7 Sieht man die Validität des Amtes unabhängig von der Autorität der lebendigen Kirche, z.B. auf Grund der linearen Sukzession bischöflicher Konsekrationen, und entscheidet man vom Besitz eines validen Amtes aus, ob eine Kirche am Leib Christi Anteil hat, dann beβ Vgl. den Hinweis auf S. 22, daß das Verständnis des Bischofsamtes keine Frage der Geschichte, sondern eine der Theologie ist. 7 Ebd. S. 14 f.
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deutet dies eine Umkehrung der neutestamentlichen Aussagen. Doch das Neue Testament fordert, die Lehre vom Amt der Lehre von der Kirche unterzuordnen 8 . Aus dem anschließend geführten Nachweis, daß die Kirche dem Reiche Gottes untergeordnet ist', folgert Robinson, daß auch das Amt erst in diesem eschatologischen Zusammenhang recht gesehen werden kann. So ist das gegenwärtige Amt der Kirche das Amt „zwischen den Zeiten" des Christus, der gekommen ist und der kommen wird. Dieses Amt leitet seine Vollmacht und sein Wesen von diesen beiden mächtigen Akten her. Es läßt im Hier und Jetzt all das gegenwärtig und wirksam werden, was in Palästina geschehen ist und was bei der Parusie geschehen wird. Die neutestamentliche Lehre der Oberaufsicht (episkope) illustriert diese wesentliche Polarität, die das gesamte christliche Amt charakterisiert. Die Episkope der Kirche (d.h. diejenige Christi in seiner Kirche) steht zwischen der Episkope, Heimsuchung Gottes an seinem Volk in Christi erstem Kommen und in seinem letzten Kommen und macht diese für die gegenwärtige Zeit wirksam. Die Kirche ist mit der Episkope beauftragt, indem sie die Oberaufsicht ausübt (l.Petr.5,2) bis zur Wiederkunft des Hirten (l.Petr. 5,4), der selbst der Episkopos der Seelen (l.Petr. 2,25) ist. Daraus folgt: "The episcopacy, like the whole ministry and indeed existence of the Church, is 'validated' by the mighty acts of the Kingdom. The final guarantee that these events are themselves valid, grounded, that is, in the authority of God and stronger therefore than anything else, is an eschatological one — the assurance that in the end it will still be 'this same Jesus' crowned Lord of history and not another. It is thus in terms of eschatology that the Church and its ministry receive their ultimate validation (cf. Matt. 16,18f.; Luke 12,32;22,29f.)." 1 0 In der Geschichte der Kirche und der Theologie wurde nach Robinson diese Zuordnung von Reich Gottes — Kirche — Amt sehr bald nicht mehr verstanden. Die Kirche wollte sich selbst garantieren, und da der Blick auf das Ende verlorengegangen war, wurde nun alles Gewicht auf die Kontinuität mit dem Anfang gelegt. "The Church as the eschatological community of the Messiah gave place to the Church as the extension of the Incarnation . . . The ministry becomes grounded, not, as in the New Testament, in the present gift of the Church's ascended Head (Eph.4, 8—12), but in the Jesus of history." Durch die apostolische Sukzession erhält das Amt nun seine Validität. Der Episkopat wird zum Kennzeichen für die eigentliche Existenz der Kirche, zur authentischen Garantie für ihren Anspruch, Leib Christi unter den Menschen zu sein: ubi episcopus, ibi ecclesia11. Diese besondere Heraushebung des Episkopats ist nach 8
10 Ebd. S. 15. » Ebd. S. 15—17. Ebd. S. 18 f. Ebd.S. 19. Diese Auffassung wird illustriert durch Zitate aus: K.Kirk ed., The Apostolic Ministry, S.46, 49 und 52. 11
7*
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Robinson eine moderne, wenn nicht sogar eine eigentümlich anglikanische Entwicklung. Was für Ignatius eine Angelegenheit der Ordnung und der kirchlichen Disziplin war — wo der Bischof ist, sollen auch die Leute sein — ist für den modernen Anglokatholiken zu einer Sache des Glaubens geworden: ohne Bischof gibt es keine Kirche12. Nachdem so Robinson vom Neuen Testament her den Platz des Amtes im Blick auf die Kirche und das Reich Gottes bestimmt und zugleich die anglokatholische Lehre von hier aus zurückgewiesen hat, geht er nun mit der Verneinung der Frage, ob denn der historische Episkopat und die apostolische Sukzession für den Leib Christi unwichtig seien, zu einer kurzen theologischen Begründung des historischen Bischofsamtes über: "A Church without continuity in time is as sinful and broken as a Church without unity in space. Every movement towards Christian reunion must take both into account as of equal importance." Organische und nicht nur geistliche oder lehrmäßige Kontinuität ist für die Fülle (fullness) der Kirche ebenso notwendig wie organische Einheit. Beide finden ihren Brennpunkt im historischen Episkopat, des äußeren und sichtbaren Ausdrucks der Katholizität und Apostolizität der Kirche. Im Episkopat verkörpert sich die Abhängigkeit jeder Einzelgemeinde von der einen Kirche Gottes, deren örtliche Manifestation sie ist, und die Kontinuität in Lehre, Liturgie und Autorität mit den historischen Ereignissen, auf denen die Kirche gründet. "Every scheme for Christian unity must come to terms with the historic episcopate; for despite it the Church cannot in fact be fully one, catholic or apostolic." 13 Am Ende seines Aufsatzes faßt Robinson zusammen: Unbiblisch, unhistorisch und unanglikanisch ist jene besondere Interpretation des Bischofsamtes, die dieses der Kirche überordnet, während doch die einzige Vorbedingung der Kirche das Reich Gottes ist. Das Bischofsamt ist von der Kirche abhängig und nicht umgekehrt. Sein Besitz ist ein notwendiges Zeichen der Fülle der Kirche, doch er macht nicht die Kirche zur Kirche. In seiner Ablehnung jedoch kann die Kirche niemals die Fülle ihres Seins als der Leib Christi in der Geschichte zum Ausdruck bringen14. Robinson bestimmt im ersten Teil seines Aufsatzes vom Neuen Testament her die Stellung des Amtes gegenüber der Kirche und stellt sodann beide in den umfassenderen Zusammenhang des Reiches Gottes hinein, von dem beide ihre Gültigkeit erhalten. Damit verbunden ist der Nachweis der Unhaltbarkeit der anglokatholischen Uberordnung des Amtes über die Kirche. Im kurzen zweiten Teil des Aufsatzes, der mit dem ersten nur sehr lose verbunden ist, folgt ein theologischer Gedankengang, der von dem Satz ausgeht, daß organische Einheit und Kontinuität für die Fülle der Kirche notwendig sind. Da der historische Episkopat Brenn12
100
Ebd. S. 20.
13
Ebd. S. 21.
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punkt der Einheit und Kontinuität ist, gehört er folglich zur Fülle der Kirche. In seinen Aussagen über das Verhältnis von Bischofsamt und Einheit und Kontinuität der Kirche stimmt Robinson mit den anderen anglikanischen Theologen überein, auf deren Aussagen wir bereits eingegangen sind 15 . Neu ist, daß Robinson in diesem Zusammenhang den Begriff der Fülle der Kirche verwendet. Audi Vanstones Aufsatz 16 weist zwei Teile auf. Er geht von der Voraussetzung aus, daß wir im Neuen Testament weder eine in Einzelheiten ausgeführte Ämterordnung noch einen Hinweis darauf finden, daß der Episkopat wesentlich zur Kirche gehöre, daß aber dennoch die grundlegenden Gedanken über die Ordnung der Kirche an Hand des Neuen Testamentes zu entwickeln sind 17 . Die Ordnung der Kirche liegt in der Art beschlossen, wie die Kirche lebt. Daraus folgt, daß die Frage des Bischofsamtes im Neuen Testament nicht in Begriffen einer konkreten Institution, sondern in solchen der Autorität anzugehen ist 18 . Im ersten Teil seines Aufsatzes geht es Vanstone darum, zu zeigen, daß sich im Neuen Testament keine Übertragung der Autorität des Herrn auf die Apostel findet, die wesentlich für die Kirche wäre. Vielmehr zeigte Paulus, daß Autorität nur durch den Dienst am Evangelium und den Einsatz für dieses Evangelium erworben wird, es gab keine vom Herrn ererbte Autorität, die das wesentliche Zentrum der Kirche ist. Der zweite Teil dieses Aufsatzes steht — wie bei Robinson — ebenfalls fast unverbunden neben dem ersten Teil. Die Grundthese dieses zweiten Teils ist, daß der historische Episkopat Schlußstein der Struktur der Kirche ist und damit zur Fülle der Kirche hinzugehört. Diese These bleibt jedoch unbegründet. Es wird nicht gesagt, wieso der historische Episkopat Teil der Struktur und sogar deren Schlußstein ist. Wie wird hier „Struktur" verstanden, welches sind deren andere Elemente neben dem Episkopat, aus denen sie besteht, und in welchem Verhältnis steht der Episkopat zu diesen? Vanstone untersucht sodann das Verhältnis von Struktur und Geist. Die neutestamentlichen Bilder für die Kirche besitzen eine strukturierte Form: Leib, Gebäude, (Haus), Weinstock, Tempel. "The Church is not a mere plenum, but an articulated w h o l e ; . . . " Daß im Blick auf diese strukturierte Form nicht in statischen Begriffen gedacht werden darf, zeigen Begriffe wie „wachsen", „zusammenfügen", „auferbauen", die im Zusammenhang mit den angeführten Bildern für die Kirche gebraucht v/erden (Eph.2,21 f.; 4,16; 4,11 f.). Die Kirche ist Leib Christi, doch deutet diese Metapher nicht auf eine Realität, die formal vollkommen ist und 15 16 17
Vgl. hier S.86—91. The Ministry in the N e w Testament, S.23—40. 18 Ebd. S. 23—26 und S. 40. Ebd. S. 26.
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die nicht der Gradunterschiede eines mehr oder weniger fähig ist, "for, as the Body of Christ, the Church is a fullness or completion towards which the Christ Himself grows (Eph. 1,23)." Die verschiedenen charismatischen Gaben dienen zur „Auferbauung". "The Spirit is given . . . 'for the building up* of an organic and integrated whole, for the creation of a reality which shall express, in its integrated diversity, both the oneness and the manifold richness of the Spirit." Somit erweist sich die Struktur nicht als Träger oder Medium des Geistes, wie bei der esse und bene esse-Theorie, sondern als dessen Ausdrucksform (expression) oder Verkörperung (embodiment). "The Spirit embodies itself, more or less fully, in a meaningful structure." 19 Die so gewonnene Auffassung wird nun auf das Verhältnis von Amt und Kirche angewandt: Die Kirche soll in ihrem gemeinschaftlichen Leben die Art und Weise von Gottes Erlösungswerk zum Ausdruck bringen. Der Geist verkörpert sich in strukturierter Form. Der Episkopat als wichtiger Teil der Struktur der Kirche ist Ausdruck des Geistes in strukturierter Form. Durch diese Form soll Gottes Erlösungswerk zum Ausdruck gebracht werden. Die Kirche ist somit eine gegenwärtige Realität, in der sich die Gnade Gottes in bedeutungsvoller und ausdrucksvoller Form offenbart 20 . Der Geist ist nicht gebunden, darum muß nach Vastone eine Auffassung abgelehnt werden, nach der eine einzige bestimmte Struktur für die Gegenwart des Geistes und das Sein der Kirche entscheidend ist ("Where the bishop is, there is the Church"). 21 Aber auch eine Sicht der Struktur unter dem Gesichtspunkt der Nützlichkeit und eine vergleichende Bewertung verschiedener struktureller Formen unter dem Gesichtspunkt der Wirksamkeit ("Where the fruits of the Spirit are manifest, there is the Church") ist abzulehnen 22 . Die Struktur der Kirche ist nicht das Medium des Geistes, sondern dessen Ausdruck. Das Maß der Fülle der Kirche hängt davon ab, in welchem Maße sie in ihrem strukturierten Sein von der Art und Bedeutung Gottes erlösenden Handelns Zeugnis ablegt. Die Kirche ohne historisches Bischofsamt hört nicht auf, Kirche zu sein, sie hat nicht ihre wesentliche und konstitutive Struktur verloren. Ihr Leben ist immer noch Leben des Geistes. "But it waits for the perfection of the body, for the amplification of its structure, for the more complete expression in concrete and visible form of its own inner life and meaning." 23 Alles, was Vanstone in diesem zweiten Teil über die Struktur sagt, hängt in der Luft, da die Grundvoraussetzungen nicht geklärt sind. Im Blick auf diese Unklarheiten könnte z.B. auch gefragt werden, ob nicht die Struktur sowohl Medium als auch Verkörperung und Ausdrucksform 19 20 22
102
Ebd. S. 26—38. Ebd. S. 39 f. Ebd. S. 37.
21 23
Ebd. S. 36 f. Ebd. S. 40.
des Geistes sein kann 24 . Auch besteht ein Widerspruch, wenn einmal der historische Episkopat als Schlußstein der Struktur bezeichnet wird und später gesagt wird, daß eine Kirche ohne historischen Episkopat audi weiterhin ihre wesentliche und konstitutive Struktur besitzt. Der Begriff der Struktur könnte dazu beitragen, die These, daß das historische Bischofsamt zur Fülle, zum plene esse der Kirche gehört, näher zu erläutern. Da aber Vanstone diesen Begriff nicht eingehender beschreibt und die Zugehörigkeit des Bischofsamtes zur Struktur nicht weiter begründet, bleiben auch seine Aussagen über das Verhältnis von Struktur — Leib Christi — Fülle der Kirche unklar und nicht überzeugend. c) Das Amt in den ersten
Jahrhunderten
Woolcombe unterscheidet sich in seinem Aufsatz über das Amt und die Ordnung der Kirche in den ersten Jahrhunderten 25 nicht von den Ausführungen anderer nicht-anglokatholischer Theologen26. Aus seinem Überblick zieht er nachstehende Folgerungen für die heutige Situation: 1. Erst allmählich hat die Kirche die Form der bischöflichen Konsekration angenommen, nicht weil diese zum esse der Kirche gehört — dann wäre die Kirche im ersten Jahrhundert und die Kirche von Alexandria keine Kirche gewesen27 — auch nicht, weil sie zum bene esse der Kirche gehört — sonst hätte man nicht Aerius, der auf der Identität des presbyterialen und bischöflichen Amtes bestand, im Jahre 355 verdammt. Vielmehr hat man die Form der bischöflichen Konsekration angenommen, weil sie ein Zeichen der Fülle (fullness) und Ganzheit (wholeness) des Leibes Christi ist. 2. Die Aussagen der Kirchenväter lehren uns, zuerst danach zu fragen, ob nicht unsere eigene Katholizität ebenfalls von der Sünde des Schismas berührt und dadurch beeinträchtigt ist. 3. Schließlich war es ein Hauptanliegen der Kirchenväter, trotz kleiner Anomalien in ihren eigenen Ortskirchen, die Trennungen in der Kirche zu heilen28. Wie Robinson und Vanstone benutzt auch Woolcombe seinenAufsatz zum Nachweis, daß sowohl die esse-Theoriewie auch die bene esse-Theorie als die beiden bisher im Vordergrund stehenden Alternativen abgelehnt werden müssen. Die positive Aussage, daß der historische Episkopat zum plene esse der Kirche gehöre, scheint hier in erster Linie aus der Ablehnung der zwei anderen Theorien zu folgen, ausdrückliche Belege für diese Auffassung bei den Kirchenvätern werden nicht angeführt. 2 4 Wenn z.B. die Predigt des Evangeliums als Teil der Struktur der Kirche angesehen wird, dann könnte man wohl auch die Struktur als Medium des Geistes bezeichnen. 2 3 The Ministry and the Order of the Church in the Works of the Fathers, S . 4 1 — 6 2 . 2 6 Vgl. hier S. 74—79. 2 7 E b d . S . 6 2 ; vgl. audi S . 4 8 f.: In Alexandria wurden die Bisdiöfe in der ersten Zeit von ihren Mitpresbytern gewählt und konsekriert. 28 Ebd. S. 61 f.
103
d) Das historische Bischofsamt 16. Jahrhundert
in der anglikanischen
Theologie
seit dem
Im Blick auf die beiden Aufsätze Tills und Websters brauchen wir hier nur auf einige Gedankengänge hinzuweisen, die für das Leitthema des Buches wichtig sind. Es war zu erwarten, daß Till in seinem Aufsatz 29 Whitgifls Unterscheidung zwischen der „perfection" und „essence" einer Kirche hervorhebt, wobei nach Whitgift eine bestimmte Form der Kirchenleitung zur „perfection", nicht aber in dieser Weise zur „essence" der Kirche gehören kann. Till zeigt, daß diese Unterscheidung im 17. Jahrhundert mit stärkerer Betonung wiederholt wird 30 . Sie findet sich sodann bei Andrewes, der zwischen dem Sein (being) und der göttlichen Fülle (divine fullness) der Kirche unterscheidet31, wie auch bei Mason32. Doch erst von Bramhall und Cosin wird sie voll entwickelt. Bramhall knüpft an Andrewes an und spricht von der „true nature and essence" und der „intergrity or perfection" einer Kirche, wobei der historische Episkopat ein notwendiger Teil der „integrity or perfection" der Kirche ist 33 . (Daß Cosin diese Auffassung vertreten haben soll, scheint mir aus dem von Till angeführten Zitat nicht zwingend hervorzugehen34.) Auch Thorndikes Auffassung wird besonders hervorgehoben, nach der alle Kirchen an der Sünde der Schismen beteiligt sind, daß andererseits die Einheit der Kirche aber nur auf dem Boden des Episkopats wiederhergestellt werden kann. Er sah im Episkopat den von Gott gegebenen Mittelpunkt (focus) der Einheit und den Sitz der Autorität in der Kirche 35 . Till bietet keine Zusammenfassung, noch gibt er eine Charakteristik des von ihm zusammengestellten Stoffes, wenngleich natürlich seine Hervorhebung der hier erwähnten Theologen mit ihren Aussagen über die „fullness" und „perfection" auf die Grundthese des Bandes hinzielt. Zugleich bemüht er sich in seiner Darstellung um den Nachweis, daß die Vertreter einer strikteren Auffassung hinsichtlich des Episkopats und der protestant tischen Ämter in dem behandelten Zeitraum in der Minderheit waren und daß die „Via Media" das Charakteristikum dieser Zeit war 38 . Websters Aufsatz 37 gibt einen Uberblick über das Denken und Handeln der verschiedenen anglikanischen theologischen Gruppen im 19. JahrEpiscopacy in the Works of the Elizabethan and Caroline Divines, S. 6 3 — 8 3 . 3 1 Ebd. S. 80. Ebd. S. 67. 3 2 Ebd. S. 80. 3 3 Ebd. S. 81. 3 4 Ebd. S. 81. 3 3 Ebd. S. 83. 3 6 Damit befindet sich Till in grundlegender Obereinstimmung mit den Ergebnissen von Sykes — N . Sykes, Old Priest and New Presbyter — wenngleich er den Vertretern einer stärker „katholischen Richtung" (T. Bilson, J. Taylor, J . Overall) mehr Raum gibt als Sykes. 3 7 Church Order and Re-Union in the Nineteenth Century, S. 8 4 — 1 0 4 . 20
30
104
hundert und in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts, insoweit es die Frage der kirchlichen Ordnung und der Wiedervereinigung der Kirchen berührt. Er zeichnet damit den allgemeinen Hintergrund, auf dem sich die Debatte heute abspielt. Hinsichtlich der ablehnenden Haltung der Traktarianer gegenüber den protestantischen Kirchen glaubt er in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts eine gewisse Modifizierung dieser Haltung erkennen zu können, die zu einem größeren Interesse und einer stärkeren Teilnahme an den Wiedervereinigungsbestrebungen führte. So scheinen sich nun die historischen theologischen Gruppen in der Kirche von England darin auf einer gemeinsamen Plattform zu treffen, daß sie sich mit der Forderung nach Kircheneinheit im eigenen Lande und in anderen Ländern auseinandersetzen38. Die Verfasser des Historie Episcopate können sich in gewisser Weise auf die Theologen des 16. und 17. Jahrhunderts berufen, die eine Unterscheidung zwischen der „perfection" und der „essence" einer Kirche machen. Allerdings scheinen zumindest einige der betreffenden anglikanischen Väter den Begriff der „perfection" lediglich auf die äußere Ordnung der Kirche zu beziehen39. Webster schreibt, daß die bene esse-Theorie, die die Frage des Bischofsamtes nur unter dem Aspekt der Nützlichkeit sieht, im 19. Jahrhundert in Auseinandersetzung mit der esse-Theorie stand. Er zeichnet die theologische Entwicklung der Kirche von England wohl richtig, wenn er darauf hinweist, daß die theologischen Gruppen in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts sich in zunehmendem Maße gemeinsam den ökumenischen Fragen im eigenen Lande und in der ökumenischen Bewegung gestellt haben. Gewiß haben sich dabei die bestehenden theologischen Gruppen bis in unsere Zeit fortgesetzt, doch scheint auch Webster zu übersehen, daß gerade mit dem zunehmenden ökumenischen Interesse der anglikanischen Theologie in diesem Jahrhundert sich eine wachsende Zahl bedeutender Theologen vor allem seit den 20er Jahren um eine Mittelstellung zwischen den beiden großen theologischen Richtungen des 19. Jahrhunderts bemüht. e) Der historische Episkopat Im Mittelpunkt des Buches The Historie Episcopate steht der Aufsatz Montefiores, der eine theologisch-systematische Darlegung der plene esseTheorie bietet 40 . 38
Ebd. S. 104. Z.B. J.Whitgift, der den Ausdrudi gebraucht "the outward from or perfection of i t . . v g l . a.a.O. S.67. 40 The Historic Episcopate, S. 105—127. 39
105
Nach einer Charakterisierung beider Auffassungen kommt Montefiore zu dem Ergebnis, daß die e55e-Theorie irrig, die bene e5se-Theorie unzureichend sei. Die vorausgehenden Kapitel des Buches fordern nach seiner Meinung vielmehr eine dritte Auffassung: daß nämlich der historische Episkopat zum plene esse der Kirche gehöre 41 . Montefiore beschreibt diese Auffassung folgendermaßen: Alle auf Christus Getauften gehören zur Kirche Christi, ob sie nun der anglikanischen, der presbyterianischen oder römischen Kirche angehören. Die volle Gestalt (full stature) der Kirche erweist sich in vielen Kennzeichen (marks), die unter vier Hauptbezeichnungen — eine, heilig, apostolisch, katholisch — zusammengestellt werden können. Da aber keine der verschiedenen Kirchen diese vier Charakteristika in ihrer Fülle zum Ausdruck bringen kann, sind alle Kirchen in gewisser Weise unvollkommen (deficient). Manche nichtbischöflichen Kirchen bringen andere Kennzeichen der Kirche umfassender zum Ausdruck als die Kirche von England (ζ. B. findet das Priestertum aller Gläubigen in der presbyterianischen Kirche von Schottland einen volleren, konkreteren Ausdruck als in der Kirche von England). "But the Anglican communion has retained the historic episcopate and with it the priesthood and the diaconate: These belong to the plene esse of the church. Whatever, for instance the Congregational Union has got which the Church of England lacks, it is deficient in this mark of the fullness of the church." Die Aussagen der bene esse-Theorie werden nicht abgelehnt, aber als eine Basis für den Episkopat sind sie nicht ausreichend. Der historische Episkopat ist nicht nur eine Angelegenheit von praktischer Bedeutung, sondern auch von theologischer. "It provides the full embodiment of the Gospel in church order." 42 Der historische Episkopat ist ein wirksames Zeichen (effectual sign) der Einheit. Er verkörpert in der Kirchenordnung die biblische Verkündigung, daß die Kirche Christi eine ist. Zugleich verkörpert er in der Kirchenordnung das Prinzip der Apostolizität. Das bischöflich ordinierte Amt ist gesandt, sowohl Christus gegenüber seiner Kirche als auch die Kirche selbst zu repräsentieren. Das Bischofsamt schützt Wort und Sakrament, Glaube und Gemeinde Christi. "The historic episcopate is thus an effectual sign of the relation of Christ to His Church: for it manifests His authority within His church."43 Der historische Episkopat ist aus diesem Grunde das äußere Mittel (outward means) und Unterpfand dafür, daß die Kirche eine und apostolisch ist. Er wird aber erst in der zukünftigen wiedervereinigten Kirche der Christenheit ein ausdrucksvolles (fully expressive) und wirksames Zeichen (instrumental sign) sein. Aber diejenigen, die den historischen Episkopat 41 4S
106
Ebd. S. 107. Ebd. S. 107 f.
43
Ebd. S. 108.
bewahrt haben, besitzen bereits hier und jetzt etwas von der Fülle (fullness)44 Christi, das den nicht-bischöflichen Kirchen fehlt 45 . Auf den Seiten 109—115 weist Montefiore nach, daß auf Grund der Schrift, der Tradition und theologischer Erwägungen nicht zu beweisen ist, daß das historische Bischofsamt zum esse der Kirche gehöre. Um zu zeigen, daß der Begriff der „Fülle der Kirche" eine biblische Kategorie ist, erwähnt Montefiore vor allem Eph.4,10.13. Er schreibt zur Stelle: Vers 10 bringt zum Ausdruck, daß der erhöhte Christus durch die Kirche alles erfüllt. Im nächsten Vers wird das apostolische Amt von der bloßen Predigt des apostolischen Evangeliums (Evangelisten) und von der bloßen pastoralen Oberaufsicht (Pastoren/Hirten) unterschieden. Vers 12: Alle kirchlichen Ämter sind zur Auferbauung des Leibes Christi gegeben. Vers 13: Durch sie sollen wir zur Einigkeit des Glaubens gelangen und in das Maß der Fülle Christi hineinwachsen. Hieran schließt sich der für Montefiores Auffassung entscheidende Gedankengang an: Es ist demnach selbstverständlich, daß die Kirche ein Amt haben muß. Der historische Episkopat verkörpert eine besondere Form des Amtes, da durch ihn das apostolische Amt fortgesetzt und die Einheit des Glaubens auf erbaut wird. Der historische Episkopat ist nicht konstitutiv für die Kirche, sondern er ist uns vielmehr, wie andere Elemente in der Kirche Christi, zur Auferbauung seines Leibes gegeben, damit wir alle das Maß der Fülle Christi erreichen4e. Montefiore setzt hier „Fülle Christi" mit „Fülle der Kirche" gleich. Auch wenn man die Möglichkeit einer solchen Interpretation im Zusammenhang mit der Epheserstelle einräumt47, so ist doch wohl der Begriff der Fülle, wie er in der genannten Stelle gebraucht wird 48 , ein ganz anderer als der Begriff „Fülle der Kirche", wie er von Montefiore auf S. 107 f. (vgl. hier S. 106 f.) umschrieben wird und wie er wohl auch von den anderen Verfassern der Historie Episcopate gemeint ist. Die Aussage, daß durch den historischen Episkopat das apostolische Amt fortgesetzt wird, wird hier zwar nicht näher begründet und erklärt, jedoch zeigen andere Aussagen Montefiores, daß er diese Fortsetzung des apostolischen Amtes nicht unter dem Gesichtspunkt des apostolischen Status, der durch die apostolische Sukzession weitergegeben wird, sondern im Blick auf die Funktionen und die Bedeutung des Episkopats sieht. Die apostolische Sukzession wird von Montefiore als historische Gegebenheit vorausgesetzt. Er interpretiert sie als das „äußere Zeichen und 4 4 Montefiore mödite „fullness" im Sinne von „perfection of the church" ( J . B r a m hall) verstanden wissen, a.a.O. S. 108, Anm. 1. 4 3 Ebd. S. 108. 4 8 Ebd. S. 117. 4 7 Vgl. z . B . H . S A l i e r , Der Brief an die Epheser, 2. Aufl., 1960, S.201. 4 8 Vgl. hierzu J . Α. T. Robinson, The Body, Α Study in Pauline Theology, London 1952, besonders S . 6 5 — 6 9 .
107
Instrument der Einheit der Kirche", als das von Gott gegebene Zentrum (focus) der Einheit in der Kirche, schließlich bezeichnet die historische Kontinuität der Amtsbeauftragung die historische Kontinuität der besonderen Beauftragung, die jeder Amtsträger von Christus empfängt 49 . In den Bischofskonsekrationen wird die Einheit von der Alten Kirche bis zur Kirche der Zukunft weitergeführt, von der Ortsgemeinde bis zur Kirche in fernen Ländern. "Thus the apostolic succession through the links of the historic succession embodies in the church the New Testament doctrine of its organic unity: it becomes the effetual symbol of this given unity. Without it, the church would not cease to exist. It is a mark of its fullness, since the church, when it attains its full stature, must show forth its spiritual unity in the outward forms which God has given it." 50 Auch das historische Bischofsamt wird in seinem besonderen Verhältnis zur Einheit und Kontinuität der Kirche beschrieben: Es ist ein wirksames Zeichen der Einheit 51 , es verkörpert die Einheit der Kirche vertikal durch die Zeiten wie auch horizontal durch den Raum. Das Bischofsamt garantiert nicht die Einheit, aber es ist das von Gott gegebene Zentrum der Einheit. Die Rückkehr derjenigen, die diese kontinuierliche Einheit verlassen haben, ist aber eine „Rückkehr zu einer zerbrochenen Einheit" 52 . Im selben Zusammenhang heißt es vom bischöflichen Amt, daß es den Glauben beschützt und die Ganzheit der apostolischen Botschaft bewahrt 53 . Zusammenfassend schreibt Montefiore: "The goal of reunion is Christendom reunited under the historic episcopate, not merely because this is the only practical goal for re-union, but also because the historic episcopate belongs to the full stature of the church. Although it is not essential to the life of the church, it offers the focus of unity, the guardianship of the Word and Sacraments, of the faith and the flock of Christ: it presents the form of the church stamped by the impress of Christ and His Gospel." 54 Die Übereinstimmung mit den Aussagen anderer nicht-anglokatholischer Theologen über die Bedeutung der apostolischen Sukzession und des historischen Bischofsamtes ist bis auf den Umstand, daß hier der Begriff der „Fülle der Kirche" zur Verdeutlichung herangezogen wird, vollkommen 55 . Auch in seiner Darstellung des Verhältnisses von Amt und 49
The Historic Episcopate, S. 117 f. 51 Ebd. S. 119. Ebd. S. 108. 52 L. Newbigin, The Reunion of the Church, London 1948, S. 108, zit. bei Montefiore, a.a.O. S. 118; vgl. audi Robinsons Beitrag im Sammelband, a.a.O. S. 21: Der historische Episkopat ist Brennpunkt (focus) der organischen Kontinuität und Einheit der Kirche. 53 Ebd. S. 118. 54 Ebd. S. 125; ebd. S. 121: Der Episkopat ist ein wirksames Symbol der Einheit der Kirche. 55 Vgl. hier S.79—97. 50
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Kirche stimmt Montefiore mit den anderen nicht-anglokatholischen Theologen überein56. Weil der historische Episkopat zur Fülle der Kirche hinzugehört, ist seine Annahme eine Vorbedingung für die Wiedervereinigung der Kirchen 57 . Abschließend schreibt Montefiore: Die Kirche von England hat in ihrer Weisheit niemals eine autoritative Definition des historischen Episkopats gegeben. Dieser ist eine Weise der sakramentalen Wirksamkeit Gottes, deren Bedeutung man nicht definieren, sondern nur erfahren kann 58 . Montefiore begründet die These, daß der historische Episkopat zur Fülle der Kirche, zum plene esse der Kirche gehört, einerseits mit theologischen Aussagen, andererseits aber auch mit einem neutestamentlichen Exkurs. Im Zusammenhang seiner theologischen Aussagen sieht er — wie Robinson — im besonderen Verhältnis des historischen Episkopats zur Einheit und Kontinuität der Kirche den Grund für die Feststellung, daß das Bischofsamt zum plene esse der Kirche gehöre. Weil der historische Episkopat Zentrum, Zeichen, Verkörperung, Symbol der Einheit und Kontinuität der Kirche ist und Wort, Sakrament, Glaube und Gemeinde schützt, gehört er zur Fülle der Kirche. Diese Begründung findet sich an mehreren Stellen 59 . Aus den verschiedenen Aussagen kann man in etwa erkennen, wie Montefiore den Begriff der „Fülle" versteht. Für sein Verständnis dieses Begriffes ist es schon bezeichnend, daß er zuweilen den Terminus „full stature" gebraucht. Es geht um die Gestalt, die Form der Kirche. Aus diesem Grunde machen auch solche verschiedenen Kennzeichen, wie ζ. B. das Priestertum aller Gläubigen in seiner Verwirklichung innerhalb der Kirchenordnung, neben anderen Kennzeichen die Fülle der Kirche aus. Weil durch das historische Bischofsamt die geistliche Einheit der Kirche in der äußeren Form der Kirche zum Ausdruck gebracht wird, gehört das historische Bischofsamt zur Fülle der Kirche 00 . In unserem Zusammenhang ist also von den äußeren Formen und Ordnungen der Kirche als den Bestandteilen der Fülle der Kirche die Rede. Aus diesem Grunde ist Montefiores Versuch, an Hand von Eph. 4,10—13 auch vom Neuen Testament her zu beweisen, daß der historische Episkopat zur Fülle der Kirche gehört, nicht überzeugend, da der in der Epheserstelle gebrauchte Begriff „Pleroma" eine andere Bedeutung besitzt. Dagegen sind seine theologischen Aussagen, die der Begründung dieser These dienen, ernst zu nehmen. Aber was er hier als Begründung dieser These über das Verhältnis von apostolischer Sukzession und Bischofsamt zur Einheit und 5 9 Der Amtsträger ist einerseits Repräsentant der Kirche, die er vor Gott vertritt, andererseits ist er von Gott erwählt und von Christus durch die Kirdie beauftragt, in dieser Weise steht er der Kirche gegenüber; a.a.O. S. 117 f.; vgl. hierzu S. 9 4 — 9 7 in dieser Arbeit.
» 58
Ebd. S. 125 f. Ebd. S. 180; S. 1 1 7 — 1 1 9 und S. 125.
58
Ebd. S. 126. Ebd. S. 119.
109
Kontinuität der Kirche sagt, findet sich bei den anderen nicht-anglokatholischen Theologen auch, wenngleich diese nicht so bestimmte Folgerungen aus ihren Ausführungen ziehen. Das gleiche gilt von Montefiores Aussagen über das Verhältnis von Amt und Kirche und über das Verhältnis von Bischofsamt und Wiedervereinigung der Kirche61. f)
Zusammenfassung
The Historie Episcopate geht von dem Gegensatz zwischen anglokatholischer und streng evangelikaler Lehre aus. Dabei wird die anglokatholische Lehre vom Amt als esse-Theorie, die evangelikale Lehre als bene esse-Theorie gekennzeichnet. In der Auseinandersetzung mit diesen beiden Theorien, die besonders im Blick auf die e55e-Theorie in allen Aufsätzen des Bandes einen beträchtlichen Raum einnimmt und im einzelnen auch wichtige theologische Gedanken enthält, bietet sich eine mittlere Position geradezu an, die — soll sie nicht nur ein taktischer Kompromiß sein — allerdings auch einer besseren theologischen Begründung als die der beiden anderen Theorien bedarf. Es finden sich im Historie Episcopate drei verschiedene direkte Begründungen für diese „mittlere" These, daß das historische Bischofsamt zum plene esse der Kirche hinzugehört. 1. Montefiore versucht als einziger, diese These vom Neuen Testament her zu begründen oder doch zu untermauern. Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß seine Begründung nicht überzeugen kann 62 . 2. Dasselbe gilt auch vom Hinweis Vanstones, daß der historische Episkopat Schlußstein der Struktur der Kirche sei63. 3. Schließlich wird die plene esse-These von Robinson und Montefiore mit der Darlegung des besonderen Verhältnisses, in dem das historische Bischofsamt zur Einheit und Kontinuität der Kirche steht, nicht nur historisch, sondern auch theologisch begründet. Diese Begründung, zu der noch Hinweise auf andere Funktionen des historischen Bischofsamtes hinzutreten — wie Schutz des Glaubens, der Sakramente und der Gemeinde — steht eindeutig im Vordergrund. Zur Begründung des historischen Bischofsamtes selbst und über dessen Ausbildung und Annahme in der Alten Kirche finden sich keine Ausführungen. Abgesehen von der Tatsache, daß The Historie Episcopate den mit einer vollzogenen Kirchenunion verbundenen Fragen und Problemen seine Entstehung verdankt, und daß sich große Abschnitte des Buches mit Fragen der Wiedervereinigung befassen, ist die plene esse-These ganz grundsätzlich eine „ökumenische These", da sie von der Voraussetzung ausgeht, daß die verschiedenen Kennzeichen der Fülle der Kirche in keiner Kirche in u Aus diesem Grunde habe ich die betreffenden Aussagen Montefiores mit in Kap. 3 von Teil I I I dieser Arbeit herangezogen. 62 Vgl. hier S. 107 f. 93 Vgl. hier S. 101.
110
ihrer Gesamtheit zu finden sind, sondern auf die verschiedenen Kirchen verteilt sind, wobei die anglikanischen Kirchen mit dem historischen Episkopat hier und jetzt eines der verschiedenen Kennzeichen der Fülle besitzen. Bei einer Vereinigung der getrennten Kirchen werden diese alle ihre Beiträge zur Fülle der Kirche bringen. Im Blidc auf die Frage des historischen Bischofsamtes unterscheiden sich die Verfasser des Historie Episcopate nur in Einzelheiten von den anderen nicht-anglokatholischen Theologen und in der Tatsache, daß sie hier eine Gesamtkonzeption des historischen Bischofsamtes versucht haben, die auf eine bestimmte These hin ausgerichtet ist. Aber alles, was im wesentlichen zur Begründung und Erläuterung des historischen Bischofsamtes und der apostolischen Sukzession gesagt wird — wenn audi in einen größeren, systematischen Zusammenhang hineingestellt — lehren auch die Theologen der Mittelgruppe. Dasselbe gilt auch von den Aussagen über das Verhältnis von Amt und Kirche und, wie wir in Teil III dieser Arbeit noch sehen werden, auch von den Aussagen über die nicht-bischöflichen Ämter und über das Verhältnis von Bischofsamt und Wiedervereinigung der Kirchen. Die Verfasser des Historie Episcopate gehören somit nicht nur im Blick auf ihre Stellung gegenüber der anglokatholischen Lehre, sondern auch sachlich zur großen Gruppe nicht-anglokatholischer Theologen, die durch sie zweifellos eine Bereicherung erfahren hat.
4. D a s A m t s v e r s t ä n d n i s d e r a n g l o k a t h o l i s c h e n Theologen A. Das Amt im Neuen
Testament
a) Einleitung Die Fülle und Ausführlichkeit der anglokatholischen Untersuchungen zum Amt im Neuen Testament kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß das Ergebnis dieser Arbeiten bereits am Anfang feststand und den Gang der Untersuchung in seiner allgemeinen Richtung wie audi in vielen Einzelheiten bestimmte. Der neutestamentliche Befund wird so interpretiert, daß er als Unterbau für die anglokatholische Lehre vom Amt und in besonderer Weise vom Bischofsamt dienen kann. Trotz aller Unterschiede im einzelnen weisen die anglokatholischen Darstellungen aus diesem Grunde eine bemerkenswerte Geschlossenheit auf. Sie sind auf den Nachweis hin ausgerichtet, daß das in der apostolischen Sukzession stehende Bischofsamt notwendigerweise zum Sein — esse — der Kirche hinzugehört. Allerdings wird dem kritischen Beobachter bereits bei den Aus111
führungen anglokatholischer Theologen über die Apostel das an den Text herangetragene Vorverständnis auffallen, auf das er immer wieder stoßen wird. Dieses Vorverständnis führt dazu, daß die Erkenntnis anderer anglikanischer Theologen, nach der die Kirche in den ersten Jahrzehnten nach Pfingsten einer festen Ordnung noch wenig Gewicht beimaß und die bestehende Ordnung der Kirche noch unausgeformt, fließend und von Ort zu Ort verschieden war, weitgehend unbeachtet bleibt 1 und die Amtskategorien einer späteren Zeit bereits auf die apostolische Zeit angewendet werden. Im Unterschied zu den nicht-anglokatholischen Theologen setzen sich die Anglokatholiken in ihrer Interpretation des neutestamentlichen Befundes nur am Rande mit den Auffassungen anderer Theologen und theologischer Richtungen auseinander. Die Darlegung der eigenen Lehre steht ganz im Mittelpunkt. Wo einmal zum Zwecke der Abgrenzung und Auseinandersetzung andere Theologen herangezogen werden, da wird nicht selten die Position der anderen Seite bewußt oder auch unbewußt auf eine Linie festgelegt, die tatsächlich gar nicht von den betreffenden Theologen vertreten wird, die sich aber um so leichter ablehnen läßt 2 . Angesichts der oft sehr ausführlichen Arbeiten zum Amt im Neuen Testament können audi hier wieder nur die Grundlinien herausgearbeitet werden, die für das anglokatholische Amtsverständnis von Wichtigkeit sind. b) Die Apostel Die anglokatholische Lehre von der apostolischen Sukzession und vom Bischofsamt geht in ihrem äußeren Aufbau vom Apostelamt aus. Inhaltlich geschieht jedoch die Darstellung des Apostelamtes im Blick auf die besondere Lehre von der apostolischen Sukzession. Sie wird also einem bestimmten Vorverständnis unterworfen und entsprechend angelegt. Dies hat zur Folge, daß die Anglokatholiken über die Apostel wesentlich andere Aussagen machen als die nicht-anglokatholischen Theologen. Die überwiegende Mehrheit der anglokatholischen Theologen sieht den wesentlichen Grund des Apostelamtes nicht in der Augenzeugenschaft des Auferstandenen und der Sendung und Beauftragung durch den Auferstandenen, sondern in der Einsetzung und Beauftragung der Apostel durch den irdischen Jesus. Kirk schreibt: "Here I need only underline the central point of all, the Lord's act in calling and sending out His apostles: 'He that receiveth you receiveth Me, and he that receiveth Me receiveth 1 Ramsey erwähnt zwar die nodi in wenig feste Formen gefaßte Ordnung der Kirche in der ersten Zeit, aber er zieht daraus keine weiteren Folgerungen für seine Darstellung; vgl. A.M.Ramsey, The Gospel and the Catholic Church, Second Edition, London 1956, S . 6 8 f . 2 Z.B. Κ . E . K i r k ed., The Apostolic Ministry, S . 3 f , 7 f . ; etc.
112
Him that sent Me.' (Mt. 10,40)." 3 Nicht nur der Gebrauch des Apostelbegriffs in diesem Zusammenhang und die Tatsache, daß Kirk den Grund des Apostelamtes nicht in der Augenzeugenschaft des Auferstandenen und der Beauftragung durch den Auferstandenen sieht, sondern audi der weitere Gedankengang bei Kirk machen deutlich, daß er an dieser Stelle nicht die Berufung und Aussendung der „Jünger", sondern die Einsetzung der Apostel in ihr Amt und damit die Konstituierung des Amtes der Kirche durch den irdischen Jesus meint: "And it is only as she (d.h. die Kirche) can claim that her ministry derives direct from the Lord Himself in the days of His flesh, and is given her for leadership, for path-finding, and for spiritual replenishment, that she can pursue her victorious yet dreadful pilgrimage undaunted. 'As the Father hath sent Me, even so send I you', was the charter which established the first apostles in their mission; . . ." 4 Andere Anglokatholiken führen als Beleg für die Einsetzung des Apostelamtes Mk. 3,13 f. 5 und die Parallelstellen hierzu (Mt. 10,1—4; Lk. 6,12—16) 6 an. D a ß diese und noch andere Stellen in den Synoptikern 7 nicht nur eine zeitlich begrenzte Aussendung noch eine allgemeine Jüngerschaft bezeichnen, sondern die Ernennung zu einem besonderen Amt, folgert Ramsey gleichsam rückblickend aus der späteren Stellung der Apostel und aus ihren Funktionen, wie sie in der Apostelgeschichte beschrieben werden 8 . Audi die Aussagen in Mt. 19,28 und Lk.22,30 werden auf die besondere Führer- und Amtsstellung der Apostel im neuen Israel, der Kirche, bezogen 9 . Schließlich wird die Übertragung bestimmter Funktionen auf die Apostel durch den irdischen Jesus erwähnt, so die Bindeund Lösegewalt und die Autorität, das Abendmahl zu spenden (Mt. 16,19; 18,18; Lk. 22,14—20). 1 0 Wie sehr hier der biblische Text einem bestimmten Vorverständnis unterworfen wird, zeigt auch ein Satz Mackenzies, wonach die Evangelien weitgehend als ein Bericht über die Einsetzung des christlichen Amtes anzusehen sind und das Amt bereits da war, bevor die 3
Κ.E.Kirk in: K.E.Kirk ed., The Apostolic Ministry, S.23. Ebd. S. 52. Vgl. auch H. L. Goudge, The Church of England and Reunion, London 1938, S. 191. 5 So A.H.Couratin in: Report of the Sixth Anglo-Catholic Congress, London 1948, S. I l l ; Ε. J.Bicknell, a.a.O. S.324; und andere. 6 E.L. Mascall, The Recovery of Unity, London 1958, S. 174; W. J. Sparrow Simpson in: K.D.Mackenzie ed., Union of Christendom, London 1938, S.573. 7 A . G . Hebert, The Form of the Church, S.106 (führt Mt. 10,8 an). 8 A.M.Ramsey, a.a.O. S . 7 0 f . 9 So bei A.M.Ramsey, a.a.O. S.70; E. R. Fairweather in: E. R. Fairweather and R. F. Hettlinger, Episcopacy and Reunion, S. 11 f.; E.L. Mascall, Corpus Christi, London 1953, S. 14 f. 10 C.B.Moss, The Christian Faith: An Introduction to Dogmatic Theology, London 1957, S.382; K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy; H.Burn-Murdodi, Church, Continuity and Unity, Cambridge 1946, S. 102. 4
8
8220
Gaßmann, Bisdiofsamt
113
Kirche „geboren" war 11 . Indem die anglokatholischen Theologen die Einsetzung des Apostelamtes — und damit des Amtes überhaupt — durch den irdischen Jesus lehren, implizieren sie in der Tat eine Vorordnung des Amtes gegenüber der Kirche, die — wie sich noch zeigen wird — keinesfalls eine nur historische Vorordnung ist. Natürlich wird auch von den Anglokatholiken die Beauftragung durch den Auferstandenen (Joh.20,21 f.) erwähnt, zumeist im Zusammenhang mit den bisher angeführten Textstellen aus den Synoptikern. Die Apostel empfangen die endgültige Bestätigung ihres Amtes und den zu dessen voller Ausübung notwendigen Heiligen Geist 12 . Nach anglokatholischer Lehre hat bereits der irdische Jesus das Apostelamt eingesetzt, darum sprechen die meisten Anglokatholiken auch im Blick auf die Zeit vor dem Tod und der Auferstehung Jesu bereits von den „Aposteln" oder den „zwölf Aposteln" 13 . Dieses Apostelamt ist nach ihrer Meinung nicht als ein zeitlich begrenztes Amt, als eine allgemeine Jüngerschaft zu verstehen, vielmehr ist es ein reguläres, ein offizielles Amt der Kirche. Denn, und hier liegt der entscheidende Punkt, um eine Weitergabe des Apostelamtes an die Bischöfe und durch die apostolische Sukzession lehren zu können, darf das Amt der Apostel nichts Einmaliges und Untradierbares sein. Darum werden die Apostel bereits als Träger des offiziellen Amtes der Kirche bezeichnet. So schreibt Broomfield: " I t seems to me unquestionable, if any reliance is to be placed upon the New Testament, that an official and authoritative ministry was entrusted by our Lord to the Apostles." 14 Die Autorität und die Funktionen sind nach Broomfields Ansicht den Aposteln nicht als Individuen, sondern als Gliedern eines vom Herrn eingesetzten Amtes übertragen worden 15 . An anderer Stelle spricht er im Blick auf die Apostel von einem „regular official ministry" 1β . Weitere Beispiele ließen sich anführen 17 . Auch die Art, wie die Anglokatholiken die Funktionen der Apostel in der Urkirche beschreiben, zeugt — 11 K.D.Mackenzie in: Report of the Sixth Anglo-Catholic Congress, S . 6 9 ; vgl. A . M . R a m s e y , a.a.O. S . 6 9 : " T h e first impression of the Gospels is that the training and institution of the twelve Apostles was one of the main tasks of our Lord . . . " 1 2 W . J . S p a r r o w Simpson in: K.D.Mackenzie ed., Union of Christendom, S.573; A . M . R a m s e y , a.a.O. S.69, 70 und 74; K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S. 10 und 2 4 ; A . M . F a r r e r in: K . E . K i r k , a.a.O. S. 126, 128 f. und 180; G. W . Broomfield, Revelation and Reunion, London 1942, S. 155 und 159.
Eine Ausnahme bildet hier Κ. D. Mackenzie, The Case for Episcopacy, S. 10 f. G . W . Broomfield, a.a.O. S. 161. 1 5 Ebd. S. 153. 1 8 Ebd. S. 188. 1 7 Z . B . C . B . M o s s , a.a.O. S . 3 8 2 : " O u r Lord knew this, and H e appointed the twelve Apostles as ministers and officers of His Church." W. J . Sparrow Simpson, The History of the Anglo-Catholic Revival, London 1932, S. 2 8 ; N . P. Williams, Lausanne, Lambeth and South India, London 1930, S. 17 (orderly ministry) und S. 18 (institutional ministry). 13
14
114
wie wir noch sehen werden — von einem kirchlich-amtlichen Verständnis des Apostelamtes. Aber auch der Gedanke, daß das Apostelamt einen permanenten Platz in der Kirche hat, setzt ein Verständnis des ursprünglichen Apostelamtes als eines offiziellen Amtes der Kirche voraus. So schreibt Gore, einer der Väter des modernen Anglokatholizismus, daß Christus in der Person seiner Apostel ein autoritatives Amt in der Kirche konstituierte, das dazu bestimmt war, permanent zu sein 18 . Farrer vergleicht die Einsetzung des apostolischen Amtes in der Person der Zwölf als eines permanenten Amtes der Kirche sogar mit der Einsetzung des Abendmahls 19 . In dieselbe Richtung weisen auch die Aussagen Grahams: " O u r own belief, as Catholics, in the One, Holy, Catholic and Apostolic Church includes: . . . (II) The belief that He endowed it (d.h. die Kirche) with the Apostolic Ministry; (III) The belief that H e intended this Ministry, like the Church itself, to be perpetuated till His coming a g a i n ; . . ." 2 0 Als ein offizielles, permanentes Amt gehört das Apostelamt und das darauf fußende Amt der Kirche zum Sein der Kirche mit hinzu. Wir haben bisher drei wichtige Aspekte der anglokatholischen Interpretation des Apostelamtes gefunden: 1. Der irdische Jesus hat das Apostelamt eingesetzt, der auferstandene Herr hat diese Einsetzung bestätigt und erneuert; 2. mit dem Apostelamt wurde bereits das offizielle, ständige Amt der Kirche und kein besonderes, einmaliges Amt eingesetzt; 3. das Apostelamt als ein permanentes Amt der Kirche gehört zum Sein der Kirche mit hinzu. Von diesen beiden letzten Punkten wird auch noch im folgenden die Rede sein. c) Die Ausweitung
des
Apostelkreises
Die Ausweitung des Apostelkreises nach Pfingsten wird von den anglokatholischen Theologen erwähnt und von einigen ausführlicher untersucht 21 . Die vielen behandelten Einzelfragen sind hier ohne Bedeutung. Nach Ansicht der meisten Theologen traten zum apostolischen Zwölferkreis Paulus, der Herrenbruder Jakobus 22 und Barnabas hinzu 23 . Neben 18
Ch. Gore, The Church and the Ministry, S. 392. Α. Μ. Farrer, a.a.O. S. V: "The institution of apostolic ministry, made in the persons of the Twelve, is a divine gift or ordinance having as permanent a place in the Church as the institution of the Eucharist." 20 E.Graham in: K.D.Mackenzie ed., Truth, Unity and Concord, London 1948, S. 74 f. 21 Besonders von A . M . Farrer, a.a.O. S. 125—131, und A.M.Ramsey, a.a.O. S.71—73. 22 Ζ. B. W. K. Lowther Clarke in: C.Jenkins and K.D.Mackenzie ed., Episcopacy Ancient and Modern, London 1930, S. 15 f. und 36. Gegen Farrers Auffassung, der Herrenbruder Jakobus sei an die Stelle des Märtyrers Jakobus getreten (a.a.O. S. 125 f.) wenden sich H.Burn-Murdoch, a.a.O. S.95 und K.D.Mackenzie, The Case for Epis23 copacy, S. 14. A.M.Ramsey, a.a.O. S.73, und andere. 19
8*
115
diesem „eigentlichen" Apostelkreis bestand noch ein weiter gefaßter Kreis von Aposteln, dem andere Männer angehörten, die als „Apostel" bezeichnet wurden, wie Andronikus, Junias, Silas, Silvanus und Timotheus 24 . Die Ausweitung des Apostelkreises hat für die Anglokatholiken insofern eine Bedeutung, als sie angesichts eines über die Zwölf hinausgehenden Apostelkreises die Funktionen, den Status und die Weitergabe des Apostelamtes besser beschreiben können. Sicher spielt auch der Gedanke mit, daß das Hinzutreten neuer Apostel nach Pfingsten ein Beweis dafür ist, daß das bereits vom irdischen Jesus eingesetzte Apostelamt nichts Einmaliges war, sondern sich nach Pfingsten ausweiten und folglich auch fortsetzen konnte 2 5 .
d) Die Funktionen der Apostel Folgende Funktionen der Apostel werden von den anglokatholischen Theologen angeführt: Die Apostel sind Verkündiger des Wortes und Verwalter der Sakramente 2 6 , sie üben pastorale Oberaufsicht über die Gemeinden aus und leiten diese als Hirten mit voller Autorität 2 7 , sie verleihen den Heiligen Geist in Ordination und Konfirmation 28 , sie leiten die Ausbreitung der Kirche 29 , sie lehren und schützen die Verkündigung vor Verirrungen 30 . Die Apostel vereinten die Christen zu einer Gemeinschaft und verbanden diese zugleich mit den Heilsereignissen, auf die diese Gemeinschaft gegründet ist 3 1 . Die Verwaltung der Absolutionsgewalt durch die Apostel 3 2 und vor allem deren Ordinationsvollmacht 33 werden 2 4 Vgl. H . Burn-Murdoch, a.a.O. S . 9 3 ; A . M . F a r r e r , a.a.O. S. 129; field, a.a.O. S.161 f.
G.W.Broom-
2 5 Vgl. K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S . 6 0 : "The very fact that in the first and second centuries the word 'apostle' is used loosely for others besides the original Eleven indicates that the essential character of the apostolate was thought of as transmissible." 2 6 A . G . H e b e r t in: Kirk, a.a.O. S . 5 3 1 ; H . L . G o u d g e , a.a.O. S. 172; N.P.Williams, a.a.O. S. 17. 2 7 A . G . H e b e r t , a.a.O. S . 5 3 1 ; G . D i x in: Report of the Sixth Anglo-Catholic Congress, S. 83. 2 8 A . M . R a m s e y , a.a.O. S . 7 0 f . ; K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S. 12; G.W.Broomfield, a.a.O. S . 1 5 4 . 29
A . M . R a m s e y , a.a.O. S . 7 1 ; G.W.Broomfield, a.a.O. S . 1 5 4 .
G.W.Broomfield, a.a.O. S . 1 5 4 ; G . D i x in: Report of the Sixth Anglo-Catholic Congress, S . 8 3 ; A . M . R a m s e y , a.a.O. S . 7 0 und 71. 30
31
A . M . R a m s e y , a.a.O. S . 7 1 .
H . L . G o u d g e , a.a.O. S. 172 (Joh. 2 0 , 2 2 ) und S . 1 7 4 ( M t . 1 8 , 1 8 ) ; a.a.O. S.71 ( M t . 1 6 , 1 8 f . und 18, 18); E . R . F a i r w e a t h e r , a.a.O. S . 1 2 . 32
33
116
Vgl. hier S . 1 1 9 f .
A.M.Ramsey,
besonders hervorgehoben. Einige dieser Funktionen haben die Apostel an das örtliche Amt weitergegeben34. Zu den Funktionen der Apostel zählen einige Anglokatholiken nun auch die Augenzeugenschaft der Auferstehung und des Lebens und der Passion Jesu Christi 35 . Sie sehen in dieser Augenzeugenschaft kein konstitutives Element für das Apostelsein. Sie interpretieren diese Funktion der Apostel in einer Weise, daß sie alle spezifische Bedeutung verliert. So meint Couratin, daß die Apostel Vollmacht und Autorität besaßen, andere Männer zur Fortführung ihres Zeugnisses auszusenden38. SparrowSimpson schreibt zwar, daß die Apostel das Zeugnis der Auferstehung nicht weitergeben konnten, zugleich beschreibt er aber dieses Zeugnis als „persönliche Erfahrung" (personal experience) und stellt es den „offiziellen Funktionen" (official functions) gegenüber, die weitergegeben werden konnten 37 . Andere Theologen schreiben, daß das Zeugnis der Auferstehung nur eine unter anderen Funktionen war und die Weitergabe des Apostelamtes durch die Beschränkung dieser Funktion auf die Apostel nicht weiter berührt wird 38 . Die Art, wie hier von den Funktionen der Apostel gesprochen wird, weist ebenfalls auf das Verständnis der Apostel als Träger eines regulären Amtes der Kirche hin. Dies mag noch durch ein Beispiel unterstrichen werden. Act 8,14 berichtet, wie die Apostel Petrus und Johannes zu den Samaritanern gesandt wurden, um ihnen durch die Handauflegung den Heiligen Geist zu verleihen. Nach Ramsey üben die beiden Apostel diese Form der Oberaufsicht nicht auf Grund ihrer persönlichen Stellung aus, sondern als Träger eines kirchlichen Amtes: "The Apostles, as organs of the universal Church, lay hands upon the Samaritans." 39 In der korinthischen Krise nimmt nach Ramsey Paulus dieselbe Stellung ein wie 3 4 G. W . Broomfield, a.a.O. S. 154; K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S. 15 und 24. 35 Z . B . Α.H.Couratin, a.a.O. S. 110; K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S. 60; Κ. Ε. Kirk, a.a.O. S . 2 3 . 3 6 Α. Η . Couratin, a.a.O. S. 110. 3 7 W. J . S p a r r o w Simpson in: K.D.Mackenzie ed., Union of Christendom, S. 574. 3 8 A . G . H e b e r t , The Form of the Church, S. I l l : "Did the Apostolic Commission come to an end when the last Apostle died? Yes, if the office of the Apostle was solely to be a witness to Christ and to His Resurrection; no, if the Commission included the continuing of His w o r k . . . " ; Κ . E . K i r k , a.a.O. S . 2 3 : "The apostles were not only witnesses of the Resurrection; they were also stewards, shepherds, ministers, rulers. And if that office was necessary in the Church of the first generation, as the whole evidence of the New Testament proves it to have been, a like function was necessary in the Church of every succeding generation." 3 9 A . M . R a m s e y , a.a.O. S . 7 5 ; vgl. J . K . S . R e i d , The Biblical Doctrine of the Ministry, Scottish Journal of Theology Occasional Papers, No. 4, Edinburgh 1955, S. 32 f.
117
Petrus und Johannes gegenüber den Samaritanern. "In these two episodes the Apostolic office is seen to set forth the Gospel." 40 e) Der Status der
Apostel
Im Zusammenhang mit den Funktionen der Apostel ist nun zu fragen, wie die anglokatholischen Theologen den Status der Apostel beschreiben. Das Apostelamt wird vornehmlich durch den Begriff der Autorität charakterisiert. Die Apostel haben vom Herrn alle Amtsautorität erhalten, sie besaßen die umfassendste und höchste Autorität in der Kirche41. Alle Autorität wird von ihnen hergeleitet, sie können einen Teil ihrer Autorität an andere Ämter delegieren42. Dieser Interpretation entsprechend werden die Absolutionsgewalt und die Ordinationsvollmacht der Apostel von den anglokatholischen Theologen besonders hervorgehoben43. Diese herausgehobene Autorität der Apostel wird von Mt. 16,15—19; 18,18; und Joh.20,21; 17,18 her begründet44. Sie war nicht eine persönliche Gabe, die allein den ersten Aposteln zukam, sondern sie konnte von diesen weitergegeben werden45. In gleicher Weise, wenn auch nicht so häufig, wird von der umfassenden Vollmacht (power) der Apostel gesprochen 4e. Mit Hilfe dieser Vollmacht leiten die Apostel die Kirche, verwalten die Gnadengaben und übertragen vor allem einen Teil dieser Vollmacht an andere Personen47. Der Status der Apostel wird weiterhin vom Verhältnis Apostel — Jesus Christus her beschrieben. Danach sind die Apostel die persönlichen Repräsentanten des auferstandenen Herrn 48 . Sie handeln nicht nur in seinem Namen, sondern auch in seiner Person49, sie sind damit im Leben der Kirche an seine Stelle getreten und führen sein Werk fort, denn ihre A . M . R a m s e y , a.a.O. S . 7 5 (Sperrung im Text). K. D. Mackenzie, The Case for Episcopacy, S. 2 6 : " . . . the Apostolic college contained within itself all the ministerial authority that there was." Ähnlich: Ε . R . Fairweather, a.a.O. S. 14; H.Burn-Murdoch, a.a.O. S . 1 0 2 ; F . W . G r e e n in: K . E . K i r k , a.a.O. S . 5 4 3 ; A . M . R a m s e y , a.a.O. S . 7 2 ; C . B . M o s s , a.a.O. S.251 f. 42 C.B.Moss, a.a.O. S . 2 5 1 : " F r o m the very beginning the Twelve Apostles were the officers of the Church, and all authority was derived from them (Acts 5 , 1 3 ; 8 , 1 4 ) " ; K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, a.aO. S. 1 5 : "Ministerial authority resides in the Apostles, and they delegate i t . . . " 43 Vgl. hier S. 116 f. 4 4 Vgl. K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S. 11; H . L . G o u d g e , a.a.O. S. 174. 4 5 W . J . S p a r r o w Simpson in: K.D.Mackenzie ed., Union of Christendom, S . 5 7 4 . 4β A. M. Farrer, a.a.O. S. 180; K. D. Mackenzie, The Case for Episcopacy, S. 24 (plenary power). 4 7 K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S . 2 4 . 4 8 A . H . C o u r a t i n , a.a.O. S . 1 0 9 ; K . E . K i r k , a.a.O. S . 9 . 4 9 K . E . K i r k , a.a.O. S . 5 2 : Die Beauftragung des Apostels besteht darin " t o act in our Lord's own person". G. Dix in: Report of the Sixth Anglo-Catholic Congress, S. 82; A . G . H e b e r t in: K . E . K i r k , a.a.O. S.514. 40
41
118
Beauftragung und Vollmacht ist so umfassend und autoritativ wie diejenige des Herrn selbst50. Sie sind Erben von Christi Autorität 51 . Daß diese Interpretation die Folgerung nahelegen könnte, Christus sei völlig von seiner Kirche abgetrennt, wird von einigen Anglokatholiken erkannt und mit dem Hinweis abgewehrt, daß es immer Christus sei, der durch die Apostel wirkt 52 . Der Status der Apostel wird von einigen Anglokatholiken zusätzlich noch mit Hilfe der sog. „shaliach-Theorie" umschrieben. Davon wird noch die Rede sein53. Alles, was hier über den Status der Apostel gesagt worden ist, kommt nach Auffassung der anglokatholischen Theologen nicht nur den Aposteln zu, sondern auch ihren Nachfolgern 54 . Das Apostelamt mit seiner besonderen Stellung und seinen Funktionen konnte weitergegeben werden. Die Art, wie der Status der Apostel beschrieben wird, zeugt von dem Versuch, diese als erstes Glied der Amtssukzession grundsätzlich unter dem Gesichtspunkt einer überragenden Amtsposition zu beschreiben. Sie sind als Repräsentanten Christi im Leben der Kirche an die Stelle des irdischen Jesus getreten, sie besitzen alle Autorität und Vollmacht, von der alle anderen Ämter ihre Autorität herleiten. Das Wirken des auferstandenen Herrn wird dabei zwar nicht ausdrücklich, aber doch implizit ausgeklammert, und wo ausdrücklich festgestellt wird, daß der erhöhte Herr durch die Apostel handelt, da wird doch letztlich — wie noch weitere Beispiele zeigen werden — eine Bindung des Herrn der Kirche an ein Amt der Kirche gelehrt. f ) Die Apostel
und das örtliche
Amt
Auch die Anglokatholiken gehen von der allgemeinen Unterscheidung zwischen einem ortsungebundenen, missionarischen Amt (Apostel und evtl. Propheten) und dem örtlichen Amt (Presbyter/Bischöfe und später auch Diakone) aus 55 . Von Act 14,23 her wird gefolgert, daß Paulus und Barnabas in jeder Kirche Presbyter ordiniert und Presbyterien eingesetzt haben 56 , oder noch allgemeiner: "As far as our evidence takes us, we 50 H . L. Goudge, a.a.O. S. 174; G. Dix, a.a.O. S. 82 und 83; Τ. G. Jalland, The Origin and Evolution of the Christian Church, London 1950, S . 9 2 f . ; A.G.Hebert, The Form of the Church, S. 106f.; Η.Burn-Murdoch, a.a.O. S. 102; K.E.Kirk, a.a.O. S.23. 51 A.G.Hebert, The Form of the Church, S.111. 52 H.L.Goudge, a.a.O. S.174; A.G.Hebert, a.a.O. S . 1 0 6 f . 53 Vgl. hier S. 129 ff. 51 A.M.Farrer, a.a.O. S. 131: "Apostolic authority continued to be exercised beyond them through apostolic d e l e g a t e s . . . " ; W.J. Sparrow Simpson in: K.D.Mackenzie ed., Union of Christendom, S.574; A. H.Couratin, a.a.O. S. 109. 55 Vgl. Κ. D. Mackenzie, The Case for Episcopacy, S. 25; G.W. Broomfield, a.a.O. S. 171; A.M.Ramsey, a.a.O. S.68. 511 A.M.Farrer, a.a.O. S. 144: "St.Luke says this once, and after that leaves it to be taken for granted." H.L.Goudge, a.a.O. S. 180; G.W.Broomfield, a.a.O. S.170.
119
find the apostles creating the presbyterate in each local church, (cf.Acts 14,23)." 5 7 Es entspricht dem anglokatholischen Amtsdenken, daß diese Einsetzung von Presbytern als Ordination verstanden wird. Diese Ordinationsvollmacht ruhte nach Auffassung der anglokatholischen Theologen anfänglich allein in den Händen der Apostel, die diese dann solchen Männern verliehen, die zu ihrem apostolischen Amt hinzutraten58. Die anderen Ämter stehen unter dem Apostelamt und sind von dessen Ernennung abhängig. In neutestamentlicher Zeit konnten die örtlichen Presbyter/Bischöfe aus eigener Autorität keine Nachfolger oder neuen Amtsträger ernennen59. Die Möglichkeit, daß zwischen den Besuchen der Apostel, die die Oberaufsicht hatten, Presbyter von den Ortsgemeinden oder ihren Presbytern ernannt worden sind, um die entstandenen Lücken zu füllen, wird von Kirk eingeräumt80. Dieser interpretiert aber solche möglichen Ausnahmen in einer Weise um, daß sie im Grunde gar keine Ausnahmen mehr sind und so in das Schema hineinpassen, nach dem nur die Apostel und deren Nachfolger die anderen Amtsträger ernennen konnten: Wenn Presbyter andere Presbyter ernannt haben sollten, so standen diese ordinierenden Presbyter für diese Zeit an der Stelle des „wesentlichen" Amtes 81 . Mackenzie nimmt von vornherein an, daß Presbyter/ Bischöfe in einigen Fällen Autorität empfangen haben, Nachfolger zu ordinieren. Dann wäre ein Bruch in der apostolischen Sukzession nicht gegeben62. Das Verhältnis von Apostelamt und Presbyteramt wird von einigen anglokatholischen Theologen in der Weise beschrieben, daß sie das Apostelamt als „wesentliches" (essential), das Presbyteramt als „abhängiges" (dependent) Amt bezeichnen. Diese Auffassung wird vor allem von Kirk vertreten und sodann im selben Sammelband von Farrer, Dix, Jalland, Hamilton-Thompson und Hebert übernommen. Auch bei anderen Theologen findet sich diese Unterscheidung83. Danach sind die Apostel und E . R . Fairweather, a.a.O. S. 14. G. W. Broomfield, a.a.O. S. 185: . . in virtue of their appointment by Christ, the power to ordain originally rested with the Apostles alone, and then afterwards they imparted it to those who shared their apostolic ministry." 5 9 E. J. Bicknell, a.a.O. S . 3 3 4 ; H . L . G o u d g e , a.a.O. S . 1 7 7 ; G. W. Broomfield, a.a.O. S. 166 f. 6 0 K . E . K i r k , a.a.O. S.10. 6 1 Ebd. S. 14. 6 2 K . D. Mackenzie, The Case for Episcopacy, S. 26. Farrer macht jedoch eine bemerkenswerte Einschränkung: " I t remains credible that the apostles who set up the presbyters were required for their replacement. It is credible, but it is not proven" ( A . M . Farrer, a.a.O. S.169). 6 3 Κ . E . K i r k , a.a.O. S . 7 — 2 4 ; A . M . F a r r e r , a.a.O. S. 1 3 4 — 1 4 1 ; G . D i x , a.a.O. S . 2 7 2 ; T . G . J a l l a n d , a.a.O. S . 3 1 4 und 3 1 6 ; B . M . H a m i l t o n Thompson, a.a.O. S . 3 9 0 ; A . G . Hebert, a.a.O. S.531. E . G r a h a m in: K.D.Mackenzie ed., Truth, Unity and Concord, S.75. 57
58
120
seit dem 2. Jahrhundert die Bischöfe Träger des wesentlichen Amtes 64 . Das wesentliche Amt besaß die volle Amtsautorität, während das abhängige Amt — Presbyter, zu denen später noch die Diakone hinzutreten — nur im Auftrage oder in Übertragung vom wesentlichen Amt Anteil an dessen Funktionen hatte, vor allem in der Verwaltung von Wort und Sakrament. Nur das wesentliche Amt konnte zum abhängigen Amt ordinieren oder zum wesentlichen Amt konsekrieren 65 . Der Unterschied zwischen beiden Ämtern besteht nach Kirk in der Verschiedenheit ihrer Ernennung und ihrer Funktionen. Als der bevollmächtigte Repräsentant des erhöhten Herrn ist der Apostel Schützer des Glaubens, Quelle der Lehre, Verwalter der Sakramente. Er hat mehr als nur örtliche Bedeutung. Der Älteste dagegen besitzt eine ausübende und verwaltende Funktion in der Kirche. Die Ältesten wurden von Aposteln ernannt (Act 14,23), ebenso die „apostolischen Männer", die Autorität über Ortskirchen besaßen. Die Apostel aber waren allein von Gott berufen worden 66 . Kirk ist der Ansicht, daß somit der Unterschied zwischen dem wesentlichen und dem abhängigen Amt deutlich im Neuen Testament erkennbar sei. Diese Unterscheidung ist natürlich nicht auf die neutestamentliche Zeit beschränkt, sie gilt auch heute 67 . Das Presbyteramt ist vom Apostelamt und dem ihm nachfolgenden Bischofsamt abhängig, weil es seine Funktionen nur im Auftrage oder in Übertragung vom wesentlichen Amt ausübt und alle Presbyter von den Aposteln und den Bischöfen ordiniert werden müssen. Dieser Interpretation entsprechen auch die Aussagen anderer Anglokatholiken, die davon sprechen, daß alle Autorität und Vollmacht von den Aposteln hergeleitet wurde 6 8 und daß das apostolische Amt in seiner Fülle den Aposteln zukam, die einen Teil dieses Amtes auf die Ältesten übertrugen 8e. So kann es auch heißen, daß die Ältesten ihr Amt von den Aposteln empfangen haben 70 , was so zu verstehen ist, daß die Apostel die Ältesten nicht nur mit dem Amt beauftragt haben, sondern daß sie selbst Quelle, Ursprung dieses Amtes sind. Das Presbyteramt hat als abhängiges Amt seinen Grund im Apostelamt, es ist von diesem nicht nur durch die Art der Ernennung und der Funktionen unterschieden, sondern es verdankt auch seine Existenz und seine geistliche Autorität allein diesem Amt. Faktisch wird damit das Presbyteramt sowohl vom Wirkungsbereich der Gemeinde und Kirche als auch vom Wirken des erhöhten Herrn isoliert, es Vgl. A . G . H e b e r t in: K . E . K i r k , a.a.O. S . 5 3 1 . K . E . K i r k , a.a.O. S. 8 f. Die Belege für diese Aussage entnimmt Kirk nicht dem Neuen Testament, sondern aus der Alten Kirche. 6 7 Ebd. S. 10 f. «« Κ. E. Kirk, a.a.O. S. 9. 68 C.B.Moss, a.a.O. S . 2 5 1 . 69 Α . H . C o u r a t i n , a.a.O. S. 1 1 2 f . 70 W . J . S p a r r o w Simpson in: K.D.Mackenzie ed., Union of Christendom, S.574 und 578. 64
65
121
wird in erster Linie unter dem Gesichtspunkt seines Verhältnisses zum Apostel- und Bischofsamt gesehen71. Mehrere Aspekte des anglokatholischen Amtsverständnisses sollen mit dieser Gegenüberstellung vom wesentlichen und abhängigen Amt untermauert werden: 1. Ein Amt, das wesentlich zur Kirche hinzugehört, kann nicht nur auf eine Generation beschränkt bleiben, sondern muß fortgeführt werden 72 ; 2. das Bischofsamt gehört zum esse der Kirche; 3. zwischen dem Bischofsamt und dem Presbyteramt (Priesteramt) besteht ein wesentlicher, theologischer Unterschied; 4. ein Presbyteramt, das nicht in Abhängigkeit zu den in Sukzession zum Apostelamt stehenden Bischöfen steht, besitzt nicht die volle Validität und Regularität. Die Apostel besaßen zweifellos eine größere Autorität und theologische Bedeutung als die Presbyter/Bischöfe. Doch beruhte diese Vorrangstellung nicht auf einem hervorgehobenen Amtsstatus, der weitergegeben werden konnte, sondern auf der einmaligen Stellung der Apostel als Augenzeugen des Auferstandenen und Empfänger der Beauftragung durch den auferstandenen Herrn. Es kann keine Rede davon sein, daß sich im Neuen Testament die Apostel und Presbyter als zwei fest umrissene und gegeneinander klar abgegrenzte Amtsgruppen gegenüberstehen und damit die bleibende Unterscheidung des Amtes der Kirche in ein „wesentliches" und ein „abhängiges" Amt konstituieren. g) Das örtliche Amt Neben dem besonderen Interesse, das die anglokatholischen Theologen dem Apostelamt und dessen Fortführung durch den monarchischen Episkopat zuwenden, nimmt das örtliche Amt, also vor allem das Presbyteramt, nur eine Randstellung ein. Es wird fast ausschließlich unter dem Gesichtspunkt seines Verhältnisses zum Apostelamt gesehen. Darauf wurde schon hingewiesen. Hier soll nur noch auf einige Aussagen eingegangen werden, die noch nicht berücksichtigt worden sind. Die oft erörterte Frage, ob die Bezeichnungen „Presbyteros" und „Episkopos" im Neuen Testament dasselbe Amt kennzeichnen oder nicht, hat für die anglokatholische Gesamtkonzeption keine besondere Bedeutung. Es geht den Anglokatholiken in erster Linie um die Weitergabe des Apostelamtes an die Bischöfe, wie wir sie seit dem 2. Jahrhundert als monarchische Bischöfe, von einigen Ausnahmen abgesehen, überall vorfinden. Das örtliche Amt der apostolischen Kirche — die Presbyter/ Bischöfe — hat an der Übernahme des Apostelamtes durch die späteren 71
Vgl. auch die Kritik am Begriff „essential ministry" bei Ε. R. Fairweather, a.a.O.
S. 22. 72
Vgl. K.E.Kirk, a.a.O. S. 10: "But the continuance of the Essential Ministry was fundamental." 122
Bischöfe keinen Anteil 73 . So gibt es eine ganze Reihe anglokatholischer Theologen, die die Auffassung vertreten, „Episkopos" und „Presbyteros" seien im Neuen Testament Bezeichnungen für dieselben Amtsträger. So weist Burn-Murdoch darauf hin, daß in Kleinasien und Griechenland die Apostel und deren Nachfolger ihre Oberaufsicht und Leitung der Gemeinden nur von Zeit zu Zeit ausüben konnten. Aus diesem Grunde waren die Presbyter notwendigerweise die örtlichen Oberaufseher (overseer) und konnten als solche auch bezeichnet werden, allerdings nur bis zum Beginn des 2. Jahrhunderts 74 . Als Belege für diese Identität der Titel führt Burn-Murdoch Act 20,17; l . T i m . 5 , 1 7 ; Tit. 1,5; l.Petr.5,1 an. Möglicherweise sind nicht alle Ältesten „Oberaufseher" gewesen, während natürlich alle Oberaufseher Älteste waren 75 . „Episkopos" wird also nur im Sinne einer Funktionsbezeichnung gebraucht. Mackenzie ist wie Burn-Murdoch der Auffassung, daß diese Identität der Titel nur auf die heidenchristlichen Kirchen zutrifft76. Andere Theologen lehren gleichfalls die Identität beider Bezeichnungen (Broomfield, Hebert, Jalland, Bicknell, Gore u. a.) 77 . Es gibt aber nun auch Theologen, die bereits für die apostolische Zeit einen Unterschied — wenn auch keinen wesentlichen — zwischen den mit Presbyteros und Episkopos bezeichneten Amtsträgern nachweisen möchten. Zu diesem Zweck entfalten sie den zuvor erwähnten Satz, nach dem alle „Episkopoi" Presbyter waren, aber vielleicht nicht alle Presbyter „Episkopoi", in der einen oder anderen Richtung noch etwas weiter. Farrer räumt diesem Unterfangen viel Raum und eine ganze Reihe wenig überzeugender Hypothesen ein. Im Unterschied zu den anderen anglokatholischen Theologen scheint dieses Problem demnach für seine Darstellung der Amtsentwicklung in der ersten Zeit nicht ohne Bedeutung zu sein. Einige Punkte seiner Ausführungen, mit denen er beweisen möchte, daß die örtlichen Presbyterien von „episkopalen Ältesten", die über den anderen Ältesten standen, geleitet wurden, sollen hier erwähnt werden. Auf Grund von Act 20,28 sieht Farrer die Möglichkeit, daß das gesamte Presbyterium gemeinsam für die Oberaufsicht verantwortlich war, ausgeübt aber wurde diese Oberaufsicht von den „Bischöfen", die im Auftrage des Presbyteriums handelten. Daneben aber hält er es nicht für ausgeschlossen, daß die an dieser Stelle erwähnten Bischöfe die Ältesten waren und es keinen weiteren über die „Bischöfe" hinausgehenden Kreis von Ältesten gab 78 . Farrer fährt in seiner Argumentation fort: Indem H . Burn-Murdodi, a.a.O. S . l l . 7 5 Ebd. S. 84, vgl. audi S . 8 7 f . Ebd. vgl. auch S . 1 0 2 . 7 6 Ebd. S. 7 2 ; K. D. Mackenzie, The Case for Episcopacy, S. 18—20. 7 7 G.W.Broomfield, a.a.O. S. 1 7 1 — 1 7 3 ; A . G . H e b e r t , The Form of the Church, S. 109; Τ . G . Jalland, a.a.O. S . 8 4 und 8 9 ; E. J.Bicknell, a.a.O. S . 3 2 6 ; Ch.Gore, a.a.O. S. 217, 2 1 9 , 2 2 0 und 262. 7 8 A . M . F a r r e r , a.a.O. S . 1 4 4 f . 73 74
123
Paulus im Philipperbrief nur Bischöfe und Diakone, aber keine Ältesten erwähnt, bezeugt er nicht etwa das Fehlen von Ältesten überhaupt, vielmehr kann man von daher vermuten, daß diese viel zahlreicher als die „Bischöfe" waren 79 . Sodann versucht er, den Nachweis zu erbringen, daß Paulus im 1. Korintherbrief auf einen von den Ältesten der Gemeinde geschriebenen Brief antwortet. Dann würde die Ermahnung, die Führerschaft des Stephanus anzunehmen, sowohl an die Ältesten als auch an die Gemeinde gerichtet sein. Ein großer Senat der älteren Männer hätte nicht die Einheit in der Leitung sichern können. Diese muß in den ausübenden „Bischöfen" gesucht werden 80 . "Stephanas and his fellow-workers are commended for leadership, but it seems plain that they alone do not constitute the body with which St. Paul corresponds and to which he commends them." 81 Schließlich erwähnt Farrer den Hebräerbrief, in dem er an mehreren Stellen die Ältesten angesprochen sieht (5,11 ff.; 6,10; 10,32—34; 12,12—17). In 13,7.17 glaubt er sodann eine Unterstellung der Ältesten unter die „Führer" der Gemeinde aus dem Text entnehmen zu können 82 . Aus all dem folgert er, daß die einfache Gleichsetzung von Episkopos und Presbyteros für die neutestamentliche Zeit keineswegs offenkundig sei83. Außerdem verwendet Farrer viel Mühe und manches exegetische Kunststück auf den über 10 Seiten sich erstreckenden Nachweis, daß auch in Act 20,17—18.28; Tit. 1,5—7; l.Petr.5,1—4; Hebr. 12,14f. „Bischöfe" und „Presbyter" nicht gleichgesetzt werden84. Dennoch muß er am Ende zugeben: "On the whole question we are left with a non liquet. It cannot be denied, after all, that certain New Testament texts suggest at first sight that all elders are bishops." 85 Und über seine eigene Hypothese schreibt er: "This, then, is the hypothesis which someone trying to understand the continuity of first- and second-century affairs will naturally hope to prove, but it is useless to pretend that it has been proven." 88 Es ist bezeichnend für die Arbeitsweise Farrers, daß er diese unbewiesene Hypothese im weiteren Verlauf seines Aufsatzes als feststehende Tatsache voraussetzt. So schreibt er ζ. B.: " . . . the episcopi presided over the presbyteries, the apostolic ministry being an occasional visitant and superior." 87 Oder: "The New Testament sets the apostolate above the eldership with its episcopal heads." 88 Farrer verfolgt mit seiner Hypothese die Absicht, den Beginn der Ausbildung des monarchischen Bischofsamtes zu erklären. Aus einem begrenzteren Kreis von episkopalen Ältesten kann nach seiner Auffassung ein monarchischer Führer leichter hervorgegangen sein als aus einem um79 81 83 85 87
124
Ebd. S. 152. Ebd. S. 156 . Ebd. S. 158 f. Ebd. S. 168. Ebd. S. 180.
Ebd. S. 153. Ebd. 84 Ebd. S. 159—168. 8« Ebd. 8 8 Ebd. S. 170 f. 80
82
fassenderen Kreis von Ältesten 89 . Könnte aber die Entwicklung nicht vielmehr so verlaufen sein, daß der engere Kreis von episkopalen Ältesten bereits eine Stufe in der Entwicklung zum monarchischen Bischofsamt darstellt, von der die neutestamentlichen Schriften aber noch nichts berichten? Dann wäre den nicht-anglokatholischen Theologen zuzustimmen, die nicht versuchen, bereits für die apostolische Zeit einen Unterschied von Presbytern und episkopalen Presbytern aus den Texten herauszulesen. Sie lehren vielmehr die Entstehung des monarchichen Bischofsamtes aus den Presbyterkollegien, wobei diese immer mehr Autorität und besondere Funktionen an ihren Vorsitzenden delegierten. Daß dabei an manchen Orten zuerst ein kleinerer Kreis von Presbytern bestimmte Funktionen übertragen bekam, schließt diese Auffassung nicht aus. Es könnte sein, daß Farrers ausführliches und dennoch nicht überzeugendes Bemühen, einen Unterschied zwischen „Bischöfen" und „Presbytern" bereits für die apostolische Zeit zu konstatieren, gegenüber der angeführten nicht-anglokatholischen Auffassung beweisen soll, daß das monarchische Bischofsamt seinen Grund nicht im allgemeinen Presbyteramt, sondern in dem schon von Anfang an hervorgehobenen Amt der bischöflichen Presbyter hat. Aber damit wäre tatsächlich kein wesentlicher Unterschied herausgestellt, zumal Farrer auch noch von einer anderen Seite her die These nicht-anglokatholischer Theologen von der Ausbildung des Bischofsamtes aus dem Presbyteramt grundsätzlich ablehnt 90 . So ist es letztlich kaum einzusehen, warum Farrer so große Anstrengungen macht, eine Hypothese aufzustellen, von der er selbst sagt, daß er sie nicht bewiesen habe und die in seiner Gesamtkonzeption auch keine entscheidende Bedeutung besitzt. Couratin macht ebenfalls einen Unterschied zwischen den Presbytern und den episkopalen Presbytern. Er meint, die episkopalen Presbyter hätten im Unterschied zu den anderen Presbytern priesterliche Funktionen und die Oberleitung sowie die pastorale Oberaufsicht von den Aposteln empfangen91. In ähnlicher Weise nimmt Sparrow-Simpson an, daß ein „Bischof" ein Presbyter war, der die Ordinationsvollmacht empfangen hatte 92 . Beide verzichten aber darauf, ihre Auffassungen vom Neuen Testament her zu begründen. Die Funktionen der ortsgebundenen Presbyter/Bischöfe wurden bereits angeführt. Eine Funktion haben sie nach Ansicht der Anglokatholiken auf keinen Fall empfangen und ausgeübt: die Ordinationsvollmacht93. Ihre ausübenden Funktionen besaßen sie allein in Übertragung durch die Apostel. Einige anglokatholische Theologen glauben, daß die Presbyter 89 81 92 93
9 0 Vgl. hier S. 135. Ebd. S. 168. A . H . Couratin, a.a.O. S. 111 f. W. J . S p a r r o w Simpson in: K.D.Mackenzie ed., Union of Christendom, S.577. Vgl. hier S. 120.
125
die Verwaltung des Abendmahls von den Aposteln übertragen bekommen haben 9 4 . Außerdem haben die Presbyter die Kirchen in praktischadministrativer, pastoraler und geistlicher Hinsicht geleitet, wobei die Apostel als oberste Autorität über ihnen standen 95 . Nach Ansicht der anglokatholischen Theologen bestand das dreifache Amt der Kirche bereits in neutestamentlicher Zeit, da wir neben dem Apostelamt und dem Presbyteramt auch das Diakonenamt in dieser Zeit vorfinden 98 . h) Die „freien
Ämter"
Nach Auffassung der anglokatholischen Theologen wird die Amtsentwicklung im Neuen Testament und auch danach durch das Gegenüber von einem wesentlichen Amt — den Aposteln und den ihnen nachfolgenden Bischöfen — und einem abhängigen Amt — den Presbytern und Diakonen — gekennzeichnet. Andere Ämter gab es in der Kirche nicht 97 . Darum kann es für die Anglokatholiken keine „freien Ämter" geben, höchstens Träger besonderer charismatischer Gaben außerhalb des regulären Amtes. Der Begriff „freie Ämter" (free ministries) wird darum auch nicht gebraucht und Harnacks „Häresie" 9 8 , nach der im Neuen Testament ein aus Aposteln, Propheten und Lehrern bestehendes „charismatisches Amt" als oberstes Amt dem örtlichen Amt gegenübergestanden habe, wird entschieden abgelehnt 99 . Die Anglokatholiken betonen, daß es im Neuen Testament keine Gegenüberstellung von einem charismatischen und einem anderen Amt gibt. Vielmehr gehört zu jedem Amt ein Charisma hinzu 10°. Außergewöhnliche charismatische Gaben waren oft mit einem regulären Amt verbunden oder sie führten zu einem solchen hin 1 0 1 . Aber auch der Besitz solcher Gaben außerhalb des regulären Amtes, z.B. bei den Propheten, wurde in der Urkirche anerkannt und als eine Funktion in der Kirche geschätzt 102 . Doch machten charismatische Gaben allein noch kein reguläres Amt der Kirche aus. Die Propheten waren nicht Träger eines 94 E.J.Bicknell, a.a.O. S.325; K.E.Kirk, a.a.O. S.10; K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S. 18 f. 9 5 Κ. Mackenzie, a.a.O. S. 18 f.; G. W. Broomfield, a.a.O. S. 174. 9 8 Vgl. G.W.Broomfield, a.a.O. S.174; H.Burn-Murdoch, a.a.O. S.72, 82, 84, 106f.; K.E.Kirk, a.a.O. S.lOf.; etc. 87 G.Dix in: K.E.Kirk, a.a.O. S.237: "These [d.h. Apostel und Älteste] are the only 'offices' strictly so-called which are discernible in the earliest strata of the evidence." 98 A. M. Farrer, a.a.O. S. 145, A n m . l ; H. Burn-Murdoch, a.a.O. S.132. 99 Ebd. 100 Η.Burn-Murdoch, a.a.O. S. 132 f.; A.G.Hebert, The Form of the Churdi, S.117. 101 A.M.Farrer, a.a.O. S.144 und 145, A n m . l ; A.M.Ramsey, a.a.O. S . 7 3 f . ; G.Dix in: Κ.E.Kirk, a.a.O. S.238; G.W.Broomfield, a.a.O. S.165; E. J.Bicknell, a.a.O. S.327. 102 Vgl. G.Dix, a.a.O. S.238; A.M.Farrer, a.a.O.S. 146.
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regulären Amtes, die Leitung der Ortskirchen lag nirgendwo in den Händen von Charismatikern 103 . Außerhalb seiner Ekstase hatte der Prophet keine Autorität, auch mußten die prophetischen Äußerungen geprüft werden. Die Propheten unterstanden den Aposteln, sie waren deren Helfer und hatten so am apostolischen Amt Anteil 104 . Die Lehrer hatten ebenfalls keine offizielle Stellung in der Kirche inne, es sei denn, sie wurden zum Presbyter ordiniert 10δ . Schon bald nach dem Ende der apostolischen Zeit verschwinden die Propheten, und Bicknell schreibt, Autorität und Einfluß der Charismatiker seien auf das reguläre Amt übergegangen. Aber audi heute finden sich prophetische Gaben in den verschiedenen Kirchen, sowohl innerhalb als auch außerhalb des regulären Amtes loe . Alle diese Aussagen lassen das Bemühen erkennen, den Trägern besonderer charismatischer Gaben keinen Platz im Rahmen des kirchlichen Amtes einzuräumen, wenn diese nicht bereits zu einem regulären Amt ernannt worden sind. Charismatiker außerhalb des offiziellen Amtes der Kirche stehen unter der Autorität dieses Amtes. Auf Grund der vom Herrn direkt empfangenen Gnadengabe können sie noch nicht als Träger eines Amtes anerkannt werden, sondern erst nachdem sie von den dazu bevollmächtigten Amtsträgern zum Amt der Kirche ordiniert worden sind. So wird auch in dieser Frage die Urkirche in ein festgelegtes Amtsschema gezwängt, das der Kirche in den ersten Jahrzehnten nach der Auferstehung ihres Herrn gewiß noch fremd war.
B. Die Weitergabe des Apostelamtes a) Einleitung Das Apostelamt konnte weitergegeben werden und wird bis zum heutigen Tage durch das in der apostolischen Sukzession stehende Bischofsamt weitergeführt. Diese These der anglokatholischen Theologen kann nur aufrechterhalten werden, wenn nachgewiesen wird, 1. daß das ursprüngliche Apostelamt weitergegeben werden konnte, und 2. daß dieses Amt tatsächlich auf die ersten Bischöfe übertragen worden ist. Der erste Teil dieses Nachweises, die Möglichkeit der Weitergabe des Apostelamtes als Voraussetzung für die Lehre von der apostolischen Sukzession, ist in den bisher behandelten Aussagen anglokatholischer Theologen zum Amt 103 G.W.Broomfield, a.a.O. S.165; H.L.Goudge, a.a.O. S. 179f.; G.Dix in: K.E. Kirk, a.a.O. S.240. 104 A.M.Farrer, a.a.O. S. 145, Anm. 1; H.Burn-Murdoch, a.a.O. S.97; A.M.Ramsey, a.a.O. S. 74. 105 G.Dix in: K.E.Kirk, a.a.O. S.237. 106 Vgl.E.J.Bicknell, a.a.O. S.329;A.M.Ramsey, a.a.O. S.84; N.P.Williams,a.a.O. S.16—21.
127
im Neuen Testament enthalten und soll hier mit einigen zusätzlichen Anmerkungen noch einmal zusammengefaßt werden. Das Apostelamt ist nichts Einmaliges, Untradierbares, weil es bereits ein reguläres, offizielles Amt der Kirche war 107 . Wenn dieses Amt nun in der ersten Generation notwendig war, dann gilt dies auch für die folgenden 108. Als Amt der Kirche war es von vornherein vom Herrn dazu bestimmt, permanent zu sein und in gleicher Weise zur Kirche hinzuzugehören wie das Sakrament des Altars 109 . Nach Broomfield war das offizielle Amt der Zwölf ein Teil der Struktur der Kirche und müßte daher genauso lange bestehen wie diese audi 110 . Daß das Apostelamt weitergegeben werden konnte, beweist die Ausweitung des ursprünglichen Apostelkreises nach Pfingsten m . Weiterhin kommt die besondere Autorität und der Status der Apostel nicht nur den ersten Trägern dieses Amtes zu, sondern auch ihren Nachfolgern 112 . Und endlich ist mit der Auffassung, daß das Apostelamt das „wesentliche Amt" der Kirche sei, die Notwendigkeit der Weitergabe dieses Amtes verbunden 113 . Im Gegensatz hierzu haben die nicht-anglokatholischen Theologen mit Recht betont, daß das Apostelamt etwas Einmaliges war und nicht weitergegeben werden konnte. Aber wie nun die nicht-anglokatholischen Theologen dieses theologische Argument mit dem Hinweis auf das Fehlen von neutestamentlichen Belegen für eine tatsächliche Weitergabe des Apostelamtes ergänzten und bestätigt sahen, so tritt umgekehrt für die Anglokatholiken der ausführliche Nachweis der Weitergabe des Apostelamtes zu ihrer These, daß das Apostelamt weitergegeben werden konnte und mußte, hinzu. Es ist gerade die Überzeugung, daß das Apostelamt tatsächlich weitergegeben worden ist, von der aus die Auffassung entwickelt wird, daß dieses Amt keineswegs einmalig und nicht fortsetzbar gewesen sei114. Beides gehört zusammen, eins bedingt das andere. Aber alle diese Bemühungen, die Möglichkeit, Notwendigkeit und Tatsächlichkeit der Weitergabe des Apostelamtes zu beweisen, entspringen letztlich nicht 107 108
Vgl. hier bes. S. 114. Vgl. K.E.Kirk, a.a.O. S.23; G. W. Broomfield, a.a.O. S.189; A.M.Farrer, a.a.O.
S. 132. 109
Vgl. hier S. 115. G.W.Broomfield, a.a.O. S.156: "Moreover, the nature of the instruction which H e gave them [d.h. den Aposteln] implies that their office was to be a permanent part of the structure of the Church." 110 G.W. Broomfield, a.a.O. S.154. 111 Vgl. hier S. 115 f. 112 Vgl. hier S. 118. A.M.Farrer, a.a.O. S. 131: " N o one doubted that apostolic authority could be delegated, and there seemed no presupposition that it would ever cease to be handed down." 113 Vgl. hier S. 122f.; A . G . H e b e r t in: K.E.Kirk, a.a.O. S.532: "It is of divine ordinance that the Essential Ministry should be m a i n t a i n e d . . . " 114 In dieser Weise argumentiert audi K.E.Kirk, a.a.O. S. 10. 128
dem Interesse an der Urkirche und ihrer Ordnung, sondern sollen die anglokatholische Lehre von der apostolischen Sukzession untermauern. b) Die
shaliach-Theorie
Bevor wir auf die verschiedenen Versuche, die Weitergabe des Apostelamtes an das monarchische Bischofsamt zu beweisen, eingehen, soll die sog. shaliach-Theorie samt den gegen sie erhobenen Einwänden kurz dargestellt werden. Lowther Clarke hatte früher bereits auf die Bedeutung des jüdischen „shaliachs" für das Verständnis des christlichen Apostelamtes hingewiesen115, während Holl demgegenüber die Auffassung vertrat, daß der shaliach-Begriff nichts zum Verständnis des Apostolats beitrage n e . In die Diskussion der letzten Jahre wurde dieser Begriff von Dix eingeführt und im selben Sammelband vor allem von Kirk übernommen117. Das Material für seine Identifizierung von shaliach und Apostel entnimmt Dix vor allem Strack-Billerbeck und Kittels Theologischem Wörterbuch zum Neuen Testament 118 . Dix geht davon aus, daß die Institutionen der apostolischen Zeit vor allem auf einem jüdischen Hintergrund gesehen werden müssen110. Von hier aus entwickelt er seine Theorie: Der christliche Apostel hatte seinen Prototyp im jüdischen shaliach. Das griechische Wort „apostolos" ist das Äquivalent oder vielmehr die Übersetzung von „shaliach", d.h. der Freund oder Sklave, der nicht nur „im Namen" sondern „in der Person" seines Herrn „ausgesandt" wird, so daß die Handlungen des Gesandten den Aussendenden unabänderlich binden ("so that the envoy's action unalterably committed the principal") und als dessen eigene gelten120. Diese sheluchim gab es im religiösen Leben, vor allem aber auch im privaten Bereich, und Dix führt als Beispiel für die Bedeutung des shaliachs eine rabbinische Satzung aus dem Talmud an: „Der Abgesandte eines Menschen ist wie dieser" (Dix übersetzt so: "A man's shaliach is as it were himself [or 'like himself']"). Er fährt dann fort: " I t was, therefore, a well-known Jewish institution of which our Lord made use for the foundation of His Church." 121 Daß die Apostel die sheluchim Christi waren, wird von Dix mit dem Hinweis belegt, daß W . K . L o w t h e r Clarke, a.a.O. S . 2 f f . K . H o l l , Ges.Aufsätze, Band 2, Tübingen 1928, S . 4 4 f f . 1 1 7 G . D i x in: K . E . K i r k , a.a.O. S . 1 8 3 — 3 0 3 ; K . E . K i r k , a.a.O. S . 9 f . 1 1 8 H . L . Strack und P . Billerbeck, K o m m e n t a r zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch, Band 3, München 1926, S . 2 f f . ; Theologisches Wörterbuch zum Neuen Testament, ed. G. Kittel, Band 1, Stuttgart 1933, A r t . „apostolos" von Κ . H . Rengstorf, bes. ab S . 4 1 4 ; vgl. auch F . Gavin, The Jewish Antecedents o f the Christian Sacraments, London 1928, S . 1 0 3 f f . 1 1 9 G . D i x , a.a.O. S . 2 2 7 f . 1 2 0 Ebd. S. 2 2 8 . ™ Ebd. S. 2 2 9 . 115 116
9
8220
Gaßmann, Bischofsamt
129
diese von Christus gesandt worden sind, gleichwie Christus von Gott gesandt wurde, und daß eine Parallele zwischen der Sendung und dem Auftrag der Apostel und der Sendung und dem Auftrag Jesu Christi besteht (Mk. 3,7ff.; 3,14 f.; Mt.9,35; 10,7.8; Lk. 9,1 f.) 122 . Da der shaliach im jüdischen Verständnis keine Funktion, ja keine Existenz in der Gegenwart seines Herrn hat, so erklärt dies auch das fast völlige Fehlen der Bezeichnung „Apostel" in den Evangelien. Im vierten Evangelium steht das shaliach-Verständnis hinter den Worten beim Abendmahl, und es kommt auch in dem Satz Joh. 13,16 zum Ausdruck: "A slave is not greater than his master, nor a shaliach greater than him that sent him." 123 Wie die Sendung Jesu sich vom Predigen und Heilen zur Versöhnung für die Sünden der Welt und zur Einsetzung des Reiches Gottes ausweitete, so wurde auch die apostolische Beauftragung entsprechend um die Vergebung der Sünden und die Führung von Menschen in dieses Reich Gottes erweitert (Mt.28,20; Luk.24,19; Joh.20,22). Welchen sie die Sünden erlassen oder behalten, denen sind sie erlassen oder behalten (Joh. 20,23). „So bindet die Handlung eines shaliach sogar seinen göttlichen Herrn in unwiderruflicher Weise, denn Gott hat sich selbst mit seiner eigenen Verheißung verpflichtet." 124 Die Apostel sind nicht Beauftragte der christlichen Gemeinschaft, sondern die Gesandten Gottes. Wie Jesus der shaliach oder Plenipotentarius Gottes ist, so sind nach seiner Erhöhung die Zwölf seine Bevollmächtigten. Sie sind, wie er, vom messianischen Geist erfüllt, um seinen messianischen Auftrag weiterzuführen und zu erfüllen 125 . Die entscheidende Funktion der Apostel war die Ordination zum Amt 12e . Hatte der Herr die ersten Amtsträger in direkter, wenn auch unsichtbarer Weise ernannt, so geschah es nun sichtbar durch einen shaliach. "Yet the change is not great when it is remembered that 'a man's shaliach is as it were himself'." 127 Dix versucht nun nachzuweisen, daß das Apostelamt über den ursprünglichen Apostolat hinaus weitergeführt wurde, und damit steht für ihn fest, daß auch das Amt des shaliach als einer persönlichen Beauftragung, das er ja mit dem Apostelamt identifiziert hat, durch das Handeln der Apostel weitergegeben worden ist1ZS. Im monarchischen Bischofsamt wurde dann der shaliach des ersten Jahrhunderts mit dem örtlichen „Episkopos" des ersten Jahrhunderts vereinigt 129 . Da nun die Funktion der Apostel die Schaffung von örtlichen Ämtern an allen Orten war 130 , so war nach Dix überall dort die Verbindung von shaliach und Episkopos 122
123 Ebd. Ebd. S. 229 f. Ebd. S. 230: "The shaliach's action irrevocably commits even his divine principal; for God has conditioned Himself by His own word and promise." 125 126 Ebd. S. 230. Vgl. ebd. S. 271 f. 127 129 Ebd. S. 232. Ebd. S. 267. 129 130 Ebd. S. 268. Ebd. S. 271 f. 124
130
vollzogen, wo wir den örtlichen Bischof im Besitz der Ordinationsvollmacht finden131. So konnte die persönliche Beauftragung des shaliach, nämlich in der Person des Herrn selbst zu handeln, an einzelne Männer in jeder Generation weitergegeben werden. Dabei handelt der Herr durch andere, die bereits jene Beauftragung, in seiner Person zu handeln, empfangen hatten. Indem sie so handeln, kann der Herr ihre Handlung nicht zurückweisen. Ein neuer shaliach ist ernannt 132 . Dix sieht den entscheidenden Unterschied zwischen den protestantischen und den bischöflichen Ämtern gerade im Besitz bzw. Verlust eines Bischofsamtes, das durch die shaliach-Beauftragung seinen besonderen Charakter erhalten hat 133 . Dix will mit seiner Theorie folgendes herausstellen: 1. den Status, die besondere Autorität, Beauftragung und die herausgehobenen Funktionen, die die Apostel direkt vom Herrn der Kirche empfangen haben; 2. die Möglichkeit, daß die Apostel diesen vom Herrn empfangenen Status und ihre persönliche Beauftragung weitergeben konnten und so das Apostelamt hinfort auf jedes Bischofsamt innerhalb der apostolischen Sukzession übertragen werden konnte; 3. die Tatsache, daß das Apostelamt weitergegeben worden ist. Der beherrschende Gedanke in Dix' Theorie ist, daß die Apostel und ihre Nachfolger bis zum heutigen Tage dieselbe persönliche Beauftragung und Vollmacht übertragen können, die die Apostel von Jesus Christus direkt empfangen haben und die das Apostelamt in besonderer Weise charakterisieren, da sie in seiner Person handeln und er ihre Handlungen nicht zurückweisen kann. Mit dem Apostelamt wurde auch dessen shaliach-Charakter weitergegeben. Daß dies tatsächlich geschah, kann man nach Dix an der Weitergabe der wesentlichen Funktion des Apostelamtes — der Ordinationsvollmacht — an das monarchische Bischofsamt des 2. Jahrhunderts erkennen. Auch Kirk sieht in der Identität der Funktionen zwischen den Bischöfen des 2. Jahrhunderts und den Aposteln des 1. Jahrhunderts den Beweis, daß die shaliach-Funktionen der Apostel mit dem vollen Einverständnis der Kirche weitergegeben worden sind134. Wenn Dix sagt, der Herr handle durch seinen shaliach bei der Ernennung eines neuen shaliach, so kann er diese Aussage formal machen, da der shaliach die Beauftragung empfangen hat, in der Person des Herrn zu handeln. Im Blick auf die tatsächliche Handlung muß jedoch festgestellt werden, daß gemäß dieser Auffassung von einem direkten Handeln des Herrn keine Rede sein kann und die Apostel ganz an seine Stelle getreten sind. Er kann, ja muß ihre Handlungen lediglich mitvollziehen und bestätigen. Dies ist nur einer von mehreren Einwänden, die gegen die Darstellung bei Dix erhoben werden müssen. 131 1SS
9*
Ebd. S. 272. Ebd. S. 295—303.
132
Ebd. S. 287. Κ. E. Kirk, a.a.O. S. 10.
131
An Dix' Aufsatz Schloß sich eine lebhafte Diskussion an 135 . Die wichtigsten Argumente gegen seinen Versuch, mit Hilfe des shaliach-Begriffs die Weiterführung des Apostelamtes zu erklären und zu beweisen, sollen nun aufgeführt werden. 1. Lampe und Erhardt weisen darauf hin, daß der Begriff „Apostolos" wahrscheinlich älter war als der Begriff „shaliach". Daher sei es gewagt, den jüngeren Begriff zur Interpretation des späteren heranzuziehen. Das schließt nach Erhardt allerdings nicht die Möglichkeit aus, daß der Apostelgedanke von denselben jüdischen Einrichtungen beeinflußt worden ist, die vielleicht auch zur Bildung des shaliach-Begriffs beigetragen haben 13e . 2. Die Funktionen eines Apostels und eines shaliach waren verschieden. Der shaliach-Begriff bringt nicht eine religiöse oder mystische Identitätsbeziehung zwischen einem Mann und seinem shaliach zum Ausdruck, sondern ein rein rechtliches Verhältnis. Der shaliach konnte ein bevollmächtigter Vertreter sein, der Abgesandte, Beauftragte eines anderen, aber er war kein Plenipotentarius. Das von Dix mehrmals zitierte Wort aus dem Talmud "a man's shaliach is as it were himself" ist eine rechtliche Maxime, die die Verantwortlichkeit des Auftraggebers für die Taten seines Repräsentanten bezeichnet137. Torrance erwähnt in diesem Zusammenhang das Verständnis von shaliach im Sinne eines mystischen Verhältnisses, wie es sich in jüdisch-gnostischen Kreisen fand. Dieses Verständnis wird den Amtsbegriff im 3. Jahrhundert wahrscheinlich beeinflußt haben 138 . 3. Die Begriffe „shaliach" und „Apostolos" bedeuten nach Erhardt „einer, der gesandt ist". Aber allein aus der etymologischen Ableitung eines Wortes läßt sich noch nicht dessen Bedeutung erklären, vielmehr ist 135 Vgl. A . E h r h a r d t , The Apostolic Succession, S. 1 5 — 2 0 ; ders., The Apostolic Ministry, S. 4 f.; R. F. Hettlinger in: E. R . Fairweather and R. F. Hettlinger, Episcopacy and Reunion, S. 7 5 ; G. W . H . Lampe, Some Aspects of the New Testament Ministry, S. 9 und 15; S. Neill in: S. Neill ed., The Ministry of the Church, S. 1 4 — 1 7 ; J. P. Hickinbotham in: S.Neill ed., The Ministry of the Church, S . 3 4 — 3 8 ; außerdem die ausführliche Diskussion in der Monatszeitschrift „Theology", Jahrgang 1948 und 1949. Auf nicht-anglikanischer Seite vgl. vor allem T . W . M a n s o n , The Church's Ministry, London 1948, S. 3 5 — 4 8 ; T. F. Torrance, Scottish Journal of Theology, Vol. I, No. 2, Edinburgh 1948, S. 1 9 2 — 1 9 9 , auch abgedruckt in: T . F . T o r r a n c e , Conflict and Agreement in the Church, Vol.1, London 1959, S . 3 4 — 4 7 ; J . K . S . R e i d , The Biblical Doctrine of the Ministry, S. 3 9 — 4 1 . 1 3 6 A.Ehrhardt, The Apostolic Succession, S. 1 8 f . ; G . W . Η . L a m p e , Some A°oects, S. 15 f. 137 T. F. Torrance, Scottish Journal of Theology, S. 193; G. W . Η . Lampe, a.a.O. S. 16; A.Ehrhardt, The Apostolic Succession, S. 1 8 f . 138 T. F. Torrance, a.a.O. S. 193.
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deutlich, daß bei gleicher etymologischer Grundlage beider Wörter ihre Bedeutungen dennoch verschieden sind139. 4. Der freikirchliche Theologe T. W. Manson räumt zwar ein, daß die Apostel formal dieselbe Art von Beauftragung empfangen haben wie die jüdischen sheluchim, wobei der Inhalt ihrer Beauftragung allerdings neu war 140 . Dagegen lassen sich nach seiner Meinung die weitgehenden Folgerungen, die Dix aus der Identifizierung von shaliach und Apostel zieht, an Hand einer Untersuchung des shaliach-Amtes nicht aufrechterhalten. Diese Untersuchung ergibt: 1. Der shaliach übt stellvertretend Funktionen für eine andere Person aus. 2. Die Art seiner Tätigkeit und zuweilen auch deren Dauer ist festgelegt. Seine Autorität geht nicht über die Beauftragung hinaus. 3. Seine Beauftragung ist nicht übertragbar. Hört er auf, sie auszuüben, dann geht die Autorität wieder auf den Aussendenden zurück. 4. „Shaliach" bezeichnet nicht einen Status sondern eine Funktion. 5. Das shaliach-Amt ist innerhalb des Judentums ausgeübt worden und Schloß keine missionarische Aktivität mit ein141. Entscheidend ist hier vor allem der Punkt 3, auf den audi anglikanische Theologen hinweisen: der shaliach hatte keinen Nachfolger, ein shaliach konnte keinen neuen shaliach ernennen. Dem shaliach selbst konnte eine definierte und bestimmte Autorität und Vollmacht übertragen werden, aber er konnte diese nicht wieder weitergeben, der bevollmächtigte Stellvertreter konnte keine stellvertretenden bevollmächtigten Stellvertreter ernennen. Wenn Dix den shaliach-Begriff herangezogen hat, um so die Weitergabe des Apostelamtes zu beweisen, dann entzieht dieser Einwand Mansons vom Verständnis des shaliach-Amtes her der Dixschen These allen Boden. Aber auch dogmatische Einwände sind gegen Dix' Auffassung vorgebracht worden. 1. Hodgson schreibt, daß Dix von einer Beziehung zwischen Geschöpfen ausgeht und diese analog auf die Beziehung zwischen Gott und Menschen überträgt und von daher folgert, daß Gott genauso wie ein Mensch durch die Handlungen seines shaliach gebunden ist. Eine solche Analogie aber ist nicht möglich, denn Gott ist frei, die Handlungen seiner Geschöpfe zurückzuweisen142. 2. Hickinbotham und Neill nehmen den shaliach-Gedanken auf und formulieren ihn neu, indem sie sagen: Der Herr ist bei denen, die er aussendet, und er schenkt seine Autorität deren Worten und Taten, die in seinem Namen geschehen. Diese shaliach-Beauftragung wird nicht nur den Aposteln verliehen, sie kann auch von Christus, der in seinem Leibe, 139 140 141 142
A. Ehrhardt, The Apostolic Ministry, S. 4 f. T . W . M a n s o n , a.a.O. S.53. Ebd. S. 3 5 — 4 1 , ebenso J . K . S . R e i d , a.a.O. S. 39 ff. L. Hodgson, Apostolic Succession and Christian Unity, S. 11 f.
133
der Kirche, handelt, direkt verliehen werden. Darum haben alle Träger eines kirchlichen Amtes teil an der shaliach-Beauftragung, die durch Häresie auch wieder verloren werden kann 143 . 3. Audi Torrance nimmt neben seiner scharfen Ablehnung der Auffassung von Dix den shaliach-Begriff auf und zeigt, daß dieser im strengen Sinne nur auf den Heiligen Geist angewendet werden kann. Er schreibt: "Only the Holy Ghost is Shaliach in the sense of being the personal representative of Christ, and identical in person with Him. To call a Bishop a shaliach in this personal sense, to call him Alter Christus, is to quench the Holy Ghost, and really amounts to blasphemy." Torrance macht dem Buch The Apostolic Ministry den Vorwurf, die Lehre vom Heiligen Geist fast völlig vernachlässigt zu haben. An die Stelle des Heiligen Geistes wurde „eine quasi psychologische, mystische Identitätsbeziehung — shaliach genannt — gesetzt und in Begriffen der jüdischen Gnosis interpretiert" 144 . Indem die Apostel/Bischöfe als Menschen in eine Identitätsbeziehung zu Christus gesetzt werden, wird die eschatologische Beziehung geleugnet, in der Gott gegenwärtig ist, wahrhaftig und ganz gegenwärtig, aber nicht an Institutionen in Zeit und Raum gebunden. Darum steht nach Torrance die von Dix ausgearbeitete shaliach-Theorie in grundlegendem Widerspruch zur Lehre des Neuen Testamentes, die besagt, daß wir durch unsere menschlichen Institutionen in der Kontinuität Von Zeit und Raum den auferstandenen Herrn Jesus Christus nicht festhalten können 145 . Alle diese Einwände machen auf so überzeugende Weise deutlich, daß der shaliach-Begrifi ein höchst untaugliches Mittel für den Versuch ist, die Weitergabe des Apostelamtes mit allem, was es beinhaltet, zu beweisen. Das haben selbst anglokatholische Theologen eingesehen, die die Heranziehung des shaliach-Begriffs durch Dix mehr oder weniger deutlich kritisiert haben 14e . Der shaliach-Begriff ist aus der Diskussion allmählich verschwunden und wird heute im Zusammenhang der inneranglikanischen Diskussion um das Amt nicht mehr erwähnt. c) Der Übergang vom Apostelamt zum monarchischen Bischofsamt Wenn audi die meisten anglokatholischen Theologen die shaliachTheorie nicht übernommen haben, so stimmen sie doch mit Dix in der Sache überein, die er mit Hilfe dieser Theorie auf eine neue Weise zu untermauern suchte. Alle Anglokatholiken lehren, daß das Apostelamt 143
J. P. Hickinbotham, a.a.O. S . 3 7 f . ; S.Neill, a.a.O. S . 1 6 f . T. F. Torrance, a.a.O. S. 195: " . . . there is substituted a quasi-psychological, mystical relation of identy called shaliach and interpreted in terms of gnostic Judaism." 145 Ebd. S. 199. 148 Vgl. Ε. R. Fairweather, a.a.O. S.12; A . M . R a m s e y in: Theology LII, N o . 3 4 5 , London 1949, S.108; A . G . H e b e r t in: Theology LIV, N o . 3 6 6 , London 1951, S.461 ff. 144
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weitergegeben wurde und in der apostolischen Sukzession der Bischöfe bis zum heutigen Tag weitergeführt wird. Wie wird nun die erste Stufe dieser Sukzession, der Übergang des Apostelamtes auf das monarchische Bischofsamt, beschrieben? Eine direkte Übertragung des Apostelamtes auf das monarchische Bischofsamt war nicht möglich, da das Bischofsamt am Ende der ersten christlichen Generation, mit der auch die Apostel und der Apostelname verschwinden, noch gar nicht ausgebildet war. Darum legen die anglokatholischen Theologen auf die sog. „apostolischen Männer" (d.h. Jünger, Mitarbeiter und Abgesandte der Apostel) als den Trägern eines „Übergangsamtes" großes Gewicht. Sie verweisen dabei fast ausschließlich auf die Pastoralbriefe und sehen in Timotheus und Titus Beispiele dafür, daß die Apostel schon zu ihren Lebzeiten Vorkehrungen für die Weiterführung der apostolischen Vollmacht und des Apostelamtes getroffen haben 147 . In ihrem Status und ihren Funktionen stellen beide das Äquivalent zum späteren Bischofsamt dar 148 . Diese erste Stufe in der Entwicklung beschreibt Farrer zusammenfassend: "The apostles did not simply 'hand over' to the presbyterial leaders, a measure of the pastoral commission passed to them, but apostolic men existed alongside of them and above them, the companions, disciples, and heirs of the apostles." 149 Die Übertragung des Apostelamtes auf die sog. „apostolischen Männer" stellt nach Auffassung der anglokatholischen Theologen nur die eine, wenn auch entscheidende Seite in der Entwicklung dar, durch die das Apostelamt auf das monarchische Bischofsamt übertragen wurde. Audi das örtliche Amt hatte an dieser Entwicklung teil, indem es durch die Ausbildung eines einzelnen „Episkopos", der an die Spitze der Presbyterkollegien trat, eine notwendige Voraussetzung für die Übertragung des Apostelamtes auf das monarchische Bischofsamt schuf. In der folgenden Übersicht über die Art und Weise, wie verschiedene Anglokatholiken die Verbindung von Apostelamt und monarchischem Bischofsamt beschreiben, soll Dix an erster Stelle stehen, da wir uns bereits mit seiner shaliach-Theorie, die sachlich in diesen Zusammenhang mit hineingehört, beschäftigt haben. Dix' Auffassung ließe sich sehr gut graphisch darstellen: Im 1. Jahrhundert haben wir auf der einen Seite die Linie der Apostel und ihrer direkten Nachfolger 150 , auf der anderen Seite findet sich die Linie der 147
G . D i x in: K.E.Kirk, a.a.O. S . 2 6 2 f . ; H.L.Goudge, a.a.O. S.182; A.M.Ramsey, a.a.O. S.76; H.Burn-Murdodi, a.a.O. S. 108; W.K.Lowther Clarke, a.a.O. S.23; T.G. Jalland, The Origin and Evolution of the Christian Church, S. 85. 148 Κ.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S.22; H.L.Goudge, a.a.O. S.182; H.Burn-Murdoch, a.a.O. S.108; G . D i x , a.a.O. S.231. 149 A.M.Farrer, a.a.O. S.170. 130 G . D i x , a.a.O. S.231 und 253—266. 135
örtlichen Presbyterkollegien, wobei sich diese Linie in Presbyterien mit kollegialer Episkope und solche mit einem einzelnen, ausübenden Episkopos an der Spitze spaltet 151 . Diese Linien laufen bis in die erste Hälfte des 2. Jahrhunderts hinein parallel nebeneinander her, allerdings finden sich im 2. Jahrhundert auf der einen Seite nur noch solche Presbyterien, denen ein episkopaler Leiter vorsteht 15ä . In der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts vereinigen sich beide Linien, wobei Dix einräumt, daß diese Vereinigung von Apostelamt und monarchischem Bischofsamt aus verschiedenen Gründen und an verschiedenen Orten zu verschiedenen Zeiten und auf verschiedene Weise stattfand. Wir wissen nicht viel über den Weg, auf dem sich die Vereinigung beider Ämter vollzog 153 . Eine Form der Verbindung des monarchischen Bischofsamtes mit den Nachfolgern der Apostel war da anzutreffen, wo sich ein „regionaler Apostel" an einem Ort fest niederließ und so dort innerhalb des Presbyteriums bald die Stellung eines monarchischen Bischofs einnahm 154 . An anderer Stelle beschreibt Dix die Vereinigung beider Ämter als „Übertragung der apostolischen Funktion von den Nachfolgern der Apostel auf die örtlichen Monepiskopoi" 155 . Da nun die apostolische Funktion die Schaffung des örtlichen Amtes an allen Orten war, so ist überall dort die Vereinigung von Apostel und monarchischem Bischof vollzogen, wo die Ordinationsvollmacht auf den örtlichen Bischof übertragen worden ist 156 . So hat der Bischof in der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts ein zusammengesetztes Amt inne. Seine besonderen liturgischen Funktionen leitet er vom ursprünglichen „Episkopos" und seine pastorale und disziplinäre Autorität von seiner Stellung als Präsident des örtlichen Presbyteriums her. In seiner Verantwortung für die Reinheit der Lehre in seiner Kirche und in seiner Ordinationsvollmacht setzt er das Apostelamt fort 157 . Es ist deutlich, daß Dix den Ubergang des Apostelamtes auf das monarchische Bischofsamt bzw. die Verbindung beider vor allem in der Ubertragung der Ordinationsvollmacht auf das monarchische Bischofsamt sieht. Er erwähnt aber keine Belege und macht keine Aussagen darüber, daß diese Übertragung von den Nachfolgern der Apostel persönlich vorgenommen wurde, und das wäre doch, wenn man die anglokatholische Lehre von der apostolischen Sukzession vertritt, unerläßlich. Es leuchtet weiterhin nicht ein, aus welchem Grunde die Ordination die spezifisch apostolische Funktion gewesen sein soll. Von einer Übertragung dieser Funktion durch den Herrn ist keine Rede, noch legt das Neue Testament ein besonderes Gewicht gerade auf diese Funktion, andere Funktionen der 151 153 155 157
136
Ebd. S. 250—253. Ebd. S. 270 f. und 268. Ebd. S. 271. Ebd. S. 273.
152 134 1δβ
Ebd. S. 268 f. Ebd. S. 270. Ebd. S. 272.
Apostel stehen dagegen ganz deutlich im Vordergrund. Schließlich ist Dix' Versuch, eine Linie von direkten Nachfolgern der Apostel bis ins 2. Jahrhundert hinein nachzuweisen, nicht überzeugend, da 1. das Apostelamt als solches nicht weitergegeben werden konnte; 2. die von Dix f ü r diesen Zweck entwickelte shaliach-Theorie abgelehnt werden muß 1 5 8 ; 3. die Quellen nicht von einer solchen Fortführung des Apostelamtes berichten und 4. Dix' Nachweis wesentlich auf der unzutreffenden Behauptung beruht, die eigentliche apostolische Funktion sei die Ordinationsvollmacht, die auf das Vorhandensein des Apostelamtes hinweist. Wie Dix sieht auch Kirk in der Identität der Funktionen einen Beweis für die Weitergabe des Apostelamtes: "The identity of function enjoyed by the second-century bishop and the first-century apostle is too close to be regarded as a purely fortuitous coincidence. The shaliach duties of the apostles must have been handed on, deliberately and with the full consent of the Church, to the resident bishops throughout the area where the Gospel had been preached. Thus the retention of an apostolic ministry must be regarded as of the essence of early Christianity." Die Apostel ernannten Nachfolger — apostolische Männer — und bis zum Ende des 2. Jahrhunderts kam jede Ortsgemeinde unter die Oberleitung eines seßhaften Nachfolgers der Apostel, der zu dieser Stellung von denjenigen ordiniert worden war, die bereits denselben Rang besaßen 15B . Dieser Satz kann sowohl bedeuten, daß die Nachfolger der Apostel neue Nachfolger ernannten und diese sich dann in Ortsgemeinden niederließen, als audi, daß die Nachfolger der Apostel die bereits den Presbyterien vorstehenden „Bischöfe" zu „apostolischen Bischöfen" ernannten. Kirk gibt keine näheren Erläuterungen, man kann daher annehmen, daß er beide Wege, die zur Verbindung von Apostelamt und Bischofsamt führten, für möglich hält. Diese neuen apostolischen Bischöfe erhielten nach Kirk den Bischofstitel als einen Amtstitel und nicht mehr als bloße Funktionsbezeichnung. Sie übernahmen auch wieder die Verwaltung der Sakramente, die zum Teil an die Presbyter delegiert worden war 1 6 0 . Farrer unterscheidet sich in seiner Darstellung hauptsächlich in einem Punkt von Dix. Wir hatten gesehen, daß er der Auffassung ist, die örtlichen Presbyterien hätten bereits vom Anfang an einen ausübenden „Episkopos" an ihrer Spitze gehabt 161 . Farrer lehrt gleichfalls die direkte Weiterführung des Apostelamtes durch apostolische Delegaten und die Jünger und Mitarbeiter der Apostel 162 . Für die Verbindung des Apostelamtes mit dem monarchischen Bischofsamt im 2. Jahrhundert zieht er eine Erklärung heran, die Dix nur am Rande erwähnt: die Lokalisierung der Nachfolger der Apostel. Farrer weist darauf hin, daß die spätere 158 190 162
Vgl. hier S. 132—134. Ebd. Vgl. hier S.135.
>5» K.E.Kirk, a.a.O. S.10. " ι V g l _ h i e r s 123—125.
137
christliche Tradition der Verbindung apostolischer Autorität mit einer kleineren Anzahl von Bischofssitzen große Bedeutung beimaß. Wenn ein Jünger der Apostel oder ein Jünger dieses Jüngers sich als Bischof niederließ, so war er de facto ein apostolischer Bischof. Von diesen lokalisierten Nachfolgern der Apostel leiten die anderen Bischöfe ihren apostolischen Charakter her. Diese Aussage erläutert Farrer am Beispiel des Ignatius, der nach seiner Auffassung apostolischen Status besessen hat und die asiatischen Bischöfe in ihrer Stellung bestärkte und sie als seine „ sacred colleagues" behandelte163. Zusammenfassend beschreibt er seine Interpretation so: "The episcopi exercised more and more teaching and pastoral functions, under the direction of the disciples of the apostles, until these latter became the bishops of the apostolic sees and adopted the local episcopi as their sacred colleagues. Thus the apostolic commission, with all that we have seen it to mean, devolved upon the episcopate except for the reserved powers of the original apostles which could not devolve, but are expressed in the form of the Church, the creed, and the Scripture of the New Testament." 164 Von einer Übertragung des Apostelamtes auf die den Presbyterien vorstehenden „Bischöfe" ist also nicht die Rede, vielmehr nahmen die Nachfolger der Apostel die Identifizierung von Apostelamt und Bischofsamt selbst vor. Die monarchischen Bischöfe, die sich in der Zwischenzeit innerhalb der Presbyterien an die Spitze der Gemeinden gesetzt hatten, wurden von diesen lokalisierten Aposteln als apostolische Bischöfe „angenommen" — eine Auffassung, die nur schwer mit dem Satz Farrers zu vereinbaren ist, nach der Zeit der Urapostel habe es keine Apostel mehr durch „association" gegeben165. Im Rahmen der bisher herausgestellten zwei Hauptthesen — 1. Lokalisierung von Nachfolgern der Apostel als monarchische Bischöfe und 2. Ernennung und Einsetzung von monarchischen Bischöfen durch die Nachfolger der Apostel — bewegen sich, abgesehen von kleineren Unterschieden, audi die Darstellungen Burn-Murdochs, Couratins, Mackenzies und Broomfields. Burn-Murdoch legt dabei den Nachdruck auf die Lokalisierung von Nachfolgern der Apostel 166 , Mackenzie lehnt diese dagegen als eine mögliche Ubergangsform ausdrücklich ab und betont — wie auch Couratin — die Ernennung von monarchischen Bischöfen durch die Nachfolger der Apostel 167 , während Broomfield beiden Erklärungen Raum gibt 168 . 1 9 4 Ebd. S. 180. 1 8 5 Ebd. S. 131. Α. M. Farrer, a.a.O. S. 169 f. Η . Burn-Murdoch, a.a.O. S. 137, vgl. auch S. 12 u. 72 f. 1 , 7 Α. H. Couratin, a.a.O. S. 112 f., und K. D. Mackenzie, The Case for Episcopacy, S. 21 f., 23 f., 45 f.; S. 6 2 : "All tradition is in favour of the theory that the Apostles appointed the first bishops of the great sees, and it appears to be an accurate description to say that these first bishops exercised locally the same authority as the Apostles had wielded over a wide area." 1 6 8 W . G. Broomfield, a.a.O. S . 1 5 7 f . , 177 f., 189. 163
1ββ
138
Broomfield vergleicht auch die Entwicklung, die zur Ausbildung des dreifachen Amtes führte, mit der Ausbildung des neutestamentlichen Kanons, wenngleich diese längere Zeit brauchte. Die Bibel ist von Menschen geschrieben worden, und das Amt setzt sich aus Mensdien zusammen. Beide sind mißbraucht und falsch dargestellt worden. Beide wurden angegriffen. In einer Hinsicht ist die Stellung des von den Aposteln herkommenden Amtes sogar noch stärker: Christus ernannte die Apostel, aber er gab keine Instruktionen, das Neue Testament zu schreiben. Das Bischofsamt ist somit von Christus als Teil der Kirche eingesetzt worden und wurde unter Führung des Heiligen Geistes geformt. Der Glaube an das apostolische Amt ist Teil des Glaubens an Christus 169 . Broomfield kann solche extremen Folgerungen ziehen, weil nach anglokatholischer Auffassung das Apostelamt bereits das reguläre Amt der Kirche war und mit dem Apostelamt auch schon das Bischofsamt als das spätere, lokalisierte Apostelamt vom Herrn mit eingesetzt worden ist. Einige anglokatholische Theologen räumen von vornherein ein, daß wir auf Grund der Belege nicht feststellen können, auf welche Weise das Apostelamt sich mit dem monarchischen Bischofsamt verbunden hat. "When we have explained how the supreme powers of the general ministry were made to devolve on an individual who belonged to the local ministry, we have explained the origin of episcopacy" (Turner)1™. Daß die Apostel direkte Nachfolger hatten und daß das monarchische Bischofsamt des 2. Jahrhunderts das Apostelamt fortsetzt, daran halten audi diese Theologen fest. In welcher Weise das Apostelamt aber auf das monarchische Bischofsamt übergegangen ist, läßt sich nach ihrer Auffassung gar nicht oder jedenfalls nicht eindeutig klären. Als mögliche Erklärungen nennt Ramsey die Lokalisierung apostolischer Männer, das Aufsteigen eines Presbyters zur Position eines präsidierenden Bischofs innerhalb des Presbyteriums oder eine ganze Anzahl von verschiedenen Entwicklungen171. Williams hält es für unerheblich, ob die monarchischen Bischöfe bei Ignatius als direkte Nachfolger der apostolischen Delegaten (Timotheus und Titus) oder als präsidierende Presbyter anzusehen sind 172 , während wir nach Hebert nicht genau wissen, ob die Apostel als Regel überall einen einzelnen Mann in die Verantwortung eingesetzt haben, der von einem Presbyterium umgeben ist, oder ob sie dem Presbyterium als ganzem die Verantwortung übertragen haben, wobei solche Presbyter, die Verantwortung sowohl für die Ausübung ihres eigenen Amtes als auch für dessen Weiterführung trugen, den Status eines Bischofs besaßen. Es spielt keine große Rolle, in welcher Weise diese Frage beantwortet " » Ebd. S. 190 f. C . H . T u r n e r , Cambridge Medieval History, Vol. 1, S. 145. 1 7 1 A . M . R a m s e y , a.a.O. S . 7 6 f . 1 7 2 Ν . P. Williams, a.a.O. S. 18 f.
170
139
wird 17S . Daß das spätere monarchische Bischofsamt mit dem vom Herrn eingesetzten Apostelamt identisch ist und so in direkter Linie auf das Wirken des Herrn zurückgeht, daran halten audi diese Theologen fest 174 . Die Identität der Funktionen, d. h. vor allem der Ordinationsvollmacht, wird hier ebenfalls als wichtigstes Kennzeichen und als Beweis für die Fortführung des Apostelamtes durch das monarchische Bischofsamt herausgestellt 175. Nur Ramsey macht einen bemerkenswerten Versuch, die These von der Weiterführung des Apostelamtes im monarchischen Bischofsamt nicht nur auf die Identität der Ordinationsvollmacht als der das Apostelamt kenzeichnenden Funktion und auf die direkte Weitergabe des Apostelamtes durch unmittelbare Nachfolger der Apostel zu gründen. Vielmehr will er vor allem mit Hilfe eines wesentlich theologischen Gedankenganges nachweisen, daß das Apostelamt durch das monarchische Bischofsamt weitergeführt wurde und wird. Er geht dabei von der Frage aus, ob das Bischofsamt in der Kirche denselben Platz einnimmt und dieselbe Wahrheit zum Ausdruck bringt wie das Apostelamt in der apostolischen Kirche I7e . Im Blick auf den nachpfingstlichen Apostelkreis hatte Ramsey ausgeführt, daß dieser im Namen der gesamten Kirche Autorität über die Ortsgemeinden besaß und daß seine Funktionen darin bestanden, 1. die Christen mit dem historischen Jesusgeschehen zu verbinden und 2. die eine Gemeinschaft zum Ausdruck zu bringen. Die Apostel verkörpern Einheit und Kontinuität der Kirche in der Kirche 177 . Um nun die Bedeutung der Bischöfe herauszuarbeiten, zieht Ramsey die Ignatiusbriefe heran, die nach seiner Auffassung Bedeutung und Stellung des monarchischen Bischofsamtes treffend beschreiben. Danach hat das dreifache Amt mit dem Bischof an der Spitze einmal seine Bedeutung darin, daß es die Christen mit dem historischen Jesus verbindet. Zugleich ist das Bischofsamt das Organ der Einheit der Kirche, denn die Kirche ist Eine und ihr Gottesdienst ist Einer. Die Feier des Abendmahls ist nicht der Akt einer örtlichen Gruppe, sondern eine Handlung des einen Leibes. Daher kann der Bischof als einziger das Abendmahl verwalten 178 . Der Bischof ist das Organ des einen Leibes, und er bringt die Abhängigkeit der Christen innerhalb des Leibes und der Ortsgemeinde innerhalb der großen Familie zum Ausdruck. Auf diese Weise verkörpern nach Ramsey sowohl die Apostel als auch Ignatius und die anderen Bischöfe dieselben Wahrheiten. Nur die Struktur des Amtes ist im 2. Jahrhundert klarer ausgeA . G . Hebert, The Form of the Church, S. 112. Vgl. N.P.Williams, a.a.O. S. 1 8 f . ; H . L . G o u d g e , a.a.O. S . 1 8 2 f . ; A . G . H e b e r t , The Form of the Church, S. 112. 1 7 5 Vgl. H . L . G o u d g e , a.a.O. S . 1 8 2 f . ; E.J.Bicknell, a.a.O. S . 3 2 9 . 1 7 0 A . M . R a m s e y , a.a.O. S . 7 7 . 1 7 7 Ebd. S. 73 und 74. 1 7 8 Ebd. S. 78 f. 173 174
140
formt, es ist nun in besonderer Weise auf das Abendmahl bezogen. Auch ist gegenüber den Aposteln, denen eine Vielzahl von Gemeinden unterstanden, der Bischof nun in einer einzigen Gemeinde „lokalisiert". Aber beide — Apostel wie Bischöfe — bringen dasselbe Prinzip zum Ausdruck, denn das Evangelium bestimmt die Form der Kirche, deren Ordnung als solche verkündigt, daß Christus ins Fleisch gekommen ist und daß sein Volk eine Familie ist 179 . Wenngleich Ramsey direkte Nachfolger der Apostel erwähnt, so lassen doch seine soeben angeführten Aussagen über die Weiterführung des Apostelamtes durch das Bischofsamt des 2. Jahrhunderts eine direkte „Konsekrationskette" von den Aposteln hin zu den apostolischen Bischöfen nicht als unbedingt notwendig erscheinen. Das ist zweifellos ein Fortschritt gegenüber den anderen Anglokatholiken. Andererseits sind jedoch das Apostelamt und das Bischofsamt in ihrer Bedeutung mit dem Hinweis auf die Einheit und Kontinuität nur unvollständig beschrieben. Schließlich besitzt das Apostelamt, auch wenn es in mancher Hinsicht mit dem Bischofsamt übereinstimmt, eine so grundlegende und umfassende Bedeutung, die weit über diejenige des Bischofsamtes hinausgeht. Von hier aus gesehen kann daher von einer Fortführung des Apostelamtes durch das Bischofsamt keine Rede sein. Allerdings sollten bei einer Bestimmung des Verhältnisses zwischen dem Apostelamt und dem auf diesem gründenden und zugleich von diesem unterschiedenen apostolischen Amt die Gedanken Ramseys mit herangezogen werden. Die anglokatholischen Theologen stimmen mit Lightfoot und den nicht-anglokatholischen Theologen darin überein, daß sich in den Presbyterkollegien nach und nach ein einzelnes Führungsamt mit besonderer Autorität und besonderen Funktionen ausbildete. Nach Lightfoot und vielen nicht-anglokatholischen Theologen nahm dieser präsidierende Presbyter im 2. Jahrhundert die Stellung des monarchischen Bischofs ein und hatte damit das höchste Amt innerhalb des dreifachen Amtes der Alten Kirche inne. Das Bischofsamt hatte sich also aus dem Presbyteramt heraus entwickelt, während das Apostelamt nicht weitergegeben werden konnte und audi nicht weitergegeben wurde. Die Anglokatholiken lehnen — von wenigen Ausnahmen abgesehen — diese Folgerung ab 180 . Sie versuchen vielmehr nachzuweisen, daß die Apostel direkte Nachfolger ernannt haben, die das Apostelamt fortsetzten und weiterhin apostolische Autorität über die Ortsgemeinden ausübten. Diese Nachfolger der Apostel vollzogen dann im 2. Jahrhundert selbst den Übergang des Ebd. S. 80. Vgl. bes. H.Burn-Murdoch, a.a.O. S. 140—143; K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S . 6 1 f . ; G.W.Broomfield, a.a.O. S. 179—181; A . M . F a r r e r , a.a.O. S.168. Als Ausnahmen vgl. A. M. Ramsey, a.a.O. S. 76 f., und vielleicht audi A. G. Hebert, The Form of the Churdi, S. 112. 179
180
141
Apostelamtes auf das Bischofsamt, wobei die Form dieses Überganges verschieden erklärt wird. Das monarchische Bischofsamt hat dieser Auffassung gemäß seinen Ursprung im Apostelamt und setzt dieses fort. Es ist fast überflüssig, darauf hinzuweisen, daß die wenigen von den Anglokatholiken angeführten Texte keineswegs die Weiterführung des Apostelamtes durch direkte Nachfolger der Apostel, die von diesen selbst ernannt worden sind, bezeugen. Der Versuch, eine Weiterführung des Apostelamtes durch direkte Nachfolger der Apostel zu beweisen, geht zudem von einem unzutreffenden Verständnis der Apostel aus, das deren besonderen, einmaligen Status überhaupt nicht in den Blick bekommt oder bekommen will 181 .
C. Die apostolische Sukzession in den ersten
Jahrhunderten
a) Vor Augustin Die anglokatholischen Theologen verstehen die Apostel als Träger eines regulären Amtes der Kirche, das wesentlich für die Kirche aller Zeiten ist. Diese Apostel hatten direkte Nachfolger, die dann im 2. Jahrhundert die Übertragung des Apostelamtes auf das monarchische Bischofsamt vornahmen. Die apostolische Sukzession des Amtes hat also für die Anglokatholiken ihren Ausgangspunkt, ihre Einsetzung im Handeln des irdischen und auferstandenen Herrn. Bevor wir zur anglokatholischen Lehre der apostolischen Sukzession übergehen, ist nun noch zu fragen, in welcher Weise diese Theologen das Verständnis der apostolischen Sukzession in den ersten Jahrhunderten darstellen. Ramsey unterscheidet drei zusammengehörende Bedeutungen des Begriffs „apostolische Sukzession", die sich nach seiner Auffassung bereits im 2. Jahrhundert finden: 1. In der gnostischen Krise des 2. Jahrhunderts wurde vor allem von Irenäus die Sukzession von Bischof auf Bischof im Amt als Sicherung der Kontinuität christlicher Lehre und Tradition in jedem Bischofssitz betont. Jeder Bischof folgte der Lehre seines Vorgängers. So war die Sukzession der Bischöfe eine Garantie dafür, daß den Christen an allen Orten das wahre Evangelium von Jesus Christus verkündigt wurde. Die Gnostiker konnten eine solche Sukzession nicht aufweisen, somit war ihr Anspruch hinfällig 182 . 2. Die Bischöfe sind in dem Sinne Nachfolger der Apostel, als sie deren Funktionen — Predigt, Leitung der Kirche, Ordination — aus181
142
Vgl. hier S. 112—115.
182
A.M.Ramsey, a.a.O. S.81.
übten. In diesem Zusammenhang wurde das Wort „Nachfolger" (diadochoi) erstmalig auf die Bischöfe angewandt (Hippolyt, Refutatio). Auch sind die Bischöfe Nachfolger der Apostel im Blick auf ihre Beziehung zum Evangelium und zum Leib Christi 183 . 3. Schließlich bezeichnet der Begriff „apostolische Sukzession" die Weitergabe einer Gnadengabe, die von den Aposteln herkommt und durch jede Bischofsgeneration durch die Handauflegung weitergegeben wird 184 . Andere Anglokatholiken weisen darauf hin, daß im 2. Jahrhundert das Lehramt, die Sukzession im Amt der Bischöfe, in Abwehr der gnostischen Krise vor allem betont wurde. Die ungebrochene Sukzession der Bischöfe sollte nicht die Validität der von den Bischöfen vorgenommenen sakramentalen Handlungen belegen, sondern die Apostolizität des Glaubens in den Kirchen, die von diesen Bischöfen geleitet wurden, bezeugen185. Im 3. Jahrhundert trat angesichts der Gefahr von Schismen die Betonung der Lehrfunktion zurück, und das Bischofsamt wurde nun in erster Linie als Zentrum der Gemeinschaft und der Einheit der Kirche betrachtet (Cyprian) 18β . Bedeutsam aber für die anglokatholische Lehre ist die Beantwortung der Frage, ob die apostolische Sukzession bereits im 2. und 3. Jahrhundert als „Konsekrationssukzession" verstanden wurde oder nicht. Ramsey führt diese Sukzession durch Konsekration als dritte Bedeutung der apostolischen Sukzession an, er geht aber nicht eingehender auf die historische Frage ein. Headlam hat sich um den Nachweis bemüht, daß sich vor der Zeit Augustins die Interpretation der apostolischen Sukzession als einer „Konsekrationssukzession" noch nicht findet187. Er weist darauf hin, daß vor Augustin die Bischöfe ihre Autorität von der Kirche, nicht aber von einer sakramentalen Transmission hergeleitet haben. Durch die Ordination wurde kein character idelebilis verliehen; häretische oder schismatische Ämter waren null und nichtig. Durch das auf Augustins Lehre basierende neue Amtsverständnis wurde mit Hilfe der „transmissionalen Konzeption" der apostolischen Sukzession das christliche Amt zu einer sich selbst fortsetzenden Kaste. Selbst ein Priester, der sich von der Kirche getrennt hatte, besaß die Vollmacht, unabhängig von jeder christlichen Gemeinschaft sakramentale Handlungen auszuüben 188 . Neben anderen Theologen setzt sich besonders Williams mit Headlams Auffassung auseinander. Williams unterscheidet zwischen einer „bloß serialen" (merely serial) Auffassung der apostolischen Sukzession (d.h. 183
184 Ebd. S. 82. Ebd. Vgl. K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S . 4 9 f . ; G.W.Broomfield, a.a.O. S. 184; T.G.Jalland, a.a.O. S.102; H. Burn-Murdoch, a.a.O. S . 1 5 2 f . 18β E. J.Bicknell, a.a.O. S.330; G . D i x , a.a.O. S.211. 187 A . C . H e a d l a m , The Doctrine of the Church and Christian Reunion, S. 124—133. 188 Ebd. S. 124 ff. 185
143
einer bloßen Sukzession im Amt) und einer „transmissionalen" (transmissional) Konzeption der apostolischen Sukzession (d.h. einer Weitergabe der Amtsgnade — grace of orders — oder des apostolischen „Charakters" — Apostolic character — vom Konsekrator auf den Konsekrierten). Williams selbst vertritt die transmissionale Auffassung 189 . Er räumt zwar ein, daß die Väter im 2., 3. und 4. Jahrhundert unter bischöflicher Sukzession vor allem die Sukzession im Amt verstanden haben. Doch folge daraus nicht, daß man die Idee der transmissionalen — man kann auch sagen „sakramentalen" — Sukzession nicht vertreten habe. Beide Auffassungen sind nicht unvereinbar, sie gehören vielmehr zusammen 190. Zum Beleg hierfür und als Antwort auf Headlams argumentum e silentio (er hatte keine Belege für die transmissionale Konzeption gefunden) zitiert Williams nun Stellen aus Hippolyt, Firmilian, Cyprian, Ambrosius, Ambrosiaster und Epiphanius m , die aber keineswegs beweisen, daß die transmissionale oder sakramentale Konzeption bereits vor Augustin vertreten worden ist. Williams scheint von der Uberzeugungskraft der von ihm angeführten Stellen selbst nicht völlig überzeugt zu sein, denn er räumt ein, daß diese Konzeption nicht von der Kirche (wenn audi in ihr) vertreten worden ist192. Aus diesem Grunde möchte er doch lieber das Verfahren heranziehen, durch das die Kirche ihr Amt weiterführte. Dieses bestand in der Auswahl der Amtsträger durch das Kirchenvolk und der Ordination durch solche, die bereits Amtsträger waren 193 . Hieraus folgert Williams: "The all-important fact, in other words, is that whether the patristic passages embodying an explicit belief in 'transmission' be many or few, the pre-Augustinian Church consistently acted as though it believed in 'transmission' or 'succession by ordination'.. ." 194 Dieses Argument ist absurd, da die bloße Ordination durch Bischöfe nodi längst nicht die Vorstellung der Transmission einer Gnadengabe oder der Übertragung eines character indelebilis impliziert. Williams jedenfalls glaubt, den Erweis erbracht zu haben, daß auch schon vor Augustin die apostolische Sukzession im Sinne der Transmission einer bestimmten Gnadengabe verstanden worden ist. Der Unterschied zwischen der vor-augustinischen Kirche und der nadiaugustinischen Kirche bestand nach Williams nur darin, daß man vor Augustin glaubte, der indelible Charakter könne durch Häresie oder Trennung von der Kirche verlorengehen, während nach Augustin die Kirche im Westen an einen Amtscharakter glaubte, der in keinem Falle verlorengehen konnte. Williams läßt diese beiden Auffassungen neben189
190 N.P.Williams, a.a.O. S.76. Ebd. S. 79 f. Ebd. S. 80—82. Die angeführten Stellen sprechen lediglich davon, daß die Bischöfe durch Ordination auf die Apostel gefolgt sind. 192 193 Ebd. S. 83. Ebd. S. 83. 194 Ebd. S. 83—85. 191
144
einanderstehen und weist lediglich darauf hin, daß auch die vor-augustinische Kirche die Amtsgnade und -autorität nicht von der Kirche, sondern von den Aposteln herleitete 185 . Burn-Murdoch wendet sich ebenfalls gegen Headlams Darstellung und schreibt, daß es keine Sukzession in den Bischofssitzen ohne Ordinationssukzession geben kann, da beides zusammengehört — und zwar auch schon in den ersten Jahrhunderten. In der Sukzession im Amt war die Sukzession im apostolischen Amtscharisma implizit enthalten 196 . Dix meint, daß es bei diesem Problem nur um eine Frage der Betonung gehen kann. Indem Irenäus nicht nur darauf bestand, daß der Bischof ein anerkannter und autorisierter Lehrer, sondern als Bischof ein mit übernatürlicher Vollmacht ausgestatteter (supernaturally endowed) Lehrer war, machte er den Weg dafür frei, daß sich das Schwergewicht der Interpretation von der bloßen Tatsache des Amtes auf die göttliche Verleihung desselbigen verlagerte. "Thus the way was opened to the reckoning of the bishop's succession not through his episcopal predecessors but through his episcopal consecrators. It was only a novelty in that it emphasized a different set of pre-existing facts." Bis zum Ende des 4. Jahrhunderts wurde im Westen die rechtmäßige Wahl und die Konsekration gleichmäßig betont, im Osten nahm bereits im 3. Jahrhundert die Handauflegung den Vorrang ein, im 4. Jahrhundert ist dort von einer Wahl keine Rede mehr. Das Bischofsamt wird als etwas einem Manne persönlich Zugehöriges, das er lediglich durch Handauflegung empfängt, vorgestellt. Doch all dies sind keine neuen Theorien, sondern nur Betonungen verschiedener Aspekte derselben Sache. Es kommt nichts Neues hinzu, sondern das schon Vorhandene wird nur weiter entfaltet 197 . Mögen sich Williams, Burn-Murdoch und Dix auch in Einzelheiten unterscheiden, so machen sie doch das Bestreben anglokatholischer Theologen deutlich, das sakramentale Verständnis der apostolischen Sukzession bereits als kirchliche Lehre der ersten Jahrhunderte hinzustellen. b) Das durch Augustin Sukzession
bewirkte
neue Verständnis
der apostolischen
Mackenzie behandelt ausführlich das Verhältnis der apostolischen Sukzession zur Validität und Regularität des Amtes: Bei Cyprian findet sich noch kein Unterschied zwischen Validität und Regularität. Unabhängig von der Kirche kann kein Amt bestehen. Augustin führte implizit den Unterschied zwischen Validität und Regularität ein198. Die Weitergabe des Amtes, wenn die rechten Formen befolgt werden, wird nun zu einer 195 197 188
10
Ebd. S. 88 f. »« H . Burn-Murdoch, a.a.O. S. 153 f. Ebd. S. 212 f. K. D . Mackenzie, The Case for Episcopacy, S. 80 f.
8220
Gaßmann, Bischofsamt
145
Sadie, die fast mathematische Sicherheit besitzt. Was irregulär ist, kann regulär gemacht werden, während das, was nicht valid ist, durch menschliche Mittel auch nicht valid gemacht werden kann. Zum Bereich der Regularität gehört es nun, ob ein Bischof in wahrer Amtssukzession steht, ob er rechtmäßig ernannt worden ist und ob er von der Kirche als Bischof von X anerkannt wird oder nicht. Zum Bereich der Validität gehört es, ob der Bischof in der wahren Sukzession der Gnade steht und ob seine Konsekratoren jemals die Vollmacht zu konsekrieren erhalten haben. Regularität und Validität gehören zusammen. Man kann audi sagen, daß ein Bischof durch die Validität seiner Konsekration sein „Amt" (order) und die Gnadengabe des Bischofsamtes empfängt, während er durch die Regularität seiner Ernennung die Jurisdiktion und Vollmacht der Leitung über seine Diözese e r h ä l t m . Die sich so herausbildende westliche Konzeption der apostolischen Sukzession stellt Mackenzie in einem Schema so dar: A. Succession of office. Secures continuity of teaching. Secured by 1. Election . . . by clergy or people. 2. Acceptance . . . by Metropolitan etc. Giving jurisdiction. Resulting in regularity. B. Succession of grace. Secures continuity of the grace of Order. Secured by episcopal Consecration. Giving the episcopal Order. Resulting in validity 20°. Einwände und Vorbehalte gegenüber dieser Auffassung hält Mackenzie nicht für erheblich, vielmehr sieht er gerade in der Augustinischen Konzeption einige große Vorteile. Dazu gehört nach seiner Meinung, daß die äußeren Bedingungen für den Empfang eines wahren Sakramentes bekannt, bestimmt (definite) und objektiv sind. „So long as we are in good faith and have a true ministry we have the sacraments and we have the benefits of them. . . . The fact that sacraments can be administered even by an unworthy minister (whether his unworthiness takes the form of unconscious schism or of conscious sin) is certainly not more surprising than the facts of parenthood. Indeed, in our present question as to the validity of Consecrations and Ordinations, the ana1 e
» Ebd.S. 82 f. Ebd. S. 84. Im Text bei Mackenzie stehen beide Absätze nebeneinander.
200
146
logy is very close indeed." 201 Wie Mackenzie so stimmt auch BurnMurdoch der aus dem Taufstreit siegreich hervorgegangenen römischen Auffassung — von rechtmäßig ernannten Amtsträgern recht verwaltete Sakramente brauchen nicht wiederholt zu werden, auch wenn sie schismatisch sind — zu 202 . Ramsey steht der über die striktere Lehre Cyprians hinsausgehenden Lehre Augustins nicht übermäßig kritisch gegenüber, er meint aber doch, daß Augustins Lehre manche Irrlehre in der späteren Kirchengeschichte ermöglichte. Dieser Lehre folgend konnten nämlich die Ämter unabhängig vom korporativen Leben der Kirche als valid und die Idee der Amtssukzession als ein einziger und isolierter „Kanal der Gnade" (channel of grace) angesehen werden. "S. Augustin has 'broadened' Church theory; but he has opened the way for a line of thought which glories in the name of Catholic but which severs the doctrine of orders from the doctrine of the Body of Christ." 203 An anderer Stelle bringt Ramsey zum Ausdruck, daß er die cyprianische Interpretation der apostolischen Sukzession der augustinischen vorzieht 204 . Ramsey, der dann selbst eine modifizierte anglokatholische Lehre der apostolischen Sukzession vorlegt, unterscheidet sich also auch hier von den anderen Anglokatholiken. Die anglokatholischen Theologen wollen nachweisen, daß ihre eigene Lehre der apostolischen Sukzession bereits in den ersten Jahrhunderten christlicher Theologie vertreten worden ist. Zu diesem Zweck lesen sie ihr Verständnis in Texte hinein, die in ihrem Zusammenhang gesehen eine ganz andere Auffassung der apostolischen Sukzession zum Ausdruck bringen. Gleichzeitig stimmen diese Theologen einer Entwicklung im Verständnis des kirchlichen Amtes zu, die als eine Fehlentwicklung anzusehen ist, da sie u. a. das Amt von der Kirche trennt.
D. Die anglokatholische a) Zusammenfassender
Lehre von der apostolischen
Sukzession
Überblick
Um die zahlreichen Aussagen anglokatholischer Theologen zur apostolischen Sukzession besser einordnen zu können, beginnen wir hier mit einem allgemeinen Uberblick über die anglokatholische Lehre von der apostolischen Sukzession: Durch die apostolische Sukzession wird eine Gnadengabe, die der irdische und auferstandene Herr den ersten Aposteln verliehen hat, in jeder Konsekration durch bereits amtierende Bischöfe an den neu konse201 203
10*
Ebd. S. 85 f. A . M . R a m s e y , a.a.O. S.154.
202 H . Burn-Murdoch, a.a.O. S. 156. 204 E b d . S . 2 1 8 f . 147
krierten Bischof weitergegeben. Durch diese Gabe und mit ihr empfängt er das „Amt" (order), durch das er in Christi Namen und in Christi Person handelt. Er empfängt zugleich einen character indelibilis und volle apostolische Autorität und Vollmacht. Er wird zum Nachfolger der Apostel, bzw. ein neuer Apostel. Nur als Träger dieser Gnadengabe kann er das Amt eines Bischofs gültig (valid) ausüben und diese Gnadengabe weitergeben. Dieser „TransmissionsVorgang" geschieht zwar in der Kirche, obwohl selbst das nicht von allen Theologen ausdrücklich erwähnt wird, aber doch ohne eine entscheidende und bestimmende Mitwirkung der Kirche. Die Transmissionskette nahm in Christi Handeln an den Aposteln ihren Anfang, die Gnadengabe hat ihren Ursprung in ihm. So kann man davon sprechen, daß Christus der Geber dieser Gabe sei — doch ist er gleichsam nur prima causa eines sich autonom fortsetzenden Vorgangs. Von einem direkten, gegenwärtigen Handeln des Auferstandenen und Erhöhten ist bei vielen Anglokatholiken keine Rede. Die Transmissionskette stellt eine direkte Verbindung zur Inkarnation her. Wo man sich bemüht, den erhöhten und gegenwärtig wirkenden Herrn in die Lehre der apostolischen Sukzession miteinzubeziehen, da versteht man dies doch nur im Sinne eines Mit-Wirkens: Durch die lineare, horizontale Sukzession wird die Gnadengabe weitergegeben, in jeder Konsekration ist aber der Herr zugleich direkt, „vertikal", wirksam. Dabei ist er jedoch an die Handlungen rechtmäßiger Bischöfe, die ja auf Grund ihres durch die apostolische Sukzession empfangenen Status in seinem Namen und in seiner Person handeln, gebunden und kann deren Handlungen nicht zurückweisen. Somit wird Christi Handeln als etwas im Grunde Sekundäres verstanden, das zu seiner eigenen Gnadengabe, die durch die apostolische Sukzession weitergegeben wird, hinzutritt. Christi Gnadengabe, ob sie nun „horizontal" transmittiert wird oder „vertikal" jeweils als direkte Gabe hinzukommt, ist dabei grundsätzlich vom Handeln der Menschen in der apostolischen Sukzession abhängig 205 . In dieser Weise könnte man die anglokatholische Sukzessionslehre zusammenfassend beschreiben, wobei schon einige Modifikationen dieser Lehre mit erwähnt worden sind. In der Terminologie und besonders in der Bezeichnung der durch die apostolische Sukzession weitergegebenen Gabe sind die Anglokatholiken keineswegs einheitlich, doch stimmen sie in den Grundzügen weitgehend überein. Daß ihre Lehre in einer geradezu magischen oder medianischen Weise dargestellt und verstanden werden kann, ist aus der oben gegebenen Beschreibung leicht verständlich und tatsächlich ist sie in der Geschichte der anglikanischen Theologie bis in 205 Vgl. hierzu Moules Kritik am anglokatholischen Gnadenverständnis: die Anglokatholiken sehen in der Gnade nicht etwas Persönliches (eine Beziehung zwischen Gott und Menschen), sondern etwas Unpersönliches, das man weitergeben und über das man verfügen kann. C. F . D . M o u l e in: S.Neill ed., The Ministry of the Church, S. 45.
148
unser Jahrhundert hinein zuweilen in dieser Weise dargestellt worden 20e . Die modernen Anglokatholiken wenden sich gegen Darstellungen dieser Art — aber im Grunde vertreten sie noch immer dieselbe, strenge Form der Lehre, auch wenn sich einige Theologen wie Ramsey um bestimmte Modifikationen bemühen. Aus diesem Grunde trifft auch eine Feststellung Headlams aus dem Jahre 1928, daß nämlich die Weitergabe der Amtsgnade nicht mehr so sehr im Vordergrund der anglokatholischen Lehre stehe207, für die Zeit bis etwa 1950 kaum zu. b) Die Aussagen anglokatholiscber zession
Theologen zur apostolischen
Suk-
Im folgenden soll die oben beschriebene Lehre der apostolischen Sukzession an Hand der Aussagen einiger anglokatholischer Theologen näher erläutert werden. Bei Wiliams kommt die bereits skizzierte Lehre der apostolischen Sukzession mit größter Klarheit zum Ausdruck: "What is really at issue is the conception of a ministry descended from the Apostles and from Christ, not commissioned by the people, and renewing itself by transmission from ordainer to ordained of a supernatural character, not by a series of popular and individual appointments to office." 208 Und eine Seite zuvor: "I am, of course, well aware that the conception of an apostolically descended ministry, receiving its powers by devolution from the Apostles and through them from Christ, . . . is one that has been and still is fiercely challenged." 208 In diesen Aussagen bildet die Vorstellung einer Sukzession im Amt und einer Sukzession in der Gnade — wie bei allen Anglokatholiken — eine Einheit. Der Gedanke einer linearen Transmission einer Gnadengabe kommt deutlich zum Ausdruck, er findet sich auch noch an anderer Stelle bei Williams: " . . . if there is a transmissible Apostolic charisma, it must clearly be as transmissible through colleges of bishops as through individual bishops." 210 Das Bischofsamt empfängt demnach durch die apostolische Sukzession eine Gabe, die von den Aposteln und durch diese vom irdischen und aufer206 So schreibt z.B. Francis Mason (1566—1621): "Christ himself: the author of our orders, from whom the power of ordaining others, flowing as from a pure fountain first to the apostles, next, from the apostles, ran down to the bishops as its conduitpipes" (zit. bei Ε. R. Fairweather, Episcopacy Re-Asserted, London 1955, S. 32). 207 A. C. Headlam in: Report of the Committee Appointed by the Archbishops of Canterbury and York to Consider the Findings of the Lausanne Conference on Faith and Order, London 1930, S. 118. 209 N . P . W i l l i a m s in: N.P.Williams and C.Harris ed., Northern Catholicism, London 1933, S. 209. 208 Ebd. S. 208. 210 N.P.Williams, Lausanne, Lambeth and South India, S.61.
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standenen Herrn herkommt. Vom Wirken des erhöhten Christus hier und jetzt ist keine Rede, ebenso nicht von der Kirche. Das Amt erneuert sich selbst. Die von Bischof auf Bischof weitergegebene Gabe wird von Williams verschieden beschrieben: einmal als „Vollmacht" (wohl auch „Autorität", jedenfalls schließt der Plural „powers" hier mehrere Dinge ein), dann als „übernatürlicher Charakter" (supernatural character), als „apostolisches Charisma" (Apostolic charisma) und schließlich als „Amtsautorität" (ministerial authority) 211 . Dieselbe Lehre vertritt Goudge, wenn er schreibt: "The power to transmit the Spirit belonged at first, according to the New Testament, to the Apostles alone; and therefore the power to confirm or ordain to the Apostles alone. But this power, like others, could be transmitted; and, as the Church grew, evidently it was transmitted. Always the men through whom the power of authoritative ministry is received are those who have themselves received a special position and endowment which enables them to bestow i t . . . . Where no authority to transmit the Spirit has been received, this laying on of hands is a meaningless ceremony, and the Protestant communions who habe abandoned it have done so rightly." 212 Eine ganze Reihe von weiteren Beispielen für diese Lehre der apostolischen Sukzession (ζ. B. bei Peck, Moss, Turner, Hebert, Couratin, Sparrow-Simpson) ließ sich anführen 213 . R. Raynes, der Prior von Mirfield, sieht die anglokatholische Lehre sogar in den anglikanischen „Bekenntnissen" begründet: "But it is really impossible to deny that the formularies of the Anglican Communion insist that holy order comes and must only come by transmission from those who have received transmitted authority to transmitt." 214 Hier ist noch einmal betont, daß das Bischofsamt mit all dem, was es nach anglokatholischer Auffassung beinhaltet (d.h. die Beauftragung von Christus her; die Amtsgnade; der character indelebilis; der Status, Nachfolger der Apostel zu sein; etc.), allein von Bischöfen durch die apostolische Sukzession weitergegeben wird und von diesen hergeleitet wird. Vom Handeln Christi wie auch von der Kirche ist keine Rede, die Worte "must only come" scheinen beides — das Handeln Christi hier und jetzt und 2 1 2 H . L . Goudge, a.a.O. S. 176 f. Ebd. S. 61 und 89. A. L. Peck, This Church of Christ, London 1955, S . 9 8 ; C.B.Moss, W h a t do we mean by Reunion?, London 1953, S . 8 6 (Transmission von Autorität); C . H . T u r n e r , Catholic and Apostolic, Collected Papers, ed. H . N . B a t e , London 1931, S . 2 8 1 f . ; A . G . Hebert in: K . E . K i r k , a.a.O. S . 5 3 2 (allein der Bischof empfängt die Fülle der apostolischen Beauftragung und ist allein für deren Weitergabe verantwortlich); Α. H . Couratin, a.a.O. S. 110; W . J. Sparrow Simpson, The History of the Anglo-Catholic Revival, S . 4 3 f., audi S . 2 8 . 211
213
214
150
R. Raynes, The Apostolic Ministry and Reunion, Mirfield 1955, S. 10.
das Handeln der Kirche — bewußt auszuklammern 215 . Auch die in dem von Kirk herausgegebenen Sammelband vorgetragene Lehre gehört ganz in diesen Zusammenhang hinein, allein die shaliach-Theorie macht das schon deutlich: Die Apostel und die ihnen nachfolgenden Bischöfe sind bevollmächtigte Stellvertreter Christi. Als „sheluchim" handeln sie in seinem Namen und an seiner Statt. Zu ihrem Status als shaliach gehört es, daß sie diesen Status weitergeben können, daß sie die göttliche Beauftragung und Autorität und die Fülle der Vollmacht empfangen haben. Diese „Fülle der Vollmacht" (plenitude of power) haben die Bischöfe von Christus empfangen — aber durch die Transmissionskette der apostolischen Sukzession 216 . Kirk bringt diese Lehre zusammenfassend zum Ausdruck: "Historically, the evidence points conclusively to the fact, that the apostles received their commission direct from the Lord Himself, and that it was by virtue of that commission (and not through any powers bestowed on them by the 'Church') that they transmitted it in full measure to their successors, who exercised the same plenitude of power in turn — looking bade to Christ as its source not by way of 'the Church', but by way of the apostolic line of descent." 217 Die durch die apostolische Sukzession weitergegebene und weiterzugebende „Beauftragung" und „Fülle der Vollmacht" wird also expressis verbis von der Kirche isoliert 218 , während Christus lediglich Quelle (source) und ursprünglicher Geber dieser Gabe ist, aber an deren Weitergabe keinen direkten Anteil hat. Die Vertreter dieser Lehre könnten geltend machen, daß der erhöhte Christus in jeder Konsekration wirksam sei, da ja sein shaliach in seiner Person handele und so Christus im shaliach wirksam sei219. Doch ist deutlich, daß im Grunde das menschliche Handeln im Vordergrund steht und Christus an dieses Handeln gebunden ist, nicht aber, daß Christus als Herr seiner Kirche durch seine Kirche und deren Glieder handelnd wirksam ist. Zur shaliach-Theorie gehört dazu, daß der Aussendende an die Handlungen seines bevollmächtigten Vertreters gebunden ist 220 , und so wird entsprechend auch das Verhältnis zwischen 215
Ebd. S. 14. A . M . Farrer, a.a.O. S. 174: " . . . authority descends from Christ to Paul, from Paul to Titus, and from Titus to the elders in Crete: and in each case he who conveys it retains control over those whom he has made its representatives." Vgl. audi A. G. Hebert in: K.E.K/irk, a.a.O. S.530 und 532. 217 Κ. Ε. Kirk, a.a.O. S.49 und X X I . 218 Vgl. L. Newbigin, The Reunion of the Church, London 1948, der bes. S. 152—167 ausführlich darstellt, wie in Kirks Buch die apostolische Sukzession von der Kirche isoliert wird. 219 Vgl. G . D i x in: K.E.Kirk, a.a.O. S.232. 220 v g i . G . D i x , ebd. S.218: " . . . the envoy's action unalterably committed his principal." 219
151
Christus und den in und mittels der apostolischen Sukzession handelnden Bischöfen, seinen „sheluchim", verstanden 221. Durch diese Lehre der apostolischen Sukzession schaffen sich die Anglokatholiken selbst die Gewißheit, daß hier in der apostolischen Sukzession die göttliche Gnade und Vollmacht und Autorität mit Sicherheit zu finden und zu empfangen ist 222 . Daraus folgt, daß die Validität des Amtes von der apostolischen Sukzession und von der Ausübung apostolischer Vollmacht in der Kirche und über die Kirche abhängt 223 . Denn wenn der shaliach handelt, so handelt er im Namen und in der Person Jesu Christi, der seine Handlungen nicht zurückweisen kann. Wo man nicht die shaliach-Theorie vertritt, da verschafft man sich mit Hilfe des sakramentalen Verständnisses der apostolischen Sukzession — von Christus her wird eine Gnadengabe durch die Kette der Bischofskonsekrationen weitergegeben und ist also hier mit Sicherheit zu finden — dieselbe Gewißheit des Gnadenbesitzes. Wenn also in der apostolischen Sukzession die göttliche Gnade mit solcher Sicherheit zu finden ist, dann folgt für die Anglokatholiken daraus, daß die Sakramente, d.h. vor allem das Abendmahl, in engster Beziehung zur apostolischen Sukzession stehen, ja von dieser abhängig sind und daß von hier aus sowohl die Ämter, die nicht in der apostolischen Sukzession stehen, als audi die von ihnen verwalteten Sakramente zu beurteilen sind 224 . Auf diese Folgerungen aus der anglokatholischen Sukzessionslehre soll im nächsten Kapitel noch näher eingegangen werden. Auf eine weitere Folgerung aus der hier dargestellten Sukzessionslehre sollte noch eingegangen werden, wenngleich diese Folgerung von den anglokatholischen Theologen nicht ausdrücklich vorgetragen wird. Sie paßt aber ganz in den Gesamtrahmen ihrer Theologie hinein. Durch die apostolische Sukzession, die im irdischen und auferstandenen Herrn ihren Ursprung hat, werden die Bischöfe zu neuen Aposteln und zu bevollmächtigten Stellvertretern Christi, sie handeln in seinem Namen und an seiner Statt. Darum kann man wohl Newbigins Feststellung, hier werde der weiterlaufende Apostolat als eine Ausweitung (extension) der 221
Ebd. S.287: "When they [d.h. die Bischöfe] so act, using the ancient Jewish gesture, H e Himself cannot repudiate their action: another shaliadi is made. 'For a man's shaliach is as it were himself.'" 222 K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S.82; A.M.Ramsey, a.a.O. S . 8 2 f . ; A. L. Peck, This Church of Christ, S. 36 und 98; Ε. J. Bicknell, a.a.O. S. 331 (die apostolische Sukzession ist eine Garantie dafür, daß wir in ihr Gottes Gnade finden). 223 A.M.Farrer, a.a.O. S . X V I I f . ; K.E.Kirk, a.a.O. S.40. 224 Vgl. R.Raynes, a.a.O. S.7; E. R. Fairweather, Episcopacy Re-Asserted, S.21: " . . . due ordination is a condition of sacramental validity." A.M.Farrer, a.a.O. S . X I I I ; F.W.Green in: K.E.Kirk, a.a.O. S.543.
152
Inkartnation verstanden, wobei Himmelfahrt und Pfingsten aus ihrem bestimmenden Verhältnis zum Amt herausgenommen werden, zustimmen 225 . Mackenzie, Mascall und Ramsey, drei bedeutende Anglokatholiken, versuchen nun, die bisher beschriebene Lehre von der apostolischen Sukzession des Bischofsamtes dahingehend zu modifizieren, daß sie den erhöhten Christus und sein Handeln hier und jetzt nicht mehr ausklammern, sondern beides, die „horizontale" Weitergabe einer Gnadengabe durch die apostolische Sukzession und das direkte, „vertikale" Handeln des gegenwärtigen Herrn in jeder und durch jede Konsekration (und Ordination), miteinander zu verbinden suchen. Auch Mackenzie vertritt die oben beschriebene Transmissions-Lehre22e, in Verbindung mit ihr kommt er jedoch zu einer gewissen Einschränkung. Er lehrt die Transmission der Amtsgnade durch die Kette der Bischofskonsekrationen und zugleich Christi eigenes, direktes Handeln in jeder Konsekration bzw. Ordination 227 . Doch auf das Verhältnis zwischen beiden geht er nicht ein, offensichtlich sieht er hier kein Problem. Von der Art seiner Darstellung her und auf Grund anderer Aussagen Mackenzies kann man aber annehmen, daß auch bei ihm die Transmission der Gnade durch die apostolische Sukzession im Vordergrund steht und dieser Christi jeweiliges Gnadenhandeln nachgeordnet bzw. untergeordnet wird 228. Bei Mascall ist das Bemühen ungleich stärker spürbar, die apostolische Sukzession nicht vom erhöhten und gegenwärtig handelnden Christus zu trennen. Doch laufen bei ihm die verschiedenen Aussagen zum Teil noch unverbunden nebeneinander her. So finden sich Aussagen, die von einer isolierten, horizontalen, linearen, sakramentalen Weitergabe des „apostolischen Charakters" durch die Bischöfe sprechen, während er an anderer Stelle der Kritik an bestimmten Interpretationen der apostolischen Sukzession zustimmt, Interpretationen, die den Gedanken nahelegen, das Amt sei ein Substitut für den abwesenden Christus 229 . Er geht dann noch näher auf die apostolische Sukzession ein: Der irdische Teil der Kirche, die ecclesia militans, ist nur ein kleiner Teil der katholischen Kirche. Die Zahl der Glieder in der Kirche wächst, die Menschen betreten durch die Taufe die Kirche, aber sie verlassen diese nicht mit dem Tode. So ist es auch mit dem „apostolischen Episkopat". Die Kirche wächst und mit ihr und in ihr der Episkopat. Somit ist ein neu konsekrierter Bischof im 225
L. Newbigin, a.a.O. S. 158 f. K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S.82—84 und 105 f. 227 22 Ebd. S. 105. » Vgl. ebd. S. 85. 229 E.L.Mascall, The Recovery of Unity, S . 1 7 3 f . : " . . . the bishop himself has received his full apostolate from those other bishops who together represent the Apostolate of the universal Church." Dagegen auf S. 183: "I must admit that I personally feel considerable sympathy with those who boggle at the idea of succession as it is frequently presented." 229
153
strengen Sinne kein Nachfolger der Apostel, sondern ein neuer Apostel. In der Konsekration handelt dann nicht die irdische Kirche, sondern der universale Apostolat durch seinen irdischen Teil 230 . Diesen Gedankengang, der wieder an eine von Christus und der Kirche isolierte Transmission denken läßt, ergänzt Mascall dann einige Zeilen später mit der Bemerkung, daß der erhöhte Christus letztlich jede Ordination und Konsekration ausübt ( " . . . who is the ultimate agent in every ordination and consecration") 231 . Es finden sich noch mehr Beispiele dafür, daß er die verschiedensten Aussagen nebeneinanderstellt: "It is in virtue of their consecration that bishops consecrate other bishops and that bishop succeeds bishop in his see." 232 Und dann: " . . . succession is the earthly and historical aspect of an activity whose ultimate agent is the ascended Christ." 233 Doch Mascall sucht bewußt diese beiden Gedankengänge — Transmission durch die apostolische Sukzession und Handeln Christi — miteinander zu verbinden, indem er sich gegen eine Alternative zwischen „durch die Sukzession" und „direkt von Christus" wendet. Die göttliche Beauftragung wird direkt von Christus empfangen, aber sie wird auch vermittelt (mediated), indem Christus die Apostel und ihre Nachfolger als seine Agenten oder als sein Instrument benutzt 234 . Wie Mackenzie sagt aber auch Mascall nichts Näheres über das Verhältnis zwischen dem Handeln Christi und dem Handeln der Bischöfe in der apostolischen Sukzession aus. Er versteht das Handeln der Bischöfe in der apostolischen Sukzession als ein aktives, selbständiges, weniger aber als ein dienendes, instrumentales, auch wenn er den Begriff „Instrument" gebraucht. Die Weitergabe des Amtes durch die Sukzession steht audi bei ihm im Vordergrund. Ramsey, der in den Rahmen der hier behandelten Lehre von der apostolischen Sukzession noch mit hineingehört, geht über Mackenzie und Mascall beträchtlich hinaus, indem er das Handeln Christi ungleich stärker in seine Lehre der apostolischen Sukzession miteinbezieht. Er bemüht sich, die Einseitigkeiten der traditionellen anglokatholischen Lehre zu überwinden. Er wendet sich gegen die „eher augustinische und klerikalistische als katholische" Auffassung einiger Traktarianer und deren Nachfolger, nach der die apostolische Sukzession als ein „Kanal der Gnade", der vom Leben des Leibes Christi isoliert ist, vorgestellt wird 235 . 230
E.L.Mascall, The Recovery of Unity, S. 185; ders., Corpus Christi, S . 2 0 f . ; ders., Christ, the Christian and the Church, London 1946, S. 123 f. 231 E.L. Mascall, The Recovery of Unity, S. 185 f. 232 E.L.Mascall, Christ, the Christian and the Church, S. 123f. 233 E.L.Mascall, The Recovery of Unity, S . 1 8 7 f . 234 Ebd. S. 186 f. 235 A.M.Ramsey, a.a.O. S.218. Zögernd stimmt Ramsey auch der cyprianischen Auffassung zu, nach der valide Ämter von der Kirdie abhängen und von der ganzen Kirche autorisiert sein müssen, ebd. S. 219. 154
Grundsätzlich spricht Ramsey v o n einer Sukzession in der G n a d e , auch hält er Headlams K r i t i k f ü r irrelevant 2 3 6 . F ü r seine eigene D a r s t e l l u n g der apostolischen Sukzession verweist Ramsey auf seinen theologischen A u s g a n g s p u n k t , d a ß nämlich d a s Bischofsamt als ein O r g a n der Kirche in enger Beziehung z u m E v a n g e l i u m und z u m einen Leib steht 2 3 7 . D e r H e r r verleiht in jedem F a l l e durch die H a n d l u n g e n seiner ganzen Kirche die G n a d e . " E v e r y act of grace is H i s act a n d the act of the one B o d y which is H i s . " D i e Sukzession der Bischöfe ist kein isolierter „ K a n a l der G n a d e " , d a Christus v o m A n f a n g an G n a d e durch jeden sakramentalen A k t seines Leibes verleiht. " B u t certain actions in this w o r k of g r a c e are confined to the B i s h o p s ; a n d thereby the truth is taught that every local g r o u p or Church depends upon the one life of the one B o d y , a n d that the Church of every generation shares in the one historic society which is not p a s t a n d d e a d but alive in the present. T h u s the Church's full and continuous life in grace does depend upon the succession of Bishops, whose w o r k , however, is not isolated but b o u n d u p with the whole B o d y . " D e r Bischof ist ein O r g a n im kontinuierlichen L e b e n des einen Leibes in der G n a d e 2 3 8 . E s ist bei Ramsey keine R e d e d a v o n , d a ß durch die apostolische Sukzession eine G n a d e n g a b e „ h o r i z o n t a l " als persönlicher Besitz von Bischof an Bischof (wie durch einen „ K a n a l " oder eine „goldene K e t t e " ) weitergegeben w i r d . Vielmehr verleiht Christus G n a d e durch die sakramentalen A k t e der Kirche, seines Leibes, w ä h r e n d bestimmte G n a dengaben an den E p i s k o p a t , der ein O r g a n des einen Leibes ist, gebunden sind. N u r durch diesen E p i s k o p a t erhält dann auch die Kirche Anteil an diesen G a b e n . D a h e r der S a t z , d a ß d a s volle u n d kontinuierliche G n a d e n leben der Kirche von der Sukzession der Bischöfe a b h ä n g i g ist. D i e Kirche ist in dieser Hinsicht demnach von ihren eigenen O r g a n e n abhängig. Indem Christi jeweiliges G n a d e n h a n d e l n in der K o n s e k r a t i o n an den Episk o p a t gebunden ist, stellt die apostolische Sukzession (indirekt) auch eine Weitergabe der G n a d e d a r . D e n n die Folgerung w ä r e doch die, daß es ohne apostolische Sukzession auch keine Bischöfe mehr geben würde, an die bestimmte G n a d e n g a b e n Christi gebunden sind und die Kirche dann diese G n a d e n g a b e n entbehren müßte. D a r u m k a n n Ramsey a u d i sagen, d a ß durch die apostolische Sukzession die G n a d e weitergegeben w i r d . Wenn es nun seine A u f f a s s u n g ist, d a ß Christus G n a d e durch die s a k r a mentalen A k t e seiner Kirche verleiht, wobei aber bestimmte H a n d l u n g e n a u f die Bischöfe beschränkt sind, so f o l g t doch d a r a u s , d a ß dort, w o die Bischöfe handeln (eben v o r allem in der K o n s e k r a t i o n u n d O r d i n a t i o n ) , die göttliche G n a d e n g a b e f ü r d a s A m t mit Sicherheit zu finden ist — aber eben nur dort. S o w i r d bei Ramsey einerseits Christi jeweiliges G n a denhandeln betont, andererseits aber bestimmte A s p e k t e dieses H a n d e l n s 239 238
Ebd. S. 82. Ebd. S. 82 f.
237
Vgl. hier S. 140 f.
155
an die irdischen Vermittler, die Bischöfe, gebunden und auf diese Weise Christi herrschaftliches Handeln eingeschränkt. Zugleich wird — und das gilt natürlich erst recht für die anderen anglokatholischen Theologen — das Gnadenleben der Kirche ausdrücklich von der apostolischen Sukzession abhängig gemacht. Obwohl Ramsey die Schwächen der traditionellen anglokatholischen Lehre sieht und zu überwinden sucht, gelingt es ihm doch nicht, einen Grundfehler dieser Auffassung, nämlich die lehrmäßige Einschränkung und Zurückdrängung des herrschaftlichen Handelns des erhöhten Herrn der Kirche, zu beseitigen. Trotz dieser Kritik muß jedoch festgehalten werden, daß Ramsey gegenüber den anderen Anglokatholiken eine gemäßigtere Lehre der apostolischen Sukzession vertritt und auf diese Weise dazu beiträgt, die große Kluft zwischen den Anglokatholiken und den anderen anglikanischen Theologen zu vermindern. c) Die apostolische Sukzession Kirche
und die Einheit und Kontinuität
der
Die nicht-anglokatholischen Theologen beschreiben die apostolische Sukzession und das Bischofsamt in erster Linie im Blick auf deren Verhältnis zur Einheit und Kontinuität der Kirche239. Für die Anglokatholiken steht zweifellos ihre bereits beschriebene Lehre von der apostolischen Sukzession im Mittelpunkt, daneben stellen aber audi sie die apostolische Sukzession in ihrem besonderen Verhältnis zur Einheit und Kontinuität der Kirche dar, wobei sie — gleich den nicht-anglokatholischen Theologen — über das Bischofsamt dieselben Aussagen machen, die darum hier mit angeführt werden sollen. Die Kontinuität des Amtes durch die apostolische Sukzession und die Kontinuität der Kirche stehen nach Burn-Murdoch in einem reziproken Verhältnis zueinander 240 . In einem gleich engen Verhältnis stehen auch Kontinuität und Einheit der Kirche: Die Einheit der Kirche muß vertikal sein (Kontinuität), damit sie auch räumlich besteht; die Einheit mit der Kirche von Pfingsten ist notwendig, um mit den Brüdern heute eins zu sein241. Die apostolische Sukzession ist eine „organische Sukzession". Sie impliziert einen Organismus, dieser Organismus ist die sichtbare Kirche in der Welt 242 . Die Kirche ordiniert, wobei sie durch rechtmäßig ernannte Personen handelt; die Fortführung der Haushalterschaft der Kirche ist eine organische Funktion des gesamten Leibes, wobei sich dieser allerdings jener Amtsträger bedienen muß, die selbst seine Verwalter der Ordination sind 243 . Damit sind die Bischöfe zugleich unerläßlich als die 239 241 243
156
Vgl. hier S. 81—91. Ebd. S. VIII. Ebd. S. 65 und 34.
240 242
H. Burn-Murdoch, a.a.O. S.64. Ebd. S. 150 f.
gemäßen Organe, durch die die Kirche die Kontinuität ihres organischen Lebens verwirklicht 244 . Wenn nun die apostolische Sukzession sowohl Verkörperung als auch Medium der organischen Kontinuität der Kirche ist, so ist die Kontinuität dieses Haushalteramtes von entscheidender Notwendigkeit 245 . Kontinuität der Kirche und Kontinuität des Amtes durch die apostolische Sukzession sind hier als unlösbar miteinander verbunden. Die Kontinuität der Kirche wird durch die Kontinuität des Amtes bewirkt und zum Ausdruck gebracht. Außerhalb der Kirche und ohne die Mitwirkung der Kirche kann es jedoch keine Kontinuität des Amtes geben. Auf dieser gegenseitigen Abhängigkeit beruht die Folgerung, daß die Kontinuität des Amtes und die Kontinuität der Kirche in einem reziproken Verhältnis zueinander stehen. Zweifellos liegt die Betonung auf der Kontinuität des Amtes, von der die Kontinuität der Kirche abhängt, bzw. die die Kontinuität der Kirche bewirkt. Der folgende Satz Burn-Murdochs macht dies ganz deutlich: "Either that continuity (d.h. Kontinuität des Amtes) has remained unbroken from the very beginning, or the visible Church can hardly be said to have had a continuity of organic life." 246 Die apostolische Sukzession wird damit zum entscheidenden Maßstab für die Kontinuität einer Kirche erhoben. Wie die anderen Anglokatholiken ordnet auch Burn-Murdoch die apostolische Sukzession der Kirche vor 247 . Das bestimmende Verhältnis der apostolischen Sukzession zur Einheit und Kontinuität der Kirche kommt bei Goudge vielleicht noch deutlicher zum Ausdruck: Die Kirche soll durch die Zeiten hindurch Gottes Zeugnis für die Welt sein. Die Sukzession des Amtes ist vielleicht das wirksamste äußere Mittel, um die Einheit und Kontinuität aufrechtzuerhalten, ohne welche die Kirche ihr Werk nicht ihrem Auftrag gemäß tun kann. Sie ist nicht das einzige Mittel hierfür, doch die Erfahrung zeigt, daß sie für diesen Zweck unerläßlich ist. Heute ist die Kirche, die über die ganze Welt zerstreut ist, in ständiger Gefahr, auseinanderzubrechen. Darum ist ein bleibendes Zentrum, das sich im apostolischen Amt darbietet, nötig. Mit ihm müssen wir verbunden sein und mit den Aposteln. "It is the unbroken line of the Apostolic Ministry which chiefly brings home to the imagination the continuious existence of the Church all down the ages, and the need of loyalty to it." 248 244
245 Ebd. S. 155. Ebd. S. 66. Ebd. S. 67. 247 Ebd. S. 157: Kirchen, die nicht in der apostolischen Sukzession stehen, stehen audi nicht in organischer Kontinuität mit der Kirche von Pfingsten. Ebenso: G.W.Broomfield, a.a.O. S. 147. 248 H . L . Goudge, a.a.O. S . 1 9 7 f . 248
157
Noch eine ganze Reihe anderer anglokatholischer Theologen beschreiben das Verhältnis von apostolischer Sukzession und Einheit und Kontinuität der Kirche: Der in der apostolischen Sukzession stehende Episkopat verbindet die Gemeinden untereinander, er ist das Bindeglied zwischen der universalen und der örtlichen Kirche. Durch seine Ordinationsund Konsekrationsvollmacht, seine Funktion als oberster Amtsträger einer Diözese und als der Verwalter der einen Eucharistie der ganzen Kirche ist der Episkopat das von Gott ernannte Werkzeug zur Sicherung und Bewahrung der organischen und kontinuierlichen Einheit der Kirche Gottes 24e . Der Episkopat wird als göttlich ernanntes Zentrum der Einheit bezeichnet, da er eine Autorität verkörpert, die umfassender ist als die einer Orts- oder Teilkirche 250 . D a ß hier nicht nur die äußere, sichtbare Einheit, sondern auch die dazugehörige Einheit im Glauben und Leben gemeint ist, geht aus den Texten und anderen Aussagen deutlich hervor 251 . Die Tatsache, daß der Episkopat in der Geschichte zumindest keine unfehlbare Garantie f ü r die Einheit war, wird nur von wenigen Theologen erwähnt 2 5 2 . Zugleich verbindet — nach Auffassung der anglokatholischen Theologen — das in der apostolischen Sukzession stehende Bischofsamt die Kirche heute in sichtbarer und konkreter Weise mit der Kirche in der Vergangenheit und mit dem Leben Christi. Dieser Episkopat ist das Unterpfand dafür, daß es in der Kontinuität des Lebens der Kirche keinen Bruch gegeben hat 2 5 3 . Im Festhalten an dieser Kontinuität wurde die anglikanische Kirche davor bewahrt, bloße „Denomination" zu werden; etwas vom rechten Verständnis der Kirche wurde so in ihr erhalten 254 . Einige Theologen vertreten ausdrücklich die Auffassung, daß die Kontinuität, die Weiterführung (perpetuation) der Kirche grundsätzlich von der Weiterführung des „universalen Apostolats" abhängt 2 5 5 . Wenn die Anglokatholiken ohne Ausnahme lehren, der das Apostelamt fortsetzende und immer neu verkörpernde Episkopat gehöre zum esse der Kirche, dann ist die Auffassung, daß die Kontinuität der Kirche von 249 K.E.Kirk, a.a.O. S.8 und 12 (Schützer und Garant der Einheit); R.Raynes, a.a.O. S. 15; C . A d y in: K.E.Kirk, a.a.O. S.460; A.G.Hebert, Liturgy and Society, London 1935, S. 156 (der Bischof verbindet die örtliche mit der universalen Kirche); A.M.Ramsey, a.a.O. S.223 (Organ der Einheit und Kontinuität); A.L.Peck, This Church of Christ, S. 38 (Quelle und Sicherung der Einheit). 250 A . G . H e b e r t in: K.E.Kirk, a.a.O. S.519 und 528 (der Bischof ist Zentrum und Angelpunkt der Einheit); R.Raynes, a.a.O. S. 6; H.Burn-Murdoch, a.a.O. S. 57. 251 Vgl. E.L.Mascall, Corpus Christi, S.15; K.E.Kirk, a.a.O. S.8. 252 So von A. L. Peck, This Church of Christ, S.38. 233 Ε. J.Bicknell, a.a.O. S.333; A.G.Hebert, Liturgy and Society, S. 156; K.E.Kirk, a.a.O. S. 12 und 14; E.L.Mascall, Corpus Christi, S.15. 254 G . D i x in: Report of the Sixth Anglo-Catholic Congress, S. 85. 255 Z.B. E.L.Mascall, The Recovery of Unity, S.173; H.Burn-Murdoch, a.a.O. S. 67.
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der Kontinuität des apostolischen Amtes abhängt, nur eine logische Folgerung. Einige Anglokatholiken bemühen sich, das Verhältnis von apostolischer Sukzession und der Einheit und Kontinuität der Kirche noch stärker theologisch zu unterbauen, indem sie die apostolische Sukzession als Sakrament der Einheit und Kontinuität der Kirche bezeichnen. Bei Raynes kommt das besonders klar zum Ausdruck, wenn er schreibt: " I n the whole body of teaching of the Anglican Communion it is insisted that the Apostolic Succession is not merely a symbol but a sacrament of the unity and continuity of the Church." 258 Mascall schreibt, daß es eine Funktion des Bischofsamtes sei, die Einheit der Kirche durch Raum und Zeit zu manifestieren und zu bewahren 2 5 7 . Er betont ebenfalls den sakramentalen Charakter dieses Verhältnisses: Die Kirche ist eine sakramentale Gemeinschaft, und das Organ ihrer Einheit muß ein „sakramentales Organ" sein. Diese Forderung erfüllt der „apostolische Episkopat", denn der apostolische Charakter wird durch einen sakramentalen Akt übertragen 258 . In einer späteren Schrift hat Mascall dies noch etwas näher erläutert: Der Bischof ist das Bindeglied zwischen der universalen und der örtlichen Kirche, zwischen dem Volke Gottes in aller Welt und der Diözese als Manifestation der Kirche Gottes an einem bestimmten Ort. "Thus the bishop is the connecting link between the local part and the universal whole of the Church, or, to speak more accurately, he is the sacramental focus through which the part ist constituted as more than a part, as the local manifestation of the whole." 259 Hebert bezeichnet gleichfalls die apostolische Sukzession als ein Sakrament der Einheit: die apostolische Sukzession ist " . . . a symbol not of denominational exclusiveness but of catholicity and universality, a sacrament of unity" 2 β 0 . Nach Auffassung der anglokatholischen Theologen hängt die Einheit und Kontinuität der Kirche von der apostolischen Sukzession ab. Wo diese nicht bewahrt worden ist, da besteht auch keine Kontinuität und Einheit mehr. Gegenüber dieser Vorordnung der Sukzession stellen die nicht-anglokatholischen Theologen in ihren Aussagen die apostolische Sukzession in den Zusammenhang einer ganzen Reihe von Elementen hinein, die die Kontinuität der Kirche und die Einheit der Kirche zum Ausdruck bringen, festigen und bewirken. Dabei wird zum Beispiel die Kontinuität im apostolischen Glauben über die Kontinuität im Bischofsamt gestellt 281 . 25
· R. Raynes, a.a.O. S . l l . E. L. Mascall, Corpus Christi, S. 15. 258 Ebd. S. 17. 259 Ders., The Recovery of Unity, S. 173 f. 260 A . G . Hebert, Liturgy and Society, S. 156. 291 Vgl. hier S.83—85. 257
159
d) Die apostolische
Sukzession und die
Autorität
Weitere Aussagen über die apostolische Sukzession werden von den anglokatholischen Theologen gemacht, indem sie das Verhältnis von Sukzession und Autorität beschreiben. Sie gebrauchen dabei den Begriff „Autorität" offensichtlich — wenn auch unreflektiert — in zwei verschiedenen Bedeutungen: 1. einmal verstehen sie ihn als einen persönlichen, unverlierbaren Besitz, im Sinne der durch die apostolische Sukzession weitergegebenen apostolischen Autorität, einer Autorität, die im besonderen Amtscharakter, im Status dessen, der im Namen und in der Person Christi handelt, ihren Grund hat; und 2. verstehen sie Autorität als etwas, das in der Beauftragung des neuen Amtsträgers durch Konsekratoren und Ordinatoren in und unter Mitwirkung der Kirche und in den diesen Amtsträgern übertragenen Funktionen seinen Grund hat. In diesem Falle ist die Autorität nicht ein verfügbarer, persönlicher Besitz, den man weitergeben kann, sondern sie hat ihren Grund in der dem Amtsträger übertragenen Beauftragung und den damit verbundenen Funktionen. Die erste Bedeutung gehört in den Zusammenhang der anglokatholischen Lehre von der apostolischen Sukzession hinein, wie sie bereits beschrieben worden ist. Die zweite Bedeutung findet sich zum Beispiel bei Bicknell, wenn er schreibt, daß durch die apostolische Sukzession die katholische Autorität des Amtes gesichert ist. Das in der Sukzession stehende Amt besitzt die Autorität des gesamten Leibes und ist somit Amt des gesamten Leibes. Methodistische Bischöfe besitzen demgegenüber nur Autorität, für ihre eigene Gemeinschaft zu handeln262. Diese Auffassung findet sich auch bei anderen Theologen2β3. Hebert verbindet die Funktionen und die Autorität der Bischöfe ausdrücklich miteinander: In der apostolischen Sukzession setzt der Episkopat die Funktionen und damit zugleich die Autorität der Apostel fort 204 . Die hier angeführten Theologen vertreten dieses mehr jurisdiktionelle und funktionale Autoritätsverständnis aber keineswegs im Sinne einer Alternative gegenüber dem unter 1. skizzierten Autoritätsverständnis. e) Apostolische
Sukzession und apostolische
Lehre
Es fällt auf, daß dem Zusammenhang von apostolischer Sukzession im Amt und apostolischer Sukzession im Glauben und in der Lehre von den anglokatholischen Theologen wenig Beachtung geschenkt wird. Wenn auch 2 6 2 E. J . Bicknell, a.a.O. S. 330 f. Dies würde entsprechend audi für lutherische Bischöfe zutreffen. 2 6 3 Ζ. B. bei H . Burn-Murdoch, a.a.O. S. 6 7 ; S. C. Carpenter in: H . Martin ed., Towards Reunion, What the Churches stand for, London 1934, S. 50 f.; Η . L. Goudge, a.a.O. S . 2 0 1 . 2 6 4 A. G. Hebert, The Form of the Church, S. 108 f.
160
für sie die Sukzession im Glauben und in der Lehre mit in der Amtssukzession enthalten ist 265 , so steht doch die Amtssukzession allein im Vordergrund, und die Möglichkeit und geschichtliche Tatsache, daß Sukzession im Amt und Sukzession im apostolischen Glauben nicht immer kongruent sein müssen und waren, wird nicht beachtet. Schutz und Weitergabe der apostolischen Lehre durch die apostolische Sukzession werden nur von wenigen Theologen (und zwar von den weniger extremen Anglokatholiken) besonders erwähnt 266 , wobei dieser Frage aber nur ein Bruchteil der Aufmerksamkeit geschenkt wird, die man der besonderen anglokatholischen Lehre von der apostolischen Sukzession zuwendet. Eine apostolische Sukzession allein in der Lehre wird von Burn-Murdoch abgelehnt. Er weist darauf hin, daß sich diese Auffassung schon bei Beza findet und bezeichnet sie als „notional succession". (Die apostolische Sukzession im Amt ist eine „organische Sukzession", die „begriffliche Sukzession" ist unabhängig von einem Organismus267.) Diese „notional succession" ist willkürlich und zufällig. Durch sie geschieht nicht die Fortführung einer Gemeinschaft, sondern Glaubensbekenntnisse oder Glaubenssätze werden durch sie weitergegeben2ea. Aber auch nicht-anglokatholische Theologen sind der Meinung, daß eine Sukzession allein in der Lehre nicht ausreichend sei 269 . f) Das
Bischofsamt
In der anglokatholischen Theologie beruht die Bedeutung des Bischofsamtes wesentlich auf der Tatsache, daß es alles, was es ist und was es für die Kirche bedeutet, von seiner Teilhabe an der apostolischen Sukzession herleitet. Seine Vollmacht, Autorität und seinen Status, ja seine Existenz, empfängt das Bischofsamt durch die apostolische Sukzession. Darüber ist bereits referiert worden. Ebenso wurde bereits auf die gleichlautenden Aussagen über das Verhältnis von apostolischer Sukzession bzw. Bischofsamt und Einheit und Kontinuität der Kirche hingewiesen. So bleibt nur noch die Frage, wie das Bischofsamt selbst und seine Funktionen beschrieben werden. Die bei nicht-anglokatholischen Theologen so häufig verwendete Bezeichnung „historisches Bischofsamt", die oft an Stelle von „apostolischer Sukzession" gebraucht wird, und die dort den in der apostolischen Suk2 6 5 W . J. Sparrow Simpson, The History of the Anglo-Catholic Revival, S. 44, verweist ausdrücklich darauf. 2 6 8 A . M . R a m s e y , a.a.O. S . 8 1 ; A . G . H e b e r t , The Form of the Church, S. 107; E . J . Bicknell, a.a.O. S.331. 2 6 7 Η . Burn-Murdoch, a.a.O. S. 150 f. 2 9 8 Ebd. S. 164. 2«° Vgl. D . E . T a y l o r , In Search of Unity, S . 3 7 ; J . G . D a v i e s , The Spirit, the Churdi and the Sacraments, S. 166 f.
11
8220
Gaßmann, Bischofsamt
161
Zession stehenden Episkopat — aber wie er von den nicht-anglokatholischen Theologen verstanden wird — kennzeichnet, findet bei den Anglokatholiken, eben aus diesen Gründen, kaum Anklang. Dix bezeichnet diesen Terminus als „unhappy phrase" und „question-begging phrase" 270; man kann nach seiner Auffassung diesen Begriff in der augenblicklichen Diskussion nicht gebrauchen, ohne daß dieser sofort unwahr oder in gefährlicher Weise einleuchtend erscheint. "What in history can it possibly mean? The mere concentration of episcope in the hands of a single member of the local ministry without the personal commission of the shaliach—a sort of antiquarian revival of the office of Diotrephes? Then it is not 'historic' episcopate at all which is intended, but the 'prehistoric' one, an attempted resurrection of a fossil species long ago extinct." 271 Zu der vor allem in der Diskussion um die Kirche von Südindien gebrauchten Interpretation des Wortes „historic episcopate" 272 schreibt Dix: "That is certainly 'historic' enough; but historically it is clear to demonstration from Hippolytus that 'in the latter half of the second century' this meant only the apostolate fulfilling certain functions in a local Church, and that has certainly been understood to be its meaning all over Christendom ever since. Thus this question-begging phrase fails to achieve its object of avoiding the main question at issue. Those who accept the 'historic episcopate' are placed in the position of accepting with it the apostolate, unless they positively declare that they exclude such an interpretation. And if they do that, then the 'episcopate' they do accept ceases ipso facto to be 'historic' in any ascertainable sense of the word." 273 Es ist so ganz verständlich, daß die Anglokatholiken diesen tatsächlich schillernden Terminus ablehnen, da dieser weitgehend in Unterscheidung und in Abgrenzung zur anglokatholischen Lehre der apostolischen Sukzession verwendet wird. Dix wendet sich auch gegen den „diplomatischen Gebrauch" dieses Begriffes, mit dem man andere Kirchen in eine Kirchenunion „hineinzulocken" sucht, ohne ein bestimmtes Verständnis des Bischofsamtes zu fordern, während man selbst dieses Amt so versteht, daß es auch das Apostelamt mit einbeschließt274. Dix übersieht, daß in Unionsverhandlungen gerade Anglikaner, die das Bischofsamt als direkten Nachfolger des Apostelamtes ansehen, nie versucht haben, die Vertreter anderer Kirchen mit diesem bloßen Begriff, ohne ihn im anglokatholischen Sinne zu erläu270
G . D i x in: K.E.Kirk, a.a.O. S.296 und 297. Ebd. S.296. 272 Das Bischofsamt hat seit der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts in der ganzen Kirche bis zum 16. Jahrhundert bestanden, und seit dieser Zeit im größeren Teil der Christenheit, so E. J. Palmer, South India: The Meaning of the Scheme, London 1944, S. 13. 273 G . D i x , a.a.O. S.297. H.Burn-Murdoch in: Theology, Vol.LVI, London 1953, S. 100, bezeichnet den Begriff „historic episcopate" als „familiar minimizing phrase". 274 G . D i x , a.a.O. S.297. 271
162
tern, zur Annahme des Bischofsamtes zu bewegen. Allerdings haben nichtanglokatholische Theologen, besonders in den Unionsgesprächen um die Kirche von Südindien, die anderen Verhandlungspartner um die Annahme des Bischofsamtes ohne eine bestimmte „Theorie" gebeten. Doch schon vor der Inauguration der Kirche von Südindien kam man zur Einsicht, daß es ohne eine Darlegung dessen, was man unter „historic episcopate" versteht, nicht geht. Dix tut auch den Vertretern des „historic episcopate" Unrecht, wenn er an anderer Stelle schreibt, sie verständen unter diesem Begriff lediglich ein „administratives System" 275. Doch ist dies eine von den Anglokatholiken wohl bewußt geübte Methode, in ihrem jeweiligen theologischen Gegenüber immer den Vertreter einer ausgesprochen evangelikalen Lehre zu sehen, während sie damit gar nicht der tatsächlichen Lage gerecht werden und die Möglichkeit einer Stellung zwischen den Extremen einfach ignorieren 276 . Die Anglokatholiken verwenden demnach den Begriff „historic episcopate" sehr selten oder überhaupt nicht 277 , dagegen ziehen sie gegenüber den anderen Anglikanern den Begriff „apostolische Sukzession" besonders oft heran, und wenn sie lediglich das in der apostolischen Sukzession stehende Bischofsamt bezeichnen wollen, dann sprechen sie vom „Episkopat", vom „apostolic ministry" 278 oder wie Mascall und Fairweatber vom „apostolic episcopate" 279, die damit ein bezeichnendes Gegenstück zum Begriff „historic episcopate" geschaffen haben. Auf die Bedeutung des in der apostolischen Sukzession stehenden Bischofsamtes für die Einheit und Kontinuität der Kirche wurde bereits unter c) verwiesen. Die Anglokatholiken betonen weiterhin, daß das in der apostolischen Sukzession stehende Bischofsamt dieselbe Stellung, denselben Status wie die Apostel einnimmt. Man könnte den Bischof auch „Apostel" nennen. Als Nachfolger der Apostel haben die Bischöfe dieselbe apostolische Beauftragung, im Namen der universalen Kirche und in der Person Christi zu handeln, empfangen 2 8 0 . Die Nachfolge der Apostel durch die Bischöfe in der apostolischen Sukzession kommt nach Auffassung der anglokatholischen Theologen auch darin zum Ausdruck, daß die Bischöfe die Funktionen der Apostel ausüben 281 , und da die 275
Ebd. S. 299 (vgl. dagegen J. P. Hickinbotham, a.a.O. S . 3 2 f . ) . Diese Haltung wird auch von J. P. Hickinbotham, a.a.O. S. 33 f., kritisiert. 277 Vgl. auch K.E.Kirk, a.a.O. S.47: "There is no such thing as an historic episcopate." 278 A. G. Hebert, The Form of the Church, S.121; H.L.Goudge, a.a.O. S . 1 9 7 f . 279 E.L.Mascall, The Recovery of Unity, S. 174 und 184; Ε. R. Fairweather, Episcopacy and Reunion, S. 60. 280 K.D.Mackenzie in: Report of the Sixth Anglo-Catholic Congress, S. 114; S.C. Carpenter, a.a.O. S. 48 f. R. Raynes, a.a.O. S. 14: "The bishop is the principal minister and representative of Christ in the local church." 281 A.M.Ramsey, a.a.O. S.83; A.G.Hebert, The Form of the Church, S.109. 278
11*
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Anglokatholiken ausdrücklich die Ordination der örtlichen Amtsträger als die wesentliche Funktion und Vollmacht der Apostel ansehen282, so stellen sie diese auch als die entscheidende Funktion der Bischöfe heraus. Sie ist das besondere Unterscheidungsmerkmal des Bischofs vom Anfang an 283. Daneben steht die Konsekrationsvollmacht als eine weitere wesentliche Funktion der Bischöfe. Sie ist sowohl Mitteilung einer Gnade als audi Aufnahme in die bischöfliche Bruderschaft 284 . "The meaning of the Episcopate is vividly seen in the rites of Consecration and Ordination, . . . " (Ramsey)265. Neben der Ordination und Konsekration übt der Bischof audi die Konfirmation aus. Dabei ist die Konfirmation — und das ist die Auffassung der Mehrheit der anglikanischen Theologen — nicht in erster Linie als Bekenntnis des Glaubens oder als Zulassung zum Abendmahl zu verstehen, sondern als ein sakramentaler Akt, in dem der Bischof den Akt der Taufe vervollständigt und eine neue Gabe des Heiligen Geistes verleiht 286 . Die Bischöfe sind — wie die Apostel — die Lehrer der Kirche. Obwohl allgemeine Konzile nicht mehr möglich sind, sind sie doch Schützer, Bewahrer des apostolischen Glaubens und der apostolischen Lehre 287 . Der Bischof ist der oberste liturgische Amtsträger der Kirche. Er war ursprünglich (im 2.Jahrh.) alleiniger Verwalter der Eucharistie und ist nun oberster Verwalter der Sakramente in seiner Diözese, und nur mit seiner Einwilligung und unter seiner Oberaufsicht kann der Priester das Abendmahl verwalten 288 . Wie der Bischof oberster liturgischer Amtsträger der Kirche ist, so hat er auch die geistliche Leitung der Kirche und die oberste Jurisdiktionsgewalt inne 289 . Abgesehen von den Funktionen wird nun auch der in der apostolischen Sukzession stehende Episkopat selbst interpretiert. Zunächst kehrt auch hier der Gedanke der Autorität wieder, auf den wir bereits im Zusammenhang mit der apostolischen Sukzession stießen, und zwar im Sinne des dort unter 2. beschriebenen Verständnisses. Der Episkopat besitzt die Anerkennung der „Kirche als ganzer". Von der Mitte des 2. Jahrhunderts bis zum 16. Jahrhundert waren allein diejenigen, die die bischöfliche Ordi282
Vgl. G . D i x , a.a.O. S . 2 7 1 f . und 283. K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S. 65: "This is his distinctively Apostolic function"; A . H . Couratin, a.a.O. S. 114; H.Burn-Murdoch, a.a.O. S.12; Κ. E. Kirk, a.a.O. S.12 und 14. 284 Κ. D. Mackenzie, a.a.O. S.66—68; E. R. Fairweather, a.a.O. S.22. 285 A.M.Ramsey, a.a.O. S.83. 286 K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S.76—78. 287 A . G . H e b e r t in: K.E.Kirk, a.a.O. S.514; E.L.Mascall, The Recovery of Unity, S. 174; A. L. Peck, This Church of Christ, S.97; R.Raynes, a.a.O. S.15. 288 K.E.Kirk, a.a.O. S.13; A . G . H e b e r t in: K.E.Kirk, a.a.O. S.528; R.Raynes, a.a.O. S.15; S. C. Carpenter, a.a.O. S.50. 289 K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S.72—76; S.C.Carpenter, a.a.O. S.50; K.E.Kirk, a.a.O. S.13. 283
164
nation empfangen hatten, im Besitz eines Amtes, das überall in der Kirche anerkannt wurde. Seitdem haben die anglikanische, römische und orthodoxe Kirche die historische Kontinuität des Amtes bewahrt wie auch die bischöfliche Ordination als ein Mittel, durch das die „Anerkennung" der Kirche zum Ausdruck kommt, und diese Kirchen sind der Ansicht, daß eine solche Ordination zum einen Amt der ganzen universalen Kirche führt. Diese Kirchen machen die Mehrheit der Christenheit aus 290 . Diese These ist in sich schon hinfällig, da die drei erwähnten Kirchen — zumindest im Blidt auf die anglikanische Kirche — ihre Ämter nicht einmal untereinander anerkennen. Sodann kann es vom Bischof — als dem Verwalter der Ordination und Konsekration — heißen, daß er ein „Organ im kontinuierlichen Gnadenleben des einen Leibes" sei291, oder daß er allein die Fülle der apostolischen Gnade, Autorität und Amtsbeauftragung und der sakramentalen Vollmacht besitze292. Über das Bischofsamt können also dieselben Aussagen gemacht werden wie über die apostolische Sukzession, das kommt auch in einem Satz bei Dix deutlich zum Ausdruck: "The episcopate is the only means by which our Lord's own commission to stand in His person before God and man is given afresh to each new minister of His Church (according to His own order) to the end of time. Apart from that 'theory'—or rather, fact—episcopacy has no particular meaning and need not to be retained or abandoned or bargained about as occasion may serve." 293 Neben dieser Lehre des Bischofsamtes und der apostolischen Sukzession besitzen alle anderen Aussagen über das Bischofsamt nur untergeordnete Bedeutung. Nur durch das Bischofsamt empfängt jedes Amt der Kirche die Beauftragung und Gnadengabe des Herrn, in seiner Person vor Gott und den Menschen zu stehen. Nur durch das Bischofsamt kommt die Kirche zur Teilhabe an der sakramentalen Gnade. Durch das Bischofsamt wird der auferstandene Herr in seiner Kirche repräsentiert. Das Bischofsamt ist in der anglokatholischen Theologie an die Stelle des in seiner Kirche gegenwärtigen und in ihr handelnden Herrn getreten. 2 9 0 G.W.Broomfield, a.a.O. S. 146 f.; H.Burn-Murdoch, a.a.O. S . 4 1 ; E. J.Bicknell, a.a.O. S . 3 3 7 ; S. C. Carpenter, a.a.O. S. 50 (der Bischof repräsentiert die Autorität Gottes und die der ganzen Kirche — die Jahrhunderte hindurch und in der ganzen Welt —, wie es niemand könnte). 2 9 1 A . M . R a m s e y , a.a.O. S.83. 2 9 2 K . D. Mackenzie, The Case for Episcopacy, S. 78: "The existence of the Order of bishops means that there were certain ministers who alone possess the plenitude of the Apostolic grace and a u t h o r i t y . . . " Vgl. auch A . G . H e b e r t in: Κ . Ε . K i r k , a.a.O. S. 532 und 534; E. R . Fairweather, a.a.O. S. 22: Der apostolische Bisdiof besitzt die „plenitude of sacramental authority". 293 G . D i x in: K . E . K i r k , a.a.O. S.303. Vgl. audi C . A d y in: K . E . K i r k , a.a.O. S. 459: Der Episkopat ist notwendig für die Transmission der Amtsgnade.
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Ε. Das Verhältnis von Amt und Kirche a)
Einleitung
Mit der anglokatholischen Lehre von der apostolischen Sukzession ist bereits Wesentliches über das Verhältnis von Kirche und Amt ausgesagt. Dazu gehört: Das Amt empfängt seine Autorität, seine Beauftragung und die ihm zukommende Gnadengabe nicht von der Kirche und durch die Kirche, seine Weiterführung geschieht ebenfalls nicht durch die Kirche. Wenn nach anglokatholischer Lehre nur durch die apostolische Sukzession die apostolische Beauftragung und Autorität, die Amtsgnade und der Status, im Namen und in der Person Christi als sein Repräsentant zu handeln, weitergegeben wird, ohne die es kein valides Amt und folglich keine validen Sakramente gibt, und wenn das in der apostolischen Sukzession stehende Amt die Einheit und die Kontinuität der Kirche wesentlich bewirkt, dann hängt das Gnadenleben der Kirche — und damit die Existenz der Kirche überhaupt — von der apostolischen Sukzession bzw. von dem in ihr stehenden Amt ab. Wenn die Anglokatholiken zur Erläuterung und Fundierung ihrer Aussagen über das Verhältnis von Amt und Kirche auf das Verhältnis von Aposteln und Kirche hinweisen, so ist dies im Rahmen ihrer Lehre legitim, denn dieser entsprechend hat das heutige Bischofsamt kraft der apostolischen Sukzession dieselbe Stellung und denselben Status inne wie die Apostel. Darum soll darauf verzichtet werden, diese Aussagen gesondert anzuführen, zumal sie auch von den Anglokatholiken nicht nur als eine biblische Grundlegung, sondern immer auch schon als Aussagen über Amt und Kirche heute verstanden werden. b) Die Überordnung
des Amtes
Es gehört zu den Voraussetzungen, daß die anglokatholischen Theologen immer wieder darauf hinweisen, daß Amt und Kirche nicht voneinander zu trennen sind, daß sie voneinander isoliert nichts sind und auch nicht verstanden werden können294, daß das Amt in der Kirche steht295 und daß das Amt keine absolute Herrschaft über die Kirche besitzt296. Die Kirche „reguliert" das Amt in äußeren Angelegenheiten297. Schließlich wird das Amt von weniger extremen Anglokatholiken als ein 284 Κ. E. Kirk, a.a.O. S.28 und 29; G. W. Broomfield, a.a.O. S.135; E. R. Fairweather, Episcopacy and Reunion, S. 31; R. Τ. Halliday, The Doctrine of the Ministry in the Ecumenical Movement, The Church Quarterly Review, London 1958, No. 1, S.20. 295 A.M. Farrer, a.a.O. S.171; K.E.Kirk, a.a.O. S.29; etc. 29e K.E.Kirk, a.a.O. S.32. 297 G.W. Broomfield, a.a.O. S. 134 und 136.
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„Organ" des Leibes Christi bezeichnet298 — was nicht bedeutet, daß es eine „Funktion" der Kirche ist, denn das wird gerade abgelehnt299. Die in den Aussagen zur apostolischen Sukzession sehr einseitig vorgetragene Lehre erfährt hier gewiß eine Ergänzung; die entscheidende Frage bleibt jedoch, wie nun in diesem so konstatierten Miteinander von Amt und Kirche die Gewichte verteilt werden. Wird das Amt der Kirche vorgeordnet oder stehen sich beide gleichberechtigt gegenüber oder ist das Amt von der Kirche abhängig? Diese letztere Möglichkeit wird ausdrücklich abgelehnt: Das Amt hängt nicht von der Kirche ab, es wurde nicht von ihr geschaffen, es hat seinen Grund nicht in der Kirche, es erhält seine Beauftragung und Autorität nicht von der Kirche, es ist unabhängig von allem — seine ursprüngliche göttliche Beauftragung ausgenommen300. Es besitzt seine Autorität und Beauftragung auf Grund von Christi Einsetzung der Apostel301. Selbst Mannings Auffassung, daß das Evangelium das Amt schafft, wird zurückgewiesen302. Kirk bezeichnet die Auffassung, daß das Amt von der Kirche abhängt, als nicht schriftgemäß303. Neben dieser Abgrenzung stehen nun die Aussagen, die auf eine direkte Über Ordnung des Amtes über die Kirche hinweisen: "The ministry is sent to, and set over, the Church, not evolved from the Church by any merely natural process of development." 304 Dazu kommen Aussagen, in denen eine Vorordnung des Amtes gegenüber der Kirche zum Ausdruck kommt: Mackenzie und andere Theologen schreiben, daß das Amt schon vor Pfingsten und damit vor der Kirche da war. Es war ein Teil der Form der Kirche, bevor diese überhaupt „geboren" war 305 . Nach Fairweather sind Identität und Integrität der Kirche in jeder Generation von der Weitergabe der apostolischen Beauftragung abhängig306. Auch Kirks Antwort auf Quieks Alternativfrage, ob die Rechtmäßigkeit des Amtes von 2 8 8 A . M . R a m s e y , a.a.O. S . 7 5 ; E.J.Bicknell, a.a.O. S . 3 3 1 ; A . G . H e b e r t in: K . E . Kirk, a.a.O. S.511 und 515. 2 9 9 Κ. E. Kirk, a.a.O. S . 2 7 ; A . M . F a r r e r , a.a.O. S.179. 300 K . E . K i r k , a.a.O. S . 2 6 f. und 3 2 ; K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S. 2 6 : "The Ministry i s . . . not evolved from the Church by any merely natural process of development." E. R. Fairweather, Episcopacy and Reunion, S. 3 1 ; A. L. Peck, This Church of Christ, S.81 f.; A . G . H e b e r t in: K . E . K i r k , a.a.O. S.511. 301 G.W.Broomfield, a.a.O. S . 1 3 5 ; A . L . P e c k , This Church of Christ, S . 8 4 ; G . D i x in: Report of the Sixth Anglo-Catholic Congress, S. 85; C. B.Moss, What do we mean by Reunion?, S. 85 f. 302 F . W . G r e e n in: K . E . K i r k , a.a.O. S . 5 4 7 , verweist auf Β.L.Manning, Essays in Orthodox Dissent, S. 79 ff. 3 0 3 K . E . K i r k , a.a.O. S . 2 6 . 304 K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S . 2 6 ; K . E . K i r k , a.a.O. S . 3 0 . 3 0 5 K.D.Mackenzie, a.a.O. S . 9 9 ; A . L . P e c k , This Church of Christ, S . 3 8 ; A.G. Hebert, The Form of the Church, S. 108: " . . . the Apostles are in an important sense prior to the Church." 30β E. R. Fairweather, Episcopacy and Reunion, S. 9.
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der Kirche hergeleitet wird oder umgekehrt, ist aufschlußreich, wenn er auch die Frage als solche ablehnt. Kirk schreibt: Würden die Verfasser des „Apostolic Ministry" tatsächlich auf diese Frage eingehen, so müßten sie dem Amt Unabhängigkeit und Priorität zugestehen. "An often-quoted sentence of Dr. Bright, 'The Church began in a clergy', puts the truth, both historical and theological, in its crudest form." 307 Es finden sich weiterhin Aussagen, die noch grundsätzlicher eine Abhängigkeit der Kirche vom Amt zum Ausdruck bringen. Der Gedanke, das Amt habe die Kirche geschaffen, wird zwar abgelehnt 308 , nicht aber der, daß Gott die Kirche durch die Apostel schuf. Farrer nennt dies den „kreativen Aspekt" des Amtes, dessen locus classicus 2. Kor. 2,14—6,10 sei. "God creates the apostles, to create the Church through them." 309 Peck schreibt: "The Church is constituted by God through the threefold Apostolic ministry . . . " 3 1 0 Da die Kirche als eine kontinuierliche Schöpfung gesehen werden muß, ist nach Farrers Auffassung das apostolische Amt der letzte „Kanal" des kreativen Aktes, der von Gott ausgeht und durch Christus fließt 311 . Fairweather denkt in derselben Richtung, wenn er schreibt: "The ministry is the medium of the Spirit for the building up of the Church as Christ's body." 312 Im schöpferischen Handeln Gottes seiner Kirche gegenüber besitzt das dreifache Amt demnach eine wesentliche Mittlerrolle, ohne die die Kirche nicht das sein kann, was sie sein will. Das in der apostolischen Sukzession stehende Amt wird nicht nur allein der Kirche gegenübergestellt, sondern auch neben der Heiligen Schrift, den Sakramenten und den Glaubensbekenntnissen als zur Struktur der Kirche gehörig bezeichnet. So schreibt Hebert von der Heiligen Schrift, den Sakramenten, den Glaubensbekenntnissen und dem Amt in der Nachfolge der Apostel: "These four things form the structure of the building, the bones of the body, of the Church; . . . The essential forms of the Church all bear witness to the Son, and are the means of His operation through the Spirit." 313 Ramsey schreibt zur Frage der Struktur: Die Struktur der Kirche bringt die Wahrheit über Christus und die Christen, d. h. das Evangelium, zum Ausdruck. Sie hat die Form eines Organismus, bestehend aus den Sakramenten, dem Bischofsamt, den Glaubensbekenntnissen und dem Schriftkanon. Diese Ordnung bestand 15 Jahrhunderte 307
K.E.Kirk, a.a.O. S.30. K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy. S.26: Die Kirche ist nicht das Produkt des Amtes. K.E.Kirk, a.a.O. S.29f.; G. W. Broomfield, a.a.O. S. 135. 309 A.M. Farrer, a.a.O. S. 171 und 183. 310 A. L.Peck, Anglicanism and Episcopacy, S. 101. 311 A.M.Farrer, a.a.O. S. 174 und 179. 312 E. R. Fairweather, Episcopacy Re-Asserted, S. 19. 313 A. G. Hebert, The Form of the Church, S.122f. 808
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lang und existiert in einem großen Teil der Christenheit auch heute noch314. An anderer Stelle bezeichnet Ramsey diese Strukturelemente als „äußere Zeichen" (outward marks) der Kirche. Innerhalb der Struktur ist ihre gegenseitige Abhängigkeit deutlich erkennbar. Ob eines dieser Elemente hinsichtlich seiner Bedeutung über den anderen steht, ist schwer zu sagen, da Schrift, Eucharistie und Apostelamt in den Worten des Herrn miteinander verbunden sind. So lassen sich die verschiedenen Strukturelemente nicht voneinander trennen. Auch gilt: "Both the Canon of Scripture and the Episcopate are 'developments', and it would seem highly arbitrary to select one of these and to call it essential, while rejecting or ignoring the other." Darum können nicht einzelne dieser „Zeichen" von den anderen getrennt zur Grundlage des christlichen Glaubens erklärt werden. Christus gab den Schriftkanon und die Sakramente, das Amt und die Glaubensbekenntnisse. Sie alle gehören zusammen und dienen der Auferbauung des Leibes Christi 315 . Als Strukturelement der Kirche ist das in der apostolischen Sukzession stehende Amt der Heiligen Schrift, den Sakramenten und den Glaubensbekenntnissen nebengeordnet und mit ihnen untrennbar verbunden, da es ebenso wie diese vom Herrn selbst eingesetzt worden ist. Es ist damit unerläßlich für die Kirche. Ramsey hatte diese Auffassung mit einem Hinweis auf die Heilige Schrift und die Kirchengeschichte begründet. Kirk versucht, diese Auffassung sogar den 39 Artikeln zu entnehmen: Er spricht zwar nicht von der Struktur, sondern von den „focal points" der Kirche. Diese sind nach Art. 19: „das reine Wort" (Schrift und Glaubensbekenntnisse), die „Sakramente" und ihr „rechtmäßiges Amt Christi Einsetzung gemäß" (due ministry according to Christ's ordinance) 316 . Kirk weicht hier vom Wortlaut des Artikel 19 ab, dort heißt es nämlich von den Sakramenten lediglich „recte administrantur". Doch ist seine Interpretation unter Anglokatholiken geläufig317. Kirk betont ebenfalls die Zusammengehörigkeit dieser wesentlichen Elemente. Eine Gemeinschaft, die sich ohne das reine Wort oder die Sakramente oder ein Amt gemäß Christi Einsetzung formt, kann kaum noch beanspruchen, zur Kirche Christi zu gehören 318 . Damit wird das in der apostolischen Sukzession stehende Amt gleich der Heiligen Schrift, den Sakramenten und den Glaubensbekenntnissen zu einem Kennzeichen für die Zugehörigkeit zur Kirche Christi gemacht. 314
A.M.Ramsey, a.a.O. S.57. Ebd. S. 62 f. 318 K. E.Kirk, a.a.O. S.31. 317 Vgl. A. L. Peck, This Church of Christ, S. 98: „Due administration" in Art. 19 wird durch das Preface zum Ordinal erklärt, wonach nur bischöflich ordinierte Amtsträger die Sakramente verwalten können. 318 K.E.Kirk, a.a.O. S.31. 315
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Neben anderen Theologen, die das in der Nachfolge der Apostel stehende Amt als ein Strukturelement der Kirche bezeichnen 31\ weist Broomfield darauf hin, daß die Kirche Christi Leib und das kontinuierliche Organ der göttlichen Gnade nur sein kann, wenn sie eine organische Struktur besitzt. Sie kann aber nur dann derselbe Leib und dasselbe Organ die Jahrhunderte hindurch sein, wenn die wesentlichen Teile der Struktur immer und überall dieselben sind320. Fairweather, der ebenfalls das in der apostolischen Sukzession stehende Amt der Struktur der Kirche zurechnet321, setzt diese Struktur in Beziehung zur Katholizität und Apostolizität der Kirche: "1. The whole structure, as the medium of the Spirit's operation, is the condition of the Church's wholeness of being, or Catholicity 322 . 2. Since the structure of a given society must be embodied in actual individuals, the apostolic structure of the Church must be actualized at each point of time in certain specific persons. Consisting in each generation of a body of living persons, who stand in a personal succession to a long line of predecessors, the ministry is thus the uniquely contemporary element of apostolicity in every age, and without its continuously sustained commission a Christian community is at best imperfectly apostolic." 323 Demnach wäre ohne das apostolische Amt die Struktur der Kirche nicht vollkommen, und die Kirche besäße nicht die volle Katholizität und Apostolizität. Das dreifache Amt wird also audi von hier aus der Kirche übergeordnet, es bestimmt das Sein der Kirche. c) Das Bischofsamt gehört zum „esse" der Kirche Das in der apostolischen Sukzession stehende Amt wird neben die Heilige Schrift, die Sakramente und die Glaubensbekenntnisse gestellt und als Teil der Struktur der Kirche entscheidet es durch sein Vorhandensein oder Fehlen, ob wir es mit der Kirche Christi zu tun haben oder nicht324. Das dreifache Amt mit dem Bischofsamt an der Spitze ist daher mit den Worten Mascalls „essential to the Church's existence"325. Diese Auffassung wird durch den oft angeführten und die anglokatholische Lehre 319 E.G.Knapp-Fisher, S . 4 6 : " . . . episcopacy is an essential and integral part of the Church's structure." Ebenso F.W.Green in: K . F . K i r k , a.a.O. S.549; R.Raynes, a.a.O. S. 12. 820 G.W.Broomfield, a.a.O. S . 1 4 7 ; F.W. Green, a.a.O. S.549. 321 E. R. Fairweather, Episcopacy Re-Asserted, S. 19 und 24. 322 Ebd. S. 19. 323 Ders., Episcopacy and Reunion, S. 8. 324 Vgl. Ε. R. Fairweather, Episcopacy Re-Asserted, S . 3 4 : "If however, the Church is not definable simply in terms of episcopal order, it does not exist without its wholeness of historic structure, including the episcopate in apostolic succession." 325 E.L.Mascall, The Recovery of Unity, S. 182; vgl. audi A.M.Ramsey, a.a.O. S . 1 5 1 ; R.Raynes, a.a.O. S.5, 8 und 1 1 ; Ε.R.Fairweather, Episcopacy Re-Asserted, S. 37: " . . . Catholic structure, including the episcopate, is necessary for the existence of the Church in history."
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schlaglichtartig kennzeichnenden Satz zum Ausdruck gebracht: Das Bischofsamt gehört zum esse der Kirche (is of the esse of the Church) 326. Diese so konstatierte Abhängigkeit bedeutet, daß die Kirche Christi nur da zu finden ist, wo das in der Sukzession stehende Amt ist: ubi episcopus ibi ecclesia catholica. Wie die Urkirche nur in der Gemeinschaft der Apostel zu finden war, so gilt auch f ü r heute: "The Catholic Church cannot be found except as gathered round the apostolic m i n i s t r y ; . . ." 327 Eine Kirche mit einem Amt, aber ohne apostolische Sukzession, ist nach Dix eine „Anomalie" 328. Sollte das Amt verschwinden, so würde mit ihm auch die Kirche verschwinden 329 . Für den einzelnen gilt dann entsprechend, daß die Gemeinschaft mit dem Bischofsamt das Zeichen für seine volle Gliedschaft an der Kirche ist 330 . Wenn das in der Sukzession stehende Amt das Kennzeichen für die Kirche Christi ist, so beurteilen von hier aus die Anglokatholiken nun auch jene Kirchen, die zwar ein Amt, aber nach anglokatholischer Auffassung nicht das „apostolische Amt" besitzen 331 . Auf diese Frage soll noch im nächsten Kapitel eingegangen werden. Die andere Folgerung ziehen die anglokatholischen Theologen für sich selbst: Weil die anglikanische Kirche das apostolische Amt in der Sukzession bewahrt hat, ist sie ohne allen Zweifel ein Teil der katholischen Kirche 332 . Alle anglokatholischen Aussagen über die apostolische Sukzession und das Verhältnis von Amt und Kirche sind explizit oder implizit auf dieses Ziel hin ausgerichtet. Newman hat diese Beurteilung des Kircheseins vom apostolischen Amt her treffend charakterisiert und beurteilt: "(Roman) Catholics believe their orders are valid because they belong to the true Church; Anglicans believe they belong to the true Church because their orders are valid." 333 Sogar Ramsey kritisiert diese „mehr klerikalistische als katholische Auffassung", wonach die Validität der Ämter als alleiniger Maßstab für die Mitgliedschaft in der Kirche Gottes behandelt wird 3 3 4 . 326
A.G.Hebert, The Form of the Church, S . 1 0 9 f . ; A.M.Ramsey, a.a.O. S.84; F.W.Green in: K.E.Kirk, a.a.O. S.541; A.L.Peck, This Church of Christ, S.47; und andere. 327 K.E.Kirk, a.a.O. S.29; A.L.Peck, This Church of Christ, S.97: Ohne Bischof kann es keine Kirche geben. G. W. Broomfield, a.a.O. S. 155. 328 G . D i x in: Report of the Sixth Anglo-Catholic Congress, S. 89. 328 Κ. Ε. Kirk, a.a.O. S. 40; A. L. Peck, Anglicanism and Reunion, S. 99: Ohne apostolisches Amt kann die apostolische Gemeinschaft nicht existieren. 330 C.B.Moss, What do we mean by Reunion?, S.58. 331 So z.B. K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S.88, A n m . l ; E.R.Fairweather, Episcopacy and Reunion, S. 34. 332 E. R. Fairweather, Episcopacy Re-Asserted, S.35: "Where the essential structure is maintained, despite schism, there the Catholic Church exists, because the structure safeguards the essential continuity with the Gospel history." 333 J . H . N e w m a n , Essays Critical and Historical, London 1887, S.87. 334 A.M.Ramsey, a.a.O. S.218. 171
In diesen Zusammenhang gehört auch die sog. „Branch-Theorie", nach der die römisch-katholische Kirche, die orthodoxe Kirche und die anglikanisch? Kirche als Zweige (branches) der einen katholischen Kirche anzusehen sind. Wenn auch dieser Begriff heute kaum noch verwendet wird, so ist doch die damit bezeichnete Auffassung eine logische Folgerung aus den hier abgeführten Aussagen. Denn wenn nur da, wo das in der Sukzession stehende Amt bewahrt ist, die wahre Kirche Christi existiert und zu finden irt und zugleich die Möglichkeit von Schismen innerhalb der katholischer Kirche eingeräumt wird 335 , dann folgt daraus, daß sich die katholische Kirche aus der römischen Kirche, der orthodoxen Kirche und der anglikanischen Kirche zusammensetzt. (Eigentlich müßten auch die altkathol'sche Kirche und die Kirche von Schweden dazugehören, doch scheint man diese beiden Kirchen im Zusammenhang der BranchTheorie fast nie erwähnt zu haben.) So finden sich audi in den letzten Jahrzehnten be' Broomfield, Fairweather, Mackenzie, Moss und Goudge ausdrückliche Hinweise auf die Branch-Theorie 336 . Ramsey hat sicher recht, wenn er die „Three Branch theory" als „altmodisch" bezeichnet, er irrt sich aber in der Feststellung, diese Theorie sei nur von einigen älteren Hochkircblern vertreten worden 337 . Solange noch die Mehrzahl der Anglokatholiken den Besitz des in der apostolischen Sukzession stehenden Amtes ils Maßstab für die Zugehörigkeit zur katholischen Kirche ansieht und die Schismen zwischen Ost und West einerseits und zwischen Rom und Canterbury andererseits 338 als die einzigen Schismen innerhalb der katholischen Kirche bezeichnet werden, ist diese BranchTheorie noch lebendig, auch wenn diese Bezeichnung nur noch von wenigen Theologen verwi ndet wird. Um so treffender ist nun die Kritik, die der Anglokatholik Ramsey an dieser Theorie übt und mit der er auch hier beweist, welche Randstellung er unter den Anglokatholiken einnimmt. Ramsey schreibt: Mit der Behauptung, die Kirche sei eine, werde jedoch von drei großer. „Zweigen" repräsentiert, die jeweils die ganze Kirche in verschiedenen Gebieten der Welt konstituieren, wird der Ari335 Z.B. bei E.R.Fairweatrer, Episcopacy Re-Asserted, S.35; K.D.Mackenzie, Tlie Case for Episcopacy, S. 87 f. 33β G.W.Broomfield, a.a.O. G.69: "Each of these 'branches' [d.h. römisch-katholische Kirche, orthodoxe Kirche und anglikanische Kirche] of the Church preserved the continuity of its life and episcopal structure, which went back to Apostolic times and which previously they had shared in common." E. R. Fairweather, Episcopacy and Reunion, S. 37; K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy. S. 8 7 f . (spricht von einem Schisma zwischen Ost und West und Canterbury und Rom. Beide sieht er als Schismen innerhalb der katholischen Kirche an); ebenso bei H.L.Goudge, a.a.O. S.228; C.B. Moss, What do we mean by Reunion?, S. 54. 337 A.M.Ramsey, a.a.O. S.217. 338 Das ist die Auffassung von Mackenzie, Broomfield und Goudge, vgl. hier Anm. 336.
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spruch auf Einheit aufrechterhalten, während die Tatsache der Schismen durch eine Theorie verdeckt und rationalisiert wird. Die Ordnung der Kirche wird dazu benutzt, die Ansprüche der Kirche zu unterstützen, doch die Tatsache, daß die Bedeutung der kirchlichen Ordnung durch die Gespaltenheit der Kirche beeinträchtigt wird, bleibt unberücksichtigt. "The 'Branch theory' seems, in fact, to be an unconscious attempt to make the best both of unity and of schism, and the relation between Church Order and the Gospel is obscured." 339. Diese Kritik ist berechtigt, nur trifft sie nicht nur die Anglokatholiken des 19. Jahrhunderts (wie Ramsey meint) sondern auch viele Anglokatholiken unserer Zeit. Ramsey selbst allerdings zieht aus dieser Kritik die Konsequenz f ü r seine eigene Auffassung. So schreibt er in einem neueren Buch, daß alle, die auf die Trinität getauft sind und Christus als Herrn anerkennen, Glieder der katholischen Kirche sind 340 . Die Ausführungen anglokatholischer Theologen zum Verhältnis von Amt und Kirche bestätigen die schon in Verbindung mit der Lehre von der apostolischen Sukzession gemachte Feststellung, daß das Amt der Kirche vorgeordnet wird. Sie machen zugleich deutlich, auf welches Ziel hin die anglokatholische Lehre vom Amt konzipiert worden ist. Zusammen mit der Heiligen Schrift, den Sakramenten und den altkirchlichen Glaubensbekenntnissen — und doch deutlich von diesen abgehoben — wird das in der apostolischen Sukzession stehende Amt zur nota ecclesiae erhoben. Erst der Besitz dieses Amtes gibt vollen Anteil an der Kirche Christi, wie er auch zugleich ein sichtbares (Kenn)zeichen dieser Teilhabe ist. Für den nicht zuletzt aus einem Minderwertigkeitsgefühl gegenüber der römisch-katholischen Kirche heraus immer wieder erhobenen Anspruch anglokatholischer Theologen, daß die anglikanische Kirche ein Teil der katholischen Kirche sei, bedeutet die Bewahrung des in der apostolischen Sukzession stehenden Amtes und die besondere Lehre der apostolischen Sukzession und des Bischofsamtes der allen sichtbare Pfeiler, auf den dieser Anspruch gegründet wird. Diese Konstruktion ist nur möglich, indem im Rahmen eines unhistorischen Verständnisses des Neuen Testamentes das Amt der Apostel als reguläres Amt der Kirche interpretiert und eine Fortführung dieses Amtes in direkter Linie über die sog. apostolischen Männer und sodann durch die monarchischen Bischöfe konstatiert wird. Dazu tritt eine Lehre der apostolischen Sukzession, nach der die Fortführung des Amtes und dessen geistliche Bevollmächtigung wesentlich durch das Amt selbst geschieht. Durch die Kette der sukzessiven Handauflegungen wird eine vom Herrn über die Apostel herkommende Gnadengabe weitergegeben. Der Träger des in der apostolischen Suk339 340
A.M.Ramsey, a.a.O. S . 2 1 7 f . Ders., Durham Essays and Addresses, London 1956, S. 70. 173
Zession stehenden Amtes wird als Repräsentant des erhöhten Herrn verstanden, zugleich wird der durch den Heiligen Geist in seiner Kirche gegenwärtige Herr von seinem Leib, der Kirche, isoliert. Das Amt steht, die Validität des Abendmahles und das Kirchesein einer Gemeinschaft von Christen bestimmend, ganz im Vordergrund. Wie weitreichend die Auswirkungen dieser Lehre auf die Christologie, Pneumatologie undEkklesiologie sind, ist deutlich. Die mehrfach gemachten Andeutungen, daß und wie hier Sein und Wirken des erhöhten Herrn, des Heiligen Geistes und der Kirche durch die Vorrangstellung des Amtes eingeschränkt, zurüdegedrängt und bestimmt werden, und die Tatsache, daß die Anglokatholiken in der apostolischen und nachapostolischen Zeit eine bestimmte Form des Amtes und ein Amtsverständnis sehen, welche aus den Quellen nicht begründet werden können, sondern vielmehr in diese hineingelesen werden, lassen auch ohne eine eingehendere Auseinandersetzung mit der anglokatholischen Lehre vom Amt keinen Zweifel an deren Unhaltbarkeit.
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III. Das historische Bischofsamt und die Wiedervereinigung der Kirchen in der anglikanischen Theologie und Praxis 1. E i n l e i t u n g Das Amt der Kirche — oder genauer die apostolische Sukzession und das historische Bischofsamt — steht im Mittelpunkt aller anglikanischen Aussagen und Bemühungen, die sich auf die Einheit und die Wiedervereinigung der Kirche beziehen. Es gibt kein Gespräch und keine Verhandlung zwischen Anglikanern und Vertretern nicht-bischöflicher Kirchen, in denen nicht von anglikanischer Seite das historische Bischofsamt als ein wesentlicher, wenn nicht sogar als der entscheidende Punkt der Tagesordnung eingeführt und behandelt wird. Man täte der anglikanischen Kirche und Theologie sicher Unrecht mit der Behauptung, neben der Frage des Amtes halte sie alles andere f ü r völlig nebensächlich. Aber die Kirche von England wie auch die anderen anglikanischen Kirchen sind immer bereit, eine sehr weit gefaßte, allgemeine Ubereinstimmung in Glaubensfragen als ausreichend für die Abendmahlsgemeinschaft und Wiedervereinigung anzusehen, während die Annahme des in der apostolischen Sukzession stehenden Amtes als eine schärfer umrissene Forderung hinzukommt. Und an dieser Stelle liegt für die Anglikaner das Problem im Blick auf die großen nicht-bischöflichen Kirchen, die die ersten drei Punkte des Lambeth-Quadrilaterals — Annahme des Schriftkanons, der zwei Schriftsakramente und der altkirchlichen Glaubensbekenntnisse — erfüllen, aber das in der apostolischen Sukzession stehende Amt nicht besitzen. Würden die Anglikaner die Ämter dieser Kirchen anerkennen, dann brauchten sie nicht so beharrlich die Annahme des historischen Bischofsamtes zu fordern. Die Frage, wie nun die Ämter der nicht-bischöflichen Kirchen von den anglikanischen Theologen beurteilt werden, soll darum in diesem Kapitel zuerst behandelt werden. Gegenüber der orthodoxen und römisch-katholischen Kirche hat die Kirche von England immer wieder auf ihren Besitz des in der apostolischen Sukzession stehenden Amtes verwiesen und um dessen Anerkennung, und damit verbunden, um die Herstellung von Abendmahlsgemeinschaft gebeten. Die römischkatholische Kirche hat 1896 in der Bulle Apostolicae Curae offiziell den 175
anglikanischen Ämtern jegliche Validität abgesprochen, während die orthodoxe Kirche bisher nur zum Teil, nicht aber in ihrer Gesamtheit — die entscheidend ist — die anglikanischen Ämter anerkannt hat 1 . Zudem ist sicher, daß die orthodoxe Kirche audi eine größere Übereinstimmung im Glauben, als sie im Lambeth-Quadilateral gefordert wird, für eine engere Gemeinschaft als notwendig erachtet, so daß die Anerkennung der anglikanischen Ämter allein noch nicht ausreichend für die Herstellung der Abendmahlsgemeinschaft wäre 2 . In dieser Frage scheinen sich viele Anglikaner noch einer Illusion hinzugeben, indem sie glauben, eine allgemeine Ubereinstimmung im Glauben und eine besondere Übereinstimmung in Form des gemeinsamen Besitzes des historischen Bischofsamtes genüge zur Herstellung der Abendmahls- und Kirchengemeinschaft. Das Lehrgespräch, das anglikanische und russisch-orthodoxe Theologen vor fünf Jahren in Moskau geführt haben, zeigt, daß es nicht das Amt, sondern andere Fragen des Glaubens waren, die von den russisch-orthodoxen Theologen in den Mittelpunkt der Gespräche gerückt wurden. Sie forderten eine völlige Ubereinstimmung im Glauben, neben der Anerkennung der Ämter, als Voraussetzung der Abendmahlsgemeinschaft 3 . Die anglikanische Herausstellung des historischen Bischofsamtes in nahezu allen Schriften und Gesprächen über die Wiedervereinigung der getrennten Kirchen muß kritisiert werden, sie muß aber zugleich auch auf dem Hintergrund der anglikanischen Theologie gesehen werden, damit sie nicht als eine rein willkürliche Verabsolutierung der äußeren Ordnung der Kirche oder als alleiniges Resultat der anglokatholischen Lehre vom Amt mißverstanden wird. In der Kirche von England hat die Mehrheit der Theologen zu keiner Zeit die Auffassung vertreten, das Amt sei gegenüber dem Glauben etwas Sekundäres und könne in seiner Form den jeweiligen Umständen angepaßt werden. Die anglikanischen Väter lehrten bereits, die bischöfliche Amtsform sei der Kirche von Gott gegeben und sei somit göttlichen Rechtes. Das Verhältnis der Kirche von England zu den protestantischen Kirchen in Großbritannien und auf dem europäischen Kontinent wurde auf anglikanischer Seite von Anfang an wesentlich unter dem Gesichtspunkt der verschiedenen Ämter gesehen, ohne daß damit aber solche weitgehen1 Vgl. G. Κ. A. Bell ed., Documents on Christian Unity, A Selection from the First and Second Series (hier abgek. Documents 1/2), S.35—39; G . K . A . B e l l ed., Documents on Christian Unity, Third Series (abgek. Documents 3), S. 37—50; G . K . A. Bell ed., Documents on Christian Unity, Fourth Series (abgek. Documents 4), 1948—1957, Oxford 1958, S.35—37. 2 Vgl. besonders: Resolution of the Moscow Conference of the Heads of the Autocephalous Orthodox Churches on the Question of Anglican Orders, 1948, abgedruckt in: Documents 4, S.35—37. 3 Anglo-Russian Theological Conference, Moscow, July 1956, A Report, London 1958, vgl. bes. S. X.
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den und absoluten Ansprüche verbunden wurden, wie es in der anglokatholischen Theologie seit dem vorigen Jahrhundert der Fall ist 4 . D a ß die Anglokatholiken von ihrer Lehre des Amtes und besonders der apostolischen Sukzession her der Frage des Amtes in ihren Veröffentlichungen, die sich auf das Verhältnis sowohl zu den nicht-bischöflichen Kirchen als auch zu den bischöflichen Kirchen beziehen, immer wieder eine Vorrangstellung einräumen, ist verständlich. Hier ist für sie der Punkt, an dem es sich entscheidet, ob wir es mit einer zur einen katholischen Kirche gehörigen „Teilkirche" zu tun haben oder nicht. Es besteht auch kein Zweifel, daß die prominente Rolle, die das A m t in allen anglikanischen Äußerungen zur Wiedervereinigung einnimmt, in einem beträchtlichen Maße auf den Einfluß der anglokatholischen Theologie seit dem Beginn der Oxford-Bewegung zurückgeht. Zugleich wird aber die Darstellung des Amtsverständnisses der nicht-anglokatholischen Theologen, die ebenfalls im vorausgehenden Kapitel gegeben wurde, gezeigt haben, daß auch die Mehrzahl der nicht-anglokatholischen Theologen ihre theologischen Gründe hat, dem historischen Bischofsamt in den Aussagen, Gesprächen und Verhandlungen, in denen es um das Verhältnis zu anderen Kirchen geht, eine besondere Bedeutung beizumessen. Sie verbinden damit keine extremen, unhaltbaren Ansprüche wie die Anglokatholiken, aber sie halten eine Beschränkung des Amtes auf den Bereich der äußeren Ordnung und der Organisation für nicht ausreichend. Die Gruppe von Anglikanern, die dem A m t keine besondere Bedeutung einräumt, ist in der Pfarrerschaft zahlenmäßig gar nicht so schwach vertreten, sie übt aber keinen Einfluß auf die anglikanische Theologie und die offizielle Stellung der anglikanischen Kirche in den Gesprächen und Verhandlungen mit anderen Kirchen aus. Die Bedeutung, die die anglikanische Theologie und Kirche dem Amt im Verhältnis zu den protestantischen Kirchen einerseits und der altkatholischen, orthodoxen und römisch-katholischen Kirche andererseits beimißt, kommt auch darin zum Ausdruck, daß sie zwischen „bischöflichen" und „nicht-bischöflichen" Kirchen unterscheidet. D a s in der apostolischen Sukzession stehende Bischofsamt ist zum bestimmenden Unterscheidungsmerkmal zwischen den einzelnen Kirchen erhoben worden. Weiterhin ist für viele Anglikaner, wie auch vor allem für die einzelnen anglikanischen Kirchen in ihrer offiziellen Haltung eine volle Abendmahlsgemeinschaft nur mit solchen Kirchen möglich, die das in der Sukzession stehende Bischofsamt bewahrt haben. Somit steht das Bischofsamt nicht nur im Blick auf die Wiedervereinigung der Kirchen im Mittelpunkt, sondern auch schon da, wo es um die Herstellung der Abendmahlsgemeinschaft geht. 4
12
Vgl. hierzu besonders N . Sykes, Old Priest and N e w Presbyter.
8220
Gaßmann, Bisdiofsamt
177
2. D i e B e u r t e i l u n g d e r n i c h t - b i s c h ö f l i c h e n und Kirchen
Ämter
A. Zur Terminologie a) Einleitung Die immer wiederkehrende Forderung anglikanischer Theologen und der anglikanischen Kirche, daß eine anglikanische Kirche nur dann mit einer nicht-bischöflichen Kirche sich vereinigen oder mit ihr volle Abendmahlsgemeinschaft eingehen kann, wenn diese Kirche bereit ist, das in der apostolischen Sukzession stehende Bischofsamt zu übernehmen, impliziert ein Urteil über die bestehenden Ämter dieser Kirche. Dieses Urteil wird von den verschiedenen Verlautbarungen und den Theologen der großen Gruppen innerhalb der Kirche von England näher erläutert. Das Dilemma, in das dabei viele Anglikaner geraten, die je nach ihrer theologischen Stellung diesen Ämtern zwar ein bestimmtes Maß an Wirksamkeit oder Validität einräumen, sie aber nicht als gleichrangig mit den in der apostolischen Sukzession stehenden Ämtern anerkennen können, spiegelt sich auch in der Terminologie wider. Darum sollen zuerst die in diesem Zusammenhang gebrauchten Begriffe erläutert werden. Der wichtigste, am häufigsten benutzte und von den einzelnen Theologen auf verschiedene Weise verstandene Begriff ist „validity" bzw. „valid". Er wird sowohl auf die Sakramente als auch auf die Ämter bezogen. Das Wort „valid" bedeutet im Englischen: „sound, well-groundet; so executed etc. as to have binding force" 5 . Der Begriff drückt entsprechend seiner Herkunft aus dem Rechtsbereich zunächst einen rechtlichen Tatbestand aus. Doch wird der folgende Überblick zeigen, daß er vor allem in einem theologischen Sinne verstanden und gebraucht wird. In bestimmten Fällen wird er auch so verwendet, daß er beide Bedeutungen gleichzeitig enthält. Erst der jeweilige Zusammenhang muß zeigen, in welcher Weise der Begriff verstanden wird. b) „Validity", „regularity" und „efficacy", in den halboffiziellen menten
Doku-
In den anglikanischen „Bekenntnissen" finden sich keine Aussagen oder gar Urteile über nicht-anglikanische Ämter. Aus diesem Grunde fehlt auch eine die anderen Ämter betreffende Terminologie. In den Berichten der Lambeth-Konferenzen und theologischer Kommissionen werden die Begriffe „valid" und „invalid" sehr selten benutzt. Während im 1. Memorandum über den „Status der bestehenden freikirchlichen Ämter" von 1923 der Gebrauch von „valid" bzw. „invalid" ausdrücklich abgelehnt 5
178
The Pocket Oxford Dictionary, Fourth Edition, Oxford 1955, S.930.
wird, da diese Begriffe ein Wissen um Gottes Willen, Gnade und Absicht zu beinhalten scheinen, das wir nicht besitzen e , wird in einem Ausschußbericht der Lambeth-Konferenz von 1958 neben „validity" audi „regularity" auf die Ämter der Kirche von Südindien angewandt 7 . Bei allen anderen Gelegenheiten beschreibt man die nicht-bischöflichen Ämter mit anderen Begriffen. Lediglich im Bericht der erzbischöflichen Kommission „Doctrine in the Church of England" wird der Begriff „validity" im Zusammenhang mit „regularity" und „efficacy" etwas näher erläutert 8 . Diese Erläuterung bezieht sich zwar ausdrücklich auf die Sakramente, sie trifft aber weitgehend audi auf die Ämter zu. „Valid" wird in dem Bericht so erklärt: " . . . a valid sacrament exists wherever the specially appointed conditions constituting the sacrament are duly and intentionally fulfilled." Dies wird näher erläutert: "The appointed conditions constitutive of a sacrament, which are the basis of a judgement of validity, fall under three general heads: (a) appointment by Christ, (b) proper form and matter, (c) qualification of the minister." Daß demnach mit „validity" wesentlich der geistliche Status, die volle Gültigkeit eines Sakraments bezeichnet ist, macht zusätzlich auch die Erklärung des zur „validity" hinzukommenden Begriffs „regularity" deutlich: "A sacrament is called 'regular' if it is performed in accordance with general rules laid down by competent authority for the due administration of the sacraments." Zur Regularität gehört z.B. die Anordnung, daß in der Regel nur ein Pfarrer taufen soll. Wird in einer Notsituation oder auch ohne zwingende Umstände die Taufe von einem Laien vollzogen, dann ist das Sakrament zwar „irregulär", aber es besitzt doch seine Validität, wenn die für die Validität notwendigen Bedingungen erfüllt sind 9 . Eine wichtige Frage ist nun, ob das in der apostolischen Sukzession stehende Amt zu den Bedingungen für die Validität eines Sakramentes mit hinzugerechnet wird cder ob es dem rechtlichen Bereich der Regularität zuzuzählen ist. In dieser Frage enthält sich der Bericht der Stimme, da unter seinen Verfassern offensichtlich beide Auffassungen vertreten waren 10 . Zur „validity" und „regularity" kommt als dritter Begriff zur Beschreibung der Sakramente „efficacy" hinzu, über den es heißt: "A sacrament is said to be 'efficacious' in so far as it actually effects the purpose for which it was instituted." Diese „Wirksamkeit" eines Sakramentes folgt nicht zwingend aus dessen Validität, da die Unwürdigkeit des Empfängers ein valides Sakrament in seinem Fall daran hindert, wirksam zu sein. Andererseits kann auch ein „invalides" Sakrament den • Documents 1/2, S.54. The Lambeth Conference 1958, S.II.27. 8 Doctrine in the Church of England, S. 130—135. 9 10 Ebd. S. 131 f. Vgl. ebd. S. 134. 7
12»
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Empfang von Gnade auf Seiten des Empfängers bewirken und so „wirksam" sein, da Gott nicht an seine Sakramente gebunden ist 11 . Mit „validity" wird demnach der geistliche Status, die Gültigkeit eines Sakramentes, mit „regularity" die Stellung des Sakramentes innerhalb der Ordnung der Kirche und mit „efficacy" seine Wirksamkeit bezeichnet. c) Die Terminologie der nicht-anglokatholischen
Theologen
Die in „Doctrine in the Church of England" erläuterten drei Begriffe übernimmt Hettlinger und wendet sie in gleicher Weise auf die Sakramente und die Ordination an. Er schreibt: "For a valid sacrament or ordination is one in which the essential conditions for its enactment are present; a regular sacrament or ordination is one in which all the rules laid down by competent authority are fulfilled." In der Validität ist das zusammengefaßt, was zum „esse" eines Sakramentes oder einer Ordination gehört, zum Beispiel die Einsetzungsworte bei der Feier des Abendmahls. Im Begriff der Regularität sind diejenigen Anordnungen zusammengefaßt, die zum „bene esse" eines Sakramentes oder einer Ordination gehören, zum Beispiel die Regel, daß die Taufe im allgemeinen nur durch einen Geistlichen vollzogen werden soll. Als dritten Terminus führt Hettlinger die „efficacy" (Wirksamkeit) an, die nicht immer logisch aus der Validität oder Regularität folgen muß 12 . Entscheidend für unseren Zusammenhang ist nun seine Auffassung, daß ein in der apostolischen Sukzession stehendes Amt im Blick auf die Ordination nicht dem Bereich der Validität sondern dem der Regularität zuzuredinen ist. Die Frage, ob eine Ordination durch einen in der apostolischen Sukzession stehenden Bischof vorgenommen wird oder nicht, gehört also nicht zu den wesentlichen Bedingungen, die die Validität einer Ordination ausmachen. Zu einem im vollen Sinne regulären Amt gehört nach Hettlingers Auffassung audi die Anerkennung und Autorität der gesamten Kirche wie audi die Freiheit, das Amt in der ganzen Kirche auszuüben 1S . Zu den Voraussetzungen für ein valides Amt gehört es dagegen, daß dieses Amt von Männern, die öffentliche Autorität dazu besitzen, in rechter Weise übertragen worden ist, und zwar im Glauben, daß Gott die Amtsgnade schenken wird. Somit besitzt die durch die Kirche unter Handauflegung und Gebet übertragene Amtsbeauftragung nicht nur menschliche sondern auch göttliche Autorität 14 . In gleicher Weise charakterisierte schon Headlam eine valide Ordination, die nach seiner Auffassung folgendes voraussetzt: die Handauf11 12 13
180
Ebd. S. 131. R. F. Hettlinger, Episcopacy and Reunion, S. 93. 14 Ebd. S. 94. Ebd. S. 96.
legung mit Gebet und die Intention, das zu tun, was die Apostel taten. Nichts anderes ist auf Grund der Schrift gefordert. Das Abendmahl ist da valid, wo es seiner Einsetzung gemäß und zusammen mit den Einsetzungsworten gespendet wird 15 . Er zieht sodann ebenfalls den Begriff „regularity" heran, um mit seiner Hilfe den Unterschied zwischen validen bischöflichen und validen nicht-bischöflichen Ämtern zu kennzeichnen16. Aus der Verwendung dieses Begriffes, der sich auf die rechtliche Ordnung der Kirche bezieht, folgt, daß auch Headlam „validity" und „valid" wesentlich im geistlichen Sinne versteht. Eine besondere Unterscheidung zwischen Validität und Wirksamkeit findet sich bei ihm nicht. Er scheint die Wirksamkeit mit in die Validität einzubeziehen. Rawlinson erwähnt ebenfalls Gebet („form"), Handauflegung („matter") und Intention („to do what the Church does") als notwendige Bestandteile einer validen Ordination17. Quick vertritt eine andere Auffassung. Er verweist auf die Umformung, die das cyprianische Verständnis von „valid" — d.h. außerhalb der Kirche kann es keine validen Ämter und Sakramente geben — bei Augustin erfahren hat: außerhalb der Kirche kann es valide Ämter und Sakramente geben, sofern sie von einem in der apostolischen Sukzession stehenden Bischof übertragen worden sind bzw. von einem Priester verwaltet werden, der eine valide Ordination empfangen hat. Quick lehnt die augustinische Auffassung ab und fordert eine Rückkehr zur älteren, cyprianischen Lehre, die in einem umfassenderen, liberaleren Sinne neu formuliert werden muß 18 . Für die Ordination ist nach Quieks Auffassung zweierlei notwendig: "On the one hand a divine gift of power for spiritual work is to be bestowed by God, as it were directly. On the other hand a certain solemn authorisation to act in the Church's behalf is to be conferred, also indeed from God as its ultimate source, but by God as working through the body of the Church which is Christ's Body." 19 Die von Gott verliehene Gnadengabe und die von der Kirche übermittelte Autorität machen ein valides Amt aus. Ein Amtsträger, der entweder nur die Gnadengabe oder nur die Autorität besitzt, hat kein valides Amt inne. Wenn nun die Kirche zerteilt ist und der ganze Leib nicht mehr die Verantwortung für die Ernennung zum Amt trägt, dann fehlt allen Amtsträgern die Fülle der Autorität. Folglich ist die Validität aller Ämter in einem bestimmten Maße beeinträchtigt20. 15
306. " 17 18 19
A . C . H e a d l a m , The Doctrine of the Church and Christian Reunion, S . 2 5 4 und Ebd. S. 301 f. Α. Ε. J. Rawlinson, The Anglican Communion in Christendom, S. 54. O . C . Quick, The Christian Sacraments, S . 1 4 0 f . 2 0 Ebd. S. 142 f. Ebd.S. 141. 181
Quick faßt den Begriff „validity" viel weiter als die bisher erwähnten Theologen und kann so auch mit diesem einen Begriff auskommen. Der Gedanke der Regularität fehlt bei ihm weitgehend, er hat lediglich den bei Hettlinger unter diesem Begriff erwähnten Gedanken der Autorisierung des Amtes durch die gesamte Kirche mit in die Bedeutung von „validity" hineingenommen. Rawlinson folgt ganz der Lehre von Quick21. Robinson übernimmt einen Aspekt des Verständnisses von „validity" bei Quick, wenn er den Begriff „validity" so definiert: "I use the word 'validity' (from the Latin validus, strong) of the authorisation which a ministry and its sacraments has from the Church." 22 Die Autorität und Validität eines Amtes kommen von Christus-in-seinem-Leibe her 23 . Robinson unterscheidet diesen Begriff von „efficacy". Dieser Begriff bringt die Gewißheit zum Ausdruck, daß Christus die Ämter und Sakramente für sein erlösendes Gnadenwerk benutzt. Validität und Wirksamkeit bestehen auf Grund der sündhaften Gespaltenheit der Kirche nur in einem bestimmten Grade. Den Begriff „defective" schlägt Robinson als Kennzeichnung der fehlenden Intention, das zu tun, was die Kirche tut, vor 24 . Robinson gebraucht also „validity", „efficacy" und „defective". Wie bei Quick und Rawlinson steht auch bei ihm der Begriff „validity", den er wesentlich unter dem Gesichtspunkt der Autorisierung versteht, mit seiner Möglichkeit von Gradunterschieden im Mittelpunkt. Zwei weitere Mitarbeiter des Sammelbandes „The Historie Episcopate", Woolcombe und Montefiore lehnen den Gebrauch des Begriffs „validity" ab. Montefiore weist auf die Vieldeutigkeit dieses Begriffes hin, der sowohl als ein „confusing synonym" für „bischöflich ordiniert" als audi im Sinne von „garantiert" und von „legitim" gebraucht wird. Diese Interpretationen werden von Montefiore abgelehnt, da sie das Amt über die Kirche, ja selbst über das Handeln Gottes stellen. Darum hält er es für angemessener, von „Graden der Fülle" (degrees of plenitude) anstatt von „validity" zu sprechen; audi hält er es für besser, an Stelle von „invalid" die Ämter als mehr oder weniger „defective" zu bezeichnen. Er gebraucht außerdem audi den Begriff „efficacy" 25 . Obwohl Montefiore den Begriff „validity" vermeidet, stimmt er doch sachlich mit den erwähnten Theologen darin überein, daß er seine Terminologie so wählt, daß diese keine grundsätzlichen, sondern nur graduelle Unterschiede zwischen den Ämtern der einzelnen Kirchen zum Ausdruck bringt. Und dies scheint das wesentliche Kennzeichen der Termino21
Α. E. J. Rawlinson, Problems of Reunion, S. 61—68. J.Α.Τ.Robinson in: K.M.Carey ed., The Historie Episkopate, S. 14, Anm.3. 23 24 Ebd. S. 15. Ebd. S. 14, Anm. 3. 25 K.J.Woolcombe in: K.M.Carey ed., The Historie Episcopate, S.60—62; H.W. Montefiore in: K.M.Carey ed., The Historie Episcopate, S. 124f. 22
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logie aller nicht-anglokatholischen Theologen zu sein. Im einzelnen unterscheiden sie sich lediglich darin, daß einige von ihnen die Gradunterschiede zwischen den Ämtern in den rechtlichen Bereich der Regularität verweisen, weil sie die bischöfliche Ordination als eine Frage der Regularität ansehen, während andere die Gradunterschiede auf den von ihnen weiter gefaßten Begriff der Validität beziehen, der auch die Regularität miteinbeschließt, da nach ihrer Auffassung die bischöfliche Ordination zur vollen Validität mit hinzugehört. d) Die Terminologie
der anglokatholischen
Theologen
Die anglokatholischen Theologen verwenden vor allem die beiden Begriffe „valid" und „invalid", um einerseits die in der apostolischen Sukzession stehenden Ämter und andererseits die nicht-bischöflichen Ämter zu kennzeichnen. Eine strikte Auffassung vertritt Fairweather, nach der ein Amt und ein Sakrament nur dann valid sind, wenn sie im Bereich der apostolischen Sukzession verwaltet werden. "Just as the sacraments are administered 'validly' only within the sphere of the apostolic succession, so the faith of Christ is taught 'authoritatively' only to the extent to which a Christian teacher has succeeded to that commission . . . " 2 6 U n d : "Since the essential theological meaning of the term 'valid' is 'authoritative', we must distinguish communions possessing a ministry in apostolic succession from those whose ministry was created de novo in the sixteenth century or later. All the sacraments of the former are valid, but only those sacraments of the latter which do not, according to primitive precedent, require the act of bishop or priest." 2 7 Sakramente, die von den in der apostolischen Sukzession stehenden Ämtern verwaltet werden müssen, sind in einer nicht-bischöflichen Kirche „invalid". Sie besitzen auf Grund ihrer Invalidität als Sakramente keine Wirksamkeit (efficacy). Sie können höchstens eine gewisse geistliche Bedeutung auf seiten des Empfängers (opus operands) haben. „Invalid" bedeutet somit, daß dieses Sakrament eigentlich kein Sakrament ist und nicht als solches wirksam ist; es ist lediglidi aus dem Grunde nicht als ,null und nichtig' zu bezeichnen, weil es f ü r den Empfänger eine gewisse geistliche Erfahrung bedeuten kann 2 8 . Fairweather bezieht „validity" nicht nur auf den geistlichen Status eines Sakramentes, sondern auch auf dessen Regularität und Wirksamkeit. Entscheidend ist, daß er die apostolische Sukzession als das über Validität und Invalidität bestimmende wesentliche Merkmal ansieht. 26 27
E. R. Fairweather, Episcopacy and Reunion, S. 7. 28 Ebd. S. 40 f. Ebd. S. 39. 183
Kirk definiert „validity" auf folgende Weise: " . . . we should say that the competent authority which laid down the conditions of validity was of course the Church of the apostles and their immediate successors. The principal condition so laid down is ordination by one who was himself consecrated by a member of that ministry. . . . Those whose ordination satisfies the condition laid down may humbly make the claim, secure in the conviction that God will endorse it; hence, we say, their ministry is valid." 29 Die entscheidende Bedingung für die Validität ist also die Ordination durch ein Glied des „wesentlichen Amtes". Das Gegenstück zu „valid" ist „invalid", das — wie Kirk ausführt — gewöhnlich als ,null und nichtig' (null and void) verstanden wird. Dieses Verständnis trifft nach Kirk insoweit zu, als es sich auf Ansprüche (claims) und nicht auf Wirkungen (effects) bezieht. "That is invalid which cannot make good its pretentions to be what it claims or appears to be." Von daher versteht Kirk „invalid" nicht einfach als ,null und niditig' sondern als „null und void, with some appearance of the genuine thing". Wenn etwas als „invalid" bezeichnet wird, so ist damit etwas gemeint, das in Wirklichkeit nicht das ist, was es zu sein beansprucht und wonach es auf den ersten Blick auch aussieht. Diese gewisse Ähnlichkeit zwischen „valid" und „invalid" zeigt sich da, wo einige Bedingungen der Validität erfüllt werden oder wo ein Verhalten gezeigt wird, das dem Anspruch auf Validität entspricht 30 . Gegenüber Fairweather lehnt Kirk eine logische Verbindung zwischen Validität und Wirksamkeit ab. Aus diesem Grunde kann er auch invaliden Ämtern ein Maß an Wirksamkeit zubilligen, allerdings eine Wirksamkeit anderer Art als die der bischöflichen Ämter 31 . Das Verhältnis von „valid" zu „invalid" kann man nach Kirk auch mit „de facto" und „de jure" umschreiben. Danach können Ämter de facto Ämter des Wortes und der Sakramente sein, aber nicht notwendigerweise de jure. „De facto" wäre das Äquivalent für „efficacious". Die Wirksamkeit kann niemals ein Beweis für die Validität sein32. Sodann verwendet Kirk auch den Begriff „regulär" bzw. „irregulär", den er in der gleichen Weise wie der nicht-anglokatholische Theologe Hettlinger beschreibt (s.o). Dieser Begriff bezieht sich auf die von der kompetenten Autorität niedergelegten Bedingungen für die Verwaltung eines Sakramentes oder einer kirchlichen Handlung. Die wesentlichen Bedingungen hierfür fallen unter den Begriff „valid". Wo es um die nicht-wesentlichen Bedingungen geht, spricht man von „regulär" bzw. irregular" 33 . Im Unterschied zu Hettlinger zählt Kirk natürlich die bischöfliche Ordination mit zu den wesentlichen Bedingungen, die die Validität ausmachen, und 29 30 32
184
Κ. E. Kirk, a.a.O. S. 34. Ebd. S. 35 f. Ebd. S. 44 f.
31 33
Ebd. S. 37 f. Ebd. S. 42.
von daher muß er die Aussage zurückweisen, daß die nicht-bischöflichen Ämter zwar nicht regulär aber doch valid sind 34 . Eine gemäßigtere Auffassung vertreten Goudge und Bicknell. Goudge geht davon aus, daß „valid" nicht automatisch „effective" bedeutet und daß andererseits „not valid" nicht sogleich im Sinne von „inffective" zu verstehen ist. Gemäß der allgemeinen anglokatholischen Auffassung meint auch er, daß ein in der apostolischen Sukzession stehendes Amt für die Validität der Sakramente nötig sei. Andererseits sind aber nach seiner Auffassung Sakramente, die in nicht-bischöflichen Kirchen verwaltet werden, nicht „valueless" oder „invalid" 35 . Da Goudge keine weiteren Erläuterungen gibt, bleibt seine Auffassung unklar. Die Spannung zwischen den Aussagen, daß die Validität eine bischöfliche Ordination voraussetzt und daß die fehlende bischöfliche Ordination noch keine Invalidität bedeutet, wird nicht gelöst. Genau das aber versucht Bicknell, der ebenfalls die bischöfliche Ordination als Bedingung für die Validität festhält, als deren Gegenstück den Begriff „invalid" gleichfalls ablehnt und nun an dessen Stelle „precarious" einsetzt. Zur Charakterisierung der nichtbischöflichen Ämter benutzt er außerdem den Begriff „irregulär", auch spricht er von einer „geistlichen Wirksamkeit" 36 . Während Goudge und Bicknell eine Auffassung vortragen, die den Gegensatz von „valid — invalid" zu umgehen sucht, versucht Ramsey nun, die traditionelle anglokatholische Auffassung zu durchbrechen, wobei er zu Aussagen kommt, die denen der von Quick beeinflußten Gruppe nicht-anglokatholischer Theologen nahekommen, wenngleich audi Ramsey an einem grundsätzlichen Unterschied zwischen bischöflichen und nicht-bischöflichen Ämtern festhält. Ramsey geht vom Verständnis der Validität bei Cyprian aus. Nach dessen Lehre hängt die Validität der Ämter davon ab, daß die Ämter von der Kirche hergeleitet und innerhalb der einen Kirche ausgeübt werden. Der späteren, auf Augustin fußenden Auffassung gemäß wurden Ämter von Schismatikern anerkannt; valide Ämter treten in den Vordergrund, das Leben der Kirche wurde in Abhängigkeit von diesen Ämtern gesehen37. Ämter, die vom korporativen Leben der Kirche isoliert waren, konnten nun als valid bezeichnet werden. Augustin hatte damit eine Auffassung begründet, die die Lehre vom Amt und die Lehre von der Kirche voneinander trennten 38 . Ramsey fordert eine Rüdekehr zur cyprianischen Auffassung, nach der valide Ämter vom Leben der Kirche abhängig sind 34 Ebd. S. 42. Kirk bezieht sich hier auf das A Second Memorandum on the Status of the Existing Free Church Ministry, 1925, abgedruckt in: Documents 1/2, S.213—221. 35 3 A. L. Goudge, a.a.O. S . 2 3 8 f . « E. J. Bicknell, a.a.O. S.337. 37 A.M.Ramsey, The Gospel and the Catholic Church, S. 152. 38 Ebd. S. 154.
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und die Autorisierung durch die ganze Kirche ein integraler Teil der Validität dieser Ämter ist 39 . Ramsey hält die bischöfliche Ordination für einen notwendigen Bestandteil der Validität. Aber auch die Autorisierung durch die gesamte Kirche ist nach seiner Auffassung eine wesentliche Bedingung für die Validität, und da diese Bedingung angesichts der gespaltenen Christenheit nicht erfüllt werden kann, kann es auch kein Amt geben, das die volle Validität besitzt. Ämter, die nicht in der apostolischen Sukzession stehen, werden als „deficient" bezeichnet, dieser Begriff wird aber nicht näher erläutert. Die anglokatholischen Theologen konzentrieren sich in ihrer Terminologie auf den Begriff „validity", den sie aber nicht näher erläutern. Es ist jedoch deutlich, daß „validity" als im umfassenden Sinne auf die geistliche Bedeutung, die Autorität, die rechtliche Stellung und in gewisser Weise auch auf die Wirksamkeit eines Amtes oder Sakramentes bezogen verstanden wird. Die Frage, worauf sich die „validity" im Einzelnen gründet, wird mit dem Hinweis auf das in der apostolischen Sukzession stehende Amt beantwortet. Ein Amt oder ein Sakrament (d. h. vor allem das Abendmahl, aber auch die Konfirmation) erhalten ihre Validität wesentlich durch die bischöfliche Ordination. Wo diese fehlt, ist auch keine Validität vorhanden, d. h. Amt und Sakrament sind strenggenommen kein Amt und Sakrament mehr — ein Zustand, der mit „invalid" bezeichnet wird. Daneben gibt es aber auch Anglokatholiken, die den Unterschied zwischen bischöflichen und nicht-bischöflichen Ämtern weniger extrem fassen und darum audi das Gegensatzpaar „valid — invalid" vermeiden möchten. Sie versuchen dann, den Charakter der nicht-bischöflichen Ämter und Sakramente mit Begriffen wie „effective", „precarious", „de facto" und „deficient" zu umschreiben, ohne daß dabei immer klar wird, was mit den betreffenden Begriffen gemeint ist. Die hier und auch an anderen Stellen auftretenden Unklarheiten und Schwierigkeiten in der Terminologie resultieren aus der schwierigen Situation, in der sich viele Anglokatholiken befinden, wenn sie den Status der nicht-bischöflichen Ämter und Sakramente genauer bestimmen sollen.
B. Der Status der nicht-bischöflichen a)
Ämter und Kirchen
Einleitung
In den Gesprächen und Verhandlungen zwischen der Kirche von England und den englischen Freikirchen während der letzten 40 Jahre hat die Beurteilung der nicht-bischöflichen Ämter durch die anglikanische 39
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Ebd. S. 219 und 152.
Theologie und Kirche einen besonderen, wenn nicht sogar entscheidenden Platz eingenommen. Bereits im Jahre 1922 stellte der R a t der englischen Freikirchen zu dem im selben J a h r erschienenen gemeinsamen Bericht anglikanischer und freikirchlicher Theologen „Church U n i t y " die Frage, in welcher Weise der Status der bestehenden freikirchlichen Ämter von der anglikanischen Theologie und Kirche beurteilt wird 4 0 . Die Antwort hierauf wurde in zwei ausführlichen Memoranden gegeben 4 1 . Die Tatsache, daß viele Anglikaner die nicht-bischöflichen Ämter nicht als mit den anglikanischen Ämtern auf einer Stufe stehend anerkennen können, ist sicher eines der größten Hindernisse auf dem Wege zur Einheit zwischen diesen Kirchen. Es ist bezeichnend, daß die Generalversammlung der Kirche von Schottland ihre Ablehnung des von anglikanischen und presbyterianischen Theologen verfaßten gemeinsamen Berichtes „Relations between Anglican and Presbyterian Churches" und damit die vorläufige Beendigung des offiziellen Wiedervereinigungsgespräches zwischen beiden Kirchen vor allem damit begründete, daß die Ämter der Kirche von Schottland von anglikanischer Seite nicht als Ämter innerhalb der katholischen Kirche anerkannt würden 4 2 . So scheint es zuweilen, daß die Annahme des historischen Bischofsamtes manchen nicht-anglikanischen Theologen nicht solche Schwierigkeiten bereitet wie die Tatsache, daß die bestehenden Ämter dieser Kirchen sehr oft als nicht gleichrangig mit den anglikanischen angesehen und bezeichnet werden. Es darf aber auch nicht übersehen werden, daß die Beurteilung der nicht-bischöflichen Ämter durch die anglikanische Theologie und Kirche auf sehr unterschiedliche Weise zum Ausdruck kommt und daß von der großen Gruppe der nichtanglokatholischen Theologen eine Sicht vertreten wird, die keineswegs als eine bloße Abwertung oder gar Nichtanerkennung dieser Ämter angesehen werden kann und die es den Vertretern nicht-bischöflicher Kirchen ermöglicht, mit den Anglikanern ein sinnvolles Gespräch über das Amt zu führen. Ein Urteil über die Ämter einer bestimmten Kirche bedeutet für die anglokatholischen Theologen zugleich auch ein Urteil über die betreffende Kirche selbst. D a s entspricht ihrem Verständnis des Verhältnisses von Amt und Kirche, über das im vorhergehenden Kapitel berichtet worden ist. 4 3 D a demgegenüber in der Theologie der nicht-anglokatholischen Theologen das in der apostolischen Sukzession stehende A m t nicht die Stellung des entscheidenden Kriteriums über das Kirchesein einer Kirche einnimmt, gelangen die Vertreter dieser Auffassung auch zu einer anderen Beurteilung der nicht-bischöflichen Kirchen. Die Aussagen der anglikani40 41 42 43
Documents 1/2, S. 49. Abgedruckt in: Documents 1/2, S.52—59 bzw. S. 213—221. ökumenischer Pressedienst, 26. Jg., N r . 22, Genf 1959, S . l . Vgl. hier S. 166—174.
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sehen Theologen und der verschiedenen Verhandlungsberichte über den Status der nicht-bischöflichen Kirchen brauchen hier nur kurz behandelt zu werden, da diese Frage kaum im Mittelpunkt der Gespräche und Verhandlungen steht und wenig umstritten ist. b) Die nicht-bischöflichen Ämter und Kirchen im Urteil der schen „Bekenntnisse" und der Geschichte der anglikanischen
anglikaniTheologie
In den anglikanischen „Bekenntnissen" wird explizit kein Urteil über nicht-bischöfliche Ämter gefällt. Die im Vorwort zum „Ordinal" niedergelegte Bestimmung, daß nur bischöflich ordinierte oder konsekrierte Amtsträger in der Kirche von England ihren Dienst ausüben können, gilt ausdrücklich nur für diese Kirche. Dieser Bestimmung gemäß müssen auch nicht-anglokatholische Bischöfe protestantische Pfarrer re-ordinieren, die zur anglikanischen Kirche übertreten, selbst wenn sie deren bisherige Ämter als Ämter der Kirche Christi anerkennen. Implizit ist jedoch in der Bestimmung des Vorworts zum Ordinal eine gewisse Beurteilung anderer Ämter enthalten. Die meisten Anglikaner stimmen darin überein, daß der Grund für ihre Beibehaltung des historischen Bischofsamtes am wenigsten in einem organisatorischen, verwaltungsmäßigen Vorteil des bischöflichen Systems gegenüber andern Amtssystemen zu suchen ist, sondern daß bestimmte theologische Erwägungen und Gründe dem historischen Bischofsamt gegenüber nicht-bischöflichen Ämtern eine — wenn audi auf sehr verschiedene Weise interpretierte — Vorrangstellung geben. Somit ist diese Bestimmung nicht nur als ein bloßes Ordnungsprinzip und als Sicherung eines einheitlichen Amtes zu verstehen. In diesem Sinne äußern sich auch anglikanische Theologen aller Richtungen, wenn sie im ersten „Memorandum" über den Status der freikirchlichen Ämter im Blick auf diese Bestimmung des Ordinals schreiben: "We regard the rule quoted above as much more than a mere rule of internal discipline. It embodies principles to which the Anglican Church has throughout its history adhered, and which contribute to the special position which it claims to hold in the Christian Church." 44 Die Aussagen der 39 Artikel über das Amt der Kirche, die im Zusammenhang mit dem Ordinal interpretiert werden müssen, enthalten ebenfalls keine Urteile über nicht-bischöfliche Ämter 45 . Auch über die nicht-bischöflichen Kirchen wird in den anglikanischen „Bekenntnissen" kein Urteil gefällt. In der Geschichte der anglikanischen Theologie finden sich dagegen bereits seit dem 16. Jahrhundert Aussagen und Urteile über die nichtDocuments 1/2, S. 56. Vgl. hierzu R . F. Hettlinger, Episcopacy and Reunion, S. 96, und J . P. Hickinbotham in: S. Neill ed., The Ministry of the Church, S. 40. 44
45
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bischöflichen Ämter und Kirchen. Audi wenn diese Aussagen und Urteile nie ganz einheitlich waren, so gilt doch allgemein, daß im 16., 17. und 18. Jahrhundert die nicht-bischöfliehen Kirchen als wahre Kirchen anerkannt wurden 48 . Auch die Ämter der Kirche von Schottland und der kontinentalen Reformationskirchen wurden als wahre Ämter anerkannt, da diese Kirchen in ihrer Notlage angesichts des verderbten und häretischen Episkopats ohne die Mitwirkung von Bischöfen Geistliche ordinieren mußten 47 . Daß diese Ämter jedoch nicht der Ordnung entsprachen, wie sie eigentlich sein sollte, wurde immer wieder betont 48 . In zunehmendem Maße wurde demgemäß von den anglikanischen Theologen der Wunsch geäußert, die nicht-bischöf liehen Kirchen möchten das Bischofsamt wieder annehmen 49 . D a sich die englischen Dissenters nicht in der Notlage befunden hatten wie die Kirche von Schottland und die kontinentalen Reformationskirchen, wurden ihre Ämter von den anglikanischen Theologen nicht anerkannt 50 . Eine Reihe bedeutender Theologen identifizierten das anglikanische Bischofsamt mit dem Amt des lutherischen Superintendenten 51 . Vor dem Act of Uniformity von 1662 wurden auch vereinzelt Pfarrer nicht-bischöflicher Kirchen ohne Re-ordination in die Kirche von England übernommen 5ä . Daneben zeigt audi das bekannte Beispiel aus Südindien gegen Ende des 18. und zu Anfang des ^ . J a h r hunderts, wo lutherische Missionare in den Dienst der anglikanischen Missionsgesellschaften S P C K und SPG ohne Re-ordination übernommen worden waren, daß ihre Ämter als valid anerkannt wurden 53 . Viele Anglikaner, unter ihnen Erzbischöfe und Bischöfe, nahmen am Abendmahl in lutherischen und reformierten Kirchen teil, wenn sie sich auf dem europäischen Kontinent befanden 5 4 . Im 19. Jahrhundert bahnte sich vor allem durch das Aufkommen der Oxford-Bewegung eine neue Situation an. Je nach Zugehörigkeit zu einer der großen theologischen Gruppen wurden nun die nicht-bischöflichen Ämter und Kirchen beurteilt. Aber auch eine neue allgemeine Beurteilung, wie wir sie dann in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts finden, gewinnt mehr und mehr an Boden. Zwischen den Ämtern der englischen Freikirchen und den Ämtern der protestantischen Kirchen auf dem Kontinent und der Kirche von Schottland wird kein Unterschied mehr gemacht. Die Verschiedenheit von anglikanischen und nicht-bischöflichen Ämtern wird « N . Sykes, a.a.O., bes. K a p . 2—4. G . K . A . B e l l , Christian Unity, S . 2 4 f . ; N . S y k e s , a.a.O. S.73 und 8 0 f . 48 N . Sykes, a.a.O. S. 80 f. 4 9 Ebd. S. 86 f. und 146 f. 50 Ebd. bes. K a p . 3 und 4; J . R . H . M o o r m a n , a.a.O. S.282. 5 1 So z . B . W . L a u d , J.Bramhall, Ch.Leslie; vgl. N . S y k e s , a.a.O. S . 7 7 f . ; G.K.A. Bell, a.a.O. S . 3 0 f . 5 2 Beispiele bei N . S y k e s , a.a.O. S.87—95, 101 f. 5 3 N . S y k e s , a.a.O. S. 154—167. 54 E b d . S . 150—152. 47
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stärker betont und in der Frage der Abendmahlsgemeinschaft eine sehr zurückhaltende Stellung eingenommen. Es galt nun, die Frage zu beantworten, wie die nicht-bischöflichen Ämter und Kirchen seit 1920 in den Verlautbarungen und Verhandlungsberichten der anglikanischen Kirchen und von den beiden großen theologischen Gruppen innerhalb der Kirche von England beurteilt werden.
c) Die Beurteilung der nicht-bischöflichen Ämter und Kirchen in den Verlautbarungen der anglikanischen Kirchen In den Berichten der Lambethkonferenzen finden sich innerhalb der großen Abschnitte, die dem Problem der Einheit gewidmet sind, nur wenige Aussagen über die nicht-bischöflichen Ämter. Eine deutliche Zurückhaltung, die sich audi in der Vermeidung der Begriffe „valid" und „invalid" äußert, ist bemerkbar. Im berühmten „An Appeal to All Christian People" der Lambethkonferenz von 1920 heißt es über die Ämter nicht-bischöflicher Kirchen: " I t is not that we call in question for a moment the spiritual reality of the ministries of those Communions which do not possess the Episcopate. On the contrary, we thankfully acknowledge that these ministries have been manifestly blessed and owned by the Holy Spirit as effective means of grace." 5 5 Die „geistliche Realität" dieser Ämter wird anerkannt. Sie sind vom Heiligen Geist als „wirksame Gnadenmittel" gebraucht worden. Damit ist in erster Linie etwas über die Wirksamkeit dieser Ämter ausgesagt, weniger aber über ihren Status als Ämter in der Kirche Christi und über ihr Verhältnis zu den anglikanischen Ämtern. Der im „Appeal" gemachte Vorschlag, daß bei einer Vereinigung zwischen einer anglikanischen und einer nicht-bischöflichen Kirche die anglikanischen Bischöfe und Pfarrer von der anderen Kirche eine Beauftragung (commission) und die nicht-bischöflich ordinierten Geistlichen von den anglikanischen Bischöfen eine Beauftragung durch Ordination (d. h. Re-ordination) empfangen sollen 56 , setzt eindeutig eine verschiedene Beurteilung der Ämter voraus. Da für die Anglikaner die Ordination nicht nur ein kirchenrechtlicher sondern vor allem auch ein geistlicher Akt ist, wird dieser Unterschied offensichtlich nicht nur als auf die Regularität der Ämter beschränkt verstanden. In einem Ausschußbericht der Lambethkonferenz von 1920 wurde immerhin der im „Appeal" gemachte Vorschlag insofern abgemildert, als bei der Vereinigung einer anglikanischen mit einer nicht-bischöflichen Kirche solche Pfarrer, die nicht-bischöflich ordiniert sind und audi nach der Vereinigung keine bischöfliche Ordination empfangen, lediglich 53
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Documents 1/2, S. 3 f.
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Ebd. S. 4 f.
nicht das Recht haben sollen, in solchen Gemeinden das Abendmahl zu spenden, die von einem bischöflich ordinierten Pfarrer geleitet werden 57 . Der „Appeal" der Lambethkonferenz von 1920 hatte offizielle Gespräche zwischen der Kirche von England und den englischen Freikirchen zur Folge. Im Bericht der im Jahre 1922 abgehaltenen gemeinsamen Konferenz wird über die Ämter der verschiedenen Kirchen geschrieben: "These various ministries of Word and Sacrament have been, in God's providence, manifestly and abundantly used by the Holy Spirit in His work of 'enlightening the world, converting sinners, and perfecting saints"'. Die verschiedenen Ämter werden als Ämter des Wortes und des Sakramentes bezeichnet, im übrigen werden sie in ähnlicher Weise charakterisiert wie im Lambeth Appeal. Für eine vereinigte Kirche soll nach Auffassung der Konferenz das Bischofsamt angenommen werden 58 . Dem ,Rat der evangelischen Freikirchen in England' waren diese Ausführungen über die Ämter zu allgemein, und er bat um eine Stellungnahme zum Status der bestehenden freikirchlichen Ämter 5 9 . Daraufhin veröffentlichten im Jahre 1923 die anglikanischen Vertreter der gemeinsamen Konferenz das wichtige „Memorandum on the Status of the Existing Free Church Ministry". Über freikirchliche Ämter, die zum Amt in der universalen Kirche ordiniert worden sind und die eine Berufung auf Lebenszeit einschließen, finden sich im Memorandum drei wichtige Sätze: "Such Free Church ministries we find it impossible to regard as 'invalid', that is, as null and void, or as effecting none of the purposes for which the ministry has been Divinely ordained in the Church of Christ." . . . "But we consider that we are entitled, by manifest tokens of Divine blessing which these ministries possess, and also by the spirit and the terms of the Lambeth Appeal about them, to go further, and to say that we regard them as being within their several spheres real ministries in the Universal Church." 60 "It seems to us to be in accordance with the Lambeth Appeal to say, as we are prepared to say, that the ministries which we have in view in this memorandum, ministries which imply a sincere intention to preach Christ's Word and administer the Sacraments as Christ has ordained, and to which authority so to do has been solemnly given by the Church concerned, are real ministries of Christ's Word and Sacraments in the Universal Church."®1 Diese Sätze sollen zwar nur eine Interpretation des „Appeal" der Lambethkonferenz sein, sie gehen aber über das dort Gesagte doch wesentlich hinaus. Hier wird nicht nur die Wirksamkeit diesen Ämtern zugestanden, sondern sie werden auch als „wirkliche Ämter" in der universalen oder katholischen Kirche, in der sie das Wort Gottes und die Sakramente verwalten, be" Ebd. S. 9 f. 59 Ebd. S. 49. 61 Ebd. S. 55.
38 00
Ebd. S. 45. Ebd. S. 54.
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zeichnet. Damit ist ihr Status in der Kirche Christi gekennzeichnet. D a in diesem Memorandum der Gebrauch der Begriffe „valid" und „invalid" abgelehnt wird 6 2 , ist der Ausdruck „real ministries" wohl im Sinne von „valid ministries" zu verstehen 63 . Hierbei bezeichnet „real" den geistlichen Status und die Wirksamkeit dieser Ämter. Über die Regularität dieser Ämter werden dagegen einschränkende Aussagen gemacht: "Yet ministries, even when so regarded, may be in varying degrees irregular or defective." 6 4 Diese Aussage wird nicht näher erläutert. Allerdings ist der Hinweis auf Resolution 12 der Lambethkonferenz von 1920 wichtig, wonach in einer vereinigten Kirche nicht-bischöflich ordinierte Pfarrer, die keine bischöfliche Ordination (d. h. Re-ordination) annehmen, in Gemeinden mit einem bischöflich ordinierten Amt nicht das Abendmahl spenden dürfen 6 5 . Zwischen der Aussage, die nicht-bischöflichen Ämter seien wirkliche Ämter des Wortes und der Sakramente in der universalen Kirche, wenn auch in bestimmtem Maße irregulär, und dieser Bestimmung, besteht ein Widerspruch, es sei denn, man hält die Irregularität dieser Ämter für entscheidend. Dahinter steht aber ein Zwiespalt, der sich daraus ergibt, daß man theoretisch den nicht-bischöflichen Kirchen sehr weit entgegenkommen möchte und ihre Ämter anerkennt, während man praktisch so stark an der bischöflichen Ordination festhält, daß man auch im Blick auf diese Ämter nicht umhin kann, eine Re-ordination zu fordern. Mit der implizit erhobenen Forderung auf Re-ordination berührten aber die Anglikaner einen der empfindlichsten Punkte auf Seiten der englischen Freikirchen wie auch der Kirche von Schottland. So macht auch der „Rat der Evangelischen Freikirchen" in seiner Stellungnahme auf den Widerspruch zwischen der Anerkennung der freikirchlichen Ämter als „wirkliche Ämter des Wortes Christi und der Sakramente Christi" und der gleichzeitigen Forderung, daß diese Ämter zum Amt desselben Wortes Christi und derselben Sakramente Christi ordiniert werden müssen — also gleichsam als noch nicht ordiniert angesehen werden — aufmerksam 6 6 . Die Gespräche zwischen der Kirche von England und den englischen Freikirchen kamen im Jahre 1925 zu einem vorläufigen Ende. Unter den abschließenden Verlautbarungen befindet sich „ A Second Memorandum on the Status of the Existing Free Church Ministry", das wieder von den anglikanischen Vertretern verfaßt worden war. Dieses Memorandum stellt eine Erläuterung des ersten Memorandums angesichts der Kritik des „Rates der Evangelischen Freikirchen" dar. Es wiederholt und bestätigt zwar die positiven Aussagen des ersten Memorandums über die freikirchlichen Ämter, sein Hauptaugenmerk ist aber auf die Kritik an diesen 6 2 Vgl. ebd. S. 54. « 4 Documents 1/2, S. 55. «« Ebd. S. 61.
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63 85
Das tut z . B . auch Kirk, a.a.O.S.42. Ebd. S. 58.
Ämtern gerichtet, die im ersten Memorandum nicht eingehender entwickelt worden war. Grundsätzlich wird gesagt: "Thus in our judgment it does not follow that because certain ministries are admitted to be real ministries of Christ's Word and Sacraments, they must thereby be considered as in themselves sufficient." Daß diese Ämter in sich selbst nodi nicht „zureichend" (sufficient) sind, wird im Zusammenhang mit der „Autorität" des Amtes aufgezeigt. Im ersten Memorandum war dagegen von Autorität keine Rede. Es wird angezweifelt, daß die freikirchlichen Ämter die rechte Autorität besitzen, zumal die geistliche Wirklichkeit und Wirksamkeit dieser Ämter noch nicht automatisch auch die rechte Autorität zur Folge hat. "And this matter of due authority is to us one of the highest importance." Daß durch das Bischofsamt die Autorität des ganzen Leibes auf das Amt übertragen wird, wird von den Verfassern des Memorandums nicht nur als ein Wunsch für die vereinigte Kirche in der Zukunft betrachtet, sondern audi als etwas, was es schon seit der Zeit der Apostel in der Kirche gegeben hat. Die anglikanische Kirche muß dieses Erbe treu bewahren®7. Das Fehlen dieser Autorität wird vom Memorandum als der „Hauptdefekt" der freikirchlichen Ämter bezeichnet. Um diesen „Defekt" bei einer Vereinigung zu beseitigen, wird eine Autorisierung durch bischöfliche Handauflegung oder durch eine Ordination sub conditione vorgeschlagen6S. Dieses Memorandum enthält keine größeren Zugeständnisse als das erste — im Gegenteil, es redet sogar ausdrücklich von einer Re-ordination — aber es erläutert doch, aus welchem Grunde trotz der allgemeinen Anerkennung der freikirchlichen Ämter von diesen eine Re-ordination verlangt wird. Die Freikirchen haben im Ansdiluß an dieses Memorandum einerseits die Frage der Autorisierung als diskutabel anerkannt, andererseits aber den Vorschlag, diese Autorisierung mittels einer neuen Ordination vorzunehmen, zurückgewiesen 69. Ein von den Erzbischöfen ernannter Ausschuß zum Studium der Ergebnisse der Lausanner Weltkonferenz (1927) schreibt über die nichtbischöflichen Ämter: "To deny their reality as ministries within the divided life of Christendom would be gravely perilous." 70 Daran anschließend werden die Worte des ersten Memorandums, die sich auf die freikirchlichen Ämter beziehen, zitiert. Der Gedanke, daß die nichtbischöflichen Ämter in bestimmtem Maße irregulär sind und daher der „Regularisierung" bedürfen, wird besonders hervorgehoben. Ohne Zweifel wird hier der „Defekt" der nicht-bischöflichen Ämter im Bereich der äußeren Ordnung gesehen. Entsprechend heißt es dann: " . . . we desire to 68 «7 Ebd. S. 214 f. Ebd. S. 218 f. ·» Ebd. S. 236 f. 70 Report of the Committee Appointed by the Ardibishops of Canterbury and York to Consider the Findings of the Lausanne Conference on Faith and Order, S. 23.
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8220
Gaßmann, Bischofsamt
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make it possible for existing irregularities to be remedied by the restoration, however gradual, of a factor of regularity which the non-episcopal communions have abandoned." Wichtig ist schließlich, daß der Bericht aus den Gesprächen von 1922 bis 1925 eine Folgerung zieht und Vorschläge, die eine Re-ordination mit einbeschließen, nicht für sinnvoll hält 7 1 . Abgesehen von der wörtlichen Wiederholung der im „Appeal" der Lambethkonferenz von 1920 gemachten Aussagen über die nicht-bischöflichen Ämter 7 2 enthält der Bericht der Lambethkonferenz von 1930 keine wichtigen Aussagen über die nicht-bischöflichen Ämter. Auch in den Gesprächen zwischen der Kirche von England und der Kirche von Schottland in den Jahren 1932—37 wurde auf die Form des Amtes nicht eingegangen. Bemerkenswert und bezeichnend ist lediglich, daß bereits vor der Veröffentlichung des gemeinsamen Berichtes die Generalversammlung der Kirche von Schottland festlegte, daß jede Übereinkunft im Blick auf die Ämter und Sakramente nur auf der Grundlage getroffen werden kann, daß die Ämter und Sakramente beider Kirchen als im Besitz derselben Validität anerkannt werden. Auch müsse den ordinierten Amtsträgern in jeder der beiden Kirchen derselbe Status zuerkannt werden 73 . Es war sicher eine Folge dieser Bedingungen, daß man sich in den weiteren Verhandlungen diesen Fragen nicht stärker zugewandt hat. Die im Jahre 1925 unterbrochenen gemeinsamen Konferenzen zwischen anglikanischen und freikirchlichen Theologen wurden nach der Lambethkonferenz von 1930 wieder aufgenommen. Im Jahre 1938 wurde ein gemeinsamer Entwurf unter dem Titel „Outline of a Reunion Scheme for the Church of England and the Free Churches in England" veröffentlicht. Dort werden die nicht-bischöflichen Ämter wieder als Ämter des Wortes und des Sakramentes bezeichnet und ihre Wirksamkeit bestätigt 74 . Gegenüber den früheren Verlautbarungen wird hier erstmalig auch die praktische Folgerung aus der Anerkennung der freikirchlichen Ämter gezogen. In einer vereinigten Kirche sollen nach diesem Entwurf auch die bisherigen freikirchlichen Pfarrer vom Anfang an als Träger des Amtes von Wort und Sakrament anerkannt werden und den Status eines Presbyters in der vereinigten Kirche erhalten. In den früheren Vorschlägen hatte man diese Gleichstellung von bischöflichen und nicht-bischöflichen Ämtern auf die verwaltenden Organe der Kirche beschränkt 75 . Der Entwurf schlägt weiterhin vor, daß jeder Presbyter der vereinigten Kirche die Freiheit haben soll, in jeder Gemeinde zu predigen und audi das Abendmahl zu verwalten. Als einzige Einschränkung findet sich die ge71 72 73 75
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Ebd. S. 24. The Lambeth Conferences (1867—1930), S.219. 74 Ebd. S. 79. Documents 3, S. 122. So z . B . im Bericht der Lambethkonferenz von 1920, vgl. Documents 1/2, S.9.
wiß nicht unwichtige Bestimmung, daß keiner Gemeinde ein Amt aufgezwungen werden kann, gegen das die Gemeinde aus Gewissensgründen Einspruch erhebt 76 . Der Gedanke einer Re-ordination ist ganz fallengelassen worden. Diese Regelung, die aus dem Unionsplan für Südindien übernommen worden ist, kann trotz der erwähnten Einschränkung als Ausdruck für die volle Anerkennung der freikirchlichen Ämter angesehen werden — im anderen Falle wäre dieser Vorschlag wohl auch nicht von freikirchlichen Theologen mitunterschrieben worden. So überrascht es auch nicht, daß sich der „Rat der Evangelischen Freikirchen in England" in seiner Antwort (1941) sehr zustimmend über diesen Abschnitt äußert. Die Gleichstellung der Ämter wird anerkannt; daß der Gedanke einer Re-ordination nicht mehr auftaucht, wird begrüßt; und auch der Einschränkung, daß einer Gemeinde ein bestimmes Amt nicht gegen deren Widerstand auf gezwungen werden kann, wird zugestimmt 77 . Die in den bisher angeführten Texten zum Ausdruck kommende Auffassung, nach der die nicht-bischöflichen Ämter als wahre Ämter des Wortes und der Sakramente anerkannt werden und sie lediglich im Blick auf ihre Regularität und Autorisierung als „defektiv" beurteilt werden, findet sich audi in den wenigen Worten ausgesprochen, die sich im Bericht der erzbischöflichen Kommission „Doctrine in the Church of England" direkt auf die nicht-bischöflichen Ämter beziehen: „We do not doubt that God has accepted and used other Ministries which through breach of continuity in the past are deficient in outward authorisation." 78 Der Bericht der Lambethkonferenz von 1948 bietet im Blick auf die nicht-bischöflichen Ämter keine bemerkenswerten Aussagen79. Auch der gemeinsame Bericht anglikanischer und freikirchlicher Theologen „Church Relations in England" ist für unsere Frage ohne Bedeutung. Er bekräftigt noch einmal die Wirksamkeit der nicht-bischöflichen Ämter 80 , lehnt die Re-ordination für diese Ämter ab und läßt die Form für eine gegenseitige Anerkennung der Ämter in einer vereinigten Kirche offen81. Der im Jahre 1957 veröffentlichte gemeinsame Bericht über die Gespräche zwischen den anglikanischen und presbyterianischen Kirchen in England und Schottland enthält ebenfalls keine eingehenderen Aussagen über die nicht-bischöflichen Ämter 82 . Vorschläge für eine gegenseitige Anerkennung der verschiedenen Ämter in einer vereinigten Kirche werden auch hier noch nicht gemacht. Die Folgerung der Generalversammlung der 76
Documents 3, S. 99, das sogenannte „Pledge" ist auf S. 97 f. abgedruckt. Ebd. S. 118 f. 78 Doctrine in the Church of England, S. 122. 79 The Lambeth Conference 1948, S. 11.50. 80 81 Documents 4, S.53. Ebd. S. 55 f. 82 Relations between Anglican and Presbyterian Churches, A Joint Report, London 1957, vgl. S.7. 77
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Kirche von Schottland aus diesen Gesprächen, daß die Ämter der Kirche von Schottland nicht als Ämter in der katholischen Kirche anerkannt würden 83 , findet dagegen weder im Wortlaut noch im allgemeinen Gedankengut des Berichtes eine Begründung. Im Zwischenbericht über die Gespräche zwischen der Kirche von England und der methodistischen Kirche in England werden die methodistischen Ämter als Ämter von Christi Wort und Sakramenten anerkannt, und es wird auf deren vielfältige Wirksamkeit hingewiesen. Als Mangel dieser Ämter wird die fehlende Autorisierung durch das in der Sukzession stehende Bischofsamt erwähnt. Ob oder inwieweit diese „Abweichung von der N o r m " eine Beeinträchtigung der geistlichen Vollmacht und Wirksamkeit eines solchen Amtes bedeutet, glauben die anglikanischen Teilnehmer an den Gesprächen nicht beurteilen zu können 84 . Immerhin deutet dieser Satz die Möglichkeit an, daß sich der „Defekt" dieser Ämter nicht nur auf die äußere Regularität und Autorisierung, sondern auch auf die Validität und Wirksamkeit eines Amtes erstrecken kann. Als Form für die Vereinigung von bischöflichen und nicht-bischöflichen Ämtern in einer vereinigten Kirche wird der in den Unionsplänen für Ceylon und Nordindien gemachte Vorschlag empfohlen: Alle Geistlichen der sich vereinigenden Kirchen erhalten von den bereits ernannten Bischöfen der vereinigten Kirche unter Handauflegung und Gebet eine Autorisierung für das Amt in der neuen Kirche 85 . Diese Handlung soll ausdrücklich nicht als Re-ordination verstanden werden 86 . Nach Auffassung der Verfasser dieses Berichtes hat diese Form der Vereinigung der Ämter den Vorzug, 1. daß es abgelehnt wird, exakt festzulegen, in welcher Hinsicht vielleicht die verschiedenen Ämter in ihrer Autorität und Validität begrenzt sind, und 2. daß geglaubt wird, daß in Antwort auf das Gebet der Kirche und durch die Handauflegung Gott alle Beschränkungen, die in seiner Sicht in irgendeinem der verschiedenen Ämter bestehen, aufhebt 8 7 . Auf diese Weise soll der Blick von der Frage der Beurteilung der bestehenden Ämter auf die zukünftige, vereinigte Kirche gelenkt werden 8S . Der Bericht der Lambethkonferenz von 1958 ist in seinen Aussagen über die nicht-bischöflichen Ämter ebenso zurückhaltend wie die Berichte der vorausgegangenen Lambethkonferenzen. Er beschränkt sich darauf, die geistliche Wirksamkeit dieser Ämter herauszustellen 89 . Siehe oben S. 187 Anm.42. Conversations between The Church of England and The Methodist Church. An Interim Statement, London 1958, S. 26 f. 8 5 Ebd. S. 44; vgl. hierzu die Unionspläne für Nordindien und Ceylon, Documents 4, S. 163 f. und 177. 8 6 Documents 4, S. 178 f. (Plan für Nordindien). 8 7 Conversations, a.a.O. S. 44. 88 Ebd. 8 9 The Lambeth Conference 1958, S . I I . 2 2 . 83 84
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Die in den anglikanischen Verlautbarungen und in den gemeinsamen Berichten über die Gespräche mit anderen Kirchen enthaltenen Aussagen über die nicht-bischöflichen Ämter sind nicht einheitlich, zumal sie jeweils nur einen Kompromiß der im jeweiligen Verfasserkreis bestehenden theologischen Auffassungen darstellen. Ubereinstimmend wird durch alle Aussagen hindurch die geistliche Wirksamkeit der nicht-bischöflichen Ämter immer wieder betont. Die Lambethkonferenzen vermögen in ihrem Bemühen um Einmütigkeit nicht über dieses Zugeständnis der Wirksamkeit hinauszugehen. Lediglich den Vorschlag für eine Re-ordination der nicht-bischöflichen Ämter, der natürlich eine bestimmte Beurteilung dieser Ämter zum Ausdruck brachte, haben sie fallengelassen. D a man nach Auffassung der Mehrzahl der anglikanischen Theologen aus der Wirksamkeit eines Amtes (oder Sakramentes) noch nicht automatisch dessen Validität und Regularität folgern kann, bedeutet das Zugeständnis der Wirksamkeit noch keine Anerkennung dieser Ämter als wahrer Ämter der Kirche Christi. Um diese Anerkennung aber geht es den nicht-bischöflich verfaßten Kirchen, die mit der Kirdie von England Gespräche geführt haben und noch führen. In einigen Dokumenten wird diese Anerkennung explizit ausgesprochen, in anderen fehlt sie. Daß hier keine Einmütigkeit unter den anglikanischen Theologen herrscht, ist bekannt. In der neuesten Zeit scheint man diese Frage mit Hilfe des in den Unionsplänen für Ceylon und Nordindien vorgeschlagenen feierlichen Aktes einer neuen Autorisierung aller Amtsträger für den Dienst in der vereinigten Kirche 90 aus den Gesprächen und Verhandlungen ausklammern zu wollen. Ob dies für die nicht-bischöflichen Kirchen eine echte und annehmbare Lösung ist, wird sich erst noch zeigen müssen. Daß in den Verlautbarungen seit etwa 1930 die frühere anglikanische Forderung auf Re-ordination der nicht-bischöflich ordinierten Geistlichen zugunsten anderer Vorschläge fallengelassen worden ist, hat seinen Grund wohl nicht nur in einer veränderten Beurteilung dieser Ämter, sondern beruht auch auf der Einsicht, daß nur so weitere Gespräche mit den Freikirchen und der Kirche von Schottland einen Sinn haben. Was die Kritik an den bestehenden nicht-bischöflichen Ämtern angeht, so wurde es in allen Texten abgelehnt, diese Ämter als „invalid" oder als „null und nichtig" zu bezeichnen. Vielmehr wurde in der fehlenden bischöflichen Ordination eine Beeinträchtigung der Regularität und Autorisierung dieser Ämter gesehen. Daß damit zugleich auch die Validität dieser Ämter berührt ist, wird nicht gesagt. Wie hier so ist auch sonst ein Einfluß der streng anglo-katholischen Theologen nicht bemerkbar 91 . Documents 4, S. 164—166 (Ceylon) und S. 1 7 7 — 1 8 2 ( N o r d i n d i e n ) . D i e Teilnahme anglokatholischer Theologen an den Gesprächen hatte zweifellos zur Folge, d a ß manche A u s s a g e über die nicht-bisdiöflidien Ä m t e r nicht so positiv 90
91
197
Die großen nicht-bischöflich verfaßten Kirchen werden in den hier angeführten halboffiziellen Berichten als wahre Kirchen und als innerhalb der einen Kirche Christi stehend anerkannt. Dafür lassen sich viele Beispiele anführen 92 . d) Die Aussagen der nicht-anglokatholischen bischöflichen Ämter und Kirchen
Theologen über die nicht-
Die Ämter der nicht-bischöflichen Kirchen werden — sofern sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen — von den nicht-anglokatholischen Theologen als wahre Ämter anerkannt. Der Unterschied zwischen den Ämtern bischöflicher und nicht-bischöflicher Kirchen ist nach Auffassung dieser Theologen nicht grundsätzlicher sondern lediglich gradueller Art. Headlam begründet seine Uberzeugung, daß zwischen bischöflichen und nicht-bischöflichen Ämtern kein Unterschied besteht, mit dem Hinweis, 1. daß die Kirche Christi geteilt sei und daher keine Kirche die ganze katholische Tradition bewahrt habe, sondern vielmehr jede Kirche unvollkommen sei und in der Versuchung stehe, ein bestimmtes Element der eigenen Tradition überzubetonen — wie dies in der anglikanischen Kirche mit dem Bischofsamt geschehe93, und 2. daß für eine valide Ordination die Handauflegung mit Gebet notwendig sei, nicht aber die apostolische Sukzession94. Die Ämter nicht-bischöflicher Kirchen weisen viele Zeichen göttlicher Gnade auf, weil sie zu Kirchen gehören, die Zweige der einen Kirche Christi sind und die die Sakramente Christi und ein apostolisches Amt besitzen. Diese Ämter sind unvollkommen, wie alle Ämter auf Grund der zerbrochenen Einheit der Kirche Christi unvollkommen sind. Kein Amt besitzt die Autorität der ganzen katholischen Kirche. Man kann nicht auf Grund des Besitzes oder Verlustes der apostolischen Sukzession einen Unterschied zwischen Ämtern bischöflicher und nicht-bischöflicher Kirchen machen95. Immerhin räumt Headlam an anderer Stelle doch einen gewissen Unterschied zwischen diesen Ämtern ein, der aber auf den äußeren Bereich der Regularität beschränkt ist 96 . Headlams Auffassung ist von anderen nicht-anglokatholischen Theologen modifiziert worden 97 . Zugleich aber haben diese Theologen den formuliert werden konnte, wie es die nicht-anglokatholischen Theologen gewünscht hätten. 92 Z.B. Documents 1/2, S . l (Lambethkonferenz 1920); ebd. S. 43 (Bericht „Church Unity" aus dem Jahre 1922); Documents 3, S. 127 (Report of the Joint Committee appointed by the Archbishop of Canterbury and Representatives of the Churdi of Scotland, 1934); The Lambeth Conference 1958, S.II. 43. 93 84 A . C . H e a d l a m , a.a.O. S.267. Ebd.S.254. 95 96 Ebd. S. 265 und XIV. Vgl. hier S. 181. 97 Α. Ε. J. Rawlinson, Problems of Reunion, S. 62, und Ο. C. Quids, The Christian Sacraments, S. 158 f. Beide halten Headlams Vorschläge für nicht befriedigend. 198
Gedanken, daß die Gespaltenheit der Kirche Christi bestimmte Auswirkungen auf die Ämter aller Kirchen hat, aufgenommen und eingehender ausgeführt. Hierbei ist vor allem Quick zu nennen, der diesen Gedanken weiterentwickelt hat und auf den sich viele anglikanische Theologen in ihren Arbeiten beziehen. Nach Quieks Auffassung ist die von der Kirche übertragene feierliche Autorisierung, im Namen der Kirche zu handeln, ein wesentlicher Teil der Ordination 9 8 . Da nun in einer gespaltenen Kirche nicht mehr die gesamte Kirche die Verantwortung für die Ernennung von Amtsträgern tragen kann, fehlt allen Ämtern die Fülle der Autorität, und die Validität aller Ämter ist in einem bestimmten Maße beeinträchtigt". Hieraus zieht Quick die positive Folgerung: Auch die Ordinationen in Kirchen, die nicht ein in der apostolischen Sukzession stehendes Amt besitzen, sind nicht ohne Validität. Die bischöfliche Sukzession ist zwar für die volle Validität der Ämter notwendig. Andererseits gilt aber: "But, on the other hand, if authority to act in the whole Church's behalf is of the essence of Orders, and if the authorisation is everywhere through schism incomplete, it seems reasonable to hold that, wherever a separated Christian body solemnly sets men apart to be ministers of the word and sacraments, not in this or that sect, but in the Catholic Church so far as it understands its nature, there something essential to the nature of valid ordination has been performed, that Christ through that part of His disunited Church has bestowed a certain authority to minister in His Church upon the men so set apart, and that they are really, however defectively, ordained men, who celebrate, however imperfectly, the real sacraments of Christ's appointment." 1 0 0 In all diesen Ämtern ist also etwas vorhanden, was wesentlich zur Validität hinzugehört. Da Quick nicht zwischen Validität und Regularität unterscheidet, bezieht er die Defekte der nicht-bischöflichen Ämter mit auf deren Validität. Aber der Unterschied zwischen bischöflichen und nicht-bischöflichen Ämtern besteht nach seiner Auffassung nicht darin, daß das eine Amt die volle Validität besitzt und das andere gar keine, sondern daß beide ein bestimmtes Maß an Validität haben, wobei dem bischöflich ordinierten Amt allerdings ein größeres Maß zukommt. Jedoch ist der Unterschied zwischen beiden Ämtern nicht grundsätzlich, sondern nur graduell, dabei lassen sich die Gradunterschiede natürlich im einzelnen nicht genau bestimmen. Quick wendet sich gegen eine Ordination sub conditione, durch die die Ordination nicht-bischöflicher Geistlicher bei einer Vereinigung von bischöflichen und nicht-bischöflichen Kirchen vervollständigt werden soll 101 . Er befürwortet statt dessen eine 98
100
Ebd. S. 141. Ebd. S. 146.
·» Ebd. S. 143. "» Ebd. S. 151.
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(gegenseitige) Autorisierung, durch die jedes der betreffenden Ämter eine umfassendere Autorisierung als bisher empfängt 102 . In jüngster Zeit hat neben anderen Theologen Robinson die Auffassung Quieks übernommen und sie vom Neuen Testament her noch vertieft: Wie jedes Amt in der Kirche im Auftrage Christi besteht (2. Kor. 5, 20 hyper Christou), so besteht es zugleich audi für den Leib Christi (Eph.4,11 f.; vgl. Kol. 1,24 hyper tou somatos). Seine Validität und Autorität leitet das Amt von Christus-in-seinem-Leibe her. Jedes Amt ist in dem Maße in seiner Validität beeinträchtigt und in seiner Autorität geschwächt, als hinter ihm nur die Autorität eines Bruchteils des Leibes Christi steht und nicht das „es dünkte dem Heiligen Geist und uns gut" der ganzen katholischen Kirche103. Montefiore nimmt im selben Sammelband diesen Gedankengang auf und führt ihn weiter: "Because of the divisions of the church, (footnote: Here the 'church' means 'Christ's church militant here in earth'.) his (d.h. des Priesters) authorisation is now still partial and incomplete. This applies both to episcopal and non-episcopal orders." Daß ein Gradunterschied zwischen den bischöflichen und nicht-bischöflichen Ämtern besteht, wird auch hier unterstrichen: "All orders, then, are defective: but they are not all equally defective. The church officer of the Seventh Day Adventists, the Presbyterian minister and the Anglican priest are not all 'on the same level'." Die in der apostolischen Sukzession stehenden Ämter sind nicht in dem Maße defektiv wie die nicht-bischöflichen Ämter 104 . Auch Nicholls vertritt diese Auffassung 105 . Den bisher angeführten Theologen geht es vor allem darum, zu zeigen, daß das Amt der anglikanischen Kirche nicht einfach das valide, katholische Amt ist, während die Ämter der nicht-bischöflichen Kirchen daran gemessen bestenfalls eine Funktion innerhalb ihrer Gemeinschaften ausüben, aber darüber hinaus keine Validität besitzen 106 . Vielmehr haben nach Auffassung dieser Theologen alle Ämter das gemein, daß sie nicht die Autorisierung der einen Kirche Christi besitzen und darum alle unvollkommen, defekt sind. Auf Grund der bischöflichen Ordination, die zur vollen Validität des Amtes hinzugehört, besitzen die bischöflichen Ämter ein größeres Maß an Validität als die anderen Ämter. Andere Theologen erwähnen diese Gradunterschiede nicht ausdrücklich, wenngleich sie von demselben Ausgangspunkt ausgehen, oder sie machen nun auch genauere Aussagen über den Status der nicht-bischöf102
Ebd. S. 152 f. J.A.T.Robinson in: K.Carey ed., The Historie Episcopate, S. 14f. 104 H.Montefiore in: K. Carey ed., a.a.O. S. 123. los y/j Nicholls, Episcopacy, in: Friends of Reunion Bulletin, N o . 49, Leominster 1954, S.6—8 (Gradunterschiede). 109 Ebd. S. 7 f. 103
200
liehen Ämter, denn solche finden sich nicht ausdrücklich bei den bisher behandelten Theologen. So schreibt Hickinbotham: "At present no ministry is completely valid, for none has the universal commission of the Body of Christ, but all (episcopal and non-episcopal) have a partial validity because all have the commission to minister through part of Christ's body." 107 Daß Hickinbotham wie auch diejenigen Theologen, die ähnliche Aussagen machen108, damit nicht für eine Identität von bischöflichen und nicht-bischöflidien Ämtern eintreten, dürfte auf Grund ihrer Lehre vom historischen Bischofsamt deutlich sein. Wichtiger für unseren Zusammenhang sind Aussagen, die über die bisher angeführten allgemeinen Ausführungen hinausgehen und den Status der nicht-bischöflichen Ämter genauer zu bestimmen suchen. So stimmt Bell ganz mit Quick überein, wenn er schreibt, daß keine Teilkirclie der Kirche Christi eine im vollen Sinne valide Beauftragung verleihen kann, das Amt des Wortes und der Sakramente in der ganzen Kirche auszuüben. Daher ist in jeder der getrennten Kirchen das Amt hinsichtlich seiner Validität defektiv. Von hier aus werden die Ämter nun näher bestimmt: "Granted that the schisms are internal, the ministry in each of the separated 'Churches' is a real ministry of the Word and Sacraments in the Church of God, and in that sense it is a valid ministry. For example, the ministry of the Methodist Church, from this point of view, would be a ministry of a Christian communion which, though separated from the Church of England, would nevertheless be a ministry of the Church and a ministry of Christ, while only authorised as a ministry amongst the Methodists and requiring supplementation before it could be authorised outside the Methodists." Die Ämter der verschiedenen Kirchen sind wahre Ämter des Wortes und der Sakramente in der Kirche Gottes, und in diesem Sinne sind sie auch valide Ämter. Aber alle Ämter besitzen eine Autorisierung lediglich für die Kirche, zu der sie gehören. Eine Voraussetzung für eine Vereinigung einer anglikanischen mit einer nicht-bischöflichen Kirche oder für die Herstellung der Abendmahlsgemeinschaft zwischen solchen Kirchen besteht nach Bell darin, daß die Ämter der betreffenden Kirchen jeweils von der anderen Kirche eine umfassendere Beauftragung empfangen, durch welche die begrenzte Autorisierung aller Ämter vervollständigt wird — jedenfalls für den Bereich der betreffenden Kirchen. Eine Re-ordination wird abgelehnt 109 . Greenslade stellt die Frage nach der Beurteilung der nicht-bischöflichen Ämter in einen noch umfassenderen Zusammenhang hinein. In seinem Ausgangspunkt unterscheidet er sich nur wenig von den bisher angeführten Theologen, wenn er schreibt, daß Christus wie audi die Kirche in der 11)7 108 1M
J.P.Hickinbotham in: S.Neill ed., The Ministry of the Church, S . 3 8 f . L.Hodgson, Essays in Christian Philosophy, S. 146f. G . K . A . B e l l , Christian Unity, S . 1 4 4 f . 201
Ordination handeln. Da nun die Kirche Christi gespalten ist, ist es theologisch ungerechtfertigt, Christi Wirken so einzuschränken, daß man sagt, Christus könne oder wolle den getrenten Kirchen kein wahres Amt des Wortes und der Sakramente geben, es sei denn durch das in der apostolischen Sukzession stehende Bischofsamt. Es ist nach Greenslade unmöglich, von einem solchen Gedanken auszugehen und dann ohne Rücksicht auf das, was eine christliche Gemeinschaft tatsächlich besitzt, zu behaupten, sie könne kein wahres Amt und keine validen und wirksamen Sakramente haben110. Greenslade glaubt, daß auch die nichtbischöflichen Kirchen valide Ämter besitzen, aber er möchte nun nicht pauschal alle Ämter nicht-bischöflicher Kirchen als wahre Ämter anerkennen, wenn diese Kirchen nicht eine Reihe von Voraussetzungen erfüllen. In einer gespaltenen Christenheit, in der kein Amt die volle Autorisierung besitzt, hängt der Status eines Amtes nicht davon ab, ob es in der Linie der bischöflichen Sukzession steht oder nicht, sondern ob es zu einer Kirche gehört, in der das Evangelium schriftgemäß verkündigt wird, die altkirchlichen Glaubensbekenntnisse in Geltung stehen, die Schriftsakramente verwaltet werden, in der Männer unter Gebet ausgesondert werden, um von Christus durch die Gebete der Gemeinde zum Amt ordiniert zu werden, und in der die Früchte des Geistes zu erkennen sind. Greenslade erkennt die Ämter solcher Kirchen an, auch wenn diese kein in der apostolischen Sukzession stehendes Amt besitzen. Sie sind wahre Ämter des Wortes und der Sakramente in der Kirche Christi 111 . Damit will aber auch er nicht sagen, daß bischöfliche und nicht-bischöfliche Ämter identisch sind112. Aber er hält den Unterschied zwischen beiden für unerheblich. Zwischen Kirchen, die die von ihm erwähnten Voraussetzungen erfüllen, sollte Abendmahlsgemeinschaft hergestellt werden113. Mehrere nicht-anglokatholische Theologen begründen die Anerkennung der nicht-bischöflichen Ämter mit dem Hinweis auf die Umstände, die zu deren Entstehung geführt haben. So weist Hodgson allgemein auf das Recht nicht-bischöflicher Ämter hin: Gott kann neue Ämter berufen, um durch sie den Dienst der anderen Ämter fortzuführen, wenn diese ihrer Bestimmung untreu werden. Darum erkennt er die nicht-bischöflichen Ämter als wahre Ämter an U4 . In einer anderen Schrift schreibt er, daß die apostolische Sukzession der anglikanische Beitrag für die vereinigte Kirche der Zukunft sein wird. Gott will aber zugleich von uns, daß wir die Gleichheit seiner sakramentalen Wirksamkeit in bischöflichen wie in nicht110 111 112 113 114
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S. L. Greenslade, Schism in the Early Church, S.218. E b d . S . 2 1 8 f. Ders. in: D. Baillie and J. Marsh ed., Intercommunion, S . 2 2 8 und 232. Ebd. S. 2 2 2 — 2 3 5 . L.Hodgson, Apostolic Succession, S. 15.
bischöflichen Kirchen anerkennen sollen 115 . In einer dritten Schrift spricht Hodgson von der Gleichheit bischöflicher und nicht-bischöflicher Ämter und fordert, die nicht-bischöflichen Ämter als wahre Ämter, als Gottes Willen für die Zeit der Gespaltenheit anzuerkennen. Damit sind aber beide Ämter keineswegs dasselbe 116 . Auch der gemeinsame Bericht führender nicht-anglokatholischer Theologen „The Fulness of Christ" sieht im „theologischen Ursprung" der nicht-bischöflichen Ämter den Grund f ü r deren Anerkennung. Dort heißt es: Das Prinzip, das Evangelium um jeden Preis zu bewahren, ist so wichtig wie das Prinzip, daß die äußere Kontinuität des Amtes Gewicht und Bedeutung für die Kirche besitzt. Wie durch die Ämter der bischöflichen Kirchen schenkt der H e r r die Gnade des Wortes und der Sakramente auch durch die nicht-bischöflichen Ämter, wenn auch eine vereinigte Kirche das historische Bischofsamt besitzen sollte 117 . Ähnliche Auffassungen werden von Sansbury, Garret und Hickinbotham vertreten 118 . Hettlinger verwendet bei seiner Beurteilung der nicht-bischöflichen Ämter die beiden Begriffe „validity" und „regularity". Er ist der Auffassung, daß die nicht-bischöflichen Kirchen valide Ämter besitzen, sofern einige wesentliche Bedingungen erfüllt sind, daß diese Ämter zugleich aber auch irregulär sind, da ihnen ein Element der Regularität, nämlich die bischöfliche Ordination, fehlt. Da aber zu einem im vollen Sinne regulären Amt auch die Anerkennung und Autorität der ganzen Kirche gehört, wie auch die Freiheit, das Amt in der ganzen katholischen Kirche auszuüben, so sind in der gespaltenen Kirche Christi alle Ämter, auch die bischöflidien, in dieser Hinsicht irregulär 119 . Als wesentliche Bedingung für die Anerkennung nicht-bischöflicher Ämter nennt Hettlinger, daß die Amtsträger von denjenigen ausgewählt und berufen werden, die in der Kirche öffentliche Autorität empfangen haben, andere zum Amt zu berufen und auszusenden 120 . Hettlinger erkennt die Validität der nichtbischöflichen Ämter an. Diese Ämter sind aber auf Grund der fehlenden bischöflichen Ordination zugleich irregulär, wie es auch die bischöflichen Ämter sind. Man könnte hinzufügen, daß die bischöflichen Ämter nicht in dem Maße irregulär sind wie die nicht-bischöflichen, da sie immerhin ein wesentliches Element der Regularität — die bischöfliche Ordination — bewahrt haben. Dieser Unterschied spielt jedoch für Hettlinger keine Rolle. Abgesehen davon, daß er ganz andere Bedingungen für die An115
L.Hodgson, Anglicanism and South India, Cambridge 1943, S. 19. L.Hodgson, Essays in Christian Philosophy, S. 148. 117 The Fulness of Christ, S.83. 118 C. Κ. Sansbury, Episcope in the Anglican Communion, S.27; Τ. S. Garret, The Ministry, S.28; J.P.Hickinbotham in: S.Neill ed., The Ministry of the Churdi, S . 3 8 f . 119 R. F. Hettlinger, Episcopacy and Reunion, S. 93 f. 120 Ebd. S. 95 (Hinweis auf Art. 23 der 39 Artikel). 116
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erkennung nicht-bischöflicher Ämter anführt als Greenslade und daß er audi auf Grund seiner Terminologie etwas andere Aussagen macht als die angeführten nicht-anglokatholischen Theologen, unterscheidet sich Η ettlinger doch sachlich kaum von der Gruppe der hier behandelten Theologen. Die nicht-anglokatholischen Theologen erkennen die von den nichtbischöflichen Ämtern verwalteten Sakramente als wahre, valide Sakramente an, wenn diese der Stiftung Christi gemäß gespendet werden m . Da im Unterschied zu den Anglokatholiken die nicht-anglokatholischen Theologen das Kirchesein einer Kirche nicht vom Amt her beurteilen, können sie auch die nicht-bischöflich verfaßten Kirchen als wahre Kirchen anerkennen. Wenn diesen Kirchen etwas von der Fülle der Kirche fehlt, so sind sie doch immer noch im vollen Sinne Kirche, zumal auch die bischöflich verfaßten Kirchen nicht diese Fülle besitzen122. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß die nicht-anglokatholischen Theologen in ihrer Beurteilung der nicht-bischöflichen Ämter darin übereinstimmen, daß zwischen bischöflichen und nicht-bischöflichen Ämtern kein grundsätzlicher Unterschied besteht. Je nach der verwendeten Terminologie wird davon gesprochen, daß alle Ämter in ihrer Validität, Autorisierung oder Regularität mehr oder weniger defektiv sind. Die nicht-bischöflichen Ämter sind wahre Ämter des Wortes und der Sakramente in der Kirche Christi. Einige nicht-anglokatholische Theologen unterstreichen den Gradunterschied zwischen bischöflichen und nichtbischöflichen Ämtern, während andere die Verschiedenheiten nicht weiter hervorheben. Nur wenige Theologen gehen auf die Frage ein, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit die Ämter nicht-bischöflicher Kirchen als wahre, valide Ämter anerkannt werden können. e) Die Beurteilung der nicht-bischöflichen Ämter und Kirchen durch die anglokatholischen Theologen Die anglokatholische Lehre vom Amt erlaubt es nicht, nicht-bischöfliche Ämter als wahre Ämter des Wortes und der Sakramente in der Kirche Christi anzuerkennen. Andererseits müssen aber auch die Anglokatholiken einräumen, daß diese Ämter auf verschiedene Weise von Gott in Dienst genommen worden sind und mancherlei geistliche Wirkungen gezeitigt haben. Zwischen diesen beiden Polen bewegen sich nun die Aussagen über die nicht-bischöflichen Ämter. Abgesehen von der allen Anglo121
Vgl. u. a. S. L. Greenslade, Schism in the Early Churdi, S. 214—218; A. C. Headlam, a.a.O. S.265; The Fulness of Christ, S. 83; L. Hodgson, Apostolic Succession, S. 15. 122 Vgl. u.a. A. E. J. Rawlinson, Problems of Reunion, S.58—60; R.F.Hettlinger, Episcopacy and Reunion, S. 90,96 und 98; W.Nicholls, Episcopacy, S. 7 f.
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katholiken gemeinsamen Überzeugung, daß bischöfliche und nicht-bischöfliche Ämter grundsätzlich unterschieden sind und die nicht-bischöflichen Ämter nicht das Wort und Sakramente verwaltende apostolische Amt der Kirche darstellen, geschieht nun die Beurteilung der nicht-bischöflichen Ämter durch die Anglokatholiken in nicht ganz einheitlicher Weise. Dabei kann man drei Gruppen unterscheiden. Einige Theologen weisen lediglich darauf hin, daß im Unterschied zu den anglikanischen Ämtern die nicht-bischöflichen Ämter keine wahren Ämter der Kirche Christi sind. Andere Theologen möchten nicht ein nur negatives Urteil abgeben und unterstreichen daher in ihren Aussagen, daß sich die nicht-bischöflichen Ämter von den bischöflichen Ämtern darin unterscheiden, daß sie eine ganz andere Bestimmung und Funktion haben als jene. Schließlich gibt es einige Anglokatholiken, die eine weniger strikte Haltung einnehmen. Die Beurteilung der nicht-bischöflichen Ämter hat, der anglokatholischen Lehre vom Amt entsprechend, audi eine bestimmte Sicht der nichtbischöflichen Kirchen und der in diesen Kirchen verwalteten Sakramente zur Folge. Kirk vertritt die Auffassung der ersten Gruppe. Er befaßt sich eingehend mit der Frage nach dem Status der nicht-bischöflichen Ämter. Sein grundsätzliches Urteil lautet: Die Auffassung, daß das Amt des Wortes und der Sakramente in der Kirche Christi von irgend jemand legitim ausgeübt werden kann, der seine Beauftragung nicht durch die apostolische Sukzession vom „wesentlichen Amt" empfangen hat, ist unschriftgemäß und unapostolisch. Oder noch deutlicher: . . without the succession the ministry is no ministry" 123 . Die nicht-bischöflichen Ämter sind „invalid", da sie außerhalb der apostolischen Sukzession stehen124. Ein Problem entsteht nach Kirks Auffassung dadurch, daß sich diese Ämter wie valide Ämter verhalten und oft gleiche Wirkungen wie diese haben. Sie sind geistlich auferbauend und wirksam. Gott hat sie in Dienst genommen und gesegnet125. Diese geistliche Wirksamkeit täuscht ein valides Amt vor. Da aber zwischen Wirksamkeit und Validität keine logische Verbindung besteht, kann auch die Wirksamkeit kein Beweis für die Validität sein. Umgekehrt gibt es aber eine solche Verbindung zwischen „Invalidität" und „Unwirksamkeit" (inefficacy). Wie wirksam ein nicht valides Amt auch immer sein mag, seine Invalidität hindert es doch daran, in dem Sinne wirksam zu sein wie die validen Ämter 126 . Es gibt bestimmte Funktionen, die ein invalides Amt nicht ausüben kann. Die Kontinuität, ja die Existenz der Kirche ist von einem validen Amt abhängig, die nicht-bischöflichen Ämter sind für diese Kontinuität nicht notwendig 127 . Schließlich interpretiert Kirk die Aussagen des Memoran123 124 128
K.E.Kirk, a.a.O. S.24 und 25. Ebd. S. 40 und 43. Ebd. S. 38 f.
125 127
Ebd. S. 45. Ebd. S. 39 f.
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dums von 1923 in der Weise, daß die nicht-bischöflichen Ämter zwar de facto" Ämter sind, aber nicht „de jure" 1 2 8 . Einmal widerspricht hier Kirk seinen früheren Aussagen über die nicht-bischöflichen Ämter, wenn er sie hier als „de facto", als wirkliche (real) Ämter anerkennt, andererseits ist aber eine Scheidung von „de facto" und „de jure" in diesem Zusammenhang kaum möglich, sonst würde das bedeuten, daß Gott durch Ämter Gnade verliehen hat, durch die er es eigentlich gar nicht hätte tun dürfen 129 . In ähnlicher Weise wie Kirk bezeichnen auch andere Anglokatholiken die nicht-bischöflichen Ämter als „invalid", da diese nicht in der apostolischen Sukzession stehen und so einer Anordnung Christi und des Heiligen Geistes für die Kirche nicht entsprechen130. Daß diese Ämter wirksam sein können, wird von keinem dieser Theologen bestritten. Audi die Interpretation, die Williams der Regel hinzufügt, daß in die Kirche von England übergetretene Pfarrer nicht-bischöflicher Kirchen im Unterschied zu konvertierten römisch-katholischen Priestern noch einmal ordiniert werden, ist für die hier skizzierte Auffassung bezeichnend. Nach Williams' Auffassung macht die Re-ordination nicht-bischöflich ordinierter Geistlicher deutlich, daß diese bisher noch keine Priester oder Presbyter in der Kirche Gottes waren 1S1 . Eine größere Anzahl anglokatholischer Theologen erweitert die Aussage, daß die nicht-bischöflichen Ämter keine validen Ämter der Kirche Christi sind, dahingehend, daß sie diesen Ämtern doch den Status eines „Amtes" einräumen, allerdings eines vom Bischofs- und Priesteramt wesentlich unterschiedenen Amtes. Peck sagt über die nicht-bischöflichen Ämter, daß sie nicht das göttlich ernannte Amt sind132, um dann an anderer Stelle zu schreiben: Die nicht-bischöflichen Ämter sind nicht Ämter der universalen Kirche, aber auch die nicht-bischöflichen Pfarrer sind von Christus beauftragt worden, allerdings zu einem anderen Amt als zu dem des Bischofs oder Priesters. Die nicht-bischöflichen Gemeinschaften haben das Bischofs- und Priesteramt gar nicht haben wollen, und so hat ihnen Gott das Amt gegeben, das sie sich wünschten133. In welcher Weise wird nun dieses „andere Amt" der nicht-bischöflichen Kirchen näher bestimmt? Dix gesteht den Reformationskirchen ein Amt zu, das seinem Wesen und seinen Funktionen nach dem örtlichen Amt Ebd. S. 44 f. Α. E. J . Rawlinson, Problems of Reunion, S. 60, schreibt im Blick auf diese Auffassung: " . . . God should not have bestowed his grace through such ministries, in point of fact he has done s o ! " 1 3 0 F . J . H a l l , Reunion in Ecumenical Light, London 1930, S . 9 1 ; R.Raynes, S. 10; E. G.Knapp-Fisher, a.a.O. S . 4 7 f . ; A. G.Hebert, Unity in Truth, London 1939, S.55. 1 3 1 N.P.Williams, Lausanne, Lambeth and South India, S. 13. 1 3 2 A. L. Peck, Anglicanism and Episcopacy, S. 100. 1 3 3 Ders., This Church of Christ, S. 85. 128
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des judenchristlichen „Presbyters" entspricht134. Das Amt, das zum offiziellen Amt der Kirche wurde und somit auch das judenchristliche Presbyteramt ablöste, das apostolische Priester- und Bischofsamt, besitzen diese Kirchen nicht. Ohne dieses Amt kann aber eine Gemeinschaft keine Kirche sein. Hinter dieser Beurteilung steht die anglokatholische Interpretation des neutestamentlichen Befundes, wonach nämlich die Presbyter der neu gegründeten Gemeinden in ihrer Ernennung vom Apostelamt abhängig waren — darum kann Dix die nicht-bischöflichen Ämter auch nur mit den judenchristlichen Ältesten, die nicht von einem höheren Amt eingesetzt wurden, vergleichen — und neben diesem Presbyteramt das Apostelamt mit seinen direkten Nachfolgern bis zum heutigen Tage als das wesentliche Amt der Kirche steht. Hinzu kommt bei Dix noch die „shaliach-Theorie" und ein sazerdotales Verständnis des Priesteramtes 135 . Mehrere Anglokatholiken beschreiben den Charakter der nicht-bischöflichen Ämter mit dem Hinweis, daß diese Ämter lediglich prophetische Ämter sind und das offizielle, apostolische Amt in den betreffenden Kirchen fehlt. So schreibt Williams: In der Reformationszeit ging in vielen Bereichen der Kirche das offizielle oder apostolische Amt gänzlich verloren, nur das prophetische Amt wurde bewahrt. Dieses prophetische Amt mußte dann auch die Verwaltung der Sakramente und die Leitung der Kirche übernehmen. Aus einer Notmaßnahme wurde ein Dauerzustand, zu dem auch ein neues Amtsverständnis hinzukam 136 . Moss beurteilt die nicht-bischöflichen Ämter in derselben Weise wie Williams. Er sagt: Die neuen, durch die Reformation in ihr Amt gekommenen Amtsträger waren Prediger, aber keine Priester. Der einseitig anglokatholische Standpunkt, von dem aus geurteilt wird, kommt klar zum Ausdruck, wenn er schreibt: "The Catholic presbyter is a member of the second order of the ministry with power to celebrate the Eucharist, to absolve and to bless. The Reformed presbyter is essentially a preacher, and not a priest." Die reformierten Geistlichen haben ein prophetisches Amt inne 137 . Diese Geistlichen beanspruchten auch gar nicht, Priester zu sein. Sie leiten ihre Autorität nicht von den sie ordinierenden Amtsträgern her, sondern von den Gemeinden, von denen sie berufen worden sind. Auch kann man das reformierte Amt nicht als „invalid" bezeichnen, da dieses Wort nicht auf ein Amt von Predigern angewandt werden kann 138 . Anzumerken ist, daß Moss — wie der Zusammenhang zeigt — von „reformierten" Amtsträgern spricht, wenngleich das englische Wort „reformed" sehr oft im Sinne von „reformatorisch" gebraucht wird. Nach Moss' Auffassung sind die bischöflichen wie die nicht-bischöflichen Ämter 134 135 137 139
G . D i x in: K.E.Kirk, a.a.O. S . 2 9 5 f . und 300. 136 Ebd.S.300. N.P.Williams, a.a.O. S.20. C.B.Moss, What do we mean by Reunion?, S. 78 f. Ebd. S. 81 f. 207
valid — doch für verschiedene Zwecke. Abgesehen von der Verwaltung der Sakramente lehnen die Anglikaner nichts ab, was die nicht-bischöflichen Ämter tun. Diese aber wollen nicht anerkennen, daß das Amt in der anglikanischen Kirche dasselbe Amt ist wie das orthodoxe und römische Priesteramt 139 . Es fällt auf, daß Moss im Unterschied zu den anderen Anglokatholiken die nicht-bischöflichen Ämter nicht als eine Einheit behandelt, indem er nämlich den lutherischen Amtsträgern den Status eines „Priesters", dem allerdings etwas Notwendiges fehlt, zugesteht: "The Presbyterian minister is not a priest in whom something necessary is missing, like the Danish pastor. He is an entirely different kind of minister." 140 Moss bildet mit dieser Unterscheidung zwischen lutherischen und anderen nicht-bischöflichen Pfarrern eine Ausnahme. Audi ist nicht deutlich, ob er alle lutherischen Pfarrer im Auge hat, oder nur diejenigen der nordeuropäischen lutherischen Kirchen. Man kann letzteres annehmen, da sich die Kirche von England schon seit vielen Jahren um ein engeres Verhältnis nicht nur zur Kirche von Schweden, sondern auch zu den anderen nordischen lutherischen Kirchen bemüht. Es wird auch nicht gesagt, warum gerade ein dänischer Pastor den Status eines Priesters besitzt, zumal auch er nicht in der apostolischen Sukzession steht. Moss erhebt seine private, extrem anglokatholische Lehre vom Amt zur Richtschnur über andere Ämter und Kirchen. Die Mehrheit der anglikanischen Theologen wird seiner Behauptung, das anglikanische Amt sei dasselbe Amt wie das orthodoxe oder römisch-katholische, ebensowenig zustimmen wie lutherische und reformierte Theologen seiner zuletzt angeführten Feststellung, ein lutherischer Pastor sei Träger eines gänzlich anderen Amtes als ein reformierter Pfarrer. Auch Bmn-Murdoch, Graham, Ramsey, Hebert und Goudge vertreten die Auffassung, daß die nicht-bischöflichen Ämter als prophetische Ämter anzusehen sind 141 . Wie wenig die anglokatholischen Theologen in allen ihren Aussagen über die nicht-bischöflichen Ämter die in den Reformationskirchen vertretenen Lehren vom geistlichen Amt kennen und berücksichtigen, zeigt beispielhaft ein Satz bei Herbert, wenn er schreibt, daß sich kein Amtsträger einer nicht-bischöflichen Kirche im Besitz der Beauftragung weiß, die Vergebung der Sünden zuzusprechen142. Eine weniger strikte Haltung gegenüber den Ämtern nicht-bischöflicher Kirchen nehmen Bicknell und Ramsey ein. Bicknell betont zwar audi die Validität der anglikanischen Ämter und die Irregularität und 140 «» Ebd. S. 88. Ebd. S. 83. H.Burn-Murdodi, Church, Continuity and Unity, S. 165f.; E.Graham in: K.D. Mackenzie ed., Truth, Unity and Concord, S.76; A.M.Ramsey, a.a.O. S.219; A.G. Hebert, Unity in the Truth, S.53 f.; A.L.Goudge, a.a.O. S. 198—200. 142 A. G. Hebert, a.a.O. S.53f. 141
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Unbestimmtheit der nicht-bischöflichen Ämter. Aber er weigert sich, diese Ämter als „invalid" zu bezeichnen. Nach seiner Ansicht steht es uns auch nicht zu, die Stellung der nicht-bischöflichen Ämter vor Gott zu bestimmen. Wir können sie nur Gottes Urteil unterstellen. Gott benutzt diese Ämter als Gnadenmittel, er ist nicht an seine Satzungen gebunden 143 . Ramsey bezeichnet — wie die anderen Anglokatholiken — die nichtbischöflichen Ämter als prophetische Ämter. Zugleich schränkt er aber die Stellung der bischöflichen Ämter ein und vermindert so den Gegensatz zwischen beiden. Er wünscht eine Rückkehr zum cyprianischen Verständnis der apostolischen Sukzession, wonach valide Ämter vom Leben der Kirche abhängen und die Autorisierung durch die ganze Kirche ein integraler Teil ihrer Validität ist144. Daraus folgt, daß durch die Gespaltenheit der Kirche Christi die Bedeutung auch der bischöflichen Ämter eingeschränkt ist. "Hence, when historic Christendom is divided, the meaning of its orders and of its Eucharist is maimed; no longer are they performed with the authority and the outward commission of the whole visible Church. Thus while the Protestant ministries are something very different from the Apostolate or Episcopate of the historic Church, it is equally true that the meaning of the historic orders is obscured by disunity. Hence all Christians need the restoration of the one Episcopate." 145 Der Einfluß Quicks liegt auf der Hand und wird auch anerkannt. Doch Ramsey folgert aus dem Satz, daß die Autorisierung durch die ganze Kirche ein integraler Teil der Validität ist, nicht wie Quick, daß auf Grund der Gespaltenheit der Kirche die Validität auch der bischöflichen Ämter beeinträchtigt ist, sondern spricht davon, daß die Bedeutung (meaning), der Sinn der bischöflichen Ämter auf Grund der Spaltungen eingeschränkt ist, nicht aber diese Ämter selbst in ihrem geistlichen Status. Die Auffassung, daß in einer geteilten Kirche alle Ämter relativ invalid sind, wird ausdrücklich abgelehnt 146 . Ramsey hat mit Quick den Ausgangspunkt gemein, er zieht aber nicht so weitgehende Folgerungen wie dieser. Andere Anglokatholiken lehnen die These Quieks ohne alle Einschränkungen ab 147 . Wenn auch Ramsey am grundsätzlichen Unterschied zwischen bischöflichen und nicht-bischöflichen Ämtern festhält, so will er doch andererseits aufzeigen, daß auch die bischöflichen Ämter nicht schlechthin vollkommen sind, sondern erst in einer vereinigten Kirche ihre volle Bedeutung als Ämter der Kirche Christi erhalten. Alle Anglokatholiken stimmen darin überein, daß der einzige Weg zu einer Anerkennung der nicht-bischöflichen Ämter als wahrer Ämter des 143
144 E. J.Bicknell, a.a.O. S.3 3 7. A.M.Ramsey, a.a.O. S.219. 14e Ebd.S.223. Ebd.S.219. 147 A.L.Peck, This Church of Christ, S.84; N.P.Williams, a.a.O. S. 89, A n m . l ; E.L.Mascall, Corpus Christi, S.22; Ε.R.Fairweather, Episcopacy Re-Asserted, S.35. 145
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G a ß m a n n , Bischofsamt
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Wortes und der Sakramente in der Kirche Christi die Ordination durch bischöfliche Handauflegung ist. Diese Re-ordination ist eine Voraussetzung für die Herstellung von Abendmahlsgemeinschaft oder für die Vereinigung einer anglikanischen mit einer nicht-bischöflichen Kirche 148 . Diese Forderung entspricht der anglokatholischen Beurteilung nichtbischöflicher Ämter, nach der diese eine valide Ordination noch gar nicht empfangen haben. Sie beweist aber zugleich auch, wie wenig die Anglokatholiken für die heutige anglikanische Theologie und Kirche repräsentativ sind, denn in allen halboffiziellen Verlautbarungen zur Frage der Einheit der Kirche ist seit 1938 die Forderung auf Re-ordination der nicht-bischöflichen Ämter durch andere Vorschläge ersetzt worden 149 . Die anglokatholische Sicht der nicht-bischöflichen Ämter hat auch eine bestimmte Beurteilung der von diesen Ämtern verwalteten Sakramente, d.h. in erster Linie des Abendmahls, zur Folge. Die Sakramente sind nach anglokatholischer Lehre vom Amt abhängig; ein valides Sakrament setzt ein valides Amt voraus. Da die Ämter der nicht-bischöflichen Kirchen keine validen Ämter der Kirche Christi sind, besitzen auch die von ihnen verwalteten Sakramente, die Taufe ausgenommen, keine Validität 150 . Es wird auch hier eingeräumt, daß Gott durch die von nicht-bischöflichen Amtsträgern vollzogenen sakramentalen Handlungen wirken kann und daß der Gläubige in diesen Handlungen eine geistliche Erfahrung und Auferbauung erfahren kann. Aber die Sakramente sind nicht „als Sakramente" wirksam, sie sind keine Zeichen verbürgter Gnade 131 . Nach anglokatholischer Lehre ist das in der apostolischen Sukzession stehende Amt der entscheidende Maßstab für die Teilhabe an der einen Kirche Christi, der katholischen Kirche. Entsprechend gilt, daß eine Gemeinschaft, die nicht dieses Amt besitzt, auch nicht Teil der katholischen Kirche sein kann. Diese Folgerung würde für alle nicht-bischöflichen Kirchen zutreffen. Die meisten Anglokatholiken möchten aber die Folgerung nicht mit all ihren Konsequenzen ziehen und versuchen darum, den nicht-bischöflichen Kirchen nicht jedes Kirchesein abzusprechen, wenngleich sie daran festhalten, daß diese keine Kirchen im eigentlichen Sinne des Wortes sind. So unterscheidet Fairweather zwischen Schismen innerhalb der Ganzheit der Kirche und Schismen von dieser Ganzheit, die aber beide als 1 4 8 Z . B . R.Raynes, a.a.O. S . 1 6 ; G.W.Broomfield, a.a.O. S. 1 2 3 f . ; K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S. 127—130. 1 4 9 Vgl. hier S . 1 9 4 f . 1 5 0 R. Raynes, a.a.O. S. 7 ; E. R. Fairweather, Episcopacy Re-Asserted, S. 3 8 : die sakramentalen Akte nicht-bischöflicher Ämter sind invalid „qua sacraments"; A. L. Peck, Anglicanism and Episcopacy, S. 100; F . J . H a l l , a.a.O. S . 9 0 f . 1 5 1 E. R . Fairweather, Episcopacy Re-Asserted, S . 3 8 ; C. B.Moss, What do we mean by Reunion?, S. 87.
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Trennungen innerhalb des Leibes verstanden werden. Wenn die katholische Amtsstruktur f ü r die Existenz der Kirche in der Geschichte wesentlich ist, so bedeutet dies noch nicht, daß häretische Gemeinschaften von der Kirche ausgeschlossen sind. Solche Gemeinschaften sind nicht „Kirchen" im Sinne der verschiedenen zur katholischen Kirche gehörigen Teilkirchen, aber sie können wirkliche, wenn auch unvollständige Verkörperungen kirchlichen Lebens sein, solange sie sich nicht vom Glauben an Christus abwenden 152 . Auch sind die nicht-bischöflichen Gemeinschaften insofern innerhalb der Kirche, als sie sich aus getauften Christen zusammensetzen 153. In ähnlicher Weise hatte Mackenzie von Schismen innerhalb der katholischen Kirche (Ost—West; Canterbury—Rom) und von Trennungen von der katholischen Kirche (die protestantischen Gemeinschaften) gesprochen 154 . Für Williams und Moss ist das Unterscheidungsmerkmal „volle Mitgliedschaft". Beide gehen von der Taufe aus. Trotz Verlustes des apostolischen, dreifachen Amtes stehen die nicht-bischöflichen Kirchen auf Grund der Taufe nicht außerhalb der Kirche 155 . Häretiker wie auch Schismatiker haben Teil an der Kirche, aber nicht im vollen Sinne 156 . Um ein volles Glied der Kirche zu sein, muß der einzelne nicht nur getauft, sondern audi bischöflich konfirmiert sein und in Gemeinschaft mit den Bischöfen stehen 157 . Andere Anglokatholiken beschränken sich darauf, den nicht-bischöflichen Kirchen das Kirchesein abzusprechen, ohne aber eingehendere Aussagen zu machen. So schreibt Kirk, daß die katholische Kirche nur um das apostolische Amt versammelt existiert 158 . Peck geht davon aus, daß das Bischofsamt als eine göttliche Einsetzung die apostolische Gemeinschaft konstituiert und fährt fort: "The non-episcopal communities have not the Apostolic ministry, and therefore cannot claim to be the Church in its proper sense."15® Ramsey macht audi in diesem Zusammenhang eine Ausnahme. Er lehnt die sog. „Branch-Theorie" ab und ist auch gegen ein Verständnis des Amtes als des entscheidenden Kriteriums f ü r das Kirchesein. So kann er die Auffassung vertreten, daß alle, die auf die Trinität getauft sind und Christus als Herrn bekennen, Glieder der katholischen Kirche sind 152 E.R.Fairweather, a.a.O. S . 3 6 f . : " . . . if we distinguish between schism within the wholeness of the Church and schism from that wholeness, and yet interpret both as divisions within the Body." Vgl. audi S. 37 f. 158 Ebd. S. 38. 154 K. D. Mackenzie, The Case for Episcopacy, S. 87 f. 153 N.P.Williams, a.a.O. S.21; C.B.Moss, a.a.O. S.56. 158 157 N.P.Williams, a.a.O. S.22. C.B.Moss, a.a.O. S.56. 158 K. E.Kirk, a.a.O. S. 29 und S.31: Eine Gruppe, die das apostolische Amt abgeschafft hat, kann kaum den Anspruch erheben, Glied der Kirche Christi zu sein. 159 A.L.Peck, Anglicanism and Episcopacy, S . 9 9 f .
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und daher auch die nicht-bischöflichen Kirchen innerhalb der katholischen Kirche stehen 180 . Die Tatsache, daß die nicht-bischöflichen Kirchen nicht als „Kirchen" im eigentlichen Sinne anerkannt werden, kommt auch in der Terminologie zum Ausdruck. Die Anglokatholiken gebrauchen fast nie das Wort „Kirche" für die nicht-bischöflichen Kirchen, sondern benutzen andere Bezeichnungen wie zum Beispiel „non-episcopal communities" 1β1 , „nonepiscopal societies and groups" 1 β 2 , „Protestant bodies" 1 β 3 , non-episcopal sects" 1 6 4 , „Protestant sects" 1 6 5 , „heretical communities" 166 und „Reformed Connexions" 1 6 7 . Die nicht-bischöflichen Kirchen sind nach Auffassung der anglokatholischen Theologen keine wahren Kirchen, zugleich stehen aber diese Vereinigungen von Christen nicht außerhalb der Kirche. Man geht dabei offensichtlich von der Vorstellung aus, der Leib Christi bestehe aus zwei konzentrischen Kreisen, wobei der innere Kreis die katholische Kirche bzw. die „Ganzheit" der Kirche (d.h. die Gemeinschaften mit dem rechten Glauben und der apostolischen Ordnung) bezeichnet, um den sich sodann ein äußerer Kreis von getauften Christen legt, die sich zu kirchenähnlichen Gemeinschaften zusammengeschlossen haben. Die Scheidelinie zwischen beiden Kreisen stellt das in der apostolischen Sukzession stehende Amt dar. Für eine solche Auffassung gibt es jedoch weder in den anglikanischen „Bekenntnissen" (Art. 19) noch in der anglikanischen Theologie vor dem Aufkommen der Oxfordbewegung Belege. Sie wird auch heute nur von einer kleinen Gruppe von Anglokatholiken vertreten. Auf die halboffiziellen Verlautbarungen der letzten Jahrzehnte, die der Frage der kirchlichen Einheit gewidmet sind, hat sie keinen Einfluß ausgeübt 168 . Andererseits muß festgehalten werden, daß eine kirchliche Gemeinschaft unter bestimmten Umständen tatsächlich nicht mehr als wahre Kirdie angesehen werden kann, ohne daß man aber ihren getauften Gliedern die Gliedschaft am Leibe Christi absprechen muß. Nur sind die Kriterien für ein solches Urteil von der anglokatholischen Herausstellung des in der Sukzession stehenden Bischofsamtes grundsätzlich verschieden. Zusammenfassend kann gesagt werden, daß nach Auffassung der meisten anglokatholischen Theologen die nicht-bischöflichen Ämter keine validen Ämter des Wortes und der Sakramente in der Kirche Christi A . M . R a m s e y , Durham Essays and Addresses, S.70. A . L . Peck, Anglicanism and Episcopacy, S. 100; E. R. Fairweather, Episcopacy Re-Asserted, S. 38. 1 6 2 R. Raynes, a.a.O. S. 15. 1 6 3 A . M . R a m s e y , The Gospel and the Catholic Churdi, S.219. 1 6 4 E. R . Fairweather, Episcopacy Re-Asserted, S. 36. 1 6 5 K.D.Mackenzie in: Report of the Sixth Anglo-Catholic Congress, S. 105. 1 β β E. R. Fairweather, a.a.O. S. 37. 1 6 7 C. B. Moss, a.a.O. S.88. > « Vgl. hier S.198. 160
181
212
sind. Aus diesem Grunde kritisieren die Anglokatholiken auch das Memorandum von 1923 l f l 9 , das die nicht-bischöflichen Ämter als „real ministries" bezeichnet 17 °. Eine gewisse Wirksamkeit wird diesen Ämtern eingeräumt, da Gott audi sie in Dienst genommen hat, und von einer Reihe von Anglokatholiken werden sie als „prophetische Ämter" beschrieben (da die Propheten keiner Ordination bedurften und keine Sakramente verwalteten). Abgesehen von der Taufe wird auch den von diesen Ämtern verwalteten Sakramenten die Validität abgesprochen, aber auch hier eine Wirksamkeit eingeräumt, die jedoch nicht im Sakrament als solchem liegt, sondern in der freien Gnade Gottes. Schließlich werden auch die nicht-bischöflichen Kirchen nicht als wahre Kirchen anerkannt und die Bezeichnung „Kirche" fast nie auf sie angewandt. D a aber die T a u f e Anteil am Leibe Christi verleiht, werden die nicht-bischöflichen Kirchen als organisierte Gemeinschaften, Vereinigungen, Gruppen oder Zusammenschlüsse von Christen angesehen, die zwar nicht außerhalb des Leibes Christi stehen, denen aber etwas Wesentliches fehlt, „Kirche" im eigentlichen, katholischen Sinne zu sein.
3. D a s h i s t o r i s c h e B i s c h o f s a m t u n d d i e W i e d e r v e r e i n i g u n g der K i r c h e n A. Die halboffiziellen Aussagen der anglikanischen
Kirchen
a) Einleitung In den Berichten der letzten Lambethkonferenzen nehmen die Resolutionen und Abschnitte, die von der Einheit der Kirche handeln, im Vergleich mit den anderen behandelten Themen den weitaus größten Raum ein. Diese Tatsache ist bezeichnend für die Intensität, mit der sich die anglikanischen Kirchen in aller Welt um die Einigung der Kirchen bemüht haben und noch bemühen. Im Blick auf die Lage in England, auf die wir uns beschränken müssen, stellen die in Abständen von zehn Jahren stattfindenden Lambethkonferenzen gewichtige Marksteine dar, zwischen denen seit 1920 eine Fülle von Verhandlungen von offiziellen Vertretern der Kirche von England mit Repräsentanten der englischen Freikirchen und der Kirche von Schottland liegen, die ihren Niederschlag in einer Reihe von Berichten und Vorschlägen gefunden haben. 169 Memorandum on the Status of the Existing Free Churdi Ministry, 1923, abgedr. in: Documents 1/2, S.52—59. " " A . G . H e b e r t , The Form of the Church, S. 119; F . J . H a l l , a.a.O. S . 8 9 ; K . E . K i r k , a.a.O. S.38—43.
213
In den grundsätzlichen, oft richtungweisenden Verlautbarungen der Lambethkonferenzen zur Einheit der Kirche wie auch in den Aussagen dieser Konferenzen zu konkreten Unionsplänen und in den Berichten über die Gespräche zwischen der Kirche von England und den englischen Freikirchen steht das Bischofsamt und die damit zusammenhängenden Fragen eindeutig im Mittelpunkt. Es geht um die sichtbare Einheit der Kirche. Diese schließt nach anglikanischer Auffassung nicht nur einen gemeinsamen Glauben, sondern auch ein allgemein anerkanntes Amt mit ein. Einer grundsätzlichen Einigung im Glauben scheinen nach anglikanischer Auffassung keine großen Schwierigkeiten im Wege zu stehen — die anglikanische Kirche ist in dieser Frage von ihrer eigenen Situation her ziemlich großzügig, nur bestimmte Grundforderungen, die ihren Ausdruck im Lambeth Quadrilateral gefunden haben, müssen erfüllt werden — es bleibt also nur das Problem eines allgemein anerkannten Amtes. Für die Anglikaner kann dieses Amt nur das historische Bischofsamt sein. Gerade das bischöfliche System und die Ordnung der Kirche aber waren neben anderen die bestimmenden Ursachen, die zur Trennung der Freikirchen von der Kirche von England geführt haben. Seitdem überschattet das Problem des Amtes das Verhältnis zwischen der Kirche von England und den englischen Freikirchen und der Kirche von Schottland. So ist zu verstehen, daß das Bischofsamt im Mittelpunkt der Gespräche und Verhandlungen steht, daß aber auch die Freikirchen immer wieder eine Anerkennung der Validität ihrer Ämter fordern und alle Vorschläge zur Übernahme des Bischofsamtes, die eine Abwertung ihrer eigenen Ämter oder gar eine Re-ordination einschließen, entschieden zurückweisen. Im folgenden soll dargelegt werden, welche Stellung das Amt und besonders das historische Bischofsamt im Zusammenhang mit der Frage der Wiedervereinigung der Kirchen in den Berichten der Lambethkonferenzen und der Unionsgespräche und Verhandlungen seit 1920 einnimmt, welches die richtungweisenden Vorschläge und Ereignisse waren und welche allgemeine Entwicklung sich bis zum heutigen Tage abzeichnet. b) Die Verlautbarungen
aus den Jahren
1920—1930
Die Lambethkonferenz von 1920 hat mit ihrem „An Appeal to All Christian People" nicht nur eine Serie von Gesprächen zwischen der Kirche von England und den englischen Freikirchen eröffnet, sondern sie hat auch mit der besonderen Herausstellung des „Lambeth Quadrilaterals", das bis zum heutigen Tage g i l t m , die nach anglikanischer Auffassung für eine Kircheneinigung notwendigen Voraussetzungen festgelegt. Zu diesen Voraussetzungen gehört auch ein „allgemein anerkanntes Amt", das nach 1 7 1 Es wird audi im Bericht der Lambethkonferenz von 1958 wieder zitiert, a.a.O. S. II. 22.
214
Auffassung des Berichtes auf Grund historischer Überlegungen und gegenwärtiger Erfahrungen nur das Bischofsamt sein kann. Gerade dieses Amt ist das beste Instrument zur Aufrechterhaltung der Einheit und Kontinuität der Kirche und wird dies auch in Zukunft beweisen. Dieser wichtige „Aufruf", der am Anfang einer an Unionsgesprächen reichen Periode der englischen Kirchengeschichte steht, bringt also erneut zum Ausdruck, daß für Anglikaner eine Vereinigung mit einer anderen Kirche nur auf dem Boden des historischen Bischofsamtes möglich ist. Zugleich wird im „Aufruf" von 1920 eine Erläuterung zur Stellung des Bischofsamtes innerhalb der Kirche angeführt, die ihren Grund offensichtlich in den oft kritisierten englischen Verhältnissen hat und die seitdem in allen Verhandlungen und Plänen wiederholt wird: Das Bischofsamt soll überall in einer „repräsentativen und konstitutionellen Weise" (in a representative and constitutional manner) ausgeübt werden. Im „Aufruf" werden auch praktische Vorschläge f ü r die Durchführung einer Kirchenunion gemacht. Danach sind die Bischöfe und Pfarrer der anglikanischen Kirchen bereit, wenn die Vereinigung einer anglikanischen mit einer oder mehreren nichtbischöflichen Kirchen beschlossen ist, von diesen anderen Kirchen eine Form der Beauftragung oder Anerkennung (a form of commission or recognition) f ü r das Amt in der neuen Kirche anzunehmen, falls es gewünscht wird. Man hofft andererseits, daß die nicht-bischöflich ordinierten Pfarrer zu demselben Zweck eine Beauftragung durch bischöfliche Ordination annehmen, durch die sie ein von der gesamten vereinigten Kirche anerkanntes Amt erhalten 172 . Im Blick auf die nicht-bischöflichen Amtsträger wird noch hinzugefügt, daß von niemandem verlangt wird, sein bisheriges Amt zu verleugnen 173 . Obwohl hier formal von einer gegenseitigen Beauftragung die Rede ist, bedeutet doch der Vorschlag f ü r die freikirchlichen Pfarrer im Unterschied zu den anglikanischen tatsächlich eine Re-ordination und damit eine Ablehnung ihrer früheren Ordination. Eine Re-ordination haben aber die Freikirchen von Anfang an abgelehnt. Diese Frage — die Art und Weise der Angleichung und Vereinigung zweier verschiedener Amtsformen bei einer Vereinigung von anglikanischen und nicht-bischöflichen Kirchen — steht von nun an mit im Vordergrund der Gespräche und Verhandlungen. Im Bericht eines Unterausschusses derselben Konferenz wurde bereits eine andere Form der Vereinigung vorgeschlagen, der dann von der ganzen Konferenz in Resolution 12 zugestimmt wurde: Eine Kirche der anglikanischen Kirchengemeinschaft kann einwilligen, sich mit einer nichtbischöflichen Kirche auf der Grundlage der Annahme des Bischofsamtes zu vereinigen, wobei die nicht-bischöflich ordinierten Pfarrer der be172 173
The Lambeth Conferences (1867—1930), S.39. Ebd. S. 40. 215
teiligten Kirche auch nach der Vereinigung ohne bischöfliche Ordination bleiben. Für diesen Fall schlägt der Unterausschuß vor: Die Geistlichen der sich vereinigenden Kirchen sollen in allen Synoden und Ausschüssen der vereinigten Kirche denselben Status besitzen. Andererseits sollen nicht-bischöflich ordinierte Pfarrer nicht das Recht haben, das Abendmahl in solchen Gemeinden zu spenden, die bereits ein bischöflich ordiniertes Amt besitzen. Andere Gottesdienste können sie auch in diesen Gemeinden leiten 174 . Nur in den administrativen Gremien der Kirche würden demnach die verschiedenen Ämter gleichgestellt sein, nicht aber in ihrem geistlichen Status. Wenngleich auf die Frage der Interkommunion nicht näher eingegangen werden kann, so soll doch darauf hingewiesen werden, daß in einer Resolution der Lambethkonferenz von 1920 folgende Regel niedergelegt wird: Gemäß dem Vorwort zum „Ordinal" kann kein nicht-bischöflich ordinierter Pfarrer das Abendmahl in anglikanischen Kirchen verwalten. Auch sollen Glieder der anglikanischen Kirchen im allgemeinen das Abendmahl nur von Pfarrern der eigenen Kirche oder von Kirchen, mit denen Abendmahlsgemeinschaft besteht, empfangen 175 . Diese grundsätzliche Regelung besteht noch heute. Die Lambethkonferenz von 1920 bewirkte, daß sehr bald danach Gespräche zwischen Vertretern der englischen Freikirchen, die vom „Federal Council" der Freikirchen ernannt worden waren, und Vertretern der Kirche von England, die von den beiden Erzbischöfen ernannt worden waren, begannen. Ein gemeinsamer Bericht dieser Gespräche wurde 1922 unter dem Titel „Church Unity" vorgelegt. Nach Aussagen über das Wesen der Kirche folgt ein Abschnitt über das Amt. Grundlegend wird festgestellt: 1. Das Amt des Wortes und Sakramentes ist göttlicher Ordnung. 2. Es wird in der Kirche im Namen und durch die Autorität des Herrn ausgeübt. 3. Es ist ein Amt der ganzen Kirche. 4. Das Amt muß durch die Kirche übertragen werden, und zwar durch solche Personen, die Autorität dazu empfangen haben. 5. Die Amtsbeauftragung geschieht durch die Ordination, durch Gebet und Handauflegung derjenigen, die dazu autorisiert worden sind. 6. In der Ordination wird in Antwort auf die Gebete und den Glauben göttliche Gnade durch den Heiligen Geist gegeben176. Das Amt der ersehnten vereinigten Kirche soll von allen als ein Amt anerkannt werden, das die Autorität der ganzen Gemeinschaft besitzt. 174 176
216
Ebd. S. 127. Ebd. S. 44 f.
175
Documents 1/2, S.7.
Der letzte Punkt des Lambeth Quadrilaterals ist hier aufgenommen. Für die Annahme des Bischofsamtes gibt dann der Bericht folgende Begründung: "In view of the fact that the Episcopate was from early times and for many centuries accepted, and by the greater part of Christendom is still accepted, as the means whereby this authority of the whole body is given, we agree that it ought to be accepted as such for the United Church of the future." 177 Dieses Bischofsamt wird wiederum als ein „repräsentatives und konstitutionelles Bischofsamt" bezeichnet, neben dem die Presbyterien und die Gemeinden ihren festen Platz in der Ordnung und im Leben der Kirche haben sollen. Daneben steht eine weitere Erläuterung, die ebenfalls noch öfters angeführt werden wird: Mit der Annahme der bischöflichen Ordination für eine vereinigte Kirche soll nicht die Annahme einer bestimmten Theorie über den Ursprung oder das Wesen des Bischofsamtes oder eine Verleugnung der bisherigen Ämter, die zusammen mit den bischöflichen Ämtern vom Geist Gottes gesegnet worden sind, verbunden werden178. Am Anfang der Gespräche und Verhandlungen zwischen der Kirche von England und den englischen Freikirchen steht also die grundsätzliche Bereitschaft der an diesen Gesprächen beteiligten freikirchlichen Theologen, das Bischofsamt für eine zukünftige vereinigte Kirche anzunehmen. Da das Bischofsamt von frühester Zeit an und durch viele Jahrhunderte hindurch und auch heute noch vom größeren Teil der Christenheit als das Mittel angesehen wird, durch das die Autorität des ganzen Leibes verliehen wird, wird es als das gemäße Amt für eine vereinigte Kirche bezeichnet. Der „Rat der englischen Freikirchen" stellte zu diesem Bericht zwei Fragen: 1. Was ist unter einem „repräsentativen und konstitutionellen Bischofsamt" zu verstehen? 2. Welches ist der Status der bestehenden freikirchlichen Ämter 179 ? In Antwort auf die zweite Frage wurde von den an den Gesprächen beteiligten anglikanischen Theologen das „Memorandum on the Status of the Existing Free Church Ministry" verfaßt, auf das bereits auf den Seiten 191—192 dieses Kapitels eingegangen worden ist und in dem die anglikanischen Theologen zunächst die nicht-bischöflichen Ämter als „real ministries" anerkennen und sodann die vom Unterausschuß der Lambethkonferenz 1920 vorgeschlagene Form der Übernahme nichtbischöflich ordinierter Pfarrer in den Dienst einer vereinigten Kirche wiederholen 18°. Die Freikirchen waren mit der Antwort dieses Memorandums zufrieden, zugleich lehnten sie aber die ungleiche Behandlung der 177 179
Ebd. S. 45. Ebd. S. 49 f.
"β Ebd. S. 46. "ο Ebd. S. 57 f.
217
anglikanischen und nicht-bischöflichen Pfarrer in einer vereinigten Kirche und eine Re-ordination ihrer Pfarrer ab 181 . 1924 wurde in Beantwortung der oben erwähnten ersten Frage des „Rates der englischen Freikirchen" „A Memorandum on A Constitutional Episcopate" von einer gemeinsamen Konferenz angenommen und veröffentlicht. Danach wird unter einem „repräsentativen und konstitutionellen Episkopat" ein Bischofsamt verstanden, das im Zusammenhang mit anderen Formen kirchlicher Autorität, besonders der des Presbyteriums und der noch umfassenderen und grundlegenden Autorität der vom Geist Gottes geleiteten Kirche als ganzer, ausgeübt wird 182 . Diese Erklärung wird von einer ganzen Reihe praktischer Ausführungen zur Form der Ordnung und Leitung der Kirche ergänzt, in denen auch auf den repräsentativen Charakter des Bischofsamtes und das große Maß an Zusammenarbeit zwischen Bischofsamt, Presbyterium und Laienämtern in den anglikanischen Kirchen außerhalb Englands hingewiesen wird 183 . Das im Jahre 1925 von den anglikanischen Vertretern veröffentlichte „Second, Memorandum on the Status of the Existing Free Church Ministry" nimmt die Aussagen des gemeinsamen Berichtes „Church Unity" über das Bischofsamt auf und fügt ergänzend hinzu: „Seit apostolischer Zeit" ist die Verleihung der Autorität des gesamten Leibes durch bischöfliche Ordination in der Kirche geübt worden. Dies aber ist in der Sicht anglikanischer Theologen ein Zeichen für die Führung der Kirche durch den Heiligen Geist. Andererseits ist die Ablehnung des bischöflichen Systems — so verständlich sie zum Teil auch war — für viele Spaltungen in der Christenheit verantwortlich. Darum sollte da, wo es um die Einheit der Kirche geht, das Bischofsamt nicht als etwas relativ Unwichtiges angesehen werden184. Nachdem die anglikanischen und freikirchlichen Theologen übereingekommen waren, das Bischofsamt für eine vereinigte Kirche anzunehmen und man sodann über das konstitutionelle Bischofsamt ein gemeinsames Memorandum veröffentlicht hatte, sieht das zweite Memorandum über den Status der nicht-bischöflichen Ämter die verbleibende Schwierigkeit mit Recht in der Stellung der bestehenden nicht-bischöflichen Ämter zwischen dem Zeitpunkt der Vereinigung einer anglikanischen mit einer nichtbischöflichen Kirche auf der Grundlage des bischöflichen Amtssystems und dem Zeitpunkt, an dem alle Pfarrer dieser vereinigten Kirche bischöflich ordiniert sind. Das Memorandum macht hierzu zwei Lösungsvorschläge: 1. Das Fehlen rechtmäßiger Autorität ist der Hauptdefekt der nicht-bischöflichen Ämter. Könnte darum nicht durch bischöfliche Handauflegung eine feierliche Autorisierung nachvollzogen werden? Obwohl 181 183 184
218
182 Ebd. S. 205. Ebd. S. 6 0 — 6 5 . Ebd. S. 2 0 5 — 2 0 8 . Abgedruckt in: Documents 1/2, S . 2 1 3 — 2 2 1 .
hier von einer „Autorisierung" die Rede ist, handelt es sich im Grunde doch um eine neue Ordination. Das wird ganz deutlich, wenn man die für diese Autorisierung vorgeschlagene Formel betrachtet: "Take thou authority, now committed unto thee by the imposition of our hands, for the office and work of a Priest (or Presbyter)." 1 8 5 Die Verfasser des Memorandums räumen selbst ein, daß gegen diesen Vorschlag ernsthafte Einwände erhoben werden können, darum fügen sie noch einen zweiten Vorschlag hinzu: 2. Eine Ordination ,sub conditione'. Sie würde in der Form der bischöflichen Ordination gemäß dem Ordinationsritus der anglikanischen Kirche, aber mit dem Vorwort „If thou art not already Ordained" vollzogen werden. Die Anglikaner sehen dies als einen Akt der Ergänzung der bestehenden nicht-bischöflichen Ämter an, bei dem der Ordinand lediglich die Existenz eines Zweifels auf seiten des Ordinators anerkennen müsse, ohne aber der Berechtigung eines solchen Zweifels notwendigerweise selbst zuzustimmen 188 . Beide Vorschläge bedeuten nichts anderes als eine neue Ordination der nicht-bischöflichen Pfarrer, wobei der zweite Vorschlag die unhaltbare Möglichkeit anbietet, daß der Ordinator die Intention hat, den Ordinanden zu ordinieren, während dieser selbst diesen Akt nicht als Ordination anerkennen kann, da er sich bereits rechtmäßig ordiniert weiß. Wie zu erwarten war, lehnten die freikirchlichen Mitglieder der gemeinsamen Kommission auch den Vorschlag einer Ordination ,sub conditione' ab und sprachen sich statt dessen für eine gegenseitige Beauftragung aus 187 . Dasselbe Urteil gab auch der Rat der englischen Freikirchen im Jahre 1925 ab, der ebenfalls eine gegenseitige Beauftragung, die nicht als Re-ordination verstanden werden kann, befürwortete 1 8 8 . Eine Fortführung der gemeinsamen Gespräche war offensichtlich nicht mehr möglich, denn die Verhandlungen fanden im Jahre 1925 ein Ende.
c) Die Verlautbarungen
aus den Jahren
1930—1946
Der im Jahre 1930 veröffentlichte Bericht eines von den Erzbischöfen ernannten Ausschusses zum Studium der Ergebnisse der Lausanner Weltkonferenz (1927) 189 nimmt die schon angeführten Gedanken über das Verhältnis von Bischofsamt und Wiedervereinigung der Kirchen auf. Es wird ausgeführt, daß das Bischofsamt in einer vereinigten Kirche in einer sinnvollen Zuordnung zu den Presbyterien und Gemeinden stehen und daß die Annahme des Bischofsamtes nicht mit der Annahme einer bestimmten Theorie über die Ursprünge des Amtes verbunden werden 185 187 189
188 Ebd. S. 217 f. Ebd. S. 217—219. 188 Ebd. S. 222. Ebd. S. 236 f. Report of the Committee . . . (vgl.Anm.70).
219
soll 180 . Zur Begründung für die Annahme des Bischofsamtes wird gesagt, daß das Prinzip einer geordneten Fortführung von Amtsautorität apostolisch ist. In der nachapostolischen Zeit ist an allen Orten die auf das eine Ziel der Errichtung des monarchischen Bischofsamtes hinzielende Entwicklung deutlich erkennbar. Auch hat die Alte Kirche im Bereich der Ordnung kein anderes Prinzip des Zusammenhaltes oder der Sicherung ihrer eigenen Kontinuität entwickelt oder anerkannt. Bis zum 16. Jahrhundert ist das bischöflich ordinierte Amt das von der gesamten Kirche anerkannte Amt gewesen. "We cannot therefore imagine that a ministry universally recognised could come into being otherwise than on the basis of a general return to continuity in this respect." 191 Neben dieser historischen Begründung werden keine weiteren Ausführungen über das Problem der Angleichung und Vereinigung anglikanischer und nicht-bischöflicher Ämter bei einer Kirchenunion gemacht. Es findet sich lediglich der Hinweis, daß es kaum Erfolg verspricht, weiterhin eine Re-ordination für die nichtbischöflichen Ämter zu fordern 192 . Die Lambethkonferenz von 1930 eröffnet einen neuen Abschnitt in den Bemühungen um die kirchliche Einheit in England und in Schottland. Im Bericht des Ausschusses über die Einheit der Kirche wird ausgesprochen, was immer und überall die Haltung der anglikanischen Kirche in Fragen der Einheit der Kirche kennzeichnet, daß nämlich Ubereinstimmung in „Faith" und „Order" für die Einheit wesentlich ist und an sich schon Wiedervereinigung bedeutet. Auch wird wieder auf die grundlegende Bedeutung des Lambeth Quadrilaterals hingewiesen193. Die wichtigen Ausführungen dieser Konferenz über das historische Bischofsamt sind bereits auf Seite 41—43 beschrieben worden. Die als Begründung für die anglikanische Forderung der Übernahme des historischen Bischofsamtes bei Kircheneinigungen angeführten Aussagen fügen denjenigen der Lambethkonferenz von 1920 nicht viel Neues hinzu. Es wird festgestellt, daß im Blick auf die Wiederherstellung der zerbrochenen Einheit des Leibes Christi ein notwendiges Element in der sichtbaren Gemeinschaft ein allgemein anerkanntes Amt sein muß. Von hier aus gesehen entspricht zum gegenwärtigen Zeitpunkt kein Amt völlig der Absicht Gottes. Dennoch sind die Anglikaner überzeugt, daß die historische Kontinuität des bischöflichen Amtes von der göttlichen Absicht zeugt. Uber Bischofsamt und Wiedervereinigung wird dann folgendes gesagt: "But while we thus stand for the Historic Episcopate as a necessary element in any union in which the Anglican Communion can take part, and have given our reasons for so doing, we do not require of others acceptance of those reasons, or of 1 8 0 L.Hodgson ed., Convictions, London 1934, S. 1 8 4 f . (der Bericht der Kommission ist auch hier abgedruckt). 1 9 1 Ebd. S. 185 f. 1 9 2 Ebd. S. 187. 1 9 3 The Lambeth Conferences ( 1 8 6 7 — 1 9 3 0 ) , S . 2 1 7 f .
220
any one particular theory or interpretation of the Episcopate as a condition of union. We recognize as fully the gifts of the one Spirit entrusted to those others, and their equal responsibility to maintain their several trusts; and we are content to believe that the acceptance of the Episcopate itself, in its continuity of succession and consecration, and in the discharge of its historic functions, will bring to the united Church those gifts of Grace which, as we believe, the Providence of God has associated with it." 194 Neben der Betonung, daß das historische Bischofsamt ein notwendiges Element in jeder Kircheneinigung sein muß, an der Anglikaner teilnehmen, und der Übernahme der 1922 im Bericht „Church Unity" gemachten Einschränkung, wird immerhin ein Hinweis auf die Form des Bischofsamtes gegeben, insofern als die Annahme dessen „historischer Funktionen" gefordert wird. Im Zusammenhang mit dem südindischen Unionsplan stimmt der Ausschußbericht der Konsekration ,per saltum', d.h. Konsekration eines nicht-bischöflich ordinierten Pfarrers zum Bischof ohne vorherige bischöfliche Ordination zum Diakon und Priester, zu 195 . Diese Form der Konsekration findet sich von nun an in allen Einigungsplänen. Im Anschluß an diese Lambethkonferenz wurden die gemeinsamen Konferenzen zwischen Vertretern der Kirche von England und offiziellen Vertretern der englischen Freikirchen wieder aufgenommen und zwar mit der festen Absicht zu untersuchen, ob der vorgeschlagene Unionsplan für die Kirchen in Südindien Wege eröffnet, auf denen man in Fragen der Ordnung weiterkommen kann 196 . Das wichtigste Ergebnis dieser Konferenzen war die Ausarbeitung eines „Outline of a Reunion Scheme for the Church of England and the Free Churches in England" (1938). Hier wird zum erstenmal der Grundriß eines Wiedervereinigungsplans für die Kirchen in England vorgelegt. Die praktischen Vorschläge dieses Planes gleichen denen des südindischen Unionsplans, während die grundsätzlichen Aussagen zum Amt mit den Ausführungen im Bericht „Church Unity" 197 weitgehend übereinstimmen. Es wird auch wiederholt, daß die Annahme der bischöflichen Ordination für die Zukunft nicht die Verleugnung der bisherigen Ämter einschließt. Für verschiedene Lehren über die Herkunft und das Wesen des Bischofsamtes soll Raum sein198. Weiterhin enthält dieser Unionsplan eine ganze Reihe von praktischen Vorschlägen zur Gestaltung der Ordnung in der vereinigten Kirche wie auch Beschreibungen der Funktionen von Presbytern und Bischöfen. Darauf braucht hier nicht näher eingegangen zu werden. Die Form der Vereinigung von nicht-bischöflich ordinierten Pfarrern mit anglikanischen Pfarrern und Bischöfen wird in Analogie zum südindischen Unionsplan vor184 196 198
Documents 3, S. 9 f. Ebd. S. 71. Documents 3, S. 78—80.
195 197
Ebd. S. 15. Documents 1/2, S.44—46.
221
geschlagen: Bei der Inauguration werden die anglikanischen Bischöfe als Bischöfe der vereinigten Kirche übernommen und Pfarrer aus den nichtbischöflichen Kirchen von diesen Bischöfen zu Bischöfen der vereinigten Kirche konsekriert. Alle Geistlichen der sich vereinigenden Kirchen erhalten den Status eines Presbyters in der neuen Kirche, vorausgesetzt, sie stimmen der ,Basis' der Union zu und nehmen die Verfassung an. Ein Akt gegenseitiger Anerkennung sollte ein Teil des Inaugurationsgottesdienstes und der nachfolgenden Gottesdienste in den einzelnen Bischofskirchen sein. Alle Presbyter können in allen Gemeinden der vereinigten Kirche Dienst tun und das Abendmahl spenden. Diese Bestimmung wird durch das sogenannte „Pledge" insofern eingeschränkt, als keiner Gemeinde ein Amt aufgezwungen werden kann, das ihrer Tradition nicht entspricht oder gegen das sie aus Gewissengründen Einspruch erhebt 199 . Obwohl dieses „Pledge" in seiner praktischen Anwendung wohl nur nichtbischöflich ordinierte Amtsträger der vereinigten Kirche an der Verwaltung des Abendmahls in bestimmten Gemeinden hindern würde, hat doch der Rat der Freikirchen im Jahre 1941 ausdrücklich diesem „Pledge" wie auch dem Unionsplan zugestimmt. Von einer Re-ordination ist in diesem Vorschlag erstmalig keine Rede mehr, man beschränkt sich auf die Festlegung, daß alle zukünftigen Ordinationen in der vereinigten Kirche nur von Bischöfen vorgenommen werden dürfen. Infolge der Kriegsereignisse wurden die Verhandlungen zunächst nicht fortgesetzt. In den Jahren 1932—1936 fanden auch erstmalig Verhandlungen zwischen Vertretern der Kirche von England und der Kirche von Schottland statt. In einer Erklärung der Generalversammlung der Kirche von Schottland aus dem Jahre 1933 wird als Voraussetzung für eine Übereinkunft im Blick auf die Ämter und Sakramente die Anerkennung gleicher Validität der Ämter und Sakramente beider Kirchen und der gleichen Stellung von Gemeindegliedern und Pfarrern in beiden Kirchen festgelegt 200 . 1934 wurde dann ein Bericht des gemeinsamen Ausschusses veröffentlicht, der in erster Linie über das Maß an Ubereinstimmungen zwischen beiden Kirchen berichtet. Die Frage des Amtes steht darum nicht wie sonst bei den Verhandlungen im Mittelpunkt. Nachdem eine allgemeine Ubereinstimmung in den ersten drei Punkten des Lambeth Quadrilaterals festgestellt worden ist, heißt es über das Amt: "They (d.h. the conferring Churches) are agreed that the Ministry is the gift of the Lord Jesus Christ to the Church; that in accordance with His purpose it is a ministry not of any section of the Church but of the Church Universal; that He calls to this sacred service whom He wills; 198 200
222
Ebd. S. 98 f.; zum „Pledge" ebd. S. 97 f. Ebd. S. 122.
and that admission to it is through prayer and the laying on of hands by persons commissioned thereto, in the faith that God will bestow enabling grace on those whom He has called through His Son." 2 0 1 Das Bischofsamt wird nicht erwähnt und somit das eigentliche Problem ausgeklammert. Der anglikanische Einfluß in dieser gemeinsamen Verlautbarung ist an folgenden Gedanken, die in anglikanischer Sicht auf das Bischofsamt hinweisen, erkennbar: Das Amt ist ein Amt der universalen Kirche. Es kann nur durch diejenigen übertragen werden, die dazu beauftragt sind. Mit der Ordination ist die Verleihung göttlicher Gnade verbunden. Erst im Jahre 1949 wurden die Gespräche zwischen der Kirche von England und der Kirche von Schottland wieder aufgenommen. d) Die Verlautbarungen
aus den Jahren
1946—1958
Nach dem Ende des 2. Weltkrieges erhielten die Einigungsgespräche der Kirche von England mit den englischen Freikirchen und der Kirche von Schottland durch die oft erwähnte Cambridger Universitätspredigt des Erzbischofs von Canterbury aus dem Jahre 1946 202 einen neuen, kräftigen Anstoß. Der Erzbischof machte einen neuen Vorschlag. Er ging dabei von der gegenwärtigen Situation der Kirche von England aus; nach seiner Auffassung ist die Zeit aus folgenden Gründen noch nicht reif für eine „konstitutionelle oder organische" Vereinigung mit den Freikirchen: 1. Die Kirche von England ist Staatskirche, und es ist unwahrscheinlich, daß die Freikirchen diesen Status anzunehmen bereit wären, während andererseits die Lösung vom Staat ein unerhört schwieriger Prozeß sei. 2. Als Kernstück der anglikanischen Kirchengemeinschaft würde die Kirche von England mit einem Austritt aus dieser Gemeinschaft — und das wäre die notwendige Folge einer Vereinigung mit einer Freikirche — diese selbst auflösen und ihres Zentrums berauben. 3. Die Spannungen innerhalb der Kirche von England seien noch nicht gelöst. Die Kirche von England müsse daher zuerst ihr eigenes Leben neu ordnen203. Es überrascht, daß diese gewichtigen Punkte in den früheren Verhandlungen nie eine Rolle gespielt haben. Der Vorschlag des Erzbischofs lautet sodann: Die Kirchen sollen vorerst getrennt bleiben, aber sie sollen sich einander angleichen und zur vollen Abendmahlsgemeinschaft hinwachsen. Dies läßt sich dadurch erreichen, daß die Freikirchen das historische Bischofsamt „in ihr System übernehmen". Bei aller Beachtung der wesentlichen Funktionen Ebd. S. 128. A Step Forward in Church Relations, abgedr. in: Church Relations in England, London 1950, und in: Documents 4, S. 47—50. 2 0 3 Church Relations in England, S. 8 f. 201
202
223
des Bischofsamtes könnten sie in ihrer Verfassung Vorkehrungen gegen einen Mißbrauch des Bischofsamtes treffen. "The Church of England has not yet found the finally satisfying use of episcopacy in practice: nor certainly has the Church of Rome. If non-episcopal Churches agree that it must come into the picture, could they not take it and try it out on their own ground first?" 204 Der Erzbischof erwähnt außerdem, daß die anglikanischen Amtsträger als Gegenstück zur Übernahme des historischen Bischofsamtes durch die Freikirchen von diesen Kirchen eine Beauftragung empfangen sollen. Nicht nur eine einzige Kirche soll die gebende sein205. Auf die damit verbundenen Einzelheiten, zum Beispiel in welcher Weise die Freikirchen das historische Bischofsamt übertragen bekommen sollen, konnte der Erzbischof im Rahmen seiner Predigt nicht eingehen. Faktisch würde die Annahme seines Vorschlags noch nicht die sofortige Herstellung der Abendmahlsgemeinschaft bedeuten, da die bestehenden Ämter in den Freikirchen nicht bischöflich ordiniert und darum für die Anglikaner unannehmbar sind, während nur die zukünftigen Ordinationen von Bischöfen vorgenommen werden. In ihren Aussagen zur Einheit der Kirche gibt die Lambethkonferenz von 1948 nicht nur Anregungen und Hinweise für die anglikanische Haltung, sondern sie nimmt auch gewisse Ergänzungen und Änderungen der in der Predigt des Erzbischofs von Canterbury gemachten Vorschläge vor, die bei den zukünftigen Gesprächen und Verhandlungen eine Rolle spielen. Die Resolutionen der Konferenz enthalten Ratschläge für zukünftige Unionsverhandlungen: 1. Die theologischen Fragen, die die Kirche und das Amt betreffen, sollten am Anfang aller Verhandlungen behandelt werden. 2. Die Vereinigung der Ämter in einer für alle beteiligten Kirchen befriedigenden Form, entweder bei der Inauguration der vereinigten Kirche oder sobald als möglich danach, ist eine Vorbedingung für den Erfolg aller zukünftigen Vorschläge für die Wiedervereinigung der Kirchen. 3. Aber auch in allen Vorschlägen zur Herstellung der Abendmahlsgemeinschaft sollte ein gegenseitig anerkanntes Amt vorgesehen werden 206 . Daß diese Ergänzungen zum Vorschlag des Erzbischofs von Canterbury, der ja nur die Übernahme des Bischofsamtes in das System der Freikirchen vorgeschlagen hatte, in der Zukunft berücksichtigt wurden, zeigen nicht zuletzt die Berichte „Church Relations in England" (1950) und „Conversations between the Church of England and the Methodist Church" (1958). Der Ausschußbericht über die Einheit der Kirche verweist wieder auf das Lambeth Quadrilateral, das die bestimmenden Prinzipien für die 204 20e
224
205 Ebd. S. 10 f. Ebd. S. 12. The Lambeth Conference 1948, S.II.40.
anglikanische Haltung in Fragen der Wiedervereinigung der Kirchen enthalte. Die Annahme des Bischofsamtes und der bischöflichen Ordination ist daher eine Voraussetzung für die Bildung einer vereinigten Kirche, an der sich eine anglikanische Kirche beteiligen kann. Aber wie es in der anglikanischen Kirche verschiedene Auffassungen des Bischofsamtes und dessen Verhältnis zur Kirche wie auch in der Beurteilung nicht-bischöflicher Ämter gibt, so muß es auch in jedem Unions- oder Interkommunionsplan Raum für die verschiedenen Auffassungen geben, vorausgesetzt, die historische Sukzession und die traditionellen Funktionen des Bischofsamtes werden beibehalten 207 . An Hand von konkreten Unionsplänen, an denen anglikanische Kirchen in aller Welt beteiligt sind, werden verschiedene Methoden zur Erlangung der Abendmahlsgemeinschaft und der Vereinigung von verschiedenen Ämtern dargestellt und beurteilt 208 . Kritisiert werden solche Vorschläge, die zwar eine Angleichung und Anerkennung der Ämter zum Zwecke der Abendmahlsgemeinschaft erstreben, ohne diese aber in den Rahmen eines umfassenden Unionsplans, der eine organische, konstitutionelle Vereinigung verschiedener Kirchen zum Ziel hat, zu stellen. Unter diese Kritik fällt auch der Vorschlag des Erzbischofs von Canterbury. Es wird gesagt, daß diese Pläne letztlich doch nicht ein wahres Zusammenwachsen der Kirchen ermöglichen, daß es wenig Sinn hat, einer anderen Kirche lediglich das Bischofsamt zu übertragen und daß es wahrscheinlich theologisch kaum vertretbar ist, parallele Bischofssitze zu errichten209. Die sich hierbei abzeichnende Auffassung des Ausschusses ist: 1. In allen Bemühungen, auch um die Abendmahlsgemeinschaft, muß die organische Einheit als letztes Ziel im Auge behalten werden. 2. Ein gegenseitig anerkanntes Amt ist eine notwendige Vorbedingung für das Gelingen von Interkommunions- wie auch Unionsplänen. Die Betonung gerade dieses letzten Gedankens hat durch die Unionspläne für Nordindien/ Pakistan und Ceylon sicher kräftige Impulse sowie audi das nötige Anschauungsmaterial erhalten. In einem inoffiziellen Anhang unterbreitet der Ausschuß noch zwei Auffassungen zur Frage der „Supplemental Ordination", ohne sich als solcher mit einer dieser Auffassungen zu identifizieren 210 . Die Vertreter der einen Auffassung argumentieren so: Das Bischofsamt sollte das Ordinationsorgan der ganzen Kirche sein. In einer gespaltenen Kirche Christi besitzt aber jedes Amt eine von Christus nur durch diesen Teil seines Leibes, aber nicht durch den ganzen Leib übertragene Beauftragung. Das ist eine Anomalie, die ihre Ursache in der noch größeren Anomalie einer gespaltenen Kirche Christi hat. Keine Kirche kann daher sicher sein, daß 207 209
15
Ebd.S.II.50. Ebd.S.II.54.
8220
G a ß m a n n , Bischofsamt
208 210
Ebd.S.II.52—54. Ebd.S.II.66. 225
ihre Amtsträger die Fülle der Gnade und Autorität besitzen. Aus diesem Grunde müssen alle Amtsträger eine „Supplemental Ordination" empfangen, durch die all das verliehen werden soll, was durch die Unmöglichkeit, den ganzen Leib mit der früheren Ordination zu verbinden, an Gnade und Autorität fehlen mag 211 . Demgegenüber machen die Vertreter der anderen — nämlich der anglokatholischen — Auffassung geltend, daß der apostolischen Beauftragung nichts hinzugefügt werden kann, während die „supplementäre Ordination" für nicht-bischöfliche Amtsträger entweder eine wiederholte oder eine ganz neue Ordination darstellt. Für die Übertragung einer umfassenderen Jurisdiktion wäre eine Ordination nicht nötig. Zudem ist nach Auffassung dieser Theologen eine „supplementäre Ordination" von bischöflich ordinierten Amtsträgern durch nicht-bischöfliche Amtsträger unvereinbar mit der Lehre von der apostolischen Sukzession. Denkbar wäre höchstens die gegenseitige Übertragung einer erweiterten Jurisdikitonsgewalt 212 . Die Vereinigung der verschiedenen Ämter bei einer Kirchenunion erweist sich audi hier als eines der Hauptprobleme. Der hier gemachte Versuch, eine bessere Lösung als in Südindien zu finden, wo erst nach einem Zeitraum von etwa dreißig Jahren nach der Inauguration ein einheitliches Amt bestehen wird, scheitert am Amts- und Ordinationsverständnis der Anglokatholiken. Erst die für Nordindien und Ceylon gemachten Vorschläge für die Vereinigung der Ämter bieten eine neue Lösung. Eine direkte Folge der Predigt des Erzbischofs von Canterbury war die Neuaufnahme von Gesprächen zwischen Vertretern der Kirche von England und Vertretern der englischen Freikirchen im Jahre 1947. Das Ergebnis dieser Gespräche, die sich inhaltlich im Rahmen der vom Erzbischof gemachten Vorschläge halten, wurde 1950 in Form eines gemeinsamen Berichtes „Church Relations in England" veröffentlicht. Im ersten Teil dieses Berichtes, der vom „Wesen der Kirche" handelt, findet sich die bekannte Feststellung, daß die Spaltungen der Christenheit als Schismen innerhalb der Kirche angesehen werden müssen. Allerdings kann eine Kirche so sehr im Glauben, in der Ordnung oder in der Kirchenzucht irren, daß das Schisma zum Schisma von der Kirche wird. Das wäre zum Beispiel bei der Leugnung der Trinität der Fall. Zugleich ist es wegen der Spaltungen im Leibe Christi den getrennten christlichen Gemeinschaften nicht möglich, die Fülle des Lebens, die vom gesamten Leibe ausgeht, zum Ausdrudk zu bringen 213 . Zum Bischofsamt selbst findet sich eine Begründung, die sich von früheren Begründungen wieder etwas unterscheidet: "The Anglican Church stands for the maintenance of an episcopal succession, whether or not it 211 213
226
Ebd.S.II.64f. Church Relations in England, S. 23.
212
Ebd.S.II.65.
can be traced back to apostolic times, as a link with the ministry of the ancient Church and an expression and safeguard of the unity and universality of the faith." Das Bischofsamt wird erstmalig und ausdrücklich zum Glauben der Kirche in Beziehung gesetzt. Die Gespräche hatten den Zweck zu überlegen, ob die Freikirchen dem Vorschlag des Erzbischofs gemäß das Bischofsamt „in ihr System übernehmen" können, um so Abendmahlsgemeinschaft mit der Kirche von England möglich zu machen. Bemerkenswert ist die Aussage, daß das Bischofsamt von den Freikirchen nicht als eine bloße Sache der Nützlichkeit oder in einer Undefinierten Form angenommen werden soll. Damit sind offensichtlich die Stellung des Bischofsamtes im Rahmen der kirchlichen Ordnung und die verschiedenen, traditionellen Funktionen dieses Amtes gemeint, nicht aber eine bestimmte Lehre über das Bischofsamt. Andererseits wird von anglikanischer Seite eingeräumt, daß das Bischofsamt nicht immer die Einheit, Kontinuität oder den apostolischen Glauben der Kirche gesichert oder garantiert hat 2 1 4 . Der Bericht macht keine direkten Vorschläge, da es in den Gesprächen vor allem um die Frage ging, ob die Freikirchen das Bischofsamt in ihr System übernehmen können und welche Schritte dazu auf beiden Seiten nötig sind. Wenn nun das Bischofsamt und damit die bischöfliche Ordination von einer oder mehreren Freikirchen übernommen werden könnte, dann würde sich die Frage der Angleidiung oder der gegenseitigen Anerkennung der Ämter sofort stellen. Die Kirche von England könnte nicht-bischöflich ordinierte Pfarrer nicht als Verwalter des Abendmahls im Rahmen der Interkommunion anerkennen. Auf der anderen Seite haben die Freikirchen wiederholt erklärt, daß sie einer Re-ordination ihrer Amtsträger nicht zustimmen können. Selbst für eine Interimsperiode würden diese Kirchen wahrscheinlich eine Unterscheidung zwischen ihren bischöflich ordinierten und nicht-bischöflich ordinierten Pfarrern ablehnen. Diese Fragen, die bisher in allen Verhandlungen große Schwierigkeiten bereitet haben, werden im vorliegenden Bericht ausdrücklich nicht näher behandelt sondern an zukünftige, direkte Verhandlungen zwischen der Kirche von England und einzelnen Freikirchen verwiesen 2 1 5 . Im zusammenfassenden Schlußkapitel des Berichts wird eine mögliche Entwicklung doch noch aufgezeichnet: Sollte eine Freikirche zu dem Entschluß kommen, das Bischofsamt mit seinen traditionellen Funktionen in ihr System zu übernehmen, dann könnte die Kirche von England durch ihre Bischöfe bei der Konsekration von Bischöfen für die Freikirche mitwirken 21 ®. Im Rahmen dieser Entwicklung könnte dann die Frage nach den auf beiden Seiten geforderten Voraussetzungen für die Annahme Ebd. S. 37 f. " · Ebd. S.43.
214
15«
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Ebd. S. 41.
227
eines bestimmten Maßes an Interkommunion erhoben werden. Eine Übereinstimmung in dieser Frage müßte nach Ansicht des Berichts folgende Punkte umfassen: 1. Die Übereinstimmung, daß beide Kirchen den apostolischen Glauben vertreten und das apostolische Evangelium verkündigen. 2. Die betreffende Freikirche übernimmt das Bischofsamt in ihr System, wobei ihre ersten Bischöfe durch Bischöfe einer oder mehrerer bischöflicher Kirchen konsekriert werden. In der Zukunft werden in dieser Kirche nur noch bischöfliche Ordinationen ausgeübt. Die Kirche von England würde dann anerkennen, daß die Bischöfe und bischöflich ordinierten Presbyter dieser Kirche von Anfang an für dieselben Ämter in der Kirche Gottes rechtmäßig beauftragt und autorisiert sind, wie ihre eigenen Bischöfe und Priester. Beide Kirchen würden sich dieselbe Freiheit der Interpretation im Blick auf das Wesen des Bischofsamtes zugestehen, wie sie in der Kirche von England besteht. Große Schwierigkeiten würden sich durch solche Pfarrer der Freikirche ergeben, die nicht-bischöflich ordiniert sind, es würden so zwei verschiedene Gruppen von Amtsträgern in einer Kirche existieren. Diese Schwierigkeiten könnten durch eine erweiterte Beauftragung behoben werden, die sowohl für die Kirche von England als auch für die Freikirche annehmbar sein müßte. 3. Kommunikanten der Kirche von England können das Abendmahl nur von Bischöfen, bischöflich ordinierten oder zusätzlich beauftragten Presbytern der Freikirche empfangen. 4. Ohne es zu einer Bedingung für die Interkommunion zu machen, hofft doch die Kirche von England, daß die bischöflich verwaltete Konfirmation in der Freikirche allgemein in Brauch kommt. 5. Die beiden Kirchen stimmen darin überein, daß die Existenz von parallelen bischöflichen Kirchen nur eine zeitbegrenzte Stufe auf dem Wege zur vollen Einheit ist. Nur auf der in diesen Punkten dargelegten Grundlage können nach Ansicht dieses Berichtes die Vorschläge des Erzbischofs zur Ausführung gelangen217. Dieser Verhandlungsbericht zeigt, daß auch da, wo vorerst nur Abendmahlsgemeinschaft angestrebt wird, im Blick auf das Amt genau dieselben Probleme bestehen und die Frage der Angleichung und Vereinigung der Ämter gelöst werden muß wie bei Gesprächen und Verhandlungen, die eine Vereinigung zweier Kirchen zum Ziel haben. Es ist deutlich, daß die hier gemachten Vorschläge für die Freikirchen nicht annehmbar sind, da ein deutlicher Unterschied zwischen den bischöflich ordinierten und den nicht-bischöflich ordinierten Ämtern gemacht wird. Als Antwort auf diesen Bericht erklärte sich die Methodistische Kirche zu weiteren Gesprächen und Verhandlungen mit der Kirche von England bereit, zumal die Konvokation von Canterbury in der Zwischenzeit auf Fragen des Faith-and-Order-Ausschusses der Methodistischen Kirche zu217
228
Ebd. S. 43—46.
gesichert hatte, daß sie alle Gespräche zwischen der Methodistischen Kirche und der Kirche von England als innerhalb des Leibes Christi stattfindend ansieht, daß die Methodistische Kirche dieselbe Freiheit in der Interpretation des Bischofsamtes haben würde wie die Kirche von England und daß die Beibehaltung der Gemeinschaft mit anderen nicht-bischöflichen Kirchen durch die Methodistische Kirche kein Hindernis für die Herstellung der Abendmahlsgemeinschaft darstellt 218 . Beide Kirchen ernannten Ausschüsse, die seit 1956 gemeinsame Tagungen abhielten und deren erster Zwischenbericht 1958 veröffentlicht wurde219. Der Ausgangspunkt für die Gespräche war durch die Vorschläge in dem Bericht „Church Relations in England" gegeben: Die Möglichkeit einer Übernahme des Bischofsamtes in das System der Methodistischen Kirche. Daneben stellte man gegenüber einem wesentlichen Aspekt des erzbischöflichen Vorschlags, der dann in „Church Relations" ausgearbeitet worden war, die grundsätzliche Frage: Sind zwei parallele bischöfliche Kirchen einer Vereinigung dieser beiden Kirchen vorzuziehen220? Das Problem des Bischofsamtes wird bewußt in einen größeren Zusammenhang hineingestellt. So wird am Anfang des Berichts ausführlich eine grundsätzliche Ubereinstimmung in den ersten drei Punkten des Lambeth Quadrilaterals festgestellt. Im Zusammenhang mit der Lehre von der Kirche wird sodann darauf hingewiesen, daß die Kirche von England in der Kontinuität des dreifachen Amtes in bischöflicher Sukzession ein bedeutsames Element in der Kontinuität der Kirche durch die Geschichte sieht. Die Methodisten betonen dagegen die evangelische Sukzession (d.h. das Zeugnis der Glaubenden) und die Kontinuität der apostolischen Lehre, der Predigt des Evangeliums und der Gnadenmittel als wesentliche Elemente der Kontinuität der Kirche durch die Geschichte. Aber man sieht hier keine Gegensätze, sondern nur verschiedene Akzentsetzungen, wobei die Kirchen viel voneinander lernen können. Neben dieser Bereitschaft, voneinander zu lernen, steht als weiterer verheißungsvoller Ausgangspunkt für die Gespräche der gegenseitige Ausdruck der Buße für vieles, was die Beziehungen zwischen beiden Kirchen in der Vergangenheit belastet hat 221 . Von Bedeutung ist sodann Kapitel 4 des Berichtes, das eine Erklärung der an den Gesprächen beteiligten anglikanischen Theologen zum Thema „The Anglican Inheritance and Episcopacy" enthält. Hier steht das bekannte historische Argument zugunsten des Bischofsamtes — seit frühester Zeit war das Bischofsamt viele Jahrhunderte hindurch die in der Kirche herrschende Amtsform und auch heute noch hat der größte Documents 4, S. 6 6 — 7 9 . Conversations between The Churdi of England and The Methodist Church (abgek. Conversations). 2 2 0 Conversations, S. 3. 2 2 1 Ebd. S. 5 — 8 . 218
219
229
Teil der Christenheit dieses Amt bewahrt — am Anfang. Daß die neuen Formen des Amtes nach der Reformation keine allgemeine Annahme gefunden haben, kann als ein weiterer Beweis für den Wert des Bischofsamtes angesehen werden. Heute geht es vor allem darum, dieses Amt neuen Entwicklungen anzupassen 222 . Aber auch das Verhältnis des historischen Bischofsamtes zur Einheit und Kontinuität der Kirche wird behandelt. Die unsichtbare Einheit der Kirche soll äußerlich sichtbar gemacht werden. "One of the functions of the episcopate has traditionally been to manifest this unity; and no other form of Order is likely to become the means of restoring the visible unity, if it ever is to be restored." Die Kirche muß audi ihre Einheit mit der Vergangenheit bewahren. Gott hat sich in der Zeit offenbart. Wir empfangen die Offenbarung nicht direkt, sondern durch jene, die Träger des Wortes waren. "The outward form of the Church should declare visibly the continuity of its faith and l i f e . . . . This should be shown by an unbroken continuity in the organized life of the Church, and one important element in this continuity is the orderly transmission of authority in the Church from the earliest days until now." Daneben steht die Versicherung, daß die Kontinuität des Amtes immer mit der Kontinuität der Schrift, des Glaubens und des christlichen Lebens eine Einheit bilden muß 223 . Neben diesen Begründungen wird noch auf die Lambetherklärung zum historischen Bischofsamt von 1930 verwiesen, die als die vielleicht umfassendste und autoritativste anglikanische Erläuterung des Begriffs „historisches Bischofsamt" bezeichnet wird 224 . Auf die in diesem Bericht enthaltene Beurteilung der methodistischen Ämter durch die anglikanischen Theologen wurde in diesem Kapitel bereits eingegangen225. Der Gedanke einer gegenseitigen Bereicherung, der in den Gesprächen immer wieder auftaucht, wird auch am Ende dieses Abschnitts ausgesprochen: "We look forward to the ministry of a reunited Church which shall stand in the historic succession and shall inherit those powers, traditions, and responsibilities which God has given to all or to any of the uniting Churches." 226 Das 6. Kapitel des Berichtes steht unter der Überschrift „Unity and Intercommunion" und ist von Vertretern beider Kirchen verfaßt. Es geht auf die Kernfrage ein, ob nämlich das Bischofsamt von der Methodistischen Kirche übernommen werden kann ohne Beeinträchtigung grundlegender methodistischer Prinzipien oder des methodistischen Erbes. Als Vorbedingung für eine solche Übernahme wird die Übereinstimmung in den grundlegenden Fragen des Glaubens genannt, die der Konferenz im Blick auf die Aussagen in Kapitel 2 des Berichtes gesichert scheint. Die 222 224 225
230
223 Ebd. S. 17. Ebd. S. 18 f. Ebd. S. 22. Diese Erklärung wird auf S. 22—24 zitiert. 226 Vgl. hier S. 196. Conversations, S.27.
Teilnehmer an den Gesprächen stimmen darin überein, daß das Bewußtsein der Methodistischen Kirche, über die Zeiten hinweg mit Christen in der Gemeinschaft zu stehen, durch das Zeugnis des Bischofsamtes gegenüber der Einheit und Kontinuität der Kirche in hohem Maße bereichert werden könnte. Die Frage bleibt aber immer noch, in welcher Weise die Übernahme des Bischofsamtes in die Methodistische Kirche geschehen soll. Abgesehen von den wesentlichen geistlichen Funktionen des Bischofsamtes braucht die Methodistische Kirche dieses Amt nicht in genau derselben Form zu übernehmen, wie es zur Zeit in der Kirche von England besteht. In allen diesen Fragen, zu denen auch die Art und Weise der Ernennung der Bischöfe und ihrer Funktionsausübung gehören, könnte die „Methodistische Konferenz" ihre eigenen Beschlüsse fassen 227 . In dem Bericht werden zwei verschiedene Vorschläge für die Übernahme des Bischofsamtes durch die Methodistische Kirche behandelt. Der erste Vorschlag lautet so: Gemäß der im Bericht „Church Relations in England" vorgeschlagenen Methode würden 1. methodistische Pfarrer durch Bischöfe einer bischöflichen Kirche zu Bischöfen der Methodistischen Kirche konsekriert und 2. müßten dann alle zukünftigen Ordinationen in dieser Kirche bischöflich sein. Das Ergebnis wären zwei getrennte bischöfliche Kirchen, die durch ein bestimmtes Maß an Interkommunion miteinander verbunden sind. Glieder der Kirche von England könnten nur in solchen methodistischen Gemeinden kommunizieren, die bereits einen bischöflidi ordinierten Pfarrer haben. Diese beschränkte Interkommunion würde in dem Maße umfassender werden, als bischöflidi ordinierte methodistische Pfarrer Gemeinden übernehmen. Diese Pfarrer könnten auch in anglikanischen Kirchen das Abendmahl verwalten. Die volle Abendmahlsgemeinschaft kann aber erst dann erreicht werden, wenn alle methodistischen Pfarrer bischöflich ordiniert sind, d. h. nach etwa fünfzig Jahren. In der Zwischenzeit würden in der Methodistischen Kirche zwei Gruppen von Pfarrern Dienst tun, die in verschiedener Beziehung zur Kirche von England stehen. Gerade aber aus diesem Grunde ist dieser Vorschlag für die Methodistische Kirche unannehmbar. Im Blick auf die hier auftauchenden praktischen Schwierigkeiten sprachen sich auch die anglikanischen Vertreter an den Gesprächen gegen diese Form der bloßen Übernahme des Bischofsamtes aus, wobei sie außerdem darauf hinwiesen, daß eine beschränkte Interkommunion nicht ein wirkliches Zusammenwachsen der Kirchen sichert, noch die Annahme einer organischen Vereinigung als das letzte Ziel garantiert 228 . Sodann wird ein zweiter Vorschlag gemacht, der die volle Abendmahlsgemeinschaft vom Anfang an ermöglichen würde: Diesem Vorschlag entsprechend würden nicht nur 1. methodistische Pfarrer von Bischöfen an227
Ebd. S. 38 f.
228
Ebd. S. 40 f. 231
derer Kirchen zu Bischöfen konsekriert und 2. als Regel für die Zukunft nur bischöfliche Ordinationen zugelassen, sondern es würde 3. auch das Pfarramt in der Kirche von England und der Methodistischen Kirche zugleich mit der Übernahme des Bischofsamtes durch die Methodistische Kirche vereinigt werden. Das Ziel dieser Maßnahmen soll aber nicht nur die Interkommunion sein — die an sich die Einheit nicht näherbringt, wie es das Beispiel der englischen Freikirchen zeigt — sondern schließlich die organische Einheit. Interkommunion und Vereinigung der Ämter sind nur eine Stufe auf dem Wege zur vollen Einheit, die Gott für seine Kirche will. Mit dem Erzbischof von Canterbury sind die Verfasser des Berichts der Meinung, daß eine Vereinigung der beiden Kirchen zu einer einzigen Kirche noch nicht möglich ist, sie müssen vorerst noch getrennt bleiben. Die vom Erzbischof erwähnten Hinderungsgründe werden noch einmal angeführt. Doch können beide Kirchen bereits ein hohes Maß an Gemeinschaft üben. So könnte man zum Beispiel eine gemeinsame „Generalversammlung" schaffen. Auch könnten sich die beiden Kirchen durch die Art ihres Lebens und ihrer kirchlichen Formen gegenseitig bereichern229. Mit der Frage, wie nun die Vereinigung der Ämter durchgeführt werden kann, ohne daß jemand sein früheres Amt verleugnen muß, geht der Bericht auf eine Kernfrage ein, die in allen bisherigen Gesprächen zwischen der Kirche von England und den englischen Freikirchen keine befriedigende Antwort gefunden hatte. Nach Auffassung des Berichtes haben die Unionspläne für Ceylon und Nordindien/Pakistan in dieser Frage einen Weg aufgezeigt. In diesen Plänen wird ausdrücklich von niemandem eine Verleugnung seines früheren Amtes gefordert. Die Grundgedanken der in diesen Plänen enthaltenen Form der Vereinigung der Ämter werden so beschrieben: "a) Refusal either to repudiate past ministries or to specify in what precise respects any of them may have been limited in scope and authority; b) an act of faith that in response to the prayer of the Church and through the laying-on of hands God will remedy any limitations which there may be, in his sight, in any of the several ministries. Thus these plans look forward to the life and needs of the future united Church rather than backwards in judgement upon the past." Es wird nach Auffassung des Berichts nun nötig sein, zu überlegen, ob diese Grundprinzipien und die darauf beruhende Form des „VereinigungsGottesdienstes" in der andersgearteten Situation in England benutzt und ihr angepaßt werden können. Bei einer Zustimmung zu diesen Prinzipien wäre der Weg frei für eine Gemeinschaft der Kirche von England mit der Methodistischen Kirche, die zwar noch keine volle organische Einheit, aber mehr als eine nur beschränkte Interkommunion darstellen würde. 229
232
Ebd. S. 41—43.
Dann wäre der Weg frei zu einem Zusammenwachsen beider Kirchen, das sein Ziel in der vollen Einheit hat 230 . Abschließend heißt es, daß viele Fragen (wie zum Beispiel Ordination, Konfirmation etc.) noch erörtert werden müssen. Eine Grundvoraussetzung für den Weg zur Einheit ist die beiderseitige Bereitschaft zum Geben und Nehmen. Die ersehnte und erstrebte Einheit bedeutet nicht die Absorbierung einer Kirche durch die andere, sondern das Zusammenkommen zweier Kirchen, die dem einen, ungeteilten Christus, dem Herrn und Erlöser von uns allen, gehorsam sind231. Gegenüber früheren Berichten stellt dieser „Interim Report" ohne Zweifel einen Fortschritt dar. Sowohl der Vorschlag des Erzbischofs von Canterbury, sich vorerst mit der Verwirklichung der Abendmahlsgemeinschaft zu begnügen, da die Stellung der Kirche von England gegenwärtig noch nicht eine Vereinigung mit einer anderen Kirche erlaubt, wie auch die Ergänzungen der Lambethkonferenz von 1948 zu diesem Vorschlag, daß nämlich audi die Abendmahlsgemeinschaft nur als eine vorläufige Stufe auf dem Wege zur vollen Einheit betrachtet werden darf und daß ein gegenseitig anerkanntes Amt eine Vorbedingung für die Herstellung der Abendmahlsgmeinschaft ist, sind hier aufgenommen. Das Bischofsamt und die Forderung nach seiner Annahme durch die Methodistische Kirche wird in erster Linie von seiner Bedeutung für die Einheit und Kontinuität der Kirche her begründet. Gegenüber dem „Outline" von 1938, in dem gemäß dem Unionsplan für Südindien nicht die Vereinigung aller Ämter der beteiligten Kirchen gefordert wird, ist in diesem „Interim Report" die in den Unionsplänen für Nordindien/Pakistan und Ceylon enthaltene Form der Vereinigung aller Ämter der beteiligten Kirchen übernommen worden, durch die jede Unterscheidung zwischen bischöflichen und nicht-bischöflichen Ämtern beseitigt wird. Die Gespräche zwischen der Kirche von England und der Methodistischen Kirche wurden von dem Gedanken bestimmt, daß beide Kirchen sich gegenseitig bereichern können. Allerdings würde die Übernahme des Bischofsamtes und der bischöflichen Ordination durch die Methodistische Kirche eine tiefer greifende Veränderung ihres gesamten Gefüges bedeuten als die erhoffte stärkere Heranziehung der Laien, die Verstärkung der evangelistischen Bemühungen und die intensivere Beschäftigung mit der Lehre von der Heiligung 232 auf seiten der Kirche von England. Besonders von anglikanischer Seite wurde immer wieder betont, daß als letztes Ziel die organische Einheit der Kirche von England und der Methodistischen Kirche im Auge behalten werden muß. Doch finden sich bisher noch keine Anzeichen dafür, daß die vom Erzbischof von Canterbury wie auch von 230 232
231 Ebd. S. 44. Ebd. S. 44 f. Vgl. The Lambeth Conference 1958, S.II.47.
233
diesem „Interim Report" angeführten Hinderungsgründe gegen eine baldige Vereinigung der Kirche von England mit einer englischen Freikirche (Stellung der Kirche von England als Staatskirche und als Zentrum der anglikanischen Kirchengemeinschaft, die ungelösten Spannungen innerhalb der Kirche von England) in der näheren Zukunft weggeräumt sein werden. Die Lambethkonferenz von 1958 äußerte sich sehr positiv über die Gespräche zwischen der Kirche von England und der Methodistischen Kirche und zu diesem „Interim Report". Wenngleich die Position der Kirche von England als Kernstück der anglikanischen Kirchengemeinschaft durch die in dem „Interim Report" enthaltenen Vorschläge gewahrt wird, ist doch der Ausschuß für die „Einheit der Kirche" dieser Lambethkonferenz der Auffassung, daß die fortdauernde Existenz von parallelen bischöflichen Kirchen im selben Gebiet höchst unbefriedigend wäre. Der Ausschuß wie auch die gesamte Konferenz würden eine Fortsetzung der Gespräche begrüßen, und zwar mit dem ausdrücklichen Wunsch, daß die organische Einheit als endgültiges Ziel festgehalten wird und daß nach der Verwirklichung der Abendmahlsgemeinschaft ein Prozeß der Angleichung vor sich gehen sollte durch gegenseitige Bereicherung und durch das regelmäßige Zusammentreffen der Bischöfe, Presbyter und Laien zu Beratungen und zum Gebet 2 3 3 . Die im Juni 1959 in Bristol abgehaltene Methodistenkonferenz brachte ihre große Befriedigung darüber zum Ausdruck, daß die Unionsgespräche mit der Kirche von England fortgesetzt werden sollen 234 . Eine weitere Folge der Predigt des Erzbischofs von Canterbury aus dem Jahre 1946 war die Wiederaufnahme der Gespräche zwischen der Kirche von England und der Kirche von Schottland im Jahre 1949. Im Jahre 1951 wurde ein erster Bericht veröffentlicht. Die Frage des Amtes ist auch in diesen Gesprächen bewußt ausgeklammert worden. Dagegen wurde die beträchtliche Übereinstimmung in der Lehre, die im Bericht von 1934 dargelegt wurde 235 , erneut bekräftigt. Außerdem wurde die gemeinsame Überzeugung ausgesprochen, daß die Einheit der Kirche nicht nur Übereinstimmung im Glauben sondern auch ein allgemein anerkanntes Amt einschließt. Neben praktischen Vorschlägen für ein Näherkommen beider Kirchen befürwortet der Bericht weitere Gespräche, die sich dann auch mit dem Amt und den damit verbundenen Problemen beschäftigen sollten 238 . Ebd. S. II. 4 5 — 4 8 und Resolution N r . 29 und 30, S. 1 . 3 7 f. ökumenischer Pressedienst, Jg. 26, Nr. 28, Genf 1959, S . 6 . 2 3 5 Documents 3, S. 128 f. 2 3 8 Α Joint Report on Relations between the Churth of England and the Church of Scotland, 1951, abgedr. in: Documents 4, S. 80—85. 233 234
234
Nachdem die entscheidenden Gremien beider Kirchen ihre Zustimmung gegeben hatten, kamen Vertreter der Kirche von England, der Kirche von Schottland wie audi zusätzlich der Presbyterianischen Kirche in England und der Bischöflichen Kirche in Schottland zu neuen Gesprächen zusammen. Deren Ergebnis wurde in einem gemeinsamen Bericht „Relations between Anglican and Presbyterian Churches" im Jahre 1957 der Öffentlichkeit übergeben. Dieser Bericht behandelt ausführlich das Verhältnis von bischöflichen und presbyterianischen Formen der Kirchenordnung und die Möglichkeit einer gegenseitigen Angleichung und Durchdringung. Die Gespräche drehten sich somit vor allem um die Frage: . . are there conceivable modifications and mutual adaptations for the two Church systems whereby they may be reconciled in such a plenitude of faith and order as will conserve the fullness of their traditions?" 237 Eine Reihe von bemerkenswerten gemeinsamen theologischen Aussagen über das Verhältnis von Amt und Kirche ist als Voraussetzung für die weiteren Ausführungen vorangestellt: 1. Die ganze Kirche als der Leib Christi hat an seinem dreifachen Amt als Prophet, Priester und König teil. Die Kirche, von Gott gesandt, wird nicht nur im Blick auf ihren Glauben, ihre Lehre und Sendung, sondern audi im Blick auf ihre Ordnung als apostolisch beschrieben. 2. Jedes Amt in der Kirche ist als Amt Christi für die Kirche zu verstehen. Jedes Amt in der Kirche ist innerhalb des allgemeinen Priestertums der ganzen Kirche auszuüben. 3. Im Rahmen dieses umfassenderen Amtes besteht ein besonderes Amt des Wortes und der Sakramente, zu dem einige Glieder der Gemeinde durch die Ordination ausgesondert werden. 4. Die Einheit und Kontinuität der Kirche schließt folgendes ein: a) Die Einheit und Kontinuität des gesamten Leibes, der durch die Taufe dem königlichen Priestertum Christi einverleibt ist. b) Die Einheit und Kontinuität in der Verwaltung von Wort und Sakramenten als den Gnadenmitteln in der Kirche. 5. Eine der Funktionen des ordinierten Amtes ist die Ausübung der „episkope" in der Kirche, die unter folgenden Aspekten betrachtet werden kann: a) apostolische Sendung und Autorität, b) pastorales Amt, c) kontinuierliche Fortführung des Amtes von Wort und Sakrament durch die Ordination, d) Schutz der Wahrheit und Ausschluß des Irrtums, e) Darstellung der Kirche in ihrer Einheit und Universalität 238 . 237 238
Relations between Anglican and Presbyterian Churches (abgek. Relations), S. 7 Relations, S. 8 f.
235
Dem schließen sich Aussagen über das Amt im Neuen Testament an. Das Amt wurde von Christus mit der Ernennung der Zwölf eingesetzt und nach Christi Auferstehung neu errichtet. Die Apostel besaßen die einzigartige Funktion, autoritative Zeugen von Jesus Christus zu sein. Diese Funktion konnte nicht weitergegeben werden. Das pastorale Amt der Apostel und ihr missionarisches Amt des Wortes und der Sakramente werden durch das Amt der Kirche fortgeführt. Dies geschieht in Unterordnung unter das apostolische Zeugnis und innerhalb der apostolischen Tradition. Der auferstandene und erhöhte Herr beruft Menschen in ein Amt, das er gegründet hat, so daß diese nun das pastorale und missionarische Amt der Apostel fortführten. So benutzt er das Amt als ein organisches Bindeglied zwischen der Kirche aller Zeiten und sich selbst. " I t follows that the continuity of ministerial succession is one element in the unity of the Church through time. The orderly transmission of ministerial responsibility and authority from one generation to the next duly attests, in reliance upon the promised power and guidance of the Holy Spirit, the transmission of the Apostolic Faith according to Holy Scripture and of sound doctrine so based, together with the continuity of worship, mission, and corporate obedience in the life of the Church." 239 Zum Amt des Wortes und der Sakramente gehört die Ausübung der „episkope", durch die die apostolische Sendung und Autorität weiterhin ausgeübt wird. Die an diesen Gesprächen beteiligten Kirchen wollen das Verständnis und die praktische Ausübung der „ episkope" neu durchdenken. Auf anglikanischer Seite stand von vornherein fest, daß abgesehen vom Bischofsamt die volle Abendmahlsgemeinschaft oder die Einheit nicht verwirklicht werden kann. Auf presbyterianischer Seite stand gleichfalls fest, daß die volle Abendmahlsgemeinschaft und die Kircheneinheit die volle Anerkennung des korporativen Wesens des Amtes und der Ausübung der „episkope" im Gemeindeamt des Wortes und Sakramentes voraussetzt. Im Blick auf die Form der Ausübung dieser „episkope" bestehen in beiden Kirchen folgende Verschiedenheiten: 1. In den presbyterianischen Kirchen üben die Geistlichen durch das Presbyterium, zusammen mit den Laienältesten, einen korporativen Episkopat aus. Die für die „episkope" wesentlichen Funktionen werden zum Teil durch das Presbyterium, zum Teil durch den einzelnen Pfarrer ausgeübt. 2. Die anglikanischen Kirchen besitzen das besondere Amt des Bischofs, in dessen Person eine Reihe von Funktionen zusammengefaßt sind. Diese sind: Er ist der höchste Verwalter des Amtes von Wort und Sakrament, er vollzieht die Ordination, er ist der oberste Hirte der Geistlichen und Laien, er repräsentiert die ganze Kirche gegenüber seiner Diözese und seine Diözese gegenüber der 239
236
Ebd. S. 10.
ganzen Kirche und er besitzt Autorität in Fragen der Lehre, die er aber mit der Kirche als ganzer ausübt 240 . Die presbyterianischen Gesprächsteilnehmer waren bereit, die Funktionen des Bischofs in Erwägung zu ziehen, sofern dieses Amt den Presbyterien und der ganzen Kirche entsprechend zugeordnet wird. "The concept of a presiding 'Bishop in Presbytery', exercising functions in relation to ordination and pastoral oversight as a Father-in-God to ministers and congregations, with authority given to him by consecration at the hands of Bishops as well as with the authority of the collective Presbytery, appeared to be a possible modification of the Presbyterian polity." Die Anglikaner versicherten in diesem Zusammenhang, daß das Bischofsamt nur im Rahmen des gemeinsamen Lebens der Kirche in rechter Weise ausgeübt werden kann und daß die Möglichkeit besteht, in den anglikanischen Kirchen ein größeres Maß an „corporate episcopacy" anzunehmen 241 . Das Kernstück des Berichtes ist das Kapitel mit Vorschlägen für Änderungen in den Ordnungen und in der Praxis der presbyterianischen und anglikanischen Kirchen. Jeder Kirche soll dabei eine gewisse Freiheit in der Interpretation dieser Änderungen gestattet sein. Mit Hilfe dieser Modifikationen soll nun nicht eine einzige, große „Kirche von Großbritannien" geschaffen werden, sondern eine „Kirche von England" und eine „Kirche von Schottland", die in voller Abendmahlsgemeinschaft miteinander stehen. "What is envisaged in these modifications is a fullness of sacramental communion between these two Churches, involving fully authorized interchange of communicants and mutual recognition of ministries." 242 Mit den Vorschlägen dieses Berichts soll also zweierlei erreicht werden: einmal die Vereinigung der anglikanischen Kirche in Schottland mit der Kirche von Schottland und entsprechend die Vereinigung der Presbyterianischen Kirche in England mit der Kirche von England und sodann die Herstellung der Abendmahlsgemeinschaft zwischen den beiden so vereinigten Kirchen. Die von vielen Anglikanern vertretene Sicht kirchlicher Einheit als einer in Interkommunion stehenden Gemeinschaft von Nationalkirchen kommt hier zum Ausdruck. Von anglikanischer Seite wird noch einmal erläutert, warum die Annahme des Bischofsamtes eine Vorbedingung für die Herstellung der Abendmahlsgemeinschaft ist. Nach anglikanischer Auffassung ist die Spendung des Abendmahls eine Handlung der ganzen Kirche Gottes. Aus diesem Grunde ist es notwendig, daß der Verwalter des Abendmahls die Autorisierung der ganzen Kirche besitzt — soweit dies in einer gespaltenen Christenheit möglich ist. Die bischöfliche Ordination wird wegen des repräsentativen Charakters des Bischofsamtes besonders betont, denn 240 241 Ebd.S.II. Ebd.S. 12. 242 Ebd. S. 13. 237
der Bischof ist sowohl oberster Amtsträger in seiner Diözese als auch auf Grund seiner Konsekration durch Bischöfe anderer Diözesen mit dem umgreifenderen Amt der universalen Kirche über die Zeiten hinweg verbunden. Das Abendmahl wird somit als etwas verstanden, was wesentlich zur Ordnung und Kontinuität der Kirche und ihres Amtes hinzugehört. Dementsprechend muß das Bischofsamt als etwas angesehen werden, ohne das die Abendmahlsgemeinschaft nicht möglich ist, auch wenn in den anderen Fragen der Lehre und Praxis Ubereinstimmung erreidit worden ist 243 . Die wesentlichsten Änderungen im Interesse der Einheit wären nach Auffassung des Berichts auf presbyterianischer Seite die Übernahme einer Form des Bischofsamtes, die für die betreffenden Kirchen annehmbar ist und auf seiten der anglikanischen Kirchen die Entwicklung einer Ordnung, in der das Amt und die Laien in den die Leitung und Lehre der Kirche betreffenden Entscheidungen miteinander verbunden sind. "These changes would represent a recovery of elements in that wholeness of the Church to which both Episcopal and Presbyterian Churches are deeply committed." Sodann werden die vorgeschlagenen Änderungen näher beschrieben. Folgende Änderungen in den presbyterianischen Kirchen hält der Bericht für angemessen: "Bishops, chosen by each Presbytery, from its own membership or otherwise, would initially be consecrated by prayer with the laying on of hands by Bishops from one or more of the Episcopal Churches and by the Presbytery acting through appointed representatives. Thus consecrated, each Bishop would be within the Apostolic succession as acknowledged by Anglicans on the one hand, and as required by Presbyterians on the other. He would be the President of the Presbytery and would act as its principal minister in every ordination, and in the consecration of other Bishops. He would exercise pastoral oversight over his fellow-ministers in the Presbytery, and act as its spokesman to the community. . . . The Presbytery would still retain its full and essential place in the life and government of the Church, except that a permanent Bishop-inPresbytery would take the place of the changing Moderator. The General Assembly would retain its full existing authority in doctrine, administration, legislation, and judicature. Bishops would be members of the General Assembly, without constituting an upper house within it, although decisions on doctrinal and constitutional matters might well have to require their consent." 244 Die anglikanischen Teilnehmer an den Gesprächen weisen darauf hin, daß das so übernommene Bischofsamt in vieler Hinsicht von der anglikanischen Form des Bischofsamtes verschieden ist. Aber wenn diese 243
238
Ebd. S. 14.
244
Ebd. S. 14 f.
Bischöfe in geistlichen und dogmatischen Fragen angemessene Autorität und Funktionen besitzen, dann sind die Anglikaner bereit, sie als Bischöfe in der Kirche Gottes anzuerkennen. Sie bringen außerdem die Hoffnung zum Ausdruck, daß nach der Übernahme des Bischofsamtes durch die presbyterianischen Kirchen auch die Konfirmation von den Bischöfen verwaltet wird 2 4 5 . Die für die anglikanischen Kirchen vorgeschlagenen Änderungen zielen in erster Linie auf eine stärkere, institutionell verankerte Beteiligung der Laien an allen Aufgaben der Kirche ab. So sollen einzelne Laien mit einer bestimmten seelsorgerlichen Verantwortung gegenüber ihren Mitchristen in einem Amt beauftragt werden, welches dem presbyterianischen Ältestenamt ähnlich ist. Die Laien sollen weiterhin auf allen Stufen der Kirchenleitung einen gemäßen Platz erhalten und auch an den Entscheidungen über geistliche Fragen beteiligt werden. Die bestehenden Organe in den anglikanischen Kirchen Großbritanniens müßten darum entsprechend umgestaltet oder erweitert werden. Hinter diesen Änderungen steht die Überzeugung, daß alle Entscheidungen der Kirche von der Kirche in ihrer Ganzheit getroffen werden sollten. Die presbyterianischen Teilnehmer an den Gesprächen fügten noch hinzu, daß sie eine Unabhängigkeit der Kirche von England vom Staat in geistlichen Fragen und Entscheidungen (wie ζ. B. bei der Wahl und Ernennung ihrer Bischöfe), eine stärkere Betonung des prophetischen Amtes mit der Predigt des Wortes und eine Teilung der großen Diözesen in überschaubare Einheiten auf Seiten der Kirche von England als weitere Voraussetzungen für ein Gelingen der erstrebten vollen Abendmahlsgemeinschaft ansehen 246 . Diese Vorschläge sollen als Antwort auf die Frage gelten, welche Änderungen in den verschiedenen Kirchen eine Voraussetzung für die volle Abendmahlsgemeinschaft darstellen. Mit einer Reihe von praktischen Vorschlägen für ein Näherkommen beider Kirchen in der Zwischenzeit (u.a. eine begrenzte Zulassung von Presbyterianern zu anglikanischen Abendmahlsfeiern), vor der Herstellung der Abendmahlsgemeinschaft, schließt der Bericht 247 . Der vorliegende Bericht behandelt die Frage des Bischofsamtes im größeren Zusammenhang der Lehre vom Amt überhaupt und von dessen Verhältnis zur Kirche. Im Unterschied zu dem Zwischenbericht über die anglikanisch-methodistischen Gespräche finden sich hier eingehendere Ausführungen über die Art und Weise, in der das Bischofsamt in eine nicht-bischöfliche Kirche übernommen und mit bestehenden Formen der kirchlichen Ordnung verbunden werden kann. Bemerkenswert ist audi der Vorschlag, daß die Bischöfe für die presbyterianischen Kirchen nicht 245 247
Ebd. S. 15 f. Ebd. S. 20.
246
Ebd. S. 16 f.
239
nur von Bischöfen, sondern von Bischöfen und Presbytern zusammen konsekriert werden sollen. Zugleich ist der Versuch unternommen worden, bestimmte Änderungen in der Ordnung der anglikanischen Kirchen, die in ihrer Tragweite aber längst nicht der Übernahme des Bischofsamtes durch eine nicht-bischöfliche Kirche entsprechen, vorzuschlagen. Die an den Gesprächen beteiligten Theologen der anglikanischen und presbyterianischen Kirchen stimmten diesen Vorschlägen zu. Auffallend ist andererseits, daß kein Wort über eine Angleichung oder Vereinigung der anderen Ämter gesagt wird. Gerade das war ja bisher eines der Hauptprobleme, zumal nach anglikanischer Auffassung eine volle Abendmahlsgemeinschaft ohne die Vereinigung aller Ämter nicht möglich ist. Auf diesen Punkt hat dann audi die Lambethkonferenz 1958 hingewiesen 248 . Erst wenn die Vereinigung auch der anderen Ämter in die in diesem Bericht enthaltenen Vorschläge mit einbezogen wird, dann würde der Bericht gegenüber dem Zwischenbericht über die anglikanisch-methodistischen Gespräche einen Fortschritt darstellen. Genau wie über den „Zwischenbericht" machte die Lambethkonferenz von 1958 auch über diesen Bericht sehr positive Aussagen 249 . Der Bericht des Ausschusses für die „Einheit der Kirche" enthält über die presbyterianischen Kirchen und Ämter folgende Stellungnahme: " I t is the Committee's opinion that the Anglican Churches ought to be ready to recognize the Presbyterian Churches as true parts of the One, Holy, Catholic, and Apostolic Church, and that the spiritual effectiveness of their ministerial orders ought not to be implicitly or explicitly questioned." Der Ausschuß bringt sodann den Wunsch zum Ausdruck, daß man zu einer Übereinstimmung hinsichtlich einer Methode zur Vereinigung der Ämter — ähnlich den Vorschlägen für Nordindien und Ceylon — kommen sollte, daß weiterhin die Bischöfliche Kirche in Schottland und die Kirche von Schottland direkte Verhandlungen miteinander aufnehmen sollten und daß das letzte und entscheidende Ziel aller Bemühungen um die Einheit der Kirche nichts anderes als die organische Einheit sein sollte. Abschließend wird die bekannte These noch einmal wiederholt, daß die Anglikaner nicht eher der Herstellung der vollen Abendmahlsgemeinschaft zustimmen können, bevor nicht die presbyterianischen Kirchen das Bischofsamt angenommen haben und eine Vereinigung der presbyterianischen und anglikanischen Ämter erfolgt ist 250 . Im Gegensatz zu dieser im allgemeinen günstigen Aufnahme des Berichts gab es in der Kirche von Schottland, wo die in dem Bericht gemachten Vorschläge nicht nur in der Kirche sondern auch in der Öffentlichkeit ausgiebig diskutiert wurden, viel Opposition, die sich schließlich 248 249 250
240
The Lambeth Conference 1958, S . I I . 4 3 f . Ebd. S. II. 40—45, und Resolutionen Nr. 25—28, S. 1.37. Ebd. S. II. 43 f.
durchsetzen konnte. Nachdem die Vorschläge des Berichts in den einzelnen Presbyterien abgelehnt worden waren, wandte sich auch die Generalversammlung der Kirche von Schottland Ende Mai 1959 mit 300 gegen 266 Stimmen gegen die Einführung des Bischofsamtes und damit gegen den entscheidenden Vorschlag des Berichts. Die in dem Bericht vertretenen Auffassungen und Vorschläge seien unannehmbar, sie kämen einer „Verleugnung der Katholizität der Kirche von Schottland und der Gültigkeit ihres geistlichen Amtes innerhalb der katholischen Kirche" gleich. Der Ausschuß f ü r Zwischenkirchliche Beziehungen hatte zuvor eine Fortsetzung der Unionsgespräche befürwortet, aber in schroffer Form wendet sich die Generalversammlung auch gegen diese Empfehlung: „Wir müssen unbedingt darauf bestehen, daß diese Vorschläge weder in dieser noch in einer anderen Form wiederkehren." 2 5 1 Die Mehrheit der Generalversammlung wandte sich also gegen Vorschläge, die von führenden Theologen der eigenen Kirche mit ausgearbeitet worden waren. Allerdings sollte nicht übersehen werden, daß immerhin 266 Glieder der Generalversammlung gegen die Ablehnung des Berichts und der darin enthaltenen Vorschläge stimmten 252 . Die positiv gehaltenen Stellungnahmen der Lambethkonferenz von 1958 zu den Gesprächen zwischen der Kirche von England und der Methodistischen Kirche wie auch den presbyterianischen Kirchen in England und Schottland wurden bereits erwähnt. Zum Verhältnis von Bischofsamt und kirchlicher Einheit enthält der Bericht nichts Neues; es wird wieder auf die grundlegenden Prinzipien der Lambethkonferenz von 1920 hingewiesen und aus dem Gehorsam gegenüber der jahrhundertealten Tradition der Kirche und aus der eigenen Erfahrung begründet, daß ein von der ganzen Kirche anerkanntes Amt nur durch das historische Bischofsamt erlangt werden kann — wenn auch nicht notwendigerweise in genau derselben Form, wie es in den anglikanischen Kirchen besteht. "This ministry we believe to have been given to the Church by Divine Providence from primitive Christian times with its traditional functions of pastoral care and oversight, ordination, leadership in worship, and teaching." Alle die besonderen geistlichen Gaben und Einsichten der einzelnen Kirchen, und dazu gehören auch die für diese Kirchen typischen Formen der Ordnung, sollen in einer vereinigten Kirche, deren Einheit durch das Band des historischen Bischofsamtes gekennzeichnet wird, in gegenseitiger Bereicherung ihren gemäßen Platz finden253. Hier wird in Uber251
ökumenischer Pressedienst, Jg. 26, N r . 2 2 , Genf 1959, S . l . Das bedeutet noch nicht, daß diese 266 Mitglieder der Generalversammlung für eine Übernahme des Bischofsamtes wären. Sie wünschten aber in jedem Falle eine Weiterführung der Gespräche in der bisherigen Form. 253 The Lambeth Conference 1958, S . I I . 2 2 . 252
16
8220
Gaßmann, Bischofsamt
241
einstimmung mit einer wachsenden Gruppe von Theologen der Kirche von England das Bischofsamt als ein Bestandteil der „Fülle" der Kirche bezeichnet 254 . e)
Zusammenfassung
Überblickt man die Bemühungen um die kirchliche Einheit in England und Schottland während des hier behandelten Zeitraums von 1920 bis 1958, dann ist auf eine Reihe von konstanten Aussagen, die die Gespräche vom Anfang an wie rote Fäden durchziehen, wie auch auf einige Entwicklungen und Entfaltungen der in den verschiedenen Berichten enthaltenen Vorstellungen und Vorschläge hinzuweisen. Zu den konstanten Aussagen zählt natürlich die anglikanische Grundforderung nach Annahme des Bischofsamtes als einer Vorbedingung für die Herstellung der Abendmahlsgemeinschaft oder einer Kirchenunion, an der sich eine anglikanische Kirche beteiligen soll. Dem entspricht vom Anfang an die grundsätzliche Bereitschaft der an den Gesprächen beteiligten freikirchlichen und schottischen Theologen, das Bischofsamt unter bestimmten Umständen anzunehmen. Das besagt nicht, daß diese Theologen in ihrer Bereitschaft zur Annahme des Bischofsamtes immer die Mehrheit ihrer eigenen Kirchen hinter sich hatten. Weiterhin finden sich in allen Berichten die Aussagen, daß das für ein vereinigte Kirche oder durch eine nicht-bischöfliche Kirche anzunehmende Bischofsamt in einer „repräsentativen und konstitutionellen" Weise ausgeübt werden soll, daß mit der Annahme des Bischofsamtes zwar dessen wesentliche Funktionen aber nicht eine bestimmte Interpretation des Ursprungs und Wesens dieses Amtes verbunden sein sollen und daß kein nicht-bischöflicher Amtsträger bei einer Vereinigung sein bisheriges Amt zu verleugnen braucht. Aber auch die Bgründungen für die anglikanische Forderung nach Annahme des Bischofsamtes bilden mit ihren wichtigsten Aussagen einen konstanten Bestandteil der Berichte. Hierzu gehört die Forderung nach der Annahme eines allgemein anerkannten Amtes und die Antwort hierauf, daß das Bischofsamt vom 2. bis zum 16. Jahrhundert das in der Kirche allgemein anerkannte Amt gewesen ist und es auch heute noch vom größeren Teil der Christenheit bewahrt wird. Durch das Bischofsamt wird die Autorität des gesamten Leibes verliehen. Besonders herausgestellt wird natürlich, daß durch das historische Bischofsamt die Einheit und Kontinuität der Kirche zum Ausdruck gebracht, aufrechterhalten und wiedergewonnen wird, wo sie zerbrochen ist. Welche Entwicklungen zeichnen sich in dem behandelten Zeitraum ab? Zu dem bisher schon Erwähnten gehört, daß der Hinweis auf die besondere Bedeutung des historischen Bischofsamtes für die Einheit und Kon254
242
Ebd.S.II.89.
tinuität der Kirche im „Interim Report" aus dem Jahre 1958 am ausführlichsten ausgearbeitet ist wie auch der oft wiederholte Verweis auf ein „repräsentatives und konstitutionelles Bischofsamt" seine volle Entfaltung erst in dem Bericht über die Gespräche zwischen den anglikanischen und presbyterianischen Kirchen findet. Daneben ist deutlich erkennbar, daß in den neueren Berichten das Bischofsamt viel stärker in den größeren Zusammenhang des Glaubens der Kirche, des Verhältnisses von Amt und Kirche und der Lehre vom Amt überhaupt hineingestellt wird. Daß die Frage des Bischofsamtes in diesen Berichten dennoch dominierend bleibt, kommt daher, daß in den die Lehre der Kirche und das Amt im allgemeinen betreffenden Fragen die verschiedenen Kirchen ihre grundsätzliche Übereinstimmung feststellen konnten und so das Bischofsamt und die Frage der Vereinigung der Ämter weiterhin die wesentlichen Gesprächspunkte geblieben sind. Auch der Gedanke des gegenseitigen Gebens und Empfangens ist in den Berichten aus den letzten Jahren viel häufiger anzutreffen als dies in den früheren Berichten der Fall war. Die Entwicklung und Umgestaltung der mit der Forderung auf Annahme des Bischofsamtes verbundenen praktischen Vorschläge ist am deutlichsten erkennbar. Die Form der Übernahme des historischen Bischofsamtes in eine vereinigte Kirche oder in eine nicht-bischöfliche Kirche war vom Anfang an kaum umstritten, auch nicht die damit verbundene Annahme der bischöflichen Ordination als Regel für die Zukunft. Die Schwierigkeiten entstanden bei der Frage, welche Stellung die nicht-bischöflichen Ämter in einer vereinigten Kirche oder nach der Herstellung der Abendmahlsgemeinschaft einnehmen sollen und wie diese Ämter von den anglikanischen Kirchen beurteilt werden. Auf anglikanischer Seite stand fest, daß nicht-bischöflich ordinierte Amtsträger bei einer Kirchenunion oder bei der Herstellung von Abendmahlsgemeinschaft in anglikanischen Gemeinden das Abendmahl nicht spenden können. Um nun diese Ämter für die Anglikaner annehmbar zu machen, wurde in den ersten Berichten bis 1930 von den anglikanischen Theologen eine mit verschiedenen Bezeichnungen und Erläuterungen umschriebene Re-ordination der nicht-bischöflichen Pfarrer vorgeschlagen. Das war für die Freikirchen unannehmbar. Sie machten daher bereits im Jahre 1925 den Vorschlag einer gegenseitigen Beauftragung. Der Gedanke einer Re-ordination wurde fallengelassen und die im Unionsplan für Südindien enthaltenen Vorschläge für eine Übernahme des Bischofsamtes und die Anerkennung aller Pfarrer der beteiligten Kirchen als Presbyter der vereinigten Kirche — mit einer gewissen, im „Pledge" enthaltenen Einschränkung — wurden übernommen. Durch den Vorschlag des Erzbischofs von Canterbury aus dem Jahre 1946 konzentrierte sich das Interesse im wesentlichen auf die Übernahme des Bischofsamtes durch eine nicht-bischöfliche Kirche. D a aber die Anglikaner darauf bestanden, daß auch die Herstellung der vollen Abend16*
243
niahlsgemeinschaft ein gegenseitig anerkanntes Amt als Voraussetzung haben muß, wurde im Bericht über die anglikanisch-methodistischen Gespräche eine Vereinigung der Ämter nach dem Vorbild der Unionspläne für Nordindien/Pakistan und Ceylon vorgeschlagen und auch im Bericht der Lambethkonferenz von 1958 wird in Ergänzung zum Beridit über die anglikanisch-presbyterianischen Gespräche eine solche Vereinigung als notwendig bezeichnet. Der von den Freikirchen bereits 1925 gemachte Vorschlag einer gegenseitigen Beauftragung wurde so schließlich auch von den an den Unionsgesprächen beteiligten anglikanischen Theologen und den zur Lambethkonferenz versammelten Bischöfen übernommen.
B. Die Aussagen der nicht-anglokatholischen a)
Theologen
Einleitung
Die überwiegende Mehrheit aller anglikanischen Theologen vertritt die Auffassung, daß eine Wiedervereinigung mit nicht-bischöflichen Kirchen wie auch die Herstellung der Abendmahlsgemeinschaft mit diesen Kirchen nur auf dem Boden der Annahme des historischen Bischofsamtes mit seinen wesentlichen Funktionen möglich ist. Die strikteste und in gewisser Weise eindeutigste Haltung nehmen in dieser Hinsicht die Anglokatholiken ein, denn wenn das Bischofsamt nach ihrer Lehre zum esse der Kirche gehört, wenn eine christliche Gemeinschaft ohne das Bischofsamt nicht im vollen Sinn Kirche ist, dann muß jede vereinigte Kirche, um überhaupt Kirche zu sein, das Bischofsamt annehmen. Die nicht-anglokatholischen Theologen vertreten gleichfalls die Forderung nach Annahme des Bischofsamtes, sie unterscheiden sich aber in ihrer Begründung dieser Forderung und vor allem auch in den damit zusammenhängenden Erläuterungen und praktischen Vorschlägen beträchtlich von den Anglokatholiken. b) Die Begründungen für die Annahme des
Bischofsamtes
Unter den Begründungen, die von den nicht-anglokatholischen Theologen zugunsten der Forderung auf Annahme des Bischofsamtes bei der Vereinigung mit einer oder mehreren nicht-bischöflichen Kirchen angeführt werden, nimmt der Hinweis auf die Bedeutung des historischen Bischofsamtes für die Einheit und Kontinuität der Kirche einen besonderen Platz ein. In diesem Zusammenhang heißt es, daß das historische Bischofsamt die Einheit und Kontinuität der Kirche in sichtbarer Weise zum Ausdruck bringt und sie bewahrt und daß dieses Amt das von Gott gegebene Mittel ist, die Einheit der Kirche wiederherzustellen25S. Eine Voraussetzung für 255 Vgl. The Fulness of Christ, S . 8 2 und 83; A . C . H e a d l a m , a.a.O. S . 2 6 9 ; G . K . A . Bell, Christian Unity, S. 129; J. Α.T.Robinson in: K . M . C a r e y ed., The Historie Episcopate, S. 2 1 ; etc.
244
diese Auffassung ist, daß die Einheit und Kontinuität der Kirche von den anglikanischen Theologen als etwas eng ineinander Verwobenes, als eine untrennbare Einheit gesehen wird, die sich im Bischofsamt gleichsam als dem Schnittpunkt der beiden Koordinaten sichtbar manifestiert. Hodgson weist in einem Satz, den er immer wieder zitiert, auf diese Zusammengehörigkeit von horizontaler und vertikaler Einheit hin: "For the Anglican, unity means unity vertically down the ages as well as horizontally across the face of the earth, unity with that little company in the Upper Room at Jerusalem as well as with fellow Christians now alive in America, India and Japan." 2 5 6 Robinson geht zwei Schritte weiter, indem er einmal sagt, daß für das Bemühen um die Einheit der Kirche die Einheit wie die Kontinuität von gleicher Bedeutung sind, und indem er sodann herausstellt, welche Bedeutung das Bischofsamt für die Einheit und Kontinuität der Kirche besitzt: "A Church without continuity in time is as sinful and broken as a Church without unity in space. Every movement towards Christian reunion must take both into account as of equal importance. And there can be no retreat into the invisible Church. Organic, and not merely spiritual or doctrinal, continuity is as necessary to the fullness of the Church as organic unity. And each of these finds its focus in the historic episcopate, the outward and visible expression at once of the Church's catholicity and of its apostolicity. . . . Every scheme for Christian unity must come to terms with the historic episcopate; for despite it the Church cannot in fact be fully one, catholic or apostolic." 257 Zur vollen Einheit und Kontinuität der Kirche gehört demnach audi ein bestimmtes Amt. Eine Einheit und Kontinuität im Glauben, in der Lehre, in der Predigt und in der Verwaltung der Sakramente wird auch von den nicht-anglokatholischen Theologen für nicht ausreichend erachtet 258 . Ohne das in der apostolischen Sukzession stehende Bischofsamt können wir — wie Nicbolls schreibt — nicht wirklich in der Gesdiichte vereinigt werden, weder untereinander, noch mit der Kirche früherer Zeiten 25e . Hierher gehört auch die Auffassung, daß das Bischofsamt — nicht zuletzt wegen seiner besondern Bedeutung für die Einheit und Kontinuität der Kirche — zur „Fülle" der Kirche gehört und es aus diesem Grunde bei der Vereinigung von anglikanischen mit nidit-bischöflidien Kirchen angenommen werden sollte 260 . Daneben finden sich weitere Begründungen für den anglikanischen Anspruch, daß ohne die Annahme des Bischofsamtes anglikanische Kirchen 256 L. Hodgson, Essays in Christian Philosophy, S. 144. Wird in späteren Arbeiten öfters zitiert. 2 5 7 J . A . T . R o b i n s o n , a.a.O.S.21. 2 5 8 D . E . T a y l o r , a.a.O. S . 3 7 ; J . G . D a v i e s , a.a.O. S . 1 6 6 f . 25β w . Nicholls, Ecumenism and Catholicity, S. 137. 2 8 0 H.W.Montefiore in: K . M . C a r e y ed., The Historie Episcopate, S. 125; D . L . E d wards, a.a.O. S . 4 1 ; J . A . T . R o b i n s o n , a . a . O . S . 2 1 .
245
einer Kirchenunion nicht zustimmen können: Durch die Annahme des historischen Bischofsamtes würde die Kirche ein allgemein anerkanntes Amt (a generally recognized ministry) erhalten 261 ; das Bischofsamt sollte auch aus dem Grunde angenommen werden, weil es seit ältester Zeit und auch heute noch im größeren Teil der Christenheit das Mittel ist, durch das die Autorität des ganzen Leibes verliehen wird 262 . Neben dem Hinweis auf die Funktionen des Bischofs (Hüter des Wortes, der Sakramente, des Glaubens und der Gemeinde Christi) 263 und die mit der Übernahme des Bischofsamtes verbundene geistliche und liturgische Bereicherung264 wird die Übernahme des Bischofsamtes auch von dessen Wirksamkeit her begründet. So schreibt Hettlinger, daß der Ausbreitung der Kirche die Diözesanorganisation zugute kommt und daß die Geistlichen die Führung durch den Bischof einem Gremium vorziehen. Auch sind die bischöflichen Kirchen weniger leicht als andere Kirchen durch Schismen und Häresien heimgesucht worden. Das Bischofsamt ist die wirksamste Form zur Entwicklung und Bewahrung des Lebens und der Einheit eines geistlichen Organismus. "Such considerations we shall naturally urge upon our fellow Christians of other persuasions." 265 Headlam macht den Vorschlag, daß die Vereinigung verschiedener Kirchen auf einer Basis geschehen sollte, die älter ist als alle Spaltungen, nämlich auf der Basis des Bischofsamtes. Dieses Amt ist vom Ende der apostolischen Zeit bis zur Reformation die universale Form der Kirchenleitung gewesen und hat sich auch in der Erfahrung als die beste Grundlage für die christliche Einheit erwiesen266. Diese verschiedenen und doch zusammengehörigen Begründungen sollen zum Ausdruck bringen, daß das Bischofsamt ein Schatz ist, der der anglikanischen Kirche anvertraut worden ist und der ihr Beitrag zum Reichtum der ganzen, vereinigten Kirche sein soll267, und daß die Anglikaner keinem Unionsplan zustimmen können, der nicht die Annahme des historischen Bischofsamtes einbeschließt2β8. Schließlich zeigt ein Vergleich mit dem Abschnitt über die halboffiziellen Aussagen der anglikanischen Kirchen über das Verhältnis von Bischofsamt und Wiedervereinigung 280 , daß die in den dort erwähnten Berichten angeführten Begründungen für 261
The Fulness of Christ, S. 82. G. Κ . A . Bell in: Cambridge Sermons, S. 62; vgl. audi Α.Ε. J.Rawlinson, The Church of England and the Church of Christ, London 1930, S.91 f. 283 H.W.Montefiore, a.a.O. S. 125. 284 Vgl. A. E. J. Rawlinson, Problems of Reunion, S. 60. 265 R.F.Hettlinger, Episcopacy and Reunion, S. 109; G.F.Allen, a.a.O. S.7. 268 A . C . H e a d l a m , a.a.O. S.244. 287 L.Hodgson, Anglicanism and South India, S. 13; G.F.Allen, a.a.O. S.7. 289 G . K . A . B e l l , Christian Unity, S. 167. 289 Vgl. hier S. 214—242. 282
246
die Forderung auf Annahme des Bischofsamtes mit denjenigen übereinstimmen, die von den nicht-anglokatholischen Theologen vorgebracht werden. c) Die mit der Forderung Fragen
auf Annahme des Bischofsamtes
verbundenen
In den theologischen Auseinandersetzungen innerhalb der Kirche von England spielt die Frage, ob mit der Annahme des Bischofsamtes durch eine nicht-bischöfliche oder eine vereinigte Kirche auch die Annahme einer bestimmten Lehre vom Bischofsamt verbunden sein soll, eine große Rolle. Die nicht-anglokatholischen Theologen gehen in ihrer Argumentation von der Tatsache aus, daß in der Kirche von England die Annahme einer bestimmten Lehre vom historischen Bischofsamt nicht gefordert wird. Sie halten es daher für nicht gerechtfertigt, mit der Forderung nach Annahme des historischen Bischofsamtes auch die Annahme einer bestimmten Lehre von diesem Amt zu verbinden 270 . Im Blick auf diese, von anglokatholischer Seite erhobene Forderung heißt es, daß man von einer nichtbischöflichen oder einer vereinigten Kirche nicht die Annahme einer Lehre des Bischofsamtes fordern kann, die die Anglikaner selbst nicht offiziell zu vertreten brauchen und die vielleicht die Ablehnung der bisherigen nichtbischöflichen Ämter einbeschließen würde 271 . Andererseits wird aber mit dem gleichen Nachdruck darauf hingewiesen, daß das Bischofsamt nidit ohne seine wesentlichen Funktionen angenommen werden kann 272 . Audi wünschen die nicht-anglokatholischen Theologen nicht, daß in einer wiedervereinigten Kirche das Bischofsamt in genau derselben Form angenommen werden soll, wie es gegenwärtig in der Kirche von England besteht. Gerade auch angesichts der Form und Stellung des Bischofsamtes in der Kirche von England empfehlen sie bestimmte Änderungen in der Form und Stellung dieses Amtes, wenn es durch eine vereinigte Kirche übernommen wird 273 . Auf die Art und Weise der Übernahme des Bischofsamtes durch eine nicht-bischöfliche oder eine vereinigte Kirche gehen die nicht-anglokatholischen Theologen nicht näher ein — hier gibt es audi kaum umstrittene Fragen. Um so mehr konzentriert sich das Interesse auf die mit der Annahme des Bischofsamtes verbundene Frage der Vereinigung von bischöf2 7 0 H.W.Montefiore, a.a.O. S. 125 f.; Α. E. J. Rawlinson, a.a.O. S . 5 3 ; W . Temple, Thoughts on Reunion, S . 2 0 ; N.Sykes in: Cambridge Sermons, S . l l . 271 H . E . W . T u r n e r in: Theology L V I I I , N o . 4 2 0 , London 1950, S . 2 1 3 ; L.Hodgson, Apostolic Succession, S. 15. 2 7 2 R.F.Hettlinger, a.a.O. S . 1 0 7 ; A . E . J . R a w l i n s o n , a.a.O. S . 5 3 ; Η.M.Montefiore, a.a.O. S. 125. 2 7 3 Vgl. R.F.Hettlinger, a.a.O. S . 6 8 ; D . L . E d w a r d s , a.a.O. S . 4 0 ; G . F . Allen, a.a.O. S. 7 ; und andere.
247
liehen und nicht-bischöflichen Ämtern bei einer Kirchenunion oder als einer Voraussetzung für die Herstellung der Abendmahlsgemeinschaft. Hier sind von den verschiedenen Theologen Vorschläge gemacht worden, die alle in dieselbe Richtung weisen und die sich auch im einzelnen nicht grundsätzlich unterscheiden. Headlam, der bereit ist, die Ämter und Sakramente solcher Geistlichen anzuerkennen, die durch Handauflegung und Gebet ordiniert worden sind und die die Sakramente gemäß Christi Gebot verwalten, schlägt für eine Kirchenunion vor, daß mit der Übernahme des Bischofsamtes auch die bestehenden Ämter der verschiedenen Kirchen eine Autorisierung und Beauftragung für ihre Wirksamkeit in der neuen Kirche empfangen sollen. Doch soll dies nicht durch Handauflegung geschehen274. Rawlinson ist dagegen offensichtlich von der in Südindien angewandten Methode beeinflußt, wenn er schreibt: Eine Zeitlang können in einer vereinigten Kirche, die das Bischofsamt besitzt und in der die bischöfliche Ordination die Regel ist, bischöfliche und nicht-bischöfliche Ämter nebeneinander bestehen, bis die Kirche ganz zu einer einheitlichen bischöflichen Kirche geworden ist275. Wohl die meisten nicht-anglokatholischen Theologen vertreten die Auffassung, daß bei einer geplanten Kirchenunion die Vereinigung der verschiedenen Ämter mit am Anfang stehen sollte. Zu diesem Zweck schlagen sie eine „supplementäre Ordination" oder auch eine gegenseitige, umfassendere Beauftragung vor. Hinter diesen Vorschlägen steht die Einsicht, daß durch die Spaltungen in der Christenheit kein Amt die Autorität der ganzen Kirche besitzt und so alle Ämter in einem bestimmten Maße defektiv sind, auch in ihrer Validität, und sie nur für ihre eigene Kirche die Autorisierung zum geistlichen Handeln besitzen378. Auch diese durch die Spaltungen in der Christenheit bedingte Beeinträchtigung der Ämter ist ein Grund für die notwendige Wiedervereinigung der Kirchen277. Quick schlägt für die Vereinigung der verschiedenen Ämter eine „supplementäre Ordination" vor: Selbst wenn die Freikirchen beanspruchen, zum Amt des Wortes und der Sakramente in der universalen Kirche zu ordinieren, sollten die freikirchlichen Ämter doch die Handauflegung durch Bischöfe, die in der historischen Sukzession stehen, empfangen; denn das ist das Element in der äußeren Validation, das diesen Ämtern gegenwärtig noch fehlt278. Dagegen lehnt Quick eine Ordination „sub condiA . C . H e a d l a m , a.a.O. S.269, 280, 301 und 3 0 6 f . Α. E. J . Rawlinson, Problems of Reunion, S. 57. 2 7 6 Ζ. Β. Ο. C. Quick, The Christian Sacraments, S. 144; H . W . Montefiore, a.a.O. S. 123; G . K . A . B e l l , Christian Unity, S. 144; L.Hodgson, Essays in Christian Philosophy, S. 1 4 6 f . ; A . C . H e a d l a m , a.a.O. S.291. 2 7 7 H.W.Montefiore, a.a.O. S. 125. 2 7 8 O . C . Quick, The Christian Sacraments, S. 151. 274
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tione" ab, da die nidit-bischöfliehen Pfarrer bereits eine Ordination empfangen haben, die aber auf Grund der Schismen defektiv war und aus diesem Grunde einer Vervollständigung bedarf. Diese sollte durch bischöfliche Handauflegung geschehen. Die dabei gesprochenen "Worte sollten sich von denen der Ordination unterscheiden. Diese supplementäre Ordination würde sowohl Elemente der Ordination als auch der Autorisierung enthalten. Die Bischöfe und Pfarrer einer bischöflichen Kirche sollten ebenfalls eine zusätzliche Autorisierung annehmen, um ihr Amt in der vereinigten Kirche auszuüben und um die Bedeutung und Wirklichkeit ihrer Ordination zu vervollständigen 279 . Eine supplementäre Ordination sollen demnach nur die nicht-bischöflichen Pfarrer empfangen, nicht aber die bischöflich ordinierten Pfarrer. Das stimmt mit Quieks Ausgangspunkt überein, nach dem der zu beseitigende Defekt der nicht-bischöflichen Ämter in der fehlenden bischöflichen Ordination besteht. Andererseits würden die nicht-bischöflichen Kirchen eine solche einseitige supplementäre Ordination nie annehmen können. Bell schlägt ebenfalls vor, daß die nicht-bischöflichen Amtsträger eine bestimmte Form der bischöflichen Ordination empfangen sollten. Er versteht diese Ordination nicht als eine Re-ordination, sondern als etwas, was zu der bereits vollzogenen Ordination hinzutritt und diese Amtsträger zugleich autorisiert, ihr Amt in der vereinigten Kirche auszuüben. Durch die bischöfliche Ordination würden sie an der besonderen Verbindung mit dem apostolischen Amt, die ihnen jetzt noch fehlt, Anteil bekommen. Es geht dabei aber nicht um eine Infragestellung der Realität ihrer bisherigen Ämter 280 . Dieser „umfassenderen Beauftragung", wie es Bell an anderer Stelle nennt 281 , bedürfen nach seiner Auffassung auch die anglikanischen Ämter, da auch sie nicht die volle Katholizität besitzen. Die Form, in der dies geschehen soll, sieht er im Unterschied zu Quick, mit dem er sonst weitgehend übereinstimmt, ebenfalls in einer bestimmten Form der Ordination, die der in den nicht-bischöflichen Kirchen geübten entsprechen sollte. Auch hier denkt Bell nicht nur an eine umfassendere Autorisierung, sondern mit dieser verbunden auch an eine Vervollständigung der bischöflichen Ordination. Im Blick auf einen in diese Richtung gehenden Vorschlag zur Vereinigung der anglikanischen und presbyterianischen Kirchen in Australien schreibt er: "Thus when, according to the original Draft Proposal made by the Australian group, each Church was to give its commission in and by the form used at the ordination of its own ministers (assuming that this commission is precise), it would do exactly what was required to make up what the ministers 278 280 281
Ebd. S. 152 f. G . K . A . B e l l , Christian Unity, S . 1 8 4 f . Ebd. S. 145 (fuller commission).
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of the other Church lacked; far from belittling previous ministerial commissions, it would mark the acceptance of the original ordination, and add a new and distinctive value to it; for the man who had been episcopally ordained would add the grace of presbyterian ordination, and the man who had been presbyterally ordained would add the grace of episcopal ordination." 282 Hier wird also eine im vollen Sinne gegenseitige supplementäre Ordination vorgeschlagen — ein ähnlicher Vorschlag findet sich im Bericht der Lambethkonferenz von 1948283. Anzufügen wäre noch, daß Bell auch eine „supplementäre Konsekration" für die nicht in der apostolischen Sukzession stehenden lutherischen Bischöfe in den nordischen Kirchen vorschlägt284. Eine entsprechende supplementäre Konsekration der anglikanischen Bischöfe führt er in diesem Zusammenhang allerdings nicht an. Im Blick auf die Situation in England stimmt Bell mit der vom Erzbischof von Canterbury in seiner Cambridger Predigt geäußerten Auffassung überein, daß vorerst eine Vereinigung der Kirche von England mit den englischen Freikirchen nicht möglich ist und zuerst einmal Abendmahlsgemeinschaft zwischen diesen Kirchen hergestellt werden sollte285. Audi Turner tritt für eine gegenseitige supplementäre Ordination ein. Er beschreibt, was nach seiner Auffassung die Anglikaner durch eine supplementäre Ordination empfangen könnten, auf folgende "Weise: 1. Gegenwärtig kann ich mein Amt nicht in den Freikirchen ausüben, nicht nur aus Verpflichtung meiner eigenen Kirche gegenüber und weil sich die empfangene Jurisdiktion nicht auf diese Kirchen erstreckt, sondern weil ich mich audi nicht beauftragt weiß, diesen Kirchen zu dienen. 2. Durch die anglikanische Ordination wird der Ordinand, da die anglikanische Kirche die apostolische Sukzession bewahrt hat, zu einem Erben einer historischen Sukzession des geistlichen Amtes. "In a great act of Supplemental Ordination, I should become by the same method of laying on of hands heir of other traditions of ministering to which I am at present a stranger, owing to the divisions within the Body of Christ." 286 Wie Quick und Bell versteht Turner die supplementäre Ordination als eine umfassendere Autorisierung und Beauftragung und als eine geistliche Gabe, die zur bereits empfangenen Ordination hinzukommt. Hodgson unterscheidet sich von diesen Vorschlägen insofern, als er auf Grund der Spaltungen in der Christenheit nur von einer defekten Autorität aller Ämter spricht und dementsprechend eine gegenseitige Vervollständigung der bereits vorhandenen Autorität, nicht aber eine supplementäre Ordination vorschlägt. Beide Seiten würden bei einer solchen Hand282 283 284 286
250
Ebd. S. 144 f. The Lambeth Conference 1948, S . I I . 6 4 f . 285 G . K . A . B e l l , a.a.O. S. 184 . Ebd.S. 117. H . E . W . Turner, a.a.O. S.48.
lung sowohl geben als auch empfangen 287 . Einen ähnlichen Vorschlag madit Hettlinger. Er hält ausdrücklich an der vollen Validität der verschiedenen Ämter fest und sieht nur deren Autorität auf Grund der Spaltungen in der Kirche als defektiv an. Daher schlägt er für die Vereinigung der Ämter eine gegenseitige „umfassendere Beauftragung" (wider commission) vor, durch die die valid ordinierten Ämter der verschiedenen Kirchen autorisiert werden, in der vereinigten Kirdie zu wirken 288 . Für die Vereinigung von bischöflichen und nicht-bischöflichen Ämtern werden von den hier angeführten nicht-anglokatholischen Theologen drei verschiedene Vorschläge gemacht: 1. Die nicht-bischöflichen Ämter sollen eine supplementäre Ordination durch Bischöfe empfangen, während die Bischöfe und Pfarrer einer bischöflichen Kirche eine zusätzliche Autorisierung für das Amt in der vereinigten Kirche erhalten sollen. Bischöfliche und nicht-bischöfliche Ämter werden also nicht gleich behandelt. 2. Nicht-bischöfliche wie bischöfliche Ämter empfangen jeweils von der anderen Kirdie eine supplementäre Ordination. 3. Nicht-bischöfliche wie bischöfliche Ämter erhalten jeweils von der anderen Kirche eine umfassendere Beauftragung und Autorisierung für das Amt in der vereinigten Kirche. Dieser letzte Vorschlag stimmt mit den in den Unionsplänen für Nordindien/Paktistan und Ceylon und den im Bericht der Lambethkonferenz von 1958 wie auch im Bericht über die anglikanisch-methodistischen Gesprädie enthaltenen Vorschlägen für die Vereinigung der Ämter bischöflicher und nicht-bischöflicher Kirchen überein. Gemeinsam ist allen diesen Vorschlägen, daß sie nicht von einem vollkommenen anglikanischen Amt, das keinerlei Ergänzung bedarf, ausgehen, während auf der anderen Seite die nicht-bischöflichen Ämter stehen, die keine wahren Ämter der Kirche Christi sind und erst eine Re-ordination durch Bischöfe empfangen müssen, bevor sie von der anglikanischen Kirche anerkannt werden können. Vielmehr soll die Vereinigung der Ämter durch ein gegenseitiges Geben und Empfangen bewirkt werden, da keine Kirche ein vollkommenes Amt besitzt, zugleich aber jede Kirche in ihrer Tradition ein bestimmtes, zur Fülle der Kirdie gehörendes Element bewahrt hat, das vielleicht einer anderen Kirdie verlorengegangen ist. Aber audi in den allgemeinen Aussagen nidit-anglokatholischer Theologen über die Einheit und Wiedervereinigung der Kirchen taucht der Gedanke des gegenseitigen Gebens und Empfangens als ein bestimmendes Moment immer wieder auf. Ein Satz bei Quick bringt dies eindrucksvoll zum Ausdruck: "Moreover, the spirit of charity and humility seems to indicate that each reuniting body should seek to receive from others what it lacks, and to supply to others what they lack, rather than to insist upon the recognition 287 288
L.Hodgson, Essays in Christian Philosophy, S. 147. R.F. Hettlinger, a.a.O. S.112.
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by others of its own sufficiency, beyond what is necessary in the course of truth." 289 Die verschiedenen Kirchen werden ihre Beiträge zu einer vereinigten Kirche bringen, der wichtigste Beitrag der anglikanischen Kirche wird dabei das historische Bischofsamt sein2e0.
C. Die Aussagen der anglokatholischen
Theologen
a) Einleitung Die Anglokatholiken erstrebten eine Vereinigung oder Abendmahlsgemeinschaft mit nicht-bischöflichen Kirchen längst nicht mit der Intensität wie die nicht-anglokatholischen Theologen. Ihr Interesse gilt in erster Linie der Herstellung eines engeren Verhältnisses zur orthodoxen und römisch-katholischen Kirche. Aus diesem Grunde sind sie auch kaum bereit, gegenüber nicht-bischöflichen Kirchen theologische Zugeständnisse zu machen, vielmehr stellen sie überall dort, wo es um das Verhältnis zu diesen Kirchen geht, die striktesten Forderungen auf, die nicht nur ihrer eigenen theologischen Position entsprechen, sondern die auch in der Furcht vor einem allzu starken Hinübergleiten der anglikanischen Kirchen ins „protestantische Lager" ihren Grund haben. Alle Hoffnung auf eine Herstellung der sakramentalen Gemeinschaft zwischen der anglikanischen und der orthodoxen und römisch-katholischen Kirche würde in ihren Augen schwinden, wenn bei einer Vereinigung der Kirche von England mit den englischen Freikirchen die reformatorische Tradition in der nunmehr vereinigten Kirche von England noch mehr Raum gewinnen würde. Nicht zuletzt auf diesem Hintergrund ist die anglokatholische Forderung zu verstehen, daß mit der Übernahme des Bischofsamtes durch eine nichtbischöfliche oder vereinigte Kirche auch die „katholische" Interpretation dieses Amtes verbunden sein muß. b) Die Begründung für die Annahme des Bischofsamtes Die anglokatholische Forderung der Annahme des Bischofsamtes durch nicht-bischöfliche und vereinigte Kirchen beruht nicht nur auf einer bestimmten Lehre vom Bischofsamt, sie steht auch im Zusammenhang mit der Überzeugung, daß die Einheit im Glauben ohne die Einheit in der Ordnung nicht vollständig sein kann 291 und daß allein auf dem Boden 289
O . C . Quick, a.a.O. S . 1 5 9 f . H.W.Montefiore, a.a.O. S.126; A. E. J. Rawlinson, Problems of Reunion, S.176; L.Hodgson, Apostolic Succession, S.26; Κ.Sansbury, a.a.O. S.30. 2111 G.W.Broomfield, Revelation and Reunion, S. 14; R.Raynes, a.a.O. S.15. 290
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des „Glaubens an die sichtbare Kirche" eine sinnvolle Diskussion über Amt und Kirche geführt werden kann 292 . Noch weniger als bei den nicht-anglokatholischen Theologen ist es für die Anglokatholiken keine Frage, daß bei einer Kirchenunion oder der Herstellung von Abendmahlsgemeinschaft die Annahme des in der apostolischen Sukzession stehenden Bischofsamtes eine unbedingte Voraussetzung für die Beteiligung einer anglikanischen Kirche ist. Wenn nach ihrer Lehre vom Amt das Bischofsamt zum esse der Kirche gehört, eine Kirche ohne das Bischofsamt nicht im vollen Sinne Kirche sein kann und das von nicht-bischöflich ordinierten Pfarrern gespendete Abendmahl keine Validität besitzt, dann muß jede vereinigte Kirche das Bischofsamt annehmen, um überhaupt Kirche zu sein, dann können die Anglikaner das Abendmahl auch nur von bischöflich ordinierten Pfarrern empfangen, denn nur so können sie des Sakramentes gewiß sein293. Neben diese prinzipielle Begründung der Forderung auf Annahme des Bischofsamtes tritt — wie bei den nicht-anglokatholischen Theologen — der Hinweis auf die besondere Bedeutung des Bischofsamtes für die Einheit und Kontinuität der Kirche294 und die Uberzeugung, daß das „historische Amt" eine umfassendere Autorität besitzt als ein Amt, das nur die Autorität einer Orts- oder Partikularkirche innehat 295 . Auch die besonderen Funktionen des Bischofsamtes werden in diesem Zusammenhang erwähnt 296 . Andere Begründungen für die Forderung auf Annahme des Bischofsamtes entsprechen ganz der anglokatholischen Lehre vom Amt: Da das Sakrament der Einheit ohne ein bischöfliches Amt nicht valid sein kann, ist somit die Annahme des Bischofsamtes für die Herstellung der Abendmahlsgemeinschaft oder für eine Kirchenunion unerläßlich 297 . Dix bezeichnet das historische Argument zugunsten des Bischofsamtes — es hat seit ältester Zeit bestanden — als nicht ausreichend für den anglikanischen Anspruch, daß das Bischofsamt für eine Wiedervereinigung mit anderen Kirchen wesentlich sei. Vielmehr muß auf Grund der Apostolizität des Bischofsamtes, nämlich der Beauftragung des Herrn, in seiner Person vor Gott und den Menschen zu stehen, dieses Amt angenommen werden 298 . Dieselbe Begründung findet sich auch bei KirkiM. Hebert schreibt, daß 282 E.Graham in: K.D.Mackenzie ed., Truth, Unity and Concord, S.75; C.B.Moss, What do we mean by Reunion?, S. 119. 293 Vgl. hier S. 166—174. 294 Ε.L.Mascall, Corpus Christi, S. 15; A.M.Ramsey, a.a.O. S.85; R.Raynes, a.a.O. S. 16; und andere. 295 G.W.Broomfield, a.a.O. S . 1 4 6 f . ; E. J. Bicknell, a.a.O. S. 337. 20 » F . J . H a l l , a.a.O. S.92; K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S . 2 2 7 f . 297 A.M.Ramsey, a.a.O. S.223; D.Stone in: C.Jenkins and K.D.Mackenzie ed., Episcopacy Ancient and Modern, S.384; A. G.Hebert, Unity in the Truth, S. 48. 298 G . D i x in: K.E.Kirk, a.a.O. S.303. 299 Κ. E. Kirk, a.a.O. S. 52.
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der Herr den Aposteln das Evangelium übergeben hat, das sowohl eine Botschaft als audi eine Beauftragung umfaßte. Beide, Botschaft und Beauftragung, bilden ein bleibendes Element in der Kirche. Da die Bischöfe nach anglokatholischer Auffassung die Nachfolger der Apostel sind, so sind sie auch diejenigen, die die Botschaft des Evangeliums autoritativ verkündigen und weitergeben. Wenn nun diese Botschaft die Grundlage für die Einheit der Kirche ist, dann sollte das Amt, dem diese Botschaft in besonderer Weise anvertraut ist — das Bischofsamt — unbedingt der Mittelpunkt der Einheit sein300. Schließlich wird noch angeführt, daß nur durch das Bischofsamt die Kirche ein priesterliches Amt erhält, das für die Gott zugewandten Handlungen im kirchlichen Gottesdienst notwendig ist 301. Die Anglokatholiken begründen also ihre Forderung auf Annahme des Bischofsamtes im allgemeinen nicht besonders ausführlich. Diese Frage ist bereits mit ihrer Lehre vom Bischofsamt, das zum esse der Kirche gehört, entschieden. c) Die anglokatholische Forderung auf Annahme einer bestimmten Lehre vom Bischofsamt Obwohl von verschiedenen Amtsverständnissen ausgehend, stimmen anglokatholische und nicht-anglokatholische Theologen doch formal in der Forderung auf Annahme des Bischofsamtes bei einer Kirchenunion oder als einer Voraussetzung für die Herstellung von Abendmahlsgemeinschaft überein. Wenn es aber nun um die mit dieser Forderung verbundene Frage geht, ob mit der Annahme des Bischofsamtes durch eine nichtbischöfliche oder vereinigte Kirche die Übernahme einer bestimmten Lehre vom Bischofsamt verbunden sein muß oder nicht, dann scheiden sich die Wege beider Gruppen endgültig. Diese Frage nimmt in den Aussagen der anglokatholischen Theologen einen großen Raum ein. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Einmal wurde in allen Gesprächen zwischen der Kirche von England und nicht-bischöflichen Kirchen von den anglikanischen Theologen betont, daß mit der Annahme des Bischofsamtes nicht die Übernahme einer bestimmten Lehre vom Ursprung und Wesen des Bischofsamtes verbunden sein soll302. Da diese Auffassung auch von den nicht-anglokatholischen Theologen vertreten wird 303 und sie nicht zuletzt den Zweck hat, den nicht-bischöflichen Kirchen die Furcht vor einer aufgezwungenen Annahme des anglokatholischen Amtsverständnisses zu 300
A . G . Hebert, Unity in the Truth, S.47. K.D.Mackenzie, The Case for Episcopacy, S. 130f; C.B.Moss, a.a.O. S.119: "Bishops who are not 'sacerdots' but only superintendents... will only make confusion worse confounded." 302 303 Vgl. hier S.242. Vgl. hier S.247. 301
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nehmen, glauben die Anglokatholiken, diese Ablehnung der Übernahme einer bestimmten Lehre vom Bischofsamt bedeute im Grunde nichts anderes, als daß das Bischofsamt lediglich als eine mit organisatorischen Vorzügen ausgestattete Form des kirchlichen Amtes angenommen werden sollte. Dabei will die Ablehnung der offiziellen Annahme einer bestimmten Lehre vom Bischofsamt lediglich einer vereinigten oder einer durch die Übernahme des Bischofsamtes bischöflich gewordenen Kirche dieselbe Freiheit im Verständnis des Bischofsamtes zugestehen, wie sie in der anglikanischen Kirche besteht. Sodann fürchten die Anglokatholiken, daß bei einer Vereinigung mit nicht-bischöflichen Kirchen viele protestantischen Elemente Eingang in die vereinigte Kirche finden könnten und daß dadurch das Verhältnis zur römisch-katholischen und orthodoxen Kirche noch schwieriger würde. Als ein Gegengewicht hierzu fordern sie die Annahme ihrer Lehre vom Bischofsamt und von der apostolischen Sukzession. Aber diese ihre Forderung hat m.E. ein noch größeres Ziel im Auge: Es ist für die Anglokatholiken offensichtlich schmerzlich, daß ihre Lehre vom Bischofsamt und von der apostolischen Sukzession, die sie für die einzig richtige innerhalb der Kirche von England halten, weder von der Mehrheit der anglikanischen Theologen geteilt wird, noch in den verschiedenen halboffiziellen Dokumenten der anglikanischen Kirche einen deutlichen Niederschlag gefunden hat. Was ihnen in der eigenen Kirche nicht möglich ist, das möchten sie nun in einer vereinigten Kirche erreichen: die offizielle Annahme ihrer eigenen Lehre vom Bischofsamt. Welche Argumente bringen die anglokatholischen Theologen im einzelnen gegen die Auffassung vor, daß mit der Annahme des Bischofsamtes nicht die Übernahme einer bestimmten Lehre vom Bischofsamt verbunden sein soll? Raynes interpretiert diese Auffassung so: "First, it is frequentlyurged that we should try to persuade non-episcopal denominations to accept episcopacy without requiring them to believe anything about it and without any attempt to define its place or function in the life of the Church." Er bezeichnet diesen Vorschlag als unglaublich naiv und prinziplos304. In ähnlicher Weise äußern sich Fair-weather, Hebert, Gregg und Green305. Gegen diese Interpretation muß gesagt werden, daß der Vorschlag, die Freikirchen sollten nicht verpflichtet sein, eine bestimmte Lehre vom Bischofsamt offiziell anzunehmen, nicht bedeutet, daß sie überhaupt keine theologischen Erwägungen über das Bischofsamt anstellen sollten — zumal dieser Vorschlag die entsprechende Situation in der Kirche von England als Vorbild im Auge hat. Noch weniger bedeutet der Vorschlag, 301
R. Raynes, a.a.O. S. 8 f. E. R. Fairweather, Episcopacy and Reunion, S . 6 0 f . ; A . G . Hebert, Unity in the Truth, S.50; G.Gregg in: The Church of England and the Free Churches, Α Report of the Theological and Liturgical Committee of the Churdi Union, S. 14f.; F.W.Green in: Κ. E. Kirk, a.a.O. S. 550. 305
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daß „überhaupt kein Versuch gemacht wird, den Platz und die Funktion des Bischofsamtes im Leben der Kirche zu bestimmen". Gerade dieser Versuch nimmt in allen Gesprächen zwischen der Kirche von England und den englischen Freikirchen und der Kirche von Schottland vom Anfang an einen wichtigen Platz ein. In gleicher Weise unzutreffend ist der Einwand, daß die Annahme des Bischofsamtes, ohne dabei auf die Übernahme einer bestimmten Lehre zu bestehen, in der Praxis nur die Annahme des Bischofsamtes in seiner geschichtlich gewordenen und in mancher Hinsicht anfechtbaren Form bedeuten kann 306 . Auch hier beweisen die Berichte über die Gespräche zwischen anglikanischen und nichtbischöflichen Kirchen das Gegenteil. Schließlich wird angeführt, daß das Bischofsamt ohne die Übernahme einer bestimmten Lehre dort lediglich eine verwaltungsmäßige Lösung darstellen würde, wo dogmatische Unterschiede bestehen307. Der ursprüngliche Vorschlag wird in allen diesen Einwänden in einer Weise uminterpretiert, die nicht nur auf einem Mißverständnis beruht, sondern die bewußt das Ziel verfolgt, ein möglichst negatives Bild zu zeichnen. Es reicht sicher nicht aus, wenn das Bischofsamt als eine bloße Amtsform angenommen wird. Aber indem in allen Gesprächen zwischen anglikanischen und nicht-bischöflichen Kirchen audi die Übernahme der traditionellen Funktionen des Bischofsamtes gefordert und diese Funktionen erläutet und begründet wurden und versucht wurde, die Stellung des Bischofsamtes im Leben und in der Ordnung der Kirche näher zu bestimmen, und indem von anglikanischer Seite die Forderung auf Annahme des Bischofsamtes vor allem vom Verhältnis zwischen Bischofsamt und Kirche her begründet wurde, ist deutlich, daß es nicht nur um die Übernahme einer kirchlichen Organisationsform geht, sondern daß mit dem Bischofsamt bereits ein bestimmtes Verständnis verbunden ist. Die nicht-bischöflichen Kirchen wären wohl auch nicht bereit, das Bischofsamt ohne eine gewisse Klärung hinsichtlich seiner Funktionen, seiner Stellung in der Kirche und Bedeutung für die Kirche anzunehmen. Darum trifft auch der Einwand Grahams, daß man eine Sache nicht ohne irgendeine Interpretation annehmen könne308, hier nicht zu. Nur soll eine darüber hinausführende Lehre vom Bischofsamt, die zum Beispiel zum Inhalt hat, daß allein durch die Kette der bischöflichen Konsekrationen eine für das kirchliche Amt unerläßliche göttliche Gnadengabe weitergegeben wird, einer vereinigten Kirche oder einer nicht-bischöflichen Kirche, die bereit ist, das Bischofsamt anzunehmen, nicht als offizielle Lehre auferlegt werden. 30*
E. L. Mascall, Corpus Christi, S. 16. G.Dix in: K.E.Kirk, a.a.O. S.302; K.E.Kirk, a.a.O. S.52, A n m . l ; A.G.Hebert in: K.E.Kirk, a.a.O. S.533f. 308 E.Graham in: K.D.Mackenzie ed., Truth, Unity and Concord, S.72. 307
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Auch der Hinweis, daß in der anglikanischen Kirche selbst keine bestimmte Lehre vom Bischofsamt offiziell niedergelegt ist, wird von den anglokatholischen Theologen angegriffen. Sie tun dies einmal mit der Behauptung, daß die anglokatholische Lehre vom Bischofsamt doch in den anglikanischen „Bekenntnissen" enthalten sei — Hamilton-Thompson meint zum Beispiel, der Glaube, daß der Bischof für die Transmission der Gnadengabe notwendig sei, finde sich in den „Bekenntnissen" 309 — sodann weisen sie aber audi auf die durch das Fehlen einer gemeinsamen Lehre vom Amt hervorgerufenen Schwierigkeiten und Spannungen innerhalb der anglikanischen Kirche hin, die diese Kirche belasten und schwächen310. Der Bericht „The Church of England and the Free Churches" erläutert die Situation in der anglikanischen Kirche mit der Bemerkung, daß die meisten Anglikaner darin übereinstimmen, daß eine bestimmte Lehre vom Bischofsamt nötig sei — nur sind sie sich nicht über die rechte Lehre einig311. Genau diese Freiheit, verschiedene Lehren neben der Annahme des Bischofsamtes und seiner Funktionen zu vertreten, soll den zukünftigen vereinigten Kirchen oder nicht-bischöflichen Kirchen, die das historische Bischofsamt anzunehmen bereit sind, ebenfalls zugestanden werden. Die anglokatholischen Theologen vertreten also die Auffassung, daß mit der Annahme des Bischofsamtes durch eine vereinigte oder eine nichtbischöfliche Kirche auch die Übernahme einer bestimmten Lehre vom Bischofsamt und von der apostolischen Sukzession verbunden sein muß. Daß diese Lehre nach ihrer Auffassung nur die anglokatholische sein kann, liegt auf der Hand, es kommt aber auch expressis verbis zum Ausdruck. So schreibt Williams, daß eine Wiedervereinigung ohne die Übernahme der besonderen Lehre von der apostolischen Sukzession nicht möglich ist312, während Graham die „Fact-but-no-theory-attitude" (Mascall313) mit der Bemerkung ablehnt, daß . . those who value Episcopacy value it not for its name but for its essential character"314. Dix meint, daß ohne die Übernahme der apostolischen Beauftragung des Bischofsamtes (wie er sie versteht), die Beauftragung des „shaliach", nicht nur in Christi Namen sondern auch in seiner Person zu handeln, verlorengeht, auch wenn das Bischofsamt bei einer Kirchenunion beibehalten würde 315 . Weitere Beispiele für die Bemühungen der Anglokatholiken, ihre eigene Lehre 309
B . M . H a m i l t o n Thompson in: K . E . K i r k , a.a.O. S.459. Ν . P . W i l l i a m s , Lausanne, Lambeth and South India, S. 12—14; The Church of England and the Free Churches, S. 11 und 16; A . G . H e b e r t , U n i t y in the Truth, S. 51 f. 311 The Church of England and the Free Churches, S. 16. 312 N . P . W i l l i a m s , a.a.O. S . 8 — 1 2 . 313 E . L . Mascall, The Recovery of Unity, S.192. 314 E.Graham in: K . D . M a c k e n z i e ed., Truth, U n i t y and Concord, S.72. 315 G . D i x in: K . E . K i r k , a.a.O. S.303. 310
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8220
Gaßmann, Bischofsamt
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als Norm hinzustellen und deren Annahme bei einer Kirchenunion zu fordern, ließen sich anführen 316 . d) Die mit der Forderung auf Annahme des Bischofsamtes praktischen Fragen
verbundenen
Als Voraussetzung für die praktische Verwirklichung einer Kirchenunion oder der Herstellung von Abendmahlsgemeinschaft zwischen anglikanischen und nicht-bischöflichen Kirchen stellen die anglokatholischen Theologen im Blick auf das Amt folgende grundlegenden Forderungen: 1. Annahme des Bischofsamtes zusammen mit seinen wesentlichen Funktionen und der anglokatholischen Lehre vom Bischofsamt und 2. Re-ordination aller nicht-bischöflichen Amtsträger. Von diesem Standpunkt aus werden auch die in Gesprächen und Verhandlungen zwischen der Kirche von England und nicht-bischöflichen Kirchen gemachten Vorschläge beurteilt und kritisiert. So wird der Vorschlag des Erzbischofs von Canterbury, die englischen Freikirchen sollten das Bischofsamt in ihr Amtssystem übernehmen, abgelehnt. Man kann nidit — so schreibt Graham — das Bischofsamt isoliert von seinem historischen und gegenwärtigen Zusammenhang in ein anderes Amtssystem verpflanzen, wo ihm eine ganz andere Bedeutung beigemessen wird. Auch macht nach seiner Auffassung der Erzbischof nicht klar, daß zwischen dem katholischen und dem protestantischen Verständnis des Bischofsamtes ein Unterschied besteht, der gerade das größte Hindernis für eine gegenseitige Beauftragung der Amtsträger ist 317 . Mascall wendet ein, daß es nicht um eine Übernahme des Bischofsamtes in das Amtssystem der Freikirchen gehen kann, sondern daß diese Kirchen vielmehr in das bischöfliche System aufgenommen werden müßten 318 . Deutlicher kann man die eigentliche Haltung und Absicht der Anglokatholiken nicht aussprechen. Auch der im gemeinsamen Bericht „Outline of a Reunion Scheme" gemachte Vorschlag — der zuvor in der Kirche von Südindien in die Praxis umgesetzt worden war — wonach in einer vereinigten Kirche alle zukünftigen Ordinationen bischöflich sein werden, während die in die vereinigte Kirche übernommenen nichtbischöflichen Pfarrer als Pfarrer der neuen Kirche anerkannt werden sollen, wird von den Anglokatholiken abgelehnt310. Der Grund hierfür ist, daß sie die nicht-bischöflichen Ämter nicht als wahre Ämter der Kirche Christi anerkennen können und das Nebeneinanderbestehen 3 1 6 E.L.Mascall, The Recovery of Unity, S. 154; C.B.Moss, What do we mean by Reunion?, S. 119; W. J. Sparrow-Simpson, The History of the Anglo-Catholic Revival, S. 43 f. 3 1 7 E.Graham in: K.D.Mackenzie ed., Truth, Unity and Concord, S.71 f. 3 1 8 E . L . Mascall, The Recovery of Unity, S. 192 f. 3 1 9 D.Stone, a.a.O. S.384.
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von zwei verschiedenen Ämtern in einer Kirche ablehnen 320 . Nur Fairweather räumt ein, daß — vorausgesetzt, die Prinzipien des Lambeth Quadrilaterals sind angenommen — bestimmte Anomalien, wie zum Beispiel eine zeitweilig unvollkommene Vereinigung der Ämter in einem bestimmten Gebiet, ertragen werden können 821 . Goudge warnt auch noch vor der in den Unionsgesprächen häufig vorkommenden Bezeichnung „a constitutional and representative episcopate", da beide Adjektive auf dem Boden demokratischer Vorstellungen stehen, die man im Blick auf die Kirche nur mit Vorsicht gebraudien sollte322. Gegen die in den Unionsgesprächen der letzten Jahre gemachten Vorschläge sind von den Anglokatholiken kaum Einwände erhoben worden 323 . Allerdings haben sie den südindischen Unionsplan heftig bekämpft. Bestimmte Gruppen innerhalb der Kirchen von England haben damals sogar mit der Konversion zur römisch-katholischen Kirche gedroht, die dann auch von einzelnen Anglokatholiken vollzogen wurde 324 . Die während der letzten Jahre abgehaltenen Unionsgespräche mit der Methodistischen Kirche in England und der Kirche von Schottland boten auch weniger Angriffspunkte, zumal bei ihnen auch nicht die „Gefahr" bestand, daß sie in der nächsten Zeit verwirklicht werden könnten. Für eine Vereinigung von bischöflichen und nicht-bischöflichen Ämtern, die die Voraussetzung für eine Kirchenunion wie auch für die Herstellung von Abendmahlsgemeinschaft ist, fordern die anglokatholischen Theologen die Re-ordination der nicht-bischöflichen Pfarrer. Diese Forderung hat ihren Grund in der Beurteilung der nicht-bischöflichen Ämter. Diese haben eine Aufgabe in der Geschichte der Kirche gehabt, die nun erfüllt ist. Sie sind keine Ämter der Kirche Christi. Um zu einem Amt des apostolischen Glaubens und der apostolischen Ordnung zu werden und um die Anerkennung der ganzen Kirche zu erhalten, bedürfen die nicht-bischöflich ordinierten Pfarrer der bischöflichen Ordination. Darum ist eine Reordination auch keine Wiederholung einer früheren Ordination, sondern die Ordination zu einem neuen Amt 325 . Broomfield argumentiert von dem Satz aus, daß die bischöfliche Ordination als solche bereits die Anerkennung der ganzen Kirche überträgt und daß daher an Stelle einer gegenseitigen Beauftragung einfach die Anerkennung der ganzen Kirche durch 320
G.W.Broomfield, a.a.O. S. 123f.; A.G.Hebert, Unity in the Truth, S . 5 5 f . E. R. Fairweather, Episcopacy and Reunion, S. 49. 322 A.L. Goudge, a.a.O. S.72. 523 Ein Beispiel für die Kritik ist E. L. Mascall, der in The Church Quarterly Review, January—Mardi 1958, S. 5—11, den Bericht über die anglikanisch-presbyterianisdhen Gespräche kritisierte. 324 Vgl. z.B. A.A.Stephenson, Anglican Orders, London 1956, S.74—76. 325 F . J . H a l l , a.a.O. S . 9 2 f . ; R.Raynes, a.a.O. S.16; A.L.Goudge, a.a.O. S.200; A. G. Hebert, Unity in the Truth, S. 53 f. 321
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die bischöfliche Ordination den nicht-bischöflichen Amtsträgern übertragen wird 826 . Wenn die Anglokatholiken mit der Forderung auf Re-ordination die Zusicherung verbinden, daß die Annahme der neuen Ordination nicht eine Verleugnung der bisherigen Ämter und der durch sie empfangenen Gnadengabe bedeute327, dann sind mit den „bisherigen Ämtern" eben nicht Ämter des Wortes und der Sakramente gemeint, sondern „prophetische Ämter", die neben dem regulären Amt der Kirche stehen und die keiner Ordination bedürfen. Der Satz hat damit für nicht-bischöfliche Kirchen keine positive Bedeutung. Dasselbe gilt auch für die Aussage, daß das Bischofsamt von einer nicht-bischöflichen oder vereinigten Kirche nicht in derselben Form übernommen werden soll, die es in der Kirche von England erhalten hat 328 , da die anglokatholische Kritik an der Gestalt des Bischofsamtes in der Kirche von England in erster Linie von den Voraussetzungen der anglokatholischen Theologie ausgeht, auch wenn sie in manchen Einzelheiten mit der Kritik nicht-anglokatholischer Theologen übereinstimmt (z.B. im Blick auf die Bischofswahl). Während die nicht-anglokatholischen Theologen die Forderung auf Annahme des Bischofsamtes durch andere Kirchen mit der Bereitschaft verbinden, von diesen Kirchen auch etwas für das eigene Amt und die Ordnung der eigenen Kirche anzunehmen und gleichzeitig die Bedeutung des Amtes für die Vereinigung getrennter Kirchen und für die Herstellung von Abendmahlsgemeinschaft in den größeren Zusammenhang eines gegenseitigen Gebens und Empfangens der verschiedenen Kirchen, das über den Bereich des Amtes und der Ordnung hinausgeht, hineinstellen, wissen sich die Anglokatholiken im Blick auf das Bischofsamt und die apostolische Sukzession so sehr im Besitz des uneingeschränkten apostolischen und katholischen Erbes, durch das sie auch Anteil an der katholischen Kirche haben, daß sie gegenüber den nicht-bischöflichen Kirchen hier allein als Geber auftreten können mit der Bitte und Aufforderung an diese Kirchen, ihren Sinn zu ändern und die bislang verschmähte und für die Existenz der Kirche doch unerläßliche Gabe anzunehmen329. Wie schon öfters stellt auch hier Ramsey eine Ausnahme dar. Er ist der Auffassung, daß auch die anglikanischen Ämter erst ihre volle Bedeutung durch die Wiederherstellung der äußeren Einheit empfangen, da sie durch die Spaltungen der Christenheit etwas von ihrem ursprünglichen Sinn eingebüßt haben. Die anglikanische Kirche wird ihren Beitrag zu einer wieG.W.Broomfield, a.a.O. S.123 und 124. A.L.Goudge, a.a.O. S.200; G.W.Broomfield, a.a.O. S.123; A.L.Peck, This Church of Christ, S.51; A. G. Hebert, Unity in the Truth, S.53. 3 2 8 A.M.Ramsey, a.a.O. S.218; G.Dix in: K.E.Kirk, a.a.O. S.303; etc. 3 2 9 Beispiele hierfür sind A.L.Peck, This Church of Christ, S.51; R.Raynes, a.a.O. S. 15; A.L.Goudge, a.a.O. S.282. 328
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dervereinigten Kirche in der Gestalt des historischen Bischofsamtes leisten, das Organ der Einheit und Kontinuität der Kirche ist, während die nichtbischöflichen Kirchen aus ihren verschiedenen Traditionen gleichfalls wichtige und wertvolle Elemente für die Ordnung einer vereinigten Kirche beitragen werden830. e)
Zusammenfassung
Vergleicht man die Aussagen der nicht-anglokatholischen Theologen zur Frage „Historisches Bischofsamt und Wiedervereinigung der Kirchen" mit denen der Anglokatholiken, so ergeben sich in den wesentlichen Punkten grundsätzliche Unterschiede. Die Begründung für die Forderung auf Annahme des historischen Bischofsamtes durch eine nicht-bischöfliche oder vereinigte Kirche beruht bei den anglokatholischen Theologen in erster Linie auf ihrer Lehre von Bischofsamt, nach der das Bischofsamt der Kirche übergeordnet wird, ohne das die Kirche nicht Kirche sein kann, ohne das es keine validen Ämter und Sakramente in der Kirche gibt. Die nicht-anglokatholischen Theologen gehen in ihrer Begründung vor allem von der Bedeutung des historischen Bischofsamtes für die Einheit und Kontinuität der Kirche aus, nach der das Bischofsamt nicht für die Existenz der Kirche wesentlich ist, aber doch zur Fülle der Kirche hinzugehört. Weiterhin fordern die anglokatholischen Theologen aus einer bestimmten Absicht heraus zusammen mit der Annahme des Bischofsamtes die Übernahme ihrer eigenen Lehre vom Bischofsamt. Die nicht-anglokatholischen Theologen lehnen diese Forderung ab, zumal audi kein anglikanischer Pfarrer in seiner Kirche eine bestimmte Lehre vom Bischofsamt unterschreiben muß. Sie sind aber gleichzeitig der Meinung, daß mit dem Bischofsamt dessen wesentliche Funktionen angenommen und grundlegende Aussagen über Stellung und Bedeutung des Bischofsamtes gemacht werden sollen. Schließlich verlangen die Anglokatholiken die Re-ordination der nicht-bischöflich ordinierten Amtsträger als einzig möglichen Weg zur Vereinigung der Ämter, während die nicht-anglokatholischen Theologen hierfür eine gegenseitige supplementäre Ordination oder eine gegenseitige weitere Beauftragung und Autorisierung der Ämter aller beteiligten Kirchen vorschlagen. Auf die verschiedene Haltung, aus der heraus beide Gruppen ihre Aussagen und Vorschläge machen, wurde bereits hingewiesen331. Die Ausführungen und Vorschläge der nicht-anglokatholischen Theologen zum Verhältnis von Bischofsamt und Wiedervereinigung der Kirchen stimmen in allen wesentlichen Punkten mit den in den Lambethberichten und den Berichten über die Gespräche zwischen der Kirche von 330 331
A . M . R a m s e y , a.a.O. S.219. Vgl. hier S. 259 f. und 251 f.
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England und den englischen Freikirchen und der Kirche von Schottland gemachten Ausführungen überein, in denen andererseits die anglokatholischen Forderungen auf Annahme einer bestimmten Lehre vom Bischofsamt und der Re-ordination nicht-bischöflich ordinierter Pfarrer zurückgewiesen werden 382 . Daraus folgt, daß die anglokatholischen Theologen im Blick auf das Verhältnis von Bischofsamt und Wiedervereinigung der Kirchen keineswegs für die offizielle Haltung der Kirche von England repräsentativ sind, sondern daß dies vielmehr für die nicht-anglokatholischen Theologen zutrifft. 332
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Vgl. hier S. 213—244.
IV. Zusammenfassung Die Lehre der anglikanischen Kirche und Theologie vom geistlichen Amt und besonders vom historischen Bischofsamt wurde in dieser Arbeit an H a n d der Aussagen der anglikanischen „Bekenntnisse" und einer Reihe von halboffiziellen Dokumenten und Berichten einerseits, und der Aussagen der anglokatholischen und der der „Mittelgruppe" zugehörigen nicht-anglokatholischen Theologen andererseits, dargestellt. Die Grundlinien der verschiedenen Auffassungen sollen noch einmal zusammenfassend nachgezeichnet werden. a) Da es kein autoritatives anglikanisches Lehrkorpus gibt, hat die Kirche von England auch keine offizielle Lehre vom Bischofsamt niedergelegt. Das „Ordinal" enthält die Anordnung, daß das dreifache Amt in der Kirche von England fortgeführt werden soll und daß in dieser Kirche nur derjenige das geistliche Amt ausüben darf, der dazu durch die rechtmäßige Amtsgewalt berufen und eingesetzt worden ist und der vor allem die bischöfliche Ordination empfangen hat. Die dieser Bestimmung zugeordnete allgemeine Begründung, daß nach dem Zeugnis der Schrift und der Tradition das dreifache Amt seit der Zeit der Apostel bestanden habe, wird von vielen Anglikanern im Grunde nicht ernst genommen. Aus dem Wortlaut der Ordinationsgottesdienste lassen sich einige Folgerungen f ü r das Amtsverständnis ziehen: Die Handauflegung in der Ordination wird als Geistmitteilung verstanden; die Ordination geschieht zum Amt in der Kirche Gottes; der Verkündigungscharakter des Amtes wird stark unterstrichen; von einer priesterlichen Opfervollmacht des Amtes ist keine Rede. Dem „Ordinal" geht es in erster Linie um eine geordnete Fortführung des in der apostolischen Sukzession stehenden Amtes in seiner dreifachen Gestalt. Eine nähere theologische Begründung hierfür wird nicht gegeben. Die Notwendigkeit einer solchen Begründung für das historische Bischofsamt ergab sich aber zwangsläufig mit der von anglikanischer Seite immer wieder erhobenen Forderung auf Annahme des historischen Bischofsamtes als Voraussetzung für die Teilnahme einer anglikanischen Kirche an einem Unionsplan oder an der Herstellung von Interkommunion mit einer nicht-bischöflichen Kirche. Die in den Berichten der Lambethkonferenzen seit 1920 und in den anderen hier herangezogenen halboffiziellen Verlautbarungen der Kirche von England enthaltenen Aussagen und Begründungen für das Bischofsamt lassen sich in einigen Punk263
ten zusammenfassen: 1. Das Bischofsamt wurde bereits im 2. Jahrhundert allgemein angenommen, es blieb bis ins 16. Jahrhundert das allgemein anerkannte Amt der Kirche und wird auch heute noch vom größeren Teil der Kirche bewahrt. 2. Die Entwicklung hin zum historischen Bischofsamt ist mit der Ausbildung des neutestamentlichen Kanons und der altkirchlichen Glaubensbekenntnisse zu vergleichen. Diese Entwicklung wurde vom heiligen Geist geleitet. 3. Durch das Bischofsamt wird die Autorität der gesamten Kirche Christi verliehen. 4. Das historische Bischofsamt besitzt eine besondere Bedeutung für die Einheit und Kontinuität der Kirche. 5. In der Erfahrung hat sich das Bischofsamt als das der Kirche angemessenste Amt erwiesen. Hinzu kommen noch einige erläuternde Aussagen, von denen die wichtigsten sind, daß das historische Bischofsamt in einer vereinigten Kirche in einem „repräsentativen und konstitutionellen Rahmen" ausgeübt und daß mit seiner Annahme nicht die Übernahme einer bestimmten Lehre vom Bischofsamt und von der apostolischen Sukzession verbunden werden sollte. Mit der Forderung auf Annahme des historischen Bischofsamtes durch eine nicht-bischöfliche Kirche ist die Beurteilung der bestehenden Ämter dieser Kirchen und die Lösung der Frage, in welcher Weise bei einer Übernahme des historischen Bischofsamtes bischöflich und nicht-bischöflich ordinierte Ämter vereinigt werden können, eng verbunden. Die Berichte der Lambethkonferenzen und die im Zusammenhang mit den zwischenkirchlichen Gesprächen gemachten Aussagen der Kirche von England sind in ihrer Beurteilung der nicht-bischöflichen Ämter weder einheitlich noch ganz eindeutig. Sie bezeichnen die nicht-bischöflichen Ämter als wirksame Ämter des Wortes und der Sakramente und lehnen die anglokatholische Bewertung dieser Ämter als „invalid" bzw. „null und niditig" ausdrücklich ab. Zugleich kommt aber ein Vorbehalt diesen Ämtern gegenüber in wechselnden Formulierungen immer wieder zum Ausdruck. Dabei steht die Auffassung im Vordergrund, daß die Regularität und Autorität dieser Ämter als defektiv anzusehen ist. Es ist schwer zu bestimmen, ob und in welcher Weise diese Einschränkung über eine Beurteilung des äußeren Status dieser Ämter hinausgeht, eine solche nähere Bestimmung wird audi ausdrücklich nicht versucht. Es ist jedoch deutlich: zwischen den anglikanischen Ämtern und den Ämtern einer nicht-bischöflichen Kirche wird kein grundsätzlicher Unterschied gesehen, die nicht-bischöflichen Ämter werden — wenn auch mit Einschränkungen — anerkannt. Dieser Auffassung entsprechen die Vorschläge, die für die Art und Weise der Vereinigung von bischöflich und nicht-bischöflich ordinierten Amtsträgern bei einer Übernahme des Bischofsamtes gemacht werden. Hatte man bis etwa 1930 an einer Re-ordination der nicht-bischöflichen Ämter festgehalten, so hat man sich — nach Heranziehung einiger Zwischenlösungen — in jüngster Zeit zur Annahme des in den Unionsplänen für Nord264
indien/Pakistan und Ceylon gemachten Vorschlags einer gegenseitigen umfassenderen Beauftragung und Autorisierung durchgerungen. Wenn auch das, was in dem hier vorgeschlagenen feierlichen Akt der Vereinigung der verschiedenen Ämter geschieht, verschieden interpretiert werden kann, so werden hier doch bischöflich wie nicht-bischöflich ordinierte Ämter als auf derselben Ebene stehend anerkannt und gleich behandelt. Die von den nicht-bischöflichen Ämtern verwalteten Sakramente wie audi die nicht-bischöflichen Kirchen werden anerkannt. b) Die meisten der soeben angeführten Auffassungen kehren in den Aussagen der nicht-anglokatholischen Theologen wieder. Viele Fragen werden von diesen natürlich viel ausführlicher behandelt. Eine ganze Reihe neuer Gesichtspunkte tritt hinzu. Das Neue Testament enthält noch keine bestimmte Ämterordnung oder gar das dreifache Amt. Die sich in neutestamentlicher Zeit allmählich ausbildende Ordnung der Kirche war von Ort zu Ort verschieden und noch keineswegs gefestigt. Die Apostel nahmen auf Grund ihrer Augenzeugenschaft und ihrer Beauftragung durch den Auferstandenen eine besondere, einmalige Stellung ein, in der sie keine direkten Nachfolger haben konnten — von solchen wird auch nicht berichtet. Auch lagen die Funktionen der Kirchengründung, Ordination und Konfirmation nicht ausschließlich in den Händen der Apostel. Die dem „missionarischen Amt" gegenüberstehenden Träger eines Amtes in den Ortsgemeinden werden je nach der Tradition der betreffenden Gemeinden als „Presbyter" oder als „Bischöfe" bezeichnet. Wie in neutestamentlicher Zeit so können zu allen Zeiten Menschen durch den Heiligen Geist direkt in ein „freies Amt" berufen werden. Dies geschieht aber nur als Ausnahmen für besondere Situationen, die nach einer bestimmten Zeit zu „regularisieren" sind. Das monarchische Bischofsamt, wie es sich im 2. Jahrhundert findet, hat sich aus dem Presbyteramt heraus entwickelt, wobei die Ausbildung dieses Amtes vor allem durch die allmähliche Herausbildung eines Vorsitzenden innerhalb der Presbyterkollegien ermöglicht wurde. Mit dem Wachsen der Kirche war angesichts der inneren und äußeren Gefahren die Annahme einer monarchischen Spitze für die Gemeindeleitung notwendig geworden, der nun in besonderer Weise die Bewahrung der Einheit der Kirche — in der Gemeinschaft mit den anderen Bischöfen — und der Kontinuität der Kirche mit ihren Grund, auf dem sie ruht, aufgetragen worden war. Bei der Ausbildung und Annahme des monarchischen Bischofsamtes wurde die Kirche vom Heiligen Geist geleitet. Beides ist zugleich auch in Analogie zur Ausbildung und Annahme des Schriftkanons und der altkirchlichen Glaubensbekenntnisse zu sehen. Vor allem in Abwehr der gnostischen Häresie bildete sich die Vorstellung von der apostolischen Sukzession heraus. Diese sollte zum Erweis der eigenen Apostolizität und Katholizität dienen. Die seit Hippolyt 265
und Augustin vordringende „transmissionale Konzeption" der apostolischen Sukzession wird abgelehnt. Über die Bedeutung der apostolischen Sukzession und des historischen Bischofsamtes machen die nicht-anglokatholischen Theologen gleichlautende Aussagen. Beide werden in ihrer besonderen Stellung und Bedeutung für die Einheit und Kontinuität der Kirche beschrieben. Die Aussagen über die apostolische Sukzession haben dabei vor allem deren Beziehung zur Kontinuität der Kirche zum Inhalt. Im Rahmen der durch die Kontinuität im Glauben, im Gebrauch der Schrift und der Sakramente und in der Predigt konstituierten umfassenden Kontinuität der Kirche ist die Sukzession der Bischöfe, die der Kontinuität im Glauben untergeordnet ist, ein Zeichen für die Kontinuität der Kirche und der apastolischen Lehre innerhalb der Kirche. Sie trägt dazu bei, die Kontinuität der Kirche zu bewahren. Das historische Bischofsamt wird entsprechend vor allem in seiner Beziehung zur Einheit der Kirche herausgestellt, für die es auch in einer gespaltenen Christenheit ein wirksames Zeichen und ein Mittel zu deren Bewahrung und Wiederherstellung ist. Da die nicht-anglokatholischen Theologen über das Bischofsamt mehr auszusagen vermögen, als daß es nur bestimmte Vorzüge im Rahmen der Ordnung der Kirche besitzt — dieses Argument wird von ihnen höchst selten und nur am Rande erwähnt —, so ist auch verständlich, daß diese Theologen die alte, das evangelikale Verständnis des Bischofsamtes kennzeichnende bene esie-Formel fast ohne Ausnahme nicht mehr verwenden und statt dessen, falls sie nicht überhaupt gegen Formeln dieser Art sind, das Bischofsamt als zum plene esse der Kirche gehörig bezeichnen. In seinem Verhältnis zur Kirche wird das Amt nicht einfach der Kirche untergeordnet. Das Amt ist darin von der Kirche abhängig, daß es von der Kirche seine Autorität und Beauftragung empfängt und die Kirche ihrem Herrn gegenüber repräsentiert. Andererseits ist es aber auch eine Gabe Gottes an die Kirche, in der Ordination empfängt es von Gott eine besondere Gnadengabe, Beauftragung und Autorität. Als Amt Christi steht es der Kirche gegenüber, ohne aber Herr über die Kirche zu sein. Über diesen doppelten Aspekt des Verhältnisses von Amt und Kirche hinaus besitzt das historische Bischofsamt eine Bedeutung für die Einheit und Kontinuität der Kirche, wie sie eine andere Form des Amtes in dieser Weise nicht besitzt. Wenn die nicht-anglokatholischen Theologen die Ämter nicht-bischöflicher Kirchen nicht als identisch mit ihren eigenen Ämtern ansehen, so besteht nach ihrer Auffassung zwischen ihnen doch kein grundlegender, sondern nur ein gradueller Unterschied, der sich in erster Linie auf die äußere Autorisierung bezieht. Da die nicht-anglokatholischen Theologen das Kirchesein einer Gemeinschaft von Christen nicht von dem Besitz oder dem Fehlen des in der apostolischen Sukzession stehenden Amtes aus be266
urteilen und außerdem die nicht-bischöflichen Ämter und die von diesen verwalteten Sakramente als wahre Ämter und Sakramente der Kirche Christi anerkennen, so sehen sie auch keinen Grund, nicht-bischöflichen Kirchen das Kirchesein abzusprechen. Dennoch erheben audi die meisten nicht-anglokatholischen Theologen die Forderung, daß die Annahme des historischen Bischofsamtes und der bischöflichen Ordination durch eine nicht-bischöfliche Kirche eine notwendige Voraussetzung für ein Abkommen über Interkommunion oder eine Vereinigung mit einer anglikanischen Kirche ist. Begründet wird diese Forderung von den Aussagen über das historische Bischofsamt her, wobei natürlich der Hinweis auf dessen besonderes Verhältnis zur Einheit und Kontinuität der Kirche im Vordergrund steht. Organische Einheit und Kontinuität gehören zur Fülle der Kirche wesentlich hinzu, sie können aber nur durch das historische Bischofsamt im vollen Sinne erlangt werden, denn dieses ist sichtbarer Ausdruck sowohl der Katholizität als auch der Apostolizität der Kirdie. Der Gedanke, daß das historische Bischofsamt bis zur Reformation die universale Form der Kirchenleitung gewesen ist und auch viele Vorzüge praktischer und organisatorischer Art besitzt, spielt bei der Begründung der Forderung auf Annahme des historischen Bischofsamtes ebenfalls eine Rolle. Zugleich wird aber auch einschränkend darauf hingewiesen, daß mit dieser Forderung nicht die Übernahme einer bestimmten Lehre vom Bischofsamt und von der apostolischen Sukzession verbunden werden darf, da auch die Glieder der Kirche von England nidit zur Annahme einer solchen Lehre verpflichtet sind. Das Bischofsamt soll audi keineswegs in derselben äußeren Form übernommen werden, die es in der Kirche von England im Laufe der Jahrhunderte erhalten hat. Auf die Frage, was bei einer Übernahme des Bischofsamtes durdi eine nicht-bischöflidie Kirche mit deren bestehenden Ämtern geschehen soll und in welcher Form diese mit den bischöflich ordinierten Ämtern einer anglikanischen Kirdie vereinigt werden sollen, haben die nicht-anglokatholischen Theologen in den letzten vierzig Jahren verschiedene Antworten gegeben. Nachdem es zuerst Vorschläge für eine supplementäre Ordination der nicht-bischöflichen Amtsträger einerseits und für eine (ihr nicht ganz entsprechende) zusätzliche Autorisierung der bischöflich ordinierten Amtsträger andererseits gegeben hatte, ist für die Vorschläge aus den letzten Jahren bestimmend, daß in ihnen bischöflich wie nichtbischöflich ordinierte Amtsträger gleich behandelt werden: beide sollen eine supplementäre Ordination oder eine gegenseitige umfassendere Beauftragung und Autorisierung empfangen. Es wurde in der Arbeit gezeigt, daß die Verfasser des Buches „The Historie Episcopate", die ihre Stellung zwischen den extremen theologischen Gruppen besonders unterstreichen und die die plene esse-Formel als 267
Kennzeichen für ihre Lehre vom historischen Bischofsamt einführen, sachlich zur großen Gruppe der hier behandelten nicht-anglokatholischen Theologen gehören. Sie teilen und ergänzen in mancher Hinsicht deren wesentliche Begründung des historischen Bischofsamtes — dessen besondere Bedeutung für die Einheit und Kontinuität der Kirche — und stimmen mit ihnen auch in den anderen Fragen — Verhältnis von Amt und Kirche, Beurteilung der nicht-bischöflichen Ämter und Kirchen, Verhältnis von historischem Bischofsamt und Wiedervereinigung der Kirchen — überein. Indem sie das historische Bischofsamt zu der aus einer Vielfalt verschiedener Elemente bestehenden Fülle der Kirche in Beziehung setzen, eröffnen sie neue Möglichkeiten für ein ökumenisches Gespräch über das Amt. c) Die anglokatholische Lehre vom Bischofsamt läßt sich wohl am leichtesten kurz zusammenfassen, da sie sich in ihrer Einseitigkeit deutlich abhebt, eine große Geschlossenheit aufweist und von der Interpretation des Neuen Testamentes bis hin zur Stellungnahme im zwischenkirchlichen Gespräch in einer großen Linie durchkonstruiert ist. Der irdische und auferstandene Herr hat mit dem Apostelamt das offizielle Amt der Kirche eingesetzt. Die Apostel besaßen eine herausgehobene Autorität und Vollmacht, sie sind im Leben der Kirche an die Stelle Christi getreten. Diesen Status konnten sie an ihre Nachfolger weitergeben. Die Ordinationsvollmacht als das besondere Kennzeichen ihres Amtes lag allein in ihren Händen. Sie hatten das „wesentliche Amt" der Kirche inne, dem das örtliche Presbyteramt und das Diakonenamt als „abhängiges Amt" unterstellt war. Die Presbyter konnten nicht ordinieren; alles, was sie besaßen, hatten sie von den Aposteln empfangen. Da es in neutestamentlicher Zeit schon Diakone gab, so bestand das dreifache Amt der Kirche bereits in dieser Zeit. Die Träger besonderer charismatischer Gaben hatten entweder selbst ein reguläres Amt inne oder aber sie unterstanden der Autorität des regulären Amtes. Einige Anglokatholiken versuchen mit Hilfe der sog. shaliach-Theorie die herausgehobene Bedeutung und die Möglichkeit der Weitergabe des Apostelamtes aufzuzeigen. Sie identifizieren die Apostel mit den „sheluchim" und folgern in Analogie zu dieser Form des jüdischen Rechtes, daß die Handlungen eines Apostel-shaliach den göttlichen Herrn in unwiderruflicher Weise binden. Die Apostel sind die Gesandten Gottes. Und da Gott an die Handlungen seiner Apostel gebunden ist und ihre Handlungen darum zugleich auch seine Handlungen sind, so können sie durch die Ordination audi neue „sheluchim" einsetzen, die denselben Status und dieselbe Vollmacht besitzen wie sie. Die Anglokatholiken betonen, daß das Apostelamt nicht einmalig war, sondern daß es mit all dem, was es beinhaltet, weitergegeben werden konnte und wurde. Es mußte weitergegeben werden, da es das wesent268
liehe Amt der Kirche war. Diese Weitergabe geschah zuerst durch direkte Nachfolger der Apostel, die sog. „apostolischen Männer" oder durch Jünger und Schüler der Apostel. Zugleich bildeten sich in den örtlichen Presbyterien episkopale Spitzen. Im 2. Jahrhundert wird das Apostelamt durch das monarchische Bischofsamt weitergeführt. Dieser Ubergang wird so beschrieben, daß sich entweder Nachfolger der Apostel in Gemeinden niederließen und dort die Stelle des „Bischofs" einnahmen und sodann „apostolische Bischöfe" in den Nachbargemeinden ernannten, oder daß die Nachfolger der Apostel „apostolische Bischöfe" in den Gemeinden einsetzten oder den vorhandenen Bischöfen die apostolischen Funktionen übertrugen. Vielleicht hat sich der Ubergang auch gleichzeitig in diesen verschiedenen Formen vollzogen. Das Zeichen und der Beweis für die vollzogene Verbindung von Apostelamt und monarchischem Bischofsamt bzw. für die Fortführung des Apostelamtes durch das Bischofsamt ist der Besitz der Ordinationsvollmacht. Somit geht das monarchische Bischofsamt in direkter, ununterbrochener Linie auf das Wirken des irdischen und auferstandenen Herrn zurück. Indem die monarchischen Bischöfe zugleich einige ihrer Funktionen wieder an die Presbyter abgaben, blieb die Dreigliederung des Amtes weiter bestehen. Durch die apostolische Sukzession wird nach Auffassung der anglokatholischen Theologen eine Gnadengabe, das Amtscharisma, die apostolische Vollmacht und Autorität und die apostolischen Funktionen, die die ersten Apostel vom irdischen und auferstandenen Herrn empfangen hatten, durch die Kette der Handauflegungen in den Konsekrationen weitergegeben. Nur auf diese Weise empfängt ein Bischof sein „Amt", durch das er in Christi Namen handelt. Er wird zu einem neuen Apostel und übt nun die besondere apostolische Funktion der Ordination und Konfirmation aus. Nur er kann — da er allein die Fülle der apostolischen Gnade, Autorität und sakramentalen Vollmacht besitzt — in der Ordination den Heiligen Geist verleihen und so rechtmäßige Amtsträger einsetzen. Nur die von diesen Amtsträgern verwalteten Sakramente, d.h. in erster Linie das Abendmahl, sind valid. So erneuert sich das Amt selbst durch die Transmission einer Gnadengabe. Diese Gabe hat ihre Quelle im irdischen und auferstandenen Herrn, ihre Weitergabe aber geschieht gleichsam automatisch. Selbst da, wo von einigen Anglokatholiken ein Wirken des Herrn der Kirche in der Konsekration und Ordination erwähnt wird, wird doch dieses direkte Wirken immer als an das Handeln der Bischöfe gebunden beschrieben. Ein bestimmendes Handeln der Kirche wird ausdrücklich abgelehnt. Die meisten Anglokatholiken glauben, diese „transmissionale Konzeption" der apostolischen Sukzession bereits in den ersten Jahrhunderten erkennen zu können. 269
Daneben wird die apostolische Sukzession auch in ihrem Verhältnis zur Einheit und Kontinuität der Kirche beschrieben. In diesem Zusammenhang wird im Rahmen der von den anglokatholischen Theologen gelehrten Abhängigkeit der Kirche vom Amt darauf hingewiesen, daß die Kontinuität der Kirche von der Kontinuität des Amtes abhängig ist und daß die apostolische Sukzession als ein Sakrament der Einheit und Kontinuität der Kirche zu verstehen ist. Die in der Lehre von der apostolischen Sukzession zum Ausdruck kommende Vorordnung des Amtes gegenüber der Kirche wird in den anglokatholischen Aussagen über das Verhältnis von Amt und Kirche noch unmißverständlicher ausgesprochen. Das in der apostolischen Sukzession stehende Amt ist der Kirche vor- und übergeordnet. Als ein wesentlicher Teil der Struktur der Kirche ist es für die Apostolizität und Katholizität, ja f ü r die Existenz der Kirche unerläßlich. Es gehört zum esse der Kirche. N u r wo das in der Sukzession stehende Amt bewahrt ist, haben wir es mit der Kirche Christi zu tun. Aus diesem Grunde hat auch die anglikanische Kirche teil an der Kirche Christi, zusammen mit den anderen „Zweigen" dieser Kirche, die ebenfalls das „apostolische A m t " bewahrt haben. Das so als nota ecclesiae verstandene Amt ist das oberste Kriterium für die Existenz einer Kirche. Es gibt Anteil an der Kirche Christi und ist zugleich ein Kennzeichen dieser Teilhabe. Wo aber dieses Amt nicht vorhanden ist, da ist auch nicht Kirche Christi im vollen Sinne Wirklichkeit. Hier muß eine Gemeinschaft jene Fülle der apostolischen Vollmacht und die f ü r ein valides Amt und valide Sakramente nötigen Gnadengaben, die allein durch die apostolische Sukzession weitergegeben werden, entbehren. Die Ämter nicht-bischöflicher Kirchen werden daher nicht als valide Ämter anerkannt. Sie können eine gewisse Wirksamkeit haben, von einigen anglokatholischen Theologen werden sie auch als „prophetische Ämter" bezeichnet (die keiner Ordination bedürfen und auch nicht die Vollmacht besitzen, valide Sakramente zu verwalten). Das von diesen Ämtern gespendete Abendmahl ist kein valides Sakrament, wenn diese Handlungen dennoch eine geistliche Erfahrung beim Empfänger bewirken, so liegt dies in der freien Gnade Gottes. Eine Gemeinschaft ohne das in der apostolischen Sukzession stehende Amt ist dann auch nicht Kirche im eigentlichen Sinne und wird dementsprechend auch nicht so bezeichnet, sondern ein bloßer Zusammenschluß von Christen, der allerdings nicht außerhalb des Leibes Christi steht. Da nach anglokatholischer Auffassung eine Kirche nur dann im vollen Sinne Kirche ist, wenn sie das „apostolische A m t " besitzt, und ein Abendmahl nur valid ist, wenn es von diesem Amt gespendet wird, so ist die Forderung auf Annahme des Bischofsamtes und der bischöflichen Ordination bei einer Kirchenunion oder Abmachung über Interkommunion eine Selbstverständlichkeit. Aber es geht den anglokatholischen Theologen 270
nicht nur um die Annahme des Bischofsamtes, sondern im Zusammenhang damit bestehen sie audi auf der Übernahme ihrer eigenen Lehre vom Bischofsamt und von der apostolischen Sukzession durch eine vereinigte oder eine nicht-bischöfliche Kirche. Schließlich fordern sie, und das ist nur eine weitere Konsequenz ihrer Lehre vom Amt, die Re-ordination aller nicht-bischöflich ordinierten Amtsträger. Im Grunde ist diese Reordination nicht die Wiederholung einer früheren Ordination, sondern die Ordination zu einem neuen Amt. Von dieser Stellung aus beurteilen die Anglokatholiken alle Gespräche und Verhandlungen mit nichtbischöflichen Kirchen. Wo immer es möglich ist, versuchen sie dabei ihren eigenen Auffassungen Geltung zu verschaffen oder Beschlüsse und Stellungnahmen der leitenden Gremien der Kirche von England und der Lambethkonferenzen hinauszuzögern oder gar zu vereiteln. Daß einige Anglokatholiken weniger extreme Auffassungen als die hier skizzierten vertreten, ändert am Gesamtbild der anglokatholischen Lehre vom Amt nichts. d) Die Frage, welche der beiden großen theologischen Gruppen innerhalb der neueren anglikanischen Theologie die Lehre und die Auffassungen vom Amt, vom Bischofsamt und dessen Verhältnis zur Einheit der Kirche, wie sie in der Geschichte der Kirche von England, in deren „Bekenntnissen" und in den neueren halboffiziellen Verlautbarungen zum Ausdruck kommen, am deutlichsten widerspiegeln, kann auf Grund des Befundes dieser Arbeit ohne Schwierigkeit mit dem Hinweis auf die Auffassungen und Aussagen der nicht-anglokatholischen Theologen beantwortet werden. Diese Theologen und ihre theologische Position, und nicht, wie Außenstehende oft glauben, die Anglokatholiken, bringen die theologische Stellung der Kirche von England in Fragen des Amtes und der Wiedervereinigung am getreuesten zum Ausdruck. Sie sind bestimmend für die ökumenische Entwicklung der Kirche von England und ihre konkreten Schritte in Gesprächen und Verhandlungen mit anderen Kirchen. Sie stehen in Übereinstimmung mit den wenigen Aussagen der anglikanischen „Bekenntnisse" über das Amt und sie repräsentieren die Via Media, die vom Anfang an Kennzeichen der Kirche von England war und in der das eigentümliche anglikanische Ethos sich verkörpert. Es besteht kein Zweifel, daß sich heute die Mehrheit der anglikanischen Theologen zu dieser Mittelgruppe bekennt, und es ist die Überzeugung vieler Anglikaner, daß diese Gruppe gegenüber den extremen Parteien innerhalb der Kirche von England immer mehr an Raum gewinnt 1 . Demgegenüber fällt auf, daß fast alle bedeutenden Anglokatholiken, deren Werke für diese Arbeit herangezogen wurden, der älteren Generation angehören 1 A l l e anglikanischen Theologen, mit denen ich sprechen konnte, waren dieser Uberzeugung.
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oder in den letzten Jahren gestorben sind. Damit soll nicht gesagt werden, daß die Gruppe anglokatholisdier Theologen in der Kirche von England langsam ausstirbt oder daß sie keine Bedeutung und keinen Einfluß mehr besitzt, aber es ist deutlich, daß sie sich gerade in Fragen des Amtes nicht mehr mit der kräftigen, anspruchsvollen und oft auch gewichtigen Stimme zu Worte meldet, wie es bisher geschah. Zu dieser Entwicklung gehört audi, daß sich einige Anglokatholiken mehr und mehr aus den eigenen Reihen gelöst haben und heute schon fast zur Gruppe der nicht-anglokatholischen Theologen zu rechnen sind. Das beste Beispiel hierfür ist der Erzbischof von Canterbury 2 . Jede Beurteilung der Haltung der Kirche von England in Fragen des Amtes und der Einheit der Kirche und jeder Versuch, mit dieser Kirche in ein theologisches Gespräch einzutreten, muß die beiden in dieser Arbeit herausgestellten Gruppen im Auge haben, noch mehr aber gilt es dann, diese Verteilung der Gewichte zu beachten und auch zu nutzen. e) Um zu dieser allgemeinen Charakteristik der beiden in dieser Arbeit behandelten theologischen Gruppen im Blick auf ihre Stellung zum Amt und zur Einheit der Kirche zu gelangen, ist es vielleicht gut, darauf hinzuweisen, daß sie einen gemeinsamen Ausgangspunkt haben — die Beibehaltung des in der apostolischen Sukzession stehenden Bischofsamtes durch die Kirche von England — und daß sie auch in ihrer Forderung auf Annahme des historischen Bischofsamtes durch nicht-bischöfliche Kirchen übereinstimmen. Die zu dem in der eigenen Kirche bewahrten Bischofsamt hinzutretenden theologischen Interpretationen sind dagegen nicht nur grundsätzlich verschieden, sie werden auch von ganz verschiedenen Voraussetzungen und Absichten getragen und bestimmt. Die nicht-anglokatholischen Theologen sahen in der Beibehaltung des historischen Bischofsamtes durch die Kirche von England die Bewahrung einer traditionsreichen Einrichtung, der sie so viel Bedeutung für die Kirche beimaßen, daß sie die Annahme dieses Amtes auch durch nichtbischöfliche Kirchen wünschten. Eine eingehendere theologische Reflexion über dieses Amt hatte in ihren Reihen kaum stattgefunden. Diese wurde aber in diesem Jahrhundert unumgänglich, da mit den einsetzenden engen ökumenischen Kontakten die anderen Kirchen eine theologische Begründung und nähere Erläuterung der an sie gerichteten anglikanischen Forderung auf Übernahme des historischen Bischofsamtes verlangten, was die nicht-anglokatholischen Theologen unvorbereitet traf, zumal die anglikanischen „Bekenntnisse" in dieser Frage nur wenig Auskunft geben. 2 Als im Mai 1961 die Konvokation von York über den Unionsplan für Ceylon abzustimmen hatte, wandte sich der damalige Erzbischof von York öffentlich gegen die Bestrebungen der anglokatholisdien Minderheit, vgl. die Berichte in der Church Times und der Church of England Newspaper vom Mai 1961. Vgl. audi das letzte Buch von A. G. Hebert, Apostle and Bishop, London 1963.
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Diese einsetzende Klärung der eigenen theologischen Position war also ganz ökumenisch bestimmt. Zugleich stellte sie aber auch die Antwort auf die anglokatholische Lehre vom Amt dar, welche nun gerade auch gegenüber anderen Kirchen mit dem Anspruch auftrat, die anglikanische Lehre vom Amt zu sein. Sowohl von diesem Hintergrund als auch von ihrer Lehre vom Amt selbst her, wie sie in dieser Arbeit dargestellt wurde, ist nun zu verstehen, daß die nicht-anglokatholischen Theologen das historische Bischofsamt auf Grund seiner frühen Annahme durch die Alte Kirche und seiner mannigfachen Vorzüge für das Leben der Kirche, vor allem aber auf Grund seiner besonderen Bedeutung für die Einheit der Kirche in Zeit und Raum als die besondere, zur Fülle der Kirche hinzugehörige Gabe der anglikanischen Kirche im gegenseitigen Geben und Empfangen der zu einer umfassenderen, sichtbaren Einheit hinstrebenden Kirchen verschiedener Konfession und Tradition herausgestellt haben. Es liegt so im Wesen aller nicht-anglokatholischer Aussagen zum Amt, daß sie auf die Einheit der Kirche hin ausgerichtet sind. Die halboffiziellen Verlautbarungen der Kirche von England aus der letzten Zeit sind nicht nur im einzelnen von den Auffassungen nicht-anglokatholischer Theologen über das Amt bestimmt, sondern sie spiegeln gerade audi diese allgemeine Haltung wider. Die intensive anglokatholische Beschäftigung mit dem Amt setzte bereits im vorigen Jahrhundert ein und zwar als ein Teil der großen Selbstreflexion, durch die man die Gewißheit unterstreichen und untermauern wollte, daß die Kirche von England im Unterschied zu den anderen Reformationskirchen und Freikirchen ein Teil der katholischen Kirche ist — neben der römisch-katholischen und orthodoxen Kirche. Der Besitz des in der apostolischen Sukzession stehenden Bischofsamtes, zusammen mit einer bestimmten Interpretation der apostolischen Sukzession, wurde als für die Existenz der Kirche wesentlich erklärt und somit zum entscheidenden Kennzeichen für diese Zugehörigkeit zur sichtbar verstandenen und darum durch Schismen unterteilten katholischen Kirche erhoben. Von diesem Gedanken ist die anglokatholische Lehre vom Amt bis in die jüngste Zeit hinein bestimmt. Die Gespräche und Verhandlungen zwischen anglikanischen Kirchen und nicht-bischöflichen Kirchen in den letzten fünfzig Jahren und die intensive Beteiligung der anglikanischen Gemeinschaft an der ökumenischen Bewegung hatten auf die anglokatholische Lehre vom Amt nur die Wirkung, daß das in der apostolischen Sukzession stehende Bischofsamt und die anglokatholische Lehre vom Amt noch stärker als das Unterscheidungsmerkmal herausgestellt wurden, das der einen Seite vollen Anteil an der Kirche Christi gibt und der anderen das Kirchesein im eigentlichen Sinne wie auch valide Ämter und Sakramente abspricht. Es bleibt den nicht-bischöflichen Gemeinschaften nur die Möglichkeit, durch die Übernahme des Bischofsamtes zusammen mit der anglo18
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Gaßmann, Bischofsamt
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katholischen Lehre vom Amt und durch Reordination der bestehenden Ämter wieder Anteil an der katholischen Kirche zu bekommen. So sind die anglokatholischen Aussagen zum Amt in ihrer Intention grundsätzlich nur auf die eigene Kirche hin ausgerichtet, für andere Kirchen bedeuten sie nur Verurteilung und unbedingte Forderung. f) Es war nicht Aufgabe dieser Arbeit, in eine intensive kritische Auseinandersetzung mit der anglikanischen Lehre vom Amt in ihren verschiedenen Ausprägungen einzutreten, es galt vielmehr, zuerst einmal die Fülle der Äußerungen anglikanischer Theologen und Dokumente über das Amt und die Einheit der Kirche zu sichten, zu ordnen, zu beurteilen und zusammenzustellen, um so zu einem möglichst umfassenden Bild von der neueren anglikanischen Lehre vom Amt im Blick auf die ökumenische Fragestellung — das es bisher in einer schriftlich fixierten Form noch nicht gibt — zu gelangen. Trotzdem wurde bereits an einer ganzen Reihe von Stellen Kritik geübt und vor allem die Unhaltbarkeit der anglokatholischen Lehre vom Amt und der sich daraus ergebenden Folgerungen immer wieder herausgestellt. Hier können nur noch einige Einwände und kritische Fragen vorgebracht werden, die zusammen mit der bereits in der Arbeit geübten Kritik Ansatzpunkte für eine umfassende kritische Auseinandersetzung mit der anglikanischen Lehre vom Amt und den sich daraus ergebenden Ansprüchen bieten könnten. Gegenüber den nicht-anglokatholischen Theologen ist der grundsätzliche Einwand zu erheben, daß sie oft nicht die entsprechenden Folgerungen aus ihren an sich zutreffenden Feststellungen ziehen. Sie erkennen, daß im Neuen Testament noch kein festumrissenes Amtssystem vorliegt und wenden doch die Tatsache, daß im Neuen Testament der Dienst der Auferbauung und Leitung der Gemeinde in verschiedener Weise und durch mannigfaltige Formen geschieht, nicht auf ihre Lehre vom Amt in umfassender Weise an. Sie erkennen, daß die Ausbildung des monarchischen Bischofsamtes durch die innere und äußere Situation der Kirche bedingt war und der Einheit der Kirche und der Bewahrung des apostolischen Kerygmas diente, aber nur wenige nicht-anglokatholische Theologen ziehen hieraus die Folgerung, daß diese Fixierung einer bestimmten Amtsform in keiner Weise unabänderlich ist und daß in einer veränderten Situation das Amt auch in einer anderen Gestalt denselben Dienst in der Bindung an das apostolische Kerygma ausrichten kann. Die nicht-anglokatholischen Theologen lehnen die anglokatholische Unterscheidung Bischofsamt = wesentliches Amt — Priesteramt = abhängiges Amt ab, und dennoch sehen viele von ihnen zwischen Bischof und Presbyter mehr als nur einen Unterschied der Funktion und theologischen Bedeutsamkeit für die Kirche 3 . Die funktionale Bestimmung des 3
D i e Frage des Unterschieds zwischen Bischofsamt und Presbyteramt konnte in dieser Arbeit nicht eingehender behandelt werden.
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Amtes als Träger des Wortes und Verwalter der Sakramente, als Hirtenamt in der Gemeinde und in der Gesamtkirche wird anerkannt, aber gerade in der Beurteilung der nicht-bischöflichen Ämter wird sie nicht als das entscheidende Kriterium herangezogen. So haftet den Aussagen der nicht-anglokatholischen Theologen, auch wenn sie an keiner Stelle einen Ausschließlichkeitsanspruch erheben, eine gewisse Starrheit an, die nicht zuletzt von der zu engen Bindung an die eigene Tradition und an die besonders hochgeschätzte Tradition der Alten Kirche herrührt und die erst dann weichen wird, wenn man den eigenen Standpunkt, daß das historische Bischofsamt zur Fülle der Kirche hinzugehört, in einem noch größeren Ernstnehmen gerade dieser „Fülle" neu durchdenkt. Die anglokatholischen Theologen sehen im Neuen Testament ein inspiriertes Textbuch zur Ordnung der Kirche. Sie lesen in die neutestamentliche Zeit die Existenz des dreifachen Amtes der Kirche hinein, indem sie die Apostel zu den ersten Bischöfen ernennen. Sie zwängen die Vielfalt der neutestamentlichen Ansätze und Ausprägungen gemeindlicher Funktionen in ein vorgegebenes System. Sie negieren die einmalige Stellung der Apostel, sie benutzen gerade deren besondere Bedeutung für die Kirche, um diese den in der ununterbrochenen Sukzession auf die Apostel folgenden Bischöfen zuzusprechen. Sie weisen den Aposteln und damit den Bischöfen die Ordination und Konfirmation als die für ihr Amt wesentlichen und kennzeichnenden Funktionen zu, was auf Grund des neutestamentlichen Befundes als eine willkürliche Setzung bezeichnet werden muß. Sie interpretieren die apostolische Sukzession und das Bischofsamt in einer Weise, wonach diese — vom richtenden Gegenüber des apostolischen Kerygmas völlig isoliert — die göttliche Gnade, den Heiligen Geist und die gegenwärtige Herrschaft des Herrn über seine Kirche in sich einbeschließen und mit dem Anspruch, diese Gaben der Kirche gegenüber zu repräsentieren, sie an das Wirken irdischer Geschöpfe binden. Die anglokatholischen Theologen machen so eine bestimmte Form des Amtes zum entscheidenden Existenzgrund der Kirche, in dieser Häresie unterscheiden sie sich von allen anderen Kirchen, um auf diese Weise vor aller Welt (besonders abervor der römisch-katholischen und orthodoxen Welt!) die Zugehörigkeit der anglikanischen Kirche zur wahren katholischen Kirche demonstrieren oder doch wenigstens behaupten zu können. Der wahre Grund der Kirche aber ist Jesus Christus. Wo er im gepredigten Wort, das an das apostolische Zeugnis gebunden ist, und im Sakrament, das seiner Einsetzung gemäß verwaltet wird, gegenwätig ist, da ist die Kirche Christi unter uns. Jede Begegnung mit der anglikanischen Kirche und Theologie, die in unserem ökumenischen Zeitalter nicht nur eine Notwendigkeit ist, sondern die auch gerade für lutherische Kirchen ungemein befruchtend sein kann, wird nicht zuletzt — und von anglikanischer Seite aus möglichst 18*
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zuerst — die Frage des Amtes zum Thema haben. Schon von daher ist eine intensive Beschäftigung mit der Lehre vom Amt geboten. Wichtiger aber ist noch, daß in den vielfältigen anglikanischen Aussagen zum Amt eine ganze Reihe von Gesichtspunkten enthalten sind, die die seit einiger Zeit im Gange befindliche Neubesinnung über Wesen und Gestalt des geistlichen Amtes innerhalb der lutherischen Theologie gewiß weiter anregen und durch neue Aspekte bereichern könnten. Die von der repräsentativen Mehrheit der anglikanischen Theologen so stark unterstrichene Bedeutung des Bischofsamtes für die Einheit und Kontinuität der Kirche müßte m.E. dabei besonders beachtet und durchdacht werden, auch auf die „Gefahr" hin, daß dann vielleicht entsprechende Folgerungen hinsichtlich der äußeren Gestalt des Amtes gezogen werden müßten.
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Ostkirche und Ökumene Die Einheit der Kirche als dogmatisches Problem in der neueren ostkirchlichen Theologie. Forschungen %ur systematischen und ökumenischen Theologie 9. 1962. 316 Seiten, brosch. 28,50 DM. „. . . Alles in allem ein reiches und lehrreiches Buch, das den nachdenklichen Leser tief in die theologischen Gegenwartsfragen einer evangelischorthodoxen brüderlichen Gemeinschaft in Christus hineinzuführen vermag." Ev. Literaturbeobachter WOLFGANG DIETZFELBINGER
Die Grenzen der Kirche nach römisch-katholischer Lehre Forschungen ^ur systematischen und ökumenischen Theologie 10. 1962. 229 Seiten, kart. 24,— DM. „Das Buch wird mit seinen reichen Informationen und seinen vielen kritischen Anfragen dem theologischen Gespräch mit Rom einen wichtigen Dienst erweisen." Ökumenische Rundschau FRITZ VIGENER
Bischofsamt und Papstgewalt Zur Diskussion um Universalepiskopat und Unfehlbarkeit des Papstes im deutschen Katholizismus zwischen Tridentinum und Vatikanum I. Überarbeitet und mit einem biographischen Nachwort herausgegeben von Gottfried Maron. Kirche und Konfession 6. 2. Auflage 1964. 113 S., kart. etwa 11,80 DM. Diese Arbeit des früheren Gießener Historikers gibt einen Einblick in die spannungsreiche Geschichte des Problems bis zum Unfehlbarkeitsdogma von 1870. Obwohl schon fünfzig Jahre alt, ist diese Skizze der Geschichte der Unfehlbarkeitsdoktrin bis heute noch nicht überholt. Die jetzige Neuauflage ist kritisch durchgesehen und ergänzt. GERHARD EßELING
Wort Gottes und Tradition Studien zu einer Hermeneutik der Konfessionen. Kirche und Konfession 7. 1964. Etwa 216 S., kart. etwa 14,80 DM. Aus dem Inhalt: Uber Aufgabe und Methoden des konfessionellen Problems / Rußland und das Abendland in konfessionsgeschichtlicher Sicht / Ist der konfessionelle Gegensatz auch ein philosophischer? / Das Neue Testament und die Vielzahl der Konfessionen / Wort Gottes und kirchliche Lehre / Zur Frage nach dem Sinn des mariologischen Dogmas / Das Priestertum in protestantischer Sicht / Worthafte und sakramentale Existenz. Ein Beitrag zum Unterschied zwischen den Konfessionen. V A N D E N H O E C K & R U P R E C H T IN G Ö T T I N G E N UND Z Ü R I C H