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Philosophische Bibliothek
Dante Alighieri Das Gastmahl Erstes Buch Italienisch–Deutsch Philosophische Werke 4/I
Meiner
DANTE ALIGHIERI
Philosophische Werke Herausgegeben unter der Leitung von Ruedi Imbach Band 4/I
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
DANTE ALIGHIERI
Das Gastmahl Erstes Buch
übersetzt von Thomas Ricklin Eingeleitet und kommentiert von Francis Cheneval
Italienisch - Deutsch
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
INHALT
Vorrede ... „ „ „ „. „. „ .. „. „ .. „ .. „ „. „. „ „ .... „ „ .. „ „.. VII Einleitung zu den Büchern 1-IV. Von Francis Cheneval „ XI 1. Dantes Not oder die Philosophie als Kompensation ........... „ .... „ . „ ... „ „ .......... XIII 2. Der philosophische Selbstkommentar „„.„.„„„„ xv 3. Der Kommentar als Bindeglied zwischen Dichtung und Philosophie ... „ .. „ . „ .......... „ .. xxvn 4. Das Entstehungsmilieu des Convivio, Dantes Publikum und die Sprachen der Philosophie „ .. „ ........... „ . „ ... „ . . . . . . . . . XXXVIII 5. Das Gastmahl oder Philosophie für möglichst viele „ ... „ . „ ....... „ .. „ . „ ......... „ „ . „ LI 6. Dantes Lob der Philosophie „„„„„„„„„„„„„ LVII 7. Das literarische Genus der 'commendatio philosophiae' ....................................... LXXXIII 8. Das Convivio und die philosophische Einführungsliteratur .. „ .. „ ... „ .. „ .. „ ........ LXXXVIII 9. Dantes Lob der Philosophie und die Universität Bologna „„.„„„.„„„.„„„„„„ XCII 10. Weitere Formen und Strukturen des Convivio . „ „ ..... „ ... „ ... „. „. „ ... „ ..... „ .. „ ... c
DANTE ALIGHIERI Convivio I Das Gastmahl Erstes Buch. Text (2) und Übersetzung „. „ „. „. „ „. „. „ i, 1-19„.„„„.„.„„.„„„„„„„„„„„„.„.„„„.„ ii, 1-17 .„„ ....... „.„.„ .. „ .. „ .. „„„.„„ ......... „.„
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Inhalt
iii, 1-11 ···················································· iv, 1-13 ... . . . ....... .. ... ..... ........ ....... ....... ..... .. V, 1-15 . ..... ... ..... ... ... ..... ... ... .. ... . ...... ......... vi, 1-11 . ........ ........ ........ ... ... .. ... . . ....... ....... vii, 1-16 ...... .. .. . . . .. ... . ..... .. ..... ....... .... .. . ....... viii, 1-17 .................................................... ix,1-21 .................................................... X, 1-14 . . ... ..... ....... ....... ..... .... .... ...... ......... xi, 1-21 . . . ....... .. ... .. .... ... . ... .......... ..... ......... xii, 1-13 . .... ... . .... ........... ........ ..... ......... ...... xiii, 1-12 . ........ ................ ....... ..... ......... ......
15 19 23 29 33 37 43 47 53 59 65
Literalkommentar. Von Francis Cheneval .. . ....... ....... 71 Literatur ......................................................... 245 Index nominum ................................................ 266 Index rerum .................................................... 267 Personenregister zu Einleitung und Literalkommentar (antike und mittelalterliche Autoren) ....................... 275
VORREDE
Das Sicher ist nicht sicher. So, wie es ist, bleibt es nicht. Bertold Brecht Mit diesem Band wird die vierteilige Ausgabe des Convivio Dantes eröffnet. Wie bei den bereits erschienen beiden Texten Dantes, die im Rahmen dieser Werkausgabe der Philosophischen Bibliothek veröffentlicht worden sind, geht es darum mit Hilfe einer Übersetzung und eines ausführlichen Kommentars, das philosophische Schrifttum Dantes zu vergegenwärtigen. Dem Gastmahl kommt allerdings im Werk Dantes ein ganz besonderer Stellenwert zu. Die prosimetrisch gestaltete Schrift, in der Dante seine eigenen Gedichte philosophisch auslegt, ist im Gegensatz zu den anderen Werken, die in dieser Werkausgabe präsentiert werden, in der italienischen Volkssprache verfaßt worden, und Dante hat dieses Faktum überdies ausführlich reflektiert. Die dem ersten Buch vorangestellte, ausführliche Einleitung weist auf die grundlegende Bedeutung dieser Innovation hin. An dieser Stelle sei schlicht daran erinnert, daß es sich wohl um den ersten wirklich originellen und selbständigen philosophischen Text in der italienischen Volkssprache handelt. Und in dieser Perspektive darf das Convivio durchaus als ein epochales Werk bezeichnet werden, das im europäischen Mittelalter ein neues Zeitalter anzeigt: Dantes unvollendetes Werk entsteht gleichzeitig wie die katalanischen Schriften des Raimundus Lullus und die deutschen Predigten und Traktate Meister Eckharts. Es ist zur Genüge bekannt, daß die Werke dieser drei Autoren die ersten großen Denkmäler einer für die Wissenschaft offenen Volkssprache darstellen. Es wird weniger bedacht,
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Vorrede
daß die sprachschöpferische Leistung der drei Zeitgenossen zum einen dem Denken neue Räume eröffnet hat, weil eine andere Sprache der Philosophie auch andere Horizonte freilegt, und zum anderen einhergeht mit einer je eigenen Originalität der verschiedenen Denkansätze. Es wäre verwegen und naiv zugleich, wenn man Eckharts anthropologische Umdeutung der Christologie in die Rede von der Geburt Gottes in eines jeden Menschen Seele mit Lulls Versuch, die Grundwahrheiten des Christentums derart vernünftig zu formulieren, daß sie für Muslime und Juden einsichtig werden, miteinander vergleichen wollte. Dantes Begegnung mit der donna gentile, deren tröstende Botschaft er, wie die Brote der wunderbaren Brotvermehrung, an Tausende verteilen will, damit ein neues Licht die Welt erleuchte, ist von diesen beiden Entwürfen noch einmal zu unterscheiden. Was die drei gleichzeitigen Versuche zur Philosophie allerdings verbindet ist die Bemühung um ein neues Publikum sowie die Übersetzung der Philosophie in eine neue Sprache. Beide Aspekte markieren einen signifikanten Einschnitt in der Geschichte der europäischen Philosophie.
* Jedem der vier Traktate des Gastmahls ist ein eigener Band gewidmet. Der ausführliche Kommentar der einzelnen Teile bemüht sich, wie in den bereits erschienen Bänden, in erster Linie um die Rekonstruktion der argumentativen Struktur der Bücher und Kapitel, um die Erschliessung der philosophieund theologiegeschichtlichen Bedeutung sowie der entsprechenden Quellen der Teile und des Ganzen. Im Gegensatz zu den bereits existierenden Kommentaren zu dieser Schrift Dantes stand in erster Linie das Verständnis und weniger die ausgebreitete Gelehrsamkeit im Vordergrund. Wir hoffen, daß die Originalität dieses Kommentars für sich selbst spricht.Der Übersetzung und dem Kommentar zugrunde liegt der Text der Societa Dantesca ltaliana (1921; siehe Bibliographie).
Vorrede
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Auch dieser Teil der Ausgabe von Dantes philosophischen Werken ist das Ergebnis einer intensiven Zusammenarbeit eines Forscherteams, zu dem die Unterzeichnenden gehören. Bei der Durchsicht der Übersetzung hat Frau Dr. Tiziana Suarez Nani mitgewirkt. Ohne die Unterstützung des Schweizerischen Nationalfonds hätte dieses Vorhaben nicht verwirklicht werden können.
* „Enwaere niht niuwes, sö enwürde niht altes", dieses Wort Eckharts am Ende seines Buches des göttlichen Tröstung kann sowohl auf Dantes Convivio wie auch auf diese kommentierte Übersetzung angewendet werden. Wir versuchen mit diesen Bänden der innovatorischen Leistung Dantes gerecht zu werden; gleichzeitig hoffen wir, daß wir auf diese Weise einen Beitrag leisten zu einer veränderten und neuen Historiographie des mittelalterlichen Denkens. Freiburg, Dezember 1995
Francis Cheneval Ruedi Imbach Thomas Ricklin
EINLEITUNG ZU DEN BÜCHERN 1-IV
Die Geistesgeschichte kennt zahlreiche Werke, die sich unter historischem Gesichtspunkt als Produkte bestimmter Amtspflichten und institutioneller Konstellationen interpretieren lassen, und deren Bedeutung darin besteht, ein Schulsystem umfassend dargestellt oder um mehr oder weniger wesentliche Subtilitäten erweitert zu haben. In diese Kategorie gehören im Spätmittelalter zum Beispiel die theologischen Summen, die Kommentare zu Aristoteles, der Bibel, den Sentenzen des Petrus Lombardus, den Werken der griechischen Mediziner Hippokrates und Galen, den Textsammlungen des zivilen und kirchlichen Rechts (Corpus luris Civilis und Corpus luris Canonici) oder die aus universitären Disputationen verschiedener Fakultäten hervorgegangenen Quaestiones 1• Angesichts der Wichtigkeit des scholastischen Rahmens wissenschaftlichen Arbeitens konnte J. Verger feststellen, daß die Philosophen im Mittelalter vor allem Magister waren, die an Schulen oder Universitäten gelehrt haben und daß ihre Werke aus einer vom Curriculum vorgeschriebenen Lehrtätigkeit hervorgegangen sind 2 • 1 Vgl. dazu etwa R. Bultot / L. Genicot, Les genres litteraires dans !es sources theologiques et philosophiques medievales; L. Bianchi / E. Randi (eds.), Filosofi e Teologi. La ricerca e l'insegnamento nell'universitä medievale; B. Lawn, The Rise and Decline of the Scholastic 'Quaestio disputata'. With Special Emphasis on its Use in the Teaching of Medecine and Science; F. Feltrin IM. Rossini (eds.), Veritä in questione, II problema de! metodo in diritto e teologia nel XII secolo. Einen Überblick zum weitläufigen Thema der institutionellen Situierung wissenschaftlichen Arbeitens im Spätmittelalter gibt J. Verger, .L'histoire des institutions scolaires et !es etudes de philosophie medievale". Vgl. auch M. Hoenen I J. Schneider IG. Wieland, Philosophy and Learning. Universities in the Middle Ages. 2 • Les philosophes medievaux etaient avant tout des maitres qui enseignaient dans !es ecoles et !es universites. Les classifications et !es hierarchies du savoir
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Trotz der Richtigkeit dieser institutionellen Situierung eines großen Teils des philosophischen Schaffens im Mittelalter muß jedoch auch eine andere Philosophie zur Kenntnis genommen werden. Es gibt während der sogenannten „Scholastik" Werke, die sich einer institutionellen Eingliederung entziehen, die gattungsgeschichtlich neue Wege gehen und die auch inhaltlich den Rahmen der schulisch verengten Diskussion sprengen. Ein solches Werk ist Dantes Convivio. Seine biographischen und institutionellen Entstehungsumstände, sein literarisches Genus sowie die berufliche Situation seines Autors zeichnen sich durch eine Individualität aus, die sich von den festen Formen der an den Schulen serienmäßig produzierten Schriften gleichen Genres entschieden abhebt. Das Convivio wendet sich an neue Adressaten, ist in der für die mittelalterliche Schulphilosophie unüblichen italienischen Mundart abgefaßt und setzt auch in der Substanz neue Akzente. Es transformiert Publikum, Sprache, Form und Inhalt der Philosophie, wobei die Bedeutung dieser Tatsache durch Dantes explizites Thematisieren und Rechtfertigen der Neuheit seiner Schrift noch erhöht wird. Es handelt sich im Falle des Convivio um eine reflektierte und bewußt vorgenommene Veränderung der philosophisch-literarischen Produktion.
qui structuraient Jeur pensee, s'adaptaient aux necessites pedagogiques des programmes et des examens. Les reuvres qu'ils produisaient -commentaires, questions, sommes - etaient generalement le fruit direct d'un enseignement effectif, c' est-a-dire d'une pratique orale modelee par Je calendrier de l' annee scolaire et Je niveau des auditeurs." J. Verger, .L'histoire des institutions scolaires et les etudes de philosophie medievale", 361. Dazu gilt es zu bemerken, daß die institutionell-universitäre Verfaßtheit nicht nur ein Merkmal der mittelalterlichen Philosophie ist: .Die unmittelbare Veranlassung zur Herausgabe dieses Grundrisses ist das Bedürfnis, meinen Zuhörern einen Leitfaden zu den Vorlesungen in die Hände zu geben, welche ich meinem Amte gemäß über die Philosophie des Rechts halte." (G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts, Vorrede; 11). 3 Cf. Conv., 1, iii, 4.
Einleitung
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J. Dantes Not oder Philosophie als Kompensation
Dante Alighieri, ein angesehener Bürger und hochrangiger Politiker von Florenz wurde am 27. Januar 1302 im Anschluß an eine Machtverschiebung zugunsten der papstfreundlichen Schwarzen Guelfen aus seiner Heimatstadt verbannt und am 10. März im Abwesenheitsverfahren zum Tode verurteilt. Er verlor durch die Vertreibung seine gesellschaftliche Stellung und seine materielle Grundlage, seine Familie wurde auseinandergerissen und er selbst hatte bis zum Ende seines Lebens keinen festen Wohnsitz und keine institutionelle Unterstützung mehr. Außerdem verlor der über die Grenzen seiner Heimatstadt hinaus noch recht unbekannte Dichter Dante sein heimisches Publikum. All diese Widerwärtigkeiten wußte der Alighieri auf seine eigene Weise zu ertragen. Er wurde zum Schriftstellemomaden, der sich "wie ein Bettler" 3 , mit Schreiben poetischer und philosophischer Texte an verschiedenen Fürstenhöfen und in verschiedenen Städten ein Auskommen schuf, ohne daß er seine materielle Not je ganz hat überwinden können. Das Convivio, dessen Entstehung Michele Barbi in überzeugender Weise zwischen 1304 und ca. 1308 datierthat4, die Angabe des terminus ad quem kann auch heute nicht weiter präzisiert werden, ist, nebst einigen Briefen und Gedichten, Dantes erstes Werk nach der Exilierung, es ist seine Antwort auf die neuen Lebensumstände. Der über keine offizielle Universitätsausbildung verfügende Alighieri beginnt nach ein • Aufschlußreich für die genaue Datierung von Buch 1 ist nebst den klaren Hinweisen seiner Entstehung einiger Zeit nach dem Exil (I, iii, 4) der Hinweis auf ein Buch über die n volgare eloquenza", das Dante zu schreiben gedenkt (1, v, 10). In De vulgari eloquentia 1, xii, 5 wird der anfangs Februar 1305 verstorbene Giovanni di Monferrato als lebend erwähnt, Convivio 1 entstand also sicher vor Februar 1305, und da der Autor angibt, bereits weit umhergeirrt zu sein, einige Zeit nach 1302. Buch II schließt sich durch die einleitenden Worte in II, i, l unmittelbar an Buch I an und Buch III beginnt mit einer kurzen Rückblende auf Buch II, so daß die Reihenfolge der Re-
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paar Jahren Exilserfahrung, zu einigen seiner Liebesgedichte einen philosophischen Kommentar in italienischer Sprache zu schreiben und nennt die Schrift Convivio, Gastmahl. Er ist sich der Ungeheuerlichkeit und Einmaligkeit eines philosophischen Eigenkommentars in der Volkssprache durchaus bewußt und wendet den größten Teil des ersten Buches dafür auf, sein Unternehmen zu rechtfertigen. Wenn ein Universitätslehrer der Theologie, Philosophie, Medizin oder des Rechts für seine Studenten einen Kommentar verfaßte, so mußte dies nicht weiter reflektiert und gerechtfertigt werden, im Gegenteil, das Unterlassen der Kommentierens wäre ein Verstoß gegen die Pflicht gewesen. Im Falle Dantes führt die spezielle Konstellation seines wissenschaftlichen Schaffens zu einem Innovations- und damit verbundenen Legitimationszwang, der ihn zu einem hohen Grad von Bewußtsein über sein eigenes Tun führt. Universitätslehrer oder Prediger konnten bei ihrer Tätigkeit zudem eines stillschweigend voraussetzen: das Publikum. Dante muß sich im Exil eine neue Identität bei einem neuen und oft wechselnden Kreis von Adressaten schaffen. Dante kann durch sein Schreiben nicht nur Wissensinhalte zum Ausdruck bringen, sondern er muß in erster Linie den Mangel institutioneller Einbettung und Existenzsicherung kompensieren. Er muß sich sein Publikum zu allererst schaffen, er muß sich selbst vorstellen und seine philosophische Tätigkeit, die sich außerhalb
daktion der Numerierung der Bücher entspricht. Buch IV läßt sich durch zwei Hinweise Dantes zeitlich situieren. Die Erwähnung Friedrichs II. als letzter Kaiser der Römer (IV, iii, 6) legt den Schluß nahe, dieses Buch sei vor dem 27. November 1308, das heißt vor der Wahl Heinrichs VII. begonnen worden. In IV, xiv, 12 wird der im März 1306 verstorbene Gherhardo da Camino als tot bezeichnet, was anzeigt, daß das Buch IV mindestens ab Kapitel xiv nach dem März 1306 entstanden ist. Der engültige terminus ad quem ist laut Barbi der Beginn der Commedia im Jahr 1307-08, der Dante dazu veranlaßt haben mag, die Arbeit am Convivio einzustellen.
Einleitung
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des universitären und kirchlichen Wissenschaftskartells abspielt, rechtfertigen. Im Convivio vollzieht Dante seine Bekehrung zur Philosophie, die er selbst in Anlehnung an die Philosophiae consolatio des Boethius, sein großes literarisches Vorbild, als consolatio, Trost, bezeichnet, den er gesucht hat, um über die Verzweiflung nach dem Tode Beatrices hinwegzukommen. Ob der Tod Beatrices wirklich Dantes Konversion zur Philosophie veranlaßt hat, mag dahingestellt bleiben, Tatsache ist, daß das erste philosophische Werk Dantes einige Jahre nach der Exilierung geschrieben worden ist und daß wir das von ihm als consolatio philosophiae bezeichnete Unternehmen historisch als compensatio philosophiae interpretieren können. Wie in der Folge dargelegt werden soll, ist das Convivio als philosophisches Werk ein eindrücklicher Akt der Selbstbehauptung und der Kompensation vielfältiger Mängel. Dantes Hinwendung zur Philosophie erscheint dabei nicht nur als Trost in seelischer Verzweiflung, sondern als Entschluß zu einer neuen Lebensform und als origineller Versuch, sich in einem anderen Milieu zu behaupten.
2. Der philosophische Selbstkommentar Den literarischen Kunstgriff des Kommentierens eigener Kanzonen hatte bereits der junge Dante in seiner Schrift Vita Nuova angewandt; auch wählte er schon damals die Volkssprache nicht nur für die Kanzonen, sondern auch für den Kommentar. Im Gegensatz zum Convivio, wo Sprache und Form der Schrift ausführlich thematisiert und begründet werden, läßt die Vita Nuova noch keine Anzeichen einer Reflexion oder Rechtfertigung dieses Tuns erkennen. Dante erlebte durch das Exil eine Dekontextualisierung und Entfremdung seiner Person und seiner Werke; er geriet in einen Legitimationszwang, der ihn dazu bewegt hat, erneut auf die Form des Selbstkommentars
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zurückzugreifen, um sein literarisches Schaffen neu zu orientieren und neuen Rezipienten zu erklären. Da aber die Form des Eigenkommentars keineswegs zu den anerkannten literarischen Gattungen gehörte, mußte er diese Art des Sprechens über sich selbst rechtfertigen: „Ich fürchte die Verleumdung, so vieler Leidenschaft gefolgt zu sein, wie sie jener als in mir herrschend wahrnimmt, der die oben genannten Kanzonen liest; diese Verleumdung findet, durch dieses Sprechen über mich, das zeigt, daß nicht Leidenschaft, sondern Tugend die bewegende Ursache gewesen ist, ihr definitives Ende." Der Dichter Dante Alighieri fühlte sich in der Fremde falsch verstanden und seine Kanzonen wurden, so scheint es, als leidenschaftliche Liebesgedichte ausgelegt. An dieser Auslegung seiner Kanzonen war Dante selbst nicht ganz unschuldig, hatte er doch in der Vita Nuova noch geschrieben, die volkssprachliche Dichtung diene ausschließlich dazu, den Frauen, die das Latein nicht verstehen, die Liebe kundzutun. Mit einem Kommentar, der durch eine allegorische Auslegung der Gedichte den wahren philosophischen Gehalt darlegen soll, will Dante Mißdeutungen seiner Poesie beheben. In Bezug auf die Vita Nuova und den jungen Dante bedeutet die philosophische Auslegung der Kanzonen aber auch eine grundsätzliche Änderung des literarischen Vorhabens. Dante will nicht mehr nur die Frauen mit Liebe besingen, sondern er versucht, seinem Schaffen eine philosophische Substanz zu geben und den philosophischen Inhalt früherer Werke hervorzuheben. Der Kommentar Dantes erhält durch diese Tatsache im Vergleich zu den Kanzonen einen sehr hohen Stellenwert. Das Mißverständnis seiner Werke und die Geringschätzung seiner Person deutete Dante selbst als direkte Folge des Exils, des Herumirrens eines mittellosen Dichters, den viele Leute nicht durch einen übersteigerten Ruf, sondern durch die eigene Anschauung kannten5 • Der auf die positive Rezeption seiner ' .Da es den Bürgern der schönsten und berühmtesten Tochter Roms, Florenz gefallen hatte, mich aus ihrem süßen Schoß hinauszuwerfen, ( ... )
Einleitung
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Werke angewiesene und in seiner materiellen Existenz bedrohte Dante fühlt sich dazu gedrängt, seine eigenen Kanzonen zu kommentieren. Da das Exil und die materielle Not Dantes eine auch aus heutiger Sicht verifizierbare Realität sind, kann davon ausgegangen werden, daß Dantes Klage über die Verleumdung seiner Person und seiner Werke keine literarische Fiktion darstellen. Der gegen Dante kritisch eingestellte Dichter Cecco Angiolieri zum Beispiel ironisierte in einer Kanzone die allegorisch-entrückte Vergeistigung der donna. gentile und betont, wenn auch sehr subtil, deren vornehmlich sinnlichen Reize6 • Dieses als Antwort auf den dolce stil nuovo im allgemeinen und auf das Convivio im besonderen interpretierbare Textstück scheint zu belegen, daß Dantes allegorische Verklärung der Liebeslyrik und seine philosophische Transformation der donna. gentile tatsächlich nicht unangefochten geblieben ist. Noch in der Renaissance wird Agrippa von Nettesheim Dante einen Kuppler nennen7 • bin ich durch beinahe alle Regionen, in die sich diese Sprache erstreckt, als Herumirrender, einem Bettler gleich, gegangen und ich habe hierbei gegen meinen Willen, die Wunde des Schicksals, die dem Verwundeten in vielen Fällen ungerechterweise zugefügt zu sein pflegt, vorgezeigt. Tatsächlich war ich ein Floß ohne Segel und ohne Steuer, vom trockenen Wind, der die schmerzhafte Armut ausdörrt, in verschiedene Häfen, an Flußmündungen und Strände getragen; ich bin unter den Augen vieler, die sich mich vielleicht irgendeines Rufes wegen in anderer Form vorgestellt haben, erschienen. In ihrem Blickfeld wurde nicht nur meine Person herabgewürdigt, sondern auch jedes Werk.• (Conv., 1, iii, 4-5). 6 "I'ho si gran paura di fallare I verso la dolce gentil donna mia, ch'i' non l'ardisco la gioi' domandare, ehe'! mi' coraggio contanto disia; ma 'l cor mi dice pur d'assicurare, per ehe 'n lei sento tanta cortesia, ch'eo non potrei quel dicer ne fare, ch'i' adirasse Ja sua segnoria. Ma se la mia ventura mi consente I ch'ella mi degni di farmi quel dono, sovr'ogn'amante viverö gaudente. Or va, sonetto; e chielle perdono, s'io dico cosa ehe Je sia spiacente: ehe s'io non l'ho, gia mai lieto non sono. •Ed. M. Marti, Poeti giocosi nel tempo di Dante, 136. Vgl. die von M. Vitale, Rimatori comico-realistici, I, 379-384, herausgegebenen Gedichte des Cecco Angiolieri gegen Dante. 7 "Zahlreiche wenig bekannte Historiker haben sich als Kuppler betätigt, doch auch berühmte haben dieses Geschäft betrieben, von den Modemen
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Dantes Convivio als Kommentar eigener Kanzonen ist demnach zunächst einmal ein schriftstellerischer Akt der Selbstbehauptung eines in die Isolation getriebenen Intellektuellen, dessen widerwärtige Lage mit seiner Begabung eine glückliche Verbindung eingeht und ein Werk entstehen läßt, das der Form nach in der Philosophiegeschichte Seltenheitswert besitzt: ein Eigenkommentar8. Mit der Epistola an Cangrande setzte Dante dieses Unternehmen auch in bezug auf die Commedia fort. Die Ungeheuerlichkeit dieses Unterfangens wird deutlich, wenn bedacht wird, daß im Mittelalter nur große Autoritäten aus vergangenen Zeiten kommentiert wurden. Interessanterweise gehören diejenigen Werke, die zu dieser Regel die Ausnahme bilden - wie etwa Walter von Chätillons Alexandreis9 , Alain von Lilles Anticlaudianus10 oder Albertino Mussatos Ecerinis, zu dem Guizzardo von Bologna und Castellano von Bassano einen Kommentar schrieben", oder Guido Cavalcantis Gedicht Donna me prega, das der Mediziner Dino del Garbo kommentiert hat12 - zu jener Tradition philosophischer Poesie, von der im Zusammenhang mit dem literarischen Genus des Convivio noch die Rede sein wird. z.B. Aeneas Sylvius, Dante ... ". (Agrippa von Nettesheim, Über die Fragwürdigkeit, ja Nichtigkeit der Wissenschaften, LXIV; 144). 8 Zu dem Thema vgl. G. Peron (ed.), L'autocommento. Atti de! XVIII convegno interuniversitario. Darin zu Dante: V. Russo, • Voi che'ntendendo e Amor ne la mente: la diffrazione dei significati secondo l'auto-commento de! Convivio", 11-19. F. Zambon, .Allegoria e linguaggio dell'ineffabilira nell 'autoesegesi dantesca dell 'Epistola a Cangrande", 21-30. Vgl. dazu auch C. Perms, .Dante critique de Dante." 9 Galteri de Castellione, Alexandreis, ed. M. L. Cocker. Glossen und ein Kommentar sind im selben Band ediert, 275-514. 10 Vgl. dazu Alain de Lille, Anticlaudianus, ed. R. Bossuat, 43-46. Vgl. Radulphus de Longo Campo, In Anticlaudianum Alani Commentum, ed. J. Sulowski. Vgl. auch R. A. Gauthier, .Les debuts du premier Averroisme", 340-344. 11 Guizzardo von Bologna /Castellano von Bassano: Commentum super tragoedia Ecerinide. 12 Dino del Garbo, Scriptum super cantilena Guidonis Cavalcantibus.
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Dante hat also mit seinem Convivio gleich zwei Grenzen überschritten. Erstens kommentierte er keine anerkannte Autorität und zweitens kommentierte er sich selbst. Er würde mit diesem Selbstkommentar in seiner Zeit völlig allein dastehen, hätte nicht auch sein Florentiner Stadtgenosse Francesco da Barberino beinahe zur gleichen Zeit wie Dante ein ähnliches Werk geschrieben. Barberinos Documenti d'amore 13 bestehen nebst einem längeren Prolog aus zwölf je einer Tugend gewidmeten volkssprachlichen Gedichten, einer lateinischen Übersetzung der Gedichte und einem lateinischen Eigenkommentar. Am Schluß hat Francesco zudem einen volkssprachlichen tractatus de amore mit lateinischem Kommentar und einen kurzen lateinischen Traktat De circumspectione angefügt. Dies ergibt vierzehn Teile und ein Prooemium, was von der Form her auf den ersten Blick mit den vier Büchern des Convivio nichts zu tun hätte, wäre es nicht Dantes erklärte Absicht gewesen, nebst seinem Prolog (Buch 1) noch vierzehn weitere "sowohl aus Liebe als auch aus Tugend gebildete Kanzonen" zu kommentieren 14 . Sucht man angesichts der formalen Ähnlichkeiten der Selbstkommentierung und der Struktur nach inhaltlichen Berührungspunkten der beiden Werke, stößt man auf Francescos Rechtfertigung seiner Selbstglossierung, die dieser, ähnlich wie Dante, als Antwort auf eine die Fleischlichkeit betonende Fehldeutung seiner Liebesgedichte bezeichnet15. Außerdem ist der Seitenhieb des Laienphilosophen Francesco da Barberino gegen die Berufsphilosophen derselbe wie derjenige Dantes: beide beschuldigen die professionellen Philosophen, Wissenschaft für Geld zu betreiben16 . Die UnterFrancesco da Barberino, Documenti d'amore, a cura di F. Egidi. Conv„ I, i, 14. Vgl. Kommentar zu dieser Stelle. ""Fuerunt itaque quidam qui testum hunc recipientes dampnabant dicentes me ad amorem camalem totaliter habuisse respectum. Quam ob rem presentes glosas, ad denotandum proprie intentionis motum et actum „. decrevi." (Documenti d'amore, prohemium, 5). Vgl. Conv„ I, ii, 16. 16 "Pauci hodie remanserunt qui ad hoc nomen [philosophus] anelent habendum, sed eorum loco insurrexerunt studentes non ut sint sed ut appareant 13
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schiede zwischen Dantes Convivio und Barberinos Documenti sind für das Verständnis der beiden Werke ebenso signifikant wie die Parallelen. Francesco hat seinen Kommentar auf Latein geschrieben, Dante in der Volkssprache, beide haben jedoch begründet, weshalb sie die eine Sprache der anderen vorgezogen haben. Die Gedichte habe er für seine Landsleute geschrieben, meint Francesco 17 , das Latein des Kommentars jedoch richte sich „an alle Vemünftigkeit" 18 • Diese Bemerkungen gewinnen an Aussagekraft, wenn bedacht wird, daß Francesco da Barberino seine Documenti und den enzyklopädischen Kommentar explizit nur für Männer geschrieben hat 19 - er weilte dabei während einer gewissen Zeit in der Provence20- wogegen er für die Frauen das Reggimento e costumi di donna, ein anderes prosimetrisches Werk, in der Volkssprache verfaßt hat2 1• Der Versuch Francescos, die Wahl des Lateins für einen philosophischen Kommentar zu rechtfertigen, nähme sich angesichts des unangefochtenen Status dieser Sprache als Wissenschafts-und Schriftsprache eher seltsam aus, hätte nicht Dante im Convivio einen großen Teil des Prologs (Buch 1) einer minutiösen Begründung gewidmet, warum valentes potius videri quam esse, et non ut mentem ornent sed ut copulent aurum auro et ut scientiam vendant." (Documenti d'amore, Pars prima, ed. F. Egidi, l, 86). Vgl. Conv., 1, ix, 3. 17 .Rimas autem vulgares ad nobilium utilitatem de patria mea qui latinum non intelligunt scribere volui." (Documenti d'amore, prohemium, 36). 18 .Latinum autem quod pluribus est commune voluit omni rationabilitate conformari." (Documenti d'amore, prohemium, 35). 19 .In hoc sane etc ista Iictera cum sequenti que mentionem facit de dominabus non vocatis videtur innuere, quod mulieres licet virtuose, ad scientias non vocantur, quia crudelitas idest demon, facilius illas induceret, ad subvertendum scripturas et ab eis si licterae forent contingeret sepe, quod de calfurnia contigebat, unde ab omnibus civilibus officiis sunt remote, ac publicis nec magistratum gerere nec postulare nec pro alio intervenire nec procuratores existere possunt." (Documenti d'amore, prohemium, 33). 20 .in comitatu Provincie ac comitatu Venesis, pro arduissimis negotiis necessario vacans." (Documenti d'amore, prohemium, 34). 21 Reggimento e costumi di donna, a cura di G. E. Sansoni.
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zu volkssprachlichen Gedichten ein italienischer Kommentar geschrieben werden muß und ein lateinischer Kommentar unpassend wäre22 • Dante wollte, ganz im Gegensatz zu Francesco, in einem Akt der Freigebigkeit die Philosophie so vielen wie möglich vermitteln, auch den Frauen23 • Dantes Wahl der Volkssprache läßt sich aber nicht auf die Absicht beschränken, auch die Frauen als Adressaten zu gewinnen, denn er hielt ausdrücklich fest, daß die Gelehrten außerhalb Italiens selbst einen lateinischen Kommentar nur sehr unvollkommen verstehen würden, da sie den Bezug zu den volkssprachlichen Kanzonen nicht herstellen könnten24 • Er wollte folglich ein der lateinischen Sprache unkundiges Publikum in seinem eigenen Sprachbereich ansprechen25 , ein Adressatenkreis also, der sich grundsätzlich von den über eine universitäre Ausbildung verfügenden männlichen Bildungsbürgern in den Juristenkreisen des Notars Francesco da Barberino unterschied. Sowohl die eindeutigen formalen und inhaltlichen Ähnlichkeiten als auch die gegenseitigen Abgrenzungen der Documenti und des Convivio legen die Vermutung eines wie auch immer gearteten Kontaktes der beiden Autoren oder einer Kenntnis der Werke nahe26 • Die Biographie des Francesco da Barberino Conv., I, v-vii. Conv., I, ix, 5. Vgl. auch Kommentar zur Stelle. 24 Conv., I, ix, 2. 25 Conv., I, ix, 8. 26 Die Dante-Forschung hat bisher ihre Aufmerksamkeit für Francesco da Barberino hauptsächlich auf die für die Frührezeption und Datierung der Commedia aufschlußreiche Passage Documenti, II, 375f. beschränkt. Vgl. A. Quaglio, "Sulla cronologia eil testo della D.C", 241-253. V. Mengaldo interessiert sich in seinem Kommentar zu De vulgari eloquentia (Opere minori, II) zwar stark für Francesco, hat aber die Beziehungen zum Convivio nicht thematisiert. G. Melodia ("Dante e Francesco da Barberino") zeigte bereits im letzten Jahrhundert verschiedene Parallelen zwischen dem Reggimento und Dantes Inferno auf, die ihn zu der These brachten, Francesco hätte Dantes Commedia imitiert. A. Thomas (Francesco da Barberino et Ja litterature proven~ale, 59) meinte in der Form der Eigenkommentierung der Documenti eine Imitation der Vita Nuova zu erkennen. Die oben angefügten 22 23
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sowie die Chronologie seiner Werke kann in dieser Hinsicht einige Klarheit schaffen. Von 1297 bis 1303 war der in Bologna ausgebildete Francesco Notar der Bischöfe Francesco Monaldeschi da Bagnorea und Lottieri della Tosca in Florenz27. In den Jahren 1304 bis 1309, d.h. während der Entstehungszeit des Convivio, weilte Barberino im Veneto. Bezeugt sind Aufenthalte in Padua, Treviso und Venedig28 . Es besteht folglich eine gewisse Parallele des Itinerars Francescos mit demjenigen Dantes, wobei sich die Wege der beiden nebst dem gleichzeitigen Florenzaufenthalt in der Stadt Treviso nach der Exilierung Dantes sogar ein zweites Mal gekreuzt haben könnten. Jedenfalls scheinen die formalen und inhaltlichen Berührungspunkte des Convivio und der Documenti durch die geographischen Bedingungen eher bestätigt zu werden. Wie aus dem bereits Zitierten und zahlreichen weiteren Hinweisen hervorgeht, hat Francesco den Kommentar zu den Documenti sicher nach dem Aufenthalt im Veneto und während einer von 1309 bis 1313 dauernden Mission in der Provence, vor allem am Hofe in Avignon verfaßt29 . Nichts spricht jedoch dagegen, daß die volkssprachlichen Kanzonen und die Idee der SelbstParallelen zum Convivio scheinen mir aber dieser These zumindest teilweise zu widersprechen. Francesco kannte wohl den Text der Vita Nuova, bei der Begründung der Eigenkommentierung und bei der Konzeption der Struktur der Documenti orientierte er sich aber am Convivio. F. Mazzoni (.Per Francesco da Barberino", 193) und B. Sandkühler (Die frühen Dantekommentare, 60) haben aufgrund der identischen Form des Eigenkommentars eine Parallele zwischen den Documenti und dem Convivio vermutet. Allgemein zu Francesco vgl. auch M. Marianelli, „Le opere volgare di Francesco da Barberino e Je loro fortune attraverso i tempi." 27 Vgl. A. Thomas, Francesco da Barberino, 16, n. 5. M. Prandi, "Vincenzo di Beauvais e Francesco da Barberino", 136f. 28 Vgl. M. Prandi, "Vincenzo di Beauvais e Francesco da Barberino", 137-140. 29 Vgl. auch Documenti d'amore, III, 93f. In II, 73 wird Heinrich VII. als Römischer König genannt. Für die genaue Abfassungszeit der Documenti vgl. A. Thomas, Francesco da Barberino, 21-28. Für genaue Angaben zum Aufenthalt in der Provence vgl. M. Prandi, "Vincenzo di Beauvais e Francesco da Barberino", 139f.
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kommentierung nicht auf einen Kontakt der beiden ehemaligen Florentiner im Veneto in den Jahren 1304-1308 zurückgeht. Die großen Ähnlichkeiten zwischen den Documenti und dem Convivio wären demnach als eine frühe Imitation und Rezeption des letzteren zu verbuchen. Diese These gewinnt weiter an Plausibilität, wenn bedacht wird, daß Francesco im Jahre 1311 einen dem Brief Dantes an Heinrich VII. in Inhalt und Ton nahekommendes Schreiben an den gleichen Adressaten verfaßt hat30 • Es läßt sich meines Wissens bis heute kein Vorbild für Dantes Selbstkommentar im Convivio angeben, in Francesco da Barberinos Documenti d'amore liegt jedoch ein frühestes Zeugnis einer Nachahmung vor, die, im Gegensatz zum Original, von ihrem Autor zu Ende geschrieben wurde. Die Documenti d'amore sind als vierzehnteiliger Kommentar zu eigenen Kanzonen, als enzyklopädische Zusammenstellung philosophischen Wissens31 eines philosophischen Laien für philosophische Laien, ein unvollkommenes Abbild dessen, was das Convivio hätte sein sollen. Dantes Beispiel der Selbstkommentierung hat auch einige Jahre nach Francesco da Barberino noch einmal Schule gemacht. Der Commedia-Kommentator Guido da Pisa imitierte Dantes Form des Selbstkommentars in den Glossen, die er zu seiner Declaratio, einem dem Genueser Patrizier Lucano de Spinola gewidmeten und in Gedichtform abgefaßten Kommentar zum Inferno, geschrieben hat; wobei auch Guido die Verse in der Volkssprache und den Kommentar auf Latein verfaßt hat32 • Zur Form des Eigenkommentars ist jedoch bei Guido 30 Ediert von A. Thomas, .Lettres latines inedites de Francesco da Barberino", 80-84. Vgl. dazu F. Mazzoni, .Per Francesco da Barberino." 31 Nebst der von M. Prandi (. Vincenzo di Beauvais e Francesco da Barberino") hervorgehobenen Benutzung von Vincent de Beauvais als Quelle wurde in der Forschung auch auf direkte Beziehungen zum Dragmaticon philosophie des Wilhelm von Conches hingewiesen. Vgl. C. Scarpati, .Francesco da Barberino e Guglielmo di Conches." 32 Guido da Pisa, Declaratio super Comediam Dantis, Ed. F. Mazzoni.
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keine Reflexion oder Rechtfertigung festzustellen. Wie Guido da Pisa schrieb auch der in neapolitanischem Exil lebende, ehemalige Kanzler von Bologna Graziolo de' Bambaglioli einen Eigenkommentar zu seinem in den dreißiger Jahren des 14. Jahrhunderts in volkssprachlichen Versen abgefaßten Trattato degli virtil morali. Im Widmungsbrief an Bertrand de Baucio bezeichnete sich Graziolo in Anlehnung an eine von Dante oft benutzte Formulierung als „ exul immerite" 33 • Von Graziolo ist außerdem mit dem 1324 entstandenen Inferno-Kommentar eine der ersten Commedia-Auslegungen überliefert34 • In jüngster Zeit wurde zudem die bereits von H. Pflaum geäußerte These bestätigt, wonach es sich bei dem in lateinischer und volkssprachlicher Version vorliegenden Kommentar zu Cecco d' Ascolis Acerba, einem volkssprachlichen Lehrgedicht, das Diatriben gegen Dante Alighieri enthält35 , um eine Selbstexegese handeln könnte36 • Bereits ein oberflächlicher Vergleich dieser Schrift und des zugehörigen Kommentars mit dem Convivio genügt, um eine Beziehung zu Dantes Werk herzustellen, kritisiert doch Cecco in Acerba II, 12 Dantes 33 Ed. L. Frati, Rimatori Bolognesi, 1-56. Für die Klage über sein Asylantensehicksal vgl. ibidem, 3. Für die Formulierung bei Dante vgl. Opere minori, II, 528, 532, 550, 562. 34 Ed. A. Fiammazzo, II eommento danteseo di Graziolo dei Bambagliuoli. Zu Graziolo vgl. F. Cheneval, Die Rezeption der Monarehia Dantes, 77-84. 35 Vgl. Aeerba, II, l; 35f.: gegen Dantes Begriff der fortuna: „In eiö peeeasti, fiorentin poeta, ponendo ehe 1i ben della fortuna I necessitati sien eo* llor meta. Non e fortuna ehe ragion non vinea. Or pensa, Dante, se pruova nessuna / se puo piu fare ehe questa si vinea. Fortuna non e altro ehe disposto / eel ehe dispone eosa animata, qua! disponendo, se truova l'oposto, non vien neeessitato '! ben filiee. Essendo in liberta l'alma creata, fortuna in lei non puo, se contradice. Substanza sanza corpo non riceve I da questi celi, pero lo 'ntelletto / mai a fortuna subiaeer non deve. S'io fui disposto e fui filiee nato, e conseguir dovea i1 grand'effetto, i'posso non voler: star da! lato, ehe 'n suo balia ha l'alma el suo volere, l'arbitrio aquista lo suo merto; non puo necissita in lui cadere." 36 Vgl. H. Pflaum, .L'Acerba di Cecco d'Ascoli." Die These Pflaums bestätigt C. Ciociola, .L'autoesegesi di Cecco d' Ascoli." Für neueste Literatur zur Acerba vgl. ibidem, 32, n. 3.
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Konzeption der nobilita31 • Auch Ceccos Feststellung zu Beginn der Glossierung, daß das menschliche Wissen über die neun Himmelssphären nicht hinausgehe, könnte in Beziehung zu Conv., II, 8-10 gebracht werden38 • Daß nebst Cecco d' Ascoli, der als Dantegegner der ersten Stunde betrachtet werden kann, auch die zwei frühen DanteKommentatoren Guido da Pisa und Graziolo de' Bambaglioli die unübliche literarische Technik der Eigenkommentierung gewählt haben, ist ein weiterer Hinweis dafür, daß auch Francesco da Barberinos Documenti als frühe Nachahmung des Convivio gelten müssen. In den zwanziger und dreißiger Jahren des 14. Jahrhunderts wird der Notar Nicole) de' Rossi in Treviso, anjenem Ort also, an dem sich sicher Francesco und wahrscheinlich auch Dante zwischen 1304 und 1308 aufgehalten haben, lateinische Glossen zu eigenen volkssprachlichen Kanzonen anfertigen, ohne dieses Tun jedoch näher zu erläutern oder zu rechtfertigen. Einige dieser Glossen sind lediglich technische Lesehilfen zu Gedichten, die sich in verschiedener Richtung und in verschiedener Wortfolge lesen lassen39 • Der Kommentar zur Kanzone Color di Perla jedoch bietet eine knappe, auf Augustinus, Aristoteles, Ptolemäus, Bernhardus von Clairvaux und eine allegorische Ovid-Auslegung zurückgreifende Belehrung zum Thema Liebe für ein philosophisch unbedarftes Publikum40 • 37 In Acerba II, 12 behauptet Cecco, mit Dante Korrespondenz geführt zu haben. 38 .Qui dicie ehe oltre aI primo cielo, zoe el nono, Ja nostra Iuce, cioe il nostro intelletto, non po intendere per via di natura.• (Zitiert nach C. Ciociola, „L'autoesegesi di Cecco d' Ascoli", 34). 39 Vgl. F. Brugnolo, II canzoniere di Nico!O de' Rossi, I, 66, 122. 40 Vgl. F. Brugnolo, II canzoniere di Nico!O de' Rossi, I, 128-135. Ohne Zweifel stellt die Kanzone Color di Perla eine Imitation von Guido Cavalcantis Donna me prega dar, was die Forschung bisher dazu bewogen hat, im Kommentar eine Annäherung an Dino de! Garbos Kommentar zu sehen. Vgl. F. Brugnolo, .I toscani nel Veneto e Je cerchie toscaneggianti", 419f. Ohne diese Auslegung auszuschließen legt doch das Faktum des Eigenkorn-
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Nach der unmittelbaren Rezeption der Form des Selbstkommentars durch frühe Danteverehrer scheint es meines Wissens für eine gewisse Zeit zu keinen Nachahmungsversuchen dieser literarischen Form mehr gekommen zu sein. In der Renaissance sorgte Lorenzo de' Medici mit dem Kommentar zu seinen Sonetten für eine Umsetzung der von Dante begründeten Technik der Auslegung eigener Poesie41 • Giordano Bruno schuf mit seinen Eroici Furori ein Werk, das durch die Verbindung von Gedichten und Eigenkommentar in Form von Dialogen zumindest in bezug auf die Selbstauslegung ebenfalls zu der von Dante maßgeblich geprägten Gattung der Autoexegese zu zählen ist. Im Gegensatz zum Alighieri, der sich im ersten Buch des Convivio noch zu einer ausführlichen Rechtfertigung dieses Vorgehens gedrängt sieht, erklärt der Nolaner selbstbewußt, daß keiner besser als er selber seine eigene Dichtung interpretieren könne, weil die allegorische und metaphorische Interpretation den Text zu einem aufunzählige Deutungen hin offenen Werk mache, von dem nur der Autor selbst wisse, was er damit intendiert habe. So wie Salomo der beste Interpret seiner Weisheiten wäre, so hält sich auch Bruno für den besten Erklärer seiner Texte. Bruno greift nach eigener Aussage zur Autoexegese, um der völligen Beliebigkeit der allegorischen Auslegungen seines Textes zu begegnen42 • Im 17. Jahrhundert mentars auch eine Beziehung dieses Schriftstücks zu Dantes Convivio nahe. B. Sandkühler (Die frühen Dantekommentare, 70-73) weist auf eine Parallele zur Vita Nuova hin. "Vgl. Lorenzo de' Medici, Comento de' miei sonetti, ed. T. Zanato. Vgl. außerdem F. Charpentier, .L'auto-commentaire de Jean de La Ceppede." 42 .Aber in dieser Dichtung hier findet sich kein Bild, das dich so lebhaft dazu triebe, verborgenen und versteckten Sinn zu suchen ... Deshalb könnte jeder leicht davon überzeugt sein, daß meiner grundsätzlichen und ersten Absicht von einer gewöhnlichen Liebe die Richtung gewiesen und die entsprechenden Begriffe diktiert worden seien. Diese Liebe habe aus Verachtung Flügel ergriffen und sei heroisch geworden. So ist es ja möglich, jede beliebige Geschichte, jeden Roman, Traum und Prophetenspruch zu verwandeln und als Metapher und Allegorie umzudeuten, sodaß es alles bedeutet, was dem gefällt, der nur recht geschickt die Interpretation an den Haaren
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wird Tommaso Campanella Teile seiner philosophischen Poesie durch einen Eigenkommentar interpretieren43 •
3. Der Kommentar als Bindeglied zwischen Dichtung und Philosophie So originell Dantes Kommentierung seiner eigenen Kanzonen auch erscheinen mag, so traditionell ist doch sein Unternehmen der Enthüllung des philosophischen Gehalts der Poesie durch deren allegorische Auslegung. Ein kurzer Überblick zu den entsprechenden literarischen Zeugen dokumentiert, daß sich Dantes Kommentar in dieser Hinsicht in eine für die mittelalterliche Philosophiegeschichte eminent wichtige Tradition einfügt. Das spannungsvolle Verhältnis zwischen Dichtung und Philosophie erfuhr im Mittelalter im Anschluß an antike Vorbilder44, vor allem in Kommentaren zu poetischen Texten, eine herbeizuziehen versteht ... Aber mag jeder denken, wie es ihm scheint und gefällt, da schließlich doch jeder, ob er will oder nicht, diese Dichtung gerechterweise so verstehen und zuordnen muß, wie ich sie verstehe und zuordne, nicht ich, wie er sie versteht und zuordnet: denn wie die Leidenschaften jenes weisen Juden ihre eigenen Weisen, Ordnungen und Titel haben, die niemand besser verstehen konnte und erklären könnte als er, wenn er zugegen wäre, so haben auch diese Gesänge ihren eigenen Titel, Ordnung und Weise, die niemand besser erklären und verstehen kann als ich selbst." (Giordano Bruno, Von den heroischen Leidenschaften, Vorwort; 9). 43 Vgl. M. P. Ellero, "Appunti sull Esposizione alla Scelta d'alcune poesie filosofiche di Tommaso Campanella." 44 Grundlegend für das Problembewußtsein des Mittelalters und für die weitergehende Erörterung des Themas ist die Diskussion des Macrobius in seinem Kommentar zum Somnium scipionis. Macrobius gestand den dichterischen fabulae eine Funktion der moralischen Ermahnung zu und eröffnete damit dem lateinischen Mittelalter eine moralphilosophische Rezeption dichterischer Texte: "ad quandam virtutum speciem intellectum legentis hortantur." (1.2, 9-10). Darüber hinaus hat Macrobius die philosophische Interpretation der Poesie sogar noch elitär überhöht, indem er festhielt, daß die höheren Wahrheiten der Natur in der narratio fabulosa der orphischen und phythagoreischen Dichtung sogar besser aufgehoben sind, als in der offenen,
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vielgestaltige Thematisierung45 , wobei das von Dante nachvollzogene, allegorische Deuten des dichterischen Textes, die Enthüllung der poetisch verkleideten Wahrheit, das entscheidende Moment dieser philosophischen Valorisierung der Poesie darstellte. Mit dem interpretatorischen Kunstgriff der allegorischen Enthüllung des integumentum46 konnten sogar die antiken Mythologien für die moralphilosophische Belehrung prosaischen Darstellung, weil sie so nur einem kleineren Kreis hervorragender Männer zugänglich sind und der vulgus auf die äußerliche Verehrung der sichtbaren Zeichen des Mysteriums beschränkt bleibt: .quia sciunt inimicarn esse naturae apertarn nudam que expositionem sui, quae sicut vulgaribus hominum sensibus intellectum sui vario rerum tegmine operimentoque subtraxit, ita a prudentibus arcana sua voluit per fabulosa tractari. sie ipsa mysteria figurarum cuniculis operiuntur ne vel haec adeptis nudam rerum talium natura se praebeat, sed summatibus tantum viris sapientia interprete veri arcani consciis, contenti sint reliqui ad venerationem figuris defendentibus a vilitate secretum." (1.2, 17-19). Auf die Stelle bei Macrobius machte mich T. Ricklin freundlicherweise aufmerksam. Das diesbezügliche Problembewußtsein kommt z.B. im anonymen accessus zu Wilhelm von Conches Glossen zu Juvenals Satirae zum Ausdruck. Der Autor fragt sich, welchem Teil der Philosophie der Text zugeordnet werden müsse und verweist auf eine Querele zwischen einem Magister Bernardus und Wilhelm von Conches, die er durch eine Zuordnung des Textes zur Ethik zugunsten Wilhelms entscheidet: .Sunt qui querendum existiment et in hoc et in aliis auctoribus cui parti philosophie subponantur. Magister vero Bernardus dicebat hoc non esse in auctoribus querendum cum ipsi nec partes philosophie nec de philosophie tractant. Magister Wilelmus de Conchis dicit auctores omnes, quamvis nec partes sint philosophie nec de ipsa agant, philosophie suponi propter quam tractant, et omnes illi parti philosophie suponi, propter quam tractant. Utraque ergo lectio vera est; auctores suponuntur philosophie id est propter ethicam, que pars est philosophie, tractant, ut scilicet moralem comparent instructionem." (Wilhelm von Conches, Glosae in Iuvenalem, ed. B. Wilson, 89f.). Allgemein zum Problem der Beziehung zwischen Poesie und Philosophie vgl. E. Garin, .Poesia e filosofia nel medioevo latino", in: Ders., Medioevo e Rinascimento, 48-67; W. Wetherbee, Platonism and Poetry. 46 Eine Definition des Begriffs findet sich z.B. in Bernardus Silvestris' Kommentar zu Virgils Aeneis: .Integumentum est genus demonstrationis sub fabulosa narratione veritatis involvens intellectum, unde etiam dicitur involucrum." (Ed. J. Jones, 3). Grundlegend zu diesem Themenkreis sind:
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des christlichen Publikums fruchtbar gemacht werden. Selbst der platonische Timäus, der eigentlich der christlichen Schöpfungslehre widerspricht, wurde im 12. Jahrhundert von Wilhelm von Conches durch eine allegorische Auslegung rekontextualisiert47. Trotz der scholastischen Engführung des Theologie- und Philosophiebegriffs im Hochmittelalter, zum Beispiel bei Thomas von Aquino, der in der poetica keine Wahrheit mehr zu erkennen vermochte, die Poetik als von der Theologie am weitesten entfernte Wissenschaft bezeichnete48 und von Aristoteles die für den Status der Poesie folgenschwere, wissen-
E. Jeauneau, .L'usage de Ja notion d'integumentum"; B. Stock, Myth and Science, 33-58; W. Wetherbee, Platonism and Poetry, bes. 36-48; P. Dronke, Fabula; H.J. Westra, • The notion of integumentum", in: Ders„ The Commentary on Martianus Capella's De nuptiis Philologiae et Mercurii attributed to Bernardus Silvester, 23-33; Ders„ .Questions of Genre", in: Ders„ The Berlin Commentary, xxxi-xxxiv. Allgemein vgl. auch J. Pepin, La tradition de l'allegorie de Philon d'Alexandrie a Dante; J. Whitman, Allegory. The Dynamics of an Ancient and Medieval Technique. 47 Vgl. dazu E. Jeauneau, .L'usage de Ja notion d'integumentum a travers !es Gloses de Guillaume de Conches." 48 .Sed poetica, quae minimum continet veritatis, maxime differt ab ista scientia [Theologie]. quae est verissima." (In 1 Sent„ prologus, q. !, a. 5). Die Geringschätzung der Poesie ist für die Theologie nicht unproblematisch, greift doch letztere oft auf Metaphern und Gleichnisse zurück. Thomas versucht deshalb im Anschluß an Dionysius Areopagita und Scotus Eriugena eine funktionale Abgrenzung der Theologie von der Poesie. Die Poesie dient nur der Unterhaltung, wogegen die Gleichnisse der Theologie die einfachen Menschen zu den geistigen Dingen führen: .spiritualia sub similitudinibus corporalium porponantur; ut saltem vel sie rudes eam capiant, qui ad intelligibilia secundum se capienda non sunt idonei. Ad primum ergo dicendum quod poeta utitur metaphoris propter repraesentationem: repraesentatio enim naturaliter homini delectabilis est. Sed sacra doctrina utitur metaphoris propter necessitatem et utilitatem." (Summa theol„ 1, 1, 9, ad 1). Wie die weiteren Ausführungen zeigen, hat eine reichhaltige Tradition mittelalterlicher Kommentierung der Dichtung durch integumentale Deutung dieselbe Funktion gegeben, die Thomas, bei dem das Wort 'integumentum' nirgends vorkommt, der Theologie vorbehält.
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schaftstheoretische Lehre übernahm, wonach nur die von der Poesie klar abgegrenzte ratio enuntiativa etwas Wahres oder Falsches über die Dinge selbst aussage49 , hat die Dichtung durch den allegorischen Kommentar ihren philosophischen Status im Mittelalter stets beibehalten. Zu zahlreich und zu gewichtig waren die Autoritäten, die ihr Gedankengut auch in poetische Formen gekleidet hatten. Am philosophischen Gehalt der Philosophiae consolatio des Boethius, die auch Dante als Autorität anführt und die eines der meistgelesenen philosophischen Bücher des Mittelalters war, zweifelte kaum jemand, obschon darin eine Vielzahl von Gedichten mythologischen Gehalts vorkommen. Mittels der Theorie des integumentum oder der allegorischen Verhüllung der Wahrheiten, die durch den Kommentar aufgedeckt werden, konnten diese und zahlreiche andere poetische Texte in die Philosophie einbezogen werden. Der Bernardus Silvestris ( + 1159) zugeschriebene Kommentar zu Martianus Capellas De nuptiis Philologiae et Mercurii, ein Text der durch die Abwechslung von Gedicht und Prosa (Prosimetrum) das literarische Genus der Philosophiae consolatio des Boethius und des Convivio vorweg49 "sola enunciativa est in qua invenitur verum vel falsum, quia ipsa sola absolute significat mentis conceptum, in quo est verum vel falsum. Set, quia intellectus seu ratio non solum concipit in se ipso veritatem rei, set etiam ad eius officium pertinet secundum suum conceptum alia dirigere et ordinare, ideo necesse fuit ut, sicut per enunciativam orationem significatur ipse mentis conceptus, ita etiam essent alique orationes significantes ordinem rationis secundum quem alia dirigit. Dirigitur autem ex ratione unius hominis alius homo ad tria: primo quidem ad attendendum mente, et ad hoc pertinet vocativa oratio; secundo ad respondendum voce, et ad hoc pertinet oratio interrogativa; tercio ad exequendum in opere, et ad hoc pertinet quantum ad inferiores oratio inperativa, quantum autem ad superiores oratio deprecativa ( ... ) Quia igitur iste quatuor orationis species non significant ipsum conceptum intellectus in quo est verum vel falsum, set quendam ordinem ad hoc consequent-em, inde est quod in nulla earum invenitur verum vel falsum set solum in enuntiativa ... Et dicit quod alie quatuor orationis species sunt relinquende, ( ... ) quia earum consideratio convenientior est rhetorice vel poetice sciencie." (Thomas von Aquino, Expositio libri Peryerm., l, 7; 36f.).
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nahm50 , hat keine Mühe, durch eine klare Konzeption des integumentum in dem in zahlreichen dichterischen Verarbeitungen
vorliegenden Mythos des Orpheus einen philosophischen Gehalt zu entdecken51 • Auch von Vergil kann Bernardus Sil vestris deshalb in seinem Aeneis-Kommentar in fast selbstverständlicher Weise sagen, daß er sich in jenem Werk als Dichter und als Philosoph erweist5 2 • Besonders bei der Kommentierung der im sechsten Buch der Aeneis dargestellten Unterweltsfahrt des Aeneas legt Bernardus Wert auf die tiefgründigen philosophischen Wahrheiten, die Vergil injenem Teil seines Werkes zur Sprache bringt53 • Die Figur der Allegorie oder des integumentum diente im Mittelalter nicht nur der Rezeption und Rekontextualisierung antiker Texte der Poesie, sondern sie wurde auch aktiv angewandt. Alain von Lille ( + 1230) hat für seinenAnticlaudianus bewußt die poetische Form gewählt, mit der Begründung, daß die Subtilitäten der Allegorie eine gedrängtere Darstellung erlauben und den Intellekt schärfen54 • Auch dies bezeugt, daß 50 Vgl. D. De Robertis, Einleitung zur Vita Nuova, Mailand: Ricciardi 1980, 13f. si .Integumentum vero est oratio sub fabulosa narratione verum claudens intellectum, ut de Orpheo . „ integumentum vero philosophice competit." (Ed. H. J. Westra, 45). Vgl. auch Wilhelm von Conches einführende Worte zur Deutung des Orpheusmythos in seinem Kommentar zur Philosophiae consolatio: .Sed nostri garrulitati intenti et nichil philosophie cognoscentes, et ideo significationes ignorantes integumentorum, erubescentes dicere 'nescio', querentes solacium sue imperitie, aiunt hoc exponere trutannicum esse. Tarnen, ne eis consentiendo similes simus, quod nobis videbitur inde exponemus integumentum." (Zitiert nach E. Jeauneau, .Integumentum", 137f.). sz .et veritatem philosophie docuit et ficmentum poeticum non pretermisit (.„) in hoc opere et poeta et philosophus perhibetur." (Ed. J. Jones, 1). s3 .profundius philosophicam veritatem in hoc volumine declarat Vergilius." (Ed. J. Jones, 28). s• .In hoc etenim opere litteralis sensus suavitas puerilem demulcebit auditum, moralis instructio perficientem imbuet sensum, acutior allegorie subtilitas proficientem acuet intellectum." (Ed. R. Bossuat, 56). Auch für seine Schrift De planctu naturae wählte Alain von Lille die integumentale Dichtung in prosimetrischer Form. Im 12. Jahrhundert steht er damit nicht alleine
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Dante mit seinem Projekt einer philosophischen Poesie durchaus in einer mittelalterlichen Tradition steht. Das Ziel der Kommentare zu den dichterischen Werken der hier behandelten Tradition bestand darin, die in der Poesie verhüllt dargestellten, philosophischen Wahrheiten ans Licht zu bringen. Dieses Selbstverständnis der Textauslegung wird zum Beispiel im anonymen Berliner Kommentar zu Martianus Capellas De nuptiis Philologiae et Mercurii klar ausgesprochen, wo der Kommentator im Prolog festhält, die Aufgabe des Philosophen bestünde darin, sich durch die allegorische Auslegung der Dichtung aus dem Tal der Fiktionen hinauf zum Gipfel der Wahrheit zu schwingen55 • Bernardus Silvestris versucht deshalb in seinen Glossen zu Vergils Aeneis, in einer für das ganze Genre exemplarischen Weise bewußt den philosophischen Gehalt freizulegen, der letztlich darin bestehe, daß Vergil die Lesenden zur Selbsterkenntnis führe56 • Die Technik der allegorischen Auslegung wurde in zahlreichen Kommentaren zu poetischen Texten angewandt, wobei eine auffallend große Zahl dichterischer Schriften durch die Figur der Allegorie der praktischen Philosophie und moralphilosophischen Belehrung zugeordnet wurde57 • So überrascht es nicht, daß Arnulfvon Orleans (12. Jahrhundert) aufgrund seida, denn mit Bernardus Silvestris' Cosmographia (Ed. P. Dronke, Leiden: Brill, 1978) und dem Architrenius genannten Werk des Johannes de Hauvilla (Ed. P. G. Schmidt, München: Fink, 1974) liegen zwei weitere wichtige Schriften in poetischer Form vor. Vgl. Ch. Meier, Zum Problem der allegorischen Interpretation mittelalterlicher Dichtung. " .sicut animal illud pascendo ad ima vallium descendit a preruptis montium, et ab imis vallium iterum ascendit ad prerupta montium, ita iste philosophus in imis vallium est dum fabule insistit, in summis montium dum allegoricum sensum planius exponit." (Ed. H. Westra 1). >• .Nunc vero hec eadem circa philosophicam veritatem videamus. Scribit [Vergil] ergo in quantum est philosophus humane vite naturam. Modus agendi talis est: in integumento describit quid agat vel quid paciatur humanus spiritus in humano corpore temporaliter positus ... Utilitatem vero capit homo ex hoc opere, scilicet sui cognitionem." (Ed. J. Jones, 3). "Vgl. J. B. Allen, The Ethical Poetic, 1-66.
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ner als "allegoriae" bezeichneten Glossen zu Ovid die Metamorphosen der Ethik zuteilt, da es die Absicht des Autors sei, durch die dichterische Erzählung von Veränderungen weltlicher Dinge die Menschen von der Umklammerung der zeitlichen Gegenstände abzubringen und ihre Aufmerksamkeit auf die unveränderlichen, himmlischen Dinge zu lenken58 • Obschon in den universitären Texten im 13. Jahrhundert eine aristotelisch-scholastische Vertlachung des Philosophiebegriffs und der literarischen Formen, eine orthodoxe Feindseligkeit gegenüber paganer Mythologie und eine damit verbundene Ablehnung oder Ignorierung des oben dargestellten reichhaltigen Schrifttums allegorisierender Poesie festgestellt werden muß, Thomas von Aquino ist dafür nur ein Beispiel59 , so blieb diese Form im 13. Jahrhundert in anderen Traditionen doch erhalten. Jean de Meun zum Beispiel hat in seiner Fortsetzung des Roman de la Rose den Gedanken der philosophischen Auslegung der Poesie aufgegriffen und seine Leserschaft aufgefordert, durch eine entsprechende Interpretation der Dichtung die philosophischen Geheimnisse zu entlocken60 • Nebst der oben zitierten und durch Thomas von Aquino exemplifizierten aristotelischen Schulphilosophie, die der Poesie den wissenschaftlichen Status abspricht, gab es also auch im 13. Jahrhundert eine auf integumentaler Auslegung poetischer ' 8 "Vel intencio sua est nos ab amore temporalium immoderato revocare et adhortari ad unicum cultum nostri creatoris, ostendendo stablilitatem celestium et varietatem temporalium. Ethice supponitur quia docet nos ista temporalia, que transitoria et mutabilia, contempnere, quod pertinet ad moralitatem." (Zitiert nach F. Ghilsalberti, Amolfo d'Orleans, 181). ' 9 Vgl. z.B. auch Johannes von Jandun, Quaestiones in Metaph., IV, xiii, fol. 54raB: "ista ratio peccat primo in proprietate, quia poeticum est et peccat secundum figuram aequivocationis ... Dicendum quod est poeticum, quia improprie et metaphorice est poeticum." 60 "La verite dedenz reposte seroit bele, s'ele ert esposte: Bien entendras se tu repetes !es integumenz aus poetes. La verras une grant partie des secrez de philosophie." (Jean de Meun, Roman de la Rose, vss. 7167-7172, Ed. A. Strubel, 438).
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Texte beruhende philosophische Tradition. Dies bestätigen nicht zuletzt die lntegumenta Ovidii des Johannes von Garlandia ( + 1272), in denen der Autor, an Arnulf von Orleans anknüpfend, die Fabeln und Fiktionen des Ovid als in Allegorien verkleidete moralische Wahrheiten bezeichnet61 , die er in seinen in Pentametern verfaßten Glossen offenlegen will 62 • Auch Dantes Freund Giovanni del Virgilio teilte die Metamorphosen Ovids ohne Mühe und im Einklang mit der Tradition dem philosophischen Genus der Ethik zu63 • Der zum Convivio beinahe zeitgenössische Kommentar des Nikolaus Treveth zu den Tragödien Senecas macht im Pröemium eine scholastischen Wissenschaftseinteilungen eher fremde Unterscheidung zwischen drei Gattungen der Theologie. Die erste bedient sich der Sagen und Fiktionen, Treveth nennt sie genus fabulosum; die zweite verdeckt natürliche Wahrheiten unter dem Mantel des integumentum, der Dominikaner bezeichnet diese Gattung als genus naturale, und eine dritte Art der Theologie überliefert den Kult der Götter und hütet die Tempelheiligtümer, sie wird genus civile genannt. Die erste Gattung weist Treveth den Poeten zu, die zweite den Philosophen und die dritte den Priestern64. Obschon er in der Folge seiner Einleitung die Tragödi-
61 .Clauditur historico sermo velamine verus, ad populi mores allegoria tibi. Fabula voce tenus tibi palliat integumentum, clausa doctrine res tibi vera latet." Johannes de Garlandia, Integumenta, ed. F. Ghisalbeni, 40. 62 • Nodos secreti denodat, clausa revelat/ Rarificat nebulas, integumenta canit." (Johannes de Garlandia, Integumenta, 35). 63 .Sed cui pani phylosophie supponatur dico quod supponatur ethyce i. morali phylosophie, nam omnes poete tendunt in mores." (Giovanni de! Virgilio, Allegorie librorum Ovidii Metamorphoseos, 19). Tria genera theologie distingui a Varrone narrat Augustinus, libro VI de civitate Dei, quorum nomina sie latine exprimuntur ut primum dicatur fabulosum, secundum naturale, tercium civile. Prima genere utuntur poete, secundo philosophi, tercio sacerdotes et populi. Primum accomodatum est theatro, secundum mundo, tercium urbi et templo. In prima genere multa contra dignitatem et naturam monalium ficta sunt; in secundo genere ea que nature sunt sub integumentis traduntur; tercium genus cultus deorum et sacra
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en klar unter dem Genus der Poesie abhandelt, kommt er ganz am Schluß des Prologs noch einmal auf den Gehalt dieser poetischen Schriften zu sprechen und schreibt sie wegen ihrer moralischen Funktion der in anderen zeitgenössischen Wissenschaftseinteilungen der praktischen Philosophie des Aristoteles vorenthaltenen Gattung der Ethik zu65 • Im Liebte der oben dargelegten Tradition allegorisch-philosophischer Transformation poetischer Texte ist Treveths Zuteilung der Seneca-Tragödien zur Ethik keine Besonderheit, sie hebt sich jedoch sehr stark von der thomistisch-scholastischen Geringschätzung der Poesie ab, die hinter den Metaphern und Fiktionen keine Wahrheiten zu erkennen vermag. Noch deutlicher tritt die Valorisierung der Poesie bei Treveth in dessen Kommentar zur Philosophiae consolatio des Boethius hervor, wo er, im Gegensatz zu seinem Ordensgenossen Thomas von Aquino, weniger den Wahrheitsgehalt der Lehre an sich, als die verschiedenen Vermittlungen von Wahrheit betont und das integumentum fabularum mit den philosophischen Beweisen und den Autoritäten auf eine Stufe stellt. So kann der Dominikaner den im Gedicht Felix qui potuit (III, 12) dargestellten Orpheus-Mythos moralisierend deuten und die prosimetrische Form der Schrift des Boethius seinen Mitbrüdern verständlich machen66 • templorum tradit." (Nicolaus Trevet, Expositio super tragedias Senece, In Senecae Tragoedias Praefatio, 5). "causa finalis est delectatio populi audientis; vel in quantum hie narrantur quedam laude digna, quedam vituperio, polest aliquo modo liber hie supponi ethice: et tune finis eius est correctio morum per exempla hie posita." (Nicolaus Trevet, Expositio super tragedias Senece, In Senecae Tragoedias Praefatio, 8). 66 "Est autem advertendum hie, quod secundum Phylosophum secundo Metaphysice non omnes recipiunt veritatem per eundem modum, turn propter diversam naturam, turn propter minorem instructionem in loycam. Unde provenit, quod quidam recipiunt melius veritatem per modum demonstrationis, quidam si proletur per auctoritatem, quidam per integumentum fabularum. Unde etiam, ut Boetius talibus satisfaciat, nunc demonstrationibus,
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Wenn Dante am Anfang des Convivio erklärt, er wolle einer äußerlich ästhetischen Auslegung seiner Kanzonen durch eine allegorische Deutung entgegenwirken und darlegen, daß sich in seinen Gedichten wahre Güte verbirgt67 , wenn er durch seinen Kommentar versucht, die unter der Figur der Allegorie versteckte, eigentliche Aussage seiner Kanzonen darzulegen und zur philosophischen Belehrung anderer fruchtbar zu machen68, wenn er darüber hinaus in der allegorischen Auslegung der ersten Kanzone die besungene donna gentile die „Tochter Gottes, die Königin über alles und die erhabenste und schönste Philosophie" 69 nennt und in der allegorischen Auslegung der zweiten Kanzone zu einem Lob dieser Philosophie anhebt7°, so läßt sich dieses Unternehmen in die Tradition der oben skizzierten philosophischen Kommentierung und Valorisierung der Poesie einordnen. Das Convivio stellt unter diesem Aspekt nur noch ein Sediment einer einst reichhaltigen mittelalterlichen Tradition der philosophischen Kommentierung von Poesie dar, es tritt aber als Selbstkommentar, der auch scholastisches Gedankengut in die Auslegung der Poesie einbezieht, aus seiner traditionellen Einbindung heraus und kann in diesem Sinne als Werk der Wiederbelebung und originellen Transformation einer Tradition gelesen werden. Dante nahm später, nachdem er das Convivio mehrere Jahre unvollendet liegengelassen hatte, mit seinem Schreiben an Cangrande die Tradition der philosophischen Kommentierung von Poesie noch einmal auf, mit der Absicht, die Rezeption seiner Commedia zu „steuem" 71 • Danach hielt er sich in der nunc auctoritatibus utitus et aliquando fabulas interserit, sicut hie." (Zitiert nach einem Arbeitstext von R. Imbach; Basel, UB, F V 35, fol. 40rb). 67 Conv„ I, i, 14.18. 68 Conv„ I, iii, 17. 69 Conv„ II, xii, 9. 7°Conv „ III, xi f. 71 Dante Alighieri, Das Schreiben an Cangrande della Scala, Ed. T. Ricklin, LIX.
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Monarchia12 und der Questio73 an herkömmliche genres des philosophischen Schulbetriebs oder widmete sich ganz der Commedia, die aber im Lichte des Schreibens an Cangrande und der im Convivio aufgenommenen Tradition der philosophischen Exegese der Poesie als philosophisch-theologische Dichtung gelesen werden muß74 • Dante hat, ähnlich wie Jean de Meun im Roman de la Rose, auch in der Commedia selbst zu einer philosophisch-theologischen Deutung dieses Werkes aufgefordert75 • Die Intention Dantes wurde von seinen Zeitgenossen unmittelbar verstanden und aufgenommen. Die frühen Kommentare zur Commedia führten Dantes Unternehmen der philosophisch-theologischen Kommentierung der Poesie in vielfältiger Art und Weise fort und legten, wie dies Bernardus Silvestris mit Vergil getan hatte76 , Wert darauf, Dante als Philosophen und Poeten zu interpretierenn und die Commedia dem philoso72 Dante Alighieri, Monarchia, Studienausgabe Jat.-deutsch, ed. R. Imbach/ C. Flüeler. Zu Werk und Wirkung vgl. F. Cheneval, Die Rezeption der Monarchia Dantes. 73 Vgl. Dante Alighieri, Abhandlung über das Wasser und die Erde, Ed. D. Perler. 74 „finis totius et partis est removere viventes in hac vita de statu miserie et perducere ad statum felicitatis. Genus vero phylosophice sub quo hie in toto et parte proceditur, est morale negotium, sive ethica; quia non ad speculandum, sed ad opus inventum est totum et pars. • (Ep. XIII, 39-40). " Inf., IX, 63: „0 voi ch'avete li 'ntelletti sani, mirate Ja dottrina ehe s' asconde / sotto '1 velame de li versi strani. • 76 „in hoc opere et poeta et philosophus perhibetur. • (Bemardus Silvestris, Commentum super sex libros Eneidos Virgilii; 1). 77 .philosophye verum alunpnum et poetam excelsum Dantem Alagherij florentinum civem ... Et quibus lucido documenta [Commedia] mostratur auctorem prefatum non unam dumtaxat sciencia vel virtute sed sacre theologie, astrologie moralis, naturalis philosophye, retorice ac poetice cognitionis fuisse peritum. • (Graziolo de' Bambaglioli, Kommentar zum Inferno, Prooemium). Vgl. auch Jacopo della Lana: „L'autore di questa bellissima opera fu Dante de li Allighieri di Fiorenza, uomo di grande scienzia e di nobilissimo ingegno, da Ja inventiva di preziosissima memoria, nutricato di filosofia e di sapienzia, ed insegnato di onoranti poetiche. Questo seppe tutte Je liberali arti, morali et naturale, filosofia e teologia, come si mostrerii di ciascuna
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phischen Genus der Ethik zuzuordnen78 • Gleichzeitig wußte aber zum Beispiel ein Guido von Pisa in seiner Dante-Auslegung die Figur der Allegorie umzukehren und Theologie und Philosophie in reine Poesie zurückzuverwandeln, um den Alighieri aus der Perspektive der Orthodoxie dem Vorwurf der Häresie zu entziehen79 •
4. Das Entstehungsmilieu des Convivio, Dantes Publikum und die Sprachen der Philosophie Dantes Wahl der italienischen Volkssprache für seinen Kommentar steht in direktem Zusammenhang mit seiner besonderen biographischen Situation, mit dem Ort seines Philosophierens und mit dem Zielpublikum seiner Schrift. Er schreibt nicht für professionelle Universitätsgelehrte, denen er mit harscher Polemik begegnet80 , sondern für der lateinischen Sprache unkundige illiterati, die er für die wahren Gelehrten hält. Er zählt sie auf: „Prinzen, Grafen, Ritter und viele andere sponendo il testo." (Jaeopo della Lana, Commento alla Commedia, Proemio da! Codiee Laur. PI. XC 115; Ed. L. Searabelli, I 96). 78 "La quarta e ultima eosa ehe e da notare e la finale eagione della ditta Commedia, cioe a ehe fine e intenzione ella fue fatta, la quale si puo eonsiderare in tre modi. Lo primo per manifestare polita parladura. Seeondo per narrare molte novelle le quali tomano molto a destro ad udire per esemplo alcuna fiata. Terzo e ultimo per rimuovere le persone ehe sono al mondo da! vivere misero e in peeeato e produrli al virtuoso e grazioso stato. E in quanto tratta de' modi, de' eostumi e vita mondana, sie sottoposta a filosofia morale, la quale hae per suo subietto li atti umani. Manifestate le eose ehe proponemmo eh'erano da notare sie da sapere ehe universalmente la detta Commedia puo avere quatro sensi ... ". (Jacopo della Lana, Comento alla Commedia, proemio eomune; I, 104. 79 "Itaque quieunque tu legis istam poeticam Comediam, fae quod ita regas frenum mistici et allegorici intelleetus, quod in monte Pamaso, idest in altitudine seientie, perfeete requieseas. Noli itaque damnare autorem si tibi videtur quod in aliquibus locis erret: quia tune non theologiee, sed poetice loquitur et fietive." (Guido da Pisa, Deelaratio; 46f.). 80 Cf. Conv., I, ix, 2.
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adlige Menschen, nicht nur Männer, sondern auch Frauen " 81 • Es ist dies genau jenes aristokratische Publikum, in dessen Umgebung sich Dante laut seinen Biographen in der Zeit nach der Exilierung aufgehalten hat. Wie der maßgeblichen Dantebiographie G. Petrocchis zu entnehmen ist, kann angenommen werden, daß der Alighieri den Frühling 1303 bei Scarpetta Ordelaffi, Herrscher von Forli verbracht hat und daß er danach in Arezzo als Berater der weißen Guelfen im Umkreis des Grafen Alexander von Romene weilte. Da kam es zum Bruch Dantes mit seiner Partei, und er war nun definitiv isoliert. Laut Petrocchi soll sich Dante zwischen Juni 1303 und März 1304 ein erstes Mal in Verona am Hofe des Bartolomeo della Scala aufgehalten haben. Vor Mitte 1306 ist ein Aufenthalt am Hof des Gherardo von Camino in Treviso wahrscheinlich, und danach hat Dante sicher in der Lunigiana an den Höfen der Malaspina im weiteren Umkreis des Markgrafen Moroello Malaspina ein zeitweiliges Auskommen gefunden82 • Dantes oben zitierte Aufzählung des aristokratischen Publikums des Convivio stimmt mit den biographischen Angaben bezüglich seiner Aufenthalte in höfischem Milieu überein, und auch andere Aussagen Dantes im Convivio deuten auf die hohe Geburt seiner Zuhörerschaft hin. Dante äußert sich explizit abschätzig über das Volk83 und er gebraucht die Erbfolge des Erstgeborenen, eine vor allem beim Nachlaß von Grundbesitz zum tragen kommende Rechtsfigur, als anschauliches Beispiel 84 • Außerdem weist seine Nennung der aristokratischen Adressaten und aller adligen Leute eine gewisse Ähnlichkeit mit Ramon Vidals Liste des höfischen Troubadour-Publikums auf: „emperador, princeps, rei, duc, conte, vesconte, contor, valvasor ( ... ) 81 „principi, baroni, cavalieri, e molt'altra nobile gente, non solamente maschi ma femmine." (Conv., 1, ix, 5). 82 Vgl. Petrocchi, „Biografia: Primi anni dell'esilio", in: ED, 30-37. 83 Conv., 1, xi, 6. 84 Conv., 1, xii, 7. Vgl. dazu R. Trifone, „Primogenitura", in: Novissimo Digesto ltaliano, XIII, 868f.
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paucs et granz, meton totz ioms lor entendiment en trobar et en chantar..o q'en volon entendre ... " 85 • Die Übereinstimmung des Publikums des Convivio mit dem höfischen Publikum der Troubadours bedeutete, daß sich Dante in einem Milieu behaupten mußte, in dem er eine dem Minnesang zugewandte Leserschaft für sich zu gewinnen hatte 86 • Dabei galt es nach Dantes eigener Aussage in erster Linie zu vermeiden, daß seine Poesie von seinem auf die Rezeption höfischer Liebesdichtung eingestimmten Publikum mit den rein sinnlichen Liebesgedichten, die in diesem Milieu zirkulierten, auf eine Stufe gestellt wurde87 • Im Gegensatz zu einem Universitätsmagister, der in einem klar strukturierten Gefüge operierte, in dem die Teilnehmer in bezug auf ihre Funktion aufeinander abgestimmt und entsprechende Erwartungshaltungen zum voraus klar waren, wirkte Dante in einem offenen und nicht als Schulbetrieb mit genauer fakultärer Ausrichtung geprägten Milieu, das er zuerst auf seine Texte vorbereiten mußte. Mit dem Kunstgriff der allegorischen Deutung seiner eigenen Liebeslyrik versuchte Dante, seine Poesie philosophisch zu deuten und sich am Hof von den poeti giocosi abzuheben. In dieses Bild eines Ringens um das höfische Publikum, eines Verdrängungskampfes zwischen Minnesang und Philosophie im höfischen Milieu, paßt Dantes Polemik gegen das Provenzalische. Nebst der Rechtfertigung der italienischen Volkssprache gegen das Latein enthält das erste Buch des Convivio nämlich eine ebenso wichtige und im Ton viel schärfer gehaltene Auseinandersetzung mit der langue d'oc: "Mich "'Razos de Trobar; 2. 86 Vgl. dazu M. L. Meneghetti, II publico dei trovatori und J. Bumke, Höfische Kultur, 700-718. W. Bahner hielt die .aristokratisch-bürgerliche Oberschicht in den Kommunen" für die Adressaten Dantes (Ders., Die theoretischen Bemühungen um die Emanzipation der italienischen Literatursprache", 27). M. Simonelli scheint die politisch-soziologische Pointe zu verpassen, wenn sie nur .die edlen des Herzens" als das Publikum des Conv. bezeichnet (vgl. Dies., Dante and His Public, 37-54. "Vgl. Conv., I, ii, 16.
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bewegte weiter die Volkssprache gegenüber vielen ihrer Ankläger zu verteidigen, die sie verachten und andere rühmen, vor allem jene der Provence, wobei sie jene schöner und besser nennen als diese und sich hierbei von der Wahrheit entfernen"88. Zur Verteidigung gegen Ankläger, die die provenzalische Dichtung vorziehen, verfaßt Dante ein ganzes Kapitel, das feindseligste und eines der längsten des Convivio (1, xi), in dem er, ein kleines Inferno inszenierend, all jene verschiedener Todsünden beschuldigt, die "die italienische Sprache erniedrigen und diejenige der Provence erhöhen " 89 . Der Ort der provenzalischen Dichtung in Italien war derselbe, an dem Dante sein Auskommen zu finden hatte: der HofXl. Die für Dante lebenswichtige Auseinandersetzung erklärt den äußerst polemischen Ton seiner Kritik an den das provenzalische vorziehenden Italienern in Conv., 1, xi und liefert einen wichtigen historischen Hinweis zum Entstehungsmilieu des Convivio. Dantes in italienischer Sprache verfaßte Poesie kollidiert mit der an den Höfen etablierten provenzalischen Dichtung, deshalb will er, wie er selbst sagt, einen italienischen Kommentar verfassen, um die Schönheit und die Tugend der italienischen Volkssprache performativ zu beweisen91 . Diese Gedankenführung gewinnt zusätzlich an Plausibilität, wenn berücksichtigt wird, daß sich an zwei Aufenthaltsorten Dantes während der Zeit der Abfassung des Convivio sehr deutliche Spuren einer besonderen Pflege der provenzalischen Dichtung finden. Da ist zum einen der Hof der Malaspina mit Conv., 1, x, 11. Conv., 1, xi, 14. Die für die gesellschaftliche Situierung des Conv. wichtigen Kapitel Conv., 1, x. xi werden in den Darstellungen der Beziehung Dantes zu den Troubadours beinahe nicht beachtet. Besonders folgenschwer war S. Santangelos pauschaler Ausspruch: "i primi tre trattati del Convivio, nei quali si parla mai di poeti et poesie provenzali." (Dante e i trovatori provenzali, 137). 90 Allgemein zu den Troubadours in Italien vgl. G. Bertoni, I trovatori d'ltalia. 91 Vgl. Conv., 1, xi, 12. 88
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seiner langen Tradition provenzalischer Dichtung und mit seiner sprichwörtlichen Gastfreundschaft und Liberalität für die Troubadours. Zum anderen liegen zahlreiche Indizien vor, die auf eine besondere Auseinandersetzung mit der provenzalischen Poesie zu Beginn des 14. Jahrhunderts im Veneto, insbesondere in Treviso, schließen lassen. Überlieferungsgeschichtliche Untersuchungen und Studien der provenzalischen Liederbuchsammlungen Italiens belegen eine beeindruckende Häufung der Produktion provenzalischer canzonieri im Veneto am Ende des 13. und am Anfang des 14. Jahrhunderts 92 • In der Biblioteca Estense in Modena wird ein Kodex aufbewahrt93, der in einem ersten 1254 geschriebenen Teil eine von Alberico da Romano zusammengestellte Sammlung von Gedichten des Uc de Saint-Circ enthält. Sowohl die Herkunft des Schreibers Alberico da Romano als auch der langjährige Aufenthalstort des Autors der Gedichte, Uc de Saint-Circ, Protege der Herren von Treviso, bestägigen die These, daß der Kodex in Treviso entstanden ist94 • Der zweite Teil dieser Handschrift überliefert nebst einem canzoniere des Peire Cardenal ein 223 Gedichte umfassendes Florilegium provenzalischer Poesie, dem die Biographie des italienischen Troubadours Ferrarino von Ferrara vorangestellt ist. Die Biographie besagt, daß Ferrarino selbst der Autor des Florilegiums ist, was darauf hindeutet, daß es in den ersten Jahren des 14. Jahrhunderts am Hof des Gherardo III. von Camino, capitano generale von Treviso, wo Ferrarino tätig war, entstanden ist95 • 92 Vgl. G. Polena, "Tradizione e cultura trobadorica nelle corti e nelle citta venete", 456-468.
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a.R. 4.4.
Vgl. G. Polena, "Tradizione e cultura trobadorica nelle corti e nelle citta venete", 518-537. 95 G. Polena, "Tradizione e cultura trobadorica nelle corti e nelle citta venete", 459. Eine genaue und ausführliche Untersuchung des Florilegiums bot M. L. Meneghetti, .11 florilegio trobadorico di Ferrarino da Ferrara." Meneghetti datiert das florilegio in die ersten Jahre des 14. Jahrhunderts. 94
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Eine in der Biblioteca Vaticana aufbewahrte Handschrift96 stammt von einer Hand aus dem Veneto des späten 13. und frühen 14. Jahrhunderts, wobei Miniaturen und Eigenheiten der Schreibweise und Wortwahl auf Verona als Entstehungsort hindeuten. Noch eindeutiger läßt sich eine andere vatikanische Handschrift lokalisieren97 , denn die interlinearen und marginalen Varianten des Schreibers sind im Dialekt Trevisos verfaßt. Auch dieser Codex stammt aus dem späten 13. oder frühen 14. Jahrhundert. Die codices fr. 854, fr. 1794 und fr. 12473 der Nationalbibliothek in Paris stammen ebenfalls aus dem Veneto, was anhand von zahlreichen graphologischen Merkmalen festgestellt werden kann, wobei fr. 1794 ins frühe 14. Jahrhundert zu datieren ist. Aus dem Veneto des späten 13. Jahrhunderts stammt die Handschrift Oxford, ms. Douce 269, deren lateinische Interlinearglossen der italienischen Leserschaft verschiedene Worterklärungen geben. Dieser kurze Überblick der provenzalischen Buchproduktion Italiens bezeugt eine lebendige und quantitativ eindrückliche Beschäftigung mit dem provenzalischen Liedergut zu Beginn des 14. Jahrhunderts im Veneto. Schon der italienische Gelehrte G. Polena, der die provenzalischen Liederbuchhandschriften überlieferungsgeschichtlich untersucht hat, sah sich zur Feststellung veranlaßt, daß diese intensive Pflege der langue d'oc im Veneto mit Dantes Wirken in jener Gegend zusammenfällt98 • Die scharfe Polemik gegen die Anhänger der provenzalischen Volkssprache in Convivio I, xi liefert vor dem Hintergrund dieses Befundes ein klares Indiz für die zumindest teilweise Entstehung der Schrift im Veneto, an dessen lat. 5232. lat. 3207. 98 „Si potra d'altronde osservare ehe i manoscritti veneti a noi conservati ed esaminati sopra risultano per la piii parte copiati tra Ja fine de! Due e i primi de! Trecento, nell'etä de! „buon Gherardo" quando anche Dante opera ai margini de! Veneto." (G. Folena, „Tradizione e cultura trobadorica nelle corti e nelle citta venete", 466). 116 97
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Fürstenhöfen, zum Beispiel in Treviso, die langue d 'oc besonders gepflegt wurde und ein Verdrängungskampf zwischen der provenzalischen, französischen und toskanischen Sprache und Literatur stattgefunden hat99 • Zeuge dieses "Sängerstreits" im Veneto ist nicht nur Dante mit seinen zum Teil argumentativen, zum Teil rein polemischen Attacken gegen das Provenzalische, sondern auch ein aus dem Jahre 1305 stammendes, den Klang des langue d'oc verhöhnendes Spottgedicht eines Notars aus Vicenza100 • Dantes in weiten Teilen zum Convivio parallel entstandene Schrift De vulgari eloquentia kann als theoretischer Beitrag zu diesem für den heimatlosen Dichter toskanischer Volkssprache lebenswichtigen Verdrängungskampf interpretiert werden101 • Dantes scharfe Polemik gegen die Verteidiger der provenzalischen Dichtung im Convivio deutet darauf hin, daß er direkt mit Landsleuten in Kontakt gekommen sein muß, die die provenzalische Dichtung noch aktiv betrieben und der italienischen vorgezogen haben. Einer der wenigen Italiener, auf den dies zutrifft, war der bereits genannte Schreiber eines provenzalischen Florilegiums Ferrarino da Ferrara am Hof der Este in Ferrara und des Gherardo da Camino in Treviso. Die dem Florilegium vorangestellte Biographie Ferrarinos belegt, daß sich dieser am Ende seines Lebens zeitweilig vom Hof der Este entfernt und am Hof des Gherardo da Camino in Treviso 99 Vgl. die Bilanz G. Folenas, „Tradizione e cultura trobadorica nelle corti e nelle cittä venete", 514: „L'importanza di Treviso come focolaio di cultura volgare, prima provenzale e poi francese e infine toscaneggiante, come luogo d'incontro e di confluenza di tradizioni manoscritte e come scriptorium nelle tre lingue d'oc, d'oil e di si, e anche come centro di cultura figurativa cavalleresca e cortese, emerge sempre phi chiara man mano ehe se ne individuano e studiano i prodotti". 100 Vgl. F. D'Ovidio, Versificazione romanza: poetica e poesia medioevale, Napoli 1932, II, 201-215. 101 Für die Auseinandersetzung der verschiedenen italienischen Dialekte im Veneto jener Zeit vgl. F. Brugnolo, Einleitung zu II canzoniere di N. de Rossi, xxi-xxxiv.
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aufgehalten hat, wo er wegen der Freundschaft des Gherardo mit Azzo VII. d'Este sehr großzügig behandelt wurde 102 • Da Dante im vierten Buch des Convivio 103 den wahren Edelmut des Gherardo trotz dessen Unterstützung für die Guelfen hervorhebt, und ihn im Paradiso 104 als einer der drei Greise und Herrscher der guten Zeiten erwähnt, wurde in der Danteforschung auch schon die These verfochten, der Alighieri hätte Gherardo gekannt und sich an dessen Hof aufgehalten105 • Dantes Polemik im Convivio gegen Italiener, die die Provenzalische Sprache der Italienischen vorziehen, und die Identifikation eines solchen Italieners in der Person des Ferrarino da Ferrara scheinen diese These ebenso zu bestätigen, wie die Tatsache, daß sich auch der Dante-Imitator Francesco da Barberino injenen frühen Jahren des 14. Jahrhunderts in Treviso aufgehalten hat. Damit ist nicht gesagt, daß das ganze Convivio in Treviso entstanden ist, sondern es soll nur darauf hingewiesen werden, daß mehr Indizien für einen zeitweiligen Aufenthalt Dantes in Treviso sprechen, als bisher angenommen worden ist. Die Übereinstimmung von Zeit, Ort und Sprache der Dichtung legen jedenfalls die Vermutung nahe, daß Ferrarino von Ferrara einer der im Convivio verhöhnten Ankläger der italienischen und Verehrer der provenzalischen Volkssprache gewesen sein könnte. Da die handschriftliche Tradition der provenzalischen Liederbuchsammlungen auf eine intensive Beschäftigung mit der Poesie der Langue d'oc im ganzen Veneto hinweist, könnte Dante aber auch in Verona am Hof des Bartolomeo della Scala mit italienischen Verehrern dieser Sprache in Konflikt gekommen sein. Eines der wenigen sicheren Daten der Biographie Dantes ist der 6. Oktober 1306. An jenem Tag wurde in Castelnuovo Magra ein von Dante als Prokurator der Markgrafen FranceSchon G. Bertoni, I trovatori d'Italia, 125. Conv., IV, xiv, 12. 104 Par., XVI, 124, 133-140. tos Vgl. ED I, 777. 102
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schino, Corradino und Moroello ausgehandelter Friedensvertrag zwischen den Malaspina und dem Bischof von Luni unterzeichnet106. Die Höfe der Malaspina, einer der sicheren Aufenthaltsorte Dantes während der Niederschrift des Convivio, genossen den besonderen Ruf großer Freigebigkeit für Dichter der provenzalischen Volkssprache. Mit Alberto Malaspina (12. Jh.) weist diese Familie sogar einen Troubadour in ihrem eigenen Stammbaum auf. Die provenzalischen Troubadours Albert de Sisteron und Aimeric de Pequilhan sangen das Lob des Marchese Guglielmo Malaspina (1194-1220) und Peire Raimon di Tolosa und Guilhem de Ja Tor lobten die große Liberalität Corrados 1. ( + 1253). Auch dessen Töchter Selvaggia und Beatrice haben die dichterische Kreativität von zahlreichen provenzalischen Troubadours angeregt 107 • Bei den Malaspina kam Dante in ein höfisches Milieu, in dem die Pflege provenzalischer Dichtung eine besondere Tradition hatte 108 und vor dessen Hintergrund seine ansonsten überraschende Polemik gegen italienische Anhänger der provenzalischen Volkssprache verständlich würde. Daß Dante selbst die Malaspina mit der provenzalischen Dichtung in Zusammenhang brachte, bezeugt der achte Gesang des Purgatorio, wo Dante vom italienischen Troubadours Sordello zu Corrado Malaspina geführt wird, um nach der Manier der provenzalischen Troubadours ein Lob dieser Herrscherfamilie anzustimmen. Corrado seinerseits sagt Dante seinen Aufenthalt in Val di Magra bei den Malaspina voraus 109 • Auch ein an Moroello Malaspina gerichteter Brief Dantes dokumentiert die Gast106 Zum Aufenthalt Dantes in der Lunigiana vgl. Dante e Ja Lunigiana; Dante in Lunigiana; L. Galanti, II soggiomo di Dante in Lunigiana. Das Dokument, in dem Dante als Prokurator des Markgrafen Franceschino Malaspina mehrmals namentlich genannt ist, findet sich zuletzt bei L. Galanti (28-33) abgedruckt. 107 Vgl. G. Bertoni, Trovatori d' Italia, 13. 10• Vgl. F. L. Mannucci, I marchesi Malaspina e i poeti provenzali. 109 Näheres dazu bei L. Galanti, II soggiomo di Dante in Lunigiana, 16-20. L. Galanti (ibid., 60) errechnet aus den astronomischen Angaben Corrados
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freundschaft der Malaspina für den heimatlosen Dichter und dessen enge Beziehung zu einigen Mitgliedern dieses Herrscherhauses110. Dante erwähnt in diesem Schreiben explizit einen Aufenthalt am Hof des Moroello Malaspina, während dem er seinen officia libertatis nachgegangen sei 111 • Worin diese bestanden hätten, sagt Dante zwar nicht genau, er gesteht seinem hohen Gastgeber aber ein, nach seiner Abreise durch die Erscheinung einer Frau von der vorher gepflegten Distanz zu den Frauen, zur Liebesdichtung und von der Tätigkeit der Betrachtung himmlischer und irdischer Dinge abgelenkt worden zu sein112 • Diese Beschreibung seiner Tätigkeit am Hof der Malaspina trifft, trotz fehlender konkreter Angaben, auf das Convivio zu, in dem sich Dante bewußt von der Liebesdichtung im weltlich-fleischlichen Sinne abwendet113 , die Frau als Philosophie allegorisiert114 und die Totalität des menschlichen Wissens in Entsprechung zu den Himmelssphären darstellt115 . Die Passage in Dantes Brief könnte aufgrund der inhaltlichen, chronologischen und biographischen Über(Purg., VIII, 133-139) den 20. April 1306 als terminus ad quem der Ankunft Dantes im Gebiet der Malaspina. 110 Opere Minori, II, 536-539. Die genaue Identität des Moroello ist umstritten, da mit Moroello di Manfredi, Markgraf von Giovagallo, und Moroello, Markgraf von Villafranca, zwei Malaspina dieses Namens als Adressaten in Frage kommen. In Inf„ XXIV, 145 erwähnt Dante die besondere Kriegskunst des Grafen von Giovagallo, die dieser aber sehr zum Schaden der weißen Guelfen von Florenz als Verbündeter der Schwarzen gegen Pistoia eingesetzt hatte. Daß Dante in Purg., XIX, 142-144 auch die besondere Tugend der Gattin des Moroello Malaspina, Markgraf von Giovagallo, lobt, spricht für eine Bekanntschaft Dantes mit diesem Ehepaar. 111 "Igitur michi a limine suspirate postea curie separato, in qua, velud sepe sub admiratione vidistis, fas fuit sequi libertatis officia." (Opere Minori, II, 536). 112 „Occidit ergo propositum illud laudabile quo a mulieribus suisque cantibus abstinebam; ac meditationes assiduas, quibus tarn celestia quam terrestria intuebar." (Opere minori, II, 538). 113 Conv„ I, ii, 16. 114 Conv „ II, xii.xv. 115 Conv., II, xiii-xiv.
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einstimmungen durchaus ein Hinweis auf die Arbeit am Convivio am Hof der Malaspina sein, wo sich Dante nach dem 20. April 1306 aufgehalten hat. Aufgrund dieser Ausführungen kann davon ausgegangen werden, daß die wichtigen, von der Danteforschung zu wenig berücksichtigten polemischen Passagen gegen das Provenzalische in jenem Teils des ersten Buches des Convivio, in dem Dante die von ihm gewählte Sprache der Schrift rechtfertigt, wertvolle Hinweise zum höfischen Entstehungsmilieu des Convivio geben. Diese Kontextualisierung gibt seinem Selbstkommentar zu eigenen Liebesgedichten eine doppelte Stoßrichtung. Einerseits wird verständlich, warum er versucht, einem Publikum seine Kanzonen auszulegen, von dem er befürchtet, dass es zu einer eher wörtlichen und allzufleischlichen Deutung seiner Liebesdichtung neigt. Der Eigenkommentar bedeutet angesichts der antizipierten oder tatsächlichen Fehlrezeption eine Selbstdarstellung Dantes als poeta-philosophus. Andererseits dokumentiert die sorgfältige und äusserst ausführliche Rechtfertigung des Werkes im ersten Buch des Convivio, daß der Alighieri seine Philosophie einem Publikum und in einem Milieu vorträgt, das darauf nicht eingestimmt ist. Dante transformiert mit seinem Selbstkommentar nicht nur seine eigene Dichtung, sondern er versucht auch, das ihm vom Schicksal zugeführte höfische Troubadours-Publikum für die Philosophie zu gewinnen. Im Gegensatz zum Publikum der Documenti eines Francesco da Barberino oder des Inferno-Kommentars eines Graziolo de' Bambaglioli, deren Rezipienten ebenfalls außerhalb des universitären Schulbetriebs der Philosophie anzusiedeln sind, handelt es sich bei der Leser- und Zuhörerschaft Dantes um ein Publikum ohne Lateinkenntnisse. Diese Tatsache hat den Alighieri dazu bewogen, die Sprache der Philosophie dem Bildungsstand des Publikums anzupassen und seine Schrift nicht in Latein, der Sprache der Schulphilosophie, sondern in der italienischen Volkssprache zu redigieren. Das Verfassen
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volkssprachlicher philosophischer Texte war zu Dantes Zeit weder originell noch selten116 , was jedoch das Unternehmen des Alighieri für die Geistesgeschichte so interessant macht, ist die Tatsache, daß der Florentiner die Transformation der Sprache der Philosophie bewußt vorgenommen, ausführlich begründet und zum Programm erklärt hat. Nebst der Polemik gegen die Ankläger der italienischen Volkssprache und Verehrer des Provenzalischen liefert deshalb Dantes Auseinandersetzung mit dem Latein als Sprache der Schulphilosophie den zweiten wichtigen Hinweis zur gesellschaftlichen und geistesgeschichtlichen Situierung des Convivio. Dante faßte laut eigenen Angaben während der Abfassungszeit des ersten Buches des Convivio den Entschluß zur Redaktion der Schrift De vulgari eloquentia, um das theoretische Fundament seines volkssprachlichen Schreibens nachzuliefern 117 • Im Gegensatz zu De vulgari eloquentia, wo Dante schlechthin für die Überlegenheit des vulgare vor dem Latein argumentiert, rechtfertigt er im Convivio die Wahl des Italienischen hauptsächlich mit einer konditionalen Argumentation. Erstens muß die Sprache des Kommentars der Sprache der Kanzonen entsprechen118 • Zweitens, und hier kann der Faden des höfischen Entstehungsmilieus und Zielpublikums wieder aufgenommen werden, will Dante die Sprache seiner Schrift dem Bildungsniveau der Adressaten, die zu einem überwiegenden Teil der lateinischen Sprache nicht kundig sind, anpassen: „Und das Latein hätte sie [die Kanzonen] nur den Gelehrten ausgelegt, denn die anderen hätten [den lateinischen Kommentar] nicht verstanden. Und da es mehr Ungelehrte als Gelehrte gibt, die diese zu verstehen wünschen, folgt, daß [das Latein] den Befehl nicht so vollkommen erfüllt hätte wie die Volkssprache, die von Gelehrten und Ungelehrten verstanden wird. ( ... )Die eigentliche Gabe des Kommentars ist die Auslegung Vgl. R. Imbach, Laien in der Philosophie des Mittelalters. Conv., 1, v, 10. 118 Cf. Conv., 1, v, 7. 116 117
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der Kanzonen, für die er geschaffen ist. Diese beabsichtigt in höchstem Maße die Menschen zu Wissen und Tugend zu führen, wie man aus der Tiefe ihrer Behandlung ersehen wird. Diese Auslegung gereicht jenen zum Nutzen, in denen wahrer Adel, gemäß der Art, die im vierten Traktat erklärt werden wird, gesät ist; und diese sind beinahe alle volkssprachlich, wie sie jene Adligen sind, die weiter oben in diesem Kapitel aufgezählt wurden" 119 • Nebst der Polemik gegen die Verehrer der Provenzalischen Volkssprache bildet die Kritik an den Schulgelehrten die zweite scharfe Attacke Dantes im Zusammenhang der Rechtfertigung der Wahl der Sprache seiner Schrift. Dante, der philosophische Laie, rechtfertigt seine translatio philosophie von der Universität an den Hof durch eine herbe Kritik an den Gelehrten und durch eine Umwertung aller scholastischen Werte, indem er die illitterati als die wahren Gelehrten bezeichnet und den litterati diesen Titel abspricht120. Die nach dem herkömmlichen Standesverständnis als Adlige geltenden Menschen, die sein Publikum darstellen und die er für die wahren Gelehrten hält, will Dante durch seine philosophische Unterweisung ihrerseits zum wahren Adel führen. Dante vollzieht also eine doppelte Übertragung: die Bezeichnungen 'Gelehrter' wird von den Schulgelehrten auf sein adliges Publikum übertragen und die herkömmliche Standesdefinition von Adel wird im vierten Buch durch eine philosophische ersetzt; das adlige Publikum soll zu wahrem Adel geführt werden. Die standeskritische Kehrseite dieser Transformation besteht darin, daß letztlich weder die Gelehrten wahre Gelehrte noch die Adligen wahre Adlige sind, es sei denn sie genügen den hohen Anforderungen Dantes. Der Alighieri hat durch die Erörterung der Frage nach dem wahren Adel im vierten Buch des Convivio keineswegs literarisches Neuland betreten, sondern ein ebenfalls von den Troubadours 119
Conv., I, vii, 12.
°Conv., I, ix, 2-3.
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besungenes Thema mit philosophischen Inhalten aus der scholastischen Tradition neu bestückt und im politischen Kontext der Auseinandersetzung zwischen Kaiser und Papst ausgestaltet. Die Frage nach dem wahren Adel, nach Tugendadel versus Geburts-oder Geldadel, hat die Troubadours lange vor Dante beschäftigt, was als weiterer Hinweis auf das höfische Entstehungsmilieu des Convivio gewertet werden kann 121 •
5. Das Gastmahl oder Philosophie für möglichst viele Wie Aristoteles am Anfang der Metaphysik sagt, streben alle Menschen von Natur aus nach Wissen 122 ; wie zahlreiche mittelalterliche Kommentatoren treffend bemerkt haben, erreichen dieses Ziel nur die wenigsten 123 • Was jedoch für Schulphilosophen wie Thomas von Aquin oder Johannes von Jandun ein Grund war, beiläufig ihren herausragenden Status als Kleriker, Universitätsprofessoren und Philosophen zu zelebrieren und sich von der unwissenden, faulen und sinnesfreudigen Masse abzuheben, und was Boethius von Dacien sogar dazu veranlaßte, die der Philosophie nicht zugewandten Menschen stark zu rügen und als Bestien von sich zu weisen124 , wird bei Dante zum Ausgangspunkt eines philosophisch-didaktischen Programms. Dante kommt zum Schluß, daß der überwiegend 121 Einiges dazu bei E. Köhler, Zur Diskussion der Adelsfrage bei den Trobadors. 122 Vgl. Met„ I, 1; 980a21. 123 Vgl. etwa Thomas von Aquino, In Met„ I, 1, 4; ScG I, c.4. Auch Johannes vonJandun, In Met. I, q. 4. Zitiert im Kommentar zu Conv„ I, i, 1. 124 "Et ideo dolere debent homines qui tantum delectationibus sensibilibus detinentur quod bona intellectualia omittunt, quia suum summum bonum numquam attingunt; tantum enim sunt dediti sensibus, quod non quaerunt quod est bonum ipsius intellectus. Contra quod exclamat Philosophus dicens: cVae vobis homines qui computati estis in numero bestiarum ei quod in vobis divinum est non intendentes• . " Boethius von Dacien, De summo bono, ed. N. Green-Pedersen, 369f.
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größte Teil der Menschheit wegen der Sorge um Familie und Gesellschaft vom edlen Geschäft des Philosophierens notwendigerweise ausgeschlossen bleibt und daß diese Tatsache sowohl entschuldbar als auch überwindbar ist125 • Falls Aristoteles recht haben soll, und davon geht auch Dante aus, so kann es nicht damit getan sein, festzustellen, daß in Wirklichkeit nur eine kleine Gruppe Auserwählter in den Genuß einer philosophischen Bildung kommt. Dante stellt sich im Anschluß an diesen Gedanken als denjenigen dar, der aus vollkommener Freigebigkeit den Kreis der philosophisch Gebildeten wesentlich erweitert und er kleidet dieses Unternehmen in das in seiner Zeit sowohl philosophisch als auch religiös aussagekräftige und symbolträchtige Motiv des Gastmahls. Obschon er selbst ebenfalls nicht zur Zunft der universitären Berufsphilosophen gehört und nicht an der glückseligen Tafel der Gelehrten sitzt, sondern nur zusammenliest, was von dieser herunterfällt, veranstaltet er mit dem, was er davon aufbewahrt hat 126 für die "beinahe unzählbaren" 127 , denen das philosophische „Brot der Engel" 128 bisher stets versagt geblieben ist, ein „ Gastmahl" 129 • Die Wahl dieser Metapher erweist sich in mancher Hinsicht als sehr geschickt, denn das Gastmahl ist ein in verschiedenen Diskursen und gesellschaftlichen Realitäten allgemein verständliches und traditionsbeladenes Leitmotiv, das reich variiert werden kann. Dantes Vermittlung der Philosophie an möglichst viele, motivisch verkleidet als ein aus vollkommener Freigebigkeit veranstaltetes Gastmahl, stellt in erster Linie eine Anspielung an den Kontext des Hofes und der Herrscher dar 130 , deren Freigebigkeit in einer großen Tradition der Troubadours Conv., I, i, 2-6. Conv., I, i, 10. 127 Conv., I, i, 6. 128 Conv., I, i, 7. 129 Conv., I, i, 11. 13°Conv., I, i, 19; viii-ix. Vgl. etwaJ. Bumke, Höfische Kultur, I, 240-275.
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Einleitung
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stets als hohe Fürstentugend besungen wurde 131 • Dante rückt sich in seinem literarischen Gastmahl kraft seiner Feder selbst in die Nähe seiner Gönner, wie er sich auch nur kraft se:iner Feder in die Nähe der Gelehrten bringt. Der vertriebene, heimat-und mittellose Dante setzt im Convivio in dieser Hinsicht zu einem Kraftakt der Kompensation an und kreiert sich mit Schreiben einen Status, der anderen in der mittelalterlichen Gesellschaft standesbedingt zukommt. Durch sein "freigebiges Gastmahl" wird er zum Fürsten, durch die philosophische Unterweisung seiner Zuhörer-und Leserschaft zum Magister der Philosophie. Daß er eine zur herkömmlichen Aristotelesauslegung querstehende Deutung des ersten Satzes der Aristotelischen Metaphysik vornimmt, indem er eigentlich Aristoteles nur etwas genauer beim Wort nimmt, als die sich auf ihn immer wieder berufende Zunft, ist einer der zahlreichen Beispiele für Dantes kreativen Umgang mit abgegriffenen Texten der Scholastik. Johannes von Jandun wird einige Jahre nach der Niederschrift von Dantes Convivio diejenige Questio seines Metaphysikkommentars, in der er selbstbewußt darlegt, daß einigen zu abstraktem Denken fähigen Philosophen die Erkenntnis Gottes möglich ist, mit der Aufforderung beenden, daß diejenigen Menschen, die diesen Grad von Abstraktion nicht erreichen können, das Brot der Philosophen besser nicht essen sollten 132 • Im Lichte dieser ins schulphilosophische Gegenteil gewendeten Brotmetapher J anduns machen Dantes mit verschiedenen Brotmetaphern aus geschmückte Variationen des Gastmahl-Themas deutlich, daß die Wahl des Titels und die damit verbundene Motivik eine bewußte Rekontextualisierung der Philosophie bedeuten. Dante selbst gibt anläßlich der Erklärung, inwiefern 131 Vgl. Einiges dazu in 0. Longo, Liberalitä, dono, gratitudine: fra medioevo cortese e grecia antica. 132 "noli comedere panem philosophorum inutiliter, quia non es aptus ad philosophiam, sed ad arandum et ad scientias mecanicas, unde sie passet dici ad quemlibet rudern non eures disputare et philosophari, non es aptus ad hoc." (Johannes von Jandun, Questiones in Met., II, 4; 26va).
LIV
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das Convivio ein Akt der Freigebigkeit sei, zu bedenken, daß sein Kommentar, im Gegensatz zu den lateinischen Werken der Schulphilosophie, nicht ein Auftragswerk sei und nicht aus Erfüllung einer Amtspflicht geschrieben wurde, sondern eben aus freien Stücken, aus reiner Großzügigkeit und Freigebigkeit, die darin bestehe, möglichst vielen nützliche Dinge zu geben 133 • Obschon Dante vielleicht auch bei dieser Art der Selbstdarstellung aus seiner Not eine Tugend macht, kann doch nicht in Abrede gestellt werden, daß die meisten Kommentare der Schulphilosophie vom Curriculum vorgeschriebene Pflichtprodukte des universitären Lehrbetriebs gewesen sind. Albert der Große zum Beispiel schrieb seinen Physikkommentar für den kleinen Kreis der Dominikanerstudenten des studium generale 134 , Thomas von Aquinos Summa theologiae richtete sich an den beschränkten Kreis der Studienanfänger der Theologie 135 • Dante nutzt die Situation des ihm fehlenden Publikums und festen institutionellen Kontextes zu seinem Vorteil und schreibt für die „Unzählbaren", für möglichst Viele, für die „Masse", die an den Schulen in den Kommentaren zum ersten Satz der Aristotelischen Metaphysik mit einer abschätzigen Nebenbemerkung von der Philosophie ausgegrenzt werden. Er bringt dabei den aus universitärer Sicht gesehen niederen Status seiner Philosophie und die den Ansprüchen der Schulphilosophie nicht entsprechende Sprache seines Unternehmens in einer weiteren Ausschöpfung des Gastmahlsgleichnisses mit der Metapher des Gerstenbrotes zum Ausdruck, das im Gegensatz zum Weizen Conv ., l, ix, 10. .Intentio nostra in scientia naturali est satisfacere pro nostra possibilitate fratribus ordinis nostri nos rogantibus ex pluribus iam praecedentibus annis, ut talem librum de physicis eis componeremus." (Albert der Große, Physica, 1, 1, c. 1). 135 .Quia catholicae veritatis doctor non solum provectos sappia ciaseuno ehe nulla eosa per legame musaieo armonizzata si puo de la sua loquela in altra transmutare, sanza rompere tutta sua dolcezza e armonia. (15) E questa e la eagione per ehe Omero non si muto di greeo in latino, eome ! 'altre seritture ehe avemo da loro. E questa e la eagione per ehe li versi del Salterio sono sanza dolcezza di musiea e d' armonia; ehe essi furono transmutati d'ebreo ingreeo edi greeo inlatino, e ne la prima transmutazione tutta quella dolcezza venne meno. (16) E eosi e eonehiuso eiO ehe si promise nel prineipio del eapitolo dinanzi a questo immediate. viii. Quando e mostrato per le suffieienti ragioni eome, per eessare diseonvenevoli disordinamenti, eonverrebbe, [a le] nominate eanzoni aprire e mostrare, eomento volgare e non latino, mostrare intendo eome aneora pronta liberalitate mi feee questo eleggere e l'altro lasciare. (2) Puotesi adunque la pronta libe-
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mand zweifelt daran, daß, wenn sie mit lauter Stimme befehlen würden, dies ihr Befehl wäre. (12) Und das Latein hätte sie nur den Gelehrten ausgelegt, denn die anderen hätten [den lateinischen Kommentar] nicht verstanden. Und da es mehr Ungelehrte als Gelehrte gibt, die diese [Kanzonen] zu verstehen wünschen, folgt, daß [das Latein] den Befehl nicht so vollkommen erfüllt hätte wie die Volkssprache, die von Gelehrten und Ungelehrten verstanden wird. (13) Weiter hätte das Latein sie Leuten anderer Sprache ausgelegt, wie etwa Deutschen, Engländern und anderen, und darin hätte es den Befehl [der Kanzonen] überschritten; denn gegen ihren Willen wäre es, - ich verstehe es im übertragenen Sinn-, wenn ihre Aussage dort ausgelegt würde, wohin sie diese nicht mit ihrer Schönheit tragen können. (14) Und diesbezüglich wisse jeder, daß man kein durch musikalische Bindung harmonisiertes Werk aus seiner Sprache in eine andere übertragen kann, ohne seine ganze Süße und Harmonie zu zerstören. (15) Und dies ist der Grund, weswegen Homer nicht aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt wurde, wie die anderen Schriften, die wir von ihnen haben. Und dies ist der Grund, weswegen die Verse des Psalters keine musikalische und harmonische Süße haben; denn sie wurden aus dem Hebräischen ins Griechische und vom Griechischen ins Lateinische übertragen, und in der ersten Übertragung verschwand jene ganze Süße. (16) Und so ist erschlossen, was zu Beginn des unmittelbar vorangehenden Kapitels versprochen worden war. viii. Nachdem durch hinreichende Argumente gezeigt worden ist, inwiefern zur ihrer Entschlüsselung und Darlegung den genannten Kanzonen, um unpassende Unordnung zu vermeiden, ein volkssprachlicher und nicht ein lateinischer Kommentar zukommen würde, beabsichtige ich [nun] zu zeigen, wie mich zudem vollendete Freigebigkeit veranlaßt hat, die [Volkssprache] zu wählen und die andere zu lassen. (2) Man kann nämlich die vollendete Freigebigkeit in drei Punkten
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ralitate in tre cose notare, le quali seguitano questo volgare, e lo latino non averebbero seguitato. La prima e dare a molti; la seconda e dare utili cose; la terza e, sanza essere domandato lo dono, dare quello. (3) Che dare a uno e giovare a uno ebene; ma dare a molti e giovare a molti e pronto bene, in quanto prende simiglianza da li benefici di Dio, ehe e universalissimo benefattore. (4) E ancora, dare a molti e impossibile sanza dare a uno, accio ehe uno in molti sia inchiuso; ma dare a uno si puo bene, sanza dare a molti. Pero chi giova a molti fa l'uno bene e l'altro; chi giova a uno, fa pur un bene: onde vedemo li ponitori de le leggi massimamente pur a li piU comuni beni tenere confisi li occhi, quelle componendo. (5) Ancora, dare cose non utili al prenditore pure ebene, in quanto colui ehe da mostra almeno se essere amico; ma non e perfetto bene, e cosi non e pronto: come quando uno cavaliere donasse ad uno medico uno scudo, e quando uno medico donasse a uno cavaliere inscritti liAphorismi d'lpocras ovvero li Tegni di Galieno. Per ehe li savi dicono ehe la faccia del dono dee essere simigliante a quella del ricevente, cioe a dire ehe si convegna con lui, e ehe sia utile: e in quello e detta pronta liberalitade di colui ehe cosi diceme donando. (6) Ma pero ehe li morali ragionamenti sogliono dare desiderio di vedere l'origine loro, brevemente in questo capitolo intendo mostrare quattro ragioni, per ehe di necessitade lo dono, accio ehe in quello sia pronta liberalitade, conviene essere utile a chi riceve. (7) Primamente, pero ehe la verru dee essere lieta, e non trista in alcuna sua operazione; onde se 'l dono non e lieto nel dare e nel ricevere, non ein esso perfetta verru, non e pronta. Questa
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feststellen, die der volkssprachliche [Kommentar] zur Folge hat und der lateinische nicht zur Folge hätte. Der erste besteht darin, vielen zu geben; der zweite, nützliche Dinge zu geben; der dritte, die Gabe zu geben, ohne gefragt worden zu sein. (3) Denn einem zu geben und einem zu helfen, ist gut; aber vielen zu geben und vielen zu helfen, ist besser, insofern es den Wohltaten Gottes ähnlich ist, der der umfassendste Wohltäter ist. (4) Und weiter: Vielen zu geben ist unmöglich, ohne einem zu geben, und zwar weil der eine in den vielen enthalten ist; aber einem [einzelnen] kann man wohl geben, ohne vielen zu geben. Denn wer vielen hilft, vollbringt die eine Wohltat und die andere; wer einem [einzelnen] hilft, vollbringt nur eine [einzige] Wohltat: deswegen sehen wir, daß die Gesetzgeber, wenn sie die [Gesetzte] erarbeiten, das allgemeinste Wohl vor Augen haben. (5) Weiter: Dem Empfänger unnütze Dinge zu geben, ist ebenfalls gut, insofern der Gebende mindestens zeigt, daß er Freund ist; aber dies ist keine vollkommene Wohltat, und so ist sie nicht vollendet, wie wenn ein Ritter einem Arzt ein Schild geben würde oder ein Arzt einem Ritter die Schrift Die Aphorismen des Hippokrates oder die Tegni des Galen. Denn die Weisen sagen, daß das Aussehen der Gabe jenem des Empfängers ähnlich zu sein hat, was soviel bedeutet, wie sie hat mit ihm übereinzustimmen und [ihm] nützlich zu sein; und die Freigebigkeit desjenigen, der im Geben derart unterscheidet, wird vollendet genannt. (6) Aber weil moralische Überlegungen im Allgemeinen den Wunsch wecken, ihren Ursprung zu sehen, beabsichtige ich in diesem Kapitel kurz vier Gründe darzulegen, die [erklären], weswegen es der Gabe, damit in ihr vollendete Freigebigkeit sei, notwendigerweise zukommt, dem Empfänger nützlich zu sein. (7) Erstens, weil die Tugend in jeder ihrer Tätigkeiten heiter zu sein hat und nicht traurig; weswegen die Wohltat, wenn sie im Geben und im Empfangen nicht heiter ist, nicht vollkommener Tugend entspringt, sie [also] nicht vollendet ist. Diese Heiterkeit kann nichts anderes als Nützlichkeit bewirken, die
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Convivio 1 · viii, 7-13
letizia non puo dare altro ehe utilitade, ehe rimane nel datore per lo dare, e ehe viene nel ricevitore per ricevere. (8) Nel datore adunque dee essere la providenza in far si ehe de la sua parte rimagna l'utilitade de l'onestate, ch'e sopra ogni utilitade, e far siehe a lo ricevitore vada l 'utilitade de l 'uso de la cosa donata; e cosi sara l'uno e l'altro lieto, e per consequente sara piu pronta la liberalitade. (9) Secondamente, pero ehe la vertU dee muovere le cose sempre al migliore. Che cosi come sarebbe biasimevole operazione fare una zappa d'una bella spada o fare un bel nappo d 'una bella chitarra, cosi e biasimevole muover la cosa d 'un luogo dove sia utile e portarla in parte dove sia meno utile. (10) E pero ehe biasimevole e invano adoperare, biasimevole e non solamente a porre la cosa in parte dove sia meno utile, ma eziandio in parte ove sia igualmente utile. (11) Onde, acciO ehe sia laudabile lo mutare de le cose, conviene sempre essere [al] migliore, per cio ehe dee massimamente essere laudabile: e questo non [si] puo fare nel dono, se 'l dono per transmutazione non viene piu caro; ne piU caro puo venire, se esso non e piu utile ad usare al ricevitore ehe al datore. Per ehe si conchiude ehe 'l dono conviene essere utile a chi lo riceve, accio ehe sia in esso pronta liberalitade. (12) Terziamente, pero ehe la operazione de la verru per se dee essere acquistatrice d'amici; con cio sia cosa ehe la nostra vita di quello abbisogni, e lo fine de la verru sia la nostra vita essere contenta. Onde accio ehe 'l dono faccia lo ricevitore amico, conviene a lui essere utile, pero ehe l 'utilitade sigilla la memoria de la imagine del dono, l[a] quale e nutrimento de l'amistade; e tanto piU forte, quanto essa e migliore. (13) Onde suole dire Martino: "non cadera de la mia mente lo dono ehe mi fece Giovanni". Per ehe,
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aufgrund des Gebens im Gebenden bleibt und die aufgrund des Empfangens in den Empfänger gelangt. (8) Im Gebenden also muß die Voraussicht sein, so zu handeln, daß für seine Seite der Nutzen der Ehrenhaftigkeit bleibt, die über allem Nutzen [steht] und [zugleich] muß er so handeln, daß den Empfänger der Nutzen der Benützung des gegebenen Dinges erreicht; und so wird der eine und der andere heiter und folglich wird die Freigebigkeit vollendeter sein. (9) Zweitens aber, daß die Tugend die Dinge immer zum Besseren hinbewegen muß. Denn, so wie es eine tadelnswerte Handlung wäre aus einem schönen Schwert eine Hacke oder eine schöne Wasserkanne aus einer schönen Laute zu machen, so ist es tadelnswert, ein Ding von einem Ort, an dem es nützlich ist, wegzubewegen und es dorthin zu tragen, wo es weniger nützlich ist. (10) Und weil es tadelnswert ist vergebens zu handeln, ist es nicht nur tadelswert ein Ding dorthin zu bringen, wo es weniger nützlich ist, sondern ebenso es dorthin [zu bringen], wo es gleichermaßen nützlich ist. (11) Weswegen, damit das Verändern der Dinge lobenswert sei, es immer zum Besseren sein muß, denn es muß in höchstem Masse lobenswert sein: und dies ist bei einer Gabe nicht der Fall, wenn die Gabe nicht durch die Veränderung wertvoller wird; wertvoller kann sie nicht werden, wenn sie dem Empfänger zum Gebrauch nicht nützlicher ist als dem Gebenden. Weswegen gefolgert wird, daß die Gabe dem Empfänger nützlich zu sein hat, damit in ihr vollendete Freigebigkeit ist. (12) Drittens, daß für sich genommen die Handlung der Tugend Freunde schaffen muß; wozu weiter gehört, daß unser Leben dies nötig hat und daß das Ziel der Tugend darin besteht, daß unser Leben glücklich ist. Damit die Gabe den Empfänger zum Freund macht, muß sie ihm nützlich sein, denn die Nützlichkeit prägt im Gedächtnis das Bild der Gabe ein, das die Nahrung der Freundschaft ist; und dies um so stärker, je besser [die Gabe] ist. (13) Deswegen pflegt Martin zu sagen: "Das Geschenk, das mir Johannes gemacht hat, wird nicht aus meiner Erinnerung verschwinden". Damit in der Gabe ihre
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accio ehe nel dono sia la sua vertit, la quale e liberalitade, e ehe essa sia pronta, conviene essere utile a chi riceve. (14) Ultimamente, pero ehe la verru dee avere atto libero e non sforzato. Atto libero e quando una persona va volentieri ad alcuna parte, ehe si mostra nel tener volto lo viso in quella; atto sforzato e quando contra voglia si va, ehe si mostra in non guardare ne la parte dove si va. (15) E allora si guarda lo dono a quella parte, quando si dirizza al bisogno de lo ricevente. E pero ehe dirizzarsi ad esso non si puo se non sia utile, conviene, accio ehe sia con atto libero la verru, essere [utile] lo dono a la parte ov'elli vae, eh' e lo ricevitore; e per eonsequente conviene essere ne lo dono l'utilita de lo ricevitore, aeeio ehe quinci sia pronta liberalitade. (16) La terza cosa, ne la quale si puo notare la pronta liberalitade, sie dare non domandato: aeeiO ehe 'l domandato e da una parte non verru ma mercatantia, pero ehe lo ricevitore compera, tutto ehe 'l datore non venda. Per ehe dice Seneea ehe "nulla eosa piu eara si eompera ehe quella dove i prieghi si spendono". (17) Onde acciO ehe nel dono sia pronta liberalitade e ehe essa si possa in esso notare, a[nc]ora si conviene esser netto d'ogni atto di mercatantia, conviene esser lo dono non domandato. (18) Ferche si earo eosta quello ehe si priega, non intendo qui ragionare, perehe sufficientemente si ragionera ne l'ultimo trattato di questo libro. ix. Da tutte le tre sopra notate eondizioni, ehe convegnono coneorrere aceio ehe sia nel beneficio la pronta liberalitade, era lo comento latino [lontano], e lo volgare e eon quelle, si eome si puo manifestamente cosi contare. (2) Non avrebbe lo latino
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Tugend sei, d.h. die Freigebigkeit, sei, und damit diese vollendet sei, muß sie dem Empfänger nützlich sein. (14) Als letztes schließlich, daß die Handlung der Tugend frei und nicht erzwungen sein muß. Eine freie Handlung ist es, wenn eine Person gern irgendwohin geht, was darin zum Ausdruck kommt, daß sie den Blick dahin wendet; eine erzwungene Handlung ist es, wenn man entgegen seinem Willen geht, was darin zum Ausdruck kommt, daß man nicht in die Laufrichtung blickt. (15) Und dann also blickt die Gabe in jene Richtung, wenn sie sich nach dem Bedürfnis des Empfängers richtet. Und weil sie sich nicht nach ihm ausrichten kann, wenn sie nicht nützlich ist, muß die Gabe, damit die Handlung der Tugend frei ist, der Seite zu der sie geht, nämlich dem Empfänger, [nützlich] sein; und folglich muß in der Gabe der Nutzen des Empfängers vorhanden sein, damit von da her die Freigebigkeit vollendet sei. (16) Der dritte Umstand, an dem man vollendete Freigebigkeit erkennen kann, ist das ungefragte Geben: denn das gefragte [Geben] ist von einer Seite her nicht Tugend sondern Warenhandel, weil der Empfänger kauft, obschon der Geber nicht verkauft. Deswegen sagt Seneca, daß "kein Ding teurer gekauft wird, alsjenes, womitBittengehandeltwird". (17) Damit in der Gabe vollendete Freigebigkeit ist und diese [Freigebigkeit] in ihr wahrgenommen werden kann, ist nicht nur notwendig, daß die Gabe von jeder Geste des Warenhandels frei ist, sondern auch ungefragt. (18) Weswegen das Erbittete derart teuer zu stehen kommt, gedenke ich hier nicht darzulegen, denn dies wird im letzten Traktat dieses Buches zur Genüge erörtert werden. ix. Von diesen drei oben genannten Bedingungen, die zusammenspielen müssen, auf daß in der Gabe vollendete Freigebigkeit sei, war der lateinische Kommentar (weit entfernt), aber der volkssprachliche Kommentar verträgt sich mit ihnen, was man offensichtlich folgendermaßen darlegen kann. (2) Der la-
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cosi servito a molti: ehe se noi reducemo a memoria quello ehe di sovra e ragionato, li litterati fuori di lingua italica non averebbono potuto avere questo servigio, e quelli di questa lingua, se noi volemo bene vedere chi sono, troveremo ehe de' mille l'uno ragionevolmente non sarebbe stato servito; pero ehe non l' averebbero ricevuto, tanto sono pronti ad avarizia ehe da ogni nobilitade d' animo li rimuove, la quale massimamente desidera questo cibo. (3) E a vituperio di loro dico ehe non si deono chiamare litterati, pero ehe non acquistano la lettera per lo suo uso, ma in quanto per quella guadagnano denari o dignitate; si come non si dee chiamare citarista chi tiene la cetera in casa per prestarla per prezzo, e non per usarla per sonare. (4) Tornando dunque al principale proposito, dico ehe manifestamente si puo vedere come lo latino averebbe a pochi dato lo suo beneficio, ma lo volgare servira veramente a molti. (5) Che la bonta de l'animo, la quale questo servigio attende, ein coloro ehe per malvagia disusanza del mondo hanno lasciata la litteratura a coloro ehe l 'hanno fatta di donna meretrice; e questi nobili sono principi, baroni, cavalieri, e molt'altra nobile gente, non solamente maschi ma femmine, ehe sono molti e molte in questa lingua, volgari, e non litterati. (6) Ancora, non sarebbe lo latino stato datore d'utile dono, ehe sara lo volgare. Pero ehe nulla cosa e utile, se non in quanto e usata, ne e la sua bontade in potenza, ehe non e essere perfettamente; si come I' oro, le margarite e li altri tesori ehe sono sotterrati. ........ ; pero ehe quelli ehe sono a mano de l'avaro sono in piU basso loco ehe non e la terra Ia dove lo tesoro e nascosto. (7) Lo dono veramente di questo comento e la sentenza de le canzoni a le quali fatto e, la qual massimamente intende inducere li uomini a scienza e a vertil, si come
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teinische hätte so nicht vielen gedient: wenn wir uns das oben Dargelegte in Erinnerung rufen, so hätten die Gelehrten außerhalb [des Bereiches] der italienischen Sprache diesen Dienst nicht haben können. Und bezüglich [der Gelehrten] dieser Sprache werden wir, wenn wir genau hinschauen, wer sie sind, vernünftigerweise finden, daß von tausend nicht einer bedient worden wäre: sie hätten ihn nicht empfangen, weil sie so sehr zum Geiz neigen, daß sie von jener Erhabenheit der Seele entfernt sind, der am meisten nach dieser Nahrung verlangt. (3) Und als Tadel an ihre Adresse sage ich, daß man sie nicht Gelehrte nennen soll, denn sie erwerben das Wissen nicht zu seinem Gebrauch, sondern um dadurch Geld oder Ehre zu erwerben; so wie man nicht Zitherspieler nennen soll, wer eine Zither zu Hause hat, um sie gegen Geld auszuleihen und nicht um sie zum Spielen zu gebrauchen. (4) Zum eigentlichen Vorhaben zurückkehrend sage ich, daß man offensichtlich sehen kann, wie das Latein seine Wohltat wenigen gegeben hätte, aber die.Volkssprache wird wirklich vielen dienen. (5) Denn die Güte des Geistes, der dieser Dienst verpflichtet ist, findet sich in jenen, die, wegen des schrecklichen Missbrauchs der Welt, die Literatur jenen andern überlassen haben, die aus ihr eine Prostituierte gemacht haben; und diese Edlen sind Prinzen, Grafen, Ritter und viele andere edle Menschen, nicht nur Männer, sondern auch Frauen, die in dieser Sprache zahlreich sind [und diese sind] volkssprachlich und nicht gebildet. (6) Weiter wäre das Latein nicht Geber einer nützlichen Gabe gewesen, was die Volkssprache sein wird. Denn kein Ding ist nützlich, wenn es nicht benützt wird und wenn seine Gutheit nur dem Vermögen nach ist, was dem Haben von vollkommenen Sein nicht gleichkommt; so wie das Gold, die Perlen und die anderen vergrabenen Schätze .... ; denn jene, die der Geizige zur Hand hat, sind an einem niedrigeren Ort, als es die Erde dort ist, wo der Schatz verborgen ist. (7) Die eigentliche Gabe dieses Kommentars ist die Auslegung der Kanzonen, für die er geschaffen ist. Diese [Auslegung] beab-
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si vedra per lo pelago del loro trattato. (8) Questa sentenza non possono non avere in uso quelli ne li quali vera nobilitä e seminata per lo modo ehe si dirä nel quarto trattato; e questi sono quasi tutti volgari, si eome sono quelli nobili ehe di sopra, in questo capitolo, sono nominati. (9) E non ha eontradizione perehe aleuno litterato sia di quelli; ehe, si eome diee il mio maestro Aristotile nel primo de l 'Etica, "una rondine non fa primavera". E adunque manifesto ehe lo volgare dara eosa utile, e lo latino non l'averebbe data. (10) Aneora, dara lo volgare dono non dimandato, ehe non l'averebbe dato lo latino: pero ehe dara se medesimo per eomento, ehe mai non fu domandato da persona; e questo non si puo dire de lo latino, ehe per eomento e per ehiose a molte seritture e giä stato domandato, si eome ne' loro prineipii si puo vedere apertamente in molte. (11) E eosi e manifesto ehe pronta liberalitade mi mosse al volgare anzi ehe a lo latino. x. Grande vuole essere la seusa, quando a eosi nobile eonvivio per le sue vivande, a eosi onorevole per li suoi eonvitati, s'appone pane di biado e non di frumento; e vuole essere evidente ragione ehe partire faeeia l 'uomo da quello ehe per li altri e stato servato lungamente, si eome di eomentare eon latino. (2) E pero vuole essere manifesta la ragione, ehe de le nuove eose lo fine non e eerto; aeeiO ehe la esperienza non e mai avuta onde le eose usate e servate sono e nel proeesso e nel fine eommisurate. (3) Pero si mosse la Ragione a eomandare ehe l 'uomo avesse diligente riguardo ad entrare nel nuo-
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sichtigt in höchstem Masse die Menschen zu Wissen und Tugend zu führen, wie man aus der Tiefe ihrer Behandlung ersehen wird. (8) Diese Auslegung gereicht jenen zum Nutzen, in denen wahrer Adel, gemäß der Art, die im vierten Traktat erklärt werden wird, gesät ist; und diese sind beinahe alle volkssprachlich, wie es jene Edlen sind, die weiter oben in diesem Kapitel aufgezählt wurden. (9) Und dem widerspricht nicht, daß einzelne Gelehrte zu diesen gehören; denn, wie mein Lehrer Aristoteles im ersten Buch der Ethik sagt, macht eine Schwalbe noch keinen Frühling. Also ist offenkundig, daß die Volkssprache nützliche Dinge geben wird und daß das Latein diese nicht gegeben hätte. (10) Weiter wird die Volkssprache ungefragte Gabe geben, was das Latein nicht getan hätte: denn sie wird sich selbst als Kommentar geben, was noch nie von jemandem erbeten worden ist; und dies kann man vom Latein nicht sagen, das als Kommentar und als Glosse zu vielen Schriften bereits verlangt worden ist; wie man in ihren Einleitungen in vielen deutlich sehen kann. (11) Und so ist offenkundig, daß vollendete Freigebigkeit mich zur Wahl der Volkssprache statt des Lateins bewegt hat. x. Umfassend hat die Entschuldigung zu sein, wenn bei einem ob seiner Speise so edlen [und] ob seiner Gäste so ehrenwerten Gastmahl Brot aus Gerste statt aus Weizen gereicht wird; und es bedarf eines offensichtlichen Grundes, wenn jemand Abstand nimmt von dem, was von den anderen während langer Zeit aufgetragen worden ist, wie es beim Kommentieren in lateinischer Sprache [der Fall ist]. (2) Und der Grund muß deshalb offenkundig sein, weil das Ende der neuen Dinge nicht gewiß ist; und dies, weil die Erfahrung, durch die die benutzten und aufgetragenen Dinge sowohl bezüglich ihrer Entwicklung als auch bezüglich ihres Endes bemessen werden, noch nie gemacht wurde. (3) Deshalb erließ das Römische Recht den Befehl, der Mensch solle beim Betreten des neuen Weges sorg-
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vo eammino, dieendo ehe "ne lo statuire le nuove eose evidente ragione dee essere quella ehe partire ne faecia da quello ehe lungamente e usato". (4) Non si maravigli dunque aleuno se lunga e la digressione de la mia seusa, ma, si eome neeessaria, la sua lunghezza paziente sostenga. (5) La quale proseguendo, dico ehe - poi eh'e manifesto eome per eessare diseonvenevole disordinazione e eome per prontezza di liberalitade io mi mossi al volgare eomento e laseiai lo latino - l'ordine de la intera seusa vuole eh'io mostri eome a eio mi mossi per lo naturale amore de la propria loquela; ehe e la terza e !'ultima ragione ehe a eiO mi mosse. (6) Dieo ehe lo naturale amore prineipalmente muove l'amatore a tre eose: l'una sie a magnifieare l'amato; l'altra e ad esser geloso di quello; l'altra e a difendere lui, si eome ciaseuno puo vedere eontinuamente avvenire. E queste tre eose mi feeero prendere lui, cioe lo nostro volgare, lo qual naturalmente e aeeidentalmente amo e ho amato. (7) Mossimi prima per magnifieare lui. E ehe in eiO io lo magnifieo, per questa ragione vedere si puo: avvegna ehe per molte eondizioni di grandezze le eose si possono magnifieare, eioe fare grandi, e nulla fa tanto grande quanto la grandezza de la propia bontade, la quale e madre e eonservatrice de !'altre grandezze. (8) Onde nulla grandezza puote avere l'uomo maggiore ehe quella de la virtuosa operazione, ehe e sua propia bontade; per la quale le grandezze de le vere dignitadi, de 1i veri onori, de le vere potenze, de le vere rieehezze, de li veri amici, de la vera e ehiara fama, e aequistate e eonservate sono. (9) E questa grandezza do io a questo amieo, in quanto quello elli di bontade avea in podere e oeeulto,
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fältig achtgeben, indem es sagt: „Beim Festlegen neuer Dinge muß der Grund, der von dem, was lange in Gebrauch war, Abstand nehmen läßt, offensichtlich sein." (4) Niemand wundere sich also, wenn die Darlegung meiner Entschuldigung sich hinzieht, sondern er ertrage ihre Länge, da sie notwendig ist, mit Geduld. (5) Mit der [Entschuldigung] fortfahrend sage ich, - zumal Uetzt] offenkundig ist, wie ich, um unpassende Unordnung zu vermeiden und aus vollendeter Freigebigkeit, mich dem volkssprachlichen Kommentar zuwandte und vom lateinischen Abstand nahm-, daß die Ordnung der ganzen Entschuldigung danach verlangt, daß ich zeige, inwiefern mich die natürliche Liebe zur eigenen Sprache dazu veranlaßt hat; dies ist der dritte und letzte Grund, der mich dazu bewegt hat. (6) Ich sage, daß die natürliche Liebe den Liebenden hauptsächlich zu drei Verhaltensweisen bewegt: die eine besteht darin, das Geliebte überschwenglich zu loben; die andere besteht darin, diesem gegenüber leidenschaftlich zu sein; die dritte besteht darin, dieses zu verteidigen, wie jeder tagtäglich feststellen kann. Und diese drei Verhaltensweisen führten mich zu ihrer Wahl, d.h. unserer Volkssprache, die ich vonNaturaus und akzidentell liebe und [stets] geliebt habe. (7) An erster Stelle bewegte mich, sie zu loben. Und daß ich sie hiermit lobe, kann man folgender Überlegung entnehmen: Es verhält sich so, daß die Dinge durch viele Bedingungen der Größe gelobt, d.h. groß gemacht werden können, und keine macht so groß wie die Größe der eigenen Güte, die Mutter und Bewahrerin der anderen Größen ist. (8) Deshalb kann der Mensch keine umfassendere Größe haben als jene der tugendhaften Handlung, die seine eigene Güte ist; durch sie wird die Größe der echten Würden, der echten Ehren, der echten Fähigkeiten, des echten Reichtums, der echten Freunde und des echten und ungetrübten Ruhmes erworben und bewahrt. (9) Und diese Größe gebe ich dieser Freundin; insofern ich das, was sie an Güte dem Vermögen nach und verborgen besaß, verwirkliche und offenkundig
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Convivio 1. x, 9-13
io lo fo avere in atto e palese ne la sua propria operazione, ehe e manifestare conceputa sentenza. (10) Mossimi secondamente per gelosia di lui. La gelosia de l'amico fa l'uomo sollicito a lunga provedenza. Onde pensando ehe lo desiderio d'intendere queste canzoni, a alcuno illitterato avrebbe fatto lo comento latino transmutare in volgare, e temendo ehe 'l volgare non fosse stato posto per alcuno ehe l'avesse laido fatto parere, come fece quelli ehe transmuto lo latino de l 'Etica - cio fu Taddeo ipocratista - , providi a ponere lui, fidandomi di me piii ehe d'un altro. (11) Mossimi ancora per difendere lui da molti suoi accusatori, li quali dispregiano esso e commendano li altri, massimamente quello di lingua d'oco, dicendo ehe e piii bello e migliore quello ehe questo; partendose in ciO da la veritade. (12) Che per questo comento la gran bontade del volgare di si [si vedra]; pero ehe si vedra la sua vertU:, si com'e per esso altissimi e novissimi concetti convenevolemente, sufficientemente e acconciamente, quasi come per esso latino, manifestare; [la quale non si potea bene manifestare] ne le cose rimate, perle accidentali adomezze ehe quivi sono connesse, cioe la rima e lo ri[ti]mo e lo numero regolato: si come non si puo bene manifestare la bellezza d 'una donna, quando li adomamenti de l 'azzimare e de Je vestimenta la fanno piii ammirare ehe essa medesima. (13) Onde chi vuol ben giudicare d'una donna, guardi quella quando solo sua naturale bellezza si sta con lei, da tutto accidentale adomamento discompagnata: si come sara questo comento, nel quale si vedra l'agevolezza de le sue sillabe, le proprietadi de le sue co[stru]zioni e le soavi orazioni ehe di lui si fanno; le quali chi bene agguardera, vedra essere piene di dolcissima e d' ama-
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mache in ihrer eigenen Handlung, die in der Darlegung des enthaltenen Sinnes besteht. ( 10) Zweitens bewegte mich die Leidenschaft für die Geliebte. Die Leidenschaft für die befreundete Person macht einen Menschen auf lange Sicht hinaus besorgt. Da ich dachte, daß der Wunsch, diese Gedichte zu verstehen, irgendeinen Ungebildeten veranlassen könnte, den lateinischen Kommentar in die Volkssprache umzusetzten, und da ich befürchtete, daß die Volkssprache von jemandem gehandhabt würde, der sie häßlich erscheinen läßt, wie es jener tat, der das Latein der Ethik umsetzte - das war Taddeo Alderotti, der Hippokrates-Kommentator-, sah ich mich vor, diesen zu verfassen, mir mehr trauend als einem anderen. (11) Mich bewegte weiter, [die Volkssprache] gegenüber vielen ihrer Ankläger zu verteidigen, die sie verachten und andere rühmen, vor allem jene der Provence, wobei sie jene schöner und besser nennen als diese [und] sich hierbei von der Wahrheit entfernen. (12) Auf daß durch diesen Kommentar die große Güte der italienischen Volkssprache [ersichtlich werde]; auf daß man ihre Tugend erkennen möge, wenn durch [die Volkssprache] erhabenste und unerhörte Gedanken passend, stimmig und ordentlich, beinahe wie durch das Latein, dargelegt werden; (diese Gedanken konnten) in der gereimten Form, wegen der akzidentellen Ausschmückungen, die mit ihnen verbunden sind, nämlich der Reim, das Versmaß und die geregelte Zahl, (nicht gut dargelegt werden); so wie man die Schönheit einer Frau nicht gut zeigen kann, wenn der Schmuck des Putzes und der Kleider sie bewundernswerter machen als sie sich selbst. (13) Deswegen betrachte, wer über eine Frau richtig urteilen will, diese wenn nur ihre natürliche Schönheit sie begleitet und sie von aller akzidentellen Ausschmückung frei ist; so wie dieser Kommentar sein wird, in dem man die Leichtigkeit seiner Silben, die Besonderheiten seiner Konstruktionen und die angenehmen Reden, die von ihm gehalten werden, sehen wird; wer genau hinschaut, wird erkennen, daß all dies von süßester und liebenswertester
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Convivio I . x, 13 - xi, 5
bilissima bellezza. (14) Ma perö ehe virtuosissimo e, ne Ja 'ntenzione mostrare lo difetto e Ja malizia de lo aeeusatore, dirö, a eonfusione di eoloro ehe aeeusano Ja italiea loquela, perehe a ciö fare si muovono; e eiö farö al presente speziale eapitolo, perehe piU notevole sia Ja loro infamia. xi. A perpetuale infamia e depressione de li malvagi uomini d'ltalia, ehe eommendano lo volgare altrui e lo loro proprio dispregiano, dieo ehe Ja loro mossa viene da einque abominevoli eagioni. (2) La prima e eeehitade di diserezione; Ja seeonda, maliziata eseusazione; Ja terza, eupidita di vanagloria; Ja quarta, argomento d'invidia; Ja quinta e ultima, vilta d'animo, cioe pusillanimita. E ciaseuna di queste retadi ha si grande setta ehe poehi sono quelli ehe siano da esse liberi. (3) De Ja prima si puö eosi ragionare. Si eome Ja parte sensitiva de l'anima ha suoi oeehi, eon li quali apprende Ja differenza de Je eose in quanto eile sono di fuori eolorate, eosi la parte razionale ha suo oeehio, eon lo quale apprende Ja differenza de le eose in quanto sono ad alcuno fine ordinate: e questa e la diserezione. (4) E si eome eolui ehe e eieeo de li oeehi sensibili va sempre seeondo ehe li altri giudicando lo male e lo bene, eosi eolui ehe e cieeo del lume de Ja diserezione sempre va nel suo giudieio seeondo il grido, o diritto o falso; onde qualunque ora lo guidatore e cieco, eonviene ehe esso e quello, anehe eieeo, eh'a lui s'appoggia vegnano a mal fine. Perö e seritto ehe '"l eieeo al eieeo fara guida, e eosi eadranno ambedue ne la fossa". (5) Questa grida e stata lungamente eontro a nostro volgare, per Je ragioni ehe di sotto si ragioneranno, appresso di questa. Eli eieehi sopra notati, ehe
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Schönheit erfüllt ist. (14) Aber da es besonders tugendhaft ist, die Fehlerhaftigkeit und die Schlechtigkeit in der Absicht des Anklägers aufzuzeigen, werde ich, um die Ankläger der italienischen Sprache zu verwirren, sagen, weswegen sie sich zu solchem Tun hergeben; und hierzu werde ich nun ein eigenes Kapitel verfassen, auf daß ihre Schmach um so größer sei. xi. Zur immerwährenden Schmach und Erniedrigung der schlechten Menschen Italiens, die die Volkssprache anderer loben und ihre eigene verachten, sage ich, daß ihre Haltung von fünf verabscheuungswürdigen Ursachen herrührt. (2) Die erste ist die Blindheit des Unterscheidungsvermögens; die zweite verdrehte Entschuldigung; die dritte Begierde nach eitlem Ruhm; die vierte [ist ein] Argument des Neides; die fünfte und letzte Feigheit des Geistes, d.h. Kleinmut. Und jede dieser Verfehlungen hat so große Gefolgschaft, daß nur wenige von ihnen frei sind. (3) Bezüglich der ersten kann man folgendermaßen argumentieren. So wie der sinnliche Teil der Seele seine Augen hat, mit denen [die Seele] die Unterschiede der Dinge, insofern diese äußerlich farbig sind, wahrnimmt, so hat der vernünftige Teil [der Seele] sein Auge, mit dem er den Unterschied der Dinge, insofern sie auf ein Ziel hingeordnet sind, wahrnimmt; und dies ist das Unterscheidungsvermögen. (4) Und wie der, dessen sinnlichen Augen blind sind, sich immer gemäß den anderen bewegt, wenn er das Gute und das Schlechte beurteilt, so geht jener, der bezüglich des Lichtes des Unterscheidungsvermögens blind ist, in seinem Urteil immer dem Geschrei nach, entweder richtig oder falsch; falls der Führer blind ist, ist es so, daß er und der andere Blinde, der sich an ihn anlehnt, zu einem schlechten Ende kommen. Deshalb steht geschrieben, daß „der Blinde den Blinden führen wird, und so werden beide in den Graben fallen". (5) Dieses Geschrei wurde, aus den Gründen die unten, im Anschluß an diesen [Grund], dargelegt werden, lange Zeit gegen unserer Volkssprache erhoben. Und die eben
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Convivio 1. xi, 5-11
sono quasi infiniti, eon la mano in su la spalla a questi mentitori, sono eaduti ne la fossa de la falsa oppinione, de la quale useire non sanno. (6) De l'abito di questa luee diseretiva massimamente le populari persone sono orbate; pero ehe, oeeupate dal principio de la loro vita ad aleuno mestiere, dirizzano si l'animo loro a quello per forza de la neeessitate, ehe ad altro non intendono. (7) E pero ehe I'abito di vertude, si morale eome intellettuale, subitamente avere non si puo, ma eonviene ehe per usanza s'aequisti, ed ellino la loro usanza pongono in alcuna arte e a diseernere !'altre eose non eurano, impossibile e a loro diserezione avere. (8) Per ehe incontra ehe molte volte gridano Viva la loro morte, e Muoia la loro vita, pur ehe aleuno eominei; e quest'e perieolosissimo difetto ne la loro eeehitade. Onde Boezio giudiea la populare gloria vana, perehe la vede sanza discrezione. (9) Questi sono da ehiamare peeore, e non uomini; ehe se una peeora si gittasse da una ripa di mille passi, tutte !'altre I'andrebbero dietro; e se una pecora per alcuna eagione al passare d'una strada salta, tutte !'altre saltano, eziandio nulla veggendo da saltare. (10) E io ne vidi gia molte in uno pozzo saltare per una ehe dentro vi salto, forse eredendo saltare uno muro, non ostante ehe 'l pastore, piangendo e gridando, eon le braeeia e eol petto dinanzi a esse si parava. (11) La seeonda setta eontra nostro volgare si fa per una maliziata seusa. Molti sono ehe amano piii. d' essere tenuti maestri ehe d'essere, e per fuggir lo eontrario, cioe di non esser tenuti, sempre danno eolpa a la materia de l 'arte appareeehiata,
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erwähnten Blinden, die beinahe unendlich viele sind, sind, mit der Hand auf der Schulter dieser Lügner, in den Graben der falschen Meinung gefallen, aus dem herauszukommen sie nicht fähig sind. (6) Des Vermögens dieses unterscheidenden Lichtes sind in höchstem Masse die Leute aus dem Volk beraubt; und zwar weil sie, von Beginn ihres Lebens an mit einem Beruf beschäftigt, ihren Geist von der Notwendigkeit gezwungen derart auf diesen [Beruf] ausrichten, daß sie sich auf nichts anderes ausrichten können. (7) Und weil man den Habitus der Tugend, sowohl der moralischen als auch der vernünftigen, nicht plötzlich haben kann, sondern man ihn durch Gewohnheit erwerben muß, und jene ihre Gewohnheit in ein Handwerk legen und sich nicht darum sorgen, andere Dinge unterscheidend wahrzunehmen, ist es ihnen unmöglich, Unterscheidungsvermögen zu haben. (8) Deshalb passiert es, daß sie immerwiederihrem Tod "Heil" schreien und ihrem Leben "Es sterbe", wenn nur jemand [damit] beginnt; und dies ist ein sehr. gefährlicher Fehler in ihrer Blindheit. Weswegen Boethius den Ruhm beim Volk als nichtig beurteilt, denn er sieht, daß dieser [Ruhm] nicht auf Unterscheidungsvermögen beruht. (9) Solche sind Schafe zu nennen und nicht Menschen; denn wenn sich ein Schaf von einer tausend Fuß hohen Steilküste stürzen würde, gingen alle anderen hinterher; und wenn ein Schaf beim Überqueren einer Strasse aus irgendeinem Grund einen Sprung macht, machen alle anderen einen Sprung, auch wenn sie nichts sehen, das zum Sprung veranlaßt. (10) Und ich sah schon viele in einen Brunnen springen wegen einem, das hineinsprang, vielleicht weil es dachte eine Mauer zu überspringen, trotz des weinenden und schreienden Hirten, der sie mit den Armen und der Brust abwehrte. ( 11) Die zweite gegen unsere Volkssprache [gerichtete] Gefolgschaft verdankt sich einer verdrehten Entschuldigung. Viele sind es, die es mehr lieben für Meister gehalten zu werden, als [Meister] zu sein, und um dem Gegenteil zu entgehen, d.h. nicht [für Meister] gehalten zu werden, geben sie immer dem
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Convivio 1 ·xi, 11-17
o vero a lo strumento; si come lo mal fabbro biasima lo ferro appresentato a lui, e lo malo citarista biasima la cetera, credendo dare la colpa del mal coltello e del mal sonare al ferro e alla cetera, e levarla a se. (12) Cosi sono alquanti, e non pochi, ehe vogliono ehe l 'uomo li tegna dicitori; e per scusarsi dal non dire o dal dire male accusano e incolpano la materia, cioe lo volgare proprio, e commendano l'altro lo quale non e loro richiesto di fabbricare. (13) E chi vuole vedere come questo ferro e da biasimare, guardi ehe opere ne fanno li buoni artefici, e conoscera la malizia di costoro ehe, biasimando lui, si credono scusare. (14) Contra questi cotali grida Tullio nel principio d'un suo libro, ehe si chiama Libro di Fine de' Beni, per: "quando aliquid ostenditur esse in aliquo, sicut in primo subiecto, cum inest ei per se. Quod quidem contingit dupliciter: quia vel primum subiectum accidentis est ipsum totum subiectum de quo praedicatur ... Vel etiam aliqua pars eius, sicut homo dicitur vivens secundum se" ... < 3. >: „secundum se esse dicitur illud, cuius non est aliqua alia causa" ( ... ) < 4. > : „dicuntur secundum se in esse alicui, quae ei soli inquantum soli insunt". Auch für das accidens unterscheidet Aristoteles mehrere Bedeutungen (Met., V 30, 1025a14-30). Die erste Bedeutung wird verwendet, wenn etwas weder notwendig noch in den meisten Fällen zutrifft, zum Beispiel wenn jemand ein Loch gräbt, um einen Baum zu pflanzen und dabei einen Schatz findet. Die zweite Bedeutung bezieht sich auf das, was einem
Kommentar zu Kap. ii, 5
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Ding an sich zukommt, ohne aber in dessen Wesen zu liegen, zum Beispiel, daß dem Dreieck stets die Winkelsumme von zwei rechten Winkeln zukommt. Thomas von Aquino führt zu dieser Stelle aus, daß nur in der ersten Bedeutung der Gegensatz zwischen 'per accidens' und 'per se' besteht: "primus est, quod accidens dicitur id quod inest alicui, et quod contingit vere affirmare non tarnen ex necessitate, nec 'secundum magis' idest ut in pluribus, sed ut in paucoribus; sicut, si aliquis fodiens aliquam fossam ad plantandum aliquam plantam, inveniat thesaurum ... Differt autem hie modus a primo, quia accidentia hoc secundo modo contingit esse sempitema. Semper enim triangulus habet tres angulos aequales duobus rectis. Accidentium vero secundum primum modum, nullum contingit esse sempitemum, quia sunt semper ut in paucoribus ... Accidens ergo secundum primum modum opponitur ad secundum se" (In Met., V, l. 22, 1139-1143). Diese Ausführungen von Thomas geben einen in der damaligen Schulphilosophie allgemein akzeptierten Topos wieder und können deshalb auf Dante bezogen werden (Vgl. die Ausführungen Alberts des Großen, Metaphysiea, l. 5, tr. 6, c. 15; 298f). Ein Ding, das, wie Dante sagt, an sich zu tadeln ist, ist folglich aufgrund seines Wesens und immer zu tadeln, wobei die Ursache des Tadels in ihm selber liegt, wogegen das Ding, das per aecidens zu tadeln ist, nach der ersten Bedeutung von 'aecidens' nur ausnahmsweise und nicht aufgrund eines Wesenszuges oder einer notwendigen Eigenschaft zu tadeln ist.
§5 e nullo e pfü amico ehe l'uomo a se] Der Gedanke, daß der Tugendhafte im Verhältnis zu sich selbst das Modell der Freundschaft abgibt, findet sich bei Aristoteles. Vgl. Eth. Nie., IX 4, 1166al; 328: „Amicabilia autem que ad amicos et quibus amicicie determinantur, videntur ex hiis que ad se ipsum venisse". Eth. Nie., IX 4, 1166a30; 329: "est enim amicus alius ipse". Eth. Nie., IX 7, 1168b9-10; 335: „Maxime
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Kommentar zu Kap. ii, 6.12
enim amicus sibi ipsi, et amandum maxime se ipsum". Vgl. Thomas von Aquino, Sent. Eth., IX, 8; 528: "quia homo maxime est amicus sibi ipsi". §6
nel volere ••• si giudica la malizia e la bontade] Die Lehre, daß der freie Wille den Menschen zum moralischen Subjekt macht und nur freiwillige Handlungen dem moralischen Urteil unterliegen, kann auf Aristoteles (Eth. Nie., III, 1, 1109b3035; 179) zurückgeführt werden: "Virtute itaque et circa passiones et operaciones existentes, et in voluntariis quidem laudibus et vituperiis factis, in involuntariis autem venia, quandoque autem et misericordia, voluntarium et involuntarium necessarium forsitan determinare de virtute intendentibus". Zum freien Willen bei Dante vgl. Purg., XVIII, 59-75; Par. V, 19-24; Mon., 1, xii. Bereits im 12. Jahrhundert entwickelte Petrus Abelardus die Lehre, daß die moralische Qualität der handelnden Person einzig von der Absicht abhängt: "nec in opere sed in intentione meritum operantis vel laus consistit" (Petrus Abelardus, Ethica, 28). Das Argument Dantes ist ein Scheinargument, das eigentlich leicht zu widerlegen ist, denn die Kenntnis oder das Wollen eines Mangels hängt nicht davon ab, ob man davon spricht; die moralisch relevante Handlung ist das Wollen und nicht das äußere Zugeben. Die Selbstanklage mag unklug sein, moralisch relevant in bezug auf die Absicht ist sie nicht, denn auch wer sich nicht selbst beschuldigt, kann etwas Schlechtes beabsichtigen. Dante vermischt hier in den rationes contra, die er nachher in der responsio widerlegt, die moralische Intentionslehre mit der rhetorischen Klugheitslehre. § 12 per necessarie cagioni lo parlare di se econceduto] Dante leitet durch eine distinctio, eine bestimmte Qualifizierung der Rede von sich selbst, zur determinatio der questio über.
Kommentar zu Kap. ii, 13-17.13
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§§ 13-17 In den§§ 13-14 kommt Dante auf die zwei Gründe zu sprechen, die das Sprechen von sich selbst rechtfertigen: Zur Verhinderung von Verleumdung und zur Darstellung einer allgemein nützlichen Lehre. In den§§ 15-17 legt er dar, inwiefern diese Gründe auf ihn zutreffen. § 13 prendere lo men reo quasi prendere un buono] Die von Dante angesprochene Lehre des geringeren Übels geht zurück auf Aristoteles. Vgl. e.g. Eth. Nie., V, 1, 1131b20; Gigon 160: "Beim Übel ist es umgekehrt; da verhält sich das geringere Übel zum größeren Übel wie ein Gut; denn das kleinere Übel ist dem größeren vorzuziehen, und was vorgezogen wird, ist ein Gut". Der Gedanke entwickelte sich in der mittelalterlichen Schulphilosophie geradezu zur Standardformel: "minus malum videtur aliqualiter esse bonurn inquantum est eligibile" (Thomas von Aquino, Sent. Eth., V, 1; 266); "minus malum habet rationem boni per comparationem ad maius malum" (Ders., Sent. Eth., V, 5; 281 "). E questa necessitade mosse Boezio] Die Stelle bezieht sich auf die Philosophiae consolatio, 1, 4, wo der 524 zum Tode verurteilte und einstweilen exilierte Boethius in einer langen Passage von sich selber spricht, um sich gegen den Inhalt und das Vorgehen anläßlich der gegen ihn erhobenen Anklage zu verteidigen. Das Werk des Römers, mit dem Dante das Schicksal der Verurteilung und des Exils teilte, war laut eigenen Aussagen nebst den Schriften Ciceros entscheidend für Dantes conversio zur Philosophie verantwortlich: Conv., II, xii, 2: „e misimi a leggere quello non conosciuto da molti Iibro di Boezio, nel quale, cattivo e discacciato, consolato s'avea") und II, xv, 1: „Boezio e Tullio (li quali con la dolcezza di loro sermone inviarono me ... ne lo amore, cioe ne lo studio, di questa donna gentilissima Filosofia)". Auch die zwischen Poesie und Prosa alternierende Form des Prosime-
e
100
Kommentar zu Kap. ii, 14
trum der Philosophiae consolatio könnte als Vorbild für das Conv. gedient haben. Für die breite Rezeption der Boethianischen Schrift und für die Bedeutung von Boethius für das Mittelalter im allg. vgl. P. Courcelle, La Consolation de Philosophie dans La tradition litteraire; M. Gibson, Boethius. Vgl. auch ED 1, 654-658. la perpetuale infamia del suo essilio .•• ingiusto] Dante hat sich wiederholt als „exul inmeritus" bezeichnet und identifiziertsichan dieser Stelle mitBoethius. Vgl. Ep. II, 3; 528: „qui a patria pulsus et exul inmeritus infortunia mea rependens continuo". Vgl. auchEp. III, 1; 532; VI, 1; 550; VII, 1; 562.)
§ 14 mosse Agustino ne le sue Confessioni] Die Ausführungen beziehen sich wohl nicht auf eine präzise Stelle in den Conf., sondern auf das Werk als ganzes, dessen Schilderung einer moralischen Läuterung auf einem persönlichen Lebensweg für Dante einen allgemeinen moralphilosophischen Nutzen hat, der das Sprechen von sich selbst rechtfertigt. Auch Augustinus sah den Nutzen seiner Schrift wie Dante in der moralischen Belehrung, bekundet aber ein stark egozentrisches Bewußtsein der Exemplarität seiner eigenen Person: „sed fratemus ille, qui cum approbat me, gaudet de me, cum autem improbat me, contristatur pro me, quia sive approbet sive improbet me, diligit me. indicabo me talibus. respirent in bonis meis, suspirent in malis meis. bona mea instituta tua sunt et dona tua, mala mea delicta mea sunt et iudicia tua. respirent in illis et suspirent in bis, et hymnus et fletus ascendant in conspectum tuum de fraternis cordibus, turibulis tuis ... Hie est fructus confessionum mearum" (Augustinus, Conf., X, 4, 5-6). Mit Boethius und Augustinus führt Dante zur Illustration der zwei Rechtfertigungsgründe des Sprechens von sich selbst, die Abwendung einer großen Gefahr und der Nutzen für die Lehre, zwei der größten Autoritäten des Mittelalters an und er stellt sich mit ihnen in gewisser Weise auf dieselbe Stufe:
Kommentar zu Kap. ii, 15.17
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"movemi timore d'infamia, e movemi disiderio di dottrina dare, la quale altri veramente dare non puo" (ii, 15). § 15 In diesem Abschnitt kommt Dante nach der einer magistralen responsio gleichenden Bestimmung der allgemeinen Rechtfertigungsgründe für das Sprechen von sich selber zur Darlegung, inwiefern diese auch für ihn gelten. Dante sieht sich dazu ermächtigt, seine Kanzonen zu kommentieren, um Verleumdungen seiner Person vorzubeugen und um durch eine allegorische Auslegung der Kanzonen eine allgemein nützliche Lehre zu vermitteln. Der Grund der Verhinderung der Verleumdungen ist nicht nur eine rhetorische Figur, sondern die Anfeindungen Dantes müssen einer biographischen Realität entsprochen haben, denn er kommt wiederholt darauf zu sprechen. Vgl. IV, viii, 10: "io, ehe al volto di tanti avversarii parlo in questo trattato, non posso lievemente parlare; onde se le mie digressioni sono lunghe, nullo si maravigli". Ep. XIII, 4: "Nec reor amici nomen assumens, ut nonulli forsitan obiectarent, reatum presumptionis incurrere". § 17 la vera sentenza ••• nascosa sotto figura d'allegoria] Die allegorische Deutung eines poetischen Textes legt den wahren philosophischen Gehalt frei. Dieses Vorgehen, für das Dante Originalität und Exemplarität beansprucht, ist der Kunstgriff, mit dem er die für die Schulphilosophie geltende Geringschätzung der Poesie durchbricht und die Poesie, vor allem aber seine Poesie, auf die Stufe der Philosophie erhebt. Das Konzept der Allegorie erlaubt es Dante, eine sich unter dem Mantel der reinen Erzählung versteckte Wahrheit ans Licht zu bringen (vgl. II, i, 3).
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Kommentar zu Kap. iii-iv
Kapitel iii-iv Die Kapitel iii und iv bilden sowohl thematisch als auch strukturell eine Einheit und rechtfertigen den zweiten akzidentellen Mangel der Schrift Dantes, nämlich die „Härte" oder den „höheren Stil". Nach den überleitenden §§ iii, 1-2 kommt Dante in iii, 3-5 auf die biographischen Ursachen zu sprechen, die ihn in die betrübliche Situation gebracht haben, zur Abwehr von Verleumdungen über sich und seine Kanzonen in einer bestimmten Weise sprechen zu müssen. Dante setzt in jenen drei §§ die von Cicero empfohlene Art des Sprechens von sich selbst als captatio benevolentie in die Praxis um (vgl. supra zu ii, 2: „crimina inlata et aliquas minus honestas suspiciones iniectas diluemus; si, quae incommoda acciderint aut quae instent difficultates proferemus") und schildert sein persönliches Leid. In§ iii, 6, der den Inhalt der folgenden Kapitel vorausnimmt, werden zwei Gründe genannt, wie es dazu kommt, daß jemand durch einen schlechten Ruf in seiner Person herabgewürdigt wird: 1. durch eine in ihr Gegenteil gewandte über die Wahrheit hinausreichende Wertschätzung und 2. durch die negativen Folgen der Anwesenheit einer Person. Diese beiden Gründe werden in den folgenden Paragraphen der Kapitel iii und iv näher erläutert: iii, 7-11 erklärt die Ausbreitung des Rufs durch übermäßige Wert-oder Geringschätzung der betreffenden Person; iv, 1-12 die den Ruf einengende Wirkung ihrer Anwesenheit. Der letztgenannte Grund wird von Dante in drei weitere unterteilt (iv, 2): 1. die Kindlichkeit der Menschen (iv, 3-5). 2. der Neid des Beurteilenden gegenüber einer anwesenden und berühmten Person (iv, 6-8). 3. die Unvollkommenheit des Beurteilten (iv, 9-12). In iv, 13 bezieht Dante die allgemein erörterten Gründe des schlechten Rufs auf seine Person um darzulegen, weshalb er seinem Werk in einem höheren Stil verfassen mußte und beendet damit die Entschuldigung des zweiten Makels seiner Schrift.
Kommentar zu Kap. iii, 2
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Kapitel iii
§2 la qual durezza] Daß Dante mit der "Härte" des Stils einen präzisen Begriff der Schulpoetik meint, wird klar, wenn diese Stelle auf den Schluß der Behandlung des zweiten Makels (1, iv, 13) bezogen wird, wo die Entschuldigung des "höheren Stils" für abgeschlossen erklärt wird: "conviemmi ehe con piii alto stilo dea, ne la presente opera, un poco di gravezza, per la quale paia di maggiore autoritade". Die mittelalterliche Poetik unterschied, entsprechend des sozialen Status der behandelten Personen und des Publikums, drei Stile: "Sunt igitur tres styli, humilis, mediocris, grandiloquus. Et tales recipiunt appellationes styli ratione personarum vel rerum de quibus fit tractatus. Quando enim de generalibus personis vel rebus tractatur, tune est stylus grandiloquus; quando de humilibus, humilis, quando de mediocribus, mediocris. Quolibet stylo utitur Virgilius: in Bucolicis humili, in Georgicis mediocri, in Eneyde grandiloquo" (Gottfried von Vinsauf, Documentum de arte versi.ficandi, 11, 3, n. 145; 312). Eine ähnliche Erörterung findet sich bei Johannes von Garlandia: „Item sunt tres stili secundum tres status hominum. Pastorali uite conuenit stilus humilis, agricolis mediocris, grauis grauibus personis, que presunt pastoribus et agricolis ... Secundum has tres personas Virgilius tria composuit opera: Bucolica, Georgica, Eneyda" (Johannes von Garlandia, Poetria, c. 5; 86). Dante, der sich in der Ep. V (1; 540) als "humilis ytalus" bezeichnet, meint, sich für den Stil seiner Schrift entschuldigen zu müssen, weil er, entgegen den Gepflogenheiten der Schulpoetik, einen seinem Gegenstand und seinem Publikum unangebrachten stilus gravis gewählt hat und „troppo a fondo" (1, ii, 2) spricht. So wie Dante durch die allegorisch-philosophische Auslegung seiner „Liebesgedichte" die Poesie transformiert und um die Dimension der Philosophie erweitert, so ändert er auch den Stil seiner Darlegung in bezug auf die philosophische Absicht seines
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Kommentar zu Kap. iii, 3
Kommentars. Was dem geübten Publikum als Stilbruch erscheinen mag, ist in Wirklichkeit eine der Absicht des Conv. entsprechende und durch die besonderen biographischen Umstände entschuldbare und beabsichtigte Anpassung des Stils "per fuggir maggiore difetto" (ii, 2). Zur Härte des Stils vgl. auch Brunetto Latini, Tresor, II, 63; 238: „Apres garde que tes dis ne soient pas aspre, mais douc; et debonaire". §3 piaciuto fosse al dispensatore de l'universo] Dante stellt sein persönliches Schicksal und das Werk, das aus ihm entstanden ist, in den kosmologischen Horizont der Vorsehung des Allverwalters. Er leitet in Buch II aus seinem eigenen Liebesgedicht ein umfassendes wissenschaftliches und kosmologisches Weltbild ab und betreibt somit, in starkem Kontrast zu der objektivistischen Scholastik, Wissenschaft durch die Thematisierung seiner eigenen Subjektivität. Für weitere Verwendungen von 'dispensator' vgl. Mon., III, xv, 12;
Quaestio, 76. pena •.. d 'essilio e di povertate] Dante wurde am 27. Januar 1302, im Abwesenheitsverfahren verbannt und am 10. März 1302 zum Tode verurteilt. Damit verlor der ehemalige Prior von Florenz nicht nur seine gesellschaftliche Stellung, sondern es wurde ihm auch seine materielle Grundlage entzogen. Auf diese Schmach reagierte der Alighieri auf seine eigene Weise. Er wurde zum Dichternomaden, der sich, „quasi mendicando" (1, iii, 4), mit Schreiben poetischer und philosophischer Texte an verschiedenen Fürstenhöfen ein Auskommen schuf. Noch rund zehn Jahre nach der Niederschrift der Klage über seine Armut im Conv. wird Dante im Schreiben an Cangrande della Scala, Herrscher von Verona, diesen um materielle Unterstützung bitten, was darauf hindeutet, daß sich die finanzielle Situation Dantes, der zeit seines Lebens nicht mehr nach Florenz zurückkehren kann, nie wirklich gebessert hat: "urget enim me rei familiaris angustia" (Ep. XIII, 88; 642). Höchstwahr-
Kommentar zu Kap. iii, 4
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scheinlich im Jahre 1304, etwa zur Zeit der Abfassung des Conv. machte Dante Oberto und Guido von Aghinolfo, Grafen von Romena, auf seine durch das Exil entstandene Armut aufmerksam: „inopia paupertas, quam fecit exilium. Hec etenim, velud effera persecutrix, equis armisque vacantem iam sue captivitatis me detrusit in antrum, et nitentem cunctis exsurgere viribus, hucusque prevalens, impia retinere molitur" (Ep. II, 7; 530). In eindrücklicher Weise hat Dante sein Schicksal auch im Paradiso beschrieben: „Tu lascerai ogni cosa diletta piü. caramente; e questo equello strale / ehe l' arco de lo essilio pria saetta. Tu proverai si come sa di sale / lo pane altrui, e come eduro calle / lo scendere e 'lsalirper l'altrui scale. Equel ehe piü. ti gravera le spalle, sara Ja compagnia malvagia e scempia / con la qual tu cadrai in questa valle" („Du wirst, was dir am teuersten gewesen, verlassen, und dies ist die erste Wunde, die dir wird schlagen der Verbannung Bogen. Du wirst erfahren, wie das Brot der Fremde / gar salzig schmeckt, und welche harten Stufen / auf fremden Treppen auf und ab zu steigen. Jedoch die größte Last auf deinen Schultern, das sind die dummen, bösen Weggenossen, mit denen du in dieses Tal wirst fallen"; Par., XVII, 55-63). Als Dante-Biographie zu empfehlen ist G. Petrocchi, Vita. §4 figlia di Roma, Fiorenza] Mit der Bezeichnung von Florenz als Tochter Roms verwendet der Alighieri eine zu seiner Zeit geläufige Formel (vgl. G. Villani, Cronica 1, xli: „figliuola e fattura di Roma") und spielt auf die, zum Teil historische, zum Teil mythische, Gründungsgeschichte der Stadt an. Die historischen Ursprünge von Florenz, eine von den Römern im 1. Jhd n. Chr. zur Überwachung der Furt und später der Via-Cassia-Brücke gegründete Kolonie, wurden mit der Zeit durch verschiedene Gründungsmythen überhöht. Anlaß zum etruskisch-trojanischen Mythos war eine Stelle im Aeneis-Kommentar von Servius, wo dieser die sagenhafte Grün-
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Kommentar zu Kap. iii, 4
dung der etruskischen Stadt Corytho durch Dardanus beschreibt (vgl. Servius, In Verg. Aen., III, 170; 78f.). Eine andere Traditionslinie geht zurück auf Sallusts Bellum Catilinarium (C. 56 ff.), wo die Gründung von Florenz mit der Vertreibung und Bekämpfung des Aufständischen und in Verbindung gebracht wird und die Dante zum Beispiel in Brunetto Latinis Tresor nachlesen konnte: "Quant la conjuroison fu descoverte et Je pooir Catelline fu affoibloie, il s'enfui en Toschane en une cite ki avoit non Fiesle et la fist reveler contre Rome. Mais li romain i envoierent grandesime ost, et troverent Catelline au pie des montaignes o toute son ost et sa gent cele part ou est ore la cite de Pistoire. La fu Catelline vencus en bataille, e mort lui et li sien; neis une grant partie des romains i fu ocise. Et par pestrine de cele grant occision fu la citees apelee Pistoire. Apres ce assegerent li romain la cite de Fiesle, tant k'il le venkirent e misent en sa subjection; et lors firent il enmi !es plains ki est au pie des hautes montainges u cele cites seoit une autre cite, ki ore est apelee Florence". (Tresor, 1, 35; 45). Zu der florentinischen Historiographie im Mittelalter vgl. A. Dei Monte, Lti storiografia florentina dei secoli XII e XIII. Editionen der Chroniken des Sanzanomi und der Chronica de origine civitatis, die die Legende der Tötung des heldenhaften Begründers Florinus erzählen, bietet O.Hartwig, Quellen und Forschungen zur ältesten Geschichte der Stadt Florenz. Auf den römischen Ursprung von Florenz weist Dante auch in Inf, XV, 74-78 und in Ep. VI, 8 und VII hin, um die aktuellen florentinischen Verhältnisse kontrastierend von der ewigen Würde Roms abzuheben: „Vere matrem viperea feritate dilaniare contendit, dum contra Romam cornua rebellionis exacuit, que ad ymaginem suam atque similitudinem fecit illam" (Ep. VII, 25; 570). Für Dantes Romverehrung vgl. C. T. Davis, Dante and the Idea of Rome. desidero ... m'e dato] Der von Dante oft geäußerte Wunsch, das Exil zu beenden und nach Florenz zurückzukeh-
Kommentar zu Kap. iii, 4
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ren, ging nicht in Erfüllung (vgl. VE, I, vi, 3; Rime, CIV, 101-107; CXVI, 76-84, Par., XXV, lf.). perle parte quasi tutte „. andato] Dante weist darauf hin, daß das Gebiet, das er nach seiner Exilierung durchwandert hat, einen einheitlichen sprachlichen Raum ("questa lingua") darstellt, an dessen Publikum sich seine in der Volkssprache verfaßte Schrift wendet. Weder die nationalsprachliche Einheit noch das Publikum entsprachen jedoch einer Realität, sondern Dante versuchte, nicht ohne Erfolg, mit dem in einem „piU alto stilo" (1, iv, 13) verfaßten Conv. und mit dem sprachtheoretischen Traktat VE diese Realitäten zu schaffen und damit auf einer höheren Ebene zu reproduzieren, was ihm durch die Vertreibung aus Florenz verloren gegangen war, nämlich ein Publikum, das seine volkssprachliche Dichtung versteht und zu schätzen weiß, und eine ehrenvolle gesellschaftliche Stellung. Dante nennt sich deshalb "ytalus" (Ep. V, 1; 540) und spricht von „nos Ytali" (VE, 1, xviii, 2; 136). la piaga de la fortuna ... imputata] Zum hier ausgesprochenen Gedanken der ungerechten Fortuna vgl. Boethius, Philosophiae consolatio, 1, 4, 19; 8: "Itane nihil fortunam pudicit si minus accusatae innocentiae, ac accusantium vilitas?" Vgl. auch II, 1; II, 8. Der Terminus 'fortuna', dessen Bedeutungsfeld bei Dante durch antike, vor allem durch Boethius vermittelte Behandlungen des Themas bestimmt ist, steht in gewisser Spannung zur Lehre des freien Willens. Seine mit dem Schicksal hadernde und quasi deterministische Auffassung vonfortuna tritt am deutlichsten in Inf, VII, 67-96, hervor, wo Vergil der Fortuna die necessita, der sich kein sterblicher entziehen kann, zuspricht: „Le sue permutazion non hanno triegue; necessit:ä la fa esser veloce". (V. 89). Die deterministischen Konsequenzen dieses Verständnisses der fortuna brachte Dante ein paar Jahre nach seinem Tod die bittere Kritik des Bologneser Magister Cecco d'Ascoli ein. Vgl. Acerba, II, 1: „In cio peccasti, fiorentin poeta, ponendo ehe li ben della fortuna / necessitati sien eo* llor meta. Non e fortuna ehe ragion non
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Kommentar zu Kap. iii, 5
vinca. Or pensa, Dante, se pruova nessuna I se puo piü fare ehe questa si vinca. Fortuna non e altro ehe disposto / cel ehe dispone cosa animata, qual disponendo, se truova l'oposto, non vien necessitato 'l ben filice. Essendo in liberta l'alma creata, fortuna in lei non puo, se contradice. Substanza sanza corpo non riceve / da questi celi, pero lo 'ntelletto / mai a fortuna subiacer non deve. S'io fui disposto e fui filice nato, e conseguir dovea il grand'effetto, i'posso non voler: star dal lato, ehe 'n suo balia ha l'alma el suo volere, l'arbitrio aquista lo suo merto; non puo necessita in lui cadere". Bereits im 1324 entstandenen Kommentar zum lnf. sah sich Graziolo de' Bambaglioli gezwungen, im Kommentar zur oben genannten Stelle Dante gegen den Determinismusvorwurf zu verteidigen: "Sed quamvis ista verba sonent, quod fortuna sie ducet et influat in istis temporalibus et quod humana prudentia adversus permutationes et actus huius fortune providere vel operari non possit, nichilominus pro conservatione honoris et nominis huius venerabilis auctoris, ne per obloquentium vel detrahentium aliquorum notam eius vere scientie et virtuti derogare contingat, < ... > advertendum est igitur et sciendum, quod ipse deus, qui est causa prima a quo omnia causantur per istas sperarum et celestium influentias orbium tamquam per causas secundarias et in inferioribus istis operantur et influit aliquando per neccesitatem aliquando per dispositionem vel qualitatem". (Siena, Bibi. Com. l.Vl.31, fol. 13v).
§5 legno sanza velo „. povertade] Vgl. Ps.-Thomas, In Boeth. de consol. phil., 1.1, c.9, 247f.: „Nota: Boetius comparat fortunam salo, idest mari. Sicut enim navis undis marinis jactatur in altum nunc, et nunc in profundum; sie homo per fortunam nunc in adversitate dejicitur". Vgl. lbidem, l. 5, c. 2, 37: "quia unda faciet concurrere fortuito naves et truncos". apparito a li occhi .•• in altra forma] An dieser Stelle wird zum erstenmal die in 1, iv erörterte negative Wirkung der
Kommentar zu Kap. iii, 6.7-11
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Anwesenheit für den Ruf einer Person thematisiert. Dante bewertet sein Wanderleben im Exil und seine physische Anwesenheit an vielen Orten als schädlich für die f ama seiner Person und seiner Werke. §6 la presenzia oltre la veritade stringe] In dem für unecht gehaltenen Brief an Guido da Polenta (vgl. R. Migliorini Fissi, La lettera pseudo-dantesca) wird Vergil fälschlicherweise das Zitat „Minuit praesentia famam" (Claudianus, De bello gildonico, 385) zugesprochen, das in prägnanter Form den von Dante hier und in 1, iv geäußerten Gedanken wiedergibt. Vgl. P. Fraticelli, // Convito di Dante A. e le Epistole, 481). Interessanterweise spielt das Verhältnis vonfama und praesentia in den Bibelkommentaren eine gewisse Rolle in bezug auf Christus, der zunächst durch den Ruf und später durch seine physische Erscheinung bekannt wird: Vgl. Augustinus, In Johannis evangelium tractatus, 15, 33: „non iam propter verbum tuum credimus, sed ipsi cognovimus, et scimus quia vere hie est salvator mundi; primo per famam, postea per praesentiam". Vgl. Thomas von Aquino, Catena Aurea in Joannem, 4, 9: „sie ergo primo Christum cognoverint per famam postea per praesentiam". Ferner: „Per descendere igitur ad locum, et per examinare seu inquirere de veritate clamoris seu famae, an ita sit sicut dicitur, an non, significat praesentiam et efficaciam ac diligentiam divinae justitiae et scientiae super veritate judicandorum" (Ps. -Thomas, Postilla in librum Geneseos, c. 18).
§§7-11 Dante entwickelt in den§§ 7-11, die den ersten in § 6 genannte Grund seiner Herabwürdigung ausführen, eine Ontologie der fama als unendliche, von dem wahren Zustand einer Sache sich immer weiter entfernende Steigerung einer reinen Vorstellung im Geiste der Menschen. Der gute Ruf ist das
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Kommentar zu Kap. iii, 7; iv, 3
mentale Produkt eines wohlgesinnten Freundes und wird von diesem wissentlich oder unbewußt über die Wahrheit hinaus ausschmückt und weitergegeben. Jede weitere Person in der Reihe der Überlieferung der fama leistet, wie der Freund, das ihrige zur Vergrößerung des Rufs, so daß es zu einer unendlichen Steigerung kommt. Derselbe Prozeß unter negativen Vorzeichen ist, wie Dante in § 10 erörtert, ebenfalls möglich; der Ruf ist also immer ein der Wirklichkeit nicht entsprechendes, mehrfach vermitteltes Scheinwissen, das als ens rationis nur im Geiste der Menschen existiert. Damit sind die Voraussetzungen zum Verständnis des Kapitels iv geschaffen, denn durch die Anwesenheit der entsprechenden Person kann der in jedem Falle aufgeblasene oder verzerrte Ruf an seinem Objekt gemessen und widerlegt werden. Bemerkenswert ist, daß Dante nicht auch die Möglichkeit der Korrektur des schlechten Rufs durch die Anwesenheit der Person thematisiert. §7 Virgilio •.• mobile] Vgl. Virgil, Aen., IV, 175: „Fama, malum qua non aliud velocius ullum: mobilitate viget virisque adquirit eundo, parua metu primo, mox sese attollit in auras / ingrediturque solo et caput inter nubila condit".
Kapitel iv §3 puerizia ... non dico d'etate ma d'animo] Vgl. IV, xvi, 5: „e non epargolo uomo pur per etade, ma per costumi disordinati e per difetto di vita, si come n'ammaestra lo Filosofo nel primo de l' Etica". Dante bezieht sich folglich bei dieser Unterscheidung auf Eth. Nie., 1, 1; 143: „Differt autem nichil iuvenis secundum etatem, vel secundum morem iuvenilis. Non enim a tempore defeccio, set propter secundum passionem vivere, et persequi singula".
Kommentar zu Kap. iv, 4
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a guisa di pargoli ... secondo la loro veduta] Vgl. Thomas von Aquino, Sent. Eth., III, 4; 130: "pueri operantur secundum passionem appetitus sensitivi: non autem secundum appetitum intellectivum, quia carent usu rationis". Bei dem hier vorgetragenen Vergleich der meisten Menschen mit den Kindern beklagt Dante, im Gegensatz zu den von Busnelli/Vandelli und auch von Vasoli (Kommentar zur Stelle) an gegebenen Stellen bei Aristoteles und Thomas, weniger die Leidenschaftlichkeit der Menschen, als in epistemologischer Absicht einen unkritischen Glauben an den Gesichtsinn und das Gehör, der die Menschenkinder die Dinge nur äußerlich und nicht in ihrem inneren Wesen erkennen läßt. Diese auf einem strengen Dualismus von Sinn und Geist beruhende Kritik an einem naiven Vertrauen auf die Sinne und die dazu verwendete Metapher der geschlossenen Augen des Geistes ("chiusi li occhi de la ragione") erinnern stark an Augustinus: "Hinc iam cui oculi mentis patent nec pernicioso studio vanae victoriae caligant atque turpantur, facile intelligit. (De vera religione, c. 19, 37, 99); „oculi membra sunt carnis, fenestrae sunt mentis; interior est qui per has videt; quando cogitatione aliqua absens est, frustra patent" (Enarrationes in Psalmos, psalmus 41, 7). Dante evoziert einen Zusammenhang zwischen der Beschränktheit der sinnlichen Wahrnehmung und seiner physischen Beschränktheit, die bei seiner Präsenz erkennbar wird und die sich stark von der unendlich steigerungsfähigen f ama unterscheidet. §4
per udita] Die Bezeichnung der Entstehung der fama „per udita" geht einher mit einer Geringschätzung der sinnlichen Wahrnehmung, die im Mittelalter durchaus ihre Tradition hat, die aber ein theologisches und exegetisches Problem darstellte, wenn es darum ging, das Paulinische Wort "fides ex auditu auditus" (Röm. 10, 17) zu deuten. Der von Dante verwendete Ausdruck, der die Inadäquatheit der fama zum Ausdruck brin-
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Kommentar zu Kap. iv, 4
gen soll, kommt in mittelalterlichen Texten hauptsächlich bei der Erörterung des christlichen Glaubens vor (73 von 75 Verwendungen von 'ex auditu' bei Thomas von Aquino beziehen sich auf das Bibelwort), von denen sich Dantes eher abschätzige Betrachtung des Wahrnehmens ex auditu stark unterscheidet. Die Abhängigkeit des Glaubens von der sinnlichen Wahrnehmung des Hörens brachte nach Augustinus auch die mittelalterlichen Theologen in Verlegenheit. Auch Thomas von Aquino verinnerlicht den Akt des Hörens, um den Status des Glaubens nicht auf die Stufe der sinnlichen Wahrnehmung stellen zu müssen: „Quia quantum ad ipsum credendorum dicitur esse ex auditu: quia determinatio credendorum fit in nobis per locutionem interiorem qua deus nobis loquitur" (Sent. III, dis. 23, q. 3, a. 2). An die Erörterung der fama in § 4 knüpft Dante in der Ep. XIII, 2 an, wo er über den Ruf Cangrandes schreibt, er habe ihn nur vom Hören gekannt und nicht geglaubt, sei dann nach Verona gegangen, um das Gehörte mit den Augen zu prüfen und habe festellen können, daß es der Wahrheit entsprach: „Huius quidem preconium, facta modemorum exsuperans, tanquam existentia latius arbitrabar aliquando superfluum. ( ... ) Veronam petii fidis oculis discursurus audita, ibique magnalia vestra vidi, vidi beneficia simul et tetigi; et quemadmodum prius dictorum ex parte suspicabar excessum, sie posterius ipsa facta excessiva cognovi. Quo factum ut ex auditu solo cum quadam animi subiectione benivolus prius existerim, sed ex visu postmodum devotissimus et amicus" . Im Sinne Dantes hielt schon Friederich II. fest, daß durch Hörensagen keine Gewißheit erreicht werden kann: „In scribendo etiam Aritotelem ubi oportuit secuti sumus, in pluribus enim sicut experientia didicimus maxime in naturis avium quarundam discrepare a veritate videtur. Propter hoc non sequimur principem philosophorum in omnibus, raro namque aut nunquam ventationes avium exercuit, sed nos semper dileximus et exercuimus. De multis vero que narrat in libro anima-
Kommentar zu Kap. iv, 5.6
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lium dicit quosdam sie dixisse, sed id quod quidam sie dixerunt nec ipse forsan vidit nec dicentes viderunt, fides enim certa non provenit ex auditu" (Friedrich II., De arte venandi; 313). §5 ohme, quasi tutti] Im ersten Kapitel bezeichnete Dante das Vorhaben seines Kommentars als Vermittlung von Wissenschaft für die ungebildete Mehrheit der Menschen als Akt vollkommener Freigiebigkeit. Aus dem hier vorliegenden Abschnitt wird erneut deutlich, daß er damit auch das persönliche Ziel verfolgt, seine angeschlagene fama wiederherzustellen und sein ungebildetes Publikum auf einen Wissenstand zu bringen, der es diesem erlaubt, seine Texte und seine Person zu begreifen. Questi cotali •.• ragione] Direkt oder indirekt zugrunde liegt den Ausführungen Dantes über die schnell wechselnden Launen und Leidenschaften der Jugend eine von Busnelli/ Vandelli signalisierte Stelle bei Aristoteles: „Iuvenes quidem igitur secundum mores sunt concupiscitivi ... facile autem permutabiles, cito saturabiles ... mori enim vivunt magis quam ratiocinationi ... amant enim valde et odiunt valde (Rhet., II, 12; 247f.). Laut Vasoli vgl. auch Eth. Nie., VIII, 3; 301: „Iuvenum autem amicicia propter delectationem esse videtur. Secundum passionem enim isti vivunt, et maxime persequuntur delectabile ipsis, presens . . . Propter quod velociter fiunt amici, et quiescunt".
§6 paritade ne li viziosi e cagione d'invidia] Auch hier kann mit Busnelli/Vandelli auf Aristoteles verwiesen werden: „invidebunt enim tales quibus sunt aliqui similes aut videntur" (Rhet., II, 10; 244). Dante könnte aber auch die folgende Stelle bei Thomas im Auge gehabt haben: „Sed similitudo est causa invidiae, dicit enim Philosophus, in II. Rhet., invidebunt tales quibus sunt aliqui similes" (Sum. theol., 11-11, 36, 1, ad 2). Dante schränkt in § 7 die Ähnlichkeit ein auf die Kraft der
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Kommentar zu Kap. iv, 7
Glieder, geht also nicht davon aus, daß ihm andere in bezug auf den Geist ähnlich sind und ihn deshalb beneiden. Es ist die körperliche Ähnlichkeit mit den gewöhnlichen Leuten, die bei der Anwesenheit des Berühmten hervortritt und die Diskrepanz zur fama vergegenwärtigt. giudice ehe ode pur l'una parte] Dante spielt hier auf die juristische Regel des Anhörens beider Parteien an, die in der Antike, obwohl schon bei den Griechen geläufig (vgl. LeutschSchneidwin, Paroemiographi Graeci, II, 759) noch in keine einheitliche Formel gefaßt worden war. Sie läßt sich bei Seneca (Medea, 199f.) nachweisen: („Qui statuit aliquid parte inaudita altera, aequum licet statuerit, haud aequus fuit") und ist auch Augustinus bekannt gewesen: „Audi partem alteram!" (De duabus animabus, 22; 78). In der juristischen Literatur kommt folgende Stelle aus den Digesten dem hier von Dante aufgenommenen Gedanken am nächsten: „ neque enim inaudita causa quemquam damnari aequitatis ratio patitur" (Dig. 48, 17, 1). Eine metaphorische Übertragung dieser Rechtsregel auf die Philosophie findet sich im Mittelalter bei Thomas von Aquino, In Met., III, 1. 1, n. 342: „injudiciis nullus potest judicare nisi audiat rationes utriusque partis, ita necesse est eum, qui debet audire philosophiam, melius se habere injudicando si audierit omnes rationes quasi adversariorum dubitantium". Dante bezichtigt seine Neider, diesen traditionsreichen Grundsatz mißachtet zu haben.
§7 Onde ... pregiati] Thomas von Aquino, Sum. theol., 11-11, 36, 1, c: „Alio modo bonum alterius aestimatur ut malum proprium, inquantum est diminutivum propriae gloriae vel excellentiae. Et hoc modo de bono alterius tristatur invidia". Vgl. dazu Purg., XVIII, 118-120: „e chi podere, grazia, onore e fama/ teme di perder perch'altri sormonti; / onde s'attrista sl ehe '! contrario ama". a s[e) Zur Textkritik vgl. Vasoli, Kommentar zur Stelle.
Kommentar zu Kap. iv, 8.9.11
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§8 passionati mal giudicano] Für die verbreitete Lehre, daß die Leidenschaften die Urteilkraft einschränkten vgl. Thomas von Aquino, Sum. theol., 1-11, 7, 2: "passio trahit rationem ad iudicandum in particulari contra scientiam quam habet in universali" . Zum Schluß des Paragraphen formuliert Dante noch einmal sein nun erreichtes Beweisziel des zweiten Grundes: Die Anwesenheit einer herausragenden Person erzeugt den Neid, der als Frucht des Verlustes der eigenen Hochschätzung bezeichnet wird, der Neid wiederum beeinträchtigt das Urteilsvermögen der Neider, was diese dazu bewegt, die beneidete Person zu diffamieren. §9 umana impuritade] Dante beruft sich in diesem § auf die Unvollkommenheit des Menschen. Daß er damit nicht nur die Sündhaftigkeit im christlichen Sinne meint, wird im folgenden Paragraphen deutlich, wo er auch physische Mängel und außerhalb der menschlichen Verfügbarkeit liegende Leidenschaften und Schicksalsschläge aufzählt. Es geht hier ganz allgemein um den Menschen als Mängelwesen. come dice Agustino] Dante zitiert nicht nach einer Vorlage, denn das Zitat läßt sich nicht wörtlich nachweisen. Vgl. etwa: „dimitte nobis debita nostra, non utique hie est sine macula aut ruga aut aliquid eiusmodi". (Retract., 1, c. 7; 21). „sie et agnus singulariter, solus sine macula, sine peccato". (In loh., tract. 7, § 5). „ornnes sub peccato nascimur" (Contra Iulianum opus impeifectum, l. 2, § 113.
§ 11 ciascuno profeta e meno ••• sua patria] Vgl. Lc 4, 24; Jo 4, 44; Mc 6, 4; Matth. 13, 57. Der Kommentar des Thomas von Aquino zur Stelle im Matthäus-Evangelium: „Et quae est ratio, quare nullus in patria sua honoratur? Una ratio est, quia
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Kommentar zu Kap. iv, 13
quando est in patria sua, multi qui cognoscunt infirma sua, semper reducunt in memoriam infirma: hoc enim est malitia hominum, ut magis infirma cogitent quam perfecta. Alia potest assignari, quia dicit Philosophus quod populus multum paralogizatur, quia credunt quod in aliquo pares, in omnibus pares sint. Unde quando aliquis est in patria sua, cum vident eum parem sibi in aliquo vel in genere, vel aliis, credunt quod non possit esse maior" (Super Evangelii S. Matthaei Lectura, n.1213). § 13 In diesem Schlußparagraphen des vierten Kapitels erklärt Dante, warum die oben abstrakt erörterte Tatsache, daß die Anwesenheit den Ruf schmälere, in besonderem Maße auf ihn zutrifft. Als Folge des Exils sah er sich gezwungen, von Ort zu Ort zu reisen, wodurch beinahe alle Italiener nicht nur mit seinem Ruf, sondern auch mit seiner physischen Erscheinung und mit seinen entsprechenden Mängeln bekannt wurden. Ganz Italien wurde so zu seinem eigenen Lande, in dem er als Prophet weniger gilt. Diese Tatsache rechtfertigt es, daß er seinen Kommentar in einem höheren Stil verfaßt, um seinen Aussagen und seiner Verteidigung das nötige Gewicht und zu geben. mi sia quasi a tutti li Italici appresentato] Für die Zeit bis zur ungefähren Abfassung des Conv. lassen sich folgende Etappen seines Umherwanderns rekonstruieren: Dante war im Jahre 1302 bei einer Zusammenkunft der aus Florenz Vertriebenen in San Godenzo anwesend, im Jahre 1303 war er als Sekretär bei Scarpetta Ordelaffi in Forli und als Gesandter in Verona tätig. Danach verlieren sich die eindeutigen Spuren seines ruhelosen Itinerariums; Aufenthalte in Treviso, Bologna und Venedig sind wahrscheinlich. Erst für 1306-1307 ist wieder ein sicheres Zeugnis vorhanden. Dante weilte in jener Zeit in Lunigiana im Umkreis des Markgrafen Moroello Malaspina. Casentino und Lucca beherbergten danach bis späte-
Kommentar zu Kap. v-xiii
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stens 1309 den Dichternomaden. Zu diesen Angaben vgl. G. Petrocchi, Biografia, in: ED, Appendice, 30-35. gravezza .•• autoritade] Vgl. Cicero, Brutus, XXIX, 111: „ gravitas summa et naturalis quaedam inerat auctoritas". Vgl. VE, II, iv, 7: „Stilo equidem tragico tune uti videmur quando cum gravitate sententie tarn superbia carminum quam constructionis elatio et excellentia vocabulorum concordat. Quare, si bene recolimus summa summis esse digna iam fuisse probatum, et iste quam tragicum appellamus summus videtur esse stilorum, illa que summe canenda distinximus isto solo sunt stilo canenda: videlicet salus, amor et virtus et que propter ea concipimus, dum nullo accidente vilescant". Im Gegensatz zu VE rechtfertigt Dante hier im Conv. die gravezza des Stils nicht mit dem Inhalt der Kanzonen (Liebe und Tugend), sondern einzig mit der Wiederherstellung der fama. fortezza] Vgl. IV, xxi, 6: „Non si maravigli alcuno, s'io parlo si ehe par forte ad intendere".
Kapitel v-xiii Mit Kapitel v beginnt die von Dante in den Kapiteln v-xiii durchgeführte Rechtfertigung der Abfassung des Kommentars in der Volkssprache. Auch dieser Teil der Schrift ist streng gegliedert und umfaßt, wie von Dante selbst in v, 2 angegeben, drei Rechtfertigungsgründe: 1. die teleologische Beziehung zwischen Text und Kommentar. 2. die Bereitschaft zur Freigebigkeit und 3. die Liebe zur Volkssprache. Es lohnt sich, die gesamte Struktur der Kapitel v-xiii zu überblicken, denn es zeigt sich auch hier, welch streng komponiertes Werk dieses erste Buch des Conv. ist. Es wurde bereits daraufhingewiesen, daß Dante seinen Rechtfertigungs teil der Mängel des Kommentars in drei Teilen vorträgt: 1. Das Selbstkommentieren (akzidenteller Mangel); 2. Die „Härte" des Stils (akzidenteller Mangel); 3. Die Abfassung in der Volkssprache (substantieller
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Kommentar zu Kap. v-xiii
Mangel). Der dritte hier zu behandelnde Teil der Rechtfertigung der Volkssprache weist in sich wiederum eine Dreiteilung auf: 1. der Rechtfertigungsgrund der teleologischen Ordnung (v-vii); 2. der Grund der Freigebigkeit (viii-ix) und 3. der Grund der übergroßen Liebe zur Volkssprache (x-xiii). Der erste, teleologische Grund ist seinerseits in drei Abschnitte eingeteilt: a) die Unterordnung in bezug auf das Ziel (v); b) die Kenntnis des Ziels (Kapitel vi) und c) der Gehorsam (Kapitel vii). Die Erörterung des zweiten Grundes, die Freigebigkeit, weist ebenfalls drei von Dante in viii, 2 explizit hervorgehobene Strukturelemente auf: a) vielen zu geben (viii, 4); b) nützliche Dinge zu geben (Kapitel viii, 5-15) und c) ohne gefragt zu werden zu geben (viii, 16-17). Auch der Abschnitt über den dritten Grund, die natürliche Liebe zur Volkssprache, ist laut Dante dreigeteilt: a) die natürliche Liebe zur Volkssprache (x); b) die Verteidigung gegen Ankläger der Geliebten (xi) und c) die vollkommene Liebe zur Volkssprache (xii-xiii). Durch diese Ausführungen, die unten mit einer Tabelle veranschaulicht werden, wird eine Faszination Dantes für die Struktur der Dreiheit sichtbar, der entsprechend er den zweiten Teil seines erstes Buches (Kapitel ii-xiii) in wesentlichem Maße strukturiert hat. Insbesondere gilt dies für den dritten, die Rechtfertigung des substantiellen Mangels darlegenden Teil, der die Struktur der Dreiheit auf drei Ebenen enthält: Der substantielle Mangel der Volkssprache ist einer von drei Mängeln. Der diesem Mangel gewidmete Teil (v-xiii) hat drei Teile: 1. die teleologisch Ordnung (v-vii), 2. die Freigebigkeit (viii-ix), und 3. die Liebe (x-xiii). Jeder dieser drei Teile hat wiederum drei Teile: 1. Die teleologische Ordnung verzweigt sich in: a) die Unterordnung (v), b) die Kenntnis des Herrn (vi), und c) den Gehorsam (vii). 2. die FreigebigkeitteiltDante auf in: a) vielen etwas zu geben (viii, 3-4; ix, 2-5), b) nützliche Dinge zu geben (viii, 5-15; ix, 6-9), c) geben, ohne zu fragen (viii, 16-17; ix, 10). 3. Die Liebe zur Volkssprache schließlich enthält die drei Abschnitte zu a) der natürlichen Liebe (x), b) eine Verteidi-
Kommentar zu Kap. v-xiü
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gungsrede gegen die Ankläger der Volkssprache (xi) und c) einen Teil, der der vollkommenen Liebe zur Volkssprache gewidmet ist (xii-xiii). Wer will, kann aus aus der Tatsache, daß sich dreimal eine Drei-Struktur ergibt, mit einiger Berechtigung die Zahl Neun herauslesen. Diese Zahl hatte für Dante eine herausragende Bedeutung, denn er sieht in ihr einerseits Beatrice, andererseits allgemein die Vollkommenheit symbolisiert: „Perche questo numero fosse in tanto amico di lei, questa potrebbe essere una ragione: con ciö sia cosa ehe, secondo Tolomeo e secondo la cristiana veritade, nove siano li cieli ehe si muovono, e secondo comune oppinione astrologia, li detti cieli adoperino qua giuso secondo la loro abitudine insieme, questo numero fue amico di lei per dare ad intendere ehe ne la sua generazione tutti e nove li mobili cieli perfettissimamente s'aveano insieme. Questa euna ragione di cio; ma pill sottilmente pensando, e secondo la infallibile veritade, questo numero fue ella medesima; per similitudine dico, e cio intendo cosi. Lo numero tre ela radice del nove, pero ehe, sanza numero altro alcuno, per se medesimo fa nove, si come vedemo manifestemente ehe tre via tre fa nove. Dunque se lo tre efattore per se medesimo del nove, e lo fattore per se medesimo de li miracoli etre, cioe Padre e Figlio e Spirito Santo, li quali sono tre e uno, questa donna fue accompagnata da questo numero del nove a dare ad intendere ch'ella era uno nove, cioe uno miracolo, la cui radice, cioe del miracolo, e solamente la mirabile Trinitade. Forse ancora per pill sottile persona si vederebbe in cio pill sottile ragione; ma questa equella ch'io ne veggio, e ehe pill mi piace". (Vita Nuova, XXIX). Aufgrund dieses Textes aus der Vita Nuova und aufgrund des im Conv. wiederkehrenden Motivs der neun Himmelssphären (II, iii, 6 und II, v, 12), denen neun Wissenschaften zugeordnet werden, kann die oben freigelegten Drei-mal-drei-Struktur des Convivio-Textes, die auch in Buch III wiederkehrt, durchaus mit Dantes Zahlensymbolik und Faszination mit der Formel 3x3 =9 in Beziehung gebracht werden. Dante komponiert einen Teil seiner Einlei-
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Kommentar zu Kap. v-xiii
tung nach diesem Schema und läßt damit eine Symbolik anklingen, die in seiner früheren Vita Nuova die Vollkommenheit Beatrices zum Ausdruck brachte. Die neun Himmel symbolisieren in Conv., II die neun Wissenschaften, die, wie aus den ersten§§ des Conv. hervorgeht, den Menschen zur Vollkommeneheit führen. Die Transformation der Beatrice der Vita Nuova in die donna gentile, in die Philosophie des Conv. geht einher mitder Übertragung der für die Vollkommenheit stehenden Zahlensymbolik von Beatrice auf die Textstruktur des Conv., die den sogenannt substantiellen Mangel des Textes rechtfertigt (1, v-xiii) und auf die neun Wissenschaften, die nicht mehr für die Vollkommenheit Beatrices, sondern für diejenige aller Menschen stehen. Daß die Philosophie die Vollkommenheit des Menschen ist, bringt Dante auch durch die 3x3- Struktur des dritten Buches zum Ausdruck, das das Lob der Philosophie enthält (siehe Einleitung zu Buch III). Vielleicht sieht eine subtilere Person in der hier dargelegten Symbolik noch subtilere Dinge, aber dies ist, was ich darin sehe und was mir am meisten gefällt.
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Kommentar zu Kap. v-xiü
Unterordnung (v)
teleologische Ordnung KommentarText; (v-vii)
Kenntnis des Herrn und seiner Freunde (vi)
Gehorsam (vii)
vielen geben (viii, 3-4; ix, 2-5)
Rechtfertigung der Volkssprache (v-xüi)
Freigebigkeit (viü-ix)
nützliche Dinge geben (viii, 5-15; ix, 6-9)
geben, ohne gefragt zu werden (viii, 16-17; ix, 10)
natürliche Liebe (x)
Liebe zur Volkssprache (x-xiii)
Verteidigung der Geliebten gegen die Ankläger (xi)
vollkommene Liebe (xii-xiii)
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Kommentar zu Kap. v-vii
Kapitel v-vii Die Kapitel v-vii befassen sich mit dem ersten Rechtfertigungsgrund der Volkssprache: der richtigen Zuordnung von Kommentar und Text. Kapitel v leitet den Beweis der Rechtmäßigkeit des volkssprachlichen Kommentars zu den volkssprachlichen Kanzonen mit einer teleologisch-ethischen Überlegung ein (§§ 4-5): So wie ein Habitus der Seele, zum Beispiel die Kühnheit, auf ein intendiertes Ziel hingeordnet ist, in Falle der Kühnheit ist es die Ritterlichkeit, und so wie die besagte Habitus die dem Ziel entsprechenden Veranlagungen haben muß, nämlich Unterordnung unter das Ziel, Kenntnis des Ziels und Gehorsam gegenüber der Hinordnung auf das Ziel, so muß auch der Kommentar in Bezug auf den zu kommentierenden Text diesen Kriterien genügen, denn er steht gewissermaßen wie ein Diener im Dienst des Textes. Die drei der teleologischen Rechtfertigung gewidmeten Kapitel vvii sind nach den drei von Dante in v, 5 erwähnten Veranlagungen aufgeteilt. Kapitel v behandelt die gebotene Unterordnung des Kommentars unter den Text; Kapitel vii zeigt, wie ein lateinischer Kommentar seinem Text gegenüber das Gebot der Kenntnis verletzt hätte und ein unwissender Diener gewesen wäre, und Kapitel vii argumentiert, daß ein lateinischer Kommentar seinem volkssprachlichen Text gegenüber ungehorsam wäre. Sämtliche drei Beweise enthalten in einem Teil eine Argumentation ad impossibile, aus der Prämisse eines lateinischen Kommentars ergäbe sich etwas Unmögliches oder Falsches. (Vgl. Petrus Hispanus, Tractatus, VII, 164; 173f: "Sillogismus autem ad impossibile est quando sillogistice ducitur ad aliquod impossibile et propter hoc interimitur aliqua premissarum"). Der ostensive Teil der Beweise, nämlich daß die Bedingungen vom volkssprachlichen Kommentar erfüllt werden, fällt Dante leicht, weil die Kanzonen in der Volkssprache verfaßt sind und sich daraus die erforderlichen Entsprechungen auf natürliche Weise ergeben. Trotzdem
Kommentar zu Kap. v
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führt Dante auch diesen Beweisschritt jeweils recht ausführlich durch. Dante entwickelt in den Kapiteln v-vii eine Analogie zwischen einem teleologische begründeten Tugendmodell, das gewisse Veranlagungen im Menschen im Hinblick auf bestimmte intendierte Handlungen als notwendig aufweist, und der Beziehung zwischen Kommentar und Text. Er moralisiert in gewissem Sinne das Kommentieren von Texten und stellt an den Kommentar die Anforderungen eines tugendhaften, das heißt unterwürfigen, gut informierten und gehorsamen Dieners. Wie der Hinweis in v, 10 auf VE zeigt, ist das zu rechtfertigende Unterfangen eines philosophischen Kommentars in der Volkssprache Teil eines größeren Projektes Dantes, das sich allgemein mit dem Thema der Spache und der Sprache der Philosophie auseinandersetzt und das auch in einem breiteren geistesgeschichtlichen Kontext verstanden werden muß, denn die Wahl der Sprache steht in direktem Zusammenhang mit Dantes Ziel, die Philosophie einem breiteren Laienpublikum zugänglich zu machen. Vgl. dazu R. Imbach, Laien in der Philosophie, bes. p. 43-53. Dante beeinflußt mit seiner Rechtfertigung eines volkssprachlichen philosophischen Kommentars wie auch mit dem theoretischen Traktat VE eine bis in die Neuzeit reichende sprachphilosophische Auseinandersetzung um Schrift- und Wissenschaftssprache (vgl. dazu G. Di Pino, Antidantismo del Trecento al Cinquecento; C. Grayson, A Renaissance Controversy: Latin or Italian?; G. Vecchi, Gio-
vanni del Virgilio e Dante. La polemica tra latino e volgare nella corrispondenza poetica; K.-0. Apel, Die Idee der Sprache; M. Tavoni, Latino, Grammatica, Volgare). Kapitel v In Kapitel v führt Dante den ersten der drei teleologischen Gründe für die Wahl der Volkssprache aus. Nach den§§ 1-6, in denen der Struktur-und Inhaltsplan der Kapitel v-vii ent-
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Kommentar zu Kap. v, 1
worfen wird, kommt Dante in § 7 auf die in seinem auf die Beziehung Kommentar-Text übertragenen teleologischen Tugendmodell erforderliche Unterordnung des Kommentars in bezug auf den Text zu sprechen und unterteilt seine diesbezüglichen Ausführungen erneut in drei Argumentationsschritte, denn der lateinische Kommentar wäre erstens durch seinen auf Unveränderlichkeit beruhenden Adel(§§ 7-9), zweitens durch seine Tugend (§§ 11-12) und drittens durch seine Schönheit (§§ 13-14) dem volksprachlichen Text nicht unter-, sondern übergeordnet gewesen. In § 10 stellt Dante zu seinen Ausführungen die Schrift VE in Aussicht, in der er sich ausführlicher zu diesem Thema zu äußern beabsichtigt. §1 biado e non di frumento] Dante nimmt hier seine Brotmetapher wieder auf und bezeichnet die Volkssprache als Gerstenbrot, das im Vergleich zum Weizen eine einfachere Speise darstellt. Von welch gesellschaftlicher Relevanz diese bildhaften Ausführungen Dantes sind, wird deutlich wenn mit R. Imbach (La.ien, 133) diese Metapher einer Stelle aus dem JoelKommentar Alberts des Großen gegenübergestellt wird: "Frumentum est refectio spiritualis quae clericis et religiosis proponenda est. Hordeum autem, quod grossum et aspreum est, grossam significat doctrinam corporalibus similitudinibus propositam, quae laicis exhibenda est sicut iumentis. Et cum laica peteret panem delicatum respondit: non est bonum sumere panem filiorum et mittere canibus". (Albert der Große, In Joel prophetam enarratio, c. 1, n. 11; 141). Der sicherlich nicht zufällige Kontrast zwischen Alberts Verwendung der Weizen-Gerste-Metapher zur Begründung des Bildungsklerikalismus und Dantes bewußter Anlehnung an dieses Bild zur Rechtfertigung seines auf philosophische Unterweisung der Laien ausgerichteten, volkssprachlichen Kommentars läßt die gesellschaftspolitische Relevanz von Dantes Unternehmen klar hervortreten. Dante bleibt zwar bei der Speisung der Lai-
Kommentar zu Kap. v, 2.4.5
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en durch Gerstenbrot, überträgt aber das Bild vom Inhalt auf das sprachliche Medium. Für die an Laien vermittelte Philosophie macht Dante keinen Unterschied in der Würde, wohl aber wählt er bewußt die seiner Meinung nach rauhere Sprache für deren Vermittlung. §2 eleggere ••• ordinazione] Für textkritische Ausführungen vgl. Vasoli, Kommentar zur Stelle. §4 Quella cosa ... corpo] Dante erläutert die Funktion des Kommentars in Analogie zum Habitus, dessen Veranlagungen auf ein bestimmtes Handlungsziel hingeordnet sind. Die hier von Dante angesprochene Lehre des Habitus, Dante bringt das Beispiel der Kühnheit der Seele für einen seelischen Habitus und der Stärke des Körpers für den körperlichen Habitus, geht zurück auf Aristoteles, e.g. Met., V, 20. 1022b10-14, wo die zweite Bedeutung von 'habitus' als Handlungsdisposition angegeben wird. Vgl. dazu den Kommentar des Thomas von Aquino: „Secundo modo dicitur habitus dispositio, secundum quam aliquid disponitur bene et male; sicut sanitate aliquid disponitur bene, aegritudine male. Utroque autem, scilicet aegritudine et sanitate, aliquid disponitur bene vel male dupliciter; scilicet aut secundum se aut per respectum ad aliquid agendum". Dante nimmt in seiner Analogie das Verständnis des Habitus als eine auf eine bestimmte Handlung ausgerichtete Veranlagung auf und stellt seine nachfolgenden Ausführungen in die Perspektive der richtigen teleologischen Beziehung zwischen Disposition und intendierter Handlung. Derjenige Habitus ist gut, der in Beziehung auf das intendierte Handlungsziel die entsprechenden Veranlagungen besitzt. §5 In diesem Paragraphen wird die allgemeine Lehre des Habitus auf den Spezialfall des Dieners angewandt, von dem zur angemessenen Ausübung seiner Funktion Unterordnung,
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Kommentar zu Kap. v, 6.7
Kenntnis und Gehorsam gefordert sind. Die zu konjizierende Auslassung im Text enthält sinngemäß eine kurze Begründung für die Unterordnung und die Kenntnis, da der Text einen Sprung zur Rechtfertigung des Gehorsams macht. Für die Textkritik vgl. Vasoli, Kommentar zur Stelle. Wie aus dem Kommentar zum nächsten Paragraphen hervorgeht, erfüllt die hier begründete Forderung gewisser Veranlagungen des Dieners im Beweis die Funktion der Minor. §6 Dante überträgt die handlungsteleologisch begründeten Anforderungen an den Diener auf die Beziehung des Kommentars zu den Kanzonen. Nach dieser, meines Wissens originellen, Betrachtungsweise der Beziehung des Kommentars zum Text muß ersterer den Kanzonen untergeordnet sein, er muß die Bedürfnisse seines Herrn kennen und gehorsam sein. Dantes Beweis beruht in der Maior auf einer Analogie: M: Der Kommentar ist in Bezug auf den Text, wie der Diener in Bezug auf seinen Herrn. m: Der Diener muß dem Herrn untergeordnet sein, ihn kennen und ihm Gehorsam leisten. C: Der Kommentar muß in bezug auf die Kanzonen diesen untergeordnet sein, sie kennen und ihnen Gehorsam leisten. §7 Dante folgert in diesem Paragraphen, daß die in § 6 genannten drei Bedingungen des Kommentars nicht erfüllt würden, wenn der Kommentar in Latein abgefaßt wäre. Im Beweisgang wird die oben erwähnte conclusio zur Maior eines weiteren Syllogismus: M: Der Kommentar muß den Kanzonen untergeordnet sein, sie kennen und ihnen Gehorsam leisten. m: Der lateinisch abgefaßte Kommentar wäre im Gegensatz zu einem volkssprachlichen nicht untergeordnet, hätte keine Kenntnis der Kanzonen und wäre auch nicht gehorsam. C: Der Kommentar muß in der Volkssprache verfaßt sein.
Kommentar zu Kap. v, 7
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Den Rest des Kapitels v und die Kapitel vi-vii verwendet Dante zur Begründung der Minor, wobei je ein Kapitel einer Bedingung gewidmet ist. Noch im§ 7 beginnt die Rechtfertigung der ersten in der Minor enthaltenen Behauptung, der lateinische Kommentar wäre den volkssprachlichen Kanzonen nicht untergeordnet gewesen, wobei Dante wieder drei Gründe nennt: Das Latein des Kommentars hätte die Volkssprache der Kanzonen in Adel, Tugend und Schönheit übertroffen. per la sua nobilita ... corrutibile] Der Beweis des Adels des Lateins beruht auf den von Dante stillschweigend angenommenen Voraussetzungen, daß die Volkssprache veränderlich, das Latein unveränderlich ist, und daß Unveränderlichkeit ontologisch höher steht als Veränderlichkeit. Die Vorstellung, daß das Latein eine unabänderliche Kunstsprache sei, wogegen sich die Volkssprache weiterentwickle, hat Dante, wie in § 10 angekündigt, in VE näher erläutert: "que quidem grammatica nichil aliud est quam quedam inalterabilis locutionis ydemptitas diversibus temporibus atque locis. Hec cum de comuni consensu multarum gentium fuerit regulata, nulli singulari arbitrio videtur obnoxia, et per consequens nec variabilis esse potest". (VE, 1, ix, 11). Die Volkssprache hingegen entspricht aufgrund ihrer Natürlichkeit der Instabilität der Menschen und ist deshalb äußerst wechselhaft und veränderlich. Vgl. Kommentar zu§ 9. Die Meinung des unveränderlichen Lateins und der wegen Ihrer ständigen Veränderung grammatikalisch nicht faßbaren Volkssprache vertrat rund hundert Jahre nach Dante auch noch Leonardo Bruni, der davon ausging, die Römer hätten das Latein nur als Schriftsprache gekannt, ansonsten aber ein dem Italienischen ähnliches vulgare gesprochen: „Ego autem, ut nunc est, sie etiam tune distinctam fuisse vulgarem linguam a litterata existimo" (Brief an Biondo Flavio, ed. M. Tavoni in: Ders„ Latino, Grammatica, Volgare, 216). Mit Brunis literarischem Gegner Biondo Flavio begann sich die Vorstellung der
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Kommentar zu Kap. v, 7
Geschichtlichkeit und Veränderlichkeit des Lateins und der Möglichkeit einer grammatikalischen Strukturierung der Volkssprache zu verbreiten (vgl. M. Tavoni, La.tino, Grammatica, Volgare, 36-39). Man erkannte die Entstehung der Volkssprache aus der Barbarisierung des Lateins und entdeckte auch die Veränderlichkeit und Vergänglichkeit des Lateins wieder. Vgl. C. Grayson, A Renaissance Controversy, 11. Der Vorrang der Unveränderlichkeit gegenüber der Veränderlichkeit ist eine philosophische Vorstellung, die sowohl in der von Augustinus für das Mittelalter filtrierten platonischen, wie auch in der aristotelischen Tradition oft den Status eines nicht mehr hinterfragten Vorurteils hatte und noch lange nach Dante ihre Gültigkeit bewahrte. Vgl. e.g. Augustinus, Confessiones, VII, c. 11: "id enim vere est, quod incommutabiliter manet". Für die aristotelische Tradition, in der die sublunare, mit Materie behaftete, veränderliche Welt von den supralunaren, unveränderlichen und ontologisch höher stehenden Himmelspären unterschieden wurde, vgl. Thomas von Aquino,. Quaestiones disp. de veritate, q. 5, a. 3, ratio 3: "res corruptibilis melior esset si incorruptibilitatem haberet". Ders., In libros meteor., lib.1, lec. 2, n. 4: "manifestum est autem corpus caeleste inter naturalia esse primam causam, quod eius incorruptibilitas et nobilitas demonstrat". Ders., Super ep. ad Romanos, c. 1, l. 7: „omnis enim mutatio quaedam corruptio". Vgl. auch Aegidius Romanus, Sup. Lib. de Caus., prop. 9, fol. 32: "Appropinquare autem primo est habere esse fixum et perpetuum". lbidem, prop. 16; fol. 52: „Nam quanto aliquid est superius, tanto in genere entium, sive in rebus entibus magis habet esse fixum et stans". Mit der Überwindung des aristotelischen Weltbildes der unveränderlichen Himmelssphäre und der vergänglichen sublunaren Welt in der frühen Neuzeit einher ging auch eine Umwertung der Veränderlichkeit und Vergänglichkeit. So legte Galileo Galilei in seinem Dialogo sopra i due massimi sistemi del mondo, tolemaico, e copemicano, Sangredo folgende Worte in den
Kommentar zu Kap. v, 7
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Mund: "Ich kann nur mit größter Verwunderung, ja mit größtem innerem Widerstreben anhören, daß die Eigenschaften des Unbeeinflußbaren, Unveränderlichen, Unwandelbaren u.s. w. den Naturkörpern, welche das Weltall zusammensetzen, als etwas Vornehmes und Vollkommenes zugeschrieben werden, und im Gegensatze dazu die Wandelbarkeit, Erzeugbarkeit, Veränderlichkeit u.s.w. als etwas sehr Unvollkommenes gelten soll. Ich für meinen Teil halte die Erde für höchst vornehm und bewundernswert gerade wegen der vielen verschiedenartigen Wandlungen, Veränderungen, Erzeugungen u.s.w., die ohne Unterlaß auf ihr sich abspielen. Wäre sie im Gegenteil keiner Änderung unterworfen, sondern nichts als eine Sandwüste oder eine Jaspiskugel, oder wären zur Zeit der Sintflut die Gewässer, welche sie überfluteten, gefroren und hätte sie sich in eine unvermessliche Eiskugel verwandelt, wo nichts entsteht, noch vergeht, noch sich verändert, so würde ich sie für ein auf der Welt unnützes Ding, für müßig und, um es herauszusagen, für überflüssig erachten, so gut als wäre sie in der Natur gar nicht vorhanden; sie würde mir wie ein totes Wesen verglichen mit einem lebenden erscheinen. Dasselbe gilt auch vom Monde, vom Jupiter und allen anderen Weltkugeln. Je eingehender ich mich in die Nichtigkeiten der landläufigen Denkweise hineinversetze, um so leichtfertiger und törichter finde ich sie" (Dialog über die Weltsysteme, I, 62). Interessant ist, daß Dante im Vergleich zu dem kurz nach Conv. I entstandenen und in I, v, 10 angekündigten VE die Volkssprache noch für eine dem Latein untergeordnete Sprache zu halten scheint: „Harum quoque duarum nobilior est vulgaris: turn quia prima fuit humano generi usitata; turn quia totus orbis ipsa perfruitur, licet in diversas prolationes et vocabula sit divisa; turn quia naturalis est nobis, cum illa potius artificialis existat" (VE, I, i, 4). Sowohl im Conv. wie auch in VE ist der Adel (nobilitii, nobilior) der Vergleichspunkt der beiden Sprachen, so daß sich der Widerspruch zwischen den Positionen in den beiden Werken nicht ohne weiteres harmo-
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Kommentar zu Kap. v, 8
nisieren läßt und mit P. Mengaldo (OM, II, 6f.), angenommen werden muß, daß Dante zwischen Conv. und VE seine diesbezügliche Meinung geändert hat. Differenzierend kann festgehalten werden, daß Dante im Conv. den Adel des Lateins und die Unterordnung der Volkssprache ausschließlich anhand der Veränderlichkeit erörtert, wogegen in VE die Ursprünglichkeit, Verbreitung und Natürlichkeit das Pendel zugunsten der Volkssprache ausschlagen lassen. Mit dem Projekt eines vulgare illustre verband sich in VE ein erstarktes Selbstbewußtsein zum Gebrauch der Volkssprache als Schriftsprache. Dante kehrt zwischen Conv. und VEdieBeweislastum, der im Conv. zu rechtfertigende Makel wird in VE zum Ehrenpunkt. Diese Umkehrung der Werte hat nicht nur linguistische Aspekte, denn es geht, wie die Metapher des Adels und die Verwendung von 'sovrano' nahelegt, um die Dante eminent wichtige gesellschaftspolitische Frage des Zugangs zur Bildung und um den Wert einer aus dem Bildungsbürgertum stammenden, nicht klerikalen und nicht universitären Wissenschaft; es geht letztlich um Emanzipation. Der Ritterschlag der Volkssprache in VE ist in diesem Sinne eine linguistische Revolution mit gesellschaftspolitischen Konsequenzen, die in der Rechtfertigung des Makels im Conv. bereits in ihren Anfängen steht.
§8 Welche Bedeutungen Dante mit 'comedie e tragedie' in Verbindung brachte, ist bereits ausführlich kommentiert worden. Vgl. dazu C. Vasoli, Kommentar zur Stelle; T. Ricklin, Das Schreiben, 92-106. Dantes Identifikation des klassischen Lateins mit dem Latein seiner Zeit bringt eine Meinung zum Ausdruck, die mit zunehmenden Sprachbewußtsein und Lateinkenntnissen im Humanismus entschieden widerlegt werden wird. Als Beispiel könnte ein Text des Lorenzo Valla beigezogen werden, der darlegt, warum sich nach einer langen Verfallsgeschichte das mittelalterliche Latein vom klassischen sehr stark zuungunsten des letzteren unterscheidet:
Kommentar zu Kap. v, 9
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"Nam postquam hae gentes semel iterumque Italiae influentes Romam ceperunt, ut imperium eorum ita linguam quoque, quamadmodum aliqui putant, accepimus, et plurimi forsan ex illis oriundi sumus. Argumento sunt codices gothice scripti, quae magna multitudo est; quae gens, si scripturam romanam depravare potuit, quid de lingua, praesertim relicta sobole, putandum est? Unde post illorum adventum primum alterumque omnes scriptores nequaquam facundi, ideoque prioribus, multo inferiores fuerunt. En quo litteratura romana recedit: veteres admiscebant linguae suae graecam, isti admiscent gothicam". (Lorenzo Valla, Elegantiae, ed. E. Garin, Prosatori latini, 610).
§9 Der hier vorgetragene Gedankengang der Veränderlichkeit der Volkssprache ist einer Stelle in VE sehr ähnlich: "Dicimus ergo quod nullus effectus superat suam causam, inquantum effectus est, quia nil potest efficere quod non est. Cum igitur omnis nostra loquela ... sit a nostro beneplacito reparata ... et homo sit instabilissimum atque variabilissimum animal, nec durabilis nec continua esse potest. .. Quapropter audacter testamur quod si vetustissimi Papienses nunc resurgerent, sermone vario vel diverso cum modernis Papiensibus loquerentur". (VE, 1, ix, 6-7). Dante deutet im Conv. an, was er in VE, 1einer breiteren Untersuchung unterziehen wird: die Geschichtlichkeit der Sprache. In Conv., II, xiii, 10 nimmt Dante den Gedanken der Veränderlichkeit der Wörter bei der Beschreibung der Grammatik wieder auf, bewertet aber die daraus folgende unendliche Wandelbarkeit und Adaptabilität der Sprache eher positiv und zitiert Horaz zur Erläuterung der generatio und corruptio der Wörter. Dante betrachtet in Conv., II, xiii, 10 die Veränderlichkeit einer Sprache, die in Conv., 1 noch als Kriterium der geringeren Würde der Volkssprache bemüht wird, geradezu als Grund von deren unendlichem Umfang („la sua infinitade"). Obschon die Grammatik (gemeint ist die Wissen-
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Kommentar zu Kap. v, 10 .11-12
schaft) mit der niedersten Sphäre des Mondes verglichen wird, deutet sich also schon im Conv. eine Neueinschätzung der lebendigen und sich ausdehnenden Volkssprache an. § 10 uno libello ch'io intendo .„ Volgare Eloquenza] Der Verweis auf VE wurde wiederholt für die Festsetzung des terminus post quem des letzteren beigezogen. Zusammengestellt sind die umstrittenen Positionen bei C. Vasoli, Kommentar zur Stelle. §§ 11-12 Dante behandelt in diesem und dem nächsten Paragraphen die Tugend, der zweite Grund der unzulässigen Unterordnung eines lateinischen Kommentars unter die volkssprachlichen Kanzonen. Der Beweis hat folgende logische Struktur: Aus den beiden Obersätzen (Ml und M2) folgen in Verbindung mit verschiedenen Untersätzen (ml, m2, m3, m4) die entsprechenden conclusiones (Cl, C2, C3, C4):
M 1: M2:
Jedes Ding ist tugendhaft in seiner Natur, insofern es das tut, worauf es hingeordnet ist(§ 11). Je besser ein Ding das tut, worauf es hingeordnet ist, desto tugendhafter ist es (§ 11).
ml:
Der Mensch ist von Natur aus auf ein kontemplatives oder aktives Leben hingeordnet (§ 11). Ml/ml/ Cl: Der Mensch, der ein kontemplatives oder aktives Leben lebt, ist tugendhaft. Das Pferd ist auf viel und schnelles Rennen hingeordnet (§ 11). Ml/m2/ C2: Das Pferd, das viel und schnell läuft, ist tugendhaft.
m2:
m3:
Das Schwert ist auf das Schneiden hingeordnet.
Kommentar zu Kap. v, 11
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Ml/m3/ C3: Das Schwert, das harte Dinge gut schneidet, ist tugendhaft. m4.
Das Sprechen ist darauf hingeordnet, die menschlichen Gedanken kundzutun (§ 12). M2/m 4/ C4: Jenes Sprechen ist tugenhafter, das in höherem Maße Gedanken kundtut(§ 12). C4 ist seinerseits Maier im nächsten Beweisschritt: M: m: C:
Jenes Sprechen ist tugenhafter, das in höherem Maße Gedanken kundtut(§ 12). Das Latein legt mehr im Geiste erfaßte Dinge offen als die Volkssprache (§ 12). Das Latein ist tugendhafter als die Volkssprache (§ 12). Das heißt, aus der Prämisse eines lateinischen Kommentars zu einem volkssprachlichen Text ergibt sich etwas Unmögliches, nämlich ein Kommentar, der tugendhafter ist als der zu kommentierende Text. Die Begründung der den Beweis entscheidenden minor, das Latein lege mehr Dinge offen als die Volkssprache, beschränkt Dante auf den lakonischen Hinweis, alle, die beide Sprachen beherrschen, wüßten dies. § 11
Ciascuna cosa ••• virtuosa] Wie die spätere Anwendung von 'virtuoso' auf Mensch, Pferd, Schwert und Sprache zeigt, entspricht der von Dante verwendete Begriff der vertu nicht dem im engeren Sinne ethischen oder intellektuellen, sondern er bezeichnet im Anschluß an Aristoteles ganz allgemein eine teleologisch konzipierte Vollkommenheit einer Sache als operationelle Realisierung ihrer finalen Bestimmung: „Denn den Zustand, welchen jedes Einzelne erreicht, wenn seine Entwicklung zum Abschluß gelangt ist, nennen wir die Natur jedes Einzelnen, wie etwa des Menschen, des Pferdes, des
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Kommentar zu Kap. v, 11
Hauses" (Pol., 1, 2, 1252b32-1253al; Gigon, 49). Vgl. auch Phys., VII, 3, 246b27-30. Siehe außerdem Thomas von Aquino, In Phys., lib. 7, lect. 5, n. 918: "Habitus qui sunt in prima specie qualitatis, etiam corporei, sunt quaedam virtutes et malitiae. Virtus enim universaliter cuiuslibet rei est quae bonum facit habentem, et opus eius secundum quam bene se habet et bene operatur, malitia ... Omnis autem virtus et malitia dicuntur ad aliquid . . . Similiter pulchritudo et macies dicuntur ad aliquid ... Huiusmodi enim sunt quaedam dispositiones eius quod est perfectum in sua natura per comparationem ad optimum, idest ad finem, qui est operatio. Sicut enim dictum est, ex hoc huiusmodi dispositiones virtutes dicuntur, quod bonum faciunt habentem, et opus eius bonum reddunt. Dicuntur ergo huiusmodi dispositiones per relationem ad debitum opus, quod est optimum rei". uomo virtuoso ••• attiva] Die Unterscheidung zwischen der aktiven und kontemplativen Tätigkeit und Bestimmung des Menschen geht zwar zurück auf Aristoteles (Eth. Nie., X, 79), Dante gesteht aber den beiden Tätigkeiten in bezug auf das tugendhafte Leben, im Gegensatz zu Aristoteles und vielen Aristotelikern seiner Zeit, eine gewisse Gleichwertigkeit zu ("vive in vita contemplativa o attiva"). So argumentiert er auch in II, iv, 10, die Glückseligkeit der Engel beinhalte, wie diejenige der Menschen, sowohl eine vita contemplativa als auch eine vita activa ("non pur una beatitudine abbia, ma due") und nimmt darin die in Mon., III, xv dargelegte Lehre der zweifachen Glückseligkeit vorweg. Vgl. Kommentar zu Conv., II, iv, 10. A. Logoni (La travagliata struttura, llOff.) sprach sich dafür aus, daß die hier zu kommentierende Stelle, wie überhaupt die §§ 11-12 eine syntaktische Übereinstimmung zu den Quaestiones supra Prisciano minori des Gentile da Cingoli aufweisen und daß es sich deshalb beim Text Dantes um ein verstecktes Cingoli-Zitat handle. Für das hier zu besprechende Lemma führt sie folgende Stelle an (Gentile 1): "< 1 > In
Kommentar zu Kap. v, 11
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natura autem dicitur esse perfectum < 2 > quod attingit propriam operationem et finem, < 3 > sicut dicitur 1 Politicae; < 4 > et quanto magis potest in propriam operationem et finem < 5 > et minus est ei admixtum de potentia passiva et privatione, < 6 > tanto dicitur esse perfectius (10, 33-37). Sinngemäß sind die Elemente 1, 2, 4 und 6 im Text Dantes enthalten (Dante 1: „ < 1 > Ciascuna cosa e virtuosa in sua natura < 2 > ehe fa quello a ehe ella e ordinata; < 4 > e quanto meglio lo fa < 6 > tanto e piU virtuosa"), sie unterscheiden sich aber sehr stark in der Formulierung: < 1 > Gentile: „dicitur esse perfectum"; Dante: „e virtuosa". Gentile: „quod attingit propriam operationem et finem"; Dante: „que fa quello a ehe ella e ordinata". Gentile: „quanto magis potest in propriam operationem, et finem"; Dante: „e quanto meglio lo fa". < 6> Gentile: „tanto dicitur esse perfectius"; Dante: „tanto epiU virtuosa". Anschließend an diese Stelle führt A. Longoni (La travagliata, 112) einen Passus Gentiles an, der mit 'dicemo homo virtuoso ... attiva' übereinstimmen soll: „Ille namque homo dicitur esse perfectus, qui potest in istam operationem quae est intelligere, eo quod intelligere est propria operatio hominis, eo quod homo est intellectus vel est maxime operans secundum intellectum, sicut apparet VI Ethicorum, et quanto homo potest in istam operationem, quae est intelligere et minus est ei admixtum de potentia passiva et privatione quae opponitur illi operationi, tanto dicitur esse perfectior; [dicit] ille homo qui magis operatur secundum intellectum ut possibile est in specie humana, dicitur esse perfectissimus in specie humana". (Quaestiones supra Prisciano minori, 10, 47-55). Zu dieser Stelle befindet sich nun aber der Text Dantes in entschiedenem Widerspruch, denn der Florentiner verweist gerade nicht auf die bei Gentile völlig unoriginelle und in unzähligen Texten so nachzulesende Wiedergabe der ethischen Finalisierung der aristotelischen lntellekttheorie, sondern er beschränkt sich auf die Bemerkung, daß sowohl das aktive als auch das kontemplative Leben
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Kommentar zu Kap. v, 12
dem Menschen eine tugendhafte Existenz ermöglichten, was Gentiles Stelle, die eine Unterordnung der vifa acfiva unter die vifa confemplativa bedeutet, tendenziell widerspricht. Eine gewisse Affinität zwischen den Texten Dantes und Gentiles kann nicht bestritten werden, da es sich aber um die formelhafte Sprache der aristotelischen Schulphilosophie handelt, scheinen mir die Übereinstimmungen für die Behauptung einer direkten Abhängigkeit {„citazione occulta") zwischen den Texten zu wenig zwingend zu sein. cavallo virtuoso] Vgl. Thomas von Aquino, Senf. Efh., 1, 10; 36: Sed hoc pertinet ad rationem virtutis quod unusquisque habens virtutem secundum eam bene operetur, sicut virtus equi est secundum quam bene currit". Senf. Efh., II, 6; 94: „Similiter etiam virtus equi est quae facit equum bonum, et per quam equus bene operatur opus suum, quod est velociter currere". Zum Beispiel des Pferdes vgl. auch Aristoteles, Efh. Nie., II, 5, 1106a19-24. Gentile führt die Beispiele des Pferdes und des Schwertes, die z.B. in Thomas' Ethikkommentar als Standardbeispiele menschlicher Instrumente erwähnt werden, nicht an. Vgl. hierzu Thomas von Aquino: „Quandoque inquiruntur per consilium instrumenta, puta equus aut gladius" (Senf. Efh., III, 8; 144). § 12 sermone ••. manifestare lo concetto umano] Die Bestimmung der Funktion der Sprache weist eine sehr große Nähe zu folgender Thomasstelle auf: „Nihil est enim aliud loqui ad alterum, quam conceptum mentis alteri manifestare" {Thomas vonAquino, Sum. fheol., 1, 107, 1, c. a.). DieseThomasstelle ist durch die Übereinstimmung der Wörter 'manifesfare' und 'concetto', in§ 12 verwendet Dante noch 'mente', dem Text Dantes näher als die von A. Longoni (La fravagliafa sfruttura, 113t) angeführten Stellen der Modisten Gentile da Cingoli („nomina necessaria sunt ut expriamus nostros conceptus alteri et conferamus cum aliis"; 4, 66-67) und Boethius von Daci-
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en („Est etiam grammatica necessaria, ut per ipsam sciat exprimere conceptum intentum per sermonem congruum"; De modis significandi; 22). Vgl. dazu auch VE, 1, ii, 3: „Si etenim perspicaciter consideramus quid cum loquimur intendamus, patet quod nichil aliud quam nostre mentis enucleare aliis conceptum" . Dante rekurriert außerdem auf ein herkömmliches Sprachverständnis. Vgl. Albert der Große, Periherm., 1, 2, 1; 381: „Causa autem institutionis, quia cum res efferre non possumus, ut nobis invicem communicemus rerum praesentatione, inventae sunt voces articulatae, quibus ipsas res sive intentiones rerum exprimamus, ut nobis invicem vocibus communicemus". Vgl. auch Thomas von Aquino, Exp. Peryerm„ 1, 2; 9: „quia homo est naturaliter animal politicum et sociale, necesse fuit quod conceptiones unius hominis innotescerent alii, quod fit per vocem". Zu dem hier besprochenen Paragraphen führt A. Longoni ebenfalls eine Stelle des Gentile da Cingoli an, von der Dantes Text direkt abhängen soll (Gentile 2): „ < 1 > Unde illa oratio dicitur esse perfecta, < 2 > quae attingit propriam operatione, et finem, < 6 > et tanto dicetur esse perfectior, < 4 > quanto magis attingit proprium finem et operationem < 5 > et minus erit sibi admixtum de potentia passiva et privatione" (Quaestiones supra Prisciano minori, 10, 56-60). A. Longoni stützt ihre Behauptung auf die Tatsache, daß die im Text mit Zahlen markierten syntaktischen Elemente im Vergleich zu dem im Kommentar zu § 11 zitierten Stelle (Gentile 1) die syntaktischen Elemente umgestellt seien und daß Dantes Text diese Umstellung ebenfalls aufweise (Dante 2): „ < 1 > Cosi losermone, lo quale e ordinato a manifestare lo concetto umano, e virtuoso < 2 > quando quello fa, < 6 > e piu virtuoso < 4 > quello ehe piii lo fa (1, v, 12). In der Tat sind in 'Dante 2' im Vergleich zu 'Dante 1' die Elemente und vertauscht aufgeführt. Da aber 'Dante 1' in bezug auf 'Gentile 1' die Elemente < 3 > und < 5 > wegläßt und 'Gentile 2' das
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Kommentar zu Kap. v, 12
Element < 5 > wieder enthält, ist der Vorschlag, es handle sich um eine „citazione occulta" (La travagliata, 114), doch zuwenig eindeutig belegt. Das impliziert die weiterführende Bemerkung, daß A. Longonis Theorie, Dante hätte zuerst die Traktate II und III und erst nachher den Traktat I des Conv. geschrieben, weil die Traktate II und III noch keine Beziehungen zu der erst später einsetzenden Beschäftigung Dantes mit den Modisten aufwiesen, auf sehr schwachen Füssen steht. Interessant an den Ausführungen A. Longonis ist sicher, daß sie zu Dantes Text ein anderes Beispiel einer Anwendung des teleologisch-funktionalistischen Tugendmodells zur Bewertung der Sprache vorzutragen vermag. Die Übertragung dieses Modells auf die Problematik der Volkssprache wird aber bei Gentile nicht thematisiert. lo latino ..• volgare far non puo] Aegidius Romanus, De regimine, II, II, c. 7; 180v: „Nam videmus in idiomatibus vulgaribus, quod raro potest quis debite et distincte proferre aliquod idioma, nisi sit in eo in ipsa infantia assuefactus. Qui enim in aetate perfecta transfert, se ad partes longinquas ubi idiomata differunt a materno, etiam si per multa tempora in partibus illis existat, vix aut nunquam potest recte loqui linguam illam et ab incolis illius terrae semper cognoscitur ipsum fuisse advenam, et non fuisse in illis partibus oriundus. Si ergo sie est in idiomatibus laicorum, multo magis hoc erit in idiomate literali, quod est philosophicum (phisicum ed.) idioma. Videntes enim philosophi nullum idioma vulgare esse completum et perfectum, per quod perfecte exprimere possent naturas rerum, et mores hominum, et cursus astrorum, et alia de quibus disputare volebant, invenerunt sibi quasi proprium idioma, quod dicitur latinum, vel idioma literale, quod constituerunt adeo latum et copiosum, ut per ipsum possent omnes suos conceptus sufficienter exprimere". Wie stark sich im 15. Jahrhundert die Meinung einiger Gelehrten zugunsten der Volkssprache verändert hatte, zeigt eine Stelle des Humanisten Leon Battista Alberti: „Ben confesso quella antiqua latina
Kommentar zu Kap. v, 13-14.13
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lingua essere copiosa molto e omatissima, ma non pero veggo in ehe sia la nostra oggi toscana tanto d'averla in odio, ehe in esse qualunque bencbe ottima cosa scritta ci dispiaccia. A me par assai di presso dire quel ch'io voglio, ein modo ch'io sono pur inteso ... E sia quanto dicono quella antica apresso di tutte le genti piena d'autorita, solo percbe in essa molti dotti scrissero, simile certo sara la nostra s'e'dotti la vorranno molto con suo studio e vigilie essere elimata e polita" (Leon Battista Alberti, Proemio al libro III delta 'Famiglia', 224f.). §§ 13-14 Die §§ 13-14 behandeln den dritten und letzten Grund der mangelnden Unterordnung eines möglichen lateinischen Kommentars unter die volkssprachlichen Kanzonen: die Schönheit des Lateins. Die allgemeine Definition der Schönheit eines Dings, nämlich die gebührende Anordnung seiner Teile, expliziert Dante am Beispiel des Menschen, des Gesangs und der Sprache. Das Latein bietet das schönere Sprechen, weil sich in ihm durch die künstlich angeordnete Ordnung die Worte in gebührender Weise entsprechen, wogegen die Volkssprache ein Produkt der Gewohnheit der Menschen ist. Etwas überraschend faßt Dante am Schluß des§ 14 seine Ausführungen als Beweis der größeren Schönheit, Tugend und Adels des Lateins zusammen, was eigentlich den Inhalt des ganzen Kapitels zusammenfaßt. Dante hält also, etwas unvermittelt und ohne weitere Begründung, die Tatsache, daß das Latein ein Kunstprodukt, die Volkssprache aber aus Gewohnheit entsteht, auch für einen Beweis der Überlegenheit des Lateins in bezug auf Tugend und Adel. § 13
Quella cosa ••• piacimento] Die von Dante vorgetragene Konzeption des schönen Dings, verstanden als wohlproportionierte Anordnung oder Harmonie der Teile, steht in einer langen philosophiehistorischen Tradition und ist ein Stan-
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Kommentar zu Kap. v, 14
dardkonzept der spätmittelalterlichen Philosophie: „Eodem autem modo est pulchritudo in proportione commensurationis membrorum ad invicem et ad colorem" (Albert, Physica, VII, 1, 7; 531). „Pulchritudo consistit in duobus, scilicet in splendore et partium proportione" (Thomas, In I Sent., dis. 3, q. 2, a. 3). „Nam in debita commensuratione partium, pulcritudo consistit" (Thomas, Sent. Eth., 1, 13; 47). l'uomo essere bello] Vgl. mit Busnelli I Vandelli (Kommentar zur Stelle) Cicero, De off., 1, 28, 98: „pulchritudo corporis apta compositione membrorum movet oculos et delectat hoc ipso quod inter se omnes partes cum quodam lepore consentiunt". dicemo bello lo canto ••. rispondenti] Paschasius Radbertus, Expositio in Matheo libri XII, lib. 8, lin. 3189: „Nostis enim in musicis quia nisi fuerit consonantia vocum ut unam ex diversis vocibus de se cantus armoniam reddat non delectatur audire". Vgl. auch Ptolemaeus de Lucca, De regimine principum continuatio, IV, c. 23: „In tertioDe civ. dei, quod respublica sive civitas bene disposita melodiae vocibus comparatur, in qua diversis sonis proportionatis ad invicem, fit cantus suavis et delectabilis auribus". § 14 sermone ... e lo latino arte] Der Passus weist eine Konjektur auf [le parole. „rispondono], über die in der Forschung allgemeine Übereinstimmung herrscht. Vgl. Vasoli, Kommentar zur Stelle. Unter 'Kunst' (arte) verstanden die spätmittelalterlichen Philosophen in Anlehnung an Aristoteles eine nach bestimmten Regeln der Vernunft vorgehende, hervorbringende Tätigkeit: „Jede Kunst berifft ein Entstehen und ist das Erproben und Betrachten, wie etwas Bestimmtes im Bereich dessen, was sein oder nicht sein kann, zu entstehen vermag; und zwar ist der Ursprung im Hervorbringenden und nicht im Hervorgebrachten. Denn es gibt weder eine Kunst bei dem, was aus Notwendigkeit ist oder wird, noch bei dem, was
Kommentar zu Kap. v, 15
141
sich von Natur bildet. Da nun Hervorbringen und Handeln verschieden sind, so muß die Kunst zum Hervorbringen und nicht zum Handeln gehören ... Die Kunst ist also, wie gesagt, ein mit richtiger Vernunft verbundenes hervorbringendes Verhalten". (Eth. Nie., V, 4: Gigon, 185). Dante scheint hier den Begriff der Kunst in der von Aristoteles festgelegten Weise auf das künstlich hervorgebrachte Latein anzuwenden. In II, xiii, 8 reiht er die Grammatik ohne weitere Erklärung unter die scienze ein, was den Darlegungen des Aristoteles inEth. Nie., VI widerspricht. In Conv., II, xii, 4 spricht er noch von "l' arte di grammatica", so daß davon ausgegangen werden muß, daß Dante den Ausführungen von Eth. Nie., VI, 4 nicht sehr getreu gefolgt ist und sich des von Aristoteles festgehaltenen Unterschieds zwischen Wissenschaft und Kunst entweder nicht bewußt ist, oder ihn aber absichtlich mißachtet, um die Philosophie mit der Poesie zu verbinden. Darüber hinaus kann gesagt werden, daß Dante Latein und Grammatik nicht schlechthin identifiziert hat. In Conv., I, xi, 14 spricht er von der „gramatica greca" und in~. I, i, 3 meint er, daß die Griechen und andere die Grammatik hätten, aber nicht alle. (für eine etwas andere Meinung vgl. Vasoli, Kommentar zur Stelle und ED, III; 259f.). Das Latein ist also ein Spezialfall von Grammatik, injedem Fall aber unterscheidet es sich von der aus dem reinen Sprachgebrauch (uso) hervorgegangenen und nicht nach Vernunftregeln konzipierten Volkssprache. § 15 Der § faßt das Ergebnis des Kapitels zusammen: Ein lateinischer Kommentar wäre den volkssprachlichen Kanzonen nicht unter-, sondern übergeordnet gewesen. Dies hätte der gebührenden Ordnung zwischen dem Ziel (Kanzonen) und dem auf das Ziel hingeordneten (Kommentar) widersprochen. Dante hat also seine Behauptung in einem Verfahren ad impossibile bewiesen (Vgl. Petrus Hispanus, Traetatus, VII, 164; 173f.). Aus der Annahme eines lateinischen Kommentars ergäbe sich
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Kommentar zu Kap. vi, 3-4
etwas Unmögliches (ein dem Herrn übergeordneter Diener), weshalb die Prämisse fallengelassen werde. Den „ostensiven" Beweis, daß die genannten Bedingungen auf den volkssprachlichen Kommentar zutreffen, führt Dante jeweils durch den Hinweis auf die Entsprechung des volkssprachlichen Kommentars zum volkssprachlichen Text.
Kapitel vi In diesem Kapitel erläutert Dante den zweiten auf der Analogie Diener-Herr I Kommentar-Text beruhenden Grund zur Rechtfertigung der Volkssprache (siehe Einleitung zu den Kapiteln v-vii): ein Diener muß die Natur und die Freunde seines Herrn kennen, ein volkssprachlicher Kommentar hätte diese Bedingung in bezug auf die volkssprachlichen Kanzonen nicht erfüllt. Nach den einleitenden §§ 1-2, in denen das gesamte Vorgehen in den Kapiteln v-vii und die Hauptabsicht des vi. Kapitels kurz auf den Punkt gebracht werden, widmet Dante die §§ 3-4 dem Gedanken der Notwendigkeit der Kenntnis der Natur des Herrn durch den Diener, um dann in einem längeren Abschnitt ( § § 5-11) etwas ausführlicher die notwendige Kenntnis der Freunde zu begründen. §§ 3-4 Dante zeichnet in diesen§§ ein sehr unvorteilhaftes Bild der unberechenbaren und kapriziösen Herren, deren unvernüftiges Verhalten sie in die Nähe der Tiere bringt. Solche Herren muß man schon sehr gut kennen, um ihnen in vollkommener Weise dienen zu können. Dante erläutert nicht, worin die Analogie zwischen diesen Herren und seinen Kanzonen besteht und er begründet auch nicht, weshalb man einem Herrn, der von seiner Natur her eher ein Tier ist, überhaupt dienen soll. Man gewinnt bei der Lektüre dieses kurzen Abschnitts den Eindruck, es gehe weniger um den Beweisgang, dieser wird in
Kommentar zu Kap. vi, 5-11.5
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dem sehr viel längeren Abschnitt 5-11 fortgeführt, als vielmehr um einen Seitenhieb gegen die Herren. sono quasi bestie] Vgl. Conv., II, vi, 4: "chi da la ragione si parte, e usa pur la parte sensitiva, non vive uomo, ma vive bestia; si come dice quello eccellentissimo Boezio: "Asino vive". §§ 5-11 Dieser Abschnitt begründet die Notwendigkeit der Kenntnis der Freunde des Herrn und erläutert, weshalb ein lateinischer Kommentar diese Bedingung in bezug auf einen volkssprachlichen Text nicht erfüllen könnte. Dante erklärt die Kenntnis der Volkssprache und ihrer Freunde (befreundete Volkssprachen) aus der Vorstellung, daß die einzelnen Volkssprachen wie Freunde Teile eines Ganzen darstellen, und daß, um das Ganze zu kennen, die einzelnen Teile gekannt werden müssen. Dieser Beweis ist nur dann einsichtig, wenn man sich vergegenwärtigt, daß Dante das Latein nicht für eine Sprache hält, aus dem die Volkssprachen hervorgegangen sind, sondern für eine künstlich hervorgebrachte Wissenschaftssprache (vgl. Kommentar zu v, 7). Der Beweis ist folgendermaßen strukturiert: M: Wer ein Ding nur im allgemeinen kennt, kennt es nicht als solches. (§ 6) m: Das Latein kennt die Volkssprache im allgemeinen, nicht aber im einzelnen (§7) C: Das Latein kennt die Volkssprache nicht. (§ 8)
§5 li amici siano ••• volere] Mit der Einheit der Freunde spielt Dante auf einen bei Aristoteles in der Nikomachischen Ethik wiederholt angesprochenen Gedanken an. Vgl. etwaEth. Nie., VIII, 11: Gigon, 245: "So weit also Gemeinschaft besteht, so weit besteht auch Freundschaft ... Darum ist das Sprichwort: »Besitz der Freunde ist gemeinsam« richtig. Denn in der Ge-
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Kommentar zu Kap. vi, 6.7
meinschaft besteht die Freundschaft. Unter Brüdern und Kameraden ist nun alles gemeinsam". Zur Idee der Freunde als Einheit durch Gemeinschaft vgl. Thomas von Aquino, Sent. Eth. , VIII, 9; 4 72: „omnis amici tia in communicatione quadam consistit". Vgl. auch Conv., IV, i, 2: „li amici de l'uno sono da l'altro amati, e li nemici odiati; per ehe in greco proverbio e detto: Deli amici essere deono tutte le cose comuni".
§6 conosce alcuna cosa in genere •.. becco] Dante veranschaulicht in diesem Abschnitt einen wichtigen Bestandteil der aristotelischen Erkenntnistheorie. Das ungenaue Sehen eines Tieres aus der Feme, ohne die Spezies feststellen zu können, entspricht der Erkenntnis des allgemeinen Begriffs ohne spezifische Bestimmungen. Auch Thomas von Aquino verbindet seine diesbezüglichen Ausführungen mit dem Beispiel des Tieres. Vgl. Sum. theol., I, 85, 3, c.: „Manifestumestautem quod cognoscere aliquid in quo plura continentur, sine hoc quod habeatur propria notitia uniuscuiusque eorum quae continentur in illo, est cognoscere aliquid sub confusione quadam. Sie autem potest cognosci tarn totum universale, in quo partes continentur in potentia, quam etiam totum intergrale: utrumque enim totum potest cognosci in quadam confusione, sine hoc quod partes distincte cognoscantur. Cognoscere autem distincte id quod continetur in toto universali, est habere cognitionem de re minus communi. Sicut cognoscere animal indistincte, est cognoscere animal inquantum est animal; cognoscere autem animal distincte, estcognoscere animal inquantum est animal rationale vel irrationale, quod est cognoscere hominem vel leonem". Vgl. auch Summa c. gen., II, 98, n. 1837: „Cognoscere enim aliquid secundum genus tantum est cognoscere imperfecte". §7 Lo latino .•• conoscesse] Die erkenntnistheoretischen Überlegungen aus§ 6 werden nun auf die Kenntnis der Volksspra-
Kommentar zu Kap. vi, 8. 9
145
ehe durch das Latein übertragen. Das Latein vermag an der Volkssprache nur die allgemeinen, allen Sprachen gemeinsamen Merkmale zu erkennen, nicht aber die einzelne Volkssprache. Dantes Behauptung, es gäbe für das Latein keinen Grund, eine Volkssprache zu kennen und andere nicht, ist wiederum nur verständlich, wenn berücksichtigt wird, daß laut Dante das Latein eine zu den Volkssprachen hinzu erfundene Sprache ist, und sich bei ihm die Erkenntnis, daß gewisse Volkssprachen aus dem Latein hervorgegangen und ihm deshalb verwandt sind, noch nicht durchgesetzt hatte. tutto l'abito .„ volgare] Mit 'abito del latino' bezieht sich Dante auf die Lehre des Wissens als Habitus der Seele. Um die Volkssprache zu kennen, müßte die Kenntnis des Lateins die Kenntnis aller Volkssprachen implizieren. §8 Dante belegt hier durch Beispiele, daß die eben genannte Bedingung, die Kenntnis des Lateins müsse auch die Kenntnis aller einzelnen Volkssprachen implizieren, nicht erfüllt wird. Ein des Lateins kundiger Italiener kann aufgrund seiner Lateinkenntnisse nicht zwischen der englischen und deutschen Volkssprache unterscheiden, ebensowenig wie ein deutscher Lateiner Italienisch und Provenzalisch auseinanderhalten kann. Für die Einfügung [inghilese] vgl. Vasoli, Kommentar zur Stelle. §9 Die nun folgende Erörterung zur Kenntnis der Freunde beruht auf der erkenntnistheoretischen Überlegung aus § 6, wonach die vollständige Kenntnis der Volkssprache die Kenntnis aller einzelnen Volkssprachen impliziert, sowie auf den in § 78 gelieferten Beweisen, daß dies nicht der Fall ist. Neu in diesem Paragraphen ist die Vorstellung eines volgare principale (lo volgare), das das Latein ebenfalls nicht kennt. Es wird nicht ganz klar, ob Dante mit dem principale eine der existierenden Volkssprachen meint und suggeriert, eine sei die füh-
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Kommentar zu Kap. vi, 10-11.10
rende, oder ob er schon das später in VE zu suchende vulgare illustre innerhalb der italienischen Volkssprache bezeichnet. Dieses konzipiert er anhand der aristotelischen Kategorienlehre als das erste im Genus, mit dem alle anderen gemessen werden. Es existiert , auf vollkommenere oder unvollkommenere Weise, aber schon in den vorhandenen italienischen Volkssprachen: „Resumentes igitur venabula nostra, dicimus quod in omni genere rerum unum esse oportet quo generis illius omnia comparentur et ponderentur, et a quo omnium aliorum mensuram accipiamus ... Potest tarnen magis in una quam in alia redolere, sicut simplissima substantiarum, que Deus est, in homine magis redolet quam in bruto, in animali quam in planta. (VE, I, xvi, 2-5).
§§ 10-11 In diesen §§ deutet sich bereits die von Dante in VE klar ausgesprochene Bevorzugung der Volkssprache aufgrund ihrer größeren Verbreitung und Intimität an. Sie hat dem Latein den familiären Umgang mit einer viel größeren Zahl von Menschen voraus. Durch die nicht weiter begründete Postulierung der Freundschaft unter den Volkssprachen meint Dante dieser eine größere Universalität zusprechen zu können. Das Latein hingegen ist abstrakter. elitärer und deshalb mit den Volkssprachen nicht befreundet. Der Text Dantes ist nur dann verständlich, wenn berücksichtigt wird, daß er sowohl die anderen Volkssprachen als auch die Menschen, die sich ihrer bedienen, als Freunde der Volkssprache bezeichnet. § 10 lo latino no a conversazione con tanti ••• amici] Der Gedanke der größeren Verbreitung der Volkssprache in ihren verschiedenen Ausformungen stellt in VE, I, i, 4 den zweiten Hauptgrund für die größere Würde der Volkssprache im Vergleich zum Latein dar: „nobilior est vulgaris ... turn quia totus orbis ipsa perfruitur, licet in diversas prolationes et vocabula sit divisa" .
Kommentar zu Kap. vi, 11; vii
147
§ 11
non efamiliare di tutti] Zusätzlich zur extensiven Verbreitung der Volkssprache („conversazione con tanti") führt Dante mit dem Hinweis auf die familiäre Art und Weise des volkssprachlichen Umgangs noch ein qualitatives Argument zur Begründung der unzulänglichen Kenntnis der Freunde der Volkssprache durch das Latein an. Auch wenn viele Menschen Latein sprechen, so bleibt doch ihr Verhältnis zu dieser Sprache distanziert, so daß das Latein von ihnen nur eine mangelhafte Kenntnis hat und die in § 6 begründete erkenntnistheoretische Bedingung der vollständigen Kenntnis eines Dings nicht erfüllt wird. Kapitel vii Dante schreitet in diesem Kapitel zum dritten nach dem Modell Diener-Herr konstruierten Grund der ungebührlichen Zuordnung von lateinischem Kommentar und volkssprachlichem Text: ein lateinischer Kommentar wäre dem Text ein ungehorsamer Diener gewesen. Nach dem einleitenden § 1, der kurz das Vorhaben in Erinnerung ruft, postuliert Dante in § 2 drei Voraussetzungen des wahren Gehorsams: er muß süß und nicht bitter, befohlen und nicht spontan und angemessen sein. Diese Bedingungen erfüllt ein lateinischer Kommentar nicht, wie in § 3 behauptet wird, woraus folgt, daß es unmöglich gewesen wäre, den Kommentar in Latein zu verfassen. Dantes Beweis hat die folgende Beweisstruktur: M: DerwahreGehorsamistsüß, befohlen und angemessen.(§ 1).
m:
Dem lateinischen Kommentar ist süßer, befohlener und angemessener Gehorsam gegenüber der Volkssprache nicht möglich. (§ 3). C: Der lateinische Kommentar kann gegenüber der Volkssprache nicht gehorsam sein. (§ 4). Die conclusio steht in Widerspruch zu der in v, 4-6 teleologisch begründeten Bedingung, daß der Kommentar dem Text
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Kommentar zu Kap. vii, 2.4-5
Gehorsam leisten muß. In den folgenden §§ 4-15 begründet Dante die in der Minor behauptete Unmöglichkeit des süßen, befohlenen und angemessenen Gehorsams eines lateinischen Kommentars zu einem volkssprachlichen Text. Die §§ 4-5 behandeln den süßen Gehorsam, die §§ 5-8 die Spontaneität und Befohlenheit und die§§ 9-15 die Angemessenheit. In§ 16 schließlich stellt Dante fest, daß mit diesem Beweisgang das Thema des mangelnden Gehorsams eines lateinischen Kommentars abgeschlossen ist. Damit ist auch der ganze, in den Kapitel v-vii dargelegte, teleologische Beweis einer ungebührlichen Zuordnung von lateinischem Kommentar und volkssprachlichem Text beendet. §2 Obediente ..• dismisurata] Zum gänzlich befohlenen Gehorsam vgl. Gregorius Magnus, Moralia in lob, XXXV, xiv, 28: „per oboedientiam vero voluntas propria mactatur. Tanto igitur quisque Deum citius placat, quanto ante eius oculos repressa arbitrii sui superbia, gladio praecepti se immolat". Ibidem, XXXV, xiv, 30: „sciendum summopere est quod oboedientia aliquando, si de suo aliquid habeat, nulla est". §§ 4-5 Dante begründet in den §§ 4-5 die mangelnde Süße eines lateinischen Kommentars, wobei er wiederum streng syllogistisch vorgeht: Ml: Jedes Ding, das aus einer verkehrten Ordnung hervorgeht, ist bitter. ( § 4). ml: Befehle des Dieners an den Herrn gehen aus einer verkehrten Ordnung hervor. (§ 4). Cl: Befehle des Dieners an den Herrn sind bitter und nicht süß. (§ 4). M2:
Der Gehorsam eines bitteren Befehls kann nicht süß sein. (§ 4).
Kommentar zu Kap. vii, 4-S
m2: C2:
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Der Diener gibt dem Herrn bittere Befehle ( = Cl) DerGehorsamdesHerrnkannnichtsüßsein. (§4).
M3 (=C2): Der Gehorsam des Herrn kann nicht süß sein m3: Das Latein ist der Herr über die Volkssprache. (§ 5) C3: Der Gehorsam des Lateins gegenüber der Volkssprache kann nicht süß sein. (§ 5). M4 (=C3): Der Gehorsam des Lateins gegenüber der Volkssprache kann nicht süß sein. m3: Die Kanzonen sind in der Volkssprache verfaßt. (§ 5). C 3: Der Gehorsam des Lateins gegenüber den Kanzonen kann nicht süß sein. (§ 5). M4 ( =C3): Der Gehorsam des Lateins gegenüber den Kanzonen kann nicht süß sein. (§ 5). m4: Der Kommentar ist auf Latein verfaßt. C4: Der Gehorsam des Kommentars gegenüber den Kanzonen kann nicht süß sein. (§ 5). C4 widerspricht der Voraussetztung, daß die Kanzonen in bezug auf den Kommentar die Stellung des Befehlshabers zum Diener einnehmen(§ 5). Durch diese Beweisschritte gelangt Dante zur Folgerung, daß sich aus der Annahme eines lateinischen Kommentars (m4) zu volkssprachlichen Kanzonen eine unmögliche ("impossibile e") Schlußfolgerung ergibt. Er gibt auch diesem Beweis die Form eines Syllogismus ad impossibile (vgl. supra Einleitung zu Kapitel v-vii). Die Praemisse, die zu der unmöglichen Schlußfolgerung führt und fallengelassen werden muß, ist m4. perverso ordine •.• lo subietto comandare] Vgl. Thomas vonAquino, Sum. theol., 11-11, 104, 1, c: "Oportuitautemin rebus naturalibus ut superiora moverent inferiora ad suas ac-
150
Kommentar zu Kap. vii, 6-8
tiones, per excellentiam naturalis virtutis collatae divinitus. Unde etiam oportet in rebus humanis quod superiores moveant inferiores per suam voluntatem, ex vi auctoritatis divinitus ordinatae ... Et ideo, sicut ex ipso ordine naturali divinitus instituto inferiora in rebus naturalibus necesse habent subdi motioni superiorum, ita etiam in rebus humanis, ex ordine iuris naturalis et divini, tenentur inferiores suis superioribus obedire". §§ 6-8 In diesen§§ erläutert Dante den zweiten Grund des mangelnden Gehorsams eines lateinischen Kommentars. Ein lateinischer Kommentar hätte manches ohne ausdrücklichen Befehl erklärt und dem Kriterium des Gehorsams, nämlich ohne jeglichen eigenen Antrieb zu handeln, nicht genügt. Dante versteht den Gehorsam im strengen Sinne: nur diejenige Handlung, die ohne Befehl weder ganz noch teilweise ausgeführt worden wäre, wird als eine aus Gehorsam hervorgegangene bezeichnet. In § 2 wurden die gänzliche Befohlenheit und vollkommene Absenz von spontaner Ausführung einer Handlung als notwendige Merkmale des wahren Gehorsams bezeichnet. In § 6 nimmt Dante dieses Kriterium auf und formuliert in Form einer propositio ypotetica conditionalis, was unter gänzlicher Befohlenheit und Abwesenheit von Spontaneität zu verstehen ist: "Wenn der Handelnde ohne Befehl weder ganz noch teilweise aus eigenem Willen gehandelt hätte, wäre der Gehorsam gänzlich befohlen und in keiner Weise spontan". (Vgl. dazu Petrus Hispanus, Tractatus, I, 16; 8f: "Propositio ypotetica est illa que habet duas propositiones cathegoricas principales partes sui, ut 'si horrw currit, horrw rrwvetur' (... ) Conditionalis est illa, in qua coniunguntur due cathecorice per hanc coniunctionem 'si', ut 'si horrw currit, horrw rrwvetur; et illa cathecorica cui immendiate coniungitur hec coniunctio 'si', dicitur antecedens, alia vero consequens". Die Wahrheit
Kommentar zu Kap. vii, 6-8
151
einer solchen propositio ypotetica conditionalis besteht laut Petrus Hispanus (ibidem; 9) in der Tatsache, daß das consequens eine notwendige Bedingung des antecedens ist: "Ad veritatem conditionalis exigitur, quod antecedens non possit esse verum sine consequentis, ut 'si home est, animal est'. Unde omnis conditionalis vera est necessaria, et omnis conditionalis falsa est impossibilis" . Dantes nachfolgender Beweis beruht auf genau dieser Tatsache: Die Befohlenheit und vollkommene Abwesenheit einer inneren Motivation des Handelnden sind notwendige Bedingungen des Gehorsams. Ein lateinischer Kommentar ergibt etwas Unmögliches, nämlich einen Gehorsam, der nicht vollständig befohlen und frei von eigenem Willen ist. Die von Dante in § 6 formulierte propositio ypotetica conditionalis wird in § 7 durch ein konkretes Beispiel erläutert, von dem am Schluß des Paragraphen behauptet wird, genau gleich verhalte es sich mit dem Gehorsam eines lateinischen Kommentars gegenüber den volkssprachlichen Kanzonen. Diese Aussage wird in § 8 begründet: Der lateinische Kommentar hätte ohne Befehl viele Teile der Kanzonen erklärt und erklärt sie für den aufmerksam in den lateinischen Schriften Suchenden. Aus der propositio ypotetica conditionalis in § 6 und der Begründung in § 8 ergibt sich folgender Syllogismus, mit dem die Unmöglichkeit eines lateinischen Kommentars bewiesen wird: M: „Wenn der Handelnde ohne Befehl weder ganz noch teilweise aus eigenem Willen gehandelt hätte, wäre der Gehorsam gänzlich befohlen und in keiner Weise spontan". m: Das Latein hätte ohne Befehl viele Teile der Kanzonen erklärt und erklärt sie für den aufmerksamen in den lateinischen Schriften Suchenden. C: Der Gehorsam des lateinischen Kommentars wäre nicht gänzlich befohlen gewesen. In § 2 wurde die gänzliche Befohlenheit als notwendiges Merkmal des wahren Gehorsams bezeichnet. Verbindet man
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Kommentar zu Kap. vii, 6. 7
C mit der in § 2 gestellten notwendigen Bedingung, so ergibt sich folgender, von Dante nicht mehr ausformulierter aber aus seinen Aussagen sich ergebender, Syllogismus: M: der wahre Gehorsam ist gänzlich befohlen und in keiner Weise spontan m: Der Gehorsam des lateinischen Kommentars wäre nicht gänzlich befohlen gewesen C: Der Gehorsam des lateinischen Kommentars wäre nicht wahrer Gehorsam gewesen. Die Bedeutung der zuletzt genannten conclusio wird sofort ersichtlich, wenn sie mit der von Dante in v, 5 begründeten Voraussetzung, daß der Kommentar, in Analogie zur Beziehung Diener-Herr, dem Text gegenüber Gehorsam schuldig ist, in Beziehung gesetzt wird. Die Annahme eines lateinischen Kommentars impliziert Konsequenzen, die der in v, 5 begründeten Voraussetzung widersprechen. §6 obedienza interamente comandata „. in parte] "proprium obiectum obedientiae est praeceptum, quod quidem ex alterius voluntate procedit" (Thomas von Aquino, Sum. theol., 11-11, 104, 2, ad 3). Für textkritische Probleme zu 'quello ehe Ja obediendo' vgl. Vasoli, Kommentar zur Stelle. §7 Vgl. Sum. theol., 11-11, 104, 2, ad 3: „Obedientia reddit promptam hominis voluntatem ad implendam voluntatem alterius, scilicet praecipientis. Si autem id quod ei praecipitur sit propter se ei volitum, etiam absque ratione praecepti, sicut accidit in prosperis, iam ex propria voluntate tendit in illud, et non videtur illud implere propter praeceptum, sed propter voluntatem propriam". Diese Thomasstelle wird bei Busnelli/ Vandelli (Kommentar zur Stelle) treffend als Quellenhintergrund zitiert.
Kommentar zu Kap. vii, 8.9-15
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§8 lo latino ... alcuna] 'lo latino' scheint mehrdeutig, denn es kann damit das Latein allgemein als Sprache der Wissenschaft oder aber der lateinische Kommentar gemeint sein. Diese Tatsache hat in der Forschung zu mehreren voneinander abweichenden Interpretationen geführt, die C. Vasoli (Kommentar zur Stelle) bespricht. Es kann die Meinung vertreten werden, daß Dante beide Bedeutungen miteinander verbindet. Der eingeschobene Satz 'ed espone, chi cerca bene le scritture latinamente scritte' ist nur verständlich, wenn vom Latein allgemein die Rede ist, denn die Kennntnis der in Latein verfaßten Schriften erklärt vieles von selber, was für das volgare in keinem Teil, das heißt in keiner der in diesem Idiom verfaßten Schriften der Fall ist. Im Satz 'lo latino sanza lo comandamen-
to di questo signore averebbe esposite molte parti de La sua sentenza' deutet der Irrealis der Vegangenheit von 'averebbe esposite' darauf hin, daß der nicht in Latein geschriebene Kommentar und nicht das Latein im allgemeinen gemeint ist. In jedem Falle ist der Gedankengang Dantes in Analogie zu § 7 nachzuvollziehen. Das Latein, in dem die Bücher der Wissenschaften verfaßt sind, wie auch ein lateinischer Kommentar erfüllen die Bedingung des wahren Gehorsams nicht, weil sie vieles aus eigenem Antrieb ohne Befehl erklärt hätten. § 9-15 In diesem Abschnitt behandelt Dante die letzte notwendige Bedingung des wahren Gehorsams, die Angemessenheit, die darin besteht, einen Befehl vollständig zu erfüllen, aber nicht darüber hinaus zu gehen (§ 9). Der lateinische Kommentar hätte einerseits den Befehl nicht erfüllt, andererseits durch „ Übermaß gesündigt" (§ 10), denn er hätte die Kanzonen nur den Gelehrten ausgelegt, obschon sie für alle Menschen geschrieben sind, die die Volkssprache verstehen(§ 11-12), und er hätte sie allen ausgelegt, die Latein verstehen, also auch Deutschen, Engländern etc., die die Schönheit der italieni-
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Kommentar zu Kap. vii, 9
sehen Kanzonen nicht erkennen können, denn Poesie läßt sich laut Dante nicht ohne Verlust der Schönheit in andere Sprachen übertragen(§§ 13-15). §9 l'obedienza con misura ••• oltre] Vgl. Thomas von Aquino, Sum. theol., 11-11, 104, 2, ad 2: „Obedientia medium est inter superfluum, quod attenditur ex parte eius qui subtrahit superiori obedientiae debitum quia superabundat in implendo propriam voluntatem, et diminutum, quod attenditur ex parte superioris cui non obeditur". la natura particulare ••• la mano, e non piil ne meno] Das von Dante sehr knapp formulierte Beispiel des Gehorsams der partikularen Natur gegenüber der universalen birgt eine komplexe Lehre in sich, auf die Dante in späteren Schriften wiederholt zurückgegriffen hat (Vgl. dazu ED, IV, 14-17; Perler, Kommentar zu Abhandlung über das Wasser und die Erde, § 44). Zugrunde liegt die aristotelische, auf Avicenna zurückgehende und u. a. von Roger Bacon (Communia naturalia, c. 7; 92-93) und Albert dem Großen dem lateinischen Mittelalter vermittelte Einteilung der Natur in eine universale Natur, gemeint ist die supralunare Welt der Himmelskörper und ihre Wirkungen, und eine partikulare Natur, worunter die generativen Wirkungen der einzelnen sublunaren Naturdinge verstanden werden: „Intelligo autem per naturam particularem virtutem propriam regiminis unius individui, et intelligo per naturam universalem virtutem infusam in substantias caelorum, quasi unam rem et gubernantem universitatem generationum" (Avicenna, Liber de philosophia prima, VI, 5; 335). Vgl. Albertus von Orlamünde, Philosophia pauperum, I, I; 446: „Unde Avicenna distinguit duplicem naturam, scilicet. universalem et particularem. Universalem appellam diffusam virtutem in substantia coelorum. Particularem appellat illam quae est in istis rebus singularibus, sive individuis, ut illam quae est in hac planta et in hoc grano,
Kommentar zu Kap. vii, 9
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secundum quod dicitur quod natura est vis insita rebus ex similibus similia procreans". (Zu der Verfasserschaft vgl. Grabmann, Die Philosophia pauperum und ihr Verfasser). Die auch im Werk Alberts des Großen verarbeitete Unterscheidung zwischen natura particularis und natura universalis (vgl. e.g. Phys., II, i, 5) entwickelte sich zur doctrina communis, die auch Thomas von Aquino wiedergibt: "Natura quidem particularis est propria virtus activa et conservativa uniuscuiusque rei. Et secundum hanc omnis corruptio et defectus est contra naturam, ut dicitur in II de Caelo: quia huiusmdo virtus intendit esse et conservationem eius cuius est. Natura vero universalis est virtus activa in aliquo universali principio naturae, puta in aliquo caelestium corporum; vel alicuius superioris substantiae, secundum quod etiam Deus a quibusdam dicitur natura naturans" (Sum. theol., 1-II, 85, 6). Wie der Text des Thomas exemplifiziert, wurde das Modell der zwei Naturen dazu verwendet, einerseits die innerweltliche generatio auf die supralunare Welt der Himmelskörper zurückzuführen und andererseits die Defekte und Unvollkommenheiten der generativen Kraft des innerweltlichen Naturdinges und nicht den Wirkungen der unveränderlichen Himmelskörper zuzuschreiben. Auch die Questio de aqua et terra greift das Thema in diesem Zusammenhang auf: „Propter quod sciendum est quod Natura universalis non frustratur suo fine; unde, licet natura particularis aliquando propter inoboedientiam materie ab intento fine frustretur, Natura tarnen universalis nullo modo potest a sua intentione deficere, cum Nature universali equaliter actus et potentia rerum, que possunt esse et non esse, subiaceant". (Dante, Questio, 44; vgl. auch Mon., II, ii, 3). Die in Conv. und Questio identische Verwendung der GehorsamsMetapher für das Verhältnis der natura particularis zur natura universalis erachte ich als ein zusätzliches Argument zugunsten der Authentizität der Questio de aqua et terra. Falls die Formen nach der Absicht der universalen Natur verwirklicht werden, Dante gebraucht das Beispiel der fünf Finger, kann
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Kommentar zu Kap. vii, 9
von einem vollkommenen Gehorsam der an die Materie gebundenen partikularen Natur gesprochen werden, so wie in der oben zitierten Questio (§ 44) im Falle einer Defizienz von "Ungehorsam" die Rede ist. Für das Beispiel der fünf Finger, das im Anschluß an Aristoteles ein Standardbeispiel der Schulphilosophie war. Vgl. e.g. Albert, Phys., II, 2, 17: „Sed maximam quam potest habere differentiam casus ad fortunam, habet in operibus naturae, cum aliquid in naturae operibus fiat extra naturae intentionem, et est, sicut fit digitus sextus vel duo capita in uno corpore vel carentia digiti vel aliquorum membrorum". Thomas von Aquino, Summa c. gen., IV, 41, n. 3789; Sent. Eth., V, 16; In Met„ XI, 8, n. 9. Für das Problem natura universalis-deus vgl. Kommentar zu Conv., III, iv, 10. la giustizia [quando fa •••] ••• peccatore] Die Passage 'quando fa quello ... giustizia' ist in der Edition der SD konjiziert und Busnelli/Vandelli kritisieren zurecht die allzu allgemeine Formulierung, denn in der unmittelbar vorausgehenden Stelle wird eine konkrete Handlung der natura particularis, das Hervorbringen von zweiunddreißig Zähnen und fünf Fingern, in Entsprechung zur natura universalis vorgetragen. Analog dazu müßte in der Stelle von einer der kommutativen Gerechtigkeit entsprechenden Bestrafung des Sünders die Rede sein. Busnelli/Vandelli schlagen deshalb vor 'quando ja quello' durch 'quando ja pagar lo debito de la pena' zu ersetzen. Übersetzt lautet dann der Satz: „Der Mensch ist der Gerechtigkeit gehorsam, wenn er dem Sünder die von der Gerechtigkeit vorgeschriebene Strafe zukommen läßt und nicht mehr und nicht weniger". Vgl. Thomas von Aquino, In IV Sent„ dis. 15, q. 1, a. 2: „quia iustitia est idem quod contrapassum ( ... ) sed contingit aequalem poenam sumere delectationi, quae fuit in peccando". Ders„ In IV Sent., dis., 15, q.1, a. 3: „aequalitas iustitiae restituatur per recompensationem aequalis poenae". Ders., In/VSent„ dis. 20, q.l, a. 2: homoreducitur ad aequalitatem justitiae per poenam inflictam, sed hoc non esset, si quantitas culpae et poenae non sibi respondent".
Kommentar zu Kap. vii, 11.12
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§ 11 Ein lateinischer Kommentar hätte den Befehl der Kanzonen einerseits nicht erfüllt und andererseits überzogen. Dante formuliert in diesem Paragraphen, worin dieser Befehl besteht: Die Kanzonen sind in der italienischen Volkssprache verfaßt und deshalb für jenes Publikum bestimmt, das diese Sprache versteht. Ihr Befehl an den auf sie hingeordneten Kommentar lautet, daß sein Publikum mit demjenigen der Kanzonen identisch sein muß.
§ 12 Der lateinische Kommentar würde den Befehl nicht erfüllen, denn er wäre nur für die Gelehrten geschrieben, wogegen die meisten, die die Kanzonen verstehen wollen, Ungelehrte sind. Dante nimmt hier mit dem Gedanken der Vermittlung von Wissen an die vom normalen Wissenschaftsbetrieb aus verschiedenen Gründen Ausgeschlossenen ein Leitmotiv des Conv. wieder auf. Ein lateinischer Kommentar hätte seinem Unternehmen in einem entscheidenden Punkt widersprochen. Vgl. Kommentar zu 1, i. litterati ... non litterati] In dem hier angesprochenen Kontext des möglichen Nichtverstehens eines lateinischen Kommentars durch die non litterati bezeichnet dieser Term die der lateinischen Bildungssprache Unkundigen (Vgl. Grundmann, Litteratus/illiteratus, 3-14). Ein Beherrschen bzw. nicht Beherrschen der Bildungssprache hatte weitreichende Gründe und Konsequenzen, so daß mit dem Begriffspaar 'litterati-non litterati' auch bei Dante eine soziale Wirklichkeit bezeichnet wird, die sowohl den Bildungsstand, als auch den damit verbundenen sozialen Status impliziert. Eine Bildung, die über elementare Kentnisse der lateinischen Sprache hinausging, erwarb sich der Mann zur Zeit Dantes, mit Ausnahme desselbigen, im Schoße der Kirche als Kleriker und Theologe oder aber an der Universität als Theologe, Artist, Jurist oder Mediziner, wobei ein stattliche Anzahl der Artisten und Juristen
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Kommentar zu Kap. vii, 13
ebenfalls Kleriker waren (zur Thematik Laie-Illiteratus vgl. R. Imbach, Laien, 21-26). Dem von Dante mit 'litterati' bezeichneten Publikum kommt demnach eine bestimmte Art von Bildung zu, die man als universitär bezeichnen könnte, und es gehört zu einer bestimmten sozialen Schicht. Wie H. Grundmann (Litteratuslillitteratus, 8) überzeugend darlegt, sind die 'non litterati' hingegen nicht einfach Ungebildete, sondern es sind Menschen, die über eine aus der mündlich-volkssprachlichen Tradition hervorgegangene Laien- und Adelsbildung verfügen, die bis zur Zeit Dantes eine zunehmende Verschriftlichung erfahren hatte und in deren Milieu auch die volkssprachlichen Kanzonen Dantes gehörten. Nach seiner Exilierung hielt sich der Alighieri meist an Fürstenhöfen auf, so daß davon ausgegangen werden kann, daß er mit 'non litterati' unmittelbar sein Publikum bezeichnet, dem er mit einer Kommentierung in Latein eine Erklärung seiner Kanzonen vorenthalten würde. Interessant ist dabei die Bemerkung aus§ 8, die Erklärung seiner Kanzonen sei in den lateinischen Schriften zu finden. Nebst dem persönlichen Motiv, seinem neuen Publikum seine Person und sein Werk vorzustellen, geht es Dante also um die Vermittlung einer in der lateinischen Sprache verfaßten universitären philosophischen Bildung. Er setzt sich über die durch das Begriffspaar 'litterati/non litterati' zum Ausdruck kommende Polarität zwischen zwei verschiedenen Bildungswelten hinweg und schreibt einen philosophischen Kommentar für 'non litterati'. Weiter zum Thema vgl. F. Bäum!, Varieties and Consequences of Medieval Literacy and Illiteracy; P. Zumthor, Litteratuslllliteratus. § 13 Dante erläutert, daß ein lateinischer Kommentar die Kanzonen den litterati anderer Sprachen ausgelegt hätte, diese aber die Kanzonen selbst nicht in ihrer poetischen Schönheit erfassen können. Der lateinische Kommentar wäre somit über den Befehl hinausgegangen. Wiederum hat Dante eine präzise
Kommentar zu Kap. vii, 14
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Vorstellung seines Publikums, das er in diesem Falle auf die der italienischen Sprache Kundigen einschränken will. § 14
musaico armonizzata ••. armonia] Vgl. II, xi, 9: "ma ponete mente la sua [canzone] bellezza, ch'e grande si per construzione, la quale si pertiene a li gramatici, si per l'ordine sei sermone, ehe si pertiene a li rettorici, si per lo numero de le sue parti, ehe si pertiene a li musici". II, xiii, 23: „la Musica, la quale e tutta relativa si come si vede ne le parole armonizzate e ne li canti, de' quali tanto piu dolce armonia resulta". Diese Zitate stützen die Vermutung, Dante meine mit 'musaico' nicht einfach 'poetisch' im allgemeinen Sinne (Busnelli/ Vandelli, Komm. zur Stelle), sondern 'zur Musik gehörend'. Dieses Verständnis scheint auch eine Stelle in VE zu belegen: „si poesim recte consideremus: que nichil aliud est quam fictio rethorica musicaque poita". Zu Dantes Thematisierung der Schwierigkeit, Texte zu übersetzen, sowie zu den Beispielen, die er dazu anführt, wird in der Forschung auf Hieronymus (Prefatio in Eusebii Caesariensis Chronicon) verwiesen: "Vetus iste disertorum mos fuit, ut exercendi ingenii causa Graecos libros Latino sermone absolverent, et quod plus in se difficultatis habet poemata illustrium virorum, addita metri necessitate, transferrent. Unde et noster Tullius Platonis integros libros ad verbum interpretatus est: et cum Aratumjam Romanum hexametris versibus edidisset, in Xenophontis Oeconomico lusit. In quo opere ita saepe aureum illud flumen eloquentiae scabris quibusdam et turbulentis obicibus retardatur, ut qui interpretata nesciunt, a Cicerone dicta non credant. Difficile est enim, alienas lineas insequentem non alicubi excidere: arduum, ut quae in aliena lingua bene dicta sunt, eumdem decorem in translatione conservent. Significatum est aliquid unius verbi proprietate, non habeo meum quod id efferam; et dum quaero implere sententiam, longo ambitu vix brevia spatia consumo. Accedunt hy-
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Kommentar zu Kap. vii, 15
perbatorum anfractus, dissimilitudines casuum, varietates figurarum; ipsum postremo suum, et, ut ita dicam, vemaculum linguae genus. Si ad verbum interpretor, absurde resonat; si ob necessitatem aliquid in ordine, vel in sermone mutavero, ab interpretis videbor officio recessisse . . . et difficultatem rei etiam divinorum voluminum instrumenta testentur, quae a LXX lnterpretibus edita, non eumdem saporem in Graeco sermone custodiunt ... Inde adeo venit, ut sacrae litterae minus comptae, et dure sonantes videantur, quod diserti homines interpretatas eas de Hebreo nescientes, dum superficiem, non medullam, inspiciunt, ante quasi vestem orationis sordidam perhorrescunt, quam pulchrum intrinsecus rerum corpus inveniant. Denique quid Psalterio canorius? quod in morem nostri Flacci, et graeci Pindari, nunc iambo currit, nunc alcaico personat, nunc Sapphico turnet, nunc semipede ingreditur. Quid Deuteronomii et Isaiae Cantico pluchrius? quid Salomone gravius? quid perfectius Job? Quae omnia hexametris et pentametris versibus, ut Josephus et Origenes scribunt, apud suos composita decurrunt. Haec cum Graeca legimus, aliud quiddam sonant; cum Latine, penitus non cohaerent. Quod si cui non videtur linguae gratiam interpretatione mutari, Homerum ad verbum exponat Latinum. Plus aliquid dicam, eumdem in sua lingua prosae verbis interpretetur, videbit ordinem ridiculum et poetam eloquentissimum vix loquentem". Als weitere Stelle kann angeführt werden: Hieronymus, Epistula 106, vol. 55, § 12; 255: "sed in latino sermone, si tranferatur, fit indecora translatio et nos emendantes olim psalterium, noluimus, ne nimia novitate lectoris studium terreremus". § 15 Omero] Wie die oben zitierten Stellen des Hieronymus darlegen, muß Dantes Erwähnung Homers nicht von einer direkten Kenntnis des Textes herrühren, zumal Dante kein Griechisch konnte umd dem Mittelalter der Text der beiden Epen Homers Ilias und Odysee nicht direkt bekannt war. (vgl.
Kommentar zu Kap. vii, 15
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W. Kullmann, Bermerkungen zum Homerbild des Mittelalters). Boccaccio war nach eigener Aussage der erste, der die lateinische Übersetzung der Ilias des Leontius Pilatus (ca. 1360) gehört hat (vgl. A. Petrusi, Leonzio Pilato). Dennoch hat Dante einzelne Themen Homers, die er aus anderer Quelle kannte, ausgearbeitet. Vgl. R. Imbach, Odysseus im Mittelalter. Salterio] Dieses Wort steht zur Zeit Dantes ganz allgemein für das die Psalmen enthaltende Gebetsbuch. Die Angabe, die Psalmen seien von der hebräischen in die griechische und von griechischen in die lateinische Sprache übersetzt worden, steht nicht bei Hieronymus (er hat die Psalmen bei seiner dritten Übersetzung direkt aus dem Hebräischen ins Lateinische übersetzt; vgl. dazu LMA, II, 91f.) und ist insofern interessant, als Dante im Conv. alle Zitate aus den Psalmen in seiner eigenen italienischen Übersetzung wiedergibt (A. Penna, ED, IV, 1079) und die allgemein gebräuchliche Bibelübersetzung, wenn auch nur aus ästhetischen Gründen, kritisiert. Dante bekundet also einen ungezwungenen Umgang mit der Autorität, stützt sich aber dabei auf ein historisch-kritisches Argument bezüglich des ursprünglichen Bibeltextes. Der Sache nach trifft Dantes Argument der Übersetzung der Psalmen aus dem Hebräischen ins Griechische und aus dem Griechischen ins Lateinische nur auf die erste, und in eingeschränktem Maße auf die zweite Übersetzung des Hieronymus zu. Die seit dem 7. Jahrhundert gebräuchliche, als Psalterium Gallicanum bekannte zweite Übersetzung des Hieronymus, beruhte auf den Hexapla, einer von Origenes hergestellten Parallelausgabe des hebräischen Textes, der griechischen Übersetzung des Aquila, des Symmachus, der Septuaginta und des Theodotion sowie einer Rezension der Septuaginta, die die Abweichungen zwischen dem hebräischen Text und der Septuaginta kenntlich machte. Gänzlich vom hebräischen Text aus ging die dritte, als Psalterium iu.xta Hebraeos bekannte Version, die jedoch nicht in die Vulgata aufgenommen wurde (vgl. H. de Sainte-
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Einleitung zu Kap. viii-ix; viii, 1
Marie, Sancti Heronymi psalterium iuxta Hebraeos). Dante war demnach die letzte Übersetzung des Hieronymus iuxta Hebraeos nicht bekannt, er verwies aber auf einen auf das Psalterium Gallicanum und auf die erste Übersetzung zutreffenden Sachverhalt.
Kapitel viii-ix Bereits in 1, i, 19 hat Dante das gesamte Unternehmen seiner Schrift als ein Trachten nach "vollkommener und wahrer Freigebigkeit" bezeichnet (vgl. auch Kommentar dazu). Dieses Leitmotiv variiert er in den folgenden zwei Kapiteln zu einer Rechtfergtigung der Wahl der Volkssprache, indem er in Kapitel viii die Freigebigkeit in drei Punkten charakterisiert und in Kapitel ix jeden dieser Punkte auf das Verhältnis des Kommentars zum Text anwendet und begründet, weshalb der volkssprachliche Kommentar die Bedingungen der vollendeten Freigebigkeit besser erfüllt als der lateinische. Dem ersten, in viii, 3-4 dargelegten wesentlichen Merkmal der Freigebigkeit, vielen zu geben, entspricht der Teil ix, 2-5, wo dessen Anwendung auf den Kommentar durchgeführt wird. Die zweite Bedingung der Freigebigkeit, nützliche Dinge zu geben (viii, 5-13), wird in ix, 6-9 auf das Verhältnis des Kommentars zum Text übertragen; den dritten Grund, das Geben aus freien Stücken (viii, 14-17), verwendet Dante in ix, 10 als Kriterium zur Entscheidung der Frage nach der geeigneteren Sprache des Kommentars zu einem volkssprachlichen Text. Kapitel viii §1 Dem Paragraphen kommt eine Schamierfunktion zu; er schafft die Verbindung zwischen dem vorangehenden Teil, der der Ordnung zwischen Kommentar und Text gewidmet ist,
Kommentar zu Kap. viii, 2
163
und dem nun folgenden Abschnitt über die vollendete Freigebigkeit. pronta liberalitate] Es geht Dante bei dieser Bezeichnung weniger um die Unverzüglichkeit des Gebens, die in der Tradition oft als Teilaspekt der Liberalität verstanden wurden (vgl. Vasoli, Kommentar zur Stelle), sondern vielmehr bezeichnet 'pronta' allgemein die Qualität der inneren Bereitschaft zur freigebigen Handlung. Vgl. Thomas von Aquino, Sent. Eth., IV, 2; 206: "liberalis, qui est promptus ad benefaciendum donando". §2 Dante führt in diesem Paragraphen drei Punkte auf, an denen man die Freigebigkeit erkennt, und die, wie er darlegen wird, aus dem volkssprachlichen Kommentar, nicht aber aus dem lateinischen hervorgehen. Die wahre Freigebigkeit besteht darin, vielen (1) nützliche Dinge (2) aus freien Stücken (3) zu geben. la pronta liberalitate ... dare quello] Die dreiteilige Charakterisierung der Freigebigkeit findet sich bis heute so nirgends in den Quellen, Dante ließ sich aber in einzelnen Elementen von der Tradition beeinflussen. Den Punkt, vielen zu geben, beziehen Busnelli/Vandelli und Vasoli (Kommentare zur Stelle) auf Aristoteles, Eth. Nie., IV, 1120b4-6 beziehungsweise Thomas von Aquino, Sent. Eth., IV, 2; 206: „Ad liberalem pertinet ut vehementer superabundet in datatione, non quidem sie quod superabundet a ratione recta, sed ita, quod datio in ipso superabundet retentioni, quia minus sibi relinquit, quam aliis det; paucis enim in se ipso contentus est, sed, dum vult multis providere, oportet quod plurima largiatur". Auch eine Stelle Senecas (De benef, I, 14) wird zitiert: "Qui beneficia sua amabilia vult esse, excogitat quomodo et multi obligentur". Für das Geben nützlicher Dinge als zweiter Bedingung der Freigebigkeit muß auf Eth. Nie., IV, 1: 1120a21-22 als Texthintergrund hingewiesen werden: „End-
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Kommentar zu Kap. viii, 3-15
lieh führt von allen Tugenden die Freigebigkeit am ehesten zur Freundschaft. Denn solche sind nützlich, und zwar durch das Geben" (Gigon, 128). Die von Vasoli zitierten Stellen (Kommentar zur Stelle) thematisieren das Geben an bestimmte Leute zur rechten Zeit am rechten Ort und entsprechen dem Gedanken Dantes nicht genau. Für weitere Bezüge zu Seneca (De beneficiis) vgl. Kommentar zu§ 5. Das Geben aus freien Stükken, ohne gefragt worden zu sein, ist ebenfalls ein traditionelles Element der Freigebigkeit. Vgl. dazu Brunetto Latini, Tresor, II, 95; 276: „Mais eil ki ne se laisse demander loguement muteplie son don, pour ce que tres bonne chose est davancier Je desirier de chascun. Senekes dit, eil n'a pas pour nient Ja chose ki par priere Ja requiert, nule chose ne couste plus chier que cele ki est achatee par priiere. Li mestres dist, c' est amere parole et anvieuse en qui doit baissier Je vout, ke dire, Je pri. Tobies dit, priere est vois de misere et parole de dolor. Pour ce sourmonte toutes manieres de don eil ki vient a 1'encontre et ki est fete sans requeste. Tuilles dist, plus est gracieus uns petis dons fais isnelement que uns autres grans ki est a paines dones". §§ 3-15 In den §§ 3-15 begründet Dante, warum die aus wahrer Freigebigkeit zu gebenden Dinge notwendigerweise nützlich sein müssen. In den §§ 3-5 führt er dazu je ein Argument an. Mit § 6 beginnt eine längere Begründung (§§ 6-15), in der vier Gründe dargelegt werden, weshalb die Gaben der vollendeten Freigebigkeit notwendigerweise nützlich sein müssen. Die §§ 7-8 sind der notwendigen Heiterkeit der Tugend, die den ersten Grund darstellt, gewidmet. Die zweite Bedingung besteht in der Notwendigkeit der Tugend, die Dinge zum Besseren hinzubewegen (§§ 9-11). Drittens führt Dante den Grund an, daß die Tugend Freunde Schaffen muß, was im Falle der Gabe nur durch ein nützliches Ding erreicht wird (§§ 12-13). In den§§ 14-15 behandelt Dante den vierten und
Kommentar zu Kap. viii, 3.4
165
letzten Grund der Nützlichkeitsbedingung: die Freiheit der tugendhaften Handlung, die sich dadurch manifestiert, daß der Geb.er seine Gabe nach der Nützlichkeit, die diese für den Empfänger hat, bestimmt. §3
In diesem Paragraphen beginnt die Begründung des ersten Punktes vollendeter Freigebigkeit: vielen zu geben. Che dare a uno ••. benefattore] Die Stelle kommt einem Passus des Ethikkommentars des Thomas von Aquino (1, 2; 9) sehr nahe: „bonum quod habet rationem causae finalis, tanto potius est quanto ad plura se extendit ... Pertinet quidem enim ad amorem qui debet esse inter homines quod homo quaerat et conservet bonum etiam uni soli homini, sed multo melius et divinius est quod hoc exhibeatur toti genti et civitatibus. Vel aliter: amabile quidem est quod hoc exhibeatur uni soli civitati, sed multo divinius est quod hoc exhibeatur toti genti, in qua multae civitates continentur. Dicit autem hoc esse divinius eo quod magis pertinet ad Dei similitudinem, qui est universalis causa omnium bonorum". §4 E ancora, dare a molti „. componendo] Dante überträgt die traditionelle Lehre, das Gesetz müsse sowohl den Einzelnen Menschen als auch dem Allgemeinwohl dienen, auf seine Begründung des Gebrauchs der Volkssprache zur Wissensvermittlung. Er verwendet einen in der Scholastik allgemein anerkannten Gedanken zur Rechtfertigung seines eigenen, von den ausgetretenen Pfaden der Schulphilosophie sich stark unterscheidenden Unternehmens. Vgl. Thomas von Aquino, Sum. theol., 1-11, 90, 2: „Rursus, cum omnis pars ordinetur ad totum sicut imperfectum ad perfectum, unus autem homo est pars communitatis perfectae: necesse est quod lex proprie respiciat ordinem ad felicitatem communem". Vgl. außerdem Sum. theol., 11-11, 31, 2: „cum dilectio caritatis se extendat ad omnes, etiam beneficentia se debet extendere ad omnes".
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Kommentar zu Kap. viii, 5
§5
dare cose non utili ••• uno scudo] Für diese Stelle ist laut S. Debenedetti (Dante e Senecajilosofo, 16) Seneca, De benef, 1, xi, 6 als Quelle zu betrachten: „Utique cavebimus, ne munera supervacua mittamus, ut feminae aut seni arma venatoria, aut rustico libros, aut studiis ac litteris dedito retia. Aeque ex contrario circumspiciemus, ne, dum grata mittere volumus, suum cuique morbum exprobatura mittamus, sicut ebrioso vina et valetudinario medicamenta". G. Mezzadroli (Seneca in Dante, 56f.) hat darauf hingewiesen, daß Dante diese Stelle indirekt über Brunetto Latini (Tresor, II, 85, 14) bekannt gewesen sein könnte, der sie seinerseits den Moralium dogma philosophorum (laut Mezzadroli PL, 171, 1018; für eine neue Edition siehe Holmberg, 17f) entnommen hat: „Nous devons teus dons doner ki ne soient pas oiseus; car a fernes no doit on doner armes ac chevaliers. Senekes dist. nous donrons teus choses ki ne reprocent a home ne a sa maladie, c'est a dire ke l'om doit a l'yvre doner vin". Senecas 'anna venatoria' wird in den Moralium dogma philosophorum (ibidem) zu 'anna militaria', bei Brunetto zu 'armes as chevaliers' und schließlich bei Dante zu 'uno scudo'. Ansonsten weicht Dante stark von der angenommen Quelle ab und konstruiert eine anschauliche Antithese zwischen dem Ritter und dem Arzt. Für die Möglichkeit eines unnützen Geschenkes vgl. auch De benef, IV, xv, 4: „adeoque ad beneficia nos non inpellit utilitas, ut inutilia tueri ac fouere perseveremus sola beneficii caritate". li Aphorismi d'lpocras] Mit den Aphorismi des Hippocrates und den Tegni des Galen nennt Dante zwei medizinische Schulschriften des Mittelalters, deren Lektüre sich kein Medizinstudent entziehen konnte. Das abendländische Mittelalter hat im Gegensatz zum arabischen und byzantinischen niemals über das gesamte Hippokratische und pseudo-hippokratische Schrifttum verfügt. Die von Dante erwähnten Aphorismi, die mit den einprägsamen Zeilen „ Vita brevis ars autem prolixa tempus acutum vero velox experimentum autem fallens" be-
Kommentar zu Kap. viii, 5
167
ginnen, stellen die am besten bekannte und am weitesten verbreitete hippokratische Schrift dar, die im Mittelalter in der artistischen und medizinischen Ausbildung als Grundlagentext verwendet und wiederholt kommentiert wurde. Unter den bekanntesten Kommentatoren finden sich Petrus Hispanus, Taddeo Alderotti und Amaldo von Villanova. Wie die Studien von A. Beccaria (Sulle trace di un antico canone und Gli Aforismi di Ippocrate) dargelegt haben, zirkulierte bereits im 6. Jahrhundert eine lateinische Übersetzung mit Kommentar, so daß es sich um eine der ersten dem lateinischen Mittelalter zugänglichen Texte des corpus hippocraticum handelt. Die Schrift ist, wie man glaubte, von Galen in sieben Abschnitte eingeteilt worden, die Abhandlungen zu Hygiene und Diätetik, der Beziehung Schlaf und Krankheit, zum Einfluß der Jahreszeiten und der athmosphärischen Konstellationen, sowie der möglichen Krankheitenje nach alter, zur Diagnostik, zum Einfluß von Wärme und Kälte auf die Gesundheit, zu Spasmen, Epilepsie, Tetanus und Frauenkrankheiten, zur Prognose und Charakterisierung von Krankheiten und ihrer Therapie, und zu Symptomen, Komplikationen und Abfolge von Krankheiten enthalten. Vgl. dazu P. Kibre, Hippocrates La.tinus, 29-33. Ein Repertorium der Handschriften von Text und Kommentaren: ibidem, 34-90. Dante bringt in der Commedia seine Verehrung für Hippocrates zum Ausdruck (vgl. Purg., XXIX, 137f.), und er läßt ihn in lnf., IV, 143 mit Galen und Avicenna in einer Dreiergruppe von Medizinern unter den großen Geistern der Antike und des arabischen Mittelalters im Limbo weilen. li Tegni di Galieno] Mit den Tegni des in Rom tätigen griechischen Arztes Galen (A.D. 129-199) erwähnt Dante eine zweite allgemein bekannte Schulschrift mittelalterlicher Medizin, deren abendländische Rezeptionsspuren bis ins Frühmittelalter zurückgehen, denn in der Hs. Ambrosiana G 108 inf. (9. Jhd) ist ein lateinischer Kommentar zu den Tegni überliefert, der laut Kolophon in Ravenna von einem gewissen
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Kommentar zu Kap. viii, 5
Simplicius verfaßt worden ist (A. Beccaria, I codici di medicina, 290). Die Galenische Ars medica (Ars parva oder Microtegm), wurde früh, höchstwahrscheinlich von Constantinus Africanus ( + 1087), ins Lateinische übersetzt (Laut Werteliste: vgl. H. Bloch, Monte Cassino in the Middle Ages, 100, 128. NurinHs. Oxford, BodleianLibrary, Ashmole 1285, fol. 118-126 wird die alte lat. Übersetzung Constantinus Africanus zugeschrieben. Im Spätmittelalter bezeichnete man diese Übersetzung in der Annahme, sie beruhe auf dem griechischen Text, als translatio greca. Im lateinischen Mittelalter zirkulierte zusammen mit dem Kommentar des Haly (Ali ibn Rodwan) auch eine zweite, von Gerhard von Cremona ( + 1187) verfaßte, eher paraphrasierende Übersetzung der Tegni, die als translatio arahica bezeichnet wurde. B. Nardi hat auf die Kommentierung der Tegni in Bologna durch Torrigiano und Taddeo Alderotti zur Jugendzeit Dantes hingewiesen (Ne! mondo di Dante, 53-55), eine daran anschließende, aber umfassendere Untersuchung der Tegni-Kommentierung zur Zeit und im Umfeld Dantes durch Taddeo Alderotti ( + 1295), Pietro d' Abano (1250-1315), Pietro Torrigiano de' Torrigiani ( + ca. 1320), Bartolomeo da Varignana ( + 1321) und Dino de! Garbo ( + 1327) liefert jedoch P. Ottosson, Scholastic Medici-
ne and Philosophy. A study of Commentaries on Galen 's Tegni (ca. 1300-1450), 34-63. Per ehe li savi .•• donando] Das Gebot der Nützlichkeit des Geschenkes geht zurück auf antike stoische Quellen. Vgl. mit Busnelli / Vandelli Seneca, De benef., II, xvii: „Eadem beneficii ratio est: nisi utrique personae, dantis et accipientis aptatur, nec ab hoc exibit, nec ad illum perveniet ut est circa passiones". § 10 si come dice lo Filosofo] Wie schon P. Toynbee (Studies and Researches, 245f.) gezeigt hat, findet sich inEth. Nie., V keine mit der Aussage Dantes übereinstimmende Stelle, wohl aber im De off. (II, xi, 40) Ciceros: „Atque iis etiam qui vendunt, emunt, conducunt, locant contrahendisque negotiis implicantur, iustitia ad rem gerendam necessaria est, cuius tanta vis est, ut ne illi quidem, qui maleficio et scelere pascuntur, possint sine ulla particula iustitiae vivere. Nam qui eorum cuipiam, qui una latrocinantur, furantur aliquid aut eripit, is sibi ne in latrocinio quidem relinquit locum; ille autem qui archipirata dicitur, nisi aequaliter praedam dispertiat, aut interficiatur a sociis aut relinquatur: quin etiam leges latronum esse dicuntur quibus pareant, quam obseruent". Es darf angenommen werden, daß Dante den irrtümlichen Verweis auf Aristoteles aus dem Gedächtnis vorbrachte und ein Stelle, die er wahrscheinlich von Cicero kannte, Aristoteles zuschrieb. M. Corti (Lafelicita mentale, 104f.) brachte die Meinung vor, Dante hätte den Passus im Tresor an einer Stelle gefunden, die er für aristotelisch hielt, die Brunetto aber dem Liber Ethicorum entnommen hätte. Die von M. Corti vorgetragenen Passagen enthalten aber den von Dante vollzogenen und bei Cicero nachzulesenden Gedanken der Gerechtigkeit der Diebe und Räuber nicht. Wohl aber eine ebenfalls von Corti signalisierte Stelle im Tresor (II, 91, 2) des Brunetto
Kommentar zu Kap. xii, 11
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Latini: "Ceste vertu sormonte les aspres choses, car en ce que 1i uns est chevaliers et 1i autres marchans, 1i autres laboureures, et 1i pourchas de l'un enpire le gaaing de l'autre, les guerres et les haines naistroient et seroient a la destruction des homes, sa justice ne fust, ki garde et deffent la communite de vie; de qui la force est si grans que eil ki se paissent de felonie et de meffet ne puent pas vivre sans aucune partie de justice, car 1i laron ki emblent ensamble welent que justice soit entr'aus gardee, et se lor mestre ne departent ygaument la proie, ou si compaignon l'ocient ou il le lient". Der Gedanke, daß selbst Räuber und Diebe untereinander gerecht sein müssen, wenn sie gemeinschaftlich etwas ausrichten wollen, lässt sich bis zu Platos Staat zurückverfolgen. Die Gerechtigkeit erscheint darin als Grundkategorie und sine qua non kollektiven Handelns. Vgl. Der Staat, 1, 351c-d: "[Sokrates] Glaubst du, daß, wenn eine Stadt oder ein Heer oder auch Räuber und Diebe oder irgend ein anderes Volk gemeinschaftlich etwas ungerechterweise angreift, solche irgend etwas werden ausrichten können, wenn sie sich auch untereinander unrecht tun?- Wohl gewiß nicht, sagte er [Trasymachos]. - Wie aber, wenn sie sich nicht unrecht tun? Dann wohl besser?- Freilich.- Denn die Ungerechtigkeit, o Trasymachos, verursacht ihnen Zwietracht und Haß und Streit untereinander; die Gerechtigkeit aber Eintracht und Freundschaft". (Schleiermacher, 85). § 11 Li quali sono •.• e leale] Dante nimmt in diesem Paragraphen die Thematisierung der Gerechtigkeit als höchster Tugend sowie ihres Gegenteil als am meisten gehaßte Schmach zum Anlaß, um noch einmal auf seine in 1, ii-iv vorgetragene Rechtfertigung des Sprechens von sich selbst des ungerecht Behandelten aufmerksam zu machen. Für Angaben, auf welche Tradition sich die Bemerkung 'si concede da lunga usanza' bezieht, vgl. Kommentar zu 1, ii, 3; 12-17.
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Kommentar zu Kap. xii, 12
§ 12 Di questa vertu •.• proposito] In I, i, legt Dante dar, daß er durch sein allgemeines, aus 14 Gängen bestehendes Gastmahl diejenigen zur Wissenschaft führen will, die bisher von ihr ausgeschlossen waren. Im Kommentar zu I, i, 14 wurde bereits auf die zahlensymbolischen Implikationen dieses den Menschen in 14 Teilen zur Vollkommenheit führenden wissenschaftlichen Unternehmens hingewiesen. Die hier gemachte Bemerkung Dantes, daß er im 14. und letzten Buch über die Gerechtigkeit, die vollkommene und am meisten geliebte Tugend (vgl. I, xii, 9 und Kommentar), handeln will, fügt sich nahtlos in dieses zahlensymbolische Interpretation ein. Das in 14 Büchern den Menschen zur Vollkommenheit führende wissenschaftliche Itinerarium für solche Menschen, die normalerweise davon ausgeschlossen sind, hätte, wäre das Werk nicht unvollendet geblieben, im 14. Buch durch die Behandlung der vollkommenen Tugend seinen Abschluß gefunden. Erneut wird darin Dantes den Primat des Praktischen vertretende Konzeption der Philosophie deutlich. Der Mensch findet die Vollkommenheit in der höchsten Tugend des Verhaltens sich selber und anderen gegenüber; zu diesem Status hätte das Conv. im Falle seiner Vollendung die Lesenden führen sollen. Wenn die Thematisierung der Gerechtigkeit als höchster menschlicher Tugend und als höchster Abschluß des Conv. mit Dantes Äußerungen zur Commedia in der Ep. XIII, 24-25 konfrontiert wird, so tritt hervor, inwiefern der Florentiner in der Commedia ein viel ehrgeizigeres Unternehmen verfolgt. In der wörtlichen Bedeutung zeigt die Commedia den Status der Seelen nach dem Tode (§ 24; vgl. Ricklin, Kommentar zur Stelle); in der allegorischen Auslegung zeigt diese Jenseitsschau dem diesseitigen Menschen, inwiefern er der belohnenden und strafenden Gerechtigkeit unterworfen sein wird: „Si vero accipiatur opus allegorice, subiectum est homo prout merendo et demerendo per arbitrii libertatem iustitie premiandi et puniendi obnoxius est". (§ 25). Dante stellt sich, laut Ep.
Kommentar zu Kap. xii, 13; xiii, 1
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XIII, in der Commedia auf den Standpunkt der belohnenden und bestrafenden Gerechtigkeit Gottes im Jenseits, wogegen er im Conv. von der Gerechtigkeit lediglich als höchster intellektueller Tugend und Vollkommenheit des Menschen spricht. [pill essere •.• propria] Für textkritische Erläuterungen zu dieser Lücke im Archetypen vgl. Vasoli (Kommentar zur Stelle). § 13 in ciascuna ••• generativa] Auch in dieser Aussage greift Dante, wie er selbst bemerkt, auf bereits vorgetragene Erörterungen zurück. Der Verweis Vasolis (Kommentar zur Stelle) auf I, v, 12 scheint nicht richtig, denn an jener Stelle sagt Dante, daß nach den bisherigen Gepflogenheiten das Latein Gedanken besser ausdrücken könne als die Volkssprache, und er nennt in diesem Zusammenhang nur das allgemeine Kriterium der Sprachfunktion, bezieht es aber gerade nicht auf die Volkssprache. In I, x, 12 hingegen verspricht der Alighieri mit seinem Kommentar den Tatbeweis zu erbringen, daß die Volkssprache dem Latein nicht nachstehe, denn sie kann "altissimi e novissimi concetti covenevolemente, sufficientemente e acconciamente, quasi come per esso latino, manifestare". Genau auf diese Stelle bezieht sich der Verweis Dantes, daß die Volkssprache dem Kriterium der Gutheit der Sprache, dem "bene manifestare del concetto", entspricht und deshalb Ursache einer echten und vollkommenen Liebe sein kann. Für die Quellen zur Bestimmung der eigentümlichen Funktion der Sprache vgl. Kommentar zu I, v, 12.
Kapitel xiii §1 In diesem eine strukturierende Funktion ausübenden Paragraphen wird kurz zusammengefaßt, was im vorangehenden Kapitel dargelegt wurde, nämlich die zwei erzeugenden Ursa-
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Kommentar zu Kap. xiii, 2-5.2
eben der Freundschaft Dantes zur Volkssprache. Außerdem wird die Struktur der nun folgenden Erläuterung etabliert, die die vermehrenden Ursachen der Liebe Dantes darlegen soll. Vgl. supra Kommentar, Einleitung zu Kapitel xiii-xiii. §§ 2-5 Die Behandlung der Wohltat als vermehrender Ursache seiner Liebe zur Volkssprache beginnt Dante in § 2 mit einer Bestimmung der besten Wohltat als Vervollkommnung eines Dinges, die im Falle des Menschen aus seinem Sein und seinem Gutsein besteht(§ 3). Diese Argumentation, die in den Bahnen der aristotelischen Schulphilosophie verläuft, nimmt in § 4 ein für Dante typische Wende durch die Übertragung auf eine Thematik, die im traditionellen Diskurs nie berücksichtigt worden ist. Dante wendet die der aristotelischen Teleologie und Ontologie folgende Bestimmung der Wohltat als Vervollkommnung eines Dinges auf seine Beziehung zur Volkssprache an, indem er, unter Rückgriff auf die aristotelische Lehre der Kausalität, das volgare als „ Vermählerin" seiner Eltern, als Ursache seiner Existenz (§ 4), und als Wegbereiterin seiner Wissenschaft, das heißt als Ursache seines Gutseins (§ 5) und somit seiner Vollkommenheit ausweist. Die ungewöhnliche Anwendung von traditionellen Elementen der Schulphilosophie auf neue Argumentationsziele ist ein grundsätzliches Merkmal der Philosophie Dantes. Deshalb genügt es zur Charakterisierung seiner Lehre nicht, daß einzelne Argumentationselemente isoliert auf scholastische Quellen zurückgeführt und mit der Lehre des jeweiligen Autors identifiziert werden. Erst eine adäquate Analyse der Funktion des jeweiligen Zitats vermag Dantes Lehre in ihrem, meist originellen, Gehalt zu erfassen.
§2 e nulla cosa .•• vuole] Die Bestimmung des beneficium als Gewolltes aus der Sicht des Empfängers erlaubt es Dante, den
Kommentar zu Kap. xiii, 3
229
Aristotelischen Gedankengang der formalen Bestimmung des Guten auf die Qualifizierung der Wohltat anzuwenden. Aus dem Gedanken eines Dinges, das um seiner selbst willen gewollt wird und das selbst nicht durch das Wollen eines anderen Dinges bedingt ist, entwickelte Aristoteles in Eth. Nie., 1, 1 die Bestimmung des höchsten Gutes: "Wenn es aber ein Ziel des Handelns gibt, das wir um seiner selbst willen wollen und das andere um seinetwillen; wenn wir also nicht alles um eines andern willen erstreben (denn so ginge es ins Unbegrenzte, und das Streben wäre leer und sinnlos), dann ist es klar, daß jenes das Gute und das Beste ist" (Gigon 55). §3 due perfezioni abbia l'uomo .•. seconda] Die Idee einer zweistufigen Bestimmung der Vollkommenheit des Menschen (in bezug auf das Sein und in bezug auf das Gutsein) könnte Dante der von Busnelli/Vandelli (Kommentar zur Stelle) angegebenen Passage der Sum. theol. (1-11, 4, 5) des Thomas von Aquino entnommen haben: „Sed sciendum quod ad perfectionem alicuius rei dupliciter aliquid pertinet. Uno modo ad constituendam essentiam rei: sicut anima requiritur ad perfectionem hominis. Alio modo requiritur ad perfectionem rei quod pertinet ad bene esse eius: sicut pulcritudo corporis vel velocitas ingenii pertinet ad perfectionem hominis". Thomas unterscheidet jedoch zwischen der essentia und dem bene esse, was Dantes Stufen des Seins (essere) und des Gutseins (essere buono) nicht völlig entspricht. Die Quelle Thomas von Aquino, Sent. Eth., 1, 10; 35 (Busnelli / Vandelli; Vasoli, Kommentare zur Stelle) weist zum Text Dantes ebenfalls Unterschiede auf, weil Thomas von Aquino auch an jener Stelle nicht von einer zweifachen Vollkommenheit in bezug auf das Sein und das Gutsein spricht, sondern von einer Vollkommenheit der Form und der Tätigkeit ausgeht: „Cuiuslibet enim rei habentis propriam operationem, bonum suum et hoc quod bene est ei consistit in eius operatione, sicut tibi-
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Kommentar zu Kap. xiii, 4
cinis bonum consistit in eius operatione et similiter eius qui facit statuam, et cuiuslibet artificis. Et huius ratio est quia bonum finale cuiuslibet rei est ultima eius perfectio, forma autem est perfectio prima, sed operatio est perfectio secunda". Trotzdem knüpft Dante hier wohl mit einer ungenauen Terminologie an die auf Aristoteles und Avicenna zugehende Lehre der generazione sustanziale als prima perfezione und der operazione propria als secunda perjezione an, auf die er sich in Conv., II, xiii, 5 präzise bezieht (vgl. Vasoli, Kommentar zur Stelle; Ricklin, Kommentar zur Stelle. Man könnte sich fragen, ob Dantes Stufung einer Vollkommenheit in bezug auf Sein und Gutsein nicht auf die von Aristoteles in der Politik (1, 2) vorgenommene Unterscheidung zwischen dem Leben und dem vollkommenen Leben zurückgeht. Nach dieser Lehre dienen die Gemeinschaften dem Menschen einerseits zum Leben andererseits zum Gutleben. Dantes Beispiel seiner Eltern als Ursache seines Seins entspricht der ersten, lebensspendenden Funktion, die auch Aristoteles an jener Stelle im Zusammenhang mit der Verbindung von Mann und Frau behandelt. Das Beispiel der Wissenschaft entspricht der letzten Vollendung des Menschlichen Lebens, seiner Glückseligkeit, für die die Gemeinschaft laut einem Grundgedanken, der sich durch die ganze Politik hinzieht, die Voraussetzungen schaffen muß. [cagione „. buono essere] Für Textkritik vgl. Vasoli, Komm. zur Stelle. §4 Non e ... piiI cagioni efficienti] Die Wirkursache ist eine der vier Ursachen der Aristotelischen Kausalitätslehre, die in Physik, II, 3 grundlegend dargelegt ist. Als zweite Art der Ursache unterscheidet Aristoteles: „Woher der anfängliche Anstoß zu Wandel oder Beharrung kommt; z.B. ist der Ratgeber Verursacher von etwas, und der Vater Verursacher des Kindes, und allgemein das Bewirkende (Ursache) dessen, was bewirkt wird, und das Verändernde dessen, was sich ändert".
Kommentar zu Kap. xiii, 4
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(Zekl, 63). Die Aussage Dantes, daß es nicht unangebracht sei, von mehreren, hierarchisch geordneten Wirkursachen eines Dinges zu sprechen, läßt sich demselben Aristotelischen Text entnehmen: "Die Weisen des Auftretens der Ursachen sind viele an der Zahl, wenn man sie jedoch auf Hauptfälle bringt, werden auch sie weniger. 'Ursache' wird ja in vielen Bedeutungen ausgesprochen, und sogar bei Bestimmungen innerhalb der gleichen Art läßt sich das eine im Vergleich zum anderen vor- oder nachgeordnet aussagen, z. B. (Urheber) von 'Gesundheit' ist sowohl der' Arzt' wie auch der 'Meister', und (Ursache) des Oktavklangs ist sowohl das Verhältnis 2 zu 1 wie auch der Zahlbegriff, und so jeweils das Umfassende im Vergleich zum Eingeschränkten". (Zekl, 67). Auf der Grundlage des aristotelischen Textes und ihrer Weiterentwicklung durch Avicenna (Suff., l. 1, c. 10) entwickelte Albert der Große eine differenzierte Lehre verschiedener aufeinander bezogender Wirkursachen: "Scias autem, quod efficiens dicitur non tantum perficiens vel praeparans, sed etiam coadiuvans, sicut efficiens dicitur deliberans in consilio et adiutor ad hoc, quod aliquid fiat. Sed deliberans et dans consilium speciem, quae est ratio operis, persuadet et ita dat movens ad opus in animabus aliorum. Coadiuvans autem dicitur ille qui partem habet in opere vel in facultate ad opus, et non propter se facit illud, sed propter alterum". (Physica, II, 2, c. 3; 104). Vgl. Thomas, InPhys., 11, 5, n. 180: "Circahuiusmodi autem causas considerandum est quod quadruplex est causa efficiens, scilicet perficiens, praeparans, adiuvans et consilians". Wie bereits Busnelli/Vandelli darlegten, hat Dante oft auf das in der Nikomachischen Ethik oft bemühte Bild des Schmieds und dessen Materialien Hammer, Eisen und Feuer zurückgegriffen. Vgl. Conv., 1, xi, 11; IV, iv, 12; Par., II, 128. InMon., III, vi, 5 hat das Konzept der untergeordneten Wirkursache die Funktion, den direkt vom Entsender bewirkten Effekt eines nuntius zu erläutern. Dante zeigt durch diese Argumentation, daß die Mission Samuels der Einsetzung eines weltlichen Kö-
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Kommentar zu Kap. xiii, 5.6-7
nigs nicht auf den vicarius und somit nicht auf den Papst übertragen werden kann. Der Papst hat also nicht das Recht, den Kaiser einzusetzen: "Nuntius autem non potest in quantum nuntius, sed quemadmodum malleus in sola virtute fabri operatur, sie et nuntius in solo arbitrio eius qui mictit illum".
§5 Von der Stufe des Seins, das er seinen durch die Volkssprache verbundenen Eltern verdankt, geht Dante in diesem Paragraphen zur Stufe des Gutseins über, dessen Vollendung die Wissenschaft ist (vgl. 1, i, 1 und Kommentar), in die er über die Volkssprache, die ihm das Latein vermittelte, eingeführt worden ist. Auch dieser Passus läßt durch eine Reflexion der Sprachfunktion die dem Menschen von Kind auf geläufige und für alle seine weiteren Tätigkeiten fundamentale Volkssprache in einem neuen Licht erscheinen. §§ 6-7 Dieser Abschnitt erörtert die zweite vermehrende Ursache der Liebe zur Volkssprache, das Streben nach Erhaltung des Seins, das der Volkssprache als Streben nach Beständigkeit der Form in Vers und Reim von Natur aus innewohnt und das Dante durch seine volkssprachliche Dichtung unterstützt und gefördert hat. Dante erläutert hier nicht genau, was er unter dem natürlichen Streben einer Sprache versteht, das unabhängig von den Sprechenden sein soll; er problematisiert den ontologischen Status, den er der Sprache als vom Sprechenden unabhängiges Ding (cosa) zuspricht nicht. Daß er sich dieser Schwierigkeit aber bewußt war, bringt er mit den jeweils verwendeten Konjunktiven zum Ausdrück, die seinem Beweis einen hypothetischen Charakter geben („se lo volgare per se studiare potesse etc."). Es handelt sich um das Streben des Sprechenden, das dann ein gemeinsames Streben mit dem volgare wäre, wenn dieses als dinghaftes Seiendes nach seiner eigenen Erhaltung streben könnte.
Kommentar zu Kap. xiii, 6.8-9
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§6
Ciascuna cosa studia ••. conservazione] Vgl. Boethius, Phil. cons., III, 11; 58: „dedit enim providentia creatis a se rebus hanc vel maximam manendi causam ut quoad possunt naturaliter manere desiderent. Quare nihil est quod ullo modo queas dubitare cuncta quae sunt appetere naturaliter constantiam permanendi, deuitare pemiciem". Vgl. auch Thomas von Aquino, Sum. theol., 1-11, 94, 2: „quaelibet substantia appetit conservationem sui esse secundum suam naturam". pfü stabilitade non potrebbe ••• rime] Daß Dante die Beharrlichkeit der Sprache in den festgefügten Versen und Reimen, und nicht, wie im Falle des Lateins (vgl. 1, v, 7; VE, 1, ix, 11), in der Grammatikalität ortet, ist verständlich, da er auf diesem Gebiet noch keine Verdienste um die Volkssprache vorzuweisen hat und kein gemeinsames Streben beanspruchen könnte. Mit dem VE wird er aber seinen schon vorhandenen Gedichten noch eine theoretische Festsetzung der Volkssprache folgen lassen, was andeutet, daß er sich der vorhandenen Spannung zwischen der Konstruktion seines Arguments, mit dem er einstweilen zeigen will, daß ihn gemeinsames Streben mit der Volkssprache verbindet, zu Aussagen in 1, v, 7 („lo volgare non stabile e corruttibile"), bewußt war. Wenn die Dichtung in Versen und Reimen die Volkssprache beständig machen würde, so wäre sie es angesichts der zahlreichen volkssprachlichen Dichtungen bereits.
e
§§ 8-9 In diesen zwei Paragraphen erläutert Dante die dritte und letzte vermehrende Ursache seiner Freundschaft, nämlich das Wohlwollen, das er in langer Gewohnheit der Volkssprache entgegengebracht hat. Er beruft sich auf seinen Umgang mit dem volgare, dener „diliberan.do, interpetran.doequestionando" gepflegt hat. Diese Verben bezeichnen nicht einen alltäglichen Gebrauch der Sprache, sondern es handelt sich um in der Scholastik präzis verwendete Termini zur Bestimmung der
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Kommentar zu Kap. xiii, 8-9
wissenschaftlichen Tätigkeit der Vernunft. Mit 'deliberare' bezeichnet z. B. Thomas von Aquino das durch den freien Willen des Menschen ermöglichte Abwägen verschiedener Handlungen gemäß einer Regel der praktischen Vernunft: "illa quae est per deliberationem est tantum in rationabilibus, quia considerare utrum hoc sit agendum aut hoc, quod est deliberare, est opus rationis, et in tali consideratione necesse est accipere aliquam unam regulam vel finem, vel aliquid huiusmodi, ad quem mensuretur qui sit magis agendum; manifestum est enim quod homo imitatur, id est desiderat, id quod est magis in bonitate, id est id quod est melius; melius autem semper diiudicamus aliqua mensura, et ita oportet accipere aliquam mensuram in deliberando quid magis sit agendum et hoc est medium, ex quo ratio practica sillogizat quid sit eligendum". (Thomas von Aquino, Sent. De an., III, 10; 250). „ Quicumque potest deliberare et ratiocinari, videtur usum liberi arbitrii habere". (Thomas, In 4 Sent., d. 9, q. 1, a.4). Das Verb 'interpretari' und die substantivierte Form 'interpretatio' waren im scholastischen Schulbetrieb im Zusammenhang mit der Aristotelischen Schrift De interpretatione (Perihermeneias) klar umgrenzte Worte. Vgl. Thomas von Aquino, Peryerm., Prolog; 5f.: "Dicitur autem interpretatio, secundum Boetium, vox significatiua que per se aliquid significat, sive sit complexa sive incomplexa; unde coniunctiones et presuppositiones et alia huiusmodi non dicuntur interpretationes, quia non per se aliquid significant; similiter etiam voces significantes naturaliter, non ex proposito aut cum ymaginatione aliquid significandi, sicut sunt voces brutorum animalium, interpretationes dici possunt: qui enim interpretatur, aliquid exponere indendit ( ... ) ille enim interpretari videtur qui exponit aliquid esse verum vel falsum". Auch mit 'questionando' wird Dante kaum einfach das alltägliche Fragen gemeint haben, denn die lateinische Version dieses Verbs hat ein ganz präzises Bedeutungsfeld. 'Quaestio' bezeichnet sowohl die im mittelalterlichen Schulbetrieb
Kommentar zu Kap. xiii, 9
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geläufige, binäre Form des wissenschaftlichen Fragens (die meistens mit 'utrum' eingeleitete Frage, e.g. 'utrum deus sit' prädeterminiert eine Antwort 'entweder-oder'), als auch eine institutionalisierte Form des wissenschaftlichen Diskurses der mittelalterlichen Universität, die quaestio disputata (vgl. dazu Bazan, La quaestio disputata). Mit den drei Verben 'diliberando', 'interpetrando' und 'quaestionando' bezeichnet Dante folglich den von ihm propagierten, wissenschaftlichen Umgang mit der Volkssprache.
§9 se l'amista s'accresce ••• consuetudine] Die von Vasoli (Kommentar zur Stelle) angegebene Quelle Eth. Nie., IX, 6; 1167a3-12 scheint dem Gedankengang Dantes nicht zu entsprechen, denn sie erörtert die Wohlgesinntheit, die von Aristoteles wie die Zuneigung als Anfang der Freundschaft, nicht aber schon als Freundschaft selbst bezeichnet wird. Dauer und Gewohnheit können die Wohlgesinntheit in Freundschaft wandeln, dies wäre aber eine erzeugende Ursache und trifft auch nicht auf Dantes Bezeichnung der Gewohnheit des Wohlwollens als vermehrende Ursache zu: "Benivolencia autem amicicia quidem videtur, non tarnen est amicicia. Fit enim benivolencia et ad ignotos et latens, amicicia autem, non. ( ... ) Et amacio quidem cum consuetudine, benivolencia autem, et ex repentino. Quemadmodum et circa agonistas, accidit. Benivoli enim ipsis fiunt et complacent, cooperabuntur autem utique nichil. Quod enim diximus repente benivoli fiunt et superficialiter diligunt. Videtur utique principium amicicie esse, quemadmodum eius quod est amare, ea que per visum delectacio. ( ... ). Propter quod transferens dicet quis utique ipsam, principium esse amicicie, diuturnam autem et in consuetudinem advenientem fieri amiciciam, non eam que propter utile, neque eam que propter delectabile". (Eth. Nie., IX, 6; 331). In seinem Ethikkommentar spricht sich Thomas von Aquino dafür aus, daß aus dem Wohlwollen durch Gewohnheit
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Kommentar zu Kap. xiii, 10-11
Freundschaft entstehen kann, was nicht ganz Dantes Konzeption des gewohnheitsmäßigen Wohlwollens als vermehrender Ursache entspricht, auch wenn Thomas allgemein sagt, die Gewohnheit lasse die Freundschaft anwachsen. Er meintdamit aber die Gewohnheit der Freundschaft, und nicht des Wohlwollens, das noch keine Freundschaft ist, sondern erst durch Gewohnheit zur Freundschaft wird: „et ideo per quamdam consuetudinem amatio crescit. Sed quia benevolentia importat simplicem motum voluntatis, potest repente fieri, sicut accidit hominibus videntibus pugnas agonistarum ... nec tarnen propter hoc quod sunt benevoli possunt dici amici ... sed, quando diu durat homo in benevolentia et consuescit bene velle alicui, firmatur animus eius ad volendum bonum ita quod voluntas non erit otiosa, sed efficax; et sie fit amicicia". (Thomas, Sent. Eth., IX, 5; 518). Ein, wenn auch unklares, Verständnis der benevolentia als erzeugender und vermehrender Ursache der Freundschaft scheint am ehesten Albert der Große zu bekunden: „intelligitur benevolentiam esse principium amicitiae, quod non est aliquid ipsius, sed quasi efficiens, quia frequens inclinatio ad bonum alterius, quae est benevolentia, perficit amicitiam". (Albert, Ethica, IX, 6; 675).
§§ 10-11 In den Paragraphen 10 und 11, die in bezug auf den Text ein ordnende Funktion ausüben, bekundet Dante noch einmal sein strukturelles Bewußtsein. Der § 10 schließt die Beweisführung der Kapitel xii und xiii ab, die als dritter und letzter Teil der Rechtfertigung der Volkssprache Dantes vollkommene Liebe zum volgare dargelegt haben. Der § 11 beendet, die Brot-und Gastmahlsmetapher aufgreifend, den gesamten Teil der Rechtfertigung der Makel des Kommentars (Kapitel iixiii). Das gesamte erste Buch geht dem Gastmahl, mit dem nun endlich begonnen werden kann, als ungewöhlich langer Prolog voraus. Die Reinigung des Brotes ist abgeschlossen,
Kommentar zu Kap. xiii, 12
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und es ist genügend begründet, weshalb zum Mahl (die Kanzonen) nur Gerstenbrot (ein volkssprachlicher Kommentar) serviert wird. § 12 Ein so versierter Schrifsteller wie Dante schließt einen Prolog nicht mit zwei Paragraphen ab, die nur die Textsstruktur erläutern. Er holt noch einmal zu einem rhetorischen Stoß aus, der sein Unternehmen eines wissenschaftlichen Gastmahls, das schon als philosophische Selbstkommentierung eine Ungeheuerlichkeit darstellt, mit der biblischen Rhetorik der wunderbaren Brotvermehrung (loh. 6, 5-13) überhöht. Wunder nimmt jedoch Dante keine für sich in Anspruch, denn seine "Brotvermehrung" beruht auf der einfachen Tatsache der tausenden zugänglichen Volkksprache, in der er seine Botschaft formuliert. Dennoch ist Dante keineswegs bescheiden, wenn er nun, wiederum in sakraler Sprache, behauptet, seine Schrift sei .ein neues Licht, das das alte, verbrauchte ersetzt und jenen leuchtet, die bisher in Dunkelheit und Finsternis gelebt haben. Er formuliert hier am Schluß, metaphorisch verdichtet, noch einmal das ganz am Anfang der Schrift dargelegte Thema der freigebigen Vermittlung von Wissenschaft an möglichst viele und er erklärt gleichzeitig den Bankrott der anderen, verbrauchten und untergehenden Schulphilosophie, womit er, wie in der Folge des Werks klar wird, nicht nur deren lateinische Sprache, sondern auch deren Gehalt meint. Einer nüchternen, historischen Prüfung hält Dantes Anspruch aufErstmaligkeit („neues Licht") und auf Ausschließlichkeit („neue Sonne, die dort aufgehen wird, wo die verbrauchte untergehen wird") nicht stand, denn er war weder der erste, der sich um eine volkssprachliche Vermittlung der Philosophie bemüht hat, noch hat seine Philosophie die Schulphilosphie abgelöst. Im Gegenteil, Duns Scotus und Wilhelm von Ockham, um nur zwei zu nennen, werden der Philosophie von der Schule aus entscheidende und weitreichende neue Impulse verleihen, und die Philosophie wird eine vorwiegend
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Kommentar zu Kap. xiii, 12
"scholastische", das heißt auf einen engen universitären Diskussionkreis begrenzte Veranstaltung bleiben. Sie ist es heute noch. Dennoch kommt Dantes Unternehmen, wenn man es unter historischer Perspektive als eines unter vielen betrachtet, eine wichtige Stellung zu, denn Dante brachte gegen die kirchlich-klerikale Monopolisierung der Wissenschaft das Selbstbewußtsein des Bildungsbürgertums und der Bildungsaristokratie zum Ausdruck und er trug wesentlich zur Schaffung eines neuen Ortes der Philosophie außerhalb der Universität bei. Questo sara quello pano orzato .•. piene] Dante spielt ohne Zweifel auf die wunderbare Brotvermehrung an. Vgl. loh 6, 514: „Erat autem proximum Pascha, dies festus Iudaeorum. Cum sublevasset ergo oculos lesus et vidisset quia multitudo magna venit ad eum, dicit ad Philippum: „Unde ememus panes, ut manducent hi?". Hoc autem dicebat tentans eum; ipse enim sciebat quid esset facturus. Respondit ei Philippus: "Ducentorum denariorum panes non sufficiunt eis, ut unusquisque modicum quid accipiat!". Dicit ei unus ex discipulis eius, Andreas frater Simonis Petri: „Est puer hie, qui habet quinque panes hordeaceos et duos pisces; sed haec quid sunt propter tantos?". Dixit Iesus: "Facite homines discumbere". Erat autem fenum multum in loco. Discubuerunt ergo viri numero quasi quinque milia. Accepit ergo panes Iesus et, cum gratias egisset, distribuit discumbentibus, similiter et ex piscibus, quantum volebat. Ut autem impleti sunt, dicit discipulis suis: "Colligite, quae superaverunt, fragmenta, ne quid pereat". Collegerunt ergo et impleverunt duodecim cophinos fragmentorum ex quinque panibus hordeaceis, quae superfuerunt bis, qui manducaverunt. Illi ergo homines cum vidissent, quod fecerat signum, dicebant: „Hie est vere propheta, qui venit in mundum". Dantes Anspielung auf die Speisung der Menge mit Gerstenbrot durch Jesus ist aus mehreren Gründen äußerst geschickt, denn sie vermag erstens seine Verwendung der Gerstenbrotmetapher, die eine zweitrangige Qualität des Kommentars zu in-
Kommentar zu Kap. xiii, 12
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sinuieren schien (vgl. 1, v, 1; Kommentar zur Stelle), zum Schluß auf Jesus und dessen Wunder der Brotvermehrung zu beziehen und so auch das Gastmahlsmotiv und die Vermittlung der Philosophie an möglichst viele in einer "kanonischen" Metaphorik auszudrücken, deren Wirkung sich Dante in seiner Zeit sicher sein konnte. Zweitens könnte Dante mit seiner Anspielung auf die wunderbare Gerstenbrotvermehrung im Johannes-Evangelium ein ganz bestimmtes Philosophieverständnis zum Ausdruck bringen. Dies mag auf den ersten Blick paradox erscheinen, wird jedoch plausibel, wenn man einige der wichtigen Johannes-Kommentare jener Zeit konsultiert. Albert der Große, dessen Gerstenbrotmetaphorik aus dem JobKommentar bereits zur Sprache kam (vgl. Kommentar zu 1, v, 1), interpretiert nämlich in seinem Johannes-Kommentar an jener Stelle die Speisung mit dem panis hordeaceus als vorläufig und unvollkommen. Die fünf Brote versinnbildlichen zwar die Sättigung in der Ewigkeit, der Zusatz 'hordeaceus', der wörtlich eine rauhe Tiernahrung bezeichnet („quia hordeum grossum et asperum potius est cibus jumentorum quam hominum". (In Io, c. 6; 242) bedeutet in der allegorischen und anagogischen Auslegung laut Albert, der sich auf die Glossa ordinaria stützt, daß es sich bei der Speisung eher um eine Vertröstung bis zur vollkommenen Befriedigung handelt. Allegorisch bedeuten die fünf Gerstenbrote die fünf Bücher Mose, die zwar in rauhem Stil geschrieben sind, aber dennoch den Intellekt wiederherstellen: "Panes autem allegorice sunt, ut dicit Glossa, quinque libri Moysi, hordeacei propter litteram duritiam, reficientes tarnen spiritualiter intellecti". (In Io, c. 6; 243). Die vollkommene geistliche Befriedigung ist aber aus den alttestamentlichen Büchern nicht zu gewinnen, und so stellt Albert in der anagogischen Auslegung fest, daß die Tatsache der Speisung mit Gerstenbrot eine vorläufige Vertröstung auf die vollkommene Speisung im Ewigen Leben bedeutet: „Anagogice autem panes ad quos suspiramus, et ex quibus reficimur
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Kommentar zu Kap. xiii, 12
in aeternitate etiam quinque sunt. Unus est praesentia Dei ( ... ) Secundus est pulchritudo visionis faciei Dei ... Tertius autem est societas Angelorum, inter quorum sortes est sors nostrae beatitudinis . . . Quartus panis est suspirium ad consortium Sanctorum qui cum Christo regnant in coelis . . . Quintus est panis suspirium intemae beatitudinis ... In omnibus his hordeum estdilatio suspirantis ad ista. „. 'Hordeaceis:' quia hie panis delicatus nonestgustandus, sedinfuturo". (lnlo„ c. 6; 243ff.). Auch Bonaventura nimmt den Umstand, daß Jesus Gerstenbrot vermehrt hat, zum Anlaß einer der Auslegung Alberts sehr ähnlichen Interpretation, in der mit Nachdruck auf die Diesseitigkeit und Vorläufigkeit dieser Speisung im gegenwärtigen Leben hingewiesen wird: „lsti quinque panes, spiritualiter intelligendo, significant quinque panes, quibus anima reficitur in praesenti, panem scilicet poenitentiae, panem doctrinae, panem iustitiae, panem patientiae etpanem eucharistiae. - Panis poenitentiae reficit revertentes; panis doctrinae reficit ignorantes; panis iustitiae reficit laborantes; panis patientiae reficit pugnantes; panis eucharistiae reficit omnes. Primus igitur panis est panis poenitentiae ... lste panis hordeaceus est: panis, quia habet refectionem, hordeaceus, quia habet asperitatem. ( ... ) Secundus panis est panis doctrinae ... Et iste panis hordeaceus est. Nam habet in refectione asperitatem, secundum illud ad Hebraeos duodecimo: «Ümnis disciplina in praesenti videtur esse non gaudii, sed moeroris» ... Tertius panis est panis iustitiae ... lste panis hordeaceus est. Habent enim cum suavitate refectionis asperitatem laboris, secundum illud Genesis tertio: «In sudore vultus tui vesceris pane tuo» ... Quartus panis est panis patientiae ... lste panis hordeaceus est. Habet enim refectionem et asperitatem: refectionem animae et asperitatem sive duritiam poenae ... Quintus panis est panis eucharistiae. („ .) Hie est panis hordeaceus in praesenti, licet in futuro sit triticeus, quia purus; in praesenti hordeaceus, quia cum afflictione animae assumendus". Auch in der Auslegung des Thomas von Aquino, der die traditionelle Identifizierung des K.na-
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ben mit Moses und der fünf Gerstenbrote mit den fünf Büchern Mose aufnimmt, versinnbildlicht die Gerste einen Christus vorausgehenden, alttestamentlichen Status der Menschheit: „sunt hordeacei: quia lex ipsa data erat ut in ea vitale alimentum corporalibus sacramentis obtegeretur: hordei enim medulla, tenacissima palea tegitur: vel quia populus ludaeorum nondum expoliatus erat camali desiderio, sed tamquam palea cordi eius inhaerebat: nam in Veteri Testamento exterius duritiam experiebantur, propter caeremoniales observantias ... Et ipsi ludaei corporalibus dediti, spiritualem sensum legis non capiebant". Falls Dante diese doch weit verbreitete Deutung des Gerstenbrotes im Zusammenhang mit loh. 6, 1-15 bekannt war, und dies kann angenommen werden, deutet seine Anspielung an die Stelle im Johannes-Evangelium unter expliziter Erwähnung des pane orzato auf ein Philosophieverständnis, das die Grenzen der Diesseitigkeit respektiert und nicht zu sprengen in Anspruch nimmt. Diese Interpretation würde sich auch mit den Wissenschaftseinteilungen des zweiten Buches gut vertragen, wo die Theologie als übermenschliches Wissen im weltenthobenen Empyreum außerhalb der Zuständigkeit des menschlichen Denkens angesiedelt wird (vgl. Conv.„ II, xiv, 19-21). Dantes metaphorische Bezeichnung seines Kommentars als Gerstenbrot bedeutet folglich, daß er keine pia philosophia, keinen Religionsersatz, keine Philosophie, die zur höchsten Glückseligkeit und zum Heil führt, keine Philosophie, die die Theologie und den Glauben ersetzt, sondern eine an die Grenzen der menschlichen Existenz gebundene Philosophie in praesenti anstrebt und vermittelt. Nur soviel Philosophie wie möglich, aber für möglichst viele. Dennoch ist Dantes Anspruch in bezug auf seine Person hoch, denn sein Hinweis auf das Bibelzitat geht bis zur Stelle loh 6, 13 („qui manducaverunt"). Liest man an dieser Stelle weiter folgt der Vers, in dem Jesus von der Menge als wahrer Prophet bezeichnet wird („Illi ergo homines ... mundum!"). Dante hat sich also selber nicht als Prophet bezeichnet, er hat sich aber in bezug auf die unmit-
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telbar vorangehenden Stelle in die Position Jesu versetzt, der die Körbe, die übrigbleiben, zurückverlangt ("e a me ne soperchieranno le sporte piene") und eine Identifizierung seiner selbst mit dem als Prophet bezeichneten Jesus zumindest suggeriert. In seiner Funktion als Wissensvermittler für die Menge der illitterati vergleicht sich Dante mit Jesus. luce nuova ... non luce] Auch diese Passage beeinhal tet, wie bereits Busnelli/Vandelli (Kommentar zur Stelle) bemerkt haben, eine Indienstnahme biblischer Metaphorik, mit der Dante beim Publikum den Eindruck der Sakralität seines Unternehmens erweckt haben mag. Aus der Fülle der biblischen Lichtund Sonnenmotive vgl. Esth., 8, 16: „Iudaeis autem nova Jux oriri visa est, gaudium, honor et tripudium. Apud omnes populos, urbes atque provincias, quocumque regis iussa veniebant, Iudaeis fuit exsultatio, epulae atque convivia et festus dies". Vgl. Ibid. 10, 6; 11,11; Isai., 9, 2; Matth., 4, 16. Entscheidend bei der Interpretation dieses Lemmas ist die Frage, ob das neue Licht und die neue Sonne lediglich den Wechsel vom Latein zur Volkssprache ankündigen, oder ob sie auch eine Transformation der Lehre selbst meinen. Busnelli/Vandelli (ibid.) identifizieren 'luce nuova, sole nuovo' mit der Volkssprache und 'usato sole' mit dem Latein. Daß Dantes Transformation der Sprache der Philosophie durch einen Wechsel seines Publikums bedingt und von Dante so explizit reflektiert worden ist, hebt C. Vasoli (Kommentar zur Stelle) hervor. Wie jedoch R. Imbach aufgezeigt hat (Laien in der Philosophie, 66-71), brachte die Transformation des Publikums und der Sprache der Philosophie auch eine grundlegende Veränderung des Philosophieverständnisses mit sich. Die im nun folgenden, zweiten Buch dargelegte Position des Primats der praktischen Philosophie, die im Vergleich zu einem großen Teil der mittelalterlichen Philosophie einen Bruch darstellt, gewinnt im Zusammenhang von Dantes Unternehmen der Vermittlung von Philosophie an ein nichtuniversitäres Publikum in der Volkssprache an Profil. Das durch die
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Sorge um Familie und Staat von der traditionellen Schulphilosophie und vom kontemplativen Leben der Kleriker und Schulintellektuellen ausgeschlossene Publikum (vgl. 1, i, 13) wird nun von Dante in den Stand einer Wissenschaft erhoben, die, im Gegensatz zum intellektuellen Ideal der Kontemplation, mit dem die Kleriker ihren eigenen Status zelebrierten, das Ideal der Praxis aufwertet und den bürgerlichen sowie aristokratischen Adressaten des Conv. an Stelle der Ermahnung zur Bewunderung des Unerreichbaren Anlaß zur Identifikation einer im eigenen Lebenshorizont relevanten Lehre gibt. Und so bildet die Transformation der Sprache und des Publikums mit der Transformation der Lehre selbst eine Einheit, die, nebst der Form des Selbstkommentars, das Conv. als originelles und gehaltvolles philosophisches Werk auszeichnet.
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INDEX NOMINUM
Die Zahl bezieht sich auf das Kapitel und den Paragraphen im italienischen und deutschen Text Agustino Confessiones ii, 14, locus incertus: iv, 9 Aristotile (Filosofo) Metaphysik: i, l, Nikomachische Ethik: ix, 9; xii, 3; xii, 10 Boezio Philosophiae consolatio: ii, 13; xi, 8 Dante Vita Nuova: i, 16 De Vulgari Eloquentia: v, 10
Galieno Tegni: viii, 5 Ipocras Aphorismi: viii, 5 Omero vii, 15 Salterio: vii, 15 Seneca De Beneficiis: viii, 16 Taddeo Alderrotti x, 10 Tullio De Finibus: xi, 14; De Amicitia: xii, 3 Virgilio Aeneis: iii, 10
INDEXRERUM
Die Zahlen beziehen sich auf das Kapitel und den Paragraphen im italienischen und deutschen Text. abito i, 2.6; v, 4; vi, 7; xi, 6.7 accidentale x, 13 accidentali v, 1; x, 12 accidente ii, 4.7; xii, 5 acqua i, 9 adulteri xi, 21 affamati i, 6 allegoria ii, 17 allegorica i, 18 amabile xii, 8.9.10.12 amatore x, 6 amico i, 8; ii, 5; iii, 7.8; iv, 5; v, 5; vi, 5.6.9-11; viii, 5.12; x, 810; xii, 2.8; xiii, 1 amistade viii, 12; xiii, 10 amore i, 14; v, 2; x, 5.6; xii, 13.6.13; xiii, 10 angeli i, 7 anima i, 1.3; xi, 3 animale vi, 6 animo iii, 4; iv, 2; v, 4; ix, 2.5; xi, 2.6.18 anni v, 9; xi, 11 argomentare iv, 6; xi, 17 argomento xi, 2.16 armonia v, 13; vii, 14.15 arte v, 13.14; xi, 7.11; xii, 4 artefici xi, 13 asinina vi, 3 atto viii, 14.15.17; x, 9 autoritade iv, 13
avarizia ix, 2 avversarii xii, 2 baroni ix, 5 bellezza i, 14; v, 7.13; vii, 13; X, 12.13 benefattore viii, 3; xiii, 5 benefici i, 9; viii, 3; ix, 1.4; xii, 3; xiii, 1.2.3, benivolenza xiii, 1.8 bestiale i, 8 bestie vi, 4 biasimare i, 5; ii, 3.4.6-8.11; xi, 11.13.14, 17; xii, 2 biasimevole i, 17; ii, 5; xi, 15; viii, 9.10 bisogno v, 6; viii, 15 bocca ii, 3; xi, 21 bontade i, 14; ii, 6; iv, 3.11; ix, 6; X, 7.8; Xii, 3.8.13; X, 9.12 braccia xi, 10 cagione i, 2.4.5; ii, 3.12.16; iii, 3.10; iv, 2.6.12; vii, 15; xi, l. 9.14.21; xii, 3.6.7.13; xii, camera ii, 5 [3 .4.10 cane vi, 6 canto v, 13 canzoni i, 14.18; ii, 16; iii, 2; v, 6.7.15; vi, 1; vii, 5.11; viii, 1; ix, 7; x, 10; xiii, 11 capitolo iv, 1; vii, 16; viii, 6; ix, 8; x, 14; xii, 13
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Index rerurn
caritade ii, 8; iii, 8.9 casa ix, 3; xii, 1 cautela v, 2 cavaliere viii, 5; ix, 5 cavallo v, 11 cechitade xi, 2.8 cena i, 18 chiarezza iv, 11 chiose ix, 10 chitarra viii, 9 cibo i, 6.7; ix, 2 cieco xi, 4.5.21 citarista ix, 3; xi, 11 cittade v, 9 cittadini iii, 4; xii, 5 civile i, 4.13 colore i, 15 colpa ii, 11; xi, 11 colpo iv, 10 coltello ii, 2; xi, 11; xiii, 4 comandamento vii, 4.6-9.11-13 comandare x, 3; vi, 3; vii, 2.4. 6.7.11 comandatore vii, 5 comedie v, 8 comento iii, 2; iv, 13; v, 6; vi, 1. 6; vii, 1.3.7.11; viii, 1; ix, 1.7. 10; X, 5.12; Vii, 1; X, 10.13 cominciamento ii, 1 commendare v, 4; x, 11; xi, 1.12.14.15; xii, 12.13 comparazione xi, 19 concetto v, 12; x, 12; xii, 13 conchiudere v, 15; vi, 1; vii, 16; viii, 11; xiii, 10; v, 15 concordia iii, 9; xiii, 1. 7 condizione v, 5; ix, 1; x, 7 Confessioni ii, 14 confusione x, 14
conoscenza v, 5; vi, 2.6.7.11 conoscere ii, 6; vi, 5.9.10; xi, 13 conscienza ii, 7; iii, 8.9 consolazione ii, 13 consuetudine xii, 3.7; xiii, 1.8.9 contradizione vi, 11; ix, 9 conversazione iv, 9.10; vi, 10; convitati i, 18; x, 1 [xiii, 8 convivio i, 11.12.14.16.19; ii, corpo i, 3; v, 4 [1; x, 1 correzione ii, 11 corruttibile v, 7 corsa iv, 13 costruzioni x, 13 costumi i, 17 cuore iii, 4; xi, 18 cupiditate xi, 15 cura i, 4.13 denari ix, 3 denti i, 12; vii, 9 depressione xi, 1 dicitori xi, 12 difettii, 3.4.8.19; ii, 5.6; iii, 1.2; vii, 10; x, 14; xi, 8 differenza xi, 3 dignitade ii, 11; ix, 3; x, 8 digressione vi, 4; x, 4 Dio v, 10; viii, 3 diritto vii, 4; xi, 4 discordare iv, 4; v, 9; xii, 3 discordia iii, 9 disiderio ii, 15 disordinato v, 5 disordinazione v, 6; vi, 1; x, 5 dispensatore iii, 3 disponitore xiii, 4 disposizione i, 15; vii, 2 disposizioni v, 4.5.7 dolce iii, 4; vii, 2.4.5; x, 13
Index rerum
dolcezza i, 10; vii, 14.15 donna i, 5; x, 12.13 dono viii, 2.5-7.11-13.15.17; dottrina ii, 14-15 [ix, 6. 7 .10 dubbio ii, 4; iv, 13; xi, 15 durezza iii, 2 eccellenza iv, 7 effetto iii, 9 empitore vii, 11 erba i, 8 escusare i, 5; ii, 13; v, 1 escusazione xi, 2 esperienza x, 2 esposizione i, 18; ii, 1 essemplo ii, 14 essilio ii, 13; iii, 3 etade i, 17; iv, 13 evidente x, 1.3 evidenza iv, 9 fabbro xi, 11; xiii, 4 faccia viii, 5.12; x, 1.3; xii, 8 facultade i, 19 falsitade ii, 10; xii, 10 fama iii, 5.7.10.11; iv, 1.4.10; x, 8; iv, 13; xi, 17 fame i, 13 familiaritade iv, 9 .11; vi, 10 felicitade i, 1 femmine ix, 5 femminezza xii, 8 ferro xi, 11.13.17; xiii, 4 fiamma xii, 1 figlia iii, 4 figlio xii, 4 figura ii, 17 fine iv, 3; v, 4.5; viii, 12; x, 2; finestre xii, 1 [xi, 3.4 Fiorenza iii, 4 fonte i, 9
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forma ii, 2; iii, 5; v, 3 formento ii, 15 fortezza iv, 13; v, 4 fortuna iii, 4; iv, 10 forza xi, 6 fossa xi, 4.5 franchezza v, 4 frumento v, 1; x, 1 fuoco xii, 1; xiii furto xii, 10 gelosia x, 10 generare iii, 7.9.11; xii, 3.4.13; generazione xiii, 4 [xiii, 10 genere vi, 4.6.7; xii, 4 gente i, 4; v, 9; vii, 13; ix, 5; [xii, 5.7 ghiande i, 8 gioventute i, 17 giudicare ii, 6; iv, 2-4.8.6.9; x, 13; xi, 4.8; xii, 1 giudicatore iv, 2 giudice iv, 6 giudicio ii, 2.9; iv, 4.6; xi, 4 giustizia vii, 9; xii, 9 gloria xi, 8 governo iii, 5 grado i, 14 gramatica xi, 14 grandezza iii, 10; x, 7-9 gravezza iv, 13; v, 5 greco vii, 15; xi, 14 grida i, 19; xi, 5.14 guidatore xi, 4 guisa iv, 3 ignoranza iii, 2 illitterato x, 10 imaginata iii, 11 imagine iii, 11; viii, 12 impedimenti i, 3 imperfetto iv, 4
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Index rerum
infamia ii, 13.15-16; iii, 10; iv, 10; X, 1.14; Xii, 11 inghilese vi, 8; vii, 13 ingiustizia xii, 10 ingratitudine xii, 10 intelletto vii, 11 intellettuale xii, 9; xi, 7 intendimento v, 15; ii, 12 intenzione i, 18 invidia iv, 2.6.8; xi, 2.16.17 ipocratista x, 10 istoria i, 18 italia v, 9; vi, 8; xi, 1.21 italico iv, 8.13; ix, 2; x, 14; xi, 14 latinamente vii, 8 latine v, 8 latino v, 1.7.12.14; vi, 1.2.6-11; vii, l.3.7.8.10-13.15;viii, 1.2; iX, 1.2.4.9.10; X, 1.5.10.12; xi, 14; xiii, 5 leggi viii, 4 legno iii, 5 letizia viii, 7 lettera ix, 3 Iibello v, 10 liberalitade(-tate) i, 19; v, 2; viii, 1.2.5.6.8.11.13.15-17; ix, 1. 11; X, 5 liberalmente i, 9 Iibero viii, 14.15; xi, 2 libro i, 12.17; viii, 18; xi, 14, lingua iii, 4; v, 9; vi, 10; vii, 13; ix, 2.5; x, 11; xi, 15.16 litterale i, 18 Iitterato vii, 12; ix, 2.3.5.9 litteratura ix, 5 loco ix, 6 lodare ii, 4. 7 .8.10.11; xi, 15 lodi ii, 3
loquela v, 2; vii, 14; x, 5.14; xii 1.6; xiii, 1.3 luce i, 15; xi, 6; xiii, 12 luogo i, 4; ii, 1; viii, 9 lupo vi, 6 macula ii, 1.15; iv, 9 maculato iv, 9 .10 macule ii, l; iv, 11; v, l; xiii, 11 madre i, 9; x, 7 maestro ix, 9; xi, 11.17 magnanimo xi, 18-20 malizia i, 3; ii, 6; x, 14; xi, 13 mangiare i, 11.8; xiii, 11 maniere i, 14 mano vii, 9; ix, 6; xi, 5 manuca i, 7 maravigli x, 4 margarite ix, 6 martello xiii, 4 maschi ix, 5 maschiezza xii, 8 materia xi, 11.12.17 medicina xii, 4 medico viii, 5; xii, 4 membra iv, 7; v, 13 membro iv, 10 memoria viii, 12; ix, 2 mendicando iii, 4 mensa i, 7.8.10.13 mente iii, 7-9; v, 12; viii, 13; mentitori xi, 5 [ xii, 5. 7 menzogna iv, 4 meretrice ix, 5; xi, 21 mestiere i, 11; vi, 1.3; xi, 6 migliaia xiii, 12 mille v, 9; ix, 2.9 misericordia i, 8.9 misura ii, 9; vii, 2.9; xi, 20 misuratore ii, 8
Index rerum mobile iii, 10 modo ix, 8 mondo ix, 5 morale xi, 7 morali viii, 6 morte xi, 8 muoia xi, 8 muro xi, 10 musaico vii, 14 musica vii, 15; xii, 4 musico xii, 4 natura i, 1; v, 11; vi, 3 .4; vii, 9 naturale i, 9; v, 2; x, 5.6.13 necessitade (-ate) i, 4; ii, 13; viii, 6; xi, 6 nemico iii, 7; iv, 5; xii, 10 nobile v, 14; x, 1; ix, 5 nobili ix, 8; ix, 5 nobilissima i, 2 nobilitade ix, 2 nome iv, 11 notte vii, 4 numero i, 4; ii, 9; x, 12; xiii, 6 nutrimento viii, 12 obedienza v, 5; vii, 2-10; v, 5 occhio i, 10; iii, 5; iv, 3; viii, 4; xi, 3 .4; xiii, 11 ombra i, 14; iv, 11 onestate viii, 8 onorare ii, 11; iv, 11; vi, 5 onore x, 8; xi, 17 onorevole x, 1 opera i, 16; ii, 11; iii, 5; iv, 13; [xi, 13, 17 operatori iv, 8 operazione iii, 7; iv, 8; v, 4; viii, 7.9, 12; X, 8.9 oppinione iv, 4; xi, 5 ora i, 4.11; xi, 4 orazioni x, 13
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ordinazione v, 2.6 ordine v, 3; vii, 4; x, 5 organi i, 12 origine viii, 6 orzato xiii, 12 oscuritade i, 14; xiii, 12 ozio i, 4 pace iii, 4 padre xii, 4 pane i, 7.12.11.13.14.15.ii, 1. 15; iii, 2; V, 1; X, 1; Xiii, 11.12 parenti iv, 10; xii, 5 pargoli iv, 3.5 paritade iv, 6; xi, 16 parladore ii, 3 parole ii, 7; v, 14 parte i, 3.5.16; iii, 2.4; iv, 3.6.9; v, 13; vi, 5; vii, 6-8; viii, 8-10. 14-16; ix, 3; xi, 17 .20; xi, 3; parvificare xi, 19 [xii, 9 passione ii, 16; iv, 10 pastore xi, 10 pastura i, 8.10 patria iv, 11 peccato vii, 10; xii, 11 peccatore vii, 9 pecora i, 7; xi, 9 peggio ii, 4 pelago ix, 7 pena iii, 3 pensieri ii, 5 peregrino iii, 4 perfezione i, 1.2; xiii, 2.3. perpetuale ii, 13; xi, 1 perpetuo v, 7 persona i, 4; iii, 5; iv, 2.4.7; vii, 5; viii, 14; ix, 10; xi, 10; xii, 5 perverso vii, 4 peso ii, 9
272
Index rerum
petto xi, 10 piacimento v, 8.13 piedi i, 10. 13 pigrizia i, 4.13 podere x, 9 ponitori viii, 4 populare xi, 6.8 porta iv, 10 potenza iv, 6.7; iv, 6; ix, 6, x, 8 potere ii, 6 poveri i, 9 povertade iii, 3 .5 prenditore viii, 5 presenza iii, 6; iv, 1.2.4.5.8.1012 prezzo ix, 3 primavera ix, 9 primogeniti xii, 7 principi ix, 5 principii ix, 10 principio i, 1; vii, 16; ix, 10; profeta iv, 11 [xi, 6.14; xiii, 8 prontezza v, 2; x, 5 proprietadi x, 13 prossimitade xii, 3.6; xiii, 1 provedenza x, 10 provenza xi, 14 provenzale vi, 8 providenza i, 1; viii, 8 puerizia iv, 2 punta ii, 7 purgare ii, 1.15; iii, 2; v, 1; qualitade iv, 5 [ xiii, 11 quattordici i, 14 questionando xiii, 8 ragionamenti viii, 6 ragionare i, 18; ii, 13.14; iv, 3; v, 3; ix, 2; xi, 3.5; viii, 18 Ragione x, 3
ragione i, 1.17.18; ii, 4.8.13-15; iii, 6.10; iv, 1.3-6.12; V, 2.3; vi, 2.4.7; vii, 3.5; viii, 1.6; x, 1.2.3.5.7; xi, 5; xii, 1; xiii, 11 rapina xii, 10 razionale xi, 3; xii, 9 reo ii, 13 retorici ii, 3 ricchezza i, 9; x, 8 rima x, 12; xiii, 6 ripa xi, 9 riprensione iii, 1.2 rispetto ii, 10; xi, 19 risposta xii, 1 rissa iii, 1 ritimo x, 12 Roma iii, 4 romano xi, 14 rondine ix, 9 rubatori xii, 10 sapere i, 1; ii, 6; iv, 9; vii, 14; xi, 17; xii, 8; xiii, 2 sapore i, 18 savi viii, 5 scienza i, 1.2; ix, 7; xiii, 5 scritture ii, 1.17; v, 8; vii, 8.15; scudo viii, 5 [ix, 10 scusa ii, 15; iii, 3; iv, 1.13; x, 1.4. 5; xi, 11 sensibili xi, 4 sensitiva xi, 3 senso iv, 3.4 sentenzai, 15;ii, 10.17;vii,8.13; ix, 7.8; x, 9; xii, 3 sentieri ii, 13 sergenti ii, 1 sermone v, 12.14; xii, 13 servigio v, 5; ix, 2.5 servo v, 5.6; vi, 2-5; vii, 1.11
Index rerum
sigilla viii, 12 signore vi, 2-5; v, 6; vii, 8.11 sillabe x, 13 simiglianza viii, 3 simili i, 3.13; xii, 10 similitudine v, 1 sodisfacimento v, 3 sole xiii, 12 sonare ix, 3; xi, 11 sordi i, 3 sovrano v, 7.11.13.15; vii, 4.5 spada v, 11; viii, 9; xi, 17 spalla xi, 5 speculazione i, 4 speziale x, 14 splendide i, 19 spontanea vii, 2.6. stabile v, 7 stabilitade xiii, 6 stilo iv, 13 stima iii, 6 stomaco i, 12 strada xi, 9 strana xi, 15; v, 9 strumento xi, 11 studio i, 4; xii, 3; xiii, 1.6. 7 subietto i, 1; v, 5-7 .11.13.15; subiezione v, 5 [vi, 1; vii, 4 sustanziale v, 1 Tedeschi vii, 13 tedesco vi, 8 Tegni viii, 5 tempo i, 10; iii, 4; v, 9; xi, 14; xiii, 9.11 tenebre xiii, 12 terra ix, 6; xii, 4 tesoro ix, 6 testimonianza ii, 8; xiii, 7 testimonio ii, 14
273
torre iii, 1; xi, 17 tragedie v, 8 Trattato i, 1 trattato i, 1.17; viii, 18; ix, 7.8; tristizie iv, 5 [xii, 12 umano i, 13; iv, 2.9; v, 4.12; universale vii, 9 [xii,9 universo iii, 3 uomo i, 1-4.8; ii, 3.5.6.8; iv, 3.911; v, 11.13; vi, 4.7.10; vii, 9; ix, 7.9;x, 1.3.8.lO;xi, 1.9.12. 16.20; xii, 4.9.11; xiii,3 usanza xi, 7; xii, 11 USO iv, 5; V, 14; ix, 3; ix, 8 utile viii, 2.5.6.10-13.15; ix, 6.9 utilitade ii, 14; viii, 7.8.12 valore iv, 2 vanagloria xi, 2.15 vapora iii, 5 variazioni vi, 4 vela iii, 5 veltro xii, 8 vento iii, 5 ventre ii, 7 veritade iii, 6; x, 11 versi vii, 15 vertude i, 14; ii, 16; v, 7.11.12; viii, 7 .9.12-16; ix, 7; x, 12; xii, 9.12 vestimenta x, 12 via ii, 11.14; xiii, 5 virtuosoii, ll;v, ll.12.14;x,8. viso ii, 11; viii, 14 [14 vita i, 10.16; ii, 14; iii, 4; v, 9.11; viii, 12; xi, 6.8; xiii, 8 vituperare i, 5; ii, 6 vituperio ii, 7; ix, 3 vivanda i, 11-14; x, 1; xiii, 11 vizii i, 12
274
Index rerum
vizioso i, 3; iv, 6 vocabuli v, 9 voce v, 13; vii, 11 volgarev, 1.7.8.10.12.14; vi, 1. 2.6-11; vii, 5.8.12; viii, 1.2; ix, 1.5.6.8-11.21; X, 5.6.10.12;
xi, 1.5.12.16.21; xii, 3.5.6; xiii, 4-6 volgarmente vi, 1 volontade xii, 9 vulgo i, 10 zappa viii, 9
PERSONENREGISTER ZU EINLEITUNG UND LITERALKOMMENTAR (antike und mittelalterliche Autoren)
Abraham 85, 87f. Aegidius Romanus 126, 136, 175, 197 Aeneas Sylvius Piccolomini
XVIII Agrippa von Nettesheim XVlf., LXXXV, LXXXVI Aimeric de Pequilhan XLVI Alain von Lille XVIII, XXXI, XCVIlf. Alberico da Romano XLII Albert de Sisteron XLVI AlbertderGroße LIVf., LXXIX, 95, 122, 135, 138, 152-154, 169-171, 183, 201, 204, 221f. 229, 234, 237f. Albertanus da Brescia 93 Alberti, Leon Battista 136f. Albertino Mussato XVIII Alberto Malaspina XLVI Albertus von Orlamünde 152 Alderotti, Taddeo 191f. Alexander von Aphrodisias XCVII Alexander von Romene XIXf. Ali ibn Rodwan 166 Ambrosius LVI, 83 Anselm von Canterbury 183 Aquila 159 Aristoteles XI, XXV, XXIX, XXXV, Ll-LIII, LX, LXIlf., LXIX, LXXIf., LXXIVff., LXXXVI-LXXXIX, XCVIf.,
71, 74f., 80, 89, 93-97, 108111, 114, 123, 131-134, 138f., 141, 154, 161, 168, 171f., 175, 178, 182,202-204,206, 211, 214-216, 221f., 227f., 233 Arnaldus von Villanova 165 Arnoul de Provence LXXXVII, XCif. Arnulf von Orleans XXXIIXXXIV Aubry von Reims LXXXVI, LXXXIX, XCif., XCIV Augustinus von Hippo XXV, XXXIV, XCVII, 85f., 98, 107, 109f., 112f., 126, 177f. Averroes LXXIV, LXXXIVf. Avicenna 152, 165, 228f. Azzo VII. d'Este XLV Bartolomeo da Varignana 166 Bartolomeo della Scala XXXIX, XLV Beatrice XV, XLVI, LXXVIII, Cllf., 88", 117, 118 Bernardus Silvestris XXVIIIXXXII, XXXVII Bernhard von Clairvaux XXV, LXXXIII Bertrand de Baucio XXIV Biondo Flavio 125 Boccaccio 159 Boethius XV, XXX, XXXV, LVII, LXXXIV, LXXXVlf.,
276
Personenregister
XCIIIf., XCVII, 69, 91f„ 97f., 105f., 141, 183, 207, 231f. Boethius von Dacien LI, LXII, LXXV, LXXVIII, LXXXIV, LXXXVIII, 134 Bonaventura 177, 238 Boncompagno da Signa 183, 187 Bono Giamboni 192, 193, 200 Brunetto Latini XCIC, 91-93, 102, 104, 162, 164, 173, 182, 192-194, 198f., 211, 222 Bruni, Leonardo 125 Bruno, Giordano XXVIf. Brutus 209 Cangrande della Scala XVIII, 102, 110 Castellano von Bassano XVIII Cecco Angiolieri XVII Cecco d'Ascoli XXIVf., 105 Cicero 71, 73, 92f., 97, 100, 115, 138, 157' 162, 166, 208f.' 213216, 222 Constantinus Africanus 166 Corrado Malaspina XLVI Daniel (Prophet) 88 David 85, 87f. Demokrit LXIX Dino de! Garbo XVIII, XXV, 166, 189 Dionysius Areopagita XXIX, LXIV Dominicus Gundissalinus LXVI, XCI Elias (Prophet) 88 Erasmus von Rotterdam LXXXV Ferrarino da Ferrara XLII, XLIVf.
Ficino, Marsilio 80 Franceschino Malaspina XLVI Francesco da Barberino XIXXXI, XXIII, XXV, XLV, XLVIII Francesco Monaldeschi XXII Friedrich II. (Kaiser) XIV, LXXXIX, llOf. Galen XI, 164f., 191 Galilei, Galileo 126 Gentile da Cingoli 132-136 Gerhard von Cremona 166 Gherardo da Camino XIV, XXXIX, XLII-XLV Gilbert von Poitiers 183 Giovanni de! Virgilio XXXIV, XCIII Giovanni di Monferrato XIII Gottfried von Vinsauf 101 Graziolo de' Bambaglioli XXIVf., XXXVIIf., 106 Gregor der Große (Papst) 83f., 86f.' 146 Guglielmo Malaspina XLVI Guido Cavalcanti XVIII, XXV, LXXVI, 189 Guido da Pisa XXIII-XXV, XXXVIII Guido da Polenta 107 Guido von Aghinolfo 103 Guilhem de Ia Tor XLVI Guizzardo von Bologna XVIII Heinrich VII. (Kaiser) XIV, XXIIf. Henri le Breton LXXXVIf. Hermann der Deutsche 192, 211 Hieronymus (HI.) 157-160 Hippocrates XI, 164f., 191f. Homer 158f.
Personenregister Honorius von Autun LVif. Horaz 129 Iuvenal XXVIII Jacobus von Pistoia LXXVI Jacopo della Lana XXXVIIf., Jean de Meun XXXIII, XXXVII Job 158, 237 Johannes (Evangelist) 237, 239 Johannes de Garlandia XXXIV, 101 Johannes de Hauvilla XXXII Johannes Duns Scotus 235 Johannes Scotus Eriugena XXIX Johannes vonJandun XXXIII, LI, LIIl, LXXV, LXXVI, 77-79 Johannes von Sacrobosco XCIX Johannes von Salisbury 75 Johannes von Viterbio 93 Josue 88 Juvenal XXVIII Konrad von Megenberg 177 Leontius Pilatus 159 Lottieri della Tosca XXII Lucano de Spinola XXIII Machiavelli, Nicco!O 206 Macrobius XXVIIf. Manfred (Kg. von Sizilien) LXXXIX Martianus Capella XXIX, XXX, Martin da Canale 194 [XXXII Matthäus von Eugubio XCII Medici, Lorenzo de' XXVI Moroello Malaspina XXXIX, XLVI, XLVII, 114 Nicolaus Trevet XXXIVf. Nicolaus von Paris LXXXVI Oberto von Aghinolfo 103 Oliver Brittonis LXXXVlf. Origenes 158f.
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Orpheus XXXI, XXXV Ovid XXV, XXXIIIf. Paschasius Radbertus 138 Peire Cardenal XLII Peire Raimon di Tolosa XLVI Petrarca LXXXVI, 181 Petrus (Apostel) CI Petrus Abelardus 96 Petrus Alfonsi 93 Petrus de Alvernia 193 Petrus Hispanus 76, 120, 139, 148, 149, 165 Petrus Lombardus XI, 169 Pietro d' Abano 166 Pietro Torrigiano de' Torrigiani 166 Plato LXIX, 80, 82, 157, 223 Protagoras 211 Ptolemaeus de Lucca 138 Ptolemäus XXV, 117 Pythagoras LIX Radulphus de Longo Campo XVIII RaimonVidal XXXIX, 176, 195 Remigio dei Girolami LXVI Richard von St. Viktor 88 Robertus Grosseteste 216 Roger Bacon 152 Rossi, Nicolö de XXV Sallust 104 Salomo XXVI, 158 Samuel 88, 229 Scarpetta Ordelaffi XXXIX, 114 Seneca XXXIVf., LXIX, LXXXIVf., XCIII, 112, 161f. 164, 166, 170, 172f. Servius 104 SigervonBrabant LXV, LXXIV, LXXV, XCIX
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Personenregister
Simplicius 166 Sokrates LXIX, 223 Sordello XLVI, 194 Symmachus 159 Taddeo Alderotti XCIX, 165f., 19lf. Taddeus von Parma XCIX Terramagnino da Pisa 195f. Theodotion 159 Thomas von Aquino XXIXf., XXXIII, XXXV, LI, LIVf., LXV, LXVII, LXIX, LXXILXXIV, LXXVII-LXXIX, LXXXI-LXXXIII, 75-79, 82f., 85, 91, 94-97, 107, 109-113, 123, 126, 132, 134f., 138, 142, 147, 150, 152-154, 161, 163, 167f., 171-173, 177-179, 187, 190, 200f., 203f., 210, 211, 218,
220,222,227,229,231-234, 238 Tommaso Campanella XXVII Trasymachos 223 Uc de Saint-Circ XLII Ugutio XCIV Valerius Maximus 93 Valla, Lorenzo 128f. Varro XXXIV, 209 Vergil XXVIII, XXXIf., XXXVII, LXXVIII, 101, 105, 107f. Villani, Giovanni 103 Vives, Juan Luis LXXXVI Walter von Chätillon XVIII, XCVII Wilhelm von Conches XXVIIIf., XXXI Wilhelm von Ockham 235 Xenophon 82, 157 Zeno von Verona 87f.