Über die Beredsamkeit in der Volkssprache / Philosophische Werke 3, Bd.3: Philosophische Werke Band 3. Zweisprachige Ausgabe. Latein.-Dtsch. Übers. v. Francis Cheneval, m. e. Einl. v. Ruedi Imbach u. Irene Rosier-Catach u. e. Komment. v. Ruedi Imbach u. Tiziana Suarez-Nani 9783787311262, 3787311262

In dieser Schrift begründet Dante die Priorität der Volks- und Muttersprache vor der lateinischen Gelehrtensprache und f

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German Pages 182 [220] Year 2007

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Über die Beredsamkeit in der Volkssprache / Philosophische Werke 3, Bd.3: Philosophische Werke Band 3. Zweisprachige Ausgabe. Latein.-Dtsch. Übers. v. Francis Cheneval, m. e. Einl. v. Ruedi Imbach u. Irene Rosier-Catach u. e. Komment. v. Ruedi Imbach u. Tiziana Suarez-Nani
 9783787311262, 3787311262

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DANTE ALIGHIERI

Philosophische Werke Herausgegeben unter der Leitung von Ruedi Imbach Band 3

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

DANTE ALIGHIERI

Über die Beredsamkeit in der Volkssprache

Übersetzt von Francis Cheneval, mit einer Einleitung von Ruedi Imbach und Irène Rosier-Catach und einem Kommentar von Ruedi Imbach und Tiziana Suarez-Nani

Lateinisch-Deutsch

FELIX MEINER VERLAG HAMBURG

PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 465

Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über abrufbar ISBN: 978-3-7873-1126-2

© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 2007. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der fotomechanischen Wiedergabe und der Übersetzung, vorbehalten. Dies betrifft auch die Vervielfältigung und Übertragung einzelner Textabschnitte durch alle Verfahren wie Speicherung und Übertragung auf Papier, Film, Bänder, Platten und andere Medien, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Satz: Kusel, Hamburg. Druck: Strauss, Mörlenbach. Bindung: Schaumann, Darmstadt. Einbandgestaltung: Jens Peter Mardersteig. Werkdruckpapier: alterungsbeständig nach ANSI-Norm resp. DIN-ISO 9706, hergestellt aus 100% chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Printed in Germany.

INHALT

Einleitung von Ruedi Imbach und Irène Rosier-Catach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Anmerkung zum Text, zur Übersetzung und zum Kommentar . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . XXXV DANTE ALIGHIERI De vulgari eloquentia / Über die Beredsamkeit in der Volkssprache i, ii, iii, iv, v, vi, vii, viii, ix, x, xi, xii, xiii, xiv, xv, xvi, xvii, xviii, xix,

1–5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1–8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1–3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1–7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1–3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1–7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1–8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1–7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1–11 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1–9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1–7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1–9 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1–5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1–8 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1–7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1–6 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1–7 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1–5 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1–3 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

3 5 9 11 13 15 19 23 27 33 37 41 45 49 51 57 59 61 65

VI

Inhalt

Kommentar von Ruedi Imbach und Tiziana Suarez-Nani . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Index nominum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Index rerum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Index nominum zur Einleitung und zum Kommentar

67 157 173 176 179

EINLEITUNG

Seit ein Gespräch wir sind Hölderlin

Eine zweifache Überzeugung bewegte uns seinerzeit zum Vorhaben einer Publikation der Opera minora von Dante Alighieri in der „Philosophischen Bibliothek“. Zum einen waren wir überzeugt, daß Dante, der Dichter der Divina Commedia, diese kleinen Schriften als Philosoph verfaßt hat, d. h. unter Voraussetzung eines klar umrissenen Begriffs von Philosophie, daß also diese Konzeption sein Selbstverständnis als Autor dieser Schriften bestimmte. Einen unmißverständlichen Beleg für diesen Sachverhalt liefert die Überschrift der Questio,11: „Universis et singulis presentes litteras inspecturis, Dantes Alagherii de Florentia inter vere philosophantes minimus, et in Eo qui est principium veritatis et lumen.“ Auch wenn Dante sich in diesem Passus als den „geringsten unter den Philosophen“ bezeichnet, so versteht er sich dennoch als einer von ihnen. Zum andern waren wir davon überzeugt, daß Dantes Opera minora für die Philosophiegeschichte von Bedeutung sind. Dies bedeutet, daß sie bei der Erforschung der Entwicklung und Veränderung der Philosophie im Mittelalter nicht übersehen werden dürfen. Der erste Beweggrund ist relativ eindeutig und klar; er bedarf auch keiner ausführlichen Legitimation. Wenn Dante

Zu den Abkürzungen und zur Zitierweise vgl. das Literaturverzeichnis am Ende des Bandes. 1

VIII

Ruedi Imbach · Irène Rosier-Catach

beansprucht, als Philosoph zu sprechen und Philosophie zu betreiben, so rechtfertigt sich eine Berücksichtigung seiner diesbezüglichen Schriften in einem philosophiehistorischen Corpus wie der „Philosophischen Bibliothek“ in jedem Fall. Allerdings kann sich eine philosophische Geschichte der Philosophie, die ihr eigenes Tun unablässig kritisch überprüft und begleitet, mit dieser Begründung nicht begnügen; sie muß sich die Frage gefallen lassen, worin der Beitrag Dantes zur Philosophie in ihrer geschichtlichen Veränderung tatsächlich besteht und wie er sich präzise beschreiben läßt. Eine umsichtige Erörterung dieses Sachverhalts erforderte eine eingehende Klärung dessen, was unter Philosophie zu verstehen ist. Bei einem solchen Unternehmen wäre allerdings zu berücksichtigen, daß auch der Begriff der Philosophie historischen Veränderungen unterworfen ist. Es müßte also geklärt werden, unter welcher Rücksicht die Behauptung, Dante habe zur Entwicklung der Philosophie im Mittelalter einen beachtenswerten Beitrag geleistet, Geltung beansprucht, ob für die Philosophie der Gegenwart, die Philosophie der Zeit Dantes oder für die Entwicklung der Philosophie in diachronischer Perspektive. Bei genauerem Hinsehen erweist sich die Einlösung dieser Behauptung als eine außerordentlich schwierige Aufgabe, die zahlreiche Vorabklärungen impliziert. Es ist nicht möglich, diese Aufgabe im Rahmen einer kurzen Einleitung zu bewältigen. Deshalb muß die Behauptung eingegrenzt, präzisiert und neu formuliert werden: Dante verdient als Philosoph aus der Perspektive der Philosophiehistorie Beachtung. Zwar wird durch diese Eingrenzung der Untersuchungsgegenstand, also das Materialobjekt, sowie der Gesichtspunkt, unter dem das zu Untersuchende betrachtet wird, also das Formalobjekt, geklärt, aber die Schwierigkeit des Kriteriums zur Beurteilung dessen, was philosophiehistorisch tatsächlich Beachtung verdient, ist damit indes noch nicht ausgeräumt. Es ist möglich, diese Schwierigkeit zu überwinden, wenn wir

Einleitung

IX

behelfsmäßig zwei Kriterien zugrunde legen, die es erlauben zu entscheiden, ob ein Text, ein Gedanke, eine These philosophiehistorisch gesehen bedeutsam ist. Als erstes Kriterium können wir die Innovation festhalten. Innovativ ist ein Text oder ein Philosophem dann, wenn es sich signifikant von der opinio communis seiner Zeit oder der damals vorherrschenden Tradition unterscheidet. Des weiteren, und dies ist das zweite Kriterium, sind gewisse methodische Ansprüche zu berücksichtigen. Philosophische Texte zeichnen sich durch methodische Strenge, scharfe Argumentation und eine Beweisführung aus, die sich explizit und ausschließlich auf die Vernunft stützt. Selbstverständlich darf dabei nicht vergessen werden, daß auch der Begriff der Vernunft ebenso wie derjenige der Philosophie historisch bedingt ist. Was das Convivio und die Monarchia angeht, kann dieser zweifache Nachweis ohne allzu große Schwierigkeiten geführt werden. Es ist zu hoffen, daß unsere Ausgaben dieser beiden Schriften zur Legitimation der These, Dante sei als Philosoph ernst zu nehmen, einen Beitrag geleistet haben. Wie steht es indes mit De vulgari eloquentia, einem ebenfalls zu Beginn von Dantes Exil verfaßten, leider unvollendeten Traktat2, der dem Bereich der Sprachphilosophie zugeordnet werden kann? Diese Schrift ist vielschichtig; sie ist zweifelsohne für die Geschichte der italienischen Sprache und Kultur, für die Linguistik und Rhetorik, für die Poetologie und Literaturgeschichte von kaum zu überschätzender Für die etwas genauere Datierung der Schrift gibt es drei Anhaltspunkte: (1) Dante beklagt sich in VE, I, vi, 3, darüber, daß er ungerechterweise verbannt sei. Damit steht 1302 als erster Terminus post quem fest. (2) VE, II, vi, enthält eine Anspielung auf die Beteiligung von Charles de Valois (1270–1325) an den Ereignissen, die zu Dantes Exil geführt haben, und dessen Niederlage in der Auseinandersetzung um Sizilien im August 1302. (3) VE I, xii, 5, erwähnt Giovanni di Monferrato unter den Lebenden. Er ist im Februar 1305 gestorben. Das Jahr 1305 kann also als Terminus ante quem betrachtet werden. 2

X

Ruedi Imbach · Irène Rosier-Catach

Bedeutung. Besitzt sie auch philosophische Relevanz? Im Folgenden soll gezeigt werden, inwiefern das Erste Buch dieser Schrift3 in der Geschichte der Sprachphilosophie unter den beiden erwähnten Gesichtspunkten Beachtung verdient. Das Problem der Sprache stellt sich im Denken Dantes vorerst in einer zweifachen Weise, nämlich als Problem der Sprache der Philosophie (Conv.) und unter dem Gesichtspunkt der Philosophie der Sprache (VE). 1. Die Sprache der Philosophie In seiner Schrift Compendium studii philosophiae trägt der englische Franziskaner Roger Bacon ein eindrückliches Plädoyer für das Studium der alten Sprachen vor. Einer der zahlreichen Gründe zugunsten des Studiums von Hebräisch, Chaldäisch, Griechisch und Arabisch lautet: Die Lateiner haben gar keine philosophischen und theologischen Texte hervorgebracht, sondern nur Texte zum Zivil- und Kirchenrecht: „septima causa est quod latini nullum textum composuerunt, scilicet neque theologiae neque philosophiae.4“ Wer deshalb die Philosophie studieren will, muß die alten Sprachen erlernen. Aristoteles kann nur im griechischen Urtext verstanden werden und niemals anhand einer fehlerhaf-

Es ist zweifelsohne eine anfechtbare Entscheidung, wenn wir in dieser Ausgabe der philosophischen Werke Dantes ausschließlich das erste Buch veröffentlichen. Wir sind uns bewußt, daß diese Entscheidung auf Kritik der Danteforschung stoßen wird. Sie läßt sich nur rechtfertigen, wenn berücksichtigt wird, daß wir mit unserer Reihe den Platz und die Bedeutung Dantes in der Geschichte der Philosophie belegen und unterstreichen wollten. Daß das Werk Dante im allgemeinen und diese Schrift im besonderen andere Dimensionen enthält, wird dadurch keineswegs geleugnet. In unserem Kommentar zu ersten Buch haben wir, soweit es uns möglich war, auch die Gesichtspunkte anderer Disziplinen berücksichtigt. 4 Compendium studii philosophiae, ed. Brewer, 465. 3

Einleitung

XI

ten lateinischen Übersetzung. So die Meinung des originellen Franziskaners5. Diese Meinung, die lateinischen Texte seien nur farblose Nachbildungen eines Urtextes, den es wieder zu entdecken gilt, ist ziemlich außergewöhnlich im Mittelalter. Weiter verbreitet ist dagegen die Auffassung, das Latein sei die vollkommene Wissenschaftssprache. In einem der meistgelesenen Bücher des Mittelalters, dem Fürstenspiegel De regimine principum, hat Aegidius Romanus diese These in folgender Weise begründet: Ausgehend vom Gegensatz zwischen Volkssprache und Latein, deren erste als idioma laicorum, deren zweite als idioma philosophicum bezeichnet wird, erklärt Aegidius die Entstehung des Lateins als eine philosophische Notwendigkeit: „Videntes enim philosophi nullum idioma esse completum et perfectum, per quod perfecte exprimere possent naturas rerum et mores hominum et cursus astrorum et alia de quibus disputare volebant, invenerunt sibi quasi proprium idioma, quod dicitur latinum6.“ Mit anderen Worten: Wer in das Haus der Wissenschaft eintreten will, der muß zuerst jene Sprache lernen, welche die Philosophen sprechen, d. h. das Latein: „expedit nos scire idioma illud, in quo doctores et philosophi sunt locuti7.“ Dantes Convivio, seine erste explizit philosophische Schrift (um 1304 entstanden), ist zwar keineswegs der erste philosophische Traktat, der in der Volkssprache verfaßt wurde, aber es ist der erste und für lange Zeit einzige Traktat, der das Problem des Philosophierens in der Volkssprache zum Gegenstand philosophischen Nachdenkens erhebt. Unzählige Philosophen des Mittelalters hatten über den Anfangssatz der Aristotelischen Metaphysik nachgedacht: „Alle Zur Sprachphilosophie Bacons vgl. die Synthese von I. Rosier-Catach, „Roger Bacon: Grammar“. 6 Aegidius Romanus, De regimine principum II,II, c. 7, 180v. 7 De regimine principum II,II, c. 7, 180r. 5

XII

Ruedi Imbach · Irène Rosier-Catach

Menschen sehnen sich von Natur aus nach Wissen“: „omnes homines natura scire desiderant.“ Sicher hatten diese Kommentatoren nicht übersehen, daß dieser Anfangssatz allen Menschen eine natürliche Tendenz zur Philosophie zugesteht, aber offensichtlich hatte sich keiner daran gestört, daß in der mittelalterlichen Gesellschaft, die zutiefst gespalten war in clerici, Gelehrte, und laïci, d. h. Ungebildete und Laien, nur eine verschwindend kleine Zahl von Männern diese Naturanlage in vollem Umfang zu verwirklichen imstande waren8. Dante hingegen, selbst kein clericus im geläufigen Sinne, hat sich zu dem kleinen Wort ,omnes‘, zum Quantor ‚omnes‘, Gedanken gemacht: Wenn Aristoteles „alle“ sagt, dann meint er nicht wenige oder einige, sondern dann meint er wirklich alle Menschen. Wenn dies richtig ist, dann drängt sich allerdings die unangenehme Feststellung auf, daß sehr viele Menschen an der Verwirklichung dessen, wozu sie nach der These des Philosophen von Natur aus bestimmt sind, gehindert werden. Dante benennt in seinem Traktat den wichtigsten Hinderungsgrund, wenn er von der „Sorge um die Familie und um die Gemeinschaft“9 spricht. Das Gastmahl, das der exilierte Florentiner auftragen will, ist deshalb ausdrücklich als philosophische Belehrung jener Menschen, Frauen und Männer, gedacht, denen der Weg zu den Universitäten und den Ordensschulen, wo das „Brot der Engel“ aufgetischt wird, versperrt ist10. Zu dieser Problematik vgl. R. Imbach, Laien in der Philosophie des Mittelalters. 9 Conv., I, i, 13: „Ma vegna qua qualunque è [per cura] familiare o civile nella umana fame rimaso, e ad una mensa colli altri simili impediti s’assetti; e alli loro piedi si pongano tutti quelli che per pigrizia si sono stati, ché non sono degni di più alto sedere: e quelli e questi prendano la mia vivanda col pane che la farà loro e gustare e patire.“ 10 Vgl. dazu die ausführliche Einleitung von Francis Cheneval zu Band 1 der Übersetzung des Convivio (PhB 466a). 8

Einleitung

XIII

Doch nicht genug: Dante ergänzt diese prinzipielle Überlegung zum Adressatenkreis der Philosophie durch eine Rechtfertigung für die Verwendung der italienischen Muttersprache. Durch die Liebe zu seiner eigenen Sprache11 sei er dazu bewegt worden, das Werk auf Italienisch zu verfassen, gesteht er. Weit bedeutsamer ist allerdings aus philosophischer Sicht eine andere Begründung, auf die hier kurz hingewiesen werden muß: Zwar erkennt Dante den Vorrang des Lateinischen an, weil es eine bleibende und unvergängliche Sprache ist12, aber eine lateinische Schrift hätte dem Vorhaben einer Belehrung der vielen Menschen nicht gedient, weil das Latein wiederum nur von einer kleinen Minderheit verstanden worden wäre. Es gibt aber weit mehr Ungelehrte, non litterati, die nach Wissen streben, als Gebildete, litterati. Aus diesem Grunde war die Volkssprache vorzuziehen 13. Dante versteht deshalb sein Werk als eine Tat der Freigebigkeit (liberalitade14), die sich dadurch auszeichnet,

Conv., I,x,5: „per lo naturale amore de la propria loquela“. Bezüglich des Latein sagt Dante (Conv., I, v, 7): „Ché, primamente, non era subietto ma sovrano, e per nobilità e per vertù e per bellezza. Per nobilità, perché lo latino è perpetuo e non corruttibile, e lo volgare è non stabile e corruttibile.“ 13 Conv., I, vii, 12: „E lo latino non l’averebbe esposte se non a’ litterati, ché li altri non l’averebbero intese. Onde, con ciò sia cosa che molti più siano quelli che desiderano intendere quelle non litterati che litterati, séguitasi che non averebbe pieno lo suo comandamento come ’l volgare, [che] dalli litterati e non litterati è inteso.“ 14 Conv. I, i, 19: „Li quali priego tutti che se lo convivio non fosse tanto splendido quanto conviene alla sua grida, che non al mio volere ma alla mia facultade imputino ogni difetto: però che la mia voglia di compita e cara liberalitate è qui seguace.“ Vgl. vor allem das ganze viii. Kapitel, das in folgender Weise eingeleitet wird: „Quando è mostrato per le sufficienti ragioni come per cessare disconvenevoli disordinamenti converrebbe, [alle] nominate canzoni aprire e mostrare, comento volgare e non latino, mostrare intendo come ancora pronta liberalitate mi fece questo eleggere e l’altro lasciare.“ 11

12

XIV

Ruedi Imbach · Irène Rosier-Catach

daß sie vielen viel Nützliches verteilt, ohne gebeten zu werden15. Aus diesen Hinweisen ergibt sich eine wichtige Schlußfolgerung: Im ersten Traktat der Schrift Convivio vollzieht sich ein bedeutsamer, innovativer Wandel des mittelalterlichen Philosophieverständnisses: Dante stellt nämlich 1. das Problem der Adressaten und Adressatinnen philosophischen Nachdenkens. Wenn die Philosophie den Menschen lehren soll, wie er richtig leben kann, dann betrifft die Sache der Philosophie alle Frauen und Männer und nicht bloß die gelehrten Kleriker. Daraus hat Dante 2. die Konsequenz gezogen, daß die italienische Volkssprache ein mögliches Vehikel philosophischer Lehre und philosophischen Lehrens sein kann und soll. Er hat mit dem Convivio also nicht nur die Schulphilosophie in eine andere Sprache übersetzt, sondern hat in diesem Prozeß der Übertragung zugleich das Selbstverständnis der Philosophie transformiert16. In der Tat, wenn die Philosophie nicht nur ein solitäres Nachdenken, eine Meditation in Zurückgezogenheit ist, wenn wir unter Philosophie auch eine Lehre verstehen, die vermittelt werden soll und kann, dann gehört die Erörterung der Möglichkeiten und Bedingungen der Vermittlung ebenfalls zum philosophischen Geschäft. Daß die Frage der Sprache der Philosophie dabei nicht vernachlässigt werden darf, hat Dante in diesem Werk in exemplarischer und einzigartiger Weise gezeigt.

Conv., I, viii, 2: „Puotesi adunque la pronta liberalitate in tre cose notare, le quali seguitano questo volgare, e lo latino non averebbero seguitato. La prima è dare a molti; la seconda è dare utili cose; la terza è, sanza essere domandato lo dono, dare quello.“ 16 Vgl. R. Imbach, Laien in der Philosophie des Mittealters, 132–142, aber vor allem die Einleitung von F. Cheneval zum ersten Band des Convivio. 15

Einleitung

XV

2. Philosophie der Sprache Ein kritischer Leser kann an dieser Stelle einwenden, Dante habe möglicherweise tatsächlich einen anerkennenswerten Beitrag zur Popularisierung der Philosophie geleistet, daß dies indessen noch keineswegs einschließe, er habe auch Beachtenswertes im Bereich der Philosophie der Sprache vollbracht. Es gilt, diesen durchaus berechtigten Einwand zu prüfen. Wer dieses Problem lösen will, darf seiner Untersuchung indes nicht ein heute gültiges Verständnis der Sprachphilosophie zugrunde zu legen, vielmehr ist zu klären, welche Probleme sich zu Beginn des 14. Jahrhunderts der Philosophie hinsichtlich der menschlichen Sprache stellten. Die Originalität der kleinen, leider unvollendeten Schrift De vulgari eloquentia kann allerdings nur wahrgenommen werden, wenn wir mindestens kurz die Voraussetzungen sprachphilosophischer Reflexion im Mittelalter in Erinnerung rufen17. Es kann nicht bestritten werden, daß das zu Beginn von Peri Hermeneias skizzierte semantische Dreieck eine der wichtigsten Grundlagen für diese Reflexion darstellte. Drei Punkte an dieser von Aristoteles behaupteten Konstellation von res, passiones anime und voces, d. h. Dingen, Begriffen und Wörtern, sind für die Sprachphilosophie des Mittelalters entscheidend: 1. Aristoteles legt seinem Modell eine Rangordnung zugrunde, nach der die artikulierte Sprache eindeutig an dritter Stelle steht. Das Verhältnis der Begriffe zu den Dingen ist Vgl. den Überblick von Jochen Hennigfeld, Geschichte der Sprachphilosophie. Antike und Mittelalter, sowie A. de Libera und I. RosierCatach, „La pensée linguistique médiévale“. Der Sammelband von Sten Ebbesen, Geschichte der Sprachtheorie, enthält ebenfalls mehrere aufschlußreiche Synthesen des Forschungsstandes. Es ver-steht sich von selbst, daß wir uns an dieser Stelle mit einigen wenigen holzschnittartigen Hinweisen begnügen müssen. 17

XVI

Ruedi Imbach · Irène Rosier-Catach

dasjenige der Ähnlichkeit, dasjenige der Wörter zu den Begriffen dagegen dasjenige des Ausdrucks. Beide Verhältnisse gründen auf einer eindeutigen Hierarchie. 2. Wenn die Funktion der Sprache als Ausdruck des Denkens aufgefaßt wird, impliziert dies, daß das Denken der Sprache nicht nur vorausliegt, sondern von ihr auch unabhängig ist. 3. Damit hängt schließlich zusammen, daß Aristoteles dem Mittelalter die These vermittelt hat, die Sprache sei konventionell, die Menschen hätten sie, ad placitum, wie es in der lateinischen Übersetzung heißt, gebildet. Die Drittrangigkeit der Sprache hängt mit ihrem instrumentellen Charakter zusammen, den Aristoteles ganz klar an jener berühmten Stelle der Sophistischen Widerlegungen zum Ausdruck bringt, wo er sagt, wir müßten uns der sprachlichen Zeichen bedienen, weil wir nicht die Dinge mitbringen könnten (165a7). Albert der Große hat die hier angedeuteten Voraussetzungen prägnant resümiert, wenn er von den zwei Beziehungen der Rede spricht. Zum einen ist die Sprache ein Substitut der Dinge (wie der Text der Sophistischen Widerlegungen nahe legt), und zum andern ist sie Ausdruck der Gedanken, was Albert anhand des Passus aus Per Hermeneias klar macht: „Dicimus, quod sermo significativus duplicem habet comparationem. Unam ad rem quae est extra animam: et de hac dicit Aristoteles in primo Elenchorum: ‚Quoniam non est ipsas res disputare volentibus referre, sed nominibus notis utuntur pro rebus, quod accidit in nominibus, in rebus arbitramur accidere.‘ Alia comparatio est ad speciem quae est in intellectu vel imaginatione: et de hac dicit Aristoteles in libro Perihermeneias: ‚Sunt ergo ea quae sunt in voce earum quae sunt in anima passionum notae‘18.“ Albertus Magnus, Secunda pars Summae de creaturis, q. 25, art. 2, Opera omnia (Borgnet), t. 35, 246. 18

Einleitung

XVII

Der zweite wichtige Gewährsmann mittelalterlicher Sprachphilosophie ist Augustin19, dessen Zeichentheorie andere Aspekte in den Vordergrund gerückt hat. Nicht allein seine folgenreiche Definition des Zeichens als etwas Sinnliches, das auf etwas anderes verweist20, sondern auch seine moralischen Überlegungen zur Lüge erweisen die intersubjektive Dimension der Sprache als deren wichtigsten Aspekt. Die Sprache wird unter diesen Voraussetzungen primär als ein Geschehen, das zwischen verschiedenen Personen sich abspielt, wahrgenommen und nicht so sehr, wie bei Aristoteles, als semantische Beziehung zwischen Begriffen, Wörtern und Dingen. Die Lüge ist deshalb eine Sünde, weil sie die eigentliche Funktion der Sprache verfehlt: „Et utique verba propterea sunt instituta non per quae se homines invicem fallant, sed per quae in alterius quisque notitiam cogitationes suas perferat. Verbis ergo uti ad fallaciam, non ad quod instituta sunt, peccatum est 21.“ Andererseits hat Augustinus auch auf die Probleme sprachlicher Verständigung hingewiesen. Nachdem er im großangelegten Dialog De magistro ausführlich das Zeichen erörtert und seine Bedeutung für die Lehre analysiert hat, gelangt er zum Ergebnis, daß Zeichen und damit die Sprache im Vergleich zu dem, was sie bezeichnen, stets sekundär sind: „Quod si haec vera sunt, sicuti esse cognoscis, vides profecto, quanto verba minoris habenda sint quam id propter quod utimur verbis, cum ipse usus verborum iam sit verbis ante-ponendus, verba enim sunt, ut his utimur22.“ In diesem ebenso wichtigen wie faszinierenden Dialog behauptet Augustin nicht nur, die Wörter seien geringer zu werZur Sprachtheorie Augustins vgl. S. Vecchio, Le parole come segni. De doctrina christiana I,1,1: „signum est enim res praeter speciem quam ingerit sensibus, aliud aliquid ex se faciens in cognitionem venire.“ 21 Augustinus, Enchiridion, 7, 22. 22 Augustinus, De magistro IX, 26. Zu diesem Dialog vgl. die Einleitung von P. Schulthess in der zweisprachigen Ausgabe. 19 20

XVIII

Ruedi Imbach · Irène Rosier-Catach

ten als das, weswegen die Menschen Wörter gebrauchen, sondern er wirft auch das Problem auf, ob es möglich ist, ohne Zeichen belehrt zu werden, und antwortet, daß in jedem Falle eine Belehrung durch die Sache selbst einer Vermittlung durch Zeichen vorzuziehen ist23. Er unterstreicht auch, es sei äußerst selten, daß durch die Rede die Gedanken eines anderen sich zeigen: „perrarum [est] quod per locutionem aliquanta cogitatio loquentis appa(re)ret“24. Während der aristotelische Ansatz während des Mittelalters in erster Linie die Entwicklung semantischer, noetischer und ontologischer Probleme zum Verhältnis von Sprache und Wirklichkeit angeregt hat25, führte die Begegnung dieser philosophischen Lehren mit der grammatischen Tradition von Priscian und Donat zur Entstehung einer eigentlichen spekulativen Grammatik26, die im XIII. Jahrhundert ihre Blüte erreichte. Augustins Zeichenlehre, deren Fortwirkung kaum überschätzt werden kann27, hat namentlich im Bereich der Sakramentenlehre unübersehbare Spuren hinterlassen und die Ausarbeitung einer eigentlichen Semiotik gefördert28. Allerdings betreffen die Innovationen der mittelalterlichen Sprachphilosophie ebenfalls die Problemfelder der Sprechakttheorie29 und der mentalen Sprache30. Augustinus, De magistro XI, 36: „Hactenus verba valuerunt, quibus ut plurimum tribuam, admonent tantum, ut quaeramus res, non exhibent, ut norimus. Is me autem aliquid docet, qui vel oculis vel ulli corporis sensui vel ipsi etiam menti praebet ea, quae cognoscere volo. Verbis igitur nisi verba non discimus, immo sonitum strepitumque verborum.“ 24 De magistro, XIV, 46. 25 Vgl. zu dieser Dimension der mittelalterlichen Philosophie J. Pinborg, Logik und Semantik im Mittelalter. 26 Vgl. C. Marmo, La Semiotica e linguaggio nella scolastica; I. Rosier, La grammaire spéculative des modistes. 27 Vgl. dazu S. Meier-Oeser, Die Spur des Zeichens. 28 Vgl. U. Eco, C. Marmo, On the Medieval Theory of Signs; I. RosierCatach, La parole efficace. 29 Vgl. I. Rosier-Catach, La parole comme acte. 30 C. Panaccio, Le discours intérieur. 23

Einleitung

XIX

Die Originalität Dantes im Bereich der philosophischen Reflexion zur Sprache läßt sich vor dieser Folie erfassen. In einem ersten Schritt kann darauf hingewiesen werden, daß Dante den sprachlichen Zeichen nicht nur einen eigenen Traktat widmen will, sondern sie ausdrücklich als das „edle Subjekt“ (nobile subiectum) seines Traktates bezeichnet (VE, I, iii, 3): „Hoc equidem signum est ipsum subiectum nobile de quo loquimur.“ Noch eindrücklicher in dieser Hinsicht ist indes ein Passus im Convivio (I, xiii, 4), wo Dante daran erinnert, daß er sein Dasein der Sprache seiner Eltern verdanke: „Diese meine Volkssprache war die Vermählerin meiner Erzeuger, die sich in dieser [Sprache] verständigten, so wie das Feuer die Vorbereitung des Eisens für den Schmied, der das Messer macht; wodurch offensichtlich ist, daß [die Volkssprache] meiner Zeugung beigestanden hat und so eine Ursache meines Seins ist31.“ Philosophisch gesehen sind diese beiden Hinweise zweifellos zu oberflächlich, um die Relevanz und Besonderheit der sprachphilosophischen Reflexion Dantes zu belegen. Auch wenn eingeräumt wird, Dante habe die Sprache des Menschen als einen besonders wichtigen Gegenstand des Philosophierens eingestuft, was durch die beiden Hinweise belegt wird, bleibt zu prüfen, ob er tatsächlich neue Fragen gestellt und originelle Thesen vertreten habe.

Conv. I, xii, 4: „Questo mio volgare fu congiungitore delli miei generanti, che con esso parlavano, sì come ’l fuoco è disponitore del ferro al fabro che fa lo coltello: per che manifesto è lui essere concorso alla mia generazione, e così essere alcuna cagione del mio essere.“ 31

XX

Ruedi Imbach · Irène Rosier-Catach

3. Struktur, Aufbau und philosophische Bedeutung des ersten Buches Das erste Buch von De vulgari eloquentia ist sehr streng komponiert32. Es lassen sich drei Teile unterscheiden, deren Rhythmus durch die drei Termini locutio, ydioma und vulgare33 bestimmt wird. In den ersten beiden Kapiteln des ersten Teiles (VE, I, i–ii) etabliert Dante den Gegensatz von locutio vulgaris und locutio secundaria, die im Sinne einer geregelten Hochsprache als gramatica bezeichnet wird; danach erklärt er auf der Grundlage des Anfangs der Politik von Aristoteles, was unter locutio zu verstehen ist, und hält fest, daß allein dem Menschen die Sprache gegeben ist (I, ii,8; I, iv, 1). Er weist nach, daß aus verschiedenen Gründen weder die Engel noch die Tiere sprechen, wenn diese Tätigkeit in einem präzisen Sinne verstanden wird als der Gebrauch von „sinnlichen und vernünftigen“ Zeichen (I, iii). Da die Engel keinen Körper besitzen, können sie ihre Gedanken unmittelbar einem anderen unkörperlichen Intellekt mitteilen; die Tiere dagegen sind instinktgeleitet, ihre Akte sind nicht individuell, sondern entsprechen einem determinierten Verhalten der Art. In den bedeutsamen Kapiteln ii und iii präzisiert Dante einen entscheidenden Aspekt der locutio: Es handelt sich um einen Akt des Sprechens, der sich an einen andern richtet: Sprechen (loqui) bedeutet einem andern seine GeDie Literatur zu VE ist kaum überschaubar. Für unsere Deutung waren vor allem die Arbeiten von M. Tavoni besonders anregend. Von ihm vgl. ebenfalls die Einleitung zur katalanischen Übersetzung und Ausgabe des Traktats, 7–50. Vgl. die neueste Deutung der Schrift von A. Raffi, La gloria del volgare. Ontologia e semiotica in Dante dal ‚Convivio‘ al ‚De vulgari eloquentia‘. 33 Vgl zu diesem Aspekt M. Tavoni, „Contributo all’interpretazione di ‚De vulgari eloquentia‘ I, 1–9“; Ders., „Ancora su De vulgari eloquentia I 1–9“; R. Imbach & I. Rosier-Catach, „De l’un au multiple, du multiple à l’un - clef d’interprétation pour le De vulgari eloquentia“. 32

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danken mitteilen („nichil aliud quam nostre mentis enucleare aliis conceptum“; ii, 3) und zwar mit Hilfe eines sinnlich wahrnehmbaren (sensuale) und zugleich vernünftigen (rationale) Zeichens (iii, 2–3). Nach diesen grundlegenden Klärungen stellt Dante im Anschluß an das biblische Buch der Genesis die Frage, wer als erster gesprochen hat, welches die ersten Worte waren, mit wem dieser erste Sprechende in welchem Idiom gesprochen hat (I, iv–v). Die letzte dieser Fragen führt den Ausdruck ydioma ein, der im zweiten Teil des Buches, der mit dem Kapitel vi beginnt, im Zentrum steht, und in dem, mit der babylonischen Sprachverwirrung beginnend, die Vervielfältigung der ydiomata in den Kapiteln vi bis ix untersucht wird. Während im ersten Teil von der menschlichen Sprachfähigkeit im allgemeinen die Rede war (locutio), rücken nun die historisch bezeugten Sprachen in den Vordergrund, und Dante legt eine geschichtlich fundierte Sprachgeographie vor, indem er im viii. Kapitel namentlich die sprachliche Dreiteilung Europas und innerhalb derselben die Dreiteilung der romanischen Sprachen ins Italienische, Spanische und Französische erklärt. Unter philosophischer Perspektive ist es von nicht geringer Bedeutung, daß Dante in diesem Rekonstruktionsversuch die biblischen Inhalte vernünftig zu ordnen versucht und eine nach rationalen Kriterien verfahrende Exegese der biblischen Texte praktiziert. Noch signifikanter ist indes ein anderer Aspekt dieses zweiten Teiles. Nachdem Dante in einem ersten Schritt die historische Vervielfältigung der Sprachen nach Babel34 dargestellt hat, unternimmt er im Kapitel ix eine philosophische Begründung der notwendigen Multiplikation der Sprachen, indem er auf die unbeständige Natur Zur Geschichte der Interpretation des Turmbaus und seiner Folgen vgl. A. Borst, Der Turmbau von Babel; zu Dante 869–875; zur Deutung Dantes vgl. L. Sebastio, Lingua scienza poesia e società nel De vulgari eloquentia, 11–108; M. Corti, Il viaggio testuale. 34

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des Menschen hinweist und auf diese Weise die historische Bedingtheit menschlicher Sitten und Gebräuche, ja des menschlichen Daseins insgesamt wahrnimmt, erklärt und begründet (I, ix, 6). Die biblische Erzählung des Turmbaus und die darauf folgenden Konsequenzen werden also durch eine rational nachvollziehbare und begründbare Lehre nicht nur ergänzt, sondern in einem gewissen Sinne korrigiert. Dante unterscheidet nämlich nach unserer Einschätzung zwei verschiedene Etappen der Sprachenvervielfältigung: Die erste ist eine göttliche Strafe; die zweite dagegen läßt sich durch das Wesen des Menschen vernünftig erklären. Es ist unbestreitbar, wie A. Borst es formuliert, daß Babel „damit für die Sprachgeschichte die epochale Bedeutung“35 verloren hat. Im dritten Teil des ersten Buches (x–xix) erklärt Dante, wie aus dem ydioma tripharium des Romanischen die italienischen Volkssprachen entstanden sind. Jetzt steht also der Terminus vulgare im Mittelpunkt; Dante wendet sich, wie angekündigt (ix, 1), seiner eigenen Sprache zu und beschreibt die Vielfalt und Vielzahl der italienischen Dialekte (xi–xv). Diese in ihrer Neuheit erstaunliche empirische Analyse der 14 wichtigsten italienischen Dialekte vermittelt Dantes Einsicht in das „Makel der Verschiedenheit“36, das letztendlich die menschliche Kommunikation gefährdet. Gleichzeitig aber zeigt diese durch unzählige sprachliche Beispiele bereicherte Reise durch Italien, daß einige Dichter in Sizilien, Bologna und Florenz (und Dante zählt sich zu ihnen) eine Hochsprache praktiziert haben, die sich prägnant A. Borst, Der Turmbau von Babel, 873. Nach Borst kann Dantes Auffassung als die „unerhörteste These auf dem Gebiet der Sprachtheorie, die seit Gregor von Nyssa und Filastrius aufgestellt wurde“ (ib.), betrachtet werden. 36 Der Ausdruck stammt von J. Trabant, in seiner sehr anregenden Darstellung von VE, in: Europäisches Sprachdenken. Von Platon bis Wittgenstein , 53–75, Zitat 57. 35

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von der durch die Vielfalt gefährdeten Umgangsprache unterscheidet. Der am Anfang des Traktates eingeführte Unterschied zwischen einer geregelten, künstlichen Hochsprache (gramatica) und der natürlichen Volksprache (vulgaris locutio) erscheint dank der sprachgeographischen Analyse Dantes in einem ganz neuen Lichte: Die gramatica läßt sich als eine von den Gelehrten erfundene Maßnahme gegen die Gefahr der sprachlichen Zersplitterung, die in dem von Dante beschriebenen Italien in ganz besonderer Weise wahrnehmbar ist37, interpretieren. Im ix. Kapitel wird diese sprachgenetische These, die zum einen an den oben zitierten Text von Aegidius Romanus erinnert und zum anderen die Entstehung des Latein als Gelehrtensprache erklärt, zugleich mit einer präzisen Umschreibung der Natur einer solchen Hochsprache eingeführt: „Hinc moti sunt inventores gramatice facultatis: que quidem gramatica nichil aliud est quam quedam inalterabilis locutionis ydemptitas diversibus temporibus atque locis38.“ Der auf diese Weise offensichtliche Gegensatz zwischen einer geregelten, aber überzeitlichen und unveränderlichen Hochsprache und einer lebendigen, aber durch die Veränderlichkeit und Vielheit gefährdeten Volkssprache entzündet bei Dante die Idee eines dritten Weges, d. h. einer Volkssprache, die den Vorteil der Lebendigkeit und der geschichtlichen Entwicklungsfähigkeit mit der geordneten Regelmäßigkeit einer Hochsprache verbindet: Zugunsten dieser via media argumentiert Dante in dem unter philosophischer Perspektive wahrscheinlich interessantesten Kapitel, dem Kapitel xvi, wo er auf der Grundlage der aristotelischen Doktrin des Einen im X. Buch der Metaphysik, die mit Hilfe thomistischer Texte gelesen wird, und des neuplatonischen ArgumentaVgl. dazu insbesondere M. Tavoni, Einleitung zur katalanischen Ausgabe, 37–42. 38 VE, I, ix, 11. 37

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tionsmodells der reductio ad unum darlegt, daß eine Vielheit wie diejenige der italienischen Dialekte auf eine Einheit zurückgeführt werden muß und daß das Eine zugleich Modell und Norm des Vielen ist39. Es ist also zweifellos richtig, wie Jürgen Trabant zu Recht formuliert, daß Dante den Traum einer Sprache „jenseits der dialektalen Zersplitterung Italiens“ träumt40, aber die gesuchte „erlauchte Volkssprache“ (vulgare illustre), deren verschiedene Epitheta41 Dante in den abschließenden Kapiteln xvii–xix erläutert, kann nicht ohne weiteres mit einer neuen Variante der gramatica identifiziert werden, also einem „Typus von Sprache, der keinen Ort hat und auch keine Zeit, keine Geschichte“42; es ist auch nicht in einem geläufigen Sinne eine „ideale Sprache“43. Die gesuchte Volkssprache, an die sich einige Dichter bereits in hohem Maße angenähert haben, besitzt, wiewohl sie noch nicht existiert und als ein Ideal der Vernunft angesehen werden kann, einen geschichtlichen Ort, da es sich nicht um eine künstliche Sprache, sondern um eine geregelte, d. h. auf den höchsten Punkt der Vollkommenheit gebrachte Volkssprache handelt. Unter philosophischem Gesichtspunkt ist allerdings ein anderer Aspekt ebenso wichtig wie der eben ausgeführte. Es muß genau erklärt werden, was wir meinen, wenn wir von „Dantes Traum“ sprechen: Im xvi. Kapitel, wo die Notwendigkeit eines vulgare illustre aufgezeigt wird, erreicht DanZu dieser Argumentationsform und diesem philosophisch bedeutsamen Gedankengang vgl. den ausführlichen Kommentar zu Kapitel xvi, unten 142–150. 40 J. Trabant, Europäisches Sprachdenken. Von Platon bis Wittgenstein, 75. 41 Dante bezeichnet das gesuchte vulgare als erlaucht (illustre), richtungweisend (cardinale), königlich (aulicum) und höfisch (curiale). 42 J. Trabant, Europäisches Sprachdenken. Von Platon bis Wittgenstein, 58. 43 Zu einer Interpretation in diesem Sinne vgl. U. Eco, Die Suche nach der vollkommenen Sprache. 39

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tes Fähigkeit zu philosophischer Argumentation in De vulgare eloquentia ihren Höhepunkt. Sein Verfahren ist demjenigen in der Monarchia vergleichbar: Hier und dort wird das ganze Arsenal metaphysischer Paradigmen in den Dienst einer neuen, bislang auf diese Weise nicht bearbeiteten Problematik gestellt. Im Falle der Monarchia ist diese Problematik explizit politisch, De vulgare eloquentia verfolgt mit seiner Theorie der Volkssprache ein zugleich kulturelles und politisches Ziel. Aber in beiden Werken wird, wenn es darauf ankommt, zugunsten des beabsichtigten Zieles philosophisch argumentiert. Wenn die vorgelegte Deutung konsistent ist, dann läßt sich die im ersten Buch vorgeführte Argumentation als ein Weg vom Einen zum Vielen und zurück zum Einen beschreiben. Am Anfang steht die Adam von Gott eingegebene Ursprache44. Die in der Geschichte der Menschheit nach der Ursünde der ersten Menschen auftretende Vielheit der Sprachen, die nicht nur eine Strafe Gottes ist, sondern aus der Natur des Menschen vernünftig erklärt werden kann, und die damit verbundenen Nachteile wollten die Erfinder der Hochsprache (inventores gramatice, ix, 11) überwinden, aber die von ihnen erfundene(n), künstliche(n) Hochsprache(n), namentlich das Latein der Kleriker, sind von der Lebendigkeit und Bewegtheit der Menschen aufgrund der Erhabenheit über Zeit und Raum zu weit entfernt. Dante entwirft deswegen das Vorhaben einer anderen Rückkehr zum Einen – der dritte Weg –, die in einer Überhöhung und Regulierung der italienischen Umgangssprachen besteht. Wenn wir, von einem kritischen Leser angeregt, jetzt auf unseren Ausgangspunkt zurückblicken und uns fragen, inwiefern Dante tatsächlich die sprachphilosophische Reflexion erneuert habe, so können wir drei Punkte hervorheben: 44

Vgl. dazu VE, I, vi, 1–7.

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(1) Dante übertreibt nicht, wenn er zu Beginn den Anspruch erhebt, er untersuche ein bisher völlig vernachlässigtes Problem. Dies ist nicht bloß deshalb richtig, weil er von der Volkssprache handelt, sondern vor allem, weil er auf diese Weise der Sprache und der sprachlichen Verständigung der Menschen eine bisher in dieser Weise noch nicht erreichte Dignität verleiht: Die Sprache ist das nobile subiectum, der edle Gegenstand eines ihr gewidmeten Traktats (I, iii, 3). Dante entfernt sich vom „traditionellen Zähneknirschen der Philosophen über die Sprache“45 und stellt die ganze Philosophie in den Dienst des Menschen als sprechendem Wesen. (2) Noch bedeutsamer ist indes ein anderer Aspekt, er ist methodischer Natur. Dante verbindet in seiner Untersuchung die geschichtliche Erfahrung, die biblische Tradition und die vernünftige Reflexion in einzigartiger Weise: Er bezieht sich, das wurde bereits aus der knappen Zusammenfassung deutlich, auf biblische Erzählungen, wenn er von Adam spricht oder wenn er den Turmbau von Babel erwähnt. Allerdings ist es ganz eindeutig, daß er in beiden Fällen eine mit der Vernunft übereinstimmende Exegese des biblischen Textes sucht. Ebenso wichtig wie die Bezugnahme auf die Bibel ist die Berücksichtigung der Sprache als historisches Phänomen. Schließlich aber berücksichtigt Dante auch seine eigene Erfahrung, wenn er von seinem Exil spricht. Das methodische Zusammenwirken dieser verschiedenen Ebenen wird im folgenden Text in eindrücklicher Weise artikuliert: „Wir hingegen, denen die Welt Heimat ist wie den Fischen das Meer, obschon wir aus dem Arno tranken, bevor wir Zähne hatten, und Florenz so sehr lieben, daß wir, weil wir es liebten, ungerechte Verbannung erdulVgl. J. Trabant, Europäisches Sprachdenken. Von Platon bis Wittgenstein, 63. 45

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den, wollen wir bei der Urteilsfindung das Gewicht der Vernunft stärker als dasjenige der Sinne berücksichtigen. Und obschon es für unsere Lust und für die Befriedigung unserer Sinnlichkeit auf Erden keinen lieblicheren Ort als Florenz gibt, wälzten wir die Bände der Dichter und anderen Schriftsteller durch, in denen die Welt im Ganzen und in ihren Teilen beschrieben ist und überlegten uns verschiedene Lagen der Orte der Welt und ihre Beziehung zu beiden Polen und zum Äquator. Dabei erwägen wir und gelangen zur festen Ansicht, daß es viele edlere und köstlichere Gegenden und Städte als die Toskana und Florenz gibt, von wo wir stammen und Bürger sind, und daß viele Völker und Stamme sich einer erfreulichere und nützlicheren Sprache bedienen als die Italiener46.“ Dieser Passus, der durchaus das Zugeständnis enthält, daß für das Individuum Dante keine Stadt schöner erscheint als Florenz, macht deutlich, daß durch das Studium der Überlieferung und die Anstrengung der Vernunft der Mensch zur Einsicht gelangen kann, daß er sich unablässig bemühen muß, den Standpunkt der allgemeinen Vernunft zu erreichen, der alle Menschen verbindet. (3) Schließlich können wir nicht übersehen, daß Dante ein Argumentationsmuster aus der Schulphilosophie aufgreift und ihm durch eine Anwendung in einem neuen Kontext innovative Kraft verleiht. In diesem Fall ist es ein metaphysisches Argument, das ihm erlaubt, die Notwendigkeit eines vulgare illustre zu postulieren. Ähnlich verfährt er beispielsweise in der Monarchia, wenn er aus der Transzendentalienlehre politische Folgerungen zieht. Dieser unbefangene und etwas sorglose Umgang mit der philosophischen Tradition bestätigt, daß Dante sein gan46

VE, I, vi, 3.

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zes philosophisches Wissen, d. h. die Brosamen, die er am Tisch, wo das „Brot der Engel“ aufgetischt wird, aufgelesen hat, in den Dienst einer konkreten, für die Gesellschaft seiner Zeit bedeutsamen Aufgabe stellt. 4. „Der herausragende Akt des menschlichen Geschlechts“ (egregius actus humani generis)47 Im zweiten und dritten Kapitel will Dante die These beweisen, daß von allen Seienden allein der Mensch Sprache hat: „soli homini datum est loqui.“ Dantes Beweisgang beruht auf drei Voraussetzungen. Die erste dieser Voraussetzungen besteht in einem hierarchischen Wirklichkeitsverständnis, dem gemäß der Mensch zwischen Engeln als rein geistigen Substanzen und den Tieren andererseits steht. In der Monarchia wird dieser Sachverhalt mit dem Bild des Horizontes ausgedrückt: Der Mensch ist gleichsam der Horizont zwischen der niederen und der oberen Welt48. Die zweite Voraussetzung ist in Dantes Konzeption der kosmischen Ordnung zu suchen: Er geht davon aus, daß im geordneten Universum alles seinen ihm zukommenden Platz sowie seine in das Gesamtziel des Ganzen eingefügte Aufgabe besitzt. Dieser Gedanke einer streng teleologisch durchstrukturierten Wirklichkeit kommt im Werk Dantes immer wieder vor. Er ist zusammengefaßt im berühmten Satz aus De anima III,9; 432b21, den Dante oft zitiert: „Die Natur tut VE, I, iv, 3. Mon. III, xv, 3: „Ad huius autem intelligentiam sciendum quod homo solus in entibus tenet medium corruptibilium et incorruptibilium; propter quod recte a phylosophis assimilatur orizonti, qui est medium duorum emisperiorum.“ Vgl. dazu Thomas von Aquin, SCG II, 68, n. 6: „Et inde est quod anima intellectualis dicitur esse quasi quidam horizon et confinium corporeorum et incorporeorum.“ 47 48

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nichts vergebens, es fehlt ihr nichts Notwendiges, noch gibt es Überfluß an Unnützem49.“ Als Drittes ist Dantes Auffassung der Sprache zu nennen. Sie wird De vulgari eloquentia, ii,3, erklärt, wenn Dante sagt: „Wenn wir sprechen, dann wollen wir andern den Begriff unseres Geistes erklären50.“ Dieses Sprachverständnis, das die Beziehung zum andern als Adressaten in den Vordergrund stellt, ist für Dante von grundlegender Bedeutung. Es geht ursprünglich auf Platon zurück51 und ist im XIII. Jahrhundert weit verbreitet, wie beispielsweise folgender Passus aus der bedeutsamen Wissenschaftseinteilung, De ortu scien-tiarum, von Robert Kilwardby belegt: „Consequenter dividenda est sermocinalis scientia, et quia sermo totaliter signum est, quia, ut dicit Plato, ad hoc inventus est sermo ut praesto sint mutuae voluntatis indicia, et signum est totaliter ad aliud, ideo scientia sermocinalis totaliter ordinatur ad aliud, scilicet ad alias scientias52.“ Dante hat diese Konzeption wahrscheinlich von Thomas übernommen: „Nihil est enim aliud loqui ad alterum, quam conceptum mentis alteri manifestare53.“ Auf der Grundlage dieser Voraussetzungen vollzieht sich der Gedankengang Dantes in zwei Schritten: Zuerst wird gezeigt, daß für die Engel und die Tiere die Sprache nicht notwendig ist (2. Teil von Kapitel ii); danach weist Dante nach, daß die Sprache für die Menschen notwendig ist (Kapitel iii). AA De anima, n. 168; Hamesse, 188: „Natura nihil facit frustra, unde non deficit in necessariis nec abundat in superfluis.“ 50 „Nihil aliud est quam nostre mentis enucleare aliis conceptum.“ Zur Herkunft dieses Sprachverständnisses vgl. den Kommentar zu VE, I, ii, 3. 51 Vgl. den Kommentar zu VE, I, ii, 3. 52 Robert Kilwardby, De ortu scientiarum, c. XLVI, ed. Judy, 468. 53 Sum. theol., I, 107, 1; vgl. Conv., I, v, 12: „Così lo sermone, lo quale è ordinato a manifestare lo concetto umano, è virtuoso quando quello fa, e più virtuoso quello che più lo fa.“ 49

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Im Gegensatz zum größten Teil der theologischen Tradition sagt Dante, es sei nicht angebracht, eine Sprache der Engel zu postulieren. Für die Mitteilung ihrer Gedanken genüge ihr Intellekt oder aber das Sehen des anderen im göttlichen Intellekt. Die Besonderheit von Dantes These wird deutlich, wenn sie verglichen wird mit den Argumentationen der Theologen zugunsten einer Sprache der Engel54: Nach der Auffassung von Thomas und Bonaventura beispielsweise genügt ein Willensakt, um eine Kommunikation mit einem andern Engel zu provozieren: „per voluntatem conceptus mentis ordinatur ad alterum, puta vel ad agendum aliquid vel ad manifestandum alteri55.“ Thomas nennt diesen Willen zur Mitteilung des Gedankens die „Sprache der Engel“. Alexander von Hales und nach ihm eine Reihe von Autoren wie z. B. Johannes Duns Scotus machen darauf aufmerksam, daß auch von Seiten des Adressaten eine Bereitschaft zu hören notwendig ist56, damit eine Kommunikation zustande kommt. Das gilt ja auch für die menschliche Kommunikation57. Dante, der offensichtlich dem Aspekt des Willensaktes in diesem Zusammenhang weniger Beachtung schenkt, leugnet die Möglichkeit einer Kommunikation der Engel keineswegs, aber er weigert sich, diese Übermittlung der Gedanken Sprache (locutio) zu nen-

Zum Folgenden vgl. I. Rosier-Catach, „Il n’a été qu’à l’homme donné de parler“; „Locutio as intentional speech addressed to someone“; vgl. ebenfalls T. Suarez-Nani, Connaissance et langage des anges selon Thomas d’Aquin et Gilles de Rome. 55 Thomas von Aquin, Sum. theol., I,107,1. Zahlreiche Textbelege in den beiden Artikeln von I. Rosier-Catach. 56 Vgl. C. Panaccio, „Angel’s talk, mental language, and the transparency of the mind“. 57 Alexander von Hales, Summa theologica, Inq. II, tract. III, sect. II, quaest. 1, tit. III, c. VII, in: t. II, 198: „In nobis enim exigitur voluntas loquentis ad hoc ut manifestet, exigitur etiam voluntas recipientis ad hoc ut audiat vel convertat se ad illud.“ 54

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nen, weil zum Sprechen notwendigerweise ein sinnlich wahrnehmbares Zeichen gehört. Bei den Tieren liegt die Sache anders58. Die Tiere einer gleichen Art haben identische, determinierte Aktionen und Reaktionen, so daß durch diese Identität eine minimale Verständigung gewährleistet ist. Auch in diesem Falle ist es lehrreich zu beobachten, wie Dante die Thesen seiner Vorläufer aufgreift und in signifikanter Weise verändert. Es lassen sich mehrere Texte beispielsweise bei Thomas finden, wo das Verhalten der Tiere mit demjenigen der Menschen verglichen wird: „Sola autem creatura rationalis est capax directionis qua dirigitur ad suos actus non solum secundum speciem, sed etiam secundum individuum59.“ Diesen Gedanken, daß das Verhalten der Menschen nicht durch die Art bestimmt ist, greift Dante auf und wertet es aus, um zu beweisen, daß Tiere, deren Laute nur Lust und Unlust zum Ausdruck bringen60, keine Sprache brauchen. Wenn also sowohl die Tiere wie die Engel keine Sprache brauchen, wie läßt sich die Notwendigkeit der Sprache bei den Menschen nachweisen? Die Körperlichkeit verhindert die intellektuelle Transparenz, die bei den Engeln vorausgesetzt wird. Die menschlichen Aktionen und Reaktionen dagegen sind nicht rein instinktiv, wie bei den Tieren, sondern hängen vom Verstand ab61. Wenn Dante in diesem Kontext von ratio spricht, dann versteht er diesen Ausdruck als terminus technicus für das diskursive Erkenntnisvermögen, das den Menschen als solchen auszeichnet. „Homo … ratione movetur“62, dies bedeutet, daß das menschliche Handeln ein Zur Sprache der Tiere in der mittelalterlichen Philosophie vgl. U. Eco., R. Lambertini, C. Marmo, C. & A. Tabarroni., „On animal language in the medieval classification of signs“. 59 SCG, III, 113, n. 4. 60 Vgl. VE, I, ii, 5. 61 Vgl. VE, I, iii, 1–3. 62 VE, I, iii, 1. 58

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Zusammenspiel von Erkennen und Wollen einschließt: Unterscheidung (discretio), Urteil (iudicium) und Wahl (electio) als drei Schritte, die zum Handeln führen, schließen die Freiheit ein, so daß ein Mensch die Gedanken eines anderen nicht voraussehen und erraten kann63. Freiheit einerseits und Körperlichkeit andererseits machen also die Sprache für die Kommunikation unter den Menschen notwendig. Aus der Stellung des Menschen zwischen Engel und Tier, aus seiner Stellung als animal rationale, ergibt sich Dantes Verständnis der Sprache als sinnlich-vernünftiges Zeichen: „rationale signum et sensuale“64. Auch wenn Dante diese Doppelbestimmung der Sprache als sinnliches Zeichen, das den Gedanken des einen Menschen einem andern zu vermitteln fähig ist, von der Tradition übernimmt und die augustinische Auffassung des Zeichens voraussetzt65, setzt er andere Akzente. Die Sprache der Menschen ist nicht nur, wie es bei Thomas und in der Tradition manchmal scheint, eine im Vergleich zur Transparenz der reinen Geister unvollkommenere Form der Kommunikation, sondern sie wird positiv als die dem Menschen gänzlich angemessene und entsprechende Möglichkeit der Kommunikation interpretiert66, eine Möglichkeit, die Dante schon deshalb anders bewertet, weil er sie zum Gegenstand eines selbständigen Traktates macht: Das Sprechen ist der „herausragende Akt des menschlichen Geschlechts“ (I, iv, 3). Wenn Dante die sprachlichen Zeichen zum konkreten Untersuchungsgegenstand seiner Schrift erhebt, dann ist auch

VE, I, iii, 1. Vgl. dazu VE, I, iii, 2. 65 Vgl. Anm. 20. 66 Vgl. J. Trabant, Europäisches Sprachdenken. Von Platon bis Wittgenstein, 63: „Es spricht eben der Dichter, der mit der Sprache arbeitet, sich an ihr erfreut und sie daher erst einmal als eine für das Menschsein notwendige und folglich herausragende Handlung ansieht.“ 63 64

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sein Gesichtpunkt sowie seine Intention eine ganz andere als diejenige der Theologen und Philosophen seiner Zeit, deren Lehren er aufgreift und verwandelt. Die Theologen haben die Probleme der Sprache im Kontext theologischer Fragen, namentlich der Trinitätstheologie, der Angelologie und der Sakramentenlehre, erörtert; die Philosophen haben sie im Zusammenhang mit der Auslegung vornehmlich Aristotelischer Schriften diskutiert. Dante verselbständigt das Thema der Sprache, löst es von seinem theologischen und vom bisherigen philosophischen Kontext ab. Er transformiert diese Thematik gleichsam in ein Stück konkreter Anthropologie, denn seine Reflexion über die Sprachfähigkeit des Menschen steht ganz im Dienst eines kulturellen und politischen Programms. Zweifellos ist der Traktat De vulgari eloquentia eine theoretische Grundlegung des Dichtens in der Volkssprache; zugleich legt er eine ausführliche Argumentation zugunsten der Notwendigkeit eines latium vulgare, des Italienischen, vor, aber Dante hat zur Begründung dieser beiden Ziele eine philosophisch originelle, folgenreiche und beachtenswerte Lehre vom Menschen als dem einzigen Wesen, das spricht, entwickelt.

ANMERKUNG ZUM TEXT, ZUR ÜBERSETZUNG UND ZUM KOMMENTAR

Der lateinische Text folgt der Ausgabe: De Vulgari Eloquentia ridotto a miglior lezione, commentato e tradotto da Aristide Marigo, con introduzione, analisi metrica della canzone, studio della lingua e glossario a cura di Aristide Marigo. Seconda edizione, Firenze: Le Monnier 1948. Der Text wurde mit den Ausgaben von P. Rajna und P.V. Mengaldo verglichen. Die nicht sehr zahlreichen Varianten werden in den Fußnoten vermerkt. In einigen Fällen haben wir die Lesung von Mengaldo vorgezogen. Die deutsche Übersetzung wurde seinerzeit im Rahmen des Freiburger Dante-Projektes von Francis Cheneval angefertigt. Für diese Ausgabe wurde sie von R. Imbach durchgesehen und revidiert. Eine erste, in italienischer Sprache redigierte Fassung des Kommentars hat Tiziana Suarez Nani ebenfalls im Rahmen dieses vom Schweizerischen Nationalfonds finanzierten Projektes verfaßt. Den hier publizierte Kommentar hat Ruedi Imbach unter Benutzung der Vorarbeiten von T. Suarez Nani zusammengestellt und geschrieben. Die von Ruedi Imbach redigierte Einleitung beruht auf einer Seminarveranstaltung, die er zusammen mit Frau Irène Rosier-Catach an der Ecole Pratique des Hautes Etudes (Ve section), Paris, von 2003 bis 2005 durchgeführt hat. Die vorangehenden Bemerkungen legen bereits Zeugnis ab von der komplexen Genese dieses Bandes. Ohne die freundlichen Mahnungen des Verlegers Manfred Meiner und die effiziente und kompetente Hilfe von Frau Marion Lauschke wäre dieser Band nicht zustande gekommen. Ihnen sei an dieser Stelle ausdrücklich gedankt wie auch dem Schweizeri-

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schen Nationalfonds, der das Dante-Projekt seinerzeit grosszügig gefördert hat. Kurt Flasch hat mit Sorgfalt und wohlwollen die Übersetzung und den Kommentar durchgesehen. Ihm sei an dieser Stelle dafür und für vieles andere gedankt.

DANTE ALIGHIERI Über die Beredsamkeit in der Volkssprache De vulgari eloquentia Liber primus / Erstes Buch

DE VULGARI ELOQUENTIA

i (1) Cum neminem ante nos de vulgaris eloquentie doctrina quicquam inveniamus tractasse, atque talem scilicet eloquentiam penitus omnibus necessariam videamus, cum ad eam non tantum viri sed etiam mulieres et parvuli nitantur, in quantum natura permictit, volentes discretionem aliqualiter lucidare illorum qui tanquam ceci ambulant per plateas, plerunque anteriora posteriora putantes, – Verbo aspirante de celis – locutioni vulgarium gentium prodesse temptabimus, non solum aquam nostri ingenii ad tantum poculum aurientes, sed, accipiendo vel compilando ab aliis, potiora miscentes, ut exinde potionare possimus dulcissimum ydromellum. (2) Sed quia unamquanque doctrinam oportet non probare, sed suum aperire subiectum, ut sciatur quid sit super quod illa versatur, dicimus, celeriter actendentes, quod vulgarem locutionem appellamus eam qua infantes assuefiunt ab assistentibus cum primitus distinguere voces incipiunt; vel, quod brevius dici potest, vulgarem locutionem asserimus quam sine omni regula nutricem imitantes accipimus. (3) Est et inde alia locutio secundaria nobis, quam Romani gramaticam vocaverunt. Hanc quidem secundariam Greci habent et alii, sed non omnes: ad habitum vero huius pauci

ÜBER DIE BEREDSAMKEIT IN DER VOLKSSPRACHE

Kapitel i (1) Da wir feststellen, daß vor uns überhaupt niemand die Lehre von der Beredsamkeit in der Volkssprache behandelt hat, und einsehen, daß eine solche Beredsamkeit schlechthin für alle äußerst notwendig ist – denn auf sie stützen sich nicht nur Männer, sondern auch Frauen und Kinder, soweit es die Natur gestattet –, deshalb wollen wir das Unterscheidungsvermögen derjenigen irgendwie erleuchten, die wie Blinde durch die Straßen gehen und oft das, was vor ihnen ist, hinter sich wähnen. Mit Hilfe des vom Himmel her inspirierenden Wortes werden wir versuchen, das Sprechen der gewöhnlichen Leute zu fördern, indem wir nicht nur Wasser unseres eigenen Geistes schöpfen, um solch großen Becher zu füllen, sondern von andern übernehmend und zusammenfügend das Vorzüglichere mischen, damit wir ganz süßes Honigwasser ausschenken können. (2) Da aber eine jede Wissenschaft ihren Gegenstand nicht beweisen, sondern erschließen soll, sagen wir in gebotener Kürze zur Kenntnis ihres Gegenstandes, daß wir Volkssprache diejenige nennen, an die sich die Kinder durch die Pflegenden gewöhnen, sobald sie beginnen, Laute zu unterscheiden; oder um es noch kürzer zu sagen: Wir nennen jene Sprache Volkssprache, die wir ohne jegliche Regel durch Nachahmen der Amme annehmen. (3) Es gibt darüber hinaus für uns ein anderes Sprechen, zweiter Art, das die Römer Grammatik nannten. Dieses Sprechen zweiter Art haben die Griechen und andere [Völker], aber nicht alle. Zu ihrer Beherrschung gelangen nur wenige,

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De vulgari eloquentia · i, 3 – ii, 4

perveniunt, quia non nisi per spatium temporis et studii assiduitatem regulamur et doctrinamur in illa. (4) Harum quoque duarum nobilior est vulgaris: tum quia prima fuit humano generi usitata; tum quia totus orbis ipsa perfruitur, licet in diversas prolationes et vocabula sit divisa; tum quia naturalis est nobis, cum illa potius artificialis existat. (5) Et de hac nobiliori nostra est intentio pertractare. ii (1) Hec est nostra vera prima locutio. Non dico autem ‚nostra‘ ut et aliam sit esse locutionem quam hominis: nam eorum que sunt omnium soli homini datum est loqui, cum solum sibi necessarium fuerit. (2) Non angelis, non inferioribus animalibus necessarium fuit loqui, sed nequicquam datum fuisset eis: quod nempe facere natura aborret. (3) Si etenim perspicaciter consideramus quid cum loquimur intendamus, patet quod nichil aliud quam nostre mentis enucleare aliis conceptum. Cum igitur angeli ad pandendas gloriosas eorum conceptiones habeant promptissimam atque ineffabilem sufficientiam intellectus, qua vel alter alteri totaliter innotescit per se, vel saltim per illud fulgentissimum Speculum in quo cuncti representantur pulcerrimi atque avidissimi speculantur, nullo signo locutionis indiguisse videntur. (4) Et si obiciatur de hiis qui corruerunt spiritibus, dupliciter responderi potest: primo quod, cum de hiis que necessaria

Über die Beredsamkeit in der Volkssprache

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denn wir werden in ihr nur mit Zeitaufwand und durch Beharrlichkeit im Studium geformt und gebildet. (4) Von diesen beiden ist die Volkssprache die edlere: Einmal, weil sie als erste vom Menschengeschlecht gebraucht wurde, sodann, weil der ganze Erdkreis sie benutzt, auch wenn sie nach unterschiedlicher Aussprache und Wortschatz aufgeteilt ist, und schließlich, weil sie uns natürlich ist, während jene eher künstlich ist. (5) Und von dieser edleren zu handeln, ist unsere Absicht. Kapitel ii (1) Sie ist unser wahres erstes Sprechen. Ich sage aber nicht „unser“, wie wenn es ein anderes Sprechen gäbe als die [Sprache] des Menschen, denn von allen Seienden wurde das Sprechen allein dem Menschen gegeben, da es nur für ihn notwendig war. (2) Weder für die Engel noch für die Tiere, die unter uns stehen, war es notwendig zu sprechen, vielmehr wäre es ihnen überflüssigerweise gegeben worden: Davor allerdings schreckt die Natur zurück. (3) Wenn wir nämlich genau betrachten, was wir mit dem Sprechen beabsichtigen, wird klar, daß es nichts anderes ist, als andern einen Begriff unseres Geistes zu enthüllen. Da aber die Engel zur Mitteilung ihrer ehrwürdigen Ideen eine ganz unmittelbare und unaussprechliche Fähigkeit des Intellekts haben, wodurch einer dem andern gänzlich durch sich selbst bekannt wird, oder zumindest durch jenen strahlendsten Spiegel, in dem alle in vollendeter Schönheit vergegenwärtigt sind und auf den alle unersättlich schauen, scheinen sie keines Sprachzeichens zu bedürfen. (4) Und wenn ein Einwand bezüglich der gefallenen Geister vorgebracht wird, kann in zweifacher Weise geantwortet werden: Erstens, daß wir sie übergehen müssen, weil wir über das, was zum vollkommenen Sein einer Art erforderlich

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De vulgari eloquentia · ii, 4–7

sunt ad bene esse tractemus, eos preterire debemus, cum divinam curam perversi expectare noluerunt; secundo et melius quod ipsi demones ad manifestandam inter se perfidiam suam non indigent nisi ut sciat quilibet de quolibet quia est et quantus est; quod quidem sciunt: cognoverunt enim se invicem ante ruinam suam. (5) Inferioribus quoque animalibus, cum solo nature instinctu ducantur, de locutione non oportuit provideri: nam omnibus eiusdem speciei sunt iidem actus et passiones, et sic possunt per proprios alienos cognoscere; inter ea vero que diversarum sunt specierum non solum non necessaria fuit locutio, sed prorsus dampnosa fuisset, cum nullum amicabile commertium fuisset in illis. (6) Et si obiciatur de serpente loquente ad primam mulierem, vel de asina Balaam, quod locuti sint, ad hoc respondemus quod angelus in illa et dyabolus in illo taliter operati sunt quod ipsa animalia moverunt organa sua, sic ut vox inde resultavit distincta tanquam vera locutio; non quod aliud esset asine illud quam rudere, neque quam sibilare serpenti. (7) Si vero contra argumentetur quis de eo quod Ovidius dicit in quinto Metamorfoseos de picis loquentibus, dicimus quod hoc figurate dicit, aliud intelligens. Et si dicatur quod pice adhuc et alie aves locuntur, dicimus quod falsum est, quia talis actus locutio non est, sed quedam imitatio soni nostre vocis; vel quod nituntur imitari nos in quantum sonamus,

Über die Beredsamkeit in der Volkssprache

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ist, handeln und die abgefallenen [Geister] auf die göttliche Fürsorge nicht warten wollten; zweitens und besser, daß diese Dämonen, um sich gegenseitig ihre Gemeinheit mitzuteilen, nichts anderes brauchen, als daß ein jeder von jedem weiß, daß er ist und welchen Grad [der Vollkommenheit] er besitzt. Dies aber wissen sie, denn sie kannten sich bereits vor ihrem Fall. (5) Ebenso war es auch nicht nötig, die Tiere, die unter uns stehen, mit der [Fähigkeit] zum Sprechen auszustatten, da sie ausschließlich vom Instinkt der Natur geleitet werden, denn die Akte und Eindrücke aller Wesen derselben Art sind gleich, und so können [die Tiere] durch die eigenen [Akte und Eindrücke] die der andern erkennen. Für diejenigen aber, die verschiedenen Arten angehören, war das Sprechen nicht nur unnötig, sondern es wäre geradezu schädlich gewesen, da es unter ihnen keinen freundschaftlichen Verkehr geben konnte. (6) Und wenn bezüglich der Schlange, die zur ersten Frau gesprochen hat, oder bezüglich der Eselin von Balaam eingewendet werden sollte, daß sie geredet haben, dann antworten wir darauf, daß ein Engel in dieser und ein Teufel in jener in solcher Weise am Werk waren, daß diese Tiere selbst ihre Organe derart bewegten, daß daraus ein deutlicher Laut, einem wahren Sprechen ähnlich, hervorging; damit ist nicht gesagt, [der Laut] der Eselin sei etwas anderes gewesen als ein Schreien und [der Laut] der Schlange etwas anderes als ein Zischen. (7) Wenn aber jemand dagegen argumentieren sollte, was Ovid im fünften Buch der Metamorphosen von sprechenden Elstern sagt, antworten wir, daß er bildlich spricht und etwas anderes darunter versteht. Und wenn eingewendet werden sollte, daß die Elster und andere Vögel sprechen, antworten wir, daß dies falsch ist, denn ein solcher Akt ist nicht Sprechen, sondern eine gewisse Nachahmung des Klanges unserer Stimme; oder daß sie danach streben, uns nachzuahmen,

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De vulgari eloquentia · ii, 8 – iii, 3

sed non in quantum loquimur. Unde si expresse dicenti ‚pica‘ resonaret etiam ‚pica‘, non esset hec nisi representatio vel imitatio soni illius qui prius dixisset. (8) Et sic patet soli homini datum fuisse loqui. Sed quare necessarium sibi foret, breviter pertractare conemur. iii (1) Cum igitur homo non nature instinctu, sed ratione moveatur, et ipsa ratio vel circa discretionem vel circa iudicium vel circa electionem diversificetur in singulis, adeo ut fere quilibet sua propria specie videatur gaudere, per proprios actus vel passiones, ut brutum animal, neminem alium intelligere opinamur. Nec per spiritualem speculationem1, ut angelum, alterum alterum introire contingit, cum grossitie atque opacitate mortalis corporis humanus spiritus sit obtectus2. (2) Oportuit ergo genus humanum ad comunicandas inter se conceptiones suas aliquod rationale signum et sensuale habere: quia, cum de ratione accipere habeat et in rationem portare, rationale esse oportuit; cumque de una ratione in aliam nichil deferri possit nisi per medium sensuale, sensuale esse oportuit. Quare, si tantum rationale esset, pertransire non posset; si tantum sensuale, nec a ratione accipere nec in rationem deponere potuisset. (3) Hoc equidem signum est ipsum subiectum nobile de quo loquimur: nam sensuale quid est in quantum sonus est;

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speculationem] locutionem Mengaldo1968. obtectus] obtentus Marigo / Rajna.

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insofern wir Laute von uns geben, aber nicht insofern wir sprechen. Wenn daher demjenigen, der „Elster“ sagt, auch „Elster“ entgegenhallte, wäre dies nichts anderes als eine Wiedergabe oder eine Nachahmung eines Klanges dessen, der zuerst geredet hat. (8) Und so ist klar, daß nur dem Menschen das Sprechen gegeben wurde. Warum dies für ihn aber notwendig war, wollen wir kurz abzuhandeln versuchen. Kapitel iii (1) Da der Mensch nicht vom Instinkt der Natur, sondern von der Vernunft bewegt wird, und diese Vernunft bezüglich Unterscheidung, Urteil und Wahl bei den einzelnen so sehr verschieden ist, daß beinahe jeder sich seiner eigenen Art zu erfreuen scheint, vermuten wir, daß niemand den andern durch die eigenen Handlungen und Widerfahrnisse, wie es beim unverständigen Tier der Fall ist, versteht. Auch nicht durch geistige Schau, wie der Engel, vermag der eine in den andern zu dringen, da der menschliche Geist von der Dichte und Undurchsichtigkeit des sterblichen Körpers verdunkelt wird. (2) Das Menschengeschlecht brauchte also, um sich Gedanken mitzuteilen, ein Zeichen, das sowohl vernünftig als auch sinnlich ist. Es sollte ja etwas von der einen Vernunft aufnehmen und auf die andere übertragen; deswegen mußte es vernünftig sein. Sinnlich mußte es sein, da nur durch ein sinnliches Mittel etwas von der einen Vernunft auf die andere übertragen werden kann. Wäre [das Zeichen] nämlich nur vernünftig, so könnte es nichts übertragen; wäre es nur sinnlich, hätte es weder von der Vernunft [etwas] aufnehmen noch in der Vernunft ablegen können. (3) Dieses Zeichen ist jener edle Gegenstand, von dem wir sprechen: Es ist ein sinnliches Etwas, insofern es ein Laut ist;

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De vulgari eloquentia · iv, 1–4

rationale vero in quantum aliquid significare videtur ad placitum. iv (1) Soli homini datum fuit ut loqueretur, ut ex premissis manifestum est. Nunc quoque investigandum esse existimo cui hominum primum locutio data sit, et quid primitus locutus fuerit, et ad quem, et ubi, et quando, nec non et sub quo ydiomate primiloquium emanavit. (2) Secundum quidem quod in principio Genesis loquitur, ubi de primordio mundi Sacratissima Scriptura pertractat, mulierem invenitur ante omnes fuisse locutam, scilicet presumptuosissimam Evam, cum dyabolo sciscitanti respondit: „De fructu lignorum que sunt in paradiso vescimur; de fructu vero ligni quod est in medio paradisi precepit nobis Deus ne comederemus nec tangeremus, ne forte moriamur.“ (3) Sed quanquam mulier in scriptis prius inveniatur locuta, rationabilius tamen est ut hominem prius locutum fuisse credamus, et inconvenienter putatur tam egregium humani generis actum non prius a viro quam a femina profluxisse. Rationabiliter ergo credimus ipsi Ade prius datum fuisse loqui ab Eo qui statim ipsum plasmaverat. (4) Quid autem prius vox primi loquentis sonaverit, viro sane mentis in promptu esse non titubo ipsum fuisse quod ‚Deus‘ est, scilicet El, vel per modum interrogationis vel per modum responsionis. Absurdum atque rationi videtur orrificum ante Deum ab homine quicquam nominatum fuisse, cum ab ipso et in ipsum factus fuisset homo. Nam sicut post prevaricationem humani generis quilibet exordium sue locu-

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es ist vernünftig, insofern es etwas nach Übereinkunft bezeichnet. Kapitel iv (1) Nur dem Menschen wurde es gegeben zu sprechen, wie aus dem Gesagten hervorgeht. Nun halte ich es für nötig zu untersuchen, welchem Menschen das Sprechen zuerst gegeben wurde, was er zuerst gesagt hat, zu wem und wo und wann [zuerst] gesprochen wurde und gewiß auch in welchem Idiom die ersten Worte geäußert wurden. (2) Gemäß dem, was am Anfang der Genesis gesagt wird, wo die heiligste Schrift vom Beginn der Welt handelt, scheint es, daß die Frau, jene überaus vermessene Eva nämlich, früher als alle [andern] gesprochen hat, als sie dem aufdringlichen Teufel antwortete: „Wir nähren uns von der Frucht der Bäume im Paradies, aber von der Frucht des Baumes, der in der Mitte des Paradieses steht, verbot uns Gott zu essen oder ihn auch nur anzurühren, damit wir nicht sterben.“ (3) Doch obschon es die Frau ist, die gemäß der Schrift als erste gesprochen hat, ist es dennoch vernünftiger anzunehmen, der Mann habe als erster gesprochen; es ist unangemessen zu meinen, ein solch herausragender Akt des menschlichen Geschlechts wäre nicht zuerst vom Mann, sondern von der Frau vollzogen worden. Vernünftigerweise glauben wir also, daß es Adam zuerst gegeben wurde zu sprechen, von Ihm, der ihn selbst kurz zuvor geformt hatte. (4) Was aber die Stimme des ersten Sprechenden verlauten ließ, ist nach meiner Auffassung dem Mann von gesundem Verstand augenfällig: [Es war das Wort] „Gott“ oder „El“, sei es als Frage oder als Antwort. Es scheint absurd und [ist] für die Vernunft abschreckend, daß der Menschen auch nur irgend etwas [anderes] früher als Gott genannt hätte, da der Mensch von ihm und zu ihm hin erschaffen wurde. So wie nämlich nach der Verfehlung des menschlichen Geschlechts

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De vulgari eloquentia · iv, 5 – v,1

tionis incipit ab ‚heu‘, rationabile est quod ante qui fuit inciperet a gaudio; et cum nullum gaudium sit extra Deum, sed totum in Deo, et ipse Deus totus sit gaudium, consequens est quod primus loquens primo et ante omnia dixisset ‚Deus‘. (5) Oritur et hinc ista questio, cum dicimus superius per viam responsionis hominem primum fuisse locutum, si responsio fuit ad Deum: nam, si ad Deum fuit, iam videretur quod Deus locutus extitisset, quod contra superius prelibata videtur insurgere. (6) Ad quod quidem dicimus quod bene potuit respondisse Deo interrogante, nec propter hoc Deus locutus est ipsa quam dicimus locutionem. Quis enim dubitat quicquid est ad Dei nutum esse flexibile, quo quidem facta, quo conservata, quo etiam gubernata sunt omnia? Igitur cum ad tantas alterationes moveatur aer imperio nature inferioris, que ministra et factura Dei est, ut tonitrua personet, ignem fulgoret, aquam gemat, spargat nivem, grandines lancinet, nonne imperio Dei movebitur ad quedam sonare verba, ipso distinguente qui maiora distinxit? Quid ni? (7) Quare ad hoc et ad quedam alia hec sufficere credimus. v (1) Opinantes autem non sine ratione, tam ex superioribus quam inferioribus sumpta, ad ipsum Deum primitus primum hominem direxisse locutionem, rationabiliter dicimus ipsum loquentem primum, mox postquam afflatus est ab animante

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jeder den Anfang seines Sprechens mit „Ach“ beginnt, ist es vernünftig, daß, wer vor dem Sündenfall existierte, [seine Rede] mit Freude begonnen hat; und da es außerhalb Gottes keine Freude gibt, sondern alle [Freude] in Gott und Gott selbst ganz Freude ist, folgt, daß der erste Sprechende zuerst und vor allem andern „Gott“ gesagt hat. (5) Da wir oben sagen, der erste Mensch habe in Form einer Antwort gesprochen, ergibt sich die Frage, ob die Antwort Gott gegolten hat: Hat sie Gott gegolten, so könnte es scheinen, Gott habe zuvor gesprochen, was dem Vorausgeschickten zuwiderläuft. (6) Darauf aber antworten wir, daß er sehr wohl dem fragenden Gott hat antworten können, ohne daß deswegen Gott mittels dessen gesprochen hat, was wir Sprechen nennen. Wer zweifelt denn, daß alles, was ist, sich dem Wink Gottes beugt, von dem es erschaffen, von dem es erhalten und von dem es auch gelenkt wird? Wenn also die Luft durch die Herrschaft der niedrigeren Natur als Gehilfin und Werk Gottes zu solch großen Veränderungen bewegt wird, daß sie Donner ertönen läßt, mit Feuer blitzt, Wasser quillt, Schnee verweht und Hagel zerstückelt, wird sie dann nicht auf Befehl Gottes dazu bewegt, bestimmte Worte ertönen zu lassen, wenn Jener bestimmt, der viel Größeres bestimmt hat? Warum nicht? (7) Daher glauben wir, daß zu diesem [Punkt] und zu einigen anderen das [Gesagte] ausreicht. Kapitel v (1) Da wir nicht ohne Begründung, die sich sowohl auf das bisher Gesagte wie auch auf das noch Folgende stützt, glauben, der erste Mensch habe sein Sprechen zu allererst an Gott selbst gerichtet, behaupten wir vernünftigerweise, daß jener zuerst Sprechende, kaum war er von der lebensspendenden

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De vulgari eloquentia · v, 2 – vi, 1

Virtute, incunctanter fuisse locutum. Nam in homine sentiri humanius credimus quam sentire, dummodo sentiatur et sentiat tanquam homo. Si ergo faber ille atque perfectionis principium et amator afflando primum nostrum omni perfectione complevit, rationabile nobis apparet nobilissimum animal non ante sentire quam sentiri cepisse. (2) Si quis vero fatetur contra obiciens quod non oportebat illum loqui, cum solus adhuc homo existeret, et Deus omnia sine verbis archana nostra discernat etiam ante quam nos, – cum illa reverentia dicimus qua uti oportet cum de eterna Voluntate aliquid iudicamus, quod licet Deus sciret, immo presciret (quod idem est quantum ad Deum) absque locutione conceptum primi loquentis, voluit tamen et ipsum loqui, ut in explicatione tante dotis gloriaretur ipse qui gratis dotaverat. Et ideo divinitus in nobis esse credendum est quod in actu nostrorum effectuum ordinato letamur. (3) Et hinc penitus elicere possumus locum illum ubi effutita est prima locutio: quoniam, si extra paradisum afflatus est homo, extra, si vero intra, intra fuisse locum prime locutionis convicimus. vi (1) Quoniam permultis ac diversis ydiomatibus negotium exercitatur humanum, ita quod multi multis non aliter intelligantur verbis quam sine verbis, de ydiomate illo venari nos

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Kraft angehaucht worden, sofort gesprochen hat. Denn wir glauben, im Menschen sei das Wahrgenommenwerden menschlicher als das Wahrnehmen, insofern man als Mensch wahrgenommen wird und wahrnimmt. Wenn also jener Handwerker, der Prinzip der Vollkommenheit und Liebe ist, den ersten von uns [Menschen] mit jeglicher Vollkommenheit ausgestattet hat, scheint es uns vernünftig, daß das edelste Lebewesen nicht angefangen hat wahrzunehmen, bevor es wahrgenommen worden ist. (2) Wenn aber jemand dagegen hält, indem er einwendet, daß es für Adam nicht nötig war zu sprechen, da nur ein einziger Mensch existierte und Gott all unsere Geheimnisse ohne Worte noch vor uns selber wahrnimmt, antworten wir mit der Ehrfurcht, die nötig ist, wenn wir über den ewigen Willen zu urteilen haben: Obschon Gott den Gedanken des ersten Sprechenden unabhängig von dessen Akt des Sprechens kannte, ja vielmehr im voraus wußte – was in bezug auf Gott dasselbe ist –, wollte er dennoch, daß Adam auch selbst spreche, damit er durch die Entfaltung einer so großen Gabe, die er umsonst verliehen hatte, selbst verherrlicht werde. Und daher müssen wir glauben, die Freude über die geordnete Verwirklichung unserer Handlungen sei göttlichen Ursprungs. (3) Und daher können wir jenen Ort, an dem das erste Sprechen stattgefunden hat, genau ermitteln: Wurde nämlich der Mensch außerhalb des Paradieses geschaffen, war es außerhalb; wurde er aber innerhalb [geschaffen], so steht fest, daß der Ort des ersten Sprechens im Innern [des Paradieses] war. Kapitel vi (1) Da sich das menschliche Leben vieler und verschiedener Idiome bedient, so daß viele mit Worten andere nicht besser verstehen als ohne Worte, ist es für uns angebracht, jene

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De vulgari eloquentia · vi, 2–4

decet quo vir sine matre, vir sine lacte, qui nec pupillarem etatem nec vidit adultam, creditur usus. (2) In hoc, sicut etiam in multis aliis, Petramala civitas amplissima est, et patria maiori parti filiorum Adam. Nam quicunque tam obscene rationis est ut locum sue nationis delitiosissimum credat esse sub sole, hic etiam pre cunctis proprium vulgare licetur, idest maternam locutionem, et per consequens credit ipsum fuisse illud quod fuit Ade. (3) Nos autem, cui mundus est patria velut piscibus equor, quanquam Sarnum biberimus ante dentes et Florentiam adeo diligamus ut, quia dileximus, exilium patiamur iniuste, rationi magis quam sensui spatulas nostri iudicii podiamus. Et quamvis ad voluptatem nostram sive nostre sensualitatis quietem in terris amenior locus quam Florentia non existat, revolventes et poetarum et aliorum scriptorum volumina quibus mundus universaliter et membratim describitur, ratiocinantesque in nobis situationes varias mundi locorum et eorum habitudinem ad utrunque polum et circulum equatorem, multas esse perpendimus firmiterque censemus et magis nobiles et magis delitiosas et regiones et urbes quam Tusciam et Florentiam, unde sumus oriundus et civis, et plerasque nationes et gentes delectabiliori atque utiliori sermone uti quam Latinos. (4) Redeuntes igitur ad propositum, dicimus certam formam locutionis a Deo cum anima prima concreatam fuisse. Dico autem ‚formam‘ et quantum ad rerum vocabula et quantum ad vocabulorum constructionem et quantum ad constructionis prolationem: qua quidem forma omnis lingua

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Sprache aufzuspüren, von der geglaubt wird, daß sie jener Mann gebraucht hat, der weder Kindes- noch Jugendalter, noch Mutter und Muttermilch gekannt hat. (2) In dieser Hinsicht, aber auch sonst, ist Hintertupfingen die volksreichste Stadt, denn die meisten Söhne Adams stammen von dort. Denn wer von solch verdorbener Vernunft ist, daß er seinen Geburtsort für den köstlichsten unter der Sonne hält, der schätzt auch vor allen seine eigene Sprache, das heißt seine Muttersprache, und glaubt folglich, daß sie jene Adams gewesen ist. (3) Wir hingegen, denen die Welt Heimat ist wie den Fischen das Meer, obschon wir aus dem Arno tranken, bevor wir Zähne hatten, und Florenz so sehr lieben, daß wir, weil wir es liebten, ungerechte Verbannung erdulden, wollen bei der Urteilsfindung das Gewicht der Vernunft stärker als dasjenige der Sinne berücksichtigen. Und obschon es für unsere Lust und für die Befriedigung unserer Sinnlichkeit auf Erden keinen lieblicheren Ort als Florenz gibt, wälzten wir die Bände der Dichter und anderer Schriftsteller durch, in denen die Welt im Ganzen und in ihren Teilen beschrieben wird, und dachten über verschiedene Lagen der Orte auf der Welt und ihre Beziehung zu beiden Polen und zum Äquator nach. Dabei erwägen wir und gelangen zur festen Ansicht, daß es viele edlere und köstlichere Gegenden und Städte als die Toskana und Florenz gibt, von wo wir stammen und Bürger sind, und daß viele Völker und Stämme sich einer erfreulicheren und nützlicheren Sprache bedienen als die Italiener. (4) Zu unserem Gegenstand zurückkehrend also sagen wir, daß gleichzeitig mit der ersten Seele eine bestimmte Form des Sprechens von Gott erschaffen wurde. Ich spreche von „Form“ sowohl bezüglich der Wörter von Dingen wie auch bezüglich der Gefüge von Wörtern und des Aussprechens der Gefüge [von Wörtern]: Dieser Form nämlich würde sich jede gesprochene Sprache bedienen, wenn sie nicht

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De vulgari eloquentia · vi, 5 – vii, 3

loquentium uteretur, nisi culpa presumptionis humane dissipata fuisset, ut inferius ostendetur. (5) Hac forma locutionis locutus est Adam; hac forma locutionis locuti sunt omnes posteri eius usque ad edificationem turris Babel, que ‚turris confusionis‘ interpretatur; hanc formam locutionis hereditati sunt filii Heber, qui ab eo dicti sunt Hebrei. (6) Hiis solis post confusionem remansit, ut Redemptor noster, qui ex illis oriturus erat secundum humanitatem, non lingua confusionis, sed gratie frueretur. (7) Fuit ergo hebraicum ydioma illud quod primi loquentis labia fabricarunt. vii (1) Dispudet, heu, nunc humani generis ignominiam renovare! Sed quia preferire non possumus quin transeamus per illam, quanquam rubor ad ora consurgat animusque refugiat, percurremus. (2) O semper natura nostra prona peccatis! O ab initio et nunquam desinens nequitatrix! Num fuerat satis ad tui correptionem quod, per primam prevaricationem eluminata, delitiarum exulabas a patria? Num satis quod, per universalem familie tue luxuriem et trucitatem, unica riservata domo, quicquid tui iuris erat cataclismo perierat, et [que] commiseras tu animalia celi terreque iam luerant? Quippe satis extiterat. Sed, sicut proverbialiter dici solet „Non ante tertium equitabis“, misera miserum venire maluisti ad equum. (3) Ecce, lector, quod vel oblitus homo vel vilipendens di-

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durch die Schuld der menschlichen Vermessenheit zerschlagen worden wäre, wie unten gezeigt werden soll. (5) In dieser Form des Sprechens redete Adam; in dieser Form des Sprechens redeten alle seine Nachfahren bis zum Turmbau von Babel, der als der „Turm der Verwirrung“ gedeutet wird; diese Form des Sprechens haben die Söhne Hebers geerbt, die nach ihm die Hebräer genannt werden. (6) Ihnen allein blieb sie nach der Verwirrung erhalten, damit sich unser Erlöser, der aus ihnen gemäß der menschlichen Natur hervorgehen sollte, nicht an der Sprache der Verwirrung, sondern an der Sprache der Gnade erfreute. (7) Das hebräische Idiom also erzeugten die Lippen des ersten Sprechenden. Kapitel vii (1) O wie schmerzlich ist es doch, die Schande des menschlichen Geschlechts zu vergegenwärtigen. Da wir aber nicht vermeiden können, sie zu behandeln, durcheilen wir sie, obschon Röte ins Gesicht steigt und die Seele sich sträubt. (2) O stets zur Sünde geneigte menschliche Natur! O seit Anbeginn nimmer ablassende Schlechtigkeit! War es denn nicht genug zu deiner Züchtigung, daß du, durch die erste Sünde des Lichts beraubt, von der Heimat der Freuden verbannt wurdest? Hatte es nicht genügt, daß durch die allgemeine Zügellosigkeit und Verwilderung deines Geschlechts mit Ausnahme eines einzigen auserwählten Hauses alles, was unter deiner Macht stand, durch eine Überschwemmung zugrunde ging und daß für deine Untaten die Tiere des Himmels und der Erde schon gebüßt hatten? Sicher, das wäre genug gewesen. Aber wie man sprichwörtlich zu sagen pflegt: „Aller guten Dinge sind drei“, wolltest du elende lieber ein elendes Pferd besteigen. (3) Siehe denn Leser, wie der Mensch, die früheren Züch-

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De vulgari eloquentia · vii, 4–7

sciplinas priores, et avertens oculos a vibicibus que remanserant, tertio insurrexit ad verbera, per superbam stultitiam presumendo. (4) Presumpsit ergo in corde suo incurabilis homo, sub persuasione gigantis Nembroth, arte sua non solum superare naturam, sed etiam ipsum naturantem, qui Deus est, et cepit edificare turrim in Sennaar, que postea dicta est Babel, hoc est ‚confusio‘, per quam celum sperabat ascendere, intendens inscius non equare, sed suum superare Factorem. (5) O sine mensura clementia celestis imperii! Quis patrum tot sustineret insultus a filio? Sed exurgens non hostili scutica sed paterna et alias verberibus assueta, rebellantem filium pia correctione nec non memorabili castigavit. (6) Siquidem pene totum humanum genus ad opus iniquitatis coierat: pars imperabant, pars architectabantur, pars muros moliebantur, pars amussibus regulabant, pars trullis linebant, pars scindere rupes, pars mari, pars terra vehere intendebant, partesque diverse diversis aliis operibus indulgebant; cum celitus tanta confusione percussi sunt ut, qui omnes una eademque loquela deserviebant ad opus, ab opere multis diversificati loquelis desinerent et nunquam ad idem commertium convenirent. (7) Solis etenim in uno convenientibus actu eadem loquela remansit: puta cunctis architectoribus una, cunctis saxa volventibus una, cunctis ea parantibus una; et sic de singulis operantibus accidit. Quot quot autem exercitii varietates ten-

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tigungen vergessend oder verachtend, die Augen von den Narben, die ihm geblieben waren, abwendete und zum dritten Mal aus Anmaßung in überheblicher Dummheit die Schläge herausforderte. (4) Der unbelehrbare Mensch schmiedete also in seinem Herzen, angestiftet durch den Giganten Nemrod, den vermessenen Plan, mit seiner Kunst nicht nur die Natur zu übertreffen, sondern auch den Ursprung der Natur selbst, der Gott ist, und er begann in Sennaar, das später Babel, das heißt „Verwirrung“, genannt wurde, einen Turm zu bauen; durch ihn hoffte der Törichte, den Himmel zu ersteigen mit der Absicht, seinem Schöpfer nicht gleichzukommen, sondern ihn zu übertreffen. (5) O grenzenlose Milde des himmlischen Reiches! Welcher Vater würde so viele Beleidigungen vom Sohn ertragen? Aber er zeigte sich nicht mit feindlichem, sondern mit väterlichem Stock, der bereits ans Schlagen gewohnt war, und er bestrafte den aufrührerischen Sohn mit milder, aber nachhaltiger Zurechtweisung. (6) Beinahe das ganze menschliche Geschlecht war zu dieser Missetat zusammengekommen: Die einen befahlen, andere planten, wiederum andere errichteten die Mauern, ein Teil vermaß mit der Richtlatte, ein Teil verputzte mit Kellen, ein Teil war damit beschäftigt, Steine zu brechen, ein anderer, sie auf dem See- oder dem Landweg zu befördern, und die verschiedenen Gruppen waren mit verschiedenen Arbeiten beschäftigt, als sie vom Himmel mit solcher Verwirrung geschlagen wurden, daß sie, die sich alle zum Werk ein und derselben Sprache bedient hatten, in verschiedene Sprachen aufgeteilt das Werk aufgaben und nie mehr zum selben Geschäft zusammenkamen. (7) Denn nur denjenigen, die eine Tätigkeit ausübten, blieb dieselbe Sprache: nämlich den Baumeistern eine, allen Steinrollern eine, allen Steinmetzen eine; und so geschah es den einzelnen Arbeitern. In so viele Idiome aber teilte sich

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De vulgari eloquentia · vii, 8 – viii, 3

debant ad opus, tot tot ydiomatibus tunc genus humanum disiungitur; et quanto excellentius exercebant, tanto rudius nunc barbariusque locuntur. (8) Quibus autem sacratum ydioma remansit nec aderant nec exercitium commendabant, sed graviter detestantes stoliditatem operantium deridebant. Sed hec minima pars, quantum ad numerum, fuit de semine Sem, sicut conicio, qui fuit tertius filius Noe: de qua quidem ortus est populus Israel, qui antiquissima locutione sunt usi usque ad suam dispersionem. viii (1) Ex precedenter memorata confusione linguarum non leviter opinamur per universa mundi climata climatumque plagas incolendas et angulos tunc primum homines fuisse dispersos. Et cum radix humane propaginis principalis in oris orientalibus sit plantata, nec non ab inde ad utrunque latus per diffusos multipliciter palmites nostra sit extensa propago, demumque ad fines occidentales protracta, forte primitus tunc vel totius Europe flumina, vel saltim quedam, rationalia guctura potaverunt. (2) Sed sive advene tunc primitus advenissent, sive ad Europam indigene repedassent, ydioma secum tripharium homines actulerunt; et afferentium hoc alii meridionalem, alii septentrionalem regionem in Europa sibi sortiti sunt; et tertii, quos nunc Grecos vocamus, partim Europe, partim Asye occuparunt. (3) Ab uno postea eodemque ydiomate in vindice confu-

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das menschliche Geschlecht auf, wie Berufe am Werk beteiligt waren; und je höheren Ranges ihre Tätigkeit war, desto rauher und barbarischer sprechen sie jetzt. (8) Jene aber, welchen das geheiligte Idiom geblieben ist, waren weder anwesend noch billigten sie das Unternehmen, sondern verlachten in tiefer Abscheu die Torheit der Arbeitenden. Aber dieser zahlenmäßig geringste Teil war, wie ich vermute, vom Geschlechte des Sem, des dritten Sohnes Noas, von dem das Volk Israel abstammt, das sich der ältesten Sprache bis zu seiner Zerstreuung bediente. Kapitel viii (1) Aufgrund der im vorangehenden Kapitel in Erinnerung gerufenen Sprachverwirrung ist es nicht leichtfertig, wenn wir annehmen, danach seien die Menschen zum ersten Mal in alle Erdzonen und bebaubaren Gegenden und Ecken der Zonen zerstreut worden. Und weil die ursprüngliche Wurzel des Menschenstamms in den östlichen Gegenden gepflanzt wurde, und sich unser Stamm von dort aus durch weit verzweigte Verästelungen nach beiden Seiten vielfach ausgebreitet hat und sich zuletzt bis zu den Grenzen des Westens erstreckte, trank der Mund vernunftbegabter Wesen vielleicht damals zum ersten Mal aus den Flüssen von ganz Europa oder zumindest aus einigen. (2) Die Menschen brachten eine dreigliedrige Sprache mit, sei es, daß sie damals als Fremdlinge zum ersten Mal [in Europa] ankamen oder als Eingeborene nach Europa zurückkehrten; und von ihnen erlosten sich die einen die südliche, die andern die nördliche Gegend von Europa; und die dritten, die wir heute Griechen nennen, besetzten zum Teil Europa, zum Teil Asien. (3) Aus einem einzigen, in der Rache der Verwirrung empfangenen Idiom, nahmen danach verschiedene Volksspra-

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De vulgari eloquentia · viii, 4–7

sione recepto diversa vulgaria traxerunt originem, sicut inferius ostendemus. (4) Nam totum quod ab hostiis Danubii sive Meotidis paludibus usque ad fines occidentales Anglie Ytalorum Francorumque finibus et Oceano limitatur, solum unum obtinuit ydioma, licet postea per Sclavones, Ungaros, Teutonicos, Saxones, Anglicos et alias nationes quamplures fuerit per diversa vulgaria dirivatum, hoc solo fere omnibus in signum eiusdem principio remanente, quod quasi predicti omnes iò affermando respondent. (5) Ab isto incipiens ydiomate, videlicet a finibus Ungarorum versus orientem, aliud occupavit totum quod ab inde vocatur Europa, nec non ulterius est protractum. (6) Totum vero quod in Europa restat ab istis, tertium tenuit ydioma, licet nunc tripharium videatur: nam alii oc, alii oïl, alii sì affirmando locuntur, ut puta Yspani, Franci et Latini. Signum autem quod ab uno eodemque ydiomate istarum trium gentium progrediantur vulgaria, in promptu est, quia multa per eadem vocabula nominare videntur, ut Deum, celum, amorem, mare, terram, est, vivit, moritur, amat, alia fere omnia. (7) Istorum vero proferentes oc meridionalis Europe tenent partem occidentalem, a Ianuensium finibus incipientes. Qui autem sì dicunt a predictis finibus orientalem tenent, videlicet usque ad promuntorium illud Ytalie qua sinus Adriatici maris incipit, et Siciliam. Sed loquentes oïl quodam modo septentrionales sunt respectu istorum: nam ab oriente Alamannos habent et ab occidente et septentrione anglico3

ab occidente … anglico Mengaldo] a septentrione et occidente anglico sive gallico mari Marigo] a septentrione et ab occidente Anglico mari Rajna 3

Über die Beredsamkeit in der Volkssprache

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chen ihren Ursprung, wie wir weiter unten zeigen werden. (4) Denn das ganze [Gebiet], das von den Mündungen der Donau oder von den Mäotischen Sümpfen bis zu den westlichen Grenzen Englands reicht und durch die Grenzen der Italiener, der Franzosen und des Ozeans abgeschlossen wird, erhielt nur ein Idiom, und obschon es danach von den Slaven, Ungarn, Deutschen, Sachsen und Engländern und mehreren andern Nationen in verschiedene Volkssprachen verzweigt wurde, verblieb fast allen nur dies als Zeichen desselben Anfangs, daß nahezu alle der Erwähnten mit iò bejahend antworten. (5) An dieses Sprach[gebiet] angrenzend, nämlich von den Grenzen der Ungarn ostwärts, dehnte sich ein anderes Idiom über das ganze [Territorium] aus, das von diesem Gebiet an Europa genannt wird, und es ist auch noch weiter vorgedrungen. (6) Das ganze [Gebiet], das von Europa außer den erwähnten übrig bleibt, beherrscht ein drittes Idiom, das freilich heute dreigliedrig erscheint: Denn einige sagen oc, einige oïl und andere sì zur Bestätigung, nämlich die Spanier, Franzosen und Italiener. Ein offenkundiges Zeichen dafür, daß die Volkssprachen dieser drei Völker von ein und demselben Idiom abhängen, ist, daß sie vieles mit demselben Wort zu benennen scheinen, wie Gott, Himmel, Liebe, Meer, Erde, ist, lebt, stirbt, liebt und vieles andere. (7) Von diesen aber bewohnen diejenigen, die oc sagen, ausgehend von den Grenzen der Genuesen den westlichen Teil Südeuropas. Jene, die sì sagen, wohnen östlich der vorher erwähnten Grenzen bis hin zu jenem Vorgebirge Italiens nämlich, wo die Adriatische Bucht beginnt, und Sizilien. Diejenigen aber, die oïl verwenden, sind in gewisser Weise nördlich von diesen angesiedelt, denn im Osten haben sie die Alemannen und im Westen und Norden sind sie vom Englischen Meer umgeben und werden von den Bergen Arago-

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De vulgari eloquentia · ix, 1–3

mari vallati sunt et montibus Aragonie terminati; a meridie quoque Provincialibus et Apenini devexione clauduntur. ix (1) Nos autem oportet quam nunc habemus rationem periclitari, cum inquirere intendamus de hiis in quibus nullius autoritate fulcimur, hoc est de unius eiusdemque a principio ydiomatis variatione secuta. Et quia per notiora itinera salubrius breviusque transitur, per illud tantum quod nobis est ydioma pergamus, alia desinentes: nam quod in uno est rationale, videtur in aliis esse causa. (2) Est igitur super quod gradimur ydioma tractando tripharium, ut superius dictum est: nam alii oc, alii sì, alii vero dicunt oïl. Et quod unum fuerit a principio confusionis (quod prius probandum4 est) apparet, quia convenimus in vocabulis multis, velut eloquentes doctores ostendunt: que quidem convenientia ipsi confusioni repugnat, que ruit celitus in edificatione Babel. (3) Trilingues ergo doctores in multis conveniunt, et maxime in hoc vocabulo quod est ‚amor‘. Gerardus de Brunel: Si-m sentis fezelz amics, per ver encusera amor. Rex Navarre: De fin amor si vient sen et bonté.

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probandum Menagaldo / Rajna]probatum Marigo.

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niens begrenzt; ebenso sind sie im Süden Nachbarn der Provenzalen und vom Abhang des Apennins eingeschlossen. Kapitel ix (1) Nun aber gilt es, unsere Vernunft auf die Probe zu stellen, da wir Dinge erforschen wollen, bei denen wir von keiner Autorität unterstützt werden, nämlich die Verschiedenheit, die sich aus dem anfänglich einen und selben Idiom ergeben hat. Und da bekanntere Wege unbeschadeter und schneller durchschritten werden, wollen wir nur unser eigenes Idiom weiter verfolgen, während wir die andern beiseite lassen: Denn was in dem einen Idiom vernünftige Ursache ist, das ist auch in den andern Ursache. (2) Das Idiom also, zu dessen Behandlung wir schreiten, ist dreigliedrig, wie oben gesagt wurde; denn einige sagen oc, einige sì, andere aber oïl. Daß dieses [Idiom] am Anfang der Verwirrung nur eines war, was als erstes zu beweisen ist, zeigt sich, da wir in vielen Wörtern übereinstimmen, wie die Lehrer der Beredsamkeit zeigen. Diese Übereinstimmung aber steht zu jener Verwirrung im Widerspruch, die beim Bau von Babel vom Himmel stürzte. (3) Die Meister der drei Sprachen nämlich stimmen in vielen [Wörtern] überein, und am meisten beim Wort ‚amor‘. Gerhard von Bornelh: Si- m sentis fezelz amics, per ver encusera amor. (Wenn ich mich als treuer Freund fühlte, wahrhaftig ich würd Amor verklagen). Der König von Navarra: De fin amor si vient sen et bonté. (Von reiner Liebe kommt Weisheit und Güte).

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De vulgari eloquentia · ix, 4–7

Dominus Guido Guinizelli: Né fe’amor prima che gentil core, né gentil [cor] prima che amor, natura. (4) Quare autem tripharie principalius5 variatum sit, investigemus; et quare quelibet istarum variationum in se ipsa variatur, puta dextre Ytalie locutio ab ea que est sinistre (nam aliter Paduani et aliter Pisani locuntur); et quare vicinius habitantes adhuc discrepant in loquendo, ut Mediolanenses et Veronenses, Romani et Florentini, nec non convenientes in eodem genere gentis, ut Neapoletani et Caetani, Ravennates et Faventini, et, quod mirabilius est, sub eadem civilitate morantes, ut Bononienses Burgi Sancti Felicis et Bononienses Strate Maioris. (5) Hee omnes differentie atque sermonum varietates quid accidant, una eademque ratione patebit. (6) Dicimus ergo quod nullus effectus superat suam causam, in quantum effectus est, quia nil potest efficere quod non est. Cum igitur omnis nostra loquela – preter illam homini primo concreatam a Deo – sit a nostro beneplacito reparata post confusionem illam que nil aliud fuit quam prioris oblivio, et homo sit instabilissimum atque variabilissimum animal, nec durabilis nec continua esse potest, sed sicut alia que nostra sunt, puta mores et habitus, per locorum temporumque distantias variari oportet. (7) Nec dubitandum reor modo in eo quod diximus‚tem-

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principalius Mengaldo / Rajna ]principaliter Marigo.

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Messer Guido Guinizelli: Né fe’amor prima che gentil core, né gentil [cor] prima che amor natura. (Weder schuf die Natur die Liebe vor dem edlen Herzen, noch das edle Herz vor der Liebe). (4) Warum aber das ursprüngliche [Idiom] sich dreigeteilt hat, wollen wir untersuchen; und warum sich jede dieser Varianten selbst noch in sich unterscheidet, nämlich das Sprechen der rechten [Seite] Italiens von derjenigen der linken – denn anders sprechen die Paduaner und wieder anders die Pisaner –; und weshalb jene, die näher beieinander wohnen, bis heute im Sprechen voneinander abweichen wie die Mailänder und Veronesen, Römer und Florentiner und in der Tat auch diejenigen, die der Herkunft nach demselben Geschlecht angehören wie die Bewohner von Neapel und von Gaëta und die Bewohner von Ravenna und von Faenza, und was noch mehr verwundert, jene, die in derselben Stadt wohnen wie die Bologneser der Vorstadt San Felice und die Bologneser der Stadtmitte. (5) Warum alle diese Unterschiede und Verschiedenheiten in der Sprache vorkommen, wird durch ein und denselben Grund klar werden. (6) Wir behaupten nämlich, daß keine Wirkung ihre Ursache übertrifft, insofern sie Wirkung ist, denn nichts kann bewirken, was es nicht ist. Da aber alle unsere Sprachen – außer jener, die Gott zusammen mit dem ersten Menschen erschaffenen hat – nach jener Verwirrung, die nichts anderes war als das Vergessen der früheren [Sprache], nach unserem Gutdünken neu gebildet wurden und da der Mensch ein äußerst unstetes und veränderliches Lebewesen ist, können sie weder dauerhaft noch beständig sein, sondern müssen sich wie anderes, was zu uns gehört, zum Beispiel Sitten und Gebräuche, aufgrund des Abstandes von Ort und Zeit verändern. (7) Und ich meine, es sollte darüber, daß wir „der Zeit“ ge-

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De vulgari eloquentia · ix, 8–11

porum‘, sed potius opinamur tenendum: nam si alia nostra opera perscrutemur, multo magis discrepare videmur a vetustissimis concivibus nostris quam a coetaneis perlonginquis. Quapropter audacter testamur quod si vetustissimi Papienses nunc resurgerent, sermone vario vel diverso cum modernis Papiensibus loquerentur. (8) Nec aliter mirum videatur quod dicimus quam percipere iuvenem exoletum quem exolescere non videmus: nam que paulatim moventur, minime perpenduntur a nobis, et quanto longiora tempora variatio rei ad perpendi requirit, tanto rem illam stabiliorem putamus. (9) Non etenim ammiramur, si extimationes hominum qui parum distant a brutis putant eandem civitatem sub invariabili semper civicasse sermone, cum sermonis variatio civitatis eiusdem non sine longissima temporum successione paulatim contingat, et hominum vita sit etiam, ipsa sua natura, brevissima. (10) Si ergo per eandem gentem sermo variatur, ut dictum est, successive per tempora, nec stare ullo modo potest, necesse est ut disiunctim abmotimque morantibus varie varietur, ceu varie variantur mores et habitus, qui nec natura nec consortio confirmantur, sed humanis beneplacitis localique congruitate nascuntur. (11) Hinc moti sunt inventores gramatice facultatis: que quidem gramatica nichil aliud est quam quedam inalterabilis locutionis ydemptitas diversibus temporibus atque locis.

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sagt haben, kein Zweifel aufkommen, sondern ich glaube vielmehr, daß daran festzuhalten ist: Denn wenn wir unsere anderen Handlungen prüfen, so scheinen wir von unseren frühesten Mitbürgern weit mehr abzuweichen als von weit entfernten Zeitgenossen. Deshalb bezeugen wir kühn, daß die frühesten Bewohner von Pavia, wenn sie nun auferstehen würden, mit den heutigen in verschiedener oder gegensätzlicher Sprache reden würden. (8) Was wir sagen, ist nicht erstaunlicher, als wenn wir einen Jüngling wahrnehmen, der erwachsen geworden ist und den wir nicht haben aufwachsen sehen. Denn was sich nur nach und nach bewegt, wird von uns am wenigsten wahrgenommen, und je mehr Zeit es erfordert, die Veränderung einer Sache wahrzunehmen, für desto unveränderlicher halten wir jene Sache. (9) Wir wundern uns also nicht, wenn die Menschen, die sich nur wenig von den Tieren unterscheiden, der Meinung sind, das Gemeinschaftsleben in einer bestimmten Stadt habe sich immer in einer unveränderlichen Sprache vollzogen, da die Veränderung der Sprache einer Stadt auch über einen äußerst langen Zeitraum nur gering und das Leben der Menschen seiner Natur gemäss sehr kurz ist. (10) Wenn sich also, wie gesagt wurde, bei demselben Geschlecht die Sprache im Laufe der Zeit nach und nach verändert und in keiner Weise stillstehen kann, ist es notwendig, daß sie sich bei getrennt und entlegen Wohnenden auf verschiedene Weise verändert, wie auch die Sitten und Gewohnheiten sich auf verschiedene Weise verändern, die weder von der Natur noch durch Übereinkunft festgesetzt werden, sondern gemäß menschlichem Gutdünken und entsprechend den örtlichen Gegebenheiten entstehen. (11) Dies bewegte die Erfinder der Grammatik: Die Grammatik ist nämlich nichts anderes als eine gewisse in verschiedenen Zeiten und Orten unveränderliche Identität des Sprechens. Da diese durch allgemeine Übereinstim-

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De vulgari eloquentia · x, 1–4

Hec cum de comuni consensu multarum gentium fuerit regulata, nulli singulari arbitrio videtur obnoxia, et per consequens nec variabilis esse potest. Adinvenerunt ergo illam ne, propter variationem sermonis arbitrio singulariurn fluitantis, vel nullo modo vel saltim imperfecte antiquorum actingeremus autoritates et gesta, sive illorum quos a nobis locorum diversitas facit esse diversos. x (1) Triphario nunc existente nostro ydiomate, ut superius dictum est, in comparatione sui ipsius, secundum quod trisonum factum est, cum tanta timiditate cunctamur librantes quod hanc vel istam vel illam partem in comparando preponere non audemus, nisi eo quo gramatice positores inveniuntur accepisse ‚sic‘ adverbium affirmandi: quod quandam anterioritatem erogare videtur Ytalis, qui sì dicunt. (2) Quelibet enim partium largo testimonio se tuetur. Allegat ergo pro se lingua oïl quod propter sui faciliorem se delectabiliorem vulgaritatem quicquid redactum est sive inventum ad vulgare prosaycum, suum est: videlicet Biblia cum Troianorum Romanorumque gestibus compilata et Arturi regis ambages pulcerrime et quamplures alie ystorie ac doctrine. (3) Pro se vero argumentatur alia, scilicet oc, quod vulgares eloquentes in ea primitus poetati sunt tanquam in perfectiori dulciorique loquela, ut puta Petrus de Alvernia et alii antiquiores doctores. (4) Tertia quoque, [que] Latinorum est, se duobus privilegiis actestatur preesse: primo quidem quod qui dulcius subti-

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mung vieler Leute geregelt wurde, scheint sie keinem einzelnen Willen unterworfen und kann folglich nicht veränderlich sein. Sie erfanden also [die Grammatik], weil wir sonst die Lehren und Taten der Alten oder derjenigen, die sich durch die Verschiedenheit der Orte von uns unterscheiden, wegen der Veränderung der vom freien Wollen einzelner abhängigen, unbeständigen Rede nicht oder mindestens nur unvollkommen verstehen könnten. Kapitel x (1) Da unser gegenwärtiges Idiom, wie oben gesagt wurde, dreiteilig ist, zögern wir beim Vergleich, insofern es dreistimmig geworden ist, und wägen mit großer Scheu ab und wagen nicht, diesen oder jenen Teil im Vergleich vorzuziehen, es sei denn aufgrund des Umstandes, daß die Begründer der [lateinischen] Grammatik ‚sic‘ als Adverb der Bejahung angenommen haben; was den Italienern, die sì sagen, einen gewissen Vorrang zu geben scheint. (2) Ein jeder der Teile nämlich hat zahlreiche Zeugnisse vorzuweisen: Die Sprache oïl nimmt für sich in Anspruch, daß alles, was in volkssprachlicher Prosa festgehalten oder erfunden worden ist, ihr angehöre, wegen der leichteren und erfreulicheren Beschaffenheit ihrer Volkssprache, nämlich die Bibel zusammen mit den Heldentaten der Trojaner und der Römer und die schönsten Epen des König Artus und so viele andere Geschichts- und Lehrbücher. (3) Die andere aber, nämlich die [Sprache] des oc, führt zu ihren Gunsten an, daß die volkssprachlichen Poeten zuerst in ihr gedichtet haben, gleichsam in einer vollkommeneren und süßeren Sprache, wie zum Beispiel Peire d’Alverne und andere ältere Meister. (4) Die dritte aber, die Sprache der Italiener, nimmt auf Grund von zwei Vorzügen für sich in Anspruch, die überle-

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De vulgari eloquentia · x, 5–8

liusque poetati vulgariter sunt, hii familiares et domestici sui sunt, puta Cynus Pistoriensis et amicus eius; secundo quia magis videntur inniti gramatice que comunis est, quod rationabiliter inspicientibus videtur gravissimum argumentum. (5) Nos vero iudicium relinquentes in hoc et tractatum nostrum ad vulgare latium retrabentes, et receptas in se variationes dicere nec non illas invicem comparare conemur. (6) Dicimus ergo primo Latium bipartitum esse in dextrum et sinistrum. Si quis autem querat de linea dividente, breviter respondemus esse iugum Apenini, quod, ceu fictile6 culmen hinc inde ad diversa stillicidia grundat aquas, ad alterna hinc inde litora per ymbricia longa distillat, ut Lucanus in secundo describit: dextrum quoque latus Tyrenum mare grundatorium habet, levum vero in Adriaticum cadit. (7) Et dextri regiones sunt Apulia, sed non tota, Roma, Ducatus, Tuscia et Ianuensis Marchia; sinistri autem pars Apulie, Marchia Anconitana, Romandiola, Lombardia, Marchia Trivisiana cum Venetiis. Forum Iulii vero et Ystria non nisi leve Ytalie esse possunt; nec insule Tyreni maris, videlicet Sicilia et Sardinia, non nisi dextre Ytalie sunt, vel ad dextram Ytaliam sociande. (8) In utroque quidem duorum laterum, et hiis que secuntur ad ea, lingue hominum variantur: ut lingua Siculorum cum Apulis, Apulorum cum Romanis, Romanorum cum Spoletanis, horum cum Tuscis, Tuscorum cum Ianuensibus, Ianuensium cum Sardis; nec non Calabrorum cum Anconita-

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fictile Marigo / Rajna] fistule Mengaldo.

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gene zu sein: Erstens: In ihr sind die Poeten zuhause, die am süßesten und feinsten in der Volksprache gedichtet haben, zum Beispiel Cino da Pistoia und sein Freund. Zweitens: Sie stützt sich offenbar mehr auf die gemeinsame [lateinische] Grammatik. Letzteres scheint denen, die vernünftig prüfen, ein sehr gewichtiges Argument. (5) Wir aber geben darüber kein Urteil ab und beschränken unsere Abhandlung auf die italienische Volkssprache. Wir bemühen uns, die Unterschiede zu beschreiben und miteinander zu vergleichen, die in ihr entstanden sind. (6) Wir sagen also zuerst, daß Italien in eine rechte und linke [Hälfte] zweigeteilt ist. Wenn aber jemand nach der Trennungslinie fragt, so antworten wir kurz, diese sei der Gebirgszug des Apennin. Zu den beiden Küsten hin durch lange Hohlziegel rinnt das Wasser, so wie es ein Dachgiebel aus Ton je nach verschiedenen Dachrinnen abfließen läßt, wie Lukan im zweiten [Buch] beschreibt: Die rechte Seite hat das Tyrrhenische Meer als Abflußbecken, die linke aber ergießt sich in das adriatische [Meer]. (7) Und die Regionen der rechten [Seite] sind Apulien, aber nicht das ganze, Rom, das Herzogtum [Spoleto], die Toskana und die Mark Genua; [die Regionen] der linken [Seite] aber: ein Teil Apuliens, die Mark Ancona, die Romagna, die Lombardei und die Mark Treviso mit Venedig. Das Friaul und Istrien können nur dem linksseitigen Italien angehören und die Inseln des Tyrrhenischen Meers, nämlich Sizilien und Sardinien, nur dem rechtsseitigen Italien oder sind dem rechtsseitigen Italien zuzuordnen. (8) Auf beiden Seiten und in den ihnen zufallenden [Gebieten] unterscheiden sich die Sprachen der Menschen: Auf diese Weise unterscheidet sich die Sprache der Sizilianer von jener der Apulier, die der Apulier von jener der Römer, die der Römer von jener der Bewohner von Spoleto, ihre Sprache von jener der Toskaner, [die Sprache] der Toskaner von jener der Genuesen, die der Genuesen von jener der Sarden,

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De vulgari eloquentia · x, 9 – xi, 2

nis, horum cum Romandiolis, Romandiolorum cum Lombardis, Lombardorum cum Trivisianis et Venetis, horum cum Aquilegiensibus, et istorum cum Ystrianis. De quo Latinorum neminem nobiscum dissentire putamus. (9) Quare ad minus xiiii vulgaribus sola videtur Ytalia variari. Que adhuc omnia vulgaria in sese variantur, ut puta in Tuscia Senenses et Aretini, in Lombardia Ferrarenses et Placentini; nec non in eadem civitate aliqualem variationem perpendimus, ut superius in capitulo immediato posuimus. Quapropter, si primas et secundarias et subsecundarias vulgaris Ytalie variationes calculare velimus, et in hoc minimo mundi angulo non solum ad millenam loquele variationem venire contigerit, sed etiam ad magis ultra. xi (1) Quam multis varietatibus latio dissonante vulgari, decentiorem atque illustrem Ytalie venemur loquelam; et ut nostre venationi pervium callem habere possimus, perplexos frutices atque sentes prius eiciamus de silva. (2) Sicut ergo Romani se cunctis preponendos existimant, in hac eradicatione sive discerptione non inmerito eos aliis preponamus, protestantes eosdem in nulla vulgaris eloquentie ratione fore tangendos. Dicimus igitur Romanorum non

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und die der Kalabresen von jener der [Bewohner von] Ancona, diese von jener der [Bewohner der] Romagnola, [deren Sprache] von jener der Lombarden, die der Lombarden von jener der Trevisaner und der Venezianer, diese von jener der Aquileier, und [die Sprache] dieser von jener der Istrier. Diesbezüglich, glauben wir, kann kein Italiener anderer Meinung sein als wir. (9) Daher scheint allein schon Italien in mindestens vierzehn Volksprachen aufgeteilt zu sein. All diese Volkssprachen unterscheiden sich auch noch in sich selbst, wie zum Beispiel in der Toskana jene der [Bewohner von] Siena und die der [Bewohner von] Arezzo, in der Lombardei jene der [Bewohner von] Ferrara und die der [Bewohner von] Piacenza; und wir stellen sogar in ein und derselben Stadt eine gewisse Vielfalt fest, wie wir oben im unmittelbar vorangehenden Kapitel dargelegt haben. Wenn wir also die ersten und die zweitrangigen sowie die weiteren Verschiedenheiten der Volkssprache Italiens ermitteln wollten, so dürften wir bereits für diesen kleinsten Winkel der Welt nicht nur auf tausend Verschiedenheiten der Sprache kommen, sondern auf viele mehr. Kapitel xi (1) Wie groß die Zahl der Variationen der italienischen [Volksprache] auch sein mag, wir wollen die anmutigere und erlauchte Sprache Italiens aufspüren. Und damit wir für unsere Jagd einen wegsamen Pfad haben, wollen wir zuerst die verschlungenen Sträucher und Dornen im Wald ausreißen. (2) Wie also die Römer wähnen, sie seien allen andern überlegen, wollen wir sie bei dieser Ausrottung oder Zerpflückung verdientermaßen den andern vorziehen und verkünden, daß sie in keiner Erörterung der volkssprachlichen Beredsamkeit zu berücksichtigen sind. Wir behaupten näm-

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De vulgari eloquentia · xi, 3–7

vulgare, sed potius tristiloquium, ytalorum vulgarium omnium esse turpissimum; nec mirum, cum etiam morum habituumque deformitate pre cunctis videantur fetere. Dicunt enim: Messure, quinto dici? (3) Post hos incolas Anconitane Marchie decerpamus, qui Chignamente scate, sciate locuntur: cum quibus et Spoletanos abicimus. (4) Nec pretereundum est quod in improperium istarum trium gentium cantiones quamplures invente sunt: inter quas unam vidimus recte atque perfecte ligatam, quam quidam Florentinus nomine Castra posuerat; incipiebat etenim Una fermana scopai da Cascioli, cita cita se ’n gìa ’n grande aina. (5) Post quos Mediolanenses atque Pergameos eorumque finitimos eruncemus, in quorum etiam improperium quendam cecinisse recolimus Enter l’ora del vesper, ciò fu del mes d’occhiover. (6) Post hos Aquilegienses et Ystrianos cribremus, qui Ces fas tu? crudeliter accentuando eructuant. Cumque hiis montaninas omnes et rusticanas loquelas eicimus, que semper mediastinis civibus accentus enormitate dissonare videntur, ut Casentinenses et Fractenses. (7) Sardos etiam, qui non Latii sunt sed Latiis associandi videntur, eiciamus, quoniam soli sine proprio vulgari esse

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lich, daß die Volkssprache, besser der traurige Jargon der Römer, von allen italienischen Volkssprachen die abscheulichste sei; und dies ist nicht verwunderlich, da sie durch Verunstaltung der Sitten und Gebräuche mehr als alle andern Ekel zu verursachen scheinen. Sie sagen nämlich: Messure, quin to dici? (Mein Herr, was sagst Du?). (3) Nach diesen wollen wir die Bewohner der Mark Ancona aussondern, die Chignamente state siate (Wie ist es euch ergangen) sagen; mit diesen werfen wir auch die Spoletaner weg. (4) Und es soll nicht übergangen werden, daß zum Spott dieser drei Geschlechter viele Lieder erfunden worden sind: Unter denen wir ein richtig und vollkommen gebundenes angetroffen, das ein gewisser Florentiner mit Namen Castra gedichtet hat: Es fing folgendermaßen an: Una fermana scopai da Cascioli, / cita cita se ’n grande aina. (Eine Frau aus Fermo entdeckte ich bei Cascioli, schnell, schnell eilte sie in großer Hast). (5) Nach diesen wollen wir die Mailänder und Bergamasken sowie deren Nachbarn wegschaffen, zu deren Verspottung, wie wir uns erinnern, jemand gesungen hat: Enter l’ora del vesper, ciò fu del mes d’ochiover. (Zur Abendstunde, es war im Monat Oktober). (6) Nach diesen wollen wir die Aquileier und die Istrier durchsieben, die Ces fas -tu? (was machst du?) mit entsetzlicher Betonung ausrülpsen. Und mit diesen werfen wir alle Berg- und Bauernmundarten hinaus, wie die der Bewohner des Casentino und von Fratta, die durch die Unregelmäßigkeit der Betonung im Vergleich zu den Stadtbewohnern schon immer Mißklänge zu erzeugen schienen. (7) Auch die Sarden wollen wir hinauswerfen, die nicht selbst Italiener, aber den Italienern anzugliedern sind, da sie

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De vulgari eloquentia · xii, 1–4

videntur, gramaticam tanquam simie homines imitantes: nam domus nova et dominus meus7 locuntur. xii (1) Exaceratis quodam modo vulgaribus ytalis, inter ea que remanserunt in cribro comparationem facientes honorabilius atque honorificentius breviter seligamus. (2) Et primo de siciliano examinemus ingenium: nam videtur sicilianum vulgare sibi famam pre aliis asciscere eo quod quicquid poetantur Ytali sicilianum vocatur, et eo quod perplures doctores indigenas invenimus graviter cecinisse, puta in cantionibus illis Ancor che l’aigua per lo foco lassi, et Amor, che lungiamente m’hai menato. (3) Sed hec fama trinacrie terre, si recte signum ad quod tendit inspiciamus, videtur tantum in obproprium ytalorum principum remansisse, qui non heroico more sed plebeio secuntur superbiam. (4) Siquidem illustres heroes, Fredericus Cesar et benegenitus eius Manfredus, nobilitatem ac rectitudinem sue forme pandentes, donec fortuna permisit humana secuti sunt, brutalia dedignantes. Propter quod corde nobiles atque gratiarum

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domus…meus Mengaldo / Rajna] dominus nova et domus novus Marigo

Über die Beredsamkeit in der Volkssprache

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als einzige ohne eigene Volkssprache zu sein scheinen und die Grammatik nachahmen wie die Affen die Menschen: denn sie sagen domus nova (neues Haus) und dominus meus (mein Herr). Kapitel xii (1) Nachdem wir die italienischen Volkssprachen in gewisser Weise gesiebt haben, wollen wir vergleichen, was im Sieb zurückgeblieben ist, und kurz diejenige heraussuchen, die mehr Ehre besitzt und mehr Verehrung verdient. (2) Und zuerst wollen wir am Sizilianischen den Geist auf die Probe stellen, denn die sizilianische Volkssprache scheint vor den andern Ruhm für sich in Anspruch zu nehmen, weil alles, was die Italiener dichten, sizilianisch genannt wird, und weil wir dort viele einheimische Gelehrte finden, die gehaltvoll gedichtet haben, wie zum Beispiel in jenen Liedern Ancor che l’aigua per lo foco lassi, (Wenngleich das Wasser gegen das Feuer einbüßt) und Amor, che lungiamente m’hai menato. (Amor, der du mich lange Zeit geführt hast). (3) Aber wenn wir richtig schauen, worauf das Zeichen hindeutet, ist von diesem Ruhm der Trinakrischen Erde offenbar nur die Schmach der italienischen Fürsten übriggeblieben, die plebeisch, nicht heroisch dem Hochmut frönen. (4) Die erlauchten Helden aber, Kaiser Friederich und sein wohlgeborener Manfred, bewiesen den Adel und die Geradheit ihrer Seele und folgten dem Menschlichen, das Tierische verachtend, solange es das Schicksal erlaubte. Darum bemühten sich Edelmütige und Begnadete um die Erhabenheit

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De vulgari eloquentia · xii, 5–7

dotati inherere tantorum principum maiestati conati sunt, ita ut eorum tempore quicquid excellentes animi Latinorum enitebantur primitus in tantorum coronatorum aula prodibat; et quia regale solium erat Sicilia, factum est ut quicquid nostri predecessores vulgariter protulerunt, sicilianum voc[ar]etur8: quod quidem retinemus et nos, nec posteri nostri permutare valebunt. (5) Racha, racha. Quid nunc personat tuba novissimi Frederici, quid tintinabulum secundi Karoli, quid cornua Iohannis et Azonis marchionum potentum, quid aliorum magnatum tibie, nisi „Venite carnifices, venite altriplices, venite avaritie sectatores“? (6) Sed prestat ad propositum repedare quam frustra loqui. Et dicimus quod, si vulgare sicilianum accipere volumus secundum quod prodit a terrigenis mediocribus, ex ore quorum iudicium eliciendum videtur, prelationis honore minime dignum est, quia non sine quodam tempore profertur; ut puta ibi: Tragemi d’este focora se t’este a bolontate. Si autem ipsum accipere volumus secundum quod ab ore primorum Siculorum emanat, ut in preallegatis cantionibus perpendi potest, nichil differt ab illo quod laudabilissimum est, sicut inferius ostendemus. (7) Apuli quoque vel sui acerbitate vel finitimorum suorum contiguitate, qui Romani et Marchiani sunt, turpiter barbarizant: dicunt enim Volzera che chiangesse lo quatraro.

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vocaretur Marigo / Rajna] vocetur Mengaldo

Über die Beredsamkeit in der Volkssprache

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solch großer Fürsten, so daß das, was auch immer die hervorragenden Geister Italiens ihrer Zeit hervorbrachten, zuerst am Hof dieser großen gekrönten Häupter in Erscheinung trat; und weil Sizilien Königssitz war, kam es, daß, was auch immer unsere Vorfahren in der Volkssprache verfaßten, sizilianisch genannt wird. Das wollen auch wir beibehalten, und das werden auch unsere Nachfahren nicht ändern können. (5) „Racha, racha!“ Heutzutage rufen die Trompete des letzten Friederich, die Schelle des zweiten Karl, die Hörner des Johannes und des Azzo, der mächtigen Markgrafen, auch die Flöten der andern Potentaten, gar nichts anderes mehr als: „Kommt, Schinder, kommt Doppelspieler, kommt Genossen der Habgier!“ (6) Es ist aber besser, zur Sache zurückzukehren, als nutzlos zu reden. Und wir sagen, daß die sizilianische Volkssprache, wenn wir sie danach beurteilen wollen, wie sie die einheimischen Leute minderen Standes sprechen, nach deren Mundart das Urteil zu fällen ist, der Ehre des Vorzugs am wenigsten würdig ist, da sie nicht ohne einen gewissen Zeitaufwand ausgesprochen wird; wie zum Beispiel da: Tragemi d’este focora se t’este a bolontate. (Befreie mich von diesem Feuer, wenn es dein Wille ist). Wenn wir aber jene [Sprache] nehmen wollen, so wie sie aus dem Mund der vornehmsten Sizilianer hervorgeht, wie aus den erwähnten Liedern entnommen werden kann, unterscheidet sie sich in nichts von jener lobenswertesten [Volkssprache], wie wir weiter unten zeigen werden. (7) Auch die Apulier verwenden, sowohl wegen ihrer Derbheit als auch wegen des Kontakts mit ihren Nachbarn, den Römern und den Bewohnern der Mark, eine häßlich barbarische Sprache. Sie sagen nämlich: Bòlzera che chiangesse lo quatraro. (Ich wollte, daß der Knabe weinte).

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De vulgari eloquentia · xii, 8 – xiii, 1

(8) Sed quamvis terrigene Apuli loquantur obscene comuniter, prefulgentes eorum quidam polite locuti sunt, vocabula curialiora in suis cantionibus compilantes, ut manifeste apparet eorum dicta perspicientibus, ut puta Madonna, dir vi volglio, et Per fino amore vo si letamente. (9) Quapropter superiora notantibus innotescere debet nec siculum nec apulum esse illud quod in Ytalia pulcerrimum est vulgare, cum eloquentes indigenas ostenderimus a proprio divertisse. xiii (1) Post hec veniamus ad Tuscos, qui propter amentiam suam infroniti titulum sibi vulgaris illustris arrogare videntur. Et in hoc non solum plebeia dementat intentio, sed famosos quamplures viros hoc tenuisse comperimus: puta Guittonem Aretinum, qui nunquam se ad curiale vulgare direxit, Bonagiuntam Lucensem, Gallum Pisanum, Minum Mocatum Senensem, Brunectum Florentinum, quorum dicta, si rimari vacaverit, non curialia sed municipalia tantum invenientur. Et quoniam Tusci pre aliis in hac ebrietate baccantur, dignum

Über die Beredsamkeit in der Volkssprache

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(8) Obwohl aber die ortsansässigen Apulier im allgemeinen ekelhaft sprechen, haben doch einige Herausragende unter ihnen gehoben gesprochen und in ihre Lieder eine höfischere Wortwahl einfließen lassen, was bei genauem Lesen ihrer Gedichte deutlich wird, wie zum Beispiel: Madonna, dir vi voglio, (Herrin, ich will Euch sagen) und Per fino amore vo si letamente (In reiner Liebe geh ich froh). (9) Deshalb muß denen, die das oben Gesagte zur Kenntnis nehmen, einleuchten, daß weder das Sizilianische noch das Apulische die schönste Volkssprache Italiens ist, da wir gezeigt haben, daß die einheimischen Sprachmeister von ihrer eigenen [Volkssprache] abwichen.

Kapitel xiii (1) Nach diesen kommen wir zu den Toskanern, die wegen ihres Wahns unerträglich sind und für sich den Titel der erlauchten Volkssprache in Anspruch nehmen. Und nicht nur die Meinung des niederen Volkes ist diesbezüglich unsinnig, sondern wir erfahren von sehr vielen berühmten Männern, daß sie daran festhielten, zum Beispiel Guido von Arezzo, der sich niemals der höfischen Volkssprache zuwandte, Bonagiunta von Lucca, Gallo von Pisa, Mino Mocato von Siena und Brunetto von Florenz, deren Gedichte, wenn wir uns die Zeit nehmen, sie genau zu untersuchen, nicht für höfisch, sondern nur für städtisch befunden werden. Und da die Toskaner mehr als die andern in dieser Trunkenheit schwelgen, scheint es würdig und nützlich, die

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De vulgari eloquentia · xiii, 2–4

utileque videtur municipalia vulgaria Tuscanorum sigillatim in aliquo depompare. (2) Locuntur Florentini et dicunt Manichiamo introcque, che noi non facciamo. Pisani: Bene andonno li fanti ï de Fiorensa per Pisa. Lucenses: Fo voto a Dio ke in grassarra eie lo comuno de Lucca. Senenses: Onche renegata avess’io Siena.Ch’ee chesto? Aretini: Vuo’tu venire ovelle? De Perusio, Urbe Veteri, Viterbio, nec non de Civitate Castellana, propter affinitatem quam habent cum Romanis et Spoletanis, nichil tractare intendimus. (3) Sed quanquam fere omnes Tusci in suo turpiloquio sint obtusi, nonnullos vulgaris excellentiam cognovisse sentimus, scilicet Guidonem, Lapum et unum alium, Florentinos, et Cynum Pistoriensem, quem nunc indigne postponimus, non indigne coacti. (4) Itaque si tuscanas examinemus loquelas, et pensemus qualiter viri prehonorati a propria diverterunt, non restat in dubio quin aliud sit vulgare quod querimus quam quod actingit populus Tuscanorum.

Über die Beredsamkeit in der Volkssprache

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städtischen Volkssprachen der Toskaner einzeln in ihrem Prunkgehabe bloßzustellen. (2) Es sprechen die Florentiner und sagen: Manichiamo introcque, che noi non facciamo altro. (Fressen wir, solange wir nichts anderes zu tun haben). Die Pisaner: Bene andonno li fatti de Fiorensa per Pisa. (Gut gingen die florentinischen Angelegenheiten für Pisa). Die Einwohner von Lucca: Fo voto a Dio ke in grassarra eie lo comuno de Lucca. (Ich schwöre bei Gott, daß die Stadt Lucca in der Butterwoche ist). Die Einwohner von Siena: Onche renegata avess’io Siena. Ch’ee chesto? (Ich soll Siena verleugnet haben. Was ist das?). Die Einwohner von Arezzo: Vuo’tu venire ovelle? (Willst du irgendwohin kommen?). Von Perugia, Orvieto, Viterbo und Civita Castellana beabsichtigen wir wegen der Nähe zu den Römern und Spoletanern nichts zu sagen. (3) Aber obschon fast alle Toskaner in ihrer Schauersprache abgestumpft sind, so meinen wir doch, daß einige den Vorrang der Volkssprache erfaßt haben, nämlich die Florentiner Guido, Lapo und ein anderer, und Cino von Pistoia, den wir nun unwürdigerweise als letzten nennen, aus einem nicht unwürdigen Grund dazu gezwungen. (4) Wenn wir also die Toskanischen Sprachen untersuchen und erwägen, auf welche Weise die hochgeehrten Männer von der eigenen [Sprache] abgewichen sind, so besteht kein Zweifel, daß die Volkssprache, die wir suchen, eine andere ist, als diejenige, die das Toskanische Volk zu sprechen imstande ist.

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De vulgari eloquentia · xiii, 5 – xiv, 4

(5) Si quis autem quod de Tuscis asserimus, de Ianuensibus asserendum non putet, hoc solum in mente premat, quod si per oblivionem Ianuenses ammicterent z licteram, vel mutire totaliter eos vel novam reparare oporteret loquelam. Est enim z maxima pars eorum locutionis; que quidem lictera non sine multa rigiditate profertur. xiv (1) Transeuntes nunc humeros Apenini frondiferos levam Ytaliam contatim venemur ceu solemus, orientaliter ineuntes. (2) Romandiolam igitur ingredientes, dicimus nos duo in Latio invenisse vulgaria quibusdam convenientiis contrariis alternata. Quorum unum in tantum muliebre videtur propter vocabulorum et prolationis mollitiem quod virum, etiam si viriliter sonet, feminam tamen facit esse credendum. (3) Hoc Romandiolos omnes habet, et presertim Forlivienses, quorum civitas, licet novissima sit, meditullium tamen esse videtur totius provincie: hii deuscì affirmando locuntur, et oclo meo et corada mea proferunt blandientes. Horum aliquos a proprio poetando divertisse audivimus, Thomam videlicet et Ugolinum Bucciolam Faventinos. (4) Est et aliud, sicut dictum est, adeo vocabulis accentibusque yrsutum et yspidum quod propter sui rudem asperitatem mulierem loquentem non solum disterminat, sed esse virum dubitare[s le]ctor9.

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dubitares lector Marigo / Mengaldo] dubitare cogit Rajna.

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(5) Wenn aber jemand glauben sollte, was wir von den Toskanern behaupten, gelte nicht für die Genuesen, der möge sich vor Augen halten, daß die Genuesen, wenn sie aus Unachtsamkeit den Buchstaben z weglassen würden, entweder ganz verstummen oder sich eine neue Sprache erwerben müßten. Das z ist nämlich der wichtigste Teil ihres Sprechens, und dieser Buchstabe wird nicht ohne große Härte ausgesprochen. Kapitel xiv (1) Jetzt passieren wir die belaubten Schultern des Apennin und wollen, von Osten her, die linke Seite Italiens gründlich auskundschaften, wie wir es gewohnt sind. (2) Wenn wir also die Romagna betreten, so sagen wir, daß sich in Italien zwei Volkssprachen finden, die sich in gewissen sich entsprechenden Gegensätzen unterscheiden. Eine von ihnen scheint wegen der Weichheit der Wörter und der Aussprache derart weibisch, daß sie einen Mann, auch wenn [seine Stimme] männlich klingt, dennoch als Frau erscheinen läßt. (3) Diese [Sprache] sprechen alle Romagnolen und besonders die Forlier, deren Stadt, obgleich sie die letzte ist, dennoch der Mittelpunkt der ganzen Provinz zu sein scheint. Diese bejahen mit deusci (bei Gott ja) und oclo mea (mein Augapfel) sowie corada mea (mein Herzchen), um zu schäkern. Von ihnen, hören wir, sind einige in ihrer Dichtung von der eigenen [Volkssprache] abgewichen, nämlich die Faventiner Tommaso [di Faeza] und Ugolino Bucciòla. (4) Und die andere [Volkssprache] ist, wie gesagt wurde, in Wörtern und Betonung derart borstig und ungeglättet, daß sie wegen ihrer ungehobelten Rauheit eine sprechende Frau nicht nur entstellt, sondern daß Du, Leser, zweifeln würdest, ob es sich nicht um einen Mann handelt.

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De vulgari eloquentia · xiv, 5 – xv, 2

(5) Hoc omnes qui magara dicunt, Brixianos videlicet, Veronenses et Vigentinos, habet; nec non Paduanos, turpiter sincopantes omnia in -tus participia et denominativa in -tas, ut mercò et bontè. Cum quibus et Trivisianos adducimus, qui more Brixianorum et finitimorum suorum u consonantem per f apocopando proferunt, puta nof pro ‚novem‘ et vif pro ‚vivo‘: quod quidem barbarissimum reprobamus. (6) Veneti quoque nec sese investigati vulgaris honore dignantur: et si quis eorum, errore confossus, vanitaret in hoc, recordetur si unquam dixit: Per le plaghe de Dio tu no verras. (7) Inter quos omnes unum audivimus nitentem divertire a materno et ad curiale vulgare intendere, videlicet Ildebrandinum Paduanum. (8) Quare, omnibus presentis capituli ad iudicium comparentibus, arbitramur nec romandiolum, nec suum oppositum ut dictum est, nec venetianum esse illud quod querimus vulgare illustre. xv (1) Illud autem quod de ytala silva residet percontari conemur expedientes. (2) Dicimus ergo quod forte non male opinantur qui Bononienses asserunt pulcriori locutione loquentes, cum ab Ymolensibus, Ferrarensibus et Mutinensibus circunstantibus aliquid proprio vulgari asciscunt, sicut facere quoslibet a finitimis suis conicimus, ut Sordellus de Mantua sua ostendit,

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(5) Dies ist die Sprache all jener, die magara (vielleicht) sagen, nämlich die Brescianer, die Veronesen und die Vicentiner; und auch die Paduaner, die häßlich alle Partizipien auf -tus und alle Nomina auf -tas verkürzen, wie mercò und bontè. Mit diesen führen wir die Trevisaner an, die wie die Brescianer und ihre Nachbarn das konsonantische u verkürzend als f aussprechen, wie zum Beispiel nof anstatt novem und vif anstatt vivo, was wir als äußerst barbarisch ablehnen. (6) Auch die Venezianer erweisen sich der Ehre der gesuchten Volksprache nicht würdig; und wenn jemand von ihnen dem Irrtum verfallen würde, sich dessen zu brüsten, so erinnere er sich, ob er je gesagt habe: Per le plaghe di Dio tu no verras. (Bei Gottes Wunder du wirst nicht kommen). (7) Unter all diesen hörten wir einen, der danach strebte, sich von der Muttersprache abzuwenden, und sich um die höfische Volkssprache bemühte, nämlich Aldebrandino Mezzabati. (8) Für alle im vorliegenden Kapitel zum Urteil antretenden [Volkssprachen] entscheiden wir daher, daß weder das Romagnolische noch, wie gesagt, sein Gegenüber, noch das Venezianische jene erlauchte Volkssprache ist, die wir suchen. Kapitel xv (1) Was aber vom italienischen Wald noch übrig ist, wollen wir eilend zu durchforschen versuchen. (2) Wir sagen also, daß diejenigen vielleicht nicht schlecht urteilen, die behaupten, die Bologneser redeten in schönerer Sprache, da sie von den sie umgebenden [Bewohnern von] Imola, Ferrara und Modena etwas in die eigene Volkssprache aufnehmen, was, so vermuten wir, alle mit ihren Nachbarn tun, wie Sordello es hinsichtlich seiner Stadt Mantua zeigt,

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De vulgari eloquentia · xv, 3–6

Cremone, Brixie atque Verone confini: qui, tantus eloquentie vir existens, non solum in poetando sed quomodocunque loquendo patrium vulgare deseruit. (3) Accipiunt enim prefati cives ab Ymolensibus lenitatem atque mollitiem, a Ferrarensibus vero et Mutinensibus aliqualem garrulitatem que proprie Lombardorum est: hanc ex commixtione advenarum Longobardorum terrigenis credimus remansisse. (4) Et hec est causa quare Ferrarensium, Mutinensium vel Regianorum nullum invenimus poetasse: nam proprie garrulitati assuefacti nullo modo possunt ad vulgare aulicum sine quadam acerbitate venire. Quod multo magis de Parmensibus est putandum, qui monto pro ‚multo‘ dicunt. (5) Si ergo Bononienses utrinque accipiunt, ut dictum est, rationabile videtur esse quod eorum locutio per commixtionem oppositorum ut dictum est ad laudabilem suavitatem remaneat temperata: quod procul dubio nostro iudicio sic esse censemus. (6) Itaque si preponentes eos in vulgari sermone sola municipalia Latinorum vulgaria comparando considerant, allubescentes concordamus cum illis; si vero simpliciter vulgare bononiense preferendum existimant, dissentientes discordamus ab eis. Non etenim est quod aulicum et illustre vocamus: quoniam, si fuisset, maximus Guido Guinizelli, Guido Ghisilerius, Fabrutius et Honestus et alii poetantes Bononie nunquam a proprio divertissent: qui doctores fuerunt illustres et vulgarium discretione repleti. Maximus Guido:

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die an Cremona, Brescia und Verona angrenzt: Dieser, in der Beredsamkeit so treffliche Mann, hat nicht nur beim Dichten, sondern auch bei jeglicher Art des Sprechens die Volkssprache des Vaterlandes verlassen. (3) Die vorhergenannten Bürger übernahmen nämlich von den [Bewohnern von] Imola die Sanftheit und die Weichheit, von denjenigen von Ferrara aber und Modena eine gewisse Geschwätzigkeit, die den Lombarden eigen ist: Diese, glauben wir, war den Einheimischen aus der Vermischung mit den langobardischen Ankömmlingen geblieben. (4) Und dies ist die Ursache, warum wir unter den [Bewohnern von] Ferrara, Modena oder Reggio niemanden finden, der gedichtet hat: An die eigene Geschwätzigkeit gewöhnt, können sie in keiner Weise ohne eine gewisse Herbheit zur königlichen Volkssprache kommen. Was noch viel mehr auf die [Bewohner von] Parma zutrifft, die monto statt multo sagen. (5) Wenn also die Bologneser von zwei Seiten her etwas empfangen, wie gesagt wurde, so scheint es vernünftig, daß ihre Sprache dank der Vermischung der Gegensätze, wie gesagt, in lobenswertem Wohlklang gemäßigt bleibt; was unserem Urteil gemäß sich ohne Zweifel so verhält. (6) Wenn daher diejenigen, die hinsichtlich der volkssprachlichen Redeweise [die Bologneser] voranstellen, nur die städtischen Volkssprachen Italiens vergleichend betrachten, so stimmen wir bereitwillig mit jenen überein; wenn sie aber meinen, die bolognesische Volkssprache sei schlechthin vorzuziehen, so sind wir anderer Meinung und weichen von ihnen ab. Sie ist nämlich nicht das, was wir höfisch und erlaucht nennen: Denn wäre sie es, so wären der herausragende Guido Guinizelli, Guido Ghislieri, Fabruzzo und Honesto und andere Dichter Bolognas nie von der eigenen [Volkssprache] abgewichen: diese Gelehrten waren erlaucht und geübt in der Unterscheidung der Volkssprachen. Es schrieb der herausragende Guido:

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De vulgari eloquentia · xv, 7

Madonna, lo fino amore ch’a vui porto. Guido Ghisilerius: Donna, lo fermo core. Fabrutius: Lo meo lontano gire. Honestus: Più non actendo il tuo soccorso, Amore. Que quidem verba prorsus a mediastinis Bononie sunt diversa. (7) Cumque de residuis in extremis Ytalie civitatibus neminem dubitare pendamus (et si quis dubitat, illum nulla nostra solutione dignamur), parum restat in nostra discussione dicendum. Quare, cribellum cupientes deponere, ut residentiam cito visamus, dicimus Tridentum atque Taurinum nec non Alexandriam civitates metis Ytalie in tantum sedere propinquas quod puras nequeunt habere loquelas; ita quod si etiam quod turpissimum habent vulgare, haberent pulcerrimum, propter aliorum commixtionem esse vere latium negaremus. Quare, si latium illustre venamur, quod venamur in illis inveniri non potest.

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Madonna, lo fino amore ch’io vi porto. (Meine Herrin, die reine Liebe, die ich Euch bringe). Guido Ghislieri: Donna, lo fermo core. (Herrin, das starke Herz). Fabruzzo: Lo meo lontano gire. (Mein weites Schweifen). Onesto: Più non attendo il tuo soccorso, Amore. (Länger wart ich nicht auf deine Hilfe, Liebe ). Diese Ausdrücke sind völlig verschieden von denen, die in der Stadtmitte Bolognas geläufig sind. (7) Da wir annehmen, daß betreffs der verbleibenden Städte an den Grenzen Italiens niemand Zweifel hegt – und wenn jemand zweifelt, halten wir ihn unserer Erwägung nicht für würdig –, so bleibt in unserer Erörterung wenig zu sagen. Begierig, das Sieb niederzulegen, um das darin Verbliebene schnell durchzusehen, sagen wir daher, daß die Städte Trient und Turin und auch Alessandria den Grenzen Italiens so nahe liegen, daß sie keine reinen Sprachen haben können; und hätten sie auch eine in höchstem Maße schöne Volkssprache, wie sie die in höchstem Maße häßliche besitzen, so müßten wir doch wegen der Vermischung mit den andern verneinen, daß sie wahrhaftig die italienische [Sprache] sei. Wenn wir das erlauchte Italienisch erjagen, können wir daher, wonach wir auf der Jagd sind, nicht bei jenen finden.

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De vulgari eloquentia · xvi, 1– 4

xvi (1) Postquam venati saltus et pascua sumus Ytalie, nec pantheram quam sequimur adinvenimus, ut ipsam reperire possimus rationabilius investigemus de illa ut, solerti studio, redolentem ubique et necubi apparentem nostris penitus irretiamus tenticulis. (2) Resumentes igitur venabula nostra, dicimus quod in omni genere rerum unum esse oportet quo generis illius omnia comparentur et ponderentur, et a quo omnium aliorum mensuram accipiamus: sicut in numero cuncta mensurantur uno, et plura vel pauciora dicuntur secundum quod distant ab uno vel ei propinquant, et sicut in coloribus omnes albo mensurantur; nam visibiles magis et minus dicuntur secundum quod accedunt vel recedunt ab albo. Et quemadmodum de hiis dicimus que quantitatem et qualitatem ostendunt, de predicamentorum quolibet, etiam de substantia, posse dici putamus: scilicet ut unumquodque mensurabile sit, secundum quod in genere est, illo quod simplicissimum est in ipso genere. (3) Quapropter in actionibus nostris, quantumcunque dividantur in species, hoc signum inveniri oportet quo et ipse mensurentur. Nam, in quantum simpliciter ut homines agimus, virtutem habemus (ut generaliter illam intelligamus); nam secundum ipsam bonum et malum hominem iudicamus; in quantum ut homines cives agimus, habemus legem, secundum quam dicitur civis bonus et malus; in quantum ut homines latini agimus, quedam habemus simplicissima signa et morum et habituum et locutionis, quibus latine actiones ponderantur et mensurantur. (4) Que quidem nobilissima sunt earum que Latinorum sunt actiones, hec nullius civitatis Ytalie propria sunt, et in

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Kapitel xvi (1) Jetzt haben wir Waldgebirge und Weiden Italiens durchjagt, aber den Panther, den wir suchen, nicht aufgespürt. Um ihn zu finden, wollen wir vernünftiger vorgehen, um ihn, der seine Duftmarke überall hinterläßt, aber nirgends erscheint, mit letztem Eifer in unser Netz zu kriegen. (2) So nehmen wir also unsere Jagdwaffe wieder auf und sagen: In jeder Gattung der Dinge muß es eines geben, mit dem alle Wesen dieser Gattung verglichen und gemessen werden und von dem wir das Maß aller anderen nehmen. So wird bei Zahlen alles durch die Eins gemessen. Es heißt „viel“ oder „wenig“, je nachdem es sich von der Eins entfernt oder sich ihr annähert. So werden alle Farben durch das Weiß bestimmt, denn sie heißen mehr oder weniger „hell“, je nachdem sie vom Weiß abweichen oder sich ihm nähern. Und was wir von denen aussagen, die Quantität und Qualität aufweisen, glauben wir auch von jedweder Kategorien, sogar von der Substanz aussagen zu können: nämlich daß jedes [Seiende], insofern es zu einer Gattung gehört, meßbar sei durch das in derselben Gattung Einfachste. (3) Deshalb muß in unseren Handlungen, mögen sie auch in viele Arten aufgeteilt sein, jenes Kriterium gefunden werden, durch das sie selbst gemessen werden. Denn insofern wir als Menschen schlechthin handeln, haben wir die Tugend, wie wir sie allgemein verstehen: denn gemäß jener beurteilen wir den Menschen als gut oder schlecht; insofern wir als Bürger handeln, haben wir das Gesetz, nach dem der Bürger gut oder schlecht genannt wird; insofern wir als Italiener handeln, haben wir gewisse einfachste Kriterien der Sitten, Gebräuche und des Sprechens, mit denen die italienischen Handlungen gewogen und gemessen werden. (4) Die edelsten Handlungen der Italiener also sind keiner Stadt Italiens eigen, sondern sie sind allen gemeinsam: Unter

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De vulgari eloquentia · xvi, 5 – xvii, 2

omnibus comunia sunt: inter que nunc potest illud discerni vulgare quod superius venabamur, quod in qualibet redolet civitate nec cubat in ulla. (5) Potest tamen magis in una quam in alia redolere, sicut simplicissima substantiarum, que Deus est, in homine magis redolet quam in bruto animali, ‚in bruto animali‘10 quam in planta, in hac quam in minera, in hac quam in elemento, in igne quam in terra; et simplicissima quantitas, quod est unum, in impari numero redolet magis quam in pari; et simplicissimus color, qui albus est, magis in citrino quam in viride redolet. (6) Itaque, adepti quod querebamus, dicimus illustre, cardinale, aulicum et curiale vulgare in Latio quod omnis latie civitatis est et nullius esse videtur, et quo municipalia vulgaria omnia Latinorum mensurantur et ponderantur et comparantur. xvii (1) Quare autem hoc quod repertum est, illustre, cardinale, aulicum et curiale adicientes vocemus, nunc disponendum est: per quod clarius ipsum quod ipsum est faciamus patere. (2) Primum igitur quid intendimus cum illustre adicimus, et quare illustre dicimus, denudemus. Per hoc quoque quod illustre dicimus, intelligimus quid illuminans et illuminatum prefulgens: et hoc modo viros appellamus illustres, vel quia potestate illuminati alios et iustitia et karitate illuminant, vel quia excellenter magistrati excellenter magistrent, ut Seneca et Numa Pompilius. Et vulgare de quo loquimur et sublima-

in bruto animali ‚in bruto animali‘ Marigo / Rajna] in bruto, in animali Mengaldo. 10

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diesen kann nun jene Volkssprache gefunden werden, nach der wir oben jagten, die in jeder Stadt ihre Fährte hinterläßt und in keiner wohnt. (5) Sie kann dennoch in einer mehr als in einer andern ihre Spur hinterlassen, so wie die einfachste Substanz, die Gott ist, im Menschen ihre Spur mehr hinterläßt als im Tier, im Tier mehr als in der Pflanze, in dieser mehr als im Gestein, in diesem mehr als im Element, im Feuer mehr als in der Erde; und die einfachste Quantität, das Eine, hinterläßt ihre Spur mehr in der ungeraden Zahl als in der geraden; und die einfachste Farbe, das Weiß, hinterläßt seine Spur mehr im Gelb als im Grün. (6) Deshalb haben wir erlangt, was wir suchten, und nennen jene Volkssprache die erlauchte, richtungweisende, königliche und höfische in Italien, die jeder italienischen Stadt zukommt und doch keiner eigen zu sein scheint und mit der alle städtischen Volkssprachen der Italiener gemessen, gewogen und verglichen werden. Kapitel xvii (1) Warum wir das Gefundene zusätzlich erlaucht, richtungweisend, königlich und höfisch nennen wollen, muß jetzt aber dargelegt werden; wir machen dadurch klarer, was es selbst ist. (2) Zuerst also wollen wir enthüllen, was wir meinen, wenn wir es als erlaucht bezeichnen und warum wir „erlaucht“ sagen. Wenn wir nämlich „erlaucht“ sagen, verstehen wir darunter etwas Erleuchtendes und etwas als Erleuchtetes Erstrahlendes: Auf diese Weise nennen wir Männer erlaucht, weil sie entweder durch Macht erleuchtet andere mit Gerechtigkeit und Nächstenliebe erleuchten, oder weil sie wie Seneca und Numa Pompilius vortrefflich ausgebildet vortrefflich führen. Und die Volkssprache, von der wir spre-

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De vulgari eloquentia · xvii, 3 – xviii, 1

tum est magistratu et potestate, et suos honore sublimat et gloria. (3) Magistratu quidem sublimatum videtur, cum de tot rudibus Latinorum vocabulis, de tot perplexis constructionibus, de tot defectivis prolationibus, de tot rusticanis accentibus, tam egregium, tam extricatum, tam perfectum et tam urbanum videamus electum, ut Cynus Pistoriensis et amicus eius ostendunt in cantionibus suis. (4) Quod autem exaltatum sit potestate, videtur. Et quid maioris potestatis est quam quod humana corda versare potest, ita ut nolentem volentem et volentem nolentem faciat, velut ipsum et fecit et facit ? (5) Quod autem honore sublimet, in promptu est. Nonne domestici sui reges, marchiones, comites et magnates quoslibet fama vincunt? Minime hoc probatione indiget. (6) Quantum vero suos familiares gloriosos efficiat, nos ipsi novimus, qui huius dulcedine glorie nostrum exilium postergamus. (7) Quare ipsum illustre merito profiteri debemus. xviii (1) Neque sine ratione ipsum vulgare illustre decusamus adiectione secunda, videlicet ut id cardinale vocetur. Nam sicut totum hostium cardinem sequitur ut, quo cardo vertitur, versetur et ipsum, seu introrsum seu extrorsum flectatur, sic et universus municipalium grex vulgarium vertitur et revertitur, movetur et pausat secundum quod istud, quod quidem vere paterfamilias esse videtur. Nonne cotidie extirpat sento-

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chen, ist sowohl hoch erhaben in Führung und Macht und erhöht die ihren mit Ehre und Ruhm. (3) Sie erscheint nämlich in Führung erhaben, da wir sie aus so vielen rohen Wörtern der Italiener, aus so vielen wirren Satzgefügen, aus so viel fehlerhafter Aussprache, aus so vielen bäurischen Betonungen, als so herausragende und so erlesene, so vollkommene und so urbane [Volkssprache] erwählt sehen, wie Cino von Pistoia und sein Freund in ihren Liedern zeigen. (4) Daß sie aber durch Macht erhöht ist, ist offensichtlich. Was ist von größerer Macht als das, was die menschlichen Herzen umstimmen kann, indem es den Unwilligen willig und den Willigen unwillig macht, wie die [Volkssprache] selbst es getan hat und tut? (5) Daß sie aber durch die Ehre sich auszeichnet, ist augenfällig. Überragen denn nicht jegliche Könige, Markgrafen, Grafen und Machthaber ihre Diener dank ihrer Berühmtheit? Dies bedarf kaum eines Beweises. (6) Wie sehr [diese Volkssprache] aber ihre Vertrauten berühmt macht, wissen wir selbst, die wir ob der Süße solchen Ruhms unser Exil vergessen. (7) Daher müssen wir sie mit Recht als erlaucht preisen. Kapitel xviii (1) Es geschieht nicht ohne Grund, daß wir jene erlauchte Volkssprache mit einem zweiten Beiwort schmücken, indem wir sie richtungweisend nennen. Denn so wie das ganze Tor sich nach seiner Angel richtet, sich mit der Angel wendend entweder nach innen oder nach außen schwingt, so wendet und kehrt, so bewegt sich und ruht die ganze Schar der städtischen Volkssprachen nach dem Maß jener [Volkssprache], die wie ein wahres Familienoberhaupt zu sein scheint. Reißt sie nicht täglich die dornigen Sträucher des italieni-

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De vulgari eloquentia · xviii, 2–5

sos frutices de ytalia silva? Nonne cotidie vel plantas inserit vel plantaria plantat? Quid aliud agricole sui satagunt nisi ut amoveant et admoveant, ut dictum est? Quare prorsus tanto decusari vocabulo promeretur. (2) Quia vero aulicum nominamus illud causa est quod, si aulam nos Ytali haberemus, palatinum foret. Nam si aula totius regni comunis est domus et omnium regni partium gubernatrix augusta, quicquid tale est ut omnibus sit comune nec proprium ulli, conveniens est ut in ea conversetur et habitet, nec aliquod aliud habitaculum tanto dignum est habitante: hoc nempe videtur esse id de quo loquimur vulgare. (3) Et hinc est quod in regiis omnibus conversantes semper illustri vulgari locuntur; hinc etiam est quod nostrum illustre velut accola peregrinatur et in humilibus hospitatur asilis, cum aula vacemus. (4) Est etiam merito curiale dicendum, quia curialitas nil aliud est quam librata regula eorum que peragenda sunt: et quia statera huiusmodi librationis tantum in excellentissimis curiis esse solet, hinc est quod quicquid in actibus nostris bene libratum est, curiale dicatur. Unde cum istud in excellentissima Ytalorum curia sit libratum, dici curiale meretur. (5) Sed dicere quod in excellentissima Ytalorum curia sit libratum, videtur nugatio, cum curia careamus. Ad quod facile respondetur. Nam licet curia, secundum quod unita accipitur, ut curia regis Alamannie, in Ytalia non sit, membra tamen eius non desunt; et sicut membra illius uno Principe uniuntur, sic membra huius gratioso lumine rationis unita sunt. Quare falsum esset dicere curia carere Ytalos, quan-

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schen Waldes aus? Setzt sie nicht täglich Pflanzen oder besorgt den Garten? Was tun denn ihre Ackersleute anderes als Wegnehmen und Hinzufügen, wie gesagt wurde? Darum verdient es [diese Volkssprache] durchaus, mit einer so edlen Bezeichnung geschmückt zu werden. (2) Daß wir [diese Volkssprache] königlich nennen, hat seinen Grund darin, daß sie, hätten wir in Italien einen Königshof, die Hofsprache wäre. Denn wenn der Hof das gemeinsame Haus des ganzen Königreichs und der ehrwürdige Lenker aller Teile des Königreichs ist, so ist es angemessen, daß, was allen gemeinsam und keinem einzelnen eigen ist, in ihm verkehrt und wohnt; und keine andere Stätte ist einer solchen Bewohnerin würdig: diese freilich ist jene Volkssprache, von der wir sprechen. (3) Deshalb sprechen jene, die an den königlichen Höfen verkehren, immer die erlauchte Volkssprache; daher kommt es, daß unsere erlauchte [Volkssprache] wie eine Fremde umherirrt und nur in niedrigen Stätten Zuflucht findet, weil wir keinen Königshof haben. (4) Sie ist aber auch mit Recht höfisch zu nennen, da das höfische Benehmen nichts anderes ist als eine ausgewogene Regel der Handlungen: Und da die Waage für ein solches Abwägen sich nur an den herausragendsten Höfen zu befinden pflegt, so ist all das, was in unseren Handlungen ausgewogen ist, höfisch zu nennen. Da aber diese [Volkssprache] am herausragendsten Hof der Italiener abgewogen wird, verdient sie es, höfisch genannt zu werden. (5) Aber wenn wir sagen, daß sie am herausragendsten Hof Italiens abgewogen wird, so scheint dies dummes Geschwätz zu sein, da wir keinen Hof haben. Worauf leicht zu antworten ist. Denn obschon es einen vereinten Hof, wie den Hof des Königs von Deutschland, in Italien nicht gibt, so fehlen doch seine Teile nicht; und wie die Teile jenes [Hofes] durch einen Fürsten geeint werden, so werden die Teile dieses [Hofes] durch das gnädige Licht der Vernunft geeint. Da-

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De vulgari eloquentia · xix, 1–3

quam Principe careamus, quoniam curiam habemus, licet corporaliter sit dispersa. xix (1) Hoc autem vulgare quod illustre, cardinale, aulicum esse11 et curiale ostensum est, dicimus esse illud quod vulgare latium appellatur. Nam sicut quoddam vulgare est invenire quod proprium est Cremone, sic quoddam est invenire quod proprium est Lombardie; et sicut est invenire aliquod quod sit proprium Lombardie, [sic] est invenire aliquod quod sit totius sinistre Ytalie proprium; et sicut omnia hec est invenire, sic et illud quod totius Ytalie est. Et sicut illud cremonense ac illud lombardum et tertium semilatium dicitur, sic istud, quod totius Ytalie est, latium vulgare vocatur. Hoc enim usi sunt doctores illustres qui lingua vulgari poetati sunt in Ytalia, ut Siculi, Apuli, Tusci, Romandioli, Lombardi et utriusque Marchie viri. (2) Et quia intentio nostra, ut polliciti sumus in principio huius operis, est doctrinam de vulgari eloquentia tradere, ab ipso tanquam ab excellentissimo incipientes, quos putamus ipso dignos uti, et propter quid, et quomodo, nec non ubi, et quando, et ad quos ipsum dirigendum sit, in inmediatis libris tractabimus. (3) Quibus illuminatis, inferiora vulgaria illuminare curabimus, gradatim descendentes ad illud quod unius solius familie proprium est.

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esse Marigo/ Rajna] om. Mengaldo.

Über die Beredsamkeit in der Volkssprache

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her wäre es falsch zu sagen, Italien habe keinen Hof, denn obschon wir keinen Fürsten haben, so haben wir doch einen Hof, mögen auch seine körperlichen Teile zerstreut sein. Kapitel xix (1) Als jene Volkssprache aber, die als erlaucht, richtungweisend, königlich und höfisch aufgezeigt wurde, bezeichnen wir diejenige, die italienische Volkssprache genannt wird. Denn so wie es eine Volkssprache gibt, die Cremona eigen ist, so gibt es eine, die der Lombardei eigen ist; und so wie eine zu finden ist, die der Lombardei eigen ist, so ist eine zu finden, die der ganzen linken Hälfte Italiens eigen ist; und so wie all diese gefunden werden können, so kann auch jene gefunden werden, die ganz Italien eigen ist. Und so wie diese cremonesisch und jene lombardisch und die dritte halb-italienisch genannt wird, so wird diese, diejenige, die ganz Italien eigen ist, italienische Volkssprache genannt. Dieser nämlich bedienten sich die erlauchten Gelehrten, die in Italien in der Volkssprache gedichtet haben, zum Beispiel Sizilianer, Apulier, Toskaner, Romagnolen, Lombarden und Männer der beiden Marken. (2) Und da es unsere Absicht ist, die Lehre der volkssprachlichen Beredsamkeit zu vermitteln, wie wir zu Beginn dieses Werkes versprochen haben, beginnen wir bei ihr [der erlauchten Volkssprache] selbst, gewissermaßen der hervorragendsten, und werden in den unmittelbar folgenden Büchern erörtern, wen wir für würdig halten, sie zu gebrauchen, und wozu, auf welche Weise, wo, wann und an wen sie zu richten sei. (3) Ist dies einmal geklärt, werden wir die niedereren Volkssprachen zu erhellen trachten, stufenweise hinabsteigend bis zu dem, was einer einzigen Familie eigen ist.

KOMMENTAR

Kapitel i Ähnlich wie im Conv. und der Mon. erfüllt das erste Kapitel von VE eine einführende Aufgabe. Es besteht aus zwei Teilen, von denen der erste mit § 1 zusammenfällt, während der zweite das ganze restliche Kapitel umfaßt. Der erste Teil ist ein exordium, das durchaus den für diesen Teil vorgesehenen Regeln der rhetorischen Tradition entspricht (vgl. Rhetorica ad Herennium, I, iv, 7; Cicero, De inventione, I, xvi, 23). Der Passus enthält die elementa narrationis, die in dieser Tradition für die Einleitung notwendig sind. In Conv., II, vi, 6, rechtfertigt Dante die Befolgung solcher Regeln: Die Ankündigung unerhörter Neuheiten gehört, wie dieser Passus bestätigt, ebenfalls zu den rhetorischen Regeln. Indessen ist sich Dante bewußt, daß er mit seinem Werk einen wahrhaft innovativen Beitrag zur Forschung leistet. Nachdem er die Neuheit seiner Untersuchung unterstrichen hat, macht Dante auf ihre Nützlichkeit aufmerksam („talem scilicet eloquentiam penitus omnibus necessariam videamus“). Die Bedeutung des Traktates wird zudem hervorgehoben, indem Dante daran erinnert, daß die Volkssprache nicht nur von den Männern, sondern auch von Frauen und Kindern benützt wird. In diesem Sinne wird die Abhandlung wahrhaft vielen nützlich sein, wie auch im Conv., I, ix, 4, betont wird („lo volgare servirà veramente a molti“). Das biblische Bild der Blinden erinnert ebenfalls an die Absicht des Conv., das bekanntlich die Aufgabe erfüllen soll: „dare lume a coloro che sono in tenebre e in oscuritade per lo usato sole che a loro non luce“ (I, xiii, 12). Nach der Anspielung

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Kommentar zu Kap. i, 1

auf das göttliche Verbum wird dieses exordium mit einem methodischen Hinweis beendet, in dem Dante sein Vorgehen beschreibt. Der zweite Teil des Kapitels (§ 2–5) stellt unter Bezugnahme auf die aristotelische Wissenschaftstheorie den Gegenstand (subiectum) der Untersuchung vor, d. h. die vulgaris locutio, die in § 2 definiert wird, und zwar im Gegensatz zur gramatica, d. h. einer geregelten Sprache (§ 3). Das Kapitel wird beschlossen durch die dreifache Begründung des Vorranges der Volkssprache (§ 4–5). §1 Der erste Abschnitt erfüllt die Aufgabe eines exordium der ganzen Schrift, indem entsprechend den Vorschriften der Rhetorik sowohl die Neuheit der untersuchten Sache wie auch deren Nützlichkeit hervorgehoben werden. Daß Dante die entsprechenden rhetorischen Stilmittel kannte, bezeugt folgende Stelle aus dem Conv., II, vi, 6: „Ma però che in ciascuna maniera di sermone lo dicitore massimamente dee intendere a la persuasione, cioè a l’abbellire, de l’audienza, sì come a quella che è principio di tutte l’altre persuasioni, come li rettorici sanno; e potentissima persuasione sia, a rendere l’uditore attento, promettere di dire nuove e grandissime cose.“ Diese Hinweise Dantes, die er im vorliegenden § befolgt, stehen in Übereinstimmung mit den Anweisungen von Cicero: „Exordium est oratio animum auditoris idonee comparans ad reliquam dictionem; quod eveniet, si eum benivolum, attentum, docilem confecerit […] In admirabili genere, si non omnino infesti auditores erunt, principio benivolentiam comparere licebit“ (De inventione, I, xv, 20–21). „Attentos autem faciemus, si demonstrabimus ea, quae dicturi erimus, magna, nova, incredibilia esse“ (ebd., I, xvi, 23; vgl. ebenfalls Ad Herennium, I, iv, 6, und I, vii, 11, sowie Brunetto Latini, Rettorica, 102, ed. Maggini, 187–191). Dante selber hat sich recht ausführlich zur Aufgabe eines Prologs geäußert in

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Ep., XIII, 44, und 49–51. Während er an der ersten Stelle des XIII. Briefes, mit Verweis auf Aristoteles, Rhetorica, III, 14, den Unterschied zwischen prooemium, prologus und preludium festhält, präzisiert er im § 49: „notandum quod ad bene exoriendum tria requiruntur, ut dicit Tullius in Nova Rhetorica, scilicet ut benivolum et attentum et docilem reddat aliquis auditorem; et hoc maxime in admirabili genere cause, ut ipsemet Tullius dicit.“ (Vgl. dazu den Kommentar zur Stelle, Ep., XIII, 119, 121–126). Wie Mengaldo in seinem Kommentar zur Stelle zutreffend nachgewiesen hat, enthält der § die verschiedenen elementa narrationis der Rhetorik, nämlich quis (nicht besonders hervorgehoben), cur („Cum neminem […] permictit“), quid („locutioni vulgarium […] temptabimus“), quomodo („non solum aquam […] ydromellum“). cum nenimem … tractasse] Wiewohl der Hinweis auf die Neuheit des untersuchten Themas ein sehr geläufiger Topos der Rhetorik ist, wie bereits erwähnt wurde, ist dennoch auffällig, daß Dante immer wieder die radikale Novität seines Unternehmens betont: Par., II, 7 („L’acqua ch’io prendo giammai non si corse“) bestätigt dies ebenso wie der Anfang der Mon. (I, i, 3), wo er bislang ungehörte Wahrheit zu enthüllen verspricht („fructificare desidero, et intemptatas ab aliis ostendere veritates“). Nicht nur an dieser Stelle, sondern ebenfalls in VE, ix, 1 („cum inquirere intendamus de hiis in quibus nullius autoritate fulcimur“), weist Dante darauf hin, daß vor ihm das Thema der vulgaris eloquentia noch nie behandelt worden ist. non tantum viri … nitantur] Durch diese Worte wird der Quantor omnibus des vorangehenden Satzteiles präzisiert: Dante behandelt einen Gegenstand, der alle Menschen betrifft. Ähnlich der Anfang des Conv., wo die dort behandelte Philosophie als etwas vorgestellt wird, das alle Menschen betrifft. Zur Verwendung der Volkssprache durch die Frauen

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vgl. ebenfalls Conv., I, ix, 5; Ep., XIII, 31 („locutio vulgaris qua et muliercule comunicant“). Zu parvuli vgl. Ep., XI, 10 („Nam etiam in ‚ore lactentium et infantium‘ sonuit iam Deo placita veritas“), wo auf Ps, 8, 3, angespielt wird. discretionem] Dante versteht unter discretio das Unterscheidungsvermögen der Vernunft, mit dessen Hilfe sie nicht nur das eine vom anderen unterscheidet, sondern vor allem Ordnung und Ziel der einzelnen Dinge erfaßt. Dazu vgl. Conv., I, ix, 3: „Si come la parte sensitiva de l’anima ha suoi occhi, con li quali apprende la differenza de le cose in quanto elle sono di fuori colorate, così la parte razionale ha suo occhio, con lo quale apprende la differenza de le cose in quanto sono ad alcuno fine ordinate: e questa è la discrezione.“ Conv., IV, viii, 1, bringt eine wichtige Präzision: „Ché, sì come dice Tommaso sopra lo prologo de l’Etica, ‚conoscere l’ordine d’una cosa ad altra è proprio atto di ragione‘, e è questa discrezione.“ Dante verweist hier auf Thomas von Aquin, Sent. libri Eth., Prolog (Leonina XLVII, 3a): „Sicut dicit Philosophus in principio Metaphysicae, sapientis est ordinare. Cuius ratio est, quia sapientia est potissima perfectio rationis, cuius proprium est cognoscere ordinem, nam etsi vires sensitivae cognoscant res aliquas absolute, ordinem tamen unius rei ad aliam cognoscere est solius intellectus et rationis.“ illorum qui … plateas] Anspielung auf Jer Klgl, 4,14 („erraverunt caeci in plateis“). Vgl. ebenfalls Conv., I, xi, 4, wo das Bild der Blinden mit fehlender Urteilskraft (discrezione) in Verbindung gebracht wird und Matth, 15,14, zitiert wird. anteriora posteriora putantes] Es handelt sich um eine sprechende Weiterführung des Bildes der Blindheit, mit der die Orientierungslosigkeit angedeutet werden soll. Wenn die philosophische Bedeutung der Termini anteriora/posteriora berücksichtigt wird (vgl. dazu die von Aristoteles, Metaph., V, 11, erwähnten Bedeutungen von ‚früher‘), dann ist zusätz-

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lich gemeint, daß diese Blinden ebenfalls jegliche Ordnung mißachten. non solum … ab aliis] Der einleitende Passus wird mit Hinweisen zur Arbeitsweise abgeschlossen. Eine ähnliche Formulierung bei Brunetto, Li livre dou Tresor, I, 1, Carmody 2–3: „Et si ne di pas que le livre soit estrais de mon povre sens ne de ma nue science; mais il est aussi comme une bresche de miel coïllie de diverses flours, car cist livre est compilés seulement des merveilles dis autours ki devant nostre tans ont traitié de philosophie.“ Dieser explizite Verweis auf Vorgänger stellt das Problem der Quellen Dantes. Was VE betrifft, so muß auf zwei verschiedene Arten von Quellen hingewiesen werden, nämlich die philosophisch-theologischen sowie die rhetorischen. Was letztere anbelangt, vgl. G. Nencioni, Dante e la retorica, besonders 93–94, wo daran erinnert wird, daß Dante neben den beiden im Mittelalter Cicero zugeschriebenen Rhetoriken möglicherweise folgende Werke bekannt waren: Matthäus von Vendôme, Ars versificatoria, Gottfried von Vinsauf, Poetria nova, Johannes von Garlandia, Poetria sowie die Summa dictaminis des Guido Fava und das Candelabrum des Bene von Florenz. Besondere Bedeutung kommt indessen den Werken des Brunetto Latini zu, d. h. seiner Rettorica und dem Tresor. Zum Verhältnis Dantes zu Brunetto vgl. F. Mazzoni, Latini, Brunetto, ED, IV, 579–589, sowie den Kommentar zu VE, I, xiii, 1. Das Problem der philosophischen Quellen Dantes ist besonders schwierig. Zur Ausbildung Dantes vgl. Ch. T. Davis, Education in Dante’s Florence; die Benützung des Aristoteles wird untersucht von L. Minio-Paluello, Luoghi cruciali in Dante; zum Verhältnis zu Thomas vgl. den aufschlußreichen Artikel von Kenelm Foster in der ED, V, 626–649; die grundlegende Bedeutung Alberts des Großen für Dante hat B. Nardi in fast all seinen wichtigen Beiträgen betont. Vgl. ebenfalls C. Vasoli, „Fonti albertine nel Convivio di Dante“. Was VE im besonderen betrifft, so ist auffallend, daß Albert keine ent-

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scheidende Rolle zu spielen scheint, während zahlreiche thomistische Reminiszenzen vermerkt werden können. Ein besonderes Problem stellt Dantes Beziehung zu den sog. modistae dar: M. Corti (Dante a un nuovo crocevia, 33–76; Percorsi dell’invenzione, 75–112) glaubte Beziehungen von VE zu den Lehren der modi significandi nachweisen zu können. A. Maierù, Dante al crocevia?, Il testo come pretesto, hat diese Hypothese allerdings heftig – und zweifelsohne zu Recht – bestritten; vgl. dazu ebenfalls I. Pagani, La teoria linguistica di Dante; F. Lo Piparo, „Dante linguista anti-modista“. Die Thesen von Corti werden positiv bewertet von G.C. Alessio, „La grammatica speculativa e Dante“. §2 Nach dem exordium, in dem vor allem die Aufmerksamkeit der Leserschaft durch Hinweis auf Nützlichkeit und Neuheit der Schrift geweckt werden sollte, wird in diesem Abschnitt der Gegenstand (subiectum) der Abhandlung bezeichnet, nämlich die vulgaris locutio, die in zweifacher Weise definiert wird. Auch die Klärung dieser Frage gehört zu einem Proöm, insonderheit wenn es sich um ein philosophisches Werk handelt, deren Vorreden im allgemeinen nach dem von Boethius (In Isagogen Porphyrii commenta, ed. Brandt, 4–5) codifizierten Modell gestaltet sind. In der Vorrede des Boethius sind folgende Punkte erwähnt: intentio auctoris, utilitas, ordo der Bücher und Kapitel, Authentizität sowie die Zuordnung zur philosophischen Disziplin („ad quam partem philosophiae cuiuscumque libri ducatur intentio“). Zur Wirkungsgeschichte des Modells von Boethius vgl. A.J. Minnis, Medieval Theory of Authorship, 9–39. Sed quia … versatur] Es ist eine aristotelische Lehre, daß eine Wissenschaft ihren Gegenstand nicht beweist, sondern dessen Eigenschaften untersucht. So Anal. post., I, 9; 76a16–17: „Ist dieses aber klar, so ist auch klar, daß es nicht Sache der jeweiligen Wissenschaft ist, ihre eigentümlichen

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Prinzipien zu beweisen.“ Die Lehre wurde im Mittelalter gemeinhin rezipiert. Erwähnenswert ist die Formulierung bei Avicenna (Philosophia prima, I, 1, ed. Van Riet, 4): „Constat autem quod omnis scientia habet subiectum suum proprium. Inquiramus ergo quid sit subiectum huius scientiae […] quoniam subiectum omnis scientiae est res quae conceditur esse, et ipsa scientia non inquirit nisi dispositiones illius subiecti.“ Vgl. ebenfalls Averroes, Anal. post., I, comm. 70, sowie Thomas von Aquin, In Phys., I, lect. 1, n. 4: „Nulla autem scientia probat suum subiectum.“ In Conv., II, xiii, 3, formuliert Dante dieselbe Lehre: „però nulla scienza dimostra lo proprio subietto, ma suppone quello.“ An dieser Stelle findet sich auch eine mit „super quod illa versatur“ vergleichbare Formulierung: „ciascuna scienza si muove intorno al suo subietto.“ vulgarem locutionem … incipiunt] An dieser ersten Umschreibung der Volkssprache fällt auf, daß sie die vulgaris locutio durch den Prozeß des Erlernens beschreibt. Der Gesichtspunkt der Angewöhnung wird ebenfalls von Aegidius Romanus betont (De regimine principum, II, ii, c. 7, 180): „Nam videmus in idiomatibus vulgaribus, quod raro potest quis debite et distincte proferre aliquod idioma, nisi sit in eo in ipsa infantia assuefactus.“ Eine aufschlußreiche Beschreibung, wie die Sprache erlernt wird, gibt Robert Kilwardby (De ortu scientiarum, c. XLVII, n. 441, ed. Judy, 152–153): „Si autem quaeris de ipso sermone usuali quomodo addiscitur et an sermone – et dico usualem sermonem idioma in quo quis primo loquitur – dicendum quod ipse semetipsum quodammodo docet et seipso addiscitur, id est ipse in una persona docet se in alia, sicut docet Augustinus in libro I Confessionum. Quando enim pueri nondum novunt exprimere affectus suos, vellent tamen et ad hoc nituntur, et quia non intelliguntur, gemitus et ploratus vagientes emittunt. Ex quadam rationis naturalis sollertia avertunt homines loquentes et motus eorum corporales aut nutus ad res de qui-

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bus loquuntur, et ipsos sermones ac vocabula audita naturaliter recipientes per consuetudinem audiendi retinent et consimiliter proferre nituntur. Et ex coniunctis motibus corporalibus sive nutibus quos in loquentibus vident respectu rerum de quibus loquuntur significationes vocabulorum et omnino sermonum accipiunt et cognoscunt. Et sic per usum audiendi et videndi et naturalem industriam colligendi memoriter quae vident et audiunt et per visum consimiliter exprimendi affectiones suas aliis addiscunt pueri idiomata eorum inter quos educantur. Sic ergo sermo per sermonem addiscitur usque ad primum sermonem quem homo addiscit.“ Zu distinguere voces vgl. Albertus Magnus, De animalibus, IV, ii; Opera omnia, Borgnet, Bd. 11, 90: „Loqui quidem est distinguere et formare articulatim et literatim vocem, quae distinctio praecipue fit per linguam.“ vulgarem locutionem … accipimus] Die zweite, als kürzer bezeichnete Definition umschreibt das Besondere der Volkssprache mit der „regellosen Nachahmung“, als die der Prozeß des kindlichen Erlernens charakterisiert wird. Im Gegensatz zu dieser Stelle, wo die Volkssprache als die von der Amme erlernte Sprache bezeichnet wird, spricht Dante VE, I, vi, 2, von der materna locutio. Vgl H.W. Klein, Latein und Volgare in Italien, 23 f.; Trabant, Europäisches Sprachdenken, 55 f. §3 In diesem § wird der Volks- und Muttersprache ein künstliches Idiom entgegengestellt. Im konkreten Fall ist damit das Latein gemeint, das im Gegensatz zur Volkssprache, die, wie VE,I, i, 1, bezeugt, von allen gesprochen wird, nur von wenigen mit Mühe und viel Zeitaufwand erlernt werden kann. alia locutio … vocaverunt] Wenn Dante hier von einer sekundären Sprache (locutio secundaria) spricht, dann ist dies in erster Linie zeitlich zu verstehen. Diese zweite Sprache wird von ihm als gramatica bezeichnet: Darunter ist hier

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eine künstliche (i, 4), unveränderliche und absolut geregelte Hochsprache (vgl. ix, 11 : „gramatica nichil aliud est quam quedam inalterabilis locutionis ydemptitas diversibus temporibus atque locis“; vgl. ebenfalls Conv., I, xi, 14) zu verstehen, deren Erfindung und Einführung präzisen Bedürfnissen entsprach, wie VE, I, ix, 10–11, dargetan wird. Das Latein gehört selbstverständlich zu dieser Klasse von Sprachen. An anderen Stellen von VE bedeutet gramatica ausschließlich die lateinische Sprache (vgl. x, 1; x, 2; xi, 7; II, vii, 6), wie übrigens ebenfalls im Conv. (III, ii, 18; IV, vi, 3). Zu dieser Wortbedeutung vgl. Mengaldo, Kommenar zur Stelle, sowie ED, s.v. gramatica, III, 259–164. Hanc … et alii] Die Meinung, die Griechen hätten eine sekundäre Kunstsprache besessen, wird erstmals VN, XXV, 3, dann Conv. I, xi, 14, erwähnt. Es gibt keine Anhaltspunkte, um zu bestimmen, was mit et alii gemeint sein könnte. In der Literatur wird meistens auf die Hebräer und Araber verwiesen. ad habitum] Vgl. dazu Conv., I, vi, 7 („l’abito del latino; l’abito di conoscenza distinto de lo volgare“); diese Stelle weist darauf hin, daß habitus hier durchaus im scholastischen Sinne gebraucht wird, d. h. nach Aristoteles (Metaph., V, 20; 1022b1–14). Die doctrina communis faßt Thomas zusammen (Sum. theol., I–II, 49, 1): „Hoc nomen habitus ab habendo est sumptum. A quo quidem nomen habitus dupliciter derivatur: uno quidem modo, secundum quod homo, vel quaecumque alia res, dicitur aliquid habere; alio modo secundum quod aliqua res aliquo modo se habet in se ipsa vel ad aliquid aliud.“ Im zweiten Sinne, auf den sich Dante hier bezieht, meint habitus eine gewisse Qualität, d. h. eine „dispositio secundum quam bene vel male disponitur dispositum“. Vgl. auch Cicero, De inv., I, xxv, 36; II, ix, 30–31. pauci perveniunt … in illa] Im Gegensatz zum imitierenden Erlernen der Muttersprache erfordert das Erlernen der gramatica Zeit und hartnäckige Arbeit. Die beiden Verben

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regulamur und doctrinamur bilden den Gegensatz zu „sine omni regula…imitantes“. Das Latein, d. h. jene gramatica, die Dante direkt betrifft und beschäftigt, ist die Sprache der Gelehrten und Kleriker, jener also, die im Conv. als litterati angesprochen werden. §4 Dieser Abschnitt legt eine Bewertung der beiden Sprachen vor. Im Gegensatz zu Conv. I, spricht Dante hier der Volkssprache den Vorrang zu, den er durch ihr Alter, ihre Verbreitung und ihre Natürlichkeit begründet. Harum … vulgaris] Diese Behauptung eines größeren Adels der Volkssprache ist zu vergleichen mit den diesbezüglichen Aussagen des Conv., namentlich I, v, wo Dante erklärt, aus welchen Gründen er seinen Traktat in der italienischen Volkssprache verfaßt hat. Der Vorrang des Latein (v, 14: „più bello, più virtuoso e più nobile“) wird durch dessen Schönheit (§§13–15), Ausdrucksfähigkeit (§§11–12) und Unveränderlichkeit (§§ 7–9) begründet. Zur Interpretation von Dantes Perspektivenwechsel vgl. C. Grayson, ‚Nobilior est vulgaris‘; Mengaldo 1968, L–LXIV. tum quia … usitata] Die zeitliche Priorität ist der erste Grund, den Dante hier zugunsten des größeren Adels der Volkssprache vorbringt. Auch Conv., I, xii, 5, und xiii, 4–5, wird diese Priorität betont, indessen weist Dante im Conv. darauf hin, daß für den einzelnen Menschen die Volkssprache früher ist, während die Formulierung hier allgemeiner gehalten ist und auch die zeitliche Priorität der Volkssprache im allgemeinen betrifft. tum quia … divisa] Die zweite Begründung spielt auf die weitere Verbreitung der Volkssprache an. Dazu vgl. Conv. I, vi, 10–11; vii, 12,; ix, 2–5. Dante macht gleichzeitig auf die Vielheit der Volkssprachen (vgl. dazu viii, 3–5) aufmerksam, indem er Unterschiede hinsichtlich der Aussprache und des Vokabulars erwähnt. Vgl. vi, 4, wo neben Aussprache und

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Wortschatz noch die constructio als Eigenschaft einer Sprache genannt wird. tum quia … existat] Zum Verständnis der dritten Begründung muß erwähnt werden, daß Dante mit der aristotelischen Tradition davon ausgeht, daß die Kunst (ars) die Natur nachahmt, wie in der Physik gelehrt wird (II, 2; 194a21–22). Die Natur, sofern sie ihrerseits das Denken Gottes nachahmt, ist deswegen im philosophischen Sinne „früher“ als die Kunst. Zum Verhältnis von ars-natura bei Dante vgl. die bedeutsame Stelle Inf., XI, 97–104, wo der Status der zweifachen Nachahmung der menschlichen Kunst – selbstverständlich im mittelalterlichen Sinne der recta ratio factibilium – in aller Deutlichkeit zum Ausdruck kommt: „Philosophie, sprach er, die recht verstanden,/ Lehrt uns nicht nur an einer einzigen Stelle,/ Wie die Natur in ihrem ganzen Laufe/ Aus Gottes Geist und seiner Kunst (dal divino intelletto e da sua arte) geflossen,/ Und wenn du dein Physikbuch recht beachtest,/ So findest du schon auf den ersten Seiten,/ Daß Eure Kunst (arte) ihr folgt so weit als möglich,/ So wie die Schüler ihrem Meister folgen,/ So daß sie Gottes Enkelin zu nennen.“ Vgl. Mon. II, iii, 2, sowie den Kommentar zur Stelle, 293–294. Kapitel ii Mit diesem Kapitel beginnt die eigentlich philosophische Analyse der Sprache, genauer der Umgangssprache im allgemeinen Sinne einer natürlichen und ursprünglichen Sprache des Menschen. Dante entwickelt hier die These, daß die Sprache die spezifische Eigenschaft des Menschen ist. Mit seiner Abfolge von Thesen, Einwänden und Antworten ist das Kapitel sehr klar strukturiert und besteht aus drei Teilen: Die im vorangehenden Kapitel entwickelte These, die Volkssprache sei die erste Sprache des Menschen, aufgreifend, behauptet nun Dante im ersten Teil des Kapitels

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Kommentar zu Kap. ii, 1, 2

(§ 1–2), daß der Mensch das einzige Seiende ist, das Sprache besitzt. Die Grundlage der Argumentation, die in der Negation jeglicher Sprache anderer Wesen besteht, beruht auf dem Axiom, die Natur gehorche dem Ökonomieprinzip, denn jede wesentliche Bestimmung eines Seienden entspricht einer präzisen Ausrichtung auf ein Ziel. Im zweiten Teil des Kapitels (§3–4) wird, nach einer wichtigen Klärung der Funktion der Sprache (§ 3), nachgewiesen, daß die Engel keine Sprache besitzen, weil sie ihrer nicht bedürfen, bevor der Einwand, der bezüglich der gefallenen Engel vorgebracht werden könnte, widerlegt wird (§ 4). Daß auch die Tiere keine Sprache brauchen, wird im dritten Teil des Kapitels gezeigt (§ 5–7). Weder biblische (§6) noch literarische Einwände (§ 7) haben die Kraft, die im abschließenden Paragraphen (§ 8) wiederholte Hauptthese zu erschüttern. §1 soli homini datum est loqui] Die Sprache ist eine wesensspezifische Auszeichnung des Menschen, die in einer Notwendigkeit begründet ist: Allein der Mensch braucht Sprache im Gegensatz zu den über ihm stehenden Engeln und den unter ihm einzustufenden Tieren. Wie bereits Thomas von Aquin im Anschluß an Aristoteles festhält, ist der Mensch das kommunikativste Seiende: „Magis igitur homo est communicativus alteri quam quodcumque aliud animal“ (De regno, c. 1; Leonina XLII, 450a). §2 quod … facere natura abhorret] Die Argumentation Dantes, die darauf hinausläuft zu beweisen, daß allein der Mensch Sprache besitzt und Sprache braucht, setzt ein spezifisches Verständnis der Natur voraus, zu dessen Klärung auf einen Passus in der Mon. (II, ii, 2) verwiesen werden kann:

Kommentar zu Kap. ii, 2

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„sciendum est igitur quod, quemadmodum ars in triplici gradu invenitur, in mente scilicet artificis, in organo et in materia formata per artem, sic et naturam in triplici gradu possumus intueri. Est enim natura in mente primi motoris, qui Deus est; deinde in celo, tamquam in organo quo mediante similitudo bonitatis ecterne in fluitantem materiam explicatur.“ Die erste der drei hier erwähnten Bedeutungen des Ausdrucks ‚natura‘ identifiziert dieser Passus mit der göttlichen Kunst. An mehreren Stellen bezeichnet Dante Gott als natura naturans (vgl. VE, I, vii, 4; Conv., III, iv ; Mon., II, ii, 3). Das Verhältnis der geschaffenen Realität, d. h. also der natura naturata, zum verursachenden Prinzip ist die Teilhabe. In einer zweiten Bedeutung ist unter Natur der Himmel, d. h. die überirdische Welt, zu verstehen, welcher mit der natura universalis zu identifizieren ist (vgl. dazu Conv., IV, xxxvi, 3), der die natura particularis untergeordnet ist und deren Funktion Dante (Questio, §44) folgendermaßen umschreibt: „Sed intentio Nature universalis est ut omnes formae, que sunt in potentia materie prime, reducantur in actum, et secundum rationem speciei sint in actu; ut materia prima secundum suam totalitatem sit sub omni forma materiali, licet secundum partem sit sub omni privatione opposita, preter unam.“ In diesem dreifachen Verständnis der Natur kommt Dantes hierarchisches Weltverständnis zum Ausdruck, das mit der aristotelischen Zweiteilung der Welt (sublunar/ supralunar) ein Gottesverständnis verbindet, das den unbewegten Beweger als Prinzip und Schöpfer deutet. Mit dieser Sicht der Wirklichkeit ist die Idee einer durchgängigen Rationalität des Wirklichen verknüpft, nach der jedes Seiende in der Wirklichkeit seinen Ort besitzt und gemäß einer alles durchwaltenden Teleologie eine spezifische Funktion erfüllt. Die aristoteliche Sentenz, gemäß der es in der Natur nichts Überflüssiges gibt (AA De anima, n. 168; Hamesse, 188: „natura nihil facit frustra, unde non deficit in necessariis, nec abundat in superfluis“ nach De an., III, 9; 432b21–23)

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Kommentar zu Kap. ii, 3

drückt den Gedanken der metaphysischen Sparsamkeit unmißverständlich aus. Dante bezieht sich darauf mehrfach: Mon., I, iii, 3; I, x, 1; II, vi, 2; II, vi, 4; Conv., III, xv, 8–9; Par., VIII, 113–114. Zur Geschichte der Ausdrücke natura naturans/ naturata vgl. O. Weijers, „Contribution à l’histoire des termes ‚natura naturans‘ et ‚natura naturata‘ jusqu’à Spinoza“, 70–80; der Artikel „Natura“ von Volpini (ED, IV, 14–17) ist gut dokumentiert. §3 nostre mentis enucleare aliis conceptum] Die Funktion der Sprache wird hier in enger Anlehnung an Formulierungen des Thomas von Aquin beschrieben, vgl. vor allem Sum. theol., I, 107, 1: „Nihil est enim aliud loqui ad alterum quam conceptum mentis alteri manifestare.“ Vgl. auch De ver., 9, 4. Dieses Verständnis der Sprache geht indes auf Platon zurück: Timaeus, 47C Wasink, 44: „propterea sermonis est ordinata communicatio, ut praesto forent mutuae voluntatis indicia.“ Dante beschreibt die Funktion der Sprache in Conv., I, v, 12, in identischer Weise: „lo sermone […] è ordinato a manifestare lo concetto umano.“ sufficientiam intellectus] Der Ausdruck faßt den Grund zusammen, weshalb die Engel keiner Sprache bedürfen. Er bezeichnet die intuitive Unmittelbarkeit der Erkenntnis der Engel, die im Gegensatz steht zur menschlichen Diskursivität und für die eine zeichenhafte Vermittlung überflüssig ist. Das unmittelbare Sehen der Gedanken des anderen Engels ist entweder direkt („alter alteri totaliter innotescit per se“) oder durch den göttlichen Intellekt vermittelt. per illud fulgentissimum Speculum] Dante verwendet an dieser Stelle die Spiegelmetapher, um den göttlichen Geist, durch den ein Engel die Gedanken eines anderen erfassen kann, zu bezeichnen. Diese Metapher benützt er ebenfalls in Par., XV, 62–63, und Par., XXVI, 106–108. Der Ursprung der Metapher ist biblisch: Weish, 8, 26. Nach P.

Kommentar zu Kap. ii, 4

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Mengaldo („Preistoria e componenti di una tesi dantesca“) kann der Passus in Verbindung gebracht werden mit einer Stelle im Speculum naturale des Vinzenz von Beauvais: „Nec est idem in angelo loqui quod cogitare vel intelligere, sed cogitatum vel intentum quadam luminositate irradiante aliis exprimere“ (cf. Speculum naturale, I, c. 39, 46). Hier unterscheidet Vinzenz, der wahrscheinlich von Albert dem Großen abhängt, zwischen einer direkten Kommunikation der Engel („cogitatio directa per voluntatem ostendendi alteri ipsum cogitatum vel intentum“) und einer indirekten: „locutio per gratiam secundum virtutem speculi.“ Es gilt allerdings festzuhalten, daß Dante 1. sich ausdrücklich, in Widerspruch zur geläufigen Auffassung, weigert, die Kommunikation der Engel untereinander als locutio zu deuten; und daß er 2. den von Thomas und den meisten Theologen hervorgehobenen Aspekt, daß eine Kommunikation einen Akt des Willens, d. h. ein Mitteilenwollen, voraussetzt, in diesem Kontext gänzlich vernachlässigt. Zur Frage der Engels- und Tiersprache bei Dante vgl. I. Rosier-Catach, „Solo all’uomo fu dato di parlare. Dante, gli angeli e gli animali“; Dies., „Il n’a été qu’à l’homme donné de parler. Dante, les animaux et les anges“ (dort weitere Literaturangaben zum Thema). nullo signo locutionis] Es gibt durchaus einen Gedankenaustausch der Engel, aber er bedarf keines vermittelnden Zeichens. Wie VE, I, iii, 2, verdeutlicht, ist ein sinnlich-vernüftiges Zeichen erforderlich, damit Menschen ihre Gedanken austauschen können. Zudem kann nach Dante nicht von Sprache die Rede sein, wenn kein derartiges Zeichen existiert. §4 Dieser Paragraph bringt einen Einwand bezüglich der gefallenen Engel vor: Haben sie diese vollkommene Form der Fremderkenntnis nicht verloren? Dante weist den Einwand in

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Kommentar zu Kap. ii, 5

zwei Schritten zurück, zuerst indem er betont, er wolle sich nicht mit der Abweichung von der Ordnung der Natur beschäftigen. Danach hält er fest, daß die Fremderkenntnis der Dämonen einerseits sich auf ein Minimum beschränkt und andererseits daß sie mit derjenigen vor dem Fall identisch ist. quia est et quantus est] Damit wird der Umfang der Fremderkenntnis der Teufel beschrieben. Es genüge, meint Dante, daß sie die Existenz (quia est) des andern Engel und seine hierarchische Stellung (quantus est) erfassen. Die philosophische Tradition aristotelischer Prägung unterscheidet zwischen dem Erfassen der Existenz von etwas und der Kenntnis der Gründe eines Existierenden (propter quid). Der Ausruck ‚quantus‘ ist hier im Sinne des Grades der Vollkommenheit zu verstehen, wie es die Schrift De quantitate animae Augustins lehrt. Ein Hinweis von Thomas (Sum. theol., I, 42, 1, ad 1) fasst diese Konzeption zusammen: „duplex est quantitas. Una scilicet quae dicitur quantitas molis, vel quantitas dimensiva, quae in solis rebus corporalibus est […] Sed alia est quantitas virtutis, quae attenditur secundum perfectionem alicuius naturae vel formae.“ §5 nam omnibus eiusdem speciei … passiones] Zu dieser Argumentation vgl. Albertus Magnus, De anima, II, tr. III, c. 22 ; ed. Col., 131: „Licet enim bruta habeant imaginationem […] tamen non moventur ab ipsis imaginatis […], sed a natura: et ideo omnia similiter operantur; una enim hirundo facit nidum sicut et alia, et haec imitatio est naturae potius quam artis. Ideo anima imaginativa in eis non regit naturam neque agit eam ad opera secundum diversa imaginata, sicut facit homo, sed potius regitur a natura et agitur ad opera ab ipsa, et ideo fit, quod licet habeant apud se imaginata, tamen ad exprimendum illa non formant voces. Affectus autem laetitiarum et tristitiarum magis profundantur in natura quam in anima, et ideo illos exprimunt sonis et garritibus.“ Ebenfalls

Kommentar zu Kap. ii, 6

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Thomas von Aquin, Sent. libri Ethic., X, 8; Leonina XLVII, 576b): „Cuius ratio est, quia operationes et delectationes aliorum animalium consequuntur naturalem inclinationem, quae est eadem in omnibus animalibus eiusdem speciei, sed operationes et delectationes hominum proveniunt a ratione, quae non determinatur ad unum.“ §6 de serpente … vel de asina Balaam] Analog zum §4 legt Dante drei Einwände bezüglich der Sprache der Tiere vor, indem er Fälle anführt, in denen Tiere sich der Sprache bedient zu haben scheinen. Zuerst erinnert er an Gen, 3, 1–5, wo erzählt wird, die Schlange habe mit Eva gesprochen; danach wird das Beispiel der Eselin von Balaam angeführt (Num, 32, 28–31), die den heidnischen Propheten ermahnt hat. Dante argumentiert, indem er in beiden Fällen darauf hinweist, daß nicht die Tiere gesprochen haben, sondern der Teufel oder ein Engel sich eines Tieres bedient hat, um sprachliche Laute hervorzubringen. Die Deutung Dantes ist mit derjenigen Augustins zu vergleichen: De Gen. ad litt., XI, 29: „sic ergo locutus est serpens homini, sicut asina, in qua sedebat Balaam, locuta est homini, nisi quod illud fuit opus diabolicum, hoc angelicum.“ Diese Auslegung wurde auch von Petrus Lombardus in das Sentenzenbuch aufgenommen (II, d. 21, 4), und Thomas übernimmt sie ebenfalls wörtlich Sum. theol., II–II, 165, 2 ad 4. Es ist interessant festzuhalten, daß die locutio aus der vox distincta entsteht. Vgl. dazu Albertus Magnus, De anima, II, tr. III, c. 22; ed. Col., 131: „Concluditur igitur diffinitio vocis, quod vox est percussio respirati aeris ad arteriam vocativam, ab anima per imaginationem aliquam eam formante, quae est in partibus illis quae ad respirationem congruunt. Non enim omnis animalis sonus vox est, sicut diximus; […] vox enim est sonus aliquid significans, et non est sonus simpliciter respirati aeris, sicut est tussis. Et cum duo sint in anima, affectus scilicet

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Kommentar zu Kap. ii, 7

doloris vel gaudii et conceptus cordis de rebus, non est vox significans affectum, sed potius conceptum […], et ideo vox non est nisi habentis intellectum concipientem intentiones rerum et ideo ad exprimendum conceptum format voces. Cetera autem animalia affectus habentia sonos suos affectus indicantes emittunt et ideo non vocant.“ §7 Si vero … quod Ovidius dicit] Der zweite Einwand stützt sich auf Ovid, Metam., V, 294–299, sowie 677–678: „Nunc quoque in alitibus facundia prisca remansit/ raucaque garrulitas studiumque inmane loquendi.“ „Jetzt noch haben die Vögel die alte Begabung zu sprechen,/ krächzende Redseligkeit und endlos Verlangen zu schwatzen.“ Et si dicatur … dixisset] Der dritte Einwand verweist gleichzeitig auf die Erfahrung, nämlich auf sprechende Vögel. Bereits im Conv., III, vii, 8–9, hat Dante die hier formulierte Lösung vorgeschlagen: „E se alcuno volesse dire contra, dicendo che alcuno uccello parli, sì come pare di certi, massimamente de la gazza e del pappagallo, e che alcuna bestia fa atti ovvero reggimenti, si come pare de la scimia e d’alcuno altro, rispondo che non è vero che parlino né che abbiano reggimenti, però che non hanno ragione, da la quale queste cose convengono procedere; né è in loro lo principio di queste operazioni, né conoscono cosa sia ciò, né intendono per quello alcuna cosa significare, ma solo quello che veggiono e odono ripresentare.“ Vgl. dazu Huguccio, Derivationes, s.v. poio, p. 948–949: „Item a poeta vel poetrida hec pica -ce, quedam avis, quasi poetrica, quia pice verba in discrimine vocis exprimunt ut homo, etsi linguas in sermone nequunt explicare, sonum tamen humanae vocis imitantur. […] Et hic psitacus -ci, quedam alia avis […] unde et articulata verba exprimit, ita ut si eam non videas hominem loqui putes.“

Kommentar zu Kap. iii, 1

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Kapitel iii Während Dante im vorangehenden Kapitel die These, allein der Mensch besitze Sprache, durch die Negation einer Sprache der Engel und der Tiere aufgewiesen hat, wird hier diese zentrale Behauptung aus der Natur des Menschen abgeleitet. Das außergewöhnlich konzise Kapitel umfaßt zwei Teile: Zuerst wird die Doppelnatur des Menschen als zugleich vernünftiges und sinnliches Wesen in Erinnerung gerufen (§1). Danach wird gezeigt, daß es eines sowohl vernünftigen als auch sinnlichen Zeichens bedarf, wenn die Gedanken eines Menschen von einem anderen erfaßt werden sollen (§2). Das Kapitel wird mit dem Hinweis beschlossen, daß eben dieses Zeichen, d. h. dieser „edle Gegenstand“, in diesem Traktat untersucht und zum Gegenstand einer wissenschaftlichen Betrachtung erhoben werden soll. §1 In diesem Abschnitt werden die Gründe vorgetragen, weshalb der Mensch Sprache braucht, nämlich weil er ein vernünftiges („ratione movetur“), ein freies („circa iudicium vel circa electionem diversificetur“) und ein aus Seele und Körper zusammengesetztes Seiendes ist. Die Besonderheit des Menschen im Vergleich zu den Engeln und den Tieren erklärt ein aufschlußreicher Text des Conv. (III, vii, 5): „Cosí la bontà di Dio è ricevuta altrimenti da le sustanze separate, cioè da li Angeli, che sono sanza grossezza di materia, quasi diafani per la purità della loro forma, e altrimenti da l’anima umana, che, avvegna che da una parte sia da materia libera, da un’altra è impedita, si come l’uomo ch’è tutto nell’acqua fuor del capo, del quale non si può dire che tutto sia ne l’acqua nè tutto fuor da quella; e altrimenti da li animali, la cui anima tutta in materia è compresa, ma alquanto è nobilitata.“ vel circa discretionem vel circa iudicium vel circa electionem] Der Mensch ist nicht bloß ein vernunftbegabtes, son-

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Kommentar zu Kap. iii, 2

dern ebenfalls ein freies Wesen, was Dante hier mit drei Ausdrücken verdeutlicht. Diese Freiheit ist die Grundlage der für ihn so bedeutsamen ethischen Verantwortung. Im Zusammenhang mit der Sprache bedeutet dieses freie Urteil, daß die sprachliche Mitteilung einen Akt des Willens voraussetzt. quilibet sua propria specie videatur gaudere] Mit diesem auf den ersten Blick überraschenden Gedanken will Dante die Besonderheit des Menschen hervorheben, indem er auf die individuelle, letztlich undurchdringliche Sphäre des geistigen Innenlebens des Einzelnen hinweist. Noch einmal wird auf diese Weise deutlich, welche Konsequenzen sich aus der Verbindung von Rationalität und Freiheit ergeben. cum … humanus spiritus sit obtectus] Das Argument, daß der Mensch aufgrund dieser Zwischenstellung eines sinnlichen Zeichens bedarf, um einem anderen seine Gedanken mitzuteilen, ist verwandt mit einer Überlegung des Thomas von Aquin: Sum theol., I, 107, l, ad 1: „dicendum quod in nobis interior mentis conceptus quasi duplici obstaculo clauditur. Primo quidem ipsa voluntate, quae conceptum intellectus potest retinere interius, vel ad extra ordinare. Et quantum ad hoc, mentem unius nullus alius potest videre nisi solus Deus; secundum illud I Cor. II, quae sunt hominis nemo novit nisi spiritus hominis, qui in ipso est. Secundo autem clauditur mens hominis ab alio homine per grossitiem corporis. Unde cum etiam voluntas ordinat conceptum mentis ad manifestandum alteri, non statim cognoscitur ab alio, sed oportet aliquod signum sensibile adhibere […] Hoc autem obstaculum non habet angelus.“; vgl. auch Sent., II. d. IX, q. 2, a. 3: „Sed angeli habent intellectum non obtectum corpore.“ §2 rationale signum et sensuale] Wenn sprechen, wie ii, 3, erklärt wurde, bedeutet: einem anderen seine Gedanken mitteilen, dann stellt sich die Frage, wie ein körperliches Wesen

Kommentar zu Kap. iii, 3

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seine Gedanken einem andern mitteilen kann. Dante zieht die logische Folgerung, daß dies nur möglich ist mittels eines zugleich vernünftigen und sinnlich wahrnehmbaren Zeichens. Sowohl Bonaventura (Sent., II, d. 10, a. III, q. l: „Et hoc conveniens est, ut, sicut homo compositus est ex anima et corpore, ita eius locutio aliquid habeat spirituale, aliquid corporale.“) als auch Thomas von Aquin (De ver., 9, 4: „Et similiter esset apud nos, si intellectus noster posset ferri intelligibilia immediate: sed quia intellectus noster a sensibilibus naturaliter accipit, oportet quod ad interiores conceptus exprimendos quaedam sensibilia signa aptentur, quibus cognitiones cordium nobis manifestentur.“) haben diese Bedingungen klar formuliert. Vgl. auch Sum. theol., II–II, 85, 1: „Est autem modus convieniens homini, ut sensibilibus signis utatur ad aliqua exprimenda, quia ex sensibilibus cognitionem accipit.“ §3 significare … ad placitum] Dante greift die zu Beginn von De interpretatione von Aristoteles verwendete Formulierung (in der Übersetzung des Boethius) zur Bezeichnung der Besonderheit der Sprache im Gegensatz zu den Gedanken auf: Die sprachlichen Zeichen bedeuten etwas gemäß einer Übereinkunft (kata syntheken; 16a19). Aristoteles verwendet das Syntagma ad placitum im Zusammenhang mit der Definition von Nomen und Verb, aber die Tradition hat dieses Kennzeichen auf die Sprache als solche übertragen, was durchaus mit der Beschreibung des sog. semantischen Dreiecks im ersten Kapitel der Schrift vereinbar ist: „Nun sind die (sprachlichen) Äußerungen unserer Stimme ein Symbol für das, was (beim Sprechen) unserer Seele widerfährt, und das, was was wir schriftlich äußern, (ist wiederum ein Symbol) für die (sprachlichen) Äußerungen unserer Stimme. Und wie nicht alle (Menschen) mit denselben Buchstaben schreiben, so sprechen sie auch nicht alle diesel-

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Kommentar zu Kap. iii, 3

be Sprache. Die seelischen Widerfahrnisse aber, für welche dieses (Gesprochene und Geschriebene) an erster Stelle ein Zeichen ist, sind bei allen (Menschen) dieselben; und überdies sind auch schon die Dinge, von denen diese (seelischen Widerfahrnisse) Abbildungen sind, (für alle) dieselben.“ Norman Kretzmanns Behauptung, es handle sich hier und den „most influential text in the history of semantics“, ist zweifellos zuzustimmen. Der Passus bildet auch den Hintergrund der sprachphilosophischen Reflexion von Dante. Zur Interpretation der überaus bedeutsame Stelle vgl. den hervorragenden Kommentar von Hermann Weidemann in seiner Übersetzung (Aristoteles, Peri Hermeneias. Weidemann, 134–151, zu ad placitum 166–170). Möglicherweise hat Dante die eine oder andere mittelalterliche Deutung des Textes gekannt, vgl. z. B. Albertus Magnus, De anima, II, tr. III, c. 22; ed. Col., 13l: „vox est sonus formatus in signum, quod ad placitum significat rem; et ideo de re facit notitiam sicut signum, et ideo non percipit illam vocem, qui nescit institutionem signi.“; Thomas von Aqquin, Sum. theol., I, 13, l: „Respondeo dicendum quod, secundum Philosophum voces sunt signa intellectuum et intellectus sunt rerum similitudines. Et sic patet quod voces referentur ad res significandas, mediante conceptione intellectus. Secundum igitur quod aliquid a nobis intellectu cognosci potest, sic a nobis potest nominari.“; Sum. theol., II–II, 85, 1, ad 3: „significare conceptus suos est homini naturale: sed determinatio signorum est secundum humanum placitum.“ Es muß an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, daß nach der Darstellung von VE die Konventionalität der Sprache erst nach dem Turmbau zu Babel wirksam ist (vgl. vor allem ix, 6, wo der Ausdruck beneplacitum fällt), da die Sprache Adams (vi, 4) ihm von Gott eingepflanzt wurde und die erste Vervielfältigung der Sprachen anläßlich des Turmbaus von Babel eine Strafe Gottes war (vgl. vii–viii). Dante hat diese Auffassung aufgegeben, da in Par., XXVI, 124–132, die Variabilität der Sprache von

Kommentar zu Kap. iii, 3; iv

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Anfang an gegeben war, wie die Aussage Adams bestätigt: „Die Sprache (lingua), die ich sprach, ist ganz erloschen/ Schon lang bevor zu dem unmöglichen Werke/ Die Völker Nimrods angetreten waren./ Denn niemals sind die Werke des Verstandes,/ Weil sich der Menschen Wille mit dem Drehen/ Des Himmels ändert, dauerhaft (durabile) gewesen./ Werk der Natur ist, daß die Menschen sprechen (opera naturale è ch’uom favella),/ Doch hat sie, ob auf die und jene Weise,/ Euch selber nach Belieben überlassen.“ Zu dieser Entwicklung vgl. B. Nardi, Dante e la cultura medievale, 173–187; M. Corti, Dante a un nuovo crocevia, 59–60 und 73. Kapitel iv Mit diesem Kapitel beginnt die historisch-genetische Untersuchung zum Ursprung der Sprache, denn Dante schlägt eine Erklärung der Entstehung der Sprache und ihrer Entwicklung bis zum Turmbau von Babel vor. Es sind in diesem Vorhaben drei Momente zu unterscheiden. (A) Zuerst (c. iv–vi) wird die Zeit vor dem Turmbau von Babel gemäß einem präzisen Fragenkatalog abgehandelt. (B) Danach legt Dante seine Interpretation der biblischen Erzählung vor (c. vi [Ende]–vii). (C) Schließlich wird in einem dritten Teil (c. viii– ix) die Vervielfältigung der Sprachen nach dem Turmbau erörtert, wobei im Kapitel ix die wahre philosophische Erklärung für den notwendigen Wandel und die Multiplikation der Sprachen vorgelegt wird. Dante verbindet in diesen Kapiteln Bibelinterpretation, historische Beschreibung und philosophische Begründung in einer einzigartigen Weise. Das vierte Kapitel, welches das Programm der genetischen Erklärung des ersten Teiles (A) enthält (§ 1), antwortet auf drei der fünf programmatisch angekündigten Fragen: (1) Wer hat als erster Mensch gesprochen, (2) was hat er gesagt,

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Kommentar zu Kap. iv, 1, 2

(3) mit wem hat er gesprochen, (4) wann hat er gesprochen, (5) in welchem Idiom hat er die ersten Worte artikuliert? In den §§ 2–3 wird erklärt, daß Adam als erster gesprochen hat; sein erstes Wort war El (Gott; § 4), und Gott war auch der erste Adressat der adamitischen Rede (§5–7). Es ist beachtenswert, daß Dante unter dem Vorwand einer vernünftigen Bibelauslegung (§3) die Vermutung widerlegt, Eva habe als erste gesprochen. §1 Dante enthüllt in diesem § das Programm, das in den Kapiteln iv–vi verwirklicht wird, indem er sukzessive auf die in diesem Abschnitt vorgelegten Fragen antwortet. Die klassischen Fragen, auf die hinsichtlich menschlicher Tätigkeiten im allgemeinen geantwortet werden soll, sind beispielsweise in dem von Matthaeus von Vendôme zitierten (Ars versificatoria I, Faral, 116) Merkvers enthalten: „Attributa vero, tam negotii quam personae, in hoc versiculo continentur: Quis, quid, ubi, quibus auxiliis, cur, quomodo, quando.“ Dante wendet diese Fragen auf sein Thema, d. h. auf die Sprache und ihren Ursprung, an und berücksichtigt: (1) quis, (2) quid, (3) ubi, (4) quando und (5) quomodo. §2 in principio Genesis] Vgl. Gen, 3, 1–5: „Et serpens erat callidior cunctis animantibus agri, quae fecerat Dominus Deus. Qui dixit ad mulierem: ‚Verene praecepit vobis Deus, ut non comederetis de omni ligno paradisi?‘ Cui respondit mulier: ‚De fructu lignorum, quae sunt in paradiso, vescimur; de fructu vero ligni, quod est in medio paradisi, praecepit nobis Deus, ne comederemus et ne tangeremus illud, ne moriamur.‘ Dixit autem serpens ad mulierem: ‚Nequaquam morte moriemini! Scit enim Deus quod in quocumque die comederitis ex eo, aperientur oculi vestri, et eritis sicut Deus scientes bonum et malum.‘“ De fructu lignorum … moriamur] Gen, 3, 2–3.

Kommentar zu Kap. iv, 3

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§3 In diesem §, wo Dante zeigen will, daß nicht, wie es die biblische Erzählung nahelegt, Eva, sondern Adam als erster gesprochen hat, fällt auf, daß er sich bei dieser Umdeutung auf ein „vernünftigeres“ Vorgehen beruft, was bedeutet, wie auch des Vorkommen der Ausdrücke rationabilius und rationabiliter bestätigt, daß Dante eine philosophische Bibelauslegung praktizieren will, wie auch spätere Passagen eindeutig belegen (z. B. § 4; v, 1). Andererseits ist diese Deutung der traditionellen Lehre der Minderwertigkeit der Frau verpflichtet, wie sie beispielsweise in folgendem Satz zum Ausdruck kommt: „naturaliter femina subiecta est viro: quia naturaliter in homine magis abundat discretio rationis“ (Thomas von Aquin, Sum. theol., I, 92, 1 ad 2). Diese Unterordnung hängt damit zusammen, daß nach der Lehre des Aristoteles (De gen. an., II, 3; 737a 27) die Frau ein mas occasionatus, d. h. ein verunglückter Mann, ist, was Thomas in folgender Weise rechtfertigt und auslegt (Sum. theol., I, 92, 1, ad 1): „Ad primum ergo dicendum quod per respectum ad naturam particularem, femina est aliquid deficiens et occasionatum. Quia virtus activa quae est in semine maris, intendit producere sibi simile perfectum, secundum masculinum sexum, sed quod femina generetur, hoc est propter virtutis activae debilitatem, vel propter aliquam materiae indispositionem, vel etiam propter aliquam transmutationem ab extrinseco, puta a ventis australibus, qui sunt humidi, ut dicitur in libro De generatione animalium. Sed per comparationem ad naturam universalem, femina non est aliquid occasionatum, sed est de intentione naturae ad opus generationis ordinata. Intentio autem naturae universalis dependet ex Deo, qui est universalis auctor naturae. Et ideo instituendo naturam, non solum marem, sed etiam feminam produxit.“

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Kommentar zu Kap. iv, 4

§4 El] In diesem Abschnitt wird die Frage beantwortet, was der erste Sprechende (Adam, wie § 3 behauptet) gesprochen habe. Es ist das hebräische Wort El, das Gott bedeutet. Auffallend ist, daß Dante diese These in der ersten Person ausspricht: non titubo. Im ersten Buch von VE gibt es nur noch zwei andere Stellen, an denen Dante in der ersten Person spricht: vii, 8 (conicio) und ix, 7 (reor). In Par., XXVI, 133–138, hat Dante die hier vertretene Auffassung aufgegeben und behauptet nun, der erste Name Gottes sei I gewesen: „Eh ich hinabstieg in der Hölle Bangen,/ Hiess ‚I‘ auf Erden das höchste Wesen,/ Vom dem die Freude kommt, die mich umhüllet./ ‚El‘ hiess es später, und das musste kommen,/ Denn aller Menschen Sitte gleicht dem Laube/ Der Bäume, das vergeht und wiederkehrt.“ Das stimmt mit der Meinung überein, die bereits oben erwähnt worden ist, daß Adam eine Sprache erfunden hat (Par., XXVI, 114: „Und welche Sprache (idioma) ich mir schuf und brauchte.“), die untergegangen ist (Par., XXVI, 124–132): „Die Sprache, die ich sprach, ist ganz erloschen/ Schon lang bevor zu dem unmöglichen Werke/ Die Völker Nimrods angetreten waren./ Denn niemals sind die Werke des Verstandes, / Weil sie der Menschen Wille mit dem Drehen/ Des Himmels ändert, dauerhaft gewesen./ Werk der Natur ist, daß die Menschen sprechen,/ Doch hat sie, ob auf die und jene Weise,/ Euch selber nach Belieben überlassen.“ cum ab ipso et in ipso factus fuisset] Vgl. Röm, 11, 36: „Quoniam ex ipso et per ipsum et in ipsum omnia.“ heu] Typische Interjektion des Schmerzes und der Trauer. Dante erinnert auf indirekte Weise an Gen, 3, 16–17, wo Gott zu Eva sagt, sie werde nunmehr in Schmerzen Kinder gebären, und zu Adam, er werde in Mühsal sein Leben lang seine Nahrung sich besorgen müssen. Der anthropologische Pessimismus, der damit verbunden ist, wird im Traktat De miseria humanae conditionis von Innozenz III. (I, 6; ed. Maccarrone,

Kommentar zu Kap. iv, 5, 6

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13) gerade im Zusammenhang mit der Interjektion heu auf eindrückliche Weise zum Ausdruck gebracht: „Omnes nascimur eiulantes, ut naturae miseriam exprimamus. Masculus enim recenter natus dicit ‚a‘, femina vero ‚e‘. Unde versus „Et dicent ‚e‘ vel ‚a‘, quotquot nascuntur ab Eva“. Quid est igitur Eva nisi ‚heu-a‘? Utrumque dolentis est interiectio, doloris exprimens magnitudinem.“ §5 Dieser § ist dem Einwand gewidmet, ob nicht Gott als erster sich der Sprache bedient habe. Aber der Einwand wird mit der Begründung zurückgewiesen (§ 6), daß die locutio im wahren Sinne Gott nicht zugesprochen werden kann: „soli homini datum est loqui“ (ii, 1 und ii, 8,; iv, 1). §6 In Anspielung auf Ioh, 1, 3 („Omnia per ipsum facta sunt: et sine ipso factum est nihil.“) wird hier die Allmacht Gottes mit dem Hinweis auf meteorologische Vorgänge betont. Ohne sich im eigentlichen Sinne der Sprache zu bedienen, kann also Gott auch sprachliche Laute produzieren. alterationes] Die alteratio ist eine der vier Arten der Bewegung, die in der aristotelischen Philosophie vorgesehen sind: Sie ist zu verstehen als motus secundum quale (vgl. Phys., V, 2; 226a26), also als Qualitätsveränderung. Davon zu unterscheiden sind die quantitative Veränderung, die Ortsbewegung (motus localis) sowie das Entstehen und Vergehen (generatio/ corruptio). Vgl. dazu Phys., VIII, 1; 250b9–251b13. Zu den an dieser Stelle erwähnten meteorologischen Phänomenen vgl. Meteorologica, II, 4. Allerdings hängt Dantes Beschreibung der Phänomene offensichtlich von Augustin ab (De Gen. ad litt., III, 10,20): „[aer] et commotus ventos, et vehementius concitatus etiam ignes ac tonitrua et contractus nubila et conspissatus pluviam, et congelantibus nubilis nivem et turbulentius congelantibus den-

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Kommentar zu Kap. v

sioribus nubilis grandinem et distentus serenum facit occultis imperiis et opere Dei a summis ad infima universa, quae creavit, administrantis. Unde in illo Psalmo, cum commemorata essent; ignis, grando, nix, glacies, spiritus tempestatis, ne talia sine divina providentia fieri moverique putarentur, continuo subiecit: quae faciunt verbum eius.“ Augustin verweist an dieser Stelle auf Ps, 148, 8: „Ignis, grando, nix, glacies, spiritus procellarum, quae faciunt verbum eius.“ Aufschlußreich ist auch Augustins Kommentar zu diesem Psalmvers: (Enarr. in Ps.,. 148, l0–2): „Multi stulti non valentes contemplari et discernere creaturam locis suis et ordine suo, sub nutu et iussu Dei agentem motus suos, visum est illis quia superiora omnia Deus gubernat inferiora vera despicit, abicit, deserit, ut nec curet ista, nec gubernet, nec regat […] Qui ergo disposuit membra vermiculi, non gubernat imbres? […] Non tibi ergo videantur casibus moveri, quae verbo Dei in omni motu suo deserviunt. Quo vult Deus, illuc ignis, illuc fertur nubes, sive pluviam sive nivem, sive grandinem portet. […] Ergo quemadmodum ignis, grando, nix, glacies, spiritus tempestatis, quae faciunt verbum eius, sic omnia quae vanis videntur in rerum natura temere fieri, non faciunt nisi verbum eius, quia non fiunt nisi iussu eius.“ Es ist allerdings auffallend, daß Dante im Gegensatz zu Augustin sich nicht auf das verbum Dei bezieht, sondern vom imperium nature spricht. nature inferioris] Damit ist die sublunare Welt gemeint; vgl. den Kommentar zu ii, 2. Kapitel v In diesem Kapitel werden entsprechend dem in iv, 1, angekündigten Programm der Zeitpunkt (§ 1– 3) und der Ort (§4) der ersten Rede Adams behandelt. Es ist auffallend, daß Dante in diesem und in den folgenden Kapiteln neuerdings be-

Kommentar zu Kap. v, 1

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tont, er wolle eine vernünftige Bibelinterpretation betreiben. Es kann auch hervorgehoben werden, daß nach dieser Deutung Dantes der erste Akt des Menschen das Sprechen war (vgl. §1). Die Bedeutung der Sprachfähigkeit des Menschen wird auch durch die Antwort auf einen Einwand (§2) deutlich: Gott freut sich über das sprachlich artikulierte Lob des Menschen ebenso wie der das Lob artikulierende Mensch. §1 Es ist zu beachten, daß in diesem Abschnitt drei Mal ein Wort aus dem semantischen Feld von ‚ratio‘ auftaucht: non sine ratione, rationabiliter, rationabile. Es fällt also noch einmal Dantes Bemühen um eine mit der Vernunft übereinstimmende Interpretation der in der Bibel erzählten Ereignisse auf. mox postquam afflatus est] Nach dieser Deutung war des ersten Menschen erster Akt das Sprechen, was noch einmal bestätigt, wie wichtig für Dantes Konzeption des Menschen die Sprache ist. Nam in homine sentiri … quam sentire] Dieser Satz wird leichter verständlich, wenn wir bedenken, daß mit ‚sentire‘ die sinnliche Wahrnehmung im allgemeinen gemeint ist. Sie ist den Tieren und dem Menschen gemeinsam. ‚Sentiri‘ meint dagegen, daß ein vom Menschen bewirktes sinnliches Zeichen von einem anderen wahrnehmungsfähigen Wesen erfaßt und verstanden wird. Dies ist insbesondere der Fall bei sprachlichen Äußerungen, die sich sinnlich-vernünftiger Zeichen bedienen. Daß Dante mit ‚sentiri‘ das Hören und Verstehen sprachlicher Laute meint, wird vollends deutlich, wenn er vom Wahrgenommenwerden und Wahrnehmen tamquam homo spricht. Von neuem erweist sich die Sprache als die den Menschen als Menschen auszeichnende Besonderheit. Des weiteren wird durch das Passiv des Verbs ein wichtiges Merkmal des Sprechens im strengen Sinne be-

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Kommentar zu Kap. v, 2

tont: Wie bereits in ii, 3, festgehalten wurde, ist Sprechen etwas einem anderen mitteilen („nostre mentis enucleare aliis conceptum“). Die Intersubjektivität der Sprache impliziert sowohl die Ausrichtung des Gesprochenen auf einen Adressaten als auch das Gehörtwerden (sentiri). Noch einmal unterstreicht Dante, daß des Menschen erster Akt das Sprechen zu Gott war („non ante sentire quam sentiri“). faber ille … amator] Die hier benützten Gottesnamen ‚faber‘ ,perfectionis principium‘ und ‚amator‘ ergänzen die in Traktat bislang verwendeten Namen: natura (ii, 2), fulgentissimum speculum (ii, 3), gubernator (iv, 6), Animans Virtus (v, 1). Während der erste der drei Termini (faber) in erster Linie die Schöpfertätigkeit betont, verweist der zweite eher auf die durch den Neuplatonismus beeinflußte Konzeption Gottes als absolute Vollkommenheit. Mit amator ist eher eine biblisch-christliche Auffassung verknüpft. In jedem Falle kommt durch die Triade ein komplexes Gottesverständnis zum Ausdruck, das verschiedene Traditionsstränge vereint und Gott als vollkommenes Prinzip und Ziel der endlichen Wirklichkeit versteht. Zu den Gottesnamen bei Dante vgl. den Artikel „Dio“ in der ED (II, 452–457, von K. Foster). Wir haben auf die wörtliche Übersetzung von amator durch Liebhaber verzichtet und den Ausdruck ‚Liebe‘ vorgezogen. afflando primum … complevit] Nach der theologischen Tradition wurde Adam vollkommen erschaffen und hat diese Vollkommenheit z.T. nach der Erbsünde verloren. Thomas drückt diese allgemeine Lehre folgendermaßen aus: (Sum. theol., I, 94, 1, ad 1): „[Adam] habebat integritatem et perfectionem quandam naturalem.“ §2 Der in diesem § vorgebrachte Einwand, auf den Dante unmittelbar antwortet, gibt zu bedenken, daß der allwissende Gott der Worte Adams nicht bedurfte. In seiner Entkräftung

Kommentar zu Kap. v, 2

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des Einwands hält Dante fest, daß sich Gott über des Menschen Lob ebenso gefreut hat wie der Mensch selber. Deus sciret … loquentis] In der Formulierung des Einwands bezieht sich Dante auf das Vorherwissen Gottes, der die Gedanken der Menschen kennt, bevor sie artikuliert werden. Par., XV, 61–63, formuliert dieselbe Lehre: „[…] denn die Gross und Kleinen/ In diesem Leben [gemeint ist im Paradies] schauen in den Spiegel,/ In dem, bevor du denkst, dein Denken sichtbar („in che, prima che pensi, il pensier pandi“).“ Die Lehre, daß Gott wissend alles voraussieht ist traditionell und wird beispielsweise von Thomas in klassischer Weise formuliert (Sum. theol., I, 14, 13): „cum Deus sciat omnia non solum quae actu sunt, sed etiam quae sunt in potentia sua vel creaturae; horum autem quaedam sunt contingentia nobis futura; sequitur quod Deus contingentia futura cognoscat.“ In Par., XVII, 16–18, erinnert auch Dante an diese Lehre: „Du ebenso erkennst das Weltgeschehen („cose contingenti“)/ Noch eh es ist, nur nach dem Punkte schauend, / In dem die Zeiten alle gegenwärtig („a cui tutti li tempi son presenti“).“ Hier faßt Dante den Gedanken zusammen, daß in Gott Wissen und Vorherwissen identisch sind, weil in der Ewigkeit alles gleichzeitig gegenwärtig ist; vgl. dazu Augustin, De div. quaest. ad Simplicianum, II, ii, 2: „Quid est enim praescientia nisi scientia futurorum? Quid autem futurum est Deo qui omnia supergreditur tempora? Si enim scientia Dei res ipsas habet, non sunt ei futurae sed praesentes; ac per hoc non iam praescientia, sed tantum scientia dici potest.“ ut in explicatione … dotaverat] Artikulation eines geläufigen Theologoumenons (Petrus Lombardus, Sent., II, 1, 4): „Et si queritur ad quid creata sit creatura rationalis, respondetur: ad laudandum Deum, ad serviendum ei, ad fruendum eo. In quibus proficit ipsa, non Deus.“

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Kommentar zu Kap. v, 3; vi, 1

§3 In diesem § wird die Frage nach dem Ort der ersten sprachlichen Äußerung behandelt. Dante erwähnt in diesem Zusammenhang die im Mittelalter diskutierte Frage, ob die Erschaffung des Menschen in oder außerhalb des Paradieses stattfand, ohne allerdings dazu Stellung zu beziehen. Kapitel vi In diesem Kapitel wird die letzte der in iv, 1, aufgeworfenen Fragen bezüglich der Sprache Adams beantwortet: Die Antwort auf die Frage, in welchem Idiom sich Adam ausgedrückt habe, wird vorbereitet durch eine Einführung, in der das Lob des durch den Gesichtspunkt der Vernunft ermöglichten Universalismus gesungen wird (§ 1–3). Dante betont, daß er trotz seiner Liebe zu Florenz, aufgrund der Teilhabe an der der Vernunft eigenen Fähigkeit des Überwindens des eigenen Standpunktes ein Weltbürger ist (§ 3). Nach §4 hat Gott Adam eine „bestimmte Form des Sprechens“ eingepflanzt, die durch das Vokabular, die Syntax und die Aussprache strukturiert ist (§ 5). Schließlich wird klar, daß das Hebräische die Sprache Adams war (§ 7). §1 de ydiomate illo … decet] Es wird also die Frage nach der Ursprache gestellt; der letzte Satz des Kapitels wird sie mit dem Hebräischen identifizieren. Interessant ist der häufige Gebrauch der Jagdmetapher in diesem ersten Buch von VE: venari (vi, 1; xv, 7 [2 mal]; xv, 1; xvi, 4); venatio (xi,1); venabula (xv,2). Zur Bedeutung dieser Metapher vgl. R. Imbach, „Einige vorläufige Bemerkungen zur Jagd als Bild der Philosophie“. quo vir sine matre … creditur usus] Wie aus den späteren Ausführungen hervorgeht, hat Adam bei seiner Erschaf-

Kommentar zu Kap. vi, 2, 3

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fung eine „certa forma locutionis“ erhalten und zwar derart, wie dieser Passus nahe legt, daß er die Sprache nicht hat erlernen müssen. Nach der christlichen Lehre des Mittelalters wurde Adam als erwachsener Mensch im besten Alter erschaffen. Zur mittelalterlichen Lehre der Erschaffung Adams vgl. beispielhalber Sum. theol., I, 91, 1–4, wo Thomas von Aquin u.a. darlegt, daß Gott Adam unmittelbar erschaffen hat. §2 Petramala] Ein Dorf im Apennin, das sich auf halbem Weg zwischen Bologna und Florenz befindet. Es ist ein unbedeutendes, entlegenes Dorf gemeint, deshalb übersetzen wir Petramala mit Hintertupfingen. maternam locutionem] Die Muttersprache wird hier mit dem vulgare proprium identifiziert. Der Ausruck ‚maternus‘ kommt in VE nur noch einmal vor: xiv, 7. Vgl. aber Purg., XXVI, 117: „parlar materno“. §3 Nos autem … equor] Dieses kosmopolitische Bild stammt von Ovid (Fast., I, 493): „Omne solum forti patria est, ut piscibus equor.“ Es wurde bereits von Brunetto Latini verwendet (Tresor, II, lxxxvi, Carmody, 11): „Toutes terres sont païs au preudome autresi comme la mers as poissons.“ Dante verbindet in diesem langen § seine persönliche Erfahrung (das Exil und seine Liebe zu Florenz) mit dem der Vernunft eigenen Anspruch der Universalität, zu der auch das Studium der Dichter und Denker beiträgt. In jedem Fall führt das Nachdenken (rationcinantes) dazu einzusehen, daß es schönere Gegenden und Städte als den Ort seiner eigenen Herkunft geben muß. Die in den folgenden Kapiteln unternommene Suche nach einem vulgare, das die Partikularitäten der Stadtdialekte überwindet, ist im Zusammenhang mit dieser umfassenden, universalistischen Perspektive zu sehen.

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Kommentar zu Kap. vi, 4

Sarnum … biberimus] Dante identifiziert irrtümlicherweise den Fluß Sarnus, von dem Virgil (Aen., VII, 738) und Lukan (Phars., II, 424) sprechen, mit dem Arno. Wahrscheinlich ist Orosius, dessen geographische Informationen Dante gerne benützt, Quelle der Verwechslung (Hist. adv. Pag. IV, xv, 2). Derselbe Irrtum begegnet auch in den Epistolae IV, 2; VI, 27 und VII, 23 und 31. exilium … iniuste] Auf sein widerrechtliches Exil verweist Dante mehrfach in seinem Werk: vgl. Conv., I, iii, 3; Ep., II, 3; Par., XVII, 46–60. Der Ausdruck exul immeritus kommt in den Briefen III, V, VI und VII vor. rationi magis quam sensui spatulas nostri iudicii podiamus] Wiewohl die Bedeutung des Gegensatzes von sensus und ratio durchaus klar ist und auch kein Zweifel daran besteht, daß Dante mit diesem Bild den Vorrang vernünftigen Urteilens gegenüber affektiven Vorurteilen betonen will, ist nicht ganz klar, was mit spatula gemeint ist. Der Vorschlag von Mengaldo (in seinem Kommentar), den Ausdruck als Waagschale zu deuten, scheint akzeptabel: Dante will beim Abwägen der Gründe, das Gewicht der Vernunft am stärksten berücksichtigen. In diesem Sinne übersetzt auch Steven Botterill (13): „and I will weight the balance of my judgement more with reason than with sentiment.“ revolventes … ratiocinantes] Das Studium der Tradition, hier mit den Bänden der Dichter und Schriftsteller angedeutet, und die vernünftige Überlegung, im Sinne der selbständigen Reflexion und Prüfung der Argumente, sind voneinander nicht zu trennen. Beide zusammen führen Dante zur Einsicht, daß die in seiner Heimat gereifte Erfahrung nicht das Letzte sein kann. §4 certam formam locutionis] Die Bedeutung des Ausdrucks ist kontrovers. Indes weisen die Präzisionen in den folgenden Sätzen darauf hin, daß damit eine bereits strukturierte

Kommentar zu Kap. vi, 5, 6

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Sprache gemeint ist, deren Vokabular (rerum vocabula), Syntax (constructio) und Phonetik (prolatio) gegeben (concreata) ist. An der Diskussion zur richtigen Deutung haben sich vor allem Bruno Nardi, Maria Corti und Mirko Tavoni beteiligt. §5 Hac forma … Babel] Dante vertritt hier die Meinung, die beispielsweise auch bei Augustin zu lesen ist (De civ. Dei, XVI, xi: „Ante diluvium una erat lingua.“), daß vor dem Turmbau zu Babel nur eine Sprache, das Hebräische, existierte. Dieser Meinung ist auch Brunetto, Tresor III, i, 3, Carmody, 468: „Et à verité dire, devant ce que la tor Babel fust faite, tuit home avoient une meisme parleure naturalement, ce est herbreu.“ que ‚turris confusionis‘ interpretatur] Vgl. dazu e.g. Huguccio, Derivationes, B 2, 107: „Babel interpretatur confusio, unde Babilon vel Babilonia civitas a confusione linguarum.“ §6 Die hebräische Ursprache hat die babylonische Sprachverwirrung überlebt und konnte zur Sprache des Erlösers werden, vgl. dazu Augustin, De civ. Dei, XVI, xi, 1–2. Der ganze § ist von diesem Passus stark beeinflußt: „Cum enim legitur unam fuisse linguam primitus omnium et ante omnes filios Sem commendatur Heber, quamvis ex illo quintus oriatur, et Hebraea vocatur lingua, quam patriarcharum et prophetarum non solum in sermonibus suis, verum etiam in litteris sacris custodivit auctoritas: profecto, cum quaeritur in divisione linguarum, ubi lingua illa remanere potuerit, quae fuit ante communis […] quid aliud occurrit, nisi quod in huius gente remanserit, a cuius nomine nomen accepti, et hoc iustitiae gentis huius non parvum apparuisse vestigium, quod, cum aliae gentes plecterentur mutationes linguarum, ad istam non pervenit tale supplicium?“

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Kommentar zu Kap. vi, 7; vii, 1

§7 labia fabricarunt] Wenn unsere Deutung von § 4 richtig ist, dann kann dieses Verb nicht im aktiven Sinne der Erfindung einer Sprache gedeutet werden, sondern bloß im Sinne von ‚artikulieren‘, im Gegensatz zu Par., XXVI, 114, wo Dante eindeutig sagt, Adam habe das Idiom produziert (fei). Kapitel vii Nachdem in den vorangehenden Kapiteln iv–vi die Sprache Adams im Vordergrund stand, beginnt jetzt jener Teil von Dantes Schrift, in dem das Problem der Vielheit der menschlichen Sprachen behandelt wird. Zuerst wird (vii–viii) unter Berücksichtigung der biblischen Erzählung des Turmbaus von Babel die Vervielfältigung der Sprachen als Strafe Gottes beschrieben, bevor Dante die philosophischen Grundlagen der historischen Ereignisse nach dem Turmbau untersucht (ix). Dantes Deutung der Geschichte vom Turmbau zu Babel (§ 4) wird eingeleitet durch eine in emphatischer Rede redigierte Erinnerung an die Ursünde und an die Sintflut. Dantes Interpretation des Turmbaus und der Strafe unterstreicht die kommunikative Funktion der Sprache. §1 Der stark poetisch geprägte Anfang des Kapitels enthält Reminiszenzen an den Anfang des zweiten Buches der Aeneis (II, 3–13, „Infandum, regina, iubes renovare dolorem/[…] Sed si tantus amor […]/ quamquam animus meminisse horret luctusque refugit,/ incipiam.“). Vgl. ebenfalls Aen., XII, 66: „rubor […] per ora cucurrit“ sowie Ovid, Trist., IV, iii, 50: „Subit ora rubor“.

Kommentar zu Kap. vii, 2, 3

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§2 Dante erinnert, bevor er auf den Turmbau zu Babel zu sprechen kommt, an die Erbsünde (prima prevaricatio) und die Sintflut (cataclismus) als zweite Strafe Gottes nach Gen, 6, 7: „Delebo, inquit, hominem, quem creavi, a facie terrae, ab homine usque ad animantia, a reptili usque ad volucres celi.“ unica reservata domo] Gemeint ist die Familie von Noe, vgl. die Erzählung Gen, 6, 5–12: „Videns autem Dominus quod multa malitia hominum esset in terra, et cuncta cogitatio cordis eorum non intenta esset nisi ad malum omni tempore, penituit Dominum quod hominem fecisset in terra. Et tactus dolore cordis intrinsecus: ‚Delebo, inquit, hominem, quem creavi, a facie terre, ab homine usque ad pecus, usque ad reptile et usque ad volucres celi; penitet enim me fecisse eos.‘ Noe vero invenit gratiam coram Domino. He sunt generationes Noe: Noe vir iustus atque perfectus fuit in generatione sua; cum Deo ambulavit. Et genuit tres filios: Sem, Cham et Iapheth. Corrupta est autem terra coram Deo et repleta est iniquitate. Cumque vidisset Deus terram esse corruptam omnis quippe caro corruperat viam suam super terram.“ Non ante tertium equitabis] Mittelalterliches Sprichwort, das sich möglicherweise auf eine im Schulbetrieb übliche Strafe bezieht. Unsere freie Übersetzung will das Wesentliche des Sprichwortes hervorheben. §3 Ecce lector] Es handelt sich hier um die erste der Leseranreden Dante in VE. Vgl. VE I, xiv, 4; II, vi, 7; vii, 3; x, 5; xii, 11. Die Leseranreden spielen namentlich in der Commedia eine ganz entscheidende Rolle, vgl. R. Imbach, S. Maspoli, „Philosophische Lehrgespräche“. Die Frage des Adressaten von VE stellt sich in diesem Zusammenhang ebenso wie die Frage, warum Dante den Traktat in lateinischer Sprache verfaßt hat; vgl. dazu E. Auerbach, Literatursprache und Publi-

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Kommentar zu Kap. vii, 4

kum in der lateinischen Spätantike und im Mittelalter; J. Trabant, Europäisches Sprachdenken, 57 f. §4 gigantis Nembroth] In der Vulgata wird Nemrod als robustus venator coram Domino bezeichnet (Gen. 10, 8–10). Als Quelle kann auf Brunetto, Tresor I, xxiv, 2, sowie vor allem auf Augustinus, De civ. Dei, XVI, iv, verwiesen werden: „Ista civitas quae appellata est confusio, ipsa est Babylon cuius mirabilem constructionem gentium etiam commendat historia. Babylon quippe interpretatur confusio. Unde colligitur gigantem illum Nembroth fuisse illius conditorem …“ Vgl. ebenfalls Inf., XXXI, 46–81, wo ausführlich und eindringlich die Begegnung mit dem Riesen Nemrod geschildert wird. Die Begegnung findet im Vers 67 gleichsam ihren Höhepunkt, wo der Riese unverständliche Laute von sich gibt. Vergil erklärt dies in folgender Weise (v. 76–81): „Dann sagt er zu mir: ‚Er muss sich selbst verklagen;/ Es ist Nimrod, durch dessen böses Denken/ Auf Erden nicht nur eine Sprache (linguaggio) gültig./ Wir lassen ihn und sprechen nicht ins Leere,/ Denn jede Sprache ist für ihn die gleiche,/ Wie seine für die andern, unverständlich.‘“ Einen enzyklopädischen Überblick vermittelt der Artikel „Nemrod“ von G. R. Sarolli in ED, IV, 34–35. naturam … naturantem] Zu diesem Ausdruck vgl. den Kommentar zu ii, 2. Sennaar] Nach Gen, 11, 2, eine Gegend, in der sich Nachkommen Noes niedergelassen haben. per quam celum sperabat ascendere] Vgl. Gen, 2 4: „et dixerunt: Venite, faciamus nobis civitatem et turrim, cuius culmen pertingat ad celum.“ §6 In diesem Abschnitt wird das Vorhaben des Turmbaus beschrieben, an dem mit Ausnahme einer minima pars die gan-

Kommentar zu Kap. vii, 6, 7; viii

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ze Menschengattung (genus humanum) teilnimmt. Dante beschreibt die Verwirklichung des Vorhabens durch die Angabe einer genauen Arbeitsteilung, nach der alle Beteiligten eine präzise Aufgabe zu erfüllen hatten. Eben diese Ordnung wird durch die Strafe Gottes verunmöglicht, da die Kommunikation (commertium) der verschiedenen am Werk beteiligten Handwerkergruppen eine Sprache (eadem loquela) voraussetzt. §7 An Dantes Interpretation der Bedeutung der göttlichen Strafe ist auffallend, daß die Auflösung der Einheit der menschlichen Gattung („tunc genus humanum disiungitur“) parallel zur Unterscheidung der verschiedenen Berufe verläuft („quot exercitii varietates …tot tot ydiomatibus“). et quanto excellentius … locuntur] In Dantes Deutung des Turmbaus und der darauf folgenden Strafe besteht eine enge Verbindung zwischen Arbeit und Sprache. Die ideale Entsprechung der beiden Momente wird nicht nur durch die Sprachverwirrung, die die Zusammenarbeit verunmöglicht, aufgehoben, sondern ebenfalls innerhalb der einzelnen Gruppen wird die Proportionalität zwischen Arbeit und Sprache gestört: Der guten Qualität der Arbeit entspricht nicht mehr eine angemessene sprachliche Ausdrucksweise. Nemrod ist der Prototyp dieses Ungleichgewichts. Kapitel viii Die Interpretation der biblischen Erzählung vom Turmbau zu Babel und dessen Folgen, die im vorangehenden Kapitel vorgelegt wurde, wird hier ergänzt durch eine historische Erklärung, die verständlich macht, auf welche Weise die Vielfalt der Sprachen sich räumlich und auch zeitlich ausgebrei-

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Kommentar zu Kap. viii, 1, 2

tet hat. Besonders interessant ist die in den §2–4 entworfene Dreiteilung der Sprachen Europas sowie die Dreiteilung der Sprachen des südlichen Europa (§ 5–6), die sich durch ihre Weise „ja“ zu sagen in die Sprache des oc, oïl und sì unterscheiden. §1 non leviter opinamur] Dante legt im Folgenden seine Deutung von Gen, 11, 9, vor: „Et idcirco vocatus est eius nomen Babel, quia ibi confusum est labium universe terre: et inde dispersit eos Dominus super faciem cunctarum regionum.“ universa mundi climata] Seinen geographischen Gewährsmännern folgend, unterscheidet Dante sieben Klimazonen der „bewohnbaren Welt“ (terra habitabilis). Zu Dantes geographischen Auffassungen immer noch grundlegend: E. Moore, „The Geography of Dante“, im Band II seiner Studies in Dante; vgl. ebenfalls P. Boyde, L’uomo nel cosmo, 167–178; „Clima“ in ED, II, 43 (von G. Buti, R. Bertagni). Dante bezieht sich auf die Klimazonen Conv., III, v, 12; Mon., I, xiv; Questio, 53, und Par., XXVII, 79–80. §2 ydioma secum tripharium homines actulerunt] Nach der Erklärung im vorangehenden § hat die Verbreitung des Menschengeschlechts vom Osten nach Westen stattgefunden. Die Dreiteilung der europäischen Sprachen scheint also nach dieser Formulierung eine Folge der babylonischen Strafe zu sein. Dies legt auch ix, 2, nahe, wenn Dante sagt, das romanische Idiom sei am Anfang der Verwirrung eines gewesen („unum fuerit a principio confusionis“). Diskussion der älteren Auffassungen bei B. Panvini, Origine e distribuzione dei volgari europei, vor allem aber Tavoni, „Contributo all’interpretazione di ‚De vulgari eloquentia‘ I, 1–9“. Nach dem Vorschlag Dantes gilt es zu unterscheiden zwischen

Kommentar zu Kap. viii, 3 – 5

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Nord- und Südeuropa (septentrionalis, meridionalis regio) und einem dritten Gebiet, das von den Griechen bewohnt wird. §3 Ab uno postea eodemque ydiomate] Dieser Satz zeigt deutlich, daß die vulgaria aus den ydiomata abgeleitet sind. Dante erklärt im Anschluß an diese prinzipelle Aussage die geographische Verbreitung der drei europäischen Sprachen: Das erste Idiom, das sich in die slavischen, ungarischen, deutschen, angelsächsischen Volkssprachen differenziert hat, erstreckt sich von der Mündung der Donau bis an die westlichen Grenzen Englands. Alle diese Volkssprachen antworten bejahend mit iò. §4 Zur dritten Sprachgruppe, die im § 2 mit den Greci identifiziert worden ist, sagt Dante praktisch nichts. Allerdings wird die griechische Sprache im Kapitel i, 3, erwähnt als Beispiel einer Sprache, in der die geregelte Sprache (gramatica) von der Umgangssprache unterschieden wird. §5 Dante wendet sich nun dem südeuropäischen Idiom zu und erklärt dessen Dreiteilung in die vulgaria der „Spanier, Franzosen und Italiener“, die zum einen auf ein Idiom zurückzuführen sind (wie die Beispiele im zweiten Teil des § verdeutlichen sollen), zum andern aber sich unterscheiden (wie das Bejahungspartikel, das Dante als Kriterium benützt, zeigt: oc, oïl, sì). Er bezeichnet die Sprachgruppe der langue d’oc als „Yspani“. Daß diese Vermutung richtig ist, bestätigt VE, II, xii, 3: „Hoc etiam Yspani usi sunt; et dico Yspanos, qui poetati sunt in vulgari oc.“ Erstaunlich ist, daß Dante das Idiom, aus dem die romanischen Sprachen abgeleitet sind, nicht explizit mit dem Latein identifiziert.

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Kommentar zu Kap. viii, 6; ix, 1

alii sì affirmando] Bereits in VN, XXV, 5, spricht Dante von der „lingua di sì“; Conv., I, x, 12, verwendet den Ausdruck „volgare di sì“ und in Inf., XXXIII, 80, lesen wir: „bel paese là dove ‘l sì suona“. §6 Dante legt nun eine präzise Sprachkarte der drei romanischen Volkssprachen vor. Apenini devexione] Der Ausdruck findet sich bei Lukan (Phars., II, 429). Apeninae Alpes oder Apenini kann in gewissen Fällen im Mittealter die gesamte Alpenkette bezeichnen. Die geographischen Bezeichnungen Dantes sind von Orosius und Isidor von Sevilla abhängig. Kapitel ix Dieses Kapitel, mit dem die ersten beiden Teile (zu locutio / ydioma) ihren Abschluß finden, besitzt im Aufbau und der Struktur des Werkes einen ganz zentralen Platz, denn in ihm wird eine philosophische Erklärung für die nach dem Turmbau eingetretene Vervielfältigung der Sprachen geliefert. Bislang wurde diese Vielheit zuerst mythisch und dann historisch dargestellt. In diesem Kapitel gibt Dante dafür eine Deutung, die auf das Wesen des Menschen zurückgreift und somit auf einer rein vernünftigen Basis beruht. Es gilt indes zu bedenken, daß Dante durchaus unterscheidet zwischen der göttlichen Strafe, welche die erste divisio der Sprachen verursacht hat, und der darauf folgenden Sprachvervielfältigung, deren Ergebnis die verschiedenen Volkssprachen (vulgaria) sind. §1 in quibus nullius autoritate fulcimur] Bereits im ersten Kapitel wurde betont, daß sich die Untersuchung auf ein bis-

Kommentar zu Kap. ix, 2

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lang nicht erforschtes Gebiet begibt. Dieser Aspekt wird jetzt in methodischer Hinsicht betrachtet. Da es sich um einen Untersuchungsgegenstand handelt, der bisher noch nicht erforscht worden ist, kann sich Dante auf keine autoritas stützen. Vorausgesetzt ist hier der mittelalterliche Gegensatz von ratio/auctoritas. Dante kann sich in seiner Untersuchung also nur auf die Vernunft verlassen. Zum Begriff der autoritas vgl. Conv., IV,vi, 1–5. per notiora itinera salubrius breviusque transitur] Die Grundlage dieses methodischen Prinzips hat Dante in Conv., II, i, 13, klar ausgesprochen: „si come dice lo Filosofo nel primo de la Fisica, la natura vuole che ordinatamente si proceda ne la nostra conoscenza, cioè procedendo da quello che conoscemo meglio in quello che conoscemo non così bene: dico che la natura vuole, in quanto questa via di conoscere è in noi naturalmente innata.“ Vgl. ebenfalls Questio, 61: „Cum igitur innata sit nobis via investigande veritatis circa naturalia ex notioribus nobis, nature vero minus notis, in certiora nature et notiora, ut patet primo Phisicorum […].“ quod nobis est ydioma] Dies ergibt sich aus dem genannten methodischen Grundsatz: Dante wendet sich der Sprache zu, die er am besten und aus eigener Anschauung kennt. Im Rest des Traktates wird er sich ausschließlich mit der italienischen Sprache beschäftigen. quod est rationale … causa] Der nicht ganz leicht verständlichs Satz will sagen, daß die bezüglich des Italienischen vernünftig durchgeführte Untersuchung auch auf andere Sprachen angewendet werden kann. §2 Die ursprüngliche Einheit des romanischen Idioms wird durch Ähnlichkeiten des Vokabulars bestätigt. Dante führt in diesem § erstmals volkssprachliche Zeugnisse an. eloquentes doctores] Damit sind nicht so sehr die Rheto-

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Kommentar zu Kap. ix, 3

ren als vielmehr die Dichter gemeint, wie das Folgende und das 2. Buch bestätigen. §3 Als Beleg der ursprünglichen Einheit des romanischen Idioms führt Dante hier drei Gedichte aus dem Bereich der langue d’oc, d’oïl und des Italienischen an. Gerardus de Brunel] Provenzalischer Dichter (Giraut de Bornelh), der im Zeitraum von 1165–1200 tätig war und 77 Gedichte hinterlassen hat. Vgl. VE, II, ii, 8. Edition der Werke: Ruth Verity Sharman, The Cansos and Sirventes of the Troubadour Giraut de Bornei. Die Übersetzungen der drei folgenden Gedichtfragmente sind entnommen aus: F.-R. Hausmann, Die Gedichte aus Dantes „De vulgari eloqentia“, hier 125. Rex Navarre] Es handelt sich um den Trouvère Thibaut IV (1201–1253), der ab 1234 König von Navarra war; sein Sohn wird Inf., XXII, 52, erwähnt. Von ihm sind 60 Gedichte erhalten. Nach dem Urteil der Gelehrten erreicht mit ihm die höfische Lyrik Nordfrankreichs ihren Höhepunkt. Vgl. auch VE, II, v, 4, wo dasselbe Gedicht zitiert wird. Edition seiner Werke: A. Wallensköld, Les Chansons de Thibaut de Champagne, Roi de Navarre. Vgl. Hausmann, Die Gedichte, 185. Dominus Guido Guinizelli] Der um 1235/40 in Bologna geborene Dichter wirkte daselbst als Richter, war Partisane der Ghibellinen, wurde 1274 ins Exil geschickt und starb 1276. Purg., XXVI, 97–126, wo Dante Guido unter den lussuriosi begegnet, nennt er sich Dantes Vater. Obwohl er noch nicht zum Dolce stil novo gehört, betrachtet Dante ihn als einen wichtigen Vorläufer der neuen Dichtung. Vgl. ebenfalls Conv., IV, xx, 7 und VN, xx, 3. Hausmann, Die Gedichte, 301.

Kommentar zu Kap. ix, 4, 6

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§4 Quare autem triapharie pincipalius variatum sit] Damit wird der präzise Skopus der folgenden Überlegungen angedeutet: Es gilt eine vernünftige Erklärung dafür zu finden, weshalb aus dem ydioma tripharium (den drei Europäischen Sprachen) die zahlreichen vulgaria entstanden sind, ja sogar entstehen mußten. Für die Vielzahl der vulgaria in Italien führt Dante verschiedene Beispiele von Dialekten an. Gesucht wird indes (§ 5) ein Grund dafür („una eademque ratione patebit“). §6 In diesem § wird die philosophische Begründung für die Sprachenvielfalt, d. h. für die Enstehung der vulgaria, geliefert. Unter philosophischer Hinsicht handelt es sich hier um eine der bedeutendsten Passagen im ersten Buch. nullus effectus superat suam causam] Es handelt sich hier um eine geläufige scholastische Lehre, die beispielsweise Thomas mit folgenden Formulierungen zusammenfaßt: Sum. theol., I–II, 112, 1: „nulla res agere potest ultra suam speciem, quia semper oportet quod causa potior sit effectu.“; Sum. theol., I, 33, l, ad l: „in quolibet genere causarum, causa distat ab effectu, secundum perfectionem, vel secundum virtutem.“ ; Sum. theol., I–II, 66, l: „causa semper excedit suum causatum.“; SCG, I, 43: „effectus non potest extendi ultra suam causam.“ nil potest efficere quod non est] Dieser Satz kann als eine Umformulierung des geläufigen scholastischen Prinzips „omne agens agit sibi simile“ (nach Metaph., IX, 8; 1048b24) verstanden werden. Der Satz meint dann nicht nur, daß ein Verhältnis der Ähnlichkeit besteht zwischen Ursache und Wirkung, sondern auch, daß eine Ursache nur etwas bewirken kann, wozu sie ein Vermögen besitzt. Zu diesem Grundsatz und seiner Bedeutung vgl. Ph. Rosemann, Omne agens agit sibi simile: A „Repetition“ of Scholastic Metaphysics.

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Kommentar zu Kap. ix, 7

Cum igitur omnis nostra loquela … variari oportet] Die notwendige Veränderlichkeit der menschlichen Sprache beruht nach dieser Periode auf zwei Voraussetzungen: (1) Nach der Bestrafung des Turmbaus von Babel hängt die menschliche Sprache vom Gutdünken (beneplacitum) der Menschen ab, worauf bereits am Ende von Kapitel iii hingewiesen wurde (vgl. Kommentar zu iii, 3). (2) Der Mensch ist das am meisten unstete Wesen („instabilissimum atque variabilissimum animal“). Daraus folgt, wenn der Grundsatz berücksichtigt wird, daß (1.) die Wirkung der Ursache ähnlich ist und daß (2.) die Sprache als etwas vom Menschen Hervorgebrachtes, also als eine Wirkung, zu betrachten ist, daß die Sprache die Eigenschaft der Veränderlichkeit besitzt, und zwar aufgrund der räumlichen und zeitlichen Streuung. Dante betont im Folgenden § (aber auch §10) die Bedeutung der Zeit. An die naturhafte Wandelbarkeit des Menschen wird Par., V, 97–99, eindrücklich erinnert: „Und wenn der Stern sich lächelnd so verwandelt,/ Wie ward erst ich, der dich auf alle Weise/ Schon von Natur verwandelbar geschaffen („pur da mia natura transmutabile“).“ Entscheidend ist darüber hinaus, daß unter dieser Perspektive die Veränderlichkeit und Geschichtlichkeit der Sprache nicht mehr bloß als eine negativ zu bewertende göttliche Strafe zu sehen ist. §7 audacter testamur … loquerentur] Die historische Veränderung der Sprache wird anhand des Beispiels von Pavia erklärt. Ein Passus im Conv. (I, v, 8–9), wo VE angekündigt wird, verdeutlicht auf ähnliche Weise denselben Gedanken: „ […] che non avviene del volgare, lo quale a piacimento si transmuta. Onde vedemo ne le cittadi d’Italia, se bene volemo agguardare, da cinquanta anni in qua molti vocabuli essere spenti e nati e variati; onde se ‘l picciol tempo così transmuta, molto più transmuta lo maggiore. Sì ch’io dico, che se coloro che partiron d’esta vita già sono mille anni tornassero

Kommentar zu Kap. ix, 8 – 10, 11

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a le loro cittadi, crederebbero la loro cittade essere occupata da gente strana, per la lingua da loro discordante. Di questo si parlerà altrove più compiutamente in uno libello ch’io intendo fare, Dio concedente, di Volgare eloquenza.“ §8–10 Die Schwierigkeit, historische Veränderungen über längere Zeit wahrzunehmen, wird in diesem drei Abschnitten eigens zum Thema gemacht und zeigt Dantes Sensibilität für die Historizität der „menschlichen Dinge“. § 11 Zusammen mit dem § 6 bildet dieser Passus das Kernstück des Kapitels, weil darin die Schaffung der gramatica im Sinne einer geregelten Hochsprache als Maßnahme gegen die ausufernde Veränderlichkeit der Umgangssprache interpetiert wird. Diese Deutung ist ihrerseits für das Verständnis und die Legitimität von Dantes Vorhaben eines vulgare illustre als drittem Weg von großer Bedeutung. Hinc moti sunt] Die Erfindung der gramatica durch die Gelehrten wird als eine Maßnahme gedeutet, um die durch die Veränderlichkeit bedingte Regellosigkeit der Umgangssprache einzudämmen. Diese Auffassung einer durch die Gelehrten geschaffenen Kunstsprache erinnert an eine berühmte Stelle in De regimine principum (II,II, c. 7 ; 180v) von Aegidius Romanus, wo das Latein vorgestellt wird als eine von den Philosophen für ihre Bedürfnisse geschaffene Sprache: „Videntes enim philosophi nullum idioma esse completum et perfectum, per quod perfecte exprimere possent naturas rerum et mores hominum et cursus astrorum et alia de quibus disputare volebant, invenerunt sibi quasi proprium idioma, quod dicitur latinum.“ gramatica] Im ersten Kapitel wurde die vulgaris locutio, die die Menschen ohne Regeln von ihrer Amme erlernen, der „zweiten Sprache“, die die Römer als gramatica bezeichnet

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Kommentar zu Kap.x

haben, entegegengestellt. Als Kennzeichen dieser zweiten Sprache wurde in diesem Zusammenhang die Künstlichkeit erwähnt, die im Gegensatz steht zur Natürlichkeit der vulgaris locutio. Hier wird nun die gramatica sehr präzise definiert, ihre Spezifität ist die Unveränderlichkeit („inalterabilis, nec variabilis“), sie transzendiert Raum und Zeit („ydemptitas diversibus temporibus atque locis“) und ist nicht von der Willkür der Einzelnen abhängig, sondern ein auf Konsens (consensus) beruhendes Regelwerk. Diese Regelmäßigkeit ermöglicht, wie das Ende des § betont, die Zeugnisse der Vergangenheit zu bewahren und zu verstehen. Kapitel x Mit diesem Kapitel beginnt jener Teil der Schrift, der sich ausdrücklich mit der italienischen Volkssprache beschäftigt (c. x–xix) und in dem das philosophisch begründete Postulat einer italienischen Hochsprache entwickelt wird. Das Kapitel ist folgendermaßen strukturiert: Nachdem im §1 in einem Vergleich der drei romanischen Sprachen wegen einer größeren Nähe zum Lateinischen der italienischen Volkssprache ein gewisser Vorrang zugesprochen wird, hebt der § 2 die Besonderheit und Vorteile der einzelnen romanischen Volkssprachen hervor. Die Sprache des oïl zeichnet sich durch eine gewisse Leichtigkeit aus und eignet sich besonders für Prosatexte, während die langue d’oc als Sprache der Dichtung bezeichnet werden kann. Was das Italienische angeht, so hebt Dante hervor, daß auch in ihr hervorragende Dichter geschrieben haben, und er betont noch einmal die größere Nähe zum Latein. In den § 5–8 hebt die konkrete Untersuchung der italienischen Dialekte an, und zwar legt Dante zuerst eine geo-

Kommentar zu Kap. x, 1, 2

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graphische Einteilung der Halbinsel vor, welche dann als Grundage seiner Beschreibung der vielen Unterschiede innerhalb desselben Italienisch benutzt werden wird. Im letzten § (9) hält Dante fest, daß mindestens 14 verschiedene Varianten der italienischen Volkssprache unterschieden werden müssen, aber wenn die Unterschiede berücksichtigt werden, die nicht nur zwischen den verschiedenen Städten, sondern auch z. T. zwischen den einzelne Stadtteilen bestehen, so ergibt sich eine Zahl von mehr als tausend italienischen Dialekten. Die von Dante in diesem Kapitel vorgelegte quantitative Einschätzung der Vielzahl italienischer Dialekte ist nicht nur ein Zeichen einer ausgeprägten Aufmerksamkeit für die sprachlichen Differenzen und Nuancen, sondern bildet die Grundlage der in den folgenden Kapiteln durchgeführten Analyse der 14 verschiedenen Hauptgruppen des Italienischen (c. xi–xv). §1 Wiewohl Dante die Abhängigkeit der romanischen Sprachen vom Latein nie in aller Klarheit ausspricht, wird am Ende dieses Abschnittes dennoch die Nähe zum Latein als ein Wertkriterium eingeführt. Dies könnte allerdings auch damit zusammenhängen, daß das Latein ein geregelte Sprache ist und deswegen für das gesuchte vulgare illustre einen gewissen Vorbildcharakter besitzt. §2 vulgare prosaycum] Die langue d’oïl ist aufgrund ihrer Leichtigkeit für Prosatexte besonders geeignet. Als Beispiel solcher Prosa nennt Dante nicht nur die Bibelkompendien, sondern auch den Trojastoff und die Texte zu König Arthur und seinem Kreis.

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Kommentar zu Kap. x, 3, 4

§3 Pro se vero argumentatur alia] Die langue d’oc wird hier als eine poetische Sprache gelobt. ut puta Petrus de Alvernia et alii antiquiores doctores] Peire d’Alvernhe, provenzalischer Dichter, um 1150–1180. Einer der ersten Troubabours. Vgl. die Ausgabe der Werke von A. Fratta: Peire d’Alvernhe, Poesie. Vgl. T.G. Bergin, „Dante’s Provençal Gallery“; S. Santangelo, Dante e i trovatori provenzali. §4 Tertia quoque] Das Italienische zeichnet sich durch zwei Besonderheiten aus: In dieser Sprache haben erstmals Dichter dulcius subtiliusque in der Volkssprache geschrieben; zudem besteht eine größere Nähe zur gramatica. Cynus Pistoriensis] Cino dei Sigibuldi da Pistoia, Poet und Jurist, wurde um 1270 geboren und starb um 1336. Er gehört zusammen mit Dante, der hier als amicus eius eingeführt wird, zu jenen, die erstmals „dulcius subtiliusque poetati vulgariter sunt“. ‚Subtilius‘, gemäß der Erklärung in Conv. IV, ii, 13, bezeichnet die adäquate Entsprechung von Form und Inhalt: „e però dice ‚aspra‘ quanto al suono de lo dittato, che a tanta materia non conviene esser leno; e dice ‚sottile‘ quanto a la sentenza de le parole, che sottilmente argomentando e disputando procedono.“ Die provenzalischen Dichter haben sich zwar bereits einer dulcior loquela bedient, aber die Italiener, d. h. Cino und Dante, haben eine höhere Einheit von Form und Stil erreicht. Vgl. auch VE, II, ii, 8: „Circa que sola, si bene recolimus, illustres viros invenimus vulgariter poetasse, scilicet […] Cynum Pistoriensem amorem, amicum eius rectitudinem.“ An den in Siena und Neapel tätigen Professor, von dem 18 Kanzonen, 13 Balladen und 134 Sonette erhalten sind (u.a. ediert von M. Marti, Poeti del dolce stil nuovo), hat Dante einen Brief gerichtet (Ep., III), der mit einer signifikativen Inscriptio beginnt:

Kommentar zu Kap. x, 5, 6– 8, 9

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„Exulanti Pistoriensi Florentinus exul immeritus per tempora diuturna salutem et perpetue caritatis ardorem.“ Sechsmal erwähnt er ihn, stets mit Lob, in VE (I, x, 2; xiii, 3; xvii, 3; II, ii, 9; v, 4; vi, 6). Dantes Wertschätzung läßt sich auch aus biographischen Gründen erklären, da beide aus Florenz verbannten Dichter sich für Kaiser Heinrich VII. engagiert haben und eine Restauration des Imperium erhofften. Als Nachruf auf den Tod Dantes hat Cino das Sonett verfaßt: „Super la cosa, Amor, de l’alto monte“ (Marti, Poeti del dolce stil nuovo, 861–864). Vgl. Robert Hollander, Dante and Cino da Pistoia, aber auch Hausmann, Die Gedichte, 382–415. gramatice que communis est] Der Vorzug der gramatica besteht darin, daß sie nicht der Willkür der Einzelnen unterliegt (vgl. ix, 11), sondern einen höheren Grad der Gemeinsamkeit und der Universalität erreicht. §5 Hier beginnt die Untersuchung des Italienischen; Dante will die verschiedenen Unterschiede (variationes) identifizieren und vergleichen (comparare). § 6–8 Diese Abschnitte enthalten eine recht ausführliche Beschreibung der Geographie Italiens, die mit einer Zweiteilung Italiens durch den Apennin beginnt (§ 6). Danach zählt Dante die einzelnen Regionen der beiden Hälften auf (§ 7). ut Lucanus in secundo describit] Phars., II, 396. §9 Das entscheidende Ergebnis dieser geographisch-linguistischen Übersicht ist die Feststellung, daß in Italien 14 verschiedene vulgaria existieren. Wenn allerdings alle Untergruppen berücksicht würden, so ergäben sich mehr als tausend verschiedene Variationen des Italienischen.

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Kommentar zu Kap. xi

Während im Kapitel ix die Vielheit und Veränderlichkeit der Sprachen unter einem philosophischen und grundsätzlichen Gesichtspunkt erörtert wird, bringt dieses x. Kapitel gleichsam die erste, noch oberflächliche empirische Bestätigung dafür. Kapitel xi Mit diesem Kapitel beginnt die Suche nach dem vulgare illustre. Dante beschreibt die auf der Grundlage der Verschiedenheit der italienischen Dialekte gründende Untersuchung mit der Metapher der Jagd (venari, venatio), die auch in den folgende Kapiteln vorkommt und schließlich im xvi. Kapitel mit dem Bild des Panthers verknüpft wird. Diese Metapher scheint darauf hinzuweisen, daß das vulgare illustre als eine gleichsam verborgende Realität bereits existiert. Der erste Schritt der Suche nach dem gesuchten Gegenstand besteht in einer als empirisch zu bezeichnenden knappen Prüfung der verschiedenen Varianten des Italienischen (c. xi–xv). Da diese Suche nach einem vulgare illustre indes nicht zu dem erhofften Ergebnis führt, wendet Dante im folgenden xvi. Kapitel eine andere Methode an, die nicht mehr empirisch, sondern genuin philosophisch ist. Nach einer Erörterung seines Vorhabens hinsichtlich der folgenden Kapitel (§ 1) beginnt Dante seine geographisch orientierte Untersuchung der einzelnen italienischen Volkssprachen: Die Reise beginnt mit einer besonders heftigen Kritik am römischen Dialekt, der als tristiloquium bezeichnet wird (§2); anschließend werden sukzessive (§3–7) die Dialekte der Bewohner der Mark Ancona, der Einwohner von Spoleto, Mailand und Bergamo und schließlich von Sardinien kurz charakterisiert, und Dante hält fest, daß keine dieser Varianten die Kriterien eines vulgare illustre erfüllt.

Kommentar zu Kap. xi, 1, 2

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Im vorliegenden Kapitel wird das Vorgehen der Elimination mit Hilfe des biblischen Bildes des notwendigen Ausreißens von Unkraut eingeführt (§ 1). Philosophisch gesehen wendet Dante hier und in den folgenden Kapiteln jene Methode an, die er auch im Conv. (IV, ii, 15–16) umschreibt und die verlangt, daß zuerst der Irrtum beseitigt werden muß, bevor die Wahrheit aufgezeigt werden kann: „Però è da sapere che tutto che a l’uno e l’altro s’intenda, al lo vero s’intende principalmente; a riprovare lo falso s’intende in tanto in quanto la veritade meglio si fa apparire. […] nel trattato prima si ripruova lo falso, acciò che, fugate le male oppinioni, la veritade poi più liberamente sia ricevuta.“ – „Aber man muß wissen, daß alles, was sich auf das eine oder das andere bezieht, sich vor allem darauf bezieht, das Wahre zu behandeln; und das Falsche zu widerlegen, ist insofern beabsichtigt, als dadurch die Wahrheit deutlicher erscheint. […] In der Abhandlung wird zuerst das Falsche widerlegt, auf daß, nachdem die üble Meinung geflohen ist, die Wahrheit dann um so freier empfangen werde.“ Dante beruft sich bei diesem Vorgehen auf Aristoteles, „der immer zuerst mit den Gegnern der Wahrheit gerungen hat und danach, nachdem diese besiegt waren, die Wahrheit zeigte“ (Conv. IV, ii, 16). §1 Quam multis … venemur] Dante will die Vielzahl der italienischen Dialekte untersuchen, um eine „anmutigere und erlauchte“ Sprache zu finden. Hier taucht zum ersten Mal das Adjektiv illustre auf, dessen präzise Bedeutung xvii, 2, geklärt werden wird. §2 Mit besonderer Heftigkeit kritisiert Dante den römischen Dialekt. Dabei fällt auf, daß er in diesem Zusammenhang das moralische Verhalten („morum habituumque deformitas“) in Beziehung setzt zu den sprachlichen Eigenheiten. Vgl. da-

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Kommentar zu Kap. xi, 3 , 4

zu ix, 6, wo die Sitten und Gebräuche ebenfalls zusammen mit der Sprache als Manifestationen der menschlichen Unbeständigkeit erwähnt werden. tristiloquium] Zur Bezeichnung der Häßlichkeit des römischen Dialekts verwendet Dante diesen seltenen Ausdruck ; vgl. VE, I, xiii, 4: turpiloquium. Messure, quinto dice] Nicht nur der Klang dieses Beispielsatzes, sondern auch die Verwendung der 2. Person sind offensichtlich tadelnswert. Diese Besonderheit der Römer erwähnt Dante ebenfalls Par., XVI, 10–12: „Mit ‚ihr‘ (voi), das Rom zum erstenmal geduldet, / An dem jedoch sein Volk nicht festgehalten, / Begann ich dann aufs neue meine Worte.“ Auch der Franziskaner Salimbene de Adam da Parma (1221–1288) schreibt in seiner Chronik den Römern diese Untugend zu: „sicut faciunt ille de Apulia et Romani, qui imperatori et summo pontifici dicunt ‚tu‘. Et tamen appellant eum dominum dicentes: ‚Tu messor‘“ (Cronica, ed. Scalia, 172). §3 Chignamente scate sciate] Die Deutung dieses Beispielsatzes ist unsicher, da auch die textliche Überlieferung unsicher ist. Mengaldo optiert für die Lesart von B (siate). Chignamente ist ein auch anderweitig bezeugtes Synomym zu come. §4 recte atque perfecte ligatam] Zum Ausdruck ligare als Zeichen einer metrischen Struktur vgl. VE, II, iii, 2; iv, 6; viii, 9. quidam Florentinus nomine Castra] Es war bis heute nicht möglich, diesen Dichter zu identifizieren. Vgl. Hausmann, Die Gedichte, 289; dort 295, Hinweise zu verschiedenen Identifikationshypothesen.

Kommentar zu Kap. xi, 5, 6

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§5 Enter l’ora … d’occhiover] Wie aus einer Bemerkung in xiv, 5, hervorgeht, betrachtet Dante die in diesem Vers viermal vorkommende Apokope, d. h. den Ausfall eines Auslauts, als besonders barbarisch. §6 cribremus] Das Bild des Siebens verwendet Dante in diesem Traktat des öfteren: xii, 1; xv, 7, und II, vii, 3. Ces fas-tu] In VE, II, viii, 6, betont Dante, daß monosyllabische Ausdrücke zwar unvermeidlich sind, daß ihnen allerdings mehrsilbige Wörter vorzuziehen sind: „Ornativa vero dicimus omnia polisillaba que, mixta cum pexis, pulcram faciunt armoniam compaginis, quamvis asperitatem habeant aspirationis et accentus et duplicium et liquidarium et prolixitatis.“ crudeliter accentuando eructant] Es scheint gerechtfertigt, den Ausdruck eructare in einem negativen Sinne zu verstehen, im Gegensatz zu Mengaldo, der das Verb als synomym zu effundere versteht. Cumque hiis … civibus] Dante führt hier den Unterschied zwischen ländlichen und städtischen Dialekten ein und beschränkt sich im Folgenden auf die Analyse der städtischen Dialekte (er verwendet dazu den Ausdruck: municipalia vulgaria). An dieser Unterscheidung ist nicht nur der traditionelle Gegensatz von urbanitas und rusticitas, der bereits bei Cicero und Quintilian begegnet, interessant, sondern vor allem das Faktum, daß Dante sich offensichtlich bewußt ist, daß die sprachlichen Differenzen auch soziologische und ökonomische Ursachen besitzen. Der Ausdruck mediastinus bezeichnet im mittelalterlichen Latein die Bewohner des Stadtzentrum („in medio civitatis existens“ nach dem Catholicon des Johannes von Genua).

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Kommentar zu Kap. xi, 7; xii

§7 Sardos etiam … imitantes] Der Topos des Affen als nachahmendes Tier ist geläufig, aber trotzdem erstaunt er in diesem Zusammenhang, wo behauptet wird, die Sarden besäßen keinen eigenen Dialekt. Zu den besonderen Problemen, die diese Bemerkungen nach sich ziehen, vgl. den Artikel „Sardegna“ in ED, V, 33–35. domus nova et dominus meus] Die Überlieferung dieses Passus stellt große Probleme. Marigo schlägt dominus novadomus novus vor. Wir folgen dem Vorschlag von Mengaldo, obschon die von Marigo vorgeschlagene Version die grammatische Inkohärenz und die Lächerlichkeit des Sardischen besser verdeutlicht. Der Vorschlag von Mengaldo dagegen macht deutlich, daß die Sarden keine eigene Sprache besitzen und nur das Latein nachahmen. Kapitel xii Das zwölfte Kapitel setzt die im vorangehenden Kapitel begonnene empirische Untersuchung zu den verschiedenen italienischen Dialekten, deren Vielheit Dante mit einem Wald vergleicht, fort. Das Kapitel ist indes etwas sachlicher als das vorangehende, wo die verschiedenen Dialekte gleichsam mit einem Handstreich eliminiert wurden. Die Analyse ist auf die vulgaria von Sizilien und Apulien konzentriert. Das Sizilianische besitzt eine besonders guten Ruf, weil in diesem vulgare viele berühmte Dichter geschrieben haben (§3). Ein Lob Friedrichs II. und seines Sohnes Manfred sowie ihrer intellektuellen Leistungen im § 4 verwandelt sich in eine Invektive gegen die gegenwärtigen politischen Herrscher (§ 5). Dante führt schließlich in diesem Zusammenhang (§ 6) einen Unterschied ein zwischen der Sprache der „ersten“ Sizilianer (wohl die Dichter und Höflinge) und der

Kommentar zu Kap. xi, 2

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Sprache der gemeinen Leute. Die erste ist durchaus großen Lobes würdig. Die Abschnitte des Kapitels zu der Sprache der Apulier (§7–8) beginnt mit einer Kritik der bei ihnen geläufigen Barbarismen, wiewohl auch in diesem Gebiet einige beachtenswerte Dichter höfischere Vokabeln (vocabula curialiora) gebraucht haben. Als Ergebnis dieser Analyse (§ 9) hält Dante fest, das keines der beiden vulgaria die Kriterien der gesuchten Hochsprache erfüllt. Allerdings stellt dieses Kapitel eine sehr wichtige Etappe im Fortgang der Untersuchung dar. Zum einen werden hier erstmals die Gesichtpunkte des Königlichen (aula und regale im § 4) und des Höfischen (§8: vocabula curialiora) in Betracht gezogen. Zum anderen ist es wichtig festzustellen, daß Dante gesellschaftlich bedingte, qualitative Unterschiede innerhalb desselben vulgare in Betracht zieht. §2 de siciliano examinemus ingenium] Dantes Hochschätzung der sizilianischen Dichtung entspricht durchaus der realen Bedeutung dieser Dichterschule für die Entwicklung der italienischen Literatur. Zur Schule von Sizilien und ihrer Bedeutung für Dante vgl. den Artikel „Siciliana, scuola“ von M. Marti in der ED, V, 227–230. puta in cantionibus illis] Die beiden folgenden Verse stammen von Guido delle Colonne (ca. 1210– nach 1277). Dieser Dichter war Richter in Messina. Von ihm sind fünf Kanzonen erhalten. Sie sind u. a. ediert von Contini, Poeti del Duecento, I, 107–110. Die Identifikation mit dem Bearbeiter des Troja-Romans von Benoît de Sainte-Maure, Guido de Columna, ist unwahrscheinlich. Ancor … lassi] Zu diesem Gedicht vgl. Hausmann, Die Gedichte, 227; Text und deutsche Übersetzung, 218–223. Dante erwähnt es ein zweites Mal VE, II, vi, 6, wo er den

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Kommentar zu Kap. xii, 3, 4

Dichter als Iudex de Messina anspricht und dieses Gedicht zusammen mit einer Reihe anderer als Beispiel einer vorzüglichen constructio anführt (constructio wird hier [II, vi, 1] verstanden als „regulata compago dictionum“). Amor … menato] Zu dieser Kanzone vgl. Hausmann, Die Gedichte, 240–243, dort auch Literaturangaben; Text und deutsche Übersetzung, 232–237. Nach der Einschätzung von Hausmann handelt es sich um ein Gedicht, das „nahezu alle Konzeptionen, rituellen Stilisierungen und Metaphernkreise der neuplatonischen höfischen Liebeslyrik“ (240) enthält. Dante erwähnt auch dieses Gedicht ein zweites Mal (VE, II, v, 4), diesmal unter den cantiones illustres. §3 trinacrie terre] Diese Bezeichnung Siziliens, die auf die Dreiecksgestalt hinweist, ist bei Vergil geläufig. §4 Siquidem illustres heroes … Manfredus] Das folgende Lob Friedrichs II. (König von Sizilien 1215–1250) und seines Sohnes Manfred (geboren 1232 als unehelicher Sohn, König von Sizilien 1258–1266) steht im Gegensatz zur Invektive gegen die Herrscher Italiens, mit der der vorangehende § endet. Dante erwähnt die beiden sizilianischen Herrscher hier vor allem aufgrund ihres Mäzenatentums, durch das auch die sizilianische Dichterschule gefördert wurde. Friedrich wird von Dante namentlich an folgenden Stellen seines Werkes erwähnt: Conv. IV, iii, 6; Inf., XIII, 59 und 75; Par., III, 120; Par., XIX, 130–135. Zu Manfred vgl. Purg., III, 103ff. Zum Verhältnis Dantes zu den Hohenstaufen vgl. W. Cohn, „Die Hohenstaufen im Urteil Dantes und der neueren Geschichtschreibung“,; H. Löwe, „Dante und die Staufer“. Zu den intellektuellen und kulturellen Leistungen vgl. den wichtigen Sammelband: Federico II e le scienze; einige Hinweise bezüglich der philosophiehistorischen Relevanz

Kommentar zu Kap. xii, 5

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Friedrichs auch bei R. Imbach, Laien in der Philosophie des Mittelalters. nobilitatem … dedignantes] In diesem Passus wird der Vorrang der beiden Herrscher durch den Adel der Seele gerechtfertigt. Es ist angebracht, forma in diesem Zusammenhang als Seele zu verstehen (vgl. dazu Conv., III, vi, 12: „sua forma, cioè la sua anima“). Friedrich und Manfred haben nach dieser Einschätzung Dantes ein wahrhaft menschliches, d. h. vernunftgemäßes Leben geführt. Sie verkörpern deshalb ein ethisches, kulturelles und politisches Ideal. Dante hat den Begriff des Adels (nobilitade) ausführlich im IV. Traktat des Conv. behandelt (vgl. dazu die Einleitung zu unserer Übersetzung, XVLII–LIII). Es ist bedeutsam, daß in diesem Zusammenhang der Hof (aula) als Ort vorzüglicher literarischer und sprachlicher Produktion wahrgenommen wird. Die Hinweise auf Friedrich und Manfred bereiten einen wichtigen Aspekt der Umschreibung des gesuchten vulgare vor, nämlich die Dimension des Höfischen; vgl. dazu xviii, 2–5, wo die Epitheta aulicum und curiale erörtert werden. fortuna] Zu Dantes Verständnis der fortuna vgl. Inf., VII, 73–96. quod quidem retinemus … valebunt] Dante betont die historische Bedeutung der sizilianischen Herrscher, indem er einerseits darauf hinweist, daß ihr Hof zu Lebzeiten („eorum tempore“) ein Zentrum kulturellen Lebens war, und andererseits betont, daß dies nicht nur die zur Zeit Dantes Lebenden („retinemus et nos“), sondern auch die zukünftigen Generationen („posteri nostri“) anerkennen werden. §5 Racha, racha] Diese Interjektion der Verachtung kommt in Matth, 5, 22, vor; vgl. Augustinus, De doctrina christiana, II, xi, 16: « Contra ignota signa propria magnum remedium est linguarum cognitio. Et latinae quidem linguae homines,

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Kommentar zu Kap. xii, 5

quos nunc instruendos suscepimus, duabus aliis ad Scripturarum divinarum cognitionem opus habent, hebraea scilicet et graeca, ut ad exemplaria praecedentia recurratur, si quam dubitationem attulerit latinorum interpretum infinita varietas. Quamquam et hebraea verba non interpretata saepe inveniamus in libris, sicut Amen et Allelluia et Racha et Osanna et si qua sunt alia. Quorum partim propter sanctiorem auctoritatem, quamvis interpretari potuissent, servata est antiquitas, sicut sunt Amen et Alleluia, partim vero in aliam linguam transferri non potuisse dicuntur, sicut alia duo quae posuimus. Sunt enim quaedam verba certarum linguarum quae in usum al terius linguae per interpretationem transire non possint. Et hoc maxime interiectionibus accidit, quae verba motum animi significant potius quam sententiae conceptae ullam particulam. Nam et haec duo talia esse perhibentur; dicunt enim Racha indignantis esse vocem, Osanna laetantis.“ Mit diesem Ausruf leitet Dante eine Invektive gegen die Fürsten, die nach Manfred in Sizilien regiert haben, ein. novissimi Frederici] Gemeint ist Friedrich II. von Aragonien, König von Sizilien (1296–1337), Enkel Friedrichs II. Dante beurteilt ihn in Purg., VII, 119–120, und Par., XIX, 130–132, sehr negativ. secundi Karoli] Karl II. von Anjou ist der Sohn Karls I. von Anjou, der im Namen von Papst Clemens V. (1265–1268) König Manfred 1266 in Benevent besiegt hat. Karl II. hat den Thron von Sizilien im Jahre 1288 bestiegen. Dante erwähnt ihn Purg., VIII, 127, und Par., VI, 106. In Purg,. XX, 79–81, wird daran erinnert, daß seine Tochter Azzo VIII. geheiratet hat. Iohannis et Azonis] Zu Giovanni von Monferrato (gestorben 1305) vgl. Purg., VII, 134 f. Azzo VIII., Markgraf von Este (1293–1308), wird Inf., XII, 111–112, des Vatermords beschuldigt; Dante erwähnt ihn noch einmal VE, II, vi, 4, in einem Beispielsatz. Die Invektive gegen die Fürsten in diesem Paragraphen kann mit einer analogen Schmährede

Kommentar zu Kap. xii, 6

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in Conv., IV, vi, 19–20, verglichen werden: „Oh miseri che al presente reggete! e oh miserissimi che retti siete! ché nulla filosofica autoritade si congiunge colli vostri reggimenti né per propio studio né per consiglio […] Ponetevi mente, nemici di Dio, a’fianchi, voi che le verghe de’reggimenti d’Italia prese avete – e dico a voi, Carlo e Federigo regi, e a voi altri principi e tiranni.“ – „Ach ihr Ärmsten, die ihr gegenwärtig herrscht und ach ihr Allerärmsten, die ihr beherrscht werdet! Denn keine philosophische Autorität verbindet sich mit eurer Herrschaft, weder durch eigenes Studium noch durch Rat […] Habt acht, ihr Feinde Gottes, auf die Flanken, ihr, die ihr die Zügel der Herrschaften Italiens genommen habt – und ich spreche zu Euch, König Karl und König Friedrich, und zu Euch, ihr anderen Fürsten und Tyrannen.“ §6 Tragemi … bolontate] Dante kehrt zur linguistischen Betrachtung zurück und führt in diesem § eine Unterscheidung zwischen einer sizilianischen Hochsprache und dem vom gemeinen Volk gesprochenen Dialekt ein. Als Beispiel der sizilianischen Umganssprache zitiert Dante diesen Vers aus dem Contrasto des Cielo d’Alcamo (ca. 1231–1250). Über diesen Dichter ist nichts bekannt; sein Gedicht, das aus 32 fünfzeiligen Strophen besteht, ist ein Dialog zwischen einem Mann und einer Frau, Dialog, der nach Hausmann „als Ausgleich zur sinnenfremden geistigen Liebesdichtung“ zu lesen ist; vgl. Hausmann, Die Gedichte, 260–273 (Text und Übersetzung), 279–286 (Kommentar). Si autem … ostendemus] Diese abschließende Beurteilung des sizilianischen vulgare ist von großer Relevanz. Wenn Dante hier behauptet, die sizilianische Dichtersprache unterscheide sich nicht vom gesuchten vulgare illustre, dann heißt dies, daß es sich um eine gewisse Verwirklichung desselben handelt. Allerdings zeigt die negative Formulierung des Urteils, daß das Sizilianische der Dichter nicht schlecht-

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Kommentar zu Kap. xii, 7, 8

hin mit der gesuchten Sprache identifiziert werden kann. Entscheidend für diese Unmöglichkeit ist zweifellos der regionale Charakter des Sizilianischen. Nichtsdestotrotz ist die Untersuchung dieses vulgare ein ganz entscheidender Schritt in der Suche nach den Kriterien der gesuchten Sprache. §7 Die Behandlung des Dialekts von Apulien ist neuerdings stark polemisch geprägt. Die Ausdrucksweise der Bewohner dieser Gegend wird mit dem Verb barbarizare bezeichnet. barbarizant] Vgl. zu diesem Verb die von Huguccio angegebene Umschreibung (Derivationes, B 25, 116): „Et a barbaro vel barbarismus barbarizo –as, crudeliter agere vel barbarismum facere, et ut breviter significatio eius aperiatur, barbarizare est more barbarorum uti in unaquaque re.“ §8 Madonna … voglio] Es handelt sich hier um den ersten Vers eines Gedichtes von Giacomo da Lentini, eines Hofbeamten Friedrichs II., der auch als Notar in der Gegend von Messina tätig war. Er gilt als der älteste Vertreter der sizilianischen Schule. In Purg., XXIV, 55–58, wird er zusammen mit Guittone d’Arezzo und Bonagiunta da Lucca als Vorläufer des Dolce stil novo genannt. Wichtig ist, daß Dante hier zur Qualifikation seines Gedichtes festhält, er habe curialiora vocabula verwendet. Zu dieser Kanzone vgl. Hausmann, Die Gedichte, 204–217. Seine Werke sind ediert von R. Antonelli, Giacomo da Lentini. Per fino amore … letamente] Das zweite Beispiel der Dichtkunst in Apulien stammt von Rinaldo d’Aquino (gestorben um 1279/1281), der vielleicht ein Verwandter des Thomas von Aquino war. Zu seinem Gedicht vgl. Hausmann, Die Gedichte, 246–258. Dante erwähnt das Gedicht noch einmal VE, II, v, 4.

Kommentar zu Kap. xiii, 1

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Kapitel xiii Der florentinische und der genuesische Dialekt werden in diesem Kapitel abgehandelt, mit dem zu erwartenden Ergebnis, daß keiner der beiden die gesuchte Hochsprache ist. An Dantes Verurteilung der Toskaner, die meinen, ihr Dialekt überrage alle andern – sei also als illustre zu qualifizieren (§1) –, fällt vor allem auf, daß er hier den Unterschied zwischen der gesuchten, bislang vor allem als curiale bezeichneten Volkssprache, und den vulgaria municipalia hervorhebt. In den § 2–3 werden die städtischen Sprachen einzeln betrachtet, und Dante scheut sich nicht, sie mit einer sprachlichen Neuschöpfung als turpiloquia zu apostrophieren. Allerdings haben die Dichter, von denen Guido Cavalcanti, Lapo Gianni, Cino da Pistoia und Dante selbst erwähnt werden, den florentinischen Dialekt überhöht (§ 4–5), was indes nur durch eine Devianz von der gebräuchlichen Sprachpraxis möglich war. Mit einem kurzen Hinweis auf das Genuesische (§6), in dessen Phonetik das gezischte Z hervorsticht, wird das Kapitel beendet. §1 Guittonem … direxit] Guittone d’Arezzo (ca. 1230–1294) ist das Haupt einer Gruppe von toskanischen Dichtern, die den Übergang von der sizilianischen Schule zum Dolce stil novo bilden. Dante beurteilt das Werk Guittones äußerst scharf (vgl. VE, II, vi, 8: „subsistant igitur ignorantie sectatores Guictonem Aretinum et quosdam alios extollentes, nunquam in vocabulis atque constructione plebescere desuetos“; vor allem aber Purg., XXVI, 121–126: „Sie geben auf Gerücht mehr als auf Wahrheit,/ Und also bilden sie sich ihre Meinung,/ Bevor sie auf Verstand und Kunst noch hören./ So taten viele Alte mit Guittone,/ Indem sie ihn von Mund zu Mund priesen,/ Bis Wahrheit über ihn mit Mehrheit siegte.“),

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Kommentar zu Kap. xiii, 1

obwohl er durch ihn wesentlich beeinflußt wurde. In Purg., XXIV, 55–62, erkennt Dante allerdings die historische Bedeutung Guittones an, der zusammen mit Giacomo da Lentini und Bonagiunta da Lucca genannt wird: „O Bruder, sprach er (Bonagiunta), nun seh ich den Knoten, / Der den Notar, Guitton und mich noch ferne/ Von jenem süßen neuen Stil (dal dolce stil nuovo) gehalten,/ Ich sehe wohl, wie folgsam eure Federn/ Dem, der diktiert, auch auf sein Wort gehorchen;/ Das ist mit unsern freilich nicht geschehen.“ Vgl. den Artikel „Guittone d’Arezzo“ von M. Marti in der ED, II, 334–336, seine Gedichte sind ediert von F. Egidi, Le rime di Guittone d’Arezzo. Bonagiuntam Lucensem] Als zweiter Vertreter der toskanischen Dichtung wird der vor 1296 verstorbene Bonagiunta Orbicciani da Lucca erwähnt. Dante begegnet ihm im XXIV. Gesang des Purg. und unterhält sich ausführlich mit ihm über die Dichtung (19–63). In diesem Gespräch kritisiert Bonagiunta die Art des Dichtens von Guido Guinizelli und verteidigt den herkömmlichen Stil. Vgl. Contini, Poeti del Duecento, I, 257–259, sowie M. Ciccuto, „Reperti allusivi nel canto XXIV del Purgatorio“; R.L. Martinez, „The Pilgrim’s Answer to Bonagiunta and the Poetics of the Spirit“; M. Simonelli, „Bonagiunta da Lucca e la problematica dello stil nuovo (Purg. XXIV)“. Gallum Pisanum] Von Gallo oder Galletto da Pisa sind zwei Kanzonen überliefert; vgl. Contini, Poeti del Duecento, I, 283–288, sowie E. Cristiani, „I dati biografici e i referimenti politici dei rimatori pisani del Dugento“. Minum Mocatum Senensem] Mit großer Wahrscheinlichkeit handelt es sich um Bartolomeo da Siena (um 1220 geboren). Von ihm ist eine Kanzone erhalten („Non pensai che distretto“); für weitere Informationen cf. B. Buzzelli, „Bartolomeo Mocati da Siena“. Brunetum Florentinum] Dem Dichter, Notar, Philosoph, Politiker und Rhetor Brunetto Latini (1220–1294) begegnet

Kommentar zu Kap. xiii, 1

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Dante im XV. Gesang des Inf. Das eingehende Gespräch der beiden Intellektuellen (Inf., XV, 13–124) behandelt nicht nur Dantes Zukunft als Dichter (55–60), das Exil Dantes (61–78), sondern enthält vor allem einen eindrücklichen Passus, in dem die Verehrung Dantes für den Notar zum Ausdruck kommt (73–87): „Wenn alle meine Wünsche sich erfüllten,/ Gab ich zur Antwort, Wäret Ihr noch heute/ Nicht von der Menschen Leben ausgestoßen./ Denn tief im Geiste lebt mir und ergreift mich/ Das liebe, gute, väterliche Antlitz (buona imagine paterna)/ Von Euch, da Ihr mich Schritt um Schritt im Leben/ Gelehrt habt, wie man sich verwigen könne (come l’uom s’eterna)./ Und wie sehr mir dies lieb, solang ich lebe,/ Muß man an meiner Rede wohl erkennen.“ Wenn Dante in diesem Passus behauptet, Brunetto habe ihn gelehrt, sich zu verewigen, dann denkt er wahrscheinlich an das philosophiehistorisch wichtigste Werk, das der Notar hinerlassen hat, nämlich das im Exil in französischer Sprache verfaßte Buch des Schatzes (Li livres dou Tresor, edited by F.J. Carmody), ein enzyklopädisches Handbuch, das zweifelsohne zu den ersten philosophischen Werken in der Volkssprache gehört (vgl. R. Imbach, Laien in der Philosophie des Mittelalters). Des weiteren hat Brunetto eine Rhetorik in italienischer Sprache (La rettorica, a cura di F. Maggini) sowie ein (unvollendetes) didaktisches Werk in Versen (Il Tesoretto, in: Contini, Poeti del Duecento, II, 169–284) verfaßt. Die Frage, weshalb Brunetto, den Dante wie einen väterlichen Freund verehrt, im siebenten Höllenkreis unter den Sodomiten weilt, hat die Exegeten der Commedia beunruhigt. Eine ganze Reihe von Interpreten sind der Auffassung, daß die Strafe nicht im wörtlichen Sinne zu verstehen ist, daß also das Vergehen Brunettos nicht sexueller Art ist. A. Pézard hat die Meinung vertreten, daß Brunetto bestraft wird, weil er sein Hauptwerk nicht in seiner italienischen Muttersprache verfaßt hat (Dante sous la pluie de feu), während R. Kay glaubt, die Strafe beziehe sich

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auf die anti-imperialistische Haltung des Notars (Dante’s Swift and Strong: Essays on Inferno XV; „The Sin(s) of Brunetto Latini“); R. Armour schließlich sucht den Grund in einer quasi-manichäischen Ablehnung der Güte des Menschen („Brunetto the Stoic Pessimist“; „Dante’s Brunetto: The Paternal Paterine?“). Die Bemerkung zu Brunetto in diesem Abschnitt von VE bezieht sich ausschließlich auf sein dichterisches Werk, wahrscheinlich sogar lediglich auf die einzige von ihm erhaltene Kanzone („S’eo son distretto inamoratamente“). Dante wirft ihm und den anderen mit ihm genannten Dichtern vor, daß sie ihre Gedichte in einem städtischen Dialekt verfaßt haben. Zum Schaffen Brunettos vgl. die Bibliographie von J. Bolton Holloway (Brunetto Latini: An Analytic Bibliography) sowie die Gesamtwürdigungen von B. Ceva (Brunetto Latini: l’uomo e l’opera) sowie diejenigen von F. Mazzoni (Artikel „Latini, Brunetto“ in ED, IV, 579–588) und P. Armour ( Artikel „Brunetto Latini“ in TDE, 127–129). Für das Verhältnis von Dante zu Brunetto sind außer den erwähnten Arbeiten folgende Studien von Bedeutung: J. Bolton Holloway, Twice-Told Tales: Brunetto Latino and Dante Alighieri; Ch. T. Davis, „Brunetto Latini and Dante“; Ders., Dante’s Italy and Other Essays, 166–197. §2 Locuntur Florentini] Dante gibt in diesem § Beispiele für die städtischen Dialekte von Florenz, Pisa, Lucca, Siena und Arezzo. Am Beispiel des vulgare municipale von Florenz fällt auf, daß zwei der darin vorkommenden Wörter in der Commedia auftauchen, nämlich introque (Inf., XXX, 130) und manicare/manducare (Inf.; XXXII, 127; XXXIII, 60). Diese Beobachtung bestätigt, daß Dante für das Inferno einen derben Stil gewählt hat, wie Ep., XIII, 31, bezüglich der Art des Sprechens in der Commedia bemerkt: „ad modum loquendi, remissus est modus et humilis, quia locutio vulgaris in qua et muliercule comunicant.“

Kommentar zu Kap. xiii, 3

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Pisani] Die Sprachhistoriker weisen darauf hin, daß am Beispiel der sprachlichen Gepflogenheiten der Pisaner die Endung –onno für die dritte Person plural im Perfekt und die Transformation von z in s (Fiorensa statt Fiorenza) auffällig sind. §3 Wiewohl der Dialekt der Toskana es verdient, als turpiloquium bezeichnet zu werden, haben einige Dichter es zustande gebracht, in dieser Sprache vorzügliche Gedichte zu verfassen. Dies war indes nur dank eines abweichenden sprachlichen Verhaltens möglich. Dante zählt im Folgenden vier Dichter des Dolce stil novo auf, die im Gegensatz zu den fünf oben erwähnten Lob und Anerkennung verdienen. Guidonem] Der um 1250/1255 geborene Dichter Guido Cavalcanti darf als der älteste Stilnovist bezeichnet werden. Seine Freundschaft mit Dante erreicht zur Zeit der Abfassung der Vita Nova (um 1293/1294) ihren Höhepunkt. Dante nennt ihn in diesem Werk „primo mio amico“ (XXIV, 3) und widmet ihm das Prosimetrum, das ganz unter dem Einfluß Cavalcantis, der mehrfach erwähnt wird (XIX–XXV; XXX, 3; XXXII, 1), steht. Es ist nicht ganz klar, warum es zum Bruch zwischen den beiden Dichtern, die während einer gewissen Zeit Gedichte ausgetauscht haben, gekommen ist. Dante gehörte zu den Prioren von Florenz, als Guido am 24. Juni 1300 aus der Stadt verbannt wurde. Nach seinem Tod im August 1300 hat sich Dante mehrfach zu ihm geäußert. Im zweiten Buch von VE wird er dreimal genannt; es wird namentlich sein wohl berühmtestes Gedicht „Donna me prega“ zweimal wegen seiner virtuosen Form gewürdigt (II, xii, 3 und 8). In Purg., XI, 97–99, wird gesagt, der eine Guido (Cavalcanti) habe dem andern (Guinizelli) den Ruhm der Sprache streitig gemacht. Allerdings fügt Oderisi da Gubbio, der an dieser Stelle spricht, hinzu, es sei bereits ein neuer Dichter geboren, der die beiden überholen werde. Gemeint ist Dante

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Kommentar zu Kap. xiii, 3

selbst. – Unter den Ketzern des sechsten Höllenkreises (Inf. X, 52–72) begegnen Vergil und Dante dem Vater Guidos, der als Epikuräer die Unsterblichkeit der Seele geleugnet haben soll. Auch Guido war offensichtlich ein Anhänger dieser Lehre. B. Nardi („L’averroismo del primo amico di Dante“, in: Dante e la cultura medievale, 93–129) und M. Corti (La felicità mentale) haben nachzuweisen versucht, daß Guido ein Anhänger des lateinischen Averroismus war. Die Thesen von Nardi sind indes auf starken Widerstand gestoßen (vgl. vor allem die Kritik von G. Favati, „La glossa latina di Dino del Garbo a ‚Donna me prega‘ del Cavalcanti“, die Replik von Nardi, „Noterella polemica sull’averroismo di Guido Cavalcanti“, sowie die neuerliche Stellungnahme von Favati: „Guido Cavalcanti, Dino del Garbo e l’averroismo di Bruno Nardi“). Die neunte Novelle des vierten Tages in Boccaccios Decameron stellt allerdings Cavalcanti als einen Philosophen vor, der sein ganzes Bemühen darauf ausgerichtet haben soll zu beweisen, daß Gott nicht existiert. Zum Verhältnis Cavalcanti-Dante in literaturhistorischer Perspektive vgl. G. Contini, „Cavalcanti in Dante“, in: Le Rime di Guido Cavalcanti, 85–104; M. Marti, Con Dante fra i poeti del suo tempo, Lecce 1966, 69–94. Eine Übersetzung und einen vorzüglichen Kommentar der beiden von Dante in VE erwähnten Kanzonen Guidos bei Hausmann, Die Gedichte, 350–381. Einen Kommentar der philosophisch überaus relevanten Kanzone „Donna me prega“ gibt M. Corti, La felicità mentale, 16–37. Lapum] Hier handelt es sich wahrscheinlich um Lapo di Farinata degli Uberti, Lupo genannt, der im Zeitraum von 1252–1312 aktiv war und mit Guido Cavalcanti Gedichte ausgetauscht hat; vgl. S. Carrai, La lirica Toscana del Duecento: cortesi, guittoniani, stilnovisti, 146–150. et unum alium] Dante meint damit sich selbst. Bereits x, 2, hat er sich selbst in einem Atemzug mit Cino da Pistoia genannt.

Kommentar zu Kap. xiii, 4, 5; xiv

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Cynum Pistoriensem] Cf. die Notiz zu diesem Dichter im Kommentar zu x, 2. §4 Itaque … Tuscanorum] Diese abschließende Bemerkung ist mit xii, 9, zu vergleichen. Nur die Devianz der Dichter von der vom Volk praktizierten Sprache ermöglicht ihre Meisterschaft. Der sowohl in diesem wie auch im vorangehenden Kapitel sich abzeichnende Abstand macht das Vorhaben Dantes, d. h. das Projekt eines vulgare illustre, einsichtig: Er sucht nach einer Volkssprache, die zwar die Qualität der hohen Sprache der gelobten Dichter besitzt, die aber gleichzeitig alle Mängel des linguistischen Munizipalismus überwindet und somit für alle Gegenden Italiens gültig ist. §5 Mit der ebenso kurzen wie ironischen Behandlung des Dialekts von Genua findet Dantes Prüfung der Dialekte der rechten Seite Italiens ihren Abschluß (vgl. die geographische Aufteilung Italiens im Kapitel x). Trotz des generell negativen Ergebnisses – keiner der Dialekte kann beanspruchen den Rang des vulgare illustre zu erreichen – hat dieser erster Teil der empirischen Untersuchung dennoch zahlreiche Elemente geliefert, die es erlauben werden, die verschiedenen Kriterien, die die gesuchte Sprache erfüllen muß, zu entdecken. Kapitel xiv In diesem Kapitel wird die empirische Untersuchung zu den italienischen Dialekten fortgesetzt, wobei sich Dante nun der linken Seite der Halbinsel zuwendet. Zuerst werden die vulgaria der Romagna untersucht (§ 2–5). Danach steht das

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Kommentar zu Kap. xiv, 1–3

Venezianische im Mittelpunkt (§ 6). Das zu erwartende Ergebnis, nämlich daß keiner dieser Dialekte die Kriterien des vulgare illustre erfüllt, wird zum Schluß in der Form eines juristischen Urteils verkündet (§ 8). §1 orientaliter] In seiner Untersuchung bewegt sich Dante vom Südwesten (Romagna) nach dem Nordwesten (Piemont). §2 convenientiis contrariis] Mit diesem Oxymoron, das überdies eine Allitteration enthält, bringt Dante zum Ausdruck, daß innerhalb der einen Sprache große Gegensätze bestehen können. Hier will Dante auf den Gegensatz zwischen dem weichen Dialekt der Romagna und dem harten von Brescia, Verona, Vicenza und Padua (§ 4–5) aufmerksam machen. Quorum unum … credendum] Die Weichheit der Aussprache des Dialekts der Romagna wird durch die etymologische Beziehung von mollities und mulier unterstrichen, die im Mittelalter geläufig war: Vgl. z. B. Albertus Magnus, De animalibus, V, ii, I; Opera omnia, Borgnet, 11, 48: „Vox […] feminarum acutior est et mollior et debilior vocibus masculorum.“ Vor allem aber Isidor von Sevilla, Origines, XI, ii, 18: „Mulier vero a mollitie, tamquam mollier, detracta littera vel mutata, appellata est mulier.“ Huguccio, Derivationes, s.v. mollio, 791: „Item a mollis hec mulier, quasi mollier, quia mollis est debilis respectu viri.“ In VE, II, vii, 4, betont Dante, daß allzu weiche Wörter ebenso vermieden werden sollen wie kindische und bäurische („nec muliebria propter sui mollitiem“). §3 Forlivienses] Dante hat sich 1303 in Forlì aufgehalten. Es ist nicht ganz klar, was er meint, wenn er sagt, diese Stadt sei no-

Kommentar zu Kap. xiv, 4

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vissima. Marigo schlägt in seinem Kommentar eine zeitliche Interpretation vor; Mengaldo dagegen zieht eine räumliche Auslegung vor (danach befände sich die Stadt am Rande der Provinz). Wir haben in der Übersetzung für die zeitliche Variante entschieden. Thomam … Ugolinum Bucciolam] Von Tommaso da Faenza, der zwischen 1267 und 1289 als Dichter wirkte, sind Gedichte in Italienisch und Latein erhalten; seine erhaltenen Werke sind ediert von G. Zaccagnini in: Archivum romanicum, XIX (1935) 79–106. Ugolino di Alberigo Manfredi, Bucciòla genannt, (+ 1301), ist der Sohn des in Inf., XXXIII, 118, erwähnten Alberigo Manfredi. Von ihm sind zwei Sonette überliefert, die F. Torraca publiziert hat (Studi danteschi, 187–211). Nach dem Zeugnis von Francesco da Barberino in seinen Documenti d’Amore soll er ebenfalls einen in Versform verfaßten didaktischen Traktat mit dem Titel De salutandi modis verfaßt haben. §4 yrsutum et yspidum] Zur Umschreibung des dem eben beschriebenen entgegengesetzten Dialekts verwendet Dante diese beiden Adjektive, deren Bedeutung besser verständlich wird, wenn wir berücksichtigen, was Dante in VE, II, vii, zur Wortwahl (discretio vocabulorum) ausführt. Nach der allgemeinen Unterscheidung der Wörter in verschiedene Kategorien (II, vii, 2: „Nam vocabulorum quedam puerilia, quedam muliebra, quedam virilia; et horum quedam silvestria, quedam urbana.“) präzisiert Dante, was unter „urbanen Ausdrücken“ genauerhin zu verstehen ist: „et eorum que urbana vocamus, quedam pexa et lubrica, quedam yrsuta et reburra sentimus“ (vii, 2). Dante folgert, daß für die erlauchte Volkssprache nur zwei der vier Wortarten angemessen sind: „Sola etenim pexa yrsutaque urbana tibi restare videbis, que nobilissima sunt et membra vulgaris illustris“ (vii, 4). Und er erklärt auch genauerhin, was unter „borstigen Vokabeln“ zu

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Kommentar zu Kap. xiv, 5–7

verstehen ist: „Yrsuta quoque dicimus omnia preter hec que vel necessaria vel ornativa videntur vulgaris illustris“ (vii, 6). Wenn die vorliegende Charakterisierung des Dialekts, der hier beurteilt werden soll, im Lichte dieser Unterscheidungen gelesen wird, dann wird deutlich, daß Dante den exzessiven Gebrauch „borstiger Wörter“ kritisiert, was nicht nur durch die Hinzufügung eines zweiten Adjektivs (yspidum), sondern insbesondere durch das Syntagma rudis asperitas zum Ausdruck kommt. Vgl. dazu die Ausführungen von P.V. Mengaldo im Eintrag „Vocabuli, teoria dei“ in der ED, V, 1107–1110, sowie A. Schiaffini, Interpretazione del De vulgari eloquentia di Dante, 234–240. rudem asperitatem] Nicht die asperitas als solche, sondern die exzessive Rauheit ist ein Mangel; zu asperitas vgl. VE, II, vii, 6 und xiii, 13. §5 turpiter sincopantes … ‚-tas‘] Sprachhistorische Untersuchungen bestätigen, daß die Beobachtung Dantes richtig ist, vgl. dazu G. Ineichen, „Die paduanische Mundart am Ende des 14. Jahrhunderts“, vor allem 81–82. §6 Veneti … verras] Dante begnügt sich mit einem Beispielsatz, um den venezianischen Dialekt als Kandidat für das vulgare illustre auszuschließen. Der zitierte Satz stimmt mit dem Incipit eines Gedichtes von Cecco Angiolieri überein (ediert bei Contini, Poeti del Duecento, II, 400). §7 Ildebrandinum Paduanum] Aldobrandino dei Mezzabati di Padova ist nach Dantes Urteil der einzige Dichter der in diesem Kapitel behandelten Sprachgebiete, der sich darum bemüht hat, eine höfische Volkssprache zu erreichen. Hildebrand war von Mai 1291 bis Mai 1292 capitano del popo-

Kommentar zu Kap. xv, 2

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lo in Florenz. Sein Sonnett Lisetta voi de la vergogna storre antwortet auf Dantes Gedicht Per quella via che la bellezza corre; vgl. dazu: M. Barbi, Due noterelle dantesche; Ders.: „La questione di Lisetta“. Kapitel xv In diesem Kapitel findet die empirische Analyse der italienischen Dialekte ihren Abschluß. Ein für das Folgende zentraler Gedanke kommt darin zum Ausdruck: Die Idee der commixtio oppositorum (§5) wird im Zusammenhang des Dialekts von Bologna (§2–6) eingeführt, der aus verschiedenen anderen Dialekten Elemente aufgreift und damit seine Qualität verbessert. Die Schönheit einer Sprache wird also in diesem Kontext als das harmonische Gleichgewicht gegensätzlicher Elemente gedeutet. Die im Kapitel xi begonnene Suche nach einem vulgare illustre gelangt zu einem negativen Resultat, nämlich der Feststellung, daß die gesuchte Hochsprache als solche, d. h. als Volkssprache, noch nicht existiert. Allerdings hat Dante im Verlauf der Prüfung der einzelnen Dialekte nicht nur feststellen können, daß einige Dichter sich dem gesuchten Ideal bereits in hohem Maße angenähert haben, sondern er hat auch eine Reihe präziser Kriterien entdeckt, die in den Kapiteln xvii–xix umfassender entwickelt und angewendet werden. §2 ut Sordellus … deseruit] Als Beispiel einer linguistischen Praxis, die aus verschiedenen Dialekten die besten Elemente aufgreift, nennt Dante hier Sordello da Goito (gest. 1269), der in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts an verschiedenen Höfen Italiens und vor allem in der Provence tätig war. Es sind von ihm vor allem Werke in der provenzalischen Sprache erhalten. Nach der Meinung verschiedener Inter-

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Kommentar zu Kap. xv, 3

preten (F. D’Ovidio: „Sul trattato De vulgari eloquentia“, in: Versificazione romanza. Poetica e poesia medievale, 217–332; Th.G. Bergin: Dante’s Provençal Gallery) ist die Bemerkung „non solum in poetando sed quomodocunque loquendo patrium vulgare deseruit“ so zu deuten, daß er die italienische Sprache gänzlich aufgegeben hat. Andere Interpreten nehmen an, Dante wolle andeuten, daß Sordello sowohl in der Dichtung wie auch in der Umgangssprache ein vulgare verwendet habe, das überregionale Qualitäten besitzt (dies ist die Auffassung von Marigo in seiner Edition des Traktats, 124–126). Nach Mengaldo (Kommentar zur Stelle) hat Sordello seine dichterischen Werke in der langue d’oc verfaßt und in der mündlichen Kommunikation einen überregionalen Dialekt gesprochen. Keine der drei Deutung ist absolut überzeugend, aber die zweite erscheint als die wahrscheinlichste. Die Bewunderung Dantes für Sordello, die auch im kommentierten Passus von VE ausgesprochen wird, findet in den Gesängen VI–VIII des Purg. ihren Ausdruck. Ihren Höhepunkt erreicht sie in Purg., VI, 74, wo Virgil und Sordello sich umarmen: „e l’un l’altro abbracciava“. Vgl. den Artikel „Sordello“ von M. Boni in der ED, III, 813–814. Die Werke Sordellos sind ediert von M. Boni, Sordello: le poesie. §3 Accipiunt enim … mollitiem] Die Qualität des Dialekts von Bologna kommt durch eine Mischung zustande. Vom Dialekt der Bewohner von Imola, die zur Romagna gehören, übernimmt der städtische Dialekt von Bologna die Weichheit, die hier nicht nur mit dem im Kapitel xiv verwendeten Ausdruck mollities, sondern ebenfalls mit dem Terminus lenitas bezeichnet wird. Zu diesem Begriff vgl. VE, II, xiii, 13, sowie Conv., IV, ii, 13. Zu Dantes Einschätzung des Dialekts von Bologna vgl. L. Heilmann, „Il giudizio di Dante sul dialetto bolognese“.

Kommentar zu Kap. xv, 5, 6

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aliqualem garrulitatem] Ovid gebraucht den Ausdruck garrulitas, um die von den Elstern hervorgebrauchten Laute zu charakterisieren, und zwar an jener Stelle der Metamorphosen, auf die Dante VE, I, ii, 7, ausdrücklich hinweist (Metam., V, 678). An der kommentierten Stelle ist damit zweifelsohne eine gewisse Rauheit und Grobheit gemeint. Was auch die Bemerkung im Folgenden § erklärt, in der Lombardei sei keine Dichtung entstanden. §5 commixtionem oppositorum] Diese Umschreibung der Besonderheit des Dialekts von Bologna entspricht dem ästhetischen Ideal der Harmonie, die sich aus dem Gefüge verschiedener gegensätzlicher Teile ergibt. Im Falle der Sprache der Einwohner von Bologna entsteht aus den verschiedenen gegensätzlichen Elementen ein lobenswerter Wohlklang (laudabilis suavitas). Zum Ausdruck suavitas vgl. VE, II, vii, 5. Damit ist offensichtlich eine phonetische Qualität der Sprache gemeint. §6 Itaque … discordamus ab eis] Es gilt zu unterscheiden zwischen einer absoluten und einer relativen Hierarchie der italienischen Dialekte. Verglichen mit den anderen städtischen Dialekten Italiens ist demjenigen von Bologna ein gewisser Vorrang nicht abzusprechen, aber in einer uneingeschränkten Perspektive erreicht dieser Dialekt nicht die erforderlichen Qualitäten des Höfischen und der Erlauchtheit. Der Satz ist auf dem symmetrischen Gegensatz von allubescentes concordamus – dissentientes discordamus konstruiert und bringt die beiden Aspekte des Gedankens auch sprachlich auf vortreffliche Weise zum Ausdruck. Madonna … porto] Anfang des Gedichtes „Madonna, il fino amor ch’a vai porto“ von Guinizelli (G. Contini,

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Kommentar zu Kap. xvi

Poeti del Duecento, II, 453–456). Zu Guinizelli vgl. den Kommentar zu ix, 3. Donna … core] Die gesamte Produktion von Guido Ghislieri, dem dieser Vers zugeschrieben wird, ist verloren, selbst die Identität des Dichters ist unsicher, da in Bologna im letzten Drittel des 13. Jahrhunderts zwei Personen dieses Namens bezeugt sind. Der Vers wird ebenfalls VE, II, xii, 6, zitiert. Lo meo … gire] Von Fabruzzo di Tommasino de’Lambertazzi (Bologna um 1240–1305) ist nur ein Sonnett erhalten. Das hier zitierte Gedicht, das ebenfalls VE, II, xii, 6, erwähnt wird, ist nicht überliefert. Vgl. T. Casini, Le rime dei poeti bolognesi del secolo XIII. Più […] amore] Zu Onesto di Bonacosa degli Onesti (um 1240–1303) vgl. M. Marti: Con Dante fra i poeti del suo tempo, 45–68. Kapitel xvi Dante versucht nun der Herausforderung, die das negative Ergebnis der empirischen Untersuchung darstellt, mit einer explizit philosophischen Argumentation zu begegnen, wie bereits der Ausdruck rationabilius investigemus zu Beginn des Kapitels andeutet (§1). Die diesem Kriterium entsprechende Methode ist die reductio ad unum, die Dante auf Aristoteles bezieht, deren Deutung indes eindeutig neuplatonische Elemente enthält: Aufgrund der philosophischen These, daß die Vielheit in einer Gattung auf ein Erstes (primum simplicissimum) zurückgeführt werden kann und muß, postuliert Dante die Existenz eines vulgare, das keiner Stadt eigen, aber allen gemeinsam ist (§ 4) und das nun als illustre, cardinale, aulicum et curiale beschrieben werden kann. Die folgenden Kapitel (xvii–xix) werden diese Auszeichnungen im einzelnen erörtern. Der streng konzipierte

Kommentar zu Kap. xvi, 1, 2

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Gedankengang von Kapitel xvi läßt sich in sieben Schritte gliedern (A-G). §1 Postquam … tenticulis] Die Jagdmetapher wird zu Beginn dieses Kapitels weiterentwickelt, indem Dante nun die gesuchte Sprache mit einem Panther identifiziert, ein Tier, das im Mittelalter vor allem durch seinen Geruch berühmt war. Dieses Bild dient allerdings nur einem besseren Verständnis des Vorhabens, das in diesem Kapitel ausgeführt werden soll, d. h. eine vernünftige Untersuchung, mit deren Hilfe das gefunden werden soll, was die empirische Suche nicht ermöglicht hat. Das Syntagma rationabilius investigare muß in seiner ganzen Tragweite erfaßt werden. In der Tat legt Dante jetzt eine philosophische Ableitung vor, die normativen Wert besitzt. Zu den mittelalterlichen Vorstellungen des Panthers vgl. beispielsweise Brunetto Latini, Li livre dou tresor, I, cxcvi, Carmody, 249–250. redolentem ubique et necubi apparentem] Der Geruch läßt sich nicht örtlich lokalisieren. Dieser Vergleich ist für das Folgende von großer Bedeutung: Die gesuchte italienische Hochsprache ist ebenfalls überall und kann nicht auf einen einzigen Ort festgelegt werden (vgl. § 6, wo vom vulgare illustre, in Analogie zu dem in diesem § verwendeten Bild, behauptet wird: „quod omnis latie civitatis est et nullius esse videtur“; vgl. ebenfalls § 4: „in qualibet redolet civitate nec cubat in ulla.“). Philosophisch gesehen ist wohl der Begriff der Partizipation am geeignetsten, um das im Bild des sich verströmenden Geruchs zu übersetzen, wie übrigens der §5 veranschaulicht, wenn hier die abgestufte Präsenz Gottes in allen Geschöpfen hervorgehoben wird. §2 dicimus … accipamus] Die Argumentation Dantes, die nachweisen will, daß es ein vulgare illustre geben muß, baut

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Kommentar zu Kap. xvi, 2

auf der These auf (A), daß es in jeder Gattung ein Erstes geben muß. Sie wird von Aristoteles zu Beginn des X. Buches der Metaphysik ausführlich begründet und erklärt. In der Schultradition wurde sie thesenartig zusammengefaßt: „In unoquoque genere est dare aliquod primum et minimum quod fit metrum et mensura omnium illorum quae sunt in illo genere“ (AA, Metaph., n. 239; Hamesse 136, nach: Metaph. X, 1; 1052b 18–29; 31–32). Dante zählt im Anschluß daran (B) zwei Beispiele auf: Im Bereich der Zahlen ist die Eins das, wodurch alles gemessen wird (B 1); im Falle der Farben ist die weiße Farbe diese Norm (B 2). Auch diese Beispiele stammen von Aristoteles und wurden von der Schultradition ständig wiederholt. In seinem Kommentar zur Stelle erklärt Thomas von Aquin B 1 in folgender Weise (Sent. libri Metaph., X, lectio 2, n. 2): „Dicit ergo primo, quod cum ratio unius sit indivisibile esse; id autem quod est aliquo modo indivisibile in quolibet genere sit mensura; maxime dicetur in hoc quod est esse primam mensuram cuiuslibet generis. Et hoc maxime proprie dicitur in quantitate, et inde derivatur ad alia genera ratio mensurae. Mensura autem nihil aliud est quam id quo quantitas rei cognoscitur. Quantitas vero rei cognoscitur per unum aut numerum. Per unum quidem, sicut cum dicimus, unum stadium, vel unum pedem. Per numerum autem, sicut dicimus tria stadia, vel tres pedes. Ulterius autem omnis numerus cognoscitur per unum, eo quod unitas aliquoties sumpta quemlibet numerum reddit. Unde relinquitur quod omnis quantitas cognoscatur per unum. Addit autem inquantum quantitas, ut hoc referatur ad mensuram quantitatis. Nam proprietates et alia accidentia quantitatis alio modo cognoscuntur.“ Aus der Anwendung auf die Farben (B 2) ergibt sich Folgendes (ibid., lectio 3, n. 8): „Et quod in qualitatibus et in quantitatibus oporteat quaerere quid est quod dicitur unum, manifestat per exempla. Et primo in coloribus. Quaerimus enim aliquid quod est unum, sicut album quod est primum inter colores. Unde si in quoli-

Kommentar zu Kap. xvi, 2

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bet genere est unum id quod est primum, oportet quod album sit unum in genere colorum, et quasi mensura aliorum colorum; quia unusquisque color tanto perfectior est, quanto magis accedit ad album. Et quod album sit primum in coloribus, ostendit, quia colores medii generantur ex albo et nigro, et ita sunt posteriores. Nigrum etiam est posterius albo, quia est privatio albi, sicut tenebrae privatio lucis. Non autem sic est intelligendum, quod nigrum sit pura privatio, sicut tenebrae; cum nigrum sit species coloris, et per consequens natura coloris in eo servetur; sed quia in nigro est minimum de luce, quae facit colores. Et sic comparatur ad album, sicut defectus lucis ad lucem.“ In einem synthetischen Text hat derselbe Autor beide Aspekte zusammengefaßt (SCG, I, 28): „In unoquoque genere est aliquid perfectissimum in genere illo, ad quod omnia quae sunt illius generis mensurantur: quia ex eo unumquodque ostenditur magis vel minus perfectum esse, quod ad mensuram sui generis magis vel minus appropinquat; sicut album dicitur esse mensura in omnibus coloribus, et virtuosus inter omnes homines. Id autem quod est mensura omnium entium non potest esse aliud quam Deus, qui est suum esse. Ipsi igitur nulla deest perfectionum quae aliquibus rebus conveniat: alias non esset omnium communis mensura.“ Das von Dante hier praktizierte Verfahren kann auch als reductio ad unum bezeichnet werden, ein metaphysisches Modell neuplatonischer Herkunft, das davon ausgeht, daß alles von einem Prinzip herkommt und zu ihm zurückkehrt (exitus-reditus). In Mon., III, xi, kritisiert Dante eine politische Anwendung dieses Paradigmas (vgl. Mon., Einleitung, 36–39). Et quemadmodum … quolibet] Auch dieser dritte Aspekt (C) des Gedankengangs wird bereits von Aristoteles thematisiert, d. h. die Übertragung des Begriffes des Maßes, der ursprünglich in der Kategorie der Quantität seinen Platz hat, auf andere Bereiche und Kategorien (praedicamenta). Diese Frage haben Aristoteles und seine Kommentatoren

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Kommentar zu Kap. xvi, 3

eingehend diskutiert, wie beispielhalber folgender Passus von Thomas verdeutlichen kann (Sent., I, 8, 4, 2. ad 3): „Ad tertium dicendum, quod mensura proprie dicitur in quantitatibus: dicitur enim mensura illud per quod innotescit quantitas rei, et hoc est minimum in genere quantitatis vel simpliciter, ut in numeris, quae mensurantur unitate, quae est minimum simpliciter; aut minimum secundum positionem nostram, sicut in continuis, in quibus non est minimum simpliciter; unde ponimus palmum loco minimi ad mensurandum pannos, vel stadium ad mensurandum viam. Exinde transumptum est nomen mensurae ad omnia genera, ut illud quod est primum in quolibet genere et simplicissimum et perfectissimum dicatur mensura omnium quae sunt in genere illo; eo quod unumquodque cognoscitur habere de veritate generis plus et minus, secundum quod magis accedit ad ipsum vel recedit, ut album in genere colorum. Ita etiam in genere substantiae illud quod habet esse perfectissimum et simplicissimum, dicitur mensura omnium substantiarum, sicut Deus. Unde non oportet quod sit in genere substantiae sicut contentum, sed solum sicut principium, habens in se omnem perfectionem generis sicut unitas in numeris, sed diversimode; quia unitate non mensurantur nisi numeri; sed Deus est mensura non tantum substantialium perfectionum, sed omnium quae sunt in omnibus generibus, sicut sapientiae, virtutis et hujusmodi. Et ideo quamvis unitas contineatur in uno genere determinato sicut principium, non tamen Deus.“ Dieser Text erklärt gleichzeitig, weshalb Dante im §5 die Idee der messenden Norm und ihrer Präsenz im Gemessenen anhand des Verhältnisses von Gott und den Geschöpfen erläutert. §3 Quapropter in actionibus … mensurentur] Was bislang bezüglich eines Ersten in einer Gattung auf einer allgemeinen, gleichsam metaphysischen Ebene behauptet wurde,

Kommentar zu Kap. xvi, 3

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wird jetzt in einem vierten Schritt (D) auf eine ethisch-soziale Ebene angewendet, nämlich auf die Domäne des menschlichen Handelns: Was für die Ontologie im Allgemeinen gilt, nämlich daß es in einer bestimmten Gattung stets ein Erstes geben muß, besitzt auch für die Ethik seine Geltung. hoc signum] Der Ausdruck ‚Zeichen‘ besitzt hier eine sehr allgemeine Bedeutung: Maßstab, Norm, Bezugspunkt. Eine ähnliche Verwendung des Terminus ebenfalls Par., XXVI, 117. in quantum simpliciter … mensurantur] In einem fünften Gedankenschritt (E) unterscheidet Dante die verschiedenen Gemeinschaften, zu denen der Mensch gehört, nämlich die menschliche Gattung („simpliciter ut homines“), die politische Gemeinschaft („ut homines cives“) und die Sprachgemeinschaft („ut homines latini“). Diese Dreiheit hängt eng zusammen mit der anthropologischen Doppelbestimmung des Menschen als animal rationale (a) und politicum (b), mit der, wie der Anfang der Politik des Aristoteles zeigt, die Sprachfähigkeit verknüpft ist. (a) Als vernünftiges Wesen, das zur menschlichen Gattung gehört, ist der Mensch zugleich ein Seiendes mit ethischer Verantwortung, das zu unterscheiden vermag zwischen Gut und Böse und das fähig ist, tugenhaft zu handeln („virtutem habemus…iudicamus“). Zur Idee der Tugend als Maßstab vgl. Thomas von Aquin (Sent. libri Eth.,. IX, 4; Leonina XLVII, 513b): „virtus et virtuosus videntur esse mensura unicuique homini; in unoquoque enim genere habetur pro mensura id quod est perfectum in genere illo, in quantum scilicet omnia alia iudicantur vel maiora vel minora secundum propinquitatem vel remotionem a perfectissimo; unde, cum virtus sit propria perfectio hominis et homo virtuosus sit perfectus in specie humana, consequens est ut ex hoc accipiatur mensura in toto humano genere.“ (b) Als soziales Lebenwesen gehört der Mensch zu einer politischen Gemeinschaft, die durch Gesetze geregelt ist („habemus legem…malus“). Vgl. dazu Mon., I, xiv, 5:

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Kommentar zu Kap. xvi, 4, 5

„Habent namque nationes, regna et civitates intra se proprietates, quas legibus differentibus regulari oportet: est enim lex regula directiva vite.“ (c) Davon unterscheidet Dante die Sprach- und Kulturgemeinschaft, wenn er von den homines latini spricht. Es gibt für diese Gemeinschaft, – dies ist der Sinn dieses Passus –, Normen (hier als simplicissima signa bezeichnet) sowohl der Sitten (morum), der Gewohnheiten (habituum) als auch der Sprache (locutionum). Dieser letzte Aspekt (c) interessiert hier Dante. Es ist ganz entscheidend, daß hier eine Identität Italiens kultureller und sprachlicher Art vorausgesetzt wird. §4 Que quidem nobilissima … in ulla] Hier wird in einem sechsten Schritt (F) die Schlußfolgerung gezogen. Sie enthält zwei Aspekte: (1) Das gesuchte vulgare illustre existiert („potest illud discerni vulgare“); (2) in seiner Exemplarität ist es allen italienischen Städten gemeinsam („in omnibus comunia sunt“), für alle maßgebend, aber keiner einzelnen Stadt Eigentum („nullius civiatis propria“; „in qualibet redolet civitate nec cubat in ulla“). §5 Potest tamen … terra] Trotz seiner allgemeinen Präsenz und allgemeinen Gültigkeit gibt es Unterschiede der Teilhabe an der einen Hochsprache. Dieser letzte Teil der Argumentation (G) wird einerseits durch das Bild des Geruches („potest magis in una quam in alia redolere“) und andererseits durch das metaphysische Paradigma der Teilhabe aller Geschöpfe an Gott verdeutlicht. Zwei Stellen aus dem Conv. belegen, daß Dante dieses Paradigma nicht nur kannte, sondern hoch einschätzte. „Onde è scritto nel Libro de le cagioni: ‚La prima bontade manda le sue bontadi sopra le cose con uno discorrimento.‘ Veramente ciascuna cosa riceve da quello discorrimento secondo lo modo de la sua vertù e de lo suo

Kommentar zu Kap. xvi, 6

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essere […] Così la bontà divina è ricevuta altrimenti da le sustanze separate, cioè da li angeli […] e altrimenti da l’anima umana […] e altrimenti da li animali […] e altrimenti da le piante, e altrimenti da le minere; e altrimenti da la terra che da li altri [elementi], però che è materialissima, e però remotissima e improporzionalissima a la prima simplicissima e nobilissima vertude, che sola è intellettuale, cioè Dio“ (Conv., III, vii, 2–5). – „Ciascuna forma sustanziale procede da la sua prima cagione, la quale è Iddio, sì come nel Libro di Cagioni è scritto, e non ricevono diversitade per quella, che è semplicissima, ma per le secondarie cagioni e per la materia in che discende […] non che la divina natura sia divisa e comunicata in quelle [forme], ma da quelle è partecipata per lo modo quasi che la natura del sole è partecipata ne l’altre stelle. E quanto la forma è più nobile, tanto più di questa natura tiene; onde l’anima umana, che è forma nobilissima di queste che sotto lo cielo sono generate, più riceve de la natura divina che alcun’altra“ (Conv. III, ii, 4–6). Vgl. ebenfalls Mon., I, viii, 2–3, wo überdies klar ausgesprochen wird, daß die Nachahmung Gottes sich vornehmlich in der Einheit spiegelt: „Sed genus humanum maxime Deo assimilatur quando maxime unum est.“; cf. ebenfalls sowie Par., I, wo Beatrice das metaphysische Weltverständnis Dantes zusammenfaßt. et simplicissima quantitas … redolet] Durch zwei weitere Beispiele, die bereits oben zur Sprache kamen, wird derselbe Gedanke noch einmal verdeutlicht, das Beispiel der Zahlen und der Farbe. Zum Vorrang der ungeraden Zahlen vgl. Vergil, Ecl., VII, 76: „numero deus impare gaudet“; vgl. ebenfalls Conv., II, xiii, 18, wo Dante an die Lehre des Pythagoras erinnert, nach der alles aus Zahlen besteht. §6 Dante faßt abschließend das Resultat zusammen, indem er noch einmal an die maßgebende Funktion des vulgare illu-

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Kommentar zu Kap. xvii, 2

stre erinnert, dessen Epitheta in den letzten drei Kapiteln genauerhin untersucht werden. Kapitel xvii In diesem Kapitel wird das Epitheton illustre erläutert. Nach einem kurzen Hinweis zur Absicht der folgenden Kapitel (§1) erklärt Dante den Ausdruck, indem er den Zusammenhang des Wortes mit dem Leuchten hervorhebt (§ 2): Was illuster ist, erstrahlt und leuchtet und besitzt aber auch Macht und Ehre. Dies gilt auch für die erlauchte Volkssprache (§3–5), deren Wirkmächtigkeit sich in der Dichtung zeigt, die die Herzen der Menschen zu verändern vermag. §2 Primum igitur … perfulgens] In Übereinstimmung mit den mittelalterlichen Wörterbüchern deutet Dante den Ausdruck illustre als zum semantische Feld des Leuchtens gehörend. Den Terminus, der wohl eher zur Auszeichnung von Personen gebraucht wurde (im Sinne von nobilis, praeclarus) und der moralische und politische Vorzüglichkeit bezeichnet, wendet Dante auf die Sprache an. Seneca et Numa Pompilius] Dante kennt die Schrifen von Lucius Annaeus Seneca (ca. 4 v. Chr. – 65 n. Chr.) aus erster Hand, wie zahlreiche Verweise bestätigen; vgl. beispielhalber Conv., I, viii, 16; IV, xii, 8; seine Hochschätzung der Philosophie Senecas kommt in folgenden Passagen zum Ausdruck Inf., IV, 141; Conv., III, xiv, 8; Ep., III, 8. Für eine vertiefte Analyse dieses Verhältnisses vgl. S. Debenedetti, “Dante e Seneca filosofo“. Dante kennt wahrscheinlich das Wirken von Numa Pompilius, dem zweiten König Roms, aus Livius (Ab urbe cond., I, 18–21), aber auch Ovid, Metam., XV, 479–484, und Vergil, Aen., VI, 808–812, erwähnen ihn lobend.

Kommentar zu Kap. xvii, 3, 4, 6

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Et vulgare … gloria] Magistratus, potestas, honor und gloria, die als Eigenschaften oder Folgen der Erlauchtheit identifiziert worden sind, kommen der italienischen Hochsprache zu. Im Folgenden werden sie der Reihe nach erörtert (Führung § 3; Macht § 4, Ehre und Ruhm §5–7). §3 cum de tot rudibus … cantionibus suis] Der § bestätigt, was bereits in vi, 4, klar wurde, daß nach Dante der Wortschatz, die Grammatik und die Aussprache als grundlegende Momente einer Sprache zu betrachten sind. Es wird nun behauptet, die leuchtende Hochsprache erreiche in allen drei Dimensionen eine Vollkommenheit. Daß eine derartige Vervollkommnung von Wörtern, Satzgefüge und Aussprache tatsächlich möglich ist, bestätigen dichterische Höchstleistungen, wie sie Cino da Pistoia und Dante selber vollbracht haben. Neuerdings, wie bereits I, x, 2, und xiii, 4, bezeichnet sich Dante als Freund Cinos. Gleichzeitig unterstellt er, daß er und Cino in ihren Gedichten das vulgare illustre bereits verwirklicht haben. §4 Et quid maioirs … et facit] Hier wird die Wirkung der Dichtung umschrieben: Sie vermag den Willen des Menschen zu beinflussen und besitzt deshalb ethische Relevanz. Zur Wirkung der Dichtung vgl. das Beispiel des Orpheus in Conv., II, i, 3 : „Orfeo faceva con la cetra mansuete le fiere, e li arbori e le pietre a sè muovere; che vuol dire che lo savio uomo con lo strumento de la sua voce faria mansuescere e umiliare li crudeli cuori, e faria muovere a la sua volontade coloro che non hanno vita di scienza ed arte.“ §6 Quantum vero postergamus] Von neuem bestätigt Dante, was er zeigen will, durch das Beispiel seiner eigenen Tätig-

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Kommentar zu Kap. xvi,6, xviii, 1

keit, allerdings kann er es nicht unterlassen, an sein Exil zu erinnern: Die Dichtung hat gleichsam wieder gutgemacht, was die frevlerische Politik der Florentiner verbrochen hat. Kapitel xviii In diesem Kapitel werden die drei verbleibenden Epitheta besprochen. Zuerst erörtert Dante den Ausdruck cardinale (richtungsweisend; § 1), bevor das königliche (aulicum; § 2–3) und höfische (curiale; § 4–5) erörtert wird. Der politische Charakter von Dantes Vorhaben kommt jetzt in aller Klarheit zum Vorschein. Er bedauert das Fehlen einer politischen Ordnung in gleicher Weise wie dasjenige einer einheitlichen Volkssprache. §1 sicut totum hostium … flectatur] Der Ausdruck cardinale wird etymologisch erklärt, ähnlich wie bei Isidor (Etym., XV, vii, 7: „Cardo est locus in quo ostium vertitur et semper movetur, dictus ‚apo tes kardias‘, quod quasi cor hominem totum, ita ille cuneus ianuam regat ac moveat.“) und Huguccio (Derivationes, 184: „cardo –nis, idest ima pars hostii, scilicet cuneus, qui in foramine vertitur, unde et cardo dicitur ipsum foramen, et dicitur cardo a cardian, ideo quia sicut cor hominem, ita ille cuneus ianuas regit et movet.“). Auch in der scholastischen Tradition wird das Wort so gedeutet: „Dicendum, quod cardinalis a cardine dicitur, in quo ostium vertitur“ (Thomas Aquinas, De virtutibus, 5, 1). sic et … pausat] Das Bild der Türangel wird jetzt auf die italienischen Dialekte angewendet. Das vulgare illustre beherrscht die städtischen Dialekte. Im Folgenden werden zwei weitere Vergleiche eingeführt, nämlich derjenige des Familienvaters und des Bauern, der den Wald, den Garten

Kommentar zu Kap. xviii, 2–5

153

und das Feld vom Unkraut befreit. Die Aufgabe des Familienvaters umschreibt Dante wie folgt: „Si consideremus unam domum, cuius finis est domesticos ad bene vivere preparare, unum oportet esse qui regulet et regat, quem dicitur patremfamilias“ (Mon., I, v, 5). §2 aulicum] Das zweite Epitheton ist synomym zu regale, denn unter aula ist der Königshof zu verstehen; vgl I, xii, 4, wo von der aula Friedrichs II. die Rede ist; vgl. ebenfalls Ep., II, 5. Besonders wichtig an der Beschreibung dieses Epitheton ist, daß der Königshof (und die erlauchte Volkssprache) „allen gemeinsam und keinem einzelnen eigen ist“, ein Aspekt, der bereits im vorangehenden Kapitel betont wurde. §3 cum aula vacemus] Hier wird deutlich, daß das Fehlen der erlauchten Hochsprache verknüpft ist mit demjenigen einer politischen Einheit Italiens. §4 curiale dicendum] Das vierte Epitheton wird vom Bild des Wägens her gedeutet, was sehr gut zu dem Begriff des Maßes, der im vorangehenden Kapitel im Zentrum stand, paßt. Curialitas meint also Vorbildlichkeit im Handeln und Benehmen. Vgl. J. Trabant, Euorpäisches Sprachdenken, 72. §5 gratioso lumine rationis] Im gnädigen Licht der Vernunft existiert der Hof Italiens, auch wenn er faktisch nicht (oder noch nicht) existiert. Genau so verhält es sich mit dem vulgare illustre. Vielleicht ist es erlaubt zu behaupten, sowohl die politische Einheit Italiens als auch die italienische Hochsprache seien ein Ideal der Vernunft, ein vernünftiges Postu-

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Kommentar zu Kap. xix, 1, 2

lat, an dessen geschichtliche Möglichkeit und Verwirklichung Dante glaubt. Kapitel xix Dieses Kapitel beschließt das erste Buch und entwirft zugleich das Programm der folgenden, geplanten Bücher (§ 2–3), von denen nur das zweite (unvollständig) verfaßt worden ist. Die Interpreten haben, wohl zu Recht, darauf hingewiesen, daß in diesem letzten Kapitel gewisse Spannungen in Dantes Konzeption des vulgare illustre sichtbar werden, vor allem die Spannung zwischen einer von den Dichtern (und Gelehrten) verwendeten Hochsprache im Sinne der „erlauchten Volkssprache“ und einer italienischen National- und Volkssprache (vulgare latium). Allerdings kann darauf hingewiesen werden, daß in diesem Kapitel die drei Perspektiven von Dantes Untersuchung im ersten Buch sich vereinigen: Dantes empirisch belegte Feststellung einer Vielzahl von italienischen Dialekten (1) sowie seine ebenfalls nachweisbare Behauptung, daß gewisse Dichter eine erlauchte Hochsprache praktiziert haben, (2) und schließlich die philosophisch bewiesene Notwendigkeit eines für alle italienischen Dialekte gültigen Maßstabes (3). §1 sic et illud quod totius Ytalie est] Es muß also eine gemeinsame Sprache ganz Italiens geben, deren Notwendigkeit im Kapitel xvi bewiesen und dessen reale Möglichkeit durch die sprachliche Praxis einer Reihe von Dichtern (doctores illustres), von denen im Folgenden die Rede ist, bestätigt wird. §2 In diesem § wird das Programm vorgestellt, daß in den folgenden Büchern verwirklicht werden soll. Dante befolgt

Kommentar zu Kap. xix, 2

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auch diesmal den Fragenkatalog, dem wir bereits in VE, I, iv, 1, begegnet sind („Quis, quid, ubi, quibus auxiliis, cur, quomodo, quando“), indem er untersucht, wer (quis) diese Sprache verwenden darf (1), zu welchem Zweck (cur; 2), auf welche Weise (quomodo; 3), wo (4) und wann (5). Dante fügt zu diesem klassischen Katalog die Frage der Adressaten hinzu („ad quos ipsum dirigendum sit“). Die erste Frage (1) wird in VE, II, 1, behandelt („Queramus igitur prius utrum omnes versificantes vulgariter debeant illud uti.“). Seine Antwort lautet, daß nur die besten Dichter (excellentissimi) seiner würdig sind. Auf die zweite Frage (2) antwortet Dante, indem er die dieser Sprache würdigen Gegenstände untersucht (II, ii): Gesundheit, Liebe und Tugend: „Quare hec tria, salus videlicet, venus et virtus apparent esse illa magnalia que sint maxime pertractanda, hoc est que maxime sunt ad ista, ut armorum probitas, amoris accensio et directio voluntatis“ (ii, 7). Die Thematik des quomodo wird in den darauf folgenden Kapiteln (II, iii–xiv) unter verschiedenen Aspekten untersucht (metrische Formen, Aufbau der Gedichte, verschiedene Stile, Kategorien von Wörtern und Fragen der Versmasse etc.): „nunc autem quo modo ea coartare debemus que tanto sunt digna vulgari, sollicite investigare conemur.“ Der Text bricht mitten im Kapitel xiv, das von der Zahl der Verse und Silben handelt, ab. Daß Dante beabsichtigte, nach diesen poetologischen Analysen andere Dimensionen der Volkssprache zu untersuchen, zeigt der letzte § (3) von Kapitel xix.

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INDEX NOMINUM

Die Zahlen beziehen sich auf das Kapitel und den Paragraphen im lateinischen Text. Adam vi, 2; vi, 5 Adriaticum mare viii, 6; x, 4 Alamanni viii, 6 Alamannia xviii, 5 Alexandria xv, 7 Anglia viii,3 Anglici viii, 3 Anglicum mare viii, 6 Apeninus viii, 6; x, 4; xiv, 1 Apuli x, 6; xii, 7–9; xix, 1 Apulia x, 5 Aquilegienses x, 6; xi, 6 Aragonia viii, 6 Aretini x, 7; xiii, 2 Arturus x, 2 Asya viii, 3 Azo marchio xii, 5 Babel vi, 5; vii, 4; ix, 2 Bonagiunta Lucensis xiii, 1 Bononia xv, 6 Bononienses ix, 4,; xv, 2; xv, 5 Brixia xv, 2 Brixiani xiv, 5 Brunectus Florentinus xiii, 1 Caetani ix, 4 Calabri x, 6 Casentinenses xi, 6 Castra xi, 4 Civitas Castellana xiii, 3

Cremona xv, 2 Cynus Pistoriensis x, 2; xiii, 4; xvii, 3 Danubius viii, 3 Europa viii, 1–6 Eva iv, 2 Faventini ix, 4 Ferrarenses x, 7; xv, 2–4 Florentia vi, 3 Florentinus ix, 4; xi, 4; xiii, 1–2 Forlivienses xiv, 3 Forum Iulii x, 5 Fractenses xi, 6 Franci viii, 3; viii, 5 Fredericus Caesar (II.) xii, 4 Fredericus novissimus (von Aragonien) xii, 5 Gallus Pisanus xiii, 1 Gerardus de Bornello ix, 3 Greci i, 3; viii, 2 Guido Cavalcantis xiii, 4 Guido Ghisilerius xv, 6 Guido Guinizelli ix, 3; xv, 6 Hebrei vi, 5 Honestus xv, 6

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Index nominum

Ianuenses viii, 6; x, 6; xiii, 6 Ildebrandus Paduanus xiv, 7 Iohannes (marchio) xii, 5 Karolus secundus xii, 5 Lapus xiii, 4 Latini vi, 3; viii, 6; x, 4; x, 8; xii, 4; xv, 6; xvi, 3–4; xvi, 6; xvii, 3 Lombardi x, 6; xi, 5; xv, 3; xix, 1 Lombardia x, 5; x, 7; xix, 1 Langobardi xv, 3 Lucanus x, 6 Lucenses xiii, 2 Manfredus xii, 4 Mantua xv, 2 Marchia Anconitana x, 5 Marchia Ianuensis x, 5 Marchiani x, 6 Marchia Trivisiana x, 5 Mediolanenses ix, 4; xi, 5 Meotis viii, 3 Minus Mocatus xiii, 1 Mutinenses xv, 2–4; Neapolitani ix, 4 Nembroth vii, 4 Numa Pompilius xvii, 2 Oceanus viii, 3 Ovidius Naso ii, 7 Paduani ix, 4; xiv, 5 Papienses ix, 7 Parmenses xv, 4 Pergamei xi, 5 Perusium xiii, 3

Petramala vi, 2 Petrus de Alvernia x, 2 Pisani ix, 4 Placentini x, 7 Provinciales viii, 6 Ravennates ix, 4 Renaldus de Aquino xii, 8 Rex Navarre ix, 3 Roma x, 5 Romandiola x, 5; xiv, 2–3 Romandioli x, 6; xiv, 3; xix, 1 Romani i, 3; ix, 4; x, 2; x, 8; xi, 2; xii, 7; xiii, 2 Sardi x, 6; xi, 7 Sardinia x, 5 Sarnus vi, 3 Saxones viii, 3 Sclavones viii, 3 Sem vii, 8 Seneca xvii, 2 Senenses x, 7 Senaar vii, 4 Sicilia viii, 7; x, 5; xii, 4 Siculi x, 6; xii, 6; xix, 1 Sordellus xv, 2 Spoletani x, 6; xi, 3; xiii, 3 Spoletum x, 5 Taurinum xv, 7 Teutonici viii, 3 Thomas Faventinus xiv, 3 Tridentum xv, 7 Trivisiani x, 6 Troianus x, 2 Tusci x, 6; xiii, 1–3; xix, 1 Tuscia vi, 3; x, 5; x, 7 Tyrrenum mare x, 4

Index nominum

Ugolinus Bucciola xiv, 3 Ungari viii, 3–4 Urbs Vetus xiii, 3 Veneti x, 6; xiv, 6 Venetie x, 5 Verona xv, 2 Veronenses ix, 4 Viterbium xiii, 3

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Ymolenses xv, 2 Yspani viii, 5 Ytalia viii, 7; ix, 4; x, 7; x, 9; xi, 1; xii, 9; xiv, 1; xv, 7; xvi, 1; xvi, 4; xviii, 5; xix, 1 Ytali viii, 4; x, 1; xi, 2; xii, 1–3; xviii, 2; xviii, 4

INDEX RERUM

Die Zahlen beziehen sich auf das Kapitel und den Paragraphen im lateinischen Text. actio xvi, 2–4 actus ii, 5 adverbium affirmandi x, 1 albus xvi, 2 alterationes iv, 6 amor viii, 5, ix, 3, xii, 2 angelus ii, 2–3, ii, 6, iii, 1 anima vi, 4 animal v, 1, ix, 6, xvi, 5 argumentum x, 2 ars vii, 4 aula xii, 4, xviii, 2–3 aulicum xv,4–5, xvi, 6, xvii,1, xvii, 2, xix,1 autoritas ix, 1, ix, 11 brutum ii, 2, ii, 5–6, iii, 1, ix, 9, xvi, 5 cantio xi, 4, xii, 2, xii, 6, xii, 8, xvii, 3 cardinale xvi, 6, xvii, 1, xviii, 1, xix, 1 caritas xvii, 2 causa ix, 1, xv, 4, xviii, 2 celum i, 1, vii, 2, viii, 5 civilitas ix, 4 civis vi, 3, xi, 6, xv, 3, xvi, 3 civitas. vi, 2, ix, 9, x, 7, xiv, 3, xv, 7, xvi, 4, xvi, 6

clima viii, 1 concivis ix, 7 confusio v, 5–6, vii, 4, vii, 6, viii, 1, viii, 3, ix, 2 constructio vi, 4, xvii, 3 corpus iii, 1 curia xvii, 4–5 curiale xii, xiii, 1, xiv, 7, xvi, 6, xvii, 1, xvii, 4, xix,1 curialitas xviii, 4 Deus iv, 2–5, v,1–2, vi, 4, vii, 4, viii, 5,. Ix, 6, xvi, 5 demones ii, 4 doctor, doctores ix, 2, x, 2, xii, 2, xv, 6, xix, 1 doctrina i, 1–2 dominus ix, 3, xi, 7 dyabolus ii, 6 elementum xvi, 5 eloquentes ix, 2, x, 2, xii, 9 eloquentia i, 1, xi, 2, xv, 2, xix, 2 equator vi, 3 error xiv, 6 exilium vi, 3, xvii, 6 exordium iv, 4 finis viii, 1–6 forma v, 4–5, xii, 4

Index rerum

fortuna xii, 4 genus xvi, 2 gesta ix, 11 gestus x, 2 gramatica i, 3, ix, 11, x, 1–2, xi, 7 gramatica facultas ix, 11 gratia vi, 6 habitus I, 3, ix, 6, ix, 10 hebraicum ydioma vi, 7 heu iv, 4 homo ii, 1, ii,8, iii, 1, iv, 1–2, iv, 4–5, v, 1–3, vii, 2, vii, 4, viii, 1–2, ix, 6, ix, 9, x, 8, xi, 7, xvi, 3–4 honor xiv, 6, xvii, 2, xvii, 5 humanitas vi, 6 humilis xviii, 3 ignis iv, 6 illustre xi, 1, xii, 4, xiv, 8, xv, 6–7, xvi, 6, xvii, 1–2, xvii, 7, xviii, 1, xviii, 3, xix, 1 imperium iv, 6, vii, 5 improperium xi, 4–5 intellectus ii, 3 intelligere ii, v, iii, 1, vi, 1, xvi, 3, xvii, 2 iudicium iii, 1, vi, 3, x, 5. xii, 6, xiv, 8, xv, 5 ius vii, 2 iustitia xvii, 2 lenitas xv, 3 lex xvi, 3 lingua vi, 4, vi, 6, viii, 1, x, 6, xix, 1 locutio i, 1–2, ii, 1, ii, 3, ii,

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5–7, iv, 1, iv, 4, iv, 6, v, 1–3, vi, 2, vi, 4–5, vii, 8, ix, 4, ix, 11, xiii, 5, xv, 2, xv, 5, xvi, 3 loquela vii, 6–7, ix, 6, x, 2, x, 7, xi, 1, xi, 6, xiii, 5–6, xv, 7 magnates xii, 5, xvii, 5 maiestas xii, 4 mare vii, 6, viii, 5–6, x, 4–5 medium iii, 2, iv, 2 mensura vii, 5, xvi, 2, xvi, 6, minera xvi, 5 montaninus xi, 6 muliebre xiv, 2 mulier i, 1, ii, 6, iv, 2–3, xiv, 4 mundus vi, 3 municipale xiii, 1, xv, 6, xvi, 6, xviii, 1 natio vi, 2–3, viii, 3 natura i, 1, ii, 2, vii, 2, vii, 4, ix, 3, ix, 9–10 negotium vi, 1 nobilis iii, 3, vi, 3, xii, 4 nobilitas xii, 4 numerus vii, 8, xvi, 2, xvi, 5 opus vii, 6, ix, 7, xix, 2 orbis i, 4 organum ii, 6 palatinus xvii, 2 paradisus iv, 2, v, 3 passio ii, 5 pater vii, 5 paterfamilias xvii, 1 patria vi, 2–3, vii, 2 peccatum vii, 2 perfectio v, 1 pice ii, 7

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Index rerum

planta xvi, 5, xvii, 1 poeta vi, 3 poetans xv, 6 polus vi, 3 potestas xvii, 2, xvii, 4 predecessores nostri xii, 4 predicamentum xvi, 2 prelatio xii, 6 princeps xii, 3–4 prolatio I, 4, vi, 4, xiv, 2, xvii, 3 promuntorium viii, 6 qualitas xvi, 2 quantitas xvi, 2, xvi, 5 questio iv, 5 ratio iii, 1–2 iv, 4 iv, 6, v, 1, vi, 2–3, ix, 1, ix, 4, xi, 2, xviii, 1, xviii, 5 rationale iii, 2–3, viii, 2, ix, 1 rationabile, rationabiliter, rationabilius iv, 3–4, v, 1, viii, 4, xv, 5, xvi, 1 rectitudo xii, 4 regnum xviii, 2 rex xvii, 5, xviii, 5 rusticanus xi, 6, xvii, 3 sacratissima Scriptura iv, 2 scriptores vi, 3 sensus vi, 3 sensuale iv, 2–3 sentire v, 1, xiii, 3 sermo vi, 3, ix, 5–10, xv, 6 serpens ii, 6 signum iii, 2–3, viii, 4, viii, 6, xii, 3, xvi, 3 sol vi, 2 solium xii, 4 solutio xv, 7

sonus ii, 7, iii, 3, species ii, 5, iii, 1, xvi, 3 speculatio iii, 1 speculum ii, 4 spritualis iii, 1 subiectum i, 2, iii, 3 substantia xvi, 2, xvi, 5 terra vi, 3, vii, 2, vii, 6, viii, 5, xii, 2, xvi, 5 urbanus xvii, 3 utile xiii, 2 variatio ix, 1, ix, 4, ix, 8–9, ix, 11, x, 5, x, 9 varietas vii, 7, ix, 5, xi, 1 verbum iv, 6, v, 2, vi, 1, xv, 6 venari vi, 1, xv, 7, xvi, 1, xvi, 4 vir i, 1, iv, 3–4, vi, 1, xiii, 1, xiii, 5, xiv, 2, xv, 2, xvii, 2, xix, 1 virtus xvi, 3 vocabulum I, 4, vi, 4, viii, 5, ix, 2–3, xii, 8, xiv, 2, xiv, 4, xvii, 3, xvii, 1 vox I, 2, ii, 6, ii, 7, iv, 4 vulgare i, 2, vi, 2, x, 2–3, x, 5, xi, 2, xii, 2, xii, 6, xii, 9, xiii, 1, xiii, 4, xiv, 7–8, xv, 2, xv, 4, xv, 6–7, xvi, 4, xvi, 6, xvii, 2, xviii, 1–2, xix, 1 vulgaris i, 1–2, I, 4, xix, 2 vulgaritas x, 2 ydioma iv, 1, vi, 1, vi, 7, vii, 7–8, viii,2–6, ix, 1–2, x, 1 yrsutum xiv, 4 yspidum xiv, 4 ystorie x, 2

INDEX NOMINUM

zur Einleitung und zum Kommentar Adam XXV, 88, 89, 90, 91, 92, 94, 96, 98, 99, 102, Aegidius Romanus XI, XXIII, 73, 113 Albert der Grosse XVI, 71, 74, 81, 82, 83, 88, 136 Aldobrandino dei Mezzabati di Padova 138 Alessio, G.C. 72 Alexander von Hales XXX Ancona, M. 118 Antonelli, R. 128 Aristoteles XV, XVI, XVII, XX, 69, 70, 75, 78, 79, 87, 88, 91, 93, 119, 142, 144, 145 Armour, R. 132 Auerbach, E. 103 Augustinus XVII, XVII, 73, 83, 93, 94, 97, 101, 104, 125 Averroes 73 Avicenna 7 Azzo VIII. 126 Balaam 83 Barbi, M. 139 Bartolomeo da Siena 130 Beatrice 149 Benoît de Sainte–Maure 123 Bergin, T.G. 116, 140 Bertagni, R. 106 Boccaccio Giovanni 134

Boethius, Anicius Manlius Severinus 72, 87 Bonagiunta da Lucca 128, 130 Bonaventura da Bagnoregio XXX, 87 Boni, M. 140 Borst, A. XXI, XXII Botterill, S. 100 Boyde, P. 106 Brewer, J.S. X Brunetto Latini 68, 71, 99, 101, 104, 130, 131, 132, 143 Buti, G. 106 Buzzelli, B. 130 Carmody, F.J. 99, 101, 131, 143 Carrai, S. 134 Casini, T. 142 Cecco Angiolieri 138 Ceva, B. 132 Charles de Valois IX Cheneval, F. XII, XIV Ciccuto, M. 130 Cicero, Marcus Tullius 67, 68, 69, 71, 75, 121 Cielo d'Alcamo 127 Cino da Pistoia 116, 117, 129, 134, 151 Clemens V. 126 Cohen, W. 124

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Index nominum

Contini, G. 123, 130, 131, 134, 138, 141 Corti, M. XXI, 72, 89, 101, 134 Cristiani, E. 130 D’Ovidio, F. 140 Davis, Ch.T. 71, 132 Debenedetti, S. 150 Dino del Garbo 134 Donatus, Aelius XVIII Eco, U. XVIII, XXIV, XXXI Egidi, F. 130 Eva 83, 90, 91, 92, 93 Fabruzzo di Tommasino del’Lambertazzi 142 Favati, G. 134 Flasch, K. XXXVI Francesco da Barberino 137 Friedrich II. (Hohenstaufen) 122, 124, 125, 126, 127, 128, 153 Friedrich II. von Aragonien 126 Galletto da Pisa 130 Giacomo da Lentini 128, 130 Giovanni di Monferrato IX, 126 Giraut de Bornelh 110 Gottfried von Vinsauf 71 Grayson, C. 76 Guido Cavalcanti 129, 133, 134 Guido delle Colonne 123 Guido Fava 71 Guido Ghisalieri 142

Guido Guinizelli 110, 130, 141, 142 Guittone d’Arezzo 128, 129, 130 Hamesse, J. XXIX, 79, 144 Hausmann, F.–R. 110, 117, 123, 124, 127, 128, 134 Heilmann, L. 140 Heinrich VII. 117 Hennigfeld, J. XV Hölderlin, F. VII Hollander, R. 117 Holloway, J.B. 132 Huguccio von Pisa 84, 101, 128, 136, 152 Ineichen, G. 138 Innozenz III. (Papst) 92 Isidor von Sevilla 108, 136, 152 Johannes Duns Scotus XXX Johannes von Garlandia 71 Johannes (Balbi) von Genua 121 Karl I. von Anjou 126 Karl II. von Anjou 126, 127 Kay, R. 131 Klein, H.W. 74 Lambertini, R. XXXI Lapo (Gianni) di Farinata degli Uberti 129,134 Libera, A. de XV Livius, Titus 150 Lo Piparo, F. 72 Löwe, H. 124 Lucanus, Marcus Aenneus 100

Index nominum

Maggini, F. 131 Maierù, A. 72 Manfred (König) 122, 124, 125, 126 Marmo, C. XVIII Marti, M. 116, 117, 130, 134 Martinez, R.L. 130 Maspoli, S. 103 Matthäus von Vendôme 71, 90 Mazzoni, F 71, 132 Meier-Oeser, S. XVIII Mengaldo, P.V. 75, 76, 81, 120, 121, 122, 137, 138, 140 Minio-Paluello, L. 71 Minnis, A.J. 72 Moore, E. 106 Nardi, B. 71, 89, 101, 134 Nemrod 104, 105 Nencioni, G. 71 Noe 103 Oderisi da Gubbio 133 Orosius, Paulus 100, 108 Ovidius, Publius Naso 84, 99, 102, 141, 150 Pagani, I. 72 Panaccio, C. XVIII, XXX Panvini, B. 106 Peire d'Alvernhe 116 Petrus Lombardus 83, 97 Pézard, A. 131 Pinborg, J. XVIII, XXXI Platon XXII, XXVI, XXIX, 80 Numa Pompilius 150 Priscianus Caesariensis XVIII Pythagoras 149

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Quintilianus, Marcus Fabius 121 Raffi, A. XX Rinaldo d'Aquino 128 Robert Kilwardby XXIX, 73 Roger Bacon X, XI Rosemann, Ph. 111 Salimbene de Adam da Parma 120 Santangelo, S. 116 Sarolli, G.R. 104 Schiaffini, A. 138 Schulthess, P. XVII Sebastio, L. XXI Seneca, Lucius Aennaeus 150 Sharman, R.V. 110 Simonelli, M. 130 Sordello da Goito 139, 140 Tabarroni, A. XXXI Tavoni, M. XX, XXIII, 101, 106 Thibaut IV. (König von Navarra) 110 Thomas von Aquin XXVII, XXIX, XXX, XXXI, 70, 71, 73, 75, 78, 80, 81, 82, 83, 86, 87, 88, 91, 96, 97, 99, 111, 128, 144, 146, 147, 152 Tommaso da Faenza 137 Torraca, F. 137 Trabant, J. XXII, XXIV, XXVI, XXXII, 74, 104, 153 Ugolino di Alberigo Manfredi 137 Vasoli, C. 71

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Index nominum

Vecchio, S. XVII Vinzenz von Beauvais 81 Virgil 100, 104, 140, 149, 150 Wallensköld, A. 110

Weijers, O. 80 Wittgenstein, L. XXII, XXVI Zaccagnini, G. 137