Das elektronische Verwaltungsverfahren: Die elektronische Signatur im E-Government [1 ed.] 9783428516476, 9783428116478

Die deutsche Verwaltung öffnet sich dem Internet. Diese Entwicklung stellt neue Anforderungen an das Verwaltungsverfahre

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German Pages 406 Year 2005

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Das elektronische Verwaltungsverfahren: Die elektronische Signatur im E-Government [1 ed.]
 9783428516476, 9783428116478

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Beiträge zum Informationsrecht Band 14

Das elektronische Verwaltungsverfahren Die elektronische Signatur im E-Government

Von Jan Skrobotz

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

JAN SKROBOTZ

Das elektronische Verwaltungsverfahren

Beiträge zum Informationsrecht Herausgegeben von Prof. Dr. Hansjürgen Garstka, Prof. Dr. Michael Kloepfer, Prof. Dr. Friedrich Schoch

Band 14

Das elektronische Verwaltungsverfahren Die elektronische Signatur im E-Government

Von Jan Skrobotz

asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Regensburg hat diese Arbeit im Jahre 2004 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten # 2005 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Klaus-Dieter Voigt, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 1619-3547 ISBN 3-428-11647-X Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Frühjahr 2004 durch die Juristische Fakultät der Universität Regensburg als Dissertation angenommen. Sie verdankt ihr Entstehen bei weitem nicht nur mir allein. Vielen bin ich ihretwegen verpflichtet. An erster Stelle ist Prof. Dr. Manssen zu nennen, der die Arbeit als Doktorvater betreute, und sodann Prof. Dr. Uerpmann, der Zweitgutachter war. Die Friedrich-Ebert-Stiftung unterstützte mich mit einem einjährigen Promotionsstipendium, Prof. Dr. Blankenagel und Prof. Dr. Schröder sprachen sich für meine Aufnahme in die Stiftung aus. Prof. Dr. Kloepfer, Prof. Dr. Garstka und Prof. Dr. Schoch danke ich für die Publikation der Arbeit in der Schriftenreihe zum Informationsrecht. Großen Dank schulde ich Kim Nguyen, der mir mit viel Geduld die Einzelheiten von Signatursystemen nahezubringen versuchte, und Christiane SchröterNguyêñ, die sich mit noch mehr Geduld der Rechtschreibkontrolle widmete. Ich danke auch meiner Familie, die mir in jeder erdenklichen Weise half. Herzlichen Dank schließlich allen hier nicht namentlich Genannten, die für mich da waren. Sie wissen, wer gemeint ist. Berlin, im Juli 2004

Jan Skrobotz

Inhaltsübersicht Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

E r s t e r Te i l Rahmenbedingungen des E-Government

25

Kapitel 1 Politische Förderung des E-Government . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

Kapitel 2 Technische Voraussetzung: Signatur und Verschlüsselung . . . . . . . . . . . . Kapitel 3 Rechtliche Rahmenbedingungen: Signaturgesetz und Kryptoregulierung

38 66

Kapitel 4 Verbreitung der Signaturtechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

Z w e i t e r Te i l Potential der Technik

81

Kapitel 5 Ziele des Interneteinsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 Kapitel 6 Praktische Einsatzmöglichkeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 Kapitel 7 Digital Divide als auszuräumendes Hindernis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 Kapitel 8 Fazit und Ausblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 D r i t t e r Te i l Anforderungen an das Verwaltungsrecht

144

Kapitel 9 Insbesondere: Die Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 Kapitel 10 Elektronische Dokumente und die Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 Kapitel 11 Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten . . . . . . . . . . . . . . . 237 Kapitel 12 Problem der Interoperabilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 Kapitel 13 Der elektronische Verwaltungsakt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 Kapitel 14 Besondere Verfahren und weitere Fragen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 Kapitel 15 Die Kontrolle elektronischen behördlichen Handelns . . . . . . . . . . . . . . . . 352 Zusammenfassung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400

Inhaltsverzeichnis Einleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

§1

Grund und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

17

§2

Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. „E-Government“: Definitionsversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Andere Begriffe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

20 20 23

E r s t e r Te i l Rahmenbedingungen des E-Government

25

Kapitel 1 Politische Förderung des E-Government

25

§3

Vorreiter Amerika . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

25

§4

Schrittmacher Europa . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

26

§5

Entwicklung in Deutschland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Multimedia als „Schlüssel zur Verwaltungsmodernisierung“ . . . . . . . . . . II. Aktionsprogramm „Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. „Moderner Staat – Moderne Verwaltung“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Initiative „BundOnline 2005“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Städtewettbewerb MEDIA@Komm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Weitere Initiativen in den Ländern und im Bund . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Förderung der Online-Wahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

27 27 29 31 32 33 34 35

Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

37

§6

Kapitel 2

§7

Technische Voraussetzung: Signatur und Verschlüsselung

38

Chancen und Gefahren des Technikeinsatzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vorteile elektronischer Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Nachteile elektronischer Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Fehlende Verkörperung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38 38 39 39

10

Inhaltsverzeichnis b) Leichte Manipulierbarkeit und fehlende Vertraulichkeit . . . . . . . . . . . c) Intransparenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Präsentationsproblem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Gesteigerte Technikabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Schwierige langfristige Perpetuierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . g) Geringeres Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Notwendige Sicherungsmechanismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

40 42 43 44 46 48 51

§8

Signatur und Verschlüsselung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Signaturverfahren und alternative Sicherheitskonzepte . . . . . . . . . . . . . . . II. Asymmetrische Kryptographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Erfordernis einer Sicherungsinfrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Signatur in der Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Sicherung vor spurloser Veränderung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Fälschungsrisiken elektronischer Signaturverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Brechung des Signaturverfahrens selbst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Inkorrekte Zertifikate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Signierung durch Dritte, Fälschung durch Unterschieben etc. . . . . . .

52 52 53 54 56 58 59 59 60 60

§9

Durch die Signatur nicht auszuräumende Nachteile . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Geringere Transparenz und gemindertes Vertrauen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Gesteigerte Technikabhängigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Problem der Interoperabilität und Kompatibilität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62 63 64 65

§ 10 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

65

Kapitel 3 Rechtliche Rahmenbedingungen: Signaturgesetz und Kryptoregulierung

66

§ 11 Das Signaturgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Technische und rechtliche Entwicklung bis 1999 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Signaturrichtlinie 1999/93/EG und das SigG 2001 . . . . . . . . . . . . . . . III. Der Begriff der „elektronischen Signatur“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

66 66 69 71

§ 12 Kryptographie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

72

Kapitel 4 Verbreitung der Signaturtechnik

73

§ 13 Euphorie der Anfangszeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

73

§ 14 Ausbleibende Nutzer und erste Deutungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

75

§ 15 Gründe der minimalen Verbreitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

77

§ 16 E-Government als nunmehriger Hoffnungsträger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

78

Inhaltsverzeichnis

11

Z w e i t e r Te i l Potential der Technik

81

Kapitel 5 Ziele des Interneteinsatzes

81

§ 17 „Better government, cheaper government“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

81

§ 18 Verbesserung der Dienstleistungsqualität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

82

§ 19 Zwang zur Verwaltungsmodernisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. New Public Management als Ent-Bürokratisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Internet als Katalysator der Modernisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Portale und Lebenslagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Der „aktivierende Staat“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

85 85 88 89 91

§ 20 Mögliche Kostensenkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 I. Vision: Großes Rationalisierungspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 II. Keine bloße Technisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 94 III. Strukturierte Massenanwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 IV. Kosten der Technik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 V. Mehraufwand durch Technisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 101 VI. Resümee: Geringes Rationalisierungspotential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 § 21 Mitarbeitergerechtheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104

Kapitel 6 Praktische Einsatzmöglichkeiten

105

§ 22 Nutzung für die Verwaltungsarbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Vernetzung und elektronische Akte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Interne Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Externe Kommunikation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Signatur als „Schlüssel“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

105 105 108 111 112

§ 23 Interaktion mit dem Bürger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Marketing . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Inhaltsvermittlung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Kommunikation per E-Mail . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Transaktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Partizipation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Mitgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) E-Democracy . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

113 115 117 121 122 124 125 128

12

Inhaltsverzeichnis Kapitel 7 Digital Divide als auszuräumendes Hindernis

133

§ 24 Gefahr der Digital Divide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133 § 25 Uneinheitliche Internetnutzung und ihre Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 § 26 Wege zur Verhinderung der Digital Divide . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137

Kapitel 8 Fazit und Ausblick

140

§ 27 Diverse Vorteile und zahlreiche Hindernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 § 28 E-Government als zusätzliches Interaktionsmedium . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 § 29 Maßnahmen zur Ermöglichung des E-Government . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

D r i t t e r Te i l Anforderungen an das Verwaltungsrecht

144

Kapitel 9 Insbesondere: Die Schriftform

144

§ 30 Zahllose Schriftformerfordernisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 § 31 Begriff der Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 I. Schriftform im Sinne des § 126 BGB . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 II. Fehlende Entsprechung im öffentlichen Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 § 32 Bestimmung der öffentlich-rechtlichen Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Eigenständige Bestimmung des Schriftformbegriffes . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Die Schriftform des Verwaltungsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Anträge und Erklärungen des Bürgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Verwaltungsakte und ähnliche behördliche Erklärungen . . . . . . . . . . . III. Öffentlich-rechtlicher Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Die Schriftform des Vorverfahrens und des Verwaltungsprozessrechts . .

153 153 154 154 165 173 176

§ 33 Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180

Inhaltsverzeichnis

13

Kapitel 10 Elektronische Dokumente und die Schriftform

181

§ 34 Funktionen der Schriftform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Funktionen der Unterschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Funktionen der Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Funktion der unterschriebenen Urkunde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

181 182 184 187

§ 35 Funktionsäquivalenz elektronischer Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Ungesicherte elektronische Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Signierte Dokumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

188 188 192 197

§ 36 Elektronische Dokumente und die zivilrechtlichen Formvorschriften . . . . . . . 198 § 37 Modifikationen des Schriftformbegriffes durch das 3. VwVfÄndG . . . . . . . . I. Das 3. VwVfÄndG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Vorarbeiten und erste Entwürfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Gesetzgebung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Wesentlicher Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Modifikation des Schriftformbegriffes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Gleichstellung trotz Funktionsdisparität . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Begriff des Schriftlichen und des Elektronischen . . . . . . . . . . . . . . . . .

200 200 200 203 205 207 210 210 214

§ 38 Die Voraussetzungen der „qualifizierten elektronischen Form“ . . . . . . . . . . . . I. Begriff der „qualifizierten elektronischen Form“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Qualifizierte elektronische Signatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Voraussetzungen der qualifizierten Signatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nicht notwendiger Einschluss des Zertifikats . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Weitere Anforderungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Pseudonymes Handeln . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Vorschrift des § 3a Abs. 2 Satz 3 VwVfG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Pseudonyme, die die Identifizierung ihres Verwenders ermöglichen c) Sinn der Vorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Bewertung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . e) Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

218 218 221 221 223 224 225 225 225 229 232 236

Kapitel 11 Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten

237

§ 39 Bereitschaft des Empfängers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 238 I. Kein Zwang zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr . . . . . . . . . 238 II. Maßgebliche Verkehrsanschauung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240

14

Inhaltsverzeichnis III. IV. V. VI.

Angaben zu den Kommunikationswegen und Datenformaten . . . . . . . . . . Parallelregelungen und Anpassungen des Fachrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . Rechtsfolgen unzulässiger elektronischer Kommunikation . . . . . . . . . . . . Europarechtliche Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

242 246 246 248

§ 40 Zeitpunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Machtbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Möglichkeit der Kenntnisnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Die Regelung des § 87a Abs. 1 Satz 2 AO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

252 253 253 262

§ 41 Beweis des Zugangs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 264 § 42 Zustellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 269 § 43 Öffentliche Bekanntgabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275 § 44 Verschlüsselung elektronisch übertragener Nachrichten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 280 § 45 Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 281

Kapitel 12 Problem der Interoperabilität

283

§ 46 Interoperable Dateiformate . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 § 47 Rügemöglichkeit, Übersendungspflicht und Zugang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 284 § 48 Rügepflicht der Verwaltung und Rügerecht des Bürgers . . . . . . . . . . . . . . . . . . 286 § 49 Fazit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 289

Kapitel 13 Der elektronische Verwaltungsakt

290

§ 50 Eine neue Form des Verwaltungsaktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 290 § 51 Besondere Anforderungen an schriftformersetzende elektronische Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Qualifizierte elektronische Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Name der erlassenden Behörde . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Dauerhafte Überprüfbarkeit entsprechend § 37 Abs. 4 VwVfG . . . . . . . . a) Dauer der Überprüfbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Problem langfristiger Perpetuierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Dauerhaft mögliche Signaturprüfung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Nachlassen der Beweiskraft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

291 291 292 294 294 295 296 300

§ 52 Die behördliche Zertifizierungsinfrastruktur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301 I. Die Zertifizierung behördlicher elektronischer Nachrichten . . . . . . . . . . . 301

Inhaltsverzeichnis

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II. Diskutierte Varianten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Erforderliche Mitwirkung des Zertifizierungsdiensteanbieters . . . . . . b) Mitwirkung Privater an der staatlichen Aufgabenwahrnehmung . . . . c) Abhängigkeit elektronischer Verwaltungsentscheidungen vom Zertifizierungsdiensteanbieter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Einbindung des Zertifizierungsdiensteanbieters in die staatliche Hierarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Vorteile einer eigenständigen Zertifizierungsinfrastruktur . . . . . . . . . . . . . a) Wirtschaftlicher Vorteil . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Unzulänglichkeiten des Signaturgesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ausbleibende „Synergieeffekte“ als Nachteil dieser Gestaltung . . . . . V. Gestaltung der behördeneigenen Zertifizierungsinfrastruktur . . . . . . . . . . a) Technische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Organisatorische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Juristische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

302 307 307 308

§ 53 Weitere Fragen elektronischer Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Elektronische Bestätigung und Bestätigung elektronischer Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Begründung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . III. Rechtsbehelfsbelehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Automatisierte Verwaltungsakte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

329

310 314 316 316 318 321 321 321 323 323 328

329 331 332 334

§ 54 Verfahrensermessen und Wahl der elektronischen Form . . . . . . . . . . . . . . . . . . 336

Kapitel 14 Besondere Verfahren und weitere Fragen

339

§ 55 Die amtliche Beglaubigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 339 § 56 Der öffentlich-rechtliche Vertrag . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 343 § 57 Die elektronische Vergabe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 345 § 58 Die Identifizierung des Signaturschlüssel-Inhabers . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 348

Kapitel 15 Die Kontrolle elektronischen behördlichen Handelns § 59 Die elektronische Akte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Führung elektronischer Akten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Archivierung elektronischer Akten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Langfristige Perpetuierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

352 352 352 354 354

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Inhaltsverzeichnis b) Übersignierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 356 c) Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 357 III. Datenschutzrechtliche Vorgaben . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 358

§ 60 Die Modifikation des Widerspruchsverfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 359 § 61 Gerichtliche Überprüfung: Beweisrecht elektronischer Dokumente . . . . . . . . . 362 Zusammenfassung und Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 365 Literatur- und Quellenverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 374 Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 400

Einleitung § 1 Grund und Gang der Untersuchung Die Möglichkeiten des Internets beflügelte in den 1990er Jahren die Phantasie vieler in Gesellschaft, Wirtschaft und Verwaltung. Das neue Medium erschien ihnen nicht als ein Mittel zur Lösung spezifischer Probleme, sondern als Beginn eines gänzlich neuen Zeitalters. Es wurde zum neuen Synonym des Fortschritts. Begriffe wie „Informationsgesellschaft“ und „Cyberspace“ schmückten die Vision, in virtuellen Welten befreit sein zu können von den Lasten herkömmlichen Wirtschaftens, ohne dessen Vorteile wie etwa den damit erzeugten materiellen Wohlstand missen zu müssen. Unternehmensführer verschrieben dem Internet Wohl und Wehe der von ihnen geleiteten Firmen. Später wurden die Stichworte „New Economy“ und „E-Commerce“ zum Ausdruck des Traums vom mühelosen Reichtum. Mit der üblichen Verzögerung kam auch dieser gesellschaftliche Trend im öffentlichen Sektor an. Die ewig währende Diskussion um die Modernisierung der Verwaltung fand in den Verheißungen der Internet-Enthusiasten neue Nahrung, und bot ihrerseits der Internettechnologie ein viel versprechendes Anwendungsgebiet. Das neue Medium ermöglicht, Informationen unter Verzicht auf ein physisch zu transportierendes Trägermedium leicht, schnell und billig auszutauschen bzw. zur Verfügung zu stellen. Ihm wurde daher im besonders auf Informationen angewiesenen staatlichen Bereich zugetraut, die Verwaltungen „virtuell“ und damit fast irreal werden zu lassen, zumindest jedoch in wahre Muster an Effizienz und Bürgerfreundlichkeit zu verwandeln. Die betriebswirtschaftlich verwurzelten Ideen des „New Public Management“ nahmen die Verheißungen des Internets bereitwillig auf und forderten ihrerseits den verstärkten Einsatz der Computertechnik im öffentlichen Sektor. Unterstützt wurde dieses Bestreben nicht von der Praxis oder der Verwaltungswissenschaft allein. Aus offenbaren Gründen erklärten Computer- und Softwareanbieter ebenso wie Unternehmensberatungen den Weg als unausweichlich und ihre Produkte und Dienstleistungen hierfür als essentiell. Nicht erst mit dem Ende der schwindelerregenden Höhenflüge des E-Commerce und der Abschwächung der durch ihn verursachten Investitionen in Informations-, Kommunikations- und Sicherheitstechnologie wurde der Staat als Kunde entdeckt. Er sollte mit Investitionen auf unsicherem Gelände und Abnahme großer Mengen vom Markt nur unzureichend angenommener Produkte sowie der gesetzlichen Förderung und Forde-

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rung der Signaturtechnologie das Risiko einer breitflächigen Markteinführung übernehmen. Dessen ungeachtet versprach und verspricht die Abwicklung von Verwaltungsvorgängen über das Internet ebenso wie die interne Nutzung der Computertechnologie Vorteile für Bürger und Verwaltung. Auch wenn der Computereinsatz nicht automatisch und zwangsläufig zu mehr Bürgernähe bei gleichzeitiger Kostenreduktion führen wird, besteht doch die berechtigte Hoffnung auf positive Effekte dieses Aspektes der Verwaltungsmodernisierung. Die Diskussion hat sich im Folgenden daher nicht in den reich bebilderten und mit emotionalen, positiv besetzten, häufig englischen Begriffen durchsetzten Broschüren der Wirtschaftsberatungsunternehmen erschöpft.1 Die Idee einer Modernisierung der Verwaltung mit Hilfe des Internets wurde vielmehr stetig und zielorientiert weiterentwickelt. Das Medium hat in Wirtschaft, Gesellschaft, Politik und Verwaltung seinen Status als Wundermittel verloren. Es ist als weitere, in vieler Hinsicht vorteilhafte Kommunikationsform neben die bestehenden getreten. Die Euphorie der Anfangszeit ist dementsprechend einer pragmatischen Betrachtung der durch den Einsatz der Technik aufgeworfenen Fragen gewichen.2 Richtigerweise ist der Einsatz der Computertechnik auch im Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung nicht aufzuhalten, es stellt sich inzwischen nicht mehr die Frage des Ob, sondern nur noch die des Wie.3 Die vorliegende Arbeit will dazu beitragen, die mit der skizzierten Entwicklung zusammenhängenden Probleme zu untersuchen. Den Schwerpunkt bilden hierbei die rechtlichen Aspekte des elektronischen Verwaltungsverfahrens. Diese werden jedoch nicht isoliert betrachtet. Es werden auch die technischen, ökonomischen und verwaltungswissenschaftlichen Rahmenbedingungen des EGovernment dargestellt. Nach der notwendigen Klärung des Untersuchungsgebietes durch Verdeutlichung des Begriffes „E-Government“ im folgenden § 2 werden im Ersten Teil die politischen, technischen und rechtlichen Rahmenbedingungen des E-Government aufgezeigt. In Kapitel 1 wird hierfür die politische Förderung des Interneteinsatzes in der Verwaltung in Deutschland beleuchtet, die Vorbildern aus den USA und Europa folgt. Hieran schließt sich in Kapitel 2 eine ausführliche Darstellung der technischen Probleme elektronischer 1 Exemplarisch sind die so genannten „E-Government-Studien“ von Accenture vom April 2000, 2001 und 2002, die üppig illustrierte Ranglisten der „Reife“ verschiedener Industrieländer darstellen. Nachvollziehbare Gründe für die Einordnung in die Gruppe der „innovative leaders“, „visionary followers“, „steady achievers“ oder „platform builders“ fehlen indes vollständig und werden auch auf Anfrage nicht offen gelegt. Als Begründung für diese Geheimhaltung wird lediglich angegeben, hierbei handele es sich um vertrauliche Daten. 2 In der charakteristischen Sprache von Accenture, E-Government-Studie 2002, „eGovernment Leadership – Realizing the Vision, 2002“, S. 14: „Rhetorical flourishes have been replaced with pragmatic statements of vision.“ 3 Siegfried, Signatur, unter 2.

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Dokumente sowie der Funktionsweise der hierzu entwickelten Signaturverfahren an. Der erste Teil endet mit einer kurzen Vorstellung des Signaturgesetzes in Kapitel 3 und einer Betrachtung der von vielen als unzureichend empfundenen Verbreitung der Signaturtechnik in Kapitel 4. Hierauf folgt mit dem Zweiten Teil eine intensive und ausführliche Auseinandersetzung mit den Möglichkeiten des praktischen Einsatzes moderner Medien im Verwaltungsverfahren. Dabei werden in Kapitel 5 die Versprechungen der „E-Government-Enthusiasten“, namentlich die Verbilligung, Verbesserung und Effektivierung der Verwaltungsarbeit, bezüglich ihrer Werthaltigkeit untersucht, und in Kapitel 6 die gleichwohl bestehenden und beachtenswerten Möglichkeiten dargestellt. Ein wesentliches Moment für die weite Verbreitung des E-Government ist die Verhinderung einer bereits jetzt in Ansätzen bestehenden Digital Divide, eines „elektronischen Grabens“ zwischen den Nutzern und Nutznießern der modernen Technik, und den hiervon ausgeschlossenen Bevölkerungsgruppen, wie in Kapitel 7 ausgeführt wird. Daran schließt sich der Dritte Teil an, der der Untersuchung der juristischen Probleme gewidmet ist, die sich aus der Verwendung elektronischer Medien ergeben. Den natürlichen Schwerpunkt bilden hierbei die Auswirkungen des Dritten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften4 auf das Verwaltungsverfahrensrecht. Beleuchtet werden Hintergrund, Gesetzgebung und Regelungsgehalt des 3. VwVfÄndG. Dieses reagierte auf die bis zu seinem Erlass herrschende Unsicherheit der Praxis, ob nicht alles Lesbare, und damit auch elektronische Dokumente, der Schriftform genügen könne. In diesem Falle wäre auch eine Regelung des elektronischen Verwaltungshandelns unnötig gewesen. Eine nähere Untersuchung des öffentlich-rechtlichen Schriftformbegriffes und seine Erfüllung durch elektronische Dokumente klärt diese Frage. Zuerst wird in Kapitel 9 der Begriff des Schriftlichen und der Schriftform dargestellt, und anschließend in Kapitel 10 die Nutzung elektronischer Dokumente zur Erfüllung gesetzlich normierter Schriftformerfordernisse diskutiert. Einem wesentlichen Punkt des 3. VwVfÄndG, der mit § 3a Abs. 2 VwVfG geschaffenen „qualifizierten elektronischen Form“, die in der Lage ist, die Schriftform zu ersetzen, widmet sich ausführlich § 38. Durch das 3. VwVfÄndG sind auch weiterhin Fragen des Zugangs und der Bekanntgabe elektronischer Nachrichten nicht vollständig normiert, wobei insbesondere hinsichtlich des Zeitpunktes des Zugangs und der Behandlung inkompatibler Dokumente große Unsicherheiten bestehen; diese werden in den Kapiteln 11 und 12 unter eingehender Auseinandersetzung mit § 3a Abs. 1 und 3 VwVfG geklärt. Dem schließt sich mit Kapitel 13 eine umfangreiche Diskussion des elektronischen Verwaltungsaktes an, der in § 37 VwVfG eine seiner Bedeutung nicht ganz entsprechende, insgesamt unzureichende Normierung erfahren hat. Insbesondere die Frage der behördli4

So genanntes 3. VwVfÄndG vom 21.08.2002, BGBl. I 2002, S. 3322.

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chen Zertifikate und die der diese hervorbringenden Zertifizierungsinfrastruktur ist gesetzlich nicht geklärt. Die hiermit zusammenhängenden, nicht zuletzt verfassungsrechtlichen Probleme werden in § 52 erörtert. In Kapitel 14 folgt eine Untersuchung des Einflusses, den der Einsatz elektronischer Dokumente auf besondere Verwaltungsverfahren wie die Beglaubigung, den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages oder das öffentliche Vergabeverfahren hat; in § 58 wird zudem der Frage der sicheren Identifizierung von Bürgern gegenüber der Verwaltung nachgegangen. In Kapitel 15 schließlich wird die für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungshandelns wesentliche Frage der Kontrolle behördlichen Handelns im Zeitalter moderner Kommunikationstechnik untersucht. Von großem Interesse sind hierbei die elektronische Aktenführung, die Veränderung, die das Widerspruchsverfahren durch die Zulassung elektronischer Dokumente erfahren hat, sowie die gerichtliche Überprüfung des Verwaltungshandelns. Die für die rechtmäßige Gestaltung eines elektronischen Verwaltungsverfahrens bedeutsame Problematik des Datenschutzes kann dagegen in der vorliegenden Arbeit nur am Rande gestreift werden.5

§ 2 Begriffsbestimmung Der Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologie, namentlich des Internets, in der Verwaltung wird schlagwortartig als „E-Government“ bezeichnet. Der Begriff ist dem bekannten Wort vom „E-Commerce“ angelehnt. Das „E“ steht in beiden Wörtern für „electronic“ und ist ebenfalls aus „E-Mail“ bekannt. Inhaltlich ist damit die Idee verbunden, das Internet zum Versenden von Nachrichten (E-Mail), zum Anbahnen und möglicherweise auch Abwickeln von Geschäften (E-Commerce), und schließlich auch für staatliche Informations- und Transaktionsdienste zu nutzen. Ebenfalls verwendet wird der Begriff der „E-Democracy“ bzw. des „E-Voting“, der die Unterstützung demokratischer Partizipation in Umfragen, Abstimmungen und Wahlen durch elektronische Mittel bezeichnet. I. „E-Government“: Definitionsversuche Der Begriff des „E-Government“ wurde erstmals Mitte der 1990er Jahre und verstärkt ab 1999 verwendet.6 Er ist auf der einen Seite vom Anspruch geprägt, sämtliches staatliches Handeln in Abgrenzung zum privatwirtschaftlichen Bereich zu erfassen, wie der Bestandteil „Government“ als Gegenüber des „Com5

Diesbezüglich sei verwiesen auf DSB, Datenschutzgerechtes E-Government. Detailliert Hagen, Referenzmodell, S. 23 f., mit Hinweisen etwa auf ein „Institute for Electronic Government“ von IBM, errichtet 1995, und auf diverse auch internationale Literaturstellen. 6

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merce“ deutlich macht. Auf der anderen Seite steht die formale und inhaltsneutrale Betonung des Technischen, der elektronischen Abwicklung aller in Betracht kommenden Kommunikationsvorgänge.7 Dieser nahezu allumfassende Begriff ermöglicht zwar als Schlagwort und Kristallisationspunkt die Aufnahme und Bündelung verschiedener gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und politischer Zielvorstellungen, Hoffnungen und Wünsche.8 So werden unter E-Government sowohl die konsequente Weiterentwicklung des E-Commerce,9 eine neue Stufe der Verwaltungsinformatik10 wie auch die elektronische Form des New Public Management gefasst.11 Doch wird der Begriff dadurch nicht deutlicher, vielmehr verlieren sich seine Konturen im Beliebigen. Auch eine klare Eingrenzung des mit „E-Government“ bezeichneten Problemfeldes besteht nicht.12 Dies liegt nicht zuletzt daran, dass das Internet, wie auch die Computertechnik insgesamt, eine „Querschnittstechnologie“ ist, die in vielfältiger Weise und ohne Begrenzung auf ein bestimmtes Fachgebiet eingesetzt werden kann. Für E-Government werden als Beispiele Informationsangebote der Kommunen, Transaktionsdienste wie die Beantragung eines Wunschkennzeichens, die „elektronische Beschaffung“, aber auch die elektronisch unterstütze Wahl per Internet oder Wahlmaschine, bis hin zur „Online-Ministerratssitzung“ genannt. Bei dem letztgenannten, saarländischen Projekt brachten die teilnehmenden Minister einen Laptop statt Akten mit in die Kabinettssitzung, um mit dessen Hilfe auf relevante Informationen zugreifen zu können. Im Ergebnis wird die Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnik im öffentlichen Bereich recht wahllos mit dem Begriff des E-Government belegt. Dies zeigt der Definitionsversuch von Hattenberger: E-Government sei, in Abgrenzung zum E-Commerce, die Verwendung elektronischer Medien im Verhältnis Staat-Bürger, aber auch staatsintern. In einem weiten Sinne könne hierunter die Verwaltungstätigkeit, genauso gut aber auch die Gesetzgebung und die Gerichtsbarkeit gefasst werden sowie die interne Nutzung.13 Umfangreicher, doch kaum spezifischer ist die Definition von Lucke und Reinermann:

7

Eifert, Organisationsaufgabe, ZG 2001, S. 116. Eifert, Organisationsaufgabe, ZG 2001, S. 116. 9 Vgl. Jansen/Priddat, Electronic Government, S. 9 ff.: „Der größte Markt ist der Staat!“; ebenso die Wirtschaftsberatungsgesellschaft Accenture, E-Government-Studie 2002, S. 10. 10 In diese Richtung Wind, Volk, S. 80. 11 Schedler/Proeller, NPM, S. 227. 12 Fox, E-Government, DuD 2003, S. 103, spricht von der „semantische[n] Dehnbarkeit“ des Begriffes und konstatiert: „keine zwei Verwendungen, die denselben Sachverhalt meinen.“ Ähnlich Hagen, Referenzmodell, S. 26: „Es wird deutlich, wie in diesen Definitionen viele Begriffe und Konzepte miteinander vermischt und unterschiedliche Inhalte bezeichnet werden.“ 13 Hattenberger, Virtuell, DuD 2001, S. 539. 8

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„Unter Electronic Government verstehen wir die Abwicklung geschäftlicher Prozesse im Zusammenhang mit Regieren und Verwalten (Government) mit Hilfe von Informations- und Kommunikationstechniken über elektronische Medien. Auf Grund der technischen Entwicklung nehmen wir an, dass diese Prozesse künftig sogar vollständig elektronisch durchgeführt werden können. Diese Definition umfasst sowohl die lokale oder kommunale Ebene, die regionale oder Landesebene, die nationale oder Bundesebene sowie die supranationale und globale Ebene. Eingeschlossen ist somit der gesamte öffentliche Sektor, bestehend aus Legislative, Exekutive und Jurisdiktion sowie öffentliche Unternehmen.“14

Die Definition schränkt den betrachteten Bereich allerdings insofern ein, als sie nur die „Abwicklung geschäftlicher Prozesse“ erfasst. Darunter ist wohl das zu verstehen, was andernorts als „Transaktion“ bezeichnet wird, die rechtserhebliche Kommunikation zwischen der Verwaltung und Dritten, seien es Bürger, die Wirtschaft oder andere Behörden.15 Jedoch kann dies nicht genügen, wie die Erwähnung von Legislative und Jurisdiktion zeigt. Kürzer gefasst: „E-Government“ im weiteren Sinne wird als Unterstützung jeglichen staatlichen Handelns durch elektronische Medien verstanden. Im einem engeren Sinne ist damit häufig nur die Nutzung dieser Medien durch die Verwaltung, die so genannte E-Administration, gemeint.16 Dieser Bereich der öffentlich-rechtlichen Verwaltungstätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 VwVfG steht im Mittelpunkt des juristischen Interesses.17 Andere Einsatzgebiete wie Regierung, Gesetzgebung und Justiz rücken demgegenüber in den Hintergrund.18 Die Gründe hierfür dürften sowhl in der höheren Regelungsdichte des Verwaltungsrechts, wie auch darin zu finden sein, dass sich in der Verwaltung dank ihrer Struktur und ihrer Aufgaben ein möglicher Computer- und Interneteinsatz als besonders lohnend darstellt. Aus diesem Grunde wird im Folgenden dieser Bereich mit dem Begriff des „E-Government“ bezeichnet, der damit gegenüber dem oben verwandten allumfassenden Begriff eine engere Bedeutung erhält.19 Ein besonderer Teil der Verwaltungstätigkeit, der allerdings dank seiner hohen Bedeutung für die demokratische Ordnung des Gemeinwesens in einem 14

Lucke/Reinermann, Definition, S. 2. Vgl. Groß, Internet, DÖV 2001, S. 161; Holznagel/Krahn/Wertmann, Electronic Government, DVBl. 1999, S. 1478. 16 Roßnagel spricht daher teilweise auch nur von „E-Administration“, vgl. Roßnagel, Zwei Jahre, NJW 1999, S. 1591. 17 Vgl. nur Boehme-Neßler, Electronic Government, NVwZ 2001, S. 374; Groß, Internet, DÖV 2001, S. 159; Roßnagel, Transparenz, S. 257. 18 Zum Computereinsatz in der Justiz vgl. zum Beispiel LMJ BW, IuK-Gesamtkonzept, JurPC 05/1997; Suermann, Elektronische Akte, DRiZ 2001, S. 291. Zur freiwilligen Gerichtsbarkeit und dem „elektronischen Grundbuch“ siehe Rüßmann, Elektronische Grundbücher, JurPC 149/1999. Siehe auch Bröchler, Regierungskanzleien. 19 Zum „weiten“ und „engen“ Begriff des E-Government siehe auch Schefbeck, Elektronische Demokratie, S. 89 f.; ähnlich FES, eGovernment, S. 15 f. 15

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sehr großen Maß von Verfassungsrecht geprägt ist, ist das Recht der Wahl in Bund, Ländern und Gemeinden. Auch hier gibt es Überlegungen, sowohl den eigentlichen Wahlvorgang wie auch die Auszählung durch den Einsatz von Computertechnik zu unterstützen und zu erleichtern. Die hier in der Diskussion verwendeten Begriffe sind „E-Democracy“, „E-Voting“ und „E-lection“.20 Nicht in diesen Zusammenhang gehört das Schlagwort der „E-Governance“, das unter Verwendung des gleichzeitig allumfassenden wie konturenarmen Begriffes der „Governance“21 die politischen Maßnahmen des Staates bezeichnen soll, mit denen der Boden für die elektronische Kommunikation bereitet wird sowie die Rahmenbedingungen der Informationsgesellschaft geschaffen werden.22 Die rechtliche Komponente dieser Politik wird teilweise auch als „e-Recht“ bezeichnet.23 II. Andere Begriffe Teilweise wurden und werden für die Bezeichnung des hier „E-Government“ genannten Bereiches der Abwicklung von administrativen Transaktionen mit Hilfe moderner elektronischer Medien auch andere Begriffe benutzt. Beispielsweise ist die „vorverlagerte Verwaltung“ zu nennen.24 Bei dieser findet der Kontakt zwischen der (Kommunal-) Verwaltung und dem Bürger außerhalb der üblichen Amtsräume statt und ist insofern „vorverlagert“. Hierbei können sowohl das Internet wie auch Terminals im Bürgerbüro zum Einsatz kommen.25 Weiterhin ist teilweise die Rede von der „virtuellen Verwaltung“26 oder dem „virtuellen“27 oder „digitalen Rathaus“.28 Gemeint ist hiermit zumeist weniger die Verwaltung des „virtuellen Raumes“ Internet, sondern der Auftritt der Verwaltung im Netz. Dem Wortsinne näher ist ein Verständnis, das auf die Virtualität der Verwaltung selbst, nicht des Mediums abhebt. Danach liegt eine „virtu20 Rüß, E-Democracy, ZRP 2001, S. 518; Tauss, E-Vote, S. 285; Wind, Volk, S. 87 („elektronische Demokratie“); Reinermann, Öffentlicher Sektor, S. 88 („e-lection“). Siehe auch BT-Drs. 14/8098, e-Demokratie: Online-Wahlen und weitere Partizipationspotenziale der Neuen Medien nutzen. 21 Hierzu König, Governance, DÖV 2001, S. 620; Köster, Governance, VR 2002, S. 224 mit dem Hinweis auf die zahllosen Governance-Begriffe (global, international, good, effective, progressive, public, economic, electronic, local, urban usw.). 22 Gress, Electronic Government, S. 2; vgl. auch Reinermann/Lucke, Electronic Government, S. 9 ff. 23 Tauss/Kollbeck/Fazlic, e-Recht, ZG 2001, S. 231. 24 Stenner, in: Krahn/Stenner/Werthmann, Kommunen, S. 1; ähnlich Wind, Volk, S. 81 („vorverlagerte Stadtverwaltung“). 25 Wirth, Electronic Government, S. 114. 26 Wind, Volk, S. 82. 27 Deutscher Städtetag, Signatur, S. 8. 28 Deutscher Städtetag, Rathaus.

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Einleitung

elle Verwaltung“ dann vor, wenn diese nur scheinbar in dieser Form vorhanden ist. Das ist der Fall, wenn mit einem Internet-Portal oder einem Call-Center eine in Wirklichkeit nicht vorhandene Einheitlichkeit der Verwaltung suggeriert wird. Die tatsächliche Aufbauorganisation tritt dabei hinter das übergreifende Erscheinungsbild zurück.29 Portale, Call-Center und Bürgerbüros ermöglichen sozusagen eine einheitliche „Benutzeroberfläche“, und bilden doch nur vermeintlich eine Verwaltung, da die eigentlichen Zuständigkeiten bei den Fachverwaltungen verbleiben.30 Von den durch Zuständigkeitsregelungen gezogenen Grenzen erfährt der Bürger jedoch nichts; die sich ihm einheitlich präsentierende Stelle ist eine „Verwaltung ohne Mauern“ mit „Sofortinformation“.31 Die „virtuelle Verwaltung“ in dieser Bedeutung ist Fernziel und Teilaspekt des E- Government.32 In weitergehenden Visionen, die erkennbar von der anfänglichen, grenzenlosen Internet-Euphorie gespeist waren, sollte nicht allein das Rathaus oder die Verwaltung, sondern die gesamte Kommune digitalisiert werden. Die Bürger würden dank des Raum und Zeit obsolet machenden Internets33 zu „Netizens“, Bürger einer nur mehr virtuellen Gemeinschaft.34 Sie seien Bewohner des Cyberspace und unterlägen primär dessen Regeln, derweil die Bindung zum Wohnsitz oder zur Betriebsstätte schwände.35 Ganze Wertschöpfungsketten und Geschäftsprozesse würden in virtuelle Räume verlagert, über den Aufbau einer virtuellen Volkswirtschaft würde nachgedacht.36 Die Aufregung hat sich mittlerweile zwar gelegt, das Internet wird als weiteres Medium neben den bekannten aufgefasst und benutzt. Die Frage nach der Angemessenheit der gegenwärtigen Verwaltungsstruktur wird jedoch weiterhin gestellt: Angesichts der Globalisierung bei gleichzeitiger Regionalisierung sei die Ortsgebundenheit vieler Dienste nicht länger selbstverständlich.37 Digital oder virtuell wird die Kommune damit gleichwohl nicht.

29 30 31 32 33 34 35 36 37

Lenk, Datenschutzprobleme, DuD 2002, S. 542. Vgl. Wind, Volk, S. 82; ähnlich Jörs, Digitalisierung, VR 2002, S. 154. Reinermann, Öffentlicher Sektor, S. 88. Vgl. auch Lenk, Datenschutzprobleme, DuD 2002, S. 542. Stransfeld, Herausforderungen, S. 684. Von Net, dem Internet, und citizen, dem Bürger. Hoeren, Paradigmen, NJW 1998, S. 2851. Habbel, Umsetzung. Wirth, Electronic Government, S. 112.

E r s t e r Te i l

Rahmenbedingungen des E-Government Kapitel 1

Politische Förderung des E-Government § 3 Vorreiter Amerika Die politische Forderung, die Vorteile des Internets auch in der Verwaltung zu nutzen, ist nicht neu; sie stammt, wie das Medium selbst, aus Amerika. Dort entwickelte die Clinton/Gore-Administration bereits 1993 die Idee, mit Hilfe der Informationstechnologie die Verwaltung „neu zu erfinden“. Der entsprechende Ansatz hieß „Reengineering through Information Technology“.1 Das Ziel war, kurz gefasst, „to make government work better and cost less“.2 Das Weiße Haus ging selbst mit gutem Beispiel voran und präsentierte unter der Internetadresse www.whitehouse.gov ein „Interactive Citizen’s Handbook“. Zu finden waren Informationen über die Arbeit der Regierung und eine Liste zu bestellender Publikationen, genauso wie Seiten über die „First Family“. Das Interaktive des „Citizen’s Handbook“ bestand aus einem Gästebuch und der Möglichkeit, dem Büro des Präsidenten eine E-Mail zu senden.3 Die amerikanischen Bemühungen um E-Government setzten sich die zwei Präsidentschaftsperioden der Regierung Clinton/Gore hindurch fort. 1999 forderte Präsident Clinton erneut die Leiter der Bundesbehörden auf, alles gesetzlich und finanziell Mögliche zu unternehmen, um den Bürgern den Zugang zu behördlichen Informationen zu erleichtern. Die Informationen seien nicht nach Behörden, sondern nach Lebenslagen aufzubereiten. Für die 500 wichtigsten Dienstleistungen sollten bis 2000 die Formulare online bereitstehen und der Online-Zugang bis 2003 eröffnet sein. Die Möglichkeit von Online-Wahlen sollte erforscht werden. Zur Ermöglichung rechtsverbindlicher und sicherer Kommu-

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Gore, Reengineering. Gore, Access America. 3 Die (damaligen) Seiten sind heute zu erreichen über die National Archives and Records Administration (NARA), clinton1.nara.gov. 2

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

nikation setzte Präsident Clinton auf Public-Key-Technologie und digitale Signaturen.4

§ 4 Schrittmacher Europa In Europa war es der so genannte Bangemann-Report, der im Jahr 1994 die Vision einer Informationsgesellschaft entwarf. Der Bericht einer Gruppe von Politikern und Vertretern der Wirtschaft beleuchtete vor allem die ökonomischen Aspekte dieser „market-driven revolution“. Teil des Plans war jedoch auch ein dank Informationstechnologie „better government, cheaper government“. Europas „Bürger und Verbraucher“ erwartete demnach ein fürsorglicheres Europa, derweil die Verwaltung effizienter, transparenter, reaktionsfähiger und bürgernäher würde – insbesondere durch den möglichen Verzicht auf das Trägermedium Papier.5 Im Folgenden trat die Förderung des E-Government hinter die Entwicklung leistungsfähiger Verschlüsselungs- und Signatursysteme zurück. Diese sollten sowohl die notwendige Geheimhaltung wie auch die Integrität und Authentizität elektronisch übertragener Daten sicherstellen.6 Die Kommission begann 1996 mit Vorarbeiten zur späteren Signaturrichtlinie.7 Bei dieser standen die Interessen und Bedürfnisse des Geschäftsverkehrs im Vordergrund. Dies wurde auch im Laufe der Gesetzgebung durch den Ausschuss der Regionen bedauert. Dieser betonte, dass „insbesondere für die Dienstleistungen der öffentlichen Verwaltung Rechtsvorschriften zu entwickeln sind, die der elektronischen Signatur der handschriftlichen Unterschrift einen rechtlich gleichwertigen Status erteilen.“ Dies ermögliche den Verwaltungen, die Kosten ihrer Dienstleistungen zu senken. Hierfür sei jedoch eine weitgehende Verbreitung der für die Signatur erforderlichen Technik und des entsprechenden Know-hows unerlässlich.8 Wohl in Reaktion hierauf erwähnte die Signaturrichtlinie in ihren Erwägungsgründen die mögliche elektronische Kommunikation unter Nutzung elektronischer Signaturen zwischen Verwaltungen und Bürgern, nicht zuletzt zur besseren Verwirklichung der Freizügigkeit innerhalb Europas: (7) Der Binnenmarkt gewährleistet die Freizügigkeit von Personen, wodurch Bürger und Gebietsansässige der Europäischen Union zunehmend mit Stellen in anderen Mitgliedstaaten als demjenigen ihres Wohnsitzes in Verbindung treten müssen. Die Möglichkeit der elektronischen Kommunikation könnte in dieser Hinsicht von großem Nutzen sein. 4

Clinton, Memorandum. Bangemann-Report, Kap. 1, Sektion 5. 6 Bangemann-Report, Kap. 3, Sektion 16. 7 Hierzu siehe unten § 11 II. Die Signaturrichtlinie 1999/93/EG und das SigG 2001, S. 69. 8 Ausschuss der Regionen, Stellungnahme, ABl. EG 1999, Nr. C 93 S. 33. 5

1. Kap.: Politische Förderung des E-Government

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(19) Elektronische Signaturen werden im öffentlichen Bereich innerhalb der staatlichen und gemeinschaftlichen Verwaltungen und im Kommunikationsverkehr zwischen diesen Verwaltungen sowie zwischen diesen und den Bürgern und Wirtschaftsteilnehmern eingesetzt, z. B. in den Bereichen öffentliche Auftragsvergabe, Steuern, soziale Sicherheit, Gesundheit und Justiz.

Ferner sollte die öffentliche Verwaltung mit ihren Dienstleistungen für eine ausgedehnte Verbreitung der Signatur sorgen. Die Europäische Kommission weist in ihrer Mitteilung über den elektronischen Geschäftsverkehr „den öffentlichen Verwaltungen [. . .] bei der Förderung des elektronischen Geschäftsverkehrs eine wichtige Aufgabe zu.“ Die vielfältigen administrativen Formalitäten seien elektronisch effizienter abzuwickeln.9 Auch sollten die Mitgliedstaaten „. . . ihr Vertrauen in den elektronischen Geschäftsverkehr zum Ausdruck bringen, indem sie ihn auf allen Ebenen der öffentlichen Verwaltung selbst nutzen. Dies hätte auf den gesamten Markt eine Katalysatorwirkung. Mit bestem Beispiel gingen die Verwaltungen voran, wenn sie ihre eigenen Käufe über den elektronischen Geschäftsverkehr abwickelten. [. . .] Die Verwaltungen könnten auf diese Weise nicht nur beträchtliche Einsparungen für den Steuerzahler erzielen, sondern auch eine Vorreiterrolle übernehmen.“10

Anfang 1999 ist das „Electronic Government“ ein Schlüsselbegriff des Grünbuchs der Kommission zu Informationen des öffentlichen Sektors.11 Danach würden durch die Informationstechnologie nicht nur die internen Abläufe der Verwaltung verbessert, sondern auch und vor allem die Kontakte zum Bürger vereinfacht und intensiviert. Innerhalb von zehn Jahren seien Transaktionsdienste auf elektronischem Wege durchführbar. Dies senke die administrative Belastung der Bürger und Unternehmen gleichermaßen. Die mit der Umgestaltung der öffentlichen Verwaltung im Hinblick auf das E-Government verbundenen Kosten lohnten sich angesichts der damit verbundenen Effektivitätssteigerung. Mit Projekten wie „Egap“ und „SUPER“ förderte die Europäische Union von 1999 an E-Government-Entwicklungen auf kommunaler Ebene.12

§ 5 Entwicklung in Deutschland I. Multimedia als „Schlüssel zur Verwaltungsmodernisierung“ Auch in Deutschland wurden die Fortschritte der Computertechnik schon früh und oft als Mittel benannt, die Verwaltung leistungsfähiger, besser, bürgerfreundlicher, mit einem Wort: moderner zu machen. Dies galt für die Großrechentechnik der 1960er ebenso wie für die Datenverarbeitungsanlagen der 9

EU-Kommission, Initiative, KOM (1997) 157, Abs. 67. EU-Kommission, Initiative, KOM (1997) 157, Abs. 69. 11 EU-Kommission, Grünbuch, KOM (1998) 585. 12 Vgl. Schiff, Dispositivo, S. 133. 10

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

1970er und die Personalcomputer der 1980er Jahre.13 Auch die beeindruckenden Fähigkeiten moderner Personalcomputer spendeten Anfang der neunziger Jahre wiederum Hoffnung auf eine noch bessere, noch modernere Verwaltung. Die Stichworte „Multimedia“ und „Informationsgesellschaft“ wurden von der Politik gern aufgegriffen. Der Rat für Forschung, Technologie und Innovation beim Bundeskanzler empfahl 1995 in seinem Bericht „Informationsgesellschaft“, die Informations- und Kommunikationstechnik „als Schlüssel zur Verwaltungsmodernisierung“ zu nutzen. Die verwaltungsinternen Arbeitsabläufe könnten mit Hilfe dieser Technik effizienter gestaltet, der Kontakt zum Bürger könne intensiviert werden.14 Diesem Ergebnis ähnelten die im gleichen Jahr veröffentlichten Empfehlungen der so genannten Multimedia-Enquête BadenWürttembergs:15 Multimedia böte öffentlichen Verwaltungen die Chance, ihre Arbeit effizienter, transparenter und leistungsfähiger zu gestalten. Insbesondere erlaube die Technik eine Veränderung von Strukturen mit dem Ziel der Effektivierung und Kostensenkung.16 Zugleich sei eine Verbesserung der Dienstleistungen für den Bürger und eine Steigerung der Attraktivität von Büroarbeitsplätzen möglich.17 Von vorrangigem Interesse waren damit hier die Möglichkeiten, die der Einsatz der Datenverarbeitung im internen Bereich der Verwaltung eröffnete: Das Auffinden, Auswerten, Verdichten und Aufbereiten von Informationen war nach Auffassung der Bundesregierung bereits 1996 in vielen Bereichen die Grundlage einer effizienten Verwaltung. Die hierfür notwendigen Dienste so dezentral wie möglich anzubieten, am besten an jedem Arbeitsplatz, trüge ihr zufolge wesentlich zur Steigerung der Leistungsfähigkeit bei, genauso wie die dank modernster Kommunikationstechnik ermöglichte Zusammenarbeit verschiedener Sachbearbeiter und Verwaltungsträger. Dem elektronischen Zugang der Bürger zur Verwaltung schenkte sie in ihrem Bericht „Info 2000 – Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“ demgegenüber nur wenig Aufmerksamkeit. In vagen Andeutungen erwähnte sie die Möglichkeit, durch die Schaffung elektronischer Kommunikationswege die Bürgerfreundlichkeit zu verbessern. Sie schrieb wenig konkret, es würde „angestrebt, den Austausch von Informationen und Dienstleistungen zwischen der öffentlichen Verwaltung und Bürgern ,elektronisch‘ zu unterstützen.“18 Auch von „elektronischen Ämtern, die Zugang zu allen Dienstleistungen des Staates schaffen und den Gang zu Behörden ersetzen“ ist in diesem Bericht die Rede.19 Der Begriff des „Internet“ fällt demge13

Zu den Phasen der Verwaltungsautomatisierung siehe Wind, Volk, S. 80. Bundesregierung, Info 2000, BT-Drs. 13/4000, S. 115; vgl. auch Kubicek/Hagen, Multimedia, S. 16. 15 Multimedia-Enquête BW, LT-Drs. 11/6400. 16 Multimedia-Enquête BW, LT-Drs. 11/6400, Teil I, 5.2.4. 17 Multimedia-Enquête BW, LT-Drs. 11/6400, Teil II, B. 4. 18 Bundesregierung, Info 2000, S. 10; Anführungszeichen im Original. 14

1. Kap.: Politische Förderung des E-Government

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genüber auf den fast 200 Seiten nur ein einziges Mal: als ein „Online-Dienst“ unter vielen anderen.20 Die heute allerorten beschworenen Möglichkeiten des Mediums waren Ende 1995, als der im Februar 1996 veröffentlichte Bericht entstand, in Deutschland offenbar noch nicht abzusehen. Auch der Bangemann-Report hatte bereits zwei Jahre zuvor nur empfohlen, die Evolution dieses „worldwide network of networks“ aufmerksam zu beobachten.21 In den auf 1996 folgenden Jahren hingegen verbreitete sich die Technik rapide in Büros und Arbeitszimmern. Im Sog der beginnenden E-Commerce-Euphorie wurde vermehrt gefordert, auch den Zugang zur Verwaltung auf elektronischem Wege zu eröffnen. Insbesondere die Städte versprachen sich vom ITEinsatz „in puncto Bürgernähe ganz neue Möglichkeiten“. Das „virtuelle Rathaus“ könne ihrer Meinung nach Behördengänge ersparen.22 Die „Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung“ (KGSt) sprach 1997 von der „digitalen Kommune“, in der kommunale Dienstleistungen auf ganz neuem Wege erbracht würden. Der Deutsche Städtetag propagierte das „digitale Rathaus“,23 das mit Hilfe der digitalen Signatur die Umsetzung der „kommunalpolitisch relevanten Zukunftsthemen“ wie Kundenorientierung und Prozessoptimierung ermögliche.24 II. Aktionsprogramm „Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ Auch nach dem Regierungswechsel im Jahr 1998 blieb die Modernisierung und Technisierung der Verwaltung ein wesentlicher Punkt auf der bundespolitischen Agenda. Im „Aktionsprogramm Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ vom September 1999 beschreibt die Bundesregierung unter der Überschrift „Staatliche Modernisierung vorantreiben“ die Potentiale eines vermehrten Technikeinsatzes in der Verwaltung: Effizienzsteigerung staatlichen Handelns, verbesserter Zugang der Bürger zur Verwaltung sowie verbesserte Partizipation der Bürger an staatlichen Entscheidungen:

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Bundesregierung, Info 2000, S. 116. Bundesregierung, Info 2000, S. 24: Neben dem französischen Minitel und dem deutschen Dienst T-Online sowie den amerikanischen Online-Diensten AOL und Compuserve wird das Internet mit ca. 7 Millionen Teilnehmern, davon 400.000 in Deutschland, erwähnt. 21 Bangemann-Report, Kap. 4, Sektion 2. 22 So der Sprecher des Deutschen Städte- und Gemeindebundes 1996, zitiert nach: Kubicek/Hagen, Multimedia, S. 16. 23 Deutscher Städtetag, Rathaus, S. 13. 24 Deutscher Städtetag, Signatur, S. 7. 20

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

„Querschnittstechniken wie [die] Informations- und Kommunikationstechnik [. . .] sind ein wirksames Instrument zur Qualitätssteigerung und Nutzung von Effizienzpotentialen. Der Einsatz von Informations- und Kommunikationstechniken kann damit einen wesentlichen Beitrag zu einer leistungsfähigen und wirtschaftlich arbeitenden öffentlichen Verwaltung leisten.“25

Hiermit wird die Rationalisierung der Verwaltungsarbeit selbst angesprochen. Als Beispielanwendung für die Verwaltungsmodernisierung wird im Folgenden vor allem der Informationsverbund Berlin-Bonn (IVBB) genannt, das Computernetzwerk der Bundesregierung zur Verbindung ihrer Standorte Berlin und Bonn. Daneben ist es insbesondere die Bundesanstalt für Arbeit, der mit dem Konzept „IT 2000“ eine modernisierte Informationsverarbeitung ermöglicht werden sollte. Den verschiedenen Verwaltungsträgern sollen unter Zuhilfenahme der Informationstechnologie Geodaten zur Verfügung gestellt werden.26 Als weiterer Punkt wird die kommunale Telearbeit angeführt, bei der mit Hilfe der elektronischen Akte „die Durchlauf- und Bearbeitungsgeschwindigkeit bei einer Vielzahl von Anfragen und Anträgen im Interesse von Bürgerinnen und Bürgern und Wirtschaft erheblich beschleunigt werden“ könne.27 Die Informations- und Kommunikationstechniken „prägen darüber hinaus das Verhältnis von Bürgerinnen und Bürgern und Staat, sie eröffnen neue Chancen für das Zusammenwirken von Bürgerinnen und Bürgern, Verwaltung und Unternehmen und schaffen Voraussetzungen für effiziente und bürgerfreundliche Dienstleistungen der öffentlichen Hand.“28

Für den Kontakt zum Bürger wird die Idee des „One-Stop-Shops“ als zentrales Portal zu allen Dienstleistungen der Verwaltung angeführt, der eine „zeitgemäße Form des Geschäftsverkehrs mit den Bürgern“ sei und den „Gang zu verschiedenen Behörden ersetzen“ könne.29 Als beispielhafte Projekte elektronischer Transaktionen werden die mit einem besonderen Rationalisierungspotential verbundene elektronische Auftragsvergabe und die elektronische Steuererklärung ELSTER genannt. Des weiteren wird auf das Projekt MEDIA@Komm verwiesen30 und das Online-Stellen-Informations-System der Bundesanstalt für Arbeit erwähnt. Neben dieser Modernisierung der Verwaltung in ihren internen Abläufen und dem Kontakt zu den Bürgern und der Wirtschaft sollte dem Technikeinsatz jedoch noch eine weitere Aufgabe zukommen: Er sollte Pilot für die Technisierung des Geschäftslebens und des Alltags werden: 25 26 27 28 29 30

Bundesregierung, Informationsgesellschaft, BT-Drs. 14/1776, S. 54. Bundesregierung, Informationsgesellschaft, BT-Drs. 14/1776, S. 60. Bundesregierung, Informationsgesellschaft, BT-Drs. 14/1776, S. 55. Bundesregierung, Informationsgesellschaft, BT-Drs. 14/1776, S. 54. Bundesregierung, Informationsgesellschaft, BT-Drs. 14/1776, S. 55. Hierzu siehe unten § 5 V. Städtewettbewerb MEDIA@Komm, S. 33.

1. Kap.: Politische Förderung des E-Government

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„Der öffentliche Sektor sollte insgesamt zum Motor für eine beschleunigte Anwendung der neuen Informations- und Kommunikationstechniken werden, indem er selbst als Modell für beispielhafte Initiativen vorangeht und indem er die elektronische Vernetzung mit Bürgern und Unternehmen bereitstellt. Gerade für die Durchsetzung des elektronischen Geschäftsverkehrs kann er als Schnittstelle zu wichtigen Unternehmensbereichen eine bedeutende Rolle spielen.“31

Eine ähnliche Vorstellung von der Rolle des Staates entwickelte die Europäische Kommission in der Mitteilung „Europäischer Geschäftsverkehr“ vom Mai 1997: „Dabei werden auch die öffentlichen Verwaltungen als Auftraggeber und durch den frühzeitigen Einsatz der für den elektronischen Geschäftsverkehr entscheidenden Technologien eine wichtige Rolle spielen. In Zukunft sollte zum Nutzen aller Beteiligten die Entwicklung starker Synergien zwischen dem elektronischen Geschäftsverkehr und der elektronischen Verwaltung aktiv gefördert werden.“32

III. „Moderner Staat – Moderne Verwaltung“ Im Dezember 1999 beschloss die Bundesregierung das Vorhaben „Moderner Staat – Moderne Verwaltung“ als „Leitbild und Programm der Bundesregierung.“33 In diesem skizziert sie die Rolle der modernisierten Verwaltung im modernen Staat, der vor allem als „aktivierender Staat“ verstanden wird, als bürgerorientiert und partnerschaftlich. Der zentrale Punkt sei für die Modernisierung, „die Chancen der Informationstechnik als Grundlage zur Information der Bürger und zur Kommunikation mit ihnen [zu] nutzen.“ Im Einzelnen heißt es hierzu: „Die Binnenmodernisierung des Bundes wird sich dem Anspruch stellen, als Verwaltung mehr zu leisten und weniger zu kosten. Hierfür wird sie ihre Aufgaben zunehmend unter Wettbewerbsbedingungen erfüllen, indem betriebswirtschaftliche Instrumente, wie Kosten- und Leistungsrechnung und Controlling, zum gängigen Instrumentarium der Bundesverwaltung werden. Eine Verwaltung ist aber nur dann leistungsstärker, wenn sie den Bürger besser in ihre Entscheidungen einbindet und ihr Handeln nachvollziehbar macht. Eine solche Öffnung soll den konkreten Dialog mit dem Bürger ermöglichen, um bürokratiebelastete Strukturen aufzudecken. Der Bund wird dazu moderne Informations- und Kommunikationstechnik in breiter Form einsetzen und den Übergang zur ,Elektronischen Verwaltung‘ (,Electronic Government‘) vollziehen.“34

Zur Koordinierung der umfassenden Verwaltungsmodernisierung wurde ein Staatssekretärsausschuss unter Leitung des BMI eingerichtet, der von der Stabs31 32 33 34

Bundesregierung, Informationsgesellschaft, BT-Drs. 14/1776, S. 55. EU-Kommission, Initiative, KOM (1997) 157, S. 5. Bundesregierung, Moderner Staat. Bundesregierung, Moderner Staat, S. 8 (Anführungszeichen im Original).

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

stelle „Moderner Staat – Moderne Verwaltung“ des BMI unterstützt wird.35 Eine wichtige Aufgabe ist die Dokumentation des Fortschritts und die Darstellung des Projektes nach außen. Nicht zuletzt wird hierfür das Internet als Medium genutzt.36 IV. Initiative „BundOnline 2005“ Wichtigstes Projekt des Bundes zur Verwaltungsmodernisierung und zum EGovernment ist gegenwärtig die Initiative „BundOnline 2005“, die im September 2000 durch die Bundesregierung ins Leben gerufen wurde. Mit dieser verpflichtete sich diese, „alle internetfähigen Dienstleistungen der Bundesverwaltung bis zum Jahr 2005 online bereit zu stellen.“37 Als Ziel der Initiative wird einerseits angegeben, „dass Bürger, Wirtschaft, Wissenschaft und andere Verwaltungen die Dienstleistungen der Bundesverwaltung einfacher, schneller und kostengünstiger in Anspruch nehmen können. Dadurch wird die Zufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit Politik und Verwaltung ebenso gefördert wie der Wirtschaftsstandort Deutschland.“ Ebenso jedoch ist die „umfassende Verwaltungsmodernisierung“ Ziel des Projektes: „Konsequente eGovernment-Projekte sind Impulse zur Modernisierung der Geschäftsprozesse der öffentlichen Verwaltung. Durch BundOnline 2005 kann eine flächendeckende Vereinfachung von Strukturen und Abläufen der Bundesverwaltung erreicht werden.“ Das ermögliche die „Einsparung von Kosten ohne Einbußen der Leistungsfähigkeit des Staates.“38 Auch der Bundesregierung geht es also bei dieser Initiative darum, „to make government work better and cost less“.39 Auf der Behördenleitertagung der Bundesverwaltung am 14.05.2001 erklärten Bundeskanzler Schröder und Bundesinnenminister Schily die Umsetzung der EGovernment-Initiative „BundOnline 2005“ zur Chefsache in den Bundesministerien und in den nachgeordneten Behörden.40 Das BMI entwickelte in der Folgezeit in Zusammenarbeit mit der Managementberatung Booz Allen Hamilton einen Umsetzungsplan für die Initiative, der mit Beschluss vom November 2001 durch die Bundesregierung vorgelegt wurde.41 In diesem wird die allgemeine Vorgabe, „alle internetfähigen Dienstleistungen der Bundesverwaltung bis zum Jahre 2005 online bereitzustellen“, hinsichtlich etwa 400 Aufgaben näher spezifiziert. Zugleich wird ein Zeitplan für den Umsetzungszeitraum 2002 bis 2005 35

Bundesregierung, Moderner Staat, S. 11 f. Vgl. die Internetseiten staat-modern.de und www.bundonline2005.de. 37 Schröder, Internet für alle, S. 6. 38 Bundesregierung, Umsetzungsplan, S. 4. 39 Vgl. Gore, Access America. 40 Bundesregierung, BundOnline 2005. 41 Zu diesem Plan (Bundesregierung, Umsetzungsplan) siehe auch Steglich, Bund Online 2005. 36

1. Kap.: Politische Förderung des E-Government

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entworfen, der allerdings vage nur das jeweils „frühestmögliche Realisierungsdatum“ nennt. V. Städtewettbewerb MEDIA@Komm Mit dem Städtewettbewerb „MEDIA@Komm“ wurden vorrangig Anwendungen für die Signaturtechnik gesucht: Parallel zu den sich verstärkenden Bemühungen, das Internet auch in der öffentlichen Verwaltung zu nutzen, wurde in den Jahren 1996 und 1997 das Signaturgesetz erarbeitet und verabschiedet.42 Dieses Gesetz beschränkte sich auf die gewerberechtliche Regelung der notwendigen Zertifizierungsinfrastruktur.43 Die zugehörigen Anwendungen wurden demgegenüber vernachlässigt.44 Dementsprechend gering war das Interesse der Öffentlichkeit an dieser technisch aufwendigen und schwer zu erklärenden Sicherheitstechnik. 1999, zwei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes, gab es nur wenige hundert Nutzer.45 Dem Staat und der öffentlichen Verwaltung wurde in dieser Situation am besten zugetraut, überzeugende Anwendungen der digitalen Signatur bereitzustellen.46 Der Bund griff die kommunalen Initiativen zum „digitalen Rathaus“ mit seinem Projekt MEDIA@Komm auf. In diesem vom Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie (BMBF) initiierten Städtewettbewerb sollten die Städte und Gemeinden ermittelt werden, „die die besten integrativen Konzepte erarbeiten, um multimediale Dienste, möglichst auch unter Benutzung der digitalen Signatur zu entwickeln und ihre Möglichkeiten und wirtschaftlichen Potentiale zu demonstrieren.“ Für diesen Wettbewerb stellte das Ministerium insgesamt 60 Millionen DM bereit.47 Die Konzepte der Siegerstädte Bremen und Esslingen sowie des Städteverbundes Nürnberg/Fürth, die daraufhin mit Hilfe des Bundeszuschusses realisiert wurden, sollen anderen Kommunen als „Best-practice“-Beispiele dienen.48 Die bei der jeweiligen Umsetzung gesammelten Erfahrungen sollen mit 42 Gesetz zur digitalen Signatur vom 22.07.1997 – Signaturgesetz, SigG, Art. 3 des Gesetzes zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste (Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz – IuKDG), BGBl. I 1997, S. 1870. Für Einzelheiten siehe unten, § 11 Das Signaturgesetz, S. 66. 43 Zu diesem Konzept siehe Roßnagel, Neues Recht, NVwZ 1998, S. 5. 44 Ein Punkt, der während der Gesetzgebung vom Bundesrat beanstandet wurde, BT-Drs. 966/96 (Beschluss), S. 23. 45 Hillebrand/Büllingen, Erfolgsfaktoren, DuD 2000, S. 80. 46 Zur „doppelten, hoffnungsvollen Beziehung“ zwischen Verwaltung und Signaturtechnologie vgl. Roßnagel, Verwaltung I, S. 160; kritisch zu dieser Erwartungshaltung gegenüber der Verwaltung Klumpp, Schnittstelle, S. 228. 47 Ausschreibung MEDIA@Komm, Bundesanzeiger vom 06.03.1998. 48 Bundesregierung, Informationsgesellschaft, BT-Drs. 14/1776, S. 58. Vgl. auch BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 57.

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

anderen Worten nachahmenden Kommunen zu Gute kommen. Dies wird durch die interdisziplinäre Begleitforschung unterstützt, die technische, ökonomische, rechtliche und verwaltungswissenschaftliche Fragestellungen untersucht. Ihre Ergebnisse werden im Internet publiziert.49 VI. Weitere Initiativen in den Ländern und im Bund Die Siegerstädte des Wettbewerbs MEDIA@Komm, Bremen und Esslingen, erkannten bei der Umsetzung ihrer prämierten Konzepte die Schwierigkeit des Einsatzes der neuen Medien angesichts der alten Rechtslage.50 Daher ermöglichten die beteiligten Länder Bremen und Baden-Württemberg in Signatur-Erprobungsgesetzen den Einsatz der Signatur auch in den Fällen, in denen das Landesrecht die Schriftform vorschreibt.51 Die Einsatzbereiche waren zwar in beiden Fällen auf weniger „schadensgeneigte“ Bereiche, wie das Meldewesen, den Umweltschutz oder die Statistik beschränkt. Auch kam es in Bremen nicht und in Baden-Württemberg erst sehr spät zu einer Umsetzung der Gesetze, die jeweils einer Rechtsverordnung der beteiligten Ministerien bzw. Senatoren bedurfte.52 Es wurde jedoch die Notwendigkeit einer bundeseinheitlichen Regelung erkannt, zumal häufig Bundesrecht dem Einsatz elektronischer Medien im Verwaltungsverfahren entgegenstand. Dementsprechend forderte der Bundesrat auf Initiative Baden-Württembergs im Juni 2000 die Bundesregierung auf, „kurzfristig in geeignet erscheinenden Rechtsbereichen abweichend von den durch Bundesrecht vorgeschriebenen Formerfordernissen [. . .] die elektronische Abwicklung von Verwaltungsdienstleistungen [. . .] zuzulassen“. Mittelfristig seien digital signierte elektronische Dokumente der Schriftform gleichzustellen.53 Dies wurde mit dem aus Umfragen bekannten Interesse jedes zweiten Bundesbürgers begründet, Behördengänge vom heimischen Computerbildschirm aus zu erledigen. So wie die Bürger mittlerweile an Bankgeschäfte per Computer gewöhnt seien, wünschten sie sich auch „elektronische Bürgerdienste“, die Verwaltungsvorgänge vorbereiten oder ersetzen können. Bedenken gegen die elektronische Abwicklung ließen sich mit Verschlüsselungstechnik und Signaturen ausräumen. Landes- und Kommunalbehörden wollten daher e-Bürgerdienste anbieten, sahen sich aber durch Bundesrecht 49

mediakomm.net. Riehl/Schwellach, Verwaltungsdienstleistungen, S. 103. 51 In Bremen: Gesetz zur Erprobung der digitalen Signatur in der Verwaltung, BrGVBl. 1999, S. 138; in Baden-Württemberg das e-Bürgerdienstegesetz, GVBl. BW 2000, S. 536. 52 Für Bremen siehe BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 59; zur ersten Zulassung eines Kfz aufgrund des e-Bürgerdienstegesetzes Baden-Württembergs siehe Geis, Schuldrechtsreform, NVwZ 2002, S. 391. 53 Entschließung des Bundesrats, BR-Drs. 231/00 (Beschluss). 50

1. Kap.: Politische Förderung des E-Government

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daran gehindert. Als für entsprechende Experimentiergesetze geeignete Rechtsgebiete erschienen dem Bundesrat das Gewerberecht, Kfz-Wesen, Steuer- und Abgabenrecht, BAföG, Personenstandswesen, Kinder- und Erziehungsgeld sowie das Wahlrecht.54 Parallel zur damit angestoßenen Änderung des Verwaltungsrechts trieben die Länder ihre E-Government-Aktivitäten nach Kräften voran, mangels Koordinierung und aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen nicht zuletzt in finanzieller Hinsicht allerdings mit stark divergierendem Erfolg. Als erste konnten Baden-Württemberg und Bremen sowie Hamburg Erfolge verzeichnen; entsprechende „Internet-Strategien“ oder „Multimedia-Konzeptionen“ hatten allerdings sämtliche Bundesländer vorzuweisen.55 Gleichzeitig ging die Suche nach Anwendungsfeldern für die digitale Signatur weiter. Das BMWi erteilte der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG im Oktober 2000 den Auftrag, die mögliche Verwendung der Signatur im öffentlichen Bereich zu untersuchen und entsprechende Einsatzmöglichkeiten aufzuzeigen. Schwerpunkt des Anfang November 2001 vorgelegten Abschlussberichtes ist die „Bestandsaufnahme der bisher bereits realisierten und in Planung befindlichen Vorhaben auf der Ebene von Bund, Ländern und Kommunen unter besonderer Berücksichtigung der Pilotprojekte DOMEA56 (Bund) und MEDIA@Komm (Kommunen).“57 VII. Förderung der Online-Wahl Bereits die Enquête-Kommission „Zukunft der Medien in Wirtschaft und Gesellschaft – Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“ wies in ihrem Schlussbericht auf die Chancen der politischen Kommunikation über das Internet hin.58 Dank der weiten Verbreitung, der geringen Kosten und vor allem der möglichen Interaktion könne es zu einem „lebhaften Austausch über das Netz“ kommen, sowohl zwischen staatlichen Stellen und Bürgern wie auch zwischen Bürgern. Es sei etwa eine bessere Beteiligung der Bürger an lokalen Planungsentscheidungen möglich.59 Skeptisch stand die Kommission indes Abstimmungen und Wahlen über das Internet gegenüber. Zwar seien diese technisch möglich, doch unter dem Gesichtspunkt von Datensicherheit und vor allem dem all54

BR-Drs. 231/00 (Beschluss), S. 4 f. Vgl. den Überblick bei FES, eGovernment, S. 21 ff. 56 Bei DOMEA handelt es sich um ein „Pilotsystem für Dokumentenmanagement und elektronische Archivierung im IT-gestützten Geschäftsgang“, das heißt um ein Dokumentenmanagementsystem in der Ministerialverwaltung, vgl. BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 40. 57 BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 9. 58 Medien-Enquête, BT-Drs. 13/11004, S. 79. 59 Medien-Enquête, BT-Drs. 13/11004, S. 80. 55

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

gemeinen Zugang zum Netz problematisch.60 Die Hoffnungen, mit Technik ein Mehr an Demokratie herzustellen, seien bislang stets enttäuscht worden. Den Verheißungen, nach der direkten athenischen Demokratie und der repräsentativen Demokratie käme nun die Zeit der elektronischen Demokratie, sei daher mit Realismus zu begegnen. In Einzelprojekten und nur zusätzlich zu den bestehenden Möglichkeiten sollte die Abstimmung per E-Mail erprobt werden.61 Dies könne nicht zuletzt einen großen Beitrag zur besseren Akzeptanz der Signatur- und Verschlüsselungstechnologie leisten.62 Mit der wachsenden Verbreitung des Internets und dank der Entwicklung leistungsfähiger Mechanismen zur Sicherstellung von Integrität und Geheimhaltung der Stimmen hat indes die politische Förderung der Online-Wahl auch auf Bundesebene zugenommen. In ihrem „Aktionsprogramm Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft des 21. Jahrhunderts“ betont die Bundesregierung das demokratische Potential moderner Kommunikationstechniken. Doch „auch Formen direkter Bürgerbeteiligung an staatlichen Entscheidungen sind denkbar und sollten erprobt werden.“ Ein weiterer Punkt ist die OnlineWahl: „Die Vielzahl von Wahlen in Deutschland auf den verschiedenen politischen Ebenen macht eine Erleichterung der Teilnahme an Wahlen sehr wünschenswert. Bei steigender Mobilität und Alterung der Wahlbevölkerung bietet die Stimmabgabe über das Internet eine neue, ebenso praktische wie attraktive Möglichkeit.“63 Die Bundesregierung förderte das Projekt „Wahlen im Internet“ mit über 1,3 Millionen DM. Sie plante darüber hinaus, „die Ergebnisse breitenwirksam, u. a. durch Veranstaltungen und Dokumentationen, aufzubereiten.“64 Das Bundesministerium des Inneren hatte eine Online-Wahl für das Jahr 2006 angekündigt, doch wurde dieser Termin inzwischen auf 2010 verschoben.65 Die CDU/CSUBundestagsfraktion sprach sich Mitte 2001 für die Durchführung von OnlineWahlen aus und verwies dabei auf die erhöhte Mobilität der Bevölkerung sowie die Vorteile einer automatisierten Auszählung. Die Wahl per Internet sei attraktiv und zeitgemäß.66 Vertreter aller Parteien sprachen sich daraufhin ebenfalls für die Zulässigkeit der Wahl über das Netz aus, betonten jedoch zugleich die mit der Technisierung zusammenhängenden Probleme, die erst noch gelöst werden müssten.67 Anfang 2002 folgte ein inhaltlich entsprechender Antrag der Koalition.68 60

Medien-Enquête, BT-Drs. 13/11004, S. 80. Medien-Enquête, BT-Drs. 13/11004, S. 81. 62 Medien-Enquête, BT-Drs. 13/11004, S. 15. 63 Bundesregierung, Informationsgesellschaft, BT-Drs. 14/1776, S. 60. 64 Bundesregierung, Informationsgesellschaft, BT-Drs. 14/1776, S. 60. 65 Angaben nach Bonitz, BT-Prot. 14/192, S. 18819. 66 Antrag der CDU/CSU-Fraktion, Voraussetzungen für die Durchführung von Online-Wahlen, BT-Drs. 14/6318. 61

1. Kap.: Politische Förderung des E-Government

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§ 6 Zusammenfassung In Amerika, Europa und auch in Deutschland war und ist es Ziel der Politik, die staatliche Verwaltung zu modernisieren und zu entbürokratisieren. Nach einer langen Zeit der Konzentration auf Verschlankung und „Outsourcing“, des staatlichen Rückzugs aus bestimmten Bereichen, besteht in der sich nun anschließenden Phase der Konsolidierung das politische Ziel in der verbesserten Erbringung der dem Staat verbliebenen Aufgaben. Die aus Rücksicht auf Bürger und Steuerzahler gleichermaßen versprochene Verbesserung und Verbilligung der Verwaltung soll hierbei durch vermehrten Technikeinsatz erreicht werden. Insbesondere vom Internet versprechen sich die jeweiligen politischen Programme das Ende der Bürokratie. Die Verlagerung von Routineaufgaben wie Dateneingabe auf den Bürger gibt der Verwaltung hiernach den notwendigen personellen und zeitlichen Freiraum für unbürokratisches und entgegenkommendes Handeln. Sowohl im internationalen wie auch im europäischen und im nationalen Kontext sind damit zwei sich berührende und verstärkende Entwicklungen zu beobachten. Zum einen wird die stetig laufende Diskussion um die Verwaltungsmodernisierung nun von den Möglichkeiten der Technik, des Internets, der Verschlüsselung sowie der Signatur beflügelt. Das Potential der modernen Medien lässt sich für die Modernisierungsbestrebungen gut verwenden, oft ist eine Veränderung in vielen Bereichen ohne adäquate Informationstechnologie nicht möglich. Vorteile und Chancen des Computereinsatzes entsprechen weitgehend denen eines „New Public Managements“, so dass sich die Ziele des Technikeinsatzes und die der Verwaltungsmodernisierung erstaunlich gleichen.69 Zum anderen soll ein „E-Government“ den Modernismus der heutigen Verwaltung und ihrer politischen Führung kenntlich machen, die neueste Technik einsetzt, um über das Internet rund um die Uhr für den Bürger erreichbar zu sein und diesem Informationen auch elektronisch liefern zu können. Die an ECommerce und Online-Banking gewohnten Bürger forderten von der Verwaltung ein über die bloße Präsenz hinausgehendes Engagement im Internet, namentlich Transaktionsdienste.70

67 So Bettin (Bündnis 90/Die Grünen), BT-Prot. 14/192, S. 18821; Stadler (FDP), BT-Prot. 14/192, S. 18822; Marquardt (PDS), BT-Prot. 14/192, S. 18819; Körper (Parlamentarischer Staatssekretär beim BMI), BT-Prot. 14/192, S. 18823. 68 „e-Demokratie: Online-Wahlen und weitere Partizipationspotenziale der Neuen Medien nutzen“, Antrag der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen, BT-Drs. 14/8098. 69 Schedler/Proeller, NPM, S. 227. 70 Vgl. etwa Groß, Internet, DÖV 2001, S. 159: „Eine moderne Verwaltung, so lautet die [. . .] allgemeine Auffassung, muss im Internet präsent sein.“; ähnlich bereits Killian/Wind, Vernetzte Verwaltung, VerwArch 88 (1997), S. 450.

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

In Europa, besonders jedoch in Deutschland, kommt als drittes Moment die nahezu verzweifelte Suche der Politik nach Anwendungsfeldern für die elektronische Signatur hinzu. Die Verbreitung dieser schwierigen und auch auf den zweiten Blick nicht recht verständlichen Technik, die zudem mit erheblichen Kosten für Anschaffung, Installation und Wartung der erforderlichen Soft- und Hardware verbunden ist, entspricht nicht den Ende der 1990er Jahre geäußerten Erwartungen. Die für den „Netzwerkeffekt“ erforderliche Nachfrage soll nun durch den Staat geschaffen werden, ob unmittelbar als Kunde, oder mittelbar als Anbieter von E-Government-Dienstleistungen.71 Der Verwaltung komme hierbei eine „Lokomotivfunktion“ zu,72 sie solle „Katalysator – Promotor – Pionier“73 oder „Motor“74 dieser Entwicklung sein, sie könne Signaturverfahren zum Durchbruch verhelfen.75 Im Ergebnis bedeutet dies jedoch die Forderung erheblicher staatlicher Investitionen in ein Produkt, das allen Erwartungen und Beschwörungen zum Trotz vom Markt (noch) nicht angenommen wurde.76 Die angemahnte „Lokomotivfunktion“ scheint entbehrlich, da für die unbestreitbar avancierte Sicherungstechnologie kein Bedarf besteht, der über den Sicherheitsbedarf des Staates bei Anwendungen des E-Government hinausgeht.77 Kapitel 2

Technische Voraussetzung: Signatur und Verschlüsselung § 7 Chancen und Gefahren des Technikeinsatzes I. Vorteile elektronischer Dokumente Elektronische Dokumente haben gegenüber herkömmlichen Urkunden78 erhebliche Vorteile. Sie sind problemlos und beliebig oft kopierbar, benötigen 71 Vgl. BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 81. Ebenso Büllingen, Unterschrift, S. 154. 72 Bundesregierung, Evaluierungsbericht, BT-Drs. 14/1191, S. 20; Roßnagel, Verwaltungsrecht, DÖV 2001, S. 233. 73 Reinermann, Öffentlicher Sektor, S. 108; ähnlich Habbel, Umsetzung. 74 So Roßnagel, Verwaltung III, S. 13. 75 Roßnagel, Verwaltung I, S. 160. 76 Zu den Kosten verschiedener Diffusionsstrategien, die Milliardenhöhe erreichen, siehe BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 79 und 81; die Erwartungshaltung gegenüber der Verwaltung hinterfragt kritisch Klumpp, Schnittstelle, S. 228. 77 Zu den Gründen für die nur schleppende Verbreitung der Signaturtechnologie und der hieraus zu ziehenden Folgerungen siehe unten Kapitel IV. Verbreitung der Signaturtechnik, S. 73.

2. Kap.: Technische Voraussetzung: Signatur und Verschlüsselung

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relativ wenig Speicherplatz, können ohne Rücksicht auf Entfernungen rasch und kostengünstig transportiert und von mehreren Personen oder sogar automatisch bearbeitet werden.79 Sie ermöglichen die ortsungebundene Abrufbarkeit der in ihnen enthaltenen Informationen.80 Auch werden heute Schriftstücke jedenfalls im Rechtsverkehr regelmäßig mit Hilfe eines Computers erstellt und dann ausgedruckt. Demgegenüber ist die papierne Verkörperung der Information mit vielerlei Problemen verbunden, zu denen bereits die physische Menge des zu archivierenden Papiers gehört: Am Grundbuchamt München beispielsweise fielen 1994 täglich Akten im Umfang von zwei Kubikmetern an.81 Ferner bindet das Ausdrucken, Kopieren, Versenden, Bearbeiten, Weitergeben und Archivieren papierner Dokumente unnötig Ressourcen und ist daher unwirtschaftlich. Die Hoffnungen auf das „papierlose Büro“ wurden von der Wirklichkeit enttäuscht, in der die vermehrte Technisierung der Arbeitswelt sogar zu einem deutlich erhöhten Papierverbrauch geführt hat.82 Eine konsequente Digitalisierung aller Daten kann dieser Entwicklung entgegensteuern. Schließlich wurde in der Literatur und in der Begründung zum SigG 1997 auf den Verlust an Sicherheit auch papierner Dokumente hingewiesen, der mit der sich entwickelnden Kopier-, Computer-, Druck- und Robotertechnik einhergeht.83 Theoretisch ist es möglich, eine Unterschrift mit einem computergesteuerten Roboter so nachzuahmen, dass auch diejenigen Merkmale imitiert werden, auf die sich Sachverständige bei einer Unterschriftsanalyse stützen.84 Die reale Gefährdung durch derartige Fälschungen muss allerdings mangels bekannt gewordener Fälle als gering eingeschätzt werden. Dies kann seine Ursache darin haben, dass es zur Nutzung dieser Technik der vorzugsweise unbemerkten Vermessung des biometrischen Merkmals Unterschriftsleistung bedarf, die nicht leicht vorzunehmen ist. II. Nachteile elektronischer Dokumente a) Fehlende Verkörperung Die fehlende Verkörperung elektronischer Dokumente, die das problemlose Kopieren und mit Hilfe von Computernetzwerken das örtlich nahezu unbe78 Zum Begriff der Urkunde, der hier wie zumeist Papierdokumente meint, siehe unten in § 31 I Schriftform im Sinne des § 126 BGB, S. 149. 79 Roßnagel, Regelung, S. 653; ebenso Ebbing, Schriftform, CR 1996, S. 273. 80 Abel, Urkundenbeweis, MMR 1998, S. 644. 81 Joachimski, Grundbuch, NJW-CoR 1994, S. 280. 82 Rihaczek, Beweis, DuD 1994, S. 127. 83 Roßnagel, Rechtsverkehr, NJW-CoR 1994, S. 96; ebenso die Begründung zum SigG 1997, BR-Drs. 966/96, S. 29. 84 Hierzu Pordesch/Nissen, Fälschungsrisiken, CR 1995, S. 565.

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

schränkte Zugreifen auf die in ihnen enthaltenen Informationen ermöglicht, ist sowohl ihr Vorteil wie gleichzeitig auch ein Nachteil: Die Kontrolle über Informationen, die herkömmlich durch physische Gewalt über den Informationsträger ausgeübt wurde, wird schwieriger. Das weitgehend an einzelne Vervielfältigungsstücke gebundene Urheberrecht zum Beispiel muss vor den Möglichkeiten und der Macht der Technik nahezu kapitulieren.85 Die Ausbreitung unerwünschter Daten wie etwa pornographischer Schriften oder terroristischer und krimineller Informationen ist aufgrund der Eigenarten des Internets nur sehr schwer zu kontrollieren.86 Gleiches gilt für urheberrechtlich geschützte Werke, private Dokumente oder auch Entwürfe von Willenserklärungen, die selbst durch Löschen nicht sicher vernichtet werden können.87 Elektronisch erteilte Genehmigungen können weniger leicht widerrufen werden als Erklärungen, die in einer einmaligen Form perpetuiert sind und einfach zu zerschneiden oder zu entstempeln sind.88 Das Vernichten einer elektronischen Kopie kann kaum mit auch nur ähnlicher Verlässlichkeit sichergestellt werden. Im Microsoft-Prozess beispielsweise wurden interne E-Mails gegen den Softwarekonzern verwendet, die dessen Führung längst beseitigt glaubte.89 Erforderlich ist letztlich der Widerruf einer einmal verbreiteten Information, etwa in regelmäßig versandten oder zu konsultierenden Widerrufslisten.90 Doch ist auch die Erhaltung bewahrungswürdiger Informationen aufgrund der fehlenden Verkörperung schwierig. Sie ist abhängig von den Möglichkeiten und Grenzen der Technik, die zur Speicherung der Daten verwendet wird. Dies gilt sowohl für die Hardware, das heißt die benutzten Speichermedien, wie auch für die eingesetzte Software. Die hiermit verbundenen Probleme werden als solche der Perpetuierung der Daten bezeichnet.91 b) Leichte Manipulierbarkeit und fehlende Vertraulichkeit Eine Folge der fehlenden Verkörperung elektronischer Dokumente ist weiterhin, dass man ihnen ihre Geschichte nicht ansieht, weshalb sie spurlos veränder85

Vgl. Hoeren, Paradigmen, NJW 1998, S. 2849. Zu damit verbundenen Problemen siehe beispielsweise nur Hörnle, Pornographische Schriften, NJW 2002, S. 1008, und BGH, Urt. v. 12.12.2000 – 1 StR 184/00, BGHSt 46, S. 212 zur Auschwitzlüge im Internet. 87 Pordesch, Risiken, DuD 1993, S. 566. 88 Eingezogene Autokennzeichen werden entstempelt gemäß §§ 17 Abs. 2 und 27 Abs. 5 Satz 1 StVZO, ungültige Fahrzeugbriefe zerschnitten nach § 27 Abs. 5 Satz 2 StVZO. 89 Berliner Zeitung, 08.11.1999, „Schwere Niederlage für Microsoft“; Die Zeit 25/ 2000, „Digitale Selbstzerstörung“. 90 Zum Widerruf von Signatur-Zertifikaten mit Hilfe von Widerrufslisten siehe unten, § 8 III. Erfordernis einer Sicherungsinfrastruktur, S. 54. 91 Hierzu siehe unten § 7 II. f) Schwierige langfristige Perpetuierung, S. 46. 86

2. Kap.: Technische Voraussetzung: Signatur und Verschlüsselung

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bar sind.92 Das betrifft den Inhalt eines Dokumentes genauso wie den Zeitpunkt seiner Erstellung und die Identität des Urhebers. Während Schriftsachverständige handschriftlich erstellte Dokumente durch einen Vergleich des Schriftbildes ihrem Urheber zuordnen können,93 ist dies bei Computerausdrucken kaum mehr möglich. Diese lassen jedoch zumindest nachträgliche Veränderungen erkennen, seien es Radierungen oder Hinzufügungen.94 Ebenso ist es möglich, etwa anhand der Papieralterung zumindest näherungsweise das Erstelldatum eines Schriftstückes festzustellen und so Umdatierungen zu bemerken.95 Elektronischen Dokumenten hingegen fehlen diese physischen Eigenschaften, die dem Sachverständigen Anhaltspunkte bei der Begutachtung eines der Manipulation verdächtigen Schriftstückes geben. Die Informationen eines elektronischen Dokumentes über sein Erstelldatum oder seinen Autor können auf genauso einfache Weise wie sein Inhalt verändert werden, ohne dass Spuren auf diese Veränderung hindeuteten.96 Dies gilt noch mehr bei elektronisch übertragenen Dokumenten wie dem bekannten Telefax: Zwar ist auf jedem Fax die Telefonnummer des sendenden Gerätes und eine Bezeichnung des Senders angegeben. Diese so genannten Faxkennungen sind jedoch problemlos zu manipulieren, da stets nur die vom jeweiligen Sender frei wählbaren Informationen übertragen werden.97 Auch auf dem Übertragungsweg sind Manipulationen möglich.98 Der Empfänger einer Faxseite kann daher keinesfalls sicher sein, dass der in der Faxkennung Angegebene tatsächlich der Absender dieses Faxdokumentes ist. Auch die Absenderangaben einer E-Mail lassen sich ohne besonderes Fachwissen fälschen. Jedes gängige E-Mail-Programm zeigt in seiner Hilfedatei, wie eine E-Mail-Absender-Adresse einzugeben ist. Hier kann jede beliebige Adresse angegeben werden, die ohne weitere Überprüfung als Absenderadresse in alle nunmehr erstellten E-Mails eingetragen wird.99 Allenfalls findet eine gewisse Plausibilitätsprüfung statt, etwa darauf hin, ob die Adresse ein @-Zeichen enthält. Der Absender einer E-Mail kann daher nicht sicher identifiziert werden. Nebenbei: Dies ermöglicht, zusammen mit den geringen Kosten einer E-Mail, 92

Vgl. die Begründung zum SigG 1997, BT-Drs. 13/7385, S. 26. Bergmann/Streitz, Beweisführung, CR 1994, S. 80. 94 Schippel, Elektronische Form, S. 659. Einzelheiten bei Pordesch/Nissen, Fälschungsrisiken, CR 1995, S. 564. 95 Bergmann/Streitz, Beweisführung, CR 1994, S. 80; Pordesch/Nissen, Fälschungsrisiken, CR 1995, S. 566. 96 Bergmann/Streitz, Beweisführung, CR 1994, S. 81; Hammer, Signaturen, DuD 1993, S. 636. 97 Pohlmann/Ring, Faxmanipulation, S. 37. 98 Seidel, Dokumentenschutz I, CR 1993, S. 412. 99 Beispiele bei Damker/Federrath/Schneider, Maskerade-Angriffe, DuD 1996, S. 286. 93

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

das massenhafte Versenden zumeist unerwünschter elektronischer Post, das sogenannte Spamming.100 Neben der Authentizität sind auch und besonders die Integrität sowie die Vertraulichkeit der übertragenen Daten gefährdet. Das auf einem bestimmten Computer gespeicherte Dokument kann gegen unbefugten Zugriff abgesichert werden, indem nur autorisierte Personen Zugang zu diesem Computer samt den darauf abgespeicherten Daten erhalten. Dies lässt sich beim Transport der Daten über das Internet nicht sicherstellen. Die Daten sind im Gegenteil auf ihrem Weg durch das Netz nicht gegen Einsichtnahme und Manipulation geschützt.101 Sie werden unkontrolliert von Knotenrechner zu Knotenrechner (so genannte Server) weitergeleitet. Jeder von ihnen „liest“ die zu transportierende E-Mail, wertet sie aus und verändert sie.102 Zwar betrifft dies gewöhnlich nur den Envelope bzw. den Header der E-Mail. Die Arbeitsweise des Servers ist jedoch sehr leicht dahingehend zu ändern, dass er die gesamte E-Mail auswertet. Dies kann etwa zum Schutz vor Viren notwendig sein.103 Die Mechanismen lassen sich ebenso dafür nutzen, sämtliche Post nach Schlüsselwörtern zu durchsuchen. Dies bedeutet einen Verlust an Vertraulichkeit: E-Mails sind in dieser Hinsicht etwa so vertraulich wie eine in Druckbuchstaben beschriebene Postkarte. Eine Postkarte, die zudem nur mit Bleistift beschrieben ist: Jeder kann die Daten der E-Mail auf dem Transport beliebig verändern, ohne dass dies dem Sender oder Empfänger bewusst würde.104 c) Intransparenz Die Informationsverarbeitung eines Computers ist für den Benutzer nicht direkt erfass- und verstehbar, notwendig sind hierfür Ausgabegeräte wie Bildschirme, Drucker oder Lautsprecher. Die gespeicherte Information ist weder visuell noch haptisch direkt wahrnehmbar. Noch weniger transparent ist die Funktionsweise des gesamten Computersystems: Bildschirmanzeige und Ausdruck sind einander oft nur ähnlich, eben noch eindeutig formatierte Texte verändern plötzlich ihr Aussehen, und aus unverständlichen Gründen stürzt das bis

100 Zum Spamming vgl. Schmelz, E-Mail-Werbung, JA 2000, S. 242; Winter, EMail-Werbung, JurPC 177/2002; Ziem, Spamming, MMR 2000, S. 129. Zur Rechtsprechung vgl. die Übersicht „Zulässigkeit von E-Mail Werbung?“ in JurPC 47/2000. 101 Köhntopp/Köhntopp, Datenspuren, CR 2000, S. 254; ebenso die Gesetzesbegründungen zum Signaturgesetz 1997, BT-Drs. 13/7385, S. 26, und zum 3. VwVfGÄnderungsgesetz, BT-Drs. 14/9000, S. 26. 102 Der Datentransport im Internet ist in den 1981 normierten Protokollen TCP und IP festgelegt. Eine leicht verständliche Einleitung bei Roessler, Internet, S. 1. Für Details siehe die Internet-Standards STD5 und STD7, rfc.net. 103 Köhntopp/Köhntopp, Datenspuren, CR 2000, S. 254. 104 Bild von Damker/Müller, Verbraucherschutz, DuD 1997, S. 25.

2. Kap.: Technische Voraussetzung: Signatur und Verschlüsselung

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dahin tadellos arbeitende Programm ab. Die Technik lässt sich nicht greifen, nicht begreifen.105 Sie ist „unheimlich“, da unverständlich.106 Die Erstellung elektronischer Dokumente ist insgesamt weniger transparent als das natürlichere Umgehen mit einer Urkunde:107 Ein papiernes Dokument lässt sich greifen, berühren, anfassen. Diesen „haptischen Konnotationen“ des Papiers ist ein kulturell gewachsenes Vertrauen auf seine Zuverlässigkeit eigen.108 Niedergeschriebenes ist sicher festgehalten und verschwindet nicht ohne weiteres. Elektronische Dokumente dagegen können durch Programmabstürze oder Unachtsamkeit sehr rasch und vor allem unwiederbringlich verschwinden.109 Änderungen an Urkunden lassen sich ferner unmittelbar vornehmen, doch genauso leicht erkennen.110 d) Präsentationsproblem Im Präsentationsproblem wird die erhöhte Technikabhängigkeit deutlich. In elektronischer Form vorliegende Daten müssen durch eine entsprechende Software interpretiert und dann präsentiert werden, die Art der Präsentation ist dabei nicht festgelegt.111 Verschiedene Software, unterschiedlich konfiguriert, führt daher zu differierenden Interpretationen der selben Daten. Beispiele einfacher Art bieten die Sonderzeichen, die manchen Schriftarten, Programmen und Betriebssystemen eigen sind. Der den allermeisten Computern in fast allen Fällen geläufige Standard-Zeichensatz US-ASCII beschränkt sich neben „technischen Zeichen“ wie dem Leerzeichen und dem Absatzzeichen usw. auf die jeweils 26 kleinen und großen Buchstaben des englischen Alphabets sowie die Zahlen und geläufige „Sonderzeichen“ wie das Dollar-, Paragraphen- und das @-Zeichen. Die deutschen Umlaute demgegenüber gehören bereits zum erweiterten Zeichensatz, der zum Beispiel im Domain-Name-System des Internets nicht unterstützt wird. Hier wie auch in anderen Zusammenhängen ist zur Darstellung dieser Zeichen dann die Umschreibung mit den zulässigen 128 Zeichen des Standard-Zeichensatzes erforderlich. Diese so genannte Kodierung ist jedoch nur zum Teil genormt und kann daher je nach verwendetem Programm oder Betriebssystem unterschiedlich ausfallen. So erklären sich die teilweise 105 Haft, Informationsgesellschaft, S. 36 bzw. S. 538; Suermann, Elektronische Akte, DRiZ 2001, S. 294. 106 Haft, Informationsgesellschaft, S. 43 bzw. S. 546. 107 Rihaczek, Regelungsbedarf, DuD 1992, S. 415; ders., Beweis, DuD 1994, S. 127. 108 Bizer/Fox, Zukunft, DuD 1997, S. 66. Die Verwendung elektronischer Dokumente beschreibt aus psychologischer Sicht Kumbruck, Anwender, DuD 1994, S. 20. 109 Suermann, Elektronische Akte, DRiZ 2001, S. 293. 110 Kumbruck, Notwendigkeit, S. 124. 111 Hierauf wiesen bereits hin Rihaczek, Unterschriftssurrogat, DuD 1991, S. 571; Seidel, Dokumentenschutz II, CR 1993, S. 486.

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

verstümmelt erscheinenden E-Mails, bei denen die deutschen Umlaute durch kryptische Zeichenkombinationen wie „=F6“ oder ungewöhnliche Zeichen wie „õ“ oder „7“ ersetzt wurden. Hier haben kodierendes und dekodierendes Programm unterschiedliche Kodieralgorithmen verwandt. Dies kann, wie bei den Umlauten, zu bloßen Unannehmlichkeiten führen. Sinnentstellende Dekodierungen können jedoch, für den Absender oder Empfänger unbemerkt, auch rechtlich Relevantes in seiner Aussage verfälschen. Hingewiesen wurde zum Beispiel auf die unterschiedliche Handhabung des Zeichens „1/4“ in verschiedenen Versionen des weit verbreiteten Schreibprogramms Microsoft Word; die MacintoshVariante des Programms zeigt statt dieses Zeichens ein kaum wahrnehmbares Leerzeichen an.112 Gleiches gilt für das erst wenige Jahre alte Euro-Zeichen A, das je nach verwendetem Programm anders kodiert und dekodiert wird. Auch hier wird bei fehlender Sicherstellung der Präsentation das Zeichen nicht oder als ein anderes, etwa als Leerzeichen angezeigt.113 Derartige Fehler können mit einer Vereinheitlichung der verschiedenen Dateiformate vermieden werden.114 Der praktischen Umsetzung dieses Vorschlags stehen indes handfeste wirtschaftliche Interessen der Softwareindustrie entgegen.115 Bei der Entwicklung eines einheitlichen Formats ist zudem darauf zu achten, dass es nicht allein verschiedene Kodierungen sind, die zu einer unterschiedlichen Anzeige führen können. Auch die nicht selten mögliche Einbindung Datei-externer Information durch bloße Referenzierung, seien es Schriftarten, Bilder oder Texte, kann ohne Veränderung der ursprünglichen Datei zu einer grundlegenden Verfälschung der Dokumentenaussage ausgenutzt werden, wenn die referenzierten Daten unerkannt geändert werden können.116 e) Gesteigerte Technikabhängigkeit Die Bearbeitung oder auch nur das Lesen elektronischer Dokumente erfordert ausgereifte Technik und Techniken. Dies bedeutet eine verstärkte Abhängigkeit des Nutzers von der Technik. Anders als papierne Urkunden sind elektronische Dokumente ohne entsprechende Hilfsmittel wie Computer, Lesegeräte und Software nicht lesbar.117 Zwar mag die Beobachtung stimmen, dass Computer der112

Fox, Problem, DuD 1998, S. 386. Exemplarisch die Lücke im Beitrag von Zitzelsberger/Hogen, Chipkarte, DuD 2002, S. 272: Der Kunde könne die Karte „mit Beträgen zwischen einem Cent und 200 aufladen.“ 114 Vorgeschlagen wurde zum Beispiel die Verwendung XML-kodierter Dokumente, vgl. Schmidt, XML, DuD 2000, S. 153. Siehe auch Ebenhoch, XML, JurPC 110/2001; Muller, XML, JurPC 19/2002. 115 Asendorpf, Esperanto, Die Zeit 33/2002, S. 26. 116 Pordesch, Präsentation, DuD 2000, S. 89. 117 Bizer/Fox, Zukunft, DuD 1997, S. 66. 113

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zeit weit verbreitet sind. Der daraus gezogene Schluss, heutzutage sei ein Textverarbeitungssystem kein anderes Hilfsmittel als eine Schreibtischlampe oder eine Lesebrille,118 geht jedoch vollständig fehl.119 Eine derartige Auffassung ignoriert die Schwierigkeit, die mit dem simpel erscheinenden Benutzen verbreiteter Schreibprogramme verbunden ist. Bereits die auf Benutzerseite erforderliche Installation und Wartung der Computersysteme erfordert einen Aufwand, der über den des Aufsetzens einer Lesebrille doch weit hinausgeht. Auch muss eine Schreibtischlampe nicht gebootet werden; sie kann nicht durch schlecht geschriebene Programme oder Speicherfehler „abstürzen“ oder durch Viren infiziert sein, die umfangreiche Datenmengen vernichten können. Schreibtischlampen und Urkunden sind zudem selten dergestalt inkompatibel, dass dem Benutzer ohne die Installation zusätzlicher Programme die Informationen nur als „Datensalat“ erscheinen. Eine Urkunde erfordert weiter nicht die Vorhaltung bestimmter Hardware wie zum Beispiel Diskettenlaufwerke, oder Software wie Konvertierungsprogramme, um ältere Dokumente lesen zu können.120 Schließlich ist eine Schreibtischlampe insofern auch ganz entbehrlich, als die Urkunde schlicht bei Tageslicht gelesen werden kann. Eine Diskette dagegen ist ohne einen gebooteten Computer mit dem passenden Betriebssystem und Schreibprogramm beim besten Willen nutzlos, die darauf gespeicherte Information unlesbar.121 Dieses Problem tritt verstärkt auf, wenn nicht irgendein, sondern ein ganz bestimmter Computer zur Verfügung stehen und arbeitsbereit sein muss. Dies ist im Wesentlichen in Netzwerken wie dem Internet der Fall. Denn auch dieses ist nur zu einem gewissen Grad vom Ausfall von Teilbereichen unabhängig. Zwar bestehen in weiten Teilen Redundanzen, das heißt für den eigentlichen Betrieb unnötige Überkapazitäten, die nur im Fall einer Störung aktiviert werden. Gewisse Computer sind jedoch für den jeweiligen Benutzer singulär und daher für die Benutzung des Netzwerkes unabdingbar. Hier ist an erster Stelle der Einwahlcomputer des Access Providers zu nennen, der Benutzern die IPAdressen zumeist dynamisch zuteilt.122 Für die Entgegennahme und Weiterlei118 So Ebbing, Schriftform, CR 1996, S. 274; ihm folgend Abel, Urkundenbeweis, MMR 1998, S. 649 mit FN 49. 119 Berechtigte Kritik daher bei Kaiser/Voigt, Vertragsschluß, K&R 1999, S. 448 mit FN 41: Die Auffassung von Ebbing (Schriftform, CR 1996, S. 274) sei „schwer nachvollziehbar“. 120 Bereits der Begriff des „Alters“ ist hierbei ein gänzlich anderer. Während Urkunden vergangener Jahrhunderte noch heute problemlos zu lesen sind, enthält Microsoft Word 2000 bereits keinen Importfilter mehr für die in den 1990er Jahren noch weit verbreitete Vorgängerversion Microsoft Word 5.5 (für MS DOS). 121 Bizer/Hammer, Beweismittel, DuD 1993, S. 622; vgl. auch provet/GMD, Simulationsstudie, S. 99. Ebenso Rihaczek, Beweis, DuD 1994, S. 127; Suermann, Elektronische Akte, DRiZ 2001, S. 293. 122 Details bei Köhntopp/Köhntopp, Datenspuren, CR 2000, S. 249.

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tung elektronischer Post ist häufig nur ein Server des Netzbetreibers eingerichtet, der SMTP-Server. Und unabhängig davon, wie viele voneinander unabhängige Verbindungen der Netzbetreiber zu anderen Internet-Netzen hat, die einander bei Bedarf ersetzen könnten, ist die Zieladresse einer Anfrage oder E-Mail doch immer ein bestimmter Computer. Dieser muss zur Entgegennahme der EMail oder zur Bearbeitung der Anfrage bereit sein. Dies kann nicht immer gewährleistet werden, wie bekannt gewordene Fälle von „Denial of Service“-Attacken auf Internetanbieter wie Amazon.com zeigen. Zwar sind beim E-Mail-Dienst die zu übertragenden Datenmengen weitaus geringer als beim WWW, ist auch die konzentrierte Attacke auf einen Mailserver schwieriger zu bewerkstelligen, und ist E-Mail wohl das in naher Zukunft wichtigste Medium eines E-Government. Doch sind teilweise auch Anwendungen geplant, die nicht E-Mail, sondern etwa das WWW oder andere Dienste nutzen und damit nicht gegen diese Art von Attacken gefeit sind. Als Beispiel sei das technisch avancierteste Projekt zu Internetwahlen genannt, das auch vom BMBF geförderte Osnabrücker Konzept „i-vote“. In der reichlich bebilderten „Systembeschreibung 3.1“ wird unter dem Punkt „Schutz vor Regierungskriminalität und Cyberterrorismus“ eingeräumt: „Cyberterroristische Angriffe auf Wahlserver zu unterbinden, die Wahlsysteme ganz oder sektoral ausschalten sollen (Denial of Service Attacken), ist trotz verschiedener Abwehrmaßnahmen letztlich nicht möglich.“123 Die Abhängigkeit von der Funktionsfähigkeit der eingesetzten Technik, die zu mildern „i-vote“ bemüht ist,124 ist bei so wichtigen und zeitkritischen Anwendungen wie der Bundestagswahl besonders misslich. Hinzu kommt, dass gerade Wahlen einen herausgehobenen Platz in der Berichterstattung der Medien einnehmen und daher für um öffentliche Aufmerksamkeit bemühte Hacker ein lohnendes Ziel sind. Die gesteigerte Technikabhängigkeit geht mit einer stärkeren Abhängigkeit von Installations- und Wartungsspezialisten einher. Zudem müssen die Benutzer im Umgang mit der Technik geschult werden. Dies ist mit hohen Kosten verbunden.125 f) Schwierige langfristige Perpetuierung In elektronischen Dokumenten sind Daten und Informationen ebenso perpetuiert wie in Urkunden. Sie können wieder und wieder zur Kenntnis genommen und überprüft werden. Dies gilt jedoch nur für einen bestimmten Zeitraum, der 123

Forschungsgruppe Internetwahlen, i-vote, S. 2. Der dort (Forschungsgruppe Internetwahlen, i-vote, S. 2) zur Umgehung, nicht Behebung des Problems vorgeschlagene Weg ist wiederum die Bereitstellung redundanter Systeme, auf die im Ernstfall zurückgegriffen werden kann: „Fall Back Konzept.“ 125 Hierzu Suermann, Elektronische Akte, DRiZ 2001, S. 293. 124

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vom Speichermedium selbst und den Methoden der Kodierung der Daten, damit von Hard- und Software abhängig ist. Nach Moore’s Gesetz126 verdoppelt sich die Rechenleistung heutiger Computer etwa alle zwei Jahre. In einer ähnlich rasanten Entwicklung verändern sich die Speichermedien. Während in den 1980er Jahren Magnetbänder Stand der Technik waren, und noch vor wenigen Jahren Disketten einen Durchmesser von 8 Zoll hatten, gibt es heute schon keinen gängigen Computer mehr, der damit etwas anfangen könnte. Ebenso vergessen sind mittlerweile Disketten im Format 51/4 Zoll, die in den 1990er Jahren noch Standard waren. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis auch die jetzt noch durchaus üblichen 31/2-Zoll-Disketten aufgrund ihrer begrenzten Speicherkapazität obsolet geworden sind. Bereits heute finden sich in neu ausgelieferten Computern nur noch selten auch Diskettenlaufwerke. Daten, die auf diesen Medien gespeichert sind, sind dann verloren. Zudem haben auch elektronische Speichermedien nur eine begrenzte Lebensdauer. Während Steininschriften und Pergamente Jahrtausende überdauern, und auch Papierurkunden des Mittelalters noch nach Jahrhunderten lesbar sind, hat bereits das im 20. Jahrhundert hergestellte Recycling-Papier nur noch eine Lebensdauer von zehn bis 20 Jahren. Magnetische oder magneto-optische Medien haben ebenfalls eine geschätzte Lebenserwartung von zehn bis 20 Jahren. Hier müssen jedoch die Daten alle zwei bis drei Jahren „aufgefrischt“ werden, da die Magnetisierung mit der Zeit schwächer wird.127 Optische Medien wie CD-ROM oder DVD halten bis zu 100 Jahren, sichergestellt kann Datensicherheit aber nur für 20 Jahre werden.128 Auf säurefreiem Papier sind die Informationen dagegen zumindest für 100 Jahre zugänglich.129 Urkunden kennen zudem nicht die bei elektronisch gespeicherten Daten gegebene Abhängigkeit von der Technik, die sich durch die Zeit hindurch verstärkt und zum Vorhalten etwa veralteter Lesegeräte zwingen kann.130 126 Eine Vorhersage des damaligen Vorstandsvorsitzenden des Chipherstellers Intel, Gordon E. Moore, in seinem Aufsatz „Cramming more components onto integrated circuits“ vom April 1965. Diese Prognose ist seit mittlerweile fast 40 Jahren verblüffend regelmäßig durch die technische Entwicklung bestätigt worden und daher durch die Medien zum „Gesetz“ geadelt worden. Vgl. Borchers, Online, Die Zeit 17/2001, S. 31. 127 Schuppenhauer, Beleg, DB 1994, S. 2042 und 2045; Strauch, Archivische Probleme, S. 772; BR-Drs. 966/96, S. 29. 128 Andres/Huss, Elektronische Rechnung, JurPC 99/2002, Abs. 27. Hersteller wiederbeschreibbarer Speichermedien wie Kodak geben in ihrer Werbung die Haltbarkeit der von ihnen hergestellten CD-R mit „mindestens 100 Jahren“ an, vgl. kodak.com/ cluster/global/en/service/faqs/faq1632.shtml. Hierauf beziehen sich auch Bleutge/ Uschold, Digital, NJW 2002, S. 2766 mit FN 15. 129 Übersicht bei Landwehr, Speichermedien, Infoweek 14/2001. 130 Schuppenhauer, Beleg, DB 1994, S. 2042; Müglich, Formvorschriften, MMR 2000, S. 10; Ahrens, Chipkarten, K&R Beilage 2/2000, S. 33.

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

Die Digitalisierung führt zu einem weiteren Problem, das der Software: Digitalisierte Daten sind kodiert, das heißt nach einem bestimmten Schema in BitInformationen aufgelöst. Ohne Kenntnis der Kodierung ist es unmöglich, aus dem riesigen Berg an Nullen und Einsen wieder die ursprüngliche Information zu gewinnen. Diese variiert indes stark je nach den verwendeten Computerprogrammen und Betriebssystemen, die ihrerseits noch schneller als das Material der Speichermedien altern. Die Kompatibilität wird in neueren Versionen oder gar ganz neuen Programmen nur für einen gewissen Zeitraum aufrecht erhalten, der häufig nur wenige Jahre umfasst. Wenn vorgestern noch WordPerfect der Standard war und gestern Microsoft Word 6.0, so ist angesichts von Microsoft Office 2003 kaum zu sagen, wie lange noch Dokumente des Microsoft Word97Formats auf gängigen PCs lesbar sind.131 Das Vorhalten zehn Jahre alter Programme und möglicherweise auch der für ihre Ausführung erforderlichen Hardware verkompliziert die Archivierung und steigert ihre Kosten. Archivare sprechen bereits heute von der Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen durch die digitalen Technologien.132 Eine Lösung beider Probleme soll das Produkt „Rosetta“ des amerikanischen Los Alamos National Laboratory bieten.133 Dieses „meißelt“ Dokumente als sehr stark verkleinertes Bild Pixel für Pixel in eine Nickelplatte, die nach Angaben ihres Herstellers mehr als 1000 Jahre hält. Zur Visualisierung der mit bloßem Auge keinesfalls sichtbaren Daten ist indes ein hochauflösendes Mikroskop oder besser ein Elektronenmikroskop notwendig. Die Abhängigkeit von einer bestimmten Software ist damit nicht mehr gegeben, doch wird dies durch einen Verzicht auf die digitalen Dokumenten eigene Kodierung erkauft, welche eine Bearbeitung des Dokumentes erlaubt. Denn hier liegt im Grunde lediglich ein Ausdruck der Information vor, der allerdings nur mit einem beträchtlichen technologischen Aufwand lesbar ist. Die Abhängigkeit von der Technik besteht damit auf andere Weise fort. g) Geringeres Vertrauen Dem Informationsträger Papier kommt traditionell eine besondere Bedeutung zu. Jahrhunderte lang war Papier der wichtigste und nahezu einzige Träger bewahrungswürdiger Information. Bei der Verbriefung wichtiger Daten verließ man sich auf die perpetuierenden Eigenschaften des Papiers. Andererseits übertrug sich nach und nach die Achtung der auf diese Weise festgehaltenen Informationen auf das Medium selbst, das dadurch an Wertschätzung gewann, dass ihm wichtigste Informationen anvertraut wurden. 131

Vgl. auch Ahrens, Chipkarten, K&R Beilage 2/2000, S. 33. Vgl. Landwehr, Speichermedien, Infoweek 14/2001, unter Hinweis auf eine Studie des schweizerischen Bundesamtes für Zivilschutz. 133 norsam.com/hdrosetta.htm. 132

2. Kap.: Technische Voraussetzung: Signatur und Verschlüsselung

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Maßgeblich für das Vertrauen in die Urkunde ist stets der Aufwand gewesen, den ihre Herstellung erforderte. An diesem ist die Bedeutung des Niedergeschriebenen für den Verfasser wie für den Empfänger der Nachricht abzulesen. Noch bis weit in das 20. Jahrhundert hinein erforderte die Erstellung eines Schriftstücks einen beträchtlichen Aufwand an Arbeit, Zeit, Aufmerksamkeit und technischen Mitteln. Dieser Aufwand kann prohibitiv wirken und so Verfälschungen erschweren.134 Insbesondere die drucktechnische Herstellung ist dabei an so viele Voraussetzungen gebunden gewesen, dass sie in Rechtsvorschriften als Sicherheitsmerkmal verwendet wurde: So müssen nach der Regelung des § 29a StVZO Kfz-Versicherungsbestätigungen gedruckt sein.135 Dieser Schutz vor Verfälschungen wird verstärkt, wenn besondere Anforderungen an das Papier gestellt oder andere drucktechnische Vorgaben gemacht werden.136 Heutzutage ist der Aufwand zwar dank moderner Druck- und Kopiertechnik erheblich geringer geworden. Das sichtbare Ergebnis, die derart hergestellte Urkunde, verrät dies jedoch nicht. Noch immer wird der Aufwand vom Leser intuitiv wahrgenommen und lässt ihn auf die Wichtigkeit der Information schließen. Dies kann als „Ehrfurcht vor dem gedruckten Wort“ bezeichnet werden, die, abhängig von der Gewöhnung an die modernen Kommunikationsmittel, nur allmählich schwindet.137 Digitale Dokumente dagegen sind spielend leicht zu kopieren und hierbei zu verändern. Sie können auch ohne eine bestimmte Vorlage in kürzester Zeit und mit relativ geringem Aufwand erstellt werden. Zudem sind sie, da ihnen die unmittelbare Visualisierbarkeit fehlt und sie stets eines Computers zu ihrer Darstellung bedürfen, häufig mit dem gleichen Programm zu öffnen, in dem sie auch erstellt wurden. Dies ermöglicht dem Betrachter die einfache Bearbeitung des Dokumentes durch Hinzufügen, Löschen oder Verändern, ohne dass dies auch nur Spuren hinterließe. Es fehlt damit, anders als etwa bei ausgedruckten Dokumenten, eine bereits auf den ersten Blick verbindliche Endfassung, die nur noch durch sichtbare Modifikationen geändert werden kann. Das Dokument ist gewissermaßen stets ein Entwurf und nie endgültig fertig. Und ebenso wie die Formatierung der Datei oder auch einzelne Formulierungen des Dokumentes noch durch den Betrachter verändert werden können, so scheint auch die inhaltliche Aussage noch nicht endgültig, sondern veränder- und verhandelbar. Diese Beobachtungen gelten in ihrer Allgemeinheit allerdings nicht für alle Dokumente und jeden Nutzer in gleicher Weise. So sind bestimmte Formate wie das 134 v. Mutius, Automatisierte Verwaltungsentscheidungen, VerwArch 67 (1976), S. 120 f. 135 Köhler, Automatisierte Rechtsvorgänge, AcP 182 (1982), S. 149. 136 § 23 Abs. 1 S. 5 StVZO: Als Fahrzeugbrief dürfen nur die amtlich hergestellten Vordrucke mit einem für die Bundesdruckerei geschützten wasserzeichenähnlichen Sicherheitsmerkmal verwendet werden. 137 Haft, Informationsgesellschaft, S. 36 bzw. S. 539.

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

Portable Document Format PDF mit Programmen wie dem Acrobat Reader zu öffnen, die eine Modifikation nicht ohne weiteres zulassen. Diese Dateien besitzen damit eine gewisse Endgültigkeit in ihrer Darstellung. Diese Endgültigkeit überträgt der Empfänger gedanklich auch auf die Aussage der Datei. Grundsätzlich jedoch wird die Frage der Veränderbarkeit und damit die des Vertrauens in die Endgültigkeit und Verbindlichkeit des Dokumentes nicht an einem bestimmten Dateiformat festgemacht, sondern an der Frage der Digitalisierung oder der Perpetuierung auf Papier. Aufgrund des geringeren Aufwandes, den formlose Erklärungen wie zum Beispiel auch elektronische Dokumente zu ihrer Entstehung fordern, messen juristische Laien ihnen mindere Bedeutung zu als mit größerem Aufwand erstellten Urkunden, die zumeist ausgedruckt und unterschrieben sind.138 Lehrbücher zum bürgerlichen Recht betonen stets die für Studienanfänger nicht selbstverständliche Möglichkeit, ganz ohne besondere Formalitäten Verträge zu schließen und sich damit rechtserheblich zu verpflichten.139 Auch E-Mails und anderes Nicht-Schriftliche werden daher von juristischen Laien als rechtlich nicht oder zumindest weniger verbindlich angesehen.140 Zudem sind elektronische Dokumente Teil der virtuellen Welt. Dies wird beispielsweise auch in der Art der Kommunikation deutlich. In E-Mails und in den Foren des Internets drücken sich die Kommunikationspartner unbefangener aus. Linguistische Untersuchungen sprechen von einer „neuen Form der Schriftlichkeit“, die in E-Mails entsteht.141 Die Einfachheit, mit der elektronische Nachrichten erstellt werden, führt zu raschen, häufig nur skizzenhaften, grammatikalische und orthographische Regeln nicht selten grob missachtenden Zeilen, die als Brief niemals auf den Weg gebracht würden, in elektronischer Form hingegen ohne Bedenken für Millionen (potentielle) Leser in die Welt geschickt werden.142 Elektronische Medien werden für netzwerkartige, informelle, koopera138

Westerhoff, Formvorschriften, JR 1997, S. 490. Besonders deutlich Leipold, BGB I, Rdnr. 546: „Auch mündlich abgeschlossene Verträge sind verbindlich.“; Hirsch, BGB AT, Rdnr. 511: „Insgesamt verlangt das Gesetz viel seltener eine Form, als die meisten Laien meinen. Besonders die Verträge des täglichen Lebens werden grundsätzlich formfrei, also mündlich geschlossen. [. . .] Verträge, die formlos abgeschlossen werden, spielen aber nicht nur im täglichen Leben eine überragende Rolle, sondern sind auch im Wirtschaftsleben wichtig.“ Exemplarisch auch der Fall bei Köhler, BGB AT, § 12 Rdnr. 1: „L und B einigten sich per Handschlag über den Kauf eines Traktors. Später wollte B den Traktor nicht abnehmen und bezahlen mit der Begründung, er habe nichts unterschrieben und sei daher zu nichts verpflichtet. [. . .] Da für den Kaufvertrag grundsätzlich keine besondere Form vorgeschrieben ist [. . .], ist der Kaufvertrag wirksam.“ 140 Vgl. Drösser, Müllbox, Die Zeit 6/2002. 141 Schlobinski, Chatten, Die Zeit 13/2001; ähnlich Androutsopoulos/Schmidt, SMSKommunikation, S. 25: „informelle Schriftlichkeit in den neuen Medien.“ 142 Zum „Focus-Stil“ und „Mitteilungen [. . .], die einem stilistisch und inhaltlich die Scham- oder Zornesröte ins Gesicht treiben“ sowie „Anakoluth, Hyperbel oder 139

2. Kap.: Technische Voraussetzung: Signatur und Verschlüsselung

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tive Kommunikation benutzt. Seine Ursache hat dies in der Trennung der „realen“ von der „Cyberwelt“: Nachrichten in elektronischer Form scheinen sich nicht in gleichem Maß auf die „reale Welt“ zu beziehen und kommen daher ohne die sonst üblichen Regeln der Rechtschreibung oder des Satzbaus aus. Andererseits beanspruchen sie nicht in gleichem Maß wie ein Brief Verbindlichkeit und Seriosität. Damit fehlen elektronischen Dokumenten die mit einer Urkunde verbundenen Vorteile der Vertrauenswürdigkeit und Seriosität. Eine Datei genügt nicht ohne weiteres, wenn jemand „das schriftlich“ haben möchte. Dies hängt mit den hier angeführten Eigenschaften ebenso zusammen wie mit der fehlenden unmittelbaren Visualisierbarkeit und der damit eingeschränkten Überprüfbarkeit des auf diese Weise Festgehaltenen durch den Empfänger oder Dritte. III. Notwendige Sicherungsmechanismen Diese Nachteile elektronischer Dokumente sind auszugleichen, wenn auf ihre Vorteile nicht verzichtet werden soll. So ist aufgrund des hohen Verfälschungsrisikos der Beweiswert elektronischer und elektronisch übertragener Dokumente gering.143 Sie sind kaum disputabel, das heißt beweisgeeignet.144 Ihnen kommen auch in ausgedruckter Form nicht die zivilprozessualen Beweiserleichterungen des § 416 ZPO zugute.145 Elektronische Dokumente bieten daher keine Rechtssicherheit. Die mit dem Verzicht auf Sicherung verbundenen Risiken sind in vielen Bereichen, darunter der behördliche Rechtsverkehr, nicht akzeptabel.146 Vielmehr ist die Sicherstellung von Authentizität und Integrität erforderlich, wenn mit Hilfe elektronischer Medien rechtsverbindliches Handeln möglich sein soll.147 Dies macht Sicherungsmechanismen notwendig, die Integrität, Authentizität und Vertraulichkeit elektronischer Dokumente sicherstellen können. Die herkömmlichen Mittel Urkunde, Unterschrift und Briefumschlag sind als solche naturgemäß nicht nutzbar. Sie müssen vielmehr elektronisch abgebildet werden. Eine entsprechende Möglichkeit bieten kryptographische Verfahren in Form der Signatur und der Verschlüsselung. Wired-Pidgin-English [. . .] als Stilelemente der Informationsgesellschaft“ siehe Hoeren, Welten, NJW 2000, S. 189. 143 Bergmann/Streitz, Beweisführung, CR 1994, S. 83; Bieser, Signaturgesetz, CR 1996, S. 565; Hammer, Signaturen, DuD 1993, S. 636; Redeker, Bildschirmtextdienst, NJW 1984, S. 2394. 144 Rihaczek, Unterschriftssurrogat, DuD 1991, S. 569. 145 Sponeck, Beweiswert, CR 1991, S. 269; Abel, Urkundenbeweis, MMR 1998, S. 645. 146 Roßnagel, Europäischer Rechtsverkehr, K&R 2000, S. 313. 147 Schippel, Elektronische Form, S. 657; Wirth, Electronic Government, S. 115.

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§ 8 Signatur und Verschlüsselung I. Signaturverfahren und alternative Sicherheitskonzepte Die derzeit üblichen Signaturverfahren beruhen auf asymmetrischer Kryptographie, deren Grundprinzipien gleich näher erläutert werden.148 Diese ist jedoch nicht die einzig denkbare Möglichkeit, elektronische Dokumente gegen die erwähnten Gefahren zu sichern. Andere Methoden wie etwa die „Quantenkryptographie“ sind allerdings noch nicht hinreichend erforscht und kaum über das Konzeptstadium hinaus entwickelt.149 Die in der Entwicklung befindliche und oft im Zusammenhang mit der Signatur erwähnte Biometrie hingegen ist keine Form der Signatur. Sie kann Signatursysteme nur unterstützen, so zum Beispiel in der Identifikation des Benutzers gegenüber der Signaturerstellungseinheit, die derzeit über eine sechsstellige PIN realisiert wird.150 Bei dem gegenwärtigen Stand der Technik ist dies allerdings mit biometrischen Merkmalen nicht hinreichend sicher möglich. Insbesondere die heute handelsüblichen Systeme zur Gesichts- und Fingerabdruckanalyse lassen sich mit einfachsten Tricks wie beispielsweise Fotos oder Gelatinefingern überlisten.151 Nicht jedermann weist zudem die für biometrische Verfahren notwendigen spezifischen körperlichen Merkmale wie etwa ausgeprägte Fingerabdrücke auf, so dass stets auch andere Verfahren zum Einsatz kommen müssen.152 Experten sehen vor diesem Hintergrund einen weiteren Entwicklungsbedarf für biometrische Verfahren von mehreren Jahren.153 Im Ergebnis bieten nur Signaturverfahren auf der Grundlage asymmetrischer Kryptographie hinreichende Möglichkeiten zur Sicherung 148 Vgl. unten § 8 II. Asymmetrische Kryptographie, S. 53. Für eine leicht verständliche Einführung in die Funktionsweise asymmetrischer Kryptographie siehe Schein, Sicherheitskonzepte, S. 107; vertiefend und stellenweise unterhaltsam Beutelspacher, Kryptologie, Kap. 5. 149 Zur „Quantenkryptographie“ vgl. Veit, Auswirkungen, DuD 2000, S. 354; Geiselmann/Müller-Quade/Steinwandt/Beth, Quantenkryptographie, DuD 2002, S. 453. 150 Zur Biometrie siehe Albrecht, Biometrie, DuD 2000, S. 335; Büllingen/Hillebrand, Biometrie, DuD 2000, S. 342; Gundermann/Probst, in: Roßnagel, Datenschutzhandbuch, Kap. 9.6. Zu möglichen datenschutzkonformen Konzepten siehe insbesondere Probst, Biometrie, DuD 2000, S. 322. Skeptisch bezüglich des wirtschaftlichen Nutzens BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 29. 151 Vgl. die plastische Schilderung eines Experimentes, bei dem aus (etwa auf Gläsern hinterlassenen) Fingerabdrücken Gelatinefinger modelliert und diese erfolgreich zur Überlistung der elf meistverkauften Fingerabdrucksysteme eingesetzt wurden, bei Matsumoto/Matsumoto/Yamada/Hoshino, Gummy Fingers, DuD 2002, S. 464. 152 Im ROBIN-Projekt des niederländischen Justizministeriums, das Datensicherheit mit PKI und Biometrie zu realisieren versuchte, fehlten bei bis zu drei Prozent der Teilnehmer die erforderlichen Merkmale, vgl. Pohlmann, Biometrics, DuD 2002, S. 548. Der Zoo von Hannover musste 2001 Pläne zur Einlasskontrolle mittels Fingerabdruck-Scanner aufgeben, da insbesondere Kinder keine ausgeprägten Fingerabdrücke aufweisen, vgl. heise news vom 13.04.2003, heise.de/newsticker/meldung/ 36097.

2. Kap.: Technische Voraussetzung: Signatur und Verschlüsselung

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elektronischer Dokumente. Dem entspricht, dass sich sowohl Signaturgesetz wie auch die SigRL 1999/93/EG auf die Normierung dieser Technik und ihrer Infrastruktur beschränken. Beides soll im Folgenden kurz vorgestellt werden. II. Asymmetrische Kryptographie Die seit Jahrtausenden benutzten symmetrischen Verschlüsselungsverfahren verwenden zum Codieren und Decodieren denselben Schlüssel, der Sender und Empfänger damit gleichermaßen bekannt sein muss. Das macht einen sicheren Schlüsselaustausch zwischen den Kommunikationspartnern erforderlich – eine Voraussetzung, die spontane gesicherte Kommunikation erheblich erschweren kann. Zudem erfordert ein solches System die Nutzung einer sehr großen Anzahl von Schlüsseln, wodurch die Schlüsselverwaltung kompliziert wird. Asymmetrische Schlüsselsysteme hingegen, die Mitte der 1970er Jahre theoretisch entwickelt wurden und seit Anfang der 1980er Jahre auch praktisch realisiert sind, nutzen zwei verschiedene, doch zusammengehörige Schlüssel. Diese Schlüssel sind – häufig sehr große, oft hundertstellige – Zahlen, die aufgrund mathematischer Gesetzmäßigkeiten derart miteinander verbunden sind, dass alles mit dem einen Schlüssel Codierte (nur) mit genau dem anderen Schlüssel decodiert werden kann. Indes kann selbst bei Vorliegen eines Schlüssels, der codierten und der decodierten Nachricht nicht auf den anderen Schlüssel geschlossen werden. Während der Decodierschlüssel naturgemäß weiterhin geheim gehalten werden muss, ist die Veröffentlichung des Codierschlüssels bei asymmetrischen Verschlüsselungsverfahren unproblematisch möglich. Diese werden demgemäß auch als „public key Verfahren“ bezeichnet.154 Die beschriebenen Verfahren können ebenso wie zur Verschlüsselung auch zur Signierung einer Nachricht verwendet werden, das heißt zur unterschriftsähnlichen individuellen Kennzeichnung einer elektronischen Datei. Statt Codier- und Decodierschlüssel kommen dabei Signatur- und Signaturprüfschlüssel zum Einsatz, von denen der Signaturprüfschlüssel der allgemein bekannte „public key“, und der Signaturschlüssel der geheimzuhaltende „secret key“ ist. Bei der Signierung wird zu einer gegebenen Nachricht mit Hilfe des Signaturschlüssels eine Signatur berechnet, die mit dem zugehörigen Signaturprüfschlüssel verifiziert werden kann.155 Ergibt die Prüfung der Signatur eine Überein153 Sietmann, Fadenkreuz, c’t 5/2002, S. 146. Vgl. auch Albrecht, Biometrics, DuD 2002, S. 550: Die Sparkassenorganisation sieht beim gegenwärtigen Entwicklungsstand den Einsatz von Biometrie an Geldautomaten als nicht möglich an. 154 Vgl. allgemein Beutelspacher, Kryptologie, Kap. 5.3; Grimm, Kryptoverfahren, DuD 1996, S. 27; Schein, Sicherheitskonzepte, S. 107; Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 23 ff. m. w. N. 155 In der Praxis wird nicht die Nachricht selbst, sondern nur eine Kurzfassung, ihr Hashwert, signiert, da asymmetrische Signaturverfahren sehr aufwendig und daher

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

stimmung von signiertem und übermitteltem Text, kann von der Signierung mit Hilfe des Signaturschlüssels ausgegangen werden. Das wiederum lässt den Schluss auf den Signaturschlüssel-Inhaber als Urheber der Signatur zu, wenn und soweit sichergestellt ist, dass nur dieser den Signaturschlüssel benutzt haben kann. Ergibt die Prüfung dagegen einen Fehler, ist entweder nicht der zum Prüfschlüssel gehörige Signaturschlüssel benutzt oder ein anderes Dokument als das dem Prüfenden vorliegende signiert worden. Wo der Fehler liegt, ist allerdings aufgrund der schlichten Ja/Nein-Prüfung nicht feststellbar, ebenso wenig, ob es sich hierbei um eine absichtsvolle Verfälschung oder etwa einen Übertragungsfehler handelt. Zusätzlich zur Signierung können elektronische Dokument unter entsprechender Nutzung derselben Verfahren verschlüsselt werden. Häufig wird hierfür das sichere asymmetrische Verschlüsselungsverfahren mit einer schnellen symmetrischen Verschlüsselung in einem so genannten Hybridverfahren kombiniert. Die Vertraulichkeit ist dann weit besser gewährleistet, als dies ein durch jedermann leicht zu öffnender Briefumschlag bei Schriftdokumenten könnte. III. Erfordernis einer Sicherungsinfrastruktur Public Key Verfahren wurden entwickelt, damit der geheime Schlüssel nicht mehr auf sicherem Wege (das heißt geheim) zwischen Sender und Empfänger transportiert werden musste. Das ursprüngliche Problem des Schlüsseltauschs kehrt nunmehr jedoch in anderem Gewand wieder: Jetzt ist sicherzustellen, dass der Empfänger den öffentlichen Schlüssel des Senders durch einen authentischen Kanal erhält.156 Anderenfalls könnte ein Angreifer seinen öffentlichen Schlüssel als den des Senders ausgeben. Dies ermöglichte ihm, statt des Senders zu signieren oder die für diesen bestimmten verschlüsselten Nachrichten zu dechiffrieren. Um dem vorzubeugen, muss der öffentliche Schlüssel sicher einer Person zugeordnet werden. Dies leisten Bestätigungsschreiben vertrauenswürdiger Dritter, so genannte Zertifikate. Diese Schreiben sind zweckmäßigerweise E-Mails und damit wie jedes elektronische Dokument nicht immun gegen Fälschungen. Sie werden daher ihrerseits durch den vertrauenswürdigen Dritten signiert. Zur Überprüfung der Signatur muss ihm dessen öffentlicher Schlüssel wiederum sicher zugeordnet werden können, und so weiter. Dieser theoretisch infinite Regress endet praktisch bei demjenigen, dessen öffentlicher Schlüssel dem Empfänger sicher bekannt ist. Dies kann zum Beispiel ein Bekannter sein. Das Programm Pretty Good Privacy PGP etwa baut auf das Vertrauen auf, das ein gemeinsames soziales Umfeld schafft. Benutzer stellen einander ihre langsam sind, vgl. Dobbertin, Fingerabdrücke, DuD 1997, S. 82; Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 27. 156 Beutelspacher, Kryptologie, Kap. 5.5.

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Bekannten vor und stehen gewissermaßen dem anderen gegenüber für deren Identität ein. Eine solche Lösung benötigt keine Infrastruktur, sondern schafft sich das „web of trust“ selbst. Dieses „Netz des Vertrauens“ ist allerdings nicht sehr belastungsfähig. Begeisterte PGP-Benutzer tauschen riesige „Schlüsselringe“, ohne deren Authentizität genügend überprüfen zu können.157 Die Vertrauenswürdigkeit derartiger Zertifikate ist daher gering und genügt kaum für rechtserhebliche Schlussfolgerungen über die Authentizität einer Erklärung. Dies erfordert vielmehr eine Sicherungsinfrastruktur, die öffentliche Schlüssel sicher bestimmten Anwendern zuordnet.158 Ein anderer Begriff hierfür ist Public Key Infrastructure, PKI. Deren Hauptbestandteil sind die eigentlichen Zertifizierungsdienste, das heißt die erwähnten vertrauenswürdigen Dritten. Ebenfalls üblich ist die englische Bezeichnung Certification Authority, CA. Häufig wird hierzu synonym auch der Begriff der Trusted Third Party, TTP, gebraucht. Die Europäische Kommission hingegen differenziert zu Recht zwischen diesen Bezeichnungen und verwendet „Trusted Third Party“ nur für diejenigen Stellen, denen ein Benutzer eine Kopie seines privaten Schlüssels zur sicheren Aufbewahrung übergibt.159 Dies kann zur Wiederherstellung verschlüsselter Informationen bei Verlust des privaten Schlüssels erforderlich sein.160 Zertifizierungsstellen bescheinigen anderen Teilnehmern gegenüber die Zugehörigkeit eines öffentlichen Schlüssels zu einem bestimmten Teilnehmer. Der Name dieses Teilnehmers muss seinerseits einer Person zugeordnet werden können. Dies leisten Registration Authorities (RA), die Teilnehmernamen an diejenigen verteilt, die sich ihr gegenüber ausweisen. Ferner ist es notwendig, den Signatur- und den zugehörigen Signaturprüfschlüssel zu generieren. Eine weitere Dienstleistung ist die (signierte) Bescheinigung, einem vertrauenswürdigen Dritten hätten gewisse Informationen zu einem bestimmten Zeitpunkt vorgelegen, so genannte Zeitstempel. Schließlich müssen korrumpierte, das heißt ausgeforschte, Schlüssel gesperrt werden; dies geschieht, indem die Zuordnung dieser Schlüssel zu einem Teilnehmer aufgehoben wird, mithin das Zertifikat als ab dem Moment der Korruption ungültig erklärt wird. Praktisch geschieht das durch so genannte Zertifikatsrückruflisten (Certificate Revocation Lists, CRL).161 Diese werden entweder regelmäßig durch den Zertifizierer versandt oder sind über seinen Server einsehbar. 157

Vgl. Grimm, Kryptoverfahren, DuD 1996, S. 33 f. Rihaczek, Vertrauenszentren, DuD 1990, S. 71; Roßnagel, Gestaltung, DuD 1995, S. 259. 159 Vgl. EU-Kommission, Sicherheit und Vertrauen, KOM (1997) 503, unter II. 2. und II. 2.5 sowie Anhang III. 160 Zum „key recovery“-Argument der Kryptokontroverse siehe Fox, Key Recovery, DuD 1997, S. 227. 161 Hierzu Fox, CRL, DuD 2001, S. 485; einen praktischen Fall schildert Mack, Sperren, DuD 2001, S. 464. 158

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

Diese unterschiedlichen Aufgaben162 können durch verschiedene Personen oder Stellen wahrgenommen werden. Auch ist es möglich, den Benutzern gewisse Aufgaben zu überlassen, so zum Beispiel die Schlüsselgenerierung.163 In der Praxis ist eine solche Aufsplitterung in der Regel unwirtschaftlich. Anschaffung, Wartung und Betrieb der für die Zertifizierung erforderlichen Technik erfordern einerseits einen erheblichen Aufwand,164 ermöglichen andererseits aber auch die Erbringung anderer, hiermit zusammenhängender Dienstleistungen. Hiervon geht auch das Signaturgesetz aus, das die verschiedenen Aufgaben pauschal dem Zertifizierungsdiensteanbieter zuordnet.165 Gleichwohl akkreditierte die RegTP im Jahr 2001 einen Anbieter, der allein qualifizierte Zeitstempel ausstellt.166 IV. Die Signatur in der Praxis Die beschriebenen komplizierten Berechnungen, die für die Erstellung und Prüfung einer Signatur notwendig sind, können nur durch Computer durchgeführt werden. Zertifizierungsdiensteanbieter halten leistungsfähige Hard- und Softwarepakete bereit, die das Signieren und Prüfen per Mausklick ermöglichen. Bei akkreditierten Anbietern qualifizierter elektronischer Signaturen belaufen sich die Kosten hierfür auf etwa 60 A für die Signatur-Chipkarte samt Lesegerät und eine Jahresgebühr von etwa 50 A.167 Die Chipkarte wird durch den Zertifizierungsdiensteanbieter mit dem privaten Schlüssel versehen und anschließend dem Teilnehmer ausgehändigt, der sich ihm gegenüber etwa mit dem Personalausweis zu identifizieren hat.168 Softwarebasierte Lösungen für fortgeschrittene elektronische Signaturen nach § 2 Nr. 2 SigG hingegen sind kostenlos im Internet verfügbar.169 Diese berechnen die notwendigen Schlüssel selbst und speichern den geheimen Schlüssel chiffriert in einer Datei auf dem Computer des Benutzers. 162 Zu den Aufgaben einer Zertifizierungsstelle siehe Kowalski, Trustcenter, S. 121; Roßnagel, Entstehung, RDV 1998, S. 13; Siegfried, Signatur, unter 6. 163 Vgl. Federrath, Schlüsselgenerierung, DuD 1997, S. 98; hiergegen Nehl, Schlüsselgenerierung, DuD 1997, S. 100. 164 Roßnagel, Regulierungsbehörde, MMR 1998, S. 474, geht von einem erforderlichen Aufwand von ein bis zwei Millionen DM für den Betrieb einer genehmigten (heute: akkreditierten) Zertifizierungsstelle aus. Auch hätte die Errichtung der Wurzelzertifizierungsstelle der RegTP eines Aufwandes von einer Million DM bedurft, vgl. Roßnagel, Zwei Jahre, NJW 1999, S. 1594. 165 Vgl. auch Demmel, in: Manssen, Multimediarecht, G § 3 Rdnr. 19. 166 RegTP, Jahresbericht 2001, S. 50. Hierbei handelt es sich um die AuthentiDate International AG, Ratingen; authentidate.de. 167 Schicker, Signatur, JurPC 139/2001, Abs. 77. 168 Den genauen Ablauf beschreibt Ahrens, Chipkarten, K&R Beilage 2/2000, S. 31. 169 Beispielsweise unter pgp.com und www.pgpi.org.

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Die durch den Benutzer bei der Erstellung der Signatur vorzunehmenden Schritte sind einfach: Er hat die zu signierende Datei auszuwählen und das Signierprogramm zu starten. Auf dessen Aufforderung hin gibt er seine PIN oder sein Passwort ein; gegebenenfalls ist auch eine Chipkarte in das Lesegerät zu stecken. Nun wird mit Hilfe des geheimen Schlüssels eine Signatur-Datei erstellt, die zusammen mit der Original-Datei versandt werden kann.170 Das Codieren geschieht entweder durch den Computer selbst, der hierfür spezielle Software benötigt. Oder, und das ist bei der qualifizierten elektronischen Signatur größtenteils der Fall, es wird eine Chipkarte verwendet, das heißt eine meist scheckkartengroße Plastikkarte mit eingebautem Computerchip. Nach § 2 Nr. 10 SigG liefern beide Lösungen qualifizierte Signaturen („Software- oder Hardwareeinheiten zur [. . .] Anwendung des jeweiligen Signaturschlüssels“). Chipkarten haben den Vorteil, dass sie einen eigenständigen kleinen Computer darstellen, den der Signaturschlüssel nie verlassen muss.171 Damit kann dieser nicht ausgelesen werden. Entsprechendes ist bei Software nicht mit ebenso großer Verlässlichkeit sicherzustellen, wie ein erfolgreicher Angriff auf den nur softwareseitig geschützten geheimen Schlüssel des Programms PGP beweist.172 Das Überprüfen einer Signatur173 ist für den Benutzer ebenso einfach wie ihr Erstellen: Er wählt die Signaturdatei aus und startet das Signaturprogramm. Dieses fragt unter Umständen nach dem öffentlichen Schlüssel des Signierenden (dem Signaturprüfschlüssel) und gibt dann als Ergebnis aus, ob die Signatur gültig ist oder nicht. Ergibt die Prüfung „gültig“, ist die Integrität des Dokumentes gesichert: Das Dokument wurde seit der Signierung mit dem zum Signaturprüfschlüssel gehörigen Signaturschlüssel nicht modifiziert. Zur Sicherstellung auch der Authentizität, das heißt der Urheberschaft des Dokumentes, ist zudem die Zuordnung des Signaturprüfschlüssels zum Urheber des Dokumentes zu überprüfen. Hierfür ist die Kontrolle des Zertifikats erforderlich, das seinerseits eine signierte Datei darstellt. Auch dessen Signatur muss geprüft werden, ebenso wie dessen Gültigkeit zum Zeitpunkt der Signierung des Dokumentes, die mit dem im Zertifikat genannten Datum abläuft sowie bei dessen Widerruf. Das macht eine Kontrolle der vom Zertifizierer regelmäßig publizierten CRL bzw. die Abfrage der Online-Datenbank notwendig. Die Kontrolle von Signatur und Zertifikat geschieht bei den heute verbreiteten Signier- und Signaturprüfprogrammen weitestgehend automatisiert. Wesentlich ist jedoch die Durchfüh170 Eine einfache Einführung mit vielen Abbildungen bei Mertes, Praxis, S. 171; siehe auch Schindler, Sicherheitsaspekte, K&R 1998, S. 433. Das Signieren mit dem Programm PGP beschreiben Deville/Kalthegener, Elektronische Unterschrift, NJWCoR 1997, S. 169. 171 provet/GMD, Simulationsstudie, S. 57; Strack, Voraussetzungen, S. 10. 172 Knobloch, OpenPGP, DuD 2001, S. 333. 173 Vgl. aus informationstechnischer Sicht Spitz, Verifikation, DuD 2001, S. 459.

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rung der vollständigen Signaturprüfung, die eine Überprüfung der Gültigkeit des Zertifikats zum Zeitpunkt der Signierung einschließt.174 V. Sicherung vor spurloser Veränderung Signaturverfahren können die Veränderbarkeit digitaler Daten ebenso wenig aufheben, wie die Unterschrift eine Veränderung der Urkunde ausschließt. Ein signiertes Dokument ist wie jede andere Datei manipulierbar. Daran ändert auch die Speicherung der Datei auf so genannte WORM-Platten (write once, read multiple) wie etwa CD-ROM nichts.175 Die Daten der CD-ROM können ausgelesen, verändert und auf eine neue CD-ROM gebrannt werden.176 Insofern verlangt das Signaturerprobungsgesetz Berlin Unmögliches, wenn es den Einsatz elektronischer Dokumente im Verwaltungsverfahren davon abhängig macht, „dass der Inhalt der Erklärung vom Empfänger lesbar gemacht werden kann, gegen Veränderungen durch Unbefugte geschützt ist und einer bestimmten Person zugeordnet werden kann.“177 Die Signatur verhindert jedoch spurlose Veränderungen, da ein Fälscher die Kurzfassung der veränderten Datei nicht mit dem ihm unbekannten Signierschlüssel signieren kann. Um beim Bild der Unterschrift zu bleiben: Die Urkunde kann durch einen Dritten zwar neu erstellt, nicht aber unterschrieben werden. Da das Ergebnis einer Signaturprüfung nur „gültig“ oder „nicht gültig“ ergeben kann, ist nicht feststellbar, ob ein Fehler des Dokumentes vorliegt oder die Signatur selbst beschädigt wurde, sowie ob dies vor, bei oder nach dem Transport geschah, oder ob ein falscher Signaturschlüssel benutzt wurde. Generell ist eine Fälschung wie auch ein Fehler nur zu entdecken, doch weder als solche festzustellen noch der Urheber zu benennen. Dies kann die Gefahr einer Fälschung erhöhen.178

174

Anschaulich wiederum Mertes, Praxis, S. 171 ff. So allerdings Abel, Urkundenbeweis, MMR 1998, S. 646; Rüßmann, Beweisrecht, JurPC 1995, S. 3217. 176 So richtig Bizer/Hammer, Beweismittel, DuD 1993, S. 627 mit FN 57; ebenso Sponeck, Beweiswert, CR 1991, S. 273, der aus diesem Grunde eine Sicherung der einmal beschriebenen Datenträger durch notarielle „Plombierung“ vorschlägt. 177 § 1 Abs. 2 Gesetz zur Erprobung der elektronischen Signatur in der Berliner Verwaltung, GVBl (BE) 2001, S. 531 (Hervorhebung nur hier). Missverständlich auch Maniotis, Rechtswirkung, S. 623 f., der von der „Gewährleistung der Unveränderlichkeit elektronischer Dokumente“ durch Signaturen spricht, jedoch schließlich klarstellt, dass die Echtheit so nur „überprüft werden kann.“ 178 Zu diesem Aspekt siehe provet/GMD, Simulationsstudie, S. 143; ebenso Pordesch/Nissen, Fälschungsrisiken, CR 1995, S. 567. 175

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VI. Fälschungsrisiken elektronischer Signaturverfahren a) Brechung des Signaturverfahrens selbst Elektronische Signaturverfahren können nur so sicher sein wie das ihnen zugrunde liegende Public Key Verfahren und seine Parameter. Das derzeit weitgehend benutzte RSA-Verfahren wird mit den entsprechenden Parametern allgemein als sicher angesehen, auch wenn seine Sicherheit nicht zu beweisen ist.179 Man kann zwar das Verfahren mittels Faktorisierung des Sicherheitsparameters brechen und wäre dann in der Lage, authentische doch falsche Signaturen zu erstellen. Auch wurden mittlerweile verschiedene komplexe Algorithmen zur Faktorisierung entwickelt, die weitaus effizienter sind als das bloße Ausprobieren aller möglichen Signaturschlüssel, die so genannte brute-force-attack. Bei hinreichend großen Sicherheitsparametern sind allerdings auch diese Algorithmen so aufwendig, dass ein Versuch unmöglich, zumindest aber wirtschaftlich unsinnig wäre.180 Die von der Regulierungsbehörde für die nächsten sechs Jahre als sicher eingestuften Parameter und Signaturverfahren werden gemäß Abschnitt I Nr. 2 der Anlage zur Signaturverordnung alljährlich im Bundesanzeiger bekannt gegeben.181 Die Behörde stützt sich bei ihrer Einschätzung maßgeblich auf die Erkenntnisse des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, BSI. Die Brechung auch heute als sicher anzusehender Signaturverfahren und damit die Korrumpierung eines Signaturschlüssels ist allerdings eine Frage der Zeit und der Rechenleistung, die einem Angreifer zur Verfügung stehen. Aus diesem Grunde sind Signaturverfahren nur für bestimmte Zeiträume als sicher anzusehen. Die zur Erstellung als „qualifiziert“ bezeichneter Signaturen verwendeten Verfahren und Parameter müssen nach § 14 Abs. 3 SigV nur für voraussichtlich fünf Jahre sicher sein. In vielen Bereichen ist die Aufbewahrung beweiskräftiger Dokumente indes über einen weitaus längeren Zeitraum vorgeschrieben.182 Derartige Dokumente sind daher vor Ablauf der Fünf-Jahres-Frist stets gemäß § 17 SigV mit einer erneuten Signatur zu sichern.183 179 Vgl. Fox, Fälschungssicherheit, DuD 1997, S. 73: Die Fälschungssicherheit des RSA-Verfahrens beruhe auf unbewiesenen Annahmen. Das heiße indes nicht, dass die Verfahren unsicher seien, sondern sich nur als unsicher erweisen könnten. 180 Bei einem Experiment im Jahr 1999 suchten mehrere hundert Computer parallel mehr als fünf Monate nach einem Parameter mit einer Länge von 512 Bit; vgl. die Übersichten bei Bourseau/Fox/Thiel, RSA, DuD 2002, S. 84; siehe auch Weis/Lucks/ Geyer, Faktorisierungsforschung, DuD 2000, S. 151. Schuppenhauer, Beleg, DB 1994, S. 2043, nennt demgegenüber die Zahl von drei Monaten. 181 Vgl. die Bekanntmachungen der RegTP, BAnz. 2001, S. 18562 und BAnz. 2003, S. 4202. 182 Beispiele bei Strauch, Archivische Probleme, S. 772; siehe auch Ahrens, Chipkarten, K&R Beilage 2/2000, S. 33. Einzelheiten bei Brandner/Pordesch/Roßnagel/ Schachermayer, Langzeitsicherung, DuD 2002, S. 97.

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Eine Angriffsmöglichkeit auf den Signaturschlüssel selbst, die nicht in einem Ausprobieren aller möglichen Varianten besteht, ist im Jahr 2001 aufgewiesen worden: Das Softwareprodukt PGP und der darauf basierende Standard „Open PGP“ benutzen zur Speicherung des geheimzuhaltenden Signatur- bzw. privaten Chiffrierschlüssels keine Chipkarte, wie sie bei den signaturgesetzkonformen qualifizierten Signaturverfahren üblich sind. Da die Chipkarten, die den geheimen Schlüssel sicher vor Angriffen schützen können, einen Kartenleser benötigen, ist diese Lösung recht unattraktiv. Für den Benutzer komfortabler ist die durch PGP verwandte kodierte Speicherung des Schlüssels auf dem Computer des Schlüsselinhabers. Dies ermöglicht indes einem Angreifer, bei entsprechenden, realistischerweise allerdings nicht zu erwartenden, Zugriffsmöglichkeiten auf den Computer des Schlüsselinhabers die Modifikation der kodierten Datei.184 Die auf Chipkarten basierenden Signaturmechanismen können demgegenüber ein Ausforschen des Schlüssels sicher verhindern.185 b) Inkorrekte Zertifikate Zertifikate bescheinigen die Zugehörigkeit eines öffentlichen Schlüssel zu ihrem Inhaber. Angreifer könnten an dieser Stelle ansetzen und durch fehlerhafte Zertifikate andere Identitäten vorspiegeln. Der Empfänger einer signierten Nachricht darf sich aus diesem Grund nicht mit dem Prüfen der Signatur und der Kenntnisnahme des Zertifikats begnügen. Vielmehr ist auch das Zertifikat auf Authentizität zu kontrollieren, indem wiederum dessen Signatur geprüft wird. Ist danach die Urheberschaft durch einen Zertifizierungsdiensteanbieter sichergestellt, kann auch dem Zertifikat vertraut werden. Derartige Angriffe sind, da die Prüfung des Zertifikats ohne besonderen Aufwand durchgeführt wird, rasch aufzudecken. Schutz vor Angriffen durch die Zertifizierungsdiensteanbieter selbst bietet hingegen das Signaturgesetz.186 c) Signierung durch Dritte, Fälschung durch Unterschieben etc. Die Fälschung signierter Dokumente ist dann ohne Korruption des geheimen Schlüssels möglich, wenn es gelingt, den geheimen Schlüssel des Inhabers unbefugt zu benutzen oder die Anwendung und Prüfung elektronischer Signaturen zu manipulieren. Schutz gegen das unbefugte Benutzen etwa einer abhanden 183 Zu § 17 SigV siehe Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 24/§ 17 SigV; zur Übersignierung vgl. im übrigen unten § 59 II. b) Übersignierung, S. 356. 184 Knobloch, OpenPGP, DuD 2001, S. 333. 185 provet/GMD, Simulationsstudie, S. 57. 186 Zu Gefahren aufgrund unrichtiger Zertifikate siehe Zieschang, Sicherheitsrisiken, DuD 1997, S. 341.

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gekommenen Signaturkarte oder eines kodiert gespeicherten Signaturschlüssels bietet bei PGP eine Passphrase187 bzw. bei den derzeit marktgängigen qualifizierten Signaturen eine sechsstellige PIN. Auch diese Sicherungen können jedoch umgangen werden, etwa indem die Passphrase bzw. die PIN ausgelesen werden: So wurde im Frühjahr 2001 ein erfolgreicher Angriff auf die Signierprogramme der Anbieter Telesec und Signtrust bekannt.188 Bei diesem Angriff wurde die Anfälligkeit bestimmter Betriebssysteme hinsichtlich Viren und so genannter Trojaner ausgenutzt. Den Angreifern gelang die Ausspähung der strikt geheimzuhaltenden PIN. Die RegTP veröffentlichte als Reaktion hierauf einen Sicherheitshinweis,189 in dem sie ausführt: „Probleme können in der Praxis entstehen, wenn die zum Erreichen hoher Sicherheit für eine Anwendungskomponente vorgeschriebenen Einsatzbedingungen (z. B. PC ohne ,Viren‘ und ,trojanische Pferde‘) im jeweiligen Betrieb nicht gewährleistet sind.“ Bei dem dadurch entstehenden Risiko handele es sich „um ein strukturelles Gefahrenpotential, das grundsätzlich bei jeder Art von Signatur besteht und dem nur auf der Anwenderseite wirksam begegnet werden kann.“ Die Signatur ist, mit anderen Worten, nicht sicherer als der Computer, auf dem sie erzeugt wird; Signaturverfahren „sind nur unter sehr eingeschränkten Einsatzbedingungen gegenwärtig ausreichend sicher.“190 Gleiches gilt aufgrund der prinzipiellen Ähnlichkeit der Verfahren auch für die Verschlüsselung mit Hilfe asymmetrischer Kryptographie.191 Experten raten in erster Linie, den zur Erzeugung der Signatur bzw. zur Verschlüsselung verwendeten Computer physisch abzuschirmen, das heißt nur befugten Personen Zugang zu diesem Rechner zu gestatten. Das bedeutet insbesondere auch eine Trennung dieses Computers vom Netz.192 Eine solche Lösung stellt indes das Ziel des Signatureinsatzes, die sichere Kommunikation über offene Netze wie das Internet zu gewährleisten, grundlegend in Frage. Die hiermit verbundenen Probleme sind weitestgehend ungeklärt. Einen weiteren Schutz gegen die Benutzung abhanden gekommener Signaturkarten bietet die Möglichkeit, Zertifikate sperren zu lassen.193 Ab dem Moment der Sperrung194 ist damit die Verbindung zwischen Signaturschlüssel und Inha187 PGP ermöglicht statt der Nutzung eines einzelnen Passwortes die Verwendung einer Wortgruppe = Phrase als Autorisierungsmittel; hierdurch wird eine „dictionary attack“ erschwert. 188 Der Spiegel, Heft 24/2001 und iX, Heft 07/2001. 189 Vgl. RegTP, Sicherheitshinweis. 190 Bieser, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 149 f. 191 Vgl. die deutliche Warnung von Bieser, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 148. Die dort angesprochene Unsicherheit reiner Software-Lösungen besteht aufgrund der ausgeführten Risiken auch bei Hardware-basierten Verfahren. 192 Bieser, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 149. 193 Die Einzelheiten beschreibt Fox, CRL, DuD 2001, S. 485. 194 Zum genauen Zeitpunkt der Sperrung siehe Bertsch/Pordesch, Prozesslaufzeiten, DuD 1999, S. 514.

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

ber aufgehoben. Dies kann durch Rückdatierung des zu signierenden Dokumentes und Änderung der Systemzeit des zur Signierung benutzten Rechners umgangen werden. Letzteres ist auch Computerlaien ohne großen Aufwand möglich. Gegen derartige Angriffe können so genannte Zeitstempel helfen, das heißt signierte Bestätigungsschreiben vertrauenswürdiger Dritter, dass ihnen zu einem bestimmten Zeitpunkt die in Rede stehenden Informationen vorgelegen hätten. Zeitstempel schließen eine technisch nicht manipulierbare Systemzeit ein. Problematisch ist hieran, dass ein Zeitstempel eine gesondert zu vergütende Dienstleistung darstellt, die daher nicht für jede Signatur in Anspruch genommen werden wird. Möglich bleibt jedoch, in das Zertifikat einen Hinweis aufnehmen zu lassen, dass die Signatur für Transaktionen ab einer gewissen Erheblichkeitsschwelle nur mit einem Zeitstempel gültig ist.195 Auch bei der Signierung durch den Inhaber selbst sind jedoch Möglichkeiten der Manipulation vorhanden. Einerseits wird dabei der Fakt ausgenutzt, dass stets elektronische Daten, keine Dokumente signiert werden. Die Präsentation dieser Daten ist, wie oben erwähnt, weitgehend ungesichert. Sie ist nicht nur vom benutzten Schreib- bzw. Anzeigeprogramm abhängig, das je nach Hersteller oder auch nur Version dieselben Daten geringfügig anders darstellt. Auch benutzen diese Programme zur Darstellung häufig nicht signierte Daten, wie Schriftinformationen oder andere Vorgaben des Betriebssystems. Nicht zuletzt hängt die Darstellung auch von den jeweiligen Ausgabegeräten bei Signierendem und Prüfendem ab.196 Andererseits ist es möglich, die Nachlässigkeit des Signierenden oder des Prüfenden auszunutzen. In realistischen Anwendungsumgebungen nachgebildeten Simulationen gelang es mehrfach, gefälschte Dokumente zum Signieren unterzuschieben. Ebenso wurde häufig schlicht die Signaturprüfung vergessen.197

§ 9 Durch die Signatur nicht auszuräumende Nachteile Die Signatur ist ein effizientes Mittel zur Vermeidung wesentlicher Nachteile elektronischer Dokumente. Hierzu gehört insbesondere die mit Signaturen mögliche Aufdeckung von Manipulationen hinsichtlich Autor und Inhalt. Das erhöht die Disputabilität und Beweiseignung gegenüber einfachen elektronischen Dokumenten erheblich. Auch lässt sich mithilfe der auch für die Signatur benutz195 Zu selbstbeschränkenden Angaben im Zertifikat entsprechend § 7 Abs. 1 Nr. 7 SigG siehe beispielsweise Malzer, Form, DNotZ 1998, S. 115. 196 Für Einzelheiten zum Präsentationsproblem siehe oben § 7 II. d) Präsentationsproblem, S. 43. 197 Hierzu siehe provet/GMD, Simulationsstudie, S. 121 ff.; Hammer/Bizer, Beweiswert, DuD 1993, S. 692; Pordesch/Nissen, Fälschungsrisiken, CR 1995, S. 562; Roßnagel, Rechtspflege, CR 1994, S. 502.

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ten kryptographischen Verfahren die Vertraulichkeit elektronischer Dokumente in einem gegenüber Urkunden sogar gesteigerten Maß sicherstellen. Die Verbesserung der Beweiseignung und Vertraulichkeit löst jedoch nur einen Teil der Probleme, die elektronische Dokumente im Vergleich zu herkömmlichen Urkunden mit sich bringen. Es bleiben beträchtliche Schwächen, die auch die avancierteste Signaturtechnik nicht auszuräumen in der Lage ist. Teilweise führt der Einsatz dieser Techniken sogar zu einer Verstärkung der technikspezifischen Probleme. Ein Beispiel hierfür ist neben der erhöhten Abhängigkeit des Benutzers von der Einsatzbereitschaft und Funktionsfähigkeit der Technik deren weiterhin geschwächte Transparenz. I. Geringere Transparenz und gemindertes Vertrauen Zu den wichtigsten Problemen, die mit dem Verzicht auf das Trägermedium Papier verbunden sind, gehört die geringere Transparenz elektronischer Dokumente. Zwar kann die Signatur als Sicherungsmittel nachträgliche Modifikationen des Inhalts oder falsche Angaben zum Absender aufdecken helfen. Sie kann jedoch nicht das generelle Manko aufheben: Noch immer handelt es sich bei den derart gesicherten Dokumenten um lediglich in elektronischer Form vorliegende Daten. Die für den normalen Benutzer nahezu undurchdringlichen Vorgänge innerhalb des Computers werden durch die höchst komplizierten Berechnungen, die zur Erstellung einer Signatur notwendig sind, nicht verständlicher. Hinzu kommt die ohne vertiefte technische und vor allem mathematische Kenntnisse rational nicht ohne weiteres plausible Sicherheit der Signaturverfahren. Ohne dass die hierbei vorgenommenen Programmschritte verstanden oder auch nur nachvollziehbar werden, müssen sich sowohl der Schlüsselinhaber wie auch der Empfänger einer Signatur auf die Versicherungen des Zertifizierungsdiensteanbieters verlassen, die Signatur sei fälschungssicher.198 Nicht nur die mathematischen Verfahren sind höchst komplex und konnten daher im Rahmen dieser Arbeit nur angerissen werden.199 Auch die technische Implementierung ist nur Spezialisten verständlich. Sie muss zudem bewusst unbeobachtet und unbeobachtbar ablaufen, da die Möglichkeit besteht, bereits aus den während der Signierung vorgenommenen Rechenoperationen auf den geheimen Signierschlüssel zu schließen. Das Verfahren ist mithin auf Intransparenz angelegt, um dadurch seine Sicherheit zu erhöhen. Signaturen können daher nicht zur Nachvollziehbarkeit der Vorgänge beitragen. Damit ist das Dilemma angesprochen, dass das gewünschte Vertrauen der Benutzer in die Computertechnik seinerseits durch Technik geschaffen werden soll.200 198 Ähnlich Rihaczek, Regelungsbedarf, DuD 1992, S. 415; Kumbruck, Anwender, DuD 1994, S. 22 und 28. 199 Vgl. § 8 II. Asymmetrische Kryptographie, S. 53.

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

Ferner wird auch das Problem geringerer Seriosität eines elektronischen Dokumentes nicht durch das Anhängen einer kaum verständlichen Datei gelöst. Zwar kann nun die Integrität des Inhalts neben der Authentizität des Absenders anhand der Signatur überprüft werden, so dass es in Bezug auf die Signatur wie bei einem unterschriebenen Schriftstück eine autorisierte und damit auch in diesem Sinne endgültige Fassung des Dokumentes gibt. Dies ergibt sich jedoch allein aus der logischen Verknüpfung von Datei und Signatur und ist aus der Datei selbst heraus nicht verständlich. Noch immer handelt es sich bei dem zumeist als E-Mail übertragenen Dokument um eine bzw. nunmehr um zwei nicht unmittelbar visualisierbare und in diesem Sinne „virtuelle“ Dateien. Diese sind gegenüber papiernen Urkunden weiterhin weniger seriös und verbindlich. Schon aufgrund der allzu geringen Verbreitung der Signaturtechnik hat sich der Rechtsverkehr nicht an die auch von unabhängiger dritter Seite anerkannte Verbindlichkeit signierter Dokumente gewöhnt, so dass es noch eine längere Zeit dauern dürfte, bis signierten Dateien faktisch das gleiche Vertrauen entgegen gebracht wird, wie es heute selbst nicht unterschriebene Urkunden genießen.201 II. Gesteigerte Technikabhängigkeit Weiterhin steigert die Signatur die ohnehin bereits in erheblichem Maß gegebene Abhängigkeit von der Technik. Ohne leistungsfähige Computer ist die von Signaturverfahren verwendete, mathematisch komplexe Langzahlarithmetik oder das Rechnen auf elliptischen Kurven nicht möglich. Damit sind das Erstellen und das Prüfen einer Signatur von der Verfügbarkeit adäquater Computertechnik und der zu ihrer Bedienung erforderlichen Kenntnisse abhängig. Diese müssen zusätzlich zu den bereits nicht selbstverständlichen Computern und Computerkenntnissen im jeweiligen Haushalt, Unternehmen oder Amt vorhanden sein. Weiterhin sind elektronische und elektronisch signierte Dokumente bei einem stets möglichen Ausfall der Computertechnik nicht mehr bearbeitbar, und die Signatur kann in einem solchen Fall nicht mehr überprüft werden. Das erforderliche Know-how ist zudem nur in geringem Maß vorhanden. Dies führt zu einer starken Abhängigkeit von Fachwissen und damit Fachleuten. In Gerichtsverfahren beispielsweise wird der Einsatz signierter Dokumente einen Sachverständigen notwendig machen, der die Signatur prüft und etwaige Schwachstellen fachgerecht einschätzen kann.202

200

Hoeren, Paradigmen, NJW 1998, S. 2854. Die Notwendigkeit der Gewöhnung an die Technik betont auch Haft, Informationsgesellschaft, S. 36 bzw. S. 545. 202 Zu diesem Aspekt bereits provet/GMD, Simulationsstudie, S. 235. 201

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III. Problem der Interoperabilität und Kompatibilität Der mit der Digitalisierung der Kommunikation verbundene faktische Zwang zur Benutzung ganz bestimmter Software zur Erstellung bzw. Anzeige elektronischer Dokumente wird durch die Signierung verschärft. Nunmehr besteht zusätzlich die Notwendigkeit, auch noch nach längerer Zeit die elektronisch gespeicherten Daten nutzen und zu diesem Zweck auch hinsichtlich ihrer Signatur prüfen zu können. Das zwingt den Empfänger eines signierten Dokumentes zur Vorhaltung möglicherweise längst veralteter Software zur Präsentation der Daten und zur Prüfung ihrer Signatur. Bereits jetzt können die von den relevanten Anbietern Telesec und Signtrust verwendeten Signaturprogramme Signaturen des jeweils anderen nicht überprüfen.203 Wann diesbezüglich Interoperabilität sichergestellt werden wird, ist nicht abzusehen.204 Ebenso wenig lassen sich Aussagen zur Abwärtskompatibilität etwaiger neuer Programmversionen treffen. Ein Umkopieren der Daten bzw. ihre Speicherung in einem neuen Format ist bei signierten Daten anders als bei unsignierten nicht zulässig: Da sich die Signaturprüfung stets auf ein bestimmtes elektronisches Dokument bzw. dessen Hashwert bezieht, und bei der Umformatierung zwangsläufig ein neues Dokument mit einem veränderten Hashwert entsteht, würde hierdurch die Signaturprüfung unmöglich. Die Signierung der Daten verschärft damit das Kompatibilitätsproblem, da sie ein übliches und verbreitetes Mittel zu seiner Umgehung ausschaltet. Soll der Beweiswert des ursprünglichen Dokumentes beibehalten werden, ist mit einer Umformatierung daher stets auch die Neusignierung zu verbinden.

§ 10 Fazit Die vielen Vorteile elektronischer Dokumente gehen mit einer großen Zahl spezifischer Nachteile einher, die sie gegenüber dem herkömmlichen Informationsträger Papier haben. Diese Nachteile können nur teilweise durch die Gestaltung der Technik ausgeglichen werden – dies betrifft insbesondere die höhere Manipulierbarkeit und die geringere Vertraulichkeit. Die Intransparenz und geringere Seriosität elektronischer Dokumente werden durch Signatur- und Verschlüsselungsverfahren demgegenüber nicht berührt, während durch sie die Abhängigkeit des Benutzers von der Technik sogar gesteigert wird.

203 Einzelheiten eines praktischen Tests bei BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 32. Der Bericht nennt die gravierenden Interoperabilitätsprobleme „erstaunlich“. 204 Die Bundesregierung verweist auf die zu schaffende Norm ISIS-MTT und begrüßt die entsprechenden Aktivitäten, ohne allerdings einen Zeitpunkt nennen zu können, vgl. Bundesregierung, E-Government-Beschluss, S. 7.

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Signaturen sind mithin kein Allheilmittel, sondern lediglich eine Sicherungstechnik zur Verbesserung der Beweiseignung digitaler Dokumente. Gab und gibt es andere Gründe für den Einsatz herkömmlicher Urkunden als gerade die leichte Manipulierbarkeit elektronischer Dokumente, so sind sie auch beim Einsatz von Signaturverfahren nicht obsolet, können dann vielmehr sogar verstärkt werden. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang nicht zuletzt die finanziellen Belastungen, die Computertechnik seit jeher durch Anschaffung, Wartung und Schulung mit sich bringt. Diese werden beim Einsatz des Internets nicht geringer, sondern im Gegenteil sogar größer. Angesprochen sind hier neben den Kosten für das Netzwerk die Notwendigkeit der Sicherung des internen Netzes gegen Angriffe von außen sowie die Kosten der technisch sehr anspruchsvollen Signatur samt aller dafür notwendigen Anwendungen. Kapitel 3

Rechtliche Rahmenbedingungen: Signaturgesetz und Kryptoregulierung § 11 Das Signaturgesetz I. Technische und rechtliche Entwicklung bis 1999 Signaturverfahren wurden ursprünglich nur zur Identifizierung gegenüber Computern in offenen Netzen eingesetzt.205 Erst mit dem Aufkommen eines ersten elektronischen Geschäftsverkehrs etwa über den Bildschirmtextdienst BTX der Deutschen Post wurden sie auch als elektronisches Surrogat der herkömmlichen Unterschrift vorgeschlagen.206 Nach dem damaligen Stand der Technik waren derartige Überlegungen allerdings nur theoretischer Natur,207 auch wenn bereits 1990 die erste Anwendung des RSA-Verfahrens auf Chipkartenbasis angeboten wurde.208 Eine erste gesetzliche Anerkennung fanden Signaturverfahren im Registerverfahrensbeschleunigungsgesetz vom 20.12.1993, mit dem die Führung des Grundbuchs in elektronischer Form ermöglicht wurde.209 Diese bereits in den 1970er und 1980er Jahren in Modellprojekten untersuchte Möglichkeit effizien205

Rihaczek, Vertrauenszentren, DuD 1990, S. 71; ders., Beweis, DuD 1994, S. 129. Redeker, Bildschirmtextdienst, NJW 1984, S. 2394; ebenso ders., Verwaltungsakt, NVwZ 1986, S. 549 in Bezug auf Verwaltungsakte; ihm folgend Kruse, Computerkriminalität, CR 1987, S. 794; Pfitzmann/Pfitzmann/Waidner, Rechtssicherheit, CR 1987, S. 714 und 796. 207 Hammer, TeleTrusT, DuD 1988, S. 391, stellt das Konzept einer Sicherungsinfrastruktur vor, dessen Umsetzung er nicht vor dem Jahr 2010 sieht, vgl. ebd. S. 392. 208 Vgl. Pohlmann, RSA, DuD 1990, S. 19. 206

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ter Datenverarbeitung und -archivierung, damals aus technischen Gründen gescheitert, konnte Anfang der 1990er Jahre vor allem dank rapide gefallener Kosten für Scanner und Speicherplatz erneut in Angriff genommen werden.210 Die auch hier vorhandenen Risiken bezüglich Sicherheit, Integrität und Authentizität elektronischer Daten haben ein besonders hohes Schadenspotential, da das Grundbuchs gemäß § 891 BGB öffentlichen Glauben genießt. Nach § 75 der Grundbuchverfügung sollen Eintragungen in das maschinell geführte Grundbuch daher nur vorgenommen werden, wenn sie „in einem allgemein als sicher anerkannten automatisierten kryptographischen Verfahren textabhängig und unterzeichnerabhängig“ elektronisch unterschrieben werden. Indes wuchs erst mit der weiten Verbreitung des Internets in Büros und Privathaushalten und der damit einhergehenden Kommerzialisierung auch dieses Mediums der Bedarf nach Regelung elektronisch abgegebener Willenserklärungen. Die bisher ungeahnten Möglichkeiten des Internets beflügelten Phantasien von einem „globalen Marktplatz“ und einer gänzlich neuen Wirtschaft.211 Noch vor der „New Economy“ mit ihren himmelsstürmenden Aktienkursen versprach man sich vom E-Commerce ein überwältigendes Wachstum und eine große Zahl von Arbeitsplätzen in der Informationsgesellschaft.212 Das Anbahnen und möglichst auch Abwickeln von Geschäften über das Internet verhieß geringere Transaktionskosten und größere Markttransparenz, mithin mehr Wettbewerb und größere Effizienz.213 Einer weitgehenden Elektronisierung des Geschäftsverkehrs standen jedoch materiell-rechtliche Schriftformerfordernisse entgegen. Zudem wurden Urkunden gegenüber elektronisch erstellten oder übermittelten Nachrichten prozessrechtlich privilegiert. Während einige Stimmen in der Literatur diese Rechtslage als antiquierte Hindernisse wahrnahmen und eine zeitgemäße Auslegung214 oder ein Tätigwerden des Gesetzgebers215 forderten, betonten andere die techni209 Sog. RegVBG, BGBl. I 1993, S. 2182. Hierzu Frenz, Jahrhundert-Gesetz, DNotZ 1994, S. 153; Grziwotz, EDV-Grundbuch, CR 1995, S. 68; Holzer, RegVBG, NJW 1994, S. 481. Zur praktischen Umsetzung am AG München siehe Joachimski, Grundbuch, NJW-CoR 1994, S. 280. 210 Zu den technischen Hintergründen siehe Grziwotz, EDV-Grundbuch, CR 1995, S. 69. 211 Waldenberger, Verbraucherschutz, BB 1996, S. 2365. 212 Vgl. Bundesregierung, Info 2000, BT-Drs. 13/4000, S. 6. Ähnlich EU-Kommission, Initiative, KOM (1997) 157, Abs. 12: „außerordentliches Wachstum“. 213 Vgl. Roßnagel, Europäischer Rechtsverkehr, K&R 2000, S. 313. 214 So Ebbing, Schriftform, CR 1996, S. 273. Ähnlich Fritzemeyer/Heun, EDI, S. 131; Hohenegg/Tauschek, Signaturverfahren, BB 1997, S. 1542. Bedenken gegen die Zulässigkeit einer (wünschenswerten) Analogie äußert Sponeck, Beweiswert, CR 1991, S. 273. 215 Fringuelli/Wallhäuser, Formerfordernisse, CR 1999, S. 97; Mehrings, Vertragsabschluß, MMR 1998, S. 33; Raubenheimer, EDI, CR 1993, S. 23 mit FN 54.

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

schen Differenzen, die eine unterschiedliche Behandlung von papiernen Urkunden und elektronischen Dokumenten rechtfertigten.216 Hierzu gehöre nicht zuletzt die erhebliche Manipulationsgefahr, der elektronische Dokumente generell, insbesondere jedoch während ihres Transports ausgesetzt sind. Richtigerweise sei daher mit Hilfe technischer Mittel wie Signaturverfahren die Beweiskraft elektronischer Dokumente zu verbessern bzw. die Schriftform mit ihren Funktionen elektronisch abzubilden.217 Derartig gesicherte Dokumente seien allerdings als der unterschriebenen Urkunde gleichwertig anzusehen und daher bei entsprechender Sicherung durch die Rechtsprechung oder den Gesetzgeber anzuerkennen.218 Von dritter Seite wurde hingegen die beweisrechtliche Anerkennung elektronischer Dokumente selbst dann abgelehnt, wenn diese signiert sind. Vorrangig sei die entsprechende Gestaltung der Infrastruktur, der Signaturverfahren und ihrer Anwendungsumgebungen.219 Dies nicht zuletzt, um die auch hier gegebenen Fälschungsrisiken auszuschließen oder zumindest zu minimieren.220 Der Gesetzgeber schloss sich der zuletzt genannten Auffassung an und verzichtete vorerst auf eine Änderung der Formvorschriften zugunsten der Normierung einer Sicherungsinfrastruktur für elektronische (damals noch: digitale) Signaturen. Das Gesetz zur digitalen Signatur – Signaturgesetz – trat am 01.08.1997 in Kraft.221 Sein Ziel war es ausweislich § 1 Abs. 1 SigG 1997, „Rahmenbedingungen für digitale Signaturen zu schaffen, unter denen diese als sicher gelten und Fälschungen digitaler Signaturen oder Verfälschungen von signierten Daten zuverlässig festgestellt werden können.“ Nicht die Signatur, son216 Bergmann/Streitz, Beweisführung, CR 1994, S. 77; Heun, Schriftform, CR 1995, S. 2; Mellulis, Regelungsbedarf, MDR 1994, S. 109. 217 Vgl. Bergmann/Streitz, Signaturverfahren, JurPC 1996, S. 36; Bizer, Regelungsbedarf, DuD 1995, S. 460; Erber-Faller, Gesetzgebungsvorschläge, CR 1996, S. 376; Fritzsche/Malzer, Elektronische Willenserklärungen, DNotZ 1995, S. 3; Schuppenhauer, Beleg, DB 1994, S. 2045. 218 So bereits 1991 Sponeck, Beweiswert, CR 1991, S. 273; ebenso Geis, Dokumentenmanagement, CR 1993, S. 656; Geis/Müthlein, Elektronische Urkunden, CR 1994, S. 443; Seidel, Dokumentenschutz II, CR 1993, S. 488; ders., Zertifizierung, S. 94; ders., Elektronische Dokumente, S. 148; Mertes, Bewegung, CR 1996, S. 771; Rihaczek, Beweis, DuD 1994, S. 132. 219 Rihaczek, Regelungsbedarf, DuD 1992, S. 409; ders., Unterschriftssurrogat, DuD 1991, S. 573; ders., Vertrauenszentren, DuD 1990, S. 76. 220 Bizer, Elektronische Signatur, S. 161; ders., Regelungsbedarf, DuD 1995, S. 460; Bizer/Hammer, Beweismittel, S. 625; Hammer, Telekooperation, CR 1992, S. 438; ders., Sicherungsinfrastrukturen, DuD 1996, S. 155; Hammer/Bizer, Beweiswert, DuD 1993, S. 690; Roßnagel, Rechtsverkehr, NJW-CoR 1994, S. 99; ders., Regelung, S. 677; provet/GMD, Simulationsstudie, S. 236. Die Notwendigkeit von Datenschutzregelungen erwähnt Roßnagel, Datenschutz, DuD 1995, S. 586. 221 BGBl. I 1997, S. 1870. Zu Einzelheiten siehe Roßnagel, Entstehung, RDV 1998, S. 5, sowie ders., Multimedia-Recht, Einleitung zum SigG, Rdnr. 47 ff.; Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 2 ff. m. w. N.

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dern vielmehr ihre Rahmenbedingungen, die Infrastruktur, standen im Zentrum der Regelung. Bereits während der Beratungen zum SigG 1997 wurde sein Experimentalcharakter betont. Dies veranlasste den Bundestag, eine Evaluierung des Gesetzes durch die Bundesregierung nach Ablauf von zwei Jahren zu fordern.222 Der Zeitraum erwies sich im Nachhinein angesichts der nur schleppenden Verbreitung der Signatur als zu knapp bemessen. Nennenswerte praktische Probleme konnten daher zu diesem Zeitpunkt kaum aufgetreten sein.223 Die Bundesregierung beurteilte das SigG 1997 in ihrem Evaluierungsbericht vom Juni 1999 dementsprechend als erfolgreich.224 Sie sprach nur wenige Punkte rechtstechnischer Art an, in denen ihr das Gesetz verbesserungsbedürftig schien und kündigte die Überprüfung zivilrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Schriftformerfordernisse an, um diese den Möglichkeiten des SigG 1997 anzupassen.225 II. Die Signaturrichtlinie 1999/93/EG und das SigG 2001 Sowohl eine Modifikation der Formvorschriften wie auch eine Anpassung des Signaturgesetzes waren zumindest auch zur Umsetzung europarechtlicher Vorgaben erforderlich: Die nach mehr als zweijähriger Vorarbeit im Juli 1999 erlassene Signaturrichtlinie 1999/93/EG war bis zum 19.07.2001 umzusetzen.226 Wesentlicher Inhalt der Richtlinie im Gegensatz zum SigG 1997 waren vier Punkte: Dem System einer digitalen Signatur auf der Grundlage asymmetrischer Kryptographie wurde ein technikoffenes Konzept der „elektronischen Signatur“ entgegengesetzt, das ohne Festlegung auf eine bestimmte Technologie die notwendige Sicherheit gewährleistet. Das Erbringen der hierfür notwendigen Dienstleistungen sollte anders als unter dem SigG 1997 genehmigungsfrei sein. Als Ausgleich hierfür haften die Anbieter streng für ihnen zurechenbare Fehler. Als Kernstück der Richtlinie kann schließlich die Gleichsetzung der Signatur mit der Unterschrift bezeichnet werden.227 Diese Gleichsetzung erfordert ein Mindestmaß an Qualität der Signaturverfahren. Dieses wird durch technische 222 Vgl. den Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P., BT-Drs. 13/7935. Der insoweit gleichgerichtete Antrag der Fraktion der SPD, BT-Drs. 13/7936, fand demgegenüber keine Mehrheit, vgl. BT-Prot. 13/182, S. 16365. 223 Fox, Nullmenge, DuD 1999, S. 494. 224 Bundesregierung, Evaluierungsbericht, BT-Drs. 14/1191, S. 17 ff. 225 Bundesregierung, Evaluierungsbericht, BT-Drs. 14/1191, S. 20. Zum Verlauf der Evaluierung und zur Kritik am SigG 1997 vgl. Roßnagel, Evaluierung, S. 212; ders. Zwei Jahre, NJW 1999, S. 1594; ders., Multimediadienste, NVwZ 2000, S. 630. Siehe auch Fox, Würdigung, DuD 1999, S. 508. 226 Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie 1999/93/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.1999 über gemeinschaftliche Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen (SigRL 1999/93/EG), ABl. EG 2000 Nr. L 13, S. 2. Zur Richtlinie vgl. Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 8 f. m. w. N.

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

Spezifikationen in den Anhängen zur Richtlinie konkretisiert, die, obwohl sie weitgehend unbestimmt gehalten und technikneutral formuliert sind, mangels marktfähiger Alternativen ebenfalls von Signaturen auf der Basis asymmetrischer Verschlüsselung ausgehen.228 Denjenigen Signaturen, die diesen Anforderungen der Anhänge genügen, gewährt die SigRL 1999/93/EG Schutz vor Diskriminierung in zweierlei Hinsicht. Einerseits ist es den Mitgliedstaaten gemäß Art. 5 SigRL 1999/93/EG verwehrt, diesen Signaturen weniger Rechtswirkung beizumessen, als sie Unterschriften in Bezug auf papierne Urkunden zukommt. Signaturen und elektronische Dokumente müssen in Gerichtsverfahren ebenso wie Unterschriften und Urkunden verwertbar sein, die elektronische Form als solche darf diesbezüglich keinen Hindernisgrund darstellen. Andererseits besteht auch ein Verbot der Diskriminierung einzelner Signaturen und ihrer Anbieter, etwa durch Stellung weitergehender Anforderungen an die Qualität elektronischer Signaturen, als die Richtlinie selbst vorsieht. Lediglich für den öffentlichen Bereich darf der Einsatz elektronischer Signaturen zusätzlichen Anforderungen unterworfen werden, sofern diese Anforderungen objektiv, transparent, verhältnismäßig und nichtdiskriminierend sind und für grenzüberschreitende Dienste kein Hindernis darstellen, Art. 3 Abs. 7 SigRL 1999/93/EG. Diese Vorgaben wurden durch das im Jahr 2001 weitgehend überarbeitete und unter neuem Namen erlassene Signaturgesetz – nunmehr Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen, SigG 2001 – umgesetzt.229 Die bisherige Zweiteilung in regulierten und nicht regulierten Bereich wurde durch eine Dreiteilung aus akkreditierten, qualifizierten und sonstigen Signaturen ersetzt. Die vorherige Prüfung konnte nicht als Genehmigung aufrechterhalten werden, sondern musste zur Akkreditierung werden. Erstmals wurden Regelungen zur Haftung des Zertifizierungsdiensteanbieters für seine Zertifikate in das Signaturgesetz aufgenommen.230 Die Formvorgaben des Art. 5 der Richtlinie blieben bei der Normierung des SigG 2001 ausgespart und wurden separaten Gesetzen vorbehalten, für das Zivilrecht dem Formgesetz,231 und für das öffent227 Zur Signaturrichtlinie siehe Brisch, Rahmenbedingungen, CR 1998, 492; Geis, Europäische Perspektive, CR 1999, S. 775; ders., Identifizierung, MMR 2000, S. 667; Gravesen/Dumortier/van Eecke, Signaturrichtlinie, MMR 1999, S. 577; Roßnagel, Europa, MMR 1998, S. 331; ders., Europäischer Rechtsverkehr, K&R 2000, S. 313; ders., Europäischer Standard, S. 195; Welsch/Bremer, Praxis, DuD 2000, S. 85. 228 Gravesen/Dumortier/van Eecke, Signaturrichtlinie, MMR 1999, S. 578; siehe auch Grimm/Fox, EU-Richtlinie, DuD 1999, S. 408. 229 Gesetz über Rahmenbedingungen für elektronische Signaturen und zur Änderung weiterer Vorschriften, BGBl. I 2001, S. 876. Zu Einzelheiten des Gesetzgebungsverfahrens siehe Roßnagel, Neues Signaturgesetz, NJW 2001, S. 1818. 230 Einzelheiten bei Roßnagel Signatur-Richtlinie, MMR 1999, S. 261. Zur Umsetzung der SigRL 1999/93/EG aus Sicht eines an der Neufassung des Signaturgesetzes maßgeblich Beteiligten siehe Bieser, Neues Signaturgesetz, DStR 2001, S. 31.

3. Kap.: Rechtliche Rahmenbedingungen

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liche Recht dem 3. VwVfÄndG. Auf den ersten Blick mag dies zwar § 1 Abs. 3 SigG 2001, der die Vorgaben des Art. 3 Abs. 7 SigRL 1999/93/EG nahezu wörtlich wiederholt, anders erscheinen lassen, doch handelt es sich bei dieser Vorschrift um einen Programmsatz ohne jegliche Regelungswirkung.232 III. Der Begriff der „elektronischen Signatur“ Für die elektronische Signatur ist im Laufe ihrer Entwicklung und technischen wie rechtlichen Normierung eine Reihe von Begriffen geprägt und verwendet worden.233 Aus juristischer Sicht bedeutsam sind nunmehr nur noch die elektronische Unterschrift des § 75 GBV234 sowie die elektronischen Signaturen im Sinne des Signaturgesetzes. Die große Anzahl der in § 2 SigG 2001 definierten elektronischen Signaturen verschiedenster Qualität geht zurück auf die ebenso zahlreichen Varianten elektronischer Signaturen in Art. 2 der SigRL 1999/93/EG.235 Die jeweilige Vielzahl an Definitionen der SigRL 1999/93/EG und des SigG 2001 für elektronische, fortgeschrittene elektronische, qualifizierte elektronische Signaturen mit und ohne Zertifikate(n) oder qualifizierte(n) Zertifikate(n) oder gar „qualifizierte elektronische Signaturen mit Anbieter-Akkreditierung“ ist jedoch unnötig verwirrend. Die vermeintliche Vielfalt reduziert sich bei näherer Betrachtung auf lediglich zwei Arten elektronischer Signaturen, die durch die SigRL 1999/93/EG und das SigG 2001 normiert werden: qualifizierte elektronische Signaturen akkreditierter und nicht akkreditierter Anbieter. Ebenfalls im Signaturgesetz nur erwähnt, nicht jedoch näher ausgestaltet, werden qualifizierte elektronische Signaturen mit zusätzlichen Anforderungen, vgl. § 1 Abs. 3 SigG.236 Beide Varianten, sowohl die qualifizierten Signaturen mit wie auch die ohne Anbieter-Akkreditierung, sind „qualifizierte elektronische Signaturen nach dem Signaturgesetz“, auf die beispielsweise in § 126a BGB und § 3a VwVfG Bezug genommen wird. Der Einfachheit halber wird daher im Folgenden ohne erkennbare Abstriche an Genauigkeit lediglich von Signaturen als Oberbegriff, qualifizierten Signaturen als solchen, die den Anforderungen des § 2 Nr. 3 231

Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr (Formgesetz – FormG) vom 13.07.2002, BGBl. I 2002, S. 1541. 232 Hierzu vgl. Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 100. 233 Für eine Übersicht vgl. Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 43 ff. 234 Zu § 75 GBV und die Nichtanwendbarkeit des Signaturgesetzes auf die „elektronische Unterschrift“ des Grundbuchrechts siehe Rüßmann, Elektronische Grundbücher, JurPC 149/1999, Abs. 43. 235 Zu den Einzelheiten siehe Demmel, in: Manssen, Multimediarecht, G § 2 Rdnr. 1–9. 236 Einzelheiten bei Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 64.

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

SigG entsprechen, sowie akkreditierten Signaturen als solchen im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 4 SigG die Rede sein. Letzteres berücksichtigt die inzwischen übliche Diktion der Literatur. Diese entspricht zwar nicht dem Gesetzeswortlaut, doch stieß die gesetzliche Begriffsbildung hinsichtlich der Signaturen akkreditierter Anbieter nicht zu Unrecht auf Kritik. Die Legaldefinition der „qualifizierten elektronischen Signaturen mit Anbieter-Akkreditierung“ des § 15 Abs. 1 S. 4 SigG ist wenig eingängig,237 der Begriff der „akkreditierten Signatur“ demgegenüber allgemein verständlich.

§ 12 Kryptographie Mit der Signaturtechnik ist die auf den gleichen mathematischen und informationstechnischen Algorithmen beruhende Verschlüsselung vertraulicher Inhalte eng verbunden. Während jedoch die Sicherungsinfrastruktur der Signatur mit dem Signaturgesetz eine ausführliche Normierung erfahren hat, fehlen Regelungen zur Kryptographie. Anders als in anderen Staaten238 bestehen in Deutschland damit lediglich Exportrestriktionen, denen Verschlüsselungstechnik als „Dual-Use“-Gut unterfällt.239 Die Verwendung entsprechender Techniken ist hingegen allgemein zulässig. Es können sogar Pflichten zur Benutzung von Verschlüsselungstechnik bestehen, die sich aus straf- oder standesrechtlichen Geheimhaltungsgeboten sowie aus dem allgemeinen oder sektorspezifischen Datenschutzrecht ergeben.240 Auch das Signaturgesetz soll nach dem Willen des Gesetzgebers keine Aussage zur Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der Verwendung von Kryptographietechnik darstellen.241 Diese ausdrückliche gesetzgeberische Zurückhaltung lässt sich mit der so genannten Kryptokontroverse begründen: In der ersten Hälfte der 1990er Jahre wurde intensiv das Verbot starker Kryptographie diskutiert. Insbesondere Strafverfolger und Geheimdienste sprachen sich für ein solches 237

Roßnagel, Neues Signaturgesetz, NJW 2001, S. 1818. Hervorzuheben ist hier insbesondere Frankreich. Zur Situation in den USA und Europa siehe Kuner, Datenverschlüsselung, NJW-CoR 1995, S. 414, sowie ders., Kryptopolitik, NJW-CoR 1997, S. 221. Vgl. auch Blaze, Kryptopolitik, DuD 1997, S. 209; Mense, Kommunikation, DB 1998, S. 535. 239 Als „Dual-Use“-Güter werden Waren bezeichnet, die sowohl zivilen wie auch militärischen Zwecken dienen können. Eine Einführung in die Exportrestriktionen bietet Roth, Exportkontrolle, S. 69. Siehe auch Miedbrodt, Kryptographie, S. 845 ff.; Schuppert, Exportkontrolle, CR 2001, S. 429. 240 Zum Steuergeheimnis vgl. Mense, Kommunikation, DB 1998, S. 532; siehe auch den Bericht in DRiZ 2001, S. 93. Zu anwaltlichen Geheimhaltungspflichten siehe Wagner/Lerch, Mandatsgeheimnis, NJW-CoR 1996, S. 380. Zum Datenschutz beim EGovernment siehe Dix, Datenschutz, S. 182; Müller/Wehrmann, Verschlüsselungsangebot, DuD 2001, S. 642. 241 Begründung zum Entwurf des SigG 1997, BT-Drs 13/7385, S. 29; die Begründung zum SigG 2001 verhält sich dazu nicht. 238

4. Kap.: Verbreitung der Signaturtechnik

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Verbot aus, da sie sich einer zunehmenden Bedrohung durch organisierte Kriminalität und Terroristen hilflos ausgesetzt sahen, wenn diese ihre Kommunikation mit starker Verschlüsselung schützen könnten. Zudem sollten andere Staaten die Technologie nicht problemlos erlangen können. Auf der anderen Seite jedoch stritt eine Allianz aus Datenschützern und Vertretern der Softwareindustrie für die allgemeine Zulässigkeit auch starker Kryptographie. Die maßgeblichen Argumente hier waren die Interessen der Softwareindustrie und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.242 Nach dem Stand der Diskussion wäre ein Verbot des Einsatzes kryptographischer Techniken verfassungswidrig. Dementsprechend ist ein solches auch künftig nicht zu erwarten. Gegen ein Verbot spricht die eindeutige Forcierung der Signaturtechnologie, die gewissermaßen als Abfallprodukt auch die Verschlüsselung ermöglicht. Zudem hat sich, wie dies schon von der Enquête-Kommission „Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft“ empfohlen worden war,243 die Bundesregierung in einer Stellungnahme zur Förderung auch starker Kryptographie bekannt.244 Nicht zuletzt hat sich die Europäische Kommission wiederholt für die freie Verfüg- und Benutzbarkeit leistungsfähiger Verschlüsselungstechnik ausgesprochen und dabei die von der Literatur vorgebrachten Argumente gegen ein Verbot aufgegriffen.245 Kapitel 4

Verbreitung der Signaturtechnik § 13 Euphorie der Anfangszeit Die etwa 1976 als theoretisches Konzept und 1977 in praktischer Umsetzung entwickelten Signaturverfahren246 wurden bereits Mitte der 1980er Jahre als Sicherungsmittel für auch juristisch bedeutsame Erklärungen diskutiert.247 Praxistaugliche Anwendungen für den Massenmarkt wurden 1990 vorgestellt.248 Ab 242 Vgl. Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 SigG Rdnr. 56 ff. mit umfangreichen Nachweisen. 243 Medien-Enquête, BT-Drs. 13/11004, S. 15. 244 Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion der PDS, BT-Drs 14/1149. Vgl. auch Roßnagel, Multimediadienste, NVwZ 2000, S. 629, sowie die Gemeinsame Pressemitteilung des BMWi und BMI vom 02.06.1999, abgedruckt bei BeckIuKDG-Komm/Bieser, Vorb. SigG Rdnr. 135 ff. 245 EU-Kommission, Sicherheit und Vertrauen, KOM (1997) 503, unter III. 3. 246 Zur Geschichte siehe oben § 8 II. Asymmetrische Kryptographie, S. 53. 247 Vgl. zum Beispiel Redeker, Bildschirmtextdienst, NJW 1984, S. 2394 und ders., Verwaltungsakt, NVwZ 1986, S. 549. 248 Pohlmann, RSA, DuD 1990, S. 19; Seidel, DFÜ-Mahnverfahren, CR 1990, S. 616.

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

etwa 1994 wurde die Signaturtechnik erstmals breitflächig, wenn auch lange Zeit nur im Testbetrieb, im Projekt „elektronisches Mahnverfahren“ am AG Stuttgart genutzt. Zum Einsatz kamen hierbei Signaturkarten der Telekom-Tochter Telesec.249 Mit der exponentiellen Verbreitung des Internets in Büros und Privathaushalten verbanden sich intensive Hoffnungen auf eine Nutzung auch und speziell dieses Mediums zur Abwicklung von Geschäften. Den „E-Commerce“ der „New Economy“ sollten Verschlüsselungs- und Signatursysteme wie die elektronische Signatur unterstützen und sichern. Diese wurden bald als notwendige Voraussetzung der Teilnahme nicht nur am elektronischen Wirtschaftsverkehr, sondern am sozialen Leben schlechthin verstanden: Eifrige Fürsprecher der Technik prägten den Begriff der „elektronischen Handlungs- oder Geschäftsfähigkeit“, die unter dem Schutz der Grundrechte stünde und durch die elektronische Signatur hergestellt würde, und auf welche die Bürger existenziell angewiesen sein würden.250 In der breitflächigen Bereitstellung der Signaturtechnik und von Zertifizierungsdiensten wurde teilweise eine Aufgabe der staatlichen Daseinsvorsorge gesehen.251 Nachdem sich die Bundesnotarkammer 1993 des Themas angenommen und es in Tagungen und Veröffentlichungen einer breiten juristischen Öffentlichkeit bekannt gemacht hatte,252 übernahm 1995 der Gesetzgeber die Initiative. Erste Entwürfe für ein Signaturgesetz wurden bereits Ende 1995 vorgelegt, das Gesetz trat 1997 in Kraft. Beteiligte aus allen Bereichen sahen hierin einen wesentlichen Beitrag zur Initialisierung und Unterstützung des E-Commerce, doch ebenso zur Durchsetzung der Signaturtechnologie.253 Dies galt insbesondere für die Anbieter der Technik.254 Die Bundesregierung und die diese stellenden Fraktionen im Bundestag sahen Deutschland an der Spitze einer „dynamischen Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologien“.255 Wiederholt wurde darauf hingewiesen, dass das deutsche Signaturgesetz das erste dementsprechende Gesetz auf nationaler Ebene sei.256 Nur in Einzelstaaten der USA 249

Beckmann, Mahnen, NJW-CoR 1994, S. 38. So Roßnagel, Gestaltung, DuD 1995, S. 261 f. (unter Verweis auf Goebel/Scheller, Elektronische Unterschriftsverfahren, S. 12); ebenso ders., Regelung, S. 666; ders., Datenschutzhandbuch, Rdnr. 13. 251 provet/GMD, Simulationsstudie, S. 239; Roßnagel, Gestaltung, DuD 1995, S. 262 ff.; ders., Regelung, S. 666; ebenso ders., Stellungnahme; ähnlich Rihaczek, Unterschriftssurrogat, DuD 1991, S. 573 f. 252 Zum „Forum elektronischer Rechtsverkehr“ vgl. Mellulis, Regelungsbedarf, MDR 1994, S. 110; Rüßmann, Beweisrecht, JurPC 1995, S. 3217; zu den Ergebnissen der Veranstaltungen siehe die Tagungsbände, BNotK, Elektronischer Rechtsverkehr, und BNotK, Drittes Forum. 253 Grimm, Signaturgesetz, DuD 1997, S. 286; Roßnagel, Verabschieden, DuD 1997, S. 287. 254 Mertes, Bewegung, CR 1996, S. 770; Rieß, Signaturen, DuD 1997, S. 284. 255 Entschließungsantrag der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P. zum IuKDG, BTDrs. 13/7935, S. 2. 250

4. Kap.: Verbreitung der Signaturtechnik

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gab es bereits zuvor vergleichbare Regelungen.257 In der Literatur wurde das Signaturgesetz als wesentliche Voraussetzung des elektronischen Geschäftsverkehrs begrüßt und die Signatur zur „Basistechnologie des elektronischen Rechtsverkehrs“ erklärt.258 Zur weiteren Entwicklung des E-Commerce wurden teilweise auch rasche Rechtsfolgenregelungen gefordert, ohne die das Gesetz ein „Torso“ oder ein „zahnloser Tiger“ bliebe.259 Das Jahr 1999 wurde von einigen Stimmen in der Literatur zum „Jahr der digitalen Signatur“ ausgerufen.260

§ 14 Ausbleibende Nutzer und erste Deutungen Die Euphorie der 1990er Jahre verlor sich rasch in den Mühen der Ebene. Anfänglich warteten potentielle Anbieter auf eine Konkretisierung der technischen Anforderungen des Gesetzes in der Signaturverordnung und sodann auf die in dieser angekündigten Maßnahmekataloge der zuständigen Behörde.261 Die darin aufgestellten Anforderungen wurden von vielen allerdings als zu anspruchsvoll, deswegen teuer und marktfern kritisiert. Im Anschluss hieran wurde das System des Signaturgesetzes als zu starr bemängelt und eine Skalierung der Sicherheit, das heißt letztlich die Zulassung auch weniger sicherer Technik, gefordert. Anfang 1999 schließlich, etwa anderthalb Jahre nach Inkrafttreten des Signaturgesetzes, wurde mit der Telesec die erste Zertifizierungsstelle zugelassen. Die Tochter der Deutschen Telekom AG, die maßgeblich an der Entwicklung der Signaturtechnik und des Signaturgesetzes samt der darin enthaltenen rechtlichen und technischen Rahmenbedingungen beteiligt war, rechnete mit 30.000 Nutzern bereits im ersten Jahr. Am Ende des Jahres waren indes kaum 300 Nutzer zu verzeichnen.262 Vereinzelte Autoren hofften gleichwohl auf den 256 Engel-Flechsig, IuKDG und MDStV, ZUM 1997, S. 236; Engel-Flechsig/Maennel/Tettenborn, IuKDG, NJW 1997, S. 2988; Fox, Jahr, DuD 1998, S. 370; Roßnagel, Entstehung, RDV 1998, S. 5; ders., Neues Recht, NVwZ 1998, S. 5; ders., Verabschieden, DuD 1997, S. 288; ders., Zwei Jahre, NJW 1999, S. 1592; ders., Multimedia-Recht, Einleitung zum SigG, Rdnr. 1. 257 Zu diesen Hein/Rieder, USA, DuD 1997, S. 470; Miedbrodt, Regelungsansätze, DuD 1998, S. 389. 258 Rieß, Signaturen, DuD 1997, S. 285; Roßnagel, Verabschieden, S. 288; ders., Entstehung, RDV 1998, S. 14; ders., Europäischer Rechtsverkehr, K&R 2000, S. 313. 259 Geis, Signatur, NJW 1997, S. 3004; Mertes, Bewegung, CR 1996, S. 771; hiergegen Roßnagel, Sicherheitsvermutung, NJW 1998, S. 3320, unter Verweis auf die Sicherheitsvermutung des § 1 Abs. 1 SigG a. F., die als Rechtsfolgenregelung genüge. 260 Fox, Jahr, DuD 1998, S. 370. 261 Hierzu Zeuner, Umsetzung, S. 52. Vgl. auch Roßnagel, Zwei Jahre, NJW 1999, S. 1592. 262 Hillebrand/Büllingen, Erfolgsfaktoren, DuD 2000, S. 80. Ähnlich Fox, Nullmenge, DuD 1999, S. 494: „Auch zwei Jahre nach Inkrafttreten [des Signaturgesetzes]

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

nach den Statistiken sicher zu erwartenden Durchbruch der digitalen Signatur im Jahr 2001.263 Eine Untersuchung aus dem Jahr 2002 kann einen Verbreitungsgrad von etwa fünf Prozent konstatieren.264 Die Zahl erscheint bei weitem überhöht, gab es doch nach Auskunft der RegTP Ende 2002 deutschlandweit nur etwa 30.000 nicht gesperrte qualifizierte Zertifikate, von denen zudem ein Großteil auf die Initiative Niedersachsens zurückgehen dürfte, alle 12.000 Mitarbeiter des Rechnungswesens mit Signaturkarten auszustatten.265 Die Literatur zeigte sich angesichts dieser erheblichen Differenz zwischen Anspruch und Wirklichkeit ratlos. Auf der Suche nach den Ursachen der mangelnden Marktdurchdringung wurden verschiedene Gründe benannt, die jeweils in einem Gebiet verortet wurden, das dem Zugriff und damit der Verantwortung des entsprechenden Autors entzogen war: Die Anbieter ohne Marktzutritt kritisierten die zu hohen Sicherheitsanforderungen, bereits akkreditierte Anbieter bemängelten das Fehlen von Rechtsfolgenregelungen. Beides wurde von am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten zurückgewiesen, die ihrerseits allerdings auch kaum Anlass zur Kritik, jedoch umso mehr Hoffnung auf die zukünftige Entwicklung hatten.266 Die zuständige Behörde vermisste unternehmerisches Engagement,267 Teile der Literatur hingegen Investitionssicherheit, die bei unsicherer Rechtslage infolge der angekündigten Signaturrichtlinie nicht entstehen könne.268 Die Kunden beanstandeten fehlende bzw. fehlerhafte Anwendungskomponenten sowie die unzureichende Schulung der zuständigen Mitarbeiter;269 zudem wurde die Technik als zu schwierig aufgefasst.270 Auch wurde die Vielzahl unterschiedlicher Authentifizierungs- und Autorisierungsmechanismen als die Signaturtechnik behindernd bezeichnet.271 Insgesamt trat eine deutliche Ernüchterung ein, was die Verbreitung der gleichwohl weiterhin einmütig gelobten Signaturtechnologie betrifft. Die Bundesregierung beauftragte schließlich eine Wirtschaftsberatungsgesellschaft, sind keine 100 Zertifikate ausgestellt.“ Vgl. auch Soergel/Marly, § 126a BGB, Rdnr. 1: „Aktuelle Marktstudien ergeben [. . .] ein ernüchterndes Bild.“ Ähnlich Kopp/Ramsauer, § 3a VwVfG Rdnr. 23: „Die Digitale Signatur hat in der Praxis noch nicht die Verbreitung gefunden, wie zunächst erwartet wurde.“ 263 So Welsch, Skalierbare Sicherheit, DuD 1999, S. 522. 264 Vgl. Meinel/Gollan, Signaturen, JurPC 89/2003, Abs. 10. 265 Vgl. auch Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 46a. 266 Roßnagel, Zwei Jahre, NJW 1999, S. 1592 f.; ebenso Bundesregierung, Evaluierungsbericht, BT-Drs. 14/1191, S. 18; kritisch hierzu Fox, Nullmenge, DuD 1999, S. 494. 267 Schwemmer, Frontbericht, DuD 2000, S. 70. 268 Fox, Nullmenge, DuD 1999, S. 494. 269 Kelm, Germany, DuD 1999, S. 526; Schermer, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 94 f. 270 Mankowski, Identität, NJW 2002, S. 2826. 271 Roßnagel, Aktion, MMR 2003, S. 2.

4. Kap.: Verbreitung der Signaturtechnik

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Chancen für die Signatur und Methoden ihrer Marktdurchsetzung aufzuzeigen. Deren Bericht rät ein wenig hilflos vor allem zu massiven Subventionen und gesetzgeberischer Unterstützung unter besonderer Berücksichtigung des öffentlichen Rechts.272 Von anderer Seite wird der kräftige Einkauf privatwirtschaftlich erbrachter Dienstleistungen durch die öffentliche Hand eingefordert, und damit letztlich auch nur eine andere Form der Subventionierung.273

§ 15 Gründe der minimalen Verbreitung Noch heute ist die so genannte „Marktdurchdringung“ minimal. Es gibt kaum Anwendungen und eine verschwindend geringe Zahl von Anwendern.274 Eine erste umfassende Untersuchung zur Akzeptanz elektronischer Signaturen stellte den Weg zur allgemeinen Verbreitung und Nutzung dieser Technik als komplexen Prozess dar, der nicht von einzelnen Aspekten wie den rechtlichen Rahmenbedingungen oder den technischen Gegebenheiten, sondern ebenso von den Erwartungen und dem Nachfrageverhalten der Kunden abhängig ist. Notwendig seien damit frühe Anwendungsfelder, sich daraus ergebende Anreize wie zum Beispiel ökonomische Vorteile sowie die intensive Beratung potentieller Nutzer durch Anbieter der Technik; die rasche und unwiderlegliche Bindung des Signaturschlüssel-Inhabers an signierte Nachrichten wurde demgegenüber als problematisch angesehen.275 Erst in jüngster Zeit wurden jedoch die der Signatur selbst immanenten Gründe für ihre mangelnde Verbreitung aufgezeigt. Sie stellt sich für den ECommerce als nicht notwendig, im Gegensatz dazu sogar als hinderlich heraus: Während die Zertifikate wie auch die zur Signierung notwendigen Komponenten und ihre Implementierung genau wie ihre Benutzung in erster Linie mit finanziellem und zeitlichem Aufwand verbunden sind, fehlt es an Vorteilen, die der Benutzer aus der Verwendung der Signatur ziehen könnte. Im Gegenteil kommt der Mehrwert, der sich aus der Sicherung von Authentizität und Integrität der elektronischen Daten ergibt, zuallererst dem Empfänger der Nachricht zu. Dieser kann sicher auf die Urheberschaft einer Nachricht schließen und diese letztlich sogar Dritten wie dem Gericht gegenüber beweisen. Hiermit korrespondiert eine Verschlechterung der Beweislage für den Verwender, für deren Kosten dieser sogar noch selbst aufkommen müsste.276

272

BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 79 und 84. So Roßnagel, Aktion, MMR 2003, S. 2. 274 Meinel/Gollan, Elektronischer Personalausweis, JurPC 223/2002, Abs. 7. 275 Hillebrand/Büllingen, Erfolgsfaktoren, DuD 2000, S. 82 f. 276 Bizer, Interaktion, DuD 2002, S. 280; Hähnchen, FormG, NJW 2001, S. 2834; Mankowski, Identität, NJW 2002, S. 2827. 273

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

Lohnend wird der Einsatz der Signaturtechnik für den Benutzer daher nur, wenn ihm zumindest Teile des Mehrwertes zukommen. Dies wäre dadurch möglich, dass die elektronische Kommunikation mit bestimmten Empfängern ausschließlich mit Hilfe signierter Nachrichten möglich wäre. Tatsächlich jedoch ist kein Anbieter im E-Commerce in der komfortablen Lage, potentiellen Kunden die Kommunikationsbedingungen diktieren zu können. Die Forderung signierter Nachrichten würde primär Kunden abschrecken. Das höhere Risiko ungesicherter Nachrichten wird aber eher in Kauf genommen als der Verlust eines (potentiellen) Kunden, da es finanziell nur wenig ins Gewicht fällt. Bei hochwertigen Gütern mit entsprechend höherem Risiko kommt es dagegen auf die mit einem Medienbruch verbundenen nur unwesentlich höheren Transaktionskosten nicht maßgebend an.277 Auch in der Phase der Kundenbindung sind elektronische Signaturen aufgrund ihrer Philosophie der sicheren Identifizierung in offenen Netzwerken eher kontraproduktiv: Da die Signatur unabhängig vom jeweiligen Erklärungsempfänger in der Lage ist, den Sender sicher zu identifizieren, sind diese schlechter als auf geschlossene Benutzergruppen setzende Identifizierungsmechanismen in der Lage, die Kunden dauerhaft an einen E-Commerce-Anbieter zu binden. Die vom Gesetzgeber des Signaturgesetzes gewollte „elektronische Mobilität“ mindert damit das Interesse der Anbieter weiter, die elektronische Signatur als Authentifizierungsmechanismus einzusetzen oder gar den Aufwand der Kunden durch Zuschüsse oder Rabatte zu belohnen.278 Mangels Interesse der Anbieter fehlen damit mögliche Anwendungen, deren Vorteile für den Benutzer eine Anschaffung der Signaturtechnik und die intensive Befassung hiermit als lohnenswert erscheinen ließen. Der Preis der Signaturkarte allein trägt nach dieser Kosten-Nutzen-Rechnung nur einen geringen Teil zur minimalen Verbreitung der Technik bei.279

§ 16 E-Government als nunmehriger Hoffnungsträger Es bleibt daher mangels Interesse der Akteure des E-Commerce dem Staat überlassen, die Signaturtechnik durch Forderung und Förderung in bestimmten Bereichen des öffentlichen Rechtes zumindest teilweise durchzusetzen. Aus dieser Perspektive ist daher nicht zu Unrecht von einer „doppelten, hoffnungsvollen Beziehung“ zwischen Signaturtechnik und E-Government gesprochen worden.280 Die Signaturtechnik bedürfe zu ihrer Verbreitung der Anwendungen des 277

Ausführlich hierzu Bizer, Interaktion, DuD 2002, S. 278. Bizer, Interaktion, DuD 2002, S. 278 f.; ebenso Mankowski, Identität, NJW 2002, S. 2827. 279 Zu teilweise erwogenen Leasingmodellen vgl. heise news vom 16.01.2003, heise.de/newsticker/meldung/33714. 278

4. Kap.: Verbreitung der Signaturtechnik

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E-Government als überzeugendem Argument für Wirtschaft und Bürger, die mit der Technik verbundenen ökonomischen und technischen Belastungen auf sich zu nehmen. Ebenso sei die Elektronisierung des Verwaltungshandelns ohne die Sicherung der hierbei ausgetauschten Erklärung hinsichtlich Authentizität und Integrität nicht denkbar. Die Verfechter der Signaturtechnik richten ihre Hoffnungen und Erwartungen daher nunmehr auf den „Staat als Nachfrager und als Anbieter“.281 Ihr verlockendstes Argument lautet hierbei: „Der größte Markt ist der non-market.“282 Vorzeige-Anwendung sind finnische Personalausweis-Chipkarten, die teilweise mit Signaturfunktion ausgestattet sind.283 Nicht zuletzt würde ihnen zufolge auch der elektronische Geschäftsverkehr von einer staatlicherseits geförderten Verbreitung der Signaturtechnik profitieren.284 Einer anderen Auffassung zufolge habe der Staat, vergleichbar seinen wirtschaftlich wie juristisch erheblichen Unterstützungsmaßnahmen der Automobiltechnologie vom Anfang des vergangenen Jahrhunderts bis heute, die Einführung und Durchsetzung der Informationstechnologie nach Möglichkeit durch Komplementärmaßnahmen zu erleichtern. Nur so könne der Wert dieser fortschrittlichen Technik effektiv genutzt werden. Die Förderung der Signaturtechnologie sei eine solche Komplementärmaßnahme.285 Es ist bereits fraglich, ob sich angesichts nur weniger Behördenkontakte tatsächlich viele Bürger der Signaturtechnik bedienen werden, und diese damit durch das E-Government in ihrer Verbreitung befördert werden kann.286 Zudem bleibt die Frage nach den Vorteilen offen, die Staat und Verwaltung aus der Verbreitung der Signaturtechnik und der weitgehenden Verwirklichung des EGovernment ziehen können. Das mangelnde Interesse der Wirtschaft am Einsatz der Signaturtechnik zeigt jedoch, dass diese kein Wert an sich ist, der ohne Rücksicht auf die damit für alle verbundenen Kosten durchgesetzt werden sollte. Die Forderung nach intensivem staatlichen Engagement stellt sich daher bei näherer Betrachtung auch weniger als ein Vorschlag für die Verbesserung und Verbilligung staatlicher Aufgabenerledigung als vielmehr als ein deutlicher Ruf nach Subventionierung eines nicht recht erfolgreichen Wirtschaftsbereiches dar.287 Richtigerweise ist aber allein auf das E-Government und die damit für 280

Roßnagel, Verwaltung I, S. 160; kritisch hierzu Klumpp, Schnittstelle, S. 228. So das Motto der Jahrestagung 2002 der Deutschen Gesellschaft für Recht und Informatik e.V. 282 Jansen/Priddat, Electronic Government, S. 9. 283 Nach Angaben in der Presse hat sich bereits jeder fünfte Finne für die mit zehn Euro zu Buche schlagende Zusatzfunktion entschieden, vgl. heise news vom 16.01.2003, heise.de/newsticker/meldung/33714. 284 Meinel/Gollan, Elektronischer Personalausweis, JurPC 223/2002, Abs. 12; diesbezüglich skeptisch Mankowski, Identität, NJW 2002, S. 2827. 285 Reinermann, Electronic Government, VR 2002, S. 164 ff. 286 Skepsis auch bei Schreiber, Elektronisches Verwalten, S. 193, sowie bei Roßnagel, in: ders., Verwaltung II, S. 151. 281

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1. Teil: Rahmenbedingungen des E-Government

Verwaltung und Bürger verbundenen Vorteile abzustellen. Es ist mit anderen Worten nicht danach zu fragen, was das E-Government für die Signatur, sondern danach, was die Signatur für das E-Government leisten kann. Die hiermit verbundenen Fragen werden im folgenden Abschnitt behandelt. Die gesellschaftliche Verbreitung der Signaturtechnik sollte insgesamt als politisches Projekt von der Einführung des E-Government gelöst werden. Gegen die so genannte Lokomotivfunktion des Staates bei der Durchsetzung dieser Technologie ist zudem zu Recht eingewandt worden: „Wenn keiner mit dem Zug fahren will, braucht man auch keine Lokomotive“.288

287 288

Insoweit besonders eindeutig Roßnagel, Aktion, MMR 2003, S. 2. Bizer, Interaktion, DuD 2002, S. 277.

Z w e i t e r Te i l

Potential der Technik Kapitel 5

Ziele des Interneteinsatzes § 17 „Better government, cheaper government“ Die Ziele des Interneteinsatzes sind, wie gezeigt, neben der Diffusion der Signaturtechnik die Unterstützung der Verwaltungsmodernisierung sowie die Öffnung der Verwaltung für Transaktionen über das Internet, also die Verbesserung der Verwaltungs-Dienstleistungen, und ihre Verbilligung. Die dementsprechende Formulierung des Aktionsprogramms „Moderner Staat – Moderne Verwaltung“, „die Verwaltung muss mehr leisten und weniger kosten“,1 ist eine Übernahme amerikanischer Vorstellungen: „to make government work better and cost less“,2 die auch auf EU-Ebene ähnlich beschrieben wurden: „better government, cheaper government“.3 Anders gesagt: Die Vorteile moderner Kommunikationstechnologie und hier im besonderen des Internets sollen sowohl den Bürgern wie auch der Verwaltung selbst zugute kommen.4 Unter Verbesserung der Verwaltungsarbeit ist in erster Linie eine verstärkte Bürgerorientierung zu verstehen, das heißt eine Öffnung der Behörden gegenüber den Wünschen und Anliegen der Bürger, eine erhöhte Dienstleistungsqualität. Zudem soll die Transparenz der Verwaltung verbessert werden.5 In zweiter Linie ist hiermit jedoch auch eine Verbesserung der politischen Steuerung der Verwaltung gemeint.6 Ein entscheidender Punkt ist weiterhin die Betonung möglicher Kostensenkungen, des „cheaper government“. Diese sind zwar, wie zu einem großen Teil auch die Verbesserungen, zuallererst eine Frage der Reorganisation und Entbürokratisierung des Verwaltungshandelns, und erst an zwei1 Bundesregierung, Moderner Staat. Zum genannten Anspruch siehe auch Battis, Ökonomismus, DÖV 2001, S. 309. 2 Gore, Access America; vgl. oben § 3, Vorreiter Amerika, S. 25. 3 Bangemann-Report; vgl. oben § 4, Schrittmacher Europa, S. 26. 4 Vgl. Schlatmann, Novellierung, S. 61. 5 Bundesregierung, Moderner Staat. S. 2. 6 Zu diesem Aspekt vgl. Riehl/Schwellach, Verwaltungsdienstleistungen, S. 92; ebenso Schedler/Proeller, NPM, S. 231.

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2. Teil: Potential der Technik

ter Stelle ein Problem unzureichender oder fehlerhafter Technisierung. Indes kann der Einsatz moderner Informationstechnologie dieses Ziel unterstützen. Häufig sind die modernen Medien sogar Voraussetzung und unverzichtbares Rüstzeug einer erfolgreichen Rationalisierung der Verwaltung.7 An dritter Stelle wird die Mitarbeitergerechtheit erwähnt, die mit dem Technikeinsatz verbessert werden kann.8 Bei der Verwirklichung dieser Ziele sollen zudem die richtige, das heißt durch Gesetze und Politik vorgegebene, Behandlung der Sache sowie die Wirtschaftlichkeit der Aufgabenerfüllung nicht leiden.9 Im Folgenden sollen diese Ziele, namentlich Verbesserung der Dienstleistungsqualität, Rationalisierung und Mitarbeitergerechtheit, daraufhin untersucht werden, inwieweit die Technisierung zu ihrer Verwirklichung beitragen kann.

§ 18 Verbesserung der Dienstleistungsqualität Das Internet hat die spezifische Fähigkeit, auch größere Mengen an Informationen zu relativ geringen Kosten und in hoher Geschwindigkeit an jedem Punkt des Netzwerkes und damit, bei der heutigen Verbreitung des Mediums, nahezu ubiquitär zur Verfügung zu stellen. Dies ermöglicht eine schnelle und spontane Kommunikation ohne Rücksicht auf Entfernungen ebenso wie den kostengünstigen Zugang zu umfangreichsten Datenbeständen, etwa Archiven und Datenbanken. Dies kann zudem in einem hohen Grad automatisiert und damit ohne Rücksicht auf Ladenschluss- oder Arbeitszeiten, mithin „rund um die Uhr“ und zu geringen Transaktionskosten geschehen. Wesentlich ist hier zuerst die Möglichkeit der Information durch die Verwaltung. Im WWW können die für Außenstehende, seien es Bürger, Unternehmen oder andere Behörden, relevanten Informationen leicht, übersichtlich, aktuell und im Vergleich zu den Kosten einer entsprechend zu verbreitenden Broschüre kostengünstig publiziert werden.10 Hierzu gehören die Aufgaben der Behörde und ihr Sitz sowie ihre Öffnungszeiten, die jeweils einschlägigen Rechtsvorschriften, die Zuständigkeiten, zu verwendende Formulare sowie nachzuweisende Unterlagen oder Dokumente. Weiterhin ist es möglich, häufig gestellte Fragen samt der dazugehörigen Antworten zu veröffentlichen, beispielsweise die übliche Bearbeitungsdauer einer typischen Angelegenheit.11 Neben diesen naturgemäß abstrakten Informationen ist es mit Hilfe der Technik auch mög7

Schedler/Proeller, NPM, S. 227. Vgl. Riehl/Schwellach, Verwaltungsdienstleistungen, S. 92. 9 Killian, Bürokratie, S. 54, nennt dies Sach- und Politikgerechtigkeit sowie Wirtschaftlichkeit. 10 Wirth, Electronic Government, S. 111. 11 Mögliche Informationen listet auf Kubicek, One Stop Government, S. 163; vgl. auch Dieckmann, Herausforderungen, S. 69. 8

5. Kap.: Ziele des Interneteinsatzes

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lich, Informationen individualisiert zu publizieren. So kann, abhängig vom Datum, der nahende Ablauf einer Ausschlussfrist, oder, abhängig vom Standort des Benutzers, die nächstgelegene Behörde genannt werden. Zudem kann, nach entsprechender Authentifizierung gegenüber dem System, der konkrete Bearbeitungsstand eines Anliegens dargestellt werden.12 Ein weiterer Punkt leitet über zur Kommunikation: Das WWW-Angebot kann auch den für eine Angelegenheit zuständigen Sachbearbeiter nennen und eine Möglichkeit aufzeigen, ihn etwa per E-Mail zu erreichen. E-Mail ist eine Form schriftlicher Kommunikation, die aufgrund ihrer kurzen Übertragungszeit, und im Vergleich zum Brief bedeutend geringeren Kosten, ähnlich wie ein Telefonat spontanere Verständigung ermöglicht. Aufgrund der Schriftlichkeit ist die Nachricht jedoch perpetuiert. Es ist daher nicht notwendig, den Kommunikationspartner zu einem bestimmten Moment „am Telefon“ zu haben, die Kommunikation kann zeitlich entkoppelt werden.13 Beides zusammen kann die Bereitschaft zur direkten Kommunikation erhöhen: Einerseits können aufgrund der geringeren Kosten auch kleinere und unbedeutendere Fragen erörtert werden, die einen Brief nicht gelohnt hätten. So sind auch kurze Nachfragen zu bestimmten Unklarheiten etwa eines Antrags möglich. Andererseits bleibt die mit Anrufen verbundene Ablenkung und damit einhergehende Mehrbelastung bei E-Mails aus, was die Bereitschaft erhöhen kann, die E-Mail-Adresse des Zuständigen auch öffentlich bekannt zu geben, sie etwa im WWW zu publizieren.14 Schließlich ist die Möglichkeit zu nennen, ganz ohne physischen Kontakt zwischen Bürger und Behörde oder auch nur den Austausch von Schriftstücken rechtserhebliche Transaktionen durchzuführen. Insbesondere in Antragsverfahren wie zum Beispiel dem BAföG kommt es regelmäßig nur zu einem Versand von Dokumenten. Dies kann, die entsprechenden Autorisierungsmechanismen wie die Signatur vorausgesetzt, auch durch den Austausch von E-Mails substituiert werden. An erster Stelle ist hier die Chance zu nennen, die Zahl der notwendigen Behördengänge zu verringern.15 Dies erspart viele unnötige Wege und überflüssige Wartezeit.16 Die Bürger sollen ihre Verwaltungskontakte „on line“ abwickeln können, statt „in line“ warten zu müssen.17 Hinzu kommt, dass aufgrund der gesetzlichen Kompetenzordnung häufig verschiedene Stellen für 12 Klumpp, Schnittstelle, S. 223; Boehme-Neßler, Electronic Government, NVwZ 2001, S. 374; Eifert, Organisationsaufgabe, ZG 2001, S. 115; Holznagel/Krahn/Wertmann, Electronic Government, DVBl. 1999, S. 1477. 13 Reinermann, Vernetzte Verwaltung, Die Verwaltung 1995, S. 12; Wirth, Electronic Government, S. 111; ähnlich Eierhoff, E-Government, S. 28. 14 Zum „Telefonverzeichnis als Dienstgeheimnis“ siehe Wind, Volk, S. 86. 15 Wind, Volk, S. 81; Grabow/Floeting, Wege, S. 83; ähnlich Dieckmann, Herausforderungen, S. 70. 16 Wirth, Electronic Government, S. 114. 17 Jansen/Priddat, Electronic Government, S. 14.

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2. Teil: Potential der Technik

die in einer Lebenslage auftretenden Probleme zuständig sind.18 Die Digitalisierung und Abwicklung der verschiedenen Behördenkontakte über das Internet ermöglicht die Zusammenfassung verschiedener Transaktionen nach den Bedürfnissen des Bürgers auf zentralen Webseiten, so genannten Portalen.19 Zudem können Behördengänge, die außer in klar strukturierten Massenvorgängen mit festgelegten Formularen weiterhin erforderlich sein werden, mit Hilfe der neuen Techniken wirkungsvoll vorbereitet werden, indem sich Sachbearbeiter und Bürger bereits im Vorfeld etwa per E-Mail über die wesentlichen Punkte des Anliegens und die dafür benötigten Informationen und Nachweise verständigen.20 So kann die Behördenarbeit sachgerechter werden, indem sie den Einzelfall und dessen Besonderheiten besser berücksichtigt. Ein Vorteil des digitalisierten Antrags im Gegensatz zum schriftlichen ist für den Bürger weniger die erhöhte Geschwindigkeit der Übertragung, die durch die ohnehin notwendige zeitaufwendige Antragsbearbeitung kaum ins Gewicht fallen dürfte. Doch wird so der für beide Seiten lästige Medienbruch vermieden, der im Ausdrucken der in den Computer eingegebenen Daten und nach Übersendung des Schriftstücks in deren Redigitalisierung liegt. Besonders für Unternehmen mit einer Vielzahl von Behördenkontakten kann die Notwendigkeit, papierne Kopien von Anträgen, Bescheiden und ähnlicher Korrespondenz für Beweiszwecke vorhalten zu müssen, zur deutlichen Platz- und Kostenfrage werden. Demgegenüber nimmt die Speicherung digitaler Daten kaum Raum ein. Zudem ermöglicht die Signatur die sichere Autorisierung auch ohne manuelle Unterschriftsleistung vor einer Amtsperson.21 Weiterhin ist der „virtuelle Sachbearbeiter“ denkbar, ein Programm etwa auf der Homepage der Behörde, das mit Hilfe leicht verständlicher Fragen beim Ausfüllen des online bereit gehaltenen Formulars hilft und die Antworten zu den häufigsten Fragen parat hat. Außerdem ermöglicht die Digitalisierung das Ausfüllen der Formulare mit Hilfe spezieller Software, sei es die Auftragsbearbeitung eines Autohändlers, der seinen Kunden die Anmeldung abnehmen möchte, oder die Buchhaltung, die zum Ausfüllen der Steuerformulare benutzt wird. Schließlich kann so eine individualisiertere Vorgangsbearbeitung jenseits starrer Formularschemata verwirklicht werden: Nicht jeder Fall lässt sich bei der Gestaltung eines Standardformulars berücksichtigen. Bei einer Eingabemaske, die erst im Laufe der Bearbeitung je nach den bis dahin eingegebenen Daten zusammengestellt wird, lassen sich demgegenüber die für die Entscheidung notwendigen Daten sehr viel präziser und individueller abfragen.

18 19 20 21

Grabow, Ökonomische Aspekte, S. 40. Hierzu Reinermann/Lucke, Portale. Wind, Volk, S. 84; Wirth, Electronic Government, S. 111. Dieckmann, Herausforderungen, S. 70.

5. Kap.: Ziele des Interneteinsatzes

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Das Interesse an Online-Transaktionen ist aus diesen Gründen, folgt man Nutzerbefragungen, bei Bürgern und der Wirtschaft groß.22 Einigen Autoren zufolge sind Online-Angebote geeignet, die Standortqualität zu verbessern und Wirtschaftsunternehmen anzuziehen.23 Angeblich machen schon heute große Autohäuser ihre Niederlassung davon abhängig, ob sie ihre Fahrzeuge elektronisch anmelden können.24 Umfragen zur tatsächlichen Nutzung von Online-Behördenangeboten zeigen indes eine große Zurückhaltung der Bürger: Während immerhin jeder fünfte Befragte angab, das Internet-Informationsangebot der Verwaltung zumindest einmal in den vergangenen zwölf Monaten genutzt zu haben, waren es nur sieben Prozent, die die Möglichkeit des Formular-Downloads wahrnahmen. Transaktionen schließlich führten nur vier Prozent der Befragten im Jahr vor der Befragung durch.25

§ 19 Zwang zur Verwaltungsmodernisierung I. New Public Management als Ent-Bürokratisierung Eine effizientere Arbeitsorganisation vermeidet Leerlauf und unnötige Formalismen, die wesentlichen Merkmale bürokratischen Handelns. Während für Max Weber die „rein bureaukratische, also: die bureaukratisch-monokratische Verwaltung“ die präziseste, verlässlichste, berechenbarste und daher rationalste und leistungsfähigste Form der Verwaltung darstellte,26 ist es heute tatsächlich nur bis zu einem gewissen Grad möglich, die komplexe Lebenswirklichkeit in starren Organisationen und vorgegebenen, formal-rechtlichen Handlungsabläufen zu erfassen und zu berücksichtigen. Eine rein bürokratische Verwaltungsarbeit wird damit ineffizient, da sie ungeachtet der im Einzelfall rationellsten Herangehensweise festgelegten, notwendig abstrakten und schematischen Handlungsmustern folgt. Sie ist unflexibel und erscheint entmenschlicht, da sie weniger am Ergebnis als an der korrekten Befolgung des vorgegebenen Verfahrens interessiert ist.27 So wird Ineffizienz befördert und eine sachgerechte Entscheidung er22 Kubicek/Hagen, Interaktive Rathäuser, S. 12 ff.; Grabow/Floeting, Wege, S. 83; Jörs, Digitalisierung, VR 2002, S. 152. Vgl. auch Emnid, (N)Onliner-Atlas 2002, S. 60: Danach sprechen sich mehr als 85% der befragten Internetnutzer für ein „digitales Rathaus“ aus. 23 Bieser, Neues Signaturgesetz, DStR 2001, S. 33; Siegfried, Online-Dienstleistungen, S. 26; Wirth, Electronic Government, S. 111. 24 Bieser, Neues Signaturgesetz, DStR 2001, S. 33. Die Aussage ist zweifelhaft, da die elektronische Anmeldung doch aus juristischen Gründen bislang so gut wie ausgeschlossen war, und nur aufgrund eines Experimentiergesetzes in Baden-Württemberg im Frühjahr 2002 das erste Auto elektronisch zugelassen werden konnte, vgl. Geis, Schuldrechtsreform, NVwZ 2002, S. 391. 25 Vgl. MMR aktuell 1/2003, S. XII, unter Verweis auf die Studie von Taylor Nelson Sofres, Government Online. 26 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 128.

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2. Teil: Potential der Technik

schwert. Dies stellte zwar auch Max Weber fest, er versteckte seine Erkenntnis jedoch in einem Klammerzusatz: „Daß der bürokratische Apparat auch wieder bestimmte Hemmungen für eine dem individuellen Fall angepaßte Erledigung erzeugen kann und tatsächlich erzeugt, gehört im Einzelnen nicht hierher.“28 Die abnehmende Effizienz lässt sich nicht zuletzt an der stetig steigenden Zahl an Mitarbeitern trotz einer gleichbleibenden Menge an Aufgaben ablesen.29 Dies ist in einer zunehmend komplexen, mehr und mehr individualisierten Gesellschaft unzureichend, in der zudem dem Staat eine immer größere Bandbreite an Aufgaben übertragen oder von diesem usurpiert wird.30 Eine mit Hilfe neuer Modelle wie dem New Public Management NPM rationalisierte Verwaltung stellt demgegenüber neben dem Wie vermehrt das Was, das Ergebnis des Verwaltungshandelns in den Vordergrund der Aufmerksamkeit, ist insoweit Output-orientiert.31 Außenstehende, ob Bürger, Wirtschaftsunternehmen oder andere öffentliche Stellen, werden hierbei als Kunden der Verwaltung betrachtet, denen gegenüber Dienstleistungen zu erbringen sind und die, soweit sie mit der Leistung zufrieden sind, die Verwaltung und ihre Arbeit subjektiv legitimieren.32 Diese Akzeptanz der einzelnen staatlichen Maßnahme soll das Ziel der Verwaltungsarbeit sein.33 Die Verwaltung habe sich den Vorstellungen des NPM zufolge als Anbieterin von Produkten auf einem Markt zu bewähren. So suchte sie selbst automatisch die effizienteste Problemlösung.34 Entscheidend sei insbesondere die Delegation von Verantwortung für das Wie der Aufgabenerfüllung auf die Sachebene, die mit Zielvorgaben und Kontrakten sowie zunehmender Abhängigkeit von der Benutzerakzeptanz zur effizienten Erfüllung der ihr nur in den Zielen vorgegebenen Aufgaben angehalten wird. Damit werde das „Hochschieben“ von Konflikten bis schließlich zum Steuerzahler erschwert und die Bereitschaft gefördert, naheliegende Reformpotentiale zu nutzen.35 Zur Umsetzung dieser Konzepte, die im Wesentlichen auf unabhängig voneinander agierenden und damit notwendigerweise auch auf autonome Informationsbeschaffung ebenso wie auf einen gegenseitigen Informationsfluss angewiesene Stellen bauen, bedarf es des vermehrten Technikeinsatzes in der Form von 27 Schedler/Proeller, NPM, S. 4 und 17; leichte Kritik („nicht unbedingt [. . .] flexibel“) auch bei Battis, Ökonomismus, DÖV 2001, S. 310. 28 Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 562. 29 Schedler/Proeller, NPM, S. 28. 30 Schedler/Proeller, NPM, S. 26; ähnlich bereits Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, S. 561. 31 Schedler/Proeller, NPM, S. 4. 32 Schedler/Proeller, NPM, S. 10. 33 Schedler/Proeller, NPM, S. 12. 34 Schedler/Proeller, NPM, S. 20. 35 Reinermann, Internet, DÖV 1999, S. 22.

5. Kap.: Ziele des Interneteinsatzes

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Computer- und Datennetzen. Ebenso jedoch, wie sich das Potential der modernen Medien für die Modernisierungsbestrebungen verwenden lässt, sind auch die Ziele der mit E-Government und NPM betitelten Modernisierungsbestrebungen einander so ähnlich, dass beide einander zu bedingen scheinen. Teilweise wird „E-Government“ auch als „NPM mit technischen Mitteln“ bezeichnet.36 Die Reichweite des NPM-Konzeptes ist jedoch beschränkt. Es ist nicht in der Lage, den gesamten Aufgabenbereich der öffentlichen Verwaltung hinreichend abzubilden. Selbst in Bezug auf die hier interessierende Außenbeziehung der Verwaltung ist insbesondere die Grundannahme, Verwaltungshandeln habe Dienstleistungsqualität, nicht stringent durchzuhalten, da nicht jede Verwaltungstätigkeit Dienstleistung und nicht jeder Bürger Kunde ist. Oft, etwa im Polizeirecht, ist ein Handeln im Interesse aller oder des Rechtsfriedens notwendig, was erfordert, die Freiheiten Einzelner einzuschränken. Als Beispiele mögen Langzeitarbeitlose, drogenabhängige Jugendliche und Störer der öffentlichen Sicherheit und Ordnung dienen.37 Das Verständnis der Verwaltungs-Bürger-Beziehung als eine Dienstleister-Kunden-Beziehung reduziert den Bürger ferner auf einen Kunden, der nur seinen geringen Anteil der Marktmacht geltend machen kann und nicht subjektive Rechte, die die Verwaltung gewährleisten und erfüllen muss.38 Für den Einsatz des Internets im Kontakt der Verwaltung zum Bürger lässt sich dem Verständnis dieser Beziehung als der eines Dienstleisters zum Kunden jedoch insofern Maßgebliches entnehmen, als hier wie dort die Kooperation im Vordergrund steht, derweil konfrontative Situationen nur sehr schwer denkbar sind. Die Versorgung der erwähnten Langzeitarbeitslosen und der drogenabhängigen Jugendlichen lässt sich eben kaum mit Hilfe des Internets oder der Signatur beschleunigen, verbessern oder modernisieren. Nur selten dürfte es möglich sein, auf diesem Weg einem Störer zu begegnen und die von ihm verursachte Gefahr wirkungsvoll zu beseitigen, etwa durch Androhung von Zwangsmitteln für den Fall des Nicht- oder Zuwiderhandelns. Dies mag in einem von Zusammenarbeit geprägten langfristigen Verhältnis zwischen Bürger und Verwaltung noch eher möglich sein. So kann etwa der Betreiber einer Anlage nach dem Atomgesetz oder dem Bundes-Immissionsschutzgesetz mit guten Erfolgsaussichten auch elektronisch auf Unregelmäßigkeiten hingewiesen und zur Korrektur aufgefordert werden. Die Abschiebung eines Ausländers in der Form einer E-Mail ist dagegen kaum vorstellbar. Mit anderen Worten: Soweit sich die Verwaltung-Bürger-Beziehung mehr oder weniger als eine Dienstleister-Kunde-Beziehung beschreiben lässt, scheint eine Elektronisierung der Kommunikationsbe36 Schedler/Proeller, NPM, S. 231; im Einzelnen siehe unter § 19 II. Internet als Katalysator der Modernisierung, S. 88. 37 König, Governance, DÖV 2001, S. 619. 38 Lynen, Postmoderne, HFR 10/1999, S. 2.

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2. Teil: Potential der Technik

ziehungen möglich. In diesen Bereichen können sich beide Modernisierungstendenzen daher tatsächlich gegenseitig beflügeln und verstärken. Andere, wesentliche Bereiche öffentlicher Verwaltungstätigkeit sind demgegenüber von der Elektronisierung ebenso ausgeschlossen wie das NPM. II. Internet als Katalysator der Modernisierung Verwaltungsmodernisierer sehen im Internet ein Mittel nicht allein des technologischen Wandels. Ihnen zufolge werden auch Konzepte wie das NPM durch die sich entwickelnde Computertechnik befördert. Die zielorientierte und von konditionalen Handlungsanweisungen losgelöste Verwaltung ist auf eine gewisse Flexibilisierung der Kompetenzen und Informationen angewiesen. Dies macht eine leistungsfähige Kommunikations- und Informationstechnologie notwendig.39 Zudem besteht die Möglichkeit, dass dank moderner Rechentechnik die bislang vorherrschende bloße Automation bestehender Strukturen von einer weitgehenden Informatisierung abgelöst wird, mit Hilfe derer Verantwortungsdelegation und leistungsorientiertes Arbeiten, doch vor allem die Ausrichtung der Behörden auf die Bürger und ihre Wünsche ermöglicht werden. So kann die Dienstleistungsqualität erhöht werden.40 Zugleich kann die Vernetzung der Verwaltung die Modernisierung im Sinne einer Umgestaltung nach den Ideen des NPM befördern. Verwaltungswissenschaftler nehmen an, dass der Anschluss der Behörden an und die Abwicklung ganzer Geschäftsprozesse über das Internet die Verwaltung zu einer Rationalisierung und Neuausrichtung ihrer Tätigkeit zwingen kann.41 Nach den Ideen des NPM soll sie sich an den in der Wirtschaft bewährten Managementmethoden orientieren, namentlich Output, Budgetierung, „schlanke Verwaltung“.42 Im Zentrum der Bemühungen steht damit bei beiden Konzepten, dem des NPM wie dem des E-Government, der Bürger, der in erster Linie als Kunde eine staatliche Dienstleistung nachfragt. Diese sei, im Rahmen der Gesetze, so effizient und bürgernah wie möglich zu erbringen.43 Hierzu gehöre nicht zuletzt aufgrund der damit ermöglichten Vorteile die Informationstechnik mit dem Internet. Diese böte die Chance, die Verwaltung in ein modernes Dienstleistungsunternehmen zu verwandeln. Ferner wird teilweise angenommen, der Anschluss an das Internet führe zu einer Beschleunigung der Verwaltungsarbeit. Angesichts der minimalen Ver39

Schedler/Proeller, NPM, S. 227. Riehl/Schwellach, Verwaltungsdienstleistungen, S. 94. 41 Wirth, Electronic Government, S. 111; Wimmer/Traunmüller, Geschäftsprozessmodellierung, S. 21 f. 42 Vgl. Riehl/Schwellach, Verwaltungsdienstleistungen, S. 92. 43 Boehme-Neßler, Electronic Government, NVwZ 2001, S. 375. 40

5. Kap.: Ziele des Interneteinsatzes

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sandzeit einer E-Mail seien Internetnutzer daran gewöhnt, Informationen sofort zu bekommen und auch auf Antworten zu in E-Mails gestellten Fragen nicht lange warten zu müssen. Dies zwänge im Internet vertretene Behörden wie ECommerce-Anbieter zu einer der Geschwindigkeit des Mediums angepassten Bearbeitung der an sie herangetragenen Fälle.44 Über die rasche Beantwortung eingehender E-Mails mit Standardschreiben hinaus meint dies die detaillierte doch effiziente inhaltliche Auseinandersetzung mit einem Fall und seine schnelle Lösung.45 Die Verfügbarkeit von Informationen auf allen Ebenen ließe schließlich Hierarchien als obsolet erscheinen, und Spezialistenwissen könne weiträumiger und letztlich effizienter zur Verfügung gestellt werden.46 So können Organisationen kleinteiliger und schlanker, und damit insgesamt flexibler werden. Die Arbeit würde in Netzwerken, Projekten und Teams organisiert und weniger formal als vielmehr informell koordiniert. Ob indes das bloße Potential neuer Medien tatsächlich zu einer Veränderung der Verwaltungsstruktur führt, ist zweifelhaft. Die Beharrungstendenz und die Veränderungsresistenz der Bürokratie sind sprichwörtlich; sie sind nicht durch bloße Technik zu überwinden, noch weniger allein durch die sich mit dieser bietenden Möglichkeiten. Die der Technik zugeschriebene Katalysatorwirkung für Veränderungen lässt sich für die Vergangenheit nicht belegen. Im Gegenteil zeigen Untersuchungen der Verwaltungswissenschaft eine Verstetigung und Verfestigung bürokratischer Strukturen durch den Technikeinsatz. Die rationale Arbeitsweise der Bürokratie wurde unterstützt, und zudem wurde ihre Formalisierung verstärkt, nicht zuletzt aufgrund der Bürokratie und Computerprogrammen gemeinen konditionalen Arbeitsweise. Eine Verbesserung der Arbeit war nur in strukturierten Massenanwendungen zu beobachten.47 Mit der Technisierung allein ist es deswegen nicht getan, sie muss in ein umfassendes Modernisierungskonzept eingebettet sein, das primär die Organisation berücksichtigt.48 III. Portale und Lebenslagen Große Bedeutung in der Modernisierung der Verwaltungsorganisation wird der Überwindung der Nachteile zugemessen, die mit der heute gegebenen komplexen Zuständigkeitsordnung einhergehen. Diese ist, mag sie verwaltungsintern 44

Bieser, Neues Signaturgesetz, DStR 2001, S. 33. Vgl. Deutscher Städtetag, Rathaus, S. 11: In dieser „Zukunftsvision“ wird eine per E-Mail gestellte Bauvoranfrage nach nur einer Woche bearbeitet zurückgesandt. 46 Schedler/Proeller, NPM, S. 228 f.; ähnlich Riehl/Schwellach, Verwaltungsdienstleistungen, S. 93 f. 47 Ausführlich Kuhlmann, Computerbürokratie, S. 67. 48 Vgl. Killian, Bürokratie, S. 63; ebenso Riehl/Schwellach, Verwaltungsdienstleistungen, S. 93; Wirth, Electronic Government, S. 119. 45

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2. Teil: Potential der Technik

auch in einem gewissen Grad überschaut werden können, für den nur selten mit Behörden in Kontakt tretenden Bürger kaum offenbar, zumeist sogar unbekannt. Er hat selten „intime Kenntnisse des Geschäftsverteilungsplans der Stadtverwaltung“.49 Nicht wenige Bürger fühlen sich demzufolge „von Pontius zu Pilatus“ geschickt. Sie interessieren sich auch wenig für staatliche Kompetenzregelungen, sondern suchen vielmehr ressortübergreifend einen Ansprechpartner für die Lösung ihrer Probleme. Statt hunderter Verwaltungsstellen wünschen sie sich alle Dienstleistungen aus einer Hand – ein One Stop Government.50 Dies muss keine reale Stelle, sondern kann genauso gut auch eine Telefonnummer sein oder eine Internetseite, welche die relevanten Informationen bereithält.51 Neben Suchmaschinen sind es insbesondere redaktionell aufbereitete Portale, die den Nutzern den Weg durch das Dickicht der unzähligen Webseiten des Internets weisen. Angesichts der vergleichbaren Problemstellung werden Portale auch als zentraler Zugang zum verzweigten und unübersichtlichen Behördenangebot und zum Wissen der Verwaltung empfohlen.52 Hierbei muss es nicht allein bei einer übersichtlichen Informationsdarstellung bleiben. Die Realisierung eines zentralen Transaktionsservers, der digitalisierte Anträge der verschiedenen Behörden bereithält, ist ebenfalls möglich. Diese können dann online ausgefüllt und autorisiert sowie anschließend den jeweiligen Behörden zugeleitet werden – ohne dass der Benutzer deren Adresse, Öffnungszeit oder auch nur Zuständigkeit kennen müsste.53 Insoweit ist das Konzept den in vielen Kommunen eingerichteten Bürgerämtern und Bürgerbüros vergleichbar.54 Leichter als bei diesen ist jedoch bei Internet-Portalen eine datenschutzgerechte Gestaltung der zentralen Anlaufstelle für den Bürger möglich: Bei Bürgerbüros wird die informationelle Gewaltenteilung oft nicht hinreichend beachtet oder kann nicht vollständig gewährleistet werden. Dies vor allem, wenn wenige Mitarbeiter vor Ort eine Vielzahl von Fällen aus unterschiedlichen Rechtsgebieten bearbeiten. Eine solches verhindernde Gestaltung, in der das Bürgerbüro nur eine erste Anlaufstelle, nicht jedoch die den Fall letztlich bearbeitende Behörde darstellt, sie die Unterlagen vielmehr an die Fachverwaltungen im „back office“ weiterreicht, ist jedoch recht schwerfällig.55 Portale hingegen können die Vorteile beider Varianten vereinen, indem sie unter einer einheitlichen Oberfläche die Angebote der verschiedenen Fachverwaltungen präsentieren. So lässt sich der problematische 49

Grabow/Floeting, Wege, S. 83. Henderson-Davis/McCracken, Neubraunschweiger, S. 25. 51 Kubicek, One Stop Government, S. 163. Zu Call Centern siehe Dieckmann, Herausforderungen, S. 73. 52 Bieser, Neues Signaturgesetz, DStR 2001, S. 33; ausführlich Reinermann/Lucke, Portale. 53 Das Modell eines solchen Servers beschreibt Lucke, Portale, S. 31. 54 Zu diesen siehe F. Kirchhof, Bürgerämter. 55 Vgl. ausführlich F. Kirchhof, Bürgerämter, S. 51 ff. 50

5. Kap.: Ziele des Interneteinsatzes

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Wissenstransfer vermeiden. Ebenfalls ist die Zwischenschaltung des Bürgerbüros entbehrlich, ohne dass dessen Koordinierungs- und Hilfefunktion aufgegeben werden müsste. Unabhängig von der zur Realisierung einzusetzenden Technik ist es jedenfalls nach allgemeiner Überzeugung wichtig, von einer typischen Lebenslage der Bürger auszugehen, und alle damit zusammenhängenden Informationen und Dienstleistungen an einer Stelle zusammenzufassen.56 Als Beispiel einer solchen Lebenslage, die viele Behördenkontakte notwendig mache, werden wiederholt der Umzug und der Kauf eines Autos genannt.57 IV. Der „aktivierende Staat“ Die Diskussion um die Verwaltungsmodernisierung wurde lange Zeit von einer Neubewertung staatlicher Aufgaben geprägt. Nachdem dem modernen Sozialstaat stets mehr und mehr Aufgaben zugewiesen wurden, erwies sich dieser der Komplexität der ihm übertragenen Angelegenheiten immer weniger gewachsen. Die steigende Staatsquote und damit einhergehend die stetig wachsende Steuerlast wurden als unbefriedigend und wachstumshemmend aufgefasst. Auch stets neue Verwaltungsmodernisierungen konnten die Effizienz staatlichen Handelns nicht im erforderlichen Maß verbessern. Insbesondere in den 1980er Jahren wurde daher zunehmend die Quantität der Staatsaufgaben hinterfragt. Jahrzehntelang als selbstverständlich angesehene staatliche Infrastrukturbetriebe wurden in einer beispiellosen Privatisierungswelle entstaatlicht – die Stichworte Flugsicherung, Eisenbahnen, Telekommunikation, Post, Strom, Gas und Wasser zeigen den großen Umfang des Rückzugs des Staates; andere Bereiche wie der Straßenbau und die Universitäten sind weiterhin in der Diskussion.58 Im Rahmen dieser Aufgabenkritik wurde das Schlagwort vom „aktivierenden Staat“ geprägt, der seiner Verantwortung für das Vorhandensein und Funktionieren einer allgemein verfüg- und bezahlbaren Infrastruktur nicht dadurch nachkommen muss, dass er diese selbst herstellt und unterhält. Vielmehr genügt es, dass er die wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen schafft, unter denen Private diese für die Gesellschaft wesentlichen Leistungen bereitstellen. Als Mittelweg ist auch die staatliche Finanzierung privat erbrachter Leistungen möglich. Der Staat kann damit von der Durchführungsverantwortung befreit werden, soweit er die Finanzierungsverantwortung oder die Gewährleistungsver56

Riehl/Schwellach, Verwaltungsdienstleistungen, S. 96. Reinermann, Portale, S. 2; ebenso Lucke, Portale, S. 13; Riehl/Schwellach, Verwaltungsdienstleistungen, S. 98. 58 Zur Privatisierung der Universitäten vgl. zum Beispiel Battis/Grigoleit, Universität, ZRP 2002, S. 65 m. w. N.; zum privatwirtschaftlich finanzierten Autobahnbau siehe Roßnagel/Pordesch, Mautsysteme, S. 112. 57

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antwortung übernimmt. Ein Staat, der lediglich Kernaufgaben wahrnimmt und für die anderen wesentlichen Aufgaben nur noch die Rahmenbedingungen schafft, wird Gewährleistungsstaat genannt.59 Das Schlagwort vom „aktivierenden Staat“ ist auch heute noch aktuell.60 Es hat indes im Rahmen der E-Government-Diskussion eine ganz neue, unverhoffte und gleichsam banalere Färbung erhalten: Es soll nicht mehr allein die Wirtschaft aktiviert werden, infrastrukturelle Großprojekte zu finanzieren und zu unterhalten, oder die Bürgerschaft, Verantwortung für ihre Nachbarschaft zu übernehmen. Nun soll vielmehr der Bürger als „Kunde“ der Verwaltung ermuntert werden, administrative Aufgaben teilweise selbst zu erledigen. Vorbild ist hier die Bankwirtschaft, die stark strukturierte Massenvorgänge im Giroverkehr über Homebanking und Serviceautomaten durch die Kunden selbst erledigen lässt. Die damit erreichten erheblichen Einsparungen werden teilweise an die Kunden weitergereicht. Dank geringer Gebühren werden so auch selbständig durchgeführte Börsengeschäfte für viele Kunden insbesondere der Direktbanken attraktiv. Dies trifft sogar trotz des damit verbundenen Weniger an Beratung und Mehr an Arbeit zu.61 Die zuvor selbstverständliche persönliche Beratung sei nach Ansicht von E-Commerce-Anbietern im Internet ein Mehr an Service, das die Kunden speziell honorierten und bezahlten.62 Vermehrt wird dieses Modell auch für die öffentliche Verwaltung empfohlen, die auf diesem Weg Arbeit und Kosten auf den Bürger überwälzen und zudem den Eindruck von Modernität vermitteln könne.63

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Schedler/Proeller, NPM, S. 35; Köster, Governance, VR 2002, S. 228. BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 75; Köster, Governance, VR 2002, S. 225. 61 Kritisch insoweit Haft, Informationsgesellschaft, S. 37 bzw. S. 539: „,Electronic Banking‘ bedeutet beispielsweise nichts anderes, als dass der Bankkunde nicht mehr am Schalter beraten wird, seiner Bank Arbeit abnimmt, dafür Gebühren bezahlt und bei alledem noch zum Abbau von Arbeitsplätzen im Bankgewerbe beiträgt.“ 62 Vgl. Eierhoff, E-Government, S. 28, der eine moderne Variante des herkömmlichen Verkaufsgesprächs erläutert: Im Internetangebot des Bertelsmann-Buchclubs wurde ein so genanntes „DirectTalk in das Internet-Angebot integriert. Als Mitglied stellen Sie eine individuelle Frage und Sie erhalten im direkten Kontakt mit einem Service-Mitarbeiter eine unmittelbare und individuelle Antwort. Das ist aufwendig, wird aber als besonderer und persönlicher Service honoriert.“ 63 Bieser, Neues Signaturgesetz, DStR 2001, S. 34; ebenso Wind, Volk, S. 81; Wirth, Electronic Government, S. 114, der zudem die Internetkosten der Bürger erwähnt. Vgl. auch BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 79; Hagen, Referenzmodell, S. 99 f.; Schedler/Proeller, NPM, S. 227. 60

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§ 20 Mögliche Kostensenkungen I. Vision: Großes Rationalisierungspotential Als Folge der Verwaltungsmodernisierung wird neben der Verbesserung der Dienstleistungsqualität häufig die Rationalisierung der Verwaltungsarbeit und damit einhergehend die Möglichkeit der Ersparnis angesehen.64 So wird angenommen, die gegenwärtig stark strapazierten öffentlichen Haushalte könnten dank des E-Government von großen Teilen der Kosten der öffentlichen Verwaltung entlastet werden.65 Dies nutze der Politik, der auch aufgrund immer neuer finanzwirksamer Aufgaben und eines kostenträchtigen Verwaltungswachstums ein stets kleiner werdender finanzieller Spielraum bliebe. Eine technikunterstützte Verwaltungsreform könne demgegenüber die Handlungsfähigkeit wieder herstellen.66 Teilweise wird dieser Aspekt allein als die Diskussion belebend angesehen: Die Finanzkrise der öffentlichen Haushalte bedinge eine Ökonomisierung der Verwaltung, der gegenüber das Ziel der Verbesserung der Verwaltung in den Hintergrund trete.67 Mit Workflow- und Datenbanksystemen, Inter- und Intranets ergäben sich einigen Stimmen zufolge vielfältige Rationalisierungsmöglichkeiten, insbesondere in Massenverfahren.68 Die Einsparpotentiale seien enorm. So könnten in der Sozialversicherung jährlich Milliarden allein durch eine rationalere Verwaltung eingespart werden.69 Dem entsprechen prozentual große Einsparungen auch im kleinen Maßstab: Wie Erfahrungen aus Kanada zeigten, ginge der Einsatz von Telekommunikationstechnik mit einer bedeutenden Ersparnis pro Dienstleistung einher. Ein Service, der am Schalter $ 1 koste, schlüge, wenn am Telefon erbracht, mit lediglich 50 ¢ zu Buche, und koste bei der Erbringung über das Internet nicht mehr als 10 ¢.70 Einsparungen von bis zu 90% ließen sich einigen Autoren zufolge auch hierzulande realisieren.71

64 Kopp/Ramsauer, § 3a VwVfG Rdnr. 3; Riehl/Schwellach, Verwaltungsdienstleistungen, S. 91; Roßnagel, Verwaltung I, S. 158; Stenner, in: Krahn/Stenner/Werthmann, Kommunen, S. 1; ebenso Wind, Volk, S. 83: „vornehmlich Einsparungs- und Rationalisierungsphantasien.“ Vgl. auch Gore, Access America sowie den Bangemann-Report. 65 Reinermann, Verwaltungsreform, S. 21. Ironisch Klumpp, Schnittstelle, S. 223. 66 Knörig, Dienstleistungen, S. 94. 67 König, Governance, DÖV 2001, S. 618; ebenso Wind, Volk, S. 83. 68 Siegfried, Online-Dienstleistungen, S. 22. 69 Bieser, Neues Signaturgesetz, DStR 2001, S. 32. Ebenso ders. in einem Zeitungsinterview, vgl. Wirth, Electronic Government, S. 112 mit FN 4: 10% Einsparung bei einem Volumen von zehn Milliarden DM. 70 Henderson-Davis/McCracken, Neubraunschweiger, S. 35. 71 Wirth, Electronic Government, S. 112 mit FN 4.

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II. Keine bloße Technisierung Auch diese Zahlen sind jedoch nur Schätzungen, sie beruhen auf bloßen Annahmen. Konkrete, nachvollziehbare Aussagen lassen sich bereits deshalb nur schwierig treffen, weil der öffentlichen Verwaltung eine betriebswirtschaftliche Kosten- und Nutzenrechnung weitgehend fehlt.72 Gleichwohl bestehen gravierende Bedenken gegen die Annahme, eine höhere Technisierung führe gewissermaßen zwangsläufig zu geringeren Kosten der Leistungserbringung. Einerseits bestehen die gravierendsten monetären Vorteile des Interneteinsatzes in der Wirtschaft in der Senkung der Transaktionskosten, die das Handeln selbst über große Entfernungen auch dann noch wirtschaftlich sein lassen, wenn die Einzelumsätze nur gering sind. Voraussetzung ist jedoch stets die Automatisierung der Kommunikationsbeziehungen, das heißt ihre Verlagerung auf den Kunden bzw. Computer. So lassen sich beispielsweise die Erfolge von Internetbuchhändlern, Online-Reisebüros oder virtuellen Flohmärkten erklären.73 Eine solche Automatisierung ist jedoch in der öffentlichen Verwaltung aufgrund ihrer Eigenart nur bedingt möglich. Die Vielgestaltigkeit der in der Verwaltung zu lösenden Fälle verhindert bereits eine effiziente „Programmierung“ der Verwaltungsarbeit in Rechts- und Verwaltungsvorschriften, ein Manko, das Bürokratiekritiker hervorheben und mit Output-orientierten Modellen wie dem NPM zu beheben versuchen.74 Um so schwieriger ist es, einen nach dem gegenwärtigen Stand der Technik notwendig konditional arbeitenden Computer zu programmieren, der im Ergebnis effizienter arbeitet.75 Eine Technisierung allein ist damit weder im Hinblick auf eine wirkliche Verwaltungsmodernisierung noch hinsichtlich bloßer Rationalisierungen und Einsparungen hinreichend. Das vorrangige Ziel echter Verwaltungsmodernisierung muss die Neugestaltung der Arbeitsorganisation sein, da nur so wirkliche Effizienzgewinne zu erwarten sind. Der Ausgangspunkt der Betrachtungen darf dabei nicht die Technik, sondern muss vielmehr die Reform der Arbeitsprozesse sein.76 Anderenfalls steht zu befürchten, dass „die Bürokratie bleibt“,77 nur eben mit teuren Computern ausgestattet ist. Indes wird auch das Rationalisierungspotential nicht-technikfokussierter Verwaltungsmodernisierung in Frage gestellt. Teamarbeit zum Beispiel, oft als Mit72 Mangels erwirtschaftbarer Rendite öffentlicher Verwaltungstätigkeit wäre eine betriebswirtschaftliche Buchhaltung auch nur von beschränktem Wert, vgl. Lüder, Triumph, DÖV 1996, S. 95. 73 Nur beispielhaft seien benannt amazon.de, last-minute.de und ebay.de. 74 Killian, Bürokratie, S. 53; ähnlich Reinermann, Internet, DÖV 1999, S. 21. 75 Vgl. Klumpp, Schnittstelle, S. 230. 76 Grabow/Floeting, Wege, S. 75; ebenso Klumpp, Schnittstelle, S. 227; Killian, Bürokratie, S. 56; Wind, Volk, S. 85. 77 So Killian, Bürokratie, S. 62.

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tel zur Verbesserung der Effizienz empfohlen,78 ist nicht per se mit Einsparungen, sondern vor allem mit höheren Kosten insbesondere für die gleichmäßige und gute Ausbildung aller Teammitglieder verbunden.79 Leistungsprämien hingegen, die bereits in vielen Bereichen zur Motivierung der Mitarbeiter verwendet werden, schlagen zuallererst als Mehrkosten zu Buche.80 Eine nur von Sparsamkeitserwägungen, häufig zu Lasten der Beschäftigten, getragene Diskussion kann zudem demotivierend wirken.81 Insgesamt darf man wohl „die Rationalisierungsreserven öffentlicher Verwaltungen in monetären Größen nicht überschätzen. Jedenfalls lässt sich mit der ,Flexibilisierungsdividende‘ nicht die Verschuldung des Wohlfahrtsstaates abtragen.“82 Deswegen zu resignieren hieße jedoch, sich einer realistischeren Sicht zu verschließen, die vorhandene Einsparpotentiale erkennt und nutzt. III. Strukturierte Massenanwendungen In Teilbereichen ist die Substituierung menschlicher Arbeit durch Maschinen sinnvoll und mit Effizienzgewinnen verbunden.83 Dies betrifft insbesondere die mechanische Arbeitskraft, die im Laufe der Industrialisierung mit ungeheuren Produktivitätsgewinnen durch Maschinenkraft erst unterstützt, und dann zunehmend ersetzt wurde. Die Fortschritte bei der Automatisierung geistiger Arbeit sind demgegenüber bescheiden geblieben.84 Ein Grund hierfür ist nicht zuletzt, dass eine bloße Mechanisierung auch geistiger Arbeitskraft nur dann effizient möglich ist, wenn diese Arbeit in hohem Maß standardisiert und formalisiert werden kann. In Bereichen, in denen dies möglich ist, werden Computer auch bereits jetzt mit Erfolg eingesetzt; zu nennen sind insbesondere die Steuer- und die Sozialverwaltung, die ohne Computer gar nicht mehr in der Lage wären, den heutzutage anfallenden Datenmassen Herr zu werden. Ein Mehr an Computerisierung allein scheint bereits deshalb nur bedingt erfolgversprechend. Sie träfe primär Bereiche, in denen eine Automatisierung nur mit geringen Effizienzgewinnen verbunden wäre.85 Der Einsatz von Computertechnik kann allerdings die Verwaltungsmodernisierung unterstützen. Besonders verlockend erscheinen dabei die Ideen, mit Hilfe elektronischer Informations- und Kommunikationstechnik einen Teil der 78 79 80 81 82 83 84 85

Vgl. Klumpp, Schnittstelle, S. 231. König, Governance, DÖV 2001, S. 624. Battis, Ökonomismus, DÖV 2001, S. 316. Battis, Ökonomismus, DÖV 2001, S. 317. König, Governance, DÖV 2001, S. 624. Vgl. Wind, Volk, S. 83. Klumpp, Schnittstelle, S. 230; vgl. auch Wind, Volk, S. 83 f. Wirth, Electronic Government, S. 115 mit FN 8.

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von der Verwaltung zu erledigenden Arbeit auf den Bürger abzuwälzen. Bestes Beispiel hierfür ist eine Anwendung aus der Steuerverwaltung, das Programm ELSTER.86 Dieses bietet dem Bürger zwar kaum Vorteile, da gegenwärtig zur Wahrung der Schriftform die Erklärung noch ausgedruckt, unterschrieben und zusätzlich zu den elektronischen Daten an das Finanzamt geschickt werden muss. Gleichwohl wird es intensiv genutzt, was vermuten lässt, dass viele Bürger Interesse daran haben, ihr Finanzamt durch Übernahme eines Teils seiner Aufgaben zu entlasten.87 Den Behörden bleiben auf diese Weise neben dem Eintippen der Daten auch die damit verbundenen Eingabefehler samt aller hiermit zusammenhängenden Reibungsverluste erspart. Dem Beispiel der Steuerverwaltung kann auch in anderen Bereichen gefolgt werden, in denen es der Verwaltung auf die Verwertung sehr stark strukturierter Information ankommt, die genauso gut durch den Bürger in vorgegebene Masken eingetragen bzw. mit Hilfe von Datenbankabfragen abgerufen werden kann. Ein prominentes Exempel ist hierbei das Meldewesen. An-, Ab- und Ummeldung sind formalisierte Verfahren zur Übermittlung bestimmter, gesetzlich festgelegter Daten vom Bürger an die Verwaltung mit nur geringem Beratungsbedarf. Hier ist die Umsetzung entsprechender Verfahren besonders einfach, und auch erfolgversprechend: Der Stadt Hannover erscheint die Einsparung von drei Stellen denkbar, wenn die Hälfte der von der Wirtschaft gestellten Anfragen vollelektronisch bearbeitet werden könnte.88 Gleichzeitig steht das Meldewesen wie auch die An-, Ab- und Ummeldungen von Kraftfahrzeugen stets an der Spitze jener Listen, die den Wunsch der Bürger nach Transaktionsdiensten deutlich machen.89 Ein weiteres Exempel zeigt die Möglichkeiten automatisierter Information der Bürger durch die Verwaltung: Würde der Bearbeitungsstand einer Sache durch den jeweiligen Bearbeiter in einer Datenbank vermerkt, könnte der beteiligte Bürger über das Internet Auskunft über den Sachstand erlangen, auch ohne die Behörde mit Anfragen von ihrer eigentlichen Aufgabe abzuhalten.90 Allerdings ist die Pflege der Datenbank in Form der Eingabe des Bearbeitungsstandes ihrerseits grundsätzlich mit Mehrarbeit für den jeweiligen Bearbeiter verbunden, so dass sich ein Rationalisierungsgewinn erst dann einstellen 86 Hierzu Viefhues, ELSTER, NJW-CoR 1999, S. 214; Weber, ELSTER, NJW 1999, S. 2417. 87 Die Akzeptanz ist beachtlich: Seit dem Start des Projektes sind für nahezu 2,5 Millionen Einkommenssteuererklärungen die Daten auf elektronischem Weg übertragen worden. Die Zahl der Steueranmeldungen ist mit über 25 Millionen noch beeindruckender; Angaben nach https://www.elster.de/ssl/index-projekt.htm am 22.06.2003. 88 Sporleder, Melderegisterauskunft, S. 128 f. 89 Vgl. BR-Drs. 231/00; Grabow/Floeting, Wege, S. 83; Krahn/Werthmann, in: Krahn/Stenner/Werthmann, Kommunen, S. 53; Wirth, Electronic Government, S. 113. Das Interesse an einer automatisierten Melderegisterauskunft illustrieren Meinel/Gollan, Elektronischer Personalausweis, JurPC 223/2002, Abs. 9. 90 Klumpp, Schnittstelle, S. 223 f.

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wird, wenn derartige Anfragen typisch sind, namentlich wenn die Bearbeitung des Antrags mehrere Instanzen erfordert, bzw. wenn die Eingabe des Bearbeitungsstandes automatisch durch das Computersystem der Behörde geschieht. Aus alledem wird deutlich: Eine Überleitung einiger Aufgaben auf den Bürger erscheint bei strukturierten Massenanwendungen denkbar und erfolgversprechend. Viele Bürger bringen derartigen Anwendungen großes Interesse entgegen und sind bereit, zu übertragende Daten selbst aufzubereiten und der Behörde in elektronischer Form zu übermitteln. Im Falle von ELSTER mag die weit verbreitete Nutzung von Steuertipp-Programmen diese Haltung befördern, während im Meldewesen wohl das Interesse im Vordergrund steht, sich einen lästigen Behördengang zu ersparen. Auch die Verlagerung von relevanten Arbeitsschritten auf den Bürger wird jedoch nicht vollständig zu einer Entlastung der Behörden führen können. Die Übertragung der Aufgabe geht nämlich nicht ohne weiteres auch mit der Verlagerung der Kompetenz im Sinne der Befähigung einher, die Behördenarbeit weitgehend eigenständig zu übernehmen. Kaum ein Bürger dürfte gelernter Sachbearbeiter seines eigenen Verwaltungsvorganges sein. Zur Vermeidung von Fehleingaben und Frustration obliegt der Behörde die benutzerfreundliche Gestaltung der Eingabemasken, die zudem mit einem ebenso ausführlichen wie verständlichen Hilfesystem ausgestattet werden müssen. Ferner sollten „Helpdesk“-Lösungen etabliert und betrieben werden, das heißt ein System der Hilfe und Beratung für mit den E-Government-Anwendungen überforderte Bürger.91 Trotz allen hier nur skizzierten Aufwands wird es zu Fehlern in der Bedienung der Anwendungen kommen, die erkannt und beseitigt werden müssen. Dies umso mehr, je mehr sich der jeweilige Vorgang vom Prototyp der standardisierten Anwendung abhebt. Der erhoffte Entlastungseffekt wird damit zu nicht geringen Teilen lediglich zu einer Aufgabenänderung führen: Hilfe und Beratung treten an die Stelle der Sachbearbeitung. Damit steigt die Qualität der Arbeit und wächst zugleich der Anspruch an die Behördenmitarbeiter. IV. Kosten der Technik Die flächendeckende Ermöglichung des E-Government ist demnach keinesfalls mit überwältigenden Rationalisierungsgewinnen für die Verwaltung verbunden. Nur in Teilbereichen lassen sich merkliche Effizienzsteigerungen vorhersagen. Andere Bereiche werden nur geringe Verbesserungen der Verwaltungsarbeit erfahren. Für einen Großteil der Verwaltungsarbeit wird die Einführung eines zusätzlichen Kommunikationsweges zwischen Behörde und Bürger jedoch zuerst einmal höhere Kosten mit sich bringen, sowohl in der An91

Vgl. Schiff, Dispositivo, S. 137; siehe auch Hagen, Referenzmodell, S. 99 f.

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2. Teil: Potential der Technik

fangszeit wie auch im laufenden Betrieb. Es bedarf erheblicher organisatorischer, technischer und damit finanzieller Anstrengungen, um die behördliche Computernutzung den Anforderungen anzupassen, die das beschworene Ziel des E-Government stellt.92 Dies bedeutet nicht geringe Investitionskosten für Technik, Software, Infrastruktur und Schulungen bereits zur Anschaffung der Technik. Ferner dürfen nicht die im laufenden Betrieb entstehenden Unterhaltskosten der komplexen technischen Systeme vernachlässigt werden, die Wartungs- und Schulungskosten beinhalten.93 Die Kosten für die das E-Government ermöglichende Technikausstattung der diversen Behörden auf kommunaler und Landes- sowie Bundesebene lassen sich auch annäherungsweise nicht hinreichend beziffern; konkretere Schätzungen als „millionenschwere Belastungen“94 lassen sich kaum finden. Als Anhaltspunkte lassen sich die Kosten für die im Rahmen des Wettbewerbs MEDIA@Komm verwirklichten Projekte heranziehen: Bremen, Esslingen und der Städteverbund Nürnberg hatten jeweils Ausgaben in Höhe von 32 bis 47 Millionen DM, die teils durch den Projektträger, teils durch Private sowie zum Großteil durch den Bund aufgebracht wurden.95 In keinem der Projekte konnte hierbei ein umfassendes Konzept des E-Government realisiert werden, das den politischen Visionen auch nur nahe gekommen wäre. Auch gegenüber dem ursprünglichen Plan war zum Beispiel das Bremer Projekt ein dreiviertel Jahr im Verzug, was nicht zuletzt auf unerwartete technische und organisatorische Schwierigkeiten in der Realisierung des Konzeptes zurückzuführen war. Als wesentliche Erkenntnis dieser Probleme wurde daher festgehalten, dass ein so ambitioniertes Ziel wie die Einführung des E-Government erhebliche Anstrengungen, viel Zeit und nicht zuletzt hohe Investitionen erfordert.96 Noch heute ist das Bremer Modell nicht bis zur Marktreife entwickelt. Die hierfür notwendigen Kosten sind damit noch als weitaus höher anzusetzen. Auch für den Bund sind zumindest Schätzungen bekannt. Die Kosten des Konzeptes „BundOnline 2005“, mit dem „alle internetfähigen Dienstleistungen der Bundesverwaltung bis zum Jahre 2005 online“ bereitgestellt werden sollen, sind mit 1,65 Milliarden Euro veranschlagt.97 Den Hauptteil der Kosten werden 92

Dieckmann, Herausforderungen, S. 67. Nach Hagen, Referenzmodell, S. 105, sind Finanzierungsschwierigkeiten das Haupthindernis des E-Government. 93 Der Bund rechnet insoweit – neben unbezifferten Schulungskosten – mit „Personalkosten in der Höhe von einer Stelle des gehobenen Dienstes je 1 000 Bedienstete zuzüglich Personalaufwände während der Einführungsphase“, vgl. BT-Drs. 14/9000, S. 29. 94 So Jörs, Digitalisierung, VR 2002, S. 153; ähnlich Sporleder, Melderegisterauskunft, S. 127. 95 Grabow, Ökonomische Aspekte, S. 35. 96 BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 60. 97 BT-Drs. 14/900, S. 29, unter Rückgriff auf Bundesregierung, Umsetzungsplan, S. 46. Hierzu Steglich, BundOnline 2005.

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dabei das Bundesfinanz-, -verkehrs-, -innen- und -wirtschaftsministerium sowie die Bundesanstalt für Arbeit und die BfA tragen.98 Entsprechende Summen sind nur von wenigen Kommunen aufzubringen. Auch werden die Kosten mit abnehmender Einwohnerzahl nicht geringer. Die technischen Anforderungen an Datenschutz und Datensicherheit sind unabhängig von den abzuwickelnden „Stückzahlen“ gleich komplex und teuer. Zwar werden die Vorarbeiten Bremens genutzt werden können. Die Bremer Betreibergesellschaft geht indes von einer kommerziellen Verwertung ihres Produktes aus, welche die enormen Entwicklungskosten amortisieren soll.99 Die Investitionen in Computer- und Netztechnik sind hier nicht einmal eingerechnet. Teilweise wird von einem Gesamtvolumen der kommunalen Investition von mehr als 10 Milliarden Euro ausgegangen.100 Die Kosten der E-Government-Einführung erreichen „Dimensionen, die auch die Möglichkeiten einer Großstadt bei weitem überschreiten.“101 Umso mehr werden die kleineren und kleinsten der 14.197 Kommunen mit den hierfür notwendigen Investitionen schlicht überfordert sein.102 Diese geraten jedoch bei den optimistischen Betrachtungen zum EGovernment regelmäßig aus dem Blickfeld,103 obwohl doch sie die große Mehrheit der Kommunen bilden, denen in erster Linie die entsprechenden Anpassungsleistungen abverlangt werden. In Rede steht letztlich ein Einspringen der Länder oder des Bundes.104 Allerdings sind auch unter den Ländern nur wenige ohne weiteres in der Lage, die für die Einführung des E-Government erforderlichen Mittel aufzubringen. Wirtschaftsberatungsunternehmen empfehlen angesichts der „katastrophalen Finanzlage der öffentlichen Haushalte“ die Beteiligung Privater in Public Private Partnerships.105 Nicht wenige Kommunen legen daher verständliche Zurückhaltung bei der Einführung des E-Government an den Tag. Als „eine Großstadt [. . .], die nicht mit Millionen von Fördermitteln beglückt wird“ und „ihrerseits froh ist, dass sie 98 Zusammen etwa 1,1 Milliarden Euro; vgl. Bundesregierung, Umsetzungsplan, S. 3 und 48. 99 Vgl. die Angaben von Bremen Online Services, bos-bremen.de. 100 Krogmann, E-Government. 101 Sporleder, Melderegisterauskunft, S. 132. 102 BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 55. Wohlfahrt, Elektronisch II, RDV 2002, S. 231, nennt die Zahl von 16.121 Städten und Gemeinden und betont ebenfalls die Gefahr der Überlastung kleinerer und kleinster Kommunen. 103 Vgl. nur die Studie von Mummert, E-Government, S. 13: „Mit der vorliegenden Studie bietet Mummert Consulting einen umfangreichen Überblick über den Status quo der elektronischen Signatur im Kommunalbereich in Deutschland. [. . .] Befragt wurden die 100 größten Städte und Landkreise in Deutschland.“ (Hervorhebung nur hier.) Die dortigen Aussagen zum „E-Government-Budget“ (ebd., S. 15 f. und 66) sind daher nur mit Vorsicht zu betrachten. 104 Krogmann, E-Government. 105 Vgl. FES, eGovernment, S. 9 und 31 ff.

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nicht noch mehr Millionen an Eigenfinanzierung in diesen Bereich reinstecken muss“, beschränkt sich beispielsweise die Stadt Hannover auf eine punktuelle Verbesserung und „Elektronisierung“ solcher Verwaltungsverfahren, die aufgrund ihrer hohen Strukturierung und bereits jetzt weitgehenden Automatisierung hierfür besonders geeignet sind, namentlich im Bereich des bereits erwähnten Meldewesens und der Kfz-Wunschkennzeichen.106 Auch die oft als besonders lohnend beschriebene elektronische Vergabe überfordert selbst mittelgroße Kommunen wie etwa Aachen, die die Realisierung eines derartigen Projektes daher einem privaten Anbieter überlassen musste.107 Die Digitalisierung des Vergabeverfahrens soll nur ein Zusatzangebot an die beteiligten Unternehmen darstellen, besondere Rationalisierungseffekte erhofft man sich in Aachen nicht.108 Auch in Saarbrücken werden kaum Einsparpotentiale gesehen.109 Hinzu kommt ein Weiteres: Die erhoffte und versprochene Rationalisierung der Verwaltungsarbeit führt nur dann tatsächlich auch zu, die Anfangsinvestitionen bezahlt machenden, finanzwirksamen Einsparungen, wenn die dadurch frei werdenden Kapazitäten abgebaut werden, der Verwaltungsmodernisierung also Entlassungen folgen. Dies ist einerseits nicht in dem erhofften Maß möglich: Zwar erscheint es durchaus denkbar, dass durch Rationalisierung Mehrarbeit umgangen, die freiwerdenden Kapazitäten besser gebündelt und im Ergebnis Sachbearbeiter entlassen werden können. Die mit der Computerisierung steigende Abhängigkeit von der Technik zwingt jedoch zur Einstellung von raren und teuren Computerspezialisten, denen Installation und Wartung der Systeme und Schulung der Benutzer obliegt.110 Das Ziel einer bürgerfreundlichen Verwaltung erfordert zudem in immer stärkerem Maß eine Beratung des Bürgers durch die Behörde, gerade auch angesichts immer komplexer werdender Lebensverhältnisse und Normstrukturen. Diese Aufgabe kann nur qualifizierten Mitarbeitern übertragen werden.111 Anders formuliert: „Moderne Informationsund Kommunikationstechniken lösen – für sich betrachtet – letztlich keine Personalprobleme, sondern verändern angesichts neuer Arbeitsprofile die Personalstrukturen.“112

106 Sporleder, Melderegisterauskunft, S. 127 f. Im Bereich der Bauanzeige und Baugenehmigung „sind die Analysen noch nicht besonders weit fortgeschritten“, und die Anbindung der Stadtbibliotheks-Kataloge an das Internet erfolgt ohne Nutzung von Signaturkarten mit einem einfachen Passwortsystem. 107 Marbaise, Praxisbeispiel, S. 117. 108 Marbaise, Praxisbeispiel, S. 117. 109 Schiff, Dispositivo, S. 135. 110 So auch Krogmann, E-Government; ähnlich Suermann, Elektronische Akte, DRiZ 2001, S. 295. 111 Jörs, Digitalisierung, VR 2002, S. 155. 112 Berkemann, Auswirkungen, JurPC 143/2001, Abs. 15.

5. Kap.: Ziele des Interneteinsatzes

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Andererseits sind die mit möglichen Entlassungen verbundenen politischen Probleme nicht gering zu achten, wie das pathologische Beispiel Berlin zeigt. Dort diente und dient nicht zuletzt die Beschäftigungspolitik der öffentlichen Hand dem Erhalt des sozialen Friedens in der durch Mauer und Mauerfall ökonomisch gebeutelten Stadt: Der aufgeblähte Verwaltungsapparat verhinderte die angesichts von 20% Arbeitslosigkeit nicht unberechtigterweise befürchteten entstehenden sozialen Verwerfungen.113 Dies ist allerdings nicht auf die Stadt Berlin beschränkt, auch andere Kommunen sehen „Arbeitsmarktprobleme durch Ausschöpfung von Rationalisierungspotentialen“.114 Dies beschränkt den politischen Handlungsspielraum und mindert letztlich das Rationalisierungspotential.115 V. Mehraufwand durch Technisierung Die finanzielle Belastung, die mit einer weitgehenden Technisierung der öffentlichen Verwaltung verbunden wäre, ist es nicht allein, die erhoffte Rationalisierungsgewinne mindern kann. Auch der Einsatz der Technik selbst kann die Effizienz der Arbeit senken. Elektronische Dokumente sind, sofern sie nicht zumindest teilweise automatisiert verarbeitet werden können, schwerer zu handhaben als herkömmliche Dokumente.116 Bildschirmarbeit ist anstrengender als die Arbeit mit papiernen Unterlagen, daher sinkt die Konzentrationsfähigkeit bei der Arbeit am Rechner und steigt die Fehlerrate.117 Auch können elektronische Dokumente noch nicht flächendeckend bearbeitet werden. Die elektronische Akte ist daher weitgehend Idee und Konzept und nur selten Realität. Ohne dieses Mittel verlagert sich das Problem des Medienbruchs mit allen damit zusammenhängenden Schwierigkeiten und Kosten vom Zeitpunkt der Übermittlung in die Phase der Bearbeitung. Gleichzeitig entstehen so leicht parallel benutzte digitale und herkömmliche Aktenbestände, deren Konsistenz nur mühsam aufrecht zu erhalten ist. Dies bindet wiederum Ressourcen.

113 Vgl. Hartung, Provinzmief, Die Zeit 41/1999; ders., Rathausghetto, Die Zeit 45/ 2001; ders., Luchs, Die Zeit 09/2002. Beeindruckende Zahlen bei Derlien, Wandel, DÖV 2001, S. 323: In Westberlin gab es 1996 etwa 82 öffentlich Bedienstete je 1000 Einwohner, in Ostberlin ca. 58; kein anderes Bundesland hatte eine höhere Quote als 58 (im Westen) oder 65 (im Osten). 114 Grabow/Floeting, Wege, S. 77; ähnlich Wind, Volk, S. 83 f.; von einem teilweise befürchteten „Kahlschlag“ spricht Jörs, Digitalisierung, VR 2002, S. 155. 115 Praktiker betonen zudem nicht zuletzt aufgrund möglicher Entlassungen die Notwendigkeit, den Personalrat in die Umsetzung ehrgeiziger E-Government-Vorhaben einzubinden, vgl. Schiff, Dispositivo, S. 135; Mühlberg, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 98 f. 116 Hendel, Elektronische Akte, JurPC 68/2002, Abs. 14. 117 Suermann, Elektronische Akte, DRiZ 2001, S. 295.

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2. Teil: Potential der Technik

Nicht zuletzt aus diesem Grund wird die Einführung elektronischer Kommunikation mit der Steuerverwaltung durch die beteiligten Behörden zumindest in den Bereichen, die sich nur wenig automatisieren lassen, abgelehnt. Diesem wie gezeigt durchaus begründeten Widerstand beugte sich schließlich auch der Gesetzgeber. Gleichzeitig zur Zulassung elektronischer Kommunikation in § 3a VwVfG wurde diese für den Bereich des Auslandsinvestment-Gesetzes ausgeschlossen, da ihre „Einführung im Ergebnis nicht zu einer Entlastung der Bankenaufsicht führen, sondern bei den Identitätsprüfungen der verwendeten elektronischen Signaturen einen erheblichen und überdurchschnittlichen Arbeitsaufwand verursachen“ würde.118 VI. Resümee: Geringes Rationalisierungspotential Der Befund zeigt, dass den erheblichen Kosten aufgrund teurer Anfangsinvestitionen und nicht zu vernachlässigender finanzieller Folgewirkungen nicht greifbare Rationalisierungsgewinne gegenüberstehen, die ihrerseits erst nach Umstrukturierungen und damit verbundenen Entlassungen finanzwirksam werden können. Damit geht ein personaler Mehrbedarf für die Wartung der Technik und die Schulung der Mitarbeiter einher, so dass auch die damit zusammenhängenden Gewinne fraglich sind. Sofern damit durch das E-Government tatsächlich Einsparungen zu erreichen sind, so amortisieren sich doch die Anfangsinvestitionen erst nach langer Zeit.119 Die Bundesregierung selbst geht aufgrund einer vorläufigen Schätzung von einem Zeitraum von mehr als 15 Jahren aus.120 In den Ländern und Kommunen dürfte die Bilanz noch ernüchternder ausfallen, bestehen doch bei den Anwendungen des Bundes die höchsten Rationalisierungspotentiale, namentlich bei der Sozialverwaltung und der Auftragsvergabe. Angesichts dessen sind die positiven ökonomischen Effekte des E-Government als gering einzustufen.121 An anderer Stelle wird die Rationalisierung bei gleichzeitiger Verbesserung der Dienstleistungsqualität nicht zu unrecht als „Quadratur des Kreises“ bezeichnet.122 Der „immense finanzielle Aufwand“ für die „enormen Investitionen“ in Online-Angebote123 lässt sich aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten allein daher nicht rechtfertigen. Die Kosten vermehrter Bürgernähe werden auch durch intensivierte Technisierung nicht gesenkt, 118

BT-Drs. 14/9000, S. 44 – Zu Artikel 29, Nr. 1 und 2. BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 60. Ebenso Wind, Volk, S. 84. 120 Einsparungen in Höhe von 100 Millionen jährlich bei Anfangsinvestitionen von 1,65 Milliarden Euro; vgl. Steglich, BundOnline 2005. 121 Grabow, Ökonomische Aspekte, S. 40; Siegfried, Online-Dienstleistungen, S. 21. 122 Roßnagel, nach: Yildirim, Signaturen, DVBl. 2002, S. 242. 123 So Wind, Volk, S. 82 und 84. 119

5. Kap.: Ziele des Interneteinsatzes

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vielmehr aufgrund der damit verbundenen finanziellen Lasten signifikant erhöht.124 Bei diesen Betrachtungen sind zudem die Kosten für die Diffusion der das EGovernment ermöglichenden Sicherheitstechnik der Signatur noch nicht berücksichtigt: Vergleichsweise hohe Preise für Signaturanwendungskomponenten, deren Nutzen ohne überzeugende Anwendungen nicht einsichtig ist, haben bislang eine nennenswerte Verbreitung dieser Technik verhindert. Ein vom BMWi bei der Wirtschaftsberatungsgesellschaft KPMG in Auftrag gegebenes Gutachten, das Verbreitungsmöglichkeiten der Signatur untersuchen und aufzeigen sollte, geht von massiven staatlichen Subventionen aus: Der Staat solle „z. B. anlässlich der Europawahlen 2004 Signaturkarten an alle Bundesbürger über 16 Jahre [. . .] verteilen“ und zudem „ein breites Netz an Kiosken [aufstellen], über die – ähnlich der intelligenten Bank-Terminals – Transaktionen mit der Verwaltung und anderen Stellen durchgeführt werden können.“ Im hierfür geschätzten „Investitionsbedarf in Höhe von 3,5 Mrd. DM“ sind „die Prozesskosten sowie Kosten für Kioske, Kommunikationsmaßnahmen etc.“ nicht einmal eingerechnet.125 Alternativ seien zumindest alle knapp fünf Millionen Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung mit Signaturkarten auszustatten, die diese dann auch privat einsetzen sollten.126 Über die hiermit verbundenen Kosten schweigt der Bericht. Ungeachtet dessen beschwören Verfechter des E-Government beständig dessen hohes Einsparpotential.127 Die beträchtlichen Investitionskosten werden dabei zumeist nicht erwähnt. Wo doch, wird behauptet, sie seien rasch amortisiert und fielen daher insgesamt nicht ins Gewicht.128 Dies untermauern auf Schätzungen und Annahmen beruhende Zahlen aus einzelnen Bereichen, die als in dieser Hinsicht besonders vielversprechend gelten, namentlich die öffentliche Vergabe und das Steuerwesen.129 Ein „Hochrechnen“ der in diesem Zusammenhang genannten Zahlen auf die gesamte Verwaltung ist jedoch nicht möglich, ginge vielmehr fehl. Zusammenfassend ist zu sagen: Die Vorteile des Interneteinsatzes sind eher nicht-monetärer bzw. ideeller Art.130 Die Sachgerechtigkeit kann dank besserer 124

Vgl. Weber, Wachstum, S. 284. BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 79. 126 BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 81. 127 Bieser, Neues Signaturgesetz, DStR 2001, S. 32; Roßnagel, Verwaltungsrecht, DÖV 2001, S. 221; optimistisch auch Fox, E-Government, DuD 2003, S. 109. 128 BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 80; Eierhoff, E-Government, S. 35; Krogmann, E-Government. Ebenso die Begründung zum Entwurf des 3. VwVfÄndG, Stand 16.07.2001, S. 1. 129 Zur Vergabe bereits EU-Kommission, Initiative, KOM (1997) 157, Abs. 69; Bundesregierung, Informationsgesellschaft, BT-Drs. 14/1776, S. 54; ebenso Bieser, Neues Signaturgesetz, DStR 2001, S. 32; Krogmann, E-Government. Zum Steuerwesen etwa BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 80 mit FN 32; siehe dort auch S. 83. 125

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2. Teil: Potential der Technik

Information erhöht, die Zahl der Eingabefehler etwa kann verringert werden. Im Falle einer elektronischen Wahl können die Stimmen beispielsweise automatisiert ausgewertet werden, was insbesondere nach den Pannen der amerikanischen Präsidentschaftswahl 2000 Hoffnungen auf eine erhöhte Genauigkeit und Geschwindigkeit nährt.131 Vor allem jedoch kann die Dienstleistungsqualität verbessert werden.132 Auch dies kann ein Vorteil für die Verwaltung selbst sein: Sie gewinnt so „zufriedene Kunden“, ihre „individuelle Legitimation“ wird verbessert.133 Hinzu könnten etwaige, bislang kaum bezifferbare, volkswirtschaftlich positive Effekte des E-Government kommen.134

§ 21 Mitarbeitergerechtheit Nur vereinzelt wird das Ziel der Mitarbeitergerechtheit erwähnt. Die Unterstützung der Arbeit durch zureichende Informationen, die Entlastung von Routineaufgaben und die Vereinfachung der Arbeitsabläufe sind jedoch mit Computertechnik und auch mit dem Internet möglich und zu verbessern.135 Werden die für die Arbeit benötigten Informationen, seien es Rechtsvorschriften oder die Daten des konkreten Falls, im Netzwerk, gegebenenfalls auch mit Hilfe des Internets zur Verfügung gestellt, können frustrierender Leerlauf und ärgerliche Doppelarbeit vermieden werden. Die „Bürokratieüberwälzung“ auf die Bürger schafft den Verwaltungsmitarbeitern den notwendigen Freiraum zur Bearbeitung nicht-trivialer Fälle. Eine Umgestaltung der Arbeitsprozesse kann Reibungsverluste aufgrund unnötig bürokratischer Abläufe vermindern, die auch für die Mitarbeiter lästig sind.136 Wesentlicher ist jedoch, dass dadurch die Anforderungen an die Mitarbeiter höher werden, sowohl in inhaltlicher wie in zeitlicher Hinsicht. Ferner steht die mit dem E-Government jedenfalls auch angestrebte Verringerung der Zahl der staatlichen Bediensteten in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Ziel der Mitarbeitergerechtheit. Zudem kann durch die Vernetzung der Arbeitsplätze sowohl innerhalb der Behörde wie auch nach außen die Arbeitsbelastung steigen und zusätzlichen Leerlauf verursachen. So ist die ständige Erreichbarkeit der Behördenmitarbei130

Grabow, Ökonomische Aspekte, S. 40; BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten,

S. 17. 131 Vgl. Bettin, Rede zum Antrag BT-Drs. 14/6318, BT-Prot. 14/192, S. 18221; ebenso Bonitz, ebd., S. 18820; Körper, ebd., S. 18823. 132 Grabow, Ökonomische Aspekte, S. 40 und 48. 133 Eierhoff, E-Government, S. 27; Schedler/Proeller, NPM, S. 10. 134 Solche vermutet zumindest, ähnlich vage, Grabow, Ökonomische Aspekte, S. 50 f. 135 Killian, Bürokratie, S. 55; Riehl/Schwellach, Verwaltungsdienstleistungen, S. 91. Zur Entlastung von Routineaufgaben vgl. F. Kirchhof, Bürgerämter, S. 9. 136 Vgl. auch Mühlberg, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 98.

6. Kap.: Praktische Einsatzmöglichkeiten

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ter durch E-Mails nicht nur positiv als Mittel der direkten Kommunikation zwischen den Mitarbeitern und Bürgern zu sehen, die das gegenseitige Verständnis fördert.137 In erster Linie entsteht so neue Arbeit, die der Vorgangsbearbeitung selbst nur wenig zuträglich ist: Der „größte Alptraum [des Beamten] wäre, wenn die Bürger ihn auch noch mit E-Mails vollmüllen würden, die er – wie in Krefeld – innerhalb von durchschnittlich fünf Stunden zu beantworten hätte.“138 Nicht zu vernachlässigen ist weiterhin der bereits angesprochene Mehraufwand, den die Computerarbeit für die Mitarbeiter mit sich bringt.139 Der Wechsel vom papiernen zum elektronischen Dokument mit all seinen Restriktionen erfordert letztlich eine „gewaltige Umstellung der kognitiven Aneignung“, da sich der Benutzer den beschränkten technischen Möglichkeiten unterordnen muss. Die damit verbundenen negativen Folgen für die Mitarbeitergerechtheit sind indes wohl als ebenso unausweichlich zu bezeichnen wie die Digitalisierung des Datenaustauschs insgesamt.140 Kapitel 6

Praktische Einsatzmöglichkeiten § 22 Nutzung für die Verwaltungsarbeit I. Vernetzung und elektronische Akte In erster Linie können Computernetze und besonders das Internet einerseits zur Bereitstellung, andererseits zur Beschaffung von Informationen genutzt werden. Das Versprechen der vernetzten Verwaltung lautet: „Jede Information zu jeder Zeit an jedem Ort und in jeder Form.“141 Hierzu werden zumeist Datenbanken verwendet, die umfangreichste Datenmengen anwendergerecht aufbereiten und präsentieren können. Bekannte Beispiele sind Rechtsdatenbanken wie Juris oder der Vorschriftendienst Baden-Württemberg. Aber auch andere Fachinformationen, etwa Umweltdaten, werden so bereitgestellt.142 Diese Datenbanken sind teilweise öffentlich, teilweise nur für bestimmte Behörden zugänglich. Durch die Vernetzung wird zudem die elektronische Akte ermöglicht. Zwar ist die Digitalisierung der Akte auch auf einem Einzelplatzrechner denkbar. 137

So indes Reinermann, Öffentlicher Sektor, S. 78. Klumpp, Schnittstelle, S. 224. 139 Vgl. oben § 20 V. Mehraufwand durch Technisierung, S. 101. 140 Hendel, Elektronische Akte, JurPC 68/2002, Abs. 13. 141 Killian/Wind, Vernetzte Verwaltung, VerwArch 88 (1997), S. 450. 142 Vgl. zum Umweltinformationssystem UIS Killian/Wind, Vernetzte Verwaltung, VerwArch 88 (1997), S. 508; Killian, Bürokratie, S. 56. 138

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2. Teil: Potential der Technik

Durch die Vernetzung der Computer der Mitarbeiter lassen sich jedoch die mit der elektronischen Akte verbundenen Vorteile noch steigern: Diese kann wie auch die Papierakte das Wissen der Verwaltung zu einem Fall sammeln und den Bearbeitern zur Verfügung stellen, ohne hierbei jedoch an den Informationsträger Papier gebunden zu sein. Dies ermöglicht das Zugreifen vieler Mitarbeiter auf das derart gespeicherte Wissen unabhängig von ihrem Standort. Der zeitaufwendige Transport der Akte entfällt. Die Kontrolle durch Vorgesetzte oder Außenstehende wie Parlamente oder Bürger wird zudem vereinfacht. So ist zum Beispiel nach der entsprechenden Autorisierung der Online-Zugriff des Bürgers auf die eigene Akte denkbar. Der Zugriff Dritter auf die Datei, zur Bearbeitung oder zur Kontrolle, entzieht die Akte nicht dem Sachbearbeiter, ein paralleles Bearbeiten wird so ermöglicht. Medienbrüche, die Zeit und Ressourcen kosten, können weitgehend genauso vermieden werden wie die dabei nicht selten entstehenden Abschreibefehler. Die „Wissensteilung“ ermöglicht effiziente Arbeitsteilung.143 Lagerung und Archivierung der elektronischen Akte sind im Gegensatz zur herkömmlichen Akte platzsparend und kostengünstig möglich. Vor allem im Bereich der besonders auf große Mengen an Daten angewiesenen Sozialversicherung sieht die Bundesregierung daher das größte Einsparpotential durch den Einsatz der elektronischen Akte und der damit ermöglichten „Befreiung von der Papierflut“. Teilweise wird von Minderausgaben in Milliardenhöhe gesprochen.144 Zudem wird die Wiedervorlage archivierter Akten stark vereinfacht. Elektronische Akten können sekundenschnell im Archiv aufgefunden, einfach an den Bearbeiter übermittelt, rasch nach Stichwörtern durchsucht und nach Belieben des Betrachters sortiert werden.145 Den Vorteilen stehen indes auch Nachteile dieser neuen Art der Aktenführung gegenüber, die sich vor allem als erhöhte Abhängigkeit von einer zunehmend komplexen Technik darstellen. Der Bearbeiter ist nicht nur auf die ständige Verfügbarkeit eines Computers angewiesen, dieser muss vielmehr auch an das funktionierende Netz angeschlossen und betriebsbereit sein. Die korrekte Bedienung ist für viele nicht leicht zu erlernen; kleinste Bedienfehler können großen Schaden anrichten, etwa zum vollständigen Verlust der Information führen. Zudem verändert sich die Arbeitsweise des Bearbeiters, der sich physisch von der Akte lösen und auf die Bildschirmarbeit einrichten muss, die aufwendiger und mühsamer ist. Damit auch die elektronische Akte den zu beurteilenden Fall umfassend darstellt, ist es notwendig, dass die Akte auch in ihrer elektro143

Reinermann, Electronic Government, VR 2002, S. 165. Vgl. nur Bieser, Neues Signaturgesetz, DStR 2001, S. 32, sowie BT-Drs. 14/ 9000, S. 30 und 47. 145 Zu diesen Vorteilen siehe Roßnagel, Verwaltung I, S. 162; Suermann, Elektronische Akte, DRiZ 2001, S. 291. 144

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nischen Form vollständig erschlossen werden kann. Hierzu gehört nicht zuletzt die Digitalisierung von Schriftstücken, Urkunden und Fotografien mit Hilfe eines Scanners. Die Bearbeitung der Akte muss daraufhin vollständig am Computer erfolgen. Aktenergänzungen, Ausgänge und Entscheidungen werden am Rechner erstellt und elektronisch gespeichert und versandt.146 Die Vorteile papierner Akten, wie die rasche Erfassung und Bearbeitung sowie die Unabhängigkeit von der Technik, gehen damit verloren. Dies mindert die Vorteile der elektronischen Aktenführung. Hinzu kommt, dass eine vollständige Digitalisierung aller Aktenteile kaum möglich ist. Viele Urkunden müssen aus Gründen der Aktenvollständigkeit im Original vorgehalten werden. Ähnlich der Grundakte im Registerrecht wird es damit neben der elektronischen Akte, in der die wesentlichen Daten des Vorgangs verzeichnet sind, eine Papierakte geben, welche alle nicht digitalisierbaren Aktenbestandteile enthält. Dies führt zusammen mit dem Bestreben der Benutzer, Teile der elektronischen Akte zur leichteren Bearbeitung auszudrucken, zur doppelten Aktenführung mit allen damit verbundenen Konsistenzproblemen, die zu vermeiden wiederum Aufwand und zusätzliche Arbeit bedeutet.147 Der Nutzen der elektronischen Akte wird vor diesem Hintergrund nicht zu unrecht kritisch hinterfragt.148 Dabei darf jedoch nicht übersehen werden, dass gerade papierne Akten aufgrund ihrer beschränkten Verfügbarkeit nicht selten zur parallelen Bearbeitung kopiert werden müssen, was seinerseits Konsistenzprobleme aufwirft; hier kann die elektronische Akte durchaus helfen, doppelte Erfassungen und die damit verbundenen Fehler zu vermeiden.149 In denjenigen Bereichen jedoch, die schon jetzt auf die Arbeit mit dem Computer angewiesen sind, in denen die relevanten Daten also sowieso bereits digitalisiert sind, bietet der Verzicht auf die papierne Akte eine Möglichkeit zur Rationalisierung. Gute Beispiele hierfür sind die Sozialverwaltungen, bei denen nicht zuletzt deswegen das Einsparpotential am größten sein soll.150 Im Idealfall kann hier der doppelte oder sogar dreifache Medienbruch vermieden werden: Die Daten des auf elektronischem statt auf herkömmlichem Weg gestellten Antrags können automatisiert in das Berechnungsprogramm übernommen, dort verarbeitet und zusammen mit dem Ergebnis archiviert werden; ebenso ergeht der Bescheid elektronisch. Auch hier besteht indes die Notwendigkeit einer „Grundakte“ zur Archivierung der eingescannten Dokumente, soweit und so146 Zur Arbeit mit der elektronischen Akte siehe Suermann, Elektronische Akte, DRiZ 2001, S. 291; zu deren Nachteilen insbesondere S. 294 f. 147 Vgl. provet/GMD, Simulationsstudie, S. 263 f. 148 Deutlich Suermann, Elektronische Akte, DRiZ 2001, S. 295: Die elektronische Akte biete Vorteile weder für die Qualität noch die Geschwindigkeit oder Wirtschaftlichkeit des Handelns; sie verschlechtere lediglich die Arbeitsbedingungen. 149 Reinermann, Vernetzte Verwaltung, Die Verwaltung 1995, S. 6 f. 150 Vgl. BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 45.

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2. Teil: Potential der Technik

lange nicht die bild- und inhaltsgetreue Identität der Originalakte mit dem Scanbild sowie dessen unproblematische Reproduzierbarkeit auch noch in fernerer Zukunft sichergestellt sind.151 Die Minderung der mit der Digitalisierung der Daten und Akten verbundenen Nachteile erfordert Anstrengungen, die ihrerseits Ressourcen wie Arbeitskraft, Zeit und Geld binden. So ist die Sicherung der Daten vor unbeabsichtigtem Löschen oder Verlust aufgrund technischer Fehler mit Hilfe von Sicherungskopien und regelmäßigen Backups nötig. Dies erfordert ein Sicherungssystem mit zusätzlichem Speicherplatz, das seinerseits gegen Datenverlust aufgrund unbeabsichtigter Fehlbedienung, vorsätzlicher Löschung oder schlichtweg Naturgefahren wie Feuer oder Wasser geschützt sein muss.152 Die Digitalisierung codierter Information ist bei Eingabe der Daten in ein Datenbanksystem gewöhnlich zu aufwendig und zu teuer, wie das Beispiel der ersten Versuche zur Grundbuchdigitalisierung in den 1970er Jahren deutlich zeigt.153 Demgegenüber ist die heute dank beträchtlich gesunkener Kosten für Computer, Scanner und Speicherplatz flächendeckend mögliche bildliche Speicherung der Daten weitaus günstiger zu realisieren. Gleichwohl bleiben Kosten, die besonders bei nur geringen Datenmengen eine Digitalisierung unwirtschaftlich werden lassen können, woran auch § 110a Abs. 2 SGB IV gemahnt, der für die Speicherung der Unterlagen „als Wiedergabe“ die „Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit“ fordert. II. Interne Kommunikation Die Vernetzung der Arbeitsplätze kann die Kommunikation innerhalb der Behörde befördern. Diese ist bislang weitgehend an der Hierarchie ausgerichtet und funktioniert im Wesentlichen nur vertikal, nicht selten sogar allein unidirektional, nämlich abwärts. Hauptsächlich werden nur Rechtsnormen und Anweisungen vermittelt, die, je weiter sie nach unten gelangen, nach und nach ihren sinnstiftenden Kontext verlieren und nur noch formalistisch erscheinen und auf umso weniger Verständnis und Akzeptanz treffen.154 Vermehrte Kommunikation kann demgegenüber die Leistungsbereitschaft der Mitarbeiter stärken. Ihre Erfahrungen und Ideen können unabhängig vom Dienstweg eingebracht und so für die Arbeit besser genutzt werden. So können Bearbeitungszeiten verkürzt, die Qualität der Arbeit erhöht und insgesamt die Prozesse rationeller gestaltet werden. Transparentere Abläufe schließlich ermöglichen 151 Vgl. nunmehr die Anforderungen in § 110a Abs. 2 SGB IV sowie die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 14/9000, S. 47. 152 Zu den Anforderungen an die elektronischen Grundbüchern vgl. etwa Frenz, Jahrhundert-Gesetz, DNotZ 1994, S. 159. 153 Hierzu Grziwotz, EDV-Grundbuch, CR 1995, S. 69 f. 154 Reinermann, Öffentlicher Sektor, S. 21.

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der Behördenspitze sowie der politischen Führung eine bessere Kontrolle der Verwaltungsarbeit.155 Auch die Zusammenarbeit mehrerer Beteiligter an einem Vorgang, etwa in Form der Teamarbeit, erfordert eine unkomplizierte Kommunikation der Mitarbeiter. Während mündliche Absprachen und Besprechungen die einfachste Variante der Kommunikation darstellen, die im simpelsten Fall ohne jede technische Voraussetzung auskommt, ist ihre Koordinierung kompliziert genug: Mit der Größe der Gruppe wächst die Schwierigkeit überproportional, einen allen passenden Besprechungstermin zu finden, so dass nicht selten ein jour fixe als Ausweg gewählt wird.156 Elektronische Kommunikation per E-Mail, mit Verteilern und auf schwarzen Brettern, braucht demgegenüber nicht die gleichzeitige Anwesenheit der Beteiligten und ermöglicht so eine Diskussion ohne Rücksicht auf Termine. Wie leistungsfähig diese Möglichkeit ist, zeigen die Newsgroups und Foren des Internets, nach E-Mail die beliebteste Anwendung des Netzes. Wenn auch Computer und das Internet selbst zu einem Großteil das Thema sind, so werden dort inzwischen in weitem Maß auch soziale und politische Fragen mit beachtlicher Tiefe und Gründlichkeit diskutiert. Auch für die innerbehördliche Kommunikation stellt diese Technik daher ein gutes Beispiel dar. Indes kann auf diesem Weg die Geschwindigkeit der Diskussion im Vergleich mit einer Besprechung leiden. Da die Kommunikation schriftlich erfolgt, liegt zwischen zwei Beiträgen oft eine gewisse Zeitspanne. Dies wird dadurch kompensiert, dass die Diskussionen aufgrund der Schriftlichkeit qualitativ höherwertig sein können, da die Teilnehmer die Möglichkeit haben, sich vor ihrem Beitrag zu informieren und so genaue Daten zu liefern und insgesamt konstruktiver mitdiskutieren können. Die Elektronisierung der Information und Kommunikation kann weiterhin die Kontrolle und Steuerung der behördlichen Arbeit verbessern. Führung erfordert Information, die in elektronischer Form weitaus einfacher und genauer als herkömmlich zu erhalten und zu verteilen ist. Daten können leichter für die Führung gewonnen, und gleichzeitig durch diese besser verbreitet werden. Die Ubiquität der in elektronischen Netzen gespeicherten Daten ermöglicht den Zugriff auch durch den jeweiligen Vorgesetzten, der den Sachstand so unmittelbar abrufen kann. Es entfällt nicht nur das mühsame Zusammentragen der für die Führung notwendigen Informationen, sondern es können auch die damit regelmäßig einhergehenden bewussten oder unbewussten Verzerrungen verringert werden.157 Doch ist hierbei nicht zu vergessen, dass auch beim Einsatz modernster Medien die Aufnahmefähigkeit und Zeit der Behördenleitung begrenzt bleibt. Die Bereitschaft, aus der großen Masse an Rohdaten erst die relevante Informa155 156 157

Vgl. Reinermann, Öffentlicher Sektor, S. 23. Klumpp, Schnittstelle, S. 230. Reinermann, Vernetzte Verwaltung, Die Verwaltung 1995, S. 15.

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2. Teil: Potential der Technik

tion herauszusuchen, wird nicht dadurch stärker, dass die Technik es erlaubt. Vorgesetzte und letztlich die Behördenleitung werden also auch in Zukunft auf aufbereitete Daten zurückgreifen. Dies ist auf Seiten ihrer Mitarbeiter unabhängig vom verwendeten Medium mit Aufwand verbunden, der vor allem in der Zusammenfassung und der inhaltlichen Wertung liegt; technisch bedingte Unzulänglichkeiten treten hierhinter zurück. Allerdings ermöglicht die allgemeine Verfügbarkeit der Information die Aufbereitung der Daten durch eine Stelle statt durch jede kleine und kleinste Abteilung, was zu einer erhöhten Konsistenz in der Wertung und damit zu einer genaueren Information führen kann. Die Verwendung so genannter Workflow-Systeme und Groupware-Anwendungen schließlich, mit denen Aufgabenverteilung und Datenzugriffe kontrolliert werden können, ermöglichen eine direkte Steuerung der Arbeitsprozesse.158 Eine besondere Schwierigkeit besteht jedoch in der technischen Abbildung der oft komplexen und nur selten klaren Arbeitsabläufe.159 Die Vernetzung der Arbeitsplätze mindert weiterhin die Bedeutung ihrer physischen Lokalisierung. Wenn E-Mails, Internetseiten und Datenbankbestände unabhängig vom eigentlichen Ort ihres Versandes oder Abrufs stets nur „einen Mausklick“ entfernt sind, sinkt die Notwendigkeit, dass Arbeitsplätze auch eng Zusammenarbeitender in räumlicher Nähe zueinander gelegen sein müssen. So wird Telearbeit möglich, die zumeist vom häuslichen Arbeitsplatz aus erledigt wird. Aufgaben und Ergebnisse werden hierbei über Datenleitungen verschickt, die Mitarbeiter erhalten über das Internet oder spezielle Einwahlleitungen Zugang zum behördlichen Netzwerk und den darin gespeicherten und bereitgestellten Informationen. Die notwendige Autorisierung kann hier ebenso wie die erforderliche Verschlüsselung der Daten am zweckmäßigsten mit Hilfe der Signaturtechnologie realisiert werden. Telearbeit ermöglicht eine flexiblere Arbeitszeitgestaltung, vermindert die Zahl umweltbelastender Fahrten zur Dienststelle, verbessert die Beschäftigungsmöglichkeiten für Alleinerziehende und Behinderte, und kann die Büro- und Mietkosten für die Behörde verringern. Problematisch ist hierbei jedoch insbesondere die erschwerte Sicherstellung von Datenschutz und Datensicherheit aufgrund des Zugangs auch von Familienmitgliedern zum Arbeitscomputer und der fehlenden direkten Kontrollmöglichkeiten der Dienststelle und Datenschutzbeauftragten, denen Überwachungsmöglichkeiten in den Wohnräumen des Mitarbeiters eingeräumt werden müssen.160

158 Reinermann, Vernetzte Verwaltung, Die Verwaltung 1995, S. 10 f.; Knörig, Dienstleistungen, S. 95. 159 Reinermann, Vernetzte Verwaltung, Die Verwaltung 1995, S. 10 f.; Klumpp, Schnittstelle, S. 231: Workflow-Prozesse seien oft „verschämt als ,stochastische Phänomene‘, [. . .] unverblümt als ,Durchwursteln‘“ zu klassifizieren. 160 Zur Telearbeit Dieckmann, Herausforderungen, S. 72; Jörs, Digitalisierung, VR 2002, S. 154 ff.; Wohlfahrt, Elektronisch I, VR 2002, S. 44; ähnlich ders., Elektronisch II, RDV 2002, S. 233.

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Bereits auf der Grenze zur externen Kommunikation liegt die durch elektronische Mittel erleichterte spontane Kommunikation über Fach- oder eben auch Behördengrenzen hinweg. So können ohne Rücksicht auf Hierarchien oder Fachgrenzen all diejenigen an einer Aufgabe beteiligt werden, die bei der Problemlösung hilfreich sein können. Diese direkte, das heißt schnelle und ungefilterte horizontale Kommunikation zwischen den Beteiligten unterstützt neue Organisationsformen wie das Bürgeramt. Je nach Anliegen des Bürgers können hier die unterschiedlichsten Verwaltungsteile gefordert und zur Zusammenarbeit aufgerufen sein. Hierarchien werden dabei zweckmäßigerweise durch soziale Netze ersetzt, die sich zur Kommunikation technischer Netze bedienen.161 Diese Bildung organisatorischer Netzwerke unter Ablösung herkömmlicher Informations- und Weisungslinien durch eine formell weniger geordnete Zusammenarbeit verschiedenster Beteiligter ist in ihren Auswirkungen auf das Verwaltungshandeln jedoch nicht unumstritten. Während teilweise ihr reformatorisches Potential gelobt und die dadurch ermöglichte, von bürokratischen und hierarchischen Fesseln befreite Arbeit als höchst effizient beschrieben wird, mahnen andere Stimmen zur Vorsicht bei der Ersetzung von gegliederten, organisatorisch gefestigten Strukturen durch schwer kontrollierbare, ebenso rasch entstehende wie zerfallende Netzwerke. Die Hierarchie wird von den Kritikern hierbei nicht als negativ konnotierter Begriff verstanden. Er beschreibt ihnen zufolge keine übertrieben formal aufgebaute Organisation, deren Ziel primär der Erhalt überkommener Über- und Unterordnung, und erst danach die eigentliche Aufgabenerfüllung ist. Vielmehr könne in einer Hierarchie einerseits die bestmögliche Aufgabenerfüllung durch den jeweils Qualifiziertesten am einfachsten sichergestellt werden. Andererseits diene die klare und strenge Organisation der eindeutigen Anbindung jeglicher staatlichen Entscheidung an die zumindest mittelbar demokratisch legitimierte Behördenleitung. Hierarchie als Organisationsstruktur der öffentlichen Verwaltung setze damit die Vorgabe des Grundgesetzes um, alle staatliche Gewalt habe vom Volke auszugehen.162 Dem wirkten netzwerkartige Strukturen entgegen. Allerdings sind diese durchwegs schneller in der Lage, sich verändernden Umständen anzupassen und auf die Wandlungen des Lebens einzustellen.163 III. Externe Kommunikation In vielen Bereichen müssen Behörden anderen Stellen Daten übermitteln, von diesen empfangen oder abrufen. Ein Beispiel für die Zusammenarbeit mehrerer Stellen in einem Verwaltungsverfahren bildet die Änderung eines Namens nach 161 162 163

Reinermann, Vernetzte Verwaltung, Die Verwaltung 1995, S. 5 f. Ausführlich Dreier, Hierarchie. Killian, Bürokratie, S. 53.

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dem Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen: Nach erfolgter Namensänderung hat die zuständige Behörde die für die Hauptwohnung des Betroffenen zuständige Meldebehörde von der Namensänderung zu benachrichtigen, § 9 Satz 2 NamÄndG. Bei dieser Benachrichtigung handelt es sich um eine rechtlich relevante Kommunikation zwischen zwei Behörden, die nach Satz 3 der Vorschrift schriftlich zu erfolgen hat. Das hierdurch erreichte Ziel der Perpetuierung der Daten zur besseren Weiterbearbeitung kann jedoch ebenso gut mit den Mitteln elektronischer Kommunikation erreicht werden. Die hierfür notwendigen Anpassungen der Verwaltungsverfahren und der technischen Gegebenheiten lassen jedoch angesichts der lediglich geringen Anzahl derartiger Vorfälle nur auf ein geringes Einsparpotential hoffen. Die Möglichkeiten der Vernetzung, auf nicht im eigenen Hause vorhandene Informationen zuzugreifen sowie mit externen Stellen Daten auszutauschen, sind dagegen besonders vorteilhaft, wenn regelmäßig große Datenmengen übertragen werden müssen. Ein Beispiel bildet das Produkt DIGANT der Bundesdruckerei, mit dessen Hilfe diese die Pass- und Personalausweis-Daten der Einwohnermeldeämter digital und mit der Signatur gesichert erhält.164 Dies beschleunigt den Vorgang und vermindert Fehler, die anderenfalls bei der Eingabe der Daten in der Bundesdruckerei entstehen könnten. Durch die Übertragung dieser Aufgabe auf die Einwohnermeldeämter ist eine Kontrolle der Daten vor Ort und durch den Bürger selbst möglich. Da bereits jetzt die elektronische Erfassung der Meldedaten üblich ist, kommt es auch nicht zu einer wesentlichen Mehrarbeit, und so insgesamt zu einer Abkürzung der Prozesse, die rascher und billiger werden können. Das Projekt ist Vorbild für andere, ähnlich datenintensive Verfahren wie das Führerscheinwesen. IV. Signatur als „Schlüssel“ Eine Anwendung der Signatur, die nicht der Sicherung der Daten auf dem Transport über Netze dient, ist ihre Verwendung unter Nutzung ihrer ursprünglichen Identifizierungsfunktion. Die mit Hilfe des öffentlichen Schlüssels durch jeden nachprüfbare Verwendung des singulären geheimen Schlüssels etwa durch Verschlüsselung einer vom Kontrolleur gestellten Zufallszahl kann die Identität des zu Überprüfenden automatisiert in einem viel besseren Maß sicherstellen, als es biometrische Verfahren gegenwärtig können. So kann der Zugang zu Räumen oder Daten effektiv kontrolliert werden. Es bietet sich daher an, Dienstausweise mit Signatureinheiten zu versehen, wie dies für Teile der Bundesverwaltung bereits vorgesehen ist.165 Neben dem Zugang zu Dienstgebäuden kann so auch der Zugriff auf Datenbestände besser als mit einem Passwort geschützt 164 Vgl. BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 46, sowie Bundesdruckerei, DIGANT.

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werden.166 Zum einen ist die mittlerweile beeindruckende Zahl an Passwörtern kaum noch zu handhaben. Hier bietet die Verwendung der auch anderweitig nutzbaren Signaturkarte eine gewisse Entlastung für den Benutzer. Zum anderen erhöht sich so die Qualität der Zugangssicherung. Nicht selten werden bei frei wählbaren Passwörtern triviale und leicht zu erratende Zugangskennungen verwendet. Die kryptographische Qualität der Signaturverfahren gewährleistet demgegenüber gemeinsam mit der Notwendigkeit des physischen Besitzes der Signaturkarte ein hohes Sicherheitsniveau. Auch gegenüber mechanischen Schlüsseln bieten auf kryptographischen Verfahren beruhende Zugangssicherungen Vorteile. Die unausforschbar auf Signaturkarten gespeicherten Signaturschlüssel sind weniger leicht zu kopieren oder sonst zu korrumpieren. Zudem sinkt die Belastung des Benutzers, der nicht für jeden Raum einen neuen mechanischen Schlüssel benötigt. Veränderungen der Zugriffsberechtigungen lassen sich weitaus einfacher, kostengünstiger und vor allem differenzierter in das System einarbeiten, als dies etwa bei Schließanlagen möglich ist. So kann auch bei Verlust der Karte oder Korruption des Signaturschlüssels der betroffene Signaturschlüssel einfach gesperrt werden, wo bislang ein teures Auswechseln der Schlösser notwendig ist. Ein Nachteil dieses Systems ist indes die extrem gesteigerte Abhängigkeit von der Verfügbarkeit und Funktionsfähigkeit der Technik. Bei einer Korruption des Signaturmechanismus’ ist das System ebenfalls stark gefährdet.

§ 23 Interaktion mit dem Bürger Mehr als der Gebrauch des Internets bzw. der elektronischen Signatur im internen Bereich steht seine Verwendung für die behördliche Interaktion mit dem Bürger im Zentrum des politischen und juristischen Interesses. Von dieser versprechen sich die Befürworter der Technologie bedeutende Fortschritte für die Rationalität, Effektivität und Bürgerfreundlichkeit der öffentlichen Verwaltung. Sein Nutzen steigt hierbei ihrer Auffassung nach für Bürger und Verwaltung gleichermaßen umso mehr, je stärker die Kommunikation technisiert ist. Für die Beschreibung der Interaktion hat sich eine an inhaltlichen Kriterien orientierte Klassifizierung als sehr hilfreich erwiesen. Hiernach wird das Verwaltungshandeln seiner Rechtsverbindlichkeit entsprechend eingeordnet. Als die fünf Stufen wurden danach Marketing, Inhaltsvermittlung, Kommunikation, Transaktion und Partizipation herausgearbeitet.167 Unter Marketing wird hierbei 165 Vgl. BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 48; Bieser, Signatur, S. 63 f. auch mit umfangreichen Details der Dienstausweise des BMI; siehe auch ders., Neues Signaturgesetz, DStR 2001, S. 34. 166 Vgl. zur Realisierung eines signaturabhängigen Dateizugriffs Böhmer, Erfahrungen, DuD 2001, S. 446.

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sowohl die Werbung für die Gemeinde oder den Landkreis etc. wie auch die Selbstdarstellung der Verwaltung verstanden, mit der diese über ihre Aufgaben, ihre Arbeit und etwaige Zugangswege und Öffnungszeiten informiert. Inhaltsvermittlung ist demgegenüber die Ermöglichung des Zugangs zum Wissen der Verwaltung, zum Beispiel das über Rechtsvorschriften oder behördlich gesammelte Daten. Die Besonderheit liegt hier, ebenso wie bei der Kommunikation zwischen Bürger und Verwaltung mittels E-Mail, in der Nutzung des Internets, die für geringe Kosten bei gleichzeitig weiträumiger Verbreitung und beachtlicher Geschwindigkeit sorgt. Als Transaktion wird die rechtserhebliche Kommunikation zwischen Bürger und Verwaltung bezeichnet, die vor allem Anträge, Meldungen, Erklärungen und Bescheide umfasst.168 Auf oberster Stufe steht die Partizipation, die Teilhabe der Bürger an Entscheidungen der Verwaltung, sei es durch Mitwirkung an Planungs- oder Steuerungsprozessen oder durch Einflussnahme auf den politischen Prozess im Einzelfall oder in Wahlen. In anderer Diktion lassen sich die Stufen als Information, Interaktion, Transaktion und Integration bezeichnen, wobei letztere anders als die Partizipation nicht die Teilhabe der Bürger am politischen Prozess meint, sondern die Zusammenführung und Vereinheitlichung verschiedener Verwaltungsverfahren in einem, für den Bürger ohne Kenntnis der internen Abläufe nutzbaren Angebot.169 Die ebenfalls vorgenommene Ausrichtung an technischen Sachverhalten ist demgegenüber für die verwaltungswissenschaftliche und verwaltungsrechtliche Betrachtung nur bedingt tauglich. Danach wird das Handeln nach dem programmiertechnischen Aufwand abgestuft, der beim bloßen zur Verfügung Stellen statischer Information am geringsten ist (Stufe A), gesteigert bei der Kommunikation (Stufe B), und am höchsten bei der Anbahnung und Abwicklung rechtserheblicher Kontakte (Stufe C, mit den weiteren Abstufungen C1 – Anbieten von Formularen, C2 – Unterschreiben von Formularen, C3 – Bezahlen/Verbuchen, C4 – Nachfragen/Kontrollieren und Verfolgen und C5 – Leistung Erbringen).170 Sie dient damit eher der Analyse der für die konkrete Umsetzung erforderlichen technischen Rahmenbedingungen und Programmierschritte. Hilfreich ist sie indes insoweit, als sie die Möglichkeiten und Grenzen der Technik aufzeigt, die bei einer so stark die Technik einbeziehenden Umgestaltung der Verwaltungsabläufe nie aus dem Blick verloren werden dürfen. Zudem wird bei einem Vergleich der beiden Ansätze deutlich, dass der Programmieraufwand mit der 167 Grundlegend Holznagel/Krahn/Wertmann, Electronic Government, DVBl. 1999, S. 1478; ebenso Groß, Internet, DÖV 2001, S. 161 f.; siehe auch Eierhoff, E-Government, S. 26. 168 Vgl. im Einzelnen Knörig, Dienstleistungen, S. 96. 169 Wimmer/Bredow, Sicherheitskonzepte, DuD 2002, S. 537; zum dies ebenfalls kennzeichnenden Begriff der „virtuellen Verwaltung“ siehe oben § 2 II. Andere Begriffe, S. 23. 170 Im Einzelnen siehe Kubicek, Interaktive Rathäuser.

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Rechtsverbindlichkeit des Verwaltungshandelns ansteigt. Nicht zuletzt ist der Einsatz der Autorisierungstechnik der elektronischen Signatur ein technisch hoch komplexes Verfahren, dessen Notwendigkeit sich aus den Verbindlichkeit und Nachweisbarkeit fordernden rechtlichen Vorgaben ergibt. I. Marketing Mit dem Marketing begann der Weg der öffentlichen Verwaltung ins Internet. Waren es anfangs noch einige Mutige, die den ersten Schritt ins neue Medium wagten, sind mittlerweile nahezu alle Kommunen und viele Behörden „im Internet vertreten“, und sei es auch nur mit einer bescheidenen, den Möglichkeiten der jeweiligen Stelle angepassten Seite. Auch bedarf der Begriff „Internet“ mittlerweile, anders als offenbar noch Mitte 1997,171 nicht mehr der Erklärung. Anfangs allerdings waren es nur wenige, zumeist große Städte, die das neue Medium für die Präsentation gegenüber Bürgern und Besuchern nutzten. Die in dieser Zeit angefertigten Studien zur Präsenz deutscher Kommunen im Netz waren häufig noch um Vollständigkeit bemüht.172 Mittlerweile wäre ein derartiges Vorgehen bereits aufgrund der schieren Zahl der Kommunen, die mit mehr oder minder informativen Seiten das Internet als Medium nutzen, zum Scheitern verurteilt. Die anfängliche und auch heute noch in vielen Kommunen vorherrschende Konzentration auf die meist statischen Angebote mit Informationen über die Stadt und ihre Verwaltung sowie das für ihre Besucher interessante Wissen trug wesentlich dazu bei, dass für diese Angebote der Begriff „Stadtinformationssysteme“ geprägt wurde.173 Hier finden sich neben Informationen zur Verwaltung selbst, etwa zu ihrer Organisation und Aufgabenverteilung sowie häufig Adresse, Telefonnummer und Öffnungszeiten, auch Angaben zur Stadt, beispielsweise zum öffentlichen Nahverkehr, zu lokalen Vereinen, Notdiensten, Festen und Großveranstaltungen.174 Nicht selten wird die Stadt Fremden vorgestellt, mit Bildern und kurzen Stadthistorien sowie einer Liste örtlicher Hotels und Gasthöfe, oder doch zumindest mit einem Hinweis auf den örtlichen Fremdenverkehrsverein. An dritter Stelle nach Bürgern und Besuchern wird dabei zumeist die Wirtschaft angesprochen, verbunden mit Hinweisen zum Standort und anderen für Investoren wichtigen Informationen.175 Nicht zuletzt finden

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Exemplarisch Klein/Stolze, Rechtsfragen, städtetag 1997, S. 390. Siehe zum Beispiel die bei Kubicek/Hagen, Interaktive Rathäuser, S. 15 ff. angeführten Untersuchungen: Die Zeitschrift DOS bezog 104, Masser und Gerhards gar „alle im WWW vertretenen deutschen Kommunen“ in ihre Untersuchung ein; ähnlich Kubicek/Hagen ohne konkrete Zahlenangaben (ebd. S. 29). 173 Vgl. Kubicek, One Stop Government, S. 155. 174 Ausführlich Jörs, Digitalisierung, VR 2002, S. 153. 172

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2. Teil: Potential der Technik

sich hier häufig unter dem Stichwort „virtueller Marktplatz“ Links zu Veranstaltern, Einrichtungen und Unternehmen der jeweiligen Region.176 Diese Art der Internetnutzung ist grundsätzlich relativ einfach zu realisieren und verlangt nur einen geringen Einsatz von Know-how und finanziellen Mitteln. Statische Seiten sind leicht zu programmieren und mit nur wenig Aufwand in der Pflege verbunden. Auch sind die Kosten für die Internetpräsenz sehr stark gefallen und vor allem bei der Beschränkung auf ein derartiges Stadtinformationssystem ohne Vernetzung mit dem Computernetz der Verwaltung auch mit bescheidenen Mitteln zu realisieren. Nicht zuletzt ist dies der Grund, dass die hier genannten Informationen wie insbesondere Behördenadressen und -öffnungszeiten inzwischen zum von vielen Bürgern erwarteten Mindestangebot gehören. Die Eigenschaft des Mediums, mit geringen Kosten Informationen ubiquitär bereitstellen zu können, kann für diese Aufgabe der Gemeinde besonders vorteilhaft genutzt werden. Denn das Drucken und Verteilen herkömmlicher Broschüren ist mit erheblichen Kosten verbunden, die als solche im Internet nicht anfallen. Auch lassen sich die derart verbreiteten Informationen nicht aktuell halten, was entweder die Halbwertszeit der Druckerzeugnisse mindert oder die Beschränkung auf sich nur wenig ändernde Informationen erzwingt. Im stets veränderbaren Internet dagegen lässt sich die Aktualität der bekannt zu machenden Informationen viel einfacher und vor allem günstiger sicher stellen.177 Weiterhin ist die Möglichkeit zu nennen, Daten zielgruppenspezifisch aufzubereiten und anschaulich darzubieten. Umfangreiche Informationsbestände können nach Themen oder Stichworten durchsucht und verstreut liegende Daten verschiedener Anbieter können nutzbringend verknüpft werden.178 Schwieriger als eine statische, einem Handzettel vergleichbare Seite ist eine umfangreiche Internet-Präsenz mit vielen Informationen aus den verschiedensten Lebensbereichen zu realisieren.179 Dies erfordert zumeist die Nutzung einer Datenbank, also die auch finanziell rasch spürbare Einbindung professioneller Diensteanbieter. Noch wichtiger, und noch aufwendiger, ist die nicht selten vernachlässigte Pflege der einmal aufgesetzten Seiten. Der bereits erwähnte Vorteil der Internetseiten, anders als eine einmal gedruckte Broschüre stets aktuell gehalten werden zu können, ist den Nutzern bewusst. Hohe Aktualität ist aus die-

175 Siehe die Liste bei Kubicek/Hagen, Interaktive Rathäuser, S. 22; vgl. auch Dieckmann, Herausforderungen, S. 69; Jörs, Digitalisierung, VR 2002, S. 153 f.; Stenner, in: Krahn/Stenner/Werthmann, Kommunen, S. 10, sowie das dort beschriebene Beispiel der Stadt Warendorf, S. 13 ff. 176 Groß, Internet, DÖV 2001, S. 161. 177 Stenner, in: Krahn/Stenner/Werthmann, Kommunen, S. 3. 178 Kubicek, One Stop Government, S. 157 ff. mit vielen Beispielen. 179 Hierzu Kubicek, One Stop Government, S. 162 ff.

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sem Grund das am häufigsten genannte Anliegen der Internetnutzer. Dies macht, zumindest bei größeren Informationsangeboten, den Einsatz einer Redaktion erforderlich, deren Kosten den Großteil der gesamten finanziellen Belastung ausmachen, die eine Webpräsenz mit sich bringt. Mit anderen Worten: Soll der Mehrwert, den die elektronischen Medien mit sich bringen können, auch tatsächlich erzielt werden, so ist hierfür ein Mehr an Arbeit und damit an Arbeitskräften einzukalkulieren. Es entstehen mithin zusätzliche Kosten. Allerdings ist die Veröffentlichung bislang gedruckter Informationen im Internet jedenfalls hinsichtlich der Stückkosten geringer. Teilweise entfällt auch die Notwendigkeit, diese Informationen drucken und verteilen zu müssen. Diese Kosten der Informationsverteilung werden, soweit sie nicht aufgrund der Eigenarten des Mediums schlichtweg entfallen, zu einem großen Teil durch die Benutzer erbracht. Diese haben Computer oder andere Zugangsmittel vorrätig und betriebsfähig zu halten sowie die eigentlichen Zugangskosten, das heißt die Verbindungsentgelte, selbst zu übernehmen. Da indes der Zugang zum Internet noch nicht allgemein vorausgesetzt werden kann, besteht weiterhin die Notwendigkeit, die Informationen auch in gedruckter Form vorrätig zu halten, was den Entlastungseffekt mindert. II. Inhaltsvermittlung Vom Marketing als Selbstdarstellung der Gemeinde oder Behörde wird häufig ein anderer Aspekt der öffentlichen Informationsbereitstellung unterschieden: der der Inhaltsvermittlung. Hierbei wird den Bürgern das Wissen der Behörde zugänglich gemacht. Die von den öffentlichen Verwaltungen gesammelten und gepflegten Informationsbestände, die von der Europäischen Kommission als „Schlüsselressource für Europa“ bezeichnet werden und als solche Bürgern und Wirtschaftsunternehmen zugänglich gemacht werden sollen, können mit Hilfe des Internets auf ebenso einfache wie kostensparende Weise publiziert werden.180 Dies gilt im großen wie im kleinen, auf Bundes- und Landes- wie auf der kommunalen Ebene. Das Bundespatentamt bietet beispielsweise den OnlineZugriff auf sämtliche deutsche Patentdokumente seit 1877, das BMWi informiert über laufende Förderprogramme, das Statistische Bundesamt veröffentlicht neueste Ergebnisse seiner Untersuchungen.181 Unternehmensgründungen, Konkurse, Versteigerungen, doch auch geplante Straßenbauarbeiten und die damit einhergehenden Verkehrsbeeinträchtigungen sowie Lärmbelästigungen sind ebenfalls behördlicherseits bekannte Informationen, deren Bekanntgabe am schwarzen Brett nur einen kleinen Nutzerkreis ansprechen kann. Die Einstellung derartiger Daten ins Internet ermöglicht demgegenüber einer weitaus größeren 180 181

EU-Kommission, Grünbuch, KOM (1998) 585. Diese und weitere Beispiele in: Bundesregierung, Umsetzungsplan, S. 52 ff.

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2. Teil: Potential der Technik

Zahl an Bürgern, diese Informationen auf einfache Weise zu erhalten.182 Gleiches gilt für den Online-Zugriff auf bestimmte öffentliche Register, wie Handels-, Vereins- oder Güterregister.183 Ebenso können auf diese Weise Rechtsvorschriften bekannt gemacht werden, die das Verwaltungshandeln oder das Gemeindeleben regeln. Deren Veröffentlichung ist eigentlich keine behördliche Aufgabe, kann aber erheblich zur Akzeptanz behördlichen Handelns beitragen. Schließlich ist einerseits die Kenntnis der sein Leben regelnden gesetzlichen Bestimmungen ein Recht des mündigen Bürgers. Andererseits ist die regelmäßige Lektüre der Gesetz- und Verordnungsblätter eine wenig verbreitete Übung. Daher ist die Veröffentlichung der wesentlichen Normen im Internet wohl für viele die einzig wirksame Art der Bekanntgabe.184 Der kostenlose Zugang zu den 500 wichtigsten Bundesgesetzen, die die Bundesregierung gemeinsam mit Juris im Rahmen der Initiative „BundOnline 2005“ realisiert hat, ist ein in dieser Hinsicht vorbildliches Projekt.185 Auch kann mithilfe des Internets das Wissen der Verwaltung über externe Sachverhalte und Gegebenheiten öffentlich bekannt gemacht werden. Dies können Umweltdaten ebenso sein wie städtebauliche Pläne und andere Stadtentwicklungsinformationen. Hier besteht weder eine allgemeine Publizitätspflicht wie bei den genannten Registern, noch ist die Veröffentlichung in dem Maß aus demokratischen Gründen wünschenswert wie bei den oben erwähnten gesetzlichen Bestimmungen. Gleichwohl wächst die Überzeugung, dass der aktivierende, auf partnerschaftliche Zusammenarbeit mit den Bürgern zielende Staat sein Wissen mit der Öffentlichkeit teilen sollte, um dieser die Teilhabe an staatlicher Entscheidungsfindung zu ermöglichen, Verwaltungshandeln transparent und kontrollierbar zu machen und letztlich auch die Akzeptanz staatlichen Handelns zu steigern. Dem steht die Monopolisierung von Informationen entgegen, wie sie bislang durch das Prinzip des Amtsgeheimnisses erreicht und gesichert wird.186 Die zunehmende Zahl an Landesgesetzen zum freien Zugang der Bürger zu Verwaltungsinformationen sowie die wiederholt vorgenommenen Vorstöße, ein entsprechendes Gesetz auch auf Bundesebene zu schaffen, zeugen von dem langsam einsetzenden Bewusstseinswandel auf diesem Gebiet.187 Schließlich kann eine aktive staatliche Informationspolitik die Demokratisierung der Verwaltung und die politische Teilhabe einer großen Anzahl von Bürgern am politischen Prozess befördern. Sowohl Entscheidungen im Einzelfall 182

Wirth, Electronic Government, S. 113. Roßnagel, Transparenz, S. 282. 184 Vgl. hierzu auch Krahn/Werthmann, in: Krahn/Stenner/Werthmann, Kommunen, S. 58; Roßnagel, Transparenz, S. 277. 185 bundesrecht.juris.de/bundesrecht/GESAMT_index.html. 186 Schmitz, Moderner Staat, NVwZ 2000, S. 1243; Schoch, IFG, Die Verwaltung 35 (2002), S. 156. 187 Vgl. den Überblick bei Schoch, IFG, Die Verwaltung 35 (2002), S. 154 f. 183

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wie auch Gesetzesvorhaben können durch eine Beteiligung einer Vielzahl von Interessierten, seien es Betroffene, fachlich Interessierte, Wissenschaftler oder schlichtweg „nur“ Gemeindebürger oder Wähler an inhaltlicher Stärke ebenso gewinnen wie an Legitimation.188 Für eine qualifizierte und allseits nutzbringende Mitwirkung ist dabei die umfangreiche Information der Beteiligten erforderlich. Zum Zweck der Stärkung der demokratischen Teilhabe ist hier ein Handeln der Verwaltung mehr als wünschenswert. Auf kommunaler Ebene etwa ist an die Information der Gemeinde über zu entwickelnde Pläne oder anstehende Bauvorhaben zu denken samt aller für eine etwaige Entscheidung der Bürger relevanten Daten. Auf politischer Ebene, sei es im Gemeinderat oder im Bund, ist an die Offenlegung von Beschlussvorlagen und Gesetzesentwürfen zu erinnern,189 ebenso an die Publikation von Ratsprotokollen und Sitzungsmitschriften. Bei der Lösung der hiermit verbundenen Aufgaben kann das Internet gute Dienste leisten. Es ermöglicht das Durchsuchen auch umfangreichster Aktenbestände, und gestattet die übersichtliche Darstellung auch komplexer Informationsmassen. Es ist grundsätzlich ubiquitär und egalitär – was dort einem zur Verfügung steht, ist allen gleichermaßen zugänglich. Die Publikationskosten sind vergleichsweise gering. Indes ist auf Stetigkeit der Informationslokalisierung zu achten, damit nicht die Daten durch ständiges „Umziehen“ letztlich vor den Adressaten des Angebots versteckt werden, und zudem ein Zitieren möglich ist. Ferner ist es für den praktisch wirksamen und effektiven Zugang zu behördlichen Informationen erforderlich, generell ihr Vorhandensein zu kennen. Dies erfordert die Kenntnis bestimmter Meta-Informationen wie Aktenpläne und -verzeichnisse, die daher allgemein bekannt gemacht werden müssen. Am einfachsten, übersichtlichsten und kostengünstigsten geschieht das mit Hilfe des Internets. Dies entlastet sowohl Bürger wie auch Behörden.190 Zudem wird erwogen, bestimmte Informationen generell vom Antragserfordernis auszunehmen. Daten, die von vornherein durch die Behörde publiziert werden, müssen durch die Bürger nicht mehr nachgefragt werden. Dies entlastet nicht zuletzt die Behörden, die bezüglich dieser Daten dann keine Anfragen mehr zu erwarten haben.191 Das Berliner Informationsfreiheitsgesetz berücksichtigt diesen Aspekt bereits in seinem § 17 Abs. 1, der vorschreibt, bestimmte Umweltdaten wie Emissionskataster, Luftreinhaltepläne, Abfallwirtschaftspläne und an188 Hierzu und auch zu der mit einer verstärkten Bürgerbeteiligung ebenso möglichen Minderung der Qualität vgl. ausführlich unten § 23 V.a) Mitgestaltung, S. 125. 189 Die Publikation von Gesetzesvorhaben im Internet fordert beispielsweise Hoeren, Verfahrensgebote, NJW 2002, S. 3304. 190 Siehe auch Schoch, IFG, Die Verwaltung 35 (2002), S. 173; Tauss/Kollbeck/Fazlic, e-Recht, ZG 2001, S. 233 f. 191 Dix, Akteneinsicht, DuD 2002, S. 294.

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dere seien allgemein zugänglich zu machen.192 Gerade hier können die Vorteile des Internets gut für die Erfüllung dieser gesetzlichen Aufgabe genutzt werden. In diesem Zusammenhang ist jedoch, wie bereits oben, auf die trotz Einsparmöglichkeiten nicht gänzlich zu vernachlässigenden Kosten zu verweisen, die ein Mehr an Information mit sich bringt. Die Pflege derartiger Informationsbestände ist aufgrund ihrer rechtlichen Relevanz von großer Bedeutung. Zwar ist der Hinweis richtig, die elektronische Ausgabe eines Gesetzes oder eines Gesetzblattes sei nur ein unverbindliches Zusatzangebot, dem keine Rechtswirkung beigemessen werden könne.193 Fehler in Angeboten etwa des BMJ oder des Bundesanzeiger-Verlages wären jedoch fatal, was die Glaubwürdigkeit elektronischer Informationsangebote im allgemeinen, doch auch die des Anbieters im speziellen betrifft. Die damit erforderliche qualifizierte Redaktion dieser Daten ist zudem keine leichte Aufgabe; sie erfordert juristischen und verwaltungswissenschaftlichen, eventuell sogar bibliothekarischen und archivarischen Sachverstand. Die damit zusammenhängenden personellen und finanziellen Mehrbelastungen dürfen bei aller Euphorie nicht vernachlässigt werden. Die Lösung, diese Kosten den insoweit Begünstigten aufzuerlegen,194 ist jedoch nicht ohne weiteres zu realisieren. Reine Informationsdienste wie die hier skizzierten Bekanntmachungen, Sammlungen von Gesetzestexten oder Angaben der Aktenverzeichnisse haben keinen klar abgegrenzten Kreis an Begünstigten, denen diese Informationen nur gegen Gebühr überlassen würden. Auch kommt es ja hier gerade auf die allgemeine, von Gebühren unabhängige Verbreitung der Informationen an, sei es zum Schutz des Verkehrs bei Handels- und Vereinsregister, sei es, wie bei den Gesetzestexten und -materialien, um der demokratischen Partizipation willen. Bei Metainformationen zum Aktenbestand einer Behörde ist deren Bekanntmachung Voraussetzung dafür, dass die Bürger von ihrem in Informationsfreiheitsgesetzen verbürgten Recht auf Akteneinsicht wirksam Gebrauch machen können. Und schließlich ist ganz grundsätzlich zu fragen, ob die mit Steuermitteln akkumulierte Information nicht generell allen Bürgern kostenfrei zur Verfügung stehen sollte.195 Allerdings wird nicht zu Unrecht die Frage aufgeworfen, ob tatsächlich kommerzielle Nutzer dieser Informationen den „Rohstoff“ ihres Geschäftes umsonst von staatlicher Seite gestellt bekommen sollten.196 Wie allerdings konkret die informationssammelnde und -bereit192 IFG Berlin, GVBl. BE 1999, S. 561; entsprechendes gilt für umweltbezogene Messdaten, § 17 Abs. 2 IFG Berlin. 193 Herberger, Elektronisches Gesetzblatt, JurPC 191/2002; vgl. auch Konzelmann, BGBl, JurPC 51/1998. 194 Vgl. Roßnagel, Transparenz, S. 294; Schoch, IFG, Die Verwaltung 35 (2002), S. 172. 195 Dix, Akteneinsicht, DuD 2002, S. 294. 196 Roßnagel, Transparenz, S. 294 f.

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stellende Stelle an den wirtschaftlichen Erlösen des vermuteten Wachstumsmarktes der Informationsindustrie beteiligt werden kann, wie also das behördliche „Datenkapital“197 auch finanziell nutzbringend eingesetzt werden soll, ist indes eine Frage der Transaktion. Diese erfordert weitaus komplexere Mechanismen der Zugangssicherung und der Abrechnung, als die in dieser Beziehung technisch noch recht einfach zu realisierende Inhaltsvermittlung. III. Kommunikation per E-Mail Die Kommunikation per E-Mail nutzt die interaktiven Möglichkeiten des Mediums für den direkten Kontakt zwischen Bürger und Verwaltung, ohne dass es bereits zum rechtserheblichen Austausch von Erklärungen kommt. Die damit verbundenen Vorteile sind bereits angesprochen worden: Die Kommunikation ist so einfach, billig und spontan möglich wie ein Telefonat. Aufgrund der Perpetuierung ist jedoch eine zeitliche Entkoppelung der Kommunikation möglich, sowie die Übertragung auch größter Datenmengen in der Form elektronischer Dokumente.198 Der Aufwand des Verfassens und Versendens einer E-Mail ist jedenfalls bei ständiger Internet-Verbindung deutlich geringer als das Verfassen und Versenden eines herkömmlichen Briefes. Interaktivität ist damit viel leichter möglich.199 Diese Vorteile können auch für die Kommunikation zwischen Verwaltung und Bürger nutzbar gemacht werden. Die Erreichbarkeit der Behörden steigt, es wird eine direktere, unkompliziertere Zusammenarbeit zwischen Bürger und Behörde ebenso wie zwischen Behörden möglich, die ein neues, partnerschaftlicheres Verhältnis der Beteiligten unterstützen kann.200 Die direkte Kommunikation kann Defizite der stark strukturierten Informationspräsentation im Rahmen des Marketing oder der Inhaltsvermittlung sowie der formularbasierten Informationsübermittlung im Rahmen Web-basierter Transaktionen überwinden: Nicht jede Frage kann durch die Verwaltung bei der Erstellung ihrer Internetseiten vorhergesehen werden, und nicht jedes Anliegen passt in ein starres Formular, offline oder online. E-Mail-Anwendungen können den auch bei virtualisierten Verwaltungen weiterhin erforderlichen Kontakt zwischen Bürger und Behörde zu einem geringen Teil ersetzen, zu einem wesentlichen Teil jedoch auch nutzbringend ergänzen. So kann E-Mail zur Vorbereitung von Behördengängen dahingehend genutzt werden, dass das Anliegen des Bürgers präzisiert, die von ihm beizubringende Information konkretisiert und der Sachbearbeiter über neueste Entwicklungen informiert wird. So kann das Treffen weitaus effektiver und effizienter für beide Seiten gestaltet werden, und 197 198 199 200

Hierzu Groß, Internet, DÖV 2001, S. 161. Vgl. oben, § 18 Verbesserung der Dienstleistungsqualität, S. 82. Reinermann, Öffentlicher Sektor, S. 29. Reinermann, Öffentlicher Sektor, S. 15 f.

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zwar ohne umfangreiche Aufrüstung der Computersysteme oder anderen komplizierten Technikeinsatz.201 Das Fehlen verbindlicher innerbehördlicher Vorgaben zur Nutzung von EMail und zur Behandlung eingehender und ausgehender Nachrichten war lange Zeit ein Problem dieser Form des Verwaltungshandelns. Dank der Vorarbeiten des Bayerischen Städtetags sind jedoch in mittlerweile wohl allen Kommunen „Dienstanweisungen zur Benutzung und Behandlung elektronischer Post“ üblich. Diese machen Vorgaben hinsichtlich der privaten Nutzung von E-Mails, dem Adressenschema sowohl für persönliche Mails wie auch für solche, die an eine Organisationseinheit gebunden sind, sowie hinsichtlich der Häufigkeit des Abrufs. Zudem enthalten sie Vorschriften zur Behandlung nicht lesbarer oder nicht zustellbarer Nachrichten, der Kontrolle auf Viren, der Nutzung von Attachments, zu verwendender E-Mail-Formate und schließlich zur Archivierung „geschäftskritischer“ ein- und ausgehender Mails.202 Diese Fragen sind damit in der Praxis weitgehend gelöst, wenn auch das Problem der langfristigen Archivierung elektronischer Dokumente bleibt. Kurzfristig kaum abzubauen sind zudem Vorbehalte der Behörden gegen die Direktheit der E-Mail-Kommunikation unter Umgehung des tradierten Dienstwegs und damit der Hierarchie.203 IV. Transaktion Der zentrale Punkt des Projektes E-Government ist die Ermöglichung rechtsverbindlicher Transaktionen über das Netz. Die einfache, doch unverbindliche Darstellung von Informationen der Verwaltung kann hierfür ebenso wenig genügen wie die erwähnte elektronische Kommunikation zwischen Bürgern und Behördenmitarbeitern. Als wesentlich wird vielmehr die Abwicklung von „Dienstleistungen“ der Verwaltung mit Hilfe elektronischer Medien angesehen. Von besonderer Bedeutung ist hierbei der Einsatz der elektronischen Signatur als Mittel der Sicherung von Integrität und Authentizität, und nunmehr auch zur Erfüllung gesetzlicher Formvorgaben durch elektronische Nachrichten. Der verbindliche elektronische Antrag und der rechtsgültige elektronische Verwaltungsakt, sowie das insgesamt elektronisch ablaufende Verwaltungsverfahren sollen ohne Medienbruch ermöglicht werden. Für ein umfassendes E-Government ist das gesamte Formularwesen online abzubilden: Statt papierner Formulare, die vor Ort abzuholen oder bestellt werden müssen, um dann ausgefüllt und wieder zur Behörde gebracht oder geschickt zu werden, soll vielmehr die Eingabemaske gleich online ausgefüllt 201 202 203

Ausführlich Wind, Volk, S. 84 f. Vgl. die Musterdienstanweisung E-Mail des Bayerischen Städtetags. Wind, Volk, S. 86; Reinermann, Öffentlicher Sektor, S. 85.

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werden können. Die dabei übermittelten Daten sind so am einfachsten in die Datenverarbeitung der Behörde zu übernehmen und automatisiert zu verarbeiten.204 Weiter wird als Vorteil elektronischer Transaktionen die Möglichkeit genannt, sämtliche in einer bestimmten Lebenslage bestehenden Anliegen auf einmal erledigen zu können, unabhängig von der im Einzelfall zuständigen Behörde. Ein Vorteil des „elektronischen Bürgerbüros“ und seines Angebots des One Stop Government ist danach die Möglichkeit, Informationen zu verknüpfen bzw. die einmal eingegebenen Daten gleich mehrfach zu verwerten.205 Als Beispiel einer solchen Lebenslage wird regelmäßig der Umzug erwähnt, der die Angabe der Adressänderung mehreren Stellen gegenüber erforderlich macht.206 Der Bereich wünschenswerter elektronischer Transaktionen scheint unbegrenzt und alle Lebenslagen umfassend zu sein, vom Gewerberecht über das Straßenverkehrszulassungsrecht, das Führerscheinwesen, das Steuer- und Abgabenrecht, das BAföG, sowie das Personenstandswesen und das Kinder- und Bundeserziehungsgeld bis hin zum Wahlrecht.207 Darüber hinaus werden die Online-Anmeldung von Patenten, Mustern und Marken, die Eintragung und Auskunft in und aus Registern wie dem Bundeszentralregister und die Beantragung von Grenzerlaubnissen und Reiseausweisen genannt. Zudem werden die Durchführung von Bußgeldverfahren, die Vergabe von Ein- und Ausfuhrgenehmigungen, Förderungen und Forschungsaufträgen, Lizenzen, Frequenzen und Telefonnummern, sowie nicht zuletzt die elektronische Beschaffung erwähnt.208 Allen Beispielen ist jedoch die auch in der Bezeichnung als „Transaktion“ bereits anklingende tatsächliche oder vermeintliche Nähe des Verwaltungshandelns zu privaten Angeboten von Waren oder Dienstleistungen gemein. Das Verwaltungsverfahren wird – den Ideen des New Public Managements entsprechend – als Dienst am Kunden aufgefasst, der Verwaltungsakt als Ware oder Produkt der Verwaltung. Die gedankliche Nähe des so verstandenen E-Governments zum E-Commerce wird auch in den ungezählten „X2Y“-Matrizen deutlich. Deren inhaltliche Aussagekraft ist zwar bestenfalls als neutral zu bezeichnen, doch zeigen sie immer wieder die vermeintliche Vergleichbarkeit einer „Business to Customer relation“ zur Behörden-Bürger-Beziehung.209 In dieser 204

Holznagel/Krahn/Wertmann, Electronic Government, DVBl. 1999, S. 1479. Der sich aus Kommunikationsverpflichtungen der Wirtschaft gegenüber der Verwaltung ergebende Aufwand wird auf etwa 25 Milliarden Euro, der zeitliche Aufwand pro Handwerksbetrieb auf 288 Stunden im Jahr geschätzt, vgl. Roßnagel, Transparenz, S. 316. 206 Kubicek/Hagen, Multimedia, S. 66; Hoffmann-Riem, Problemskizze, S. 26; Zum Umzug als Beispiel auch Roßnagel, Transparenz, S. 274. 207 Angaben nach dem Entschluss des Bundesrates zum E-Goverment, BR-Drs. 231/00, S. 4. Siehe auch die Angaben zu den Nutzerwünschen in Emnid, (N)OnlinerAtlas 2002, S. 60: Hiernach sind Anwendungen des Melde- und Passwesens sowie Kfz-Sachen die am häufigsten gewünschten. 208 Angaben nach der Liste der Bundesregierung, Umsetzungsplan, S. 58 ff. 205

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gäbe es Lieferanten, Abteilungen, Prozesse und Abnehmer wie in der Wirtschaft – mit dem Unterschied, dass der Abnehmer Bürger, nicht Kunde genannt wird.210 Die Schwächen einer derartigen Betrachtungsweise – die wesentliches Staatshandeln nicht zu erfassen vermag – sind bereits dargelegt worden. Doch ist die Orientierung der E-Government-Konzepte am E-Commerce letztlich deswegen nachvollziehbar, weil ein elektronisches Verwaltungsverfahren nur bei kooperativen Verfahren, eben bei „Transaktionen“ oder „Transaktionsdiensten“,211 ernstlich verwirklicht werden kann.212 Auf eine besondere Schwierigkeit bleibt noch hinzuweisen: Verfahren, die eine intensive Beratung des Bürgers voraussetzen, wie im Staatsangehörigenund Einbürgerungsrecht, eignen sich ebenfalls nur bedingt für die elektronische Abwicklung.213 Hier ist häufig eine persönliche Begegnung der Beteiligten unausweichlich. Diese kann durch eine Online-Abwicklung nicht wirklich ersetzt werden. V. Partizipation Als höchste Stufe der Öffnung der Verwaltung dem Bürger gegenüber wird regelmäßig die Partizipation des Bürgers genannt. Das meint zum einen die tatsächliche Beteiligung der Bürger an einzelnen Verwaltungsentscheidungen, oft als Mitgestaltung bezeichnet. Darüber hinaus jedoch sollen nach Teilen der politikwissenschaftlichen Literatur das Netz und die Elektronisierung der Kommunikationsbeziehungen auch der verbesserten demokratischen Teilhabe nicht allein bei einzelnen Entscheidungen, sondern am politischen Geschehen insgesamt bewirken. E-Government sei danach weit mehr als nur E-Administration, also die Schaffung eines elektronischen Verwaltungsverfahrens. Hierfür sei vielmehr die Nutzung auch des demokratischen Potentials der modernen Kommunikationsmittel erforderlich. Modernisierung und Demokratisierung seien zwei Seiten derselben Medaille, Transaktion und Partizipation seien gleichwertig und miteinander zu vereinbaren.214 Unter den Stichworten „E-Democracy“ und „EVote“ oder „e-lection“ werden zudem elektronische Abstimmungen und Wahlen diskutiert. Beiden Aspekten der Bürgerbeteiligung ist die Notwendigkeit einer zureichenden Information der Bürger über geplante Vorhaben, politische Ent209

Siehe beispielsweise Lucke/Reinermann, Definition, S. 2. Naujokat/Eufinger, Wirtschaft, S. 54. 211 Der Begriff findet sich beispielsweise bei Holznagel/Krahn/Wertmann, Electronic Government, DVBl. 1999, S. 1479. 212 Hierzu oben § 19 I. New Public Management als Ent-Bürokratisierung, S. 85. 213 Holznagel/Krahn/Wertmann, Electronic Government, DVBl. 1999, S. 1479. 214 Bertelsmann-Stiftung, Studie, S. 4; siehe hierzu auch Friedrichs/Hart/Schmidt, Balanced E-Government, Aus Politik und Zeitgeschichte 39–40/2002, S. 12. Vgl. auch Hoecker, Mehr Demokratie, Aus Politik und Zeitgeschichte 39–40/2002, S. 41 f. 210

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wicklungen und anstehende Entscheidungen gemein; dass das Internet hierbei sehr gute Dienste leisten kann, ist oben ausführlich dargelegt.215 a) Mitgestaltung Die Möglichkeit von E-Mail und anderen direkten Kommunikationsbeziehungen zwischen Bürgern und der Verwaltung geben vielerorts Anlass zur Hoffnung auf eine Demokratisierung der Verwaltung. Hierin spiegelt sich auch der Wunsch, die Gestaltung des Gemeinwesens solle nicht mehr allein Sache des Staates und seiner Behörden, sondern Anliegen aller sein. Bürger und Bürgerinnen sollen Citoyens werden, die ihr Recht auf Teilhabe nicht nur in Wahlen ausüben, sondern Tag für Tag eigenverantwortlich die Gemeinschaft bilden, formen und lenken. Die Worte der Bürgergesellschaft und des aktivierenden Staates sind Ausdruck dieses politischen Ziels. Dieses Ziel soll auf zwei Wegen erreicht werden: Einerseits wird generell nach der Aufgabe des Staates in dieser Gesellschaft gefragt. Es wird versucht zu bestimmen, was die öffentliche Hand, und was Private, „aktivierte Bürger“, am besten, einfachsten und billigsten leisten können.216 Andererseits wird angestrebt, die Bürger an der Erfüllung der dem Staat verbleibenden Aufgaben zu beteiligen. Dies betrifft die Entwicklung der politischen und planerischen Ziele ebenso wie deren Verwirklichung.217 Das klassische Mittel dieser Demokratisierung durch Einbeziehung aller Beteiligter ist die Gremienarbeit, die vor allem aus dem Hochschulbereich bekannt ist.218 In anderen Bereichen wird auf diesem Weg versucht, externen Sachverstand einzubinden oder zumindest allen relevanten gesellschaftlichen Gruppen Gehör zu verschaffen. Beispiele hierfür sind die Aufsichtsräte der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Schriften sowie die Sachverständigenkommission nach dem Gentechnikgesetz.219 Der Vorteil der Gremien mit fest verteilten Rollen, Quoten und Stimmrechten ist die Berücksichtigung aller maßgeblichen Gruppierungen wie Parteien, Gewerkschaften, Kirchen usw. in einem fein austarierten, der jeweiligen Bedeutung der Beteiligten entsprechenden System an Mitwirkungsrechten und Stimmanteilen. Der Nachteil ist die Beschränkung auf etablierte Gruppen und Organisationen und damit ein Erstarren des Systems. Die Internet-Technologie verspricht, die Koordinierung einer Großzahl von Beteiligten auf andere Art zu lösen. Statt vorheriger Gewichtung der Gruppen und Auswahl der zur Mitsprache Befugten eröffnet die einfache, schnelle und billige 215 216 217 218 219

Vgl. § 23 II. Inhaltsvermittlung, S. 117. Köster, Governance, VR 2002, S. 227. Vgl. Becker, PPP, ZRP 2002, S. 303. § 37 HRG. § 9 GjSM; § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 GenTG; § 21 ZDF-Staatsvertrag.

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elektronische Kommunikation die Möglichkeit, tatsächlich alle zu beteiligen, die von der zu treffenden Entscheidung berührt werden können. Dies kann zu sachund betroffenengerechteren Entscheidungen führen, die bereits aus diesem Grund bereitwilliger angenommen werden. Zudem kann die Verwaltungsarbeit nicht nur mittelbar durch die politische Führung und damit deren (Ab-) Wählbarkeit, sondern direkt im Alltag demokratisch legitimiert werden, was wiederum der Akzeptanz der getroffenen Entscheidung dienlich sein kann.220 Nur zum Teil werden allerdings die mit dieser Art der Demokratisierung generell verbundenen Nachteile ausgeräumt. Das gesamte Verfahren kann so erheblich verlangsamt werden. Erfahrungsgemäß wird die Entscheidungsfindung mit jedem zusätzlichen Beteiligten schwieriger und zeitaufwendiger. Nicht selten kommt hier der Koordinierung der Gremienarbeit praktisch ein höherer Stellenwert zu als der eigentlichen Suche nach der besten Lösung. Der Hochschulbereich kann hier wiederum als Beispiel für zeitraubende Grabenkämpfe dienen, die deshalb kontraproduktiv sind, weil sie die in ihrer Konzeption begrüßenswerte Einbeziehung aller Beteiligten desavouieren und letztlich Umgehungstendenzen befördern.221 In dieser Deutlichkeit bestehen die genannten Gefahren bei der Bürgerbeteiligung per E-Mail zwar nicht – verglichen mit der Gremienarbeit ist diese weitaus einfacher zu koordinieren. Doch bleibt das nicht triviale Problem der Auswertung einer Vielzahl von Anmerkungen, Kommentaren und Stellungnahmen, die sicherlich nicht in jedem Falle stets sachlich, dem Problem angemessen und lösungsorientiert sein werden. Selbst die Äußerungen von juristisch qualifizierten und mit der Sache intensiv befassten Beteiligten an Gerichtsverfahren sind in vielen Fällen unstrukturiert, kontraproduktiv und daher eine Belastung für die Justiz.222 Die Beteiligung lediglich an einem Thema Interessierter ist nicht zu Unrecht bereits als „race to the bottom“ hinsichtlich der Qualität der Beiträge und der Produktion unsinniger und wertloser Informationen beschrieben worden.223 Ähnliches kann, wenn auch in abgeschwächter Form, von der mühelosen Beteiligung an administrativen Entscheidungen in Wirtschaftsunternehmen oder der öffentlichen Verwaltung angenommen werden.224 Dass „Hemmschwellen für das Mitteilen von Erfahrungen, Bewertungen oder Vorschlägen an die öffentlichen Einrichtungen sinken, weil der Weg über das Internet Aufwand, Zeit und Kosten drastisch herabsetzt“,225 kann daher 220 Zur Frage der Grund-, institutionellen bzw. individuellen Legitimation und der hiermit verbundenen Akzeptanz staatlichen Handelns vgl. Schedler/Proeller, NPM, S. 7 ff. 221 Lynen, Postmoderne, HFR 10/1999, S. 3. 222 Bender/Schwarz, Elektronische Akte, CR 1994, S. 372. 223 Spindler, Corporate Governance, ZGR 2000, S. 442. 224 Zur Frage der „virtuellen Hauptversammlung“ siehe Spindler, Corporate Governance, ZGR 2000, S. 440 ff. 225 So Reinermann, Electronic Government, VR 2002, S. 166.

6. Kap.: Praktische Einsatzmöglichkeiten

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durchaus auch kritisch betrachtet werden. Damit steigt der Aufwand der Informationsstrukturierung und -wertung. Das Sinken der Kosten für die Informationsdissemination verliert damit gegenüber dem Steigen der Kosten für die Informationsevaluation an Bedeutung.226 Auch bei vermehrter Technisierung bleiben jedoch die wesentlichen Ressourcen, Zeit und Aufmerksamkeit der Entscheidenden, unverändert knapp.227 Die Strukturierung der Information kann hier nur bedingt helfen.228 Die vermehrte Bürgerbeteiligung kostet damit sowohl für den Bürger wie auch für die Verwaltung Zeit und häufig Geld. Der Wunsch nach mehr Beteiligung aller, und daher auch der rechtlich von der zu treffenden Entscheidung nicht in eigenen Rechten Betroffenen, steht deswegen in einem gewissen Widerspruch zu den vermehrt zu beobachtenden Tendenzen, durch Vereinfachung und Umgestaltung der Verwaltungsverfahren jedenfalls in wirtschaftlich relevanten Bereichen die Beteiligungsrechte Dritter systematisch einzuschränken.229 Die teilweise gehegte Hoffnung auf eine zunehmende Demokratisierung von wirtschaftlich wie gesellschaftlich hochbedeutenden Verfahren wie Anlagengenehmigungen aufgrund verstärkter Technisierung der Verwaltung230 erscheint letztlich einer übertrieben optimistischen Sicht auf die tatsächlichen Verhältnisse geschuldet. Wahrscheinlicher ist demgegenüber, dass unabhängig von der sich entwickelnden Technik die gesetzlich verbürgten und gerichtlich durchsetzbaren Beteiligungsrechte weiter zu bloßen Äußerungsgelegenheiten abgeschwächt werden. Allenfalls mag deren Wahrnehmung durch die elektronischen Kommunikations- und Visualisierungstechniken erleichtert werden. Hinzu kommt: Durch eine verstärkte Bürgerbeteiligung an einzelnen Verfahren ist ein Verlust an klarer Verantwortlichkeit zu befürchten. Die Verlagerung der Entscheidungsmacht auf ein Gremium führt zu einer Aufteilung und Abwälzung auch von Verantwortung für die getroffene Entscheidung. Eine weitgehende Demokratisierung auch einzelner Verwaltungsverfahren führte dementsprechend zu einer Schwächung der Verantwortung für deren Ergebnis. Dies kann die Einfluss- und Steuerungsmöglichkeit der Behördenleitung und der 226 Spindler, Corporate Governance, ZGR 2000, S. 442; Eifert, Organisationsaufgabe, ZG 2001, S. 118; ähnlich bereits Bull, Traum-Demokratie, S. 43. 227 So deutlich Noam, Digitaler Schwindel, unter Nr. 6; ebenso Eifert, Organisationsaufgabe, ZG 2001, S. 118. Schefbeck, Elektronische Demokratie, S. 91, verwendet möglicherweise ungewollt die richtige Bezeichnung, wenn er davon spricht, Bürger könnten über die E-Mail-Adresse des österreichischen Parlaments ihre politische Meinung „deponieren“. 228 Zu Fragen des Content-Managements und der Expertensysteme siehe Lenk, Electronic Democracy, S. 251; Maßnahmen zur Strukturierung von Anwaltsschriftsätzen beschreiben Bender/Schwarz, Elektronische Akte, CR 1994, S. 373. 229 Zur Verfahrensvereinfachung durch Einschränkung der Beteiligtenrechte im „modernen Verwaltungsverfahrensrecht“ siehe bspw. Schmitz, Moderner Staat, NVwZ 2000, S. 1239. 230 Vgl. Roßnagel, Verwaltung III, S. 19 f.

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2. Teil: Potential der Technik

politischen Führung mindern, oder aber zu einer doppelten Verantwortlichkeit gegenüber der Behördenleitung und den Bürgern führen. Es besteht daher die Gefahr der zunehmenden Beliebigkeit und Verantwortungslosigkeit, bei der die Demokratisierung nur als Feigenblatt dient und nicht tatsächlich gewollt ist. b) E-Democracy Schon früh wurde auch das Internet als Medium für politische Auseinandersetzungen entdeckt. Darin folgte es anderen Kommunikationsmitteln wie dem Teletext oder dem Btx nach – doch weitaus erfolgreicher, konnten doch diese aufgrund ihrer technischen Beschränkungen nicht ernsthaft für die demokratische Willensbildung genutzt werden.231 Das Internet demgegenüber ermöglichte erstmals wirklich den gleichrangigen Zugriff auf Informationen, die interaktive Kommunikation und die jedem mögliche Publikation von Meinungen und Dokumenten. Politologen schwärmten von einer kommenden oder bereits existenten „elektronischen Demokratie“.232 Nicht ganz zu unrecht, wie jedenfalls jetzt zu konstatieren ist: Die Hierarchiearmut des Netzes, seine Widerstände gegen Zensur, seine weite Verbreitung sowie die Einfachheit der Publikation ermöglichen jedermann zumindest den Versuch, seine Stimme einzubringen. Das kann zwar nicht immer gelingen,233 ist aber leichter als in der mehr und mehr undurchdringlichen Medienlandschaft. Großereignisse wie die heftig umstrittene schwarz-blaue Koalition in Österreich, Aktionen der Globalisierungsgegner von Attac sowie der Krieg gegen den Irak haben die Mobilisierungskraft des Internets ebenso gezeigt wie seine Fähigkeit, unter Umgehung bzw. in Ergänzung der herkömmlichen Medien zu informieren. Schließlich ist das Medium inzwischen auch Anschlagtafel für fast alle Berufs-Politiker, die mit professionellen Web-Angeboten ihre tatsächlichen und potentiellen Wähler informieren, umwerben und überzeugen wollen.234 Zunehmend wird außerdem die Online-Wahl als stärkste Form des InternetEinsatzes im demokratischen Prozess gefordert, auch von den im Bundestag vertretenen Parteien. Die Bundesregierung hat sich diesen Forderungen nach anfänglichem Zögern teilweise angeschlossen und unterstützt entsprechende Forschungsvorhaben.235 Die elektronische Wahl wird aus mehreren Gründen befürwortet. Sie sei zeitgemäß, könne die herkömmliche Briefwahl in einer heute üblichen Art und 231

Zur Wahl per BTX vgl. Bull, Traum-Demokratie, S. 47. Leggewie/Maar, Internet. 233 Kritisch Noam, Digitaler Schwindel. 234 Der von politik-digital.de durchgeführte Überblick über die Webseiten der Bundestagskandidaten 2002, „eCandidates 2002“, umfasste 638 Web-Seiten, vgl. politikdigital.de, eCandidates 2002. 235 Vgl. oben § 5 VII. Förderung der Online-Wahl, S. 35. 232

6. Kap.: Praktische Einsatzmöglichkeiten

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Weise ergänzen und ersetzen und öffne die Politik gegenüber jüngeren Wählerschichten.236 Sie ermöglichte außerdem aufgrund der Automatisierung eine leichtere und schnellere Auszählung der Stimmen und verhindere Wahldebakel wie in Florida bei den Präsidentschaftswahlen 2000; zudem sei die automatisierte Auszählung billiger als die manuelle Sortierung der Wahlzettel, zumal sich hierfür kaum noch genügend Helfer fänden.237 Den Wählern käme zugute, dass sie ebenso wenig wie Briefwähler am Wahltag zu Hause sein müssten, doch anders als diese ihre Entscheidung nicht mehrere Tage im Voraus treffen müssten. So könnten sie politische Entwicklungen noch bis zum Wahltag selbst bei ihrer Entscheidung berücksichtigen, und seien damit genauso gestellt wie diejenigen Wähler, die ihre Stimme im Wahllokal abgeben.238 Auch könne die Gefahr der versehentlich ungültig abgegebenen Stimme minimiert werden.239 Doch sind sich Politiker aller politischen Parteien einig, dass die elektronische Stimmabgabe kein Allheilmittel gegen Wahlmüdigkeit ist.240 Untersuchungen britischer E-Voting-Versuche auf lokaler Ebene bestätigen diese Skepsis.241 Mit dem Sinken der Stimmauszählungskosten bekommen zudem wieder Ideen Auftrieb, die eine verstärkte Bürgerbeteiligung auch außerhalb des festgelegten Turnus von Bundes-, Landes- und Kommunalwahlen fordern. Seit 1992 brachte die Fraktion der Grünen in jeder Legislaturperiode – erfolglos – den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Volksbegehren in den Bundestag ein;242 die PDS versuchte es ebenso erfolglos 1997 und 1998.243 Auch in der 14. Legislaturperiode scheiterten wiederum zwei entsprechende Initiativen, eine davon sogar unterstützt durch die Koalitionsfraktionen, am Nichterreichen der 236 Rüß, E-democracy, ZRP 2001, S. 519; Bonitz, BT-Prot. 14/192, S. 18819; Stadler, BT-Prot. 14/192, S. 18822; Körper, BT-Prot. 14/192, S. 18823. 237 Rüß, E-democracy, ZRP 2001, S. 518; ähnlich Bettin, BT-Prot. 14/192, S. 18821; Körper, BT-Prot. 14/192, S. 18823. Auf die geringeren Kosten hebt auch ab Eifert, Organisationsaufgabe, ZG 2001, S. 117. 238 Rüß, Wahlen, MMR 2000, S. 76. 239 Rüß, Wahlen, MMR 2000, S. 76. 240 Bonitz, BT-Prot. 14/192, S. 18820; Bettin, BT-Prot. 14/192, S. 18822; vgl. aber auch Tauss, E-Vote, S. 286, und Tauss/Kollbeck/Fazlic, e-Recht, ZG 2001, S. 238 ff. 241 Danach sank die Wahlbeteiligung Wahlbezirken geringfügig, in denen testweise auch E-Voting möglich war, während sie allgemein auf niedrigem Niveau blieb; die größten Steigerungen konnten Wahlbezirke verzeichnen, in denen ausschließlich Briefwahl angeboten wurde, vgl. heise news vom 26.06.2003, heise.de/newsticker/ meldung/38037. 242 Gesetz zur Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid im Grundgesetz vom 25.11.1992, BT-Drs. 12/3826, abgelehnt am 30.06.1994; Gesetz zur Einführung von Volksantrag, Volksbegehren und Volksabstimmung im Grundgesetz vom 24.03.1998, BT-Drs. 13/10621, abgelehnt am 24.06.1998. 243 Gesetz zur Ergänzung der parlamentarischen Demokratie durch unmittelbare Demokratie, BT-Drs. 13/9280 vom 27.11.1997, abgelehnt durch den Innenausschuss mit Beschluss vom 26.06.1998, BT-Drs. 13/11222 und erledigt aufgrund von Diskontinuität.

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2. Teil: Potential der Technik

für eine Grundgesetzänderung erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit.244 Gleichwohl ist das Thema erneut Teil des Regierungsprogramms für die 15. Legislaturperiode.245 Zwar sahen die Gesetzentwürfe jeweils keine besonderen Regelungen zu Online-Abstimmungen vor. In der Literatur wird diese Verbindung zwischen Online-Wahlen und einer größeren Zahl von Abstimmungen, Volksbegehren und Volksinitiativen jedoch ebenso hergestellt wie in der Politik.246 Gegen die Einführung elektronischer Abstimmungen über das Netz bestehen indes vielerlei Bedenken, die auch mit Hilfe der elektronischen Signatur nur bedingt ausgeräumt werden können. Zwar kann die Sicherheitstechnik – bei richtiger Implementierung und Anwendung – sowohl die Anonymität wie auch die Einmaligkeit der Stimmabgabe garantieren und damit die Einhaltung der Wahlrechtsgrundsätze der gleichen und der geheimen Wahl.247 Auch die Allgemeinheit der Wahl ist grundsätzlich gewährleistet, da die Online-Wahl nur eine zusätzliche Möglichkeit der Stimmabgabe darstellt; die formal gleiche Wahl ist durch die Ähnlichkeit zur Briefwahl gegeben. Die Freiheit der Wahl ist ebenfalls nicht tangiert, ebenso wenig ihre Unmittelbarkeit.248 Problematisch ist die Online-Wahl aber letztlich aus vier Gründen, nämlich aufgrund ihrer Intransparenz für den Wahlvorstand, ihrer Intransparenz für den Wähler, ihrer starken Abhängigkeit von der Technik, und ihrer geringeren Seriosität.249 Der Wahlakt selbst wird bei der Online-Wahl aus der Wahlkabine in das heimische Wohnzimmer verlagert. Die für die demokratische Legitimation wesentliche Geheimhaltung und damit zusammenhängend die Freiheit der Stimmabgabe kann dort jedoch bei weitem nicht so gut sichergestellt werden wie im öffentlichen Wahllokal. Die Einschränkung der beiden Wahlrechtsgrundsätze der geheimen und freien Wahl wird zwar auch bei der Briefwahl deswegen und 244 Gesetz über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid (dreistufige Volksgesetzgebung), Entwurf der PDS-Fraktion vom 09.06.1999, BT-Drs. 14/1129, abgelehnt am 17.02.2000; Gesetz zur Einführung von Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid in das Grundgesetz vom 13.03.2002, Entwurf der Koalition, BT-Drs. 14/8503, abgelehnt wegen Nichterreichen der notwendigen Zwei-Drittel-Mehrheit am 07.06.2002. 245 Regierungserklärung des Bundeskanzlers, BT-Prot. 15/4, S. 51 (55 A); vgl. auch BT-Drs. 15/856; offenbar gewinnt die derartigen Ideen gegenüber bislang wenig aufgeschlossene CDU (vgl. Bonitz, BT-Prot. 14/192, S. 18820 D) auch allmählich Interesse, jedenfalls soweit Neuwahlen zu ihren Gunsten möglich erscheinen, vgl. die Frage des MdB Hohmann, CDU/CSU, in BT-Drs. 15/856. 246 Vgl. Bonitz, BT-Prot. 14/192, S. 18820 D; Rüß, Wahlen, MMR 2000, S. 76; Eifert, Organisationsaufgabe, ZG 2001, S. 117; ähnlich Tauss, E-Vote, S. 288 („neue Formen der Partizipation“). 247 Rüß, Wahlen, MMR 2000, S. 74 f.; ausführlich Ullmann/Koob/Kelter, OnlineWahlen, DuD 2001, 643; Lackum/Werner, Electronic Voting, JurPC 137/2001. 248 Ausführlich Rüß, Wahlen, MMR 2000, S. 73, und ders. E-democracy, ZRP 2001, S. 518. 249 Ausführlich und tiefgreifend Schreiber, § 35 BWG Rdnr. 9.

6. Kap.: Praktische Einsatzmöglichkeiten

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insoweit hingenommen, als nur so die Allgemeinheit der Wahl verbessert und insofern die Legitimationsbasis verbreitert wird. Wenn die Briefwähler ohne die Möglichkeit der orts- und zeitversetzten Wahl gar nicht wählen könnten, würde ihnen die Teilnahme an der Wahl insgesamt verweigert und sie in der Ausübung ihres grundrechtsgleichen Rechts auf Teilhabe an der politischen Willensbildung gehindert. Die Briefwahl ist daher, sofern nur so die Wahl möglich ist, eine verfassungskonforme Möglichkeit der Stimmabgabe trotz des damit verbundenen Mangels an Kontrolle der Gesellschaft über die freie und geheime Stimmabgabe. Sie muss allerdings die Ausnahme bleiben und an strenge Voraussetzungen wie etwa die Glaubhaftmachung eines Hinderungsgrundes am Wahltag gebunden sein.250 Dieses Erfordernis ist indes mittlerweile nur noch symbolisch und kein wirksames Mittel der Eindämmung der Briefwahl, die auch kaum noch als Ausnahme zu bezeichnen ist.251 Das elektronische Wahlverfahren ist von der dem Wähler weitestgehend entzogenen Signatur- und Verschlüsselungstechnik abhängig. Die Einflussmöglichkeit der Nutzer auf das Verfahren soll auch bewusst so gering wie möglich sein, um eine absichtliche oder versehentliche Störung etwa durch Viren weitestgehend auszuschließen. Damit sinkt indes die Transparenz des Verfahrens für den Wähler, der sich auf die Beteuerungen des Soft- und Hardwareherstellers zur Sicherheit des Verfahrens ebenso verlassen muss wie auf die zur ordnungsgemäßen Wertung seiner elektronisch abgegebenen Stimme. Während die Kontrolle der Stimmabgabe und Stimmauszählung im Wahllokal ohne weiteres möglich ist, bedarf die Überprüfung der Korrektheit der Online-Wahl eines umfangreichen Spezialistenwissens über die Implementierung und Nutzung von Computertechnik, Signatur- und Verschlüsselungsverfahren, Anonymisierungsdiensten und anderen wesensnotwendigen Voraussetzungen dieser Art Wahl. Mit steigender Unsicherheit über die einwandfreie Abwicklung der Wahl sinkt ihre Legitimation. Nicht wenige Wähler werden die Anonymität des Dienstes nicht glauben und spüren können, auch wenn sie vielleicht annehmen, dass sie gegeben sein müsste. Doch ist die Technik schlichtweg zu kompliziert, um allgemein verstanden zu werden. Mit der Technisierung des Wahlverfahrens steigt seine Abhängigkeit von der Technik. Das hat nicht allein Folgen für die Transparenz des Verfahrens, die ohne Technik nicht hergestellt werden kann. Ohne Technik kann auch der korrekte Ablauf des Wahlaktes nicht gewährleistet werden: Die Wähler benötigen für die Abgabe ihrer Stimme auf elektronischem Wege Computer, Software, Internet, Signaturtechnik usw. Solange die Online-Wahl nur möglich, also nur ein Zu250 BVerfG, Beschl. v. 15.02.1967 – 2 BvC 2/66, BVerfGE 21, 201; Beschl. v. 24.11.1981 – 2 BvC 1/81, BVerfGE 59, 119. 251 Mehr als acht Millionen Briefwähler bei den Bundestagswahlen 1998 entsprechen 16% der Wähler, vgl. die Zahlen bei Schreiber, § 36 BWG Rdnr. 2; der Anteil war 2002 mit etwa 18% wiederum höher (Angabe des Bundeswahlleiters).

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2. Teil: Potential der Technik

satzangebot ist, ist dies auch vor dem Grundsatz der kostenfreien Wahl unproblematisch. Allerdings besteht die nicht geringe Gefahr eines Ausfalls der Technik, etwa aufgrund von Angriffen auf das System. Bundestagswahlen sind wie gesagt Medienereignisse ersten Ranges, die auf Publizität bedachte Hacker magnetisch anziehen. Zudem besteht aufgrund der Zentralisierung der gesamten Wahl auf wenige Server statt hunderter Wahllokale ein viel größeres Schadenspotential. Angriffe auf das System wie Denial-Of-Service-Attacken, die Netzcomputer mit Hilfe unzähliger überflüssiger Anfragen und Nachrichten überfordern und so in die Knie zwingen und unbrauchbar machen, sind in offenen Netzwerken nicht wirksam zu verhindern. Damit ist ein Fall-Back-System beim Anschluss der Wahlserver an das Internet erforderlich, das bei der Wahl von zu Hause aus nicht effektiv eingerichtet werden kann.252 Notwendig und gegenwärtig allein marktreif ist damit ein System, das nur in Wahllokalen zum Einsatz kommen kann.253 Von der Vision der Online-Wahl bleibt damit die Verbesserung bereits jetzt üblicher Wahlmaschinen im Wahllokal. Mit einem gravierenden Unterschied: Sie wären vernetzt und ermöglichten die Wahl unabhängig vom Wohnsitz des Wählenden in einem beliebigen Wahllokal im Bundesgebiet.254 Der Gang ins Wahllokal wäre somit auch weiterhin notwendig. Das ist jedoch nicht nachteilig, sondern im Gegenteil sogar vorteilhaft. So kann nicht nur die Sicherheit des Systems weitaus besser gesichert werden, sondern es lassen sich so die Freiheit und Gleichheit der Wahl seitens des Staates weitaus besser sicherstellen als im Wohnzimmer des Wählers. Hinzu kommt jedoch ein verfassungsrechtlich schwer fassbares, psychologisch aber umso wichtigeres Moment: Die Bedeutung der demokratischen Wahl als öffentlicher, ritueller Akt der Bevölkerung. Der Ritus des „zur Wahl Gehens“ festigt und konstituiert letztlich die bundesdeutsche Demokratie, verbindet die Wähler mit den Gewählten, ist nicht nur wegen der Ergebnisse bedeutsam, sondern schon im Moment der Wahl selbst. Dieser Ritus bedarf gewisser Anstrengungen von allen Seiten und darf nicht profanisiert, nicht trivialisiert werden. Die Vorstellung einer Bundestagswahl oder gar Bundespräsidentenwahl per SMS erweckt Unbehagen, mag sie technisch auch noch so ausgefeilt und sicher sein. Eine ernst genommene Wahl braucht Zeit zur Entscheidung255 ebenso wie eine gewisse Erhabenheit der Wahlhandlung – auch wenn die Resopaltische üblicher Wahllokale diese nur bedingt vermitteln. Maßgeblich ist hier die Öffentlichkeit der Stimmabgabe.256 252

Vgl. oben § 7 II. e) Gesteigerte Technikabhängigkeit, S. 44. Projekt I-Vote der Forschungsgruppe Internetwahlen um Prof. Otten, vgl. auch i-vote.de. 254 Zu Wahlmaschinen siehe die Erläuterungen von Schreiber zu § 35 BWG, zu ihrer geplanten Vernetzung siehe Staatssekretär Körper, BT-Prot. 14/192, S. 18823. 255 Bull, Demokratie, S. 298; ebenso bereits ders., Traum-Demokratie, S. 47. 253

7. Kap.: Digital Divide als auszuräumendes Hindernis

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Kapitel 7

Digital Divide als auszuräumendes Hindernis § 24 Gefahr der Digital Divide Für den Erfolg des E-Government ist es wesentlich, dass die von der Verwaltung unter großem finanziellen, persönlichen und sachlichen Aufwand bereit gestellten Angebote von den Bürgern auch angenommen werden. Nur bei einer breiten Nutzung der modernen Medien lässt sich das Rationalisierungspotential der Technisierung voll ausschöpfen. Auch ist es kaum gerechtfertigt, große Entwicklungs- und Implementierungskosten nur zum Nutzen sehr weniger Bürger zu verwenden, und damit die von allen Bürgern aufzubringenden öffentlichen Mittel in einem starken Maß für nur punktuell wirkende Verbesserungen der öffentlichen Dienstleistungen zu binden. Noch kann nicht davon gesprochen werden, dass das Medium Internet allgemein verbreitet wäre und von den Bürgern auch zur Abwicklung elektronischer Transaktionen genutzt würde. Das damit angesprochene Problem des „elektronischen Grabens“, der „Digital Divide“, zwischen den Nutzern und den Nicht-Nutzern, hat zwei Aspekte: Zum einen ist es erforderlich, sehr viele Bürger von der Nutzung der neuen Angebote zu überzeugen. Das kann auch Vorteile für die „Onliner“ einschließen. Doch ist es zum anderen notwendig, die Zahl der „Offliner“ gering zu halten – und diese nicht zusätzlich für ihren Mangel an Teilnahmemöglichkeiten am elektronischen Rechtsverkehr zu bestrafen. Die sich aus der uneinheitlichen Internetnutzung der Bevölkerung ergebenden Gefahren sind möglichst zu mindern und, soweit noch vorhanden, bei allen Maßnahmen zur Ermöglichung des E-Government zu berücksichtigen. Der Begriff der „Digital Divide“ oder des „elektronischen Grabens“ kennzeichnet hierbei die Spaltung der Gesellschaft in diejenigen, denen moderne Kommunikationstechnik in all ihren Erscheinungsformen zur Verfügung steht und die diese auch problemlos nutzen, sowie diejenigen, die hiervon ausgeschlossen sind. Dies betrifft auch das Internet als Medium der Kommunikation, das um so stärker in das Zentrum des Interesses rückt, je mehr der Zugang zu staatlichen Dienstleistungen im Zuge des E-Government über dieses Computernetz erfolgt. Die mit dem E-Government verbundenen Vorteile für den Bürger kommen nämlich nur denjenigen zugute, die sich elektronischer Kommunikationsmittel bedienen können und dies auch tatsächlich tun. Den bevorzugten Usern gegenüber stehen die loser,257 diejenigen, die nicht in der Lage oder willens sind, an der Informationsgesellschaft und der allgemeinen Digitalisierung aller Kommunikation teilzuhaben; weniger drastisch ist die Bezeichnung als 256 257

Buchstein, Kanzlerwahl, NG/FH 2002, S. 615. Begriffe von Kubicek, Zugang, S. 333.

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2. Teil: Potential der Technik

„haves“ und „have-nots“ oder „want-nots“.258 Das Bemühen, die von den Vorteilen der modernen Technologien Ausgeschlossenen, die „Ohnemichels“259 nicht zu den Verlierern des Wandels, eben zu den den Usern gegenübergestellten losern werden zu lassen, ist der wesentliche Inhalt des allgemein- und rechtspolitischen Zieles der Verhinderung der „Digital Divide“. Auf die Gefahr, durch eine weitgehende Technisierung die Gräben zwischen den Nutzern und den Nicht-Nutzern moderner Informations- und Kommunikationstechnologien zu vertiefen, wies bereits Mitte der 1990er Jahre der Bangemann-Report hin: „The main risk lies in the creation of a two-tier society of have and have-nots, in which only a part of the population has access to the new technology, is comfortable using it and can fully enjoy its benefits.“260

Diese Warnung griff die EU-Kommission 1997 auf.261 Die Besorgnis der europäischen Institutionen rührte nicht zuletzt auch aus der Sorge um die Massentauglichkeit und damit Breitenwirkung des elektronischen Geschäftsverkehrs: „There is a danger that individuals will reject the new information culture and its instruments.“262 Ähnliche Gründe veranlassten die Bundesregierung 1999, sich diesem Thema zu widmen: „Die gesellschaftliche Akzeptanz der neuen Informations- und Kommunikationstechniken ist ein Schlüssel für ihre breite wirtschaftliche Anwendung. Der internationale Vergleich zeigt, dass eine für Informations- und Kommunikationstechnologien offene Kultur als einer der wichtigen Motoren für den breiten Einsatz der neuen multimedialen Dienste angesehen werden kann. Hierbei bestehen in Deutschland [. . .] noch erhebliche Defizite. Ziel ist es daher, den Nutzen der Anwendung von Informations- und Kommunikationstechnologien stärker als bisher breiten Anwenderkreisen deutlich zu machen.“263

Der gleiche Tenor beherrschte das Programm der Bundesregierung „Internet für alle – Schritte auf dem Weg in die Informationsgesellschaft“ vom Sommer 2000: „Grundlage dieses Programms ist die Überzeugung, dass der Übergang zur Informationsgesellschaft nur gelingen kann, wenn der Zugang zu neuen Technologien allen Bürgerinnen und Bürgern in unserem Land, die dies wollen, offen steht. Dies ist ein Gebot gesellschaftlicher Gerechtigkeit und ökonomischer Vernunft. Unser Land kann es sich nicht leisten, Begabungen zu vergeuden.“264 258 259

EU-Kommission, Initiative, KOM (1997) 157, Abs. 72 (englische Fassung). Begriff der EU-Kommission, Initiative, KOM (1997) 157, Abs. 72 (deutsche Fas-

sung). 260

Bangemann-Report, Kapitel 1, Social Challenge. EU-Kommission, Initiative, KOM (1997) 157, Abs. 72. 262 Bangemann-Report, Kapitel 1, Social Challenge. Deutlicher die EU-Kommission, Initiative, KOM (1997) 157, Abs. 72, die von Hürden für den elektronischen Geschäftsverkehr und seinen Vorteilen spricht, deretwegen „die Kommission die öffentliche Diskussion über den elektronischen Geschäftsverkehr in Europa aktiv fördern“ wolle. 263 Bundesregierung, Informationsgesellschaft, BT-Drs. 14/1776, S. 19. 261

7. Kap.: Digital Divide als auszuräumendes Hindernis

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In der Wissenschaft wurde demgegenüber darauf hingewiesen, dass bei einer zunehmenden Abhängigkeit von modernen Informations- und Kommunikationstechniken bis hin zu einer teilweise angenommenen Verlagerung ganzer Lebensbereiche in das Internet die Gefahr besteht, dass große Gruppen der Bevölkerung vom wirtschaftlichen, staatlichen und nicht zuletzt politisch-öffentlichen Leben ausgeschlossen werden.265 Hervorgehoben wurde hierbei auch das dem Internet eigene enorme politische und demokratische Potential. Dieses dürfe nicht allein den Computernutzern vorbehalten bleiben, die ohnehin schon privilegiert sind.266 Zu erwähnen bleibt die sich aus dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes ergebende Verpflichtung des Staates, den Zugang zu staatlichen Leistungen und öffentlichen Stellen allgemein und diskriminierungsfrei zu gewährleisten. Dies verbietet einen Ausschluss großer Bevölkerungsgruppen aufgrund mangelnder Medien- oder Technikkompetenz.

§ 25 Uneinheitliche Internetnutzung und ihre Gründe Die bemerkenswerten Zuwachsraten bei der Zahl der Internetbenutzer verdeckten lange Zeit die diesem Medium eigenen Beschränkungen. Die aktive Nutzung des Internets erfordert weitgehende Computerkenntnisse und nicht zuletzt Zugang zu Rechnern und dem Netz. Weiterhin ist die Nutzung des Mediums an weitere Voraussetzungen gebunden, die über das bereits als solches nicht flächendeckend vorhandene Technikverständnis hinaus gehen: Anders als die Medien Fernsehen und Radio erfordert das Internet vor allem die Fähigkeit und die Bereitschaft, Texte zu lesen. Der Nutzer ist gehalten, die Informationen selbst aktiv im Netz zu suchen und die ihn interessierenden Nachrichten zusammenzustellen. Dies setzt seinerseits sowohl ein Verständnis des Netzes und der Verbreitung der darin verteilten Informationen, wie auch die Fähigkeit und den Willen voraus, rasch auch größere Datenmengen zu durchsuchen, sich mit der auf jeder Seite neuen Organisation der Informationsdarstellung auseinander zu setzen und schließlich viele Texte auf ihre Relevanz hin zu überprüfen.267 Diese im Vergleich zu anderen Medien relativ anspruchsvollen Voraussetzungen werden indes nicht von allen Bevölkerungsschichten in gleichem Maß erfüllt werden können oder wollen. Die anfänglich kleine Gruppe der Nutzer setzte sich daher lange Zeit vor allem aus jungen, gut ausgebildeten Männern mit hohem Einkommen zusammen.268

264

Schröder, Internet für alle, S. 5. Holznagel/Verhulst/Grünwald/Hahne, Digital Divide, K&R 2000, S. 425 f. 266 Holznagel/Verhulst/Grünwald/Hahne, Digital Divide, K&R 2000, S. 426. 267 Zu Veränderung des Leseverhaltens bei Reizüberflutung siehe Hoeren, Welten, NJW 2000, S. 188. 265

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2. Teil: Potential der Technik

Dies ist heute nicht mehr länger so eindeutig. Nach der Ausgabe 2002 der jährlich durchgeführten ARD/ZDF-Online-Studie stiegen die Nutzerzahlen in den letzten Jahren rapide an. Mit 28,3 Millionen Nutzern sind nun immerhin 44% der über 14-jährigen Bundesbürger online. Die Zuwachsrate gegenüber dem Vorjahr betrug 2002 hierbei 14%. Im Vergleich zu den entsprechenden Zahlen der Jahre 1997 bis 2000, die jeweils jenseits der 60%-Marke lagen, ist damit ein Abschwächen der Steigerungsrate zu konstatieren. Gleichwohl ist auch für die folgenden Jahre ein weiterer Zuwachs zu erwarten: Im Jahr 2005 werden voraussichtlich 55% der Deutschen das Internet frequentieren. Allerdings sind Rentner und andere nicht Berufstätige auch weiterhin kaum unter den Internetnutzern zu finden, derweil in Ausbildung Befindliche und Berufstätige insgesamt mehr als 85% aller Nutzer ausmachen. Zudem ist die Internetnutzung weiterhin eine Altersfrage: Während die unter 30-jährigen mit 75 bis 80% „im Netz“ sind, nutzen weniger als acht Prozent der über 60-jährigen das Internet. Weiterhin ist, wenn auch in sich verringerndem Maß, die Mehrzahl der Internetnutzer männlich, nur 43% der Nutzer sind Frauen.269 Eine Studie der Forschungsgruppe Wahlen kommt für das vierte Quartal 2002 zu ähnlichen Ergebnissen, weist jedoch noch auf eine weitere Ungleichheit hin: Während mit 52% mehr als die Hälfte der Westdeutschen „online waren“, ist der Anteil der Ostdeutschen mit 43% signifikant geringer.270 Andere Studien bestätigen dieses Bild.271 Die Gründe für das unterschiedliche Nutzerverhalten sind vielfältig und im Einzelnen noch kaum hinreichend untersucht. Neben der bereits erwähnten, den Eigenarten des Mediums geschuldeten besonderen Herangehens- und Nutzungsweise und den damit verbundenen Anforderungen an die Nutzerschicht kommen noch andere Ursachen in Betracht. So wurden allgemein und nicht näher begründet Vorbehalte gegen die Technik genannt.272 Generell wird den Deutschen gern Technikscheu oder gar -feindlichkeit attestiert.273 Überzeugender ist indes der Verweis auf das zur Internetnutzung notwendige und kaum allgemein vorauszusetzende Know-how.274 Auch ist der Computer und damit sein Vorhandensein und das Wissen um seine Bedienung weiterhin die essentielle Voraussetzung der Internetnutzung; andere Zugangstechniken sind kaum vorhanden 268 Vgl. die Zahlen bei van Eimeren/Gerhard/Frees, Onlinenutzung, Media-Perspektiven 8/2002, S. 348; siehe dort auch S. 347. 269 van Eimeren/Gerhard/Frees, Onlinenutzung, Media-Perspektiven 8/2002, S. 349. 270 Forschungsgruppe Wahlen, Strukturdaten 2002. 271 Vgl. Emnid, (N)Onliner-Atlas 2002, S. 8 ff. 272 Bangemann-Report, Kapitel 1, Social Challenge. 273 Holznagel/Verhulst/Grünwald/Hahne, Digital Divide, K&R 2000, S. 426. Haft, Informationsgesellschaft, S. 42 f., weist auf das für das Verstehen essentielle Anfassen und die unbegreifliche Abstraktheit der Computertechnik hin. 274 Holznagel/Verhulst/Grünwald/Hahne, Digital Divide, K&R 2000, S. 426; van Eimeren/Gerhard/Frees, Onlinenutzung, Media-Perspektiven 8/2002, S. 349.

7. Kap.: Digital Divide als auszuräumendes Hindernis

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oder werden zumindest nicht genutzt.275 Die mit der Anschaffung und Wartung eines Computers verbundenen Kosten sowie die beträchtlichen Einwahlkosten bremsen die Begeisterung für das Internet offenbar ebenfalls, ungeachtet der stetig fallenden Preise auf dem PC- und dem Telekommunikationsmarkt.276 Sprachbarrieren dagegen, die in der Anfangszeit für die Zurückhaltung vor allem der des Englischen nicht kundigen Bevölkerungsgruppen verantwortlich gemacht wurden,277 sind mittlerweile dank der außergewöhnlichen Verbreitungsrate deutschsprachiger Webangebote kaum mehr anzunehmen.278 Eher ist das mangelnde Interesse großer Bevölkerungsgruppen auf ein fehlendes Angebot allgemein interessierender Seiten zurückzuführen. Der Sinn des Internets ist vielen nicht offenbar: „Vielen Offlinern ist nicht ersichtlich, wie das Internet produktiv in ihren Alltag eingebaut werden kann und welchen Zusatznutzen das Internet gegenüber ihren klassischen Medien Tageszeitung, Fernsehen und Hörfunk hat. Mit anderen Worten: Der erwartete Nutzen ist nicht größer als der erwartete Kosten- und Zeitaufwand des Zugangs.“279

§ 26 Wege zur Verhinderung der Digital Divide Ein Verhindern der Digital Divide ist, so wie der Begriff hier verstanden wird, auf zwei Wegen möglich, die einander ergänzen können und müssen: Es ist nicht nur ein gangbarer Weg, soweit möglich alle Bevölkerungsgruppen an den Vorteilen der Internetnutzung teilhaben zu lassen. Dies erfordert erhebliche Anstrengungen, die Technik nicht nur physisch, sondern auch psychologisch denjenigen näher zu bringen, die bislang keinen tatsächlichen oder intellektuellen Zugang zu ihr haben. Es ist darauf zu achten, die Unterschiede zwischen den haves und have-nots nicht zu groß werden zu lassen. Dafür muss gewährleistet werden, dass den haves die Vorteile der Techniknutzung, wie im Falle des E-Government geringere Kosten, höhere Geschwindigkeit und erleichterter Zugang zu den Leistungen der Verwaltung, zukommen können, während aber die have-nots hiervon nicht ausgeschlossen werden dürfen. 275 van Eimeren/Gerhard/Frees, Onlinenutzung, Media-Perspektiven 8/2002, S. 354: weniger als ein Prozent der Internetnutzungen werden nicht über den PC realisiert. 276 van Eimeren/Gerhard/Frees, Onlinenutzung, Media-Perspektiven 8/2002, S. 349; Emnid, (N)Onliner-Atlas 2002, S. 48 ff.; ähnlich Holznagel/Verhulst/Grünwald/Hahne, Digital Divide, K&R 2000, S. 426: „vergleichsweise hohe Telefonkosten“, „Gebühren im oberen Drittel der Preiskategorie“. 277 So Holznagel/Verhulst/Grünwald/Hahne, Digital Divide, K&R 2000, S. 426: „Auch die Dominanz der englischen Sprache im Netz ist sicher für viele abschreckend.“ 278 van Eimeren/Gerhard/Frees, Onlinenutzung, Media-Perspektiven 8/2002, S. 348 f. 279 van Eimeren/Gerhard/Frees, Onlinenutzung, Media-Perspektiven 8/2002, S. 349; ähnlich Emnid, (N)Onliner-Atlas 2002, S. 48 ff.

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2. Teil: Potential der Technik

Der erste Weg zur Verhinderung der Digital Divide ist es, so vielen Bürgern wie möglich den Zugang in technischer wie in psychologischer und finanzieller Hinsicht zu erleichtern. Verschiedene Projekte verfolgen das Ziel, weiten Bevölkerungskreisen die Internetnutzung nahe zu bringen und zu ermöglichen, darunter das Zehn-Punkte-Programm der Bundesregierung „Internet für alle“.280 Ein Aspekt des Programms ist es, Technikverständnis zu bilden und die genannte Technikscheu abzubauen. Dem dient die Initiative „Schulen ans Netz“ der Bundesregierung und der Deutschen Telekom AG, mit der an inzwischen über 30.000 Schulen der Zugang an das Internet über den Online-Dienst T-Online realisiert wurde. Die inhaltliche Einbindung des Internets und der Computertechnik in den Unterricht wurde indes den Schulen überlassen; an durchschlagenden Konzepten hierzu fehlt es weitgehend. Problematisch ist ebenfalls die offengebliebene Frage der Wartung der schulischen Computernetze.281 Eine andere Initiative ist die E-Commerce-Initiative des BMWi. Sie soll Unternehmen und Handwerksbetrieben die Vorteile des elektronischen Geschäftsverkehrs deutlich machen.282 Weiterhin sind spezielle Weiterbildungsangebote der Bundesanstalt für Arbeit zu nennen, die insbesondere Arbeitslosen die für die Benutzung des Internets notwendigen Kenntnisse vermitteln sollen;283 gleiches könnten auf anderer Ebene Volkshochschulen und auch der öffentlichrechtliche Rundfunk leisten.284 Darüber hinausgehend wird die Gewährleistung einer flächendeckenden staatlichen „E-Versorgung“ der Bevölkerung mit allgemein verfügbarer, erschwinglicher und qualitativ hochwertiger Computertechnologie sowie mit dem zu ihrer Bedienung notwendigen Know-how und der Aufbau von Medienkompetenz gefordert. Flankierend werden innovative Maßnahmen wie „Public Access Points“ und vor allem die Senkung der Zugangskosten durch eine aktive Entgeltregulierung und einen verstärkten Wettbewerb der Netze vorgeschlagen.285 Ein weiterer Punkt, mit dem das Internet und seine Vorteile allgemein bekannt gemacht werden sollen, berührt bereits den zweiten Aspekt der Verhinderung der Digital Divide: Die Attraktivität der Internetnutzung soll dadurch gesteigert werden, dass der Staat bestimmte Leistungen im Internet zu besonders günstigen Konditionen anbietet. Vorgeschlagen wird zum Beispiel eine Prämie für diejenigen, die ihre Steuererklärung auf elektronischem Wege einreichen oder sich über das Internet für kommunale Veranstaltungen anmelden.286 Die Idee kann auf sämtliche gebührenfinanzierte Transaktionen ausgedehnt werden. 280 281 282 283 284 285

Vgl. Schröder, Internet für alle, S. 5. Vgl. den Bericht von Schönert, Schulen, Die Zeit 02/2001. Vgl. Holznagel/Verhulst/Grünwald/Hahne, Digital Divide, K&R 2000, S. 427. Schröder, Internet für alle, S. 5 f. Holznagel/Verhulst/Grünwald/Hahne, Digital Divide, K&R 2000, S. 428. Holznagel/Verhulst/Grünwald/Hahne, Digital Divide, K&R 2000, S. 427 ff.

7. Kap.: Digital Divide als auszuräumendes Hindernis

139

Die Gewährung finanzieller Vorteile für „Onliner“ trifft jedoch auf Bedenken: Diese gründen sich, soweit Gebühren für öffentliche Leistungen oder Steuern in Rede stehen, auf das Prinzip der aus Art. 3 GG herzuleitenden Abgabengerechtigkeit. Ausformungen dieses Grundsatzes sind das Äquivalenzprinzip und das Kostendeckungsprinzip: Eine nichtsteuerliche Abgabe hat als eine Zahlungsverpflichtung, die neben die von jedermann aufzubringende Steuer tritt, einen besonderen Zweck zu erfüllen. Gebühren werden grundsätzlich für die staatliche Erbringung bestimmter, dem Bürger zugute kommender Dienstleistungen gezahlt. In ihrer Höhe hat sich die Gebühr aus diesem Grund an dem gewährten individuellen Vorteil zu orientieren, doch sind auch die Kosten der Leistungserbringung zu berücksichtigen. Demzufolge muss die Gebührenhöhe ein Äquivalent für den Vorteil und zugleich kostendeckend sein.287 Im Grunde kann die Gebührenhöhe daher nicht nach der Art des Kontakts zur Behörde gestaffelt werden. Die Vorteile aus der Leistung sind für den Bürger gleich, unabhängig davon, wie er sie beantragt. Auch sind die Kosten der Leistungserbringung wohl in den seltensten Fällen von der Methode der Kontaktaufnahme zur Behörde abhängig. Die allenfalls möglichen Unterschiede in den Transaktionskosten sind hingegen keinesfalls so groß, dass sich hieraus eine für den Bürger merkliche Differenzierung ergeben könnte. Doch kann der Gesetzgeber mit den von ihm festgesetzten Gebühren auch andere Zwecke verfolgen, etwa den sozialen Ausgleich oder die Verhaltenslenkung.288 Eine Differenzierung der Gebühren nach der Art der Kontaktaufnahme ist daher in Maßen zulässig. Die Bedenken sind nur insoweit aufrechtzuerhalten, als die stärker herangezogene Gruppe der „Offliner“ diejenige der „Onliner“ letztlich subventionierte, da dann erstere zur Finanzierung einer Aufgabe herangezogen würde, die aus dem allgemeinen Steueraufkommen zu bezahlen wäre.289 Auch ist diese Differenzierung nicht unproblematisch: Die geringeren Gebühren für Online-Anträge kämen in erster Linie vor allem regelmäßigen Internetnutzern und damit den aufgrund von Computerkenntnissen, formal höherer Bildung und größerer finanzieller Unabhängigkeit bereits von vornherein Privilegierten zugute. Ebenso kritisch ist die komplementäre, von der Einführung des Online-Banking bekannte Verteuerung herkömmlicher papiergebundener Verfahren zu betrachten.290 Problematischer wird die Differenzierung nach der 286 Holznagel/Verhulst/Grünwald/Hahne, Digital Divide, K&R 2000, S. 428 f. Ebenso Eierhoff, E-Government, S. 32 und 34. 287 Ausführlich Huster, in: Friauf/Höfling, BK-GG, C Art. 3 GG Rdnr. 140f. 288 BVerfG, Urt. v. 19.03.2003 – 2 BvL 9/98 u. a., BVerfGE 108, S. 1, www.bverfg. de, Rdnr. 56 ff.; Huster, in: Friauf/Höfling, BK-GG, C Art. 3 GG Rdnr. 141; Sachs/ Osterloh, Art. 3. GG Rdnr. 173, jew. m. w. N. 289 Vgl. zu Grenzen der Gebührendifferenzierung Huster, in: Friauf/Höfling, BKGG, C Art. 3 GG Rdnr. 141; speziell zum E-Government siehe Schreiber, Elektronisches Verwalten, S. 121 ff. 290 Eifert/Schreiber/Stapel-Schulz, Rechtliche Aspekte, S. 19.

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2. Teil: Potential der Technik

Art des Zugangs dann, wenn die mit der Computerisierung und Digitalisierung der Verwaltung einhergehenden erhöhten Kosten für die Verwaltung und damit auch die Mehrkosten jeder einzelnen Transaktion nicht durch die das OnlineAngebot Nutzenden getragen, sondern auf sämtliche Bürger umgelegt werden. Zwar lässt sich so verhindern, dass die anfänglich sicherlich geringe Zahl der Besucher des „digitalen Rathauses“ durch erhöhte Gebühren geradezu abgeschreckt werden. Doch führte dies andererseits zu einer Quersubventionierung durch diejenigen, die nicht in der Lage sind, ihre Behördengänge bequem online abzuwickeln. Die Digital Divide würde durch eine Differenzierung der Gebührensätze also möglicherweise vertieft statt behoben. Die von der Verwaltung bereits aus praktischen Gründen nachvollziehbar erstrebte „Angebotsverengung“ auf digitale Medien allein ist daher kritikwürdig,291 auch wenn so möglicherweise viele Bürger zur Auseinandersetzung mit den neuen Medien gebracht werden könnten. Viele andere würden auf diese Weise jedoch diskriminiert und möglicherweise ganz von staatlichen Leistungen ausgeschlossen. Kapitel 8

Fazit und Ausblick § 27 Diverse Vorteile und zahlreiche Hindernisse Der Überblick zeigt: Der Einsatz der Signaturtechnologie und insgesamt des Internets in der Verwaltung hat ein hohes Potential auf mehreren Gebieten, ist allerdings auch mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Die Förderung des Technikeinsatzes durch die Politik gründet sich auf das Versprechen einer besseren und billigeren Verwaltung, die bürgerfreundlicher, effizienter und effektiver ist und aufgrund verbesserter Leistungsfähigkeit verschlankt werden kann. Technisierung verspricht zudem Bürokratieabbau und damit weniger zeitaufwendigen und kostspieligen Leerlauf. Schließlich soll die Verwaltung der größte Nutzer und Promoter der Signaturtechnologie sein, die bislang vom Markt nicht angenommen wurde. Die auf technischer Ebene liegenden Nachteile elektronischer Dokumente scheinen mit der elektronischen Signatur überwunden, die damit zusammenhängenden Fragen im Signaturgesetz geregelt. Dass auch signierte Dokumente elektronische Dokumente mit ihren spezifischen Nachteilen sind, wird darüber vergessen. Auf die juristische Relevanz dieses Faktums ist später zurückzukommen.

291

Vgl. Nedden, Datenschutz, S. 106 f.

8. Kap.: Fazit und Ausblick

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Das dem Netz zugeschriebene große Rationalisierungspotential verliert sich bei näherer Betrachtung und wandelt sich zu einer bloßen Verlagerung der Kosten von der Bürokratie zur Technik, von Wachtmeistern zu Softwarespezialisten und von Aktenschränken zu Serverräumen. Strukturierte Massenanwendungen werden weiter rationalisiert, bereits heute schwierige Fälle werden aber auch in Zukunft nicht automatisiert gelöst werden können. Der Traum von der automatischen Ent-Bürokratisierung der Verwaltung durch vermehrten Technikeinsatz wird sich abermals als technikinduzierte Reformvision herausstellen, auch wenn die Wandelung der Arbeitsweise teilweise zu Arbeitserleichterungen und Arbeitsentlastung führen wird. Die notwendigen Investitionen in eine adäquate Technikausstattung auf Seiten der Bürger wie auf Seiten der Verwaltung erfordern beeindruckende Summen, intensive Anpassungsarbeit und einen nur in Jahren zu messenden Zeitraum. Ein umfassendes E-Government, wie teilweise versprochen und erträumt, ist eine langfristige Investition ohne kurz- oder mittelfristige Ergebnisse.

§ 28 E-Government als zusätzliches Interaktionsmedium Auf lange Zeit hin wird der elektronische Zugang der Bürger zur Verwaltung auf beiden Seiten nur ein zusätzliches Interaktionsmedium darstellen. Weder die Bürger noch die Behörden sind bereits jetzt flächendeckend mit den hierfür erforderlichen Mitteln und dem notwendigen Know-how ausgestattet. Hinzu kommt, dass der Durchschnittsbürger selten mehr als zwei Verwaltungskontakte pro Jahr hat. Für diese allein lohnt sich die Anschaffung einer Signaturkarte samt Zertifikat, Kartenleser und Software bereits finanziell in keiner Weise. Auch auf Behördenseite gibt es viele Verfahren, die sich aufgrund ihrer Beratungsintensität und ihrer eingeschränkten Strukturierung nur bedingt als E-Government-Anwendung eignen. Auch längerfristig, jedenfalls aber in den nächsten Jahren wird daher das E-Government nur ein neben die anderen Kommunikationswege tretendes Kontaktmedium bleiben. Das Rathaus wird kaum virtuell, es wird nur zusätzlich per Webseite und E-Mail erreichbar sein. Bestehende Sprechzeiten und Bürgersprechstunden wird es auch weiterhin geben. Auch ohne Computer und Internetzugang muss und wird der Weg zur Verwaltung offen stehen. Bereits deswegen ist eine wirkliche Geldersparnis erst langfristig möglich. Das E-Government, als umfassendes Konzept gedacht, wird lange Zeit eine Insel-Applikation sein. Einzelne Anwendungen in bestimmten Bereichen werden das Gesicht der elektronischen Verwaltung prägen. Die wesentlichen Kriterien sind schon früh aufgezeigt worden:292 Die Verwaltung muss die elektronische Akte bereits eingeführt haben, weitgehend über die erforderliche Technik-

142

2. Teil: Potential der Technik

ausstattung verfügen und viele Bürgerkontakte haben. Entsprechendes gilt für den Bürger, der ebenfalls der Ausstattung mit Computern bedarf und durch die Elektronisierung Zeit oder Kosten in nennenswertem Umfang sparen können muss, wobei häufige und wiederkehrende Behördenkontakte ebenfalls sehr förderlich sind. Beispiele dieser „Anwendungsinseln“ sind die oben als „strukturierte Massenanwendungen“ bezeichneten Verwaltungsverfahren, namentlich solche der Steuerverwaltung, des Melderechts, der Kraftfahrzeugverwaltung sowie der Ausbildungsförderung; weiterhin ist zumindest teilweise die Sozialverwaltung etwa mit der Kindergeldkasse zu nennen. Auf Seiten der Bürger werden ebenfalls nicht alle für die elektronische Verwaltung zu begeistern oder auch nur hiervon zu überzeugen sein. Die geringe Anzahl von Behördenkontakten des Normalbürgers lohnt abgesehen von obigen „Anwendungsinseln“ die Investition von Geld, Zeit und Mühe in die Sicherheitstechnik kaum. Diese Erkenntnis wird teilweise als „richtig, aber wenig zielführend“ bezeichnet.293 Dementsprechend wird die Konzentration auf Mittler wie Rechtsanwälte, Steuerberater, Kfz-Händler, Inkassobüros, Versandhändler, Banken und Versicherungen empfohlen.294 Diese haben für sich oder im Auftrag ihrer Kunden eine große Anzahl von Behördenkontakten, die zudem das Erfordernis der Strukturierung erfüllen. Außerdem werden die elektronische Vergabe sowie der Kontakt mit anderen Verwaltungsbehörden als Anwendungsgebiete erwähnt. Bei alledem ist indes zu bedenken: Die Beschränkung oder auch nur Konzentration auf die Mittler führt dazu, dass letztlich wiederum geschlossene Benutzergruppen entstehen. Diese können auf viel einfachere Art und Weise identifiziert, und ihre Erklärungen können leichter autorisiert werden als mit der höchst anspruchsvollen, offenen Sicherungstechnik der elektronischen Signatur.295

§ 29 Maßnahmen zur Ermöglichung des E-Government Um die erwähnten Hindernisse sowohl in den Behörden wie auch Bürgern überwinden zu können, sind Anpassungsleistungen beiderseits dig. Dies erfordert Führung und Koordinierung in der Verwaltung, und ten der Bürger Anreize zur Nutzung behördlicher Angebote. Wesentlich der durch solche Anreize geschaffene Druck zur „Migration“ nicht wird, dass er sich als Zwang darstellt.

292 293 294 295

Roßnagel, Verwaltung I, S. 165. Vgl. Roßnagel, Verwaltung III, S. 46. Roßnagel, Verwaltung III, S. 47. Lenk, Datenschutzprobleme, DuD 2002, S. 546.

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8. Kap.: Fazit und Ausblick

143

Die Verwaltung bedarf nicht allein neuer Gesetze, mit denen herkömmliche Formvorschriften den Möglichkeiten der neuen Medien angepasst werden. Die Einführung des E-Government ist nicht ohne Investitionen in Technik, Mitarbeiter und Verfahren denkbar. Der Kauf von Computern und Signaturkarten muss durch eine intensive Schulung der Mitarbeiter und Anpassungen ergänzt werden, das heißt Änderungen lieb gewordener Routinen durch die Entwicklung neuer, den modernen Techniken entsprechender Verfahren. Dies betrifft nicht einzelne Behörden, sondern besonders in vernetzten Strukturen alle Verwaltungsebenen, die an einem bestimmten Verfahren beteiligt sind. Damit ist vom Verfahren auszugehen, bzw. noch allgemeiner vom Bürger und seinen Lebenslagen, nicht von der Behörde oder der ihr zur Verfügung stehenden Technik. Die jeweils Beteiligten müssen hierfür zusammenarbeiten, ihre Arbeit bedarf der Koordination. Dies umso mehr, als mit den Signaturanbietern oder etwa den Banken mit ihren EC-Karten auch Private eingebunden werden sollen.296 Nicht selten wird daher betont, E-Government sei zur „Chefsache“ zu machen,297 die jeweilige Arbeit der Vorgesetzten sei aufeinander abzustimmen und durch Kompetenzcenter zu unterstützen.298 Von besonderer Bedeutung ist diesbezüglich die Koordination der kommunalen Ebene mit der der Länder und der des Bundes. Dazu wird eine Trias aus Koordinationsgremium, Denkfabrik und Vereinheitlichung auf der Entscheidungsebene vorgeschlagen.299 Sollen die Bürger das damit geschaffene Angebot der elektronischen Kommunikation auch tatsächlich wahrnehmen, müssen hierfür Anreize vorhanden sein. Die Investition in die Signaturtechnologie und die Computertechnik muss sich als lohnenswert darstellen. Ein wesentliches Moment ist dabei die Möglichkeit der Ersparnis von Zeit, Mühe oder Kosten bei gleichbleibender oder gar verbesserter „Dienstleistungsqualität“. Verkompliziert, verlangsamt oder verteuert die Elektronisierung das Verfahren dagegen, wird es von den Bürgern kaum angenommen werden.300 Zwar passt die Begeisterung hunderttausender Steuerzahler für das Programm ELSTER nicht in dieses Raster, das statt Mehrwert in erster Linie nur Mühe bietet.301 Doch ist diese vielleicht als Vorfreude auf ein tatsächlich einmal vollelektronisch ablaufendes Verfahren zu verstehen. Vorteile auch finanzieller Art für die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr sind zwar zulässig, stoßen jedoch angesichts der vorhandenen und so möglicherweise noch vertieften Digital Divide auf Bedenken.

296

Umfassend Eifert, Organisationsaufgabe, ZG 2001, S. 120 ff. Schröder, Moderne Verwaltung, S. 14. 298 BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 85; Eifert, Organisationsaufgabe, ZG 2001, S. 121 ff. 299 Eifert, Organisationsaufgabe, ZG 2001, S. 125 f. 300 Ein Beispiel hierfür bietet Klinger, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 143. 301 Vgl. oben, § 20 III. Strukturierte Massenanwendungen, S. 95. 297

D r i t t e r Te i l

Anforderungen an das Verwaltungsrecht Das Projekt des E-Government ist, wie gezeigt, ein ambitioniertes Vorhaben, dem Hürden technischer, ökonomischer und psychologischer Natur entgegenstehen. Vor allem jedoch wurde lange Zeit die Rechtslage als primäres Hindernis des E-Government hervorgehoben.1 Dies ist angesichts der nahezu umfassenden Verrechtlichung und Durchnormierung des Verwaltungshandelns nicht verwunderlich. Im Zentrum der Diskussion standen und stehen dabei Formvorschriften, namentlich die in vielen Bereichen geforderte oder vorausgesetzte Schriftform, die aus diesem Grund hier zuerst erörtert werden soll. Die Veränderungen, die das Dritte Gesetz zur Änderung verwaltungsrechtlicher Vorschriften, das 3. VwVfÄndG, für diesen Bereich bringt, stehen im Mittelpunkt der Darstellung. Neben der eigentlichen Form stellen sich jedoch bei der Verwendung elektronischer Dokumente weitere Fragen, die das erwähnte Gesetz kaum oder allenfalls am Rande streift. So ist der Zugang elektronischer Nachrichten nicht geklärt, vielmehr aufgrund leicht möglicher Inkompatibilitäten höchst problematisch. Die Gestaltung der Sicherheitsinfrastruktur für behördliche Signaturen ist vollständig offen. Die bestehenden Regelungen, etwa zur qualifizierten elektronischen Form, sind zudem etwa im Hinblick auf die teilweise Zulassung bzw. den teilweisen Ausschluss pseudonymer Signaturen kritikwürdig. Kapitel 9

Insbesondere: Die Schriftform § 30 Zahllose Schriftformerfordernisse Auch wenn in Betrachtungen zum Thema E-Government nie versäumt wird, auf die grundsätzliche Formfreiheit des Verwaltungshandelns und des Verwaltungsaktes hinzuweisen, die auch den Einsatz elektronischer Medien gestattete,2

1 Siegfried, Online-Dienstleistungen, S. 24; BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 20. 2 §§ 10 Satz 1, 37 Abs. 2 Satz 1 VwVfG; vgl. exemplarisch Krahn/Werthmann, in: Krahn/Stenner/Werthmann, Kommunen, S. 60; Eifert, Online-Verwaltung, K&R Beilage 2/2000, S. 12; Kopp/Ramsauer, § 3a VwVfG Rdnr. 6; Roßnagel, Verwaltung III,

9. Kap.: Insbesondere: Die Schriftform

145

so zeigen doch schon die Begriffe der in der Interneteuphorie der 1990er Jahre geformten Vision der modernen und modernisierten Verwaltung deutlich die gewünschte Abkehr von der herkömmlichen Schriftförmlichkeit des Verwaltungshandelns: Die Verwaltungen sollten virtuell, die Rathäuser digital, das „Government“ elektronisch werden.3 Tatsächlich ging es zwar auch weiterhin nur darum, die „vorverlagerte Stadtverwaltung“4 durch den „Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung in der Verwaltung“5 zu verbessern. Das gewünschte Angebot von „Online-Dienstleistungen der Verwaltung“6 erforderte jedoch die Virtualisierung, Digitalisierung und Elektronisierung der überkommenen Kommunikationsbeziehungen und kam damit in Konflikt mit der in vielen Vorschriften des allgemeinen und besonderen Verwaltungsrechts ausdrücklich vorgeschriebenen oder zumindest vorausgesetzten Schriftform. Die vermeintliche Formlosigkeit des Verwaltungsverfahrens ist inzwischen tatsächlich die Ausnahme.7 Teilweise wurde von 3.907 Vorschriften gesprochen, welche die Schriftform forderten;8 diese Zahl ist nicht unbestritten geblieben.9 Ihre genaue Bestimmung stellt sich jedoch als eine kaum zu meisternde Herkulesaufgabe dar,10 die dadurch verkompliziert wird, dass das Gesetz verschiedene Begriffe S. 25; ders., Verwaltungsverfahren, NJW 2003, S. 472; Schlatmann, Novellierung, S. 63; Schmitz/Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, S. 1284. 3 Deutscher Städtetag, Rathaus („Digitales Rathaus“); Boehme-Neßler, Electronic Government, NVwZ 2001, S. 374; Eifert, Organisationsaufgabe, ZG 2001, S. 115 („Electronic Government“); Holznagel/Krahn/Werthmann, Electronic Government, DVBl. 1999, S. 1477. 4 Stenner, in: Krahn/Stenner/Werthmann, Kommunen, S. 1. 5 Rosenbach, Rahmenbedingungen, NWVBl. 1997, S. 121. 6 Siegfried, Online-Dienstleistungen, S. 24. 7 Hufen, Fehler, Rdnr. 291. 8 So zuerst Roßnagel, Regelung, S. 652 mit FN 1; ebenso ders., Stellungnahme, sowie ders., Verwaltung I, S. 160. Ihm offenbar folgend Deutscher Städtetag, Signatur, S. 47; BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 12. 9 Kritisch Eifert, Online-Verwaltung, K&R Beilage 2/2000, S. 12: Die Zahl beruhe auf einer kontext-insensitiven Juris-Recherche und sei daher wenig aussagekräftig. Hierauf lässt auch die Formulierung Roßnagels, Verwaltung I, S. 160, schließen: „3907 Vorschriften . . ., von denen die überwiegende Mehrzahl dem öffentlichen Recht angehören dürfte.“ (Auslassung und Hervorhebung nur hier). Anders dagegen Eifert/ Schreiber/Stapel-Schulz, Rechtliche Aspekte, S. 5: „440 zivilgesetzliche und 3800 öffentlich-rechtliche Vorschriften.“ Ebenso Articus, Grußwort, S. 9: „Rund 4 200 Gesetze, Verordnungen und Erlasse“; auch diese beiden Angaben erfolgen ohne Nennung von Quelle oder Methode. Kritisch ebenfalls Schmitz/Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, S. 1282. Zurückhaltender nunmehr Roßnagel, Verwaltungsverfahren, NJW 2003, S. 471: „viele verwaltungsrechtliche Regelungen“ unter Verweis auf eine Juris-Recherche Mitte der 1990er Jahre, die die Zahl von 3.907 Vorschriften ergeben hätte (ebd. FN 38). 10 Mit den Worten Bundespräsident Raus in seinem Grußwort zur Eröffnung des 64. Deutschen Juristentages: „Das geltende Bundesrecht kennt zur Zeit ungefähr 2.170 Stammgesetze und 3.130 Stammverordnungen. Dazu kommt das Länderrecht, das kommunale Satzungsrecht und das Recht der Europäischen Gemeinschaften.“ Auch

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

verwendet, um die Schriftform zu verlangen. Allein das VwVfG weist eine große Varianz an verwendeten Begriffen auf; noch mehr gilt dies jedoch für die große Anzahl öffentlich-rechtlicher Fachgesetze. Neben der ausdrücklichen Erwähnung von „schriftlich“,11 der „schriftlichen Form“12 oder der „Schriftform“13 bzw. der „Niederschrift“14 wird die Schriftform in Formulierungen wie „Unterschriftenlisten“, „unterzeichnen“ 15 und „unterschreiben“16 sowie „Dienstsiegel“ vorausgesetzt.17 Die Anführung einer „Urkunde“,18 einer „Schrift“,19 eines „Schriftstücks“,20 eines „Buches“, eines „Briefes“,21 eines „Scheins“,22 der „Beurkundung“23 sowie „Mehrfertigungen“ und „Ausfertigungen“24 machen ebenfalls die Notwendigkeit der Schriftform deutlich, ebenso wie Formulierungen, die auf andere Weise auf die Verkörperung der Informationen hindeuten, wie „Aushändigung“,25 „Übergabe“,26 „zurückgeben“,27 „abliefern“,28 „zerschneidie Zahl der Formvorschriften hierunter ist Legion: Eine grobe Juris-Recherche nach dem Vorkommen von „Urkunde“ oder „Schrift“ im Bundesrecht des Jahres 2001 ergab etwa 1.500 Vorschriften. 11 § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG: Ein schriftlicher Verwaltungsakt „ist schriftlich zu begründen.“ 12 § 38 Abs. 1 Satz 1 VwVfG: Die Zusicherung „bedarf zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form.“ 13 § 57 Abs. 1 BauO BE: „Der Bauantrag bedarf der Schriftform.“ 14 § 27 Abs. 2 Satz 1 VwVfG: Die Versicherung an Eides Statt wird „von der Behörde zur Niederschrift aufgenommen.“ 15 § 17 Abs. 1 Satz 1 VwVfG: Bei gleichförmigen Eingaben, die „von mehr als 50 Personen auf Unterschriftenlisten unterzeichnet“ sind, gilt der Initiator als Vertreter der übrigen Unterzeichner. 16 § 27 Abs. 2 Satz 1 VwVfG: Die Versicherung an Eides Statt ist „von dem Versichernden zu unterschreiben.“ 17 § 34 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 VwVfG: Der Beglaubigungsvermerk muss unter anderem „das Dienstsiegel“ enthalten. 18 § 5 Abs. 2 Satz 1 BBG: Die Ernennung eines Beamten „erfolgt durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde.“ 19 § 68 Abs. 4 Satz 3 VwVfG: Der Aufnahme in die Niederschrift steht die „Aufnahme in eine Schrift gleich, die ihr als Anlage beigefügt und als solche bezeichnet ist.“ 20 § 42 Satz 2 VwVfG: Die Behörde ist zur Berichtigung eines offenbar unrichtigen Verwaltungsaktes „berechtigt, die Vorlage des Schriftstückes zu verlangen, das berichtigt werden soll.“ 21 § 25 Abs. 1 Satz 1 StVZO: „Die Zulassungsstelle hat das amtliche Kennzeichen des Fahrzeugs und die Personalien dessen, für den das Fahrzeug zugelassen wird, in den Fahrzeugbrief einzutragen.“ 22 § 24 Satz 1 StVZO: Auf Grund der Betriebserlaubnis wird „der Fahrzeugschein“ ausgefertigt. 23 § 2 Abs. 1 Satz 1 PStG: „Das Heiratsbuch dient zur Beurkundung der Eheschließungen.“ 24 § 100 Abs. 2 Nr. 2 WG-BW: Die obere Wasserbehörde kann durch Rechtsverordnung bestimmen, „wie viele Fertigungen des Antrags und der Unterlagen einzureichen sind.“ 25 § 5 Abs. 2 Satz 1 BBG: Die Ernennung eines Beamten „erfolgt durch Aushändigung einer Ernennungsurkunde.“

9. Kap.: Insbesondere: Die Schriftform

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den“,29 „auslegen“,30 „einreichen“,31 „Vorlage“32 und „Anlage“33 sowie der „Randvermerk“.34 Auch das Erfordernis der Zustellung35 begründet die Schriftform, da für diese Form der Übermittlung eines Dokumentes die Übersendung oder Übergabe eines Schriftstückes und damit einer papiernen Urkunde erforderlich ist.36 Auch die Anordnung, eine Entscheidung habe als „Bescheid“ zu ergehen,37 setzt dessen Schriftlichkeit voraus.38 Ferner ist auch ohne ausdrückliche Anordnung einer bestimmten Form die Schriftform dann gefordert, wenn den Mindestanforderungen an den Inhalt der betreffenden Äußerung sinnvollerweise nur auf schriftlichem Wege genüge getan werden kann.39 Die Schriftform verlangen auch solche Vorschriften, die die Verwendung eines bestimmten Formulars fordern, und hierbei etwa die Antragstellung oder die Anzeige auf, nicht allein nach dem Formular zur Voraussetzung der Formgültigkeit machen.40

26 § 2 Abs. 1 VwZG: „Die Zustellung besteht in der Übergabe eines Schriftstücks in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift oder in dem Vorlegen der Urschrift.“ 27 § 27a Abs. 2 StVZO: „Die Zulassungsbehörde überprüft im Verwertungsnachweis die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben zum Fahrzeug und zum Halter/ Eigentümer und gibt den Verwertungsnachweis mit dem vorgesehenen Bestätigungsvermerk zurück.“ 28 § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG: Nach der Entziehung der Fahrerlaubnis „ist der Führerschein der Fahrerlaubnisbehörde abzuliefern“. 29 § 27 Abs. 5 Satz 2 StVZO: Wird ein Fahrzeug für längere Zeit aus dem Verkehr gezogen, ist der Fahrzeugbrief „von der Zulassungsbehörde durch Zerschneiden unbrauchbar zu machen“. 30 § 3 Abs. 2 Satz 1 BauGB: Entwürfe der Bauleitpläne sind „öffentlich auszulegen.“ 31 § 10 Abs. 6a Satz 1 BImSchG: Über den Genehmigungsantrag ist innerhalb von sieben bzw. drei Monaten „nach Eingang des Antrags und der nach Absatz 1 Satz 2 einzureichenden Unterlagen“ zu entscheiden. 32 § 42 Satz 2 VwVfG: Die Behörde ist zur Berichtigung eines offenbar unrichtigen Verwaltungsaktes „berechtigt, die Vorlage des Schriftstückes zu verlangen, das berichtigt werden soll.“ 33 § 68 Abs. 4 Satz 3 VwVfG: Der Aufnahme in die Niederschrift steht die „Aufnahme in eine Schrift gleich, die ihr als Anlage beigefügt und als solche bezeichnet ist.“ 34 § 29 Abs. 1 PStG: „Wird die Vaterschaft nach der Beurkundung der Geburt des Kindes anerkannt oder gerichtlich festgestellt, so ist dies am Rande des Geburtseintrags zu vermerken.“ 35 § 69 Abs. 2 Satz 1 HS 1 VwVfG: „Verwaltungsakte, die das förmliche Verfahren abschließen, sind [. . .] den Beteiligten zuzustellen.“ 36 BVerwG, Urt. v. 05.06.1974 – VIII C 1.74, BVerwGE 45, S. 189 (190); Badura, Form, S. 209; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 32; BT-Drs. 14/9000, S. 38. 37 So in § 176 Abs. 1 BauGB: Die Gemeinde kann „den Eigentümer durch Bescheid“ zu diverser Bautätigkeit innerhalb angemessener Frist verpflichten. 38 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 32. 39 Vgl. zum Beschluss im Rahmen des beamtenrechtlichen Erstattungsverfahrens, § 5 Abs. 1 Satz 3 ErstG; dort wird in Abs. 3 zudem die Zustellung des Beschlusses gefordert.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Doch nicht allein aufgrund dieser in großer Varianz und Zahl normierten Schriftformerfordernisse lebt die Verwaltung in einer DIN-A4-Welt. Häufig ist es die Verwaltungspraxis, die in fast allen Bereichen die Schriftform fordert. Die vom einzelnen Mitarbeiter unabhängige Bearbeitung eines Vorgangs erfordert die Perpetuierung der Informationen in einer Akte, die so zum Zentrum des Verwaltungshandelns wird. In ihren Akten ist das Wissen der Verwaltung gespeichert, diese sind Grundlage für die Kontrolle des Verwaltungshandelns durch Aufsichtsbehörden und Gerichte.41 Die Schriftform ist, mit anderen Worten, „schon aus Gründen der Rechtsklarheit, der Beweiserleichterung und der ordnungsgemäßen Aktenführung der Behörde sachlich geboten.“42 Nicht selten bestimmt damit die Praxis die Form und nicht umgekehrt.

§ 31 Begriff der Schriftform Zumindest mittelfristig ermöglichen jedoch auch elektronische Dokumente die Perpetuierung von Erklärungen und Informationen. Das Wissen der Verwaltung kann auch in Dateien gespeichert sein. Eine Abkehr vom Schriftlichkeitsprinzip und eine Hinwendung zur formunabhängigen Speicherung erscheint daher faktisch möglich und nur von den technischen Möglichkeiten der öffentlichen Hand abhängig. Nicht zuletzt deswegen ist es fraglich, ob in elektronischer Form Gespeichertes der Schriftform unterfällt. Dem öffentlichen Recht fehlt eine § 126 BGB entsprechende Definition der Schriftform, und bereits die analoge Anwendung dieser Norm im öffentlichen Recht ist nicht unumstritten: Mit der zunehmenden Verbreitung elektronischer Medien und dem wachsenden Interesse der Öffentlichkeit an online erbrachten Verwaltungsleistungen mehrten sich die Stimmen, die auch elektronische Dokumente unter den Begriff des Schriftlichen fassen wollten. Sie verwiesen hierbei auf die prinzipielle Nichtanwendbarkeit des § 126 BGB mit seinen Erfordernissen der Urkunde und der Unterschrift sowie auf ein verändertes Sprachverständnis, das alles Lesbare ungeachtet seiner Perpetuierung oder weiteren Sicherung als „Schrift“ versteht.43 Diese Auffassung ist vor dem Hintergrund des herkömmlichen Verständnisses der Schriftform zu 40 Vgl. § 46 Abs. 3 AO: „Die Abtretung ist [. . .] auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck anzuzeigen.“ Im folgenden Satz verlangt die Norm zudem die Unterschrift des Abtretenden und des Abtretungsempfängers. Vgl. weiterhin BT-Drs. 14/ 9000, S. 35. 41 Roßnagel, Verwaltung I, S. 160. 42 Maurer, Verwaltungsrecht, § 10 Rdnr. 12. 43 Vgl. insbesondere Eifert, Online-Verwaltung, K&R Beilage 2/2000, S. 12 f.; ihm folgend Bovenschulte/Jäger/Viering, Baurecht, S. 70; Schreiber, Elektronisches Verwalten, S. 62 ff., zurückhaltender P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 10 VwVfG Rdnr. 28 n.

9. Kap.: Insbesondere: Die Schriftform

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überprüfen. Sodann ist zu fragen, ob und gegebenenfalls inwieweit die gesetzgeberischen Aktivitäten hinsichtlich der elektronischen Form des Zivil- und Zivilprozessrechts sowie schließlich des Verwaltungsverfahrens zu einer Änderung des Schriftformbegriffes geführt haben. Hierbei ist auf die eventuelle Erforderlichkeit der Signierung elektronischer Dokumente besonderes Augenmerk zu richten, die bei einem Verständnis auch unsignierter Nachrichten als der Schriftform entsprechend zu einer Verschärfung der Anforderungen geführt haben kann. I. Schriftform im Sinne des § 126 BGB Ebenso wenig eindeutig wie die im Gesetz verwendeten Bezeichnungen der Schriftform ist der mit diesem Begriff verbundene Inhalt. Nach herkömmlichem Verständnis wird die Schriftform durch eine eigenhändig unterschriebene Urkunde erfüllt. Die auf die Definition des § 126 BGB zurückgehenden Anforderungen sind damit einerseits die Urkunde und andererseits die Unterschrift.44 Eine Urkunde in diesem Sinne ist eine unmittelbar lesbare perpetuierte Erklärung in Schriftzeichen. Die Art des Informationsträgers ist unerheblich, neben Papier kommen auch Pergament, Folien und sogar Schiefertafeln in Betracht.45 Auch die Art der Schriftzeichen ist ohne Bedeutung; die Urkunde muss nicht in deutscher Sprache oder auch nur lateinischer Schrift abgefasst sein. Möglich ist vielmehr jede Kultursprache, sofern die Bedeutung der Erklärung auf dem Wege der Übersetzung allgemein ermittelt werden kann.46 Wesentlich ist hingegen die unmittelbare Lesbarkeit der Schriftzeichen, das heißt ihre Perpetuierung als Schriftstück. Dies steht einer Digitalisierung entgegen: Die in digitalisierter Form gespeicherten Daten sind nicht in Schriftzeichen, sondern als Spannungszustände, Magnetisierungen oder Vertiefungen etwa in einer CD-ROM perpetuiert.47 Versuche, über eine erweiternde Auslegung des Merkmals der Verkörperung den Begriff des Schriftlichen auch auf auf elektronischen Speichermedien wie Disketten, Festplatten oder CD-ROMs gesicherte Daten zu erstrecken, gehen daher von vornherein fehl. Zudem fehlt es an der unmittelbaren Wahrnehmbarkeit. Diese wird vielmehr erst durch spezielle Lesegeräte und ihnen entsprechende Softwareprodukte hergestellt.48 44

Palandt/Heinrichs, § 126 BGB Rdnr. 1. Palandt/Heinrichs, § 126 BGB Rdnr. 2; BLAH/Hartmann, Übers § 415 ZPO Rdnr. 1; Baltzer, Elektronische Datenverarbeitung, S. 79 f. 46 MünchKomm/Förschler, § 126 BGB Rdnr. 7. Eine andere Frage ist die nach der Behandlung fremdsprachiger Urkunden im Verwaltungsverfahren; hierzu siehe § 23 VwVfG. 47 Anschaulich Künzli, Haltbarkeit. 48 Abel, Urkundenbeweis, MMR 1998, S. 645; Bizer/Hammer, Beweismittel, DuD 1993, S. 622; Fringuelli/Wallhäuser, Formerfordernisse, CR 1999, S. 95; Heun, 45

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Das bei elektronischen Dokumenten gleichfalls nicht zu verwirklichende Moment der Namensunterschrift fordert die eigenhändige Unterzeichnung der Urkunde mit dem Namen, der als solcher zumindest Eingeweihten noch erkennbar sein muss; die verwendete Schrift ist dann unerheblich. Die Unterzeichnung erfordert einen den Unterzeichnenden ausreichend kennzeichnenden individuellen Schriftzug.49 Die Namensunterschrift muss den Text räumlich abschließen, das heißt unter die Erklärung gesetzt werden; dies kann auch vor Niederschrift der Erklärung, als Blanko-Unterschrift, geschehen.50 Eigenhändigkeit schließt eine faksimilierte Unterschrift grundsätzlich aus.51 Die fotomechanisch erstellte oder digitalisierte Kopie einer Unterschrift ist gänzlich unzureichend.52 Der eigenhändigen Namensunterschrift gleich steht das notariell beglaubigte Handzeichen, § 126 Abs. 1 Hs. 2 BGB. Die Erklärung muss in einer Urkunde enthalten sein. Erfordert ihr Umfang die Erstreckung des Erklärungstextes über mehrere Blätter, sind diese durch äußere Gestaltung, inhaltliche Bezugnahme oder körperlich so miteinander zu verbinden, dass ihre Einheit eindeutig erkennbar ist. Eine in Bezug genommene andere Urkunde mit eigenständigem Erklärungsinhalt ist mit der formbedürftigen Urkunde physisch – etwa durch Heftung, Bindung oder Leimung – so zu verbinden, dass ihre Trennung nur mit teilweiser Substanzzerstörung möglich ist. Die bloße Bezugnahme genügt hierbei nicht.53 II. Fehlende Entsprechung im öffentlichen Recht Die Vorschrift des § 126 BGB ist für den Begriff der Schriftform in allen Rechtsgebieten Vorbild und Richtschnur. Mitunter wurde sogar ihre unmittelbare Geltung auch über das Zivilrecht hinaus angenommen: Ihre allgemeine Formulierung und ihr weit über die Grenzen des Privatrechts hinausreichender allgemeiner Regelungsgedanke rechtfertigten es, sie als dem alle Bereiche prägenden „allgemeinen Teil des Rechts“ zugehörig anzusehen.54 Dem ist richtigerweise widersprochen worden.55 Nach Wortlaut und Systematik betrifft § 126 BGB nur bürgerlich-rechtliche Willenserklärungen. Verfahrenshandlungen und Schriftform, CR 1995, S. 3; Zoller, Kopie, NJW 1993, S. 430; a. A. Ebbing, Schriftform, CR 1996, S. 274. 49 Palandt/Heinrichs, § 126 BGB Rdnr. 5 ff.; Malzer, Beglaubigung, DNotZ 2000, S. 171. 50 MünchKomm/Förschler, § 126 BGB Rdnr. 18. 51 Zu Ausnahmen von diesem Grundsatz siehe Köhler, Automatisierte Rechtsvorgänge, AcP 182 (1982), S. 150 ff.; MünchKomm/Förschler, § 126 BGB Rdnr. 23. 52 Anderer Ansicht wohl Bachofer, Rechtsgültigkeit, NJW-CoR 1/1993, S. 25. 53 MünchKomm/Förschler, § 126 BGB Rdnr. 10. 54 Müller, § 186 BGB, NJW 1964, S. 1118 mit FN 30. 55 Sendler, BGB, NJW 1964, S. 2138.

9. Kap.: Insbesondere: Die Schriftform

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anderen Rechtsgebieten unterfallende Erklärungen werden von der Norm nicht erfasst.56 Das Erfordernis der Unterschrift etwa fehlt bei schriftlich zu erlassenden Verwaltungsakten.57 Werden die mit der Schriftform des öffentlichen Rechts verfolgten Zwecke anderweitig sichergestellt, verzichtet die Rechtsprechung auf ihre strikte Einhaltung, während im Zivilrecht die Einhaltung gesetzlicher Formerfordernisse aus Gründen der Rechtssicherheit selbst dann zu gewährleisten ist, wenn das Ergebnis unbillig ist58 und die mit ihr verfolgten Ziele auf andere Weise erreicht werden.59 Weiterhin ist die strenge Sanktion des § 125 BGB, die Nichtigkeit einer nicht formwahrenden Erklärung, in anderen Zusammenhängen als denen zivilrechtlicher Willenserklärungen nicht angemessen.60 In den knappen Worten des BVerwG: „Die Vorschrift des § 126 Abs. 1 BGB [. . .] gilt im öffentlichen Recht nicht.“61 Richtig ist es jedoch, § 126 BGB „zum gesicherten Grundbestand der Rechtsordnung“ zu zählen.62 Der Norm wird berechtigterweise eine starke Ausstrahlungswirkung in alle Rechtsgebiete beigemessen.63 Diese besteht jedenfalls faktisch. Der in allen Rechtsgebieten verwandte Begriff des Schriftlichen und der 56 BGH, Beschl. v. 30.03.1989 – I ZB 6/88, BGHZ 107, S. 129 (131); BAG, Beschl. v. 11.06.2002 – 1 ABR 43/01, NJW 2003, S. 843 (844); MünchKomm/Förschler, § 126 BGB Rdnr. 2. Ebenso Heinemann, Prozessuale Schriftform, S. 93. 57 § 37 Abs. 3 VwVfG; vgl. näher unten § 32 II. b) Verwaltungsakte und ähnliche behördliche Erklärungen, S. 165. 58 Palandt/Heinrichs, BGB § 125 Rdnr. 16; BGH, Urt. v. 25.02.1966 – V ZR 126/ 64, BGHZ 45, S. 179 (182). Ausnahmen sind nur im Einzelfall zulässig, wenn das Ergebnis schlechthin untragbar wäre, BGH ebd. und Urt. v. 20.09.1984 – III ZR 47/ 83, BGHZ 92, S. 164 (172). 59 Palandt/Heinrichs, § 125 BGB Rdnr. 1; BGH, Urt. v. 18.02.1955 – V ZR 108/ 53, BGHZ 16, S. 334 (335); Urt. v. 06.02.1970 – V ZR 158/66, BGHZ 53, S. 189 (194 f.). 60 Sendler, BGB, NJW 1964, S. 2138. 61 BVerwGE 45, S. 192, unter Verweis auf den Beschl. v. 30.07.1955 – I B 25.54, BVerwGE 2, 190 (191); Beschl. des Großen Senats v. 15.06.1959 – Gr. Sen. 1.58, BVerwGE 10, S. 1 (2); Urt. v. 17.10.1968 – II C 112.65, BVerwGE 30, 274 (276); Urt. v. 25.11.1970 – IV C 119.68, BVerwGE 36, 296 (298); Urt. v. 07.11.1973 – VI C 124/73, NJW 1974, 1262; BSG, Urt. v. 21.12.1960 – 7 RKg 3/58, BSGE 13, 269 (270 f.); BFH, Urt. v. 14.02.1956 – I 108/54 U, BFHE 62, S. 263 (265 f.), sowie, Urt. v. 20.02.1962 – I 150/60 S, BFHE 75, 425 (431 f.). Die in Bezug genommenen Urteile des BVerwG beziehen sich allerdings sämtlich auf den Verwaltungsprozess bzw. (BVerwGE 30, 274) auf das Widerspruchsverfahren, BVerwGE 45, S. 189 hingegen auf die Form des Verwaltungsaktes; ebenso indes die Urteile des BFH. Das BSG dagegen verneint das Vorliegen einer gesetzlichen Schriftform im konkreten Fall. Zur Anwendbarkeit bürgerlich-rechtlicher Vorschriften im öffentlichen Recht aus historischer Sicht ausführlich Middel, Willenserklärungen, S. 59 ff. 62 Heinemann, Prozessuale Schriftform, S. 93. 63 In diesem Sinne Rosenbach, BGB, NWVBl. 2000, S. 162. Weitergehend, doch wie gezeigt unzutreffend Malzer, Initiativen S. 70: „Die einzige die Schriftform definierende Bestimmung ist – als Legaldefinition für alle Rechtsgebiete – in § 126 BGB enthalten.“

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Schriftform wird häufig von der erläuterten Regelung des § 126 BGB ausgehend ausgelegt. Auch im öffentlichen Recht wird die Schriftform regelmäßig in Anlehnung an § 126 BGB definiert, sowohl in der Rechtsprechung64 wie auch in der Literatur.65 Der Grund hierfür ist im Fehlen einer § 126 BGB entsprechenden Norm in anderen Rechtsgebieten als dem Zivilrecht zu suchen, namentlich im Prozessund im materiellen öffentlichen Recht. Dieses rekurriert vielmehr in den oben angeführten Formulierungen auf die Schriftform, ohne die hierfür maßgeblichen Voraussetzungen etwa in einer zentralen Norm festzulegen, wie § 126 BGB sie darstellt.66 Nur in Einzelvorschriften werden besondere Anforderungen an die Schriftform ausdrücklich normiert. § 37 Abs. 3 VwVfG zum Beispiel fordert für schriftliche Verwaltungsakte, dass sie die ausstellende Behörde erkennen lassen und die Unterschrift oder Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder Beauftragten enthalten. Hierbei wird die Schriftform als Begriff vorausgesetzt, und zugleich ihre Voraussetzung in einer § 126 BGB widersprechenden Weise geregelt. Während für die zivilrechtliche Schriftform die eigenhändige Unterschrift obligatorisch ist und durch Stempel, Maschinenschrift oder Faksimile nicht erfüllt wird,67 genügt für Verwaltungsakte die Namenswiedergabe, die in ebendiesen Formen erbracht werden kann.68 Eine über den normierten Bereich des schriftlichen Verwaltungsaktes hinausgehende Wirkung kommt der Norm jedoch nicht zu. Sie stellt keine allgemeine Modifikation des Schriftformbegriffes und damit Festlegung der im öffentlich-rechtlichen Bereich notwendigen Voraussetzungen der Schriftform dar.69 Anhaltspunkte für den Umfang der Voraussetzungen, die im jeweiligen Fall zur Erfüllung der Schriftform erfüllt sein müssen, bieten jedoch die Formulierungen der einzelnen Formvorschriften. So wird aus den Bestimmungen, die 64 Bezeichnend VG Frankfurt a. M., Urt. v. 06.02.2002 – 12 E 5217/01, NJW 2002, S. 2488: „Gemäß § 81 VwGO ist die Klage schriftlich zu erheben. Schriftlich bedeutet gem. § 126 BGB die eigenhändige Namensunterschrift.“ Ähnlich VGH München, Urt. v. 29.06.1990 – 2 B 88.2629, BayVBl. 1991, S. 373: Der Bauantrag bzw. die Änderungserklärung „ist nicht in der gebotenen schriftlichen Form abgegeben worden. Nach § 126 Abs. 1 BGB hätte nämlich die Erklärung in einem Schriftstück festgehalten und auch von der Klägerin [. . .] eigenhändig durch Namensunterschrift unterzeichnet werden müssen.“ 65 Clausen, in: Knack, § 22 VwVfG Rdnr. 4.2; Kopp/Ramsauer, § 22 VwVfG Rdnr. 33; Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 22 Rdnr. 31. 66 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 36b sprechen insoweit von der (notwendigen) Differenzierung zwischen der Schriftform und den Anforderungen an die Schriftform. 67 Palandt/Heinrichs, § 126 BGB Rdnr. 7. 68 Vgl. nur Kopp/Ramsauer, § 37 VwVfG Rdnr. 35. 69 § 37 Abs. 3 gilt auch nicht für Anträge von Behörden, vgl. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 VwVfG Rdnr. 35; a. A. insoweit Dürr, in: Knack, § 64 VwVfG Rdnr. 8.

9. Kap.: Insbesondere: Die Schriftform

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ausdrücklich auf „Urkunde“, „Schrift“, „Schriftstück“, „Buch“, „Brief“ oder „Schein“ Bezug nehmen, die notwendige Verkörperung in unmittelbar wahrnehmbaren Schriftzeichen deutlich, mit anderen Worten die Urkunde im Sinne des § 126 BGB. Gleiches gilt für die „Beurkundung“ sowie für „Mehrfertigungen“ und „Ausfertigungen“, „Aushändigung“, „Übergabe“, „zurückgeben“, „abliefern“, „zerschneiden“, „auslegen“, „einreichen“, „Vorlage“ und „Anlage“ und das Erfordernis der Zustellung. Darüber hinaus fordern Formulierungen wie „unterzeichnen“ und „unterschreiben“ die eigenhändige Unterschrift.70 Auch die hieraus deutlich werdenden Anforderungen an die Schriftform ergeben jedoch kein allgemeines, für das gesamte öffentliche Recht eindeutiges, Bild der Schriftform. Sie zeigen vielmehr die Mannigfaltigkeit der Schriftformerfordernisse, in denen sich die Vielgestaltigkeit des Verwaltungshandelns spiegelt. Viele Fachgesetze stellen eigene Anforderungen an das Verwaltungsverfahren und die hierbei einzuhaltenden Förmlichkeiten. Hiermit modifizieren sie auch den Begriff des Schriftlichen, jedoch auf den jeweilig normierten Bereich begrenzt. Auch dies spricht gegen die Annahme, § 126 BGB gehöre zu den Normen, die wie § 242 BGB einen allgemeinen Rechtsgedanken ausdrücken und, über ihren „eigentlichen“ Anwendungsbereich des Zivilrechts hinaus, aus diesem Grund universelle Geltung beanspruchen können.71 Die Vorschrift stellt eine Sonderregelung für den zivilrechtlichen Bereich dar, die auch angesichts der Verschiedenheit der jeweiligen Anwendungsgebiete nicht analogiefähig ist. Der in der Literatur und vor allem in der Rechtsprechung der Instanzgerichte häufig hergestellte Bezug zur Regelung des § 126 BGB beruht regelmäßig auf der Verkennung dieser Zusammenhänge. Die Verlegenheit eines Normmangels kann jedoch auf diese Weise nicht behoben werden. Ihr muss vielmehr mit den bekannten juristischen Auslegungsmethoden begegnet werden. Die von der Rechtsprechung hierzu herangezogenen Maßstäbe Wortlaut, Sinn und Zweck sowie technische Gegebenheiten geben dabei handhabbare Leitlinien.

§ 32 Bestimmung der öffentlich-rechtlichen Schriftform I. Eigenständige Bestimmung des Schriftformbegriffes Angesichts der großen Zahl und Varianz der Schriftformerfordernisse erscheint eine von der einzelnen Vorschrift losgelöste, generelle Bestimmung der öffentlich-rechtlichen Schriftform auf den ersten Blick aussichtslos. Gleichwohl 70

Vgl. hierzu oben § 30 Zahllose Schriftformerfordernisse, S. 144. Zu diesen Normen vgl. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 1 VwVfG Rdnr. 86; siehe auch Müller, § 186 BGB, NJW 1964, S. 1116. 71

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

soll hier versucht werden, durch Systematisierung und Ordnung der im Gesetz verwendeten Begriffe sowie der von der Praxis hieraus entwickelten Anforderungen an die Form bestimmter Äußerungen im Verwaltungs-, im Vor- und im gerichtlichen Verfahren einen Überblick über den Inhalt der Schriftform im öffentlichen Recht zu gewinnen. Mangels einer direkten oder auch nur entsprechenden Anwendbarkeit des § 126 BGB ist der im öffentlichen Recht verwandte Begriff des Schriftlichen und der Schriftform unabhängig von den Vorgaben des Zivilrechts auszulegen. Die Notwendigkeit, den Schriftformbegriff damit eigenständig zu bestimmen, setzt sich jedoch auch innerhalb des öffentlichen Rechts fort. Die genannten Bereiche des Verwaltungsverfahrens, des Vorverfahrens und des gerichtlichen Verfahrens sind dabei zweckmäßigerweise getrennt voneinander zu betrachten. Auch das Verwaltungsverfahren stellt keinen einheitlichen Block dar, sondern richtet seinerseits bereits in den Fragen der Form eines Antrags und der des Verwaltungsaktes unterschiedliche Anforderungen an die Schriftform, die wiederum für bestimmte Bereiche wie den automatisiert hergestellten Bescheid sowie für das förmliche Verfahren abgeändert sind. Die Form des öffentlich-rechtlichen Vertrages ist aufgrund ihrer Nähe zu den zivilrechtlichen Vorschriften in den Voraussetzungen und den Fehlerfolgen ebenfalls gesondert zu betrachten. Im Anschluss daran sind die Modifikationen zu untersuchen, die das Formgesetz und das 3. VwVfÄndG dem Schriftformbegriff gebracht haben. Teilweise wird hier der Begriff der Schriftform bzw. der Urkunde auf elektronische Dokumente erstreckt, andererseits die elektronische Form in bewusster Abgrenzung zur schriftlichen Form normiert. Hierauf aufbauend ist dann zu analysieren, inwieweit elektronische Dokumente die verschiedenen Formerfordernisse des jeweiligen Rechtsgebietes erfüllen können. Nicht zuletzt sind dabei die mit der Anordnung der Form verfolgten Zwecke ebenso zu berücksichtigen wie die Funktionsäquivalenz elektronischer Dokumente. Der qualifizierten elektronischen Signatur, die in § 3a Abs. 2 VwVfG der Unterschrift gleichgestellt wird, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes bestimmt ist, kommt in diesem Zusammenhang eine herausgehobene Stellung zu. II. Die Schriftform des Verwaltungsverfahrens a) Anträge und Erklärungen des Bürgers Gemäß § 22 Satz 1 VwVfG entscheidet die Behörde grundsätzlich nach pflichtgemäßem Ermessen über die Einleitung eines Verwaltungsverfahrens. Ein Antrag zwingt die Behörde jedoch regelmäßig zum Tätigwerden: Nach § 22 Satz 2 Nr. 1, 2. Alternative VwVfG können Rechtsvorschriften bestimmen, dass die Behörde auf Antrag das Verwaltungsverfahren einleiten muss. Hiermit korrespondiert üblicherweise ein Verbot des behördlichen Handelns bei Fehlen

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eines entsprechenden Antrags, § 22 Satz 2 Nr. 2 VwVfG. Die Offizialmaxime des Satzes 1 wird in Antragsverfahren damit durch die Dispositionsmaxime ersetzt, nach der es dem Bürger obliegt, das Verwaltungsverfahren beginnen zu lassen.72 Dies ist in einer Mehrzahl der Verwaltungsverfahren der Fall, insbesondere in sämtlichen Genehmigungsverfahren sowie bei Verfahren zur Gewährung von Leistungen.73 Selbst unzulässige oder offensichtlich unbegründete Anträge zwingen die Behörde zum Handeln: Auch durch sie entsteht ein Verwaltungsrechtsverhältnis, das der Behörde zumindest die Beratungspflicht gemäß § 25 VwVfG auferlegt.74 Ein Antrag lässt das Verwaltungsverfahren anhängig werden.75 Anträge bestimmen damit in vielen Fällen über das Ob eines Verwaltungsverfahrens. Ebenso jedoch beeinflussen sie das Wie des behördlichen Handelns: Sie bestimmen den Verfahrensgegenstand und damit auch das Ziel des Verfahrens. Zugleich hat ein Antrag zumeist den Zweck, die für das Verwaltungsverfahren erforderlichen Daten zu sammeln und zu ordnen. In ähnlicher Weise dienen Anzeigen der Information der Behörde.76 Anträge sind prinzipiell formfrei möglich,77 mithin auch mündlich, telefonisch oder konkludent.78 Es bestehen jedoch zahlreiche Sonderregelungen, die für Anträge besondere Formen vorsehen, zumeist die Schriftform oder die Niederschrift. Nur beispielhaft seien hier angeführt § 64 VwVfG für das förmliche Verfahren, § 18 Abs. 1 Satz 1 BWO für die Eintragung in das Wählerverzeichnis, § 27 Abs. 1 BWO für die Erteilung eines Wahlscheines, § 19 Abs. 1 Satz 1 ParteiG für die Festsetzung staatlicher Mittel durch Parteien, § 23 Abs. 1 Nr. 3 BRRG und § 30 Abs. 1 Satz 2 BBG für die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis, § 2 Abs. 2 Satz 1 BUKG für die Erstattung von Umzugskosten, §§ 11 Abs. 1 und 12 Abs. 1 GenTG für die Genehmigung bzw. Anzeige gentechnischer Anlagen, § 7 BtMG für die Erlaubnis zum Verkehr mit Betäubungsmitteln,79 § 10 Abs. 1 Satz 1 BImSchG und § 2 Abs. 1 9. BImSchV für das Ge72 Clausen, in: Knack, § 22 VwVfG Rdnr. 5; Maurer, Verwaltungsrecht, § 19 Rdnr. 16. 73 Clausen, in: Knack, § 22 VwVfG Rdnr. 3 mit Beispielen in Rdnr. 9 f.; Kopp/ Ramsauer, § 22 VwVfG Rdnr. 21. 74 § 13 VwVfG Abs. 1 Satz 1. Vgl. Kopp/Ramsauer, § 22 VwVfG Rdnr. 26 und 31; § 25 Rdnr. 8; siehe auch Gusy, Antrag, BayVBl. 1985, S. 487: „Demnach löst jeder Antrag zwingend ein Verwaltungsverfahren aus.“ 75 Kopp/Ramsauer, § 22 VwVfG Rdnr. 24. 76 Vgl. BVerwG, Urt. v. 24.06.1976 – I C 56/74, NJW 1977, S. 772, zur Anzeige nach § 14 Abs. 1 GewO. 77 Dieses häufig unter Berufung auf § 10 Satz 1 VwVfG begründete Ergebnis ergibt sich richtigerweise aus einem Umkehrschluss aus § 64 VwVfG, vgl. Schnell, Antrag, S. 66 mit FN 77. 78 Kopp/Ramsauer, § 22 VwVfG Rdnr. 32. 79 Die Schriftform ergibt sich hier mittelbar aus der Formulierung „in doppelter Ausführung“. Mündlich oder auf elektronischem Weg gestellte Anträge kennen keine Ausfertigungen.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

nehmigungsverfahren nach dem BImSchG, § 6 Abs. 3 Satz 1 InvZulG 1993 für Anträge auf Investitionszulagen,80 § 92 Abs. 5 BauGB für Anträge im Verfahren der baurechtlichen Enteignung, § 20 WPflG für Anträge auf Zurückstellung vom Wehrdienst, § 12 Abs. 1 ZDG für Anträge auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer, § 46 Abs. 6 Satz 2 SG für Anträge auf Entlassung aus dem Soldatenverhältnis aufgrund eines besonderen Härtefalls, sowie § 35 Abs. 6 GewO für den Antrag auf Wiedergestattung der Aufnahme stehenden Gewerbes. Ihren Grund haben die Schriftformerfordernisse in erster Linie in dem Bedürfnis der Verwaltung, die zu verarbeitenden Informationsmengen handhabbar zu machen. Das um die Akte zentrierte Verwaltungshandeln erfordert auch für Anträge und andere Erklärungen der Verfahrensbeteiligten häufig aus rein praktischen Erwägungen die Perpetuierung in einer leicht bearbeitbaren Form.81 In den häufigsten Fällen bedient sich die Behörde dabei eigens erstellter Formulare, die alle notwendigen Daten in einer zumindest für die Verwaltung übersichtlichen Form abfragen. Die damit gewählte Urkundsform ermöglicht den Beweis über das Wie der Antragstellung, das heißt über den genauen Inhalt des Antrags.82 Die eigenhändige Unterschrift als Teil der Schriftform kann einerseits das Ob der Antragstellung sicherstellen, das heißt deutlich machen, dass es sich um einen mit Wissen und Willen des Antragstellers in den Rechtsverkehr gebrachten Antrag und nicht um einen bloßen Entwurf handelt.83 Sie kann andererseits dem Unterschreibenden die Rechtserheblichkeit seines Tuns deutlich vor Augen führen. Die entsprechende Warnfunktion erachtet beispielsweise der BFH vor dem Hintergrund der Strafbarkeitsregelung des § 264 StGB etwa in Subventionsverfahren als wesentlich.84 Fehlt jedoch eine eindeutige gesetzliche Formvorschrift, können dem Bürger aus der Nichtbeachtung einer sachlich gebotenen Form keine Nachteile erwachsen. Formvorschriften, die wie Fristvorschriften Ordnungsvorschriften sind, dienen in erster Linie der Rechtssicherheit und müssen ihrerseits daher eindeutig und klar aus dem Gesetzestext erkennbar sein. Sie aus dem Sinn und Zusammenhang von Rechtsnormen oder auch nur 80 Die Norm fordert ausdrücklich die Verwendung eines amtlichen Formblattes und die eigenhändige Unterschrift; vgl. hierzu BFH, Urt. v. 17.12.1998 – III R 87/96, NJW 1999 S. 1422. 81 Vgl. Schnell, Antrag, S. 66; Maurer, Verwaltungsrecht, § 10 Rdnr. 12; ebenso für das gerichtliche Verfahren Heinemann, Prozessuale Schriftform, S. 339. 82 Schnell, Antrag, S. 66. 83 Kopp/Ramsauer, § 64 VwVfG Rdnr. 6; Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, § 22 VwVfG Rdnr. 31; jeweils mit Nachweisen aus der Rechtsprechung zur prozessrechtlichen Schriftform. Vgl. auch § 690 Abs. 3 ZPO und Heinemann, Prozessuale Schriftform, S. 105 ff., mit Kritik an dieser allgemeinen Meinung auf S. 110: Dass Gerichte über Entwürfe zu entscheiden hätten, sei „eine rein theoretische, völlig unbegründete Befürchtung.“ 84 BFH, NJW 1999 S. 1422.

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mit Hilfe von Zweckmäßigkeitserwägungen zu gewinnen, ist daher mit dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG unvereinbar.85 Dies ist, zusammen mit dem am Informationsträger Papier ausgerichteten Verwaltungshandeln, nicht selten Grund für die Normierung der Schriftform in vielen Bereichen. Die Schriftform des Antrags wird hierbei allgemein unter Rückgriff auf § 126 BGB definiert.86 Demnach sind auch hierfür die bekannten Merkmale Urkunde und Unterschrift notwendig.87 Diese werden von großen Teilen der Literatur als unverzichtbar erachtet, weil nur so sicher zu stellen sei, dass dem Schriftstück Inhalt und Bedeutung der abzugebenden Erklärung und der Name des Erklärenden hinreichend zuverlässig entnommen werden könne.88 Die Unterzeichnung durch eine natürliche Person sei notwendig, die Angabe nur der Firma oder der Behörde genüge nicht. Die Unterschrift müsse nicht lesbar sein, doch einen individuellen Bezug zum Namen tragen und außerdem vom willkürlichen Handzeichen abzugrenzen sein. Maschinengeschriebene Unterschriften, das heißt Namensangaben, und faksimilierte Unterschriften genügten nicht.89 Hinsichtlich der Unterschrift sei jedoch Großzügigkeit wünschenswert, soweit der genannte Zweck anderweitig erfüllt werde.90 Der Schriftform stehen, der herrschenden Meinung zufolge, aufgrund § 127 BGB Telegramme gleich.91 Gleiches gelte für andere moderne Kommunikationsformen, die ähnlich wie die derart verstandene Schriftform die Erklärung verkörperten und den Urheber erkennen ließen, wie zum Beispiel ein Telefax. Ebenso möglich sei die Verwendung von Btx, Datex-J und T-Online sowie EMail, soweit die Behörde diesen Kommunikationsweg allgemein geöffnet und 85 So richtig BVerwG, Urt. v. 05.03.1998 – 7 C 21.97, Buchholz 428 § 30 VermG Nr. 206. Anders noch BVerwG, NJW 1977, S. 772; hiergegen Schnell, Antrag, S. 68. 86 Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 VwVfG Rdnr. 31; Clausen, in: Knack, § 22 VwVfG Rdnr. 14. 87 Vgl. oben § 31 I. Schriftform im Sinne des § 126 BGB, S. 149. 88 Kopp/Ramsauer, § 64 VwVfG Rdnr. 6; Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, § 22 VwVfG Rdnr. 31. Die dortige Inbezugnahme des Urteils von BGHZ 107, 129, das den Widerspruch des WZG, eines dem Widerspruchsverfahren der VwGO verwandten und daher dem Prozess ähnlichen Verfahrens betrifft, zeigt wiederum die starke Ähnlichkeit des Verwaltungsverfahrens zum Widerspruchs- und gerichtlichen Verfahren; hierzu sogleich. 89 Kopp/Ramsauer, § 64 VwVfG Rdnr. 6, unter Verweis auf BVerwG, Urt. v. 14.12.1955 – V C 138.55, BVerwGE 3, 56 (Unterzeichnung durch natürliche Person); VG Wiesbaden, Beschl. v. 14.10.1993 – 8/1 G 20.646/93, NJW 1994, S. 537 (Notwendigkeit der eigenhändigen Unterzeichnung); BVerwG, Beschl. v. 25.08.1970 – I WB 136.69, BVerwGE 43, S. 113 (Abgrenzung zum Handzeichen/zur Paraphe); sämtlich Entscheidungen zum Prozessrecht. 90 Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 VwVfG Rdnr. 31, wiederum unter Verweis auf eine primär die prozessrechtliche Schriftform betreffende Entscheidung des BVerwG, hier Urt. v. 06.12.1988 – 9 C 40.87, BVerwGE 81, S. 32 (35). 91 Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 VwVfG Rdnr. 32; Clausen, in: Knack, § 22 VwVfG Rdnr. 14.

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dies etwa durch Bekanntgabe der entsprechenden Anschlüsse in öffentlichen Verzeichnissen oder auf dem Briefbogen deutlich gemacht habe; gleichwohl sei aufgrund der noch ungeklärten Haltung der Rechtsprechung weiterhin die eigenhändige Zeichnung fristgebundener Anträge zu empfehlen.92 Im Ergebnis wird die Schriftform des Antrags damit ebenso verstanden wie die prozessrechtliche Schriftform.93 Strengere Anforderungen, die sich in Einzelfällen aus den Notwendigkeiten und Eigenarten eines speziellen Verwaltungsverfahrens ergeben sollen,94 stoßen in der Literatur als unnötige Differenzierungen auf Ablehnung.95 Auch die Schriftform des Widerspruchs und anderer Erklärungen des Bürgers werden wie die des Antrags unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung zur prozessrechtlichen Schriftform erläutert,96 ohne dass hierauf besonders hingewiesen würde.97 Dies hat in der Prozessähnlichkeit des Verwaltungsverfahrens seinen Grund: Bei allen Unterschieden sowohl hinsichtlich der verfolgten Ziele wie der hierzu verwandten Mittel und damit des befolgten Verfahrens bestehen doch kaum zu übersehende Übereinstimmungen.98 So wird an prominenter Stelle formuliert, dem Antrag des Bürgers käme im Antragsverfahren eine ähnliche Funktion zu wie der Klage im gerichtlichen Verfahren;99 andernorts heißt es, der Antrag sei „am ehesten [. . .] mit bestimmenden Schriftsätzen zu vergleichen.“100 Er mache das Verfahren anhängig und sei regelmäßig Sachentscheidungsvoraussetzung.101 Angesichts dessen ist es wenig verwunderlich, dass die Anforderungen an die Schriftform dem prozessrechtlichen Verständnis der Schriftform folgen, soweit nicht bestimmte Verfahren Abweichungen verlangen. Statt des regelmäßig zu findenden Verweises auf § 126 Abs. 1 BGB wäre daher die Bezugnahme auf § 81 VwGO bzw. § 130 Nr. 6 ZPO angebrachter. Der Verweis auf die von der Rechtsprechung erarbeiteten Ausnahmen zum prozessualen Schriftformerfordernis vor allem zur Ermöglichung moderner 92 Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 VwVfG Rdnr. 32 f.; Clausen, in: Knack, § 22 VwVfG Rdnr. 14. 93 Hierzu siehe unten § 32 IV. Die Schriftform des Vorverfahrens und des Verwaltungsprozessrechts, S. 176. 94 BFH, NJW 1999, 1422 (1423). 95 Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 VwVfG Rdnr. 33; ebenso Schmitz/Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, S. 1282 mit FN 16: „nicht überzeugend“. 96 Vgl. Kopp/Ramsauer, § 64 VwVfG Rdnr. 6 und 10; Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 VwVfG Rdnr. 31; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 33 Rdnr. 2; Lazaratos, Verwaltungsautomation, S. 153. 97 Anders ausdrücklich Kopp/Ramsauer, § 64 VwVfG Rdnr. 6 und 10. 98 Ausführlich Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 3 Rdnr. 9 ff. 99 Kopp/Ramsauer, § 22 VwVfG Rdnr. 24. 100 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 36a. 101 Kopp/Ramsauer, § 22 VwVfG Rdnr. 24; vgl. auch Schnell, Antrag, S. 24.

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Kommunikationstechniken erübrigte auch die Inbezugnahme von § 127 BGB, die fehlgeht. Diese Norm ist vielmehr ebenso wie § 126 BGB nach ihrer Systematik nur für zivilrechtliche Willenserklärungen anwendbar, nicht für Erklärungen in Verwaltungsverfahren oder Verwaltungsprozessen. Zudem modifiziert sie nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut nur die Voraussetzungen der gewillkürten Schriftform und trifft keinerlei Aussagen zu gesetzlich normierten Schriftformerfordernissen. Richtigerweise ist die von der Literatur postulierte102 Zulässigkeit des Telegramms und anderer moderner Kommunikationsmittel auch im Antragsverfahren auf die Rechtsprechung zum prozessrechtlichen Schriftformbegriff zurückzuführen. Inhaltlich ist die Schriftform des Antrags damit wie folgt bestimmt: Erforderlich ist in erster Linie eine durch die Behörde bearbeitbare Urkunde. Dies kann durch Übersendung oder Übergabe eines Schriftstücks geschehen, wie es bei Briefen, Telegrammen und Telebriefen der Fall ist.103 Doch ist die Übersendung auch elektronischer Daten möglich, wenn diese automatisch oder doch zumindest bestimmungsgemäß ausgedruckt und damit wiederum auf Papier fixiert werden. Dies ist bei Kommunikationswegen wie Telex und Telefax der Fall.104 Beim Teletex oder Bürofernschreiben dagegen wurden105 von vornherein nur elektrische bzw. elektronische Daten übertragen, ohne dass diese auf Seiten des Senders als Papierdokument existierten noch auf Empfängerseite automatisch ausgedruckt worden wären.106 Hier fehlt es damit am Vorhandensein einer „Schrift“, eines Schriftstücks überhaupt.107 Gleiches gilt prinzipiell für das BtxSystem, das spezifisch nur als Netzwerk zum Transport elektronischer Nachrichten geschaffen wurde.108 Gleichwohl bezeichnete das BVerwG im Jahr 1994 eine über das Btx-System eingereichte Klage als die Schriftform wahrend, da auch ohne eigenhändige Un102 Die Rechtsprechung zur Schriftform bei Anträgen und Erklärungen des Bürgers ist dünn gesät; als einzige obergerichtliche Entscheidung zur Antragsform ist das Urt. des BFH, NJW 1999, S. 1422 (1423), zu nennen; die Form der gewerberechtlichen Anzeige behandelt BVerwG, NJW 1977, S. 772. Die Kommentarliteratur zum VwVfG beruft sich nahezu ausschließlich auf Entscheidungen zum Prozessrecht, vgl. Clausen, in: Knack, § 22 VwVfG Rdnr. 14; Kopp/Ramsauer, § 64 VwVfG Rdnr. 10; Stelkens/ Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 VwVfG Rdnr. 30 ff. 103 Zur Technik von Telegramm und Telebrief siehe Heinemann, Prozessuale Schriftform, S. 135 und 160. 104 Zum technischen Hintergrund von Telex und Telefax siehe Heinemann, Prozessuale Schriftform, S. 148 f. 105 Die Teletex-Technik ist „heute weitgehend in Vergessenheit geraten“ und hat „sich [. . .] selbst überlebt“, vgl. Heinemann, Prozessuale Schriftform, S. 157. 106 Vgl. Heinemann, Prozessuale Schriftform, S. 158. 107 Heinemann, Prozessuale Schriftform, S. 158. 108 Btx ist Mitte der 1990er Jahre erst als Datex-J bezeichnet worden und mittlerweile in den Online-Dienst T-Online übergegangen, der im Wesentlichen einen Zugang zum Internet darstellt; vgl. Heinemann, Prozessuale Schriftform, S. 181 f.

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terschrift der Kläger genügend Anhaltspunkte dafür bestanden, dass es sich bei dem bei Gericht eingegangenen Dokument nicht um einen Entwurf, sondern um eine wissent- und willentlich in den Verkehr gegebene Klage handelte. Zum Fehlen einer Urkunde, also eines auf Papier fixierten Dokumentes, verhält sich die Entscheidung nicht; dies scheint vollständig hinter das Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift zurückzutreten und letztlich irrelevant zu sein.109 Die Entscheidung wird regelmäßig als Beleg dafür herangezogen, dass auch Anträge im Verwaltungsverfahren, die in rein elektronischer Form gestellt werden, die Schriftform erfüllen können.110 Richtigerweise musste sich das BVerwG jedoch in seinem Urteil mit der Frage der fehlenden Urkunde nicht auseinandersetzen, da im zu entscheidenden Fall die Btx-Mitteilung auf Seiten des empfangenden Verwaltungsgerichts automatisch schriftlich fixiert wurde: Es kam schlichtweg als Telefax bei Gericht an. Mitte der 1990er Jahre gab es kein Gericht, das über einen Btx-Anschluss verfügte, so dass die Kommunikation hier nur über die dem System eigene Möglichkeit zur Wandlung von Btx-Mitteilungen in Telefax-Nachrichten möglich war.111 Bei der angeblichen Btx-Mitteilung handelte es sich mithin tatsächlich um eine erste Form des Computerfax’. Da dieses automatisch ausgedruckt und nicht zunächst zwischengespeichert wurde, stellte sich auch die Frage nicht, ob bereits die bloße Ausdruckmöglichkeit auf Seiten des Empfängers genügt hätte. Sie ist richtigerweise zu verneinen. Bei der Übertragung nur elektrisch oder elektronisch gespeicherter Informationen fehlt es an einer Schrift im Sinne eines Schriftstücks, wessen Zugriffsmöglichkeiten die Daten auch unterliegen. Dass das Vorhalten entsprechender Kommunikationskanäle ohne den Ausdruck auf diesem Weg empfangener Dokumente treuwidrig wäre,112 ist kaum mehr als eine Behauptung. Auch Gerichten und Behörden steht das Recht zu, sich moderner Kommunikationsmittel (nur) in dem Ausmaß zu bedienen, auf das ihre interne Organisation eingestellt ist. Allerdings müssen sie von der Verkehrserwartung abweichende Gegebenheiten deutlich machen, wenn sie den Eindruck der Zugangseröffnung erwecken.113 Ungeachtet dessen geht es zu weit, aus dem Vorhalten einer Übertragungsmöglichkeit die Verpflichtung zum Ausdruck der 109

BVerwG, Beschl. v. 19.12.1994 – 5 B 79/94, NJW 1995, S. 2121. Kopp/Ramsauer, § 64 VwVfG Rdnr. 10; P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, § 10 VwVfG Rdnr. 28 i mit FN 98; ebenso Schmitz/Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, S. 1282 mit FN 8; Eifert, Online-Verwaltung, K&R Beilage 2/ 2000, S. 13 mit FN 18; Groß, Internet, DÖV 2001, S. 162 mit FN 44; Storr, Elektronische Kommunikation, MMR 2002, S. 581 mit FN 16; zurückhaltender Catrein, Elektronische Kommunikation, NWVBl. 2001, S. 50 mit FN 13. 111 Heinemann, Prozessuale Schriftform, S. 182, unter Berufung auf Vollkommer, Formzwang, S. 65. Richtigerweise zitiert Roßnagel die Entscheidung als Exempel der „Telefax-Rechtsprechung“, vgl. ders., Verwaltungsverfahren, NJW 2003, S. 470 mit FN 5. 112 So Heinemann, Prozessuale Schriftform, S. 159; ähnlich Vollkommer, Formzwang, S. 67 (jeweils für das Prozessrecht). 110

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auf diesem Weg eingehenden Dokumente zu konstruieren.114 Ohne eine solche Pflicht bleibt es jedoch letztlich in das Belieben der empfangenden Behörde gestellt, die bei ihr vorhandene Ausdruckmöglichkeit auch tatsächlich zu nutzen, oder eben den Text als elektronisches Dokument zu speichern. Letzteres kann für die gesetzlich geforderte Schriftform auch dann nicht genügen, wenn die Behörde zur Bearbeitung des elektronischen Dokumentes in der Lage ist und daher eines Ausdrucks gar nicht bedarf. Die Dokumentierbarkeit in Textform genügt damit nicht:115 So wenig einheitlich die gesetzlichen Schriftformerfordernisse formuliert und hinsichtlich ihrer Anforderungen inhaltlich zu verstehen sind, so ist ihnen doch das Erfordernis der textlichen Perpetuierung, der Niederlegung der Information in einer der unmittelbaren Wahrnehmung zugänglichen Urkunde eigen. „Der Gesetzgeber [hatte], wenn er Schriftform meinte, immer die Vorstellung eines Papierdokumentes.“116 Auch die Rechtsprechung besteht stets auf die urkundliche Fixierung der „schriftlichen“ Erklärung.117 Die oben angeführte Literaturmeinung, auch E-Mails seien aufgrund ihrer Ähnlichkeit zum zulässigen Telegramm vom Begriff der Schriftform umfasst, wenn die Behörde nur einen entsprechenden Kommunikationsweg eröffnet habe,118 geht daher eindeutig fehl und ist klar abzulehnen. Teilweise wird ein mittlerweile auch unter dem Eindruck moderner Datenverarbeitungstechnik verändertes Sprachverständnis angeführt, um alles Lesbare unter den Begriff des Schriftlichen zu fassen. Danach sei Schrift eine allgemeine Bezeichnung für eine Form oder ein Verfahren der Aufzeichnung oder Einprägung von (digitaler und analoger) Information auf oder in einen Träger.119 Doch überzeugt dies nicht, kann doch die Rechtsprache hier wie stets 113 Zur Zugangseröffnung gegenüber modernen Medien siehe § 39 Bereitschaft des Empfängers, S. 238. 114 Für den vergleichbaren Streit zur Schriftförmlichkeit des Verwaltungsaktes vgl. P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 39b m. w. N. in FN 231. 115 So aber offenbar Schreiber für die Schriftform des Antrags auf Erteilung eines Wahlscheins nach § 27 Abs. 1 BWO, in: ders., § 17 BWG Rdnr. 12: „Die Schriftform gilt grundsätzlich auch durch Telegramm, Fernschreiben, Telefax, E-Mail oder durch sonstige dokumentierbare Übermittlung in elektronischer Form (und damit nicht durch SMS) gewahrt.“ Diese Differenzierung erscheint willkürlich, da auch SMS durchaus speicher- und damit dokumentierbar, und sogar ohne abschreckenden Aufwand druckbar sind. 116 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 38 VwVfG Rdnr. 35a, unter Verweis auf dies., § 37 VwVfG Rdnr. 36a, und Stelkens/Schmitz, ebd., § 10 VwVfG Rdnr. 28c. 117 Wenn auch im Einzelfall wie dem des zugesprochenen Telegramms nicht immer überzeugend, vgl. BVerwGE 17, S. 166 (167). 118 Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 VwVfG Rdnr. 32 f.; Clausen, in: Knack, § 22 VwVfG Rdnr. 14. 119 So BT-Drs. 14/9000, S. 33; ebenso P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, § 10 VwVfG Rdnr. 28 n mit FN 102; Eifert, Online-Verwaltung, K&R Beilage 2/

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eigene Wege gehen. Hiernach ist die über Computer oder andere Techniken vermittelte Lesbarkeit der Information richtigerweise ein wesentliches Merkmal der Schrift. Voraussetzung der Schriftlichkeit im juristischen Sinn ist jedoch das ohne weiteres wahrnehm- und bearbeitbare Dokument, die Urkunde. Dies machen sowohl der Blick auf die Vorstellungen des historischen Gesetzgebers wie auch die hier vorgenommene Rechtsprechungsanalyse deutlich. Im juristischen Sprachgebrauch werden „schriftliches Dokument“, „Urkunde“ und „Schriftstück“ regelmäßig synonym verwendet.120 Die Bedeutung einer durch die Behörde bearbeitbaren Urkunde für die Erfüllung der Schriftform wird ebenfalls in der häufig dem Bürger eingeräumten Möglichkeit klar, seine Anträge, Widersprüche und sonstigen Erklärungen wie etwa Einwendungen gegen einen Plan zur Niederschrift der Behörde anzubringen.121 In einem solchen Fall wird die Erklärung durch einen Beamten der jeweiligen Behörde schriftlich festgehalten. Die Erklärung soll durch den Bürger unterschrieben sein, zumindest jedoch den – durch den Beamten unterzeichneten – Vermerk „vorgelesen und genehmigt“ tragen. Beides ist allerdings für die Wahrung der Form nicht erheblich.122 Entscheidend ist letztlich allein die bei der Behörde gefertigte Urkunde. Die Unterschrift als sonst übliches Zeichen der Vollständigkeit und Ernsthaftigkeit der Erklärung ist dagegen nicht erforderlich. Hierfür bietet das gesamte, unter Kontrolle der Behörde stehende Verfahren der Niederschrift genügend Sicherheit. Einen weiteren Hinweis auf die Notwendigkeit eines automatisch oder doch bestimmungsgemäß gefertigten Schriftstückes auf Seiten des Empfängers bietet die Ablehnung der telefonischen Antragstellung, auch wenn die Erklärung durch einen Behördenmitarbeiter wörtlich mitprotokolliert, verlesen und durch den Anrufer genehmigt wird.123 Diese Auffassung steht im Widerspruch zur Zulassung auch zugesprochener Telegramme, die letztlich ebenso durch einen Geschäftsstellenbeamten des Gerichtes entgegengenommene und niedergeschriebene Telefonanrufe sind.124 Der Unterschied ist wohl darin zu sehen, dass die Entgegennahme zugesprochener Telegramme durch die Geschäftsstelle bestim2000, S. 13 mit FN 20; jeweils unter Verweis auf Brockhaus, Die Enzyklopädie, 20. Aufl. 1998, Bd. 19, Stichwort „Schrift“. 120 Vgl. nur BVerwGE 45, S. 191; BVerwGE 81, S. 33. Siehe auch Catrein, Elektronische Kommunikation, NWVBl. 2001, S. 52; Rosenbach, Rahmenbedingungen, NWVBl. 1997, S. 123; Schmitz, Moderner Staat, NVwZ 2000, S. 1243. Roßnagel, Verwaltung III, S. 27, bezeichnet diese Auffassung als „gefestigte Rechtsprechung und Literatur“, deretwegen „eine rein funktionale Betrachtung“ und Uminterpretation besonders schwer fiele. 121 Vgl. zum Antrag § 64 VwVfG, zum Widerspruch § 70 Abs. 1 Satz 1 VwGO, zu Einwendungen gegen einen Plan § 73 Abs. 4 Satz 1 VwVfG. 122 Zur Niederschrift siehe Kopp/Ramsauer, § 64 VwVfG Rdnr. 13 ff.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 64 VwVfG Rdnr. 12 f. 123 BVerwGE 17, S. 167; siehe auch Kopp/Ramsauer, § 64 VwVfG Rdnr. 12.

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mungsgemäß geschieht, die Niederschrift telefonischer Anträge dagegen nicht. Dass dem so ist, wird durch das BVerwG mit der anderenfalls befürchteten Überlastung der Behörden begründet: Eine solche Verpflichtung der Behörden „ist zumal im Verwaltungsverfahren, in dem jedem Beamten nicht nur die Betreuung einzelner Bürger, sondern vor allem die Erfüllung vielseitiger Aufgaben im Interesse einer Unzahl von Ansprüchen und Anspruchsberechtigten auferlegt ist und bei dem nicht wie bei den Gerichten ein besonderer Urkundsbeamter der Geschäftsstelle für die Aufnahme von Niederschriften zuständig ist, nicht gerechtfertigt und besteht bei der gegenwärtigen Gesetzeslage auch nicht.“125

Dem möglichen Argument, dass Behörden sehr wohl die Verpflichtung zur Protokollierung mündlich angebrachter Erklärungen haben, und zwar stets dann, wenn das Gesetz auch die Möglichkeit der Niederschrift einräumt,126 tritt das BVerwG bereits mit dem nächsten Satz entgegen: „[Die Niederschrift telefonisch übermittelter Erklärungen] würde eine Quelle für eine Vielzahl von Fehlern sein, die sich aus der Unsicherheit eines Ferngesprächs ergeben.“127 Die Behörde müsse sich zudem der Identität des Erklärenden versichern und die Ernsthaftigkeit der Erklärung überprüfen können.128 Schließlich sei zu beachten: „Wenn die Vorschriften bezüglich der Form [. . .] überhaupt noch einen Sinn behalten sollen, dann muss eine Niederschrift bei persönlicher Anwesenheit erfolgen und genügt nicht ein Vermerk über ein Telefongespräch in den Akten.“129 Hinsichtlich des telefonisch aufgegebenen und telefonisch zugesprochenen Telegramms jedoch gelte anderes, weil dieses Verfahren „nicht bestreitbare Elemente des Schriftlichen“ enthalte: Insbesondere erstelle die Post durch die Aufnahme des Telegrammtextes eine amtliche Urkunde über den Telegramminhalt.130 Ungeachtet der fragwürdigen Differenzierung131 ist zu konsta124 BVerwG, Urt. v. 08.04.1954 – I C 59.53, BVerwGE 1, S. 103. Die zum Prozessrecht ergangene Entscheidung wird auch zur Form des Antrags herangezogen, vgl. Kopp/Ramsauer, § 64 VwVfG Rdnr. 10. Zum Verfahren des zugesprochenen Telegramms siehe BVerwGE 17, S. 167. 125 BVerwGE 17, S. 167. 126 Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 64 VwVfG Rdnr. 12; zurückhaltender Kopp/Ramsauer, § 64 VwVfG Rdnr. 15. 127 BVerwGE 17, S. 167. 128 BVerwGE 17, S. 168 f. 129 BVerwGE 17, S. 169. 130 BVerwGE 17, S. 167. 131 Die von der Post aufgenommene Erklärung als einzige schriftliche Ausfertigung geht der Behörde oder dem Gericht erst nach der Durchsage und damit häufig nach Fristablauf zu, und müsste damit nach den üblichen Grundsätzen als verspätet unbeachtlich sein, vgl. BVerwG, Beschl. v. 27.10.1961 – VI B 2 u. 7.61, BVerwGE 13, S. 141. Die „Unsicherheit eines Ferngesprächs“ wird nicht dadurch ausgeräumt, dass derer zwei geführt werden – eines zur Aufgabe, und eines zur Durchsage des Telegramms. Die Pflicht zur Identifizierung und zur Prüfung der Ernsthaftigkeit trifft nicht

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tieren, dass für die Erfüllung der Schriftform die automatische oder bestimmungsgemäße Niederlegung der Erklärung in einer Urkunde erforderlich ist, und dies bei der telefonischen Durchsage nicht der Fall ist. Weiterhin ist der Antrag grundsätzlich eigenhändig zu unterzeichnen. Insbesondere wenn die Unterschrift aufgrund der Eigenart der vom Antragsteller zulässigerweise gewählten Kommunikationsform nicht leistbar ist,132 ist der Schriftform jedoch auch genüge getan, wenn die mit dem Erfordernis der Unterschrift verfolgten Zwecke auf andere Weise erfüllt sind. Es muss dabei zweifelsfrei und ohne dass hierüber Beweis erhoben werden müsste klar sein, dass es sich bei dem der Behörde vorliegenden Antrag um einen mit Wissen und Willen des Erklärenden in den Verkehr gelangten Antrag und nicht etwa um einen bloßen Entwurf handelt.133 Sofern sich hierfür aus der Erklärung selbst hinreichende Anhaltspunkte gewinnen lassen, bedarf es keiner Unterschrift.134 Die Kommunikationsform ist dann zulässigerweise gewählt, wenn die Behörde zu erkennen gibt, auf diesem Weg Anträge entgegennehmen zu wollen, etwa durch Angabe der Verbindungsdaten im Briefkopf.135 Behörden treffen hinsichtlich der Unterschrift weniger strenge Anforderungen, hier genügt die beglaubigte maschinenschriftliche Unterzeichnung.136 Zusammengefasst bedeutet dies: Die Schriftform des Antrags umfasst grundsätzlich die durch den Antragsteller oder seinen Beauftragten eigenhändig unterschriebene Urkunde. Insbesondere soweit dem Erfordernis der eigenhändigen Unterschrift aus technischen Gründen nicht genüge getan werden kann, reichen zur Erfüllung der Schriftform andere Anhaltspunkte für den Abschluss und die Ernsthaftigkeit des Antrags. Für Behörden gelten weitergehende Erleichterungen. Jedenfalls erforderlich ist jedoch die den Adressaten erreichende oder bei die Post als lediglich Telegramme weitergebende Stelle, und könnte bei einem direkten Anruf bei der Behörde viel eher geschehen. Kritisch auch Pietzner/Ronellenfitsch, § 33 Rdnr. 6 („inkonsequent“) und Heinemann, Prozessuale Schriftform, S. 144 f. 132 Hierauf stellen maßgebend die Entscheidungen der Rechtsprechung zur prozessrechtlichen Schriftform ab, vgl. BVerwGE 2, S. 190 (192); BVerwG, NJW 1995, S. 2122. 133 Dies gilt auch bei nicht-telekommunikativ eingereichten Anträgen. So (zur Schriftform der Klage) OVG Koblenz, Urt. v. 24.04.1996 – 2 A 11716/95, NJW 1997, S. 593. 134 Kopp/Ramsauer, § 64 VwVfG Rdnr. 8; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 33 Rdnr. 2. Ebenso – zur Schriftform der Klage – BVerwGE 81, S. 32; BVerwG, NJW 1995, S. 2121. A. A. offenbar VG Wiesbaden, NJW 1994, S. 53, unter Hinweis darauf, dass es einfach und wenig zeitraubend sei, das Dokument zu unterschreiben statt zu unterstempeln (dort zur Kopiervorlage gefaxter Klagen). Vgl. auch VG Frankfurt a. M., NJW 2002, S. 2488, das sich zur prozessualen Schriftform des § 81 VwGO auf § 126 BGB beruft. 135 Kopp/Ramsauer, § 64 VwVfG Rdnr. 10; vgl. zum Telex BVerfG, Beschl. v. 14.05.1985 – 1 BvR 370/84, BVerfGE 69, S. 381 (387). 136 GmS-OGB, Beschl. v. 30.04.1979 – GmS-OGB 1/78, BVerwGE 58, S. 359.

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ihm bestimmungsgemäß gefertigte schriftliche Verkörperung der Erklärung in einer Urkunde. b) Verwaltungsakte und ähnliche behördliche Erklärungen So wie Verwaltungsverfahren häufig von einem Antrag eingeleitet werden, werden sie regelmäßig durch einen Verwaltungsakt abgeschlossen, § 9 2. Halbsatz VwVfG.137 Der Verwaltungsakt als „der Verwaltung zugehöriger obrigkeitlicher Ausspruch, der dem Unterthanen gegenüber im Einzelfall bestimmt, was für ihn Rechtens sein soll“,138 oder, moderner, die „Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalls auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist“,139 bedarf als Zentrum der verwaltungsrechtlichen Lehre hier kaum der vertieften Vorstellung.140 Verwaltungsakte individualisieren das materielle Recht, stellen einen Sachverhalt fest, ändern konstitutiv die Rechtslage oder zeigen sie deklaratorisch auf, bieten die Grundlage für Vollstreckungshandlungen, sind Grundlage materieller Ansprüche, und sind schließlich Anknüpfungspunkte für die Vorschriften über das Verwaltungsverfahren und den Verwaltungsprozess. Sie haben damit, je nach konkreter Ausgestaltung, in unterschiedlichem Maß Individualisierungs-, Klarstellungs-, Titel-, Rechtsgrund- und verwaltungsverfahrensrechtliche bzw. -prozessuale Funktionen.141 Der Erlass eines Verwaltungsaktes ist, wie der Antrag, prinzipiell formfrei möglich. § 37 Abs. 2 Satz 1 VwVfG sagt ausdrücklich: „Ein Verwaltungsakt kann schriftlich, mündlich oder in anderer Weise erlassen werden.“ Der Beginn sowie der Abschluss des nach § 10 VwVfG an bestimmte Förmlichkeiten prin137 Zu Einzelheiten des Beendigungszeitpunktes des Verwaltungsverfahrens siehe P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 9 VwVfG Rdnr. 182 ff., die auf die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes abstellen. Kopp/Ramsauer, § 9 VwVfG Rdnr. 30, und Clausen, in: Knack, § 9 VwVfG Rdnr. 31, halten demgegenüber den Moment der Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes für maßgebend, Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 53 Rdnr. 2 dagegen den, in dem der Verwaltungsakt die Behörde verlässt. 138 Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht, Bd. I, 1. Auflage 1895, S. 95 (zitiert nach Maurer, Verwaltungsrecht, § 9 Rdnr. 2). 139 So wortgleich § 35 Satz 1 VwVfG, § 118 AO und § 31 SGB X; zum Landesverwaltungsverfahrensrecht siehe P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 VwVfG Rdnr. 258. 140 Vgl. nur P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, S. 839 bis 1049; Kopp/Ramsauer, S. 476 bis 535; Maurer, Verwaltungsrecht, S. 178 bis 267; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, S. 477 bis 550, jeweils mit umfangreichen Nachweisen. 141 Hierzu P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 VwVfG Rdnr. 24 ff.

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zipiell nicht gebundenen Verwaltungsverfahrens sind damit grundsätzlich ohne Einhaltung einer bestimmten Form möglich. Als Beispiele für formlose Verwaltungsakte werden demgemäß die telefonische oder telegraphische Bekanntgabe, die Verkehrsampel und die in der Auszahlung liegende konkludente Bewilligung einer Subvention genannt.142 In vielen Fällen ist jedoch die Schriftform für den Verwaltungsakt vorgeschrieben. Exemplarisch sind hierbei aus dem Beamtenrecht § 2 Abs. 2 Satz 1 BRKG für die Anordnung einer Dienstreise sowie §§ 2 Abs. 1 Satz 1 und 11 Abs. 1 Satz 1 BUKG für die Zusage der Erstattung von Umzugskosten in eine (vorläufige) Wohnung zu nennen, sowie aus dem Soldaten-, Wehrpflicht- und Zivildienstrecht § 19 Abs. 4 WPflG für den Musterungsbescheid und § 71 Abs. 1 ZDG für nicht begünstigende Verwaltungsakte nach diesem Gesetz. Aus dem Bau-, Anlagen- und Ordnungsrecht sind § 144 BauGB für die Genehmigung eines Baus im Sanierungsgebiet und § 176 BauGB für Baugebote in der Form eines Bescheides, § 17 Abs. 1 Satz 1 AtomG für Genehmigungen und Zulassungen nach dem Atomgesetz, § 10 Abs. 7 BImSchG für entsprechende Genehmigungsbescheide, § 3 Abs. 1 GastG für Betriebserlaubnisse für eine Gaststätte und § 3 Abs. 4 VereinsG für das Verbot eines Vereins zu erwähnen. Beispiele aus dem Ausländerrecht sind § 66 AuslG für Versagungen oder räumliche oder zeitliche Beschränkungen von Passersatz, Ausweisersatz oder Aufenthaltsgenehmigungen oder das Versehen dieser Verwaltungsakte mit Auflagen oder Nebenbestimmungen, § 31 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG für Entscheidungen des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und § 50 Abs. 4 Satz 2 AsylVfG für Zuweisungsentscheidungen der zuständigen Landesbehörde. Im Beamtenrecht ist zudem die Aushändigung einer Urkunde eine wesentliche förmliche Voraussetzung von Ernennungen und entsprechenden Akten, vgl. § 5 Abs. 2 BRRG und § 6 Abs. 2 BBG für Beamte, § 41 Abs. 1 SG für Soldaten. Ebensolche Förmlichkeit sieht die Einbürgerung gemäß § 16 StAG und die Entlassung aus der Staatsbürgerschaft nach § 23 StAG sowie die Verleihung eines Ordens gemäß § 8 OrdensG vor. Nicht selten sind Erlaubnisse und Genehmigungen an Briefe, Karten und Scheine gebunden, die das Vorliegen der Genehmigung auf einfache Weise dokumentieren, vgl. § 24 StVZO für den Fahrzeugschein und § 10 StVZO für den Führerschein, § 28 Abs. 1 WaffG für die Waffenbesitzkarte und § 29 Abs. 1 WaffG für den Munitionserwerbsschein sowie § 55 Abs. 2 GewO für die Reisegewerbekarte.143 Der Grund gesetzlicher Schriftformvorgaben ist auch beim Verwaltungsakt den Gepflogenheiten des prinzipiell schriftlich ablaufenden Verwaltungsverfahrens sowie den oben erwähnten Funktionen des Verwaltungsaktes zu entnehmen: Die Aktengebundenheit der Verwaltung erfordert zumeist die Dokumenta142

Vgl. Kopp/Ramsauer, § 37 VwVfG Rdnr. 19. Vgl. auch Hennecke, in: Knack, § 37 VwVfG Rdnr. 21; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 32. 143

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Abs. 3 VwVfG eigenständig bestimmt; gleichwohl bleibt auch hier in der Literatur die bei der Schriftform des Antrags typische Bezugnahme auf § 126 Abs. 1 BGB nicht aus.147 Die Verkörperung einer Gedankenerklärung in Schriftzeichen wird jedenfalls für notwendig erachtet. Unter Schriftzeichen werden hierbei Zahlen oder Buchstaben einer gebräuchlichen Schriftsprache verstanden; Symbole genügten nicht. Pläne und Zeichnungen könnten Teil eines schriftlichen Verwaltungsaktes sein, müssten jedoch durch diesen eindeutig in Bezug genommen sein.148 Verkörpert sind die Schriftzeichen, wenn sie auf einer Sache im Sinne des § 90 BGB aufgebracht seien; im Regelfall ist dies Papier. Auch andere Sachen kommen allerdings in Betracht, bei Freigabestempeln des Veterinärs etwa das begutachtete Schwein.149 Demzufolge genügen Telegramme, Fernschreiben, Telefaxe und Telebriefe dem derart verstandenen Schriftformerfordernis.150 Dateien demgegenüber seien einer Auffassung nach nicht auf, sondern, etwa bei einer Diskette, allenfalls in einer Sache fixiert.151 Geglückter ist hier das Abstellen auf die unmittelbare Wahrnehmbarkeit der Gedankenerklärung.152 Elektronisch übermittelte Dokumente genügten auch dann der Schriftform des § 37 Abs. 3 VwVfG, wenn diese auf Empfängerseite automatisch ausgedruckt und damit erstmalig oder wiederum auf einer Sache fixiert würden.153 Keinesfalls könne, wie es etwa bei E-Mails der Fall sei, der Ausdruck und damit die Perpetuierung dem Belieben des Empfängers anheim gestellt sein, da sonst auch diktierte Verwaltungsakte der Schriftform genügten.154 Diese Grundsätze werden von der Rechtsprechung auch zur Beurteilung des Telefax herangezogen: So147 Vgl. Kopp/Ramsauer, § 37 VwVfG Rdnr. 27: „in Abweichung von den Regelungen des § 126 BGB [. . .]“; siehe auch P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 36 einerseits und Rdnr. 49a andererseits: „Ausgehend von § 126 BGB [. . .] wird die eigenhändige Unterschrift erwartet [. . .]“ 148 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 36; Kopp/ Ramsauer, § 37 VwVfG Rdnr. 28. 149 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 36a. 150 Kopp/Ramsauer, § 37 VwVfG Rdnr. 28. 151 So P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 36a. 152 So Kopp/Ramsauer, § 37 VwVfG Rdnr. 28; ebenso Storr, Elektronische Kommunikation, MMR 2002, S. 580. Kritik bezüglich der Argumentation von P. Stelkens und U. Stelkens auch bei Schmitz/Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, S. 1286. 153 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 36a. 154 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 36e; a. A. Redeker, Verwaltungsakt, NVwZ 1986, S. 547: „Ob [die Empfänger] sich den Verwaltungsakt ausdrucken lassen oder nicht, kann für die Frage, ob ein schriftlicher Verwaltungsakt vorliegt, nicht von Bedeutung sein.“ Eine nähere Begründung dieser Ansicht fehlt; Redeker scheint jedoch die problemlose Möglichkeit des Ausdrucks für maßgebend zu erachten: „Es darf nicht sein, dass Bürger speziell zur Entgegennahme von Verwaltungsakten einen Drucker anschaffen müssen, um eine Verkörperung des Verwaltungsaktes erhalten zu können.“

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fern es auf Empfängerseite bestimmungsgemäß ausgedruckt wird, liegt eine schriftliche Verkörperung und damit eine formgerechte Ausfertigung des Verwaltungsaktes vor.155 Teilen der Lehre zufolge sei dies heute (noch) der Fall, da es zwar die Möglichkeit gäbe, ein Telefax mit Hilfe eines Computers zu empfangen, doch dies kaum genutzt würde, so dass vom Normalfall auszugehen sei.156 Eine Fotokopie genüge demgegenüber grundsätzlich der Schriftform des Verwaltungsaktes, auch wenn im Einzelfall fraglich sein könne, ob mit der Kopie tatsächlich ein Verwaltungsakt erlassen oder nur vom Erlass eines (anderen) Verwaltungsaktes Kenntnis verschafft werden solle.157 Die Unterschrift, eigenhändig erbracht oder nicht, gehört jedenfalls nicht zu den zwingenden Voraussetzungen der Schriftform im Sinne des § 37 Abs. 3 VwVfG. Während dieser Frage im Prozessrecht und hieran angelehnt beim Antrag im Verwaltungsverfahren besonders im Zusammenhang mit modernen Kommunikationstechniken ein großes Maß an Aufmerksamkeit geschenkt wird, ist dies angesichts der ausdrücklichen Regelung des § 37 Abs. 3 VwVfG unnötig. Hiernach ist vielmehr – neben der Erkennbarkeit der den Verwaltungsakt erlassenden Behörde – nur erforderlich, dass der Verwaltungsakt die Unterschrift oder die Namenswiedergabe des Behördenleiters, seines Vertreters oder Beauftragten trägt. Die Namenswiedergabe der zeichnungsberechtigten Personen ist als faksimilierte Wiedergabe der Unterschrift oder als Aufstempelung des Namens möglich, und ebenso als fotomechanische oder digitale Kopie.158 Sie erfolgt jedoch in der Regel maschinenschriftlich;159 dies ist angesichts der Forderung einer Namens-, nicht der Unterschriftswiedergabe, auch zulässig.160 Eine Beglaubigung der Namenswiedergabe ist angesichts des klaren Wortlauts der Bestimmung nicht erforderlich.161

155 BFH, Urt. v. 08.07.1998 – I R 17/96, NVwZ 1999, S. 220 (221); siehe auch Neumann, Entwicklung, NVwZ 2000, S. 1249; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 19. 156 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 36e. 157 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 36d; dies., ebd., § 41 VwVfG Rdnr. 20. 158 Hennecke, in: Knack, § 37 VwVfG Rdnr. 28; Kopp/Ramsauer, § 37 VwVfG Rdnr. 35; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 51. 159 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 51, unter Verweis auf den sich hierzu allerdings nicht verhaltenen Beschl. des VGH Mannheim v. 20.03.1997 – 4 S 2774/96, DÖV 1997, S. 602. 160 Strenger dagegen Badura, in: Erichsen/Martens, Allg. VwR8, § 41 II 1 (S. 412), der – unzutreffend – unter Namenswiedergabe nur die faksimilierte Unterschrift versteht. Die Unterschrift muss den Namen des Unterzeichnenden jedoch gerade nicht erkennen lassen, nur einen Bezug zu ihm, vgl. Kopp/Ramsauer, § 37 VwVfG Rdnr. 33. 161 VGH Mannheim, DÖV 1997, S. 602 m. w. N.; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 53; a. A. VGH München, Urt. v. 30.08.1984 – 2 B 83 A.1265, BayVBl. 1985, S. 153 (154).

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Liegt jedoch eine Unterschrift vor, so gelten für diese auch bei Verwaltungsakten die gleichen Maßstäbe wie bei Anträgen oder Klagen: eine natürliche Person muss eigenhändig mit ihrem Namen unterschreiben. Die Unterschrift muss nicht lesbar sein, doch einen individuellen Bezug zum Namen des Unterschreibenden erkennen lassen; Paraphe und Faksimile genügen nicht.162 Umstritten ist die Frage, inwieweit die Unterschrift den Verwaltungsakt abschließen muss oder ihr noch Regelungen nachfolgen können.163 Unterschrift und Namenswiedergabe können vollständig fehlen, wenn der Verwaltungsakt mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, § 37 Abs. 5 Satz 1 VwVfG. Hierfür muss der verfügende Teil des Verwaltungsaktes ohne wesentliche manuelle Änderungen durch die automatische Einrichtung formuliert worden sein.164 Die durch die Rechtsprechung165 bereits vor Erlass des VwVfG erarbeitete Ausnahme zugunsten des allgemein als erforderlich angesehenen Einsatzes elektronischer bzw. automatisierter Datenverarbeitung166 ist durch den Gesetzgeber des VwVfG übernommen worden. Dies geschah ungeachtet deutlicher Kritik an dieser Rechtsprechung in der Literatur: Bereits die Möglichkeit der bloßen Namenswiedergabe komme den Erfordernissen der Automatisierung in hinreichender Weise entgegen. Es sei darüber hinaus nicht nötig, mit dem Verzicht auf die auch maschinenschriftlich mögliche Namenswiedergabe jeglichen personellen Bezug aufzugeben und es so den Verantwortlichen zu gestatten, sich hinter einer anonymen bürokratischen Apparatur zu verstecken. Zumindest der Name des Behördenleiters könne ohne weiteres in das Programm der Datenverarbeitung aufgenommen werden.167 Andere Stimmen in der Literatur verteidigen demgegenüber die Entscheidung des BVerwG und des Gesetzgebers als dem Stand der Technik der 1970er Jahre angemessen.168 Zudem sei der Urheber eines automatisierten Bescheides nicht ein ein162 Hennecke, in: Knack, § 37 VwVfG Rdnr. 27; Kopp/Ramsauer, § 37 VwVfG Rdnr. 33; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 49a ff. 163 Während Kopp/Ramsauer, § 37 VwVfG Rdnr. 33 fordern, die Unterschrift müsse den Text grundlegend abschließen, und nur Anhänge und die Rechtsbehelfsbelehrung und andere allgemeine Hinweise gelte anderes, halten P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 49b, auch Ober- und Nebenschriften für zulässig; sie verweisen auf BSG, Urt. v. 08.12.1993 – 10 RKg 19/92, NVwZ 1994, S. 830, in dem eine der Unterschrift unter dem Verwaltungsakt nachfolgende Zusicherung für (schrift-) formwirksam erachtet wurde. 164 Vgl. BVerwG, Urt. v. 22.01.1993 – 8 C 57/91, NJW 1993, S. 1667; Kopp/Ramsauer, § 37 VwVfG Rdnr. 39; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 59 ff. 165 BVerwGE 45, S. 189. 166 Vgl. v. Mutius, Automatisierte Verwaltungsentscheidungen, VerwArch 67 (1976), S. 116 f. 167 v. Mutius, Automatisierte Verwaltungsentscheidungen, VerwArch 67 (1976), S. 122 f.; ihm folgend Lazaratos, Verwaltungsautomation, S. 327 ff.; ebenso Maurer, Verwaltungsrecht, § 18 Rdnr. 7.

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zelner Bediensteter, sondern die gesamte Behörde; ferner erwarte der Rechtsverkehr weder Unterschrift noch Namenswiedergabe.169 Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift greifen nicht durch.170 Allerdings ist die Vorschrift heutzutage dank moderner Technik entbehrlich, und das Verfahrensermessen der Verwaltung gewöhnlich auf Null reduziert, so dass ein Verzicht auf die Namenswiedergabe regelmäßig ermessensfehlerhaft ist.171 Unabhängig von der Besonderheit automatisch gefertigter Verwaltungsakte sollen einer Auffassung nach Unterschrift oder Namenswiedergabe auch dann fehlen können, wenn sich aus den gesamten Umständen zweifelsfrei die Urheberschaft und der Abschluss des Bescheides sowie der Wille der Behörde ergibt, den Verwaltungsakt in dieser Form in den Rechtsverkehr zu geben.172 Dies gelte besonders bei der Nutzung moderner Kommunikationstechniken wie Telegramm, Fernschreiben und Telefax.173 Die hierfür entwickelten Grundsätze zur Klageerhebung hätten für den Verwaltungsakt entsprechend zu gelten. Zudem sei es unbeachtlich, wenn ein nicht zuständiger Beamte unterschreibt, da die Zeichnungsbefugnis zum internen Organisationsrecht zählt, das auch hinsichtlich des Adressaten eines vom Unzuständigen unterzeichneten Verwaltungsaktes keinerlei Außenwirkung zeigt. Notwendig ist damit nur die Unterzeichnung mit dem Namen oder die Angabe des Namens irgendeines zeichnungsbefugten Behördenmitarbeiters.174 Im Ergebnis ist die Schriftform des Verwaltungsaktes insgesamt grundsätzlich weniger streng als die von Anträgen. Zwar ist auch hier die Perpetuierung des Textes in einer gewöhnlich papiernen Urkunde erforderlich. Doch ist die eigenhändige Unterschrift entbehrlich. Es genügt vielmehr gemäß § 37 Abs. 3 VwVfG die auch maschinenschriftlich mögliche Namenswiedergabe eines Zeichnungsberechtigten. Bei mit Hilfe automatischer Einrichtungen gefertigten Verwaltungsakten kann nach dem Gesetzestext sogar diese fehlen, so dass sich hier der Begriff der Schriftform auf die urkundliche Verkörperung des Entscheidungstextes reduziert, die jedoch die ausstellende Behörde erkennen lassen muss. 168

P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 55. Kopp/Ramsauer, § 37 VwVfG Rdnr. 40. 170 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 08.12.1992 – 1 BvR 326/89, NJW 1994, S. 574 (575), betreffend die Parallelvorschrift § 119 Abs. 4 Satz 1 AO. 171 Maurer, Verwaltungsrecht, § 18 Rdnr. 7; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 55 und 65a. Anders dagegen Kopp/Ramsauer, § 37 VwVfG Rdnr. 40, die die Vorschrift trotz rechtspolitischer Bedenken für weiterhin „nicht verzichtbar“ halten. 172 Kopp/Ramsauer, § 37 VwVfG Rdnr. 32. 173 Hennecke, in: Knack, § 37 VwVfG Rdnr. 29. 174 Kopp/Ramsauer, § 37 VwVfG Rdnr. 37. Fehlt die Zeichnungsbefugnis überhaupt, kann der Bescheid der Behörde nicht mehr zugerechnet werden und ist damit kein Verwaltungsakt, vgl. P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 VwVfG Rdnr. 37d. 169

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Für Zusicherungen gelten ungeachtet ihrer dogmatischen Einordnung als Verwaltungsakte oder verwaltungsrechtliche Willenserklärungen eigener Art175 die gleichen Grundsätze wie für Verwaltungsakte.176 Damit ist ebenfalls die Verkörperung des Textes erforderlich, so dass elektronische Dokumente nicht genügen.177 Ist die Entscheidung zuzustellen,178 so können sich hieraus weitere Anforderungen an die Schriftform ergeben; diese Frage ist umstritten. Jedenfalls ist auch hier ein Schriftstück erforderlich, und zwar „in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift“, so dass elektronische Dokumente von vornherein ausscheiden.179 Das Telefax dagegen wird trotz seiner Eigenschaft als elektronisch übertragenes und erst beim Empfänger (wieder) materialisiertes Dokument als „Schriftstück“ im Sinne des § 5 VwZG verstanden. Rechtsprechung und Literatur erscheint aber das auf diesem Weg nicht erfüllbare Erfordernis der Unterschrift problematisch: Das maßgebliche Dokument, nämlich die auf Seiten des Empfängers erstellte Kopie, sei nicht eigenhändig unterzeichnet, und könne daher nicht als Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift im Sinne des § 2 VwZG gelten. Damit können Telefaxe nur als Mittel zur Zustellung gegen Empfangsbekenntnis dienen.180 Generell wird aus dem Erfordernis der Zustellung das der Unterzeichnung des zuzustellenden Schriftstückes abgeleitet, entweder als Ausfertigung oder als Beglaubigung.181 Die lediglich eine Namenswiedergabe enthaltenden schriftlichen Verwaltungsakte des § 37 Abs. 3 VwVfG kommen daher ebenso wenig als zustellungsfähige Dokumente in Betracht wie die ohne selbst dieses Erfordernis auskommenden maschinell gefertigten Verwaltungsakte gemäß § 37 Abs. 5 VwVfG.182 Die hiergegen erhobene Kritik verneint eine Rückwirkung der Zustellvorschriften auf die Form schriftlicher Verwaltungsakte,183 konnte sich aber bislang nicht durchsetzen.184 175 Hierzu ausführlich P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 38 VwVfG Rdnr. 3. 176 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 38 VwVfG Rdnr. 35 m. w. N. 177 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 38 VwVfG Rdnr. 35a. 178 Beispiele bei Hennecke, in: Knack, § 41 VwVfG Rdnr. 15; Sadler, § 1 VwZG Rdnr. 11. 179 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 54a. 180 Ausführliche Darstellung bei Engelhard/App, § 2 VwZG Rdnr. 4; Sadler, § 2 VwZG, Rdnr. 19; siehe auch Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 56 VwGO Rdnr. 71. 181 Vgl. P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 54b m. w. N. in FN 270. 182 So ausdrücklich Sadler, § 2 VwZG Rdnr. 18. 183 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 54c. 184 Vgl. Bitter, Zustellungsmängel, NVwZ 1999, S. 145. Skeptisch (bezüglich der Zustellung per Telefax) etwa auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 14.01.2002 – 12 LA 17/ 02, NJW 2002, S. 1969 (1970).

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III. Öffentlich-rechtlicher Vertrag Eine weitere Handlungsform der Verwaltung stellt der öffentlich-rechtliche Vertrag bzw. der Verwaltungsvertrag dar.185 Dieser ermöglicht ein einvernehmliches, konsensuales, kooperatives Handeln und damit die Zusammenarbeit von Verwaltung auf der einen und Bürgern bzw. Wirtschaftsunternehmen auf der anderen Seite.186 Hierin spiegelt sich ein verändertes Staatsaufgabenverständnis, das mit dem Aufkommen und Erstarken des Sozialstaates zu einer umfassenden Regelungs- und Handlungsmacht führte, die vor allem in die Wirtschaftsordnung tief und nachhaltig eingreift.187 In vielen Bereichen wie etwa dem Umwelt- und Technikrecht ist der Staat hierbei auf die Kooperation mit den privatwirtschaftlichen Akteuren angewiesen.188 Darüber hinaus wird hierin eine Abkehr vom klassischen Verständnis eines dem Bürger übergeordneten, ihn und seine Handlungen einseitig reglementierenden „Unterthanen“-Staates deutlich, und eine Hinwendung zu einer partnerschaftlichen Staat-Bürger-Beziehung offenbar.189 Ausgehandelte und vertraglich übernommene Pflichten mögen eher akzeptiert werden als einseitig oktroyierte; vertragliche Vereinbarungen können den Rechtsfrieden daher deutlich befördern.190 Auf diesem Weg können atypische Situationen flexibler geregelt191 sowie Mechanismen der Selbststeuerung aufgebaut werden, die die Verwaltung von Aufsichts- und Kontrollaufgaben entlasten.192 In Zeiten beschränkter Haushaltsmittel geraten zudem Möglichkeiten ins Blickfeld, Private direkt an Finanzierung und Erfüllung staatlicher Aufgaben zu beteiligen; die Stichworte lauten hier Public Private Partnership bzw. Public Finance Initiatives.193 185 Zur – der gesetzlichen Diktion widersprechenden – Bezeichnung „Verwaltungsvertrag“, die den Gegenstand durch Begrenzung auf die Verwaltungstätigkeit besser erfassen und etwa Staatsverträge ausschließen soll, siehe Maurer, Verwaltungsrecht, § 14 Rdnr. 7; ähnlich Erichsen, in: Erichsen, Verwaltungsrecht, § 23 Rdnr. 1, der vom „verwaltungsrechtlichen Vertrag“ spricht; vgl. auch die Übersicht mit umfangreichen Nachweisen bei Schlette, Vertragspartner, S. 18 ff. 186 Verträge zwischen Verwaltungsträgern sind quantitativ von untergeordneter Bedeutung. Unter den privaten Vertragspartnern ist die Anzahl der Unternehmen ein wenig größer als die der Bürger, vgl. Schlette, Vertragspartner, S. 257. 187 Vgl. Maurer, Verwaltungsrecht, § 2 Rdnr. 6; Herzog, Staatstätigkeit, HStR III, § 58 Rdnr. 66 ff.; zur „Allzuständigkeit“ des Staates Isensee, Staatsaufgaben, HStR III, § 57 Rdnr. 156 ff.; zur gegenwärtigen und künftigen Entwicklung vgl. P. Kirchhof, Demokratischer Rechtsstaat, HStR IX, § 221 Rdnr. 159 ff. 188 Vgl. Schuppert, Verwaltungswissenschaft, S. 175 f. Zum Kooperationsprinzip moderner Verwaltung siehe auch Köster, Governance, VR 2002, S. 226. 189 Maurer, Verwaltungsrecht, § 14 Rdnr. 24. 190 Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 54 VwVfG Rdnr. 4 und 9; Schlette, Vertragspartner, S. 13 f. 191 Hierzu Maurer, Verwaltungsrecht, § 14 Rdnr. 24; Kopp/Ramsauer, § 54 VwVfG Rdnr. 12; Schlette, Vertragspartner, S. 258. 192 Kopp/Ramsauer, § 54 VwVfG Rdnr. 12.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Der öffentlich-rechtliche Vertrag, im Wesentlichen in den §§ 54 bis 62 VwVfG geregelt,194 bedarf zu seiner Wirksamkeit der Schriftform, soweit nicht Rechtsvorschriften eine andere Form bestimmen, § 57 VwVfG. Eine andere Form kann jedenfalls eine strengere, wie etwa die notarielle Beurkundung oder die gerichtliche Protokollierung sein; die Zulässigkeit einer schwächeren Form insbesondere kraft Gewohnheits- oder Satzungsrechts ist jedoch umstritten.195 Der Schriftform unterliegen ebenfalls die gegebenenfalls erforderliche Zustimmung eines Dritten bzw. einer anderen Behörde und die Kündigung aus wichtigem Grund, §§ 58 Abs. 1 und 60 Abs. 2 VwVfG. Die Nichteinhaltung der vorgeschriebenen Form führt entsprechend § 125 BGB zur Nichtigkeit des Vertrages bzw. der Kündigung und damit zur Nichtexistenz der Regelung, die nicht in einen Verwaltungsakt umgedeutet werden kann.196 Nur in Ausnahmefällen kann die Berufung auf den Formmangel nach Treu und Glauben unzulässig und damit dieser unbeachtlich sein.197 Als Grund der Schriftform werden die ihr eigenen Perpetuierungs-, Beweis-, Kontroll- und Warnfunktion genannt.198 Zudem wird auf ihre Abschlussfunktion abgestellt.199 Die Schriftform des öffentlich-rechtlichen Vertrages gemäß § 57 VwVfG wird regelmäßig unter Bezugnahme auf § 126 BGB definiert.200 Nur vereinzelt wird selbst die entsprechende Anwendung von § 126 BGB abgelehnt.201 Streitpunkt ist hierbei im Wesentlichen die Frage der Urkundeneinheit: Gemäß § 126 Abs. 2 Satz 1 BGB ist es für den Abschluss eines schriftlichen Vertrages erforderlich, dass die Unterzeichnung beider Parteien auf derselben Urkunde erfolgt. Die Anwendbarkeit insbesondere dieser Vorschrift auf öffentlich-rechtliche Verträge ist umstritten202 und vom BVerwG bislang ausdrücklich nicht entschieden 193 Vgl. Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 54 VwVfG Rdnr. 43a; Becker, PPP, ZRP 2002, S. 303; Schmitz, Moderner Staat, NVwZ 2000, S. 1241; Schmitz/Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, S. 1294. 194 Über den Verweis des § 62 Satz 2 VwVfG finden ergänzend die Vorschriften des BGB Anwendung. 195 Nachweise bei Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 57 VwVfG Rdnr. 22 ff.; Kopp/ Ramsauer, § 57 VwVfG Rdnr. 3 ff. 196 Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 57 VwVfG Rdnr. 25; Kopp/Ramsauer, § 57 VwVfG Rdnr. 14. 197 Vgl. Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 57 VwVfG Rdnr. 26 f.; Kopp/Ramsauer, § 57 VwVfG Rdnr. 15. 198 Kopp/Ramsauer, § 57 VwVfG Rdnr. 1; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 57 VwVfG Rdnr. 4; Maurer, Verwaltungsrecht, § 14 Rdnr. 29; BVerwG, Urt. v. 24.08. 1994 – 11 C 14.93, BVerwGE 96, S. 326 (333); bezüglich der Warnfunktion zurückhaltender Hennecke, in: Knack, § 57 VwVfG Rdnr. 3. 199 Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 57 VwVfG Rdnr. 4. 200 Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 57 VwVfG Rdnr. 13; Kopp/Ramsauer, § 57 VwVfG Rdnr. 8; Erichsen, in: Erichsen, Verwaltungsrecht, § 26 Rdnr. 5; Schlette, Vertragspartner, S. 453; Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 69 Rdnr. 9; OVG Lüneburg, Urt. v. 13.08.1991 – 9 L 362/89, NJW 1992, S. 1404 (1405). 201 Hennecke, in: Knack, § 57 VwVfG, Rdnr. 6.

9. Kap.: Insbesondere: Die Schriftform

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worden.203 Kern der Diskussion ist die Frage, inwieweit das VwVfG selbst Regelungen zur Schriftform – etwa in § 37 Abs. 3 VwVfG – enthält, so dass aufgrund des vorrangigen § 62 Satz 1 VwVfG der auf § 126 BGB verweisende § 62 Satz 2 VwVfG nicht zur Anwendung kommt, bzw. inwieweit die in § 62 Satz 2 VwVfG angeordnete „entsprechende“ Anwendung Modifikationen u. a. des § 126 BGB zulässt.204 Weniger umstritten ist demgegenüber der Begriff des Schriftlichen. Die Befürworter der Urkundeneinheit halten von vornherein eine § 126 BGB entsprechende eigenhändige Unterzeichnung derselben Vertragsurkunde durch die (Vertreter der) Parteien für erforderlich.205 Die Gegner dieser Auffassung stimmen dem nahezu geschlossen zumindest insoweit zu, wie auch sie eigenhändig unterschriebene Vertragsurkunden fordern, die jedoch auch als Telefax übermittelt werden können.206 Eine weitergehende Auffassung orientiert sich demgegenüber unter insoweit missverständlicher Bezugnahme auf die Rechtsprechung zur Schriftform der Klage und des Antrags an § 37 Abs. 3 und 5 VwVfG. Sie lässt demzufolge auch faksimilierte oder gestempelte Unterschriften sowie die bloße Namenswiedergabe genügen. Angesichts der grundsätzlichen Nichtförmlichkeit des Verfahrens sei ihr zufolge kein Grund ersichtlich, über die Anforderungen an die Schriftform des Verwaltungsaktes hinauszugehen.207 Auch diese Auffassung verlangt jedoch, unabhängig von der Frage der Unterzeichnung, eine Urkunde bzw. ein Schriftstück, und schließt elektronische Dokumente ausdrücklich aus.208 Dass § 106 VwGO die Möglichkeit anerkennt, einen Vergleichsvertrag zur Niederschrift des Gerichts abzuschließen, zeigt ebenfalls die hohe Bedeutung der schriftlichen Perpetuierung für den öffentlich-rechtlichen Vertrag, wobei die gerichtliche Protokollierung eine besonders strenge Form darstellt. Auch für den öffentlich-rechtlichen Vertrag besteht damit kein einheitliches Verständnis der Schriftform. Aufgrund seiner inhaltlichen Nähe zum privatrecht202 Nachweise bei Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 57 VwVfG Rdnr. 19 ff.; Hennecke, in: Knack, § 57 VwVfG Rdnr. 6; Kopp/Ramsauer, § 57 VwVfG Rdnr. 9; ausführlich Weihrauch, Urkundeneinheit, VerwArch 82 (1991), S. 543; Schlette, Vertragspartner, S. 456 f. 203 BVerwGE 96, S. 332 f. 204 Vgl. Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 57 VwVfG 12 f.; Hennecke, in: Knack, § 57 VwVfG Rdnr. 5; OVG Lüneburg, NJW 1992, S. 1404 (1405). 205 So ausdrücklich OVG Lüneburg, NJW 1992, S. 1404 (1405); Ule/Laubinger, Verwaltungsverfahrensrecht, § 69 Rdnr. 9; Erichsen, in: Erichsen, Verwaltungsrecht, § 26 Rdnr. 5. 206 Kopp/Ramsauer, § 57 VwVfG Rdnr. 10, unter Verweis auf § 37 Abs. 3 VwVfG; Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 57 VwVfG Rdnr. 15 ff. 207 Hennecke, in: Knack, § 57 VwVfG Rdnr. 4 ff. 208 Hennecke, in: Knack, § 57 VwVfG Rdnr. 7, der sich explizit auch auf die mittlerweile entwickelten Sicherungstechniken wie die elektronische Signatur bezieht.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

lichen Vertrag und damit auch den zivilrechtlichen Formvorschriften besteht allerdings die Grundtendenz, die Schriftform hier entsprechend § 126 BGB aufzufassen. Indes mehren sich in letzter Zeit die Stimmen, die auf einem eigenständigen öffentlich-rechtlichen Verständnis des Vertrages und auch dessen Form beharren. Die Unterschiede in den Auffassungen sind zwar in der Frage der Urkundeneinheit am deutlichsten, doch bestehen sie auch hinsichtlich der Notwendigkeit einer eigenhändig geleisteten Unterschrift. Der Begriff der Schriftform erfordert jedoch nach allgemeiner Auffassung ein Schriftstück bzw. eine Urkunde. Daran ändert auch die teilweise für zulässig erklärte Übermittlung als Telefax und damit letztlich als elektronisches Dokument nichts, da auch dieses bestimmungsgemäß als Urkunde beim Empfänger perpetuiert wird und letztlich (wieder) als Schriftstück vorliegt.209 IV. Die Schriftform des Vorverfahrens und des Verwaltungsprozessrechts Sowohl das gerichtliche Verfahren wie auch das diesem vorgeschaltete Widerspruchsverfahren stellen Anforderungen an die Form wesentlicher Prozesshandlungen, wie die Erhebung von Widerspruch und Klage sowie die Einlegung von Beschwerde, Berufung und Revision. Diese sind gemäß §§ 70 Abs. 1 Satz 1, 81 Abs. 1 Satz 1, 125 Abs. 1 Satz 1, 139 Abs. 1 Satz 1 und 147 VwGO schriftlich oder, mit Ausnahme von Berufung und Revision, zur Niederschrift zu erheben bzw. einzulegen. Der hierbei verwendete Begriff der Schriftform der VwGO wird im Wesentlichen unterschiedslos gebraucht. Dies gilt auch für das Widerspruchsverfahren als nicht gerichtliches Verfahren: Zwar wird des öfteren betont, das Widerspruchsverfahren sei ein eigenständiges, ein Verwaltungsverfahren, und kein gerichtliches Verfahren, allenfalls Sachurteilsvoraussetzung.210 Auf die für die Erhebung des Widerspruchs einzuhaltende Form wirkt sich diese Frage jedoch nicht aus. Angesichts der bereits oben erwähnten Prozessähnlichkeit auch des Verwaltungsverfahrens211 entspricht der Begriff der Schriftform sowohl des Vorverfahrens wie des Verwaltungsprozesses dem für Anträge im Verwaltungsverfahren geltenden. Der Auffassung, die Anforderungen an die Schriftform müssten im Widerspruchsverfahren geringer sein als im formelleren gerichtli209 Vgl. hierzu oben, § 32 II. a) Anträge und Erklärungen des Bürgers, S. 154, sowie sogleich S. 179. 210 Pietzner/Ronellenfitsch, § 24 Rdnr. 4; Dolde, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, Vorb. § 68 Rdnr. 2; ausführlich P. Stelkens/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, § 79 VwVfG Rdnr. 2 m. w. N. auch zur a. A. Zum Widerspruchsverfahren als außergerichtliches Vorverfahren und Sachurteilsvoraussetzung siehe BVerfG, Beschl. v. 09.05.1973 – 2 BvL 43, 44/71, BVerfGE 35, S. 65 (72). 211 Vgl. § 32 II. a) Anträge und Erklärungen des Bürgers, S. 154.

9. Kap.: Insbesondere: Die Schriftform

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chen Verfahren,212 trat das BVerwG hinsichtlich des Unterschriftserfordernisses mit den Worten entgegen: „Dem erk. Senat erscheint es aber nicht sinnvoll, zwischen Widerspruchsverfahren und dem Verfahren vor dem VG hinsichtlich der Wahrung der Schriftform zu unterscheiden. Denn Sinn und Zweck der eigenhändigen Unterschrift unter einem bestimmenden Schriftsatz sind hier wie dort, dass ohne Rückfrage oder Beweiserhebung gesichert ist, dass der Schriftsatz von der als Verfasser ausgegebenen Person herrührt und mit ihrem Wissen und Wollen in den Verkehr gelangt ist.“213 Auch in anderen Entscheidungen ging die höchstrichterliche Rechtsprechung stets von einem unterschiedslos gebrauchten Begriff des Rechtsmittels oder des Schriftsatzes aus, für die einheitliche Anforderungen gelten müssten.214 Die Literatur hat sich dem weitgehend angeschlossen und verweist pauschal auf § 81 VwGO.215 Auch hier soll daher der Einfachheit halber allein die Schriftform des Prozessrechts erwähnt werden; gemeint ist stets auch die des Widerspruchs, und ebenso die der Rechtsmittel. Die Schriftform des Verwaltungsprozesses ist wie die prozessrechtliche Schriftform generell stets selbst ein Streitpunkt gewesen.216 Vor allem die Entwicklung und zunehmende Verbreitung moderner Kommunikationsmittel wie anfänglich des Telegramms und sodann des Telex, des Telefax und des BtxDienstes haben zu Modifikationen und Relativierungen des prozessrechtlichen Schriftformbegriffes geführt. Hierbei war es regelmäßig die – von § 126 BGB vorausgesetzte – eigenhändige Unterzeichnung des bei Gericht eingehenden Schriftsatzes, die sich als problematisch erwies. Die bereits durch das RG vorgenommene Anerkennung des Telegramms als die Schriftform wahrend217 wurde durch das BVerwG rasch bestätigt, dies auch für zugesprochene Telegramme218 und auch für solche, die nur telefonisch aufgegeben wurden.219 Auch eine Kombination beider Möglichkeiten, die letztlich nur eine Abfolge zweier Telefongespräche ist, wurde durch das BVerfG als die Schriftform wahrend angesehen.220 Das BVerwG betonte jedoch auch, dass es sich hierbei nur 212

In diese Richtung etwa Kopp/Schenke, § 70 VwGO Rdnr. 2. BVerwG, NJW 1974, S. 1262 f. 214 BVerwG, BVerwGE 30, S. 274 (277); Beschl. v. 30.06.1983 – 1 WB 27/81, NJW 1984, S. 444; Urt. v. 18.12.1992 – 7 C 16/92, NJW 1993, S. 1874. 215 „Hier gilt dasselbe wie zu § 81 (s. dort)“: Dolde, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/ Pietzner, § 70 VwGO Rdnr. 4. 216 Vgl. ausführlich Heinemann, Prozessuale Schriftform, zum Verwaltungsprozess § 8, S. 25 ff. Siehe dort die einführenden Bemerkungen: „Die Frage [. . .] hat sich trotz ihrer scheinbaren Unbedeutsamkeit zu einer praktisch sehr großen entwickelt. Kaum ein Gericht Deutschlands, das sich nicht mit der Schriftform prozessualer Erklärungen auseinandergesetzt hatte.“ Ebd., S. 1. 217 RG, Großer Senat für Zivilsachen, Beschl. v. 15.05.1936 – 2/36 – V 62/35, RGZ 151, S. 82 (86). 218 BVerwGE 1, S. 103 (104). 219 BVerwGE 3, S. 56 (57). 213

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

um eine Ausnahme aufgrund der technischen Gegebenheiten einerseits, und der weitverbreiteten Nutzung der Telegrammtechnik sowie der nahezu gewohnheitsrechtlichen Verfestigung der Rechtsprechung des RG andererseits handele. Nicht telegraphisch übermittelte Schriftsätze mussten weiterhin eigenhändig unterzeichnet werden.221 Bei Behörden demgegenüber genügt dem BVerwG zufolge für die Erfüllung der Schriftform die beglaubigte Namenswiedergabe: Soweit die mit dem Unterschriftserfordernis verbundenen Zwecke anderweitig als erfüllt angesehen werden können, sei die handschriftliche Unterzeichnung auch bei auf herkömmlichem Weg eingereichten Schriftsätzen verzichtbar.222 Diese zwischen Behörden und Bürgern einerseits sowie telegraphisch und anderweitig eingereichten Schriftsätzen andererseits differenzierende Rechtsprechung, die im Grundsatz die eigenhändige Unterzeichnung für unverzichtbar hielt, wurde nach Inkrafttreten der VwGO erst bestätigt,223 dann aber durch mehrere Entscheidungen in Frage gestellt, die eine eigenhändige Unterschrift unter Schriftsätzen nicht für notwendig erachteten.224 Im Urteil vom 06.12.1988 stellte der 9. Senat des BVerwG schließlich fest: „Dem Erfordernis der Schriftlichkeit der Klageerhebung gemäß § 81 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann auch ohne eigenhändige Namenszeichnung genügt sein, wenn sich aus anderen Anhaltspunkten eine der Unterschrift vergleichbare Gewähr für die Urheberschaft und den Rechtsverkehrswillen ergibt.“ Entscheidend sei, ob sich aus dem bestimmenden Schriftsatz selbst oder in Verbindung mit beigefügten Unterlagen die Urheberschaft und der Wille, das Schreiben in den Verkehr zu bringen, hinreichend sicher ergeben, ohne dass darüber Beweis erhoben werden müsste.225 Das Urteil wird seitdem in ständiger Rechtsprechung durch das BVerwG zitiert.226 Das BVerfG hat diese Beurteilung übernommen und sie auch für andere Prozessordnungen als von der Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes gefordert erklärt,227 nach-

220 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.01.1974 – 2 BvL 9/73, BVerfGE 36, S. 298 (304). Die dortigen Ausführungen zum arbeitsgerichtlichen Verfahren sind erkennbar auch auf andere Prozessordnungen gemünzt. 221 BVerwGE 2, S. 190 (191). 222 So unter vermeintlicher Fortführung, faktisch jedoch Aufgabe der entgegenstehenden Entscheidung BVerwGE 2, S. 190 der Beschl. des Großen Senats des BVerwG, BVerwGE 10, S. 1. 223 BVerwG, Beschl. v. 02.10.1961 – VIII B 78.61, BVerwGE 13, S. 90 (92 f.); BVerwGE 13, S. 141 (142 f.). 224 BVerwGE 30, S. 274 (277); BVerwG, NJW 1974, S. 1262 f.; BVerwGE 36, S. 296 (298). 225 BVerwGE 81, S. 32 (36). 226 Vgl. BVerwG, Urt. v. 13.06.1990 – 9 B 122/90, NJW 1991, S. 1193; NJW 1995, S. 2121; vgl. auch Kopp/Schenke, § 81 VwGO, Rdnr. 8 m. w. N. in FN 3; Ortloff, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 81 VwGO, Rdnr. 7 ff. 227 BVerfG, Beschl. v. 04.07.2002 – 2 BvR 2168/00, BVerfG, NJW 2002, S. 3534 (3535).

9. Kap.: Insbesondere: Die Schriftform

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dem bereits in der Literatur die Auffassung des BVerwG als vorbildlich auch für etwa die ZPO bezeichnet worden war.228 Da die Rechtsprechung keine eigenhändige Unterschrift auf einem dem Gericht vorliegenden Schriftstück forderte, wurde auch die Rechtsbehelfseinlegung mittels Fernkopie, also Telefax, für zulässig erklärt.229 Weil auch in diesem Fall auf Seiten des Gerichts ein unschwer bearbeitbares Schriftstück vorlag, musste sich die Rechtsprechung nicht damit auseinandersetzen, dass bei Gericht tatsächlich nur Daten ankamen, die allerdings durch das gerichtliche Faxgerät bestimmungsgemäß perpetuiert wurden. Ähnliches galt für das zugesprochene Telegramm, das durch einen Urkundsbeamten der Geschäftsstelle protokolliert wurde, nicht jedoch für lediglich telefonisch vermittelte Niederschriften, so dass diese nicht für zulässig erachtet wurden.230 Notwendig war und ist jedenfalls die bestimmungsgemäße Perpetuierung des bei der Widerspruchsbehörde oder dem Gericht eingehenden Schriftstücks in einer leicht handhabbaren Form, das heißt grundsätzlich in der Urkundsform mit Papier als üblichem Informationsträger. Wesentlich ist die Möglichkeit, den Inhalt der Erklärung ohne besondere technische Hilfsmittel wahrzunehmen. Übermittlungswege wie Telegramm und Telefax sind deshalb davon nicht ausgeschlossen, da bei ihnen dem Gericht – bzw. beim Widerspruch: der Behörde – jeweils eine Urkunde vorliegt, die ohne weiteres wie ein auf herkömmliche Weise übermitteltes Schriftstück bearbeitet werden kann. Zwar gibt es auch Faxgeräte, die empfangene Faxsendungen nicht unmittelbar ausdrucken, sondern auch eine Zeitlang speichern können. Hier ist jedoch die ausgedruckte Sendung weiterhin die Norm und die Zwischenspeicherung nur ein technisches Hilfsmittel zur Verhinderung von Datenverlust aufgrund Papiermangels. Auch gibt es Computer mit Faxfunktionalität, die ein Ausdrucken der Daten nicht zwingend voraussetzen, sondern vielmehr die Bearbeitung der Faxsendungen am Bildschirm gestatten. Die damit ermöglichte vollelektronische Datenübertragung ohne ein auf Empfängerseite vorliegendes Schriftstück unterscheidet sich jedoch aus Sicht des Absenders in keiner weise von einer gewöhnlichen Faxübertragung und ist auch keineswegs üblich, so dass aus Sicht des Absenders weiterhin vom bestimmungsgemäßen Ausdruck auf Empfängerseite ausgegangen werden kann. Die Übermittlung rein elektronischer Dokumente erfüllt damit die Schriftform des Widerspruchs- oder des verwaltungsprozessualen Verfahrens nicht. Dem steht auch die Entscheidung des BVerwG zur Klageeinreichung per Btx nicht entgegen, da es sich bei dieser Klage tatsächlich eine um per Computerfax eingelegte handelte.231

228

Heinemann, Prozessuale Schriftform, S. 221 ff., besonders S. 223. So zu seiner ersten Erscheinungsform als Telebrief BVerwG, Urt. v. 13.02.1987 – 8 C 25.85, BVerwGE 77, S. 38. 230 Vgl. ausführlich oben S. 162. 231 Vgl. oben § 32 II. a) Anträge und Erklärungen des Bürgers, S. 154. 229

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

§ 33 Ergebnis Als Ergebnis dieses Überblicks kann festgehalten werden: Anders als im bürgerlichen Recht besteht im öffentlichen Recht kein einheitlicher Begriff der Schriftform. Der mangels einer eigenständigen öffentlich-rechtlichen Normierung dieser Frage regelmäßig in Bezug genommene § 126 BGB gilt im öffentlichen Recht nicht. Dies hat die Rechtsprechung in erster Linie hinsichtlich der Schriftform des Prozessrechts und des Vorverfahrens deutlich gemacht, jedoch auch für Formvorschriften des materiellen öffentlichen Rechts betont. Daraus ergaben sich primär Liberalisierungen hinsichtlich der Notwendigkeit der eigenhändig geleisteten Unterschrift, die vor allem zur Zulassung neuer Kommunikationsmittel wie Telegramm, Telex und Telefax notwendig waren oder den üblichen Verfahrensabläufen der Verwaltung entgegenkamen. So wurde das regelmäßig in Rede stehende Unterschriftserfordernis in einer allerdings nicht linear verlaufenden Entwicklung nach und nach aufgeweicht, bis es schließlich aufgegeben wurde. Nunmehr ist letztlich nur entscheidend, ob auch ohne Beweiserhebung die Sicherstellung der mit der Unterschrift verbundenen Funktionen gewährleistet ist. Dies bedeutet, dass in einer jeden ernsthaften Zweifel ausschließenden Weise zum einen ersichtlich sein muss, von wem die Erklärung herrührt, und zum anderen, dass kein bloßer Entwurf vorliegt. Für Erklärungen des Bürgers wird allerdings, wenn und weil dies insbesondere im Hinblick auf die verwendete Übertragungstechnik möglich und zumutbar erscheint, in einem stärkeren Maß an der Autorisierung gerade durch eine Unterschrift festgehalten. Verwaltungsakte und andere behördliche Erklärungen sind dagegen bereits aufgrund gesetzlicher Regelung vom Unterschriftserfordernis befreit, hier genügt die auch maschinenschriftlich mögliche Namenswiedergabe. Selbst diese kann bei maschinell gefertigten Massenverwaltungsakten fehlen. Die Schriftform des öffentlich-rechtlichen Vertrages hingegen erfordert die Unterzeichnung der Vertragsurkunde oder doch zumindest der entsprechenden behördlichen Willenserklärung. Die Schriftform des Vorverfahrens und des Verwaltungsprozesses entspricht der des Antrags. In Kontrast zur Intensität der Auseinandersetzung um das Unterschriftserfordernis steht, dass der zweite Aspekt der Schriftform nie problematisiert wurde, obwohl bereits mit dem Telegramm ein Kommunikationsmittel in Gebrauch war, das die Perpetuierung der Originalnachricht aufhob oder von vornherein nicht voraussetzte; mit dem Aufkommen des zugesprochenen Telegramms wurde sogar die rein „virtuelle“, nicht-perpetuierte Übertragung einer Nachricht als die Schriftform wahrend angesehen, ohne dass das Urkundserfordernis vertieft erörtert worden wäre.232 Der Grund hierfür war jedoch nicht die Unbeacht-

232 Die einzige Ausnahme bildet die in mehrerlei Hinsicht widersprüchliche und daher gänzlich unbefriedigende Entscheidung BVerwGE 17, S. 166; vgl. hierzu S. 162.

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

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lichkeit der Perpetuierung, sondern im Gegensatz deren Selbstverständlichkeit, lag doch unabhängig vom gewählten Übertragungsweg dem Empfänger stets ein Schriftstück vor, auch wenn dieses erst bei ihm selbst durch das Empfangsgerät oder den Empfänger selbst bestimmungsgemäß gefertigt wurde. Ungeachtet der Unterschiede im Detail, die es verbieten, von einem einheitlichen öffentlich-rechtlichen Begriff der Schriftform zu sprechen, ist das Mindesterfordernis jedenfalls die Verwendung einer Urkunde, aus der die Erklärung ohne weiteres unmittelbar erkennbar ist. Auch das Aufkommen neuester, die vollelektronische Speicherung und Übertragung von Texten ermöglichende Technik, hat daran nichts geändert. Dies liegt nicht zuletzt in den Eigenschaften der Urkunde und ihren Funktionen begründet, die durch elektronische Dokumente nicht ohne weiteres abgebildet werden können. Ungeachtet dessen kann der Gesetzgeber die Schriftform unter Einbeziehung elektronischer Dokumente neu definiert haben. Dies ist nach Darstellung der Funktionen von Urkunde und Unterschrift anhand von Formgesetz und 3. VwVfÄndG zu überprüfen. Kapitel 10

Elektronische Dokumente und die Schriftform § 34 Funktionen der Schriftform Formvorschriften des heutigen Rechts sind nicht Selbstzweck, sondern erfüllen auf gewöhnlich einfach zu erbringende und einfach zu prüfende Weise bestimmte Funktionen. Die „Wirkform“ des alten Rechts ist nunmehr durch die „Zweckform“ ersetzt, die zur Erfüllung bestimmter gesetzgeberischer Ziele für notwendig erachtet wird; dies gilt ebenso wie für das Privatrecht auch für das öffentliche Recht.233 Für die Schriftform ist eine Reihe von Funktionen herausgearbeitet worden, die von den jeweiligen Formvorschriften in unterschiedlicher Weise und in nicht allgemein zu benennendem Ausmaß in Anspruch genommen werden. Einige Funktionen sind hierbei solche der Unterschrift, andere hingegen die der Urkunde. Eine weitere Funktion kommt nur unterschriebenen Urkunden zu, also einer Kombination beider Voraussetzungen. Nicht in jedem Fall und in jeder Situation sind alle Funktionen der Schriftform gleichermaßen relevant. Dies gilt für die Schriftform des Zivilrechts und des Prozessrechts, deren Funktionen in erster Linie betrachtet wurden, ebenso wie für die hier interessierende Schriftform des öffentlichen Rechts. Die verschiedenen Funktionen überlagern einander vielmehr, und treten je nach Anwendungsbereich in unterschiedlichem Maß in den Vordergrund. 233

Badura, Form, S. 206 f. m. w. N.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

I. Funktionen der Unterschrift Als Funktionen der Unterschrift wurden die Abschluss-, Identitäts-, Echtheitsund Warnfunktion herausgearbeitet; weiterhin werden die Gültigkeits-, Beweisund die Verifikationsfunktion genannt.234 Aufgrund ihrer Abschlussfunktion stellt die Unterschrift klar, dass es sich bei dem Dokument nicht um einen nicht für den Rechtsverkehr bestimmten Entwurf, sondern um eine materiell-rechtlich oder prozessual erhebliche Erklärung handelt, der Rechtswirkung zukommen soll. Die Unterschrift macht damit sowohl den Abschluss der Erklärung wie den der Willensbildung deutlich, sie ist Abschlusszeichen.235 Der Unterschrift kommt Identitätsfunktion zu, da der Unterzeichnende über das Erfordernis der Namensunterschrift, das heißt der Unterzeichnung mit einem den Namen des Unterschreibenden erkennbar lassenden Schriftzug, identifizierbar wird.236 Zur Wahrung der Echtheitsfunktion ist es erforderlich, dass eine Unterschrift einen individuellen, nur durch genau eine Person zu leistenden Schriftzug mit entsprechend charakteristischen Merkmalen darstellt.237 Dies kann gewährleisten, dass die Unterschrift und damit auch das Dokument allein vom Unterzeichnenden herrührt und insofern echt ist.238 Die Warnfunktion soll dem Unterschreibenden Übereilungsschutz bieten: Die Unterschrift ist als übliches Zeichen der Verantwortungsübernahme allgemein anerkannt. Insbesondere Rechtsgeschäfte größeren Gewichts verlangen nach der Unterschrift; diese Verbindung ist jedenfalls unterbewusst jedem bekannt. Daher ist es üblich, zu Unterschreibendes vor Leistung der Unterschrift zumindest zu überfliegen oder sogar durchzulesen und auf nachteilige Regelungen hin zu untersuchen. Die besondere Form ist „Wecker des juristischen Bewusstseins“.239 Einzelne Stimmen schreiben der Unterschrift noch weitere Funktionen zu: Sie sei Gültigkeitszeichen insofern, als sie die Zurechenbarkeit einer Erklärung zu einer Person ermöglicht, die mit ihrer Unterschrift zeige, für diese Erklärung 234 Bizer, Schriftformprinzip, DuD 1992, S. 169; Eifert, Online-Verwaltung, K&R Beilage 2/2000, S. 13 f.; Vollkommer, Formenstrenge, S. 260 ff.; BT-Drs. 14/4987, S. 16. Zu den Funktionen der Schriftform auch Schreiber, Elektronisches Verwalten, S. 85 ff., auch dort allerdings mit teilweise abweichender Diktion. 235 Vollkommer, Formenstrenge, S. 261, unter Verweis u. a. auf RGZ 151, S. 84 f. 236 Vollkommer, Formenstrenge, S. 268. Die Begrifflichkeit ist nicht eindeutig. Während unter Identitätsfunktion hier nur die Möglichkeit der Identifizierung des Erklärenden und unter Echtheitsfunktion die Eigenschaft verstanden wird, diese Angabe auf ihre Echtheit zu überprüfen, werden diese Funktionen teilweise vermengt und einheitlich unter Identitätsfunktion gefasst, vgl. Boente/Riehm, Kommunikation, Jura 2001, S. 797; Müglich, Formvorschriften, MMR 2000, S. 10. 237 So bereits BGH, Urt. v. 07.01.1959 – 2 StR 550/58, NJW 1959, S. 734; Urt. v. 11.02.1982 – III ZR 39/81, NJW 1982, S. 1467. 238 Vollkommer, Formenstrenge, S. 272. 239 Ihering, Vom Geist des römischen Rechts, 2. Teil, 2. Abt., S. 497 (zit. nach Wolfsteiner, Elektronischer Rechtsverkehr, S. 31 mit FN 15). Kritisch Westerhoff, Formvorschriften, JR 1997, S. 490; ihm folgend BT-Drs. 14/4987, S. 19.

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

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einstehen und die Verantwortung hierfür übernehmen zu wollen.240 Die Unterschrift erfülle eine Beweisfunktion, da sie dem jeweils Beweispflichtigen die Beweisführung erleichterte.241 Die Verifikationsfunktion sieht der Gesetzgeber des Formgesetzes in der Möglichkeit, die Echtheit von Unterschrift und Dokument und damit die Identität des Urhebers zu überprüfen, also seine Angaben zu verifizieren.242 Richtigerweise kommt jedoch den zuletzt genannten drei Funktionen keine eigene Bedeutung zu. Die Verifikationsfunktion ist vielmehr nur eine Kombination aus der Echtheits- und der Identitätsfunktion. Die so genannte Gültigkeitsfunktion ist hingegen nur eine andere Bezeichnung dafür, dass der Urheber einer Willenserklärung oder beispielsweise eines Schriftsatzes für diese einzustehen hat. Allenfalls mag sie als eine Kombination aus der Abschlussfunktion, die den Entwurf von der rechtserheblichen Äußerung scheidet, und der Identitätsfunktion aufgefasst werden, die den Urheber erkennbar werden lässt.243 Und die so genannte Beweisfunktion ist eine bloße Umschreibung dafür, dass Schriftstücken, Urkunden und auch Unterschriften Beweiswert zukommen kann. Dies ist indes keine spezifische Eigenschaft der Schriftform, da jedes Beweismittel, abhängig von seiner Beschaffenheit, stets die Beweissituation des Beweispflichtigen verbessern kann. Die bessere Beweiseignung unterschriebener Urkunden, etwa im Vergleich zu Ausdrucken, bloßen Computerdateien oder gar nur behaupteten Abreden, ist jedoch kein typisches Beschaffenheitsmerkmal, sondern vielmehr die Folge der mit den Begriffen Echtheits-, Identitäts- und Abschlussfunktion bezeichneten Eigenschaften der Unterschrift.244 Die Rechtsprechung stellt aus diesen Gründen zu Recht vorrangig auf die Abschluss- und die Identitätsfunktion der Unterschrift ab, wenn sie ihre Zwecke darin zusammenfasst, sie solle auch ohne Beweiserhebung die Person des Erklärenden und seinen Erklärungswillen zweifelsfrei deutlich machen.245 Nur teilweise wird auch im Verwaltungsrecht die Warnfunktion der Unterschrift in Bezug genommen.246 Auch die Echtheitsfunktion ist von geringerem Gewicht. Da240 Vollkommer, Formenstrenge, S. 278; vgl. auch BGH, Urt. v. 25.10.2002 – V ZR 279/01, NJW 2003, S. 1120: „Mit der Unterschrift wird dokumentiert, dass sich die Beteiligten ihre Erklärungen zurechnen lassen und die Urkunden in ihrer körperlichen Form genehmigen; die Unterschrift dient damit als formelles Zeichen der Verantwortungsübernahme für Geltung und Gültigkeit des beurkundeten Rechtsgeschäfts und für die Echtheit des beurkundeten Willens der Beteiligten.“ 241 BT-Drs. 14/4987, S. 16, wohl Bizer, Schriftformprinzip, DuD 1992, S. 169, folgend. 242 BT-Drs. 14/4987, S. 16. 243 Kritisch daher bereits Vollkommer, Formenstrenge, S. 279. 244 Fogt, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 91, spricht daher zu Recht vom „relativen Beweischarakter“ der Unterschrift. 245 BVerfG, NJW 2002, 3534; GmS-OGB, BVerwGE 58, S. 359 (365); GmS-OGB, Beschl. v. 05.04.2000 – GmS-OGB 1/98, BVerwGE 111, S. 377 (379) = NJW 2000, S. 2340. Kritisch Vollkommer, Formenstrenge, S. 264 und 275 sowie Heinemann, Prozessuale Schriftform, S. 110 ff.

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mit sind letztlich Identitäts- und Abschlussfunktion die wesentlichen Funktionen der Unterschriftserfordernisse des öffentlichen Rechts. Bei Verwaltungsakten sieht der Gesetzgeber diese Funktionen offenbar durch die bloße Namenswiedergabe am Ende des Dokumentes als erfüllt an.247 II. Funktionen der Urkunde Wesentliche Eigenschaft und Aufgabe der Urkunde ist die Perpetuierung, die stoffliche Verkörperung des Textes. Hieraus ergeben sich als Funktionen der Urkunde die Perpetuierungs-, Beweis-, Kontroll-, Transport- und zudem, als bislang nicht recht beachtete fünfte, die Seriositätsfunktion. Die Perpetuierungsfunktion der Urkunde ermöglicht die dauerhafte, beliebig oft wiederholbare unmittelbare Wahrnehmbarkeit der Erklärung. Sie ist Hauptgrund für die Anordnung der Schriftform in vielen Bereichen des öffentlichen Rechts: Die Aktenförmigkeit des Verwaltungshandelns erfordert die Perpetuierung des Wissens der Behörde, wozu auch Erklärungen und Bescheide gehören. Die Dokumentation einzelner Verwaltungsvorgänge in Akten ist für eine effektive, kontinuierliche, von der Person des jeweiligen Bediensteten unabhängige Sachbehandlung unabdingbar.248 Das gilt sowohl für den Arbeitsbereich der Verwaltung wie für den der Gerichte. Auch deren Arbeit erfordert es, die Anträge und Erklärungen der Beteiligten festzuhalten, um später hierauf zurückgreifen zu können.249 Die Verkörperung der Erklärung ermöglicht den Beteiligten, diese Dritten vorzulegen und so diesen gegenüber den Nachweis zu führen; insofern ist die Beweisfunktion eine Funktion der Urkunde. Diese Funktion hat besondere Bedeutung für behördliche Entscheidungen wie Verwaltungsakte: Diese gestalten die Rechtslage, indem sie sie für den Einzelfall konkretisieren. Häufig muss dies anderen gegenüber nachgewiesen werden, exemplarisch sind hier Genehmigungen wie zum Beispiel die Baugenehmigung oder die Fahrerlaubnis zu nennen. Weiterhin können Dritte den Inhalt der Erklärung und dadurch auch mittelbar das Verhalten der Beteiligten selbst kontrollieren, wenn die Erklärung in lesbarer Form vorliegt. Der Urkunde kommt mithin auch im öffentlichen Recht Kontrollfunktion zu.250 In erster Linie kann so die Verwaltung selbst kontrolliert 246 Zur Warnfunktion gegenüber dem Bürger vgl. BFH, NJW 1999, S. 1422 (1423); hinsichtlich der Warnfunktion gegenüber Behörden herrscht größere Zurückhaltung, vgl. Eifert/Schreiber, Zugang, MMR 2000, S. 344 mit FN 43); anders Rosenbach, Datenverarbeitung, NWVBl. 1997, S. 328, bzgl. der Zusicherung gemäß § 38 VwVfG. 247 Oben § 32 II. b) Verwaltungsakte und ähnliche behördliche Erklärungen, S. 165. 248 Vgl. BVerfG, Beschl. v. 06.06.1983 – 2 BvR 244, 310/83, NJW 1983, S. 2135; Beschl. v. 16.03.1988 – 1 B 153/87, NVwZ 1988, S. 621 (622). 249 Vgl. auch Broß, Schriftformerfordernis, VerwArch 91 (1990), S. 451.

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werden: Die Rechtsförmigkeit des Verwaltungshandelns fordert dessen Nachvollziehbarkeit auch durch Dritte, seien es Vorgesetzte, Aufsichtsbehörden, das Parlament, der Bürger selbst oder Gerichte. Sie sind daher auf die Dokumentation der Verwaltungsvorgänge und damit eine ordnungsgemäße Aktenführung durch die Behörde ebenso angewiesen wie die Verwaltung selbst.251 Weiterhin macht sich der Staat die Kontrollfunktion der Urkunde zunutze, wenn er für viele Vorgänge etwa des Wirtschaftslebens die Schriftform anordnet. Dies gilt für die kaufmännischen Buchführungsvorschriften des HGB wie für zahllose steuerrechtliche Schriftformvorgaben.252 Die stoffliche Verkörperung der in der Urkunde niedergelegten Information verhindert ihre beliebige Vervielfältigung. Dies ermöglicht die einmalige Verbriefung von Rechten. Diese Funktion wird Transportfunktion bzw. Traditionsfunktion genannt, da sie den Transport bzw. die Tradition des Rechts mit Hilfe des Papiers erlaubt. Im Zivilrecht wird diese Funktion insbesondere bei Wertund Inhaberpapieren genutzt.253 Im öffentlichen Recht spielt sie eine ungleich geringere Rolle, da behördliche Bescheinigungen regelmäßig nur Zeichen von Genehmigungen sind, nicht deren tatsächliche Verkörperung oder auch nur Voraussetzung, so dass hier ihre Beweisfunktion im Vordergrund steht. So ist beispielsweise der Führerschein nur Nachweis der Fahrerlaubnis.254 Doch kommt Briefen wie dem Fahrzeugbrief die genannte Traditions- oder Transportfunktion zu, gleiches gilt für die amtlichen Fahrzeugkennzeichen. Diese sind daher bei Ungültigkeit zurückzugeben, zu vernichten oder zu entstempeln.255 Die Herstellung von Urkunden ist aufwendig, vor allem, wenn besondere Anforderungen an ihre äußere Form bestehen. Dieser Aufwand wird auch dem Empfänger der Erklärung aus ihrer besonderen Form deutlich.256 Dies führt, zusammen mit der traditionellen Beschränkung der Schriftform auf bedeutsame, nicht-alltägliche Rechtsgeschäfte dazu, dass dem Empfänger einer Urkunde die tatsächliche oder vermeintliche Wichtigkeit der Erklärung vor Augen geführt wird: Wenn der Erklärende diesen Aufwand auf sich nimmt, um die Erklärung in dieser Form zu erstellen, so muss dieser wohl eine besondere Bedeutung zukommen und sie aus dem Rahmen alltäglicher Rechtsgeschäfte herausheben. 250

Palandt/Heinrichs, § 125 BGB Rdnr. 1; Malzer, Form, DNotZ 1998, S. 103. BVerfG, NJW 1983, S. 2135; BVerwG, NVwZ 1988, S. 622. Das BVerwG spricht in diesem Zusammenhang von der Dokumentationsfunktion der Akten und ihrer Funktion, die Rechtsmäßigkeit des Verwaltungshandelns abzusichern. 252 Vgl. Spindler, E-Commerce-Richtlinie, ZUM 1999, S. 788. Zur Urkunde als notwendige Voraussetzung der vorsteuerabzugsfähigen Rechnung siehe beispielsweise Andres/Huss, Elektronische Rechnung, JurPC 99/2002. 253 Hierzu Mellulis, Regelungsbedarf, MDR 1994, S. 112. 254 § 2 Abs. 1 S. 3 StVG. 255 §§ 16 Abs. 2, 25 StVZO. 256 Vgl. näher oben § 7 II. g) Geringeres Vertrauen, S. 48. 251

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Schriftlichem wird damit erhöhte Seriosität und Glaubwürdigkeit zugeschrieben. Der Empfänger wird bereits durch die Form auf die möglicherweise einschneidenden Folgen der Erklärung hingewiesen. So ist die Schriftform stets dann angeordnet, wenn die zumeist einseitige Erklärung für den Empfänger besondere Wichtigkeit hat. Prominentes Beispiel aus dem Zivilrecht ist die arbeitsrechtliche Kündigung, die gemäß § 623 BGB der herkömmlichen Schriftform bedarf.257 Da im öffentlichen Recht einseitigen Erklärungen viel öfter einschneidende Wirkung zukommt und der Empfänger daher besonders gewarnt werden muss, ist dort die obligatorische Schriftform weitaus häufiger. So sind Zwangsmaßnahmen nach § 13 Abs. 1 Satz 1 VwVG schriftlich anzudrohen, und hat etwa der Verweis im Schulrecht schriftlich zu ergehen.258 Hier steht der Hinweis auf empfindliche Folgen im Vordergrund, ist die Erklärung eine Warnung für den Empfänger. Andere Vorschriften dagegen betonen die Seriosität, gar Feierlichkeit des mit dem Übergabeakt verbundenen Rechts- und Statuswechsels: Die Beamtenernennung beispielsweise erfordert die Übergabe einer speziell gestalteten Urkunde, § 5 Abs. 2 BRRG, § 6 Abs. 2 BBG. Gleiches gilt für die Ernennung von Bundesministern, § 2 Abs. 1 BMinG, und die Einbürgerung, § 16 Abs. 1 StAG. Gesetze werden durch den Bundespräsidenten ausgefertigt, indem er die Gesetzesurkunde mit seinem Namen unterzeichnet. 259 Diese Funktion der Urkunde wird teilweise als Warnfunktion bezeichnet, die sich im Gegensatz zur oben angesprochenen Warnfunktion der Unterschrift allerdings an den Erklärungsempfänger und nicht den Erklärenden richte und daher „Warnfunktion gegenüber dem Empfänger“ zu nennen sei.260 Diese Bezeichnung entspricht der vom BAG für die Abmahnung entwickelten Diktion, der diesem zufolge Rüge- und Warnfunktion zukommt, da sie dem Empfänger die möglichen Konsequenzen weiteren Fehlverhaltens deutlich vor Augen führe.261 Die Übernahme dieser Formulierung für den hier interessierenden Bereich der Schriftform erscheint jedoch aus zwei Gründen nicht angebracht: Zum einen verwischte dies die Grenzen zur oben angesprochenen Warnfunktion der Unterschrift. Während das Unterschriftserfordernis den Erklärenden vor Übereilung schützen soll, soll der Empfänger durch die Form der Urkunde auf die Wichtigkeit der Erklärung hingewiesen werden. Mit anderen Worten: Den Erklärenden soll die strengere Form im Zweifel vom Handeln abhalten, während 257 BT-Drs. 14/4987, S. 22: Der Arbeitsplatz sei die einzige Einnahmequelle und damit Existenzgrundlage für nahezu alle Arbeitnehmer, die daher eines besonderen Schutzes bedürften. 258 Für Berlin: § 55 Abs. 2 Nr. 1 BerlSchulG. 259 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 82 GG Rdnr. 2. Zum Inkrafttreten ist zudem der Abdruck des Gesetzestextes im Bundesgesetzblatt erforderlich, vgl. ebd. Rdnr. 5. 260 So Geis, Bestandteil, S. 165, und der Zivilrechtsausschuss des DAV in seiner Stellungnahme zum Entwurf des FormG. 261 BAG, Urt. v. 21.05.1992 – 2 AZR 551/91, NZA 1992, S. 1028; Urt. v. 15.11.2001 – 2 AZR 609/00, MDR 2002, S. 523.

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der Empfänger zum Handeln geradezu angehalten werden soll.262 Zum anderen erfasst die auch begriffliche Konzentration auf die Warnung wesentliche Teile der Funktion nicht: Die Ernennungsurkunden des Beamten oder des Ministers verfolgen ebenso wenig wie die Einbürgerungsurkunden den Zweck, ihren jeweiligen Empfänger vor nachteiligen Folgen der Ernennung bzw. Einbürgerung zu warnen. Sie sollen vielmehr die besondere, positive, feierliche Bedeutung des Aktes unterstreichen. Neutraler ist dagegen die Bezeichnung als Seriositätsfunktion, die zudem den Unterschied zur Warnfunktion deutlicher zeigt. III. Funktion der unterschriebenen Urkunde Eine weitere Funktion lässt sich weder der Unterschrift noch der Urkunde allein zuweisen: Die Integritätsfunktion.263 Sie garantiert die Unverändertheit der Erklärung, nachdem diese vom Erklärenden unterschrieben wurde. Die Unterschrift allein vermag Änderungen am Text nicht deutlich zu machen. Das kann allein die Urkunde aufgrund der physischen Verkörperung des Textes auf einem Trägermedium, das bei Änderungen der perpetuierten Erklärung regelmäßig ebenso modifiziert wird oder Hinzufügungen aufgrund des fixen, nicht mehr änderbaren Schriftbildes jedenfalls erkennen lässt. Radierungen zum Beispiel oder Tintenlöschungen lassen selten das Papier intakt, und Hinzufügungen fallen bereits aufgrund ungewöhnlicher Wort- und Zeilenabstände auf.264 Die Integritätsfunktion ist eng mit den Eigenschaften der Urkunde verbunden, kann jedoch durch sie allein nicht erfüllt werden. Vielmehr ist weiterhin die Unterschrift des Erklärenden erforderlich, da ansonsten die Erklärung durch jedermann reproduziert und hierbei modifiziert werden könnte. Durch die Fälschungen ausschließende Unterschrift wird die Urkunde individualisiert und so vor Manipulationen geschützt. Der Schutz ist nicht absolut, doch verglichen mit nicht unterschriebenen Urkunden oder gar nicht physisch perpetuierten Erklärungen deutlich verstärkt. Der Integritätsfunktion bedienen sich all diejenigen Vorschriften des öffentlichen Rechts, die auch Beweis-, Echtheits- und Kontrollfunktion der Urkunde nutzen.

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Ähnlich Geis, Bestandteil, S. 165. Die Integrität des Textes wird auch als Echtheit bezeichnet und die hier beschriebene Funktion damit als Echtheitsfunktion, vgl. Müglich, Formvorschriften, MMR 2000, S. 11. Echt oder unecht ist jedoch in erster Linie die Unterschrift, während hier die Integrität des Textes im Vordergrund steht, so dass der an dieser Stelle verwendete Begriff der Integritätsfunktion passender erscheint. Ebenso Yonemaru/Roßnagel, Japan, MMR 2002, S. 800. 264 Vgl. Pordesch/Nissen, Fälschungsrisiken, CR 1995, S. 564. 263

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§ 35 Funktionsäquivalenz elektronischer Dokumente Elektronische Dokumente ohne besondere Sicherung erfüllen einige der hier aufgezeigten Funktionen der Schriftform nur schwächer als Urkunden, andere Funktionen hingegen gar nicht. Die Sicherung elektronischer Dokumente mit Hilfe von Signaturverfahren kann jedoch einige Funktionen der Schriftform in ebensolcher Weise darstellen, wie es herkömmliche Schriftstücke vermögen. Dies soll mit dem Begriff Funktionsäquivalenz gekennzeichnet werden. Auch sie ist allerdings relativ: Während einige Funktionen ebenso gut durch signierte Dokumente erfüllt werden können und einige sogar durch die Signierung verstärkt werden können, bestehen hinsichtlich anderer Funktionen weiterhin Defizite. Bei unsignierten Dokumenten hingegen ist die Funktionsäquivalenz noch weniger gegeben. I. Ungesicherte elektronische Dokumente Unsignierte Dokumente können ohne weiteres durch jedermann erstellt und ebenso durch jeden modifiziert werden, der Zugang zu ihnen hat. Ihre Erstellung ist sehr einfach möglich und kann auch sehr leicht automatisiert werden. Nur bei einer Angabe des Verfassers im oder unter dem Text kann ein entsprechendes Dokument die Identitätsfunktion der Unterschrift sowie ihre Abschlussfunktion erfüllen: Dann nämlich lässt es den (vermeintlichen) Autor der Nachricht sowie ihren inhaltlichen Abschluss deutlich werden.265 Es ist hingegen nicht möglich, die Echtheit der Namensangabe oder der Autorschaft zu überprüfen, da elektronische Dokumente spurlos änderbar sind und anders als Papierurkunden ihre Geschichte nicht erkennen lassen. Ebenso wenig kann die Warnfunktion der Unterschrift als erfüllt angesehen werden. Eine der Unterschriftshandlung vergleichbare Warnung ist bei der Erstellung eines elektronischen Dokumentes nicht üblich, und wäre jedenfalls der Nachricht allein nicht zu entnehmen. Bei einer wesentlichen Gruppe elektronischer Dokumente, den nicht selten vollständig automatisiert erstellten nämlich, hat der als Verfasser Genannte das einzelne Dokument zudem häufig nicht einmal gesehen, so dass eine Warnung hier allgemein ausgeschlossen ist. Die Rechtsprechung hat bereits früh auch solche Dokumente als der prozessualen Schriftform entsprechend aufgefasst, die ebenso wie einfache elektroni265 Das SigG 2001 bezeichnet auch die schlichte Namensanfügung als Signatur, wenn es in § 2 Nr. 1 definiert, dass elektronische Signaturen „Daten in elektronischer Form [seien], die anderen elektronischen Daten beigefügt oder logisch mit ihnen verknüpft sind und die zur Authentifizierung dienen“. Vorliegend soll jedoch allein die durch § 2 Nr. 2 SigG 2001 „fortgeschrittene elektronische Signatur“ genannte Autorisierungstechnologie als Signatur bezeichnet werden.

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sche Dokumente weitere Sicherungen vermissen ließen. Grund hierfür ist, dass auch diese die als wesentlich erachtete Abschluss- und Identitätsfunktion erfüllen, unabhängig von ihrer Fälschungssicherheit. Telegramm und Telefax zum Beispiel, die anfänglich erst als Ausnahme zum herkömmlichen Schriftformbegriff als zulässig erachtet wurden, nach und nach jedoch mit größerer Selbstverständlichkeit ihrerseits als Referenz für das Verständnis des Schriftformbegriffes herangezogen wurden, sind hinsichtlich ihrer fehlenden Sicherung gegen unautorisiertes Inverkehrbringen oder Verfälschung ohne weiteres mit einfachen elektronischen Dokumenten gleichzusetzen.266 Daher erschien es auch nur folgerichtig, auch solche Telefaxe als die Schriftform wahrend anzuerkennen, die niemals unterschrieben wurden, sondern als Computerfax vollständig am Computer erstellte, elektronisch übermittelte und auf einem Faxgerät ausgegebene elektronische Dokumente sind.267 Auch diese erfüllen nach der zutreffenden Einschätzung des Gemeinsamen Senates der obersten Gerichtshöfe des Bundes die Abschluss- und Identitätsfunktion, die gewöhnlich der Unterschrift zukommen.268 Der Gemeinsame Senat stellt ferner auf die mittels Computerfax erfüllbare Funktion ab, den Inhalt der Erklärung dem Dokument mit hinreichender Zuverlässigkeit entnehmen zu können. Hiermit ist die Perpetuierung des Dokumenteninhaltes bzw. die Perpetuierungsfunktion der Urkunde angesprochen. Diese Funktion wird in gewissem Maß zwar auch durch elektronische Dokumente erfüllt, auch diese eignen sich schließlich zur Informationsspeicherung. Verglichen mit Papierdokumenten sind elektronische Dokumente jedoch nur in erheblich schwächerem Maß in der Lage, auch die langfristige Darstellbarkeit der Information sicherzustellen. Angesichts der beschränkten Lebensdauer herkömmlicher Speichermedien ist das ein gravierendes Hardwareproblem, das durch die extrem rasche Weiterentwicklung der Computertechnologie, die auch bei Datenträgern und Speicherformaten zu sehr kurzen Produktzyklen und damit sehr rasch veraltender Technik führt, entscheidend verschärft wird. Hinzu kommt die noch häufigere Entwicklung neuer Software und Datenformate bei gleichzeitig unzureichender Sicherstellung der Abwärtskompatibilität. Auch bei einer Lesbarkeit der Daten etwa durch Vorhalten der zu ihrer Erstellungszeit üblichen Hardware oder aufwendiges regelmäßiges Umkopieren bleibt daher das Problem der Dekodierung, sofern nicht auch die zur Erstellung benutzte Software ebenso wie die Daten selbst archiviert werden.269 Demgegenüber sind beispielsweise mittelalterliche Königsurkunden auch heute noch ohne weiteres lesbar. Die Perpetuierungsfunktion elektronischer Dokumente ist auch hinsichtlich der 266 Zur Telegraphen- und Telefaxtechnik siehe Heinemann, Prozessuale Schriftform, S. 135 f., 140 f., 144 f., 160 f., 168 f. 267 GmS-OGB, BVerwGE 111, S. 381 f. = NJW 2000, S. 2341. 268 GmS-OGB, BVerwGE 111, S. 382 = NJW 2000, S. 2341. 269 Vgl. ausführlich oben § 7 II. f) Schwierige langfristige Perpetuierung, S. 46.

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nur kurzfristigen Speicherung von Informationen beschränkt, da die Dokumente jedenfalls nicht in der Lage sind, die Informationen zum sofortigen unmittelbaren Zugriff geeignet niederzulegen. Stets ist ein Computersystem notwendig, das betriebsbereit und mit dem Speicherformat des elektronischen Dokumentes vertraut ist. Anders ist dies bei den von der Rechtsprechung vertieft beurteilten Tele- und Computerfaxsendungen sowie dem Telegramm: Hier erreicht den Empfänger stets eine auf Papier perpetuierte Nachricht, die unmittelbar und unabhängig von Technikänderungen den Inhalt der Erklärung zuverlässig darstellt.270 Die Beweisfunktion ungesicherter elektronischer Dokumente ist denkbar gering. Zwar lassen diese auch Dritten gegenüber den Inhalt der Erklärung erkennen, doch stellt sich einerseits die Frage der Visualisierung der Erklärung: Zum Nachweis des Dokumenteninhaltes anderen gegenüber ist es erforderlich, dass diese die Erklärung wahrnehmen können. Elektronische Dokumente erschweren dies, da für ihre Darstellung ein Computersystem erforderlich ist, das sowohl lauffähig ist wie auch genau dieses Dateiformat zu decodieren imstande ist. Die Darstellung von Rechten mit Hilfe von Kleincomputern wie etwa PDAs ist zwar denkbar.271 Auch erproben die Berliner Verkehrsbetriebe das auf dem Display eines Mobiltelefons darstellbare elektronische Ticket.272 Doch bleiben, unterstellt man bei Nutzung des Mobiltelefons auch eine weitgehende Verbreitung der Technik, Fragen der Zweckmäßigkeit einer solch aufwendigen Lösung sowie technische Bedenken gegen die Zuverlässigkeit des Systems: Herkömmliche Urkunden sind gegen Stromausfall und Systemabstürze ebenso gefeit wie gegen das bei elektronischen Dokumenten rasch mögliche versehentliche Löschen. Letztlich wird die Beweiseignung elektronischer Dokumente durch ihre Abhängigkeit von funktionierenden Computersystemen gemindert. Andererseits lassen sich angesichts der unproblematischen Veränderbarkeit auch Beweiserleichterungen kaum begründen. Die Beweisfunktion wird damit letztlich nicht erfüllt. Die Perpetuierung der Erklärung ermöglicht zwar auch Dritten die spätere Einsichtnahme und damit auch teilweise die Kontrolle abgegebener Erklärungen, soweit diese sie darstellen können. Aufgrund der leichten Manipulier-

270 Besonderheiten der Perpetuierung bestehen beim lange Zeit üblichen Thermopapier, das aufgrund chemischer Zersetzungserscheinungen auch bei bester Lagerung kaum länger als einige Jahre die Nachricht lesbar hielt. Jedoch ist zum einen die Verwendung geeigneten Papiers eine Obliegenheit des Empfängers, und ist zum anderen der „Perpetuierungshorizont“ der regelmäßig nur kurz mit einer Sache befassten Gerichte entsprechend klein. 271 Vgl. Schneider/Pordesch, Identitätsmanagement, DuD 1998, S. 645. 272 Vgl. zum Projekt „Telepay“ der BVG heise news vom 30.09.2002, heise.de/ newsticker/meldung/31116. Die BVG warnte damals auf ihrer (inzwischen veränderten) Internetseite mögliche Teilnehmer des Feldversuchs: „Bitte beachten Sie: Falls Ihr Handy nicht funktioniert, werden Sie wie ein Fahrgast ohne gültigen Fahrausweis behandelt.“

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barkeit elektronischer Dokumente können diese Dritten aber ebenso wenig von der Authentizität und Integrität der Erklärung ausgehen, so dass die Kontrolle jedenfalls nicht zweifelsfrei möglich ist. Insofern ist auch die Kontrollfunktion stark geschwächt. Aufgrund der leichten, spurlosen Modifikation und fehlender Autorisierungsmechanismen kann zudem die Integritätsfunktion nicht erfüllt werden. Die Transportfunktion der Urkunde, das heißt ihre Fähigkeit, Rechte einmalig zu verbriefen, fehlt elektronischen Dokumenten ebenso, deren Eigenart es gerade ist, blitzschnell, spurlos und verlustfrei beliebig oft und über weiteste physische Entfernungen hin kopiert zu werden.273 Elektronische Nachrichten sind zudem nicht in der Lage, die Seriositätsfunktion der Urkunde ebenso wie schriftlich verkörperte Erklärungen zu erfüllen. Da elektronische Dokumente und Nachrichten mit sehr geringem Aufwand erstellt, modifiziert und versandt werden können, wird auch ihrem Inhalt nicht die Bedeutung zugemessen, die Urkunden bereits aufgrund ihrer äußeren Form immanent ist. Elektronischen Dokumenten fehlt die „haptische Konnotation“ des Papiers, das mit einem kulturell gewachsenen Vertrauen auf seine Zuverlässigkeit verbunden ist.274 Dateien und E-Mails sind daher relativ unverbindlich. Wie anderes Nicht-Schriftliches werden auch E-Mails als rechtlich nicht obligat angesehen, da juristische Laien formlosen Erklärungen generell mindere Bedeutung zumessen.275 Zudem fehlt elektronischen Dokumenten die unmittelbare Visualisierbarkeit. Sie sind flüchtig und ganz einfach spurlos zu löschen. Sie sind Teil der virtuellen Welt. In dieser drücken sich Kommunikationspartner zum Beispiel auch unbefangener aus. Linguistische Untersuchungen zeigen, dass in E-Mails eine „neue Form der Schriftlichkeit“ entsteht.276 Elektronische Medien werden für netzwerkartige, informelle, kooperative Kommunikation benutzt. Die Verwendung des Netzes für rechtsverbindliche Geschäfte und Transaktionen ist noch neu und ungewohnt. „Echt“ und „wirklich“, mit Auswirkungen auf die „reale Welt“ erscheint vielen ein Vertragsabschluss regelmäßig erst bei einer „realen“ Manifestation des entsprechenden Geschäftes, etwa durch Zusendung eines schriftlichen Bestätigungsschreibens. Die Seriosität eines Aktes sowohl nach außen hin, in Bezug auf Dritte, wie auch in Bezug auf den Empfänger einer für ihn mit einschneidenden rechtlichen Folgen verknüpften Nachricht, wird durch eine wie auch immer gestaltete elektronische Form nicht in hinreichender Weise deutlich gemacht. So erscheint es nur schwer vorstellbar, dass etwa Bundesminister im Rahmen ihrer feierlichen Ernennung eine Diskette überreicht oder etwa eine SMS mit dem Text der vormaligen Ernennungs273

Vgl. ausführlich oben § 7 I. Vorteile elektronischer Dokumente, S. 38. Bizer/Fox, Zukunft, DuD 1997, S. 66. 275 Westerhoff, Formvorschriften, JR 1997, S. 490. Siehe auch Drösser, Müllbox, Die Zeit 6/2002. 276 Schlobinski, Chatten, Die Zeit 13/2001; ähnlich Androutsopoulos/Schmidt, SMSKommunikation, S. 25: „informelle Schriftlichkeit in den neuen Medien.“ 274

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urkunde zugesandt bekommen. Auch der Gesetzgeber des 3. VwVfÄndG erkennt die mangelnde Seriositätsfunktion elektronischer Dokumente, wenn er ausführt, es seien „Fallgestaltungen denkbar, wo aufgrund der besonderen Bedeutung des Rechtsaktes die elektronische Form – zumindest gegenwärtig – ausgeschlossen bleiben soll.“277 Allerdings ist es auch richtig, elektronischen Medien die Seriositätsfunktion nicht für ewig abzusprechen. Es erscheint durchaus möglich, dass im Laufe der Entwicklung elektronischen Dokumenten zumindest in einigen Bereichen die Bedeutung zugemessen wird, die heute Urkunden zukommt. Es ist indes zweifelhaft, ob es tatsächlich in absehbarer Zukunft zu einer elektronischen „ausfertigende[n] Unterzeichnung von Gesetzen durch den Bundespräsidenten“278 kommen wird. Nicht gesicherte elektronische Nachrichten erfüllen damit zwar einige Eigenschaften der Schriftform, andere wesentliche hingegen nicht. Während die Abschluss- und die Identitätsfunktion zumindest dann gesichert sind, wenn dem Dokument am Schluss der Name des dieses Verantwortenden hinzugefügt wird, ist die Perpetuierungsfunktion nur geschwächt darstellbar. Noch weniger können Warn-, Beweis-, Kontroll-, Echtheits-, Integritäts- und Transportfunktion als erfüllt angesehen werden. Zudem wird die Seriositätsfunktion nicht erfüllt. II. Signierte Dokumente Während unsignierte Dokumente damit keinesfalls als formäquivalent zur Schriftform angesehen werden können, sollen signierte Dokumente nach der Begründung zum Formgesetz die Funktionen der Schriftform in hinreichender Weise erfüllen können; hierauf nimmt die Begründung zum 3. VwVfÄndG Bezug.279 Dies ist anhand der oben dargelegten Funktionen zu überprüfen. Abschluss- und Identitätsfunktion, schon bei ungesicherten Nachrichten regelmäßig gegeben, sind bei signierten Dokumenten in noch größerem Maß erfüllt. Da sich die Signatur stets auf das gesamte Dokument bzw. den das gesamte Dokument repräsentierenden Hashwert bezieht,280 kann bei signierten Nachrichten noch stärker als bereits bei papiernen Urkunden davon ausgegangen werden, dass sich der Autorisierungsvermerk – hier Signatur, dort Unterschrift – auf die gesamte Erklärung bezieht und damit der Text als solcher räumlich abgeschlossen ist und als ganzer autorisiert werden sollte, und auch kein bloßer Entwurf 277

BT-Drs. 14/9000, S. 29. So BT-Drs. 14/9000, S. 29. 279 BT-Drs. 14/4987, S. 15 ff.; BT-Drs. 14/9000, S. 27; ebenso Kopp/Ramsauer, § 3a VwVfG Rdnr. 14; Schreiber, Elektronisches Verwalten, S. 94. Als „signiert“ werden hier nur fortgeschrittene bzw. qualifiziert signierte Dokumente entsprechend § 2 Nr. 2 bzw. 3 SigG 2001 verstanden. 280 Vgl. ausführlich oben § 8 II. Asymmetrische Kryptographie, S. 53. 278

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vorliegt.281 Auch lässt eine signierte Nachricht in erhöhtem Maß einen Aussteller erkennen: Aus dem der Signatur zugrundeliegenden Zertifikat ergibt sich der Name des Signaturschlüssel-Inhabers bzw. ein eindeutiges Pseudonym, das jedenfalls prinzipiell auch den Rückschluss auf den wahren Namen des Pseudonymträgers zulässt.282 Dank der fortgeschrittenen elektronischen Signatur können Modifikationen eines Dokumentes nach der Signierung ebenso aufgedeckt werden wie die Verwendung eines anderen als des dem vermeintlichen Autor der Erklärung zugeordneten Signaturschlüssels. Damit können elektronische Dokumente die Integritätsfunktion in noch weit stärkerem Ausmaß als unterschriebene Urkunden erfüllen, da die Signaturprüfung nur dann gelingt, wenn das übermittelte Dokument mit dem ursprünglich signierten bis auf das letzte Bit übereinstimmt. Jede Modifikation des Dokumentes führte zu einem Fehlschlagen der Signaturprüfung. Doch ist zu berücksichtigen, dass stets nur elektronische Dokumente, das heißt digitale Daten, signiert und auf ihre Integrität hin überprüft werden können. Ohne die zusätzliche manipulationsresistente Sicherstellung der Präsentation der jeweiligen Daten beim Erklärenden wie beim Erklärungsempfänger ist die Integrität der Erklärung daher nicht mit 100%-iger Gewissheit sicher gestellt, da Manipulationen an der Darstellung durchaus ohne Änderung der Daten zu einer gravierenden Inhaltsänderung führen können.283 Dies ist ein im Vergleich zu Urkunden deutlich hervortretender Nachteil elektronischer Dokumente, die stets auf eine Interpretation durch Computer angewiesen und daher für Manipulationen der Anzeige stets offen sind, derweil Urkunden den Erklärungstext unmittelbar erkennen lassen. Im Ergebnis ist auch die Integritätsfunktion nicht ohne Rücksicht auf die Signierumgebung und die Anzeigeumgebung und damit auf von der Signatur selbst letztlich unabhängige Faktoren als erfüllt zu betrachten. Aufgrund der hohen Anforderungen an die Sicherheit der mathematischen Verfahren sowie an die Unausforschbarkeit des Signaturschlüssels ist zudem die Signierung ohne Zugang zum Signaturschlüssel faktisch ausgeschlossen. Signaturen können daher die Echtheitsfunktion in sehr hohem Maß erfüllen.284 Aller281 Ebenso BT-Drs. 14/4987, S. 16; zum gleichen Ergebnis kommt bei unklarer Begründung Bizer, Schriftformprinzip, DuD 1992, S. 172. 282 Vgl. zum diesbezüglichen Unterschied zu anonymem Auftreten Roßnagel/ Scholz, Anonymität, MMR 2000, S. 723 f.; zu den Anforderungen an die Aufdeckung des Pseudonyms auch gegen den Willen des Signaturschlüsselinhabers siehe Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 14 Rdnr. 17 ff. Vgl. auch BT-Drs. 14/4987, S. 16; zur dort angesprochenen Notwendigkeit der Namenshinzufügung s. bereits Bizer, Schriftformprinzip, DuD 1992, S. 172, sowie GI, Stellungnahme, DuD 2001, S. 38 (39). 283 Zum Präsentationsproblem siehe oben § 7 II. d) Präsentationsproblem, S. 43. 284 BT-Drs. 14/4987, S. 16, dort aufgrund anderer Diktion unter „Identitätsfunktion“.

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dings ist die Bindung des Signaturschlüssels an seinen Inhaber nicht absolut gegeben. Sie erfordert vielmehr zusätzliche Sicherungen technischer Art, die ihrerseits Angriffen ausgesetzt sein können. So wird die Bindung der heute üblichen Signaturkarten an ihren Inhaber über eine PIN realisiert, die vor der Signierung eingegeben werden muss. Dass auch ein solches System nicht gegen eine Nutzung durch Unbefugte gefeit ist, zeigt die so genannte „EC-KartenRechtsprechung“.285 Zwar erfolgt die Sicherung der Signaturkarte mit einer sechsstelligen PIN, und daher im Vergleich zur EC-Karte mit erhöhter Sicherheit. Doch scheint auch der Entwurf zum Formgesetz wenig überzeugt, wenn er auf eine baldige Besserung durch bislang kaum marktgängige biometrische Sicherungsmechanismen hofft.286 Diese werden indes auch von Banken und Sparkassen derzeit noch nicht als geeignet angesehen, für die Sicherung von ECKarten eingesetzt zu werden.287 Zur Unsicherheit der Signaturkarte selbst kommen die Risiken, die mit einer nicht abgesicherten Signierumgebung verbunden sind;288 zur Behebung dieses „strukturellen Problems“ sind bislang nicht einmal Lösungsansätze bekannt.289 Problematisch ist hierbei insbesondere, dass die für die Echtheitsfunktion der Signatur relevanten Daten aus der Signatur selbst nicht hervorgehen. Auch eine durch unberechtigte Dritte erstellte Signatur unterscheidet sich bei Verwendung desselben Signaturschlüssels in keinem Punkt von der durch den Berechtigten erstellten Signatur, sie ist in jedem Fall „echt“.290 Dies relativiert die Funktion der Signatur, Aussagen über ihre Echtheit und damit über die Autorisierung des signierten Dokumentes zu ermöglichen.291 Andererseits ist auch eine Unterschrift keinesfalls fälschungssicher. Der Aufwand zur Verfälschung ist dort vielmehr geringer, bedarf es doch nicht einmal komplizierter Technik oder einer Manipulation der „Unterschriftsumgebung“. Der Nachweis von Unterschriftsfälschungen ist zwar aufgrund umfangreicher Prüftechniken möglich, doch keinesfalls üblich.292 Zudem haben auch Fortschritte der Druck- und Vervielfältigungstechniken die Sicherheit von Schriftdokumenten relativiert, auch wenn der vom Gesetzgeber befürchtete Einsatz von Robotern zur Unterschriftsfälschung soweit ersichtlich ausgeblieben 285 Vgl. Malzer, Form, DNotZ 1998, S. 111; Müglich, Formvorschriften, MMR 2000, S. 10. 286 BT-Drs. 14/4987, S. 16; ebenso wiederum Bieser, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 149. Zur mangelnden Eignung bislang entwickelter biometrischer Systeme siehe oben § 8 I. Signaturverfahren und alternative Sicherheitskonzepte, S. 52. 287 Vgl. Albrecht, Biometrics, DuD 2002, S. 550. 288 Vgl. oben § 8 VI. c) Signierung durch Dritte, Fälschung durch Unterschieben etc., S. 60. 289 Der verantwortliche Mitarbeiter des BMI, Bieser, verwies dieses Problem 2001 auf einer Fachtagung an „die Wirtschaft“, vgl. Bieser, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 149 f. 290 So bereits Roßnagel, Rechtsverkehr, NJW-CoR 1994, S. 100. 291 Ebenso Boente/Riehm, Kommunikation, Jura 2001, S. 797. 292 Zur Graphologie siehe Pordesch/Nissen, Fälschungsrisiken, CR 1995, S. 565 ff.

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

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ist.293 Auch Unterschriften erfüllen damit die Echtheitsfunktion nur relativ. Insoweit kann wohl hinsichtlich der Echtheitsfunktion vorsichtig eine Funktionsäquivalenz von Unterschrift und Signatur angenommen werden. Hinsichtlich der Kontroll- und der Beweisfunktion gilt Entsprechendes wie bezüglich der Echtheitsfunktion: Insoweit aus der Signatur selbst ihre Echtheit abgelesen werden kann, kann ebenfalls die Authentizität des Dokumentes angenommen werden. Damit ist auch dem Empfänger Dritten gegenüber der Beweis des Inhalts abgegebener Erklärungen möglich, sofern an der Echtheit der Signatur keine ernsthaften Zweifel bestehen können. Ebenso ist Dritten wie beispielsweise dem Fiskus auf diese Weise die sichere Kontrolle des Erklärungsinhalts möglich. Wie bei der Echtheitsfunktion kann daher auch für diese beiden Funktionen hinsichtlich dieses Aspektes Äquivalenz angenommen werden. Voraussetzung ist jedoch auch bei signierten Nachrichten die Darstellbarkeit, die bereits aufgrund ihrer Eigenschaft als elektronische Dokumente erschwert ist, da auch hier ein Computersystem für die Wahrnehmbarkeit erforderlich ist. Hinzu kommt die Schwierigkeit, dass zur Kontrolle der Signatur ein Signaturprüfprogramm notwendig ist, das zum Signaturerstellungsprogramm kompatibel ist. Das kann schon deshalb nicht allgemein angenommen werden, weil die Signaturtechnik kaum verbreitet ist. Auch Signaturprüfprogramme können daher so gut wie nicht vorausgesetzt werden. Beweis- und Kontrollfunktion sind mithin auch bei signierten Nachrichten nur eingeschränkt realisiert. Die mangelnde Transportfunktion elektronischer Dokumente kann auch durch ihre Signierung nicht erfüllt werden. Die Signierung ergänzt vielmehr nur die in elektronischer Form vorliegenden Daten um einen eindeutigen, von Dokument und Unterzeichner bzw. dessen Signaturschlüssel abhängigen Datensatz. Auch dieser liegt jedoch in elektronischer Form vor und kann, wie auch das Originaldokument, ohne einen etwaigen Qualitätsverlust beliebig oft kopiert werden. Die Signatur ist nur eindeutig dergestalt, dass sie sich auf eine bestimmte Datei und einen bestimmten Signaturschlüssel bezieht, sie ist nicht einmalig. Für die elektronische Abbildung von Wertpapieren u. ä. sind andere Mechanismen als Signaturen erforderlich.294 Die Signierung eines Dokumentes vermag es auch nicht, die Warnfunktion im gleichen Maß zu erfüllen, wie es die Unterschrift kann. Die Signierung eines Dokumentes ist zwar mit einem gewissen, jedoch nicht abschreckenden Aufwand verbunden: Das Dokument muss ausgewählt, die Signaturkarte muss her293 Vgl. oben § 7 I. Vorteile elektronischer Dokumente, S. 38; zum Unterschriftsroboter siehe BT-Drs. 13/7385, S. 27, im offenbaren Anschluss an Roßnagel, Rechtsverkehr, NJW-CoR 1994, S. 96. 294 Mellulis erwähnt – skeptisch bezüglich ihrer Wirksamkeit – Kopierschutzmechanismen, vgl. Mellulis, Regelungsbedarf, MDR 1994, S. 112; Erber-Faller schlägt ein notariell zu führendes Wertpapier-Register vor, vgl. Erber-Faller, Notarielle Funktionen, DuD 1994, S. 683.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

vorgeholt und in das Lesegerät gesteckt, und die sechsstellige PIN muss eingegeben werden.295 Von diesen Schritten könnte insbesondere der Eingabe der PIN die Funktion zukommen, dem Signierenden die Rechtserheblichkeit seines Handelns vor Augen zu führen. Nicht zuletzt wird die PIN bereits heute in rechtserheblichen Zusammenhängen wie beim Geldabheben am Bankautomaten mithilfe der EC-Karte gebraucht, was eine Weisung der eigenen Bank gegenüber darstellt. Gleichwohl ist die Eingabe einer PIN nicht mit der Unterschrift unter einem Dokument gleichzusetzen, auch deshalb, weil die Eingabe der PIN in so vielen, unterschiedlichen Anwendungskontexten wie etwa der „Anmeldung“ am Mobiltelefon erforderlich ist, dass eine Verbindung zu Rechtsgeschäften nicht selbstverständlich und intuitiv erfahrbar ist.296 Demgegenüber ist die Unterschrift ein seit Jahrhunderten benutztes Autorisierungskennzeichen, dessen Bedeutung auch juristischen Laien ohne weiteres bekannt ist. Bei Computereingaben ist dies (noch) nicht der Fall. Auch der einmalige Hinweis des Zertifizierungsdiensteanbieters nach § 6 Abs. 2 SigG, die qualifizierte Signatur hätte im Rechtsverkehr die gleiche Wirkung wie die eigenhändige Unterschrift, kann hieran nichts ändern.297 Ebenso wenig können weitere Bestätigungen, ihrerseits signiert oder nicht, den gleichen Effekt wie eine Unterschrift haben.298 Bereits aufgrund des augenscheinlichen Unterschiedes der Computereingabe hier und der vorliegenden verkörperten Urkunde dort, die mit einer vertrauten Handbewegung unterzeichnet wird, bestehen erhebliche psychologische Differenzen hinsichtlich der Warnung des Erklärenden, so dass von einer Äquivalenz tatsächlich nicht gesprochen werden kann.299 Der Gesetzentwurf zum Formgesetz formuliert es so: „Zwar dürfte die Schriftform im Moment wenigstens aus subjektiver Sicht noch einen größeren Schutz vor Übereilung gewährleisten. Hierbei ist nämlich zu bedenken, dass die Schriftform die Aufgabe des Warnens und des Schutzes vor Übereilung in erster Linie aufgrund ihrer langen Tradition und nicht wegen ihrer inhaltlichen Ausgestaltung so gut zu erfüllen vermag. Diese Tradition konnte sich bei elektronischen Dokumenten bisher [. . .] noch nicht entwickeln.“ Ein „aber“ folgt dem „zwar“ ungeachtet der vormaligen Behauptung der Funktionsäquivalenz nicht.300

295

Vgl. oben § 8 IV. Die Signatur in der Praxis, S. 56; anschaulich Mertes, Praxis,

S. 29. 296

Ausführlich Scheffler/Dressel, Vorschläge, CR 2000, S. 382 f. Hierauf weisen zu Recht hin Boente/Riehm, Kommunikation, Jura 2001, S. 797. 298 Malzer, Form, DNotZ 1998, S. 107; a. A. Bizer, Schriftformprinzip, DuD 1992, S. 172; ebenso offenbar Bovenschulte/Jäger/Viering, Baurecht, S. 78 mit FN 21. Einen „Zielkonflikt zu der Forderung einer einfachen und transparenten Handhabung“ erkennt Roßnagel, Rechtsverkehr, NJW-CoR 1994, S. 98. 299 Ebenso Malzer, Form, DNotZ 1998, S. 107 f.; Taupitz/Kritter, E-Commerce, JuS 1999, S. 846; MünchKomm/Einsele, § 126a BGB Rdnr. 25. 300 BT-Drs. 14/4987, S. 17. 297

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

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Auch signierte Dokumente vermögen die Seriositätsfunktion nicht zu erfüllen. Sie sind nicht anders als ungesicherte Dokumente in erster Linie Daten in elektronischer Form und gerade nicht urkundlich perpetuiert, sondern lediglich um bestimmte, für den Empfänger ohne weiteres unverständliche, Daten ergänzte Dateien. Auch kann der Aufwand, der zur Erstellung der Signatur erforderlich ist, nicht zur Begründung gesteigerter Seriosität herangezogen werden, da dieser nur wenigen Eingeweihten bekannt ist. Relevant kann allein die äußere Form des Dokumentes sein. Eine solche fehlt Dateien ungeachtet einer Signierung jedoch schlichtweg. Die Perpetuierung elektronischer Dokumente wird durch die Signierung nicht erleichtert, sondern vielmehr erschwert. Auch signierte Daten sind zum einen nicht unmittelbar wahrnehmbar, sondern bedürfen Hard- und Software zu ihrer Darstellung, so dass sich die gleichen Probleme stellen wie bei unsignierten Dokumenten. Zum anderen sind nunmehr auch Vorkehrungen dafür zu treffen, dass die Signaturen noch nach langer Zeit geprüft werden können und noch zum Zeitpunkt der Prüfung Aussagen über die Integrität und die Authentizität der Dokumente ermöglichen. Das bedeutet in erster Linie die Archivierung der Signatur selbst sowie der Signaturprüfsoftware und der für deren Betrieb erforderlichen Hardware. Zudem muss die Beweiseignung der Signatur sichergestellt werden. Hierfür ist auszuschließen, dass die Signatur auf Grund bloßen Zeitablaufs wertlos wird. Letzteres ist der Fall, wenn die Brechung das Signaturverfahrens oder die Korruption des Signierschlüssels möglich erscheint.301 Geeignetes Mittel hiergegen sind Übersignierungen und Zeitstempel entsprechend § 17 SigV, die durch den Signierenden oder einen Dritte, etwa einen Archivar, anzubringen sind.302 Schließlich ist es erforderlich, das der Signatur zugrundeliegende Zertifikat bis zum Zeitpunkt der Prüfung aufzuheben oder anders verfügbar zu halten. Dies kann es erforderlich machen, bestimmte Anforderungen an den Zertifizierungsdiensteanbieter und sein Verhalten bei der Betriebsaufgabe zu stellen.303 Die Perpetuierung wird im Ergebnis durch Signaturen erschwert, die Perpetuierungsfunktion letztlich geschwächt. III. Fazit Die vom Gesetzgeber behauptete Funktionsäquivalenz besteht auch bei signierten Dokumenten tatsächlich nicht. Die Signatur kann unabhängig von ihrer Qualität nur bestimmte Defizite elektronischer Dokumente ausgleichen. Hierzu 301

Vgl. oben § 8 VI. a) Brechung des Signaturverfahrens selbst, S. 59. Hierzu unten § 51 III. b) Problem langfristiger Perpetuierung, S. 295. Siehe auch Strauch, Archivische Probleme, S. 776 ff. 303 Hierzu § 51 III. c) Dauerhaft mögliche Signaturprüfung, S. 296. Siehe auch Roßnagel, Verwaltung III, S. 37 ff. 302

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

gehören die Echtheits-, Beweis-, Kontroll- und die Integritätsfunktion, die aber auch im Falle der Signierung nur bedingt erfüllt sind. Die Identitäts- und Abschlussfunktion sind hingegen mindestens so gut wie bei unsignierten Nachrichten erfüllt. Die bereits durch unsignierte Dokumente nicht erfüllten Transport-, Warn-, Seriositäts- und Perpetuierungsfunktionen können auch durch Signaturen nicht erfüllt werden. Teilweise verschärfen diese die mit der Verwendung elektronischer Dokumente verbundenen Probleme sogar. Jedenfalls ist die Erfüllung der genannten Funktionen nicht allein von der Signaturtechnik selbst abhängig. Vielmehr sind umfangreiche organisatorische Maßnahmen notwendig, mit denen die Signatur in den Rechtsverkehr eingebettet werden muss. Hierzu gehört die Gestaltung der Signaturinfrastruktur ebenso wie Vorgaben zur Signierumgebung und Vorschriften zur Archivierung elektronischer Dokumente. Mangels Funktionsäquivalenz kann daher nicht von einer Erfüllung gesetzlich normierter Schriftformerfordernisse durch elektronische Dokumente ausgegangen werden, seien sie signiert oder nicht. Einer gesetzgeberischen Gleichbehandlung der wie gezeigt sehr unterschiedlichen Dokumentarten steht dies jedoch faktisch nicht entgegen.

§ 36 Elektronische Dokumente und die zivilrechtlichen Formvorschriften Mit dem Formgesetz vom 13.07.2002304 modifizierte der Gesetzgeber die zivilrechtlichen Formvorschriften in zweierlei Hinsicht. Einerseits wurde in vielen Vorschriften auf die bis dato vorgeschriebene Schriftform verzichtet. An ihre Stelle trat die Textform des § 126b BGB, die durch eine einfache, nicht unterschriebene Urkunde oder ein elektronisches Dokument erfüllt wird. Andererseits wurde der Schriftformbegriff selbst dahingehend geändert, dass er nunmehr ebenfalls elektronische Dokumente erfasst, wenn diese mit einer qualifizierten elektronischen Signatur gemäß § 2 Nr. 3 SigG versehen sind, §§ 126 Abs. 3, 126a BGB. Das Gesetz stellte die erste umfassende Rechtsfolgenregelung für qualifizierte elektronische Signaturen dar.305 Angesichts der Funktion der §§ 126 ff. BGB als Referenz für den Begriff der Schriftform für Formvorschriften auch außerhalb des bürgerlichen Rechts stellte sich die Frage, inwieweit die Änderung des zivilrechtlichen Schriftformbegriffes zu einem Bedeutungswandel

304 Gesetz zur Anpassung der Formvorschriften des Privatrechts und anderer Vorschriften an den modernen Rechtsgeschäftsverkehr, BGBl. I 2002, S. 1541. 305 Zum FormG siehe Hähnchen, FormG, NJW 2001, S. 2831; Roßnagel, Neues Signaturgesetz, NJW 2001, S. 1818; Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 69 ff.

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

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der öffentlich-rechtlichen Schriftform beigetragen hat. Diese Frage gewinnt im Bereich des öffentlich-rechtlichen Vertrages besonderes Gewicht. In der Literatur wurde teilweise angenommen, die Änderung der zivilrechtlichen Formvorschriften führte zu einer Modifikation des öffentlich-rechtlichen Begriffes der Schriftform, die zur Folge hätte, dass die Verwaltung zur Entgegennahme (signierter) elektronischer Nachrichten verpflichtet sei. Die Änderung auch des Verwaltungsverfahrensrechts sei zwar nicht ausdrücklich angeordnet, wohl aber beabsichtigt, da das Formgesetz eine Vielzahl an Gesetzen aus nahezu allen Rechtsbereichen ändere und damit offenbar in alle Lebens- und Rechtsbereiche hineinwirken solle. Ferner sei die Annahme der hohen Beweiseignung signierter Dokumente so allgemein, dass diese gesetzgeberische Wertung in allen Rechtsbereichen zu beachten sei. Angesichts dessen hätte es einer Sonderregelung für das Verwaltungsverfahrensrecht bedurft, um dort den herkömmlichen Rechtszustand beizubehalten.306 Diese Meinung fand jedoch rasch Widerspruch.307 Die Auffassung, die Änderung der §§ 126 ff. BGB hätte bis in das Verwaltungsverfahrensrecht hinein Auswirkungen, setzt eine Geltung der zivilrechtlichen Formvorschriften auch im öffentlichen Recht voraus. Diese Annahme, so verbreitet sie ist, trifft jedoch nicht zu.308 Weder ist die zivilrechtliche Definition der Schriftform Ausdruck eines allgemeinen, alle Rechtsgebiete erfassenden Prinzips, noch ist es gerechtfertigt, § 126 BGB im öffentlichen Recht analog anzuwenden, da es an der hierfür erforderlichen Regelungslücke mangelt.309 Ferner lässt sich aus der weitgehenden Anerkennung der Signaturform in anderen Rechtsgebieten nicht allein ablesen, dass der Gesetzgeber demzufolge eine alle Bereiche umfassende Regelung treffen wollte, die ebenso das Verwaltungsverfahrensrecht erfassen sollte. Es ist ebenfalls die Deutung möglich, dass der Gesetzgeber diesen Bereich des öffentlichen Rechts gerade aussparen wollte. Hierfür spricht zudem, dass er beispielsweise das Verwaltungsprozessrecht ausdrücklich modifizierte. Warum er hingegen das ebenfalls stark durchnormierte Verwaltungsverfahrensrecht hiervon ausnehmen, gleichwohl jedoch dessen Änderung erstreben sollte, wird nicht deutlich. Überzeugender erscheint daher die Annahme, der Gesetzgeber habe bewusst auf eine Regelung im Rahmen des Formgesetzes verzichtet, und diese dem bereits zu diesem Zeitpunkt vorbereite-

306 Ausführlich Rosenbach, BGB, NWVBl. 2000, S. 162 f.; im Ergebnis ähnlich Catrein, Elektronische Kommunikation, NWVBl. 2001, S. 53. 307 Schmitz, Moderner Staat, NVwZ 2000, S. 1243; Schmitz/Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, S. 1283. Vgl. auch Eifert/Schreiber, Zugang, MMR 2000, S. 342 f.; Roßnagel, Verwaltungsrecht, DÖV 2001, S. 226; Schreiber, Elektronisches Verwalten, S. 80 f. 308 Ausführlich oben § 31 II. Fehlende Entsprechung im öffentlichen Recht, S. 150. 309 Eifert/Schreiber, Zugang, MMR 2000, S. 342 f.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

ten 3. VwVfÄndG vorbehalten.310 Eine andere Frage ist die nach der Schriftform des Verwaltungsvertrages; hierauf ist später zurückzukommen.311 Die Änderungen der zivilrechtlichen Formvorschriften durch das Formgesetz hatten damit keine direkten Auswirkungen auf die Formvorschriften des Verwaltungsverfahrens. Deren Modifikation blieb auch nach dem Willen des Gesetzgebers dem 3. VwVfÄndG vorbehalten, das nicht zuletzt die Voraussetzungen normierte, unter denen die Behörden zu Entgegennahme und Versand elektronischer Nachrichten berechtigt und verpflichtet sind. Dies sollte auch entsprechende, in der Praxis entstandene Unsicherheiten ausräumen.312

§ 37 Modifikationen des Schriftformbegriffes durch das 3. VwVfÄndG I. Das 3. VwVfÄndG a) Vorarbeiten und erste Entwürfe Nachdem Versuche, durch eine erweiternde Auslegung den Begriff der Schriftlichkeit auf elektronische Dokumente zu erstrecken,313 angesichts des dargelegten Schriftformbegriffes314 scheiterten, wurde die Notwendigkeit einer Öffnung der Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder für die heutigen Kommunikationsmöglichkeiten offenbar. Dies betraf neben dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes und den Parallelregelungen der Länder auch die Verfahrensgesetze der Sozial- und Steuerverwaltung: Das Ziel der Einheitlichkeit des Verwaltungshandelns, das schon bislang zu weitgehend inhaltsund wortgleichen Regelungen in allen Verfahrensgesetzen geführt hat, sollte auch im Hinblick auf die neuen Medien berücksichtigt werden. Dies machte eine genaue Abstimmung der zu schaffenden Regelungen zwischen den Ländern und dem Bund sowie zwischen den jeweiligen Bundesministerien, allen voran BMI, BMA und BMF, notwendig.315 Die Verwaltungsrechtsreferenten des Bundes und der Länder erarbeiteten im Laufe des Jahres 2000 in gemeinsamen Arbeitsgruppen einen Musterentwurf eines VwVfÄndG. Die nach den jeweiligen Orten der entsprechenden Konferenzen benannten Berliner, Mainzer, 310 Im Ergebnis ebenso Eifert/Schreiber, Zugang, MMR 2000, S. 342 f.; Schmitz/ Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, NVwZ 2002, S. 1283. 311 Vgl. unten § 56 Der öffentlich-rechtliche Vertrag, S. 343. 312 Vgl. Rosenbach, BGB, NWVBl. 2000, S. 162 f.; Eifert/Schreiber, Zugang, MMR 2000, S. 341; Schmitz, Moderner Staat, NVwZ 2000, S. 1243. 313 So beispielsweise Eifert, Online-Verwaltung, K&R Beilage 2/2000, S. 18. 314 Ausführlich oben § 32 Bestimmung der öffentlich-rechtlichen Schriftform, S. 153. 315 BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 22.

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

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Magdeburger und Düsseldorfer Fassungen wurden im Internet publiziert, um „interessierte Bürgerinnen und Bürger und ebenso auch fachlich Interessierte möglichst frühzeitig über eine geplante Gesetzesänderung zu informieren.“316 Bereits der erste Entwurf in der Berliner Fassung vom September 2000317 ging von einer pauschalen Gleichsetzung der elektronischen Form mit der herkömmlichen Schriftform in einem neu zu schaffenden § 3a VwVfG aus, und entsprach damit insoweit den ebenfalls zu dieser Zeit erarbeiteten Vorschlägen zur Einführung der elektronischen Form in das Zivilrecht.318 Nach der nicht sehr deutlichen Formulierung im Abs. 2 der Vorschrift sollte die Schriftform „durch die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes verbundene elektronische Form ersetzt werden“ können, soweit nicht Rechtsvorschriften etwas anderes bestimmen. Anders als in den die „elektronische Form“ explizit regelnden zivilrechtlichen Bestimmungen der §§ 126a und 126b BGB sollte hiermit indes keine besondere, gesetzlich normierte Form geschaffen werden, auf die in anderen Regelungen des allgemeinen oder besonderen Verwaltungsrechts verwiesen werden könnte, vielmehr sollte die „elektronische Form“ des öffentlichen Rechts nur technisches Format und keine besondere Förmlichkeit sein. Die pseudonyme Signatur sollte die Schriftform nicht erfüllen können. Für grenzüberschreitende Dienste wurden unter Rücksichtnahme auf die Signaturrichtlinie 1999/93/EG Ausnahmen bezüglich der sonst vorgeschriebenen dauerhaften Überprüfbarkeit der Signaturen vorgesehen: Hier sollten qualifizierte elektronische Signaturen ohne weiteres genügen. Die damit zulässige Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Schriftformerfordernisse mit bestimmten elektronischen Dokumenten sollte allgemein gelten, das heißt sowohl für die Schriftformerfordernisse, die einer Behörde gegenüber, wie auch denjenigen, die durch eine Behörde erfüllt werden müssen, und damit auch für „elektronische Verwaltungsakte“. Gleichwohl erhielten diese mit § 37 Abs. 3a VwVfG eine eigenständige Regelung, in der zwar das Erfordernis der qualifizierten elektronischen Signatur wiederholt, dieses aber um die Notwendigkeit der „dauerhaften Überprüfbarkeit“ der Signatur erweitert wurde, die zudem die Behörde erkennen lassen sollte. Auf die Signatur sollte ebenso wie auf die Unterschrift dann verzichtet werden können, wenn der Verwaltungsakt mit Hilfe automatisierter Einrichtungen erlassen wird. Der erste Entwurf enthielt ebenfalls bereits die Bestimmung des jetzigen § 3a Abs. 1 VwVfG. Die elektronische Kommunikation sollte danach der Eröffnung 316 Die diesbezüglichen Seiten des Innenministeriums Nordrhein-Westfalens, sgv.im.nrw.de/info/info7.html, sind mittlerweile vom Netz genommen worden; vgl. die Kopie unter skrobotz.de/jan/diss/sgv-im-nrw/info7.pdf. 317 3. VwVfÄndG, Berliner Fassung, Stand 15.09.2000. 318 Hierzu vgl. Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 RN 70 ff.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

des Zugangs durch die Beteiligten bedürfen. In einem neuen § 34a VwVfG sollte zudem die Beglaubigung elektronischer Dokumente sowie die elektronische Beglaubigung schriftlicher oder elektronischer Dokumente geregelt werden. Die im Folgenden erstellte, im Wesentlichen nur sprachlich überarbeitete Magdeburger Fassung vom November 2000319 wurde der Innenministerkonferenz in Bonn vorgelegt und von dieser am 24.11.2000 gebilligt.320 Der daraufhin vorgestellte Referentenentwurf sah in § 37a VwVfG vor, dass neben der dauerhaften Überprüfbarkeit auch andere erhöhte Anforderungen an die Signatur einer Behörde bzw. eines Behördenmitarbeiters wie deren „technische und administrative Sicherheit“ gestellt werden können; Einzelheiten sollten einer Verordnung überlassen werden. Die ursprünglich verfolgte Idee einer Befreiung vom Signaturerfordernis für automatisiert erstellte elektronische Verwaltungsakte entsprechend der bisherigen Regelung für schriftliche Verwaltungsakte in § 37 Abs. 4 VwVfG, die zu einer vollständigen Befreiung von jeglicher Form für diese Art der Verwaltungsakte geführt hätte, wurde wieder aufgegeben.321 Die dem Gesetzeswortlaut schon weitgehend entsprechende Düsseldorfer Fassung vom Dezember 2001 integrierte die anfänglich geplanten §§ 34a und 37a VwVfG in die §§ 33 und 37 VwVfG und verzichtete auf die in einer Verordnung gesondert zu regelnden Anforderungen an die „technische und administrative Sicherheit“ behördlicher Zertifikate. Der Zugang von elektronisch übermittelten Dokumenten, mithin E-Mails und Faxsendungen, wurde in §§ 15 und 41 VwVfG nicht mehr für den auf die Absendung folgenden Tag, sondern für den dritten Tag vermutet, und zwar unabhängig vom Aufenthaltsort des Empfängers.322 Die gewählte Strategie, mit einer Generalklausel im allgemeinen Verwaltungsrecht die Schriftform für elektronische Dokumente zu öffnen, erforderte eine Überarbeitung auch des besonderen Verwaltungsrechts. Der in einer großen Anzahl von Fachgesetzen verwendete oder vorausgesetzte Begriff der Schriftform wird durch diese Gleichstellung nämlich ebenso modifiziert wie die wenigen Formvorschriften des allgemeinen Verwaltungsrechts. Um schon von vornherein etwaige Friktionen durch unabsichtlich für die elektronische Kommunikation geöffnete Formvorschriften auszuräumen, waren die Schriftformerfordernisse der Fachgesetze auf ihre weiterhin gegebene Notwendigkeit zu untersuchen. Hierfür waren zuerst die in Frage kommenden Normen zu sichten. Mit Schreiben vom März 1999 forderte das BMI von den obersten Bundesbehörden eine Bestandsaufnahme aller für ihren Geschäftsbereich relevanten 319 3. VwVfÄndG, Magdeburger Fassung, Stand 24.11.2000. Text mit Erläuterungen bei Rosenbach, Erläuterungen, DVBl. 2001, S. 332. 320 Rosenbach, Erläuterungen, DVBl. 2001, S. 333. 321 Referentenentwurf zum 3. VwVfÄndG, Stand 16.07.2001. 322 3. VwVfÄndG, Düsseldorfer Entwurf, Stand 06.12.2001.

9. Kap.: Insbesondere: Die Schriftform

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tion des behördlichen Verfahrens in einer Form, die für zukünftige Verwaltungsverfahren sowie etwaige zur Kontrolle des Verwaltungshandelns berufene Stellen wie Aufsichtsbehörden, Gerichte oder Parlamente leicht handhabbar ist. Dies gilt ebenso für die behördliche Entscheidung, die das Verfahren als sein letzter Bestandteil abschließt. Die Bürgerbezogenheit der Entscheidung, ihre Außenwirkung, macht es zudem häufig erforderlich, die Entscheidung dem Bürger derart bekannt zu geben, dass ihm als „Unterthan“ deutlich ist, „was für ihn Rechtens sein soll“. Das erfordert die textliche Perpetuierung, zumal bei umfangreichen Darstellungen der im Verwaltungsakt dar- und festgestellten Sachund Rechtslage. Diese Perpetuierung ermöglicht dem Bürger zudem, eine detaillierte Prüfung der Entscheidung selbst vorzunehmen oder durch Dritte, etwa Gerichte, durchführen zu lassen. In vielen Fällen ist es weiterhin erforderlich, anderen gegenüber den Beweis einer Rechtsposition führen zu können, sei es bei der staatlichen Zuweisung von Eigentum oder bei behördlichen Erlaubnissen wie etwa der Fahrerlaubnis. Auch die Titelfunktion des Verwaltungsaktes, das heißt seine unmittelbare Vollstreckbarkeit, wird durch die schriftliche Fixierung des vollstreckbaren Inhalts befördert, wenn, wie es nicht selten der Fall ist, Erlass- und Vollstreckungsbehörde oder -zeitpunkt auseinanderfallen. Die Schriftform kann zudem aus Beweisgründen oder zum Schutz der erklärenden Behörde oder des die Erklärung empfangenden Bürgers vorgesehen sein.144 In besonderen Fällen insbesondere der Statusänderung wird die herausragende Bedeutung des Aktes durch die Überreichung einer speziellen Formvorgaben unterliegenden Urkunde auch nach außen deutlich gemacht; Beispiele hierfür bietet das Staatsangehörigkeits- und das Beamtenrecht. Die in § 37 Abs. 3 VwVfG geforderte Unterschrift oder Namenswiedergabe wiederum hat Rechtsprechung und Literatur zufolge den Zweck zu verhindern, dass unfertige Schreiben und bloße Entwürfe als Verwaltungsakte in den Rechtsverkehr gerieten. Zugleich sei so sicherzustellen, dass Verwaltungsakte nur vom intern zuständigen Zeichnungsberechtigten erlassen werden und damit der Behörde zuzurechnen seien. Das Erfordernis der Unterschrift bzw. der Namenswiedergabe habe damit Beweisund Garantie- sowie Abschlussfunktion.145 Fraglich ist, ob und inwieweit das Unterschriftserfordernis dem Schutz der Verwaltung dient.146 Die Schriftform des Verwaltungsaktes wird bereits aufgrund der die herkömmliche Vorstellung der Schriftlichkeit modifizierenden Vorschrift des § 37

144 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 33; ähnlich Hennecke, in: Knack, § 37 VwVfG Rdnr. 23. 145 BVerwGE 45, S. 193 ff.; hierzu v. Mutius, Automatisierte Verwaltungsentscheidungen, VerwArch 67 (1976), S. 120 f.; Hennecke, in: Knack, § 37 VwVfG Rdnr. 27; Kopp/Ramsauer, § 37 VwVfG Rdnr. 31; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 49. 146 Entgegen BVerwGE 45, S. 193, bejahen dies Kopp/Ramsauer, § 37 VwVfG Rdnr. 31.

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

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Formvorschriften aus Gesetzen, Rechtsverordnungen oder Verwaltungsvorschriften.323 Die Verantwortung für die Überarbeitung der so zusammengetragenen Formvorschriften lag im Folgenden bei den jeweiligen Bundesministerien. Zudem waren im Entwurf Anregungen des Bundestages, Bundesrates und auch des Bundespräsidialamtes vorgesehen.324 Insgesamt wurden in etwa 80 Artikeln Vorschläge für die Neuschaffung oder Anpassung von nahezu 150 Paragraphen der jeweiligen Fachgesetze und -verordnungen zusammengetragen, vom Staatsangehörigkeitsgesetz über das Erbschaftssteuergesetz bis hin zur Atomrechtlichen Zuverlässigkeitsüberprüfungs-Verordnung. b) Gesetzgebung Am 19.04.2002 beschloss die Bundesregierung den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften und leitete ihn am 21.04.2002 dem Bundesrat zur Stellungnahme zu.325 Dieser beschäftigte sich in seiner 776. Sitzung am 31.05.2002 mit dem von der Bundesregierung als „besonders eilbedürftig“ bezeichneten Entwurf.326 Er nahm entsprechend den Empfehlungen seiner Ausschüsse für Inneres, Agrar, Arbeit und Soziales sowie für Umweltfragen zu dem Gesetzesvorhaben Stellung.327 Hierin forderte er einige Änderungen, ohne das Vorhaben grundlegend in Frage zu stellen. Währenddessen war bereits am 15.05.2002 dem Bundestag ein entsprechender Gesetzentwurf der Bundesregierung zugeleitet worden.328 Schon am folgenden Tag beschloss der Bundestag in seiner 236. Sitzung die Überweisung des Vorhabens an die Ausschüsse für Inneres, für Recht, für Finanzen, für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft sowie an den Ausschuss für Kultur und Medien.329 Der Bundesrat sprach sich in seiner Stellungnahme grundsätzlich für das Gesetzesvorhaben aus, bemängelte indes Einzelpunkte. Der wichtigste war hierbei die Regelung des § 3a Abs. 1 VwVfG zur Zulässigkeit der elektronischen Kommunikation. Der Bundesrat verlangte die Zustimmung des jeweiligen Empfängers zum Gebrauch elektronischer Medien.330 Obwohl auch der Entwurf der Bundesregierung im Fachrecht für viele Behörden eine Ausnahme vom allge323

Das Schreiben ist abgedruckt in Deutscher Städtetag, Signatur, S. 76. Referentenentwurf mit Stand 16.07.2001, S. 18. 325 BR-Drs. 343/02. 326 BR-Prot. 776, TOP 54, S. 268 B mit 314 C. 327 Zu den Empfehlungen der Ausschüsse siehe BR-Drs. 343/1/02; zum Beschluss des Bundesrates siehe BR-Drs. 343/02 (Beschluss). 328 BT-Drs. 14/9000. 329 BT-Prot. 14/236, S. 23527 B und 23530 B. 330 BT-Drs. 14/9259, S. 5. Vgl. ausführlich unten § 39 II. Maßgebliche Verkehrsanschauung, S. 240. 324

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

meinen Grundsatz der Zulässigkeit der elektronischen Form vorsah, bis diese auf den elektronischen Rechtsverkehr eingerichtet sind, und ausdrücklich von der so abgewendeten Überlastung der Behörden sprach,331 konnte der Bundesrat mit seiner Kritik gleichwohl nicht durchdringen. Am 05.06.2002 wurde die Stellungnahme des Bundesrates, der die Gegenäußerung der Bundesregierung beigefügt war, dem Bundestag zugeleitet.332 Dessen Innenausschuss legte genau eine Woche später, am 12.06.2002, Bericht und Beschlussempfehlung vor.333 In diesen schloss er sich in einigen Punkten der Auffassung des Bundesrates an, insbesondere was das Inkrafttreten des Gesetzes betrifft: Nunmehr sollte das Gesetz in wesentlichen Teilen erst sechs Monate nach seiner Verkündung in Kraft treten, um den Ländern Gelegenheit zur Anpassung ihrer Verwaltungsverfahrensgesetze zu geben.334 Dieses Vorgehen entspricht dem bei der Schaffung des VwVfG im Jahr 1976: Das Ende Mai 1976 verkündete Gesetz trat zum 01.01.1977, also ebenfalls erst mehr als sechs Monate nach der Verkündung, in Kraft.335 Am Tag nach der Verabschiedung des Berichtes des Innenausschusses beschloss der Bundestag in seiner 242. Sitzung gegen die Stimmen der PDS die Annahme des Gesetzentwurfes in der Fassung der Beschlussempfehlung.336 In der darauf folgenden 778. Sitzung des Bundesrates, der letzten vor dem Ende der Legislaturperiode, stimmte der Bundesrat dem Gesetz gemäß Art. 84 Abs. 1 GG zu. Das Gesetz wurde am 21.08.2002 ausgefertigt und sechs Tage später verkündet.337 Es trat im Wesentlichen am 01.02.2003 in Kraft.338 Das gesamte Gesetzgebungsverfahren verlief damit in erheblichem Tempo. Zwischen dem Beschluss des Gesetzentwurfes durch die Bundesregierung und der Verabschiedung des Gesetzes durch den Bundestag lagen nur elf Wochen. Dass das Vorhaben von der Bundesregierung als besonders eilbedürftig bezeichnet worden war, führte zu einer nur ausnahmsweise zulässigen Beschleunigung des Gesetzgebungsverfahrens: Gemäß Art. 76 Abs. 2 Satz 4 GG konnte die 331 BT-Drs. 14/9000, S. 42 f., Begründung zu Art. 23 Nr. 1 betreffs Anzeigen im Grunderwerbssteuergesetz; S. 44, Begründung zu Art. 31 betreffs Anzeigen im Erbschaftssteuerrecht; S. 45 zu Art. 36 betreffs Anträgen beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA); S. 45, Begründung zu Art. 38 betreffs Anträgen nach der Weinvergünstigungs-Verordnung; S. 46, Begründung zu Art. 39 betreffs Anträgen nach der Verordnung flächenbezogene Hopfenbeihilfe. 332 BT-Drs. 14/9259. 333 BT-Drs. 14/9418. 334 BT-Drs. 14/9259, S. 3 f. und 6; BT-Drs. 14/9418 S. 6 und 8. 335 Zu den ebenso gelagerten Gründen siehe Kopp/Ramsauer, § 103 VwVfG. 336 BT-Prot. 242, S. 242239. 337 BGBl. I 2002, S. 3322. 338 Vgl. Art. 74, BGBl. I 2002, S. 3322 (3342). Die Regelungen betreffend die Finanzverwaltung in Art. 4, 12, 26 bis 30 und 34 bis 36 traten bereits am 28.08.2002 in Kraft.

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

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Bundesregierung die Gesetzesvorlage bereits drei Wochen nach ihrem Beschluss dem Bundestag zuleiten, ohne wie sonst üblich die Stellungnahme des Bundesrates abwarten zu müssen; tatsächlich betrug die Frist hier dreieinhalb Wochen. Die Stellungnahme des Bundesrates wurde der genannten Vorschrift entsprechend nachgereicht, und, da die Sache bereits an den Innenausschuss und andere Ausschüsse überwiesen war, gemäß § 80 GO BT an diese weitergeleitet.339 Die dieses beschleunigte Verfahren rechtfertigende besondere Eilbedürftigkeit des Gesetzesvorhabens wurde von der Bundesregierung nicht mit der offensichtlichen Terminknappheit vor dem Ende der Legislaturperiode begründet. Vielmehr wurde im Überweisungsbeschluss an den Bundesrat darauf abgestellt, dass „für die Regelungen, die die rechtlichen Voraussetzungen für den rechtsverbindlichen elektronischen Rechtsverkehr zwischen Bürgern und Verwaltung schaffen, absehbar Bedarf besteht und diese daher schnellstmöglich in Kraft treten sollten“.340 Hier wird der Wunsch deutlich, zum Ende der Legislaturperiode zumindest die gesetzlichen Voraussetzungen für das E-Government zu schaffen, und so mit dem Eindruck von Modernität in den Wahlkampf gehen zu können. Angesichts dessen war eine vertiefte Auseinandersetzung mit Ziel, Methode und Einzelregelungen des Entwurfes nicht möglich, allerdings im Hinblick auf die grundsätzliche politische Zustimmung in allen Parteien hinsichtlich des Zieles auch nicht zu erwarten.341 Die allgemeine Gleichstellung signierter Dokumente mit herkömmlichen Urkunden wurde dementsprechend als alternativlos dargestellt: Im Vorblatt wurde als Alternative zum vorgelegten Entwurf mit seiner weitgehenden Forderung der qualifizierten elektronischen Signatur zur Erfüllung der Schriftform lediglich „die Zulassung jeglicher Form elektronischer Kommunikation“ genannt, doch aus Sicherheitserwägungen abgelehnt.342 Die Digitalisierung der Kommunikation schien damit unausweichlich. c) Wesentlicher Inhalt Das insgesamt mehr als 70 Artikel umfassende 3. VwVfÄndG, mit dem etwa 150 Paragraphen geändert oder neu geschaffen wurden, besteht vor allem aus drei zentralen Regelungen, die sich im neuen § 3a VwVfG und im geänderten § 37 Abs. 4 VwVfG sowie den entsprechenden Parallelregelungen in § 87a AO, 339

Siehe BT-Drs. 14/9259 und BT-Drs. 14/9309. Vgl. BR-Drs. 343/02. 341 Vgl. hierzu einerseits die Ankündigung der Bundesregierung, Umsetzungsplan, und andererseits den Beitrag der „Internetbeauftragten der CDU/CSU-Bundestagsfraktion“, Martina Krogmann, E-Government. Siehe auch BT-Drs. 14/5324, S. 22, wonach die Oppositionsfraktionen die Bemühungen der Bundesregierung um eine Einführung des E-Government auf Bundesebene als wenig ehrgeizig bezeichneten. 342 BT-Drs. 14/9000, S. 1. 340

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

§ 36a SGB I und § 33 Abs. 4 SGB X finden.343 Danach ist zum einen die elektronische Kommunikation grundsätzlich dann zulässig, wenn vom Empfänger hierfür ein Zugang eröffnet wurde, § 3a Abs. 1 VwVfG. Zum anderen erfüllt ein elektronisches Dokument grundsätzlich die Schriftform, wenn es mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach § 2 Nr. 3 SigG versehen ist, § 3a Abs. 2 VwVfG. Das Fachrecht kann für Verwaltungsakte, die in elektronischer Form ergehen, die dauerhafte Überprüfbarkeit der Signatur anordnen, § 37 Abs. 4 VwVfG. In weiteren Vorschriften wird den Besonderheiten elektronischer Dokumente Rechnung getragen: So gibt es in § 3a Abs. 3 VwVfG Vorkehrungen für den Fall inkompatibler Dateiformate, und § 33 Abs. 5 VwVfG regelt das Verfahren der Beglaubigung eines elektronischen Dokumentes sowie des Ausdrucks eines elektronischen Dokumentes. Die übrigen Artikel des Gesetzes modifizieren die Formerfordernisse des Fachrechts dahingehend, dass entweder die elektronische Kommunikation ausdrücklich zugelassen oder explizit ausgeschlossen wird. Ersteres ist angesichts der Generalklausel des § 3a VwVfG und der ihm entsprechenden Parallelregelungen, wonach signierte Dokumente die Schriftform erfüllen, nur dann erforderlich, wenn die elektronische Kommunikation auch ohne Signierung der ausgetauschten Erklärungen zulässig sein soll.344 Eine Zwischenstellung nimmt die ausdrückliche Forderung der Schriftform ein, die in Verbindung mit § 3a VwVfG die elektronische Form zwar zulässt, jedoch nur dann, wenn die Erklärungen mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind.345 Teilweise wird auf § 37 Abs. 4 VwVfG verwiesen, um die dauerhafte Prüfbarkeit sicherzustellen.346 Letzteres dagegen, der Ausschluss der elektronischen Kommunikation, ist weitaus häufiger der Fall.347 Nur teilweise wird hierbei die künftige Ermöglichung elektronischer Kommunikation durch Rechtsvorschrift zugelassen.348 In zwei weiteren Regelungen wird das VwVfG ohne ersichtlichen Zusammenhang zur Ermöglichung der elektronischen Kommunikation im Verwal343 Die Regelungen entsprechen einander weitgehend. Dies rechtfertigt eine die Darstellung erleichternde Beschränkung auf die Vorschriften des VwVfG. Auf Abweichungen und Unterschiede wird im Text jeweils hingewiesen. 344 Beispiele hierfür bieten die Art. 9a, 9b, 13, 32 Nr. 1, 33 Nr. 1, 33 Nr. 2, 33 Nr. 3, 40, 62 und 65 VwVfÄndG. 345 Art. 11, 14, 15, 23 Nr. 2, 24, 25 Nr. 2, 26, 27, 32 Nr. 3, 32 Nr. 4, 34 Nr. 1 und 4 VwVfÄndG. 346 So in Art. 12, 21 Nr. 2, 22 Nr. 1, 28 Nr. 1, 30, 67 Nr. 1 VwVfÄndG. 347 Art. 5, 6, 7, 8, 9, 16, 17, 18, 19, 20, 21 Nr. 1, 22 Nr. 2, 23 Nr. 1 und 3, 25 Nr. 1, 29, 31, 32 Nr. 2, 33 Nr. 4, 34 Nr. 2 und 3, 35, 36, 37, 38, 39, 41, 44, 47, 48, 50, 51, 52, 53, 54, 56, 57, 58, 59, 60, 61, 63, 66, 67 Nr. 2, 67 Nr. 3 und 68 VwVfÄndG. 348 Art. 4 Nr. 12 a), 23 Nr. 1, 31, 36, 38. Zur Begründung siehe BT-Drs. 14/9000, S. 42 und 45.

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

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tungsverfahren geändert. Mit der Ergänzung des § 45 Abs. 2 VwVfG um die Wörter „Abschluss der letzten Tatsacheninstanz“ wird die bereits während der Entstehung der Norm umstrittene Frage gelöst, ob eine Nachholung der unterbliebenen Verfahrenshandlung noch in der Revisionsinstanz zulässig oder wegen der dem Revisionsrecht eigenen Beschränkung auf die Sach- und Rechtslage zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz unbeachtlich sein soll.349 Entsprechend den im Gesetzgebungsverfahren des Jahres 1996 abgelehnten Vorschlägen des Bundesrates und der herrschenden Meinung in der Literatur wird durch die zeitliche Begrenzung auf die letzte Tatsacheninstanz eine Heilung im Revisionsverfahren ausgeschlossen. Doch bestätigt der Gesetzgeber damit auch die verfassungsrechtlich und vor allem rechtspolitisch stark umstrittene Regelung, die letztlich einen Verzicht auf verfassungsrechtlich vorgeschriebene Anhörungs- und Beteiligungsrechte durch Schweigen sanktioniert.350 Mit der Aufhebung des Genehmigungserfordernisses für Unterwerfungen der Behörde unter die sofortige Vollstreckung eines öffentlich-rechtlichen Vertrages in § 61 Abs. 1 VwVfG schließlich soll den „Verwaltungsvereinfachungs- und Deregulierungsbemühungen von Bund und Ländern“ Rechnung getragen werden.351 d) Geltungsbereich Bereits in der Sechs-Monats-Frist, die das 3. VwVfÄndG vor seinem Inkrafttreten den Ländern zur Anpassung ihrer in weiten Teilen gleichlautenden oder doch zumindest gleichgerichteten Verwaltungsverfahrensgesetze einräumte, wird deutlich, wie schwierig die Schaffung eines bundeseinheitlichen Verwaltungsverfahrens angesichts der föderalen Struktur der Bundesrepublik ist. Die Probleme verstärken sich durch die grundsätzliche Verwaltungskompetenz der Länder, die zu einer parallelen Anwendung von Landes- und Bundesrecht auch bezüglich des jeweils einzuhaltenden Verwaltungsverfahrens führen kann. Mit der Durchdringung auch des deutschen öffentlichen Rechts durch das Recht der Europäischen Union bekommt die Problematik eine besondere Qualität. Sie gewinnt im hier zu untersuchenden Rahmen Aktualität, insoweit die Landes-VwVfG nicht an die Modifikationen des VwVfG des Bundes angepasst wurden und dadurch ein unterschiedliches Verständnis der Schriftform je nach anwendbarem Verwaltungsverfahrensrecht ermöglichen. Zudem beeinflusst das Europarecht die vom Gesetzgeber verfolgte Modernisierung der öffentlichen Verwaltung. 349

§ 137 Abs. 2 VwGO; zum Streit siehe Kopp/Ramsauer, § 45 VwVfG Rdnr. 36. Vgl. Kopp/Ramsauer, § 45 VwVfG Rdnr. 5 und 33 ff. Hinzuweisen ist allerdings auf die verwaltungsprozessualen Konsequenzen der späten Heilung, insbesondere im Hinblick auf die Kostenentscheidung; hierzu Kopp/Ramsauer, § 45 VwVfG Rdnr. 38. 351 So die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/9000, S. 34; siehe auch Schmitz/Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, S. 1293. 350

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Gemäß Art. 30 GG kommt den Ländern die grundsätzliche Kompetenz der staatlichen Aufgabenwahrnehmung zu. Diese beinhaltet neben der Befugnis der Rechtssetzung und der Rechtsprechung auch eine umfassende Verwaltungskompetenz.352 In erster Linie ist damit den Landesverwaltungen die Ausführung von Landesgesetzen zugewiesen.353 Ebenso jedoch berechtigt und verpflichtet das Grundgesetz die Länder zur Ausführung auch von Bundesgesetzen als eigene Angelegenheit, soweit es nicht andere Bestimmungen trifft, Art. 83 und 84 Abs. 1 GG. Die Ausführung beinhaltet alle zur vollzugstypischen Konkretisierung erforderlichen Maßnahmen, und daher in erster Linie auch die Gestaltung des Verwaltungsverfahrens selbst.354 Andererseits stellt sich die Art der Ausführung eines Gesetzes nur in sehr seltenen Fällen als von seinem materiellen Gehalt trennbar dar. In der materiellen Regelung sind regelmäßig auch Vorgaben für ihre Umsetzung enthalten, und die Art des Gesetzesvollzugs wirkt auf dessen Gehalt zurück.355 Diesen Konflikt berücksichtigt die doppelte Subsidiaritätsklausel des § 1 VwVfG: Danach ist es nur anzuwenden, insoweit nicht das Fachrecht inhaltsgleiche oder entgegenstehende Bestimmungen enthält, § 1 Abs. 1 VwVfG, und soweit nicht die Länder eigenständige Verwaltungsverfahrensgesetze erlassen haben, § 1 Abs. 3 VwVfG. Die Ausführung von Landesrecht ist gänzlich die Sache der Länder; hier kann der Bund keinerlei Vorgaben machen, auch nicht hinsichtlich des Verwaltungsverfahrens.356 Trotz dieser doppelten Subsidiarität besteht ein starker Einfluss des VwVfG des Bundes auf das Verwaltungsverfahren der Länder. Zum einen kommt dem Bund die Gestaltung des Verwaltungsverfahrens als Annexkompetenz zur Sachkompetenz auch in den Gebieten zu, in denen die Verwaltungskompetenz den Ländern zugewiesen ist.357 Unzählige Sonderregelungen zeugen von der praktisch großen Bedeutung dieser Verfahrensweise, die allerdings zu einer kaum übersehbaren Fülle an Verwaltungsverfahren geführt hat und daher der Rechtsvereinheitlichung und der Rechtssicherheit abträglich ist.358 Doch steht dem Bund die Möglichkeit offen, entsprechende Fragen des Verwaltungsverfahrens „vor die Klammer zu ziehen“ und im VwVfG zu regeln, und damit letztlich das Verwaltungsverfahren der Länder mit

352

BVerfGE 55, S. 318; s. a. Pernice, in: Dreier, Art. 30 GG Rdnr. 16. Hermes, in: Dreier, Art. 83 GG Rdnr. 18. 354 Hermes, in: Dreier, Art. 83 GG Rdnr. 32; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 GG Rdnr. 12 f., 33. 355 BVerfGE 55, S. 321; Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 1 VwVfG Rdnr. 22; Hermes, in: Dreier, Art. 83 GG Rdnr. 23 und Art. 84 GG Rdnr. 31 ff.; Lerche, in: Maunz/Dürig, Art. 84 GG Rdnr. 41. 356 Hermes, in: Dreier, Art. 83 GG Rdnr. 29. 357 Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 1 VwVfG Rdnr. 22; Hermes, in: Dreier, Art. 83 GG Rdnr. 23. 358 Hennecke, in: Knack, § 1 VwVfG Rdnr. 8. 353

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

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Hilfe des Bundes-VwVfG mitzubestimmen.359 Zum anderen sind die Länder, sofern sie nicht von vornherein in ihren Landes-VwVfG nur auf das VwVfG des Bundes verweisen, aufgrund der mittlerweile üblichen Simultangesetzgebung zur meist wortgetreuen Übernahme der bundesrechtlichen Regelung gedrängt.360 Gemildert wird dieser Druck durch eine intensive Mitarbeit von Ländervertretern bei den Beratungen zur VwVfG-Gesetzgebung, wie es auch beim 3. VwVfÄndG geschehen ist. Angesichts dessen stellt sich die Frage, inwieweit die Änderung des doppelt subsidiären VwVfG in Richtung auf eine Öffnung des Verwaltungsverfahrens gegenüber elektronischen Medien und modernen Kommunikationsformen Auswirkungen auf die prinzipiell vorrangigen spezialgesetzlichen Bestimmungen und landesrechtlichen Verwaltungsverfahrensgesetze haben kann. Denkbar ist es, die Gleichstellung bestimmter digitaler Dokumente mit der Schriftform als Änderung materiellen Rechts zu betrachten, die nur der Einfachheit halber generalklauselartig im VwVfG vorgenommen wurde. Dann würde die Regelung tatsächlich nicht doppelt subsidiär, sondern aufgrund des Vorrangs des materiellen Bundesrechts vor landes- oder bundesrechtlichen Verwaltungsverfahrensgesetzen tatsächlich vorrangig sein.361 Damit wären auch ohne Änderung der landesrechtlichen Verwaltungsverfahrensgesetze die Landesbehörden bereits aufgrund des VwVfG des Bundes zur Anerkennung auch elektronischer Dokumente in all den Fällen als die Schriftform wahrend verpflichtet, in denen Bundesrecht zur Anwendung kommt. Problematisch erscheint hieran die mittelbare Gestaltung der Verwaltungstätigkeit der Länder durch den Bund, die mit der Einführung elektronischer Kommunikation sogar einen sehr weitgehenden Eingriff in die Organisationshoheit der Länder darstellt. Diese haben die anspruchvollen Voraussetzungen elektronischer Kommunikation zu schaffen und zu unterhalten. Die Einführung moderner Kommunikationstechnik soll und wird die Kommunikation innerhalb der Behörden und zwischen ihnen und den Bürgern verändern. Die Verwaltungstätigkeit erhält dadurch eine neue Prägung. Die ent359 Bonk/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 1 VwVfG Rdnr. 22; ebenso Schlatmann, Anmerkungen, DVBl. 2002, S. 1007. 360 Vgl. Hennecke, in: Knack, § 1 VwVfG Rdnr. 4 f. Zum Beschluss der Innenministerkonferenz vom 20.02.1976 siehe P. Stelkens/Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Einleitung Rdnr. 60 ff. 361 In diesem Sinne Schlatmann, Anmerkungen, DVBl. 2002, S. 1007 und Schmitz/ Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, S. 1291; Roßnagel, Verwaltungsverfahren, NJW 2003, S. 472 mit FN 49. Deutlich Kopp/Ramsauer, § 3a VwVfG Rdnr. 16: „Das Schriftformerfordernis [des materiellen Rechts ist . . .] einer abweichenden Regelung durch den Landesgesetzgeber nicht mehr zugänglich.“ Im Ergebnis ebenso BT-Drs. 14/9000, S. 26 ff.; missverständlich BT-Drs. 14/9000, S. 31 („Dieser Grundsatz [sc. der Gleichstellung von Signatur- und Schriftform] gilt im gesamten Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes.“) und Roßnagel, NJW 2003, S. 471 („Diese Gleichstellung gilt für alle Gesetze, die in den Anwendungsbereich der drei Verfahrensgesetze fallen [. . .]“).

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

sprechende Gestaltungsmacht steht jedoch zuvörderst den Ländern zu. In erster Linie hätten daher diese über die Einführung der elektronischen Kommunikation zu befinden, und nicht der Bund mit seinem VwVfG. Entschärft wird der hier zu Tage tretende Konflikt jedoch durch den ausdrücklichen Vorbehalt des § 3a Abs. 1 VwVfG, elektronische Kommunikation sei nur bei Eröffnung des Zugangs zulässig. Damit bleibt die Einführung elektronischer Kommunikation mit allen damit verbundenen Anforderungen an die Gestaltung des Verwaltungsverfahrens letztlich doch den Ländern überlassen. Versteht man demgemäß Anforderungen an die Form als materiell-rechtliche Vorgabe und nicht als Vorschrift zur Gestaltung des Verwaltungsverfahrens, so ist der Einfluss des Europarechts ebenso zu bestimmen: Soweit europäisches Recht selbst Vorgaben zu bestimmten Formerfordernissen macht, beispielsweise im Abfallrecht, wäre eine Modifikation durch eine nationale Zulässigerklärung der elektronischen Form nicht möglich. Fehlen hingegen explizite Vorgaben, so wäre auch der nationale Gesetzgeber in der Gestaltung der Formvorschriften frei.362 Dem folgend bestimmte der Gesetzgeber des 3. VwVfÄndG in auf Europarecht zurückgehenden Vorschriften des Verwaltungsrechts die elektronische Form als nicht zulässig.363 II. Modifikation des Schriftformbegriffes a) Gleichstellung trotz Funktionsdisparität § 3a Abs. 2 VwVfG normiert, dass elektronische Dokumente dann eine durch Rechtsvorschrift angeordnete Schriftform erfüllen, wenn sie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind, wobei das zugrundeliegende Zertifikat nicht auf ein die Identifizierung des Zertifikatsinhabers nicht ermöglichendes Pseudonym ausgestellt sein darf. Im Ergebnis kann, verkürzt gesprochen, die Schriftform auch durch qualifiziert signierte, und damit elektronische Dokumente erfüllt werden. Die bislang übliche Definition des Schriftlichen wird hierdurch modifiziert. Dies gilt sowohl für ausdrücklich so benannte Schriftformerfordernisse, wie auch für andere Formulierungen, die als Verweis auf die Schriftform zu verstehen sind.364 Das wesentliche Merkmal der Schriftlichkeit, die papierne Urkunde, wird als Formvoraussetzung durch diese Änderung obsolet.365 362 So konsequent Schlatmann, Anmerkungen, DVBl. 2002, S. 1008 und Schmitz/ Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, S. 1290. 363 Vgl. Art. 44 und 66 des 3. VwVfÄndG mit Begründung in BT-Drs. 14/9000, S. 46 und 51. 364 Siehe hierzu § 30 Zahllose Schriftformerfordernisse, S. 144. 365 Zur Urkunde als wesentlichem Bestandteil des Schriftformbegriffes siehe oben § 33 Ergebnis, S. 180.

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

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Anderes gilt, wenn Rechtsvorschriften die elektronische Form eindeutig ausschließen, oder das Gesetz andere Begriffe verwendet, die bereits dem Wortlaut nach Urkunden voraussetzen, wie „Unterschrift“, „Dienstsiegel“, „Urkunde“, „Schriftstück“, „Buch“, „Brief“, „Schein“, „Abschrift“, „Mehrfertigung“, „Aushändigung“, „zurückgeben“ und „zerschneiden“. Wo der Gesetzgeber auch elektronische Dokumente erfasst sehen möchte, ist er zu einer klarstellenden Änderung verpflichtet. Dies ist teilweise auch geschehen: So spricht § 33 VwVfG nunmehr von der Beglaubigung von „Dokumenten“ und erfasst damit neben den bereits bisher erwähnten „Abschriften, Ablichtungen, Vervielfältigungen, Negativen und Ausdrucken“ auch elektronische Dokumente. Diese haben zudem in § 33 Abs. 4 Nr. 4 und Abs. 5 Nr. 2 VwVfG eine eigenständige Regelung erfahren. An der gesetzlichen Änderung des Schriftformbegriffes ist paradox, dass sie das bisherige Urkundserfordernis bei elektronischen Dokumenten für den Fall ihrer qualifizierten Signierung aufgibt, verkürzt und ungenau formuliert: die Urkunde ist nunmehr verzichtbar, solange das Dokument nur unterschrieben ist. Dies erscheint angesichts der nur relativen Funktionsäquivalenz von Signatur und Unterschrift und der nahezu unveränderten fehlenden Äquivalenz der Funktionen von Urkunde und elektronischem Dokument allein deshalb möglich, weil der Gesetzgeber die Funktionen von Urkunde und Unterschrift nicht scharf genug von einander getrennt und statt dessen stets nur allgemein von den Funktionen der Schriftform gesprochen,366 und zudem Bedenken der Literatur ignoriert hat.367 Tatsächlich bestehen jedoch gravierende Funktionsdisparitäten, die elektronische Dokumente nicht in jedem Fall als geeignet erscheinen lassen. In vielen Bereichen hat der Gesetzgeber diese daher auch ausgeschlossen: So sieht der Gesetzgeber zu Recht die Seriositätsfunktion durch elektronische Dokumente nicht gewahrt und besteht daher teilweise auf der Urkunde. Auch in Zukunft sind dem Eingebürgerten eine Einbürgerungsurkunde, dem Beamten, dem Soldaten und dem Bundesminister eine Ernennungsurkunde, dem Wirtschaftsprüfer und dem Seelotsen eine Bestallungsurkunde zu überreichen, §§ 16 Abs. 1 Satz 1, 38a StAG; § 5 Abs. 2 Satz 1 und 3 BRRG; § 6 Abs. 2 Satz 1 und 4 BBG; §§ 4 Abs. 1 Satz 2, 41 Abs. 1 Satz 1 SG; § 2 Abs. 1 Satz 3 BMG; § 15 Abs. 1 Satz 1 WPO, § 11 Satz 2 SeelotsG. In der Gesetzesbegründung betont der Gesetzgeber richtigerweise die besondere Wichtigkeit des statusändernden Aktes, die mit der Symbolwirkung der Überreichung einer besonders gestalteten Urkunde verdeutlicht werden soll.368 Die Symbolwirkung der besonderen Form bringt die Begründung zur Beibehaltung der Urkundsform bei der 366

Vgl. BT-Drs. 14/4987, S. 16; 14/9000, S. 31. Vgl. Skrobotz, Elektronischer Verwaltungsakt, JurPC 86/2002, Abs. 27 ff.; ders., in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 39. 368 BT-Drs. 14/9000, S. 39 (zu Artikel 8). 367

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Bestallung von Seelotsen gemäß § 11 Satz 2 SeelotsG in sehr schöner Weise zum Ausdruck: „Hinzu kommt der erhebliche Symbolwert, den die Urkunde für die zahlenmäßig kleine, an der Küste als nautischer Spitzenberuf angesehene Berufsgruppe der Seelotsen hat. Dieser Symbolwert wird in den Familien zum Teil über Generationen gewürdigt und ist für die Hinterbliebenen von hoher Bedeutung. Ein Ersatz durch die elektronische Form ist nicht möglich.“369 Auch den anderen Aspekt der Seriositätsfunktion, der in ihrer missverständlichen Bezeichnung als „Warnfunktion gegenüber dem Empfänger“ deutlich wird, berücksichtigt der Gesetzgeber teilweise. So weist er auf die besonders einschneidenden Folgen der Rücknahme der Ernennung bzw. der Entlassung für den Beamten hin, die ihm mit einer besonders gestalteten Erklärung vor Augen geführt werden müsse. Gemäß §§ 13, 33 BBG ist diese zuzustellen, muss also als Urkunde vorliegen.370 Ferner sah der Gesetzgeber die Probleme langfristiger Perpetuierung und schloss daher auch in all denjenigen Fällen die elektronische Form aus, in denen er die Notwendigkeit langfristiger Aufbewahrung der betreffenden Dokumente erkannte. Die bereits erwähnte Ernennung von Beamten und Soldaten und die Bestallung von Seelotsen beispielsweise soll auch deswegen der Schriftform unterliegen, damit die Statusänderung noch nach einem Zeitraum, der über 30 Jahre hinausgeht, überprüft werden kann.371 Gleiches gilt für atomrechtliche Zulassungsbescheide.372 Auch die Bergbauberechtigung, das heißt die von der zuständigen Behörde erteilte Erlaubnis, Bodenschätze aufzusuchen oder auszubeuten, sei aus Gründen der Rechtssicherheit auch in Zukunft schriftlich zu erteilen, § 16 Abs. 1 BBergG.373 Der Gesetzgeber erkannte auch die Schwierigkeiten, die mit der nur eingeschränkten Beweisfunktion elektronischer Dokumente verbunden sind: Da sich viele Dokumente, die zum Nachweis eines Rechtes, einer Genehmigung oder eines abgeschlossenen Rechtsgeschäftes erforderlich sind, in elektronischer Form nur schwer visualisieren lassen, müssen diese auch weiterhin als Urkunde ausgestellt bzw. mitgeführt werden. Als Beispiele sind die Personenstandsurkunden zu nennen,374 weiterhin die Verwaltervollmacht nach dem VereinsG,375 der Vermögenszuordnungsbescheid nach dem VermZuordnG bzw. Art. 233 § 2b EGBGB,376 Bescheide nach dem BodensonderungG, dem VermG, dem InvVor369 370 371 372 373 374 375 376

BT-Drs. BT-Drs. BT-Drs. BT-Drs. BT-Drs. BT-Drs. BT-Drs. BT-Drs.

14/9000, 14/9000, 14/9000, 14/9000, 14/9000, 14/9000, 14/9000, 14/9000,

S. S. S. S. S. S. S. S.

49 39 39 51 45 40 41 41

(zu Nummer 2). (zu Nummer 2). (zu Artikel 8). f. (zu Nummer 3). (zu Artikel 35). (zu Artikel 11). (zu Artikel 16). f. (zu Artikel 17 und 18).

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

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rangG und der GrundVerkehrsO,377 die Unbedenklichkeitsbescheinigung nach dem GrunderwerbstStG,378 die Steuerkarte nach § 12 KraftStDV,379 Genehmigungen und Zeugnisse nach dem PBefG, BinnenSchiffAufgG, SeeAufgG, FlaggRG, SeelotsG, LuftverkehrsG, SeefunkzeugnisVO, SchiffsmechAusbVO, SeediensttauglVO, KrankenfürsorgeVO, SchiffsoffizierAusbVO, SchiffsvermessungsVO sowie der Versicherungsnachweis nach der ÖlHaftBeschVO.380 Neben der grundsätzlichen Schwierigkeit der Vorlage elektronischer Dokumente erwähnt der Gesetzgeber auch die Problematik der vor allem im Ausland nur bedingt vorauszusetzenden Signaturprüfbarkeit.381 Ebenfalls wird die elektronischen Dokumenten eigene Schwierigkeit dabei benannt, ausgestellte und verteilte Dokumente zu widerrufen oder einzuziehen.382 Ungeachtet der erkannten Funktionsdisparität wurden damit Schriftdokumente mit elektronischen Dokumenten weitgehend gleichgestellt, solange diese elektronisch signiert wurden, und wurde nur ausnahmsweise an der Urkunde als Informationsträger festgehalten. Dies führt zu Verwerfungen in denjenigen Bereichen, in denen die Funktionen der Schriftform bislang bewusst genutzt wurden, nun aber durch elektronische Dokumente nicht mehr erfüllt werden können. Besonders gravierend ist dies bei der dem Gesetzgeber nur teilweise bewussten Seriositätsfunktion der Urkunde. So ist es beispielsweise nunmehr möglich, auch sehr einschneidende behördliche Verfügungen in elektronischer Form zu übersenden, solange diese qualifiziert oder akkreditiert signiert sind. Damit ergibt sich die denkbare Möglichkeit eines Vereinsverbotes per E-Mail, § 3 Abs. 4 Satz 1 VereinsG, ebenso wie die „virtuelle“ Ausweisung eines Ausländers mit allerdings realen Folgen, §§ 45 und 66 AuslG in Verbindung mit § 3a Abs. 2 VwVfG. Dies steht in einem gewissen Widerspruch dazu, dass Bundesbeamte auch weiterhin schriftlich zu entlassen sind, § 33 BBG, was ausdrücklich mit der „Warnfunktion“ gegenüber dem Beamten begründet wurde.383

377

BT-Drs. 14/9000, S. 42 (zu Artikel 19 bis 22). BT-Drs. 14/9000, S. 43 (zu Nummer 3). 379 BT-Drs. 14/9000, S. 44 (zu Artikel 33 Nummer 4). 380 Vgl. BT-Drs. 14/9000, S. 48 ff. (zu den Artikeln 47, 48, 50 bis 53, 56 bis 61 sowie Artikel 54). 381 Vgl. BT-Drs. 14/9000, S. 48 ff. (zu den Artikeln 48, 50, 51, 53 und 54). 382 Vgl. BT-Drs. 14/9000, S. 48 (zu Artikel 47) sowie oben § 7 II. a) Fehlende Verkörperung, S. 39. 383 BT-Drs. 14/9000, S. 39 – Zu Artikel 9 Nummer 2 und 4. Zur Berücksichtigung der Seriositätsfunktion der Urkunde im Verwaltungsverfahren siehe unten § 54 Verfahrensermessen und Wahl der elektronischen Form, S. 336. 378

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

b) Begriff des Schriftlichen und des Elektronischen Mit der Gleichstellung bestimmter elektronischer Dokumente mit der Schriftform modifiziert das 3. VwVfÄndG den Begriff des Schriftlichen, ohne diesen jedoch selbst zu definieren. Dem schon bislang wenig klaren Begriff wurde vielmehr nur eine weitere Ecke hinzugefügt, die die Bestimmung der jeweils einzuhaltenden Form weiter erschwert. Alle bislang von Praxis, Rechtsprechung und Literatur entwickelten Arten des und Ausnahmen vom Schriftformbegriff dürften nämlich weiter bestehen bleiben. Es erscheint wenig wahrscheinlich, dass der Gesetzgeber diese Formerleichterungen zurücknehmen und sämtlich unter dem Dach der neu geschaffenen „elektronischen Form“ mit der qualifizierten elektronischen Signatur als Sicherungsmittel einen wollte. Zum einen hat das 3. VwVfÄndG die Vereinfachung der Kommunikation zwischen Bürgern und Behörden zum erklärten Ziel.384 Dem widerspräche es, würden die schon bislang gewährten Erleichterungen bezüglich der Schriftform aufgegeben und nunmehr zur Sicherung sämtlicher elektronischer Kommunikation die technisch, finanziell und organisatorisch sehr anspruchsvolle Signierung gefordert. Demgegenüber ist ein Telefax sehr einfach und ohne großen Technikeinsatz zu versenden. Das Interesse des Gesetzgebers an einem gesteigerten Schutz vor Manipulationen und Datenveränderung385 kann dies nicht aufwiegen. Zum anderen lässt sich aus dem durch das 3. VwVfÄndG eingeführten Begriffspaar „schriftlich oder elektronisch“, das lesbare Dokumente jeder Art kennzeichnen soll,386 die Gleichwertigkeit beider Erscheinungsformen begründen. Unter „elektronisch“ versteht der Gesetzgeber jede Form elektronischen Handelns, mit oder ohne besondere Sicherung von Integrität oder Authentizität,387 so dass die Forderung einer bestimmten Sicherung nur schriftlicher Dokumente etwa durch eine zwingend zu leistende Unterschrift unter dem Dokument nicht zu erklären wäre. Unter „Schriftform“ sind damit all die Formen zu verstehen, die schon bisher unter diesen Begriff gefasst wurden. Je nach Anwendungsbereich und Autor der Erklärung ist zur Erfüllung der Form eine Unterschrift oder ein anderes Erken384

BT-Drs. 14/9000, S. 26. Vgl. BT-Drs. 14/9000, S. 26. 386 BT-Drs. 14/9000, S. 27. Die Formulierung findet sich auch in §§ 26 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 37 Abs. 2 S. 1 und 2, Abs. 3, 39 Abs. 1 S. 1, 41 Abs. 4 S. 1, 44 Abs. 2 Nr. 1, 66 Abs. 2, 69 Abs. 2 S. 6, 71c Abs. 1 S. 2 VwVfG; §§ 21 Abs. 1 S. 2 Nr. 2, 33 Abs. 2 S. 1 und 2, Abs. 3, 35 Abs. 1 S. 1, Abs. 3, 37 Abs. 4 S. 1, 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB X; §§ 93 Abs. 4 S. 1, 119 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3, 121 Abs. 1, 125 Abs. 2 Nr. 1, 356 Abs. 1 und 2 AO; § 2 Abs. 2 S. 1 und Abs. 3 Abs. 5 S. 1 BRKG; §§ 2 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 2, 11 Abs. 1 S. 1 BUKG, §§ 3 Abs. 4 S. 1, 16 Abs. 2 S. 1 VereinsG; §§ 15 Abs. 4 und 5, 17 BStatG; §§ 11 Abs. 2 S. 2, 17 Abs. 3 S. 2 und 3, 20 S. 1, 24 Abs. 7 WPflG; § 12 Abs. 1 S. 1 ZDG. 387 BT-Drs. 14/9000, S. 27. 385

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

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nungszeichen, das den Abschluss der Erklärung und den Erklärungswillen unzweifelhaft erkennen lässt, erforderlich oder nicht. Dabei kommt Behörden teils aufgrund gesetzlicher Anordnung, teils aufgrund der von der Rechtsprechung akzeptierten Praxis ein größerer Freiraum hinsichtlich der Formerfüllung zu als Bürgern, denen prinzipiell eher die eigenhändige Unterschriftsleistung zugemutet wird.388 Weiterhin erfüllen jedoch nunmehr – unter den Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 VwVfG – auch elektronische Dokumente die Schriftform. Sie müssen hierfür mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen sein, das heißt mit einer fortgeschrittenen elektronischen Signatur, die auf einem zum Erstellungszeitpunkt der Signatur gültigen qualifizierten Zertifikat beruht, § 2 Nr. 2 und 3 SigG. Das Zertifikat darf zudem nicht auf ein Pseudonym lauten, das die Identifizierung des Signaturschlüssel-Inhabers nicht ermöglicht. Ungeachtet der in Voraussetzungen und Rechtsfolge unklaren Vorschrift des § 3a Abs. 2 Satz 3 VwVfG389 ist jedenfalls die Signierung eines elektronischen Dokumentes mit einer qualifizierten elektronischen Signatur erforderlich, die Urkunde der herkömmlichen Schriftform hingegen nicht. Selbige Urkunde ist allerdings die Voraussetzung der Schriftlichkeit im bereits erwähnten Begriffspaar „schriftlich oder elektronisch“. „Schriftlichkeit“ meint hier, in Abgrenzung zum Elektronischen, die Form einer Urkunde, das heißt die Niederlegung der Erklärung in unmittelbar wahrnehmbaren Schriftzeichen, derweil mit „elektronisch“ die Speicherung der Daten in elektronischer Form und damit nicht unmittelbar wahrnehmbaren Zeichen bezeichnet ist. Ein Beispiel bietet die Bestätigung eines mündlichen Verwaltungsaktes nach § 37 Abs. 2 Satz 2 VwVfG, die nunmehr schriftlich oder elektronisch erfolgen kann. Eine Unterschrift oder besondere Sicherung ist für die Schriftlichkeit in diesem Sinne nicht erforderlich; wie einfache E-Mails dieser „schriftlichen oder elektronischen“ Form genügen können sollen,390 müssen auch nicht unterschriebene Urkunden diese Form erfüllen können. Wesentlich ist in diesem Fall nur die Lesbarkeit, das heißt die zumindest mittelfristige Perpetuierung der Erklärung, damit diese wieder und wieder zur Kenntnis genommen werden kann. Der Begriff des Schriftlichen erfordert weiterhin die Urkundsform, wenn das Gesetz die Schriftform anordnet, jedoch die elektronische Form explizit ausschließt. So sind Bundesbeamte nach § 33 BBG in schriftlicher, aber nicht elektronischer Form zu entlassen. In diesem Fall der Schriftlichkeit ist eine Urkunde erforderlich. Der Grad an Autorisierung bestimmt sich hier wie oben dargelegt: Grundsätzlich ist eine Unterschrift erforderlich, doch können auch andere Autorisierungszeichen die Urheberschaft und den Abschlusswillen hinreichend kennt388 Zu Einzelheiten siehe oben § 32 Bestimmung der öffentlich-rechtlichen Schriftform, S. 153. 389 Hierzu unten § 38 III. Pseudonymes Handeln, S. 225. 390 BT-Drs. 14/9000, S. 29.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

lich machen. Für Behörden gelten weitergehende Erleichterungen wie der generelle Verzicht der Unterschrift bei Verwaltungsakten gemäß § 37 Abs. 3 VwVfG. Im Ergebnis ist der Begriff des Schriftlichen durch die Erweiterung um die Möglichkeit signierter Dokumente sehr stark modifiziert, galt doch bislang die Urkunde als Mindestvoraussetzung der Schriftlichkeit. Gleichzeitig jedoch beharrt das Gesetz durch die Abgrenzung des Schriftlichen vom Elektronischen in Formulierungen wie „schriftlich oder elektronisch“ und „schriftlich, aber nicht in elektronischer Form“ auf der Urkunde als Wesensmerkmal der Schriftlichkeit. Der Begriff hat damit, so wenig bestimmt er bereits war, weiterhin wesentlich an Kontur verloren. Von einer „Klarstellung des Schriftformbegriffes“ durch das 3. VwVfÄndG391 kann nicht ernstlich gesprochen werden. Vielmehr hat dieses die Formfrage weiter verkompliziert, nachdem nunmehr gleiche oder zumindest ähnliche Begriffe Gegenteiliges meinen. Auch der Begriff des „Elektronischen“ scheint durch das 3. VwVfÄndG nicht einheitlich gebraucht. Zum einen spricht das Gesetz wiederholt von der „elektronischen Form“ und erweckt damit den Eindruck, eine fest definierte Form ähnlich der elektronischen Form des bürgerlichen Rechts geschaffen zu haben – eine Lesart, der mehrere Autoren folgen.392 Häufig jedoch versteht das Gesetz unter „elektronisch“ nur die nicht unmittelbar wahrnehmbare Speicherung von Daten mit Hilfe elektronischer Medien und grenzt so „schriftlich“ von „elektronisch“ ab, wie in der Formulierung „schriftlich oder elektronisch“. Dies trifft auch beim „elektronischen Dokument“ zu, das das Gesetz in vielen Fällen nennt.393 Beim gleichfalls oftmals erwähnten „elektronisch übermittelten Dokument“394 liegt zwar wie beim Fax (möglicherweise) auf Seiten des Senders und/ oder des Empfängers ein Ausdruck und damit eine unmittelbar wahrnehmbare Urkunde vor, doch wird eben nicht das Schriftstück übermittelt, sondern nur dessen Daten, und zwar in nicht-schriftlicher, eben elektronischer Form. Eben391

So Kopp/Ramsauer, § 3a VwVfG Rdnr. 16. Catrein, Elektronische Kommunikation, NWVBl. 2001, S. 56; Roßnagel, Verwaltungsverfahren, NJW 2003, S. 472; Storr, Elektronische Kommunikation, MMR 2002, S. 580; ebenso noch Skrobotz, Elektronischer Verwaltungsakt, JurPC 86/ 2002, Abs. 24. Missverständlich die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 14/9259, S. 5: „Hinsichtlich der Nutzung der ,elektronischen Form‘, also qualifiziert elektronisch signierter Dokumente muss sich hingegen eine Verkehrsauffassung erst noch bilden.“ (Hervorhebung nur hier); ähnlich Schlatmann, Anmerkungen, DVBl. 2002, S. 1009 und 1010: „Der elektronische Verwaltungsakt und die elektronische Form gehen also nicht zwingend miteinander einher.“ 393 §§ 3a Abs. 1, Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1 und 2, 33 Abs. 4 Nr. 3 und 4, Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 5 Satz 2 VwVfG. 394 § 15 Satz 2 VwVfG; § 14 Satz 2 SGB X; § 123 Satz 2 AO. Ähnlich § 41 Abs. 2 VwVfG, § 37 Abs. 2 SGB X und §§ 87a Abs. 6, 122 Abs. 2a AO („ein Verwaltungsakt, der elektronisch übermittelt wird“ bzw. „elektronisch übermittelter Verwaltungsakt“); siehe auch § 150 Abs. 1 Satz 2 AO („durch Datenfernübertragung übermittelt“). 392

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

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falls findet in § 3a Abs. 3 VwVfG der Begriff des „elektronischen Formats“ Erwähnung, zu dem sich in § 33 Abs. 4 Nr. 4 b) und Abs. 5 Satz 2 VwVfG das „technische Format“ gesellt. Unabhängig von der Formulierung im Einzelfall steht hier die technische Frage der Speicherart im Vordergrund – ohne Rücksicht auf eine etwaige Sicherung von Authentizität und Integrität. Tatsächlich jedoch geht die Annahme unterschiedlicher Bedeutungen des Begriffes „elektronisch“ fehl, da das 3. VwVfÄndG diesen Begriff konsequent als Bezeichnung der technischen, nicht-papiernen Speicherung oder Übertragung von Daten gebraucht. Dies wird in nahezu allen oben angeführten Formulierungen deutlich, die durchgehend in Voraussetzungen wie Folgen auf besondere Sicherungsmechanismen verzichten. Und auch die „elektronische Form“ des § 3a Abs. 2 VwVfG ist keine öffentlich-rechtliche Entsprechung für die elektronische Form der §§ 126 Abs. 3, 126a Abs. 1 BGB, welche die Signierung eines elektronischen Dokumentes mit einer qualifizierten Signatur voraussetzt, dem der Name des Erklärenden hinzugefügt wurde.395 Die Formulierungen in §§ 3a und 37 Abs. 3 Satz 2 VwVfG sowie den entsprechenden Vorschriften des Sozial- und Abgabenrechts, in denen jeweils auf „die elektronische Form“ Bezug genommen wird, sind insoweit missverständlich. Doch lässt die Gesetzesbegründung erkennen, dass es dem Gesetzgeber keinesfalls um die Definition einer eigenständigen Form ging, sondern mit „elektronischer Form“ stets nur die Form im Sinne von Erscheinungsform oder Art der Perpetuierung gemeint ist. So ist dort in sprachlicher Übereinstimmung mit ersten Entwürfen die Rede davon, dass die Generalklauseln „die Gleichwertigkeit einer durch Rechtsvorschrift angeordneten Schriftform und der mit einer qualifizierten elektronischen Signatur verbundenen elektronischen Form bestimmen.“396 Das Verständnis von „elektronisch“ als „Beschreibung jeglicher Erscheinungsform elektronischer Dokumente, also nicht nur als Alternative zur gesetzlich angeordneten Schriftlichkeit“397 wird damit auch hier deutlich, ebenso in all den Formulierungen, die die elektronische Form ausschließen: Ausgeschlossen werden soll hier ja nicht eine speziell, etwa in § 3a Abs. 2 VwVfG definierte Form mit besonderer Sicherung, sondern die elektronische Speicherung oder Übertragung generell. Eine weitere Verwendungsmöglichkeit des Begriffes „elektronisch“ zeigt einerseits wiederum dessen Ausrichtung nicht auf eine bestimmte Formqualität, sondern auf seinen technisch-beschreibenden Gehalt, und lässt andererseits die Schwierigkeiten der Artikelgesetzgebung deutlich werden: § 3a Abs. 3 Satz 2 VwVfG bestimmt die Folgen inkompatibler Dateiformate auf Seiten des Bür395 Zur elektronischen Form des § 126a BGB vgl. ausführlich Soergel/Marly, § 126a BGB Rdnr. 5 und 21 ff.; Hähnchen, FormG, NJW 2001, S. 2831; Roßnagel, Neues Signaturgesetz, NJW 2001, S. 1818. 396 BT-Drs. 14/9000, S. 26. 397 BT-Drs. 14/9000, S. 27. Vgl. auch P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 10 VwVfG Rdnr. 28g.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

gers wie der Behörde. Hiernach hat die Behörde, wenn ein ihr übermitteltes elektronisches Dokument für sie zur Bearbeitung nicht geeignet ist, dies dem Absender unverzüglich unter Angabe der für sie geltenden technischen Rahmenbedingungen mitzuteilen. Kann der Empfänger eines von ihr übermittelten Dokumentes dieses nicht bearbeiten, hat sie es ihm erneut in einem geeigneten „elektronischen Format“ zu übermitteln, oder letztlich als Schriftstück. Das hier angesprochene „elektronische Format“ meint erneut nicht eine bestimmte Formqualität, sondern spricht lediglich die Art der Speicherung, das heißt ein Dateiformat an. Auch eine andere Vorschrift des VwVfG versucht, die Frage inkompatibler Dateiformate zu regeln: Nach § 33 Abs. 4 Nr. 4 b) bzw. Abs. 5 Satz 2 VwVfG können auch elektronische Dokumente beglaubigt werden, die ein anderes „technisches Format“ als ein signiertes Ausgangsdokument erhalten haben. Die Beglaubigung wird hierbei erforderlich, da eine Umwandlung des Dateiformates mit einer Änderung der Referenzdaten für die Signatur einhergeht, wodurch letztere ungültig wird. Die Beglaubigung kann diese Folge der Technik nicht ändern, doch ihre Auswirkungen mildern, da nunmehr das behördlich signierte Ergebnis der Signaturprüfung die Aufgabe der Originalsignatur übernehmen kann. Trotz des gleichen technischen Hintergrundes verwendet das Gesetz damit an nicht sehr weit auseinanderliegenden Stellen ohne Not oder Differenzierungsabsicht zwei verschiedene Begriffe. Der Grund für die in den Parallelvorschriften entsprechend abweichende Diktion ist sicherlich allein eine unzureichende Abstimmung der Vorschriften etwa über Abteilungsgrenzen in den an der Gesetzgebung beteiligten Ministerien hinweg, und keine beabsichtigte inhaltliche Differenzierung.

§ 38 Die Voraussetzungen der „qualifizierten elektronischen Form“ I. Begriff der „qualifizierten elektronischen Form“ Das 3. VwVfÄndG verzichtete auf Legaldefinitionen der verschiedenen Abstufungen elektronischer Formen, die es in das Verwaltungsrecht einführte. Anders als das Bürgerliche Recht, das mit der Textform des § 126b BGB und der in § 126a BGB geregelten elektronischen Form klare Begriffe kennt, die bei der Bezugnahme auf bestimmte Formanforderungen eindeutig und unmissverständlich gebraucht werden können, verwendet das öffentliche Recht nur den Begriff des Elektronischen und des Schriftlichen. Besonders letzterer wird zudem nicht einheitlich gebraucht, sondern hat je nach Kontext einen anderen Inhalt; Gleiches scheint wie gezeigt für die elektronische Form zu gelten.398 398

Vgl. oben § 37 II. b) Begriff des Schriftlichen und des Elektronischen, S. 214.

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

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Zwar ist die vom 3. VwVfÄndG verwendete Begrifflichkeit bei genauer Betrachtung jedenfalls im Hinblick auf die elektronische Form schlüssig und stringent. Doch wäre die mit der vermeintlich mehrdeutigen Verwendung des Begriffes „elektronisch“ einhergehende Unsicherheit im Verständnis leicht auszuräumen gewesen. Die Textform des § 126b BGB zeigt das gesetzgeberische Vermögen, einen herkömmliche ebenso wie elektronische Dokumente umfassenden verwechslungsresistenten Begriff zu schaffen. Diese Regelung hätte auch für das öffentliche Recht fruchtbar gemacht werden können.399 Die Begründung des gesetzgeberischen Verzichts, im öffentlichen Recht seien häufig nicht lediglich Texte, sondern auch Pläne und andere Daten zu perpetuieren,400 überzeugt angesichts der Fähigkeit elektronischer Medien zur Darstellung selbst dreidimensionaler Pläne nicht. Auch wenn der Begründung zuzugeben ist, dass sich Pläne und Zeichnungen nicht zwanglos unter den Begriff des „Textes“ fassen lassen, so werden sie doch auch vom Wort „Schrift“ nicht erfasst und unterliegen gleichwohl dem Schriftformbegriff des öffentlichen Rechts wie auch dem der „Erklärung“ des § 126b BGB.401 Zudem hätte bei der Schaffung einer entsprechenden öffentlich-rechtlichen Norm ohne weiteres auf die Besonderheiten des Verwaltungsrechts Rücksicht genommen werden können. Ebenso wäre eine von der Literatur augenscheinlich erwartete Definition der „elektronischen Form“ möglich gewesen. Mangels einer Normierung ist es angesichts der offenbaren Notwendigkeit eindeutiger Begriffe erforderlich, mit Abstufungen wie „qualifizierte elektronische Form“ die vom Gesetzgeber verweigerte Differenzierung vorzunehmen. Hierfür ist zuerst klarzustellen, welche Arten der elektronischen Form das Verwaltungsverfahrensrecht nunmehr kennt: Auf unterster Stufe steht hierbei die einfache elektronische Form ohne jegliche Sicherung oder Verkörperung, also die bloße Textdatei, die durch jedermann eingesehen und modifiziert werden kann, ohne dass dies auffiele oder nachgewiesen werden kann. Rechtlich gleichwertig sind alle elektronischen Dokumente, deren Sicherung nicht der qualifizierten elektronischen Signatur gemäß § 2 Nr. 3 SigG entspricht, also etwa auch die fortgeschrittene elektronische Signaturen wie die des bekannten Programms PGP tragenden.402 Derartige Dokumente können verwendet werden, 399 Vgl. zu entsprechenden Vorschlägen bereits während des Gesetzgebungsverfahrens Skrobotz, Elektronischer Verwaltungsakt, JurPC 86/2002, Abs. 26. 400 Vgl. P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 10 VwVfG Rdnr. 28g. 401 Zum Plan oder der Zeichnung als Bestandteil auch des „schriftlichen“ Verwaltungsaktes siehe P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 36; zum Begriff der Willenserklärung, die nicht nur gesprochene und geschriebene Wörter, sondern etwa bei Grundstücksgeschäften auch Pläne umfasst, siehe nur BGH, Urt. v. 06.04.1976 – V ZR 72/74, BGHZ 74, S. 346 (351): „in vielen Fällen zweckmäßiger [. . .] als eine Umschreibung mit Worten“. 402 Zu den Signaturstufen nach dem SigG siehe Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 63.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

wenn das Gesetz keine besondere Form verlangt oder die elektronische Form allein oder alternativ zur Schriftform zulässt. Auf zweiter Stufe steht die qualifizierte elektronische Signatur mit dem qualifizierten Zertifikat eines „angezeigten“ Anbieters, § 2 Nr. 3 und 7 SigG. Damit verbundene Dokumente vermögen gemäß § 3a Abs. 2 VwVfG die Schriftform zu erfüllen. Sie sind stets dann zulässig, wenn das Gesetz keine besondere Form oder die Schriftform fordert und die elektronische Form nicht aufgrund Gesetzes oder nach den Gegebenheiten ausgeschlossen ist. Auf höchster Stufe stehen elektronische Dokumente, für die neben ihrer qualifizierten Signierung die dauerhafte Überprüfbarkeit der Signatur vorgeschrieben ist, § 37 Abs. 4 VwVfG, worunter praktisch die Signatur mit dem Zertifikat eines akkreditierten Anbieters verstanden wird. Bei der Begriffsbildung sollte soweit möglich der gesetzlichen Terminologie gefolgt werden. Diese verwendet für jegliche Art der elektronischen Speicherung einer Nachricht den Begriff „elektronische Form“, für signierte und verschlüsselte Nachrichten ebenso wie für solche, die keinerlei oder nur eine unzureichende Sicherung aufweisen. „Elektronisch“ wird hierbei regelmäßig in Abgrenzung zum „Schriftlichen“ verwendet, und meint damit vor allem nur das Fehlen der Verkörperung. Es ist daher nicht zweckdienlich, elektronische Formen mit besonderen Anforderungen an die Sicherung elektronischer Dokumente ebenfalls als „elektronische Form“ zu bezeichnen, wie es teilweise in der Literatur geschieht.403 Die Verwendung der bestimmten Form („die elektronische Form“) trägt ebenfalls nur sehr wenig zur erforderlichen Differenzierung bei. Es sind vielmehr Begriffe notwendig, die die Unterschiede zur einfachen elektronischen Form deutlich machen. Dabei ist es möglich, der Diktion des Signaturgesetzes zu folgen, und insofern von der einfachen und der qualifizierten elektronischen Form zu sprechen, wie dieses von der einfachen und der qualifizierten elektronischen Signatur spricht.404 Unter der qualifizierten elektronischen Form ist dann die Form des § 3a Abs. 2 VwVfG zu verstehen, die sich hauptsächlich durch die qualifizierte Signierung elektronischer Dokumente auszeichnet.405 Gemäß § 37 Abs. 4 VwVfG kann das Fachrecht besondere Anforderungen an die dauerhafte Prüfbarkeit elektronischer Verwaltungsakte stellen. Die dauerhafte Prüfbarkeit wird gegenwärtig im Wesentlichen durch „akkreditierte Signa403 So insbesondere Schlatmann, Anmerkungen, DVBl. 2002, S. 1009 und 1010; vgl. auch S. 216. 404 § 2 SigG verwendet für die „einfache“ elektronische Signatur kein Prädikat, sondern bezeichnet diese schlicht als elektronische Signatur, vgl. § 2 Nr. 1 SigG; hierzu Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 63; Demmel, ebd., G § 2 Rdnr. 1 f. 405 P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 46c bezeichnen demgegenüber die Form des § 37 Abs. 4 VwVfG als „qualifizierte elektronische Form“; dies ist irreführend und berücksichtigt zu wenig die besonderen Anforderungen des § 37 Abs. 4 VwVfG.

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

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turen“ sichergestellt.406 Die Bezeichnung der elektronischen Form höchster Qualitätsstufe im Verwaltungsrecht als „akkreditierte elektronische Form“ ist jedoch nicht ratsam, da die Akkreditierung selbst keine Voraussetzung der dauerhaften Prüfbarkeit ist. Diese kann vielmehr auch anders sichergestellt werden.407 Vorzugswürdig erscheint demgegenüber die Bezeichnung der Form des § 37 Abs. 4 VwVfG als dauerhaft prüfbare oder erweitert qualifizierte elektronische Form. II. Qualifizierte elektronische Signatur Die Voraussetzung der schriftformersetzenden qualifizierten elektronischen Form gemäß § 3a Abs. 2 VwVfG ist vor allem die Signierung eines elektronischen Dokumentes mit einer „qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz.“ Die Formulierung entspricht der des § 126a BGB, der ebenfalls nur pauschal das Signaturgesetz in Bezug nimmt, und nicht direkt auf die Legaldefinition des § 2 Nr. 3 SigG verweist. Die Bundesregierung hielt die vom Bundesrat während der Gesetzgebung zu § 126a BGB vorgeschlagene Klarstellung für unnötig. Die Inbezugnahme sei eindeutig und ermöglichte eine Änderung des Signaturgesetzes, ohne dass dadurch eine Anpassung des BGB veranlasst würde. Zudem sei so sichergestellt, dass auch die nach § 23 Abs. 1 SigG qualifizierten Signaturen gleichgestellten ausländischen Signaturen von der Verweisung umfasst seien.408 a) Voraussetzungen der qualifizierten Signatur Für die Erfüllung der Schriftform durch ein elektronisches Dokument ist dessen Signierung mit einer elektronischen Signatur erforderlich, die die Anforderungen des § 2 Nr. 3 SigG erfüllt bzw. mit einer qualifizierten elektronischen Signaturen nach § 23 SigG gleichgestellten ausländischen Signatur. Eine solche Signatur besteht aus elektronischen Daten, die dem Dokument beigefügt oder mit diesem logisch verknüpft sind, und der Authentifizierung dienen, § 2 Nr. 1 SigG. Sie sind zudem allein dem Signaturschlüssel-Inhaber zugeordnet, ermöglichen seine Identifizierung und werden mit Mitteln erzeugt, die er unter seiner alleinigen Kontrolle halten kann, und sind so mit dem Dokument verbunden, dass dessen nachträgliche Veränderung erkannt werden kann, § 2 Nr. 2 SigG. Qualifizierte Signaturen werden mit einer sicheren Signaturerstellungseinheit er406 Zur Verwendung dieses dem Gesetz fehlenden eingängigen Begriffes siehe Roßnagel, Neues Signaturgesetz, NJW 2001, S. 1818. Die Diktion hat sich bewährt, vgl. beispielsweise Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 90 und 106. 407 Zu entsprechenden Vorschlägen siehe § 52 IV. Vorteile einer eigenständigen Zertifizierungsinfrastruktur, S. 316. 408 BT-Drs. 14/4987, S. 35 und 42 – Zu Nummer 13.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

zeugt und beruhen auf einem qualifizierten Zertifikat nach § 2 Nr. 3 und 7 SigG. Ein Zertifikat ist die elektronische Bescheinigung, mit der ein Signaturprüfschlüssel einer Person zugeordnet und deren Identität bestätigt wird, § 2 Nr. 6 SigG. Qualifiziert ist das Zertifikat gemäß § 2 Nr. 7 SigG, wenn es auf eine natürliche Person ausgestellt ist, die Angaben des § 7 SigG enthält, und von einem Zertifizierungsdiensteanbieter ausgestellt ist, der entweder den gewerberechtlichen Anforderungen in §§ 4 bis 14 oder denen in § 23 des Signaturgesetzes sowie denen der Signaturverordnung entspricht. Inländische Zertifizierungsdiensteanbieter, auf die die §§ 4 bis 14 SigG Anwendung finden, haben im Wesentlichen ihre Betriebsaufnahme anzuzeigen und hierbei ein Sicherheitskonzept vorzulegen, das die Einhaltung der Sicherheitsanforderungen aufzeigt, § 4 Abs. 2 SigG, sowie die Vorgaben des Signaturgesetzes zur Vergabe von Zertifikaten, deren Inhalt und deren Sperrung einzuhalten. Europäische Zertifizierungsdiensteanbieter demgegenüber, die qualifizierte Zertifikate im Sinne der SigRL 1999/93/EG ausstellen, oder außereuropäische Anbieter, die die Anforderungen des § 23 SigG erfüllen, gelten ebenfalls als qualifizierte Zertifizierungsdiensteanbieter. Akkreditierte Signaturen genügen den Anforderungen an qualifizierte Signaturen in besonderem Maß. Der Sitz des Zertifizierungsdiensteanbieters ist im Fall der Akkreditierung irrelevant. Zur Bezeichnung der Signatur als qualifiziert ist die Eignung der zu ihrer Erstellung und Prüfung eingesetzten Algorithmen und Parameter noch im Moment der Prüfung oder ihre rechtzeitige Übersignierung nicht erforderlich. Zwar verliert eine Signatur erheblich an Beweiswert, wenn die zu ihrer Erzeugung und Prüfung eingesetzten Verfahren und Parameter nicht mehr als geeignet angesehen werden und damit die sichere Zuordnung des Dokumentes zur Signatur oder der Signatur zum Signaturschlüssel-Inhaber nicht mehr möglich ist; dies kann durch rechtzeitige Übersignierung mit entsprechend länger als geeignet angesehenen Verfahren und Parametern verhindert werden.409 Jedoch hat der Verlust an Beweiswert nicht die Ungültigkeit der Signatur oder den Verlust ihres Status’ als qualifiziert zur Folge. Entsprechend signierte Erklärungen behalten demgemäß auch bei geringerem Beweiswert ihre Formqualität. Die Geeignetheit der Verfahren noch im Moment der Prüfung ist keine gesetzliche Voraussetzung qualifizierter Signaturen, vgl. § 2 Nr. 3 SigG. Zudem kann aus der technischen Möglichkeit der Verfälschung nicht sicher auf die Unechtheit der Signatur geschlossen werden. Schließlich verlieren auch Unterschriften durch die Möglichkeit ihrer Verfälschung nicht ihre Gültigkeit und Urkunden nicht ihre Formqualität.410

409

Hierzu ausführlicher unten § 59 II. b) Übersignierung, S. 356. Vgl. auch Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 24/§ 17 SigV Rdnr. 10. Ebenso BeckIuKDG-Komm/Bieser, § 2 SigG Rdnr. 6 und § 17 SigV Rdnr. 2. 410

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

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Die Wahl eines bestimmten Signaturverfahrens ist keine Voraussetzung der qualifizierten elektronischen Form. Allerdings ist zu beachten, dass nur die vom Empfänger als prüfbar angegebenen Signaturverfahren den Zugang formgültiger Erklärungen ermöglichen, so dass mittelbar doch die Auswahl eines bestimmten Verfahrens über die Formgültigkeit der Erklärung entscheidet; die hiermit zusammenhängenden Probleme insbesondere europarechtlicher Natur sind noch zu erörtern.411 b) Nicht notwendiger Einschluss des Zertifikats Zur Bezeichnung einer Signatur als qualifiziert ist es lediglich erforderlich, dass ihr ein qualifiziertes Zertifikat zugrunde liegt. Das Zertifikat muss nicht in die Signatur eingeschlossen sein. Da jedoch für einen Signaturschlüssel ohne weiteres mehrere Zertifikate auch unterschiedlicher Qualität ausgestellt werden können, besteht die Möglichkeit, dass das Zertifikat noch nach der Signierung ausgetauscht und damit die Gültigkeit oder die Qualität der Signatur modifiziert wird.412 Bei einem Austausch eines qualifizierten durch ein nicht qualifiziertes Zertifikat etwa verliert die Signatur ihre Eigenschaft als qualifizierte Signatur; bei einem Austausch eines ungültigen durch ein gültiges Zertifikat wird die ursprünglich ungültige Signatur im Nachhinein gültig. Wenn die empfangenen Signaturen gespeichert werden und ihre Prüfung dokumentiert wird, bleibt diese Möglichkeit jedoch eine theoretische: Der Austausch des Zertifikats durch den Signierenden selbst erforderte, dass er auch die Dokumentation des Erklärungsempfängers modifiziert, deren Angaben zur Prüfung der Signatur auch Angaben zum richtigerweise ebenfalls geprüften Zertifikat enthalten muss. Ein Austausch der Zertifikate durch den Empfänger hingegen erforderte, dass dieser ein auf den Signierenden ausgestelltes bestimmtes Zertifikat durch ein anderes ersetzt, das heißt das eine löscht, um das andere an seine Stelle zu setzen, was ohne Mitarbeit des Zertifizierungsdiensteanbieters nicht möglich ist. Auch ist zu berücksichtigen, dass eine qualifizierte Signatur bereits dann vorliegt, wenn für einen Signaturschlüssel bzw. den jeweiligen Signaturprüfschlüssel auch nur ein qualifiziertes Zertifikat ausgestellt ist. Die Zahl der ebenfalls für diesen Schlüssel ausgestellten Zertifikate etwa eines anderen, nicht qualifizierten Anbieters oder des Signierenden selbst ist diesbezüglich irrelevant. Ein „Austausch“ durch den Empfänger ist im Ergebnis nur dergestalt denkbar, dass er behauptet, nicht das qualifizierte Zertifikat, sondern ein anderes bloß fortgeschrittenes erhalten und überprüft zu haben, weswegen er das Dokument als nicht formgerecht einschätzen durfte. Dieses Vorbringen entspricht der Behauptung, das Dokument nicht erhalten zu haben, und damit der Behauptung fehlenden Zugangs. Dieser 411

Hierzu unten § 39 VI. Europarechtliche Aspekte, S. 248. Roßnagel, Neues Signaturgesetz, NJW 2001, S. 1825; ihm folgend MünchKomm/Einsele, § 126a BGB Rdnr. 19. 412

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

ist stets durch den Erklärenden zu beweisen. Seine Beweisposition kann hinsichtlich des zugrundeliegenden Zertifikats durch Signierung des Zertifikats oder Angaben zum vorliegenden Zertifikat im signierten Dokument verbessert werden. Die mögliche Verbesserung der Beweisposition weniger Absender kann jedoch nicht genügen, für jeden Fall der qualifizierten elektronischen Form die Signierung auch des qualifizierten Zertifikats zu verlangen.413 Dies würde sich letztlich nur gegen den Erklärenden wenden, der zur Erfüllung der Schriftform durch ein elektronisches Dokument weitere Voraussetzungen nur deswegen zu erfüllen hätte, weil seine Beweisposition möglicherweise geschwächt sein könnte. Es würde lediglich unnötigerweise die Zahl der Fehlerquellen weiter erhöht, ohne dass sich so ein wesentliches Mehr an Rechtssicherheit gewinnen ließe, da dem Empfänger weiterhin die Behauptung fehlenden Zugangs bliebe. Im Ergebnis ist der Hinweis auf das zugrundeliegende Zertifikat empfehlenswert, doch nicht Voraussetzung der qualifizierten elektronischen Form. c) Weitere Anforderungen Weitere Anforderungen an die Qualität elektronischer Erklärungen im Verwaltungsverfahren sieht das Gesetz nur in Bezug auf die dauerhafte Überprüfbarkeit behördlicher Signaturen vor.414 Die durch Art. 3 Abs. 7 der SigRL 1999/93/EG eröffnete Möglichkeit, den Einsatz elektronischer Signaturen im öffentlichen Bereich möglichen zusätzlichen Anforderungen zu unterwerfen – sofern diese Anforderungen objektiv, transparent, verhältnismäßig und nichtdiskriminierend sind, sich nur auf die spezifischen Merkmale der betreffenden Anwendung beziehen und bei grenzüberschreitenden Diensten für den Bürger kein Hindernis darstellen – wurde nicht genutzt. Auch die dementsprechende Vorschrift des § 1 Abs. 3 SigG, bereits für sich nur Programmsatz, ist damit in dieser Hinsicht obsolet.415 Der auch von der SigRL 1999/93/EG anerkannte besondere Sicherungsbedarf für staatliche und dem Staat gegenüber abgegebene Erklärungen wird durch den Gesetzgeber des 3. VwVfÄndG offenbar nicht in gleicher Weise gesehen. Durch einen Verzicht auf zusätzliche Anforderungen an die elektronischen Nachrichten der Bürger erübrigt sich jedoch ebenfalls die Frage, ob diese zusätzlichen Anforderungen ein Hindernis für grenzüberschreitende Dienste darstellen. Das teilweise Verbot pseudonymen Handelns gemäß § 3a Abs. 2 Satz 3 VwVfG ist demgegenüber keine besondere Anforderung im Sinne des § 1 Abs. 3 SigG bzw. der SigRL 1999/93/EG.416 413 So jedoch für den Bereich des Zivilrechts Roßnagel, Neues Signaturgesetz, NJW 2001, S. 1825, und für den Bereich des Verwaltungsrechts ders., Verwaltungsverfahren, NJW 2003, S. 472. 414 Hierzu unten § 51 Besondere Anforderungen an schriftformersetzende elektronische Verwaltungsakte, S. 291. 415 Vgl. Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 94 und 100 ff.

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

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III. Pseudonymes Handeln a) Die Vorschrift des § 3a Abs. 2 Satz 3 VwVfG Nach § 3a Abs. 2 Satz 3 VwVfG ist die Signierung mit einem Pseudonym, das die Identifizierung der Person des Signaturschlüssel-Inhabers nicht ermöglicht, nicht zulässig. Die ursprüngliche Fassung der Vorschrift in ersten Entwürfen zum Gesetz war noch von einem vollständigen Verbot pseudonymen Handelns ausgegangen. Der Zusatz, nur solche Pseudonyme seien zulässig, die die Identifizierung des Signaturschlüsselinhabers ermöglichten, fand sich erst im dem Bundesrat zugeleiteten Gesetzentwurf der Bundesregierung.417 Die Regelung ist in Voraussetzungen wie Rechtsfolge unklar. So soll und kann die Norm nicht das pseudonyme Signieren schlechthin für unzulässig erklären und somit die Möglichkeit pseudonymer Zertifikate ihres Sinns berauben, wenn das Pseudonym die Identifizierung des Schlüsselinhabers nicht ermöglicht. Auch ein auf das Verwaltungsverfahren beschränktes Verbot solcher Pseudonyme erscheint nicht sinnvoll, fehlt es doch an einer im Gesetz vorgesehenen Sanktion. Richtigerweise ist die Vorschrift im Kontext des § 3a Abs. 2 Satz 2 VwVfG zu lesen: Die mit einem Pseudonym, das die Identifizierung der Person des Signaturschlüssel-Inhabers nicht ermöglicht, signierten Dokumente erfüllen entgegen Satz 2 nicht die Schriftform. b) Pseudonyme, die die Identifizierung ihres Verwenders ermöglichen Als schwieriger als die Bestimmung der vom Gesetzgeber gewollten Rechtsfolge stellt sich die Ergründung der Voraussetzungen dieser Norm dar. Sinn eines Pseudonyms ist allgemein, den Empfänger derart gezeichneter Nachrichten über die wahre Identität des Ausstellers im Unklaren zu lassen. Anders als anonymes Handeln ermöglicht jedoch pseudonymes Auftreten prinzipiell die Zuordnung einer Erklärung zu einer bestimmten Person. Deren bürgerliche Identität ist unter Zuhilfenahme weiterer Informationen feststellbar. Fehlt eine solche Zuordnungsmöglichkeit allgemein, liegt in Wirklichkeit anonymes Handeln vor.418 Pseudonyme lassen daher zumindest grundsätzlich stets die Identifizierung des Pseudonym-Inhabers zu. Die prinzipielle Identifizierungsmöglichkeit kann daher kein taugliches Abgrenzungskriterium des § 3a Abs. 2 Satz 3 VwVfG darstellen. 416

Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 112. Bereits die gegenüber dem Signaturgesetz leicht veränderte Diktion (Signaturschlüsselinhaber statt Signaturschlüssel-Inhaber) zeigt die unzureichende Abstimmung der beiden Gesetze. 418 Ausführlich Roßnagel/Scholz, Anonymität, MMR 2000, S. 723 ff. 417

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Sinnvoll ist aus diesem Grund nur zu fragen, wie leicht oder schwer die Identifizierung fällt. Im Fall pseudonymer Zertifikate ist jedenfalls der Zertifizierungsdiensteanbieter in der Lage, die wahre Identität des pseudonym Signierenden aufzudecken, da er den Signaturschlüssel-Inhaber zu identifizieren und auch die derart erlangten Daten ebenso wie das Pseudonym zu dokumentieren hat, §§ 5 Abs. 1 Satz 1, 10 SigG. Zur Sicherung des mit der Ermöglichung pseudonymen Handelns verbundenen Zwecks, ohne Preisgabe der wahren Identität am Rechtsverkehr teilnehmen zu können, muss die Möglichkeit des Zertifizierungsdiensteanbieters, den Signaturschlüssel-Inhaber auch Dritten gegenüber identifizieren zu können, jedoch stark beschränkt sein. Dem dient die auf § 12 Abs. 2 SigG 1997 zurückgehende Regelung des § 14 Abs. 2 SigG. Hiernach ist die Identifizierung des Betroffenen nur unter sehr engen Voraussetzungen möglich. Jede andere, hiervon nicht gedeckte Identifizierung wäre eine vom Einverständnis des Signaturschlüssel-Inhabers nicht umfasste Datenverwendung im Sinne des § 14 Abs. 1 Satz 3 SigG, die unzulässig wäre. Ein Pseudonym ermöglicht die Identifizierung des Signaturschlüssel-Inhabers damit nur, wenn dieser mit der Offenbarung seiner Identität einverstanden ist, oder § 14 Abs. 2 SigG dies gestattet. Hierfür ist erforderlich, dass eine „zuständige Stelle“ den Zertifizierungsdiensteanbieter um die Preisgabe der Identität eines SignaturschlüsselInhabers ersucht. Zuständige Stellen in diesem Sinne sind Behörden, die zum Zweck der Verfolgung von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten oder zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung tätig werden; ebenso die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder, der Bundesnachrichtendienst, der Militärische Abschirmdienst, Finanzbehörden sowie Gerichte im Rahmen anhängiger Verfahren. Nicht genannt und damit nicht zuständig in diesem Sinne sind allgemeine Verwaltungsbehörden, es sei denn sie benötigen die Identität des Signaturschlüssel-Inhabers zum Zweck der Gefahrenabwehr. Keine dieser hier genannten Aufgaben steht in Rede, wenn es um die Erfüllung der Schriftform durch signierte elektronische Nachrichten geht. Noch weniger haben Bürger die Möglichkeit, Pseudonyme etwa von Behörden durch den Zertifizierungsdiensteanbieter der Behörde aufdecken zu lassen. Damit bleibt als alleinige Möglichkeit, die wahre Identität des Signaturschlüssel-Inhabers vom Zertifizierungsdiensteanbieter zu erfahren, die Vorlage der Einwilligung des Betroffenen mit der Auskunftserteilung durch den Zertifizierungsdiensteanbieter. Diese sollte praktischerweise in elektronischer Form mit übersandt werden und bedarf in diesem Fall entsprechend § 3 Abs. 7 TDDSG der qualifizierten Signatur.419 Mit anderen Worten: Nur solche pseudonym signierten elektronischen Nachrichten erfüllen die Schriftform, denen der jeweilige Absender eine qualifiziert signierte Einwilligung in die Auskunftserteilung durch seinen 419 Zur elektronischen Einwilligung unter Einsatz qualifizierter Signaturen siehe beispielsweise BeckIuKDG-Komm/Engel-Flechsig, § 3 TDDSG Rdnr. 63 ff., besonders 75; Geis, Schutz, RDV 2000, S. 208 ff.

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

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Zertifizierungsdiensteanbieter beifügt, soweit nicht der Empfänger diese Einwilligung bereits anderweitig erhalten hat oder sonst die Identität des pseudonym Auftretenden kennt. Anderenfalls ist die pseudonym angebrachte Signatur nicht in der Lage, ein Schriftformerfordernis zu erfüllen. Dies gilt für jeden Verfasser elektronischer Nachrichten, welche die Schriftform erfüllen können sollen, mithin für Bürger ebenso wie für Behörden.420 Eine andere Möglichkeit der sicheren Offenbarung der Identität des Signaturschlüssel-Inhabers ist mit der Verwendung von Attributen und Attributzertifikaten zu realisieren. Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 9 und § 5 Abs. 2 SigG kann das Zertifikat Attribute des Signaturschlüssel-Inhabers enthalten, die nach Abs. 2 auch in separate Zertifikate, so genannte Attribut-Zertifikate, aufgenommen werden können. Attribute sind nach § 5 Abs. 2 Satz 1 SigG berufsbezogene oder sonstige Informationen zur Person des Signaturschlüssel-Inhabers. Als nicht berufsbezogene sonstige Angabe zur Person kann hier der bürgerliche Name des Signaturschlüssel-Inhabers angesehen werden.421 Bei der Nutzung pseudonymer Signaturen durch Behörden empfiehlt sich die Angabe des bürgerlichen Namens des Signaturschlüssel-Inhabers in einem separaten Attributzertifikat, da dieses bei einem Wechsel des Behördenmitarbeiters leichter ausgetauscht werden kann und kein neues Signaturschlüsselzertifikat erstellt werden muss. Die Gesetzesbegründung zum 3. VwVfÄndG geht demgegenüber offenbar von einem gänzlich anderen Verständnis der Aufdeckbarkeit von Pseudonymen aus: „Mit der Vorschrift wird auf der einen Seite die Signierung durch eine erlassende Behörde – ohne Nennung des Bearbeiters – mittels Pseudonyms zugelassen (z. B. Stadt München, Dezernat Jugend), ebenso, wie etwa die Verwendung von Künstler- oder Ordensnamen. Auf der anderen Seite wird aber eine etwaige missbräuchliche Inanspruchnahme der Verwaltung durch eine Pseudonymverwendung, die keine Identifizierung ermöglicht, verhindert.“422 Diese Begründung zu § 3a Abs. 2 Satz 3 VwVfG enthält zwar so gut wie keine juristisch fassbaren Anhaltspunkte für die Unterscheidung der zulässigen von den unerwünschten Signaturen. Doch lassen die gegenübergestellten Beispiele des sachlichen Behörden-, Künstler- oder Ordensnamens und der „missbräuchliche[n] Inanspruchnahme der Verwaltung durch eine Pseudonymverwendung, die keine Identifizierung ermöglicht“, die Beweggründe des Gesetzgebers erkennen. Hiernach ist die Verwendung eines Pseudonyms auch gegenüber der Verwaltung dann zulässig, wenn es einen sachlichen Grund für das Auftreten unter einem 420 Im Ergebnis ebenso Eifert/Püschel/Stapel-Schulz, Rechtshandbuch, S. 86: „Der Vorgang der Identifizierung muss dem Empfänger selbst möglich sein. Zumeist ist für den Bürger das Signieren mit Pseudonym in der Verwaltungskommunikation daher ausgeschlossen. [. . .] Für die Verwaltung schließt der Wortlaut des § 3a Abs. 2 S. 3 VwVfG die Verwendung eines Pseudonyms ebenfalls regelmäßig aus.“ 421 Zum Geburtsdatum als sonstiges Attribut siehe BT-Drs. 13/7385, S. 33. 422 BT-Drs. 14/9000, S. 31 – Zu Absatz 2 Satz 3.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

anderen als dem bürgerlichen Namen gibt. Dies scheint dem Gesetzgeber bei den genannten Pseudonymen von Behörden der Fall, ebenso bei Ordens- und Künstlernamen, nicht hingegen bei sonstigen, nicht mit Beispielen belegten Pseudonymen. Ordensnamen sind Vornamen, die einem neuen Mitglied bei Aufnahme in einen geistlichen Orden verliehen werden, Künstlernamen die durch den Künstler selbst gewählte Bezeichnung, unter der er seine Werke veröffentlicht oder in der Öffentlichkeit auftritt.423 Beide Namen werden von ihren Trägern auch im Rechtsverkehr gebraucht, und dies auch zulässigerweise, da sich der private Bereich nicht mehr sinnvoll vom geschäftlichen trennen lässt.424 Die selbstbestimmte Namenswahl ist hier Ausdruck der Religionsfreiheit bzw. der allgemeinen Handlungsfreiheit und ist vom Rechtsverkehr allgemein anerkannt.425 Derartige Namen genießen beispielsweise den Namensschutz des § 12 BGB.426 Angesichts dieser allgemeinen gesellschaftlichen und juristischen Anerkennung ging auch der Gesetzgeber von der Zulässigkeit derartigen pseudonymen Auftretens gegenüber der Behörde aus. Ebenso sah er in den Grenzen des Signaturgesetzes für die Zertifizierung von Behörden einen sachlichen Grund für das Auftreten unter Pseudonym. Anderen Privaten jedoch spricht er legitime Gründe für das Auftreten unter einem anderen als ihrem bürgerlichen Namen, gar unter beispielsweise „Dagobert Duck“, ab.427 Die Erwägungen des SigGGesetzgebers, die Möglichkeit des Auftretens unter Pseudonym könne dem Selbstdatenschutz des Signaturschlüssel-Inhabers dienen und sei damit ein Gebot der Art. 1 und 2 Abs. 1 GG, werden mithin nicht als relevant anerkannt.428 Hintergrund der Anerkennung als zulässiges Pseudonym zur Signierung von an Behörden gerichtete Schreiben ist hiernach, ob für das Auftreten unter Pseudonym ein sachlicher Grund unabhängig von dem Wunsch nach pseudonymem Auftreten besteht. Ordens- und Künstlernamen sind so bekannt, dass sie ihren Träger genauso gut oder sogar besser als sein bürgerlicher Name zu bezeichnen vermögen; dies ist bei „Dagobert Duck“ oder anderen ad hoc gewählten Pseudonymen nicht der Fall. Entscheidend scheint demnach zu sein, ob bereits aufgrund des Pseudonyms „klar ist, wer gemeint ist.“ Fehlt dies, wird von einer durch diese Norm zu verhindernden „missbräuchliche[n] Inanspruchnahme der Verwaltung“ ausgegangen.

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Vgl. Soergel/Heinrich, § 12 BGB Rdnr. 4 und 119. MünchKomm/Schwerdtner, § 12 BGB Rdnr. 48. 425 Zum Künstlernamen siehe Soergel/Heinrich, § 12 BGB Rdnr. 119 f. 426 Vgl. Soergel/Heinrich, § 12 BGB Rdnr. 119; MünchKomm/Schwerdtner, § 12 BGB Rdnr. 47. 427 Beispiel von den zuständigen Referenten im BMI, Schmitz und Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, S. 1285 bei FN 51. 428 Kritisch hierzu beispielsweise Nedden, Datenschutz, S. 113. 424

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

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c) Sinn der Vorschrift Der Sinn dieser in ihren Voraussetzungen alles andere als klaren Norm wird bei einem Blick auf das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der teilweisen Zulassung von Pseudonymen deutlich: Auf diesem Weg soll Behörden die qualifizierte Signierung elektronischer Dokumente unter ihrem Namen ermöglicht werden, obwohl das Signaturgesetz qualifizierte Signaturen allein an natürliche Personen bindet und eine Zertifizierung juristischer Personen ausdrücklich ausschließt. Das Fehlen einer dementsprechenden Möglichkeit im Signaturgesetz ist ein wesentlicher Kritikpunkt der mit behördlichen Signaturen befassten Praktiker. Nach der Regelung in § 2 Nr. 3 SigG müssen qualifizierte Signaturen auf qualifizierten Zertifikaten beruhen, die gemäß § 2 Nr. 7 SigG nur auf natürliche Personen ausgestellt werden dürfen. Hintergrund dieser Regelung ist § 2 Abs. 2 SigG 1997, der ebenfalls den Kreis der Signaturschlüssel-Inhaber auf natürliche Personen beschränkte, da eine digitale Signatur ebenso wie die eigenhändige Unterschrift nur durch natürliche Personen geleistet werden könne.429 Mit der gleichen Begründung, verstärkt durch die Bezugnahme auf die europarechtliche Forderung nach der rechtlichen Gleichstellung von qualifizierter Signatur und Unterschrift gemäß Art. 5 Abs. 1 a) SigRL 1999/93/EG, erklärt auch der Entwurf zum SigG 2001 den Ausschluss juristischer Personen.430 Besonders die letzte Begründung vermag allerdings kaum zu überzeugen, da die Richtlinie ersichtlich nicht auf die Beschränkung der Signatur auf natürliche Personen zielt, sondern vielmehr nur auf die rechtliche Anerkennung qualifizierter Signaturen als Mindestanforderung. Diese wäre ebenso möglich gewesen, wenn neben natürlichen auch juristische Personen als Signaturschlüssel-Inhaber zugelassen worden wären. Die Richtlinie wollte zur unter den Mitgliedsstaaten umstrittenen Frage der Zulässigkeit der Zertifikate juristischer Personen denn auch ausdrücklich nicht Stellung nehmen.431 Im europäischen Ausland bestehen dementsprechend auch weniger Vorbehalte gegen Zertifikate juristischer Personen.432 Es ist auch nicht zwingend notwendig, die qualifizierte Signatur als natürliches Pendant zur eigenhändigen Unterschrift zu betrachten, ebenso ließe sie sich als Substitut für einen Stempel oder, dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 429

So BeckIuKDG-Komm/Bieser, § 2 SigG Rdnr. 14. BT-Drs. 14/4662, S. 19. Hierzu vgl. Demmel, in: Manssen, Multimediarecht, G § 2 Rdnr. 15. 431 Gravesen/Dumortier/van Eecke, Signaturrichtlinie, MMR 1999, S. 582; Schreiber, Elektronisches Verwalten, S. 162. 432 In Österreich haben die Zertifizierungsdiensteanbieter eigene, nicht nur Mitarbeiter-Zertifikate, vgl. Menzel/Schweighofer, Österreichisches Signaturgesetz, DuD 1999, S. 506; in der Schweiz besteht allgemein die Möglichkeit der Zertifizierung juristischer Personen, vgl. Eifert/Schreiber/Stapel-Schulz, Rechtliche Aspekte, S. 25. Gleiches gilt für Dänemark, die Niederlande und Spanien, vgl. heise news vom 14.05.2003, heise.de/newsticker/meldung/36854. 430

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

SigG 1997 entsprechend, für ein Siegel verstehen, zwei Autorisierungsmittel ohne feste Bindung an eine natürliche Person.433 Die Begründung zum 3. VwVfÄndG spricht dementsprechend auch von der Signatur als elektronischem Ersatz für das Dienstsiegel.434 Die Bindung an natürliche Personen ist auch technisch nicht erforderlich. Zwar ist die Beobachtung richtig, dass Signaturkarten mit biometrischen Merkmalen gesichert werden können, wie sie allein natürliche, nicht hingegen juristische Personen haben.435 Allerdings sind diese biometrischen Merkmale nicht Mittel zur Erstellung der Signatur, sondern allein Zugangssicherung zum Signaturschlüssel. Dieser kann indes ebenso einer dritten Person wie zum Beispiel dem Arbeitgeber des betreffenden Mitarbeiters zugeordnet sein, wie auch der fest einem Beamten als Arbeitsmittel in die Hand gegebene Stempel auf die Behörde und nicht auf den Beamten selbst verweist. Ebensowenig ist zu bestreiten, dass Signaturschlüssel technisch einmalig sein müssen und daher die Vervielfältigung eines Signaturschlüssels zur Benutzung durch mehrere Personen nicht möglich ist.436 Eine solche Vervielfältigung ist jedoch keinesfalls notwendig, können doch auf eine Person problemlos mehrere Zertifikate ausgestellt werden, die sich auf jeweils einmalige Signaturschlüssel beziehen. Trotz der technischen Möglichkeit und der europarechtlichen Zulässigkeit von qualifizierten Signaturen juristischer Personen entschied sich der Gesetzgeber entgegen Stimmen in der Literatur und Vorschlägen der Opposition bewusst für die Bindung der qualifizierten Signatur an natürliche Personen.437 Hiermit sind für Behörden und Wirtschaftsunternehmen verschiedene Probleme verbunden. So sind selbst Zertifizierungsdiensteanbieter auf die Signierung ihrer Zertifikate unter Pseudonym angewiesen.438 Ferner ist es nicht leicht möglich, Signaturen automatisch zu generieren, etwa als automatisch signierte Empfangsbestätigungen für bei der Behörde eingegangene E-Mails.439 Hierfür muss vielmehr eine auf eine natürliche Person ausgestellte Signaturkarte auf „Dauer433 Zum Begriff des Siegels zur Bezeichnung der Signatur und der Kritik hieran siehe Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 45; er taucht auch in der Begründung, nicht jedoch im Text des 3. VwVfÄndG auf, vgl. BT-Drs. 14/9000, S. 31. 434 BT-Drs. 14/9000, S. 33. 435 Eifert/Schreiber/Stapel-Schulz, Rechtliche Aspekte, S. 11; vgl. § 15 Abs. 1 S. 1 und 3 SigV, hierzu BT-Drs. 14/4662, S. 28 und 30. Zur Biometrie siehe ferner Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 22. 436 Roßnagel, Stellungnahme, unter „Zertifikatinhalte“. 437 Zur Kritik vgl. beispielsweise Roßnagel, Stellungnahme, unter „Zertifikatinhalte“; ders., Signaturgesetz, DuD 1997, S. 79; ders., Zwei Jahre, NJW 1999, S. 1594. Zur Position der SPD siehe BT-Drs. 13/7936, S. 7. 438 Bertsch/Fleisch/Michels, Rahmenbedingungen, DuD 2002, S. 71. 439 Dies nennt als Anwendungsbeispiel die Begründung zum 3. VwVfÄndG, BTDrs. 14/9000, S. 27.

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signieren“ gestellt werden.440 Auch das ist nicht ohne weiteres möglich und stößt beispielsweise bei der im E-Government erwünschten Erreichbarkeit der Behörden „rund um die Uhr“ an Grenzen.441 Die Möglichkeit, Zeichnungsberechtigungen ähnlich wie Vollmachten in Attributzertifikaten abzubilden, wird zwar erwogen,442 doch lassen sich mitunter sehr kurzfristig notwendig werdende Vertretungsregelungen nur schwer mit Hilfe von Attributzertifikaten abbilden.443 Auch erschwert die digitale Abbildung des internen Geschäftsverteilungsplans in den (Attribut-) Zertifikaten der Mitarbeiter eine Restrukturierung der Behörde und das Umsetzen von Mitarbeitern, da eine Änderung von Attributzertifikaten mit zusätzlichen Kosten verbunden ist.444 Zudem lassen Signaturen aufgrund der Bindung des Zertifikats an eine natürliche Person und die Notwendigkeit, in die Signatur die Signaturzeit aufzunehmen, noch Jahre nach der Signierung den betreffenden Mitarbeiter und sein Verhalten am Arbeitsplatz erkennen. Die damit zusammenhängenden datenschutzrechtlichen Fragen sind noch nicht hinreichend erörtert.445 Das entscheidende Faktum ist jedoch die Notwendigkeit, dass auch das der Signatur zugrundeliegende Zertifikat die Behörde erkennen lassen muss, vgl. § 37 Abs. 3 Satz 2 VwVfG. Dies ist nicht allein gesetzliche Vorschrift, sondern auch praktische Notwendigkeit. Für den Bürger ist weniger entscheidend, welcher Beamte für den ihn erreichenden Verwaltungsakt verantwortlich zeichnet, sondern vielmehr, welche Behörde regelnd in sein Leben eingreift. Die Autorität der Entscheidung ruht auf dem Staat und seinen Behörden, nicht auf einzelnen Mitarbeitern, auch wenn diese die Behördenentscheidung letztlich erlassen. Nicht zuletzt erklärt das Gesetz bestimmte Behörden für zuständig. Auch müssen Behörden und ihre Träger sich und ihre Entscheidungen vor Gericht verantworten, nicht der einzelne Mitarbeiter. Dieser ist für den Verwaltungsakt wie für den Empfänger letztlich irrelevant.446 In den klaren Worten des BVerwG: Bei dem „Bescheid einer Behörde [. . .] ist die Person, die den Bescheid unterschreibt, für den Empfänger ohne Bedeutung.“ Wichtig sei allein die Unterschriftsberechtigung des Mitarbeiters.447

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So die Empfehlung der RegTP, FAQ, unter Nr. 18. Aus Sicht der Praxis eindrucksvoll Klinger, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 143. 442 Vgl. Eifert/Schreiber/Stapel-Schulz, Rechtliche Aspekte, S. 15. 443 Hierzu Marbaise, Praxisbeispiel, S. 120. 444 Bovenschulte/Jäger/Viering, Baurecht, S. 71 mit FN 7; vgl. auch Schreiber, Elektronisches Verwalten, S. 151. 445 Marbaise, Praxisbeispiel, S. 120; Mühlberg, Personalvertretung, S. 82. 446 Ebenso Sendler, BGB, NJW 1964, S. 2138: Es kommt „für den Betroffenen entscheidend nur darauf [an], einwandfrei zu erfahren, von welcher Behörde der Verwaltungsakt ausgeht.“ (Hervorhebung im Original). Vgl. auch Schreiber, Elektronisches Verwalten, S. 135, mit dem allerdings zutreffenden Hinweis auf eine mögliche, nach § 20 VwVfG zu beachtende Befangenheit einzelner Behördenmitarbeiter. 447 BVerwGE 45, S. 194 zur Unterschrift unter einem automatisiert gefertigten Einberufungsbescheid. 441

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Die verantwortliche Behörde ist jedoch dem Zertifikat nicht zu entnehmen, wenn nur natürliche Personen einen Signaturschlüssel erhalten können. In der Praxis muss sich mit unzureichenden Umgehungsstrategien beholfen werden. So werden teilweise Attributzertifikate als Möglichkeit diskutiert, in denen die Vertretungsmacht bzw. Zeichnungsberechtigung des Signaturschlüssel-Inhabers deutlich wird.448 Überwiegend jedoch scheinen Pseudonyme der Rettungsanker zu sein: Nach § 5 Abs. 3 Satz 1 SigG können qualifizierte Zertifikate auch auf Pseudonyme ausgestellt sein, die lediglich als solche kenntlich zu machen sind. Genauso wie Zertifikate danach auf Phantasienamen lauten können, ist es möglich, den Zertifikatsinhaber beispielsweise als „Stadt München, Dezernat Jugend (Pseudonym)“ zu bezeichnen. Der Inhaber des Zertifikats wäre ein zuständiger Mitarbeiter der genannten Behörde, dieser wäre Vertragspartner des Zertifizierungsdiensteanbieters und Signaturschlüssel-Inhaber. Die RegTP beispielsweise empfiehlt Unternehmen und Behörden, die auf sie lautende qualifizierte Signaturen für erforderlich halten, ein derartiges Vorgehen.449 Sie selbst benutzt für die Signierung zur Zertifizierung akkreditierter Zertifizierungsdiensteanbieter ein Pseudonym, wie auch diese Pseudonyme zur Signierung ihrer Zertifikate verwenden.450 Auch Kommunen und Behörden erwägen notgedrungen einen solchen Missbrauch des ursprünglich aus Datenschutzgründen eingeführten Instituts des pseudonymen rechtsverbindlichen Handelns.451 Dem hat sich der Gesetzgeber des 3. VwVfÄndG gebeugt, der ebenfalls von der Notwendigkeit pseudonymer Behördenzertifikate ausgeht, und in der Begründung das bereits erwähnte Beispiel des Pseudonyms „Stadt München, Dezernat Jugend“ anführt. d) Bewertung Die Regelung des § 3a Abs. 2 Satz 3 VwVfG ist eine nicht nur in Voraussetzungen wie Rechtsfolge nebulöse, sondern darüber hinaus unnötige und letztlich schädliche Vorschrift. Die Nutzung von Pseudonymen durch Behörden ist allgemein abzulehnen. Ihre Verwendung kann das Vertrauen der Empfänger in die Authentizität behördlicher Nachrichten nur bedingt sichern, wird doch aus jedem Zertifikat zu Recht sofort ersichtlich, dass der Inhaber des Signaturschlüssels entgegen den Angaben im Zertifikat nicht die „Stadt München, Dezernat Jugend“ ist, sondern ein explizit Unbekannter. So werden Verantwortlichkeit und Verantwortung simuliert, ohne dass Vertrauen stimuliert würde. 448

Vgl. Schreiber, Elektronisches Verwalten, S. 143 ff. RegTP, FAQ, unter Nr. 19. 450 RegTP, FAQ, unter Nr. 19. 451 Deutscher Städtetag, Signatur, S. 72; Eifert/Schreiber/Stapel-Schulz, Rechtliche Aspekte, S. 14; Siegfried, Verwaltungsbezogene Aspekte, S. 31; ebenso Schreiber, Elektronisches Verwalten, S. 153 ff., besonders S. 159; deutliche, berechtigte Kritik bei Bertsch/Fleisch/Michels, Rahmenbedingungen, DuD 2002, S. 71. 449

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

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Auch die mögliche Nachfrage beim Zertifizierungsdiensteanbieter nach der wahren Identität des Signaturschlüssel-Inhabers ist diesbezüglich kaum hilfreich, da dieser so – die nach § 14 Abs. 1 Satz 3 SigG erforderliche Einwilligung in die Offenbarung seiner Identität vorausgesetzt – zwar als Person identifizierbar wird, es jedoch wie gezeigt dem Bürger um die Behörde geht, nicht um den einzelnen Mitarbeiter. Bereits aus Gründen der notwendigen Transparenz ist ein „Verstecken“ hinter Pseudonymen wenig geeignet, die weite Verbreitung von E-Government-Anwendungen zu unterstützen.452 Zum Erreichen des vom Gesetzgeber verfolgten Ziels, Behörden das Auftreten im elektronischen Rechtsverkehr unter ihrem Namen zu ermöglichen, ist die ausdrückliche Zulassung von qualifizierten Behördensignaturen erforderlich. Dies macht den Aufbau einer nicht dem Signaturgesetz unterliegenden Verwaltungs-PKI notwendig.453 Hinsichtlich des pseudonymen Auftretens des Bürgers auch der Verwaltung gegenüber können diese Bedenken hingegen nicht greifen. Für den Bürger ist das Verwenden eines Pseudonyms ein wirksames Mittel des System- und Selbstdatenschutzes. Es dient dem im modernen Datenschutzrecht allgemein verfolgten Ziel des Datenschutzes durch Datenvermeidung und Datensparsamkeit: Ohne Verknüpfungsmöglichkeit von Pseudonym und bürgerlicher Identität fallen auf Seiten des Diensteanbieters bzw. der Behörde personenbezogene Daten nicht erst an, so dass diese auch nicht missbraucht werden können. Vorschriften zur Behandlung, Geheimhaltung und Löschung dieser Daten werden überflüssig.454 Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung kann daher durch eine auf Datenvermeidung angelegte Technikgestaltung in besonders effektiver Weise verwirklicht werden. Die gesetzgeberische Geringschätzung des Wunsches der Bürger, im elektronischen Rechtsverkehr so wenig Datenspuren wie möglich zu hinterlassen und die Erstellung von Benutzerprofilen zu erschweren, ist angesichts der verfassungsrechtlichen Vorgaben bedauerlich. Auch im Verkehr mit Behörden nämlich kann es durchaus Fälle geben, in denen die Identität des Betroffenen weder – wie etwa bei Auskünften – gänzlich irrelevant ist und daher anonymes Handeln genügt, noch es tatsächlich auf diese Identität ankommt. Als Beispiel sei die gebührenpflichtige einfache Auskunft aus dem Melderegister genannt, für die die Identität des Anfragenden nur insoweit von Interesse ist, als die Auskunftserteilung vom Zahlen der Gebühr abhängig ist, die Auskunft also nur demjenigen offenbart werden muss und sollte, der als Gebührenzahler identifi452

Nedden, Datenschutz, S. 113. Hierzu ausführlich unten § 52 Die behördliche Zertifizierungsinfrastruktur, S. 301. 454 Roßnagel/Scholz, Anonymität, MMR 2000, S. 721 f. mit umfangreichen Nachweisen; ebenso Schreiber, Elektronisches Verwalten, S. 62, 139 und 157 f. 453

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

zierbar ist.455 Hierbei kommt es auf die Person des Anfragenden selbst nicht an, so dass auch pseudonymes Handeln möglich wäre, etwa durch vorheriges Einzahlen der Gebühr oder Zahlung mit einer anonymen Geldkarte im Rahmen des Auskunftsverfahrens.456 Technisch und praktisch durchaus mögliche pseudonyme Verfahren werden jedoch durch das Verbot des § 3a Abs. 2 Satz 3 VwVfG verhindert. Das Verbot der Verwendung von Pseudonymen ist zudem unnötig. Es besteht keinerlei Anlass zur Befürchtung, die Verwaltung werde bei Öffnung ihrer Kommunikationskanäle auch für elektronische Nachrichten mit pseudonym signierten Nachrichten überschwemmt und damit in ihrer eigentlichen Aufgabenerfüllung behindert. Hierfür wäre eine viel weitergehende Verbreitung der Signaturtechnik erforderlich, als sie bislang gegeben und auch nur mittelfristig abzusehen ist. Ferner ist die Signierung elektronischer Nachrichten mit einem gewissen Aufwand verbunden, der bereits für sich hinreichend von derartigen Possen abschrecken dürfte. Die Nichterfüllung von Formvorschriften ist als Sanktion ohnehin nur wenig geeignet, eine „missbräuchliche Inanspruchnahme der Verwaltung“ zu verhindern. Effektiver wäre diesbezüglich die Forderung eines Gebührenvorschusses, wie in der Literatur vorgeschlagen.457 Doch auch bei bewusst an die Verwaltung gerichteten Anträgen erscheint das damit mittelbar ausgesprochene Verbot pseudonymen Auftretens unnötig. Bereits jetzt erfordert etwa ein Antrag neben der Nennung des Antragszieles und der Behörde die genaue Bestimmung des Antragstellers mit Namen und Adresse.458 Allerdings sind „Formalismus und Wortklauberei“ unangebracht, weswegen auch Pseudonyme genügen, wenn nur „klar ist, wer gemeint ist“ – beim Antrag genauso wie beim daraufhin ergehenden Verwaltungsakt.459 Bereits ohne die Norm des § 3a Abs. 2 Satz 3 VwVfG gibt es damit hinreichende Möglichkeiten, die befürchtete „missbräuchliche Inanspruchnahme der Verwaltung“ zu verhindern, bei denen letztlich sogar die gleichen Maßstäbe angelegt werden wie sie offenbar vom Gesetzgeber gewollt sind. Darauf hatte die Bundesrechtsanwaltskammer bereits während des Gesetzgebungsverfahrens in ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf hingewiesen: „Es ist nachvollziehbar, dass die Verwaltung keine Anträge unter Pseudonym bearbeiten möchte. Allerdings stellt die Antragstellung unter Pseudonym keine spezifische Besonderheit des 455 § 21 Abs. 1, 1a MRRG. Zur elektronischen Melderegisterauskunft siehe ferner Roßnagel/Yildirim, Online-Melderegisterauskunft, DuD 2002, S. 611; Sporleder, Melderegisterauskunft, S. 128 ff. 456 Zu möglichen Gestaltungsvarianten siehe Sporleder, Melderegisterauskunft, S. 128 f.; andere Beispiele für pseudonym mögliche Verfahren bei Nedden, Datenschutz, S. 113. 457 Schreiber, Elektronisches Verwalten, S. 120 f. 458 P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 22 VwVfG Rdnr. 45. 459 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 15.

10. Kap.: Elektronische Dokumente und die Schriftform

235

elektronischen Rechtsverkehrs dar. Sollte tatsächlich ein Antrag oder ein anderes Dokument unter Pseudonym bei der Verwaltung eingereicht werden, ist dieses genauso zu behandeln, wie ein auf Papier eingereichtes gleichlautendes Dokument unter Pseudonym. Eine unter dem Aspekt von Formvorschriften zu behandelnde Besonderheit gibt es dabei nicht.“ Für den Fall, dass die Identität des Bürgers in einem Verwaltungsverfahren von Relevanz ist, „bestehen keine Bedenken dagegen, dieses Dokument als formwirksame elektronische Erklärung einer inhaltsgleichen schriftlichen Erklärung gleich zu ordnen. Beide Erklärungen erfüllen aus materiellen Gründen nicht die Anforderungen an einen wirksamen Antrag. Es gibt keinen Grund, dies (nur) bei elektronischen Erklärungen noch ein weiteres Mal zusätzlich zu regeln.“460 Auf diese Kritik ist der Gesetzgeber nicht weiter eingegangen. Die Zulassung derjenigen Pseudonyme, die die Identifizierung des Signaturschlüssel-Inhabers ermöglichen, verkompliziert die Frage lediglich. Schließlich ist das Verbot in seiner jetzigen Form und der ihm vom Gesetzgeber zugedachten Auslegung nicht geeignet, Rechtssicherheit zu schaffen. Wenn für die Erfüllung einer Formvorschrift für relevant erachtet wird, ob der zur Signierung der Nachricht verwendete Name hinreichende Verkehrsgeltung genießt, um seinen Träger mindestens ebenso gut wie sein bürgerlicher Name zu identifizieren, so stellt dies den Sinn einer Formvorschrift auf den Kopf, mit einfachen Mitteln die Erfüllung der mit ihr verfolgten Ziele sicherstellen und überprüfen zu können. Die Frage nämlich, ob das zur Signierung verwendete Pseudonym den Signaturschlüssel-Inhaber erkennen lässt, ist weder der Erklärung selbst, noch der Signatur oder dem Zertifikat zu entnehmen, und bedarf letztlich der gerichtlichen Klärung. Bis dahin schwebt das Damoklesschwert der Formwidrigkeit über allen Erklärungen, die der Signaturschlüssel-Inhaber im Vertrauen auf die weitreichende Bekanntheit seines Pseudonyms signiert hat. Deutlicher als dieses nur versteckte Verbot privater Pseudonyme ist die Regelung des § 87a Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 AO, die Privaten die pseudonyme Signierung generell verbietet, jedoch keine weitergehenden Anforderungen an behördliche Zertifikate stellt und damit dort e contrario Pseudonyme zulässt. Auch ließe die oben vorgeschlagene Auslegung, die nicht nach der Qualität des Pseudonyms und der Angemessenheit der Gründe fragt, die den SignaturschlüsselInhaber zur Pseudonymverwendung bewegen, sondern die Identifizierbarkeit entsprechend § 14 Abs. 2 SigG zum Maßstab nimmt, zumindest die mit dem gesetzgeberischen Verständnis verbundene Unsicherheit entfallen. Diese lässt sich nur schwer mit Formvorschriften vereinbaren. Die prinzipielle Geringachtung pseudonymen Auftretens gegenüber der Behörde kann jedoch auch die hier vorgeschlagene Auslegung nur dann ablegen, wenn das Verbot zusätzlich auf diejenigen Verfahren beschränkt wird, in denen es auf die Identität des 460

BRAK, Stellungnahme, S. 3 f. (Klammerzusatz im Original).

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Signaturschlüssel-Inhabers ankommt. Dies kann im Weg der teleologischen Auslegung geschehen, wenn als telos der Norm das Bemühen verstanden wird, die missbräuchliche Inanspruchnahme der Verwaltung zu verhindern. Solches steht nicht in Rede, wenn die tatsächliche Identität des Bürgers letztlich irrelevant ist und nur seine Zuordnung zu einer bestimmten Gruppe oder etwa zu einer Geldzahlung von Bedeutung ist, so dass in einem solchen Fall das Verbot unnötig und mithin pseudonymes Handeln zulässig wäre. Die Vorschrift des § 3a Abs. 2 Satz 3 ist unklar, überflüssig und schädlich. Die vorgenommene Differenzierung ist eine Folge der unnötigen Bindung an das Signaturgesetz. Im Rahmen der unten näher erläuterten461 vorgeschlagenen Regelung einer behördeneigenen Zertifizierungsinfrastruktur sollte die Norm ersatzlos gestrichen werden. e) Fazit Die qualifizierte elektronische Form des § 3a Abs. 2 VwVfG erfordert die Verwendung einer Signatur, deren Zertifikat den bürgerlichen Namen des Signaturschlüssel-Inhabers trägt oder ein Pseudonym, das seine Identifizierung ermöglicht. Nach der Vorstellung des Gesetzgebers ist dies bei sachlichen, eine Behörde nennenden Bezeichnungen stets gegeben, ebenfalls bei solchen Pseudonymen, die etwa aufgrund allgemeiner Bekanntheit ohne weiteres auf eine bestimmte Person hindeuten; andere Pseudonyme seien dagegen auszuschließen. Die aus dem Gesetzeswortlaut nicht deutlich werdende Abgrenzung des Gesetzgebers ist wegen der hierdurch provozierten Unsicherheit über die Formgültigkeit elektronischer Nachrichten sowie wegen der Unverhältnismäßigkeit des Gebots nicht geeignet, zulässige von unzulässigen Pseudonymen zu scheiden. Notwendig sind vielmehr eine Beurteilung der Aufdeckbarkeit entsprechend § 14 Abs. 1 SigG, mithin danach, ob eine Einwilligungserklärung des Betroffenen oder ein den Namen enthaltendes Attributzertifikat vorliegt, sowie eine teleologische Reduktion des Pseudonymverbots auf diejenigen Verfahren, die eine Identifizierung des Betroffenen erforderlich machen. Auf Behördenseite ist de lege lata die Verwendung von Attributzertifikaten anzuraten, sowie de lege ferenda der Aufbau einer nicht dem Signaturgesetz unterfallenden, behördeneigenen PKI.

461

§ 52 IV. Vorteile einer eigenständigen Zertifizierungsinfrastruktur, S. 316.

11. Kap.: Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten

237

Kapitel 11

Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten Behördliche Entscheidungen, namentlich Verwaltungsakte, müssen dem Betroffenen bekannt gegeben werden, sollen sie ihm gegenüber rechtlich existent oder wirksam werden, § 43 Abs. 1 Satz 1 VwVfG.462 Diese Voraussetzung relativiert die einseitige Rechtskonkretisierungs- und -setzungsbefugnis der Verwaltung gegenüber dem Bürger und ermöglicht diesem neben der Vergewisserung über den Umfang seiner Rechte und Pflichten auch die Wahrnehmung ihm zustehender Rechtsmittel. Das Erfordernis der Bekanntgabe ist Ausfluss und Ausdruck des Rechtsstaatsprinzips; auch gesetzlich fundierte Ausnahmen sind nur in engen Grenzen möglich.463 Bekanntgabe bedeutet hierbei die vom Bekanntgabewillen der Behörde getragene ordnungsgemäße Eröffnung des Inhalts des Verwaltungsaktes gegenüber dem Bürger. Eine besondere Form der Bekanntgabe ist die Zustellung zumeist wesentlicher Entscheidungen wie beispielsweise der das förmliche Verfahren abschließenden Verwaltungsakte, § 69 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, der Widerspruchsbescheide, § 73 Abs. 3 Satz 1 VwGO, und etwa Entscheidungen nach dem Wehrpflichtgesetz, § 44 Abs. 1 Satz 2 WPflG. Die Zustellung stellt aufgrund der stark formalisierten Verfahrensgestaltung den Zugang der Erklärung ebenso sicher wie sie den sicheren Nachweis hierüber ermöglicht. In Fällen, in denen eine individuelle Bekanntgabe untunlich oder unmöglich ist, eröffnet das Gesetz ferner die Möglichkeit der öffentlichen Bekanntgabe der Entscheidung in „ortsüblicher“ Form, etwa durch Publikation im Amtsblatt oder in Tageszeitungen oder durch Aushang im Rathaus.464 Schriftliche und anders perpetuierte Behördenentscheidungen müssen dem Empfänger grundsätzlich zugehen. Zur Bestimmung des Zugangszeitpunktes wird regelmäßig auf § 130 BGB und die hierzu entwickelten Abgrenzungen zurückgegriffen, da es sich bei einem Verwaltungsakt letztlich um eine behördliche Willenserklärung handele.465 Damit genügt bei diesen Verwaltungsakten im Ergebnis die zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme, während die Kenntnisnahme selbst nicht Voraussetzung der ordnungsgemäßen Bekanntgabe 462 Zur Begrifflichkeit siehe Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 43 VwVfG Rdnr. 154 ff.; Maurer, Verwaltungsrecht, § 9 Rdnr. 66. 463 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 1 und 74 f.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 43 VwVfG Rdnr. 165 f.; ähnlich Maurer, Verwaltungsrecht, § 9 Rdnr. 65: Es ginge „rechtsstaatlich nicht [an], dass jemand durch einen ihm überhaupt nicht bekanntgegebenen Verwaltungsakt verpflichtet wird.“ 464 Maurer, Verwaltungsrecht, § 9 Rdnr. 71; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 85a. 465 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 4a; ebenso Maurer, Verwaltungsrecht, § 9 Rdnr. 69.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

ist.466 Für Behördenentscheidungen ohne Verwaltungsakt-Qualität wird generell die analoge Anwendung von § 130 BGB empfohlen.467 Die Vorschrift ist auch flexibel genug, um Aussagen zum Zugang elektronischer Nachrichten zu ermöglichen, zu dem es an näheren Regelungen im Verwaltungsrecht mangelt. Auch das 3. VwVfÄndG trifft hierzu keine besonderen Bestimmungen.468 Zwar erstreckt es die Zugangsfiktion des § 41 Abs. 2 VwVfG auch auf elektronisch übermittelte Verwaltungsakte, doch erübrigt diese nicht die Bestimmung des Zugangszeitpunktes, gilt doch im Zweifel der spätere tatsächliche Zeitpunkt des Zugangs, und hat die Behörde bei Unklarheiten den Zugang und dessen Zeitpunkt nachzuweisen, § 41 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Entsprechendes gilt für den Zugang elektronischer Nachrichten bei Bürgern ohne Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, die keinen inländischen Empfangsbevollmächtigten bestellt haben, § 15 VwVfG. Die Frage des Zugangs bleibt damit näher zu bestimmen. Sie wird dadurch verkompliziert, dass auch die Bereitschaft zur Beteiligung an der elektronischen Kommunikation durch das 3. VwVfÄndG als Frage der Zugangseröffnung aufgefasst und behandelt wird. Hinzu kommen die Fragen interoperabler Dateiformate, die einen Zugang unter Umständen ausschließen können, und nach § 3a Abs. 3 VwVfG verschiedene Pflichten der Behörde begründen. Hinsichtlich der öffentlichen Bekanntmachung ist zu untersuchen, ob das Internet als „ortsübliches“ Bekanntgabemedium aufgefasst werden kann und wie gegebenenfalls die derartige Bekanntgabe auszugestalten wäre.

§ 39 Bereitschaft des Empfängers I. Kein Zwang zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr Die für die elektronische Kommunikation erforderliche technische Ausstattung ist bislang ebenso wenig flächendeckend vorhanden wie auch nur die Bereitschaft, die Segnungen moderner Bürokommunikation für rechtsgeschäftliches Handeln zu nutzen und hierfür beträchtliche finanzielle, personelle und intellektuelle Ressourcen zu binden. Es besteht die Möglichkeit der Überforderung der Bürger wie der Behörden gleichermaßen, sollte die Einführung der neuen Techniken mit irgendeinem Zwang zu ihrer Nutzung verbunden sein. Bereits während der Gesetzgebung zum Formgesetz befürchtete der Bundesrat, dass durch die Zulassung der elektronischen Form zur Erfüllung der Schriftform in § 126 Abs. 3 BGB einem Teilnehmer am Rechtsverkehr die elektronische Form gegen seinen Willen aufgedrängt werden könnte. Er sprach sich für 466 467 468

P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 14. P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 3a. BT-Drs. 14/9000, S. 32.

11. Kap.: Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten

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eine notwendige Vereinbarung zum Gebrauch der elektronischen Form zwischen den Beteiligten aus.469 Die Bundesregierung teilte die Bedenken des Bundesrates, sah sie jedoch bei der von ihr vorgeschlagenen Gesetzesfassung hinreichend berücksichtigt.470 Der Rechtsausschuss des Bundestages diskutierte das Problem ebenfalls und betonte, dass allein das Innehaben einer E-Mail-Adresse ebenso wenig auf die Bereitschaft zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr schließen lasse wie der einmalige Abschluss eines Geschäftes per E-Mail. Anlass zur Regelung dieser Frage sah er jedoch nicht.471 Etwa zu dieser Zeit wurde ebenfalls eine mögliche behördliche Verpflichtung zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr diskutiert, wobei auf eine wahrscheinliche Überforderung vor allem kleinerer Behörden hingewiesen wurde.472 Die Regelung dieses Komplexes war daher ein wesentliches Anliegen des Gesetzentwurfs zum 3. VwVfÄndG, der bereits in seiner ersten Fassung mit § 3a Abs. 1 VwVfG die elektronische Kommunikation von einer Zugangseröffnung durch die Beteiligten abhängig machte. Der Inhalt dieser Voraussetzung wird auch durch die Gesetzesbegründung nicht näher konkretisiert, es wird vielmehr sowohl auf die „Widmung“ durch den Empfänger wie auch auf die für maßgeblich erklärte Verkehrsanschauung abgestellt.473 In den nachfolgend angeführten Beispielen ist es ebenfalls kein mehr oder weniger formaler Akt der Widmung, und auch nicht eine mehr oder weniger deutliche Verabredung der Kommunikationsteilnehmer, sondern die berechtigte Erwartung Dritter, die über die Zulässigkeit elektronischer Kommunikation zu entscheiden scheint: Während danach Behörden, Firmen und Rechtsanwälte mit der Angabe einer EMail-Adresse die Zugangseröffnung bekunden und Gegenteiliges ausdrücklich erklären müssen, sei dies bei Bürgern nicht der Fall, bei denen hieraus nicht auf die Bereitschaft zur Entgegennahme rechtsverbindlicher Erklärungen geschlossen werden kann.474 Wesentlich ist hierbei die deutlich werdende Gleichbehandlung von Bürgern und Behörden dahingehend, dass in keine Richtung ein rechtlicher oder auch nur faktischer Zwang zur Nutzung moderner Kommunikationsmittel ausgeübt werden soll. Doch zeigen die Beispiele, dass Behörden die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr im Zweifel eher zugemutet wird als Bürgern; ebenso wird bei Kaufleuten und Freiberuflern die Verbreitung der hierfür erforderlichen 469 Stellungnahme des Bundesrats, BT-Drs. 14/4987, S. 34 f. – Zu Artikel 1 Nr. 2 Buchstabe a (§ 126 Abs. 3 BGB). 470 Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 14/4987, S. 41 f. – Zu Nummer 10. 471 Stellungnahme und Bericht des Rechtsausschusses, BT-Drs. 14/5661, S. 19. 472 Vgl. Rosenbach, BGB, NWVBl. 2000, S. 162 f.; Eifert/Schreiber, Zugang, MMR 2000, S. 341; Schmitz, Moderner Staat, NVwZ 2000, S. 1243. 473 BT-Drs. 14/9000, S. 30 f. 474 BT-Drs. 14/9000, S. 31; Kopp/Ramsauer, § 3a VwVfG Rdnr. 11.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Technik und die Bereitschaft sie einzusetzen eher angenommen als bei Privatleuten.475 Insofern wird die von § 130 BGB bekannte Differenzierung zwischen professionellen Teilnehmern am Rechtsverkehr und Privatleuten auch für die Frage der Bereitschaft zur Entgegennahme elektronischer Nachrichten fruchtbar gemacht,476 wie auch in der Literatur vorgeschlagen worden war.477 Als Ergebnis ist festzuhalten: Es besteht kein Zwang zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr, weder auf Seiten des Bürgers noch auf Seiten der Behörde. Jeder einzelne Beteiligte hat seine Bereitschaft zur Teilnahme ausdrücklich oder konkludent zu erklären; auch die Verwaltung ist hierbei nur an die Grenzen des Ermessens gebunden.478 II. Maßgebliche Verkehrsanschauung Bereits die ersten Fassungen des § 3a Abs. 1 VwVfG-E gingen von der Maßgeblichkeit der Verkehrsanschauung für die Frage aus, ob der Zugang für elektronische Dokumente eröffnet ist.479 Die nunmehr Gesetz gewordene Formulierung wurde jedoch im Laufe der Gesetzgebung durch den Bundesrat als zu unbestimmt kritisiert. In seiner Stellungnahme zum Entwurf wies er die auch von der Gesetzesbegründung vertretene Auffassung zurück, bereits das öffentliche Auftreten unter Verwendung einer E-Mail-Adresse genüge bei Behörden, Firmen und Selbständigen für die Annahme der Zugangseröffnung auch für signierte Nachrichten. Er verwies auf die kaum vorhandene Verbreitung der Signaturtechnologie und die Inkompatibilitäten der auf dem Markt befindlichen Signaturprodukte, die die Schaffung einer einheitlichen Signaturinfrastruktur unmöglich mache. Da vor der Aufnahme elektronischer Kommunikation bis auf weiteres sowieso jeweils erheblicher Abstimmungsbedarf bestünde, sollte die Formulierung des § 3a Abs. 1 VwVfG dies durch das Erfordernis der Zustimmung zur elektronischen Kommunikation klarstellen.480 Die Bundesregierung trat dieser Kritik insbesondere mit dem Hinweis entgegen, dass das Erfordernis einer jeweilig einzuholenden Zustimmung zu erheblichem Verwaltungsaufwand führen würde. Die Zustimmung müsste zudem jeweils aufwendig dokumentiert werden. Dadurch würde die auch schon jetzt mögliche „einfache“ elektronische 475

Kopp/Ramsauer, § 3a VwVfG Rdnr. 12. Vgl. MünchKomm/Einsele, § 130 BGB Rdnr. 18. 477 Skrobotz, Elektronischer Verwaltungsakt, JurPC 86/2002, Abs. 45. 478 Kopp/Ramsauer, § 3a VwVfG Rdnr. 8, der jedoch auch eine Pflicht einzelner Behörden zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr erwägt, sobald dieser allgemein üblich und der Verweis des Bürgers auf herkömmliche Kommunikationsmittel (deshalb) unzumutbar sei. 479 Vgl. bereits die Begründung zur Magdeburger Fassung vom November 2000 zu § 3a Abs. 1 VwVfG-E. 480 Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 14/9259, S. 1 f. 476

11. Kap.: Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten

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Kommunikation ohne Einsatz von Signaturverfahren unnötig erschwert. Schließlich sei die durch den Gesetzentwurf vorgeschlagene Formulierung entwicklungsoffen und vermeide gegebenenfalls erforderlich werdende Anpassungen.481 Im weiteren Verlauf der Gesetzgebung kam die Frage nicht mehr zur Sprache.482 Die Gegenäußerung der Bundesregierung zeigt jedoch, dass diese die grundsätzlichen Bedenken des Bundesrates teilte, dass eine vorschnelle Annahme der Zugangseröffnung zu einer Überforderung der gegen ihren Willen in den elektronischen Rechtsverkehr hineingezogenen Kommunikationspartner führen kann. Anders als dieser stellt die Bundesregierung jedoch nicht auf eine gegebenenfalls im Einzelfall nachzuweisende Zustimmung ab, die indes auch konkludent erteilt werden könnte, sondern möchte die Zugangseröffnung vor allem von der Verkehrsanschauung abhängig machen, die sich allerdings noch nicht hinreichend entwickelt habe. Doch sei die „einfache“ elektronische Kommunikation bereits jetzt in vielen Fällen möglich, wo signierte Nachrichten noch unüblich seien.483 Angesichts der Gesetz gewordenen Fassung der Bundesregierung ist für die Zugangseröffnung die aus Sicht des jeweiligen Absenders zu beurteilende, die Verkehrsanschauung berücksichtigende Widmung des Kommunikationsweges zur Entgegennahme rechtsverbindlicher Erklärungen erforderlich.484 Bei der Bestimmung des danach maßgeblichen Empfängerhorizonts ist zu berücksichtigen, dass die regelmäßig mit erheblichen Kosten verbundene Vorhaltung elektronischer Kommunikationseinrichtungen durch Private nicht automatisch auch Behörden zur Übermittlung rechtsverbindlicher Erklärungen dienen soll. Ebenfalls ist die erhöhte Störanfälligkeit technischer Übermittlungswege in Betracht zu ziehen.485 Teilweise wird daher jedenfalls für den Zugang von Verwaltungsakten auf elektronischem Weg die Zugangseröffnung in Bezug auf ein bestimmtes Verwaltungsverfahren und damit letztlich in Bezug auf einen konkreten Verwaltungsakt einer konkreten Behörde für erforderlich gehalten.486 Das Interesse des Bürgers, behördliche Bescheide mögen ihm als Schriftstücke und nicht lediglich virtuell zugehen, sei dieser Auffassung zufolge grundsätzlich anzuerkennen, weswegen Ausnahmen der besonderen Gestattung bedürften.487 Ein derart en481

Gegenäußerung der Bundesregierung, BT-Drs. 14/9259, S. 5. Vgl. den Bericht des Innenausschusses des Bundestags, BT-Drs. 14/9418; zur fehlenden Debatte im Plenum des Bundestags siehe BT-Prot. 14/242, S. 24239 f.; zur fehlenden Debatte im Bundesrat siehe BR-Prot. 778, S. 393. 483 BT-Drs. 14/9259, S. 5. 484 Ebenso Kopp/Ramsauer, § 3a VwVfG Rdnr. 7. Die Voraussetzung des bloßen Vorhandenseins eines solchen Kommunikationsweges mag „objektive Zugangsvoraussetzung“ genannt werden (so Roßnagel, Verwaltungsverfahren, NJW 2003, S. 472), doch ist mit dieser beeindruckenden Bezeichnung angesichts ihrer Selbstverständlichkeit kaum ein Erkenntnisgewinn verbunden. 485 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 14b. 486 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 14c. 482

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

ges Verständnis der Zugangseröffnung erschwert indes die elektronische Kommunikation möglicherweise zu sehr, und sollte einer variablen, den Beteiligten und dem Gegenstand der Kommunikation angepassten Betrachtungsweise weichen. Das Abstellen auf die Verkehrsanschauung muss auch nicht zu einer Verringerung des Schutzes des Empfängers und zu seiner Überrumpelung führen, wenn nur die Anforderungen an die „Verkehrsanschauung“ voraussetzungsvoll genug sind. Hierbei kann auf den Status des Empfängers als Privatmann oder als „professioneller“ Teilnehmer am Rechtsverkehr geachtet werden, sein informationstechnisches „Vorverhalten“ berücksichtigt und schließlich auch die Art der zu übermittelnden Nachricht als belastender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung oder bloße informatorische Notiz in Betracht gezogen werden. Richtigerweise ist die jeweils erforderliche Abwägung nicht sehr einfach durchzuführen und sind ihre Voraussetzungen nicht sehr leicht zu formulieren.488 Hierin eine Überforderung der Behörden sehen zu wollen, hieße jedoch die Verwaltung zu unterschätzen. Bereits jetzt erfordert das Verfahrensermessen vielfältige Abwägungen auch im Hinblick auf die im Einzelfall einzusetzenden Kommunikationsmittel.489 III. Angaben zu den Kommunikationswegen und Datenformaten Der durch den Verkehr als solcher verstandene Widmungsakt eröffnet und beschränkt den Zugang elektronischer Nachrichten gemäß der Vorschrift des § 3a Abs. 1 VwVfG gleichermaßen: Danach ist die elektronische Kommunikation zulässig, soweit der Zugang eröffnet wurde. Zum einen wird hiermit die Widmung einer bestimmten E-Mail-Adresse angesprochen. Nicht selten sind beispielsweise Privatleute unter verschiedenen Adressen erreichbar, die nicht alle in gleichem Maß zur Verwendung für den elektronischen Rechtsverkehr geeignet und bestimmt sind. So mag eine auch dienstlich genutzte Adresse regelmäßig abgefragt werden, doch ihre private Nutzung aufgrund arbeitsrechtlicher Beschränkungen ausgeschlossen sein,490 die private E-Mail-Inbox hingegen nur sehr selten überprüft werden und daher zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr nicht geeignet sein. Auch ist es gerade im Hinblick auf die Vielgestaltigkeit elektronischer Nachrichten und die 487

P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 14c. Hieran stört sich beispielsweise Roßnagel, Verwaltungsverfahren, NJW 2003, S. 473. 489 Vgl. P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 10 VwVfG Rdnr. 16; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 4b. 490 Zur arbeitgeberseitigen Gestattung der privaten E-Mail- und Internetnutzung siehe Naujock, Internet-Richtlinien, DuD 2002, S. 592; zur Verwaltung siehe Wohlfahrt, Elektronisch II, RDV 2002, S. 234. 488

11. Kap.: Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten

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mit ihnen verbundene Abhängigkeit von der Technik stets erforderlich, dass der Zugang auch für diese Art elektronischer Nachrichten eröffnet wurde. Die Gesetzesbegründung spricht selbst die Frage signierter Nachrichten an:491 Beim gegenwärtigen Verbreitungsstand elektronischer Signaturverfahren kann nur in den wenigsten Fällen davon ausgegangen werden, dass der Empfänger in der Lage sein wird, signierte Nachrichten auf ihre Authentizität und Integrität zu überprüfen. Die Ersetzung der Schriftform bei formgebundenen Erklärungen durch die elektronische Form wird daher in den meisten Fällen zumindest gegenwärtig noch daran scheitern, dass die Zugangseröffnung für signierte Nachrichten nicht angenommen werden kann. Bei der derzeit fehlenden Interoperabilität der verschiedenen am Markt angebotenen Signaturverfahren ist es zudem möglich, dass eine Zugangseröffnung nur für Signaturen bestimmter Anbieter vorliegt. In Umkehrung des gesetzgeberischen Beispiels ist daher für die Entgegennahme signierter Nachrichten die explizite Zulassung von Signaturen bestimmter Zertifizierungsdiensteanbieter auch bei Behörden, Firmen und Selbständigen zu fordern. Zum anderen kann das soweit ferner so verstanden werden, dass auch eine Beschränkung der Zulassung auf bestimmte Dateiformate möglich ist.492 So kann bereits die Bereitschaft zur Entgegennahme besonders seltener Dateiformate nicht angenommen werden, wenn offenbar die Fähigkeit fehlt, diese zu bearbeiten. Auch die mit der weit verbreiteten Textverarbeitung Microsoft Word erstellten Dateien sind nicht allgemein bearbeitbar. Dies gilt in besonderem Maß für neueste Programmversionen und deren proprietäre Formaterweiterungen. Keiner besonderen Erwähnung hinsichtlich der Zulassung bedarf im Übrigen der fraglos zulässige Selbstschutz der Behörde wie der des Bürgers vor Viren und anderen schädigenden Dateien und Programmen: Die Übersendung virenverseuchter Dokumente ist von vornherein nicht zulässig. Mit ihrem Zugang kann mithin nicht gerechnet werden. § 3a Abs. 1 VwVfG ermächtigt daher Behörden wie Bürger gleichermaßen, dem jeweiligen Kommunikationspartner umfangreiche Vorgaben zu den einzuhaltenden technischen Rahmenbedingungen zu machen.493 Dies bezieht sich sowohl auf die Verfahren, in denen die elektronische Kommunikation insgesamt zugelassen oder ausgeschlossen sein soll, wie auch auf die dabei zu verwendenden Dateiformate und die prüfbaren Signaturen.494 Eine Verpflichtung zu einer 491

BT-Drs. 14/9000, S. 31. Dies erwähnt auch die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/9000, S. 32. 493 Anders Kopp/Ramsauer, § 3a VwVfG Rdnr. 25, der aufgrund eines anderen, letztlich unzutreffenden Verständnisses von Abs. 1 eine implizite Ermächtigung zur Festlegung der Datenformate in Abs. 3 der Vorschrift sieht. 494 Als Beispiele für entsprechende Angaben mögen die Seiten der RegTP dienen, vgl. RegTP, Zugangseröffnung. Zur Zulassung elektronischer Dokumente am BGH und ihrer Formate siehe die nach § 130a Abs. 2 Satz 2 ZPO erlassene Verordnung 492

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

dementsprechenden Information besteht auf Behördenseite, sobald diese einen wie immer gestalteten Internetauftritt unterhält oder anders auf ihre Erreichbarkeit über das Internet hinweist, etwa durch Angabe einer E-Mail-Adresse im Briefkopf. In einem solchen Fall kehrt sich aufgrund der gesetzgeberischen Vermutung die Begründungslast bei Behörden ebenso wie bei Firmen und Selbständigen um: Da diese nicht-privaten Akteure sich mit der Einrichtung der Webseite oder der Kundgabe ihrer E-Mail-Adresse zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr bereit erklärt haben sollen,495 bedarf es keiner expliziten Zulassung elektronischer Kommunikation mehr, sondern vielmehr ihres ausdrücklichen Ausschlusses oder zumindest einer Begrenzung auf bestimmte Verfahren, Handlungsformen oder Formate. Inhaltlich bestehen weder auf Seiten des Bürgers noch auf Seiten der Behörde Beschränkungen hinsichtlich der akzeptierten Dateiformate, ebenso wenig, wie es einen Zwang zur Nutzung bestimmter, etwa besonders gebräuchlicher Formate gibt. Niemand ist daran gehindert, die eigene Kommunikationstechnik nach Belieben einzurichten und zu nutzen. Der jeweilige Absender hat auch schwierig zu erfüllende Vorgaben einzuhalten, wenn er diesen Weg der Kommunikation wählen möchte. Ohne eine gewisse Kooperationsbereitschaft des potentiellen Empfängers wird es folglich zwar nicht zu elektronischen Behördenkontakten kommen. Zur Kooperation verpflichtet ist allein deswegen allerdings niemand. Besonderheiten bestehen indes bei den Signaturverfahren: Weder Bürger noch Behörde können von gesetzlich normierten Formvorschriften abweichen. Ist die Schriftform zu erfüllen, so sind gemäß § 3a Abs. 2 VwVfG nur solche Signaturverfahren zulässig, die qualifiziert im Sinne des Signaturgesetzes sind. Ein Weniger kann daher durch die Behörde nicht gefordert werden; dementsprechend signierte Dokumente können die Schriftform nicht erfüllen. Ebenso wenig kann sie grundsätzlich ein Mehr fordern, etwa nur akkreditierte Signaturen akzeptieren. Möglich ist allerdings die Beschränkung der Zulassung auf einzelne, durch die Verwaltung prüfbare Verfahren. Ebensowenig wie bei den Dateiformaten ist sie zum Vorhalten aller Signaturprüfverfahren verpflichtet. Die Auswahl der vorzuhaltenden Programme unterliegt indes europarechtlichen Schranken, vor denen es als äußerst problematisch erscheint, dass jede einzelne Behörde über die Zulässigkeit bestimmter Signaturverfahren entscheidet, und nicht das Gesetz.496

über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesgerichtshof (ERVVOBGH) vom 26.11.2001, BGBl. I 2001, S. 3225, abgedruckt auch bei Musielak/Stadler, Anhang zu § 130a ZPO. 495 BT-Drs. 14/9000, S. 30 f.; ebenso Kopp/Ramsauer, § 3a VwVfG Rdnr. 12. 496 Ausführlich unten § 39 VI. Europarechtliche Aspekte, S. 248.

11. Kap.: Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten

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Im Ergebnis kann jeder Bürger und jede Behörde die ihm bzw. ihr genehmen Randbedingungen der elektronischen Kommunikation einseitig diktieren. Der damit verbundene Aufwand für potentielle Kommunikationspartner, die sich vor der elektronischen Kontaktaufnahme über die jeweils geltenden technischen Rahmenbedingungen des Adressaten informieren müssen, ist jedoch nicht der Norm, sondern der Vielgestaltigkeit der Technik geschuldet. Die Forderung nach einer stets einzuholenden vorherigen Zustimmung des jeweiligen Kommunikationspartners497 ist zurückzuweisen; eine solche verminderte diesen Aufwand nicht, sondern erhöhte ihn nur für den Fall der offensichtlichen Zulässigkeit elektronischer Kommunikation und vergrößerte ihn damit im Ergebnis.498 Rechtspolitisch mag diese gesetzgeberische Zurückhaltung, die auch als Kapitulation vor der Vielgestaltigkeit der Technik verstanden werden kann, durchaus kritikwürdig sein. Sie leistet der Partikularisierung des elektronischen Rechtsverkehrs in noch stärkerem Maß Vorschub als die Verordnungsermächtigung des § 130a Abs. 2 ZPO, mit der sich der Bundesgesetzgeber seiner Gestaltungsmacht hinsichtlich des elektronischen Zugangs zu den Zivilgerichten zugunsten der Landesjustizverwaltungen begeben hat. Während diese teilweise stark kritisierte499 Vorschrift immerhin landeseinheitliche Vorgaben ermöglicht,500 ist dies mit der Autorisierung jeder einzelnen Behörde zur Festlegung der ihr genehmen Standards nicht einmal der Fall. Auch widerspricht das dem Willen des Gesetzgebers, „bundesweit einheitliche Bedingungen dafür [zu] schaffen, dass Bürger und Verwaltung in allen Fachgebieten und in jeder Verfahrensart elektronische Kommunikationsformen gleichberechtigt neben der Schrift- und der mündlichen Form rechtswirksam verwenden können.“501 Zwecks einer weiten Verbreitung des E-Government ist den betreffenden Behörden vor diesem Hintergrund nur eine liberale Softwarepolitik anzuraten, die so wenige Formate wie möglich ausschließt, und bei der Auswahl der in Frage kommenden Software weitestgehend auf Interoperabilität auch zu anderen Behörden, gerade auch in anderen Ländern und dem Bund, bedacht ist.

497 So Roßnagel, Verwaltungsverfahren, NJW 2003, S. 473, unter Berufung auf den Bundesrat, BT-Drs. 14/9259, S. 1. 498 So bereits die Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung, BT-Drs. 14/9259, S. 5. 499 Vgl. Heinemann, Prozessuale Schriftform, S. 328. 500 Bei Bundesgerichten besteht bereits aufgrund der Natur der Sache je Gericht nur eine und damit zwangsläufig bundeseinheitliche Regelung, vgl. beispielsweise die bereits erwähnte ERVVOBGH; die Partikularisierung besteht hier nur zwischen den verschiedenen Gerichtszweigen. 501 BT-Drs. 14/9000, S. 29.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

IV. Parallelregelungen und Anpassungen des Fachrechts Die Vorschrift des § 3a Abs. 1 VwVfG findet sich wortgleich in den Parallelregelungen der § 36 Abs. 1 SGB I und § 87a Abs. 1 Satz 1 AO. Auch hier bestünde daher dem Gesetzeswortlaut und der Gesetzesbegründung nach weder ein rechtlicher noch ein faktischer Zwang zur Entgegennahme und einer entsprechenden Behandlung elektronischer Nachrichten.502 Gleichwohl sahen sich die Fachressorts zum expliziten Ausschluss elektronischer Kommunikation in diversen Verfahren gedrängt, da sie den tatsächlichen Druck auf Zulassung elektronischer Kommunikation erkannten, der auch mit einem Hinweis auf beispielsweise § 87a AO nur wenig zu mildern ist. Aus diesem Grund wird beispielsweise in § 18 Abs. 1 Grunderwerbssteuergesetz, §§ 7 Abs. 1, 8 Abs. 1, 9 und 10 ErbStDV, § 17 Abs. 3 Außenwirtschaftsverordnung, § 4 Wein-Vergünstigungsverordnung und § 5 der Hopfenbeihilfeverordnung jeweils die elektronische Form ausgeschlossen, um den Finanzämtern unvertretbaren Druckaufwand zu ersparen503 oder die Behörden technisch nicht zu überfordern504 sowie die Arbeitsabläufe nicht zu verkomplizieren.505 Teilweise wird hier die Zulassung elektronischer Kommunikation für die Zukunft erwartet und der jeweiligen Behörde anheim gestellt, mithin die Regelung des § 3a Abs. 1 VwVfG und seiner Parallelnormen in anderer Form wiederholt.506 Der Gesetzgeber scheint damit seinen eigenen Beteuerungen nicht recht zu trauen, doch zeigen sich auch hier nur die Schwierigkeiten einer in vielen Ressorts vorbereiteten Artikelgesetzgebung. V. Rechtsfolgen unzulässiger elektronischer Kommunikation Fraglich ist die Rechtsfolge der genannten Regelungen, da der Wortlaut des § 3a Abs. 1 VwVfG von der „Zulässigkeit“ elektronischer Kommunikation spricht, ohne dies näher zu erläutern. Die Antwort kann sich nur aus dem Zweck der Regelung ergeben, jeden Zwang zur Nutzung elektronischer Kommunikation zu vermeiden, und andererseits jedem die Kommunikation auch auf diesem Weg zu ermöglichen, der dies wünscht.

502 Vgl. BT-Drs. 14/9000, S. 30 (für § 3a Abs. 1 VwVfG), S. 34 (für § 36a Abs. 1 SGB I) und S. 35 f. (für § 87a Abs. 1 Satz 1 AO). 503 BT-Drs. 14/9000, S. 42 f. – zu Artikel 23 Nummer 1 (Grunderwerbssteuergesetz). 504 BT-Drs. 14/9000, S. 44 – zu Artikel 31 Nummern 1, 2, 3 und 4 (EStDV); S. 45 – zu Artikel 36 (Außenwirtschaftsverordnung). 505 BT-Drs. 14/9000, S. 45 – zu Artikel 38 (Wein-Vergünstigungsverordnung); S. 46 – zu Artikel 39 (Verordnung flächendeckende Hopfenbeihilfe). 506 Vgl. BT-Drs. 14/9000, S. 45 f. – zu Artikel 36, 38 und 39.

11. Kap.: Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten

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Bei Einhaltung der vom jeweiligen Adressaten vorgegebenen bzw. dem Verkehr erkennbaren kommunikativen Rahmenbedingungen ist die elektronische Kommunikation als solche möglich. Eingehende Nachrichten können nicht aufgrund ihrer Perpetuierung in elektronischer Form zurückgewiesen werden. Anträge und andere Erklärungen des Bürgers vermögen auch in elektronischer Form ein Verwaltungsverfahren zu initiieren und begründen zumindest ein Verwaltungsrechtsverhältnis mit dementsprechenden Hinweis- und Aufklärungspflichten sowie Handlungspflichten der Verwaltung. Behördliche Erklärungen können Rechte und Pflichten des Bürgers konkretisieren, modifizieren und aufheben; diese Erklärungen können bei der Zulassung dieser Form durch den Adressaten jeweils auch in elektronischer Form übermittelt werden. Fehlt es an der Zulassung, wird es bereits an der technischen Möglichkeit einer derartigen Übermittlung ermangeln. Aus der Unzulässigerklärung der Übermittlung ergibt sich zudem ein Verbot dieser Form, welches sich mangels Sanktion indes nur an die Verwaltung richtet. Unzulässigerweise in elektronischer Form übermittelte Erklärungen gehen nicht zu. Dies kann entweder im Zirkelschluss aus der „fehlenden Zugangseröffnung“ gefolgert oder vielmehr damit begründet werden, dass für den Zugang das Gelangen der Nachricht in den Machtbereich des Empfängers erforderlich ist, zu dem nur solche Vorrichtungen gehören, die der Empfänger aus Sicht des Verkehrs als Empfangsvorrichtungen vorhält.507 Die damit nicht zugegangenen Nachrichten können keine Rechtswirkungen auslösen. Es besteht keine Pflicht des Empfängers zur Beachtung der Erklärung in irgendeiner Hinsicht, er muss sie nicht zurücksenden und nicht aufbewahren, sie können keine Fristen auslösen oder einhalten, und aus ihnen kann keine Pflicht zur Information des Absenders über das Fehlen der offenbar angenommenen Zugangseröffnung hergeleitet werden. Nur bei der Behandlung unzulässigerweise übermittelter Erklärungen als nicht existent kann das Anliegen des Gesetzgebers verwirklicht werden, jeglichen Zwang zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr zu vermeiden, sei er rechtlicher oder faktischer Art.508 Problemlos zulässig ist mithin auch das Löschen von Dokumenten, bei denen ein Virenbefall nicht ausgeschlossen werden kann: Mangels Zugangseröffnung für derartige Dateien besteht keine Pflicht zur Entgegennahme und im Gegenschluss ein Recht zur Vernichtung.509 Eine Hinweispflicht des Adressaten auf die Unzulässigkeit elektronischer Kommunikation kann sich jedoch anderweitig ergeben, etwa aus einem anders 507 Näher Ultsch, Zugangsprobleme, NJW 1997, S. 3007 f. Siehe auch P. Stelkens/ U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 14b. Die Frage der Widmung versteht ebenfalls als eine solche des Machtbereiches MünchKomm/Einsele, § 130 BGB Rdnr. 18. 508 BT-Drs. 14/9000, S. 30 und 34 ff. 509 Im Ergebnis für das schweizerische Recht entsprechend Bock, eGovernment, S. 163.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

als durch die unzulässige elektronische Kontaktaufnahme begründeten Verwaltungsrechtsverhältnis zwischen den Parteien.510 Ebenfalls unabhängig vom Zugang der elektronischen Nachricht ist die Hinweispflicht der Verwaltung aus § 3a Abs. 3 VwVfG.511 VI. Europarechtliche Aspekte Obwohl der Europäischen Union keine generelle Kompetenz zur Regelung des allgemeinen Verwaltungsrechts zukommt, bestehen doch vielfältige Einflüsse des europäischen Rechts auf den hier untersuchten Bereich des elektronischen Verwaltungsverfahrens. In erster Linie ist dabei die Signaturrichtlinie zu erwähnen, die Vorgaben zu den Rechtswirkungen elektronischer Signaturen macht. Ebenso wie der Bürger ist die Verwaltung zur Entgegennahme elektronischer Nachrichten, signiert oder nicht, nur verpflichtet, wenn sie den Zugang hierfür eröffnet hat, § 3a Abs. 1 VwVfG. Jede Behörde entscheidet daher eigenständig über die Zulässigkeit elektronischer Kommunikation und die damit gegebene Möglichkeit, die Schriftform mit signierten Nachrichten zu erfüllen. Ein Anspruch des Bürgers auf einen elektronischen Zugang zur Verwaltung besteht mithin grundsätzlich nicht, sondern allein im von der Behörde gesteckten Rahmen. Die Gleichstellung elektronischer Signaturen mit der herkömmlichen Unterschrift im jeweiligen Verfahren ist daher faktisch dem Belieben der Behörde unterworfen. Es ist fraglich, ob diese gesetzliche Regelung den Vorgaben der Signaturrichtlinie 1999/93/EG entspricht. Nach deren Art. 5 Abs. 1 lit. a) haben die Mitgliedsstaaten dafür Sorge zu tragen, dass qualifizierte elektronische Signaturen die rechtlichen Anforderungen an eine Unterschrift in Bezug auf in elektronischer Form vorliegende Daten in gleicher Weise erfüllen wie handschriftliche Unterschriften in Bezug auf Daten, die auf Papier vorliegen. Von einer Gleichstellung von Unterschrift und Signatur kann allerdings nicht gesprochen werden, solange die Zugangseröffnung der Behörde über die Erfüllung der Schriftform mit qualifiziert signierten Nachrichten entscheidet. Deutschland scheint als Mitgliedsstaat für die Anwendbarkeit von Signaturen auch gegenüber öffentlichen Stellen nicht hinreichend Sorge getragen zu haben. Auch die Ausnahme des Art. 3 Abs. 7 SigRL 1999/93/EG, wonach die Mitgliedsstaaten den Einsatz elektronischer Signaturen im öffentlichen Bereich möglichen zusätzlichen Anforderungen unterwerfen können, geht ihrerseits von der Zulässigkeit der Signaturverwendung aus und regelt nur die Frage, welche Signaturen jeweils zum Einsatz kommen können.

510 511

So P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 10 VwVfG Rdnr. 28 m. Hierzu unten Kapitel XII. Problem der Interoperabilität, S. 283.

11. Kap.: Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten

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Ein solches Verständnis der Signaturrichtlinie und ihrer Pflicht zur Gleichstellung von Signaturen und Unterschrift geht jedoch fehl. Die Richtlinie regelt nicht die Zulassung elektronischer Kommunikation überhaupt, sondern gestaltet vielmehr nur deren Anwendung. Das sagt Erwägungsgrund 21 in seinem Satz 3 ausdrücklich: „Die Festlegung der Rechtsgebiete, in denen elektronische Dokumente und elektronische Signaturen verwendet werden können, unterliegt einzelstaatlichem Recht.“ Dies wird ebenso aus der Formulierung des Art. 5 Abs. 1 lit. a) deutlich, der den klaren Bezug zwischen Signaturen und elektronischen Daten auf der einen, und Unterschriften und Urkunden auf der anderen Seite herstellt, und damit die Ersetzbarkeit von herkömmlichen Unterschriftserfordernissen durch Signaturvorgaben ausdrücklich nicht vorsieht, wenn vom einzelstaatlichen Recht die papierne Verkörperung als für die Form wesentlich erachtet wird. Die Vorgaben der SigRL 1999/93/EG sind daher nur dann zu beachten, wenn die elektronische Kommunikation eröffnet ist und hierbei Signaturen zum Einsatz kommen sollen. Eine aus Europarecht abzuleitende Pflicht auf Zugangseröffnung für elektronisch signierte Nachrichten besteht im Ergebnis nicht.512 Aus diesem Grund kann die Signaturrichtlinie auch nicht als Rechtfertigungsgrund für das Abweichen von europäischen Schriftformvorgaben herangezogen werden, die damit bis zu ihrer Änderung beachtet werden müssen. Der Gesetzgeber des 3. VwVfÄndG hat dementsprechend auf Richtlinien beruhendes Verfahrensrecht wie etwa das des KWG dem Anwendungsbereich des § 3a VwVfG entzogen.513 Ist jedoch der Zugang für elektronische Nachrichten durch die Behörde eröffnet, ist das Diskriminierungsverbot des Art. 5 Abs. 1 SigRL 1999/93/EG zu beachten. Dieses ist im hier interessierenden Zusammenhang insofern relevant, als jede Behörde den Zugang elektronischer Nachrichten eigenverantwortlich bestimmen und dabei Vorgaben bezüglich der zu verwendenden und von ihr prüfbaren Signaturverfahren machen kann.514 Da weder das nationale noch das europäische Recht elektronischer Signaturen die Interoperabilität der eingesetzten Verfahren fordern, und diese auch faktisch noch bei weitem nicht gewährleistet ist, bedeutet die Festlegung auf ein Signaturverfahren den Ausschluss aller hierzu nicht kompatibler Verfahren, und damit die Stellung besonderer Anforderungen im Sinne des Art. 3 Abs. 7 SigRL 1999/93/EG. Zulässig und zur Formwahrung geeignet sind danach, anders als § 3 Abs. 2 VwVfG vermuten lässt, nicht alle qualifizierten elektronischen Signaturen, sondern allein diejeni512 Eifert/Schreiber, Zugang, MMR 2000, S. 341; Kopp/Ramsauer, § 3a VwVfG Rdnr. 4; missverständlich Schmitz/Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, S. 1290. 513 Schlatmann, Anmerkungen, DVBl. 2002, S. 1008; Schmitz/Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, S. 1290. 514 Vgl. oben § 39 III. Angaben zu den Kommunikationswegen und Datenformaten, S. 242.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

gen, die mit dem von der Behörde gewählten Prüfprogramm zu verifizieren sind.515 Solange noch keine europaweite Interoperabilität der qualifizierten Signaturverfahren besteht, kann der Ausschluss einzelner Verfahren von der Prüfbarkeit nur dadurch verhindert werden, dass sämtliche europaweit eingesetzten Signaturprüfprogramme vorgehalten werden. Diese Lösung ist jedoch bereits für größere Verwaltungen mit einem vollständigen Marktüberblick nur eine theoretische. Noch weniger können bei kleineren Verwaltungen die Zeit und die Anstrengung gefordert werden, die für die Beobachtung des Marktes, das Besorgen, Testen, Implementieren und das Warten der Prüfprogramme erforderlich sind. Die Begrenzung auf bestimmte Verfahren ist damit praktisch unausweichlich. Sie muss sich als besondere Anforderung an Art. 3 Abs. 7 SigRL 1999/93/EG messen lassen. Zu vermeiden ist die Gefahr der mittelbaren Marktsteuerung durch eine Konzentration auf wenige Verfahren seitens der Verwaltung. Diese wird bereits aus Beweisgründen ein Interesse daran haben, hauptsächlich allein akkreditierte Signaturen akzeptieren zu müssen. Zudem wird sie zur Erfüllung der Anforderungen des § 37 Abs. 4 VwVfG zur langfristigen Prüfbarkeit von Verwaltungsakten selbst akkreditierte Signaturverfahren verwenden,516 was ihr zugleich die Prüfung der Signaturen desselben Anbieters ermöglichte. Auch die Gefahr eines Missbrauchs des hier eingeräumten Verfahrensermessens ist nicht ganz von der Hand zu weisen, wie Äußerungen in der Literatur zeigen, die die Beschränkung auf akkreditierte Verfahren allein zur Verbesserung ihrer Marktchancen befürworten.517 Zusätzliche Anforderungen müssen objektiv, transparent, verhältnismäßig und nichtdiskriminierend sein, und dürfen sich nur auf die spezifischen Merkmale der betreffenden Anwendung beziehen und für grenzüberschreitende Dienste für den Bürger kein Hindernis darstellen, Art. 3 Abs. 7 SigRL 1999/93/EG.518 Diese Bestimmung wird im nationalen Recht in § 1 Abs. 3 SigG wiederholt, der allerdings den Gesetzgeber nicht zu binden vermag und daher nur eine Erinnerung an das bei der Auslegung von Einzelvorschriften zu beachtende Europarecht darstellt.519 Das Erfordernis der Objektivität und der Verhältnismäßig515 Vgl. Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 105. Für ein praktisches Beispiel siehe die Anlage zur ERVVOBGH, Nr. 3 „Zur qualifizierten elektronischen Signatur ist die von der DATEV eG, 90329 Nürnberg, vertriebene Software GERVA Version 1.11 zu verwenden. Die Verwendung einer anderen Software ist zulässig, wenn die qualifizierte elektronische Signatur mit Hilfe von GERVA Version 1.11 verifiziert werden kann.“ 516 Hierzu siehe unten § 51 III. Dauerhafte Überprüfbarkeit entsprechend § 37 Abs. 4 VwVfG, S. 294. 517 Roßnagel, Signatur-Richtlinie, MMR 1999, S. 265. 518 Zu den einzelnen Vorgaben siehe Blum, Neues Signaturgesetz, DuD 2001, S. 73; Eifert/Schreiber, Zugang, MMR 2000, S. 342; Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 100 ff.

11. Kap.: Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten

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keit bedeutet hierbei, dass die zusätzlichen Anforderungen allein an den Sachgegebenheiten ausgerichtet und der Bedeutung der Anwendung angemessen sein müssen; außerhalb des Verfahrens stehende Ziele sind grundsätzlich unbeachtlich.520 Das Merkmal der Transparenz bedeutet, dass die zusätzlichen Anforderungen vorhersehbar und offenkundig sind. Der Einzelne muss den Umfang der Voraussetzungen vollständig erkennen und sich hierauf Dritten wie der Verwaltung oder Gerichten gegenüber berufen können.521 Das Verbot der Diskriminierung hat zwei Schutzrichtungen. Es soll den Bürger davor schützen, durch die zusätzliche Anforderung zur Wahl eines bestimmten Diensteanbieters gedrängt zu werden, wenn er nicht ganz auf die Vorteile einer elektronischen Abwicklung verzichten will. Zugleich bezweckt es den Schutz der Diensteanbieter davor, dass durch zusätzliche Anforderungen von Seiten der Verwaltung in den Markt eingegriffen wird.522 Die Festlegung auf eines oder mehrere Verfahren seitens der Verwaltung durch eine einseitige Erklärung stößt sich mit den Regelungen des Art. 3 Abs. 7 SigRL 1999/93/EG in zweierlei Hinsicht. Hierdurch ist das Diskriminierungsverbot ebenso berührt wie das Transparenzgebot. Hinsichtlich der Objektivität und der Verhältnismäßigkeit bestehen weniger Bedenken, solange und soweit die Wahl des oder der Signaturverfahren aus den Sachzwängen der Verwaltung begründet ist und nicht externe Ziele wie etwa die allgemeine Förderung der Akkreditierung verfolgt. An einem strikten Verständnis des Diskriminierungsverbotes ist problematisch, dass nur das Vorhalten sämtlicher Prüfprogramme eine Diskriminierung einzelner Anbieter ausschlösse, was praktisch nicht durchführbar und daher rechtlich nicht zu fordern ist. Die Begrenzung auf Anbieter mit einer gewissen Marktmacht kann damit nicht als eine Diskriminierung der nicht Berücksichtigten angesehen werden.523 Fraglich ist jedoch, ob die Stellung zusätzlicher Anforderungen durch eine einseitige Behördenerklärung mit dem Gebot der Transparenz zu vereinbaren und damit europarechtlich zulässig ist: Zwar ist auch bei einer öffentlich publizierten, etwa auf der jeweiligen Internetseite einsehbaren, Behördenerklärung die Vorhersehbarkeit und Offenkundigkeit der Anforderungen gegeben. Auch in diesem Fall weiß der Bürger, welche Anforderungen er für die Durchführung elektronischer Kommunikation zu erfüllen hat. In Bezug auf die letztlich allein interessierenden Formvorschriften ist die Transparenz jedoch als gering einzustufen: Stellt das Gesetz das Erfordernis der 519 Vgl. oben § 38 II. c) Weitere Anforderungen, S. 224, sowie Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 94. 520 A. A. offenbar Roßnagel, Signatur-Richtlinie, MMR 1999, S. 265; hiergegen zu Recht Schreiber, Elektronisches Verwalten, S. 111 f. 521 Vgl. EuGHE 2001-I, S. 541 (566), Rdnr. 22, m. w. N. 522 Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 104 f. 523 Vgl. Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 105.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Schriftform auf, ist die Erfüllung der konkreten Voraussetzungen bei einer elektronischen Kommunikation nur insofern dem Gesetz selbst zu entnehmen, als § 3a Abs. 2 VwVfG die Signierung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zur Bedingung der Formerfüllung macht. Die Auswahl des erforderlichen Signaturverfahrens ist jedoch allein dem Belieben der jeweils zuständigen Behörde überlassen, und damit nur durch vorherigen Besuch ihrer Webseite zu eruieren, und zudem der Gefahr einer jederzeit möglichen Änderung unterworfen. Von einer Transparenz im europarechtlichen Sinne, die grundsätzlich eine Rechtsvorschrift fordert und der eine zudem Ausländern selten bekannte Verwaltungspraxis nicht genügt,524 kann daher kaum gesprochen werden. Zur Erfüllung der europarechtlichen Anforderungen ist eine Rechtsnorm erforderlich, die ähnlich der zu § 130a Abs. 2 ZPO zu erlassenden Verordnungen Anforderungen an Dateiformate, Kommunikationswege und Signaturverfahren stellt. Sie hat ihrerseits den Anforderungen der Richtlinie zu genügen und insbesondere objektiv, verhältnismäßig und nichtdiskriminierend zu sein. Die gegenwärtige Gesetzesfassung ist mit dem Europarecht nur dann zu vereinbaren, wenn sich die Auslegung der Notwendigkeit einer Zugangseröffnung in § 3a Abs. 1 VwVfG nicht auf das Signaturverfahren bezieht. Diesbezügliche Fragen sind dem Belieben der Behörde zu entziehen.

§ 40 Zeitpunkt Der Zeitpunkt des Zugangs textlicher Nachrichten wird auch im öffentlichen Recht entsprechend der zivilrechtlichen Rechtsprechung zu § 130 BGB danach bestimmt, wann die Nachricht dergestalt in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser die zumutbare und vom Verkehr erwartete Möglichkeit der Kenntnisnahme hat.525 Für Verwaltungsakte vermutet § 41 Abs. 2 VwVfG hierbei den Zugang am dritten Tag nach Aufgabe eines schriftlichen Verwaltungsaktes zur Post bzw. nach Absendung eines elektronischen Verwaltungsaktes, doch hat die Behörde im Zweifel den tatsächlichen Moment des Zugangs zu beweisen, und gilt die Drei-Tages-Vermutung nicht, wenn ein späterer Zugang oder sogar dessen Fehlen feststeht. Zudem ist die Feststellung des Zugangszeitpunktes für Nachrichten erforderlich, die keine Verwaltungsakte sind und für die daher die Vermutung des § 41 Abs. 2 VwVfG nicht gilt; auch hierbei wird auf § 130 BGB und die hierfür entwickelten Kriterien zurückgegriffen.526

524

Bleckmann, Europarecht, Rdnr. 442. Vgl. P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 14 m. w. N. 526 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 3a. Entsprechendes gilt für § 15 VwVfG. 525

11. Kap.: Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten

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I. Machtbereich Eine Nachricht geht zu, wenn sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt ist und damit seinem Zugriff und seiner Verfügungsgewalt unterliegt. Dies ist auch dadurch möglich, dass die Nachricht sich in der Gewalt des Empfangsboten befindet. Bei schriftlichen Erklärungen ist hierfür der Besitz am den Verwaltungsakt verkörpernden Schriftstück maßgebend.527 Bei mit Datenfernübertragung übermittelten Nachrichten wie beispielsweise E-Mails fehlt es an einer Verkörperung, an der Sender, Transporteur oder Empfänger Besitz haben könnten, oder ist diese letztlich für den Zugang beim Adressaten unerheblich, da sie wie beispielsweise die Kopiervorlage des Telefax ausschließlich beim Absender verbleibt. Wesentlich ist hier, dass die Nachricht in den Machtbereich des Empfängers gelangt, das heißt dergestalt aufgezeichnet wird, dass dieser den Zugriff auf den Erklärungsinhalt gewinnt. Hierfür ist weder die Speicherung auf ausschließlich der Gewalt des Empfängers unterliegenden Speichermedien wie seiner Computerfestplatte erforderlich,528 noch kann bereits die Speicherung der Nachricht beim E-Mail-Provider genügen. Dieser ist nicht der Empfangsbote des Empfängers, da er nicht nach der Verkehrsanschauung geeignet und bestimmt ist, Nachrichten gerade für den jeweiligen Empfänger entgegenzunehmen. Es ist vielmehr die Speicherung in einer Art erforderlich, die dem Empfänger den Zugriff auf die Nachricht ermöglicht, beispielsweise in der vom EMail-Provider unterhaltenen „Inbox“. Unzulänglichkeiten dieser Empfangsvorrichtung, etwa das versehentliche oder bestimmungsgemäße Löschen auch noch nicht gelesener Nachrichten durch den E-Mail-Provider, gehen dann zu Lasten des Empfängers.529 Als zum Machtbereich des Empfängers gehörig kann ein EMail-Postfach jedoch nur dann angesehen werden, wenn dieser den Zugang für elektronische Nachrichten dieser Art und dieses Absenders eröffnet hat.530 II. Möglichkeit der Kenntnisnahme Für den Zugang einer Nachricht ist weiterhin die erwartbare Möglichkeit der Kenntnisnahme der Nachricht durch den Empfänger erforderlich. Das bloße 527

P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 15 f. So indes HK-BGB/Dörner § 130 BGB Rdnr. 4 unter allerdings fehlgehender Inbezugnahme von Scherer/Butt, Vertragsschluss, DB 2000, S. 1012, die den Eingang im Rechner des Empfängers nur für den praktisch seltenen Fall der direkten Internetverbindung für erforderlich halten; üblich ist aber die Nutzung von Internet Service Providern, die auch Mailversand und -empfang übernehmen; vgl. ebd. S. 1013 („auf dem Rechner des Providers gespeichert“). 529 Ultsch, Zugangsprobleme, NJW 1997, S. 3007; vgl. auch Schlatmann, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 98. 530 Vgl. Ultsch, Zugangsprobleme, NJW 1997, S. 3007 f.; Vehslage, Elektronisch, AnwBl. 2002, S. 87. 528

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Vorhandensein der Nachricht im Machtbereich des Empfängers genügt damit nicht, wenn dieser nicht zumindest aus Sicht des Verkehrs unter normalen Umständen von ihrem Inhalt Kenntnis nehmen könnte. Ebensowenig ist jedoch die tatsächliche Kenntnisnahme erforderlich, es genügt die abstrakte Möglichkeit hierzu, mag der Empfänger die Nachricht auch tatsächlich niemals nur wahrnehmen oder lesen.531 Nimmt er von ihrem Inhalt Kenntnis, ist der Zugang allerdings auch dann gegeben, wenn die hierzu führenden Umstände ganz und gar unüblich sind. Da die Kenntnisnahme das „Idealziel“ ist,532 ist, wenn es erreicht ist, letztlich irrelevant, wie und warum dies geschah. Wann und ob die Möglichkeit der Kenntnisnahme gegeben ist, ist bei elektronischen Nachrichten in zweierlei Hinsicht problematisch. Zum einen erfordert das Lesen von E-Mails ein aktives Bemühen des Empfängers um Erhalt der Nachrichten, das über das alltägliche Kontrollieren des Hausbriefkastens hinausgeht. Hierfür muss schließlich ein zum Empfang der Nachrichten eingerichteter Computer gestartet und mit dem Internet verbunden werden, was gewöhnlich auch mit Einwahl- und Verbindungskosten verbunden ist. Zum anderen besteht bei elektronischen Nachrichten die Gefahr der fehlerhaften Übermittlung sowie die Gefahr von Inkompatibilitäten, die es dem Adressaten trotz ordnungsgemäßen Empfangs unmöglich machen, den Inhalt der Nachricht zur Kenntnis zu nehmen. Auch dies kann ihren Zugang hindern. Das erste Problem lässt sich auf die Frage zurückführen, wie oft den jeweiligen Empfängern die Kontrolle ihres E-Mail-Postfaches zugemutet werden kann bzw. welche Leerungsfrequenz der Verkehr berechtigterweise erwarten kann. Hierbei wird allgemein nach der „Professionalität“ der Empfänger differenziert. Bei Behörden und Gerichten ist die Möglichkeit der Kenntnisnahme in zeitlicher Hinsicht letztlich unnötig: Um dem Bürger die Einhaltung von Fristen bis zur letzten Minute zu gestatten, gehen auch außerhalb der üblichen Büroöffnungszeiten in den Machtbereich staatlicher Stellen gelangte Dokumente in diesem Moment zu, also auch etwa 23:56 noch an diesem Tag und nicht erst am nächsten Geschäftstag zur Büroöffnung.533 Das gilt, sofern der Zugang für elektronische Dokumente eröffnet ist, für E-Mails ebenso wie für Schriftstücke. Bei Unternehmen und Selbständigen dagegen gehen E-Mails nur während der üblichen Geschäftszeiten sofort zu, anderenfalls zu Geschäftsbeginn.534 Bei ihnen 531 Soergel/Hefermehl, § 130 BGB Rdnr. 8 mit umfangreichen Nachweisen aus Rspr. und Literatur. 532 MünchKomm/Einsele, § 130 BGB Rdnr. 16; Soergel/Hefermehl, § 130 BGB Rdnr. 11; Medicus, BGB-AT, Rdnr. 276. Dem entsprechend nimmt Ultsch, Zugangsprobleme, NJW 1997, S. 3009, den Zugang von E-Mails bei Privatleuten (erst) im Moment der tatsächlichen Kenntnisnahme an, da er eine Pflicht Privater zur Eingangskontrolle ablehnt und damit die Möglichkeit der Kenntnisnahme nie erwartet; ihm folgend Soergel/Hefermehl, § 130 BGB Rdnr. 13 d. 533 Für das Verwaltungsverfahren ausführlich Kopp/Ramsauer, § 31 VwVfG Rdnr. 22 m. w. N.

11. Kap.: Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten

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wird während der Geschäftszeiten die ständige Kontrolle des E-Mail-Postfaches als möglich vorausgesetzt und als üblich angenommen, sobald die E-MailAdresse dem Empfang von rechtserheblichen Nachrichten gewidmet ist. Hinsichtlich der Kontrollfrequenz bei Privaten besteht weniger Einigkeit: Während einige Autoren den Zugang am auf die Absendung folgenden Tag annehmen und damit eine tägliche Kontrollpflicht statuieren,535 zeigen andere Stimmen mehr Sinn für die tatsächlichen Gegebenheiten. So wird teilweise bereits die wöchentliche Kontrolle nur zurückhaltend angenommen536 und anderenorts darauf hingewiesen, dass es „zumindest bei privaten E-Mail-Adressen üblich [sei], tage- oder gar wochenlang nicht in die entsprechende Mailbox zu schauen, da man gerade keinen Internet-Zugang hat oder keine Mails erwartet“.537 Teilweise wird Privaten generell die Pflicht zur Kontrolle ihres E-MailPostfaches abgesprochen.538 Tatsächlich ist die Differenzierung nach dem Status des Empfängers und der „Professionalität“ seiner Internetnutzung hier ebenso angebracht wie bei der oben diskutierten Bereitschaft, überhaupt am elektronischen Rechtsverkehr teilzunehmen. Während Firmen und Behörden auch durch Vorgaben an ihre Mitarbeiter für eine regelmäßige Eingangskontrolle elektronischer Postfächer sorgen oder zumindest sorgen können, kann dies bei Privaten kaum ebenso erwartet werden. Bereits das Erfordernis des korrekt installierten, gestarteten und mit dem Internet verbundenen Computers ist im Privatbereich nicht selbstverständlich jeden Tag gegeben. Nutzer, die ihr privates E-Mail-Konto mehrmals wöchentlich überprüfen, dürften bereits zu den seltenen Vielnutzern zählen. Zwar haben aktuellen Umfragen zufolge etwa vier Fünftel der Internetnutzer auch privaten Zugang zum Netz.539 Doch werden EMails nur durchschnittlich an jedem vierten Tag abgerufen,540 und nur etwa ein Drittel der Befragten nutzt das Netz täglich.541

534 Scherer/Butt, Vertragsschluss, DB 2000, S. 1012 f.; Vehslage, Elektronisch, AnwBl. 2002, S. 87. 535 So Ernst, Verbraucherschutz, VuR 1997, S. 260; Fringuelli/Wallhäuser, Formerfordernisse, CR 1999, S. 99; Kremer, E-Mail-Verwaltungsakt, VR 2003, S. 115; Roßnagel, Verwaltungsrecht, DÖV 2001, S. 230; Scherer/Butt, Vertragsschluss, DB 2000, S. 1012 f.; Vehslage, Elektronisch, AnwBl. 2002, S. 87. 536 Herwig, Zugang, MMR 2001, S. 146 mit FN 22. 537 BRAK, Stellungnahme, S. 6. Im Ergebnis ähnlich (noch habe sich keine diesbezügliche Verkehrsanschauung bilden können) die Stellungnahme des DAV zum FormG, Abs. IV; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 25b; Eifert/Püschel/Stapel-Schulz, Rechtsratgeber, S. 78. 538 Ultsch, Zugangsprobleme, NJW 1997, S. 3009; ihm folgend Soergel/Hefermehl, § 130 BGB Rdnr. 13d. 539 van Eimeren/Gerhard/Frees, Onlinenutzung, Media-Perspektiven 8/2002, S. 351. 540 Emnid, (N)Onliner-Atlas 2002, S. 28: E-Mails werden durchschnittlich an acht Tagen im Monat abgerufen.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Die Entwürfe zum 3. VwVfÄndG gingen noch von der realitätsfernen Vorstellung der Übertragung von E-Mails in „Lichtgeschwindigkeit“ aus, die in der Literatur vereinzelt herrschte.542 Dementsprechend wurde teilweise eine Verkürzung der Fristen der Zugangsfiktion in § 15 und § 41 VwVfG vorgeschlagen.543 Die Berliner und Magdeburger Fassung des Entwurfs zum 3. VwVfÄndG vom Herbst 2000 sahen daher in §§ 15 und 41 den Zugang elektronisch übermittelter Nachrichten für den Tag nach der Übermittlung vor, während es für herkömmliche Dokumente bei der bewährten Drei-Tages- bzw. Sieben-Tages-Fiktion bleiben sollte. Die Düsseldorfer Fassung vom Dezember 2001 enthielt bereits die jetzt Gesetz gewordene Festlegung auf den dritten Tag nach Absendung elektronischer Nachrichten.544 Doch war der Grund hierfür nicht die an dieser Stelle interessierende Problematik der Zumutbarkeit einer ständigen Eingangskontrolle. Während der Gesetzgeber noch im Juli 2001 davon ausging, dass „[b]ei der elektronischen Übermittlung [. . .] dagegen die Übermittlungszeit so kurz [ist], dass die Entfernung zum Bestimmungsort bedeutungslos wird, [weswegen] bei ihr der Zugang spätestens am Tage nach der Übermittlung vermutet werden [kann]“,545 berücksichtigte er später noch die Unwägbarkeiten des Internets: „Zwar erfolgt eine elektronische Übermittlung in der Regel unmittelbar, so dass grundsätzlich bei ihr der Zugang spätestens am Tage nach der Übermittlung vermutet werden könnte; im Hinblick darauf, dass z. B. im Internet der Übertragungsweg nicht vorhersagbar ist und daher nicht von einer Übermittlung am gleichen Tage ausgegangen werden kann, wird hier aber wie bei der postalischen Versendung ein Zeitraum von drei Tagen vorgesehen.“546 Die Frage der Eingangskontrolle sollte ausdrücklich der Rechtsprechung überlassen werden.547 Die Vorschriften berücksichtigen damit entgegen Vorschlägen der Literatur nicht die bei Behörden, Firmen und Privaten unterschiedliche Frequenz, in der diese ihre E-Mail-Postfächer auf Neueingänge kontrollieren.548 Vielmehr begründen sie durch die gesetzliche Zugangsvermutung mittelbar die Obliegenheit der Eingangskontrolle zumindest zweimal wöchentlich bei all denjenigen, die den Zu541 van Eimeren/Gerhard/Frees, Onlinenutzung, Media-Perspektiven 8/2002, S. 357. Hiernach ist etwa ein Viertel der Nutzer ein- bis zweimal in der Woche im Internet, vor allem am Wochenende; ein weiteres Viertel drei bis vier Tage. 542 Reinermann, Öffentlicher Sektor, S. 8 („achtmal um die Erde in einer Sekunde“). 543 Eifert, Online-Verwaltung, K&R Beilage 2/2000, S. 19; Rosenbach, Datenverarbeitung, NWVBl. 1997, S. 330. 544 Zu den einzelnen Entwurfs-Fassungen siehe oben § 37 I. a) Vorarbeiten und erste Entwürfe, S. 200. 545 Begründung zum Entwurf vom 16.07.2001, S. 46. 546 BT-Drs. 14/9000, S. 34 – Zu Nummer 12, zu Buchstabe a. 547 Vgl. Schlatmann, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 98. 548 Vgl. Skrobotz, Elektronischer Verwaltungsakt, JurPC 86/2002, Abs. 45; die Pauschalisierung begrüßen indes P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 25c.

11. Kap.: Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten

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gang im Sinne des § 3a Abs. 1 VwVfG eröffnet haben. Dies muss auf das Verständnis der Zugangseröffnung zurückwirken. Diese kann nur angenommen werden, wenn neben der grundsätzlichen Bereitschaft zur Entgegennahme elektronischer Nachrichten auch die Möglichkeit und der Willen des privaten Empfängers festgestellt werden kann, alle drei Tage sein E-Mail-Konto auf Neueingänge zu überprüfen. Damit empfiehlt sich eine strenge Beurteilung der Frage der Zugangseröffnung jedenfalls bei Privaten.549 Die allgemeine Frage des Zugangs elektronisch übermittelter Nachrichten wird durch das Problem inkompatibler Dateiformate verkompliziert. Anders als schriftliche Dokumente, die keines Computers und keiner Software bedürfen, damit der Empfänger sich von ihrem Inhalt Kenntnis verschaffen kann, sind elektronische Dokumente codierte Informationen, die durch Rechentechnik interpretiert und visualisiert werden müssen. Hierbei kann es auf dem Transportweg zu Modifikationen kommen, die die Daten sinnentstellend verfälschen, so dass niemand in der Lage ist, die übertragenen Informationen zu lesen. Ebenso ist es möglich, dass das vom Absender verwendete Dateiformat mit den dem Adressaten zur Verfügung stehenden Mitteln nicht bearbeitbar ist. In beiden Fällen fehlt dem Empfänger die Möglichkeit zur Kenntnisnahme der übertragenen Informationen, so dass der Zugang der Daten fraglich ist. Zwar regelt § 3a Abs. 3 VwVfG, dass für den Fall unterschiedlicher Formate die Behörde den Absender hierüber informieren soll und der Bürger dies kann, damit das Dokument erneut übersandt werden kann. Doch soll die Frage des Zugangs der Daten hiervon ausdrücklich nicht berührt, sondern nach den allgemeinen Grundsätzen zu beurteilen sein.550 Nach einer Meinung in der Literatur soll technische Inkompatibilität generell den Zugang derartiger Nachrichten verhindern.551 Die für mündliche und konkludente Verwaltungsakte anwendbare „Vernehmungstheorie“, nach der eine wirksame Bekanntgabe nur angenommen werden könne, wenn sie der Adressat richtig vernommen habe (bzw. die Behörde davon ausgehen könne), sei insofern auch auf elektronische Verwaltungsakte anzuwenden.552 Die von dieser Auffassung angenommene Ähnlichkeit elektronisch übermittelter zu den genannten mündlichen und konkludenten Verwaltungsakten besteht jedoch nur teilweise: 549 So bereits Skrobotz, Elektronischer Verwaltungsakt, JurPC 86/2002, Abs. 45; ebenso P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 25c; Kopp/Ramsauer, § 3a VwVfG Rdnr. 10 f.; Nedden, Datenschutz, S. 112. 550 BT-Drs. 14/9000, S. 32: „[§ 3a] Absatz 3 [VwVfG] trifft keine Regelung über den Zugang von elektronischen Dokumenten, dieser bestimmt sich vielmehr nach den allgemeinen Grundsätzen.“ 551 P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 10 VwVfG Rdnr. 28b mit FN 86; ebenso P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 25; Kopp/Ramsauer, § 3a VwVfG Rdnr. 13; Schmitz/Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, S. 1285; Eifert/Püschel/Stapel-Schulz, Rechtsratgeber, S. 77. 552 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 25.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Der wesentliche Grund für die Anwendung der Vernehmungstheorie auf mündliche Willenserklärungen ist deren fehlende Speicherung und damit die dem Empfänger fehlende Möglichkeit, diese wieder und wieder zur Kenntnis zu nehmen, so dass es nicht auf die bloße Möglichkeit der Kenntnisnahme ankommen kann, die ja mit der Erklärung verfliegt, sondern auf das tatsächliche Vernehmen der Erklärung.553 Elektronisch übermittelte Erklärungen sind jedoch gewöhnlich gespeichert. Auf das richtige „Vernehmen“ kommt es daher bei diesen nur insoweit an, als dem Adressaten die Möglichkeit der Speicherung zur Verfügung stehen muss und die Daten so übertragen sein müssen, wie sie vom Absender auf den Weg gebracht wurden, das heißt ohne auf dem Transportweg modifiziert zu sein. Keine Frage des Vernehmens ist demgegenüber, ob der Empfänger die ihm richtig und vollständig übermittelten Daten auch sinnvoll interpretieren, das übertragene Dokument also bearbeiten kann. Dies ist vielmehr eine Frage des Verständnisses, die auch von der Vernehmungstheorie nicht zu Gunsten des Empfängers gelöst wird. Das Risiko der Fehlinterpretation belässt hingegen selbst die Vernehmungstheorie beim Empfänger.554 Nichts anderes ergibt insofern die Regelung des § 130 BGB, die nur das Übermittlungsund Verlustrisiko zwischen Sender und Empfänger verteilt, die Frage des Verständnisses jedoch ebenso als Auslegungsproblem auffasst.555 Die Frage, ob auch erkennbar unverständliche Willenserklärungen zugehen können, wird in der zivilistischen Lehre und der Rechtsprechung am Problem fremdsprachiger Willenserklärungen erörtert. Nach Teilen der Literatur und der Rechtsprechung soll der Zugang der für den Adressaten erkennbar unverständlichen Nachricht erst nach einer ihm zuzubilligenden Übersetzungsfrist gegeben sein.556 Erst dann nämlich könne davon ausgegangen werden, dass der Adressat den Inhalt der Nachricht tatsächlich zur Kenntnis nehmen konnte, so bei einem „ausführlichst motivierten Kündigungsschreiben“, das einer der deutschen Schriftsprache unkundigen Gastarbeiterin übergeben wird.557 Entsprechend dieser Auffassung könnte bei elektronisch übermittelten Nachrichten davon gesprochen werden, dass diese, wenn sie durch den Empfänger nicht bearbeitet werden können und daher für diesen ganz und gar unverständlich sind, erst nach einer ihm zuzubilligenden Zeit zur Konvertierung des Dokumentes zugehen.558

553

John, Wirksamwerden, AcP 184 (1984), S. 392 f. John, Wirksamwerden, AcP 184 (1984), S. 397 f.; Medicus, BGB-AT, Rdnr. 271. 555 MünchKomm/Einsele, § 130 BGB Rdnr. 31 f. 556 Bork, AT BGB, Rdnr. 629, unter Berufung auf LAG Hamm, Beschl. v. 04.01.1979 – 8 Ta 105/78, NJW 1979, S. 2488; ebenso Schlechtriem, Sprachrisiko, S. 136 ff. 557 Fall des LAG Hamm, NJW 1979, S. 2488. 558 Vergleichbarkeit nehmen auch an Burgard, Wirksamwerden, AcP 195 (1995), S. 107; Vehslage, Elektronisch, AnwBl. 2002, S. 88. 554

11. Kap.: Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten

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Nach anderer Ansicht ist jedoch die Verständlichkeit der Willenserklärung für ihren Zugang unerheblich. Das BAG hat im Fall einer Abmahnung, die wiederum einer der deutschen Schriftsprache nicht mächtigen Gastarbeiterin übergeben wurde, offengelassen, ob für den Zugang das Verständnis des Empfängers vom Inhalt der Erklärung erforderlich ist. Der Zugang konnte im entschiedenen Fall angenommen werden, da zumindest bei der Abmahnung das Verständnis des Empfängers von ihrem Inhalt erforderlich sei.559 Jedenfalls aber sei dem Empfänger übersetzungsbedürftiger Erklärungen regelmäßig zuzumuten, den Erklärenden über die Notwendigkeit einer Übersetzung aufzuklären oder sich anderweitig um eine Übersetzung zu bemühen; unterlasse er dies, sei die Berufung auf den verspäteten Zugang rechtsmissbräuchlich.560 Das BAG setzte sich damit nicht mit der weitergehenden Auffassung auseinander, die eine Verantwortung des Erklärenden für allein in der Sphäre des Erklärungsempfängers liegende Hindernisse, zu denen sie auch Sprach- und Verständnisschwierigkeiten zählt, generell ablehnt, da für den Zugang allein auf die abstrakte Möglichkeit der Kenntnisnahme ohne Rücksicht auf die konkreten Gegebenheiten beim Empfänger abzustellen sei.561 Dieser Auffassung entspricht es, wenn dem Zugang teilweise eine „intellektuelle Komponente“ allgemein abgesprochen wird.562 Auch bei in der Sprache des Empfängers abgefassten Erklärungen ist es danach durchaus denkbar, dass diese aufgrund ihrer Komplexität von diesem nur teilweise verstanden werden. Doch könne man in diesem Fall nicht von „teilweisem Zugang“ sprechen, sei doch die Entscheidung über den Zugang der Erklärung binärer Natur, das heißt nur mit Ja oder mit Nein zu beantworten.563 Verständnisschwierigkeiten auf Seiten des Empfängers seien im Rahmen der Auslegung hinreichend zu berücksichtigen: Der Erklärende habe sich bei der Wahl und der Nutzung der ihm zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel sowie der Form der Erklärung am Empfängerhorizont zu orientieren. Sei aus Sicht des Empfängers die Erklärung schlicht unverständlich, könne schon nicht von einer Willenserklärung gesprochen werden, so dass sich die Frage nach ihrem Zugang nicht erst stelle.564 Doch könne möglicherweise vom Empfänger ein Bemühen um eine Übersetzung oder zumindest eine Rückfrage zu erwarten sein. Eine solche Obliegenheit sei in Treu und Glauben oder 559 BAG, Urt. v. 09.08.1984 – 2 AZR 400/83, NJW 1985, S. 823 (824): Die Abmahnung könne ihre kündigungsrechtliche Hinweis- und Warnfunktion nur erfüllen, wenn dem Arbeitnehmer die ihm vorgeworfenen Verfehlungen auch inhaltlich hinreichend deutlich gemacht würden. 560 BAG, NJW 1985, S. 824. 561 Vgl. LAG Köln, Beschl. v. 24.03.1988 – 8 Ta 46/88, NJW 1988, S. 1870 (1871) und die Nachweise in BAG, NJW 1985, S. 824. 562 So explizit Burgard, Wirksamwerden, AcP 195 (1995), S. 106 f. 563 Burgard, Wirksamwerden, AcP 195 (1995), S. 107. 564 Burgard, Wirksamwerden, AcP 195 (1995), S. 107; ebenso MünchKomm/Einsele, § 130 BGB Rdnr. 32; Medicus, BGB-AT, Rdnr. 296.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

den zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen,565 Handelsbräuchen oder schlichtweg durch Aufenthalt in einem bestimmten Rechts- und Kulturkreis begründet.566 Die letztgenannte Auffassung hat die zivilrechtliche Dogmatik auf ihrer Seite und berücksichtigt die notwendige Unterscheidung zwischen dem Transportund Verlustrisiko auf der einen und dem Verständnisrisiko auf der anderen Seite. Dem entspricht die gesetzliche Differenzierung zwischen Zugang und Auslegung. Der von der anderen Auffassung bezweckte Schutz des Empfängers vor dem Gebundensein durch ihm unverständliche Erklärungen kann auch im Rahmen der Auslegung hinreichend erreicht werden, wenn auf den Empfängerhorizont abgestellt wird: Weiß der Erklärende um die Sprachschwierigkeiten oder Computerprobleme des Empfängers, oder müsste er dies, so kann er nicht davon ausgehen, dass der Erklärungsempfänger die Erklärung verstehen könne, ginge sie auch nach dem oben Gesagten zu. Andererseits ist im Fall des Wissens oder des Wissenmüssens um die Softwareprobleme der Zugang elektronischer Nachrichten deswegen zu verneinen, weil für elektronische Nachrichten dieses Formates der Zugang nicht eröffnet ist, die Nachrichten damit nicht dergestalt in den Machtbereich des Empfängers gelangen können, dass nach der Verkehrsanschauung die Kenntnisnahme möglich ist.567 Fraglich ist daher allein, ob der Zugang der Nachricht auch dann angenommen werden kann, wenn aus Sicht des Erklärenden der Empfänger die Möglichkeit der Kenntnisnahme hat, da er den Zugang für Nachrichten dieser Art eröffnet hat, diese ihm aber tatsächlich fehlt, da er faktisch zum Öffnen der Nachrichten nicht in der Lage ist. Die Frage so zu stellen heißt, sie bejahen zu müssen, da es für die Beurteilung des Zugangs einer Nachricht auf die Sicht eines objektiven Dritten ankommt.568 Aus dessen Sicht jedoch bestand die Möglichkeit der Kenntnisnahme durch den Erklärungsempfänger, sobald und soweit der Zugang eröffnet wurde. Mit anderen Worten reduziert sich die Frage nach der Möglichkeit der Kenntnisnahme elektronischer Nachrichten, die durch den Empfänger aufgrund inkompatibler Dateiformate nicht gelesen werden können, darauf, ob er aus Sicht des Verkehrs den Zugang für Nachrichten dieser Art eröffnet hat. Angesichts der Vielzahl an Softwareprodukten und der Inkompatibilitäten selbst solcher Programme, die sich nicht im Namen, sondern nur in ihrer Versionsnummer unterscheiden, ist daher an die Frage der Zugangseröffnung ein strenger Maßstab anzulegen bzw. sind in der Praxis vorherige „Verhandlungen“ über die ein565 So MünchKomm/Einsele, § 130 BGB Rdnr. 32; ebenso wohl BAG, NJW 1985, S. 824 unter Hinweis auf das Arbeitsverhältnis. 566 So Schlechtriem, Sprachrisiko, S. 137; auf die „landesübliche Sprache“ stellt auch ab Bork, AT BGB, Rdnr. 629. 567 Hierzu oben § 39 III. Angaben zu den Kommunikationswegen und Datenformaten, S. 242. 568 MünchKomm/Einsele, § 130 BGB Rdnr. 19.

11. Kap.: Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten

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zusetzende Software unausweichlich. Kann der Empfänger die Nachricht trotz des Einhaltens der von ihm als zulässig erklärten technischen Rahmenbedingungen nicht bearbeiten, so besteht für ihn die Möglichkeit bzw. Pflicht zur Information des Kommunikationspartners über die eingetretenen Schwierigkeiten samt Bitte um Neuübersendung gemäß § 3a Abs. 3 VwVfG. Dies ändert jedoch nichts am grundsätzlichen Zugang der Nachricht bereits im Moment der erstmaligen Übersendung. Damit ist es möglich, dass an den Zugang der Erklärung anknüpfende Fristen zu laufen beginnen, auch ohne dass der Empfänger der Nachricht tatsächlich die Möglichkeit hatte, den Inhalt der Erklärung in diesem Moment zu erfassen und etwa hierauf zu reagieren. Der Zugang ist damit nicht nur bei Inkompatibilitäten anzunehmen, die das Lesen der Nachricht lediglich erschweren, etwa im Hinblick auf fehlerhaft dargestellte Umlaute, sondern auch beim vollständigen Unvermögen des Empfängers, eine Datei dieses Formates überhaupt zu öffnen.569 Allerdings kann seine Bitte um erneute Übersendung selbst dann einige Zeit der möglicherweise sehr wertvollen Frist in Anspruch nehmen, wenn ihr auf Seiten der Behörde sofort entsprochen werden sollte,570 und etwa ein neu formatiertes Dokument übersandt wird. Das scheint auf den ersten Blick unbillig, doch muss wiederum darauf hingewiesen werden, dass der Empfänger sich zuvor mit der Übersendung dieses Dateiformats einverstanden erklärt haben muss, bzw. so verstanden worden sein muss, woran er festgehalten werden kann. Andererseits ist es zum Beispiel dem Absender, der mit der elektronischen Übersendung einer Erklärung eine Frist einhalten möchte, nicht zuzumuten, dass der rechtzeitige Zugang der von ihm bewusst im Hinblick auf die Kommunikationsanforderungen des Empfängers formatierten elektronischen Nachricht davon abhängen soll, ob der Empfänger entgegen seinem vorherigen Bekunden eine Nachricht aufgrund unvorhergesehener technischer Schwierigkeiten nicht bearbeiten kann. Führen auf Seiten des Bürgers außergewöhnliche Umstände zur Nichtbearbeitbarkeit der Nachricht, etwa ein Absturz seines Computersystems, so kann dies im Rahmen einer Wiedereinsetzung hinreichend berücksichtigt werden, § 32 VwVfG. Damit erübrigt sich eine Diskussion der Frage, ob sich aus § 3a Abs. 3 VwVfG eine im Rahmen des § 130 BGB angesprochene Obliegenheit des Empfängers einer ihm nicht verständlichen Nachricht zur Übersetzung oder zur Rückfrage ergibt. Das Problem der Rückfrage regelt hierbei § 3a Abs. 3 VwVfG mit einem für Bürger und Behörde unterschiedlichen Pflichtenmaß, doch tangiert auch dies nicht den Zugang der Nachricht; das entspricht im 569

A. A. Schmitz/Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, S. 1285. Dies verlangt das Gesetz allerdings nicht. Zwar soll die Behörde den Absender nicht bearbeitbarer Dokumente „unverzüglich“ (also auch nicht sofort) informieren, § 3a Abs. 3 Satz 1 VwVfG. In Satz 2, der die Pflicht zur erneuten Übersendung statuiert, fehlt aber selbst diese Angabe. Damit bleibt es bei der allgemeinen Pflicht zum zügigen Handeln aus § 10 Satz 2 VwVfG. 570

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Ergebnis der Einschätzung des Gesetzgebers.571 Und eine Obliegenheit zur „Übersetzung“, das heißt zur Umformatierung, besteht für den Empfänger durchaus, allerdings ohne dass ihm hierfür ein besonderer Zeitraum zuzubilligen wäre. Diese Obliegenheit ergibt sich aus seinen als Zulassung dieser Art elektronischer Kommunikation zu verstehenden Erklärungen, an denen er festgehalten werden kann. Eine in der Literatur diskutierte Zugangsfiktion bei Nichtnutzung der Möglichkeit des § 3a Abs. 3 VwVfG572 ist aus denselben Gründen unnötig. Ebenso erübrigt sich die Frage, ob bezüglich nicht bearbeitbarer Dateiformate auf die differenzierte Regelung des § 23 VwVfG zurückgegriffen werden kann. Nach dieser Vorschrift ist die Amtssprache deutsch, Abs. 1.573 Gehen bei der Behörde fremdsprachige Erklärungen und Dokumente ein, soll diese unverzüglich eine Übersetzung verlangen, und kann diese bei ihrem Ausbleiben auf Kosten des Pflichtigen vornehmen lassen, Abs. 2. Der Lauf einer Frist beginnt erst mit Vorliegen der Übersetzung, Abs. 3. Zur Wahrung einer Frist gelten Erklärungen nur dann als im Moment der fremdsprachigen Einreichung abgegeben, wenn die deutsche Übersetzung innerhalb der von der Behörde zu setzenden Frist eingereicht wird, Abs. 4. Die Norm lässt sich indes nicht heranziehen: Zwar können die von der Behörde vorgegebenen technischen Rahmenbedingungen als ihre „elektronische Amtssprache“ verstanden werden. Auch wird die Behörde ebenso wie durch § 23 Abs. 2 Satz 1 VwVfG durch § 3a Abs. 3 Satz 1 verpflichtet, „unverzüglich“ Übersetzungen bzw. ein geeignetes neues Format zu verlangen. Doch beginnen Fristen bereits mit dem erstmaligen zulässigen Einreichen elektronischer Dokumente zu laufen, und nicht erst, wenn das tatsächlich durch den Empfänger bearbeitbare Format bei diesem eingegangen ist, und werden Fristen auch schon beim erstmaligen zulässigen Übersenden gewahrt und nicht erst, wenn unverzüglich eine „Übersetzung“ nachgeliefert wird. „Elektronische Amtssprache“ in diesem Sinne ist eben der in der Zulassung angegebene technische Rahmen, nicht die tatsächliche Lage auf Seiten des Empfängers, die der Absender nicht kennen kann. III. Die Regelung des § 87a Abs. 1 Satz 2 AO Das 3. VwVfÄndG schuf mit § 87a Abs. 1 Satz 2 AO eine explizite Regelung der Zugangsfrage, die als Vorbild für den Zugang elektronisch übermittelter Nachrichten auch im allgemeinen Verwaltungsrecht dienen könnte. Die 571 BT-Drs. 14/9000, S. 32 (allerdings wohl ohne Bezug zum hier angesprochenen Problem). 572 Vgl. einerseits P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 10 VwVfG Rdnr. 28 m, und andererseits Kopp/Ramsauer, § 3a VwVfG Rdnr. 13. 573 Dies versteht als Verfassungsgebot P. Kirchhof, Deutsche Sprache, HStR I § 18 Rdnr. 45 ff., besonders 47.

11. Kap.: Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten

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Norm bestimmt: „Ein elektronisches Dokument ist zugegangen, sobald die für den Empfang bestimmte Einrichtung es in für den Empfänger bearbeitbarer Weise aufgezeichnet hat.“ Satz 1 der Vorschrift macht ebenso wie § 3a Abs. 1 VwVfG die elektronische Kommunikation von der Zugangseröffnung durch den Empfänger abhängig. Die Regelung entspricht weitgehend der bereits in § 130a Abs. 2 und 3 ZPO getroffenen. Hiernach wird die Einreichung elektronischer Dokumente bei Gericht von der Zulassung durch die jeweils zuständige Bundes- bzw. Landesregierung abhängig gemacht, die auch über die zulässige Form der Dokumente entscheidet, Abs. 2. In Abs. 3 wird der Zugang elektronischer Dokumente angenommen, „sobald die für den Empfang bestimmte Einrichtung des Gerichtes es aufgezeichnet hat.“ Damit bestehen zwei Unterschiede zwischen den Regelungen in § 130a ZPO und § 87a Abs. 1 AO: Während § 130a ZPO nur Aussagen zum Zugang elektronischer Nachrichten auf Seiten des Gerichtes trifft, regelt § 87a AO ebenso den Zugang auf Seiten der Behörde wie auf Seiten des Bürgers. Auch bei diesem wird durch die Abgabenordnung der Zugang der elektronischen Nachricht im Moment der Aufzeichnung angenommen. Zudem verlangt § 87a AO die Aufzeichnung in einer für den Empfänger bearbeitbaren Form. Dies spricht die teilweise als Zugangsvoraussetzung verstandene Möglichkeit des Verständnisses an, die allerdings anders als die Möglichkeit der Kenntnisnahme für den Zugang elektronischer oder sonstiger Dokumente im herkömmlichen Sinne des Zugangsbegriffes tatsächlich nicht notwendig ist. Die Vorschrift des § 87a Abs. 1 Satz 2 AO ist damit in zweierlei Hinsicht für eine Klärung der Zugangsfrage im allgemeinen Verwaltungsrecht nicht vorbildlich, und zwar sowohl im Hinblick auf den Zeitpunkt des Zugangs wie auch im Hinblick auf die technischen Voraussetzungen. Zum einen nimmt die Vorschrift den Zugangszeitpunkt für den Moment der Speicherung an. Dies widerspricht bereits der Vermutung der §§ 15 Satz 2 und 41 Abs. 2 Satz 1 VwVfG, die den Zugang elektronischer Nachrichten für den dritten Tag nach ihrer Absendung annehmen, und damit auf die Absendung, nicht die hierauf allerdings üblicherweise kurzfristig folgende Speicherung abstellen. Zudem stellt die Norm Bürger und Behörden dergestalt gleich, dass bei beiden im Moment der Speicherung der Zugang und damit auch die Möglichkeit der Kenntnisnahme auf Seiten des Empfängers angenommen wird. Die rechtsstaatliche Verpflichtung der Behörden und Gerichte, den Bürgern das Ausnutzen von Fristen bis zur letzten Minute zu gestatten und damit Anträge und andere Erklärungen des Bürgers stets, das heißt auch zur Nachtzeit entgegenzunehmen bzw. geeignete Vorrichtungen vorzuhalten,574 wird durch § 87a Abs. 1 Satz 2 AO gegen den Bürger gewendet. Auch ihm gegenüber gehen nämlich nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut elektronische Dokumente im Moment 574 BVerfG, Beschl. v. 11.02.1976 – 2 BvR 625/75, NJW 1976, S. 747 (zum Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid); Beschl. v. 03.10.1979 – 1 BvR 726/78, NJW 1980, S. 580 (zur Berufung im Zivilprozess).

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

der Speicherung in seinem Machtbereich zu, und damit bei der Speicherung im vom E-Mail-Provider bereitgestellten Postfach weit vor dem üblichen Leerungszeitpunkt. Mit der Zugangseröffnung ist demnach die Bereiterklärung verbunden, das elektronische Postfach stets auf Eingänge zu überprüfen, das heißt auch noch nach Geschäftsschluss. Zumindest müssen sich Bürger im Hinblick auf die dadurch ausgelösten oder eingehaltenen Fristen dementsprechend behandeln lassen. Die damit erforderliche Zurückhaltung in der Annahme der Zugangseröffnung widerspricht dem Ziel eines breitenwirksamen Interneteinsatzes, und ist daher nicht vorbildlich für das allgemeine Verwaltungsrecht. Zum anderen widerspricht die in § 87a Abs. 1 Satz 2 AO angesprochene Notwendigkeit der Aufzeichnung des elektronischen Dokumentes in einer für den Empfänger bearbeitbaren Form dem bislang üblichen Verständnis des Zugangs. Dieser erfordert weder in der Empfangs- noch in der Vernehmungstheorie das tatsächliche Verständnis des Empfängers vom Inhalt des übertragenen Dokumentes. Notwendig ist vielmehr die Übersendung eines dem Empfängerhorizont entsprechenden Dokumentes, und zwar sowohl hinsichtlich der verwendeten Sprache, der Komplexität des Ausdrucks wie des Dokumentenformats. Fehlt dem Empfänger im Einzelfall das tatsächliche Verständnis bzw. bei elektronischen Dokumenten die Möglichkeit der Bearbeitung, obwohl aus Sicht des Erklärenden das Dokument dem Empfängerhorizont entsprach, so ist dies keine Frage des Zugangs, sondern der Auslegung, und eventuell der Irrtumsregelungen. Jedenfalls ist der von § 87a Abs. 1 Satz 2 AO implizierte und in dieser Form auch in der Literatur anzutreffende Satz,575 Inkompatibilitäten hinderten bereits den Zugang, in seiner Absolutheit nicht richtig. Vielmehr hindern nur solche Inkompatibilitäten den Zugang, für die der Erklärende bereits die Zugangseröffnung durch den Erklärungsempfänger nicht annehmen kann. Dies entspricht dem herkömmlichen Begriff des Zugangs. Diesem folgt offenbar auch § 130a Abs. 2 und 3 ZPO, wenn er Zugangszeitpunkt und Bearbeitbarkeit trennt und letztere als Frage der Zugangseröffnung versteht, die damit generalisierend und aus Sicht des Erklärenden bzw. eines verständigen, nicht des tatsächlichen Erklärungsempfängers zu beurteilen ist.

§ 41 Beweis des Zugangs Die Offenheit und nur begrenzte Kontrollierbarkeit des Internets erschwert es dem Absender, den Lauf der von ihm verschickten elektronischen Nachrichten zu verfolgen und den Zugang seiner Erklärungen im Zweifel zu beweisen. 575 Vgl. P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 10 VwVfG Rdnr. 28b mit FN 86; ebenso P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 25; Kopp/Ramsauer, § 3a VwVfG Rdnr. 13; Schmitz/Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, S. 1285; Eifert/Püschel/Stapel-Schulz, Rechtsratgeber, S. 77.

11. Kap.: Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten

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Gleichwohl obliegt ihm jedoch auch bei elektronischen Nachrichten der Nachweis des (rechtzeitigen) Zugangs. § 41 Abs. 2 VwVfG, der in seinem Satz 2 Halbsatz 2 dies für den Nachweis des Zugangs von Verwaltungsakten durch Behörden ausdrücklich erwähnt, statuiert damit keine originäre Pflicht, sondern nimmt nur die Wirkungen der Drei-Tages-Fiktion für den Fall ernsthafter Zweifel am Zugang und seiner Rechtzeitigkeit zurück; gleiches gilt für die entsprechende Vorschrift des § 15 Satz 2 und 3 VwVfG. Beide Vorschriften stellen für Behörden im Ergebnis eine Entlastung von der grundsätzlichen Pflicht zum Beweis des Zugangs dar, da nur ernsthafte Zweifel für die Entwertung der Zugangsfiktion genügen. Bloßes Bestreiten genügt insoweit nicht. Es muss vielmehr die Möglichkeit eines atypischen Geschehensablaufs ernstlich und substantiiert dargetan werden.576 Gelingt dies, trägt die Behörde die materielle Beweislast, so dass bei Nichtaufklärbarkeit des Geschehensablaufs nicht vom (rechtzeitigen) Zugang ausgegangen werden kann.577 Die Vorschriften gelten seit der Änderung durch das 3. VwVfÄndG sowohl für postalisch wie für elektronisch übermittelte Dokumente. Zu Gunsten des Bürgers greift keine Fiktion rechtzeitigen Zugangs, so dass ihn hinsichtlich des Zugangs stets die Beweislast trifft. Hierbei kommt ihm jedoch sein Akteneinsichtsrecht aus § 29 VwVfG zugute, dem die Aktenführungspflicht der Behörde entspricht, nach der diese zur Aufnahme aller wesentlichen Vorgänge in die Akten verpflichtet ist. Zu den wesentlichen Vorgängen gehören jedenfalls schriftliche Äußerungen der Beteiligten genauso wie elektronische.578 Der Beweis des Zugangs elektronischer Nachrichten ist aufgrund der technischen Gegebenheiten nur sehr schwer möglich. Bereits dem Telefaxverkehr, der durch eine direkte telefonische Kommunikation zwischen dem Sende- und dem Empfangsgerät gekennzeichnet ist,579 spricht die Rechtsprechung die vom Postverkehr bekannte Zuverlässigkeit ab. Aufgrund nicht hinreichend auszuschließender, stets auch unerkannt möglicher Fehler während des Transports oder im Empfangsgerät genügt danach für den Beweis des Zugangs nicht der Nachweis der ordnungsgemäßen Versendung, auch nicht der entsprechende OK-Vermerk im Sendeprotokoll. Dieser könne vielmehr nur die ordnungsgemäße Absendung beweisen und böte für den Zugang allenfalls ein Indiz.580 Im Internet sind die 576

P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 68 ff. Zur Beweislast im Verwaltungsverfahren allgemein siehe Brandt/Sachs/Marwinski, Rdnr. B 201; zum Verwaltungsprozess siehe Brandt/Sachs/Wegner, Rdnr. O 261. 578 Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 29 VwVfG Rdnr. 27; BT-Drs. 14/ 9000, S. 28. 579 Zur Technik des Telefax siehe Burgard, Wirksamwerden, AcP 195 (1995), S. 129 f.; Heinemann, Prozessuale Schriftform, S. 148 f. 580 Herwig, Zugang, MMR 2001, S. 146, unter Verweis auf BGH, Urt. v. 07.12. 1994 – VIII ZR 153/93, NJW 1995, S. 665 (666 f.), der wiederum maßgeblich Bezug nimmt auf Tschentscher, Telefax, CR 1991, S. 141; ausführlich auch Pape/Notthoff, Telefax, NJW 1996, S. 417 (424 ff.); Hennecke, in: Knack, § 41 VwVfG Rdnr. 14. 577

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Störungsquellen noch unberechenbarer, besteht doch beim Versand von E-Mails nicht einmal eine direkte Kommunikation zwischen dem Absender und dem Empfänger, sondern ist der Postversand dem komplexen Zusammenspiel mehrerer Mailserver überlassen, die zwar prinzipiell zuverlässig zusammenarbeiten, doch durch keinen Beteiligten vollständig kontrolliert werden können. Damit ist das Auftreten von Störungen noch weniger als beim Telefax auszuschließen, die zudem mit noch höherer Wahrscheinlichkeit als dort dem öffentlichen Netz zuzurechnen sind, das prinzipiell in die Verantwortung des Absenders, nicht des Adressaten fällt.581 Die Rechtsprechung mutet dem Absender von E-Mails daher teilweise Kontrollmaßnahmen bezüglich ihres Zugangs zu: Auch bei einer korrekten Adressierung der E-Mail dürfe der Absender nicht auf ihren ordnungsgemäßen Zugang beim Adressaten vertrauen. Er habe zumindest sein Postfach noch einige Zeit nach der Absendung auf Fehler-E-Mails zu überprüfen, und sich im Zweifel telefonisch nach dem Zugang der E-Mail zu erkundigen.582 Da die Drei-Tages-Fiktion zugunsten der Behörde nur bei ernsthaften Zweifeln am Zugang nicht angewendet werden kann,583 ist fraglich, wann bei elektronischen Willenserklärungen und damit insbesondere bei E-Mails von derartigen ernsthaften Zweifeln gesprochen werden kann. In diesem Fall muss die Behörde den Zugang der Nachricht beweisen, was mangels Kontrolle der Übertragungswege und mangels Zugriff auf das Computersystem des Empfängers so gut wie unmöglich ist, wenn auch hinsichtlich des letzteren an eine Beweiserleichterung zu denken ist, sofern und soweit der Empfänger die zumutbare Aufklärung von in seine Sphäre fallenden Tatsachen verweigert.584 Angesichts dessen und vor dem Hintergrund von Millionen täglich unproblematisch ihren Empfänger erreichenden E-Mails könnten strenge Voraussetzungen für die Ernsthaftigkeit der Zweifel angebracht sein. Doch ist das Internet unberechenbar. Schon kleinste Fehler in der Adressierung führen zur Nichtzustellbarkeit der E-Mail, die zudem bei Fehlern in der Absenderangabe nicht einmal an diesen zurück gesandt werden kann und daher ohne Benachrichtigung des Absenders gelöscht wird. Nicht selten werden E-Mails auch vom Provider des Adressaten wegen Überfüllung seines elektronischen Postfachs nicht entgegengenommen, ohne dass dem Absender eine ihn hierüber informierende E-Mail („Mailbox is full“) zugeschickt wird. Problematisch ist bei E-Mail mit anderen Worten, dass hier im Unterschied zum Telefax keine Ende-Zu-Ende-Kommuni581 Der BGH erwog, Störungen in der Sphäre des Adressaten diesem zuzurechnen und damit Zugang im Zivilrecht ebenso wie im Rechtsverkehr mit den Gerichten anzunehmen, vgl. BGH, NJW 1995, S. 667. 582 OLG Düsseldorf, Beschl. v. 04.10.2002 – 23 U 92/02, NJW 2003, S. 833 (834). 583 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 68 ff. Hennecke, in: Knack, § 41 VwVfG Rdnr. 18 spricht von begründeten Zweifeln. 584 Vgl. Brandt/Sachs/Wegner, Rdnr. O 266.

11. Kap.: Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten

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kation zwischen dem sendenden und dem empfangenden Gerät stattfindet, die einander gegebenenfalls über Fehler informieren könnten, sondern sich die EMail jeweils durch den Absender nur bedingt kontrollierbare Kanäle „sucht“. Von deren Zuverlässigkeit kann jedoch nicht in gleichem Maß ausgegangen werden wie bei der den herkömmlichen Briefversand abwickelnden Post. Anders als bei dieser findet der Transport nämlich nicht nur weitgehend, sondern vollständig automatisiert statt, so dass Fehler auch nicht durch menschliche Mitarbeiter korrigiert werden können. Mit dem Absenden der E-Mail auch prima facie deren Empfang anzunehmen, wie dies bei Briefen der Fall ist,585 bürdete damit dem Empfänger den Nachweis von Gegebenheiten in auch durch ihn nicht zu kontrollierenden Computernetzwerken auf. Auch die Erschütterung des Anscheinsbeweises ist bereits schwierig, da eine Substantiierung des Vorbringens kaum möglich ist. Weder POP3-Server noch E-Mail-Programme protokollieren eingehende Mails und Zugriffe auf den Server. Eventuell erstellte LogDateien halten jedenfalls nur die Anzahl und die Größe der empfangenen Mails fest, nicht deren Absender, Erstelldatum oder gar Inhalt. Der Beweiswert einer nicht signierten Computerdatei, wie es eine solche Log-Datei wäre, ist zudem denkbar gering, so dass selbst ihre Vorlage nur ein geringes Mehr an Substantiierung darstellte. Da somit der Adressat einer E-Mail den Erhalt der Nachricht nicht substantiiert abstreiten kann, führte seine Verpflichtung, begründete Zweifel am Zugang der Nachricht zu wecken, letztlich zu einer unwiderleglichen Vermutung des Zugangs, und machte den Zweifelssatz mithin obsolet. An die Substantiierung des Vorbringens dürfen daher nicht zu strenge Anforderungen gestellt werden, um § 41 Abs. 2 Satz 2 VwVfG auch für elektronische Verwaltungsakte noch einen Anwendungsbereich zu belassen. Da die Unsicherheit des E-Mail-Zugangs in der Technik begründet liegt, liegt es nahe, die Lösung dieses Problems in einer Verbesserung der Technik selbst zu suchen. Hierbei werden verschiedene Erweiterungen der Internetstandards diskutiert, die dem Absender Gewissheit über den Verlauf des E-Mail-Versands verschaffen sollen. Die Delivery Status Notification DSN ist eine vom Mailserver des Empfängers versandte Nachricht der „Auslieferung“ der Mail, die Message Disposition Notification MDN ist eine vom Mailprogramm des Empfängers vorbereitete Nachricht, die den Erhalt und das Öffnen der Nachricht bestätigt.586 Die Information des Absenders über den Status der E-Mail mit Hilfe von sowohl MDN wie auch DSN stellt damit Anforderungen an den Server oder das Mailprogramm des Empfängers, die nicht als selbstverständlich vorausgesetzt werden können, da beide Erweiterungen bislang nur Vorschläge und keine Standards sind und daher nicht implementiert werden müssen.587 585

Hennecke, in: Knack, § 41 VwVfG Rdnr. 18. Näher Herwig, Zugang, MMR 2001, S. 146 f. Die entsprechenden Standardisierungsvorschläge finden sich als RFC1894 (DSN) und RFC2298 (MDN) unter rfc.net/ rfc1894.html bzw. rfc.net/rfc2298.html. 586

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Viele Benutzer haben zudem Vorbehalte gegen mehr oder minder automatisch versandte Nachrichten, die Aussagen über ihren E-Mail-Gebrauch ermöglichen. Diese werden beispielsweise von Absendern massenhaft verschickter unverlangter Werbe-E-Mails, sogenannten Spam-Mails,588 zur Auswertung der E-MailNutzung und zur Aktualisierung der automatisch generierten Adressdatenbanken der Versender genutzt: Aus den DSN und MDN lässt sich ersehen, dass die E-Mail-Adresse tatsächlich existiert und die Mail sogar regelmäßig gelesen wird.589 Die als Eingriff, nicht mehr nur als bloße Belästigung aufgefassten Spam-Mails würden bei Zulassung dieser Erweiterungen noch effizienter auf den der Überflutung seines E-Mail-Postfaches hilflos ausgesetzten Adressaten zugeschnitten werden können, weswegen sie bei vielen Benutzern deaktiviert sind, wenn ihr Server und ihr E-Mail-Programm sie überhaupt unterstützen. Werden allerdings MDN- oder DSN-Nachrichten erstellt und dem Absender der Nachricht übermittelt, so können diese ein starkes Indiz für den Zugang der E-Mail darstellen. Den sicheren Beweis ermöglichen sie jedoch nicht, da sie nicht signiert und damit nicht beweiskräftiger sind als jede andere Textdatei, die durch jedermann erstellt und modifiziert werden kann, ohne dass dies erkennbar wäre.590 Auch DSN und MDN können damit kein sicheres Beweismittel über den Zugang elektronischer Nachrichten bieten. Der Beweiswert solcher „elektronischer Empfangsbestätigungen“ kann durch ihre Signierung verbessert werden. Ein hierfür geeignetes Verfahren stellte im Jahr 2001 die Signatur-Tochter der Deutschen Post, Signtrust, vor. Bei ihrem Dienst „eKurier“ oder „Signtrust Status“ wird das zu versendende Dokument nicht direkt an den Adressaten, sondern an einen gewissermaßen als „Notar“ fungierenden Server von Signtrust versendet. Dieser registriert den Eingang des Dokumentes, signiert dieses, versieht es mit einem Zeitstempel und versendet es erst dann an den Adressaten. Dieser kann die Nachricht nur mit einer speziellen Erweiterung für das weit verbreitete Mailprogramm Microsoft Outlook oder Microsoft Outlook Express öffnen, die automatisch eine signierte und verschlüsselte Empfangsbestätigung an den Signtrust-Server sendet, der seinerseits Datum und Uhrzeit des Empfangs registriert und dem Absender des Dokumentes übermittelt.591 Ein solcher Dienst vermag zwar den auch prozessual über § 292a 587 Zum Status von RFC als Vorstufe und Diskussionsgrundlage von Internetstandards sowie zum Ablauf des Standardisierungsprozesses siehe RFC2026, rfc.net/ rfc2026.html. 588 Zum Spamming vgl. Schmelz, E-Mail-Werbung, JA 2000, S. 242; Winter, EMail-Werbung, JurPC 177/2002; Ziem, Spamming, MMR 2000, S. 129. Aus der Rechtsprechung vgl. die Übersicht „Zulässigkeit von E-Mail Werbung?“ in JurPC 47/ 2000. 589 BSI, Grundschutzhandbuch, Kapitel M 5.94. 590 Herwig, Zugang, MMR 2001, S. 147. 591 Vgl. Herwig, Zugang, MMR 2001, S. 147; Signtrust, Signtrust Status.

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ZPO abgesicherten Beweis über den Zugang sowie darüber hinausgehend über das tatsächliche Öffnen des Dokumentes durch den Adressaten ermöglichen. Als gravierender Nachteil ist jedoch zu bezeichnen, dass sowohl Sender wie auch Empfänger Kunden desselben diesen Dienst offerierenden Zertifizierungsdiensteanbieters sein müssen und zudem umfangreiche Vorbereitungen in Form der Anmeldung bei diesem Dienst und der Modifikation der eingesetzten Computersysteme notwendig sind.592 Auch dies kann wiederum nicht bei allen Empfängern vorausgesetzt werden, wodurch die Massentauglichkeit dieser Lösung gemindert wird, die sich bislang auch nicht hat durchsetzen können.593

§ 42 Zustellung Zur Sicherstellung des Zugangs einer Nachricht und zur Erleichterung des Beweises hierüber ordnet das Gesetz oder die Behörde nicht selten das besonders formalisierte Verfahren ihrer Zustellung an. Zugestellt werden zumeist bedeutendere, oftmals belastende Verwaltungsentscheidungen. Mit der Zustellung kann der Absender dem Empfänger sicher Kenntnis vom Inhalt der zu übermittelnden Nachricht verschaffen, was die Voraussetzung für die Gewährung rechtlichen Gehörs ist. Zudem erhält der Absender einen Nachweis über Zeit und Ort der Kenntnisverschaffung. Damit dient die Zustellung der Rechtssicherheit.594 Die Zustellung wird im VwZG geregelt; sie wird in einer Vielzahl von Bundesgesetzen vorgeschrieben, deren praktisch bedeutsamste die Prozessordnungen waren;595 mit dem Zustellungsreformgesetz ist dies dahingehend geändert worden, dass nunmehr jeweils die Zustellvorschriften der ZPO für maßgeblich erklärt wurden.596 Das VwZG und die darin vorgeschriebene Form der Zustellung ist auch dann anzuwenden, wenn sich die Behörde für diese Form der Bekanntgabe entscheidet, etwa um Streit über den Bekanntgabezeitpunkt belastender Verwaltungsakte zu vermeiden.597 Die Zustellung erfordert die Übergabe eines Schriftstückes in Urschrift, Ausfertigung oder beglaubigter Abschrift oder die Vorlage der Urschrift, § 2 Abs. 1 VwZG. Damit scheiden elektronisch übermittelte Dokumente grundsätzlich als zustellfähige Dokumente aus. Nur für den Fall der Zustellung an Beamte, Ruhe592

Vgl. Herwig, Zugang, MMR 2001, S. 147. Die Fortführung des Dienstes ist zudem angesichts der Entscheidung der Post, den Betrieb ihrer Signaturtochter Signtrust einzustellen, fraglich. 594 Sadler, Einleitung zum VwZG Rdnr. 2 und 3. 595 Übersicht bei Sadler, § 1 VwZG Rdnr. 7 ff., besonders 11. 596 Gesetz zur Reform des Verfahrens bei Zustellungen im gerichtlichen Verfahren (Zustellungsreformgesetz – ZustRG), BGBl. I 2001, S. 1206; hierzu Kremer, Verwaltungszustellungsrecht, NJW 2002, S. 2616. 597 Vgl. Sadler, § 1 VwZG, Rdnr. 12; Rosenbach, Rahmenbedingungen, NWVBl. 1997, S. 124. 593

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standsbeamte usw. nach § 16 Abs. 2 VwZG und für den Fall der Zustellung gegen Empfangsbekenntnis nach § 5 Abs. 2 VwZG wird auch die Übersendung eines Telefax als zulässig angesehen.598 Das durch einen als vertrauenswürdig angesehenen Empfänger erstellte Empfangsbekenntnis bietet hier die für die Zustellung erforderliche Sicherheit. Ebenso ermöglicht das beamtenrechtliche Vertrauensverhältnis eine derartig vereinfachte Art der Zustellung für den seltenen Fall, dass sich der Empfänger im Ausland aufhält und an ihn deshalb nicht amtlich zugestellt werden kann.599 Die Voraussetzung des § 2 Abs. 1 VwZG, zustellungsfähige Dokumente haben Schriftstücke zu sein und damit Urkunden, wird beim Telefax als gewahrt angesehen, da Telefaxdokumente trotz elektronischer und körperloser Übermittlung üblicherweise und bestimmungsgemäß sogleich auf Empfängerseite perpetuiert werden, und damit dort wiederum als Schriftstücke vorliegen.600 Für den üblichen Fall der Zustellung in Form der Zustellung durch die Post mit Zustellungsurkunde nach § 3 VwZG oder mittels eingeschriebenen Briefes nach § 4 VwZG, in denen der Empfang entweder durch die Post beurkundet oder durch den Empfänger quittiert wird, erfordert die Zustellung ein körperliches Schriftstück, das mit der Post versandt und durch deren Mitarbeiter übergeben werden kann. Die ebenfalls mögliche, in der Praxis jedoch seltene Zustellung in Form der Vorlage der Urschrift gemäß § 6 VwZG fordert ebenfalls bereits begrifflich ein als Urschrift oder Original einzuordnendes Schriftstück. Damit begründet das Zustellungserfordernis auch die Schriftform als Urkundsform, unter die allerdings auch Telefaxdokumente gefasst werden, nicht indes elektronische Dokumente.601 Das Zustellungsreformgesetz, mit dem vor allem die Form der gerichtlichen Zustellung modifiziert wurde, sah erstmals die Zustellung elektronischer Dokumente vor. Nach dem hierdurch geänderten § 174 Abs. 2 ZPO kann an die in Abs. 1 der Norm genannten Anwälte, Notare, Gerichtsvollzieher, Steuerberater oder sonstigen Personen, bei denen aufgrund ihres Berufes von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann, sowie an Behörden, Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts gegen Empfangsbekenntnis auch in Form einer Telekopie zugestellt werden. Abs. 3 gestattet zudem die Zustellung eines elektronischen Dokumentes, das zu signieren und zu verschlüsseln ist; das Empfangsbekenntnis kann als elektronisches Dokument, als Telekopie und als Schriftstück erteilt werden. Diese Änderung der gerichtlichen Zustellungsrege598 Engelhardt/App, § 2 VwZG Rdnr. 4; Kintz, Zustellung, JuS 1997, S. 1116; Sadler, § 2 VwZG Rdnr. 19. 599 Vgl. zur Zuverlässigkeit der als Empfänger einer Zustellung gegen Empfangsbekenntnis in Frage Kommenden siehe BT-Drs. 14/4554, S. 18; zur Unzulässigkeit der amtlichen Zustellung im Ausland siehe Sadler, § 14 VwZG Rdnr. 1; zur bloßen Indizwirkung der ordnungsgemäßen Absendung einer Telefaxsendung für ihr Ankommen siehe Sadler, § 2 VwZG Rdnr. 19 a. E. 600 Sadler, § 2 VwZG Rdnr. 19 sub c). 601 Vgl. P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 32.

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lungen wirkt sich jedoch nicht auf die Zustellung nach dem VwZG aus. Zwar nimmt dieses in § 3 Abs. 3 die Zustellungsvorschriften der ZPO in Bezug, und änderte das ZustRG in seinem Art. 2 Abs. 1 verschiedene Vorschriften des VwZG, darunter auch § 3 Abs. 3 VwZG, doch betrifft diese Norm allein die Zustellung durch die Post und damit als Schriftstück, so dass auch § 174 Abs. 3 ZPO in § 3 Abs. 3 VwZG nicht erwähnt wird. Diese den Gerichten eröffnete Möglichkeit der Zustellung elektronischer Dokumente bleibt daher den nach dem VwZG zustellenden Behörden verschlossen. Zwar wird in der Literatur die Zulässigkeit der Zustellung gegen Empfangsbekenntnis auch für sonstige elektronische Dokumente angenommen und hierfür insbesondere auf die Zulässigkeit der Zustellung mittels Telefax hingewiesen.602 Diese Auffassung missachtet jedoch die bei der Nutzung des Internets als Medium fehlende automatische oder zumindest bestimmungsgemäße papierne Perpetuierung des elektronischen, nicht nur elektronisch übermittelten Dokumentes, und setzt sich damit über das gesetzliche Erfordernis der Zustellung eines Schriftstückes hinweg. Von einem Schriftstück kann jedoch bei einer Computerdatei auch dann nicht sinnvoll gesprochen werden, wenn diese Datei verschlüsselt oder signiert ist. Allenfalls kann der Empfänger ein Schriftstück mit dem Inhalt des elektronischen Dokumentes fertigen, doch läge damit die Erfüllung eines für die Zustellung wesentlichen Tatbestandsmerkmals in den Händen des Empfängers, was auch bei den als zuverlässig eingeschätzten in § 5 Abs. 2 genannten Adressaten zu dessen Abschaffung führte. Diese Modifikation des Zustellrechts sollte jedoch dem Gesetzgeber überlassen bleiben, der das Zustellungsverfahren der Verwaltungsbehörden, öffentlich-rechtlichen Körperschaften und der Finanzbehörden indes bewusst nicht modifizieren wollte.603 Auch das 3. VwVfÄndG erwähnt das Verfahren der Zustellung nicht, sondern vielmehr nur – nicht näher konkretisierte – „Überlegungen, im Verwaltungszustellungsgesetz auch elektronische Übermittlungsformen zuzulassen“,604 so dass die beabsichtigte Gleichstellung elektronischer Dokumente mit herkömmlichen Urkunden insoweit unvollständig ist.605 Die genannten „Überlegungen“ des Gesetzgebers gehen derzeit dahin, entsprechend § 174 Abs. 3 ZPO in § 5a VwZG die Zustellung elektronischer Dokumente gegen Empfangsbekenntnis zuzulassen. Als Adressaten kommen, anders als in § 174 Abs. 3 ZPO und auch als in § 5 Abs. 2 VwZG, nicht nur die 602

Herwig, Zugang, MMR 2001, S. 149 bei und mit FN 66. Vgl. BT-Drs. 14/4554, S. 28 – Zu Absatz 17. 604 BT-Drs. 14/9000, S. 38 – Zu Nummer 15. Vgl. auch die Äußerungen des zuständigen Referenten im BMI, Schlatmann, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 98: „Insofern ist [der Zugang elektronischer Nachrichten] ein komplexes Thema. [. . .] Man muss einfach sehen, dass das Problem so nicht lösbar ist. Sie können keine globalen Regeln dafür aufstellen. Wir überlegen zur Zeit, ob wir noch einmal an das Zustellungsgesetz herangehen, aber das ist noch ein bisschen offen.“ 605 So auch P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 46d. 603

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

dort Genannten, sondern vielmehr jedermann in Frage, der dieser Übermittlungsart ausdrücklich zugestimmt hat. Die Nachricht soll gegen Einsichtnahme durch Unbefugte gesichert werden. Das Empfangsbekenntnis soll schriftlich, als Telekopie oder als qualifiziert signiertes elektronisches Dokument erteilt werden können und das Datum des Erhalts tragen.606 Im Ergebnis entspricht die vorgeschlagene Regelung der bereits aus § 5 Abs. 2 VwZG bekannten. Es bestehen jedoch zwei Ausnahmen: Im Vergleich etwa zu Telekopien wird die Sicherung der Integrität und der Vertraulichkeit verstärkt, doch gleichzeitig der Adressatenkreis erweitert. Das besondere gesetzgeberische Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Adressaten, die sich für die Begrenzung des Adressatenkreises in § 5 Abs. 2 VwZG anführen lässt,607 wird durch die Bereitschaft des Empfängers mit diesem Übertragungsweg substituiert. Die gesetzgeberische Zurückhaltung in der Frage der Zustellung elektronischer Nachrichten hat sicherlich nicht zuletzt darin ihren Grund, dass bislang keine geeigneten Maßnahmen zur Zugangssicherung vorgestellt wurden. Der oben beschriebene Dienst „eKurier“ von Signtrust litt an der geringen Verbreitung der Signaturtechnik und seiner Komplexität, die jedoch von seiner Konzeption her vorgegeben war. Diese ging von der Notwendigkeit eines von der Person des Absenders und der des Empfängers unabhängigen und damit unparteiischen und für alle Beteiligten vertrauenswürdigen Dritten aus, der den Zugang der Nachrichten für alle nachvollziehbar mit Datum und Uhrzeit dokumentiert. Die zweite Prämisse war die elektronische Nachbildung des herkömmlichen Postlaufwegs, mit der Post als Intermediär, vertreten durch ihre Tochter Signtrust. Dem herkömmlichen Postboten, der ein Dokument nur gegen Unterschrift auf dem Empfangsbekenntnis aus der Hand gibt und die aktuelle Uhrzeit dokumentiert, entsprach hier das Zusammenspiel zwischen dem Signtrust-Server und der Erweiterung zu Microsoft Outlook, die dem Erstgenannten gewissermaßen den Zugriff in die Sphäre des Empfängers ermöglichte. Beide Prämissen sind für die Zustellung im öffentlichen Recht nicht erforderlich. Die Gesetzesbindung der Verwaltung und ihre Pflicht zur ordnungsgemäßen Aktenführung bietet eine hinreichende Sicherheit vor einer Verfälschung der Dokumentation über die Absendung und den Zugang herkömmlicher wie elektronischer Dokumente. Diese Voraussetzung ist allerdings im privaten Umfeld, für das das Angebot von Signtrust konzipiert war, tatsächlich nicht mit ebensolcher Sicherheit gegeben. Doch kann der Gesetzgeber auf die Richtigkeit der von Behörden dokumentierten Zustellungen und Zustellversuchen vertrauen, so dass ein allein in ihrer Verantwortung liegendes „Zustellungssystem“ für elektronische Dokumente auch ohne die Einschaltung eines Dritten sicher genug die Zustellung dokumentieren könnte. Darüber hinaus ist die Nachbildung des Postlaufs nicht 606 607

Text des Vorschlags bei Schlatmann, Anmerkungen, DVBl. 2002, S. 1013. Vgl. Sadler, § 5 VwZG Rdnr. 13.

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notwendig. Anders als bei herkömmlichen Schriftstücken ist es für elektronische Nachrichten unerheblich, wo im Netz der Adressat die an ihn gerichteten Dokumente „abholt“, ob bei seinem E-Mail-Provider oder anderenorts, beispielsweise auf den Seiten der Behörde. Es ist daher nicht notwendig, ihm die Nachrichten zu „bringen“, er kann sie ebenso gut auch „holen“, da letzteres nicht mit wesentlich mehr Aufwand verbunden ist. Bei der Abholung, die beispielsweise mit Hilfe von Verschlüsselungsverfahren dahingehend gesichert werden kann, dass nur der Adressat Zugang zum Dokument oder zumindest seinem Inhalt hat, können Datum und Uhrzeit automatisch dokumentiert werden. Das „Bringen“ der Nachricht reduziert sich damit auf die Benachrichtigung des Adressaten über das Vorliegen des Dokumentes, verbunden mit Hinweisen über die für die Abholung notwendigen Schritte und technischen Voraussetzungen. Ein Nachteil dieses Verfahrens ist die notwendige Bereitschaft des Adressaten, die Nachricht auch tatsächlich abzuholen. Unterlässt er dies, kann von Zugang nicht gesprochen werden, da der Server der Behörde auch dann nicht zu seinem Machtbereich gerechnet werden kann, wenn die abstrakte Möglichkeit der Kenntnisnahme durch eine Hinterlegung des Dokumentes für ihn gegeben war. Es kann nämlich ebenso gut davon ausgegangen werden, dass ihn die Benachrichtigungsmail nicht erreichte und damit die Möglichkeit der Kenntnisnahme tatsächlich nicht bestand. Die Notwendigkeit zur Kooperation ist jedoch beim elektronischen Rechtsverkehr ohnehin gegeben. Da das Vorhalten der Computer- wie Signaturtechnik auf Seiten des Bürgers nicht vorausgesetzt werden kann, muss der Zugang für elektronische Dokumente explizit eröffnet werden, was nur in bestimmten kooperativen Verfahren der Fall sein wird und außerdem eine detaillierte Abstimmung der geeigneten technischen Rahmenbedingungen erforderlich macht.608 Bei einseitig verfügten belastenden Verwaltungsakten ist zudem die Wahrung der Seriositätsfunktion durch elektronische Nachrichten fraglich, so dass sich die Wahl des Mediums in diesen Fällen ebenfalls nur bedingt empfehlen wird. Damit kann prinzipiell davon ausgegangen werden, dass der Empfänger bei der Zulassung von elektronischer Kommunikation in diesem konkreten Verfahren auch zur Abholung der darin getroffenen Entscheidung bereit sein wird. Bleibt dies allerdings aus, verzögert sich die Zustellung, da ein erneuter Versuch der Übermittlung, beispielsweise auf herkömmlichem Weg der Zustellung durch Einschreiben oder Zustellungsurkunde unternommen werden muss. Dies muss bei der stets notwendigen Abwägung der der Behörde zur Verfügung stehenden Übermittlungsmöglichkeiten berücksichtigt werden. Doch erhöhte die Einführung dieses Verfahrens die Zahl der ihr eröffneten Möglichkeiten und ermöglichte die Zustellung auch elektronischer Dokumente.

608

Hierzu ausführlich oben § 39 Bereitschaft des Empfängers, S. 238.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Ein System für die Zustellung elektronischer Behördenentscheidungen wird in Deutschland in der Praxis erst angedacht.609 Andere Länder hingegen nutzen ein solches System bereits, wie das Beispiel Finnland zeigt. Nach § 29 des dortigen Gesetzes über die elektronische Kommunikation im Verwaltungsverfahren610 können seit dem Jahresbeginn 2000 auch Bescheide, von deren Bekanntgabezeitpunkt eine Frist zu laufen beginnt oder deren Inkrafttreten von der Bekanntgabe abhängt, elektronisch übermittelt werden, wenn der Adressat mit dieser Form der Bekanntgabe einverstanden ist. In diesem Fall informiert die Verwaltung den Bürger, auf welchem Server der Entscheid für ihn zur Abholung bereitliegt. Der Bürger oder sein Vertreter muss sich identifizieren, beispielsweise mit Hilfe der elektronischen Signatur. Das Dokument gilt in Finnland in dem Moment als zugegangen, in dem es vom Server geladen wurde. Wurde die Nachricht nicht innerhalb von sieben Tagen abgeholt, soll die Verwaltung anderweitig zustellen. Genauso wie in der oben angesprochenen geplanten deutschen Regelung ist es für die Wahl der „elektronischen Zustellung“ durch die Behörde in Finnland erforderlich, dass der Adressat mit dieser Form der Übermittlung einverstanden ist. Anderweitige Einschränkungen des Adressatenkreises bestehen nach beiden Normen nicht. In technischer Hinsicht unterscheiden sich die Systeme jedoch darin, dass das deutsche dem Adressaten das Lesen auch ohne Dokumentation des Zugangszeitpunktes gestattet, da es das Dokument aus der Hand gibt und dessen weiteren Verbleib nicht verfolgen, und auch nicht die Übersendung des Empfangsbekenntnisses erzwingen kann, während beim finnischen System Zugriff und Wissen der Behörde darum zusammenfallen. Die finnische Lösung nutzt die Möglichkeiten des Mediums Internet damit besser als die deutsche, die zu sehr der herkömmlichen Zustellung verhaftet ist und technisch mögliche und vorteilhafte Neuerungen übersieht. Es ist verwunderlich, dass der deutsche Gesetzgeber dieses praktikable und seit Jahren praktizierte Modell nicht zu kennen scheint, obwohl Finnland als Mitglied der Europäischen Union ein weder geographisch noch ökonomisch oder juristisch so fernes Land ist, dass eine Zusammenarbeit in diesem gerade auch von europäischem Recht stark durchdrungenen Gebiet sehr fernliegend wäre. Doch zeigt eine Äußerung des Referenten im BMI auf einer Fachtagung die mangelnde Bereitschaft zum Austausch nur zu deutlich: „Alle Länder sind der Meinung, es reicht schon, dass einem die EU-Kommission in die eigenen Verwaltungsverfahren reinredet, mit den anderen reden wir erst gar nicht großartig drüber. Ich weiß zufällig [!], aus anderen Kanälen [!], dass die Franzosen sehr intensiv über Akkreditierung nachdenken, dass die Italiener das tun. [. . .] Ein Kollege hat mir auch mal erzählt [!], dass die Belgier ähnliches vorhaben. 609

Vgl. Klinger, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 143. Lag om elektronisk kommunikation i förvaltningsärenden vom 30.12.1999, Gesetz Nr. 1318/1999. 610

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Im Übrigen gibt es da zur Zeit keinen Austausch. Dieser Austausch ist auch grenzwertig, sage ich mal.“611 Die fehlende Zusammenarbeit, ja das Desinteresse an in den Nachbarländern gefundenen Lösungen ist bedauerlich, werden so doch wertvolle Anregungen versäumt.

§ 43 Öffentliche Bekanntgabe Ein Sonderfall der Bekanntmachung behördlicher Entscheidungen, ihre öffentliche Bekanntgabe, wird durch das 3. VwVfÄndG in § 41 Abs. 4 VwVfG angesprochen. Diese ermöglicht ein Wirksamwerden der Entscheidung auch ohne dass sie ihrem Empfänger zugehen müsste. Die Möglichkeit der Kenntnisnahme ist zwar auch hier aufgrund der Öffentlichkeit der Bekanntgabe prinzipiell gegeben, doch muss die Nachricht nicht in den Machtbereich des Empfängers gelangen, so dass die Möglichkeit der Kenntnisnahme tatsächlich so stark von der Aufmerksamkeit und dem Interesse des Adressaten abhängig ist, dass diese Möglichkeit letztlich nur eine theoretische ist.612 Die öffentliche Bekanntgabe ist damit eine bloße Verlautbarung, die nur für schriftliche Verwaltungsakte in § 41 Abs. 4 VwVfG formalisiert, sonst aber formlos möglich ist. Die Einschränkung der Kenntnisnahmemöglichkeit stellt eine Ausnahme zum rechtsstaatlichen Grundsatz dar, dass verpflichtende Behördenentscheidungen dem Bürger bekannt gegeben werden müssen, und bedarf als solche der besonderen Rechtfertigung.613 Als hierfür ausreichend erachtet § 41 Abs. 3 Satz 2 VwVfG, dass die Bekanntgabe einer Allgemeinverfügung an die Beteiligten untunlich ist; anderenfalls bedarf es zumindest einer diese Form der Bekanntmachung legitimierenden Rechtsvorschrift, § 41 Abs. 3 Satz 1 VwVfG. Diese Vorschriften sollen zumeist die effiziente Durchführung von Massenverfahren oder von Verfahren mit einer unbestimmten Anzahl Betroffener ermöglichen, was ohne eine gewisse Einschränkung des Bekanntgabeerfordernisses an jeden einzelnen Betroffenen nicht möglich wäre. Ein Beispiel für eine solche Rechtsvorschrift stellt etwa § 50 BauGB dar, wonach Beschlüsse über die Umlegung von Grundstücken ortsüblich bekannt zu machen sind.614 Praktisch hoch bedeutsam ist die öffentliche Bekanntgabe von straßenverkehrsrechtlichen Entscheidungen durch Verkehrszeichen nach § 45 StVO, die durchgängig als Allgemeinverfügungen verstanden werden.615 Die im VwVfG vorgesehene öffentliche Bekannt611

Schlatmann, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 97. P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 72. 613 Vgl. nur Maurer, Verwaltungsrecht, § 9 Rdnr. 65. 614 Weitere Beispiele bei Hennecke, in: Knack, § 41 VwVfG Rdnr. 23; P. Stelkens/ U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 77; Wolff/Bachof/Stober, Allg. VwR II6, § 48 Rdnr. 30. 615 Siehe nur Bitter/Konow, Verkehrszeichen, NJW 2001, S. 1387; Hennecke, in: Knack, § 41 VwVfG Rdnr. 28; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 35 VwVfG Rdnr. 242 ff. 612

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

machung von Entscheidungen in Massenverfahren im förmlichen Verfahren und in Planfeststellungsverfahren gemäß §§ 69 Abs. 2 und 74 Abs. 5 VwVfG, bei denen die Entscheidung mehr als 50 Beteiligten bekannt gegeben werden soll, sind besondere Arten der Zustellung nach § 15 VwZG, die auf dem Weg des öffentlichen Aushangs an einer hierfür allgemein bestimmten Stelle durchzuführen ist, § 15 Abs. 2 VwZG.616 Die Form der öffentlichen Bekanntgabe muss sicherstellen, dass die Regelung der Öffentlichkeit als Adressatin unmissverständlich mitgeteilt wird. Jeder Betroffene muss zumindest potentiell in der Lage sein, ihren Inhalt wahrzunehmen.617 Für schriftliche Verwaltungsakte schreibt § 41 Abs. 4 VwVfG die „ortsübliche“ Bekanntgabe zumindest ihres verfügenden Teils sowie eines Hinweises darauf vor, wo der jeweilige Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Die hiermit ermöglichte verkürzte Publikation ist nicht die einzig zulässige Form der öffentlichen Bekanntgabe eines schriftlichen Verwaltungsaktes, vielmehr nur ein zusätzliches Angebot an die Behörde, der es unbenommen bleibt, auch den Verwaltungsakt selbst samt Begründung und Rechtsbehelfsbelehrung öffentlich bekannt zu machen.618 Jedenfalls erforderlich ist die Veröffentlichung in ortsüblicher Form, wobei es grundsätzlich auf die Üblichkeit am Ort der Behörde, bei Ortsbezug des Verwaltungsaktes jedoch auf den Ort ankommt, an dem der Verwaltungsakt bekannt gegeben werden muss.619 Insofern sind die Veröffentlichung durch Aushang, im Amtsblatt oder durch Inserat in Tageszeitungen verbreitet.620 Das 3. VwVfÄndG erstreckt diese Vorschrift auch auf elektronische Verwaltungsakte, die damit ebenso in ortsüblicher Weise bekannt gemacht werden müssen. Was „ortsüblich“ in diesem Zusammenhang bedeutet, ist allerdings mangels einer entsprechenden Verkehrsanschauung noch nicht bestimmt. Auch der Gesetzesbegründung, die sich hier auf den lapidaren Satz beschränkt, die Änderung stelle klar, dass die Regelung über die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes auch für elektronische Verwaltungsakte gelte, lassen sich hierzu keinerlei Aussagen entnehmen.621 Die Veröffentlichung elektronischer Dokumente erfolgt gemeinhin durch ihr Einstellen in das Internet zum allgemeinen Abruf, etwa auf einer WWW-Seite. Problematisch an der Nutzung dieses Mediums durch Behörden ist weniger die Informationsstrukturierung, also der 616 Hennecke, in: Knack, § 41 VwVfG Rdnr. 23; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 77 am Ende. 617 Vgl. P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 73a f. 618 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 83a f. 619 Hennecke, in: Knack, § 41 VwVfG Rdnr. 24; vgl. für überregional wirkende Behörden und Verwaltungsakte auch P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 85. 620 Vgl. P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 85a. 621 BT-Drs. 14/9000, S. 34 – Zu Nummer 12 Buchstabe b).

11. Kap.: Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten

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Domainname und die Navigation der Behördenhomepage,622 als vielmehr der dadurch mittelbar ausgeübte Zwang zur Nutzung moderner Medien durch die Bürger. Nach der Rechtsprechung ist dem Bürger die Nutzung ortsüblicher Bekanntgabemedien zuzumuten. Bei etwaigen Versäumnissen kann eine Wiedereinsetzung nicht gewährt werden, da in einem solchen Fall von mangelndem Verschulden ebenso wenig gesprochen werden könne wie bei der Nichtlektüre eines Gesetz- und Verordnungsblattes.623 Würde auch das Internet in diesem Zusammenhang als ortsüblich angesehen, bestünde damit die Obliegenheit auch der Kontrolle der behördlichen Homepage auf etwaige auf diesem Weg bekannt gemachte Verwaltungsakte. Eine solche Obliegenheit stellte jedoch den vom Gesetzgeber des 3. VwVfÄndG abgelehnten Zwang zur Nutzung elektronischer Medien dar.624 Selbst wenn alle von dem auf diesem Weg bekannt gemachten Verwaltungsakt Betroffenen an die Nutzung dieser Technik gewöhnt sind, wie etwa Telekommunikations-, Rundfunk- und Presseunternehmen, kann die ausschließliche Publikation des Verwaltungsaktes im Internet keine geeignete Form der Bekanntgabe darstellen, da der Zwang zur Nutzung des Internets dadurch nicht geringer wird.625 Auch bei diesen Unternehmen können die Motive für die Zulassung elektronischer Kommunikation wegfallen, etwa aus technischen oder finanziellen Gründen, was nach der gesetzgeberischen Entscheidung durch die Behörde nicht zu bewerten, sondern nur hinzunehmen ist. Die Einbeziehung elektronischer Verwaltungsakte in die Vorschrift des § 41 Abs. 4 VwVfG ändert damit nichts an den der Verwaltung zur Verfügung stehenden ortsüblichen Medien. Sie bewirkt vielmehr nur, dass nun auch elektronische Verwaltungsakte auf ortsübliche Weise öffentlich bekannt gemacht werden können, und in diesem Fall die verkürzte Form zulässig ist. Da der Verwaltungsakt jedoch nur „elektronisch“ ist, wenn er nicht in schriftlicher Form vorliegt, scheint der Gesetzgeber hiermit die Möglichkeit der elektronischen Vorhaltung des Verwaltungsaktes etwa im Internet eröffnen zu wollen, wobei die Bekanntmachung durch eine öffentliche Bekanntgabe der Internetadresse geschehen kann („wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können“, § 41 Abs. 4 Satz 2 VwVfG).626 Auch bei einer solchen Gestaltung bestünde jedoch der mittelbare Zwang auf den Bürger zur Nutzung, gegebenenfalls sogar Anschaffung der für die Internetnutzung erforderlichen 622 So aber offenbar P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 73c, die nicht näher erläuterte Bedenken gegen den Domainnamen www.regtp.de der allgemein unter RegTP bekannten Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post haben. 623 BVerwGE 104, S. 337 (341); P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 85a und 72e. 624 BT-Drs. 14/9000, S. 30 – Zu Nummer 4 Absatz 1. 625 In diese Richtung jedoch P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 73c. 626 Vgl. P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 83d.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Technik, den der Gesetzgeber gerade vermeiden möchte. Eine wirksame Bekanntgabe des Verwaltungsaktes könnte damit nicht angenommen werden, da der Verwaltungsakt selbst nicht öffentlich bekannt gegeben wurde, sondern nur seine verkürzte Form, die ein bloßer Hinweis auf den anderweitig einzusehenden Verwaltungsakt ist, und das Vorhalten in elektronischer Form nicht allen zugemutet werden kann.627 Diese Form des Vorhaltens erscheint jedoch möglich, wenn die Behörde an ihrem Sitz auch ein Terminal mit Ausdruckmöglichkeit bereithält, mit dessen Hilfe der Verwaltungsakt eingesehen werden kann, und hierfür auch ausreichende Hilfestellung durch Behördenmitarbeiter zur Verfügung steht.628 Aus Bürgersicht entspräche dies letztlich dem unproblematischen Vorhalten des Verwaltungsaktes in schriftlicher Form bei der Behörde, hätte für diese jedoch den Vorteil der Platzersparnis, da die Verwaltungsakte nicht auf Papier vorrätig gehalten werden müssten. Sind alle Betroffenen mit der elektronischen Kommunikation einverstanden, kann die Bekanntgabe zudem in Form der oben vorgestellten „finnischen Zustellung“ geschehen. Wesentliche Kosten kommen hier auch bei einer großen Zahl an Betroffenen nicht auf die Behörde zu. Diese Form der Bekanntgabe wahrte durch das Erfordernis des Zugangs die Rechte der Betroffenen jedoch in weitaus stärkerem Maß als die öffentliche Bekanntgabe. Durch Kombination von öffentlicher Bekanntgabe und elektronischer Zustellung kann zudem dem Interesse der Behörde an rascher und sicherer Bekanntgabe des Verwaltungsaktes und damit seinem Inkrafttreten Rechnung getragen werden, genauso wie dem Interesse der Bürger daran, dass ihnen sie betreffende Entscheidungen zugehen. Die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes im Internet stößt zudem, über die Frage der Ortsüblichkeit des Mediums hinaus, auf Grenzen des Datenschutzes. Bereits bei der Publikation des verfügenden Teils eines Verwaltungsaktes in herkömmlichen, oftmals papiergebundenen Medien sind die Grundrechte der Betroffenen zu beachten. Zu diesen gehört auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG.629 Dieses wird durch eine unverhältnismäßige Publikation personenbezogener Daten verletzt, die etwa durch die Wahl der öffentlichen Bekanntgabe trotz des Bereitstehens einer ebenso wirksamen, doch die Vertraulichkeit stärker wahrenden Art der Bekanntmachung des Verwaltungsaktes möglich ist.630 Eine Auslegung etwa der Anlage zu einem Planfeststellungsbeschluss, aus der sich unter Namensnennung die von dem geplanten Vorhaben Betroffenen und ihre 627

So auch P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr.

83d. 628

P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 73c. Grundlegend BVerfGE 65, S. 1 (Volkszählung); hierzu beispielsweise Simitis/ Simitis, Einleitung Rdnr. 28 ff.; Trute, in: Roßnagel, Datenschutzhandbuch, Kap. 2.5, Rdnr. 7 ff. 629

11. Kap.: Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten

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wirtschaftlichen Verhältnisse ergeben, verletzt ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung, da es für alle mit der Auslegung verfolgten Zwecke genügt, nicht personalisierte Daten zu veröffentlichen, etwa indem statt der Namen der Betroffenen Betriebsnummern veröffentlicht werden, die nur in begründeten Einzelfällen bestimmten Personen zugeordnet werden können.631 Nach dem verfassungsrechtlich gebotenen datenschutzfreundlichen Verständnis der die öffentliche Bekanntgabe legitimierenden Rechtsvorschriften ist die öffentliche Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes dann höchst problematisch, wenn dieser personenbezogene Daten wie den Namen des Adressaten enthält. Die Einstellung in das Internet führt nämlich, anders als die Publikation in der lokalen oder auch überregionalen Presse einerseits zu einer unmittelbar weltweiten Publikation dieser Daten. Der Empfängerkreis ist in örtlicher Hinsicht schlechthin unüberschaubar, so dass die Publikation schon deshalb unverhältnismäßig sein kann, weil nicht die am wenigsten belastende Form der Veröffentlichung gewählt wurde. Andererseits ist die fehlende zeitliche Abgrenzung der Informationsempfänger als sehr problematisch aufzufassen. Die Verbreitung von in elektronischer Form publizierter Information lässt sich nur sehr schwer kontrollieren.632 Die Daten können durch Dritte kopiert und für eigene Zwecke oder auch für die Öffentlichkeit archiviert und auch zum dauerhaften Abruf bereitgehalten werden.633 Die auf amerikanischen Servern betriebene „Wayback Machine“ des Internet-Archivs ist als spannende Bibliothek der Internet-Historie ein gutes Beispiel für die hiermit verbundenen Vor- und Nachteile: Sie erlaubt das Betrachten längst vom Netz genommener Seiten und damit ebenso eine Reise in die Vergangenheit wie eine Recherche in Datenbeständen, die möglicherweise aus guten Gründen durch ihre Anbieter nicht mehr veröffentlicht werden.634 Dazu könnten in Zukunft auch die öffentlich bekannt gegebenen Verwaltungsakte deutscher Behörden gehören, die damit für jeden und auf ewig abrufbar wären. Die Publikation personenbezogener Information im Internet durch die öffentliche Bekanntgabe von Verwaltungsakten muss angesichts dieses Risikos als nicht datenschutzgerecht ausgeschlossen sein. Nicht hinreichend ist dagegen eine Vorschrift, die das Speichern und Veröffentlichen nur vorübergehend amtlich im Internet publizierter Daten unter Bußgeldandrohung verbietet.635 Eine solche hat nur begrenzte Reichweite und kann daher vom Ausland aus begangene Eingriffe in das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Be630 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 41 VwVfG Rdnr. 74a und § 39 Rdnr. 65, unter Verweis auf BVerfG, Beschl. v. 14.10.1987 – 1 BvR 1244/87, BVerfGE 77, S. 121 (125). 631 BVerfGE 77, S. 125. 632 Hierzu oben § 7 II. a) Fehlende Verkörperung, S. 39. 633 Vgl. Nedden, Datenschutz, S. 110. 634 Vgl. web.archive.org; hierzu Bahr, Wayback Machine, JurPC 29/2002. 635 So indes die Erwägungen der Bundesregierung, die gemäß § 9 InsO im Internet veröffentlichten Daten betreffend, vgl. BT-Drs. 15/181, S. 5.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

troffenen nicht wirksam verhindern. Dies kann allein eine an den Grundsätzen der Datenvermeidung ausgerichtete Gestaltung, die bereits das Sammeln dieser Daten verhindert.

§ 44 Verschlüsselung elektronisch übertragener Nachrichten Der Verwaltung bekannte oder mitzuteilende personenbezogene Daten sind nicht nur vor einer unbegrenzten und nicht kontrollierbaren Offenbarung und Speicherung aufgrund ihrer Veröffentlichung auf den allgemein zugänglichen Webseiten der Behörden zu schützen. Gefahren bestehen auch beim Versand dieser Daten über das Internet, sei es mittels E-Mail oder über ein Web-Formular, das die Daten aufnimmt und gesammelt weitergibt. Aufgrund der prinzipiellen Offenheit und geringen Kontrollierbarkeit des Netzes ist stets das Risiko einer unabsichtlichen Fehlleitung dieser Daten oder gar ihrer bewussten Ausspähung zu berücksichtigen.636 Der Gefahr einer Offenbarung ist durch eine Verschlüsselung der Daten zu begegnen. Möglich ist dies für mit Webformularen gesammelte Daten durch eine Browser-basierte Verschlüsselung mittels SSL. Bei per E-Mail übertragenen Daten empfiehlt sich eine asymmetrische Verschlüsselung mit Programmen wie PGP oder mittels von Zertifizierungsdiensteanbietern bereitgestellter, für die Signierung ebenso wie für die Verschlüsselung geeigneter Softwareprodukte.637 Zur effektiven Sicherung der Daten gegen Ausspähung genügt es nicht, dass sich die Verwaltung dieser Techniken bedient. Sie hat vielmehr auch den Bürgern die Möglichkeit eines verschlüsselten Datenaustauschs zu bieten. Hierzu gehört nicht allein die Zugangseröffnung auch für verschlüsselte Nachrichten.638 Ebenso ist die Bereitstellung geeigneter Softwareprodukte und hierauf bezogener, dem Bürger auch ohne weiteres verständlicher Hilfsangebote erforderlich.639 Eine dies explizit fordernde Vorschrift ist auch mit dem 3. VwVfÄndG nicht in das VwVfG eingefügt worden. Die Abgabenordnung wurde hingegen um eine Verschlüsselungspflicht bezüglich sensibler Daten ergänzt: Gemäß § 87a Abs. 1 Satz 3 AO hat die Finanzbehörde Daten, die sie übermittelt und die dem Steuergeheimnis unterliegen, mit einem geeigneten Verfahren zu verschlüsseln. 636

Vgl. oben § 7 II. b) Leichte Manipulierbarkeit und fehlende Vertraulichkeit,

S. 40. 637

DSB, Datenschutzgerechtes E-Government, S. 38. Zur wesentlichen Frage der Zugangseröffnung auch für bestimmte Dateiformate, zu denen auch Produkte zur Ver- und Entschlüsselung gehören, siehe oben § 39 III. Angaben zu den Kommunikationswegen und Datenformaten, S. 242. 639 Nedden, Datenschutz, S. 105; Müller/Wehrmann, Verschlüsselungsangebot, DuD 2001, S. 642. 638

11. Kap.: Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten

281

Dementsprechende Anregungen der Literatur zur Ergänzung auch des VwVfG wurden hingegen nicht aufgegriffen.640 Die diesbezügliche Kritik von Teilen der Literatur641 ist allerdings unbegründet. Das VwVfG enthält mit seinem § 30 eine klare und eindeutige Vorschrift, die die Verwaltung zur Geheimhaltung ihr bekannt gewordener Geheimnisse verpflichtet, und zwar sowohl von „zum persönlichen Lebensbereich gehörende[n] Geheimnissen“ wie auch von „Betriebsund Geschäftsgeheimnisse[n]“. Im übrigen geht hinsichtlich automatisiert verarbeiteter personenbezogener Daten, und damit der hier interessierenden elektronisch versandten oder bereitgestellten Daten, ohnehin das Bundesdatenschutzgesetz dem VwVfG vor, § 1 Abs. 4 BDSG.642 Nach der insoweit einschlägigen Vorschrift des § 9 BDSG und Nr. 4 der hierzu gehörenden Anlage haben datenverarbeitende Stellen zu gewährleisten, dass personenbezogene Daten bei der elektronischen Übertragung oder während ihres Transports auf einem Datenträger nicht unbefugt gelesen werden können. Daraus ergibt sich für öffentliche Stellen, die personenbezogene Daten auf elektronischem Weg übertragen, die Pflicht zur Bereitstellung und Nutzung von Verschlüsselungsmechanismen.643 Die von der Kritik beschworene Gefahr eines unendlichen Konferenzmarathons zur Klärung der Frage, was und wie verschlüsselt werden muss,644 existiert damit jedenfalls im Hinblick auf das allein gesetzlicher Normierung zugängliche Ob der Verschlüsselung nicht: Es besteht eine aus dem BDSG ableitbare Pflicht zur Verschlüsselung personenbezogener Daten vor ihrem Transport in offenen Netzen. Eine Verletzung dieser Pflicht ist eine unbefugte Geheimnisoffenbarung im Sinne des § 30 VwVfG.645 Einer zusätzlichen Normierung bedurfte und bedarf es nicht.

§ 45 Zwischenergebnis Die Bekanntgabe und der Zugang elektronischer Nachrichten ist eine Grundbedingung für die rechtswirksame elektronische Kommunikation zwischen Bürgern und Behörden, ist Voraussetzung von bürgerinitiierten Verwaltungsverfahren und für das Wirksamwerden behördlicher Entscheidungen notwendig, in 640

Vgl. Nedden, Datenschutz, S. 113; Roßnagel, in: ders., Verwaltung II, S. 141. Roßnagel, Verwaltungsverfahren, NJW 2003, S. 474. 642 Simitis/Simitis, § 1 BDSG Rdnr. 191. 643 Simitis/Ernestus/Geiger, § 9 BDSG, Rdnr. 112. 644 Roßnagel, in: ders., Verwaltung II, S. 141; hierauf bezieht sich Roßnagel, Verwaltungsverfahren, NJW 2003, S. 474, mit seiner Bemerkung über „Millionen Euro Kosten“, die mit „wenigen zusätzlichen Worten in § 30 VwVfG“ hätten erspart werden können. 645 Vgl. auch Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 30 VwVfG Rdnr. 15, mit dem Hinweis auf das eine solche Offenbarung darstellende Unterlassen des Behördenmitarbeiters, Akten mit personenbezogenen Daten zu verschließen und somit vor unbefugter Einsichtnahme durch Dritte zu schützen. 641

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

elektronischen Medien nicht anders als in herkömmlichen. Eine Prämisse von elektronischer Kommunikation ist die Zulassung dieser Übermittlungsart durch alle Beteiligten. Die Zugangseröffnung erstreckt sich sowohl auf die elektronische Form selbst wie auf andere technische Rahmenbedingungen der Kommunikation, zu denen beispielsweise die zu verwendenden Dateiformate und Signaturverfahren gehören. Die Eröffnung des Zugangs ist aus Sicht des Verkehrs zu beurteilen und damit aus Sicht eines verständigen Dritten. Fehlt die Zugangseröffnung, gehen gleichwohl übermittelte Dokumente nicht zu und können daher grundsätzlich keine Rechtswirkung auslösen. Auf die tatsächliche Kenntnisnahmemöglichkeit des Empfängers im konkreten Fall kommt es nicht an, solange nur der Zugang für Dokumente der Art eröffnet war, der das übermittelte angehörte. Damit können auch faktisch unlesbare Dokumente zugehen, Fristen auslösen oder einhalten: An die Zugangseröffnung sind daher strenge Anforderungen zu stellen. Dies gilt nicht zuletzt aufgrund der gesetzlichen Fiktion, auch bei Bürgern gingen E-Mails spätestens am dritten Tag nach Absendung zu. Die Zugangseröffnung kann aus diesem Grund nur bei denjenigen Privaten angenommen werden, bei denen die häufige Leerung ihres elektronischen Postfachs zu vermuten ist. Die Regelung des § 87a AO, die Zugang mit Speichermöglichkeit in einer für den Empfänger bearbeitbaren Form fingiert, ist sowohl aufgrund ihres Abstellens auf die Bearbeitbarkeit wie auch aufgrund der Vorverlagerung des Zugangszeitpunktes selbst bei Bürgern nicht als Vorbild für das allgemeine Verwaltungsrecht zu empfehlen. Der Beweis des Zugangs und des Zugangszeitpunktes elektronischer Nachrichten ist wegen der nur sehr geringen Kontrollierbarkeit des Internets schwierig. Er obliegt grundsätzlich dem Absender. Beweiserleichterungen für Behörden durch strenge Anforderungen an die „Zweifel“ der §§ 15 und 41 VwVfG sind mangels eines Einblicks des Adressaten in die während des Transports ablaufenden technischen Vorgänge nicht angeraten. Diskutierte technische Lösungen zur Verbesserung der Beweislage sind nicht allgemein verbreitet und stoßen zudem auf zumeist datenschutzrechtlich motivierte Vorbehalte bei den Benutzern. Die Zustellung elektronischer Nachrichten als bewiesener Zugang des Dokumentes ist bislang nicht möglich. Ein solches Verfahren scheint nur schwer realisierbar zu sein, obwohl es bereits seit Jahren praktikable Modelle gibt, beispielsweise in Finnland. Der deutsche Gesetzgeber plant statt deren Übernahme die Erstreckung der Zustellungsmöglichkeit gegen Empfangsbekenntnis auf elektronische Dokumente. Die Einbeziehung elektronischer Verwaltungsakte in den Kreis der Dokumente, die auch durch eine öffentliche Bekanntgabe in vereinfachter Form bekannt gemacht werden können, ist mangels eines denkbar kleinen Anwendungsbereichs von nur geringer Bedeutung. Die Nutzung des Internets hierfür ist nicht möglich, da es nicht zum Kreis der ortsüblichen Medien zählt und diese Form der Publikation zudem datenschutzrechtlichen Bedenken begegnet.

12. Kap.: Problem der Interoperabilität

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Die hier aufgezeigten Probleme machen in besonderem Maß deutlich, dass die Nutzung elektronischer Medien für rechtsverbindliche Transaktionen nicht allein auf rechtliche Hindernisse stößt. Die Öffnung der Verwaltungsverfahren für moderne Kommunikationsformen sieht sich vielmehr auch vielen technischen Problemen gegenüber, die bei der Beurteilung der rechtlichen Fragen nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Als ebenfalls wesentlich ist zu berücksichtigen, dass das Internet noch längst nicht allgemein verbreitet ist. Angesichts dessen kann die Bedeutung des in § 3a Abs. 1 VwVfG deutlich werdenden gesetzgeberischen Willens nicht hoch genug eingeschätzt werden, jeglichen Zwang auf Bürger oder Behörden zur Nutzung moderner Kommunikationstechniken und zur Schaffung der diesbezüglichen Voraussetzungen zu vermeiden. Dies sollte als Grundtenor des Gesetzes auch bei der Auslegung anderer Vorschriften wie beispielsweise der zur öffentlichen Bekanntgabe elektronischer Verwaltungsakte berücksichtigt werden. Zurückhaltung ist auch hinsichtlich der Annahme des Zugangs elektronischer Nachrichten bei Privaten geboten. Kapitel 12

Problem der Interoperabilität § 46 Interoperable Dateiformate Für die Visualisierung elektronischer Dokumente ist Hard- und Software notwendig. Nicht in jedem Fall sind bei Sender und Empfänger elektronischer Nachrichten die technischen Rahmenbedingungen dergestalt kompatibel, dass die von dem einen Kommunikationspartner erstellten und versandten Dokumente durch den anderen ohne weiteres gelesen werden können. Mangels verbindlicher Standards ist die Lesbarkeit eines elektronischen Dokumentes von der weiten Verbreitung der Software abhängig, mit der das Dokument erstellt wurde. Dies ist angesichts ständig neuer Softwareversionen selbst bei der verbreiteten Textverarbeitung Microsoft Word nur bedingt der Fall. Dem ebenfalls prinzipiell gegebenen Mittel der Umwandlung von Dateien mit Hilfe spezieller Softwarefilter, die eine Bearbeitung auch von durch andere Software erstellten Dokumenten ermöglichen, stehen die regelmäßig unterschiedlichen Fähigkeiten der eingesetzten Programme und die häufig unzureichende Dokumentation der Speicherformate entgegen.646 Derzeit ist eine elektronische Kommunikation ohne Abstimmung der technischen Rahmenbedingungen daher kaum möglich, weswegen für die Eröffnung des Zugangs auch Aussagen über die jeweils zulässigen Dateiformate erforderlich sind.647 Der Abstimmungsbedarf steigt zudem beim Einsatz elektronischer Signaturen, da diese bisher kaum interoperabel 646

Vgl. oben § 7 II. d) Präsentationsproblem, S. 43.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

sind: Zur Prüfung einer Signatur ist es gegenwärtig noch erforderlich, dass beide Kommunikationspartner Kunden desselben Zertifizierungsdiensteanbieters sind und dementsprechend dieselbe von diesem gestellte Technik zur Erstellung und zur Prüfung der Signaturen verwenden. Interoperabilitätstests liefern vernichtende Ergebnisse.648 An einem gemeinsamen nationalen und europäischen Standard für Signaturen und Zertifikate wird erst noch gearbeitet.649 Ohne eine Abstimmung der Kommunikationspartner über die jeweils einzuhaltenden technischen Rahmenbedingungen kann damit die Verständigung fehlschlagen, auch wenn alle Daten ordnungsgemäß übertragen wurden. Damit die Anzahl der Fehlschläge gering gehalten werden kann, empfiehlt sich die Aufklärung des Absenders der nicht bearbeitbaren Nachricht über die eigenen Systemvoraussetzungen.650 Diesem Gedanken folgt § 3a Abs. 3 VwVfG, der Behörden verpflichtet, den Absender eines durch sie nicht bearbeitbaren Dokumentes hierüber unter Angabe der für sie geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich zu informieren. Macht der Bürger derartige Kommunikationsprobleme geltend, hat die Behörde ihm das Dokument in einem geeigneten Format, im Zweifel als Schriftstück, zuzusenden. Diese Regelung wirft zwei Fragen auf, sowohl bezüglich ihrer Voraussetzungen wie bezüglich ihrer Rechtsfolgen. Fraglich ist zum einen ihr Verhältnis zu Abs. 1, und damit, ob die Regelung des Abs. 3 auch bei elektronischen Dokumenten eingreift, für die der Zugang nicht eröffnet ist. Zum anderen ist zu klären, ob sich aus § 3a Abs. 3 Satz 2 VwVfG eine Verpflichtung des Bürgers zur Rücksendung durch ihn nicht bearbeitbarer Dokumente ergibt, oder ob sich die Norm nur an die Verwaltung richtet und allein dieser Pflichten auferlegt.

§ 47 Rügemöglichkeit, Übersendungspflicht und Zugang Die Frage der Rügemöglichkeit hinsichtlich nicht zur Bearbeitung geeigneter Dokumente und der hierzu korrespondierenden Pflicht zur erneuten Übersendung in geeigneter Form ist inhaltlich eng mit der Frage des Zugangs verbun647 Hierzu oben § 39 III. Angaben zu den Kommunikationswegen und Datenformaten, S. 242. 648 Vgl. BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 32. 649 Sog. ISIS-MTT. Zur Standardisierung vgl. den Jahresbericht 2002 der RegTP; zu den Hoffnungen der Bundesregierung siehe ihren E-Government-Beschluss, S. 7: „Die Bundesverwaltung erwartet, dass der Interoperabilitätsstandard ISIS-MTT sich rasch am Markt etabliert und für die jeweiligen Anwendungen geeignete Produkte auf Basis von ISIS-MTT zur Verfügung stehen. Sie wird ISIS-MTT dann umfassend einsetzen und bei Ausschreibungen zu Grunde legen.“ 650 Catrein, Elektronische Kommunikation, NWVBl. 2001, S. 56; ebenso P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 10 VwVfG Rdnr. 28 m.

12. Kap.: Problem der Interoperabilität

285

den. Wie oben bereits ausgeführt, erstreckt sich die Zugangseröffnung nicht nur auf die einfache Frage der elektronischen Kommunikation „Ja oder Nein“. In diesem Zusammenhang ist auch auf die einzuhaltenden technischen Rahmenbedingungen hinzuweisen. Dies bezieht sich sowohl auf die Formatierung der elektronischen Nachrichten selbst wie auch, so einschlägig, auf die möglichen Signaturverfahren. Zudem soll die Notwendigkeit der Zugangseröffnung den Adressaten davor schützen, ohne oder gar gegen seinen Willen in den elektronischen Rechtsverkehr hineingezogen zu werden. Das Gesetz will vielmehr jeden „rechtlichen oder tatsächlichen Zwang auf Bürger und/oder Behörde zur Schaffung der Voraussetzungen für eine moderne elektronische Kommunikation“ vermeiden.651 Nun kann auch die Pflicht zur Information des Absenders über Inkompatibilitäten und geeignete Dateiformate als Zwang aufgefasst werden, der sich aus dem bloßen Empfang einer elektronischen Nachricht ergibt; an das Ausbleiben der Information oder etwa ihre fehlerhafte Abfassung können möglicherweise Haftungsfolgen geknüpft werden. Damit könnte zur Voraussetzung der Pflicht aus Abs. 3 die vorherige Zulassung elektronischer Kommunikation, und zwar in einer bestimmten Art und Weise, gemacht werden. Abs. 3 käme dann allerdings kaum zur Anwendung, ist doch die Frage der Zugangseröffnung sehr streng zu beurteilen, und hierbei stets auf den dem Absender bekannten Empfängerhorizont abzustellen. Damit wäre der Anwendungsbereich des § 3a Abs. 3 VwVfG auf die seltenen Fälle beschränkt, in denen der Empfänger nach der Verkehrsanschauung den Zugang einer Nachricht in diesem Format eröffnet hat, jedoch im Einzelfall dieses wider Erwarten nicht bearbeiten kann. Zudem ist es nicht einsichtig, warum ein Empfänger, der prinzipiell den Zugang elektronischer Nachrichten eröffnet hat, den Absender nicht auf Inkompatibilitäten hinweisen können soll, nur weil er das spezielle Dateiformat der anhängenden Datei nicht bearbeiten kann. Dadurch wird ihm zwar eine Pflicht auferlegt, die sich aus seiner Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr ergibt, doch keine Pflicht zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr. Er wird nicht gegen seinen Willen zur Kommunikation in einem ihm nicht genehmen Format und damit etwa zur Anschaffung oder Vorrätighaltung oder auch nur zum Einsatz bestimmter Hard- oder Software genötigt. Er kann vielmehr die Kommunikation immer noch seinen Möglichkeiten und Wünschen nach gestalten, indem er beispielsweise auf die Übersendung in einem bestimmten Format oder als Schriftstück besteht. Mithin ist die Pflicht aus § 3a Abs. 3 VwVfG nicht von der Zugangseröffnung in einem bestimmten Format abhängig, sondern nur von der Zugangseröffnung für elektronische Nachrichten gleich welcher Art. Die Grenze bildet hier die faktische Möglichkeit und Zumutbarkeit der Rüge. Ist ohne eine Umformatierung der Nachricht bereits ihr Absender nicht erkennbar, und diese Umforma651

BT-Drs. 14/9000, S. 30 – Zu Absatz 1.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

tierung mit erheblichem Aufwand verbunden, so kann auch für diesen Fall das Fehlen der Zugangseröffnung angenommen werden. Dies dürfte jedoch kaum vorkommen, da sich die Inkompatibilität in den meisten Fällen nur auf Anhänge zur E-Mail beziehen wird, nicht auch auf ihren Kopf, der die Kontaktinformationen enthält. Damit muss oder kann, streng genommen, auch das Format nicht zugegangener Dokumente moniert werden, soweit nur die elektronische Kommunikation überhaupt eröffnet wurde. Allerdings ist es auch möglich, das Format zugegangener Dokumente zu rügen.652 Das Gesetz schreibt insofern nur vor, der Empfänger müsse „geltend [machen], er könne das von der Behörde übermittelte elektronische Dokument nicht bearbeiten“, und die Gesetzesbegründung ergänzt, „bearbeiten“ sei hier in einem weiten Sinne zu verstehen.653 Der Zugang jedoch ist, wie oben ausgeführt, nicht von der tatsächlichen Kenntnisnahmeoder Verständnismöglichkeit auf Seiten des Empfängers, sondern nur vom Einhalten der technischen Rahmenbedingungen abhängig, die der Verkehr aufgrund der Äußerungen des Empfängers bei diesem vermuten durfte.654 Hiervon können die tatsächlichen Gegebenheiten so weitgehend abweichen, dass dem Empfänger die Bearbeitung gänzlich ausgeschlossen ist, das Dokument jedoch auch im Hinblick auf Fristen usw. als zugegangen gilt.655 Auch für diesen Fall muss es dem Bürger möglich sein, die Behörde um ein für ihn bearbeitbares Dokument zu bitten.

§ 48 Rügepflicht der Verwaltung und Rügerecht des Bürgers Neben der Rügefähigkeit zugegangener Dokumente ist es zudem fraglich, ob § 3a Abs. 3 VwVfG nur die Behörde verpflichtet, Kommunikationsprobleme unverzüglich zu offenbaren, oder ob diese Pflicht auch den Bürger trifft. Der Wortlaut der Vorschrift unterscheidet Behörden einerseits und sonstige Empfänger andererseits. Nach Satz 1 teilt die Behörde dem Absender unter Angabe der für sie geltenden technischen Rahmenbedingungen unverzüglich mit, wenn ein ihr übermitteltes elektronisches Dokument für sie zur Bearbeitung nicht geeignet ist. Gemäß Satz 2 hat die Behörde einem Empfänger das Dokument erneut in einem geeigneten elektronischen Format oder als Schriftstück zu übermitteln, wenn er geltend macht, er könne das von der Behörde übermittelte elektronische Dokument nicht bearbeiten. Es trifft also jeweils nur die Behörde eine 652 Dies heben hervor Schmitz/Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, S. 1285. 653 BT-Drs. 14/9000, S. 32. 654 Vgl. oben § 40 II. Möglichkeit der Kenntnisnahme, S. 253. 655 A. A. aufgrund eines gänzlich anderen Zugangsverständnisses Schmitz/Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, S. 1285.

12. Kap.: Problem der Interoperabilität

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Pflicht, und zwar nach Satz 1 die Pflicht zur unverzüglichen Rüge des Dateiformats, sowie nach Satz 2 die zur erneuten Übersendung in einem geeigneten Format, sofern ein Empfänger Probleme beim Öffnen des Dokumentes geltend macht. Während Satz 1 somit nur die Behörde in Bezug nimmt, statuiert Satz 2 dem Wortlaut nach für andere Empfänger nur das Recht zur Rüge, nicht auch eine Pflicht hierzu. Gleichwohl wird teilweise von gegenseitigen Informationspflichten gesprochen, die sich aus § 3a Abs. 3 VwVfG ergeben sollen,656 teilweise von danach begründeten Obliegenheiten.657 Eine andere Auffassung möchte anscheinend die Pflicht zur Information des jeweiligen Kommunikationspartners auf das Verwaltungsrechtsverhältnis stützen, das durch die elektronische Kommunikation geschaffen würde.658 Besonders die Annahme einer auf das Verwaltungsrechtsverhältnis gegründete Informationspflicht vermag nicht zu überzeugen. Die Bezeichnung der Kommunikationsbeziehung als Verwaltungsrechtsverhältnis verdunkelt die Problematik mehr, als dass sie hierdurch aufgeklärt würde. Der Begriff des Verwaltungsrechtsverhältnisses ist nicht klar, sein Spektrum ist „weit und schillernd“,659 sein genauer Gehalt ist nicht eindeutig bestimmt.660 Nach der klassischen Definition ist hierunter die sich aus einem konkreten Sachverhalt auf Grund einer Rechtsnorm des Verwaltungsrechts ergebenden rechtlichen Beziehungen zwischen zwei oder mehr Personen oder einer Person zu einer Sache zu verstehen.661 Der praktische Nutzen dieser sehr weiten Kategorie ist begrenzt und gegenwärtig hauptsächlich im Prozessrecht offenbar, wo das feststellfähige Rechtsverhältnis eine Voraussetzung der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 1 VwGO ist. Für das Verwaltungsverfahren ist jedoch mittlerweile anerkannt, dass die alleinige Konzentration auf den Verwaltungsakt als nur punktuelle, statische und ergebnisorientierte Erscheinung des Verwaltungsverfahrens jedenfalls um eine Betrachtung auch des Verfahrens und der zwischen Verwaltung und Bürger bestehenden Rechtsverhältnisse ergänzt werden muss.662 Besonders in komplexeren Rechtsbeziehungen wird dem Verwaltungsrechtsverhältnis eine 656 Roßnagel, Verwaltungsverfahren, NJW 2003, S. 472, allerdings ohne nähere Auseinandersetzung mit dem Gesetzestext. 657 Schmitz/Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, S. 1285. 658 So die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/9000, S. 31; wortgleich Schlatmann, Anmerkungen, DVBl. 2002, S. 1010; ähnlich P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/ Sachs, § 10 VwVfG Rdnr. 28 m. 659 Maurer, Verwaltungsrecht, § 8 Rdnr. 18. 660 Zum Verwaltungsrechtsverhältnis siehe Erichsen, in: Erichsen, Verwaltungsrecht, § 11 Rdnr. 3 ff.; Maurer, Verwaltungsrecht, § 8 Rdnr. 16 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Allg. VwR I, § 32 Rdnr. 35 ff.; P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 9 VwVfG Rdnr. 6 ff. 661 Vgl. nur BVerwG, Urt. v. 03.01.1992 – 3 C 50.89, BVerwGE 89, S. 327 (329); Maurer, Verwaltungsrecht, § 8 Rdnr. 16; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 18 Rdnr. 7; jew. m. w. N. 662 Vgl. Maurer, Verwaltungsrecht, § 8 Rdnr. 24 mit umfangreichen Nachweisen.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

große Leistungsfähigkeit zur Abbildung der materiellen Mehrpoligkeit auch im Verfahrensrecht zugesprochen.663 Insgesamt erscheint der Begriff des Verwaltungsrechtsverhältnisses als akademische und wissenschaftliche Kategorie, die sich möglicherweise in der Deskription vorgefundener Rechtsbeziehungen erschöpft und nicht als „archimedischer Punkt“ des Verwaltungsverfahrensrechts taugt.664 Jedenfalls ist es allgemein schwer, aus der Bezeichnung einer Rechtsbeziehung als „Verwaltungsrechtsverhältnis“ konkrete Erkenntnisse und Folgerungen zu gewinnen.665 Das Verwaltungsrechtsverhältnis beschreibt nur bestehende Rechte und Pflichten, die sich aus den diesem Verhältnis zugrundeliegenden Normen ergeben; es kann selbst nicht als Entstehungsgrund von Rechten und Pflichten angesehen werden.666 Die Herleitung von Bürgerpflichten aus dem mehr oder weniger abstrakten Begriff des Verwaltungsrechtsverhältnisses jedenfalls widerspräche dem allgemeinen Gesetzesvorbehalt, wonach die Auferlegung von Pflichten als Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit einer gesetzlichen Grundlage bedarf.667 Das aus der Eröffnung der elektronischen Kommunikation hergeleitete Verwaltungsrechtsverhältnis kann daher allenfalls als Grundlage für gesetzgeberisches Handeln, für eine gesetzliche Ausgestaltung dieses Verhältnisses durch die Normierung von Regeln, Rechten und Pflichten dienen. So ist wohl auch die insofern unklare Gesetzesbegründung zu verstehen, deren Bemerkungen über das Verwaltungsrechtsverhältnis, „das Bürger und Verwaltung durch ihre Kommunikation schaffen, [in dessen Rahmen] von den Partnern erwartet werden [kann], den jeweils anderen darüber zu unterrichten, dass die von ihm gewählte Form der elektronischen Kommunikation nicht möglich ist, die übermittelten Zeichen nicht lesbar sind“668 nur den Grund und Anlass der Regelung deutlich machen, nicht jedoch die von dieser geschaffenen Pflichten ändern oder erweitern sollen. Auch sonst ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine Informationspflicht des Bürgers gegenüber der Behörde. Hätte der Gesetzgeber anderes gewollt, hätte er dies im Text oder auch in der Gesetzesbegründung deutlich machen müssen und können. Die vage Berufung auf das Verwaltungsrechtsverhältnis in der Begründung des Gesetzes ist nicht geeignet, die eindeutige Gesetzesformulierung vergessen zu machen, die zwischen Behörden und sonstigen Empfängern differenziert.669

663

P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 9 VwVfG Rdnr. 25 ff. Erichsen, in: Erichsen, Verwaltungsrecht, § 11 Rdnr. 7. 665 Maurer, Verwaltungsrecht, § 8 Rdnr. 24. 666 Erichsen, in: Erichsen, Verwaltungsrecht, § 11 Rdnr. 7. 667 Vgl. hierzu nur Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 2 Rdnr. 3 und Art. 20 GG Rdnr. 44 ff. 668 BT-Drs. 14/9000, S. 31 f. 669 Ebenso Kopp/Ramsauer, § 3a VwVfG Rdnr. 25. 664

12. Kap.: Problem der Interoperabilität

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Es ist indes möglich, die Aufklärung als Obliegenheit des Bürgers zu verstehen, das heißt als Pflicht gegen sich selbst, die niemanden berechtigt, doch bei Nichtberücksichtigung zu Rechtsverlusten führt. So ist es denkbar, den nicht rügenden Empfänger so zu behandeln, als habe er ein für ihn zur Bearbeitung geeignetes Dokument erhalten, ihn mithin mit dem späteren Einwand fehlender Kenntnisnahmemöglichkeit auszuschließen, und auch Fristen ohne Rücksicht hierauf zu berechnen. Allerdings ist es nur möglich, Rechtsfolgen an den Zugang von Dokumenten zu knüpfen. Mögen diese dem konkreten Empfänger verständlich sein oder nicht, wesentlich ist aus rechtsstaatlichen Gründen jedenfalls der Zugang des Dokumentes. Wird dieser bejaht, da der Absender davon ausgehen durfte, der Empfänger werde ein Dokument dieses Formats bearbeiten können, so spielt es für die an den Zugang knüpfenden Vorschriften wie beispielsweise Fristenregelungen keine Rolle, ob der Empfänger die abstrakte Möglichkeit der Kenntnisnahme konkret hatte oder wahrnahm. Es obliegt in diesem Fall tatsächlich dem Empfänger des durch ihn nicht bearbeitbaren Dokumentes, eine für ihn brauchbare Version zu erhalten. Hierzu räumt ihm § 3a Abs. 3 VwVfG das Recht zur Rüge und die behördliche Pflicht zur erneuten Übersendung in einem geeigneten Format ein. Es steht ihm jedoch selbstredend frei, sich anderer Ressourcen zu bedienen. Die Nutzung des gesetzlich geregelten behördlichen Angebots ist insofern tatsächlich eine Obliegenheit des Bürgers.

§ 49 Fazit Die Pflichten und Rechte des § 3a Abs. 3 VwVfG sind vom Zugang des elektronischen Dokumentes nur insoweit abhängig, als der Zugang für elektronische Dokumente gleich welcher Art eröffnet sein muss, um die hieran anknüpfenden Pflichten auslösen zu können. Gerade aufgrund ihres Dateiformates nicht zugegangene Erklärungen werden den Hauptanwendungsfall der Regelung bilden. Andererseits sind auch zugegangene Dokumente rügefähig. Es besteht keinerlei Anlass, § 3a Abs. 3 VwVfG entgegen seinem Wortlaut eine Pflicht auch des Bürgers zur Information der Behörde und zur sofortigen Neuübersendung zu entnehmen. Derartige Pflichten treffen nur die Behörde, und zwar sobald diese den Zugang für elektronische Dokumente gleich welcher Art eröffnet hat. Für den Bürger ergeben sich hierzu korrespondierend Verfahrensgarantien, deren Wahrnehmung ihm zur Wahrung seiner Rechte obliegt.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Kapitel 13

Der elektronische Verwaltungsakt § 50 Eine neue Form des Verwaltungsaktes Im Leitbild der „virtuellen“, „elektronischen“ oder „digitalen Verwaltung“ ohne Medienbruch nimmt der auf elektronischem Weg erlassene und übermittelte Verwaltungsakt eine zentrale Rolle ein. Nicht nur Anträge und andere Äußerungen des Bürgers sollen auf elektronischem Weg an die Verwaltung übermittelt werden können. Die Behörden sollen ebenso in der Lage sein, ihr gesamtes Verfahren elektronisch abzuwickeln, so weit wie möglich auch automatisiert. Schließlich soll auch die behördliche Entscheidung in elektronischer Form möglich sein, um einerseits nicht an dieser Stelle einen hinsichtlich Ausdruckkosten und Porto unnötig ressourcenbindenden Medienbruch zu provozieren, und andererseits dem Adressaten des Verwaltungsaktes die automatisierte Übernahme dieser Entscheidung in sein Computersystem zu ermöglichen. Nachdem die Bemühungen, in elektronischer Form, das heißt ohne papierne Perpetuierung, erlassene Verwaltungsakte unter einen erweiterten Begriff des Schriftlichen zu fassen, sich als fruchtlos erwiesen haben,670 waren diese in der Trias der schriftlichen, mündlichen und in sonstiger Weise erlassenen Verwaltungsakte in die letztgenannte Kategorie einzuordnen: Sie dient als Sammelbecken für alle keiner bestimmten Form zuzuordnenden Verwaltungsakte, und umfasst symbolische und akustische Verwaltungsakte ebenso wie konkludente, also beispielsweise Verkehrszeichen, das Piepen der Blindenampel und das Winken des Verkehrspolizisten.671 Diese Nachbarschaft, obwohl nicht unehrenhaft, erschien der besonderen Bedeutung nicht angemessen, die dem elektronischen Verwaltungsakt nach der Auffassung des Gesetzgebers in der Modernisierung der Verwaltung und der zukünftigen Praxis zukommen wird. Dementsprechend erweiterte das 3. VwVfÄndG § 37 Abs. 2 Satz 1 VwVfG um das Prädikat „elektronisch“, das nunmehr gleichberechtigt neben „schriftlich“, „mündlich“ und der „anderen Weise“ genannt wird. Eine besondere Formalität fordert das Prädikat „elektronisch“ nicht. „Elektronisch“ ist jeder textlich perpetuierte Verwaltungsakt, der nicht schriftlich verkörpert ist, also nur als elektronischer Speicherzustand oder auf elektronischen Medien gespeichert und damit nicht unmittelbar wahrnehmbar ist. Die Art der Herstellung des Verwaltungsaktes ist hierbei als bloßes Verwaltungsinternum irrelevant. Entscheidend ist die Form, die der Verwaltungsakt im Moment der 670 Vgl. P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 10 VwVfG Rdnr. 28n mit FN 102; Eifert, Online-Verwaltung, K&R Beilage 2/2000, S. 13 mit FN 20. 671 Ausführlicher P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 37 und 39a.

13. Kap.: Der elektronische Verwaltungsakt

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Bekanntgabe durch die Behörde erhält bzw. erhalten soll: Das Telefax ist daher trotz seiner Übertragung in elektronischer Form kein elektronisches Dokument, da es bestimmungsgemäß auf der Empfängerseite ausgedruckt wird und damit als schriftliches Dokument zu werten ist. Das gilt selbst dann, wenn es direkt aus dem Computer der Behörde versandt wird und tatsächlich nur im Computer des Empfängers ankommt, ohne dort wirklich ausgedruckt zu werden, da hiervon nicht ausgegangen werden kann und muss. Jedes in elektronischer Form gespeicherte, ob auf Diskette, CD-ROM oder ähnlichen Datenträgern, und jedes in Datennetzen versandte Dokument ist hingegen ein elektronisches Dokument, da hier von einem bestimmungsgemäßen Ausdruck nicht gesprochen werden kann und der Dokumenteninhalt daher nicht unmittelbar wahrnehmbar ist.672 Eine spezielle Sicherung der Daten gegen Offenbarung oder Verfälschung ist zur Bezeichnung dieser Dokumente als „elektronisch“ nicht notwendig. Dies zu fordern obliegt den Formvorschriften des VwVfG oder des Fachrechts sowie den datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Die Verwendung der (einfachen) elektronischen Form ist für ein formfreies Handeln, für das also das Gesetz keine bestimmte Förmlichkeit vorschreibt, stets möglich. Auch elektronische Verwaltungsakte müssen jedoch dem Empfänger bekannt gemacht werden, um wirksam zu werden, § 43 Abs. 1 VwVfG. Das erfordert regelmäßig die Zugangseröffnung für elektronische Nachrichten durch den Empfänger.673 Elektronische Verwaltungsakte müssen zudem wie auch schriftliche Verwaltungsakte begründet werden, § 39 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, und auch schriftlich bestätigt werden, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht, § 37 Abs. 2 Satz 3 VwVfG. Die Frage der Rechtsbehelfsbelehrung für der Anfechtung unterliegende elektronische Verwaltungsakte gemäß §§ 58 Abs. 1, 59 VwGO ist gesetzlich noch nicht geklärt.

§ 51 Besondere Anforderungen an schriftformersetzende elektronische Verwaltungsakte I. Qualifizierte elektronische Form Elektronische Verwaltungsakte können wie jedes im Verwaltungsverfahren verwendete elektronische Dokument die Schriftform erfüllen, wenn sie der qualifizierten elektronischen Form des § 3a Abs. 2 Satz 2 VwVfG entsprechen. Danach ist zum einen die qualifizierte elektronische Signatur erforderlich und zum anderen – bei der Verwendung von Pseudonymen – die mögliche Identifizierung des Signaturschlüssel-Inhabers. Hierin wird das Paradox der Schrift672

Schmitz/Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, S. 1286. Hierzu ausführlich oben Kapitel XI. Zugang und Bekanntgabe elektronischer Nachrichten, S. 237. 673

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

formfunktionen674 besonders deutlich: Während für schriftliche Verwaltungsakte im Wesentlichen nur die Funktionen der Urkunde von Bedeutung sind, und sie dementsprechend nur ausnahmsweise unterschrieben sein müssen,675 genügt bei elektronischen Verwaltungsakten unter Verzicht auf die Urkunde die qualifizierte Signierung, auch wenn hierdurch nur einige Funktionen der Unterschrift nachgebildet werden. II. Name der erlassenden Behörde Über § 3a Abs. 2 Satz 2 VwVfG hinausgehend gelten für elektronische Verwaltungsakte weitergehende Anforderungen, die sich aus § 37 Abs. 3 Satz 2 VwVfG ergeben. Hiernach muss ein schriftformersetzender elektronischer Verwaltungsakt nicht nur mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein, deren Zertifikat die Identifizierung der Person des Signaturschlüssel-Inhabers ermöglicht. Außerdem muss das Zertifikat oder ein zugehöriges qualifiziertes Attributzertifikat die den Verwaltungsakt erlassende Behörde erkennen lassen. Werden nun, wie von Teilen der Literatur und der Praxis sowie ausweislich der Gesetzesbegründung auch vom Gesetzgeber angedacht, pseudonyme Behördenzertifikate verwendet, um die signaturgesetzliche Bindung von qualifizierten Zertifikaten ausschließlich an natürliche Personen zu umgehen, so bedeutet dies: Soll mit entsprechend signierten Dokumenten die Schriftform erfüllt werden, so hat das Zertifikat sowohl den Namen der erlassenden Behörde erkennen zu lassen wie auch die Identifizierung des Signaturschlüssel-Inhabers zu ermöglichen. Signaturschlüssel-Inhaber ist gemäß § 2 Nr. 2 und 9 SigG die natürliche Person, die den Signaturschlüssel besitzt und unter alleiniger Kontrolle hat, mithin im Fall eines Behördenzertifikats nicht die Behörde, sondern ein zeichnungsberechtigter Mitarbeiter. Das Zertifikat muss damit die Behörde nennen und den Mitarbeiter erkennen lassen oder doch eine Zuordnung ermöglichen. Das ist durch die Verwendung eines Attributzertifikats möglich, das entweder bei einem auf ein „Behörden-Pseudonym“ ausgestellten Zertifikat den Namen des Behördenmitarbeiters nennt, oder bei einem auf den Mitarbeiter ausgestellten Zertifikat seine Vertretungsmacht für die Behörde bescheinigt. Als weitere Option besteht die Möglichkeit, das Zertifikat auf ein „Behörden-Pseudonym“ auszustellen und die Identifizierbarkeit des Inhabers über eine generelle Einwilligungserklärung des Betroffenen gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 SigG sicherzustellen.676

674

Hierzu siehe oben § 37 II. a) Gleichstellung trotz Funktionsdisparität, S. 210. Vgl. oben § 32 II. b) Verwaltungsakte und ähnliche behördliche Erklärungen, S. 165. 676 Hierzu ausführlich oben § 38 III. Pseudonymes Handeln, S. 225. 675

13. Kap.: Der elektronische Verwaltungsakt

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In der Literatur ist es auf Kritik gestoßen, dass die Behörde aus dem der Signatur zugrundeliegenden Zertifikat oder einem damit verbundenen Attributzertifikat zu erkennen sein muss. Die nochmalige Nennung ist dieser Kritik zufolge angesichts der für jeden textlichen – schriftlichen oder elektronischen – Verwaltungsakt geltenden Vorschrift unnötig, bereits dieser habe die Behörde erkennen zu lassen, § 37 Abs. 3 Satz 1 VwVfG.677 Die Kritik ist jedoch unberechtigt. Elektronische Signaturen sind mit dem zugehörigen Dokument zwar logisch verknüpft, doch regelmäßig separate Dateien. Sie müssen gesondert auf ihre Gültigkeit überprüft werden. Für mit der Materie nur wenig vertraute Nutzer ist die logische Zuordnung von Datei und Signatur zwar verständlich, doch nicht offenbar. Anders als mit einem Blick wahrnehm- und prüfbare Schriftstücke müssen signierte Dokumente erst (relativ) aufwendig mit Hilfe eines Computers überprüft werden. Hierbei weicht das Wissen um die Sicherheit des Verfahrens umso mehr dem Glaubenmüssen, je mehr Schritte die Signaturprüfung erfordert, je komplexer sie wird. Zur Schaffung von Vertrauen in die elektronische Signatur sollte daher auch das Zertifikat den Namen des für das Dokument Verantwortlichen tragen, und die Zuordnung des Signierenden zur Behörde nicht dem Empfänger überlassen bleiben. Es ist nämlich nicht ohne weiteres einsichtig, warum die Signatur durch einen dem Bürger regelmäßig nicht Bekannten die Authentizität des behördlichen Schreibens garantieren können soll. Eben dies spricht auch gegen die Verwendung pseudonymer Zertifikate für Behörden. Vertrauen in die Authentizität des Dokumentes ist neben dem Vertrauen in die Sicherheit des Signaturverfahrens durch das Vertrauen des Empfängers in die Authentizität des Zertifikats bedingt. Dieses Vertrauen wird allerdings durch Angaben, die im gleichen Atemzug als nicht wahrhaftig enttarnt werden (müssen), wie dies bei Pseudonymen aufgrund der Regelung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 SigG der Fall ist, nur wenig gestärkt. Es ist nicht notwendig, dem Bürger das qualifizierte Zertifikat zu übersenden oder dieses in die Signatur einzuschließen.678 Das entwertet die Notwendigkeit der Nennung der Behörde auch nicht,679 da das Zertifikat zur Prüfbarkeit der Signatur zumindest beim ersten Kontakt mitgeschickt oder beim Zertifizierungsdiensteanbieter abrufbar gehalten werden muss, und damit für den Empfänger ohne weiteres erreichbar und einsehbar ist. Durch den fehlenden Einschluss des Zertifikats ist lediglich die Beweisbarkeit der Formqualität erschwert, jedoch nicht mehr als bei der qualifizierten elektronischen Form insgesamt.

677

Roßnagel, Verwaltungsverfahren, NJW 2003, S. 473. Ausführlich oben § 38 II. b) Nicht notwendiger Einschluss des Zertifikats, S. 223. 679 So indes Roßnagel, Verwaltungsverfahren, NJW 2003, S. 473. 678

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

III. Dauerhafte Überprüfbarkeit entsprechend § 37 Abs. 4 VwVfG a) Dauer der Überprüfbarkeit Nach § 37 Abs. 4 VwVfG kann für einen Verwaltungsakt in qualifizierter elektronischer Form durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit der Signatur vorgeschrieben werden. In ihren ersten Entwürfen sah die Vorschrift noch das Erfordernis der dauerhaften Überprüfbarkeit für jegliche schriftformersetzenden elektronischen Verwaltungsakte und ihre Signaturen vor. Die Bundesregierung sah die Notwendigkeit der langfristigen Prüfbarkeit jedoch nur noch in einigen Fällen und nicht mehr generell, und behielt die entsprechenden Vorschriften dem Fachrecht vor.680 Die „Gestattung“ des § 37 Abs. 4 VwVfG war allerdings bereits aufgrund der Subsidiaritätsklausel in § 1 Abs. 1 VwVfG nicht erforderlich, so dass die Vorschrift eine bloße Referenznorm für Formvorschriften des Fachrechts darstellt. Der Gesetzgeber hat im 3. VwVfÄndG mehrfach von der Möglichkeit der Referenzierung Gebrauch gemacht.681 Fraglich ist, wie der Begriff der Dauer in § 37 Abs. 4 VwVfG zu verstehen ist. In der Vorschrift des § 126b BGB zur Textform des bürgerlichen Rechts verwendet das Gesetz den Begriff der „dauerhaften Wiedergabe“ und greift damit auf eine Formulierung des § 361a Abs. 1 Satz 3 und Abs. 3 Satz 1 BGB a. F. zurück: Zur Erfüllung der Textform muss die Erklärung unter anderem in einer zur dauerhaften Wiedergabe in Schriftzeichen geeigneten Weise abgegeben sein. Auch diese Norm dient dem Ermöglichen des elektronischen Rechtsverkehrs, so dass der Gedanke nahe liegt, das Gesetz meine hier wie dort mit der dauerhaften Wiedergabe bzw. der dauerhaften Prüfbarkeit etwas Ähnliches. Das Zivilrecht stellt einer Auffassung zufolge an die Dauer der Wiedergabemöglichkeit keine erhöhten Anforderungen; Vertreter dieser Auffassung verweisen dabei auf die Rechtsprechung, die auch einer auf einer Schiefertafel mit Kreide festgehaltenen Erklärung Schriftformqualität zugemessen hat. Dementsprechend sei die Verkörperung auf einer CD-ROM oder einer Festplatte ausreichend, eine Speicherung im Cache jedoch nicht.682 Notwendig sei danach bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen eine Speichermöglichkeit auf Seiten des Empfängers, so dass eine Videotextseite nicht, wohl aber eine speicherbare Internetseite den Anforderungen an die dauerhafte Wiedergabe genüge.683 Hiernach ist die wiederholte Kenntnisnahmemöglichkeit durch den Empfänger ohne

680 Zum Entwurf in Form der Berliner Fassung siehe P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 10 VwVfG Rdnr. 28r; zum Entwurf der Bundesregierung siehe BT-Drs. 14/9000, S. 33. 681 So in Art. 12, 21 Nr. 2, 22 Nr. 1, 28 Nr. 1, 30, 67 Nr. 1 VwVfÄndG. 682 MünchKomm/Einsele, § 126b BGB Rdnr. 4, unter Verweis auf eine Entscheidung des RG aus dem Jahr 1910. 683 MünchKomm/Einsele, § 126b BGB Rdnr. 9.

13. Kap.: Der elektronische Verwaltungsakt

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die Möglichkeit einer Einflussnahme durch den Erklärenden entscheidend,684 so dass „dauerhaft“ im Ergebnis nur als „nicht flüchtig“ zu verstehen ist.685 Nach einer anderen Auffassung kommt es nicht allein auf die Speichermöglichkeit, sondern auf die tatsächliche Speicherung an. Diese müsse durch den Erklärenden sichergestellt werden und dürfe nicht dem Erklärungsempfänger obliegen. Zudem sei das zeitliche Element stärker zu berücksichtigen, weswegen E-Mails nicht dem Begriff des „dauerhaften Datenträgers“ unterfielen; jedenfalls sei die Dauer der Wiedergabemöglichkeit dem Inhalt und Zweck des Rechtsgeschäftes anzupassen.686 Das Ergebnis dieser Auffassung ist die unschöne Varianz der Formerfordernisse je nach dem zugrundeliegenden Rechtsgeschäft. Diese Parallele zum bürgerlichen Recht sah der Gesetzgeber des 3. VwVfÄndG, der als Grund für die Notwendigkeit dauerhafter Prüfbarkeit auf die Eigenheiten von Verwaltungsakten mit besonderer Bedeutung und speziell bei Dauerverwaltungsakten hinweist, die teilweise „noch nach Jahren oder Jahrzehnten“ überprüft werden müssen,687 offenbar nicht. Der gesetzgeberische Hinweis, „die dauerhafte Überprüfbarkeit [bestimme] sich dabei nach dem Stand der Technik“, ist hierbei zwar nicht geeignet, die gesetzlich vorgesehene Dauer näher zu bestimmen; die Nennung der Anforderungen an akkreditierte Signaturen zeigt jedoch, dass ein Zeitraum von 30 Jahren als „dauerhaft“ verstanden wird.688 b) Problem langfristiger Perpetuierung Die Aufrechterhaltung der Überprüfbarkeit elektronischer Dokumente und Signaturen über Jahre und Jahrzehnte hinweg erfordert besondere Anstrengungen in zwei Richtungen: Es müssen die physische Lesbarkeit und die softwareseitige Dekodierung der Dokumente über alle Produktzyklen der Hardware- und Softwarehersteller hinweg gewährleistet werden, und zudem müssen die Signaturen auch noch nach Jahrzehnten prüfbar und authentisch sein, wofür die Unterlagen des Zertifizierungsdiensteanbieters aufbewahrt und die kryptographische Sicherheit der Signaturen gewährleistet werden müssen. Bereits die langfristige Perpetuierung und Lesbarkeit elektronischer Dokumente ist nur eingeschränkt möglich, weshalb ihre Perpetuierungsfunktion gemindert ist. Nach nur wenigen Jahren verlieren die jeweils gängigen Speicher684 Soergel/Marly, § 126b BGB Rdnr. 4; ähnlich Lammel, Textform, ZMR 2002, S. 335. 685 So Skrobotz, Elektronischer Verwaltungsakt, JurPC 86/2002, Abs. 16. 686 Lammel, Textform, ZMR 2002, S. 335 f., unter weitgehender Berufung auf die Legaldefinition in § 361a Abs. 3 Satz 1 BGB a. F.; hierzu MünchKomm/Ulmer, § 361a BGB Rdnr. 101. 687 BT-Drs. 14/9000, S. 33 – Zu Nummer 10 Buchstabe c; nahezu wortgleich P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 10 VwVfG Rdnr. 28r. 688 BT-Drs. 14/9000, S. 33 – Zu Nummer 10 Buchstabe c.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

medien ihre speichernden Eigenschaften oder sind ohne die zugehörigen Lesegeräte nicht mehr zu gebrauchen. Noch vor kurzem allgemein verbreitete Disketten sind bereits heute mangels geeigneter Diskettenlaufwerke teilweise nicht mehr verwendbar, für die heute üblichen CD-ROMs kann die Datensicherheit nur für 20 Jahre sichergestellt werden. Eine Aufbewahrung elektronischer Verwaltungsakte über 30 und mehr Jahre hinweg stößt damit bereits ohne Signaturen an die Grenzen der schnelllebigen Technik. Hinzu kommt die rasche Entwicklung von Softwareprodukten, die mit einem bestimmten Programm erstellte Dokumente schon bald unlesbar werden lassen. Die Dekodierung heute elektronisch niedergelegter Informationen in 30 Jahren ist daher insgesamt nur möglich, wenn neben den Dokumenten selbst auch die heute verwendete Computertechnologie archiviert wird, und die „verblassenden“ Speichermedien regelmäßig umkopiert werden.689 c) Dauerhaft mögliche Signaturprüfung Hinsichtlich der Signatur jedoch, auf die allein sich die Vorgabe der dauerhaften Überprüfbarkeit bezieht, bestehen die zwei Probleme der Einbeziehung des Zertifizierungsdiensteanbieters sowie der nachlassenden kryptographischen Sicherheit von Signaturen, von denen das 3. VwVfÄndG der Gesetzesbegründung nach nur das erste in den Blick nimmt. Hiernach ist das vordringlichste Problem, dass die Prüfbarkeit von elektronischen Signaturen der Mitwirkung des Zertifizierungsdiensteanbieters bedarf: Eine Signaturprüfung ist nur dann vollständig, wenn nicht allein die Signierung mit dem Signierschlüssel und damit die Integrität des Dokumentes festgestellt werden kann, sondern auch die Zuordnung des Signaturprüfschlüssels zu einer bestimmten Person, das heißt wenn auch die Authentizität des Dokumentes gesichert ist. Der Zuordnung von Signaturprüfschlüsseln zum Signaturschlüssel-Inhaber dienen bei qualifizierten elektronischen Signaturen qualifizierte Zertifikate, das heißt qualifiziert signierte Bescheinigungen über die Zuordnung von Signaturprüfschlüssel und Signaturschlüssel-Inhaber, die von Zertifizierungsdiensteanbietern ausgestellt werden, § 2 Nr. 7 SigG. Die Signaturprüfung ist vollständig, wenn die genannte Zuordnung feststeht und das Zertifikat zum Zeitpunkt des Signierens nicht gesperrt war. Für dessen Überprüfung ist die Prüfung der Signatur sowie die Prüfung auch der Gültigkeit des Zertifikats erforderlich. Dieses verliert mit dem Ablaufdatum sowie im Moment der jederzeit möglichen Sperrung seine Gültigkeit, § 8 SigG. Für die vollständige Signaturprüfung genügt damit die Überprüfung des beim Empfänger vorhandenen Zertifikats allein nicht, hierfür hat er vielmehr auch die Ausgabe und den Sperrzeitpunkt des Zertifikats durch den Zertifizierungsdiensteanbieter festzustellen. 689

Ausführlich oben § 7 II. f) Schwierige langfristige Perpetuierung, S. 46.

13. Kap.: Der elektronische Verwaltungsakt

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Der Zertifizierungsdiensteanbieter muss für die Prüfbarkeit der Signatur in der Weise Sorge tragen, dass er den Empfängern elektronischer Dokumente die Zuordnung des öffentlichen Signaturprüfschlüssels zum Signaturschlüssel-Inhaber bescheinigt, ebenso wie den Zeitraum, in dem das Zertifikat ausgestellt und nicht gesperrt, mithin gültig war. Der sich aus der Signatur selbst ergebende Moment der Signierung muss in diesem Zeitraum liegen, wenn die Signatur gültig sein soll.690 Die Mitarbeit des Zertifizierungsdiensteanbieters besteht also darin, die von ihm ausgestellten Zertifikate abrufbar zu halten, soweit dies mit dem Signaturschlüssel-Inhaber vereinbart worden ist. Er hat jedoch stets alle von ihm ausgestellten Zertifikate nachprüfbar zu halten, das heißt auf Anfrage ihre Echtheit und Gültigkeit zu bestätigen.691 Ferner hat er die ausgestellten Zertifikate zu dokumentieren und diese Dokumentation nachprüfbar zu halten, § 10 Abs. 1 SigG. Ohne die Mithilfe des Zertifizierungsdiensteanbieters stellt sich die Nachprüfmöglichkeit von Signaturen als sehr eingeschränkt dar: Zwar ist es auch möglich, die Zuordnung eines Signaturschlüssels zu seinem Inhaber mit Hilfe eines durch diesen vorgelegten Zertifikats festzustellen. Dieses Zertifikat kann aber Angaben zur Gültigkeit nur hinsichtlich seines Ausstellungsdatums und seiner maximalen Lebensdauer tragen.692 Angaben zur stets möglichen Sperrung eines Zertifikats gemäß § 8 SigG dagegen sind nur den Eintragungen im Zertifikatsverzeichnis und der Dokumentation des Zertifizierungsdiensteanbieters zu entnehmen. Das technisch ebenfalls mögliche und international übliche regelmäßige Versenden von Listen ungültig gewordener Zertifikate, so genannter CRL oder Zertifikats-Rückruflisten, ist in der Konzeption des Signaturgesetzes durch die Online-Einsicht in diese Listen ersetzt, die damit Teil des Verzeichnisdienstes nach § 5 Abs. 1 Satz 2 SigG sind. Ohne eine Nachprüfbarkeit der Zertifikate oder die Einsicht in die Dokumentation wären Aussagen zur Gültigkeit von Zertifikaten daher allein möglich, wenn ein Beteiligter Unterlagen zur Sperrung eines Zertifikats vorweisen könnte. Da Zertifikate nicht „wiederaufleben“ können, ist etwa die Bestätigung des Zertifizierungsdiensteanbieters über die Sperrung des Zertifikats zu einem späteren Zeitpunkt der Beweis für die Gültigkeit des Zertifikats bis zum Sperrungszeitpunkt. Kritisch ist jedoch die Beweiskraft der regelmäßig qualifiziert signierten Bescheinigung, die mit dem Schwinden der kryptographischen Sicherheit ebenfalls nachlässt. Zudem ist der Versand derartiger Sperrungsmitteilungen keine Pflicht des Zertifizierungsdiensteanbieters, der die Sperrung vielmehr nur in das Zertifikatsverzeichnis und die Dokumentation aufzunehmen hat, §§ 7 Abs. 2 Satz 2 und 8 Abs. 2 Nr. 7 SigV. Von ihrem Vorhandensein kann daher nicht ausgegan690 Zum „Kettenmodell“ des Signaturgesetzes siehe Baum, Gültigkeitsmodell, DuD 1999, S. 204; BeckIuKDG-Komm/Bieser, § 8 SigG Rdnr. 15. 691 § 5 Abs. 1 Satz 2 und 3 SigG; zur entsprechenden Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 2 SigG 1997 siehe BeckIuKDG-Komm/Bieser, § 5 SigG Rdnr. 6 f. 692 § 7 Abs. 1 Nr. 5 SigG; siehe auch BeckIuKDG-Komm/Bieser, § 7 SigG Rdnr. 6.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

gen werden, es stellt vielmehr eine Ausnahme dar.693 Als einzige Alternativen der Überprüfungsmöglichkeiten bleiben damit die Nutzung des Verzeichnisdienstes, was die Existenz und den Betrieb des Zertifizierungsdiensteanbieters voraussetzt, und die Einsicht in seine Dokumentation. Ein engeres Verständnis begrenzt die korrekte „Prüfung nach dem Signaturgesetz“, wie sie beispielsweise in § 292a ZPO vorgeschrieben ist, auf die Prüfung durch Signaturanwendungskomponenten nach § 17 Abs. 2 Satz 2 SigG.694 Diese lassen feststellen, auf welche Daten sich die Signatur bezieht, ob die signierten Daten unverändert sind, welchem Signaturschlüssel-Inhaber die Signatur zuzuordnen ist, welche Inhalte das qualifizierte Zertifikat, auf dem die Signatur beruht, und zugehörige qualifizierte Attribut-Zertifikate aufweisen und zu welchem Ergebnis die Nachprüfung von Zertifikaten nach § 5 Abs. 1 Satz 2 SigG geführt hat. Deren Prüfung der Gültigkeit von Zertifikaten ist damit nur für die Online-Abfrage zu gewährleisten („jederzeit für jeden über öffentlich erreichbare Kommunikationsverbindungen nachprüfbar und abrufbar“, § 5 Abs. 1 Satz 2 SigG). Dass dies jedoch nicht die einzige „Prüfung nach dem Signaturgesetz“ sein kann, zeigt die gesetzgeberische Vorsorge für die Verwertbarkeit der Dokumentation über die Gültigkeit von Zertifikaten in Gerichtsverfahren in § 8 Abs. 3 SigV. Diese Vorschrift wäre unnötig, könnte es in Gerichtsverfahren auf die Dokumentation schlechthin nicht ankommen. Die Dokumentation ist im Gegenteil ebenso wie das online erreichbare Zertifikatsverzeichnis geeignet, die Zertifizierung zu beweisen. Richtigerweise muss und kann jedoch eine Überprüfung der Dokumentation nicht durch die jedem Signaturschlüssel-Inhaber auszuhändigenden Signaturanwendungskomponenten gewährleistet werden, weswegen diese Funktion nicht zu den allgemein zu erfüllenden Voraussetzungen nach § 17 Abs. 2 SigG gehört. Die Beschränkung der Anforderungen an die Signaturanwendungskomponenten lässt jedoch keine sinnvollen Schlüsse auf den möglichen und üblichen Umfang der Prüfung einer qualifizierten Signatur und seines Zertifikats zu. Auch die Dokumentation ist damit ein zulässiges Mittel zur Überprüfung von Zertifikaten, wenn auch aufwendiger als die Auskunft durch den Zertifizierungsdiensteanbieter. Die vom Signaturgesetz statuierten Pflichten zur Auskunft und zur Dokumentation sind für qualifizierte und akkreditierte Signaturverfahren unterschiedlich: Anbieter qualifizierter Zertifikate müssen diese für fünf Jahre ab Schluss des Jahres, in dem ihre Gültigkeit endet, abruf- oder nachprüfbar halten, § 4 Abs. 1 SigV. Akkreditierte Anbieter haben demgegenüber die Nachprüfbarkeit für 30 Jahre nach Ablauf des Jahres sicherzustellen, in dem die Gültigkeit des Zertifikats endet, § 4 Abs. 2 SigV. Eine Verlängerung dieser Fristen ist jeweils mög693 Ebenso Roßnagel, Verwaltung III, S. 40 mit FN 119, unter Verweis auf Brandner/Pordesch/Roßnagel/Schachermayer, Langzeitsicherung, DuD 2002, S. 99 f. 694 Roßnagel, Verwaltung III, S. 37 mit FN 104 und S. 39 bei und mit FN 115.

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lich, bedarf jedoch aus datenschutzrechtlichen Gründen der Erlaubnis des betreffenden Signaturschlüssel-Inhabers.695 Die gleichen Fristen gelten jeweils für das Aufbewahren der Dokumentation, die jedoch im Fall eines Gerichtsverfahrens, in dem der Nachweis der Zertifizierung von Belang ist, zumindest bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss aufbewahrt werden muss, § 8 Abs. 3 SigV. Prinzipiell kann damit bei Anbietern qualifizierter Verfahren von einer Löschung der Einträge im Zertifikatsverzeichnis und der Dokumentation nach jedenfalls sechs bis zehn Jahren nach Ablauf der Gültigkeit des Zertifikats ausgegangen werden, während akkreditierte Anbieter die von ihnen ausgestellten Zertifikate zumindest noch 30 Jahre nach Ablauf ihrer Gültigkeit nachprüfbar halten und die zugehörige Dokumentation führen müssen.696 Die Pflicht zur Auskunft und zur Dokumentation kann allerdings naturgemäß nur einen existierenden Zertifizierungsdiensteanbieter treffen und durch ihn erfüllt werden, also einen, der seinen Betrieb nicht eingestellt hat. Auch bezüglich der Konkursresistenz der Zertifikate und der Dokumentation bestehen Unterschiede zwischen qualifizierten und akkreditierten Signaturverfahren. „Angezeigte“ Zertifizierungsdiensteanbieter sollen dafür sorgen, dass die von ihnen ausgestellten Zertifikate bei Betriebseinstellung durch einen anderen Anbieter übernommen oder gesperrt werden, § 13 Abs. 1 SigG. Die Dokumentation soll ebenfalls einem anderen Anbieter übergeben werden. Gelingt dies nicht, übernimmt sie die Regulierungsbehörde, die bei Vorliegen eines berechtigten Interesses hieraus Auskunft erteilt, soweit dies technisch ohne unverhältnismäßigen Aufwand möglich ist, § 13 Abs. 2 SigG. Bei der Betriebsaufgabe akkreditierter Anbieter demgegenüber hat die Regulierungsbehörde die Übernahme von dessen Tätigkeit durch einen anderen Anbieter sicherzustellen, der sich damit auch zur Weiterführung des Verzeichnisdienstes und der Dokumentation verpflichtet, § 15 Abs. 6 Satz 1 SigG. Gelingt die Übernahme nicht, sind die Verträge mit den Signaturschlüssel-Inhabern abzuwickeln. Für diesen Fall statuiert zudem § 15 Abs. 6 Satz 3 SigG die Einstandspflicht der Regulierungsbehörde selbst in Bezug auf die Dokumentation des Zertifizierungsdiensteanbieters. Sie hat diese so vorzuhalten, dass sie jederzeit nachprüfbar ist, § 15 Abs. 6 Satz 3 zweiter Halbsatz SigG in Verbindung mit § 10 Abs. 1 Satz 1 SigG. Der Gesetzgeber sieht die damit verbundene Belastung für die Regulierungsbehörde nur bei akkreditierten Anbietern als gerechtfertigt an, die damit ausdrücklich einen Marktvorteil für die aufwendige vorherige Akkreditierung erhalten sollen.697 Die Zertifikate akkreditierter Anbieter sind durch die Übernahmeverpflichtung der RegTP für zumindest 30 Jahre selbst dann prüfbar, wenn der Anbieter seinen Betrieb einstellt. 695 696 697

Roßnagel, in: ders., Datenschutzhandbuch, Kap. 7.7, Rdnr. 92. Roßnagel, Verwaltung III, S. 37 f. BT-Drs. 14/4662, S. 26 – Zu § 13 Absatz 2 und S. 28 f. – Zu § 15 Absatz 7.

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Der gesetzgeberischen Vorstellung, „dauerhaft“ sei die Prüfbarkeit nur, wenn diese für zumindest 30 Jahre gewährleistet sei, entsprechen mithin „nur angezeigte“ Verfahren nicht. Die Zertifikate akkreditierter Anbieter demgegenüber sind letztlich aufgrund der Einstandspflicht der Regulierungsbehörde in diesem Sinne dauerhaft prüfbar, weswegen sie in der Literatur wiederholt als einzig mögliche Lösung genannt wurden,698 was schließlich auch in der Gesetzesbegründung zum 3. VwVfÄndG seinen Niederschlag fand.699 Bei dieser Konzentration auf signaturgesetzkonforme Anbieter ist hingegen die Möglichkeit nicht berücksichtigt, dass die dauerhafte Prüfbarkeit der Signaturen auch bei einer behördeneigenen Zertifizierungsstruktur sichergestellt werden kann. Da mit der Regulierungsbehörde eine staatliche Instanz die langfristige Prüfbarkeit akkreditierter Signaturen sicherstellt, kann ebenso gut gleich eine staatliche Instanz die Zertifizierung staatlicher Signaturen übernehmen und für deren langfristige Prüfbarkeit einstehen. Dies ist in mehrerer Hinsicht vorteilhaft, wie gleich darzulegen sein wird.700 Ohne den Aufbau einer behördeneigenen PKI ist allerdings die Inanspruchnahme akkreditierter Verfahren für langfristig prüfbare Verwaltungsakte unausweichlich. d) Nachlassen der Beweiskraft Die dauerhafte Prüfbarkeit der Signatur allein genügt nicht, um die Authentizität und Integrität des Verwaltungsaktes auch längerfristig sicher feststellen zu können. Sinkt nämlich die mathematische und kryptographische Sicherheit der eingesetzten Signaturverfahren samt ihrer Parameter wesentlich ab, so kann nicht mehr sicher davon ausgegangen werden, dass die Signatur vom im Zertifikat genannten Signaturschlüssel-Inhaber zum in der Signatur genannten Zeitpunkt auch tatsächlich erstellt wurde. Die Prüfbarkeit der Signatur ist zwar auch dann noch ohne weiteres gegeben, doch führt sie zu einem Ergebnis mit nur eingeschränkter Aussagekraft. Das vom Gesetzgeber mit dem Merkmal der langfristigen Prüfbarkeit von qualifizierten Signaturen verfolgte Ziel, Authentizität und Integrität bedeutender und langfristig wirksamer Verwaltungsakte auch dauerhaft sicherstellen zu können, erfordert über die Sicherung der Prüfbarkeit hinaus auch, dem Problem nachlassender Beweiskraft elektronischer Signaturen mit geeigneten Mitteln zu begegnen.

698 Roßnagel, Verwaltungsrecht, DÖV 2001, S. 226 und 230; ders., Verwaltung III, S. 44; ders., Verwaltungsverfahren, NJW 2003, S. 473. In diese Richtung auch Belke, Start, DuD 2000, S. 75, der sich für eine (allein durch akkreditierte Anbieter abgelegte) Vorabprüfung der Sicherheit von durch Behörden genutzten Signaturverfahren ausspricht. 699 BT-Drs. 14/9000, S. 33 – Zu Nummer 10 Buchstabe c am Ende. 700 Vgl. § 52 IV. Vorteile einer eigenständigen Zertifizierungsinfrastruktur, S. 316.

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Möglich ist dies, indem die betroffenen Verwaltungsakte rechtzeitig gemäß § 17 SigV übersigniert werden.701 Ob dies allerdings tatsächlich geschieht, ist bei Erlass des Verwaltungsaktes nicht zu beeinflussen. und auch in Zukunft kann die Formqualität elektronischer Verwaltungsakte von der durchgeführten oder unterlassenen Übersignierung ebenso wenig berührt sein wie bei qualifiziert signierten Dokumenten insgesamt.702 Als plausibel erscheint indes eine Pflicht der Verwaltung zur rechtzeitigen Übersignierung dauerhaft prüfbarer elektronischer Verwaltungsakte, sofern der Bürger dies wünscht. Hierfür spricht der Wille des Gesetzgebers sicherzustellen, dass, soweit dies technisch möglich ist, Verwaltungsakte mit besonderer Bedeutung, insbesondere Dauerverwaltungsakte, über lange Zeiträume beweiskräftig bleiben,703 was letztlich auch die Übersignierung erfordert. Wählt die Verwaltung die elektronische Form um Arbeit und Kosten zu sparen, so kann von ihr auch verlangt werden, die hiermit verbundenen langfristigen Kosten ihrer Formwahl zu tragen und nicht auf den Bürger abzuwälzen.704

§ 52 Die behördliche Zertifizierungsinfrastruktur I. Die Zertifizierung behördlicher elektronischer Nachrichten Die von der Verwaltung erstellten und versandten elektronischen Nachrichten bedürfen für die Erfüllung von Formvorschriften der Signierung. Im Fall der durch Rechtsvorschrift angeordneten Schriftform ist gemäß § 3a Abs. 2 VwVfG die Signierung mit einer qualifizierten Signatur im Sinne von § 2 Nr. 3 SigG erforderlich. Für Verwaltungsakte können im Fachrecht weitere Anforderungen an die langfristige Prüfbarkeit der Signatur gestellt werden, die jedoch mindestens eine qualifizierte Signatur darstellt, § 37 Abs. 4 VwVfG. Entsprechendes gilt gemäß § 36a Abs. 2 SGB I, § 33 Abs. 4 SGB X, § 87a Abs. 3 und 4 AO für das Sozialverwaltungs- und das Abgabenrecht. Auch die gemäß § 87a Abs. 6 AO erlassene StDÜV705 mit ihren geringeren Anforderungen an die elektronischen Signaturen von Steuerpflichtigen bezieht sich nicht auf behördliche Signaturen, die damit jedenfalls qualifiziert sein müssen.706

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Hierzu ausführlich unten § 59 II. b) Übersignierung, S. 356. Vgl. Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 24/§ 17 SigV Rdnr. 10. 703 BT-Drs. 14/9000, S. 33. 704 Ebenso Bovenschulte/Jäger/Viering, Baurecht, S. 75 f. 705 Verordnung zur elektronischen Übermittlung von Steuererklärungen und sonstigen für das Besteuerungsverfahren erforderlichen Daten (Steuerdaten-Übermittlungsverordnung – StDÜV) vom 28.01.2003, BGBl. I 2003, S. 139, von Roßnagel als „Lex Deutsche Bank“ bezeichnet, vgl. ders., Verwaltungsverfahren, NJW 2003, S. 475. 706 Roßnagels Kritik zur Verringerung der Anforderungen an behördliche Zertifikate (vgl. ders., Verwaltungsverfahren, NJW 2003, S. 475) geht daher fehl, erklärt sich je702

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Für die demnach regelmäßig erforderliche qualifizierte Signatur ist gemäß § 2 Nr. 3 und 7 SigG ein qualifiziertes Zertifikat zur sicheren Zuordnung des Signaturprüfschlüssels zu einer natürlichen Person notwendig. Dieses wird durch Zertifizierungsdiensteanbieter ausgestellt, die daher ein wesentliches Element des Einsatzes von Signaturverfahren im öffentlichen Recht sind. Auch die Verwaltung bedarf zur Nutzung der elektronischen Form mithin der Dienste von Zertifizierungsdiensteanbietern. Das 3. VwVfÄndG sah die Frage nach den durch die Verwaltung zu nutzenden Zertifizierungsdiensten nicht als regelungsbedürftiges Problem an. Es bestimmt lediglich für den Bereich der Sozialverwaltung, dass die verschiedenen Träger der Sozialversicherung sich solcher Zertifizierungsdienste bedienen sollen, bei denen eine bundeseinheitliche Kommunikation sichergestellt ist, § 36a Abs. 4 SGB I. Der Gesetzgeber reagiert hiermit vorrangig auf das Problem der Interoperabilität, das heißt der technisch noch nicht hinreichend gelösten Prüfbarkeit der Signaturen eines Anbieters mit der Software eines anderen;707 weitere Regelungen fehlen. Für die Bereiche der allgemeinen und der Steuerverwaltung enthält das Gesetz nicht einmal diese Vorgaben. Für die Auswahl der richtigen Zertifizierungsinfrastruktur stehen verschiedene Modelle zur Auswahl, die diskutiert und in der Praxis teilweise bereits eingesetzt werden. Eine genaue Betrachtung der Anforderungen an die Qualität behördlicher Erklärungen ergibt die Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung dieser für die Formqualität behördlicher Entscheidungen wesentlichen Frage. Als beste Lösung stellt sich hierbei die einer behördeneigenen Zertifizierungsstelle dar, deren Organisation nicht dem Signaturgesetz unterliegt, sondern eine eigenständige Regelung erfährt, so dass die durch das Signaturgesetz aufgeworfenen Probleme vermieden werden. II. Diskutierte Varianten An Möglichkeiten der behördlichen Nutzung von Zertifizierungsdiensten werden hauptsächlich vier Varianten diskutiert: Gewissermaßen als Extrempositionen sind die Nutzung privater Zertifizierungsdienste durch die Behörden einerseits und der eigenständige Aufbau behördeneigener Zertifizierungsstellen andererseits zu nennen; weiterhin werden Zwischenformen angesprochen, die durch ein arbeitsteiliges Zusammenwirken der Behörden mit Privaten geprägt sind.708 doch aus seiner allgemeinen Missbilligung von Konkurrenzprodukten der qualifizierten Signatur, vgl. ders., Aktion, MMR 2003, S. 2. 707 Vgl. BT-Drs. 14/9000, S. 34 f. sowie oben § 9 III. Problem der Interoperabilität und Kompatibilität, S. 65. 708 Vgl. im Detail Roßnagel, Verwaltung III, S. 53 ff.

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In der ersten Variante ist die Verwaltung wie jeder Bürger auf die Dienste der Zertifizierungsstelle angewiesen. Von dieser erhält sie als gewöhnlicher Kunde Signaturkarten und Zertifikate. Der Zertifizierungsdiensteanbieter betreibt die Zertifizierungsstelle in Eigenregie und ist lediglich der Aufsicht durch die RegTP unterworfen. Die Verwaltung hat keinen Einfluss auf die laufenden Geschäfte des Zertifizierungsdiensteanbieters. Bei Streitigkeiten über die Art und Weise von dessen Aufgabenerfüllung ist sie wie jedermann auf die Beschreitung des Privatrechtsweges angewiesen. Eine Verpflichtung zur Ausgabe von Zertifikaten und Signaturkarten besteht nur aufgrund von jeweils im Einzelfall abzuschließenden Zertifizierungsdiensteverträgen, für die ein Abschlusszwang nicht besteht. Auch auf das Ende der Betriebstätigkeit des Zertifizierungsdiensteanbieters hat die Verwaltung als bloßer Kunde keinen Einfluss: Stellt dieser seinen Betrieb etwa wegen der Unwirtschaftlichkeit des Geschäftes ein, ist lediglich im Fall seiner Akkreditierung die RegTP verpflichtet, die Übernahme seiner Zertifizierungsdienstleistungen und seiner Dokumentation durch andere akkreditierte Anbieter sicherzustellen oder im Zweifel selbst zu übernehmen, § 15 Abs. 6 SigG. Dieses Modell erspart der Verwaltung den Aufbau einer eigenen Zertifizierungsinfrastruktur oder der Mitarbeit an dessen Geschäftstätigkeit. Als zweite Variante ist die verstärkte Mitarbeit der Verwaltung am Betrieb der Zertifizierungsstelle durch die Übernahme einzelner Aufgaben möglich, wie etwa die Identifizierung der Nutzer, in diesem Fall der Behördenmitarbeiter, ihre Unterrichtung über die korrekte Anwendung und die Rechtswirkung der Signatur und die anschließende Ausgabe der Signaturkarten. Wesentliche Aufgaben der Zertifizierung hingegen, wie die Erzeugung der Schlüssel und Sicherstellung ihrer Nichtauslesbarkeit und Nichtveränderbarkeit, der Betrieb der Zertifizierungsstelle und des Sperrservices usw. blieben ebenso wie die Haftung gemäß § 11 SigG beim privaten Zertifizierungsdiensteanbieter. Die Verwaltung würde die ihr obliegenden Aufgaben in dessen Auftrag durchführen, wäre Dritter im Sinne des § 4 Abs. 5 SigG und wäre dieser Norm entsprechend in das Sicherheitskonzept des Zertifizierungsdiensteanbieters einzubinden. Der Vorgabe des Signaturgesetzes gemäß wäre der Zertifizierungsdiensteanbieter verpflichtet, die Einhaltung des Sicherheitskonzeptes der Behörde gegenüber durchzusetzen.709 Ihr Einfluss auf den Betrieb der Zertifizierungsdiensteanbieter hingegen bliebe insbesondere im Bereich der Zertifizierung so gering wie in der ersten Variante, angesichts der Verpflichtung zur Erfüllung seines Sicherheitskonzeptes und der daraus folgenden Unterworfenheit unter seine diesbezügliche Befehlsgewalt sogar geringer. Auf Seiten der Verwaltung wäre die Einbeziehung ihrer auf die Aufgabe der Identifizierung spezialisierten Einwohnermeldeämter möglich. Mit deren Hilfe könnte auch die Ausstellung spezieller Attributzertifikate als „elek709

Roßnagel, Verwaltung III, S. 53.

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tronische Ausweise“ realisiert werden, die Bürgern die Identifikation auch im elektronischen Rechtsverkehr ermöglichten.710 Der Vorteil dieser Variante ist die Nutzung des flächendeckenden Behördennetzes zur notwendigen Identifizierung, die einem Zertifizierungsdiensteanbieter nur dann in angemessener Weise möglich ist, wenn er wie die Deutsche Telekom oder die Deutsche Post auf ein bereits bestehendes Filialnetz zurückgreifen kann. Der Verwaltung könnte die Übernahme der Identifizierung, der Unterrichtung und der Kartenausgabe in Form von geringeren Preisen für die Zertifizierungsdienste zugute kommen. In der dritten Variante träte die Behörde selbst als Zertifizierungsdiensteanbieter in Erscheinung, lagerte jedoch wesentliche Aufgaben aus: Die eigentliche Zertifizierung überließe sie einem darauf spezialisierten und über die hierfür erforderliche Sachkunde und technische Ausstattung verfügenden Dienstleister, der zumeist auch selbst als Zertifizierungsdiensteanbieter am Markt auftreten wird. Im Verhältnis zur als Zertifizierungsdiensteanbieter gegenüber der RegTP verantwortlichen Verwaltung wäre er jedoch nur Dritter im Sinne des § 4 Abs. 5 SigG und in deren Sicherheitskonzeption eingebunden, die sie ihm gegenüber durchzusetzen hätte. Die Verantwortlichen in derartigen Konstruktionen werden als „virtuelle Trustcenter“ bezeichnet, da sie zwar nach außen als Zertifizierungsdiensteanbieter auftreten, selbst aber im Wesentlichen nur Koordinierungsaufgaben übernehmen und lediglich noch die ordnungsgemäße Identifizierung der Signaturschlüssel-Inhaber sicherstellen.711 Die Aufgabenverteilung entspräche damit der in der zweiten Variante, doch sind die Verantwortlichkeiten und damit auch die Weisungsbefugnisse anders verteilt: Nunmehr ist der „eigentliche“ Zertifizierungsdiensteanbieter weisungsgebunden und zur Einhaltung des Sicherheitskonzeptes der Verwaltung, nicht diese ihm gegenüber, verpflichtet. Die zur Erfüllung der Vorgaben aus § 4 Abs. 5 SigG notwendige Weisungsmacht ist durch eine dies berücksichtigende Gestaltung des Kooperationsvertrages sicherzustellen. Gegen eine Betriebseinstellung des lediglich vertraglich eingebundenen Zertifizierungsdiensteanbieters – etwa aufgrund eines Konkurses – ist die Verwaltung allerdings ebenso wenig gefeit; in diesem Fall hat sie sogar selbst ihren Betrieb als Zertifizierer einzustellen, da das von ihr bei der RegTP ursprünglich vorgelegte Sicherheitskonzept nicht mehr eingehalten werden 710 Hierzu Roßnagel, Verwaltung III, S. 53 f. Zur Idee des „elektronischen Ausweises“ als Mittel der Identifizierung siehe Roßnagel, Verwaltung III, S. 48 ff. bzw. (weitgehend wortgleich) ders., Ausweis, DuD 2002, S. 281 ff. Das Problem der Identifizierung wird ebenfalls erörtert unter § 58 Die Identifizierung des SignaturschlüsselInhabers, S. 348. 711 Vgl. Roßnagel, Verwaltung III, S. 54. Der Begriff ist irreführend, da mit „Trustcenter“ wie mit „Trusted Third Party“ im internationalen Sprachgebrauch eine Stelle bezeichnet wird, die für den Signaturschlüssel-Inhaber bzw. jeden Teilnehmer einer PKI seinen geheimen private key für den Fall des Schlüsselverlusts zum Zweck der Datenrettung bewahrt, vgl. oben § 8 III. Erfordernis einer Sicherungsinfrastruktur, S. 54. Die korrekte Bezeichnung für den Erbringer von Zertifizierungsdienstleistungen lautet Zertifizierungsdiensteanbieter, vgl. § 2 Nr. 8 SigG.

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kann. Berufsständische Kammern wie die Bundesnotarkammer sowie Steuerberater- und Rechtsanwaltskammern wählten diesen Weg; die eigentlichen Zertifizierungsdienstleistungen obliegen hierbei der DATEV und der Deutschen Post Signtrust.712 In der vierten und letzten Variante schließlich betreibt die Verwaltung einen eigenen Zertifizierungsdienst. Dies kann ebenso durch eine einzelne Behörde wie behördenübergreifend geschehen. Zusätzlich zu den bereits oben angeführten Aufgaben mit Kundenkontakt wären hier Schlüsselerzeugung, Zertifizierung, Sperrdienst und Verzeichnisdienst durch die behördeneigene Zertifizierungsstelle zu erledigen und nicht ausgelagert. Die Verantwortung und die Weisungshoheit lägen vollständig bei der Verwaltung. Sie hätte das entsprechende Knowhow und die erforderlichen technischen Mittel zu akkumulieren und einzusetzen und wäre den sich daraus ergebenden finanziellen Belastungen ausgesetzt. Im Gegenzug ersparte sie sich die mit der Beauftragung eines privatwirtschaftlichen und daher prinzipiell an Gewinnen orientierten Zertifizierungsdiensteanbieters verbundenen Kosten sowie das Risiko von dessen Betriebseinstellung etwa aufgrund eines Konkurses oder einer anderweitiger Ausrichtung des Geschäftsbetriebes. In erster Linie wird die Nutzung privater Zertifizierungsdienste erwogen und vollzogen. Der Gesetzgeber des 3. VwVfÄndG wollte explizit keine Regelung der von der öffentlichen Verwaltung zu beauftragenden Zertifizierungsdiensteanbieter, er hatte vielmehr „grundsätzliche Bedenken gegen eine . . . durch Gesetz vollzogene Zuweisung der Aufgabe des Betreibens eines Zertifizierungsdienstes an eine bestimmte Institution.“713 Die Bundesregierung spricht in ihrem E-Government-Beschluss vom Januar 2002 davon, die für ihre Signaturen erforderlichen Zertifikate am Markt zu beschaffen.714 Davon geht offensichtlich auch § 41 der Allgemeinen Verwaltungsvorschrift über das Rechnungswesen in der Sozialversicherung aus.715 Die im Jahr 2001 vom Land Niedersachsen für seine Mitarbeiter bereitgestellten 12.000 Zertifikate waren solche der Deutschen Post Signtrust; das Land hatte die erste der oben angeführten Varianten gewählt.716 Die Stadt Aachen entschied sich trotz der Einschränkungen, die sich aus den Vorgaben des Signaturgesetzes und den technischen Inkompatibilitäten ergeben, im Rahmen ihres Projektes der Elektronischen Auftragsvergabe ebenfalls für Zertifikate eines akkreditierten Anbieters.717 Auch die Stadt Hannover wählte

712

Vgl. Roßnagel, Verwaltung III, S. 54 f. BT-Drs. 14/9259, S. 5 (Auslassung nur hier). 714 Bundesregierung, E-Government-Beschluss, S. 5: „Zertifikate und Ausstattung für qualifizierte Signaturen werden am Markt beschafft.“ 715 BR-Drs. 1001/98, S. 30 f., 34 f., 52 f. 716 Vgl. Bieser, Neues Signaturgesetz, DStR 2001, S. 29. 717 Vgl. Marbaise, Praxisbeispiel, S. 120. 713

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für ihre E-Government-Projekte einen akkreditierten Anbieter als Zertifizierungsdienstleister, hält sich jedoch die Option für eine städtische Zertifizierungslösung offen.718 Saarbrücken entschied sich im Rahmen erster Versuchsprojekte ebenfalls für die Angebote privater Anbieter, musste allerdings aufgrund unüberbrückbarer Inkompatibilitäten auf eine italienische und damit nicht signaturgesetzkonforme, letztlich eigenentwickelte Lösung ausweichen.719 In Bremen wurde der Aufbau einer eigenen Zertifizierungsstelle bereits frühzeitig als zu teuer verworfen.720 Der Aufbau verwaltungseigener Zertifizierungsstellen wird nur teilweise ernsthaft erwogen.721 Für den Deutschen Städtetag lag die Frage eines verwaltungseigenen Trustcenters nahe, doch erschien es angesichts der damit verbundenen Kosten empfehlenswerter, dass die Städte auf vorhandene Zertifizierer zurückgreifen und allenfalls als Registrierstellen tätig werden.722 Wirtschaftsberater empfehlen aus Kostengründen ebenfalls die Nutzung eines externen Dienstleisters.723 Im Ausland hingegen ist ein Tätigwerden des Staates auch auf diesem Gebiet weitaus üblicher. In Finnland beispielsweise sind seit 1999 Personalausweise mit Signaturfunktion erhältlich, als Zertifizierungsstelle fungiert die Personalausweisbehörde.724 In Italien wurde 2001 die erste Bürgerkarte mit Signaturfunktion als vollwertiger Ausweisersatz ausgegeben, Österreich und Belgien testen die Bürgerkarte seit 2003 und auch die Schweizer Regierung hat Ende 2002 die Einführung des elektronischen Personalausweises beschlossen.725 Auch im außereuropäischen Ausland leistet der Staat Zertifizierungsdienste: In Japan erhalten sowohl Behördenmitarbeiter wie auch Bürger verwaltungseigene Zertifikate; hinsichtlich der letztgenannten Aufgabe tritt der Staat in Konkurrenz zu privaten Zertifizierungsdiensten, für die Zertifizierung eigener Mitarbeiter ist allein er zuständig.726 718

Vgl. Sporleder, Melderegisterauskunft, S. 130 f. Vgl. Schiff, Dispositivo, S. 138. 720 Vgl. Kubicek, One Stop Government, S. 170; für eine ähnliche Einschätzung in Bezug auf NRW siehe Siegfried, Signatur. 721 Vgl. Habbel, Umsetzung: „Nachdenken sollten wir darüber, ob die Städte und Gemeinden nicht auch in der Lage wären, sogenannte TrustCenter aufzubauen.“; Storr, Elektronische Kommunikation, MMR 2002, S. 584: „Die Verwaltung sollte unter Umständen auf einen verwaltungseigenen Zertifizierungsdiensteanbieter zurückgreifen können.“ 722 Deutscher Städtetag, Signatur, S. 31. Hinsichtlich der Kosten ebenfalls kritisch Eifert, Organisationsaufgabe, ZG 2001, S. 121 f. 723 Mummert, E-Government, S. 81. 724 § 3 des Finnischen Personalausweisgesetzes (lagen om identitetskort – 829/ 1999); vgl. auch www.sahkoinenhenkilokortti.fi/default.asp?todo=setlang&lang=uk. 725 MMR aktuell 1/2003, S. XIII. 726 Yonemaru/Roßnagel, Japan, MMR 2002, S. 805 f. Zu Signaturen im an Siegel als Autorisierungsmittel gewohnten Japan siehe auch Büllesbach/Rieß/Miedbrodt, Signaturen, S. 24 ff. 719

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III. Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung a) Erforderliche Mitwirkung des Zertifizierungsdiensteanbieters Zur Überprüfung der von Signaturen gesicherten Integrität und Authentizität elektronischer Willenserklärungen bedarf es des Zertifikats eines Zertifizierungsdiensteanbieters, das den Signaturprüfschlüssel sicher dem Signaturschlüssel-Inhaber zuordnet. Ohne ein vertrauenswürdiges Zertifikat sind die Funktionen der qualifizierten Signatur technisch nicht erfüllt. Auch qualifiziert signierte Dokumente sind mangels einer hinreichenden Prüfmöglichkeit des Zertifikats dann nicht von größerer Fälschungssicherheit als nur fortgeschritten signierte Dokumente.727 In rechtlicher Konsequenz erfüllen auch signierte Dokumente nur dann eine durch Rechtsvorschrift vorgeschriebene Form, wenn sie anhand des zugehörigen Zertifikats prüfbar sind. Verwaltungsakte etwa, für die eine Rechtsvorschrift die Schriftform anordnet, müssen mit einer qualifizierten Signatur versehen sein, § 3a Abs. 2 VwVfG, die ihrerseits auf einem bei ihrer Erstellung gültigen qualifizierten Zertifikat beruhen muss, § 2 Nr. 3 SigG. Fehlen Signatur oder Zertifikat, ist der Verwaltungsakt formell rechtswidrig. In erster Linie ist hiermit die Anfechtbarkeit und Aufhebbarkeit der behördlichen Entscheidung verbunden. Eine Nichtigkeit der Entscheidung ist nur anzunehmen, wenn die Formvorschrift, die offenbar nicht eingehalten wurde, dem Schutz eines Betroffenen dienen oder andere wichtige rechtsstaatliche Funktionen erfüllen soll; die gesetzlichen und gerichtlichen Hürden der Nichtigkeit sind hoch, so dass sie die Ausnahme darstellt.728 Mit der Rechtswidrigkeit gehen erleichterte Aufhebungsmöglichkeiten auch durch die Verwaltung selbst einher, vgl. § 48 VwVfG. Zudem kann ohne ein Zertifikat generell die Authentizität des Verwaltungsaktes, das heißt sein Herrühren vom vermeintlichen Aussteller, und seine Integrität, und damit seine inhaltliche Unverändertheit, nicht mehr gesichert angenommen werden, so dass schon das Vorliegen eines Verwaltungsaktes und dessen Inhalt zweifelhaft werden. Dies ist bereits aufgrund der formellen, die Rechtssicherheit betonenden Betrachtungsweise misslich, nach der in vielen Fällen bereits an das bloße Vorliegen eines Verwaltungsaktes weitgehende Rechtsfolgen geknüpft werden, ohne Rücksicht auf dessen materielle Richtigkeit.729 Zudem haben Verwaltungsakte eine langfristige, mitunter mehrere Jahrzehnte umfassende Gestaltungsmacht, die eine Prüfung des Verwaltungsaktes noch lange Zeit nach seinem Erlass notwendig macht, zu einem Zeitpunkt, an dem die Voraussetzungen seiner Entstehung nicht mehr nachgeprüft werden können.730 727

Zu diesen vgl. Roßnagel, Fortgeschrittene Signatur, MMR 2003, S. 164. Zu Folgen von Formfehlern ausführlich Hufen, Fehler, Rdnr. 505 ff.; Maurer, Verwaltungsrecht, § 10 Rdnr. 20 ff.; Wolff/Bachof/Stober, Allg. VwR II6, § 49 Rdnr. 24 ff., 47. 729 Hierzu Maurer, Verwaltungsrecht, § 10 Rdnr. 21 f. 728

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Bestand und Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes sowie unter Umständen auch seine Regelungskraft sind mit anderen Worten von einem Zertifikat abhängig, und zwar sowohl direkt nach seinem Erlass wie auch noch Jahre später. Die Verwaltung ist damit beim Erlass formgebundener elektronischer Verwaltungsakte auf die Mitwirkung des Zertifizierers angewiesen. Ohne diesen ist eine Überprüfung der behördlichen elektronischen Entscheidung nicht möglich.731 Die Rechtmäßigkeit hoheitlichen Verwaltungshandelns ist damit von der Mitarbeit des Zertifizierers abhängig, der nach den oben beschriebenen Plänen ein nahezu vollständig selbständiges Privatrechtssubjekt sein soll. Die Einbindung Privater in die staatliche Aufgabenwahrnehmung ist jedoch nicht ohne weiteres möglich, sondern unterliegt verfassungsrechtlichen Vorgaben, die auch den Gesetzgeber beschränken. b) Mitwirkung Privater an der staatlichen Aufgabenwahrnehmung Aus Art. 20 Abs. 1 und 2 GG ergibt sich die Notwendigkeit der demokratischen Anbindung der Staatsgewalt. Nach dem Bekenntnis des Art. 20 Abs. 1 GG zur Demokratie als Grundpfeiler der staatlichen Ordnung („Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer [. . .] Bundesstaat“) postuliert Abs. 2 Satz 1 deutlich: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus.“ Damit kann und muss staatliche Herrschaft auf das Volk als Souverän des demokratischen Staates zurückgeführt werden. Weder muss das Volk selbst die Staatsgewalt ausüben, diese ist vielmehr den in Satz 2 des gleichen Absatzes genannten „besonderen Organen“ der drei Gewalten anvertraut, noch genügt die bloße Anerkennung und Billigung durch das Volk. Vielmehr ist die Kontrolle staatlicher Macht durch das Volk, vermittelt durch Wahlen und Abstimmungen und die damit konstituierten Volksvertretungen, erforderlich, denen damit ein effektiver Einfluss auf die Ausübung der Staatsgewalt durch die Staatsorgane zukommen muss.732 Alle Emanationen staatlicher Gewalt „müssen sich . . . auf den Willen des Volkes zurückführen lassen und ihm gegenüber verantwortet werden.“733 Dies betrifft alle drei klassischen, auch in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG deutlich werdenden Ausprägungen staatlicher Gewalt. Wie Legislative und Judikative an den Volkswillen gebunden sind, so bedarf auch das Handeln der Exekutive der demokratischen Anbindung. Dies gilt jedenfalls für alles amtliche Handeln mit Entscheidungscharakter.734 Sowohl die Amtswalter selbst wie auch ihre Ent730 Viering, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 99, erwähnt die aufgrund des Bestandschutzes gegebene Notwendigkeit der Prüfung von mehr als 80 Jahre alten Baugenehmigungen. 731 Vgl. oben bei § 51 III. c) Dauerhaft mögliche Signaturprüfung, S. 296. 732 BVerfG, Urt. v. 31.10.1990 – 2 BvF 3/89, BVerfGE 83, S. 60 (71 f.). Ausführlich hierzu Dreier, in: ders., Art. 20 GG (Demokratie), Rdnr. 76 ff. 733 BVerfGE 83, S. 71 f. (Auslassung nur hier).

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scheidungen bedürfen der zumeist mehrfach vermittelten demokratischen Legitimation durch eine letztlich mittelbar auch vor dem Parlament zu verantwortende Einsetzung einerseits und die strikte Bindung an das parlamentarische Gesetz sowie die Verantwortlichkeit auch für einzelne Handlungen innerhalb der Verwaltung und schließlich vor dem Parlament andererseits.735 Das so verstandene Demokratieprinzip fußt auf dem durch den Verfassungsgeber vorgefundenen Hierarchieprinzip der bürokratischen Verwaltung und wird durch andere Bestimmungen des Grundgesetzes normativ unterfangen, die die Verantwortlichkeit der Verwaltung vor dem Minister und dessen Verantwortlichkeit vor Kanzler und Parlament bestimmen.736 Grund und Gegenstück der Verantwortung ist die Einflussmöglichkeit der Verantwortlichen auf die schließlich entscheidenden Amtswalter, so dass sich mit der Verantwortungsübernahme auch die entsprechende Weisungsbefugnis bis zum letzten Beamten in der Legitimationskette und damit in letzter Konsequenz auch das Hierarchieprinzip selbst aus dem Demokratieprinzip ergibt.737 Die Machtausübung durch nicht demokratisch legitimierte Hoheitsträger widerspricht ebenso dem Demokratieprinzip wie die Durchbrechung des Grundsatzes der Weisungsabhängigkeit etwa durch Zulassung ministerialfreier Räume in Bereichen, die eine derartige Entscheidungsfreiheit nicht aufgrund ihrer Eigenart zwingend voraussetzen.738 Die Übertragung staatlicher Macht an private, nicht in die behördliche Hierarchie eingebundene Entscheidungsträger stößt vor diesem Hintergrund rasch an verfassungsrechtlich aufgerichtete Grenzen staatlicher Organisationsfreiheit. Dass jede Ausübung staatlicher Gewalt in ununterbrochener Legitimationskette auf das Volk zurückgeführt werden können muss, steht aus diesem Grund einer freien Privatisierung staatlicher Entscheidungsmacht entgegen.739 Korrespondierend zur staatlichen Verantwortlichkeit im rechtlichen Sinne bedarf es der auch faktisch effektiven staatlichen Kontrolle über die Gültigkeit hoheitlicher Akte. Mit den Worten des BVerfG: Die demokratische Legitimation staatlichen Han734 Vgl. Dreier, in: ders., Art. 20 GG (Demokratie), Rdnr. 81, auch mit Kritik zu dieser als zu eng aufgefassten Position des BVerfG, das Unwichtiges von Wichtigem trennen möchte, vgl. BVerfG, Beschl. v. 15.02.1978 – 2 BvR 134, 268/76, BVerfGE 47, S. 253 (274), bestätigt in BVerfGE 83, S. 73 und im Beschl. v. 24.05.1995 – 2 BvF 1/92, BVerfGE 93, S. 37 (68); siehe auch Böckenförde, Demokratie, HStR I, § 22 Rdnr. 12 f. 735 Ausführlich Dreier, in: ders., Art. 20 GG (Demokratie), Rdnr. 105 ff.; Böckenförde, Demokratie, HStR I, § 22 Rdnr. 16 und 21 ff.; siehe auch Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 277 ff. 736 Böckenförde, Demokratie, HStR I, § 22 Rdnr. 24; Dreier, in: ders., Art. 20 GG (Demokratie), Rdnr. 114. 737 Ausführlich Dreier, Hierarchie, S. 125 ff.; ebenso ders., in: ders., Art. 20 GG (Demokratie), Rdnr. 114 m. w. N. 738 Böckenförde, Demokratie, HStR I, § 22 Rdnr. 24; Dreier, in: ders., Art. 20 GG (Demokratie), Rdnr. 116. 739 Köster, Governance, VR 2002, VR 2002, S. 228.

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delns „setzt voraus, dass die Amtsträger im Auftrag und nach Weisung der Regierung – ohne Bindung an die Willensentschließung einer außerhalb parlamentarischer Kontrolle stehenden Stelle – handeln können und die Regierung damit in die Lage versetzen, die Sachverantwortung gegenüber Volk und Parlament zu übernehmen.“740 Privaten, die regelmäßig nicht demokratisch legitimiert sind, kann hoheitliche Macht daher nur unter engen Voraussetzungen verliehen werden. Die Anforderungen zur Indienstnahme Privater sind geringer, wenn diese lediglich technisch-unterstützend tätig werden und die Ausübung der Hoheitsgewalt letztlich beim demokratisch legitimierten Hoheitsträger verbleibt.741 Das Heranziehen eines bloßen Verwaltungshelfers unerliegt damit regelmäßig allein den Schranken, die sich aus den Grundrechten des jeweils Betroffenen ergeben. c) Abhängigkeit elektronischer Verwaltungsentscheidungen vom Zertifizierungsdiensteanbieter Angesichts dieser verfassungsrechtlichen Vorgaben erscheint es fraglich, ob die allgemein geplante Nutzung privater Zertifizierungsdienste auch zur Zertifizierung behördlicherseits signierter Hoheitsakte zulässig ist.742 Hieran ist die faktische Mitentscheidungsmöglichkeit über die Gültigkeit oder zumindest Rechtmäßigkeit signierter Behördenentscheidungen problematisch: Es bedarf, wie dargelegt, der Mitwirkung eines Zertifizierungsdiensteanbieters nicht nur für die Erstellung der signierten Behördenentscheidung, sondern auch für die Prüfbarkeit von Signaturen. Während die Behörde Zertifikat und gewöhnlich auch Signaturschlüssel und Signaturerstellungskomponenten vom Zertifizierungsdiensteanbieter bezieht, ist der Empfänger der Nachricht auf die Dienste des Zertifizierers angewiesen, um die Gültigkeit der Signatur anhand der Gültigkeit des Zertifikats nachprüfen zu können. Damit bedarf jeder in elektronischer Form ergangene und gemäß § 3a Abs. 2 bzw. § 37 Abs. 4 VwVfG in Verbindung mit den Vorgaben aus dem Fachrecht signierte Akt der Mitwirkung eines Privaten, der damit mittelbar in die Entscheidungsstruktur der Verwaltung eingebunden ist. Dieser hat hinsichtlich signierter Nachrichten eine zwar nicht auf den Einzelfall bezogene inhaltliche, doch faktisch gegebene Entscheidungsmacht. Die Ausübung dieser Macht unterliegt nicht der Kontrolle der Behörde, 740

BVerfGE 93, S. 67. BVerfGE 83, S. 71 f.; Böckenförde, Demokratie, HStR I, § 22 Rdnr. 13; Köster, Governance, VR 2002, S. 228; Maurer, Verwaltungsrecht, § 23 Rdnr. 60 ff. 742 Zweifelnd bereits Hoeren, Paradigmen, NJW 1998, S. 2853; ebenso Skrobotz, Elektronischer Verwaltungsakt, JurPC 86/2002, Abs. 49. Die Problematik wurde allerdings schon 1991 aufgezeigt, vgl. Goebel/Scheller, Elektronische Unterschriftsverfahren, S. 22, mit Hinweisen auf die bei der Nutzung von „elektronischen Unterschriftsverfahren“ durch die öffentliche Hand zu wahrende Kompetenzordnung und die zu beachtende Gewaltenteilung. 741

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sondern ist vollständig dem Zertifizierungsdiensteanbieter zugewiesen. Dieser ist zwar den zugegebenermaßen engen Grenzen des Signaturgesetzes unterworfen, entscheidet aber letztlich in eigener Verantwortung, sowohl in gewerberechtlicher und haftungsrechtlicher Hinsicht wie auch im Hinblick auf die mit Bußgeld bewehrten Ordnungsvorschriften der §§ 4, 11 und 21 SigG. Ein Verstoß gegen die gesetzlich auferlegten Pflichten des Zertifizierungsdiensteanbieters ist diesem zwar nur unter Inkaufnahme des Risikos der zivilrechtlichen Haftung, eines Ordnungswidrigkeitsverfahrens und des Verdiktes der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit möglich, kann jedoch von der Verwaltung als sein Kunde selbst nicht kontrolliert und geahndet werden. Ihr bleibt letztlich nur die Hoffnung auf das rechtstreue Verhalten des von ihr gewählten Zertifizierers. Damit ist die Legitimationskette in einem wesentlichen Punkt gebrochen. Eine solche Gestaltung der behördlichen Zertifizierungsinfrastruktur ist auf bloßes Vertrauen angewiesen und erfüllt damit nicht die Anforderungen des Grundgesetzes, dass dem Volk ein effektiver Einfluss auf jede Ausübung von Staatsgewalt zukommen muss, vermittelt durch Parlament und Regierung.743 Möglicherweise aber kann der für die Verwaltung tätige Zertifizierungsdiensteanbieter als Beliehener im erwähnten Sinne verstanden werden. Beliehene nehmen Hoheitsaufgaben in eigener Verantwortung und mit einer gewissen Selbständigkeit gegenüber dem sie beleihenden oder desjenigen Hoheitsträgers wahr, dessen Aufgaben sie erfüllen. Mit der Beleihung macht sich der Staat die besondere Sachnähe, die betriebliche, finanzielle und technische Ausstattung und die fachliche Kompetenz eines Privaten zur Erfüllung seiner Aufgaben zunutze. Dem Beliehenen wird Hoheitsmacht zur eigenständigen Ausübung übertragen. Das erfordert die demokratische Legitimation der Beleihung, die durch Gesetz erfolgen kann oder sich zumindest auf eine gesetzliche Ermächtigung zur Übertragung von Hoheitsrechten stützen können muss.744 Die sachliche demokratische Legitimation des Beliehenen und seiner Akte erfordert die staatliche Aufsicht in Form der Fach- oder Rechtsaufsicht über diesen als Behörde im Sinne des § 1 VwVfG fungierenden Privaten „durch ,echte‘ staatliche Behörden.“745 Dem derart skizzierten Bild des Beliehenen entspricht der als Außenstehender fungierende Zertifizierungsdiensteanbieter insoweit, wie er in eigenständiger Aufgabenerfüllung zumindest teilweise über die Rechtmäßigkeit staatlicher Akte entscheidet und damit in gewisser Selbständigkeit von der ihn einsetzenden Verwaltung an deren Aufgabenwahrnehmung entscheidend mitwirkt. Auch bedient sich die Verwaltung des Zertifizierers aufgrund seiner außergewöhnlichen fachlichen und sachlichen Kompetenz auf dem Gebiet der Zertifizierung und macht sich seine besondere Sachkunde zunutze. Das Bild ist 743 744 745

BVerfGE 83, S. 71 f. Maurer, Verwaltungsrecht, § 23 Rdnr. 56 ff.; Gramm, Privatisierung, S. 118. So Gramm, Privatisierung, S. 118 (Anführungszeichen im Original).

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jedoch in mehrfacher Hinsicht unstimmig: Die Mitentscheidungsbefugnis durch den Zertifizierungsdiensteanbieter ist wohl einerseits gerade nicht gewollt und liegt nur faktisch vor, so dass auch von einer bewussten Übertragung von Hoheitsrechten nicht die Rede sein kann. Diese wäre andererseits mangels einer gesetzlichen Absicherung nicht hinreichend demokratisch legitimiert; die das Problem der behördlichen Zertifizierung nur am Rande erwähnende Gesetzesbegründung zum 3. VwVfÄndG könnte jedenfalls nicht den hierfür erforderlichen Rahmen darstellen. Auch die mögliche und vom Gesetzgeber offenbar als zumindest derzeit faktisch als notwendig verstandene Akkreditierung des Zertifizierungsdiensteanbieters kann nicht als seine Beleihung mit hoheitlichen Aufgaben und Kompetenzen aufgefasst werden. Weder in ihren Voraussetzungen noch in ihren Rechtsfolgen ist die Akkreditierung auf eine Übernahme staatlicher Macht gerichtet, sondern allein auf die Anerkennung als zuverlässig gemäß den gewerberechtlichen und technischen Vorgaben des Signaturgesetzes. Schließlich fehlt es an einer Aufsicht der Verwaltung über die von ihr eingesetzten Zertifizierungsdiensteanbieter im Sinne einer Fach- oder Rechtsaufsicht; die allgemeine gewerberechtliche Aufsicht durch die RegTP ist jedenfalls nicht zum Zweck der Sicherstellung behördlicher Aufgabenerfüllung installiert und hierfür auch in keiner Weise geeignet. Möglicherweise stellt die Arbeit der Zertifizierungsstellen jedoch lediglich eine unbedeutende technische Hilfstätigkeit im vom BVerfG dargelegten Verständnis dar, die aufgrund ihrer die behördliche Entscheidung nur vorbereitenden oder die behördliche Entscheidung nach Weisung ausführenden Art nicht ebenso demokratisch legitimiert sein muss wie die entscheidende Stelle selbst.746 Tatsächlich ist die Mitwirkung des Zertifizierungsdiensteanbieters vorwiegend technischer und unterstützender, nicht inhaltlicher Art. Er stellt seine fachlichen und personellen Ressourcen sowie sein kryptologisches Fachwissen der Verwaltung aufgrund des Zertifizierungsdienstevertrages zur Verfügung, erstellt Zertifikate und gegebenenfalls Signaturschlüssel und Signaturanwendungskomponenten und hält schließlich die Zertifikate gegen eine Jahresgebühr zur Nachprüfung oder sogar zum Abruf bereit. Eine inhaltliche Mitgestaltung der von der Behörde signierten Erklärungen ist hiermit nicht verbunden. Insoweit ist dieser Beitrag den Hilfstätigkeiten vergleichbar, die etwa externe Computerspezialisten im Rahmen des Aufbaus und der Wartung des verwaltungseigenen Computersystems erbringen. Sie leisten zwar einen wesentlichen Beitrag zur Erfüllung der hoheitlichen Aufgaben der Behörde, können jedoch keinen Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung der Behördenentscheidung nehmen.747 In diesem Zusammenhang ließe sich ebenfalls der Beitrag privater Kurier- und Logistik746 BVerfGE 83, S. 74. Siehe auch Böckenförde, Demokratie, HStR I, § 22 Rdnr. 13; Köster, Governance, VR 2002, S. 228; Maurer, Verwaltungsrecht, § 23 Rdnr. 60 ff. 747 Diesbezügliche Fragen sprechen an Büllesbach/Rieß, Outsourcing, NVwZ 1995, S. 444.

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unternehmen wie der Deutschen Post am Wirksamwerden zahlloser Verwaltungsakte anführen, die die Bekanntgabe an den Betroffenen voraussetzt, § 43 VwVfG, und damit zwar nicht denknotwendig, doch praktisch der Mitarbeit eines Privaten bedarf. An einer Vergleichbarkeit dieser Fälle kann man jedoch bereits deswegen zweifeln, weil die durch Zertifizierungsstellen erbrachte Aufgabe auf besondere Ressourcen und spezielles Fachwissen angewiesen ist. Es erscheint daher denkbar, die Zertifizierung nicht als „unbedeutende“ Hilfstätigkeit zu bezeichnen, sondern vielmehr als „hochkomplexe Sicherungsinfrastruktur“ mit enormem Schadenspotential.748 Doch ist die Komplexität der zu erledigenden Aufgabe und das Angewiesensein auf auch Spezialistenwissen allein kein hinreichendes Abgrenzungskriterium, wie das erwähnte Beispiel der Wartung von Computersystemen zeigt. Die ausgefeilten Logistiksysteme der Deutschen Post ihrerseits zeigen wiederum, dass auch die als „unbedeutend“ apostrophierten Hilfstätigkeiten heute mit großem technischen Aufwand erbracht werden können und tatsächlich werden. Wesentlicher ist jedoch ein anderer Grund: In den genannten Fällen fehlt die bei der Zertifizierung von Signaturschlüsseln deutliche Abhängigkeit der Verwaltungshandlung von der Mitwirkung des Dritten auch noch im Nachhinein. Zwar ist die Verwaltung heute mangels eigener Ressourcen weitgehend auf die Hilfe privaten Technik-Sachverstands und der Ressourcen der Deutschen Post oder anderer Logistikdienste angewiesen. Diese Hilfe und damit auch die Abhängigkeit erschöpft sich jedoch jeweils in der Erbringung der einzelnen Leistung und muss nicht stets aufs Neue, unter Umständen noch nach Jahren oder Jahrzehnten in Anspruch genommen werden, sollen behördliche Akte nicht ihre Nachprüfbarkeit verlieren. Mit den Worten Roßnagels: „Bei einer Papierurkunde, wenn die mal erstellt ist, bleibt die Urkunde als Urkunde prüfbar. Das ist bei digitalen Signaturen nicht der Fall. . . . Ich erinnere nur mal an den schlichten Umstand, dass ein Dritter, der Zertifizierungsdiensteanbieter, auf den ich keinerlei Einfluss habe, bewirken kann, falls er in Konkurs geht oder aus sonstigen Gründen seinen Betrieb einstellt, dass plötzlich alle Dokumente, die ich mit diesem Verfahren erzeugt habe, weg sind . . .“.749 Diese Abhängigkeit von der ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung durch den Zertifizierungsdiens-

748 Vgl. die beeindruckenden aber wenig wahrscheinlichen Szenarien bei Roßnagel, Europa, MMR 1998, S. 333. 749 Roßnagel, in: ders., Verwaltung II, S. 95 (Auslassungen nur hier); ähnlich ders., in: ders., Datenschutzhandbuch, Kap. 7.7, Rdnr. 111. Die Dokumente sind allerdings auch in diesem Fall nicht wirklich „weg“, sondern lediglich nur noch mit erhöhtem Aufwand prüfbar. Roßnagel verneint die Prüfbarkeit aufgrund eines anderen, unzutreffenden Verständnisses der Prüfbarkeit jedoch ganz, vgl. oben § 51 III. c) Dauerhaft mögliche Signaturprüfung, S. 296. Auch bei einem Fehlen der Prüfbarkeit wären die Dokumente auch nur als rechtswidrig, nicht als nichtig („weg“) zu betrachten.

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teanbieter auch noch lange Zeit nach Erlass des staatlichen Aktes hebt dessen Arbeit aus einer Vielzahl „unbedeutender Hilfstätigkeiten“ heraus, und rückt sie vielmehr in die Nähe des hoheitlichen Handelns selbst. Im gestaltungsreichen Feld der Einbindung Privater in die öffentliche Aufgabenerfüllung750 ist die hier vorgesehene Bestätigung staatlicher Akte durch Private damit letztlich als Beleihung aufzufassen. Schließlich beruht die Autorität eines postalisch überbrachten Verwaltungsaktes nicht auf der privaten Mithilfe beim Transport, sondern auf der staatlichen Regelungsmacht, die sich aus dem Bescheid selbst ergibt. Signierte Akte sind jedoch nur dann als solche der Behörde anzusehen, wenn Dritte dies bestätigen – Dritte, die nach den gegenwärtigen Plänen nicht zur staatlichen Organisation gehören. Der Staat müsste sich in seiner Autorität damit letztlich auf Private stützen, denen er lediglich werkvertraglich verbunden wäre.751 Dies wäre eine grundsätzliche Neuerung im deutschen Staatsverständnis. Auch das Zertifikat der Regulierungsbehörde ist beispielsweise kein von Privaten ausgestelltes. Es wurde vielmehr durch die RegTP selbst generiert und im Bundesanzeiger veröffentlicht, einer Ressource, zu der nur der Staat Zugang hat. d) Einbindung des Zertifizierungsdiensteanbieters in die staatliche Hierarchie Im Ergebnis ist die Einbindung des Anbieters behördlicherseits verwendeter Zertifikate in die staatliche Hierarchie erforderlich. Die oben angeführten diskutierten Modelle erreichen diese Einbindung nur bedingt: Sie fehlt gänzlich in den Modellen eins und zwei, das heißt der vollständigen Erbringung der Aufgabe durch private Akteure bzw. der teilweisen Mitarbeit der Verwaltung an den Aufgaben mit Kundenkontakt. Die eigentliche Zertifizierung obliegt dem Zertifizierungsdiensteanbieter, die Einflussmöglichkeiten der Verwaltung sind darauf begrenzt, ihren Geschäftspartner gegebenenfalls, nicht anders als jeder andere Kunde auch, mit gerichtlicher Hilfe zur Erfüllung seiner Aufgaben anhalten zu können. Auch diese letzte Handhabe scheitert mit dem stets möglichen Konkurs des Zertifizierungsdiensteanbieters oder mit der auf anderen Gründen beruhenden Einstellung seines Betriebes endgültig. Paradoxerweise übernimmt jedoch bei akkreditierten Anbietern mit der RegTP eine staatliche Stelle dann die Dokumentation, wenn sich kein anderer akkreditierter Anbieter hierzu bereit erklärt, § 15 Abs. 6 Satz 3 SigG, so dass für diesen Fall die demokratische Legitimation dieser Aufgabe (wieder) sichergestellt ist. Die Wahl akkreditierter Anbieter als Zertifizierungsstelle der Verwaltung, wie gelegentlich gefordert,752 wäre daher angesichts der grundsätzlich erforderlichen Konkurs750 751

Vgl. die Übersicht bei Wolff/Bachof/Stober, Allg. VwR II5, § 104 Rdnr. 4 f. Dies hebt hervor Hoeren, Paradigmen, NJW 1998, S. 2853.

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resistenz behördlicher Signaturen im Fall der Wahl einer dieser Varianten die Minimalanforderung, die jedoch über die erwähnten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht hinwegzuhelfen vermag. Richtigerweise ist die Zertifizierung hoheitlicher Akte selbst ein hoheitlicher Akt, der durch die Verwaltung selbst zu erfolgen hat,753 oder ihr doch zumindest bei privatrechtlicher Erbringung zurechenbar sein muss. Hierfür wäre eine Beleihung des privaten Anbieters erforderlich, die einer gesetzlichen Grundlage bedarf, das heißt entweder kraft Gesetzes oder aufgrund eines Gesetzes erfolgen muss.754 Der Grund dieser besonderen Form ist zum einen die oben angesprochene notwendige demokratische Legitimation des Hoheitsträgers sowie zum anderen der allgemeine rechtsstaatliche Gesetzesvorbehalt, der die Ausübung von Hoheitsrechten an das Vorhandensein eines formellen Gesetzes bindet, das dieses gestattet.755 Dem Beliehenen werden mit der Beleihung diverse Pflichten auferlegt, zu denen die Pflicht zur Fortführung seines Betriebes während der Dauer des Beleihungsverhältnisses ebenso gehört wie die Pflicht, die Rechtsgebundenheit der Verwaltung zu achten. Er unterliegt der Aufsicht durch die Beleihungsbehörde bzw. der Behörde, deren Aufgabe er wahrnimmt.756 Die dritte und vierte Möglichkeit hingegen sind Gestaltungsvarianten, die dem Erfordernis der hinreichenden Einbindung dieser für den Einsatz der Signatur auch für die Unterzeichnung in elektronischer Form ergehenden Hoheitsakte gebührend Rechnung tragen. Dies wird beim Betrieb der Zertifizierungsstelle durch die Verwaltung selbst unter Nutzung eigener Ressourcen und Einsatz eigenen Personals am deutlichsten. Doch auch in Variante drei ist die Einflussmöglichkeit sichergestellt, und muss dies auch bereits aufgrund der Vorgaben des § 4 Abs. 5 SigG sein. Danach hat der nach außen hin auftretende Betreiber der Zertifizierungsstelle die Einhaltung des Sicherheitskonzeptes auch in Bezug auf all diejenigen zu gewährleisten, derer er sich zur Erfüllung seiner Aufgaben bedient.757 Nur bei der Wahl einer dieser Möglichkeiten ist eine gesetzliche Regelung der hier aufgeworfenen Frage entbehrlich, doch ist für diesen Fall das von den bislang mit dem Thema beschäftigten Behörden nahezu einhellig abgelehnte Engagement für den Aufbau behördeneigener Zertifizierungsstellen erforderlich.

752

Vgl. Roßnagel, Verwaltungsverfahren, NJW 2003, S. 475 mit FN 100. So zu Recht noch Roßnagel, Verwaltung I, S. 165. 754 Wolff/Bachof/Stober, Allg. VwR II5, § 104 Rdnr. 6; Ossenbühl, VVDStRL 29, S. 174; Steiner, Beliehener, JuS 1969, S. 73. 755 Auf letzteres stellt maßgeblich ab Steiner, Beliehener, JuS 1969, S. 73. 756 Wolff/Bachof/Stober, Allg. VwR II5, § 104 Rdnr. 7. 757 Hierzu Demmel, in: Manssen, Multimediarecht, G § 4 Rdnr. 22 f. 753

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IV. Vorteile einer eigenständigen Zertifizierungsinfrastruktur Bei näherer Betrachtung ist als bislang kaum diskutierte fünfte Variante der Aufbau einer behördeneigenen Zertifizierungsinfrastruktur unabhängig von den Vorgaben des Signaturgesetzes von mehrfachem Vorteil, auch wenn dies sowohl eine gesetzliche Regelung wie auch das angesprochene Engagement der öffentlichen Verwaltung erfordert. Einer solchen verwaltungseigenen Zertifizierungsstelle stünde bei entsprechender Gestaltung auch die Rechtslage nicht entgegen. a) Wirtschaftlicher Vorteil Der Aufbau einer behördeneigenen Zertifizierungsstelle wäre wirtschaftlich vorteilhaft. Zwar ist der Aufbau einer solchen Infrastruktur, und hierbei insbesondere die Schaffung der hochsensiblen Stellen zur Schlüsselerzeugung, Schlüsselzuordnung und Zertifizierung, die höchsten Sicherheitsanforderungen genügen müssen,758 tatsächlich mit hohen Kosten verbunden.759 Damit erscheint es auf den ersten Blick sinnvoll, die bereits vorhandene Infrastruktur zu nutzen, um volkswirtschaftlich unnötige Mehrausgaben zu vermeiden. So ist es möglich, die eigentlichen sicherheitsrelevanten und daher in ihren technischen Voraussetzungen besonders anspruchsvollen Arbeitsbereiche einem qualifizierten oder akkreditierten Anbieter zu überlassen, wie oben als Variante drei skizziert. Eine genauere Betrachtung offenbart jedoch, dass eine solche Gestaltung betriebswirtschaftlich kaum vorteilhaft wäre: Mit der Verwaltung und all ihren Mitarbeitern liegt ein so großer Kundenstamm vor, dass die Summe der Gebühren für die privat erstellten Zertifikate weit über den für deren Erstellung aufzubringenden Kosten liegen dürfte.760 Auch bei „Kosten in Millionenhöhe“ für den Aufbau des Zertifizierungsdiensteanbieters761 ist bei fünf Millionen Kunden 758 Die Gesetzesbegründung zum SigG 1997 verwendete für dieses Kernelement des Zertifizierungsdiensteanbieters den missverständlichen Begriff des „Trust-Centers“, vgl. BT-Drs. 13/7385, S. 31, der im internationalen Sprachgebrauch anderweitig belegt ist, vgl. oben § 8 III. Erfordernis einer Sicherungsinfrastruktur, S. 54. 759 Roßnagel, Regulierungsbehörde, MMR 1998, S. 474, nennt Kosten in Höhe von einer halben bis ganzen Million Euro. Von „immensen Ressourcen“ selbst für die Telesec, auf deren Organisation das SigG 1997 zugeschnitten war, spricht Zeuner, Umsetzung, S. 54; anderenorts erläutert er: „Eine gesetzeskonforme Zertifizierungsstelle erfordert eine Investition in zweistelliger Millionenhöhe“, bezogen auf DM, vgl. Zeuner, Entwicklung, S. 10; dem entspricht die Angabe von Bieser, Signatur, S. 66: „mehrere Millionen DM Investitionskosten“, und die Angabe der RegTP (vgl. sogleich). Bei anderen Autoren werden die Kosten lediglich pauschal als „zu hoch“ bezeichnet, vgl. Deutscher Städtetag, Signatur, S. 31; ähnlich Eifert, Organisationsaufgabe, ZG 2001, S. 121 f. 760 Die Studie vom BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 81, spricht von knapp fünf Millionen Mitarbeitern öffentlicher Haushalte, die die Autoren sämtlich mit Signaturkarten auszustatten empfehlen. 761 Zeuner, Entwicklung, S. 10.

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und Kosten von etwa 50 Euro pro Zertifikat und Jahr von einem Überschuss auszugehen. Anders wäre auch das Interesse der privaten Anbieter am Betrieb ihrer Zertifizierungsstellen kaum erklärlich. Ferner hat der Bund bereits wesentliche Vorleistungen erbracht, die für den Aufbau einer verwaltungseigenen Zertifizierungsstelle genutzt werden könnten: Mit der RegTP und ihrer Wurzel-Zertifizierungsstelle verfügt der Staat über eine höchsten Sicherheitsanforderungen entsprechende Zertifizierungsinstanz. Die hierfür bereits aufgewandten Kosten belaufen sich auf etwa 700.000 Euro.762 Einen wesentlichen Teil der mit dem Aufbau einer Zertifizierungsstelle verbundenen Kosten stellt weiterhin das hierfür erforderliche Know-how dar. Auch dieses ist staatlicherseits bereits akkumuliert. Der Betrieb der Wurzelzertifizierungsstelle durch die RegTP sowie nicht zuletzt das Projekt „Sphinx“ des BSI zeigen die beim Staat vorhandenen sachlichen und personellen Ressourcen, die für den Aufbau einer verwaltungseigenen Zertifizierungsstelle genutzt werden können. Bereits hiermit ist das Kostenargument ein nur teilweise überzeugendes: Zwar sind die Kosten für einzelne Behörden oder Städte tatsächlich abschreckend hoch. Für die Verwaltung als Ganzes jedoch ist eine solche Summe angesichts des Gesamtvolumens der Investitionen in das E-Government, das Schätzungen zufolge im zweistelligen Milliardenbereich zu vermuten ist,763 durchaus aufbringbar. Die Nutzung und Bezahlung privaten Sachverstandes ist zudem bei vorhandenen eigenen Ressourcen trotz aller Privatisierungsdiskussionen wirtschaftlich nichts anderes als eine Subventionierung privater Anbieter. Hinzu kommt ein weiterer Punkt: Der Staat nimmt akkreditierten Anbietern, auf die sich die Nachfragemacht des Staates nach Auffassung vieler Autoren in der Literatur und auch der Bundesregierung ja letztlich konzentrieren soll, bereits jetzt in gewissem Maß die Kosten für eine Risikovorsorge ab. Stellt ein solcher Anbieter nämlich seinen Betrieb ein, soll er sich zwar um die Weiterführung der Zertifizierungsdienstverträge bemühen. Letztlich übernimmt jedoch mit der RegTP eine staatliche Stelle seine Dokumentation und steht damit für die Prüfbarkeit seiner Signaturen auch noch lange Zeit nach der Betriebseinstellung ein, § 15 Abs. 6 Satz 3 SigG. Wirtschaftlich betrachtet bestünde die Aufgabe des Staates bei der Einbindung Privater letztlich im Zahlen der Kosten für den laufenden Betrieb, in die sicherlich eine gewisse gewinnsichernde Marge einberechnet ist, und der Übernahme langfristiger Kosten. Diese Privatisierung der Gewinne unter Sozialisierung der Kosten mag für die Anbieter von großem Vorteil sein, für den Staat stellt sich dies jedoch als ein wenig verlockendes Angebot dar.

762 So die Angabe der RegTP, FAQ, unter Nr. 6. Für Privatfirmen schätzt die RegTP den Investitionsbedarf auf 2,5 bis 7,5 Millionen Euro. 763 Vgl. oben § 20 IV. Kosten der Technik, S. 97.

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Die damit angesprochene Subventionierung durch eine Konzentration der staatlichen Nachfragemacht auf die wenigen Anbieter, die bereits jetzt auf dem Markt der Zertifizierungsdiensteanbieter auftreten und unter einer zu geringen Nachfrage leiden, das heißt eine indirekte staatliche Stütze für einen schwachen Markt,764 mag indes wirtschaftspolitisch gewollt sein.765 Doch sollte dies auch deutlich formuliert, und nicht hinter vermeintlichen Modernisierungsbestrebungen versteckt werden. Dies umso mehr, als die Notwendigkeit des E-Government stets mit der dadurch bewirkten Verbilligung des Verwaltungshandelns begründet wird. Zudem erscheint es widersprüchlich, die Privatisierung von Staatsaufgaben mit der höheren Produktivität Privater zu begründen,766 und im gleichen Atemzug Subventionen zu fordern. b) Unzulänglichkeiten des Signaturgesetzes Eine eigenständige Regelung der behördeneigenen Zertifizierungsstelle könnte ferner Unzulänglichkeiten des Signaturgesetzes vermeiden. Die Nachteile, die mit der signaturgesetzlichen Bindung qualifizierter Signaturen an natürliche Personen unter Ausschluss der Zertifizierung juristischer Personen verbunden sind, wurden bereits ausführlich dargelegt.767 Eine eigenständige Regelung kann demgegenüber sicherstellen, dass der als Signaturschlüssel-Inhaber und damit der als Urheber der Signatur im Zertifikat Genannte mit demjenigen übereinstimmt, der für das Dokument verantwortlich ist und hierfür auch rechtlich einzustehen hat; mit demjenigen also, dem das Gesetz die Macht zum Erlass eines entsprechenden Bescheides eingeräumt hat, und der aus Gründen der Transparenz und des Rechtsschutzes im Dokument genannt werden muss. Dies ist die Behörde, nicht der individuell tätig werdende Mitarbeiter. Die Nennung des Mitarbeiters und nicht der Behörde als tatsächlicher Signaturschlüssel-Inhaber ist nicht allein aufgrund der dadurch bewirkten Verschleierung der tatsächlichen Verantwortlichkeiten hinter Pseudonymen bedenklich. Die langfristige Prüfbarkeit vieler Verwaltungsakts-Signaturen gemäß § 37 Abs. 4 VwVfG macht zudem die langfristige Prüfbarkeit des behördlichen Zertifikats notwendig, ohne die eine vollständige Signaturprüfung nicht möglich ist. Damit ist wie bereits erörtert die Zuordnung einer bestimmten Verwaltungsent764 Vgl. Kapitel IV Verbreitung der Signaturtechnik, S. 73; explizit Roßnagel, Aktion, MMR 2003, S. 2. 765 Zur Forderung Reinermanns nach staatlichen Komplementärmaßnahmen zur Ermöglichung elektronischen Rechtsverkehrs ähnlich denen zur Unterstützung individueller Mobilität durch Autobahnbau usw. in Reinermann, Electronic Government, VR 2002, S. 164, siehe § 16 E-Government als nunmehriger Hoffnungsträger, S. 78. 766 Vgl. nur Schedler/Proeller, NPM, S. 155 ff. 767 § 38 III. b) Pseudonyme, die die Identifizierung ihres Verwenders ermöglichen, S. 225.

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scheidung zu einem bestimmten Behördenmitarbeiter für zumindest 30 Jahre sichergestellt. Dies kann ohne weiteres auch automatisiert geschehen, wodurch eine Kontrolle der Arbeitsleistung dieses Mitarbeiters nicht nur durch die Behörde, sondern auch durch Externe jahrzehntelang und noch weit nach dem Ausscheiden des Mitarbeiters möglich ist.768 Die Datenspeicherung der mit einem Zertifikat zusammenhängenden und in diesem bescheinigten Angaben noch Jahre nach dessen Gültigkeit ist datenschutzrechtlich relevant, für privat genutzte Zertifikate ebenso wie für solche Zertifikate, deren Nutzung betrieblich veranlasst ist. Sie bedarf, soweit eine gesetzliche Gestattung nicht vorliegt, der Einwilligung des Betroffenen.769 Eine Gestaltung der Zertifizierungsinfrastruktur, die diese verfassungsrechtlich fundierten datenschutzrechtlichen Vorgaben in besonderer Weise umsetzt, verzichtete gänzlich auf die Notwendigkeit der Datenerhebung und -speicherung personenbezogener Daten der Mitarbeiter. Dies ist möglich, wenn die Behörde Signaturschlüssel-Inhaber ist und der Bezug zu einer konkreten natürlichen Person nicht erforderlich ist, eine unter dem Signaturgesetz nicht zulässige Gestaltungsvariante. Die Unterstellung der behördlichen Infrastruktur unter das Regime des Signaturgesetzes ist nicht nur aufgrund dieser Einzelprobleme, sondern bereits aufgrund der allgemeinen Struktur und des Regelungsansatzes des Signaturgesetzes unpassend. Dieses geht von der privatrechtlichen Erbringung der Zertifizierungsdienstleitungen aus und unterstellt die Zertifizierungsdiensteanbieter der Aufsicht durch die RegTP als zuständige Behörde gemäß § 3 SigG, § 66 TKG.770 Diese Aufsicht ist zu einem Großteil gewerberechtlicher Natur, die technikrechtlichen Vorgaben sind demgegenüber von geringerer Bedeutung. Dies wird in den Regelungen der §§ 3, 4, 11, 12, 13, 15, 17, 19, 20, 21 und 22 SigG deutlich, die klar nach gewerberechtlichen Parallelvorschriften gestaltet sind und sich eindeutig auf die behördliche Aufsicht über private Diensterbringung beziehen. Auf eine behördliche Zertifizierungsstelle ist die Regelung hingegen nicht zugeschnitten. Für die Anwendbarkeit gewerberechtlicher Regelungen auf die behördliche Zertifizierungsstelle, die ihre Dienstleistungen nur anderen staatlichen Stellen zur Verfügung stellt, fehlt es bereits an der Grundvoraussetzung gewerblichen Handelns: Einer solchen Stelle fehlte die Absicht der Gewinnerzielung, die Voraussetzung und Wesensmerkmal gewerblicher Tätigkeit ist.771 Daran vermag auch eine mögliche und durchaus zweckmäßige Kostendeckungspflicht nichts zu ändern, da mit dieser lediglich eine Minderung 768

Vgl. oben § 38 III. c) Sinn der Vorschrift, S. 224. Roßnagel, in: ders., Datenschutzhandbuch, Kap. 7.7, Rdnr. 92. 770 Hierzu BeckIuKDG-Komm/Engel-Flechsig, Einf. SigG Rdnr. 18 f.; Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 47 ff. 771 Hierzu Kahl, in: Landmann/Rohmer, § 35 GewO Rdnr. 48 ff., besonders 57; Ehlers, in: Achterberg/Püttner/Würtenberger, Bes. VwR, § 2 Rdnr. 13 ff., besonders 15. 769

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bzw. gerechte Verteilung der entstehenden Aufwendungslast verbunden und keinesfalls die planmäßige Erzielung von Gewinnen bezweckt wäre. Der Betrieb der Zertifizierungsstelle geschähe nicht zur Teilnahme am Markt der Zertifizierungsdiensteanbieter, den zu regulieren das Signaturgesetz bezweckt, sondern zur Sicherstellung der behördlichen elektronischen Handlungsfähigkeit. Hier steht damit die interne Behörden- und Verwaltungsorganisation in Rede, nicht die Teilnahme am Wirtschaftsleben. Ferner ist es grundsätzlich nicht erforderlich, staatliche Stellen der Aufsicht durch eine externe Behörde zu unterstellen, um so deren Einhaltung gesetzlicher Rahmenbedingungen sicherzustellen. Hierzu ist jede Behörde bereits aufgrund des allgemeinen Gesetzesvorbehalts und des Vorrangprinzips verpflichtet; die Gesetzestreue wird zudem im Weg der Rechts- und Fachaufsicht und damit innerhalb der Hierarchie sichergestellt.772 Ferner muss die Einhaltung besonderer Sicherheitsanforderungen durch die staatliche Zertifizierungsstelle nicht durch eine Akkreditierung bescheinigt werden, wenn sie hierzu bereits kraft Gesetzes verpflichtet ist. Die Notwendigkeit einer Haftungsregelung für staatliche, nur an staatliche Behörden ausgegebene Zertifikate erscheint gering, jedenfalls ist das Vorhalten einer Deckungsvorsorge unnötig, steht doch mit dem Staat als potentiellem Anspruchsgegner ein hinreichend solventer Schuldner zur Verfügung.773 Eine behördliche Zertifizierungsstelle unterläge damit zweckmäßigerweise nicht dem Regime des Signaturgesetzes,774 sofern und soweit die Leistungserbringung auf den verwaltungsinternen Bereich beschränkt bleibt. Wenn die Verwaltung die Aufgabe der Zertifizierung in eigener Verantwortung und unabhängig von den Vorgaben des Signaturgesetzes wahrnimmt, ist zudem das Problem der dauerhaften Prüfbarkeit von Behördensignaturen entsprechend § 37 Abs. 4 VwVfG auf einfachere Weise und nachhaltiger lösbar als durch Inanspruchnahme von akkreditierten privaten Anbietern. Diese müssen, wie oben dargelegt, die Unterlagen zu akkreditierten Signaturen für zumindest 30 Jahre zur Einsicht bereithalten und bei Betriebsaufgabe die Erfüllung dieser Anforderung durch einen anderen akkreditierten Anbieter sicherstellen; bei der letztgenannten Aufgabe werden sie durch die RegTP unterstützt. Gelingt die Übertragung der Dokumentation nicht, übernimmt sie die RegTP. Die dauerhafte Prüfbarkeit behördlicher Signaturen wird damit letztlich durch eine staatliche Stelle sichergestellt. Angesichts dessen ist es konsequenter, die Überprüfung behördlicher Signaturen von vornherein nicht an Private auszulagern, die jederzeit ihren Betrieb einstellen können, sobald dies wirtschaftlich sinnvoll er772 Zum „Gegensatz“ der Wirtschafts- und der Staatsaufsicht siehe Schuppert, Staatsaufsicht, DÖV 1998, S. 832. 773 Dem entsprechend sind der Bund, die Länder sowie Gemeinden mit mehr als 100.000 Einwohnern von der Pflichtversicherung von Kraftfahrzeugen freigestellt, § 2 PflVG. 774 So bereits Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 48.

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scheint, sondern sogleich durch eine staatliche Stelle wahrnehmen zu lassen. So ist auch eine Überprüfbarkeit für mehr als 30 Jahre möglich, wie sie beispielsweise für Baugenehmigungen in vielen Fällen notwendig ist.775 c) Ausbleibende „Synergieeffekte“ als Nachteil dieser Gestaltung Als ein Nachteil einer verwaltungseigenen Zertifizierungsinfrastruktur kann das Fehlen nutzbarer Synergien aufgefasst werden. Vom Mehrwert der in vielen Bereichen nutzbaren Signatur sollen nach teilweise geäußerten Vorstellungen die Inhaber der Signaturkarten ebenso profitieren wie die Verbreitung der Signaturtechnik insgesamt: Behördlich angeschaffte und bezahlte Zertifikate, die auf den Namen eines Behördenmitarbeiters lauten und seine Zugehörigkeit zur jeweiligen Verwaltungsstelle mit Hilfe von Attributzertifikaten deutlich machen, sollen bewusst auch im privaten Bereich genutzt werden dürfen. So sollen den Mitarbeitern die Vorteile der Signatur auch im Alltag deutlich gemacht und letztlich bei etwa fünf Millionen öffentlich Bediensteten eine kritische Masse von 15% der Internetnutzer mit Signaturkarten ausgestattet werden.776 Behördenzertifikate ließen sich für eine derartige Strategie nicht einsetzen. Da diese nicht nur zweckmäßigerweise, sondern aus rechtsstaatlichen Gründen ebenso wie aus Gründen des Datenschutzes nicht den Namen des jeweilig zeichnenden Mitarbeiters, sondern den der letztlich verantwortlichen Behörde trügen, könnten sie nicht privat genutzt werden.777 Hierin liegt jedoch kein Nachteil, der eine solche Gestaltung ausschlösse. Signaturschlüssel sind im E-Government Hilfs- und Arbeitsmittel wie Computer, Aktenschränke und Behördenstempel. Trotz möglicher Synergien, etwa die bei der Computernutzung denkbare Erhöhung der Medienkompetenz der Mitarbeiter, hat jedenfalls bislang niemand gefordert, den Mitarbeitern den privaten Gebrauch dieser öffentlichen Sachen zu gestatten. Die vermeintlichen Synergien sind letztlich wiederum nichts anderes als eine offenkundig beabsichtigte Subventionierung der Zertifizierungsdiensteanbieter durch die öffentliche Hand. V. Gestaltung der behördeneigenen Zertifizierungsinfrastruktur a) Technische Aspekte Trotz der gezeigten wesentlichen Unterschiede in den Regelungsansätzen könnte die rechtliche Gestaltung der behördeneigenen, verwaltungsinternen Zertifizierungsinfrastruktur auf wesentliche Teile des Signaturgesetzes insoweit zu775 776 777

Hierzu Bovenschulte/Jäger/Viering, Baurecht, S. 75 f. BMWi/KPMG, Einsatzmöglichkeiten, S. 81. Dies bedauert Roßnagel, Verwaltungsverfahren, NJW 2003, S. 473.

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rückgreifen, als die dort normierten technischen Voraussetzungen sicherer Signaturen zum Maßstab auch behördlicher Signaturen gemacht werden können. Hierbei kommt den akkreditierten Signaturen als auf den qualitativ hochwertigsten, behördlich vorab auf ihre Sicherheit hin geprüften Zertifikaten beruhenden und mit sicheren Signaturerstellungseinheiten erzeugten Signaturen eine entscheidende Vorbildfunktion zu. Die Orientierung an den technischen Vorgaben des Signaturgesetzes ist aus mehreren Gründen vorteilhaft: Mit der akkreditierten Signatur liegt ein in seinen technischen Voraussetzungen bekanntes, weithin getestetes und bewährtes Mittel zur Sicherung elektronischer Kommunikation vor, auf das sich die beteiligten Fachkreise in den Jahren seit Inkrafttreten des Signaturgesetzes einstellen, und das sie nicht zuletzt in intensiver Zusammenarbeit mit der RegTP auch mit prägen konnten.778 Für akkreditierte Signaturen liegen bereits ebenfalls akkreditierte Signaturerstellungskomponenten und Anwendungsprogramme in ausreichender Zahl vor. Alle der RegTP angezeigten Zertifizierungsdiensteanbieter sind mittlerweile auch akkreditiert.779 Die Einführung einer weiteren Signaturstufe, die ihrerseits wiederum aufwendige technische Anpassungen erforderte, ist bereits aufgrund der umfangreichen Erfahrungen mit den akkreditierten Signaturen unnötig und würde zudem lediglich die Unübersichtlichkeit des bereits jetzt kaum noch überschaubaren – theoretischen – Angebots an Signaturen erhöhen.780 Die nach dieser Erwägung ebenfalls mögliche „lediglich“ qualifizierte Signatur kann für die Verwaltungszertifizierungsstelle hingegen nicht als Vorbild dienen: Die Sicherheit des Signaturverfahrens und der Zertifizierungsstelle muss bereits aus rechtsstaatlichen Gründen im Voraus sichergestellt werden; die Verwendung nicht vorab geprüfter Signaturerstellungseinheiten beließe die Sicherheit damit erzeugter Signaturen bis zu einer eventuellen gerichtlichen Klärung im Ungewissen. Entscheidend ist jedoch die unterschiedliche rechtliche Anerkennung qualifizierter und akkreditierter Signaturverfahren: Nur letztere genießen die Sicherheitsvermutung des § 292a ZPO ohne weiteres, da hier die Sicherheit des Verfahrens und der Komponenten schon im Voraus geprüft wurde und nicht erst im Prozess bewiesen werden müsste. Jedenfalls müsste die behördeneigene Zertifizierungsstelle die Anforderungen des § 37 Abs. 4 VwVfG an die langfristige Prüfbarkeit der mit ihren Zertifikaten erstellten Signaturen erfüllen, was wiederum eine Orientierung an den akkreditierten Signaturen impliziert.781 An technischen Voraussetzungen ist damit die Äquivalenz der verwaltungseigenen Signatur zu akkreditierten Signaturen sicherzustellen. Zudem ist 778

Vgl. den Jahresbericht 2001 der RegTP, S. 50. Vgl. den Jahresbericht 2002 der RegTP, S. 59. 780 Deutliche Kritik hieran bei Roßnagel, Aktion, MMR 2003, S. 2; Sporleder, Melderegisterauskunft, S. 132. 781 Zu den Unterschieden der Signaturverfahren ausführlich Roßnagel, Verwaltung III, S. 31 ff. 779

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die langfristige Prüfbarkeit eine wesentliche, nach § 37 Abs. 4 VwVfG und den auf diese Vorschrift verweisenden Regelungen geforderte Voraussetzung behördlicher Signaturen. b) Organisatorische Aspekte Organisatorisch empfiehlt sich bereits aus finanziellen Gründen der Aufbau nur einer, bundesweit und ebenenübergreifend eingesetzten Zertifizierungsstelle. Diese könnte für den Bund genau wie für die Länder und Gemeinden einheitlich als Zertifizierungsinstanz tätig werden und als solche die Aufgaben der Schlüsselerzeugung, Personalisierung und Zertifizierung übernehmen. Die Ausgabe der Signaturkarten an die Nutzer könnten hingegen die Behörden selbst übernehmen, die aus den oben angeführten Gründen selbst als Signaturschlüssel-Inhaber fungieren sollten. Eine solche Aufgabenteilung ermöglichte es, die mit der Einführung der Signatur auch in der Verwaltung entstehenden Kosten so gering wie möglich zu halten. Vor allem die Konzentration aller sicherheitsrelevanten Tätigkeiten auf nur eine Zertifizierungsinstanz ersparte die mit einem parallelen Aufbau in jedem Land oder gar bei jeder Behörde verbundenen erheblichen Kosten. c) Juristische Aspekte Die Gestaltung der behördlichen Zerifizierungsinfrastruktur muss jedoch nicht nur finanziell vorteilhaft, sondern auch rechtlich zulässig sein. Sie muss sich in erster Linie an den verfassungsrechtlichen Vorgaben messen lassen, die für die Organisation und den Aufbau der Verwaltung bestehen. Hierbei ist der Exekutive zwar grundsätzlich ein weiter Spielraum eingeräumt, damit diese den vielfältigen und sich ständig wandelnden Erfordernissen Rechnung tragen kann.782 Die oben skizzierte Gestaltung kann jedoch verfassungsrechtlich problematisch sein: Erstens könnte eine für die Länder und Gemeinden gleichermaßen wie für den Bund tätig werdende Zertifizierungsstelle als eine verfassungsrechtlich bedenkliche Mischverwaltung aufgefasst werden. Zu untersuchen ist zweitens die Zulässigkeit der länderübergreifenden Einrichtung einer wie gezeigt letztlich hoheitlich tätig werdenden öffentlichen Stelle. Nach der Rechtsprechung des BVerfG hat ein Verwaltungsträger die ihm zugewiesenen Aufgaben grundsätzlich mit eigenen Verwaltungseinrichtungen, das heißt seinen eigenen personellen und sachlichen Mitteln wahrzunehmen. Eine Heranziehung der Behörden eines anderen Verwaltungsträgers zur Erledigung eigener Aufgaben widerspräche dem Sinn der Aufgabenzuweisung und der 782

BVerfG, Beschl. v. 12.01.1983 – 2 BvL 23/81, BVerfGE 63, S. 1 (34).

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Finanzverfassung des Grundgesetzes.783 Bereits diese Begründung zeigt die im Text des Urteils noch deutlicher werdende Zielrichtung des Grundsatzes: Die prinzipiell getrennten Verwaltungsräume von Bund und Ländern784 sollen durch das „Verbot der Mischverwaltung“ vor einer Verwischung, Verschiebung und letztlich Auflösung des grundgesetzlich normierten Kompetenzregimes geschützt werden. Gefahren drohen in dieser Hinsicht zum einen aus der Regelungsmacht des Bundesgesetzgebers, die neben Sachfragen auch Fragen der Verwaltung umfasst,785 und zum anderen aus der Möglichkeit des kapitalkräftigen Bundes, über die (Mit-)Finanzierung von Länderaufgaben Einfluss auf die Art der Erledigung dieser Aufgaben zu erhalten.786 Das derart verstandene „Verbot der Mischverwaltung“ lässt zwar die Zuhilfenahme von Landesbehörden zur Aufgabenwahrnehmung durch den Bund in Einzelfällen zu, erfordert jedoch wegen der Notwendigkeit eines „besonderen sachlichen Grundes“ für die Abweichung vom erwähnten Grundsatz einen erhöhten Begründungsaufwand.787 In diesem Zusammenhang könnte auf die beträchtlichen finanziellen und personellen Lasten verwiesen werden, die mit dem Aufbau und dem Betrieb einer Zertifizierungsstelle verbunden sind, und die einen mehrfach parallelen Aufbau höchst unwirtschaftlich machten. Ebenso könnte auf die nur bedingt gegebene Einflussmöglichkeit der Zertifizierungsstelle auf den Inhalt der elektronisch signierten Entscheidungen verwiesen werden, die zwar insbesondere aufgrund des Zeitmoments erheblicher ist als bei bloßen Hilfstätigkeiten, jedoch letztlich die Entscheidungskompetenz nicht antastet. Das Verbot der Mischverwaltung lässt sich ferner nicht dagegen ins Feld führen, dass Bund und Länder als eigenständige, ihre Eigenstaatlichkeit wahrende Verwaltungsträger ihre Souveränität dahingehend nutzen, unter Wahrung der ihnen zustehenden Organisationsgewalt Abkommen darüber zu schließen, die in ihre jeweilige Kompetenz fallenden Aufgaben gemeinsam zu erledigen, und zwar sowohl auf der Länderwie der Bund-Länder-Ebene. Das Grundgesetz selbst kennt die gemeinsame Erledigung von Gemeinschaftsaufgaben durch den Bund mit den Ländern, etwa auf dem Gebiet des durch einzelne Länder kaum noch wahrzunehmenden Hochschulbaus, vgl. Art. 91a und 91b GG.788 Auch unter den Ländern abgeschlossene Verträge und Vereinbarungen über die gemeinsam oder von der Behörde eines Landes wahrzunehmenden Aufgaben mit Bindungswirkung gegenüber al783

BVerfGE 63, S. 36 und 41. BVerfGE 63, S. 36 f., unter Verweis u. a. auf Stern, Staatsrecht II, S. 832 und Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 264 und 21. 785 Hierzu oben § 37 I. d) Geltungsbereich, S. 207. Vgl. auch den Sachverhalt von BVerfGE 63, S. 8 und 12. 786 Hierzu Stern, Staatsrecht II, S. 833; vgl. aber auch AK-GG/Richter/Faber, Art. 91a/91b GG Rdnr. 4a f. 787 Zu den Ausnahmen vom vormalig strikten Verbot der Mischverwaltung nach BVerfGE 63, S. 1 siehe Blümel, Verwaltungszuständigkeit, HStR IV § 101 Rdnr. 13 ff. 788 Hierzu Stern, Staatsrecht II, S. 835. 784

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len Vertragsparteien sind üblich und durch die Rechtsprechung für zulässig erklärt worden. Als Beispiele mögen das aufgrund eines Länder-Staatsvertrages gegründete Zweite Deutsche Fernsehen und die auf Verwaltungsabkommen beruhende gemeinsame Filmbewertungsstelle Wiesbaden dienen, die beide das Plazet des BVerwG erhalten haben.789 Hier wurde jeweils die Kompetenzordnung des Grundgesetzes ebenso gewahrt wie die Eigenstaatlichkeit der Länder, die zu einem Abschluss der in ihre Zuständigkeit fallenden Verträge und Abkommen nicht genötigt wurden, und die diese Abkommen jederzeit kündigen können.790 Die Möglichkeit der Zusammenarbeit des Bundes mit den Ländern könnte allerdings durch Art. 91a und 91b GG ebenso begründet wie beschränkt werden, nennen diese Regelungen doch nur bestimmte Aufgaben, in denen ein Zusammenwirken von Bund und Ländern für zulässig erachtet wird. Hieraus könnte der Umkehrschluss gezogen werden, dass alle nicht genannten Aufgaben dementsprechend nicht gemeinsam erledigt werden dürften.791 Ebenso jedoch erscheint die Aussage plausibel, aus der Nichtaufzählung ließe sich lediglich schließen, dass die Zulässigkeit der gemeinsamen Aufgabenerledigung eben nicht aus Art. 91a und 91b GG zu begründen, doch anderweitig durchaus zulässig sein kann.792 Hierfür spricht auch die Geschichte der genannten Normen, die aus der großen Zahl von Verwaltungsabkommen und Staatsverträgen793 nur den kleinen benannten Bereich umfassen sollten.794 Hinzu kommt, dass „Mischverwaltung“ als das Zusammenwirken von Bundes- und Landesbehörden nicht per se unzulässig ist, wenn auch der Begriff zumeist als „Einwand, Vorwurf oder Verbot, . . . ,juristisches Veto‘“ gebraucht wird.795 Das Unzulässige der Mischverwaltung ist das mit ihr einhergehende Abweichen von der Kompetenzordnung des Grundgesetzes sowie seiner Finanzverfassung.796 Zur Kompetenzordnung ebenso wie zur Finanzverfassung gehören auch die Art. 91a und 91b GG, die abweichend vom Prinzip der strikten Trennung der staatlichen 789 BVerwG, Urt. v. 05.11.1965 – VII C 119.64, BVerwGE 22, S. 299 (Zweites Deutsches Fernsehen) und Urt. v. 28.01.1966 – VII C 128.64, BVerwGE 23, S. 194 (Filmbewertungsstelle); hierzu Maurer, Verwaltungsrecht, § 22, Rdnr. 48. 790 BVerwGE 23, S. 198. 791 In diese Richtung Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Art. 91b GG Rdnr. 2, unter Verweis auf Maunz, in: Maunz/Dürig, Art. 91b GG Rdnr. 7; ebenso Stern, Staatsrecht II, S. 836. 792 So AK-GG/Richter/Faber, Art. 91a/91b GG Rdnr. 28. 793 Grawert, Verwaltungsabkommen, dokumentiert auf S. 299 ff. mehr als 200 Verträge und Abkommen (Stand 1967). 794 Vgl. Stern, Staatsrecht II, S. 833 f., der hieraus jedoch auf S. 836 die Schlussfolgerung der bewusst abgeschlossenen Regelung zieht, ohne auf die nach dieser Auffassung en passant bewirkte Unzulässigerklärung der „Vielzahl von Kooperationsformen“, die bis dato bestanden, einzugehen. 795 BVerfGE 63, S. 37 (Anführungszeichen im Original, Auslassung nur hier). 796 BVerfGE 63, S. 39 ff.

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Aufgaben in Bundes- und Landesaufgaben einige Gemeinschaftsaufgaben definieren und Modalitäten der Zusammenarbeit sowie der jeweiligen Finanzierung normieren. Damit reduziert sich die „Sperrwirkung“ der Art. 91a und 91b GG auf den Grundsatz eigenverantwortlicher Aufgabenwahrnehmung, den keine weiteren Ausnahmevorschriften durchbrechen. Jedenfalls gibt es der Rechtsprechung des BVerfG zufolge keinen „allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsatz, wonach Verwaltungsaufgaben ausschließlich vom Bund oder von den Ländern wahrzunehmen sind, sofern nicht ausdrückliche verfassungsrechtliche Regeln etwas anderes zulassen. Ein solcher Grundsatz kann auch nicht aus anderweitigen Verfassungsnormen hergeleitet werden.“797 Eine Zusammenarbeit der Länder mit dem Bund, die die Kompetenzordnung nicht tangiert, ist verfassungsrechtlich unbedenklich und bedarf keiner ausdrücklichen Ermächtigung.798 Die hier vorgestellte Zusammenarbeit in der Form der einvernehmlichen Übertragung der Zertifizierungsaufgabe auf eine staatliche Stelle ändert nichts an den Kompetenzen der übertragenden Verwaltungsträger noch der Behörden, deren elektronische Akte durch diese Stelle mittelbar zertifiziert werden. Insofern ist eine Übertragung dieser Aufgabe auf eine Stelle daher verfassungsrechtlich unbedenklich. Die Auslagerung der Zertifizierungsaufgabe auf Dritte tangiert jedoch, auch wenn dieser Dritte kein Privater, sondern eine öffentliche Stelle ist, das Demokratieprinzip im oben näher dargestellten Sinne.799 Auch hier fehlt prinzipiell die Einflussnahme auf die Aufgabenerledigung der handelnden durch die letztlich verantwortliche Stelle, die für die Rückführung jeder Emanation staatlicher Gewalt auf die demokratisch gewählten Vertreter erforderlich ist. Hängen Gültigkeit und Rechtmäßigkeit elektronischer Behördenentscheidungen von der Mitwirkung einer von Bund und Ländern gemeinsam betriebenen und genutzten Gemeinschaftseinrichtung, nämlich der staatlichen Zertifizierungsstelle ab, so werden damit wiederum all diese staatlichen Akte von einer Stelle abhängig, die durch die letztlich für den Inhalt der Entscheidung verantwortliche Behörde nur bedingt kontrolliert werden kann: Handelt es sich um eine im Weg der Vereinbarung oder des Vertrages geschaffene Gemeinschaftseinrichtung, so kommt keinem der diese Stelle errichtenden Verwaltungsträger ein Kontrollrecht und ein Recht auf Einflussnahme zu, die die Einrichtung als ihm unterstehend erscheinen ließen. Die bei einer Beteiligung aller Länder und des Bundes anzunehmende Mitbestimmungsmacht in Höhe von je einem Siebzehntel genügt hierfür jedenfalls nicht. Auch im Fall der Übertragung von Hoheitsrechten auf eine andere öffentliche Stelle besteht daher die erforderliche demokratische Legitimationskette nicht. Ebenso wie die behördeninterne ist die parlamentarische 797 798 799

BVerfGE 63, S. 39 f. BVerfGE 63, S. 40. Vgl. § 52 III. Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung, S. 307.

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Kontrolle der Verwaltungstätigkeit stark eingeschränkt:800 Die Verantwortlichkeit etwa eines Landesministers für die staatliche Zertifizierungsstelle vor dem Landesparlament kann nicht weiter gehen als seine Einfluss- und Kontrollmöglichkeit gegenüber dieser Stelle. Diese ist jedoch, wie gezeigt, stark verkürzt. Die Minderung an demokratischer Legitimation macht die Übertragung dieser Aufgabe auf eine Stelle jedoch nicht unmöglich und erforderte etwa den parallelen Aufbau staatlicher Zertifizierungsstellen auf Bundesebene sowie in allen Ländern und sogar in jeder Kommune. Wie bei der Inanspruchnahme Privater für diese Aufgabe kann vielmehr die verminderte demokratische Legitimation in der Ausübung der Tätigkeit durch eine verstärkte demokratische Legitimation in der Übertragung dieser Aufgabe kompensiert werden. Erforderlich ist mit anderen Worten die Vereinbarung der gemeinsamen Aufgabenwahrnehmung durch eine bundeseinheitliche Stelle in Form eines Staatsvertrages, der der Ratifikation durch die jeweiligen Parlamente bedarf. Bloße Verwaltungsabkommen ohne parlamentarische Mitwirkung genügen angesichts der mittelbaren Zertifizierung von Hoheitsakten nicht.801 Besondere Kompetenzvorschriften bestehen für die Errichtung einer staatlichen Zertifizierungsstelle nicht, diese fällt vielmehr unter die grundsätzliche Verwaltungs- und Organisationskompetenz jedes Verwaltungsträgers. Die Zertifikatsausgabe und -verwaltung samt aller damit zusammenhängender Arbeiten kann auch als Annex zu den bereits bestehenden und nunmehr im Weg der elektronischen Bearbeitung zu erledigenden öffentlichen Aufgaben verstanden werden.802 In der Wahrnehmung dieser öffentlichen Aufgabe durch öffentliche Stellen läge auch kein Eingriff in die Berufsfreiheit der privaten Zertifizierungsstellen. Ihnen würde aufgrund dieser Gestaltung zwar ein wesentlicher Marktbereich versperrt, doch gibt Art. 12 Abs. 1 GG kein Recht auf Erhaltung oder Schaffung bestimmter Erwerbschancen.803 Mag auch der Staat derzeit alleiniger potentieller Großkunde, und mögen die Zertifizierungsdiensteanbieter auf ein Einspringen des Staates auch als Großabnehmer angewiesen sein, so liegt doch im bloßen Nichtkaufen kein Eingriff in die Freiheit der Berufsausübung. Auch liegt im Auftreten des Staates in Konkurrenz zu privaten Anbietern kein Eingriff in deren Freiheit, wenn nur die „Selbstversorgung“ in Rede steht. Beim Auftreten der staatlichen Zertifizierungsstelle auf dem privaten Markt der Zertifizierungs800

Ausführlich Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 277 ff. Zu Verwaltungsabkommen als zur Errichtung von Gemeinschaftseinrichtungen aus den hier genannten Gründen nicht genügende Akte allgemein Grawert, Verwaltungsabkommen, S. 278 ff. 802 Roßnagel, Gestaltung, DuD 1995, S. 261 und 266. 803 Grundlegend BVerfG, Urt. v. 11.06.1958 – 1 BvR 596/56, BVerfGE 7, S. 377 (408); ebenso Beschl. v. 01.02.1973 – 1 BvR 426/72 u. a., BVerfGE 34, S. 252 (256) m. w. N. 801

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diensteanbieter kann sich hingegen bei wettbewerbsbeeinträchtigendem Auftreten, etwa aufgrund nicht marktgerechter Preise, die Grenze staatlichen Handelns aus Art. 12 GG ergeben.804 Der Aufbau und die Nutzung einer verwaltungseigenen Zertifizierungsstelle ist auch europarechtlich zulässig. Die Signaturrichtlinie geht zwar grundsätzlich von der privatwirtschaftlichen Erbringung der Zertifizierungsdienstleistungen aus und setzt nicht zuletzt auf die Regulierungskräfte des Marktes.805 Sie lässt jedoch die Erbringung durch staatliche Akteure ausdrücklich zu.806 Beispiele für ein Tätigwerden der Verwaltung auch auf diesem Gebiet bieten die Länder Italien, Österreich, Belgien und Finnland.807 VI. Zwischenergebnis Die Frage der behördlichen Zertifizierungsinfrastruktur ist trotz ihrer Bedeutung für die Einführung der elektronischen Kommunikation zwischen Bürger und Behörden sowie zwischen Behörden bislang kaum näher betrachtet worden. Die Bundesregierung und der Gesetzgeber des 3. VwVfÄndG gehen offenbar von der privatwirtschaftlichen Erbringung dieser Dienstleistung durch qualifizierte angezeigte oder akkreditierte Anbieter aus. Diese Anbieter sehen der staatlichen Inanspruchnahme erfreut entgegen, bietet sich ihnen mit dem Staat doch ein Großkunde, der mit seinem umfangreichen Bedarf an Zertifizierungsdienstleistungen das bislang stagnierende Signaturgeschäft kräftig beleben kann. Die privatwirtschaftliche Zertifizierung behördlicher Akte ist jedoch nicht unproblematisch. Die faktische Abhängigkeit der Gültigkeit und Rechtmäßigkeit behördlicher Entscheidungen von der Zertifizierung eines außenstehenden Dritten kommt in ihren Auswirkungen der Auslagerung von (Mit-)Entscheidungskompetenz an Private gleich. Der Staat stützte damit bei jeder elektronisch signierten Entscheidung seine Autorität auf ihm nur dienstvertraglich verbundene Private. Wesentlicher ist jedoch die Beteiligung von demokratisch nicht hinreichend legitimierten Dritten. Das Demokratiegebot „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus“ wäre für den Fall privater Zertifizierung daher wesentlich geschwächt. Es wäre die Beleihung privater Zertifizierungsdiensteanbieter erforderlich, die durch Gesetz zu erfolgen hätte.

804 Hierzu Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 12 GG Rdnr. 16; Scholz, in: Maunz/ Dürig, Art. 12 GG Rdnr. 401 ff. 805 Hierzu Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 9 und 48. 806 SigRL 1999/93/EG, Erwägungsgrund (12): „Zertifizierungsdienste sollten entweder von einer öffentlichen Stelle oder einer juristischen oder natürlichen Person angeboten werden können [. . .]“ 807 Vgl. zur Bürgerkarte bzw. zum Personalausweis mit Signaturfunktion MMR aktuell 1/2003, S. XIII.

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Ebenso möglich wie die Erbringung derartiger Dienstleistungen durch Private ist die Beauftragung einer staatlichen Stelle hiermit. Dies wäre in mehrerlei Hinsicht für die Verwaltung als Ganzes vorteilhaft. Eine solche Gestaltung ist bereits angesichts erbrachter Vorleistungen und der großen Anzahl an Nutzern wirtschaftlich sinnvoll. Die Nutzung privater Dienste wäre demgegenüber nichts anderes als ihre Subventionierung, derweil dem Staat das Tragen der langfristigen Kosten überlassen bliebe. Auch ließen sich mit einer behördeneigenen Zertifizierungsinfrastruktur diejenigen Unstimmigkeiten des Signaturgesetzes vermeiden, die derzeit mit nur wenig durchdachten Regelungen im Verwaltungsrecht umgangen werden sollen. Die behördeneigene Infrastruktur lässt sich in juristisch einwandfreier Art und Weise gestalten. Empfehlenswert ist die gesetzliche Übertragung der jeweiligen Zertifizierungsaufgaben auf eine durch Bund-Länder-Staatsvertrag errichtete Zertifizierungsstelle. Die staatliche Erbringung der hiermit zusammenhängenden Aufgaben ist als Annex behördlicher Aufgabenerfüllung zulässig.

§ 53 Weitere Fragen elektronischer Verwaltungsakte I. Elektronische Bestätigung und Bestätigung elektronischer Verwaltungsakte Das 3. VwVfÄndG änderte die Vorschriften des § 37 Abs. 2 VwVfG zur Bestätigung nicht-schriftlicher Verwaltungsakte in zweierlei Hinsicht: Zum einen können, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffene dies unverzüglich verlangt, mündliche Verwaltungsakte nunmehr auch elektronisch bestätigt werden, § 37 Abs. 2 Satz 2 VwVfG. Zum anderen sind unter den gleichen Bedingungen auch elektronische Verwaltungsakte schriftlich zu bestätigen, § 37 Abs. 2 Satz 3 VwVfG. Die Bestätigung dient der Perpetuierung mündlicher Erklärungen, wodurch der Umfang der sich aus dem Verwaltungsakt ergebenden Rechte und Pflichten dauerhaft nachprüfbar und beweisbar wird. Die Rechtssicherheit schaffende Perpetuierung kann mittelfristig durch elektronische Dokumente ebenso wie durch schriftliche Urkunden geleistet werden, weswegen die Bestätigung auch in elektronischer Form ermöglicht wurde. Hierfür ist neben den allgemeinen Voraussetzungen der Bestätigung, dem berechtigten Interesse und dem unverzüglichen Verlangen,808 wie für jede Nachricht in elektronischer Form, die Zulassung dieser Art der Nachrichtenübermittlung durch den Empfänger erforderlich, § 3a Abs. 1 VwVfG. Aus dem unverzüglichen Verlangen des Bürgers müssen mit anderen Worten der Wunsch nach Bestätigung in 808 Hierzu P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 42 ff.

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elektronischer Form und die hierfür einzuhaltenden elektronischen Rahmenbedingungen deutlich werden. Fehlt dies, ist die Bestätigung in elektronischer Form unzulässig und muss schriftlich erfolgen.809 § 37 Abs. 2 Satz 3 VwVfG sieht zudem nunmehr auch die schriftliche Bestätigung elektronischer Verwaltungsakte vor. Die Ersetzungsmöglichkeit der schriftlichen Form durch die qualifizierte elektronische Form des § 3a Abs. 2 SigG wird hierbei explizit ausgeschlossen, so dass die qualifizierte Signierung eines elektronischen Verwaltungsaktes nicht für eine Bestätigung in diesem Sinne genügt. Es ist vielmehr die Perpetuierung in Form eines Schriftstückes erforderlich. So kann beispielsweise eine fehlende Ausdruckmöglichkeit auf Seiten des Empfängers kompensiert,810 und insgesamt die langfristige Perpetuierung und die allgemeine Wahrnehmbarkeit der Erklärung sichergestellt werden. Diese die Behörde treffende Pflicht zur schriftlichen Bestätigung von in elektronischer Form erlassenen Verwaltungsakten ist auch nicht mit der Wertung des § 3a Abs. 1 VwVfG unvereinbar, sondern setzt dessen Ansatz vielmehr konsequent um. Zwar mag es auf den ersten Blick unnötig erscheinen, dem Bürger ein Recht auf schriftliche Bestätigung elektronischer Verwaltungsakte zu geben, wenn ihm doch elektronische Verwaltungsakte wie jedes elektronische Dokument nur bei Zulassung elektronischer Kommunikation zugehen können. Doch liegt im Verlangen nach einer schriftlichen Bestätigung nicht stets ein Widerspruch zur vorherigen Zulassung der nunmehr als unzureichend erkannten elektronischen Form, der etwa über das Tatbestandsmerkmal des berechtigten Interesses berücksichtigt werden und zum Ausschluss der Bestätigung führen könnte.811 Denn die Zulassung elektronischer Kommunikation wird auch hier aus der ex-ante-Sicht eines verständigen Absenders beurteilt, die nicht stets mit der wirklichen Lage beim Empfänger übereinstimmen muss. Da letzterer aus diesem Grund bereits die Neuübersendung des Verwaltungsaktes in einer für ihn bearbeitbaren Form, im Zweifel der Schriftform, auch dann verlangen kann, wenn ihm der Verwaltungsakt aufgrund vorheriger Gestattung der elektronischen Kommunikation zugegangen ist,812 ist das Verlangen nach einer Bestätigung nicht mit Mehrarbeit für die Behörde verbunden. Die entsprechende Pflicht der Verwaltung verbessert jedoch den Rechtsschutz des Bürgers und minimiert den auf ihn wirkenden Zwang zur Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr, weswegen ihre Bezeichnung als inkonsequent ungerechtfertigt ist.813 809 Ebenso noch zum Musterentwurf des 3. VwVfÄndG P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs5, § 37 VwVfG Rdnr. 40a. 810 Dies erwähnt P. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs5, § 37 VwVfG Rdnr. 45 am Ende. 811 In diese Richtung P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 40a. Keine besonderen Anforderungen an das Vorliegen eines berechtigten Interesses stellt Kopp/Ramsauer, § 37 VwVfG Rdnr. 26. 812 Hierzu oben § 47 Rügemöglichkeit, Übersendungspflicht und Zugang, S. 284.

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II. Begründung § 39 VwVfG normiert eine Begründungspflicht für schriftliche und schriftlich bestätigte Verwaltungsakte, die durch das 3. VwVfÄndG um eine Begründungspflicht auch für elektronische und elektronisch bestätigte Verwaltungsakte erweitert wurde. Die Pflicht zur Begründung staatlicher Akte ist ein Gebot des rechtsstaatlichen Verfahrens. Der Bürger soll wissen, warum seine Rechte tangiert werden, damit er die erforderlichen Rechtsmittel ergreifen und diese seinerseits begründen kann. Die in der Begründung erfolgende Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Bürgers im Verwaltungsverfahren ist die Konsequenz seiner Anhörung. Begründung wie Anhörung dienen der Möglichkeit der Mitgestaltung des Verwaltungsverfahrens durch den Bürger, dem dieser nicht als Objekt einer unbeeinflussbaren Prozedur ausgeliefert sein soll. Schließlich dient diese Verfahrensgestaltung dem Schutz auch der materiellen Grundrechte des Bürgers, da die Verwaltung ihren Eingriff in die Grundrechte rechtfertigen und begründen muss. Die damit verfassungsrechtlich gebotene Begründungspflicht kann sich aus verschiedenen Vorschriften oder allgemeinen Rechtsgrundsätzen ergeben.814 § 39 VwVfG normiert mit seiner Beschränkung auf textliche Verwaltungsakte daher nur einen Teilbereich, im Gegenteil kann sogar ein aus anderen Gründen bestehender Begründungszwang die Behörde zum Erlass eines schriftlichen bzw. nunmehr elektronischen Verwaltungsaktes zwingen.815 Die immer umfassender verstandene Pflicht zur Begründung aller nicht lediglich begünstigenden Verwaltungsakte wird indes durch (zu) großzügige Heilungs- und Unbeachtlichkeitsvorschriften teilweise wieder entwertet.816 Eine Voraussetzung für die aus § 39 Abs. 1 VwVfG herzuleitende Begründungspflicht ist das Vorliegen eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsaktes, das heißt eines in Schriftzeichen vorliegenden, lesbaren Verwaltungsaktes gleich welcher Form und Perpetuierung, oder ein ebenso bestätigter Verwaltungsakt. Für die Form der Begründung bestehen keine besonderen Vorschriften, diese folgt vielmehr der Form des Verwaltungsaktes. Schriftliche Ver813 So indes, in Abweichung zur Vorauflage, P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 45b; in diese Richtung auch Eifert/Püschel/StapelSchulz, Rechtsratgeber, S. 79: „Wurde ein Verwaltungsakt, für den ein gesetzliches Schriftformerfordernis besteht, aufgrund der Generalklausel des § 3a Abs. 2 VwVfG elektronisch und mit qualifizierter elektronischer Signatur erlassen, so besteht schon keine Pflicht der Behörde zur Bestätigung, da die elektronische Form hier ein vollständiges Äquivalent zur Schriftform darstellt.“ 814 Ausführlich Badura, in: Erichsen, Verwaltungsrecht, § 38 Rdnr. 9; P. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 39 VwVfG Rdnr. 1; Wolff/Bachof/Stober, Allg. VwR II6, § 48 Rdnr. 35 f. 815 Badura, in: Erichsen, Verwaltungsrecht, § 38 Rdnr. 9. 816 Hierzu P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 39 VwVfG Rdnr. 5; Wolff/Bachof/Stober, Allg. VwR II, § 48 Rdnr. 35 f.; Wolff/Bachof/Stober, Allg. VwR II6, § 48 Rdnr. 38 ff.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

waltungsakte sind damit weiterhin schriftlich zu begründen, derweil elektronische Verwaltungsakte elektronisch zu begründen sind. Fraglich ist, ob auch die Begründung des der Schriftform unterliegenden, jedoch elektronisch erlassenen Verwaltungsaktes der qualifizierten elektronischen Form bedarf. Regelmäßig werden zwar der verfügende Teil des Verwaltungsaktes und die Begründung im gleichen Dokument vorliegen, das als Ganzes signiert wird. Die qualifizierte Signierung nur des verfügenden Teils ist aber im Ergebnis unschädlich, da zum einen § 39 Abs. 2 Satz 1 VwVfG davon spricht, der Verwaltungsakt sei mit einer Begründung zu versehen, die damit nicht Teil des Verwaltungsaktes selbst ist. Die Begründung hat zum anderen an der Bindungswirkung des Verwaltungsaktes keinen Anteil, sondern kann lediglich zur Auslegung des Entscheidungsausspruchs herangezogen werden.817 Auch kann einem schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsakt die Begründung ganz fehlen, wenn dem Betroffenen die Auffassung der Behörde über die Sach- und Rechtslage bereits anderweitig bekannt oder erkennbar ist, § 39 Abs. 2 Nr. 2 VwVfG. Dies kann auch aufgrund eines mit dem Verwaltungsakt versandten unsignierten, einfachen elektronischen Dokumentes der Fall sein. Die Begründung muss daher in Bezug auf die Signierung nicht der qualifizierten elektronischen Form des Verwaltungsaktes entsprechen, sondern kann vielmehr auch in einfacher elektronischer Form übermittelt werden. Zur Vermeidung von Missverständnissen empfiehlt sich allerdings die einheitliche Signierung von Verwaltungsakt und Begründung, am zweckmäßigsten in einem einheitlichen Dokument.818 III. Rechtsbehelfsbelehrung Eine Belehrung des Bürgers dahingehend, in welcher Frist er wo in welcher Form welchen Rechtsbehelf gegen die ihm gegenüber getroffene Verwaltungsentscheidung einlegen kann, ist keine Voraussetzung eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes. Sie ist gleichwohl regelmäßiger Bestandteil jedes Verwaltungsaktes, da sie für den Rechtsschutz des Bürgers wesentlich ist: Fehlt sie oder ist sie unvollständig oder unrichtig, beginnen prozessuale Fristen nicht zu laufen bzw. werden sehr weitgehend verlängert, vgl. §§ 58 und 70 Abs. 2 VwGO. Fehler in der Rechtsbehelfsbelehrung führen damit dazu, dass der Verwaltungsakt nicht innerhalb der üblichen Frist formell bestandskräftig werden kann, was insbesondere Auswirkungen auf die Vollstreckbarkeit der Entscheidung hat, vgl. § 6 Abs. 1 VwVG. § 58 Abs. 1 VwGO fordert unabhängig von der Form des zugrundeliegenden Verwaltungsaktes eine schriftliche Rechtsbehelfsbelehrung. Auch bei mündlichen und in anderer Weise erlassenen Verwaltungsakten ist daher schriftlich 817 818

Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 43 VwVfG Rdnr. 56. Im Ergebnis ebenso Eifert/Püschel/Stapel-Schulz, Rechtsratgeber, S. 78 f.

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über den zu ergreifenden Rechtsbehelf zu belehren, wenn nicht die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO laufen soll.819 Ob „Schriftlichkeit“ hier eine Unterschrift erfordert, ist nicht eindeutig geklärt, die Notwendigkeit einer Urkunde als Voraussetzung der Schriftlichkeit wird hingegen in der prozessrechtlichen Literatur nirgendwo in Zweifel gezogen.820 Eine Belehrung in elektronischer Form scheint damit nicht zulässig zu sein. Fraglich ist jedoch, ob die Generalklausel des § 3a Abs. 2 VwVfG den Begriff des Schriftlichen auch in § 58 Abs. 1 VwGO dahingehend modifiziert hat, dass zur Erfüllung dieser Form elektronische Dokumente dann genügen, wenn sie die qualifizierte elektronische Form erfüllen. Das wird in der Literatur teilweise verneint, die hierfür eine explizite Änderung des § 58 Abs. 1 VwGO für erforderlich hält.821 Allerdings führt § 3a Abs. 2 VwVfG zu einer nahezu vollständigen Gleichstellung der qualifizierten elektronischen Form mit der Schriftform im gesamten öffentlichen Recht, so dass das besondere Verwaltungsrecht Norm für Norm auf seine Vereinbarkeit mit dem elektronischen Rechtsverkehr überprüft und gegebenenfalls angepasst wurde.822 Auch ist der elektronische Rechtsverkehr nur dann sinnvoll möglich, wenn nicht für die prinzipiell die Schriftform ersetzenden elektronischen Verwaltungsakte gänzlich andere Rechtsbehelfsfristen als für schriftliche Verwaltungsakte gelten. Allerdings ist die Reichweite der Änderungen auch nach dem Verständnis des Gesetzgebers auf den Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes beschränkt823 und ergreift damit nicht die auch in der Gesetzesbegründung mit keinem Wort erwähnte VwGO. Dies spricht für die Notwendigkeit einer eigenständigen Anpassung des § 58 Abs. 1 VwGO zur Ermöglichung der Rechtsbehelfsbelehrung in elektronischer Form. Dass der Gesetzgeber eine solche Anpassung bezüglich der Rechtsbehelfsbelehrung des Abgabenrechts vornahm, nicht jedoch auch für das allgemeine Verwaltungsrecht, lässt sich hingegen weder in die eine noch in die andere Richtung mit hinreichender Sicherheit deuten: Sein Schweigen kann sowohl dahingehend verstanden werden, dass eine explizite Änderung der VwGO nicht erforderlich sei, wie dahingehend, dass diese einer späteren Änderung vorbehalten sein solle. Im Ergebnis ist trotz der Gleichstellung schriftlicher und qualifizierter elektronischer Verwaltungsakte von der Notwendigkeit einer explizit schriftlichen 819

Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 58 VwGO Rdnr. 35. Vgl. Meissner, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, § 58 VwGO Rdnr. 36, und Czybulka, in: Sodan/Ziekow, NK-VwGO, § 58 Rdnr. 49. 821 So P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 6a. 822 Vgl. BT-Drs. 14/9000, S. 28. Dem entsprechend sehen Eifert/Püschel/StapelSchulz, Rechtshandbuch, S. 76 auch § 58 VwGO von § 3a Abs. 2 VwVfG erfasst; ebenso Schmitz/Schlatmann, Digitale Verwaltung, NVwZ 2002, S. 1291 bei FN 106, unter Verweis auf ein geplantes Elektronisches Rechtsverkehrsgesetz (ERVG), das eine „Klarstellung“ des § 58 VwGO beinhalten soll. 823 BT-Drs. 14/9000, S. 31. 820

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Rechtsbehelfsbelehrung auszugehen. Zwar kann der Zweck des § 58 Abs. 1 VwGO, den Bürger zuverlässig über die ihm zur Verfügung stehenden verfahrensrechtlichen Möglichkeiten zu informieren, auch mit einer in elektronischer Form vorliegenden Rechtsbehelfsbelehrung erfüllt sein, wenn der Bürger mit einer Übersendung selbst des Verwaltungsaktes in dieser Form einverstanden ist. Doch hat die Rechtsprechung auch bislang sehr streng über die Einhaltung dieser für das rechtsstaatliche Verfahren wesentlichen Vorschrift gewacht, so dass die Unsicherheit auf diesem Gebiet nicht zu Lasten des Bürgers gehen sollte, und eine Anpassung der §§ 58 und 59 VwGO erforderlich bleibt. IV. Automatisierte Verwaltungsakte Die zunehmende „Technisierung der Verwaltung“824 in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts und die damit einhergehende „Verwaltung durch Maschinen“825 war eine Antwort auf die Bedürfnisse der Massenverwaltung, die eine Unterstützung der Behörden durch die automatische und später elektronische Datenverarbeitung erforderlich machte.826 Die mit Hilfe der Rechentechnik gefertigten Bescheide wurden trotz anfänglicher Irritationen827 bald als Erklärungen der die Technik einsetzenden Behörde und damit als Verwaltungsakte verstanden, für die indes aufgrund der Beschränkungen der Technik besondere Anforderungen zu gelten hätten.828 So waren die eingesetzten Rechenanlagen vielfach in Speicher- und Rechenkapazität beschränkt und der Ausdruck der Bescheide wegen der damals üblichen Nadeldrucker eine mühselige und langwierige Angelegenheit.829 Die zu verarbeitenden Datenmengen mussten daher begrenzt werden, weswegen statt auf verständliche aber umfangreiche Aussagen auf Schlüsselzeichen zurückgegriffen wurde, die andernorts erklärt waren. Der Verzicht selbst auf die Angabe des Namens des Sachbearbeiters mag ebenfalls auf die dadurch ermöglichte Reduzierung der Datenmenge zurückzuführen sein,830 doch erscheint plausibler, dass die Rückführung automatisiert gefertigter Verwaltungsakte auf einen bestimmten Sachbearbeiter entweder als nicht möglich831 oder zumindest als nicht nötig angesehen wurde, da ja zumindest die verantwortliche Behörde aus dem Bescheid hervorging.832

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Zeidler, Technisierung. Bull, Verwaltung durch Maschinen. 826 Zur Entwicklung der Technisierung siehe Ehlers, in: Erichsen/Martens, Allg. VwR9, § 4. 827 Vgl. Zeidler, Technisierung, und ders., Verwaltungsfabrikate, DVBl. 1959, S. 681. 828 v. Mutius, Automatisierte Verwaltungsentscheidungen, VerwArch 67 (1976), S. 116 f.; Maurer, Verwaltungsrecht, § 18 Rdnr. 5. 829 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 55. 830 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 55. 825

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Die Praxis wurde erst durch ein Urteil des BVerwG und schließlich durch den Gesetzgeber des VwVfG bestätigt.833 Gemäß § 37 Abs. 5 (ehemals 4) VwVfG können bei einem schriftlichen Verwaltungsakt, der mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen wird, Unterschrift und Namenswiedergabe fehlen, Satz 1. Zudem können zur Inhaltsangabe Schlüsselzeichen verwendet werden, wenn der Inhalt hieraus und aus den beigegebenen Erläuterungen eindeutig entnommen werden kann, Satz 2. Das hiermit der Behörde eingeräumte Verfahrensermessen wurde in letzter Zeit indes nach und nach dahingehend als auf Null reduziert angesehen, dass von den damit eingeräumten Möglichkeiten kein Gebrauch mehr gemacht werden darf. Der die Ausnahmen begründende Zweck sei mit den wesentlichen Fortschritten der Rechentechnik fortgefallen, Speicherund Druckkapazitäten seien zumindest in dem für eine ordnungsgemäße Namens- und Inhaltsangabe erforderlichen Ausmaß vorhanden, so dass die letztlich den Rechtsschutz des Bürgers tangierenden Erleichterungen für die Behörde unnötig seien.834 Erste Entwürfe des 3. VwVfÄndG sahen dessen ungeachtet auch für elektronische Verwaltungsakte die Anwendbarkeit des nunmehrigen § 37 Abs. 5 VwVfG vor.835 In diesem Fall wären elektronische Dokumente ohne jegliche Sicherung oder Namensangabe möglich gewesen, die zudem aufgrund der Verwendung von Schlüsselzeichen nur bedingt verständlich gewesen wären. Angesichts dieser gravierenden Einschränkung an Transparenz und rechtsstaatlicher Sicherung wäre allerdings das Verfahrensermessen noch mehr als bei schriftlichen Verwaltungsakten eingeschränkt gewesen, die zumindest durch ihre äußere Form auch den Eindruck eines authentischen Verwaltungsaktes vermittelt hätten. Der Vorschrift wäre damit in Bezug auf elektronische Verwaltungsakte so gut wie kein Anwendungsbereich geblieben.836 Richtigerweise wurde dieser erste Vorschlag im Laufe der folgenden Beratungen nicht weiterverfolgt. Auch Signaturen können automatisiert angebracht werden. Die mit der vom Signaturgesetz vorgesehenen Bindung qualifizierter Signaturen an natürliche Personen verbundenen technischen und organisatorischen Schwierigkeiten einer solchen 831 In diese Richtung Zeidler, Verwaltungsfabrikate, DVBl. 1959, S. 682: Nach ihrem Ingangsetzen arbeite die Maschine automatisch, mechanisch und „nur nach physikalischen Grundsätzen“. 832 So das BVerwGE 45, S. 194; hierzu v. Mutius, Automatisierte Verwaltungsentscheidungen, VerwArch 67 (1976), S. 122 f. 833 Hierzu § 32 II. b) Verwaltungsakte und ähnliche behördliche Erklärungen, S. 165. 834 P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 55. 835 3. VwVfÄndG, Magdeburger Fassung vom 24.11.2000, § 37 Abs. 4 VwVfG; hierzu P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 10 VwVfG Rdnr. 28s; P. Stelkens/U. Stelkens, ebd., § 37 VwVfG Rdnr. 56. 836 So bereits P. Stelkens/U. Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 37 VwVfG Rdnr. 56.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Automatisierung sind nicht unüberwindbar. Die Verwendung von Schlüsselzeichen ist bei elektronischen Dokumenten nicht erforderlich. Statt dessen können die bereits allgemein üblichen Textbausteine verwendet werden, ohne dass der dadurch verursachte Mehrbedarf an Speicherplatz tatsächlich ins Gewicht fiele; Ausdruckkosten kommen bei der elektronischen Übermittlung dagegen nicht in Frage, und auch die Übermittlungskosten steigen durch eine im Ganzen nicht wesentliche Vergrößerung des Nachrichteninhalts ebenfalls nicht. Die Vorschrift des Abs. 5 gilt damit weiterhin nur für schriftliche Verwaltungsakte im herkömmlichen Sinne. Die Gleichstellung des § 3a Abs. 2 VwVfG ist hier aus zwei Gründen nicht einschlägig: Zum einen zeigt die durchgängige konkrete Bezeichnung der jeweiligen Form des Verwaltungsaktes als schriftlich oder elektronisch in § 37 VwVfG, dass mit „schriftlich“ hier nur die herkömmliche, an eine Urkunde gebundene Form gemeint sein kann, nicht hingegen auch die qualifiziert elektronische gemäß § 3a Abs. 2 VwVfG. Zum anderen wäre ein derartiges Verständnis höchst widersinnig, da die Rechtsfolge die Entbehrlichkeit der Unterschrift bzw. nunmehr der Signatur wäre, die indes ihrerseits die Voraussetzung der Normanwendung wäre – ein unlogischer Zirkelbezug. Die Erleichterungen des § 37 Abs. 5 VwVfG gelten damit für elektronische Verwaltungsakte gleich welcher Form nicht, auch wenn diese durch automatische Einrichtungen erlassen sind.

§ 54 Verfahrensermessen und Wahl der elektronischen Form Der Verwaltung ist in der Gestaltung ihres Verfahrens im Wesentlichen frei, soweit keine besonderen Rechtsvorschriften das Verfahren betreffend bestehen, § 10 Satz 1 VwVfG. Grund und Ziel der Eröffnung des Gestaltungsspielraums ist es, die Verwaltung nicht an starre und schwerfällige Förmlichkeiten zu binden, um die Verwirklichung von Einzelfallgerechtigkeit nicht zu behindern. Das ihr damit eingeräumte Verfahrensermessen hat sie allerdings unter Berücksichtigung der Ziele des Verwaltungsverfahrens, nämlich Sachgerechtheit, Zweckmäßigkeit, Zügigkeit, Einfachheit, Sparsamkeit und Bürgernähe, auszuüben.837 Die Verfahrensgestaltung unterliegt also, falls nicht das materielle Recht diesbezüglich Vorgaben macht, dem pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, das ähnliche Grenzen wie das materielle Ermessen kennt. Damit sind gemäß § 40 VwVfG in erster Linie die notwendige Verhältnismäßigkeit des Ermessensgebrauchs und das allgemeine Willkürverbot angesprochen.838 837 Ausführlich Hill, Verfahrensermessen, NVwZ 1985, S. 449 und 451; P. Stelkens/ Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 10 VwVfG Rdnr. 16 ff. 838 Hill, Verfahrensermessen, NVwZ 1985, S. 450; P. Stelkens/Schmitz, in: Stelkens/ Bonk/Sachs, § 10 VwVfG Rdnr. 17.

13. Kap.: Der elektronische Verwaltungsakt

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Das Ermessen ist stets dann eröffnet, wenn das Gesetz der Behörde mehrere Wege der Entscheidungsfindung oder -bekanntgabe zur Verfügung stellt bzw. sie in ihrer Wahl nicht beschränkt. So wie § 26 VwVfG die Heranziehung bestimmter Beweismittel oder das Absehen hiervon in das Ermessen der Behörde stellt und § 28 Abs. 2 VwVfG die Durchführung oder das Absehen von der Anhörung, so ist diesem Ermessen auch die Wahl eines bestimmten Kommunikationsmittels unterworfen, wenn beispielsweise bestimmte Verfahrenshandlungen „schriftlich oder elektronisch“ vorgenommen werden können. Der Erlass eines Verwaltungsaktes, der gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 VwVfG schriftlich, elektronisch, mündlich oder in anderer Weise geschehen kann, ist hierfür ein prominentes Beispiel. Das Gesetz eröffnet der Verwaltung an dieser Stelle mehrere Möglichkeiten, unter denen sie auszuwählen hat. Hierin ist sie indes nicht vollständig frei, hat sie doch im Rahmen ihrer Ermessensausübung die bekannten Grenzen des Ermessens zu beachten. Danach kann die Wahl der elektronischen Form ungeeignet sein. Im Folgenden sollen einige Abwägungsgesichtspunkte aufgezeigt werden. Zu berücksichtigen sind vor allem die technischen und funktionellen Unterschiede zwischen Urkunden und elektronischen Dokumenten, ob unterschrieben bzw. signiert oder nicht: Da die Signatur hauptsächlich einige Funktionen der Unterschrift nachbildet, sind elektronische Dokumente auch bei vorhandener Signatur nicht in der Lage, die Funktionen der Urkunde zu erfüllen.839 Trotz der rechtlichen Gleichstellung qualifiziert signierter elektronischer Dokumente mit Schriftstücken in § 3a Abs. 2 VwVfG kann daher die Wahl der elektronischen Form bis über die Grenzen des Ermessens hinaus unzweckmäßig sein, wenn es bei der in Frage stehenden Entscheidung wesentlich auf Funktionen der Urkunde und nicht der Unterschrift ankommt. Als solche Funktionen sind in erster Linie die bereits oben erwähnten Transport-, und Perpetuierungs- sowie die Seriositätsfunktion zu nennen, ebenso die Beweis- und Kontrollfunktion. Die Defizite in der Funktionsäquivalenz hat der Gesetzgeber des 3. VwVfÄndG anerkannt, als er elektronische Dokumente in vielen Bereichen generell für nicht geeignet erklärte, eine gesetzlich vorgesehene Schriftform zu ersetzen. Zu erwähnen sind etwa hinsichtlich der Seriositätsfunktion die Beamtenernennung per Urkunde und hinsichtlich der Beweis- und Kontrollfunktion die für unzulässig erklärte Ausstellung bestimmter Erlaubnisse und Genehmigungen in elektronischer Form.840 In anderen Bereichen hingegen fehlen derartige Ausnahmevorschriften zu § 3a Abs. 2 VwVfG, so dass die Schriftform durch die qualifizierte elektronische Form ersetzt werden kann, obwohl eine nähere Analyse der mit der Schriftform offenbar verbundenen Funktionen dies nicht nahe legt. Als Beispiel sind das öffentliche Vereinsrecht sowie das Ausländerrecht anzuführen: 839

Ausführlich oben § 35 Funktionsäquivalenz elektronischer Dokumente, S. 188. § 5 Abs. 2 Satz 2 BRRG, § 5 PBefG; vgl. ausführlich oben § 37 II. a) Gleichstellung trotz Funktionsdisparität, S. 210. 840

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 VereinsG ist ein Vereinsverbot schriftlich oder elektronisch mit einer dauerhaft überprüfbaren Signatur nach § 37 Abs. 4 VwVfG abzufassen, zu begründen und dem Verein zuzustellen. Zwar verhindert das Erfordernis der Zustellung bislang die elektronische Form. Doch ist eine elektronische Zustellung bereits jetzt abzusehen.841 Damit besteht über kurz oder lang die Möglichkeit, dass die Organe eines Vereins von der staatlicherseits angeordneten Auflösung ihrer Vereinigung aus einer behördlichen E-Mail erfahren. Ebenso können gegenüber Ausländern nach dem Ausländergesetz ergehende, diese belastende Bescheide in Zukunft trotz der in § 66 AuslG angeordneten Schriftform als E-Mail versandt werden, namentlich kann ein Ausländer mit einer elektronischen Nachricht ausgewiesen werden, solange diese nur qualifiziert signiert ist, § 3a Abs. 2 VwVfG. Die Folgen des Verwaltungsaktes für den betroffenen Verein oder Ausländer, der einseitig in sehr deutlicher Weise in dessen Rechtssphäre eingreift und sein Recht auf Vereinigung bzw. Aufenthalt im Bundesgebiet suspendiert, erscheinen jedoch ebenso streng wie die Folgen einer Entlassung für den betroffenen Beamten. Diese erfordert allerdings auch weiterhin gemäß §§ 13, 33 BBG die Schriftform und macht sich damit die Seriositätsfunktion der Urkunde bewusst zu Nutze.842 Aus der teilweisen Zurückhaltung des Gesetzgebers in der Anerkennung der Notwendigkeit der Schriftform ist allerdings nicht sein Wille herauszulesen, in allen nicht gesondert erfassten Bereichen sei Funktionsäquivalenz gegeben oder seien die urkundenspezifischen Funktionen der Schriftform kraft gesetzlicher Festlegung irrelevant. Vielmehr ist bei der Auslegung der so stark divergierenden Gesetzesstellen zu berücksichtigen, dass das 3. VwVfÄndG ein Artikelgesetz ist, das in vielen Ressorts in weitgehender Unabhängigkeit der einzelnen Fachabteilungen voneinander vorbereitet wurde, sowohl im Hinblick auf den Gesetzestext selbst wie auf die Begründung. Die Berücksichtigung der Funktionsdisparität ist aus diesem Grund nicht schlechthin ausgeschlossen, sondern vielmehr der Verwaltung im Einzelfall durch eine pflichtgemäße Wahrnehmung des Verfahrensermessens überlassen. Hierbei ist neben den erwähnten Funktionen von Urkunden und elektronischen Dokumenten auch den Umständen der Kommunikation und dem Inhalt der zu übermittelnden Entscheidung Rechnung zu tragen. Je einschneidender 841

Vgl. oben § 42 Zustellung, S. 269. Vgl. auch BT-Drs. 14/9000, S. 39 (zu Nummer 2): „Mit der Rücknahme der Ernennung wird die rückwirkende Aufhebung des Beamtenverhältnisses einschließlich aller Rechte vor allem auf Versorgung und Beihilfe aus diesem Rechtsverhältnis mitgeteilt. Durch die Zustellung und Schriftform wird der Empfänger auf ihre besondere Bedeutung aufmerksam gemacht. Dieser Warnfunktion vermag die elektronische Form und Übermittlung der Verfügung nicht in gleicher Weise Rechnung zu tragen.“ Die vom Gesetzgeber „Warnfunktion“ gegenüber dem Empfänger genannte Eigenschaft ist richtigerweise als Seriositätsfunktion zu bezeichnen, vgl. oben § 34 II. Funktionen der Urkunde, S. 184. 842

14. Kap.: Besondere Verfahren und weitere Fragen

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die Folgen für den Betroffenen sind und je einseitiger die Verwaltung damit in dessen Rechtskreis eingreift, desto weniger ist die Wahl elektronischer Kommunikationsmittel angeraten. Je mehr demgegenüber das Verwaltungshandeln einer zivilrechtlichen Transaktion gleicht, etwa als Bewilligung einer Genehmigung oder Erteilung einer kostenpflichtigen oder von anderen Voraussetzungen abhängigen Auskunft, desto eher kann die elektronische Kommunikation die angemessene Form des Nachrichtenaustauschs darstellen. Insofern gelten wiederum, allerdings verstärkt, die bereits bei der Beurteilung der Zulassung elektronischer Nachrichten durch den jeweiligen Adressaten anzulegenden Maßstäbe. So kann es etwa auch bei der ausdrücklichen Zulassung elektronischer Kommunikation durch den Adressaten allein angemessen sein, die ersichtlich für die Vorlage bei Dritten benötigte behördliche Entscheidung in schriftlicher Form zu erlassen, da den Dritten die Möglichkeit der Darstellung des Dokumentes oder der Signaturprüfung erkennbar fehlt. Gleiches gilt für den Adressaten belastende Verwaltungsakte, die stärker als nur eine verweigerte Genehmigung in seine Rechtspositionen eingreifen und daher besonders bei einseitiger Anordnung schon aus Seriositätsgründen in schriftlicher Form ergehen sollten. Kapitel 14

Besondere Verfahren und weitere Fragen Die Zulassung elektronischer Dokumente hat Auswirkungen auf das gesamte Verwaltungsverfahrensrecht in seiner ganzen Breite und beeinflusst auch solche Verfahren, die, teils im VwVfG geregelt, teils im Fachrecht normiert, anderen Förmlichkeiten unterliegen als das bisher betrachtete „Normalverfahren“. Aus der Vielzahl der Fachverfahren seien hier drei herausgegriffen, die eine besondere Nähe zum E-Government auszeichnet: Erstens ist das Verfahren der Beglaubigung zu nennen, das aufgrund der erforderlich gewordenen Beglaubigung auch elektronischer Dokumente durch das 3. VwVfÄndG geändert wurde, und zweitens der öffentlich-rechtliche Vertrag, den seine besondere Nähe zum bürgerlichen Recht kennzeichnet, das bereits vor der Änderung des VwVfG elektronische Transaktionen zuließ. Als drittes schließlich ist die elektronische Vergabe oder „eVergabe“ näher zu betrachten, die als erstes in juristischer wie praktischer Hinsicht realisiert werden konnte, und bei der sich viele Akteure die größten Einsparungen und Effizienzgewinne für die öffentliche Hand wie für die Wirtschaft versprechen.

§ 55 Die amtliche Beglaubigung Die amtliche Beglaubigung, geregelt in den §§ 33 und 34 VwVfG, ergänzt die bürgerlich-rechtlichen Formvorschriften für den Bereich des öffentlich-

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

rechtlichen Verwaltungsverfahrens und die von Behörden ausgestellten Urkunden. Während die öffentliche Beglaubigung des § 129 BGB, die anders als die öffentliche Beurkundung des § 128 BGB keine Gewähr für die Richtigkeit der abgegebenen Erklärung, sondern nur für die Übereinstimmung der Kopie mit dem Original, der Abschrift mit der Urschrift bietet, grundsätzlich nur von Notaren und Gerichten vorgenommen werden darf, haben Behörden gemäß § 33 VwVfG die Befugnis, ihre eigenen Urkunden zu beglaubigen. Ebenso besteht die Befugnis zur Beglaubigung inländischer amtlicher Dokumente, sofern und soweit die beglaubigte Abschrift in einem Verwaltungsverfahren vorzulegen ist, dem die Beglaubigung damit dient. Die Wirkung ist auf das öffentliche Recht beschränkt, auch wenn der Beglaubigungsvermerk eine öffentliche Urkunde im Sinne des § 415 ZPO darstellt: Zivilrechtlich ist die amtliche Beglaubigung nicht in der Lage, die öffentliche Beglaubigung zu ersetzen.843 Die ursprünglich lediglich für Urkunden und Abschriften sowie Ablichtungen, Vervielfältigungen, Negative und Computerausdrucke, und damit für Schriftstücke und anders materiell perpetuierte Erklärungen geltende Norm844 wurde durch das 3. VwVfÄndG dahingehend ergänzt, dass nunmehr auch elektronische Dokumente amtlich beglaubigt werden können, § 33 Abs. 4 Nr. 4 VwVfG. Jedoch können nicht alle elektronischen Dokumente amtlich beglaubigt werden: Sie müssen sowohl zur Abbildung eines Schriftstückes hergestellt worden sein oder ein anderes technisches Format als das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur verbundene Ausgangsdokument erhalten haben, wie auch in entsprechender Anwendung von Abs. 1 einen besonderen Bezug zum Verwaltungsverfahren oder zur beglaubigenden Behörde aufweisen. So muss entweder das Originaldokument, das heißt für den Fall des § 33 Abs. 4 Nr. 4 a) VwVfG das elektronisch abzubildende Schriftstück bzw. im Fall des § 33 Abs. 4 Nr. 4 b) VwVfG das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehene Ausgangsdokument, ein Dokument der beglaubigenden Behörde sein, § 33 Abs. 1 Satz 1 VwVfG, oder das beglaubigte elektronische Dokument muss in einem Verwaltungsverfahren vorzulegen sein, § § 33 Abs. 1 Satz 1 VwVfG. Die Beglaubigung eines elektronischen Dokumentes ist auch dadurch möglich, dass es ausgedruckt wird und sodann die Übereinstimmung des Ausdrucks mit dem elektronischen Dokument bestätigt sowie gegebenenfalls Angaben zur Signatur und zur Signaturprüfung gemacht werden, § 33 Abs. 4 Nr. 3 und Abs. 5 Nr. 1 VwVfG. Auch in diesem Fall muss die nach Absatz 1 der Norm erforderliche Nähe zu einer Behörde oder einem Verwaltungsverfahren bestehen. Das Ausgangsdokument muss nicht signiert sein, als Beglaubigungs-

843 Im Einzelnen Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 33 VwVfG; Clausen, in: Knack, Vor § 33 VwVfG. 844 Hierzu Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 33 VwVfG Rdnr. 13 f.

14. Kap.: Besondere Verfahren und weitere Fragen

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zweck genügt, dass überhaupt ein elektronisches Dokument welcher Qualität auch immer in ein Schriftstück gewandelt, nämlich ausgedruckt wird.845 Die Beglaubigung erfordert demnach stets auch die Wandlung eines schriftlichen Dokumentes in ein elektronisches („elektronische Dokumente, die zur Abbildung eines Schriftstückes hergestellt wurden“, § 33 Abs. 4 Nr. 4a) VwVfG), oder die Wandlung eines elektronischen in ein schriftliches Dokument („Ausdrucken elektronischer Dokumente“, § 33 Abs. 4 Nr. 3 VwVfG). Die Beglaubigung elektronischer Dokumente ohne Ausdruck ist dagegen nur möglich, wenn sie mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind und ein anderes Datenformat erhalten haben („die ein anderes technisches Format als das mit einer qualifizierten elektronischen Signatur verbundene Ausgangsdokument erhalten haben“, § 33 Abs. 4 Nr. 4b) VwVfG). Der Grund für diese Möglichkeit liegt in der Eigenschaft elektronischer Signaturen, sich stets nur auf Bitfolgen, nicht auf Darstellungen von Dokumenten zu beziehen. Erhält nun ein Dokument ein anderes Format, ändert sich auch bei sonst identischer Darstellung und damit inhaltlicher Aussage doch das elektronische Dokument selbst und wird die sich hierauf beziehende Signatur ungültig. Sie muss daher, soll sich ihre Sicherungskraft auch auf das neue Dokument erstrecken, bei diesem erneut angebracht werden, nachdem die inhaltliche Identität von „altem“ und „neuem“ Dokumentes festgestellt wurde. Dem dient die in § 33 Abs. 4 Nr. 4b) VwVfG geregelte Beglaubigung.846 Die während der Gesetzgebung geforderte Beglaubigung elektronischer Dokumente zum bloßen Erhalt einer akkreditierten Signatur, etwa zu Archivierungszwecken, ist dagegen nicht möglich.847 Auch eine Auslegung des Dokumentenbegriffes dahingehend, dass dieses ein anderes Format schon bei Anbringung einer neuen, etwa qualitativ besseren oder auch nur neueren Signatur erhalten hat, ist angesichts der klaren begrifflichen Trennung von Dokument und Signatur in § 33 Abs. 4 Nr. 4b VwVfG („mit einer [. . .] Signatur verbundenes Ausgangsdokument“) nicht möglich. Der Gesetzgeber, der Hinweise auf die Notwendigkeit einer Beglaubigung nach der Änderung des Dateiformats aufgriff,848 hielt die hier angesprochene Beglaubigung aber anscheinend nicht für 845 Die das Gegenteil suggerierende Passage der Gesetzesbegründung („Grundlage der Beglaubigung des Ausdrucks eines elektronischen Dokuments ist die Signierung dieses Dokuments mit einer gültigen qualifizierten elektronischen Signatur.“, vgl. BTDrs. 14/9000, S. 32 – Zu Nummer 9 Abs. 5) geht insoweit fehl oder ist zumindest stark missverständlich; eine andere Auffassung lässt sich jedenfalls nicht mit dem klaren Wortlaut des § 33 Abs. 4 Nr. 3 VwVfG vereinbaren, der keineswegs eine Signierung zur Voraussetzung der Beglaubigung macht: „Die Absätze 1 bis 3 gelten entsprechend für die Beglaubigung von [. . .] 3. Ausdrucken elektronischer Dokumente“. 846 Vgl. auch BT-Drs. 14/9000, S. 32. 847 Roßnagel, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 89 f. 848 Vgl. Roßnagel und Schlatmann, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 90 und BT-Drs. 14/9000, S. 32.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

erforderlich. Er verwies auf den möglichen Weg der Übersignierung.849 Damit kommt die Beglaubigung nur zum Erhalt einer neuen Signaturqualität nach Wortlaut und Entstehungsgeschichte nicht in Betracht. Ebenso wenig ist eine Beglaubigung eines elektronischen Dokumentes möglich, das ein anderes technisches Format erhalten hat, wenn das Ausgangsdokument keine qualifizierte elektronische Signatur trägt. Beide Voraussetzungen müssen stets nebeneinander vorliegen. Bei der Beglaubigung des Ausdrucks eines elektronischen Dokumentes gilt im Wesentlichen das Gleiche wie schon bislang bei der Beglaubigung einer Kopie: Neben dem eigentlichen Beglaubigungsvermerk sind Angaben zum Schriftstück, dessen Abschrift beglaubigt wird, die Feststellung, dass die beglaubigte Abschrift mit dem vorgelegten Schriftstück übereinstimmt, der Hinweis, dass die beglaubigte Abschrift nur zur Vorlage bei der angegebenen Behörde erteilt wird, wenn die Urschrift nicht von der beglaubigenden Behörde ausgestellt worden ist, sowie die Nennung von Ort und Tag der Beglaubigung, die Unterschrift des jeweiligen Mitarbeiters und das Dienstsiegel erforderlich.850 Enthält das Ausgangsdokument eine qualifizierte elektronische Signatur, die auch für den Ausdruck relevant ist, so ist eine Signaturprüfung erforderlich. Ihr Ergebnis und weitere Informationen zur Signatur und zum Zertifikat sind in diesem Fall in den Beglaubigungsvermerk aufzunehmen. Die Notwendigkeit der Signaturprüfung ergibt sich aus § 33 Abs. 5 Nr. 1a) VwVfG („[. . .] wen die Signaturprüfung als Inhaber der Signatur ausweist“). Schlägt die Signaturprüfung fehl, darf das Dokument entsprechend Abs. 2 nicht beglaubigt werden, da dann „Umstände zu der Annahme berechtigen, dass der ursprüngliche Inhalt des [Dokumentes], dessen [Ausdruck] beglaubigt werden soll, geändert worden ist“. Zu den weiteren, in den Beglaubigungsvermerk aufzunehmenden Angaben gehören die Feststellungen darüber, wen die Signaturprüfung als Inhaber der Signatur und welchen Zeitpunkt sie für ihre Anbringung nennt, sowie welche Zertifikate mit welchen Daten dieser Signatur zugrunde lagen.851 Die Beglaubigung eines elektronischen Dokumentes, das zur Abbildung eines Schriftstückes hergestellt wurde, also in erster Linie durch Einscannen, muss zusätzlich zu den Angaben in Abs. 3 Satz 2 den Namen des jeweiligen Mitarbeiters und die Bezeichnung seiner Behörde enthalten. Bei einer herkömmlichen Beglaubigung ergeben sich der Name des Mitarbeiters und der der Behörde aus den bei der elektronischen Beglaubigung entfallenden Autorisierungskennzei849

BT-Drs. 14/9000, S. 32. Ein dem entsprechendes, vom BMI entworfenes Muster eines Beglaubigungsvermerks findet sich bei Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 33 VwVfG Rdnr. 28, sowie bei Clausen, in: Knack, § 33 VwVfG Rdnr. 11. 851 Als neben dem Signaturschlüssel-Zertifikat anzugebende Zertifikate erwähnt die Gesetzesbegründung Attributzertifikate nach § 7 Abs. 2 SigG, vgl. BT-Drs. 14/9000, S. 33. 850

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chen Unterschrift und Dienstsiegel. Zwar kommt stattdessen eine dauerhaft überprüfbare qualifizierte elektronische Signatur zum Einsatz und können sich diese Angaben auch aus der Signatur samt dem zugrundeliegenden Zertifikat ergeben, wie dies auch für Verwaltungsakte vorgeschrieben ist.852 Doch scheint dies angesichts der Unsicherheit in der Literatur über die Verwaltungsakt-Qualität der Beglaubigung853 nicht genügt zu haben, so dass nach dem Wortlaut der Vorschrift diese Angaben Teil des Beglaubigungsvermerkes sein müssen und eine Erkennbarkeit aus Signatur und Zertifikat nicht ausreichend ist. Die Signatur des Mitarbeiters muss dauerhaft prüfbar im Sinne des § 37 Abs. 4 VwVfG und damit nach gegenwärtiger Lage eine akkreditierte sein.854 Wird ein umformatiertes Dokument beglaubigt, gilt entsprechendes wie für die Beglaubigung eingescannter Dokumente: Zu bestätigen ist hier die inhaltliche Identität von Ausgangsdokument und neuem Dokument; außerdem sind der Name des Mitarbeiters und der der Behörde zu nennen. Zudem ist die Gültigkeit der Signatur zu bestätigen und sind die Angaben zur Signatur und zum Zertifikat in den Beglaubigungsvermerk aufzunehmen. Das „Beglaubigungsdokument“ muss wiederum mit einer dauerhaft prüfbaren qualifizierten elektronischen Signatur entsprechend § 37 Abs. 4 VwVfG versehen werden.

§ 56 Der öffentlich-rechtliche Vertrag Der öffentlich-rechtliche Vertrag ist auf der Grenze zwischen zivilrechtlichem Handeln und hoheitlicher Tätigkeit der Verwaltung angesiedelt. Er stellt einerseits ausdrücklich einen möglichen Abschluss eines Verwaltungsverfahrens dar, weswegen das VwVfG Vorschriften zu seiner Zulässigkeit, seinem möglichen Inhalt, seinem Zustandekommen, möglichen Nichtigkeitsgründen, Anpassungsund Kündigungsmöglichkeiten sowie teilweise auch seiner Vollstreckung enthält. Auf das zum Abschluss eines Verwaltungsvertrages hinführende Verwaltungsverfahren ist zudem das Verwaltungsverfahrensrecht nahezu uneingeschränkt anwendbar, nur die spezifisch den Verwaltungsakt in Bezug nehmenden Vorschriften sind hiervon ausgenommen.855 Andererseits ist der Vertrag ein aus dem Zivilrecht bekanntes und primär diesem zugeordnetes Handlungsinstrument. Gerade die dem Zivilrecht eigene Gleichrangigkeit der Kontrahenten, ihre Selbstbindung und die Freiwilligkeit ihres Handelns werden durch die Verwaltung mit dem öffentlich-rechtlichen Vertrag genutzt, um durch kooperatives Handeln auch auf solche Bereiche regulierend Einfluss nehmen zu können, die 852

Vgl. ausführlich oben § 51 II. Name der erlassenden Behörde, S. 292. Vgl. Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 33 VwVfG Rdnr. 4; Clausen, in: Knack, Vor § 33 VwVfG Rdnr. 5, jeweils m. w. N. 854 Vgl. oben § 51 III. c) Dauerhaft mögliche Signaturprüfung, S. 296. 855 Vgl. Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 54 VwVfG Rdnr. 16 f. 853

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

sich einseitig-hoheitlicher Steuerung aufgrund ihrer Komplexität, der Vielzahl an Beteiligten, der Schwierigkeit der Überwachung oder der anderweitigen Ungeeignetheit hoheitlichen Handelns entziehen. Zudem ist der Vertrag als Handlungsform im Zivilrecht ausgiebig erforscht, und hält das Zivilrecht hinreichende Lösungen für mit Verträgen zusammenhängenden Probleme bereit. Zur Ergänzung der Verfahrensvorschriften des VwVfG verweist dieses daher in seinem § 62 auf die Vorschriften des BGB.856 Dieser Hintergrund erklärt den Streit in der Literatur über die Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Formvorschriften auf den öffentlich-rechtlichen Vertrag:857 Hierzu enthalten sowohl BGB wie auch VwVfG Vorschriften, letzteres allerdings bis zur Änderung durch das 3. VwVfÄndG mit § 37 Abs. 3 und (ehemals) 4 VwVfG beschränkt auf den Verwaltungsakt. Auch die Angemessenheit insbesondere der Anwendung von § 126 Abs. 2 BGB im öffentlichen Recht wird teilweise bezweifelt, und stattdessen die Eigenständigkeit des öffentlichrechtlichen in Abgrenzung zum zivilrechtlichen Vertrag betont. Die Ansicht, die eine ergänzende Anwendung der zivilrechtlichen Formvorschriften zur Auslegung des „schriftlich“ in § 57 VwVfG für nicht erforderlich hielt, da das VwVfG in seinem § 37 hinreichende eigene Vorschriften die Schriftform betreffend enthielt,858 war bislang wenig überzeugend. Diese Vorschrift bezieht sich nur auf Verwaltungsakte und gehört damit genau zu den Vorschriften, die aufgrund der Eigenständigkeit des Verwaltungsvertrages als Handlungsform nicht zur Auslegung diesbezüglicher Voraussetzungen heranzuziehen sind. Mit der Änderung des VwVfG durch das 3. VwVfÄndG enthält nun allerdings auch § 3a VwVfG Vorgaben zum Verständnis von „schriftlich“ in § 57 VwVfG.859 Allerdings ermöglichte das Formgesetz mit §§ 126 Abs. 3 und 126a BGB ebenso den elektronischen Vertragsschluss unter Nutzung der Signaturtechnologie. Ferner sind die Anforderungen an die Qualität der Signaturen weitgehend gleich. Doch bestehen hinsichtlich pseudonymer Zertifikate Differenzen, und enthält das VwVfG anders als § 126a BGB keine Vorschrift hinsichtlich des elektronischen Vertragsschlusses. Es spricht vieles dafür, die Vorschriften des VwVfG so weit wie möglich als hinreichend für die Gleichstellung der elektronischen und schriftlichen Form auch im Bereich des Verwaltungsvertrages zu halten. Nur wo dieses keine Regelungen trifft, sind die Vorschriften des BGB ergänzend heranzuziehen. So kann der Eigenständigkeit des Verwaltungsvertrages und den Eigenheiten des Verwaltungshandelns Rechnung getragen werden, ohne dass auf die mit dem 856 Zur parallelen Anwendung von VwVfG und BGB auf den öffentlich-rechtlichen Vertrag siehe Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 62 VwVfG Rdnr. 2 ff. 857 Ausführlich oben § 32 III. Öffentlich-rechtlicher Vertrag, S. 173. 858 Vgl. Hennecke, in: Knack, § 57 VwVfG Rdnr. 5. 859 Dies betrifft indes ebenso den Schriftformbegriff der §§ 58 und 60 VwVfG.

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BGB bereitstehende Kapazität zur Lösung vieler im VwVfG nicht berücksichtigter Probleme verzichtet werden müsste. Konkret bedeutet dies: Die Frage, welche Art der elektronischen Form zur Erfüllung der Schriftform der §§ 57 ff. VwVfG erforderlich ist, beantwortet § 3a VwVfG, der bereits nach seiner systematischen Stellung das gesamte Verwaltungshandeln und nicht allein solche Verwaltungsverfahren erfassen soll, die auf den Erlass eines Verwaltungsaktes ausgerichtet sind.860 Mangels einer eigenen diesbezüglichen Vorschrift müsste für den elektronischen Vertragsschluss ergänzend § 126a Abs. 2 BGB gelten, der von den Vertragsparteien verlangt, jeweils ein gleichlautendes Dokument in der in § 126a Abs. 1 BGB bezeichneten Weise elektronisch zu signieren, das heißt unter Beifügung des Namens.861 Damit wird indes der bereits zur herkömmlichen Schriftform schwelende Streit über die notwendige Urkundeneinheit in den elektronischen Bereich verlängert, wozu an dieser Stelle nicht Stellung genommen werden kann; nach der die Notwendigkeit einer Urkundeneinheit verneinenden Ansicht wäre auch hier wohl die jeweils einseitige qualifizierte Signierung einander entsprechender Angebots- und Annahmeerklärungen ausreichend.862

§ 57 Die elektronische Vergabe Der Großteil des dem E-Government zugeschriebenen Rationalisierungspotentials gründet sich auf Hoffnungen einer Effektivierung und Entbürokratisierung des Vergabeverfahrens. Der Gesamtumfang öffentlicher Aufträge ist mit geschätzten 250 Milliarden Euro jährlich gewaltig. Beeindruckend sind auch die hiermit offenbar verbundenen Transaktionskosten, gehen Schätzungen doch von einem Einsparpotential aufgrund der Elektronisierung der elektronischen Vergabe in Höhe von zehn Prozent aus.863 Nach Auffassung einiger Wirtschaftswissenschaftler ist allein die elektronische Vergabe eine ökonomisch sinnvolle E-Government-Anwendung.864 860

Ebenso Kopp/Ramsauer, § 57 VwVfG Rdnr. 11a. Hierzu MünchKomm/Einsele, § 126a BGB Rdnr. 5 und 26 sowie – zum von Roßnagel, Neues Signaturgesetz, NJW 2001, S. 1825, geforderten Einschluss des Zertifikats in die Signatur – Rdnr. 19. 862 Vgl. nur oben § 32 III. Öffentlich-rechtlicher Vertrag, S. 173 m. w. N., sowie BVerwGE 96, S. 326, das auf eine Urkundeneinheit für den Fall verzichtet, dass bei den Bürger einseitig verpflichtenden Verträgen dem schriftlichen Vertragsangebot des Bürgers eine unmissverständliche Annahmeerklärung der Behörde gegenübersteht; hierzu auch Bonk, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 57 VwVfG Rdnr. 19. Zu diesem Ergebnis kommt auch Kopp/Ramsauer, § 57 VwVfG Rdnr. 11a, der den Verzicht auf das Erfordernis der Urkundeneinheit für die Zulässigkeit des elektronischen Vertragsschlusses als wesentlich bezeichnet. 863 Vgl. die Zahlen in BMWi/BME, eVergabe, S. 4 und 5. Mosbacher, Elektronische Vergabe, DÖV 2001, S. 573, nennt demgegenüber die Zahl von 250 Milliarden DM, also etwa 125 Milliarden Euro, Höfler/Bert, Neue VgV, NJW 2000, S. 3310 hingegen 400 Milliarden DM, also etwa 200 Milliarden Euro. 861

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Die gesetzlichen Grundlagen des Vergaberechts beruhen maßgeblich auf europarechtlichen Vorgaben.865 Das Vergaberecht ist im GWB und der daraufhin erlassenen Vergabeverordnung (VgV) kodifiziert, die ebenso wie die Haushaltsordnungen des Bundes und der Länder zu den Modalitäten des Vergabeverfahrens vornehmlich nur auf die Verdingungsordnungen für Bauleistungen (VOB/ A), Leistungen (VOL/A) oder freiberufliche Leistungen (VOF) verweisen. Nur oberhalb der in § 2 VgV definierten Schwellenwerte besteht indes ein sich auf § 97 Abs. 7 GWB gründender Rechtsanspruch auf Einhaltung der Verdingungsordnungen; bei kleineren Ausschreibungen besteht nur die Möglichkeit der Inanspruchnahme von Sekundärrechtsschutz.866 Sowohl die VgV wie auch die Verdingungsordnungen machten sich schon früh die Öffnungsklauseln der europäischen Vergaberichtlinien 867 zunutze und gestatteten neben der herkömmlichen schriftlichen und postalischen Angebotsabgabe auch die elektronische Abwicklung der Vergabe, so dass im April 2002 immerhin bereits neun Prozent der öffentlichen Aufträge elektronisch vergeben werden konnten.868 Das Vergabeverfahren im weiteren Sinne ist ein längeres Verfahren mit mehreren Schritten, zu denen die verwaltungsinterne Bedarfsermittlung, die Erstellung der Ausschreibung und der Leistungsverzeichnisse, die Beteiligung aller intern Zuständigen wie insbesondere der zentralen Vergabestelle ebenso gehören wie die Angebotseröffnung, die Einholung der Angebote, der Submissionstermin, die Dokumentation des Vergabeprozesses, die Zuschlagsentscheidung, die Mitteilung an die unterlegenen Bieter und der Vertragsschluss sowie schließlich die Inventarisierung gelieferter Waren.869 All diese Verfahrensteile können mehr oder weniger elektronisiert werden. Von besonderem Interesse ist jedoch der Abschnitt von der Angebotseröffnung bis zum Submissionstermin, und damit die Möglichkeit, die Ausschreibung sowie die hierfür relevanten Unterlagen in elektronischer Form zu publizieren und Angebote auf elektronischem Weg einzuholen bzw. abzugeben. Aufträge, die die Schwellenwerte des § 2 VgV überschreiten, sind im Amtsblatt der EG zu veröffentlichen,870 können jedoch daneben auch auf der Homepage des Auftraggebers bekannt gemacht werden. Auch und gerade bei nicht 864

Vgl. Jansen, Warteschlange, Die Zeit 37/2002. Zu diesen BMWi/BME, eVergabe, S. 21; Mosbacher, Elektronische Vergabe, DÖV 2001, S. 574. 866 BMWi/BME, eVergabe, S. 14; Byok, Vergaberecht, NJW 2001, S. 2295. 867 Vgl. BMWi/BME, eVergabe, S. 21; Mosbacher, Elektronische Vergabe, DÖV 2001, S. 574. 868 BMWi/BME, eVergabe, S. 4. 869 Mosbacher, Elektronische Vergabe, DÖV 2001, S. 573 f; BMWi/BME, eVergabe, S. 19. 870 Vgl. § 14 VgV, § 17a VOB/A; Antweiler, Elektronische Vergabe, CR 2001, S. 722. 865

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die Schwellenwerte erreichenden Aufträgen kann so die teure Schaltung von Anzeigen in Tageszeitungen oder Fachzeitschriften ersetzt werden.871 Auf der Homepage können auch die Vergabeunterlagen bereit gestellt werden, doch sind den Wettbewerbern, die eine postalische Übersendung verlangen, die Unterlagen zur Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in schriftlicher Form zu übermitteln.872 Ferner besteht das Problem, dass gemäß § 8 Nr. 2 Abs. 1 VOB/A bei öffentlichen Ausschreibungen die Unterlagen an alle Bewerber abzugeben sind, die sich gewerbsmäßig mit der Ausführung von Leistungen der ausgeschriebenen Art befassen; dies wird in der Praxis teilweise als Verbot der Abgabe an nicht gewerblich Tätige verstanden.873 Diese Auslegung der Vorschrift ist jedoch nicht zwingend und auch im Hinblick auf ihre systematische Stellung in direkter Nachbarschaft zum Gleichbehandlungsgebot des § 8 Nr. 1 VOB/A wenig überzeugend. Etwaige Angebote nicht gewerblich Tätiger können stets auch im Nachhinein aussortiert werden.874 Einer Bereitstellung der Unterlagen im Netz steht die Rechtslage daher nicht entgegen.875 Gemäß § 15 VgV, der allerdings bereits dem Wortlaut nach nur eingreift, sofern die Verdingungsordnungen keine diesbezüglichen Regelungen enthalten, kann der Auftraggeber zulassen, dass die Abgabe der Angebote in anderer Form als schriftlich per Post oder direkt erfolgen kann, sofern er sicherstellt, dass die Vertraulichkeit der Angebote gewahrt ist. Digitale Angebote sind mit einer Signatur im Sinne des Signaturgesetzes zu versehen und zu verschlüsseln; die Verschlüsselung ist bis zum Submissionstermin aufrechtzuerhalten. § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 VOB/A lautet dementsprechend: Neben schriftlichen Angeboten kann der Auftraggeber mit digitaler Signatur im Sinne des Signaturgesetzes versehene digitale Angebote zulassen, die verschlüsselt eingereicht werden müssen.876 Für die Verschlüsselung der Angebote ist zweckmäßigerweise der öffentliche Schlüssel des Auftraggebers zu verwenden. So kann sichergestellt werden, dass allein der Auftraggeber das Dokument entschlüsseln kann und eine Offenbarung des Dokumentes gegenüber einem Wettbewerber ausgeschlossen ist.877

871

Antweiler, Elektronische Vergabe, CR 2001, S. 722, mit Hinweisen auch auf die weiterhin bestehende Schriftform der VOL/A. 872 BMWi/BME, eVergabe, S. 23; Eifert/Püschel/Stapel-Schulz, Rechtshandbuch, S. 86 f. 873 Vgl. Marbaise, Praxisbeispiel, S. 122. 874 Dies befürwortet auch Marbaise, Praxisbeispiel, S. 122, wenngleich dies „allerdings vergaberechtlich vielleicht Zweifelsfragen hinterlässt“. 875 Im Ergebnis (doch ohne Begründung) ebenso Eifert/Püschel/Stapel-Schulz, Rechtsratgeber, S. 87. Vgl. auch Marbaise, Praxisbeispiel, S. 122 f. zur Frage der bei digitalen Dokumenten eigentlich nicht anfallenden Kosten der Vervielfältigung der Leistungsbeschreibung gemäß § 20 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A. 876 Vgl. auch Marbaise, Praxisbeispiel, S. 119 und 121.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

Mit der Modifizierung des Signaturgesetzes ist nunmehr die Zulassung von qualifiziert signierten digitalen Angeboten möglich. Die Zulassung ist in das Ermessen des Auftraggebers gestellt und kann lediglich zusätzlich neben die herkömmlichen Formen der Angebotsabgabe treten. Weder Wettbewerber noch Auftraggeber haben damit ein Recht auf eine ausschließlich elektronische Angebotsabgabe.878 In der Zulassung sind durch den Auftraggeber die von ihm bearbeitbaren technischen Formate auch der Signatur zu nennen;879 dies entspricht der Rechtslage im allgemeinen Verwaltungsrecht.880 Die Angebote sind qualifiziert zu signieren und zu verschlüsseln. Nicht signierte und nicht verschlüsselte Angebote sind auszuschließen; diese Pflicht ist drittschützend zugunsten der Wettbewerber, die ein berechtigtes Interesse daran haben, die Zahl der gültigen Angebote zu kennen.881 Beim Auftraggeber eingehende Angebote sind auch in elektronischer Form zu kennzeichnen und verschlüsselt aufzubewahren, vgl. § 22 Nr. 1 VOB/A. Als Kennzeichnung bietet sich ein Zeitstempel an, der das Vorliegen des Angebots zu einem bestimmten Zeitpunkt, namentlich dem seiner Einreichung beim Auftraggeber, beweisen kann. Im Eröffnungstermin ist die Verschlüsselung des Angebots zu überprüfen. Hinsichtlich der Prüfung und Wertung der Angebote bestehen keine Besonderheiten.882 Vor der Erteilung des Zuschlags hat der Auftraggeber die unterliegenden Mitbewerber schriftlich über seinen beabsichtigten Zuschlag zu informieren, § 13 VgV. Mit der Gleichstellung der Schriftform mit der elektronischen Form des § 126a BGB in § 126 Abs. 3 BGB kann auch diese Information elektronisch erfolgen, ebenso der Zuschlag.883

§ 58 Die Identifizierung des Signaturschlüssel-Inhabers Signaturen sind elektronische Surrogate für Unterschriften und ermöglichen nur die Zuordnung einer signierten Erklärung zu einem Signaturschlüssel. Be877 Vgl. diesbezüglich auch Mosbacher, Elektronische Vergabe, DÖV 2001, S. 575. Marbaise, Praxisbeispiel, S. 123 f., empfiehlt die Entschlüsselung nach dem Vier-Augen-Prinzip durch den Submissionsleiter und einen Submissionsassistenten. 878 Mosbacher, Elektronische Vergabe, DÖV 2001, S. 574. 879 Antweiler, Elektronische Vergabe, CR 2001, S. 722. 880 Vgl. oben § 39 III. Angaben zu den Kommunikationswegen und Datenformaten, S. 242. 881 So Mosbacher, Elektronische Vergabe, DÖV 2001, S. 578. 882 Antweiler, Elektronische Vergabe, CR 2001, S. 722, verweist auf die mögliche elektronische Abbildung auch dieses Schrittes; beim Auftraggeber entstünden damit elektronische Akten. 883 BMWi/BME, eVergabe, S. 25. Siehe auch Antweiler, Elektronische Vergabe, CR 2001, S. 723, mit Hinweisen auf das Schriftformerfordernis der VOL/A.

14. Kap.: Besondere Verfahren und weitere Fragen

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reits die Zuordnung zum Signaturschlüssel-Inhaber ist nur mithilfe des Zertifikats möglich. Dessen Angaben sind für qualifizierte Zertifikate in § 7 SigG normiert. Hiernach ist der Signaturschlüssel-Inhaber mit seinem Namen zu bezeichnen, der im Fall einer Verwechslungsmöglichkeit mit einem unterscheidungskräftigen Zusatz zu versehen ist. Ebenfalls möglich ist jedoch die Angabe eines als solches kenntlichen unverwechselbaren Pseudonyms. Der Empfänger einer signierten Nachricht kennt daher in erster Linie nur den im Zertifikat angegebenen Namen oder das dort genannte Pseudonym. Das entspricht nicht den für viele Behörden üblichen oder für viele Verfahren notwendigen Standards der Identifizierung des Bürgers. Zur Ermöglichung einer vollständig automatisierten, von menschlichen Interaktionen unabhängigen Vorgangsbearbeitung bei sichergestellter Identifizierung des Gegenübers werden daher verschiedentlich Anpassungen des Signaturgesetzes bezüglich des notwendigen Zertifikatsinhaltes und andere Lösungen diskutiert.884 Solche Erweiterungen wären indes unnötig, wenn bereits bei geltender Rechtslage unter „Name“ im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 1 SigG nicht der bürgerliche Name des § 12 BGB allein, sondern der Name unter Beifügung weiterer Angaben zu verstehen wäre, etwa der Personalausweisnummer oder der Anschrift.885 Die entsprechende Auffassung stützt sich auf den ihrer Meinung nach in der Gesetzesbegründung zum SigG 1997 zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers, dem Empfänger signierter Nachrichten die Identifizierung des Signaturschlüssel-Inhabers und hierüber etwa die Einleitung eines Zivilprozesses zu ermöglichen. Insbesondere letzteres ist nicht möglich, solange dem Adressaten allein der Name des Signaturschlüssel-Inhabers bekannt ist, erfordert doch die Erhebung der Klage ihre Zustellung, die ihrerseits nur bei Kenntnis einer ladungsfähigen Anschrift des Prozessgegners möglich ist.886 Weiterhin könnte so eine Ungereimtheit vermieden werden, die dem Gesetzgeber offenbar nicht bewusst war: Verwendet der Signaturschlüssel-Inhaber ein Pseudonym, bestehen gemäß § 14 SigG bestimmte Aufdeckungsmöglichkeiten zugunsten von Behörden und Gerichten. Diese können im Rahmen des dort beschriebenen Verfahrens vom Zertifizierungsdiensteanbieter die Identität des SignaturschlüsselInhabers erfahren, wobei unter Identität jedenfalls die in § 111 Abs. 1 OWiG genannten Identifizierungsdaten wie Name, Adresse und Geburtsdatum zu verstehen sind. Bei unter Klarnamen auftretenden Signaturschlüssel-Inhabern besteht eine solche Erkundigungsmöglichkeit nicht, so dass Behörden und Gerichte hier nur den Namen des Signaturschlüssel-Inhabers kennen. Hiermit ist 884 Roßnagel, Verwaltung III, S. 49 ff., auch mit Ausführungen zur Notwendigkeit der sicheren Identifizierung in verschiedenen Verwaltungsverfahren. 885 Hierfür insbesondere Baum, Name, DuD 1999, S. 511; hiergegen Roßnagel, in: ders., Datenschutzhandbuch, Kap. 7.7, Rdnr. 52, und ders., Verwaltung III, S. 48 mit FN 151. 886 Musielak/Foerste, § 253 ZPO Rdnr. 20.

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einerseits die gesetzgeberische Behauptung nicht zu vereinbaren, ohne Verwendung eines Pseudonyms sei „die Identität [des Signaturschlüssel-Inhabers] bereits aus dem Signaturschlüssel-Zertifikat ersichtlich“.887 Andererseits führt dieses Verständnis des Namensbegriffes in § 7 SigG und des Auskunftsumfanges in § 14 SigG dazu, dass die vermeintlich dem Selbstdatenschutz des Signaturschlüssel-Inhabers dienende Möglichkeit der Pseudonymisierung staatlichen Stellen eine weitergehende Identifizierung und damit Kontrolle des Signaturschlüssel-Inhabers ermöglicht, als sie bei seinem Auftreten unter Klarnamen gegeben wäre.888 Dieses Verständnis des Namensbegriffes, so nachvollziehbar seine Gründe und Ziele sind, ist jedoch nicht mit dem Gesetzeswortlaut zu vereinbaren.889 Danach ist, anders als in § 14 SigG, der sich eindeutig auf die Identität des Signaturschlüssel-Inhabers bezieht, in § 7 SigG allein der Name des Signaturschlüssel-Inhabers im Zertifikat anzugeben. Unter Name wird allgemein der bürgerliche Name im Sinne des BGB verstanden; eine Abweichung vom allgemeinen Sprachgebrauch hätte durch den Gesetzgeber daher deutlicher gemacht werden müssen, als dies die oben zitierte amtliche Begründung tut. Zudem wäre anderenfalls die Befürchtung des Gesetzgebers nicht zu verstehen, es könnte bei Namensgleichen zu den in § 7 Abs. 1 Nr. 1 genannten Verwechslungsmöglichkeiten kommen: Umfasste der „Name“ hier etwa auch die Personalausweisnummer, wäre eine Verwechslungsmöglichkeit schlechthin ausgeschlossen, und auch die Angabe der Adresse, wie vorgeschlagen, könnte eine Verwechslung nahezu vollständig ausschließen, so dass die Vorschrift keinen rechten Anwendungsbereich besäße. Ein anderes, mehr als den eigentlichen Namen umfassendes Verständnis des „Namens“ ist damit nicht möglich, wenn auch zur Ausräumung der „Ungereimtheit“890 bezüglich der Aufdeckungsmöglichkeit eine Gesetzeskorrektur bedenkenswert erscheint. Als Möglichkeiten weitergehender, mit der Signatur bzw. dem dieser zugrundeliegenden Zertifikat verknüpfter Angaben zur Identifizierung des Bürgers werden speziell für den vollelektronischen Zugang zur Verwaltung die Aufnahme weiterer Informationen in das Zertifikat nach dem Signaturgesetz oder in ein zusätzliches Attribut-Zertifikat, eine automatische Melderegisterauskunft bei erweitertem Melderegistersatz sowie ein staatlicherseits herausgegebener „elektronischer Ausweis“ diskutiert.891 887 BT-Drs. 13/7385, S. 34; wortgleich BeckIuKDG-Komm/Bieser, § 12 SigG Rdnr. 5. 888 Baum, Name, DuD 1999, S. 511. 889 Roßnagel, in: ders., Datenschutzhandbuch, Kap. 7.7, Rdnr. 52, und ders., Verwaltung III, S. 48 mit FN 151; vgl. ebenso Bieser, in: BeckIuKDG-Komm, § 12 SigG Rdnr. 5; Meinel/Gollan, Elektronischer Personalausweis, JurPC 223/2002, Abs. 10; Schreiber, Elektronisches Verwalten, S. 138. 890 Roßnagel, in: ders., Handbuch Datenschutzrecht, 2003, 7.7 Rdnr. 117.

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Die Aufnahme zusätzlicher Angaben als Attribute in das Zertifikat ist bereits unter dem geltenden Recht gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 9 SigG möglich, doch allein vom Willen des Signaturschlüssel-Inhabers abhängig. Ein Zwang zur Aufnahme dieser Daten, der ausschließlich durch ein Gesetz möglich wäre, stieße auf datenschutzrechtliche Bedenken, da er nicht stets erforderlich und damit keine verhältnismäßige Einschränkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung wäre.892 Entsprechendes gilt jeweils für die Aufnahme dieser Daten in ein separates Attributzertifikat, wenn auch hier hinsichtlich der datenschutzrechtlichen Bedenken nur vermindert, da der Signaturschlüssel-Inhaber dieses nicht stets bei Signaturgebrauch vorlegen müsste, dies vielmehr seinem Belieben überlassen bliebe. Attributzertifikate sind jedoch als zusätzliche Leistung des Zertifizierungsdiensteanbieters mit zusätzlichen Kosten verbunden, die die Attraktivität dieser Lösung mindern.893 Auf datenschutzrechtliche Bedenken stößt auch die vorgeschlagene Lösung einer Erweiterung des Melderegisters. Danach würden die bundesweit in § 2 MRRG vorgeschriebenen Datensätze um Angaben bezüglich des Zertifizierungsdiensteanbieters, der Gültigkeitsdauer des Zertifikats und zudem bezüglich der öffentlichen Schlüssel des Signaturschlüssel-Inhabers erweitert werden.894 Zusätzlich müsste in § 18 MRRG die Liste der Angaben ergänzt werden, die anderen Behörden zur Erfüllung ihrer Aufgaben übermittelt werden dürfen. Dies hätte jedoch zur Folge, dass bei jeder Melderegisterauskunft, die gemäß § 18 Abs. 1a MRRG auch automatisiert erfolgen darf, auch Angaben zu den qualifizierten Zertifikaten übertragen würden und auch das Fehlen eines Zertifikats bekannt würde. Die Meldebehörden würden damit eine staatliche Datenbank über die von Bürgern genutzten Zertifikate führen. Dies stellte einen tieferen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung nicht allein der Zertifikatsinhaber, sondern aller Bürger dar, als es eine bloße Erweiterung der Pflichtangaben im Zertifikat wäre: Staatliche Stellen hätten ein umfassendes Abbild der Aktivitäten der Bürger im elektronischen Rechtsverkehr, das für die wenigen vollautomatisierten Verfahren nicht erforderlich wäre. Fraglich ist zudem, ob eine Registrierungspflicht für Zertifikate bei den Meldebehörden sowohl der erhofften weiten Verbreitung von Signaturschlüsseln und Zertifikaten zuträglich wäre, wie auch die geplante Rationalisierung, Vereinfachung und Entbürokratisierung der Verwaltungsarbeit beförderte. Der Vorschlag des „elektronischen Ausweises“ sucht sowohl die datenschutzrechtlichen Bedenken wie auch die Kostenproblematik zu umgehen. Dieser 891 Vgl. Roßnagel, Verwaltung III, S. 51 ff.; Klinger, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 93 f.; Meinel/Gollan, Elektronischer Personalausweis, JurPC 223/2002, Abs. 10 ff. 892 Roßnagel, Verwaltung III, S. 51 f.; Meinel/Gollan, Elektronischer Personalausweis, JurPC 223/2002, Abs. 11. 893 Klinger, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 93. 894 Klinger, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 93 f.

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

„Ausweis“ soll als von einer staatlichen Stelle wie beispielsweise den Meldebehörden ausgegebenes Dokument Garant für die Richtigkeit der darin enthaltenen Informationen sein, doch weitaus günstiger als durch einen Zertifizierungsdiensteanbieter angeboten werden können. Die jeweilige Behörde soll hierbei zum Beispiel die Angaben des Personalausweises in elektronischer Form in ein genormtes Dokument übernehmen und mit ihrem Signaturschlüssel signieren. Dies ermöglichte eine für den Bürger kostenlose oder zumindest sehr viel günstigere, doch weitaus sicherere Identifizierung gegenüber anderen Behörden oder auch Privaten, die er zudem unter seiner vollständigen Kontrolle hat. Das durch die Behörden signierte Dokument müsste nicht stets, sondern nur nach Wunsch des Inhabers vorgelegt werden.895 Bei der Realisierung dieser Idee ist es jedoch – wie überhaupt im elektronischen Rechtsverkehr – wesentlich, Zwang zu vermeiden. Niemand sollte zur Nutzung dieses Dienstes aus rechtlichen oder faktischen Gründen genötigt werden. Eine „elektronische Personalausweispflicht“ wäre kaum ein verhältnismäßiges Mittel zur Einführung des E-Government, und auch wenig geeignet, eventuell bestehende Vorbehalte dem neuen Medium gegenüber auszuräumen. Kapitel 15

Die Kontrolle elektronischen behördlichen Handelns § 59 Die elektronische Akte I. Führung elektronischer Akten Die große Bedeutung der Akte für das mitarbeiterunabhängige, arbeitsteilige und rein sachbezogene Verwaltungsverfahren wurde oben bereits mehrfach erwähnt.896 Die ordnungsgemäße und vollständige Aktenführung ist zudem Voraussetzung rechtsstaatlichen Handelns und Grundbedingung einer wirksamen Kontrolle der Verwaltung durch Vorgesetzte, Aufsichtsbehörden, Parlamente und nicht zuletzt Gerichte.897 Die damit letztlich auf Verfassungsrecht gründenden Vorgaben zur ordnungsgemäßen Aktenführung sind unabhängig von der 895 Roßnagel, Verwaltung III, S. 52; weitgehend identisch ders., Ausweis, DuD 2002, S. 281; ebenso Meinel/Gollan, Elektronischer Personalausweis, JurPC 223/2002, Abs. 11. 896 Vgl. oben § 30 Zahllose Schriftformerfordernisse, S. 144, sowie § 32 II b) Verwaltungsakte und ähnliche behördliche Erklärungen, S. 165; siehe auch Roßnagel, Verwaltung I, S. 160. 897 BVerfG, NJW 1983, S. 2135; BVerwG, NVwZ 1988, S. 621; P. Stelkens/ Schmitz, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 9 VwVfG Rdnr. 53.

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konkreten Form der Informationsspeicherung in der Verwaltung einzuhalten, in elektronischer Form daher ebenso wie in der bislang üblichen „DIN-A4-Welt“. Der Begriff der Akte umfasst schon bislang neben papiergebundenen Daten auch solche, die in EDV-Anlagen gespeichert oder anderweitig, beispielsweise auf Mikrofilm perpetuiert sind. Wesentlich ist die nach bestimmten Ordnungsgesichtspunkten erstellte Sammlung von Informationen und Informationsträgern, nicht ihre Form. Zur Akte gehören all diejenigen Informationen und Dokumente, die für ein Verwaltungsverfahren notwendig sind bzw. waren und für ein solches genutzt werden oder wurden. Aus den Akten muss sich der wesentliche Verfahrensablauf auch für Dritte nachvollziehbar ergeben.898 Von großer Bedeutung für die ordnungsgemäße Aktenführung ist die auch bei elektronischer Aktenführung mögliche Erkennbarkeit, welche Dokumente einem bestimmten Vorgang zuzuordnen sind und damit „die Akte“ bilden, und wo diese aufzufinden sind. Ferner muss auch bei elektronischen Akten erkennbar sein, wer in welcher Weise auf den Inhalt der Akten Einfluss genommen hat. Schließlich sind nachträgliche Modifikationen und Löschungen bereits in technischer Hinsicht zu verhindern, jedenfalls aber zu protokollieren. Die wohl nicht nur vorübergehend mögliche, sondern auch mittel- und langfristig zu erwartende doppelte Aktenführung in Form von Papier- und elektronischen Akten ist so zu gestalten, dass Inkonsistenzen vermieden werden, um nicht jeweils zwei nur teilweise komplette Aktenbestände zu erhalten, die jedoch jeder für sich den Anschein der Vollständigkeit erwecken.899 Elektronische Akten dienen auch der Nachvollziehbarkeit des Verwaltungshandelns für Dritte. Für die Aktenführung in elektronischer Form sind daher nur solche technischen Systeme und Formate geeignet, die jederzeit die in den Akten enthaltenen Informationen darstellen können. Damit Dritte wie Bürger, Aufsichtsbehörden oder Gerichte das ihnen zustehende Akteneinsichtsrecht wahrnehmen können, muss die Verwaltung die zum Zweck der Akteneinsicht erforderlichen technischen Mittel zur Verfügung stellen oder die Daten auf ihre Kosten in eine für den Empfänger lesbare Form bringen. Im Zweifel wird dies die papierne Form sein, so dass ein Ausdruck der Daten erforderlich ist. Eine Gestaltung der Aktenführung in einer für Außenstehende nicht nachvollziehbaren oder auch nur lesbaren Form entspräche nicht den rechtsstaatlichen Grundsätzen, denen die Aktenführung unterliegt, und wäre daher unzulässig.900

898 Bonk/Kallerhoff, in: Stelkens/Bonk/Sachs, § 29 VwVfG Rdnr. 8 und 9; Schreiber, Elektronisches Verwalten, S. 172 ff.; Roßnagel, Verwaltung I, S. 162. 899 Eifert/Püschel/Stapel-Schulz, Rechtsratgeber, S. 79. Schreiber, Elektronisches Verwalten, S. 181, spricht von nachteiliger „Multimedialität“ von Papier- und elektronischen Akten. 900 Jöhnk, Kontrolle, DuD 1995, S. 664.

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Die Pflicht zur Aktenführung in einer für Gerichte überschaubaren Form ist Ausfluss von und korrespondiert mit der behördlichen Pflicht zur Vorlage der Akten eines rechtshängigen Verwaltungsverfahrens bei dem Verwaltungsgericht gemäß § 99 VwGO. Die Vorlagepflicht erstreckt sich auf alle Urkunden und sonstigen Unterlagen, deren Inhalt der umfassenden Sachaufklärung durch das Gericht und der Gewinnung von Grundlagen für die Führung des anhängigen Prozesses der Beteiligten dienlich sein kann.901 Die Akten müssen dem Gericht lückenlos übermittelt werden und von ihm auf Vollständigkeit überprüft werden können. Diesbezüglich wurde ein vollständiger Ausdruck elektronisch geführter Akten mit der Erklärung der Vollständigkeit durch den Behördenleiter vorgeschlagen.902 Dieses Vorgehen ist indes unzureichend, sofern die Akte auch elektronische Signaturen der Beteiligten oder der Behörde enthält. Diese sind in Papierform nicht überprüfbar. Die hierfür erforderlichen mathematischen Berechnungen sind ohne Computer nicht leistbar, weswegen die Daten in computerlesbarer Form an das Gericht übermittelt werden müssen. Doch kann dort nicht ohne weiteres auch von der Prüfbarkeit elektronischer Signaturen ausgegangen werden. Die Behörde hat gegebenenfalls vorhandene Defizite der Verwaltungsgerichtsbarkeit dergestalt auszugleichen, dass sie dieser die hierfür erforderliche Technik zur Verfügung stellt. Eine andere diskussionswürdige Möglichkeit ist es, dass die Behörde selbst die erforderlichen Signaturprüfungen vornimmt und das jeweilige Ergebnis dem Gericht amtlich bescheinigt. II. Archivierung elektronischer Akten a) Langfristige Perpetuierung Die Archivierung elektronischer Akten ist mit zwei Problemen verbunden: Einerseits ist die nur begrenzte Perpetuierungsfunktion elektronischer Dokumente zu berücksichtigen, das heißt ihre nur mittelfristig gesicherte Darstellbarkeit. Andererseits erfordert die Aufbewahrung formgebundener Dokumente die Bewahrung des Beweiswertes elektronischer Signaturen, was ohne ein komplexes Verfahren zur Signaturprüfung und rechtzeitigen Übersignierung nicht möglich ist. Auch bezüglich der Signaturen besteht das allgemein bei elektronischen Dokumenten gegebene Problem der Technikabhängigkeit. Die Archivierung elektronischer Dokumente wie Signaturen stellt aus diesem Grund für die Verwaltungen eine große technische Herausforderung dar, ohne deren Bewältigung eine elektronische Vorgangsbearbeitung jedoch nicht möglich ist.903 Die technischen Hintergründe einer langfristigen Perpetuierung digitaler Dokumente sind 901 902 903

Kopp/Schenke, § 99 VwGO Rdnr. 4. Jöhnk, Kontrolle, DuD 1995, S. 665. Ebenso Groß, Internet, DÖV 2001, S. 164.

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bislang nur wenig bekannt und werden gegenwärtig erst noch erforscht. Das BMBF stellte im Frühjahr 2003 für ein diesbezügliches Projekt unter der Federführung der Deutschen Bibliothek einen Betrag von 800.000 Euro zur Verfügung.904 Die Fristen für die Aufbewahrung von Akten und Aktenteilen ergeben sich aus dem jeweiligen Fachrecht. Allgemeine Aussagen lassen sich daher schwer treffen. Die Notwendigkeit einer langfristigen Aufbewahrung kann sich zudem unabhängig von gesetzlichen Bestimmungen über Aufbewahrungsfristen oder Archivierungsgebote ergeben. In der Praxis ist beispielsweise die auch fachgesetzlich nicht geregelte Aufbewahrung von Baugenehmigungen und anderen Bauunterlagen über Jahrzehnte hinweg und sogar bis zu 100 Jahren von großer Bedeutung.905 Der Grund hierfür ist das Prinzip des Bestandsschutzes im Baurecht: Aus Art. 14 GG folgt ein Anspruch des Bürgers auf ungestörte Nutzung seines Eigentums selbst bei inzwischen geändertem Bauordnungsrecht, namentlich eines nunmehr modifizierten Bebauungsplans. Einmal materiell oder formell rechtmäßige Bauten können demnach sogar bei späterer Illegalität weiterhin genutzt und erhalten werden (passiver Bestandsschutz), was hierfür erforderliche bauliche Maßnahmen einschließt (aktiver Bestandsschutz).906 Für die Überprüfung der Zulässigkeit baulicher Maßnahmen ist damit nicht selten die formelle Rechtmäßigkeit des Baus zum Zeitpunkt seiner Erstellung, und damit unter Umständen vor sehr langer Zeit von großer Bedeutung. Aufbewahrungspflichten können sich darüber hinaus aus den Archivgesetzen des Bundes und der Länder ergeben, wonach die Verwaltungen ihr Schriftgut den Archiven zur Archivierung anzubieten haben, § 2 ArchivG.907 Das VwVfG enthält keine Vorschriften zur Archivierung oder anderweitigen Aufbewahrung elektronischer Akten. Doch können die Rechtsgedanken des mit dem 3. VwVfÄndG in das SGB IV eingefügten § 110a nutzbar gemacht werden. Hiernach hat die Behörde im Wesentlichen ihre Akten nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Aufbewahrung aufzuheben, Abs. 1. Sie kann diese an Stelle der schriftlichen Unterlagen als Wiedergabe auf einem Bildträger oder auf anderen dauerhaften Datenträgern aufbewahren, soweit dies unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit den Grundsätzen ordnungsmäßiger Aufbewahrung entspricht. Danach ist insbesondere sicherzustellen, dass die elektronischen Dokumente mit den ihnen entsprechenden schriftlichen Unterlagen bildlich und inhaltlich vollständig übereinstimmen und 904

Vgl. BMBF, Pressemitteilung vom 09.06.2003. Viering, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 99. 906 Eine Nutzungsänderung oder bauliche Ausweitung umfasst der Bestandsschutz dagegen nicht. Ausführlich Schmaltz, in: Schrödter, § 35 BauGB Rdnr. 103 ff. m. w. N. auch aus der Rechtsprechung; siehe auch Jarass, in: Jarass/Pieroth, Art. 14 GG Rdnr. 24. 907 Vgl. auch Eifert/Püschel/Stapel-Schulz, Rechtsratgeber, S. 80. 905

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während der Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar sind und unverzüglich bildlich und inhaltlich unverändert lesbar gemacht werden können; bei der Archivierung von elektronisch vorliegenden Dokumenten ohne schriftliche Grundlage ist nur die Unverfälschtheit des Dokumentes und seine jederzeitige Verfügbarkeit sicherzustellen, Abs. 2. Im Rahmen der Akteneinsicht hat die Behörde auf ihre Kosten diejenigen Hilfsmittel zur Verfügung zu stellen, die erforderlich sind, um die Unterlagen lesbar zu machen; soweit erforderlich, ist die Behörde verpflichtet, die Unterlagen ganz oder teilweise auszudrucken oder ohne Hilfsmittel lesbare Reproduktionen beizubringen; die Behörde kann dafür den Ersatz ihrer Aufwendungen in angemessenem Umfang verlangen, Abs. 3.908 Von besonderer praktischer Schwierigkeit dürfte die Pflicht aus Abs. 2 Nr. 1 b) des § 110a SGB IV sein, die Daten müssten während der Dauer der Aufbewahrungsfrist jederzeit verfügbar sein und unverzüglich bildlich und inhaltlich unverändert lesbar gemacht werden können. Das bedeutet nicht nur die Berücksichtigung der recht kurzen Lebensdauer elektronischer Speichermedien im Vergleich zu säurefreiem Papier, was ein häufiges Umkopieren erforderlich machen wird. Auch macht die kurze Lebensdauer der Software, mit der beispielsweise die Korrespondenz der Behörde oder ihrer Kommunikationspartner erstellt wurde, ein Vorrätighalten dieser Software und gegebenenfalls der Hardware nötig, derer die Software zum ordnungsgemäßen Funktionieren bedarf. Hinsichtlich der noch bei weitem nicht absehbaren technischen Entwicklung wird insbesondere dieses, aus rechtsstaatlichen Gründen zwingende Erfordernis die Verwaltungen voraussichtlich mit hohen Kosten und hohem Personalbedarf belasten. b) Übersignierung Die Archivierung elektronischer Dokumente wird durch ihre Signierung weiter verkompliziert. Zum einen ist, wenn die Signatur auch in Zukunft noch geprüft werden soll, die Archivierung auch der Signaturprüfprogramme erforderlich. Das kann dazu führen, dass zudem die zur Ausführung dieser Programme notwendige Computerumgebung inklusive Hardware und Betriebssystem mitarchiviert werden muss.909 Zum anderen ist bereits bei der Gestaltung des Archivsystems zu berücksichtigen, dass Signaturen mit der Zeit an Beweiskraft verlieren und nach und nach immer leichter zu fälschen sind. Da elektronische Signaturen wie jede Anwendung asymmetrischer Kryptographie auf bisher ungelösten mathematischen Problemen beruhen, sind sie in hohem Maß vom Stand der Kryptoanalyse und der Rechentechnik abhängig. Je stärker auf 908 909

Vgl. zu dieser Vorschrift auch die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/9000, S. 47. Vgl. Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 24/§ 17 SigV Rdnr. 5.

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diesen Gebieten Fortschritte erzielt werden, umso eher erscheint eine Fälschung elektronischer Signaturen möglich. Das Absinken des Beweiswertes elektronischer Signaturen unter ein kritisches Maß kann dadurch verhindert werden, dass die Existenz der jeweiligen Signatur zu einem Zeitpunkt bestätigt wird, zu dem an ihrer Sicherheit nicht ernsthaft gezweifelt werden kann. Diese Bestätigung kann in elektronischer Form erteilt und zur Sicherheit ihrerseits signiert werden. In so einem Fall spricht man von Übersignierung. Bei Einsatz des in § 17 SigV geregelten Verfahrens werden qualifizierte Signaturen selbst dann noch als sicher angesehen, wenn die zu ihrer Erstellung benutzten Verfahren und Parameter bereits als unsicher einzuschätzen sind. Hierfür ist es notwendig, dass das elektronische Dokument und die zu sichernden Signaturen vor dem Ablauf der Eignung der Algorithmen oder der zugehörigen Parameter mit einer neuen und damit wiederum für zumindest fünf Jahre sicheren qualifizierten elektronischen Signatur versehen werden. Zum Nachweis des Zeitpunktes muss die neue Signatur einen qualifizierten Zeitstempel tragen.910 Von § 17 SigV ist aber beispielsweise nicht geklärt, wen die Pflicht oder Obliegenheit zur Übersignierung trifft, und ob etwa die Verwaltung verpflichtet ist, die von ihr angebrachten Signaturen regelmäßig zu erneuern.911 Solche Pflichten oder Obliegenheiten sind jedoch richtigerweise allein aus dem materiellen Recht abzuleiten, für die Verwaltung zum Beispiel aus der Vorgabe dauerhafter Prüfbarkeit elektronischer Verwaltungsakte, § 37 Abs. 4 VwVfG.912 c) Ergebnis Die Archivierung elektronischer Dokumente, die bereits aufgrund der Abhängigkeit von sowohl entsprechender Hardware wie kompatibler Software hinreichend aufwendig ist, wird durch die elektronische Signatur zusätzlich verkompliziert. Die damit ermöglichte Sicherstellung von Integrität und Authentizität erfordert wiederum spezielle Software und hierzu passende Hardware. Darüber hinaus jedoch ist die Signatur gegenüber Weiterentwicklungen der Rechentechnik und der Mathematik anfällig, die ihren Sicherheitswert mindern. Dem kann durch eine rechtzeitige Übersignierung entsprechend § 17 SigV begegnet werden. Der Nachteil der Übersignierung ist jedoch, dass bei diesem Verfahren vorhandene Signaturen nur konserviert, nicht aber überprüft werden. Dies hat zur

910 Ausführlich Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 24/§ 17 SigV Rdnr. 18 ff. 911 Vgl. Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 24/§ 17 SigV Rdnr. 14 f. 912 Hierzu oben, § 51 III. d) Nachlassen der Beweiskraft, S. 300.

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Folge, dass die Gültigkeit der so gesicherten Signaturen erst im Moment einer möglichen Prüfung, unter Umständen nach Jahrzehnten, sicher festgestellt werden kann oder verneint werden muss. Das wiederum macht die Archivierung auch der Signaturprüfprogramme und aller für die Prüfung notwendigen Informationen erforderlich.913 Dies wäre nicht nötig, wenn die Signaturen vor der Übersignierung überprüft und nur für den Fall der Gültigkeit archiviert würden.914 Dann müsste lediglich die Signatur des Archivars regelmäßig überprüft und erneuert werden, um die Gültigkeit der archivierten Signaturen für Jahrzehnte beweissicher festzustellen. Diese Gestaltung erschwert indes die Archivierung, solange und soweit die Signaturprüfung nicht automatisiert ablaufen kann. III. Datenschutzrechtliche Vorgaben Die elektronische Aktenführung hat aufgrund der dadurch ermöglichten schnellen und ungehinderten Online-Zugriffe auf die Inhalte jeder Akte von jedem angeschlossenen Arbeitsplatz aus datenschutzrechtliche Relevanz. Die in elektronischen Medien in vielerlei Hinsicht mögliche Suche vereinfacht die Informationsauffindung zusätzlich. Die damit eröffneten Zuordnungs- und Auswertungsmöglichkeiten sind bei physischen Akten so nicht gegeben, weswegen die elektronische Akte das informationelle Selbstbestimmungsrecht der betroffenen Bürger in weitaus stärkerem Maß berührt, als dies bislang der Fall ist.915 Um die sich aus der elektronischen Aktenführung ergebenden Gefahren für das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Bürger zu minimieren, empfehlen die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder, personenbezogene Daten aus allgemein zugänglichen Datenbeständen zu löschen oder zumindest zu sperren, sobald der ursprüngliche Verwendungszweck der Speicherung erfüllt, das Verfahren also abgeschlossen ist. Die Daten wären mit dem Abschluss des Verfahrens zu archivieren, das heißt so zu speichern, dass sie allgemein gesperrt und nur noch für diejenigen zugänglich wären, die auch Zugang zu Archivmaterial unter den entsprechenden Bedingungen hätten. Zugriffe sind zu protokollieren, die Einhaltung der Vorgaben ist regelmäßig zu kontrollieren. Daraus ergibt sich folgerichtig eine Beschränkung von Auswertungen mit Data-Mining-Instrumenten auf anonyme oder pseudonyme Anfragen, die keine 913 Vgl. Roßnagel, Multimedia-Recht, § 18 SigV, Rdnr. 34; Schreiber, Elektronisches Verwalten, S. 186; Strauch, Archivische Probleme, S. 778. 914 Vgl. Strauch, Archivische Probleme, S. 778; Schreiber, Elektronisches Verwalten, S. 186. 915 DSB, Datenschutzgerechtes E-Government, S. 47. Zu den besonderen Gefahren aufgrund eines leichteren Informationszugriffs und dadurch möglicher Informationszusammenstellung und Informationsgewinnung, heute als „Data Mining“ bezeichnet, siehe BVerfGE 65, S. 42.

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Gefahr einer Profilbildung in sich tragen. Generell sollen Dokumentmanagement-Systeme so gestaltet und benutzt werden, dass bei der Speicherung, Nutzung und Protokollierung so wenig personenbezogene Daten wie möglich zu verarbeiten sind. Über die Nutzung personenbezogener Daten sind die Betroffenen umfassend zu unterrichten, damit sie jederzeit die Risiken abschätzen und ihre Rechte wahrnehmen können.916

§ 60 Die Modifikation des Widerspruchsverfahrens Ebenfalls der Kontrolle behördlichen Handelns dient das in mehrerlei Hinsicht zwischen Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess angesiedelte Widerspruchsverfahren der §§ 68 ff. VwGO: Das Widerspruchsverfahren ist Sachurteilsvoraussetzung für bestimmte Prozessarten, namentlich die Anfechtungsund die Verpflichtungsklage, § 68 VwGO. Nach der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens ist vor der Erhebung einer solchen Klage ein Widerspruchsverfahren durchzuführen. Zugleich ist das Widerspruchsverfahren aber ein in der VwGO geregeltes Verfahren vor Behörden. Es stellt eine im Prozessrecht normierte, gleichwohl behördliche Fehlerkorrekturmöglichkeit dar. Im Widerspruchsverfahren wird, anders als im Verwaltungsprozess, nicht allein die Rechtmäßigkeit des Behördenhandelns überprüft, sondern ebenso seine Zweckmäßigkeit. Hierfür ist jedoch regelmäßig nicht die Ausgangs-, sondern eine andere, die Widerspruchsbehörde zuständig, was in vielen Fällen einen verwaltungsinternen „Instanzenzug“ voraussetzt.917 Die „Doppelnatur“ des Widerspruchsverfahrens als ein Verwaltungsverfahren, das zugleich Vorverfahren ist,918 macht gleichfalls die Regelung des § 79 VwVfG deutlich, der wenig bestimmt festlegt: Für förmliche Rechtsbehelfe gegen Verwaltungsakte gelten die Verwaltungsgerichtsordnung und die zu ihrer Ausführung ergangenen Rechtsvorschriften, soweit nicht durch Gesetz etwas anderes bestimmt ist; im Übrigen gelten die Vorschriften des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Als eigentliche prozessuale Regelung lässt sich in erster Hinsicht nur § 68 VwGO ausmachen, derweil die §§ 69 bis 73 VwGO tatsächlich Verfahrensvorschriften darstellen.919 Aufgrund der Eigenschaft des Widerspruchsverfahrens als ein von Verwaltungsbehörden durchzuführendes Verwaltungsverfahren hat sich das Verhältnis von Regel und Ausnahme in § 79 VwVfG mitt-

916

DSB, Datenschutzgerechtes E-Government, S. 47 f. Vgl. Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 5; Kopp/Schenke, Vorb. § 68 VwGO, Rdnr. 14 ff. 918 Gegen den eingängigen und häufig verwendeten Begriff der „Doppelnatur“ Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 5 Rdnr. 8. 919 Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 5 Rdnr. 10. 917

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lerweile umgekehrt, und ist in erster Linie das VwVfG anzuwenden, soweit nicht die §§ 69 bis 73 VwGO andere Bestimmungen enthalten.920 Vor diesem Hintergrund ist der Einsatz elektronischer Medien im Widerspruchsverfahren deswegen fraglich, weil sowohl das Prozessrecht wie auch das Verwaltungsverfahrensrecht ein bestimmtes Verständnis des in §§ 70 und 73 VwGO verwendeten oder doch zumindest vorausgesetzten Schriftformbegriffes haben, und diese Vorstellungen sich unterscheiden. Nach § 3a VwVfG setzte die Erhebung eines „elektronischen Widerspruchs“ die qualifizierte Signierung des Widerspruchsschreibens gemäß § 3a Abs. 2 VwVfG voraus, wobei die von der Ausgangsbehörde oder der Widerspruchsbehörde als prüf- und bearbeitbar angegebenen Datenformate verwendet werden müssten. Das Zertifikat müsste den Namen des Signaturschlüssel-Inhabers nennen oder zumindest, bei Pseudonymen, erkennen lassen. Wäre dagegen § 86a VwGO (analog) anwendbar, wäre die elektronische Kommunikation im Widerspruchsverfahren zwar ebenfalls von der expliziten Zulassung abhängig, doch nicht von der einer Behörde, sei es die Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde, sondern durch den Gesetzgeber als Verordnungsgeber, namentlich den jeweiligen Regierungen für ihren Bereich, § 86a Abs. 2 VwGO. Die bislang für die Verwaltungsgerichtsbarkeit noch nicht erfolgten Zulassungen regelten gleichfalls die Daten- und Signaturformate. Besonderheiten bezüglich pseudonymer Zertifikate bestünden voraussichtlich nicht, so dass diese uneingeschränkt zulässig wären.921 Als dritte Möglichkeit ist die Nichtanwendbarkeit von sowohl § 3a VwVfG wie auch § 86a VwGO denkbar, so dass elektronische Dokumente im Widerspruchsverfahren schlechthin unzulässig wären. Das wäre der Fall, wenn § 3a VwVfG nicht den Schriftformbegriff der VwGO erfassen sollte, und eine entsprechende Anwendung von § 86a VwGO aufgrund der klaren Ausrichtung dieser Norm auf vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen, für Anträge und Erklärungen usw., nicht jedoch auf Widerspruchsschreiben, ausgeschlossen wäre. Letzteres zeigt deutlich die mit einer (analogen) Anwendung von § 86a VwGO verbundenen Schwierigkeiten. Nicht nur der Wortlaut der Vorschrift ist eindeutig auf prozessbezogene Dokumente ausgerichtet. Die danach erforderliche Verordnung zur Regelung der zulässigen Daten- und Signaturformate setzt ersichtlich Gerichte als Dokumentenempfänger voraus, nicht einzelne Behörden. Eine Nichtanwendbarkeit auch des § 3a VwVfG dagegen schlösse das Widerspruchsverfahren als einziges Verwaltungsverfahren allein deshalb vom elektronischen Rechtsverkehr aus, weil es nicht im VwVfG oder anderem Fachrecht, sondern in der VwGO normiert ist. Doch bietet § 79 VwVfG mit seinem Bezug auf die VwGO eine hinreichende „Brücke“ zum dort geregelten Verfahren, und können zudem die Vorschriften der §§ 69 bis 73 VwGO als „Fachrecht“ ver920 921

Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 5 Rdnr. 12. Vgl. die als Vorbild mögliche Anlage zur ERVVOBGH.

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standen werden, das durch § 3a VwVfG modifiziert wurde.922 Schließlich ist das Widerspruchsverfahren ein vor der Ausgangs- und unter Umständen ebenso vor der Widerspruchsbehörde zu führendes Verwaltungsverfahren, weswegen diese auch über die zulässigen Kommunikationsformen wie in jedem Fall selbst entscheiden können und nur insoweit der VwGO unterworfen werden sollen, wie dies aufgrund der Eigenschaft des Widerspruchsverfahrens als Prozessvoraussetzung notwendig ist und von der VwGO für erforderlich gehalten wurde. Die Form bzw. das Verständnis des Begriffes der Schriftform gehört nicht hierzu.923 Damit ist die Erhebung des Widerspruchs in elektronischer Form möglich. Die Schriftform des § 70 VwGO kann gemäß § 3a Abs. 2 VwVfG durch solche elektronische Dokumente gewahrt werden, die mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sind. Der Widerspruchsführer hat bei der Wahl des Dokumentenformats und des Signaturverfahrens die Vorgaben der Ausgangsbehörde zu beachten. Anderenfalls kann die Nachricht bei dieser nicht zugehen, da ein Zugang dann nicht eröffnet ist, § 3a Abs. 1 VwVfG. Im Verhältnis zwischen Ausgangs- und Widerspruchsbehörde ist im Hinblick auf die Vorgaben bezüglich der Form in erster Linie die Ausgangsbehörde relevant. Diese ist als erstes mit dem Widerspruch befasst und entscheidet über die Abhilfe oder die Weiterleitung des Widerspruchs an die Widerspruchsbehörde.924 Allerdings wahrt auch die Einlegung des Widerspruchs bei der Widerspruchsbehörde die Frist des § 70 VwVfG. Hierfür wäre der fristgerechte Zugang der Nachricht bei der Widerspruchsbehörde und damit in der von dieser gemäß § 3a Abs. 1 VwVfG bestimmten Form erforderlich. Die Ausgangsbehörde kann dem Widerspruch abhelfen. Hinsichtlich dieses Verwaltungsaktes bestehen keine Besonderheiten, vielmehr ist auch in diesem Fall die für den ursprünglichen Verwaltungsakt vorgeschriebene Form zu beachten. Fehlt diesbezüglich eine Formvorschrift, so kann sogar die einfache elektronische Form ohne jede Sicherung ausreichend sein. Der Bescheid der Widerspruchsbehörde hingegen ist zu begründen, mit einer Rechtsmittelbelehrung zu versehen und zuzustellen, § 73 Abs. 3 VwGO. Bereits aufgrund der Notwendigkeit der Zustellung ist damit zumindest gegenwärtig die Schriftform obligatorisch. Gleiches gilt aufgrund des Erfordernisses der Rechtsbehelfsbelehrung, da diese gemäß § 58 VwGO schriftlich zu erfolgen hat, was elektronische Doku922 S. auch Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 5 Rdnr. 10: Die genannten VwGOVorschriften als (spezielles) „Bundesverfahrensrecht“. 923 Ähnlich Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 6 Rdnr. 28: „§ 86a VwGO [. . .] ist auf das Widerspruchsverfahren nicht anwendbar. Eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht, da jede Verfahrensordnung zu dieser wichtigen Frage eine eigene Regelung enthalten muss.“ 924 Vgl. § 72 VwGO und hierzu Kopp/Schenke § 72 VwVfG Rdnr. 3; Hufen, Verwaltungsprozessrecht, § 8 Rdnr. 4.

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mente ausschließt.925 Eine Modifikation selbst dieser Vorschrift durch § 3a Abs. 2 VwVfG ist vom Gesetzgeber nicht ersichtlich intendiert und zudem kaum angemessen: Das Erfordernis der Rechtsbehelfsbelehrung und der Zustellung des Widerspruchsbescheides zeigt, dass dem Gesetzgeber die hohe Bedeutung des Widerspruchsbescheides für den Bürger, dessen Rechtsschutz von diesem behördlichen Akt maßgeblich abhängt, bewusst ist. Er macht sich mit der besonderen, anspruchsvollen Form augenscheinlich ihre Seriositätsfunktion zunutze. Der Empfänger der Nachricht soll deutlich auf die einschneidenden Folgen für seinen Rechtsschutz hingewiesen und zum dementsprechenden Handeln angehalten werden. Dies steht der Elektronisierung dieser Kommunikationsbeziehung entgegen, die sogar bei einer möglichen elektronischen Zustellung an die schriftliche Form gebunden bleiben sollte. Als Ergebnis lässt sich festhalten: Die Widerspruchseinlegung ist in elektronischer Form möglich. § 3a VwVfG gilt uneingeschränkt auch für diesen Teil des Widerspruchsverfahrens. Der Abhilfebescheid ist in der für den ursprünglichen Verwaltungsakt vorgeschriebenen Form zu erlassen, so dass unter Umständen die einfache elektronische Form genügen kann. Der Widerspruchsbescheid hingegen muss in schriftlicher Form ergehen und zugestellt werden.

§ 61 Gerichtliche Überprüfung: Beweisrecht elektronischer Dokumente Die gerichtliche Kontrolle des elektronischen Rechtsverkehrs zwischen Behörden und Bürgern erfordert, dass die dabei erstellten und ausgetauschten elektronischen Dokumente dem Gericht vorgelegt und von diesem auf ihre Integrität und Authentizität überprüft werden können. Die sich aus der Möglichkeit gerichtlicher Überprüfung ergebenden Anforderungen an die elektronische Akte wurden oben bereits dargelegt.926 Von besonderem Interesse ist hingegen nunmehr die Beweiskraft elektronischer Signaturen und deren Überprüfung vor Gericht. Gemäß § 173 VwGO sind im Verwaltungsprozess die Vorschriften der ZPO entsprechend heranzuziehen, soweit die VwGO selbst keine Regelungen enthält, und dies wegen grundsätzlicher Unterschiede der Verfahren nicht ausgeschlossen ist. Demgemäß kommt eine analoge Anwendung von § 292a ZPO im Verwaltungsprozess in Frage.927 Die VwGO enthält, die Beweiskraft elektronisch signierter Dokumente betreffend, keine Regelung, und auch der den Verwal925 Vgl. oben § 42 Zustellung, S. 269; im Ergebnis ebenso Kopp/Schenke, § 73 VwGO Rdnr. 6 und 20 sowie § 58 VwGO Rdnr. 6. 926 Vgl. § 59 I. Führung elektronischer Akten, S. 352. 927 Roßnagel, Verwaltungsrecht, DÖV 2001, S. 231; BLAH/Hartmann, § 292a ZPO Rdnr. 6.

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tungsprozess beherrschende Grundsatz der freien Beweiswürdigung steht einer Bindung des Verwaltungsgerichts an die Vermutung der Echtheit einer Signatur nicht entgegen. Dieser Grundsatz ist schließlich ebenso „Kernstück des neuzeitlichen Zivilprozesses“,928 ohne dass deswegen dort Beweisregeln gänzlich systemfremd wären, vgl. nur § 286 Abs. 2 ZPO.929 Der Anwendungsbereich des in der Literatur nicht zu Unrecht stark kritisierten § 292a ZPO ist allerdings beschränkt und ihr Wert dementsprechend gering.930 Die Voraussetzungen der Norm sind so anspruchsvoll, dass die intendierte Beweiserleichterung zumindest bei „einfach qualifizierten“ Signaturen letztlich irrelevant ist. Der Beweisführer, der sich die Sicherheit einer Signatur und darüber die Vermutung des § 292a ZPO zunutze machen möchte, muss hierfür dessen Voraussetzungen beweisen. Zu diesen gehört, dass es sich bei der vorgelegten Signatur um eine qualifizierte im Sinne des Signaturgesetzes handelt. Kann er dies, kann der Anschein der Echtheit der Signatur nur noch durch Tatsachen erschüttert werden, die ernstliche Zweifel daran begründen, dass die Erklärung mit dem Willen des Signaturschlüssel-Inhabers abgegeben worden ist. Der Erklärungsempfänger muss beweisen, dass die Signatur mit einer sicheren Signaturerstellungseinheit erzeugt wurde, die allein dem SignaturschlüsselInhaber zugeordnet ist und die er unter seiner alleinigen Kontrolle halten kann. Zudem muss er nachweisen, dass die Signatur die Identifizierung des Ausstellers ermöglicht und so mit dem Dokument verbunden ist, dass dessen nachträgliche Veränderung erkannt werden kann. Und schließlich hat er zu beweisen, dass das Zertifikat ein qualifiziertes ist, also von einem Zertifizierungsdiensteanbieter im Sinne von § 2 Nr. 7 SigG auf den Signaturschlüssel-Inhaber ausgestellt ist. Kann der Erklärungsempfänger all dies nachweisen, bedarf er der gesetzgeberischen Hilfe allerdings nicht mehr, da sich bereits aus seinen Darlegungen die Echtheit der Signatur ergibt.931 Dieses Beweises sind demgegenüber Empfänger akkreditierter Signaturen enthoben. Hier kann bereits aufgrund der Akkreditierung vom Vorliegen der qualifizierten Signatur und ihrer Voraussetzungen ausgegangen werden. Für Empfänger dieser Signaturen bietet § 292a ZPO daher tatsächlich eine gewisse Beweiserleichterung.932 Jedenfalls ist aber die starke Abhängigkeit der Signatursicherheit von einer korrekten und störungsfreien Implementierung der Signaturanwendungskomponenten zu beachten.933 Anderenfalls kann eine Fälschung durch Unterschieben 928

BLAH/Hartmann, Einf § 284 ZPO Rdnr. 34 und § 286 Rdnr. 4. BLAH/Hartmann, § 286 Rdnr. 4; Zöller/Greger, § 286 Rdnr. 3. 930 Vgl. Zöller/Greger, § 292a ZPO Rdnr. 1; Musielak/Huber, § 292a ZPO Rdnr. 14. 931 Roßnagel, Verwaltungsrecht, DÖV 2001, S. 232; ders., Weg, MMR 2000, S. 459; ebenso Musielak/Huber, § 292a ZPO Rdnr. 14. 932 Musielak/Huber, § 292a ZPO Rdnr. 15; Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 83. 929

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3. Teil: Anforderungen an das Verwaltungsrecht

oder eine Signierung durch Dritte nicht ausgeschlossen werden; zudem ist die Präsentation der Daten bei dem Signierenden und Prüfenden noch bei weitem nicht standardisiert, so dass auch diesbezügliche Fehler oder Inkompatibilitäten ausgenutzt worden sein können.934 Diese Fakten sind im Rahmen des Merkmals „Zweifel daran [. . .], dass die Erklärung mit dem Willen des SignaturschlüsselInhabers abgegeben worden ist“ zu berücksichtigen.935

933 Hierzu Bovenschulte/Eifert, Signaturanwendungskomponenten, DuD 2002, S. 76; Roßnagel, Verwaltungsrecht, DÖV 2001, S. 232; siehe auch Bieser, in: Roßnagel, Verwaltung II, S. 149. 934 Vgl. ausführlich oben § 8 VI. c) Signierung durch Dritte, Fälschung durch Unterschieben etc., S. 60, und § 7 II. d), Präsentationsproblem, S. 43; siehe auch Roßnagel, Verwaltungsrecht, DÖV 2001, S. 232. 935 Skrobotz, in: Manssen, Multimediarecht, G § 1 Rdnr. 83. Musielak/Huber, § 292a ZPO Rdnr. 16, hält dagegen aufgrund der Gesetzesfassung eine strenge Handhabung des Zweifelssatzes für erforderlich; nach Zöller/Greger, § 292a ZPO Rdnr. 3 hingegen sind an die Zweifel keine zu hohen Anforderungen zu stellen, „sie dürfen lediglich nicht rein theoretischer Art sein.“

Zusammenfassung und Ergebnisse Als „E-Government“ im weiteren Sinne wird zumeist die Unterstützung jeglichen staatlichen Handelns durch elektronische Medien, und hier insbesondere das Internet, verstanden. In einem engeren, auch der vorliegenden Arbeit zugrundeliegenden, Sinne ist lediglich die Nutzung dieser Medien durch die Verwaltung, die so genannte E-Administration, gemeint (§ 2). 1. E-Government ist ein von der Politik in Amerika, Europa und Deutschland gern aufgegriffenes Schlagwort zur griffigen Bezeichnung der Technisierung der Verwaltung. Ihr Ziel ist die Einbindung dieser Entwicklung in die schon seit Jahrzehnten stetig diskutierte und vorangetriebene Modernisierung und Entbürokratisierung der Verwaltung. Diverse, von der Politik angestoßene und unterstütze Projekte wie MEDIA@Komm oder BundOnline 2005 sollen Möglichkeiten des E-Government bestimmen und aufzeigen. Die aus Rücksicht auf Bürger und Steuerzahler gleichermaßen versprochene Verbesserung und Verbilligung der Verwaltung soll durch vermehrten Technikeinsatz erreicht werden. Zu diesen Zielen kommt sowohl in Deutschland wie auch in Europa als drittes Moment die weite Verbreitung der als politisch wünschenswert und unterstützungswürdig eingestuften, doch praktisch bedeutungslosen elektronischen Signatur. Das E-Government soll „Lokomotive“ oder „Motor“ der Verbreitung sein und Signaturverfahren zum Durchbruch verhelfen – ein fragwürdiges Unterfangen angesichts des geringen Bedürfnisses des Marktes für diese Sicherheitstechnik (§§ 3 bis 6). 2. Ungeachtet dessen ist und bleibt die elektronische Signatur die technische Voraussetzung des E-Government. Elektronische Dokumente haben viele Vorteile, die im E-Government nutzbar sind, wie Körperlosigkeit und damit leichtere Transportier- und Archivierbarkeit. Andererseits bestehen jedoch, als Kehrseite der Medaille, auch spezifische Nachteile, wie spurlose Veränderbarkeit und daraus folgend mangelnde Integrität und Authentizität. Die auf kryptographischen Verfahren basierende elektronische Signatur vermag wesentliche Nachteile elektronischer Dokumente aufzuheben. Andere Nachteile, die mit der Körperlosigkeit verbunden sind, bleiben hingegen auch bei einer Signierung der Dokumente bestehen: Die Daten sind letztlich schwieriger langfristig zu perpetuieren, und stets ist für ihre Darstellung und Nutzbarkeit Computertechnik vonnöten. Mit der Signatur werden einige Probleme elektronischer Dokumente, wie insbesondere das Archivierungsproblem und die Abhängigkeit von der Technik, sogar noch verstärkt (§§ 7 bis 10).

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3. Rechtliche Rahmenbedingungen des Signatureinsatzes sind das Signaturgesetz von 2001 und die hierzu ergangene Signaturverordnung. Sie normieren, die europäische Signaturrichtlinie 1999/93/EG umsetzend, eine Zertifizierungsinfrastruktur, die die Erbringung der für den Einsatz von Signaturen erforderlichen Dienstleistungen durch private Akteure einer behördlichen Aufsicht durch die RegTP unterwirft und technikrechtliche Vorgaben zur Sicherheit von Signaturen, Zertifikaten und entsprechenden technischen Komponenten macht. Diese Vorgaben sind aufgrund der Inbezugnahme der „qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz“ in § 3a Abs. 2 VwVfG auch für das Verwaltungsrecht von wesentlicher Bedeutung. Eine gesetzliche Regelung der jahrelang umstrittenen Frage der Kryptographie und Verschlüsselung fehlt hingegen, so dass eine starke, auch durch staatliche Stellen nicht brechbare Verschlüsselung zulässig, und aufgrund des Datenschutzrechts sogar teilweise geboten ist (§§ 11 und 12). 4. Die gegenwärtige Verbreitung der Signaturtechnik entspricht nicht den euphorischen Annahmen des Gesetzgebers und einiger, als Befürworter der Technologie exponierter Stimmen in der Literatur. Der Grund hierfür liegt entgegen ratloser Vermutungen der Anfangszeit in der Signaturtechnik selbst. Sie ist nicht „Basistechnologie des elektronischen Rechtsverkehrs“, sondern eine mit spezifischen Transaktionskosten verbundene Hilfstechnik, an deren Verwendung allein der Empfänger elektronischer Nachrichten ein Interesse hat. Kaum ein E-Commerce-Anbieter ist jedoch in der Lage oder auch nur bereit, die ihm aufgrund der Signaturen gegebenenfalls entstehenden Vorteile an die Nutzer der Technik weiterzugeben. Mangels Anbietern fehlt es damit an Nutzungsmöglichkeiten und an Vorteilen für die Nutzer. Diesen „Teufelskreis“ soll das E-Government durchbrechen, und zu einer weiten Verbreitung der Signaturtechnik letztlich auf Kosten der öffentlichen Hand führen (§§ 13 bis 16). 5. Primäre Ziele des Interneteinsatzes in der Verwaltung sind die Verbesserung und die Verbilligung der Verwaltungsarbeit – „better government, cheaper government“. Die Dienstleistungsqualität soll erhöht werden, indem ein neuer, zeitgemäßer Zugang der Bürger zur Verwaltung geschaffen wird. Zugleich ermöglicht die Netzwerktechnik eine starke Entbürokratisierung und erzwingt diese sogar zu einem gewissen Grad. Zudem können die Transaktionskosten gravierend sinken, wenn einzelne Leistungen halb- oder vollautomatisiert über das Internet erbracht werden. Die Erreichbarkeit beider Ziele ist jedoch zu bezweifeln, Verbilligung bei gleichzeitiger Verbesserung stellt vielmehr eine „Quadratur des Kreises“ dar. Insbesondere die häufigen Beschwörungen eines großen Rationalisierungspotentials übersehen die immensen Kosten, die mit der Schaffung und Unterhaltung der für das E-Government erforderlichen Technik auf die Verwaltung zukommen. Hierbei ist der Aufwand noch nicht berücksichtigt, den die weite Verbreitung der Signaturtechnik in der Bevölkerung erfordert. Eine stärker technisierte Verwaltung erfordert zudem technikgewandte Mit-

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arbeiter und Computerspezialisten, weswegen sich in erster Linie die Personalstruktur in den Verwaltungen ändern wird und vornehmlich auf „Verschlankung“ der Verwaltungen ausgerichtete Rationalisierungsvisionen scheitern dürften (§§ 17 bis 21). 6. Ohne Zweifel erscheint jedoch eine Verbesserung der Verwaltungsarbeit durch eine vermehrte Nutzung von Netzwerktechnik möglich, sowohl im internen Bereich wie im Kontakt nach außen. Informationen können leichter bereitgestellt und bequemer erlangt werden, die Kommunikation wird intern wie extern erleichtert. Entscheidungen können auf breiterer und besserer Tatsachengrundlage getroffen und insgesamt transparenter werden. Der Zugang der Verwaltung zum Bürger und der des Bürgers zur Verwaltung wird vereinfacht, Marketing, Inhaltsvermittlung und Kommunikation zwischen den Beteiligten wird ebenso erleichtert wie auch Transaktionen unter Nutzung des Internets verbessert werden können. Hinsichtlich einer verstärkten Partizipation des Bürgers bestehen sowohl in Bezug auf einzelne Entscheidungen wie auf die Politik insgesamt enorme Möglichkeiten. Doch sind auch Vorbehalte nicht zu verschweigen, die mit einer zu leichten „Einmischung“ verbunden sind: Die Qualität der Auseinandersetzung kann sinken, der Aufwand zur Sichtung der Meinung und Filterung des Relevanten kann stark steigen. Unter den Stichworten „E-Democracy“, „E-Voting“ oder „e-lection“ diskutierte und zunehmend auch getestete Modelle zur Nutzung des Internets auch für Wahlen und Abstimmungen sind angesichts der Intransparenz der Technik und des Wahlaktes, die starke Abhängigkeit von der Technik und ihrer Verfügbarkeit und insgesamt die geringere Seriosität elektronischer Dokumente kritikwürdig. Zudem ist der Nutzen der über das Internet erfolgenden Stimmabgabe bislang kaum belegt (§§ 22 und 23). 7. Falls das E-Government nur eine Veranstaltung für wenige Teilnehmer darstellt, lassen sich weder die immensen Kosten für seine Einführung rechtfertigen noch die versprochenen Rationalisierungsgewinne erzielen. Der breiten Nutzung dieses neuen, auf mittlere Sicht nur zusätzlichen Behördenangebots steht die schon bislang festzustellende Spaltung der Gesellschaft in Nutzer und Nutznießer elektronischer Medien auf der einen und hiervon Ausgeschlossene auf der anderen Seite entgegen. Um diesen als „Digital Divide“ bezeichneten Graben nicht zu vertiefen, muss die Einführung des E-Government sowohl aus Eigeninteresse wie auch aus sozialstaatlichen Gründen mit Maßnahmen einhergehen, die diese Spaltung so weit wie möglich mindern. Hierzu gehören neben erschwinglichen Zugängen zum Netz und der hierfür erforderlichen Technik vor allem Programme zur Schulung und Weiterbildung der Bürger. Aus Sicht des EGovernment sind Anreize zur Nutzung des elektronischen Behördenangebots ein zweischneidiges Schwert, vermögen sie doch einerseits Zögernde zur Nutzung dieses Angebots zu bewegen, stellen jedoch andererseits eine Bevorzugung ohnehin Privilegierter und damit eine Benachteiligung der von der Technik und ihren Vorteilen Ausgeschlossenen dar (§§ 24 bis 26).

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8. Insgesamt lassen sich diverse Vorteile des Technikeinsatzes für die Verwaltung ebenso wie für die Bürger konstatieren. Auch praktisch ist dieser jedoch mit einigen Schwierigkeiten verbunden. Visionen einer umfassenden Umgestaltung der öffentlichen Verwaltung durch Technisierung haben nur geringen Praxisbezug. Sowohl auf Seiten der Bürger wie auf Seiten der Verwaltung macht die Einführung des E-Government Investitionen erforderlich, die Geld, Kraft und Geduld kosten. Die verwendeten Mittel sind langfristig gebunden und erbringen keine kurz- oder mittelfristigen Ergebnisse. Der elektronische Zugang der Bürger zur Verwaltung wird auf absehbare Zeit nur ein zusätzliches Interaktionsmedium darstellen und neben die anderen Kommunikationswege treten. Ausnahmen werden hierbei voraussichtlich „Anwendungsinseln“, etwa in der Steuerverwaltung, dem Melderecht oder der Kraftfahrzeugverwaltung darstellen. Zur allgemeinen Verbreitung des E-Government werden Maßnahmen zu seiner Ermöglichung, bestehend aus Koordinationsgremium, Denkfabrik und Vereinheitlichung auf der Entscheidungsebene, vorgeschlagen (§§ 27 bis 29). 9. Die Schriftform des öffentlichen Rechts wurde und wird regelmäßig in Bezug auf § 126 BGB und damit eine zivilrechtliche Formvorschrift definiert. Diese ist jedoch weder direkt noch analog anwendbar. Die Rechtsprechung zum Schriftformbegriff ging hingegen stets vom prozessualen Schriftformbegriff und damit dem des § 130 ZPO aus; die Diskussion ist im Ganzen nur wenig präzise. Im Ergebnis besteht trotz der zunehmend liberalen Auffassung der Rechtsprechung hinsichtlich des Erfordernisses einer Unterschrift zur Erfüllung der Schriftform dahingehend Einigkeit, dass das wesentliche Merkmal der Schriftform die urkundliche Verkörperung der Daten und damit deren unmittelbare Wahrnehmbarkeit ist. Elektronische Dokumente können vor diesem Hintergrund trotz ihrer Verwendung von Schriftzeichen nicht als die Schriftform erfüllend angesehen werden. Ihnen fehlt die unmittelbare Wahrnehmbarkeit, sie bedürfen zu ihrer Darstellung vielmehr stets der Computertechnik. Hinsichtlich der Schriftform des Antrags, des Verwaltungsaktes, prozessualer Schriftsätze wie der des öffentlich-rechtlichen Vertrages bestehen in Bezug auf das Unterschriftserfordernis Differenzen. Die Anforderungen an den Bürger sind hierbei wegen vermeintlich eher gegebener Zumutbarkeit einer eigenhändigen Unterschriftsleistung insgesamt höher (§§ 30 bis 33). 10. Elektronische Dokumente erfüllen weder die Schriftform, noch vermögen sie die Funktionen der Schriftform zu erfüllen. Funktionen der Urkunde sind die Perpetuierungsfunktion, die Beweisfunktion, die Kontrollfunktion, die Transport- oder Traditionsfunktion sowie die Seriositätsfunktion. Funktionen der Unterschrift sind hingegen die Abschlussfunktion, die Identitätsfunktion, die Echtheitsfunktion und die Warnfunktion. Der unterschriebenen Urkunde als Kombination beider Merkmale kommt die Integritätsfunktion zu, die die Unverändertheit der Erklärung nach der Autorisierung sicherstellt. Elektronische Dokumente erfüllen diese Funktionen so gut wie nicht. Auch eine Signierung des

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elektronischen Dokumentes kann entgegen den Behauptungen der Literatur und des Gesetzgebers keine vollständige Funktionsäquivalenz herstellen. Insbesondere hinsichtlich der Perpetuierungs-, Kontroll- und Beweisfunktion sowie der Transport-, Warn- und Seriositätsfunktion bestehen weiterhin Defizite. Die Erfüllung der anderen Funktionen erfordert umfangreiche organisatorische Maßnahmen, mit denen die Signatur in den Rechtsverkehr eingebettet werden muss (§§ 34 und 35). Dessen ungeachtet hat sich der Gesetzgeber für das öffentliche Recht ebenso wie mit § 126 Abs. 3 BGB für das Zivilrecht für eine Gleichstellung qualifiziert elektronisch signierter Dokumente mit unterschriebenen Schriftstücken entschieden, § 3a Abs. 2 VwVfG. Der Begriff des Schriftlichen ist damit im Verwaltungsrecht noch konturärmer geworden. Die vormals jedenfalls erforderliche Urkunde als Voraussetzung der Schriftform ist nunmehr paradoxerweise entbehrlich, sofern das (elektronische) Dokument nur signiert ist. In Kontrast hierzu verwendet das Gesetz jedoch weiterhin auch den Begriff des Schriftlichen, um nicht-elektronische Dokumente zu kennzeichnen. Der Begriff des Elektronischen scheint ebenfalls nicht konsistent verwendet, doch liegt dem eine Fehlinterpretation der Begriffe durch die Literatur zugrunde (§§ 36 und 37). Die Voraussetzung der schriftformersetzenden qualifizierten elektronischen Form des § 3a Abs. 2 VwVfG ist die Signierung eines elektronischen Dokumentes mit einer qualifizierten elektronischen Signatur. Der Einschluss des Zertifikats in die Signatur ist nicht erforderlich. Das zusätzliche Erfordernis, das Zertifikat habe, wenn es auf ein Pseudonym lautet, den Inhaber erkennen zu lassen, ist dem Selbstdatenschutz der Bürger abträglich und untergräbt mit der daran anknüpfenden Möglichkeit pseudonymen behördlichen Handelns das Vertrauen in elektronische behördliche Nachrichten (§ 38). 11. Der Zugang elektronischer Nachrichten erfordert jeweils die Zulassung dieser Art der Übermittlung sowie der hierbei zu verwendenden Daten- und Signaturformate, § 3a Abs. 1 VwVfG. Maßgeblich für die Zugangseröffnung ist die Verkehrsanschauung. Einen Anspruch auf elektronische Zugangseröffnung bietet auch die europäische Signaturrichtlinie nicht. Diese verlangt vielmehr nur die Gleichstellung aller qualifizierten Signaturverfahren oder zumindest eine transparente und nichtdiskriminierende Bevorzugung einzelner Verfahren. Dies kommt mit der technischen Notwendigkeit in Konflikt, sich bei nicht interoperablen Signaturverfahren auf wenige zu beschränken und damit nur für diese den Zugang zu eröffnen; die gegenwärtige Regelung ist zwar nicht-diskriminierend, doch nicht transparent und damit europarechtswidrig (§ 39). Elektronische Dokumente sind zugegangen, wenn für sie in dieser Form der Zugang eröffnet ist und sie dergestalt in den Machtbereich des Empfängers gelangt sind, dass dieser die zumutbare Möglichkeit der Kenntnisnahme hat. Zum Machtbereich gehört die Inbox auf dem Server des Mail-Providers. Die Mög-

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lichkeit der Kenntnisnahme ist bei Privaten in zeitlicher Hinsicht nur sehr zurückhaltend anzunehmen. Geschäftliche Nutzer haben die Möglichkeit der Kenntnisnahme stets zu Geschäftszeiten, Behörden rund um die Uhr. Auch faktische Inkompatibilität schließt die Möglichkeit der Kenntnisnahme nicht aus, entscheidend ist allein die Zugangseröffnung durch den Empfänger. Die Regelung des § 87a Abs. 1 Satz 2 AO ist in mehrfacher Hinsicht für das Verwaltungsrecht nicht vorbildlich (§ 40). Der Beweis des Zugangs ist schwierig zu führen. Rechtliche Erleichterungen für den Absender wie für den Empfänger belasten den jeweils anderen unbillig, da auch dieser keinen Einblick in und keine Kontrolle über den Nachrichtentransport hat. Gelegentlich diskutierte technische Lösungen vermögen nicht vollends zu überzeugen. Die Zustellung elektronischer Nachrichten gegen Empfangsbekenntnis stellt einen Bruch zum gegenwärtigen System der Zustellung schriftlicher Dokumente dar. Ausländische Vorbilder scheinen vorzugswürdig (§§ 41 und 42). Die elektronische öffentliche Bekanntgabe scheint zwar rechtlich zulässig, stellt sich jedoch praktisch als wenig handhabbar heraus und stößt zudem auf massive datenschutzrechtliche Bedenken. Elektronisch übertragene Dokumente müssen vor ihrer Übertragung verschlüsselt werden. Dies ergibt sich ohne weiteres aus dem geltenden Datenschutzrecht und bedurfte keiner speziellen Normierung (§§ 43 bis 45). 12. Elektronische Dokumente sind nicht unmittelbar verständlich, sondern bedürfen einer Software, die sie zu dekodieren in der Lage ist. Angesichts fehlender oder unzureichender Normung bestehen in der Praxis häufig Inkompatibilitäten, die eine Bearbeitung übertragener Dateien ausschließen. Dies berücksichtigt § 3a Abs. 3 VwVfG, der ein Rügerecht des Bürgers sowie eine hierzu korrespondierende Pflicht der Behörde zur Neuübersendung der Datei in einem geeigneten, vom Bürger anzugebenden Dateiformat, im Zweifel als Schriftstück normiert. Entsprechend besteht eine Rügepflicht der Behörde. Diese Rechte und Pflichten sind allein von der allgemeinen Zulassung elektronischer Kommunikation abhängig, ungeachtet einer möglichen Beschränkung auf einzelne Dateiformate. Der Zugang des jeweiligen Dokumentes ist hingegen irrelevant, und kann nicht einmal mittelbar aus dieser Vorschrift hergeleitet werden (§§ 46 bis 49). 13. Mit dem 3. VwVfÄndG wurde in § 37 VwVfG die Möglichkeit des elektronischen Verwaltungsaktes geschaffen, der als Form gleichberechtigt neben den schriftlichen und den mündlichen Verwaltungsakt tritt. Schriftformersetzende elektronische Verwaltungsakte müssen der qualifizierten elektronischen Form des § 3a Abs. 2 VwVfG genügen und, zusätzlich zum dementsprechend anzugebenden Namen des Signaturschlüssel-Inhabers, den Namen der Behörde erkennen lassen. Die mögliche Anordnung der dauerhaften Überprüfbarkeit der Signatur stellt nicht allein an das zugrundeliegende Zertifikat Anforderungen,

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das gegenwärtig von akkreditierten Anbietern auszustellen ist. Zusätzlich ist ein umfangreiches und aufwendiges Archivsystem erforderlich, das die Les- und Prüfbarkeit von Dokument und Signatur noch nach Jahrzehnten sicherstellt. Ein wesentlicher Punkt ist hierbei der Erhalt der Beweiskraft durch eine regelmäßige Neusignatur gemäß § 17 SigV (§§ 50 und 51). Die Gestaltung der behördlichen Zertifizierungsinfrastruktur ist nicht geklärt. Den gegenwärtigen Planungen und dem jetzigen Stand der Diskussion zufolge bezieht auch die öffentliche Verwaltung ihre Zertifikate auf dem Markt der privaten Zertifizierungsdiensteanbieter. Angesichts der damit den Privaten eingeräumten Befugnis zur Mitentscheidung über die Gültigkeit staatlicher Akte ist diese Gestaltung jedoch nicht mit dem Demokratieprinzip des Grundgesetzes in Einklang zu bringen, das einen Einfluss Privater auf staatliche, hoheitliche Akte nur dann zulässt, wenn die demokratische Anbindung des entscheidenden Privaten anders sichergestellt ist. Das kann durch eine mittels oder aufgrund Gesetzes mögliche Beleihung der Privaten geschehen, die jedoch bislang nicht erfolgt und ebenso wenig in Sicht ist. Ebenfalls denkbar und insgesamt vorzugswürdig ist die Errichtung einer verwaltungseigenen Zertifizierungsstelle. Dies ist wirtschaftlich und praktisch vorteilhaft, kann so doch die unpassende Bindung der Verwaltung an das Signaturgesetz aufgegeben werden. Zur Errichtung einer bundeseinheitlichen Zertifizierungsstelle wäre ein Bund-Länder-Staatsvertrag notwendig (§ 52). Nunmehr ist auch die elektronische Bestätigung und die Bestätigung elektronischer Verwaltungsakte zulässig, für die § 37 Abs. 2 VwVfG jeweils eigene Vorschriften bereithält. Die Begründung elektronischer Verwaltungsakte sollte, muss jedoch nicht qualifiziert signiert sein, auch wenn der Verwaltungsakt der Schriftform unterliegt. Die Rechtsbehelfsbelehrung des § 58 VwGO hat schriftlich zu ergehen; dies gilt auch für elektronische Verwaltungsakte, die damit allein der Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO unterliegen. Die Erleichterungen des § 37 Abs. 5 VwVfG gelten für elektronische Verwaltungsakte gleich welcher Form nicht, auch wenn diese durch automatische Einrichtungen erlassen sind (§ 53). Die Wahl der angemessenen Form steht im Verfahrensermessen der Verwaltung, das den bekannten Grenzen des Ermessens unterworfen ist. Die Wahl der elektronischen Form durch die Verwaltung ist daher grundsätzlich stets möglich. Trotz rechtlicher Gleichstellung qualifiziert signierter elektronischer Dokumente mit Schriftstücken in § 3a Abs. 2 VwVfG kann jedoch die Wahl der elektronischen Form bis über die Grenzen des Ermessens hinaus unzweckmäßig sein, wenn es bei der in Frage stehenden Entscheidung wesentlich auf Funktionen der Urkunde ankommt, namentlich Transport-, Perpetuierungs- und Seriositätsfunktion. Insbesondere bei für den Adressaten belastenden Verwaltungsakten, die stärker als nur eine verweigerte Genehmigung in seine Rechtspositionen

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eingreifen, kann das Ermessen auf die Wahl der herkömmlichen Schriftform reduziert sein (§ 54). 14. Die amtliche Beglaubigung elektronischer Dokumente ist nunmehr in § 33 VwVfG geregelt; sie ist bei der Überführung eines schriftlichen in ein elektronisches, und bei der Überführung eines elektronischen in ein schriftliches Dokument sowie für den Fall zulässig, dass ein signiertes elektronisches Dokument ein anderes technisches Format erhalten hat. Die Form des elektronischen öffentlich-rechtlichen Vertrages ist § 126a BGB nur bedingt zu entnehmen: Hinsichtlich der Zulässigkeit elektronischer Kommunikation und ihrer Form gilt auch für Verwaltungsverfahren, die den Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages zum Ziel haben, die Grundnorm des § 3a VwVfG. Die elektronische Vergabe unterliegt als fiskalisches Hilfsgeschäft nicht dem VwVfG, sondern ist teilweise im GWB und der VgV, sowie faktisch in der VOB/A und ihren Schwestervorschriften normiert. Zur automatischen Identifizierung des Signaturschlüssel-Inhabers allein mithilfe von Signatur und Zertifikat werden in Praxis und Literatur verschiedene Erweiterungen des Signaturschlüssel-Zertifikats oder ein von Behördenseite auszugebender „elektronischer Ausweis“ diskutiert (§§ 55 bis 58). 15. Die Kontrolle behördlichen Handelns ist auch im Zeitalter elektronischer Kommunikation und elektronischer Aktenführung für die Rechtsstaatlichkeit des Verwaltungshandelns von wesentlicher Bedeutung. Das Ziel der Nachvollziehbarkeit von Behördenentscheidungen für Vorgesetzte, Aufsichtsbehörden, Parlamente und Gerichte ist bei der Anlegung und der Führung elektronischer Akten ebenso zu beachten wie der Datenschutz. Die Archivierung der elektronischen Akte erfordert ein komplexes Archivsystem, dessen technische Gestaltung und finanzielle Belastungen für die betroffenen Verwaltungen bislang nicht einmal in ihren Konturen erkennbar sind (§ 59). Die Einlegung des Widerspruchs ist in elektronischer Form möglich: § 3a VwVfG gilt auch für diesen Teil des Widerspruchsverfahrens uneingeschränkt. Der Abhilfebescheid ist in der für den ursprünglichen Verwaltungsakt vorgeschriebenen Form zu erlassen, der Widerspruchsbescheid hingegen muss in schriftlicher Form ergehen und zugestellt werden. Die gerichtliche Kontrolle ist auch bezüglich des elektronischen Verwaltungsverfahrens ohne weiteres möglich; hierbei ist die Vermutung des § 292a ZPO auch im Verwaltungsverfahren heranzuziehen. Bei der Anwendung dieser kritikwürdigen Norm ist die starke Abhängigkeit der Signatursicherheit von einer korrekten und störungsfreien Implementierung der Signaturanwendungskomponenten zu berücksichtigen (§§ 60 und 61). 16. Die Einführung des elektronischen Verwaltungsverfahrens ist von der Vision einer berührungslosen, hindernisfreien Online-Verwaltung zu geringeren Kosten bei höchster Effizienz getrieben. Die rechtlichen Hindernisse bei der

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Verwirklichung des E-Government sind größtenteils handhabbar. Die europarechtlichen und verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die geltende Rechtslage stellen jedoch weiterhin Stolpersteine auf dem eingeschlagenen Weg dar. Insgesamt weicht die Euphorie des Aufbruchs nun rasch den Mühen der Ebene, die zu bewältigen eine langfristige Aufgabe ist. Wie erfolgreich das ambitionierte Vorhaben des elektronischen Verwaltungsverfahrens letztlich ist, bleibt abzuwarten.

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Register akkreditierte elektronische Signatur Siehe elektronische Signatur, akkreditierte elektronische Signatur Aktenführung Siehe elektronische Akte, Aktenführung Aktionsprogramm „Innovation und Arbeitsplätze“ 29 aktivierender Staat 91, 92, 125 Bangemann-Report 26, 29 behördliche Zertifizierungsinfrastruktur – Abhängigkeit vom Zertifizierer 310 – ausländische Praxis 306 – Beleihung 313 – Datenschutz Siehe Datenschutz, Mitarbeiterzertifikate – Diskutierte Varianten 302 – Gestaltung, organisatorisch 323 – Gestaltung, rechtlich 323, 326, 327 – Gestaltung, technisch 321 – Mitwirkung Privater 308 – notwendige Zertifikate 302 – notwendiges Gesetz 307 – realisierte Varianten 305 – staatliche Zertifizierungsstelle 300, 316 – Synergieeffekte 321 – Unzulänglichkeiten des Signaturgesetzes 318 Beliehener 310, 311, 315 Bestätigung Siehe elektronischer Verwaltungsakt, Bestätigung „better government, cheaper government“ Siehe E-Government-Ziele, „better government, cheaper government“ Beweisrecht 362, 363 Bildschirmtext BTX 66, 157, 159, 179

Biometrie Siehe elektronische Signatur, Alternativen BundOnline 2005 – Initiative der Bundesregierung 32 – Umsetzungsplan 32 Bürgerbüro 24, 90 Bürgergesellschaft 125 Call-Center 24 Certificate Revocation Lists (CRL) Siehe elektronische Signatur, Zertifizierungsdienste Certifikation Authority (CA) Siehe elektronische Signatur, Zertifizierungsdienste Computerfax 160, 179, 189, 190 Cyberspace 17, 24 Datenschutz – Datenverschlüsselung Siehe Kryptographie, notwendige Verschlüsselung – elektronische Akte 358 – elektronischer Ausweis 351 – in Bürgerbüros 90 – Mitarbieterzertifikate 231, 318 – öffentliche Bekanntgabe 278 – Pseudonyme Siehe Pseudonyme – und Telearbeit 110 Demokratieprinzip 308, 309, 326 DIGANT 112 Digital Divide – Begriff 133 – Gebührendifferenzierung 138, 139, 143 – Gefahr 133, 134 – Ursache 135 – Verhinderung 137 Digitale Kommune 29

Register Digitales Rathaus 23, 29, 145 DIN-A4-Welt 148, 156, 353 3. VwVfÄndG 71, 144, 200 – Anpassung des Fachrechts 202 – Berliner Entwurf 201 – Düsseldorfer Entwurf 202 – Entwürfe 200 – Europarecht 210 – Geltungsbereich 207 – Gesetzgebung 203 – Inhalt 205 – Inkrafttreten 204 – Magdeburger Entwurf 202 – Sozial- und Steuerverwaltung 200 E-Administration 22, 124 E-Commerce 17, 20, 29, 67, 74, 123 E-Democracy – Bedenken 130, 131, 132 – Begriffe 20, 23 – Bundestagsdebatte 36 – Förderung 35 – Projekt „Wahlen im Internet“ 36 – Vorteile 128 – Wahlrechtsgrundsätze 130 E-Governance 23 E-Government – als „Pilot“, „Motor“ 30, 38, 78, 79, 80 – andere Begriffe 23 – Beispiele 21 – Bundesrats-Initiative 34 – Definition 20, 21 – Entwicklung in Deutschland 27, 31 – im engeren Sinne 22 – in den Bundesländern 35 – Information 82 – Inhaltsvermittlung 114, 117 – Integration 114 – Interaktion 113 – Kommunikation 83, 108, 111, 121 – Marketing 113, 115 – Partizipation 114, 124

401

– Schrittmacher Europa 26 – Steuerung 109 – Telearbeit 110 – Transaktion 22, 30, 37, 83, 114, 122 – Vorreiter Amerika 25 E-Government-Ziele – Arbeits-Effektivierung 28, 29 – „better government, cheaper government“ 25, 26, 32, 37, 81 – Entbürokratisierung 85, 88 – erhöhte Bürgerfreundlichkeit 28, 29, 82 – Kostensenkung 28, 93, 94, 95, 97, 98, 99, 100, 101, 103 – Mitarbeitergerechtheit 104 – verbesserte Partizipation 20, 29, 125, 126, 127 „E-lection“ Siehe E-Democracy, Begriffe e-Recht 23 E-Voting Siehe E-Democracy elektronische Akte – Aktenführung 148, 156, 166, 265, 352, 353, 356 – Archivierung 108, 354, 355 – Datenschutz 358 – Einsichtnahme 353 – gerichtliche Kontrolle 354 – Nachteile 106 – Vorteile 105 elektronische Ämter 28 elektronische Dokumente – notwendige Sicherungsmechanismen 51 – Vorteile 38 elektronische Dokumente, Nachteile – erschwerte Kontrolle 40, 190 – erschwerte Perpetuierung 40, 46, 47, 48, 189, 354 – erschwertes Löschen 40 – fehlende Verkörperung 39 – fehlende Vertraulichkeit 42, 63 – geringere Beweiseignung 51, 62, 190 – geringere Seriosität 49, 50, 51, 64, 191 – geringeres Vertrauen 48, 63

402

Register

– gesteigerte Technikabhängigkeit 44, 64, 190 – hohe Manipulierbarkeit 40, 62 – Inkompatibilitäten 65 – Interoperabilität 65 – Intransparenz 42, 63 – Manipulationsrisiko 42 – Präsentationsproblem 43, 62, 193 – uneinheitliche Kodierung 43 – unsichere Authentizität und Integrität 41, 62 elektronische Form – Begriff 201, 216, 217 – qualifizierte elektronische Form Siehe qualifizierte elektronische Form elektronische Signatur – akkreditierte elektronische Signatur 220, 250, 298, 300, 314, 317 – Alternativen 52, 194 – asymmetrische Kryptographie 53 – Begriff 71 – Behördenzertifikate Siehe behördliche Zertifizierungsinfrastruktur – „elektronische Unterschrift“ 67, 71 – Entwicklung 53, 73 – erforderliche Sicherungsinfrastruktur (PKI) 54, 55 – europäische Förderung 26 – Fälschungsrisiken 59, 60, 197 – Hybridverfahren 54 – PIN 61 – Praxis 56 – Problem des Schlüsseltauschs 53, 54 – public key, secret key 53 – RSA 59, 66 – sichere Verfahren 59 – symmetrische Kryptographie 53 – Überprüfen 57 – Übersignierung 59, 197, 300, 342, 356 – Verbreitung: Enttäuschung 33, 38, 75 – Verbreitung: Gründe 77 – Verbreitung: Hoffnungen 73, 74

– Verbreitung: Hoffnungsträger E-Government 35, 78, 79, 103 – Verbreitung: ratlose Literatur 76 – Zertifikate 54 – Zertifizierungsdienste 55, 297 – Zugangssicherung 112 – zusätzliche Anforderungen 70, 71, 224, 249, 250, 251 elektronische Steuererklärung ELSTER 30, 96, 143 elektronische Vergabe 30, 123, 345, 346, 347, 348 elektronischer Antrag 122 elektronischer Ausweis 350, 351 elektronischer Verwaltungsakt – automatisiert erlassener Verwaltungsakt 334, 335, 336 – Beglaubigung 339, 340, 341, 342, 343 – Begriff 290 – Begründung 331 – Behördenname 292, 293 – Bestätigung 330 – dauerhafte Überprüfbarkeit: Dauer 294 – dauerhafte Überprüfbarkeit: Perpetuierung 295 – dauerhafte Überprüfbarkeit: Signaturprüfung 296, 298 – dauerhafte Überprüfbarkeit: Zertifikatsprüfung 220, 297 – Einschluss des Zertifikats 293 – elektronische Form 290 – qualifizierte elektronische Form Siehe qualifizierte elektronische Form – Rechtsbehelfsbelehrung 291, 332 – Transaktion ohne Medienbruch 122 – Verfahrensermessen 336 – Zulässigkeit 291 elektronisches Format 218 elektronisches Grundbuch 66 Faxkennung 41 Formgesetz 70, 198 Funktionen der Schriftform 181

Register – Abschlussfunktion 167, 182, 188, 192 – Beweisfunktion 167, 183, 184, 190, 195, 212, 337 – Echtheitsfunktion 182, 188, 193 – Garantiefunktion 167 – Gültigkeitsfunktion 182 – Identitätsfunktion 182, 188, 192 – im öffentlichen Recht 183 – Integritätsfunktion 187, 191, 193 – Kontrollfunktion 184, 191, 195, 337 – Paradox der Gleichstellung 211 – Perpetuierungsfunktion 167, 184, 189, 197, 212, 337 – Seriositätsfunktion 48, 167, 185, 187, 191, 197, 211, 273, 337 – Traditionsfunktion 185 – Transportfunktion 185, 191, 195, 337 – unterschriebene Urkunde 187 – Unterschrift 182 – Urkunde 184, 337 – Verifikationsfunktion 183 – Warnfunktion 167, 182, 186, 188, 195 Funktionsäquivalenz – Begriff 188 – signierte Dokumente 192 – ungesicherte elektronische Dokumente 188, 192 Gewährleistungsverantwortung 91 Governance 23 Helpdesk-Lösungen 97 Hierarchie 89, 111, 122, 309, 314 Identifizierung des Signaturschlüssel-Inhabers 348, 351 „Info 2000“ 28 informationelle Gewaltenteilung 90 Informationsfreiheitsgesetze IFG 118, 119 Informationsgesellschaft 17, 26, 28, 29 Informationsverbund Berlin-Bonn (IVBB) 30

403

Insel-Applikation 141 Internet – Einsatzmöglichkeiten 105 – und Verwaltungsmodernisierung 88 – Vorteile 17, 81 Interoperabilität – Dateiformate 283 – Rechtspolitisches 245 – Rügeobliegenheit 261, 289 – Rügepflicht 286, 287 – Signaturverfahren 249, 283, 302 – und Zugang 284 Kfz-Verwaltung 96 Kostensenkung Siehe E-GovernmentZiele, Kostensenkung Kryptographie – Europäische Förderung 26 – Kryptokontroverse 72 – notwendige Verschlüsselung 72, 280 – Verbot 73 – Zulässigkeit 72 Lebenslage 89, 91, 123, 143 MEDIA@Komm – Begleitforschung 34 – Städtewettbewerb 30, 33, 35 Medien-Enquête 35 Meldewesen 96 Mischverwaltung 323 Mittler 142 Moderner Staat – Moderne Verwaltung 31 Moore’s Gesetz 47 Multimedia 28 Multimedia-Enquête 28 Name, Begriff in §§ 7, 14 SigG 349, 350 New Economy 17 New Public Management – Konzept 85, 86 – Kritik 87

404

Register

– und E-Government 17, 87, 88, 123 Niederschrift 162 Öffentlich-rechtlicher Vertrag Siehe Schriftform, öffentlich-rechtlicher Vertrag Öffentliche Bekanntgabe 275, 276, 277, 278 One Stop Government 30, 90, 123 Online-Formulare 122 Online-Wahl Siehe E-Democracy § 87 a Abs. 1 Satz 2 AO 262 § 130 a Abs. 2 ZPO 263 Partikularisierung des elektronischen Rechtsverkehrs 245 PGP 54, 60, 61, 219, 280 Portale 24, 30, 84, 89, 90 Prozessrecht 362, 363 Pseudonyme – „die die Identifizierung ihres Verwenders ermöglichen“ 225 – als Behördenzertifikate 227, 229, 232 – anonymes Handeln 225 – Entwürfe zum 3. VwVfÄndG 201 – fehlende Rechtssicherheit 235 – Identifizierung des Inhabers gem. § 14 SigG 226, 349 – qualifizierte elektronische Form 215 – und Attributzertifikate 227 – unnötiges Verbot 225, 233, 234 Public-Key-Infrastrukur (PKI) Siehe elektronische Signatur, Sicherungsinfrastruktur (PKI) qualifizierte elektronische Form – Begriff 218 – Einschluss des Zertifikats 223 – pseudonymes Handeln Siehe Pseudonyme – qualifizierte elektronische Signatur 219, 221, 222 Quantenkrpytographie Siehe elektronische Signatur, Alternativen

Registration Authorities (RA) Siehe elektronische Signatur, Zertifizierungsdienste Rügeobliegenheit Siehe Interoperabilität, Rügeobliegenheit Schriftform – 3. VwVfÄndG 210 – Antrag 154, 156, 162 – Anzeigen 155 – automatisiert erlassener Verwaltungsakt 170 – Begriff 148, 214 – diverse Begriffe 145 – eigenständige Bestimmung 153 – Formulare 156 – Gleichstellung elektronischer Dokumente 210 – grundsätzliche Formfreiheit 144 – im Prozessrecht 158 – öffentlich-rechtlicher Vertrag 173, 174, 175, 343, 344 – § 126 BGB 149, 198 – § 126 BGB und öffentliches Recht 150, 199 – Prozessrecht 176 – Unterschrift 150, 156, 164, 169, 171, 177, 179 – unzählige Formvorschriften 145 – Urkunde 149, 156, 159, 162, 168, 175, 181, 215 – verändertes Sprachverständnis 161 – Verwaltungsakt 165, 166 – Widerspruch 158, 176, 359 – zugesprochenes Telegramm 162 – Zusicherung 172 Signatur-Erprobungsgesetze 34 Signaturgesetz – Entstehung 33, 66, 67, 74 – Evaluierung 69 – Inkrafttreten 68 – SigG 2001 70 Signaturrichtlinie – Diskriminierungsverbot 70, 251

Register – Gesetzgebung 26 – Inhalt 69 – Transparenzgebot 70, 251 – Umsetzung 70 – und E-Government 26 Signtrust Status 272 Spam 42, 268 Speichermedien – Evolution 47 – Haltbarkeit 47 Stadtinformationssysteme 115 technisches Format 218 Telefax 41, 159, 160, 171, 179, 189, 190, 265, 270 Telegramm 157, 159, 162, 171, 177, 179, 189, 190 Textform 198, 219 Transaktionen Siehe E-Government, Transaktion Trusted Third Party Siehe elektronische Signatur, Zertifizierungsdienste Urkunde Siehe Schriftform, Urkunde Verfahrensermessen Siehe elektronischer Verwaltungsakt, Verfahrensermessen Vergabe Siehe elektronische Vergabe Verschlüsselung Siehe Kryptographie Verwaltungsakt Siehe elektronischer Verwaltungsakt; Schriftform, Verwaltungsakt Verwaltungshelfer 310, 312 Verwaltungsmodernisierung 18, 28, 32, 37 Verwaltungsrechtsverhältnis 155, 287 Verwaltungsvertrag 173 virtuelle Verwaltung 23, 145 virtuelles Rathaus Siehe digitales Rathaus vorverlagerte Verwaltung 23, 145

405

Widerspruchsverfahren – als Vorverfahren 359 – und elektronische Medien 360, 361 Zeitstempel 55, 62 Zertifikate juristischer Personen 229, 230, 232, 318 Zertifikatsrückrufliste Siehe elektronische Signatur, Zertifizierungsdienste Zugang – (elektronische) Zustellung 147, 172, 269, 270, 271, 272, 273, 274 – Angabe der Datenformate 242, 243, 244 – Begriff 237 – Beweisrecht 264, 267 – 3-Tages-Fiktion 256, 263, 265, 266 – DSN und MDN 267 – elektronischer Nachrichten 237 – fremdsprachiger Erklärungen 258, 259, 262 – inkompatibler Dokumente 257, 260, 284 – Machtbereich 253 – Möglichkeit der Kenntnisnahme 253, 254, 255, 256 – signierter Dokumente 243, 244, 249 – Verkehrsanschauung 240, 242 – verschlüsselter Nachrichten 280 – Viren 243 – Widmung 241 – Zeitpunkt 252 – Zugangseröffnung 160, 238, 260, 289, 291, 329, 330 – Zugangseröffnung und Europarecht 248, 249 – Zugangseröffnung, fehlende 246, 247 Zustellung Siehe Zugang, (elektronische) Zustellung