117 85 20MB
German Pages 195 [196] Year 1979
JOSEF JURINA
Das Dienst- und Arbeitsrecht im Bereich der Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland
Staatskirchenrechtliche Abhandlungen Herausgegeben von Ernst Friesenhahn • Alexander Hollerbach . Josef Isensee Joseph Listl . Hans Maier· Paul Mikat . Klaus Mörsdorf • Ulrich Scheuner
Band lO
Das Dienst- und Arbeitsrecht im Bereich der Kirchen in der Bundesrepublik Deutschland
Von
J osef J urina
DUNCKER & HUMBLOT I
BERLIN
Schriftleitung der Reihe "Staatskirchenrechtliche Abhandlungen": Prof. Dr. Joseph Listl, Lennestraße 25, D-5300 Bonn 1
Alle Rechte vorbehalten
@ 1979 Duncker & Hurnblot, Berlin
n
Gedruckt 1979 bel Buchdruckerei Rlchard Schröter, Berlln 61 Prlnted In Gerrnany ISBN 3 428 04373 1
Vorwort Die nachfolgende Schrift unternimmt den Versuch, die staatskirchenrechtlichen Probleme des kirchlichen Dienstrechts systematisch darzustellen. Als Anschauungsmaterial wurde in erster Linie das Dienstrecht der katholischen Kirche gewählt. Das kirchliche Dienstrecht bildet nicht unmittelbar den Gegenstand der Untersuchung. Im Vordergrund steht vielmehr eine Skizze der verfassungsrechtlichen Fragestellungen. Den Herausgebern und Herrn Prof. Dr. Broermann gilt mein Dank für die Aufnahme der Schrift in die Reihe "Staatskirchenrechtliche Abhandlungen" . Ein besonderes Wort des Dankes für vielfältige Unterstützung schulde ich dem Direktor des Instituts für Staatskirchenrecht der Diözesen Deutschlands, Herrn Professor Dr. Listl. Freiburg im Breisgau, im Oktober 1978 Joset Jurina
Inhaltsverzeichnis Einleitung: Das kirchliche Dienstrecht im Schnittpunkt der kirchlichen und staatlichen Rechtsordnung ............................ . . . . . . . . . .. 1. Kapitel: Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen als Grundlage des
eigenen kirchlichen Dienstrechts .....................................
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2. Kapitel: Das kirchliche Dienstrecht als eigene Angelegenheit der Kirchen ............................................................ 20 3. Kapitel: Kirchliches Selbstbestimmungsrecht und kirchlicher Dienst: Allgemeine Fragen .................................................. 30 4. Kapitel: Die Ordnung der kirchlichen Dienste der katholischen Kirche im einzelnen ........................................................ 44 1. Abschnitt: Das Dienstrecht der geistlichen Amtsträger ............
44
2. Abschnitt: Der Dienst der Laien in der katholischen Kirche ........
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3. Abschnitt: Öffentlich-rechtliches Dienstrecht in der katholischen Kirche ............................................................ 64 4. Abschnitt: Die Ordnung der privatrechtlichen Dienstverhältnisse der katholischen Kirche ............................................... 66 5. Abschnitt: Dienstverhältnisse mit besonderer kirchlicher Bevollmächtigung (missio canonica) ...................................... 89 5. Kapitel: Die Grenzen selbständiger Gestaltung des kirchlichen Dienstrechts . .. .. .. ...... ........ .. ...... .... ...... .. . .... .. ...... ... . . .. 91 1. Abschnitt: Die Arten der Schranken kirchlicher Selbstbestimmung..
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2. Abschnitt: Verfassungsrechtliche Schranken kirchlicher Selbstbestimmung bei der Gestaltung des kirchlichen Dienstrechts .......... I. Dienstrecht der Geistlichen .................................... H. Kirchliche Beamtenverhältnisse ................................ HI. Privatrechtliche Dienstverhältnisse der Kirche ..................
101 101 106 110
3. Abschnitt: Kirchliches Dienstrecht und die Schranken des für alle geltenden Gesetzes ................................................ 123 I. Die Schranken des für alle geltenden Gesetzes im Dienstrecht der Geistlichen .................................................... 123 H. Die Schranken des für alle geltenden Gesetzes im kirchlichen Beamtenrecht ................................................. 124 IH. Die Schranken des für alle geltenden Gesetzes und die privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse der Kirche ..................... 125
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Inhaltsverzeichnis
6. Kapitel: Das Recht der kirchlichen Mitarbeitervertretungen .......... 151 7. Kapitel: Gerichtlicher Rechtsschutz für Angehörige des kirchlichen Dienstes ............................................................ 167 Zusammenfassung und Schluß ........................................ 180 Literaturverzeichnis ................................................... 187 Entscheidungsregister ................................................. 191 Sachregister
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Abkürzungsverzeichnis AAS
Anm. AP ArbGG ArbPlSchG Art. Auft. AVG AZO BAG BAGE BBiG Bd. BetrVG BGB BGH BGHZ BRRG BVerfGE BVerwGE c. CIC DÖV
DVBl. EKD FamRZ GG HdbStKirchR JZ KAVO KirchE KNA KSchG LAG MAVO m.w.N. NJW OVG ÖTV Rdn. TVG VVdStRL VwGO WRV ZevKR ZPO
Acta Apostolicae Sedis Anmerkung Arbeitsgerichtliche Praxis Arbeitsgerichtsgesetz Arbei tspla tzschu tzgesetz Artikel = Auflage Angestelltenversicherungsgesetz Arbeitszeitordnung Bundesarbeitsgerich t Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts Berufsbildungsgesetz Band Betriebsverfassungsgesetz Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Beamtenrechtsrahmengesetz Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts canon Codex Iuris Canonici Die öffentliche Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Evangelische Kirche in Deutschland Zeitschrift für das gesamte Familienrecht Grundgesetz Handbuch des Staatskirchenrechts Juristenzeitung Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung Entscheidungen in Kirchensachen Katholische Nachrichtenagentur Kündigungsschutzgesetz Landesarbeitsgericht Mitarbeitervertretungsordnung mit weiteren Nachweisen Neue Juristische Wochenschrift Oberverwaltungsgericht = Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr Randnummer Tarifvertragsgesetz Veröffentlichungen der Vereinigung Deutscher Staatsrechtslehrer Verwaltungsgerichtsordnung Weimarer Reichsverfassung Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht Zivilprozeßordnung
Einleitung
Das kirchliche Dienstrecht im Schnittpunkt der kirchlichen und staatlichen Rechtsordnung 1. In neueren Beiträgen zum Verhältnis von Staat und Kirche wird darauf aufmerksam gemacht, daß die aktuellen Probleme des geltenden Staatskirchenrechts aus einer immer wieder zu Tage tretenden Grundkonstellation der Beziehungen von Staat und Kirche entstehen: aus dem Zusammentreffen kirchlichen und staatlichen Wirkens, kirchlicher und staatlicher Zuständigkeit und Verantwortung an denselben sozialen und kulturellen Sachkomplexen, für dieselben Menschen!. Es handelt sich hierbei um eine Grundgegebenheit einer staatlichen Rechtsordnung, die sich selbst als säkular versteht, die als freiheitliche Rechtsordnung die religiösen Phänomene aber dennoch nicht unterdrückt oder als irrelevant ignoriert. Will diese Rechtsordnung - konkret: die Verfassungsordnung der Bundesrepublik Deutschland - die Freiheit des "idem civis et christianus" , so ist sie darauf verwiesen, einen sachgerechten Ausgleich zu suchen, der dem Staat und seiner Rechtsordnung deren spezifische Verantwortung läßt, aber gleichzeitig berücksichtigt, daß kirchliches Wirken in der Welt geschieht, also um der besonderen Verantwortung des Staates für die Freiheit seiner Bürger willen eines auch durch den Staat geschützten Raumes der Freiheit bedarf.
Unter den zahlreichen Beispielen für dieses "Grundmodell" staatlichkirchlicher Rechtsbeziehungen steht auch das kirchliche Amtsrechtl!. In der Tat ist das Recht der kirchlichen Amtsträger und - so sei sogleich hinzugefügt - das gesamte kirchliche Dienstrecht ein besonders augenfälliges Exempel für die gegenseitige Abhängigkeit, ja Verklammerung kirchlichen und staatlichen Rechts: Auf der einen Seite steht die verfassungsrechtlich geschützte Befugnis der Kirchen, im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts kirchliche Dienste zu definieren, sie rechtlich auszugestalten und in sie zu berufen, auf der anderen Seite die Aufgabe der staatlichen Rechtsordnung, auch dem einzelnen 1 M. Hecket, Rezension von Hermann Weber: Grundprobleme des Staatskirchenrechts, Bad Homburg v. d. H.-BerUn-Zürich 1970, in: ZevKR Bd.20 (1975), S. 326 - 335, S. 334 m. w. N. 2 Ebd., S. 334.
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Einleitung
Dienstnehmer der Kirche jenen rechtlichen Grundstandard zu sichern, für den der soziale Rechtsstaat des Grundgesetzes von Verfassungs wegen Verantwortung trägt. Kirchliches Dienstrecht und staatliches Arbeits- und Sozialrecht in seiner Geltung für die Kirchen müssen also die jeweilige Begrenzung der eigenen Regelungsvollmacht durch die Kompetenzen der "anderen Seite" sehen: Den Kirchen ist aufgegeben, bei der Ausübung ihres Selbstbestimmungsrechts nicht außer acht zu lassen, daß die prinzipielle Freiheit zur eigenverantwortlichen Gestaltung des kirchlichen Rechts in einen bestimmten Rahmen des staatlichen Rechts und einen bestimmten, historisch vorgegebenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Zusammenhang eingebunden ist, so daß der rechte Gebrauch der kirchlichen Freiheit verfehlt werden müßte, nähme die Kirche auf diese Vorgegebenheiten keine Rücksicht. Aber auch der Staat darf nicht in undifferenzierter Weise sein Arbeits- und Sozialrecht, seine gesellschaftspolitischen Grundsätze auf kirchliche Dienstverhältnisse erstrecken. Er ist vielmehr von Verfassungs wegen gehalten, die Anwendbarkeit der staatlichen Rechtssätze auf kirchliche Dienstverhältnisse unter dem Gesichtspunkt der übereinstimmung mit den Freiheitsverbürgungen zugunsten der Kirchen zu prüfen, und wo nötig, nach besonderen, die Eigenarten der Kirchen berücksichtigenden rechtlichen Lösungen zu suchen. Insbesondere hat er aber den Grundsatz der Verfassung zu achten, der die Ordnung der kirchlichen Dienste als eine "eigene Angelegenheit" primär den Kirchen zuweist und somit die staatlichen Kompetenzen in die zweite Reihe rückt. H. Der somit zu suchende Ausgleich des kirchlichen und des staatlichen Ordnungsauftrags3 wirft zahlreiche Einzelfragen auf, die oft in zentrale verfassungsrechtliche Problemstellungen hineinführen. Die staatskirchenrechtliche Literatur und die Rechtsprechung gerade auch der letzten Jahre legen hiervon ein beredtes Zeugnis ab. Hierzu einige Hinweise: 1. Stark umstritten sind gegenwärtig jene Fragestellungen, die in der älteren Literatur meist unter dem Stichwort einer besonderen "Tendenzbindung" des kirchlichen Dienstes behandelt wurden, für die die neuere Literatur aber herausgearbeitet hat, daß hierbei nicht der "Tendenzschutz" zugunsten eines "Tendenzbetriebes" , sondern die Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts in Frage steht. Zu diesen Fragen liegen einige höchst problematische, ja verfassungs3 Vgl. hierzu etwa A. HoUerbach, Die Kirchen unter dem Grundgesetz, in: VVdStRL Heft 26 (1968), S. 57 - 101, S.62.
Einleitung
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rechtlich falsche Gerichtsentscheidungen vor, die der rechtswissenschaftlichen Aufarbeitung und der höchstrichterlichen Korrektur bedürfen4 • 2. Von großer Aktualität ist auch die Frage nach der Geltung des kollektiven Arbeitsrechts für den kirchlichen Dienst, die zunehmend in den Mittelpunkt nicht nur des politischen, sondern auch des rechtlichen Interesses gerät. Konkret steht die Frage zur Debatte, ob kirchlicher Dienst durch Tarifverträge geordnet werden kann und soll, ob die Kirchen einen verfassungsrechtlich geschützten Freiraum zur eigenen Regelung der betrieblichen Mitbestimmung besitzen und wie weit dieser reicht. Schließlich stellt sich das Problem der Zulässigkeit gewerkschaftlichen Wirkens innerhalb der Kirche5 •
3. Einen der "letzten weißen Flecken auf der Landkarte des Staatskirchenrechts" bildet, wie Hermann Weber6 hervorgehoben hat, die Frage nach der Grundrechtsbindung der Kirche, der verschiedene Abhandlungen nachgegangen sind 7• Dabei entstehen die praktisch wichtigsten Anwendungsfälle der allgemeinen Fragestellung innerhalb des kirchlichen Dienstrechts. Auf einige Beispiele sei besonders hingewiesen: - Eines betrifft die Frage nach dem zulässigen Umfang politischer Betätigung von kirchlichen Amtsträgern, vor allem von Geistlichens. Zur Begründung einer gegenüber kirchlichen Dienstnehmern ausgesprochenen Kündigung wurden verschiedentlich Verstöße gegen das Eherecht der katholischen Kirche herangezogen, gegen dessen Relevanz innerhalb kirchlicher Arbeitsverhältnisse Art. 6 GG ins Feld geführt wird9 • - Schließlich ist die Grundrechtsproblematik auch für die Geltung des kollektiven Arbeitsrechts bezüglich des kirchlichen Dienstes einschlägig, insoweit nämlich, als das kollektive Arbeitsrecht auf Art. 9 Abs.3 GG beruht10 • 4. Umstritten ist nach wie vor die Frage, in welchem Umfang staatliche Gerichte gegenüber kirchlichen Rechtshandlungen Rechtsschutz gewähren können. Auch hier stammen die wichtigsten Anwendungsfälle aus dienstrechtlichen Streitigkeitenl1 • Vgl. dazu unten S. 111 ff., 133 ff. Vgl. dazu unten S. 71 ff., 111 ff. o H. Weber, Die Grundrechtsbindung der Kirchen, in: ZevKR Bd.17 (1972), S. 386 - 419, S. 386. 7 Vgl. Nachweise unten S. 95 ff. S Vgl. unten S. 102 ff. 9 Vgl. unten S. 133. 10 Vgl. unten S. 81 ff. 11 Vgl. unten S. 167 ff. 4
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Einleitung
5. Zunächst mehr politische, gleichwohl ins Zentrum staatskirchenrechtlicher Probleme hineinführende Fragen sind schließlich in jenen Fällen in den Blick gekommen, in denen einem katholischen Theologieprofessor die kirchliche Lehrbeauftragung entzogen wurde bzw. dieser auf die Lehrbeauftragung verzichtete 1:? Die hiermit aufgeworfenen Fragestellungen betreffen in ihrer grundsätzlichen Seite keineswegs nur das Problem der Theologie an staatlichen Universitäten13, sondern alle sogenannten "konfessionellen Staatsämter"14, Dienstverhältnisse also, deren Bestand nach staatlichem Recht an eine kirchlich-eigenständigen Regelungen folgende, besondere kirchliche Bevollmächtigung zur Ausübung eben jenes in einem staatlichen Dienstverhältnis geleisteten Dienstes geknüpft ist. In der hier gegebenen Verschränkung von staatlicher und kirchlicher Zuständigkeit für ein und dasselbe Dienstverhältnis wird die Spannungslage staatlicher und kirchlicher Rechtsgrundsätze besonders deutlich.
IU. Alle diese skizzierten Fragestellungen stellen bei staatskirchenrechtlicher Betrachtungsweise in erster Linie Fragen bezüglich der Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts gem. Art. 137 Abs.3 WRV sowie des Grundrechts der Religionsfreiheit in seiner Geltung für die Kirchen dar 15. Sie zeigen zugleich, daß, so sehr heute grundsätzlich Einigkeit hinsichtlich der Auslegung von Art. 137 Abs.3 WRV und Art. 4 GG besteht, viele Fragen der praktischen Anwendung dieser "leges regiae"16 des deutschen Staatskirchenrechts nach wie vor offen sind. 12 Ein Entzug der mlSSlO canonica erfolgte gegenüber Prof. Dr. Horst Herrmann, Münster, vgl. zum Sachverhalt Süddeutsche Zeitung vom 2./ 3. August 1975, S.8. Ein freiwilliger Verzicht auf die missio canonica wurde durch Prof. Dr. Johannes Neumann, Tübingen, ausgesprochen, vgl. KNAInformationsdienst XXV. Jg. (1977), Nr.46, S.12. Prof. Herrmann hat wegen des Entzugs der Lehrbeauftragung ein Lehrbeanstandungsverfahren beantragt, das mit einer Bestätigung der Entscheidung des Bischofs von Münster endete. Hiergegen will Prof. Herrmann den innerkirchlichen Rechtsweg beschreiten, vgl. KNA-Informationsdienst XXVI. Jg. (1978), Nr. I, S.4. 13 Vgl. hierzu E.-L. SoIte, Theologie an der Universität, München 1971 und W. Weber, Theologische Fakultäten, staatliche Pädagogische und Philosophisch-Theologische Hochschulen, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. H Berlin 1975, S. 569 - 596. 14 Zur Rechtslage an den Universitäten vgl. W. Weber, in: HdbStKirchR H, S. 575 H.; bezüglich des Religionsunterrichts vgl. unten S. 89 f. 15 Dieser Rückbezug der dienst- und arbeitsrechtlichen Fragestellungen auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht ist vor allem von Th. Mayer-Maly herausgearbeitet worden, vgl. z. B. Th. Mayer-Maly, Die arbeitsrechtliche Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts, Beilage 3/1977 zu Betriebsberater, Heft 24/1977. 16 Ausdruck von M. HeckeI, Zur Entwicklung des deutschen Staatskirchenrechts von der Reformation bis zur Schwelle der Weimarer Verfassung, in: ZevKR Bd. 12 (1966/67), S. 34 f.
Einleitung
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Zu wesentlichen Teilen liegt das an der Struktur dieser Vorschriften selbst. Art. 137 Abs. 3 WRV garantiert bekanntlich nicht nur die freie Betätigung der Kirchen in ihrem internen Bereich, sondern bindet diese Freiheit zugleich an Schranken des staatlichen Rechts - an die Schranken des "für alle geltenden Gesetzes" -, so daß der reale Umfang des Selbstbestimmungsrechts erst im Wege der Zusammenführung dieser beiden Grundsatzaussagen im konkreten Fall bestimmt werden kann17. Das bedeutet, daß die Auslegung von Art. 137 Abs. 3 WRV im Grunde nie am Ende ist, sondern im Blick auf je neu entstehende Fallgestaltungen jeweils erneut geprüft werden muß, ob die bisher gewonnenen Ergebnisse kritischer Betrachtung auch im neuen Kontext standhalten. Ähnliches gilt für Art. 4 GG. Zwar gehört es zu den Besonderheiten dieser Vorschrift, daß sie durch keinen ausdrücklichen Gesetzesvorbehalt eingeschränkt ist. Dies bedeutet aber nicht ihre schrankenlose Geltung. Vielmehr sind - auf der Ebene der Verfassung - auch ihre immanenten Grenzen zu bestimmen, wenn konkrete Folgerungen aus der Garantie der Religionsfreiheit zur Debatte stehen18 • Die folgenden Ausführungen haben das Ziel, überblicksweise eine Darstellung kirchlicher Freiheit und Bindung bezüglich des Dienstrechts der Kirchen zu geben, also zu prüfen, welche Befugnisse den Kirchen für ihr Dienstrecht kraft des in Art. 137 Abs.3 WRV garantierten Selbstbestimmungsrechts sowie im Rahmen des durch Art. 4 GG gegebenen Grundrechtsschutzes zukommen. IV. Eine solche Untersuchung stellt kein neues Unterfangen dar 19 • Auch der Verfasser hat sich schon an dieser Thematik versucht20 • Die Rechtfertigung einer erneuten Darstellung liegt aber in der Tatsache, daß die meisten literarischen Äußerungen zu unserem Thema auf dem 17 Vgl. hierzu etwa K. Hesse, Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, Berlin 1974, S. 409 - 444, bes. S.42l. 18 Vgl. hierzu J. Listl, Glaubens-, Gewissens-, Bekenntnis- und Kirchenfreiheit, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, Berlin 1974, S. 363 - 406, bes. S.393. 19 Vgl. insbesondere die grundlegende Abhandlung von J. Frank, Di;und Arbeitsrecht, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, Berlin 1974, S. 669 - 725 sowie ders., Grundsätze des Dienst- und Arbeitsrechts der evangelischen Kirche, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche Bd.l0, Münster 1976, S. 9 - 33; R. Richardi, Kirchlicher Dienst und Arbeitsrecht, in: ZevKR Bd.19 (1974), S. 275 - 308; Th. Mayer-Maly, Die arbeitsrechtliche Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts (vgl. oben Anm.15). 20 J. Jurina, Dienst- und Arbeitsrecht in der katholischen Kirche, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche Bd. 10, Münster 1976, S.57 bis 94 und ders., Der Rechtsstatus der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Bereich ihrer eigenen Angelegenheiten, Berlin 1972, S. 122 - 130.
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Einleitung
Hintergrund und an Hand von Beispielen vorzugsweise des evangelischen Dienstrechts geschrieben wurden. Demgegenüber soll das praktische Anschauungsmaterial dieser Untersuchung in erster Linie dem Dienstrecht der katholischen Kirche entnommen werden. Natürlich bedeutet das nicht, daß somit eine "katholische" Auslegung des Art. 137 Abs.3 WRV bzw. des Art. 4 GG versucht wird. Diese Vorschriften sind staatliches Verfassungsrecht und können nur als solches, als Recht eines säkularen, weltanschaulich-religiös neutralen Staates richtig gedeutet und angewendet werden. Wie aber Martin Heckel in den eingangs zitierten Äußerungen zu Recht bemerkt hat, schließt das Prinzip der einheitlichen säkularen Interpretation der staatskirchenrechtlichen Normen die Berücksichtigung des theologischen Selbstverständnisses der Religionsgemeinschaften nicht aus, sondern gerade ein!1. Anders gesagt: Da das Selbstbestimmungsrecht und seine Schranken erst in der jeweiligen Fallgestaltung konkretes Recht werden, kann die Auslegung von Art. 137 Abs. 3 WRV und von Art. 4 GG ohne Prüfung konkreter Beispiele nicht gelingen. Diese sind aber, wenn das kirchliche Dienstrecht zur Debatte steht, angesichts dessen starker konfessioneller Prägung nur dem Dienstrecht einer bestimmten Religionsgemeinschaft zu entnehmen. Es geht im folgenden also nicht darum, unterschiedliches Verfassungsrecht zu entwickeln, sondern aus den einheitlichen Grundaussagen der Verfassung jene Folgerungen zu ziehen, die den konkreten Gegebenheiten der jeweiligen Religionsgemeinschaft gerecht werden. Dies soll hier in erster Linie für das Dienstrecht der katholischen Kirche geschehen. Die folgenden überlegungen werden dabei versuchen, allgemeine und speziell auf die katholische Kirche bezogene Aussagen auseinanderzuhalten. Dies wird vorzugsweise dadurch geschehen, daß im Rahmen allgemeiner Aussagen von den Kirchen in der Mehrzahl, bei die katholische Kirche meinenden Ausführungen entweder ausdrücklich von dieser Kirche oder von der Kirche in der Einzahl die Rede sein wird. Selbstverständlich wird diese Unterscheidung jedoch nicht immer besagen, eine spezielle Aussage sei nur auf die katholische Kirche anwendbar. Mancher mit Bezug auf katholisches Kirchenrecht formulierte Satz bedürfte jedoch vor Übertragung auf ein anderes Kirchentum der Gegenprüfung. Diese Aufgabe kann hier nicht geleistet werden.
21 M. Hecket, Rezension von Hermann Weber, S.332.
Erstes Kapitel
Das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen als Grundlage des eigenen kirchlichen Dienstrechts Basis des Staatskirchenrechts des Grundgesetzes ist der Status grundsätzlicher Freiheit der Kirchen und Religionsgemeinschaften, der in den staatskirchenrechtlichen Grundnormen der Art. 4 GG, Art.137 Abs.l WRV und Art. 137 Abs.3 WRV von der geltenden Verfassung unumstößlich fixiert ist. Diese Normen garantieren auch den Kirchen und Religionsgemeinschaften volle Religionsfreiheit. Sie verbürgen darüber hinaus die institutionelle und rechtliche Unabhängigkeit der Kirchen von und im religiös und konfessionell neutralen Staat, das mit einer Formulierung von Alexander Hollerbach - "freie Religionsbzw. Kirchenwesen"l. Näher umrissen bedeutet dies: Kraft der Geltung des Grundrechts der Religionsfreiheit auch für die Kirchen selbst sind sie verfassungsrechtlich geschützt in der Definition ihrer Lehre, in den daraus zu ziehenden Folgerungen für die Gestalt ihrer Verfassung und in der Gestaltung kirchlichen Lebens, der Religionsausübung im engeren Sinne. Für diese "eigenen" kirchlichen Angelegenheiten genießen sie aber nicht nur den Schutz des Art. 4 GG. Um der Religionsfreiheit der Kirchen willen anerkennt vielmehr der Staat auch die Unabhängigkeit und Unverfügbarkeit der Institution Kirche, indem er ihr die Freiheit verbürgt, die "eigenen Angelegenheiten" - so formuliert es Art. 137 Abs.3 WRV - "selbständig zu ordnen und zu verwalten". Hiernach hat die Kirche also insbesondere das Recht, die eigenen Angelegenheiten einer von ihr nach eigenen Prinzipien gestalteten kirchenrechtlichen Ordnung zu unterstellen, selbständig für die eigenen Angelegenheiten kirchliches Recht zu setzen, das der Staat als auch für ihn relevante Ordnung anerkennt2 • 1 A. Hollerbach, Verfassungsrechtliche Grundlagen des Staatskirchenrechts, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, Berlin 1974, S. 215 - 265, S.252; ferner ders, Die Kirchen unter dem Grundgesetz, in: VVdStRL Heft 26 (1968), S. 60. 2 Vgl. statt aller K. Hesse, Selbstbestimmungsrecht, in: HdbStKirchR I, S.422 m. w. N.
2 Jurina
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1. Kap.: Kirchliches Selbstbestimmungsrecht Diese eigene kirchliche Rechtsetzung geschieht in zweierlei Weise 3 :
Soweit sich das kirchliche Recht auf den geistlichen Kernbereich der eigenen Angelegenheiten bezieht, handelt es sich unter den Prinzipien des Art. 137 Abs. 3 WRV um eigenständiges Kirchenrecht, um Recht also, das von der staatlichen Rechtsordnung als eigener Rechtskreis, nicht als Teil des staatlichen Rechts betrachtet wird. Prototyp solcher Regelungen ist etwa das Sakramentsrecht der katholischen Kirche. Aber auch diejenigen eigenen Angelegenheiten, die nicht Teil des geistlichen Kernbereiches kirchlichen Lebens sind, können von der Kirche gem. Art. 137 Abs.3 WRV selbständig geordnet werden. Aus verfassungsrechtlicher Sicht handelt es sich hierbei freilich nicht um eigenständiges, außer halb des staatlichen Rechtskreises stehendes Recht. Vielmehr agieren die Kirchen hier kraft ihrer Stellung als Rechtssubjekte des staatlichen Rechts, genauer: als Körperschaft des öffentlichen Rechts. Sie setzen also dem staatlichen Rechtskreis zugehöriges Recht, dessen Inhalte sie aber ebenfalls grundsätzlich selbständig bestimmen können. Es handelt sich also insoweit um autonomes, nicht eigenständiges Recht, was aber mehr eine Frage der rechtssystematischen Einordnung ist und nichts daran ändert, daß die Kirchen auch hier nicht gezwungen sind, Recht vom Staat zu nehmen. Ein Beispiel für diese Form kirchlicher Rechtsetzung sind die kirchlichen Satzungen über die Verwaltung des Kirchenvermögens. Art. 137 Abs. 3 WRV begründet andererseits keine totale Exemtion der Kirchen aus dem staatlichen Recht. Vielmehr bindet die Verfassung zugleich mit der Anerkennung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts dessen Ausübung an die Schranken des für alle geltenden Gesetzes, an Regelungen des staatlichen Rechts also. Beide Aussagen die Garantie kirchlicher Selbständigkeit und ihre Bindung an das für alle geltende Gesetz - sind in Art. 137 Abs.3 WRV aufeinander bezogen, mit der Folge, daß sich weder der reale Umfang kirchlicher Freiheit ohne Rückbezug auf die Schranken des für alle geltenden Gesetzes bestimmen noch die Wirkung dieser Schrankenziehung ohne Beachtung der grundsätzlichen Freiheitsgarantie für die Kirche beschreiben läßt4 • Ob im Einzelfall ein solches allgemeines Gesetz die kirchliche Freiheit tatsächlich beschränkt, hängt also zum einen vom Geltungsbereich dieses Gesetzes, zum anderen von einer Abwägung der beiden gem. Art. 137 Abs. 3 WRV zu realisierenden Rechtsgüter im Einzelfall ab. Ziel dieser Abwägung muß es sein, im jeweiligen Einzelfall das richtige Maß kirchlicher Freiheit herauszuarbeiten. Diese 3 Vgl. A. Frh. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, München 1973, S.83 und J. Jurina, Rechtsstatus S. 120 f., S. 173. 4 K. Hesse, Selbstbestimmungsrecht, in: HdbStKirchR I, S.421.
1. Kap.: Kirchliches Selbstbestimmungsrecht
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Grundsätze führen etwa zu dem Ergebnis, daß es allein Sache der Kirche ist, ihr Verfassungs recht zu gestalten, ihr demnach staatliche Verfassungsgrundsätze nicht aufgezwungen werden dürfen, selbst wenn diese aus der Sicht des staatlichen Rechts unverzichtbare Grundsatzaussagen darstellen. Damit ist die Deutung der Schrankenklausel einen entscheidenden Schritt über die bekannte Heckelsche Formel hinausgekommen5 . Ähnliche, freilich anders formulierte überlegungen finden sich in der Rechtsprechung des 2. Senats des Bundesverfassungsgerichts. Danach können zu den "für alle geltenden Gesetzen" nur solche Gesetze rechnen, die für die Kirche dieselbe Bedeutung haben wie "für den Jedermann". Ist dies nicht der Fall, trifft das Gesetz die Kirche also "nicht wie den Jedermann, sondern in ihrer Besonderheit als Kirche härter, ihr Selbstverständnis, insbesondere ihren geistig-religiösen Auftrag beschränkend, also anders als den normalen Adressaten, dann bildet es insoweit keine Schranke"6. Mögliche Schranken des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts ergeben sich aber auch, wie Konrad Hesse unterscheidend hervorgehoben hat, aus der Verfassung selbst. Solche Grenzen kirchlicher Freiheit können rechtssystematisch nicht als Teil der Schrankenklausel des Art. 137 Abs. 3 WRV betrachtet werden, da diese das für alle geltende "Gesetz", Regelungen im Rang unter der Verfassung, meint. Die möglicherweise aus der Verfassung selbst zu erschließenden Beschränkungen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts sind vielmehr nach dem Interpretationsprinzip der Einheit der Verfassung als verfassungsimmanente Eingrenzungen der rechtlichen Freiheit der Kirche zu verstehen 7 • Unter solchen systematischen überlegungen ist vor allem die Frage nach der Grundrechtsbindung kirchlicher Gewalt zu prüfen, auf die unten eingegangen werden soll.
5 Vgl. hierzu statt aller K. Hesse, Selbstbestimmungsrecht, in: Hdb StKirchR I, S. 434 ff. m. w. N. 6 BVerfGE Bd.42, S. 312 ff., S.334. 7 K. Hesse, Selbstbestimmungsrecht, in: HdbStKirchR I, S. 441 f.
Zweites Kapitel
Das kirchliche Dienstrecht als eigene Angelegenheit der Kirchen Auf dem Hintergrund dieser Skizze des Grundsystems der geltenden staatskirchenrechtlichen Ordnung ist nunmehr zu fragen, welche Folgerungen aus der dargestellten Verfassungsrechtslage für das kirchliche Dienstrecht zu ziehen sind. I. Dazu ist zunächst festzuhalten, daß nach übereinstimmender Auffassung in Literatur und Rechtsprechung der kirchliche Dienst in den Schutzbereich des Selbstbestimmungsrechts fällt, weil er zu den "eigenen Angelegenheiten" im Sinn von Art. 137 Abs.3 WRV zählt1. II. So eindeutig dieses Ergebnis ist, so umstritten ist die Frage nach seiner richtigen Begründung. Denn nach wie vor ist es kontrovers, wonach es sich entscheidet, ob eine Materie zu den eigenen kirchlichen Angelegenheiten gehört oder nicht, welche Maßstäbe insoweit also für die Auslegung und Anwendung von Art. 137 WRV gelten. Der Meinungsstand zu den Kriterien für die Umschreibung des Kreises der eigenen Angelegenheiten ist kürzlich von Hesse! zusammengefaßt worden: Die herrschende Weimarer Lehre, die im Kommentar von Anschütz zur Reichsverfassung von 1919 formuliert wurde, hatte die Ansicht vertreten, daß über die Beschreibung des Kreises der eigenen Angelegenheiten im Streitfall der Richter in "unabhängiger Auslegung" von Art. 137 Abs.3 WRV zu entscheiden habe. Demgegenüber vertrat Ebers die Ansicht, daß die Verfassung die Umschreibung der eigenen Angelegenheiten nicht selbst verfüge, sondern voraussetze. Die Abgrenzung müsse nach objektiven Gesichtspunkten, nach der Natur der Sache, der Zweckbeziehung der jeweiligen Angelegenheit vorgenommen werden. Diese These wurde unter der Geltung des Grundgesetzes einerseits in der Literatur von Mikat, andererseits in der Rechtsprechung vom 1 Vgl. statt aller J. Frank, Dienst- und Arbeitsrecht, in: HdbStKirchR I, S. 674 ff. m. w. N. 2 K. Hesse, Selbstbestimmungsrecht, in: HdbStKirchR I, S. 425 f. m. w. N.
2. Kap.: Dienstrecht als eigene Angelegenheit
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Bundesverfassungsgericht aufgegriffen. Die Zuordnung zu den eigenen Angelegenheiten entscheide sich, soweit keine Vereinbarung zwischen Staat und Kirche vorliege, "danach, was materiell, der Natur der Sache oder der Zweckbeziehung nach als eigene Angelegenheit der Kirchen anzusehen ist". Im Gegensatz hierzu hat sich Martin Heckel auf den Standpunkt gestellt, die Kirchen selbst bestimmten darüber, was zu ihren eigenen Angelegenheiten gehört. Dem Staat bleibe freilich "die Last und Aufgabe der Ordnung ... durch hoheitliches Gesetz", des normativen Ausgleichs der verschiedenen durch die Verfassung garantierten Freiheiten, der vom Gesetzgeber durch Erlaß der Schrankengesetze gem. Art. 137 Abs. 3 WRV erfüllt werde. Diese Auffassung wird nunmehr von Hesse aufgegriffen und bekräftigt. Es könne nicht angenommen werden, daß Art. 137 Abs. 3 WRV die Frage, welches die eigenen Angelegenheiten sind, selbst regele, so daß sich Inhalt und Umfang dieses Begriffs durch Auslegung ermitteln ließen. Diese Bestimmung sei Ausdruck der prinzipiellen Scheidung von geistlichen und weltlichen Aufgaben. Welches aber die Aufgaben seien, die jenseits der Aufgaben des weltanschaulich-religiös neutralen Staates liegen, entscheide die Verfassung nicht. Wollte sie dies tun, müßte sie über die Aufgaben der Kirche befinden und so die Eigenständigkeit der Kirchen negieren, womit die Aufgabe der Gewährleistung kirchlicher Freiheit schon im Ansatz verfehlt würde. Was aber nicht geregelt sei, könne auch nicht durch Auslegung ermittelt werden. Der Weg, die "Natur der Sache" entscheiden zu lassen, sei nur dort gangbar, wo ein Konsens über die Natur der Sache vorliege, nicht aber im Streitfall. Dann stelle sich vielmehr die Frage, wer diesen Streitfall entscheide. Dies könnten nur staatliche Organe oder das Verständnis der Kirchen selbst sein. Die erste Möglichkeit scheide aus: denn wenn die Verfassung keine Entscheidung treffe, könnten dies die staatlichen Organe auch nicht tun. Somit bleibe nur der Schluß, daß das Verständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften selbst für die Qualifizierung einer Angelegenheit als "eigene" im Sinn von Art. 137 Abs. 3 WRV maßgeblich sei. Nur diese Lösung entspreche der durch das Grundgesetz konstituierten religiösen und weltanschaulichen Neutralität des Staates. Sie werde bestätigt durch die für die Glaubensund Kultusfreiheit anerkannte Rechtslage. Wo also kein - etwa durch einen Vertrag hergestellter - Konsens zwischen Staat und Kirche bestehe, müßten die staatlichen Organe für die Zuordnung einer Materie zu den eigenen Angelegenheiten die Auffassung der Kirchen und Religionsgemeinschaften als maßgeblich ansehen. Davon bleibe allerdings die Aufgabe des Staates, die so be-
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stimmte Freiheit anderen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern zuzuordnen, unberührt. Dies geschehe aufgrund der Schrankenklausel des Art. 137 Abs. 3 WRV, die dem staatlichen Gesetzgeber die Möglichkeit der Beschränkung des Selbstbestimmungsrechts gebet. IH. Die praktische Bedeutung dieser Kontroverse muß nicht überschätzt werden, wie gerade das Beispiel des kirchlichen Dienstrechts zeigt. Denn gleichgültig, ob man gern. den Ausführungen Hesses die eigenen Angelegenheiten nach dem Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften bestimmt oder die Definition dieser kircheneigenen Materien nach den hierfür von der Verfassung bereitgestellten Maßstäben vornimmt, ist das kirchliche Dienstrecht, wie schon bemerkt, in jedem Fall den "eigenen Angelegenheiten" der Kirchen zuzuordnen. Auf der Grundlage des Selbstverständnisses der Kirchen ist dies unbezweifelbar: Beredtes Zeugnis für die Auffassung der katholischen Kirche sind die zahlreichen kirchenrechtlichen Regelungen des kirchlichen Dienstrechts, insbesondere bezüglich der Kleriker. Unter dem Gesichtspunkt der durch die weltanschaulich-religiöse Neutralität des Staates gekennzeichneten "Natur der Sache" ist darauf abzuheben, daß Aufgabe der Mitarbeiter der Kirche die unmittelbare oder mittelbare Tätigkeit im Dienst der geistlichen Aufgaben der Kirche ist. So wie diese geistlichen Aufgaben aber nicht zum Verantwortungsbereich eines weltanschaulich-religiösen neutralen Staates gehören können, sondern von ihm als eigene kirchliche Aufgaben betrachtet werden müssen, kann auch der kirchliche Dienst nicht Teil des Zuständigkeitsbereichs des Staates, sondern muß er eigene Angelegenheit der Kirche sein. So ist die Qualifikation des kirchlichen Dienstes als eigene Angelegenheit im Sinn von Art. 137 Abs. 3 WRV unmittelbare Folge der Unterscheidung staatlicher und kirchlicher Aufgaben selbst. Trotz dieses für den Bereich des kirchlichen Dienstrechts gemeinsamen Ergebnisses ist die dargestellte Kontroverse über die Maßstäbe zur Bestimmung des Kreises der eigenen Angelegenheiten von so grundsätzlicher Bedeutung für das geltende Staatskirchenrecht, daß ihr im folgenden einige Bemerkungen gewidmet werden sollen. Hierzu besteht auch deshalb Veranlassung, weil ungeachtet des in Literatur und Rechtsprechung festzustellenden grundsätzlichen Konsenses über die zu den eigenen Angelegenheiten gehörigen Materien sich immer wieder Konstellationen ergeben, in denen neu diskutiert werden muß, ob ein bestimmter Sachverhalt zu den eigenen Angelegenheiten zählt oder nicht. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn neue, bisher nicht thematisierte Fragestellungen aufgeworfen werden. 3
Ebd., S. 427 - 430.
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Das jüngste Beispiel dieser Art hat es wiederum mit dem kirchlichen Dienst zu tun. Gemeint sind jene Fälle, in denen es streitig ist, ob eine bestimmte (caritative oder erzieherische) Einrichtung zu den gem. § 118 Abs.2 BetrVG von der Geltung der staatlichen Betriebsverfassung ausgenommenen kirchlichen Einrichtungen zählt'. Da die in § 118 Abs.2 BetrVG enthaltene Regelung auf dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht des Art. 137 Abs.3 WRV beruht, lautet die in den genannten Fällen zu lösende Frage letztlich, ob die betr. Einrichtung zur Wahrnehmung einer eigenen kirchlichen Angelegenheit tätig wird und diese Tätigkeit folglich zum durch Art. 137 Abs.3 WRV geschützten Bereich des kirchlichen Dienstes zu rechnen ist. Damit steht nichts anderes zur Debatte als die Umschreibung des Bereichs der eigenen Angelegenheiten, wobei für die genannten Fälle gerade nicht auf einen Konsens hinsichtlich dieser Zuordnung verwiesen werden kann. Damit wird aber auch die Methode zur Auslegung des Begriffs der "eigenen Angelegenheiten" wieder unmittelbar relevant. Auch dies rechtfertigt es, im Zusammenhang einer dem kirchlichen Dienstrecht gewidmeten staatskirchenrechtlichen Studie in allgemeiner Form die Frage zu erörtern, nach welchen Kriterien der Kreis der eigenen kirchlichen Angelegenheiten zu bestimmen ist. IV. Der Verfasser hat bereits an anderer Stelle zur Abgrenzung des Kreises der eigenen Angelegenheiten eine von der dargestellten Ansicht Hesses abweichende Meinung vertreten5 , der Hesse ausdrücklich entgegentritt6 • Eine nochmalige überprüfung der eigenen Position hat ergeben, daß auch nach Würdigung der Argumente Hesses von der früher vertretenen Auffassung nicht grundsätzlich abgegangen werden kann. Der Verfasser kann schon dem Ausgangspunkt Hesses, die Verfassung verzichte auf eine Regelung der Frage, welches die eigenen Angelegenheiten der Kirchen und Religionsgemeinschaften sind, ja sie müsse auf eine solche Regelung wegen der weltanschaulich-religiösen Neutralität verzichten, nicht folgen. Der Meinung Hesses müßte zugestimmt werden, wenn es in Art. 137 Abs. 3 WRV um eine insgesamt unanfechtbare, "absolut" richtige Abgrenzung der Angelegenheiten von Staat und Kirche ginge. Dann wäre es in der Tat nicht möglich, die Entscheidung von einer "Seite" her, aufgrund der staatlichen Verfassung, zu treffen, sondern es bedürfte einer Bewertung durch dem Staat und der Kirche übergeordnete inhaltliche Maßstäbe, die in der heutigen Rechtswirklichkeit allerdings nicht zur Verfügung stehen. Vgl. dazu unten S. 157 ff. Vgl. J. Jurina, Rechtsstatus, S. 59 ff. 6 K. Hesse, Selbstbestimmungsrecht, in: HdbStKirchR I. S. 426 ff., bes. S. 428, Anm. 70. 4
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Nach Ansicht des Verfassers handelt es sich aber bei der in Art. 137 Abs. 3 WRV behandelten Frage der Qualifizierung bestimmter Materien als kirchliche Aufgaben gar nicht um eine solche mit dem Anspruch auf absolutes "Wahr-sein" ausgestattete Aussage über die Angelegenheiten des Staates und der Kirche. Art. 137 Abs.3 WRV hat vielmehr eine begrenztere Funktion: Diese Vorschrift regelt innerhalb des staatlichen Rechts und für seinen Bereich, für seine Zwecke eine Abgrenzung der rechtlichen Zuständigkeiten von Staat und Kirche - nicht mit dem Anspruch auf absolute Richtigkeit, sondern mit dem Ziel, in Erfüllung der staatlichen Ordnungsaufgabe, beruhend auf der Verantwortung des Staates für das weltliche Gemeinwesen, eine Aussage auch über die vom staatlichen Recht anerkannte Rechtsrnacht der Kirchen und Religionsgemeinschaften zu treffen und so eine Anweisung für das Verhalten der Staatsorgane gegenüber den Kirchen und Religionsgemeinschaften zu geben. Wird dies aber als Aufgabe der hier interessierenden Aussagen der staatlichen Verfassung erkannt, so kann nicht angenommen werden, daß die Verfassung darauf verzichtet, eine Aussage über die Grenzen zu treffen, an denen die Anerkennung des kirchlichen und religionsgemeinschaftlichen Freiraums durch die staatliche Rechtsordnung endet, wo also - aus der Sicht der staatlichen Verfassung! - nicht mehr kirchliche und religionsgemeinschaftliche, sondern (zumindest auch) staatliche Aufgaben vorliegen. Vielmehr muß geschlossen werden, daß gerade die Verfassung selbst verbindliche, aus ihr jedenfalls durch Auslegung erschließbare Aussagen über die der Verfassung gemäße Aufgabenstellung des Staates enthält, aus denen sich im Umkehrschluß ergibt, daß insoweit - wiederum aus der Sicht des staatlichen Rechts! - keine - oder jedenfalls keine exklusiven - Angelegenheiten einer Kirche oder Religionsgemeinschaft vorliegen können. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß die staatliche Verfassung die Lösung dieser Abgrenzung staatlicher und kirchlicher Aufgaben der vertraglichen Absprache zwischen Staat und Kirche ohne inhaltliche Vorgaben überläßt. Vielmehr stehen - aus der Sicht des Staates - Staatskirchenverträge unter der Verfassung1 , können sie also rechtlich relevante Aussagen nur dort treffen, wo sie sich innerhalb der für den Staat in der Verfassung aufgestellten Grundsätze halten. Auch und gerade dort also, wo Staatskirchenverträge die Abgrenzung staatlicher und kirchlicher Angelegenheiten regeln, bedürfen sie der Verankerung im Gesamt der staatlichen Rechtsordnung, können sie nur dort wirksam diese Abgrenzung vornehmen, wo sie sich im Rahmen der bindenden Aussagen der Verfassung halten. 7 Vgl. zu diesen Fragen statt aller A. Hollerbach, Vertragsrechtliche Grundlagen des Staatskirchenrechts, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band I, Berlin 1974, S. 267 - 296, S. 285 f.
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Die Verfassung enthält auch einen ausreichenden Maßstab, mit dessen Hilfe die Grenze zwischen kirchlichen und staatlichen Aufgaben erschlossen werden kann: den Verfassungsgrundsatz der weltanschaulichreligiösen Neutralität des Staates8 , aufgrund dessen entschieden werden kann, ob eine bestimmte Angelegenheit überhaupt zu den Aufgaben eines weltanschaulich-religiösen neutralen Staates gerechnet werden kann oder nicht9 • Im übrigen ist die Verfassung, weil sie den Grundsatz der Neutralität gegenüber Weltanschauung und Religion aufstellt, geradezu gezwungen, zu den Folgerungen aus jenem Grundsatz, zu denen unter anderem auch die Unterscheidung von kirchlichen bzw. religionsgemeinschaftlichen Aufgaben einerseits und staatlichen Aufgaben andererseits gehört, selbst Stellung zu nehmen. Der Grundsatz der weltanschaulich-religiösen Neutralität hat eine bestimmte Funktion im Ganzen der Verfassung: zu verbürgen, daß der Staat "Heimstatt aller Staatsbürger"10, der religiös und weltanschaulich gebundenen und der nicht gebundenen, sein kann. So wie aber der Staat aus dieser Neutralität nicht folgern darf, daß er Religion und Weltanschauung negativ zu bewerten, zurückzudrängen hat1l, müßte er den Sinn der Neutralität ebenso verfehlen, wenn er nicht um der Zuordnung des Wirkens der verschiedenen Religionen und Weltanschauungen zum Ganzen der staatlichen Rechtsordnung willen und zur Wahrung der Freiheit der so nicht gebundenen Bürger "Last und Aufgabe der Ordnung" auf sich nähme12. Zu dieser Ordnungsaufgabe gehört es aber auch, Aussagen darüber zu treffen, welche Materien der Staat - trotz eines vielleicht gegenteiligen Votums der Kirchen oder einer Kirche zur Wahrung der Freiheit aller seiner Bürger zu seinen Aufgaben zählt. Weltanschaulich-religiöse Neutralität des Staates kann und darf also nicht dazu führen, daß der Staat über seine und damit auch mittelbar über das Vorliegen einer kirchlichen Aufgabe überhaupt nicht entscheidet. Die weltanschaulich-religiöse Neutralität verpflichtet den Staat vielmehr, jene Entscheidung zu treffen, die den Kirchen und 8 BVerfGE Bd. 19, S.216. Aus der Literatur vgl. K. Obermayer, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Zweitbearbeitung 1971, Art. 140 GG, Rdn. 76 ff.; K. Schlaich, Neutralität als verfassungsrechtliches Prinzip. Tübingen 1972; U. Scheuner, System der Beziehungen von Staat und Kirchen im Grundgesetz, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Band I, Berlin 1974, S. 5 - 86, S. 69 ff.; Th. Maunz, in: Maunz / Dürig / Herzog / Scholz, Grundgesetz, Art. 140 GG, Rdn. 43 ff. 9 Vgl. auch J. Jurina, Rechtsstatus, S. 60 ff.; A. Frh. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 90 f. 10 Vgl. BVerfGE Bd. 19, S. 216. 11 Vgl. die oben in Anm.8 zitierten Autoren. 12 Vgl. A. Frh. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S.90 unter Anführung eines Zitats aus M. Heckel, Die Kirchen unter dem Grundgesetz, in: VVdStRL Heft 26 (1968), S.41.
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Religionsgemeinschaften den größtmöglichen Freiheitsraum offen läßt, die aber auch die Erfüllung der staatlichen Aufgaben nicht gefährdet. Nun negiert selbstverständlich auch Hesse die Ordnungsaufgabe des Staates nicht - im Gegenteil. Er verlagert die Wahrnehmung dieser Aufgabe aber gewissermaßen in dem zweiten rechtlichen Schritt nicht (schon) in die Aussage darüber, was staatliche und was kirchliche Aufgabe ist, sondern (erst) in die Entscheidung über die Zuordnung der für den Staat grundsätzlich maßgeblichen Aussage der Kirchen über ihre Angelegenheiten zum Ganzen der Rechtsordnung mit Hilfe der Schranken des für alle geltenden Gesetzes 13, die dem staatlichen Gesetzgeber die Kompetenz gibt, gegebenenfalls das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen und Religionsgemeinschaften zu beschränken. So frappierend diese überlegung zunächst ist - keine Einmischung in die Kompetenz der Kirchen, eine Materie für eine eigene zu halten, für den kirchlichen Bereich, aber Zuordnung des daraus folgenden rechtlichen HandeIns der Kirchen zur staatlichen Rechtsordnung über die Schrankenklausel --, sie vermag letztlich doch nicht zu überzeugen. Wenn nämlich der Staat zu einer Angelegenheit, die die Kirche für sich reklamiert und infolgedessen rechtlich geregelt hat, seinerseits eine Regelung erläßt, muß er davon ausgehen, daß eben jene Materie in seiner Sicht (jedenfalls auch) zu seinem Aufgabenbereich gehört, sonst dürfte er sie nicht regeln! Dies bedeutet, daß die von Hesse versuchte Unterscheidung nur dort zuträfe, wo die dem Staat übertragene Schrankenziehung von diesem vorgenommen werden könnte, ohne daß die von der Kirche oder Religionsgemeinschaft getroffene Zuordnung einer Materie zu den eigenen Angelegenheiten selbst tangiert wird, wo also die die Freiheit der Kirche einschränkende rechtliche Regelung eine andere Materie beträfe als die von der Kirche für sich beanspruchte Angelegenheit. Dies ist aber bei den rechtlichen Konflikten zwischen Staat und Kirche gerade nicht der Fall. Dies wird immer wieder zu Recht an Hand der differierenden Auffassungen von Staat und katholischer Kirche zum Rechtsinstitut der Ehe ausgeführt14. Obwohl die katholische Kirche grundsätzlich die gesamte Materie "Ehe" - abgesehen von den "mere civiles effectus"15 - als eigene Angelegenheit in Anspruch nimmt, regelt der Staat grundsätzlich eben dieselbe Ehe abschließend und umfassend für sein eigenes Recht, negiert er also für das staatliche Recht den Anspruch der Kirche, die Ehe als kirchliche Angelegenheit zu betrachten und rechtlich zu ordnen. Vom staatlichen Recht wird 13 Vgl. K. Hesse, Selbstbestimmungsrecht, in: HdbStKirchR I, S. 429 f. 14 Vgl. J. Jurina, Rechtsstatus, S.6L 15 Vgl. can. 1016 eIe: "Baptizatorum matrimonium regitur iure non solum divino, sed etiam canonico, salva compententia civilis potestatis circa mere civiles eiusdem matrimonii effectus."
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eine kirchliche Entscheidung also nicht grundsätzlich unangetastet gelassen und mit Hilfe eines staatlichen Rechtssatzes der staatlichen Rechtsordnung lediglich "zugeordnet". Der kirchliche Regelungsanspruch selbst wird vielmehr - jedenfalls mit Wirkung für das staatliche Recht! - negiert und der so für die staatliche Kompetenz reklamierte Gegenstand durch staatliches, durchaus exklusiv gedachtes Recht abschließend geregelt. Dabei bleiben zwar gern. § 1588 BGB "die kirchlichen Verpflichtungen in Ansehung der Ehe" außer Betracht. Dies ändert aber nichts daran, daß das staatliche Recht die entscheidenden Fragen, insbesondere das Zustandekommen und den Bestand der Ehe, selbst regelt. Der Verfasser bleibt daher bei seiner bereits geäußerten Auffassung, daß die Umschreibung des Kreises der eigenen kirchlichen bzw. re ligionsgemeinschaftlichen Aufgaben eine Rechtsfrage des staatlichen Verfassungsrechts darstellt, also mit Hilfe der für dieses staatliche Recht maßgeblichen Auslegungskriterien zu lösen ist. Der Inhalt des Begriffes der eigenen Angelegenheiten kann als Rechtsbegriff des staatlichen Verfassungsrechts nicht zur Disposition der Kirchen und Religionsgemeinschaften und ihres jeweils verschiedenen Selbstverständnisses stehen. Es ist vielmehr mit Hilfe der in der Verfassung enthaltenen Maßstäbe zu bestimmen l6 . Hiernach sind zu den eigenen Angelegenheiten der Kirchen und Religionsgemeinschaften jene Materien zu zählen, die "nach Inhalt und Wesen vom Bekenntnis durchwaltet" sind und ihre "Gestalt durch den Vollzug des überirdischen Auftrags" der Kirchen gewinnen17 , so daß sie vom Staat, d. h. von seiner Verfassung aus betrachtet, wegen der dem Staat durch seine Verfassung gebotenen Distanz zum Bereich der Religion und Weltanschauung nicht in den Zuständigkeitsbereich des Staates einbezogen werden dürfen. "Natur der Sache" ist so gesehen die weltanschaulich-religiöse Neutralität des Staates, so daß zu fragen ist, ob bei einer bestimmten Materie auf der Grundlage des aus der Verfassung erschließbaren Zuständigkeitsbereichs des Staates eine sachliche Beziehung zu den Aufgaben des Staates zu erkennen ist, die die Einbeziehung in den Handlungsbereich des Staates, also die Zurechnung zu den staatlichen Aufgaben erforderlich macht. Ist dies der Fall, so muß innerhalb des Art. 137 Abs.3 WRV die Zurechnung einer solchen Angelegenheit zu den staatlichen Aufgaben grundsätzlich selbst dann vorgenommen werden, wenn eine Kirche oder Religionsgemeinschaft die betreffende Materie als eigene Angelegenheit in Anspruch nimmt. Vgl. auch J. Jurina, Rechtsstatus, S. 62. Formulierung von H. Quaritsch, Kirchen und Staat, in: Der Staat 1962, S. 175 - 197 und S. 289 - 320, S. 295. 16 17
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Das Selbstverständnis der Kirchen und Religionsgemeinschaften ist hierbei freilich insoweit zu beachten, als jeweils gefragt werden muß, ob dieses Selbstverständnis die Inanspruchnahme einer Angelegenheit auch als kirchliche Angelegenheit gebietet, ob also eine Kollision staatlicher und kirchlicher Sichtweise vorliegt. Ist dies der Fall, so muß auf dem Hintergrund der Grundsatzentscheidung der Verfassung zugunsten der kirchlichen Freiheit geprüft werden, ob trotz dieser kirchlichen Auffassung eine Zurechnung der gesamten Materie zu den staatlichen Angelegenheiten unvermeidlich ist. Sollte sich dabei ergeben, daß den staatlichen Zwecken auch mit einer teilweisen Einbeziehung der betreffenden Angelegenheiten in den staatlichen Zuständigkeitsbereich Genüge getan werden kann, hätte sich das staatliche Recht auf diese partielle Zurechnung der betreffenden Angelegenheit zum staatlichen Sachbereich zu beschränken18 • Schließlich muß der Staat dort, wo er dem Selbstverständnis einer Kirche oder Religionsgemeinschaft durch Zurechnung einer Materie zu den staatlichen Angelegenheiten ausdrücklich widersprechen muß, wenigstens zulassen, daß die Kirche für ihren internen Bereich dieselbe Materie als eigene Angelegenheit betrachtet19 • Dies ist etwa für das schon erwähnte Rechtsinstitut der Ehe gegenüber der katholischen Kirche geschehen. Diese Respektierung des kirchlichen Selbstverständnisses ist aber von einer vollen Anerkennung als eigene Angelegenheit rechtlich wohl zu unterscheiden. Liegt gern. der staatlichen Verfassung eine solche Anerkennung vor, so muß wegen des verfassungsmäßig verbürgten Selbstbestimmungsrechts der Kirchen die für diese Materie erlassene kirchenrechtliche Regelung auch vom Staat innerhalb seiner Rechtsordnung als maßgebliche Regelung betrachtet werden. Im Fall der Tolerierung einer andersartigen kirchlichen Auffassung für den rein inner kirchlichen Bereich ist dies dagegen nicht der Fall. Hier muß der Staat der betreffenden kirchlichen Regelung die Anerkennung für seine Rechtsordnung versagen, obwohl er seine Bürger nicht hindern darf, in ihrem Privatbereich aus freien Stücken gemäß der andersartigen kirchlichen Ordnung zu leben und dem Staat in bestimmten Situationen auch die Aufgabe erwachsen mag, diese Freiheit seiner Bürger mit staatlichen Mitteln zu schützen. Es soll an dieser Stelle freilich nicht verschwiegen werden, daß der als Beispiel angeführte rechtliche Konflikt zwischen dem Staat und der katholischen Kirche über die Regelungszuständigkeit für die Ehe auch im Unterscheidungsschema Hesses erfaßbar ist: etwa so, daß man davon 18 19
So schon J. JUTina, Rechtsstatus, S.63.
Vgl. ebd., S.63.
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ausgeht, das staatliche Eherecht verdränge nicht die kirchliche Regelung, sondern ordne sie der staatlichen Rechtsordnung lediglich zu. Es ließe sich dabei auch der Gedanke anführen, daß der Staat und die katholische Kirche, wenn sie das Institut der Ehe regeln, sich nicht mit derselben Materie befassen, weil die sakramentale und die "weltliche" Ehe im Wesen unterschieden sind, so daß also der Staat, wenn er die rechtliche Zuständigkeit für die Ehe für sich reklamiert, die Kompetenz der Kirche zur Regelung der sakramentalen Ehe, damit das Selbstverständnis der katholischen Kirche, unangetastet läßt. Eine solche Annahme könnte den gegebenen Sachverhalt dennoch nicht voll treffen. Trotz aller richtigen Unterscheidung etwa von sakramentaler Ehe und Zivilehe ändert sich nichts daran, daß es sich jeweils um denselben Lebenstatbestand handelt, der in einer und derselben Verbindung von Mann und Frau konkret wird. Wenn nun der Staat diese Verbindung für prinzipiell scheidbar hält und eine solche Scheidung vollzieht, bedeutet dies einen unbestreitbaren Eingrüf in die formell unangetastet gelassene sakramentale Ehe, damit in das formell unberührt bleibende kirchliche Verständnis von der Ehe. Ausschlaggebend ist nämlich, daß der formell bestehenbleibende Geltungsanspruch des kirchlichen Eherechts faktisch mit Hilfe der staatlichen Rechtsordnung um seine Wirksamkeit gebracht werden kann, weil sich die Ehepartner trotz der anderen kirchlichen Rechtslage aus einer rechtlichen Bindung lösen und eine neue, gesellschaftlich ebenso anerkannte Verbindung eingehen können. So erscheint es zutreffender, die Unvereinbarkeit kirchlicher und staatlicher Sichtweise zur Kenntnis zu nehmen. Aus ihr kann für den Staat nur folgen, daß er sich gegen den kirchlichen Rechtsstandpunkt zu entscheiden hat, ohne daß noch Raum für eine bloße "Zuordnung" der verschiedenen Auffassungen bliebe. Zuzugeben ist freilich auch, daß so grundsätzliche rechtliche Konflikte zwischen Staat und Kirche wie im gezeigten Beispiel der Ehe nicht eben zahlreich und auch nicht im Wachsen begriffen sind. Dies bedeutet, daß in den meisten Fällen das von Hesse vertretene Lösungsmodell für die Abgrenzung der "eigenen Angelegenheiten" zu keinen anderen Ergebnissen führen wird als die hier vertretene Auffassung. So bleibt die vorstehend erörterte Frage ein Grundsatzproblem, das für das Grundverständnis der "Rolle" der staatlichen Rechtsordnung gegenüber dem kirchlichen Recht allerdings beträchtliche Tragweite besitzt.
Drittes Kapitel
Kirchliches Selbstbestimmungsrecht und kirchlicher Dienst: Allgemeine Fragen Als eigene Angelegenheit der Kirchen unterliegt der kirchliche Dienst den in Art. 137 Abs. 3 WRV genannten Befugnissen. Die Kirchen haben also das Recht, den kirchlichen Dienst in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes selbständig zu ordnen und zu verwalten, d. h. vor allem selbständig rechtlich zu regeln. Für die Art und den Umfang der Befugnis, den kirchlichen Dienst selbständig zu regeln, ist, wie sogleich zu zeigen sein wird, zwischen den verschiedenen Funktionsebenen des kirchlichen Dienstes zu unterscheiden. Dieser Erörterung der Einzelfragen sind jedoch einige allgemeine Ausführungen voranzustellen. 1. Die Kirchen können auf der Grundlage des Selbstbestimmungsrechts selbst darüber befinden, welche kirchlichen Dienste es geben soll und welche Befugnisse den einzelnen Dienstnehmern zukommen. Das gilt nicht nur für die kirchlichen Dienste im Bereich des Kultes und der Verkündigung, sondern auch für alle anderen kirchlichen Aufgabenfelder einschließlich des caritativ-diakonischen Bereichs und des kirchlichen Bildungswesens. So ergibt sich nicht nur die Befugnis, im Wege kirchenverfassungsrechtlicher Regelungen die Ämter und den Kompetenzbereich geistlicher Amtsträger festzulegen. Vielmehr besteht auch das Recht, sonstige kirchliche Berufe zu definieren und ihnen eine kirchliche Ordnung zu geben. Für derartige Regelungen, die in zunehmendem Maße erlassen werden, hat sich im Bereich der katholischen Diözesen der Begriff der "Dienstordnung" eingebürgert. Solche Dienstordnungen gelten etwa für Pastoralassistenten und Pastoralreferenten, für Katecheten, für Mesner und für Organisten. Im Verhältnis zum Staat bedeutet dies, daß die sonst dem staatlichen Gesetzgeber gegebene Befugnis, Berufsbilder rechtlich zu fixieren l , in bezug auf die genannten kirchlichen Berufe entfällt. Nicht der Staat ist hier zuständig, sondern allein die Kirche.
Diese Befugnis zur Definition und Umschreibung kirchlicher Dienste umfaßt alle Wirkungsbereiche, in denen die Kirche durch kirchliche 1
Vgl. BVerfGE Bd. 13, S. 106.
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Einrichtungen und Institutionen eigene kirchliche Angelegenheiten i. S. von Art. 137 Abs. 3 WRV wahrnimmt. Es ergibt sich so eine Definitionsmöglichkeit des kirchlichen Dienstes: Dieser umfaßt alle Tätigkeiten im Auftrag und namens der Kirche, die sich auf die Wahrnehmung eigener kirchlicher Angelegenheiten i. S. von Art. 137 Abs. 3 WRV beziehen. Sinn der Freiheit der Kirche, einen eigenen kirchlichen Dienst einzurichten, ist es, die kirchlichen Angelegenheiten auf diese Weise eigenen, dem kirchlichen Auftrag verpflichteten Amtsträgern und Dienstnehmern anvertrauen zu können. Nur so kann erreicht werden, daß das kirchliche Selbstbestimmungsrecht konkret verwirklicht wird und nicht eine leere rechtliche Hülse bleibt. "Kirchlicher Dienst" ist also nicht nur dort gegeben, wo es sich um Bedienstete der öffentlichrechtlich verfaßten Kirche handelt. Vielmehr sind auch die Mitarbeiter der privatrechtlich geordneten kirchlichen Einrichtungen Angehörige des kirchlichen Dienstes. Zutreffend wird dem Selbstbestimmungsrecht des Art. 137 Abs. 3 WRV die Befugnis der Kirche entnommen, frei zu entscheiden, in welchen rechtlichen Organisationsformen sie die eigenen Angelegenheiten wahrnehmen will 2 • Kraft ihres Selbstbestimmungsrechts ist die Kirche also berechtigt, eigene kirchliche Angelegenheiten außer durch ihr als Körperschaft des öffentlichen Rechts eingegliederte, unselbständige Verwaltungsstellen auch durch rechtlich verselbständigte Einrichtungen wahrnehmen zu lassen, wenn nur feststeht, daß von diesen rechtlich selbständigen Stellen eine Tätigkeit im Bereich der den Schutz des Art. 137 Abs. 3 WRV genießenden eigenen kirchlichen Angelegenheiten ausgeübt wird. Zählen aber derartige Einrichtungen zur "Kirche" i. S. Art. 137 Abs. 3 WRV, so stehen auch die bei diesen Einrichtungen Tätigen im kirchlichen Dienst. Hieraus folgt weiter, daß sich die aus Art. 137 Abs. 3 WRV zu folgernden kirchlichen Gestaltungsbefugnisse in bezug auf den kirchlichen Dienst auch auf die rechtlich verselbständigten, gleichwohl zur Kirche gehörenden Einrichtungen beziehen3 • Dies hat ausschlaggebende Bedeutung vor allem für die caritativdiakonische Arbeit der Kirche. Es ist verfassungsrechtlich unstreitig, daß der caritativ-diakonische Auftrag zu den ureigenen Angelegenheiten der Kirche zählt4. Deshalb sind auch die zur Wahrnehmung dieses Auftrags von der katholischen Kirche gegründeten Caritasver2 Vgl. R. Richardi, Anmerkung II zum Beschluß des BAG vom 21. 11. 1975, in: AP, Nr.611 zu § 118 BetrVG 1972 unter Berufung auf S. Grundmann, Das Verhältnis von Staat und Kirche auf der Grundlage des Vertragskirchenrechts, in: Österreichisches Archiv für Kirchenrecht, Band 13 (1962), S.281 bis 300, S. 290. S Ebenso Th. Mayer-Maly, Tragweite, S.4/5. 4 Vgl. statt aller W. Leisner, Karitas innere Angelegenheit der Kirchen, in: DÖV 1977, S. 475 - 484, S.478/479 m. w. N.
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3. Kap.: Kirchlicher Dienst - Allgemeines
bände der verschiedenen überörtlichen und örtlichen Ebenen keine "privaten" Institutionen, sie sind vielmehr auch verfassungsrechtlich Teil der Kirche als "Religionsgemeinschaft" i. S. von Art. 137 Abs.3 WRV. Hieraus folgt weiter, daß der Dienst in den caritativ-diakonischen Einrichtungen kirchlicher Dienst mit allen sich daraus ergebenden Folgerungen hinsichtlich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts ist. Diese Grundsätze gelten jedoch nicht nur für die caritativ-diakonischen Dienste, sondern ebenso für andere kirchliche Tätigkeitsbereiche, für die von der Kirche rechtlich verselbständigte Einrichtungen geschaffen worden sind. Nicht die Rechtsform dieser Einrichtungen entscheidet also darüber, ob sie zum kirchlichen Bereich gehören, sondern die Wahrnehmung einer eigenen kirchlichen Angelegenheit i. S. von Art. 137 Abs. 3 WRV5. Sofern es sich um eine solche zur Kirche i. S. von Art. 137 Abs. 3 WRV gehörige Institution handelt, sind sämtliche dort beschäftigten Mitarbeiter Angehörige des kirchlichen Dienstes. Sie wirken alle an der Erfüllung des kirchlichen Auftrags der betreffenden Einrichtung mit. Hinsichtlich der Zugehörigkeit zum kirchlichen Dienst darf also nicht nach den verschiedenen innerbetrieblichen Funktionen unterschieden werden. Für einen wichtigen Bereich trägt das staatliche Recht dieser Verfassungsrechtslage ausdrücklich Rechnung. § 118 Abs.2 BetrVG und § 112 BPersVG schließen die Geltung der jeweiligen staatlichen Regelungen nicht nur für die Kirchen selbst, sondern auch für "ihre caritativen und erzieherischen Einrichtungen unbeschadet" - bzw. "ohne Rücksicht auf" - "deren Rechtsform" aus, anerkennen somit auch für diese Einrichtungen eine die staatliche Regelungsbefugnis ausschließende Zuständigkeit der Kirchen. Da diese Vorschriften des Betriebsverfassungs- bzw. Personalvertretungsrechts keine frei gestaltbaren Tatbestände, sondern aus Art. 137 Abs.3 WRV zu folgernde Konkretisierungen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts darstellen6, ist ihnen eine Maßstabsfunktion für die Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Besonderheiten des kirchlichen Dienstes im gesamten Arbeitsrecht zuzuerkennen. H. Aus der Befugnis zur Definition kirchlicher Dienste folgt, daß es auch Sache der Kirchen ist, die sachlichen und persönlichen Qualifikationsmerkmale festzulegen, die für die übertragung einer Aufgabe im Dienst der Kirchen erforderlich sind.
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Ebenso Th. Mayer-Maly, Tragweite, S. 5. Vgl. unten S. 155.
3. Kap.: Kirchlicher Dienst -
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1. Solche Umschreibungen etwa der für den kirchlichen Dienst geforderten Ausbildung finden sich in den soeben erwähnten Dienstordnungen1 für die verschiedenen kirchlichen Berufe.
Besonders ausführliche Regelungen für den Gang und den Inhalt der Ausbildung wurden bezüglich der Geistlichen erlassen. Für diese gilt als allgemeines kirchliches Recht die von der Kongregation für das Katholische Bildungswesen im Jahr 1970 herausgegebene "Grundordnung für die Ausbildung der Priester"8, ein außerordentlich umfangreicher Text, der als Rahmengesetz Leitlinien für die Ausübung der nach dem Vaticanum II den nationalen Bischofskonferenzen übertragenen Befugnis zum Erlaß nationaler Ordnungen für die Ausbildung der Priester gibt. Die deutsche Bischofskonferenz hat auf dieser Grundlage eine "Rahmenordnung für die Priesterbildung" erlassen, zu deren Ausführung die Bistümer "konkrete Ordnungen" zu beschließen haben9 • Neben diesen Texten sind die kirchenrechtlichen Regelungen über das Theologiestudium 10 zu beachten. Die schon erwähnten Dienstordnungen für die verschiedenen Laienberufe normieren neben den Ausbildungsgängen auch andere Voraussetzungen für die übertragung des betreffenden kirchlichen Dienstes l l . 7 Vgl. weitere Hinweise und Beispiele bei J. Jurfna, Dienst- und Arbeitsrecht, Essener Gespräche 10, S. 78 f., Anm. 106. 8 Ratio fundamentalis institutionis sacerdotalis vom 6. Januar 1970, in: Priesterausbildung und Theologiestudium, Nachkonziliare Dokumentation Bd.25, eingeleitet und kommentiert von Anton Arens und Heribert Schmitz, Trier 1974, S. 68 - 263 (lateinischer und deutscher Text). 9 Rahmenordnung für die Priesterbildung, verabschiedet von der Deutschen Bischofskonferenz in der Vollversammlung vom 13. - 16. 2. 1978, approbiert von der Kongregation für das katholische Bildungswesen am 9. 3. 1978, in: Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg 1978, S. 367 - 385. 10 Normae quaedam ad constitutionem apostolicam "Deus scientiarum Dominus" de studiis academicis ecclesiasticis recognoscendam vom 20. Mai 1968, in: Priesterausbildung und Theologiestudium, S. 330 - 407 (lateinischer und deutscher Text); Constitutio Apostolica .. Deus scientiarum Dominus" de universitatibus et facultatibus studiorum ecclesiasticorum vom 24. Mai 1931, in: Priesterausbildung und Theologiestudium, S. 408 - 459 (lateinischer und deutscher Text); Neuordnung der theologischen Studien für Priesterkandidaten, verabschiedet von der Vollversammlung der deutschen Bischofskonferenz in Stuttgart-Hohenheim vom 4. bis 7. März 1968, in: Priesterausbildung und Theologiestudium, S. 541 - 567. Zu den Regelungen betr. die Priesterausbildung vgl. ferner A. HoHerbach, Neuere Entwicklungen des katholischen Kirchenrechts, Karlsruhe 1974, S. 35 f. 11 Hierfür könnten viele Beispiele genannt werden, vgl. nur Statut für Pastoralassistenten/Pastoralreferenten in der Erzdiözese Freiburg vom 5. März 1976, Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg S. 72. Grundsatzregelungen über das Berufsbild des Pastoralassistenten/referenten, des Gemeindeassistenten/referenten sowie des Gemeindehelfers finden sich im Beschluß der Deutschen Bischofskonferenz .. Grundsätze zur Ordnung der pastoralen Dienste" vom 2.3.1977, abgedruckt in: Amtsblatt für die Erzdiözese Freiburg S. 121 - 127, S.126/127.
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2. Die kirchlichen Dienstordnungen, vor allem soweit sie die Berufe für Laien regeln, ähneln in vielerlei Hinsicht den Laufbahn- oder Berufsordnungen für weltliche Berufe. Ein markanter Unterschied ist freilich hervorzuheben: Die kirchlichen Dienstordnungen äußern sich neben der in ihnen enthaltenen Festlegung der fachlichen Anforderungen auch mehr oder minder ausführlich zur geforderten persönlichen Qualifikation des Dienstnehmers, was sich vor allem in Aussagen zur persönlichen religiösen Bindung und zum religiösen Dienstverständnis niederschlägt12. Kirchliche Dienstordnungen treffen hier Aussagen, die in bezug auf weltliche Berufe nicht oder nicht so denkbar wären 13, weil sie dort die Grenze, jenseits deren die "Privatsphäre" des Bediensteten beginnt, überschreiten würden. Im Selbstverständnis des kirchlichen Dienstes stellen sie jedoch unverzichtbare Forderungen an den in einen kirchlichen Dienst Berufenen dar. Sie haben keineswegs nur eine appellative Funktion, sondern besitzen durchaus auch rechtliche Relevanz. Besondere Bedeutung haben solche dienstrechtlichen Grundsatzaussagen verständlicherweise für den Stand des Geistlichen. Umschreibungen der Standespfiichten der Geistlichen finden sich an vielerlei Stellen des kirchlichen Rechts. Hingewiesen sei hier vor allem auf cc.124 ff. eIe sowie auf die einschlägigen Abschnitte der Dokumente des 2. Vatikanischen Konzils 14 • Aber auch der Dienst der Laien wird als Teil des geistlichen Lebensvollzuges der Kirche betrachtet. Dieser Sicht entsprechen ausdrückliche Hervorhebungen der notwendigen kirchlichen Bindung auch dieser Bediensteten. Auf Einzelheiten hierzu wird noch einzugehen sein15. IH. Unmittelbare Folge der sich aus dem Selbstbestimmungsrecht ergebenden Kompetenz zur Regelung der Berufsbilder und der Berufsqualifikationen für kirchliche Dienste ist das Recht der Kirchen, für kirchliche Berufe eigene Ausbildungsstätten einzurichten. Für den Bereich der theologischen Ausbildung ist dies seit langem rechtlich geklärt und praktisch verwirklicht16. Ausdruck dieser Befug12 Vgl. das in Anm.11 zitierte Statut: "Der Schwerpunkt des pastoralen Dienstes liegt in der Verkündigung, Bildungsarbeit und Zielgruppenarbeit. Dieser Dienst setzt einen Glauben voraus, der in der Gemeinschaft der Kirche seinen Ausdruck finden muß vor allem im täglichen Gebet und regelmäßiger Teilnahme am sakramentalen Leben der Kirche" (Präambel). 13 Vgl. B. Rüthers, Kirchenautonomie und gesetzlicher Kündigungsschutz, in: NJW 1976, S. 1918 -1923, S.1919. 14 Vor allem das Dekret über Dienst und Leben der Priester "Presbyterorum ordinis" vom 7. Dezember 1965, Acta Apostolicae Sedis 58 (1966), S.991 bis 1024. 15 Vgl. unten S. 114 ff. 16 Vgl. hierzu W. Weber, HdbStKirchR H, S. 569 - 596 sowie M. Baldus, Kirchliche Hoch- und Fachhochschulen, in: Handbuch des Staatskirchenrechts
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nisse sind nicht nur die Garantien der Errichtung eigener philosophischtheologischer Lehranstalten und von Priesterseminaren in Landesverfassungen und Konkordaten, sondern vor allem auch die Sicherung der besonderen kirchlichen Befugnisse in bezug auf die theologischen Fakultäten der staatlichen Universitäten. Von besonderer grundsätzlicher Bedeutung ist es aber, daß im Zuge der Weiterentwicklung und Differenzierung kirchlicher Berufe nunmehr auch das Recht zur Errichtung von Ausbildungsstätten für kirchliche Dienste außer halb des geistlichen Amtes als Bestandteil der kirchlichen Gestaltungsbefugnis für den kirchlichen Dienst verstanden werden muß. Dies gilt heute vor allem für Ausbildungsstätten für kirchliche Sozialarbeiter und Sozialpädagogen11, die als Mitarbeiter der kirchlich caritativen und diakonischen Dienste berufliche Aufgaben wahrzunehmen haben, die Teil der durch Art. 4 GG auch zugunsten der Kirche geschützten Religionsausübung sind, aber auch für Ausbildungsstätten für andere kirchliche Berufe, wie Gemeindehelfer und Gemeindeassistenten, Katecheten u. a. Aus diesem Grunde muß die Befugnis der Kirchen und ihrer Einrichtungen zur Errichtung von kirchlichen Fachhochschulen und Fachschulen, die für sie zunächst wie für andere Rechtsträger durch die einschlägigen Vorschriften der Hochschul-, Fachhochschul- und Privatschulgesetze geregelt ist, als zusätzlich durch das kirchliche Selbstbestimmungsrecht und die Garantie der Religionsfreiheit geschützt betrachtet werden. Dies schließt freilich einen staatlichen, hochschul- oder schulrechtlichen, Genehmigungsvorbehalt, wie ihn die einschlägigen Gesetze enthalten, nicht aus, begrenzt aber andererseits die inhaltliche Reichweite solcher staatlichen Vorbehalte und Gestaltungsspielräume. IV. Angesichts des verfassungsrechtlich verbürgten Freiheitsraumes der Kirchen bezüglich der kirchlichen Berufe stellt sich die Frage, ob die geltende Regelung der beruflichen Bildung durch das Berufsbildungsgesetz die Verfassungsrechtslage in allen Punkten ausreichend berücksichtigt18. Zweifel ergeben sich in zweierlei Hinsicht: 1. "Als Grundlage für eine geordnete und einheitliche Berufsausbildung" führt das Gesetz rechtlich besonders umschriebene Berufstypen ein, die sog. staatlich anerkannten Ausbildungsberufe.
der Bundesrepublik Deutschland, Band 11, Berlin 1975, S. 597 - 622, S.602; ferner ders., Die deutschen Ordenshochschulen, in: Ordenskorrespondenz 1978, S. 163 - 204, S. 175. 17 Hierzu M. Baldus, Kirchliche Hoch- und Fachhochschulen, in: Hdb StKirchR 11, S. 602. 18 Vgl. hierzu auch Th. MayeT-Maly, Das staatliche Arbeitsrecht und die Kirchen, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 10, Münster 1976, S. 127 - 149, S. 141.
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Diese Anerkennung wird durch Rechtsverordnung des Bundesministers für Wirtschaft oder des sonst fachlich zuständigen Bundesministers ausgesprochen. Mit der Anerkennung wird zugleich eine Ausbildungsordnung erlassen, die u. a. die Ausbildungsdauer, das sog. "Ausbildungsberufsbild", den "Ausbildungsplan" sowie die Prüfungsanforderungen regelt (§ 25 Abs.1 und 2 BBiG). Diesen staatlich anerkannten und von den staatlichen Stellen inhaltlich definierten Berufsbildern kommt innerhalb des Systems des Berufsbildungsgesetzes eine dominierende Rolle zu. Denn gemäß dem Ausschließlichkeitsgrundsatz des § 25 Abs.2 BBiG dürfen Jugendliche unter 18 Jahren, soweit die Berufsausbildung nicht auf den Besuch weiterführender Bildungsgänge vorbereitet, nicht in anderen als den staatlich anerkannten und geregelten Ausbildungsberufen ausgebildet werden. Damit liegt bezüglich der für Jugendliche in Betracht kommenden Berufsausbildung die Definition der Berufsbilder und der zu ihnen führenden Ausbildung ausschließlich und in jedem Falle in staatlichen Händen. Für die Kirche bedeutet dies, daß auch sie, falls sie kirchliche Dienste einrichten wollte, für die sie Jugendliche ausbilden möchte, auf die Anerkennung und rechtliche Umschreibung dieser Berufe und der zu ihnen führenden Ausbildung durch den Staat angewiesen wäre. Dies schließt zwar die Ausarbeitung entsprechender Vorschläge und die Vorlage von Anträgen an die zuständigen staatlichen Stellen nicht aus - ein Verfahren, das auch sonst mit an der Definition bestimmter Berufe Interessierten eingehalten wird. Dies ändert aber nichts an der Letztentscheidung durch den Staat und an seiner - rechtlich gesehen Alleinentscheidungsbefugnis. Diese Rechtslage muß unter grundsätzlichen Aspekten als empfindliche und rechtlich nicht unproblematische Beschränkung des Freiheitsraumes der Kirchen betrachtet werden. Es spielt gegenüber diesen grundsätzlichen Bedenken keine Rolle, daß sich aus dieser Rechtslage bisher keine Konfliktsfälle zwischen Staat und Kirche ergeben haben, - in erster Linie deshalb, weil gegenwärtig kein praktisches Interesse der Kirchen besteht, Jugendliche für spezifisch kirchliche Berufe außerhalb schulischer Ausbildungsgänge auszubilden. Die angesprochene Grundsatzproblematik ist aber bereits bei dem Versuch zutage getreten, das Berufsbild des kirchlichen Verwaltungsangestellten, das sicher dem Berufsbild des staatlichen Verwaltungsangestellten nahe steht, aber doch bestimmte Eigenarten besitzt, im Rahmen einer Gesamtregelung des staatlich anerkannten Berufs des Verwaltungsfachangestellten durch staatliche Rechtsverordnung zu regeln 19 • Es sei hier nicht bestritten, daß die allgemeine staat-
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liche Kompetenz, im Interesse der Jugendlichen deren berufliche Ausbildung zu ordnen, notwendigerweise auch staatliche Rechte gegenüber den Kirchen, soweit sie Ausbildungsträger sind, begründen muß. Es fragt sich aber, ob diese so weit gehen dürfen, daß der Staat auch dort allein über die Gestaltung der Berufsausbildung für Jugendliche bestimmt, wo es um zum Dienst der Kirchen gehörige Berufe geht. 2. Außerordentlich problematisch ist auch die Behandlung der Kirchen innerhalb des organisatorischen Instrumentariums der beruflichen Bildung. Zur Regelung der Durchführung der beruflichen Bildung, soweit Vorschriften nicht bestehen, sowie zur überwachung der Durchführung der Berufsausbildung sieht das Berufsbildungsgesetz die sog. "zuständige Stelle" (vgl. § 44, 45 BBiG) vor. Zur Unterrichtung und Anhörung in allen wichtigen Angelegenheiten der beruflichen Bildung, besonders auch als Beschlußorgan für die von der zuständigen Stelle zu erlassenden Rechtsvorschriften für die Durchführung der beruflichen Bildung hat die zuständige Stelle einen sog. "Berufsbildungsausschuß" zu errichten (vgl. §§ 56, 58 BBiG). Diesem gehören 6 Beauftragte der Arbeitgeber, 6 Beauftragte der Arbeitnehmer und - mit beratender Stimme - 6 Lehrer an berufsbildenden Schulen an. Die Beauftragten der Arbeitgeber werden auf Vorschlag der zuständigen Stelle, die Beauftragten der Arbeitnehmer auf Vorschlag der im Bereich der zuständigen Stelle bestehenden Gewerkschaften und selbständigen Vereinigungen von Arbeitnehmern mit sozial- oder berufspolitischer Zwecksetzung berufen (§ 56 Abs.l und 2 BBiG). Diese Vorschriften gelten auch für die Kirchen mit der einzigen Besonderheit, daß sie für die kirchlichen Berufsausbildungsgänge die zuständigen Stellen selbst bestimmen, also eine kirchliche Einrichtung mit dieser Aufgabe betrauen können (§ 84 a BBiG). Da aber die Vorschriften über die Zusammensetzung des Berufsbildungsausschusses nicht modifiziert sind, gilt auch hier das soeben beschriebene Vorschlagsrecht der genannten Arbeitnehmerorganisationen, ohne daß zugleich etwas über die kirchliche Bindung der in diesem Verfahren zu Berufenden ausgesagt wäre. Da der Berufsbildungsausschuß mit der Mehrheit der abgegebenen Stimmen beschließt (§ 57 Abs. 1 Satz 2 BBiG), ergibt sich, daß grundsätzlich keine Entscheidung getroffen werden kann, ohne daß ihr wenigstens auch ein von der betreffenden Arbeitnehmerorganisation vorgeschlagenes Mitglied zugestimmt hat. Wenn dieses, was nach dem Gesetz durchaus möglich ist, selbst gar nicht Mitglied der betroffenen Kirche ist, bedeutet dies, daß Entscheidungen, die wesentliche Gestaltungen des kirchlichen Dienstes betreffen, von 19
Entsprechende Entwürfe sind bislang noch nicht verabschiedet.
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außerhalb der Kirche Stehenden maßgeblich mit beeinflußt werden können. Es mag sein, daß die genannten Vorschriften verfassungskonform dahin ausgelegt werden können, daß die von der Kirche bestimmte zuständige Stelle die Berufung etwa nicht der Kirche angehörender oder der Kirche aus anderen Gründen fernstehender Mitglieder des Berufsbildungsausschusses ablehnen kann, zumal Mitglieder des Berufsbildungsausschusses aus wichtigen Gründen auch von der zuständigen Stelle abberufen werden können (§ 56 Abs. 4 BBiG). Dies änderte aber nichts daran, daß die betreffende Vorschrift des Berufsbildungsgesetzes schon wegen der diesbezüglichen Unklarheit zu Bedenken Anlaß gibt20• V. Die Ordnungsbefugnis der Kirche in bezug auf ihr Dienstrecht ermächtigt sie, wie wir bereits ausgeführt haben, zu bestimmen, welche Arten von Tätigkeiten im kirchlichen Auftrag sie unter dem Sammelbegriff des kirchlichen Dienstes zusammenfaßt, sofern hierbei der Bereich der eigenen Angelegenheiten nicht überschritten wird. Deshalb kann die Kirche auch die sogenannten "ehrenamtlichen" Dienste ohne Bruch in das Gefüge des kirchlichen Dienstrechts einbeziehen und somit die Einheit der kirchlichen Dienstgemeinschaft in einem umfassenden Sinn konstituieren. Ein Hinweis auf diesen Gedanken findet sich in dem Motuproprio "Ministeria Quaedam" vom 15.8.1972 21 , in dem für die bisher mit den sogenannten "Niederen Weihen" verbundenen Ehrenämter nach Abschaffung dieser Weihen die Bezeichnung "ministeria" gebraucht und ferner verfügt wird, daß mit diesen Diensten kein Anspruch auf Bezahlung verbunden ist. Die Bestätigung dieser grundsätzlichen Tendenz des neueren Kirchenrechts findet sich in dem apostolischen Schreiben Papst Pauls VI. "Evangelii nuntiandi" über die Evangelisierung vom 8. Dezember 1976 22 : Auch hier wird in der Nr. 73 die Bedeutung der insbesondere von Laien zu übernehmenden "ministeria ecclesialia" betont. Eine besondere Hervorhebung der ehrenamtlichen Dienste in der Gemeinde enthält der Beschluß der Gemeinsamen Synode der Bistümer der Bundesrepublik Deutschland "Die pastoralen Dienste in der Ge20 A. Frh. v. Campenhausen, Der Pluralismus als Auftrag und Herausforderung, in: Kann der Staat für alles sorgen? Hrsg. von A. Frh. v. Campenhausen, Düsseldorf 1976, S. 127 - 145, S. 134, ist der Auffassung, daß die genannten Regelungen verfassungsrechtlicher Prüfung nicht standhalten. 21 Abgedruckt in: Kleriker- und Weiherecht, Sammlung neuer Erlasse, eingeleitet und kommentiert von H. Schmitz, Nachkonziliare Dokumentation Bd. 38, Trier 1974, S. 24 - 39 (lat. und deutsch), Abschn. II und XII. 22 Apostolisches Schreiben "Evangelii nuntiandi" vom 8. Dezember 1975, abgedruckt in: Apostolisches Schreiben über die Evangelisierung in der Welt von heute, mit Einführung und Kommentar von A. Brandenburg, Nachkonziliare Dokumentation Band 57, Trier 1976, S. 161 ff.
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meinde"23. Aus den hier niedergelegten Grundsatzaussagen ergibt sich deutlich, daß diese ehrenamtlichen Dienste nicht als Notlösung wegen Fehlens haupt- oder nebenberuflicher Mitarbeiter verstanden, sondern als Ausdruck lebendigen geistlichen Lebens der Gemeinde, als Verwirklichung der jedem Christen durch Taufe und Firmung gegebenen Sendung gewertet werden. Diese Verankerung im geistlichen Leben der Gemeinde läßt die ehrenamtlichen Dienste zum verpflichtenden Maßstab für den kirchlichen Dienst überhaupt und die hauptberuflichen Dienste im besonderen werden; denn zu ehrenamtlichen Diensten werden insbesondere diejenigen Gemeindemitglieder berufen, die sich dem geistlichen Auftrag der Kirche in besonderem Maße verbunden wissen. Hieraus erwächst für die Kirche die unausweichliche Notwendigkeit, die Anforderungen an die kirchliche Gebundenheit der hauptberuflichen Mitarbeiter nicht geringer anzusetzen als bei den ehrenamtlichen Mitarbeitern. Das kirchliche Engagement der ehrenamtlichen Mitarbeiter wird so zur Richtschnur der Forderung nach der kirchlichen Gebundenheit jener Mitarbeiter, die sich nicht nur für ihre Freizeit, sondern mit ihrer beruflichen Arbeitskraft in den kirchlichen Dienst begeben. Die zunehmende Bedeutung der ehrenamtlichen Dienste für das Leben der katholischen Kirche hat mittlerweile auch positivrechtlichen Niederschlag in den kirchlichen Regelungen einzelner solcher Dienste, etwa des Kommunionshelfers und der Beteiligung an der Verkündigung, gefunden24 • Angemerkt sei schließlich, daß auch das staatliche Recht jedenfalls partiell kirchliche ehrenamtliche Dienste als Teil der kirchlichen Ordnung zur Kenntnis nimmt und hieraus Folgerungen für einzelne Fragen des staatlichen Rechts zieht 25 • 23 Beschluß "Die pastoralen Dienste in der Gemeinde", in: Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, Offizielle Gesamtausgabe I, Freiburg-Basel-Wien 1976, S. 597 - 636, Nr.3.1.2, S.610 sowie W. Kasper, Einleitung, S. 578. - Der Beschluß der Deutschen Bischofskonferenz "Grundsätze zur Ordnung der pastoralen Dienste" (s. Anm. 11, S.33) verweist ebenfalls darauf, daß die Laien ihre "unverzichtbare Verantwortung für das Leben der Gemeinden, die ihnen in der Taufe und Firmung übertragen ist, zumeist in ehrenamtlichen pastoralen Diensten wahr(nehmen)". 24 Vgl. etwa den Erlaß "Kommunionspendung durch Laien" vom 15.5.1970, Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg S. 91; ferner die "Richtlinien für die Beteiligung der Laien an der Verkündigung in den Diözesen der Bundesrepublik Deutschland", Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg 1974, S.83. Der letztgenannte Text, ein Beschluß der Deutschen Bischofskonferenz vom März 1974, geht auf den Synodenbeschluß "Die Beteiligung der Laien an der Verkündigung" vom 4.1.1973 (abgedruckt in: Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, Offizielle Gesamtausgabe I, Freiburg-Basel-Wien 1976, S.169 -178) zurück. 25 Gemeint ist hier die in der neueren Rechtsentwicklung bejahte Unfallversicherungspflicht der Mitglieder von Kirchenchören und der Ministranten gern. § 539 Abs. 1 Nr. 13 RVO, die mit der Innehabung eines kirchlichen
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VI. Insgesamt gesehen folgt aus der Zugehörigkeit des kirchlichen Dienstes zu den eigenen Angelegenheiten gern. Art. 137 Abs.3 WRV eine umfassende Regelungskompetenz der Kirchen zur Gestaltung eines eigenen kirchlichen Dienstrechts. Dieses steht - wie prinzipiell alles kirchliche Handeln im Rahmen des Selbstbestimmungsrechts - unter der Frage, inwieweit ihm vom staatlichen Recht her verpflichtende Grenzen gezogen sind, was nur für die jeweiligen Einzelregelungen, im Rahmen dieser Untersuchung also je gesondert, geprüft werden kann. Primär ist aber die selbständige Ordnungsbefugnis der Kirchen, die ihnen die Möglichkeit gibt, auch für den kirchlichen Dienst wie für die anderen eigenen Angelegenheiten nicht Recht vom Staat nehmen zu müssen, sondern über die für sie relevante Ordnung selbst entscheiden zu können. 1. Damit gewinnt die Kirche die Möglichkeit, nicht fremdes, sondern eigenes Verfassungsrecht als Maßstab der Richtigkeit auch des kirchlichen Dienstrechts zu setzen. Dies hat Konsequenzen für die Gestaltung der einzelnen Dienstverhältnisse, die unten im Zusammenhang zu erörtern sind. Schon jetzt sei aber festgehalten, daß aus der Möglichkeit, die eigenen kirchenverfassungsrechtlichen Grundlagen als Ausgangspunkt des Dienstrechts zu nehmen, die für die Kirche lebenswichtige Möglichkeit erwächst, das Tätigwerden im Dienst der Kirche als Mitwirkung am geistlichen Auftrag der Kirche zu sehen und auszugestalten, das Rechtsverhältnis des kirchlichen Dienstes also nicht i. S. von § 611 BGB auf die beiden "Hauptpflichten", nämlich die Pflicht zur Erbringung der Arbeitsleistung und die Pflicht zur Entgeltzahlung, zu reduzieren. Damit wird die Bedeutung der materiellen Seite der kirchlichen Dienst- und Arbeitsverhältnisse nicht abgewertet, zumal die Kirche hierfür eigene rechtliche Grundlagen besitzt, die sie vielleicht stärker in Pflicht nehmen als die entsprechenden Verpflichtungen die weltlichen Dienstgeber. Wie Strigl26 richtig betont hat, rechtfertigt die Betonung der Besonderheiten des kirchlichen Dienstes auch keine "Mythologisierung" der kirchlichen Arbeitsverhältnisse, schon gar nicht eine Konstruktion, die die Dienst- und Arbeitsverhältnisse, nur weil sie mit der Kirche eingegangen sind, dem genossenschaftlich konstruierten Rechtsverhältnis der Ordensleute annäherte. Wie noch zu zeigen sein wird, sind die kirchlichen Laien-
Ehrenamtes begründet wird, vgl. für die Mitglieder von Kirchenchören das Urteil des Bundessozialgerichts vom 19. 8. 1975, Az. 8 RU 234174, für die Ministranten den Beschluß des Bundessozialgerichts vom 18. 12. 1974, Az.2/8 RU 34173, sowie K. Mörsdorf, Die Stellung des Ministranten nach kanonischem Recht, in: Archiv für katholisches Kirchenrecht 1974, S. 448 - 453. 26 Vgl. R. A. Strigl, Kirchliches Dienstrecht in der Bundesrepublik Deutschland, in: Ex aequo et bono, W. M. Plöchl zum 70. Geburtstag, Innsbruck: 1977, S. 531 - 544. S. 533.
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mitarbeiter, deren Dienst seine Grundlage nicht in der sakramentalen Weihe hat, echte Dienstnehmer, sei es in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis, sei es als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsrechts. Da die für solche Dienst- und Arbeitsverhältnisse allgemein geltenden Vorschriften weder göttlichem noch kanonischem Recht widersprechen!7, bestehen gegen eine Bindung der Kirche an die entsprechenden staatlichen Regelungen auch keine Bedenken. Dies alles ändert aber nichts an der Tatsache, daß Inhalt dieser Dienst- und Arbeitsverhältnisse ein kirchlicher Auftrag ist, dessen Besonderheit auch Unterschiede hinsichtlich der Anwendung und Entfaltung dienst- und arbeitsrechtlicher Grundsätze rechtfertigt. 2. Kraft des Selbstbestimmungsrechts kann die Kirche ein eigenes Dienstrecht im umfassenden Sinne erlassen. Die kirchlichen Befugnisse erstrecken sich also nicht nur auf jene Bereiche, die etwa im Tarifvertragsgesetz der Ordnungsbefugnis der Tarifvertragsparteien zugewiesen sind, also auf - dort so genannte - Fragen des Inhalts, des Abschlusses und der Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Vielmehr kann die Kirche eine ganzheitliche Ordnung kirchlicher Dienste schaffen, in der auch alle sonst notwendigen Regeln, insbesondere über die Voraussetzungen der übertragung kirchlicher Dienste und die im kirchlichen Dienst gestellten persönlichen und beruflichen Anforderungen, ihren Platz haben. 3. Grundlage der Regelung des kirchlichen Dienstes ist, wie ausgeführt, das Selbstbestimmungsrecht des Art. 137 Abs.3 WRV. Diese Bestimmung ist zugleich die Grundlage dafür, daß die staatliche Rechtsordnung das kirchliche Dienstrecht wie sonstiges kirchliches Recht als eigene Ordnung zu respektieren und daran die Reichweite der Geltung staatlicher Regelungen für den kirchlichen Dienst zu orientieren hat. Dieser Vorbehalt zugunsten der eigenen kirchlichen Regelung, die insbesondere auch die Anwendbarkeit staatlicher Rechtssätze auf kirchliche Dienstverhältnisse modifiziert oder ausschließt, ist früher durchweg abkürzend mit dem Begriff des "Tendenzschutzes" gekennzeichnet worden. Die neuere Diskussion macht zu Recht darauf aufmerksam, daß dieser Begriff die Sache, die gemeint ist, nicht trifft28 • Dem sog. "Tendenzschutz" unterliegen Arbeitsverhältnisse bestimmter weltlicher Arbeitgeber, und dies nicht in vollem Umfang, sondern vor allem in betriebsverfassungsrechtlicher und kündigungsschutzrechtlicher Hinsicht. Gegenüber diesem "Tendenzschutz", der vor allem grundrechtliche Wurzeln und deren Grenzen hat, besitzen die kirchlichen Befug27 Ebd. 28 Vgl. vor allem Th. Mayer-Maly, Arbeitsrecht und Kirchen, in: Essener Gespräche 10, S. 146 und Anm. 65, anders noch J. Jurina, Rechtsstatus, S. 129, Anm.17.
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nisse im Bereich des Dienst- und Arbeitsrechts eine andere rechtliche Grundlage: eben das kirchliche Selbstbestimmungsrecht des Art.137 Abs.3 WRV, in dem insbesondere eine eigene Regelungsbefugnis der Kirche enthalten ist, die den durch den bloßen "Tendenzschutz" geschützten Arbeitgebern nicht eignet. Eine Anerkennung dieser unterschiedlichen Ausgangslage findet sich in dem schon erwähnten § 118 BetrVG, dessen Abs. 1 eine infolge des "Tendenzschutzes" eingeschränkte Geltung des Betriebsverfassungsrechts von der in Abs.2 verfügten völligen Herausnahme der Kirchen aus dem Betriebsverfassungsgesetz unterscheidet. Deshalb wird im folgenden bezüglich der aus dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht abzuleitenden Befugnisse der Kirchen im Bereich des Dienstrechts sowie hinsichtlich der hieraus für das staatliche Recht zu ziehenden Folgerungen der Begriff des "Tendenzschutzes" nicht gebraucht werden. Dies ist, wie so oft in der Rechtswissenschaft, nicht eine Frage des bloßen terminologischen Geschmacks. Vielmehr sind noch zu erörternde neuere Gerichtsurteile 2 !t ein beredtes Zeugnis dafür, daß auch hier der falsche Sprachgebrauch die Gefahr des falschen "Denkgebrauchs" in sich birgt. 4. Daß es im kirchlichen Dienstrecht nicht lediglich um einen bestimmte Positionen sichernden "Tendenzschutz", sondern um die Möglichkeit geht, aus dem eigenen kirchlichen Selbstverständnis eine umfassende eigene Ordnung der kirchlichen Dienste zu entwickeln, zeigt sich an einem Grundgedanken des neueren kirchlichen Dienstrechts, der eines der wesentlichen Elemente der kirchlichen Ordnungsvorstellungen bildet: an der auch ins positive kirchliche Recht eingegangenen Betonung der einen kirchlichen Dienstgemeinschaft, die alle im Dienst der Kirche Tätigen, mögen sie nun Geistliche oder Laien sein, umfaßt~lO. Rechtstheologische Grundlage hierfür ist das gemeinsame Priestertum aller Gläubigen, das vor der grundsätzlichen Unterscheidung von Geistlichen und Laien einen christlichen "Grundstatus" konstituiert, der maßgebend auch für die kirchlichen Dienste ist. Dieses sich in den neueren dienstrechtlichen Regelungen abzeichnende Bewußtsein für eine bei aller Verschiedenheit der Ämter und Vollmachten zugleich vorhandene grundsätzliche Zusammengehörigkeit aller kirchlichen Dienste ist neuerdings in der überarbeiteten Liturgie der katholischen Kirche eindrucksvoll bestätigt worden. Vgl. unten S. 133 ff. Vgl. hierzu J. Jurina, Dienst- und Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S.80; ferner B.-O. Kuper, Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst, in: Stimmen der Zeit Bd. 195 (1977), S. 626 - 634, S. 632; kritisch O. v. NeH-Breuning, Kirchliche Dienstgemeinschaft, in: Stimmen der Zeit Bd. 195 (1977), S. 705 -710. 29
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In drei der deutschen Fassungen des Eucharistischen Hochgebets der Messe gilt das gemeinsame Fürbittgebet der Gemeinde der Vollendung des Volkes Gottes in der Liebe, vereint mit dem Papst, dem Bischof und allen Bischöfen, den Priestern und Diakonen und "allen, die zum Dienst in der Kirche bestellt sind". Dienst in der Kirche ist also nicht mehr auf die Angehörigen des Klerus beschränkt, dem jene als "Nehmende" gegenüberstehen, die als Laien vom Kleriker wesensgemäß (vgl. ean.107 eIC) geschieden sind. Dem Fürbittgebet der die Feier ihrer Einheit begehenden Gemeinde werden vielmehr alle empfohlen, die in der Kirche einen Dienst aufgetragen bekommen haben, mag er der eines Geistlichen oder eines Laien, mag er hauptberuflich oder ehrenamtlich übernommen worden sein. Sicher handelt es sich hier nicht um rechtliche Aussagen, so daß es falsch wäre, sie in kirchenrechtlicher Hinsicht überzubewerten. Andererseits sind sie Ausdruck eines geistlichen Bewußtseins der Kirche, das für die Fortentwicklung auch der rechtlichen Strukturen vielleicht bedeutsamer ist als Aussagen in kirchlichen Grundsatzdokumenten.
Viertes Kapitel
Die Ordnung der kirchlichen Dienste der katholischen Kirche im einzelnen Die vorstehenden grundsätzlichen überlegungen hatten Fragen zum Gegenstand, die für den gesamten kirchlichen Dienst gelten. Weitere Einzelheiten können jedoch nicht mehr in allgemeiner Form erörtert werden. Vielmehr ist es hierfür notwendig, die einzelnen Arten der kirchlichen Dienste zu unterscheiden. Deshalb sollen im folgenden die staatskirchenrechtlichen Fragestellungen getrennt für das Dienstverhältnis der Geistlichen, der Kirchenbeamten und der im privatrechtlichen Dienstverhältnis beschäftigten kirchlichen Mitarbeiter behandelt werden. Entsprechend der engeren Zielsetzung dieser Untersuchung geht es dabei vor allem um die Regelung~m der katholischen Kirche. Mutatis mutandis können viele der nachfolgend entwickelten überlegungen freilich auch auf die anderen Kirchen bzw. Religionsgemeinschaften übertragen werden. 1. Abschnitt: Das Dienstrecht der geistlichen Amtsträger 1. Für das in der sakramentalen Weihe gründende geistliche Amt besitzt die Kirche im Rahmen der Garantie ihres Selbstbestimmungsrechts eine umfassende eigene Ordnungsbefugnis.
1. Diese Befugnis berechtigt zur Umschreibung des Auftrags der verschiedenen Amtsträger und der geistlichen und rechtlichen Vollmachten ihres Amtes. Der eigenen kirchlichen Regelung unterliegt auch die Festlegung der Formen, in denen das jeweilige Amt übertragen wird. Der Kirche obliegt schließlich die rechtliche Ausformung der einzelnen Rechtsverhältnisse, in die die verschiedenen geistlichen Amtsträger bei übertragung des Amtes berufen werdeni. Diese gesamte Ordnung des geistlich€n Amtes ist ureigene Angelegenheit der Kirche 2• Ihr allein obliegt gemäß Art. 137 Abs. 3 WRV der Erlaß der hier einschlägigen Regelungen. Gemäß der oben ausgeführten Unterscheidung verschiedener Ebenen des rechtlichen HandeIns der Kirche im Rahmen ihres Selbstbestimmungsrechts handelt es sich dabei um eigenständiges Kir1 2
Vgl. auch J. Frank, Dienst- und Arbeitsrecht, in: HdbStKirchR I, S.675. Vgl. ebd. m. w. N.
1. Abschn.: Geistliche Amtsträger
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chenrecht, da die betreffenden Regelungen unmittelbar geistliche Angelegenheiten betreffen. Auch in staatskirchenrechtlicher Sicht handelt die Kirche bei Erlaß der genannten Vorschriften also nicht kraft einer ihr verliehenen Vollmacht des staatlichen Rechts. Die Kirche übt vielmehr eine ihr selbst eigene Regelungsbefugnis aus, ohne daß von seiten des Staates eine irgendwie geartete konstitutive Mitwirkung beansprucht werden könnte. Das staatliche Recht anerkennt vielmehr lediglich kraft der in Art. 137 Abs. 3 WRV ausgesprochenen Garantie kirchlicher Eigenständigkeit die Existenz und rechtliche Relevanz der eigenen kirchlichen Regelungskompetenz auch für den staatlichen Rechtskreis - mit der Folge etwa, daß an die einschlägigen kirchenrechtlichen Regelungen, soweit von ihrem Inhalt eine bestimmte Rechtsfolge des staatlichen Rechts abhängt, als an dem staatlichen Recht vorgegebene und auch für dieses beachtliche Aussagen anzuknüpfen ist. 2. In Ausübung dieser Ordnungsbefugnis hat die katholische Kirche umfassende und detaillierte Regelungen des Dienstrechts der Träger der geistlichen Ämter erlassen. Diese finden sich zum einen im kirchlichen Gesetzbuch, dem Codex Iuris Canonici, zum anderen in zahlreichen Einzeldokumenten3 . In sachlicher Hinsicht können zwei Regelungsebenen unterschieden werden:
Die eine betrifft den dienstrechtlichen Grundstatus aller Kleriker, die andere das Dienstrecht in bezug auf die im Einzelfall ausgeübte Funktion, etwa als Pfarrer. a) Die Aufnahme in den Stand des Klerikers geschieht um der Ausübung des aus göttlicher Einsetzung stammenden kirchlichen Dienstamtes willen. In dieser Beauftragung mit dem kirchlichen Dienstamt stehen seine Träger, wie das 2. Vaticanum formuliert hat, "im Dienste ihrer Brüder, damit alle, die zum Volke Gottes gehören und sich der wahren Würde eines Christen erfreuen, in freier und geordneter Weise sich auf das nämliche Ziel hin ausstrecken und so zum Heile gelangen"4. In erster Linie ist der Kleriker somit zum Dienst am Wort und Sakrament berufen. Deshalb geschieht seine Beauftragung mit dem Dienstamt auch in einer besonderen geistlichen Form, nämlich durch sakramentale Weihe. Diese Weihe, genauer ihre erste Stufe, die Diakonatsweihe, ist es auch, die nach der Neuordnung des Weiherechts nunmehr die kirchenrechtliche Aufnahme in den Stand des Klerikers begründet5 . 3 Vgl. zum folgenden J. Jurina, Dienst- und Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S. 58 ff. 4 Dogmatische Konstitution "Lumen Gentium", AAS 57 (1965), S. 5 - 67, Nr.20. 6 Vgl. J. Jurina, Dienst- und Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S.59
m.w.N.
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4. Kap.: Ordnung der kirchlichen Dienste
Da die Begründung des Klerikerstatus um der Beauftragung mit dem kirchlichen Dienstamt willen im Dienst an Wort und Sakrament erfolgt, wird mit dem Klerikerstatus zugleich ein Grunddienstverhältnis des Klerikers zu seinem Bischof konstituiert: das sogenannte Inkardina tionsver häl tnis6 • Das Inkardinationsverhältnis ist ein zweiseitiges Rechtsverhältnis des Inkardinierten zu seinem Bischof, dem ordinarius proprius. Es begründet auf seiten des Klerikers die volle, unbemessene und auf Lebenszeit zugesagte Verpflichtung zum Dienst in der Kirche in Unterstellung unter den Diözesanbischof, dem der Kleriker in seiner Amtsausübung und in seiner persönlichen Lebensführung untersteht und Gehorsam schuldet. Es begründet auf der anderen Seite eine Reihe von Rechten des Klerikers, die im positiven kirchlichen Recht noch nicht ausreichend ausformuliert sind, aber aus konziliaren und nachkonziliaren Dokumenten erschlossen werden können. Zu ihnen gehört, wie Mosiek7 dargelegt hat, z. B. das Recht auf Verwendung im Heimatverband der Diözese, das (freilich begrenzte) Recht auf Freistellung vom Diözesandienst für außer- und überdiözesane Aufgaben, das Recht, seiner Kraft, Fähigkeit und Neigung entsprechend eingesetzt zu werden, das Recht auf angemessene und zeitgemäße Ausbildung und Weiterbildung, das Recht auf angemessenen Urlaub und soziale Für- und Vorsorge. In materieller Hinsicht ist mit dem Inkardinationsverhältnis der Anspruch auf wirtschaftliche Versorgung, d. h. insbesondere auf die Sicherstellung des Lebensunterhalts und ausreichende Altersversorgung verbunden8 • b) Die Angehörigen des Klerus üben ihren jeweiligen speziellen Dienst in verschiedenartigen Dienstverhältnissen aus, die keineswegs immer, wie am Beispiel des Universitätsprofessors oder des geistlichen Religionslehrers gezeigt werden kann, ausschließlich Dienstverhältnisse mit der Kirche sein müssen 9 • Im Vordergrund steht freilich, soweit es sich um Priester handelt, der Dienst in der Gemeindeseelsorge als Pfarrerio. Hierzu ebd., S. 59 - 61 m. w. N. U. Mosiek, Verfassungsrecht der Lateinischen Kirche, Band I Grundlagen, Freiburg 1975, S.245/246. 8 Vgl. J. Jurina, Dienst- und Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S.60f. m.w.N. 9 Ein anderes Beispiel für eine Tätigkeit innerhalb eines staatlichen Rechtsverhältnisses ist der Militärgeistliche, dessen Amt Doppelcharakter hat: er ist geistlicher und staatlicher Amtsträger; vgl. BSG, Urteil vom 31. 3. 1976, in: ZevKR Bd.22 (1977), S.148. 10 Vgl. hierzu J. JUTina, Dienst- und Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S. 60 ff. 6
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1.
Abschn.: Geistliche Amtsträger
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Für das Verständnis des Dienstverhältnisses des Pfarrers ist es wesentlich, daß Inhalt dieses Dienstverhältnisses nicht einfach nur die Zuweisung einer bestimmten Seelsorgeaufgabe ist, sondern daß dem Pfarrer ein Kirchenamt, und zwar ein Kirchenamt im engeren Sinne gem. c.145 § 1 CIC, übertragen wird. Dies kommt insbesondere darin zum Ausdruck, daß die Innehabung des Pfarramts von Amts wegen eine Teilhabe an der kirchlichen Jurisdiktionsgewalt verleiht. Das Amt des Pfarrers muß im Zusammenhang mit dem Amt des Bischofs gesehen werden. Aufgabe des Pfarrers ist es, wie das 2. Vatikanische Konzil betont hat, in den Ortsgemeinden den Bischof "gewissermaßen gegenwärtig" zu machen; "sie übernehmen zu ihrem Teil seine Amtsaufgaben und seine Sorge und stellen sich täglich in ihren Dienst. Unter der Autorität des Bischofs heiligen und leiten sie den ihnen zugewiesenen Anteil der Herde des Herrn, machen die Gesamtkirche an ihrem Orte sichtbar und leisten einen wirksamen Beitrag zur Erbauung des gesamten Leibes Christil1 ." Die übertragung des Pfarramtes erfolgte deshalb auch grundsätzlich durch den Bischof selbst, eine Befugnis, die durch Grundsatzaussagen des 2. Vatikanischen Konzils über die Freiheit der Bischöfe bei der Ämterbesetzung unterstrichen worden ist. Die Form der übertragung des Pfarramts ist die kanonische Verleihung gem. c.147 § 1 CIC, und zwar in der Regel die freie Verleihung (collatio libera). Die übertragung des Pfarramts erfolgte nach dem CIC ursprünglich auf Dauer. Diese Regelungen sind vom 2. Vatikanischen Konzil selbst und durch nachkonziliare Rechtsetzung in grundlegender Weise geändert worden. In Ausführung dieser Anordnungen des Konzils bestimmt das Motu Proprio "Ecclesiae Sanctae", daß der Bischof jeden Pfarrer rechtmäßig aus seinem Amt abberufen kann, wenn seine Amtsführung auch ohne schweres Verschulden aus einem der im Recht angeführten Gründe oder aus ähnlicher Ursache nach dem Urteil des Bischofs Schaden bringt oder unwirksam ist. Ferner kann der Bischof, wenn das Wohl der Seelen oder Not oder der Nutzen der Kirche es fordert, einen Pfarrer, auch wenn er seine Pfarrei erfolgreich leitet, in eine andere Pfarrei oder in ein anderes kirchliches Amt versetzen1!. 11. Die geschilderten grundlegenden Merkmale des Dienstes der Kleriker der katholischen Kirche können nicht ohne Folgen für seine staatskirchenrechtliche Bewertung bleiben. Dogmatische Konstitution "Lumen Gentium", AAS 57 (1965), Nr.28. Motu Proprio "Ecclesiae Sanctae" vom 6. August 1966, AAS 58 (1966), S. 757 -787, Nr.20 §§ 1 - 3. 11 12
4. Kap.: Ordnung der kirchlichen Dienste
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1. Das Grunddienstverhältnis des Klerikers, das Inkardinationsverhältnis, wird, wie ausgeführt, durch die sakramentale Weihe, einen geistlichen Vorgang also, begründet. Diese Weihe bewirkt gern. der katholischen Lehre der sog. "absoluten Ordination"U eine völlige Indienstnahme des Geweihten zum Dienst am Wort und Sakrament, so daß also keine beliebig widerrufliche Aufgabe übertragen, sondern ein umfassendes Dienstverhältnis geschaffen wird, dessen Amtsvollmachten nicht auf menschlicher Setzung, sondern auf den der Kirche durch Christus übergebenen Vollmachten beruhen.
Für die staatskirchenrechtliche Einordnung dieses Grunddienstverhältnisses der Kleriker muß aus seinen dargestellten Merkmalen gefolgert werden, daß es ein Rechtsverhältnis des eigenständig-kirchlichen Rechtsbereichs, nicht ein Rechtsverhältnis des staatlichen Rechtskreises darstellt. Es hat seine Grundlagen allein im innerkirchlichen Recht. Dem staatlichen Recht mangelt es demgegenüber an jeglichen Bewertungsmaßstäben zur Erfassung der geistlich geprägten Stellung des Klerikers 14 • 2. Diese Einordnung in das eigenständig-kirchliche Recht gilt aber auch jedenfalls grundsätzlich für das Pfarrerdienstverhältnis der katholischen Kirche. Die Pfarrer sind als geistliche Amtsträger zur Verkündigung des Wortes Gottes, zur Feier der Eucharistie und zur Spendung der übrigen Sakramente bestellt. In dieser besonderen geistlichen Funktion sind sie zugleich im Namen und im Auftrag ihres Bischofs Vorsteher einer Ortsgemeinde. In diesem Auftrag zur Leitung der Gemeinden üben sie aber nicht einfach eine äußere Leitungsgewalt aus. Mitte und Höhepunkt des ganzen Lebens der christlichen Gemeinde ist vielmehr die Feier des eucharistischen Opfers, in dem sich das Vorsteheramt des Pfarrer in der grundsätzlichsten Weise verwirklicht. Maßgebende Grundlage dieses Amtsauftrags des Pfarrers ist die sakramentale Weihe; die übertragung des Pfarramts stellt so gesehen nur eine Konkretisierung des bereits durch Weihe begründeten allgemeinen geistlichen Dienstverhältnisses dar. All dies kann nicht in einem Rechtsverhältnis realisiert werden, das aufgrund und im Rahmen des staatlichen Rechtskreises besteht. Gerade um solcher geistlich geprägter Sachverhalte willen ist vielmehr den Kirchen in Art. 137 Abs. 3 WRV die Befugnis zu eigenständiger Rechtsgestaltung zuerkannt worden, die sie berechtigt, solche geistliche Tatbestände eigenen rechtlichen Regelungen zu unterstellen, die nicht dem 13
14
Vgl. statt aller V. Mosiek, S.88. Vgl. J. Jurina, Dienst- und Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S.61.
1. Abschn.: Geistliche Amtsträger
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staatlichen Rechtskreis angehören, sondern kirchlich-eigenständiges Recht sind. Hierzu gehört auch das Dienstverhältnis des Pfarrers in der katholischen Kirche 15 • 3. Allerdings ist zu beachten, daß das Dienstverhältnis der Pfarrer der katholischen Kirche nicht nur Vorschriften des eigenständigkirchlichen Rechts unterliegt. Zunächst ist auf die materielle Seite dieses Dienstverhältnisses hinzuweisen, auf die Regelungen über die Sicherstellung des Lebensunterhalts also. Dieser Fragenkreis wird von der Kirche gern. Art. 137 Abs.3 WRV zwar ebenfalls selbständig geregelt. Von seiten der staatlichen Rechtsordnung wird in bezug auf diese Fragen auch keinerlei Regelungsanspruch erhoben. Diese kirchenrechtlichen Regelungen können aber nach dem System der in Art. 137 Abs. 3 WRV verbürgten Befugnisse nicht als eigenständig-kirchliches Recht betrachtet werden. Eine solche Qualifikation kirchlicher Vorschriften durch das staatliche Verfassungsrecht kann nur dann gelten, wenn es sich um Rechtsregein handelt, die unmittelbar geistliche Angelegenheiten betreffen. Ist dies nicht der Fall, verbleibt nach den Maßstäben der Verfassung auch das von der Kirche selbständig erlassene Recht im Gesamtzusammenhang des staatlichen Rechtskreises, verwirklicht sich also die Freiheit der Kirche zum selbständigen rechtlichen Handeln im Rahmen der der Kirche innerhalb des staatlichen Rechts gegebenen Befugnisse 16 • Daher können die Besoldungsregelungen für Geistliche nicht als eigenständig-kirchliches, sondern müssen sie als autonomes, in rechtssystematischer Hinsicht dem staatlichen Rechtskreis zugehöriges kirchliches Recht betrachtet werden. Von einer Zuordnung der kirchlichen Besoldungsregelungen für Geistliche zum staatlichen Rechtskreis geht übrigens auch Art. 8 des Reichskonkordats 17 aus. Hiernach ist das Amtseinkommen der Geistlichen in gleichem Maße von der Zwangsvollstreckung befreit wie die Amtsbezüge der staatlichen Beamten. Diese Regelung setzt voraus, daß Besoldungsansprüche der Geistlichen überhaupt nach staatlichem Recht pfändbar sind. Das können sie aber nur sein, wenn sie Ansprüche innerhalb des staatlichen Rechtskreises darstellen. Wären sie als kirchlich-eigenständiges Recht zu betrachten, entfiele jede Verfügungsmöglichkeit des staatlichen Rechts über sie.
Vgl. ebd., S.65. Vgl. J. Jurina, Rechtsstatus, S. 123 ff. 17 Art. 8 RK lautet: "Das Amtseinkommen der Geistlichen ist in gleichem Maße von der Zwangsvollstreckung befreit wie die Amtsbezüge der Reichsund Staatsbeamten." 15
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4 Jurina
4. Kap.: Ordnung der kirchlichen Dienste
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Unter einem anderen Aspekt unterliegen die Dienstverhältnisse der Pfarrer und der anderen geistlichen Amtsträger sogar unmittelbar staatlichen Rechtsvorschriften: in sozialversicherungsrechtlicher und steuerrechtlicher Hinsicht nämlich. Die Kirche ist infolgedessen etwa in der Gestaltung der Versorgung der Geistlichen nicht frei, sondern an bestimmte Mindestanforderungen des staatlichen Rechts gebunden. Auf diese Fragen wird unten im Zusammenhang noch eingegangen werden1s • 4. Die dargestellte Geltung von Rechtsnormen verschiedener Qualifikation und verschiedener Herkunft für das Dienstverhältnis des katholischen Pfarrers darf freilich nicht zur Annahme eines doppelten Rechtsverhältnisses - etwa eines "geistlichen" Amtsverhältnisses und eines "weltlichen" Dienstverhältnisses19 führen. Es handelt sich vielmehr lediglich um verschiedene rechtliche Aspekte des rechtlich dennoch als Einheit zu sehenden Dienstverhältnisses20 , das seine Wurzeln im eigenständig-kirchlichen Recht hat und durch dieses die entscheidende Prägung erfährt. In bestimmter Hinsicht freilich muß es insbesondere aus sozialstaatlichen Erwägungen in die staatliche Rechtsordnung eingebunden bleiben. Diesem Ziel dient die hier vertretene Auffassung, daß nicht alle Teilaspekte des Dienstverhältnisses des Geistlichen vom staatlichen Recht aus gesehen eigenständig-kirchliches Recht sind, sondern einzelne - eben die wirtschaftlichen - Bereiche rechtssystematisch anders gesehen werden müssen. Zu den Folgerungen hieraus wird noch Stellung zu nehmen sein 21 • Der ausdrücklichen Hervorhebung bedarf es aber, daß die hier vertretene Zuordnung der vermögensrechtlichen Aspekte des Dienstverhältnisses der katholischen Geistlichen nicht bedeutet, daß ihre Tätigkeit deshalb aus der Sicht des staatlichen Rechts insgesamt als bloßer "Erwerbsberuf" betrachtet werden könnte, als berufliche Tätigkeit wie jede andere. Maßgeblich muß vielmehr, wo es um die Wertung des Dienstverhältnisses im ganzen geht, dessen grundlegende Verwurzelung im sakramentalen Bereich bleiben, die für den Gesamtcharakter des Dienstverhältnisses des katholischen Geistlichen ausschlaggebend Vgl. unten S.124. In diesem Sinne - "daß das Dienstverhältnis der geistlichen Amtsträger ... in zwei Teile zerfällt" - habe ich mich allerdings früher geäußert, vgI. J. Jurina, Rechtsstatus, S. 127; dagegen zu Recht J. Frank, Dienst- und Arbeitsrecht, in: HdbStKirchR I, S. 696 H. m. w. N. 20 eh. Link, Neuere Entwicklungen und Probleme des Staatskirchenrechts in Deutschland, in: J. Gampl/ eh. Link, Deutsches und österreichisches Staatskirchenrecht in der Diskussion, Paderborn 1973, S. 25 - 56, S.36. 21 Vgl. unten S. 105 f., 123 f. 18
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1. Abschn.: Geistliche Amtsträger
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ist. Die Zuordnung der materiellen Aspekte des Dienstverhältnisses der Geistlichen zum staatlichen Rechtskreis ändert hieran nichts. Sie betrifft lediglich einen Annexbereich, die die grundlegende Zuordnung des Dienstes der Geistlichen zum eigenständig-kirchlichen Rechtsbereich nicht wieder aufheben kann. IH. Die vorstehend dargelegte rechtssystematische Zuordnung des Dienstverhältnisses des katholischen Pfarrers unterscheidet sich von der rechtlichen Bewertung des evangelischen Pfarrerdienstverhältnisses. Dieses wird bereits in den kirchenrechtlichen Quellen, den Pfarrerdienstgesetzen, als "öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis" bezeichnet, somit unter gleichzeitiger Inanspruchnahme des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts nach Art. 137 Abs. 3 WRV und der öffentlich-rechtlichen Dienstherrenfähigkeit der Kirche nach Art. 137 Abs.5 WRV geregelt. Auf diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, daß auch die staatskirchenrechtliche Literatur von der öffentlichrechtlichen Natur des evangelischen Pfarrerdienstverhältnisses ausgeht 22 • Hieran anknüpfend wird dann von einzelnen Autoren auch das katholische Pfarrerdienstverhältnis insgesamt dem öffentlichen Recht zugeordnet23 • Dieser Auffassung kann jedoch, wie ausgeführt, nicht gefolgt werden 24 • Es muß auch nicht überraschen, daß das evangelische und das katholische Pfarrerdienstverhältnis rechtlich verschiedenen Wegen folgen. Schon die historische Entwicklung zeigt deutliche Unterschiede, da die enge Anlehnung der Dienststellung des evangelischen Pfarrers an den Staat im katholischen Bereich nie oder nie in demselben Umfang gegeben war. Ausschlaggebend sind aber die gravierenden theologischen und kirchenrechtlichen Unterschiede in der Ämterlehre der beiden Kirchen, die sich vor allem im grundsätzlich verschiedenen Ordinationsverständnis und in der Ablehnung einer sakramental verstandenen Weihe des Geistlichen im evangelischen Bereich zeigen25 • Gerade die sakramentale Weihe, der ordo, ist aber im katholischen Amtsverständnis das konstitutive Element der gesamten Rechtsstellung des Geistlichen. Es ist daher nur folgerichtig, wenn das katholische Kirchenrecht von hier aus zu deutlich anderen Aussagen über das Dienstverhältnis des 22 Vgl. J. Frank, Dienst- und Arbeitsrecht, in: HdbStKirchR I, S.719, m.w.N. 23 Vgl. ebd., S.721. 24 Vgl. auch J. Jurina, Dienst- und Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S.66. 25 Vgl. Reform und Anerkennung kirchlicher Ämter, Ein Memorandum der Arbeitsgemeinschaft ökumenischer Universitätsinstitute. München, Mainz 1973; K. Lehmann, Ämteranerkennung und Ordinationsverständnis. in: Catholica Bd. 27 (1973), S. 248 - 262.
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4. Kap.: Ordnung der kirchlichen Dienste
Pfarrers als geistlichen Amtsträgers kommt. Das Staatskirchenrecht kann hieran nicht vorbeigehen, wenn es dem eingangs dieser Untersuchung dargestellten Grundsatz einer ausreichenden Berücksichtigung der konfessionellen Spezifika nicht zuwiderhandeln will. Gegenüber dieser Feststellung helfen Wünsche, daß "aus staatskirchenrechtlicher Sicht ... die Dinge doch nicht so unterschiedlich sein dürfen"26, wenig. Warum "dürfen" sie nicht unterschiedlich sein, wenn sachliche Gründe für eine verschiedene Deutung sprechen oder diese sogar notwendig machen? Man kann als vorgegeben betrachtete dienst- und arbeitsrechtliche Zuordnungsformen auch nicht dadurch aufrecht erhalten wollen, daß man sagt, auch bei der Regelung der Dienstverhältnisse der Pfarrer gehe es "schlicht um den Sachverhalt ... der Zurverfügungstellung von Arbeitskraft gegen eine Gegenleistung in Form von Unterhalt oder Geldzahlung"21. Natürlich spielt auch dieser Aspekt im Pfarrerdienstverhältnis eine Rolle. Er macht aber nicht das entscheidende Merkmal aus, so daß es eben nicht möglich ist, das Pfarrerdienstverhältnis jedenfalls das der katholischen Kirche - kurzerhand prinzipiell dem Arbeitsrecht zuzuweisen und es aus diesem nur mit Hilfe der öffentlich-rechtlichen Gestaltungsformen zu lösen. Einmal mehr zeigt es sich, wie sehr es notwendig ist, solchen vereinfachenden Sichtweisen zunächst einmal den rechtstheologischen und kirchenrechtlichen Befund, und zwar ohne Verkürzungen, entgegenzusetzen. Grundsätzlich nicht undenkbar ist es, die unterschiedliche Bewertung des katholischen und des evangelischen Pfarrerdienstverhältnisses als letztlich terminologische Frage zu betrachten und beide Dienstverhältnisse einem weit verstandenen Begriff des öffentlichen Rechts zuzuordnen, der durch das Merkmal der über- und Unterordnung gekennzeichnet ist28 . Mit einem solchen Begriff des öffentlichen Rechts hat sich der Verfasser indes schon an anderer Stelle auseinandergesetzt29 . Es ist auch hier zu betonen, daß solch ein erweiterter Begriff des öffentlichen Rechts eine so hohe Abstraktheit gewinnt, daß er für die Rechtsanwendung nichts einbringt, ja diese in vielen Fällen sogar eher auf falsche Fährten führt. Folglich ist daran festzuhalten, daß das katholische Pfarrerdienstverhältnis jedenfalls in seinen Kernbestandteilen, 26 So H. Weber in der Diskussion beim 10. Essener Gespräch, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 10, Münster 1976, S. 113. 21 So ebenfalls H. Weber, in: Essener Gespräche 10, S.113/114. Vgl. ferner ders., Rechtsprobleme eines Anschlusses der Pfarrer und Kirchenbeamten an die gesetzliche Rentenversicherung der Angestellten, in: ZevKR Bd.22 (1977), S. 246 - 404, S. 360. 28 So J. Frank, in: Essener Gespräche 10, S.12l. 29 Vgl. J. Jurina, Rechtsstatus, S. 117 ff.
2. Abschn.: Dienstrecht der Laien
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abgesehen also von den Besoldungsregelungen, dem kirchlich-eigenständigen, nicht dem öffentlich-rechtlichen Rechtskreis zuzuordnen ist. Es läßt sich auch nicht, wie es von Ule versucht worden ist30, aus Art. 137 Abs.3 Satz 2 WRV eine Verpflichtung der Kirche herleiten j das Recht des geistlichen Amtes jedenfalls hinsichtlich des persönlichen Dienstverhältnisses des Amtsträgers in den Formen zu regeln, in denen der Staat seine Amtsverhältnisse ordnet, also als öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis. "Amt" im Sinn von Art. 137 Abs.3 WRV meint nicht das Amt des staatlichen Dienstrechts, sondern das Kirchenamt im kirchenverfassungsrechtlichen Sinn. Dessen rechtliche Regelung ist aber in Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV der Kirche gerade zur freien Gestaltung überlassen. Eine Bindung an die Formen des öffentlich-rechtlichen Dienstrechts würde demgegenüber einen empfindlichen Eingriff in die kirchliche Freiheit darstellen, der durch keine übergeordneten staatlichen Rechtsgrundsätze zu rechtfertigen wäre 31 •
2. Abschnitt: Der Dienst der Laien in der katholischen Kirche 1. Neben den Angehörigen des Klerus steht eine in den letzten Jahren stark gewachsene Zahl von Laienbediensteten im Dienst der katholischen Kirche. Sie sind in den verschiedensten Funktionen tätig32: in den vielfältigen caritativen Einrichtungen, in kirchlichen Kindergärten, in kirchlichen Bildungseinrichtungen, im pastoralen Bereich als Pastoralassistenten, Pastoralreferenten und Gemeindeassistenten, als Religionslehrer und Katecheten, als Lehrer an kirchlichen Privatschulen, im kirchenmusikalischen Dienst als Chorleiter und Organisten, als Mesner, als - leitende oder nachgeordnete - Mitarbeiter der kirchlichen Verwaltung auf den verschiedenen Ebenen, zur Besorgung der vielen auch in kirchlichen Einrichtungen anfallenden technischen und sonstigen Hilfstätigkeiten. Viele dieser Mitarbeiter üben Aufgaben aus, die in ähnlicher oder entsprechender Weise auch Aufgaben weltlicher Einrichtungen sind. Dennoch wäre es falsch anzunehmen, daß der Dienst der Laien in der Kirche insgesamt mit dem geistlichen Proprium der Kirche nichts oder nur wenig zu tun hätte.
Denn abgesehen davon, daß es rechtlich nicht ohne Bedeutung sein kann, daß die Laienmitarbeiter ihre Tätigkeit für eine Institution ver30 C. H. Ule, Zur verfassungsrechtlichen Zulässigkeit einer sozialversicherungsrechtlichen Lösung der Beamtenversorgung. Geistliche und Kirchenbeamte in der Angestelltenversicherung, in: Vierteljahresschrift für Sozialrecht 1973, S. 1 - 31, S. 28. 31 Vgl. schon J. Jurina, Dienst- und Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S.66. 32 Einen umfassenden, freilich nicht vollständigen überblick über kirchliche Dienste von Laien gibt R. A. Strigl, S. 535 ff.
4. Kap.: Ordnung der kirchlichen Dienste
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richten, die einen geistlichen Auftrag hat, darf nicht übersehen werden, daß die Mehrzahl der kirchlichen Laienbediensteten mit Aufgaben betraut ist, durch die sie unmittelbar am geistlichen Auftrag der Kirche teilnehmen. Das bedarf für die verschiedenen pastoralen Dienste, in die die Laien berufen werden, keiner ausführlichen Begründung. Die Mitarbeiter der caritativen Einrichtungen stehen im Dienst der kirchlichen Liebestätigkeit, einer Grundfunktion der Kirche, die das Bundesverfassungsgericht als Form der grund rechtlich geschützten Religionsausübung bezeichnet hat 33 • Auch die erzieherische Arbeit hat die katholische Kirche immer als Teil ihrer spezifischen kirchlichen Aufgaben betrachtet34 • Daraus folgt, daß die immer noch zahlreichen Mitarbeiter der kirchlichen Erziehungs- und Bildungseinrichtungen, insbesondere auch die Mitarbeiter der kirchlichen Kindergärten, im Selbstverständnis der Kirche keinen vom Staat oder der Gesellschaft abgeleiteten, sondern einen kirchlichen Auftrag wahrnehmen. Die verwaltenden und die sonstigen Hilfsdienste haben zwar nicht unmittelbaren Anteil an der Verwirklichung des geistlichen Auftrags der Kirche. Bei diesen Diensten wird man gleichwohl sehen müssen, daß sie eine - für die Kirche als in der Welt lebende Institution unentbehrliche - Hilfsfunktion für die Erfüllung der geistlichen Aufgabe der Kirche besitzen, eine Hilfsfunktion, die zugleich die einzige Rechtfertigung dafür darstellt, daß die Kirche Mitarbeiter für die Verwaltung, für technische Aufgaben, daß sie Kraftfahrer, Heizer, Reinemachefrauen, Pförtner, Hausmeister, Handwerker, Gärtner oder Waldarbeiter einstellt. Der Bezug zur Aufgabenstellung der Kirche, der die Tätigkeit aller kirchlichen Laienmitarbeiter charakterisiert, muß Konsequenzen für das Dienstrecht dieser Mitarbeiter haben. Die Regelung des Dienstrechts kann daher die theologische Wertung kirchlichen Dienstes nicht außer acht lassen. Insbesondere muß die Tätigkeit der Laienmitarbeiter auch im Lichte der theologischen Aussagen über die Stellung und den Auftrag der Laien in der Kirche gesehen werden. Hierzu ist zum einen auf die in der Kirchenkonstitution des Vaticanum 11 mit Nachdruck betonte neutestamentliche Lehre von der Kirche als dem Leib Christi hinzuweisen, in dem Christi Leben auf die Gläubigen überströmt und sie durch den Geist, der ihnen von Christus mitgeteilt wird, untereinander Glieder werden. "Das Haupt dieses BVerfGE Bd.24, S.246/247; ferner W. LeisneT, in: DÖV 1977, S.478. Vgl. hierzu Th. Maunz, Kirchen als Schulträger, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Band H, Berlin 1975, S. 547 - 568, S. 549 f. 33
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2. Abschn.: Dienstrecht der Laien
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Leibes ist Christus." Von ihm her "entfaltet sich der ganze Leib im Wachstum Gottes. Er selbst verfügt in seinem Leib, der Kirche, die Dienstgaben immerfort, vermöge deren wir durch seine Kraft uns gegenseitig Dienste leisten zum Heil, so daß wir, die Wahrheit in Liebe vollbringend, in allem auf ihn hin wachsen, der unser Haupt ist35 ." Ausdruck der allen Gliedern der Kirche übertragenen Dienstgabe ist das gemeinsame Priestertum der Gläubigen, zu dem die Getauften durch die Wiedergeburt und die Salbung mit dem Heiligen Geist geweiht sind, "damit sie in allen Werken eines christlichen Menschen geistige Opfer darbringen und die Machttaten dessen verkünden, der sie aus der Finsternis in sein wunderbares Licht berufen hat". Dieses gemeinsame Priestertum der Gläubigen unterscheidet sich zwar dem Wesen nach vom Priestertum des Dienstes, dem Amtspriestertum ein Aspekt, dessen rechtliche Bedeutung sogleich zu bedenken sein wird. Dennoch sind das allgemeine und das Amtspriestertum einander zugeordnet: "Das eine wie das andere nämlich nimmt je auf besondere Weise am Priestertum Christi teil36 ." Kraft dieses allgemeinen Priestertums wirken die Gläubigen am Werk der Kirche mit: Der Heilige Geist macht sie "geeignet und bereit, für die Erneuerung und den vollen Aufbau der Kirche verschiedene Werke und Dienste zu übernehmen"37. Diese grundlegenden Aussagen über den Dienst aller Gläubigen als Glieder am Leib Christi sind in den nachkonziliaren Dokumenten in vielerlei Hinsicht vor allem für die pastoralen Dienste entfaltet und konkretisiert worden. Bereits oben wurde auf das apostolische Schreiben Papst Pauls VI. "Evangelii nuntiandi" vom 18.12.1975 hingewiesen, das u. a. auch die Dienstämter der Laien besonders nennt und hervorhebt, daß die Kirche "absque dubio" neben den durch sakramentale Weihe übertragenen Diensten auch andere nicht an eine Weihe gebundene Dienste anerkennt38 . Eine besondere Rolle spielt die Lehre von der Mitwirkung aller Gläubigen an den Aufgaben der Kirche in den Dokumenten der Gemeinsamen Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland. So betont der Beschluß "Verantwortung des ganzen Gottesvolkes für 35 Dogmatische Konstitution "Lumen Gentium", AAS 57 (1965), Nr.7. 38 Ebd., Nr. 10. 37 Ebd., Nr. 12. 38 Apostolisches Schreiben "Evangelii nuntiandi" (s. Anm.22, S.38), Nr.73: "Absque dubio, iuxta ministeria per sacramentum Ordinis collata, vi quorum Pastores constituuntur atque peculiari modo communitatis famulatui se devovent, Ecclesia agnoscit alia ministeria, quae, etsi cum sacro Ordine non sint coniuncta, accommodantur tarnen ad peculiare Ecclesiae officium exercendum."
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4. Kap.: Ordnung der kirchlichen Dienste
die Sendung der Kirche" die gemeinsame Verantwortung aller Glieder der Kirche für die Heilssendung der Kirche, weil zwischen allen Gläubigen eine wahre Gleichheit in der allen gemeinsamen Würde und Tätigkeit zum Aufbau des Leibes Christi besteht. An der Aufgabe der Kirche, Träger der Heilssendung zu sein, haben daher "die ganze Gemeinde und jedes ihrer Glieder Anteil". Deshalb wird "die eine Sendung der Kirche von vielerlei Diensten wahrgenommen, die aufeinander angewiesen und dazu verpflichtet sind, sich in die Einheit der Gemeinschaft zu fügen". Alle diese Dienste haben ihren Grund in Christus: "Der Dienst .Jesu Christi begründet und trägt alle Dienste in der Kirche. Jeder Dienst der Kirche repräsentiert in seiner besonderen Weise den Dienst Christi39 ." Dies gilt, wie der Beschluß "Die pastoralen Dienste in der Gemeinde" herausgearbeitet hat, im besonderen für diese Dienste: "In Verbindung mit Jesus Christus und in der Teilhabe an seiner Sendung gründet die gemeinsame Spiritualität der ganzen Kirche und aller pastoralen Dienste. Ohne ihn kann sie nichts tun." Eingeschlossen in diesen pastoralen Dienst sind auch Laien, die, von den Bischöfen ausdrücklich beauftragt, dadurch in bestimmten Sachbereichen am amtlichen Auftrag der Kirche teilnehmenco. Die Synodentexte zeigen aber ferner, daß prinzipiell die Gesamtheit aller kirchlichen Aufgaben im Blick ist, wenn von den Diensten der Kirche gesprochen wird. Dies wird etwa darin deutlich, daß im Beschluß "Die Verantwortung des ganzen Gottesvolkes für die Sendung der Kirche", der in erster Linie den Räten und Verbänden gewidmet ist, im Zusammenhang der Aussage, daß die vielfältigen "Dienste der Mitverantwortung" eine entsprechende Bildung und Weiterbildung zur Voraussetzung haben, ausdrücklich neben den pastoralen und liturgischen Bereichen auch Verwaltungsaufgaben und caritative Dienste genannt werden41 • Die Zugehörigkeit des Verwaltungsdienstes zu den einzelnen Ebenen kirchlicher Strukturen und seine Dienstfunktion für die Erfüllung der pastoralen Aufgabe wird vom Beschluß "Rahmenordnung für die pa39 Beschluß "Verantwortung des ganzen Gottesvolkes für die Sendung der Kirche", in: Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, Offizielle Gesamtausgabe I, Freiburg-Basel-Wien 1976, S.651 bis 677, Nr.1.2, 1.4, 1.6, S. 652 ff. 40 Beschluß "Die pastoralen Dienste in der Gemeinde" (s. Anm. 23, S. 39), Nr. 2.1.2 (S. 603) und Nr. 3.1.2 (S. 610). Zu den pastoralen Diensten der Laien vgl. ferner den Beschluß der Bischofskonferenz "Grundsätze zur Ordnung der pastoralen Dienste" (s. Anm.11, S.33), in: Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg 1977, S. 125 f. 41 Beschluß "Die Verantwortung des ganzen Gottesvolkes für die Sendung der Kirche" (s. oben Anm. 39), Nr. 3.6 (S.657).
2. Abschn.: Dienstrecht der Laien
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storalen Strukturen und für die Leitung und Verwaltung der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland" hervorgehoben42 • Wenngleich die genannten Dokumente also deutliche Unterschiede zwischen einerseits den pastoralen und caritativen Diensten und andererseits den verschiedenen Hilfsfunktionen im Dienst der Kirche, die - wie die Mitarbeiter der kirchlichen Verwaltung - die Träger der geistlichen Ämter zugunsten ihrer eigentlichen Aufgabe entlasten sollen, machen, wird doch deutlich, daß letztlich alle Tätigkeit im Dienst der Kirche in bezug auf deren zentralen geistlichen Auftrag gesehen wird. 2. Diese rechtstheologisch grundgelegte, vom Auftrag der Kirche abgeleitete prinzipielle Einheit aller Dienstaufgaben der Kirche bestätigt die bereits oben ausgeführte staatskirchenrechtliche Zuordnung auch des Dienstrechts der kirchlichen Laienbediensteten zu den eigenen Angelegenheiten im Sinne der Kirchenartikel des Grundgesetzes. Die Definition der Dienstaufgaben der Laienbediensteten, die Umschreibung ihrer Befugnisse, die Festlegung ihrer persönlichen und fachlichen Qualifikationsmerkmale ist daher Recht und Aufgabe der Kirche. Sie ist somit berechtigt, die Dienstverhältnisse der Laienbediensteten zu ordnen. Ihr stehen dafür verschiedene rechtliche Formen zur Verfügung, auf die sogleich einzugehen sein wird. 3. Hinsichtlich der Zuordnung zu den "eigenen Angelegenheiten" im Sinn von Art. 137 Abs.3 WRV unterscheiden sich also die Dienste der Laien nicht von den Diensten der Kleriker. Dennoch muß hinsichtlich der rechtlichen Gestalt der aus dieser Zuordnung folgenden Befugnisse der Kirche ein Unterschied zwischen dem Dienstrecht der Geistlichen und dem Dienstrecht der Laienbediensteten festgehalten werden, der seine Grundlage im katholischen Kirchenverständnis selbst hat43 • Wesentlicher geistlicher und rechtlicher Grund des Dienstes der Kleriker ist die sakramentale Weihe, die die Geistlichen in einem umfassenden und unwiderruflichen Sinn in den Dienst der Kirche nimmt. Diese Weihe fehlt bei den Laienbediensteten, auch bei jenen, die einen geistlichen Dienst ausüben. An die Stelle der Weihe tritt, sofern es nicht beim bloßen Vertragsschluß bleibt, die Beauftragung 42 Beschluß "Rahmenordnung für die pastoralen Strukturen und für die Leitung und Verwaltung der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland", in: Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland, Offizielle Gesamtausgabe I, Freiburg-Basel-Wien 1976, S. 688 - 726, Nr. II 4 (S. 692) und passim. 43 Vgl. zum folgenden auch den Beschluß der Bischofskonferenz "Grundsätze zur Ordnung der pastoralen Dienste" (s. Anm.11, S.33), in: Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg 1977, S.126.
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4. Kap.: Ordnung der kirchlichen Dienste
des einzelnen Bediensteten durch kanonische Sendung, die aber nicht denselben Rechtsstatus wie die Weihe verleiht, sondern lediglich in stets revisibler Weise eine bestimmte Aufgabe überträgt. Erst recht ist die Widerruflichkeit des übernommenen Dienstes bei jenen Laienbediensteten gegeben, die keinen geistlichen oder pastoralen Dienst leisten, sondern andere Aufgaben, etwa im Bereich der Verwaltung oder der technischen Dienste einer kirchlichen Einrichtung, übernommen haben. Bei den Laienbediensteten fehlt mit der sakramentalen Weihe somit jenes Merkmal, das, wie oben ausgeführt, den entscheidenden staatskirchenrechtlichen Grund für die rechtssystematische Zuweisung des Dienstrechts der Geistlichen zum eigenständig-kirchlichen Recht ausmacht. Für das staatliche Recht entfällt daher der rechtliche Anlaß, die Dienstverhältnisse der Laienbediensteten, so wie es bei dem Dienstverhältnis der Geistlichen geschehen mußte, aus dem Zusammenhang des staatlichen Rechtskreises auszugliedern und dem eigenständig-kirchlichen Recht zuzuweisen. Die Dienstverhältnisse der Laien, mögen es nun, wie noch zu erörtern sein wird, kirchliche Beamtenverhältnisse oder Arbeitsverhältnisse von Angestellten oder Arbeitern sein, stellen vielmehr Rechtsverhältnisse des staatlichen Rechtskreises dar. Sie werden von der Kirche also kraft ihrer nach staatlichem Recht bestehenden Rechtssubjektivität begründet. Die rechtliche Ausgestaltung erfolgt durch Regelungen, die, wiewohl sie selbständige Regelungen der Kirche darstellen, rechtssystematisch Teil des staatlichen Rechtskreises, nicht eigenständig-kirchliches Recht sind 44 • Diese Zuweisung zum staatlichen Rechtskreis darf freilich andererseits die besondere kirchliche Prägung auch der Dienstverhältnisse der kirchlichen Laienbediensteten nicht ignorieren, da, wie unsere grundsätzlichen Ausführungen ergeben haben, auch die Dienste der Laien eine rechtstheologische Grundlegung im Wesen der Kirche selbst besitzen. Inhalt sowohl der öffentlich-rechtlichen wie der privatrechtlichen Dienst- oder Arbeitsverhältnisse ist die Erfüllung eines kirchlichen Dienstes. Für dessen rechtliche Ordnung bedient sich die Kirche der im staatlichen Recht vorgefundenen Rechtsinstitute des Beamtenoder des Arbeitsrechts, dies vor allem zum Schutz der im Dienst der Kirche Tätigen. Die Ausgestaltung der kirchlichen Dienst- und Arbeitsverhältnisse darf aber über die Wahl der genannten Rechtsformen nicht zu einer Aufgabe des Rückbezugs kirchlicher Dienste zum geistlichen Auftrag der Kirche führen. Das jeweilige Rechtsverhältnis, in dem der kirchliche Dienstnehmer steht, muß also sowohl den Maximen des Beamten- oder des Arbeitsrechts entsprechen wie die Besonderheit des kirchlichen Dienstauftrags zum Ausdruck bringen. 44
Vgl. auch J. Jurina, Rechtsstatus, S. 128 f.
2. Abschn.: Dienstrecht der Laien
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4. Die Rückbindung des Dienstes auch der Laien an die geistlichen Aufgaben und den geistlichen Dienst der Kirche ist für die Frage bedeutsam, ob die Kirche berechtigt ist, in den auf dem Selbstbestimmungsrecht beruhenden eigenen dienstrechtlichen Regelungen die Spezifika des kirchlichen Dienstes niederzulegen und die kirchlichen Dienstnehmer auf diese zu verpflichten. Dies ist vor allem für jenen Bereich von Wichtigkeit, der bei Arbeitsverhältnissen "weltlicher" Arbeitgeber zur etwa durch Art. 4 GG oder Art.6 GG geschützten, arbeitsrechtlich nicht erfaßbaren Privatsphäre des Arbeitnehmers gehören würde 45 • Auch für den kirchlichen Dienstnehmer gibt es diese Privatsphäre. Auch der kirchliche Bedienstete kann also nicht arbeitsrechtlich zur "Totalhingabe" verpflichtet werden. Andererseits kann es aber für das Dienstrecht der Kirche nicht ohne Belang sein, daß die kirchlichen Laienbediensteten nicht nur zur Erledigung einer äußeren Aufgabe, sondern im Blick auf den geistlichen Auftrag der Kirche in den Dienst genommen wurden. Dies macht es erforderlich und gibt der Kirche das Recht, auch bei ihren Laienbediensteten ein bestimmtes Maß an Identifikation mit der Kirche und ihrer Sendung zu fordern und mit zum Inhalt des kirchlichen Dienstrechts zu machen. Dabei kann es nicht darum gehen, Gesinnung zu verordnen und Kontrollmechanismen zur Prüfung der Gesinnung zu installieren. Die Kirche ist aber berechtigt, grundlegende, auch persönliche, sich aus der kirchlichen Bindung des kirchlichen Dienstes ergebende, rechtlich meßbare Verpflichtungen ihrer Dienstnehmer zu normieren und für den Verstoß gegen diese Verpflichtungen Sanktionen vorzusehen46 • So kann sie insbesondere verlangen, daß der kirchliche Dienstnehmer die fundamentalen Verpflichtungen, die sich aus der Zugehörigkeit zur Kirche ergeben und die jedem Kirchenglied obliegen, nicht negiert und sich nicht in offenbaren Gegensatz zu diesen Pflichten begibt47 • Dies bedeutet freilich nicht, daß jeder Verstoß gegen eine Verpflichtung aus der Kirchengliedschaft zugleich dienst- oder arbeitsrechtlich relevant sein dürfte. Gefordert werden kann aber eine übereinstimmung in den wesentlichen Grundfragen, was besagt, daß eine grundsätzliche, sich konkret manifestierende 45
Vgl. hierzu etwa W. Zöllner, Arbeitsrecht, München 1977, S. 109 und
S. 65 f.
46 Vgl. hierzu die grundsätzlichen Ausführungen bei Th. Mayer-Maly, Tragweite, S. 9/10. 47 Vgl. auch Th. Mayer-Maly, Tragweite, S. 10: "In der Anerkennung kirchlicher Selbstbestimmung und Eigenständigkeit durch den Staat ist auch die Anerkennung des in allen christlichen und in den meisten anderen Religionsgemeinschaften maßgeblichen Prinzips enthalten, daß religio die Bindung des ganzen Menschen ist und eine reinliche Scheidung von dienstlicher Loyalität und außerdienstlicher Ungebundenheit einfach nicht verträgt."
60
4. Kap.: Ordnung der kirchlichen Dienste
Nichtübereinstimmung mit zentralen kirchlichen Verpflichtungen Folgen für das Dienstverhältnis haben muß. Auf Einzelheiten und Beispiele wird unten noch einzugehen sein. 5. Einen Versuch, die Verknüpfung des gesamten kirchlichen Dienstes mit dem geistlichen proprium der Kirche in einem kirchlichen Rechtstext zu formulieren, stellt die Präambel der vom Verband der Diözesen Deutschlands verabschiedeten "Rahmenordnung" für das Recht kirchlicher Mitarbeitervertretungen dar. Diese Präambel übernimmt zwei Passagen aus dem Synodenbeschluß "Verantwortung des ganzen Gottesvolkes für die Sendung der Kirche", in denen die "Begründung" aller Dienste in der Kirche im "Dienst Jesu Christi" gesehen wird. "Jeder Dienst in der Kirche repräsentiert in seiner besonderen Aufgabe den Dienst Christi 48 ." Die Aufnahme dieser Texte in die Präambel der MAVO hat die grundsätzliche Kritik von Oswald von Nell-Breuning hervorgerufen 49 • Er beanstandet zum einen, daß es sich um ein sachlich falsches Zitat handele, weil der Synodenbeschluß, dem der Text entnommen ist, nicht allgemein von "Diensten" in der Kirche, sondern speziell vom Dienst des geistlichen Amts, vom Dienst der Verbände und vom Dienst der in der Kirche bestehenden Räte handele 50 . Vor allem aber wirft von Nell-Breuning dem genannten kirchlichen Dokument vor, es fordere von den kirchlichen Dienstnehmern "nicht weniger als, solange ihr Lohnarbeitsverhältnis besteht, es als Dienstverhältnis im theologischen Sinn ... zu verstehen". Auf diesem Wege wolle die Rahmenordnung dem individuellen Arbeitsrecht, das sie als für alle geltendes Gesetz hinnehmen müsse, "ein kollektives Arbeitsrecht überstülpen und auf diesem Weg ihre Arbeitnehmer ... zu Ordensleuten oder Klerikern ,in Zivil' machen; sinngemäß müßten die soeben in der Kirche abgeschafften ,niederen Weihen' wieder aufleben"51. Die "Repräsentation" des Dienstes Jesu Christi gelte nur für die Inhaber der geistlichen Ämter, für Ordensangehörige und für Mitglieder der kirchlichen Räte, nicht aber für diejenigen, die als Arbeitnehmer in ein "Lohnarbeitsverhältnis" zur Kirche oder zu einer kirch48 Abgedruckt etwa in: Mitarbeitervertretungsordnung für die Erzdiözese Freiburg, Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg 1977, S.147. 49 Vgl. Oswald von NeH-Breuning SJ, Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst, in: Stimmen der Zeit Bd. 195 (1977), S. 302 - 310; ders., Dienste in der Kirche, in: Stimmen der Zeit Bd.195 (1977), S. 491 - 494; ders., Kirchliche Dienstgemeinschaft, in: Stimmen der Zeit Bd.195 (1977), S. 705 - 710. 50 O. v. NeH-Breuning, Dienste in der Kirche, in: Stimmen der Zeit Bd. 195 (1977), S.491. 51 Ebd., S. 493.
2. Abschn.: Dienstrecht der Laien
61
lichen Einrichtung treten 52• Diese Arbeitnehmer seien nicht bereit, sich der Rechte und Freiheiten, die das heutige individuelle und kollektive Arbeitsrecht den Arbeitnehmern zuerkennt, zu begeben53 • Die meisten der kirchlichen Arbeitnehmer brauchten auch nicht einmal als "Angehörige des Gottesvolkes" dessen Verantwortung mitzutragen. Der Heizer eines Krankenhauses brauche sich mit dem kirchlichen Ziel eines Krankenhauses nicht zu identifizieren. Dasselbe gelte in weitem Umfang auch für hochqualifizierte akademische Mitarbeiter. Sie kooperierten durch ihre Arbeit materialiter zur Aufgabe der betreffenden Einrichtung. Alles, was darüber hinausgehe, müsse freiwillig sein. Einer "cooperatio formalis" bedürfe es nur seitens eines eng umschriebenen Kreises von Mitarbeitern in bestimmten qualifizierten Positionen54• Die Ausführungen von Nell-Breunings sind bereits von anderer Seite kritisch beleuchtet worden55 • Hier kann nur kurz zu ihnen Stellung genommen werden. Zunächst sei vermerkt, daß der Hinweis, die in der Präambel zitierten Passagen bezögen sich nur auf die im Synodenbeschluß "Verantwortung des Gottesvolkes" konkret behandelten Dienste, formal anmutet. Sicherlich befaßt sich dieser Synodenbeschluß nicht mit der Gesamtheit kirchlicher Dienste. Die in der Präambel zur Rahmenordnung zitierten Sätze finden sich aber in einem allgemeinen Teil des Beschlusses, der die überschrift "Die gemeinsame Verantwortung aller Glieder" trägt und herausstellt, daß an der Aufgabe der Kirche, Träger der Heilssendung Christi zu sein, "die ganze Gemeinde und jedes ihrer Glieder" Anteil hat56 • Ist es dann falsch, eine in diesem Abschnitt enthaltene Aussage über kirchliche Dienste auf alle in der Kirche ausgeübten Dienste zu beziehen? Zu dem von v. Nell-Breuning angesprochenen Problem der "Repräsentation" des Dienstes Christi ist zu bemerken, daß es sicher richtig ist, "Repräsentation" im strikten Sinne als Eigenschaft des geistlichen Amtes zu verstehen. Trifft dies aber zu, so muß man folgern, daß auch die im Synodentext anzutreffende Verwendung dieses Begriffs für den Dienst der kirchlichen Räte nicht dieselbe Sache meinen kann wie die durch das geistliche Amt geschehende Repräsentation Christi, es sich vielmehr um eine die strikte Begriffsbedeutung erweiternde, Ebd., S. 481 f. Ebd., S. 492. 54 Ebd., S. 493. 55 Eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen v. Nell-Breunings findet sich bei B.-O. Kuper, Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst, in: Stimmen der Zeit Bd.195 (1977), S. 626 - 634. 56 Beschluß "Verantwortung des ganzen Gottesvolkes für die Sendung der Kirche" (s. Anm. 39, S. 56), Nr. 1.4, S. 653. 52
53
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4. Kap.: Ordnung der kirchlichen Dienste
theologisch an die Aussage vom allgemeinen Priestertum aller Gläubigen anknüpfende Aussage handelt. Es erscheint dann keineswegs von vornherein unmöglich, den Begriff der "Repräsentation" in einem solchen weiteren Sinne auch für andere Dienste der Laien zu verwenden. Vor allem aber ist anzumerken, daß die Äußerungen von Nell-Breunings auf einem Mißverständnis, allerdings wohl auch auf einer gewissen Sorge vor unberechtigten übersteigerungen der an kirchliche Mitarbeiter gestellten Forderungen beruhen. Aussagen über den Bezug kirchlicher Dienste zum geistlichen proprium der Kirche meinen nicht in erster Linie die subjektive Gesinnung der Dienstnehmer, sondern treffen eine objektive Aussage über die Verknüpfung von Aufgabe der Kirche und Aufgaben der kirchlichen Dienste57 • Allein hierauf bezieht sich auch die Präambel der Rahmenordnung für Mitarbeitervertretungen. über diesen inneren objektiven Zusammenhang von Dienst der Kirche und Diensten der Kirche besteht kein Zweifel; allein dieser Zusammenhang ist Grund dafür, daß die Kirche überhaupt neben ihren Amtsträgern noch weitere Bedienstete einstellt. Die objektive Verbindung von Aufgaben und Dienst der Kirche ergreift prinzipiell alle Bereiche kirchlicher Tätigkeit, was nicht bedeutet, daß der grundsätzlich vorhandene Konnex überall dieselbe Intensität und überall dieselbe Bedeutung hat. Die hier gegebenen Unterschiede werden von niemandem geleugnet. Sie wirken sich vor allem in unterschiedlichen persönlichen Anforderungen aus, in denen der objektiv gegebene Zusammenhang mit der Aufgabe der Kirche in einem konkreten Arbeitsverhältnis zu aktualisieren ist. Das kann aber nicht heißen, daß es Bereiche einer Tätigkeit im Dienst der Kirche geben könnte, für die es schlechthin bedeutungslos wäre, daß ein Arbeitsverhältnis nicht mit einem beliebigen Arbeitgeber, sondern eben mit der Kirche besteht. Die Feststellung des Zusammenhangs von geistlichem Auftrag der Kirche und kirchlichem Dienst bedeutet freilich andererseits nicht, daß die Rechtsstellung des kirchlichen Dienstnehmers als Arbeitnehmer hinweginterpretiert, seine Stellung also "klerikalisiert" werden sollte58 • Hierzu wurde soeben auf den entscheidenden Unterschied der Dienstverhältnisse der Geistlichen und Laien gerade nach katholischem Kirchenrecht hingewiesen und ausgeführt, daß die Dienstverhältnisse der Laien Rechtsverhältnisse des staatlichen Rechts darstellen. Dies wird 57 Die rein subjektive Sicht der "kirchlichen Dienstgemeinschaft" findet sich auch im die Diskussion in den "Stimmen der Zeit" abschließenden Beitrag, vgl. O. v. NeH-Breuning, Kirchliche Dienstgemeinschaft, in: Stimmen der Zeit Bd. 195 (1977), S. 705 - 706. 58 Dies ist offenbar eine der Hauptsorgen der Beiträge von Nell-Breunings.
2. Abschn.: Dienstrecht der Laien
63
sogleich dahin zu konkretisieren sein, daß entweder Beamtenverhältnisse oder - was für die große Mehrzahl kirchlicher Dienstnehmer gilt - privatrechtliche Arbeitsverhältnisse vorliegen, die man mit von Nell-Breuning auch "Lohnarbeitsverhältnisse" nennen mag. Hieraus ergeben sich bestimmte, noch zu erörternde Bindungen an staatliches Recht, die kirchliche Regelungen weder beseitigen könnten noch wollen. Auch die Rahmenordnung für kirchliche Mitarbeitervertretungen ist dazu weder imstande noch war dies ihr Sinn. In einem neueren Beitrag hat von Nell-Breuning die hervorgehobene objektive Mitwirkung der kirchlichen Dienstnehmer am kirchlichen Auftrag bestätigt; er hat ferner zugestimmt, daß "die Eigenart der kirchlichen Dienste oder Werke ähnlich wie der staatliche Dienst den daran Beteiligten gewisse inner- und außerkirchliche Bindungen auferlegt". Er hat aber betont, die sich in der objektiven Mitwirkung verwirklichende "cooperatio formalis" am kirchlichen Auftrag dürfe nicht zu einer gleichzeitigen Forderung nach einer "cooperatio materialis" führen. Insbeosndere würde sich der kirchliche Dienstgeber eines unbefugten Eindringens in den Gewissensbereich schuldig machen, wollte er sich der Machtstellung als Arbeitgeber bedienen, um die für die "cooperatio materialis" konstitutive innere Einstellung des Dienstnehmers zu erzwingen59 • Dieser letzten Aussage kann bedenkenlos zugestimmt werden, schon deshalb, weil arbeitsrechtliche Verpflichtungen ja nie "im Gewissen", sondern nur innerhalb der Rechtsordnung binden können. Es ist auch nicht zu verkennen, daß es eine kirchliche "Versuchung" gibt, diese beiden Ebenen in unzulässiger Weise zu vermischen. Auf der anderen Seite ist die Lösung der fraglos vorhandenen Probleme nicht im Zurückdrängen des inneren Bezugs kirchlicher Arbeitsverhältnisse zum Auftrag der Kirche zu finden. So kann also die Kennzeichnung kirchlicher Arbeitsverhältnisse als "Lohnarbeitsverhältnisse" ebenso akzeptiert werden wie Versuchen widersprochen werden müßte, die in Form eines Arbeitsverhältnisses durch Laien übernommenen Aufgaben von dem der Kirche aufgetragenen Heilsdienst grundsätzlich abzuordnen. Dies könnte auch zu dem (von v. Nell-Breuning freilich sicher nicht gewollten) Ergebnis führen, nur die Geistlichen und Ordensleute stünden im eigentlichen Sinne im Dienst der geistlichen Aufgabenstellung der Kirche, was überwunden geglaubte Klüfte zwischen Geistlichen und Laien wieder aufreißen würde 60 • Dabei geht es nicht um eine Verwischung der der katholi69 Vgl. o. v. Nell-Breuning, Nochmals: Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst, in: Stimmen der Zeit Bd. 196 (1978), S. 629 - 633, S. 632, 633. 60 Vgl. auch B.-O. Kuper, Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst, in: Stimmen der Zeit Bd. 195 (1977), S. 632.
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4. Kap.: Ordnung der kirchlichen Dienste
schen Kirche wesenseigentÜInlichen Unterscheidung von Geistlichen und Laien. Nur eine Herausarbeitung des geistlichen Bezuges auch der von Laien für die Kirche übernommenen Aufgaben wird aber letztlich dazu helfen können, Amt und Gemeinde, Geistliche und Laien in das richtige Verhältnis zueinander zu setzen und die jedem zukommenden Aufgaben, die für Geistliche und Laien unterschiedlich sind, in der richtigen Weise zu profilieren. 6. Nach den vorstehenden grundsätzlichen überlegungen sind nunmehr Einzelheiten hinsichtlich der Regelungsformen des Dienstrechts der kirchlichen Laienbediensteten zu erörtern. Hierbei spielt die Unterscheidung zwischen öffentlich-rechtlicher und privatrechtlicher Gestaltung der Dienstverhältnisse eine Rolle. Die folgende Darstellung unterscheidet daher das kirchliche Beamtenrecht und die Regelung der dem Arbeitsrecht zuzuordnenden kirchlichen Dienstverhältnisse. 3. Abschnitt: Öffentlich-rechtliches Dienstrecht
in der katholischen Kirche
Kraft Art. 137 Abs. 5 WRV ist die Kirche Körperschaft des öffentlichen Rechts. Mit der Korporationsqualität ist ihr traditionell die Dienstherrenfähigkeit verliehen, die Befugnis also, Dienstverhältnisse des öffentlichen Rechts, kirchliche Beamtenverhältnisse, zu begründen61 • Gem. Art. 137 Abs. 3 WRV hat die Kirche auch das Recht, diese öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse durch autonome Rechtsetzung selbständig rechtlich zu regeln. Dienstherrenfähigkeit und autonome Rechtsetzungsbefugnis sind somit die rechtlichen Grundlagen eines kirchlichen öffentlich-rechtlichen Dienstrechts62 • Die Befugnis zur Begründung kirchlicher Beamtenverhältnisse eignet der Kirche nicht aus eigenem Recht. Sie ist vielmehr vom staatlichen Recht abgeleitet, besteht also nur im Umfang und in den Grenzen der staatlichen Verleihung. Innerhalb dieser Grenzen kann die Kirche aber frei entscheiden, ob und wie sie von den in der Dienstherrenfähigkeit enthaltenen Befugnissen Gebrauch macht. Wie bereits oben ausgeführt wurde, kann der Verfassung insbesondere keine Verpflichtung zur öffentlich-rechtlichen Gestaltung der kirchlichen Dienstverhältnisse 61 Vgl. A. Frh. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S.116; J. Frank, Dienst- und Arbeitsrecht, in: HdbStKirchR I, S.680. 62 A. Frh. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 116 und J. Jurina, Artikel: Beamtenrecht, kirchliches, in: Handwörterbuch des öffentlichen Dienstes. Das Personalwesen, hrsg. von W. Bierfelder, Berlin 1976, Sp. 394 - 400, Sp.394.
3. Abschn.: Öffentlich-rechtliches Dienstrecht
65
entnommen werden 63 • Verzichtet die Kirche auf die öffentlich-rechtliche Gestaltung, so verbleiben die von ihr begründeten Dienstverhältnisse, soweit sie nicht Rechtsverhältnisse des eigenständig-kirchlichen Rechtsbereichs darstellen, unter der Geltung des staatlichen Arbeitsrechts. Die Befugnis zur selbständigen Gestaltung des kirchlichen Beamtenrechts ist in den staatlichen Beamtengesetzen ausdrücklich anerkannt worden. So betont § 135 des Beamtenrechtsrahmengesetzes, daß das staatliche Beamtenrecht nicht für die öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaften und ihre Verbände gilt, diesen vielmehr die Regelung des kirchlichen Beamtenrechts - etwa durch Übernahme des staatlichen Beamtenrechts - überlassen bleibt. Die Herleitung der öffentlich-rechtlichen Dienstherrenfähigkeit der Kirche vom staatlichen Recht wirft in besonderem Maße die Frage der Bindung an staatliche Rechtsgrundsätze, vor allem an die Grundrechte, auf. Dies wird noch zu erörtern sein64 • Vorab ist aber hervorzuheben, daß wegen der Herleitung der Dienstherrenfähigkeit vom staatlichen Recht die grundsätzlich auch für die kirchlichen Beamtenverhältnisse gegebene, aus dem Selbstbestimmungsrecht folgende Gestaltungsfreiheit bestimmte immanente Grenzen hat, die beachtet werden müssen, damit von einem Beamtenverhältnis gesprochen werden kann 65 • Hierzu gehören, wie heute überwiegend anerkannt ist, die öffentlich-rechtliche, d. h. hoheitlich ausgestaltete Begründung des kirchlichen Beamtenverhältnisses durch Ernennung, die grundsätzlich lebenslange Dauer des Dienstverhältnisses, die Verpflichtung zur Zahlung eines Ruhegehalts sowie die übernahme einer besonderen öffentlich-rechtlichen Fürsorgepflicht. Im Ergebnis folgt hieraus eine wenn auch nicht unmittelbare, so doch wenigstens teilweise entsprechende Anwendung der Grundsätze des Art. 33 Abs.5 GG auf die kirchlichen Beamtenverhältnisse. Praktisch bedeutsam werden diese immanenten Grenzen der kirchlichen Regelungsbefugnis etwa dann, wenn vertraglich Elemente einer beamtenähnlichen Anstellung vereinbart werden, ohne daß aber ein Beamtenverhältnis unter Heranziehung entsprechender gesetzlicher Grundlagen durch Ernennung begründet wird. So sehr auch in diesen in der katholischen Kirche recht zahlreichen Fällen der Status des Bediensteten in praktischer Hinsicht dem einem Beamten ähneln mag, handelt es sich doch nicht um öffentlich-rechtliche, sondern um privatrechtliche Dienstverhältnisse66 • oben S. 53. unten S. 93 ff., 106 ff. 85 J. JUTina, Beamtenrecht, kirchliches, in: HÖD, Sp.397. 66 J. JUTina, Dienst- und Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S.70 und Anm.63. 83 84
V gl. Vgl. Vgl. Vgl.
5 .Turina
66
4. Kap.: Ordnung der kirchlichen Dienste
Die katholische Kirche hat von den mit der Dienstherrenfähigkeit gegebenen Befugnis bislang in recht geringem Umfang Gebrauch gemacht, ganz im Gegensatz zur evangelischen Kirche. So ist auch ein eigenes kirchliches Beamtenrecht in der katholischen Kirche aufs Ganze gesehen nur ansatzweise entwickelt. Im Vordergrund steht, soweit Beamtenverhältnisse begründet werden, die ausdrücklich angeordnete oder stillschweigend praktizierte übernahme des staatlichen Beamtenrechts des jeweiligen Bundeslandes61 •
4. Abschnitt: Die Ordnung der privatrechtlichen Dienstverhältnisse der katholischen Kirche Hinsichtlich des Dienstrechts der weitaus. meisten ihrer Laienbediensteten hat sich die katholische Kirche nicht für die auch ihr zu Gebote stehende öffentlich-rechtliche Gestaltungsform entschieden. Da auf der anderen Seite, wie ausgeführt, Gründe fehlen, eine Zuordnung dieser Dienstverhältnisse zum eigenständig-kirchlichen Recht anzunehmen, muß gefolgert werden, daß privatrechtliche Rechtsverhältnisse gegeben sind. Diese Laienbediensteten stehen daher in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis. Sie sind arbeitsrechtlich gesprochen - Arbeitnehmer des Arbeitgebers Kirche. Die genannten kirchlichen Arbeitsverhältnisse unterscheiden sich also zunächst nicht von sonstigen Arbeitsverhältnissen68 • Diese Zuordnung wird auch vom kirchlichen Recht der katholischen Kirche bestätigt, da c. 1529 CIC ausdrücklich von der grundsätzlichen Geltung des allgemeinen staatlichen Vertragsrechts auch für die Kirche ausgeht69 • Die Einbeziehung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse ins staatliche Arbeitsrecht, über die heute Einigkeit besteht, darf freilich andererseits die vom staatlichen Verfassungsrecht geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes nicht wieder aufheben. Dieser Grundsatz spielt, wie bereits bemerkt wurde, eine große Rolle für die Beantwortung der Frage, welche Regelungen des staatlichen Rechts inhaltlich für die kirchlichen Arbeitsverhältnisse Anwendung finden können. Er ist aber auch für die hier zu erörternde Problematik der Formen der Ordnung kirchlicher Arbeitsverhältnisse durch die Kirche von Bedeutung. 1. Die Befugnis zur Regelung kirchlicher Arbeitsverhältnisse ist mit der Garantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts in Art. 137 Abs.3 WRV gegeben. "Ordnen" der eigenen Angelegenheiten im Sinn
Ebd., S. 69 - 75. Vgl. R. Richardi, Kirchliches Dienst- und Arbeitsrecht, in: ZevKR Bd.19 (1974), S. 275 - 308, S.279, 287 H.; J. Frank, Dienst- und Arbeitsrecht, in: HdbStKirchR I. S. 702 f. 69 Vgl. R. Richardi, Kirchlicher Dienst, in: ZevKR Bd. 19, S.287. 61
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4. Abschn.: Privatrechtliche Dienstverhältnisse
67
dieser Verfassungsbestimmung meint das Recht der Kirche, alle eigenen kirchlichen Angelegenheiten gemäß den spezifischen kirchlichen Ordnungsgesichtspunkten, also auf der Grundlage des kirchlichen Selbstverständnisses, rechtlich gestalten zu können. Da auch die privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse des kirchlichen Dienstes zu diesen eigenen Angelegenheiten gehören, erstreckt sich auch auf sie - in den noch zu erörternden rechtlichen Grenzen - die im Selbstbestimmungsrecht enthaltene Ordnungsbefugnis der Kirche 70 • Die kirchliche Regelung der privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse vollzieht sich in der heutigen Praxis der katholischen Kirche in erster Linie auf zwei rechtlichen Wegen, die gleichermaßen unter dem Schutz des Art. 137 Abs. 3 WRV stehen: a) durch Erlaß kirchlicher arbeitsrechtlicher Regelungen 71 , b) durch die kirchlichen Prinzipien entsprechende vertragliche Ausgestaltung der einzelnen Arbeitsverhältnisse, die durch Musterverträge vorbereitet wird. 1. Der Erlaß kirchlicher arbeitsrechtlicher Regelungen geschieht in vielfältiger W eise72 •
Zu nennen sind zunächst die schon oben erwähnten kirchlichen Dienstordnungen, durch die insbesondere die Berufsbilder der verschiedenen kirchlichen Berufe einschließlich der geforderten Vorbildung, die besonderen, auf die Funktion bezogenen Berufspflichten und die Grundzüge des Anstellungsverhältnisses umschrieben werden. Daneben finden sich arbeitsrechtliche Gesamtregelungen, die - etwa vergleichbar der in § 4 TVG enthaltenen Formel - insbesondere Normen für den Inhalt, Abschluß und die Beendigung von kirchlichen Arbeitsverhältnissen festlegen 73 • In diesen Zusammenhang gehören auch Sonderregelungen einzelner dienstrechtlicher Materien, etwa kirchVgl. Th. MayeT-Maly, Tragweite, S.3/4. Vgl. zu dieser Regelungsform Th. MayeT-Maly, Tragweite, S.4: Die kirchliche Rechtsetzungsbefugnis "umfaßt zum einen alle organisatorischen Bezüge des kirchlichen Dienstes, kann aber überhaupt eine eigene, umfassende Ordnung der Arbeit im Kirchendienst tragen". Auch Denecke / Neumann, Arbeitszeitordnung, 2. Auf!. München 1976, Rdn. 12 zu § 1 sprechen davon, daß die Kirchen "ein eigenes Dienstrecht für ihre Arbeitnehmer erlassen" können. 72 Vgl. auch den überblick über kirchliche arbeitsrechtliche Regelungen bei J. JUTina, Dienst- und Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S. 76 ff. und bei Th. MayeT-Maly, Tragweite, S.4. 73 Vgl. vor allem die Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) der nordrhein-westfälischen Bistümer und die Kirchliche Arbeits- und Vergütungsordnung (KAVO) für das Bistum Trier. Nachweise bei J. JUTina, Dienst- und Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S.77, Anm.101. 70 71
68
4. Kap.: Ordnung der kirchlichen Dienste
liche Reisekostenordnungen, Vorschriften über Beihilfen im Krankheitsfall, über Umzugskostenvergütung, über die zusätzliche Altersversorgung etc. 74 • Einen eigenen, nicht das einzelne Arbeitsverhältnis, aber die arbeitsrechtlichen Bedingungen insgesamt betreffenden Normenkomplex stellt schließlich das kirchliche Mitarbeitervertretungsrecht dar, das die betriebliche Mitbestimmung in kirchlichen Einrichtungen rege1t1 5 • Alle diese genannten Regelungen sind keine bloßen "Vertragsschablonen" , wie sie auch - den "Allgemeinen Geschäftsbedingungen" vergleichbar - von privaten Arbeitgebern verfaßt werden könnten. Grundlage dieser Vorschriften ist vielmehr das Selbstbestimmungsrecht des Art. 137 Abs.3 WRV, das eine kirchliche Ordnungs-, also Normsetzungsbefugnis für die eigenen Angelegenheiten statuiert. Aus dieser Befugnis leitet sich daher der auch innerhalb des staatlichen Rechtskreises anzuerkennende Normcharakter der erwähnten arbeitsrechtlichen Regelungen ab. Der Unterschied zu den "Vertragsschablonen" ist somit deutlich. Diese haben keine selbständige normative Wirkung, sondern stellen lediglich den individuellen Vertragsschluß vorbereitende Akte dar. Gegenstand der rechtlichen Prüfung können sie erst als Teil eines konkreten Arbeitsvertrages werden. Systematisch durchaus zutreffend unterliegen sie daher in Anwendung von § 315 BGB, der die Leistungsbestimmung innerhalb eines Vertragsverhältnisses zum Gegenstand hat, der rechtlichen Billigkeitskontrolle. Kirchliche Dienstordnungen haben dagegen kraft Art.137 Abs.3 WRV normativen Charakter. Sie können daher jedenfalls nicht auf der Grundlage von § 315 BGB richterlich überprüft werden 76 • 74 Auf Einzelnachweise wird angesichts der Zahl der einschlägigen Texte verzichtet; sie können erschlossen werden über die Rubrik "Kirchliche Erlasse und Entscheidungen" in den einzelnen Heften des "Archivs für Katholisches Kirchenrecht", vor allem Abschnitt B. "Fundorte anderwärts veröffentlichter Erlasse." - Hingewiesen sei gesondert auf das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 17.1.1978, Gesch.Nr.7 Sa 1247/77, das das Recht der Kirche bestätigt, zu bestimmen, inwieweit Arbeitsverträge einer kirchlichen Einrichtung der Genehmigung einer kirchlichen Oberbehörde bedürfen. 75 Für dieses ist nunmehr die seit dem 1. 3. 1977 in Kraft befindliche, vom Verband der Diözesen Deutschlands beschlossene "Rahmenordnung für eine Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO)" maßgebend, die von den einzelnen Bistümern für jeweils ihren Bereich zu erlassen ist, vgl. etwa für das Erzbistum Freiburg Amtsblatt für die Erzdiözese Freiburg 1977, S.147. 76 Vgl. auch Th. Mayer-Maly, Tragweite, S.6; zur Frage der Billigkeitskontrolle bezüglich der Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes vgl. auch R. Richardi, Anm. zum Urteil des BAG vom 4.2. 1976, in: Arbeitsrechts-Blattei "Kirchenbedienstete" Entscheidung 9, Abschnitt III.
4. Abschn.: Privatrechtliche Dienstverhältnisse
69
In den Geltungsbereich der kirchlichen arbeitsrechtlichen Ordnungen begibt sich der einzelne kirchliche Bedienstete allerdings auch erst durch Abschluß eines Arbeitsvertrages mit einem kirchlichen Dienstgeber. Jedenfalls insofern ist es richtig, daß die Geltung kirchlicher arbeitsrechtlicher Normen für ein konkretes Arbeitsverhältnis durch Arbeitsvertrag zustande kommt, also auf dem Arbeitsvertrag "beruht". Es ist aber nicht zutreffend, daß, wie das Landesarbeitsgericht Hamm ausgeführt hat, von der Kirche gesetztes Dienstrecht gegenüber den als Arbeitnehmern beschäftigten Bediensteten "nicht kraft irgendeiner Satzungsgewalt der Kirche, sondern nur infolge arbeitsvertraglicher Inbezugnahme" gilt, es "damit Wirkung nur als Vertragsrecht" entfaltet und "wie dieses an den Schutznormen des staatlichen Arbeitsrechts zu messen" ist 77 • Wer so argumentiert, verkennt die mit dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht gegebene Normsetzungsbefugnis, die sich auf alle eigenen Angelegenheiten bezieht, auch auf diejenigen, die in den Bereich, in dem der Staat ordnen kann, "hinübergreifen"78. Die kirchlichen arbeitsrechtlichen Ordnungen behalten also ebenfalls gegenüber dem einzelnen Bediensteten ihren Normcharakter. Sie werden auch nicht dadurch, daß Arbeitsverträge die kirchlichen Ordnungen ausdrücklich als Vertragsinhalt, als Grundlage des Arbeitsverhältnisses, nennen, zu purem Vertragsrecht, sondern bleiben in ihrer Normeigenschaft unangetastet, unterliegen also einer richterlichen Prüfung nicht als "privates" Arbeitsvertragsrecht, sondern können als kirchliches autonomes Recht lediglich an der Schrankenklausel des Art. 137 Abs.3 WRV gemessen werden79 . Die hier erörterte Fragestellung ist nicht mit dem Problem zu verwechseln, inwieweit eine direkte verschlechternde Wirkung einer Änderung der normativen Vorschriften auf das einzelne Arbeitsverhältnis angenommen werden kann. Dieser Frage soll hier nicht im einzelnen nachgegangen werden. Verwiesen sei lediglich darauf, daß ähnliche Fragen im Zusammenhang der vertraglichen Bezugnahme auf Tarifrecht unter Außenseitern entstehen, wobei die Lösung keineswegs auf ein generelles Verschlechterungsverbot abzielt, sondern je nach Deutung des Vertragsinhalts unterschiedlich ausfällt80 . Normative Funktion haben als kirchliche Rechtsnorm erlassene arbeitsrechtliche Regelungen auch gegenüber der Kirche selbst. Sie bewirken so eine Selbstbindung der Kirche und ihrer organisatorischen 77 LAG Hamm, Urteil vom 21. 1. 1977, in: Betriebsberater 1977, S. 747 - 749, S.748. 78 Vgl. BVerfGE Bd.42, S.344. 79 Vgl. Th. Mayer-Maly, Tragweite, S.6. 80 Vgl. hierzu G. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 3. Auflage München 1977, S.959.
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4. Kap.: Ordnung der kirchlichen Dienste
Untergliederungen, etwa der Kirchengemeinden, hinsichtlich des zulässigen Inhalts kirchlicher Arbeitsverhältnisse. Die Dienstordnungen sowie die übrigen Regelungen leisten so einen mittelbaren, aber höchst effektiven Beitrag zur Rechtssicherheit kirchlicher Arbeitsverhältnisse - nicht zuletzt durch die öffentliche Form ihrer Bekanntgabe, die häufig genug erst die sichere Grundlage dafür bietet, daß der einzelne kirchliche Dienstnehmer zu "seinem" Recht kommt. Die kirchlichen Ordnungen können ferner zur Auslegung des Inhalts einzelner Arbeitsverträge herangezogen werden, da man im Zweifel wird davon ausgehen müssen, daß etwa eine Kirchengemeinde Arbeitsverträge so abschließen wollte, wie ihr dies nach kirchlichem (diözesanem) Recht vorgeschrieben istSI. 2. In den Schutzbereich des Selbstbestimmungsrechts gern. Art. 137 Abs. 3 WRV fällt auch die Festlegung der Rechte und Pflichten der kirchlichen Dienstnehmer durch Abschluß entsprechender Arbeitsverträge. Hier liegt selbstverständlich keine "Ordnung" kirchlicher Dienste im Sinne des Erlasses normativer Regelungen vor. Die mit dem verfassungsmäßigen Selbstbestimmungsrecht gemeinten Befugnisse der Kirche hinsichtlich der eigenen Angelegenheiten dürften jedoch nicht auf das "Ordnen" und "Verwalten" im engsten Sinn dieser Begriffe beschränkt werdens2 • Das kirchliche Selbstbestimmungsrecht schützt vielmehr alle rechtlichen Verhaltensweisen, die zur Besorgung einer eigenen Angelegenheit erforderlich sind, garantiert der Kirche also die Wahrnehmung aller für kirchliche Aufgaben erforderlichen rechtlichen Angelegenheiten in Unabhängigkeit vom Staat. Somit fällt hierunter auch die rechtliche Vorsorge für die Wahrnehmung kirchlicher Dienste durch den Abschluß entsprechender Arbeitsverträge. Auch im Wege des Vertragsschlusses kann also kirchlicher Dienst gestaltet, können daher z. B. einem kirchlichen Dienstnehmer jene spezifischen Pflichten einer kirchlichen Lebensführung auferlegt werden, die vom kirchlichen Selbstverständnis her von einem Angehörigen des kirchlichen Dienstes verlangt werden müssen. Beim Abschluß dieser Arbeitsverträge partizipiert die Kirche also nicht lediglich an der allgemeinen Vertragsfreiheit. Sie hat in Gestalt des Selbstbestimmungsrechts vielmehr eine eigene, zusätzliche rechtliche Legitimation, die insbesondere bewirkt, daß für kirchliche Arbeitsverträge nicht einfach die sonst im Arbeitsrecht gültigen Beschränkungen der Vertragsfreiheit zum Zuge kommen, die Grenzen der Gestaltungsfreiheit SI Eine völlige Verkennung dieser Rechtslage bei O. v. Nell-Breuning, Kirchliche Dienstgemeinschaft, in: Stimmen der Zeit Bd. 195 (1977), S.708. 82 Für eine weite Auslegung jedenfalls des Begriffs "Verwalten" auch K. Hesse, Selbstbestimmungsrecht, in: HdbStKirchR I, S.424.
4. Abschn.: Privatrechtliche Dienstverhältnisse
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vielmehr an dem verfassungsrechtlichen Institut der Schrankenklausel des Art. 137 Abs.3 WRV zu messen sind83 •
11. Beide erörterten Gestaltungsformen - der Erlaß kirchlicher arbeitsrechtlicher Normen sowie die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse durch Vertragsschluß - führen im Ergebnis zu einer einseitigen Bestimmung des Inhalts der Arbeitsverhältnisse durch die Dienstgeberseite. Dies trifft zwar formell für den Vertragsschluß nicht zu, weil er des Einverständnisses beider Seiten, also auch des Dienstnehmers, bedarf. Aber dies ist eben nur die formelle Seite. In der Sache gilt für die Kirche wie für jeden anderen Arbeitgeber von einigem Gewicht, daß der Vertragsinhalt, abgesehen von wenigen Einzelfällen, im Ergebnis vom Dienstgeber bestimmt wird und dem Dienstnehmer letztlich nur die Alternative der Annahme oder der Ablehnung des Vertrages bleibt. Eben aus diesem Grunde hat sich im allgemeinen Arbeitsrecht das Rechtsinstitut des Tarifvertrages entwickelt, der eine Mitbestimmung der Arbeitnehmer über die Inhalte des Arbeitsverhältnisses sichert84 • Es fragt sich daher, ob auch die Kirche zur Regelung der von ihr eingegangenen privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse wie ein sonstiger Arbeitgeber auf den Abschluß von Tarifverträgen verwiesen ist, so daß die Gestaltung kirchlicher Arbeitsverhältnisse auf der Grundlage von Arbeitsvertragsordnungen der geschilderten Art oder durch reinen Individualvertrag als zwar zulässig, aber rechtlich odios zu werten und demgemäß durch tarifliche Absprachen zu ersetzen bzw. zu ergänzen wäre. 1. Nach überwiegender Auffassung kommt in der Arbeitsverfassung des Grundgesetzes dem Tarifvertrag zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen Priorität zu. So hat das Bundesverfassungsgericht davon gesprochen, die Verfassung "intendiere" die Ordnung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen durch autonome Rechtsnormen der Koalitionen 85, d. h. durch Tarifvertrag. Nur so ist es auch erklärlich, daß allgemein davon ausgegangen wird, die Gestaltung der Arbeitsbedingungen durch die Koalitionen, also Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände, sei eine öffentliche Aufgabe 86 • 83 Ähnlich auch B. RütheTs, Kirchenautonomie und gesetzlicher Kündigungsschutz, in: NJW 1976, S.1919. 84 Vgl. etwa A. SöllneT, Arbeitsrecht, 4. Auflage Stuttgart-Berlin-KölnMainz 1974, S.38. 85 BVerfGE Bd.28, S.295 (305). 86 Ebd., S. 295 (304): "Den Koalitionen ist durch Art. 9 Abs. 3 GG die Aufgabe zugewiesen und in einem Kernbereich gewährleistet, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in eigener Verantwortung und im wesentlichen ohne staatliche Einflußnahme zu gestalten. Sie erfüllen dabei eine öffentliche
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4. Kap.: Ordnung der kirchlichen Dienste
Von besonderer Bedeutung für die Rechtslage hinsichtlich der Kirche ist es, daß die Grundlage des Tarifsystems in der Garantie der kollektiven Koalitionsfreiheit durch Art. 9 Abs. 3 GG erblickt wird, das Tarifsystem jedenfalls in seinem Kern also auf einem Grundrecht beruht, das schon von Verfassungs wegen absolute Drittwirkung besitzt. Zwar sind Einzelheiten des Inhalts dieser verfassungsrechtlichen Garantie strittig. Unstreitig ist aber, daß durch Art. 9 Abs.3 GG den Koalitionen ein "Kernbereich" koalitionsgemäßer Tätigkeit garantiert ist, den die Rechtsordnung durch ein vom Staat bereitzustellendes Tarifvertragssystem und durch die Garantie der Bildung freier Koalitionen als Partner der Tarifverträge schützt87 . Art. 9 Abs.3 GG gewährleistet für den Bereich der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts somit "Bestand und Tätigkeit der ... Koalitionen"88, gibt ihnen also eine "institutionelle und funktionelle Garantie "89, indem ihnen "die Aufgabe zugewiesen und in einem Kernbereich gewährleistet (ist), die Arbeitsund Wirtschaftsbedingungen in eigener Verantwortung und im wesentlichen ohne staatliche Einflußnahme zu gestalten"90. Oder, wie es Biedenkopf formuliert hat: "Da die Koalitionsfreiheit zu den Grundrechten zählt, ist damit zunächst jede Wirtschaftsverfassung ausgeschaltet, die die Wahrung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen nicht grundsätzlich, und im ,Kernbereich' ausschließlich, den Vereinigungen des Art. 9 Abs.3 GG überläßt91 ." Ähnliche Gedanken finden sich in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, wenn es den Tarifabschluß als "eigentliches Betätigungsfeld der Gewerkschaften" bezeichnet und in diesem Zusammenhang von "Ausschließlichkeitsanspruch" spricht92 . Soeben wurde schon darauf hingewiesen, daß es für unsere Fragestellung bezüglich der Kirchen von besonderer Bedeutung ist, daß Art. 9 Abs. 3 GG ein Grundrecht mit Wirkung für das gesamte private Aufgabe." - Allgemein und mit weiteren Hinweisen auf Literatur und Rechtsprechung zur "Institutionellen Garantie der Tarifautonomie" und zum "Vorrangprinzip des Tarifvertrages" vgl. H. Wiedemann / H. Stumpf, Tarifvertragsgesetz, 5. Auflage München 1977, Rdn. 33 ff. und 40 ff. der Einleitung (S. 61 ff. und 64 ff.). 87 Vgl. Wiedemann / Stumpf, Rdn. 33 ff. der Einleitung. 88 BVerfGE Bd.38, S.281 (303). 89 Ebd., S. 281 (304). 90 BVerfGE Bd.28, S.295 (304). Vgl. das ganze Zitat oben in Anm.86. 91 K. H. Biedenkopf, Sinn und Grenzen der Vereinbarungsbefugnis der Tarifvertragsparteien, in: Verhandlungen des 46. Deutschen Juristentages, Band I (Gutachten), München und Berlin 1966, S. 97 - 167, S.102. Vgl. zum "Vorrangsprinzip des Tarifvertrages" auch Wiedemann / Stumpf, Rdn. 40 ff. der Einleitung. 92 BVerfGE Bd.38, S.281 (306).
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und öffentliche Recht darstellt, also absolute "Drittwirkung" besitzt. Hieraus folgert etwa Hesse 93 eine Geltung dieses Grundrechts auch für die Kirchen, freilich nicht ohne hinzuzufügen, daß diese Geltung der Koalitionsfreiheit ihrerseits Grenzen aus dem verfassungsrechtlich gewährleisteten kirchlichen Selbstbestimmungsrecht findet. Andere Autoren äußern sich direkt mit Bezug auf die Anwendung des Tarifvertragssystems auf die Kirchen. So betont Mayer-Maly, trotz Nichtanwendbarkeit des Streikrechts auf den kirchlichen Dienst seien "Tarifverträge und Tarifverhandlungen für den kirchlichen Dienst sinnvoll, sei der Tarifvertrag "ein funktionsfähiges und zulässiges Regelungsinstrument auch für den kirchlichen Dienst", womit er allerdings die Ablehnung einer Verpflichtung der Kirchen zum Abschluß von Tarüverträgen verbindet94 • Richardi hebt hervor, daß für die bestehende Arbeitsverfassung der Grundsatz der sozialen Selbstverwaltung nicht ausgeschaltet werden könne: "Er gehört zu den Rechtsgrundsätzen, die tragende Prinzipien der staatlichen Ordnung normieren, und ist daher als Teil des für alle geltenden Gesetzes gemäß dem Schrankenvorbehalt in Art. 137 Abs. 3 WRV auch für die Kirchen verbindlich." Sei man der Auffassung, daß die Tarifautonomie mit dem kirchlichen Dienst schlechthin unvereinbar sei, so breche man aus der Arbeitsverfassung einen Grundstein, der (etwa bei Rückgriff auf die Formel von Johannes HeckeI) nach heutigem Verständnis zu den für die Gesamtnation als politische, Kulturund Rechtsgemeinschaft unentbehrlichen Gesetzen gehöre und daher einen Bestandteil des für alle geltenden Gesetzes darstelle 95 • Zur Klarstellung hat Richardi freilich später hinzugefügt, eine Verpflichtung zum Abschluß von Tarifverträgen bestehe nicht, da die Tarifautonomie "Instrument eines freiheitsrechtlichen Koalitionsverfahrens" sei. Da die Koalitionsfreiheit auch für Arbeitnehmer im Dienst der Kirche gelte, sei auch das Koalitionsverfahren gewährleistet, um Einfluß auf die Gestaltung der Arbeitsbedingungen zu nehmen. Die 93
Vgl. K. Hesse, Selbstbestimmungsrecht, in: HdbStKirchR I, S.442 und
ders., Grundrechtsbindung der Kirchen?, in: Festschrift für Werner Weber,
Berlin 1974, S. 447 - 462, S.457. 94 Th. Mayer-Maly, Das staatliche Arbeitsrecht und die Kirchen, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 10, Münster 1976, S. 127 - 149, S. 139 sowie Diskussion S. 155. Auch in seiner Abhandlung "Die arbeitsrechtliche Tragweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts" (s. Anm.15, S.14) hat Mayer-Maly betont, daß jedenfalls dann, wenn man mit dem Bundesverfassungsgericht die Kampfbereitschaft der Tarifvertragsparteien nicht als Voraussetzung der Tariffähigkeit ansehe, die Möglichkeit von Tarifverträgen mit der Kirche "nicht einfach auszuschließen" sei (S.8). 95 Vgl. R. Richardi, Kirchlicher Dienst, in: ZevKR Bd.19, S.193/194. Dazu J. Jurina, Dienst- und Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S. 86 f.
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Tarifautonomie komme also für die Regelung der Arbeitsbedingungen der im Dienst der Kirche tätigen Arbeitnehmer "in Betracht". Problematisch sei es für die Kirchen allerdings, daß zur Tarifautonomie der Arbeitskampf gehöre, der mit den rechtstheologischen Grundlagen des kirchlichen Dienstes in Widerspruch stehe. Deshalb scheide die Tarifautonomie für den kirchlichen Bereich nicht aus. Die Arbeitskampfbereitschaft sei nicht unabdingbare Voraussetzung der Tariffähigkeit. Bei Ausschluß des Arbeitskampfes sei der Tarifvertrag aber nur dann ein geeignetes Regelungsinstrument, "wenn die Möglichkeit des Arbeitskampfes durch ein verbindliches Schlichtungsverfahren ersetzt wird". Sich einem solchen Verfahren zu unterwerfen, sei aber für die Kirchen ebenfalls "außerordentlich problematisch". In jedem Falle gelte aber "bereits von Verfassung wegen auch für eine Gestaltung der Arbeitsbedingungen, daß keine Regelung erzwungen werden kann, die mit dem Wesen der Kirche, ihrer Funktion und ihren Aufgaben in der christlichen Heilsbotschaft unvereinbar ist oder den Auftrag der Kirchen, in der Welt zu wirken, so erheblich erschwert, daß die Kirche in ihrer Sendung zur Mission und Caritas im öffentlichen Bereich getroffen wird". Soweit die Tariflösung ausscheide, könnten die Kirchen die Arbeitsbedingungen durch Kirchengesetz regeln. Es bedeute lediglich eine Modifizierung der Gesetzeslösung, wenn die Kirchen die bei ihnen beschäftigten Mitarbeiter an der Gestaltung der Arbeitsbedingungen beteiligen. Wie die fehlende Gleichgewichtslage zwischen den Partnern des Arbeitsvertrages ausgeglichen werde, sollte der Regelungsautonomie der Kirchen überlassen bleiben, insbesondere auch, ob sie Tarifverträge abschließen oder einen anderen Weg finden 96 • Frank vertritt die Ansicht, die Kirchen könnten und dürften nicht hindern, daß die Koalitionen den verfassungs rechtlich privilegierten Zweck der Wahrung und Förderung der Arbeitsbedingungen verfolgen. Die Kirchen hätten aber aufgrund des Selbstbestimmungsrechts "volle Freiheit, zu prüfen und zu entscheiden, ob und mit welchen Koalitionen sie verhandeln und Vereinbarungen treffen wollen"97. Für eine Geltung der Tarifautonomie auch hinsichtlich der Kirchen haben sich Wiedemann / Stumpf ausgesprochen. Das Koalitions- und Tarifvertragsrecht sei Teil des für alle geltenden Gesetzes. Die grundrechtliche Gewährleistung in Art. 9 Abs.3 GG könne zwar für einzelne Sachbereiche ausgeschlossen oder im Blick auf die besondere Zweck96 R. Richardi, Anmerkung zum Urteil des BAG vom 4.2. 1976. in: Arbeitsrechts-Blattei "Kirchenbedienstete" Entscheidung 9, Abschnitte HI, 4 und 5, u. a. unter ausdrücklicher Bezugnahme auf J. Jurina, Dienst- und Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S. 86 ff. 97 Vgl. J. Frank, Dienst- und Arbeitsrecht, in: HdbStKirchR I, S.693, auch S. 703; ferner ders., Grundsätze, in: Essener Gespräche 10, S.29/30.
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bestimmung oder Unternehmung modifiziert werden. "Sie kann aber für private Arbeitsverhältnisse nicht völlig außer Kraft gesetzt sein, denn sie zählt zu den elementaren Institutionen einer freiheitlichen und sozialstaatlichen Ordnung." An diesem Ergebnis könne auch schon deshalb kein Zweifel bestehen, weil die kirchlichen Einrichtungen Arbeitsverträge eingehen, "die mit Auftrag und Sendung der Kirche in keinem inneren Zusammenhang stehen, so daß sich der Inhalt dieser Verträge von anderen Dienst- und Arbeitsverhältnissen nicht wesentlich unterscheidet". Man könne zwar erwägen, ob das Tarifvertragsgesetz nicht verfassungswidrig sei, weil es ihm ein Vorbehalt wie in § 118 Abs.2 BetrVG fehle. Denn Gesetze, die den Kern der Glaubensfreiheit einschränkten, seien verfassungswidrig. Die Einschränkung könnte auch darin liegen, daß "in die Organisation der Reli2ionsgemeinschaften ein Interessengegensatz hineingetragen wird, der sich mit ihrer Glaubenslehre nicht vereinbaren läßt". Da das Gesetz jedoch nur die Möglichkeit von Tarifverträgen vorsehe und "die Kirchen nicht gezwungen werden können, eine ihnen wesensfremde Ideologie des Interessengegensatzes zu übernehmen", sei das Tarifvertragsgesetz auch ohne Ausnahmeklausel nicht verfassungswidrig98 • Symptomatisch für das gewerkschaftliche Interesse an der übernahme des Tarifvertragssystems durch die Kirchen ist z. B., daß der Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes in seiner Eigenschaft als Synodaler der EKD bei der V. Synode der EKD im November 1975 in der Fragestunde nach der Haltung des Rats der EKD hinsichtlich des Abschlusses von Tarifverträgen gefragt, hierbei allerdings eine eher abschlägige Antwort erhalten hat99 • Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang schließlich, daß auch in anderen gewerkschaftlichen Äußerungen wiederholt und in zunehmendem Umfang die Forderung nach Abschluß von Tarifverträgen durch die Kirche erhoben wird 10o • Vgl. Wiedemann 1 Stumpf, Rdn. 52 und 53 zu § 1 TVG, S.165. Vgl. die Drucksachen Nr. IV/11 und Nr. IV/12 der 4. Tagung der 5. Synode der Evangelischen Kirche in Deutschland in Freiburg/Breisgau, November 1975. 100 Hierzu sind zahlreiche Presseveröffentlichungen erschienen, die hier nicht im einzelnen zitiert werden können. - Die gewerkschaftliche Position wird im übrigen mit besonderer Deutlichkeit in einer Stellungnahme des ÖTV-Hauptvorstandes, Fachgruppe Kirchliche Mitarbeiter vom 5. September 1977 zum Arbeitsrechtsregelungsgesetz der EKD ausformuliert, die sich "an die Mitarbeiter in der Evangelischen Kirche und in der Diakonie" richtet: ,,1. Mit Amtsblatt 12/15. 12. 1976 der EKD empfiehlt die EKD ihren Gliedkirchen, die Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Dienst auf der Grundlage eines Musterentwurfs, dem sogenannten ArbeitsrechtsRegelungsgesetz (ARRG) neu zu regeln ... 3. Wir gehen davon aus, daß es sich bei den Mitarbeitern in den kirchlichen Werken und Einrichtungen zum größten Teil um lohnabhängige 98
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Hierbei kann von seiten der betreffenden Gewerkschaften darauf hin· gewiesen werden, daß sie satzungsgemäß Mitarbeiter des kirchlichen Dienstes vertreten und daher im Sinne tarifrechtlicher "Zuständigkeit" berechtigt sind, einen Tarifabschluß mit der betreffenden Kirche anzustreben101 • 2. Es fragt sich nach alledem, ob die Kirchen kraft der vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobenen "Intention" der Verfassung, die Ordnung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen den Koalitionen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zu überlassen, zur Gestaltung der Arbeitsbedingungen ihrer im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis stehenden Bediensteten auf den Weg des Tarifvertrags gewiesen sind. Man kann dieser Frage nicht dadurch ausweichen, daß man, wie dies etwa Wiedemann I Stumpf tun 102 , lediglich auf die fehlende strikte Rechtsverpflichtung auch eines weltlichen Arbeitgebers zum Abschluß von Tarifverträgen verweist. Denn auch ein Verstoß wenn nicht gegen Beschäftigte handelt, die durchaus vergleichbar sind mit den abhängig beschäftigten Arbeitnehmern in Industrie und öffentlichen Dienst. In diesen Bereichen werden die Arbeitsverhältnisse durch Tarifverträge mit der jeweils zuständigen Gewerkschaft geregelt. 4. Deswegen müssen Mitarbeiter in unserer Gesellschaft - die Kirche und ihre Einrichtungen sind ein Teilbereich der Gesellschaft - den übrigen Arbeitnehmern in ihren Rechten und Pflichten gleichgestellt werden. Sie müssen ihren christlich legitimierten Auftrag in den Gegensätzen, Auseinandersetzungen, Entwicklungen und Ungerechtigkeiten der Gesellschaft er- und durchleben. Vom Menschenbild der Bibel her gesehen ist auch der kirchliche Bereich der Ort, in dem Mitbestimmung und Selbstverantwortung eingeübt und verwirklicht werden sollten ... 7. Die Regelung der Arbeitsentgelte und Arbeitsbedingungen sind nach verfassungsrechtlicher Kompetenzverteilung den Koalitionen, Arbeitgebern und Gewerkschaften, übertragen. Das ergibt sich nicht nur aus dem Grundgesetz, auch das Gesetz über die Festsetzung von Mindestarbeitsbedingungen vom 11. 1. 1952 geht davon aus, daß die Regelung der Arbeitsbedingungen grundsätzlich in freier Vereinbarung zwischen den Tarifvertragsparteien durch Tarifverträge erfolgt. 8. Das Arbeitsrechts-Regelungsgesetz widerspricht aber dieser Rechtspraxis und kirchlichen Stellungnahmen und Äußerungen früherer Jahre. Abhängig Beschäftigte sind nicht in der Lage, als gleichberechtigte Vertragspartner aufzutreten. Nur eine unabhängige gewerkschaftliche Tarifkommission, die in ihrer Zusammensetzung die Beschäftigungsstruktur der Kirche repräsentiert, kann den Anspruch des Art. 9 Grundgesetz verwirklichen. 9. Das Arbeitsrechts-Regelungsgesetz muß daher abgelehnt werden, da es nicht den Interessen der kirchlichen Mitarbeiter gerecht wird." 101 Nach § 2 der Satzung der ÖTV umfaßt der Organisationsbereich dieser Gewerkschaft den "Öffentlichen Dienst". Der kirchliche Dienst wird also nicht ausdrücklich genannt, aber offenbar ohne weiteres - was im Blick auf die Grundsatzdiskussion, ob der kirchliche Dienst öffentlicher Dienst ist (vgl. J. Frank, Dienst- und Arbeitsrecht, in: HdbStKirchR I, S. 709 ff.), als interessant bezeichnet werden muß - unter den Begriff des öffentlichen Dienstes i. S. der Satzung subsumiert. 102 Vgl. die Nachweise Anm.98, S.75.
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eine Rechtspflicht, so doch gegen eine "Intention" der Verfassung, ein "Unterlaufen" einer verfassungsrechtlich gewollten "Zuständigkeit" müßte das Handeln der Kirche als illegitim erscheinen lassen und sie somit ins Unrecht setzen - ein Vorwurf, der durchaus auch rechtliches Gewicht hätte. Es kommt hinzu, daß nach einer in der Literatur verbreiteten, vom Bundesarbeitsgericht bislang aber abgelehnten Auffassung "jede tariffähige Partei" die Pflicht trifft, "sich mit dem tarifzuständigen sozialen Gegenspieler auf Tarifverhandlungen bona fide einzulassen". Diese Pflicht soll einklagbar und nach § 888 ZPO vollstreckbar sein. Einer der Gründe hierfür wird im "Prinzip der sozialen Selbstverwaltung" gesehen, das den sozialen Gegenspielern eine entsprechende Aufgabe übertrage. "Die Bewältigung öffentlicher Aufgaben kann nicht der Willkür der Aufgabenträger überlassen sein103 ." Auch auf diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der Bindung der Kirche an das Tarifvertragssystem, und zwar mit besonderer praktischer Dringlichkeit. Anlaß, diese Frage aufzuwerfen, besteht in reichlichem Maße, da die katholische Kirche bislang in keinem Falle einen Tarifvertrag abgeschlossen hat und auch die evangelischen Kirchen bislang nur in einem Ausnahmefall von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht haben 104 • Es stellt sich somit die Frage, ob die Abstinenz der Kirche in bezug auf den Abschluß von Tarifverträgen eine im Grunde willkürliche, von bestimmten "Interessen" geleitete Position darstellt oder ob von seiten der Kirche sachliche Gründe für die Wahl eines anderen Weges geltend gemacht werden können, die auch verfassungsrechtliche Relevanz besitzen und vom geltenden Verfassungsrecht geschützt sind. 3. Zur Beantwortung dieser Frage ist eine Besinnung auf die Eigenart des Tarifvertragssystems erforderlich. Seine Charakterisierung bereitet insofern gewisse Schwierigkeiten, weil auch über es betreffende Grundfragen Uneinigkeit besteht. Es zeichnen sich jedoch einige Konturen ab, die für die folgenden überlegungen genügen. Das Instrument des Tarifvertrags ist dadurch charakterisiert, daß es vom Interessengegensatz "sozialer Gegenspieler", der Arbeitgeber 103 Vgl. Wiedemann / Stumpf, Rdn. 80 zu § 1 TVG, vgl. auch Rdn. 81 zum Inhalt der Verhandlungspflicht: "Die Pflicht zu ernsthaften Verhandlungen ... hängt lediglich von der glaubhaft gemachten Tariffähigkeit und Tarifzuständigkeit ab. Die Verhandlungspflicht umfaßt die Bereitschaft, auf alle Fragen einzugehen, die zulässigerweise in einem Tarifvertrag geregelt werden können und dem sozialen Gegenspieler ein Mindestmaß an Informationen zu liefern." Anders BAG AP Nr.5 zu Art. 9 GG. Allgemein zur Verhandlungspflicht ferner M. Coester, Zur Verhandlungspflicht der Tarifvertragsparteien, in: Zeitschrift für Arbeitsrecht 1977, S. 87 -109. 104 Vgl. hierzu J. Frank, Grundsätze, in: Essener Gespräche 10, S.30.
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und der Arbeitnehmer, ausgeht und mit Hilfe von Druck und Gegendruck einen für beide Seiten akzeptablen Komprorniß zwischen den verschiedenartigen Interessen anstrebt, der sich im Tarifabschluß niederschlagen soll. Diese Auseinandersetzung zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern über den Inhalt des Tarifvertrages, die nicht notwendig mit den äußersten Mitteln von Streik und Aussperrung geführt werden muß, sondern auch andere Druckmittel einsetzen kann, ist ein wesentliches Element des Tarifvertragssystems. Ausgehend von der Annahme, daß insbesondere die Arbeitnehmerseite in der Lage sein werde, innerhalb der tariflichen Auseinandersetzung ihre Interessen mit genügendem Nachdruck zu vertreten, wird so eine relative Gewähr für die relative Angemessenheit der ausgehandelten und - oder erzwungenen Bedingungen gefolgertl°5 • In diesem für es charakteristischen Erscheinungsbild ist das Tarifvertragssystem, wie insbesondere von Rupert Scholz herausgearbeitet worden ist, untrennbar mit der Wirtschaftsverfassung des Grundgesetzes verknüpft und auf die Gegenpole Kapital und Arbeit bezogen. Die Wirtschafts- und Arbeitsverfassung des Grundgesetzes stellt ein "offenes Ordnungssystem" dar, innerhalb dessen die Wirtschaftsverfassung auf den Prinzipien der Privatautonomie, Wettbewerb und dezentraler Steuerung aufbaut und die Arbeitsverfassung auf entsprechenden Vorstellungen beruht106 • Auch die Arbeitsverfassung basiert also, wie Scholz ausführt, inhaltlich auf den Ordnungsentscheidungen der Art. 2 Abs, 1, 12 und 14 GG und fordert somit eine freiheitlich-privatautonome sowie dezentral gesteuerte Ordnung. "Im System der grundgesetzlichen Arbeitsverfassung findet sich der Gedanke der dezentralen Ordnung vor allem in der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs. 3 GG mit ihren Garantien von gesellschaftlicher Ordnungsund Sozialautonomie (Tarifautonomie etc.) maßgebend mitkonstituiert107 ." Sinn der Koalitionsfreiheit ist dabei "die Gewährleistung eines (auch) kontradiktorischen Verfahrens zwischen arbeitnehmerischen Grundrechtsträgern einerseits und arbeitgeberischen Grundrechtsträgern andererseits". Die arbeitgeberische Grundposition "bestimmt sich entscheidend aus der kapitaleignerischen Herrschaft über die Produk105
Vgl. zur grundsätzlichen Charakteristik des Tarifvertragssystems Wie-
demann / Stumpf, Einleitung Rdn. 1 ff., S. 47 ff.; A. SöHner, S. 67 f., S.38; W. Zöllner, Arbeitsrecht, München 1977, S.79, S. 221 ff., S. 253 f.; W. Däubler /
H. Hege, Koalitionsfreiheit, Baden-Baden 1976, S. 102 ff. Zur Charakteristik der Gewerkschaften als "Kampfverbände", deren ganzer Arbeit "von Haus aus der Bezug auf den sozialen Gegenspieler eigen" ist, "mit dem sie verhandeln, dem sie fordernd entgegentreten, den sie gelegentlich offen bekämpfen" vgl. BVerfGE Bd.38, S.281 (307). 106 Vgl. R. Scholz, Paritätische Mitbestimmung und Grundgesetz, Berlin 1974, S. 134. 107 Ebd., S. 39.
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tionsmittel", die in der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG konstituiert sei. "Demgemäß erklärt sich das Grundrecht der Koalitionsfreiheit auch wesentlich als "Gegenrecht" der organisierten Arbeitnehmerschaft zum arbeitgeberischen Grundrecht aus Art. 14 GG. Dies ist der historische und zugleich auch heute noch maßgebende Sinn der grundrechtlichen Gewährleistung des Art. 9 Abs. 3 GG108." In dieser Grundrechtsgewährleistung des Art. 9 Abs. 3 GG sei eine speziale Gleichheitsgarantie für das Verhältnis der Sozialpartner, das Verhältnis der Produktionsfaktoren von Kapital und Arbeit mit enthalten. "Diese Gleichheitsgewährleistung funktioniert in Gestalt der Kampfparität oder Waffengleichheit bzw. allgemeinen Gleichgewichtigkeit beider Tarifvertragsparteien und soll über diese den optimalen sozialen Komprorniß im tarifpolitischen Konflikt vermitteln109." Engen Bezug auf diese Verknüpfung des Tarifsystems mit dem Gegensatz von Kapital und Arbeit hat deshalb das das Tarifvertragssystem kennzeichnende Prinzip der "Gegnerfreiheit" der Tarifvertragsparteien, das die Effektivität der "Rolle" sozialer Gegenspielerschaft mit garantiert und so eine maßgebliche Voraussetzung für das Funktionieren des Tarifvertragssystems bildet. Es ist eine Bedingung dafür, daß die jeweilige "Seite" in der Lage ist, ihren Willen unbeeinflußt von der " Gegenseite " zu bilden und zur freien Auseinandersetzung mit dieser zu stellen110. Die rechtlich geschützte Position als "sozialer Gegenspieler" stellt also kein nebensächliches Merkmal des Tarifvertragssystems dar. Die Sicherung dieser "Rolle" bildet vielmehr einen Wesenszug des auf den Prinzipien von Auseinandersetzung und Einigung aufbauenden Gesamtsystems und bildet eine (relative) Garantie für die (relative) Richtigkeit und Angemessenheit der ausgehandelten oder erkämpften Arbeitsbedingungen111 . Diese Grundelemente des Tarifvertragssystems sind vom Bundesarbeitsgericht jüngst in einer Entscheidung zu den Voraussetzungen der Gewerkschaftseigenschaft nachdrücklich bestätigt worden 112 • Diese setzt Tariffähigkeit voraus. Da die Tarifautonomie der Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände der zwischen beiden Seiten bestehenden "Gegengewichtigkeit der Interessen" entspringe, sei die den Tarifverträgen immanente "Richtigkeitsgewähr" durch sinnvolle Ordnung des Arbeits108 10U 110 111 112
Ebd., S.104. Ebd., S. 54. Ebd., S. 103/104. Vgl. hierzu auch A. SöHneT, S.77. BAG, Beschluß vom 15.3.1977, in: JZ 1977, S. 470 - 472 mit Anmerkung
W. GTunsky, S. 473 - 474.
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und Wirtschaftslebens nur gegeben, "wenn die Koalitionen in der Lage sind, auf ihre Gegenseite jeweils einen fühlbaren Druck auszuüben, so daß jedenfalls in der Regel ein Tarifvertrag zustande kommt ... Um Druck und Gegendruck ausüben zu können, muß eine Koalition für die ihr gestellten Aufgaben "tauglich" sein, d. h. sie muß so mächtig und leistungsfähig sein, daß in Auswirkung dessen die Gegenspieler sich veranlaßt sehen, auf Verhandlungen über den Abschluß einer tariflichen Regelung der Arbeitsbedingungen einzugehen und zum Abschluß eines Tarifvertrages zu kommen 113." 4. Auch im kirchlichen Dienst müssen Fragen der Gestaltung der Arbeitsbedingungen gelöst werden, stehen Fragen der Höhe der Vergütung und ihrer Angemessenheit zur Debatte. Und oft genug ergeben sich hierbei Interessengegensätze, auch solche zwischen Dienstgeberund Dienstnehmerseite - es wäre naiv, dies zu leugnen114 • Dennoch verträgt sich ein Denken, das solche Gegensätze, ausgehend insbesondere auch von der Überzeugung, daß auf seiten der Beschäftigten primär die Erwerbsabsicht das Verhältnis zur Arbeit prägt, zum ausschlaggebenden Ausgangspunkt eines Regelungssystems für die Arbeitsbedingungen erhebt, nicht mit den Eigenarten des kirchlichen Dienstes. Sein wesentliches Charakteristikum ist, wie wir ausgeführt haben, die unmittelbare oder mittelbare Hinordnung auf den geistlichen Auftrag der Kirche, seine geistliche Grundlage stellt das in Taufe und Firmung grund gelegte gemeinsame Priestertum aller Gläubigen dar. Diese Hinordnung auf den gemeinsamen geistlichen Dienst in der Kirche gilt für alle im Dienst der Kirche Tätigen - auch und vor allem für diejenigen, die in der Terminologie des Arbeitsrechts Arbeitgeberfunktion ausüben. Diese Funktion obliegt nach der katholischen Kirchenverfassung in besonderem Umfang dem Bischof als dem "Hirten" seiner Diözese, dem alle Mitarbeiter, seien sie Geistliche oder Laien, in ihrer je spezifischen Aufgabe zugeordnet sind. Über die Stellung der Bischöfe sagt das Ir. Vatikanische Konzil: "Bei der Erfüllung ihrer Vater- und Hirtenaufgaben sind die Bischöfe in der Mitte der Ihrigen wie Diener, gute Hirten, die ihre Schafe kennen und deren Schafe auch sie kennen, wahre Väter, die sich durch den Geist der Liebe und der Sorge für alle auszeichnen und deren von Gott verliehener Autorität BAG, JZ 1977, S.472. Insofern teilen die nachfolgenden überlegungen nicht den von W. KaUsch, Grund- und Einzelfragen des kirchlichen Dienstrechts, in: ZevKR Bd. 2 (1952/53), S. 24 ff., S. 57 f. entwickelten Standpunkt, in der Kirche könne es keinen legitimen Gegensatz zwischen der Kirchenleitung und den Dienstnehmern und schon gar nicht einen Machtkampf zwischen beiden geben; vgl. dazu auch R. Richardi, Kirchlicher Dienst, in: ZevKR Bd. 19, S.281. 113 114
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sich alle bereitwillig unterwerfen. Die ganze Familie ihrer Herde sollen sie zusammenführen und heranbilden, daß alle, ihrer Pflichten eingedenk, in der Gemeinschaft der Liebe leben und handeln115 ." Diese Gemeinschaft der Liebe ist in Christus begründet, der das Haupt des Volkes Gottes, der Kirche, ist: "Sein Gesetz ist das neue Gebot zu lieben, wie Christus uns geliebt hat116 ." Diese Grundaussagen über die Kirche und die in ihr ausgeübten Dienste, auch die Leitungsdienste, sind nicht "nur" theologische Grundsätze. Es handelt sich vielmehr um Wesensaussagen über die Kirche, die maßgebliche Weisungen und Grundlinien auch für das Recht der Kirche, daher ebenfalls für das kirchliche Dienstrecht, darstellen. Aus ihnen folgt, daß das rechtliche Verhältnis derer, die innerkirchlich in der Beziehung von Dienstgeber und Dienstnehmer, von Weisungsberechtigten und Weisungsunterworfenen, stehen, mit davon bestimmt sein muß, daß beide je in ihrer Aufgabe Diener des einen Herrn der Kirche sind. Es kann somit nicht angehen, daß Glieder der kirchlichen Dienstgemeinschaft diese grundsätzliche Gemeinsamkeit in bezug auf bestimmte Aspekte des kirchlichen Dienstverhältnisses hintanstellen und zur Austragung vorhandener Konflikte in Rollen sozialer Gegenspielerschaft schlüpfen, nur um ein Ordnungssyst€m für die Kirche übernehmen zu können, das in ganz anderen Zusammenhängen gewachsen ist. Alle kirchlichen Dienste sind vielmehr Formen des Lebensvollzugs der Kirche. Kirchliches Dienstrecht und die für das Verhältnis der an ihm Beteiligten geltenden rechtlichen Formen sind daher nur dort innerkirchlich legitimiert, wo sie wesentlichen Grundsätzen kirchlichen Lebens nicht widersprechen. Auch für die Austragung innerkirchlicher Konflikte muß die Kirche Formen entwickeln, die ihren eigenen Handlungsmaximen entsprechen117 • Die Kirche hat daher rechtstheologische Gründe, wenn sie auf das geistliche Selbstverständnis ihres Dienstes verweist und folglich grundsätzlich nicht den Weg tariflicher Gestaltung der Arbeitsverhältnisse ihrer Bediensteten wählt. Die Kirche muß vielmehr als verfassungsrechtlich berechtigt betrachtet werden, nach anderen, ihrem kirchenverfassungsrechtlichen Selbstverständnis gemäßen Formen der Ordnung ihrer Arbeitsverhältnisse zu suchen. Der kollektivrechtliche Gehalt von Art. 9 Abs. 3 . GG findet insoweit also Grenzen im kirchlichen Selbstbestimmungsrecht des Art. 137 Abs.3 WRV. Die Kirche 115 Dekret "Christus Dominus" vom 28. Oktober 1965, Acta Apostolicae Sedis 58 (1966), S. 673 - 696, Nr. 16. 116 Dogmatische Konstitution "Lumen Gentium", AAS 57 (1965), Nr.9. 117 Vgl. auch J. Hermann, Konflikte in der Kirche und Probleme ihrer Lösung, in: Macht, Dienst, Herrschaft in Kirche und Gesellschaft, hrsg. von Wilhelm Weber, Freiburg-Basel-Wien 1974, S.174 -192.
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handelt daher auch verfassungsrechtlich nicht illegitim, wenn sie von der in abstracto auch ihr zur Verfügung stehenden Möglichkeit des Abschlusses von Tarifverträgen im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen und politischen Kontext dieses Rechtsinstituts, der zur Eigenart des kirchlichen Dienstes nicht paßt, gegenwärtig keinen Gebrauch macht. Man sollte einer solchen Feststellung nicht, wie Wiedemann / Stumpf es tun, durch Hinweis auf die Nichterzwingbarkeit des Tarifabschlusses ausweichen, wenn man andererseits anerkennt, daß die Kirchen nicht gezwungen werden können, "eine ihnen wesensfremde Ideologie des Interessengegensatzes zu übernehmen". Wenn dies zutrifft, kann nicht gleichzeitig postuliert werden, das Tarifvertragssystem könne "für private Arbeitsverhältnisse (sc. der Kirche) nicht völlig außer Kraft gesetzt sein"118. Das Ergebnis, daß die Kirche dem Postulat der Verfassung, Arbeitsverhältnisse durch Tarifvertrag zu regeln, ihr kirchenverfassungsrechtlich begründetes Selbstverständnis entgegenhalten darf, widerspricht nicht der Einordnung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse ins Arbeitsrecht. Hierbei handelt es sich zunächst um eine rechtssystematische Entscheidung, die nicht zur Folge hat, daß die Kirche dem staatlichen Arbeitsrecht in allen seinen Punkten "ausgeliefert" ist. Es entsteht zwar eine grundsätzliche Bindung an das allgemeine Arbeitsrecht. Die Kirche bleibt aber berechtigt, im Einzelfall zu prüfen, ob ein bestimmtes H.echtsinstitut des Arbeitsrechts ihren kirchenverfassungsrechtlichen Grundlagen entspricht. Stellt sie hierbei eine Nichtübereinstimmung mit ihren rechtlichen Maximen fest, ist sie kraft des durch die staatliche Verfassung garantierten Selbstbestimmungsrechts berechtigt, an Stelle der staatlichen Regelungen eigene, ihrem Selbstverständnis gemäße Rechtsregeln zu setzen. Das gilt insbesondere dann, wenn Regeln des staatlichen Verfassungsrechts und Maximen des Kirchenverfassungsrechts einander gegenüberstehen. Dies ist aber bei unserer Fragestellung der Fall. Der Tarifvertrag wird als Teil der "Arbeitsverfassung" des Grundgesetzes verstanden. Ihm muß die Kirche die für sie geltenden Maximen zur Lösung rechtlicher Konflikte entgegensetzen, in deren Verwirklichung sie durch das Selbstbestimmungsrecht geschützt ist. Kraft der verfassungsrechtlichen Garantie des Selbstbestimmungrechts durch Art. 137 Abs.3 WRV ist die Kirche also nicht der "Intention" der Verfassung unterworfen, das Dienstrecht privatrechtlicher Bediensteter durch Tarifvertrag zu ordnen, sondern sie ist auch 118
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verfassungsrechtlich legitimiert, andere Wege zu beschreiten119 • Sie darf Regelungsverfahren entwickeln, die als Teil des Kirchenverfassungsrechts kirchenverfassungsrechtlichen Grundsätzen entsprechen. Ein sonst etwa gegebener tarifrechtlicher Verhandlungsanspruch könnte der Kirche gegenüber also nicht erhoben werden. Auf einen weiteren Gesichtspunkt ist hinzuweisen: Art. 137 Abs.3 WRV gewährleistet der Kirche in ihrem Eigenbereich Selbstbestimmung, die Freiheit also, die eigenen Angelegenheiten, zu denen der kirchliche Dienst gehört, unbeeinfiußt von Außenstehenden, nach kirchlichen Maßstäben ordnen zu können. Es würde einen empfindlichen Einbruch in diese Unabhängigkeit bedeuten, müßte die Kirche zur Gestaltung ihres Dienstrechts einen Partner akzeptieren, der wie die Gewerkschaften betont Unabhängigkeit von anderen Institutionen, auch von den Kirchen, in Anspruch nimmt und nehmen muß120. Sie wäre dann gezwungen, an der Gestaltung eines für die kirchliche Tätigkeit außerordentlich wesentlichen Bereichs eine Institution zu beteiligen, die gerade ihre Neutralität gegenüber der Kirche, ihre Absicht, nicht in kirchlichen Kategorien zu denken, betont. Das kann aber für die Gestaltung des kirchlichen Dienstrechts nicht angehen. Als "eigene" Angelegenheit i. S. des Art.137 Abs.3 WRV muß dieses vielmehr Gegenstand innerkirchlicher Entscheidung bleiben. Es spricht noch eine weitere überlegung gegen die Ordnung kirchlicher Arbeitsverhältnisse durch mit Gewerkschaften geschlossene Tarifverträge. Nach übereinstimmender Auffassung der arbeitsrechtlichen Literatur gehört zum System des Aushandelns der Arbeitsbedingungen durch die sozialen Gegenspieler, d. h. zum Tarifvertragssystem, die Möglichkeit des Arbeitskampfes als Druckmittel zur Durchsetzung der erhobenen Forderungen. Deshalb wird aus dem verfassungsrechtlichen Schutz des Kernbereichs der Tarifautonomie durch Art. 9 Abs. 3 GG eine in derselben Vorschrift rechtlich angesiedelte und zusätzlich durch das Sozialstaatsprinzip abgesicherte Arbeitskampfgarantie gefolgert, weil nur dadurch, daß die Rechtsordnung den Arbeitskampf zulasse, die Parteien des Arbeitslebens unter ausreichenden Einigungszwang gestellt würden. "Die Möglichkeit des Arbeitskampfes ist daher eine notwendige und sinnvolle Ergänzung der Tarifautonomie 121 ." Für die Zulässigkeit einer anderen "Regelungstechnik" auch Th. MayerZu den Argumenten gegen die übernahme des Tarifvertragssystems durch die katholische Kirche vgl. auch B.-O. Kuper, Überbetriebliche Mitwirkung im kirchlichen-caritativen Dienst, in: CARITAS '78, Jahrbuch des Deutschen Caritasverbandes, hrsg. vom Deutschen Caritasverband Freiburg, S. 70 - 76. 120 Vgl. § 3 Abs.2 der ÖTV-Satzung. 121 W. Zöllner, S.262, 272; A. Söllner, S.77; W. Däubler / H. Hege, S. 110 f. 119
Maly, Tragweite, S.9. -
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Das Hauptkampfmittel der Arbeitnehmerseite ist der Streik, dem auf seiten der Arbeitgeber die Aussperrung jedenfalls in Form der Abwehraussperrung gegenüberstehtl22. Beide Kampfmittel, sowohl der Streik wie die Aussperrung, sind mit den Grundmaximen des kirchlichen Dienstes nicht vereinbar. Kirchliche Dienstnehmer wie kirchliche Dienstgeber stehen, wie bereits ausgeführt wurde, unter der Verpflichtung, gemäß der für die Kirche verbindlichen Weisung ihres Herrn Konflikte nicht im Wege der kämpferischen Auseinandersetzung, sondern durch beharrlichen, auf Versöhnung gerichteten Einigungsversuch zu lösen. Nur dies entspricht dem "Grundgesetz" kirchlichen Handeins: dem Gebot "zu lieben, wie Christus uns geliebt hat"l2:t. Deshalb wird zu Recht angenommen, daß ein Streikrecht im kirchlichen Dienst nicht gegeben sein kann, Art. 9 Abs. 3 GG insoweit also weiteren, aus der Garantie der kirchlichen Selbstbestimmung folgenden verfassungsrechtlichen Grenzen unterliegt1 24 • Ebenso ist aus denselben Gründen von der Unanwendbarkeit der Aussperrung auszugehen. Wenn aber aus von der Verfassung anerkannten Gründen Rechtsinstitute, die das Tarifvertragssystem erst funktionsfähig machen, im kirchlichen Dienst nicht in Betracht kommen, ist nicht ersichtlich, wie das Tarifvertragssystem auf das kirchliche Dienstrecht sinnvoll sollte angewandt werden können. Es würde zur reinen Formalie, ohne eines der es kennzeichnenden Merkmale behalten zu können. Diesem Ergebnis kann nicht der Hinweis entgegengehalten werden, daß nach jedenfalls maßgeblicher Meinung die Arbeitskampfbereitschaft einer Arbeitnehmerkoalition nicht Voraussetzung ihrer Tariffähigkeit ist125 • Es darf nämlich nicht übersehen werden, daß einer Koalition, die kraft ihrer Satzung auf das Streikrecht verzichtet, dieses Recht damit nicht grundsätzlich verloren geht, da es als unverzichtbar betrachtet wird. Eine den Streik ausschließende Satzungsbestimmung stellt vielmehr nur eine verbandsinterne Schranke dar, die von der Koalition jederzeit wieder aufgehoben werden kann 121l • Tarifliche Verhandlungen mit Verbänden, die kein Streikrecht in Anspruch nehmen, stehen also unter dem Vorbehalt des jederzeit gegebenen Rechts, daß der Verband sich entgegen der ursprünglich eingenommenen Haltung doch zum Streik entschließen kann. "Soziale Kriegsdienstverweigerer" brechen also aus dem Grundsystem des Tarif122 123 124 125 126
Statt aller W. ZöHner, S. 262 ff. V gl. oben S. 8I. Vgl. Th. Mayer-Maly, Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S.140. BVerfGE Bd. 18, S. 25 ff. Wiedemann I Stumpf, Rdn. 190, 191 zu § 2 TVG.
4. Abschn.: Privatrechtliche Dienstverhältnisse
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vertragswesens, das den Streik einschließt, nicht aus; sie verzichten lediglich temporär auf diese Kampfmaßnahme l21 . Anders ist es, um es zu wiederholen, im kirchlichen Dienst. Hier wäre es mit einem satzungsmäßigen oder im Tarifvertrag enthaltenen Verzicht auf das Streikrecht nicht getan. Die Kirchen müssen vielmehr aus kirchenverfassungsrechtlichen Gründen auf einem totalen Ausschluß des Streikrechts bestehen. Damit bestätigt sich die Ansicht, daß das sachlich jedenfalls mit der Möglichkeit des Streiks gekoppelte Tarifvertragssystem im kirchlichen Dienst keinen sinnvollen Platz haben kann. Schließlich steht auch die Tatsache, daß der Tarifvertrag im staatlichen öffentlichen Dienst Anwendung findet, dem hier vertretenen Ergebnis nicht entgegen. Sicher fehlt es im öffentlichen Dienst an dem Gegensatz zwischen Kapital und Arbeit, der eine maßgebliche Grundlage des Tarifvertragssystems bildet. Dies ändert jedoch nichts daran, daß auch innerhalb der Tarifverhandlungen und -auseinandersetzungen des öffentlichen Dienstes sich "soziale Gegenspieler" gegenüberstehen, von denen der eine auch das Streikrecht - ausgenommen für Feuerwehrbedienstete, die Polizei sowie die Arbeiter und Angestellten der Bundeswehr l28 - in Anspruch nimmt und praktiziert. Die Grundmaxime tariflicher Gestaltungsformen - durch genügenden Druck auf den sozialen Gegenspieler die eigenen Interessen durchzusetzen bleibt also im öffentlichen Dienst erhalten. Das Tarifvertragssystem behält damit auch innerhalb des öffentlichen Dienstes die wesentlichen es kennzeichnenden Merkmale, die seiner Erstreckung auf die Kirchen gerade entgegenstehen. 5. Die Ansicht, daß die Kirche sich berechtigterweise gegen die Übernahme des Tarifvertragssystems wendet, bedeutet allerdings nicht, daß hiermit auch die Frage nach der Beteiligung der Dienstnehmer bei der Gestaltung der Arbeitsverhältnisse für die Kirche insgesamt abschließend beantwortet wäre. Gemäß unseren Ausführungen verbleibt bei grundsätzlichem Zurücktreten des Tarifvertrags zunächst nur die Gestaltung der Arbeitsverhältnisse durch den Einzelarbeitsvertrag bzw. die Arbeitsvertragsordnung - beides Regelungsinstrumente, die den Dienstnehmer jedenfalls formal in die schwächere Position setzen. Nicht zu Unrecht wird dagegen das Tarifvertragssystem auch als Ausprägung des allgemeinen Mitbestimmungsgedankens verstanden. Angesichts dessen verfassungsrechtlicher Legitimation, wenn nicht Herleitung, wird sich daher auch die Kirche fragen lassen müssen, auf welchem Wege sie diesen Grund121 128
Ebd., Rdn. 191 zu § 2 TVG. Vgl. § 19 Abs.3 der ÖTV-Satzung.
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4. Kap.: Ordnung der kirchlichen Dienste
gedanken der Beteiligung der Dienstnehmer an der Gestaltung der Arbeitsbedingungen Rechnung tragen will. So zu fragen hat die Kirche aber auch vor allem von ihrem eigenen Selbstverständnis her allen Anlaß. Wir haben oben die gemeinsame geistliche Grundlage aller kirchlichen Dienste, ihre Verbundenheit durch das Haupt der ganzen Kirche und ihre gemeinsame Bindung an das Gesetz der Kirche - "das neue Gebot zu lieben, wie Christus uns geliebt hat" - unterstrichen. Mit diesen auch rechtstheologischen Grundsätzen wäre es unvereinbar, jene, die im Dienst der Kirche stehen und an ihrem Auftrag mitwirken, zum bloßen Objekt kirchlichen Dienstrechts zu machen. Gerade um ihres Selbstverständnisses willen, das sie gegenüber inadäquaten Einflüssen von außen verteidigen muß, ist die Kirche von ihren eigenen rechtstheologischen Grundsätzen her gehalten, selbst Formen zu entwickeln, die die Eigenarten der einen kirchlichen Dienstgemeinschaft auch bei den Verfahrensweisen zur Gestaltung des Dienstrechts zu Tage treten zu lassen. Das Bewußtsein hierfür tritt auch in kirchenamtlichen Dokumenten hervor. So betont der Synodenbeschluß "Kirche und Arbeiterschaft": "Christliche Arbeitgeber, erst recht Dienstgeber im kirchlichen und caritativen Bereich sollen sich bewußt sein, daß sie immer praktisches Zeugnis für den Glauben geben in der Art, wie sie sich zu den Beschäftigten als ihren Mitarbeitern verhalten, wie sie die verschiedenen Bestimmungen zum Schutz und zur Mitverantwortung der Arbeitnehmer handhaben, wie sie zu ihrem Teil das Zusammenwirken aller gestal ten 129." Und in ihrem Beschluß "Die pastoralen Dienste in der Gemeinde" bittet die Synode die Deutsche Bischofskonferenz, "in Zusammenarbeit mit Vertretern der Kirchenangestellten eine einheitliche Ausund Fortbildung sowie eine einheitliche Ordnung der Besoldung und Versorgung für die Kirchenangestellten in allen Diözesen anzustreben"130. 6. Im Recht der katholischen Kirche finden sich mittlerweile auch Regelungen, die die genannten Grundgedanken in praktische Wege einer Mitwirkung der Bediensteten an der weiteren Entwicklung des kirchlichen Dienstrechts umsetzen. Erwähnung verdient hier zunächst die Errichtung einer arbeitsrechtlichen Kommission des Deutschen Caritasverbandes 131 , die für die Ord129 Beschluß "Kirche und Arbeiterschaft", in: Gemeinsame Synode der Bistümer in der Bundesrepublik Deutschland. Offizielle Gesamtausgabe I, Freiburg-Basel-Wien 1976, S. 321 - 364, Nr.2.3.5, S.348. 130 Beschluß "Die pastoralen Dienste in der Gemeinde" (s. Anm. 23, S. 39), Nr. 7.3.2 c, S.636. 131 Vgl. J. Jurina, Dienst- und Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S.92 und Anm. 154.
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nung der Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter im Bereich des Deutschen Caritasverbandes zuständig ist. Die Kommission ist paritätisch aus Vertretern der Dienstgeber und der Dienstnehmer zusammengesetzt. Sie entscheidet mit Drei-Viertel-Mehrheit. Erst an ihrem Anfang steht die Einrichtung eines Mitwirkungsverfahrens für den Bereich der Bistümer l32 • Hierbei ergeben sich gewisse rechtliche Schwierigkeiten daraus, daß die Mitwirkung der kirchlichen Bediensteten zur kirchenrechtlichen Kompetenz des Bischofs in eine richtige Beziehung gesetzt werden muß. Lösungen dieser Problematik scheinen aber um so eher möglich, je konsequenter man sich auf die aus den geistlichen Grundlagen des kirchlichen Dienstes folgenden Prinzipien kirchlicher Rechtsgestaltung besinnt. Es besteht dann keine Veranlassung, hinsichtlich der Gewährung von Mitwirkungsformen ängstlich zu sein. Im Gegenteil, es lassen sich Formen der Mitwirkung denken, die im weltlichen Bereich etwa um der Wahrung der "Kampfparität" willen nicht in Betracht kommen. Eine Grundsatzentscheidung zugunsten eines Systems der Mitwirkung der kirchlichen Bediensteten bei der Regelung des kirchlichen Arbeitsrechts ist mittlerweile vom Verband der Diözesen Deutschlands getroffen worden. Dieser hat durch seine Vollversammlung, in der die Diözesen durch ihre Bischöfe vertreten werden, im Dezember 1977 eine Musterordnung für die Schaffung von arbeitsrechtlichen Kommissionen beschlossen, die der Inkraftsetzung in den einzelnen Bistümern bedarf. Ferner wurde eine Ordnung zur Mitwirkung bei der Gestaltung des Arbeitsvertragsrechts im überdiözesanen Bereich verabschiedet, die der Vereinheitlichung des Arbeitsrechts im gesamten kirchlichen Dienst einschließlich des caritativen Bereichs dienen soll. Die Ordnung für den diözesanen Bereich sieht für jedes Bistum die Bildung einer "Kommission zur Ordnung des diözesanen Arbeitsvertragsrechtes" vor. Dabei ist auch ein Zusammenschluß mehrerer Bistümer möglich. Die Aufgabe der Kommission ist die ständige Mitwirkung "bei der Aufstellung von Normen, welche Inhalt, Abschluß und 132 Hierbei spielt es auch eine große Rolle, daß die Evangelischen Kirchen den sog. "Dritten Weg", d. h. die Beteiligung der kirchlichen Dienstnehmer über Arbeitsrechtliche Kommissionen, grundsätzlich eingeführt haben, vgl. die Richtlinie für ein Kirchengesetz über das Verfahren zur Regelung der Arbeitsverhältnisse der Mitarbeiter im kirchlichen Bereich (ArbeitsrechtsRegelungsgesetz-ARRG) vom 8. Okt. 1976, Amtsblatt der Evangelischen Kirche in Deutschland 1976, S. 398. - Zur Frage des Abschlusses von Tarifverträgen in den Evangelischen Kirchen vgl. auch J. Frank, Grundsätze, in: Essener Gespräche 10, S.29. - Kommissionen mit einem Vorschlagsrecht, das mit einem Bestätigungsrecht des Ortsbischofs verknüpft ist, hält auch Th. Mayer-Maly, Tragweite, S.4 für der inneren Struktur des Katholischen Kirchenrechts am besten entsprechend.
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4. Kap.: Ordnung der kirchlichen Dienste
Beendigung von Arbeitsverhältnissen" in den Diözesen regeln. Die Kommission besteht aus Vertretern der kirchlichen Dienstgeber und der Mitarbeiter in derselben Anzahl. Die Vertreter der Dienstgeber werden von diesen berufen, die der Mitarbeiter aus deren Reihen gewählt. Beschlüsse bedürfen einer 3/4 -Mehrheit und werden für den Erlaß der arbeitsvertragsrechtlichen Regelung dem Bischof zugeleitet. Das Gesetzgebungsrecht bleibt in der Hand des Bischofs, der über die Inkraftsetzung des von der Kommission gefaßten Beschlusses entscheidet. Ziel des Verfahrens ist aber die Herstellung des Einvernehmens zwischen Bischof und Kommission. Die Erzielung des Einvernehmens liegt nahe, weil die Kommission wegen der erforderlichen Mehrheit kaum jemals Beschlüsse fassen wird, die der Auffassung des Bischofs grundsätzlich widersprechen. Kommt es nicht zu einer Einigung, so können die Parteien einen Vermittlungsausschuß anrufen, der ebenso für jedes Bistum besteht. Er ist ebenfalls paritätisch besetzt und hat einen neutralen, nicht im kirchlichen Dienst stehenden Vorsitzenden, der die Befähigung zum Richteramt haben muß. Nach Abschluß des Vermittlungsverfahrens wird das Ergebnis wiederum dem Bischof zur Inkraftsetzung zugeleitet. Führt das Vermittlungsverfahren ausnahmsweise nicht zu einer Einigung, so bleibt es bei der bisherigen Regelung. Stellt der Bischof jedoch in einem Ausnahmefall ein unabweisbares Regelungsbedürfnis fest, so liegt die letzte Verantwortung bei ihm, der kraft seines Hirtenamtes die Interessen beider Seiten zu wahren hat. Er kann dann - aber erst nach Abschluß des Vermittlungsverfahrens - die unbedingt notwendigen Maßnahmen treffen. Die Inkraftsetzung dieses Mitwirkungsverfahrens wird also für den Regelfall die einseitige Regelung der Arbeitsbedingungen im kirchlichen Dienst unmöglich machen. Zwar kann die Kommission keine von ihr gewollte Regelung gegen den Willen des Bischofs durchsetzen. Aber der Bischof kann grundsätzlich nur dann rechtsetzend tätig werden, wenn ein Einvernehmen mit der Kommission, in der die Dienstnehmervertreter nicht überstimmt werden können, hergestellt ist. Die im überdiözesanen Bereich vorgesehene Kommission hat zwei Abteilungen, eine Abteilung A für den Bereich der "verfaßten " Kirche und ihre Einrichtungen, und eine Abteilung B für den Anwendungsbereich der Arbeitsvertragsrichtlinien des Deutschen Caritasverbandes. Diese Kommission hat in der Abteilung A die Aufgabe, langfristig hinzuwirken auf eine Vereinheitlichung des Arbeitsvertragsrechts im Bereich der "verfaßten" Kirche. Als Abteilung B wird die oben erwähnte Arbeitsrechtliche Kommission des Deutschen Caritasverbandes in die neu errichtete überregionale Kommission integriert.
5. Abschn.: Dienste mit missio canonica
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Fernziel der neuen Ordnung ist es, für den gesamten Bereich des kirchlichen und caritativen Dienstes unter Beteiligung der Mitarbeiter zu einem geschlossenen und überall geltenden Arbeitsvertragsrecht zu kommen.
5. Abschnitt: Dienstverhältnisse mit besonderer kirchlicher Bevollmächtigung (missio canonica) Einiger gesonderter Bemerkungen bedarf es hinsichtlich der Dienste der Laien, deren Ausübung eine besondere kirchliche Bevollmächtigung (missio canonica) voraussetzt. Diese kanonische Sendung muß nach kirchlichem Recht für eine Tätigkeit im Bereich der Verkündigung und des Religionsunterrichts sowie zur Ausübung bestimmter pastoraler Dienste 13:! gegeben sein. Die kanonische Sendung stellt keine Weihe dar, hat also keinen sakramentalen Charakter. Sie ist vielmehr Delegation einer bestimmten kirchlichen Befugnis 134 • Sie enthält einen Auftrag zur Ausübung dieser Befugnis, z. B. zur Erteilung des Religionsunterrichts oder zur Predigt. Die Notwendigkeit der kanonischen Sendung ist etwa für den Religionsunterricht auch durch das staatliche Recht dadurch anerkannt worden, daß zu diesem Unterricht in den staatlichen Schulen nur solche Lehrkräfte zugelassen werden, die die kanonische Sendung besitzen135 • Die Festlegung der Berufe, für deren Ausübung die kanonische Sendung erforderlich ist, sowie die Umschreibung der sachlichen und persönlichen Kriterien, die die Voraussetzung für die Erteilung der kanonischen Sendung darstellen, richten sich allein nach innerkirchlichen Maßstäben: nach dem pastoralen Bedürfnis, nach dem Urteil 133 Die grundsätzliche Regelung, daß das "ministerium praedicationis" nur mit "missio" der zuständigen Oberen zulässig ist, findet sich in c. 1328 eIe. über den Entzug der Lehrberechtigung vgl. c. 1381 § 3 eIe. Die missio canonica - und parallel im Recht der evangelischen Kirchen die vocatio spielt vor allem für den Religionsunterricht eine Rolle, vgl. hierzu unten Anm. 135. Zur bischöflichen Sendung für einen pastoralen Beruf vgl. z. B. das Statut für Pastoral assistenten/Pastoral referenten in der Erzdiözese Freiburg (s. Anm. 11, S. 33), Präambel. Die missio canonica ist nicht nur bei Dienstverhältnissen mit einem außerkirchlichen Rechtsträger (Beispiel: Religionslehrer im Staatsdienst) von Bedeutung. Ihrer bedarf es vielmehr auch bei Dienstverhältnissen mit der Kirche, wenn zu dessen Inhalt z. B. eine Lehr- oder Verkündigungsaufgabe gehört (Beispiel: Religionslehrer im kirchlichen Dienst). Auch bei diesen kirchlichen Bediensteten ist also zwischen der durch missio canonica erteilten Ermächtigung zu einer bestimmten Aufgabe und dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis, in dem sie ausgeübt wird, rechtlich zu unterscheiden. 134 Vgl. U. Mosiek, S. 213 f., 220 ff. 135 Vgl. die Nachweise bei eh. Link, Religionsunterricht, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. II, Berlin 1975, S. 503 - 546, S. 537.
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4. Kap.: Ordnung der kirchlichen Dienste
über die kirchliche Eignung des durch missio canonica Beauftragten. Grund der Erteilung der Missio canonica ist die Entscheidung des Bischofs, daß für eine bestimmte Aufgabe, für die die Weihe nicht Voraussetzung ist, Mitarbeiter bestellt werden sollen, die im unmittelbaren Auftrag des Bischofs tätig sind. Durch die missio canonica wird also eine unmittelbar auf die religiöse Sendung der Kirche bezogene besondere kirchliche Vollmacht erteilt. Hieraus muß gefolgert werden, daß die rechtlichen Regelungen dieser Vollmacht Teil des eigenständigen Rechts der Kirche sind, da sich staatliches oder von staatlicher Rechtssetzungsgewalt abgeleitetes Recht gemäß dem Grundsatz der weltanschaulich-religiösen Neutralität des Staates nicht mit Fragen des geistlichen Auftrags der Kirche befassen kann. Deshalb ist auch das durch Erteilung der missio canonica begründete Rechtsverhältnis des kanonisch gesendeten Mitarbeiters ein Rechtsverhältnis des eigenständig-kirchlichen, nicht des staatlichen Rechts 136 • über die Erteilung der missio canonica befindet daher allein die Kirche nach den von ihr gesetzten Maßstäben. Dasselbe gilt für den Entzug der kanonischen Sendung. Staatliche Gerichte haben es daher auch abgelehnt, in diesen Fragen Recht zu sprechen137• Das auf die Innehabung der missio canonica bezügliche Rechtsvel-hältnis steht in enger Verbindung zu dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis, innerhalb dessen die erteilte kirchliche Vollmacht ausgeübt wird. Dennoch muß es von dem Dienst- oder Arbeitsverhältnis rechtlich unterschieden werden. Dies wird besonders deutlich in den Fällen, in denen ein mit der missio canonica ausgestatteter Bediensteter im Dienst nicht der Kirche, sondern eines anderen Dienstherrn, etwa des Staates, steht. Dies ist z. B. bei der Mehrzahl der Religionslehrer oder den Universitätsprofessoren der Theologie der Fall. Im Falle des Entzugs der missio canonica, die sich, wie gesagt, allein nach kirchlichem Recht richtet, ergeben sich bei diesen "konfessionellen Staatsämtern" schwierige Rechtsfragen, die eben wegen der zu Tage tretenden Probleme häufig in vertraglichen Absprachen zwischen Staat und Kirche geregelt sind 13s• Dies trifft insbesondere für die theologischen Lehrstühle an Universitäten ZU 13t• Ebd., S.537, Anm.179. VG Aachen, Urteil vom 27.6.1972, in: DVBl. 1974, S.57 mit Anm. Listl. 138 Vgl. hierzu W. Weber, Theologische Fakultäten, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Bd. II, Berlin 1975, S. 569 - 596, S. 575 ff., 582 ff. - Zur Rechtslage beim Religionsunterricht vgl. eh. Link, Religionsunterricht, in: HdbStKirchR II, S. 537; W. Rüfner, Grundrechte, in: Essener Gespräche 7, S.14. 139 Vgl. oben S.14 und Anm.12, S.14 sowie D. Lorenz, Wissenschaftsfreiheit zwischen Kirche und Staat, Konstanz 1976. 136
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Fünftes Kapitel
Die Grenzen selbständiger Gestaltung des kirchlichen Dienstrechts Die bisherigen überlegungen haben gezeigt, daß das in Art. 137 Abs. 3 WRV garantierte Selbstbestimmungsrecht die Grundlage eines nach eigenen kirchlichen Maßstäben geformten Dienstrechts der Kirche bildet. Es ist Sache der kirchlichen, nicht der staatlichen Rechtsordnung, dieses Dienstrecht zu gestalten. Maßstab seiner inhaltlichen Richtigkeit sind nicht staatliche Rechtsgrundsätze, sondern das kirchliche Selbstverständnis. Die für das Dienstrecht verbürgten kirchlichen Befugnisse können jedoch nicht nur unter dem Blickpunkt des verfassungsrechtlich gewährleisteten Freiheitsraumes der Kirche betrachtet werden. Diese Befugnisse lassen sich vielmehr nur dann in vollem Umfang beschreiben, wenn zugleich mit der Garantie kirchlicher Freiheit die aus dem staatlichen Recht fließenden Schranken dieser Freiheit in Rechnung gestellt werden. 1. Abschnitt: Die Arten der Schranken kirchlicher Selbstbestimmung
Solche Schranken kirchlicher Freiheit sind zunächst in Art. 137 Abs. 3 WRV selbst in Gestalt der "Schranken des für alle geltenden Gesetzes" ausdrücklich genannt. Neben dieser Geltung der allgemeinen staatlichen Gesetze auch für die Kirche müssen aber noch die aus der Verfassung folgenden Beschränkungen kirchlicher Selbstbestimmung beachtet werden. Hesse hat zu Recht hervorgehoben, daß diese im Verfassungsrecht selbst enthaltenen Grenzen der kirchlichen Betätigungsfreiheit nicht mit den Schranken des allgemeinen Gesetzes in eins gesetzt werden dürfen1 • I. über die Interpretation der lange besonders umstritten gewesenen Schrankenformel des Art. 137 Abs. 3 WRV besteht heute - trotz vieler ungelöster Probleme im einzelnen - in wesentlichen Punkten Einigkeit 2 : Vgl. K. Hesse, Selbstbestimmungsrecht, in: HdbStKirchR I, S.441. Vgl. statt aller K. Hesse, Selbstbestimmungsrecht, in: HdbStKirchR I, S. 430 ff., bes. S. 434 ff. mit zahlreichen weiteren Nachweisen. 1
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5. Kap.: Grenzen selbständiger Gestaltung
Es ist anerkannt, daß im geistlichen Internbereich der Kirchen der Vorbehalt des für alle geltenden Gesetzes nicht gilt, weil er die Garantie kirchlicher Selbstbestimmung sogleich wieder aufheben würde. Es hat sich die Meinung durchgesetzt, daß bei der Prüfung der Frage, wo im Einzelfall die Schranke des für alle geltenden Gesetzes verläuft, nicht nur das die Freiheit der Kirche beschränkende Gesetz in Betracht gezogen, sondern dieses wiederum im Licht der grundsätzlichen Garantie kirchlicher Freiheit gesehen, also in vielen Fällen zugunsten dieser Freiheit einschränkend interpretiert werden muß. Einen wichtigen weiteren Interpretationsgesichtspunkt hat schließlich jüngst das Bundesverfassungsgericht hervorgehoben: Zu den für alle geltenden Gesetzen können nur diejenigen Gesetze gezählt werden, "die für die Kirche dieselbe Bedeutung haben wie für den Jedermann. Trifft das Gesetz die Kirche nicht wie den Jedermann, sondern in ihrer Besonderheit als Kirche härter, ihr Selbstverständnis, insbesondere ihren geistig-religiösen Auftrag beschränkend, also anders als den normalen Adressaten, dann bildet es insoweit keine Schrankelt." Und ferner: "Eine Regelung, die keine unmittelbaren Rechtswirkungen in den staatlichen Zuständigkeitsbereich hat, bleibt eine ,innere kirchliche Angelegenheit' auch dann, wenn sie dorthin mittelbare Auswirkungen hat4 ." Im Ergebnis bedeutet dies, daß selbst zwingende staatliche Regelungen, die "für alle", allgemein gelten, nicht schon allein deshalb auch für die Kirchen Anwendung finden müssen. Die Anwendung eines solchen allgemeinen Gesetzes entfällt vielmehr dort oder insoweit, wo oder als dieses Gesetz dem verfassungsrechtlich geschützten Selbstbestimmungsrecht widerspricht. Den hieraus abzuleitenden Folgerungen für die Anwendung der Schrankenklausel wird nachzugehen sein, wenn im folgenden näher zu prüfen ist, welchen Schranken des für alle geltenden Gesetzes die Kirche bei der Gestaltung ihres Dienstrechts unterliegt. Hierbei wird sich auch die ebenfalls vom Bundesverfassungsgericht hervorgehobene Erkenntnis als richtig erweisen, daß "die Schrankenklausel erst in Verbindung mit einem konkreten Sachverhalt ihre besondere Färbung und Aussagekraft erhält"5, weshalb allgemeine Formeln zu ihrer Deutung wenig Erfolg versprechen 6 • 11. Im Gegensatz zu dieser relativ großen Einigkeit bezüglich der Auslegung der Schrankenklausel des Art. 137 Abs. 3 WRV ist die Frage 3
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BVerfGE Bd.42, S.312 (334). Ebd., S. 312 (334). Ebd., S. 312 (333). Vgl. hierzu J. Jurina, Rechtsstatus, S. 153.
1. Abschn.: Schranken der Selbstbestimmung
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nach den verfassungsrechtlichen Schranken der kirchlichen Freiheit schon grundsätzlich weitaus umstrittener. Dies gilt vor allem für das Problem der Geltung der Grundrechte gegenüber der Kirche, das für das kirchliche Dienstrecht eine besondere Rolle spielt. Vor einer Erörterung dieser Frage im einzelnen muß daher zunächst den gerade in der neueren Diskussion aufgeworfenen Grundsatzfragen hinsichtlich der Möglichkeit einer Grundrechtsgeltung im kirchlichen Bereich nachgegangen werden, auch deshalb, weil die verfassungsrechtliche Grundsatzproblematik vielfach gerade an Hand des kirchlichen Dienstrechts entwickelt wird. 1. Auch in der Frage der Grundrechtsgeltung für die Kirchen lassen sich einige Fixpunkte herausstellen, die im wesentlichen unbestritten sind.
Wegen der völligen Unabhängigkeit der eigenständig-kirchlichen Gewalt im Bereich der "inneren", der geistlichen Angelegenheiten der Kirchen von jeglicher staatlicher Gewalt scheidet hier auch eine Geltung der Grundrechte als positivierter Rechtssätze der staatlichen Verfassung aus. So ist im kirchen internen Bereich gegen dogmatische Aussagen der kirchlichen Lehre mit der Berufung auf das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit nichts auszurichten. Die einzige Rechtshilfe, die in diesen Fällen der Staat zu geben vermag, besteht in der garantierten Freiheit des Austritts aus der Kirche, die zusammen mit der Monopolisierung jedenfalls der äußeren Zwangsmittel beim Staat dem einzelnen die Möglichkeit verschafft, sich den Wirkungen kirchlicher "Gewalt" zu entziehen7 • Grundsätzlich unbestritten ist ferner die Grundrechtsbindung der Kirche in den Fällen, in denen sie übertragene staatliche Gewalt innehat. Hier gilt der Grundsatz, daß diese staatlichen Befugnisse von den Kirchen nicht ohne die ihnen immanenten Begrenzungen, zu denen auch die Grundrechtsbindung gehört, ausgeübt werden können. Hauptbeispiele hierfür sind die Rechtshandlungen der Kirche im Friedhofssowie im Kirchensteuerrecht8 • Nicht nur der Vollständigkeit halber, sondern weil die aufgeworfenen Fragen wichtige zusätzliche Überlegungen ins Spiel bringen, sei aber auch auf kritische Einwände gegen die skizzierten Grundpositionen hingewiesen. So hat das Bundesverwaltungsgericht die Frage einer 7 Vgl. z. B. H. Weber, Die Grundrechtsbindung der Kirchen, in: ZevKR Bd.17 (1972) S. 386 - 419, S.395; W. Rüfner, Die Geltung von Grundrechten im kirchlichen Bereich, in: Essener Gespräche zum Thema Staat und Kirche 7, Münster 1972, S. 9 - 27, S.12; A. Frh. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 87 f.; vgl. ferner den überblick bei J. Frank, Dienst- und Arbeitsrecht, in: HdbStKirchR I, S. 687. 8 Vgl. statt aller W. Rüfner, Grundrechte, S. 12 m. w. N.
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5. Kap.: Grenzen selbständiger Gestaltung
Grundrechtsbindung der kirchlichen Gewalt zwar grundsätzlich offen gelassen, aber eine Neigung zu der Auffassung hervorgehoben, daß auch die staatsunabhängige kirchliche Gewalt jedenfalls an die als staatsunabhängig erkannten Grundrechte gebunden sei9 • Die Bedeutung dieser Fragestellung des Bundesverwaltungsgerichts ist darin zu erblicken, daß sich auch die katholische Kirche, die gerade in neueren Dokumenten die überpositivität von Grundrechten betont hat und sich in der Forderung nach Freiheit des eigenen Wirkens gegenüber dem Staat auf grundrechtliche Positionen beruft 1o , fragen lassen muß, wie sie es mit der eigenen Bindung an Grundrechte hältl l . In staatskirchenrechtlicher, also verfassungsrechtlicher Betrachtungsweise handelt es sich hierbei aber nicht um eine Frage des staatlichen, sondern allein um ein Problem des vom Staat unabhängigen kirchlichen Rechts. Die Lösung möglicher Konfiiktsfälle liegt daher in verfassungsrechtlicher Sicht allein, wie schon erwähnt, in der vom Staat garantierten Möglichkeit, sich der Wirkung kirchlicher Normen nach staatlichem Recht durch Austritt aus der Kirche zu entziehen. Zur Frage der Bindung der Kirchen an staatliche Grundrechte im Falle übertragener staatlicher Gewalt sei (im Blick auf die noch zu erörternden Zweifel hinsichtlich der Grundrechtsgeltung in bezug auf andere Bereiche kirchlicher Tätigkeit) etwa für das Beispiel des Kirchensteuerrechts darauf verwiesen, daß dieses nach einer beachtlichen Meinung eine "res mixta" darstellt, weil seine maßgebende Grundlage nicht in der staatlichen Steuerhoheit, sondern im innerkirchlichen Beitragsrecht zu erblicken ist1 2 • Ist dies richtig, so stellt sich immerhin die Frage, ob hier ohne weiteres allein aus dem formalen Grund der übertragung staatlicher Hoheitsgewalt eine umfassende Bindung an die staatlichen Grundrechte angenommen werden kann. Daß insoweit Vorsicht geboten ist, zeigt etwa eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die für das kirchliche Mitgliedschaftsrecht, das im Kirchensteuerrecht eine untrennbare Einheit mit den Besteuerungstatbeständen bildet, eine Bindung an staatliche Grundrechte abgelehnt hat l3• 9 BVerwGE Bd.28, S.345 (351), dazu kritisch W. Rüfner, Grundrechte, S.16. 10 Vgl. P. Mikat, Staat und Kirche nach der Lehre der Katholischen Kirche, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, Berlin 1974, S. 143 - 187, S. 174 ff. 11 Die Diskussion zur innerkirchlichen Grundrechtsgeltung hat erst begonnen, vgl. J. Neumann, Menschenrechte - auch in der Kirche?, Zürich-Köln 1977. 12 Vgl. hierzu H. Marre, Das kirchliche Besteuerungsrecht, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. H, Berlin 1975, S. 5 - 50, S. 11. 13 Vgl. BVerfGE Bd.30, S.415 (422).
1. Abschn.:
Schranken der Selbstbestimmung
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2. Für andere, nicht oder nicht ohne weiteres unter die Kategorien "innerkirchlicher Bereich" bzw. "Handeln kraft verliehener staatlicher Hoheitsgewalt" fallende Rechtsbereiche ist die wissenschaftliche Diskussion über die Grundrechtsbindung der kirchlichen Gewalt in vollem Gange. Sie ist für unseren Zusammenhang besonders wichtig, weil das hauptsächliche Anwendungsbeispiel und wohl auch der Anlaß der sehr grundsätzlich geführten Diskussion das kirchliche Dienstrecht ist. Es lassen sich folgende Positionen unterscheiden: a) Von Hermann Weber ist als Ausgangspunkt für eine Antwort auf die Frage der Grundrechtsgeltung auf die Notwendigkeit einer strengen Unterscheidung der Bereiche kirchlichen HandeIns abgehoben worden 14 • Weber folgt der Auffassung von der Grundrechtsfreiheit des innerkirchlichen Bereichs15 • Wenn die Kirche aber "nach außen" tätig werde und sich der weltlichen Rechtsordnung bediene, sei sie an diese Rechtsordnung gebunden wie jedes andere Rechtssubjekt 16 • Hierbei betont Hermann Weber, daß die Anwendung der Grundrechte sich im allgemeinen im Wege der Geltung des für alle geltenden Gesetzes verwirkliche, da diese allgemeinen Gesetze in vielen Fällen gerade der Realisierung der Grundrechte dientenl1• Insoweit stelle sich die Frage der direkten Grundrechtsgeltung nicht. Aber auch diese ist nach Hermann Weber in vielen Fällen gegeben, vor allem dort, wo die Kirchen von öffentlich-rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten Gebrauch machen. Dies sei bei der weltlichen Seite des Rechtsverhältnisses der Geistlichen (Gehaltsregelungen!) und im kirchlichen Beamtenverhältnis der Fall 1s• Hier gelte für die Kirchen uneingeschränkt die Grundrechtsbindung des öffentlichen Rechts. Für den Betroffenen sei es gleich, ob ihm der Staat oder die Kirche mit Hoheitsgewalt gegenübertrete. Der Staat könne nur seine, d. h. aber die grundrechtsgebundene Hoheitsgewalt übertragen 19• Die Kirchen könnten also kraft des Selbstbestimmungsrechts die weltliche Seite des Dienstverhältnisses der Geistlichen regeln, aber nicht unbeschränkt: diese Befugnis sei vielmehr eingegrenzt durch eine "strikte" Grundrechtsbindung der Kirchen. Auf der anderen Seite sei der kirchliche Gesetzgeber aber auch befugt, die genannten Rechtsverhältnisse als "Sonderstatusverhältnisse" auszugestalten und somit im Hinblick auf die Besonderheiten des kirchlichen Dienstes spezifische Grundrechtsbeschränkungen vorzusehen20 • 14 15
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H. Weber, in: ZevKR Bd.17, S.398, S.402. Ebd., S. 395. Ebd., S. 398/399. Ebd., S.406. Ebd., S. 415. Ebd., S. 412. Ebd., S. 415.
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5. Kap.: Grenzen selbständiger Gestaltung
b) In ähnlicher Richtung äußern sich Scheuner und von Campenhausen, freilich mit für unser Thema wichtigen Differenzierungen. So spricht Scheuner21 mehr allgemein von der Bindung an "grundrechtliche Pflichten" bei Ausübung öffentlich-rechtlicher Befugnisse, geht also offenbar nicht von der "strikten" Grundrechtsbindung Hermann Webers aus. Von Campenhausen nimmt in den hier interessierenden Fällen nicht einfach eine Ausübung öffentlich-rechtlicher Befugnisse durch die Kirchen an, sondern spricht davon, daß sich die übertragene staatliche Gewalt "wie ein Mantel um ein kirchliches Recht legt und dieses mit staatlicher Gewalt bewehrt". Er widerspricht daher auch der schon früher vertretenen Auffassung Hermann Webers, die Kirchen seien, soweit sie öffentlich-rechtliche Befugnisse ausüben, in gleichem Umfang wie der Staat an die Grundrechte gebunden 22• c) Die deutlichste Gegenposition zu der These Hermann Webers findet sich bei Hesse. Er lehnt insbesondere schon den Ausgangspunkt der Auffassung Hermann Webers, die Unterscheidung von "Bereichen" kirchlichen HandeIns, ab. Auch eigene Angelegenheiten, die in Form hoheitlichen HandeIns wahrgenommen würden, blieben Angelegenheiten des "einheitlichen Selbstbestimmungsrechts"23. Bei Übertragung staatlicher Hoheitsgewalt wäre eine Grundrechtsbindung zwar anzunehmen. Die Auffassung von der Übertragung staatlicher Hoheitsgewalt verkenne aber den Inhalt von Art. 137 Abs.5 WRV. Der Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts bedeute nicht Delegation staatlicher Hoheitsgewalt, sondern die Anerkennung kirchlicher öffentlicher Gewalt in und gegenüber dem staatlichen Recht. "Anzunehmen, daß kirchliche Rechtsverhältnisse wie die der Geistlichen und Kirchenbeamten auf staatlich delegiertem Recht beruhten, würde daher nicht nur einer partiellen Außerkraftsetzung des Art. 137 Abs. 3 WRV gleichkommen, sondern auch unvereinbar sein mit der Grundvoraussetzung heutiger staatskirchenrechtlicher Ordnung: der prinzipiellen Wesensverschiedenheit von Kirche ... und säkularem Staat24 ." Die Kirchen befänden sich hinsichtlich der Grundrechtsbindung daher in derselben Position wie andere "gleichgeordnete Rechtsträger"25. Es gelte für sie - wie für das gesamte private und öffentliche Recht die Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs.3 GG, freilich mit aus dem eben21 U. Scheuner, Das System der Beziehungen von Staat und Kirche im Grundgesetz, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, Berlin 1974, S.5 - 86, S.75. 22 A. Frh. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 88, 178. 23 K. Hesse, Grundrechtsbindung der Kirchen?, in: Festschrift für Werner Weber, Berlin 1974, S. 447 - 462, S.458. 24 Ebd., S. 458/459. 25 Ebd., S. 460.
1. Absclm.: Schranken der Selbstbestimmung
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falls in der Verfassung gewährleisteten Selbstbestimmungsrecht fließenden Grenzen 26 . Im übrigen richte sich die Frage der Grundrechtsbindung nach den auch sonst geltenden Grundsätzen über die "Drittwirkung" von Grundrechten 27. Die Geltung von Grundrechten komme insbesondere dort in Betracht, wo die tatsächlichen Voraussetzungen privatautonomer Gestaltung nicht bestehen, sondern im Verhältnis von rechtlich gleichgeordneten Beteiligten der Mindeststandard individueller Freiheit, der durch die Grundrechte gewährleistet sei, durch den Einsatz überlegener wirtschaftlicher Macht beeinträchtigt zu werden drohe. Hier werde die Annahme einer "Drittwirkung" von Grundrechten "auch gegenüber den Kirchen nahegelegt sein"28. d) Eine der Position Hesses in vielem vergleichbare Meinung vertritt Rüfner. Er hält es für bedenklich, für die öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisse der Kirche eine generelle Grundrechtsbindung anzunehmen. Die Kirche benötige gerade hier Selbständigkeit. Die Auffassung, daß mit der Zurverfügungstellung von Mitteln des öffentlichen Rechts notwendig eine Grundrechtsbindung verknüpft sei, sei zu formal. Auf der anderen Seite sei die Kirche aber nicht ganz frei, wenn ihr der Staat eine besondere Rechtsform zur Verfügung stelle. Dies gelte vor allem für den Bereich der sozialen Sicherung der Bediensteten 29 • So liege bei Geistlichen und Beamten keine grundsätzliche Grundrechtsbindung vor, gelten die Grundrechte also nur insoweit, als dies der besondere Status des kirchlichen Amtsträgers verlange 30 • Die grundsätzliche Lösung sieht Rüfner in der Anwendung der Regeln über die "Drittwirkung" , die aber auch die Bewahrung der Eigenständigkeit der Kirche fordere 31 • Das Ergebnis hinsichtlich der Grundrechtsregelung sei im wesentlichen negativ, weil meist das kirchliche Selbstbestimmungsrecht entgegenstehe32 •
3. Eine Stellungnahme zu diesen theoretisch recht verschiedenen Ansätzen wird für die Praxis zunächst hervorheben müssen, daß die von den jeweiligen Autoren hieraus im Einzelfall gezogenen Folgerungen weit weniger differieren, als dies zunächst vermutet werden könnte3it• Dennoch sind Unterschiede nicht zu übersehen. So hält Hermann Weber dienstrechtliche Regelungen, die die Stellung eines kirch26 Ebd., S. 457. 27 Ebd., S. 460. 28 Ebd., S. 461/462. 29 W. Rüfner, Grundrechte, in: Essener Gespräche 7, S.16/17. 30 Ebd., S. 33. 31 Ebd., S. 21. 32 Ebd., S. 26. 33 Vgl. auch die Diskussionsbemerkung von W. Rüfner, in: Essener Gespräche 7, S.33. 7 .Turtna
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5. Kap.: Grenzen selbständiger Gestaltung
lichen Amtsinhabers vom Verhalten von Angehörigen, etwa deren Konfessionswechsel, abhängig machen, unter dem Aspekt der Grundrechtsbindung für "recht zweifelhaft"34. Andere Autoren treten demgegenüber dafür ein, in solchen Fällen dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht den Vorrang zuzuweisen3S• Hinzuweisen ist ferner darauf, daß sich ein erheblicher Teil der Probleme schon vom theoretischen Ansatz her nicht mehr stellt, wenn man, wie es hier vertreten wird, das Dienstrecht jedenfalls der Geistlichen der katholischen Kirche grundsätzlich dem eigenständig-kirchlichen Bereich zuordnet3 6 • Die notwendige Folgerung hieraus ist, daß, soweit diese Zuordnung zum eigenständig kirchlichen Recht reicht, eine Bindung an die Grundrechte der staatlichen Verfassung prinzipiell entfällt. Dies hervorzuheben erscheint besonders wichtig, weil etwa die Position Hesses, wie das oben angeführte Zitat zeigt31, in besonderem Maße im Blick auf das kirchliche Dienstrecht wohl nicht zuletzt der Geistlichen zu sehen ist. Es könnte deshalb auch gefragt werden, ob es nicht weiterführen würde, die Konstruktion des evangelischen Pfarrerdienstverhältnisses als "öffentlich-rechtliches Dienst- und Treueverhältnis" zu überdenken. Es scheint nicht sicher, ob sie den kirchenrechtlichen Sachverhalt ganz zutreffend wiedergibt. Ausgehend von der hier vertretenen Auffassung reduzieren sich die möglichen Anwendungsfälle einer Grundrechtsbindung der Kirche, für die der dargestellte wissenschaftliche Grundsatzstreit von Relevanz ist, auf das kirchliche Beamtenrecht, die Besoldungsregelungen für Geistliche sowie die privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse der Kirche. Bezüglich der letzteren wird man nicht umhin können, der unter der Führung des Bundesarbeitsgerichts entwickelten und fest etablierten Doktrin von der "Drittwirkung" der Grundrechte im Arbeitsrecht auch für den kirchlichen Bereich Bedeutung zuzumessen3S. Angesichts des Umfangs der positivrechtlichen Fortentwicklung des Arbeitsrechts wird es sich hierbei freilich nur selten um eine direkte, unvermittelte Anwendung der Grundrechte handeln. Meist wird es vielmehr darum 34 H. Weber, in: ZevKR Bd.17, S.415. So weist J. Frank, Dienst- und Arbeitsrecht, in: HdbStKirchR I, S.690 darauf hin, daß die Pflicht des evangelischen Pfarrers, "in seiner Lebensführung in Ehe und Familie seinen Auftrag zu beachten und Rechtsnachteile auf sich zu nehmen, wenn Bedenken gegen seine Eheschließung bestehen oder die Scheidung seiner Ehe unausbleiblich ist", der staatsbürgerlichen Freiheit vorgeht. 36 Für eine Unterscheidung der Geistlichen von anderen kirchlichen Bediensteten spricht sich auch W. Rüfner, Grundrechte, in: Essener Gespräche 7, S. 22 ff. und Diskussionsbemerkung S. 33 aus. 31 Vgl. oben Anm. 24. 38 Vgl. auch W. Rüfner, Grundrechte, in: Essener Gespräche 7, S.21, 16 f. 85
1. Abschn.: Schranken der Selbstbestimmung
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gehen, die speziellen, zum Teil in Gesetzesform ergangenen, der Verwirklichung der Grundrechte dienenden arbeitsrechtlichen Vorschriften und Rechtsgrundsätze im Lichte der Grundrechte auszulegen und anzuwenden, um so zur Verwirklichung und Durchsetzung der Grundrechte beizutragen39 • Damit handelt es sich in vielen Fällen systematisch gar nicht mehr um das Problem der Grundrechtsgeltung, sondern um die Frage nach der Reichweite der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. In jedem Falle wird es aber notwendig sein, die mittelbare oder unmittelbare Grundrechtsanwendung im Bereich der privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse der Kirche nicht einseitig unter dem Blickpunkt der Grundrechte zu sehen, sondern sie durch die wegen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts gebotene Beachtung des kirchlichen Selbstverständnisses zu korrigieren und zu beschränken40 . Dies gilt vor allem auch für das in der Tat schon wegen seiner allgemeinen "Drittwirkung" grundsätzlich ebenfalls für die Kirchen geltende Grundrecht der Koalitionsfreiheit des Art. 9 Abs.3 GG41. Es bleibt damit die Frage, ob und in welchem Umfang Grundrechte für die öffentlich rechtlich-gestalteten Dienstverhältnisse der Kirche gelten. Hier wird man den o.g. kritischen Stimmen zugeben müssen, daß allein die Anknüpfung an die Ausübung öffentlich-rechtlicher Befugnisse durch die Kirche ein zu formales Argument darstellt, weil es sich nicht mit der Frage auseinandersetzt, daß auch das in öffentlichrechtlichen Formen verlaufende, aber der Wahrnehmung eigener Angelegenheiten dienende Handeln der Kirche eine Form der Verwirklichung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts bleibt4:!. Diese Schwierigkeit sieht wohl auch Hermann Weber, wenn er bei einerseits "strikter" Grundrechtsbindung der Kirche ihr andererseits das Recht zuerkennt, die kirchlichen Beamtenverhältnisse als "Sonderstatusverhältnisse" bestimmten kirchenspezifischen Grundsrechtsbeschränkungen zu unterwerfen43. Er sieht sich hierbei aber dem berechtigten Einwand Hesses gegenüber, daß es nicht angeht, auf diese Weise die Aufgabe der Grundrechtsbeschränkung einem nicht demokratischen Gesetzgeber zu übertragen 44 . Die Lösung kann daher nur darin liegen, eine Grundrechtsbindung der Kirchen bzw. die Grundrechtsgeltung zugunsten kirchlicher öffent39 Vgl. hierzu H. Weber, in: ZevKR Bd.17, S.406. 40 So auch W. Rüfner, Grundrechte, in: Essener Gespräche 7, S. 21 f. 41 Vgl. ebd., S.22; K. Hesse, Grundrechtsbindung, in: Festschrift für W. Weber, S.457. 42 Vgl. Z. B. auch die Diskussionsbemerkung von J. Frank, in: Essener Gespräche 7, S. 47 f. 43 Vgl. H. Weber, in: ZevKR Bd.17, S.415. 44 K. Hesse, Grundrechte, in: Festschrift f. W. Weber, S.458, dort Anm.46. 7·
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5. Kap.: Grenzen selbständiger Gestaltung
lich-rechtlicher Bediensteter von vornherein unter dem Gesichtspunkt des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts, der Besonderheiten der theologisch bestimmten Eigenrechtsordnung der Kirchen also, zu modifizieren. Grundsätzlich und von vornherein entzogen werden kann die Kirche freilich den Grundrechten in den öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnissen nicht 45 . Sicherlich besorgt die Kirche bei der Setzung und Handhabung des kirchlichen öffentlichen Dienstrechts eine eigene Angelegenheit, handelt sie "in der Sache" also nicht kraft staatlichen Auftrags oder kraft staatlicher Delegation wie ein autonomer Träger mittelbarer Staatsverwaltung. Sofern sie aber - mit allen Konsequenzen im staatlichen Rechtsbereich - in öffentlich-rechtlicher Form tätig wird, tut sie das nicht kraft eigener Vollmacht, sondern aufgrund einer vom Staat her rührenden, freilich zu eigener Ausübung zur Verfügung gestellten rechtlichen Handlungsform. Um das von v. Campenhausen stammende, oben zitierte Bild zu wiederholen: es handelt sich um eine Befugnis, "die sich wie ein Mantel um ein kirchliches Recht legt und dieses mit staatlicher Gewalt bewehrt"46. Für den Bereich des Dienstrechts folgt hieraus, daß die Kirche, entscheidet sie sich für die öffentlich-rechtliche Form, diese an die Stelle sonst in Betracht kommender privatrechtlich gestalteter Arbeitsverhältnisse setzt. Die Kirche gewinnt dadurch eine Rechtsposition, innerhalb deren sie den im Dienstverhältnis Stehenden gegenüber einseitig, hoheitlich, nicht auf den vertraglichen Weg gewiesen, handeln kann 47. Zum Schutz des diesen Befugnissen Unterstellten müssen dann auch, soweit dem verfassungsrechtlich geschützte Besonderheiten des kirchlichen Dienstes nicht entgegenstehen, die Grundrechte "im Spiel", d. h. ihre Anwendbarkeit grundsätzlich möglich bleiben - ganz gleich, ob man dies mehr formal unter dem Gesichtspunkt der öffentlich-rechtlichen Qualität kirchlichen Handelns 48 , mit dem Einsatz "überlegener wirtschaftlicher oder sozialer Macht"49 oder - unter Hintansetzung der im positiven Recht (noch) gegebenen Unterschiede zwischen den öffentlich-rechtlichen und den privatrechtlichen Dienstverhältnissen - mit einer "Drittwirkung" der Grundrechte begrÜlldet50 • Bezüglich kirchlicher öffentlich-rechtlicher Dienstverhältnisse kann und muß also die Frage nach der Geltung von Grundrechten gestellt, sie kann nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen als von vornherein 45 Vgl. auch W. Riljner, Grundrechte, in: Essener Gespräche 7, S.17, S.33 (Diskussion). 46 Vgl. oben Anm.22. 47 Insofern ist den von H. Weber ausgeführten Gedanken zuzustimmen. 48 So der Ansatz von H. Weber, vgl. oben S.95 und Anm.19, S.95. 49 Vgl. hierzu W. Riljner, Grundrechte, in: Essener Gespräche 7, S.17 ff. 50 So ebd., S. 21 ff.; K. Hesse, Grundrechtsbindung, in: Festschrift für W. Weber, S. 460 ff.
2. Abschn.: Verfassungsrechtliche Schranken
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unzulässig verworfen werden. Art und Umfang der Grundrechtsgeltung bestimmen sich allerdings nicht aus den Grundrechten allein, insbesondere nicht durch die aus ihnen gezogenen Folgerungen für staatliche Rechtsverhältnisse. Vorrangiger Maßstab ist vielmehr die theologisch grundgelegte Besonderheit kirchlicher Dienstverhältnisse, der das zur Anwendung kommende Grundrecht nicht grundsätzlich widerstreiten darf. IH. Nach diesen Vorüberlegungen sind nunmehr die Grenzen kirchlicher Selbstbestimmung im Dienstrecht der Kirche im einzelnen zu erörtern. Dabei werden zunächst die verfassungsrechtlichen Beschränkungen, sodann die Schranken des für alle geltenden Gesetzes behandelt.
2. Abschnitt: Verfassungsrechtliche Schranken kirchlicher Selbstbestimmung bei der Gestaltung des kirchlichen Dienstrechts I. Dienstrecht der Geistlichen
Wie bereits ausgeführt wurde, besteht weitgehende Einigkeit darüber, daß im Bereich eigenständiger kirchlicher Rechtsgestaltung eine Bindung der Kirche an Grundsätze der staatlichen Verfassung, insbesondere auch an die Grundrechte, wegen der hier von der Verfassung gerade statuierten Unabhängigkeit des kirchlichen HandeIns nicht angenommen werden kann 51 • Diesem eigenständig-kirchlichen Rechtsbereich ist grundsätzlich, wie ebenfalls dargetan wurde, das Dienstverhältnis der Geistlichen der katholischen Kirche zuzuordnen. Hieraus folgt, daß Rechtssätze der staatlichen Verfassung prinzipiell nicht herangezogen werden können, um aus ihnen eine Verpflichtung der Kirche zu einer bestimmten Gestaltung des Dienstrechts der Geistlichen herzuleiten. Rechtlicher Maßstab für die Richtigkeit der kirchlichen Regelungen ist vielmehr das kirchliche Selbstverständnis. Grundrechtliche Positionen können also grundsätzlich nur insoweit eine Rolle spielen, als das kirchliche Recht selbst Grundrechte verbürgt. 1. So wäre es nicht möglich, daß ein Geistlicher unter Berufung auf die Glaubens- und Gewissensfreiheit des Art. 4 GG das Recht zur Abweichung von der kirchlichen Lehre in Anspruch nimmt und sich unter Berufung hierauf gegen eine Sanktionierung wegen eines Lehrverstoßes wendet52• Das Grundrecht des Art. 4 GG richtet sich gegen staatliche Beschränkungen der Religionsfreiheit, stellt aber kein innerkirchliches Freiheitsrecht dar. 51 52
Vgl. oben S. 93 und Anm. 7. Vgl. hierzu auch J. Frank, Dienst- und Arbeitsrecht, in: HdbStKirchR I.
S.690.
102
5. Kap.: Grenzen selbständiger Gestaltung
2. Der Zölibatsverpfiichtung des katholischen Priesters kann nicht das Recht zur Eingehung einer Ehe gem. Art. 6 GG entgegengehalten werden. Vielmehr ist die Kirche kraft des garantierten Selbstbestimmungsrechts auch aus der Sicht der staatlichen Rechtsordnung berechtigt, eine derartige Vorschrift zu erlassens:J. Sie ist in ihrer unmittelbaren Wirksamkeit freilich auf den innerkirchlichen Rechtsbereich beschränkt, so daß auch ohne die kirchenrechtlich vorgeschriebene "Laisierung" dem Geistlichen ein Eheschluß nach staatlichem Recht jederzeit möglich ist. 3. Unter Berufung auf die für das staatliche Recht verbindliche Gleichberechtigung von Mann und Frau kann nicht innerkirchlich die Ordination einer Frau verlangt werden. Vielmehr geht auch hier die Entscheidung der Kirche vor 54 • 4. Gemäß den genannten Grundsätzen für die Grundrechtsgeltung im eigenständig-kirchlichen Bereich lösen sich auch die Probleme hinsichtlich der Zulässigkeit kirchlicher Vorschriften über die politische Betätigung von Geistlichen. Diese ist zunächst durch c.139 § 4 eIe geregelt, der die Übernahme eines Abgeordnetenmandats von der Erlaubnis des Ordinarius abhängig macht55. Weiter ist von der Römischen Bischofssynode 1971 verfügt worden, daß die Übernahme einer Führerstellung oder der aktive militante Einsatz in einer bestimmten politischen Partei einem Priester untersagt ist, "es sei denn in bestimmten außergewöhnlichen Fällen, wo das Wohl der Gemeinschaft so etwas wirklich verlangt"56. Die Deutsche Bischofskonferenz hat für ihren Zuständigkeitsbereich erläutert, daß "außergewöhnliche Fälle" z. B. dann vorlägen, wenn antidemokratische Kräfte die Menschenrechte bedrohen oder die Verkündigung des Evangeliums unterbinden würden und keine Laien zur Verfügung stünden, die politisch aktiv werden könnten. "Solche ,außergewöhnlichen Fälle' oder Notstände sind für die Bundesrepublik heute nicht gegeben. Zwar schließt das nicht von vorneherein aus, daß ein Priester als Bürger unseres Staates Mitglied einer Partei ist, sofern diese nicht inhumane oder antichristliche Ziele verfolgt. Abzulehnen ist jedoch, daß sich ein Vgl. auch W. Rüfner, Grundrechte, in: Essener Gespräche 7, S.19. Vgl. ebd., S.23. 65 c.139 § 4 eIe lautet: Senatorum aut oratorum legibus ferendis, quos deputatos vocant, munus ne sollicitent neve acceptent sine licentia Sanctae Sedis in locis ubi pontificia prohibitio intercesserit; idem ne attentent aliis in locis sine licentia turn sui Ordinarii, turn Ordinarii loci in quo electio facienda est. 66 Vgl. Erklärung der deutschen Bischöfe zur parteipolitischen Tätigkeit der Priester, verabschiedet von der Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz vom 24. bis 27. September 1973, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, S. 4. 53
64
2. Abschn.: Verfassungsrechtliche Schranken
103
Priester öffentlich innerhalb einer Partei, für eine Partei sowie für die Wahl einer Partei einsetzt57." Im Ergebnis folgt daraus für den Zuständigkeitsbereich der Deut~ schen Bischofskonferenz eine "im Rechtssinne verpflichtende diszipli~ narische Weisung"5S, die für die gegebenen Verhältnisse die aktive parteipolitische Betätigung, damit auch die Ausübung eines Abgeordnetenmandats durch einen Priester, untersagt. Diese Regelungen können weder unter dem Gesichtspunkt des Art. 5 GG noch unter Berufung auf andere verfassungsrechtliche Absicherun~ gen freier politischer Betätigung angegriffen werden. Sie stellen theologisch begründete Folgerungen des kirchlichen Rechts aus dem besonderen geistlichen Auftrag des Priesters dar, die den Inhalt des innerkirchlichen Dienstverhältnisses betreffen, zu dessen Ausgestaltung allein die Kirche befugt ist5!t. Die grundsätzliche Freiheit der Kirche, ohne Verstoß gegen Verfassungsrecht die Möglichkeiten politischer Betätigung der kirchlichen Amtsträger gern. eigenen rechtlichen Maßstäben jedenfalls dort einschränken zu können, wo diese politische Betätigung die Ausübung des geistlichen Amtes tangieren würde, ist vom Bundesverfassungsgericht im "Bremer Pastorenurteil" für die übernahme eines Abgeord~ netenmandats durch Geistliche bestätigt worden60 • In dem der Entscheidung zugrundeliegenden Fall hatte der Bremische Staatsgerichtshof entschieden, daß die kirchengesetzliche Regelung der Bremischen Evangelischen Kirche, gemäß der Pfarrer und Kirchenbeamte bei übernahme eines Abgeordnetenmandats für die Bremische Bürgerschaft für die Dauer dieses Mandats als beurlaubt gelten, "nach Bremischem Verfassungsrecht im staatlichen Bereich nicht zulässig" ist. Die genannte kirchliche Regelung verstoße gegen Art. 48 Abs.2 GG, das Verbot der Abgeordnetenbehinderung. Die kirchengesetzliche Regelung Vgl. die Erklärung zur parteipolitischen Tätigkeit der Priester, ebd., S.4. So J. Listl, Die "Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz zur parteipolitischen Tätigkeit der Priester" vom 27. September 1973, in: Österreichisches Archiv für Kirchenrecht Jg.26 (1975), S. 166 -176, S.175. Zu der Erklärung der Deutschen Bischofskonferenz vgl. ferner A. HoHerbach, Neuere Entwicklungen des Katholischen Kirchenrechts, S. 38 f. 59 Zur politischen Betätigung von Pfarrern für den evang. Bereich vgl. auch J. Frank, Dienst- und Arbeitsrecht, in: HdbStKirchR I, S.691 sowie J. Beckmann, Freiheit und Bindung der kirchlichen Amtsträger im Blick auf die politische Betätigung, in: ZevKR Bd. 19 (1974), S. 10 ff. und H. Maurer, Freiheit und Bindung kirchlicher Amtsträger, Zur politischen Betätigung der kirchlichen Amtsträger, insbes. der Pfarrer, in: ZevKR Bd.19 (1974), S. 30 ff. 60 BVerfG, Beschluß vom 21. 9.1976, in: BVerfGE Bd.42, S. 312 ff. Vgl. dazu Kirchliches Amt und politisches Mandat, Dokumentation zum Bremer Verfassungsrechtsstreit. Entscheidungen und Texte, zusammengestellt und eingeleitet von D. Dahrmann, Hannover 1977. 57
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5. Kap.: Grenzen selbständiger Gestaltung
stelle eine Behinderung bei der übernahme eines Abgeordnetenmandats dar, weil sie für diesen Fall ein Ruhen der Rechte und Pflichten, soweit sie die dienstlichen Aufgaben und die mit dem Amt verbundene kirchenverfassungsrechtliche Stellung betreffen, verfüge. Hierfür berufe sich die Kirche zwar auf ihr Selbstbestimmungsrecht. Diesem stehe aber das für die Existenz der repräsentativen Demokratie konstitutive Verbot der Abgeordnetenbehinderung gegenüber. Bei der Abwägung dieser beiden Rechtspositionen sei das Verbot der Abgeordnetenbehinderung das "stärkere Recht"61. Das im Wege der Verfassungsbeschwerde angerufene Bundesverfassungsgericht hat demgegenüber betont, daß die in ihrer Gültigkeit bestrittene kirchengesetzliche Regelung eine innere Angelegenheit der Kirche betreffe und jedenfalls keine unmittelbare Wirkung im staatlichen Zuständigkeitsbereich entfalte. Ihr stehe deshalb eine Schranke des staatlichen Rechts nicht entgegen62 . Es gehe bei der angegriffenen Regelung um einen für die Kirche ganz zentralen Sachverhalt, "um die rechtliche Folgerung aus dem Verständnis vom kirchlichen Amt". Pfarrer sein heiße für die Kirche, "sich ungeteilt dem Auftrag des Herrn, dem Dienst am Wort Gottes widmen, heißt allen Gliedern der Kirche gleich nahestehen ". Das kirchliche Recht habe die Aufgabe, die ungestörte Erfüllung des geistlichen Dienstes zu schützen. "Das Recht mag insofern mehr oder weniger der ihm zukommenden Funktion Genüge tun; aber was immer es zum Schutz des Amtes zu regeln unternimmt, ist nach Auffassung der Kirche vom Amt her ,gefordert'. Es gehört also zu den ganz wesentlichen Anliegen der Kirche, daß der Pfarrer sich seinem freigewählten Dienst in der Kirche ungeteilt widmet ... und daß der Pfarrer nicht parteipolitische Aktivitäten entwickelt, die innerhalb der Gemeinde je nach der Nähe des Gemeindemitglieds zu der einen oder anderen politischen Partei Zustimmung oder Ablehnung erfährt und damit in der Regel Spannung in die Gemeinde hineinträgt63." "Es kommt nicht darauf an, ob diese Unvereinbarkeit von kirchlichem und weltlichem Amt objektiv in jedem Fall, in dem ein Pfarrer Abgeordneter im Parlament wird, besteht oder nicht; es kommt vor allem nicht darauf an, ob dem Gericht einleuchtet, daß die Kirche um ihrer Glaubwürdigkeit und der Glaubwürdigkeit ihrer Diener willen die gleichzeitige Wahrnehmung von Pfarr- und Abgeordnetenmandat ausschließt; es kommt nur darauf an, daß die Kirche diese Regelung als von ihrem Selbstverständnis gefordert für nötig hält64 ." 61 62 63 64
BVerfGE Bd.42, S. 312 (315 f.). Ebd., S. 312 (338). Ebd., S. 312 (335/336). Ebd., S. 312 (336).
2. Abschn.: Verfassungsrechtliche Schranken
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Wegen des somit gegebenen Verstoßes gegen Art. 137 Abs.3 WRV hat das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung des Bremischen Staatsgerichtshofs aufgehoben. Gleichzeitig stellt das Bundesverfassungsgericht in den Gründen seiner Entscheidung weiter fest, daß die vom Bremischen Staatsgerichtshof angestrebte Lösung - Gültigkeit der Regelung im innerkirchlichen Bereich. Verfassungswidrigkeit der Regelung. soweit sie in den staatlichen Bereich wirkt - verfehlt ist, weil sie den Sinn der kirchenrechtlichen Regelung zerstört. Es könne nur die Alternative geben "Verfassungswidrigkeit der Regelung wegen ihres Hineinwirkens in den staatlichen Bereich oder Verfassungsmäßigkeit der Regelung ungeachtet ihres Hineinwirkens in den staatlichen Bereich". Das Bundesverfassungsgericht entscheidet sich für die zweite Alternative: "Mit der Aufhebung der Entscheidung steht die kirchliche Regelung uneingeschränkt in Geltung; sie kann von der Kirche angewendet werden und ist außerhalb der Kirche zu respektieren65."
5. Einige Bemerkungen sind schließlich der Frage zu widmen, ob im Bereich des wirtschaftlichen und sozialen Status der Geistlichen eine Bindung der Kirche an Grundsätze der staatlichen Verfassung in Betracht kommt. Diese Frage aufzuwerfen, besteht schon deshalb Anlaß, weil nach der hier vertretenen Auffassung die die Besoldung und Versorgung der Geistlichen betreffenden kirchlichen Regelungen nicht zum eigenständig-kirchlichen Rechtsbereich, sondern zu den von der Kirche als Körperschaft des öffentlichen Rechts gesetzten Rechtsvorschriften gehören. Hierzu hat etwa Frank ganz allgemein die Ansicht vertreten, die Kirchen unterlägen bei der Regelung des Dienstrechts ihrer Amtsträger rechts- und sozialstaatlichen Mindesterfordernissen, zu denen vor allem eine angemessene soziale Sicherung einschließlich der Versorgung gehöre66 • Auch Rüfner 61 hat auf die Bedeutung der sozialen Grundrechte für die Kirche verwiesen. Es ist zu beachten, daß wegen der fehlenden Positivierung sozialer Grundrechte im Grundgesetz68 die hier einschlägigen Fragestellungen vorzugsweise unter dem Blickwinkel der Geltung einfach-gesetzlicher Regelungen (Sozialversicherungsgesetze!) für die Kirchen, also unter dem Aspekt der Schranken des für alle geltenden Gesetzes, zu sehen sind, nicht aber als Frage nach der unmittelbaren Geltung von Verfassungsrecht. Als einschlägig mag allenfalls der Gleichheitssatz betrachtet werden, ohne daß sich hieraus ohne weiteres konkrete FolgeEbd., S. 312 (344). J. Frank, Dienst- und Arbeitsrecht, in: HdbStKirchR I, S.685. 87 W. Rüfner, Grundrechte, in: Essener Gespräche 7, S. 23 f. 88 Ebd., S. 23. 65
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5. Kap.: Grenzen selbständiger Gestaltung
rungen ergeben würden. Sicher nicht anwendbar, auch nicht in analoger Weise, sind dagegen die in Art. 33 Abs.5 GG erwähnten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums. Diese sind für weltliche Rechtsverhältnisse entwickelt worden. Für die Rechtsverhältnisse der Geistlichen - im Gegensatz zu ihrer analogen Geltung für die Kirchenbeamten - können sie nicht herangezogen werden, da die auf Besoldung und Versorgung der Geistlichen bezüglichen Regelungen, selbst wenn sie als dem weltlichen Rechtskreis zugehörig betrachtet werden, nur im Zusammenhang mit den kirchlich-eigenständigen Grundregelungen des geistlichen Dienstverhältnisses der katholischen Geistlichen gesehen werden können. Die Zuweisung der auf Besoldung und Versorgung bezüglichen Aspekte des Dienstverhältnisses der katholischen Geistlichen zum weltlichen Rechtskreis hat also in erster Linie die Konsequenz, daß diese Ansprüche dem Sozialversicherungs- und Steuerrecht unterliegen. Weitere, etwa allgemein aus dem Sozialstaatsprinzip gezogene inhaltliche Folgerungen verbieten sich schon deshalb, weil nach katholischem Kirchenrecht der Bischof einen weiten Ermessensspielraum hat, wie er den grundsätzlich gegebenen Anspruch des Geistlichen auf angemessenen Unterhalt erfüllt. Eine Verpflichtung zur heute weithin gegebenen beamtenähnlichen Ausgestaltung der Besoldung besteht nicht6'. 11. Kirchliche Beamtenverhältnisse
Im Gegensatz zum Dienstrecht der Geistlichen kann für das kirchliche Beamtenverhältnis, das nicht zum eigenständig-kirchlichen Rechtsbereich gehört, sondern auf der öffentlich-rechtlichen Dienstherrenfähigkeit der Kirche beruht, die Geltung der Grundrechte und anderer Verfassungsrechtssätze nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden. Wie aber oben aufgeführt wurde, kann von einer "strikten" Grundrechtsbindung nicht die Rede sein, weil nicht außer acht gelassen werden darf, daß die öffentlich-rechtliche Befugnis, kirchliche Beamtenverhältnisse zu begründen, der Kirche zur Besorgung einer eigenen Angelegenheit, nicht zum Zweck mittelbarer Staatsverwaltung gegeben ist. Maßgebend ist daher nicht die formelle Zuordnung der kirchlichen Beamtenverhältnisse zum öffentlich-rechtlichen Rechtskreis, sondern die Frage, welche aus dem staatlichen Verfassungsrecht in Betracht kommenden Bindungen der Kirche mit dem Charakter kirchlicher Beamtenverhältnisse als eigene Angelegenheit vereinbar sind.
Vgl. dazu oben S.49; zu den heute üblichen Besoldungsregelungen vgl. Dienst- und Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S.74 sowie dort Anm. 38. 69
J. Jurina,
2. Abschn.: Verfassungsrechtliche Schranken
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Diese Grundthese sei an einigen Beispielen verdeutlicht: 1. Grundsätzliche Geltung kann für ein bestehendes kirchliches Beamtenverhältnis etwa der Gleichheitssatz beanspruchen, auch das Verbot der Diskriminierung z. B. wegen des Geschlechts. So darf es keine unterschiedlichen Besoldungsregelungen für Mann und Frau geben, so gelten etwa die aus dem Gleichheitssatz folgenden Rechtsgrundsätze für Gewährung oder Versagung einer Beförderung auch im kirchlichen Dienst7°.
2. Keine Geltung kann dagegen das Diskriminierungsverbot aus Gründen der Religion oder Weltanschauung beanspruchen. So ist es unzweifelhaft zulässig, wenn nur Konfessionsangehörige ins kirchliche Beamtenverhältnis berufen und daß an einen Konfessionswechsel Konsequenzen hinsichtlich des Bestandes des kirchlichen Beamtenverhältnisses geknüpft werden 71 • 3. Auch die Anwendung von Art. 2 GG kommt in Betracht. So können die Grundsätze jener Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts 72 , die es wegen der Achtung der Intimsphäre untersagen, eine eine Beihilfe zu den Entbindungskosten ihres unehelichen Kindes beantragende Beamtin auf den Kostenerstattungsanspruch gegen den Vater zu verweisen und so zur Nennung des Namens des Vaters zu zwingen, auch für den kirchlichen Bereich angewandt werden.
4. Eine Bindung besteht auch an Art. 6 Abs.4 GG, so daß die Kirche etwa zum Erlaß von mutterschutzrechtlichen Regelungen hinsichtlich ihrer Beamtinnen verpflichtet ist13 • 5. Die Besonderheiten des kirchlichen Beamtenverhältnisses treten andererseits vor allem dort zutage, wo es um die Frage geht, inwieweit bestimmte Verhaltensweisen als zur Privatsphäre gehörig unter Grundrechtsschutz stehen, sie daher unter dem Gesichtspunkt besonderer beamtenrechtlicher Pflichten nicht Beschränkungen unterworfen werden dürfen. Auch der staatliche Beamte ist in diesem Bereich nicht völlig frei. Insbesondere kann auch er nicht die gesamte außerdienstliche Sphäre als Privatangelegenheit betrachten, wie z. B. jene beamten70 Vgl. schon J. Jurina, Rechtsstatus, S.158 sowie H. Weber, in: ZevKR Bd.17, S.412. 71 Zu entspr. Regelungen in kirchlichen Beamtengesetzen der katholischen Kirche vgl. J. Jurina, Dienst- und Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10,
S.71 ff.
BVerwGE Bd.36, S.53. Wollte man eine solche Verpflichtung verneinen, bestünde eine für die Rechtsstellung der Beamtin nicht zumutbare Rechtslücke, da das Mutterschutzgesetz für Beamtinnen nicht gilt und die beamtenrechtlichen Regelungen des Bundes und der Länder ebenfalls unanwendbar sind. 72
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5. Kap.: Grenzen selbständiger Gestaltung
rechtlichen Regelungen zeigen, die vom Beamten Mäßigung und Zurückhaltung in der politischen Betätigung und innerhalb und außerhalb des Dienstes ein "achtungswürdiges" Verhalten fordern 74 • Die Pflichtenbindung des Kirchenbeamten geht indes weiter, wobei hinsichtlich der rechtlichen Konstruktion dieser besonderen Pflichtenbindung nochmals hervorzuheben ist7 5, daß insoweit Grundrechte nicht unter dem Gesichtspunkt eines kirchlichen "besonderen Gewaltverhältnisses", sondern bereits auf der Ebene der Verfassung durch das von der Verfassung garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirche eingeschränkt sind. a) Dies wird besonders deutlich an jenem Bereich, der für den Staatsbeamten durch das Grundrecht der Glaubens- und Gewissensfreiheit geschützt ist. Hier werden, soweit der staatliche Beamte nicht dienstlich, sondern in seinem Privatleben handelt, Einschränkungen der grundrechtlich geschützten Handlungsfreiheit nur in äußerst seltenen Fällen in Betracht kommen. Anders beim Kirchenbeamten. Für ihn gilt in vollem Umfang, daß sein Dienst, mag er sich auch auf "weltliehe" Aspekte richten, Teil der Erfüllung des geistlichen Auftrags der Kirche ist. Dies erfordert eine grundsätzliche Konformität seines Lebens mit den Grundanschauungen und den Grundverpflichtungen der Kirche. Hiergegen kann eine Berufung auf Religions- und Weltanschauungsfreiheit nicht Erfolg haben. b) Keine reine Privatsache des kirchlichen Beamten ist auch der Bereich von Ehe und Familie. Zwar gilt der Schutz des Art. 6 GG durchaus auch im kirchlichen Beamtenverhältnis. Der kirchliche Beamte unterliegt aber zugleich den besonderen kirchlichen Vorschriften hinsichtlich der Eingehung und Auflösbarkeit der Ehe, gegen die er sich bei bestehendem Beamtenverhältnis nicht auf die Garantie der "säkularen" Ehe in Art. 6 GG berufen kann. Disziplinarische Maßnahmen bei Verstoß gegen die kirchlichen Ehevorschriften wären also auch vom staatlichen Recht - etwa bei einem Rechtsstreit über die Bezüge des Beamten - als rechtsgültig anzuerkennen. Sie wären nicht wegen der andersartigen Eheordnung des staatlichen Rechts für dieses unbeachtlich. e) Auch hinsichtlich der Freiheit politischer Betätigung sind kirchliche Sonderregelungen zulässig, ohne daß ihnen staatliches Verfassungsrecht ohne weiteres entgegensteht. In dem schon erwähnten Beschluß über die Verfassungsbeschwerde gegen die Entscheidung des Bremischen Staatsgerichtshofs hat das Bundesverfassungsgericht jeden74 Vgl. statt aller H. J. Wolf! / O. Bachof, Verwaltungsrecht 11, 4. Auflage München 1976, S. 536 ff. 75 Vgl. schon oben S. 99 f.
2. Abschn.: Verfassungsrechtliche Schranken
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falls für diejenigen Kirchenbeamten, die einen Dienst von "besonderer kirchlicher Verantwortung" ausüben, "deren Anstellung nach Auffassung der Kirche stets zugleich auch die Berufung in den geistlichen Dienst ... darstellt", dieselben Inkompatibilitätsregelungen für zulässig gehalten wie für Geistliche. Es hat dabei besonders hervorgehoben, daß sich innerhalb der Kirchenbeamten der Bremischen Evangelischen Kirche eine Unterscheidung zwischen "reinen Verwaltungsbeamten" und Beamten mit spezifisch religiös-kirchliche Angelegenheiten betreffenden Obliegenheiten wegen der kleinen Zahl der kirchlichen Beamten nicht treffen lasse. Die Kirchenbeamten der Bremischen Evangelischen Kirche dienten also entweder unmittelbar oder mittelbar der Kirche und ihrem religiösen Auftrag. "Wenn aus diesem Grund die Bremische Evangelische Kirche für ihre Kirchenbeamten dieselbe Inkompatibilitätsregel, wie sie für Pfarrer gilt, für nötig hält, so ist es eine Entscheidung in einer inneren kirchlichen Angelegenheit, die sie nach ihrem Selbstverständnis zu treffen befugt ist76." Das Bundesverfassungsgericht hat dabei freilich dahingestellt gelassen, ob dieselben Grundsätze auch hinsichtlich etwa der Beamten des einfachen oder mittleren Dienstes oder für Beamte, die ausschließlich Haushaltsfragen bearbeiten oder mit der Grundstücksverwaltung beschäftigt sind, zur Anwendung kommen würden 71• d) Grundsätzliche Geltung hat für kirchliche Beamte ebenfalls das Grundrecht der individuellen Koalitionsfreiheit. Kirchliche Beamte können also Berufsverbänden sowie Gewerkschaften beitreten78 • Ein Streikrecht ist wie für staatliche Beamte, im übrigen auch wegen des Selbstverständnisses des kirchlichen Dienstes, ausgeschlossen. 5. Verfassungsrechtliche Grenzen der Gestaltungsfreiheit der Kirche hinsichtlich ihrer Beamtenverhältnisse ergeben sich außer aus den nur mit Einschränkungen anwendbaren Grundrechten aus der schon erwähnten analogen Geltung jedenfalls jener "hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtenturns" gern. Art. 33 Abs.5 GG, ohne deren Beachtung nicht von einem Beamtenverhältnis gesprochen werden könnte. Es kann insoweit auf die oben gemachten Ausführungen verwiesen werden. Mit der übernahme der Rechtsfigur des Beamtenverhältnisses aus dem staatlichen Rechtsbereich muß sich die Kirche also in die grundsätzlichen Konturen fügen, die das Beamtenverhältnis von Verfassungs wegen kennzeichnen und es von anderen Dienstverhältnissen abheben 79 • BVerfGE Bd.42, S. 312 (343/344). Ebd., S. 312 (342). 78 Vgl. auch W. Rüfner, Grundrechte, in: Essener Gespräche 7, S.22. 79 Vgl. oben S.65 und W. Rüfner, Grundrechte, in: Essener Gespräche 7, S. 16, 17 und 33 (Diskussion). 76
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5. Kap.: Grenzen selbständiger Gestaltung 111. Privatrechtliche Dienstverhältnisse der Kirclle
Hinsichtlich der Grundrechtsgeltung für die privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse der Kirche wurde bereits oben erwähnt, daß die vom Bundesarbeitsgericht für das Arbeitsrecht akzeptierte "Drittwirkungslehre" im Rahmen der daraus gezogenen Folgerungen zu einer Grundrechtsgeltung auch für die dem Arbeitsrecht unterliegenden Arbeitsverhältnisse der Kirche führt 80 • Auch hier muß man jedoch, wenn schon die privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse unmittelbar verfassungsrechtlichen Sätzen unterstellt werden, nicht nur die Grundrechte, sondern das ganze Verfassungsrecht, mit Blick auf den kirchlichen Dienst also auch die verfassungsrechtliche Verbürgung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts, beachten. Aus der Grundrechtsgeltung allgemein gezogene arbeitsrechtliche Folgerungen dürfen daher nicht ohne näheres Hinzusehen auf den kirchlichen Dienst übertragen werden. Vielmehr ist jeweils zu prüfen, ob sich auf dem Hintergrund des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts Modifikationen der sonst geltenden Grundsätze ergeben. 1. Die verfassungsrechtlich geschützte Eigenart des kirchlichen Dienstes steht z. B. einer Berufung auf die negative Religionsfreiheit entgegen, wenn bei der Einstellung nach der Konfessionszugehörigkeit gefragt wird. Selbst wenn eine solche Frage innerhalb sonst bestehender Arbeitsverhältnisse unzulässig sein sollte8 t, besteht kein Zweifel, daß ein Bewerber um Aufnahme in den kirchlichen Dienst nach der Religion gefragt und seine Einstellung wegen der Zugehörigkeit zu einer anderen Konfession oder Religion abgelehnt werden darf.
2. Modifikationen ergeben sich auch für das Grundrecht der Koalitionsfreiheit. Es hat zwar grundsätzlich Geltung für kirchliche Arbeitnehmer. Der kirchliche Bedienstete ist daher wie jeder Arbeitnehmer berechtigt, Berufsverbänden und Gewerkschaften beizutreten82• Ein Streikrecht kann für den kirchlichen Dienst allerdings nicht angenommen werden, da dieses grundlegenden Prinzipien des kirchlichen Dienstes widerspräche 8:t. Zu weiteren Grenzen der kollektiven Koalitionsfreiheit im kirchlichen Dienst wurde bereits oben anläßlich der überlegungen zur Geltung des Tarifsystems im kirchlichen Bereich Stellung genommen84 • Vgl. Vgl. 82 Vgl. S.692. 83 Vgl. 84 Vgl. 80 81
oben S. 98 f.
G. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, S.85. statt aller J. Frank, Dienst- und Arbeitsrecht, in: HdbStKirchR I, Th. Mayer-MaLy,
oben S. 80 ff.
Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S. 140.
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Probleme der Reichweite des Grundrechts der Koalitionsfreiheit im kirchlichen Dienst stehen ferner bei der Frage zur Debatte, ob eine Gewerkschaft für ihre betriebsfremden Beauftragten ein unmittelbares Zutrittsrecht zu einer kirchlichen Einrichtung zum Zweck der Mitgliederwerbung und Mitgliederbetreuung verlangen kann. Es geht hierbei um ein direkt auf der Grundlage von Art. 9 Abs. 3 GG zu lösendes Problem, da das betriebsverfassungs- bzw. personalvertretungsrechtliche Zutrittsrecht der Gewerkschaften nach § 2 Abs.2 BetrVG bzw. § 2 Abs.2 BPersVG auf kirchliche Einrichtungen wegen § 118 Abs.2 BetrVG bzw. § 112 BPersVG keine Anwendung findet. Das Zutrittsrecht ist vom Bundesarbeitsgericht durch Urteil vom 14.2.1978 grundsätzlich bejaht worden85 • Danach ist der beklagten kirchlichen Einrichtung die Pflicht auferlegt worden, das Anbringen von Plakaten und anderen Werbeschriften auf Bekanntmachungstafeln, die Verteilung von Flugblättern und Werbe- und Informationsschriften sowie die Betreuung von Mitgliedern und die Werbung neuer Mitglieder durch betriebsfremde Gewerkschaftsbeauftragte zu dulden und ihnen zum Zweck der genannten Tätigkeiten den Zutritt jedenfalls dann zu gestatten, wenn die betr. Gewerkschaft bereits Mitglieder unter den Mitarbeitern der Einrichtung hat und die Werbe- und Informationstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit geschieht. Das Bundesarbeitsgericht wertet die Werbe- und Informationstätigkeit der Gewerkschaft als Bestandteil ihrer durch Art. 9 Abs. 3 GG geschützten Betätigungsfreiheit, weil Mitgliederwerbung und -betreuung zur Erhaltung und Sicherung der Existenz der Koalition unerläßlich seien. Das Gericht vermerkt zwar, daß - entgegen der unbestritten garantierten Werbe- und Informationsmöglichkeit durch betriebsangehörige Gewerkschaftsmitglieder - das Zutrittsrecht für betriebsfremde Beauftragte der Gewerkschaften in der Literatur umstritten sei. Ohne nähere Erörterung der Gegenargumente entscheidet das Bundesarbeitsgericht die Frage aber zugunsten der Gewerkschaften: Es gehöre "zur Autonomie der Gewerkschaft (Koalition), darüber zu bestimmen, ob sie für die Werbung und Information in den Betrieben ihre eigenen Beauftragten oder betriebsangehörige Gewerkschaftsmitglieder bestimmen will"86. Die Ausübung dieses Rechts innerhalb einer kirchlichen Einrichtung verstößt nach Meinung des Bundesarbeitsgerichts auch nicht gegen das kirchliche Selbstbestimmungsrecht. Dieses bedeute nicht, daß die Kir85 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 14.2.1978, Gesch.Nr.1 AZR 280/77, in: AP Nr.26 zu Art. 9 GG; kritisch hierzu B.-O. Kuper, BundesarbeitsgerichtsRechtssprechung zum kirchlichen Selbstbestimmungsrecht, in: Caritas-Korrespondenz 1978, Heft 6, S. 3 - 8. 86 Bundesarbeitsgericht, in: AP Nr.26 zu Art. 9 GG.
5. Kap.: Grenzen selbständiger Gestaltung
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chen in jeder Hinsicht "außerhalb der Verfassung und Gesellschaftsordnung stehen". Die Kirchen hätten das Grundgesetz und die für alle geltenden Gesetze zu beachten, wenn sie sich zur Regelung ihrer Angelegenheiten "in weltlicher Weise weltlicher Mittel bedienen". Deshalb sei dem Vordergericht darin beizupflichten, "daß die Kirchen an das trotz ihrer Autonomie für alle geltende Arbeitsrecht gebunden und dieserhalb zur Beachtung des Grundgesetzes verpflichtet sind, wenn sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben Menschen in abhängiger Stellung als Arbeitnehmer beschäftigen". Die Kirchen stünden auch nicht völlig außerhalb des Kollektivarbeitsrechts. Eine der wesentlichen Aufgaben der Koalitionen bestehe insbesondere darin, das Recht der Arbeitsbedingungen zu vereinbaren. Es könne dahingestellt bleiben, ob kirchliche Einrichtungen tariffähig seien und ggf. durch Kampfmaßnahmen zum Tarifabschluß gezwungen werden könnten. Es sei unstreitig, daß zahlreiche Mitarbeiter der beklagten Einrichtung der klägerischen Koalition angehörten. Bei einem so schon vorhandenen Ansatzpunkt könnten die Kirchen die Gewerkschaften nicht hindern, in einer kirchlichen Einrichtung durch betriebsfremde Beauftragte aufzutreten, um durch sie die Mitglieder zu unterstützen, sie und andere Arbeitnehmer zu informieren und neue Mitglieder zu werben81• Hierbei seien allerdings inhaltliche Schranken zu beachten. Insbesondere dürfe die Kirchenautonomie "nicht beeinträchtigt und nicht in Abrede gestellt werden"8s. Die Entscheidung weckt mehr Fragen, als sie zu beantworten vermag. So fällt auf, daß das Gericht die wissenschaftliche Diskussion über das Bestehen eines unmittelbar aus Art. 9 Abs. 3 GG hergeleiteten Zutrittsrechts betriebsfremder Gewerkschaftsmitglieder zwar sozusagen "statistisch" durch Aufzählung von Fundstellen vermerkt, dann aber sogleich beiseite schiebt und schlicht auf eine - woher abgeleitete? "Autonomie" der Gewerkschaften abstellt, selbst darüber zu entscheiden, durch wen sie zum Zweck der Werbung und Information tätig werden wollen. Bei allem Verständnis dafür, daß es Aufgabe eines Gerichts ist, den konkreten Fall zu entscheiden und nicht, Beiträge zu einer wissenschaftlichen Auseinandersetzung zu leisten, hätte man doch gerade in einer so kontroversen Frage ein genaueres Eingehen auf jene Stimmen erwartet, die sich mit grundsätzlichen verfassungsrechtlichen Argumenten gegen ein aus Art. 9 Abs.3 GG folgendes Zutrittsrecht der Gewerkschaften aussprechen, und zwar nicht nur in bezug auf kirchliche Einrichtungen, sondern ganz allgemein89• 87 88
Ebd. Ebd.
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Als ausgesprochen oberflächlich muß man die staatskirchenrechtlichen Passagen der Entscheidung bezeichnen. Beim pauschalen Hinweis auf die Bindung der Kirchen an das Grundgesetz und die für alle geltenden Gesetze wird der ebenfalls verfassungsrechtliche Rang des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts und die aus ihm folgenden Grenzen der Anwendung jeglichen staatlichen Rechts auf die Kirchen nicht gesehen, jedenfalls nicht erwähnt. Deshalb ist auch undifferenziert von der Anwendung des "allgemeinen Arbeitsrechts" auf alle kirchlichen Arbeitnehmer die Rede. Die Möglichkeit einer Ausnahme wird zwar für Personen in Betracht gezogen, die "mit ihrer Tätigkeit in besonderer Art die kircheneigentümlichen Belange verwirklichen (z. B. Pfarrassistenten)"90. Hierbei wird jedoch völlig außer acht gelassen, daß etwa das Bundesverfassungsgericht die caritativ-diakonische Tätigkeit der Kirchen - die beklagte Einrichtung war eine solche der Diakonie - als Form der Religionsausübung gern. Art. 4 GG bezeichnet hat91, was nicht ohne Einfluß auf den Charakter der Arbeitsverhältnisse, in denen die caritativ-diakonische Aufgabe erfüllt wird, bleiben kann. Auch der Hinweis darauf, daß die Kirchen "auch nicht völlig außerhalb des Kollektivarbeitsrechts" stünden, ist höchst pauschal. Es reicht hier nicht aus, allgemein auf die Aufgabe der Koalitionen, die Arbeitsbedingungen zu vereinbaren, also das Tarifvertragssystem, zu verweisen. Im Blick auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht und die Entscheidung der Kirchen für ein eigenes System zur Regelung der Arbeitsbedingungen 92 hätte vielmehr geprüft werden müssen, ob die hiernach im Bereich der kirchlichen Einrichtungen verbleibende rechtliche Rolle der Koalitionen eine so weitreichende Befugnis wie ein Zutrittsrecht betriebsfremder Gewerkschaftsbeauftragter noch deckt. Die verfassungsrechtliche überprüfung der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts durch die inzwischen eingelegte Verfassungsbeschwerde ist also dringend erforderlich. Das Bundesverfassungsgericht hat zwar ebenfalls der Mitgliederwerbung der Gewerkschaften den Schutz des Art. 9 Abs.3 GG zuerkannt, hinsichtlich der Personen, durch die Werbung ausgeübt wird, aber bislang nur entschieden, daß es nicht gerechtfertigt wäre, Gewerkschaftsmitgliedern grundsätzlich jede Werbung für ihre Gewerkschaft innerhalb ihrer Dienststelle und während der Dienstzeit zu verbieten 98. Zur Werbemöglichkeit durch betriebsfremde 89 Vgl. hierzu außer den vom Bundesarbeitsgericht zitierten Autoren auch
Th. Mayer-Maly, Anmerkung zum Urteil des LAG Ramm vom 21. 1. 1977, in:
Betriebsberater 1977, S. 749 f. 90 Bundesarbeitsgericht, in: AP Nr.26 zu Art. 9 GG. 91 BVerfGE Bd.24, S.236 (S.248). 92 Vgl. oben S. 86 ff. 93 BVerfGE Bd.28, S.295 (S.304, 306).
8 J"urlna
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5. Kap.: Grenzen selbständiger Gestaltung
Gewerkschaftsbeauftragte ist hierdurch nicht Stellung genommen. Bei der Prüfung dieser Fragen wird auch das oben erwähnte Argument einer "Autonomie" der Gewerkschaften zu wägen sein. Hierzu sollte beachtet werden, daß das Bundesverfassungsgericht nur hinsichtlich der Gestaltung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen selbst als von einer Aufgabe spricht, die "in eigener Verantwortung" der Gewerkschaften geschieht und hinzufügt, daß die Mitgliederwerbung zwar in den Schutz des Art. 9 Abs. 3 GG einbezogen sei, aber nur mittelbar dem Zweck der Koalitionen, die Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen zu wahren und zu fördern, diene 94 • Vor allem muß aber bei der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde die Bedeutung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts für die Gestaltung der kirchlichen Arbeitsverfassung in den Blick genommen und gewürdigt werden. Aus ihm ergibt sich z. B., daß man bezüglich der Frage, ob das Zutrittsrecht gegen Art. 13 GG, das Hausrecht also, verstößt, bei einer kirchlichen Einrichtung nicht mit der Kennzeichnung des "Betriebs" als "Ort des Zusammenwirkens von Leitung, Arbeit und Kapital" operieren kann9s, man vielmehr die Eigenart kirchlichen Wirkens beachten muß, die Auswirkungen auch auf die Ausgestaltung der Formen der Zusammenarbeit in kirchlichen Einrichtungen hat. Insgesamt ergeben sich somit schwerwiegende Bedenken gegen die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, die auch durch die vom Gericht geforderte "Respektierung" der kirchlichen Autonomie nicht beseitigt werden können.
3. Die Erkenntnis, daß die für sonstige Arbeitsverhältnisse aus den Grundrechten abgeleiteten Folgerungen nicht ohne weiteres auf den kirchlichen Dienst übertragen werden können, spielt eine besondere Rolle für die Frage, inwieweit Bindungen der kirchlichen Arbeitnehmer zulässig sind, die sich auf die bei weltlichen Arbeitsverhältnissen durch die Grundrechte geschützte Privatsphäre beziehen. Hierzu ist oben9s bereits grundsätzlich ausgeführt worden, daß das kirchliche Selbstbestimmungsrecht Regelungen trägt, die die Treuepflicht des Dienstnehmers auch auf Bereiche erstrecken, die für den Arbeitnehmer eines weltlichen Betriebes arbeitsrechtlich irrelevant, weil auch seinem Arbeitgeber gegenüber durch Grundrechte, etwa des Art. 4 oder des Art. 6 GG, geschützt wären. Hierbei wurde auch schon darauf hingewiesen, daß kirchliche Arbeitsverhältnisse hinsichtlich der hier entstehenden Fragen mit den sonst im Arbeitsrecht entwickelten Kate94 95
88
Ebd., S.295 (S. 305). Bundesarbeitsgericht, in: AP Nr.26 zu Art. 9 GG. Vgl. oben S.34.
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gorien vor allem hinsichtlich der sog. "Tendenzunternehmen" nicht erfaßt werden können 97 . Diese Fragestellungen sind im folgenden nochmals aufzunehmen. a) Die Privatsphäre des Arbeitnehmers wird im allgemeinen von seiner arbeitsrechtlichen Treuepflicht, die ihm über die reine Arbeitspflicht hinaus gebietet, "zum Erfolg der vom Arbeitgeber verfolgten Ziele beizutragen"98, nur im Ausnahmefall ergriffen, nämlich dort, wo sich unmittelbare, schwerwiegende Rückwirkungen auf den Betrieb ergeben99 • Dies wird bei Entscheidungen oder Verhaltensweisen des Arbeitnehmers, die etwa sein religiöses oder weltanschauliches Leben betreffen, durchweg nicht der Fall sein. Stärkere Bindungen ergeben sich bei den sog. "Tendenzbetrieben". Bei diesen ist auch das außerdienstliche Verhalten des Arbeitnehmers für das Arbeitsverhältnis relevant, wenn es die Tendenz oder Sicherheit des Betriebs beeinträchtigt oder dessen Ansehen schädigt, weil dort ein Arbeitnehmer besonderen und zusätzlichen Pflichten für das inner- wie das außerdienstliche Verhalten unterworfen werden kann loo . Hierbei wird aber weiter zwischen den "Tendenzträgern" ("gehobene und in etwa repräsentative Bedienstete") und den "Nichttendenzträgern" (Inhaber "von recht untergeordneten und ohne weiteres umbesetzbaren Posten") unterschieden lol . Bei den "Tendenzträgern" wird nicht nur das dienstliche, sondern auch das außerdienstliche Verhalten von der besonderen Tendenzgebundenheit erfaßt, so daß etwa Meinungsäußerungen im Privatleben, die sich mit der "exponierten Tendenzträgerschaft" nicht vertragen l02 wie auch ein sonstiges Verhalten, das der besonderen "Tendenztreuepflicht" widerspricht, gegen die Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis verstoßenlO:t. Für den "Nichttendenzträger" werden weitere Unterscheidungen für notwendig gehalten. Hinsichtlich der Meinungsäußerungen im privaten Bereich gilt er auch dann, wenn sich diese gegen die Tendenz des Betriebes richten, als grundsätzlich frei, es sei denn, daß im "Extremfall" ihn diese Äußerungen als Tendenzgegner und Tendenzverächter erweisen und "solche wiederholten Äußerungen seine Eingliederung in diesen Tendenzbetrieb negativ beeinflussen"104. 87 Vgl. oben S. 41 f. 88 Vgl. A. SöUner, S.215. 88 A. und G. Hueck, Kündigungsschutzgesetz, 9. Aufl. 1974, Rdn.96 zu § 1. 100 Vgl. statt aller E. Röper, Außerdienstliches Verhalten von Nichttendenzträgern in Tendenzbetrieben, in: NJW 1975, S. 1873 -1874, S.1873. 101 Ebd., S. 1873. 102 H. Neumann-Duesberg, Betriebsübergang und Tendenzbetrieb, in: NJW 1973, S. 268 - 272, S. 270. 103 Ebd., S. 271. 10' Ebd., S. 271. 8·
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5. Kap.: Grenzen selbständiger Gestaltung
Hinsichtlich anderer Verhaltensweisen des Nichttendenzträgers wird zwischen "tendenzaggressivem" und "tendenzdefensivem" Verhalten unterschieden. Zu "tendenzaggressivem" Verhalten, das sich also bewußt und öffentlich direkt gegen die Tendenz des Betriebes richtet, besteht keine Berechtigung. Wenn es sich hingegen nur darum handelt, daß der Nichttendenzträger "nur zufällig oder aus Gewissensgründen" in seinem Privatleben mit der Tendenz in Konflikt gerät, aber sich nicht "gezielt tendenzfeindlich" verhält, wird kein Verstoß gegen die besondere "Tendenztreuepflicht" gesehen105 • Anders gewendet bedeuten die skizzierten Grundsätze: Der Tendenzträger ist grundsätzlich dienstlich und privat zur Tendenztreue verpflichtet, der Nichttendenzträger dagegen nur dazu, die Tendenz nicht aggressiv zu bekämpfen. Ansonsten ist er in seinem privaten Verhalten frei. Neumann-Duesberg, von dem die Begriffsbildung des "tendenzaggressiven" und des "tendenzdefensiven" Verhaltens stammt, wendet diese Kategorien ausdrücklich auch auf die Kirchen und Religionsgemeinschaften an, obwohl er sieht, daß diese keine "Tendenzbetriebe" i. S. von § 118 Abs. 1 BetrVG sind. Es gebe aber "auch dort eine, z. B. (!) religiöse, Tendenz". Deshalb verletze der Religionslehrer, der in seinem Privatleben wichtige Dogmen seiner katholischen Kirche mißachtet ("etwa durch Ehebruch oder Wiederheirat nach Scheidung") die Treuepflicht aus dem Arbeitsverhältnis.
Der Nichttendenzträger aber, z. B. der Anstreicher eines katholischen Krankenhauses in der umstrittenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von 1956, der sich scheiden ließ und sich danach wieder verheiratete, habe die Tendenz des Krankenhauses nicht aggressiv bekämpft, "sondern nur tendenzdefensiv sein Privatleben in durchaus ethischer Weise gestaltet". Hierin liege kein Verstoß gegen die Tendenztreuepflicht106 • b) Es ist hier nicht die Aufgabe, die skizzierten Grundsätze hinsichtlich der Treuepflicht der Arbeitnehmer in Tendenzunternehmen einer kritischen Betrachtung zu unterziehen. Für sie spricht, daß sie eine interessengerechte Abwägung zwischen der arbeitsrechtlichen Bindung, die in Tendenzunternehmen nicht auf die reine Erbringung der Arbeitsleistung beschränkt ist, und der Freiheit der Privatsphäre, die nur beschränkt in das Arbeitsverhältnis eingebunden werden kann, ermöglichen. Das bedeutet aber nicht, daß diese Grundsätze auf den kirchlichen Dienst ohne weiteres übertragen werden können. Vielmehr sind grundlegende Unterschiede zu beachten. Diese haben ihren Ursprung 105 108
Ebd., S. 271. Ebd., S. 271.
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darin, daß die Kirchen entgegen dem gängigen Sprachgebrauch keine "Tendenzunternehmen " sind, sondern einen andersartigen Status besitzen, der aus den besonderen verfassungsrechtlichen Verbürgungen zugunsten der Kirchen, insbesondere dem in Art. 137 Abs.3 WRV garantierten Selbstbestimmungsrecht, folgtl° 7 • Ausdruck dieser Unterscheidung der Kirchen und ihrer Einrichtungen von den Tendenzunternehmen ist § 118 BetrVG, der die Tendenzunternehmen grundsätzlich, soweit die Tendenz nicht entgegensteht, dem Betriebsverfassungsrecht unterwirft, die Kirchen aber von der Geltung des Betriebsverfassungsrechts ganz ausnimmt. Diese Bestimmung kann im Blick auf das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, das ihnen, wie ausgeführt, auch die Befugnis zur selbständigen rechtlichen Gestaltung des kirchlichen Dienstes als "eigener Angelegenheit" verbürgt, nicht als singulärer Ausnahmetatbestand gewertet werden. Sie ist vielmehr eine für das Arbeitsrecht insgesamt richtungweisende Grundsatzbestimmung 108 • Es ist also nicht zulässig, die Kirchen ohne weitere Differenzierungen unter den "bereitliegenden" Begriff des Tendenzunternehmens zu subsumieren und alle weiteren Folgerungen hieraus abzuleiten. Ausgangspunkt der arbeitsrechtlichen Stellung der Kirchen ist vielmehr ihr durch Art. 137 WRV umschriebener verfassungsrechtlicher Status, der den als "Tendenzunternehmen" gekennzeichneten Arbeitgebern fehlt. Rechtsgrundlage für die Umschreibung der rechtlichen Pflichten der kirchlichen Dienstnehmer ist also das kirchliche Selbstbestimmungsrecht. Dieses garantiert, wie dargelegt wurde, der Kirche die Befugnis, den kirchlichen Dienst als Teilhabe an der Erfüllung des Auftrags der Kirche zu verstehen und ausgehend hiervon eine grundsätzliche Konformität des persönlichen Lebens als Kirchenglied mit den Lehren und Vorschriften der Kirche zu fordern. Diese Verknüpfung mit dem geistlich-religiösen Auftrag der Kirche unterscheidet den kirchlichen Dienst vom Dienst in Tendenzunternehmen109 • c) Kraft dieses verfassungsrechtlich geschützten Selbstverständnisses des kirchlichen Dienstes ist die Kirche also, wie bereits ausgeführt 107 Vgl. schon oben S. 41 f. und Anm.28, S.41; ferner Th. Mayer-Maly, Tragweite, S. 12, 10; B. Rüthers, Kirchenautonomie und gesetzlicher Kündigungsschutz, in: NJW 1976, S. 1918 - 1923, S.1922. 108 Vgl. auch Th. Mayer-Maly, Tragweite, S.8: Bei den unter § 118 Abs.2 BetrVG fallenden Betrieben und Unternehmen "tritt das staatliche Recht gänzlich zurück, ihre Ordnung steht im Zeichen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts. Die vom Gesetzgeber des BetrVG 1972 zum Ausdruck gebrachte Wertung hat auch außerhalb rein betriebsverfassungsrechtlicher Fragestellung Bedeutung. Sie läßt keine Zweifel am Vorrang des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts. " 109 Ebenso ebd., S. 10.
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5. Kap.: Grenzen selbständiger Gestaltung
wurde, ohne Verstoß gegen grund rechtliche Rechtspositionen ihrer Dienstnehmer berechtigt, auch das persönliche Verhalten der Dienstnehmer zum Gegenstand der kirchlichen Dienstrechtsnormen zu machen llo . So kann sie insbesondere verlangen, daß der kirchliche Dienstnehmer nicht gegen die fundamentalen Verpflichtungen, die sich aus der Zugehörigkeit zur Kirche ergeben und die jedem Kirchenglied obliegen, verstößt. Solche grundlegenden Verpflichtungen, die aus der Zugehörigkeit zur kirchlichen Gemeinschaft folgen, gibt es in vielerlei Hinsicht. So ist der katholische Christ zur Teilnahme am gottesdienstlichen Leben der Kirche, zur Beachtung der verbindlichen Normen für das sittliche Leben verpflichtet. Ein gültiger Eheschluß ist nach katholischer Lehre und katholischem Kirchenrecht nur bei Beachtung des kirchlichen Eheverständnisses und der aus ihm resultierenden Rechtsregeln möglich. Katholische Eltern sind verpflichtet, ihre Kinder so bald wie möglich taufen zu lassen. Sie sind ferner verpflichtet, ihre Kinder im katholischen Glauben zu erziehen. In einer gewissen Analogie zur "Tendenztreuepflicht", aber inhaltlich und hinsichtlich der Herleitung und Begründung von dieser deutlich unterschieden, ergibt sich so eine besondere Treuepflicht des kirchlichen Dienstes. Die Relevanz der kirchlichen Grundverpflichtungen für das Arbeitsverhältnis bedeutet freilich nicht, daß diese Pflichten als solche Gegenstand des Arbeitsvertrages, selbständig geschuldete Vertragspflichten würden. Es entsteht also durch Eintritt in den kirchlichen Dienst keine zusätzlich in den Arbeitsvertrag einbezogene, einen Vertragsgegenstand im strikten Sinne bildende Pflicht etwa zur Teilnahme am gottesdienstlichen Leben der Kirche. Die Relevanz der besonderen kirchlichen Treuepflicht liegt vielmehr darin, daß sie Grundlage der Befugnis ist, bei Verstößen Folgerungen für den Bestand des Arbeitsverhältnisses zu ziehen. Das Bundesarbeitsgericht spricht daher durchaus zutreffend von einer Loyalitätsobliegenheit der kirchlichen Bediensteten111 • Die Verletzung der genannten Verpflichtungen berechtigt die Kirche also nicht, ihre Erfüllung als Bestandteil der arbeitsrechtlichen Pflichten zu verlangen. Ob der kirchliche Dienstnehmer diese Verpflichtungen beachtet, bleibt vielmehr, wenn man die Pflichten isoliert betrachtet, seine private Angelegenheit, für die er grundrechtlichen Schutz beanspruchen kann. Die Kirche ist aber berechtigt, aus 110 Ebenso ebd., S. 10; B. Rüthers, Kirchenautonomie und gesetzlicher Kündigungsschutz, in: NJW 1976, S. 1919, 1920. - Ein Beispiel für solche Regelungen sind die von der Deutschen Bischofskonferenz am 10.4. 1978 beschlossenen "Richtlinien über persönliche Anforderungen an Diakone und Laien im pastoralen Dienst im Hinblick auf Ehe und Familie", Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg 1978, S. 391. 111 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.4.1978, in: NJW 1978, S. 2116 - 2120.
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dem Verstoß gegen die genannten Pflichten ihrerseits negative Folgerungen abzuleiten, indem sie das Arbeitsverhältnis kündigt112 • In verfassungsrechtlicher Sicht liegt hierin der notwendige, sachgerechte, "schonendste" Ausgleich zwischen zwei Verfassungspositionen: dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht einerseits, der durch Grundrechte geschützten "Privatheit" des kirchlichen Dienstnehmers andererseits. Keine dieser Positionen darf mit Hilfe des Rechts so durchgesetzt werden, daß die jeweils andere im Kern negiert wird. Dies wäre aber der Fall, wenn das staatliche Recht etwa mit Hilfe des grundrechtlichen Arguments die Kirche zwingen würde, der Erfüllung kirchlicher Aufgaben dienende Tätigkeiten Dienstnehmern zu übertragen bzw. solche Dienstnehmer in dieser Aufgabe zu belassen, die in schwerem Konflikt mit der Kirche leben, die sich - gemäß den kirchlichen Normen - außerhalb der kirchlichen Gemeinschaft gestellt haben. Aus der Anerkennung der Tatsache, daß bei der Bindung des kirchlichen Dienstnehmers an kirchliche Grundpflichten in arbeitsrechtlicher Betrachtung auf seiner Seite die Grundrechte (wegen ihrer für das Arbeitsrecht angenommenen "Drittwirkung") "im Spiel" bleiben, folgt weiter, daß die beschriebene Abwägung zwischen kirchlichem Selbstbestimmungsrecht und den Grundrechten nur dort zur Anerkennung des Kündigungsrechts führen kann, wo wesentliche Maximen der Kirche betroffen sind, also schwerwiegende Verstöße gegen die kirchliche Treuepflicht vorliegen. Dies ist aber bei den soeben genannten Verpflichtungen meistens der Fall, da bei ihnen Grundpositionen des kirchlichen Selbstverständnisses auf dem Spiel stehen. Dies soll nochmals für den Bereich des katholischen Eheverständnisses verdeutlicht werden. Es wurde oben113 bei der Erörterung der Frage, nach welchen Maßstäben im Konfliktsfall die Zuordnung einer Materie zu den "eigenen" kirchlichen oder den staatlichen Angelegenheiten vorzunehmen ist, die Auffassung vertreten, daß das staatliche Recht von der Verfassung gedeckt ist, wenn es für seinen Bereich die Ehe als weltliche Einrichtung betrachtet und sie somit einer nach 112 Vgl. hierzu auch die Ausführungen von Th. Mayer-Maly, Tragweite, S.9, wonach Treue- bzw. Interessenwahrungspflichten "nicht zur Treue als Gesinnung, sondern zu einer solchen Gesinnung entsprechendem Verhalten verpflichten". Mayer-Maly weist ferner darauf hin, daß aus Pflichtverletzungen dieser Art regelmäßig keine selbständigen Erfüllungsansprüche, sondern lediglich Kündigungsmöglichkeiten folgen. Dies gelte auch für kirchliche Arbeitsverhältnisse. Es sei "anzunehmen, daß auch für den kirchlichen Dienst der Sphäre der persönlichen Entscheidungen eine Sonderstellung zukommt, die es nach sich zieht, daß trotz Verletzung von Loyalitätspflichten keine Unterlassungsansprüche entstehen, sondern bloß Lösungsmöglichkeiten erwachsen". 113 Vgl. oben S. 26 f.
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5. Kap.: Grenzen selbständiger Gestaltung
diesem Grundsatz gestalteten Ordnung unterstellt, obwohl die katholische Kirche die Ehe als "eigene" Angelegenheit in Anspruch nimmt. Es wurde weiter ausgeführt, daß es aber einen Verstoß gegen das kirchliche Selbstbestimmungsrecht darstellen würde, wollte der Staat es der Kirche auch unmöglich machen, für ihren Bereich die von der sakramentalen Auffassung bestimmte Sicht der Ehe zu verwirklichen. Gerade ein solcher Verstoß ergäbe sich aber, wollte der Staat mit Hilfe seines Rechts die Kirche zwingen, Dienstnehmer in der Erfüllung kirchlicher Funktionen zu belassen, die durch ihr Verhalten die Existenz der kirchlichen Eheordnung negieren. Hierbei steht es nicht zur Debatte, ob aus kirchlicher Sicht alle Teile der heute positivierten kirchlichen Eheordnung vor den Grundlagen kirchlichen Rechts letztlich Bestand haben oder nicht. Dies ist ein innerkirchliches Probleml14 , das die Kirche im Einzelfall, wenn sie vor der Frage steht, ob sie eine Kündigung rechtfertigen kann, prüfen mag. Die Entscheidung muß aber aus der Sicht des staatlichen Rechts bei der Kirche verbleiben. Sie kann nicht im Wege einer "cura religionis" in die Kompetenz staatlicher Instanzen übergehen. d) Die grundsätzliche Berechtigung, kirchliche Dienstnehmer an die besonderen kirchlichen Gliedschaftsverpflichtungen zu binden, folgt, wie soeben ausgeführt wurde, aus der Befugnis der Kirche, kirchlichen Dienst als Teilhabe am Lebensvollzug der Kirche selbst, als Mitwirkung an der Erfüllung des Auftrags der Kirche, zu verstehen und auszugestalten. Daraus muß geschlossen werden, daß die Relevanz dieser Verpflichtungen für das Arbeitsverhältnis des kirchlichen Dienstnehmers nicht von vornherein und prinzipiell auf jene Dienstnehmer beschränkt werden kann oder muß, die in besonders enger Weise den geistlichen Auftrag der Kirche mit vollziehen, also etwa auf die Bediensteten des pastoralen und caritativ-diakonischen Dienstes im engeren Sinne. Da sich letztlich aller kirchlicher Dienst aus dem geistlichen Auftrag der Kirche legitimiert und rechtfertigt, aller kirchlicher Dienst es also mit dem Vollzug des Auftrags der Kirche zu tun hat, muß vielmehr grundsätzlich das Recht der Kirche anerkannt werden, auch diejenigen Bediensteten, die nur mittelbar dem geistlichen Auftrag dienende Aufgaben haben, innerhalb des kirchlichen Arbeitsverhältnisses den besonderen kirchlichen Treuebindungen zu unterstellen. Es wäre also zu eng, eine Befugnis zur Auferlegung solcher Verpflichtungen nur hinsichtlich sogenannter "Tendenzträger" anzunehmen. Das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirche trägt vielmehr auch kirchliche Regelungen, die eine derartige Bindung für Bedienstete vorsehen, die im Bereich eines "Ten114
Vgl. auch die Kritik bei Th. Mayer-Maly, Tragweite, S. 10.
2. Abschn.: Verfassungsrechtliche Schranken
121
denzbetriebes" nicht zu den besonders gebundenen Bediensteten gezählt werden würden. Eine grundsätzliche und von vornherein schematisch gegebene Unterscheidung zwischen "Tendenzträgern" und "Nicht-Tendenzträgern" kann also nicht anerkannt werden11l>. Dies heißt freilich nicht, daß die den nicht mit unmittelbar geistlichen Aufgaben befaßten Mitarbeitern auferlegten Bindungen denselben Umfang haben können und müssen wie etwa bei Mitarbeitern im Bereich von Verkündigung und Seelsorge. Bei den letzteren, etwa Religionslehrern oder Gemeindeassistenten, besteht eine so enge Hineinnahme in den geistlichen Dienst der Kirche, daß für das Arbeitsverhältnis bzw. die Möglichkeit seines Fortbestandes nicht nur äußere Nicht-Verstöße gegen kirchliche Maximen relevant sind, sondern ein höheres Maß der Identifikation auch der persönlichen Lebensweise mit der Kirche gefordert werden muß. Dies wird bei Mitarbeitern anderer Tätigkeitsbereiche auch aus kirchlicher Sicht nicht in demselben Umfang der Fall sein müssen. Bei diesen Mitarbeitern wird sich die Bindung in persönlicher Hinsicht darauf beschränken können, daß keine offensichtlichen, gravierende Tatbestände betreffenden Verstöße gegen kirchliche Gemeinschaftsverpflichtungen vorliegen. Dieser Gesichtspunkt ist dennoch nicht mit dem für Tendenzbetriebe entwickelten Begriff des "tendenzaggressiven" Verhaltens identisch, da für einen Verstoß gegen die kirchlichen Grundverpflichtungen schon der objektive Tatbestand genügt und kein etwa Kirchenfeindlichkeit betont bekundendes, z. B. agitatorisches Verhalten des Bediensteten vorliegen muß. Rechtlicher Maßstab ist auch hier letztlich die Abwägung zwischen dem verfassungsrechtlichen Selbstbestimmungsrecht der Kirche einerseits und einem Grundrecht, etwa dem aus Art. 4 GG, des Bediensteten andererseits. Daher steht in diesen Fällen auf seiten der Kirche nicht "nur" das Interesse an der vertragsgemäßen Erbringung der Arbeitsleistung, sondern die Realisierung des Rechts auf Gestaltung des kirchlichen Dienstrechts nach kirchlichen Maßstäben auf dem SpieL Bei der im Einzelfall zu treffenden Entscheidung muß berücksichtigt werden, daß das Ausscheiden des Bediensteten aus dem kirchlichen Arbeitsverhältnis aufgrund einer Kündigung die Verwirklichung seiner grundrechtlich geschützten Entscheidung, etwa einen Kirchenaustritt, unberührt läßt, während eine aus dem staatlichen Recht gefolgerte Verpflichtung der Kirche, einen Bediensteten, der sich durch Austritt aus der Kirche von ihr distanziert hat, weiter zu beschäftigen, die kirchliche Selbstbestimmung im Bereich des Dienstrechts in gravierender Weise beeinträchtigte. 116
So auch ebd., S. 10.
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5. Kap.: Grenzen selbständiger Gestaltung
Es versteht sich, daß mit diesen Feststellungen die in solchen Situationen gegebenen Probleme nicht beseitigt sind. Auch hier geht es aber darum, Konflikte dieser Art nicht im Wege einseitiger recht~ licher Parteinahme zu lösen, sondern das ganze Verfassungsrecht im Blick zu behalten. Bei der Ausübung der vom staatlichen Recht her gegebenen Befugnisse ist die Kirche ohnedies durch ihr eigenes Recht gehalten zu prüfen, in welchem Fall sie die Inanspruchnahme dieser Rechte vertreten kann 116 • Sie darf es sich hierbei nicht "leicht machen" und "unbesehen" Kündigungen aussprechen. Die letzte Entscheidung, in welchen Fällen die Kündigung notwendig ist, muß aber innerhalb der kirchlichen Rechtssphäre nach kirchlichen Maßstäben getroffen werden dürfen.
Das staatliche Recht darf also allenfalls fordern, daß bei Kündigungen, die auf Verstöße gegen kirchliche Grundpflichten gestützt werden, zwischen Mitarbeitern mit unmittelbar geistlichen und Mitarbeitern mit anderen Aufgaben überhaupt unterschieden wird. Unzulässig wäre es aber, von der Kirche zu verlangen, daß sie gegenüber einem Teil ihrer Mitarbeiter in jedem Fall auf die Durchsetzung ihrer Rechtsmaximen verzichtet. e) Aus dem Hinweis, daß die vorstehend erörterten besonderen Treuepflichten des kirchlichen Dienstes ihre eigentliche Wurzel in den aus der Kirchengliedschaft folgenden Bindungen haben, ergibt sich, daß sie nicht in gleichem Umfang in den Fällen gelten können, in denen nichtkatholische Bedienstete Angehörige des kirchlichen Dienstes der katholischen Kirche sind. Aufs ganze gesehen ist das zwar nur vergleichsweise selten der Fall. Vom entworfenen Grundverständnis kirchlicher Arbeit muß es sich auch um Ausnahmen handeln, die gleichwohl, in dem einen Arbeitsbereich häufiger, in anderen Bereichen dagegen fast gar nicht vorkommen. Diese Bediensteten können von der Verpflichtung, die Besonderheiten ihres Dienstgebers zu achten, nicht völlig freigestellt werden. Die für Angehörige der katholischen Kirche erwähnte persönliche Bindung kann für die andersgläubigen Bediensteten aber allenfalls analog gelten. Sie wird sich in vielen Fällen auf die Verpflichtung reduzieren, im dienstlichen Bereich nichts gegen die Bindung der Arbeit an die Grundsätze der katholischen Kirche zu unternehmen. In dieser anderen Behandlung der nichtkatholischen Kirchenbediensteten kann kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz gesehen werden. Es handelt sich vielmehr um eine zugunsten 116 Für die Zuständigkeit der Kirche, in derartigen Fällen Abstufungen vorzunehmen, auch Th. Mayer-Maly, Tragweite, S.10: "Auch die Entscheidung darüber, ob und wie innerhalb der im kirchlichen Dienst tätigen Personen eine Abstufung der allgemeinen Loyalitätsobliegenheit eingreifen soll, ist eine in die kirchliche Selbstbestimmung fallende Angelegenheit."
3. Abschn.: Für alle geltendes Gesetz
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der Religionsfreiheit der andersgläubigen Bediensteten erforderliche Ausnahme, die nichts an der Regelverpflichtung der in ganz überwiegender Zahl der eigenen Kirche angehörenden kirchlichen Bediensteten ändern kann117 • f) Konkrete Einzelfälle, in denen die vorstehend ausgeführten Grundsätze zur Anwendung kommen, ergeben sich, wenn die Zulässigkeit einer gegenüber einem kirchlichen Bediensteten ausgesprochenen, auf Verstoß gegen die besonderen Dienstpflichten gestützten Kündigung in Frage steht. Rechtlicher Rahmen einer solchen Prüfung ist regelmäßig eine Kündigungsschutzklage nach dem Kündigungsschutzgesetz. Auf die soeben dargestellten Probleme wird daher unten 118 bei der Erörterung dieses Gesetzes nochmals zurückzukommen sein. 3. Abschnitt: Kirchliches Dienstrecht und die Schranken des für alle geltenden Gesetzes
Neben den unmittelbar der Verfassung zu entnehmenden Schranken gelten für das kirchliche Dienstrecht zahlreiche "für alle geltenden Gesetze" i. S. von Art. 137 Abs.3 WRV. I. Die Schranken des für alle geltenden Gesetzes im Dienstrecht der Geistlichen
Für die Geistlichen gelten staatliche Gesetze bezüglich der Bereiche Besoldung und Versorgung. Die Bezüge der Geistlichen sind "Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit" i. S. des Einkommensteuerrechts mit allen sich daraus ergebenden Folgerungen für die Versteuerung. Der Anspruch auf die kirchenrechtlich geregelte Besoldung eines Geistlichen stellt eine der Zwangsvollstreckung gern. den staatlichen Prozeßgesetzen zugängliche Forderung dar, was durch die bereits erwähnte Regelung in Art. 8 des Reichskonkordats, nach der das "Amtseinkommen" der Geistlichen in gleichem Maße von der Zwangsvollstreckung befreit ist wie die "Amtsbezüge" der staatlichen Beamten, bestätigt wird119 • über eine entsprechende Anwendung von § 87 des Bundesbeamtengesetzes gelten daher für die Bezüge der Geistlichen die §§ 850 ff. ZPO. Aus der in der ZP0120 geregelten Unpfändbarkeit eines Teils der Gehaltsbezüge 117 Darauf, daß die Beschäftigung andersgläubiger Mitarbeiter oder von Nichtchristen einer kirchlichen Einrichtung nicht das Recht nimmt, beim Kirchenaustritt eines Kirchenangehörigen das Arbeitsverhältnis zu kündigen, weist auch Th. Mayer-Maly, Tragweite, S.10 hin. 118 Vgl. unten S. 129 ff. 119 Vgl. oben S. 49 und Anm. 17, S.49. 120 Vgl. § 850 c ZPO i. V. m. § 850 Abs. 2 ZPO, dazu Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, ZPO, 35. Aufi. München 1977, Anm. 2 B zu § 850 ZPO.
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5. Kap.: Grenzen selbständiger Gestaltung
der Geistlichen folgt über § 400 BGB auch deren Unabtretbarkeit. Das Dienstverhältnis der Geistlichen unterliegt ferner grundsätzlich der Sozialversicherung bzw. ist von dieser nur insoweit befreit, als die Voraussetzungen der Befreiungstatbestände etwa des Angestelltenversicherungsgesetzes durch entsprechende kirchliche Versorgungsgarantien gegeben sind. Ob diese Voraussetzungen tatsächlich vorliegen, entscheidet nicht die Kirche, sondern aufgrund von § 6 A VG die zuständige staatliche Stelle durch Erteilung eines Gewährleistungsbescheides. Deshalb ist die Kirche bei Ausscheiden eines Geistlichen aus dem kirchlichen Dienstverhältnis gern. § 9 AVG zur Nachversicherung verpflichtet. Die Anwendung dieser Regelung für Geistliche verstößt nicht gegen das kirchliche Selbstbestimmungsrecht, sondern stellt eine aus dem Sozialstaatsprinzip gefolgerte zulässige Bindung der Kirche an staatliches Recht dar. Ihr kann insbesondere auch nicht das eigene "Verschulden" des aus dem Dienst der Kirche ausgeschiedenen Geistlichen entgegengehalten werden 121 • 11. Die Scltranken des für alle geltenden Gesetzes im kircbliclten Beamtenrecltt
Hinsichtlich der kirchlichen Beamten kann für den Bereich der Besoldung und der Versorgung auf das soeben für die Geistlichen Ausgeführte entsprechend verwiesen werden. Es gelten insbesondere auch die dargestellten Regelungen des Sozialversicherungsrechts über die Voraussetzungen der Befreiung von der Sozialversicherungspflicht sowie die Verpflichtung zur Nachversicherung. Ansonsten kommen staatliche Rechtssätze nur in seltenen Fällen für kirchliche Beamte zur Anwendung. Unmittelbare Geltung auch für kirchliche Beamtenverhältnisse hat wohl § 9 des Arbeitsplatzschutzgesetzes, der eine besondere Sicherstellung von Beamten während ihres Wehrdienstes und ihrer Wehrübungen vorsieht. Zwar definiert § 15 Abs.3 des Arbeitsplatzschutzgesetzes "öffentlichen Dienst" i. S. der im staatlichen Recht üblichen Begriffsbestimmung unter ausdrücklichem Ausschluß des Kirchendienstes. § 9 ArbPISchG spricht aber allgemein und ohne ausdrücklichen Bezug auf den öffentlichen Dienst von "Beamten". Es wäre im übrigen auch bedenklich, wenn es den Kirchen freistünde, bezüglich des Schutzes des Kirchenbeamten während der Dauer des Wehrdienstes eigene Regelungen erlassen zu können. Bei privatrechtlichen Bediensteten der Kirchen ist diese Freiheit nicht gegeben, da § 1 ArbPlSchG eine allgemeine Regelung für alle Arbeit121 Vgl. hierzu auch W. Rüfner, Grundrechte, in: Essener Gespräche 7, S.23/24 und S.17 sowie dort Anm. 37; zur Sozialversicherungsfreiheit kirchlicher Dienstverhältnisse vgl. J. Frank, Dienst- und Arbeitsrecht, in: Hdb StKirchR I, S. 708 f.
3. Abschn.: Für alle geltendes Gesetz
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nehmer enthält und für Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes, wozu die Kirchen nach der genannten ausdrücklichen Vorschrift nicht zählen, lediglich einige besondere Regelungen hinzufügt. Es besteht keine Veranlassung anzunehmen, daß in Abweichung hiervon die Kirche hinsichtlich ihrer Beamten, die die staatsbürgerliche Pflicht des Wehrdienstes erfüllen, nicht gebunden sein sollte. Grundsätzliche Geltung für kirchliche Beamte hat auch das Schwerbehindertengesetz, dessen Bedeutung für das einzelne Dienstverhältnis bei Beamten allerdings gering ist122 • Andere staatliche Schutzgesetze, wie etwa das Mutterschutzgesetz, die Arbeitszeitordnung oder das Bundesurlaubsgesetz, gelten nicht für Kirchenbeamte, da sie sich nur auf im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis stehende Bedienstete beziehen. Die entsprechenden Regelungen für staatliche Beamte finden sich in den Beamtengesetzen des Bundes und der Länder bzw. in auf ihnen beruhenden Vorschriften, die wegen der Beschränkung des Geltungsbereichs auf den staatlichen öffentlichen Dienst für die Kirchenbeamten nicht direkt anwendbar sind. Es ist also Sache der Kirchen, hier eigene Regelungen zu erlassen, was meist durch Übernahme des entsprechenden staatlichen Rechts geschiehV 23 •
m. Die Schranken des für alle geltenden Gesetzes und die privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse der Kirche 1. Die privatrechtlichen Beschäftigungsverhältnisse der Kirche sind, wie ausgeführt wurde, unter die Arbeitsverhältnisse einzuordnen. Auch das für die kirchlichen Arbeitsverhältnisse maßgebende Recht kann in großem Umfang von der Kirche kraft ihres Selbstbestimmungsrechts selbst gesetzt werden. Auf der anderen Seite spielt jedoch der Vorbehalt des für alle geltenden Gesetzes, die Bindung der kirchlichen Gestaltungsfreiheit durch staatliches Arbeitsrecht, für die kirchlichen Arbeitsverhältnisse eine besondere Rolle.
Dabei ist freilich zunächst zu beachten, daß das allgemeine Arbeitsrecht in großem Umfang dispositive, der Gestaltungsfreiheit der an der Arbeitsrechtsbeziehung Beteiligten unterliegende Vorschriften enthält. Es versteht sich, daß hier auch die Kirche frei ist, die ihrem Dienst gemäße Ordnung auf der Grundlage ihres Selbstbestimmungsrechts selbst zu entwickeln. Eine aus der Schrankenklausel folgende Bindung kommt also nur bei den zwingenden, grundsätzlich unabdingbaren 122 Zur Geltung des Schwerbehindertengesetzes für die Kirchen vgl. § 4 Abs.3 Nr.4 SchwbG und H. Wilrodt / D. Neumann, Schwerbehindertengesetz, 4. Aufl. München 1976, Rdn.44 zu § 4 SchwbG; zur Geltung des Gesetzes für Beamte vgl. dies., ebd., Rdn. 9 und 12 ff. zu § 47 SchwbG. 123 Zur Verpflichtung, mutterschutzrechtliche Vorschriften zu erlassen, vgl. oben S.107.
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5. Kap.: Grenzen selbständiger Gestaltung
Rechtsvorschriften des staatlichen Arbeits- und Sozialrechts in Betracht124 • Auch hier sind aber Einschränkungen zu beachten. Gemäß den ausgeführten Grundsätzen zur Interpretation der Schrankenklausel, bei der immer nicht nur die Bindung an für alle geltende Gesetze, sondern auch die Garantie freier kirchlicher Selbstbestimmung zu beachten und zu sichern ist, ergeben sich nämlich auch hinsichtlich der Geltung des grundsätzlich verbindlichen Arbeit&- und Sozialrechts charakteristische Besonderheiten für den kirchlichen Dienst. Vor allem der vom Bundesverfassungsgericht entwickelte Grundsatz, daß ein Gesetz, das die Kirche nicht wie den "Jedermann", sondern anders und härter trifft, keine Schranke der kirchlichen Gestaltungsfreiheit bildet, hat hier ein wichtiges Anwendungsfeld. AIleine die Tatsache, daß ein bestimmter arbeitsrechtlicher Rechtssatz für die übrigen Arbeitsverhältnisse zwingenden Charakter hat, kann also nicht auch schon seine unbedingte Geltung für kirchliche Arbeitsverhältnisse begründen. Vielmehr ist jeweils zu prüfen, ob seiner Anwendung nicht kirchliche, durch das Selbstbestimmungsrecht des Art. 137 Abs.3 WRV geschützte Grundsätze entgegenstehen, ob seine Geltung im kirchlichen Arbeitsrecht mit dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht vereinbar ist. Dieser Sachverhalt findet zum Teil schon in den staatlichen Regelungen selbst ausdrücklichen Niederschlag. Prototypen solcher Ausnahmebestimmungen sind § 118 Abs.2 des Betriebsverfassungsgesetzes bzw. § 112 des Bundespersonalvertretungsgesetzes, die die Geltung der genannten Gesetze für die Religionsgemeinschaften und deren caritative und erzieherische Einrichtungen ausschließen und somit den Weg zur Schaffung eines eigenen kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts freigeben. Auf dieses wird noch einzugehen sein125• Andere Gesetze enthalten solche ausdrücklichen Ausnahmetatbestände für den kirchlichen Dienst nicht. Dies bedeutet aber keineswegs, daß sie deshalb ohne Berücksichtigung der Besonderheiten der kirchlichen Arbeitsverhältnisse auf diese anzuwenden wären. Vielmehr sind diese Besonderheiten jeweils im Wege der Interpretation zur Geltung zu bringen. Diese Erwägungen spielen, wie sogleich zu zeigen sein wird, eine besondere Rolle im Bereich des Kündigungsschutzrechts. 124 Zur grundsätzlichen Geltung des Arbeitsrechts vgl. auch R. Richardi, Kirchlicher Dienst, in: ZevKR Bd.19, S.288; ders., Anmerkung zum Urteil des ArbG Köln vom 18.2.1976, in: Arbeitsrechts-Blattei "Kirchenbedienstete" Entscheidung 10, Abschnitt I, 1 c; J. Frank, Dienst- und Arbeitsrecht, in: HdbStKirchR I, S. 702 f. Ein theoretisch etwas unterschiedlicher Ansatz, der von einer grundsätzlichen Subsidiarität des staatlichen Rechts, freilich unter Beachtung seiner elementaren Prinzipien, ausgeht, findet sich bei Th. MayerMaly, Tragweite, S. 5 f. Die praktischen Ergebnisse dürften gar nicht oder kaum differieren. 125 Vgl. unten S. 151 ff.
3. Abschn.: Für alle geltendes Gesetz
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Demnach muß die häufig anzutreffende Aussage, für die Arbeitsverhältnisse der Kirche gelte das allgemeine Arbeitsrecht126 , aus grundsätzlicher Sicht eingeschränkt und differenziert werden. Sie trifft als zusammenfassende Kennzeichnung der nach Einzelprüfung der verschiedenen Arbeitsrechtssätze gewonnenen Ergebnisse zwar weitgehend zu, darf aber nicht als systematische Grundsatzaussage mißverstanden werden. 2. Im einzelnen gilt: a) Die kirchlichen Arbeitsverhältnisse unterliegen grundsätzlich dem allgemeinen Individualarbeitsrecht127 , das nach wie vor vor allem auf dem Dienstvertragsrecht des BGB aufbaut, aber durch Arbeitsrechtslehre und Rechtsprechung entfaltet und fortentwickelt wurde. Es gelten also die allgemeinen Regeln über die Begründung und die Beendigung des Arbeitsverhältnisses, über die Pflichten zur Zahlung der Arbeitsvergütung, über die Haftung von Arbeitgeber und Arbeitnehmer, über die Arbeits- und Treuepflicht des Arbeitnehmers sowie die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers usw. Soweit es sich hierbei um Regelungen zwingenden Charakters handelt, dürfen auch die Kirchen prinzipiell nicht von ihnen abweichen. Es handelt sich durchweg um sehr allgemeine Regeln, bei denen eine Kollision mit dem Selbstbestimmungsrecht nicht ersichtlich ist. Auch die Kirchen dürfen also z. B. bei noch so schwerwiegenden Verstößen des Arbeitnehmers gegen seine besondere Treuepflicht einen Arbeitsvertrag nur unter Beachtung der materiellen und formellen Inhalte des § 626 BGB kündigen. Sie sind für die Fortzahlung der Vergütung im Krankheitsfalle mindestens an die Regelung des § 616 Abs.2 BGB (Vergütungszahlung auf die Dauer von 6 Wochen) gebunden. Soweit das allgemeine Arbeitsrecht dispositiven Charakter hat, können auch die Kirchen wie jeder Arbeitgeber abweichende Regelungen und Vereinbarungen treffen. Dies geschieht insbesondere dort, wo die Kirche tarifliche Regelungen des öffentlichen Dienstes übernimmt, in großem Umfang zugunsten der Dienstnehmer, z. B. bei der Länge der Kündigungsfristen sowie der Dauer der Vergütungszahlung im Krankheitsfall (jeweils Verlängerung der Mindestfristen des BGB nach bestimmter Dauer des Arbeitsverhältnisses). b) Die kirchlichen Arbeitsverhältnisse sind Arbeitsverhältnisse i. S. des Steuer- und des Sozialversicherungsrechts. Soweit also keine ausdrücklichen Befreiungstatbestände eingreifen, unterliegen ArbeitnehVgl. z. B. R. Richardi, Kirchlicher Dienst, in: ZevKR Bd.19, S.292. Vgl. dazu die Lehrbücher des Arbeitsrechts, statt aller W. Zöllner, Arbeitsrecht, München 1977, S. 91 ff. 120
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5. Kap.: Grenzen selbständiger Gestaltung
mer des kirchlichen Dienstes wie andere Arbeitnehmer der Sozialversicherung. Dies bedeutet die Verbindlichkeit der Vorschriften über die Renten- und die Krankenversicherung und die Geltung der gesetzlichen Unfallversicherung. Mit der gesetzlichen Unfallversicherung verbunden ist die Geltung aller zwingenden Vorschriften des staatlichen Unfallverhütungsrechts. Insbesondere unterliegen die Kirchen hier auch der Zuständigkeit der kraft Gesetzes mit der Durchführung der Unfallversicherung beauftragten Berufsgenossenschaften. c) Grundsätzliche Geltung für die kirchlichen Arbeitsverhältnisse haben auch die besonderen arbeitsrechtlichen Schutzgesetze. So unterliegen Arbeitsverhältnisse von Frauen im kirchlichen Dienst dem Mutterschutzgesetz128 , Arbeitsverhältnisse von Jugendlichen dem J ugendarbeitsschu tzgesetz. Als Mindestregelung gilt auch im kirchlichen Dienst das Bundesurlaubsgesetz, das freilich wegen der schon erwähnten übernahme des Tarifrechts des öffentlichen Dienstes jedenfalls für die "hauptberuflichen", d. h. die mit mehr als der Hälfte der Regelarbeitszeit beschäftigten Dienstnehmer, keine Rolle spielt, da die z. B. im BAT enthaltene Urlaubsregelung weitaus günstiger ist als die Mindesturlaubsdauer nach dem Bundesurlaubsgesetz. Bedeutung hat das Bundesurlaubsgesetz aber für die gerade im kirchlichen Dienst zahlreichen nebenberuflichen Mitarbeiter, die neben ihrem Hauptberuf eine kirchliche Tätigkeit, etwa als Mesner, Organist oder dgl., übernommen haben129 • Geltung für den kirchlichen Dienst der Angestellten und Arbeiter hat ferner grundsätzlich die Arbeitszeitordnung13o • Damit ist - jedenfalls soweit es sich um "Betriebe" und "Verwaltungen" der Kirche i. S. von § 1 AZO handelt - insbesondere der Grundsatz des 8-Stunden-Tages auch für die Kirche verbindlich131 • Die arbeitsrechtliche Literatur hält im übrigen die Befugnis der Kirche für gegeben, im 128 Gemäß seinem § 1 gilt das Mutterschutzgesetz für Frauen, die in einem Arbeitsverhältnis stehen. Daraus wird die Unanwendbarkeit dieses Gesetzes für Beschäftigte, deren Tätigkeit in erster Linie caritativen oder religiösen Motiven dient, gefolgert (vgl. G. Bulla! H. Buchner, Mutterschutzgesetz, 4. Auf!. München 1976, Rdn. 72 zu § 1 MuSchG). Dies trifft für Arbeitnehmerinnen im kirchlichen Dienst jedoch nicht von vornherein zu. Diese stehen vielmehr grundsätzlich in einem echten Arbeitsverhältnis. Zum Problem, inwieweit aus religiösen Gründen Tätige unter den Arbeitnehmerbegriff fallen, vgl. auch Th. Mayer-Maly, Arbeitsrecht und Kirchen, in: Essener Gespräche 10, S. 129 ff. 129 Vgl. etwa § 17 der Mesnerdienst- und Vergütungs ordnung des Erzbistums Freiburg vom 18. 11. 1974, Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg S. 175. 130 Vgl. J. Denecke ! D. Neumann, Arbeitszeitordnung, München 1976, Rdn. 21 zu § 1 AZO. 131 Vgl. ebd, Rdn. 12 zu § 1; ferner Th. Mayer-Maly, Tragweite, S.8.
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Rahmen der Schaffung eines eigenen Dienstrechts auch eigene Arbeitszeitregelungen zu erlassen. Hierbei wird auch anerkannt, daß "für besondere fürsorgerische und seelsorgerische Aufgaben" selbst der Grundsatz des 8-Stunden-Tages nicht beachtet werden müßte 132 • Dieser Hinweis trifft zu. Der 8-Stunden-Tag, der für ganz andere Arbeitssituationen, nämlich insbesondere für die betriebliche Arbeit, fixiert wurde, könnte auf pastorale und caritativ-diakonische Tätigkeiten nur unter Verkennung der eigen gearteten Prägung dieser Tätigkeitsbereiche übertragen werden. Es wäre nicht zulässig, hier von der Kirche den Verzicht auf eigene Maßstäbe zu fordern. Dies bedeutet auf der anderen Seite keine Berechtigung der Kirche, ihre Dienstnehmer auch der pastoralen und caritativ-diakonischen Bereiche ohne Arbeitszeitschutz zu lassen. Praktisch spielen diese Fragen allerdings wegen der grundsätzlichen übernahme des Arbeitszeitrechts des öffentlichen Dienstes durch die Kirche eine geringe Rolle. Geltung für den kirchlichen Dienst hat ferner das Schwerbehindertengesetz 133• Neben der Bindung der kirchlichen Dienstgeber an die im Gesetz vorgesehene Beschäftigungspflicht einschließlich der Verpflichtung zur Entrichtung der Ausgleichsabgabe ergibt sich so vor allem auch eine Geltung des besonderen Kündigungsschutzes für schwerbehinderte Angestellte und Arbeiter des kirchlichen Dienstes. Die Geltung des Arbeitsplatzschutzgesetzes wurde bereits oben hervorgehoben. Schließlich ist zu erwähnen, daß auch die in der ZPO enthaltenen Vorschriften über den Lohnpfändungsschutz für kirchliche wie für alle Arbeitnehmer anzuwenden sind. d) Auch das staatliche Kündigungsschutzrecht gilt für die Arbeitsverhältnisse des kirchlichen Dienstes. aa) Es handelt sich hierbei zum einen um das Gesetz über die Fristen für die Kündigung von Angestellten vom 9. Juli 1926, das einen formellen Kündigungsschutz durch Verlängerung der Kündigungsfristen bei längerer Beschäftigungsdauer normiert. Die praktische Bedeutung dieser gesetzlichen Mindestvorschriften ist allerdings im Hinblick auf die weitgehende übernahme des Dienstrechts für Angestellte und Arbeiter des öffentlichen Dienstes durch die Kirche gering. bb) Von großer Bedeutung ist dagegen der materielle Kündigungsschutz durch das Kündigungsschutzgesetz, das in Betrieben und Verwaltungen mit mindestens 6 Bediensteten die Kündigung eines Ar132 199
So J. Denecke / D. Neumann, Rdn.12 zu § 1. Vgl. H. Wilrodt / D. Neumann, Rdn.44 zu § 4 SchwbG.
11 .Turina
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beitnehmers, dessen Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate bestanden hat, für rechtsunwirksam erklärt, wenn sie "sozial ungerechtfertigt" ist134 . An der grundsätzlichen Geltung des Kündigungsschutzgesetzes für den kirchlichen Dienst bestehen keine ZweifeP35. Allerdings enthält das Gesetz auch Tatbestände, die so eng mit dem staatlichen Betriebsverfassungs- bzw. Personalvertretungsrecht verknüpft sind, daß sie mangels Anwendbarkeit des Betriebsverfassungs- bzw. des Personalvertretungsgesetzes für die Kirche außer Betracht bleiben müssen136 . 134 Einschlägig sind vor allem § 1 Abs. 1 KSchG und § 1 Abs.2 KSchG. Diese lauten: ,,(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist. (2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn 1. in Betrieben des privaten Rechts a) die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt, b) der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat, 2. in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts a) die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt. b) der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweiges an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebietes weiterbeschäftigt werden kann und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat. Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen." 135 Hiervon geht die gesamte arbeitsrechtliche Literatur und Rechtsprechung aus, vgl. statt aller B. Rüthers, Kirchenautonomie und gesetzlicher Kündigungsschutz, in: NJW 1976, S.1919 und R. Richardi, Anmerkung zum Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 18. 2.1976, in: AR-Blattei Entscheidung 10, Abschnitt 1. 136 Vgl. vor allem § 1 Abs.2 S.2 KSchG und § 15 KSchG.
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Ansonsten gilt aber, daß auch ein kirchlicher Angestellter oder Arbeiter eine ihm gegenüber ausgesprochene Kündigung durch Klage vor den Arbeitsgerichten anfechten kann bzw. muß, falls er der Auffassung ist, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt gewesen. Wie auch bei anderen Arbeitgebern führt die Erhebung der Klage im Regelfall zu einer Umkehr der Beweislast1 37 : der kirchliche Dienstgeber muß also beweisen, daß die Kündigung sozial gerechtfertigt war. ce) Hinsichtlich der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "sozial ungerechtfertigt" gibt es eine Reihe von Fallgestaltungen, in denen sich für den kirchlichen Dienst keine Besonderheiten ergeben. Es berechtigen also zur Kündigung etwa die mangelnde fachliche Eignung des Bediensteten, das Fehlen oder der Fortfall bestimmter körperlicher oder gesundheitlicher Voraussetzungen, die für die Erfüllung der vertraglich übernommenen Tätigkeit gefordert werden müssen, die Störung des Betriebsfriedens, die von einem einzelnen Bediensteten ausgeht, das Begehen strafbarer Handlungen, die die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Arbeitsverhältnis beeinträchtigen, betriebliche oder wirtschaftliche Gründe, die eine Kündigung zwingend erforderlich machen, die Auflösung eines Betriebes, ohne daß die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung besteht usw. 138 • Spezifische, durch neue re Gerichtsentscheidungen besonders aktuell gewordene Fragestellungen ergeben sich jedoch für Kündigungen, die auf Verstöße gegen die oben erörterten besonderen Treuepflichten des kirchlichen Dienstes gestützt werden. Diese besonderen Treuepflichten sind, wie ausgeführt wurde, Teil der Verpflichtungen aus dem kirchlichen Arbeitsverhältnis. Sie können zwar nicht selbständig, etwa mit Hilfe einer Klage auf Erfüllung oder Unterlassung, durchgesetzt werden. Die Kirche hat aber immer das Recht beansprucht, bei Verletzung der besonderen Pflichten eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung aussprechen zu können139 • Diese Auffassung stand lange Zeit auch außer Frage. Als maßgebendes, wenngleich in der Literatur kritisiertes höchstrichterliches Urteil galt die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 31. 1. 1956 140 im Fall eines Anstreichers eines kath. Krankenhauses. Diesem war vom Krankenhausträger, einer kath. Kirchengemeinde, wegen "sittenwidrigen Verhaltens" gekündigt worden, weil er, nachdem seine Ehe aus alleiniger Schuld seiner Ehefrau geschieden worden war, mit einer im gleichen Krankenhaus tätigen 18jährigen Hausgehilfin intime Be137 138 139 140
Vgl. dazu A. Hueck / G. Hueck, Rdn. 149 ff. zu § 1 KSchG. Vgl. ebd., Rdn. 81 ff. zu § 1 KSchG. Vgl. oben S.119. BAGE Bd.2, S. 279 = AP, KSchG § 1, Nr. 15.
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ziehungen aufgenommen hatte und sich mit dieser, als sie ein Kind von ihm erwartete, standesamtlich trauen ließ. Die Instanzgerichte hielten die Kündigung für sozial ungerechtfertigt. Demgegenüber vertrat das Bundesarbeitsgericht die Auffassung, daß sämtliche Beschäftigten eines "Tendenzunternehmens" an dessen Zweckbestimmung gebunden seien. Deshalb könne ein Arbeitgeber, der sich mit seinem Unternehmen einer "achtbaren politischen, gewerkschaftlichen, konfessionellen, caritativen, wissenschaftlichen, künstlerischen oder ähnlichen Zweckbestimmung" widme, einem Arbeitnehmer fristgemäß kündigen, der sich zu dieser Zweckbestimmung nachhaltig in einer Weise in Widerspruch setze, welche die betrieblichen Interessen berühre. Ein solcher Arbeitnehmer habe keinen Anspruch auf Kündigungsschutz 141 . Dies gelte auch in dem Fall des standesamtlichen Eheschlusses des Bediensteten des kath. Krankenhauses. Dieser sei an die Tendenz des katholischen Krankenhauses in doppelter Hinsicht gebunden, obwohl er als Handwerker nicht an der unmittelbaren Aufgabe der Krankenpflege teilgenommen habe: einmal durch sein Bekenntnis zum katholischen Glauben, zum anderen durch sein 20 Jahre währendes Arbeitsverhältnis mit dem Krankenhaus. Es wäre von einer Kirchengemeinde zu viel verlangt, wenn man sie zwingen wollte, bei sich das Arbeitsverhältnis eines katholischen Arbeitnehmers zu bejahen, der aus der aktiven Glaubensgemeinschaft wegen Verstoßes gegen die katholischen Eheregeln ausgeschlossen seP42. Dem vom Kläger ins Feld geführten Grundrecht des Art. 6 GG hat das Bundesarbeitsgericht dabei ausdrücklich das Recht des Krankenhausträgers aus Art. 4 Abs. 2 GG gegenübergestellt143. Unter ausdrücklicher Berufung auf dieses Urteil hat das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in einer Entscheidung vom 25. Mai 1960 ausgeführt, daß auch die Leiterin eines Kindergartens einer evangelischen Kirchengemeinde, die ihrem Verlobten die katholische Erziehung ihrer künftigen Kinder verspreche, sich mit der Zweckbestimmung des Betriebs in Widerspruch setze, was den Arbeitgeber zur Kündigung berechtige 144. Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von 1956 ist vielfältiger Kritik begegnet145. Diese richtete sich allerdings weniger gegen die Grundsatzaussage des Gerichts als gegen die Anwendung der ent141 Ebd., S. 279 (281 f.). 142 Ebd., S. 279 (281). 143 Ebd., S. 279 (284). 144 LAG Düsseldorf, Urteil vom 25. 5. 1960, KirchE 5, 186. 145 Vgl. die Nachweise und Ausführungen bei Th. Mayer-Maly, Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S. 135 f.; positive Stellungnahme zu dem Urteil bei J. Listl, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Rechtsprechung der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1971, S. 337 ff.
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wickelten Grundsätze auf einen Arbeitnehmer in der Funktion des Klägers. Hierbei wird meist mit dem Bundesarbeitsgericht darauf abgestellt, daß das kath. Krankenhaus ein "Tendenzbetrieb" ist und somit die Unterscheidungen zwischen "Tendenzträgern" und "Nichttendenzträgern" zum Zuge zu kommen hätten l46. dd) Neue Aktualität hat das in der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts behandelte Problem durch eine Reihe neuerer Urteile von Instanzgerichten gewonnen, die zum Teil die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ausdrücklich ablehnen. Eine besondere Rolle spielt hierbei das Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarbrücken vom 29. Oktober 1975147. In dem hier zugrundeliegenden Fall hatte eine katholische Kirchengemeinde, die Trägerin eines Kindergartens ist, der Leiterin dieses Kindergartens gekündigt, weil diese einen geschiedenen Mann geheiratet hatte, mit dem im Hinblick auf den kirchlichen Fortbestand seiner ersten Ehe ein kirchlicher Eheschluß nicht möglich war. In seiner Entscheidung bestätigt das Gericht die Auffassung der ersten Instanz, daß die Kündigung sozial nicht gerechtfertigt und daher wegen Verstoßes gegen das Kündigungsschutzgesetz unwirksam sei. Das Gericht äußert Zweifel daran, "ob die Eheschließung der Klägerin mit einem geschiedenen Partner heute noch auch aus kirchlicher Sicht eine schwere Verfehlung darstelle"148. Die weitere Klärung dieser Frage bleibt aber dahingestellt, weil die Entscheidung über die Zulässigkeit der Kündigung nicht nach kirchlichem Recht, sondern "allein und ausschließlich nach arbeitsrechtlichen Kriterien zu treffen" sei. Danach sei aber "grundsätzlich bei der Bewertung eines Verhaltens streng zu unterscheiden, ob dieses der dienstlichen oder privaten Sphäre des Arbeitnehmers zuzurechnen ist". Gehöre ein Verhalten zum privaten Bereich, so sei ein Kündigungsgrund in der Regel nur gegeben, wenn z. B. eine strafbare Handlung oder unsittlicher Lebenswandel vorliege und schwerwiegende Auswirkungen auf den betreffenden Betrieb die Folge seien.
Die Eheschließung der Klägerin sei eindeutig dem privaten Bereich zuzurechnen. Sie begegne nach dem staatlichen Recht nicht nur keinerlei Bedenken. Das Recht der Eheschließung mit dem Partner eigener Wahl sei vielmehr sogar verfassungsrechtlich geschützt. Es ergebe sich auch keine andere Beurteilung dadurch, daß die Klägerin Leiterin eines katholischen Kindergartens war. Zwar schränke 148 Vgl. die Kritik bei Th. Mayer-Maly, Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S. 135/136. 147 NJW 1976, S. 645. 148 Ebd., S. 645.
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§ 118 BetrVG die Anwendung dieses Gesetzes auf Tendenzunternehmen und Religionsgemeinschaften ein. "Eine dementsprechende Vorschrift enthält das Kündigungsschutzgesetz nicht. Es kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, daß Tendenzbetrieben und Religionsgemeinschaften i. S. des § 118 BetrVG im Hinblick auf die soziale Rechtfertigung der gegenüber ihren Arbeitnehmern ausgesprochenen Kündigungen Sonderrechte zustehen." Im allgemeinen Arbeitsrecht sei zwar eine Sonderstellung der Tendenzbetriebe anerkannt. Hierauf baue auch das Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 1956 auf. Dieses Urteil wird vom Landesarbeitsgericht Saarbrücken jedoch ausdrücklich abgelehnt. Es fehle dieser Entscheidung, selbst wenn man den Leitsatz grundsätzlich bejahe, eine überzeugende Begründung, auf welche Weise der damalige Kläger als Handwerker der Zweckbestimmung einer caritativen katholischen Anstalt habe zuwiderhandeln können149 • Ähnliche überlegungen finden sich auch in anderen Gerichtsentscheidungen. Ein Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 14.7.1976 150 hatte sich mit der Kündigung einer Fachärztin für Anästhesie durch eine katholische Kirchengemeinde als Trägerin eines katholischen Krankenhauses zu befassen. Der Kündigung lag der Kirchenaustritt der Ärztin zugrunde, der bei Ausspruch der (fristlosen) Kündigung schon beinahe zwei Jahre zurücklag. Das Arbeitsgericht Köln hielt die Kündigung für unwirksam. Es brauche nicht entschieden zu werden, ob der Kirchenaustritt eine schwere Verfehlung gegenüber der Kirche darstelle. Die Entscheidung über die Rechtfertigung der Kündigung sei "allein und ausschließlich nach arbeitsrechtlichen Kriterien zu treffen". Hiernach sei streng zwischen dem dienstlichen und dem privaten Verhalten eines Arbeitnehmers zu unterscheiden. "Außerdienstliches Verhalten rechtfertigt nur dann die außerordentliche Kündigung, wenn es direkt oder indirekt auf den Arbeitsvertrag einwirkt." Der Kirchenaustritt der Klägerin sei dem privaten Bereich zuzurechnen. "Nach dem geltenden Recht der Bundesrepublik Deutschland bestehen gegen die Entscheidung der Klägerin nicht die geringsten Bedenken. Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind vielmehr durch das Grundgesetz ausdrücklich garantiert151 •" 149
150 151
Ebd., S. 646. Gesch. Nr. 7 Ca 1783/76, unveröffentlicht, nicht rechtskräftig. S. 13 der Ausfertigung.
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Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Tätigkeit der Klägerin in einem katholischen Krankenhaus. "Eine dem § 118 BetrVG entsprechende Vorschrift, der die Anwendung des BetrVG auf Tendenzbetriebe und Religionsgemeinschaften einschränkt, enthält weder das BGB, das das Recht zur außerordentlichen Kündigung regelt, noch das Kündigungsschutzgesetz. Es kann deshalb nicht angenommen werden, daß Tendenzbetrieben und Religionsgemeinschaften i. S. des § 118 BetrVG im Hinblick auf die Rechtfertigung der gegenüber Arbeitnehmern ausgesprochenen Kündigung Sonderrechte zustehen i52 ." Hinsichtlich der Tendenzschutzfragen weist das Arbeitsgericht Köln im übrigen wie das Landesarbeitsgericht Saarbrücken das Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 1956 zurück und stellt auf die Unterscheidung zwischen Tendenzträgern und Nichttendenzträgern im Sinne der Ausführungen von Neumann-Duesberg ab. Das katholische Krankenhaus sei zwar ein "Tendenzbetrieb im weiteren Sinn". Die ärztliche Behandlung als Hauptaufgabe des Krankenhauses sei aber eine tendenzneutrale Aufgabe. Die Klägerin sei als Ärztin also keine Tendenzträgerin. Weil sie sich nicht offensiv tendenzfeindlich verhalten habe, sei die Kündigung auch nicht unter dem Gesichtspunkt des Tendenzschutzes gerech tfertigt l53. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 30.9. 1977 die Berufung der Kirchengemeinde gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln zurückgewiesen und hierbei ausdrücklich die erstinstanzliche Wertung des Kirchenaustritts der Klägerin bestätigtl54. Ähnlich hat das Arbeitsgericht Krefeld 155 die durch eine evangelische Kirchengemeinde ausgesprochene Kündigung einer Kindergärtnerin, die aus der evangelischen Kirche ausgetreten war, für unwirksam erklärt. Das Arbeitsgericht Hildesheim 156 hat die Kündigung des Verwaltungsleiters eines Heimes für sexuell verwahrloste Mädchen für unzulässig gehalten, der über längere Zeit als Verheirateter intime Beziehungen zu einer Mitarbeiterin der von ihm geleiteten Einrichtung unterhalten hatte. Neben solchen die Befugnis zur Kündigung verneinenden Urteilen157 stehen freilich andere untergerichtliche Entscheidungen, die mit einem 152 S.13/14 der Ausfertigung. 153 S. 15 ff. der Ausfertigung. 154 Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 30.9.1977, Gesch. Nr.13 Sa 799/76, unveröffentlicht, S. 12 a und S. 15 der Ausfertigung. 155 Vgl. den Hinweis bei B. Rüthers, Kirchenautonomie und gesetzlicher Kündigungsschutz, in: NJW 1976, S.1920, dort Anm.20. 156 Vgl. ebd., S.1920, dort Anm.20. 157 Der Vollständigkeit halber sei auf ein Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 3. 12. 1975, Geschäftszeichen 12 Ca 242/75, unveröffentlicht, hin-
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Verstoß gegen besondere Dienstpflichten begründete Kündigungen für gerechtfertigt gehalten haben. Das Arbeitsgericht Duisburg behandelt in seinem Urteil vom 1. 2. 1977 158 die Rechtmäßigkeit einer von einer katholischen Kirchengemeinde als Krankenhausträgerin gegenüber einem Arzt ausgesprochenen Kündigung. Diese war darauf gestützt worden, daß der Kläger Sympathisant der KPD/ML war und gegenüber anderen Ärzten erklärt hatte, er wolle seine politische überzeugung im Krankenhaus verbreiten und Patienten, wenn diese nach ihrem Gesundheitszustand zu einer Diskussion fähig seien, politisch aktivieren. Das Gericht bezeichnet das Krankenhaus als "Tendenzbetrieb" und ist der Auffassung, daß der klagende Arzt gegen den dem Krankenhaus zukommenden Tendenzschutz verstoßen habe. Wer als Arbeitnehmer einen Vertrag mit einem Tendenzbetrieb schließe, verzichte "jedenfalls hinsichtlich des Tendenzcharakters des Betriebs" darauf, seine eigene, der Tendenz entgegenstehende Meinung innerhalb des Betriebs durchsetzen zu wollen. Ein Verstoß gegen den Tendenzcharakter könne eine verhaltensbedingte Kündigung rechtfertigen159 • In einem Urteil vom 11. 1. 1977 hat das Arbeitsgericht Herne die Kündigungsklage eines beim Caritasverband beschäftigten Diplomsozialpädagogen zurückgewiesen, dem gekündigt wurde, weil er unter dem Verdacht stand, Verfasser eines gegen die Auffassung der katholischen Kirche in der Frage der Abtreibung gerichteten Zeitungsartikels zu sein und er es ausdrücklich abgelehnt hatte, sich von den in dem Artikel geäußerten Ansichten zu distanzieren. Der Kläger nehme somit eine Stellung ein, die einem fundamentalen Grundsatz der katholischen Kirche entgegengesetzt sei. Der beklagte Caritasverband könne unter diesen Umständen "unmöglich noch annehmen", daß der Mitarbeiter in seiner Arbeit im Sinne kirchlicher Grundsätze, auf die er sich arbeitsvertraglich verpflichtet habe, tätig werde. Der Kläger könne sich demgegenüber auch nicht auf das Grundrecht der Meinungsfreiheit berufen. Er habe vertraglich Freiheitsbeschränkungen auf sich genommen und dürfe nicht Interessen seines Arbeitgebers zuwiderhandeln160 • gewiesen, das die Kündigung einer Diplom-Psychologin, die in einem evangelischen Kinderheim tätig war, u. a. wegen mangelnder Berücksichtigung der religiösen Grundlagen der Erziehung behandelt. Das Gericht hat der Klage stattgegeben, freilich nicht, weil es die Berücksichtigung der religiösen Bindung für unzulässig gehalten hätte, sondern wegen mangelnder substantiierter Begründung der Kündigung durch entsprechenden Tatsachenvortrag. 158 Geschäfts-Nr. 1 Ca 2106/76, unveröffentlicht. 159 S. 8, 12, 13 der Ausfertigung. 160 Arbeitsgericht Herne, Urteil vom 11. 1. 1977, Gesch.Nr.2 Ca 2442176, abgedruckt in: Caritas in Nordrhein-Westfalen 1/1978, B H.
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Auf dem Hintergrund des oben erwähnten Urteils des Landesarbeitsgerichts Saarbrücken ist ein vom Arbeitsgericht Köln am 18.2.1976 gefälltes Urteil 16t besonders interessant. In dem zugrundeliegenden Fall hatte ein als eingetragener Verein verfaßtes katholisches Familienbildungswerk einer Ausbildungsleiterin gekündigt, weil diese einen geschiedenen Mann geheiratet und damit gegen die Vorschriften der katholischen Kirche über die Ehe verstoßen hatte. Das Gericht läßt offen, ob das Familienbildungswerk ein Tendenzbetrieb gem. § 118 Abs. 1 BetrVG oder eine Einrichtung einer Religionsgemeinschaft gem. § 118 Abs. 2 BetrVG sei. Im Bereich des Kündigungsschutzgesetzes sei es "weder notwendig noch ausreichend, den dafür zu engen Begriff des § 118 Abs.1 BetrVG zu verwenden. Entscheidend ist vielmehr, ob in dem betreffenden Betrieb ein Stil oder Geist vor allem konfessioneller Art herrscht, der zur echten konkreten betrieblichen Ordnung wird und in der Form Schutz genießt, daß gegenläufige Gründe in der Person oder in dem Verhalten eines Arbeitnehmers zu einer sozial nicht ungerechtfertigten Kündigung führen können. Auch dann liegt eine Tendenzeigenschaft im weiteren Sinne vor." Das beklagte Familienbildungswerk sei ein Tendenzbetrieb in diesem Sinne. Es verfolge eine Tendenz, die im wesentlichen von katholischen Grundsätzen, die den Charakter der Einrichtung bestimmten, geprägt sei. Das Verhalten der klagenden Ausbildungsleiterin liege auf außerbetrieblichem Gebiet. Hier sei zwischen Tendenzträgern und Nichttendenzträgern zu unterscheiden. Die Klägerin als Leiterin einer Familienbildungsstätte sei eine "gehobene und repräsentative Arbeitnehmerin", die kraft der besonderen Tendenztreuepflicht zu einem tendenzkonformen Verhalten auch außerhalb der beruflichen Arbeit verpflichtet war. Diese Pflicht habe die Klägerin dadurch verletzt, daß sie eine kirchlich ungültige Ehe eingegangen sei. Die Klägerin könne sich auch nicht auf Art, 6 GG berufen. Die Ehe der Klägerin werde nämlich in ihrem Bestand durch die Kündigung nicht berührt1 62 • Das Gericht hat deshalb die gegenüber der Klägerin ausgesprochene Kündigung rechtlich gebilligt. ee) Soweit die soeben referierten Entscheidungen 16:t der Klage stattgegeben, also die auf einen Verstoß gegen besondere Pflichten gestütz181 Rechtskräftig, veröffentlicht in FamRZ 1976, S.629 und ArbeitsrechtsBlattei "Kirchenbedienstete" Entscheidung 10 m. Anm. von R. Richardi. 182 FamRZ 1976, S. 630/631. 183 Hinweise auf weitere einschlägige Gerichtsentscheidungen finden sich bei P. v. THing, Zur Rechtsstellung der privatrechtlich angestellten Mitarbeiter in der Kirche, in: ZevKR Bd. 22 (1977), S. 322 - 345, S. 333 ff. Interessant ist auch ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 8. 8. 1978 -
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ten Kündigungen für ungerechtfertigt gehalten haben, bewegen sie sich auf einer Linie: sie negieren die Berücksichtigung von Besonderheiten des kirchlichen Dienstes im Arbeitsrecht und unterstellen auch die Kirchen und Religionsgemeinschaften sowie deren Einrichtungen allenfalls den allgemeinen Grundsätzen über Tendenzbetriebe, die von dem Bestreben gekennzeichnet sind, nur im Ausnahmefall Modifikationen des allgemeinen Arbeitsrechts zuzulassen. Damit verkennen die erwähnten Urteile allerdings in fundamentaler Weise die geltende Rechtslage. Auch die Urteile des Arbeitsgerichts Duisburg vom 1. 2. 1977 und des Arbeitsgerichts Köln vom 18.2.1976 sind insofern unzutreffend, als sie die verfassungsrechtliche Ausgangslage nicht genügend beachten. Die in den mitgeteilten Entscheidungen erkennbare Tendenz hat deshalb die wissenschaftliche Kritik auf den Plan gerufen, die sich vor allem mit dem Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarbrücken auseinandergesetzt hat. So betont Mayer-Maly in einer Urteilsanmerkung, daß selbst bei Bedenken gegen die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von 1956 die Leiterin eines kirchlichen Kindergartens mit einem Anstreicher nicht auf eine Stufe gestellt werden dürfe. Hinsichtlich der rechtlichen Grundlagen für die Entscheidung des Falles hebt Mayer-Maly unter Anknüpfung an eigene Darlegungen hervor, daß es sich bei einem konfessionellen Kindergarten nicht um ein Tendenzunternehmen im Sinn von § 118 Abs.l BetrVG handele, sondern um eine erzieherische Einrichtung einer Religionsgemeinschaft, die unter § 118 Abs. 2 BetrVG falle. Es gehe "daher nicht um das Ausmaß der Privatlebensbindung in einem Tendenzbetrieb, sondern um die Tragweite der Kirchenautonomie in Kindergärten". Die verfassungsrechtlich gewährleistete Eheschließungsfreiheit könne somit nicht zur alleinigen Beurteilungsgrundlage gemacht werden. Es müsse vielmehr die "Grenze zwischen Eheschließungsfreiheit und Kirchenautonomie ermittelt werden"164. Besonders wichtig ist ein ausführliches, in den wesentlichen Teilen veröffentlichtes Rechtsgutachten von Rüthers l65, in dem dieser sich mit der Entscheidung des Landesarbeit,>gerichts Saarbrücken auseinandersetzt. Gesch.Nr. 11 Sa 788/78 (unveröffentlicht), das die Befugnis der Kirche bestätigt, Formerfordernisse der Kündigung, z. B. einen oberbehördlichen Genehmigungsvorbehalt, zu regeln. 164 Th. Mayer-Maly, NJW 1976, S. 1118, S. 1119. 165 B. Rüthers, Kirchenautonomie und gesetzlicher Kündigungsschutz. Zur Arbeitgeberkündigung wegen tendenzwidrigen Verhaltens kirchlicher Arbeitnehmer, in: NJW 1976, S. 1918 - 1923; dazu: G. Struck, Nochmals: Kirchenautonomie und gesetzlicher Kündigungsschutz. Eine Erwiderung, in: NJW 1977, S. 366 - 368 und B. Rüthers, Replik, in: NJW 1977, S. 368 - 370.
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Auch Rüthers nimmt zum Ausgangspunkt seiner überlegungen den verfassungsrechtlich gewährleisteten Sonderstatus der Kirche, ihr Selbstbestimmungsrecht also, weshalb eine kath. Kirchengemeinde, die eine Kindergartenleiterin für einen Gemeindekindergarten einstelle, "keine Arbeitgeberin wie jede andere" sei l56 . Auch die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst würden zwar grundsätzlich durch das staatliche Arbeitsrecht geregelt. Andererseits ergebe sich aus dem Selbstbestimmungsrecht des Art. 137 Abs.3 WRV die Befugnis der Kirchen, "die religiöse Zweckbestimmung ihrer Einrichtungen auch durch arbeitsvertragliche Abrede mit ihren Mitarbeitern festzulegen und zu sichern, soweit sie damit ihre ,eigenen Angelegenheiten' ordnen. Das allgemeine Arbeitsrecht kann insoweit kirchenrechtlich und arbeitsvertraglich konkretisiert werden167." Die Konkretisierung des Arbeitsrechts der kirchlichen Mitarbeiter sei ihrerseits an die Schranken des für alle geltenden Gesetzes gebunden. Die allgemeinen Gesetze seien jedoch im Lichte der Wertentscheidungen des Art. 137 Abs.3 WRV auszulegen. Das Selbstbestimmungsrecht der Kirche erfordere bei Organisation der kirchlichen Erziehungseinrichtungen die Möglichkeit, die leitenden Mitarbeiter auch arbeitsvertraglich an die wesentlichen Grundsätze der kirchlichen Glaubensund Sittenlehre zu binden. "Es sind daher wegen der Fernwirkung des Art. 137 Abs.3 WRV auf das allgemeine Arbeitsrecht im Bereich kirchlicher Einrichtungen ... auch solche arbeitsvertragliche Abreden wirksam möglich, die in anderen Arbeitsverträgen nicht durch das Grundgesetz privilegierter Arbeitgeber unwirksam wären 168 ." Die grundgesetzlich garantierte Autonomie der Kirchen in eigenen Angelegenheiten wirke auch auf die Auslegung der allgemeinen Gesetze, insbesondere auf die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe und Generalklauseln im einfachen staatlichen Arbeitsrecht ein. Deshalb sei auch bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "sozial ungerechtfertigt" in § 1 des Kündigungsschutzgesetzes und bei der Abwägung der beiderseitigen Interessen an der Erhaltung bzw. Auflösung des Arbeitsverhältnisses die Garantie der Kirchenautonomie ein wichtiger Auslegungsgesichtspunkt. Das wirke auch auf die Beurteilung, ob ein Grund zur fristgemäßen Kündigung vorliegt, "im Sinn einer Konkretisierung und Spezifizierung der Kündigungsvoraussetzungen ein"169. 166 B. Rüthers, Kirchenautonomie und gesetzlicher Kündigungsschutz, in:
NJW 1976, S. 1918. 167 Ebd., S. 1919. 168 Ebd., S. 1919. 160 Ebd., S. 1919/1920.
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Es sei Sache der Kirche, die von ihrem Verkündigungsauftrag her gebotenen Voraussetzungen und Pflichten der im kirchlichen Dienst, insbesondere im "Multiplikatorenbereich" tätigen Arbeitnehmer fest~ zulegen. "Die staatlichen Gerichte können vertragliche oder normative (kirchenrechtliche) Konkretisierungen der Arbeitsverhältnisse nur darauf nachprüfen, ob diese willkürlich, d. h. ohne jeden Sachbezug, sind, oder gegen den ordre public der geltenden Rechtsordnung verstoßen." Auch § 1 des Kündigungsschutzgesetzes könne den verfassungskräftigen Schutz wesentlicher dienstrechtlicher Voraussetzungen für eine sinnvolle Gestaltung des Kernbereichs kirchlichen Wirkens in caritativen oder erzieherischen Einrichtungen nicht einschränken oder gar aufheben. Er sei vielmehr im Sinn der verfassungsmäßig verankerten Kirchenautonomie auszulegen 170 • Ausgehend hiervon kommt Rüthers zu dem Ergebnis, daß die in dem der Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Saarbrücken zugrundeliegenden Fall ausgesprochene Kündigung der Kindergartenleiterin aus personbedingten Gründen (Schaffung eines kirchenrechtlichen Tatbestandes, der die weitere Verwendung als Kindergartenleiterin aus der Sicht des kirchlichen Trägers unmöglich macht), aus verhaltensbedingten Gründen (Verstoß gegen den Grundsatz der Unauflöslichkeit der Ehe) und aus dringenden betrieblichen Erfordernissen (Gefährdung der Glaubwürdigkeit einer kirchlichen erzieherischen Einrichtung bei Weiterbeschäftigung einer Leiterin, die sich über elementare kirchliche Grundsätze hinwegsetzt) sozial gerechtfertigt war171 • Das Landesarbeitsgericht Saarbrücken habe mit seiner Aussage, die Rechtmäßigkeit der Kündigung sei allein nach arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen, die "Verschränkung arbeitsrechtlicher und kirchenrechtlicher Gesichtspunkte, die aus der Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts folgt", verkannt1 72 • ff) Es ist das große Verdienst des hier nur in einigen Punkten wiedergegebenen, gedankenreichen Gutachtens von Rüthers, den verfassungsrechtlichen Ansatz, der sich schon in den Ausführungen von Mayer-Maly findet, ins einzelne gehend entfaltet und in die Auslegung arbeitsrechtlicher Vorschriften konkret eingeführt zu haben. Dieser Ansatz liegt in der Erkenntnis, daß die Kirchen und ihre Einrichtungen keine "Tendenzbetriebe" sind, sondern von der Verfassung verbürgten Sonderregelungen unterliegen, die ihre unterscheidende Behandlung auch im Arbeitsrecht zwingend erforderlich machen 173• Die arbeitsEbd., S. 1920. Ebd., S. 1922. 172 Ebd., S. 1920. 173 Vgl. schon oben S. 41 f. - Eine Weiterführung der verfassungsrechtlichen Überlegungen vgl. bei B. Rüthers, Tendenzschutz und Kirchenautonomie im Arbeitsrecht, in: NJW 1978, S. 2066 - 2070. 170
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rechtliche Diskussion ist damit einen entscheidenden Schritt über die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts von 1956, das die Kirchen noch den Tendenzbetrieben zuordnet, hinausgekommen. Sie gewinnt so die Möglichkeit, das Verfassungsrecht selbst, ohne daß der Blick: durch falsche Parallelen verstellt wird, in Betracht zu ziehen, also das Arbeitsrecht bezüglich der Kirchen verfassungskonform zu interpretieren174 • So kann der Irrtum vermieden werden, dem die oben erwähnten neueren Gerichtsentscheidungen zum Opfer fallen, der Fehlschluß nämlich, daß das Fehlen eines ausdrücklichen Ausnahmetatbestandes im Kündigungsschutzgesetz die Berücksichtigung der Sonderstellung der Kirchen bei der Anwendung dieses Gesetzes nicht möglich mache. Ein genereller Ausnahmetatbestand, wie er sich etwa in § 118 Abs.2 BetrVG findet, der für den Bereich des Betriebsverfassungsrechts sinnvoll und geboten ist, wäre für das Kündigungsschutzgesetz weder möglich noch zulässig. Es besteht ja kein Zweifel, daß das Kündigungsschutzgesetz als "für alle geltendes Gesetz" auch für die Kirche gilt, Kündigungen gegenüber Dienstnehmern der kirchlichen Dienste also einer rechtlichen Würdigung anhand der Tatbestände des Kündigungsschutzgesetzes unterliegen. Die Kirchen können von der Geltung des Kündigungsschutzgesetzes also gar nicht ausgenommen werden. Als Schranke des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts unterliegt aber auch das Kündigungsschutzgesetz, da es auf die Ausübung des Selbstbestimmungsrechts bezüglich einer "eigenen Angelegenheit" einwirkt, der Interpretation im Licht der grundsätzlichen Freiheitsgarantie zugunsten der Kirchen. Es muß daher bei aller Geltung auch für den kirchlichen Dienst so interpretiert werden, daß es der grundsätzlichen Verbürgung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts nicht grundsätzlich zuwiderwirkt. Hierzu bedarf es keines ausdrücklichen Hinweises im Kündigungsschutzgesetz selbst. Ein Verstoß gegen das verfassungsrechtlich garantierte Selbstbestimmungsrecht der Kirche ergäbe sich aber, wenn das Kündigungsschutzgesetz so ausgelegt würde, daß die vom kirchlichen Selbstverständnis her gebotene Verpflichtung der kirchlichen Dienstnehmer auf grundlegende Maximen kirchlichen Lebens arbeitsrechtlich irrelevant bliebe. Mit Recht hat Rüthers bemerkt, der Schrankenvorbehalt des Art. 137 Abs.3 WRV bedeute daher insoweit, "daß staatliches und kirchliches (Arbeits-)Recht aufeinander Rücksicht zu nehmen haben". Der Schrankenvorbehalt verfügt also keinen uneingeschränkten Gesetzesvorbehalt175• 174 Zu den hier einschlägigen Fragen vgl. auch Th. Mayer-Maly, Tragweite, S. 9 ff. und 11 ff. sowie oben S. 138. 175 B. Rüthers, Kirchenautonomie und gesetzlicher Kündigungsschutz, in: NJW 1976, S. 1930.
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gg) Eine wenigstens auf Teilfragen bezogene ausdrückliche Auseinandersetzung mit den Ausführungen von Rüthers enthält das Urteil des Arbeitsgerichts Herne vom 27.4. 1977 176 , das deshalb im folgenden gesondert behandelt werden soll. Klägerin des Ausgangsfalles war die Leiterin eines Kindergartens einer katholischen Kirchengemeinde, der gekündigt worden war, weil sie einen noch nicht laisierten Kapuzinerpater standesamtlich geheiratet hatte. Der kirchlichen Heirat, aus der Sicht der katholischen Kirche also dem gültigen Eheschluß überhaupt, stand damit das Hindernis der Ordenszugehörigkeit des Ehemanns der Klägerin entgegen. Das Gericht hat die Kündigung für sozial ungerechtfertigt gehalten. Es hat zwar anerkannt, daß die Klägerin kraft einer entsprechenden Klausel in ihrem Arbeitsvertrag verpflichtet war, bei Ausübung ihrer Tätigkeit die Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre zu beachten und daß diese Vereinbarung bei Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Kiindigung von Relevanz ist 177 • Das Verhalten der Klägerin stelle aber weder ihre Eignung als Leiterin des Kindergartens in Frage noch beeinträchtige es billigenswerte betriebliche Interessen der beklagten Kirchengemeinde 178 • Der Kindergarten sei ein Tendenzunternehmen. Das Gericht gehe auch davon aus, daß die Eheschließung der Klägerin aus der Sicht der katholischen Kirche eine schwere Verfehlung darstelle. Dieses Verhalten sei aber nicht geeignet, den Tendenzzweck des Kindergartens ernsthaft zu gefährdenm. Der Kindergarten sei ein öffentlicher Kindergarten im Sinne des nordrhein-westfälischen Kindergartenrechts und unterliege keinem spezifisch religiösen Erziehungsauftrag. Die Kindergärtnerinnen hätten keine konkreten Weisungen, die Kinder im Sinne der katholischen Glaubenslehre zu erziehen. Auch das tägliche Gebet sei nicht üblich. "Die überwiegende Zweckbestimmung des Kindergartens liegt daher nicht im religiösen, sondern im sozialpädagogischen Bereich." Durch das Verhalten der Klägerin könne daher die kirchliche Erziehungsarbeit "schon deshalb nicht zunichte gemacht werden, weil sie bei der Betreuung der Kinder keine wesentliche Rolle spielt ... Die Erziehungsarbeit ist nicht nach einem kirchlichen Recht ausgerichtet, das die von der Klägerin getroffene Wahl ihres Ehegatten verbietet1 8o ." Zusätzlich prüft das Gericht, ob die von ihm vorgenommene Abwägung 176 177 178 179 180
Geschäfts-Nr.l Ca 3867/76, unveröffentlicht. S. 11/12 der Ausfertigung. S.13 der Ausfertigung. S. 13, 14, 15 der Ausfertigung. S. 15 - 19 der Ausfertigung.
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gegen Art. 137 Abs.3 WRV verstoße und verneint dies. Es sei schon fraglich, ob der Kindergarten der Beklagten eine "eigene Angelegenheit" im Sinne dieses Verfassungs artikels sei. Selbst wenn man dies bejahe, sei zu beachten, daß das Selbstbestimmungsrecht nur innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes bestehe. Hierzu gehöre das Kündigungsschutzgesetz. Die Meinungen gingen dort auseinander, "wo es um die Präzisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs ,sozial ungerechtfertigt' und die Beantwortung der Frage geht, welcher Stellenwert bei Abwägung der wechselseitigen Interessen der Kirchenautonomie zukommt." Hierzu vertrete Rüthers die Auffassung, daß jede Kündigung sozial gerechtfertigt sei, wenn der betreffende Arbeitnehmer sich durch seine private Lebensführung in Widerspruch setze zu dem spezifisch religiösen Charakter der kirchlichen Einrichtung, der er angehört. Das Arbeitsgericht Herne widerspricht dieser These, "denn sie läßt den Schutz des Arbeitnehmers außer Acht und stellt einseitig die Verwirklichung der Autonomie in den Vordergrund". Dies lasse sich mit dem Schrankenvorbehalt des Art. 137 Abs.3 WRV nicht vereinbaren. "Die Gewährleistung der Kirchenautonomie findet ... dadurch statt, daß im Rahmen der nach § 1 Abs. 1 KSchG vorzunehmenden Interessenabwägung die spezifisch religiösen Zielsetzungen als betriebliche Erfordernisse dem Interesse des Arbeitnehmers an der Erhaltung seines Arbeitsplatzes gegenübergestellt werden ... Dies hat zur Folge, daß das Selbstverwaltungsrecht der Religionsgemeinschaften nur insoweit besteht, als es durch die Zweckbestimmung der von ihnen getragenen Erziehungseinrichtung gedeckt ist. Ob dies der Fall ist und wann bei Abwägung der beiderseitigen Interessen eine Kündigung sozial gerechtfertigt erscheint, kann daher ... nicht grundsätzlich, sondern nur von Fall zu Fall entschieden werden I81 ."
In diesem Zusammenhang ist es dann für das Arbeitsgericht Herne wiederum von Bedeutung, daß der Kindergarten, in dem die Klägerin tätig war, nach Auffassung des Gerichts in der erzieherischen Arbeit nicht eindeutig religiös geprägt war, so daß das Verhalten der Klägerin den Tendenzzweck nicht in Frage stellen konnte. Eine kritische Würdigung dieser Entscheidung wird zunächst für die überlegung des Gerichts Verständnis haben müssen, eine konkrete betriebliche Situation zum Ausgangspunkt und zum Maßstab für die Prüfung der Rechtmäßigkeit der Kündigung zu nehmen. In der Tat lassen sich Entscheidungen über die Vereinbarkeit einer Kündigung mit dem Kündigungsschutzgesetz nicht abstrakt, sondern nur bezogen auf eine konkrete Fallgestaltung treffen. 181
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Dennoch muß man dem Gericht vorhalten, in dem von ihm entschiedenen Fall eben diese Fallgestaltung verkannt zu haben. Zur Eigenart kirchlicher Einrichtungen, die gerade auch bei Kündigungsfragen eine Rolle spielt, gehört es, daß sie an dem besonderen verfassungsrechtlichen Status der Kirche in Gestalt des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts partizipieren. Dieser Status kann nicht verloren gehen, "verwirkt" werden, wenn eine konkrete Einrichtung aus welchen Gründen auch immer in ihrer Arbeit dem kirchlichen Charakter ihrer Aufgabe nicht oder nicht genügend Rechnung trägt. Auch dann muß vielmehr Grundlage der Beurteilung des Einzelfalles die grundsätzliche Zuordnung einer Einrichtung zum Aufgabenbereich der Kirche sein, die für die kirchlichen Kindergärten, wie viele kirchliche Dokumente belegen, nicht zweifelhaft ist l82 • Bei Verstoß gegen kirchliche Prinzipien muß daher eine Kündigung auch dann rechtlich zulässig sein, wenn eine bestimmte kirchliche Einrichtung die kirchliche Ausrichtung ihrer Arbeit nicht genügend beachtet hat. Häufig wird die Wiedergewinnung dieser Orientierung maßgeblich von einer Kündigung der bisherigen Mitarbeiter abhängen, die die Einstellung neuen Personals ermöglicht. Eine andere Lösung der zugegebenermaßen entstehenden Konfliktsituation würde das kirchliche Selbstbestimmungsrecht, das sich gerade auch in dem entsprechenden Einfluß auf kirchliche Einrichtungen verwirklicht, im Kern treffen. Dem Urteil des Arbeitsgerichts Herne kann daher nicht zugestimmt werden. Im Berufungsverfahren hat das Landesarbeitsgericht Hamm die erstinstanzliche Entscheidung mit Urteil vom 3.11. 1977 1S:t daher zu Recht abgeändert, indem es die Kündigungsschutzklage der Kindergartenleiterin abwies. Das Landesarbeitsgericht hebt zunächst hervor, daß der Kindergarten der beklagten Kirchengemeinde eine eigene Angelegenheit i. S. von Art. 137 Abs. 3 WRV ist. Dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche sei allerdings durch die grundsätzliche Anwendbarkeit des staatlichen Arbeitsrechts, mindestens in seinen sozialstaatlich begründeten Teilen des Individualarbeitsrechts, eine Schranke gesetzt. Das Kündigungsschutzgesetz diene der sozialen Sicherung der kirchlichen Mitarbeiter. Seine Heranziehung scheitere daher nicht an Art. 137 Abs.3 WRV. Hinsichtlich der Anwendung dieses Gesetzes habe Rüthers aber zu Recht darauf hingewiesen, daß bei der Präzisierung des Begriffs "sozial ungerechtfertigt" in § 1 Abs. 2 KSchG die Garantie des kirchlichen Vgl. auch Th. Mayer-Maly, Tragweite, S. 11. Landesarbeitsgericht Hamm, Urteil 3.11.1977, Gesch. Nr.4 Sa 874177, in: NJW 1978, S. 850 - 853. 182
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3. Abschn.: Für alle geltendes Gesetz
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Selbstbestimmungsrechts einen wichtigen Auslegungsgesichtspunkt darstelle 184 • Die Klägerin habe mit ihrem Eheschluß gegen elementare kirchliche Grundnormen verstoßen, sie habe Grundwerte kirchlicher Glaubensüberzeugung mißachtet. Die Ausgestaltung der allgemeinen Loyalitätsobliegenheit sei grundsätzlich Sache der ihre Selbstbestimmung wahrnehmenden Kirchen. "Die Formulierung und die Interpretation der kirchlichen Normen und der Grundwerte der kirchlichen Glaubensüberzeugung ist eine eigene Angelegenheit der Kirche und muß den in dieser zur Rechtsetzung berufenen Instanzen vorbehalten bleiben." Der Träger einer kirchlichen Einrichtung müsse darauf bestehen, daß die für ihn handelnden Personen jene Grundsätze, die sie darstellen und durch ihr Beispiel verkünden sollten, wenigstens selbst beachten. "Das gilt nicht nur für Geistliche, sondern auch für Laien. Es ist ein legitimer Anspruch des kirchlichen Trägers einer Erziehungseinrichtung, daß auch die Laien die kirchliche Ordnung in der Weise respektieren, die von den Gemeindegliedern erwartet wird 185." Das Urteil der ersten Instanz verneine zu Unrecht den katholischen Erziehungsauftrag des Kindergartens. Seine spezifische Zielsetzung sei in einem kirchlichen Statut klar umschrieben. Die staatlichen Gerichte seien nicht befugt, im einzelnen zu untersuchen, wie den Kindern die Begegnung mit der Religion erschlossen werde. Das sei allein Sache der die Einrichtung tragenden Kirche. Auch die Tatsache, daß Kinder evangelischer Konfession den Kindergarten besuchten, ändere nichts an der katholischen Zielsetzung. Ebensowenig führe die staatliche Bezuschussung dazu, daß der Kindergarten die Eigenschaft einer kirchlichen Angelegenheit verliere 186 • Der Verstoß der Klägerin gegen die kirchlichen Normen wiege so schwer, daß er auch bei Abwägung der beiderseitigen Interessen die Kündigung als angemessen erscheinen lasse. Wer im kirchlichen Dienst stehe, müsse sich der Unvereinbarkeit einer leitenden erzieherischen Tätigkeit mit einer schweren und dauerhaften Mißachtung der kirchlichen Ordnung bewußt sein. "Im Kindergarten der Beklagten, einem Kernbereich der Erziehung und Glaubensverkündigung, ist die Klägerin nicht mehr glaubwürdig. Es ist ihr nicht mehr möglich, ohne inneren Widerspruch wesentliche Grundlagen der katholischen Glaubens- und Sittenlehre darzustellen und zu vermitteln. Als Vorbild ist sie ungeeignet1 81."
184 185
186 187
Landesarbeitsgericht Hamm, in: NJW 1978, S.851. Ebd., S.851. Ebd., S. 851/852. Ebd., S. 852.
10 Jurina
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5. Kap.: Grenzen selbständiger Gestaltung
gg) Einen - zumindest vorläufigen - Schlußstrich unter die vorstehend dokumentierte Auseinandersetzung über die richtige Auslegung des Kündigungsschutzgesetzes für kirchliche Arbeitsverhältnisse hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 25. April 1978 188 gezogen, durch das das oben besprochene Urteil des Landesarbeitsgerichts Saarbrücken vom 29. Oktober 1975 aufgehoben und die im Ausgangsfall ausgesprochene Kündigung für sozial gerechtfertigt erklärt wurde. Hierbei schließt sich das Bundesarbeitsgericht in wesentlichen Punkten den Ausführungen des Gutachtens von Rüthers sowie den Darlegungen von Mayer-Maly an. Das Bundesarbeitsgericht betont zunächst die Bindung an das "für alle geltende Arbeitsrecht", wenn die Kirchen "Personen in abhängiger Stellung als Arbeitnehmer beschäftigen". Deshalb gelte für kirchliche Arbeitsverhältnisse auch das Kündigungsschutzgesetz. Dennoch sei die Rechtsgrundlage nicht, wie das Berufungsgericht gemeint hatte, "allein und ausschließlich nach arbeitsrechtlichen Kriterien" zu beurteilen. Bei der Präzisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs "sozial ungerechtfertigt" sei vielmehr die Garantie der Kirchenautonomie ein wichtiger Gesichtspunkt. Der Schrankenvorbehalt des Art. 137 Abs. 3 WRV schaffe ein "Spannungsverhältnis zwischen der Kirchenautonomie und dem allgemeinen staatlichen Arbeitsrecht jedenfalls in dem kirchlichen Betätigungsfeld, das als unverzichtbare Wesensund Lebensäußerung der Kirche anzusehen ist". Die Norm des § 1 KSchG, auch soweit sie als für alle geltendes Gesetz dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht Schranken ziehe, sei "im Lichte der Wertentscheidung der verfassungsrechtlichen Garantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts auszulegen". Das garantierte Selbstordnungsrecht der Kirche wirke jedenfalls bei solchen Arbeitnehmern, die am Amt der Verkündigung teilhaben, auf die Beurteilung, ob ein Grund zur Kündigung vorliege, "im Sinne einer Konkretisierung und Spezifizierung der Kündigungsvoraussetzungen" ein. Es habe auch Einfluß auf die Vertragsauslegung, insbesondere auf die Konkretisierung der Arbeitspflicht1 89 • In Wahrnehmung ihres Selbstbestimmungsrechts könnten die Kirchen auch und gerade in ihren caritativen und erzieherischen Einrichtungen die vom Verkündigungs auftrag her gebotenen Voraussetzungen für die Loyalitätspflichten der kirchlichen Arbeitnehmer, jedenfalls soweit 188 Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 25.4.1978, in: NJW 1978, S. 2116 - 2120. - Zu erwähnen ist auch ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 16. 10. 1978, das das Recht eines kirchlichen Privatschulträgers, einer aus der Kirche ausgetretenen Lehrkraft zu kündigen, bestätigt hat (9 Sa 729/78, nicht veröffentlicht, nicht rechtskräftig). 189 Bundesarbeitsgericht, in: NJW 1978, S.2117.
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diese irgendwie an der Verkündigung teilnehmen, festlegen. Hätten sie nicht die Möglichkeit, den "Maßstab der erforderlichen Loyalität und Identifizierung mit der kirchlichen Glaubens- und Sittenlehre" für ihre Bediensteten selbst zu bestimmen und auf ihn zurückzugreifen, würde ihnen der caritative und erzieherische Wirkungsbereich im Sinn eines praktizierten Christentums unter Verstoß gegen das Selbstbestimmungsrecht weitgehend entzogen. Für die Loyalitätsobliegenheit der kirchlichen Arbeitnehmer brauche nicht auf die Sonderstellung der Tendenzträger in Tendenzbetrieben oder auf eine Analogie zum öffentlichen Dienst zurückgegriffen werden. Für die an der Verkündigung beteiligten kirchlichen Mitarbeiter folge die Loyalitätsobliegenheit aus der "zur Vermeidung der Unglaubwürdigkeit der Kirche gebotenen Untrennbarkeit von Dienst und Verkündigung im caritativen und erzieherischen Bereich ... Glaubensverkündigung ist kein wiedergebender Vorgang, der unabhängig von der eigenen Lebensweise möglich ist. Der Arbeitnehmer, der durch seine Arbeitsleistung entsprechend dem von ihm übernommenen Auftrag Funktionen der Kirche verwirklicht, ist verpflichtet, seine Lebensführung so einzurichten, daß sie den Gesetzen der Kirche entspricht19o." Dies gelte auch im außerdienstlichen Bereich: Das in den Religionsgemeinschaften maßgebliche Prinzip der Bindung des ganzen Menschen vertrage, wenn kirchliche Aufgaben erfüllt werden, "keine scharfe Scheidung von dienstlicher Loyalität und außerdienstlicher Ungebundenheit"191. Im folgenden stellt das Urteil fest, daß die Wiederverheiratung noch in kirchlich gültiger Ehe lebender Gläubiger einen schwerwiegenden Verstoß gegen das kirchliche Recht der katholischen Kirche darstelle. Bei der Frage, welche Umstände die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses im kirchlichen Dienst rechtfertigten, könnten auch schwerwiegende Verstöße gegen unmittelbar im Glauben wurzelnde kirchenrechtliche Normen eine Rolle spielen, insbesondere wenn eine solche Norm als Rechtsfolge den Ausschluß aus der kirchlichen Gemeinschaft vorsehe 192 • Die Kündigung verletze nicht die Grundrechte der Klägerin193• Art. 4 GG schütze keine "innerkirchliche Glaubensfreiheit". Auch Art. 6 GG sei nicht verletzt, da diese Norm mit der staatlichen Sicht der Ehe nicht deren kirchliche Sicht verdränge und die konkrete Ehe der Klägerin durch die Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht betroffen werde. 190 Ebd., 1'1 Ebd., 1'2 Ebd., 1'3 Dazu 10·
S.2117. S. 2118. S. 2118. ebd., S. 2119.
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Schließlich sei auch die Menschenwürde der Klägerin nicht angetastet. Der zivilrechtliche Eheschluß gebe ihr nicht das Recht, von der Kirche eine Zurückstellung der berechtigten und verfassungsrechtlich geschützten Belange zu verlangen. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts sei daher aufzuheben, "weil die Verschränkung arbeitsrechtlicher Gesichtspunkte mit der Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts ... nicht ausreichend berücksichtigt worden ist". Der Verstoß der Klägerin gegen eine wesentliche kirchliche Grundnorm wiege so schwer, daß er auch bei Berücksichtigung der Interessen der Klägerin am Arbeitsplatz die Kündigung als billigenswert und angemessen erscheinen lasse. "Wer im kirchlichen Dienst steht, muß sich der Unvereinbarkeit einer leitenden erzieherischen Tätigkeit in einer kirchlichen Einrichtung mit einer schweren Mißachtung der kirchlichen Ordnung bewußt sein ... Der Träger einer kirchlichen Einrichtung muß darauf bestehen können, daß die für ihn handelnden Personen jene Grundsätze, die sie darstellen und durch ihr Beispiel verkünden sollen, selbst beachten194 ." Dem Urteil des Bundesarbeitsgerichts ist wenig hinzuzufügen. Trotz einer problematischen, weil zu undifferenzierten Grundsatzaussage die Kirchen seien "an das für alle geltende Arbeitsrecht gebunden, wenn sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben Personen in abhängiger Stellung als Arbeitnehmer beschäftigen" - versteht es sich zu einer klar konturierten, am Verfassungsrecht orientierten Auslegung von § 1 KSchG für kirchliche Arbeitsverhältnisse. Sicher beantwortet es nicht alle Fragen, was besonders deutlich daran wird, daß dahingestellt bleibt, ob das Gericht in vollem Umfang an den Grundsätzen des Urteils von 1956 im "Anstreicherfall" festhält. Wesentlich ist aber, daß das Urteil jedenfalls für die überwiegende Zahl der kirchlichen Mitarbeiter den untrennbaren Zusammenhang von Arbeitsrecht und kirchlicher Selbstbestimmung klar herausstellt und auch für die staatliche Rechtsordnung anerkennt. hh) Daß mit diesem Urteil des Bundesarbeitsgerichts die rechtlichen Auseinandersetzungen nicht beendet sind, zeigt ein - nicht rechtskräftiges - Urteil des Arbeitsgerichts Passau vom 13.9. 1978195 • Es betrifft die Kündigungsschutzklage einer als Schreibkraft tätigen Mitarbeiterin eines Diözesan-Caritasverbandes, der - außerordentlich Ebd., S. 2119. Urteil des Arbeitsgerichts Pass au vom 13. 9. 1978, Gesch.Z. 1 Ca 204/78, unveröffentlicht, nicht rechtskräftig, die folgenden Zitate auf den S. 9 und 10 der Ausfertigung. - Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat mit Urteil vom 11. 10. 1978, Gesch.Nr. 15 Sa 1114178, den Kirchenaustritt eines in einem katholischen Jugendheim tätigen Sozialpädagogen als Grund für eine ordentliche, nicht aber für eine außerordentliche Kündigung anerkannt. 104
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gekündigt worden war, weil sie nach ziviler Scheidung ihrer ersten Ehe standesamtlich eine zweite, kirchlich ungültige Ehe geschlossen hatte. Das Arbeitsgericht hält die Kündigung auch bei Umdeutung in eine ordentliche Kündigung für unwirksam, weil sie nicht sozial gerechtfertigt sei. Es referiert die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 25.4.1978, betont aber, daß die Grundsätze dieses Urteils nur für solche Arbeitnehmer gelten, die, "wenn auch abgestuft, am Amt der Verkündigung teilhaben". Die Klägerin dürfe an den Maßstäben der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts nicht gemessen werden, "denn sie war aufgrund ihres Arbeitsvertrages nicht verpflichtet, kirchliche Aufgaben wahrzunehmen bzw. wesentliche Funktionen des Beklagten auszuüben". Im Unterschied zu Bediensteten, die am Amt der Verkündigung teilnehmen, sei die standesamtliche Wiederheirat der Klägerin nicht geeignet, ihr Arbeitsverhältnis in einem schwerwiegenden Maße zu beeinträchtigen. Man muß diesem Urteil zunächst eine vorschnelle Einschränkung der vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze vorhalten. Sicher stellt das Bundesarbeitsgericht seine Ausführungen auf Arbeitnehmer, die am Verkündigungsauftrag beteiligt sind, ab, weil es sich in dem entschiedenen Fall eben um eine solche Mitarbeiterin handelte. Allein hieraus darf man aber nicht die völlige Irrelevanz der prinzipiellen Ausführungen des Bundesarbeitsgerichts für andere kirchliche Dienstnehmer ableiten. Hiergegen spricht auch, daß das Bundesarbeitsgericht ein Festhalten an der "Anstreicher-Entscheidung" von 1956 zwar ausdrücklich dahinstehen läßt, diese Entscheidung aber keineswegs mit negativem Akzent zitiert, es vielmehr - wie es scheint, nicht ohne Sympathie - auf eine Bemerkung von Mayer-Maly hinweist, es sei auf die Vertrauens- und Glaubwürdigkeit der Funktionsausübung des Arbeitnehmers sowie darauf abzustellen, ob ein Verhalten auf das Wirken der Einrichtung als solcher zurückfällt 196 , ein Gesichtspunkt, der bei allen kirchlichen Mitarbeitern eine Rolle spielt. Gänzlich unannehmbar ist aber die die Entscheidung durchaus tragende Auffassung des Arbeitsgerichts Passau, die Klägerin übe als Schreibkraft keine kirchliche Aufgabe aus. Sicher ist sie nicht in unmittelbarer Weise an der Wahrnehmung einer geistlichen Aufgabe der Kirche beteiligt. Unmittelbare und mittelbare Mitwirkung am kirchlichen Auftrag lassen sich aber nicht grundsätzlich auseinanderreißen, so daß es auch für das Arbeitsverhältnis eines kirchlichen Verwaltungsbediensteten nicht ohne Bedeutung sein kann, daß nicht eine weltliche Institution, sondern eben die Kirche 196
Bundesarbeitsgericht, in: NJW 1978, S.2120.
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5. Kap.: Grenzen selbständiger Gestaltung
oder eine ihrer Einrichtungen sein Arbeitgeber ist. Mindestens dort, wo schwerwiegende Verstöße gegen die kirchliche Ordnung gegeben sind, darf also ein Kündigungsrecht nicht von vornherein und grundsätzlich ausgeschlossen werden. Auch für ein solches Arbeitsverhältnis muß das kirchliche Selbstbestimmungsrecht vielmehr seine grundsätzliche Bedeutung behalten. ii) Zusammenfassend ist festzuhalten:
Die oben beschriebenen besonderen Bindungen der kirchlichen Dienstnehmer auch hinsichtlich ihrer persönlichen Lebensführung, deren Normierung auf dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht beruht, können zu Recht ins kirchliche Arbeitsverhältnis einbezogen werden. Schwerwiegende Verstöße gegen diese besonderen Pflichten berechtigen den kirchlichen Dienstgeber daher grundsätzlich zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses, ohne daß ihm wegen Verletzung des privaten Bereichs des betroffenen Dienstnehmers das Kündigungsschutzgesetz entgegengehalten werden könnte. Aus solchen Gründen ausgesprochene Kündigungen können folglich grundsätzlich nicht als "sozial ungerechtfertigt" i. S. von § 1 des Kündigungsschutzgesetzes betrachtet werden. Der Inhalt dieses unbestimmten Rechtsbegriffs ist vielmehr bei kirchlichen Dienstverhältnissen im Blick auf das kirchliche Selbstbestimmungsrecht so auszulegen, daß den wesentlichen Anforderungen an kirchliche Dienstnehmer, die bezüglich bestimmter Grundpflichten auch die private Lebensführung erfassen, Genüge getan werden kann197• Es ist Angelegenheit der Kirche, die besonderen Pflichten, deren Erfüllung vom kirchlichen Dienstnehmer gefordert werden muß, zu umschreiben und verbindlich zu machen. Deshalb haben die staatlichen Gerichte keine Befugnis, die Angemessenheit oder gar die Notwendigkeit solcher kirchenrechtlicher Vorschriften anhand staatlicher Rechtsgrundsätze zu prüfen. Die dargestellten Grundsätze gelten für den gesamten kirchlichen Dienst. Ihnen unterliegen also nicht nur diejenigen Bediensteten, die unmittelbar bei der Kirche (Diözese) oder einer ihrer direkten organisatorischen Untergliederungen (Kirchengemeinden) angestellt sind, sondern auch die Bediensteten aller derjenigen kirchlichen Einrichtungen, die eine eigene Angelegenheit i. S. von Art. 137 Abs.3 WRV besorgen. Als Hauptbeispiele hierfür nennt § 118 Abs.2 BetrVG die caritativen und erzieherischen Einrichtungen der Kirche. 197 Für eine vom theologischen Anspruch der dienstlichen Aufgabe abhängende - Bindung der kirchlichen Mitarbeiter hinsichtlich der persönlichen Einstellung zum Dienst und bei der außerdienstlichen Lebensführung auch P. von THing, Zur Rechtsstellung der privatrechtlich angestellten Mitarbeiter, in: ZevKR Bd.22 (1977), S. 322 - 345. - Zum Kündigungsrecht bei Verstoß gegen "grundlegende Glaubenssätze und Tendenzen der Kirche" vgl. ferner G. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 3. Auf!. München 1977, S.642.
Sechstes Kapitel
Das Recht der kirchlichen Mitarbeitervertretungen Die bisherigen überlegungen galten der Frage, welche Regelungsbefugnisse die Kirchen für das einzelne Dienst- oder Arbeitsverhältnis kirchlicher Bediensteter besitzen. Das Selbstbestimmungsrecht des Art. 137 Abs.3 WRV deckt jedoch nicht nur rechtliche Aktivitäten zur inhaltlichen Gestaltung kirchlicher Dienst- und Arbeitsverhältnisse. Der selbständigen kirchlichen Ordnung zugänglich ist auch die betriebliche Mitbestimmung im kirchlichen Dienst. 1. Auch dieser Fragenkreis gehört zu den eigenen Angelegenheiten i. S. von Art. 137 Abs.3 WRV. Dies ergibt sich außer aus der engen Verknüpfung der Mitbestimmungsregelungen mit dem Dienstrecht vor allem daraus, daß Art und Umfang der innerbetrieblichen Mitbestimmung maßgeblichen Einfluß auf die Leitung und Organisation der Dienststelle haben und haben sollen, in der die Mitbestimmung ausgeübt wird. Für die Kirche bedeutet dies, daß durch die betriebliche Mitbestimmung ihr Selbstorganisationsrecht, ihr kirchenrechtliches, rechtstheologisch vorgeprägtes Verfassungsgefüge betroffen ist. Ist dies der Fall, so würde es einen Verstoß gegen die Befugnis zu eigener Gestaltung der kirchlichen Organisation darstellen, wenn sich die Kirche insoweit Vorschriften vom Staat machen lassen müßte. Sie ist vielmehr berechtigt, in diesem wie auch in den anderen Bereichen eigener Angelegenheiten das für sie geltende Recht selbständig unter Zugrundelegung ihrer rechtlichen Maßstäbe zu setzen. Mit den Worten des Bundesverfassungsgerichts: Sie "bestimmt, ob und in welcher Weise die Arbeitnehmer und ihre Vertretungsorgane in Angelegenheiten des Betriebs, die ihre Interessen berühren, mitwirken und mitbestimmen"1.
Die Konsequenzen aus dieser Verfassungsrechtslage ziehen § 118 Abs.2 BetrVG und § 112 BPersVG, die die Anwendung des staatlichen 1 BVerfG, Beschluß des 2. Senats vom 11. Oktober 1977 - 2 BvR 209176 -, in: BVerfGE Bd.46, S.94. Vgl. hierzu ferner J. Frank, Dienst- und Arbeitsrecht, in: HdbStKirchR I, S. 724 f.; Th. Mayer-Maly, Tragweite, S.3/4, 13; R. Richardi, Anmerkung zum Urteil des LAG Düsseldorf vom 8.9. 1975, Arbeitsrecht-Blattei "Kirchenbedienstete" Entsch.6, Abschnitt II, 2 bemerkt, daß "jede Verwirklichung einer Mitbestimmungsordnung in der Kirche zugleich die Verfassung der Kirche betrifft".
152
6. Kap.: Mitarbeitervertretungsrecht
Betriebsverfassungs- bzw. des Personalvertretungsrechts auf die "Religionsgemeinschaften und ihre caritativen und erzieherischen Einrichtungen" ausschließen, ohne daß es auf die Rechtsform dieser Einrichtungen ankäme. Auch das Mitbestimmungsgesetz von 1976 enthält eine entsprechende Vorschrift, die für die Praxis allerdings weniger bedeutsam ist 2 • Über diese Begründung für die Ausnahmebestimmungen des § 118 Abs.2 BetrVG und des § 112 BPersVG besteht allerdings keine völlige Einigkeit. Für eine Herleitung dieser Vorschriften aus Art. 137 Abs.3 WRV in dem Sinn, daß sie von der Garantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts her als gefordert angesehen werden müssen, hat sich in neuerer Zeit mit besonderem Nachdruck Mayer-Maly ausgesprochen3 • Er hat dabei vor allem auch auf die unterschiedlichen verfassungsrechtlichen Grundlagen von § 118 Abs.1 BetrVG (Tendenzschutz) und § 118 Abs. 2 BetrVG (Ausnahmeklausel für Religionsgemeinschaften) hingewiesen und deutlich gemacht, daß die eine von der anderen Regelung scharf unterschieden werden müsse. Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, mit dem in § 118 Abs. 2 BetrVG enthaltenen Vorbehalt erweise sich das Betriebsverfassungsgesetz selbst als kein für alle geltendes Gesetz. "Es nimmt vielmehr mit diesem Vorbehalt auf das verfassungsrechtlich Gebotene Rücksicht4 ." Die Ableitung von § 118 Abs.2 BetrVG aus dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht bejahen neben anderen Autoren5 in neuerer Zeit Fitting / Auffarth / Kaiser6, Löwisch 7 und Rüthers8 • Anderer Auffassung ist Fabricius9 , der freilich bei seiner These, § 118 Abs. 2 BetrVG sei verfassungsrechtIich nicht geboten, weil das Betriebs2 Dies folgt daraus, daß das Gesetz gern. seinem § 1 für Unternehmen in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft, einer Kommanditgesellschaft auf Aktien oder einer GmbH, die mehr als 2000 Arbeitnehmer beschäftigen, gilt. Die Ausnahmeklausel. die textlich § 118 Abs.2 BetrVG entspricht, findet sich in § 1 Abs. 4 Satz 2. 3 Th. Mayer-Maly, Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S.144; ders., Tragweite, S. 13. 4 BVerfG, Beschluß des 2. Senats vom 11. Oktober 1977 - 2 BvR 209/76, in: BVerfGE Bd.46, S.95. 5 Vgl. die Nachweise bei Th. Mayer-Maly, Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S.144, dort Anm.60. I Fitting / Auffarth / Kaiser, Betriebsverfassungsgesetz, 12. Aufl. 1977, Rdn. 29 zu § 118 BetrVG. 7 H. Galperin / M. Löwisch, Kommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, 5. Auflage, Bd. II Heidelberg 1976, Rdn. 2 zu § 118 BetrVG. 8 B. Rüthers, Kirchenautonomie und gesetzlicher Kündigungsschutz, in: NJW 1976, S. 1922. D F. Fabricius, Gemeinschaftskommentar zum Betriebsverfassungsgesetz, Darmstadt 1974, Rdn. 141 f. zu § 118 BetrVG.
6. Kap.: Mitarbeitervertretungsrecht
163
verfassungs gesetz eine Schranke des für alle geltenden Gesetzes bilde, übersieht, daß der Schrankenvorbehalt keinen allgemeinen Gesetzesvorbehalt darstellt10 . Mißverständlich sind Ausführungen Richardis in seiner Kommentierung des Betriebsverfassungsgesetzes: Er betont hier zwar, die Ausklammerung der Religionsgemeinschaften und ihrer caritativen und erzieherischen Einrichtungen aus dem Betriebsverfassungsgesetz "konkretisiere" das kirchliche Selbstbestimmungsrecht des Art. 137 Abs.3 WRV. Dies bedeute jedoch nicht die verfassungsrechtliche Gewährleistung dieser Regelung. Es wäre daher auch nicht verfassungswidrig, § 118 Abs. 2 BetrVG aus dem Gesetzestext zu streichen l1 . In einer neuerlichen Stellungnahme ist Richardi Mißdeutungen seiner Ausführungen entgegengetreten, indem er betont, daß auch er die Ausklammerung der Kirchen und ihrer Einrichtungen aus dem Betriebsverfassungsrecht als vom Grundgesetz gefordert ansieht1 2 • Schon nach den Ausführungen des Kommentars führe "kein Weg daran vorbei, daß die lex regia des deutschen Staatskirchenrechts einschlägig ist; nach ihr bestimmt sich, ob die Betriebsverfassung auf die Religionsgemeinschaften erstreckt werden kann"13. Auch in diesen Ausführungen betont Richardi aber, daß trotz des Verfassungsbezugs des § 118 Abs.2 BetrVG dieser eine Regelung des einfachen Gesetzesrechts sei, "die auch anders gestaltet sein könnte, ohne bereits deshalb verfassungswidrig zu sein". Das gelte insbesondere für die Festlegung des geltenden Rechts, daß die Freistellung vom staatlichen Betriebsverfassungsrecht unabhängig von der Rechtsform der betr. Einrichtung gegeben ist. Die grundrechtsdogmatische Erkenntnis, daß eine Grundrechtskonkretisierung durch einfaches Recht zwar Verfassungsbezug, aber keinen Verfassungsrang habe, gelte auch für das Verhältnis von Kirche und Staat1'. Man mag so argumentieren. Es ist allerdings schwer vorstellbar, in welcher anderen Form eine gesetzliche Lösung getroffen werden sollte, ohne daß es zu einer Verletzung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts käme. Denn wie auch Richardi betont, haben staatliche Gesetze jedenfalls dort ihre Schranke, wo es um die Verfassung und den Auftrag der Kirche geht1 5 • Es handelt sich um denselben Gedanken, den So auch Th. Mayer-Maly, Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S. 144 f. R. Dietz I R. Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, 5. Auflage München 1973, Rdn. 83 und 84 zu § 118 BetrVG. 12 Vgl. R. Richardi, Anm.1I zum Beschluß des BAG vom 21. 11. 1975, in: AP Nr. 6 zu § 118 BetrVG 1972, Abschnitt V, 3. 13 R. Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, Rdn. 84 zu § 118 BetrVG. 14 R. Richardi, Anm.lI, in: AP Nr.6 zu § 118 BetrVG 1972, Abschnitt V, 3. 10
11
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Ebd., Abschnitt V, 4.
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6. Kap.: Mitarbeitervertretungsrecht
jüngst das Bundesverfassungsgericht in die Formel gekleidet hat, daß staatliche Gesetze die Kirchen dort nicht binden, wo sie diese nicht wie den Jedermann, sondern wegen der verfassungsrechtlich garantierten, geistlich grundgelegten Eigenart anders und härter treffen würden 16 • Ferner hebt auch Richardi hervor, daß es jedenfalls für die christlichen Kirchen keine Lösung des Problems darstellen könnte, wenn die Ausklammerung auf die Religionsgemeinschaften selbst beschränkt, also das staatliche Betriebsverfassungsrecht für die kirchlichen caritativen und erzieherischen Einrichtungen in Geltung gesetzt werden würde, weil der verfassungsrechtliche Sonderstatus gem. Art. 137 Abs.3 WRV nicht nur für die sog. "verfaßte" Kirche, sondern allgemein für die gesamte Kirche im rechtstheologischen Verständnis gilt, also auch alle Wesensäußerungen der Kirche mit umfaßt. Hierzu gehört aber, wie Richardi zu Recht ausführt, Caritas und Diakonie sowie das kirchliche Apostolat, so daß die Ausklammerung auch der caritativen und erzieherischen Einrichtungen "folgerichtig" ist17 • So bleibt höchstens der Hinweis Richardis 18 , die Erwägung, § 118 Abs.2 BetrVG bleibe eine grundsätzlich auch anders gestaltbare Regelung des einfachen Gesetzesrechts, gelte insbesondere für die unabhängig von der Rechtsform getroffene Freistellung der caritativen und erzieherischen Einrichtungen vom Betriebsverfassungsrecht, woraus wohl zu folgern ist, daß Richardi Änderungen nicht für ausgeschlossen hält. Aber auch hier wird man, gelinde gesagt, Zweifel anmelden müssen. Dem geltenden Recht kann keine Regelung entnommen werden, daß das Selbstbestimmungsrecht nur für kirchliche Einrichtungen einer bestimmten Rechtsform gilt. Man wird statt dessen davon auszugehen haben, daß es der Kirche überlassen ist, in welchen nach staatlichem Recht zur Verfügung stehenden Rechtsformen sie ihre Aufgaben erfüllen will. Für die Zuordnung zum durch das Selbstbestimmungsrecht geschützten Bereich kommt es danach nur darauf an, ob eine bestimmte Einrichtung zu einer Religionsgemeinschaft gehört, ob durch sie eine kirchliche bzw. religions gemeinschaftliche Aufgabe i. S. von Art. 137 Abs.3 WRV erfüllt wird 19 • Dann kann aber die Rechtsform einer Einrichtung für die Grenzen staatlicher Rechtsschutzbefugnisse keine Rolle spielen, sondern nur die Frage, ob die Tätigkeit einer Einrichtung inhaltlich dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht zuzuordnen ist. Hierauf stellt § 118 Abs.2 BetrVG ab. Insofern erscheint die gesamte
BVerfGE Bd.42, S.312 (334). R. Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, Rdn.85 zu § 118 BetrVG. 18 R. Richardi, Anm.1I, in: AP Nr.6 zu § 118 BetrVG 1972, Abschnitt V, 3, 3. Absatz. 19 Vgl. auch die Kritik bei Th. Mayer-Maly, Tragweite, S. 13. 16
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6. Kap.: Mitarbeitervertretungsrecht
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in § 118 Abs.2 BetrVG enthaltene Regelung als folgerichtige Verwirklichung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts. Seiner jüngst veröffentlichten Kommentierung des Bundespersonalvertretungsgesetzes ist im übrigen zu entnehmen, daß Richardi die soeben beschriebenen Differenzierungen hinsichtlich der Reichweite des Verfassungsbezugs von § 118 Abs.2 BetrVG bzw. § 112 BPersVG offenbar nicht mehr aufrechterhält. Er spricht nunmehr ohne weitere Unterscheidungen davon, daß die Ausklammerung der Religionsgemeinschaften und ihrer caritativen und erzieherischen Einrichtungen aus dem Geltungsbereich des staatlichen Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrechts von der staatskirchenrechtlichen Ordnung des Grundgesetzes gefordert sei: Der Gesetzgeber sei von Verfassung wegen gehindert, die Geltung dieser staatlichen Gesetze auf die Kirchen und ihre caritativen und erzieherischen Einrichtungen zu erstrecken. Auch bei einem Wegfall der §§ 118 Abs.2 BetrVG bzw. 112 BPersVG würden diese Gesetze dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht keine Schranke ziehen. Richardi bemerkt ferner, daß es verfassungswidrig wäre, wenn die Kirchen und ihre caritativen und erzieherischen Einrichtungen lediglich - entsprechend etwa § 118 Abs.l BetrVG - einen begrenzten Freiraum innerhalb der staatlichen Betriebs- und Dienststellenverfassung erhielten 20 • Es ist daher festzuhalten, daß das durch die Verfassung garantierte Recht der kirchlichen Selbstbestimmung eine Regelung der Arten und des Umfangs der Mitbestimmung in kirchlichen Einrichtungen und Dienststellen durch staatliches Gesetz ausschließt. Kraft des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts ist es vielmehr Angelegenheit der Kirchen selbst, die hier einschlägigen Regelungen zu treffen. Daraus folgt, daß die in § 118 Abs.2 BetrVG und § 112 BPersVG enthaltenen Ausnahmebestimmungen nicht nur verfassungs rechtlich zulässig, sondern verfassungsrechtlich geboten sind 21 •
In diesem Zusammenhang kann weiter die Frage gestellt werden, ob die im staatlichen Recht enthaltene Anerkennung der selbständigen kirchlichen Rechtsetzungsbefugnis mit einer aus dem staatlichen Recht folgenden Verpflichtung der Kirchen verbunden ist, ein eigenes Mitarbeitervertretungsrecht zu schaffen 22 • Ein Hinweis in dieser Richtung 20 R. Richardi, in: R. Dietz / R. Richardi, Bundespersonalvertretungsgesetz, 2. Auflage München 1978, Rdn.3, 5 und 6 zu § 112 BPersVG. 21 Vgl. Th. Mayer-Maly, Tragweite, S. 13 (hier auch wichtige Ausführungen zur Unterscheidung von § 118 Abs.2 BetrVG vom sog. "Tendenzschutz" in § 118 Abs.1 BetrVG); ders., Die Abstraktion von der Rechtsform kirchlicher Einrichtungen bei der Freistellung vom Betriebsverfassungsgesetz, in: Betriebsberater 1977, S. 249 - 251, S.250. 22 Von einer "freiwilligen" Regelung durch die Kirchen spricht z. B. M. Löwisch, in: H. Galperin / M. Löwisch, Kommentar zum Betriebsverfassungs-
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6. Kap.: Mitarbeitervertretungsrecht
findet sich in § 112 BPersVG, der ausdrücklich davon spricht, den Religionsgemeinschaften bleibe die selbständige Ordnung eines Personalvertretungsrechts "überlassen", womit wohl nicht nur eine Möglichkeit, sondern eine Erwartung an die Kirchen ausgedrückt ist. Einfaches Gesetzesrecht könnte indes eine derartige Verpflichtung wohl nicht statuieren. Eine andere Frage ist es, ob eine verfassungsrechtliche Verpflichtung der Kirchen zum Erlaß eines eigenen Mitarbeitervertretungsrechts besteht. Diese Frage führt mitten hinein in das Problem, ob überhaupt eine verfassungsrechtliche Verpflichtung zum Erlaß mitbestimmungsrechtlicher Regelungen angenommen werden kann 23 , eine Frage, die nicht mit der zweifellos gegebenen verfassungsrechtlichen Legitimation zum Erlaß der entsprechenden Regelungen verwechselt werden darf. Dieser gesamte Fragenkreis mag hier dahinstehen. Die Realität zeigt, daß die Kirchen so wenig wie der Staat darauf verzichten konnten, eine Ordnung der betrieblichen Mitbestimmung zu schaffen. Sie haben hierbei nicht nur sozialstaatliche Erwägungen, denen sie sich als "Kirche in der Welt" nicht entziehen können, beachtet24, sondern vor allem auch eigenen rechtstheologischen Grundlagen entsprochen, die für die Kirchen eine wichtigere Legitimation für eigenes Handeln als die der Verfassung des Staates entstammenden Grundsätze darstellen. 11. § 118 Abs.2 BetrVG und § 112 BPersVG normieren die Unabwendbarkeit des staatlichen Betriebsverfassungs- bzw. Personalvertretungsrechts für die "Religionsgemeinschaften und ihre caritativen und erzieherischen Einrichtungen". Wegen der engen Verknüpfung dieser Vorschriften mit dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht nach Art. 137 Abs.3 WRV ist der Anwendungsbereich der Ausschlußtatbestände des Betriebsverfassungs- bzw. Personalvertretungsrechts im Blick auf die Reichweite des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts zu bestimmen. gesetz, Rdn.93 zu § 118 BetrVG; ebenso Th. Mayer-Maly, Tragweite, S.15; das Problem, ob das staatliche Mitbestimmungs-, Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrecht Teil des "für alle geltenden Gesetzes" sein kann, wirft R. Richardi, Anm.l1, in: AP Nr.6 zu § 118 BetrVG 1972, Abschnitt V, 4 auf. Vgl. nunmehr ders., in: R. Dietz I R. Richardi, Bundespersonalvertretungsgesetz, 2. Aufl. München 1978, Rdn. 5 zu § 112 BPersVG. 23 Vgl. etwa W. Däubler, Das Grundrecht auf Mitbestimmung, 3. Auflage, Frankfurt a. Main 1975, insbes. S. 129 ff. 24 Vgl. dazu auch die Bemerkung von R. Richardi, Anm. II, in: AP Nr.6 zu § 118 BetrVG 1972, Abschn. V, 4: "Je mehr die Arbeitsverfassung durch den Ausbau der Mitbestimmung in Betrieb, Dienststelle und Unternehmen geprägt ist, desto brüchiger wird die Schranke des für alle geltenden Gesetzes als Schutzwall gegenüber einer Erstreckung des staatlichen Mitbestimmungs-, Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsgesetzes auf kirchliche Einrichtungen. "
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a) § 118 Abs.2 BetrVG und § 112 BPersVG nennen an erster Stelle die " Religionsgemeinschaften" , verwenden also jenen Begriff, der in der neueren staatskirchenrechtlichen Terminologie an die Stelle des älteren, in Art.137 Abs.3 WRV noch enthaltenen Terminus "Religionsgesellschaften" getreten ist. Somit sind die Kirchen, genauer die kirchlichen Dienststellen, in denen Mitarbeiter tätig sind, von der Anwendung des Betriebsverfassungs- bzw. Personalvertretungsrechts freigestellt. Dies gilt nicht nur für die kirchlichen Dienststellen im engsten Sinn, etwa die Behörden der Kirchenleitung (Generalvikariate, Ordinariate) oder die Dienststellen der kirchlichen Untergliederungen (Pfarrämter, Dekanatsbüros). Vielmehr muß schon im Hinblick darauf, daß der Begriff der Religionsgemeinschaft jene Zusammenschlüsse meint, die sich die umfassende Bezeugung eines Glaubens zum Ziel gesetzt haben25, geschlossen werden, daß alle zur Kirche gehörigen Organisationseinheiten, die an dieser umfassenden Bezeugung des kirchlichen Auftrags teilhaben, ebenfalls unter die Ausschlußtatbestände gern. § 118 Abs.2 BetrVG und § 112 BPersVG fallen. Dies bedeutet, daß alle diejenigen kirchlichen Dienststellen und von der Kirche getragenen Einrichtungen von der Geltung des staatlichen Betriebsverfassungs- und Personalvertretungsrechts ausgenommen sind, die als Teil der Kirche i. S. von Art. 137 Abs.3 WRV eine eigene kirchliche Angelegenheit i. S. derselben Verfassungsvorschrift besorgen. Erfaßt sind also nicht nur die unmittelbaren, unselbständigen Dienst- und Verwaltungsstellen der Kirche, sondern auch ausgegliederte, verselbständigte Stellen, sofern sie zur Erfüllung einer eigenen kirchlichen Aufgabe eingerichtet sind 26 • Hierbei kann auch der Fall gegeben sein, daß eine solche kirchliche Stelle nicht nur faktisch, sondern - aus welchen Gründen auch immer - sogar rechtlich verselbständigt ist. Dies hindert nicht die Anwendung von § 118 Abs.2 BetrVG, wenn nur das maßgebende Kriterium zutrifft, daß die betreffende Stelle von der Kirche zur Besorgung einer eigenen Angelegenheit i. S. von Art. 137 Abs.3 WRV errichtet wurde. Obwohl also der in § 118 Abs.2 BetrVG enthaltene Passus, der das Absehen von der Rechtsform vorschreibt, sich nach der Wortfassung nur auf die gesondert genannten caritativen 25 K. Obermayer, in: Bonner Kommentar, Art. 140 GG (Zweitbearbeitung), Rdn.41. 26 R. Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, Rdn. 86 - 89 zu § 118 BetrVG. Auch das Bundesverfassungsgericht rechnet "die rechtlich selbständigen Teile" der Kirche zum Wirkungsbereich des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts, vgl. BVerfG, Besch!. vom 11. Oktober 1976 - 2 BvR 209176 -, in: BVerfGE Bd.46, S. 85. Th. Mayer-Maly, Anmerkung zum Beschluß des BVerfG vom 11. 10. 1976, in: Arbeitsrechts-Blattei, (D), Tendenzbetrieb, Entscheidung 15, zählt demgegenüber die weder als karitativ noch als erzieherisch zu qualifizierenden Einrichtungen von Religionsgemeinschaften zu den Fällen des § 118 Abs. 1 BetrVG. Dies erscheint im Hinblick auf die Verfassungsrechtslage als inkonsequent.
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und erzieherischen Einrichtungen bezieht, muß der dort gemeinte Gedanke auch allgemein Anwendung finden. Hierin liegt der verfassungsrechtliche Kern jener Aussagen, die davon sprechen, der Begriff der "Religionsgemeinschaft" in § 118 Abs. 2 BetrVG müsse in einem "weiten Sinne" ausgelegt werden27 . Diese mehr formale Aussage trägt zur Beschreibung des Anwendungsbereichs von § 118 Abs.2 BetrVG letztlich jedoch nicht viel bei. Richtiger ist es, mit Richardi darauf abzustellen, daß unter die Ausnahmetatbestände des Betriebsverfassungs- bzw. Personalvertretungsrechts alle diejenigen Dienststellen und Einrichtungen fallen, die "eine Wesens- und Lebensäußerung" der Kirche sind 28 . Dies ist in einem umfassenden Sinn zu verstehen, wofür etwa auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts im "Lumpensammler-Fall" zurückgegriffen werden kann, wonach der Schutzbereich der Religionsfreiheit, der eine maßgebliche Grundlage des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts bildet, extensiv ausgelegt werden muß29. Diese teleologisch auf die Verwirklichung der Verfassungsgarantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts bezogene Auslegung von § 118 Abs.2 BetrVG und § 112 BPersVG hat für die katholische Kirche erhebliche praktische Bedeutung. Die katholische Kirche besitzt neben selbständigen innerdiözesanen Dienststellen und Einrichtungen vor allem im überdiözesanen Bereich viele Institutionen, die etwa zum Zweck der Koordination der pastoralen Tätigkeit der deutschen Diözesen eingerichtet wurden30 • Eine besondere Rolle bei der Zusammenfassung kirchlicher Tätigkeit spielt der Verband der Diözesen Deutschlands31 , der als Körperschaft des öffentlichen Rechts u. a. die Funktion der Rechtsträgerschaft für Einrichtungen der Deutschen Bischofskonferenz, insbesondere als Partner der mit den dort tätigen Bediensteten geschlossenen Dienst- und Arbeitsverträge, innehat32 . Auch die Dienststellen und Einrichtungen des Verbandes der Diözesen fallen als Institution zur Wahrnehmung kirchlicher Aufgaben unter die Ausnahmebestimmungen des § 118 Abs.2 BetrVG und des § 112 BPersVG, und zwar auch dort, wo nicht unmittelbar pastorale, sondern andere, z. B. wirtschaftliche Angelegenheiten der deutschen Bistümer besorgt werden. Ein anderes Beispiel einer rechtlich verselbständigten, gleichwohl zur "Kirche" i. S. von 27 Vgl. BAG, Beschluß vom 21. 11. 1975, AP Nr. 6 zu § 118 BetrVG 1972. 28 R. Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, Rdn. 89 zu § 118 BetrVG. 29 BVerfGE Bd.24, S.236 (246, 247). 30 Vgl. die übersicht bei J. Homeyer, Die Deutsche Bischofskonferenz, in: Katholiken und ihre Kirche, hrsg. von G. Gorschonek, München-Wien 1976, S. 74 - 88, S.83. 31 Vgl. die Satzung des Verbandes der Diözesen Deutschlands vom 1.1. 1977, Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg S. 1. 32 § 16 der Satzung des Verbandes der Diözesen Deutschlands.
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Art. 137 Abs. 3 WRV gehörigen Einrichtung ist die Kirchliche Zusatzversorgungskasse des Verbandes der Diözesen Deutschlands, die in der Rechtsform einer Anstalt des öffentlichen Rechts die zusätzliche Altersund Hinterbliebenenverorgung kirchlicher Angestellter und Arbeiter zu sichern und verwaltungsmäßig abzuwickeln hat33 . Auch für diese Kasse gilt also § 112 BPersVG. b) Neben den Religionsgemeinschaften selbst nennen § 118 Abs.2 BetrVG und § 112 BPersVG noch die caritativen und die erzieherischen Einrichtungen der Religionsgemeinschaften. Aus der Sicht einer auf Art.137 Abs.3 WRV rückbezogenen Auslegung dieser Vorschriften handelt es sich bei der Erwähnung der caritativen und erzieherischen Einrichtungen um eine rechtlich nicht konstitutive Ergänzung der Grundaussage über die Freistellung der Kirchen selbst, weil kein Zweifel darüber besteht, daß caritative Diakonie und christliche Erziehung zu den eigenen Angelegenheiten der Kirche i. S. von Art. 137 Abs. 3 WRV gehören, weshalb die ihnen gewidmeten kirchlichen Einrichtungen als Wesens- und Lebensäußerung der Kirche auch ohne ausdrückliche Nennung schon vom Grundtatbestand des § 118 Abs.2 BetrVG und des § 112 BPersVG erfaßt werden würden. Die Hervorhebung der caritativen und erzieherischen Einrichtungen ist dennoch als Klarstellung wertvoll, zumal der ausdrückliche Zusatz "unbeschadet deren Rechtsform" bzw. "ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform" einen wichtigen Fingerzeig für die Auslegung des gesamten Inhalts von § 118 Abs. 2 BetrVG und § 112 BPersVG gibt. Ausgenommen von der Geltung des Betriebsverfassungsgesetzes sind also etwa für den Bereich der katholischen Kirche der rechtlich als eingetragener Verein konstituierte Deutsche Caritasverband, der "die von den deutschen Bischöfen anerkannte institutionelle Zusammenfassung und Vertretung der katholischen Caritas in Deutschland", also keine private, sondern eine Einrichtung der katholischen Kirche ist 34 • Dasselbe gilt für die ebenfalls durchweg als eingetragene Vereine verfaßten Diözesan-, Dekanats-, Bezirks-, Kreis- bzw. Ortscaritasverbände sowie die katholischen caritativen Fachverbände35 . Neben diesen zentralen und örtlichen caritativen Verbänden fallen auch die einzelnen caritativen Einrichtungen, etwa Krankenhäuser, Altersheime, Pflegeheime usw., unter § 118 Abs.2 BetrVG36. 33 Vgl. die Satzung der kirchlichen Zusatzversorgungskasse des Verbandes der Diözesen Deutschlands vom 30. September 1976, Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg S.472. 34 Vgl. § 1 der Satzung des Deutschen Caritasverbandes vom 9.11. 1897 i. d. F. vom 18. 9. 1975, hrsg. vom Generalsekretariat des Deutschen Caritasverbandes, Freiburg i. Br. 35 § 4 der Satzung des Deutschen Caritasverbandes. 36 Vgl. auch R. Richardi, Betriebsverfassungsgesetz, Rdn. 91 zu § 118 BetrVG.
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Erzieherische Einrichtungen i. S. von § 118 Abs.2 BetrVG sind kirchliche Hochschulen und die nach den Privatschulgesetzen konstituierten kirchlichen Schulen in freier Trägerschaft. Unter die erzieherischen Einrichtungen können jedenfalls nach fortentwickeltem Zuordnungsverständnis auch die kirchlichen Kindergärten gezählt werden, die traditionell eher zu den caritativen Einrichtungen gerechnet wurden. Bei Anwendung des § 118 Abs.2 BetrVG stellt sich die Frage, ob die genannten caritativen und erzieherischen Einrichtungen eine organisatorische Beziehung zur Kirche besitzen müssen, damit die Geltung des Ausnahmetatbestandes in Betracht kommt. Ein Hinweis hierauf liegt in dem Pronomen "ihre". Es darf sich danach nicht um eine "private" caritative oder erzieherische Einrichtung handeln. § 118 Abs.2 BetrVG gilt vielmehr nur für solche Einrichtungen, die einer Kirche bzw. Religionsgemeinschaft zugerechnet werden können. Dies folgt bereits aus dem dargelegten Rückbezug von § 118 Abs. 2 BetrVG auf Art. 137 Abs.3 WRV. Wenn § 118 Abs.2 BetrVG der Realisierung kirchlicher Selbstbestimmung auch bezüglich der betrieblichen Mitbestimmung dient, kann er nur für solche Einrichtungen und Betriebe gelten, die in den Schutzbereich des Art. 137 Abs.3 WRV fallen, die also eine eigene Angelegenheit i. S. dieser Vorschrift wahrnehmen. Da Art. 137 Abs. 3 WRV als Regelung der institutionellen Seite der Religionsfreiheitsgarantie Befugnisse und Zuständigkeitsbereiche der Kirchen und Religionsgemeinschaften selbst im Auge hat, kann sein Schutzbereich sich auch nur auf - wenn auch rechtlich verselbständigte - Einrichtungen der Kirchen oder Religionsgemeinschaften selbst erstrecken. Eine Verbindung zur Kirche oder Religionsgemeinschaft muß also vorhanden sein, damit eine caritative oder erzieherische Einrichtung unter den Ausnahmetatbestand des § 118 Abs.2 BetrVG fällt. Entsprechende Institutionen, die etwa von einzelnen Kirchenangehörigen in noch so klarer persönlicher Verpflichtung auf die Ziele ihrer Kirche errichtet und geführt werden, ohne daß eine Zurechnung zur Kirche selbst erfolgen kann, fallen daher nicht unter den Ausnahmetatbestand des § 118 Abs.2 BetrVG, sondern unter die Tendenzschutzklausel des § 118 Abs. 1 BetrVG. Eine kirchliche Einrichtung ist sicher gegeben, wenn diese "unter Verwaltung und Aufsicht kirchlicher Organe steht", wie das Bundesarbeitsgericht in einer Entscheidung vom 27.11. 1975 ausgeführt hat37 • Daraus darf allerdings nicht geschlossen werden, daß eine Zuordnung zu § 118 Abs. 2 BetrVG, wie das Bundesarbeitsgericht in derselben Entscheidung bemerkt, "nur dann" möglich ist, "welUl die Reli37 BAG vom 21. 11. 1975, AP Nr.6 zu § 118 BetrVG 1972 mit zustimmender Anmerkung I von G. Küchenhojj.
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gionsgemeinschaft einen entscheidenden Einfluß auf die Verwaltung ... hat". Dies ist ein zu enges, formales Kriterium, das den sachlichen, am Selbstbestimmungsrecht der Kirche zu messenden Sinn von § 118 Abs.2 BetrVG nicht genügend beachtet38 • Erst recht verfehlt ist es, wenn das Bundesarbeitsgericht für den Fall, daß eine caritative Einrichtung die Rechtsform einer Stiftung hat, fordert, es müsse sich um eine kirchliche Stiftung handeln39 • Das Bundesverfassungsgericht hat daher die zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zu Recht wegen Verstoßes gegen Art. 137 Abs. 3 WRV aufgehoben. Zur Kennzeichnung derjenigen Einrichtungen, die als kirchliche Einrichtungen dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht unterfallen, die daher durch § 118 Abs.2 BetrVG bzw. § 112 BPersVG geschützt sind, verwendet es den Begriff der "Zuordnung": "Nach Art. 137 Abs. 3 WRV sind nicht nur die organisierte Kirche und die rechtlich selbständigen Teile dieser Organisation, sondern alle der Kirche in bestimmter Weise zugeordneten Einrichtungen ohne Rücksicht auf ihre Rechtsform Objekte, bei deren Ordnung und Verwaltung die Kirche grundsätzlich frei ist, wenn sie nach kirchlichem Selbstverständnis ihrem Zweck oder ihrer Aufgabe entsprechend berufen sind, ein Stück Auftrag der Kirche in dieser Welt wahrzunehmen und zu erfüllen." Hierbei schlägt das Gericht zur näheren Kennzeichnung dieser "Zuordnung" eine Brücke zur Entscheidung im "Lumpensammler-Fall", weil die Begriffe "Religionsgesellschaft" in Art. 137 Abs. 3 WRV und in Art. 138 Abs.2 WRV keinen anderen Inhalt haben könnten. Auch Vereinigungen mit nur partieller Teilhabe am kirchlichen Auftrag fielen unter Art. 138 Abs.3 WRV. "Voraussetzung dafür ist aber, daß der Zweck der Vereinigung gerade auf die Erreichung eines solchen Zieles gerichtet ist ... Maßstab für das Vorliegen dieser Voraussetzungen kann das Ausmaß der institutionellen Verbindung mit einer Religionsgemeinschaft oder die Art der mit der Vereinigung verfolgten Ziele sein." Im der Entscheidung zugrundeliegenden Fall sieht das Bundesverfassungsgericht die erforderliche Zuordnung der betroffenen Einrichtung zur katholischen Kirche gleich in mehrfacher Hinsicht gegeben: "Nach den mit der Gründung zusammenhängenden Umständen, nach dem Zweck der Anstalt, nach der Beteiligung der Ordensschwestern an der Erfüllung des Stiftungszwecks, nach der Zusammensetzung des Kuratoriums, nach den satzungsmäßigen Mitwirkungsbefugnissen des Vgl. auch die Kritik bei Th. Mayer-Maly, Tragweite, S.13. BAG vom 21. 11. 1975, AP Nr. 6 zu § 118 BetrVG 1972, ablehnend R. Richardi, in der Anmerkung TI zu dieser Entscheidung. 38
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Ortsbischofs kann kein Zweifel bestehen, daß das Hospital der katholischen Kirche im Sinne der Verwirklichung einer ihr wesentlichen Aufgabe, nämlich der Caritas, zugeordnet ist und organisatorisch mit der Kirche satzungsgemäß mehrfach verbunden ist4o ." III. Im Rahmen des durch Art. 118 Abs. 2 BetrVG und § 112 BPersVG bestätigten Freiraums zur selbständigen Regelung haben die katholischen Diözesen der Bundesrepublik eigene Mitarbeitervertretungsordnungen erlassen, die Art und Umfang der innerbetrieblichen Mitbestimmung in kirchlichen Dienststellen und Einrichtungen regeln. Diese diözesanen Regelungen beruhen auf einer innerhalb des Verbandes der Diözesen Deutschlands erarbeiteten Rahmenordnung. Die erste dieser Rahmenordnungen wurde im Jahre 1971 geschaffen. Eine Novellierung wurde im Jahre 1977 vorgenommen. Sie ist als Beschluß des Verbandes der Diözesen am 1. März 1977 in Kraft getreten. Zur Geltung in den Diözesen bedarf sie dort der Inkraftsetzung41 • Als Geltungsbereich nennt die Rahmenordnung die Dienststellen, Einrichtungen und sonstigen selbständig geführten Stellen der Bistümer, der Kirchengemeinden sowie der sonstigen kirchlichen und caritativen Rechtsträger unbeschadet deren Rechtsform 42 • Im Sinn der obigen Ausführungen erstreckt sich der Geltungsbereich der Mitarbeitervertretungsordnung also auch auf alle rechtlich selbständigen Institutionen, die Teil der Kirche sind. Die Regelung schöpft also die in Art. 137 Abs. 3 WRV grundgelegte Regelungsbefugnis in vollem Umfang aus. In inhaltlicher Hinsicht ergeben sich deutliche Parallelen des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts insbesondere zum staatlichen Personalvertretungsrecht. Es finden sich in der kirchlichen Regelung jedoch auch charakteristische Besonderheiten, die sich z. T. aus kirch40 BVerfG, Beschluß des 2. Senats vom 11. Oktober 1977 2 BvR 2091 76 -, in: BVerfGE Bd.46, S. 73 - 96. Vgl. ferner die Anmerkung von Th. Mayer-Maly, Arbeitsrechts-Blattei, (D), Tendenzbetrieb, Entscheidung 10; ferner die ablehnenden Ausführungen von W. Hersehel, Kirchliche Einrichtungen und Betriebsverfassung, in: Arbeit und Recht 1978, S.172 -176. - Zu erwähnen ist schließlich ein Beschluß des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 11. 8. 1978, der zu den unter § 118 Abs.2 BetrVG fallenden Einrichtungen auch ein Krankenhaus zählt. das in Form einer GmbH von einer katholischen und einer evangelischen Krankenhausstiftung gemeinsam betrieben wird. 41 Vgl. etwa für die Erzdiözese Freiburg Amtsblatt der Erzdiözese Freiburg 1977, S. 147 - 156. 42 § 1 Abs. 1 der Mitarbeitervertretungsordnung (MAVO) lautet: "Mitarbeitervertretungen sind zu bilden bei den Dienststellen, Einrichtungen und sonstigen selbständig geführten Stellen 1. des Bistums, 2. der Kirchengemeinden, Kirchenstiftungen und Kirchengemeindeverbände, 3. des Deutschen Caritasverbandes, der Diözesan-Caritasverbände und deren Gliederungen, der earitativen Fachverbände und Vereinigungen, 4. der sonstigen kirchlichen und earitativen Rechtsträger unbeschadet deren Rechtsform. "
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lichen Spezifika, z. T. aus anderen rechtlichen Ausgangssituationen, z. T. aber auch daraus ergeben, daß sich das Mitarbeitervertretungsrecht der katholischen Kirche zunächst noch in einem Stadium der Entwicklung befindet. Ein kirchliches Spezifikum ist die Zugrundelegung einer einheitlichen kirchlichen Dienstgemeinschaft43 • Dies hat einmal zur Folge, daß Unterscheidungen der Mitarbeiter nach dem verschiedenen rechtlichen Status, etwa als Angestellter oder als Beamter, nicht vorgenommen werden, so daß z. B. den Vorschriften des Bundespersonalvertretungsgesetzes entsprechende Regelungen über ein Gruppenwahlrecht fehlen. Besonders wichtig ist, daß sich ein Sondertatbestand wie in § 4 Abs.5 Nr.l BPersVG, der z. B. Ordensleute nicht zu den Beschäftigten i. S. des Personalvertretungsrechts zählt, in der kirchlichen Regelung nicht findet, so daß Ordensleute Mitarbeiter i. S. der kirchlichen Mitarbeitervertretungsordnung selbst dann sind, wenn sie, was die Regel ist, in keinem Arbeitsverhältnis mit der Kirche stehen, sondern aufgrund eines Gestellungsvertrages tätig werden. Der Begriff des Mitarbeiters umfaßt also alle in der betr. kirchlichen Dienststelle oder Einrichtung Beschäftigten, auch die Geistlichen und Ordensleute, sofern diese nicht im Hinblick auf eine im Einzelfall nachzuweisende oder in bestimmten Fällen rechtlich präsumierte Leitungsfunktion aus dem Kreis der Mitarbeiter herausfallen. Daneben hebt die Mitarbeitervertretungsordnung allerdings ausdrücklich hervor, daß die besondere kirchliche Stellung des Geistlichen zu seinem Bischof und die des Ordensangehörigen zu seinen Ordensoberen durch die Vorschriften der Mitarbeitervertretungsordnung nicht berührt werden. Dieser kirchenverfassungsrechtlich notwendige Vorbehalt hebt jedoch die dargestellte Grundsatzregelung nicht auf44 • 43 Vgl. hierzu auch J. Jurina, Dienst- und Arbeitsrecht, in: Essener Gespräche 10, S.80 sowie B.-O. Kuper, Arbeitnehmer im kirchlichen Dienst, in: Stimmen der Zeit Bd. 195 (1977), S. 632. 44 Der Begriff des "Mitarbeiters" i. S. der MAVO ist in § 3 geregelt. Diese Vorschrift lautet: ,,1. Mitarbeiter im Sinne dieser Ordnung sind alle Personen, die bei einem Dienstgeber (§ 2) aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses hauptberuflich, nebenberuflich oder zu ihrer Ausbildung tätig sind. 2. Als Mitarbeiter im Sinne dieser Ordnung gelten nicht die Mitglieder des für den Dienstgeber handelnden Organs, die bestellte Leitung (§ 2, Abs. 2, Satz 1), Mitarbeiter in leitender Stellung und alle Geistlichen einschließlich Ordensgeistlichen im Bereich des § I, Abs. I, Nr. 2. Wer Mitarbeiter in leitender Stellung ist, regelt der Dienstgeber, nachdem die Mitarbeitervertretung Gelegenheit zur Stellungnahme hatte. Die Regelung bedarf der kirchenaufsichtlichen Genehmigung. 3. Die besondere Stellung der Geistlichen gegenüber dem Diözesanbischof und die der Ordensleute gegenüber dem Ordensoberen werden durch diese Ordnung nicht berührt."
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Auch für andere kirchliche Berufsgruppen sind Sonderregelungen erforderlich. So sieht die Rahmenordnung vor, daß eine Mitwirkung der Mitarbeitervertretung bei der Einstellung derjenigen Bediensteten entfällt, die zu ihrer Tätigkeit der ausdrücklichen kirchlichen Sendung (missio canonica) durch den zuständigen Bischof bedürfen 45 • Diese Regelung ergibt sich daraus, daß nach kirchlichem Recht über die missio canonica allein der Bischof entscheidet. Da bei den genannten Berufen die Entscheidung über die Einstellung unmittelbar mit der Entscheidung über die Erteilung der missio canonica verknüpft ist, ist zu folgern, daß die Notwendigkeit einer Zustimmung der Mitarbeitervertretung den rechtlichen Vorbehaltsbereich des Bischofs tangieren würde und sie deshalb nicht vorgesehen werden kann. Andere Abweichungen vom staatlichen Betriebsverfassungs- bzw. Personalvertretungsrecht ergeben sich aus bestimmten Vorgegebenheiten der kirchlichen Regelungsbefugnis. So ist eine Kündigung gegenüber Mitgliedern einer Mitarbeitervertretung nur aus Gründen zulässig, die eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen46 • Anders als im staatlichen Recht erfolgt hierzu aber nur eine Anhörung der Mitarbeitervertretung47. Der Grund hierfür ist darin zu erblicken, daß die entsprechenden staatlichen Regelungen für den Fall der Verweigerung der Zustimmung durch den Betriebs- oder Personalrat die Anrufung der Gerichte durch den Arbeitgeber vorsehen, wodurch eine volle überprüfung der Begründetheit der Kündigung ermöglicht ist48 • Eine kirchliche Rechtsvorschrift könnte eine solche Anrufung der staatlichen Gerichte nicht verfügen, da kirchliche Rechtsvorschriften nicht die Kompetenz staatlicher Gerichte regeln können. Eigene kirchliche Gerichte stehen für eine derartige Rechtsstreitigkeit noch nicht zur Verfügung. Deshalb bleibt innerhalb des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts nur die Möglichkeit, anstelle einer vollen Mitbestimmung die Anhörung vorzusehen. Dem durch die Kündigung betroffenen Mitarbeiter bleibt im übrigen der Weg zum staatlichen Arbeitsgericht offen. In einer dort erhobenen Klage kann er geltend machen, daß ihm als Mitglied einer Mitarbeitervertretung nur bei Vorliegen der Gründe für eine außerordentliche Kündigung gekündigt werden darf49 • 45 46 47 48
§ 22 Abs.2 Nr.3 MAVO. § 14 Abs.3 MAVO. § 14 Abs.3 S.2 MAVO. Vgl. § 103 BetrVG.
49 Zur Anwendung des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts durch staatliche Gerichte vgl. auch Th. MayeT-Maly, Diskussion, in: Essener Gespräche 10, S.109; ferner grundsätzlich R. RichaTdi, Anmerkung zum Urteil des LAG Düsseldorf vom 8. 9. 1975, Arbeitsrechts-Blattei "Kirchenbedienstete" Entscheidung 6, Abschnitt H, bes. Nr.3.
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IV. Aus der weithin gegebenen Ähnlichkeit des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts mit dem staatlichen Betriebsverfassungs- bzw. Personalvertretungsrecht ergibt sich die Frage, ob und inwieweit Regelungen des staatlichen Rechts zu ergänzenden Auslegung oder Lükkenfüllung hinsichtlich des kirchlichen Rechts herangezogen werden können. Diese Frage spielt auch für die staatliche Gerichtsbarkeit eine Rolle, da Regelungen des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts etwa in arbeitsgerichtlichen Verfahren Entscheidungserheblichkeit besitzen können und in diesem Falle vom staatlichen Gericht anzuwenden und auszulegen sind50. Eine derartige Frage wurde, soweit ersichtlich, erstmals in einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf51 behandelt. In dem Ausgangsfall war einem Mitarbeiter eines katholischen Krankenhauses, der Wahlbewerber für die Wahl zur Mitarbeitervertretung war, vor der Wahl fristlos gekündigt worden. Nach Ausspruch der Kündigung war der Mitarbeiter in die Mitarbeitervertretung gewählt worden. Er focht die Gültigkeit der Kündigung gerichtlich an. Mit der Kündigung wurde ferner ein Hausverbot ausgesprochen, gegen das der Mitarbeiter eine selbständige Klage erhob, die das Ziel hatte, ihm ungeachtet der Kündigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Kündigungsschutzklage die Ausübung seines Amtes eines Mitarbeitervertreters zu ermöglichen. Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf hat der zweiten Klage stattgegeben. Es betont die Befugnis der Kirche, für sich und ihre Einrichtungen ein eigenes Mitarbeitervertretungsrecht zu schaffen. Trotz der damit gegebenen Unanwendbarkeit des Betriebsverfassungsrechts ergebe sich die Frage, ob bestimmte betriebsverfassungsrechtliche Grundsätze im Streitfall nicht analog angewendet werden könnten. Das Gericht bejaht diese Frage, weil ,,- wenn schon die Religionsgemeinschaften freiwillig wegen der Unanwendbarkeit des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 eigene Mitarbeitervertretungen wählen lassen diese in bestimmtem Umfang auch eine betriebsratsähnliche Stellung haben. Dies hat zwangsläufig zur Folge, daß dann auch bestimmte Rechtsgrundsätze des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 zur Anwen50 Vgl. R. Richardi, Anmerkung (s. Anm.49). Dabei unterscheidet Richardi zwischen der Inzidentkontrolle etwa bei Kündigungsklagen zur Prüfung der Frage, ob eine Mitarbeitervertretung beteiligt wurde, und Klagen aus der Anwendung des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts. Die Inzidentkontrolle hält Richardi für unbedenklich. Zur zweiten Klageart weist er darauf hin, daß im staatlichen Recht eine Regelung, die Streitigkeiten aus der Anwendung einer kirchlichen MAVO einem bestimmten Gerichtszweig zuweist, fehlt. Richardi plädiert im übrigen für die Einrichtung eines eigenen kirchlichen Rechtswegs. 51 Arbeitsrechts-Blattei "Kirchenbedienstete" Entscheidung 6.
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dung gelangen müssen." Im Anwendungsbereich dieses Gesetzes habe aber der in den Betriebrat gewählte Wahlbewerber, dem vor dem Zeitpunkt der Wahl fristlos gekündigt worden ist, das Recht, den Betrieb zum Zweck der Ausübung seines Amtes zu betreten. Dieser Analogieschluß weckt Bedenken. Sicher haben Gerichte auch gegenüber einem kirchlichen Rechtsinstrument, wenn es Lücken aufweist, die Aufgabe der Lückenfüllung, um das non liquet zu vermeiden. Dabei sind auch Analogien zum staatlichen Recht nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Dennoch kann nicht davon ausgegangen werden, daß dies wegen bestimmter Ähnlichkeiten eines Rechtsinstituts "zwangsläufig" zu geschehen habe. Zunächst hätte das Gericht seinen eigenen Ausgangspunkt durchhalten und seiner Entscheidung zugrundelegen müssen, daß die kirchliche Mitarbeitervertretungsordnung auf der Verfassungsgarantie des Art. 137 Abs.3 WRV beruht, also gerade nicht ohne weiteres mit betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsinstrumenten verglichen werden kann. Dies hätte dazu führen müssen, die Mitarbeitervertretungsordnung selbst auf ihren Inhalt zu befragen und Lücken unter Zugrundelegung des kirchlichen Rechts, nicht durch einfachen Verweis auf das staatliche Recht, zu schließen52 • Rückgriffe auf das staatliche Betriebsverfassungs- oder Personalvertretungsrecht werden bei der Auslegung des kirchlichen Rechts der Mitarbeitervertretungen also eher in die Irre als zum richtigen Ergebnis führen. Primärer Auslegungsgesichtspunkt bei der Anwendung des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts muß es daher sein, den Regelungsgehalt der kirchlichen Vorschriften selbst zu realisieren. Nur so können staatliche Gerichte der grundsätzlichen Unabhängigkeit des kirchlichen Gesetzgebers bei der Wahrnehmung der aus dem Selbstbestimmungsrecht der Verfassung folgenden Kompetenzen gerecht werden.
52 Vgl. auch die weitere Einzelheiten erörternde Kritik bei R. Richardi, Anmerkung (s. Anm.49) sowie Th. Mayer-Maly, Tragweite, S.15.
Siebentes Kapite~
Gerichtlicher Rechtsschutz für Angehörige des kirchlichen Dienstes I. Die in den vorangehenden Kapiteln entwickelten Aussagen zur Struktur und rechtlichen Gestaltung des kirchlichen Dienstes erfahren eine praktische Bewährungsprobe im Konfliktsfall, dann also, wenn zwischen der Kirche und ihren Dienstnehmern Einzelfragen des Dienstoder Arbeitsverhältnisses oder dieses selbst Gegenstand streitiger Auseinandersetzung werden. Hier muß sich erweisen, ob das zur Anwendung kommende materielle Recht, das in weitem Umfang von der Kirche selbst gesetzt wird, in der Lage ist, eine beide Seiten befriedigende Lösung des entstandenen Konflikts zu ermöglichen. Die Konfliktsbeilegung hängt aber auch vom einzuhaltenden Verfahren ab, wobei eine besondere Bedeutung der Frage zukommt, ob, in welchen Fällen und vor welchen Gerichten gerichtliche Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung stehen.
Auch diese Frage muß im Gesamtzusammenhang der staatskirchenrechtlichen Ordnung gesehen werden. Nicht nur das materielle Dienstund Arbeitsrecht für den kirchlichen Dienst, sondern auch die Art und der Umfang des Rechtsschutzes für im kirchlichen Dienst entstehende Rechtsstreitigkeiten müssen also den verfassungsrechtlichen Bestimmungen über die Stellung der Kirchen im staatlichen Recht entsprechen, verfassungskonform sein. Die Gesamtfrage des Rechtsschutzes gegen kirchliche Rechtshandlungen ist seit geraumer Zeit Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion, die sich insbesondere an oberstgerichtlichen Entscheidungen zum Rechtsschutz kirchlicher Bediensteter, unserem speziellen Thema also, entzündet hat. Im Rahmen dieser Schrift können die hier entstandenen Fragestellungen daher nicht ausgeklammert bleiben. Freilich ist es nicht beabsichtigt, die Diskussion in aller Breite nochmals aufzunehmen. Im Vordergrund soll das Bemühen stehen, auf der Grundlage der vorstehend entwickelten Aussagen zum materiellen Dienst- und Arbeitsrecht der Kirche Problemlösungen für die einzelnen Rechtsschutzfälle zu formulieren. 11. Wie in verschiedenen literarischen Äußerungen zu unserem Thema herausgearbeitet worden ist, stellt sich die Rechtsschutzfrage bei grund-
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7. Kap.: Gerichtlicher Rechtsschutz
sätzlicher Betrachtung als Abwägungsproblem zwischen dem Selbstbestimmungsrecht der Kirche und der gleichfalls durch die Verfassung statuierten Rechtsschutzgewährungspflicht des Staates dar1 • Die Verwirklichung der kirchlichen Selbstbestimmung erfordert weitestgehende Unabhängigkeit der Kirche vom Staat und seinen Instanzen, deren Zuständigkeit in "Kirchenfragen" sich (von der kirchlichen Eigenständigkeit her gedacht) als Fremdbestimmung über die Kirche, daher im Blick auf das Selbstbestimmungsrecht als fragwürdig darstellen muß. Andererseits auferlegen das Rechtsstaatsprinzip und das staatliche Rechtsschutzmonopol dem Staat die "Pflichtaufgabe" , seinen Bürgern Instanzen zur Durchsetzung ihrer Rechte zur Verfügung zu stellen, wobei die Verfassung von der grundsätzlichen Lückenlosigkeit des Rechtsschutzsystems ausgeht. Jeder Freiraum, der im Ergebnis zu einer Rechtsschutzverweigerung gegenüber einem Rechtssuchenden führt, muß daher als verfassungsrechtlich zweifelhaft betrachtet werden. Die hierdurch entstehende Spannungslage ist nicht zu übersehen, und nicht zu Unrecht hat Rüfner bemerkt, daß der Praxis für die erforderlich werdende Abwägung im Grenzbereich ein Spielraum gelassen werden muß, so daß es nicht möglich ist, in allen Fällen nur eine bestimmte Lösung als verfassungsgemäß zu betrachten2 • Wie schon bemerkt, hat sich die wissenschaftliche Diskussion dieser Abwägungsproblematik vor allem an Entscheidungen des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts zum Rechtsschutz kirchlicher Bediensteter entzündet. Ausgangspunkt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs3 ist die grundsätzliche Unabhängigkeit der Kirche vom Staat und die Befugnis zur eigenverantwortlichen Regelung der kirchlichen Organisation und des Ämterrechts. Mit Rücksicht hierauf und auf das System der Koordination von Staat und Kirche schloß der Bundesgerichtshof, daß Klagen aus Dienstverhältnissen von (evangelischen) Pfarrern und Kirchenbeamten nur zulässig seien, wenn eine Einigung zwischen Staat und 1 Vgl. dazu H.-U. Evers, Das Verhältnis der kirchlichen zur staatlichen Gerichtsbarkeit, in: Festschrift für Erich Ruppel, Hannover, Berlin und Hamburg 1968, S. 329 - 353, S. 329 f.; J. Listl, Das Grundrecht der Religionsfreiheit in der Rechtsprechung der Gerichte der Bundesrepublik Deutschland, Berlin 1971, S. 405 f.; W. Rüfner, Rechtsschutz ge~en kirchliche Entscheidungen durch staatliche Gerichte, in: Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, Bd. I, Berlin 1974, S. 759 - 790, S. 759 ff. 2 W. Rüfner, Rechtsschutz, in: HdbStKirchR I, S.760. 3 Es handelt sich vor allem um die Urteile vom 16.3. 1961, BGHZ Bd.34, S.372; vom 7.5.1962, DVBI. 1962, S.530; vom 19.9.1966, BGHZ Bd.46, S.96; vom 28.9.1967, ZevKR Bd.14, S.156; vgI. im übrigen die Nachweise und Inhaltsangaben bei J. Listl, Religionsfreiheit, S. 406 ff.
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Kirche über den Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten vorliege. Das "Angebot" des Staates wird in § 135 S.2 BRRG erblickt, das der "Annahme" durch die Kirche, etwa in Form eines kirchlichen Rechtssatzes, bedürfe. Das Bundesverwaltungsgericht4 hat sich dieser "Angebotstheorie" des Bundesgerichtshofs grundsätzlich angeschlossen, wenn es auch das Problem, ob der staatliche Rechtsschutz nicht schon wegen Art. 19 Abs.4 GG gegeben sei, als "umstrittene, höchstrichterlich noch nicht hinreichend geklärte Frage" bezeichnet. Es hat diese theoretische Frage aber dahingestellt gelassen, weil im konkreten Fall jedenfalls die Einigung zwischen Staat und Kirche über den Rechtsweg als gegeben betrachtet wurde 5 • Die unteren Gerichte haben die "Angebotstheorie" nie voll akzeptiert 6 • Das Schrifttum hat sich ganz überwiegend gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts ausgesprochen7 • Hierbei wird der Rückgriff auf die Koordinationslehre abgelehnt, weil Koordination zwischen Staat und Kirche nicht bedeuten könne, daß die Kirche und ihre Bediensteten aus dem staatsbürgerlichen Verband ausscherenB. Die der Kirche zuerkannte Eigenständigkeit hindere nicht, daß die staatliche Rechtsprechung auch gegenüber den Kirchen ausgeübt werde, wenn es sich um Rechtsansprüche handelt, die der staatlichen Jurisdiktion unterliegen9 • Die Rechtsgrundlage für die staatliche Justizgewährungspflicht auch gegenüber den Kirchen wird nicht in Art. 19 Abs.4 GG, sondern in Art. 92 GG, dem Rechtsprechungsmonopol des Staates, erblickt, das ihn verpflichtet, für die Durchsetzung der im staatlichen Recht relevanten Ansprüche seinen Bürgern die staatlichen Gerichte zur Verfügung zu stellen, um so den Postulaten der Rechts- und Sozialstaatlichkeit zu genügen10 • Dies bedeutet konkret, daß für alle vermögens rechtlichen Ansprüche, auch soweit sie aus , Es handelt sich um die Urteile vom 27.10.1966, BVerwGE Bd.25, S.226 und vom 15.12.1967, BVerwGE 28, S.345. 5 BVerwGE Bd.28, S.348. 8 Vgl. die Übersicht bei J. Lisa, Religionsfreiheit, S. 409 ff. und die Nachweise bei W. Rüfner, Rechtsschutz, in: HdbStKirchR I, S.775, dort Anm.58. 7 Vgl. A. Hollerbach, Die Kirchen unter dem Grundgesetz, in: VVdStRL Heft 26 (1968), S. 57 - 101, S. 70 ff.; A. Frh. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 170 ff.; Ch. Link, Neuere Entwicklungen und Probleme, S. 33 ff.; ferner die Nachweise bei W. Rüfner, Rechtsschutz sowie bei J. Listl, Religionsfreiheit, S.412. 8 A. Frh. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 175. 9 Ebd., S. 172. 10 Ch. Link, Neuere Entwicklungen und Probleme, S. 37 mit weiteren Nachweisen.
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einem Dienstverhältnis mit der Kirche stammen, der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten als gegeben angesehen wird. Die für erforderlich gehaltene Abwägung zwischen staatlichem Rechtsschutzmonopol und kirchlichem Selbstbestimmungsrecht wird dadurch verwirklicht, daß man zwischen "Statusklagen" , die unzulässig sind, und den Klagen auf vermögensrechtliche Ansprüche unterscheidet. So soll vermieden werden, daß den Kirchen, was Art. 137 Abs. 3 WRV widerspräche, Amtsträger gegen ihren Willen aufgezwungen werden könnenl l . Die überwiegende Lehrmeinung sieht hierbei keinen Unterschied zwischen Pfarrern und Kirchenbeamten, hält also bei den letzteren Statusklagen vor den staatlichen Gerichten ebenfalls für unzulässig 12• Demgegenüber hat Rüfner ausgeführt, daß zwischen Geistlichen (Seelsorgern) und Kirchenbeamten differenziert werden müsse. Eine staatliche Rechtsprechung über Kirchenbeamte tangiere das Prinzip der kirchlichen Eigenständigkeit weit weniger als die Beurteilung von Ansprüchen von Seelsorgern. Rüfner bejaht daher für kirchliche Beamtenverhältnisse den Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten grundsätzlich in vollem Umfang, ausgenommen jedoch das Disziplinarrecht, das keine Einmischung durch staatliche Gerichte vertrage13 • Hinsichtlich der Geistlichen jedoch hält Rüfner die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht für eindeutig verfassungswidrig. Den Grund hierfür erblickt er darin, daß die Trennung von Statusklagen und Klagen auf vermögensrechtliche Ansprüche nie vollständig möglich sei, so daß vor allem die inzidente Prüfung von Statusfragen in Prozessen über vermögensrechtliche Ansprüche die Gefahr in sich berge, daß sich die staatlichen Gerichte "tief in die inneren Angelegenheiten der Kirchen einmischen". Gestehe man dagegen den staatlichen Gerichten die Prüfung der Statusfragen nicht zu, so beschränke sich der Rechtsschutz auf Nebensächlichkeiten14 • In der hier überblicksweise gegebenen Bilanz des Streitstandes bleibt abschließend festzuhalten, daß die Zuständigkeit der staatlichen Arbeitsgerichte bezüglich der privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse der Kirche von keiner Seite, weder in der Literatur noch von der Rechtsprechung, bestritten wird15 • Der von der Literatur gegen die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverwaltungsgerichts vorgetragenen Kritik ist, 11 12 13
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A. Frh. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 183 f. Ebd., S. 183, 184. W. Rü!ner, Rechtsschutz, in: HdbStKirchR I, S. 780 f. Ebd., S. 780, 779. Vgl. statt aller A. Frh. v. Campenhausen, Staatskirchenrecht, S. 173.
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wie bereits an anderer Stelle ausgeführt wurde, im Grundsätzlichen zuzustimmen16 • In manchen Einzelheiten bedürfen die Ergebnisse der herrschenden Meinung freilich der Präzisierung und Korrektur. Die nähere Betrachtung muß dabei wiederum die verschiedenen Bereiche des kirchlichen Dienstes unterscheiden. IH. Dabei soll, da sich hier die geringsten Probleme stellen, mit dem Rechtsweg für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse betreffende Klagen begonnen werden. Wie soeben bemerkt, wird die Zulässigkeit solcher Klagen von keiner Seite bestritten. Hierzu besteht auch kein Anlaß, da, wie ausgeführt wurde, die betreffenden Dienstnehmer der Kirche in einem echten, dem Arbeitsrecht zuzuordnenden Arbeitsverhältnis stehen. Die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte gem. § 2 Abs.2 Nr.2 ArbGG ist daher gegeben17 • Es besteht auch weder Veranlassung noch Möglichkeit, zwischen "Statusklagen" und anderen Rechtsschutzfällen zu unterscheiden. So kann vor den Arbeitsgerichten sowohl über das Bestehen oder Nichtbestehen, über die erfolgte Begründung oder die zulässige Auflösung eines kirchlichen Arbeitsverhältnisses wie über einzelne Anspruche hieraus, sei es auf Arbeitsvergütung, auf Zulagen, auf Höhergruppierung, sei es über die Rechtmäßigkeit einer Versetzung oder über die Zuteilung einer bestimmten Tätigkeit gestritten werden. Von den Gerichten gefällte Entscheidungen sind auch gegenüber der Kirche verbindlich und notfalls vollstreckbar. Probleme im Zusammenhang mit dem Recht der Kirche zur freien Ämterbesetzung stellen sich im allgemeinen nicht. Eine Einstellungsverpflichtung hinsichtlich bestimmter Mitarbeiter ist nicht gegeben, vielmehr partizipiert die Kirche wie jeder andere Arbeitgeber an der in der Vertragsfreiheit gegebenen Entscheidungsfreiheit, ob sie einen Bewerber einstellen will oder nicht, wofür das kirchliche Selbstbestimmungsrecht einen zusätzlichen Rechtsgrund bietet. Schwierigkeiten können sich bei der Auflösung eines Arbeitsverhältnisses ergeben, wenn die Kirche etwa eine Kündigung wegen Verstoßes gegen maßgebliche kirchliche Grundsätze für erforderlich hält und staatliche Gerichte die Anerkennung der Rechtmäßigkeit einer solchen Kündigung wegen Unvereinbarkeit mit dem Kündigungsschutzgesetz verweigern. Dies ist aber in erster Linie eine Frage der richtigen Anwendung des materiellen Rechts, der richtigen Auslegung der Tatbestände des Kündigungsschutzes in bezug Vgl. J. Jurina, Rechtsstatus, S. 143 ff., S. 144. Vgl. auch R. Richardi, Anmerkung zum Urteil des LAG Düsseldorf vom 8.9.1975, in: Arbeitsrechts-Blattei (D), Kirchenbedienstete Entscheidung 6, Abschn. II, 3. 16 17
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auf kirchliche Arbeitsverhältnisse. Hierbei ist, wie ausgeführt wurde, das kirchliche Selbstbestimmungsrecht und die Freiheit der Kirche in der Ämtervergabe zu beachtenl8 • Dies kann z. B. auch dazu führen, daß in einem Kündigungsschutzverfahren der Erklärung der Kirche, die Fortsetzung eines bestimmten Arbeitsverhältnisses sei für sie unzumutbar, besondere Bedeutung zuzumessen ist. Diese Problemstellungen können aber kein Grund sein, den Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten als solchen zu verneinen. Wegen der engen Verknüpfung des Selbstbestimmungsrechts nach Art. 137 Abs.3 WRV mit der auch der Kirche garantierten Religionsfreiheit nach Art. 4 GG bleibt der Kirche im übrigen die Möglichkeit, jedenfalls bestimmte mit der Verfassungsrechtslage nicht übereinstimmende Entscheidungen der Arbeitsgerichte mit der Verfassungsbeschwerde anzufechten l9 . Hinsichtlich des im Arbeitsgerichtsverfahren zur Anwendung kommenden materiellen Rechts ist im übrigen die aus dem Selbstbestimmungsrecht abzuleitende Befugnis der Kirche zur weitgehend selbständigen Gestaltung des kirchlichen Arbeitsrechts zu beachten. Im Ergebnis bedeutet dies, daß je nach Entfaltung des eigenen kirchlichen Rechts die Arbeitsgerichte in größerem oder geringerem Umfang kirchliche Regelungen anzuwenden haben, die sie nur auf ihre Vereinbarkeit mit dem "für alle geltenden Gesetz" des Art. 137 Abs.3 WRV überprüfen, nicht aber etwa als von vornherein irrelevant betrachten können. Im Blick auf die eingangs erwähnte Abwägungsproblematik ergibt sich so eine wichtige Sicherung materieller kirchlicher Selbständigkeit trotz Bejahung des Rechtswegs zu den staatlichen Gerichten. IV. Anders stellt sich die Rechtslage hinsichtlich der Geistlichen der katholischen Kirche dar. Es wurde dargelegt, daß das kirchliche Dienstverhältnis der Geistlichen der katholischen Kirche grundsätzlich dem Bereich des eigenständig-kirchlichen Rechts zuzuordnen ist20 • Hieraus folgt, daß schon aus diesem Grunde ein auf dieses Rechtsverhältnis bezüglicher Rechtsstreit nicht vor den staatlichen Gerichten ausgetragen werden kann, und zwar selbst dann nicht, wenn die katholische Kirche - was nicht der Fall ist und auch nie der Fall sein kann - einen solchen Rechtsweg durch "Zuweisung" begründen wollte. Da es einem staatlichen Gericht nicht zusteht, über eigenständig-kirchliches Recht zu urteilen, ist die Eröffnung eines staatlichen Rechtsweges für Klagen aus derartigen Rechtsverhältnissen aus Rechtsgründen nicht möglich 21 • Vgl. zu diesen Fragen oben S. 131 ff., 150. Vgl. auch die Ausführungen zur Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde im "Bremer Pastorenfall", BVerfGE Bd.42, S. 322 f. 20 Vgl. oben S. 48 f. 21 Vgl. auch J. Jurina, Rechtsstatus, S. 141 f. 18
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Konkret bedeutet dies, daß ganz allgemein und ohne Ausnahme vor staatlichen Gerichten nicht nur Rechtsstreitigkeiten aus dem "Grunddienstverhältnis" der Geistlichen ausscheiden, sondern auch Prozesse hinsichtlich des jeweils übernommenen speziellen Dienstauftrags, also etwa über das Pfarrerdienstverhältnis. Deshalb wäre eine Anrufung der staatlichen Gerichte z. B. in einer Streitigkeit über die "Laisierung" eines Geistlichen oder in Streitigkeiten über eine Versetzung oder die Amotion eines Pfarrers unzulässig. Es bleibt die Frage nach den vermögensrechtlichen Ansprüchen, etwa den Ansprüchen auf Dienstbezüge, die rechtssystematisch nicht dem eigenständig-kirchlichen Recht, sondern dem weltlichen Rechtskreis zuzuordnen sind 22 • Diese Zuordnung könnte für die Eröffnung eines staatlichen Rechtsweges sprechen, wobei mit der herrschenden Lehre die Abgrenzung von Statusstreitigkeiten und Prozessen über vermögensrechtliche Ansprüche zu beachten und auszuschließen wäre, daß im Gewand eines Streits über vermögensrechtliche Fragen "verkappt" eine Statusfrage vor die staatlichen Gerichte getragen wird. Hiergegen hat Rüfner, wie schon ausgeführt, auf die Gefahr der Einmischung in die inneren Angelegenheiten der Kirche insbesondere bei der von der herrschenden Lehre zugestandenen inzidenten Prüfung der status rechtlichen Vorfragen hingewiesen und für die Anerkennung eines einheitlichen Rechtswegs plädiert23 • Aufgrund dieser Erwägung ergibt sich somit grundsätzlich ein Ausschluß des staatlichen Rechtswegs für die Klage eines Geistlichen in bezug auf die vermögensrechtlichen Ansprüche aus seinem Dienstverhältnis. Es sei betont, daß eine streng rechtssystematische Betrachtungsweise für die hier relevanten Fälle eher zu einer Bejahung als zu einer Verneinung des Rechtswegs zu den staatlichen Gerichten kommen müßte, wie an anderer Stelle ausgeführt wurde 24 • Freilich ist zuzugeben, daß die Einwände Rüfners beträchtliches Gewicht haben. Die Entscheidung der Rechtswegfrage allein aus rechtssystematischer Sicht birgt zudem die Gefahr in sich, daß hiermit das einheitlich zu sehende Dienstverhältnis des Geistlichen an einer entscheidenden Stelle doch wieder zerrissen würde. So sprechen in der Tat beachtliche Gründe gegen die Zuständigkeit staatlicher Gerichte für vermögensrechtliche Klagen eines Geistlichen aus seinem Dienstverhältnis, selbst wenn sie nur als "ultima ratio" verstanden wird25 • Vgl. oben S.49. Vgl. W. Rüfner, Rechtsschutz, S.779/780. 24 J. Jurina, Rechtsstatus, S. 144. Die dort Anm. 31 gemachten Ausführungen zur Prüfung von Inzidentfragen werden dagegen nicht in vollem Umfang aufrechterhalten. 25 A. Hollerbach, Kirchen, in: VVdStRL Heft 26 (1968), S.76. 22
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Auch die "Angebotstheorie" der Rechtsprechung kann dann aber keinen staatlichen Rechtsweg für die vermögensrechtlichen Klagen begründen. Denn wenn der Grund für die Unzuständigkeit der staatlichen Gerichte vor allem darin liegt, daß die Unterscheidung zwischen echten und "verkappten" Statusklagen26 nicht praktikabel ist und somit eine verfassungs rechtlich unzulässige überschreitung des Kompetenzbereichs der Staatsgewalt droht, ist es auch nicht möglich, einen staatlichen Rechtsweg kraft kirchlicher Zuweisung zuzulassen. Die Konsequenz kann dann nur das völlige Absehen von staatlichen Rechtsschutzmöglichkeiten sein. Erneute Aktualität in der Rechtspraxis hat die Rechtswegfrage durch drei Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts Münster gewonnen, das sich mit Gehaltsansprüchen eines in den Wartestand versetzten evangelischen Pfarrers bzw. mit Versorgungsansprüchen eines aus der Kirche ausgetretenen und daher suspendierten katholischen Geistlichen zu befassen hatte 27 • Das Oberverwaltungsgericht Münster bejaht die Zulässigkeit des staatlichen Rechtswegs. Die Kirchen übten bei der Regelung des Besoldungs- und Versorgungsrechts ihrer Bediensteten "staatliche und damit öffentliche Gewalt i. S. des Art. 19 IV 1 GG" aus. Vermögensrechtlieh wirksame Maßnahmen der Kirchen überschritten nämlich den innerkirchlichen Bereich, "denn dadurch werden bloße vermögensrechtliche Beziehungen zwischen der Kirche und ihrem Amtsträger gestaltet". Die besoldungsrechtlichen Regelungen beträfen den Kirchenbediensteten als selbständiges Rechtssubjekt und hätten für seine Stellung als Staatsbürger unmittelbare Auswirkungen, da von ihnen seine finanzielle Existenzgrundlage und seine soziale Sicherheit betroffen werde. "überschreitet ein Rechtsverhältnis den innerkirchlichen Bereich, so wird die Kirche darin mittelbar auch in Ausübung staatlicher Gewalt tätig mit der Folge, daß ihre Selbstbestimmung eine in der Sache begründete Einschränkung erfährt." Unabhängig von der somit bejahten Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Verwaltungsgerichten sei aber der Umfang der Nachprüfbarkeit kirchlicher Akte festzustellen. Ob Maßnahmen im Bereich der kirchlichen Ämterhoheit rechtmäßig sind, hätten staatliche Gerichte nicht zu überprüfen. Sie müßten diese kirchlichen Anordnungen, soweit sie nicht nichtig seien, vielmehr als Tatsachen, denen Tatbestands- und Drittbindungswirkung zukommt, 26 Vgl. A. FTh. v. Campenhausen, 5taatskirchenrecht, 5.183; J. JUTina, Rechtsstatus, 5.145, dort Anm.31 am Ende; ferner OVG Berlin, Urteil vom 19. 6. 1969, KirchE Bd. 10, 5. 410. 27 OVG Münster, Urteil vom 9.2.1978, in: NJW 1978, 5.2111- 2114; Beschluß vom 28.2.1978, Az.: VIII B 2609/77 (nicht veröffentlicht); Beschluß vom 14.4.1978, Az.: VIII B 111/78 (nicht veröffentlicht).
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hinnehmen. Staatliche Gerichte seien also lediglich befugt, den Inhalt der getroffenen kirchlichen Verfügung zu ermitteln und die sich hieraus ergebenden Rechtsfolgen festzustellen. Deshalb sei auch eine inzidente Prüfung der vor staatlichen Gerichten unanfechtbaren statusrechtlichen Maßnahmen ebenso abzulehnen wie eine darauf beschränkte Kontrolle, ob die kirchlichen Maßnahmen überhaupt auf eine kirchenrechtliche Norm gestützt werden können und ob die kirchenrechtlichen Bestimmungen mit höherrangigem Kirchenrecht und den Grundprinzipien der staatlichen Rechtsordnung vereinbar sind. Beides führte dazu, daß das staatliche Gericht jedenfalls in der Begründung Feststellungen zu treffen hätte, mit denen den Kirchen vorgeschrieben würde, wie sie sich in ihrem Internbereich zu verhalten hätten. Dies sei aber durch Art.l40 GG i. V. m. Art. 137 Abs.3 WRV dem staatlichen Gericht gerade verwehrt28 • Die Ausführungen des OVG Münster illustrieren, wie wenig es letztlich einbringt, wenn der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten für den vermögensrechtlichen Anspruch der Geistlichen zwar bejaht wird, aber andererseits die Nachprüfbarkeit der kirchlichen Akte, von denen der Anspruch abhängt, ausgeschlossen werden muß. Insofern kann sich Rüfner in der Ansicht bestätigt fühlen, daß sich der Rechtsschutz so auf Nebensächlichkeiten beschränkt. Vor allem aber ist der rechtstheoretische Ausgangspunkt, auf den sich die überlegungen des OVG Münster gründen, außerordentlich zweifelhaft. So ist schon die Bemerkung problematisch, durch die besoldungs- und versorgungsrechtlichen Regelungen würden bloße vermögensrechtliche Beziehungen gestaltet. Es scheint, daß hierbei die Bedeutung des Alimentationsgrundsatzes, der analog auch für die beamtenähnlich ausgestalteten Besoldungsregelungen der geistlichen Amtsträger herangezogen werden kann, nicht genügend gewürdigt wurde. Unhaltbar ist aber die Ansicht, daß die Kirche durch Regelungen, die den innerkirchlichen Bereich überschreiten, staatliche und damit öffentliche Gewalt i. S. von Art. 19 Abs.4 GG ausübt. Gerade das Gegenteil hat das Bundesverfassungsgericht zum Ausdruck gebracht, wenn es ausführt, eine Regelung, die keine unmittelbaren Rechtswirkungen in den staatlichen Zuständigkeitsbereich habe, bleibe eine innere kirchliche Angelegenheit auch dann, wenn sie dorthin mittelbare Auswirkungen besitze 29 • So zeigen auch die Ausführungen des OVG Münster, daß keine der in Betracht kommenden Lösungsmöglichkeiten für das Rechtswegproblem
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OVG Münster, Urteil vom 9.2.1978, in: NJW 1978, S.2113, 2114. BVerfGE Bd.42, S.334.
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hinsichtlich der vermögensrechtlichen Ansprüche der Geistlichen letztlich voll befriedigt. Der Sache am nächsten kommt aber doch der Lösungsvorschlag Rüfners, aus staatskirchenrechtlicher Sicht alle aus dem Dienstverhältnis des Geistlichen folgenden Streitfragen einer einheitlichen kirchlichen Gerichtsbarkeit zuzuweisen. Der Ausschluß des staatlichen Rechtswegs sollte aber nur für die Zeit des Bestehens des kirchlichen Dienstverhältnisses eines Geistlichen angenommen werden. Wenn dieses Dienstverhältnis durch "Laisierung" des Geistlichen aufgelöst ist und etwa "Restansprüche" vermögensrechtlicher Art, z. B. auf eine noch zustehende Gehaltszahlung, geltend gemacht werden, wird es schwer fallen, die Zuständigkeit staatlicher Gerichte hierfür zu verneinen. Allerdings ist in diesem Falle eine strenge Bindung an die kirchlichen Statusentscheidungen anzunehmen.
Es sei schließlich darauf hingewiesen, daß die Verfolgung vermögensrechtlicher Ansprüche eines Geistlichen vor den staatlichen Gerichten keineswegs immer nur durch den Geistlichen selbst geschehen muß. Solche Ansprüche können z. B., wie schon oben erwähnt wurde, von einem Dritten gepfändet werden 30 • Der dann erlassene Pfändungsund überweisungsbeschluß gibt im Extremfall dem Pfändungsgläubiger die Möglichkeit, den gepfändeten und überwiesenen Anspruch einzuklagen. Es besteht kein Zweifel, daß dies vor den staatlichen Gerichten zulässig ist. Ferner können auch andere dem weltlichen Rechtsbereich zugehörige Aspekte des Dienstverhältnisses eines Geistlichen Gegenstand einer Klage vor den staatlichen Gerichten sein. Dies ist bislang vor allem für sozialversicherungsrechtliche Fragen relevant geworden. Wegen der andersartigen materiellrechtlichen Situation stehen sich hier freilich nicht Kirche und Geistlicher gegenüber. Prozeßgegner der Kirche 3! oder ihres Geistlichen32 ist vielmehr der jeweilige Sozialversicherungsträger. V. Es bleibt die Frage nach dem Rechtsweg für Klagen aus den kirchlichen Beamtenverhältnissen. Hierzu wurde oben berichtet, daß die herrschende Lehre die Unterscheidung von Statusfragen und vermögensrechtlichen Ansprüchen auch auf die kirchlichen Beamtenverhältnisse erstreckt und folglich den staatlichen Rechtsweg für Statusklagen verneint. Es wurde auch vermerkt, daß Rüfner diese Ansicht ablehnt und für die Zulässigkeit des staatlichen Rechtswegs bezüglich Vgl. oben S.49. Vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 29.3. 1962, KirchE Bd. 6, S.54. 32 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. 7.1963, KirchE Bd.6, S. 267; Bundessozialgericht, Urteil vom 20.4.1972, KirchE Bd.12, S.453; Bundessozialgericht, Urteil vom 20.4. 1972, KirchE Bd. 12, S. 434. 30 31
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aller Klagen aus dem kirchlichen Beamtenverhältnis, ausgenommen das Disziplinarrecht, eintritt. Der Auffassung Rüfners ist zuzustimmen. Schon die rechtssystematische Zuordnung des kirchlichen Beamtenrechts nicht zum eigenständig-kirchlichen, sondern zum weltlichen Rechtskreis ist ein Indiz für die Eröffnung des staatlichen Rechtswegs. Es sprechen auch keine zwingenden Gründe der Wahrung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts gegen eine Streitentscheidung durch die staatlichen Gerichte. Selbstverständlich stellt sich auch hier die Aufgabe, das Selbstbestimmungsrecht der Kirche bei der Vergabe ihrer Ämter im Einzelfall nicht zu verletzen. Dies ist aber wie bei den privatrechtlichen Arbeitsverhältnissen der Kirche in erster Linie eine Frage der richtigen Anwendung und Auslegung des maßgebenden materiellen Rechts, nicht ein Problem des Rechtswegs. Wer für die Unzuständigkeit der staatlichen Gerichte in "Statusfragen" kirchlicher Beamter eintritt, müßte dieselbe Konsequenz auch für die privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse der Kirche ziehen, da jedenfalls im Bereich der katholischen Kirche kein grundsätzlicher Unterschied zwischen Beamten und Angestellten, was die mögliche Nähe zum geistlichen Auftrag der Kirche anlangt, zu erkennen ist. Im Gegenteil: die weitaus meisten Dienstnehmer der katholischen Kirche, die typisch pastorale und Verkündigungsaufgaben wahrnehmen, sind privatrechtliche Bedienstete und nicht Beamte. Es ist also davon auszugehen, daß Klagen aus dem kirchlichen Beamtenverhältnis in vollem Umfang vor staatlichen Gerichten zulässig sind33 • Zuständig sind gern. § 40 VwGO die Verwaltungsgerichte. Das der Entscheidung zugrundezulegende Recht ist in erster Linie das Recht der Kirche, der die Regelung ihrer Beamtenverhältnisse zukommt. Dies trifft selbst dann zu, wenn kein umfassendes kirchliches Beamtengesetz vorliegt, sondern durch kirchliche Vorschriften lediglich auf ein staatliches Beamtenrecht oder Teile hiervon verwiesen wird. Auch dann gilt dieses staatliche Recht nicht kraft staatlichen, sondern kraft des kirchlichen Anwendungsbefehls. Anders ist die Lage freilich, wie ebenfalls Rüfner ausgeführt hat, für das kirchliche Disziplinarrecht. Hier kann nicht schon die formale Qualifikation als autonomes öffentliches Recht zur Eröffnung des staatlichen Rechtswegs ausreichen34 • Vielmehr muß gesehen werden, daß Vgl. schon J. Jurina, Rechtsstatus, S.144. So aber H. Weber, Die Religionsgemeinschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts im System des Grundgesetzes, Berlin 1966, S. 118 ff. Das Oberverwaltungsgericht Münster, hat in einem Urteil vom 9. 2. 1978, Leitsatz in: NJW 1978, S.2114, entschieden, daß die Disziplinargewalt eine auf "ursprünglicher Gewalt der Kirchen beruhende innerkirchliche Angelegenheit und damit staatlichen Eingriffen durch Gerichte entzogen" ist. 33
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12 Jurina
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innerhalb des Disziplinarrechts spezifische Fragen des besonderen kirchenbeamtenrechtlichen Treueverhältnisses zur Entscheidung anstehen, die wegen ihrer engen Verknüpfung mit dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht von staatlichen Gerichten nicht sachgerecht beurteilt werden können. Mit Rüfner ist daher zur Wahrung der Ämterhoheit der Kirche von der Zuständigkeit der Kirche selbst auszugehen, die durch eigene kirchliche Disziplinarinstanzen auszuüben ist. Sofern eine im Disziplinarverfahren zu entscheidende Frage für einen vor den staatlichen Gerichten anhängigen Prozeß von Bedeutung ist, sind die staatlichen Gerichte an die kirchliche Entscheidung gebunden. In Betracht kommt allenfalls eine überprüfung der Einhaltung verfassungsmäßiger Schranken oder des "für alle geltenden Gesetzes", freilich unter gleichzeitiger Wahrung des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts bezüglich der Disziplinarangelegenheiten. In erster Linie wird es sich also um die Prüfung der Frage handeln, ob der kirchliche Zuständigkeitsbereich bei Erlaß der Disziplinarentscheidung eingehalten oder überschritten wurde. VI. Einzugehen ist schließlich kurz auf den Rechtsschutz bei Streitigkeiten über die missio canonica. Es wurde ausgeführt, daß die Regelungen über die Erteilung und den Entzug der missio canonica dem eigenständig-kirchlichen Rechtsbereich angehören 35 . Das schließt einen Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten aus36 • Für einen solchen Rechtsweg spricht auch nicht die fraglos mögliche und in vielen Fällen, etwa bei Religionslehrern, gegebene Verknüpfung der Innehabung der missio canonica mit einem weltlichen Dienst- oder Arbeitsverhältnis, sei es im kirchlichen, sei es im staatlichen Dienst. Wie wiederum Rüfner ausgeführt hat, würde eine etwa innerhalb eines Rechtsstreites über eine Kündigung getroffene Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Entzugs der missio canonica so tief in das kirchliche Selbstbestimmungsrecht eingreifen, daß es als verletzt anzusehen wäre 37 • Auch als Inzidentfrage gehören also Entscheidungen über Erteilung oder Entzug der missio canonica nicht zum Zuständigkeitsbereich der staatlichen Gerichte. Wo diese Fragen inzidenter eine Rolle spielen, ist die Entscheidung der kirchlichen Instanzen maßgebend.
VII. Ein abschließend zu erwähnendes Sonderproblem bildet die Frage, welche Instanzen für die Entscheidung über die kirchliche Mitarbeitervertretungsordnung betreffenden Streitigkeiten zuständig sind. Eine Zuständigkeitsregelung in den staatlichen Gesetzen fehlt, da § 2 Vgl. oben S.90. Vgl. auch W. Rüfner, Rechtsschutz, in: HdbStKirchR I, S.783; ferner VG Aachen, Urteil vom 27.6.1972, KirchE Bd. 12, S.503. 37 W. Rüfner, Rechtsschutz, in: HdbStKirchR I, S. 782 f. 35
3S
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Abs.l Nr.4 ArbGG und § 83 BPersVG ausdrücklich nur für Streitigkeiten bezüglich des Betriebsverfassungs- und des Personalvertretungsrechts gelten. Es fragt sich daher, ob insoweit eine Lücke im staatlichen Rechtsschutzsystem gegeben ist, die der Ausfüllung bedarf 3B • Festzuhalten ist auf der anderen Seite, daß die kirchliche Mitarbeitervertretungsordnung für die § 2 Abs.l Nr.4 ArbGG und § 83 BPersVG entsprechenden innerkirchlichen Streitfälle die Zuständigkeit einer Schlichtungsstelle vorsieht39 • Mit Richardi 40 ist davon auszugehen, daß ein Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten bei Streitigkeiten aus der kirchlichen Mitarbeitervertretungsordnung in der Tat nicht in Frage kommt, und zwar aus verfassungsrechtlichen Gründen. Wie dargestellt wurde, beruht die Zuständigkeit der Kirche, ein eigenes Mitarbeitervertretungsrecht zu erlassen, auf der im Selbstbestimmungsrecht enthaltenen Befugnis, eine eigene Dienstverfassung zu schaffen. Ist die Kirche aber hierin unabhängig, so kann in diese Unabhängigkeit nicht dadurch eingegriffen werden, daß staatliche Gerichte über Auslegung und Anwendung des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts befinden.
3B Vgl. zu diesen Fragen R. Richardi, Anmerkung zum Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 8.9.1975, in: Arbeitsrechts-Blattei (D) Kirchenbedienstete, Entsch. 6, Abschn. II, bes. Nr.4. 39 Vgl. § 26 MAVO. 40 Vgl. R. Richardi, in: R. Dietz / R. Richardi. Bundespersonalvertretungsgesetz, 2. Auflage München 1978, Rdn.27 zu § 112 BPersVG; ferner ders., Anmerkung, Abschnitt II 4 am Ende.
12'
Zusammenfassung und Schlufi 1.
Die Ergebnisse dieser Untersuchung lassen sich wie folgt zusammenfassen: 1. Der kirchliche Dienst fällt in den Schutzbereich des Selbstbestim-
mungsrechts der Kirche gern. Art. 137 Abs.3 WRV, weil er zu den "eigenen Angelegenheiten" im Sinne dieser Verfassungsvorschrift zählt.
2. Daher beziehen sich die in Art. 137 Abs.3 WRV genannten Befugnisse auch auf den kirchlichen Dienst. Die Kirche hat also das Recht, den kirchlichen Dienst in den Schranken des für alle geltenden Gesetzes selbständig zu ordnen und zu verwalten, d. h. vor allem selbständig rechtlich zu regeln. 3. Kraft des Selbstbestimmungsrechts ist es Angelegenheit der Kirche, die kirchlichen Berufsbilder rechtlich zu fixieren. Somit entfällt die hierfür sonst dem staatlichen Gesetzgeber zukommende Befugnis. 4. Die Befugnis zur Definition und Umschreibung kirchlicher Dienste umfaßt alle Wirkungsbereiche, in denen die Kirche eigene Angelegenheiten i. S. von Art. 137 Abs.3 WRV durch kirchliche Einrichtungen und Institutionen wahrnimmt. Kirchlicher Dienst meint also nicht nur die Bediensteten der öffentlich-rechtlich verfaßten sogenannten "Amtskirche" . Zum kirchlichen Dienst gehören vielmehr auch die Bediensteten der privatrechtlich geordneten kirchlichen Einrichtungen. Dies trifft insbesondere für den Dienst der caritativ-diakonischen Einrichtungen der katholischen Kirche zu. 5. Mit dem Recht zur selbständigen Gestaltung des kirchlichen Dienstrechts ergibt sich für die Kirche auch die Möglichkeit, für kirchliche Berufe eigene Ausbildungsstätten einzurichten. Dies gilt nicht nur für den Bereich der theologischen Ausbildung, sondern auch für alle anderen kirchlichen Berufsfelder, insbesondere auch im caritativ-diakonischen Bereich. 6. Die Ordnungs befugnis der Kirche in bezug auf ihr Dienstrecht ermächtigt sie, zu bestimmen, welche Arten von Tätigkeiten im
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kirchlichen Auftrag sie unter dem Sammelbegriff des kirchlichen Dienstes zusammenfaßt. Deshalb kann die Kirche auch die sogenannten "ehrenamtlichen" Dienste ohne Bruch in das Gefüge des kirchlichen Dienstrechts einbeziehen und so die kirchliche Dienstgemeinschaft in einem umfassenden Sinne konstituieren. 7. Der Kirche erwächst durch die Garantie der Selbstbestimmung ferner das Recht, das Tätigwerden im Dienst der Kirche als Mitwirkung am geistlichen Auftrag der Kirche zu sehen und auszugestalten. 8. Die der Kirche kraft des Selbstbestimmungsrechts gegebenen Befugnisse dürfen nicht mit dem für andere Bereiche gegebenen "Tendenzschutz" verwechselt werden. Modellhaft für die Unterscheidung der Sonderstellung der Kirche von sonstigen Institutionen mit Sonderrechten ist § 118 BetrVG, der in seinem Abs.2 die Stellung der Kirche von dem in Abs.l geregelten "Tendenzschutz" deutlich unterscheidet. 9. Für die Regelung des Dienstrechts der geistlichen Amtsträger hat die Kirche eine umfassende, dem eigenständig-kirchlichen Rechtsbereich zuzurechnende Ordnungsbefugnis. Im Blick auf seine Verwurzelung in der sakramental verstandenen Weihe ist sowohl das Grunddienstverhältnis der Geistlichen, das sog. "Inkardinationsverhältnis", wie auch das Pfarrerdienstverhältnis in der katholischen Kirche als Rechtsverhältnis des eigenständig-kirchlichen Rechtsbereichs zu verstehen. Demgegenüber sind die auf Besoldung und Versorgung der Geistlichen bezüglichen Vorschriften rechtssystematisch dem weltlichen Rechtskreis zuzuordnen. Es ergibt sich somit eine von der Bewertung des evangelischen Pfarrerdienstver hältnisses unterschiedene staatskirchenrechtliche Qualifizierung des Dienstverhältnisses der katholischen Geistlichen. Die Unterschiede haben ihre Wurzel in der verschiedenen rechtstheologischen Grundlegung des geistlichen Amtes. 10. Die Laienmitarbeiter der katholischen Kirche stehen unmittelbar oder mittelbar im Dienst der geistlichen Aufgaben der Kirche. Dieser Bezug zur AufgabensteIlung der Kirche muß auch Folgen für die inhaltliche Gestaltung des Dienstrechts der Laienmitarbeiter haben. Bei den Laienbediensteten fehlt jedoch mit der sakramentalen Weihe das entscheidende rechtstheologische Element, das zur Einordnung der Dienstverhältnisse der katholischen Geistlichen ins eigenständig-kirchliche Recht führt. Die Dienstverhältnisse der Laienbediensteten sind also Rechtsverhältnisse des staatlichen
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11. Diese Zuordnung zum weltlichen Rechtskreis kann aber den Rückbezug der Dienstverhältnisse der Laienmitarbeiter zum geistlichen Auftrag der Kirche nicht wieder aufheben. Das Rechtsverhältnis der kirchlichen Dienstnehmer muß also sowohl den Maximen des Beamten- oder Arbeitsrechts entsprechen wie auch die Besonderheiten des kirchlichen Dienstauftrags zum Ausdruck bringen. Die Kirche ist daher berechtigt, in ihren eigenen dienstrechtlichen Regelungen die Spezifika des kirchlichen Dienstes niederzulegen und die Mitarbeiter auf diese zu verpflichten. 12. Das Recht der Kirche zur Schaffung eines eigenen Beamtenrechts beruht auf der in der Körperschaftsstellung enthaltenen Dienstherrenfähigkeit sowie dem kirchlichen Selbstbestimmungsrecht. Bei der rechtlichen Ausgestaltung des kirchlichen Beamtenrechts ist die Kirche an bestimmte zum Rechtsbegriff des Beamtenverhältnisses gehörende Maximen gebunden. Es ergibt sich somit mindestens teilweise eine entsprechende Anwendung der Grundsätze von Art. 33 Abs.5 GG. 13. Die Mehrzahl der Laienbediensteten der katholischen Kirche steht im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis. Auch diese Arbeitsverhältnisse können gern. Art. 137 Abs. 3 WRV von der Kirche selbständig rechtlich geregelt werden. Art. 137 Abs. 3 WRV ist so Grundlage eines eigenen kirchlichen Arbeitsrechts. 14. Die Ordnung der kirchlichen Arbeitsverhältnisse kann durch Erlaß entsprechender arbeitsrechtlicher Regelungen oder im Wege der vertraglichen Gestaltung etwa auf der Grundlage von Musterverträgen erfolgen. Beide Ordnungsformen fallen in den Schutzbereich von Art. 137 Abs.3 WRV. 15. Wegen entgegenstehender rechtstheologischer und kirchenverfassungsrechtlicher Positionen ist die Kirche nicht an die "Intention" der Verfassung gebunden, Arbeitsverhältnisse im Wege des Tarifabschlusses zu regeln. Der kollektivrechtliche Gehalt von Art. 9 Abs.3 GG unterliegt insoweit verfassungsimmanenten Grenzen aus Art. 137 Abs. 3 WRV. 16. Die Kirche ist aber schon aus eigenem Recht gehalten, die Arbeitsbedingungen ihrer Bediensteten nicht einseitig zu gestalten, sondern der kirchlichen Dienstgemeinschaft und dem Kirchenverfassungsrecht gemäße Formen der Beteiligung der Dienstnehmer an der Gestaltung des Dienstrechts zu entwickeln. Der Verwirklichung dieses Prinzips dient die vom Verband der Diözesen Deutschlands
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erlassene Musterordnung für die Einrichtung arbeitsrechtlicher Kommissionen sowohl in den Diözesen wie auch auf der Ebene des Verbandes der Diözesen Deutschlands. 17. Wie in allen Bereichen der Selbstbestimmung unterliegt die Kirche auch bei der Gestaltung ihres Dienstrechts verfassungsrechtlichen Beschränkungen sowie den in Art. 137 Abs. 3 WRV genannten Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Die der Kirche danach auferlegte Bindung darf jedoch nicht von der grundsätzlichen Garantie kirchlicher Freiheit in Gestalt des Selbstbestimmungsrechts isoliert werden. Es ist vielmehr notwendig, durch entsprechende Interpretation ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Freiheitsgarantie und notwendiger Beschränkung durch staatliches Recht zu finden. 18. Im Bereich eigenständig-kirchlicher Rechtsgestaltung, d. h. insbesondere im Dienstrecht der Geistlichen der katholischen Kirche, sind die Grundrechte der staatlichen Verfassung unanwendbar. Für das kirchliche Beamtenrecht kann eine Grundrechtsgeltung nicht von vornherein ausgeschlossen werden, wobei freilich darauf zu achten ist, daß die Anwendung der Grundrechte die auch für das kirchliche Beamtenrecht gegebene Selbstbestimmung nicht grundsätzlich wieder aufhebt. Für das kirchliche Arbeitsrecht spielen die Grundrechte vor allem wegen der in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung akzeptierten Drittwirkungslehre ebenfalls eine Rolle. 19. Es stellt aber keinen Verstoß gegen die Verfassung dar, wenn die Kirche innerhalb des von ihr gesetzten kirchlichen Dienst- und Arbeitsrechts den kirchlichen Dienstnehmern eine besondere kirchliche Treuepflicht auferlegt. Diese ist nicht mit der für Tendenzunternehmen angenommenen "Tendenztreuepflicht" zu verwechseln. Die besondere kirchliche Treuepflicht hat eine eigene, Tendenzunternehmen nicht zukommende Rechtsgrundlage in Gestalt des verfassungsrechtlich garantierten Selbstbestimmungsrechts. 20. Im Rahmen der besonderen kirchlichen Treuepflicht kann die Kirche von ihren Dienstnehmern verlangen, daß sie auch im Bereich ihres persönlichen Lebens mindestens nicht gegen aus der Kirchengliedschaft folgende Grundpflichten offensichtlich verstoßen. Diese in das Arbeitsverhältnis einbezogene Verpflichtung stellt jedoch keine selbständig durchsetzbare Pflicht dar. Die Kirche ist aber berechtigt, jedenfalls bei schwerwiegenden, offenkundigen Verstößen gegen die kirchliche Treuepflicht das Arbeitsverhältnis des kirchlichen Dienstnehmers zu kündigen.
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21. Bei der Bindung an die kirchlichen Grundpflichten kann nicht prinzipiell und von vornherein zwischen den Mitarbeitern der verschiedenen kirchlichen Aufgabenbereiche mit dem Ergebnis unterschieden werden, daß etwa den "Nicht-Tendenzträgern" vergleichbare Bedienstete der genannten besonderen Bindung grundsätzlich nicht unterliegen. Das staatliche Recht darf allenfalls verlangen, daß das kirchliche Recht hinsichtlich der konkreten Anforderungen zwischen Mitarbeitern mit unmittelbar geistlichen und Mitarbeitern mit anderen Aufgaben überhaupt unterscheidet. Die letzte Entscheidung aber, in welchen Fällen etwa aufgrund eines Verstoßes gegen die Treuepflicht eine Kündigung erforderlich ist, muß innerhalb der kirchlichen Rechtssphäre nach kirchlichen Maßstäben getroffen werden dürfen. 22. Die kirchlichen Arbeitsverhältnisse unterliegen im übrigen grundsätzlich den zwingenden Regeln des staatlichen Individualarbeitsrechts. Freilich kann nicht allein die Tatsache, daß ein staatlicher arbeitsrechtlicher Rechtssatz bindenden Charakter hat, schon seine unbedingte Geltung auch für die Kirche nach sich ziehen. Vielmehr ist jeweils zu prüfen, ob der Anwendung dieses Rechtssatzes nicht kirchliche, durch das Selbstbestimmungsrecht geschützte Grundsätze entgegenstehen. 23. Anwendbar auf kirchliche Arbeitsverhältnisse ist vor allem das Kündigungsschutzgesetz. Allerdings verstoßen jene arbeitsgerichtlichen Entscheidungen, die etwa wegen des Fehlens eines dem § 118 Abs.2 BetrVG entsprechenden Tatbestandes im Kündigungsschutzgesetz Klagen kirchlicher Bediensteter "nur nach arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten", ohne Beachtung der Garantie des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts, beurteilen, gegen die verfassungsrechtlichen Regelungen zugunsten der Kirche. 24. Das Selbstbestimmungsrecht gern. Art. 137 Abs. 3 WRV bezieht sich auch auf die Gestaltung der betrieblichen Mitbestimmung in kirchlichen Einrichtungen. § 118 BetrVG und § 112 BPersVG stellen daher verfassungsrechtlich notwendige Folgerungen aus Art. 137 Abs. 3 WRV dar. 25. Unter die Ausnahmebestimmungen des Betriebsverfassungsgesetzes und des Bundespersonalvertretungsgesetzes fallen alle, auch die selbständigen, kirchlichen Einrichtungen, die eine "Wesens- und Lebensäußerung" der Kirche sind, die von der Kirche also zur Besorgung einer eigenen Angelegenheit im Sinn von Art. 137 Abs. 3 WRV geschaffen wurden und der Kirche somit "zugeordnet" sind.
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26. Den verfassungs rechtlich gegebenen Freiraum zu eigener Rechtsetzung hat die katholische Kirche durch Erlaß einer Mitarbeitervertretungsordnung in vollem Umfang ausgefüllt. Bei der Interpretation dieser Regelungen durch staatliche Gerichte dürfen keine falschen Analogien zum staatlichen Betriebsverfassungs- bzw. Personalvertretungsrecht gezogen werden. 27. Die Frage, in welchem Umfang kirchlichen Bediensteten für Klagen in bezug auf ihr Dienst- oder Arbeitsverhältnis Rechtsschutz durch die staatlichen Gerichte zu gewähren ist, muß differenziert beantwortet werden: a) Das dem eigenständig-kirchlichen Bereich zuzurechnende Dienstverhältnis der katholischen Geistlichen unterliegt nicht der Zuständigkeit der staatlichen Gerichte. b) Klagen aus kirchlichen Beamtenverhältnissen sind dagegen in vollem Umfang vor den staatlichen Verwaltungsgerichten zulässig. c) Ebenso ist für arbeitsrechtliche Rechtsstreitigkeiten der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben. d) Die Garantie der kirchlichen Selbstbestimmung verwirklicht sich innerhalb einer Streitentscheidung durch staatliche Gerichte bei der Prüfung der materiellen Rechtslage. Hier haben die staatlichen Gerichte das von der Kirche selbst gesetzte Dienst- bzw. Arbeitsrecht ihrer Entscheidung zugrundezulegen.
H. Eine abschließende Würdigung der der Kirche nach geltendem Staatskirchenrecht zukommenden dienst- und arbeitsrechtlichen Befugnisse wird das hohe Maß kirchlicher Freiheit zur selbständigen Ausgestaltung des Dienst:- und Arbeitsrechts hervorheben müssen. Die Kirche erhält so die Möglichkeit, ihr Dienst- und Arbeitsrecht auf die Inhalte kirchlicher Tätigkeit zu beziehen, den eigenen Regelungen also die Überzeugung zugrunde zu legen, daß die Dienstnehmer der Kirche bei der Erfüllung des kirchlichen Auftrags, freilich in verschiedener Weise und mit unterschiedlicher Intensität, mitwirken. Die Befugnis der Kirche zur Setzung eigenen Rechts führt zwar zu keiner Exemtion des kirchlichen Dienst- und Arbeitsrechts aus der staatlichen Rechtsordnung. Insbesondere die privatrechtlichen Arbeitsverhältnisse des kirchlichen Dienstes verbleiben vielmehr im Gefüge der staatlichen Rechtsordnung; sie unterliegen aus diesem Gesichtspunkt vielfältigen Bindungen. Dies braucht von der Kirche aber nicht
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als unangemessene Fremdeinwirkung betrachtet zu werden. Die vom staatlichen Recht herrührenden Bindungen entsprechen in großem Umfang eigenen kirchlichen Rechtsprinzipien. Sie sichern die sachgerechte Einfügung des kirchlichen Arbeitsverhältnisses in das Gesamt der bürgerlichen Rechtsordnung, an der nicht nur der Staat um seiner Gemeinwohlverantwortung willen, sondern auch die Kirche als in der Welt existierende Einrichtung interessiert sein muß. Die im staatlichen Recht anerkannte Möglichkeit selbständiger Rechtsgestaltung verwandelt sich für die Kirche in ihrem eigenen Recht zu einem entsprechenden Regelungsauftrag. Sie trägt damit freilich auch die Last der Verantwortung, ein kirchliches Dienst- und Arbeitsrecht zu schaffen, das vor den eigenen Maßstäben standhält.
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Sachregister Abgeordnetenrnandat - übernahme durch Geistliche 102 ff. Arbeitsrecht, kirchliches s. Dienstrecht, kirchliches Arbeitsverhältnisse, kirchliche - Abschluß von Tarifverträgen 71 ff. - Bindung des außerdienstlichen Verhaltens 114 ff. - - gilt auch für Bedienstete, die nur mittelbar am Auftrag der Kirche mitwirken 120 f. - - keine Anwendung der Regeln über" Tendenztreuepflicht" 116f. - - hinsichtlich kirchlicher Grundpflichten 118 - - nichtkatholische Bedienstete der katholischen Kirche 122 f. - - Selbstbestimmungsrecht als Grundlage der - 117 - - Umfang der - bei Bediensteten, die nur mittelbar am Auftrag der Kirche mitwirken 121 - Erlaß kirchlicher Regelungen für- 66 ff. - Geltung der Arbeitszeitordnung 128 f. - Geltung der Grundrechte 110 ff. - - Ehe und Familie 114 f., 119 f. - - Frage nach Konfessionszugehörigkeit 110 - - Koalitionsfreiheit 110 ff. - Geltung des allgemeinen Individualarbeitsrechts 127 - Geltung des Jugendarbeitsschutzgesetzes 128 - Geltung des Kündigungsschutzgesetzes 129 ff. - Geltung des Mutterschutzgesetzes 128 - Geltung des Schwerbehindertengesetzes 129 - Geltung des Sozialversicherungsrechts 127 f. - Geltung des staatlichen Arbeitsund Sozialrechts 125 ff.
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Geltung des Steuerrechts 127 kirchliche Dienstordnungen für 67 ff. - Kündigung 131 ff. s. ferner Kündigung - Loyalitätsobliegenheit s. Arbeitsverhältnisse, kirchliche, Bindung des außerdienstlichen Verhaltens - Treuepflicht s. Arbeitsverhältnisse, kirchliche, Bindung des außerdienstlichen Verhaltens - Vertragsmuster für - 70 f. Ausbildung für kirchliche Dienste 34f. Außerdienstliches Verhalten s. Arbeitsverhältnisse, kirchliche, Bindung des außerdienstlichen Verhaltens Aussperrung - mit kirchlichen Grundsätzen nicht vereinbar 84 Beamtenrecht, kirchliches 64 ff. - Bindung an staatliche Rechtsgrundsätze 65, 109 - Geltung des Arbeitsplatzschutzgesetzes für kirchliche Beamte 124f. - Grundlage in Dienstherrenfähigkeit gemäß Art. 137 Abs. 5 WRV 64 - Grundrechtsgeltung 106 ff. - - Artikel 2 GG 107 - - Artikel 3 GG 107 - - Artikel 6 GG 107,108 - - Gleichberechtigungsgrundsatz 107 - - Koalitionsfreiheit 109 - - politische Betätigung 108 f. - - Religionsfreiheit 107,108 - keine Geltung des staatlichen Beamtenrechts 124 - Regelung durch Kirche 64 - Treuepflicht kirchlicher Beamter 107 ff.
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Sachregister
Berufe, kirchliche - Befugnis zur Definition 30 Berufsbildungsgesetz - Vereinbarkeit mit kirchlichem Selbstbestimmungsrecht 35 f. Betriebliche Mitbestimmung s. auch Mitarbeitervertretungsrecht - als Gegenstand kirchlicher Selbstbestimmung 151 ff. - Verpflichtung der Kirche zur Regelung der -? 155 f. Betriebsverfassungsgesetz - Auslegung von § 118 Abs. 2 157 ff. - keine Geltung für Kirchen 156 - verfassungs rechtlich gebotene Freistellung der Kirchen vom 155 Dienst, kirchlicher - auch bei privatrechtlichen Einrichtungen der Kirchen 31 - caritativ-diakonische Einrichtungen 31 f. - ehrenamtliche Dienste 38 f. - kirchliche Ausbildungsstätten 34 f. - Regelungskompetenz der Kirchen 41 - religiöses Dienstverständnis 40 - Qualifikationsmerkmale 32 f. Dienstgemeinschaft, kirchliche 163 Dienstherrenfähigkeit 64 Dienstrecht, kirchliches - eigene Angelegenheit der Kirchen 20 - Regelung durch Kirchen 30 - Regelung unter Beteiligung der Mitarbeiter 85 ff. - Kommission zur Ordnung des diözesanen Arbeitsvertragsrechts 87 ff. - und staatliches Arbeitsrecht 12 Ehrenamtliche Dienste 38 f. Eigene Angelegenheiten der Kirchen 20 ff. Geistliche der katholischen 44ff. - Dienstverhältnis als Teil eigenständig-kirchlichen 48 - Geltung der Grundrechte
Kirche des Rechts 101 ff.
Frauenordination und Artike13 GG 102 - - Lehrverstöße und Artikel 4 GG 101 - - politische Betätigung 102 ff. - - übernahme von Abgeordnetenmandat 102, 103 ff. - - Zölibatsverpflichtung und Artikel6 GG 102 - Inkardinationsverhältnis 45,48 - Klerikerstatus 46, 48 - Nachversicherung 124 - Pfändbarkeit der Einkünfte 123 - Pfarrerdienstverhältnis s. dort - Regelung des Dienstrechts durch Kirche 44 - Sozialversicherung, Befreiung 124 - Steuerpflicht für Einkünfte 123 Gewerkschaften - Zutrittsrecht zu kirchlichen Einrichtungen 111 ff. Grundrechtsgeltung 93 ff. - Geltung der Grundrechte - - für Dienstrecht der katholischen Geistlichen 101 ff. - - für kirchliche Arbeitsverhältnisse 11 0 ff. - - für kirchliche Beamtenverhältnisse 106 ff. -
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Inkardinationsverhältnis 45, 48 Klerikerstatus 46, 48 Koalitionsfreiheit im kirchlichen Dienst - individuelle Koalitionsfreiheit 109,110 - Tarifverträge 71 ff. - Zutrittsrecht der Gewerkschaften zu kirchlichen Einrichtungen 111 ff. KODA (Kommission zur Ordnung des diözesanen Arbeitsvertragsrechts) 87 ff. Kündigung kirchlicher Arbeitsverhältnisse 129 ff. - Auslegung des Begriffs "sozial ungerechtfertigt" im Blick auf Selbstbestimmungsrecht 131 H., 129 f., 150 - wegen Eintretens für Abtreibung 136 - wegen intimer Beziehung zu Mitarbeitern 135
Sachregister -
wegen Kirchenaustritts 134 wegen kirchlich ungültiger Ehe 132, 133, 137, 142, 144, 146, 148 wegen politischer Agitation für KPD/ML 136
Laienbedienstete der katholischen Kirche s. auch Arbeitsverhältnisse, kirchliche; Beamtenverhältnisse, kirchliche - besondere "Loyalitätsobliegenheit" 59, 117 ff. - Dienst- oder Arbeitsverhältnisse gehören rechtssystematisch zum weltlichen Rechtskreis 58 - nehmen am kirchlichen Auftrag teil 53 ff. Missio canonica 89 f. - Dienstverhältnisse mit missio canonica 90 Mitarbeitervertretungsrecht, kirchliches 151 ff. s. auch betriebliche Mitbestimmung in kirchlichen Einrichtungen - einheitliche kirchliche Dienstgemeinschaft 163 - Lückenfüllung mit Hilfe von Analogien zum Betriebsverfassungsgesetz? 165 f. - Regelung in MAVO 162 ff. - Zuständigkeit der Kirche zur Regelung 151 Mitbestimmung, betriebliche s. betriebliche Mitbestimmung Personalvertretungsgesetz - Auslegung von § 112 156 f. - Freistellung vom - verfassungsrechtlich geboten 155 - keine Geltung für Kirchen 151 f. Pfarrerdienstverhältnisse der katholischen Kirche 46 ff. - Besoldungsregelung 49 f. - kein bloßer "Erwerbsberuf" 50 - kein doppeltes Dienstverhältnis 50 - kein öffentlich-rechtliches Dienstund Treueverhältnis 51 ff.
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Rechtsverhältnis des eigenständig-kirchlichen Rechts 48 f.
Rechtsweg zu staatlichen Gerichten 167 ff' - für arbeitsrechtliche Streitigkeiten 171 f. - für beamtenrechtliche Klagen 176 ff. - für Klagen von Geistlichen 172 ff. - für Streitigkeiten über Auslegung des kirchlichen Mitarbeitervertretungsrechts 178 f. - für Streitigkeiten über missio canonica 178 Schranken kirchlicher Selbstbestimmung 18 f., 91 ff. Selbstbestimmungsrecht, kirchliches - Befugnis zur Definition kirchlicher Dienste und Berufe 30 - Bestimmung der "eigenen Angelegenheiten" 20 ff. - Grundlage des kirchlichen Dienstund Arbeitsrechts 41 - Grundsätzliches 14 f., 17 ff. - Rechtsinstitut des staatlichen Verfassungsrechts 16 Streikrecht - unvereinbar mit kirchlichem Dienstrecht 84 Tarifverträge für kirchlichen Dienst 71 ff. - Bindung der Kirchen an Tarifvertragssystem? 76 ff. - rechtstheologische Prinzipien legitimieren Absehen von Tarifabschluß 80,81 - Selbstbestimmungsrecht berechtigt zum Nichtabschluß von Tarifverträgen 81 f. - Tarifvertragssystem, Eigenarten 77 ff. " Tendenzschutz" - ungeeigneter Begriff für kirchliches Dienst- und Arbeitsrecht 4lf.
Zutrittsrecht der Gewerkschaften zu kirchlichen Einrichtungen 111 ff.