Das Bargeschäftsprivileg gemäß § 142 InsO nach dem neuen Anfechtungsrecht [1 ed.] 9783428585083, 9783428185085

Rechtshandlungen, die vor der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens vorgenommen wurden und sich nachteilig auf die Befrie

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Das Bargeschäftsprivileg gemäß § 142 InsO nach dem neuen Anfechtungsrecht [1 ed.]
 9783428585083, 9783428185085

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Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 332

Das Bargeschäftsprivileg gemäß § 142 InsO nach dem neuen Anfechtungsrecht Von

Jonas Prauß

Duncker & Humblot · Berlin

JONAS PRAUSS

Das Bargeschäftsprivileg gemäß § 142 InsO nach dem neuen Anfechtungsrecht

Schriften zum Wirtschaftsrecht Band 332

Das Bargeschäftsprivileg gemäß § 142 InsO nach dem neuen Anfechtungsrecht Von

Jonas Prauß

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf hat diese Arbeit im Jahre 2021 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D61 Alle Rechte vorbehalten © 2022 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Satz: 3w+p GmbH, Rimpar Druck: buchbücher.de gmbh, Birkach Printed in Germany ISSN 0582-026X ISBN 978-3-428-18508-5 (Print) ISBN 978-3-428-58508-3 (E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meiner Familie

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Juni 2021 von der Juristischen Fakultät der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf als Dissertation angenommen. Die mündliche Prüfung fand am 14. Oktober 2021 statt. Literatur und Rechtsprechung wurden bis zum offiziellen Einreichen Mitte Juni 2021 berücksichtigt. Mein besonderer Dank gilt meiner Doktormutter Frau Prof. Dr. Nicola Preuß für die hervorragende Betreuung während der gesamten Promotion und für die zügige Erstellung des Erstgutachtens. Die hilfreichen Hinweise und Anmerkungen haben diese Arbeit noch einmal auf ein anderes Level gehoben, was ich ohne diese fachliche Unterstützung nicht erreicht hätte. Großer Dank gebührt auch Herrn Prof. Dr. Ulrich Noack, der das Zweitgutachten zu dieser Arbeit verfasste. Für die gründliche Durchsicht des Manuskripts danke ich meinem guten Freund Herrn Dr. Kevin Jansen. Frau Kathrin Leitges und meiner Mutter Claudia Prauß gebührt enormer Dank für die Hilfe bei der Finalisierung der Arbeit. Auf beide konnte ich mich zu jeder Zeit verlassen. Meinem Onkel Oskar Prauß danke ich für die großzügige finanzielle Unterstützung bei der Veröffentlichung dieser Arbeit. Meinem lieben Bruder Marius Prauß danke ich dafür, dass er sich als Fachfremder mit stoischer Geduld meine Gedanken angehört und mich auch in den schwierigeren Phasen der Promotion ertragen hat. Danken möchte ich zuletzt auch meinem Vater Benno Prauß für dessen bedingungsloses Vertrauen in mich und meine Fähigkeiten und jedes „Hau rein, Junge!“. Die uneingeschränkte Unterstützung meiner Familie während der letzten Jahre habe ich als großes Privileg empfunden. Ihnen möchte ich diese Arbeit widmen. Düsseldorf, Oktober 2021

Jonas Prauß

Inhaltsverzeichnis Einleitung und Gang der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 15

Teil 1 Grundlagen zum Bargeschäft

19

A. Unterschiedliche Rechtswirkungen ex ante und ex post . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 B. Ratio legis des § 142 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 I. Ermöglichung der fortgesetzten Teilnahme des Schuldners am Geschäftsverkehr 21 1. Anfechtungsrisiken zulasten der Vertragspartner als Ausgangsproblematik . . . 22 2. Schutz des Schuldners vor einer insolvenzauslösenden Kettenreaktion . . . . . . . 24 3. Schutz potenzieller Vertragspartner vor einer Anfechtung als Kehrseite . . . . . . 25 II. Sicherung des wirtschaftlichen status quo und Erhalt von Sanierungschancen zugunsten einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26 III. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28 C. Einordnung des § 142 InsO in das System der Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . 29 I. Ziele und Reichweite der besonderen Insolvenzanfechtung und deren Auswirkungen auf die Legitimation des Bargeschäftsprivilegs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30 II. Verhältnis von § 142 InsO zu § 129 Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Die verschiedenen Arten der Gläubigerbenachteiligung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 36 2. Berücksichtigung von in die Masse geflossenen Vermögensvorteilen . . . . . . . . 37 a) Unzulässige Vorteilsausgleichung und zulässige Vorteilsanrechnung . . . . . . 39 b) Zurechenbarkeit als Voraussetzung einer zulässigen Vorteilsanrechnung . . . 43 c) Erbringung von Gegenleistungen als Unterfall einer zulässigen Vorteilsanrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45 d) Konsequenzen für die konkrete Regelungsanordnung des § 142 Abs. 1 InsO 48 e) Keine teilweise Saldierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 50 III. Verhältnis des § 142 InsO zur besonderen Insolvenzanfechtung . . . . . . . . . . . . . . 51 1. Verhältnis zur Anfechtung gemäß § 130 Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51

10

Inhaltsverzeichnis 2. Verhältnis zur Anfechtung gemäß § 131 Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52 a) Keine entgegenstehenden Rechtsgründe gegen die Anwendbarkeit des § 142 InsO auf inkongruente Deckungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 54 aa) Keine zwingende Verdächtigkeit inkongruenter Deckungen . . . . . . . . . . 56 bb) Kein Ausschluss der Anwendbarkeit des § 142 Abs. 1 InsO wegen Kenntnis der Krise . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 b) Keine entgegenstehenden wirtschaftlichen Gründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 3. Verhältnis zur Anfechtung gemäß § 132 Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 IV. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69

D. Ergebnisse der systematischen Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 I. Leistungsaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 II. Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 III. Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 76 1. Erfordernis einer Befriedigungstauglichkeit der Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . 79 2. Erfordernis einer Massenützlichkeit der Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 3. Sonderfall: Vergütung erfolgloser Sanierungsberatung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 4. Kein Widerspruch zur Geschäftsleiterhaftung gemäß § 64 S. 1 GmbHG a. F. bzw. § 15b Abs. 4 S. 1 InsO . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 a) Sinn und Zweck der Geschäftsleiterhaftung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 86 b) Unterschiedliche Reichweite von Geschäftsleiterhaftung und Bargeschäftsprivileg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 c) Rechtslage seit dem SanInsFoG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 5. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 IV. Unmittelbarkeit des Leistungsaustauschs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 90 1. Funktion der Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 a) Keine Abgrenzung zum Kreditgeschäft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92 b) Systemgerechte Funktion der Unmittelbarkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 aa) Konkretisierungs- und Vereinfachungsfunktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 bb) Anreizfunktion zur schnellen Erbringung der Gegenleistung . . . . . . . . . 96 cc) Beherrschbarkeit von Anfechtungsrisiken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 2. Konkrete Bestimmung des maßgeblichen Zeitraums . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 a) Relevante Faktoren zur Bestimmung des maßgeblichen Zeitraums . . . . . . . 98 aa) Keine Differenzierung nach Übernahme des Vorleistungsrisikos . . . . . . 98 bb) Verzögerungen beim Leistungsaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (1) Verzögerungen durch Dritte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 (2) Verzögerung durch Gläubiger . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (3) Verzögerung durch Schuldner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 (4) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102

Inhaltsverzeichnis

11

b) Art der ausgetauschten Leistungen unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 aa) Keine Orientierung an Handelsbräuchen und der Beschaffenheit von Leistung und Gegenleistung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 bb) Verzugsfrist des § 286 Abs. 3 Hs. 1 BGB als Ausgangspunkt . . . . . . . . 104 cc) Anpassung an die Besonderheiten des Einzelfalls . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 c) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 d) Privilegierung von Arbeitsentgelten gemäß § 142 Abs. 2 S. 2, 3 InsO . . . . . 106 3. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 V. Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 – 3 InsO und die erkannte Unlauterkeit des anderen Teils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 1. Unlauterkeit des Schuldners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113 a) Indizwirkung masseunnützer und betriebsfremder Gegenleistungen . . . . . . . 115 b) Keine Unlauterkeit wegen fortlaufender Insolvenzverschleppung . . . . . . . . . 117 c) Subjektive Anforderungen an den Vorsatz des Schuldners und die korrespondierende Kenntnis des Anfechtungsgegners . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 2. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 F. Ergebnisse der Tatbestandsanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 122

Teil 2 Praxisrelevante Anwendungsfälle des § 142 InsO

124

A. Verrechnungen im Kontokorrent . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125 I. Kein Erlöschen der Verrechnungsbefugnis im Eröffnungsverfahren . . . . . . . . . . . 128 II. Anfechtungsgegenstand bei Verrechnungen im Kontokorrent . . . . . . . . . . . . . . . . 130 III. Kongruenz und Inkongruenz der Kontokorrentverrechnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 1. Verrechnungen im offenen und ungekündigten Kontokorrentkredit . . . . . . . . . . 132 2. Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 IV. Konkrete Anwendung des § 142 Abs. 1 InsO auf Kontokorrentverrechnungen . . . 136 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 B. Besicherung von Gesellschafterdarlehen im Sinne der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO

140

I. Entwicklung des Sonderrechts der Gesellschafterdarlehen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 II. Legitimationsgrund des Sonderrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 145 III. Reichweite und Begrenzung der Besicherungsanfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148 1. Verhältnis zwischen Nachrang und Anfechtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 149 2. Begrenzung der Anfechtung im Falle der Sicherheitenverwertung . . . . . . . . . . 151

12

Inhaltsverzeichnis IV. Bargeschäftliche Privilegierung anfänglicher Sicherheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1. Anwendbarkeit des Bargeschäftsprivilegs auf anfängliche Sicherheiten . . . . . . 155 a) Auffassung der Rechtsprechung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 b) Gegenauffassung in der Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 c) Stellungnahme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 2. Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO . . . . . . . . . 162 a) Auszahlung der Darlehensvaluta gegen Bestellung der Sicherheit als Leistungsaustausch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 b) Rechtsgeschäftliche Verknüpfung von Darlehensgewährung und Sicherheitenbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 c) Gleichwertigkeit von Darlehensvaluta und Sicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 d) Unmittelbarkeit zwischen Auszahlung der Darlehensvaluta und der Sicherheitenbestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 e) Vorsatzanfechtung und erkannte Unlauterkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 3. Exkurs: COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 V. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172

Gesamtergebnis und Thesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174

Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192

Abkürzungsverzeichnis a. A. abl. Abs. a. E. a. F. AG Alt. Anh. Anm. AO Aufl. BAG Bd. Bearb. Begr. BFH BGB BGBl. BGH BR-Drucks. BT-Drucks. bzgl. bzw. ders. d. h. dies. Diss. Fn. gem. GesO GG ggf. Habil. HGB h. L. h. M. Hrsg. Hs. i. d. R. i. E. i. e. S.

andere Auffassung ablehnend Absatz am Ende alte Fassung Amtsgericht Alternative Anhang Anmerkung Abgabenordnung Auflage Bundesarbeitsgericht Band Bearbeitung Begründer Bundesfinanzhof Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Bundesratsdrucksache Bundestagsdrucksache bezüglich beziehungsweise derselbe das heißt dieselbe(n) Dissertationsschrift Fußnote gemäß Gesamtvollstreckungsordnung Grundgesetz gegebenenfalls Habilitationsschrift Handelsgesetzbuch herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber Hauptsatz in der Regel im Ergebnis im eigentlichen Sinne

14 insb. InsO i. S. d. i. S. e. i. V. m. Kap. KO Lfg. LG m. E. m. w. N. n. F. OLG RG RGZ Rn. Rspr. S. sog. str. u. u. a. u. U. v. Var. Verf. vgl. Vorb. z. B. Ziff.

Abkürzungsverzeichnis insbesondere Insolvenzordnung im Sinne des/der im Sinne einer in Verbindung mit Kapitel Konkursordnung (soweit nicht anders vermerkt in der Fassung der Neubekanntmachung vom 20. 05. 1898 mit nachfolgenden Änderungen) Lieferung Landgericht meines Erachtens mit weiteren Nachweisen neue Fassung Oberlandesgericht Reichsgericht Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Randnummer(n) Rechtsprechung Satz/Seite sogenannte(r) streitig unten unter anderem unter Umständen vom/von Variante Verfasser vergleiche Vorbemerkung zum Beispiel Ziffer

Einleitung und Gang der Untersuchung Das Insolvenzrecht befindet sich im Wandel. In den letzten zehn Jahren hat das Insolvenzrecht an verschiedenen Stellen eine regelrechte Flut an Reformen erfahren, die teilweise nur moderate Anpassungen, teilweise aber auch fundamentale Neuerungen gebracht haben. So wurde Ende des Jahres 2011 mit dem Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen (ESUG)1 zunächst das Insolvenzplanverfahren ausgebaut, die Position und der Einfluss der Gläubiger auf die Auswahl des Insolvenzverwalters gestärkt, und der Zugang zur Eigenverwaltung vereinfacht.2 Während sich das ESUG vor allem auf die Schaffung verfahrensrechtlicher Alternativen zum klassischen Regelinsolvenzverfahren konzentrierte, hat der Gesetzgeber gut fünf Jahre später mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vom 29. 03. 20173, in Kraft getreten am 05. 04. 2017, auch noch das Anfechtungsrecht punktuell angepasst. Neben der Vorsatz- und Deckungsanfechtung gemäß §§ 130 ff. InsO hat dabei auch das sogenannte Bargeschäftsprivileg gemäß § 142 InsO Änderungen erfahren. Auslöser für die Reform war der Vorwurf aus der Praxis, dass insbesondere die Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO in der bis dato geltenden Fassung den Wirtschaftsverkehr mit unverhältnismäßigen und unkalkulierbaren Risiken belaste.4 Noch bevor der BGH einen Fall nach dem neuen Anfechtungsrecht zu entscheiden hatte, wurde die Welt Anfang des Jahres 2020 von der COVID-19-Pandemie erschüttert, und der Gesetzgeber musste in Rekordzeit reagieren, um den wirtschaftlichen Kollaps infolge der drohenden Flut von Insolvenzen abzuwenden. Dazu beschloss er das Gesetzespaket zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht. Herzstück des Gesetzespakets ist gemäß Artikel 1 das Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19Pandemie bedingten Insolvenz (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG).5 Das COVInsAG hat dabei zahlreiche Erleichterungen für die von der Pandemie betroffenen Unternehmen gebracht, die jedenfalls kurzfristig ihren Effekt nicht verfehlt haben. So wurden beispielsweise im Oktober 2020 31,9 % weniger Insol1 2 3 4 5

Gesetz vom 07. 12. 2011, BGBl. I Nr. 64, S. 2582. BT-Drucks. 17/5712, S. 2 Gesetz vom 04. 04. 2017, BGBl. I Nr. 16, S. 654. BT-Drucks. 18/7054, S. 1. Gesetz vom 27. 03. 2020, BGBl. I Nr. 14, S. 569.

16

Einleitung und Gang der Untersuchung

venzanträge als noch im Oktober 2019 gestellt.6 Ob die Maßnahmen aber auch nachhaltig wirken, kann zum jetzigen Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit noch nicht bewertet werden. Schließlich hat der Gesetzgeber Ende des Jahres 2020, also nur wenige Monate nach Inkrafttreten des COVInsAG, mit dem Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG)7 die EU-Richtlinie zum präventiven Restrukturierungsrahmen8 umgesetzt. Durch das SanInsFoG ist ein Rechtsrahmen zur Ermöglichung insolvenzabwendender Sanierungen geschaffen worden, der es Unternehmen ermöglichen soll, sich auf Grundlage eines von den Gläubigern mehrheitlich angenommenen Restrukturierungsplans zu sanieren.9 Das verfahrensrechtliche Rüstzeug für ein derartiges vorinsolvenzliches Sanierungsverfahren ist in dem über hundert Paragraphen starken Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (StaRUG) gebündelt worden. Darüber hinaus hat das SanInsFoG aber auch noch zahlreiche weitere Anpassungen gebracht. Zu erwähnen ist allen voran die Streichung der gesellschaftsrechtlichen Zahlungsverbote gemäß §§ 64 S. 1 GmbHG, 92 Abs. 2 AktG, 130a Abs. 1, 99 GenG und deren rechtsformübergreifende Harmonisierung in Form des neuen § 15b InsO. Die vorliegende Arbeit wird sich in erster Linie auf die Reform des Anfechtungsrechts aus dem Jahre 2017 konzentrieren und speziell das Bargeschäftsprivileg gemäß § 142 InsO in den Fokus nehmen. Dabei wird sich allerdings zeigen, dass das Anfechtungsrecht und insbesondere auch das Bargeschäftsprivileg von den jüngeren Reformen des Insolvenzrechts nicht unberührt geblieben sind. Teilweise offenbaren sich die Auswirkungen ganz konkret bei der Normanwendung, teilweise zeigen sie sich nur mittelbar, indem eine erkennbare rechtspolitische Tendenz Argumente für eine bestimmte Normauslegung und -anwendung liefert. Es ist daher unumgänglich, bei der Untersuchung des § 142 InsO an den jeweils relevanten Stellen auf die Auswirkungen des ESUG, des COVInsAG und des SanInsFoG einzugehen. Nach neuer Fassung ist gemäß § 142 Abs. 1 InsO eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur dann anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 – 3 InsO gegeben sind, und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte. Die letztgenannte Voraussetzung der erkannten Unlauterkeit wurde im Zuge der letzten Anfechtungsreform neu eingefügt. Zudem wurde in Abs. 2 S. 1 der zeitliche Zusammenhang zwischen Leistung und Gegenleistung legal definiert, und Abs. 2 S. 2 und S. 3 enthalten besondere Bestimmungen zur Vergütung von Arbeitnehmern.

6 7 8 9

Pressemitteilung Nr. 015 des Statistischen Bundesamtes vom 11. 01. 2021. Gesetz vom 22. 12. 2020, BGBl. I Nr. 66, S. 3256. Richtlinie (EU) 2019/1023 des europäischen Parlaments und des Rates vom 20. 06. 2019. BR-Drucks. 619/20, S. 1.

Einleitung und Gang der Untersuchung

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Bei § 142 Abs. 1 InsO handelt es sich um den einzigen echten anfechtungsrechtlichen Privilegierungstatbestand10 : Unter bestimmten Voraussetzungen sind vom Schuldner in der Krise abgeschlossene Rechtsgeschäfte ausnahmsweise nicht anfechtbar, obwohl eigentlich alle Voraussetzungen einer Anfechtung gegeben sind.11 Der Bargeschäftsgläubiger erhält also im Gegensatz zu den einfachen Insolvenzgläubigern im Sinne des § 38 InsO volle Befriedigung auf seine Forderung und ist nicht auf die in aller Regel verschwindend geringe Insolvenzquote verwiesen.12 Aus Sicht des Bargeschäftsgläubigers ist damit die begünstigende Wirkung des § 142 Abs. 1 InsO enorm. Umgekehrt erleidet die Gläubigergemeinschaft einen Insolvenzquotenschaden, indem der Bargeschäftsgläubiger eben nicht bloß anteilig, sondern voll befriedigt wird. Diese enorme wirtschaftliche Bedeutung des Bargeschäftsprivilegs macht es erforderlich, dass sämtliche Beteiligte, d. h. Insolvenzverwalter, Anfechtungsgegner, Berater und das entscheidende Gericht sowohl im Vorfeld einer Insolvenz als auch im eröffneten Insolvenzverfahren den Sachverhalt unter die Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO zweifelsfrei und einheitlich subsumieren können müssen. Allen voran der beweisbelastete Anfechtungsgegner13 muss – um Prozessrisiken einschätzen zu können – wissen, ob ein gegen ihn angestrebter Anfechtungsprozess erfolgreich wäre, und er gemäß § 143 Abs. 1 S. 1 InsO zur Erstattung der erhaltenen Deckung verpflichtet ist. Dies gilt in gleichem Maße für den Insolvenzverwalter als Kläger im Anfechtungsprozess. Er muss ebenfalls prüfen, ob die vom Schuldner vorgenommene Rechtshandlung aufgrund des Vorliegens eines Bargeschäfts möglicherweise unanfechtbar ist, und ein Anfechtungsprozess auf Kosten der Masse verloren ginge. Wenn ihm dabei fahrlässig Fehler unterlaufen, steht gar – jedenfalls theoretisch – eine Schadensersatzpflicht des Verwalters gemäß § 60 Abs. 1 S. 1 InsO im Raum.14 Schließlich wird die Auslegung des § 142 InsO auch für den Kautelarjuristen relevant, der seinen Mandanten im Vorfeld des Vertragsschlusses über Anfechtungsrisiken und Gestaltungsmöglichkeiten beim Vertragsschluss aufklären muss.

10 K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 InsO Rn. 8; Braun/Riggert, § 142 InsO Rn. 2; ders., in: FS-Braun, S. 140; teilweise wird auch § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO mittelbar als Privilegierungstatbestand aufgefasst; Spliedt, ZIP 2009, 149, 153. 11 Thole, Gläubigerschutz, S. 371. 12 Bei Insolvenzverfahren, die im Jahre 2011 eröffnet und bis Ende 2018 beendet wurden, lag die durchschnittliche Befriedigungsquote bei lediglich 3,8 %, vgl. Statistisches Bundesamt, Fachserie 2 Reihe 4.1.1, S. 4. In den Jahren 2002 – 2007 lag die Quote noch bei durchschnittlich 5,4 %, vgl. Kranzusch, ZInsO 2009, 1513, 1516. 13 BGH NZI 2008, 89, 93; NZI 2010, 339, 340; NZI 2012, 667, 671; Uhlenbruck/Borries/ Hirte, § 142 InsO Rn. 33; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 InsO Rn. 52; MüKo-InsO/ Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 39; Graf-Schlicker/M. Huber, § 142 InsO Rn. 14; Braun-InsO/Riggert, § 142 InsO Rn. 28; BeckOK-InsO/Schoon, § 142 InsO Rn. 24; HK-InsO/ Thole, § 142 InsO Rn. 18; K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 0133. 14 Vgl. dazu umfassend Keramati/Klein, NZI 2017, 421.

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Einleitung und Gang der Untersuchung

Auch wenn das Bargeschäft auf eine bald rund 150 Jahre alte Entstehungsgeschichte zurückblicken kann15, ist die Anwendung, Auslegung und Dogmatik des § 142 InsO bis heute nicht abschließend geklärt und mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Die Anfechtungsreform aus dem Frühjahr 2017 bot daher Anlass, sich nicht nur mit den Neuerungen, sondern insgesamt noch einmal umfassend mit dem Bargeschäftsprivileg auseinanderzusetzen. Diese Arbeit verfolgt das Ziel, die bereits vor der Reform existenten und im Zuge der Reform neu entstandenen Rechtsunsicherheiten zu beseitigen, um eine weitestgehend einheitliche Auslegung und einzelfallgerechte Anwendung des § 142 InsO in der Praxis zu ermöglichen. Die vorliegende Arbeit wird sich dafür zunächst in zwei Teile gliedern: Im ersten Teil soll es um die Grundlagen des Bargeschäfts gehen, d. h. um die Ermittlung von Sinn und Zweck – die ratio legis – des § 142 InsO, dessen konkrete Funktionsweise, und wie sich § 142 InsO in das System der Insolvenzanfechtung einfügt. Die teleologische und systematische Analyse des § 142 InsO ermöglicht eine erste Konturierung des konkreten Anwendungsbereichs der Norm. Wenn gewiss ist, welche(n) Zweck(e) das Bargeschäft verfolgt, und wie sich § 142 InsO zu tangierenden Vorschriften verhält, kann eine erste, abstrakte Grenzziehung des Anwendungsbereichs erfolgen. Die weitere Konkretisierung des Anwendungsbereichs gelingt schließlich nur über die konkrete Bestimmung der jeweiligen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO. Die Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale stellt den Rechtsanwender vor erhebliche Herausforderungen, da jeweils die Merkmale der Unmittelbarkeit, der Gegenseitigkeit, der Gleichwertigkeit und auch das neu eingeführte Merkmal der erkannten Unlauterkeit allesamt unbestimmt und auslegungsbedürftig sind. Im Anschluss an die Analyse der Tatbestandsmerkmale ist sodann auf die Vorsatzanfechtung einzugehen, da das Bargeschäftsprivileg ausweislich seines Wortlautes in § 133 Abs. 1 – 3 InsO und der vom Anfechtungsgegner erkannten Unlauterkeit des Schuldners seine Grenzen findet. Im zweiten Teil der Arbeit sollen die gefundenen Ergebnisse auf zwei äußerst praxisrelevante Fallkonstellationen des § 142 InsO angewendet werden. Die Verrechnung im Kontokorrent und die Besicherung von Gesellschafterdarlehen im Sinne der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO stellen im Zusammenhang mit dem Bargeschäft besonders kontrovers diskutierte Fallgruppen dar. Es wird sich zeigen, dass die zuvor im ersten Teil gefundenen Ergebnisse auch praktisch zu gebrauchen sind.

15 Vgl. zur historischen Entwicklung des Bargeschäfts Bräuer, Bargeschäfte, S. 5 ff.; Raschke, Funktion und Abgrenzung des § 142 InsO, S. 9 ff.

Teil 1

Grundlagen zum Bargeschäft A. Unterschiedliche Rechtswirkungen ex ante und ex post Sowohl in der Literatur als auch in der Rechtsprechung hat es in der Vergangenheit zahlreiche Versuche gegeben, das Bargeschäft dogmatisch und systematisch einzuordnen. Viele dieser Versuche stellen sich jedoch entweder als zu einseitig oder verkürzt dar.1 Problematisch ist vor allem, dass oftmals nicht hinreichend in zeitlicher Hinsicht differenziert wird. Dem § 142 InsO kommen jedoch – je nach zeitlicher Betrachtung – unterschiedliche Rechtswirkungen zu. Eine dahingehende Differenzierung ist elementar für ein sachgerechtes Normverständnis, sodass in einem ersten Schritt diese zeitlichen Dimensionen als Grundlage für alle weiteren Ausführungen darzustellen sind: In zeitlicher Hinsicht muss bei der Betrachtung des § 142 InsO zwischen einer ex ante und einer ex post Perspektive differenziert werden, also einmal die Zeit vor der Insolvenzeröffnung und einmal die nach der Insolvenzeröffnung bzw. die Zeit des Anfechtungsprozesses. Seine konkrete Regelungsanordnung entfaltet § 142 InsO erst ex post im Anfechtungsprozess, indem die Anfechtung gegenüber dem Bargeschäftsgläubiger ausnahmsweise ausgeschlossen wird.2 Daneben entfaltet § 142 Abs. 1 InsO aber auch rechtstatsächliche Wirkungen ex ante, noch bevor es überhaupt zur materiellen Krise in Form von Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, geschweige denn zu einer Insolvenzeröffnung und zu einem etwaigen Anfechtungsprozess kommt. Denn bereits das Risiko einer möglicherweise später drohenden Anfechtung beeinflusst das Verhalten des Vertragspartners im Vorfeld des Vertragsschlusses. So lässt sich ein gut beratener und risikobedachter Vertragspartner nur dann auf den Vertragsschluss mit dem Schuldner ein, wenn er etwaige Insolvenzrisiken einschätzen und weitestmöglich selbst beherrschen oder bestenfalls sogar ganz ausschließen kann. Mithilfe des Bargeschäftsprivilegs können Anfechtungsrisiken im Vorfeld minimiert werden, sodass der Vertragspartner sich nicht von dem in die Krise geratenen Schuldner abwenden muss. Bestehen Zweifel an der wirtschaftlichen Stabilität des Schuldners, kann beispielsweise ein risikoaverser Vertragspartner im Vorfeld des Vertragsschlusses eine bargeschäftliche Abwicklung zur Bedingung machen und sich dadurch vor einer 1 2

Vgl. zu den verschiedenen Ansätzen die Darstellung von Bräuer, Bargeschäfte, S. 12 – 46. So schon Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 382.

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

Anfechtung schützen. Umgekehrt könnte der Schuldner einem zögernden Vertragspartner einen solchen Baraustausch vorschlagen, um etwaige Sorgen vor einer späteren Anfechtung auszuräumen.3 Durch seine Regelungswirkung ex ante kommt dem § 142 InsO daher eine Art „umgekehrte Präventivfunktion“ zu, noch bevor ein Eröffnungsgrund überhaupt gegeben ist.4 Diese Erkenntnis, dass das Bargeschäftsprivileg ex ante und ex post unterschiedliche Wirkungen zeitigt, ist damit elementar für ein sachgerechtes Normverständnis, und wird sich wie ein roter Faden durch die weitere Analyse ziehen. Sie wird vor allem bei der Ermittlung der ratio legis relevant, die ihrerseits für die Gesetzesauslegung eine zentrale Rolle spielt.5

B. Ratio legis des § 142 InsO Ausweislich der Gesetzesbegründung ist die ratio legis anscheinend darauf beschränkt, dem Schuldner die Aufrechterhaltung seiner wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit und dessen fortgesetzte Teilnahme am Wirtschaftsverkehr trotz eingetretener Krise zu ermöglichen.6 Wie sich zeigen wird, wäre ein solches Verständnis allein indes verkürzend bzw. allenfalls für die Privatinsolvenz im Sinne der §§ 304 ff. InsO ausreichend. Zwar leuchtet es für die Verbraucherinsolvenz ohne Weiteres ein, dass der Verbraucher in der Krise buchstäblich überleben können muss und daher beispielsweise Mietzahlungen, der Kauf von Lebensmitteln oder Leistungen im Gesundheitsbereich anfechtungsrechtlich privilegiert sein müssen.7 Für die Regelinsolvenz ist die fortgesetzte Teilnahme des in die Krise geratenen Schuldners jedoch kein Selbstzweck. So dient sie nicht nur dem Schuldner und dessen persönlichem Fortführungsinteresse, sondern ganz entscheidend auch der Gläubigergesamtheit und deren bestmöglicher Befriedigung. Zwar entfaltet § 142 Abs. 1 InsO, wie bereits erwähnt, seine konkret-privilegierende Rechtswirkung erst ex post, wenn es also tatsächlich zu einer Insolvenz gekommen ist, und geht insoweit auf Kosten der Gläubigergesamtheit.8 Allerdings ist die Erkenntnis entscheidend, dass § 142 InsO durch seine Wirkung ex ante einer Kettenreaktion vorbeugt, die ohne Gegensteue3

Siehe dazu im Detail Teil 1, B. I., S. 21 ff. Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 382; vgl. auch Paulus, FS-Fischer, S. 449, der sämtlichen Anfechtungsvorschriften eine Vorwirkung zuschreibt. Das Anfechtungsrechtsrecht entfalte naturgemäß Vorwirkungen und beeinflusse damit das rechtserhebliche Geschehen im Vorfeld der finanziellen Krise einer der Parteien. 5 Honsell, ZfPW 2016, 106, 121. 6 BT-Drucks. 12/2443, S. 167. 7 K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 43; zur Anfechtung von Mietzahlungen bei Verbraucherinsolvenzen Pape, NZM 2015, 313, 315 ff.; vgl. dazu auch weiter unten Teil 1, E. III. 1., S. 79 ff. 8 Zu den unterschiedlichen Wirkungen des § 142 InsO je nach zeitlicher Betrachtung vgl. Teil 1, A., S. 19 ff. 4

B. Ratio legis des § 142 InsO

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rung zur Insolvenz eines grundsätzlich fortführungsfähigen Betriebes führte. Einer solchen insolvenzauslösenden Kettenreaktion kann nur dadurch begegnet werden, dass dem Schuldner auch in der wirtschaftlichen Krise die fortgesetzte Teilnahme am Geschäftsverkehr jedenfalls in einem gewissen Umfang ermöglicht wird (I.). Die beschränkte Fortführung durch die Ermöglichung der Abwicklung wertausgeglichener Deckungsgeschäfte ist im Regelfall weniger benachteiligend für die Gläubigergesamtheit als die sofortige Stilllegung des schuldnerischen Unternehmens. Gleichzeitig können durch die Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit Sanierungschancen bewahrt werden, die schließlich ebenfalls der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung dienen. Präziser ist es daher, wenn nicht nur von der Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit des Schuldners gesprochen wird, sondern vielmehr von der Sicherung des wirtschaftlichen status quo zum Wohle einer bestmöglichen Befriedigung der Gläubigergesamtheit. Diese Sicherung des status quo und die Bewahrung von Sanierungschancen sind der eigentliche Hauptzweck des § 142 InsO (II.).

I. Ermöglichung der fortgesetzten Teilnahme des Schuldners am Geschäftsverkehr Das Bargeschäft ist nach der Gesetzesbegründung und der h. M. maßgeblich von der wirtschaftlichen Erwägung geprägt, dass der Schuldner auch in der Krise in der Lage sein muss, wenigstens seine üblichen Tagesgeschäfte fortführen zu können.9 Diese Aussage impliziert bereits, dass ohne das Bargeschäftsprivileg eine solche fortgesetzte Teilnahme des Schuldners am Wirtschaftsverkehr nicht möglich wäre. Grund dafür ist das krisenbedingt erhöhte Anfechtungsrisiko zulasten potenzieller Vertragspartner, die sich ohne Gegensteuerung auf den in die Krise geratenen Schuldner nicht (mehr) einließen (1.). Gleichzeitig beugt die fortgesetzte Teilnahme des in die Krise geratenen Schuldners am Geschäftsverkehr einer verfrühten und wirtschaftlich unbegründeten Insolvenzeröffnung zum Schutze des Schuldners vor (2.). Der Schutz potenzieller Anfechtungsgegner als Kehrseite und der Schutz des Schuldners vor einer wirtschaftlich eigentlich unbegründeten Insolvenzeröffnung erfolgt dadurch, dass gemäß § 142 Abs. 1 InsO eine eng umgrenzte Art der Leistungsabwicklung anfechtungsfrei gestellt wird (3.).

9 BT-Drucks. 12/2443, S. 167; BGH NJW 1993, 3267; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 2; Bräuer, Bargeschäfte, S. 8 f.; FK-InsO/Dauernheim, § 142 InsO Rn. 1; Ganter, ZIP 2012, 2037; K. Schmidt/K. Schmidt/Weinland, § 142 InsO Rn. 3; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 2; Andres/Leithaus/Leithaus, § 142 InsO Rn. 2; Graf-Schlicker/ M. Huber, § 142 InsO Rn. 1; KK-InsO/Mohr, § 142 InsO Rn. 3; Lwowski/Wunderlich, FSKirchhof, S. 301 f.; HK-InsO/Thole, § 142 InsO Rn. 2; K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 4; differenzierter K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 8 ff.; ders., Leistungen Dritter, S. 186 ff.

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

1. Anfechtungsrisiken zulasten der Vertragspartner als Ausgangsproblematik Befindet sich der Schuldner in der Krise, ist er also zahlungsunfähig oder wurde bereits ein Eröffnungsantrag gestellt, steht er vor dem rein praktischen Problem, dass kaum ein Vertragspartner noch gewillt ist, mit ihm zu kontrahieren. Grund dafür ist die Sorge des Vertragspartners, infolge einer späteren Insolvenzeröffnung und -anfechtung seinen Anspruch auf die Gegenleistung zu verlieren oder bereits erhaltene Leistungen wieder erstatten zu müssen.10 Nimmt der Schuldner vor der formellen Insolvenzeröffnung, aber bereits in der wirtschaftlichen Krise (der sogenannten materiellen Insolvenz11) Rechtshandlungen vor, die einzelnen Gläubigern eine Sicherung oder Befriedigung gewähren oder ermöglichen, unterliegen diese Rechtshandlungen unter bestimmten weiteren Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung. Je nach Anfechtungstatbestand gilt dies entweder für das schuldrechtliche Kausalgeschäft oder für das dingliche Erfüllungsgeschäft oder für beide.12 Die Anfechtbarkeit des Erfüllungsgeschäfts steht bei der sogenannten Kongruenzanfechtung gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 – 2 InsO im Fokus – nach h. M. dem Hauptanwendungsfall des Bargeschäfts.13 Hat der Anfechtungsgegner vom Schuldner eine Deckung erhalten, nachdem bereits ein Eröffnungsantrag gestellt wurde, oder während der Schuldner bereits zahlungsunfähig war, ist diese Deckungshandlung des Schuldners anfechtbar, sofern der Anfechtungsgegner Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit bzw. dem Eröffnungsantrag hatte. Gemäß § 130 Abs. 2 InsO reicht dabei bereits die Kenntnis von Umständen aus, die zwingend auf den Eröffnungsantrag bzw. die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen.14 Der Anfechtungsgegner kann sich somit nicht allein mit dem Argument verteidigen, er habe 10

Bräuer, Bargeschäfte, S. 9; Lwowski/Wunderlich, FS-Kirchhof, S. 301. Die materielle Insolvenz bezeichnet die Situation, in der der Schuldner zur Insolvenzantragstellung verpflichtet ist. Gemäß § 15a Abs. 1 InsO ist dies bei Zahlungsunfähigkeit i. S. d. § 17 Abs. 2 InsO oder bei Überschuldung i. S. d. § 19 Abs. 2 InsO der Fall, vgl. K. Schmidt/ K. Schmidt/Herchen, § 15a InsO Rn. 25. 12 Siehe zu den jeweiligen Anfechtungstatbeständen der besonderen Insolvenzanfechtung Teil 1, C. III., S. 51 ff. 13 Insbesondere in Abgrenzung zur Inkongruenzanfechtung BGH NJW 1993, 3267; NJW 2006, 2701, 2703; NZI 2007, 2324, 2325; NZI 2008, 184, 185; NZI 2010, 897, 899; NZI 2011, 141, 143; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 6; Bräuer, Bargeschäfte, S. 103; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 InsO Rn. 8; A/G/R/Gehrlein, § 142 InsO Rn. 1; Kayser, FS-Fischer, S. 272; Graf-Schlicker/M. Huber, § 142 InsO Rn. 12 f.; KK-InsO/Mohr, § 142 InsO Rn. 1; Raschke, Funktion und Abgrenzung des § 142 InsO, S. 73; Riggert, FS-Braun, S. 157; vgl. dazu auch die instruktive Einleitung von Kayser, ZIP 2007, 49 f.; zur Vorsatz- und Inkongruenzanfechtung weiter unten mehr, siehe Teil 1, C. III. 2., S. 52 ff. und Teil 1, E. V., S. 111 ff. 14 BGH ZIP 2002, 87, 89; ZIP 2009, 2253, 2254 f.; NZI 2010, 985, 989; Uhlenbruck/ Borries/Hirte, § 130 InsO Rn. 65; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 130 InsO Rn. 61 ff.; JaegerInsO/Henckel, § 130 InsO Rn. 119; BeckOK-InsO/Raupach, § 130 InsO Rn. 22; HK-InsO/ Thole, § 130 InsO Rn. 36. 11

B. Ratio legis des § 142 InsO

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keinerlei positive Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit gehabt – die Kenntnis entsprechender Umstände reicht aus. Zahlungsunfähigkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung immer dann vor, wenn eine innerhalb von drei Wochen nicht zu beseitigende Liquiditätslücke des Schuldners mehr als 10 % der fälligen Gesamtverbindlichkeiten beträgt.15 Zwar kann dem Vertragspartner eine Kenntnis dieser konkreten Kennzahlen regelmäßig nicht nachgewiesen werden, da er typischerweise keinen Einblick in die Finanzen des Schuldners hat. Das ist aber auch gar nicht erforderlich. Damit die Deckungsanfechtung in der Praxis nicht vollständig leerläuft, wird gemäß § 17 Abs. 2 S. 2 InsO bereits von der Kenntnis der Zahlungseinstellung auf die Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit geschlossen.16 Im Gegensatz zur Zahlungsunfähigkeit bezeichnet die Zahlungseinstellung lediglich das nach außen hervortretende Verhalten des Schuldners, in dem sich typischerweise die Unfähigkeit ausdrückt, seine fälligen Zahlungspflichten erfüllen zu können. Die Zahlungseinstellung bemisst sich daher gerade nicht an einer konkret-mathematischen Liquiditätsanalyse.17 Vielmehr ist eine umfassende Würdigung der Gesamtumstände entscheidend, für die bestimmte Indizien ausschlaggebend sein können.18 Ein starkes Indiz für die Zahlungseinstellung kann sich vor allem aus ständig verspäteten Zahlungen ergeben, weil der Schuldner permanent einen erheblichen Berg an Verbindlichkeiten vor sich herschiebt19, oder weil der Schuldner insgesamt erhebliche Zahlungsrückstände vorzuweisen hat.20 Eine solche stockende Zahlungsweise ist dabei mit einem Blick auf die jeweiligen Zahlungsausgänge verhältnismäßig einfach nachweisbar. Die praktische Konsequenz ist, dass es dem Insolvenzverwalter letztendlich oftmals gelingt, dem Anfechtungsgegner die für § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO erforderliche Kenntnis der Zahlungsunfähigkeit nachzuweisen und das selbst dann, wenn der Anfechtungs-

15 BGH NZI 2005, 547, 550; Braun-InsO/Bußhardt, § 17 InsO Rn. 8 – 10; K. Schmidt/ K. Schmidt, § 17 InsO Rn. 22; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 130 InsO Rn. 28; HK-InsO/ Laroche, § 17 InsO Rn. 20; Nerlich/Römermann/Mönning/Gutheil, § 17 InsO Rn. 36; KKInsO/Mohr, § 130 InsO Rn. 63; BeckOK-InsO/Wolfer, § 17 InsO Rn. 13. 16 BGH ZIP 2006, 2222, 2223; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 130 InsO Rn. 62; FK-InsO/ Schmerbach, § 17 InsO Rn. 50; HK-InsO/Thole, § 130 InsO Rn. 19. 17 BGH NJW 2002, 515, 517; NZI 2011, 589, 590; NJW 2018, 396, 397; Uhlenbruck/ Borries/Hirte, § 130 InsO Rn. 69; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 130 InsO Rn. 28a; KKInsO/Mohr, § 130 InsO Rn. 66; HK-InsO/Thole, § 130 InsO Rn. 19, 39; BeckOK-InsO/Wolfer, § 17 InsO Rn. 30. 18 Schulmäßige Ausführungen zum Nachweis der Gläubigerkenntnis anhand von Indizien bei BGH NZG 2014, 151, 152 ff. 19 BGH NJW 2013, 940, 941; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 130 InsO Rn. 72f – h; KK-InsO/ Mohr, § 130 InsO Rn. 67. 20 BGH NZG 2014, 151, 153; NJW 2018, 396, 397.

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

gegner nicht einmal sicher um die Krise wusste, sondern nur Kenntnis bestimmter (indizierender) Umstände der Zahlungseinstellung hatte.21 Zusammengefasst ist also einerseits zwischen dem eher eindeutigen Fall zu unterscheiden, dass der Gläubiger positive Kenntnis von dem Eröffnungsantrag oder der Zahlungsunfähigkeit hatte und andererseits dem Fall, dass der Gläubiger bloß Krisenanzeichen erkannte. Trotz dieser in subjektiver Hinsicht deutlich unterschiedlichen Fallkonstellationen ist ein potenzieller Vertragspartner in beiden Fällen einem stark erhöhten Anfechtungs- und damit zugleich Prozessrisiko ausgesetzt. Ohne die Existenz einer Regelung wie der des Bargeschäftsprivilegs gemäß § 142 InsO wäre ihm daher generell zu raten, bereits bei den kleinsten Anzeichen einer Krise mit dem Schuldner entweder gar keine Rechtsbeziehungen mehr einzugehen oder jedenfalls die Risiken entsprechend bei der Bemessung der Gegenleistung einzupreisen. Das gilt selbst dann, wenn noch nicht einmal sicher ist, ob der Schuldner sich tatsächlich in der Krise befindet, oder es sich lediglich um ein Gerücht handelt.22 2. Schutz des Schuldners vor einer insolvenzauslösenden Kettenreaktion Ohne Korrektur der beschriebenen Anfechtungsrisiken wäre die zwangsläufige Folge eine Art „selbsterfüllende Prophezeiung“, die unweigerlich zum Kollaps des schuldnerischen Unternehmens führte: Sobald sich Krisenanzeichen offenbaren – begründet oder nicht – könnte der Schuldner nicht mehr effektiv am Tagesgeschäft teilnehmen, müsste seine Tätigkeit einstellen und schließlich die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen.23 Dass die Rechtsordnung einen noch nicht insolvenzreifen Schuldner sinnvollerweise vor einer derartigen Kettenreaktion schützen möchte, leuchtet auf Anhieb ein. Warum der Schuldner demgegenüber aber selbst dann noch handlungsfähig bleiben soll, wenn die materielle Krise bereits eingetreten ist, erscheint hingegen paradox. Schließlich ist es ja gerade vom Gesetzgeber erwünscht, dass der Schuldner im Krisenfalle möglichst frühzeitig einen Eröffnungsantrag stellt, um zukünftig nicht mehr privatautonom am Markt teilnehmen zu können.24 Das zeigen nicht zuletzt das 21 MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 130 InsO Rn. 36; Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 382; Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 11; K/P/B/Schoppmeyer, § 130 InsO Rn. 115. 22 Bräuer, Bargeschäfte, S. 9 f.; FK-InsO/Dauernheim/Blank, § 142 InsO Rn. 1; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 2; Ganter, ZIP 2019, 1141, 1143; Kayser, FS-Fischer, S. 268 f.; Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 382; BeckOK-InsO/Schoon, § 142 InsO Rn. 1. 23 FK-InsO/Dauernheim/Blank, § 142 InsO Rn. 1; BeckOK-InsO/Schoon, § 142 InsO Rn. 1. 24 Das ergibt sich vor allem aus der zivil- und strafrechtlichen Insolvenzverschleppungshaftung gem. § 15a Abs. 4 InsO, vgl. MüKo-InsO/Klöhn, § 15a InsO Rn. 7; K. Schmidt/ K. Schmidt/Herchen, § 15a InsO Rn. 1; Nerlich/Römermann/Mönning, § 15a InsO Rn. 3.

B. Ratio legis des § 142 InsO

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2011 eingeführte ESUG und das jüngst verabschiedete StaRUG, welche erklärtermaßen das Ziel haben, den Schuldner zu einer möglichst frühzeitigen Insolvenzantragstellung zu veranlassen, um dadurch im Idealfall eine Insolvenz sogar noch abwenden zu können.25 Allerdings ergibt sich bereits aus den jeweiligen Verfahrensstufen der InsO, dass auch der in die Krise geratene Schuldner jedenfalls vorübergehend handlungsfähig bleiben muss. Denn die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens setzt gemäß § 13 Abs. 1 S. 1 InsO zunächst einen Insolvenzantrag voraus. Der Insolvenzantrag leitet dabei aber nicht unmittelbar das Insolvenzverfahren ein, sondern lediglich das sogenannte Eröffnungsverfahren. Während des Eröffnungsverfahrens prüft das Insolvenzgericht, ob die Voraussetzungen einer Verfahrenseröffnung überhaupt gegeben sind, d. h. ein Eröffnungsgrund (§§ 17 – 19 InsO) vorliegt. Während dieses Prüfungszeitraums kann das Insolvenzgericht zur Sicherung der Masse zwar bereits verschiedene vorläufige Maßnahmen anordnen (vgl. §§ 21 f. InsO). Ein Verlust der Verfügungsbefugnis von Gesetzes wegen, wie es im eröffneten Verfahren gemäß §§ 80, 81 InsO der Fall ist, tritt jedoch nicht ein. Andernfalls wäre bereits die Antragsstellung mit der tatsächlichen Insolvenz letztlich gleichbedeutend. Das darf aber schon deshalb nicht sein, weil gemäß §§ 13 Abs. 1 S. 2 1. Alt., 14 InsO ein Insolvenzantrag nicht nur vom Schuldner, sondern auch von einem Gläubiger gestellt werden kann.26 Das Missbrauchs- und Drohpotenzial eines unmittelbar zur Insolvenzeröffnung führenden Fremdantrages liegt auf der Hand. Zudem erscheint es insgesamt sinnvoll, die Rechtsordnung derart zu gestalten, dass eine unternehmerische Krise de facto nicht mit der tatsächlichen Insolvenz des Schuldners gleichbedeutend ist, sondern auch wieder überwunden werden kann. Die durch das Bargeschäftsprivileg in begrenztem Umfang ermöglichte fortgesetzte Teilnahme am Wirtschaftsverkehr schützt somit in einem ersten Schritt den Schuldner vor einer unwiderruflichen, insolvenzauslösenden Kettenreaktion.27 3. Schutz potenzieller Vertragspartner vor einer Anfechtung als Kehrseite Die Fortführung des schuldnerischen Geschäftsbetriebes in der Krise ist ohne einen korrespondierenden Anfechtungsschutz potenzieller Vertragspartner nicht denkbar, sodass beide Aspekte jeweils die Kehrseite derselben Medaille sind. Diese rechtstatsächliche Hürde überwindet § 142 Abs. 1 InsO, indem er eine bestimmte, eng begrenzte Art der Leistungsabwicklung anfechtungsfrei stellt. Sofern die vom 25 Vgl. zum ESUG: BT-Drucks. 17/5712, S. 1, 17; zum präventiven Restrukturierungsrahmen: COM(2016) 723 final, S. 1; zum StaRUG bzw. SanInsFoG: BT-Drucks. 19/24181, S. 1; ausführliche Darstellung bei Gehrlein, BB 2021, 68 ff. 26 Vgl. zum Gläubigerkalkül bei der Fremdantragstellung Uhlenbruck/Wegener, § 14 InsO Rn. 5. 27 K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 04, 04a spricht in diesem Zusammenhang von einer „Teilnahme- oder Teilhabefunktion“ zugunsten des Schuldners; vgl. ebenso Ganter, ZIP 2019, 1141, 1143.

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

Vertragspartner erhaltene Deckung innerhalb eines kurzen Zeitraums durch eine korrespondierende, mindestens gleichwertige Gegenleistung ausgeglichen wird, kann der Insolvenzverwalter nur noch dann anfechten, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 Nr. 1 – 3 InsO erfüllt sind, und der Vertragspartner die Unlauterkeit des Schuldners erkannt hat. Im Falle eines Bargeschäfts sind damit die Anfechtungsrisiken auf ein Minimum reduziert28, sodass ein Vertragspartner mit dem in die Krise geratenen Schuldner praktisch gefahrlos kontrahieren kann und den Vertragsschluss mit dem Schuldner nicht zu scheuen braucht.29 Auch bereits vorhandene (langjährige) Vertragspartner sind dadurch nicht gezwungen, vom Schuldner Abstand zu nehmen, sondern können – unter den Voraussetzungen des § 142 InsO – mit diesem fortgesetzt Leistungen anfechtungsfest austauschen. Umgekehrt hat der Schuldner die Möglichkeit, dem zögernden Vertragspartner einen bargeschäftlichen Leistungsaustausch vorzuschlagen und ihn dadurch zu einem Vertragsschluss zu bewegen. Der ex ante Schutz potenzieller Vertragspartner vor einer ex post erfolgenden Anfechtung ist damit letztlich das Mittel zum Zweck, um der bereits beschriebenen Kettenreaktion vorzubeugen, die ohne Gegensteuerung schließlich in die Insolvenz mündete – und das, obwohl der Schuldner möglicherweise noch in der Lage gewesen wäre, die Krise wieder zu überwinden.

II. Sicherung des wirtschaftlichen status quo und Erhalt von Sanierungschancen zugunsten einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung Bisher wurde lediglich festgestellt, dass der von § 142 InsO verfolgte Schuldnerschutz vor einer zur tatsächlichen Insolvenz führenden Kettenreaktion durch einen korrespondierenden Schutz der Vertragspartner ermöglicht wird. Darauf ist die ratio legis des § 142 InsO aber nicht beschränkt. Ein entscheidender Gedanke, der in der Rechtsprechung allenfalls zwischen den Zeilen und in der Literatur nur teilweise Berücksichtigung findet, ist der, dass die Aufrechterhaltung des schuldnerischen Geschäftsbetriebes und die Vermeidung der beschriebenen Kettenreaktion originär der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung dient.30 Der BGH hatte dies in einer vereinzelt gebliebenen Entscheidung bereits früh erkannt, indem er formulierte, dass das gerichtliche Vergleichsverfahren nicht nur dem Interesse des Schuldners oder der 28

Zu den verbleibenden Anfechtungsrisiken gem. § 133 InsO siehe Teil 1, E. V., S. 111 ff. BGH NZG 2017, 1034, 1035; Altmeppen, ZIP 2015, 949, 950; Bräuer, Bargeschäfte, S. 8 f.; Ganter, ZIP 2019, 1141, 1143; Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 13; Neuberger, ZInsO 2018, 1242, 1247; BeckOK-InsO/Schoon, § 142 InsO Rn. 1. 30 K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 8; Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 55; Lwowski/Wunderlich, WM 2004, 1511, 1512; Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 14; ebenso im Zusammenhang mit der Geschäftsführerhaftung gem. § 64 GmbHG BeckOK-GmbHG/Mätzig, § 64 GmbHG Rn. 55. 29

B. Ratio legis des § 142 InsO

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Allgemeinheit an der Aufrechterhaltung des schuldnerischen Betriebs diene, sondern vor allem auch dem Interesse der Gläubiger, die im Konkurs häufig nur in geringerem Maße befriedigt werden könnten.31 Durch die beschränkte Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit wird der wirtschaftliche status quo des Schuldners weitestmöglich gesichert. Mit anderen Worten wird der Schuldner in seiner wirtschaftlichen Lage gewissermaßen „konserviert“, indem er zwar noch am Geschäftsverkehr teilnehmen kann, dies aber nur zum Preis gleichwertiger Gegenleistungen.32 Dadurch verbessert sich zwar die wirtschaftliche Lage in der Regel nicht, allerdings wird zugleich eine schlagartige Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation infolge einer sofortigen Stilllegung vermieden.33 Der Schuldner kann dann idealerweise die Krise noch aus eigener Kraft überwinden oder aber wenigstens eine spätere Sanierung versuchen. Der Erhalt dieser Chancen ist dabei nicht nur günstig für den Schuldner und dessen Fortführungsinteresse, sondern kommt ganz entscheidend den ungesicherten Gläubigern und deren bestmöglicher Befriedigung zugute.34 Könnte der Schuldner mit Eintritt der Krise nicht mehr effektiv am Geschäftsverkehr teilnehmen, wären regelmäßig auch alle späteren Sanierungsversuche zum Scheitern verurteilt. § 142 InsO verhindert damit in seiner Rechtswirkung ex ante, dass „jede wirtschaftlich prekäre Lage des Schuldners zu einer aussichtlosen [wird]“.35 Wenn zuvor also noch erwogen wurde, es sei möglicherweise paradox, dass der Gesetzgeber einerseits eine möglichst frühzeitige Antragsstellung anstrebe, andererseits aber mithilfe des § 142 InsO die fortgesetzte Teilnahme am Wirtschaftsverkehr ermöglicht werden soll, dann löst sich gerade vor dem Hintergrund dieses Sanierungsgedankens der vermeintliche Widerspruch auf: Denn nur mithilfe des Bargeschäfts kann ein noch nicht insolvenzreifer Schuldner die Krise überwinden oder aber – wenn tatsächlich Insolvenzreife gegeben ist – einen frühzeitigen Eröffnungsantrag stellen, ohne gleichzeitig seine wirtschaftliche Handlungsfähigkeit vollständig einbüßen zu müssen. Der Abschluss und die Abwicklung von Geschäften in der Krise, die Fortführung des schuldnerischen Betriebes im Eröffnungsverfahren und schließlich der Versuch einer Sanierung im eröffneten Insolvenzverfahren wären ohne das Bargeschäftsprivileg nicht möglich.36

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BGH NJW 1959, 147. Siehe zur Gleichwertigkeit weiter unten Teil 1, E. III., S. 76 ff. 33 Vgl. Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 55; Wroblewski, NJW 2012, 894, 896 im Zusammenhang mit Lohnfortzahlungen. 34 Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 382 f.; Riggert, FS-Braun, S. 139, 152 f., der bereits in den Entwürfen zur Konkursordnung einen Sanierungscharakter des Bargeschäfts erkennt; ähnlich auch FK-InsO/Dauernheim/Blank, § 142 InsO Rn. 1; Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 55. 35 Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 382; ähnlich Riggert, FS-Braun, S. 139, 152 f. 36 Vgl. dazu auch Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 382. 32

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

III. Zusammenfassung Das Bargeschäftsprivileg verfolgt zwar in einem ersten Schritt das Ziel, zugunsten des Schuldners die fortgesetzte Teilnahme am Wirtschaftsverkehr zu ermöglichen, indem es potenzielle Vertragspartner vor einer späteren Anfechtung schützt. In einem zweiten Schritt wird dadurch aber vor allem der wirtschaftliche status quo des Schuldners gesichert, sodass im Idealfall die Krise noch im Vorfeld der Insolvenz überwunden oder jedenfalls eine spätere Sanierung versucht werden kann. Das dient nicht nur dem Schuldner selbst, sondern vor allem auch der Gläubigergesamtheit und ihrem Interesse an einer bestmöglichen Befriedigung. Durch seine präventive Rechtswirkung dient § 142 InsO daher sowohl dem Schuldner als auch der Gläubigergemeinschaft. Die Anerkennung dieser Multifunktionalität ist von entscheidender Bedeutung für eine interessengerechte Normanwendung und -auslegung. Denn zwischen dem Bargeschäftsprivileg und dem Anfechtungsrecht besteht insoweit kein Zielkonflikt. Pauschale Verweise auf das Verfahrensziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung zugunsten einer extensiven Anfechtungspraxis und eingeschränkten Anwendung des § 142 InsO verlieren dadurch an Überzeugungskraft, weil § 142 InsO ja gerade auch eben jener Gläubigerbefriedigung dient. Dies gilt vor allem auch für die häufig anzutreffende Aussage, es handele sich bei dem § 142 InsO um eine Ausnahmevorschrift, die nach allgemeiner Auffassung besonders restriktiv ausgelegt werden müsse.37 Gerade letztere Aussage ist in der Absolutheit nicht haltbar.38 Durch die Charakterisierung des § 142 InsO als vorinsolvenzliches Sanierungsinstrument lässt sich schließlich – entgegen der h. M.39 – sowohl eine Anwendung des § 142 InsO auf die Inkongruenzanfechtung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 – 3 InsO als auch auf die anfängliche Besicherung von Gesellschafterdarlehen im Sinne der §§ 135 Abs. 1 Nr. 1, 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO rechtfertigen.40

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BGH NZI 2010, 897, 899; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 4; K. Schmidt/ Ganter/Weinland, § 142 InsO Rn. 7. 38 So auch zutreffend K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 04b. 39 BGH NJW-RR 2004, 1493, 1494; NZI 2006, 469, 471; NZI 2007, 337, 338; NZI 2010, 897, 899; BAG BeckRS 2015, 65285 Rn. 19 ff.; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 6; HK-InsO/Thole, § 142 InsO Rn. 12 f.; a. A. Lwowski/Wunderlich, FS-Kirchhof, S. 303; JaegerInsO/Henckel, § 142 InsO Rn. 8 ff. 40 Siehe zum Verhältnis zur Inkongruenzanfechtung Teil 1, C. III. 2., S. 52 ff. und zur anfänglichen Besicherung von Gesellschafterdarlehen Teil 2, B. III., S. 148 ff.

C. Einordnung des § 142 InsO in das System der Insolvenzanfechtung

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C. Einordnung des § 142 InsO in das System der Insolvenzanfechtung Die Ergebnisse hinsichtlich der ratio legis und der Funktionsweise des § 142 InsO ermöglichen eine erste Konturierung des Anwendungsbereichs und der Reichweite der Vorschrift. So muss zum einen der Anfechtungsschutz zugunsten der Vertragspartner so weitgehend sein, dass das Anfechtungsrisiko nicht abschreckend, sondern vielmehr im Vorfeld kalkulierbar ist. Die Erkenntnis, dass Risiken zu einem gewissen Grad kalkulierbar sein müssen, um wirtschaftlich wünschenswerte Ergebnisse zu erzielen, ist dabei in anderen Rechtsgebieten durch rechtsökonomische Analysen bereits anerkannt. So gilt beispielsweise im Gesellschaftsrecht, dass unternehmerische Entscheidungen nicht vollumfänglich auf ihre Vertretbarkeit nachgeprüft werden dürfen. Andernfalls würden ökonomisch kontraproduktive Anreize geschaffen, da das Gesellschaftsorgan davor zurückschreckte, wirtschaftlich sinnvolle Risiken einzugehen.41 Zum anderen darf die Privilegierung aber auch nicht derart ausufernd sein, dass pauschal sämtliche vom Schuldner in der Krise vorgenommene Rechtsgeschäfte anfechtungsfrei gestellt würden – schließlich geht ex post, im Falle einer tatsächlichen Insolvenzeröffnung, die Privilegierung des § 142 InsO letztlich auf Kosten der Gläubigergesamtheit und deren Befriedigungsaussichten.42 Eine weitere entscheidende Präzisierung des Anwendungsbereichs gelingt über eine Analyse der Systematik des Insolvenzanfechtungsrechts und des Verhältnisses des § 142 InsO zu den Vorschriften der besonderen Insolvenzanfechtung. In Betracht kommt dabei, dass die Vorschriften der §§ 130 ff. InsO den § 142 InsO ergänzen, den Anwendungsbereich begrenzen, oder die Anwendung in bestimmten Anfechtungskonstellationen gänzlich ausschließen. Das Verhältnis von § 142 InsO zu den jeweiligen Anfechtungsvorschriften ist im Einzelnen umstritten. So wird beispielsweise einerseits angenommen, § 142 Abs. 1 InsO käme eine Ergänzungsfunktion zu: Ein gemäß § 132 Abs. 1 InsO unanfechtbar vereinbartes Verpflichtungsgeschäft müsse auch erfüllbar sein und dürfe nicht der Deckungsanfechtung unterliegen. Dies gewährleiste § 142 InsO, sodass von einer Ergänzung zu § 132 Abs. 1 InsO auszugehen sei. Ein Bargeschäft könne schließlich auch niemals nach § 132 Abs. 1 InsO anfechtbar sein, da es die Gläubigergesamtheit nicht unmittelbar benachteilige.43 Andererseits wird vertreten, dass § 142 InsO vielmehr an die §§ 130, 131 InsO anknüpfe, und § 142 InsO mit dem § 132 InsO „im Grunde nichts zu [tun habe]“.44 Auf den ersten Blick nahezu unstrittig ist demgegenüber, dass sich inkongruente 41

Vgl. mit zahlreichen Nachweisen Jansen, Verhaltenssteuerung, S. 166 ff. Ähnlich Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 381 ff., der in der konkreten Ausgestaltung der jeweiligen Tatbestandsmerkmale die gebotene Einschränkung der Reichweite des § 142 InsO erkennt. Zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen siehe weiter unten Teil 1, E., S. 72 ff. 43 Jaeger-InsO/Henckel, § 142 InsO Rn. 2; siehe auch Bangha-Szabo, ZIP 2013, 1058, 1061. 44 HK-InsO/Thole, § 142 InsO Rn. 2. 42

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

Deckungen im Sinne des § 131 InsO und Bargeschäfte nach § 142 InsO gegenseitig ausschlössen.45 Wie sich zeigen wird, ist insbesondere letztere Auffassung weder dogmatisch noch normativ haltbar.46 Für die Klärung des Verhältnisses von § 142 InsO zu den benachbarten Anfechtungsvorschriften sind allerdings in einem ersten Schritt die Ziele und die Reichweite der besonderen Insolvenzanfechtung zu untersuchen. Denn bereits aus der gesetzgeberischen Zielsetzung der besonderen Insolvenzanfechtung ergibt sich eine weitere Legitimationsgrundlage für das Bargeschäftsprivileg, was im Verhältnis zu den Anfechtungstatbeständen gemäß der §§ 130 ff. InsO generell für eine extensive(re) Anwendung des § 142 InsO spricht (I.). Anknüpfend daran ist das Verhältnis des § 142 InsO zur anfechtungsrechtlichen Rahmenvorschrift des § 129 InsO zu analysieren (II.). Dabei wird sich zeigen, dass beide Normen in ihrer Funktionsweise streng voneinander getrennt werden müssen. Im Detail ist zu klären, ob und inwieweit Vermögensvorteile, die entweder als Gegenleistung oder auch auf sonstige Weise in die Masse geflossen sind, bei der Prüfung der objektiven Gläubigerbenachteiligung gemäß § 129 Abs. 1 InsO tatbestandlich zu berücksichtigen sind. In Betracht kommt, dass eine Saldierung von Vermögensvorteilen ausschließlich nur unter den engen Voraussetzungen des § 142 Abs. 1 InsO auf Rechtsfolgenseite zulässig ist, und bei § 129 Abs. 1 InsO Gegenleistungen und sonstige Vermögensvorteile strikt unberücksichtigt bleiben. Im Folgenden wird sich jedoch herausstellen, dass Vermögensvorteile bereits tatbestandlich bei § 129 Abs. 1 InsO zu saldieren sind. Die konkrete Rechtsanordnung des § 142 Abs. 1 InsO erschöpft sich schließlich allein im Ausschluss mittelbarer Gläubigerbenachteiligungen (III.). Die exakte Präzisierung des Anwendungsbereichs erfolgt sodann durch die Analyse des Verhältnisses des Bargeschäfts zu den §§ 130 – 132 InsO (IV.).

I. Ziele und Reichweite der besonderen Insolvenzanfechtung und deren Auswirkungen auf die Legitimation des Bargeschäftsprivilegs Es wurde bereits ausgeführt, dass das Bargeschäftsprivileg zu wirtschaftlich sinnvollen Ergebnissen nicht nur zugunsten des Schuldners führt, sondern auch zugunsten der ungesicherten Gläubiger.47 Dies entspricht exakt der Zielsetzung der besonderen Insolvenzanfechtung, die ebenfalls in erster Linie wirtschaftlich sinnvolle Ergebnisse zugunsten aller Beteiligten erzielen soll. Somit schließen sich das Bargeschäftsprivileg und die besondere Insolvenzanfechtung teleologisch nicht aus, sondern ergänzen sich vielmehr gegenseitig. 45 BGH NJW-RR 2004, 1493, 1494; NZI 2006, 469, 471; NZI 2007, 337, 338; NZI 2010, 897, 899; BAG BeckRS 2015, 65285 Rn. 19 ff.; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 6; HK-InsO/Thole, § 142 InsO Rn. 12 f.; a. A. Lwowski/Wunderlich, FS-Kirchhof, S. 303; JaegerInsO/Henckel, § 142 InsO Rn. 8 ff. 46 Siehe dazu Teil 1, C. III. 2., S. 52 ff. 47 Siehe oben Teil 1, B. I. 2., S. 24 ff.

C. Einordnung des § 142 InsO in das System der Insolvenzanfechtung

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Ziel des Insolvenzverfahrens ist die Haftungsverwirklichung unter Knappheitsbedingungen und die vereinheitlichte Rechtsdurchsetzung für eine Vielzahl von Gläubigern, um auf diese Weise eine möglichst gerechte und effiziente Verteilung zum Vorteil aller Beteiligten zu erreichen.48 Die Gleichbehandlung der Gläubiger in der Insolvenz des Schuldners (par condicio creditorum) ist gemäß § 1 S. 1 InsO einer der beherrschenden Grundsätze des Insolvenzverfahrens49 und stellt zugleich das Gegenstück zu dem in der Einzelvollstreckung geltenden Prioritätsprinzip dar.50 Das Verfahrensziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung ist demgegenüber nicht ausdrücklich kodifiziert, wird aber vom Gesetzgeber zusammen mit der Gläubigergleichbehandlung als einheitliche Zielvorgabe vorausgesetzt.51 Das Ziel der gleichmäßigen und gerechten Verteilung des verbleibenden Vermögens setzt seinerseits voraus, dass überhaupt noch eine zu verteilende Masse vorhanden ist. Denn es kommt immer dann zu einer Insolvenz, wenn der Schuldner langfristig nicht mehr in der Lage ist, alle seine Verbindlichkeiten zu erfüllen (vgl. § 17 Abs. 2 S. 1 InsO). Daher muss ab Verfahrenseröffnung die Haftungsmasse wertmäßig so lange zusammengehalten werden, bis das Insolvenzgericht die Voraussetzungen einer Insolvenzeröffnung festgestellt hat, was regelmäßig einen längeren Zeitraum in Anspruch nimmt.52 Der Zusammenhalt der Masse wird im eröffneten Insolvenzverfahren zunächst durch die §§ 80, 81 InsO gewährleistet, indem die Verfügungsbefugnis des Schuldners auf den Insolvenzverwalter übergeht (§ 80 Abs. 1 InsO), und vom Schuldner dennoch getroffene Verfügungen unwirksam sind (§ 81 Abs. 1 S. 1 InsO). Diese Vorschriften beziehen sich allerdings allesamt allein auf die Zeit ab Verfahrenseröffnung.53 Vor der Verfahrenseröffnung ist der Schuldner, auch wenn er bereits zahlungsunfähig54 ist, weiterhin verfügungsbefugt und kann, ohne dass dies für den Rechtsverkehr erkennbar wäre, am Geschäftsverkehr teilnehmen.55 Vertragspartner, die keinerlei Kenntnis von der wirtschaftlich schwierigen Situation des Schuldners haben, können dementsprechend nicht darauf reagieren und

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Uhlenbruck/Pape, § 1 InsO Rn. 2; K/P/B/Prütting, § 1 InsO Rn. 13 ff., 28 ff.; FK-InsO/ Schmerbach, Vorb. §§ 1 InsO Rn. 23 ff. 49 K/P/B/Bartels, Vorb. § 129 Rn. 1; Zenger, Insolvenzanfechtung aus zivilrechtlicher Perspektive, S. 124; a. A. S. Schmidt, Gläubigeranfechtung, S. 47 ff., der in der par concidio creditorum lediglich einen „Untergrundsatz“ erkennt. 50 K/P/B/Bartels, Vorb. § 129 InsO Rn. 1; Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 3 f.; Zenger, Insolvenzanfechtung aus zivilrechtlicher Perspektive, S. 123. 51 Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 77, 108; FK-InsO/Hess, § 1 InsO Rn. 163; BeckOK-InsO/ Madaus, § 1 InsO Rn. 5. 52 Nerlich/Römermann/Mönnig, § 13 InsO Rn. 93b. 53 K. Schmidt/Sternal, § 80 InsO Rn. 2. 54 Bei juristischen Personen ist auch die Überschuldung ein Eröffnungsgrund, vgl. § 19 InsO. Die Überschuldung spielt allerdings für die Anfechtung unmittelbar keine Rolle. 55 Schoppmeyer, WM 2018, 301, 303. Freilich vorbehaltlich der Möglichkeit einer gerichtlichen Anordnung vorläufiger Maßnahmen gem. § 21 InsO, vgl. Nerlich/Römermann/ Mönnig, § 13 InsO Rn. 93b.

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

lassen ihre übliche Vertragsgestaltung unverändert.56 Regelmäßig steht diesem unwissenden (mehrheitlichen) Teil der Gläubiger ein Kreis von Personen gegenüber, die aufgrund ihrer besonderen Stellung oder persönlichen Nähe zum Schuldner (institutionelle Gläubiger, Verwandte oder sonstige langjährige Vertragspartner) einen Informationsvorsprung hinsichtlich der kritischen Situation des Schuldners genießen.57 Sie können deshalb mit besonderer Vehemenz ihre Forderungen noch vor der Verfahrenseröffnung durchsetzen und zulasten der Gläubigergemeinschaft volle Befriedigung erlangen. Denkbar wäre darüber hinaus auch, dass der Schuldner aus Sympathie oder bloßer Willkür bestimmte Gläubiger noch befriedigt und andere nicht. Dies allein leistete ungerechten und zufälligen Ergebnissen Vorschub.58 Daher müssen gesetzliche Instrumentarien vorhanden sein, die das Ziel der Gläubigergleichbehandlung bereits im Vorfeld der Insolvenzeröffnung effektiv durchsetzen.59 Die Durchsetzung der par condicio creditorum erfolgt allen voran durch die besondere Insolvenzanfechtung gemäß §§ 130 – 132 InsO.60 Unter bestimmten Voraussetzungen können vermögensmindernde Rechtshandlungen des Schuldners in der Phase vor Verfahrenseröffnung bzw. Antragstellung rückgängig gemacht werden.61 Je nach Anfechtungstatbestand stellt das Gesetz in objektiver sowie subjektiver Hinsicht unterschiedliche Anforderungen. So sind bestimmte Rechtshandlungen des Schuldners einfacher anfechtbar, wenn der Anfechtungsgegner aus Sicht des Gesetzgebers weniger schutzwürdig erscheint, etwa weil er keinen Anspruch auf die konkret erhaltene Deckung hatte (§ 131 Abs. 1 InsO) oder um die Krise des Schuldners wusste (z. B. §§ 130 Abs. 1, 131 Abs. 1 Nr. 3, 132 Abs. 1 Nr. 1, 2 InsO). Die unterschiedliche Ausgestaltung der Anfechtungstatbestände ist letztlich das Ergebnis einer durch den Gesetzgeber getroffenen Interessenabwägung.62 Die 56 Zu denken wäre beispielsweise an die Vereinbarung kürzerer Zahlungs- bzw. Lieferfristen oder das Bestehen auf Vorkasse. 57 Vgl. Thole, Gläubigerschutz, S. 394 ff.; allgemein zum Problem der Informationsasymmetrie Buth/Hermanns/Wilden, § 2 Rn. 6 ff. 58 Zenger, Insolvenzanfechtung aus zivilrechtlicher Perspektive, S. 128. 59 K/P/B/Bartels, § 129 InsO Rn. 7; Uhlenbruck/Hirte/Borries, Vorb. § 129 – 147 InsO Rn. 9; M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 68 ff.; Mahlmann, Anfechtung von Bargeschäften, S. 3 f.; FK-InsO/Wimmer, § 129 InsO Rn. 1. 60 Zwar werden nahestehende Personen bereits gemäß § 138 InsO einem strengen Anfechtungsregime unterworfen. Hausbanken, Großlieferanten oder Berater des Schuldners gehören jedoch nicht dazu, vgl. Köchling, ZInsO 2007, 690, 696. Damit kann § 138 InsO allein dem Problem der Informationsasymmetrie nicht begegnen, vgl. dazu die Kritik bei Thole, Gläubigerschutz, S. 338 ff. 61 Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 130 InsO Rn. 1; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 130 InsO Rn. 1; Zenger, Insolvenzanfechtung aus zivilrechtlicher Perspektive, S. 125; im Einzelnen ist streitig, ob auch noch § 132 InsO zur besonderen Insolvenzanfechtung gehört, vgl. Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 163 f.; ein grundlegend anderes Verständnis der Insolvenzanfechtung demgegenüber bei S. Schmidt, Gläubigeranfechtung, S. 61 ff. 62 Bitter, KTS 2016, 455, 464 ff.; K/P/B/Bartels, Vorb. § 129 InsO Rn. 2; MüKo-InsO/ Kirchhof/Piekenbrock, Vorb. §§ 129 – 147 InsO Rn. 4; Paulus, FS-Fischer, S. 451 ff.; Schoppmeyer, WM 2018, 301, 304.

C. Einordnung des § 142 InsO in das System der Insolvenzanfechtung

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Insolvenzanfechtung soll nicht pauschal sämtliche gläubigerbenachteiligende Rechtshandlungen des Schuldners im Vorfeld der Insolvenz im Sinne einer „flat rule“63 rückgängig machen, sondern nur dort korrigierend eingreifen, wo der par condicio creditorum keine schutzwürdigeren Interessen entgegenstehen.64 Ein derartiges, der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung entgegenstehendes Interesse, ist insbesondere der Schutz des Rechtsverkehrs. So hat der Rechtsverkehr seinerseits ein starkes Interesse an der Endgültigkeit bereits abgewickelter Rechtsgeschäfte. Wären sämtliche Rechtsgeschäfte im Vorfeld der Insolvenz des Schuldners anfechtbar und infolgedessen rückabzuwickeln, wäre das Vertrauen in die Endgültigkeit eines Rechtserwerbs derart erschüttert, dass der Rechtsverkehr und die Kreditversorgung der Wirtschaft erheblich gefährdet wären.65 Der damit erforderliche Schutz des Rechtsverkehrs erfolgt allen voran dadurch, dass die Anfechtung die Kenntnis des Anfechtungsgegners von der wirtschaftlichen Krise beim Schuldner voraussetzt.66 Nur derjenige, der um die wirtschaftlich prekäre Lage des Schuldners weiß, muss davon ausgehen, dass alsbald ein Insolvenzverfahren eröffnet werden könnte und dadurch die Verfügungsbefugnis des Schuldners auf den Insolvenzverwalter überzugehen droht. Dann muss er aber auch damit rechnen, eine vom Schuldner erhaltene Deckung infolge einer Anfechtung wieder zur Masse erstatten zu müssen. Umgekehrt darf der redliche Erwerber auf die Endgültigkeit des Leistungsaustauschs vertrauen und die ihm vertragsgemäß (kongruent) zustehende Leistung behalten. Gegenüber diesem Vertrauen des redlichen Erwerbers tritt der Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz dann zurück.67 Die Kenntnis von der Krise ist also insoweit ein konstituierendes Element der besonderen Insolvenzanfechtung.68 Zwar gibt es auch Anfechtungstatbestände, die keine Kenntnis voraussetzen. Allerdings wird bei diesen Tatbeständen aufgrund der Umstände der Deckung die Kenntnis des Gläubigers unwiderleglich vom Gesetzgeber vermutet.69 Das ist bei 63

304. 64

Begriff bei Thole, Gläubigerschutz, S. 366; vgl. ebenso Schoppmeyer, WM 2018, 301,

Paulus, FS-Fischer, S. 450 f.; Schoppmeyer, WM 2018, 301, 304; ders., WM 2018 353, 360; vgl. ebenso Thole, Gläubigerschutz, S. 366. 65 Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 168 ff.; Schoppmeyer, WM 2018, 301, 304 formuliert es ausdrücklich: „Vertrauensschutz ist auch im Rahmen der besonderen Insolvenzanfechtung geboten.“ In diesem Zusammenhang deutliche Kritik von Paulus, FS-Fischer, S. 454: „Das insolvenzrechtliche Haftungsrecht belegt damit unzählige Transaktionen pauschal mit einem Gefährdungspotenzial, das ihnen von Gesetzes wegen gar nicht anhaften soll.“ 66 K/P/B/Bartels, § 129 InsO Rn. 3, 7; Hoffmann, Prioritätsgrundsatz, S. 56; MüKo-InsO/ Kayser/Freudenberg, § 130 InsO Rn. 31; Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 154, 170; K/S/W/Schäfer, § 130 InsO Rn. C1a; K/P/B/Schoppmeyer, § 130 InsO Rn. 5, 104; ders., WM 2018, 301, 304; Zenger, Insolvenzanfechtung aus zivilrechtlicher Perspektive, S. 130. 67 K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 130 InsO Rn. 6; HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 130 InsO Rn. 1; Schoppmeyer, WM 2018, 301, 304. 68 Ähnlich Doebert, Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen, S. 82 f.; Schoppmeyer, WM 2018, 353, 360. 69 BT-Drucks. 12/2443, S. 158; Doebert, Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen, S. 83.

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§ 131 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO der Fall.70 Hat der Anfechtungsgegner eine Deckung erhalten, die er in der konkreten Form nicht zu beanspruchen hatte, dann müsse sich ihm die Krise des Schuldners aufdrängen.71 Damit ist auch diesen Tatbeständen die Krisenkenntnis des Anfechtungsgegners immanent. All dies zeigt, dass der Gläubigergleichbehandlungsgrundsatz mithilfe der Insolvenzanfechtung nicht um jeden Preis durchgesetzt wird. Darüber hinaus setzt der Gesetzgeber der Insolvenzanfechtung aber nicht nur dort Grenzen, wo schutzwürdige Interessen der par condicio creditorum entgegenstehen, sondern auch dann, wenn das Verfahrensziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung auf andere Weise effizienter erreicht werden kann. Das zeigt sich beispielsweise auch daran, dass dem Insolvenzverwalter bei der Ausübung seines Amtes ein grundsätzlich weiter Ermessenspielraum zusteht72 und er eigenverantwortlich entscheiden kann, ob er Anfechtungsansprüche gerichtlich verfolgt, sich vergleicht oder ganz von einem Gerichtsverfahren absieht.73 Grundsätzlich ist zwar von einer Pflicht zur Anspruchsverfolgung auszugehen, allerdings reicht diese Pflicht nur soweit, wie wirtschaftlich sinnvolle Ergebnisse erzielt werden können.74 Es wird in diesem Zusammenhang sogar die generelle Möglichkeit erwogen, in einem Insolvenzplan gemäß § 217 InsO die Insolvenzanfechtung ausschließen zu können, wenn dies zu wirtschaftlich günstigeren Ergebnissen führt. Zu denken ist beispielsweise an Kreditgeber, die ihre Finanzierungsbereitschaft davon abhängig machen, dass sie nicht im Wege der Insolvenzanfechtung in Anspruch genommen werden.75 Zusammengefasst wird die Insolvenzanfechtung also immer dann verdrängt, wenn entgegenstehende Interessen überwiegen, oder ihr gesetzgeberisches Ziel einer gleichmäßigen und bestmöglichen Gläubigerbefriedigung auf andere Weise effizienter erreicht werden kann. Beides ist beim Bargeschäftsprivileg gemäß § 142 InsO der Fall. Wie bereits erläutert, vermeidet das Bargeschäftsprivileg einen durch die sofortige Stilllegung des schuldnerischen Betriebs eintretenden Wertverlust, indem es die fortgesetzte Teilnahme des Schuldners am Geschäftsverkehr ermöglicht.76 Dadurch dient es der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung in einer effizienteren Weise, als dies durch die 70 Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 327 und 341. Die unwiderleglich vermutete Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Krise gilt jedenfalls für den § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO. 71 Dazu im Detail weiter unten Teil 1, C. III. 2., S. 52 ff. 72 BGH NJW 2002, 2783, 2785; vgl. auch Keramati/Klein, NZI 2017, 421, 425. 73 BGH ZIP 2003, 1554, 1555; NZI 2016, 262; Adam, DZWIR 2006, 321 f.; Buchalik/ Hiebert, ZInsO 2014, 109, 110; F/K/R/Frege/Keller/Riedel, Kap. 3 Rn. 1392c mit dem Verweis darauf, dass die Ermessensausübung gem. § 60 InsO haftungsbewährt ist; Thole, ZIP 2014, 1653, 1654 f. 74 Keramati/Klein, NZI 2017, 421, 425; Thole, ZIP 2014, 1653, 1655; vgl. dazu auch OLG Karlsruhe ZIP 2014, 530 f. 75 Vgl. dazu ausführlich Buchalik/Hiebert, ZInsO 2014, 109 ff.; zustimmend Thole, ZIP 2014, 1653, 1658 ff. 76 Siehe oben Teil 1, B. I. 2., S. 24 ff.

C. Einordnung des § 142 InsO in das System der Insolvenzanfechtung

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besondere Insolvenzanfechtung möglich wäre. Zwar führt das Bargeschäftsprivileg in seiner konkreten Rechtswirkung im Einzelfall zu einer Verringerung der Insolvenzmasse zulasten der Gläubigergemeinschaft und zugunsten des jeweiligen Bargeschäftsgläubigers.77 Die grundsätzlich intendierte Gleichbehandlung aller Gläubiger wird also nicht strikt eingehalten.78 Jedoch bewirkt die Rechtssicherheit, die sämtliche potenzielle Vertragspartner durch die Regelungsanordnung des Bargeschäfts im Vorfeld der Insolvenz erfahren, in der Gesamtbetrachtung ein für die ungesicherten Gläubiger günstigeres Ergebnis.79 Die anfechtungsrechtliche Privilegierung von Bargeschäften ist also im Vergleich zur besonderen Insolvenzanfechtung das effizientere Instrument zur Erreichung des Ziels einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung. Aus den Zielen und der Reichweite der besonderen Insolvenzanfechtung ergibt sich daher keine Begrenzung, sondern vielmehr eine weitere Legitimationsgrundlage des Bargeschäftsprivilegs, die insgesamt für eine großzügigere Auslegung und Anwendung des § 142 InsO streitet.

II. Verhältnis von § 142 InsO zu § 129 Abs. 1 InsO Nachdem festgestellt werden konnte, dass das Bargeschäftsprivileg in Einklang mit den Zielen der besonderen Insolvenzanfechtung steht, stellt sich die Frage nach der konkreten Funktionsweise der Norm. Zu klären ist, wie § 142 InsO im Verhältnis zu den Vorschriften der Insolvenzanfechtung seine konkrete Rechtswirkung entfaltet. Dafür bedarf es zunächst einer Analyse des Verhältnisses zur anfechtungsrechtlichen Rahmenvorschrift des § 129 Abs. 1 InsO. Gemäß § 129 Abs. 1 InsO können Rechtshandlungen nur dann angefochten werden, wenn eine (objektive) Gläubigerbenachteiligung vorliegt. Eine solche liegt immer dann vor, wenn durch die anzufechtende Rechtshandlung die Befriedigung der Gläubiger gänzlich vereitelt, teilweise vermindert, zeitlich verzögert oder auf sonstige Weise erschwert wird.80 Es muss also entweder zu einer Masseverkürzung oder zu einer Erschwerung der Haftungsrealisierungschancen gekommen sein. Die objektive Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO wird – ähnlich wie im Schadensrecht – anhand einer Differenzmethode ermittelt, d. h. die Befriedigungsaussichten der Gläubiger werden mit und ohne die schuldnerische Rechts77

K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 9; Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 383. So wohl auch Bräuer, Bargeschäfte, S. 44 f. 79 Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 383. Siehe dazu bereits oben Teil 1, B. I. 2., S. 24 ff. 80 BGH ZIP 2008, 125, 127; ZIP 2009, 83; ZIP 2009, 1674, 1675; ZIP 2010, 2009, 2011; ZIP 2012, 333, 335; ZIP 2011, 438; ZIP 2012, 1038, 1039; ZIP 2012, 1183, 1184; ZIP 2014, 231, 232; Bartels, Leistungen Dritter, S. 167; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 129 InsO Rn. 160; Ganter, FS-Görg, S. 169; Jaeger-InsO/Henckel, § 129 InsO Rn. 77; K. Schmidt/K. Schmidt, § 129 InsO Rn. 45; Andres/Leithaus/Leithaus, § 129 InsO Rn. 8; M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 246; Nerlich/Römermann/Nerlich, § 129 InsO Rn. 63; BeckOK-InsO/Raupach, § 129 InsO Rn. 41. 78

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handlung verglichen.81 Hat sich das Vermögen durch die schuldnerische Rechtshandlung aber nicht gemindert, sondern setzt es sich lediglich anders zusammen, muss die Insolvenzanfechtung grundsätzlich ausscheiden. Das scheint auf den ersten Blick genau der Bargeschäftsfall zu sein. So privilegiert § 142 Abs. 1 InsO nur solche Rechtsgeschäfte des Schuldners, bei denen zwar einerseits Mittel aus dem schuldnerischen Vermögen abfließen, andererseits dafür aber in einem engen zeitlichen Zusammenhang Mittel vom Vertragspartner dem schuldnerischen Vermögen wieder zufließen. Sofern die jeweiligen Leistungen gleichwertig sind, vermindert sich das schuldnerische Vermögen bilanziell nicht, es kommt lediglich zu einer neutralen Vermögensumschichtung.82 Die Situation eines Bargeschäfts im Sinne des § 142 Abs. 1 InsO scheint daher mit einer fehlenden Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO identisch zu sein. Das würde allerdings bedeuten, dass der Anfechtung eines Bargeschäftsaustausches bereits mit einem Verweis auf § 129 Abs. 1 InsO begegnet werden könnte83, und die Regelung des § 142 InsO redundant bzw. rein deklaratorischer Natur wäre.84 Eine solche Schlussfolgerung wäre jedoch unzutreffend. Andernfalls ließe sich schon nicht erklären, warum § 142 Abs. 1 InsO zusätzlich zur Gleichwertigkeit auch noch einen engen zeitlichen, d. h. unmittelbaren, Leistungsaustausch voraussetzt. Das richtige Verständnis vom Verhältnis zwischen § 129 Abs. 1 InsO und § 142 Abs. 1 InsO offenbart sich erst nach einer Betrachtung der verschiedenen Arten der Gläubigerbenachteiligung (1.). Daran anknüpfend ist zu klären, wie sich die von § 142 Abs. 1 InsO vorausgesetzte gleichwertige Gegenleistung auf die objektive Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO auswirkt. In diesem Zusammenhang stellt sich schließlich die Frage nach der generellen Berücksichtigung von in die Masse geflossener Vermögensvorteile und der Zulässigkeit einer Vorteilsanrechnung und -ausgleichung im Insolvenzanfechtungsrecht (2.). 1. Die verschiedenen Arten der Gläubigerbenachteiligung Das Insolvenzanfechtungsrecht unterscheidet zwischen zwei verschiedenen Arten der Gläubigerbenachteiligung: In § 132 Abs. 1 InsO und § 133 Abs. 4 S. 1 InsO spricht das Gesetz ausdrücklich von einer unmittelbaren Gläubigerbenach81 BGH ZInsO 2011, 1979; ZInsO 2013, 2213, 2214; ZInsO 2014, 1947, 1948; ZInsO 2016, 326, 327; Gehrlein, ZInsO 2017, 128, 129; Jaeger-InsO/Henckel, § 129 InsO Rn. 126; KKInsO/Mohr, § 129 InsO Rn. 57; M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 246; K/S/W/Wagner, § 129 InsO Rn. B309; siehe aber zur Vorteilsanrechnung und -ausgleichung im Insolvenzanfechtungsrecht unter Teil 1, C. II. 2., S. 37 ff. 82 Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 1; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 InsO Rn. 3; teilweise auch als „Aktivatausch“ bezeichnend Andres/Leithaus/Leithaus, § 142 InsO Rn. 2; Graf-Schlicker/M. Huber, § 142 InsO Rn. 2; KK-InsO/Mohr, § 142 InsO Rn. 4; kritisch zum Begriff der „Masseneutralität“: Kayser, FS-Fischer, S. 272 f. 83 Ganter, ZIP 2012, 2037; ungenau bei Braun/Riggert, § 142 InsO Rn. 2. 84 Vgl. dazu auch Mahlmann, Bargeschäft und Gläubigerbenachteiligung, S. 24; Thole, Gläubigerschutz, S. 371.

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teiligung. E contrario reicht für die anderen Anfechtungstatbestände (§§ 130, 131, 132 Abs. 2, 133 Abs. 1, 134, 135, 136 InsO) und vor allem für den Grundtatbestand gemäß § 129 Abs. 1 InsO eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung aus.85 Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt dann vor, wenn bereits mit der Vornahme der angefochtenen Rechtshandlung, bzw. genauer gesagt mit Eintritt ihrer Rechtswirkung (vgl. § 140 Abs. 1 InsO86), die Gläubigerbenachteiligung entsteht, ohne dass noch zusätzliche, spätere Umstände hinzukommen müssten.87 Das ist insbesondere bei einseitigen Vermögensopfern des Schuldners (beispielsweise Schenkungen) oder dem Verzicht auf Forderungen der Fall.88 Aber auch gegenseitige Verträge können unmittelbar benachteiligend sein, wenn die vertraglich vereinbarte Leistung des Gläubigers wertmäßig hinter der des Schuldners zurückbleibt. Die Benachteiligung tritt dann direkt mit der Begründung der Leistungspflicht ein, da diese nicht durch einen wertäquivalenten Gegenanspruch ausgeglichen wird.89 Demgegenüber zeichnet sich eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung dadurch aus, dass die angefochtene Rechtshandlung selbst noch keine gläubigerschädigende Wirkung entfaltet, dafür aber die Grundlage für eine später eintretende Benachteiligung schafft.90 Eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt insbesondere dann vor, wenn zwar zur Zeit der Veräußerung einer Kaufsache eine gleichwertige Gegenleistung in die Masse geflossen, dieser Gegenwert jedoch zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung nicht mehr (wertmäßig) vorhanden ist, oder die vom Schuldner erbrachte Leistung im Vergleich zur erhaltenen Gegenleistung einfacher hätte verwertet werden können.91 2. Berücksichtigung von in die Masse geflossenen Vermögensvorteilen Fraglich ist – und das ist entscheidend für die konkrete Regelungsanordnung des § 142 Abs. 1 InsO – wie, bzw. ob sich die von § 142 Abs. 1 InsO vorausgesetzte 85

BT-Drucks. 12/2443, S. 157; BGH NJW 1993, 3267, 3268; Ganter, ZIP 2012, 2037; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 129 InsO Rn. 121 f.; Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 379; Graf-Schlicker/M. Huber, § 129 InsO Rn. 23; Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 22; Würdinger, Bargeldloser Zahlungsverkehr, S. 49 f. 86 Harbeck, Gläubigerbenachteiligung, S. 139. 87 BGH ZInsO 2016, 1578, 1579 f.; Bartels, Leistungen Dritter, S. 172; Gehrlein, ZInsO 2017, 128, 130; Harbeck, Gläubigerbenachteiligung, S. 135; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 129 InsO Rn. 113; Kreft, KTS 2012, 405, 410; Graf-Schlicker/M. Huber, § 129 InsO Rn. 22; HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 129 InsO Rn. 82. 88 Harbeck, Gläubigerbenachteiligung, S. 136; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 129 InsO Rn. 114. 89 Harbeck, Gläubigerbenachteiligung, S. 136 f.; K/S/W/Schäfer, § 129 InsO Rn. B336. 90 Bartels, Leistungen Dritter, S. 172 f.; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 129 InsO Rn. 121; Würdinger, Bargeldloser Zahlungsverkehr, S. 49 f. 91 Bräuer, Bargeschäfte, S. 23 mit weiteren Beispielen; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 129 InsO Rn. 245; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 129 InsO Rn. 125; Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 379.

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gleichwertige Gegenleistung auf das Tatbestandsmerkmal der objektiven Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO auswirkt. Dabei gilt zunächst, dass die bargeschäftliche Gegenleistung allein aufgrund ihres ausgleichenden Vermögenswertes rein denklogisch allenfalls eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung ausschließen könnte.92 Bliebe es allein beim Ausschluss einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung, ließe sich aber auch im Falle eines Bargeschäfts eine Anfechtung auf eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung stützen. Selbst wenn also eine gleichwertige Gegenleistung als Vorteil tatbestandlich angerechnet werden könnte und eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung ausschlösse (was es noch zu überprüfen gilt93), wäre damit nicht automatisch auch die Anfechtbarkeit insgesamt ausgeschlossen. Folgende Aussage lässt sich daher bereits an dieser Stelle treffen: Unabhängig davon, wie die Frage nach der Berücksichtigung von in die Masse geflossener Vermögensvorteile beurteilt wird, ist ein Bargeschäft unter keinen Umständen mit dem Fehlen einer objektiven Gläubigerbenachteiligung gemäß § 129 Abs. 1 InsO gleichzusetzen.94 Dieses Ergebnis wird zuletzt auch dadurch bestätigt, dass andernfalls die Konzeption des § 142 Abs. 1 InsO in sich widersprüchlich wäre: Denn auch im Falle eines Bargeschäfts ist eine Anfechtung ausdrücklich immer dann möglich, wenn die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 – 3 InsO vorliegen (und der Gläubiger die Unlauterkeit des Schuldners erkannt hat). § 133 Abs. 1 InsO erfordert aber seinerseits, dass die Voraussetzungen des § 129 Abs. 1 InsO erfüllt sind – und damit auch eine Gläubigerbenachteiligung vorliegt. Wenn aber trotz des Zuflusses einer gleichwertigen Gegenleistung die Vorsatzanfechtung möglich bleibt, dann kann aufgrund dieser systematischen Überlegung der Bargeschäftsfall nicht pauschal mit einer fehlenden Gläubigerbenachteiligung gleichgesetzt werden.95 Nichtsdestotrotz bleibt unklar, worin die konkrete Regelungsanordnung des § 142 Abs. 1 InsO gerade im Verhältnis zu § 129 Abs. 1 InsO zu sehen ist. Fraglich ist, ob durch den Zufluss der gleichwertigen Gegenleistung wenigstens eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung entfällt. Wäre dies der Fall, dann müsste sich die Rechtsanordnung des § 142 Abs. 1 InsO allein auf den Anfechtungsausschluss 92

Vgl. Graf-Schlicker/M. Huber, § 142 InsO Rn. 2; zur Anfechtung wegen unmittelbarer Benachteiligung gem. § 132 Abs. 1 InsO sogleich Teil 1, C. III. 3., S. 64 ff. 93 Sehr knapp bei Mahlmann, Bargeschäft und Gläubigerbenachteiligung, S. 24, der lediglich feststellt, dass bei Zufluss einer gleichwertigen Gegenleistung automatisch die unmittelbare Gläubigerbenachteiligung entfiele. 94 So aber die frühere Rechtsprechung: RGZ 100, 62, 64; BGH WM 1977, 254; NJW 1986, 1496, 1498; heute noch Altmeppen, ZIP 2015, 949, 950; Nerlich/Römermann/Nerlich, § 142 InsO Rn. 2; augenscheinlich auch Braun/Riggert, § 142 InsO Rn. 2; ders., FS-Braun, S. 141; zutreffend demgegenüber Hoffmann, Prioritätsgrundsatz und Gläubigergleichbehandlung, S. 55; Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 26 f. 95 Bräuer, Bargeschäfte, S. 25; Ganter, ZIP 2012, 2037; Kayser, FS-Fischer, S. 270; Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 379; Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 25; KKInsO/Mohr, § 129 InsO Rn. 150; ders., § 142 InsO Rn. 1; S. Schmidt, Gläubigeranfechtung, S. 43; HK-InsO/Thole, § 129 InsO Rn. 64.

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mittelbarer Benachteiligungen beschränken. Dagegen könnte allerdings sprechen, dass nach der gängigen Definition der unmittelbaren Benachteiligung der Nachteil bereits in der Rechtshandlung selbst begründet sein muss.96 Bei streng formaljuristischer Betrachtung ist aber der Zufluss einer Gegenleistung genau genommen keine unmittelbare Folge der schuldnerischen Rechtshandlung, sondern eine mittelbar kausale, weil der Zufluss einer Gegenleistung seinerseits von Teilakten (dingliche Übergabe und Übereignung und korrespondierende Annahme) abhängig ist, die gegen ein einaktiges Geschehen im juristischen Sinne angeführt werden könnten.97 Fraglich ist also, ob überhaupt bei der Prüfung der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung in die Masse geflossene Vermögensvorteile, insbesondere Gegenleistungen, zu berücksichtigen sind. Diese Diskussion wird unter den Stichwörtern der Vorteilsanrechnung und -ausgleichung98 geführt. Dabei muss im Insolvenzanfechtungsrecht terminologisch strikt zwischen einer zulässigen Vorteilsanrechnung und einer unzulässigen Vorteilsausgleichung nach schadensersatzrechtlichen Grundsätzen unterschieden werden (a)). Wie sich zeigen wird, kommt es für eine zulässige Vorteilsanrechnung darauf an, dass der Vorteil aus der „Sphäre“ des Anfechtungsgegners stammt, mit anderen Worten diesem zuzurechnen ist (b)). Darauf aufbauend ist dann im Detail zu klären, wie in die Masse geflossene Gegenleistungen des Anfechtungsgegners zu berücksichtigen sind. Im Ergebnis wird sich allerdings zeigen, dass Gegenleistungen richtigerweise bereits tatbestandlich bei der Prüfung der objektiven Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO zu saldieren sind (c)). Diese Erkenntnis führt sodann dazu, dass die Regelungsanordnung des § 142 Abs. 1 InsO allein darin bestehen muss, mittelbare Gläubigerbenachteiligungen auszuschließen (d)). Abschließend stellt sich noch die Frage, ob Vorteile nur dann angerechnet werden können, wenn sie die Gläubigerbenachteiligung vollständig ausgleichen (d. h. mindestens wertäquivalent sind) oder ob nicht möglicherweise auch eine teilweise Saldierung, ähnlich wie im Schadens- und Bereicherungsrecht, zulässig ist (e)). a) Unzulässige Vorteilsausgleichung und zulässige Vorteilsanrechnung Im Schadensersatzrecht richtet sich die Höhe eines Schadensersatzanspruchs grundsätzlich nach der Differenzmethode, d. h. der Anspruch soll lediglich die ursprüngliche Vermögenssituation des Geschädigten wiederherstellen, also die Situation ohne das schädigende Ereignis, und dabei nicht zu einem Mehrwert auf

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Harbeck, Gläubigerbenachteiligung, S. 135. Bartels, Leistung Dritter, S. 172. 98 Gehrlein, ZInsO 2017, 128, 132; oder auch „eingeschränkte Anwendung der Saldotheorie“, so bei Bitter, KTS 2016, 455, 468 ff., 496 ff. 97

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Gläubigerseite führen.99 Da aber schädigende Ereignisse mitunter auch vorteilhafte Folgen für den Geschädigten haben können, stellt sich die Frage, ob solche Vorteile bei der Bemessung der Schadenshöhe anspruchsmindernd zu berücksichtigen sind.100 Diese Problematik wird unter dem Stichwort der sogenannten Vorteilsausgleichung (compensatio lucri et damni) kontrovers diskutiert101, wobei der BGH in ständiger Rechtsprechung annimmt, dass eine Vorteilsausgleichung dem Grunde nach in Betracht kommt, wenn zwischen dem Schadensereignis und dem Vorteil ein adäquater Kausalzusammenhang besteht, und eine Anrechnung zu keiner unbilligen Entlastung des Schädigers führt. Zusätzlich muss die Vorteilsausgleichung dem Geschädigten zumutbar und mit Sinn und Zweck der Schadensersatzpflicht vereinbar sein.102 Weniger klar ist demgegenüber, was für das Insolvenzanfechtungsrecht gilt. Bei einem Blick auf die einschlägige Rechtsprechung entsteht zunächst der Eindruck, dass eine Saldierung von Vorteilen im Anfechtungsrecht generell ausgeschlossen ist. So heißt es in mehreren Entscheidungen des BGH, dass im Insolvenzanfechtungsrecht grundsätzlich keine Saldierung von Vor- und Nachteilen stattfinde, und eine Vorteilsausgleichung nach schadensersatzrechtlichen Grundsätzen unzulässig sei.103 Diese Aussagen dürfen allerdings nicht missverstanden werden. Denn nach h. M. ist sehr wohl unter bestimmten Voraussetzungen eine Verrechnung von Vorteilen statthaft, die dann terminologisch als zulässige Vorteilsanrechnung bezeichnet wird.104 Es ist also zwischen der insolvenzrechtlich zulässigen Vorteilsanrechnung und der unzulässigen Vorteilsausgleichung nach schadensersatzrechtlichen Grundsätzen zu unterscheiden.

99 Vgl. BGH NJW 2012, 3165, 3170; NJW 2015, 1373, 1374; BeckOK-BGB/Flume, § 249 BGB Rn. 37; MüKo-BGB/Oetker, § 249 BGB Rn. 8 f.; Staudinger/Schiemann, § 249 BGB Rn. 4 ff. 100 Das klassische Beispiel für ein Schadensereignis mit positiven wirtschaftlichen Folgen wäre die Zerstörung einer denkmalgeschützten Immobilie, sodass das Grundstück wegen des Wegfalls des Schutzstatus im Wert steigt, vgl. BGH NJW 1988, 1937. 101 BGH NJW 1984, 2457, 2458; BeckOK-BGB/Flume, § 249 BGB Rn. 331 ff.; BeckOGK/ Brand, § 249 BGB Rn. 266; MüKo-BGB/Oetker, § 249 BGB Rn. 229; Erman/H. P. Westermann, § 249 BGB Rn. 85 ff. 102 RGZ 146, 287; RGZ 80, 153, 160; RGZ 146, 287, 289; BGH NJW 1953, 618, 619; NJW 1953, 1346 f.; NJW 1959, 1078 f.; NJW 1968, 491, 492; NJW 1997, 2378; NJW 2006, 1582, 1583; NJW 2009, 1870, 1871; NJW 2010, 675, 676; NJW 2016, 1961, 1962; vgl. zur Rechtsprechungsentwicklung Staudinger/Schiemann, § 249 BGB Rn. 138. 103 BGH ZIP 2005, 1521, 1523; BGH ZIP 2008, 125, 127; ZIP 2009, 1674, 1676; ZIP 2013, 1180, 1181; ZIP 2013, 1579, 1580; vgl. ebenfalls Staudinger/Schiemann, § 249 BGB Rn. 137 ff. 104 Vgl. zu den verschiedenen Begrifflichkeiten Bitter, KTS 2016, 455, 469 f.; Harbeck, Gläubigerbenachteiligung, S. 159 ff.; Gottwald/Haas/Huber, § 46 Rn. 71 f.

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Anknüpfend an die allgemeine Definition zur unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung105 findet dabei nach h. M. eine Vorteilsanrechnung allerdings nur dann statt, wenn der der Masse zugeflossene Vorteil unmittelbar mit der schuldnerischen Rechtshandlung entstanden ist. Das heißt, es dürfen keine Zwischenakte zwischen der benachteiligenden Rechtshandlung und dem massebegünstigenden Vorteil bestanden haben, sodass für eine Vorteilsanrechnung im Insolvenzanfechtungsrecht ein einaktiger Vorgang erforderlich ist. Dies ist im Grundsatz unstrittig.106 Ein solcher einaktiger Vorgang sei beispielsweise gegeben, wenn die günstige Verwertung eines schuldnerischen Unternehmens nur noch von der Einwilligung eines Lieferanten abhängt, und dieser für seine Zustimmung wiederum zur Bedingung macht, dass seine Forderung befriedigt wird. Dann entstehe der Vorteil zeitgleich mit der benachteiligenden Forderungserfüllung, und es komme zu einem unmittelbaren Ausgleich der Masseverkürzung.107 Gleiches gelte für den Fall, dass der Schuldner eine mit einer Hypothek besicherte Forderung begleicht, sodass sich die Hypothek gemäß § 1163 Abs. 1 S. 2 BGB zur Eigentümergrundschuld umwandelt. Auch dann entstehe unmittelbar mit der benachteiligenden Rechtshandlung des Schuldners ein anrechenbarer Vorteil für die Masse.108 Umgekehrt sei es aber nicht ausreichend, wenn der Vorteil lediglich adäquat-kausal bzw. mittelbar entstanden ist. Exemplarisch für die h. M. ist insbesondere das sogenannte Stromversorger-Urteil des BGH vom 25. 09. 1952109 : Dort hatte ein Stromversorger die fortgesetzte Belieferung des Schuldners mit Strom von der Sicherungsübereignung hergestellter Waren abhängig gemacht und sodann im anschließenden Anfechtungsprozess argumentiert, die Ermöglichung der Betriebsfortführung habe eine weitaus höhere Wertschöpfung zur Folge gehabt, als die Begleichung seiner ausstehenden Forderungen durch den Schuldner, sodass es an der erforderlichen Gläubigerbenachteiligung gefehlt habe. Der BGH folgte dieser Argumentation nicht und entschied, dass Ereignisse, die in einem lediglich adäquat-kausalen bzw. mittelbaren Zusammenhang der Masse Vorteile gebracht hätten, weder die Entstehung noch den Inhalt oder 105 Siehe oben Teil 1, C. II. 1., S. 36 ff.; vgl. aber zur kontextabhängigen Interpretation des Tatbestandsmerkmals der Unmittelbarkeit MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 129 InsO Rn. 113; Thole, Gläubigerschutz, S. 373. 106 BGH ZInsO 2003, 417, 419; ZIP 2005, 1521, 1523; ausdrücklich auch bei BGH ZIP 2009, 1674, 1676: „[Es] ko¨ nnen […] nur diejenigen Vorteile Berücksichtigung finden, die unmittelbar durch die Herstellung der Aufrechnungslage für die Insolvenzmasse entstanden sind“; Bartels, Leistungen Dritter, S. 177 f.; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 129 InsO Rn. 243; aus der Perspektive der mittelbaren Benachteiligung: Gehrlein, ZInsO 2017, 128, 130; Harbeck, Gläubigerbenachteiligung, S. 160; Jaeger-InsO/Henckel, § 129 InsO Rn. 94; HmbKInsO/Rogge/Leptien, § 129 InsO Rn. 42; K/S/W/Schäfer, § 129 InsO Rn. B328, B650; HKInsO/Thole, § 129 InsO Rn. 45, 61; vgl. aber auch Bitter, KTS 2016, 455, 475, der zusätzlich noch voraussetzt, dass der Vorteil aus der „Sphäre des Gläubigers“ stammen müsse. 107 BGH ZInsO 2003, 417, 419; Harbeck, Gläubigerbenachteiligung, S. 160 f.; JaegerInsO/Henckel, § 129 InsO Rn. 94; Gottwald/Haas/Huber, § 46 Rn. 72. 108 Bartels, Leistungen Dritter, S. 170. 109 BGH BeckRS 1952, 31191839.

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Umfang des Anfechtungsrechts beeinflussten. Eine Anwendung der für das Schadensersatzrecht entwickelten Grundsätze über die Ausgleichung von Schaden und Vorteil sei unstatthaft. Es wäre mit dem Ziel der Insolvenzanfechtung, das Vermögen wirtschaftlich notleidender Schuldner vor Rechtshandlungen zu schützen, durch die eine gleichmäßige bzw. rangmäßige Befriedigung aller Insolvenzgläubiger gefährdet werde, unvereinbar, wenn es zu einer Berücksichtigung lediglich mittelbarer Vorteile käme.110 Zunächst ist dem BGH darin zuzustimmen, dass die Grundsätze zur schadensrechtlichen Vorteilsausgleichung nicht korrekturlos auf das Insolvenzanfechtungsrecht übertragen werden können. Denn das Schadensersatzrecht und das Insolvenzrecht dienen unterschiedlichen Zwecken. Auch wenn die konkreten Ziele des Schadensersatzes im Einzelnen kontrovers diskutiert werden, dürfte jedenfalls insoweit Einigkeit bestehen, dass dem Schadensersatz vor allem die bereits angesprochene Ausgleichsfunktion zukommt.111 Der Gedanke, dass der Schadensersatz lediglich eine durch schädigendes Verhalten erlittene Vermögenseinbuße wiederherstellen soll, legt es grundsätzlich nahe, dass ein gleichfalls entstandener Vermögensvorteil anspruchsmindernd in Abzug gebracht werden kann bzw. muss. Demgegenüber verfolgt das Insolvenzanfechtungsrecht – so wie es der BGH treffend formuliert hat – eine ganz andere Zweckrichtung: Es soll kein bestimmtes Handlungsunrecht sanktioniert werden, sondern lediglich die gläubigerbenachteiligende Rechtswirkung einer schuldnerischen Rechtshandlung zum Wohle einer bestmöglichen und gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung rückgängig gemacht werden.112 Es geht also nicht darum, einen Masseabfluss durch einen Erstattungsanspruch wertmäßig zu kompensieren, sondern grundsätzlich sollen sämtliche vermögensmindernde Rechtshandlungen des Schuldners im Vorfeld der Insolvenz rückgängig gemacht werden, damit die dadurch generierte Vermögensmasse gleichmäßig in einem geordneten Verfahren an die Gläubiger verteilt werden kann. Konsequenterweise ordnet auch § 143 Abs. 1 InsO als Rechtsfolgenvorschrift an, dass das, was durch eine anfechtbare Handlung aus dem Vermögen des Schuldners veräußert wurde, ohne Einschränkung zur Insolvenzmasse zurückgewährt werden muss. Demzufolge gelten für die Berücksichtigung von Vorteilen im Schadensersatzrecht einerseits und im Insolvenzanfechtungsrecht andererseits unterschiedliche Wertungsmaßstäbe. Während sich eine Berücksichtigung von Vorteilen im Schadensersatzrecht vor allem an Sinn und Zweck der Haftungsnorm und der Zumutbarkeit des Geschädigten messen lassen muss, ist im Insolvenzrecht der Maßstab die par condicio creditorum – verstanden als System einer bestmöglichen Verteilungsgerechtigkeit.

110

BGH BeckRS 1952, 31191839. Siehe oben Teil 1, C. II. 2., S. 37 ff. 112 BGH ZIP 2009, 1674, 1676; vgl. zu den Unterschieden zwischen Schadensersatz-, Bereicherungs- und Insolvenzrecht auch Bartels, Leistungen Dritter, S. 152 ff. 111

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Damit ist es grundsätzlich überzeugend, wenn die h. M. hinsichtlich der Berücksichtigung von Vermögensvorteilen im Insolvenzanfechtungsrecht andere Anforderungen stellt, als dies im Schadensersatzrecht der Fall ist. Fraglich ist allerdings, ob die h. M. mit der Unmittelbarkeit das richtige Abgrenzungskriterium für eine zulässige Vorteilsanrechnung im Insolvenzanfechtungsrecht gewählt hat. Das ist, wie sich im Folgenden zeigen wird, nicht der Fall. b) Zurechenbarkeit als Voraussetzung einer zulässigen Vorteilsanrechnung Die Unmittelbarkeit im Sinne eines einaktigen Geschehens („uno actu“113) zwischen gläubigerbenachteiligender Rechtshandlung und Vorteilsentstehung überzeugt nicht als Abgrenzungskriterium für eine zulässige Vorteilsanrechnung im Insolvenzanfechtungsrecht. Denn das alleinige Abstellen auf die Einaktigkeit des Geschehens beinhaltet die Gefahr, dass dem Anfechtungsgegner Vorteile zufällig zugutekommen, für die er selbst gar nichts beigetragen hat. Ist der Vorteil aber nicht dem Verantwortungsbereich des Einzelgläubigers zuzurechnen, ist kein vernünftiger Grund dafür ersichtlich, dass er einseitig zum Nachteil der Gläubigergesamtheit von diesem Vorteil profitieren sollte. Sinnvoller wäre es daher, allein auf die Zurechenbarkeit des Vorteils zum jeweiligen Anfechtungsgegner abzustellen und der Einaktigkeit allenfalls indizielle Bedeutung für die Zurechenbarkeit beizumessen. Mit anderen Worten muss der Vorteil für eine Anrechnung originär aus der Verantwortungssphäre des Anfechtungsgegners stammen und diesem zurechenbar sein.114 Zwar mag insoweit für die h. M. sprechen, dass der Vorteil regelmäßig auch der Verantwortungssphäre des Anfechtungsgegners zuzurechnen ist, wenn der Vorteil zeitgleich mit der schuldnerischen Rechtshandlung entstanden ist. Zwingend ist dies aber nicht. Das hat sich im sogenannten „Biersteuerfall“ gezeigt. Dort stritten die Parteien über die Frage, ob die im Zuge des Brauvorgangs automatisch entstandene Biersteuerpflicht eine Gläubigerbenachteiligung begründen könne, obwohl das Bierbrauen selbst zu einer weit höheren Wertschöpfung geführt hatte.115 Unter Vorbehalt hatte der spätere Insolvenzverwalter noch als vorläufiger Insolvenzverwalter die Biersteuer abgeführt, um eine drohende Beschlagnahme des Bieres abzuwenden. Im eröffneten Verfahren verlangte der Insolvenzverwalter dann im Zuge der Insolvenzanfechtung die abgeführte Steuer zurück, wobei der Insolvenzverwalter nicht den Zahl-, sondern vielmehr den Bierbrauvorgang als solchen angefochten hatte. Das war anfechtungsrechtlich die richtige Wahl, weil die beklagte Bundesrepublik Deutschland gemäß § 51 Nr. 4 InsO absonderungsberechtigt war,116 und die Zahlung an einen Absonderungsberechtigten nach ständiger Rechtsprechung nicht gläubi113 114 115 116

Eckhardt, ZInsO 2004, 888, 895 a. E. Zutreffend Bitter, KTS 2016, 455, 470, 475. BGH ZIP 2009, 1674; vgl. auch die Darstellung bei Bartels, Leistungen Dritter, S. 180 f. BGH ZIP 2009, 1674.

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gerbenachteiligend ist.117 Das Absonderungsrecht zugunsten der Bundesrepublik entstand infolge des Brauvorgangs, da mit diesem automatisch die Biersteuer gemäß § 5 Abs. 2 i. V. m. § 7 Abs. 2 BiersteuerG anfiel, und damit das Bier der Sachhaftung gemäß § 76 Abs. 2 AO unterlag. Die Bundesrepublik Deutschland als Anfechtungsgegnerin hielt dem Insolvenzverwalter jedoch entgegen, der Brauvorgang habe zu einer ungleich höheren Wertschöpfung geführt, die als Vorteil angerechnet werden müsse, und es daher im Ergebnis an einer objektiven Gläubigerbenachteiligung im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO fehlte. Dieser Argumentation folgte der BGH jedoch nicht. Vielmehr führte er überzeugend aus, dass bei einer Vorteilsanrechnung solche Vorteile unberücksichtigt blieben, die ohne das Zutun des Anfechtungsgegners die Masse erhöhten. Eine Saldierung mit der durch den Brauvorgang einhergehenden Wertschöpfung widerspräche dem Schutz der Insolvenzmasse.118 Diese Urteilsbegründung überzeugt deshalb, weil es normativ betrachtet keinen Grund gibt, positive Folgen, die ohne das Zutun des Anfechtungsgegners entstanden sind, zu dessen Gunsten anzurechnen.119 Obwohl also unmittelbar mit der schuldnerischen Rechtshandlung ein die Benachteiligung mehr als ausgleichender Vermögensvorteil entstanden war, scheiterte eine Vorteilsanrechnung an der fehlenden Zurechenbarkeit, und die Anfechtung hatte Erfolg. Die Zurechenbarkeit des Vorteils zum jeweiligen Anfechtungsgegner als entscheidendes Kriterium für eine Vorteilsanrechnung führt im Übrigen auch zu einem Gleichlauf mit der Geschäftsleiterhaftung gemäß § 64 S. 1 GmbHG a. F. bzw. § 15b Abs. 4 S. 1 InsO. Denn auch dort gilt, dass masseschmälernde Zahlungen des Geschäftsführers unter bestimmten Voraussetzungen durch in die Masse geflossene Vorteile wieder ausgeglichen werden können. Eine Voraussetzung ist dabei jedoch, dass der Massezufluss der grundsätzlich erstattungspflichtigen Masseschmälerung zugeordnet werden kann, wobei es auf einen wirtschaftlichen und nicht auf einen zeitlichen Zusammenhang ankommt.120 Zusammengefasst lässt sich daher sagen, dass im Insolvenzanfechtungsrecht eine Vorteilsanrechnung nur unter der Voraussetzung der Zurechenbarkeit erfolgt. Entgegen der h. M.121 kommt es für die Vorteilsanrechnung daher nicht auf die Einak117

Vgl. nur BGH ZIP 2009, 1674, 1675. BGH ZIP 2009, 1674, 1676. 119 So auch Bitter, KTS 2016, 455, 475 f. 120 BGH NZG 2017, 1034, 1035. Zur Geschäftsleiterhaftung vgl. Teil 1, E. III. 4., S. 84 ff. 121 BGH ZInsO 2003, 417, 419; ZIP 2005, 1521, 1523; ZIP 2009, 1674, 1676; Uhlenbruck/ Borries/Hirte, § 129 InsO Rn. 243; Gehrlein, ZInsO 2017, 128, 130; Harbeck, Gläubigerbenachteiligung, S. 160; Jaeger-InsO/Henckel, § 129 InsO Rn. 94; HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 129 InsO Rn. 42; K/S/W/Schäfer, § 129 InsO Rn. B328, Rn. B650; HK-InsO/Thole, § 129 InsO Rn. 45, 61; a. A. K/P/B/Bartels, § 129 InsO Rn. 328, demzufolge aus Masseschutzerwägungen eine Saldierung vorteilhafter Folgen generell ausgeschlossen sei. 118

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tigkeit des Geschehens an. Der Unmittelbarkeit, verstanden als einaktiges Geschehen, kann allenfalls indizielle Wirkung für eine Zurechenbarkeit beigemessen werden. c) Erbringung von Gegenleistungen als Unterfall einer zulässigen Vorteilsanrechnung Nachdem feststeht, dass im Rahmen der objektiven Gläubigerbenachteiligung gemäß § 129 Abs. 1 InsO eine Saldierung von Vorteilen zugunsten des Anfechtungsgegners nur dann erfolgt, wenn der Vorteil dem Anfechtungsgegner zuzurechnen ist, müsste auch die Behandlung von Gegenleistungen – der praktisch häufigste Fall122 – eigentlich unproblematisch zu lösen sein. Denn die Zuordnung von Gegenleistungen zum Anfechtungsgegner gelingt im Regelfall ohne Probleme, sodass in die Masse geflossene Gegenleistungen bei der Prüfung der objektiven Gläubigerbenachteiligung zu saldieren wären. Ist die Gegenleistung dabei mindestens gleichwertig, entfiele sodann die unmittelbare Gläubigerbenachteiligung.123 Das bedeutete auch, dass im Falle eines Bargeschäfts gemäß § 142 InsO, der ja gerade eine gleichwertige Gegenleistung voraussetzt, eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung stets ausgeschlossen sein müsste.124 Dieses durchweg überzeugende Ergebnis wird jedoch vereinzelt mit Verweis auf die Rechtsprechung des BGH bestritten. Der BGH betont nämlich in ständiger Rechtsprechung, dass Rechtshandlungen streng isoliert auf ihre Anfechtbarkeit hin zu untersuchen seien, und dass verschiedene Tatbestände jeweils eigene Rückgewährschuldverhältnisse begründeten.125 Häufig wird in diesem Zusammenhang von einer sogenannten „Vereinzelungstheorie“ oder „strengen Einzelsicht“ gesprochen.126 Allen voran Bartels schloss daraus, dass außerhalb von § 142 InsO – und damit insbesondere auch im Rahmen des § 129 Abs. 1 InsO – eine Verrechnung von Leistung und Gegenleistung unzulässig sei.127 Der Ausgangspunkt seiner Argumentation ist, dass Gegenstand der Anfechtung jeder „kleinste rechtsfolgenauslö122

Eckardt, ZInsO 2004, 888, 890. So zu Recht die ganz h. M.: BGH ZIP 2007, 2084, 2085; Bräuer, Bargeschäfte, S. 24 f.; Ganter, ZIP 2012, 2037, 2038; Gehrlein, ZInsO 2017, 128, 130 ff.; Graf-Schlicker/M. Huber, § 142 InsO Rn. 2; KK-InsO/Mohr, § 129 InsO Rn. 154; HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 129 InsO Rn. 82. 124 Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 5; Bräuer, Bargeschäfte, S. 24 f.; G. Fischer, NZI 2008, 588, 593 f.; Ganter, ZIP 2012, 2037, 2038; Gehrlein, ZInsO 2017, 128, 130 ff.; Jaeger-InsO/Henckel, § 142 InsO Rn. 7; Graf-Schlicker/M. Huber, § 142 InsO Rn. 2; KK-InsO/ Mohr, § 142 InsO Rn. 1. 125 BGH ZIP 2007, 2084, 2085; ZIP 2008, 125, 127; ZIP 2016, 426, 427 f. 126 BGH ZIP 2007, 2084, 2085; ZIP 2013, 1579, 1580 mit Anm. von Bitter; Ganter, FSGörg, S. 169, 178. 127 Bartels, Leistungen Dritter, S. 174 ff.; nunmehr differenzierter K/P/B/ders., § 129 InsO Rn. 325 ff., § 142 InsO Rn. 132 ff. 123

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sende zivilrechtliche Tatbestand“ sei.128 Bei streng isolierter Betrachtung sei daher beispielsweise im Rahmen der Abwicklung eines Kaufvertrages die Übertragung des Eigentums an den Gläubiger regelmäßig gläubigerbenachteiligend, da der Masse ein Verwertungsobjekt entzogen würde. Dies sei nur dann anders, wenn der weggegebene Vermögensgegenstand wertlos war (z. B. eine mit einer sogenannten „Schornsteinhypothek“ belastete Immobilie) oder aus sonstigen Gründen von den Gläubigern nicht hätte verwertet werden können.129 Der im Gegenzug in die Masse gelangte Vermögensvorteil in Form des Kaufpreises könne dabei die eingetretene Benachteiligung nicht ausgleichen, da eine Gegenleistung nicht als unmittelbarer Vorteil gewertet werden dürfe. Das liege daran, dass der Erhalt der Gegenleistung von der Mitwirkung des Schuldners und damit von einem wiederum isoliert zu betrachtenden Erwerbstatbestand abhänge. Da Anknüpfungspunkt der Anfechtung jeder rechtsfolgenauslösende Tatbestand sei, stellten in die Masse geflossene Gegenleistungen lediglich mittelbare Vorteile dar, die auf tatbestandlicher Ebene des § 129 Abs. 1 InsO nicht saldiert werden dürften.130 Alles andere führe zu einer „verkappten Vorteilsanrechnung“, die dem Insolvenzanfechtungsrecht (vor allem aus Masseschutzgründen) fremd sei.131 Einzig und allein unter den engen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 142 Abs. 1 InsO sei ausnahmsweise eine sogenannte Verklammerung beider Verfügungsgeschäfte (also Übereignung der Kaufsache einerseits und Zahlung des Kaufpreises andererseits) möglich, sodass es nur dann zu einer Saldierung von Leistung und Gegenleistung komme.132 Die Rechtsanordnung des Bargeschäftsprivilegs erschöpfe sich schließlich darin, dass eine konstitutive Ausnahme von der gebotenen strengen Einzelbetrachtung gemacht und auf Rechtsfolgenseite ausnahmsweise eine Saldierung erlaubt werde. Damit sei – weil die Gegenleistung tatbestandlich bei § 129 Abs. 1 InsO nicht berücksichtigt werden dürfe – § 142 Abs. 1 InsO keine den Tatbestand ausfüllende, sondern vielmehr eine die Anfechtung ausschließende Vorschrift.133 Im Ergebnis erkläre § 142 InsO lediglich unmittelbare Benachteiligungen für unbeachtlich und eine Anfechtung könne im Falle eines Bargeschäfts weiterhin auf eine mittelbare Benachteiligung gestützt werden.134

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Bartels, Leistungen Dritter, S. 141 ff. Bartels, Leistungen Dritter, S. 178; Graf-Schlicker/M. Huber, § 129 InsO Rn. 26; ders., Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 247; vgl. auch Kreft, KTS 2012, 405, 413 f. 130 Bartels, Leistungen Dritter, S. 176 ff. 131 Bartels, Leistungen Dritter, S. 177; wohl auch Würdinger, Bargeldloser Zahlungsverkehr, S. 92, wobei er sich primär auf die Problematik eines Forderungswechsels bezieht. 132 K/P/B/Bartels, § 129 InsO Rn. 325; ders., Leistungen Dritter, S. 178 f.; Eckhardt, ZInsO 2004, 888, 896: „Man prüft […] isoliert die Benachteiligung durch die aus der Masse abgeflossene Leistung und misst die Relevanz der Gegenleistung […] an den sehr engen Voraussetzungen des § 142 InsO“. 133 Bartels, Leistungen Dritter, S. 179; K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 08. 134 Bartels, Leistungen Dritter, S. 185. 129

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Diese Auffassung ist abzulehnen, da sie weder der Rechtsprechung des BGH noch dem Sinn und Zweck des § 142 InsO entspricht. Wenn der BGH von einer gebotenen vereinzelnden Betrachtungsweise spricht, dann bezieht er sich lediglich auf die Frage, wie mehrere bzw. mehraktige Rechtshandlungen anfechtungsrechtlich zu behandeln sind. Liegen mehrere Rechtshandlungen oder -akte vor, dann ist jede Rechtshandlung grundsätzlich isoliert zu untersuchen. Dies vertritt der BGH in ständiger Rechtsprechung und bezeichnet dies als „Einzelbetrachtung“, „Vereinzelungstheorie“ oder „strenge Einzelsicht“.135 Dabei geht es jedoch nicht darum, dass Gegenleistungen tatbestandlich bei § 129 Abs. 1 InsO nicht verrechnet werden dürften, sondern vielmehr darum, dass beispielsweise Erfüllungs- und Verpflichtungsgeschäft keiner Gesamtbetrachtung unterworfen und jeweils isoliert auf ihre Anfechtbarkeit zu prüfen sind. Weitere Beispiele wären die Differenzierung zwischen Darlehensaufnahme im Rahmen eines Kontokorrentkredits und die Auszahlung an den Gläubiger, die Differenzierung zwischen Sicherung und Erfüllung oder die Unterscheidung zwischen Herstellung einer Aufrechnungslage und anschließender Aufrechnung.136 Das gilt unabhängig davon, dass die jeweiligen Geschäfte typischerweise auf einem einheitlichen, wirtschaftlichen Lebenssachverhalt beruhen. Die strenge Einzelsicht ist letztlich Ausfluss des zivilrechtlichen Abstraktionsprinzips, welches im Insolvenzanfechtungsrecht gleichermaßen Geltung beansprucht.137 Eine Aussage hinsichtlich der Frage, ob und inwieweit die Rechtsprechung eine tatbestandliche Saldierung von Gegenleistungen zulässt, kann dieser strengen Einzelsicht daher nicht entnommen werden.138 Ganz im Gegenteil erkennt die Rechtsprechung – und das unabhängig von § 142 InsO – eine tatbestandliche Saldierung von Gegenleistungen im Rahmen des § 129 Abs. 1 InsO an. Das zeigt sich allein an der häufig anzutreffenden Aussage, dass keine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung vorliege, wenn der Schuldner für das, was er aus seinem Vermögen weggibt, unmittelbar eine vollwertige Gegenleistung erhält.139 Die Rechtsprechung verrechnet also sehr wohl die vom Schuldner erhaltenen Gegenleistungen auf Tatbestandsebene des § 129 Abs. 1 InsO.140 Aber auch teleologisch überzeugt die Auffassung der Mindermeinung nicht, da sie den Bargeschäftsgläubiger nicht vor mittelbaren Gläubigerbenachteiligungen schützt. In der Praxis kann es allerdings sehr schnell zu mittelbaren Benachteiligungen kommen, sodass § 142 InsO oftmals leerliefe. Der Schutz vor mittelbaren Benachteiligungen ist aber deshalb entscheidend für potenzielle Vertragspartner, weil diese in der Regel keinen Einfluss auf den Eintritt einer solchen Benachteiligung 135 BGH ZIP 1987, 244, 245; ZIP 2002, 489, 490; ZIP 2005, 1521, 1523; ZIP 2007, 2084, 2085; ZIP 2013, 1579, 1580 mit Anm. von Bitter; vgl. auch KK-InsO/Mohr, § 129 InsO Rn. 274. 136 BGH ZIP 2002, 489, 490; ZIP 2008, 2224; ZIP 2013, 1579, 1580. 137 K/P/B/Bartels, § 129 InsO Rn. 89; Gehrlein, ZInsO 2017, 128, 129. 138 So auch zutreffend Bitter, KTS 2016, 455, 479 ff., 484. 139 BGH ZIP 2007, 2084, 2085. 140 Vgl. dazu auch Bitter, KTS 2016, 455, 468; Eckhardt, ZInsO 2004, 888, 889.

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haben.141 Ebenso wenig kommt es für die Benachteiligung auf ein Verschulden des Anfechtungsgegners an. Zu denken ist vor allem an nachträgliche Wertminderungen der erbrachten Gegenleistung oder den Verlust oder Verbrauch durch den Schuldner.142 Anfechtungsrisiken wären für die Vertragspartner im Vorfeld nicht zu kalkulieren, sodass sie vernünftigerweise nicht mehr mit dem in die Krise geratenen Schuldner kontrahieren würden oder jedenfalls nur zu für den Schuldner erschwerten Bedingungen. Dadurch würde die bereits oben beschriebene Kettenreaktion ausgelöst und die oben herausgearbeitete ratio legis des § 142 InsO verfehlt.143 Zusammengefasst lässt sich also festhalten, dass in die Masse geflossene Vorteile auf Tatbestandsebene des § 129 Abs. 1 InsO bei der Prüfung der objektiven Gläubigerbenachteiligung saldiert werden, sofern sie dem Anfechtungsgegner zurechenbar sind. Im Falle von Gegenleistungen fällt die Zurechnung im Regelfall nicht schwer, sodass Gegenleistungen den praktisch häufigsten Unterfall einer zulässigen Vorteilsanrechnung im Insolvenzanfechtungsrecht darstellen. d) Konsequenzen für die konkrete Regelungsanordnung des § 142 Abs. 1 InsO Die vorangegangenen Ausführungen zeigen, wie wichtig die korrekte Behandlung von in die Masse geflossener Vermögensvorteile für das Normverständnis des § 142 InsO ist. Denn wenn die von § 142 Abs. 1 InsO vorausgesetzte Gegenleistung bereits tatbestandlich bei § 129 Abs. 1 InsO verrechnet wird, muss die Rechtsanordnung des Bargeschäftsprivilegs gerade darin liegen, dass ausnahmsweise eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung für unbeachtlich erklärt wird.144 Anderenfalls wäre § 142 InsO überflüssig.145 Das so verstandene Zusammenspiel von § 129 InsO und § 142 InsO führt dazu, dass einem potenziellen Vertragspartner gleich zwei „sichere Häfen“ zur Verfügung gestellt werden, mithilfe derer sich Anfechtungsrisiken auf ein Minimum reduzieren und im Vorfeld kalkulieren lassen.146 Zum einen kann er sich vor einer Anfechtung wegen unmittelbarer Benachteiligung schützen, 141

So im Ergebnis auch Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 25 f., 34; vgl. dazu auch Bitter, KTS 2016, 455, 503 ff., der den Schutz vor mittelbaren Benachteiligungen zutreffend problematisiert. 142 Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 129 InsO Rn. 245; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 129 InsO Rn. 122; KK-InsO/Mohr, § 129 InsO Rn. 155. 143 Siehe oben Teil 1, B. I. 2., S. 24 ff. 144 So die ganz h. M.: BGH ZIP 2007, 2084, 2085; Bräuer, Bargeschäfte, S. 25; FK-InsO/ Dauernheim/Blank, § 142 InsO Rn. 1; Ehricke, ZInsO 2004, 888, 892; K. Schmidt/Ganter/ Weinland, § 142 InsO Rn. 6; Gehrlein, ZInsO 2017, 128, 132; Harbeck, Gläubigerbenachteiligung, S. 177 f.; Graf-Schlicker/M. Huber, § 142 InsO Rn. 2; KK-InsO/Mohr, § 142 InsO Rn. 1; im Ergebnis auch HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 142 InsO Rn. 1; BeckOK-InsO/Schoon, § 142 InsO Rn. 2 f.; vgl. auch Raschke, Funktion und Abgrenzung des § 142 InsO, S. 59 f. 145 Dass dies nicht der Fall sein kann, konnte bereits weiter oben gezeigt werden, vgl. Teil 1, C. II., S. 35 ff. 146 K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 04 f. bezeichnet diese Perspektive als „Schutzfunktion“ des Bargeschäfts.

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indem objektiv gleichwertige Gegenleistungen vereinbart und erbracht werden. Zum anderen führt die zügige Abwicklung des Leistungsaustausches im Sinne des § 142 Abs. 1 InsO zu einem zusätzlichen Anfechtungsschutz vor mittelbaren Benachteiligungen. e) Keine teilweise Saldierung Bisher wurde festgestellt, dass erstens eine tatbestandliche Saldierung von Vermögensvorteilen bei der Prüfung der objektiven Gläubigerbenachteiligung gemäß § 129 Abs. 1 InsO möglich ist, und zweitens eine Saldierung die Zurechenbarkeit des Vorteils zum Anfechtungsgegner voraussetzt. Es wurde aber noch nicht endgültig festgestellt, ob der Vorteil nur dann verrechnet werden kann, wenn dieser (einhundertprozentig) wertäquivalent war, oder ob nicht möglicherweise auch eine teilweise Saldierung zulässig ist, mit der Folge, dass der Anfechtungsanspruch um den Vorteil gekürzt würde. Während im Schadens- und Bereicherungsrecht unabhängig von der Höhe Vorteile saldiert werden können, gilt für das Insolvenzanfechtungsrecht die Besonderheit, dass dies nur dann möglich ist, wenn der Vorteil den Nachteil mindestens ausgeglichen hat. Eine anteilige Vorteilsanrechnung ist unstatthaft. Insoweit ließe sich auch von einem „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ sprechen.147 Gegen eine teilweise Saldierung spricht zunächst der Wortlaut des § 129 Abs. 1 InsO. Dort heißt es nicht, dass eine Rechtshandlung anfechtbar ist, soweit sie die Gläubiger benachteiligt, sondern eine einmal eingetretene Benachteiligung führt zur Anfechtbarkeit der Rechtshandlung in ihrer Gesamtheit.148 Dieses Ergebnis wird auch durch die Rechtsfolgenvorschrift des § 144 Abs. 2 S. 1 2. Alt. InsO bestätigt. Demzufolge sind Vorteile, die der Masse verbleiben und über den Anfechtungsanspruch hinausgehen, vom Anfechtungsgegner erst im Nachhinein wieder herauszufordern und nicht im Vorhinein durch eine Reduzierung des Anfechtungsanspruchs in Abzug zu bringen. Insoweit besteht also eine eindeutige Abwicklungssystematik, die mit einer anteiligen Vorteilsanrechnung nicht vereinbar wäre.149 In eben dieser Abwicklungssystematik spiegelt sich schließlich auch die bereits zuvor beschriebene Funktionsweise des Insolvenzanfechtungsrechts im Gegensatz zum Schadensrecht wider. Die Aufgabe der Insolvenzanfechtung ist nicht bloß der Ausgleich eines Vermögensabflusses, sondern es sollen sämtliche gläubigerbenachteiligende Rechtshandlungen rückgängig gemacht, um die dadurch generierte Masse in einem geordneten Verfahren gleichmäßig an alle Gläubiger zu verteilen. 147 Vgl. dieselbe Formulierung auch bei M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 66 in einem etwas anderen Zusammenhang. 148 MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 129 InsO Rn. 30; HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 129 InsO Rn. 79. 149 Gehrlein, ZInsO 2017, 128, 132; Jaeger-InsO/Henckel, § 129 InsO Rn. 247; MüKoInsO/Kayser/Freudenberg, § 129 InsO Rn. 102; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 143 InsO Rn. 17 und § 144 InsO Rn. 3; K/S/W/Schäfer, § 129 InsO Rn. B326, B687; ders., Insolvenzanfechtung in der Praxis, § 2, § 129 Rn. 105; a. A. Bitter, KTS 2016, 455, 509 ff.

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Von diesem Grundsatz werden nur dann vereinzelt Ausnahmen gemacht, wenn das Ziel einer gleichmäßigen und bestmöglichen Gläubigerbefriedigung auf andere Weise effizienter erreicht werden kann.150 Das ist aber bei Vermögensvorteilen, die eine Gläubigerbenachteiligung nur teilweise ausgleichen, nicht der Fall. Richtigerweise ist in einem derartigen Fall die benachteiligende Rechtshandlung in ihrer Gesamtheit einem konsequenten Anfechtungsregime zu unterwerfen und eine teilweise Saldierung von Vorteilen im Insolvenzanfechtungsrecht unzulässig. Lediglich der Vollständigkeit halber sei in diesem Zusammenhang klargestellt, dass die Frage nach der Zulässigkeit einer partiellen Vorteilsanrechnung nicht mit der Teilanfechtung verwechselt werden darf. Die Teilanfechtung bezeichnet den Fall, dass teilbare Leistungen ausgetauscht wurden, und dabei nur ein Teil der Gesamtleistung gläubigerbenachteiligend ist. Dann beschränkt sich die Anfechtung auf diesen benachteiligenden Teil. Bei der Teilanfechtung geht es aber im Gegensatz zur Frage der Vorteilsanrechnung nicht um die Höhe des Anfechtungsanspruchs, sondern um den konkreten Anfechtungsgegenstand. Die Anfechtung kann sich im Falle der Teilbarkeit der Rechtshandlung auf den benachteiligenden Teil beschränken, während der nichtbenachteiligende Teil der Anfechtung entzogen ist.151 3. Zusammenfassung Durch die Analyse des Verhältnisses zwischen dem Bargeschäftsprivileg einerseits und der anfechtungsrechtlichen Rahmenvorschrift des § 129 Abs. 1 InsO andererseits konnten der Anwendungsbereich und die Funktionsweise, insbesondere im Hinblick auf die Behandlung der von § 142 Abs. 1 InsO vorausgesetzten gleichwertigen Gegenleistung, weiter konkretisiert werden: Zunächst gilt, dass Rechtshandlungen zwar isoliert auf ihre gläubigerbenachteiligende Wirkung hin zu überprüfen sind, dies allerdings nicht mit der Frage nach einer zulässigen Vorteilsanrechnung verwechselt werden darf. Im Insolvenzanfechtungsrecht sind dem Anfechtungsgegner zurechenbare Vorteile im Rahmen der Prüfung der objektiven Gläubigerbenachteiligung gemäß § 129 Abs. 1 InsO mit der Folge zu saldieren, dass eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung entfällt, sofern denn dieser Vorteil die Benachteiligung mindestens ausgleicht, d. h. zwischen Vor- und Nachteil eine Wertäquivalenz besteht. Ein einaktiges Geschehen ist dafür nicht erforderlich, kann aber ein starkes Indiz für die erforderliche Zurechenbarkeit des Vorteils darstellen bzw. bildet gleichzeitig den Regelfall. Gleichwertige Gegenleistungen und sonstige Vermögensvorteile werden damit gleichbehandelt und stellen jeweils Fälle einer zulässigen Vorteilsanrechnung dar. So verstanden besteht ein funktionales Zusammenspiel zwischen der anfechtungsrechtlichen Rahmenvorschrift des § 129 Abs. 1 InsO und § 142 Abs. 1 InsO. Dem Vertragspartner wird dadurch ermöglicht, sich auf zwei Arten vor einer späteren Anfechtung zu schützen. Einerseits führt bereits der 150 151

Siehe dazu bereits oben Teil 1, C. I., S. 30 ff. Vgl. F/K/R/Frege/Keller/Riedel, Kap. 3 Rn. 1425.

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Zufluss einer gleichwertigen Leistung zu einem Ausschluss der Anfechtung wegen unmittelbarer Benachteiligung. Andererseits bewahrt ihn die zügige Abwicklung von Leistung und Gegenleistung durch die Regelungsanordnung des § 142 Abs. 1 InsO vor der Anfechtung wegen mittelbarer Benachteiligungen und gewährleistet damit insgesamt eine nahezu anfechtungsfeste Rechtsposition zugunsten des Bargeschäftsgläubigers. Potenzielle Vertragspartner brauchen daher den in die Krise geratenen Schuldner aufgrund etwaiger Anfechtungsrisiken nicht zu scheuen. Dadurch kann der Schuldner weiter am Geschäftsverkehr teilnehmen, und der wirtschaftliche status quo wird zugunsten der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung gesichert. Schließlich werden zugleich auch Sanierungschancen bewahrt. Zuletzt ist bei der zulässigen Vorteilsanrechnung noch zu beachten, dass eine teilweise Saldierung unstatthaft ist. Eine Vorteilsanrechnung auf Tatbestandsebene des § 129 Abs. 1 InsO ist damit nur dann zulässig, wenn der Vorteil (insbesondere eine Gegenleistung) den Vermögensabfluss in Folge der schuldnerischen Rechtshandlung vollständig ausgleicht.

III. Verhältnis des § 142 InsO zur besonderen Insolvenzanfechtung Nachdem das Verhältnis des § 142 InsO zum § 129 InsO ausführlich analysiert wurde, stellt sich die Frage, wie sich der § 142 InsO zu den einzelnen Insolvenzanfechtungstatbeständen verhält. Durch die Bestimmung des Verhältnisses des Bargeschäfts zu den anderen Anfechtungsvorschriften kann eine weitere, genauere Grenzziehung des Anwendungsbereichs gelingen. Die jeweiligen Anfechtungsvorschriften verfolgen teilweise dieselben, teilweise jedoch auch unterschiedliche Zwecke, die sich mit dem § 142 InsO überschneiden oder diesem entgegenstehen. Insoweit bedarf es einer differenzierten Betrachtungsweise, und die Darstellung kann sich nicht allein in einem Verweis auf die generelle Zielsetzung der besonderen Insolvenzanfechtung erschöpfen. Die h. M. wendet § 142 Abs. 1 InsO ausschließlich auf die Kongruenzanfechtung gemäß § 130 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 – 2 InsO an (1.). Kontrovers wird demgegenüber das Verhältnis zur Inkongruenzanfechtung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 – 3 InsO diskutiert. Wie sich zeigen wird, findet nach zutreffender Ansicht § 142 Abs. 1 InsO auch auf die Inkongruenzanfechtung Anwendung (2.). Zuletzt ist noch auf die Anfechtung wegen unmittelbarer Benachteiligung gemäß § 132 Abs. 1 InsO einzugehen. Entgegen teilweise vertretener Ansicht ergibt sich aus der Anfechtung gemäß § 132 Abs. 1 InsO allerdings keine Beschränkung des § 142 Abs. 1 InsO (3.). 1. Verhältnis zur Anfechtung gemäß § 130 Abs. 1 InsO Die sogenannte Kongruenzanfechtung gemäß § 130 Abs. 1 InsO verfolgt die Durchsetzung der par condicio creditorum im Vorfeld der Verfahrenseröffnung und führt zu einer Vorverlagerung dieses Grundsatzes bis zu drei Monate vor die In-

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solvenzantragstellung.152 Voraussetzung für die Anwendung des § 130 Abs. 1 InsO ist, dass der Gläubiger eine Deckung, also eine Sicherung oder Befriedigung, erlangt hat, die er der Höhe, der Zeit und der Art nach auch zu beanspruchen hatte. Mit anderen Worten bekommt der Gläubiger das, was vertraglich geschuldet war. Erhält ein Gläubiger eine vertragsgemäße Leistung, dann darf er grundsätzlich darauf vertrauen, die erhaltene Leistung auch behalten zu dürfen. Das gilt selbst dann, wenn später das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners eröffnet wird. Erst die in § 130 Abs. 1 InsO vorausgesetzte Kenntnis des Gläubigers von der Krise beim Schuldner rechtfertigt die Anfechtung – trotz der Vertragsmäßigkeit der Deckung.153 Nach h. M. ist die Kongruenzanfechtung gemäß § 130 Abs. 1 InsO der Hauptanwendungsfall des § 142 Abs. 1 InsO.154 § 142 InsO wird dabei – nach den vorherigen Ausführungen zwingend – nur dann relevant, wenn die Anfechtung auf eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung gestützt wird. Dann erklärt § 142 Abs. 1 InsO diese mittelbare Benachteiligung für unbeachtlich und schließt die Anfechtung aus, obwohl der Anfechtungsgegner sämtliche Anfechtungsvoraussetzungen des § 130 Abs. 1 InsO dem Grunde nach erfüllt hatte.155 2. Verhältnis zur Anfechtung gemäß § 131 Abs. 1 InsO Im Gegensatz zur Kongruenzanfechtung wird das Verhältnis des § 142 InsO zur Inkongruenzanfechtung gemäß § 131 Abs. 1 InsO kontrovers diskutiert. Die Inkongruenzanfechtung zeichnet sich im Vergleich zur Kongruenzanfechtung dadurch aus, dass die Anfechtung nach Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 ohne weitere subjektive Voraussetzungen möglich ist. Wenn der Gläubiger eine Deckung erhalten hat, die er „nicht“, „nicht in der Art“ oder „nicht zu der Zeit“ zu beanspruchen hatte, ist die Deckung nach Nr. 1 anfechtbar, sofern sie im letzten Monat vor der Antragstellung erfolgte. Nach Nr. 2 ist die Rechtshandlung anfechtbar, wenn die Deckung innerhalb des zweiten und dritten Monats erfolgte, und der Schuldner zu diesem Zeitpunkt bereits zahlungsunfähig war, oder nach Nr. 3 dem Anfechtungsgegner die Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners bekannt gewesen ist. Die h. M. vertritt die 152

Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 130 InsO Rn. 1; Braun-InsO/de Bra, § 130 InsO Rn. 1; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 130 InsO Rn. 1; BeckOK-InsO/Raupach, § 130 InsO Rn. 1; Thole, Gläubigerschutz, S. 347 f. 153 Siehe dazu bereits oben Teil 1, C. I., S. 30 ff.; HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 130 InsO Rn. 1. 154 BGH NJW 1993, 3267; NJW 2006, 2701, 2703; NZI 2007, 2324, 2325; NZI 2008, 184, 185; NZI 2010, 897, 899; NZI 2011, 141, 143; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 6; Bräuer, Bargeschäfte, S. 103; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 InsO Rn. 8; A/G/R/Gehrlein, § 142 InsO Rn. 1; Kayser, FS-Fischer, S. 272; Graf-Schlicker/M. Huber, § 142 InsO Rn. 12 f.; KK-InsO/Mohr, § 142 InsO Rn. 1; Raschke, Funktion und Abgrenzung des § 142 InsO, S. 73; Riggert, FS-Braun, S. 157. Zum Verhältnis zwischen § 142 InsO und der Inkongruenzanfechtung gem. § 131 InsO sogleich. 155 Siehe dazu oben Teil 1, C. II. 2. d), S. 48 f.; BGH NJW 1993, 3267; K. Schmidt/Ganter/ Weinland, § 142 InsO Rn. 6; BeckOK-InsO/Schoon, § 142 InsO Rn. 3.

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Auffassung, dass § 142 Abs. 1 InsO nicht auf die Inkongruenzanfechtung gemäß § 131 Abs. 1 InsO anwendbar sei.156 Das war zu Zeiten der KO allerdings noch anders. Die h. M. ging im Gegenteil davon aus, dass das Bargeschäft sowohl auf kongruente als auch auf inkongruente Deckungen Anwendung fände, was entscheidend auf die damaligen dogmatischen Begründungsansätze zurückzuführen war: Zu Zeiten der KO war das Bargeschäft nicht kodifiziert, sondern lediglich richterrechtlich anerkannt. Die dogmatische Rechtfertigung erschöpfte sich in erster Linie darin, dass im Falle eines Bargeschäfts aufgrund der ausgleichenden Gegenleistung keine Gläubigerbenachteiligung anzunehmen oder der Bargeschäftsgläubiger aufgrund fehlender Kreditierung schon gar kein Insolvenzgläubiger sei.157 Insoweit war es nur konsequent, dass die damalige h. M. das Bargeschäftsprivileg sowohl auf die Kongruenzanfechtung gemäß § 30 Nr. 1 2. Fall KO (heute § 130 Abs. 1 InsO) als auch auf die Inkongruenzanfechtung gemäß § 30 Nr. 2 KO (heute § 131 Abs. 1 InsO) anwendete – also völlig unabhängig von der Art der Deckung. Entscheidend waren vielmehr die Wertäquivalenz und der schnelle Austausch der Leistungen. Die h. M. änderte sich sodann mit der sogenannten „Kundenscheck“-Entscheidung des BGH.158 Der BGH hatte sich mit seiner Entscheidung gegen die bis dato einhellige Meinung positioniert und ausgeführt, dass eine Leistung, die der Parteivereinbarung nicht entspricht, keine Bardeckung darstelle, weil weder rechtlich noch wirtschaftlich Anlass bestünde, Umsatzgeschäfte des Schuldners in der Krise zu begünstigen, soweit sie anders abgewickelt würden als vereinbart.159 Dies leitete der BGH nicht aus dem Wortlaut des § 131 Abs. 1 InsO ab, sondern aus der von § 142 Abs. 1 InsO vorausgesetzten Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung, was durch die Worte „für die“ deutlich würde.160 Diese Rechtsprechung hat der BGH in zahlreichen Entscheidungen bis heute wie-

156 BGH NJW 1993, 3267; NJW 2006, 2701, 2703; NJW 2007, 2324, 2325; NJW-RR 2008, 645, 647; NJW 2009, 2307, 2308; NJW 2010, 3578, 3580; NJW-RR 2011, 630, 631; NZI 2014, 775, 781; NJW 2016, 1012, 1013; BAG ZIP 2014, 233, 234; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 6; Bräuer, Bargeschäfte, S. 54 ff.; FK-InsO/Dauernheim/Blank, § 142 InsO Rn. 4; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 InsO Rn. 9; A/G/R/Gehrlein, § 142 InsO Rn. 7; Lwowski/ Wunderlich, FS-Kirchhof, S. 304 f.; Graf-Schlicker/M. Huber, § 142 InsO Rn. 2; KK-InsO/ Mohr, § 142 InsO Rn. 5; Nerlich/Römermann/Nerlich, § 142 InsO Rn. 10; Braun-InsO/Riggert, § 142 InsO Rn. 16; HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 142 InsO Rn. 5; BeckOK-InsO/ Schoon, § 142 InsO Rn. 7; HK-InsO/Thole, § 142 InsO Rn. 13; a. A. K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 65; Bork, FS-Kirchhof, S. 67; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 36; K/S/ W/Wagner, § 142 InsO Rn. 013. 157 Siehe dazu ausführliche Darstellungen bei Bräuer, Bargeschäfte, S. 12 ff. m. w. N.; Raschke, Funktion und Abgrenzung des § 142 InsO, S. 29 ff.; im vorliegenden Zusammenhang ebenfalls Bartels, Leistungen Dritter, S. 199; Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 26 f. 158 BGH NJW 1993, 3267. 159 BGH NJW 1993, 3267, 3268 f. 160 BGH NJW 1993, 3267, 3268. Bemerkenswert ist, dass sich der BGH ausdrücklich auf die amtliche Begründung der Bundesregierung zum Entwurf einer Insolvenzordnung, BT-Drucks. 12/2443, S. 167 stützte, obwohl die InsO erst circa sechs Jahre später in Kraft trat.

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derholt.161 Tatsächlich sind allerdings weder in rechtlicher (a)) noch in wirtschaftlicher Hinsicht (b)) überzeugende Gründe ersichtlich, die einer Anwendung des Bargeschäftsprivilegs auf die Inkongruenzanfechtung gemäß § 131 Abs. 1 InsO entgegenstünden. a) Keine entgegenstehenden Rechtsgründe gegen die Anwendbarkeit des § 142 InsO auf inkongruente Deckungen Eine am Wortlaut orientierte Auslegung des § 142 Abs. 1 InsO ergibt zunächst, dass der Gesetzgeber die Grenze des Bargeschäfts nicht bei der Inkongruenzanfechtung gemäß § 131 Abs. 1 InsO, sondern bei der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 – 3 InsO und der vom Gläubiger erkannten Unlauterkeit des Schuldners gezogen hat.162 Allerdings schlussfolgert die h. M. aus den Worten „für die“, dass § 142 Abs. 1 InsO nur Deckungsgeschäfte privilegiere, die entsprechend ihrer vertraglichen Vereinbarung abgewickelt wurden. Jede Abweichung seitens des Schuldners vom vertraglich vereinbarten Pflichtenprogramm stünde daher einer Anwendung des § 142 InsO entgegen.163 Allein aus dem Wortlaut kann diese Schlussfolgerung zunächst nicht abgeleitet werden. Denn rein begrifflich kann dem Tatbestandsmerkmal „für die“ nur das Erfordernis einer Zweckrichtung in dem Sinne entnommen werden, dass die Leistungen der Vertragsparteien zum Zwecke der Erfüllung im Sinne der §§ 362 ff. BGB erbracht worden sein müssen.164 Für eine solche Zweckrichtung ist aber an sich nicht erforderlich, dass die Leistung auch der vertraglichen Vereinbarung entsprach, d. h. kongruent war.165 Vielmehr erfassen die §§ 362 ff. BGB gerade – letztlich als Ausdruck der Privatautonomie – auch Erfüllungshandlungen, die vom ursprünglich vereinbarten Pflichtenprogramm abweichen, sofern die Leistung vom Gläubiger an Erfüllungs statt angenommen wird, vgl. § 364 Abs. 1 BGB.166 Auch eine inkongruente Deckung wird daher regelmäßig zum Zwecke der Erfüllung einer Verbindlichkeit geleistet. Zweifelsohne erfolgt daher auch im Falle einer Inkongruenz die Leistung des Schuldners für die Gegenleistung gleich einer Tilgungsbestim-

161 BGH NJW 2002, 1722, NJW-RR 2004, 1494, 1494; NJW 2006, 2701, 2703; NJW 2007, 2324, 2325; NZI 2010, 985, 987. 162 Jaeger-InsO/Henckel, § 142 InsO Rn. 8; K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 013. 163 Vgl. allein BGH NJW 1993, 3267, 3268. 164 Jaeger-InsO/Henckel, § 142 InsO Rn. 8; K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 049; so i. E. auch K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 49, 65; ders., Leistungen Dritter, S. 200; ähnlich Lwowski/ Wunderlich, FS-Kirchhof, S. 304 f. 165 So auch Bertram, Durchsetzbarkeit von Sicherheiten, S. 204. 166 Dies gilt jedenfalls für Deckungen, die der Gläubiger nicht in der Art zu beanspruchen hatte, § 131 Abs. 1 2. Var. InsO.

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mung.167 Aus dem Wortlaut des § 142 Abs. 1 InsO vermag sich daher keine Begrenzung des Anwendungsbereichs auf die Kongruenzanfechtung ergeben. Die h. M. führt weiter gegen eine Anwendbarkeit des § 142 Abs. 1 InsO auf § 131 Abs. 1 InsO an, dass der Gesetzgeber ausweislich seiner Gesetzesbegründung ausdrücklich die geltende Rechtslage der KO habe kodifizieren wollen.168 Bis zu seiner „Kundenscheck“-Entscheidung habe sich der BGH jedoch niemals mit der Frage nach einer bargeschäftlichen Privilegierung inkongruenter Deckungen befassen müssen. Der Gesetzgeber sei daher fälschlicherweise davon ausgegangen, dass die Rechtsprechung das Bargeschäftsprivileg sowohl auf § 130 Abs. 1 InsO als auch auf § 131 Abs. 1 InsO anwenden würde, und es sei wahrscheinlich, dass der Gesetzgeber bei genügender Vorlaufzeit einen auf die Kongruenz beschränkten Wortlaut gewählt hätte.169 Ergänzend stellt die h. M. aber auch auf die Besonderheiten der Inkongruenzanfechtung ab und bemüht normative bzw. teleologische Erwägungen. So verzichte die Inkongruenzanfechtung in Nr. 1 und Nr. 2 auf subjektive Voraussetzungen, weil inkongruente Deckungen an sich bereits besonders „verdächtig“ seien. Bei der Inkongruenzanfechtung könne daher auf eine etwaige Kenntnis des Gläubigers verzichtet werden, weil eine inkongruente Deckung regelmäßig auf eine Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners schließen lasse und unweigerlich die Kenntnis des Gläubigers von den Liquiditätsengpässen des Schuldners impliziere.170 Bei wertender Betrachtung erscheine der Empfänger inkongruenter Deckungen daher insgesamt weniger schutzwürdig.171 Als eng auszulegende Ausnahmevorschrift und aufgrund dieser fehlenden Schutzbedürftigkeit des Gläubigers dürfe § 142 Abs. 1 InsO keine Anwendung auf § 131 Abs. 1 InsO finden.172 Der Ausnahmecharakter des § 142 InsO einerseits und die Verdächtigkeit inkongruenter Deckungen andererseits führten dazu, dass eine Begrenzung des Anwendungsbe167 So auch Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 398 f.; gleiche Tendenz bei K/S/W/ Wagner, § 142 InsO Rn. 049, 077r; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 12; Jaeger-InsO/Henckel, § 142 InsO Rn. 8. 168 Vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 167. 169 Bräuer, Bargeschäfte, S. 56; a. A. Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 399 mit dem Einwand, dass eine derartige Annahme reine Spekulation sei und vor dem Hintergrund, dass bis zum Frühjahr 1994 noch Änderungen in den Gesetzestext eingeflossen seien, sogar eher fernliege. 170 Bräuer, Bargeschäfte, S. 59. 171 BT-Drucks. 12/2443, S. 158; BGH NJW 1993, 3267 f.; NZI 2008, 89, 91; Uhlenbruck/ Borries/Hirte, § 131 InsO Rn. 16; FK-InsO/Dauernheim, § 131 InsO Rn. 1; Braun-InsO/de Bra, § 131 InsO Rn. 2; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 InsO Rn. 5; A/G/R/Gehrlein, § 131 InsO Rn. 1; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 131 InsO Rn. 1; KK-InsO/Mohr, § 131 InsO Rn. 1; HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 131 InsO Rn. 1; K/S/W/Schäfer, § 131 InsO Rn. D1; K/P/ B/Schoppmeyer, § 131 InsO Rn. 6; HK-InsO/Thole, § 131 InsO Rn. 3. 172 Bräuer, Bargeschäfte, S. 59; tendenziell so auch Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 6, die von einer gewollt restriktiven Handhabung des § 142 InsO sprechen; vgl. auch BGH NJW 1993, 3267, der von einem Vorrang des Gläubigergleichbehandlungsgrundsatzes gegenüber dem Sicherungs- und Befriedigungsinteresses des Einzelgläubigers spricht.

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reichs des Bargeschäftsprivilegs nicht nur geboten, sondern zwingend erforderlich sei.173 Die Argumentation der h. M. fußt demnach im Wesentlichen auf der Erwägung, dass zum einen der Erhalt einer inkongruenten Deckung aufgrund ihrer „Verdächtigkeit“ zu einer verminderten Schutzbedürftigkeit führe, und zum anderen von der Inkongruenz auf die Gläubigerkenntnis der Krise geschlossen werden könne, welche wiederum mit der privilegierenden Wirkung des § 142 Abs. 1 InsO nicht in Einklang zu bringen sei. Beide Thesen sind allerdings unzutreffend, denn inkongruente Deckungen sind nicht per se verdächtig und können daher keineswegs stets eine verminderte Schutzbedürftigkeit des Deckungsempfängers begründen (aa)). Zudem führt auch die im Falle einer inkongruenten Deckung vermutete Krisenkenntnis des Deckungsempfängers nicht zu einem Ausschluss des Bargeschäftsprivilegs, da die Krisenkenntnis dem § 142 Abs. 1 InsO systemimmanent ist (bb)). aa) Keine zwingende Verdächtigkeit inkongruenter Deckungen Zunächst ist schon zweifelhaft, ob inkongruente Deckungen per se besonders verdächtig sind. Klinck führt in diesem Zusammenhang an, dass teilweise eigentlich das genaue Gegenteil angenommen werden müsste. Denn wenn sich der Schuldner tatsächlich in der Krise befinde, dann sei es eher unwahrscheinlicher, dass er überhaupt dazu in der Lage ist, einzelnen Gläubigern Sondervorteile in Form von verfrühten oder höherwertigen Deckungen zu gewähren. Insbesondere die verfrühte Leistung des Schuldners spreche so gesehen eher für eine besondere Leistungsbereitschaft des Schuldners, sodass der Gläubiger nicht bereits deshalb von einer Krise ausgehen müsse.174 Richtig erscheint jedenfalls, dass die einzelnen Fallkonstellationen der Inkongruenz derart unterschiedlich sind, dass eine differenzierte Betrachtung geboten erscheint.175 Im Grunde genommen erkennt auch die h. M. das Erfordernis der Differenzierung an, indem sie bei dem Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes im Sinne des § 133 Abs. 1 S. 1 InsO den Indizienbeweiswert inkongruenter Deckungen von „Art und Ausmaß“ der Inkongruenz abhängig macht.176 Konsequent wäre es jedoch, diesen überzeugenden Gedanken auch auf das Verhältnis von Inkongruenzanfechtung und Bargeschäftsgeschäftsprivileg zu übertragen.177 Denn wenn tatsächlich eine differenzierte Betrachtungsweise geboten ist, dann stellt sich die Frage, ob sich die verbleibenden Problemfälle nicht bereits sachgerecht über die Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO und die Sub173

Bräuer, Bargeschäfte, S. 60. Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 330 f. 175 So auch MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 12; K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 012. 176 BGH DStR 2004, 737, 739; ebenso MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 133 InsO Rn. 31b. 177 Jaeger-InsO/Henckel, § 142 InsO Rn. 8; ähnlich K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 65, 69 ff., der auf das Motiv des Anfechtungsgegners beim Leistungsaustausch abstellt. 174

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sumtion unter die Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO lösen lassen. Dann verlöre auch der pauschale Anwendungsausschluss inkongruenter Deckungen vom Bargeschäftsprivileg und die damit einhergehende teleologische Reduktion der h. M. an Überzeugungskraft. Des Weiteren offenbaren sich aber auch im Einzelfall Wertungswidersprüche der h. M. Speziell bei der Deckungsvariante „nicht in der Art“ (§ 131 Abs. 1 2. Var. InsO) wird dies deutlich: Erhält der Gläubiger eine Deckung, die er „nicht in der Art“ zu beanspruchen hatte, dann hatte er zwar grundsätzlich einen Anspruch auf eine Leistung, der Schuldner erbringt diese aber auf eine andere Art und Weise. Der Gläubiger erhält regelmäßig eine Deckung „nicht in der Art“, wenn ihm eine Leistung erfüllungshalber oder an Erfüllungs statt geleistet wird.178 Zu denken ist insbesondere an die Hingabe von Waren oder die Abtretung von Forderungen anstelle von Barzahlung.179 Nimmt der Gläubiger anstelle der ursprünglich vereinbarten Leistung des Schuldners eine andere an, dann ist zunächst eine gewisse „Verdächtigkeit“ tatsächlich nicht von der Hand zu weisen. Denn wenn der Gläubiger das aliud an Erfüllungs statt annimmt, spricht einiges dafür, dass der Gläubiger den Totalausfall seiner Forderung scheute und sich deshalb auf das Angebot eingelassen hat.180 Dennoch führt dieser Umstand nicht dazu, dass die Anwendung des § 142 Abs. 1 InsO dadurch zwingend ausscheiden müsste. Vielmehr zeigt sich bei einem Vergleich zu den zivilrechtlichen Erfüllungsregeln und zur Problematik der sogenannten „Kongruenzvereinbarung“, dass die besseren Gründe für die generelle Möglichkeit einer bargeschäftlichen Privilegierung sprechen: Zivilrechtlich betrachtet ist die Leistung und die Annahme eines aliuds zunächst einmal unproblematisch möglich. Bewirkt der Schuldner etwas anderes als vertraglich geschuldet, dann tritt grundsätzlich keine Erfüllung ein.181 Die Leistungspflicht erlischt aber dann, wenn der Schuldner eine andere Leistung erfüllungshalber oder an Erfüllungs statt anbietet, und diese vom Gläubiger angenommen wird. Dafür bedarf es einer entsprechenden schuldrechtlichen Vereinbarung. Nach h. M. handelt es sich bei dieser Vereinbarung um einen sogenannten Erfüllungsvertrag, dessen Inhalt sich darauf beschränkt, dass die abweichend angebotene Leistung als Erfüllung der Schuld gelten soll. Vereinfacht ausgedrückt handelt es sich um ein schlichtes Hilfsgeschäft.182 Dieses Hilfsgeschäft kann dabei zeitlich sowohl vor der Leistungserbringung, zeitgleich mit oder nachträglich geschlossen werden, ohne dass 178

BGH NZI 2014, 266, 268; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 131 InsO Rn. 6. Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 131 InsO Rn. 6; HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 131 InsO Rn. 8; Ausgabe von Kundenschecks statt Bezahlung bei BGH NJW 1993, 3267. 180 Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 330. 181 Staudinger/Olzen, § 362 BGB Rn. 21 m. w. N. 182 BGH NJW 1984, 429, 431; BeckOK-BGB/Dennhardt, § 364 BGB Rn. 1; MüKo-BGB/ Fetzer, § 364 BGB Rn. 1; BeckOGK-BGB/Looschelders, § 364 BGB Rn. 12; Jauernig-BGB/ Stürner, § 365 Rn. 1; a. A. Erman-BGB/Buck-Heeb, § 364 BGB Rn. 2 f.; Staudinger-BGB/ Olzen, § 364 BGB Rn. 8, denen zufolge es sich um einen Schuldänderungsvertrag handele, wobei die Unterschiede eher terminologischer Art sind. 179

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dies hinsichtlich der Erfüllung der Leistungspflicht einen Unterschied machte.183 Jenseits der Krise können also Schuldner und Gläubiger problemlos das vertragliche Pflichtenprogramm jederzeit modifizieren. In der Krise des Schuldners soll dies demgegenüber nur unter strengeren Voraussetzungen möglich sein. Ist der Schuldner nicht willens oder in der Lage, die vertraglich geschuldete Leistung zu erbringen, dann stehe es den Parteien zwar grundsätzlich frei, das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft derart zu modifizieren, dass die vom Gläubiger erhaltene Deckung kongruent und damit nicht mehr nach § 131 Abs. 1 InsO anfechtbar wäre. Diese Möglichkeit der sogenannten Kongruenzvereinbarung besteht nach der Rechtsprechung allerdings nur solange, bis noch keine der Parteien einen ersten Leistungserfolg herbeigeführt hat.184 Sofern also noch keine der Parteien ihrer Leistungspflicht vollständig nachgekommen ist, soll eine abändernde Vereinbarung zulässig sein, die zu einer Kongruenz der Deckung führt. Problematisch ist allerdings, dass derartige Kongruenzvereinbarungen eigentlich wiederum grundsätzlich anfechtbar sind. Denn eine Kongruenzvereinbarung verschafft dem Gläubiger ihrerseits eine Deckung, sodass eine Anfechtung nach Maßgabe der §§ 130, 131 InsO in Rede steht.185 Durch die Anfechtung der Kongruenzvereinbarung würde dann die Deckungshandlung des Schuldners inkongruent und wäre gemäß § 131 Abs. 1 InsO anfechtbar.186 Dieser eigentlich zwingenden Konsequenz stellt sich der BGH allerdings nicht. Denn nach Auffassung des BGH sei eine Kongruenzvereinbarung der Anfechtung dann entzogen, wenn sie zum Zwecke der Herstellung eines bargeschäftlich privilegierten Leistungsaustausches abgeschlossen wurde.187 Eine Kongruenzvereinbarung stelle dann keine Deckungshandlung im Sinne der §§ 130, 131 InsO dar. Vielmehr müsse nach Sinn und Zweck der §§ 132, 142 InsO eine solche Kongruenzvereinbarung der Deckungsanfechtung entzogen sein.188 Diese Differenzierung überzeugt bei wertender Betrachtung und vor dem Hintergrund der von der h. M. aufgestellten Maßstäbe nicht. Denn es erscheint nicht minder „verdächtig“, wenn die Parteien kurz vor dem Leistungsaustausch das vertragliche Pflichtenprogramm mithilfe einer Kongruenzvereinbarung im Vorfeld modifizieren, anstatt unmittelbar danach durch den Abschluss eines Erfüllungs-

183 BeckOK-BGB/Dennhardt, § 364 BGB Rn. 2; MüKo-BGB/Fetzer, § 364 BGB Rn. 1; Staudinger/Olzen, § 364 BGB Rn. 5, 10. 184 BGH NJW 2016, 1012, 1013; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 131 InsO Rn. 7; Bräuer, Bargeschäfte, S. 60; Braun-InsO/de Bra, § 131 InsO Rn. 8; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 11; vgl. auch Ehmann, GWR 2018, 81, 87. 185 BGH NJW 2006, 1800, 1803; NZI 2013, 888, 889. 186 Im Grundsatz zustimmend BGH NJW 2016, 1012, 1013; Seagon, LMK 2014, 364737. 187 BGH NJW 2014, 2956, 2958; NJW 2016, 1012, 1016; ebenso OLG Bamberg NJWSpezial 2017, 309, 310; vgl. Bräuer, Bargeschäfte, S. 60; HK-InsO/Thole, § 142 InsO Rn. 12. 188 BGH NJW 2014, 2956, 2958; NJW 2016, 1012, 1013.

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vertrages.189 Im Gegenteil erscheint der Abschluss einer Kongruenzvereinbarung so gesehen eher noch verdächtiger. Denn eine solche Vereinbarung wird ja gerade deshalb geschlossen, um in Anbetracht der sich verschlimmernden Krise des Schuldners den Gegenanspruch vor einer späteren Anfechtung zu schützen.190 Hat jedoch der Gläubiger bereits seinen geschuldeten Leistungserfolg erbracht, und bietet ihm der Schuldner im Gegenzug ein aliud erfüllungshalber oder an Erfüllungs statt an, dann drängt sich dieser Verdacht demgegenüber nicht immer zwingend auf. Denn die Unfähigkeit zur Leistung des konkret geschuldeten Leistungsobjekts kann vielerlei Gründe haben, die nicht – jedenfalls nicht in größerem Maße als der Abschluss von Kongruenzvereinbarungen – automatisch auf eine Krise des Schuldners schließen lassen. Kann also die (inkongruente) Leistung eines aliuds aufgrund ihrer Verdächtigkeit nicht bargeschäftlich privilegiert sein, muss dies eigentlich erst recht für Kongruenzvereinbarungen gelten. Andernfalls ergäbe sich ein nicht zu rechtfertigender Wertungswiderspruch. Beide Konstellationen müssen entweder gleichermaßen der Anfechtung unterworfen oder aber gleichfalls einer anfechtungsrechtlichen Privilegierung zugänglich sein. Eine unterschiedliche Behandlung überzeugt jedenfalls nicht.191 Richtigerweise sollten beide Fälle, also sowohl die aliud-Leistung als auch die im Zuge einer vorherigen Kongruenzvereinbarung erbrachte Deckung dem Bargeschäftsprivileg zugänglich sein. Der h. M. ist letztlich vorzuwerfen, dass sie Aspekte der Inkongruenzanfechtung mit solchen der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 – 3 InsO vermengt. Erwägungen wie fehlende Schutzwürdigkeit oder besonders evidente Anzeichen einer Krise dürfen (bzw. müssen) ausschließlich beim Nachweis der Gläubigerkenntnis vom Benachteiligungsvorsatz im Rahmen der Vorsatzanfechtung fruchtbar gemacht werden, die ja auch ausweislich des ausdrücklichen Wortlauts des § 142 Abs. 1 InsO, nunmehr zusammen mit der erkannten Unlauterkeit des Schuldners, die alleinige äußere Grenze des Bargeschäftsprivilegs bildet.192 Zudem bleibt es auch weiterhin dabei, dass die Inkongruenz einer Deckung ein starkes Beweiszeichen für den Nachweis des Gläubigerbenachteiligungsvor-

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Bzw. durch eine nachträgliche Kongruenzvereinbarung. Terminologisch wird mit „nachträglicher Kongruenzvereinbarung“ teilweise nur die Vereinbarung bezeichnet, die das vertragliche Pflichtenprogramm zwar nach der Vornahme einer Leistungshandlung, aber noch vor dem Eintritt des Leistungserfolgs modifiziert, vgl. K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 59. 190 Vgl. Jaeger-InsO/Henckel, § 133 InsO Rn. 11. Die Ausführungen des BGH deuten in die Richtung, dass die Herstellung einer bargeschäftlich privilegierten Deckung sogar die handlungssteuernde Motivation der Parteien gewesen sein muss, vgl. BGH NJW 2016, 1012, 1013 Rz. 19. 191 Seagon, LMK 2014, 364737 attestiert zutreffend, dass die Voraussetzungen der Inkongruenzanfechtung weitestgehend aufgeweicht werden. 192 Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 401; K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 013; vgl. etwa zur Inkongruenz als Beweiszeichen für den Benachteiligungsvorsatz und die korrespondierende Gläubigerkenntnis Uhlenbruck/Hirte/Borries, § 133 InsO Rn. 99 ff.; MüKoInsO/Kayser/Freudenberg, § 133 InsO Rn. 29.

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satzes193 und der korrespondierenden Kenntnis darstellt – sofern zusätzlich aus Sicht des Deckungsempfängers Anlass bestand, an der Liquidität des Schuldners zu zweifeln.194 Nachdem also feststeht, dass sogar die aliud-Lieferung im Sinne des § 131 Abs. 1 2. Var. InsO einer bargeschäftlichen Privilegierung nicht entgegensteht, muss dies vernünftiger Weise auch für inkongruente Deckungshandlungen vor Fälligkeit im Sinne des § 131 Abs. 1 3. Var. InsO gelten. Eine Deckung ist auch dann inkongruent, wenn der Gläubiger eine Deckung erhält, die er „nicht zu der Zeit“ zu beanspruchen hatte. Diese Variante erfasst Fälle, in denen die Forderung zum Zeitpunkt des Deckungserhalts noch nicht fällig, betagt oder aufschiebend bedingt war.195 Damit ist aber allein die verfrühte Leistungserbringung gemeint, d. h. der Anspruch war entweder noch nicht fällig oder aufschiebend befristet.196 Bei wertender Betrachtung erscheint aber die bloße Leistung vor Fälligkeit weniger verdächtig als die Modifizierung des Leistungsgegenstands im Wege einer Kongruenzvereinbarung oder die Leistung erfüllungshalber bzw. an Erfüllungs statt. Auch führt die bloße verfrühte Leistung im Zusammenhang mit der Anwendbarkeit des Bargeschäftsprivilegs zu keiner unverhältnismäßigen Benachteiligung der Gläubigergesamtheit, da der Masse in jedem Fall eine gleichwertige Gegenleistung hinzufließen muss, um die Voraussetzungen des § 142 Abs. 1 InsO zu erfüllen.197 Die verbleibenden Fälle der Inkongruenz lassen sich schließlich sachgerecht mithilfe der Vorsatzanfechtung bzw. der Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO lösen. Für einen kategorischen Ausschluss des § 142 Abs. 1 InsO besteht daher keine Notwendigkeit. Ein Fall der Inkongruenz liegt gemäß § 131 Abs. 1 1. Var. InsO zuletzt auch dann vor, wenn der Gläubiger etwas erhält, was er „nicht“ zu beanspruchen hatte. Das ist kein Widerspruch, sondern bezieht sich auf Fälle, in denen die Forderung des Gläubigers beispielsweise unvollkommen war, (zivilrechtlich) anfechtbar im Sinne des § 142 Abs. 1 BGB begründet wurde, ihr eine dauerhafte Einrede entgegenstand (beispielsweise weil die Forderung bereits verjährt war), oder schon von vornherein kein Anspruch bestand, wie etwa bei der nachträglichen Besicherung.198 Insbesondere der Fall der nachträglichen Besicherung lässt sich unproblematisch schon im 193 BGH NJW 1998, 2592, 2598; NZI 2004, 201, 203; NZI 2007, 650, 653 f.; NZI 2009, 372, 373; NZI 2013, 742, 745; NZI 2014, 266, 268; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 133 InsO Rn. 99; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 133 InsO Rn. 45. 194 BGH NJW 2004, 1385, 1387; NZI 2006, 159, 161; NZI 2012, 963; NZI 2014, 266, 268. 195 Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 131 InsO Rn. 8; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 131 InsO Rn. 40. 196 Vgl. K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 131 InsO Rn. 41. 197 K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 65; im Ergebnis ebenso K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 013, der strikt zwischen Anfechtungsgrund und Anfechtungsausschluss unterscheidet. 198 BGH NJW 2012, 1585; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 131 InsO Rn. 5.

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Wege der Tatbestandssubsumtion unter den § 142 Abs. 1 InsO lösen, denn bei einer nachträglichen Besicherung fehlt es bereits an einem gegenseitigen Leistungsaustausch im Sinne des § 142 Abs. 1 InsO.199 Sollte der Forderung des Deckungsempfängers hingegen eine dauerhafte Einrede entgegenstehen, oder bestand kein Rechtsgrund für die Leistung und leistet der Schuldner dennoch – wissend, dass er dazu nicht mehr verpflichtet ist –, dann ist ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO regelmäßig nicht von der Hand zu weisen.200 Auch das Tatbestandsmerkmal der (erkannten) Unlauterkeit dürfte dann erfüllt sein, weil der Schuldner sich auf Kosten der Gläubigergesamtheit in besonderem Maße „verschwenderisch“ verhält, wenn er eine Leistung erbringt, zu der er nicht verpflichtet war.201 Wusste der Schuldner hingegen nicht, dass die Einrede existiert – was vor allem bei der zivilrechtlichen Anfechtungseinrede regelmäßig der Fall sein dürfte –, kann auch kein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz angenommen werden.202 Indem die h. M. Aspekte der Vorsatzanfechtung mit der Inkongruenzanfechtung vermengt, befreit sie im Übrigen auch den Insolvenzverwalter von dessen Beweislast im Rahmen der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO.203 Denn führte bereits die Inkongruenz der Deckung zu einem Ausschluss des Bargeschäftsprivilegs, müsste der Insolvenzverwalter den Beweis eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes und einer korrespondierenden Kenntnis für die Vorsatzanfechtung gar nicht mehr führen, sondern könnte sich allein auf die insoweit günstigere Inkongruenzanfechtung stützen, die weitestgehend auf subjektive Voraussetzungen verzichtet. Es ließe sich auch nicht pragmatisch damit argumentieren, dass der Beweisaufwand derart gering sei, dass es letztlich kaum einen Unterschied mache, ob ein Bargeschäft nach § 131 Abs. 1 InsO oder nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbar ist. Denn für den Nachweis der subjektiven Voraussetzungen im Rahmen von § 133 InsO stellen bargeschäftliche bzw. bargeschäftsähnliche Deckungen wiederum starke Indizien gegen das Vorliegen der subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen dar.204 Wie sich noch zeigen wird, ist darüber hinaus das bargeschäftsähnliche Rechtsgeschäft im Rahmen der Vorsatzanfechtung durch die Einführung des Tatbestandsmerkmals der erkannten Unlauterkeit sogar noch einmal entscheidend gestärkt worden.205 Der Nachweis der Gläubigerkenntnis im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO stellt den Insolvenzverwalter also im Vergleich zu § 131 Abs. 1 InsO vor deutlich größere Herausforderungen, sodass auch rein praktisch ein erheblicher Unterschied zwischen der Inkongruenzanfechtung und der Vorsatzanfechtung besteht. 199

Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 404. Zur Vorsatzanfechtung einer Verjährungsverzichterklärung siehe OLG Dresden NZI 2010, 102, 103; siehe zur rechtsgrundlosen Leistung als starkes Indiz des Benachteiligungsvorsatzes K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 133 InsO Rn. 45. 201 Siehe zur Unlauterkeit im Detail unter Teil 1, E. V. 1., S. 113 ff. 202 Im Ergebnis so wohl auch Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 329 f. 203 Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 133 InsO Rn. 59. 204 Uhlenbruck/Hirte/Borries, § 133 InsO Rn. 142 ff. 205 Siehe unten Teil 1, E. V., S. 111 ff. 200

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Dies alles zeigt, dass der pauschale Ausschluss inkongruenter Deckungen vom Anwendungsbereich des § 142 InsO nicht sinnvoll ist. Inkongruente Deckungen sind weder per se verdächtig, noch führen sie zu einer verminderten Schutzbedürftigkeit des Deckungsempfängers, was möglicherweise gegen die Anwendung des Bargeschäftsprivilegs sprechen könnte. Richtigerweise sind die verbleibenden „besonders verdächtigen“ Fälle inkongruenter Deckungen im Zusammenhang mit dem Bargeschäftsprivileg allein über die Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 – 3 InsO und die erkannte Unlauterkeit im Sinne des § 142 Abs. 1 InsO zu lösen. bb) Kein Ausschluss der Anwendbarkeit des § 142 Abs. 1 InsO wegen Kenntnis der Krise Wenn also die vermeintliche Verdächtigkeit inkongruenter Deckungen eine Unanwendbarkeit des Bargeschäftsprivilegs nicht rechtfertigen kann, dann kommt zugunsten der h. M. zuletzt in Betracht, dass möglicherweise von der Inkongruenz auf die Krisenkenntnis des Gläubigers geschlossen werden kann, und diese Kenntnis der Anwendung einer bargeschäftlichen Privilegierung entgegensteht. Wie bereits erwähnt, bedarf es für die Kongruenzanfechtung gemäß § 130 Abs. 1 InsO neben einer Deckung in der materiellen Krise zusätzlich auch einer korrespondierenden Gläubigerkenntnis von der wirtschaftlich prekären Situation des Schuldners. Demgegenüber verzichtet die Inkongruenzanfechtung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 – 2 InsO weitestgehend auf subjektive Tatbestandsmerkmale, weil demjenigen, der eine inkongruente Deckung erhält, es sich aufdrängen müsse, dass sich der Schuldner in der Krise befinde.206 Die Inkongruenz der Deckung führt also dazu, dass der Erwerber einer solchen Deckung demjenigen gleichgestellt wird, der positive Kenntnis von der Krise hat. Die Inkongruenz begründet nach der h. M. de facto eine unwiderlegbare Vermutung der Krisenkenntnis des Anfechtungsgegners.207 In Betracht kommt daher, dass eben jene (vermutete) Kenntnis von der Krise die Anwendung des § 142 InsO zulasten des Anfechtungsgegners sperrt. Das ist jedoch nicht der Fall. Denn § 142 Abs. 1 InsO schließt unstreitig die Kongruenzanfechtung gemäß § 130 Abs. 1 InsO aus und das trotz der Kenntnis des Bargeschäftsgläubigers. Wenn die positive Kenntnis der Krise für die Kongruenzanfechtung unschädlich ist, dann muss dies erst recht für den Fall gelten, wenn die Kenntnis des Gläubigers bloß 206

BGH NJW 1993, 3267, 3269; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 131 InsO Rn. 1; Gehrlein, ZInsO 2017, 128, 130 f.; Raschke, Bargeschäfte, S. 73. 207 So im Ergebnis auch Bartels, Leistungen Dritter, S. 200, der von einer Beweiserleichterung des § 131 InsO spricht; vgl. auch Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 154. Die überwiegende Auffassung sieht zwar im § 131 InsO einen Unterfall der Vorsatzanfechtung. Das führt in diesem Zusammenhang aber zu keinem Unterschied, da auch die Vorsatzanfechtung eine Gläubigerkenntnis erfordert, vgl. dazu BT-Drucks. 12/2443, S. 32; K. Schmidt/Ganter/ Weinland, § 131 InsO Rn. 5; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 131 InsO Rn. 1; BeckOKInsO/Raupach, § 131 InsO Rn. 1.

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vermutet wird. Die Krisenkenntnis ist damit kein taugliches Argument gegen eine Anwendung des § 142 InsO auf inkongruente Deckungen. Vielmehr wird die Kenntnis des Bargeschäftsgläubigers von § 142 Abs. 1 InsO vorausgesetzt und ist diesem damit systemimmanent.208 Die angeführte besondere Verdächtigkeit der Deckung rechtfertigt lediglich, dass im Rahmen der Inkongruenzanfechtung auf eine Gläubigerkenntnis verzichtet werden kann.209 b) Keine entgegenstehenden wirtschaftlichen Gründe Zuletzt besteht aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht kein Anlass, die Inkongruenzanfechtung vom Anwendungsbereich des § 142 InsO auszunehmen. Vielmehr gilt: Wenn das Telos des § 142 InsO bestmöglich erreicht werden soll, muss sich das Bargeschäftsprivileg gerade auch auf inkongruente Deckungen erstrecken. Denn eine Anwendbarkeit des § 142 InsO auf den § 131 InsO ermöglichte es dem Schuldner, seine fortgesetzte Teilnahme am Wirtschaftsverkehr noch effizienter zu gestalten.210 Durch inkongruente Leistungen könnte der Schuldner einfacher auf krisenbedingte Engpässe reagieren, und Gläubiger könnten diese auch vorbehaltlos an Erfüllungs statt annehmen, ohne Gefahr einer späteren Anfechtung zu laufen.211 Freilich bleibt die von § 142 Abs. 1 InsO zwingend vorausgesetzte Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen bestehen, sodass es trotz der Inkongruenz der Deckung zu keiner unmittelbaren Minderung der Haftungsmasse kommt und vorbehaltlich etwaiger mittelbarer Benachteiligungen keine Verschlechterung der Haftungsrealisierungschancen der Gläubiger eintritt. Wirtschaftlich gesehen macht es für die Masse daher keinen Unterschied, ob der Schuldner infolge einer kongruenten oder einer inkongruenten Deckung eine gleichwertige Leistung erhält.212 Im Ergebnis ist daher sogar eher von einer wirtschaftlichen Notwendigkeit der hier befürworteten Lösung auszugehen. Das sieht der BGH sogar im Grunde genommen genauso, indem er seine Rechtsprechung zu Kongruenzvereinbarungen in erster Linie durch wirtschaftliche Erwägungen rechtfertigt.213 Nur der gewählte Weg überzeugt weder in dogmatischer noch in systematischer Hinsicht. 208 So ebenfalls Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 401; K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 013. 209 Im Ergebnis so auch K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 068; vgl. ebenso Bartels, Leistungen Dritter, S. 199 f. 210 Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 400; Tinnefeld, Auf- und Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 277; K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 011; vgl. auch Bork, FS-Kirchhof, S. 67. 211 So im Ergebnis auch K/S/W/Schäfer, § 130 InsO Rn. C23g. 212 K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 65, der zutreffend darauf hinweist, dass es für die Masse keinen Unterschied macht, ob die gleichwertige Deckung kongruent oder inkongruent war; ebenso Lwowski/Wunderlich, FS-Kirchhof, S. 305 f.; Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 36 f. 213 BGH NJW 2014, 2956, 2958; NJW 2016, 1012, 1013.

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c) Zwischenergebnis Zusammenfassend ist damit der h. M. zu widersprechen, wenn diese behauptet, dass es keinen vernünftigen Grund gebe, die Anfechtung inkongruenten Erwerbs im Wege des § 142 Abs. 1 InsO auszuschließen.214 Im Gegenteil konnte gezeigt werden, dass die besseren Argumente für die Erstreckung des Bargeschäftsprivilegs auf inkongruente Deckungen sprechen. Die Grenze der Anwendbarkeit des § 142 InsO wurde durch den Gesetzgeber ausdrücklich bei der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 – 3 InsO und der erkannten Unlauterkeit gezogen, nicht hingegen bei der Inkongruenzanfechtung gemäß § 131 InsO.215 Indem die h. M. über das Tatbestandsmerkmal der vertraglichen Verknüpfung („für die“) die Inkongruenzanfechtung quasi „durch die Hintertür“ als zusätzliche Schranke konstruiert, begibt sie sich in Widerspruch zum gesetzgeberischen Willen und zur Regelungssystematik der besonderen Insolvenzanfechtung.216 Es soll nicht in Abrede gestellt werden, dass die Inkongruenz einer Deckung regelmäßig ein starkes Beweiszeichen für den Benachteiligungsvorsatz des Schuldners und die korrespondierende Gläubigerkenntnis im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO darstellt. Das betrifft allerdings eine andere Frage. Im Ergebnis nimmt die h. M. eine teleologische Reduktion des § 142 Abs. 1 InsO vor, ohne dass die Voraussetzungen dafür erfüllt wären.217 Für eine teleologische Reduktion müsste eine am Wortlaut orientierte Auslegung zu einem Ergebnis führen, das mit Sinn und Zweck des § 142 InsO nicht vereinbar wäre.218 Das ist jedoch nicht der Fall. Vielmehr sprechen umgekehrt rechtliche und auch wirtschaftliche Erwägungen gerade dafür, den § 142 Abs. 1 InsO auch auf die Inkongruenzanfechtung anzuwenden. Die Argumente der h. M. basieren letztlich auf pauschalen Masseschutzerwägungen, die vor dem Hintergrund der Erkenntnis, dass § 142 InsO seinerseits mittelbar dem Masseschutz und der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung dient, weiter an Überzeugungskraft verlieren. Damit erscheint es insgesamt überzeugender, wenn § 142 Abs. 1 InsO entgegen der h. M. sowohl die Kongruenzanfechtung als auch die Inkongruenzanfechtung ausschließt. 3. Verhältnis zur Anfechtung gemäß § 132 Abs. 1 InsO Bereits im Zusammenhang mit den verschiedenen Arten der Gläubigerbenachteiligung wurde darauf hingewiesen, dass § 132 InsO zusammen mit § 133 Abs. 4 S. 1 InsO als einzige Vorschriften tatbestandlich eine unmittelbare Benachteiligung 214 Bräuer, Bargeschäfte, S. 59; M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 336. 215 Bartels, Leistungen Dritter, S. 199; K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 068. 216 K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 068a. 217 Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 400; vgl. auch Bartels, Leistungen Dritter, S. 199, der von einer „Tatbestandsreduktion“ spricht; a. A. M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 334 f. 218 Honsell, ZfPW 2016, 106, 121 f.

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voraussetzt, während für alle anderen Anfechtungstatbestände eine mittelbare Gläubigerbenachteiligung ausreicht.219 Eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn es bereits durch die Vornahme der Rechtshandlung selbst zu einer Verschlechterung der Befriedigungsaussichten der Gläubiger kommt, ohne dass noch weitere Umstände hinzukommen müssten.220 Gemäß § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO ist ein die Masse unmittelbar benachteiligendes Rechtsgeschäft des Schuldners anfechtbar, wenn es in den letzten drei Monaten vor Antragstellung vorgenommen wurde, der Schuldner bereits zahlungsunfähig war, und der Anfechtungsgegner diese Zahlungsunfähigkeit kannte. Wurde das unmittelbar benachteiligende Rechtsgeschäft nach dem Eröffnungsantrag vorgenommen, tritt an die Stelle der Kenntnis von der Zahlungsunfähigkeit die Kenntnis vom Eröffnungsantrag (§ 132 Abs. 1 Nr. 2 InsO).221 § 132 Abs. 2 InsO stellt demgegenüber einen Auffangtatbestand für bestimmte Rechtshandlungen dar, die weder nach Abs. 1 noch nach den §§ 130, 131 InsO anfechtbar sind.222 Die in § 132 Abs. 1 und 2 InsO enthaltenen Anfechtungstatbestände treten ergänzend zu den §§ 130, 131 InsO hinzu.223 Während sich die §§ 130, 131 InsO allein auf benachteiligende Deckungshandlungen beziehen, liegt der Fokus im Rahmen des § 132 Abs. 1 InsO auf der Begründung benachteiligender Verbindlichkeiten.224 Stünde die Masse ohne den Abschluss des Rechtsgeschäfts wertmäßig besser dar, wirkt die Begründung der Verbindlichkeit bereits als solche (unmittelbar) benachteiligend und ist unter den weiteren tatbestandlichen Voraussetzungen anfechtbar. Regelmäßig zielt § 132 Abs. 1 InsO auf sogenannte Verschleuderungsgeschäfte bzw. Notverkäufe in der Krise ab, mithilfe derer der Schuldner versucht, seine fehlende Liquidität wiederherzustellen.225 Eine klare Trennung zwischen schuldrechtlichen und dinglichen Rechtsgeschäften kann allerdings nicht gezogen werden. Denn auch 219

Vgl. oben Teil 1, C. II. 1., S. 36 ff. Vgl. oben Teil 1, C. II. 1., S. 36 ff. 221 FK-InsO/Dauernheim, § 132 InsO Rn. 1. 222 HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 132 InsO Rn. 2. 223 Im Einzelnen ist strittig, ob § 132 InsO tatsächlich der besonderen Insolvenzanfechtung zuzurechnen ist. Die wohl h. M. geht davon aus, dass § 132 InsO die §§ 130, 131 InsO funktional ergänze und daher der besonderen Insolvenzanfechtung zuzuordnen sei, vgl. FK-InsO/ Dauernheim, § 132 InsO Rn. 1; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 132 InsO Rn. 7; KK-InsO/ Mohr, § 132 InsO Rn. 1; Nerlich/Römermann/Nerlich, § 132 InsO Rn. 3; tendenziell auch K/P/ B/Schoppmeyer, § 132 InsO Rn. 2; a. A. Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 160 ff.; Thole sieht demgegenüber eine Nähe zur Vorsatzanfechtung gem. § 133 InsO, vgl. HK-InsO/ Thole, § 132 InsO Rn. 2. 224 FK-InsO/Dauernheim, § 132 InsO Rn. 2; Jaeger-InsO/Henckel, § 132 InsO Rn. 5; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 132 InsO Rn. 1; Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 161; KK-InsO/Mohr, § 132 InsO Rn. 8; vgl. insbesondere HK-InsO/Thole, § 132 InsO Rn. 6, der sich für einen ausschließlichen Anwendungsbereich auf Verpflichtungsgeschäfte ausspricht. 225 K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 132 InsO Rn. 8; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 132 InsO Rn. 1; BeckOK-InsO/Raupach, § 132 InsO Rn. 6. 220

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verfügende Verträge können nach § 132 Abs. 1 InsO angefochten werden, sofern sie nicht unter die Deckungsanfechtung gemäß §§ 130, 131 InsO fallen.226 Zu denken ist dabei insbesondere an Forderungsabtretungen, Erlassverträge oder die Bestellung von Kreditsicherheiten.227 Indem § 132 Abs. 1 Nr. 1 InsO von der Vornahme von Rechtsgeschäften und nicht mehr – wie die Vorgängernorm des § 30 Nr. 1 1. Var. KO – von der Eingehung spricht, werden auch einseitige Rechtsgeschäfte wie die Kündigung oder der Rücktritt erfasst.228 Die Anfechtung des Verpflichtungsgeschäftes dient in erster Linie dazu, der Forderungsfeststellung eines Gläubigers zur Tabelle zu widersprechen oder das Erfüllungsverlangen eines Gläubigers abzuwehren.229 Denn im Falle einer anfechtbaren Schuldbegründung muss sich der Anfechtungsgegner so behandeln lassen, als bestünde die Schuld nicht, sodass er seine Forderung nicht zur Tabelle anmelden darf.230 Haben bereits beide Seiten ihre Leistungen erbracht, und wird das schuldrechtliche Kausalgeschäft angefochten, entfällt der Rechtsgrund für das Behaltendürfen der empfangenen Leistungen. Der Insolvenzverwalter kann dann die Leistung nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung gemäß §§ 812 ff. BGB herausverlangen.231 Der Anfechtungsgegner kann demgegenüber seinen Massebereicherungsanspruch nur noch nach § 144 Abs. 2 InsO verfolgen. Nach S. 1 erhält er seine erbrachte Leistung nur dann zurück, sofern diese noch unterscheidbar vorhanden oder soweit die Masse um ihren Wert bereichert ist. Ansonsten kann der Anfechtungsgegner nach S. 2 seine Forderung auf Rückgewähr der von ihm erbrachten Leistung ausschließlich als Insolvenzforderung geltend machen. Eine weitere Folge der Anfechtung des Verpflichtungsgeschäfts ist zudem, dass die zugrundeliegende Deckung inkongruent wird. Sie kann daher anschließend unter entsprechend leichteren Voraussetzungen angefochten werden.232 Neben dem Schutz der Insolvenzgläubiger vor Verschleuderungsverkäufen verfolgt § 132 Abs. 1 InsO umgekehrt noch einen weiteren Schutzzweck – und zwar die Privilegierung nicht benachteiligender Verpflichtungsgeschäfte. Da für die An226 HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 132 InsO Rn. 5; für Sicherungen oder Befriedigungen sind die §§ 130, 131 InsO lex specialis, vgl. BT-Drucks. 12/2443, S. 159; MüKo-InsO/Kayser/ Freudenberg, § 132 InsO Rn. 5; K/S/W/Schäfer, § 132 InsO Rn. E5; vgl. auch KK-InsO/Mohr, § 132 InsO Rn. 11. 227 Uhlenbruck/Hirte/Borries, § 132 InsO Rn. 7.3. 228 BT-Drucks. 12/2443, S. 159; KK-InsO/Mohr, § 132 InsO Rn. 14; HmbK-InsO/Rogge/ Leptien, § 132 InsO Rn. 6. 229 BeckOK-InsO/Raupach, § 132 InsO Rn. 5; HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 132 InsO Rn. 7; HK-InsO/Thole, § 132 InsO Rn. 6. 230 K/P/B/Jacoby, § 143 InsO Rn. 25. 231 MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 129 InsO Rn. 57; K/P/B/Jacoby, § 143 InsO Rn. 25; a. A. FK-InsO/Dauernheim, § 129 InsO Rn. 42, der im Falle einer Anfechtung des Kausalgeschäfts automatisch auch von einer Anfechtbarkeit der Verfügung ausgeht. 232 BGH NJW 1994, 1668, 1670; K/P/B/Jacoby, § 143 InsO Rn. 26; MüKo-InsO/Kirchhof/ Piekenbrock, § 143 InsO Rn. 78; KK-InsO/Mohr, § 143 InsO Rn. 70; HmbK-InsO/Rogge/ Leptien, § 143 InsO Rn. 40.

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fechtung gemäß § 132 Abs. 1 InsO das Rechtsgeschäft unmittelbar benachteiligend sein muss, reicht eine mittelbare Benachteiligung zur Begründung der Anfechtung insoweit nicht aus. Dies ermöglicht es dem Schuldner während bzw. trotz der Krise objektiv ausgeglichene Rechtsgeschäfte abzuschließen, ohne dass der Vertragspartner eine spätere Anfechtung fürchten müsste. Durch den anfechtungsfesten Abschluss schuldrechtlicher Rechtsgeschäfte kann der Schuldner trotz seiner Krise fortgesetzt am Wirtschaftsverkehr partizipieren.233 An dieser Stelle ist eine funktionale Verwandtschaft des § 132 Abs. 1 InsO zu § 142 InsO nicht zu leugnen. Während sich § 142 Abs. 1 InsO allein auf das dingliche Deckungsgeschäft beschränkt, geht es bei § 132 Abs. 1 InsO primär um das der Sicherung oder Befriedigung zugrunde liegende Kausalgeschäft. Ohne die Anfechtungsfestigkeit des Verpflichtungsgeschäfts würde § 142 Abs. 1 InsO praktisch leerlaufen. Zwar könnte die Deckung als solche nicht angefochten werden, dafür aber das zugrunde liegende Verpflichtungsgeschäft. Der Gläubiger müsste dann aber das Erlangte nach den Vorschriften der §§ 812 ff. BGB zur Masse erstatten. Umgekehrt wäre § 132 Abs. 1 InsO nutzlos, wenn die spätere Erfüllung des Verpflichtungsgeschäfts der Anfechtung unterläge.234 Nach früherem Recht wurde dieses Ergebnis dadurch vermieden, dass das Verpflichtungsgeschäft einerseits und das Verfügungsgeschäft andererseits nach der sogenannten Einheitstheorie anfechtungsrechtlich zusammengefasst wurden. Demzufolge sollte die Anfechtbarkeit des Erfüllungsgeschäfts ausgeschlossen sein, wenn das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft eine gleichwertige Gegenleistung zugunsten des Schuldners vorsah. In der Folge sei dieses nicht unmittelbar benachteiligend und damit nicht gemäß § 30 Nr. 1 KO (heute § 132 Abs. 1 InsO) anfechtbar.235 Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäft wurden also unter Verletzung des Abstraktionsprinzips vereint.236 Die Einheitstheorie ist spätestens237 mit der positiv-rechtlichen Regelung des § 142 InsO obsolet geworden.238 Nach heutiger Rechtslage komplementieren sich die §§ 132 Abs. 1 und 142 Abs. 1 InsO gegenseitig und verfolgen teilweise sogar gleiche Regelungszwecke – namentlich die Ermöglichung der fortgesetzten Teilnahme am Rechtsverkehr.239 Es wäre dabei jedoch verfehlt, würde § 142 Abs. 1 InsO als bloße Ergänzung oder Annex zu § 132 Abs. 1 InsO verstanden.240 Weder beschränkt § 132 Abs. 1 InsO die Reichweite noch die 233

K/S/W/Schäfer, § 132 InsO Rn. E3; K/P/B/Schoppmeyer, § 132 InsO Rn. 3. Jaeger-InsO/Henckel, § 132 InsO Rn. 5. 235 BGH NJW 1995, 659, 660; vgl. auch Jaeger-InsO/Henckel, § 129 InsO Rn. 109 ff., § 132 InsO Rn. 5; S. Schmidt, Gläubigeranfechtung, S. 42 ff. 236 Jaeger-InsO/Henckel, § 129 InsO Rn. 109. 237 Jaeger-KO/Henckel, § 29 KO Rn. 72 ff., § 30 KO Rn. 110 hatte schon zuvor mit Verweis auf das Abstraktionsprinzip gegen die Einheitstheorie argumentiert. 238 Jaeger-InsO/Henckel, § 132 InsO Rn. 5. 239 K/S/W/Schäfer, § 132 InsO Rn. E3. 240 So aber Jaeger-InsO/Henckel, § 142 InsO Rn. 2; ähnlich auch noch BGH NJW 1993, 3267 mit dem Argument, dass unanfechtbar geschlossene Rechtsgeschäfte auch erfüllbar sein 234

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

Auslegung der Tatbestandsmerkmale des § 142 InsO. So vertrat es allerdings Ernst Jaeger noch zu Zeiten der KO: Die Deckungsanfechtung sei trotz der Krise nur dann ausnahmsweise durch das Bargeschäft ausgeschlossen, wenn auch das schuldrechtliche Kausalgeschäft innerhalb der Krise geschlossen wurde bzw. der Anspruch zu diesem Zeitpunkt entstanden ist. Wurde das Kausalgeschäft hingegen vor der Krise vereinbart, sollte die Deckungsanfechtung nicht ausgeschlossen sein, sondern weiter möglich bleiben.241 Ausgangspunkt dieser Auffassung war die Überlegung, dass zwischen den Alt- und den privilegierungswürdigen Neugläubigern differenziert werden müsse. Zwar ist der Gedanke im Kern richtig, allerdings überzeugt die Schlussfolgerung nicht. Denn ein solches Verständnis führte zu einem deutlich eingeschränkten Anwendungsbereich des Bargeschäftsprivilegs, was mit Sinn und Zweck der Vorschrift nicht zu vereinbaren wäre.242 Wie bereits erläutert, soll § 142 Abs. 1 InsO einen laufenden Liquiditätsfluss zugunsten des Schuldners ermöglichen, damit dieser fortgesetzt am Geschäftsverkehr teilnehmen kann.243 Wenn aber sogar in der Krise anfechtungsfest abgeschlossene Rechtsgeschäfte erfüllbar sein sollen, dann muss dies erst recht für solche Rechtsgeschäfte gelten, die bereits außerhalb der Krise geschlossen wurden. Vielmehr gilt generell, dass es für § 142 InsO überhaupt nicht darauf ankommen kann, zu welchem Zeitpunkt das zugrunde liegende Kausalgeschäft geschlossen wurde.244 Andernfalls würde der gut beratene Vertragspartner, der eine Krise beim Schuldner für möglich hält, mit dem Vertragsschluss und der Leistungserbringung so lange warten, bis die Krise tatsächlich eigentreten ist, weil er erst dann in den Genuss des Bargeschäftsprivilegs käme.245 Nur so verstanden kann auch eine interessengerechte Lösung für Dauerschuldverhältnisse gefunden werden, deren schuldrechtliche Grundlage regelmäßig weit vor Eintritt der Krise gelegt wurde.246 Für die Anwendbarkeit des § 142 Abs. 1 InsO kommt es damit allein darauf an, dass die tatsächliche Leistungsabwicklung zügig und die vom Schuldner erbrachte Deckung auch tatsächlich innerhalb der kritischen Zeit erfolgt. Das ist aber nicht auf ein besonderes Verständnis des § 142 Abs. 1 InsO oder dessen Verhältnis zu § 132 InsO zurückzuführen, sondern darauf, dass andernfalls der Tatbestand der §§ 130, 131 InsO schon nicht erfüllt und die Deckung folglich nicht anfechtbar wäre. Auf den Zeitpunkt des Abschlusses des schuldrechtlichen Kausalgeschäfts kommt es hingegen überhaupt nicht an.247 müssten; a. A. K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 015, der genau umgekehrt aus der Unanfechtbarkeit des Verfügungsgeschäfts gem. § 142 InsO eine Unanfechtbarkeit des Verpflichtungsgeschäfts ableitet. 241 Jaeger-KO, 6. und 7. Aufl., § 30 KO Anm. 37a). 242 K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 014 ff. 243 Siehe oben Teil 1., B. I. 2., S. 24 ff. 244 MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 3. 245 Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 391 f. 246 Überzeugend bei Jaeger-InsO/Henckel, § 142 InsO Rn. 3 f. 247 Jaeger-InsO/Henckel, § 142 InsO Rn. 5.

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Zuletzt kann auch nicht etwa deshalb von einem tatbestandlichen Abhängigkeitsverhältnis beider Normen ausgegangen werden, weil beide Vorschriften das Merkmal der Unmittelbarkeit voraussetzen. Denn dem Merkmal der Unmittelbarkeit kommt im jeweiligen Normkontext eine unterschiedliche Bedeutung zu. So erklärt § 132 Abs. 1 InsO solche Rechtsgeschäfte für unanfechtbar, die bereits durch ihren Abschluss selbst248 zu einer nachteiligen Belastung der Masse führen. Der in § 132 Abs. 1 InsO verwendete Begriff der Unmittelbarkeit wird also im Sinne von Gleichwertigkeit verstanden.249 Demgegenüber ist die Unmittelbarkeit bei § 142 Abs. 1 InsO zeitlich (nach h. M. in Abgrenzung zu einem Kreditgeschäft250) zu verstehen, d. h. es ist eine schnelle Abwicklung der gegenseitigen Leistungsansprüche erforderlich.251 In tatbestandlicher Hinsicht bedingen sich beide Vorschriften demnach nicht. Es ist lediglich eine rein rechtstatsächliche Verbindung festzustellen, die aber keine besonderen Rechtsfolgen mit sich bringt. Im Falle eines anfechtungsfesten Bargeschäfts gemäß § 142 InsO scheidet automatisch auch die Anfechtung gemäß § 132 Abs. 1 InsO aus, da die für § 142 Abs. 1 InsO vorausgesetzte objektive Gleichwertigkeit durch das zugrundeliegende Kausalgeschäft festgelegt wird. Ist das schuldrechtliche Kausalverhältnis objektiv ausgeglichen, wirkt dieses auch nicht unmittelbar benachteiligend.252 Umgekehrt gilt, dass nicht automatisch eine unmittelbare Benachteiligung im Sinne des § 132 Abs. 1 InsO angenommen werden kann, wenn kein Bargeschäft im Sinne des § 142 InsO vorliegt. So kann die vom Schuldner erbrachte Deckung gemäß § 130 Abs. 1 InsO anfechtbar sein, obwohl das zugrunde liegende Kausalgeschäft nicht unmittelbar benachteiligend war. Das ist immer dann der Fall, wenn der Leistungsaustausch nicht den Vorgaben des § 142 Abs. 1 InsO entspricht, er beispielsweise nicht schnell genug erfolgte.253

IV. Zusammenfassung Durch die Analyse des Verhältnisses von § 142 InsO zu den besonderen Insolvenzanfechtungstatbeständen konnte der Anwendungsbereich des Bargeschäfts weiter konkretisiert werden. Im Verhältnis zur anfechtungsrechtlichen Rahmenvorschrift des § 129 Abs. 1 InsO konnte geklärt werden, dass die Frage nach der objektiven Gläubigerbenachteiligung strikt von der Funktion und Regelungsanordnung des § 142 Abs. 1 InsO getrennt werden muss. § 142 InsO führt an sich nicht 248

Vgl. Formulierung bei S. Schmidt, Gläubigeranfechtung, S. 39 m. w. N. Thole, Gläubigerschutz, S. 374. 250 Kritik dazu weiter unten Teil 1, E. IV. 1. a), S. 92 ff. 251 Thole, Gläubigerschutz, S. 374. 252 Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 3, 5; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 InsO Rn. 6; Gehrlein, ZInsO 2017, 128, 132; Jaeger-InsO/Henckel, § 142 InsO Rn. 7; KKInsO/Mohr, § 132 InsO Rn. 34. 253 KK-InsO/Mohr, § 132 InsO Rn. 35. 249

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

dazu, dass eine objektive Gläubigerbenachteiligung entfiele. Liegt keine objektive Gläubigerbenachteiligung vor, scheitert die Anfechtung bereits an § 129 Abs. 1 InsO, und es kommt schon gar nicht zu einer Anwendung des Bargeschäftsprivilegs. Allerdings führt die von § 142 Abs. 1 InsO vorausgesetzte gleichwertige Gegenleistung dazu, dass das in Rede stehende Verpflichtungsgeschäft nicht unmittelbar benachteiligend im Sinne des § 132 Abs. 1 InsO ist. Darüber hinaus steht die Anfechtung wegen unmittelbarer Benachteiligung gemäß § 132 Abs. 1 InsO aber in keinem besonderen Verhältnis zum § 142 InsO und beschränkt nicht den Anwendungsbereich des Bargeschäftsprivilegs. Insbesondere ist der Zeitpunkt des schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäfts für § 142 InsO nicht von Bedeutung. Hinsichtlich des Verfügungsgeschäfts gilt, dass zwar der Abfluss von Vermögenswerten aus der Masse regelmäßig benachteiligend für die Gläubigergemeinschaft ist, dieser Nachteil jedoch ausgeglichen wird, wenn ein mindestens wertausgleichender Vermögensvorteil in die Masse fließt. Ist dieser Vermögensvorteil dem jeweiligen Anfechtungsgegner individuell zurechenbar, scheidet zu dessen Gunsten eine Anfechtung wegen einer unmittelbaren Benachteiligung aus. Der praktisch relevanteste Fall eines zurechenbaren Vermögensvorteils ist die Erbringung einer gleichwertigen Gegenleistung durch den Anfechtungsgegner. Aber auch sonstige Vermögensvorteile, die keine Gegenleistungen sind, können tatbestandlich zu einem Wegfall der unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung führen, wenn sie dem jeweiligen Anfechtungsgegner zuzurechnen sind. Eine Anrechnung nicht zurechenbarer Vorteile, ähnlich wie im Schadens- oder Bereicherungsrecht, scheidet demgegenüber aus. Es wäre nicht zu rechtfertigen, wenn der einzelne Anfechtungsgegner an einem (zufälligen) Vorteil einseitig zulasten der Gläubigergemeinschaft partizipieren dürfte, zu dem er selbst nichts beigetragen hat. Wenn auf Tatbestandsseite des § 129 Abs. 1 InsO eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung ausscheidet, dann kann die Anfechtung einer Deckungshandlung nur noch auf eine mittelbare Benachteiligung gestützt werden. Sofern allerdings die Leistungen unter den Voraussetzungen des § 142 Abs. 1 InsO ausgetauscht wurden, wird eine solche mittelbare Benachteiligung ausnahmsweise für unbeachtlich erklärt. Insoweit führt dieses Verständnis der §§ 129, 142 InsO zu einem doppelten Schutz des Anfechtungsgegners, indem er sich durch die Erbringung einer objektiv gleichwertigen Gegenleistung und durch die zeitlich schnelle Leistungsabwicklung vor einer Anfechtung wegen unmittelbarer und mittelbarer Benachteiligung schützen kann. Vor allem der Schutz vor mittelbaren Benachteiligungen ist essenziell, weil potenzielle Vertragspartner auf eine solche keinen Einfluss haben, das Anfechtungsrisiko damit unkalkulierbar wäre, und schlussendlich potenzielle Vertragspartner den Vertragsschluss mit dem erkennbar in die Krise geratenen Schuldner scheuten. Während der unstreitige Hauptanwendungsfall des § 142 Abs. 1 InsO im Ausschluss der Kongruenzanfechtung gemäß § 130 InsO zu sehen ist, ist § 142 InsO nach zutreffender Ansicht und entgegen der h. M. auch auf die Inkongruenzanfechtung

D. Ergebnisse der systematischen Analyse

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gemäß § 131 InsO anwendbar. Die vorgebrachten Argumente der h. M. gegen eine Anwendung des Bargeschäftsprivilegs auf inkongruente Deckungen sind weder dogmatisch noch normativ überzeugend. Vielmehr führt ein konsequentes Systemverständnis dazu, dass auch inkongruente Deckungen erfasst werden müssen. Darüber hinaus besteht aber auch wirtschaftlich ein Bedürfnis, das Bargeschäftsprivileg auf inkongruente Deckungen anzuwenden.

D. Ergebnisse der systematischen Analyse Das Bargeschäftsprivileg gemäß § 142 InsO verfolgt einerseits das Ziel, die Handlungsfähigkeit des schuldnerischen Unternehmens in der Krise zu bewahren. Durch die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes kann eine Kettenreaktion vermieden werden, sodass die Krise nicht automatisch gleichbedeutend mit der tatsächlichen Insolvenz ist. Dieser Schuldnerperspektive steht zugleich die Gläubigerperspektive gegenüber. Denn die begrenzte Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes führt zu einer Art Konservierung des schuldnerischen Unternehmens, die zu einer Sicherung des wirtschaftlichen status quo führt, bis schlussendlich über den Eröffnungsantrag entschieden wird. Diese Bewahrung des status quo dient dabei auch der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung, weil dadurch der in einer sofortigen Stilllegung des schuldnerischen Unternehmens liegende Wertverlust vermieden und zugleich Sanierungschancen bewahrt werden können. Eine erfolgreiche Sanierung führt regelmäßig zu einer Verbesserung der Befriedigungsaussichten der ungesicherten Gläubigergemeinschaft. Insoweit lässt sich das Bargeschäft sogar als vorinsolvenzliches Sanierungsinstrument verstehen. Diese teleologischen Erkenntnisse sind allerdings gegenstandslos, wenn dem Bargeschäft in der Rechtspraxis kein ausreichender Anwendungsbereich eingeräumt wird. Der BGH hatte mit seinem Kundenscheck-Urteil254 aus dem Jahre 1993 insoweit die Problematik zutreffend identifiziert. Die Kehrseite der Aufrechterhaltung der Handlungsfähigkeit des in die Krise geratenen Schuldners ist der Schutz und das Vertrauen des Rechtsverkehrs in die Insolvenzfestigkeit von Bargeschäften. Wenn sich potenzielle Vertragspartner nicht mit hinreichender Sicherheit auf die Unanfechtbarkeit von Bargeschäften verlassen können, dann werden sie von einem Vertragsschluss tunlichst absehen oder jedenfalls nicht zu gleichen Bedingungen mit dem Schuldner kontrahieren. Ein Vertragsschluss wird nur dann erreicht, wenn die potenziellen Vertragspartner des Schuldners das Geschehen selbst in der Hand haben, dieses also im Vorhinein durch ihr eigenes Verhalten bestimmen und beeinflussen können. Das eigene (vertragsgemäße) Verhalten muss also positive Folgen zeitigen, und diese Folgen dürfen nicht einseitig vom Zufall oder vom Schuldner zunichte gemacht werden können. Das ist auch der entscheidende Grund, warum § 142 Abs. 1 InsO in seiner Rechtsfolge mittelbare Benachteiligungen ausschließt. Denn auf 254

BGH NJW 1993, 3267.

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

mittelbare Benachteiligung haben Vertragspartner regelmäßig keinerlei Einfluss, sodass für sie andernfalls ein unkalkulierbares Anfechtungsrisiko bestünde. Neben der richtig verstandenen Funktionsweise darf der Anwendungsbereich der Norm auch nicht dadurch wieder beschränkt werden, dass das Bargeschäft infolge normativer Überlegungen auf bestimmte Anfechtungstatbestände keine Anwendung findet. So führen etwaige Besonderheiten der Inkongruenzanfechtung gemäß § 131 Abs. 1 InsO weder dazu, dass das Bargeschäft keine Anwendung fände, noch vermag § 132 Abs. 1 InsO den Anwendungsbereich zu beschränken. Ein Ausschluss ist weder systematisch, dogmatisch, noch normativ überzeugend. Insgesamt kann daher festgehalten werden, dass der Anwendungsbereich des § 142 InsO nach den vorstehenden Ausführungen deutlich großzügiger bestimmt werden muss, als dies nach dem Verständnis der h. M. der Fall ist.

E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO Die vorstehenden Ausführungen zu Sinn und Zweck des Bargeschäfts ermöglichen erste konkrete Rückschlüsse auf die inhaltliche Ausgestaltung des § 142 InsO. Sowohl Mindestvoraussetzungen als auch die äußeren Grenzen des Anwendungsbereichs können von der ratio legis abgeleitet werden. So muss das Bargeschäft einerseits so weitgehend sein, dass der Schuldner auch tatsächlich effektiv am Geschäftsverkehr teilnehmen kann, andererseits darf der Anwendungsbereich grundsätzlich nicht über die Ermöglichung der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes hinausgehen, da dies mit der par condicio creditorum nicht in Einklang zu bringen bzw. dann das Bargeschäft gegenüber der besonderen Insolvenzanfechtung nicht das effizientere Instrument zur Erreichung einer bestmöglichen Gläubigerbefriedigung wäre. Vor diesem Hintergrund dürften daher eigentlich nur solche Rechtsgeschäfte erfasst werden, die für das Überleben des Unternehmens bis zur Verfahrenseröffnung erforderlich sind. Kreditfinanzierte Investitionen des Unternehmens in die Zukunft ließen sich beispielsweise vor dem obigen Gedanken des kurzfristigen Überlebens bis zur Entscheidung des Insolvenzgerichts über den Eröffnungsantrag nicht rechtfertigen. Ob man daraus allerdings auch das Erfordernis einer Befriedigungstauglichkeit der Gegenleistung ableiten kann, so wie es teilweise erwogen wird, muss noch überprüft werden.255 Demgegenüber müssen als Mindeststandard solche Geschäfte umfasst sein, die regelmäßig anfallen und Gegenstand des allgemeinen Tagesgeschäfts sind. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO müssen so ausgelegt werden, dass ein möglichst schonender Ausgleich zwischen den

255

Siehe unten Teil 1, E. III. 1., S. 79 ff.

E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO

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gegenläufigen Interessen von Gläubigergesamtheit, Schuldner und Vertragspartner geschaffen wird. Im ersten Teil dieser Arbeit konnte lediglich der Rahmen des Anwendungsbereichs teleologisch und systematisch abgesteckt werden. Die gewonnenen Erkenntnisse müssen sich nun aber auch bei der Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale fortsetzen, um eine interessengerechte Rechtsanwendung im Einzelfall zu gewährleisten. Gemäß § 142 Abs. 1 InsO ist eine Leistung des Schuldners, für die unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt, nur anfechtbar, wenn die Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 bis 3 InsO gegeben sind, und der andere Teil erkannt hat, dass der Schuldner unlauter handelte. Erforderlich ist also zunächst ein Leistungsaustausch (I.), wobei Leistung und Gegenleistung miteinander verknüpft (II.) und gleichwertig sein müssen (III.). Zuletzt müssen die Leistungen auch noch unmittelbar – d. h. in einem engen zeitlichen Zusammenhang – ausgetauscht worden sein (IV.). Die Grenze zieht der Gesetzgeber bei der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 – 3 InsO und der vom Gläubiger erkannten Unlauterkeit des Schuldners (V.).

I. Leistungsaustausch § 142 Abs. 1 InsO setzt zunächst einen Leistungsaustausch voraus, d. h. einerseits muss aus der Haftungsmasse des Schuldners Vermögen abfließen, andererseits muss eine korrespondierende Gegenleistung der Masse wieder zufließen.256 Der Leistungsbegriff ist nach h. M. weit auszulegen, wobei eine Leistung des Schuldners vermögenswerter Art sein bzw. ihr ein wirtschaftlicher Wert innewohnen muss.257 Umfasst werden sowohl Erfüllungs-, Befriedigungs- als auch Sicherungshandlungen.258 Nicht nur Verfügungen werden erfasst, sondern auch verfügungsähnliche Handlungen, die beispielsweise zu einem Eigentumserwerb kraft Gesetzes führen (§§ 946 ff. BGB).259 Liegt keine Leistung des Schuldners vor, besteht schon von vornherein kein Anknüpfungspunkt für eine Anfechtung. Hat die Leistung den Schuldner nichts gekostet, scheitert die Anfechtung bereits an § 129 Abs. 1 InsO.260 256 BGH NZI 2010, 985, 988; NJW 2010, 3578, 3581; Uhlenbruck/Hirte/Borries, § 142 InsO Rn. 14; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 6; Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 32. 257 Uhlenbruck/Hirte/Borries, § 142 InsO Rn. 13; Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 31; K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 020; Würdinger, Bargeldloser Zahlungsverkehr, S. 53. 258 Lwowski/Wunderlich, FS-Kirchhof, S. 302; M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 330. 259 Raschke, Funktion und Abgrenzung des § 142 InsO, S. 72. 260 FK-InsO/Dauernheim/Blank, § 142 InsO Rn. 2; Raschke, Bargeschäfte, S. 72. Problematisch ist zudem, ob sich Schenkungsanfechtung und Bargeschäft gegenseitig ausschließen. So etwa Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 369; Lwowski/Wunderlich, FS-Kirchhof, S. 302 f.; a. A. K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 020.

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

Die Gegenleistung muss dabei so gestaltet sein, dass es tatsächlich zu einer Vermögensmehrung auf Seiten des Schuldners kommt.261 Nach der Rechtsprechung des BGH reicht dafür bereits aus, wenn infolge einer Kontokorrentverrechnung die Bank als Gegenleistung einen Kreditrahmen im Umfang der Verrechnung wieder freigibt und dieser vom Schuldner auch in Anspruch genommen wird.262 Nicht ausreichend ist demgegenüber die bloße Verringerung der Passiva durch eine Leistung des Schuldners auf eine bereits existente Verbindlichkeit. Dies ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut, demzufolge die Gegenleistung „in das Vermögen gelangt“ sein muss, sondern vor allem auch aus dem bereits oben dargestellten Gesetzeszweck der Ermöglichung der Betriebsfortführung in der Krise.263 Bargeschäfte sind in ihrer tatsächlichen Wirkung gerade deshalb anfechtungsrechtlich privilegiert, weil sie einen permanenten Liquiditätsfluss ermöglichen. Die bloße Tilgung von Verbindlichkeiten – beispielsweise auch infolge einer Aufrechnung – vermag dies gerade nicht zu gewährleisten.264 Das gilt auch für Zuwendungen, die nicht an den Schuldner, sondern direkt an einen Drittgläubiger des Schuldners geleistet werden. Zwar verringert sich durch die Direktleistung des Gläubigers an einen Drittgläubiger das bilanzielle Vermögen des Schuldners. Dies allerdings zulasten der Gläubigergemeinschaft, da auf den Vermögenswert nicht zugegriffen werden kann.265 Die korrespondierende Leistung des Gläubigers muss daher der Masse tatsächlich zugeflossen sein, wobei es jedoch unerheblich ist, ob sie dort auch erhalten bleibt.266 Ist die (gleichwertige) Gegenleistung aber noch im Vermögen des Schuldners vorhanden und verwertbar, scheitert die Anfechtung ebenfalls an § 129 Abs. 1 InsO, da es an der erforderlichen objektiven Gläubigerbenachteiligung fehlt.267 Die Gegenleistung wird in diesen Fällen saldiert.268 Zwar muss die Gegenleistung grundsätzlich dem Vermögen des Schuldners zufließen. Das bedeutet aber nicht, dass die Ge-

261 BGH NZI 2005, 497, 498; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 InsO Rn. 14; M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 331; KK-InsO/Mohr, § 142 InsO Rn. 14; Raschke, Funktion und Abgrenzung des § 142 InsO, S. 84, 89; HmbK-InsO/Rogge/ Leptien, § 142 InsO Rn. 2; K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 032; zur Frage, ob eine tatsächliche Verwertbarkeit i. S. e. Massenützlichkeit erforderlich ist, siehe unten Teil 1, E. III. 2., S. 80 ff. 262 BGH NJW 2002, 1722, 1724; vgl. K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 032; zu Verrechnungen im Kontokorrent siehe Teil 2, A., S. 125 ff. 263 Bartels, Leistungen Dritter, S. 193; Bertram, Durchsetzbarkeit von Sicherheiten, S. 208; Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 32; K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 032. 264 K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 32; FK-InsO/Dauernheim/Blank, § 142 InsO Rn. 4; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 14; M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 338; K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 033. 265 Raschke, Funktion und Abgrenzung des § 142 InsO, S. 84 f.; BeckOK-InsO/Schoon, § 142 InsO Rn. 15. 266 MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 6; Lwowski/Wunderlich, FSKirchhof, S. 302. 267 Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 15. 268 Siehe Teil 1, C. II. 2. c), S. 45 ff.

E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO

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genleistung zwingend in gegenständlicher Form erbracht werden müsste. Auch Dienstleistungen können Gegenstand eines Bargeschäfts sein.269

II. Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung Ausweislich der Regierungsbegründung zur InsO kommt die Vorschrift des § 142 Abs. 1 InsO nur dann zur Anwendung, wenn Leistung und Gegenleistung durch Parteivereinbarung miteinander verknüpft sind. Das wird durch die Worte „für die“ zum Ausdruck gebracht.270 Erforderlich ist damit ein Leistungsaustausch auf Grundlage einer rechtsgeschäftlichen Verbindung. Nicht ausreichend ist demgegenüber, wenn sich die Leistungspflichten aus verschiedenen, eigenständigen Verträgen ergeben und nur wirtschaftlich zusammenhängen.271 Das gilt insbesondere für das bloße Stehenlassen von Forderungen wie beispielsweise ungekündigte, aber kündbare Darlehensforderungen.272 Ebenso wenig kann sich ein Arbeitgeber bei der Abführung öffentlicher Abgaben wie Sozialversicherungsbeiträge auf das Bargeschäftsprivileg berufen, da die Pflicht zur Leistung nicht auf einer vertraglichen, sondern vielmehr einer gesetzlichen Grundlage beruht.273 Nicht erforderlich ist schließlich, dass die Leistungen auf Grundlage eines „klassischen“ Austauschvertrags gemäß §§ 320 ff. BGB erbracht wurden.274 Bei genauerer Betrachtung leuchtet das Erfordernis der rechtsgeschäftlichen Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung nicht ohne Weiteres ein.275 Vor dem Hintergrund der ratio legis lässt sich dieses Tatbestandsmerkmal jedenfalls nicht rechtfertigen. So ist nicht erkennbar, warum für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes durch eine fortgesetzte Teilnahme am Wirtschaftsverkehr eine rechtsgeschäftliche Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung erforderlich sein sollte. Während den anderen Tatbestandsmerkmalen relativ einfach bestimmte Schutzrichtungen zugeordnet werden können, ist dies bei dem Tatbestandsmerkmal 269 K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 32; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 6, 13; HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 142 InsO Rn. 2; vgl. auch Raschke, Funktion und Abgrenzung des § 142 InsO, S. 72, der exemplarisch auch noch Reparaturarbeiten, geistiges Eigentum oder sonstige unkörperliche Vermögenswerte wie Kundenbeziehungen oder Nutzungsrechte nennt. 270 BT-Drucks. 12/2443, S. 167. 271 Bartels, Leistungen Dritter, S. 197; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 17; FKInsO/Dauernheim/Blank, § 142 InsO Rn. 4; Graf-Schlicker/M. Huber, § 142 InsO Rn. 2; ders., Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 331; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 7; BeckOK-InsO/Schoon, § 142 InsO Rn. 6. 272 BGH NZI 2019, 985, 989; Uhlenbruck/Hirte/Borries, § 142 InsO Rn. 17. 273 Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 19; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 InsO Rn. 25; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 9; K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 050a. 274 Bartels, Leistungen Dritter, S. 196; K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 052. 275 Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 387.

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

der rechtsgeschäftlichen Verknüpfung weniger offensichtlich. Die Sinnhaftigkeit des Erfordernisses einer rechtsgeschäftlichen Verknüpfung zeigt sich erst dann, wenn ein Vergleich zur Problematik der Vorteilsanrechnung gezogen wird. Sofern eine gläubigerbenachteiligende Leistung des Schuldners einen Vorteil zeitigt, der den Nachteil wieder vollständig ausgleicht, wird dieser Vorteil angerechnet, wenn er dem Anfechtungsgegner zuzurechnen ist.276 Im Rahmen von § 142 Abs. 1 InsO muss die Gegenleistung ebenfalls dem Anfechtungsgegner eindeutig zurechenbar sein, d. h. es muss feststehen, welche Leistungen miteinander zu vergleichen sind.277 Dies wird durch die sprachliche Verknüpfung „für die“ deutlich: Für die Anwendung des Bargeschäftsprivilegs muss nachvollziehbar sein, aus wessen Vermögen die wertausgleichende Gegenleistung stammt, und wen das Bargeschäft zulasten der Gläubigergesamtheit einseitig privilegieren soll. Dies mag bei einfachen Austauschgeschäften unproblematisch sein, kann aber bei komplizierteren vertraglichen Konstellationen durchaus Schwierigkeiten bereiten. Das Erfordernis der rechtsgeschäftlichen Verknüpfung ist damit das Pendant zur Gleichwertigkeit, da die Gleichwertigkeit des Leistungsaustauschs nur dann bewertet werden kann, wenn feststeht, welche Leistungen überhaupt miteinander zu vergleichen sind.278 Die erforderliche Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung dient damit allein der Zurechnung der gleichwertigen Gegenleistung zum Anfechtungsgegner und der Ermittlung der jeweils zu vergleichenden Leistungen. Eine weitergehende Bedeutung, etwa dahingehend, dass inkongruente Deckungen gemäß § 131 Abs. 1 InsO ausgeschlossen wären, kann dem Tatbestandsmerkmal „für die“ hingegen nicht entnommen werden.279

III. Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung Des Weiteren ist erforderlich, dass die ausgetauschten Leistungen (mindestens280) gleichwertig sind. Die Gleichwertigkeit ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen, wobei es nicht darauf ankommt, ob die Gegenleistung in einer Art und Weise erfolgte, die leicht dem Gläubigerzugriff – wie etwa Bargeld – entzogen werden

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Siehe oben Teil 1, C. II. 2. b), S. 43 ff. Zutreffend K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 49, 65; tendenziell auch Bertram, Durchsetzbarkeit von Sicherheiten, S. 211. 278 Jaeger-InsO/Henckel, § 142 InsO Rn. 8; Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 388. 279 Vgl. dazu ausführlich Teil 1, C. III. 2., S. 52 ff. 280 Die Gegenleistung darf freilich auch höherwertig sein: K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 80; ders., Leistungen Dritter, S. 193; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 13. 277

E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO

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kann.281 Gleichwertigkeit ist unter keinen Umständen mit Gleichartigkeit zu verwechseln.282 Es kommt auch nicht darauf an, dass der Schuldner eine bestimmte Rolle eingenommen haben muss. Es ist somit nicht erforderlich, dass der Schuldner stets auf Verkäuferseite oder umgekehrt auf Käuferseite stehen müsste.283 Die Gleichwertigkeit muss nach h. M. nicht zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorliegen, sondern zum Zeitpunkt der ersten Leistungserbringung. Im Zeitpunkt des Leistungsaustauschs muss sich der Vorgang insgesamt als wirtschaftlich neutral für die Insolvenzmasse darstellen.284 Allenfalls können geringfügige Wertschwankungen zugunsten des Anfechtungsgegners unbeachtlich sein, wenn sie sich im marktüblichen Rahmen bewegen.285 Während diese Ausführungen von der Kommentarliteratur weitestgehend als selbstverständlich hingenommen werden, stellt sich bei näherer Betrachtung erneut die Frage, warum die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung überhaupt erforderlich sein soll. Denn die Ermöglichung der fortgesetzten Teilnahme des Schuldners am Rechtsverkehr trotz Krise ließe sich grundsätzlich auch unabhängig von der Gleichwertigkeit der ausgetauschten Leistungen erreichen.286 Eine Privilegierung sämtlicher Rechtsgeschäfte ohne Rücksicht auf die Gleichwertigkeit hätte allerdings zur Folge, dass die Interessen der Gläubigergemeinschaft nicht hinreichend Berücksichtigung fänden. Das Tatbestandsmerkmal der Gleichwertigkeit dient letztlich dem schonenden Ausgleich zwischen den gegenläufigen Interessen von Gläubigergemeinschaft, Schuldner und künftiger Vertragspartner. Daher ist auch die Aussage zutreffend, dass die Gleichwertigkeit das Bargeschäftsprivileg zwar nicht begründen, wohl aber legitimieren könne.287 Da die Privilegierung von Bargeschäften durch die konkrete Rechtsfolge des § 142 Abs. 1 InsO ex post letztlich auf Kosten der Gläubigergemeinschaft geht, erscheint es nur angemessen und als Ausdruck eines allgemein verträglichen Kompromisses, wenn nur solche Rechtsgeschäfte privilegiert werden, bei denen nicht bereits von vornherein eine Benachteiligung der Gläubigergemeinschaft angelegt ist.288 Des Weiteren kann auch nur 281

BT-Drucks. 12/2443, S. 167; Bartels, Leistungen Dritter, S. 193; Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 384; KK-InsO/Mohr, § 142 InsO Rn. 37; HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 142 InsO Rn. 15; BeckOK-InsO/Schoon, § 142 InsO Rn. 14. 282 Bertram, Durchsetzbarkeit von Sicherheiten, S. 208 f.; Bräuer, Bargeschäfte, S. 81. 283 K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 0115. 284 Jaeger-InsO/Henckel, § 142 InsO Rn. 6; HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 142 InsO Rn. 16; a. A. Bartels, Leistungen Dritter, S. 193, der auf die Vollendung der zweiten Rechtshandlung i. S. d. § 140 Abs. 1 InsO abstellt. 285 Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 37 f.; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 13; Raschke, Funktion und Abgrenzung des § 142 InsO, S. 82; BeckOK-InsO/ Schoon, § 142 InsO Rn. 14; K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 0116. 286 Vgl. Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 386. 287 Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 384 f.; vgl. auch Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 15 f., der in sämtlichen Tatbestandsmerkmalen einen Ausgleich widerstreitender Interessen erkennt. 288 Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 384 f.

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

durch den Zufluss gleichwertiger Gegenleistungen der wirtschaftliche status quo hinreichend gesichert werden. Damit ist zugleich ebenfalls festgestellt, dass die Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung als ein Tatbestandsmerkmal zum Schutze der Gläubigergemeinschaft aufgefasst werden kann, sodass Zweifel an der Gleichwertigkeit konsequent zu Lasten des Anfechtungsgegners gehen müssen.289 Fraglich ist allerdings, ob diese Erkenntnis generell für eine strengere Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Gleichwertigkeit streitet, sodass eine teilweise befürwortete Befriedigungstauglichkeit bzw. Massenützlichkeit der Gegenleistung zusätzlich für die Gleichwertigkeit erforderlich wäre. Beide Begriffe werden in der Diskussion teilweise miteinander vermengt, wobei sinnvollerweise zu differenzieren ist: Nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis haben beide Begriffe zunächst gemein, dass die vom Anfechtungsgegner erbrachte Leistung der späteren Verwertung durch die Gläubigergesamtheit nicht offensteht. Der Unterschied liegt allerdings in den jeweiligen Gründen für die fehlende Verwertbarkeit. So ist nach dem hier zugrunde gelegten Verständnis eine Gegenleistung befriedigungsuntauglich, wenn die vom Anfechtungsgegner erbrachte Gegenleistung aus rechtlichen Gründen nicht verwertet werden kann. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der vom Schuldner erworbene Gegenstand gemäß § 36 InsO i. V. m. § 811 ZPO in das unpfändbare Vermögen des Schuldners fällt und daher (aus rechtlichen Gründen) dem Zugriff der Gläubiger entzogen ist (1.). Demgegenüber meint Masseunnützlichkeit, dass die Gegenleistung zwar grundsätzlich Bestandteil der Masse wird, allerdings aus tatsächlichen Gründen von den Gläubigern nicht verwertet werden kann. Das ist beispielsweise bei Dienstleistungen der Fall (2.). Die wohl am kontrovers diskutierteste Fallgruppe der Masseunnützlichkeit stellt die Vergütung erfolgloser Sanierungsberatungen dar. Ex post betrachtet hat die Beratung aufgrund ihrer Erfolglosigkeit der Masse nichts gebracht. Fraglich erscheint daher, ob und inwieweit der nachträglich festgestellte, fehlende Nutzen die Gleichwertigkeit der erbrachten Beratungsleistung beeinflusst oder gar kategorisch ausschließt. Aufgrund der vielfältigen Einzelfragen dieser Fallkonstellation bedarf es einer gesonderten Analyse (3.). Zuletzt ist in diesem Zusammenhang noch auf die Haftung des Geschäftsleiters für Zahlungen nach Insolvenzreife gemäß § 64 Abs. 1 GmbHG a. F. bzw. § 15b Abs. 4 S. 1 InsO einzugehen290, denn die dort geltenden Grundsätze hinsichtlich der Verwertbarkeit einer Gegenleistung könnten möglicherweise auch für das Bargeschäft zwingend sein (4.).

289 Das ergibt sich allerdings auch aus der Beweislastverteilung, der zufolge der Bargeschäftsgläubiger für die Voraussetzungen des § 142 Abs. 1 InsO beweisbelastet ist, vgl. BGH NJW 2008, 430, 435; NJW 2010, 2585, 2587; NZI 2012, 667, 671; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 33; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 39. 290 Bzw. §§ 92 Abs. 2, 93 Abs. 3 Nr. 6, 116 AktG oder § 130a Abs. 1 HGB.

E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO

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1. Erfordernis einer Befriedigungstauglichkeit der Gegenleistung Fraglich ist zunächst, ob für die Gleichwertigkeit der vom Anfechtungsgegner erbrachten Gegenleistung stets auch die spätere Verwertbarkeit durch den Insolvenzverwalter zugunsten der Gläubigergemeinschaft erforderlich sein muss. Das wird teilweise mit Verweis auf den Ausnahmecharakter und der damit gebotenen restriktiven Auslegung bejaht. Nur im Falle einer Befriedigungstauglichkeit könne von einem haftungsrechtlich neutralen Vorgang gesprochen werden, wobei die Haftungsneutralität einer der entscheidenden Rechtfertigungsgründe für das Bargeschäftsprivileg sei.291 Die h. L. lehnt diese Ansicht zu Recht ab und verweist darauf, dass andernfalls Lieferanten unpfändbarer Gegenstände ungerechtfertigterweise benachteiligt würden.292 Für die Mindermeinung spricht zwar zunächst der Gedanke, dass die Gleichwertigkeit sich als gläubigerschützendes Tatbestandsmerkmal verstehen ließe.293 Es wäre also durchaus konsequent, zugunsten der Gläubigergesamtheit zusätzlich zur wertmäßigen Ausgeglichenheit des Geschäfts auch noch eine Verwertbarkeit der Gegenleistung zu verlangen. So geht schließlich auch die h. L. im Rahmen von §§ 129 Abs. 1 bzw. 132 Abs. 1 InsO davon aus, dass eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung nur dann entfällt, wenn die gleichwertige Gegenleistung einer Verwertung offensteht294, sodass ein argumentativer Widerspruch damit nicht zu leugnen ist.295 Im Ergebnis ist der h. L. allerdings dennoch zuzustimmen. Denn bei der Auslegung des Tatbestandsmerkmals der Gleichwertigkeit sind neben den Interessen der Gläubigergemeinschaft auch die des potenziellen Vertragspartners und des Schuldners zu berücksichtigen. Käme es auf die Verwertbarkeit der Gegenleistung an, würden diejenigen Vertragspartner vom Schuldner Abstand nehmen, auf die der Schuldner in größter Not besonders angewiesen ist. So formulierte Ernst Jaeger bereits im Jahre 1914, dass „angemessene Baraufwendungen, die der Schuldner während der Krisis für seine eigene Person oder seine Familie macht, wie der Ankauf von Lebensmitteln oder Kleidern, die wissenschaftliche Unterweisung und die

291 Bräuer, Bargeschäfte, S. 81, 90; vgl. insbesondere Raschke, Funktion und Abgrenzung des § 142 InsO, S. 87, der die Gleichwertigkeit von der Einlagefähigkeit der Gegenleistung i. S. d. Gesellschaftsrechts abhängig macht. 292 K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 43; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 25; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 13; Graf-Schlicker/M. Huber, § 142 InsO Rn. 3; HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 142 InsO Rn. 2; BeckOK-InsO/Schoon, § 142 InsO Rn. 16; a. A. Ganter, ZIP 2019, 1141, 1145. 293 Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 384 f. 294 Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 129 InsO Rn. 242; Jaeger-InsO/Henckel, § 129 InsO Rn. 95; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 129 InsO Rn. 116; KK-InsO/Mohr, § 129 InsO Rn. 153; zum alten Recht Jaeger-KO/Henckel, § 30 KO Rn. 104; a. A. wohl Nerlich/Römermann/Nerlich, § 129 InsO Rn. 74. 295 So auch Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 385.

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ärztliche Beratung, daher ebenfalls unanfechtbar [bleiben].“296 Zwar sind diese Beispiele originär auf das Privat- und nicht das Regelinsolvenzverfahren zugeschnitten. Allerdings unterscheidet das Anfechtungsrecht zum einen nicht zwischen Privat- und Regelinsolvenzverfahren. Zum anderen kommt es aus Sicht des potenziellen Vertragspartners auf eine etwaige Unpfändbarkeit auch gar nicht an. Denn der Vertragspartner wird mitnichten im Vorfeld des Vertragsschlusses darauf spekulieren, dass seine Forderung aus dem pfändungsfreien Vermögen des Schuldners stammt. Sinnvollerweise wird er den Vertragsschluss von vornherein meiden, wenn er nicht anderweitig vor einer Erstattung der erhaltenen Leistung geschützt wird.297 Richtigerweise kann es auf die Befriedigungstauglichkeit daher nicht ankommen. Pauschale Verweise auf den restriktiv zu handhabenden Ausnahmecharakter des § 142 InsO vermögen daran nichts ändern.298 2. Erfordernis einer Massenützlichkeit der Gegenleistung Fraglich ist demgegenüber, ob die Gegenleistung für die Masse bzw. die Insolvenzgläubiger wenigstens von Nutzen sein muss.299 Teilweise wird vertreten, dass eine bargeschäftliche Privilegierung ausscheiden müsse, wenn die Gegenleistung aufgrund ihrer Beschaffenheit von vornherein durch die Gläubiger nicht verwertet werden kann.300 Das betrifft vor allem Dienstleistungen. Zwar wird von dieser Mindermeinung betont, dass prinzipiell auch unkörperliche Gegenleistungen Gegenstand eines Bargeschäfts sein könnten. Allerdings seien nur solche Leistungen erfasst, die nachhaltig das Vermögen mehrten, indem sie etwa Verwendungen (beispielsweise Reparaturarbeiten am Betriebsgebäude) oder ersparte Aufwendungen darstellten.301 Dagegen spricht allerdings, dass sich der Gesetzgeber bei der tatbestandlichen Ausgestaltung mit der Unmittelbarkeit gegen eine inhaltliche und für eine zeitliche Grenze entschieden hat.302 Eine Nützlichkeitskontrolle findet bei § 142 InsO daher nicht statt. Allein durch das Erfordernis der zeitlich zügigen Abwicklung des Rechtsgeschäfts ist in inhaltlicher Hinsicht gewährleistet, dass während der Krise keine vom Schuldner allein zu verantwortenden Investitionen in die Zukunft des Unternehmens getätigt werden, die die Befriedigungsaussichten

296 Jaeger, LZ 1914, 1610; Jaeger-KO, § 30 KO Anm. 37a); aktuell auch MüKo-InsO/ Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 13; kritisch Bräuer, Bargeschäfte, S. 36 f. 297 So zutreffend Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 17 f., 33. 298 So aber Bräuer, Bargeschäfte, S. 90 f. 299 So erneut Bräuer, Bargeschäfte, S. 81; Raschke, Funktion und Abgrenzung des § 142 InsO, S. 96 ff. 300 So etwa Ganter, ZIP 2019, 1141, 1145. 301 Raschke, Funktion und Abgrenzung des § 142 InsO, S. 86 ff. 302 Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 391 f., bezeichnet die Unmittelbarkeit als „zweckimmanente Schranke“. Zur Funktion der Unmittelbarkeit weiter unten im Detail Teil 1, E. IV. 1., S. 92 ff.

E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO

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weiter gefährden.303 Gleichzeitig führt dies zu einer höheren Praktikabilität der Norm, denn nur so verstanden können langwierige Auseinandersetzungen über die Nützlichkeit der (gleichwertigen) Gegenleistung vermieden werden.304 Während dies schon zur alten Rechtslage gelten musste, ist spätestens mit der Reform des Anfechtungsrechts unzweifelhaft, dass eine Massenützlichkeit nicht erforderlich ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung hat der Gesetzgeber nunmehr klargestellt, dass es nicht darauf ankommt, ob die in das Vermögen des Schuldners gelangende Gegenleistung den Gläubigern konkreten Nutzen verspricht. Stattdessen sollen bargeschäftliche Austauschgeschäfte grundsätzlich von § 142 Abs. 1 InsO erfasst werden.305 Dem steht auch nicht die Aussage des Gesetzgebers entgegen, der zufolge unlauteres Verhalten im Sinne des § 142 Abs. 1 2. Hs. InsO anzunehmen sei, wenn der Schuldner Vermögen für Leistungen verschleudere, die den Gläubigern unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt nützen könnten.306 Ersichtlich ging es dem Gesetzgeber in erster Linie darum, Fallbeispiele für unlauteres Verhalten zu formulieren und nicht das Tatbestandsmerkmal der Gleichwertigkeit zu präzisieren. Das zeigt sich daran, dass er ausdrücklich auf die Ausgabe von Luxusgütern abstellt.307 Daher kann auch nicht aus der – insoweit möglicherweise widersprüchlich formulierten308 – Gesetzesbegründung geschlossen werden, dass eine generelle Massenützlichkeit der Gegenleistung erforderlich wäre. In Betracht kommt lediglich, dass die Masseunnützlichkeit der Gegenleistung ein Indiz für unlauteres Verhalten darstellt.309 Für die Gleichwertigkeit bleibt es aber dabei, dass eine Nützlichkeit bzw. Verwertbarkeit nicht erforderlich ist.310 3. Sonderfall: Vergütung erfolgloser Sanierungsberatung Obwohl bereits festgestellt wurde, dass Dienstleistungen in gleichem Maße wie Sachleistungen Gegenstand eines Bargeschäfts sein können, bedarf die kontrovers diskutierte Fallkonstellation der Vergütung erfolgloser Sanierungsberatung und sonstiger im Zusammenhang mit einer drohenden Insolvenz erbrachter Dienstleistungen einer genaueren Untersuchung. 303

Bartels, Leistungen Dritter, S. 195; Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 393. HK-InsO/Thole, § 142 InsO Rn. 6, spricht davon, dass eine „generelle und diffuse Nützlichkeitskontrolle“ nicht stattfinde; im Ergebnis so auch Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 33 f. 305 BT-Drucks. 18/7054, S. 19; vgl. auch Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 34; a. A. Ganter, WM 2015, 2117, 2120. 306 BT-Drucks. 18/7054, S. 19. 307 BT-Drucks. 18/7054, S. 19. 308 Näher dazu weiter unten Teil 1, E. V. 1., S. 113 ff. 309 Dazu ebenfalls noch im Detail Teil 1, E. V. 1. a), S. 115 ff. 310 So auch ausdrücklich K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 33; ebenso HmbK-InsO/Rogge/ Leptien, § 142 InsO Rn. 2. 304

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

Spätestens mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens steht fest, dass das Sanierungskonzept und die erfolgte Beratung den Insolvenzgläubigern keinen Mehrwert erbracht hat. Vielmehr hätten sich die Befriedigungsaussichten der Gläubigergemeinschaft ohne die vergütete Sanierungsberatung besser dargestellt, sodass eine (mittelbare) Gläubigerbenachteiligung eingetreten ist.311 Zudem ist der Tätigkeit des Sanierungsberaters immanent, dass er von der wirtschaftlichen Krise des Schuldners Kenntnis hat. Die Zahlung an den Berater unterliegt damit in jedem Fall dem Grunde nach der Kongruenzanfechtung gemäß § 130 Abs. 1 InsO. Bliebe es bei diesem Ergebnis, würde es wohl keine Sanierungsberatung mehr geben, denn kein Berater ließe sich auf ein derartiges Anfechtungsrisiko ein. Das ist sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich unerwünscht. Die Vergütung für Sanierungsberatung – auch wenn sie erfolglos war – muss folglich unter bestimmten Voraussetzungen anfechtungsrechtlich privilegiert sein. Damit ist zwar das Ergebnis bereits vorweggenommen, gleichwohl bereitet aber die rechtliche Begründung durchaus Schwierigkeiten. Bei der Frage nach der Anfechtungsfestigkeit der Vergütung erfolgloser Sanierungsberatung zeigen sich in besonderer Deutlichkeit die völlig konträren Interessen der involvierten Parteien: Auf Gläubigerseite besteht einerseits die berechtigte Sorge, dass der Schuldner die wenigen verbliebenen Finanzmittel für Berater verschwendet und für die Insolvenzmassen schlussendlich überhaupt nichts mehr übrigbleibt. Andererseits muss es aber auch dem Schuldner möglich sein, sich in der Krise beraten zu lassen, um etwaige Sanierungschancen auszuloten und gegebenenfalls durchzuführen. Das kann jedoch nur gelingen, wenn die Vergütung des Beraters für erbrachte Leistungen unabhängig vom späteren Erfolg des Sanierungsversuchs anfechtungsfest ist. Denn das Risiko des Scheiterns, so vielversprechend der Sanierungsversuch auch erscheinen mag, bleibt stets bestehen.312 Die Frage nach der Anfechtbarkeit gescheiterter Sanierungsberatungen ist aber auch deshalb so brisant, weil neben den verschiedenen wirtschaftlichen Interessen mehrere anfechtungsrechtliche Problemfelder relevant werden, die in einer auf Anhieb nur schwer zu überblickenden Wechselbeziehung zueinanderstehen. Zunächst stellt sich die Frage, ob – und wenn ja unter welchen Voraussetzungen – erfolglose Beratungsleistungen gleichwertige Gegenleistungen im Sinne des § 142 Abs. 1 InsO darstellen können. Sodann könnte die Vergütung neben der Kongruenzanfechtung gemäß § 130 Abs. 1 InsO auch auf Grundlage der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 – 3 InsO angefochten werden. § 133 Abs. 1 – 3 InsO bildet jedoch einerseits eine äußere Grenze des § 142 InsO und andererseits wird das Bargeschäft selbst – in der Terminologie der „bargeschäftsähnlichen Lage“ – wiederum als entkräftendes Indiz gegen das Vorliegen der Gläubigerbenachteiligungsabsicht und der korrespondierenden Gläubigerkenntnis im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO 311 312

BGH NZI 2002, 602, 603. Ganter, WM 2009, 1441, 1450; KK-InsO/Mohr, § 142 InsO Rn. 81.

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angesehen.313 Es kommt also zwangsläufig zu Überschneidungen beider Normen, wobei die sachgerechte Beantwortung der relevanten Fragestellungen in beiden Fällen mit den Erfolgsaussichten des Sanierungskonzepts zum Zeitpunkt seiner Erstellung steht und fällt. Für die Frage der Gleichwertigkeit im Sinne des § 142 Abs. 1 InsO gilt, dass die Beratungsleistung sich zunächst einmal daran zu orientieren hat, was vertraglich zwischen Schuldner und Berater vereinbart wurde. Die Sanierungsberatung als Sammelbegriff deckt eine Fülle an Tätigkeiten ab, die anfechtungsrechtlich differenziert werden müssen. Es gibt nicht nur die eine Form der Sanierungsberatung.314 Sollte der Berater lediglich Sanierungschancen bewerten, und hat er dies zu einer objektiv angemessenen Vergütung getan, dann kann der Beratung nicht die Gleichwertigkeit mit dem Argument versagt werden, dass diese für die Masse ex post nicht gewinnbringend war. Das ist im Übrigen genau genommen aber keine Besonderheit bei gescheiterten Sanierungsbemühungen, sondern gilt für sämtliche Benachteiligungen, die erst mittelbar eintreten.315 Eine angemessene Vergütung ist dabei in jedem Fall dann anzunehmen, wenn der Rechtsanwalt oder der Wirtschaftsprüfer nach einer Gebührenordnung abgerechnet hat.316 Das ist aber nicht zwingend. Andernfalls müsste der Schuldner sich einen Berater suchen, der zur Übernahme des Mandats nur gegen die gesetzliche Gebühr bereit ist, obwohl auch der in die Krise geratene Schuldner Anspruch darauf hat, den Anwalt seines Vertrauens hinzuziehen zu dürfen.317 Dasselbe muss dem Grunde nach auch für den Fall gelten, dass der Berater ein vollständiges Sanierungskonzept entwerfen sollte. Wurde das Konzept lege artis erstellt und dafür eine angemessene Vergütung vom Schuldner gezahlt, darf die Anfechtung ebenfalls nicht an der Gleichwertigkeit scheitern – und das unabhängig davon, ob die Sanierung schlussendlich geglückt ist oder nicht.318 Das Scheitern des Sanierungsversuchs ist also unter keinen Umständen mit fehlender Gleichwertigkeit gleichzusetzen. Anders verhält es sich nur, wenn sich bereits bei der Erstellung des Sanierungskonzepts objektiv herausstellt, dass eine Sanierung aussichtlos ist. Dann hätte es im Vorhinein zu keiner Erarbeitung und Umsetzung des Sanierungskonzepts kommen dürfen, und eine derartige Leistung wäre mit dem Tatbestandsmerkmal der Gleichwertigkeit nicht in Einklang zu bringen. Mit der Beauftragung zur Erstellung eines Sanierungskonzept ist jedenfalls auch eine ge-

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Thole, ZIP 2015, 2145, 2152. Zutreffende Differenzierung bei Thole, ZIP 2015, 2145, 2153. 315 Thole, ZIP 2015, 2145, 2154 mit dem Beispiel, dass vom Schuldner zu einem angemessenen Preis erworbene Ware verbraucht wird oder nicht mehr zum Ursprungspreis verwertet werden kann. 316 BGH NJW 1959, 147. 317 BGH NJW 1980, 1962, 1963. Der BGH hielt sogar ein im Vergleich zur Gebührenordnung zehnfach höheres Honorar nicht von vornherein für unangemessen. 318 BGH NZI 2002, 602, 603; 2008, 659, 661; eine analoge Anwendung befürwortend Bräuer, Bargeschäfte, S. 139 ff. 314

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nerelle Erfolgstauglichkeit geschuldet.319 Auf die subjektive Erwartung oder Vorstellung des Beraters kommt es an dieser Stelle hingegen nicht an. 4. Kein Widerspruch zur Geschäftsleiterhaftung gemäß § 64 S. 1 GmbHG a. F. bzw. § 15b Abs. 4 S. 1 InsO Gemäß § 64 S. 1 GmbHG a. F. ist der Geschäftsführer einer GmbH zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung der Überschuldung geleistet werden. Ähnliche Vorschriften existierten bis zum 31. 12. 2020 auch für andere Rechtsformen (vgl. §§ 92 Abs. 2 AktG a. F., 130a Abs. 1 HGB a. F., 99 GenG a. F.). Mit dem am 01. 01. 2021 in Kraft getretenen Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts (SanInsFoG)320 hat der Gesetzgeber die verschiedenen gesellschaftsrechtlichen Kodifikationen der Zahlungsverbote aufgehoben und mit § 15b InsO zu einer allgemeinen und rechtsformneutralen Vorschrift zusammengefasst. Zugleich wurde die Organhaftung durch die Integration in die InsO rechtssystematisch mit den Regelungen zur Insolvenzantragspflicht zusammengeführt.321 An dem gesellschaftsrechtlichen Zahlungsverbot hat sich, abgesehen von kleineren Modifikationen, im Grundsatz nichts geändert. Nach alter wie neuer Rechtslage haftet ein Geschäftsleiter grundsätzlich persönlich, wenn er trotz Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung seiner Gesellschaft weiter Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen anweist. Die Geschäftsleiterhaftung bzw. Organhaftung gemäß § 64 S. 1 GmbHG a. F. bzw. § 15b Abs. 4 S. 1 i. V. m. Abs. 1 InsO steht in einem gewissen Spannungsverhältnis zum Bargeschäftsprivileg. Während die §§ 64 S. 1 GmbHG a. F., 15b Abs. 4 S. 1 InsO Zahlungen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit grundsätzlich verhindern wollen, erlaubt und fördert § 142 InsO das Weiterwirtschaften trotz der Krise.322 Kein vernünftiger und gut beratener Geschäftsführer eines in die Krise geratenen Unternehmens würde aber freiwillig den Geschäftsbetrieb nach Eintritt der Krise fortführen, wenn er selbst im Falle von Bargeschäften persönlich haftete.323 Rechtsgeschäfte, die in der Insolvenz möglicherweise anfechtungsrechtlich privilegiert wären, werden von Geschäftsführern aufgrund des Haftungsrisikos also teilweise im Vorfeld schon gar nicht vorgenommen.324 Das erscheint widersprüchlich und könnte für eine tatbestandliche Angleichung beider Rechtsinstitute sprechen.325 319 Zu den Anforderungen an ein Sanierungskonzept vgl. BGH ZIP 2016, 1235, 1236; ZIP 2018, 1794 f., überzeugende Ausführungen dazu bei Thole, ZIP 2015, 2145, 2153 f.; zum alten Recht auch schon Jaeger-KO/Henckel, § 30 KO Rn. 116. 320 Gesetz vom 22. 12. 2020, BGBl. I Nr. 66, S. 3256. 321 BR-Drucks. 619/20, S. 224 f. 322 So ausdrücklich BGH NZG 2017, 1034, 1035 f. 323 Vgl. zum sog. Principal-Agent-Konflikt Jansen, Verhaltenssteuerung, S. 15 ff.; Buth/ Hermanns/Wilden, § 2 Rn. 7. 324 Ähnlich Scholz-GmbHG/Bitter, § 64 GmbHG Rn. 170.

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Dieses Spannungsverhältnis beider Rechtsinstitute hatte der BGH bereits relativ früh identifiziert und im Jahre 2000 erstmals erwogen, dass eine Haftung nach § 64 S. 1 GmbHG a. F. möglicherweise ausscheiden müsse, wenn der Vermögensabfluss durch den Zufluss einer Gegenleistung kompensiert werde.326 In nachfolgenden Entscheidungen präzisierte der BGH seine Rechtsprechung und stellte ausdrücklich fest, dass eine ungekürzte Haftung der Geschäftsführung mit dem Massebereicherungsverbot nicht vereinbar sei, wenn die Zahlung durch einen Vermögenszufluss wieder kompensiert werde.327 Auf den ersten Blick scheint dies genau dem Fall eines Bargeschäfts gemäß § 142 Abs. 1 InsO zu entsprechen, demzufolge eine Anfechtung nur bei wertausgeglichenen Geschäften ausgeschlossen ist. Allerdings stellt der BGH im Rahmen der Geschäftsleiterhaftung seit jeher strengere Anforderungen an die Gegenleistung. So hatte der BGH zunächst entschieden, dass Gegenleistungen nur dann berücksichtigungsfähig seien, wenn sie zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch in der Masse vorhanden sind, und einer Verwertung durch die Gläubigergemeinschaft offenstehen.328 Diese Rechtsprechung hat er zwar später gelockert und entschieden, dass eine Gegenleistung auch dann zu berücksichtigen sei, wenn sie bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mehr vorhanden ist.329 Jedoch setzt der BGH unabhängig von einem späteren Vermögensabfluss voraus, dass für die Verrechnung die Gegenleistung jedenfalls zwischenzeitlich einer Verwertung durch die Gläubigergemeinschaft offen gestanden haben muss – in anderen Worten massenützlich und befriedigungstauglich war.330 Damit gelten für die Berücksichtigung von in die Masse geflossenen Gegenleistungen beim Bargeschäft und bei der Organhaftung jeweils unterschiedliche Maßstäbe. In Betracht kommt daher, dass sich die zuvor vertretene These, beim Bargeschäftsprivileg komme es auf eine Verwertbarkeit der Gegenleistung nicht an, als unzutreffend erweist, weil der für die Geschäftsleiterhaftung insoweit strengere Maßstab auch für das Bargeschäftsprivileg gelten muss. Das ist im Ergebnis allerdings nicht der Fall, weil einerseits das Bargeschäft und die Geschäftsleiterhaftung jeweils unterschiedliche Zwecke verfolgen, die die unterschiedlichen Maßstäbe rechtfertigen (a)). Andererseits kommt es im Hinblick auf die konkrete Rechtswirkung beider Rechtsinstitute nur zu geringfügigen Überschneidungen, sodass sich auch nicht aus der jeweiligen Reichweite der Normen das Erfordernis eines tatbestandlichen Gleichlaufs ergibt (b)). Durch die Neufassung der 325 So etwa OLG Düsseldorf, NZI 2016, 642, 645; Goette, ZInsO 2005, 1, 5; Kruth, NZI 2014, 981, 982. 326 BGH ZIP 2000, 1896, 1897. 327 BGH ZIP 2003, 1005, 1006; ZIP 2010, 2400, 2402; ZIP 2014, 1523, 1524; ZIP 2015, 71; NZG 2017, 1034, 1035; vgl. auch Scholz-GmbHG/Bitter, § 64 GmbHG Rn. 136; MüKoGmbHG/H.-F. Müller, § 64 GmbHG Rn. 149. 328 BGH NJW 2003, 2316, 2317. 329 BGH ZIP 2015, 71, 72; WM 2020, 2277, 2280. 330 BGH NZG 2017, 1034, 1036; WM 2020, 2277, 2280; so auch OLG München NZI 2017, 723, 725 mit Verweis auf Casper, ZIP 2016, 793, 796 f.; Gehrlein, NZG 2021, 59, 60.

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

Organhaftung und die Verknüpfung mit der Insolvenzantragspflicht stellt sich die Problematik schließlich nicht mehr, sodass die Frage nach der Beschaffenheit der Gegenleistung nur noch für Altfälle relevant ist (c)). a) Sinn und Zweck der Geschäftsleiterhaftung Wie bereits erwähnt, schützt § 142 InsO sowohl den Schuldner in dessen Bestreben den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten als auch dessen Vertragspartner vor einer späteren Anfechtung. Durch den Schutz der Vertragspartner kann die fortgesetzte Teilnahme des Schuldners am Wirtschaftsverkehr gelingen, was schließlich auch der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung dient.331 Demgegenüber ist der Normzweck der Geschäftsleiterhaftung bzw. Zahlungsverbote im Einzelnen zwar umstritten. Hauptsächlich wird die Aufgabe jedoch im Masse- und Gläubigerschutz gesehen, wobei die Perspektiven teilweisen variieren.332 So wird einerseits darauf abgestellt, durch den § 64 S. 1 GmbHG a. F. erfolge eine Verhaltenssteuerung des Geschäftsführers dahingehend, schnellstmöglich einen Insolvenzantrag zu stellen, indem alle weiteren Zahlungen nach Insolvenzreife dessen persönlicher Haftung unterliegen.333 Andererseits diene sie dazu, den durch die Zahlung erfolgten Mittelabfluss – ähnlich wie die Insolvenzanfechtung – der Gesellschaft und somit auch der Masse wieder zuzuführen, sodass die Befriedigungsaussichten der Gläubigergesamtheit insgesamt nicht geschmälert werden.334 Auch nach Auffassung des BGH diene das Zahlungsverbot dem Erhalt der verteilungsfähigen Vermögensmasse einer insolventen Gesellschaft zum Wohle der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung.335 Nur vereinzelt wird demgegenüber vertreten, dass das originäre Ziel des Zahlungsverbots nicht im Masseschutz, sondern im Schutz des Gesellschaftsvermögens zu sehen sei, und der Schutz der Befriedigungsaussichten der Gläubiger allenfalls einen bloßen Rechtsreflex darstelle.336 Was all diesen Auffassungen gemein ist, ist letztlich die Erwägung, dass eine frühzeitige Insolvenzantragstellung und -eröffnung ohne weitere verlustträchtige Zahlungen seitens der Geschäftsführung der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung dient.337 331 Vgl. oben Teil 1, B. II., S. 26 ff.; konkret im Vergleich zur Organhaftung vgl. BGH NZG 2017, 1034, 1036. 332 Vgl. zu den jeweiligen Auffassungen Scholz-GmbHG/Bitter, § 64 GmbHG Rn. 17 ff.; zu den dogmatischen Streitpunkten Altmeppen, ZIP 2020, 937. 333 Baumbach/Hueck/Haas, § 64 GmbHG Rn. 3; COVInsAG/Schmidt/Morgen/Schröder/ Rogge/Leptien, § 2 Rn. 69. 334 Goette, ZInsO 2005, 1, 3; BeckOK-GmbHG/Mätzig, § 64 GmbHG Rn. 4. 335 BGH ZIP 2007, 1006 f.; NZG 2014, 149, 150; ZIP 2015, 71; WM 2020, 2277, 2281; ebenso MüKo-GmbHG/H.-F. Müller, § 64 GmbHG Rn. 1; Knittel/Schwall, NZI 2013, 782; BeckOK-GmbHG/Mätzig, § 64 GmbHG Rn. 4; COVInsAG/Schmidt/Morgen/Schröder/Rogge/ Leptien, § 2 Rn. 45. 336 So z. B. OLG Hamm ZIP 2012, 2106. 337 Altmeppen-GmbHG/Altmeppen, § 64 GmbHG Rn. 1; Scholz-GmbHG/Bitter, § 64 GmbHG Rn. 28; ebenso Strohn, NZG 2011, 1161, 1166.

E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO

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Im Gegensatz zu § 142 InsO ist die Geschäftsleiterhaftung damit ausschließlich auf den Schutz der Gläubigergemeinschaft ausgerichtet und schützt diese vor einer Benachteiligung infolge der Verminderung der Aktivmasse.338 Begrenzt wird die Geschäftsleiterhaftung allein durch die systemimmanente Schranke des Massebereicherungsverbots, d. h. der Anspruch aus § 64 S. 1 GmbHG a. F. darf der Masse nicht mehr gewähren, als ihr ursprünglich ohne die Zahlung des Geschäftsführers zugestanden hätte – es findet insoweit ein dem Schadensersatzrecht vergleichbarer Vorteilsausgleich statt.339 Dienstleistungen, der Bezug von Energie oder die Bereitstellung von Internet führen jedoch zu keiner Erhöhung der Aktivmasse und können daher den Masseabfluss auch nicht ausgleichen.340 Insoweit ist es also konsequent, wenn hinsichtlich der Berücksichtigung von Gegenleistungen bei der Geschäftsleiterhaftung im Sinne des § 64 S. 1 GmbHG a. F. strengere Maßstäbe gelten als beim Bargeschäftsprivileg.341 b) Unterschiedliche Reichweite von Geschäftsleiterhaftung und Bargeschäftsprivileg Die unterschiedlichen Maßstäbe führen schließlich aber auch in der konkreten Rechtsanwendung zu keinen widersprüchlichen Ergebnissen, weil die Überschneidungen von Geschäftsleiterhaftung und Bargeschäftsprivileg tatsächlich geringer sind, als der erste Anschein suggeriert. Zwar zeitigt § 142 InsO seine konkreten Rechtsfolgen erst in der materiellen Insolvenz des Schuldners, indem ausnahmsweise die Anfechtung gemäß §§ 130, 131 InsO ausgeschlossen wird.342 Durch seine präventive Rechtswirkung ex ante reicht § 142 InsO aber gleichzeitig bereits weit ins Vorfeld der materiellen Krise und verhindert durch die Schaffung von Rechtssicherheit zugunsten potenzieller Vertragspartner, dass aus einer prekären Lage beim Schuldner eine aussichtlose wird.343 § 64 S. 1 GmbHG a. F. wird demgegenüber ausschließlich ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung relevant und bezieht sich damit im Gegensatz zum Bargeschäftsprivileg auf einen zeitlich sehr viel begrenzteren Zeitraum, sodass sich Überschneidungen erst ab Eintritt der Zahlungsunfähigkeit ergeben. Das führt aber zu keinem Konkurrenzverhältnis beider Rechtsinstitute, sondern vielmehr er338

BGH ZIP 2000, 1896, 1897; NJW 2008, 2504; NZG 2017, 1034, 1035; WM 2020, 2277, 2282; Baumbach/Hueck/Haas, § 64 GmbHG Rn. 10; MüKo-GmbHG/H.-F. Müller, § 64 GmbHG Rn. 1; BeckOK-GmbHG/Mätzig, § 64 GmbHG Rn. 4. 339 BGH NZG 2017, 1034, 1035; Henssler/Strohn/Arnold, § 64 GmbHG Rn. 20 ff. 340 BGH NZG 2017, 1034, 1036 mit Verweis auf Fölsing, KSI 2015, 70, 73. 341 BGH NZG 2017, 1034, 1036; zustimmend Altmeppen, ZIP 2017, 1833, 1834; ders., ZIP 2020, 937, 941 f.; Casper, ZIP 2016, 793, 796 f.; MüKo-GmbHG/H.-F. Müller, § 64 GmbHG Rn. 149; COVInsAG/Schmidt/Morgen/Schröder/Rogge/Leptien, § 2 COVInsAG, Rn. 45; a. A. OLG Düsseldorf NZI 2016, 642, 645. 342 Vgl. zum Verhältnis von § 142 InsO zu § 131 InsO Teil 1, C. III. 2., S. 52 ff. 343 Siehe oben Teil 1, A., S. 19 ff. und Teil 1, B. I. 2., S. 24 ff.

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

gibt sich aus den zeitlich jeweils unterschiedlichen Dimensionen eher ein funktionales Zusammenspiel.344 Während das Bargeschäftsprivileg auf die Gegenleistung fokussiert ist und den Vertragspartner im Vorfeld des Vertragsschlusses vor einer Anfechtung schützt, haftet der Geschäftsführer gemäß § 64 S. 1 GmbHG a. F. für solche Bargeschäfte, die nach Eintritt der materiellen Krise abgewickelt wurden und mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes nicht vereinbar sind. Für den Zeitraum der materiellen Krise trägt der Geschäftsführer damit die persönliche Verantwortung, welche Rechtsgeschäfte noch Gegenstand eines Bargeschäfts werden sollen. Das ist keineswegs unverhältnismäßig, da der Geschäftsführer alternativ jederzeit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens beantragen kann.345 Zugunsten des Geschäftsführers kommt außerdem hinzu, dass die Haftung gemäß § 64 S. 2 GmbHG a. F. ausgeschlossen ist, wenn die Zahlung mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar war. Zwar bezieht sich § 64 S. 2 GmbHG a. F. vor allem auf Zahlungen, die kraft Gesetzes geleistet werden müssen, wie Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung oder die Erfüllung steuerlicher Forderungen.346 Ausgehend von der ratio legis der Zahlungsverbote werden darüber hinaus aber auch solche Zahlungen von der Haftung ausgenommen, die zugunsten der Gläubiger Nachteile von der Masse abwenden, indem sie der vorübergehenden Fortführung des Betriebs dienen.347 Dazu können Zahlungen von Strom-, Wasser-, Heiz-, Internet-, Lohn-, Miet- oder Steuerschulden und auch die Zahlung von Löhnen gehören, die der Aufrechterhaltung des Betriebes dienen und ohne die Fortführungs- und Sanierungschancen zunichte gemacht würden.348 Unter Umständen kann daher sogar auch eine der Höhe nach angemessene Vergütung von Sanierungsberatungsleistungen gemäß § 64 S. 2 GmbHG a. F. privilegiert sein, wenn dadurch andernfalls drohende größere Nachteile abgewendet werden.349 344

Ähnlich auch Altmeppen, ZIP 2017, 1833, 1834; vgl. demgegenüber Scholz-GmbHG/ Bitter, § 64 GmbHG Rn. 51, der eine großzügigere Auslegung von § 64 S. 2 GmbHG a. F. befürwortet, um die verbleibenden Überschneidungen vor allem im Eröffnungsverfahren zu vermeiden. 345 Vgl. BGH NZG 2017, 1034, 1035. 346 Henssler/Strohn/Arnold, § 64 GmbHG Rn. 27 f.; Buth/Hermanns/d’Avoine, § 32 Rn. 45 ff.; Grundgedanke der Regelung ist nach h. M. die andernfalls bestehende Pflichtenkollision zulasten des Geschäftsführers, vgl. dazu BGH NJW 2007, 2118, 2120; NJW 2008, 2504, 2505; NZI 2011, 196 f.; BeckOK-GmbHG/Mätzig, § 64 GmbHG Rn. 58; MüKoGmbHG/H.-F. Müller, § 64 GmbHG Rn. 155 f.; kritisch Scholz-GmbHG/Bitter, § 64 GmbHG Rn. 171 ff.; Baumbach/Hueck/Haas, § 64 GmbHG Rn. 94 ff. 347 Henssler/Strohn/Arnold, § 64 GmbHG Rn. 29; Baumbach/Hueck/Haas, § 64 GmbHG Rn. 89. 348 Henssler/Strohn/Arnold, § 64 GmbHG Rn. 29; MüKo-GmbHG/H.-F. Müller, § 64 GmbHG Rn. 154; Baumbach/Hueck/Haas, § 64 GmbHG Rn. 91; Scholz-GmbHG/K. Schmidt, 11. Aufl., § 64 GmbHG Rn. 52; Knittel/Schwall, NZI 2013, 782, 784; BeckOK-GmbHG/ Mätzig, § 64 GmbHG Rn. 55. 349 Jedenfalls dem Grunde nach für zulässig erachtend BGH NZG 2007, 678, 679; MüKoGmbHG/H.-F. Müller, § 64 GmbHG Rn. 154; Strohn, NZG 2011, 1161, 1166; vgl. auch ScholzGmbHG/Bitter, § 64 GmbHG Rn. 51, der sich für eine flexiblere Anwendung des § 64 S. 2 GmbHG a. F. speziell für das Eröffnungsverfahren ausspricht.

E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO

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Dies alles zeigt, dass die Überschneidungen von Geschäftsführerhaftung einerseits und Bargeschäftsprivileg andererseits tatsächlich gering sind, und daher auch keine tatbestandliche Angleichung beider Rechtsinstitute hinsichtlich der Beschaffenheit einer in die Masse geflossenen Gegenleistung erforderlich ist. c) Rechtslage seit dem SanInsFoG Nach neuer Rechtslage stellt sich die soeben dargestellte Problematik nicht mehr in der Schärfe, weil der Gesetzgeber das Zahlungsverbot nunmehr mit der Insolvenzverschleppungshaftung verknüpft hat. Während nach alter Rechtslage das Zahlungsverbot zeitgleich mit der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft eintrat, gelten nunmehr gemäß § 15b Abs. 2 S. 1, Abs. 3 InsO Zahlungen der Geschäftsleitung grundsätzlich als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar, sofern sie innerhalb der drei- bzw. im Falle der Überschuldung sechswöchigen Insolvenzantragsfrist nach § 15a Abs. 1 S. 1, 2 InsO erfolgen. Während der Antragsfrist des § 15a Abs. 1 S. 2 InsO kann der Geschäftsleiter also Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, ohne Haftungsrisiko veranlassen. In ausdrücklichem Widerspruch zur Rechtsprechung des BGH stellt der Gesetzgeber in seiner Begründung dabei klar, dass in dieser Zeit auch Zahlungen für unverwertbare Dienstleistungen mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind.350 5. Zwischenergebnis Das Erfordernis der Gleichwertigkeit ist das Ergebnis eines gesetzgeberischen Kompromisses zwischen den divergierenden Interessen von Schuldner, Gläubigergesamtheit und Vertragspartner bzw. Anfechtungsgegner. Um das Weiterwirtschaften des Schuldners in der Krise zu ermöglichen, bedarf es einer Privilegierung bestimmter Rechtsgeschäfte zugunsten des jeweiligen Vertragspartners und zulasten der Gläubigergemeinschaft. Zwar hat sich im Ergebnis jenes Rechtsgeschäft benachteiligend auf die Befriedigungsaussichten der Insolvenzgläubiger ausgewirkt (andernfalls scheiterte die Anfechtung an § 129 Abs. 1 InsO). Jedoch erscheint die Notwendigkeit, dass der Schuldner auch in der Krise weiterhin Rechtsgeschäfte abschließen können muss, für die Gläubigergemeinschaft dann erträglich, wenn das Rechtsgeschäft nicht bereits von vornherein benachteiligend war.351 Die Gleichwertigkeit im Sinne des § 142 Abs. 1 InsO bemisst sich anhand objektiver Kriterien zum Zeitpunkt des Leistungsaustauschs. Das gilt vor allem auch für gescheiterte Sanierungsberatungsleistungen. Sofern diese nicht von vornherein evident aussichtlos waren und angemessen vergütet wurden, kann der Insolvenz350 BR-Drucks. 619/20, S. 226; vgl. dazu auch Gehrlein, DB 2020, 2393 ff.; Göb/Nebel, NZI 2021, 17 f.; Scholz-GmbHG/Bitter, § 64 GmbHG Rn. 106.1. 351 K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 0116.

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

verwalter im Nachhinein nicht die Vergütung mit dem Argument anfechten, die Masse hätte ohne die Beratung besser dagestanden. Ob die Vergütung für erfolglose Sanierungsberatung aber möglicherweise nach § 133 Abs. 1 – 3 InsO angefochten werden kann, steht auf einem anderen Blatt.352 Die Gleichwertigkeit einer Gegenleistung im Sinne des § 142 Abs. 1 InsO entfällt nicht dadurch, dass sie nicht dem unmittelbaren Gläubigerzugriff unterliegt. Etwas anderes ergibt sich dabei vor allem auch nicht aus den bis zum 31. 12. 2020 geltenden strengeren Anforderungen für die Geschäftsführerhaftung gemäß § 64 S. 1 GmbHG a. F. Die unterschiedlichen Regelungszwecke der Geschäftsführerhaftung einerseits und des Bargeschäftsprivilegs andererseits rechtfertigen die unterschiedlichen Anforderungen, was auch in der konkreten Normanwendung zu keinen Widersprüchen führt. Mit Inkrafttreten des SanInsFoG am 01. 01. 2021 wurden die gesellschaftsrechtlichen Zahlungsverbote rechtsformneutral in § 15b InsO vereinheitlicht und mit der Insolvenzantragspflicht verknüpft. Während der Antragsfrist sind Zahlungen der Geschäftsleitung, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, in aller Regel und ohne Rücksicht auf eine etwaige Verwertbarkeit einer Gegenleistung zulässig. Nach der neuen Rechtslage gilt hinsichtlich der Beschaffenheit der Gegenleistung somit für die Geschäftsleiterhaftung und das Bargeschäftsprivileg ein einheitlicher Maßstab – eine Verwertbarkeit der Gegenleistung ist nicht erforderlich.

IV. Unmittelbarkeit des Leistungsaustauschs Zuletzt muss die Gegenleistung unmittelbar in das Vermögen des Schuldners gelangt sein. Das Kriterium der Unmittelbarkeit wirft bei der Anwendung des § 142 Abs. 1 InsO insgesamt die größten Schwierigkeiten auf.353 Gemäß der durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vom 29. 03. 2017354 eingeführten Definition in § 142 Abs. 2 S. 1 InsO ist der Austausch von Leistung und Gegenleistung dann unmittelbar, wenn er nach Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt. Damit sind allerdings keine inhaltlichen Neuerungen verbunden, da lediglich die bis dato geltende Rechtsprechung des BGH wortwörtlich kodifiziert wurde.355 Der erforderliche enge Zeitraum muss zwischen Leistung und Gegenleistung bestehen, die Zeit zwischen Forderungsbegründung und anschließender Leistungs352 353 354 355

Siehe dazu Teil 1, E. V., S. 111 ff. Ganter, ZIP 2012, 2037. Gesetz vom 29. 03. 2017, BGBl. I. Nr. 16, S. 654. Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 29a.

E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO

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erbringung ist hingegen irrelevant.356 Schließlich spielt – wie bereits erwähnt – der Zeitpunkt des Vertragsschlusses überhaupt keine Rolle, sodass es beispielsweise nicht darauf ankommt, dass die Verbindlichkeit erst in der Krise hätte begründet werden müssen.357 Weniger klar als bei den klassischen Austauschgeschäften ist der Bezugspunkt für die Unmittelbarkeit bei länger andauernden Vertragsbeziehungen, insbesondere Dauerschuldverhältnissen. Hier muss differenziert werden: Bei Verträgen, die eine längerfristige Vorleistungspflicht einer Partei beinhalten, ist für die Annahme eines Bargeschäfts die Zahlung regelmäßiger Abschlagszahlungen erforderlich. Zu denken ist beispielsweise an Bauverträge und vor allem an die anwaltliche Beratung, die nicht selten über Monate oder gar Jahre andauern kann.358 Insbesondere Anwälte können gemäß § 9 RVG Vorschüsse verlangen.359 Handelt es sich hingegen um ein Dauerschuldverhältnis mit vorher festgelegten oder gesetzlich bestimmten (wiederkehrenden) Fälligkeitsterminen, ist der Anknüpfungspunkt die Fälligkeit. Somit kommt es auf die zeitnahe Erbringung der Gegenleistung nach Eintritt der Fälligkeit an.360 Für Arbeitnehmer muss dies ebenfalls gelten, weil sie im Gegensatz zu Dienstleistern höherer Art regelmäßig nicht in der Lage sind, Abschlagszahlungen oder Vorschüsse durchzusetzen. Damit ist auch bei Lohnzahlungen der Anknüpfungspunkt der Unmittelbarkeit die Fälligkeit des Lohnanspruchs.361 Wie der zeitliche Zusammenhang konkret im Einzelfall zu bestimmen ist, ist bis heute nicht abschließend geklärt und die damit einhergehende Rechtsunsicherheit nicht zufriedenstellend.362 Zur Beseitigung dieser Rechtsunsicherheit muss in einem ersten Schritt die Funktion der Unmittelbarkeit ermittelt werden (1.). Erst wenn gewiss ist, welche Aufgabe dem Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit zukommt, kann der maßgebliche Zeitraum konkretisiert werden (2.).

356

Ganter, ZIP 2012, 2037, 2039; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 InsO Rn. 27; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 26; Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 389; HK-InsO/Thole, § 142 InsO Rn. 7. Das gilt auch für Dienstleistungen, sodass es auf die Zeitspanne zwischen Beginn der Tätigkeit und Vergütung ankommt, weil zu diesem Zeitpunkt der Leistungsaustausch beginnt: vgl. BGH NZI 2002, 602, 603; NJW 2006, 2701, 2704; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 InsO Rn. 32; a. A. Doebert, Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen, S. 151 ff. 357 Siehe oben Teil 1, C. III. 3., S. 64 ff.; vgl. ebenso Bräuer, Bargeschäfte, S. 61; JaegerInsO/Henckel, § 142 InsO Rn. 3; Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 391 f. 358 BGH NJW 2006, 2701, 2704; ZInsO 2008, 101, 102; HK-InsO/Thole, § 142 InsO Rn. 7. 359 K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 116; Doebert, Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen, S. 151; HK-InsO/Thole, § 142 InsO Rn. 7. 360 Zu denken ist etwa an die Miete gem. § 535 BGB: Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 31; Bräuer, Bargeschäfte, S. 63; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 31. 361 Vgl. vor allem dazu Doebert, Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen, S. 151 ff. 362 Vgl. dazu auch die Kritik des Bundesrats im Gesetzgebungsverfahren, BR-Drucks. 495/ 1/15, S. 15 f.

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

1. Funktion der Unmittelbarkeit In der Entwurfsbegründung zu § 161 InsO-E aus dem Jahre 1992 heißt es, zwischen Leistung und Gegenleistung müsse ein enger zeitlicher Zusammenhang bestehen. Zwar sei eine gewisse Zeitspanne unschädlich. Jedoch dürfe das Geschäft unter Berücksichtigung der üblichen Zahlungsbräuche nicht den Charakter eines Kreditgeschäfts annehmen.363 Die Abgrenzung des privilegierten Bargeschäfts zum privilegierungsunwürdigen Kreditgeschäft ist also – jedenfalls dem Gesetzgeber zufolge – scheinbar die Hauptaufgabe der Unmittelbarkeit. Dies haben Rechtsprechung und Kommentarliteratur weitestgehend übernommen.364 Teilweise wird dieser Begründungsansatz jedoch bestritten und als systemwidriges Überbleibsel aus den Anfängen der Entwicklung des Bargeschäfts angesehen.365 Im Ergebnis dient das Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit tatsächlich nicht der Abgrenzung zum Kreditgeschäft (a)), sondern erfüllt gleich mehrere, verschiedene Aufgaben (b)). a) Keine Abgrenzung zum Kreditgeschäft Zu Beginn seiner Entwicklung zeichnete sich das Bargeschäft im Wesentlichen durch das zeitliche Zusammenfallen von Verpflichtungs- und Erfüllungsgeschäft aus. Das RG nahm an, durch die sofortige Erfüllung dürfe die vom Vertragspartner erhaltene Deckung nicht der Anfechtung unterliegen, weil dieser kein Insolvenzrisiko übernommen habe, und daher schon per Definition nicht als Insolvenzgläubiger angesehen werden könne.366 Entscheidend war also die Übernahme von Insolvenzrisiken, die sich durch die Insolvenz des Schuldners realisierten. Das Erfordernis des zeitlichen Zusammenfallens von Forderungsbegründung und -erfüllung wurde wenig später jedoch aufgegeben, und nur noch ein Zug-um-Zug-Austausch bei der Abwicklung des Rechtsgeschäfts verlangt. Es kam also primär auf den schnellen Leistungsaustausch an, wohingegen der Zeitpunkt des Verpflichtungsgeschäfts irrelevant sein sollte.367 Aber selbst das Erfordernis eines Zug-um-Zug-Austauschs wird heute nicht mehr als notwendiger Bestandteil eines Bargeschäfts angesehen. Bereits das RG hatte im Laufe seiner Rechtsprechung erkannt, dass auch solche Rechtsgeschäfte privilegierungswürdig sein können, bei denen eine Zug-um-ZugAbwicklung nicht möglich ist.368 Infolgedessen wurde dieses Erfordernis aufgege363

BT-Drucks. 12/2443, S. 167. Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 27; Bräuer, Bargeschäfte, S. 63; K. Schmidt/ Ganter/Weinland, § 142 InsO Rn. 45; Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 38 f.; Nerlich/Römermann/Nerlich, § 142 InsO Rn. 12; Braun/Riggert, § 142 InsO Rn. 18; HmbKInsO/Rogge/Leptien, § 142 InsO Rn. 8; BeckOK-InsO/Schoon, § 142 InsO S. 17; HK-InsO/ Thole, § 142 InsO Rn. 8; FK-InsO/Wimmer, § 142 InsO Rn. 12. 365 Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 389 f. 366 RGZ 9, 44, 50. 367 RGZ 100, 62, 64; vgl. auch Bräuer, Bargeschäfte, S. 60 f.; Thole, Gläubigerschutz, S. 371. 368 Zu denken ist insbesondere an Dauerschuldverhältnisse wie Dienst- oder Mietverträge. 364

E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO

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ben, und eine gewisse Zeitspanne zwischen Leistung und Gegenleistung generell als unschädlich angesehen.369 Somit war der bargeschäftlichen Privilegierung auch solcher Rechtsgeschäfte der Weg geebnet, die ihrer Natur nach die Vorleistung einer Partei voraussetzen, wie dies beispielsweise bei Dienstleistungen oder Miete der Fall ist.370 Allerdings führten die tatbestandlichen Erweiterungen nicht zu einer Aufgabe des ursprünglichen Kerngedankens des Bargeschäftsprivilegs. Vielmehr blieb es – auch nach der Kodifizierung des Bargeschäfts – bei der Auffassung, im Falle einer zügigen Leistungsabwicklung übernehme der Vertragspartner keine Kredit- bzw. Insolvenzrisiken, sodass deshalb die Anfechtung ausscheiden müsse. Jede Kreditgewährung durch verzögerte Abwicklung schließe daher aufgrund des Normzwecks ein Bargeschäft aus und die Unmittelbarkeit diene nach wie vor allein der Abgrenzung des Bargeschäfts zum privilegierungsunwürdigen Kreditgeschäft.371 Dieser Schlussfolgerung kann – jedenfalls in der von der h. M. vertretenen Absolutheit – nicht zugestimmt werden. Zwar liegt im Falle eines Kreditgeschäfts regelmäßig kein unmittelbarer Leistungsaustausch vor.372 Das ist jedoch allenfalls ein Rechtsreflex bzw. funktioniert der Umkehrschluss nicht. Denn nicht jeder verzögerte Leistungsaustausch ist automatisch ein Kreditgeschäft. Die Unterschiede werden deutlich, wenn konsequent zwischen dem schuldrechtlichen Verpflichtungs- und dem dinglichen Verfügungsgeschäft differenziert wird: So hängt das Vorliegen eines Kreditgeschäfts maßgeblich davon ab, ob im schuldrechtlichen Verpflichtungsgeschäft von der kreditgebenden Seite ein längerfristiger Verzicht auf den Erhalt der Gegenleistung vereinbart wurde.373 Demgegenüber bezieht sich die Unmittelbarkeit allein auf den dinglichen Leistungsaustausch und lässt das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft unberührt – auf den Vertragsschluss kommt es gerade nicht an.374 Es kann daher sein, dass die Parteien zwar schuldrechtlich kurze Zahlungsziele vereinbaren, der anschließende Leistungsaustausch aber schließlich doch längere Zeit in Anspruch nimmt. Die Verzögerung beim Leistungsaustausch führt aber nicht etwa dazu, dass es automatisch zu einer Änderung der schuldrechtlichen Abrede 369

Früh schon RGZ 136, 152, 158 f.; sodann BT-Drucks. 12/2443, S. 167; vgl. dazu auch Lwowski/Wunderlich, FS-Kirchhof, S. 307; ebenso Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 392. 370 Zur bargeschäftlichen Privilegierung von Dienstleistungen vgl. nur Uhlenbruck/Borries/ Hirte, § 142 InsO Rn. 39 ff.; zur Miete vgl. Pape, NZM 2015, 313, 318. 371 BT-Drucks. 12/2443, S. 167; BGH NZI 2002, 602, 603; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 27; FK-InsO/Dauernheim/Blank, § 142 InsO Rn. 12; K. Schmidt/Ganter/ Weinland, § 142 InsO Rn. 45; A/G/R/Gehrlein, § 142 InsO Rn. 17; Jaeger-InsO/Henckel, § 142 InsO Rn. 15; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 26; Graf-Schlicker/M. Huber, § 142 InsO Rn. 4; KK-InsO/Mohr, § 142 InsO Rn. 25; Braun-InsO/Riggert, § 142 InsO Rn. 18; Nerlich/Römermann/Nerlich, § 142 InsO Rn. 11; BeckOK-InsO/Schoon, § 142 InsO Rn. 17; HK-InsO/Thole, § 142 InsO Rn. 8. 372 K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 99. 373 Staudinger/Bittner/Kolbe, § 271 BGB Rn. 16 f.; MüKo-BGB/Krüger, § 271 BGB Rn. 22; zutreffend insoweit auch Bräuer, Bargeschäfte, S. 61. 374 Ähnlich K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 107.

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

käme. Andernfalls könnte der Schuldner dem Gläubiger einseitig eine Vertragsänderung aufdrängen. Allein von der zeitlichen Dauer eines Leistungsaustauschs kann also nicht automatisch auf das Vorliegen eines Kreditgeschäfts geschlossen werden. Hinzu kommt, dass ohnehin nicht trennscharf zwischen einer nach h. M. zulässigen Vorleistung einerseits und einem unzulässigen Kreditgeschäft andererseits differenziert werden kann. Denn auch eine Vorleistung beinhaltet stets die Gefahr, aufgrund einer zwischenzeitlichen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage beim Schuldner, die Gegenleistung nicht mehr zu erhalten.375 Der einzige Unterschied zwischen Vorleistung und Kreditgeschäft ist letztlich, dass bei Kreditgeschäften im klassischen Sinne das Risiko des Verlusts der Gegenleistung für eine längere Zeit übernommen wurde. Da aber die bloße Vorleistung einer bargeschäftlichen Privilegierung nicht entgegenstehen soll, ließe sich die h. M. konsequenterweise paraphrasieren: Auch Kreditgeschäfte können bargeschäftlich privilegiert sein, solange der anschließende Leistungsaustausch nicht über den objektiv zu bestimmenden Zeitraum einer zulässigen Vorleistung hinausgeht.376 So verstanden würden beispielsweise kurzfristige Stundungen einer bargeschäftlichen Privilegierung nicht kategorisch entgegenstehen, sofern die Leistungen immer noch innerhalb eines objektiv zu bestimmenden – und freilich immer noch relativ kurzen – Zeitraums ausgetauscht wurden.377 Die praktischen Auswirkungen dieser Erkenntnis dürften zwar überschaubar sein, weil es sich regelmäßig um Ausnahmefälle handeln dürfte. Unterschätzt werden sollten sie aber auch nicht, denn das Bedürfnis nach kurzfristigen Leistungsaufschüben kann in zahlreichen Konstellationen relevant werden. Zu denken wäre etwa an kurzfristige Lieferengpässe oder an Zahlungsverzögerungen von Drittschuldnern, die zu einer kurzfristigen Verschlechterung der Liquidität führen. Auch der BGH musste sich mit einer solchen Fallkonstellation bereits auseinandersetzen.378 In dem zu entscheidenden Fall war die Schuldnerin eine Veranstalterin von Pauschalreisen und die Beklagte eine Luftverkehrsgesellschaft, die im Auftrag der Schuldnerin Charterflüge durchführte. Aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten gewährte die Beklagte der Schuldnerin für die am 15. Juli fällig werdende Vergütung der im Juli durchgeführten Flüge einen Zahlungsaufschub von einer Woche. Absprachegemäß wurde das Konto der Schuldnerin anschließend am 22. Juli belastet. Obwohl also die im Juli erbrachten Leistungen innerhalb von drei Wochen – und damit verhältnismäßig immer noch zügig – ausgetauscht wurden, verneinte der BGH das Vorliegen eines Bargeschäfts mit der Begründung, dass eine durch Zahlungsschwierigkeiten

375 376 377 378

Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 390. So ebenfalls K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 99. Ähnlich OLG Düsseldorf ZIP 2020, 1091, 1093 f. BGH NZI 2003, 253.

E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO

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bedingte Verzögerung des Leistungsaustauschs das Vorliegen eines Bargeschäfts kategorisch ausschließe.379 Dieser Begründung kann vor dem Hintergrund der vorherigen Ausführungen nicht zugestimmt werden. Denn entgegen der h. M. ist nicht jede liquiditätsbedingte Verzögerung hinderlich für die Annahme eines unmittelbaren Leistungsaustauschs.380 Der BGH hätte vielmehr in einem ersten Schritt objektiv feststellen müssen, welche Zahlungsziele bei Charterflügen abstrakt gelten und in einem zweiten, ob dieses Zahlungsziel eingehalten wurde.381 Es kann zwar sein, dass durchgeführte Charterflüge üblicherweise innerhalb von zwei Wochen bezahlt werden – dann wäre die Entscheidung im Ergebnis richtig. Denkbar ist aber auch, dass das übliche Zahlungsziel in Anlehnung an § 286 Abs. 1 Hs. 2 BGB bei 30 Tagen liegt und somit die zwar verzögerte, aber immer noch innerhalb von drei Wochen erfolgte Zahlung der Schuldnerin, doch noch rechtzeitig war.382 Das hat der BGH fälschlicher Weise überhaupt nicht thematisiert. b) Systemgerechte Funktion der Unmittelbarkeit Wenn die Unmittelbarkeit also nicht allein mit dem Fehlen kreditorischer Elemente erklärt werden kann, muss die Funktion dieses Tatbestandsmerkmals eine andere sein. Das bedeutet allerdings nicht, dass die Unmittelbarkeit dadurch an Relevanz einbüßen würde. Im Gegenteil prägt sie das Erscheinungsbild eines Bargeschäfts ganz entscheidend. Insgesamt kommen dem Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit gleich drei verschiedene, teilweise sich überschneidende Funktionen zu. Zum einen dient die Unmittelbarkeit der inhaltlichen Konkretisierung und Vereinfachung der Normanwendung, indem auf eine abstrakte Definition privilegierungswürdiger Bargeschäfte verzichtet werden kann (aa)). Zum anderen kommt ihr eine Anreizfunktion zu, sodass Vertragspartner zu einer zügigen Leistungserbringung angehalten werden (bb)). Schließlich dient sie dem Schutz potenzieller Vertragspartner, indem sie anhand der Unmittelbarkeit im Vorfeld Anfechtungsrisiken abschätzen und beherrschen können (cc)). aa) Konkretisierungs- und Vereinfachungsfunktion Die Unmittelbarkeit führt als erstes zu einer inhaltlichen Konkretisierung des Anwendungsbereichs, ohne dass es einer abstrakt-generellen Beschreibung der als privilegierungswürdig empfundenen Rechtsgeschäfte bedürfte.383 Das Barge379

BGH NZI 2003, 253, 256 f.; differenzierend nach dem Umfang der Verzögerung OLG Düsseldorf ZIP 2020, 1091, 1093 f. 380 Im Ergebnis wohl auch Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 390 f. 381 Ähnlich K/P/B/Bartels, § 135 InsO Rn. 104. 382 Zur konkreten Bestimmung des maßgeblichen Zeitraums sogleich. 383 Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 391, spricht von einer „zweckimmanenten Schranke“.

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

schäftsprivileg soll die Fortführung des in die Krise geratenen Betriebes ermöglichen und Sanierungschancen aufrechterhalten. Der Gesetzgeber hätte sich bei der Ausgestaltung des § 142 InsO genau für eine solche inhaltliche Umschreibung privilegierungswürdiger Rechtsgeschäfte entscheiden können, sodass beispielsweise nur „Geschäfte, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes“ oder „Geschäfte, die dem Erhalt von Sanierungschancen“ dienen, erfasst würden.384 Anstelle dieser abstrakt-generellen Formulierungen hat er sich aber für ein ungleich praktikableres, zeitliches Kriterium entschieden. Durch das Erfordernis der zügigen Leistungsabwicklung ist in inhaltlicher Hinsicht gewährleistet, dass der Schuldner keine substantiellen Investitionen in die Zukunft tätigt, sondern nur solche Geschäfte abschließt, die in der Regel Gegenstand des Tagesgeschäfts sind. Daher findet auch keine Nützlichkeitskontrolle im Sinne einer Verwertbarkeit der Gegenleistung für die Masse statt, denn die inhaltliche Konkretisierung erfolgt insoweit allein über die Unmittelbarkeit. Dadurch können komplexe und langwierige Streitigkeiten über den Nutzen der Leistung vermieden werden.385 Zugleich kommt der Unmittelbarkeit damit auch eine Vereinfachungsfunktion zu. bb) Anreizfunktion zur schnellen Erbringung der Gegenleistung Zweitens wird durch das Erfordernis der zügigen Leistungsabwicklung ein Anreiz für die Vertragspartner geschaffen, die Gegenleistung zügig zu erbringen. Dadurch kann der für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erforderliche permanente Liquiditätsfluss gewährleistet werden.386 Im Falle einer Vorleistung des Schuldners ist der Gläubiger aufgrund der andernfalls bestehenden Anfechtungsrisiken angehalten, seine Leistung rechtzeitig zu erbringen, um in den Genuss des Bargeschäftsprivilegs zu gelangen. Dadurch erhält der Schuldner die Gegenleistung schnellstmöglich und kann mit dieser wirtschaften. Ein weiterer positiver Effekt ist dabei, dass sich eine Vorleistung des Schuldners regelmäßig für die Masse als ungefährlich darstellt, weil der Vertragspartner aufgrund des Anfechtungsrisikos und der damit einhergehenden Gefahr, die erhaltene Gegenleistung schlussendlich der Masse erstatten zu müssen, alles daransetzen wird, seine Leistungspflicht schnellstmöglich zu erfüllen.387 So verstanden kann auch ein Bezug zur ratio legis des § 142 InsO und zum Tatbestandsmerkmal der Gleichwertigkeit hergestellt 384

Eine ähnliche Formulierung hatte auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme zum Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vorgeschlagen – allerdings anstelle des Merkmals der erkannten Unlauterkeit, vgl. BR-Drucks. 495/15, ZInsO 2015, 2525, 2527. 385 Dass eine inhaltliche Beschreibung privilegierungswürdiger Rechtsgeschäfte – z. B. in Form einer generellen „Sanierungstauglichkeit“ – praxisuntauglich wäre, hat sich im Fall „QCells“ des LG Frankfurt a. M., ZIP 2015, 1358, gezeigt, bei dem gerade über die Frage der Erfolgsaussichten eines Sanierungskonzepts über Jahre erbittert gestritten wurde. 386 Ähnlich Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 391. 387 Bartels, Leistungen Dritter, S. 189; dazu auch Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 393, demzufolge der Unmittelbarkeit eine präventive Rechtswirkung zukomme.

E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO

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werden.388 Die Unmittelbarkeit dient parallel zur Gleichwertigkeit der Aufgabe, den wirtschaftlichen status quo des Schuldners zu bewahren. Für die Gleichwertigkeit wurde bereits ausgeführt, dass die Fortführung des schuldnerischen Betriebs aus Gläubigersicht dann erträglich erscheint, wenn dies nur zum Preis gleichwertiger Gegenleistungen erfolgt. Das Versprechen des Zuflusses einer gleichwertigen Gegenleistung bringt allerdings weder dem Schuldner noch der Haftungsrealisierung der Gläubiger etwas, wenn nicht gleichzeitig auch gewährleistet ist, dass die Leistung alsbald in das Vermögen des Schuldners gelangt. Dies wird über das Merkmal der Unmittelbarkeit sichergestellt. cc) Beherrschbarkeit von Anfechtungsrisiken Drittens wird dem Vertragspartner durch die Unmittelbarkeit ermöglicht, ex ante Anfechtungsrisiken zu steuern. Leistet der Schuldner vor, hat der Vertragspartner es selbst in der Hand durch seine zügige (und freilich gleichwertige) Leistungserbringung eine spätere Anfechtung auszuschließen. Die Möglichkeit, durch eigenes Verhalten Anfechtungsrisiken beeinflussen und steuern zu können, ist elementar für den Rechtsverkehr und die Bereitschaft, mit dem in die Krise geratenen Schuldner zu kontrahieren.389 2. Konkrete Bestimmung des maßgeblichen Zeitraums Nachdem festgestellt werden konnte, dass die Unmittelbarkeit nicht der Abgrenzung zum Kreditgeschäft dient, sondern vielmehr den Anwendungsbereich des § 142 InsO inhaltlich konkretisiert und vereinfacht, die Vertragspartner zur schnellen Leistung animiert und schließlich zugunsten der Vertragspartner Anfechtungsrisiken beherrschbar macht, stellt sich die Frage nach der konkreten Bestimmung des maßgeblichen Zeitraums. Unter Berücksichtigung der Funktion der Unmittelbarkeit darf der maßgebliche Zeitraum zum einen nicht zu großzügig bemessen sein, da ansonsten der Schuldner zu lange auf die Gegenleistung warten müsste. Zum anderen darf er aber auch nicht zu streng sein. Andernfalls würden potenzielle Vertragspartner aus Sorge, die strengen Leistungsziele nicht erfüllen zu können und sich dadurch der Gefahr einer Insolvenzanfechtung auszusetzen, den Schuldner eher meiden. Für die konkrete Bestimmung des maßgeblichen Zeitraums muss zunächst geklärt werden, ob allgemeine Faktoren existieren, die sich auf die Unmittelbarkeit auswirken und als Anhaltspunkte für die Bestimmung herangezogen werden können (a)). Im Anschluss daran ist konkret zu klären, was mit Art der ausgetauschten 388 Vgl. zur ratio legis des § 142 oben Teil 1, B., S. 20 ff. und zur Gleichwertigkeit Teil 1, E. III., S. 76 ff. 389 Vgl. dazu bereits oben Teil 1, B. I. 3., S. 25 ff.

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

Leistungen unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs gemeint ist (b)). a) Relevante Faktoren zur Bestimmung des maßgeblichen Zeitraums In der Literatur wird einerseits – teilweise mit völlig konträren Ergebnissen – erwogen, dass der maßgebliche Zeitraum variiere, je nachdem welche Partei vorgeleistet habe (aa)). Andererseits werden aber auch verschiedene Fälle von Verzögerungen beim Leistungsaustausch diskutiert (bb)). aa) Keine Differenzierung nach Übernahme des Vorleistungsrisikos Ein Kriterium, das den maßgeblichen Zeitraum der Unmittelbarkeit möglicherweise beeinflusst, könnte die Übernahme des Vorleistungsrisikos sein. Allen voran Thole vertritt die Auffassung, im Falle einer Vorleistung durch den Schuldner sei das Kriterium der Unmittelbarkeit großzügiger auszulegen, weil auch eine spätere Erfüllung durch den Gläubiger die par condicio creditorum nicht beeinträchtige. Der Gläubiger habe schließlich dem Schuldner keinen Kredit gegeben. Leiste demgegenüber der Gläubiger vor, sei der zeitliche Rahmen wiederum enger zu fassen, um nicht unter dem Deckmantel des Bargeschäfts einem kreditgebenden Insolvenzgläubiger Vorrang vor den restlichen Gläubigern zu gewähren.390 Dem stellen sich sowohl der BGH als auch die h. L. entgegen und sehen in der Vorleistung keinen relevanten Faktor. Für die konkrete Bestimmung der Unmittelbarkeit sei es vielmehr irrelevant, ob der Schuldner oder der Gläubiger vorgeleistet habe.391 So bestünde kein Grund dafür, im Falle einer Vorleistung des Schuldners dem Gläubiger ein großzügigeres Leistungsziel zuzugestehen, wenn er es selbst in der Hand habe, die Voraussetzungen der Unmittelbarkeit herbeizuführen.392 Die sachgerechte Lösung steht und fällt letztlich mit der richtigen Bestimmung der Funktion des Unmittelbarkeitskriteriums. Da die h. M. die Unmittelbarkeit allein als Abgrenzungskriterium zum Kreditgeschäft versteht, müsste sie eigentlich konsequenterweise – wie Thole – im Falle einer Vorleistung des Schuldners einen großzügigeren und im Falle einer Vorleistung des Gläubigers umgekehrt einen 390 Thole, Gläubigerschutz, S. 375; vorsichtiger formuliert in HK-InsO/ders., § 142 InsO Rn. 8; so auch Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 39. 391 BGH NJW 2006, 2701, 2704; NZI 2010, 985, 988; NZI 2012, 667, 668; K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 103; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 28; Bräuer, Bargeschäfte, S. 69 f.; Ganter, ZIP 2012, 2037, 2039; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 34; KK-InsO/Mohr, § 142 InsO Rn. 24; Braun/Riggert, § 142 InsO Rn. 18; Vallender/Undritz/ Schäfer, § 129 InsO Rn. 117; mit anderer Begründung im Ergebnis auch Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 395 f.; a. A. MüKo-InsO/Kirchhof, 1. Aufl., § 142 InsO Rn. 16; Raschke, Funktion und Abgrenzung des § 142 InsO, S. 76 vertritt gar die Auffassung, dass nur im Falle einer Vorleistung durch den Anfechtungsgegner ein Bargeschäft in Betracht käme. 392 BGH NJW 2006, 2701, 2705.

E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO

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strengeren Maßstab anlegen. Schließlich kann im ersteren Falle tatsächlich nicht die Rede davon sein, der Vertragspartner habe dem Schuldner Kredit gewährt. Allerdings wurde bereits ausgeführt, dass die Unmittelbarkeit Kreditgeschäfte gerade nicht kategorisch ausschließt.393 Demzufolge kann auch nicht danach differenziert werden, welche Partei vorgeleistet hat. Zuletzt widerspräche ein derartiges Ergebnis aber auch Sinn und Zweck des § 142 InsO, der in erster Linie zügige und masseneutrale Austauschgeschäfte privilegieren will. Die schnelle Abwicklung und die Masseneutralität eines Leistungsaustausches hängen indes nicht von der Vorleistung einer Partei ab.394 Im Ergebnis, aber mit unterschiedlicher Begründung, ist der Ansicht der Rechtsprechung zu folgen, sodass unabhängig von der Person des Vorleistenden das Merkmal der Unmittelbarkeit ausgelegt werden muss. bb) Verzögerungen beim Leistungsaustausch Die Frage, ob sich die Person des Vorleistenden auf die Unmittelbarkeit auswirkt, ist strikt von derjenigen zu trennen, wie sich (planwidrige) Verzögerungen beim Leistungsaustausch auf die Unmittelbarkeit auswirken. Dabei kommen denklogisch drei Arten von Verzögerungen in Betracht395 : einerseits eine Verzögerung durch eine (neutrale) dritte Person ((1)), andererseits – im Falle einer Vorleistung des Schuldners – eine Verzögerung durch den Gläubiger ((2)) und zuletzt, im umgekehrten Fall, durch den Schuldner ((3)). (1) Verzögerungen durch Dritte Die Behandlung von Verzögerungen durch Dritte ist weitestgehend geklärt. Die häufigsten Fälle spielen sich dabei in Grundbuchangelegenheiten ab und zwar immer dann, wenn das Grundbuchamt für die Verzögerung verantwortlich ist.396 Ist die Verzögerung beispielsweise allein auf die Dauer der Eintragung eines Grundpfandrechts ins Grundbuch zurückzuführen, ist dies für die Annahme eines Bargeschäfts regelmäßig unschädlich.397 Normativ lässt sich das damit begründen, dass es dem Anfechtungsgegner nicht zum Nachteil gereichen darf, wenn die Verzögerung auf einer dritten Person beruht, auf die er selbst keinen Einfluss hat. Für den Fall, dass 393

Siehe oben Teil 1, E. IV. 1. a), S. 92 ff. M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 349. 395 Vgl. insgesamt dazu auch Bräuer, Bargeschäfte, S. 70 ff. 396 Vgl. Bräuer, Bargeschäfte, S. 70 f.; Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 39; Lwowski/Wunderlich, FS-Kirchhof, S. 309; Braun-InsO/Riggert, § 142 InsO Rn. 20; jüngst auch OLG Düsseldorf ZIP 2020, 1091, 1093 f. Zu denken wäre aber auch an die Verzögerung beim Vollzug eines Unternehmenskaufs wegen der notwendigen Durchführung eines Fusionskontrollverfahrens, vgl. dazu Wessels, ZIP 2004, 1237, 1245. 397 OLG Hamburg ZIP 1984, 1373; OLG Brandenburg ZIP 2002, 1902, 1906 mit Verweis darauf, dass die Beweislast für die Verantwortlichkeit des Grundbuchamts für die Verzögerung beim Anfechtungsgegner liegt; vgl. auch K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 106. 394

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

die Verzögerung auf das Grundbuchamt zurückzuführen ist, hat der Gesetzgeber bereits durch den § 140 InsO Klarheit geschaffen. Dort heißt es in Abs. 1, dass eine Rechtshandlung als zu dem Zeitpunkt vorgenommen gilt, in dem ihre rechtlichen Wirkungen eintreten. Abs. 2 regelt den Fall, wenn für das Wirksamwerden eines Rechtsgeschäfts eine Eintragung im Grundbuch erforderlich ist. Dann gilt das Rechtsgeschäft als vorgenommen, sobald die übrigen Voraussetzungen für das Wirksamwerden erfüllt sind, die Willenserklärung des Schuldners für ihn bindend geworden ist, und der andere Teil den Antrag auf Eintragung der Rechtsänderung gestellt hat. Verzögerungen durch neutrale Dritte wie etwa Grundbuch- oder Registerämter, auf die weder der Schuldner noch der Anfechtungsgegner direkten Einfluss haben, sind daher für die Annahme eines Bargeschäfts unschädlich, weil es allein auf den Zeitpunkt der Herbeiführung der Eintragungsvoraussetzungen ankommt. Somit kann der Zeitraum des Leistungsaustauschs tatsächlich weit über 30 Tage hinausgehen. Insbesondere bestehen auch keine Gründe für eine maximale Höchstfrist. Zwar hat das OLG Brandenburg erwogen, dass eine Verzögerung von sechs Monaten zu lang sei. Jedoch hat das Gericht im Wesentlichen darauf abgestellt, dass der Anfechtungsgegner seiner Beweislast nicht nachgekommen sei.398 Insoweit kann auch dieser Entscheidung keine maximale Höchstfrist für den Fall der Verzögerung durch neutrale Dritte entnommen werden. (2) Verzögerung durch Gläubiger Unproblematisch ist ebenfalls, wenn die Verzögerung allein in den Verantwortungsbereich des Gläubigers fällt. Hat der Schuldner seine Leistungspflicht erfüllt, und liegt es allein am Gläubiger bzw. Anfechtungsgegner die seine zu erfüllen, dann besteht weder systematisch noch normativ ein Grund, zu seinen Gunsten einen großzügigeren Zeitraum anzunehmen. Für eine Privilegierung gegenüber der Gläubigergemeinschaft ist kein Raum, wenn der Anfechtungsgegner es eigenverantwortlich versäumt hat, rechtzeitig zu leisten und dem Schuldner die dringend benötigte Liquidität bereitzustellen.399 (3) Verzögerung durch Schuldner Während die ersten zwei Konstellationen kaum Probleme bereiten, stellt sich eine Verzögerung durch den Schuldner als komplizierter dar. Teilweise wird erwogen, eine absprachewidrige Verzögerung der Leistungserbringung seitens des Schuldners müsse für die Annahme eines Bargeschäfts unschädlich sein, wenn der Gläubiger seinerseits ordnungsgemäß geleistet habe. Zum einen sei der redlich erfüllende Gläubiger schutzwürdig. Zum anderen könne im Falle einer einseitigen Verzögerung von einem für die Annahme eines Bargeschäfts schädlichen Kreditgeschäft keine Rede sein. Vielmehr liege eine einseitige „Krediterschleichung“ vor, die nicht zum 398 399

OLG Brandenburg ZIP 2002, 1902, 1906; ebenso Wessels, ZIP 2004, 1237, 1245. Siehe dazu nur Lwowski/Wunderlich, FS-Kirchhof, S. 310.

E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO

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Nachteil des Gläubigers gereichen dürfe.400 Zuletzt seien außerdem die ökonomischen Folgen zu beachten. Könnte nämlich die einseitige Verzögerung des Schuldners einen bargeschäftlichen Austausch ausschließen, würden sämtliche Vertragspartner des Schuldners in dessen Krise auf Vorleistung bestehen, und die wirtschaftliche Handlungsfähigkeit des Schuldners wäre erheblich eingeschränkt. Um dies zu vermeiden, dürften Verzögerungen, die allein in den Verantwortungsbereich des Schuldners fallen, nicht zulasten des Anfechtungsgegners gehen. Man müsse gar von einer Gläubigerbegünstigung durch den Verzicht auf Vorkasse ausgehen.401 Es ist zunächst richtig, wenn dem § 142 InsO jedenfalls partiell eine gläubigerschützende Wirkung zugesprochen wird. Dies wurde bereits ausgeführt.402 Auch der Umstand, dass der gut beratene Vertragspartner sicherheitshalber auf Vorleistung des Schuldners bestehen wird, erscheint aus Sicht des Schuldners auf den ersten Blick gravierend. Schließlich ist zu befürchten, dass der Geschäftsbetrieb lahmgelegt wird, wenn jeder Vertragspartner eine Vorleistung des Schuldners verlangt. Gleichwohl ist die Auffassung, einseitige Verzögerungen des Schuldners seien für die Annahme eines Bargeschäfts irrelevant, abzulehnen.403 Zunächst ist erneut zu betonen, dass es bei der Unmittelbarkeit entgegen der h. M. nicht um die Abgrenzung zum privilegierungsunwürdigen Kreditgeschäft geht.404 Somit ist die Aussage, es handele sich im Falle der Verzögerung durch den Schuldner um kein Kreditgeschäft, sondern eine einseitige „Krediterschleichung“, nicht zielführend. Weiterhin erscheint die Konsequenz, dass Vertragspartner tendenziell auf Vorkasse umstellen, letztlich nicht derart gravierend, wie der erste Eindruck suggeriert.405 Denn der Vertragspartner wird aufgrund der präventiven Rechtswirkung des § 142 InsO alles daransetzen, schnellstmöglich seine Leistungspflicht zu erfüllen, um unter den schützenden Schirm des Bargeschäfts zu gelangen. Selbst wenn der Vertragspartner also auf Vorleistung des Schuldners bestehen sollte, ist über das Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit gewährleistet, dass der Gläubiger seine Gegenleistung zügig erbringt und der Liquiditätsfluss auf Schuldnerseite aufrechterhalten wird. Zuletzt spricht aber m. E. vor allem folgendes Argument gegen die Auffassung dieser Mindermeinung: Nach der Mindermeinung soll derjenige Vertragspartner geschützt werden, der absprachegemäß vorgeleistet und dabei redlich auf die bargeschäftliche Erfüllung seiner Gegenforderung vertraut hat. Leiste der Schuldner absprachewidrig verspätet, dann solle dies für die Annahme der Unmittelbarkeit unschädlich sein. Wäre diese Annahme allerdings richtig, würde derjenige Gläu400 Lwowski/Wunderlich, FS-Kirchhof, S. 313 f.; Braun-InsO/Riggert, § 142 InsO Rn. 20 nennt die einseitige Verzögerung durch den Schuldner „Krediterzwingung“. 401 Allen voran Lwowski/Wunderlich, FS-Kirchhof, S. 313 ff. 402 Siehe oben Teil 1, B. I. 3., S. 25 f.; ähnlich Ganter, ZIP 2019, 1141, 1152. 403 Ebenfalls K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 106 f. 404 Teil 1, E. IV. 1. a), S. 92 ff. 405 A. A. Lwowski/Wunderlich, FS-Kirchhof, S. 314.

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biger, der eine Leistung zwar verspätet, aber schließlich noch erhält, bessergestellt als derjenige, der zwar ebenfalls vorgeleistet, schlussendlich aber gar nichts erhalten hat. Das leuchtet nicht ein. Insgesamt ist daher der h. M. zuzustimmen, wenn sie einseitige Leistungsverzögerungen des Schuldners und solche des Gläubigers gleichbehandelt. Freilich bedeutet dies auch, dass jeder Vertragspartner, der mit einem in die Krise geratenen Schuldner Geschäfte macht, auf Vorleistung bestehen sollte, um die Anfechtungsrisiken vollständig kontrollieren zu können. (4) Zwischenergebnis Die Unmittelbarkeit ist unabhängig von der Person des Vorleistenden zu bestimmen. Verzögerungen sind nur dann unbeachtlich, wenn sie auf einen neutralen Dritten zurückzuführen sind. Verzögerungen seitens des Schuldners, die über den noch zu konkretisierenden Zeitraum der Unmittelbarkeit hinausgehen, sind ebenso schädlich wie eine Verzögerung des Gläubigers. Beide Varianten sind gleich zu behandeln. b) Art der ausgetauschten Leistungen unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs Zwar konnten bereits Sinn und Zweck der Unmittelbarkeit und relevante Faktoren für die Ermittlung des maßgeblichen Zeitraums bestimmt werden. Die konkrete Subsumtion unter die Legaldefinition der Unmittelbarkeit im Sinne des § 142 Abs. 2 S. 1 InsO steht jedoch noch aus, d. h. die Bestimmung der Art der ausgetauschten Leistungen unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs. Die 2017 neu eingefügte Definition der Unmittelbarkeit hilft dem Normanwender dabei nur bedingt weiter. So ist schon im Ansatz nur schwer erkennbar, was konkret damit gemeint sein soll. In systematischer Hinsicht bietet immerhin der Abs. 2 S. 2 einen ersten Anhaltspunkt, demzufolge bei Arbeitnehmervergütungen der unmittelbare Zusammenhang noch gewahrt sein soll, wenn zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Arbeitsentgelts keine drei Monate vergangen sind. Dabei handelt es sich aber um eine Ausnahmevorschrift, die vom gesetzlichen Regelfall zugunsten von Arbeitnehmervergütungen abweicht und nicht auf andere Fallgruppen übertragen werden kann.406 Der Gesetzgeber geht also augenscheinlich von einem kürzeren Zeitraum aus, der aufgrund der besonderen Schutzbedürftigkeit von Arbeitnehmern ausnahmsweise erweitert wurde.407 Darüber hinausgehende Hinweise, wie der maßgebliche Zeitraum methodisch ermittelt werden könnte, sucht man indes ver406 HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 142 InsO Rn. 6; HK-InsO/Thole, § 142 InsO Rn. 9; K/S/ W/Wagner, § 142 InsO Rn. 087d; vgl. zum Arbeitnehmerprivileg sogleich Teil 1, E. IV. 2. d), S. 106 ff. 407 Ganter, ZIP 2019, 1141, 1142 f. spricht im Zusammenhang mit der anfechtungsrechtlichen Bevorzugung der Arbeitnehmer von einem partiellen Gläubigerschutz.

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gebens.408 Die h. M. erschöpft sich zumeist in der Aussage, dass starre Zeitgrenzen nicht existierten.409 Das ist zwar zutreffend und zum Wohle der Einzelfallgerechtigkeit durchaus zu begrüßen. Dem Normanwender hilft dies allerdings kaum weiter. Wünschenswert wäre wenigstens die Fixierung eines allgemeingültigen, idealerweise gesetzlichen, Ausgangspunkts, anhand dessen eine weitergehende Anpassung an die Besonderheiten des konkreten Leistungsaustauschs vorgenommen werden könnte. aa) Keine Orientierung an Handelsbräuchen und der Beschaffenheit von Leistung und Gegenleistung Naheliegend erscheint dabei zunächst die Orientierung an Handelsbräuchen im Sinne des § 346 HGB.410 Diese ließen sich im Zweifel auch in einem Prozess anhand von Sachverständigen oder Zeugenvernehmungen feststellen.411 Eine Parallele zu Handelsbräuchen im Sinne des HGB wurde von der Rechtsprechung allerdings bisher nicht gezogen. Das ist durchaus nachvollziehbar, weil die Frage nach dem konkret geltenden Handelsbrauch in ähnlicher Weise mit Unsicherheiten verbunden ist. Es widerspräche auch der oben beschriebenen Vereinfachungsfunktion, wenn vor dem Vertragsschluss erst noch eine umfassende Prüfung der jeweils geltenden Handelsbräuche erforderlich wäre. Aus Sicht der potenziellen Vertragspartner bzw. deren Rechtsberater, die im Vorfeld der Normanwendung Anfechtungsrisiken bewerten müssen, wäre mit einer Orientierung an Handelsbräuchen im Sinne des § 346 HGB daher nicht viel gewonnen. Ein weiterer Ansatz könnte sein, auf die Beschaffenheit der jeweiligen Leistungsgegenstände abzustellen, sodass es darauf ankäme, ob beispielsweise verderbliche oder haltbare Waren geschuldet sind. Bei verderblichen Waren wie Lebensmitteln erschiene es dann konsequent, einen besonders strengen Maßstab anzulegen.412 So richtig überzeugen vermag dieser Ansatz allerdings ebenfalls nicht. Denn die Beschaffenheit einer Leistung wirkt sich genau genommen nur darauf aus, ob die Ware direkt nach der Produktion verschickt werden muss oder für längere Zeit gelagert werden kann. Eine Aussage hinsichtlich des korrespondierenden Zahlungsziels kann von der Beschaffenheit daher nicht abgeleitet werden. 408

Vgl. Bertram, Durchsetzung von Sicherheiten, S. 212. BGH NJW 2006, 2701, 2703 f.; NZI 2008, 482, 483; OLG Düsseldorf ZInsO 2019, 1751, 1753; LG Oldenburg NZI 2007, 53, 54; Bräuer, Bargeschäfte, S. 62; FK-InsO/Dauernheim/ Blank, § 142 InsO Rn. 12; Raschke, Funktion und Abgrenzung des § 142 InsO, S. 79; HmbKInsO/Rogge/Leptien, § 142 InsO Rn. 8. 410 So etwa K/P/B/Bartels, § 142 Rn. 105; a. A. HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 142 InsO Rn. 13. 411 K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 157. 412 So tendenziell LG Oldenburg NZI 2007, 53, 54. 409

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bb) Verzugsfrist des § 286 Abs. 3 Hs. 1 BGB als Ausgangspunkt „In Ermangelung anderer Anhaltspunkte“413 kommt schließlich eine Orientierung an der Verzugsvorschrift des § 286 Abs. 3 Hs. 1 BGB in Betracht. Danach wäre im Grundsatz von einer Zeitspanne von 30 Tagen zwischen Leistung und Gegenleistung als Höchstfrist auszugehen.414 Die Orientierung an § 286 Abs. 3 Hs. 1 BGB liegt dabei insoweit nahe, weil sich der Rechtsverkehr typischerweise an gesetzlichen Vorschriften orientiert und erst aus der Regelmäßigkeit einer bestimmten Vorgehensweise Zahlungsbräuche entstehen.415 Des Weiteren dürfte die Ansetzung mit 30 Tagen aber auch den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs entsprechen, ohne zugleich die wirtschaftlich schwierige Situation beim Schuldner zu vernachlässigen.416 Zwar ist das Leistungsziel zugunsten des Rechtsverkehrs relativ großzügig. Allerdings erscheint dieser Zeitraum die Anforderungen an die Unmittelbarkeit nicht zu überreizen. Der Schuldner erhielte die Gegenleistung immer noch in einem verhältnismäßig kurzen Zeitraum und könnte mit dieser zeitnah weiterwirtschaften. Eine Überschreitung dieser 30 Tage dürfte indes nicht mehr gerechtfertigt sein, sodass es sich bei der 30-tägigen „Ankerfrist“ zugleich um eine Höchstfrist der Unmittelbarkeit handeln muss.417 Umgekehrt erscheint es jedoch im Einzelfall möglich bzw. geboten, diese „Ankerfrist“ moderat zu verkürzen. cc) Anpassung an die Besonderheiten des Einzelfalls Die erforderliche Anpassung an den Einzelfall kann allgemeingültig nicht festgelegt werden und angesichts der Vielzahl potenzieller Fälle muss die Entscheidung schlussendlich der tatrichterlichen Beurteilung überlassen sein.418 Insoweit ist auch die Formulierung der h. M. zutreffend, dass starre Zeitgrenzen nicht existieren.419 Dennoch werden in der Rechtsprechung und Literatur bestimmte Fallgruppen diskutiert, bei denen es im Einzelfall zu einer Verkürzung der 30-tägigen „Ankerfrist“ kommen soll. In der Literatur wird mehrheitlich nach der Komplexität des Rechtsgeschäfts differenziert. Bei „einfachen“ Austauschverträgen über bewegliche 413

BGH NJW 2006, 2701, 2704. BGH NZI 2007, 517, 521; NZI 2008, 482, 484; NZI 2014, 775, 777; NZI 2016, 134, 136. 415 So auch Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 394; Braun/Riggert, § 142 InsO Rn. 18; a. A. HK-InsO/Thole, § 142 InsO Rn. 7, der demgegenüber im Grundsatz einen sofortigen Leistungsaustausch verlangt. 416 K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 0114. 417 BGH NJW 2006, 2701, 2704; NZI 2007, 517, 521; NZI 2016, 134, 136; MüKo-InsO/ Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 27. 418 BGH NJW 2014, 2579, 2581; Jaeger-InsO/Henckel, § 142 InsO Rn. 15; KK-InsO/Mohr, § 142 InsO Rn. 16. 419 BGH NJW 2006, 2701, 2703 f.; NZI 2008, 482, 483; OLG Düsseldorf ZInsO 2019, 1751, 1753; LG Oldenburg NZI 2007, 53, 54; Bräuer, Bargeschäfte, S. 62; FK-InsO/Dauernheim/ Blank, § 142 InsO Rn. 12; Raschke, Funktion und Abgrenzung des § 142 InsO, S. 79; HmbKInsO/Rogge/Leptien, § 142 InsO Rn. 8. 414

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Sachen sei demnach eine tendenziell kürzere Frist von etwa ein bis zwei Wochen anzunehmen, während bei länger andauernden und rechtlich komplexen Vertragsverhältnissen die Unmittelbarkeit großzügiger auszulegen sei.420 Unklar ist, ob der BGH dieser Auffassung folgt. Den jeweiligen Entscheidungen, bei denen es um Kaufverträge über bewegliche Sachen ging, kann keine klare Linie entnommen werden.421 So hatte der BGH noch zum alten Recht entschieden, dass eine Zeitspanne von je einer Woche zwischen Lieferung und Rechnungstellung und zwischen Rechnungstellung und Scheckbegebung jedenfalls nicht zu lang sei.422 Für das Lastschriftverfahren hat der BGH sodann zwar auf die vorangegangene Entscheidung Bezug genommen, allerdings stellte sich dort die Frage nach einer möglicherweise gebotenen Fristverlängerung nicht, weil Lieferung und Bankeinzug jeweils innerhalb von einer Woche erfolgten.423 In einem dritten Fall entschied der BGH, dass bei einem Kaufvertrag über bewegliche Sachen zwischen Leistung und Gegenleistung jedenfalls nicht mehr als 30 Tage liegen dürften.424 Ein allgemeingültiger Zeitraum kann den Entscheidungen, abgesehen von einer Spanne zwischen einer Woche und 30 Tagen, nicht entnommen werden. Deutlich wird aber, dass der BGH augenscheinlich tatsächlich zwischen Kaufverträgen über bewegliche Sachen und sonstigen Verträgen differenziert und wohl in der Tendenz bei Kaufverträgen eher von einer kürzeren Frist ausgeht – andernfalls hätte es den Verweis auf den jeweiligen Vertragsgegenstand nicht bedurft. Ein Grund dafür ist mutmaßlich der Gedanke, dass Austauschverträge über bewegliche Sachen im Gegensatz zu anderen Vertragstypen nicht die Vorleistung einer Partei erfordern, sondern prinzipiell auch Zug-um-Zug (§ 322 Abs. 1 BGB) abgewickelt werden könnten. Es muss daher damit gerechnet werden, dass die Rechtsprechung bei einfach gelagerten Austauschgeschäften tendenziell eine kürzere Frist von ein bis zwei Wochen annehmen wird. Das ist durchaus überzeugend, weil in einfach gelagerten Fällen das Interesse des Schuldners am zeitnahen Erhalt der Gegenleistung regelmäßig das Interesse des Vertragspartners an großzügigeren Leistungszielen überwiegen dürfte. Eine darüber hinausgehende Verkürzung der Leistungsfrist dürfte allerdings zu streng sein.425 Denn auch bei einfach gelagerten Austauschverträgen muss eine gewisse Zeit zur Leistung eingeräumt werden – selbst wenn die Leistungen prinzipiell Zug-um-Zug ausgetauscht werden könnten. Eine moderate Bearbeitungszeit sowie Zeit für die Rechnungserstellung und Überweisung, unter Berücksichtigung der jeweiligen 420 Nach der Komplexität des Rechtsgeschäfts differenzieren K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 109; Bräuer, Bargeschäfte, S. 63; Lwowski/Wunderlich, FS-Kirchhof, S. 308; dies., WM 2004, 1511, 1515; Nerlich/Römermann/Nerlich, § 142 InsO Rn. 12; Braun-InsO/Riggert, § 142 InsO Rn. 19; BeckOK-InsO/Schoon, § 142 InsO Rn. 17. 421 HK-InsO/Thole, § 142 InsO Rn. 7. 422 BGH NJW 1980, 1961, 1962. 423 BGH NZI 2008, 482, 483. 424 BGH NNZI 2007, 517, 521. 425 So etwa Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 394 f., der von einer Pflicht zur sofortigen Leistung ausgeht.

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Zahlungsmethode, sollten die Unmittelbarkeit nicht ausschließen können.426 Andernfalls erhöhte sich das Anfechtungsrisiko zulasten potenzieller Vertragspartner, die dann wiederum eher Abstand vom in die Krise geratenen Schuldner nehmen würden. Im Ergebnis erscheint daher in einfach gelagerten Fällen eine Frist von mindestens einer, eher aber zwei Wochen angemessen. Wann allerdings von einem einfachen Sachverhalt in diesem Sinne auszugehen ist, muss schlussendlich der tatrichterlichen Bewertung überlassen sein.427 Eine noch weitergehende Konkretisierung des maßgeblichen Zeitraums ist nicht möglich. Aus Sicht des Normanwenders erscheinen die verbleibenden Unsicherheiten allerdings nicht unverhältnismäßig. Grundsätzlich kann er sich an der 30-tätigen Frist orientieren, muss allerdings beachten, dass sich bei einfach gelagerten Austauschverträgen die Frist auf rund ein bis zwei Wochen verkürzen kann. c) Zwischenergebnis Im Ergebnis ist der h. M. zwar darin zuzustimmen, dass kein allgemeingültiger Zeitraum festgelegt werden kann. Allerdings ist es zur Erreichung der ratio legis des § 142 InsO notwendig, dass dem Rechtsanwender wenigstens eine Orientierung ermöglicht wird, um Risiken im Vorfeld des Vertragsschlusses und des Anfechtungsprozesses abschätzen zu können. Einen entscheidenden „Anker“ bietet dabei die 30-tätige Frist des § 286 Abs. 3 Hs. 1 BGB, wobei die Frist bei einfach gelagerten Fällen auch geringfügig kürzer ausfallen kann. Bei allen anderen Vertragsverhältnissen, die ihrer Natur nach eine Vorleistungspflicht erfordern, kann von einer 30tätigen Frist ausgegangen werden. d) Privilegierung von Arbeitsentgelten gemäß § 142 Abs. 2 S. 2, 3 InsO Mit dem Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vom 29. März 2017 wurden auch der § 142 Abs. 2 S. 2 und S. 3 InsO eingeführt. Diese sehen nunmehr besondere Regelungen für die Vergütung von Arbeitnehmern vor. Gemäß S. 2 liegt bei der Zahlung von Arbeitsentgelt ein enger Zeitraum im Sinne der Unmittelbarkeit selbst dann noch vor, wenn zwischen Arbeitsleistung und Gewährung des Entgelts nicht mehr als drei Monate vergangen sind, und nach S. 3 steht die Gewährung des Arbeitsentgelts durch den Schuldner gleich, wenn dieses Entgelt durch einen Dritten im Sinne des § 267 BGB gewährt wurde, und dies für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war. 426

K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 105, 109. Es ließe sich ggf. auch an Kontokorrentverrechnungen denken, die nach BGH ebenfalls unmittelbar sind, wenn zwischen Ein- und Auszahlung weniger als zwei Wochen liegen, vgl. BGH NJW 2002, 1722, 1724; NZI 2012, 667. Vgl. zu Kontokorrentverrechnungen weiter unten Teil 2, A., S. 125 ff. 427

E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO

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Ausweislich der Gesetzesbegründung habe der Gesetzgeber mit dem Abs. 2 S. 2 InsO Klarheit zwischen der divergierenden Rechtsprechung von BAG und BGH hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Arbeitsentgeltzahlungen geschaffen.428 Die Hintergründe der unterschiedlichen Auffassungen beider Gerichte und die anknüpfende vehemente Kritik der Literatur an der Rechtsprechung des BAG wurden bereits in der Literatur ausführlich dargestellt und sollen hier nur kurz skizziert werden. Stein des Anstoßes war ein Urteil des BAG zur Lohnanfechtung, bei dem das Gericht für die Bestimmung der Unmittelbarkeit im Sinne des § 142 Abs. 1 InsO a. F. eine anfechtungsrechtliche Sonderrechtsprechung zugunsten von Arbeitslohnzahlungen in der Krise entwickelte. Das BAG befand, dass der maßgebliche Zeitraum bei Arbeitnehmervergütungen noch gewahrt sei, wenn Lohn für erbrachte Arbeitsleistungen aus den vorangegangenen drei Monaten gezahlt werde.429 Das BAG stützte sein Urteil auf mehrere Erwägungen. Zunächst spreche rechtstatsächlich für eine längere Frist der Umstand, dass in nicht wenigen Branchen eine verzögerte Zahlung der Vergütung schon fast die Regel sei, und die schlechte Zahlungsmoral von Auftraggebern nicht selten dazu führe, dass auch der Arbeitslohn verspätet ausgezahlt werde. Die bloße verspätete Zahlung der Vergütung könne aber nicht automatisch als Kreditgeschäft gewertet werden. Zudem sei die Rechtsprechung des BGH zur Vergütung von Dienstleistungen nicht auf die von Arbeitsleistungen übertragbar, da letztere nicht abschnittsweise, sondern dauernd erbracht würden. Schließlich profitiere der Betrieb nicht nur von der erbrachten Arbeitsleistung als solcher, sondern vor allem auch vom Fortbestand des Betriebs als funktionaler Einheit. Dieser Fortbestand könne allerdings nur dann gewährleistet werden, wenn die Arbeitnehmer „bei der Stange“ blieben.430 Die Entscheidungsgründe des BAG sind in der Literatur nahezu einhellig auf Kritik gestoßen431 und auch der BGH hat in seinem Urteil vom 10. 07. 2014 die Rechtsprechung des BAG in ungewohnter Schärfe kritisiert.432 Im Wesentlichen führte der BGH aus, dass zum einen ein in der Praxis weit verbreiteter Verstoß gegen Fälligkeitszeitpunkte nicht geeignet sei, die daran anknüpfende Rechtsfolge zu beseitigen. Die zu berücksichtigenden Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs seien stets Gepflogenheiten solventer Partner.433 Zum anderen sei die Behauptung, es hätten sich branchenübergreifend Zahlungsverzögerungen etabliert, weder durch empirische Daten belegt, noch sei klar, um welche Branchen es sich handele. Ferner sei das Argument, dass die für die Fortführung des Betriebs erforderliche künftige 428

BT-Drucks 18/7054, S. 13 f., 19. BAG NZA 2012, 330, 333. 430 BAG NZA 2012, 330, 333. 431 Brinkmann, ZZP 2012, 197, 208 ff.; FK-InsO/Dauernheim/Blank, § 142 InsO Rn. 23 f.; Huber, EWiR 2011, 817, 818; ders., ZInsO 2013, 1049, 1052 ff.; Ganter, ZIP 2012, 2037, 2043 f.; Lütcke, NZI 2014, 350, 351 ff.; KK-InsO/Mohr, § 142 InsO Rn. 77; Plathner/Sajogo, ZInsO 2012, 581, 584; HK-InsO/Thole, § 142 InsO Rn. 9. 432 BGH NJW 2014, 2579, 2581 ff. 433 BGH NJW 2014, 2579, 2581. 429

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

Arbeitsbereitschaft durch die Begleichung rückständigen Lohns erkauft werde, systematisch für die Begründung eines Bargeschäfts nicht haltbar, weil eben jene zukünftige Arbeitsleistung wiederum selbst in Rechnung gestellt würde. Somit liege in der künftigen Arbeitsleistung keine berücksichtigungsfähige Gegenleistung für die Zahlung des rückständigen Lohns.434 Das BAG habe sich gar in verfassungswidriger Weise über die Schranken der richterlichen Rechtsfortbildung hinwegsetzt, indem es Arbeitnehmern mit Hilfe einer vom Wortlaut des § 142 Abs. 1 InsO nicht mehr begründbaren Auslegung das vom Gesetzgeber ausdrücklich beseitigte Konkursvorrecht gewähre.435 Schließlich könne nicht einmal die vom BAG angeführte besondere Schutzwürdigkeit von Arbeitnehmern im Gegensatz zu anderen Gläubigern angenommen werden. So seien etwa Kleinunternehmer oder handwerkliche Familienbetriebe von der Insolvenzanfechtung in gleichem Maße betroffen.436 Es sei auch nicht die Aufgabe der Gläubigergemeinschaft, sondern die des Staates, etwaige soziale Härten infolge der Insolvenzanfechtung auszugleichen. Das sich in der Quotenminderung manifestierende Sonderopfer der Gläubigergemeinschaft könne nur durch eine gesetzliche Grundlage, nicht aber im Wege richterlicher Rechtsfortbildung aufgebürdet werden.437 Der Gesetzgeber hat sich letztlich mit der Kodifizierung des § 142 Abs. 2 S. 2 InsO die Aufforderung des BGH zu Herzen genommen und die Rechtsprechung des BAG nachträglich legitimiert. Wenngleich vor dem Hintergrund der Argumente des BGH doch erhebliche Gründe gegen das vom BAG entwickelte Arbeitnehmerprivileg sprechen, ist es immerhin begrüßenswert, dass nunmehr in dieser Hinsicht Rechtssicherheit geschaffen wurde.438 Die Ergänzung um S. 3 bezieht sich auf die häufig anzutreffende Konzernpraxis, den Arbeitslohn über dritte (Zweck-)Gesellschaften zu zahlen439 und ist im Wesentlichen auf eine Entscheidung des BAG vom 21. 11. 2013 zurückzuführen.440 Dort hatte das BAG entschieden, dass die Befriedigung eines Gläubigers durch einen Dritten – anstelle des Schuldners – eine inkongruente Deckung im Sinne des § 131 Abs. 1 InsO darstelle, wenn es für den Gläubiger erkennbar war, dass es sich um eine Leistung des Schuldners handelte.441 In Übereinstimmung mit der h. M. befand das BAG, dass aufgrund der Inkongruenz der Lohnzahlung ein Bargeschäft ausschei434

BGH NJW 2014, 2579, 2581. BGH NJW 2014, 2579, 2582. 436 BGH NJW 2014, 2579, 2582. 437 BGH NJW 2014, 2579, 2582; vgl. auch die Darstellung und differenzierte Kritik bei Doebert, Insolvenzanfechtung von Lohnzahlungen, S. 158 ff., der zwar im Ergebnis die Rechtsprechung des BAG ablehnt, diese aber ausdrücklich vom Vorwurf der Verletzung richterlicher Rechtsfortbildung freispricht. 438 Vgl. dazu auch die Entwurfsbegründung BT 18/7054, S. 13 f. 439 Dahl/Schmitz, NJW 2017, 1505, 1510; HK-InsO/Thole, § 142 InsO Rn. 11; ders., ZIP 2017, 401, 408. 440 BAG ZIP 2014, 233. 441 BAG ZIP 2014, 233, 234. 435

E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO

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de.442 Die praktischen Konsequenzen dieser Entscheidung liegen auf der Hand: Erhält der Arbeitnehmer seinen Lohn nicht unmittelbar von seinem Arbeitgeber, sondern von einem Dritten, typischerweise einer verbundenen Gesellschaft, ohne dass dies im Wege einer dreiseitigen Abrede im Vorfeld der Krise insolvenzfest vereinbart wurde, dann ist die Deckung inkongruent und somit nach § 131 Abs. 1 InsO unter vereinfachten Voraussetzungen, insbesondere ohne eine Kenntnis des Arbeitnehmers von der Krise seines Arbeitgebers, anfechtbar. Zugleich ist eine Anwendung des Bargeschäfts aufgrund der Inkongruenz nach h. M. nicht möglich. Um diesem als nicht interessengerecht empfundenen Ergebnis entgegenzusteuern, hat der Gesetzgeber daher die Fiktion443 geschaffen, dass die Gewährung von Arbeitsentgelt durch den Schuldner der Gewährung durch einen Dritten gleichsteht, wenn dies für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war. Die Regelung des S. 3 ist verunglückt. Das Anliegen des Gesetzgebers war es offenbar, Lohnzahlungen durch einen Dritten trotz ihrer Inkongruenz und damit entgegen der h. M. dem Bargeschäftsprivileg zu unterwerfen. Einer solchen Regelung hätte es aber gar nicht bedurft, wenn die h. M. ihre nicht überzeugende Auffassung hinsichtlich der Unanwendbarkeit des § 142 InsO auf inkongruente Deckungen aufgegeben hätte.444 Da der Gesetzgeber aber grundsätzlich an der h. M. festhalten wollte,445 ist es insoweit jedenfalls nachvollziehbar, dass er sich für diese Art der Umsetzung entschieden hat, um den für erforderlich erachteten Arbeitnehmerschutz zu gewährleisten. Das Ergebnis ist freilich eine unsystematische Regelung. Vorzugswürdig wäre es gewesen, wenn sich der Gesetzgeber dem hier befürworteten Verständnis vom Verhältnis zwischen Bargeschäft und Inkongruenzanfechtung angeschlossen hätte. Lediglich zur Klarstellung hätte er anstelle von § 142 Abs. 2 S. 3 InsO in einem dritten Absatz regeln können, dass die Inkongruenz einer Deckung im Allgemeinen der Anwendung des Bargeschäfts nicht schade. Dann hätte sich auch die Problematik rund um die Zahlung von Arbeitsentgelt durch (konzernverbundene) Dritte nicht gestellt bzw. von alleine gelöst, und § 142 InsO wäre systematisch stimmig konzipiert. Abgesehen von der Frage nach dem Verhältnis zwischen Bargeschäft und Inkongruenzanfechtung ist § 142 Abs. 2 S. 3 InsO aber auch deshalb nicht gelungen, weil er die in der Praxis häufig anzutreffende Konstellation der Doppelinsolvenzen im Konzern nicht berücksichtigt. Denn regelmäßig geht auch die lohnzahlende (Zweck-)Gesellschaft insolvent. Im Verhältnis zu seinem Arbeitgeber ist der Arbeitnehmer zwar durch den § 142 Abs. 2 S. 3 InsO geschützt, im Verhältnis zu der zahlenden (Zweck-)Gesellschaft gilt dies jedoch nicht, sodass die erhaltene Zahlung mangels eines Vergütungsanspruchs der 442

BAG ZIP 2014, 233, 237. Thole, ZIP 2017, 401, 408. 444 Siehe dazu bereits Teil 1, C. III. 2., S. 52 ff. 445 So heißt es im Gesetzesentwurf BT-Drucks. 18/7054, S. 12 wörtlich: „Er [der Entwurf] beschränkt sich dabei auf punktuelle Änderungen und lässt die Regelungssystematik des geltenden Rechts unberührt“. 443

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

Schenkungsanfechtung gemäß § 134 Abs. 1 InsO unterliegt. Der intendierte Arbeitnehmerschutz wird daher in der Praxis häufig sein Ziel verfehlen.446 3. Zusammenfassung Bei dem Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit geht es entgegen der h. M. nicht um die Abgrenzung von Bargeschäft zum privilegierungsunwürdigen Kreditgeschäft. Die Unmittelbarkeit dient einerseits der Konkretisierung und Vereinfachung, andererseits macht sie zugunsten der Vertragspartner Anfechtungsrisiken beherrschbar und gewährleistet, dass der Schuldner zügig die Gegenleistung erhält und mit dieser wirtschaften kann. Bei der konkreten Bestimmung des maßgeblichen Zeitraums ist eine Orientierung an der 30-tägigen Verzugsvorschrift des § 286 Abs. 3 Hs. 1 BGB sachgerecht. Bei einfach gelagerten Fällen kann sich die Frist auf etwa ein bis zwei Wochen verkürzen. Für Verzögerungen beim Leistungsaustausch, die über den zuvor ermittelten maßgeblichen Zeitraum hinausgehen, kommt es auf die Verantwortungssphäre an. Ist die Verzögerung allein auf einen neutralen Dritten zurückzuführen, der weder dem Verantwortungsbereich des Schuldners noch des Bargeschäftsgläubigers zuzurechnen ist, ist diese generell unschädlich. Alle sonstigen Verzögerungen, egal ob sie der Gläubiger oder der Schuldner zu verantworten hat, führen zu einem Ausschluss der Unmittelbarkeit, sofern dadurch die 30-tägige bzw. zweiwöchige Frist überschritten wird. Zuletzt wirkt sich die Übernahme des Vorleistungsrisikos – egal ob durch Schuldner oder Gläubiger – nicht auf die Unmittelbarkeit aus. Bei der Vorschrift des § 142 Abs. 2 S. 2 BGB, die zugunsten von Arbeitnehmervergütungen einen Zeitraum von drei Monaten für ausreichend erklärt, handelt es sich um eine Ausnahmevorschrift, die nicht auf andere, möglicherweise vergleichbare Konstellationen angewendet werden kann. Dabei hat der Gesetzgeber die (fragwürdige) Rechtsprechung des BAG kodifiziert und – insoweit erfreulich – Rechtssicherheit geschaffen. Die Gleichstellung von Lohnzahlungen durch den Arbeitgeber mit Drittzahlungen im Sinne des. § 267 Abs. 1 S. 1 BGB ist sowohl rechtssystematisch als auch rechtspolitisch verunglückt. § 142 Abs. 2 S. 3 BGB gewährt das Arbeitnehmerprivileg auch dann, wenn die Zahlung nicht erkennbar durch einen Dritten erfolgte. Dieser Regelung hätte es jedoch nicht bedurft, wenn die h. M. sich der hier befürworteten Auffassung vom Verhältnis zwischen Bargeschäft und Inkongruenzanfechtung angeschlossen hätte. Zudem wird der intendierte Arbeitnehmerschutz im regelmäßig anzutreffenden Fall der Doppelinsolvenzen verfehlt.

446 K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 68; Dahl/Schmitz, NJW 2017, 1505, 1511; Thole, ZIP 2017, 401, 409.

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V. Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 – 3 InsO und die erkannte Unlauterkeit des anderen Teils Das Bargeschäftsprivileg findet gemäß § 142 Abs. 1 Hs. 2 InsO seine Grenzen in der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 – 3 InsO und der vom Anfechtungsgegner erkannten Unlauterkeit des Schuldners. Die Vorsatzanfechtung zeichnet sich im Gegensatz zur Kongruenzanfechtung gemäß § 130 Abs. 1 InsO noch entscheidender dadurch aus, dass sowohl beim Schuldner als auch beim Anfechtungsgegner subjektive Tatbestandsmerkmale vorliegen müssen – namentlich der Vorsatz des Schuldners, durch die vorgenommene Rechtshandlung andere Gläubiger zu benachteiligen und die korrespondierende Kenntnis des Anfechtungsgegners dieses Benachteiligungsvorsatzes. Für die Vorsatzanfechtung ist nicht erforderlich, dass Schuldner und Gläubiger kollusiv zum Nachteil der Gläubigergemeinschaft zusammengearbeitet haben,447 sondern es ist ausreichend, wenn der Schuldner vorsätzlich handelte, und der Anfechtungsgegner dies erkannte.448 Die Kenntnis des Anfechtungsgegners beurteilt sich grundsätzlich spiegelbildlich zum Benachteiligungsvorsatz des Schuldners, wobei der Anfechtungsgegner die Gläubigerbenachteiligung nicht gewollt haben muss.449 Der Nachweis subjektiver Merkmale wirft im Anfechtungsprozess typischerweise Schwierigkeiten auf, sodass dieser regelmäßig mithilfe von gesetzlichen Vermutungen und Indizien festgestellt werden muss.450 Eine dieser Vermutungen ist dabei im § 133 Abs. 1 S. 2 InsO selbst geregelt und besagt, dass die Kenntnis des Anfechtungsgegners vom schuldnerischen Benachteiligungsvorsatz bereits dann vermutet wird, wenn dieser lediglich um die drohende Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und die benachteiligende Wirkung der Rechtshandlung für die Gläubigergemeinschaft wusste. Zusätzlich hat die Rechtsprechung jedoch noch weitere (ungeschriebene) Beweisregeln entwickelt und Indizien anerkannt, die für das Vorliegen der subjektiven Tatbestandsmerkmale sprächen. So stünde wiederum der Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit gemäß § 133 Abs. 1 S. 2 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen ließen.451 Weitere Indizien für den Schuldnervorsatz und die Kenntnis des Anfechtungsgegners seien beispielsweise eine schleppende Zahlungsweise,452 sogenannte Druckzahlungen, um eine unmittelbar bevorstehende Zwangsvollstreckung abzuwenden,453 unentgeltliche Leistungen454 und allgemein inkongruente Deckungen.455 447 BGH NZI 2003, 597, 598; NZI 2005, 692, 693; NZI 2008, 488, 489; Uhlenbruck/ Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 52 ff.; Nerlich/Römermann/Nerlich, § 133 InsO Rn. 38. 448 K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 133 InsO Rn. 31. 449 K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 133 InsO Rn. 70, 72. 450 BGH NZI 2017, 854, 856; BeckOK-InsO/Raupach, § 133 InsO Rn. 27. 451 BGH ZInsO 2004, 859, 861. 452 BGH NZI 2013, 140, 145; NZI 2012, 963, 964. 453 Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 133 InsO Rn. 123 m. w. N.; Kayser, NJW 2014, 422, 426.

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

Demgegenüber hat die Rechtsprechung allerdings auch solche Indizien anerkannt, die gerade gegen das Vorliegen jener subjektiven Merkmale sprächen. Namentlich das Vorliegen eines Bargeschäfts gemäß § 142 InsO bzw. eines sogenannten bargeschäftsähnlichen Vorgangs seien starke Indizien gegen das Vorliegen eines Benachteiligungsvorsatzes und eine korrespondierende Kenntnis des Anfechtungsgegners. Durch die Erbringung der gleichwertigen Gegenleistung scheide eine unmittelbare Gläubigerbenachteiligung aus, sodass es naheliege, dem Schuldner sei eine gleichwohl eintretende mittelbare Benachteiligung nicht bewusst geworden.456 Vorsatzanfechtung und Bargeschäftsprivileg stehen demnach in einem besonderen Wechselverhältnis zueinander. Es wirkt sich nicht nur die Vorsatzanfechtung auf das Bargeschäft aus, sondern umgekehrt das Bargeschäft auch auf die Vorsatzanfechtung. Im ersteren Fall zugunsten des Insolvenzverwalters, im letzteren zugunsten des Anfechtungsgegners. Dass das Bargeschäft die Vorsatzanfechtung einschränkt, scheint auf den ersten Blick widersprüchlich, schließlich ist die Vorsatzanfechtung gerade eine ausdrückliche Schranke des Bargeschäfts. Allerdings geht es an dieser Stelle nicht um die Frage, ob die Voraussetzungen des § 142 Abs. 1 InsO vorliegen, sondern allein darum, ob die subjektiven Tatbestandsmerkmale der Vorsatzanfechtung erfüllt sind oder nicht.457 Damit nicht genug, konnte der Insolvenzverwalter seit der sogenannten „Mühlen-Rechtsprechung“ des BGH458 den Einwand des Bargeschäfts im Rahmen der Vorsatzanfechtung wiederum dadurch entkräften, dass der Anfechtungsgegner erkannt habe, dass der Schuldner trotz des gleichwertigen Leistungsaustauschs fortlaufend unrentabel arbeitete und somit die Fortführung der Geschäfte zu einer Vertiefung der Krise führte. Trotz des gleichwertigen Leistungsaustauschs müsse dann die Kenntnis von der mittelbaren Gläubigerbenachteiligung unterstellt werden, sodass schlussendlich auch eine Kenntnis vom schuldnerischen Benachteiligungsvorsatz angenommen werden müsse.459 Dieses Wechselspiel aus Beweis, Gegenbeweis und letztlich Gegen-Gegenbeweis460 zeigt, dass das Bargeschäftsprivileg im Verhältnis zur Vorsatzanfechtung im Laufe der Rechtsprechungsentwicklung des BGH einerseits ein kaum mehr über454

Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 133 InsO Rn. 117. Kayser, NJW 2014, 422, 425 f.; siehe auch Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 46 ff. 456 BGH NJW 2014, 775, 780; NZI 2016, 134, 136; NZI 2017, 620, 621; Uhlenbruck/ Borries/Hirte, § 133 InsO Rn. 142; Bressler, NZG 2018, 321, 325; Fischer, NZI 2008, 588, 594; Kayser, NJW 2014, 422, 427; Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 53 ff., 109 ff.; kritisch Foerste, WM 2014, 1213, 1216. 457 Kayser, NJW 2014, 422, 427. 458 BGH NZI 2015, 320, 323. 459 BGH NZI 2015, 320, 323; NZI 2017, 620, 621. Vgl. dazu auch Uhlenbruck/Borries/ Hirte, § 133 InsO Rn. 143; Bressler, NZG 2018, 321, 324; Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 55 f. 460 Hiebert, ZInsO 2018, 1657, 1661; Kindler/Blitzer, NZI 2017, 369, 374 bezeichnen dies als „Vermutungskaskade“. 455

E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO

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schaubares Rechtsinstitut und andererseits ein relativ „stumpfes Schwert“ geworden ist. Denn im Vorlauf der meisten Verfahrenseröffnungen kommt es zur Fortschreibung von Verlusten, sodass die soeben geschilderten Voraussetzungen regelmäßig erfüllt sind.461 Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt und darauf hingewiesen, dass die Praxis der Vorsatzanfechtung den Wirtschaftsverkehr mit unverhältnismäßigen und unkalkulierbaren Risiken belaste.462 Zur Lösung dieses Problems hat er sich letztlich für einen umständlich anmutenden Weg entschieden, indem er in § 142 Abs. 1 Hs. 2 InsO als zusätzliche Hürde für die Anfechtung eines Bargeschäfts die vom Anfechtungsgegner erkannte Unlauterkeit eingeführt hat.463 Dieser Weg funktioniert allerdings, da aufgrund des beschriebenen Wechselverhältnisses zwischen Bargeschäft und Vorsatzanfechtung eine Stärkung des Bargeschäfts automatisch auch mit einer Einschränkung der Vorsatzanfechtung einhergeht.464 In seiner Entwurfsbegründung führt der Gesetzgeber daher aus, dass es für den Insolvenzverwalter nicht mehr ausreiche, die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nachzuweisen, sondern er müsse zusätzlich noch darlegen, dass der Schuldner bei Vornahme der in Rede stehenden Deckungshandlung unlauter gehandelt habe, und der Gläubiger als Deckungsempfänger diese Unlauterkeit kannte.465 1. Unlauterkeit des Schuldners Unklar ist allerdings, was mit Unlauterkeit im Detail gemeint ist. Bereits vorab ist festzustellen, dass Hinweise auf die im Duden anzutreffenden Synonyme für den Begriff der Unlauterkeit nicht wirklich hilfreich sind.466 Bei der Unlauterkeit handelt es sich um einen spezifisch anfechtungsrechtlichen terminus technicus, der – eigentlich selbstredend – nicht einfach mit dem allgemeinen Sprachgebrauch gleichgesetzt werden kann.467 Die Gesetzesbegründung definiert die Unlauterkeit nicht, sondern umschreibt sie lediglich und gibt einige Musterbeispiele.468 Ein unlauteres Verhalten des Schuldners 461

BT-Drucks. 17/7054, S. 19. BT-Drucks. 17/7054, S. 1; vgl. ausführlich zu den Gründen für die Reform bei Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 41 ff. 463 Huber, ZInsO 2015, 2297, 2301 bezeichnet die Einordnung des Merkmals „unlauter“ in die Vorschrift zum Bargeschäft als systematisch verfehlt. 464 BT-Drucks. 18/7054, S. 13. 465 BT-Drucks. 18/7054, S. 19. 466 Jeweils bei Hiebert, ZInsO 2018, 1657, 1658; Neuberger, ZInsO 2018, 1242, 1248; Sämisch/Deichgräber, ZInsO 2018, 773, 775; ähnliche Kritik bei Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 83. 467 Vgl. auch Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 102, der überzeugend ausführt, dass auch der Unlauterkeitsbegriff aus dem UWG wegen der unterschiedlichen Regelungszwecke der jeweiligen Gesetze nicht übertragbar ist. 468 Hiebert, ZInsO 2018, 1657, 1659; Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 6; Braun-InsO/Riggert, § 142 InsO Rn. 23. 462

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

setze zunächst mehr voraus als die Vornahme der Rechtshandlung in dem Bewusstsein, nicht mehr in der Lage zu sein, alle Gläubiger befriedigen zu können. Unter den Bedingungen eines Bargeschäfts, bei dem der Abfluss des Leistungsgegenstands aus dem schuldnerischen Vermögen zeitnah durch den Zufluss der Gegenleistung kompensiert werde, müssten hinreichend gewichtige Umstände hinzutreten, um in dem vollzogenen Austausch einen besonderen Unwert zu erkennen. Ein unlauteres Handeln liege bei gezielter Benachteiligung von Gläubigern vor, wie sie etwa gegeben sei, wenn es dem Schuldner in erster Linie darauf ankomme, durch die Befriedigung des Leistungsempfa¨ ngers andere Gläubiger zu schädigen. Unlauter handele ein Schuldner auch dann, wenn er Vermögen für Leistungen verschleudere, die den Gläubigern unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt nützten, wie dies etwa bei Ausgaben für flüchtige Luxusgüter der Fall sei. Auch das Abstoßen von Betriebsvermögen, welches zur Aufrechterhaltung des Betriebes unverzichtbar ist, könne unlauter sein, wenn der Schuldner den vereinnahmten Gegenwert seinen Gläubigern entziehen wolle. Solange der Schuldner allerdings Geschäfte führe, die allgemein zur Fortführung des Geschäftsbetriebs erforderlich seien, fehle es auch dann an der Unlauterkeit, wenn der Schuldner erkenne, dass die Betriebsfortfu¨ hrung verlusttra¨ chtig ist.469 Die Ausführungen des Gesetzgebers führen nur bedingt zu einer Konkretisierung der Unlauterkeit.470 Erkennbar sind m. E. aber zwei Aspekte: Zum einen wollte der Gesetzgeber das Bargeschäftsprivileg entscheidend stärken und umfassend vor der Vorsatzanfechtung schützen. Die aufgeführten Beispielsfälle zeigen, dass die Unlauterkeit den absoluten Ausnahmefall darstellen soll. Das gesetzgeberische Ziel einer umfassenden Anfechtungsfestigkeit von Bargeschäften darf daher nicht wieder dadurch unterlaufen werden, indem die Unlauterkeit als neu eingeführte Schranke der Vorsatzanfechtung durch eine großzügige Auslegung konturen- und gegenstandslos wird.471 Zum anderen lässt sich aus den Beispielsfällen schließen, dass die Unlauterkeit auf den Leistungsaustausch fokussiert ist. Denn ausweislich der Gesetzesbegründung steht unlauteres Verhalten insbesondere bei fehlender Nützlichkeit der Gegenleistung oder bei betriebsfremden Luxusausgaben in Rede. Es kommt demnach entscheidend darauf an, für was der Schuldner seine gläubigerbenachteiligende Leistung erbracht hat. Erst von der Gegenleistung kann daher regelmäßig auf die Unlauterkeit des Schuldners geschlossen werden.472 Somit ist Unlauterkeit im Sinne von verschwenderisch zu verstehen, und es kommt entscheidend darauf an, ob der Leistungsaustausch zu einer Haftungsvereitelung geführt hat, die über die bloße Verlustträchtigkeit hinausgeht.473 Überzeugend erscheint daher, die fehlende Mas469

BT-Drucks. 18/7054, S. 19 f. Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 82. 471 So auch Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 133 InsO Rn. 146b. 472 Ähnlich bei Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 87 f.; HK-InsO/Thole, § 142 InsO Rn. 17. 473 Ähnlich Thole, ZIP 2017, 401, 407 f.; vgl. dazu auch Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 133 InsO Rn. 146b. 470

E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO

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senützlichkeit und die Betriebsfremdheit der Gegenleistung als Indizien für unlauteres Verhaltens des Schuldners aufzufassen (a)). Teilweise wird demgegenüber weniger auf den Leistungsaustausch abgestellt als darauf, ob der Schuldner im Zeitpunkt des Leistungsaustauschs strafrechtlich relevantes Verhalten an den Tag gelegt hat. So sei unlauteres Verhalten insbesondere dann anzunehmen, wenn der Schuldner sich wegen einer Insolvenzverschleppung gemäß § 15a Abs. 4 InsO strafbar mache. Das kann im Ergebnis allerdings nicht überzeugen, weil die Insolvenzverschleppungshaftung und die Unlauterkeit jeweils unterschiedliche Ziele verfolgen und auch sonst in keinem speziellen Verhältnis zueinanderstehen (b)). Zuletzt stellt sich dann noch die Frage, welche qualitativen Anforderungen an die subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen zu stellen sind (c)). a) Indizwirkung masseunnützer und betriebsfremder Gegenleistungen Ausweislich der Gesetzesbegründung kommt in Betracht, dass sowohl die fehlende Massenützlichkeit einer Gegenleistung als auch der fehlende Betriebsbezug einer Gegenleistung relevant für die Annahme unlauteren Verhaltens sind. Zwar heißt es in der Gesetzesbegründung zunächst, dass es auf den konkreten Nutzen der Gegenleistung für die Gläubiger nicht ankomme bzw. der fehlende Nutzen der Gegenleistung allein ein unlauteres Verhalten nicht begründen könne. Andererseits liege unlauteres Verhalten gerade dann vor, wenn der Schuldner sein Vermögen für Leistungen verschleudere, die den Gläubigern unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt nutzen könnten, wie dies etwa bei Ausgabe für flüchtige Luxusgüter der Fall sei.474 Dieser (scheinbar) argumentative Widerspruch ist allein dadurch aufzulösen, dass der Gesetzgeber zwar generell keine Massenützlichkeit von Gegenleistungen voraussetzt, wohl aber in der fehlenden Nützlichkeit ein Indiz für unlauteres Verhalten sieht. Das ist deshalb überzeugend, da einerseits der Insolvenzverwalter nicht pauschal damit argumentieren können soll, die Gegenleistung habe den Gläubigern nichts genutzt – andernfalls wäre jede Vergütung von Dienstleistungen unlauter und die oben ermittelten Ergebnisse zur Gleichwertigkeit von Beratungsleistungen wären gegenstandslos.475 Gleichwohl ist bei der Vergütung von Leistungen, die von vornherein einer späteren Verwertung nicht offenstehen, höchste Vorsicht geboten, denn der Schuldner erkennt freilich, dass solche Leistungen im Falle einer späteren Insolvenz durch die Gläubiger unter keinen Umständen verwertet werden können. Das weiß auch der Leistungsempfänger. Dies lässt daher Rückschlüsse auf gezielt benachteiligendes Verhalten zu – wie es der Gesetzgeber ausweislich seiner Begründung voraussetzt. Des Weiteren ergibt sich aus dem Musterbeispiel der flüchtigen Luxusausgaben, dass vor allem auch bei betriebsfremden Ausgaben allerhöchste Vorsicht geboten ist. 474

BT-Drucks. 18/7054, S. 19. Vgl. Teil 1, E. III. 3., S. 81 ff.; siehe auch Thole, ZIP 2017, 401, 408, der im Ergebnis ähnlich den fehlenden Nutzen der Gegenleistung für erheblich hält. 475

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

Insbesondere bei der Inanspruchnahme betriebsfremder Leistungen wird daher unlauteres Verhalten regelmäßig in Rede stehen. Indem aber der fehlenden Massenützlichkeit und der Betriebsfremdheit lediglich indizielle Wirkung beigemessen wird, steht dem Anfechtungsgegner die Möglichkeit zum Gegenbeweis offen, mit dem er sich gegen den Vorwurf der erkannten Unlauterkeit zur Wehr setzen kann. Schließlich gilt es zu beachten, dass nicht nur betriebsfremde, sondern auch wertausgeglichene, betriebsbezogene Ausgaben „verschwenderisch“ und damit unlauter sein können. Das wäre beispielsweise der Fall, wenn der Schuldner mit den verbleibenden Mitteln (betriebsbezogene) Beratungsleistungen in Anspruch nimmt, obwohl keine realistische Chance auf ein Überwinden der Krise mehr besteht. Jedenfalls partiell geraten dadurch erneut Beratungsleistungen, insbesondere die Sanierungsberatung, ins Visier der Vorsatzanfechtung. Wenn der Schuldner in Kenntnis der aussichtlosen Lage Beratungsleistungen in Anspruch nimmt, obwohl keine realistischen Aussichten auf ein Überwinden der Krise mehr bestehen, dann verschleudert er zulasten der Gläubiger verbleibende Mittel. Setzt der Berater – ebenfalls in Kenntnis der aussichtslosen Lage – gleichwohl das Sanierungskonzept um, und erhält er dafür eine angemessene Vergütung, ist die Schwelle der Kollusion zwar regelmäßig nicht überschritten. Gleichwohl ist er als Deckungsempfänger nicht mehr schutzwürdig. Vielmehr ist von ihm zu erwarten, dass er sein Mandat niederlegt. Insoweit ergibt sich hier also eine Parallele zu der bereits weiter oben erörterten Sanierungsberatungsproblematik.476 Während oben festgestellt wurde, dass eine vertragsgemäß erbrachte, im Ergebnis aber erfolglos gebliebene Sanierungsberatung regelmäßig als gleichwertig im Sinne des § 142 Abs. 1 InsO angesehen werden muss, geht es an dieser Stelle um die Frage, ob wertangemessene Beratungsleistungen den Tatbestand der Unlauterkeit erfüllen, weil aufgrund der aussichtslosen Situation von vornherein, für Schuldner und Berater erkennbar, kein betriebswirtschaftlicher Nutzen in der Beratung gesehen werden konnte. Es bleibt also dabei, dass vertragsgemäß erbrachte und entsprechend entlohnte, notwendige und sinnvolle Beratungsleistungen den Tatbestand der Unlauterkeit niemals erfüllen können.477 Dies gilt allerdings nicht für den Fall der nicht mehr notwendigen Beratungsleistung, weil entweder kein sinnvoller Sanierungsbezug besteht, oder eine Sanierung von vornherein zwecklos ist. Diesem Verständnis kann auch nicht entgegengehalten werden, dass dadurch Beratungsleistungen in ungerechtfertigter Weise unter Generalverdacht gestellt würden. Denn im Vergleich zur Frage, ob gescheiterte Sanierungsberatungen gleichwertige Gegenleistungen darstellen, trägt bei der (erkannten) Unlauterkeit der Insolvenzverwalter die Beweislast.478 Er muss also die fehlenden Erfolgsaussichten bzw. die Ernsthaftigkeit des Sanierungsversuchs nachweisen und die jeweilige Kenntnis von Schuldner und Berater. Gelingt 476

Siehe oben Teil 1, E. III. 3., S. 81 ff. Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 125, der in diesem Sinne zwischen einem „ernsthaften“ und einem „einfachen“ Sanierungsversuch differenziert; Möhlenkamp, DStR 2017, 987, 993. 478 Braun-InsO/Riggert, § 142 InsO Rn. 28. 477

E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO

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dem Insolvenzverwalter dieser (nicht leicht zu erbringende) Nachweis, muss dann aber konsequenterweise davon ausgegangen werden, dass der Schuldner zum Nachteil seiner restlichen Gläubiger die verbliebenden Mittel verschleuderte. In Anbetracht des Gesetzgeberwillens sind die Maßstäbe an die erkannte Unlauterkeit jedoch streng.479 Demzufolge genügte der Insolvenzverwalter seiner Beweislast definitiv dann nicht, wenn er bloß auf die eingetretene Insolvenz verwiese und daraus auch die Aussichtslosigkeit des Sanierungsversuchs abzuleiten versuchte. b) Keine Unlauterkeit wegen fortlaufender Insolvenzverschleppung Wie sich gezeigt hat, ist die Unlauterkeit entscheidend auf den Leistungsaustausch fokussiert und soll besonders verschwenderisches Verhalten des Schuldners sanktionieren. Das wird teilweise jedoch anders gesehen und schwerpunktmäßig darauf abgestellt, ob der Schuldner fortlaufend strafrechtlich relevantes Verhalten an den Tag gelegt habe. So müsse zwischen der strafrechtlichen Insolvenzverschleppungshaftung gemäß § 15a Abs. 4 InsO und der Unlauterkeit des Schuldners ein Gleichlauf angenommen werden. Argumentativ führen die Befürworter dieser Auffassung an, dass derjenige, der zahlungsunfähig oder überschuldet sei, Insolvenzantrag stellen müsse. Andernfalls mache er sich wegen Insolvenzverschleppung gemäß §§ 15a Abs. 4 i. V. m. Abs. 1 S. 1 InsO strafbar. Strafbewährtes Verhalten müsse allerdings per se auch als unlauter angesehen werden. Es könne daher nicht zulässig sein, dass der Schuldner trotz erkannter Zahlungsunfähig- und Verlustträchtigkeit anfechtungsfest Bargeschäfte abwickeln dürfe.480 Wisse der Anfechtungsgegner von der Insolvenzverschleppung, müsse auch eine Kenntnis der Unlauterkeit angenommen werden.481 Schließlich sei der Anfechtungsgegner nicht schutzwürdig, wenn ihm bewusst sei, dass der Schuldner seine Insolvenz verschleppe. Ferner müsse ab Eintritt der materiellen Insolvenz das Streben nach Einzelvorteilen hinter dem Ziel der bestmöglichen Befriedigung der Gläubigergesamtheit zurücktreten.482 Der Auffassung kann im Ergebnis nicht gefolgt werden. Zwar ist die Aussage zutreffend, dass der Schuldner den Straftatbestand des § 15a Abs. 4 InsO erfüllt, wenn er seine Zahlungsunfähigkeit kennt und nach Ablauf der Antragsfrist gemäß § 15a Abs. 2 S. 1 InsO keinen Insolvenzantrag stellt. Die Annahme unlauteren Verhaltens liegt sodann auch vom allgemeinen Sprachgebrauch her durchaus nahe, wenn der Schuldner strafbares Verhalten an den Tag legt.483 Allerdings ist der Schluss von der Insolvenzverschleppung auf die Unlauterkeit nicht zwingend. Eher scheint richtig, dass die Insolvenzverschleppung(-shaftung) einerseits und die Unlauterkeit 479 480 481 482 483

Ähnlich Taras/Suchan, NJW-Spezial 2020, 405, 406. Pape, ZInsO 2018, 296, 304; Sämisch/Deichgräber, ZInsO 2018, 773, 775. Pape, ZInsO 2018, 296, 304. Sämisch/Deichgräber, ZInsO 2018, 773, 775. So Pape, ZInsO 2018, 296, 304.

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

des Schuldners andererseits voneinander unabhängig sind und sich gegenseitig nicht beeinflussen. Dies ergibt sich m. E. vor allem aus der obigen Erkenntnis, dass die Unlauterkeit primär auf den konkreten Leistungsaustausch bezogen ist. Die Insolvenzverschleppungshaftung gemäß § 15a Abs. 4 InsO ist demgegenüber unabhängig von weiteren Rechtsgeschäften des Schuldners. Eine Insolvenzverschleppung liegt vor, wenn der Schuldner zahlungsunfähig oder überschuldet ist und nicht innerhalb von drei bzw. sechs Wochen Insolvenzantrag stellt. Ob der Schuldner noch weitere Rechtsgeschäfte abwickelt, ist hingegen irrelevant. Vom Geschäftsleiter dennoch vorgenommene Zahlungen werden durch die Zahlungsverbote der §§ 92 Abs. 2 AktG a. F., 130a Abs. 1 a. F. HGB, 99 GenG a. F. bzw. des neu eingeführten § 15b InsO abschließend geregelt – und zwar ausschließlich im Verhältnis des Geschäftsleiters zu seiner Gesellschaft.484 Damit sind die Anknüpfungspunkte der Insolvenzverschleppungshaftung und der erkannten Unlauterkeit verschieden. Zwar können sich die Anwendungsbereiche überschneiden, indem der Schuldner die Insolvenz verschleppt und zusätzlich verbleibende Mittel für Luxusaufwendungen verschwendet, sodass ein Bargeschäft an der Unlauterkeit scheitern würde. Rechtlich betrachtet handelt es sich aber um jeweils voneinander unabhängige Aspekte.485 Die Unterschiede zwischen Insolvenzverschleppung und erkannter Unlauterkeit zeigen sich darüber hinaus aber auch bei einem Vergleich der jeweiligen Schutzrichtungen. Wie bereits dargestellt, dient die Privilegierung von Bargeschäften in erster Linie dem Schutz des potenziellen Vertragspartners bzw. späteren Anfechtungsgegners. Dieser soll risikofrei mit dem in die Krise geratenen Schuldner Rechtsgeschäfte abwickeln können, sodass der Schuldner fortgesetzt am Geschäftsverkehr teilnehmen kann.486 Laut der Gesetzesbegründung werde dieses Ziel durch das neu eingeführte Erfordernis der erkannten Unlauterkeit für die Anfechtungspraxis weiter gestärkt.487 Zwar ist das Merkmal der erkannten Unlauterkeit in § 142 InsO gesetzessystematisch wie ein negatives Tatbestandsmerkmal ausgestaltet („kein Bargeschäft bei erkannter Unlauterkeit“) und insoweit auch tatbestandliches Einfallstor der Vorsatzanfechtung im Falle von Bargeschäften. Dennoch bezweckt das Merkmal der erkannten Unlauterkeit nicht den Schutz der Haftungsrealisierungschancen der Gläubiger, sondern primär den des Bargeschäftsgläubigers bzw. potenziellen Vertragspartners. Der Gesetzgeber hat mit der Einführung dieses zusätzlichen Merkmals im Vergleich zur alten Rechtslage die Anfechtung von Bargeschäften gerade weiter erschwert.488 484

Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 95 f.; siehe zu den gesellschaftsrechtlichen Zahlungsverboten auch oben Teil 1, E. III. 4., S. 84 ff. 485 Überzeugende Ausführungen auch bei Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 92 ff. 486 Siehe oben Teil 1, B., S. 20 ff. 487 BT-Drucks. 18/7054, S. 19. 488 BT-Drucks. 18/7054, S. 19, siehe oben Teil 1, E. V., S. 111 ff.

E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO

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Demgegenüber dient die strafrechtliche Insolvenzverschleppungshaftung einzig und allein dem Schutz der Haftungsrealisierungschancen der Gläubigergesamtheit.489 Der überschuldete oder zahlungsunfähige Schuldner soll in der Krise schnellstmöglich einen Insolvenzantrag stellen, damit sich die Krise nicht noch weiter vertieft und sich die Befriedigungsaussichten weiter verschlechtern. Sinn und Zweck der Insolvenzverschleppung einerseits und der erkannten Unlauterkeit andererseits stehen sich demnach nahezu diametral gegenüber, sodass teleologisch vom einen nicht auf das andere geschlossen werden kann.490 Es bestehen jedenfalls erhebliche Zweifel, ob der Gesetzgeber tatsächlich die Unlauterkeit mit der Insolvenzverschleppung verknüpfen wollte. Eher scheint richtig, dass der Gesetzgeber Bargeschäfte bis auf wenige Ausnahmen umfassend vor einer Anfechtung schützen wollte, was durch eine Verknüpfung mit § 15a Abs. 4 InsO deutlich relativiert würde. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Befürworter der Gegenauffassung kurzerhand den gesetzgeberischen Willen für unbeachtlich erklären und ausdrücklich entgegen der Begründung des Gesetzgebers den Begriff der Unlauterkeit auslegen wollen.491 Das ist methodisch bedenklich.492 Denn umgekehrt gilt, dass die Regelungsabsicht des Gesetzgebers die verbindliche Richtschnur bei der Normauslegung ist, und Abweichungen vom historischen Normzweck daher besonders rechtfertigungsbedürftig sind.493 Zuletzt erscheint aber auch die Aussage, ab dem Eintritt der materiellen Insolvenzreife müsse das Streben nach Vermögensvorteilen hinter das Ziel der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung zurücktreten, nicht zielführend.494 Vielmehr geht es beim Bargeschäft und damit letztlich auch bei der Unlauterkeit darum, den einzelnen Bargeschäftsgläubiger gegenüber der Gläubigergesamtheit zu privilegieren, obwohl alle Voraussetzungen einer Anfechtung erfüllt sind. Insoweit wird der Bargeschäftsgläubiger gerade von dem Grundsatz der par conditio creditorum befreit. Demnach sprechen die besseren Argumente also dafür, die Unlauterkeit eines bargeschäftlichen Austausches nicht bereits deshalb anzunehmen, weil sich der Schuldner der Insolvenzverschleppung gemäß § 15a Abs. 4 InsO strafbar macht. Richtiger erscheint, die Unlauterkeit unabhängig von einer solchen zu beurteilen.

489

MüKo-InsO/Klöhn, § 15a InsO Rn. 322. Ähnliche Argumentation bei Hiebert, ZInsO 2018, 1657, 1660; Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 96; Braun-InsO/Riggert, § 142 InsO Rn. 23. 491 Pape, ZInsO 2018, 296, 303 f. wörtlich: „[…] – Gesetzesbegründung hin oder her – […]“; Sämisch/Deichgräber, ZInsO 2018, 773, 775: „[Es] sprechen gewichtige Gründe dafür, von der Regierungsbegründung abzuweichen […]“. 492 Kritik auch bei Foerste, ZInsO 2018, 1034, 1036; Ganter, NZI 2018, 585, 586 f.; ders., NZI 2018, 961, 968; Hiebert, ZInsO 2018, 1657, 1660 ff. 493 Würdinger, JuS 2016, 1, 6. 494 Sämisch/Deichgräber, ZInsO 2018, 774, 775. 490

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

c) Subjektive Anforderungen an den Vorsatz des Schuldners und die korrespondierende Kenntnis des Anfechtungsgegners Zuletzt ist noch zu klären, welche Anforderungen an die subjektiven Voraussetzungen von Schuldner und Anfechtungsgegner zu stellen sind. Im Rahmen der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO reicht für den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nach h. M. aus, wenn der Schuldner die Gläubigerbenachteiligung im Sinne eines dolus eventualis billigend in Kauf genommen hat.495 Fraglich ist, ob dies auch hinsichtlich der Unlauterkeit des Schuldners gilt. Der Gesetzgeber ist in seiner Begründung nicht ausdrücklich auf diese Frage eingegangen. Er hat aber festgestellt, dass unlauteres Handeln bei gezielter Benachteiligung von Gläubigern vorliege, wie sie etwa gegeben sei, wenn es dem Schuldner in erster Linie darauf ankomme, durch die Befriedigung des Leistungsempfängers andere Gläubiger zu schädigen.496 Mehrheitlich wird daher absichtliches Verhalten oder jedenfalls sicheres Wissen im Sinne eines dolus directus verlangt.497 Teilweise wird dies jedoch als zu weitgehend erachtet und ein Eventualvorsatz für ausreichend gehalten, da andernfalls kaum mehr ein sinnvoller Anwendungsbereich der Vorsatzanfechtung unlauterer Bargeschäfte bestünde.498 Letztere Auffassung ist vor dem insoweit relativ eindeutigen Wortlaut der Gesetzesbegründung jedoch nur schwer zu rechtfertigen, demzufolge unlauteres Verhalten „bei gezielter Benachteiligung von Gläubigern vor[liege].“499 Diese gesteigerten subjektiven Anforderungen entsprechen zudem der gesetzgeberischen Intention, die Anfechtung von Bargeschäften nur noch in seltenen Ausnahmefällen zuzulassen.500 Nach überzeugender Ansicht ist daher auf Schuldnerseite wenigstens wissentliches Verhalten im Sinne eines dolus directus erforderlich.501 Hinsichtlich der erforderlichen Kenntnis des Anfechtungsgegners von der Unlauterkeit des Schuldners hat sich der Gesetzgeber ebenfalls nicht ausdrücklich 495

BGH NJW 2003, 3560, 3561; NJW 2006, 2701, 2702; 2327; NJW 2009, 1601, 1602; NZI 2016, 134, 135; NZI 2017, 854, 856; siehe auch Bartels, KTS 2016, 301, 304 f.; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 133 InsO Rn. 35; MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 133 InsO Rn. 13; BeckOK-InsO/Raupach, § 133 InsO Rn. 12. 496 BT-Drucks. 18/7054, S. 19. 497 Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 133 InsO Rn. 146b; Hiebert, ZInsO 2018, 1657, 1659; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 38; augenscheinlich auch HmbK-InsO/ Rogge/Leptien, § 142 InsO Rn. 20; Taras/Suchan, NJW-Spezial 2020, 405, 406. 498 HK-InsO/Thole, § 142 InsO Rn. 17; ders., ZIP 2017, 401, 407; siehe auch K/P/B/ Bartels, § 142 InsO Rn. 148 mit eigenem Ansatz, der lediglich Eventualvorsatz hinsichtlich des Eintritts einer mittelbaren Gläubigerbenachteiligung verlangt und ansonsten davon ausgeht, mit der Einführung der Unlauterkeit seien keine Änderungen verbunden. 499 BT-Drucks. 18/7054, S. 19. 500 BT-Drucks. 18/7054, S. 19. 501 So wohl auch Mahlmann, Bargeschäft und Unlauterkeit, S. 85 ff., der aber geringere Anforderungen an den Vorsatz stellt, wenn bereits objektive Umstände auf die Unlauterkeit schließen lassen.

E. Die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO

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geäußert. Er hat lediglich ausgeführt, dass die Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht dafür nicht ausreiche, sodass auch die Vermutungsregel des § 133 Abs. 1 S. 2 InsO nicht eingreife.502 Daraus lässt sich aber nicht schlussfolgern, der Gesetzgeber würde im Rahmen der erkannten Unlauterkeit nicht an den allgemeinen Grundsätzen des Insolvenzrechts hinsichtlich des Nachweises der Gläubigerkenntnis festhalten wollen. Dementsprechend ist zwar einerseits positive Kenntnis des Anfechtungsgegners erforderlich, andererseits reicht dafür aber bereits die Kenntnis von Umständen aus, die zwingend auf die Unlauterkeit schließen lassen.503 2. Zusammenfassung Mit der Einführung der erkannten Unlauterkeit wurden Bargeschäfte entscheidend gestärkt, denn der Nachweis unlauteren Verhaltens und einer korrespondierenden Kenntnis des Anfechtungsgegners wird dem Insolvenzverwalter nur in den allerseltensten Fällen gelingen.504 Zudem kann der Insolvenzverwalter im Rahmen der Vorsatzanfechtung dem Einwand des Bargeschäfts bzw. bargeschäftsähnlichen Rechtsgeschäfts nicht mehr durch den bloßen Verweis auf die fortlaufende Verlustträchtigkeit begegnen. Die „Mühlen“-Rechtsprechung des BGH ist damit hinfällig geworden. Entgegen einiger Stimmen in der Literatur505 ist das aber eine positive Entwicklung, die nicht nur der ratio legis des § 142 InsO, sondern insgesamt der Entwicklung des Insolvenzrechts hin zu einem Sanierungsrecht entspricht.506 Ausweislich der Gesetzesbegründung liegt der Fokus bei der Unlauterkeit auf dem Leistungsaustausch. Der Leistungsaustausch muss sich über das Maß einer bloßen Verlustträchtigkeit hinaus besonders verschwenderisch dargestellt haben. Eine Masseunnützlichkeit oder betriebsfremde Gegenleistungen stellen – trotz ihrer Gleichwertigkeit – dabei Indizien für ein solches verschwenderisches und damit unlauteres Verhalten des Schuldners dar. Strafrechtlich relevantes Verhalten in Form einer Insolvenzverschleppung ist hingegen irrelevant, da § 15a Abs. 4 InsO keinen Bezug auf etwaige Gegenleistungen nimmt. Somit kann von einer Insolvenzverschleppung des Schuldners nicht auf die Unlauterkeit geschlossen werden. Voraussichtlich werden im Zusammenhang mit der Unlauterkeit Beratungsleistungen partiell an Bedeutung gewinnen. War das Unternehmen für den Schuldner und den Berater erkennbar nicht mehr zu retten und wird dennoch eine Beratungsleistung in Anspruch genommen, kann unter Umständen unlauteres Verhalten 502

BT-Drucks. 18/7054, S. 19. Braun-InsO/Riggert, § 142 InsO Rn. 24. 504 Ganter, ZIP 2019, 1141, 1152. 505 FK-InsO/Dauernheim/Blank, § 142 InsO Rn. 22; Ganter, WM 2015, 2117, 2120; Kindler/Blitzer, NZI 2017, 369, 375; Neuberger, ZInsO 2018, 1242, 1248; Pape, ZInsO 2018, 296, 303 ff.; Sämisch/Deichgräber, ZInsO 2018, 773, 774 ff. 506 Im Ergebnis so auch Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 133 InsO Rn. 146b, wenngleich die konkrete Umsetzung kritisiert wird. 503

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Teil 1: Grundlagen zum Bargeschäft

des Schuldners in Rede stehen. Der Nachweis der korrespondierenden Kenntnis des Beraters von der hoffnungslosen Situation dürfte dem Insolvenzverwalter jedoch in aller Regel schwerfallen, sodass eine Anfechtbarkeit von Bargeschäften wegen erkannter Unlauterkeit auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben wird.

F. Ergebnisse der Tatbestandsanalyse § 142 Abs. 1 InsO setzt in tatbestandlicher Hinsicht zunächst voraus, dass die Gegenleistung tatsächlich auch in das Vermögen des Schuldners geflossen ist. Eine bloße Verringerung von Verbindlichkeiten reicht nicht aus. Diese Gegenleistung muss zudem aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung erbracht worden sein, was sich aus den Worten „für die“ ergibt. Das Erfordernis der rechtsgeschäftlichen Verknüpfung dient dabei lediglich der Zurechnung der Leistung zum Anfechtungsgegner und zur Ermittlung der Leistungen, die miteinander auf ihre Gleichwertigkeit verglichen werden sollen. Daher sind nicht allzu strenge Anforderungen an die erforderliche Verknüpfung zu stellen. Auf Seiten des Anfechtungsgegners ist lediglich erforderlich, dass er die Gegenleistung zur Erfüllung der Verbindlichkeit des Schuldners erbracht hat. Eine darüber hinausgehende Funktion kommt der vertraglichen Verknüpfung nicht zu. Insbesondere setzt sie nicht voraus, dass die Leistung zwingend dem vertraglich vereinbarten Pflichtenprogramm entsprochen haben muss. Damit ergibt sich aus der Formulierung „für die“ auch nicht, dass § 142 Abs. 1 InsO auf die Inkongruenzanfechtung gemäß § 131 Abs. 1 InsO keine Anwendung fände. Für die Gleichwertigkeit der Gegenleistung ist nicht erforderlich, dass sie einer späteren Verwertung der Gläubigergesamtheit offensteht. Somit ist eine Massenützlichkeit ebenso wenig erforderlich wie die Möglichkeit der Verwertbarkeit der Gegenleistung im Sinne einer rechtlichen Befriedigungstauglichkeit. Etwas anderes ergibt sich dabei auch nicht aus den für die Geschäftsleiterhaftung geltenden Maßstäben, weil beide Rechtsinstitute jeweils unterschiedliche Zwecke verfolgen und sich bei der konkreten Rechtsanwendung tatsächlich kaum Überschneidungen ergeben. Durch das SanInsFoG wurde die Geschäftsleiterhaftung punktuell modifiziert, sodass der Geschäftsleiter während der drei bzw. sechswöchigen Insolvenzantragsfrist nunmehr haftungsfrei Zahlungen auch für unverwertbare Gegenleistungen leisten darf. Der zeitliche Rahmen der Unmittelbarkeit hängt gemäß § 142 Abs. 2 S. 1 InsO von der Art der ausgetauschten Leistungen unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs ab. Die Unmittelbarkeit dient dabei nicht der Abgrenzung des Bargeschäfts zum (vermeintlich privilegierungsunwürdigen) Kreditgeschäft, sondern erfüllt gleich mehrere, andere Funktionen. Zum einen ermöglicht sie eine inhaltliche Konkretisierung von Bargeschäften und vereinfacht damit die Normanwendung. Sodann drängt sie im Falle einer Vorleistung durch den

F. Ergebnisse der Tatbestandsanalyse

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Schuldner den Vertragspartner zu einer zügigen Leistungserbringung, sodass der Schuldner schnellstmöglich die dringend benötigte Liquidität in Form der Gegenleistung zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes erhält. Dadurch stellt sich auch eine Vorleistung des Schuldners regelmäßig als ungefährlich für die Masse dar. Zugleich können Vertragspartner aber auch ihre Anfechtungsrisiken kontrollieren, indem sie zügig ihre gleichwertige Gegenleistung erbringen. Der maßgebliche Zeitraum lässt sich nicht sicher feststellen, wobei eine grundsätzliche Orientierung an der 30-tägigen Verzugsfrist des § 286 Abs. 3 Hs. 1 BGB sachgerecht erscheint. Im Einzelfall kann diese Frist auch mit rund zwei Wochen kürzer ausfallen, wenn es sich um rechtlich und tatsächlich einfache Austauschgeschäfte handelt. Das Bargeschäftsprivileg findet ausweislich seines Gesetzeswortlauts gemäß § 142 Abs. 1 InsO schließlich seine Grenzen in der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 – 3 InsO und der vom Anfechtungsgegner erkannten Unlauterkeit des Schuldners. Die Unlauterkeit wirkt sich dabei vor allem im Rahmen der Vorsatzanfechtung aus, indem das Bargeschäft als entkräftendes Indiz gegen das Vorliegen eines schuldnerischen Benachteiligungsvorsatzes entscheidend gestärkt wurde. Die Unlauterkeit wurde dabei vom Gesetzgeber nicht legal definiert, sondern lediglich umschrieben. Aus den Musterbeispielen der Gesetzesbegründung lässt sich aber schließen, dass die Unlauterkeit auf den jeweiligen Leistungsaustausch Bezug nimmt. Dieser muss sich als besonders, über das Maß einer bloßen Verlustträchtigkeit hinausgehend, verschwenderisch darstellen. Die fehlende Nützlichkeit einer Gegenleistung für die spätere Verwertung durch die Gläubigergesamtheit oder aber der fehlende Betriebsbezug können dabei Anhaltspunkte für unlauteres Verhalten bieten. Als Fallgruppe könnten im Rahmen der erkannten Unlauterkeit möglicherweise Beratungsleistungen relevant werden. Allerdings ist der Maßstab an die Unlauterkeit sehr streng. Verschwenderisches Verhalten kann bei einer ernsthaften und aufgrund der wirtschaftlichen Situation des Schuldners nicht von vornherein nutzlosen (Sanierungs-)Beratung nicht angenommen werden. Aussichtsreiche und ernsthafte, aber dennoch gescheiterte Sanierungsversuche sind zwar verlustträchtig, gleichwohl aber nicht verschwenderisch und unlauter im Sinne der Norm.

Teil 2

Praxisrelevante Anwendungsfälle des § 142 InsO Bei der Tatbestandsanalyse wurden bereits relevante Anwendungsfälle des § 142 InsO problematisiert. Allerdings gibt es noch weitere Fallkonstellationen des Bargeschäfts, die aufgrund ihrer Praxisrelevanz besonders kontrovers diskutiert werden. Allen voran hat dabei die Verrechnung im Kontokorrent besondere Aufmerksamkeit erfahren (A.). Eine weitere Fallgruppe ist die Besicherung von Gesellschafterdarlehen im Sinne der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO (B.). Die wirtschaftliche Bedeutung beider Fallkonstellationen liegt auf der Hand: Wären sämtliche Kontokorrentverrechnungen anfechtbar, würde die kontoführende Bank bei den kleinsten Krisenanzeichen sämtliche Rechtsbeziehungen zum Schuldner kündigen, und dieser wäre von heute auf morgen seiner wirtschaftlichen Handlungsfreiheit beraubt. Das ist wirtschaftlich betrachtet unerwünscht, sodass sich die Frage nach einer stringenten anfechtungsrechtlichen Lösung stellt. Aber nicht nur die Frage nach der generellen Anfechtbarkeit von Kontokorrentverrechnungen bedarf einer Überprüfung, sondern auch ihr jeweiliger Umfang. So ist es jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass bei einer laufenden Kontokorrentverbindung jede einzelne Verrechnung – mit Verweis auf die Einzelbetrachtungslehre des BGH1 – isoliert anfechtbar ist, und damit das Volumen der Anfechtung letztlich weit über den Betrag hinausginge, der dem Schuldner jemals zur Verfügung gestanden hat. Die Frage nach der Möglichkeit einer anfechtungsfesten Besicherung von Gesellschafterdarlehen ist ebenfalls von erheblicher wirtschaftlicher Relevanz. Ließe sich eine grundsätzliche Anwendbarkeit des § 142 Abs. 1 InsO auf § 135 InsO bejahen, könnte ein Gesellschafter im Ergebnis wie ein Fremdfinanzierer auftreten. Gleichzeitig würde er aber als Gesellschafter nicht nur von Zinsansprüchen, sondern auch von der Wertschöpfung des Unternehmens und einer variablen Gewinnbeteiligung profitieren – und das praktisch ohne die Übernahme von Insolvenzrisiken. Die daraus resultierenden Finanzierungs- und vor allem Sanierungsmöglichkeiten zugunsten der Gesellschaft wären beträchtlich, die Kosten für die Gläubigergesamtheit im Falle eines Scheiterns allerdings auch.

1

Siehe dazu oben Teil 1, C. II. 2. c), S. 45 ff.

A. Verrechnungen im Kontokorrent

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A. Verrechnungen im Kontokorrent Ein Kontokorrent bezeichnet gemäß § 355 Abs. 1 HGB die Geschäftsverbindung einer Person mit einem Kaufmann, bei der gegenseitige in Rechnung gestellte Ansprüche und Leistungen nicht sofort, sondern in regelmäßigen Zeitabschnitten durch Verrechnung und Feststellung des Saldos ausgeglichen werden.2 Eine Kontokorrentabrede dient der Erleichterung des Zahlungsverkehrs, da die Häufigkeit von Geschäftsverbindungen mit einer Vielzahl von wechselseitigen Forderungsrechten eine sofortige Abrechnung praktisch unmöglich macht.3 Kontokorrentverhältnisse werden in verschiedensten Geschäftsbeziehungen relevant, die von Groß- und Einzelhändlern bis zu Schwestergesellschaften innerhalb eines Konzerns reichen. Der praktisch häufigste Fall ist allerdings das Kontokorrentkonto, also die Vereinbarung zwischen einer Bank und einem Kontoinhaber.4 Verrechnungen im Rahmen eines Kontokorrentkontos beruhen auf einer mehrstufigen Rechtsbeziehung zwischen der Bank und dem Kontoinhaber: Zunächst wird ein Girokontovertrag bzw. Zahlungsdiensterahmenvertrag im Sinne des § 675 f Abs. 2 BGB geschlossen, demzufolge die Bank als Zahlungsdienstleisterin verpflichtet ist, für den Kontoinhaber als Zahlungsdienstnutzer einzelne, aufeinander folgende Zahlungsvorgänge auszuführen und für den Zahlungsdienstnutzer ein auf dessen Namen lautendes Zahlungskonto zu führen. Gemäß § 675c Abs. 1 BGB finden die Vorschriften über das Auftragsrecht gemäß §§ 663, 665 – 670 und §§ 672 – 674 BGB entsprechende Anwendung. Kommt es zu einem Zahlungseingang auf das Girokonto des Kontoinhabers, erlangt dieser gemäß § 675t Abs. 1 BGB einen Anspruch auf unverzügliche Verfügbarmachung des bei der Bank eingegangenen Betrages (sogenannter Anspruch auf Gutschrift). Die Gutschrift selbst begründet dabei ein abstraktes Schuldanerkenntnis oder -versprechen der Bank gegenüber dem Kontoinhaber (sogenannter Anspruch aus Gutschrift).5 Tätigt umgekehrt der Kontoinhaber eine Überweisung, erhält die Bank als Folge der Ausführung gemäß § 675c Abs. 1 i. V. m. §§ 675, 670 BGB einen Aufwendungsersatzanspruch gegen den Kontoinhaber in Höhe des überwiesenen Betrages. Durch die Kontokorrentabrede vereinbaren die Parteien, dass die Zahlungseinund -ausgänge nicht alle einzeln abgerechnet, sondern erst zu einem bestimmten Zeitpunkt periodisch saldiert werden. Die Parteien treffen also eine antizipierte 2 Oetker-HGB/Maultzsch, § 355 HGB Rn. 1; Schimansky/Bunte/Lwowski/Schmieder, § 47 Rn. 38 f. 3 Oetker-HGB/Maultzsch, § 355 HGB Rn. 7. 4 M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 123; Oetker-HGB/ Maultzsch, § 355 HGB Rn. 6; vgl. weiterführend auch zu kontokorrentähnlichen Verrechnungsverhältnissen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft BGH NZI 2013, 483, 484; NJW 2019, 2923, 2927; Bräuer, Bargeschäfte, S. 132 ff.; K/P/B/Preuß, § 135 InsO Rn. 39 ff. 5 Heublein, ZIP 2000, 161 f.; Schimansky/Bunte/Lwowski/Schmieder, § 47 Rn. 49 ff.; Stapper/Jacobi, BB 2007, 2017; vgl. auch MüKo-BGB/Jungmann, § 675t BGB Rn. 1 – 4; vgl. zur Rechtsnatur der Gutschrift allein BGH NJW 2002, 1722, 1723.

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Teil 2: Praxisrelevante Anwendungsfälle des § 142 InsO

(verfügende) Verrechnungsabrede.6 Bis zu jenem Verrechnungszeitpunkt werden die jeweiligen gegenseitigen Forderungen als unselbstständige Rechnungsposten behandelt, sodass weder Kontoinhaber noch die Bank über einzelne Forderungen verfügen können. Bildlich ausgedrückt werden die Forderungen „gelähmt“.7 Zum Ende der Rechnungsperiode werden dann diese unselbstständigen Rechnungsposten miteinander verrechnet, und ein etwaiger Überschuss (Saldo) als abstraktes Schuldanerkenntnis dem Kontoinhaber gutgeschrieben.8 Der Regelfall in der Krise des Schuldners ist allerdings, dass das Konto keinen Überschuss, sondern einen Negativsaldo aufweist, der Schuldner sein Konto also überzogen hat. Kommt es in der kritischen Zeit noch zu Einzahlungen auf das Konto, stehen sich die Ansprüche des Schuldners auf Gutschrift und der Aufwendungsersatzanspruch der Bank für vorgenommene Überweisungen aufrechenbar gegenüber. Befindet sich das Konto im Minus, ist die Bank naturgemäß daran interessiert, dieses Debet und damit ihr Kreditengagement abzubauen. Insoweit ist es nur naheliegend, dass sie mithilfe der Verrechnung auch den Sollsaldo zu reduzieren versucht. Eine solche Verrechnung durch die Bank führte jedoch dazu, dass eine Masseverkürzung einträte, und die Gläubigergesamtheit im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO benachteiligt würde. Denn der Anspruch der Bank auf Ausgleich des Sollsaldos in der Insolvenz stellt lediglich eine einfache Insolvenzforderung gemäß § 38 InsO dar.9 Bereits die Aufrechnungsmöglichkeit wirkt dabei benachteiligend.10 Fraglich ist also, ob und inwieweit der Insolvenzverwalter jene Verrechnungen der Bank in der kritischen Zeit anfechten und den jeweiligen Betrag zur Masse herausverlangen kann. Obwohl bereits diese Konstellation allein erläuterungsbedürftig ist, ist zusätzlich noch zu beachten, dass im Falle eines einfachen Kontokorrentkontos eine Überziehungsmöglichkeit des Schuldners nicht gestattet ist, Überweisungen von der Bank also nur bei ausreichender Deckung erfolgen. In der Praxis ist die Überziehung des Kontos bis zu einer vereinbarten Kreditlinie jedoch regelmäßig gestattet, da zusätzlich zum Girokonto noch ein Kreditvertrag in Form eines Überziehungskredits gemäß § 493 bzw. § 504 BGB geschlossen wird. Dann liegt ein sogenannter Kontokorrentkre-

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Bork, FS-Kirchhof, S. 58 f.; Oetker-HGB/Maultzsch, § 355 HGB Rn. 4; Tinnefeld, Aufund Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 34. 7 Heublein, ZIP 2000, 161, 162; Oetker-HGB/Maultzsch, § 355 HGB Rn. 37; Schimansky/ Bunte/Lwowski/Schmieder, § 47 Rn. 64 ff.; Stapper/Jacobi, BB 2007, 2017; Tinnefeld, Aufund Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 31 f.; vgl. auch OLG Köln NZI 2008, 373, 374. 8 Bork, FS-Kirchhof, S. 58 f.; MüKo-InsO/Brandes/Lohmann, § 96 InsO Rn. 32; Heublein, ZIP 2000, 161, 162; Stapper/Jacobi, BB 2007, 2017; Tinnefeld, Auf- und Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 41 f. 9 Bräuer, Bargeschäfte, S. 108; Stapper/Jacobi, BB 2007, 2017, 2021; Stiller, ZInsO 2002, 651, 652; Tinnefeld, Auf- und Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 48 f., 178 f. 10 BGH NJW 2002, 1722, 1723; Bork, FS-Kirchhof, S. 61.

A. Verrechnungen im Kontokorrent

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ditvertrag vor.11 Kommt es infolge der periodischen Verrechnung also zu einem Negativsaldo auf Seiten des Kontoinhabers, ist diese Überziehung bis zum eingeräumten Kreditlimit unschädlich. Gleichzeitig ist der Kontoinhaber jederzeit berechtigt, den in Anspruch genommenen Kredit zurückzuführen.12 Auch im Falle eines Kontokorrentkredits stellt sich die Frage, ob Verrechnungen der Bank zur Verringerung ihres Kreditengagements zulässig oder aufgrund ihrer Anfechtbarkeit unwirksam sind. Wären sämtliche Kontokorrentverrechnungen durch die Bank in der Krise anfechtbar, würden bei den kleinsten Krisenanzeichen sämtliche Vertragsbeziehungen durch die Bank sofort gekündigt, der Schuldner könnte keine Überweisungen mehr tätigen und wäre schließlich jeglicher wirtschaftlicher Handlungsfähigkeit beraubt.13 Die Krise wäre dann gleichbedeutend mit dem Zusammenbruch des schuldnerischen Unternehmens. Kündigte die Bank hingegen nicht, haftete sie für alle zugelassenen Verfügungen letztlich selbst und trüge das Ausfallrisiko für die Aufrechterhaltung der wirtschaftlichen Handlungsfähigkeit des Schuldners ganz allein.14 Um dieses offensichtlich untragbare Ergebnis zu vermeiden, steht bereits an dieser Stelle fest, dass unter bestimmten Voraussetzungen Kontokorrentverrechnungen anfechtungsrechtlich privilegiert sein müssen. Für die sachgerechte Behandlung von Kontokorrentverrechnungen in der Krise ist in einem ersten Schritt zu klären, welche Auswirkungen die Krise auf die Kontokorrentabrede als antizipierten Aufrechnungsvertrag hat (I.). Sodann muss der konkrete Anfechtungsgegenstand bestimmt werden, also was überhaupt ganz konkret Gegenstand der Anfechtung ist, und was die Rechtsfolgen einer erfolgreichen Anfechtung sind (II.). Zuletzt stellt sich dann die entscheidende Frage, ob Kontokorrentverrechnungen in der Krise des Schuldners gemäß § 142 Abs. 1 InsO bargeschäftlich privilegiert sein können (III.).

11 M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 123; vgl. zum Begriff des Kontokorrentkontos Schimansky/Bunte/Lwowski/Langner, § 83 Rn. 8; Stapper/Jacobi, BB 2007, 2017 f.; Tinnefeld, Auf- und Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 43. 12 Bräuer, Bargeschäfte, S. 111 ff.; Tinnefeld, Auf- und Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 43 f. 13 Bräuer, Bargeschäfte, S. 109 bezeichnet die wirtschaftlichen Folgen einer uneingeschränkten Anfechtbarkeit von Kontokorrentverrechnungen als „dramatisch“; vgl. zu den Folgen ebenso Lwowski/Wunderlich, WM 2004, 1511, 1516. 14 M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 322; Jaeger-InsO/ Henckel, § 142 InsO Rn. 22; Tinnefeld, Auf- und Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 266; noch im Zusammenhang mit der GesO aber inhaltlich ebenso BGH NJW 1999, 3264, 3266.

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Teil 2: Praxisrelevante Anwendungsfälle des § 142 InsO

I. Kein Erlöschen der Verrechnungsbefugnis im Eröffnungsverfahren Fraglich ist zunächst, ob die Bank in der Krise des Schuldners überhaupt noch berechtigt ist, Forderungen zu verrechnen. Während dies für die Dreimonatsfrist gemäß § 130 Abs. 1 InsO im Vorfeld der Antragstellung unproblematisch bejaht werden kann, ist unklar, was für das Insolvenzeröffnungsverfahren gilt, also jenen Zeitraum, in dem das Insolvenzgericht den Insolvenzantrag auf das Vorliegen eines Eröffnungsgrundes hin prüft.15 Gemäß §§ 115, 116 InsO enden Vertragsbeziehungen erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens, die Antragstellung wirkt sich also nicht unmittelbar auf das Giro- und Kontokorrentverhältnis aus.16 Das ist im Ergebnis konsequent und entspricht den jeweiligen Verfahrensstufen der InsO. So steht im Eröffnungsverfahren schließlich noch gar nicht fest, ob überhaupt die Voraussetzungen für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gegeben sind, sodass das Eröffnungsverfahren grundsätzlich und ohne spezifische Anordnungen des Gerichts keine Auswirkung auf die vertraglichen Beziehungen des Schuldners haben darf.17 Allerdings kann das Insolvenzgericht bereits im Eröffnungsverfahren zum Schutze der Masse einen vorläufigen Insolvenzverwalter mit Zustimmungsvorbehalt gemäß § 21 Abs. 1, 2 Nr. 2 InsO bestellen, was sich auf die Kontokorrentabrede und die damit einhergehende Verrechnungsbefugnis auswirkt, weil ein Zustimmungsvorbehalt dieselbe Wirkung hat wie ein allgemeines Verfügungsverbot, vgl. § 24 Abs. 1 InsO.18 Teilweise wird daher vertreten, dass die Anordnung eines Zustimmungsvorbehalts oder allgemeinen Verfügungsverbots automatisch zu einem Erlöschen der dinglich wirkenden antizipierten Verfügungs- und Verrechnungsvereinbarung führe, sodass zugunsten der Bank keine automatische Verrechnung mehr erfolgen könne.19 Demzufolge wären Verfügungen des Schuldners und sonstige Rechtshandlungen, die zu einem Rechtserwerb eines Gläubigers führen, nicht nur nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern auch während des Eröffnungsverfahrens unwirksam.20

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Beck/Depré/Beck, § 1 Rn. 21 ff. BGH NJW 1979, 1658, 1659; NZI 2009, 599; NZI 2012, 365, 367; Gehrlein, ZInsO 2010, 1857; Heublein, ZIP 2000, 161, 163; M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 136; Obermüller, ZInsO 1998, 252; Schimansky/Bunte/Lwowski/Schmieder, § 50 Rn. 36; Stapper/Jacobi, BB 2007, 2017, 2018; Tinnefeld, Auf- und Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 52 f., 112 f.; Uhlenbruck/Vallender, § 21 InsO Rn. 20. 17 Siehe oben Teil 1, B. I., S. 21 ff. 18 Bork, FS-Kirchhof, S. 60; vgl. auch Beck/Depré/Beck, § 1 Rn. 36. 19 Eckardt, ZIP 1997, 957, 959 ff.; Jaeger-InsO/Gerhardt, § 22 InsO Rn. 63; MüKo-InsO/ Haarmeyer/Schildt, § 21 Rn. 57; Knees, ZVI 2002, 89, 95; Obermüller, ZInsO 1998, 252, 253; Simokat, NZI 2012, 57, 62 f. 20 Vgl. Simokat, NZI 2012, 57, 62 f.; Tinnefeld, Auf- und Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 73 f.; vgl. zur Darstellung der Gegenauffassung M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 150 ff. 16

A. Verrechnungen im Kontokorrent

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Die mittlerweile h. M. vertritt demgegenüber die zutreffende Auffassung, dass das mit dem Zustimmungsvorbehalt einhergehende Verfügungsverbot im Eröffnungsverfahren lediglich für neue Verfügungen gilt. Damit bleibt die vor der Krise getroffene Kontokorrentabrede als antizipierter Verrechnungsvertrag von einem angeordneten Zustimmungsvorbehalt unberührt.21 Der BGH hatte bereits zu Zeiten der KO entschieden, dass der mit der Anordnung der Sequestration einhergehende Verlust der Verfügungsbefugnis keine Auswirkungen auf eine zuvor erfolgte Abtretung zukünftiger Forderungen habe. Der Zweck eines mit einer Sequestration verbundenen Veräußerungsverbots rechtfertige nicht, Vorausverfügungen aus der Zeit davor, die sich erst nach Anordnung jener Maßnahmen auswirkten, als hinfällig anzusehen.22 Diese Rechtsprechung führte der BGH in seiner Entscheidung vom 29. Juni 2004 fort und bestätigte, dass eine die Aufrechnungsbefugnis einschränkende Wirkung nicht von Sicherungsmaßnahmen ausgehe, die das Insolvenzgericht im Eröffnungsverfahren nach § 21 Abs. 2 Nr. 2, 3 InsO anordnet.23 Gegen die Mindermeinung spricht letztlich vor allem, dass der Schutz der Masse bereits über § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO hinreichend gewährleistet wird. Demzufolge ist eine Aufrechnung unzulässig, wenn der Insolvenzgläubiger die Möglichkeit zur Aufrechnung durch eine anfechtbare Rechtshandlung erlangt hat. Wurde demgegenüber die Aufrechnungsmöglichkeit lange vor der Krise und in nicht anfechtbarer Weise begründet, ist davon auszugehen, dass das infolge der Verrechnung abfließende Vermögen bereits kein Bestandteil des schuldnerischen Vermögens mehr war und auch im Wege der Anfechtung der Masse nicht wieder zugeführt werden darf.24 Geht man also richtigerweise davon aus, dass die Kontokorrentvereinbarung im Eröffnungsverfahren grundsätzlich wirksam bleibt, stellt sich die anschließende Frage, ob die Vereinbarung nicht möglicherweise selbst anfechtbar ist, weil sie die Gläubiger benachteiligt. Das ist allerdings nicht der Fall, weil keiner der in Betracht kommenden Anfechtungstatbestände erfüllt ist. So scheitert eine Anfechtung gemäß § 132 Abs. 1 InsO an der fehlenden unmittelbaren Benachteiligung einer Kontokorrentabrede und eine Deckungsanfechtung gemäß der §§ 130, 131 InsO scheitert

21 KK-InsO/Beyer, § 94 InsO Rn. 61; Bork, FS-Kirchhof, S. 60; Henckel, EWiR 1997, 943; Herchen, EWiR 2008, 565 f.; HmbK-InsO/Jacoby, § 94 InsO Rn. 13; BeckOK-InsO/Liefke, § 94 InsO Rn. 57; MüKo-InsO/Lohmann/Reichelt, § 94 InsO Rn. 5; K/P/B/Lüke, § 94 InsO Rn. 87 f.; Marotzke, JR 1998, 31; überzeugend M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 149 ff.; HK-InsO/Schmidt, § 94 InsO Rn. 21; Uhlenbruck/Sinz, § 94 InsO Rn. 67 f. 22 BGH NJW 1997, 1857, 1858. 23 BGH NZI 2004, 580, 581; bestätigt durch NZI 2009, 888, 889; NZI 2010, 138, 140; OLG Köln NZI 2008, 373, 375 f.; vgl. auch BGH ZInsO 2018, 1253, 1259; Heublein, ZIP 2000, 161, 163 f. 24 K/P/B/Lüke, § 94 InsO Rn. 87; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 21 InsO Rn. 20; Uhlenbruck/Sinz, § 94 InsO Rn. 67.

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Teil 2: Praxisrelevante Anwendungsfälle des § 142 InsO

daran, dass das Kontokorrentverhältnis im Normalfall weit vor der Krise vereinbart wurde. Die Kontokorrentabrede selbst ist damit regelmäßig nicht anfechtbar.25 Letztlich wirkt sich der Streit über die Wirksamkeit der antizipierten Verrechnungsabrede im Eröffnungsverfahren im Ergebnis aber gar nicht aus, denn im Falle der Unwirksamkeit der Verrechnungsabrede könnte die Bank die Aufrechnung erneut erklären, sodass es schlussendlich auch nach der Mindermeinung entscheidend darauf ankäme, ob die Aufrechnungslage im Sinne des § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO anfechtbar zustande gekommen ist, und weniger darauf, ob die Verrechnungsabrede durch die Anordnung eines Verfügungsverbots unwirksam wird.26

II. Anfechtungsgegenstand bei Verrechnungen im Kontokorrent Wenn die Verrechnungsabrede aus dem Kontokorrentverhältnis im Eröffnungsverfahren also bestehen bleibt bzw. es darauf im Ergebnis nicht ankommt, dann ist möglicherweise die Verrechnung als solche anfechtbar. Das ist allerdings ebenfalls nicht der Fall, was sich bereits unmittelbar aus der Vorschrift des § 94 InsO ergibt. Demzufolge bleibt eine zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Aufrechnungsmöglichkeit von der Insolvenz unberührt. Die InsO stellt damit den Aufrechnungsberechtigten einem Absonderungsberechtigten praktisch gleich.27 Wurde hingegen die Aufrechnungslage ihrerseits durch eine anfechtbare Rechtshandlung herbeigeführt, ist eine Aufrechnung gemäß § 96 Abs. 1 Nr. 3 InsO ipso iure unwirksam, ohne dass es einer vorherigen Anfechtung bedürfte.28 Im Falle von Kontokorrentverrechnungen kann der Insolvenzverwalter dann die verrechneten Forderungen direkt herausverlangen und zwar nicht nach der anfechtungsrechtlichen Rechtsfolgenvorschrift des § 143 Abs. 1 InsO, sondern unmittelbar aus dem mit der Gutschrift erklärten abstrakten Schuldversprechen gemäß § 780 BGB.29 Damit ist Anfechtungsgegenstand nicht die Verrechnung als solche, sondern vielmehr diejenige Rechtshandlung, die die Aufrechnungslage entstehen lässt. Die Aufrechnungslage entsteht durch einen Zahlungseingang auf das Konto des Schuldners, was durch die Überweisung eines Dritten oder durch eine Bareinzahlung des Schuldners erfolgen kann. Durch den Zahlungseingang entsteht der Anspruch des Schuldners auf Gutschrift, der dem Aufwendungsersatzanspruch der Bank gleichartig gegenübersteht und damit die Aufrechnungslage begründet. Umgekehrt kann auch ein Zah25 K/P/B/Blankenburg, § 21 InsO Rn. 262; Bork, FS-Kirchhof, S. 61 f.; M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 201. 26 Bork, FS-Kirchhof, S. 60; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 131 InsO Rn. 74; Tinnefeld, Aufund Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 108 ff. 27 Bräuer, Bargeschäfte, S. 113; Dampf, KTS 1998, 145. 28 Bräuer, Bargeschäfte, S. 114. 29 Vgl. Bork, FS-Fischer, S. 39; Uhlenbruck/Hirte/Borries, § 131 InsO Rn. 73; MüKoInsO/Brandes/Lohmann, § 96 InsO Rn. 32; vgl. auch FK-InsO/Dauernheim, § 130 InsO Rn. 29; a. A. Tinnefeld, Auf- und Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 324.

A. Verrechnungen im Kontokorrent

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lungsausgang, also eine von der Bank vorgenommene Auszahlung die Aufrechnungslage herbeiführen, sofern der Schuldner seinerseits einen Anspruch gegen die Bank auf Gutschrift hatte.30 Zusammengefasst ist also weder die Kontokorrentvereinbarung noch die konkrete Verrechnung Gegenstand der Anfechtung, sondern vielmehr die jeweilige Rechtshandlung, die zu einem Zahlungseingang auf dem Konto des Schuldners führt.31 Nur der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass auch Rechtshandlungen Dritter und nicht nur solche des Schuldners anfechtbar sein können, wenn sie zu einer Sicherung oder Befriedigung des Anfechtungsgegners führen.32

III. Kongruenz und Inkongruenz der Kontokorrentverrechnung Nachdem der Gegenstand der Anfechtung feststeht, muss im Folgenden geklärt werden, nach welcher Anfechtungsvorschrift die Anfechtung erfolgen müsste, d. h. ob die Bank durch das Entstehen der Aufrechnungslage eine kongruente (§ 130 Abs. 1 InsO) oder eine inkongruente Deckung (§ 131 Abs. 1 InsO) erhält. Es ist dabei zunächst einhellige Meinung, dass je nach Fallkonstellation eine Kontokorrentverrechnung sowohl kongruent als auch inkongruent sein kann.33 Die h. M. differenziert im Allgemeinen danach, ob die Bank einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch gegen den Schuldner hatte, mit dem sie aufrechnet.34 Dann handele es sich um eine kongruente, andernfalls um eine inkongruente Deckung. Hinsichtlich der Frage, wann die Bank einen solchen Anspruch hat, seien wiederum verschiedene Fallkonstellationen zu unterscheiden. So habe die Bank immer dann einen Anspruch, wenn im Falle eines Kontokorrentkontos ohne Überziehungsmöglichkeit unerlaubt das Konto im Debet geführt werde,35 im Falle eines Kontokorrentkredits der Schuldner entweder die Kreditlinie überschritten oder die Bank den Kredit wirksam gekündigt habe.36 Nutze die Bank in diesen Fällen die auf dem Konto des Schuldners eingehenden Beträge, um das Debet zu reduzieren, liege eine kongruente Deckung

30 FK-InsO/Dauernheim, § 130 InsO Rn. 29; Jaeger-InsO/Henckel, § 130 InsO Rn. 86; M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 201 f.; Tinnefeld, Auf- und Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 176; a. A. OLG Celle NZI 2005, 334, 335; OLG Frankfurt a. M. ZIP 2008, 2326. 31 Bork, FS-Kirchhof, S. 61 f.; vgl. auch M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 201 f., 260. 32 Vgl. nur MüKo-InsO/Kayser/Freudenberg, § 129 InsO Rn. 35. 33 Bork, FS-Fischer, S. 40; FK-InsO/Dauernheim, § 130 InsO Rn. 30. 34 Bork, FS-Fischer, S. 40; ders., FS-Kirchhof, S. 64; Stiller, ZInsO 2002, 651, 654; vgl. Tinnefeld, Auf- und Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 188. 35 So z. B. bei LG Rostock ZIP 2002, 270. 36 So z. B. bei BGH NZI 1999, 194, 195 f.; NJW 2002, 1722; NJW 2003, 360, 362; NZI 2004, 491.

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vor.37 Umgekehrt habe die Bank keinen Anspruch auf Verrechnung, wenn der Schuldner weder den Kreditrahmen überzogen noch die Bank den Kontokorrentkredit wirksam gekündigt habe. Verrechnungen stellten in diesen Fällen dann inkongruente Deckung dar.38 Zusammengefasst soll es also für die Kongruenz oder Inkongruenz der Verrechnung entscheidend darauf ankommen, ob sich Bank und Schuldner vertragsgemäß verhalten haben oder nicht. Fraglich ist allerdings, warum die Differenzierung zwischen Kongruenz- und Inkongruenzanfechtung überhaupt relevant sein soll. Denn im Zweifel wird man regelmäßig annehmen können, dass die Bank – jedenfalls wenn es sich um die Hausbank handelt – Einblick in die Finanzen des Schuldners und dementsprechend Kenntnis von der Krise hatte. Ob der Insolvenzverwalter die Verrechnungen nach § 130 Abs. 1 oder nach § 131 Abs. 1 InsO anficht, wäre letztlich kaum mit Unterschieden verbunden. Der entscheidende Grund, warum die h. M. solch einen Aufwand betreibt, um zwischen kongruenten und inkongruenten Verrechnungen zu unterscheiden, ist die nach wie vor unzutreffende Annahme eines Exklusivverhältnisses zwischen Bargeschäftsprivileg einerseits und Inkongruenzanfechtung andererseits. Denn auch im Zusammenhang mit Kontokorrentverrechnungen hält die h. M. an ihrer Auffassung fest, dass § 142 Abs. 1 InsO nicht auf den § 131 Abs. 1 InsO anwendbar sei.39 Vor diesem Hintergrund erklärt sich letztlich auch die widersprüchlich anmutende Rechtsprechung des BGH zur Verrechnung im offenen und ungekündigten Kontokorrentkredit.40 Gleichzeitig wird jedoch jetzt schon deutlich, dass ihr zwar vom Ergebnis her, aber nicht in systematischer Hinsicht gefolgt werden kann.41 1. Verrechnungen im offenen und ungekündigten Kontokorrentkredit In den Fällen der unerlaubten Überziehung des Kontos, der wirksamen Kündigung des Kontos durch die Bank oder der Überschreitung der eingeräumten Kre37 BGH NZI 2007, 230; NZI 2009, 436 f.; OLG München BeckRS 2010, 17669; vgl. auch Bräuer, Bargeschäfte, S. 120; M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 317 ff.; a. A. Bork, FS-Kirchhof, S. 62, demzufolge immer eine inkongruente Deckung vorliege, da die Bank niemals einen Anspruch darauf habe, dass Gutschriften auf eben jenes Kontokorrentkonto eingingen. 38 BGH NJW 2002, 1722; NZI 2008, 175, 176; NZI 2009, 436, 437. 39 Kritik dazu von Bork, FS-Fischer, S. 42; vgl. insgesamt zum Verhältnis von § 131 InsO und § 142 InsO oben Teil 1, C. III. 2., S. 52 ff. 40 Vgl. Bork, FS-Kirchhof, S. 65 f.; M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 322. 41 M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 322 f. bezeichnet die Rechtsprechung als „vom Ergebnis her gedacht“. Gleichwohl teilt ders. die Kritik, dass die Rechtsprechung einer dogmatisch schlüssigen Lösung entbehrt; vgl. auch Kritik bei Tinnefeld, Auf- und Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 204 ff.

A. Verrechnungen im Kontokorrent

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ditlinie besteht ein Anspruch der Bank auf Rückführung des Debets. Kommt es unter diesen Umständen zu einer Verrechnung durch die Bank, liegt daher nach h. M. eine kongruente Deckung vor. Anders sei demgegenüber der Fall zu beurteilen, wenn zum Zeitpunkt der Verrechnung die Kreditlinie vom Schuldner weder ausgereizt noch der Kredit wirksam gekündigt wurde. Denn dann sei unklar, ob die Bank das Debet im Wege der Verrechnung zurückführen dürfe.42 Ausgangspunkt der Diskussion war das Urteil des BGH vom 7. März 2002.43 Die Schuldnerin hatte mit der beklagten Bank einen Kontokorrentkreditvertrag mit einer Kreditlinie in Höhe von 500.000 DM geschlossen. Nachdem die Schuldnerin die Bank über die Insolvenzantragstellung informierte, kündigte die Bank den Kreditvertrag mit sofortiger Wirkung. Zu keinem Zeitpunkt hatte die Schuldnerin die eingeräumte Kreditlinie ausgeschöpft oder überschritten. Bei Insolvenzantragstellung betrug der Sollsaldo rund 240.000 DM. Einen Monat zuvor betrug dieser noch etwa 320.000 DM. Im letzten Monat vor Antragstellung kam es zu Einzahlungen in Höhe von rund 400.000 DM, denen Auszahlungen von etwa 320.000 DM gegenüberstanden, die die Bank weisungsgemäß ausführte. Den Differenzbetrag zwischen den Ein- und Auszahlungen in Höhe von 80.000 DM erstattete die Bank dem Insolvenzverwalter. Der Insolvenzverwalter verlangte jedoch die Zahlung weiterer 180.000 DM als denjenigen Betrag, um den die Kreditlinie im letzten Monat nicht ausgeschöpft wurde. Im Ergebnis ging es um die Frage, ob im Falle eines unausgeschöpften und ungekündigten Kontokorrentkredits die Bank überhaupt Verrechnungen vornehmen durfte oder aufgrund des verbleibenden Kreditrahmens zu einer solchen Tilgung nicht berechtigt war. Das LG Berlin kam zunächst zu dem Ergebnis, dass durch die Zahlungseingänge in Höhe von 400.000 DM der Bank eine kongruente Deckung gewährt worden sei. Die Reduzierung des Sollsaldos um 80.000 DM infolge der Verrechnung habe ein unanfechtbares Bargeschäft gemäß § 142 InsO dargestellt, da die Gutschrift in unmittelbarem Zusammenhang mit der Belastung erfolgt sei. Dadurch sei ein Überschreiten des Kreditlimits verhindert und der Zahlungsverkehr aufrechterhalten worden. Die Revision argumentierte demgegenüber, dass eine Bank im offenen und ungekündigten Kontokorrentkredit Zahlungseingänge mit Zahlungsausgängen bis zur eingeräumten Kreditobergrenze nicht verrechnen dürfe. Dennoch verrechnete Zahlungseingänge gewährten daher der Bank eine inkongruente Deckung, auf die § 142 Abs. 1 InsO keine Anwendung fände. Der BGH schloss sich im Ergebnis dem LG Berlin an. Zwar habe eine Bank grundsätzlich erst dann Anspruch auf Rückführung eines Sollsaldos, wenn der zugrundeliegende Kredit gekündigt wurde. Allerdings sei die Situation im Falle eines Kontokorrentkredits eine andere. Die Giroabrede berechtige und verpflichte die 42 Vgl. allein die ausführliche Darstellung der jeweiligen Auffassungen bei M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 314 ff. 43 BGH NJW 2002, 1722.

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Teil 2: Praxisrelevante Anwendungsfälle des § 142 InsO

Bank einerseits, Einzahlungen für die Kontoinhaber gutzuschreiben. Andererseits habe die Bank auch das Recht, bei einem debitorisch geführten Girokonto den Sollsaldo zu reduzieren. Umgekehrt verpflichte sich die Bank Zahlungsaufträge des Kontoinhabers so lange auszuführen, bis die Kreditobergrenze erreicht sei. Durch die Kontokorrentabrede würden einzelne Gut- und Lastschriften zum Zwecke der Verrechnung und Saldofeststellung in einer einheitlichen Rechnung zusammengefasst. Es sei aber auch im Falle eines unausgeschöpften Kredits die vertragliche Pflicht der Bank, die Zahlungsein- und ausgänge ins Kontokorrent einzustellen, periodisch zu saldieren und den Kontoinhaber im Rahmen des vertraglich eingeräumten Kredits frei über die Zahlungseingänge verfügen zu lassen. Hinsichtlich des Betrages, um den der Schuldner die eingeräumte Kreditlinie nicht in Anspruch genommen hatte (180.000 DM), habe sich die Bank daher vertragsgemäß verhalten, sodass die Verrechnungen kongruente Deckungen gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO dargestellt hätten, und somit das Bargeschäftsprivileg Anwendung finden könne. Erst wenn die Bank eingehende Beträge verrechne und Verfügungen nicht mehr zulasse, handele sie inkongruent, soweit dadurch im Ergebnis Darlehensforderungen vor deren Fälligkeit zurückgeführt würden.44 Der BGH kam also einerseits zu dem Ergebnis, dass die Rückführung eines offenen Kredits ohne Kündigung zwar grundsätzlich eine inkongruente Deckung darstelle. Andererseits sei bei Verrechnungen im Kontokorrent die Situation insofern anders, als dass die Bank trotz der offenen und ungekündigten Kreditlinie vertraglich zur periodischen Verrechnung von Ein- und Auszahlungen verpflichtet sei, und sich die Bank daher vertragsgemäß verhalte. Zur Reduzierung des Sollsaldos sei sie allerdings nicht berechtigt, sondern müsse dem Schuldner in gleicher Höhe die Kreditlinie offenhalten.45 Im Ergebnis sei also nur der Betrag in Höhe von 80.000 DM, um den die Bank den Sollsaldo zurückgeführt hatte, anfechtbar. Da die Bank diesen Betrag von sich aus bereits dem Insolvenzverwalter erstattet hatte, scheiterte die Anfechtung schlussendlich.46 Seine Rechtsprechung hat der BGH bis heute im Wesentlichen beibehalten, wobei er in einer weiteren Entscheidung zusätzlich das Kriterium der Fremdnützigkeit einführte. Demnach komme eine kongruente Deckung nur bei ausschließlich fremdnützigen Verrechnungen in Betracht. Die Bank müsse als bloße Zahlstelle fungieren. Bestünde hingegen zusätzlich auch noch ein Avalkredit zwischen Schuldner und Bank (der Forderungen von Dritten gegen den Schuldner in Form einer Bankbürgschaft absichert47), dann führe die Zahlung an den Dritten zu einer Befreiung der von der Bank gestellten Sicherheit und nütze ihr somit letztlich selbst. Dann handele sie (auch) im eigenen Interesse und nicht allein fremdnützig, was zur 44

BGH NJW 2002, 1722, 1723 f. Vgl. auch Darstellung der h. L. bei M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 319. 46 Dazu auch M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 319. 47 Vgl. zum Avalkredit Schimansky/Bunte/Lwowski/Pamp, § 75 Rn. 38 ff. 45

A. Verrechnungen im Kontokorrent

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Inkongruenz der Deckung führe.48 Die h. L. hat sich der Rechtsprechung des BGH im Wesentlichen angeschlossen.49 2. Stellungnahme So sehr die h. M. im Ergebnis überzeugt, so wenig ist ihr in der Begründung zu folgen. Die Ausgangsüberlegung des BGH, dass die Rückzahlung eines ungekündigten Darlehens oder eines nicht ausgereizten Kreditlimits eine inkongruente Deckung darstelle, ist noch völlig überzeugend. Der argumentative „Kniff“, dass eine kongruente Deckung dann aber doch vorliege, wenn die Bank fremdnützig als Zahlstelle agiere und in Höhe der Verrechnung die Kreditlinie offenhalte, überzeugt jedoch nicht.50 Da die Verrechnungen der Bank unzweifelhaft zu einer Deckung in der kritischen Zeit geführt haben, kann eine Anfechtung nur durch eine Anwendung des § 142 Abs. 1 InsO ausgeschlossen werden. Die h. M. ist demnach gezwungen, eine kongruente Deckung zu konstruieren, um den wirtschaftlich unerwünschten Konsequenzen einer uneingeschränkten Anfechtung von Kontokorrentverrechnungen vorzubeugen. Diese argumentative Notlage ist selbstverschuldet und ließe sich vermeiden, wenn der hier vertretenen Auffassung vom Verhältnis zwischen Bargeschäft und Inkongruenzanfechtung gefolgt würde. Richtigerweise ist jede Verrechnung in einem offenen und ungekündigten Kontokorrentkredit – auch wenn sie insoweit der vertraglichen Vereinbarung entspricht – stets eine inkongruente Deckung im Sinne des § 131 Abs. 1 InsO, da die Bank zu dem Zeitpunkt keinen Anspruch auf Rückführung des Debets hat.51 Das ist allerdings unproblematisch, da nach zutreffender Ansicht das Bargeschäftsprivileg gemäß § 142 Abs. 1 InsO auch auf die Inkongruenzanfechtung Anwendung findet.52 Bereits aus diesem Grund überzeugt die h. M. nicht. 48

BGH NZI 2008, 175, 176. Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 50 ff.; Bräuer, Bargeschäfte, S. 125 ff.; FKInsO/Dauernheim, § 130 InsO Rn. 32 ff.; Gottwald/Haas/Huber, § 46 Rn. 87 ff.; Kayser, FSFischer, S. 275; Graf-Schlicker/M. Huber, § 142 Rn. 10 f.; KK-InsO/Mohr, § 142 InsO Rn. 43 ff.; teilweise wird in diesem Zusammenhang auch zwischen „verdächtigen“ und „unverdächtigen“ inkongruenten Deckungen differenziert oder aber eine teleologische Reduktion des § 131 InsO erwogen, vgl. Dampf, KTS 1998, 145, 171 f.; kritisch dazu Stiller, ZInsO 2002, 651, 657; Tinnefeld, Auf- und Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 208 ff. 50 Zutreffende Kritik auch bei Bork, FS-Kirchhof, S. 67; Jaeger-InsO/Henckel, § 142 InsO Rn. 11; M. Huber, Anfechtung vertraglicher vereinbarter Aufrechnungen, S. 321; Tinnefeld, Auf- und Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 212. 51 Bork, FS-Kirchhof, S. 67 f.; Stiller, ZInsO 2002, 651, 654 f.; offengelassen bei JaegerInsO/Henckel, § 142 InsO Rn. 11; a. A. M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 329, demzufolge stets eine kongruente Deckung anzunehmen sei; ebenso Bräuer, Bargeschäfte, S. 125 f.; Stapper/Jacobi, BB 2007, 2017, 2022, der zwar einsieht, dass isoliert betrachtet die Deckung inkongruent ist, gleichwohl bei einer Gesamtbetrachtung vertragsgemäßes Verhalten und damit eine kongruente Deckung vorliege. 52 Vgl. dazu ausführlich oben Teil 1, C. III. 2., S. 52 ff. 49

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Teil 2: Praxisrelevante Anwendungsfälle des § 142 InsO

Darüber hinaus ist ihr allerdings auch aus einem weiteren Grund zu widersprechen. Denn die Annahme, dass die Bank einen Anspruch auf die Herstellung der Verrechnungslage habe, wenn sie denn vertragsgemäß den Zahlungsverkehr abwickele und weitere Auszahlungen in derselben Höhe zulasse, ist unzutreffend und offenbart eine unzureichende Distinktion zwischen Kontokorrentabrede und Kreditvertrag. Denn der Anspruch auf Verrechnung kann sich ausschließlich aus der Kontokorrentabrede ergeben, nicht aber aus dem Giro- bzw. Kreditvertrag. Lässt die Bank also weitere Verfügungen zu, handelt sie allein in Erfüllung ihrer Pflichten aus dem Kreditvertrag. Ein Anspruch auf Verrechnung ergibt sich daraus jedoch nicht.53 Insoweit kann auch die Zulassung weiterer Verfügungen nicht als Kriterium für die Kongruenz bzw. Inkongruenz der Deckung dienen. Dass die Bank in gleicher Höhe Verfügungen wieder zulässt und ausführt, ist keine Frage der Kongruenz, sondern wird erst bei der konkreten Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO relevant.54 3. Zwischenergebnis Zahlungseingänge auf das Konto des Schuldners und Belastungen infolge von ausgeführten Überweisungen, die entsprechend der Kontokorrentabrede periodisch saldiert werden, begründen immer dann eine kongruente Deckung gemäß § 130 Abs. 1 InsO, wenn die Bank einen Anspruch auf die Verrechnung hatte. Das ist der Fall, wenn der Schuldner sein Konto unerlaubt überzogen hat, die eingeräumte Kreditlinie überschritten oder der Kredit zuvor gekündigt wurde. Andernfalls stellen Verrechnungen stets inkongruente Deckungen im Sinne des § 131 Abs. 1 InsO dar. Das gilt nach der hier vertretenen Auffassung und entgegen der h. M. auch für Verrechnungen im offenen und ungekündigten Kontokorrentkredit und das selbst dann, wenn dem Schuldner in Höhe der Verrechnung der Kreditrahmen offengehalten und dieser vom Schuldner auch tatsächlich in Anspruch genommen wird. Das ist aber unproblematisch, weil das Bargeschäftsprivileg auch die Inkongruenzanfechtung ausschließt.55

IV. Konkrete Anwendung des § 142 Abs. 1 InsO auf Kontokorrentverrechnungen Unabhängig davon, welcher Auffassung hinsichtlich der Frage nach der Kongruenz bzw. Inkongruenz von Verrechnungen im offenen und ungekündigten Kontokorrentkredit gefolgt wird, stellt sich die Folgefrage, ob die Herstellung der 53 Bork, FS-Kirchhof, S. 67 f.; M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 321 f.; vgl. auch Leithaus, NZI 2002, 188, 190; Stiller, ZInsO 2002, 651, 655. 54 Dazu sogleich. 55 Siehe oben Teil 1, C. III. 2., S. 52 ff.

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Aufrechnungslage infolge von Zahlungseingängen auf das schuldnerische Konto unter die Tatbestandsvoraussetzungen des § 142 Abs. 1 InsO subsumiert werden kann. Der BGH befand in der bereits erwähnten Grundsatzentscheidung aus dem Jahre 2002,56 dass Verrechnungen im Kontokorrentkredit Bargeschäfte gemäß § 142 InsO darstellten. Die Offenhaltung der Kreditlinie in Höhe des Verrechnungsbetrages sei eine gleichwertige Gegenleistung gewesen, die durch die Inanspruchnahme des Schuldners auch in dessen Vermögen gelangt sei. Diese unbeschränkte Verfügungsfreiheit sei nicht weniger wert als die jeweils in gleichem Umfang vorbereitete Rückführung der Darlehensschuld.57 Mit Verweis auf ein früheres Urteil führte der BGH sodann aus, dass hinsichtlich der erforderlichen rechtsgeschäftlichen Verknüpfung die Kontokorrentabrede ausreichend und eine besondere, zweiseitige Absprache über jede einzelne Gut- oder Lastschrift nicht nötig gewesen sei.58 Ferner seien die Verrechnungen auch unmittelbar erfolgt, d. h. in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Überweisung des Schuldners. Ein Zeitraum von zwei Wochen zwischen Ein- und Auszahlungen übersteige nicht den Rahmen des engen zeitlichen Zusammenhangs.59 Bezüglich der Gleichwertigkeit präzisierte der BGH in einem nachfolgenden Urteil, dass eine gleichwertige Gegenleistung auch dann gegeben sei, wenn die Bank nur einzelne, von ihr ausgewählte, Verfügungen zulasse.60 Zuletzt scheide ein Bargeschäft stets aus, sofern die Bank die Kontobelastung allein zur Rückführung des Debets verwende und nicht im Gegenzug die Kreditlinie in mindestens gleicher Höhe offenhalte.61 Nach Auffassung des BGH ist die konkrete Anwendung des § 142 InsO auf Kontokorrentverrechnungen weitestgehend unproblematisch. Dem hat sich der Großteil der einschlägigen Literatur erneut widerspruchslos angeschlossen.62 Der h. M. ist im Ergebnis zuzustimmen, wobei es bei der konkreten Subsumtion unter die Tatbestandsvoraussetzungen des § 142 Abs. 1 InsO einiger Klarstellungen bedarf: Hinsichtlich der Anforderungen an den Leistungsaustausch wurde bereits im Rahmen der Tatbestandsanalyse ausgeführt, dass der Leistungsbegriff großzügig auszulegen ist. Die Verschaffung einer Aufrechnungslage kann dabei zunächst unproblematisch als Leistung des Schuldners gewertet werden. Ganz konkret ist die 56

BGH NJW 2002, 1722. BGH NJW 2002, 1722, 1724. 58 BGH NJW 2002, 1722, 1724 mit Verweis auf BGH NJW 1999, 3264, 3266. 59 BGH NJW 2002, 1722, 1724; bestätigt durch BGH NZI 2012, 667. 60 BGH NJW 2003, 360, 362; vgl. dazu auch Bräuer, Bargeschäfte, S. 128. 61 BGH NZI 2012, 667. 62 Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 51 – 55; FK-InsO/Dauernheim, § 130 InsO Rn. 32; Gehrlein, ZInsO 2010, 1857, 1861; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 19 ff., 30; KK-InsO/Mohr, § 142 InsO Rn. 43 – 57; HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 142 InsO Rn. 25. 57

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Leistung dabei entweder die Bareinzahlung des Schuldners oder dessen Anweisung an einen Dritten, auf das entsprechende Kontokorrentkonto zu zahlen. Nur die Einzahlung als solche führt die Aufrechnungslage herbei, die in Form einer Sicherheit der Bank die Deckung gewährt, deren Anfechtung § 142 Abs. 1 InsO ausschließt.63 Demgegenüber erweist sich die Frage, ob die Offenhaltung der Kreditlinie auch als taugliche Gegenleistung im Sinne des § 142 InsO angesehen werden kann, als deutlich schwieriger. Denn für § 142 Abs. 1 InsO ist erforderlich, dass die Gegenleistung tatsächlich in das Vermögen des Schuldners geflossen ist.64 Die Gegenleistung muss also zu einem Vermögenszuwachs auf Seiten des Schuldners geführt haben. Die bloße Offenhaltung der Kreditlinie erfüllt diese Voraussetzung allein nicht. Der Schuldner muss vielmehr den Verfügungsrahmen tatsächlich durch weitere Überweisungen in Anspruch genommen haben. Dadurch kommt es dann jedenfalls insoweit zu einem Vermögenszufluss, als dass der Schuldner mithilfe der Kreditmittel beispielsweise Umlaufvermögen erwirbt oder Forderungen begleicht und somit den Geschäftsbetrieb aufrechterhält.65 Ein lediglich verfügbarer, aber nicht in Anspruch genommener Kreditrahmen nützt den Gläubigern im eröffneten Insolvenzverfahren demgegenüber nichts, da gemäß §§ 115, 116 InsO das Giro- und Kontokorrentverhältnis mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens erlischt. Hinsichtlich der Gleichwertigkeit hat der BGH zutreffend erkannt, dass die erneut eingeräumte Möglichkeit, über den Kredit zu verfügen, nicht weniger wert ist als die Rückführung des Sollsaldos im gleichen Umfang.66 Zusätzlich ist jedoch erforderlich, dass die Bank die Verrechnung nicht zur Verringerung des Debets verwendet. Denn dann stünde zugleich fest, dass der Schuldner nicht in mindestens gleicher Höhe der Verrechnung den Kreditbetrag wieder in Anspruch genommen hat, sondern die Gegenleistung der Bank hinter der des Schuldners zurückbleibt.67 Systematisch falsch wäre es, wenn diese Problematik bei der Frage nach der Kongruenz bzw. Inkongruenz verortet würde.68 Denn nach zutreffender Ansicht ist jede Verrechnung in einem offenen und ungekündigten Kontokorrentkredit mangels fälligen und durchsetzbaren Anspruchs inkongruent. Der Umstand, dass die Bank die Verrechnung zur partiellen Rückführung des Debets verwendet, wird daher erst auf Ebene des § 142 Abs. 1 InsO bei der Prüfung der Gleichwertigkeit relevant.69 Der Insol63

M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 346. Siehe oben Teil 1, E. I., S. 73 ff. 65 M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 346 f.; vgl. ebenfalls Tinnefeld, Auf- und Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 283 f.; ähnlich wohl auch Bräuer, Bargeschäfte, S. 127. 66 BGH NJW 2002, 1722, 1724. 67 Im Ergebnis so auch Tinnefeld, Auf- und Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 324. 68 Auf die Vertragsgemäßheit des Verhaltens der Bank kommt es demnach nicht an. Zutreffend bei Tinnefeld, Auf- und Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 323. 69 Systematisch ungenau daher Bräuer, Bargeschäfte, S. 126; K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 0138; zutreffend demgegenüber Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 51 f.; Gehrlein, ZInsO 2010, 1857, 1861; Graf-Schlicker/M. Huber, § 142 InsO Rn. 10. 64

A. Verrechnungen im Kontokorrent

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venzverwalter kann diesen Betrag, um welchen die Bank das Debet reduziert hat, schließlich zur Masse herausverlangen.70 Hinsichtlich der erforderlichen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung gilt, dass dieses Tatbestandsmerkmal lediglich der Zurechnung von Leistung und Gegenleistung dient und insoweit vorgibt, welche Leistungen auf ihre Gleichwertigkeit miteinander zu vergleichen sind. Dafür reichen auch weitergehende Abreden aus, sofern die miteinander zu vergleichenden Leistungen ohne Weiteres ermittelt werden können.71 Zwar können im Rahmen eines Kontokorrents nicht die jeweils korrespondierenden Zahlungsein- und -ausgänge gegenübergestellt werden. Schließlich entspricht es gerade dem Sinn und Zweck eines Kontokorrents, zur Vereinfachung die zahlreichen Ein- und Auszahlungen zu einem Stichtag zu sammeln, und erst dann zu verrechnen. Allerdings kommt es darauf gar nicht an. Ausreichend ist allein, dass für die Herstellung der Verrechnungslage zum Verrechnungstag der Kreditrahmen in gleicher Höhe offengehalten wird. Diesem Erfordernis genügt die Kontokorrentabrede.72 Zuletzt ist der h. M. auch im Hinblick auf den Unmittelbarkeitszusammenhang zuzustimmen, wenn ein Zeitraum von zwei Wochen bzw. bis zu einem Monat als noch ausreichend angesehen wird.73 Nach den oben aufgestellten Überlegungen ist grundsätzlich ein Zeitraum von 30 Tagen als unmittelbar anzusehen. Sofern man eine Verrechnung im Kontokorrent als einfachen Leistungsaustausch, vergleichbar mit Kaufverträgen über bewegliche Sachen, ansieht, dürfte ein Zeitraum von rund zwei Wochen angemessen sein.74 Auf die Reihenfolge der Ein- und Auszahlungen kommt es nicht an.75 Die allgemeinen Ausführungen zur Unmittelbarkeit sind insoweit auch konsequent auf Kontokorrentverrechnungen zu übertragen.76 Klarstellend sei noch 70

BGH NJW 2001, 1650, 1652; OLG Köln ZIP 2005, 222, 223 f.; Heublein, ZIP 2000, 161, 171; Leithaus, NZI 2002, 188, 190; Stiller, ZInsO 2002, 651, 659; Tinnefeld, Auf- und Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 324; Zuleger, ZInsO 2002, 49, 51. 71 Siehe oben Teil 1, E. II., S. 75 ff. 72 Bräuer, Bargeschäfte, S. 120 f.; M. Huber, Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 347; kritisch Jaeger-InsO/Henckel, § 142 InsO Rn. 25 f.; Bork, FS-Kirchhof, S. 68; Tinnefeld, Auf- und Verrechnungsmöglichkeit von Kreditinstituten, S. 286 ff., der sodann eine analoge Anwendung des § 142 InsO befürwortet, S. 294 ff. 73 Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 55; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 30; KK-InsO/Mohr, § 142 InsO Rn. 55; jedenfalls zwei Wochen befürwortend: FKInsO/Dauernheim/Blank, § 142 InsO Rn. 17; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 InsO Rn. 44; Graf-Schlicker/M. Huber, § 142 InsO Rn. 10; HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 142 InsO Rn. 25; Stiller, ZInsO 2002, 651, 658; HK-InsO/Thole, § 142 InsO Rn. 15. 74 Siehe oben Teil 1, E. IV. 2. b) cc), S. 104 ff. 75 BGH NJW 2002, 1722, 1723; NZI 2008, 175, 176; NZI 2012, 667, 668; Bräuer, Bargeschäfte, S. 123; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 142 InsO Rn. 27; Jaeger-InsO/Henckel, § 142 InsO Rn. 3; Graf-Schlicker/M. Huber, § 142 InsO Rn. 10; KK-InsO/Mohr, § 142 InsO Rn. 56; ders., Anfechtung vertraglich vereinbarter Aufrechnungen, S. 349; HmbK-InsO/ Rogge/Leptien, § 142 InsO Rn. 25; K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 15. 76 Siehe oben Teil 1, E. IV. S. 90 ff.

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Teil 2: Praxisrelevante Anwendungsfälle des § 142 InsO

erwähnt, dass die Unmittelbarkeit nicht mit dem Fehlen jeglicher Kreditelemente erklärt werden kann, sodass eine Anwendung des § 142 Abs. 1 InsO nicht etwa deshalb verneint werden kann, weil die Gegenleistung in der Gewährung von Kredit zu sehen ist.77

V. Zusammenfassung Zahlungseingänge auf ein Kontokorrentkonto in der Krise unterliegen grundsätzlich der Anfechtung, weil sie der kontoführenden Bank eine Deckung verschaffen. Nach welcher Vorschrift die Anfechtung erfolgt, richtet sich danach, ob die Bank einen Anspruch auf den verrechneten Betrag hatte. Angesichts der andernfalls drohenden, gravierenden Konsequenzen für den Schuldner besteht das rein praktische Bedürfnis, Kontokorrentverrechnungen von der Anfechtung zu befreien. Dies kann über eine Anwendung des § 142 Abs. 1 InsO gelingen. Dies gilt auch für den Fall eines offenen und ungekündigten Kontokorrentkredits. Entgegen der h. M. erhält die Bank durch die Zahlungseingänge eine inkongruente Deckung gemäß § 131 InsO. Das ist allerdings unproblematisch, weil auch inkongruente Deckungsgeschäfte von § 142 InsO ausgeschlossen werden können. Die systematisch nur schwer nachvollziehbare Konstruktion einer kongruenten Deckung, nur um in den Genuss des Bargeschäftsprivilegs zu kommen, bedarf es daher nicht. Die anschließende Subsumtion unter die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO bereitet keine größeren Schwierigkeiten. Hinsichtlich des gleichwertigen Leistungsausaustauschs ist allerdings erforderlich, dass die Bank als Gegenleistung in Höhe des Verrechnungsbetrages die Kreditlinie zur freien Verfügung des Schuldners offenhält, dieser vom Schuldner auch tatsächlich in Anspruch genommen wird, und die Bank mithilfe der Verrechnung nicht das Debet reduziert. Die Kontokorrentabrede stellt eine ausreichende Verknüpfung zwischen Leistung und Gegenleistung her, und die Unmittelbarkeit ist jedenfalls gewahrt, wenn die Verrechnung innerhalb von zwei Wochen erfolgt.

B. Besicherung von Gesellschafterdarlehen im Sinne der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO Eine weitere praxisrelevante und kontrovers diskutierte Fallgruppe des Bargeschäftsprivilegs ist die (anfängliche) Besicherung von Gesellschafterdarlehen. Die Konstellation der anfänglichen Besicherung beschreibt den Fall, dass der Gesell77 Auf die vom Gläubiger erkannte Unlauterkeit braucht nicht eingegangen werden, da eine Vorsatzanfechtung gem. § 133 InsO bei Kontokorrentverrechnungen grundsätzlich nicht in Betracht kommt. Siehe dazu ausführlich Bork, FS-Fischer, S. 45 ff.; a. A. Heublein, ZIP 2000, 161, 165.

B. Besicherung von Gesellschafterdarlehen

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schafter sein Kreditengagement von Anfang an von der Gewährung einer Sicherheit abhängig gemacht hat. Dann stellt sich die Frage, ob diese Sicherheit bargeschäftlich privilegiert und somit anfechtungsfest ist, und der Gesellschafter daher im Falle des Scheiterns seiner Gesellschaft in der Insolvenz abgesonderte Befriedigung verlangen kann. Das ist nicht unproblematisch, weil der Gesetzgeber die Gewährung von Darlehen durch Gesellschafter grundsätzlich kritisch sieht78 : So wird gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO die Forderung eines Gesellschafters auf Rückgewähr eines der Schuldnerin gewährten Darlehens bei der Verteilung der Masse subordiniert und gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 InsO werden Sicherungs- und Befriedigungsleistungen auf solche Forderungen einem besonders strengen Anfechtungsregime unterworfen. Gemäß Nr. 1 sind Sicherheiten bis zu zehn Jahre vor dem Antrag auf Insolvenzeröffnung und gemäß Nr. 2 Befriedigungen im letzten Jahr vor oder nach dem Antrag anfechtbar. Diesem Sonderrecht der Gesellschafterdarlehen liegt dabei folgende Ausgangslage zugrunde: Benötigt eine Gesellschaft zusätzliche Finanzmittel, um den Geschäftsbetrieb aufrechtzuerhalten oder dringende Investitionen zu tätigen, kommt als erste Option in Betracht, dass sie sich Geld am Kapitalmarkt leiht.79 Das ist jedoch regelmäßig mit hohen Kosten verbunden oder unter Umständen schlichtweg nicht möglich, wenn sich kein Kreditinstitut zur Darlehensgewährung bereiterklärt.80 Alternative Geldgeber sind die Gesellschafter als Privatpersonen. Sie können in Form einer Eigenkapitaleinlage der Gesellschaft die benötigte Liquidität verschaffen. Die Finanzierung durch einen Gesellschafter ist allerdings mit einem entsprechenden Ausfallrisiko behaftet, sodass nicht jeder Gesellschafter bereit ist, seine Gesellschaft mit Mitteln aus seinem Privatvermögen zu unterstützen. Eine risikoärmere Variante zur Eigenkapitaleinlage wäre die Gewährung eines (Gesellschafter-)Darlehens, bei dem das Ausfallrisiko wenigstens durch etwaige Zinsansprüche bis zu einem gewissen Maße eingepreist werden könnte. Für die Gesellschaft wäre das vorteilhaft, weil dadurch hohe Kosten für die Mittelbeschaffung in Form von Risikoaufschlägen vermieden werden könnten.81 Das Risiko aber, den Darlehensbetrag schlussendlich gar nicht mehr zurückzuerhalten, bestünde für den Gesellschafter fort und aufgrund der Nachrangregelung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO könnte er regelmäßig nicht einmal auf eine geringe Insolvenzquote hoffen. Zwangsläufig würde ein risikobedachter Gesellschafter in einem nächsten Schritt überlegen, ob er sein Kreditenga78

So auch COVInsAG/Schmidt/Morgen/Schröder/Rogge/Leptien, § 2 Rn. 248. Vgl. allgemein zu Finanzierungsmöglichkeiten Lengersdorf, Nachrang von Gesellschafterdarlehen, S. 25 ff. 80 Marotzke, ZInsO 2013, 641; vgl. zu den Motiven einer Finanzierung durch Gesellschafter auch Lengersdorf, Nachrang von Gesellschafterdarlehen, S. 79 f. 81 Zu den Vorteilen einer durch Gesellschafter bewirkten Fremdfinanzierung: Gottwald/ Haas/Drukarczyk/Schöntag, § 3 Rn. 131; Mylich, ZHR 2012, 547, 548 f. weist darüber hinaus auf weitere Vorteile einer Finanzierung durch die Gesellschafter hin. So sei die Fremdkapitalisierung gegenüber einer Eigenkapitalisierung vorteilhaft, weil sie unabhängig von bilanziellen Vorgaben abziehbar sei und die Gesellschaft könne finanziert werden, ohne dass sich Beteiligungsquoten verschöben. 79

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Teil 2: Praxisrelevante Anwendungsfälle des § 142 InsO

gement nicht zusätzlich von der Stellung einer Sicherheit abhängig machen könnte.82 Käme es dann zur Krise der Gesellschaft bzw. der Verfahrenseröffnung, könnte er sich anhand der Sicherheit befriedigen oder im eröffneten Verfahren ein Absonderungsrecht gemäß § 51 Nr. 1 InsO geltend machen.83 Der Gesellschafter träte dann im Ergebnis nicht wie ein Gesellschafter, sondern wie ein außenstehender Drittfinanzierer auf.84 Das ist aber deshalb problematisch, weil sich ein Gesellschafter von einem außenstehenden Dritten nicht nur aufgrund seiner Nähe zur Gesellschaft unterscheidet. Darüber hinaus profitiert er im Gegensatz zu Dritten nicht nur von etwaigen Zinsansprüchen, sondern partizipiert unmittelbar an der Wertschöpfung seiner Gesellschaft, indem er variabel an den erwirtschafteten Gewinnen der Gesellschaft beteiligt wird.85 Das Sonderrecht der Gesellschafterdarlehen trägt diesen Unterschieden durch die Anordnung eines Nachrangs bei der Verteilung der Masse sowie der Anfechtung von Sicherungs- und Befriedigungsleistungen zugunsten des Gesellschafters Rechnung. Trotz dieser recht klaren Ausgangslage musste sich das Sonderrecht der Gesellschafterdarlehen erst über Jahrzehnte hinweg schrittweise entwickeln (I.), wobei bis heute der Legitimationsgrund des Sonderrechts umstritten ist (II.). Kontrovers diskutiert wird neben der grundlegenden Legitimationsfrage auch die konkrete Rechtsanwendung bzw. Reichweite der Anfechtung gemäß § 135 Abs. 1 InsO. Speziell das Verhältnis der Besicherungsanfechtung gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Verhältnis zur Befriedigungsanfechtung nach Nr. 2 ist umstritten. Die Frage nach dem Verhältnis beider Tatbestandsvarianten wird relevant, wenn eine Sicherheit, die grundsätzlich innerhalb von zehn Jahren anfechtbar wäre, jenseits der Jahresfrist nach Nr. 2 verwertet wird. Teilweise wird vertreten, dass dies wirtschaftlich betrachtet einer Befriedigung im Sinne der Nr. 1 entspreche und daher gleichbehandelt werden müsse. Wie sich zeigen wird, sprechen die besseren Argumente für eine derartige Beschränkung der Besicherungsanfechtung (III.). Schließlich stellt sich die Frage, ob der insoweit verkürzte Anwendungsbereich des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO noch weitere Einschränkungen dadurch erfährt, dass anfängliche Sicherheiten für Gesellschafterdarlehen bargeschäftlich nach § 142 Abs. 1 InsO privilegiert sein können. Wäre dies der Fall, würde sich aus Sicht der Gesellschaft eine flexible Finanzierungsmöglichkeit in der Krise ergeben, mit deren Hilfe sich eine Insolvenz im besten Falle vermeiden ließe oder auf deren Grundlage eine Sanierung versucht werden könnte (IV.).

82 Ausführliche Darstellung der verschiedenen Besicherungsmöglichkeiten bei Lengersdorf, Nachrang von Gesellschafterdarlehen, S. 203 ff. 83 Zur Frage, ob eine nach § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO subordinierte Darlehensrückzahlungsforderung überhaupt zur Absonderung berechtigt, sogleich im Detail. 84 BGH ZIP 2013, 1579, 1581. 85 Scholz-GmbHG/Bitter, Anh. § 64 GmbHG Rn. 34; vgl. ebenfalls Köth, ZGR 2016, 541, 543; Lengersdorf, Nachrang von Gesellschafterdarlehen, S. 26 f., 93.

B. Besicherung von Gesellschafterdarlehen

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I. Entwicklung des Sonderrechts der Gesellschafterdarlehen Dass eine korrekturlose Gleichbehandlung von darlehensgebenden Gesellschaftern und außenstehenden Kreditgebern nicht interessengerecht ist, hatte bereits das RG erkannt und löste die Problematik dadurch, dass ein während der Krise gewährtes Gesellschafterdarlehen wie Eigenkapital behandelt und demnach nicht zurückgewährt werden durfte. Rechtsdogmatisch wertete das RG die Rückgewähr als sittenwidrige Schädigung gemäß § 826 BGB, sodass der Gesellschafter den Betrag der Masse erstatten musste.86 Dieser Rechtsprechung schloss sich der BGH zwar im Ergebnis, allerdings mit anderer Begründung, an. Anstelle von § 826 BGB wendete er die früheren Eigenkapitalersatzregelungen gemäß §§ 30, 31 GmbHG a. F. (analog) mit dem Argument an, dass die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens einer Rückzahlung aus dem das Stammkapital deckenden Vermögen entspräche.87 Die rechtliche Grundlage dieser Umqualifizierung einer eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistung wurde in der Finanzierungsfolgenverantwortung des Gesellschafters gesehen, welche wiederum Ausfluss von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB und dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens war.88 Ein Gesellschafter, der seine Gesellschaft in der Krise nur durch ein Darlehen finanziere, anstelle sie zu liquidieren oder das Eigenkapital aufzustocken, müsse sich an dieser Finanzierungsentscheidung auch in der Insolvenz festhalten lassen.89 Demzufolge durfte ein Gesellschafter eigenkapitalersetzende Leistungen von der Gesellschaft nicht zurückfordern und musste dennoch erhaltene Rückzahlungen der Gesellschaft erstatten, solange das Stammkapital nicht nachhaltig wieder aufgestockt war. Dies galt grundsätzlich auch außerhalb der Insolvenz, wobei im Regelfall die Rückforderung vom Insolvenzverwalter geltend gemacht wurde.90 Ein Gesellschafterdarlehen war nach der Rechtsprechung eigenkapitalersetzend, wenn es in der Krise gewährt wurde, d. h. zu einem Zeitpunkt, in dem ein außenstehender Dritter der Gesellschaft zu marktüblichen Konditionen kein Darlehen mehr gewährt hätte oder die Gesellschaft bereits überschuldet war.91 Im Jahre 1980 führte sodann der GmbH-Gesetzgeber die sogenannten Novellenregeln (§§ 32a, 32b GmbHG a. F., 129a, 172a HGB a. F., 39 Abs. 1 Nr. 5 a. F., 135 InsO a. F., 6 AnfG a. F.) ein, die den Rangrücktritt von eigenkapitalersetzenden 86

RG JW 1938, 862, 864 f.; vgl. RGZ 166, 51, 57. Vgl. zur Entwicklung des Eigenkapitalersatzrechts H/C/L/Habersack, Anh. § 30 GmbHG Rn. 6 ff.; Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, Anh. 64 GmbHG Rn. 117 ff.; Lengersdorf, Nachrang von Gesellschafterdarlehen, S. 27 ff.; K/P/B/Preuß, § 39 InsO Rn. 31 ff.; Thole, Gläubigerschutz, S. 383 ff. 88 Zur Folgenfinanzierungsverantwortung: BGH NJW 1960, 285, 288 f.; NJW 1980, 592; NJW 1984, 1893, 1895; NJW 1994, 2760, 2762; NJW 1995, 326, 329; vgl. HmbK-InsO/ Schröder, § 135 InsO Rn. 6; vgl. auch K/P/B/Preuß, § 135 InsO Rn. 2. 89 Vgl. dazu K/P/B/Preuß, § 39 InsO Rn. 32 f.; Lengersdorf, Nachrang von Gesellschafterdarlehen, S. 28; K/S/W/Schäfer, § 135 InsO Rn. H3. 90 K/P/B/Preuß, § 135 InsO Rn. 2 f. 91 BGH NZG 2018, 427 f.; K/P/B/Preuß, § 39 InsO Rn. 33. 87

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Darlehensrückzahlungsforderungen und die Erstattungspflicht des Gesellschafters für haftungsrechtlich verstrickte Drittdarlehen regelten.92 Nichtsdestotrotz wendete der BGH parallel zu den Novellenregeln weiterhin die eigenen Rechtsprechungsregeln an.93 Es kam also zu einem Nebeneinander von Rechtsprechungs- und Novellenregeln. Die Rechtsprechungsregeln führten gemäß §§ 30, 31 GmbHG a. F. (analog) zu einer Umqualifizierung von eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistungen in funktionales Eigenkapital, sodass konsequenterweise auch Rückzahlungen an den Gesellschafter wie eine Ausschüttung aus dem Stammkapital behandelt wurden, und einen Erstattungsanspruch gemäß § 31 GmbHG a. F. auslösten.94 Parallel dazu ordnete § 32a Abs. 1 GmbHG a. F. den Nachrang einer eigenkapitalersetzenden Gesellschafterleistung bei der Verteilung der Masse in der Insolvenz der Gesellschaft an.95 Ein Motiv des BGH für das Festhalten an seinen alten Rechtsprechungsregeln war insbesondere die kurze, einjährige Frist der ebenfalls eingeführten Anfechtungsvorschrift gemäß § 32a S. 2 KO.96 Demgegenüber war der Rückgewähranspruch gemäß § 31 Abs. 1 GmbHG a. F. (analog) nicht fristgebunden, sondern unterlag in entsprechender Anwendung von § 31 Abs. 5 S. 1 GmbHG a. F. einer fünfjährigen Verjährung. Der bereits verfristete Anfechtungsanspruch nach § 32a KO konnte daher immer noch durch einen Erstattungsanspruch entsprechend der Rechtsprechungsregeln geltend gemacht werden.97 Rechtssystematisch war die Erstattungspflicht im Ergebnis also wie ein Anfechtungstatbestand ausgestaltet.98 Kerngedanke des alten Eigenkapitalersatzrechts war demnach, dass Risikokapital im Insolvenzfall nachrangig sei und somit der Kapitalbindung unterliege, wobei sich daran nichts ändere, wenn der Gesellschaft anstelle von Eigenkapital Fremdkapital zugeführt werde.99 Das galt nicht nur für Rückzahlungen, sondern auch für die Besicherung von Drittdarlehen durch den Gesellschafter, die haftungsrechtlich einer eigenen Finanzierungsleistung des Gesellschafters gleichgestellt wurde.100 Mit dem Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen vom 23. Oktober 2008 (MoMiG101) wurden sodann die §§ 32a, 32b GmbHG ersatzlos gestrichen, und die Sicherung und Befriedigung von Darlehensrückzahlungsforderungen von Gesellschaftern und der Rangrücktritt mit den §§ 135 92

Gesetz vom 04. 07. 1980, BGBl. I Nr. 35, S. 836. BGH NJW 1984, 1891, 1892; vgl. auch Lengersdorf, Nachrang von Gesellschafterdarlehen, S. 28; Nerlich/Römermann/Nerlich, § 135 InsO Rn. 1; K/P/B/Preuß, § 135 InsO Rn. 2. 94 Lutter/Hommelhoff/Kleindiek, Anh. § 64 GmbHG Rn. 117 f.; K/P/B/Preuß, § 135 InsO Rn. 3. 95 K/P/B/Preuß, § 39 InsO Rn. 32; Thole, Gläubigerschutz, S. 385. 96 Thole, Gläubigerschutz, S. 385; vgl. auch H/C/L/Habersack, Anh. § 30 GmbHG Rn. 23 f. 97 K/P/B/Preuß, § 135 InsO Rn. 3. 98 K/P/B/Preuß, § 135 InsO Rn. 9. 99 K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009, 1011. 100 K/P/B/Preuß, § 135 InsO Rn. 9 f. 101 Gesetz vom 23. 10. 2008, BGBl. I Nr. 48, S. 2026. 93

B. Besicherung von Gesellschafterdarlehen

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InsO und 39 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4, 5 InsO einer rein insolvenzrechtlichen Systematik zugeführt. Gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO werden alle Gesellschafterdarlehen ohne Rücksicht auf eine kapitalersetzende Funktion in der Insolvenz nachrangig gestellt. Auch § 135 InsO verlangt nicht mehr das Tatbestandsmerkmal „kapitalersetzend“.102 Zusätzlich wurden mit § 57 Abs. 1 S. 4 AktG sowie § 30 Abs. 1 S. 3 GmbHG Regelungen geschaffen, die die Rückkehr zur alten und „verwirrenden Doppelspurigkeit“103 der Rechtsprechungsregelungen verhindern, indem generell angeordnet wurde, dass die Rückzahlung eines Gesellschafterdarlehens keine Einlagenrückgewähr darstellt.104

II. Legitimationsgrund des Sonderrechts Ausweislich der Gesetzesbegründung zum MoMiG sollten die eingeführten Änderungen nicht zu einer Aufgabe des Kerngedankens des alten Eigenkapitalersatzrechts führen: Befriedigungen und Besicherungen von Gesellschaftern in einer typischerweise kritischen Zeitspanne sollten grundsätzlich einem konsequenten Anfechtungsregime unterworfen werden.105 Zwar ist damit das gesetzgeberische Ziel formuliert, begründet ist es jedoch noch nicht. In der Rechtsprechung und der Literatur finden sich zahlreiche Erklärungsansätze, die zu einer fast unüberschaubaren Fülle an Stellungnahme geführt haben, von denen nur einige überblicksartig zusammengefasst werden sollen:106 Obwohl durch das MoMiG das Tatbestandsmerkmal der Krisenfinanzierung und damit ein wesentlicher Anker der ursprünglichen Rechtfertigung weggefallen ist, wird in Anknüpfung an das alte Recht vertreten, die Nachrangregelung gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO enthalte eine gesetzliche Vermutung der Krisenfinanzierung, wenn die Gesellschaft ein Darlehen nicht auf dem Markt, sondern bei ihrem Gesellschafter aufnehme. Dann müsse unwiderleglich vermutet werden, dass die Gesellschaft dringend Eigenkapital benötige, und das Gesellschafterdarlehen dieses ersetze.107 102

BT-Drucks. 16/6140, S. 56; vgl. Thole, Gläubigerschutz, S. 384 ff. BT-Drucks. 16/6140, S. 26; G/B/S/Gehrlein, Vorb. § 64 GmbHG Rn. 297. 104 BT-Drucks. 16/6140, S. 42; Scholz-GmbHG/Bitter, § 30 GmbHG Rn. 107; K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009, 1010; K/P/B/Preuß, § 39 InsO Rn. 34, § 135 InsO Rn. 4. 105 BT-Drucks. 16/6140, S. 26; vgl. ebenso Gehrlein, NZI 2014, 481, 484; Spliedt, ZIP 2009, 149, 153; Thole, Gläubigerschutz, S. 385 ff. 106 Vgl. dazu auch die Darstellungen der verschiedenen Ansätze jeweils mit Stellungnahmen bei Baumbach/Hueck/Haas, Anh. § 64 GmbHG, Rn. 4 ff.; Scholz-GmbHG/Bitter, Anh. § 64 GmbHG Rn. 19 ff.; Lengersdorf, Nachrang von Gesellschafterdarlehen, S. 76 ff.; K/P/B/ Preuß, § 39 InsO Rn. 41 ff.; K/S/W/Schäfer, § 135 InsO Rn. H45 ff.; Thole, Gläubigerschutz, S. 383 ff.; ders., FS-Kübler, S. 686 ff. 107 Altmeppen, NJW 2008, 3601, 3602 f.; ders., ZIP 2011, 741, 747; Bork, ZGR 2007, 250, 257; Spliedt, ZIP 2009, 149, 153; kritisch K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009, 1012; K/P/B/Preuß, § 135 InsO Rn. 44. 103

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Teil 2: Praxisrelevante Anwendungsfälle des § 142 InsO

Demgegenüber wird zum Teil schwerpunktmäßig auf eine Finanzierungszuständigkeit der Gesellschafter abgestellt. Zwar sei seit dem MoMiG die Finanzierungsfolgenverantwortung im Sinne einer Nachschuss- bzw. Finanzierungspflicht entfallen. Gleichwohl bestünde jedoch eine Finanzierungszuständigkeit fort und der Gesellschafter müsse sich daher an seiner Finanzierungsentscheidung festhalten lassen, wenn er sich für Fremdkapitalfinanzierung anstelle einer Erhöhung des Eigenkapitals entscheide. Dies werde durch die Rechtsfolgen der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO sichergestellt.108 Ein weiterer Ansatz findet sich bei Habersack, demzufolge die Legitimation in einer Art Missbrauchskontrolle der Haftungsbeschränkung zu sehen sei. Die Haftungsbeschränkung von Aktiengesellschaft und GmbH sei nur dann gerechtfertigt, wenn die Gesellschafter das Risiko des Fehlschlags ihrer wirtschaftlichen Betätigung nicht auf die Gläubiger abwälzen könnten. Dafür sei aber eine hinreichende Kapitalausstattung durch die Gesellschafter erforderlich bzw. müsse den Gläubigern in der Insolvenz dieses Vermögen ungeschmälert zustehen, was wiederum durch den Nachrang und die Anfechtung erreicht werde.109 Namentlich Thole spricht sich demgegenüber, auch vor einem rechtsvergleichenden Hintergrund, für eine konzeptionelle Trennung von Nachrang und Anfechtung aus.110 Die Rechtfertigung der Anfechtung sieht er in der besonderen Nähebeziehung des Gesellschafters zu seiner Gesellschaft. Als „Insider“ sei der Gesellschafter besser über die wirtschaftliche Lage seiner Gesellschaft und die als Sicherheit in Betracht kommenden Vermögensgegenstände informiert. Er könne daher zulasten der Gläubigergemeinschaft effektiver die Befriedigung der eigenen Rückzahlungsforderung durchsetzen oder sich rechtzeitig eine Sicherheit an Gesellschaftsvermögen bestellen lassen. Diese Informationsasymmetrie werde durch die Anfechtung sanktioniert und diene damit – wie alle Anfechtungstatbestände auch – der par condicio creditorum.111 Der Nachrang sei demgegenüber zwar schwieriger zu legitimieren. Tendenziell ordne er aber eine Art „Misserfolgshaftung“ insoweit an, dass der Gesellschafter zwar seine Gesellschaft in der Krise nicht finanzieren müsse. Tue er dies allerdings trotzdem und komme es anschließend zu einer Insolvenz, dann sei seine Rückzahlungsforderung weniger schutzwürdig und müsse zurückstehen.112

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K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009, 1016. Habersack, ZIP 2007, 2145, 2147; U. Huber/Habersack, Lutter (Hrsg.), S. 395; H/C/L/ Habersack, Anh. § 30 GmbHG Rn. 10 ff., 21; kritisch Thole, ZHR 2012, 513, 520. 110 Thole, Gläubigerschutz, S. 390 ff.; ders., ZHR 2012, 513, 526 ff.; ähnlich Mylich, ZIP 2013, 1650, 1651. 111 Thole, Gläubigerschutz, S. 394 ff., vgl. ders., ZHR 2012, 513, 520; ähnlich G/B/S/ Gehrlein, Vorb. § 64 GmbHG Rn. 330; Mylich, ZGR 2009, 474, 485; die „Insiderthese“ befürwortet auch Noack, DB 2007, 1395, 1398; kritisch dazu Scholz-GmbHG/Bitter, Anh. § 64 GmbHG Rn. 37. 112 Thole, ZHR 2012, 513, 526 ff. 109

B. Besicherung von Gesellschafterdarlehen

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Zuletzt wird der Nachrang teilweise auch nur als Ausprägung eines gerechten Verteilungssystems verstanden. Der Nachrang beruhe wertungsmäßig auf § 199 S. 2 InsO, demzufolge die Gläubiger bei der Verteilung vorrangig vor den Gesellschaftern befriedigt werden. Der Nachrang statuiere die klare Verteilung des von einer wirtschaftlichen Unternehmung ausgehenden wirtschaftlichen Risikos im Falle der Insolvenzeröffnung.113 Die Auffassung des BGH ist demgegenüber nicht ganz eindeutig bzw. ließe sie sich als eine Art Kombinationslehre aus den verschiedenen in der Literatur entwickelten Auffassungen verstehen. Nach BGH beanspruchten auch die Begründungsansätze zum alten Kapitalersatzrecht nach wie vor Geltung.114 Der Nachrang gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO sowie die Anfechtung gemäß § 135 InsO träfen in Übereinstimmung mit dem früheren Recht Vorsorge, dass der Gesellschafter das mit der Darlehensgewährung verbundene Risiko auf die Gemeinschaft der Gesellschaftsgläubiger nicht abwälze, wobei auch die Finanzierungsfolgenverantwortung des Gesellschafters bei der Auslegung des § 135 Abs. 1 InsO weiterhin beachtlich sei.115 Habe der Gesellschafter seine eigene Gesellschaft mit Kapital ausgestattet, müsse er sich an dieser Finanzierungsentscheidung festhalten lassen, wobei die Gewährung eines Darlehens nach ihrer wirtschaftlichen Funktion einer Leistung von Eigenkapital vergleichbar sei.116 Ein Gesellschafter, der die Gesellschaft aus eigenen Mitteln mit den für den Geschäftsbetrieb notwendigen finanziellen Mitteln ausstatte, finanziere damit eine Geschäftstätigkeit, die ihm mittelbar über seine Stellung als Gesellschafter zugutekäme. Hätte der Gesellschafter selbst diese Geschäfte betrieben, wären die eigenen Mittel in der Insolvenz des Gesellschafters verloren gegangen. § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO ordne daher an, dass Gleiches in der Insolvenz „seiner“ Gesellschaft gelte, sofern und soweit der Gesellschafter mit seinen Rechtshandlungen die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft finanziert und das entsprechende Kapital im Insolvenzfall noch nicht abgezogen habe. Auf diese Weise würde die Finanzierungsfolgenverantwortung des Gesellschafters eingefordert sowie das Risikogleichgewicht zwischen Gesellschaftern und sonstigen Gesellschaftsgläubigern gewahrt.117 Mit dem letzten Punkt der Wiederherstellung des Risikogewichts zwischen Gesellschafter und sonstigen Gesellschaftsgläubigern hat der BGH die bereits oben angedeutete und unter anderem auch von Bitter herausgearbeitete Doppelrolle des darlehensgebenden Gesellschafters zutreffend identifiziert.118 Demzufolge trete der 113

Baumbach/Hueck/Haas, Anh. § 64 GmbHG, Rn. 5. Vgl. Lengersdorf, Nachrang von Gesellschafterdarlehen, S. 89 f.; K/P/B/Preuß, § 39 InsO Rn. 42. 115 BGH ZIP 2013, 582, 584; ZIP 2019, 666, 672; vgl. auch K/P/B/Preuß, § 135 InsO Rn. 38 ff.; Thole, Gläubigerschutz, S. 388. 116 BGH NJW 2019, 2923, 2925. 117 BGH NJW 2019, 2923, 2925; vgl. auch Darstellung bei K/P/B/Preuß, § 39 InsO Rn. 52. 118 Scholz-GmbHG/Bitter, Anh. § 64 Rn. 34 ff.; Baumbach/Hueck/Haas, Anh. § 64 GmbHG Rn. 5; Kampshoff, GmbHR 2010, 897, 899. 114

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Teil 2: Praxisrelevante Anwendungsfälle des § 142 InsO

Gesellschafter zwar im Hinblick auf einen Teil seines finanziellen Engagements zunächst wie ein normaler Darlehensgläubiger auf. Vergleichbar sei er mit einem solchen jedoch nicht, weil er über seinen Festbetragsanspruch hinaus variabel am Gewinn seiner Gesellschaft partizipiere. Der Gesellschafter sei im Gegensatz zu normalen Kreditgebern nicht auf die Vereinbarung von Zinsen angewiesen, sondern schöpfe seine Rendite direkt aus seiner Gesellschafterstellung ab – und das, ohne einem Verlustrisiko ausgesetzt zu sein. Um diesem Ungleichgewicht zu begegnen, ordne der § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO den Rangrücktritt der Rückforderung des Gesellschafters an, was aus Sicht der Gläubigergemeinschaft denselben Effekt wie die Subordination des Eigenkapitals gemäß § 199 S. 2 InsO habe.119 Der Anordnung des Nachrangs werde wiederum durch die Anfechtungsvorschrift des § 135 InsO abgesichert, indem verhindert werde, dass der Nachrang durch kurzfristige Rückzahlung oder Besicherung ausgehebelt wird und es zu einem Konkurrieren zwischen Gesellschafter und Gläubigergemeinschaft bei der Verteilung der Masse kommt.120 Trotz der Vielzahl an Stellungnahmen lassen sich m. E. alle Ansichten prinzipiell auf einen gemeinsamen Kerngehalt reduzieren. Auch Lengersdorf stellt zutreffend fest, dass sich die einzelnen Erklärungsversuche tatsächlich nicht derart unterscheiden, wie die Diskussion anmuten lässt.121 Im Kern dürfte es bei allen Ansichten darum gehen, die Finanzierungsfreiheit des Gesellschafters einerseits mit dem erforderlichen Gläubigerschutz andererseits in Einklang zu bringen – und somit letztlich um eine gerechte Risikoverteilung.122 Die haftungsfreie Partizipation an den Gewinnen der eigenen Gesellschaft wird dem Gesellschafter nur zum Preis des insolvenzrechtlichen Nachrangs gewährt. Will sich der Gesellschafter dieser Rollenverteilung entziehen, indem er seine Rückzahlungsforderung „kurz vor Toresschluss“, d. h. innerhalb der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, von seiner Gesellschaft eintreibt oder sich stattdessen eine Sicherheit bestellen lässt, wird dieses Verhalten mit der Anfechtung rückgängig gemacht.123

III. Reichweite und Begrenzung der Besicherungsanfechtung Nach alledem erscheint eine Sicherheit für einen darlehensgebenden Gesellschafter praktisch nutzlos zu sein, da eine Sicherheit innerhalb von zehn Jahren anfechtbar und obendrein mit einem Nachrang belastet wäre.124 Ein gut beratener 119 Scholz-GmbHG/Bitter, Anh. § 64 Rn. 36; ebenso Kleindiek, ZGR 2017, 731, 742; ähnlich auch Baumbach/Hueck/Haas, Anh. § 64 GmbHG Rn. 5. 120 Scholz-GmbHG/Bitter, Anh. § 64 Rn. 37. 121 Lengersdorf, Nachrang von Gesellschafterdarlehen, S. 92. 122 Lengersdorf, Nachrang von Gesellschafterdarlehen, S. 93 ff. 123 Thiessen, ZGR 2015, 396, 428. 124 Insbesondere Altmeppen, ZIP 2013, 1745, 1751, der die Besicherung eines Gesellschafterdarlehens mit Verweis auf § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO für ausgeschlossen hält, dafür dem

B. Besicherung von Gesellschafterdarlehen

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Gesellschafter ließe sich also nicht durch das Angebot einer (gleichwertigen) Sicherheit an Gesellschaftsvermögen von einem Kreditengagement überzeugen. Die Folge wäre, dass die Gesellschaft wiederum auf Kreditinstitute zurückgreifen müsste, die – sofern sie überhaupt zu einer Kreditvergabe bereit sein sollten – einerseits ebenfalls Sicherheiten verlangten und obendrein auch noch risikoadäquate Zinsen forderten. Die Gesellschaft stünde deutlich schlechter dar, wenn sie stattdessen ihrem Gesellschafter als Gegenleistung für sein Kreditengagement eine Sicherheit gewährt hätte.125 Das wird teilweise als nicht interessengerecht angesehen und in einem ersten Schritt verlangt, dass wenigstens eine mehr als zehn Jahre alte und damit unanfechtbare Sicherheit in der Insolvenz nicht mehr mit dem Nachrang belastet wird. Ob auch nachrangige Forderungen insolvenzfest besichert werden können, hängt indes vom Verhältnis zwischen Anfechtung und Nachrang ab und setzt voraus, dass die Anfechtungsfestigkeit insoweit den Nachrang verdrängt. Das ist umstritten (1.). Darüber hinaus wird aber auch eine weitere Einschränkung der zehnjährigen Besicherungsanfechtung für den Fall der rechtzeitigen Verwertung der Sicherheit befürwortet. Habe der Gesellschafter eine (grundsätzlich anfechtbare) Sicherheit mehr als ein Jahr vor der Insolvenzantragstellung verwertet, dann entspräche dies wirtschaftlich betrachtet einer Befriedigung im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO, sodass beide Konstellationen gleichbehandelt werden müssten. Insoweit sei von einer „Sperre“ der zehnjährigen Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO auszugehen (2.). Wären beide Auffassungen zutreffend, wäre aus Sicht des Gesellschafters bereits einiges gewonnen: Eine ihm bestellte Sicherheit wäre in der Insolvenz jedenfalls dann durchsetzbar, wenn sie mehr als zehn Jahre vor der Antragstellung gewährt wurde, und er dürfte einen Verwertungserlös behalten, wenn er seine Sicherheit rechtzeitig, d. h. mehr als ein Jahr vor der Antragstellung, verwertet hat. 1. Verhältnis zwischen Nachrang und Anfechtung Das Verhältnis zwischen Nachrang gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und Anfechtung gemäß § 135 InsO wurde zwar bereits skizziert und es wurde festgestellt, dass die Anfechtung der Absicherung des Nachrangs dient. Offen ist jedoch, ob eine nachrangige Forderung überhaupt insolvenzfest besichert werden kann. Mit anderen Worten stellt sich die Frage, ob im Falle der Insolvenz die vorrangige Befriedigung einer eigentlich nachrangigen Forderung denkbar ist.126 Das wird teilweise bestritten und gewissermaßen ein Vorrang des Nachrangs befürwortet. Forderungen im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO könnten per se nicht besichert werden bzw. nütze die Gesellschafter in der Krise seiner Gesellschaft ein außerordentliches Kündigungsrecht gem. § 490 BGB einräumt; kritisch dazu Lengersdorf, Nachrang von Gesellschafterdarlehen, S. 219. 125 Vgl. zur ökonomischen Struktur des Problems aus Sicht der ungesicherten Gläubiger Gottwald/Haas/Drukarczyk/Schöntag, § 3 Rn. 123 ff. 126 Vgl. allgemein zur Problematik K/P/B/Preuß, § 135 InsO Rn. 17; Thole, FS-Kübler, S. 686 ff.

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Sicherheit im Insolvenzfalle nichts. Sie müssten daher auch nicht extra angefochten werden.127 Demgegenüber wird allerdings wohl mehrheitlich vertreten, dass eine anfechtungsfeste Sicherheit den Nachrang verdränge.128 Praktisch relevant wird diese Diskussion, wenn die Sicherheit nicht mehr angefochten werden kann – entweder weil sie mehr als zehn Jahre vor der Antragstellung gewährt wurde und daher die Tatbestandsvoraussetzungen des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht erfüllt sind, oder weil sie möglicherweise nach § 142 Abs. 1 InsO anfechtungsrechtlich privilegiert ist.129 Zwar ist der ersten Ansicht zuzugestehen, dass ein gewisses Störgefühl nicht zu leugnen ist, wenn die Forderung aufgrund des Nachrangs in der Insolvenz zwar praktisch wertlos ist, gleichwohl aber ein Zugriff auf die für die Forderung bestellte Sicherheit möglich sein soll. Im Ergebnis dürfte aber dennoch die letztere Auffassung überzeugender sein, weil sie mit dem konzeptionellen Zusammenhang von Nachrang und Anfechtung besser in Einklang zu bringen ist. Wie soeben erläutert, vermeidet der Nachrang ein Konkurrieren der einfachen Insolvenzgläubiger mit dem Gesellschafter bei der Masseverteilung. Das ist gerechtfertigt, weil er in guten Zeiten – und im Gegensatz zu den einfachen Insolvenzgläubigern – unmittelbar am wirtschaftlichen Erfolg seiner Gesellschaft partizipiert. Eine gerechte Risikoverteilung gebietet es daher, dass sich der Gesellschafter im Falle des Scheiterns seiner Gesellschaft, und damit seiner eigenen wirtschaftlichen Tätigkeit, bei der Verteilung der verbleibenden Vermögenswerte gegenüber den einfachen Gesellschaftsgläubigern hintenanstellen muss. Dieser Risikoverteilung kann sich der Gesellschafter nicht dadurch entziehen, dass er sich eine Sicherheit bestellen lässt, und im Falle der Insolvenz die abgesonderte Befriedigung seiner Rückzahlungsforderung betreibt. Nachrang und Anfechtung stehen demnach in einem engen Gegenseitigkeitsverhältnis, was systematisch auch dadurch zum Ausdruck kommt, dass der § 135 Abs. 1 InsO bereits tatbestandlich auf § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO Bezug nimmt.130 Demzufolge scheidet die Anfechtung also aus, wenn die Forderung nicht nachrangig ist. Ist umgekehrt aber der Tatbestand der Anfechtung nicht erfüllt, weil die Sicherheitengewährung nicht gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar ist, dann ist auf Grund der Konnexität beider Vorschriften sinnvollerweise davon auszugehen, dass dann auch der Nachrang nicht durchgesetzt werden soll. Eine anfechtungsfeste Sicherheit

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Altmeppen, NZG 2013, 441, 443 f.; ders., ZIP 2019, 1985, 1990 f.; Brinkmann, ZGR 2017, 708, 726 ff.; Hölzle, ZIP 2013, 1992, 1994. 128 Scholz-GmbHG/Bitter, Anh. § 64 GmbHG Rn. 177 ff.; ders., ZIP 2013, 1497, 1502 ff.; Ganter, ZIP 2019, 1141, 1146; Baumbach/Hueck/Haas, Anh. § 64 GmbHG Rn. 110; H/C/L/ Habersack, Anh. § 30 GmbHG Rn. 113; Marotzke, ZInsO 2013, 641, 648 ff.; Mylich, ZHR 2012, 547, 556 ff.; HmbK-InsO/Schröder, § 135 InsO Rn. 35 f. 129 Vgl. Thole, FS-Kübler, S. 677 f.; zur bargeschäftlichen Privilegierung anfänglicher Sicherheiten siehe sogleich. 130 HK-InsO/Kleindiek, § 135 InsO Rn. 13; a. A. Thole, ZHR 2012.

B. Besicherung von Gesellschafterdarlehen

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verdrängt somit den Nachrang, sodass der Gesellschafter in der Insolvenz abgesonderte Befriedigung gemäß § 51 Nr. 1 InsO verlangen kann.131 2. Begrenzung der Anfechtung im Falle der Sicherheitenverwertung Nachdem geklärt werden konnte, dass anfechtungsfeste Sicherheiten in der Insolvenz den Gesellschafter zur abgesonderten Befriedigung berechtigen, stellt sich die Frage, ob nicht möglicherweise weitere Einschränkungen der Besicherungsanfechtung gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO geboten sind. In Betracht kommt namentlich, dass im Falle einer Verwertung der Sicherheit jenseits der Jahresfrist gemäß Nr. 2 InsO die zehnjährige Besicherungsanfechtung nach Nr. 1 beschränkt werden muss, weil die Verwertung dann wirtschaftlich einer Befriedigung entspricht. Mit dieser Frage musste sich der BGH im Jahre 2013 auseinanderzusetzen und positionierte sich eindeutig gegen eine derartige Beschränkung der Besicherungsanfechtung.132 Der BGH ließ sich von dem Argument der wirtschaftlichen Vergleichbarkeit von Sicherheitenverwertung und Befriedigung des Darlehensrückzahlungsanspruchs nicht beeindrucken.133 Zwar gestand der BGH ein, dass eine unmittelbare Darlehensrückzahlung durch die Gesellschaft der Anfechtung entzogen gewesen wäre. Dieser Umstand sei jedoch irrelevant, da ein etwaiges rechtmäßiges Alternativverhalten im Insolvenzanfechtungsrecht unbeachtlich sei. Jede Rechtshandlung sei selbstständig auf ihre Ursächlichkeit für gläubigerbenachteiligende Folgen zu überprüfen und gegebenenfalls in die Anfechtung einzubeziehen – selbst dann, wenn sich die Rechtshandlungen wirtschaftlich ergänzten.134 Des Weiteren führte der BGH aus, dass eine zusätzliche Sicherung des Gesellschafters neben der ohnehin auf das Gesellschaftsvermögen beschränkten Haftung zu einer höheren Risikobereitschaft zulasten der ungesicherten Gläubiger führe. Ein gesicherter Gesellschafter, der nicht um die Erfüllung seines Rückzahlungsanspruchs fürchten müsse, neige in Wahrnehmung der Geschäftsführung dazu, unangemessene, wenn nicht gar unverantwortliche und allein die ungesicherten Gläubiger treffende, geschäftliche Wagnisse einzugehen.135 Schließlich genieße der Gesellschafter gegenüber anderen Gläubigern einen Informationsvorsprung im Hinblick auf die wirtschaftliche Situation der Gesellschaft und wisse daher um verbliebene Besicherungsmöglichkeiten. Eine anfechtungsfeste Besicherung verschaffe dem Gesellschafter letztlich eine Position, 131 Bitter, ZIP 2013, 1497, 1503; ders., ZIP 2013, 1998, 1999; H/C/L/Habersack, Anh. § 30 GmbHG Rn. 113; K/P/B/Preuß, § 135 InsO Rn. 19, 34; HK-InsO/Kleindiek, § 135 InsO Rn. 13; Spliedt, ZIP 2009, 149, 152; Thiessen, ZGR 2015, 396, 436; Thole, FS-Kübler, 681, 688 f. 132 BGH ZIP 2013, 1579. 133 BGH ZIP 2013, 1579, 1582. 134 BGH ZIP 2013, 1579, 1580. 135 BGH ZIP 2013, 1579, 1581.

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in der er nach Belieben und ohne die Notwendigkeit einer Einflussnahme auf die Geschäftsführung durch Inanspruchnahme der Sicherung selbst über den Zeitpunkt der Erfüllung seiner Verbindlichkeit befinden könne, und das auch dann noch, wenn kein freies Gesellschaftsvermögen mehr vorhanden ist.136 Die Gewährung von Gesellschafterdarlehen, die durch das Gesellschaftsvermögen gesichert werden, sei daher mit einer ordnungsgemäßen Unternehmensfinanzierung nicht vereinbar.137 Zuletzt rechtfertigten die Risiken und Nachteile für die Gesellschaft und die (ungesicherte) Gläubigergesamtheit es, die Frist für die Sicherungsanfechtung deutlich großzügiger als bei der Befriedigung zu bemessen.138 Auch wenn der BGH eine Vielzahl von Argumenten anführt, kann seine Rechtsprechung im Ergebnis nicht überzeugen. M. E. zurecht wird dem BGH entgegengehalten, dass auch er den konzeptionellen Zusammenhang von Nachrang und Anfechtung nicht hinreichend berücksichtigt.139 Das soeben dargestellte Verhältnis von Nachrang und Anfechtung140 führt dazu, dass der Nachrang immer dann verdrängt wird, wenn auch die Anfechtung gemäß § 135 Abs. 1 InsO scheitert. Umgekehrt scheidet die Anfechtung aus, wenn der Nachrang nicht durchgesetzt werden muss. Gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO wird der Nachrang bereits von Gesetzeswegen nicht durchgesetzt, wenn eine Rückzahlungsforderung des Gesellschafters jenseits der Jahresfrist befriedigt wurde. Aus der Befriedigungsanfechtung nach Nr. 2 lässt sich die gesetzliche Wertung ableiten, dass eine rechtzeitige Rückzahlung durch die Gesellschaft als nicht ursächlich für die später eingetretene Insolvenz angesehen werden soll.141 De lege lata142 muss dann aber dasselbe für eine zeitgleich erfolgende Sicherheitenverwertung gelten, weil diese aus Sicht der Gesellschaftsgläubiger wirtschaftlich betrachtet tatsächlich nichts anderes als eine Befriedigungsleistung im Sinne des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO darstellt, und eine Anfechtung daher nicht interessengerecht wäre.143 Aus diesem Grund erscheint auch der Hinweis des BGH auf 136

BGH ZIP 2013, 1579, 1581. BGH ZIP 2013, 1579, 1581 mit Verweis auf Engert, ZGR 2004, 813, 831. 138 BGH ZIP 2013, 1579, 1581 f. 139 Kleindiek, ZGR 2017, 731, 752. 140 Vgl. Teil 2, B. III. 1., S. 149 ff. 141 Ähnlich Thiessen, ZGR 2015, 396, 435 f. 142 Dass die einjährige Anfechtungsfrist möglicherweise zu kurz geraten ist und de lege ferenda eine längere Anfechtungsfrist geboten wäre, steht auf einem anderen Blatt. Eine Verlängerung auf zwei Jahre befürwortet Bertram, Durchsetzbarkeit von Sicherheiten, S. 242 ff.; ähnlich K/S/W/Schäfer, § 135 InsO Rn. H73a; Thiessen, ZGR 2015, 396, 436; Thole, Gläubigerschutz, S. 408. 143 Scholz-GmbHG/Bitter, Anh. § 64 GmbHG Rn. 170; ders., ZIP 2013, 1583, 1584; H/C/ L/Habersack, Anh. § 30 GmbHG Rn. 120; Kleindiek, ZGR 2017, 731, 752 f.; HK-InsO/ders., § 135 InsO Rn. 18 ff.; Mylich, ZHR 2012, 547, 566; K/B/P/Preuß, § 135 InsO Rn. 34; Schall, ZGR 2009, 126, 144; Spliedt, ZIP 2009, 149, 153; Thiessen, ZGR 2015, 396, 435 f. im Ergebnis, aber mit anderer Begründung ebenfalls Altmeppen-GmbHG/Altmeppen, Anh. § 30 GmbHG Rn. 175; ders., NZG 2013, 441, 442; ders., ZIP 2013, 1745, 1747; a. A. Baumbach/Hueck/ Haas, Anh. § 64 GmbHG Rn. 105; Uhlenbruck/Hirte, § 135 InsO Rn. 13; G/B/S/Gehrlein, 137

B. Besicherung von Gesellschafterdarlehen

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die erhöhte Risikobereitschaft voll gesicherter Gesellschafter nicht sachgerecht. Es kann zwar unterstellt werden, dass voll gesicherte Gesellschafter eher zur Eingehung unverantwortlicher Risiken bereit sind.144 Das Argument der erhöhten Risikobereitschaft wäre jedoch nur dann durchschlagend, wenn sich die Sicherheit tatsächlich als Gefahr für die Gläubigergemeinschaft und deren Befriedigungsaussichten auswirkte. Das ist aber nicht der Fall, wenn der Gesellschafter seine Sicherheit ein Jahr oder länger vor der Antragstellung verwertet hat.145 Somit verliert auch das Argument der missbräuchlichen Ausnutzung der „Insider-Stellung“ des Gesellschafters an Überzeugungskraft. Hat sich die Sicherheit in der Insolvenz nicht ausgewirkt, weil sie rechtzeitig verwertet wurde, kann diese auch nicht missbräuchlich sein.146 Das in der Sache überzeugende Argument einer erhöhten Risikobereitschaft voll gesicherter Gesellschafter wird vielmehr an anderer Stelle relevant, und zwar bei der Frage nach der bargeschäftlichen Privilegierung anfänglicher Sicherheiten. Denn dann wäre der Gesellschafter in der Tat – entgegen §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO – auch im Ernstfall, d. h. in der Insolvenz seiner Gesellschaft, zur abgesonderten Befriedigung berechtigt und damit voll gesichert.147 Im hier relevanten Kontext kann es jedoch nicht überzeugen. Mit deutlicher Kritik gegenüber der Rechtsprechung hat schließlich Bitter herausgearbeitet, dass die Lösung des BGH zu eher merkwürdig anmutenden Ergebnissen führt. Denn nach der Lösung des BGH stellt sich ein Gesellschafter mit Sicherheit für seine Darlehensrückzahlungsforderung deutlich schlechter als ein Gesellschafter ohne Sicherheit.148 Vor der Rückzahlung des Darlehens wird ein Gesellschafter daher genau darauf achten müssen, dass er gegenüber der Gesellschaft die Sicherheit in einem ersten Schritt freigibt, sie von der Gesellschaft selbst verwerten lässt und erst im Anschluss daran eine Auszahlung als Befriedigung akzeptiert.149 Vorb. § 64 GmbHG Rn. 334; Köth, ZGR 2016, 541, 554 ff.; Lengersdorf, Nachrang von Gesellschaftersicherheiten, S. 219 f. 144 Siehe dazu auch Scholz-GmbHG/Bitter, Anh. § 64 GmbHG Rn. 32 f.; ebenso Thiessen, ZGR 2015, 396, 435, der die insolvenzfeste Besicherung gar als „tickende Zeitbombe“ bezeichnet; kritisch HK-InsO/Kleindiek, § 135 InsO Rn. 21. 145 Bitter, ZIP 2013, 1583, 1584; Kleindiek, ZGR 2017, 731, 752 f.; Spliedt, ZIP 2009, 149, 153; Thiessen, ZGR 2015, 396, 435; ebenfalls Mylich, ZHR 2012, 547, 566, demzufolge sich dann der Informationsvorsprung des Gesellschafters zulasten der Gläubiger nicht ausgewirkt habe. 146 Ähnlich Thiessen, ZGR 2015, 396, 435. 147 Dazu sogleich. 148 Bitter, ZIP 2013, 1583, 1584 f.; H/C/L/Habersack, Anh. § 30 GmbHG Rn. 120; so auch Spliedt, ZIP 2009, 149, 153; ähnlich Bertram, Durchsetzbarkeit von Sicherheiten, S. 195 f., 234; a. A. MüKo-InsO/Gehrlein, § 135 InsO Rn. 15; ders., NZI 2014, 481, 485; ders., ZInsO 2019, 2133, 2142; Baumbach/Hueck/Haas, Anh. § 64 GmbHG Rn. 105; jedoch differenzierend für cash-pool-Konstellationen bei Gottwald/Haas/ders., § 90 Rn. 514 f.; K. Schmidt/ K. Schmidt, § 135 InsO Rn. 20; Plathner/Luttmann, ZInsO 2013, 1630, 1631 ff.; K/S/W/ Schäfer, § 135 InsO Rn. H74 f. 149 Scholz-GmbHG/Bitter, Anh. § 64 GmbHG Rn. 170 f.

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Teil 2: Praxisrelevante Anwendungsfälle des § 142 InsO

Die verbleibenden Argumente des BGH können schließlich auch zu keinem anderen Ergebnis führen. So geht jedenfalls der formaljuristische Verweis auf die gebotene Einzelbetrachtung ins Leere.150 Zwar soll die grundsätzliche Bedeutung der Einzelbetrachtungslehre nicht in Abrede gestellt werden, gleichwohl erscheint sie im vorliegenden Zusammenhang deplatziert. Denn bei der Frage nach einer etwaigen Beschränkung der zehnjährigen Anfechtungsfrist im Falle der Sicherheitenverwertung geht es nicht etwa darum, die Gewährung und die Verwertung der Sicherheit einer Gesamtbetrachtung zu unterwerfen. Im Gegenteil geht es nur um die rechtliche Bewertung der wirtschaftlichen Auswirkungen einer Sicherheitenverwertung und damit nicht um ein etwaiges Alternativverhalten des Gesellschafters.151 Daran anknüpfend erscheint zuletzt fraglich, ob allein die Unsicherheit über den Verwertungszeitpunkt eine Anfechtung noch rechtfertigen kann. Das dürfte ebenfalls nicht der Fall sein, zumal der Zeitpunkt der Verwertung weder unsicher noch in das Belieben des Gesellschafters gestellt ist. So ist der Verwertungszeitpunkt einer Sicherheit grundsätzlich vom Eintritt des Sicherungsfalls abhängig, der wiederum durch die Sicherungsabrede festgelegt wird.152 Regelmäßig tritt der Sicherungsfall mit Fälligkeit der Forderung ein, was gemäß § 41 Abs. 1 InsO spätestens bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Fall ist.153 Der Gesellschafter kann das Darlehen auch nicht nach Belieben außerordentlich kündigen und fällig stellen, sondern kann dies allenfalls bei einer Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Schuldnerin veranlassen.154 Von einer allgemeinen Unsicherheit bezüglich des Verwertungszeitpunktes kann eigentlich keine Rede sein.155 Im Ergebnis erscheint es daher überzeugender, wenn im Falle einer rechtzeitigen Sicherheitenverwertung die zehnjährige Besicherungsanfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO beschränkt und einer Befriedigung nach Nr. 2 gleichgestellt wird.

IV. Bargeschäftliche Privilegierung anfänglicher Sicherheiten Nach der hier vertretenen Auffassung erfährt der darlehensgebende Gesellschafter also auch dadurch einen gewissen Schutz, dass er – sofern die Siche150 So auch Bitter, ZIP 2013, 1582, 1584; a. A. Altmeppen, ZIP 2013, 1745, 1747; vgl. zur Einzelbetrachtungslehre oben Teil 1, C. II. 2. c), S. 45 ff. 151 Ähnlich Thiessen, ZGR 2015, 396, 434 f.; a. A. Plathner/Luttmann, ZInsO 2013, 1630, 1631 f. 152 BeckOK-BGB/Kindl, § 930 BGB Rn. 36; Lorenz, JuS 2011, 493, 495 f.; R/G/K/MellerHannich, § 930 BGB Rn. 77. 153 MüKo-BGB/Oechsler, Anh. §§ 929 – 936 BGB Rn. 48. 154 Vgl. Bitter, ZIP 2013, 1497, 1499; ders./Alles, WM 2013, 537, die die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung wegen Verschlechterung der Vermögenslage für ganz ausgeschlossen halten, wenn die Darlehensrückzahlungsforderung ausreichend besichert ist; BeckOK-BGB/Rohe, § 398 BGB Rn. 76; a. A. Altmeppen, ZIP 2013, 1745, 1751; Hölzle, ZIP 2013, 1992 f.; Köth, ZGR 2016, 541, 555 ff. 155 So wohl auch Bertram, Durchsetzbarkeit von Sicherheiten, S. 195.

B. Besicherung von Gesellschafterdarlehen

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rungsabrede dies zulässt – jenseits der Jahresfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO von der Gesellschaft bestellte Sicherheiten zur eigenen Befriedigung verwerten kann. In Betracht kommt allerdings, dass der so festgelegte Anwendungsbereich nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO noch einer weiteren Einschränkung unterliegt, und zwar dadurch, dass die anfängliche Sicherheitenbestellung unter den weiteren Voraussetzungen des § 142 Abs. 1 InsO bargeschäftlich privilegiert wird (1.). Im Ergebnis dürften die besseren Argumente für die generelle Anwendung des § 142 InsO auf § 135 InsO sprechen, sodass sich im Anschluss daran die Frage nach der konkreten Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO stellt (2.). Zuletzt ist in diesem Zusammenhang noch auf das „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch COVID19-Pandemie bedingten Insolvenz“ (COVInsAG) einzugehen, da dieses Übergangsvorschriften hinsichtlich der Sicherung und Befriedigung von Gesellschafterdarlehen vorsieht und die zuvor gefundenen Ergebnisse möglicherweise beeinflusst (3.). 1. Anwendbarkeit des Bargeschäftsprivilegs auf anfängliche Sicherheiten Die Möglichkeit einer bargeschäftlichen Privilegierung wird kontrovers diskutiert. Dabei stellt sich allerdings weniger die Frage nach der konkreten Subsumtion unter die einzelnen Tatbestandsmerkmale, sondern vielmehr nach der grundsätzlichen Vereinbarkeit beider Vorschriften unter Berücksichtigung der jeweiligen Normzwecke. Der BGH lehnt eine Anwendung des § 142 Abs. 1 InsO auf Gesellschaftersicherheiten ab (a)), wohingegen prominente Stimmen in der Literatur eine bargeschäftliche Privilegierung anfänglicher Sicherheiten befürworten (b)). Im Ergebnis sprechen die besseren Argumente für die generelle Möglichkeit einer bargeschäftlichen Privilegierung anfänglicher Sicherheiten (c)). a) Auffassung der Rechtsprechung Der BGH musste sich mit der Frage nach einer etwaigen bargeschäftlichen Privilegierung anfänglicher Gesellschaftersicherheiten in einer jüngeren Entscheidung auseinandersetzen und positionierte sich eindeutig und meinungsstark gegen eine Anwendung des § 142 Abs. 1 InsO und für eine strikte Anfechtung nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO.156 Seine Argumentation stützte er dabei vor allem auf die teleologischen Unterschiede zwischen dem Sonderrecht der Gesellschafterdarlehen und dem Bargeschäftsprivileg, wobei er sich in vielen Punkten auf seine bereits oben dargestellte Entscheidung aus dem Jahre 2013 stützte.157 Der BGH führte zunächst aus, dass § 142 InsO zwar grundsätzlich seine äußeren Grenzen allein in der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 InsO fände, sodass dem 156 157

BGH ZIP 2019, 666, 670 ff. BGH ZIP 2013, 1579; vgl. dazu oben Teil 2, B. III. 2., S. 151 ff.

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Teil 2: Praxisrelevante Anwendungsfälle des § 142 InsO

Wortlaut zufolge durchaus Raum für eine Anwendung auf § 135 InsO bestünde. Auch nach der Systematik läge grundsätzlich eine Anwendbarkeit nahe, da § 142 InsO im Anschluss an § 135 InsO Eingang ins Gesetz gefunden habe. Gleichwohl sprächen aber mehrere Gründe gegen eine Anwendbarkeit: Eine Auslegung allein nach dem Wortlaut hätte zur Folge, dass die im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Darlehensauszahlung erfolgte Besicherung privilegiert würde, eine deutlich vor der Darlehensauszahlung bestellte Sicherheit mangels Vorliegens eines Bargeschäfts jedoch nicht. Für eine derartige Ungleichbehandlung sei jedoch kein sachlicher Grund ersichtlich.158 Des Weiteren würde das systematische Argument durch die Entstehungsgeschichte des § 135 InsO entkräftet. Denn § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO verfolge als Nachfolgeregelung des § 32a KO gleichermaßen das Ziel, die „Umgehung der gemäß § 32a GmbHG bei eigenkapitalersetzenden Darlehen angedrohten Nachteile“ zu verhindern. Das Bargeschäftsprivileg sei demgegenüber erstmals 1999 in der InsO normiert worden, und der Gesetzgeber habe lediglich den Grundsatz des geltenden Konkursrechts, dass Bargeschäfte der Deckungsanfechtung entzogen sein sollen, kodifizieren wollen. Daher fänden sich auch in der Gesetzesbegründung zu § 142 InsO keine Hinweise auf § 135 InsO. Daraus könne geschlussfolgert werden, dass das Bargeschäftsprivileg keine Auswirkungen auf die Anfechtung von Sicherheiten für Forderungen aus Gesellschafterdarlehen haben sollte.159 Vor allem aber sprächen Sinn und Zweck des § 135 Abs. 1 InsO gegen die Anwendung des Bargeschäftsprivilegs: Das Sonderrecht der Gesellschafterdarlehen verfolge das Ziel, dass der Gesellschafter das mit einer Darlehensgewährung verbundene Kreditrisiko nicht auf die Gläubigergemeinschaft abwälze. Wenn aber eine Gesellschaft mit geringem Stammkapital gegründet werde, die den Geschäftsbetrieb nur mithilfe von Gesellschafterdarlehen aufnehmen könne, dann führe eine anfechtungsfeste Sicherheit dazu, dass im Insolvenzfalle praktisch das gesamte Gesellschaftsvermögen dem Gesellschafter vorbehalten bliebe. Ein derart gesicherter Gesellschafter sei eher bereit, unangemessene und allein die ungesicherten Gläubiger treffende geschäftliche Wagnisse einzugehen, was – wie bei der Frage nach einer etwaigen Beschränkung der Besicherungsanfechtung160 – mit einer ordnungsgemäßen Unternehmensfinanzierung nicht zu vereinbaren sei. Der bereits in der beschränkten Haftung liegende Risikoanreiz des Gesellschafters würde zusätzlich noch erhöht, wenn er dank einer Sicherheit im Verhältnis zu den ungesicherten Gläubigern auch noch vorrangig befriedigt würde. Eine Privilegierung anfänglicher Sicherheiten für Gesellschafterdarlehen unterliefe das erklärte Ziel des Gesetzgebers, Rückzahlungen aus Gesellschafterdarlehen im Jahr vor der Antragstellung einem konsequenten Anfechtungsregime zu unterwerfen. Die uneingeschränkte Anwendung des Bargeschäftsprivilegs eröffnete dem Gesellschafter die Möglichkeit, sogar bei einem innerhalb des kritischen Zeitraums gewährten Darlehen die Rechtsfolge des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO zu umgehen, indem er die ihm im Gegenzug gewährte Sicherheit 158 159 160

BGH ZIP 2019, 666, 671. BGH ZIP 2019, 666, 671; a. A. Thiessen, ZGR 2015, 396, 438. Siehe oben Teil 2, B. III. 2., S. 151 ff.

B. Besicherung von Gesellschafterdarlehen

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verwertete. Das sei vor allem deshalb nicht interessengerecht, weil der Gesellschafter im Gegensatz zu externen Gläubigern über die als Sicherung in Betracht kommenden Vermögensgegenstände seines Unternehmens unterrichtet sei.161 Zuletzt stünde aber auch die ratio legis des § 142 InsO einer Anwendung auf § 135 Abs. 1 InsO entgegen, da die Bargeschäftsausnahme lediglich die fortgesetzte Teilnahme am Geschäftsverkehr ermöglichen solle. Dafür sei aber ausreichend, wenn die Schuldnerin in der Krise unanfechtbare Geschäfte mit neutralen Dritten abwickeln könne. Die Besicherung eines Gesellschafterdarlehens könne hingegen regelmäßig nicht als übliches Umsatzgeschäft des allgemeinen Geschäftsverkehrs angesehen werden.162 Vielmehr komme es zu einem Abfluss letzter werthaltiger Sicherheiten aus dem Gesellschaftsvermögen, ohne eine unmittelbare Förderung des operativen Geschäfts.163 b) Gegenauffassung in der Literatur Demgegenüber sprechen sich prominente Stimmen in der Literatur für eine Anwendung des § 142 Abs. 1 InsO auf anfängliche Sicherheiten aus, wobei sich die Befürworter und die Gegner einer bargeschäftlichen Privilegierung anfänglicher Gesellschaftersicherheiten in etwa die Waage halten.164 Die Befürworter führen an, dass bereits zur Geltung des alten Eigenkapitalersatzrechts eine Darlehensgewährung gegen eine Zug-um-Zug bestellte Sicherheit nicht als eigenkapitalersetzend angesehen worden sei, da sie einem Drittvergleich standhielt. Somit unterfiel sie auch nicht der Durchsetzungssperre gemäß § 30 Abs. 1 GmbHG a. F., war folglich in der Krise durchsetzbar und auch nicht nach § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar.165 Mit dem MoMiG sei zwar das Merkmal des eigenkapitalersetzenden Charakters aufgegeben worden, sodass nunmehr auch außerhalb der Krise gewährte Darlehen 161

BGH ZIP 2019, 666, 672. Kritisch dazu Thole, Gläubigerschutz, S. 408. 163 BGH ZIP 2019, 666, 672 f.; OLG Düsseldorf ZIP 2019, 2491; ebenso Gehrlein, NZI 2015, 577, 581; Henkel, ZInsO 2009, 1577, 1578; vgl. auch Zusammenfassung der Rechtsprechung bei K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 37. 164 Befürwortend: Bertram, Durchsetzbarkeit von Sicherheiten, S. 202, 244; Uhlenbruck/ Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 8 f.; Scholz-GmbHG/Bitter, Anh. § 64 GmbHG Rn. 147; ders., ZIP 2013, 1497; ders., ZIP 2019, 737; H/C/L/Habersack, Anh. § 30 GmbHG Rn. 117; Hiebert, ZInsO 2016, 1679, 1680; Uhlenbruck/Hirte, § 135 InsO Rn. 13; KK-InsO/Klaahsen, § 135 InsO Rn. 86 ff.; Marotzke, ZInsO 2013, 641, 644; Mylich, ZHR 2012, 547, 570 f.; Braun-InsO/ Riggert, § 142 InsO Rn. 10; HmbK-InsO/Schröder, § 135 InsO Rn. 35, 44; Thiessen, ZGR 2015, 396, 438 ff.; Thole, Gläubigerschutz, S. 407; K/S/W/Wagner, § 142 InsO Rn. 018; ablehnend MüKo-InsO/Gehrlein, § 135 InsO Rn. 15; ders., NZI 2015, 577, 580 f.; ders., ZInsO 2019, 2133, 2143; Baumbach/Hueck/Haas, Anh. § 64 GmbHG, Rn. 14; ders., ZInsO 2007, 617, 624; ders., ZIP 2017, 545, 549; Henkel, ZInsO 2009, 1577, 1578; Hölzle, ZIP 2013, 1992, 1996 ff.; K. Schmidt/K. Schmidt, § 135 InsO Rn. 16; HK-InsO/Kleindiek, § 135 InsO Rn. 17; Köth, ZGR 2016, 541, 569 f.; Kruth, DStR 2020, 1133, 1138; K/P/B/Preuß, § 135 InsO Rn. 32; HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 142 InsO Rn. 24a; Spliedt, ZIP 2009, 149, 151, 153 f. 165 Bitter, ZIP 2013, 1497, 1499; Mylich, ZIP 2013, 2444, 2447; a. A. Köth, ZGR 2016, 541, 545 f. 162

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Teil 2: Praxisrelevante Anwendungsfälle des § 142 InsO

anfechtbar seien. Damit sollten aber keine wesentlichen inhaltlichen Änderungen verbunden werden, da bereits zum überkommenen Recht das „Stehenlassen“ eines außerhalb der Krise gewährten Darlehens als eigenkapitalersetzend angesehen worden sei. Somit sei durch das MoMiG lediglich die Möglichkeit ausgeschlossen worden, das Darlehen noch rechtzeitig wieder abziehen zu können. Es könne aber nicht angenommen werden, dass auch die anfängliche Besicherung von Gesellschafterdarlehen ausgeschlossen werden sollte.166 Zudem sei auch der Kerngedanke des Gesellschafterdarlehensrechts in den Fällen anfänglicher Besicherungen nicht betroffen. Zwar müsse sich der kreditgebende Gesellschafter grundsätzlich auch in der Krise an seiner Finanzierungsentscheidung festhalten lassen, sodass er insoweit eine Finanzierungsfolgenverantwortung trage. Eine derartige Verantwortung könne jedoch dann nicht unterstellt werden, wenn der Gesellschafter sein Kreditengagement von Anfang an von der Bestellung einer Sicherheit abhängig gemacht habe.167 Dann habe er hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, eine derartige Finanzierungsfolgenverantwortung gerade nicht übernehmen zu wollen. Dem Gesellschafter dürfe gegen seinen Willen kein höheres Insolvenzrisiko aufgedrängt werden, als er gegenüber seiner Gesellschaft jemals einzugehen bereit war.168 c) Stellungnahme Entgegen der Ansicht des BGH und in Übereinstimmung mit der Literaturansicht sprechen m. E. die besseren Argumente für die generelle Möglichkeit einer Anwendung des Bargeschäftsprivilegs auf die anfängliche Besicherung. Die vom BGH angeführten Argumente sind zwar zahlreich und scheinen auf den ersten Blick auch in der Sache überzeugend. Ein Großteil kann jedoch bei näherer Betrachtung entkräftet werden. Die verbleibenden Argumente rechtfertigen sodann keinen pauschalen Anwendungsausschluss des § 142 InsO. Ihnen kann angemessen über eine sachgerechte Auslegung der Tatbestandsmerkmale begegnet werden. Zunächst kann gegen eine Anwendung des Bargeschäftsprivilegs der erneute Verweis auf die Insiderstellung des Gesellschafters und der damit einhergehende Informationsvorsprung nicht überzeugen. Marotzke weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass sich ganz unproblematisch auch nahestehende Personen im Sinne von § 138 InsO auf § 142 InsO berufen können, deren Kenntnis von der Krise gemäß § 130 Abs. 3 InsO vermutet wird.169 Es wurde zudem bereits festgestellt, dass die Krisenkenntnis als solche dem § 142 InsO systemimmanent ist.170 166

Vgl. Bitter, ZIP 2013, 1497, 1500, 1505. Spliedt, ZIP 2009, 149, 153. 168 Bitter, ZIP 2013, 1503 f.; Mylich, ZHR 2012, 547, 569 ff. schlägt differenzierend vor, eine Anfechtung bei anfänglicher Besicherung analog zu § 133 Abs. 4 S. 2 InsO dann zuzulassen, wenn innerhalb von zwei Jahren nach der Sicherheitengewährung Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gestellt wird. 169 Marotzke, ZInsO 2013, 641, 644; ebenso Hiebert, ZInsO 2106, 1679, 1681. 170 Siehe oben Teil 1, C. I., S. 29 ff. und Teil 1, C. III. 2. a) bb), S. 62 ff. 167

B. Besicherung von Gesellschafterdarlehen

159

Darüber hinaus existiert entgegen der scheinbaren Befürchtung des BGH aber auch keine Regelungslücke. Denn sollte der Gesellschafter seinen Wissensvorsprung zum Nachteil der Gläubiger ausgenutzt haben, kann dieses Verhalten, wie noch zu zeigen ist, über die Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO sanktioniert werden.171 Nicht ganz nachvollziehbar ist außerdem die Aussage, der Anwendungsbereich des § 142 Abs. 1 InsO sei auf Rechtsgeschäfte mit neutralen Dritten beschränkt. Eine derartige Beschränkung ergibt sich jedenfalls nicht aus dem Wortlaut des § 142 InsO. Schließlich streiten aber auch Sinn und Zweck des Bargeschäftsprivilegs eher für die gegenteilige Auffassung: § 142 Abs. 1 InsO definiert die Person des Bargeschäftsgläubigers nicht, sondern spricht lediglich „vom anderen Teil“. Dass dieser andere Teil nur ein neutraler Dritter sein könnte, ist keineswegs naheliegend. Vielmehr prägt allein der gleichwertige und unmittelbare Leistungsaustausch das Erscheinungsbild des Bargeschäfts – nicht hingegen die Person des Deckungsempfängers.172 Aus Gläubigersicht ist es ohnehin letztlich ohne Bedeutung, ob ein Kreditinstitut oder ein Gesellschafter ein Darlehen gewährt und sich dafür in gleicher Höhe eine Sicherheit bestellen lässt. Es machte jedenfalls bei der anschließenden Masseverteilung keinen Unterschied, ob eine Bank ein Absonderungsrecht geltend macht oder aber ein besicherter Gesellschafter.173 Schließlich kann auch nicht der Verweis auf die Gefahr von Gründungen materiell unterkapitalisierter Gesellschaften überzeugen, die nur mithilfe von Darlehensgewährungen ihren Geschäftsbetrieb aufrechterhalten können. Der Gedanke des BGH ist augenscheinlich, dass unterkapitalisierte Gesellschaften keine Daseinsberechtigung auf dem Markt hätten. Das ginge jedoch an der Realität vorbei. Denn die Existenz ausländischer Gesellschaftsformen wie der englischen Limited, die jedenfalls bis zum „Brexit“ nach der Gründungstheorie174 in Deutschland (noch)175 rechtsfähig waren, zeigt, dass unterkapitalisierte Gesellschaftsformen fester Bestandteil der Rechtswirklichkeit sind.176 Die Konsequenz einer rechtlichen Missbilligung unterkapitalisierter Gesellschaften wäre schließlich die Zunahme von Betriebsaufspaltungen. Gesellschafter würden anstelle einer Darlehensfinanzierung Anlagevermögen selbst erwerben und sodann der eigenen Gesellschaft zur Nutzung überlassen. Das ist aber in mindestens gleichem Maße unerwünscht.177 Nicht zielführend erscheint zuletzt die Aussage des BGH, der Gesetzgeber verfolge mit § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO das Ziel, Rückzahlungen aus Gesellschafterdar171

Hiebert, ZInsO 2016, 1679, 1681; siehe in diesem Zusammenhang zum Merkmal der Unlauterkeit sogleich unter Teil 2, B. IV. 2. e), S. 165 ff. 172 Bertram, Durchsetzbarkeit von Sicherheiten, S. 209 spricht von einem „fairen Leistungsaustausch“; ebenso Marotzke, ZInsO 2013, 641, 644. 173 Bitter, ZIP 2019, 737, 744. 174 Siehe allein Hüffer-AktG/Koch, § 1 AktG Rn. 42 f. m. w. N. 175 Vgl. dazu ausführlich Seeger, DStR 2016, 1817, 1818 ff. 176 Vgl. weiterführend zu den gesellschaftsrechtlichen Folgen des „Brexit“ Teichmann/ Knaier, EuZW – Sonderausgabe 2020, 14 ff. 177 Bitter, ZIP 2019, 737, 741.

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Teil 2: Praxisrelevante Anwendungsfälle des § 142 InsO

lehen im Jahr vor der Antragstellung einem konsequenten Anfechtungsregime zu unterwerfen. Das Argument ist regelrecht zirkulär. Denn jeder Anfechtungstatbestand versucht im Grunde genommen gläubigerbenachteiligende Rechtshandlungen konsequent rückgängig zu machen. Das Bargeschäftsprivileg zeichnet sich aber als Einwendung des Anfechtungsgegners gerade dadurch aus, dass die Anfechtung ausgeschlossen ist, obwohl alle Voraussetzungen eines Anfechtungstatbestands erfüllt sind. Die „Strenge“ eines Anfechtungstatbestands lässt also die Frage nach der Anwendbarkeit des Bargeschäfts bereits denklogisch unberührt. Eine solche Argumentation ginge aber auch an der eigentlichen Frage vorbei. Denn im Kern geht es darum, ob eine anfängliche Besicherung mit dem Sonderrecht der Gesellschafterdarlehen vereinbar ist oder nicht. Weiter oben wurde bereits dargestellt, dass das Sonderrecht der Gesellschafterdarlehen die Finanzierungsfreiheit des Gesellschafters einerseits und den erforderlichen Gläubigerschutz andererseits einer interessengerechten Lösung zuführen soll.178 Damit stellt sich die Frage, ob der mit dem Nachrang und der Anfechtung nach § 135 InsO bezweckte Schutz der Befriedigungsaussichten der (Dritt-)Gläubiger so bedeutsam ist, dass dies einen pauschalen Anwendungsausschluss des § 142 InsO rechtfertigte. Das ist nicht der Fall. Wenn es im Ergebnis vor allem auf den Gläubigerschutz ankommt, dann muss genau überprüft werden, ob im Falle der anfänglichen Besicherung – insbesondere im Gegensatz zur nachträglichen Besicherung179 – tatsächlich das befürchtete Risiko für die Befriedigungsaussichten der Gläubigergemeinschaft droht. Dabei geht es weniger um die Frage, ob der Gesellschafter eine irgendwie geartete Finanzierungsfolgenverantwortung trägt,180 sich an seiner Finanzierungsentscheidung auch im Falle des Scheiterns der Gesellschaft festhalten lassen muss,181 oder ob ein Informationsvorsprung des Gesellschafters sanktioniert werden müsste.182 Vielmehr ist entscheidend, ob diese Art der Finanzierung durch einen besicherten Gesellschafter per se auf Kosten und zulasten der Gläubiger geht. Das kann man m. E. nicht annehmen. Wird ein Gesellschafterdarlehen von Anfang an von der Bestellung einer gleichwertigen Sicherheit abhängig gemacht, dann finanziert sich die Gesellschaft in diesen Fällen im Grunde genommen über die Sicherheit selbst, die durch die Darlehensgewährung des Gesellschafters in Liquidität umgewandelt wird. Das ist wirtschaftlich betrachtet nicht automatisch nachteilig für die Gläubiger, denn der Zufluss von frischem Kapital kann Sanierungschancen aufrechterhalten, was der Gläubigergesamtheit wiederum zugutekommt. Wenn aber eine derartige Finanzierung nicht stets nachteilig ist, dann vermag auch der pauschale Ausschluss des Bargeschäftsprivilegs nicht so recht überzeugen.

178 179 180 181 182

Lengersdorf, Nachrang von Gesellschafterdarlehen, S. 93 ff. Bitter, ZIP 2013, 1497, 1506. Bork, ZGR 2007, 250, 256 f. K. Schmidt, GmbHR 2009, 1009, 1012 f. Thole, Gläubigerschutz, S. 382 ff.

B. Besicherung von Gesellschafterdarlehen

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Im Ergebnis befürwortet der BGH eine teleologische Reduktion des § 142 InsO,183 ohne dass die Voraussetzungen für eine solche vorlägen. Umgekehrt dürfte sogar eher richtig sein, dass die Anwendung des Bargeschäftsprivilegs auf ursprüngliche Sicherheiten dem Sinn und Zweck von § 142 InsO gerade entspricht. Denn durch die Möglichkeit einer anfänglichen Besicherung von Gesellschafterdarlehen ergibt sich eine günstige Finanzierungsmöglichkeit in der Krise der schuldnerischen Gesellschaft, die die Aufrechterhaltung des Betriebes besonders effizient gewährleistet. So dürfte beispielsweise ein Gesellschafter eher dazu bereit sein, seiner Gesellschaft ein Darlehen zu günstigeren (Zins-)Konditionen zu gewähren als ein unabhängiges Kreditinstitut. Insbesondere fielen auch keine Transaktionskosten an.184 Darüber hinaus ist es auch denkbar, dass sich ein Gesellschafter sogar mit einer geringwertigeren Sicherheit zufriedengibt. Dass die Gegenleistung des Anfechtungsgegners auch dann gleichwertig im Sinne des § 142 InsO ist, wenn sie letztlich mehr wert ist als die Leistung der Schuldnerin, wurde bereits festgestellt.185 Würde § 142 InsO kategorisch keine Anwendung finden, wäre eine solche flexible Kompromisslösung nicht möglich, und der Gesellschaft eine einfache und effiziente Finanzierungsmöglichkeit in der Krise genommen. In diesem Zusammenhang argumentiert der BGH zwar, dass durch den Zufluss der Darlehensvaluta das operative Geschäft nicht unmittelbar gefördert würde. Das erschließt sich jedoch nicht unmittelbar. Eher scheint richtig, dass sich gerade durch den Zufluss der Darlehensvaluta die Liquidität der Schuldnerin verbessert, und er effektiver am Wirtschaftsverkehr teilnehmen kann.186 Damit hat sich ein Großteil der vom BGH vorgebrachten Argumente als nicht durchschlagskräftig herausgestellt. Einzig das Argument, dass voll gesicherte Gesellschafter zur Eingehung unverantwortlicher und allein auf Kosten der ungesicherten Gläubiger gehender Risiken bereit seien, überzeugt in der Sache. Aber auch diese Gefahr rechtfertigt einen pauschalen Anwendungsausschluss nur dann, wenn ihr nicht anderweitig, gewissermaßen durch mildere Mittel, begegnet werden kann. Allen voran Mylich schlägt in diesem Zusammenhang vor, die Insolvenzfestigkeit der Besicherung von einem zeitlich befristeten und verbindlichen Tilgungsplan abhängig zu machen, um dadurch Spekulationen zu Lasten der Gläubiger auszuschließen bzw. zu begrenzen. Sei die Darlehenslaufzeit beispielsweise unangemessen lang oder existiere kein Tilgungsplan, müsse das Darlehen wie eine verdeckte Einlage behandelt werden, sodass es dann an einem Rechtsgrund für die Sicher-

183 Bertram, Durchsetzbarkeit von Sicherheiten, S. 202 spricht vom Erfordernis einer teleologischen Reduktion und verneint die planwidrige Regelungslücke; Hiebert, ZInsO 2016, 1679, 1680 f.; a. A. Hölzle, ZIP 2013, 1992, 1997, der umgekehrt für die Anwendung des § 142 InsO auf § 135 Abs. 1 InsO von einem Analogieerfordernis ausgeht. 184 Vgl. die Einleitung bei Marotzke, ZInsO 2013, 641. 185 Siehe oben Teil 1, E. III. S. 76 ff. 186 Bitter, ZIP 2019, 737, 745.

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Teil 2: Praxisrelevante Anwendungsfälle des § 142 InsO

heitenbestellung fehle.187 Überzeugend an dem Vorschlag ist vor allem der Gedanke, dass anstelle eines pauschalen Verbots nach einer differenzierteren Lösung gesucht wird. Dem folgend erscheint es daher überzeugender, den erforderlichen Interessenausgleich über eine entsprechend ausgewogene Normanwendung und -auslegung des § 142 Abs. 1 InsO und dessen jeweiligen Grenzen zu suchen.188 2. Subsumtion unter die Tatbestandsmerkmale des § 142 Abs. 1 InsO Soeben wurde sich dafür ausgesprochen, dass den Gefahren für die Gläubigergemeinschaft, die mit der Anwendung von § 142 InsO auf § 135 InsO einhergehen, nicht durch einen pauschalen Anwendungsausschluss begegnet werden sollte. Etwaigen Missbrauchsgefahren könne durch eine interessengerechte Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale hinreichend Rechnung getragen werden. Damit steht zugleich der Maßstab für die folgende Tatbestandssubsumtion unter § 142 InsO fest. Diese muss sich vor allem vor dem gebotenen Gläubigerschutz bewähren und Missbrauchsgefahren vorbeugen. a) Auszahlung der Darlehensvaluta gegen Bestellung der Sicherheit als Leistungsaustausch Zunächst müsste dafür ein Leistungsaustausch vorliegen, wobei es weder um einen etwaigen Zinsanspruch des Gesellschafters noch um die Rückzahlung des Darlehensbetrags geht. Entscheidend ist, ob die Darlehensgewährung einerseits und die Bestellung einer Sicherheit andererseits den Anforderungen an einen Leistungsaustausch gerecht werden.189 Das ist der Fall. Bei der Tatbestandsanalyse wurde ausgeführt, dass zum einen der Leistungsbegriff großzügig interpretiert werden muss und zum anderen der Zufluss der Gegenleistung in das Vermögen der Schuldnerin erforderlich ist. Diesen Anforderungen wird die Besicherung eines Gesellschafterdarlehens gerecht. Die Sicherheitenbestellung stellt eine Leistung des Schuldners, und die Auszahlung der Darlehensvaluta durch den Gesellschafter eine Gegenleistung dar, die dem Vermögen der Schuldnerin unmittelbar zufließt.190 Im Übrigen ist es seit jeher anerkannt, dass außerhalb des Gesellschafterdarlehensrechts die Darlehensgewährung durch einen neutralen Dritten gegen Sicherheit unproblematisch die Anforderungen an ein Bargeschäft erfüllt.191 Dass aber auf Seiten des Darle187 Mylich, ZHR 2012, 547, 571 f.; ders., ZIP 2013, 2444, 2449; demgegenüber befürwortet Scholz-GmbHG/Bitter, § 13 GmbHG Rn. 143 ff. seit jeher eine Durchgriffshaftung auf die Gesellschafter für materiell unterkapitalisierte Gesellschaften. 188 Ähnlich Bitter, ZIP 2013, 1497, 1507. 189 Bertram, Durchsetzbarkeit von Sicherheiten, S. 209. 190 K/P/B/Bartels, § 142 InsO Rn. 35; Bertram, Durchsetzbarkeit von Sicherheiten, S. 207; vgl. auch BGH ZIP 2010, 739, 740. 191 BGH NJW 1955, 709 (2. LS); NJW 1977, 718; NJW 1998, 2592, 2597; NZI 2010, 339, 340; MAH-InsO/Bornheimer/Westkamp, § 29 Rn. 183 ff.; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142

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hensgebers kein außerhalb der Gesellschaft stehender Dritter auftritt, sondern ein Gesellschafter, wirkt sich auf das Tatbestandsmerkmal des Leistungsaustausches nicht aus. b) Rechtsgeschäftliche Verknüpfung von Darlehensgewährung und Sicherheitenbestellung Bei einem „klassischen“ Darlehensvertrag ist die synallagmatische Gegenleistung die Zahlung von Zinsen. Insoweit könnte im Hinblick auf die Privilegierung von Sicherheiten das typische Erscheinungsbild eines Darlehensvertrags möglicherweise gegen eine Anwendung von § 142 InsO sprechen, da Sicherung und Darlehen regelmäßig nicht miteinander synallagmatisch verknüpft sind.192 Es wurde allerdings ebenfalls bereits festgestellt, dass für die (rechtsgeschäftliche) Verknüpfung keine synallagmatische Verbindung erforderlich ist, sondern sich die Funktion dieses Tatbestandsmerkmals allein darin erschöpft, die zu vergleichenden Leistungen jeweils zuzuordnen. Die rechtsgeschäftliche Verknüpfung erfolgt über den Sicherungsvertrag, der diese Zuordnung der Leistungen ermöglicht.193 c) Gleichwertigkeit von Darlehensvaluta und Sicherheit Die Darlehensvaluta und der Wert der Sicherheit müssen gleichwertig sein. Die Gleichwertigkeit von Darlehen und Kreditsicherheit bemisst sich nach objektiven Maßstäben.194 Fraglich ist allerdings, wann speziell bei Kreditsicherheiten Gleichwertigkeit vorliegt. Denn anders als bei klassischen Austauschgeschäften sind Wert der Sicherheit und Wert der zu sichernden Forderung nicht identisch, da typischerweise Aufschläge zugunsten des Sicherungsgebers zugestanden werden, um die Kosten und Risiken der Verwertung einzupreisen. Grundsätzlich bemisst sich die zulässige Deckungsgrenze einer Sicherheit an dem Nominalwert der zu sichernden Forderung oder bei Waren am Markt- oder Börsenpreis, hilfsweise am Einkaufs- und Herstellungspreis.195 Die Deckungsgrenze wird allerdings von der Rechtsprechung durch zwei weitere Aspekte modifiziert. So wird dem Sicherungsnehmer zum einen pauschal ein Aufschlag in Höhe von 9 bzw. 10 % für die Verwertungskosten in der Insolvenz gemäß §§ 171 Abs. 1 S. 2, InsO Rn. 45; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 21; Mylich, ZHR 2012, 547, 567 f.; a. A. Altmeppen, ZIP 2013, 1745, 1749; Bangha-Szabo, ZIP 2013, 1058, 1061; Hölzle, ZIP 2013, 1992, 1997. 192 Die Sicherheitenbestellung ist lediglich ein Hilfsgeschäft, das zu der Kreditgewährung als Hauptgeschäft hinzutritt. Nur ausnahmsweise handelt es sich bei der Sicherheitenbestellung und der Kreditgewährung um einen gegenseitigen Vertrag i. S. d. §§ 320 ff. BGB, vgl. Schimansky/Bunte/Lwowski/Ganter, § 90 Rn. 2, 179 mit Verweis auf BGH NJW 1996, 55, 56. 193 Bertram, Durchsetzbarkeit von Sicherheiten, S. 211. 194 Bertram, Durchsetzbarkeit von Sicherheiten, S. 210. 195 BeckOGK/Lieder, § 398 BGB Rn. 248; vgl. auch Tetzlaff, ZIP 2003, 1826, 1828.

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Teil 2: Praxisrelevante Anwendungsfälle des § 142 InsO

Abs. 2 S. 1 InsO gewährt. Zum anderen wird die Deckungsgrenze analog zu § 237 S. 1 BGB mit 150 % des Nominalwerts angesetzt.196 § 237 S. 1 BGB trägt dabei dem Gedanken Rechnung, dass sich der objektive Wert einer Sache bei der Verwertung regelmäßig nicht erzielen lässt.197 Diese abstrakt-generelle Bemessung der Deckungsgrenze stellt dabei jedoch nur eine Vermutungsregel dar, die im Einzelfall durch den Nachweis eines höheren Ausfallrisikos oder einer höheren Werthaltigkeit korrigiert werden kann. Dadurch kann sich die Deckungsgrenze auf bis zu 200 % erhöhen oder sich bis auf 110 % der zu sichernden Forderung reduzieren.198 Die Gewährung von Risikozuschlägen überzeugt im Falle von Gesellschaftersicherheiten nur partiell. Denn der Gesellschafter als Sicherungsnehmer ist nicht in gleichem Maße wie externe Sicherungsgeber von Verwertungsrisiken betroffen. Zudem erscheint es geboten, die Deckungsgrenze niedriger anzusetzen, um etwaigen Missbrauchsgefahren vorzubeugen. Andernfalls bestünde jedenfalls ein deutlicher Anreiz für den Gesellschafter, „kurz vor Toresschluss“ mithilfe eines besicherten Darlehens Sicherungsgut im Wert von 150 – 200 % der Darlehensvaluta aus dem Gesellschaftsvermögen abzuziehen. Eine interessengerechte Lösung wäre daher, wenn die zulässige Deckungsobergrenze im Falle von Gesellschafterdarlehen stets bei 110 % der zu sichernden Forderung angesetzt bzw. dem Gesellschafter die Möglichkeit der Darlegung eines höheren Verwertungsrisikos nicht zugestanden würde. Dann könnte der Gesellschafter zwar immer noch die pauschalen Verwertungsgebühren in Höhe von 9 bzw. 10 % in Rechnung stellen, allerdings keine sonstigen Verwertungsrisiken einpreisen.199 So verstanden ergäbe sich ein interessengerechter Kompromiss zwischen dem Finanzierungsbedürfnis der schuldnerischen Gesellschaft, dem finanzierungsbereiten Gesellschafter und der Gläubigergesamtheit, die an einer möglichst günstigen Finanzierung und der Vorbeugung von Missbrauchsgefahren interessiert ist. d) Unmittelbarkeit zwischen Auszahlung der Darlehensvaluta und der Sicherheitenbestellung Zuletzt muss zwischen der Darlehensgewährung und der Sicherheitenbestellung ein enger zeitlicher Zusammenhang bestehen. Nach den Ausführungen zur Unmit-

196 BGH NJW 1998, 671, 676; Baums/Baums, § 33 Rn. 61; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 45; MüKo-InsO/Kirchhof/Piekenbrock, § 142 InsO Rn. 21; BeckOGK/Lieder, § 398 BGB Rn. 248; HmbK-InsO/Rogge/Leptien, § 142 InsO Rn. 27; BeckOK-BGB/Rohe, § 398 BGB Rn. 21; Wallner/Neuenhahn, NZI 2006, 553, 558. 197 BeckOGK/Bach, § 237 BGB Rn. 4. 198 BeckOGK/Lieder, § 398 BGB Rn. 249. 199 Vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtsprechung des BGH, die eine bargeschäftliche Privilegierung anfänglicher Sicherheiten ablehnt, geht Mylich, ZIP 2019, 2233, 2239 davon aus, dass dem darlehensgebenden Gesellschafter jedenfalls Risikozinsen zugestanden werden müssten.

B. Besicherung von Gesellschafterdarlehen

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telbarkeit kann grundsätzlich von einer 30-tägigen Frist ausgegangen werden.200 In Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH zu Kontokorrentverrechnungen kommt im Einzelfall gegebenenfalls auch eine kürzere Frist von rund zwei Wochen in Betracht. Allgemeingültige Kriterien lassen sich dabei allerdings nicht formulieren, sodass die Beurteilung letztlich der tatrichterlichen Würdigung überlassen bleiben muss. Etwaige Verzögerungen, die allein auf neutrale Dritte zurückzuführen sind, bleiben dabei unberücksichtigt.201 Entscheidend ist allein, dass die Schuldnerin als Sicherungsgeberin und der Gesellschafter als Darlehensgeber innerhalb des relevanten Zeitraums alle erforderlichen Handlungen für die jeweiligen Leistungen vorgenommen haben. e) Vorsatzanfechtung und erkannte Unlauterkeit Die Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 – 3 InsO und die vom Gesellschafter erkannte Unlauterkeit kann der bargeschäftlichen Privilegierung einer anfänglichen Sicherheitenbestellung entgegenstehen. Die Vorsatzanfechtung rückt dabei vor allem wegen der Insiderstellung des Gesellschafters in den Fokus. Gewährt die Gesellschaft ihrem Gesellschafter eine Sicherheit allein mit dem Ziel, das Sicherungsgut einer späteren Verwertung durch die Gläubigergesamtheit zu entziehen, dürften die Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 InsO vorliegen. Zusätzlich müsste die Schuldnerin aber auch unlauter gehandelt haben. Nach den oben aufgestellten Kriterien ist die Unlauterkeit im Regelfall jedoch nicht anzunehmen. Denn im Falle einer gleichwertigen Besicherung kann der schuldnerischen Gesellschaft kein rücksichtsloses und verschwenderisches Verhalten vorgeworfen werden. Die Gegenleistung in Form von Liquidität ist vielmehr nützlich für die Masse und nicht betriebsfremd.202 Nach Maßgabe der Gesetzesbegründung könnte aber unlauteres Verhalten dann anzunehmen sein, wenn die Sicherheit an Betriebsvermögen bestellt wurde, das für die Aufrechterhaltung des Betriebs unverzichtbar ist. Ausweislich der Gesetzesbegründung ist das Abstoßen von unverzichtbarem Betriebsvermögen ein Musterbeispiel für unlauteres Verhalten.203 Ohne Weiteres kann aber auch für diesen Fall keine Unlauterkeit angenommen werden. Denn der Verweis des Gesetzgebers auf das Abstoßen von Betriebsvermögen bezieht sich offensichtlich darauf, dass jenes Vermögen nicht mehr zur Fortführung des Geschäftsbetriebes genutzt werden kann, und deshalb der Betrieb nur noch unter erschwerten Bedingungen oder gar nicht mehr fortgeführt werden kann. Das leuchtet völlig ein, denn alles andere stünde im Widerspruch zur ratio legis des § 142 Abs. 1 InsO, der ja gerade die Fortführung des 200 Deutlich großzügiger bei Braun-InsO/Riggert, § 142 InsO Rn. 19, der bei Sicherheitenbestellungen einen Zeitraum von vier Monaten noch als zulässig erachtet. 201 Vgl. oben Teil 1, E. IV. 2. a) bb) (1), S. 99 ff. 202 Siehe oben Teil 1, E. V. 1., S. 113 ff. 203 BT-Drucks. 18/7054, S. 19.

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Teil 2: Praxisrelevante Anwendungsfälle des § 142 InsO

Geschäftsbetriebes ermöglichen soll. Die Bestellung einer Sicherheit an unverzichtbarem Betriebsvermögen ist allerdings nicht mit einem Abstoßen gleichzusetzen, weil eine Sicherheit typischerweise für den Insolvenzfall bestellt wird, und daher die Schuldnerin bis dahin das Sicherungsgut ganz unproblematisch zur Fortführung ihres Geschäftsbetriebes weiter nutzen kann. Demzufolge können auch Sicherheiten an unverzichtbarem Betriebsvermögen bestellt werden, ohne dass dies automatisch unlauteres Verhalten begründen würde. Im Grundsatz ist also die Besicherung eines Gesellschafterdarlehens nicht unlauter. Gleichwohl erscheinen derartige Rechtsgeschäfte umso verdächtiger, je näher diese zur Insolvenzantragstellung erfolgen. In Anlehnung an § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO erscheint es daher interessengerecht, unlauteres Verhalten jedenfalls dann in Betracht zu ziehen, wenn im letzten Jahr vor der Antragstellung die Sicherheit gegen die Darlehensgewährung bestellt wurde. Dann erscheint es naheliegend, dass Gesellschaft und Gesellschafter „kurz vor Toresschluss“ den Überlebenskampf der Gesellschaft künstlich zulasten der Gläubigergesamtheit und zum Preis einer werthaltigen Sicherheit hinauszögern. Ein solches Verhalten wäre dann nach den oben aufgestellten Grundsätzen verschwenderisch und damit unlauter. Damit würde auch der Befürchtung des BGH begegnet, dass sich der Gesellschafter innerhalb des kritischen Zeitraums des § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO eine Sicherheit bestellen lässt und sie in unmittelbarer Nähe zur Ausreichung der Darlehensvaluta verwertet.204 Folglich kann die Gewährung einer Sicherheit im letzten Jahr vor der Antragstellung ein Indiz für unlauteres Verhalten darstellen. Will der Gesellschafter seine Gesellschaft der prekären Lage zum Trotz finanzieren, dann obliegt ihm im späteren Anfechtungsprozess der Nachweis, dass die Hoffnung auf einen nachhaltigen Sanierungserfolg begründet und daher die Sicherheitenbestellung durch die Gesellschaft zu seinen Gunsten nicht unlauter war. Im Regelfall wird man aber so kurz vor der Antragstellung von ihm erwarten, dass er entweder die Liquidation seiner Gesellschaft vorantreibt oder aber sein finanzielles Engagement in Form von Eigenkapital oder ungesichertem Fremdkapital erbringt – nicht aber auf Kosten der Gläubiger zum Preis einer Sicherheit. Das Ergebnis wäre dann, dass im letzten Jahr vor Antragstellung die Sicherheitenverwertung stets und die anfängliche Sicherheitenbestellung regelmäßig aufgrund der Unlauterkeit der Schuldnerin anfechtbar wäre. Länger als ein Jahr vor der Antragstellung könnte der Gesellschafter aber unter den Voraussetzungen des § 142 Abs. 1 InsO für seine Darlehensgewährung eine anfechtungsfeste Sicherheit erlangen. Das befürchtete Missbrauchspotenzial einer solchen Sicherungsmöglichkeit in dem beschriebenen Umfang wäre im Übrigen überschaubar, da nach der hier befürworteten Lösung der Gesellschafter lediglich die Verwertungspauschale von 10 % auf die Deckungsgrenze einpreisen dürfte, nicht aber sonstige Verwertungsrisiken wie die Werthaltigkeit der Sicherheit oder ein erhöhtes Ausfallrisiko. Einzige Umgehungsmöglichkeit wäre dann, gezielt den Wert der Sicherheit geringer anzusetzen, 204

BGH ZIP 2019, 666, 672.

B. Besicherung von Gesellschafterdarlehen

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damit der Gesellschafter in wirtschaftlich schwierigen Zeiten zu einem guten Preis die Sicherheit erwerben könnte. Das wäre dann aber weniger ein Problem der erkannten Unlauterkeit, sondern eins der Gleichwertigkeit von Sicherheit und Darlehensvaluta, für die der Gesellschafter beweisbelastet ist. 3. Exkurs: COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz Nach der hier vertretenen Auffassung können also anfängliche Besicherungen von Gesellschafterdarlehen bargeschäftlich privilegiert und somit der Anfechtung entzogen sein. Fraglich ist, ob dieses Ergebnis auch mit dem im Frühjahr 2020 verabschiedeten Gesetzespaket zur Abmilderung der wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie vereinbar ist. Wie sich zeigen wird, ist das der Fall. Die Ausbreitung des neuartigen SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) im Winter 2019/20 hat erhebliche negative Auswirkungen auf das öffentliche Leben und zeitigt bereits jetzt gravierende wirtschaftliche Folgen, deren Ausmaß zum Zeitpunkt der Erstellung dieser Arbeit noch nicht absehbar sind. Das Statistische Bundesamt hat in seiner Pressekonferenz und Schnellmeldung vom 15. Mai 2020 mitgeteilt, dass das Bruttoinlandsprodukt im 1. Quartal 2020 gegenüber dem 4. Quartal 2019 – preis-, saison- und kalenderbereinigt – um 2,2 % gesunken ist. Das sei der stärkste Rückgang seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 und der zweitstärkste Rückgang seit der deutschen Wiedervereinigung, sodass sich die Auswirkungen der Pandemie bereits für das 1. Quartal 2020 als gravierend darstellten.205 Insgesamt ist das Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2020 sogar um 5,0 % gesunken.206 In Anbetracht dieser historischen Herausforderung hat der Bundestag in kürzester Zeit am 25. 03. 2020 ein Maßnahmenpaket verabschiedet, um den bereits eingetretenen und noch zu erwartenden wirtschaftlichen Folgen der COVID-19-Pandemie entgegenzuwirken.207 Das „Gesetz zur Abmilderung der Folgen der COVID-19Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht“ enthält dabei allen voran auch Regelungen das Insolvenzrecht betreffend, die im „Gesetz zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht und zur Begrenzung der Organhaftung bei einer durch die COVID-19-Pandemie bedingten Insolvenz“ (COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetz – COVInsAG) gebündelt wurden.208 Das Herzstück des Gesetzes ist § 1 S. 1 COVInsAG, demzufolge die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags nach § 15a InsO und nach § 42 Abs. 2 BGB zunächst bis zum 30. September 2020 ausgesetzt ist, wobei die Frist durch das Gesetz zur Änderung des COVID-19-Insolvenzaussetzungsgesetzes für überschuldete Unternehmen 205 206 207 208

Pressemitteilung Nr. 169 des Statistischen Bundesamts vom 15. 05. 2020. Pressemitteilung 020/21 des Statistischen Bundesamt vom 14. 01. 2021. BT-Drucks. 19/18110, S. 1 f. Gesetz vom 27. 03. 2020, BGBl. I Nr. 14, S. 569.

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Teil 2: Praxisrelevante Anwendungsfälle des § 142 InsO

nachträglich zunächst bis zum 31. Dezember 2020209, dann bis zum 31. 01. 2021210 und schließlich im Rahmen des SanInsFoG bis zum 30. April 2021211 verlängert wurde.212 Nach § 1 S. 2 COVInsAG gilt die Aussetzung der Antragspflicht allerdings dann nicht, wenn die Insolvenzreife nicht auf den Folgen der Ausbreitung der COVID-19Pandemie beruht oder wenn keine Aussichten existieren, eine bestehende Zahlungsunfähigkeit zu beseitigen. S. 3 enthält zudem eine Stichtagsregelung, der zufolge vermutet wird, dass die Insolvenzreife auf den Auswirkungen der COVID-19Pandemie beruht, und Aussichten auf die Beseitigung einer bestehenden Zahlungsunfähigkeit bestehen, wenn die Schuldnerin am 31. Dezember 2019 noch nicht zahlungsunfähig war.213 Nach § 2 COVInsAG sind an die vorübergehende Aussetzung der Insolvenzantragspflicht verschiedene weitere Regelungen gekoppelt: So gelten gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 COVInsAG Zahlungen – soweit nach § 1 die Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrags ausgesetzt ist –, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, als mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters im Sinne des § 64 S. 2 GmbHG a. F. bzw. § 15b Abs. 2 InsO vereinbar. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 1 COVInsAG gilt die bis zum 30. September 2023 erfolgende Rückgewähr eines im Aussetzungszeitraum gewährten neuen Kredits sowie die im Aussetzungszeitraum erfolgte Bestellung von Sicherheiten zur Absicherung solcher Kredite als nicht gläubigerbenachteiligend. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 COVInsAG gilt dies auch für die Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen und Zahlungen auf Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, nicht aber deren Besicherung. Zudem findet gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 3 COVInsAG der Rangrücktritt für Gesellschafterdarlehensrückzahlungsforderungen gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO keine Anwendung in Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin, die bis zum 30. September 2023 beantragt wurden. Ausweislich der Gesetzesbegründung sollen die Regelungen Anreize schaffen, den von der COVID-19-Pandemie betroffenen Unternehmen neue Liquidität zuzuführen und die Geschäftsbeziehungen mit diesen aufrecht zu erhalten.214 Die derzeitigen Unsicherheiten erschwerten die Erstellung verlässlicher Prognosen und Planungen, auf welche sich die Vergabe von Sanierungskrediten stützen könnte, sodass die Sanierungskreditvergabe mit Haftungs- und Anfechtungsrisiken verbunden sei, welche die Bereitschaft zur Kreditvergabe hemmten. Schließlich be209

Gesetz vom 25. 09. 2020, BGBl. I Nr. 43, S. 2016 Gesetz vom 22. 12. 2020, BGBl. I Nr. 66, S. 3256. 211 BT-Drucks. 19/26245, S. 4. 212 Vgl. zur Entstehungsgeschichte auch COVInsAG/Kuleisa/Denkhaus/Schmidt, § 1 Rn. 1 ff. 213 Vgl. auch die Übersichten bei Ganter, NZI 2020, 1017 ff.; Hölzle/Schulenberg, ZIP 2020, 633, 634 ff.; Thole, ZIP 2020, 650. 214 BT-Drucks. 19/18110, S. 5. 210

B. Besicherung von Gesellschafterdarlehen

169

stünde bei eingetretener Insolvenzreife das erhöhte Risiko, dass Gläubiger und Vertragspartner der Schuldnerin erhaltene Leistungen und Zahlungen in einem späteren Insolvenzverfahren infolge einer Insolvenzanfechtung wieder herausgeben müssten. Das könnte aber die Aufrechterhaltung von Geschäftsbeziehungen zur Schuldnerin gefährden. Vor diesem Hintergrund verfolge das Gesetz das Ziel, die Fortführung von Unternehmen zu ermöglichen und zu erleichtern, die infolge der Pandemie insolvent geworden sind oder wirtschaftliche Schwierigkeiten haben.215 Dieses Ziel werde vor allem durch die Privilegierung von Kreditgebern gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG erreicht. Sie sollen nicht befürchten müssen, zur Rückgewähr zwischenzeitlich erhaltener Leistungen verpflichtet zu werden oder den Zugriff auf die bei der Vergabe neuer Kredite gewährten Sicherheiten zu verlieren, wenn die Bemühungen um eine Rettung des schuldnerischen Unternehmens scheitern sollten, und deshalb doch ein Insolvenzverfahren eröffnet wird.216 Dasselbe gelte auch für Gesellschafter. Diese würden in gleichem Maße wie Drittfinanzierer geschützt, sodass auch für Gesellschafter ein Anreiz bestünde, dem eigenen Unternehmen in der Krise Liquidität in Form von Gesellschafterdarlehen zuzuführen. Von der Schuldnerin erbrachte Rückzahlungen seien daher gleichermaßen als nicht gläubigerbenachteiligend im Sinne des § 129 Abs. 1 InsO anzusehen und somit in einem später eröffneten Insolvenzverfahren nicht anfechtbar.217 Einziger Unterschied zu außenstehenden Darlehensgebern sei allerdings, dass Sicherheitenbestellungen zugunsten der Gesellschafter nicht privilegiert würden. Somit bliebe auch § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO anwendbar.218 Das COVInsAG wirkt sich demzufolge auch auf die Rückführung und Besicherung von Gesellschafterdarlehen aus und wird damit möglicherweise für die spezielle Frage nach einer bargeschäftlichen Privilegierung anfänglicher Sicherheiten von Gesellschafterdarlehensrückforderungen relevant. Es stellt sich vor allem die Frage, ob die Übergangsregelungen des COVInsAG dem zuvor gefundenen Ergebnis, dass anfängliche Besicherungen Bargeschäfte darstellen können, entgegenstehen oder gar widersprechen. In der Gesetzesbegründung finden sich keine näheren Ausführungen dazu, warum Gesellschaftersicherheiten im Gegensatz zur Rückgewähr von Krediten auch in COVID-19 bedingten Insolvenzen einem konsequenten Anfechtungsregime unterliegen. Es ließe sich daher annehmen, der COVInsAG-Gesetzgeber habe generell Vorbehalte gegenüber Sicherheitenbestellungen zugunsten von Gesellschaftern, was schlussendlich gegen die zuvor befürwortete Anwendung des § 142 Abs. 1 InsO auf anfängliche Gesellschaftersicherheiten sprechen könnte. Das ist jedoch nicht der Fall. Denn § 2 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 COVInsAG bezieht sich allein auf nachträgliche Sicherheitenbestellungen, nicht aber auf anfängliche. Somit 215 216 217 218

BT-Drucks. 19/18110, S. 17. BT-Drucks. 19/18110, S. 23 f. Vgl. BT-Drucks. 19/18110, S. 24; Thole, ZIP 2020, 650, 655. BT-Drucks. 19/18110, S. 24.

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Teil 2: Praxisrelevante Anwendungsfälle des § 142 InsO

bleibt auch nach den Regelungen des COVInsAG eine bargeschäftliche Privilegierung anfänglicher Sicherheiten in der oben beschriebenen Weise möglich.219 Das ergibt sich sowohl aus teleologischen als auch aus gesetzessystematischen Erwägungen: § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG soll Anreize schaffen, um die in die Krise geratene Gesellschaft fortgesetzt zu finanzieren und bezweckt die Ermöglichung eines risikofreien Liquiditätszuflusses.220 Das Kreditengagement gegenüber einer aufgrund der COVID-19-Pandemie ins Straucheln geratenen Gesellschaft soll nicht der strengen Anfechtung gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO unterliegen, da andernfalls kaum ein Gesellschafter zur Finanzierung bereit wäre. Daher soll die Rückführung eines Gesellschafterdarlehens schon nicht als gläubigerbenachteiligend gemäß § 129 Abs. 1 InsO gewertet werden. Der Rückzahlung die objektive Gläubigerbenachteiligung gesetzlich abzusprechen und dadurch die Anfechtung auszuschließen, war dabei gesetzestechnisch insoweit alternativlos, als dass eine Anwendung des Bargeschäftsprivilegs auf die Darlehensrückzahlung in jedem Fall ausscheidet. Denn die Rückzahlung stellt unter keinen Umständen eine unmittelbare Gegenleistung für die Darlehensgewährung dar.221 Soll also die Rückführung von Darlehen von der Anfechtung ausgenommen werden, um dadurch Gesellschaftern Anreize zur Finanzierung zu geben, ist dies nur über den gewählten Weg möglich. Hinsichtlich der anfänglichen Sicherheitenbestellung bedurfte es demgegenüber einer derartigen Privilegierung nicht, denn eine solche kann – wie gezeigt – Gegenstand eines Bargeschäfts und damit von einer Anfechtung befreit sein.222 Die Klarstellung des Hs. 2 a. E., dass die Privilegierung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 COVInsAG nicht für Sicherheiten gilt, und diese damit weiterhin dem Grunde nach gläubigerbenachteiligend sind, ist daher allein dahingehend zu verstehen, dass Gesellschaftersicherheiten nicht pauschal, sondern nur unter den Voraussetzungen des § 142 Abs. 1 InsO privilegiert sein können. Da aber für die Anwendbarkeit des § 142 Abs. 1 InsO zwingend eine (mittelbare) Gläubigerbenachteiligung erforderlich ist,223 bedurfte es der Klarstellung, dass § 2 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 COVInsAG keine Anwendung auf Sicherheitenbestellungen findet, und Gesellschaftersicherheiten nach wie vor gläubigerbenachteiligend sind. So verstanden fügt sich die Regelung des § 2 Abs. 1 Nr. 2 Hs. 2 a. E. COVInsAG systematisch einwandfrei in das Regelungskonzept des § 142 Abs. 1 InsO ein. Zugleich ist über die Anwendung des § 142 Abs. 1 InsO gewährleistet, dass in Übereinstimmung mit dem COVInsAG-Gesetzgeber unter keinen Umständen nachträgliche Sicherheiten privilegiert werden. Denn 219 So auch Bitter, GmbHR 2020, 861, 870; a. A. COVInsAG/Schmidt/Morgen/Schröder/ Rogge/Leptien, § 2 Rn. 247 f. 220 Vgl. Bitter, GmbHR 2020, 861, 867. 221 BGH NZI 2013, 483, 485 mit Anm. Bangha-Szabo; NZI 2013, 816; OLG Celle ZInsO 2012, 2050, 2051; Uhlenbruck/Borries/Hirte, § 142 InsO Rn. 8; K. Schmidt/Ganter/Weinland, § 135 InsO Rn. 14. 222 Siehe oben Teil 2, B. IV. 1., S. 155 ff. 223 Siehe oben Teil 1, C. II. 2. d), S. 48 f.

B. Besicherung von Gesellschafterdarlehen

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nachträgliche Sicherheiten führen zu keinem Zufluss von Liquidität, sondern einzig und allein dazu, dass der Gläubigergesamtheit ein Verwertungsobjekt entzogen wird.224 Eine Privilegierung nachträglicher Sicherheiten stünde daher im Widerspruch zur gesetzgeberischen Zielsetzung, der in die Krise geratenen Gesellschaft Liquidität zu verschaffen. Demgegenüber befindet sich die bargeschäftliche Privilegierung anfänglicher Besicherungen, die von Gesellschaftern zur Bedingung eines Kreditengagements gemacht werden, ganz auf einer Linie mit der gesetzgeberischen Zielvorgabe des COVInsAG.225 Denn die Möglichkeit, das Kreditengagement von einer anfechtungsfesten, anfänglichen Sicherheit abhängig zu machen, bietet auch dem risikoaversen, langfristig agierenden Gesellschafter einen Anreiz, seine Gesellschaft in der derzeitigen Krise zu finanzieren. Während die Regelungen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 COVInsAG allein kurzfristige Überbrückungskredite erfassen, deren Rückzahlung bis zum 30. September 2023 erfolgt, bietet die Möglichkeit der anfänglichen (bargeschäftlichen) Besicherung von Gesellschafterdarlehen auch Anreiz für darüber hinausgehende Darlehensgewährungen. Die bargeschäftliche Privilegierung anfänglicher Besicherungen von Gesellschafterdarlehen einerseits und die zeitlich begrenzte Privilegierung der Rückführungen von Überbrückungskrediten andererseits komplementieren sich daher gegenseitig und führen zu einem angemessenen und effizienten Finanzierungssystem während der weltweiten Pandemie. Damit steht also das COVInsAG der bargeschäftlichen Privilegierung anfänglicher Sicherheiten nicht entgegen, sondern bestätigt die hier befürwortete Lösung sogar partiell. Eine Änderung im Hinblick auf die oben vertretenen Ergebnisse ergibt sich durch das COVInsAG lediglich in Bezug auf die Annahme unlauteren Verhaltens im Zusammenhang mit der Besicherung von Gesellschafterdarlehen. So wurde oben vertreten, dass die Besicherung im letzten Jahr vor der Insolvenzantragstellung ein Indiz für unlauteres Verhalten darstelle.226 Diese befürwortete indizielle Wirkung der zeitlichen Nähe einer besicherten Darlehensgewährung zur Antragstellung ist während des Geltungszeitraums des COVInsAG bis spätestens zum 30. September 2023 als suspendiert anzusehen, da andernfalls der intendierte Finanzierungsanreiz verloren ginge. Während der Geltung des COVInsAG kann der Insolvenzverwalter daher die Sicherheitengewährung zugunsten des kreditgebenden Gesellschafters nicht mit dem Hinweis anfechten, dass die Gesellschaft noch im selben Jahr Insolvenzantrag gestellt hat. Das ist allerdings allein auf die besonderen Umstände und Herausforderungen der COVID-19-Pandemie zurückzuführen. Jenseits des 30. September 2023 bleibt es bei dem Ergebnis, dass durch die besicherte Kreditfinanzierung „kurz vor Toresschluss“ der Überlebenskampf der Gesellschaft le-

224 225 226

Vgl. Klinck, Besondere Insolvenzanfechtung, S. 404. So auch Bitter, ZIP 2020, 685, 695; ders., GmbHR 2020, 861, 870. Siehe oben Teil 2, B. IV. 2. e), S. 165 ff.

172

Teil 2: Praxisrelevante Anwendungsfälle des § 142 InsO

diglich auf Kosten der Gläubigergesamtheit hinausgezögert wird, und insoweit verschwenderisches Verhalten im Sinne der Unlauterkeit in Rede steht.227 Zusammengefasst zeigt sich in Krisenzeiten wie diesen einmal mehr, dass die InsO flexible Finanzierungsmöglichkeiten zur Verfügung stellen muss, um die Auswirkungen unerwarteter Krisen abzumildern. Ein Baustein dieser erforderlichen Finanzierungsflexibilität ist dabei unter anderem auch die Gewährung eines Gesellschafterdarlehens gegen bargeschäftlich privilegierte anfängliche Sicherheiten.

V. Zusammenfassung Die anfängliche Besicherung eines Gesellschafterdarlehens im Sinne der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO steht einer Anwendung des Bargeschäftsprivilegs gemäß § 142 Abs. 1 InsO gegenüber offen und kann unter den weiteren Voraussetzungen der Anfechtung entzogen sein. Die zahlreichen von der Literatur und der Rechtsprechung vorgebrachten Argumente gegen eine Anwendbarkeit des § 142 Abs. 1 InsO auf den § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO überzeugen letztlich nicht. In tatbestandlicher Hinsicht gilt, dass bei der Höhe der Sicherheit keine Risikoaufschläge zulässig sind, sondern lediglich die Verwertungspauschale in Höhe von 9 – 10 % eingepreist werden darf. In zeitlicher Hinsicht ist ein Zeitraum von 30 Tagen zwischen der Auszahlung der Darlehensvaluta und der Gewährung der Sicherheit grundsätzlich als unmittelbar anzusehen. Verzögerungen durch die Bank oder das Grundbuchamt sind unschädlich. Lässt sich allerdings der Gesellschafter innerhalb des letzten Jahres vor Antragstellung eine Sicherheit bestellen, ist dies ein Indiz für unlauteres Verhalten mit der Folge, dass die Sicherheitenbestellung unter den weiteren Voraussetzungen des § 133 Abs. 1 InsO und bei entsprechender Kenntnis des Gesellschafters anfechtbar wäre. Dann erscheint es jedenfalls naheliegend, dass die Schuldnerin zum Nachteil der Gläubigergesamtheit und zugunsten des Gesellschafters letzte werthaltige Sicherheiten wegschaffen und den eigenen Überlebenskampf nur künstlich hinauszögern wollte. Jenseits der Jahresfrist ist eine Sicherheitenbestellung selbst an für die Betriebsführung unverzichtbarem Anlagevermögen möglich. Denn das vom Gesetzgeber erwogene Regelbeispiel des Abstoßens von Betriebsvermögen ist nicht vergleichbar mit dem Fall der Besicherung, weil bei letzterem die Schuldnerin das Betriebsvermögen fortgesetzt nutzen kann. Abgesehen davon ist unlauteres Verhalten bei der anfänglichen Besicherung eines Gesellschafterdarlehens aufgrund des Zuflusses der mindestens gleichwertigen Darlehensvaluta in der Regel nicht anzunehmen. Will der Insolvenzverwalter eine solche Sicherheitenbestellung dennoch anfechten, sollte daher der Schwerpunkt seines Vortrags nicht auf dem Nachweis der Unlauterkeit liegen, sondern vielmehr 227

Siehe oben Teil 2, B. IV. 2. e), S. 165 ff.

B. Besicherung von Gesellschafterdarlehen

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sollte er versuchen, die objektive Gleichwertigkeit von Sicherheit und Darlehensvaluta zu bestreiten, sodass die Anwendung des § 142 Abs. 1 InsO an der erforderlichen Gleichwertigkeit scheitert. Die Regelungen des COVInsAG stehen den Ergebnissen im Hinblick auf die Möglichkeit einer bargeschäftlichen Privilegierung der anfänglichen Besicherung von Gesellschafterdarlehen nicht entgegen. Lediglich die indizielle Wirkung einer Sicherheitenbestellung im letzten Jahr vor der Antragstellung für die Annahme unlauteren Verhaltens ist für den Geltungszeitraum des COVInsAG suspendiert.

Gesamtergebnis und Thesen Das Bargeschäftsprivileg gemäß § 142 InsO ist eine vielschichtige Vorschrift und in besonderem Maße von unbestimmten und damit auslegungsbedürftigen Tatbestandsmerkmalen geprägt, die eine Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall erschweren. Durch das Gesetz zur Verbesserung der Rechtssicherheit bei Anfechtungen nach der Insolvenzordnung und nach dem Anfechtungsgesetz vom 29. März 2017 hat sich daran nicht nur nichts geändert, sondern es sind vielmehr weitere Fragen hinzugekommen. Eine Besonderheit des Bargeschäftsprivilegs ist, dass es seinem Sinn und Zweck in der Praxis erst dann vollumfänglich gerecht werden kann, wenn verschiedenen (divergierenden) Interessen Genüge getan wird. Die derzeitige Rechtspraxis wird dieser Vielschichtigkeit oftmals nicht gerecht. Aus der Analyse der Vorschrift des § 142 InsO ergeben sich folgende Thesen als Gesamtergebnis dieser Arbeit: 1.

Das Bargeschäft gemäß § 142 InsO zeitigt ex ante und ex post unterschiedliche Rechtswirkungen, die entscheidend für ein sachgerechtes Normverständnis sind. Seine konkrete Regelungsanordnung entfaltet § 142 InsO erst ex post im Anfechtungsprozess, indem die Anfechtung gegenüber dem Bargeschäftsgläubiger ausgeschlossen wird. Daneben entfaltet § 142 Abs. 1 InsO aber vor allem rechtstatsächliche Wirkungen ex ante, noch bevor die materielle Krise des Schuldners eingetreten ist. Der durch § 142 InsO vermittelte Anfechtungsschutz beeinflusst das Verhalten potenzieller Vertragspartner im Vorfeld des Vertragsschlusses, sodass diese den Vertragsschluss mit dem Schuldner nicht zu scheuen brauchen.

2.

Die ratio legis des § 142 InsO ist zunächst in der Ermöglichung der fortgesetzten Teilnahme des Schuldners am Geschäftsverkehr zu sehen, bis das Insolvenzgericht final über die Verfahrenseröffnung entschieden hat. Insoweit kommt dem § 142 InsO eine schuldnerschützende Dimension zu. Im Schuldnerschutz erschöpft sich die ratio legis allerdings nicht. Denn darüber hinaus dient das Bargeschäftsprivileg originär der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung, indem das schuldnerische Unternehmen und dessen wirtschaftlicher status quo gesichert, mit anderen Worten das Unternehmen wirtschaftlich „konserviert“ wird. Der mit der sofortigen Stilllegung einhergehende Wertverlust wird vermieden und Sanierungschancen können bewahrt werden. Pauschale Masseschutzerwägungen gegen eine Anwendung des Bargeschäftsprivilegs und zum Wohle

Gesamtergebnis und Thesen

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einer extensiven Anfechtungspraxis verlieren dadurch entscheidend an Überzeugungskraft. 3.

Die ratio legis kann nur dadurch effektiv erreicht werden, dass potenzielle Vertragspartner ex ante, also bereits im Vorfeld des Vertragsschlusses, umfassend vor einer späteren Anfechtung geschützt werden. Dieser erforderliche Schutz wird durch ein Zusammenspiel zwischen dem § 142 Abs. 1 InsO mit der anfechtungsrechtlichen Rahmenvorschrift des § 129 Abs. 1 InsO gewährleistet. Durch die Erbringung objektiv gleichwertiger Gegenleistungen kann sich der Vertragspartner zunächst vor einer Anfechtung wegen einer unmittelbaren Gläubigerbenachteiligung schützen. Erbringt er zusätzlich die Leistung innerhalb eines kurzen Zeitraums im Sinne der Unmittelbarkeit, ist er nach der Rechtsanordnung des § 142 Abs. 1 InsO auch vor mittelbaren Benachteiligungen geschützt, auf die er typischerweise keinen Einfluss hat.

4.

Das Bargeschäftsprivileg schließt entgegen der h. M. nicht nur die Kongruenzanfechtung gemäß § 130 Abs. 1 Nr. 1 – 2 InsO aus, sondern auch die Inkongruenzanfechtung gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 – 3 InsO, sofern die Inkongruenz nicht auf fehlender Gleichwertigkeit beruht. Das Erfordernis einer rechtsgeschäftlichen Verknüpfung („für die“) dient lediglich der Zuordnung der auf ihre Gleichwertigkeit zu vergleichenden Leistungen. Eine darüber hinausgehende Funktion kann ihr nicht beigemessen werden. Insbesondere führt sie nicht dazu, dass inkongruente Deckungsgeschäfte im Sinne des § 131 InsO keine Bargeschäfte darstellen könnten.

5.

Das Tatbestandsmerkmal des Leistungsaustauschs erfordert, dass die Gegenleistung dem Vermögen des Schuldners auch tatsächlich zufließen muss, damit der Schuldner mit der Gegenleistung wirtschaften kann. Die bloße Tilgung von Verbindlichkeiten reicht daher nicht aus. Eine bestimmte Beschaffenheit der Gegenleistung ist nicht erforderlich, sodass auch unverwertbare Gegenleistungen wie Dienstleistungen Gegenstand eines Bargeschäfts sein können.

6.

Erst das Tatbestandsmerkmal der Gleichwertigkeit gewährleistet, dass durch die Abwicklung von Bargeschäften der wirtschaftliche status quo gesichert wird, und Bargeschäfte nicht von vornherein auf Kosten der Gläubigergesamtheit gehen. Für die Gleichwertigkeit ist nicht erforderlich, dass die Gegenleistung einer Verwertung durch die Gläubiger offensteht oder den Gläubigern in anderer Weise nützlich ist. Auch Gegenleistungen, die der Masse schlussendlich nichts genützt haben, können gleichwertig sein, sodass insbesondere erfolglose Sanierungsberatungsleistungen gleichwertige Gegenleistungen im Sinne des § 142 Abs. 1 InsO darstellen können.

7.

Das Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit gewährleistet, dass der Schuldner die Gegenleistung zügig erhält und sofort mit dieser fortgesetzt wirtschaften kann. Durch das Erfordernis dieser zügigen Leistungsabwicklung wird der Liquiditätsfluss aufrechterhalten. Dadurch stellen sich auch Vorleistungen des Schuldners regelmäßig als ungefährlich dar, weil der Anfechtungsgegner darauf

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Gesamtergebnis und Thesen

bedacht sein wird, seine Gegenleistung schnellstmöglich zu erbringen. Zudem führt das Erfordernis des unmittelbaren Leistungsaustauschs zu einer inhaltlichen Konkretisierung privilegierungswürdiger Rechtsgeschäfte, ohne dass es einer langwierigen Auseinandersetzung über die Fortführungs- oder Sanierungstauglichkeit der Gegenleistung bedürfte. Die Unmittelbarkeit dient insoweit auch der Vereinfachung der Normanwendung. Entgegen der h. M. dient das Tatbestandsmerkmal der Unmittelbarkeit nicht der Abgrenzung zwischen Bargeschäft und Kreditgeschäft. 8.

Die konkrete Bestimmung des Unmittelbarkeitszeitraums hängt gemäß § 142 Abs. 2 S. 1 InsO von der Art der ausgetauschten Leistungen unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs ab. Zur Bestimmung des maßgeblichen Zeitraums kann grundsätzlich eine Orientierung an der 30-tägigen Verzugsvorschrift des § 286 Abs. 3 Hs. 1 BGB erfolgen. In einfach gelagerten Fällen, insbesondere bei Kaufverträgen über bewegliche Sachen, kann ausnahmsweise eine Frist von ein bis zwei Wochen sachgerecht sein. Bei der 30tägigen Frist handelt es sich grundsätzlich um eine Höchstfrist. Nur wenn der Vollzug des Leistungsaustauschs von der Mitwirkung neutraler Dritter abhängt, auf die weder Schuldner noch Gläubiger Einfluss haben, kann sich der maßgebliche Zeitraum verlängern.

9.

Der neu eingefügte § 142 Abs. 2 S. 2 InsO, demzufolge bei der Gewährung von Arbeitnehmerentgelt ein enger zeitlicher Zusammenhang selbst dann noch gegeben ist, wenn der Zeitraum zwischen Arbeitsleistung und Vergütung keine drei Monate übersteigt, ist eine Ausnahmeregelung, die nicht auf andere Fallkonstellationen übertragen werden kann. Der ebenfalls neu eingefügte Satz 3, demzufolge die Gewährung von Arbeitsentgelt durch einen Dritten nach § 267 BGB der Gewährung durch den Schuldner gleichsteht, sofern dies für den Arbeitnehmer nicht erkennbar war, wird den intendierten Arbeitnehmerschutz oftmals verfehlen, da er die praktisch häufig anzutreffende Doppel- bzw. Konzerninsolvenz unberücksichtigt lässt.

10. Die äußerste Grenze des § 142 Abs. 1 InsO bildet die Vorsatzanfechtung gemäß § 133 Abs. 1 – 3 InsO und die vom Anfechtungsgegner erkannte Unlauterkeit des Schuldners. Aus der Gesetzesbegründung und den Musterbeispielen für unlauteres Verhalten ergibt sich, dass der Gesetzgeber – über die bloße Verlustträchtigkeit hinausgehend – primär verschwenderisches Verhalten des Schuldners im Blick hatte. Indizien für ein solches verschwenderisches Verhalten sind wiederum die fehlende Verwertbarkeit und die fehlende Betriebsbezogenheit der Gegenleistung. 11. Verrechnungen im Kontokorrent sind immer dann privilegierte Bargeschäfte, wenn die Bank in gleicher Höhe den Verfügungsrahmen des Schuldners offenhält, und dieser vom Schuldner auch tatsächlich in Anspruch genommen wird. Die Konstruktion einer kongruenten Deckung im Falle eines offenen und

Gesamtergebnis und Thesen

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nicht gekündigten Kontokorrentkredits ist überflüssig, da nach zutreffender Ansicht auch inkongruente Deckungen Bargeschäfte darstellen können. 12. Die anfängliche Besicherung von Gesellschafterdarlehen im Sinne der §§ 135 Abs. 1, 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO steht einer bargeschäftlichen Privilegierung grundsätzlich offen. Durch die Auszahlung der Darlehensvaluta erhält der Schuldner kostengünstig die dringend benötigte Liquidität, mithilfe derer er den Geschäftsbetrieb in der Krise aufrechterhalten und die Krise schließlich im besten Fall wieder überwinden kann. Das nützt auch den Gläubigern und deren bestmöglicher Befriedigung. Etwaige Missbrauchsgefahren halten sich dabei in Grenzen, da der Darlehensbetrag und die Sicherheit objektiv gleichwertig sein müssen, um die Voraussetzungen eines Bargeschäfts zu erfüllen. Risikoaufschläge sind dem Gesellschafter nicht zuzugestehen, sondern allein die Feststellungs- und Verwertungspauschale gemäß § 171 Abs. 1, 2 InsO. 13. Die Bestellung einer Sicherheit zugunsten des kreditgebenden Gesellschafters kann unlauter sein, wenn sie im letzten Jahr vor der Insolvenzantragstellung gewährt wurde. Ansonsten liegt unlauteres Verhalten nicht allein deshalb vor, weil die Sicherheit an für die Fortführung unverzichtbarem Betriebsvermögen bestellt wurde. 14. Die Regelungen des COVInsAG stehen den Ergebnissen im Hinblick auf die Möglichkeit einer bargeschäftlichen Privilegierung der anfänglichen Besicherung von Gesellschafterdarlehen nicht entgegen, sondern bestätigen diese partiell.

Literaturverzeichnis Anmerkungen: Wenn ein Werk in mehreren Auflagen Eingang in die Untersuchung fand, nehmen die Zitate in den Fußnoten stets auf die aktuellste Auflage Bezug, soweit nicht explizit eine frühere Auflage angegeben wird. Monographien werden regelmäßig mit abgekürztem Titel angeführt. Festschriften werden in den Fußnoten stets mit dem Nachnamen der Person angegeben, welcher das Werk gewidmet wurde. Vornamen von Autoren bzw. deren Anfangsbuchstaben werden in den Fußnoten nur dann mit aufgeführt, wenn wegen Identität der Nachnamen eine Verwechslungsgefahr mit anderen Autoren besteht. Adam, Roman F., Die Prozessführung des Insolvenzverwalters, in Deutsche Zeitschrift für Wirtschafts- und Insolvenzrecht 2006, S. 321 – 325 (zit. Adam, DZWIR 2006, 321). Ahrens, Martin/Gehrlein, Markus/Ringstmeier, Andreas (Hrsg.), Insolvenzrecht Kommentar, 4. Aufl., München 2020 (zit. A/G/R/Bearbeiter, § Rn.). Altmeppen, Holger, Das neue Recht der Gesellschafterdarlehen in der Praxis, in Neue Juristische Wochenschrift 2008, S. 3601 – 3607 (zit. Altmeppen, NJW 2008, 3601). Altmeppen, Holger, Zur Insolvenzanfechtung einer Gesellschaftersicherheit bei Doppelsicherung – Zugleich Besprechung OLG Hamm v. 29. 12. 2010 – I-8 U 85/10, ZIP 2011, 343, in Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2011, S. 741 – 749 (zit. Altmeppen, ZIP 2011, 741). Altmeppen, Holger, Überflüssigkeit der Anfechtung von Sicherheiten für Gesellschafterdarlehen, in Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht 2013, S. 441 – 444 (zit. Altmeppen, NZG 2013, 441). Altmeppen, Holger, Ist das besicherte Gesellschafterdarlehen im Insolvenzverfahren der Gesellschaft subordiniert oder privilegiert?, in Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2013, S. 1745 – 1752 (zit. Altmeppen, ZIP 2013, 1745). Altmeppen, Holger, Was bleibt von masseschmälernden Zahlungen?, in Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2015, S. 949 – 956 (zit. Altmeppen, ZIP 2015, 949). Altmeppen, Holger, Organhaftung für verbotene Zahlungen – Besprechung BGH v. 04. 07. 2017 – II ZR 319/15, in Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2017, S. 1833 – 1836 (zit. Altmeppen, ZIP 2017, 1833). Altmeppen, Holger, Ratio legis des Rechts der Gesellschafterdarlehen am Beispiel der Sicherheiten, in Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2019, S. 1985 – 1992 (zit. Altmeppen, ZIP 2019, 1985). Altmeppen, Holger, Neue und alte Irrtümer zur Dogmatik der Haftung masseschmälernder Zahlungen, in Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2020, S. 937 – 944 (zit. Altmeppen, ZIP 2020, 937).

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Stichwortverzeichnis Absonderung 43, 44, 130, 159 Aliud 57, 59, 60 Anfechtung, Prozess 17, 19, 41, 104, 111, 166 Anfechtung, Wirkung 32, 148 Anfechtung, Ziele 30, 42, 49, 160 Arbeitsentgelt 102, 106, 107, 109, 176 Befriedigungstauglichkeit 78, 79, 80, 85, 122 Berater, Sanierung 82, 116, 121 Beschaffenheit, Leistung 80, 86, 90, 103, 175 Betriebsaufspaltung 159 Betriebsvermögen 165, 166, 172, 177 „Biersteuerfall“ 43 „Brexit“ 159 Darlehensvaluta 161, 162, 163, 164, 166, 172, 177 Debet 126, 131, 133, 135, 138, 139, 140 Deckungsgrenze 163, 164, 166 Differenzmethode 35, 39 Doppelinsolvenz 109, 110 Druckzahlungen 111 Eigenkapitalersatzrecht 144, 157 Einzelbetrachtungslehre 46, 47, 124, 154 Erfüllungsgeschäft 22, 67, 92 Eröffnungsverfahren 25, 27, 88, 128, 129, 130 ESUG 15, 16, 25 Fälligkeit 60, 91, 107, 154 Finanzierungsentscheidung 146, 147, 158, 160 Finanzierungsfolgenverantwortung 143, 147, 158 Finanzierungsfreiheit 148, 160 Fortführungsinteresse 27 Fremdantrag 25

Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs 90, 98, 102, 107, 176 Gesamtumstände, Würdigung 23 Gewinnbeteiligung, variable 124 Girokonto 125, 126, 134 Gläubigerbenachteiligungsvorsatz 61, 120 Gläubigergleichbehandlung 27, 33, 34, 38, 55 Haftungsverwirklichung Handelsbräuche 103

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Indizien 23, 56, 61, 111, 112, 115, 121, 176 Informationsasymmetrie 32, 146 Insolvenz, materielle 22, 87, 117, 119 Insolvenzeröffnung, formelle 22 Insolvenzverschleppung 115, 117, 118, 119, 121 Kautelarjurist 17 Kettenreaktion, Schutz vor 20, 21, 24, 25, 26, 48, 71 Kongruenzvereinbarung 57, 58, 59, 60, 63 Konkurs 27 Kreditlinie 126, 131, 133, 134, 135, 137, 138, 140 Kreditvertrag 126, 133, 136 Lastschriftverfahren 105 Liquiditätsanalyse 23 Masseschutz 44, 46, 64, 86, 174 Masseverkürzung 35, 41, 126 MoMiG 144, 145, 146, 157, 158 „Mühlen“-Rechtsprechung 112, 121 Multifunktionalität 28 Ökonomische Analyse des Rechts

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Stichwortverzeichnis

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Pandemie 15, 155, 167, 168, 169, 170, 171 Par conditio creditorum 31, 32, 33, 34, 42, 51, 72, 98, 119, 146 Präventivfunktion 20 Prioritätsprinzip 31 Privatautonomie 54 Privatinsolvenz 20 Prozessrisiko 24

Tagesgeschäfte 21, 24, 72, 96 Tilgungsplan 161

Regelinsolvenzverfahren 15, 80 Risikobereitschaft 151, 153, 156, 161

Verbraucherinsolvenz 20 Verfügungsbefugnis 25, 31, 33, 129 Vermögensopfer, einseitig 37 Verpflichtungsgeschäft 29, 58, 65, 66, 67, 70, 92, 93

Saldierung 30, 39, 40, 44, 45, 46, 47, 49, 50 Saldo 125, 126, 127, 133, 134, 138 Sanierungskonzept 83, 84, 96, 116 Schadensersatz 17, 39, 40, 42, 43, 87 Schuldanerkenntnis, abstrakt 125, 126 Schuldversprechen, abstrakt 125, 130 StaRUG 16, 25 Stromversorger 41 Stundung 94

Überschuldung 19, 22, 31, 84, 87 Überziehungsmöglichkeit 126, 127, 131, 132 Unentgeltliche Leistung 111 Ungerechtfertigte Bereicherung 66

Zahlungseinstellung 23, 24 Zahlungsunfähigkeit 19, 22, 23, 24, 65, 84, 87, 89, 111, 117 Zahlungsverbote, gesellschaftsrechtliche 84, 86, 88, 89, 90, 118 Zahlungsweise 23, 111